PIERERS UNIVERSAL-
CONVERSATIONS-
LEXIKON: NEUESTES
ENCYCKLOPADISCHES
WÖRTERBUCH
ALLER...
als
——
BOUCHT WITH
THE INCOME PROM
THE BEQUEST OF
ICHABOD TUCKER,
OF SALEM, MASS.
(Class of 1791.)
Rierers
Univerjal-Gonverjationg- Lexikon,
Sechste, vollſtändig umgearbeitete Auflage.
Dritter Rand.
Baumpfähle — Brafilien.
\
—2
Digitized by Google
Pierers Univerfal-
Lonverlations-Lexikon.
— — —
Aeuestes encyklopädisches Wörterbuch
aller Wiſſenſchaften, Künſte und Gewerbe.
— ——— —
Sehste, vollſtändig umgearbeitete Auflage.
Mit zahlreichen Karten, Plänen und SZlluſtrationen.
— —
Dritter Band.
Baumpfühle — Braſilien.
> |
Oberhaufen und Teipzig.
Serlagsbudhandlung von Ad. Spaarmann.
1875
SIT TH
Ir A d eat.
Ale Rechte vorbehalten.
Drud von Ad. Spaarmann in Oberhaufen.
„BA-.
2.
Baumpfähle, Biähle, woran junge Bäume]
bunden werden, win dielelben gerade zu ziehen
gegen den Sturm zu ftügen. Die Spite der
. wird, damit fie länger dauern, gebramnt, ge-
ert oder imprägnirt. Die beiten B. find die
n Radelhölzern, Afazien, Eichen u. Kaftanien,
n wenigiten haltbar die von Buchen, Bisweilen
nd der Baum auch zwiſchen 2 etwas entfernt
bende Pfähle mit Stroh» oder Baftieilen be-
hat (Anlegen ins Gehänge).
Baumpflanzungen, j. u. Obitbäume.
Baumpilze (Bot.), Schwämme verichiedener
rt, weldhe aus kranfen Bäumen bervortommen.
ı gehören ſehr verichiedenen Gattungen an,
ımentfih aber den Gattungen Agarieus, Poly-
rus, Trametes, Daedalea, Thelephora, Exidia.
ecidium u. a. In manchen ‚Fällen it es zmweifel-
aft, ob der betr. Pilz geiunde Bäume frank macht,
d. ob der Pilz nur auf bereits Franken Bäumen fich
ut Erfolg entwideln kann. Dies gilt 3. B. von dem
‚underpilze (Polyporus formentarius Fr.), auf
Suhen, u.dem verwandten unechten Feuerſchwamm
P, igniarius Fr.), auf Beiden- u. Obftbäumen.
rär gewiffe Fälle aber iſt nachgewieſen, daß der
N; das Krankmachende ift, daß er ſelbſt ganz
lunde Bäume angreift u. allmählich tödtet.
2. d. betr. Artikel.
Baumreife (Obitb.), der Zeitpuntt, an welchem
as Obſt von den Bäumen zu nehmen ift, u.
r daran erfannt wird, menn viele geſunde
früdte abfallen u. die anderen fich leicht mit dent
Stel vom Baume löfen laffen; bei dem Winter-
bſte pflegt im mitt. u. nördl. Deutichland die)
8. jelten vor Anfang October vollftändig zu fein.
Baumroden, eine Art der Holziällung; f. d.
m I — f. u. Baumſchniit?
Baumſatz od. ſetzen, die Kunft, Bäume ver-
hiedener Art u. verfchiedenen Alters in fremden
Boden zu verpflanzen, Erfte Bedingung zum
zuten Gelingen ift die möglichfte Erhaltung der
Surzel, welche dabei micht länger als irgend
nothtg ans dem Boden gelaflen werden darf ır,
ın den Spiten glatt bejchnitten werden muß.
An der Pflanzftele wird, am beften ſchon einige
Zeit vorher, der Boden tief gelodert, gewöhnlich
ane Baumgrube ausgeworfen, deren Größe ſich
nad der Baumart, der Stärke des Stammes u,
ver Beſchaffenheit des Bodens zu richten bat,
mindeſtens follte fie 1m weit u. 60cm tief fein;
ie ſchwerer, fefter u. unfruchtbarer der Boben,
deſd weiter, tiefer u. forgfältiger muß fie vorger
ihtet werden; fie wird mit loderer, fruchtbarer
Erde, welche in der Qualität von der der Um—
gebung nicht zu fehr abweicht, angefüllt; die Ber-
wendung von Dünger,
Wenn der junge Baum angebunden werden foll,
jo wird zunächſt der Baumpfahl seit einge
Ihlagen, der an Wurzeln u. Krone beichnittene
Baum jo an denjelben geiegt, daß die Wurzeln
mar eben unter den Boden zu liegen fommen u,
der oberfte Theil derjelben auch ſpäter, wenn fich
die Baumgrube völlig geienft bat, nicht tiefer als
der umgebende Boden fih befindet; dann wird
gute lodere Erde zwiichen die Wurzeln gebracht,
welche dabei zugleich forgfältig auseinanderge-
zogen u. ausgebreitet werden; nah Bedürfniß
wird begoffen u. fchließlih der Boden janft an-
gedrüdt oder angetreten. Die Oberfläche der
geebneten Baumgruppe bildet die Baumicdeibe,
welche nad der Mitte etwas muldenförmig ver—
tieft wird; das Anbinden an den Baumpfahl darf
anfangs nur loder geicheben, damit ji der Baum
mit dem fich ſetzenden Boden jenfen fan. Die
beite Zeit zum B. ift vom Herbite bis zum Früh—
jahre, bei ichwerem, feuchtem Boden ift das Früh—
jahr vorzuziehen; immergrüne Bäume werden
mit günftigem Erfolge erft im Mai oder auch im
Auguft verpflanzt. Schwächere, geiunde Stämme
ertragen in der Regel das Berjegen am leichteiten
uw. holen oft in wenigen Jahren jtärfere verfette
ein; doch Hat man im neuerer Zeit auch ganze
Parfanlagen mit großen u. Heinen Bäumen bin—
nen furzer Zeit an Orte gezaubert, wo vorber
fein Baum zu ſehen war; als Beifpiel find der
berühmte Park des Fürften Pückler zu Muskau
in Schleſien u. aus der allerjüngften Zeit der
Bart des Commerzienraths Krupp zu Bredenen
ber Eifen in Rheinpreußen anzuführen. An let
terem Orte find ca. 500 ftarfe Bäume bis zu
1,,0 m Umfang gepflanzt u. mit ſehr wenigen
Ausnabmen gewachlen, obgleich fie zum Theil aus
beträchtlicher Entfernung herbeigebolt wurden. Es
werden dafür befonders conftruirte Transport.
wagen benutt, deren größter jhon mehrfach Bäume
mit 20,000 kg ſchweren Erbballen befördert hat.
Beim Berfegen der ftarfen Bäume über 1 m
Umfang miffen die zu lafjenden Erdballen ſchon
ein Jahr vorher umgegraben u. die Wurzeln bier
abgeftoßen werden, damit fih am Imfange des
Erpballens neue Saugwurzeln bilden, ohne welche
das Anwachſen ſchwierig jein wiirde, Wolde.
Baumfdjeere, ſ. u. Baumichnitt.
Saum! Ati ſ. u. Baumfat.
Baumpfchlüpfer, jo v. w. Zaunkönig.
Baumjchnitt, 1) die Kunft, den Bäumen durch
Beichneiden eine beftunmte Form zu geben, deren
Wahsthum oder Fruchtbarkeit zu befördern, ihre
Sefundheit zu erhalten u. die Lebensdauer zu
verlängern. Der B. zerfällt in Winter- oder
Holzabfällen u. anderen Frühſahrsſchnitt, welcher während der Winter-
(oderen Gegenftänden wirkt meift nachtheilig. "ruhe der Bäume, am beiten im Febr. u. März,
bierers Univerfals@onverjationd:?eriton. 6. Aufl.
IN. Bant. 1
5)
—
vorgenommen wird u. die eigentliche Formbildung
des Baumes bezweckt u. in den Sommerſchnitt
der Monate Juni, Juli u. Auguft, vorzugsmeife
zur Vermehrung der ee der Bäume
dienend. Durb den Winterſchnitt wird im All-
gemeinen das Wachsthum des Baumes befördert;
je ſtärler dann beichnitten wird, deſto kräftiger
wird der darauf erfolgende Trieb fein; es werden
daher vorzugsweife diejenigen jungen Triebe ein-
gekürzt, an melden fi neue Triebe erzeugen
jollen, wogegen überflüfiige Zweige ganz wegge—
(hnitten u. ſolche, an welchen Früchte gewünscht
iwerden, entweder gar nicht, oder Dicht über einem
Fruchtauge, oder über nicht völlig ausgebildeten
Holzaugen bejchnitten werden. Der Sommerjchnitt
befördert dagegen vorzugsweile die volllommenere
Ausbildung der übrig gelaflenen Pflanzentheile,
ganz bejonders der Augen, welche fib dann mehr
ag aid auszubilden u. in den nächſten
‚Jahren Blüthen u. Früchte zu bringen pflegen,
Es werden durch ihn deshalb ebenfalls alle über-
flüſſigen Zweige bejeitigt u. diejenigen eingekürzt,
welche zur Fruchterzeugung dienen follen, wogegen
alle joihe Zweige, die zur Vergrößerung des
Baumes nöthig find, im Sommer nicht bejchnitten
werden dürfen. Der B. ift nad Art u. Zwech
der Bäume jehr verichieden; am ſchwierigſten, aber
auch amı meiften ausgebildet bei den Obftbäumen,
namentlich bei den jog. Formbäumen, zu beren
regelmäßiger Erziehung tlichtig vorgebildete Baunı-
züchter erforderlich find; die franzofifchen Gärtner
baben im diefer Beziehung den größten Ruf. Zum
Beichneiden bedient man fid des Baummefjerg
von verfhiedener Form, fräftig gearbeitet u. mit
nah vorn gebogener Klinge, oder der Baum:
eder Aſtſcheere (Secateur) verichiedener Gon-
ſtruction, womit fi raſcher u. bequemer arbeiten
läßt, welde aber felten einen fo glatten Schnitt
als das Mefjer erzeugt. Mit der Baumjäge,
entweder nur aus einem ftarten, vorn zugejpigten
Sägenblatte mit Handgriff, od. aus einem foldyen,
mit Büge! darüber, beftebend, werden die ftärkeren
Alte vorfichtig abgenommen u, die Schnittflächen
mit dem Meſſer glatt geichnitten; die Baum-
frage oder Scharre dient zum Abfragen bes
Mooſes u. der abgeftorbenen Rinde an den Stäm-
men. 2) (Weinb.) Eine bejondere Zuchtimethode
des Meinftodes; f. u. Weinbau. Wolde.
Baumſchule, Grundſtüch, auf welchem junge
Bäume u. Geſträuche in größerer Menge zum
jpäteren Berpflanzen angezogen werden. Nach
der Verfchiedenheit der PBflänzlinge unterjcheidet
man Samenſchulen, Pflanzſchulen, Rebenichuien,
Obſtbaumſchulen, Waldbaumſchulen u. Zierbaum-
ihulen. Durch richtige Behandlung in der B.
werden die jungen Bäume fräftiger u. gedeihen
jpäter beffer, als wenn fie gleih auf ihrem
dauernden Standorte gezogen werden; ertragen
namentlich wegen befferer Ausbildung ihrer Wurzel
durch öfteres Umpflanzen fpäter leichter das Ber-
teten.
Baumjchule — Baumftarf.
wöhnt werden, um fpäter unter allen nicht zu un«
günftigen Verhältnifien gedeihen zu fönnen, Wolke.
Baumfeelen (Pflanzenjeeien). Der Glaube
an unfichtbare Weſen, welche Bäumen u. a.
Pflanzen innewohnen, ift über die ganze Erde
verbreitet u. ohne Zweifel eine der erften ‚zormen
des Animismus, ſowie eine derjenigen, welche
das Intereſſe des Eulturforfchers ganz beſonders
in Auſpruch nimmt. Man findet dieſen Glauben
nicht nur bei wilden Völlerſchaften, fondern auch
inmitten der Mittelpunfte der Gultur. Wenn man
bier bei Frucht · u. Giftbäumen aud gerade wicht
nothwendig an gute u. böje Weſen denkt, die iu
diefer Weiſe ihre Wirkſamkeit offenbaren, jo wird
doch 3. B. das Rauſchen des Baumes als eine
Art geheimmißvoller Stimme angefehen, von der
namentlich die Dichter zu erzählen willen: eine
Stimme, die je nach Umjtänden von einem lieb-
lichen oder einem ſchrecklichen Eindrude begleitet
jein kann. „Der Wind im Wald, das Paub am
Baum fauft ihm Entjegen zu.“ Es kommt baber
bei allen älteren Religionen u. beute noch bei
wilden Bölterfchaften vor, daß Bäumen in irgend
einer Weife geopfert wird; f. Baum (heiliger).
Am gewöhnlichſten finder fi das Behängen der
Bäume mit allerlei Gegenftänden, oder das
Spenden von Speiien u. Getränken; erfteres faft
allgemein, letsteres bej. im äquatorialen Afrika
gebräudhlih. Wo der Glaube an die Seelen-
mwanderung bericht, find die Bäume u. Pflanzen
jelbftverftändlih mit in deren Kreis gezogen.
Bgl. Tylor, die Anfänge der Eultur, Lpz. 1873,
Unzweifelhaft hängt mit dem Glauben an B. auch
zujammen der Glaube an die Zauberfraft, die
vielen Bäumen u. Pflanzen vom Bolfe beigelegt
wird; vgl. Zauberei, Schroot.
Baumſpecht, ſo v. w. Baumllette.
Baumfesen, ſ. Baumſatz.
Baumſtark, 1) Anton, namhafter Phi—
lolog, geb. 14. April 1800 zu Sinzheim in Ba—
den; ſtudirte Philologie, wurde 1826 Lehrer am
Gymnaſium zu Freiburg, 1829 Profeflor an der ,
Univerfität, 1836 Director des Philologiſchen Se-
minars daſelbſt. Außer einzelnen Heineren phi—
lologiſchen Abhandlungen gab er den Julius
Cäſar mit Anmerkungen, Freib. 1832, u. eine
Überfegung deffeiben, Stuttg. 1837, heraus; er
ichr.: Blüthen der griechiſchen Dichtkunft, in deut-
jher Nachbildung, Karlsr. 1840, 6 Bbe.; Blüthen
römischer Dichtkunft, ebd. 1841, 4 Bde.; Gom-
mentar zu den Gedichten des Horatius; ebd. 1841,
2 Bde.; Bilder des Altertbums zur Erläuterung
der Gedichte des Horatius, ebd. 1841. Urdeutſche
Staatsaltertbüimer, zur ſchützenden Erläuterung
ber Germania des Tacitus, Lpz. 1873, in welcher
Schrift die von B. ſchon früher verfochtene Au—
fiht von dem romanbhaften Charakter der Ger-
mania durchgeführt, zugleih aber eine große
Menge erllärenden Material$ u. gelehrter Erör—
terungen beigebracht ift. Außer den phil. Abhand⸗
Die B. foll eine freie, aber gegen ftarfellungen lieferte B. pädagogiſche (über das badiſche
u. rauhe Winde etwas geſchützte Lage u. einen tiefe] Schulmwefen, über F. A. Wolf) u. ftaatswifjen-
gründigen, kräftigen, loderen, jedoch nicht zu ſtark ſchaftlich⸗politiſche, lettere unter dem Pſeudouym
‚ebüngten Boden baben, damit fi die jungen
entwideln klärung, Darmft. 1846; Friedrich Karl Freib. v.
nicht zu ſehr ver-/Mofer, Stuttg. 1846; Populäres Staatslerifon,
Vflanzen einestheils kräfti
‚ömmen, anderſeits aber au
genug
ermann vom Buſche: Die freie religiöje Aufs
Baunwads — Baumwolle.
3
harsınfenichaftliches Haudbuch der politifchen|1839, proteflantifher Pfarrer in Haag (Großb.
infllärung, Stuttg. 1846. Im J. 1871 if B.
n den heſtand getreten u. lebt in Freiburg.
2) Eduard, Bolkswirtbichafter u. Pia
druder des Bor., geb. 28. März 1807 zu
Zngbeim; wibmete fich jeit 1825 in Seibelberg
m Stubium der Rechts- u. Gameralmwifien-
haften u. habilitirte fi 1828 als Privatdocent
daſelbſt. 1838 erbielt er einen Ruf als Brofeflor
nah Greifswald, wo er die landwirthichaftliche
‘chranftalt zu Eldena reorganifirte, deren Director
er auch 1843 wurde. 1848 trat er in die preufiiche
unonalverjammiung u. ſchloß fich der gemägigt-
überalen Partei an; 1849 für die Erfte Kammer
wählt, fungirte er als BVicepräfident derfelben
s iuchte für das Zuftandelommen der Preußiſch—
Deutichen Union zu wirfen, al$ er 1860 von ber
Lammer zum Staatenbaufe nah Erfurt gejandt
wurde; dann wieder in die erjte Kammer gewählt,
fand er am ber Spitze der Oppofition gegen das
Rinifterium Manteuffel; 1859 trat er wieder in
das Herrenhaus u. gebörte bier zur liberalen
Anten. B. ſchr.: Über Staatscrebit, Heidelb.
1843; Gameraliftiihe Eucyllopädie, ebd. 1835;
über ftaats- u. landwirthſchaftliche Alademien,
Srefsw. 1839; Zur Einfommenfteuerfrage, ebd.
1845; Zur Geſchichte der arbeitenden Klafjen,
5°. 1853; Über die Mittel zur Verbeſſerung der
Jutände der arbeitenden Klafjen, ebd. 1860; An-
tung zum wiſſenſchaftl. Studium ber Landwirth-
‘Saft, ebd. 1360; begründete die Jahrbücher der
Staatd- u. Sandreirthfaftlihen Alademie zu El.
na, ebd, 1848 ff.; gab mit Gervinus die Deutſchen
Jahrbücher heraus u. Überſetzte u. commentirte
Ruardos Grundgeſetze der Vollswirthſchaft, Lpz.
1837 f., 2 Bde. 3) Reinhold Ludwig, Sohn
von B. 1), Kreisgerihtsrath in Konftanz, geb.
1831, erg a welcher ſich indeffen mit
Sorftebe culturhiſtoriſchen Studien über Spanien
u. politifcher Schriftftellerei zugemwendet bat. Die
Srofhüre zum Baticanifhen Concil: Gedanken
eues Proteftanten (1868) erregte bei den Ka-
Belilen großes Aufjehen; der Verfaſſer trat aber
bald zum Katholicismus über u. wurde Mitglied
der uitramontanen Partei in der badiihen Stände»
derſammlung, aus welder er nach Begründung
3 Deutjichen Heiches wieder ausjchied. Seitdem
A er politiih nur im engeren Kreife u. durch
Baden); fchr.: Chriftliche Apologetit auf anthro-
pologiſcher Grundlage, I., Frantf. a. M. 1872.
aumwachs, eine Art Pflafter, welches bei
der Baumzucht, befonders beim Beredeln, zum Be
legen Heinerer Wunden dient, um das Verwachſen
u. Heilen derfelben zu befördern. Bon den zahl»
reihen Miihungen des Baummachjes find folgende
einige der gebräuchlichſten: 250 g Wade, 1%5 g
Harz, 125 g diden Terpentin u. etwas Baumöl;
oder 500 g Wachs, 500 g diden Terpentin,
250 g weißes Pech u. 100 & Talg; oder 80 g
Wachs, 180 g da 40 g diden Terpentin, 10 g
Baumöl u. 10 g Talg; oder 100 g weißes Pech,
100 gHarz, 75 g Wachs u.50g Talg. Jede diejer
Miſchungen wird auf gelindem Feuer geſchmolzen,
gut durcheinandergerübrt, beim Gebrauche erwärmt
oder geihmolzen mit einem Pinfel aufgetragen.
In neuerer Zeit ift das Faltfläffige B. oder
Baumbarz ſehr in Gebrauch gelommen, da es
das mohlfeilfte u, bequemfte ift: 500 g gelbes
Faßpech (Küblerharz) werden bei gelinder Hitze
geihmolzen u. laugſam unter fletem Umrühren
30 bis 100 g vom ſtärkſten Spiritus zugegofien;
ed wird dann verfchloffen u. kühl aufbewahrt u.
fann nah Bedürfniß durch Spiritus verdüunt,
oder durch Stehenlaſſen an der Luft verbidt wer-
den. Beim Gebrauhe wird es kalt wit einem
Pinjel aufgetragen u. erhärtet raſch. Ein anderes
daltflüſſiges B. ift unter dem Namen Mastic
’Homme-Lefort oder Mastic liquide befanıt;
e8 wird aus Pech u, Fiſchthran bereitet, trodnet
langfamer, ift empfehlenswerth, wird aber zu
theuer verkauft. Wolde.
Baumwanzen, j. Wanzen.
Baummweichſel oder große Sauerlirſche, ſ. u.
Kirſche.
Baumweide, gemeinſchaftliche Bezeichnung
derjenigen Weidenarten, welche zu hochſtämmigen
Bäumen erwachſen, im Gegenſatze zu Buſchweide.
Zu dem wichtigeren gehören die Sahl-, Knad-,
weiße u. Dottermweibe.
aummeißling (Weißdornfalter, Piöris Cra-
taegi L.), Tagfchınetterling aus der Fam. der
Weißlinge. Schmetterling gelbl.-mwei mit ſchwarzen
Adern; 50—60 mm. Acayen unten gran, oben
gelblih mit hochorangefarbigen Bändern; Kopf u.
einige Streifen über den Leib ſchwarz; 40 mm. Die
me Schriften thätig. Er jchr.: Ausflug nach B⸗e leben aufallen Obſtbäumen, Schiehen u. Weiß-
Spanien, Hegensb. 1868, 2. A. 1869; Cervantes’
Rufternovellen, ebd. 1868, 2 Bde.; Calderons
Same Kobold, Wien 1869; Meine Wege, Freib.
18705 Francisco de Quevedo, ebd. 1871; Da-
zei D’Connell, ebd. 1873; Columbus, ebd. 1873;
Die fathol. Vollspartei in Baden, ebd. 1870;
der erſte Deutihe Reichstag u. die Intereffen der
Sat, Kirche, ebd. ah Ani eſpräche, eb».
71. Biele jeiner rıften And überfett.
dorn; anfangs gejellihaftlih, umgeben fie fi mit
einem gemeinfamen Geipinnfte; ſpäter zerſtreuen
ſie ſich u. richten dann ſehr bedeutenden Schaden
an. Die 100—200 Eier überwintern, fie werben
auf Blätter abgelegt u. diefe mit Geipinnftfäden
jo umzogen, daß fie nicht abfallen können; fic
entwideln fih im Mai; Stugpeit des Schmetter-
lings im Juni oder Juli. Winterlihes Abraupen
ift das einzige, aber auch ein ficheres ar
ute.
4; Hermann Michael, Bruder des Bor., geb. |diefen Eulturverderber.
136; ftudirte proteftantiihe Theologie, trat aus
“ badischen Tandesfirde aus, ging 1860 nad
inerifa, wo er Brofeffor am Lutheriſchen Eon«
rdia Eollege zu St. Louis wurde; ſchr.: Ge.
Sichte der Shrt. Kirche, St. Louis 1867. Er
wat jpäter ebenfalls zum SKatholicismus über.|der Gattung Gossypium L. (j. d.).
Baumtolle (altind. Kärpäsa, daher gr. Kar-
basos, lat. Carbasum, arab. Kutun, ——F engl.
Cotton, Cottonwool, franz. Coton. ital. Cotone,
jpan. Algodon, holl. Katoen), im engeren
inne die Samenwolle verſchiedener — F
. Die
5) Eprifian Eduard, Bruder des Bor., geb.'B-pflanze, von welcher es viele Arten gibt:
1*
R | Baumwolle,
Baum- oder ftandenartige B-nftaude (G.!
arboreum L.), perennirend, mit firaudartigem
Stamme, 5lappigen Blättern mit ftumpfelanzett-
lichen, am Ende Heinen ftachelipigigen Yappen; in Baum Grossimpinos
gupten, in der Namens fi die Bewohner der Jnfel Tylos im
Ditindien wild, in Amerifa, in
Früdte Wolle trügen, welche an Schönheit u. an»
deren Borzügen die Schafwolle überträfe u. woraus
die Indier Kleider machten. Plinius nennt den
(Gossampinos), weldes
fevante und anf Eypern angebaut. Gemeine) Perfiihen Deerbufen bedienten; die Früchte wären
od, frautartige B-njtaude (G. herbaceum L.),
mit frautartigem Stengel, 5lappigen Blättern, mit
abgermndeten Abichnitten u. mit gefägten Hüll-
blättern; in Oftindien wild, in Spanien, auf Malta,
Eicilien, in Apulien, Ungarn, Griechenland und
im Orient, namentlich aber in Amerifa im Gro—
ben angebaut. Weftindiiche Bnftaade (G. bar-
badense Sw.), hober Strauch mit 3lappigen oberen
Blättern, vorzugsweiſe in Wejtindien, aber auch
in Dftindien, Afrila u. a. ©. gebaut. Gelbe
B»nftaude (G. religiosum L.), Halbjtraud mit
ſchwarz punttirten Zweigen n. Blattftielen, 3blätt
riger, zerſchlitzter, mwolliger Blüthenhülle u. beil-
orangefarbener Samenmwolle; in Oſtindien u, China
heimiſch und viel cultivivt. G. hirsutum L.,
mit berzförmigen, ungetheilten oberen Blättern
u. 3—5lappigen unteren Blättern, —
Zweigen u. Blattſtielen u. 3zähnigen Hüllblättern;
in Weſtindien befonders als French Cotton gebaut,
auch in Neapel als Upland- Georgia» Baummolle
gezogen. G. vitifolium Lem., mit zerichligten
Hüllblättern u. fahlem, puuftirtein Stengel; vor-
zugsweife in Brafilien gebaut. Außer den ge-
nannten werben mod eine Menge Arten uud
Formen gebaut, melde nur menig von den er-
wähnten verschieden find. Die B-npflan-
zen lommen ın der nörblichen gemäßigten Zone
nur bis 40 u. 41°, in der ſüdlichen gemäßigten
nur bis 30° fort, fie werden daher zwiichen den
angegebenen Grenzen in faft ganz Oftindien, Per-
fien, Syrien, Klemaftien, Cypern, Agypten, an
den afrifanishen Küften, in Macedonien, Zicilien,
SItalien, Malta, SSpanien, Brafilien, Guiana,
auf den Weſtindiſchen Inſeln, einem Theil von
NAmerika, auf den Philippinen, Isle de France xc.
gebaut. Sie lieben fteinigen, trodenen, doch ſchon
angebauten Boden und verlangen einigen Regen.
Die Samen werden im Mair u. Juni zu 5—6
in 14 m von einander entfernte Löcher geftedt;
im Auguft u. September werden die aufgezogenen
Pflanzen befchnitten, jo daß ſie nicht höher als
1 bis 14 m wachſen. Im October blüht die
Blanze ftarl. Die Kapfeln werden im März u.
April jeden Morgen, ſobald fie plagen, abge
nommen, bevor die aus der Kapiel heraustretende
Wolle von der Sonne beicienen und grau,
oder vom Winde verweht wird. Die Staude wird
hierauf dicht über der Erde abgeſchnitten, treibt
neue Schoffe u. trägt jährlih bis 3 Mal Früchte.
Die B. wird mit der Hand (mie in Oftindien
geſchieht, bef. zu jehr feinen Geweben), od. durch
eine Maſchine, die aus 2 übereinanderliegeu-
den, durch Räder verbundeygen u. durch eine
Kurbel getriebenen Eylindern befteht, von den
Samen losgelöft, in großen, 100—200 u. mehr
Kilogramm ſchweren Ballen zufanmengepreft, die
man dann mit Striden umſchnürt. Die erfte
Nachricht von der Gewinnung u. Benugung der
B. gibt Herodotos, u. zwar aus Djtindien. Er
jagt, e8 wüchſen dort Bäume wild, die ftatt der!
von der Größe eines Ouittenapfels; reif geworden
platten fie auf, u. daraus läme die Wolle, woraus
fie Kleider machten, welche bei. vqu deu ägyptiichen
Prieftern getragen würden. Die ägyptiſche B. nennt
Fe Byſſos (j. d.); fie kommt fchon in den
iihern Mofis als Schech vor (was Yutber mit
weiße Seide überjeßt); in den ipäteren Büchern
des A. T. ericheint der Name Buz. Die Byffos
des N. T. überſetzt Luther durch köſtliche Lein—
wand. Früher erhielt man die B. in Europa
von Indien meiſt verarbeitet, während jetzt
die Hauptfabrilation der Benzeuge in Europa iſt,
io daß jest fogar von hier aud nach Indien u.
China viele Zeuge geführt werden, Died. bildet als
Rohſtoff einen bedeutenden Handelsartifel ıt. wird
bier nad) ihrer Farbe u. nach Länge, Stärke n.
Feinheit ihrer Faſern unterfchieden. Die geringfte
Yänge unverjehrter Faſern klaun man zu 13 mm,
die größte zu 45 mm annehmen. Die Faſer ift
wicht rund, ſondern plattgedrüdt; von feinem
anderen Material können fo gleihförmige Ge-
ipinnftfäden al$ von ihr gewonnen werden. Die
gelbe od. vielmehr gülbende Farbe gilt als Zeichen
größerer Feinheit, dagegen die weiße Farbe ge=
wöhnlid als Merkmal geringerer Qualität. Die
vericiedenen B-njorten haben ihren Namen meift
von den Orten, wo fie erzeugt werben: die längſte,
jeinfte und gleihförmigfte ıft die Sea-Ysland
(Lange Georgia, Long staple, Blackseed-Cotton),
welche gelblich⸗ weiß u, feidenartig glänzend ift; die
kurze Georgia, im Innern der Provinz angebaut,
it furzhaarıqg, weiß und’ nicht fo zähe und daher
aud von geringerem Werthe. Nach dem Yande
ihrer Erzeugung fann man die B-njorten in fol
gende Hauptklafjen bringen: nord-, mittel» u. füb«
amerikanische, oftindiiche, levantiſche, afrikaniſche,
italieniſche u. ſpaniſche. Vgl. Robert L. de Coin,
History and Cultivation of Cotton, Lond. 1864.
Il. Die B. producirenden Länder find folgende:
A) In der Neuen Belt: die Bereinigten
Staaten von NAmerifa, u. zwar bei, Miſſiſ—
ſippi, Georgia, Youifiana, Alabama u. SCarolina.
Warn eigentlich der Benbau hier begonnen babe,
iſt Schwer zu beftimmen, indeſſen jcheint doch gewiß,
daß 1736 an dem öftlihen Ufer der Ehejapcate-
Bai u. 40 Jahre jpäter in Maryland, New⸗Jer—
jey, Delaware u. Süd-Carolina Meine Quanti—
täten gewonnen wurden. Erſt gegen Ende des
18. Jahıh. wurde Anbau u. Erport einigermaßen
bedeutend u. fteigerte fih von Fahr zu Jahr.
Als 1784 71 Side B. aus Süd-Earolina in
Eugland importirt wurden, belegte die Zollbehörde
die Señdung mit Beichlag wegen falfher Config»
nation, weil, wie fie meinte, ganz Amerila nicht
im Stande fet, fo viel zu produciren. Die vor-
züglichften bier gebauten Sorten find: Sea-
Ysland-B,, welche nur auf gewiffen Stellen in
der Nähe der Küfte von Süd-Carolina u. Geor—
gia gedeiht; die New-Orleans- (die feinfte),
Alabama», Florida- u. Upland-B. (unter
Baumwolle. 5
“gerer berfteht man das Product der nördlicher von der Neapolitaniſchen B. find die beſten
xlegenen Staaten); die peruaniiche und boli-|Gattungen Caftellamare u. Dellatorre; die
dianiſche B., von denen erftere um jo beffer|Bugliejer, in der Gegend von Bari u. Yecce
wird, je ſüdlicher fie gebaut wird; die brafi-jerbaut, ift geringer.
lianiſchen B-njorten zeichnen ſich bei. durch die| III. Die Baummolleninduftrie begreift die
jabenartige Feinheit ihres Flaumes aus, die ſie durch Spinnerei u. Weberei erzeugten Manufactur-
ter höhiten Ausdehnung beim Spinnen fähig|waaren, Die erfte Reinigung der B. von den
maht, jedoch find fie häufig unrein; die wet-|Bruchtüden der Samenfapfeln u. a. Unreinig—
indiſchen Benſorten haben ein langes, zartes,|feiten geichieht dur die Egrenirmafchine an
äftiges u. finnenfreies Haar (die von Barthe-|den Probuctionsorten vor der Berpadung in
emp ift Die befte). Außer diefer find die be- Ballen. Ar den Fabrikorten wird die B. zunächit
Iamnteften Sorten: Domingo, Portorico,jaufgelodert u. weiter gereinigt u. gelangt zu die
aba, St. Martin, Enragao, Jamaica,|iem Zwecke zuerft in die Wölfe (Bansler, Devils,
darbadoes, Grenada, Trinidad, Tortola,{Willows, Whippers), welche die Wolle zerrupfen,
Rontjerrat, Garriacou, St. Bincent, Ba-ju. dann in die erfte Schlag- (Flad-)maidine
dama. B) In der Alten Welt, u. zwar zu-|(Batteur eplucher), welche die zerrupfte Wolle
aächſt a) in Ajien: Dftindien, das Baterland|durh Flügelwellen jchlägt und durch Ventilatoren
der B., liefert nächſt NAmerifa die meifte B.|den Staub berausbläft; die jo gereinigte Wolle
für den europätihen Bedarf, doch fteht die geht in die 2. Schlagmaſchine Battenmaidiine,
oſtindiſche Der amerifanifhen an Güte nadh.|Batteur etaleur), welche die Wolle durch Druck—
In China ift zwar die Production von B. be-[mwalzen in eine dünne Watte vereinigt und auf
teutend, indeß reicht fie doch nicht zum Verbrauche Cylinder aufmwidelt. Diefe Widel kommen nun
m Zande bin, jondern es werden jährlih 350,000|auf Krempeln (Kard- od. Kratzmaſchinen, Carding
Kentner von Galcutta, Madras, Manila und|Engines), u. zwar erft auf eine Grob- u. dann
RAmerifa nah Canton eingeführt. DieNanfing-jauf eine Feinkratze, worauf die Benfaſern parallel
od. Mang-tje-Ffiang-B. wird in China jelbft ver- [gelegt werden, daß man fie zwiſchen einem ſich
braucht. Man bat fowol weiße, als gelbe, u. derfdrebenden Gylinder u. einem feſten Dedel durch:
befannte Ranking wird fowol aus letzterer, als auch gehen läßt, deren zugefehrte flächen mit Kragen-
aus Der weißen fabricirt. Aſiatiſche u. Euro-|ledern (mit feinen Drahthäkchen beſetzten Leder—
päifche Türkei. Im weiteren Sinne begreift|ftreifen) belegt find. Bon dem Kratzencylinder
man umter levantiſcher B. alle die, welche in werden die Watten durch eine Art Kamm abgelöft
der Europäishen und Aftatiihen Türkei producirt[u. danı an der lebten Feinkratze ſogleich durch
wird, u. es gehört dazu die macedoniiche, diejeinen Trichter u. Walzen zu einem Bande zur
Smöornifche u. die eigentlich levantiſche. Mace- ſammengezogen. Diefe Bänder werden bierauf
doniſche B. find die von Gossypium herbaceum|zu dünneren ausgeftredt u. dabei auf den fogen.
erzeugten Sorten; die beiten darunter find die Strecken und Duplirfüblen häufig duplirt,
Tichesma, die Uxur (Uſchur) u. die Salonichi.|d. h. mehrere Bänder werden in ein einziges
Smyrnijidhe heißen alle in der Aftatifchen Türkei) zufammengeleitet, welches nach dem Austritt aus
erzeugten u. über Smyrna verfandten B-nforten;|der Maſchine eine bedeutend größere Länge hat,
die belannteften hiervon find Kirkagaz, Eaffa-Jals die der darin vereinigten Bänder zufammen
bau, Arar, Levantiſche B. (im engeren Sinne) genommen. Um den eigentlihen Faden ſpinnen
it Die von mehreren Juſeln Griechenlands u. der zu können, bedarf es noch der Operation des Vor:
Aſtatiſchen Türfei, mit Inbegriff einiger Küften- |fpinnens. Das erfte Vorſpinnen gibt das grobe
gegenden Kleinafiens und Syriens; die bejten|Borgeiptunft (Yunte), einen gedrebten Faden non
Sorten find die Subuge u. Kinif, weniger qut|der Dide eines Federkiels; das zweite Borjpinnen
it Die Cypriſche. Die in Perfien erzeugte B.|reducirt den Faden auf die Dide eines mäßigen
iſt ſehr fein, glänzend weiß u. weich u. fonımt der) Bindfadens Borgarp).
‘angen Georgia (j. o.) am nächſten; fie wird meift| Unter Baummollengarn verfleht man ben
im Pande felbft verbraudt, u. nur Rußland erhält|entweder mit der Hand (auf Spindeln od. Spinn-
erwas Weniges fiber Aftrahan u. Orenburg. b)[rädern) oder mittels Spinnmaihinen aus B.
Afrika. In Agypten gibt e8 2 fehr verichiedene|gefponnenen Faden. Die Feinheit, Gleichförmig-
Sattungen: die Alerandria (ordinäre ägyp-jfeit u. Güte defelben ift ſowol nach der größeren
tiiche), welche meiſt nah Trieſt ausgeführt und|oder geringeren Güte der dazu bermwendeten
deren Anbau von Jahr zu Jahr beichränft wird, B-nforten verichieden, als auch nad der Art des
u. die Maco (Jumel), von dem Franzoſen Jumel Spinnens. Die Handjpinnerei auf dem Baum-
um Jahre 1820 angebaut, bildet einen bedeuten-|wollenrade bildete ſonſt in vielen Theilen
den GErportartifel; auf der OKüſte Afrikas liefern) Afiens einen ſehr bedeutenden Induſtriezweig.
die Inſeln Bourbon u. Mauritius eine ſehr Unter dem von Dftindien erportirten Handgarn
(eine weiße, feidenartige B., die aber umrein und war das aus Bengalen u. Surate das geringite;
gemischt ift. c) In Europa haben außer in den|fein war das von Geylon und Tutucorei; mod
unter türtiſcher Botmäßigteit ftehenden Yändern|feiner das aus Java, und das feinfte lieferte
die Berſuche der Bencultur nur in Spanien u.|die Küite Goromandel. Das aus der Levante
Neapel dauernden Erfolg gehabt; die von derjfommende Handgarn ward in Gebirgsgarır u.
ſpaniſchen B. im Handel vortommenden Sorten in Garn von den Inſeln unterſchieden; das
And: Motril, Sevilla, Granada, welche erſtere war beſſer, als das letztere. Für das beite
ämmtlich fein, ſchmutziggeib, weich u. lang find; galt das von Mazli u. Naſſely. Die vorzüglich.
6 Baummolle.
ften Garngattungen von Damascus, Smyrna, Maulthier, Baftard aus 2 Mafchinen, daher
Aleppo zc. führten im Franzöfiihen den Namen) Mule-Twift, f. unten). Dur die Einführung
DOncegarn (Unzengarn). Im größerer Mengeder Selfactors (ſelbſtwirlende Mulemaſchinen
no als das weiße Garn ward aus der Levante)wurben diefe Maſchinen fo weit verbeffert, daß eine
das fogen. türkiſche Rothgarn bezogen. Aber] Spindel in 6 Zagen etwa 21 Schneller von
die Handipinnerei iR mit der Zeit der Concurrenz Nr. 20 Tiefert u. zu 2 doppelten Mafchinen (240
der Mafchinenjpinnerei gewichen, da das ſeil Spindeln) nur ein Spinner angeftellt zu werben
1770 von den Engländern fabricirte Majchinen-|braudt. Das Mafhinengarn ift entweder zur
garn fich allerdings fowol durch feine Gleichheit| Weberei beftimmt, u. zwar die ftärferen Sorten
u. Glätte, als auch durch feine Wohlfeilheit gegen|zur Kette, die weicheren zum Schuß; ober es
das Handgarn bedeutet auszeichnet. Diejes Spin-|dient zur Strumpfiwirferei, zur Berzwirnung als
nen gejchiebt mit der Spinumafgine. Schon im|Strid-, Stid- u. Nähgarn oder auch zur Dodt-
‚Jahre 1767 murde die fogenannte Spinn» Jenny fabrifation.. Das engliihe Maſchinengarn heißt
von Hargraeves, einem Yimmermann zu Blad-| Twist, u. zwar das ftärffte,-feitefte Water-twist
burn in Lancaſhire, erfunden, und man lonntel(Watergarn), das meniger gedrehte Mule-twist
gleich anfangs 8 Fäden wie einen einzigen jpin«|(Mulegarn), Das BWatergarn wird in England
nen, u. fpäter wurde diefe Majchine jo vervoll-Jauf Droffelmafchinen (Throstles), das Mulegarn
fommnet, dag Mädchen 80—120 Spindeln injaber auf Mulemajchinen gejponnen; erfteres, von
Bewegung fegen konnten. Da jedoch diefe Ma- |ftarker Drehung, wird meift zur Kette, letzteres,
ſchine nur dazu diente, die B. für den Einfhlag|von allen Graden der Drehung, ift zum Schuß
zu fpinnen, ohne dem Garne die für die Fäden beſtimmt; auch unterſcheidet man eine Mitteljorte,
des Aufzuges nöthige Feſtigkeit u. Dichtheit zujMedio oder Halbkette. Zu den höheren Num—
geben, jo warb dieſem Mangel bald durch die mern des Watergarnes wird beſ. langhaarige B.
Einführung des Spinnftuhls abgeholfen. Diefejgebraudt; doch wird aud eine bedeutende Duan-
Maſchine, welche aus 2 Paar Walzen beftebt, die|tität von Watergaru aus der fürzeren B. (ans
durch eine mechaniſche Kraft bewegt werden, fpinnt|Surate) gefponnen. Droſſelmaſchinen findet man
eine große Anzahl Fäden von beliebiger Feinheit in Deutſchland nur felten, da das Zettel» oder
u. Diehtheit u. verlangt Menichenhände nur zurjKettengarn faft nur auf Mules gejponnen wird.
Zuführung von B. u. Anfnüpfung der etwa ab⸗ Dieſe Geipinnfte bezeichnet man in England mit
geriffenen Fäden. Nach dem Grundfage, mittels] Medio oder Mock Water, weshalb eine Ber-
Malzen zu ſpinnen, erbaute Richard Arkwrightigleihung zwiſchen dem deutichen Kettengarn und
(1796) feine Spinnmaſchine (Wafferfpinn-|dem englifhen Water-twist nicht ftatthaft ift.
maſchine, jo genannt, meil fie die erfte durch Die Garne werden in Strähne oder fogenannte
Waſſer getriebene Spinnmaſchine war). Hargrae- [Schneller gehafpelt, melde aus 7 Gebinden be-
ves ging von der oſtindiſchen Spindel, Arkwright|ftehen, in jedem Gebinde 80 Fäden von 14 Nards,
von dem deutihen Flahsipinnrade mit Spule n.|im Ganzen alfo 840 Yards (980 Wiener Ellen).
‚liege aus. Daher mußte Hargraeves, den Faden Die Anzahl folder Schuefler, welche auf ein Pfund
fpinnend, ausziehen u. aufwideln; Arktwright fonnte|geht, gibt die Nummer des Garns, d. b. die Fein—
dies aber nicht, da jeine Spulen wie im Hand- heit deffelben an. Im Handel fommen Garne von
vade ſich nur um fich felbft, nicht aber fortbeweg- | Nr. 8—240 vor.
ten; die Spulen mußten daher fpinnen u. auf-| IV. Baummollenftoffe od. Baummollen-
wideln, ohne auszuziehen (Droffelmafchine). Die zeuge werben auf dem Stuhl od, auf eigenen Ma-
Erfindung Artwrights beftand nun darin, daß er ſchinen (f. Webſtuhl) gefertigt. Dieſe Zeuge jelbft
die Locke (Lunte, den erft leicht zufammengedrebten|geben, als Waare betrachtet, einen weit ausgedehn-
Benfaden), durh 2 Cylinderpaare auseinander» ten Handelsgegenftand ab, find einem großen
zog ober firedte, welde dicht hinter einander) Theil nad der Mode unterworfen und zeigen
lagen, u. von denen das vordere Paar geichmin- |jomol ihrem Außern nah oder in Bezug auf
der umlief, als das hintere. Dabei ift der Abftand | Onalität, Breite, Appretur xc., als aud in Be-
der Walzenpaare fo gewählt, daß er größer ijt als|treff ihrer Namen die größte Mannigfaltigleit.
die Fänge der einzelnen Faſer; alſo werden die ein-|Sie laflen ſich in folgende Klaſſen bringen: ein»
zelnen Faſern nicht zerriffen, fondern an einander fache, glatte u. dichte Stoffe, wie Shirtings,
verihoben u. dadurch parallel gelegt, wodurdy das |Ealicoes (Kattume), Nanfıngs, Sarfenets (Futter-
Band oder die Lunte geftredt wird. Die Bemweg-|fattune), Ginghams, Cambrics ꝛc.; ferner Halb-
ung der Mafchine geht von der Achſe einer langen|dichte, wie Jaconnets, Muffeline; endlih klare
Walze aus, melche mittels endlofer Schnüre dieloder loder gemwebte, wie Mull, Gaze, Bobbinet
Spindeln u. mittel verzahnter Räder die Stred«lzc.; ſchwere glatte, gefüperte oder .
walzen in Umdrehung jett. Berbeffert wurdejmufterte Stoffe, mie Quiltings (Biguds),
dieje Mafchine von Danforty (Danforths Ameri-| Domeftich, Sateens (Engliſches Leder), Drells,
taniſche Patentjpindel), die eine fchnellere Beweg-| Rips, Dimity ꝛc.; durchbrochene, brodirte,
ung geftattet u. zugleih zum Spinnen jhwad-|geftidte Stoffe, wie gemabelte u. brochirte Gage,
— Garnſorten verwendet werden kann. — brochirte Gardinenzeuge ꝛc.; ſammet⸗
ine derartige Spindel liefert in 12 Stunden artige Stoffe, wie Velveteens (Mancheſter),
74 Schneller (Mr. 30) oder 18,900 engl. Fuß Velvets (Sammetmancheſter), Fuſtians, Pillows;
Faden, Crampton verband die Cylinder Arkwrights gemiſchte Stoffe, die theit mit Schafwolle od.
mit der ausziebenden drehenden Spindel Har- deinen, theils mit Seide untermengt find u. unter
graeves u. nannte feine Mafchine Mule (d. h. ſehr verfhiedenen Benennungen vorlommen. Unter
Paunmmolle,
-
4
allen Ländern ſteht England in der Baummollen-|Bardente u. ſchwere B-ngemwebe in Mittweida,
induftrie ſowol in Berreff der technischen Ausbild⸗
ung u. Bollkommenheit, als auch binfichtlich der
Froductionsmenge oben an. Indeſſen ift es
mehreren anderen Ländern doch gelungen, ſich von
der früberen Abhängigkeit von der britifchen In—
buftrie mehr oder weniger zu befreien, u. srant-
reich, Deutichland, die Schweiz, auch Belgien
nebmen nicht nur lebhaft theil daran, andere
Böller mit ihren B-nwaaren zu verforgen, jondern
im einzelnen Artifeln übertreffen auch Deutichland
u. Fraufreih die Engländer (in bumtgemwebten u.
vielen gemufterten Modewaaren), ſowie es diejen
auch NAmerifa in jeinen Domeftics zuvorthut.
Rur in Twiftfabrifation, bef. in den feineren Num—
mern, behauptet England nod feine Überlegenheit
u. Unentbebrlichkeit.
Fabrilation. Stammt auch die Baummolle
aus Aften, wo fie jeit uralten Zeiten der Mehrzahl
der Menihen zur Belleidung dient, fo gewann
ihre Benutung in Europa nidt bloß langſam
Boden, fondern die Berbreitung des Rohſtoffes
erfolgte auch im Großen vom Weiten, von Amerita,
alfo der Neuen Wett, ber. Die erften Anfänge
der Baummollenfabrifation fallen in Großbri—
tannien in die erfte Hälfte des 17. Jahr—
bunderts, wo die Stadt Manchefter in Yondon
B., die aus Smyrna u, Cypern fam, auffanfte,
foiche zu Barchent, rohen Tüchern, geföperten und
anderen Zeugen verarbeitete und dann wieder
nach London zum Abſatze jchidte. Zwar wird
ihen früher des Kattuns, des baummollenen
Sammets, Barcheuts zc. in Manchefter erwähnt;
jedocd wurden dieſe ganz aus Schafmwolle fabri
cirten Stoffe wahricheınlih baummollene deshalb
genannt, weil die aus Indien u. Italien impor—
tirten Benftofie dabei zum Muſter gedient hatten.
Bis um 1773 war nur der Einfhlag aus B.,
aber der Aufzug ganz aus flählenem Garne, das
bei. aus Irland u. Deutichland eingeführt ward.
Infolge der Anwendung der Maſchinen u. der mafjen-
haften Einfuhr von Roh-B. aus Amerifa find die
Breife des Bengarns u. der Bnzeuge immer billiger
geworden, mit Ausnahme der Periode des Amerilk.
Bürgerfrieges u. der neueſten Zeit. Der älteite
u. wichtigfte Sig der B⸗ufabrilation ift Lancaſhire
Mancheſter, Oldham, Rochdale, Bolton xc.),
dann Cheſhire, Yorkſhire x. In Frankreich
bat fih die B-ninduſtrie immer mehr entwickelt,
jedoch nicht ohne Kriien u. Erichütterungen. In
Öfterreich find Böhmen u. Nieder-Ofterreich die
mwichtigften Theile bezüglih der Baummollenindu
firie. Im Dentfhen Zollverein hat ſich die
B-ninduftrie - jehr bedeutend entwidelt. Rückſicht—
lich der einzelnen Staaten ift in Preußen die
B:nipinnerei am bedeutendften in den Hegierungs-
bezirten Düffeldorf, Köln ı. Koblenz; die Weberei
m den Regierungsbezirfen Breslau, Dülſſeldorf
(mit Ausnahme der Kreife Rees u. Kleve), Sadı-
ien, Brandenburg, Weitfalen; in Bayern find
die wichtigſten Sitze der Beninduftrie Augsburg,
Hof, Bayreutb, Kempten; im Königreih Sachſen
Opberlaufig, Boigtland u. Erzgebirg. Größere Fabrif-
geichäfte befteben für Kattune u. leichte baum
mwollene Zeuge in Aue, Ebersbach, Auerbach,
Faltenfiein, Yengefeld, Plauen ꝛc., für Piqués,
Waldheim, Hobenftein, Hallenberg x., und für
baummollene Buntweberei in Chemnitz, Franten-
berg, Sebnig, Ölsnig, Lößnitz, Zittau, Ebersbad,
Seifbennersdorf u. mehreren anderen Orten der
Ober-Yaufig; ungemein ausgebildet ift die Ben⸗In—
duftrie im Elſaß, mamentlih in Mülhauſen.
Belgien hat feine Hauptipinnereien in und bei
Gent, dann folgt OFlandern, Hennegau, Lüttich,
Berviers, Ardenne, Brüffel mit Umgebungen ꝛc.
In der Schweiz find die Hauptfige der Ben—
manufactur die Kantone Zürich, St. Gallen,
Appenzell Außer-Rhoden, Thurgau und Aargan.
Spanien bezieht ungeachtet feiner bedeutenden
Fabriken in Gatalonien, auf den Balearen uud
einem Heinen Theil von Valencia doch über
4 feines Berbraudes an B-nmwaaren vom Aus-
lande. In Italien find im Weapolitaniichen
die Benwebereien jetst nicht unbedeutend; beden»
tende Spinnereien befinden fih zu Scafati und
Piedimonte; das eigentlihe Piemont bejitt grö—
Bere B-umanufacturen zu Senna, Napalle, Sta.
Margherita zc., führt jedoch noch viel baum—
wollene Waaren ein. Im übrigen Italien ift die
Beninduftrie ebenfalls nicht von Bedeutung, und
nur Toscana u. Yırcca befigen einige größere
Etabliifements hierfür,
V. Statiftifches. Nächſt dem Getreide ift die
Baumwolle das wichtigſte Broduct der Landwirth—
ichaft auf der Erde. Man begreift dies, wenn
man erwägt, daß die Vevölferung jener beiden
Yänder, welche zuſammen über die Hälfte aller
Erdbewohner umfaſſen — China u. Indien —
ih größtentheils ausichließlih in B. kleidet, wozu
dann noch in der Neuzeit die ungemein große
Verbreitung baummollener Ztoffe in den Cultur—
ländern kommt. Selbſtverſtändlich fann eine Be-
rechnung des Umfanges der B-en-Production nur
ein höchſtens annähernd richtiges Refultat liefern.
Am wahriheinlichiten dürfte die Annabme eines
mittleren Jahreserträgniffes von 45 Dill. Zoll:
centner fein, wovon gegen 20 Dill. durch die
einheimiſche Bevölferung der Productionsländer,
namentlich in Afien, mit der Hand veriponnen,
25 Mill. aber an die europätfchen u. nordameri—
fanifchen Maſchinenſpinnereien abgeführt werden.
Der Verbrauch für Hand» u. Mafchinenipinnerei
in Nordamerifa dürfte zu 5 Mill. Ceutner anzu
uchmen sein. Bor dem Amerik. Bürgerkriege
ſtammten mehr als zwei Drittheile der nad) Europa
gebrachten Rohbaumwolle-Ballen aus den Ber
einigten Staaten. Die durch die bezeichneten
Wirren herbeigeführte Störung bradte die dortige
Production auf ein Minimum herab; die Schä-
diqung traf keineswegs die Productionsländer
allein: die Gebiete, in denen die Bepölferung von
Verarbeitung der B. lebt, litten darunter mich
minder. Nun wurde der Benbau raſch und in
großer Ausdehnung im verichiedenen Yändern culti—
pirt, aus denen bis dahın von dieſem Product
wenig oder nichts nah Europa gefommen war.
In Öftindien, Aaypten, anderen Theilen der Le—
vante und Brafilien entftand durch den infolge
deſſen plötlich berbeigeführten Geldznfluß vielfach
eine Art jocialer Revolution; es beiferte fih um
erwartet u. jtarf die finanzielle Yage eines großen
8
Theils der Bevölkerung. Die in den Handel] Quantität nad) von dem vorzugsmeile fahkundi-
gebrachte Baummolle wird, nad Perioden und gen Alex. Perez folgendermaßen beredhnet (im
Baumwollenbaum — Baumwollenjamenfuchen.
nah den Grzeugungsländern geſchieden, derj Millionen engl. Pfd.): n
1846/50 1851/55 1856/60 1861/65 1866/70 1871 1372 1873
Ber. Staaten 749,4 1003,, 1254, 347, 7240 1363, 891, 1080,
Oftindien 83,5 126,, 194,, 496,4 576, 553, 6105 558.
Brafilien 1, 23,0 24,5 3. 80 108% 16 121
Agypten, Yevante 60,5 106, 76,, 196,5 205,4 209, 241, 263,
Weſtindien 6,5 6,5 Ma 15, 36,4 50 I 5
AZujammen 920, 1265,, 1557,5 1088, 1641, 2286, 1954, 2073,,
Die Preife der in England eingeführten Roh- Je feiner die Gejpinnfte, deito geringer ber
baummolle variirten folgendermaßen (per engl.|Berbraudh per Spindel. Es liegt nahe, daß bie
Pfund, in Deniers): Conſumtion der Fabrilate, insbejondere ber feineren,
mit dem Wohlftande eines Volles fteigt. Während
Bor dem Während des Nad dem der Verbrauch in England nicht geringer als 24
Kriege. Krieges. Kriege. dis 26 Bid. per Kopf ift, beträgt derjelbe in der
Jahr Preis Jahr Preis Jahr Preis | Türkei u. anderen wenig cultivirten Ländern nur
1856 5,75 D. 1862 13,,, D. 1866 13,,, D.|2 3 Pfd. Im Jahre 1874 hat die Benver-
1857 6,50 m 1863 20,06 m 1867 9,5 Jarbeitung weiter zugenommen. ine von der
1858 6,50 m 1864 21, m 1868 9,35» Jobigen allerdings etwas abweichende Berechnung
1859 6,90 » 1865 15,10 m 1869 10,,, » |tiefert für diejes Jahr im Vergleiche zum vorigen
1860 du: m 1870 8,40” bezüglich der "wicrigiten Bnfabrifationgländer
1861 7,10 m 1871 Tao m \folgende Ergebnifie: In England wurden
1872 8,,5 » |1,277,464,890 Pfd. verfponnen, geg. 1,244,833,710
1873 T,rs » Jim Borjahre. Die Quantität erzeugter B-ngarne
Ungeachtet der den Amerilanern erwachjenen|betrug 1022 Mil. Pfd., gegen 996, wovon 220
ſtarken Goncurrenz iſt fomit der frühere niedrige gegen 215 Mill. ausgeführt wurden. Die Aus—
Preis nicht mehr eingetreten. Bon der auf Spinn- fuhr an Baummollentücyern ftieg von 3,, Mil.
maschinen verarbeiteten B. verbraudt England|Nards auf 3,,,, u. zwar überwiegend in feineren
mindejtens fo viel, wie alle übrigen Länder zu-| Sorten. In Deutſchland hob ſich der Verbrauch
fammengenonmen. Während die Berarbeitung
dortjelbft noch in den Jahren 1735—49 ſich jährs
ih auf etwa 1 Dill. Pfund beichräntte, war die
Menge im Sabre 1860 bereit$ auf mehr als
10009 Mil. Pd. geftiegen und betrug jomit cn
einem Tage mehr, als zuvor in 3 Jahren. Die
Zahl der ın den Bnfabrifen Europas u. Nord»
amerifas bejchäftigter Arbeiter wird, Frauen und
Ninder eingeredynet, zu 14 Mill. angenommen;
ihre Yöhne, im Durchſchnitt zu 150 Thlr. gerech—
net, betragen jährlich etwa 188 Mill. Thir. Eine
vielleicht viermal jo große Menihenmenge ift
mittelbar im "ihrem Yebensunterbalte von der
Stabilität der bezeichneten Juduſtrie abhängig.
Die Zahl der Spindeln, im Jahre 1852 zu
32,600,000, u. 1870 zu 56,584,000 angenommen,
ward für 1873 von Ott-Trümpler in Zürich
folgendermaßen berechnet:
Berbraud in engl. Pfd.
Länder Spindeln. per Spindel. im Ganzen.
England 39,500,000 32 1264 Mill.
Ber. Staaten 8,350,000 57 476
‚Frankreich 5,200,000 38 197,s
Deutichland 5,100,000 45 28
Schweiz 2,060,000 27 56,
Rußland 2,000,000 60 120
Öfterreich 1,600,000 67 106,
Spanien 1,400,000 48 67,3
Belgien 650,000 43 27%
Italien 500,000 48 2
Die 3 Slandin.
Staaten 300,000 60 18
Holland 230,000 43 9
Zufammen: 66,890,000 40 2596
rober B. von 2,412,700 Etr. auf circa 24 Mill.,
u. die Menge des daraus erzeugten Bengarnes
von 1,930,100 auf 2 Mill. Etr.; auf eine Spin-
del treffen 47 Zollpfund, was Mangel an Fein—
jpinnerei andentet; auch betrug die Garneinfubr
noch 15,, % des Bedarfes. Die Schweiz batte
einen von 381,267 auf 423,356 Etr. gejtiegenen
Import rober B., überdies bezog fie noch 22,898
Er. Bengarne ıı. 56,130 Etr. B-nwaaren, erpor«
tirte aber nicht weniger als 77,621 Etr. Garne
u. 243,126 Etr. Waaren; dabei handelt es ſich
weſentlich um Feinſpinnerei, jo daß eine Spindel
duchichnittfiih nur 27—28 engl. Pfd. Robmaterial
verbraucht. Vgl. die Abhandlungen von ler. Peez
über die Pariſer Induſtrie-Ausſtellung von 1867
u. bei. iiber die Wiener von 1873 im officiellen
Ausstellungsberichte, I. Engler.* IL—IV. Benffel.* V. Kolb.
Daumtmwollenbaum, j. Bombax.
Baummollenfamenöl, das fette ÖL, welches
aus den Samen des Baumwollenſtrauches (Gossy-
pium herbaceum L.) gepreßt wird; es ıft
braun gefärbt, hat das jpec. Gew. 0,95, ſchmeckt
mild u. fol in gereinigtem Zuftande ftatt Olivenöl
gebraudt werden können,
Baummwollenfamenkuchen, die Rückſtände der
Igewinnung aus Baummollenjamen, im neuerer
Zeit vielfach als Beifutter, namentlich für Rind—
vieh u. Schafe, verwendet. Derjelbe ift aber micht
fo gedeihlih, wie Leinkuchen u. Rapsluchen; er
enthält im Mittel mit Hülfen: 11,,, Wafler,
23,0; ſtickſtoffhaltige Subftanzen, 6,,, Fett,
30,4; ſtickſtofffreie Ertractjtoffe, 22%,,, Holzfaſer,
6,35 Aſche; ohne Hülfen: 11,,, Wafler, 33,,.
ftitjtoffhaltige Subftanzen, 18,,, Fett, 19,,,
ftidjtofffreie Ertractftoffe, 9,55 Holzfaſer, 7,50
Baumwollenfammet — Baur.
Aſche. Bal. Zuſammenſetzung u. Berdaulichkeit
der Futterſtoffe von Dietrich u. König, Berl. 1874.
Baumwollenſammet, ſ. u. Sammet.
Baumzucht, Zweig der angewandten Botanik,
der die ganze Behandlung der Holzgewächfe im freien
Yande von ihrer Entſtehung an bis zur vollftändi«
gen Abmugung umfaßt. Man unterjcheidet Obft-
B. u. Zucht wilder Bäume; von letterer wieder
Forſt⸗B. od. Holzzucht u. Anzucht der Bier»
Bäume u. Gehölze. Zweige derjelben find: die
Erziebung der Holzpflanzen aus Samen, Ablegern,
Stedlingen x., großentheils in der Baumſchule
(1. d.), die Veredelung, der Baumfchnitt (j. d.),
der Baumſatz (f. d.), die Baumpflege zur Ber:
bütung u. Heilung der Krankheiten, der Schuts
gegen Feinde u, pädtiche Einflüſſe des Klimas
u. der Witterung, die Ernte u. Aufbewahrung der
Samen ꝛc. Wolde.
Baunach, rechtſeitiger Nebenfluß des Main;
nimmt die Weiſſach u. Lauter auf u. mündet beim
Marktfleden B., Yandgericht gl. N., im bayer.
Regbez. Unterfranten; Wallfahrtskapelle; Hopfen-
bau; 1123 Ew.; dabei die Trümmer des Schlofies
Stufenberg, welches urſprünglich den Herzögen v.
Mexran gebörte u> 1552 zeritört wurde.
Baunſcheidtismus, das beachtenswertbe Ber:
fahren des Mechanikers Karl Bauuſcheidt zu En»
denih bei Bonn, mitteld eines aus zabireichen,
ſpitzigen Nadeln (welche durch Federkraft fo in die
Haut ‘getrieben werden, daß Blutung micht ent
ebt) beſtehenden Inſtruments die Haut in größerer
oder Heinerer Ausdehnung zu bearbeiten, alsdann
uf dem gereizten Stellen durch eine vorgeblich
seheime ſcharfe Flüſſigkeit Ausichlag hervorzurufen,
um jo eine größere Wirkung auf das Nerven»
igftem zc. auszuüben, Baunfceidt nannte fein In—
rument Lebensweder. Die Wirkung diejes Mittels
iſt jedoch eine begrenzte, nur für gewiſſe Fälle
beiljame. Bgl.: Der B., Bonn 1851, 11. A. 1372;
8. Bauuſcheidt, Das Auge, ebd. 1859, 4. Aufl.,
1873; Derf., Der wiſſenſchaftliche Standpunkt des
B., ebd. 1862; Schauenburg, Baunjcheidts Yebens-
weder u. die eranthematiiche Heilmethode, Yeipz.
1863—64, 2 Thle. Bgl. Acupunctur.
Bauordnung, die polizeilichen Vorſchriften,
welche bei der Ausführung von Bauten zu beachten
find. Die B. darf feine privatrechl. Beſchränk—
ungen des Eigenthums enthalten, fofern nicht das
Geſetz fie dazu ausdrücklich ermächtigt (j. Baurecht);
fe bezwedt nur die Sicherftellung des öffentlichen
Intereſſes an den einzelnen Bauausführungen,
mögen diefe Neu- oder nur Reparaturbauten fein,
u. beitimmt deshalb im Allgemeinen die Breite,
Richtung u. Art der öffentlihen Straßen, die
Baulinie, welche die zu errichtenden Gebäude ein-
halten müſſen (Alignement), die Conftruction der
iegteren in feuer-, janitäts- u. fonft polizeilicher
Hinficht u. ftellt nicht jelten auch gewiſſe Anfor-
derungen an die änßeren Formen u. Farben der
Façaden. Zu jedem Neubau u, jeder Veränder—
ung der Frontſeite, fowie jeder baulichen Ber-
änderung im Innern des Gebäudes ift Erlaubniß
der Bolizeibebörde erforderlich u. deshalb derielben
vor Beginn der Ausführung Einfiht von den bes
treffenden Bauzeichnungen zu geben. Nach dem
Reichs » Straf» Gejet - Bu
vom 15. Mai 1871
9
8 367 wird mit Geldftvafe bis zu 150 M
oder mit Haft beftraft, wer trots der polizeilichen
Aufforderung es unterläßt, Gebäude, welche deu
Einfturz droben, auszubeflern oder niederzureißen;
wer an Orten, an welchen Menichen v.rtehren,
Brunnen, Keller, Gruben ꝛc. dergeftalt unverdedt
oder unverwahrt läßt, daß daraus Gefahr für
Andere entftehen fan; wer Bauten oder Nuss»
bejferungen von Gebäuden, Brunnen, Brüden,
Scleujen oder anderen Bauwerken vornimmt,
ohne die von der Polizei angeordneten oder ſonſt
erforderlichen Sicherungsmaßregelu zu treffen;
wer als Bauherr, Baumeiiter oder Bauband-
werfer einen Bau oder eine Ausbeflerung, wozu
polizeilihe Genehmigung erforderlid it, ubne
dieje Genehmigung oder mit eigenmächtiger Ab-
weihung von dem durch die Behörde genehmigten
Baupları ausführt, oder ausführen läßt. Bon
beionderer Bedeutung find Die bau- und feuer»,
bezw. janttätspolizeilihen Vorſchriften, weldye für
gewerblide Anlagen im Wilgemeinen, oder für
einzelne Arten derſelben befonders gegeben find.
S. d. A. Gewerbliche Anlagen. Zu erinnern üt
auch an die polizeilihen Borichriften über die
Entfernung, welche zwiichen Gebäuden u. Eiſen—
bahnen liegen muß. Die baupolizeilihen Bor-
Ihriften find allgemein u. ausnahmelos zu bis
achten, aljo auch bei denjenigen gewerblichen An-
lagen, zu melden es einer befonderen Erlaubniß
nicht bedarf, Grotefend
Bauplan, Plan zu einene zu errichtenden Bau
werte; beftebt in Grumdrifien u. Anfichten des
Baues von allen Seiten, Yängen: u. Querprofilen
u. Situationsplau—.
Baupolizei, j. Bauordnung.
Baur, Friedrich Wilbelm v. B. ruff.
Ingieuneur, geb. 24. Dec. 1731 zu Biber bei Hanau;
trat in das kurheſſiſche Militär u. ging 1761 in
preußtiche Dienfte; er wurde bier geadelt u. Oberit
d, privatifirte feit 1764 auf jeinem Landgute bei
Frantfurt a. M. 1769 trat er als Generalmajor ır.
Geueralquartiermeiſter in ruſſiſche Dienfte, kämpfte
1770— 72 gegen die Türken, wurde 1773 General—
lieutenant u. 1780 Generalingeniene. Er legte
Kanäle, Häfen, Straßen u. Salzwerfe an. Zuletzt
war er Director des deutichen Theaters in Peters—
burg, das er größtentheils durch feinen Secretär
v. Kotzebue leiten ließ. Er ft. 1783. Er ſchre:
Memoires historiques et geograph. sur la Wa-
lachie ete., Frantf. 1778, 2) Ferdinand
Chriſtian, berühinter proteftant. Theolog, geb.
21. Juni 1792 in Schmiden bei Cannftatt; wurde
1817 Profejlor am theologischen Seminar in Blau-
beuren und 1826 Profefior der Theologie zu
Tübingen; ft. 2. Dec. 1860. Er ſchr. u. a.:
Symbolit u. Mythologie oder die Naturreligion
des Alterthums, 1824 f., 3 Thle.; Das Mani-
hätfche Neligionsigftem, Tüb. 1831; Apollonios
von Iyana u. Chriftus, oder das Berhältui des
Pothagoreismus zum Chriftenthum, ebd. 1832;
Der Gegenjag des Katholicisinus u, Proteftantis-
mus, ebd. 1854, 2. Aufl., 1536 (gegen Möblers
Angriffe auf die proteftantiiche Lehre); Die chrift-
lihe Gnoſis od. die chriſtliche Religionsphiloſophie,
ebd. 1835; Die fjogenannten Paftoralbriefe des
Paulus, ebd, 1835; Das Chriſtliche des Platonis-
10 Baurecht.
mus oder Sokrates u. Chriftus, ebd. 1837; Über] Prattifchen als bemwegendes Moment hervorgehoben
den Urfprung des Epiffopats in der chriftlichen|habe, fo ift er doch durch Reichthum des Wiffens,
Kirche, ebd. 1838; Die chriftlihe Lehre von der) Scharffinn u. Combinationsgabe eine der erften
Berföhnung, ebd. 1839; Die hriftlihe Lehre von wiſſenſchaftlichen Größen des Jahrhunderts u. ragt
der Dreieinigfeit u. Menihwerbung Gottes, ebd. namentlich auch durch geichmadvolle, elegante Be-
1841—43, 3 Bde; Paulus, der Apoftel Chriſti, handlung felbft der trodenften Wiffenfchaften, wie der
Stuttg. 1845, 2.4., Lpz. 1866—67; Die Epochen | Dogmengeſchichte, hervor. Auch jeine wiſſenſchaft -
der firaptichen Geicidtihreibung, 1852; Anllibe Darftellung erhebt fi oft „zu blühender
Dr. 8. Hofe, Tüb. 1855; Theolog. Jahrbücher, Schönheit, zu einer bis zur Leidenichaft erregten
ebd. 1842—57; Lehrb. der chriftlihen Dogmen- | Wärme und einem Schwunge der Begeifterung,
geich., ebd. 1858, 3. A., 2p3. 1867; Kritifche Unter- |die nicht verfehlen konnte, empfängliche Leſer und
juchungen über die fanoniichen Evangelien, ebd.1847;| Hörer zu feſſeln“ (Yanderer). 3) Guftav Ad.
Das Marcus-Evangelium nad) jeinem Uriprung u. |Yudw., ein der Schleiermacherichen Richtung fol-
Charakter, ebd. 1851. Nach feinem Tode famen|gender Theolog, geb. 14. Juni 1816 zu Hämmel-
folgende Vorlefungen beraus: Geſch. der Chriftl.|bad im Odenwalde; ftudirte in Gießen Xheo-
Kirche (1.—2. Bd. noch von B. herausg.), 5 Bde.,|logie, wurde bier 1841 Privatbocent und 1847
Züb., 3. Th. in 3. Aufl., 1863; Borlef. über die) Profeffor; er ging 1861 als Hauptpaftor von
Geſch. der chriftl. Dogmengeih., Lpz. 1865—66;| St. Jakob nah Hamburg u. 1870 als Profeffor
Borlef. über neuteftamentl. Theologie, 1864. B.,|der Theologie u. Univerfitätsprediger nad) Leipzig.
von Schleiermader ausgehend, dann mit ſeinem Er fchr.: Der Prophet Amos, erflärt, Gieß. 1847;
berühmteften Schüler Strauß zu Hegel weiter- Grundzüge der Homiletit, ebd. 1848; Geſchichte
fchreitend, ift al8 das Haupt der ſog. Zübinger!der altteftament. Weiffagung, ebd. 1861, 1. Thl.;
fritiihen Schule berühmt, welche die Entwidelung | Predigten, ebd. 1858; Predigten, 1861 in Hame
des älteften Ghriftenthums uw. die Berhältniffe,jburg gehalten, ebd. 1862; Predigten über die
unter melden die meuteftamentlihen Schriften [epiftoltiihen Perilopen, Hamb. 1862, 2 Bbe.;
entftanden find, rein gefchichtlich, ohne dogmatiiche | Desal., im Jahre 1869—70 gehalten, ebd. 1870,
Porausfegungen, unterfucht. „Nahdem Strauß dieſ? Bde.; Die Thatfahen des Heils (Predigten),
berfömmtiche Anfiht von jenen Schriften umge jebd. 1864; Kampf, Sieg u. Frieden (Epiftel-
ftürzt hatte, unternahm B. e8, den von diejem|predigten), ebd. 1864; Predigten fiber die evan-
feer gelaſſenen Raum durch neue, tiefgreifende |geliichen Perilopen, ebd. 1865; Desgl., im Jahre
Forſchungen auszufüllen, in den Schriften des|1868—69 gehalten, ebd. 1869. 4) Albert,
N. T., deren geſchichtlicher Charakter großentheils |Hiftorienmaler, geb. 1835. in Aachen; abfolvirte
aufgegeben wurde, Urkunden der dogmatifchen das Gymnaſium dafelbft u. widmete fi dann in
Bewegung, aus welder gegen das Ende des Düffeldorf unter Sohn u. Kehren der Kunſt, ward
2. Jahrh. der Begriff u. die dere der Kathol, Kirche|bierauf in München ein Schüler Schwinds und
fehrte 1861 nad Düffeldorf zurüd. Er malte für
den Berein für biftorifche Kunft die Zurüdbring-
ung der Leiche Ottos III. über die Alpen un. für
den Schwurgerichtsfaal in Elberfeld eine Scene
aus dem Jüngſten Gerichte, in beiden Fällen als
Sieger in ausgeichriebener Concurrenz.
. 2) Hartmann u. Löffler. 4) Regnet.
Bauredt, im weiteren Sinne der Inbegriff
aller privat- u. polizeirechtlihen Grundiäge und
Vorschriften, welche bei Ausfübrungen von Bauten
zu beachten find; im engeren Sinne nur die
privatrechtlihen Beichräntungen der individuellen
Baufreiheit. Solche Beſchränkungen fünnen auf
Vertrag beruhen u. find dann aus dem Inhalte
des Vertrages zu beftimmen, oder auch auf all-
gemeinen gefeglihen Vorſchriſten. Diefe bezweden
theilg, den bereits beſtehenden Bau des Nachbars
vor Schädigungen zu fihern, theils foll dadurd)
dem Bauherrn die Ausführung jenes Baues
möglich gemacht oder — ohne Schädigung des Nach-
bare — erleichtert werden. So kann der Nachbar
fordern, daß die durch ihren üblen Geruch läftigen
Theile eines Gebäudes nur in gewiſſer Entfernung
bon der Grenze angelegt werden; daß der Nachbar
in feine angrenzende Mauer feine Fenſter, oder
doch nur Licht-, feine Ausfichtsfenfter baue; daß
der Nachbar nicht durch zu nahes u. zu hohes
Bauen das nöthige Licht verbaue. Vielfach greifen
bei den diesfallfigen Rechtsverhältniffen Servituten
(Baufervituten) ein, wovon das Recht, in die
Mauer des Nachbars Ballen einzulegen (Tramm-«
hervorging, Erzeugniffe der theol. u. kirchl. Partei-
ftandpunfte, Kämpfe u. Bermittelungen nachzu
weiſen n. aus diefem Material mittels großartiger
Eombination eine Entwickelungsgeſchichte des Ur—
chriſtenthums berzuftellen* (Seller, Bortr. u. Ab:
hanol., Ypz. 1865). Ebenſo bedeutend als durd
Diele Yeiftung iſt B. durch feine firdhen- u. dog:
mengeichichtlichen Werke. Auf dem Grumde aus:
gedehnter Einzelforichungen, deren Ergebniſſe er
in zahlreihen Monographien niederlegte, baute er
ein großartiges geichichtliches Gefammtbild der Ent:
mwidelung der Chriftlihen Kirche u. ihrer Lehre auf.
Er will in diefer Gefchichtichreibung die hiftorifch-
fritifche mit der fpeculativen Behandlung verbinden,
insbejondere in der Dogmengeſchichte „die ewigen
Gedanken des ewigen Weiftes, fo wie fie in ber
dogmen-biftor. Bewegung fih abmwideln, begreifen,
u. zeigen, wie das, was auf der einen Seite in
der Offenbarung als abfolute Wahrheit gegeben
ſei, im Geiſte als erfennendem zur abfoluten Ge—
mißheit werde und die in der Mitte liegende ger
Ihichtlihe Bewegung nur die nothmendige Ver—
mittelung des einen mit dem anderen fei, als das
fortgehende Streben, die abſolute Wahrheit mit dem
abjoluten Wiffen auszugleichen“ (Landerer, akadem.
Gedächtnißrede, Tüb. 1861). Tadelt man auch
an ihm, daß bei feiner Verbindung des Specu-
lativen u. ee in der Geſchichte oft
eines die Schrante des anderen wurde, daß er
überhaupt einfeitig intellectualiftifich in chriſtlichen
Dogmen zu fehr nur das Speculative ftatt des
Baurente — Bautain.
recht), oder auf deffien Mauer einen Theil des
Gebäudes ruhen zu laffen, Fenſter in eine ge-
meinfchaftliche Mauer einzulafien, das Recht, zum
Behufe des Baues oder der Ausbefferung das
nachbarliche Grundftüd betreten, oder gar Bau⸗
gerüſte aufftellen zu biürfen (Hammeridhlags- n.
Yeiterrecht), das Recht, die Traufe auf das fremde
17
darüber gebreitetem Papier. Zu den Umriffen-
tritt unter Umftänden eine leife Schattenangabe
mittel$ Schraffirung. Das Gelingen einer quten
B. fett, menigftens mo es fih um Kunftmerte
als Driginale Handelt, jeitens des Bauſenden
Kenntniffe im Zeichnen voraus, Man bedient fich-
zum Banjen eines Stiftes oder einer Feder. Ein
Grundſtück fallen lafien, Kloalen u. Ausgüſſe aufljehr brauchbares Bauspapier erhält man durch
des Nachbars Grundftüd leiten zu dürfen, Beifpiele
bieten. Wichtig ift noch die gemeinrechtlihe Bor-
ihrift, monad Ballen u. anderes Material, wel«
bes in ein fremdes Gebäude eingebaut worden
in, von dem früheren Eigenthümer jo lange nicht
vindicirt werden kann, als es mit dem Gebäude
teibft im ummittelbarer Berbindung ſteht. Der
Eigenthümer muß fih mit dem Doppelten des
Werthes (worauf er die Actio de tigno juneto
bat) begnügen, oder die künftige Trennung ab-
mwarten. ©. aud Bauordnnng. Grotefend.*
Baurente ift der Zins von dem auf die Aus»
führung eines Baues verwandten Capital, welder
unter Sinzurehnung des Zinfes von dem Preiie
des bebauten Grundes u.Bodens (Bau- od. Haus-
grundrente) den Zinswerth des bebauten Grund-
ſtückes darftellt. Der Miethwerth deffelben kann
demielben entipredhen, oder aud geringer, oder
höher fein. Letzteres muß als Hegel gelten, weil
in demjelben außer jenen Zinsbeträgen auch noch
ein Unternehmergewinn (bed Eigenthümers ober
After-Bermiethers) fteden darf. Die B. u. Bau-
Srundrente find da befonders zu unterfcheiden,
mo das Gebäude auf fremdem Eigenthum aufge
tübrt iſt, wie dies namentlih in England oft vor-
femmt (xömiſch- rechtliches Inſtitut der Super:
ficies), Der wirthichaftl. Grund diefes Berhält-
niffes ift, daß dadurd dem Grundeigenthümer der
Bortheil der im Laufe der Zeit eintretenden Er—
böbungen des Werthes des Grundes u. Bodens ge⸗
fichert bleibt, Grotefend.
Baurif, geometriihe Zeichnung eines Ge—
bäubes oder auch nur einzelnen Theils deſſelben
nad verjüngteem Maßſtabe. Bal. Grundriß,
Aufreißen.
Daufand, Sand, zur Mörtelbereitung unter
den Kall gemiſcht. Der tauglichfte ift der aus
Gruben oder Flüffen, von Erde u. Thontheilen
freie (ſcharfer B.); der gröbere dient zur Anfertig-
— Mauerwerl, der feinere zum Abputz.
auſchmuskel (Splenius), Deustel, zwiſchen
dem oberen Theil des Rückens u. dem Schädel
im Naden ſich binziehend.
Baufh u. Bogen. Bauſch beift bei den
Grenzen das herauswärts Gehende, ſich gewifier-
maßen Baujchende, Bogen aber das hineinmwärts
Gehende; daher belam der Ausdrud in B. u. B.
Beftreichen eines dünnen Papiers mit reinem Per
troleum, das man vor dem Gebrauche mit einem
Lappen abreibt, bis e8 denſelben nicht mehr fettig
macht. Nach der bald eintretenden Berflüchtigung
des Petroleums wird das Papier wieder undurd«
fihtig, ein Borzug, der die damit hergeſtellten
Ben im hoben Grate auszeichnet. Regnet.
Banfe, Johann Friedrich, namhafter Kupfer
ftedher, geb. 5. Jan. 1738 zu Halle; bildete ſich
bauptiählich obne Lehrer, arbeitete zuerſt bloß für
Buchhändler, ging. 1759 nah Augsburg, trat mit
dem berühmten Steher Wille im fchriftlichen ber
lehrenden Berfehr u. entwidelte von 1785 an
in Yeipzig eine umfangreiche Thätigkeit u. war zu—
letzt Profeſſor der Kupferitechertunft an der Kunſt-
alademie daſelbſt; er ft. 3. Jan. 1814 zu Weimar,
Er ſtach bei. hiſtoriſche Blätter u. Porträts, da-
runter eine Folge von Bildniffen deuticher Ge—
Ichrter nah Gemalden von Graff, im Ganzen über
200, die fih durch Sauberkeit u. Sicherbeit im
der Führung des Stichels auszeichnen. Auch
lieferte er jhone Radirungen, Aquatinta · u, Schwarz»
kunftblätter, Regnet.*
Bauske, Landftadt im ruf. Kreiſe Mitau
(Rurland), an der Ya; (1878) 5710 Cm.
(Deutiche, Fetten, einige Ruſſen u. viele Juden);
Stadtkrankenhaus; Handel mit Korn, Flachs, Salz,
Branntwein u, Häringen; in der Nähe Schloß—
ruine, Es hieß früber Baufchtenburg u. ward
1456 von dem Ordensmeifter Jobann dv. Mengden,
gen. v. Oſthof, erbaut, erhielt 1609 vom Herzog
‚Friedrich das Stadtfiegel, wurde 1625 von den
hweden mit Sturm genommen, 1659 von einem
vereinigten polnisch-braudenburgiichen Heere be»
lagert u. 1705 nebjt der Stadt von den Ruſſen
eingenommen, welche i. J. 1706 die Feſtungs—
werte und das Schloß ſprengten. Im Jahre
1812, namentlich am 30. Sept., bier mehrere
Gefechte zwiihen den Ruſſen und den Preußen
unter Norf,
Banjteine, alle zum Bauen tanglihen Steine;
man untericheidet natürliche, als: Sand-, Kalle,
Zuff-, Kiejel- u. Bruchfteine, uw. fünftlihe, als:
Lehm», Ziegel-, Chamotte- u. Pifefteine.
Bauſioffe der Pflanzen nennt man dieje-
nigen Producte des Stoffwechſels, welche zur
Bildung der organifirten Bflanzengebilde, der Zell-
den Sinn: Eines ins Andere gerechnet, ohne ſich haut und des Protoplasma, verwendet werden.
um das Einzelne zu kümmern. So auch im B. der Zellhant find Stärke, Zuder, Inulin umb
Handel in B. u. B. laufen, ital. comperare alsgette, fowie der Zellftoff (Celluloſe);
staglio, fr. acheter en bloc, u. der Bauſchkauf,
itaf. compra fatta a staglio, fr. achat en bloc.
B. des
lasmas find die Eiweißlörper. j
Bantain, Louis Eugene Marie, franzöf.
Bon dem deutihen Bauſch find aud mit der lat. | Philofoph, geb. 17. Febr. 1796 zu Paris; ftudirte
Endung -ale die Ungeheuer der Kanzleiſprache in der Normalichule, machte ſich mit den Werten
Bauſchal · oder Banfhal-Summe u. das Paufchale}der engliichen u. deutſchen Philofophen, bef. Kants,
abgeleitet.
Jacobis, Schellings u. Hegels, belannt u. wurde
aufe, die Aufnahme der Umriffe eines Ge-|1816 Profeſſor der Philojophie am Gymnaſtum
mäldes oder einer Zeihnung auf durdfichtigem!zu Straßburg u. 1817 an der dortigen Facultät
12
2 Bautare — Bauten.
u, wurde kathol. Geiftliher. Er glaubte die ab»-jEintheilung: in 4 Bermwaltungsbezirfe (B.,
jolute Bedeutung des Katholicismus dadurch zu Zittau, Kamenz u. Löbau) u. nächſtdem in das
heben, daß er lehrte, die ganze Wahrheit jei nur Bezirtsgericht B. mit den Gerichtsämtern B., Bi-
in der fatholiihen Kirchenlehre gegebeu; die fich|jchofswerda, Königswartha u. Schirgiswalde, in
jelbft überlaſſene Vernunft führe von Gott ab; das Bezirksgericht Kamenz mit den Gerichtsämtern
denn Bernunftfchlüffe allein könnten feine Gewiß-| Kamenz, Konigsbrüd u. Pulsnig, in das Bezirks—
heit von Gott geben; erſt durch den Glauben
fönne die Vernunft zum Wiffen gelangen. Der
Straßburger Bijchof verwarf 1834 diefe Sätze u.
ftellte ihnen 6 andere entgegen, die den Bernunft-
glauben als Ergänzung des Offenbarungsglaubens
binftellten u. legteren für undemonftrirbar erflärten.
Der Papft betätigte 1834 diefen Ausſpruch; B.
widerrief 1835, wurde aber erft 1841 nad Ab»
legung eines vollftändig befriedigenden Glaubens»
betenntniffes wider in alle lanoniſchen Befugniſſe
eingefett und 1848 zum Obervicar der Barifer
Diöcefe ernannt. Er fehr.: La morale de l'Evan-
xile comparce ä la morale des philosophes
geriht Löbau mit den Gerichtsämtern Lobau,
Bernftadt, Ebersbach, Herruhut, Neujalza u. Wei-
Benberg, u. in das Bezirksgericht Zittau mit den Ge-
rihtsämtern Zittau, Großihönau, Oftris u. Reis
henau; Unterridtsanftalten: in B. n. Zittau
beftehen Gymnaſien, in den übrigen Städten u.
Dörfern ift das Vollsſchulweſen gut geordnet,
2) (Wendiih Budiſchyn) Hauptftadt der königl.
ſächſiſchen (früheren Marlgrafſchaft) Oberlaufig,
die 1. der Bierftädte, rechts an der Spree u. der
Dresden - Görliter Eiſenbahn; Sit der Streis-
hauptmannihaft, des Appellationsgerichtes, einer
Amtshauptmannichhaft, eines Gerichtes u. eines
(Preisihrift), 1827, deutich von Geiger, Altdorfl Rentamtes; katholiſches Domftift (mit Schule
1880, u. Comparde aux diverses systemes de|u. 40 Dörfern), 2 Yandjcaftshäufer, Dechanei
morale, Bar. 1855; De l’enseignement de laj(Capitelhaus), Rathhaus, die (getrennt, halb den
philosophie en France au XIX, siöcle, Straßb.
1833; Philosophie du Christianisme, ebd. 1835,
2 Bde.; Psychologie experimentale, ebd. 1839,
2 Bder; Philosophie morale, 1842, 2 Bde; La
religion et la liberte, Bar. 1848; La chretiente
de nos jours, 1859; La conscience, 1860, 2.4.,
1861; Meditations sur les epitres et les evan-
giles du car&me, 1865; Manuel de philosophie
morale, 1866. Er überjette auch Krummachers
Parabeln, Bar. 1821, 3.4., 1840, Löffler.*
Bautare, j. Bauanſchlag.
Bautſch (Budiſſow), Stadt im öfterr. Bezirke
Sternberg (Mähren); Flahsbau und Weberei;
3100 Ew.
Bautjdji, etwa 11,000 Tjkm große Provinz
der Fulbe im weſtlichen Gentral-Afrita, zwiichen den
Fzlüffen Kadunag, Gongola, Benue u. Quorra;
gebirgig, reih an Blei, Zink u. Eijen; Haupt—
ſtadt: Jakoba oder Garon Bautfci.
Bautz, Cappler v. Odheim, genannt von
B.; ſ. Cappler.
Bautzen, 1) Regierungsbezirl im Königreich
Sachſen; 2457,, [km (44,56 M); 330,945 Em.
(mworunter 24,000 Katholiten u. 49,506 Wenden)
in 13 Städten, 22 Marktfleden u. 505 Dörfern;
grenzt an die preußiichen Provinzen Sadien u.
Schleſien, Böhmen u. den ſächſiſchen Regbez. Dies-
den; gebirgig ſüdlich durch Die Fortſetzung des
Elbſandſtein- u. Laufiger Gebirges, nördlid eben
u. niedrig; bemäfjert durch die Schwarze Elſter
(mit dem Schwarzwaffer), Spree, Pulsnig, Neiße
u. Löbauer Waſſer; von 6 verfchiedenen Linien der
Sähfiihen Staatsbahnen u. der Yinte Görlig-
Bittau u. von der Berlin-Göriiter Bahn durd-
ſchnitten; Boden qut (nördlich jandig, jitdlich ſtei—
nig, das Innere Weizenboden); Producte: Be—
treide (nicht ganz ausreichend), Flachs, Buchweizen,
Holz, Hausthiere (Rindvieh, Pferde, Gänje), fehr
wenig edle Mineralien; Induſtrke: Berfertig-
ung von Leinwand (jährlich für 2—3 Mitt. Thir.
Ausfuhr, zum Theil überjeeiih), Damaftweberet
Yutheranern, halb den Katholifen gehörige) Petri-
firche, wendiich-Iutberiiche und wendiſch-katholiſche
Kirche, 2 Hoſpitalkirchen, Waiſen-, Arbeits und
Kranlenhäuſer, Predigercollegium, Gymnaſium,
2 Schullehrerſeminare, ein evangel. u, ein kathol.,
legteres das einzige im Königreich, eine Realfchule
II. Ordnung, eine fehr gut eingerichtete Bürger-
ichule, eine Stifts- u. Waiſenhausſchule, Induſtrie⸗
ichule, Handelsiehranitalt, 2 Bibliotheten; Gewand-
baus, Schaufpielhaus, Kaſerne, Schloß Ortenburg;
Pulver-, Bapierfabriten (die eine Actiengejellichaft
bilden), Kupfer-, Stahl- u. Drabthammer, Walz-
merk, Eijengießerei, Mafchinenbaufabrif u. Dampf-
ziegelei, Streihgarnfpinnerei, Yederfabrifation, Lei-
nen u. Strumpfweberei; Handel, befonders mit
Yeinwand, Flachs-, Garn- u. Wollmärkte; Frei—
maurerloge zur goldenen Dauer; ohne die Bor-
ſtadt Seidau (mit 2507 Einw.) 13,165 Ew.,
worunter etwa 1200 Katholiken. B. iſt Geburtsort
des Belletriſten A. G. Meißner u. des Hiſtorikers
K. W. Böttiger. — B. beſtand ſchon zu Heinrichs J.
Zeit 931, wurde aber erſt unter Otto I. Stadt.
Markgraf Sobieslaw J. befeſtigte es. Hier am
30. Jan. 1018 Friede zwiſchen dem Polenkönig
Boleslaw u. Kaiſer Heinrich II. u. 1350 zwiſchen
Karl IV. u. Ludwig dem Brandenburger, wodurch
Ludwig feinen Anſprüchen auf die Wieder-Laufit
entjagte, dagegen Brandenburg verbürgt erhielt,
(f. Brandenburg.) B. trat am 21. Aug. 1346 zu
dem Lauſitzer Schs-Städte-Bunde (ſ. u. Lauſitz). 1405
bis 1410 rebellirten die Bürger gegen den Rath,
deshalb ließ König Wenzel 14 der Schuldigen
binridten. Im lege litt B. viel, ſchlug
aber 1431 einen Sturm ab. 1620 nabm es Kur-
fürft Johann Georg I. von Sadjen nah vier-
wöcentlicher Belagerung ein. 1633 wurde B. von
Wallenftein u. 1634 von dem Kurfürften von
Sadjen erobert. Im Frieden zu Prag (1635) er-
bielt Sachſen die Stadt B. mit den Yaufiten als
Kriegsentihädigung. Im Giebenjährigen Kriege
litt B. bedeutend, Hier den 20. u. 21. Mai 1813
(zu Großſchönau u. Zittau), Band (in Pulsnig u. Schlacht zwiichen der ruffifch » preußischen Armee
Sroßröhrsdorf), Tuch (Biihofswerda u. Kamenz),\unter Wittgenftein u. den Franzojen unter Napo-
and andere Strumpf-, Wollen- und Holzwaaren;|leon; Lettere Sieger; f. u. Ruſſiſch- Deutſcher Krieg
Bauwürdig
ven 1812—15. Den bier Gefallenen wurde 1853
auf dem Tauchaer Kirchhofe ein Denkmal errichtet.
Bal. Böhland, Ber Chronik, Budiſſin 1831.
Bauwürdig, von Lageritätten, jo beichaffen,
daß diejelben mit Nuten gebaut werden können.
Banrit, j. Beaurit. |
Bauzänım (a. Geogr.), Stadt in Rhätien;
jest Bogen.
Bava, Eufebio Baron v., piemont. General,
geb. 1790 in Bercelli; erhielt feine milttärifche Erzieh⸗
ung in der Militärichule von St. Eyr, machte alle
Feldzüge bis zur Einnahme von Paris 1814 mit
«trat dann als Capitän in piemontefifche Dienfte,
ward von Karl Albert 1840 zum Baron u. Ge-
nerallientenant ernannt u. 1847 Gouvernenr von
Heffandria, In dem Feldzuge gegen die Dfter-
reicher von 1848 war er Bejehlähaber des erften
Armeecorps und thatjächlich, ſoweit e8 die Eitel-
feit des eiferfüchtigen Königs Karl Albert, der
den Oberbefehl führen wollte, zuließ, der wirkliche
!eiter der Operationen, jedod in den Dispofitio-
nen jeden Augenblid durchkreuzt durch den launen-
haften u. keuntnißloſen Willen des Königs. Der
allerdings mit großer Übermadt errungene Sieg
bei Goito war fein Werk, wofür er zum General
der Armee befördert ward. 1849 erbielt er das
Lortefeuille des Krieges, gab aber bald feine De-
mifton u. leiftete der Armee als Generalinjpector
der Infanterie durch feine umfichtigen Vorbereit-
angen für den Krimfrieg erſprießliche Dienite.
Schrieb: Relazione delle operazioni militari nel
1848, Turin 1848.
Bavard (fr.), Schwäter; daher Bavardage
(Barardife), Geſchwätz; Bavarderie, unnützes
Shwagen; Bavardiren, ſchwatzen.
Bavaria, 1) neulateiniicher Name fiir Bayern.
2) Roloffale Erzftatue vor der Ruhmeshalle auf der
Zherefienmwieje bei Münden, Perjonification von
Bayern: eine weibliche Geftalt, in der Nechten ein
Schwert, inder Linken einen eınporgehobenen Eichen-
franz haltend, neben ihr ein Löwe. Die Statue ift
von der Sohle bis zur Spige des Kranzes 20,, m
hoch; fie ſteht auf einem 9,, m hohen Poftament
von Granit, zu welchem 49 Stufen hinanführen.
Eine gußeiferne Treppe führt bis in den Kopf,
in dem 6 Perfonen Raum haben u, von welchem
aus man mittels Öffnungen die Ausſicht auf Stadt
u. Umgegend genießen fann. Die dee zu dieſer
Statue wurde vom König Ludwig ſchon 1832 ge-
taft; das Modell formte Schwanthaler; den Guß
führte Fd. Miller in der Königlichen Erzgießerei
zu Münden aus; enthüllt wurde fie am 7. Aug.
1850. Das Erz dazu, gegen 1560 Etr., befteht
meift aus den türkifchen Kanonen, welche bei Na-
darin verſentt u. von griechiſchen Tauchern zu
Tage gebracht wurden.
avah. Stadt im Arr. Avesnes des franz.
Depart. Rord; Zuderfabrif; otägiger Kornmarit
m Auguft; 1777 Ew. — B., das alte Bagacumı
(Baganum), war die bebeutendfte Stadt der Ner—
ver. Sie erhob fih nach ihrer Zerftörung im 6.
Jahrh. nie wieder zu ihrer alten Blüthe. Unter
13
Baveno, Dorf in Piemont (Prov. Novara,
Diftr. Pallanza), am weitlichen Ufer des Lago—
Maggiore, von welhem aus man die Borromei—
ſchen Inſeln (j. d.) zu befuchen pflegt; 1760 Em.
Bavifo, ajrifan. Bollsftanım nordweftl. vom
Ngami See; taufhen nach W. Elfenbein u. Sklaven
aus; fie bewohnen ein schönes, bügeliges Yand.
Bavilliers, Dorf in Frantreih, Diftr. Belfort;
850 Ew. Hier fanden während der Belagerung
von Belfort im Deutſch-Franz. Kriege (jo bei.
9. Jan. 1871) mehrfache Gefechte ftatt.
abispe (Presidio de B.), befeftigte Stadt
in DMerico, Staat Chihuahua, in einem gebirgigen
Diftriet, nahe den Duellen des gleihnamigen
Fluſſes; Gerberei, Aderban, Viehzucht. Dergleichn.
Fluß, Rio-Grande de B., fließt am Weſtabhange
der Sierra Madre aus einem See u. mündet in
Sonora in den Californ. Meerbuſen.
Bavius, 1) B. u. Mävius, zwei Dichter:
linge, anmaßende fchlechte Krititer des Bergilius,
von diefem u. Horatius verjpottet. Daher 2) (Bav)
jo v. w. ſchlechter Dichter u. Kritifafter,.
Bavoche (fr.) od. Banodjure, 1) unreiner
Abriß oder Kupferftih; 2) unjauber abgezogener
Drudbogen; daher bavodirt, unrein, undeutlich.
St. Bavon, der Schußpatron von Gent, von
Geburt vornehmer Niederländer; lebte in feiner
Jugend ausichweifend, befleigigte fi) aber, von
St. Amandus belehrt, eines frommen Wandels,
madte viele milde Stiftungen u. ft. 665; Tag:
1. October, an welbem Tage ihm das seit
Bavonmeſſe (Bamefje, Bämiß) in den Nieder»
landen gefeiert wird,
Bawean, Inſel zwischen Borneo u. Java, den
Niederländern gehörig, von den Eingeborenen
Lubod, von den Engländern Bavian-Island ge-
nannt; fruchtbar an Reis, Indigo, Baummolle,
Tabat; Steintohlen u, heiße Quellen; 33,500 Ew.;
eingetheilt in drei Diftricte; Hauptort Sanglapura.
atwtry, Stadt in der engl. Grafſch. York, am
Idle; Mühlſtein- u. Eifenwaarenhandel; 1500 Em.
Ba-Wulima, Nebenfluß des Senegal in Afrita.
Barmann, Rudolf, geb. 21. Febr. 1832 in
Stendal; ftudirte feit 1850 im Halle u. Berlin
Theologie u. war dann mehrere Jahre Prediger
bei der preuß. Gefandtichaft in Liſſabon; er habi-
litirte fi 1863 in Bonn als Privatdocent, u. wurde
Inſpector des dortigen evangelifchstheol. Stiftes;
er ft. «2. Juli 1869. Er ſchr.: Scleiermaders
Anfänge im Schriftftellern, Bonn 1864; Über die
Grenzen proteftantifcher Lehrfreiheit, ebd. 1365;
Fr. Schleiermacder, Elberf. 1868; Die Politil
der Päpfte von Gregor I. bis Gregor VII., eb.
1868 f., 2 Bde.
Barter, 1) Richard, geb. 12. Nov. 1615 zu
Rowdon in Shropihire; murde 1640 Geiftlicher
zu Kidderminfter, 1642 ;Feldprediger unter Crom
well u. nad) einigen Jahren wieder Geiftlicher in
Kidderminfter; er war 1661 bei der Berfammlunc
zur Bereinigung der Epiflopalen u. Presbyterianer
zu London jehr thätig u. verlor infolge davon
1662 feine Stelle; feit 1663 lebte er in Acton u.
— Barter.
den Ruinen römischer Bauten ift die wichtigfte der|jeit 1672 in London, wo er unter den Verfolgun—
ingang
ld von Malplaquet.
einer unter der Sambre weggehenden|gen der Nonconformiften zu leiden hatte u. 1685
römiſchen Wafferleitung. Unmweit davon das Schlacht» Jeingeferfert wurde.
Erft jeit 1688, unter Wil
heim III, trat Toleranz ein; er fuhr fort, nad
14 Bay —
jeinen Grundſätzen zu predigen, u. ft. 8. Dechr.
1691. Der nach ihm genannte Barterianismus
ift der mildere Galvinismus der englifchen u. jchot-
tischen Theologen, welcher namentlich in der Prä-
deftinationsiehre die Beſtimmung einer gewiſſen
Anzahl von Menſchen zur Seligkeit annimmt,
vüdjichtlibh der anderen aber feine Verwerfung,
ſeudern die Möglichkeit der Rettung der Seelen
Aller lehrt, denen das Evangelium gepredigt wird.
Dieje Anficht bat jpäter an Watts u. Dodridge
ihre Hauptvertreter gefunden. Er jhr.: Reasons
for the C'hrist. Rel., Yond. 1672 (gegen den Deis-
mus Cberburgs); Tihe Saints everlasting Rest
‚(Die ewige Ruhe der Heiligen); A Call to the
Unconverted (Huf an die Nichtbefebrten), in viele
Spraden überfegt; Reformed Pastor, deutſch, Berl.
1834 (Barapbraje des Neuen Teftaments); Die
heilige Republik. Werke, heransgeg. von Orme,
Lond. 1830; jeine Gelbjtbiograpbie (Narrative uf
the most remarcable passage of his life and
times), herausgeg. von Matth. Syivefter als Re-
liquiae Baxterianae, Yond. 1696, 2. A., 1713,
2 Bde., Fortſetzung 1727; ſeine Lebensbeichreib-
ung von X. Gerlady, Berl. 1836, u. von Schmidt,
2p3.1843. 2) William, Neffe des Borigen, geb.
um 1650 zu Mlomiugauy; war Rector der Kauf.
mannsichule in Yondon u. ft. 31. Mai 1723; er
fchr.: De arte latinae linguae, 1679; Glossarium
antiquitatum britannic., 1719, 1733, u. gab den
Anakreon u. Horatius heraus, Lond. 1701 u. ö.
3) George, engl. Miniaturmaler, geb. 1804 od.
1805 zu Lewes; fam 1827 nad London; ift der
Erfinder des Ölfarbendrudes in feiner beutigen
Geftalt; fl. 1867 in Sydenham. 1) köffler.* 3) Reguet.
Bay, 1) County im nordamerif. Unionsftaate
Michigan, unter 44° m. B. u. 83% w. %,, an der
Saginambar; verihiedene Eifenbahnlinten; 15,900
Em. 2) Countyſitz darin; 7064 Em.
Bayamo, Stadt im öftlihen Theil der Juſel
Cuba, nordweſtl. von St. Jago, am gleihnam.
Kanal; Eifenbahn nad dem Hafenorte Manzanilla;
7400 Em.
Bayano, Fluß im Staate Iſthmo der für-
amerik. Hepublit Columbia; mindet in die Bai
von PBananıa,
Bayard, 1) Pierre du Terrail, Geigneur
de B., genannt le Chevalier sans peur et sans
reproche (der Ritter ohne Furcht u. Tadel), geb.
1475 auf dem Schloſſe B. bei Grenoble; wurde
von feinem Cheim, George du Terrail, Bijchof
von Grenoble, erzogen u. zu den Rittertugenden,
die ihn zu dem gröpten u. liebenswürdigſten Hel-
den des Mittelalters machten, angeleitet. Als Page
in Dienften des Herzogs von Sapoyen erregte er
die Aufmerfjamleit Karis VIII. von Frankreich,
der, erjtaunt über die Gewandtheit des Jünglings
beim Bändigen eines wilden Pferdes, ihn zur
weiteren Ausbildung dem Grafen von Ligny über-
gab. Nachdem er bereits in mehreren Turnieren
Yorbeeren errungen batte, trat er 1494 unter das
Gefolge Karls VIII. u. begleitete denfelben nad
Stalien. In der Schlacht bei Verona eroberte er
eine Fahne. Unter Ludwigs XII. Regierung focht
er 1499 bei Mailand u. verfolgte den fliehenden
Bayard.
dringend, gefangen wurde. Ludwig Sforza ſchenkte
ihm jedoch großmüthiger Weiſe die Freiheit. Nach
der Schlacht bei Novara führte er einen kleinen
Krieg gegen die Spanier, denen er empfindliche
Verluſte beibrachte. Den Rückzug der Franzoſen
nad der Schlacht bei Ceriguola (1503) deckte er
mit raſch zufammengerafften er zeriprengter
Mannschaften u. vertheidigte allein die Briide über
den Garigliano gegen 200 Genuejen u. Benetia-
ner, An der Schladt bei Padua (1509) nahm er
rubmvollen Antheil, 309g dann dem Herzog von
Ferrara gegen den Papft Julius IL zu Hufe u.
wurde bei der Beitiirmung von Brescia ſchwer ver- *
wundet. Kaum genejen, begab er ſich wieder in das
franz. Lager zu Ravenna, dedte den Kiidzug von
Pavia nah Alerandria u. empfing abermaß eine
Wunde, nad deren Heilung im Schooße feiner Fa—
milie er fich nach dem Kriegsichauplage in Spamten
begab. Der Einfall der länder in die Picardie
1513 verfchaffte ihm neue Thätigleit; er warf bei
Teronane den Nachtrab der Feinde u. verrichtete
eine feiner größten Heldenthaten, indem er, als
nad der unglüdtihen Schlacht auf den Höhen von
Guinegate die franz. Armee ſich in wilder Flucht
auflöfte, mit 15 Reitern eine Zeit lang dem An-
drang der Feinde trogte. Als er ſah, daß feine
Nettung war, ftürzte er auf einen englischen Offt-
zier zu u. forderte ihn auf, fich zu ergeben. Der
überrafchte Offizier reichte wirklich dem Ritter
jeinen Degen, erhielt aber dafür den des Nitters
mit deſſen Berficherung, nun fein Gefangener zu
fein. B. wurde infolge deſſen, nad Ausiprud)
des Kaifers Marimilian u. des Königs Heinrich,
da er der Gefangene jeines eigenen Gefangenen
geworden, ohneYöjegeldfveigegeben, 1514 ernannte
ibn Franz I. zum Generallientenant der Dauphine.
B, drang von dort gegen Piemont vor, nahm
Projper Colonna gefangen u. trug weſentlich zu
der fir Frankreich günjtigen Entſcheidung ber
Schlacht bei Marignane (1515) bei, nach welder
fih der König von ihm zum Ritter fchlagen ließ.
Als das Heer Karls V. 1520 in Frankreich ein-
drang, warf er ſich deinjelben in der Champagne
entgegen u. vertheidigte 6 Wochen lang bie Taf
offene Stadt Dieziöres, worauf der Feind ımver-
richteter Sache abzog. Als Retter des Baterlandes
wurde er bei feinem Einzuge in Baris mit Fönigl.
Ehren empfangen. Kurze Zeit darauf fandte iöm
der König nach dem rebellirenden Genua, wo er
dem Aufſtande bald ein Ende machte. 1524, als
Franz den General Bounivet zur Wiedereroberung
atlands nad Italien fandte, traf B. wieder das
Loos, den Ridzug des bei Lodi geſchlagenen Heeres
zu deden. Am 30. April deſſ. J. gegen die von
‚Feinden bejette Brüde über die Sefia vordringend,
zerjchmetterte ihn eine Musketenfugel das Rüdgrat.
Seine Leiche wurde in der Kirche des Minoriten-
Hofters in der Nähe von Örenoble beigejegt. Vgl.
Gayard de Berpille, Histoire de Pierre Terrail;
u. A., Par. 1824; Delandine de St. Ejprit, Hi-
stoire de B., Bar. 1842. 2) Jean Frangois
Alfred, nähft Scribe der bebdeuteudfte franz.
Luftjpieldichter, geb. 17. März 1796 zu Charol-
les; Ddichtete jhon als Student der Rechte Cou-
Feind mit ſolchem Ungeftüm, daß er von feinen|plets u. Heine Theaterftüde, ward Advocat, wandte
Truppen abgejchnitten u., allein in die Stabtlfih aber jeiner Lieblingsbefhäftigung, der dra-
Bayer — Bayer-Bürf, 15
zatihen Dichthunft, zu u. verfaßte mit mebreren
ınderen befannten Theaterdichtern nahezu TU Dra⸗
zen, Komödien u. Vaudevilles, worunter der
darijer Zangenichts, die Königin von ſechszehn
Jahren, Judith, der Bater der Debütantin u. a.,
die zum Theil auch über die deutiche Bühne ge-
angen find; gejammelt al$ Theätre, Bar. 1855
31860, 12 Bde, Erft. 19. Febr. 1858 in Paris,
3) B., Rainalts Pferd; f. u. Haimonsfinder.
Bayer, 1) Zobann, Aftronom u. proteftan-
aiher Prediger, geb. 1572 zu Rain in Bayern,
zer eim muthiger Vertheidiger feiner Glaubensge-
zoffen (daher Us protestantium, d. h. Mund der
Troteftanten, genannt) u. wurde vom Kaijer Yeopold
L in den Adelsſtand erhoben; er ft. 1626. B.
führte in der Aftronomie die Bezeichnung der
Geftirne mit griechifchen u. römishen Buchſtaben
am u. machte fich vornehmlich verdient durch feine
Uranometria (eine Darftellung des geftirnten
Sımmels), Augsburg 1603, Hal neue Aufl., Ulm,
1648, 1661, 1723, mebft Erllärung in der Expli-
atio characterum aeneis tabulis insculptorum,
Augsb. 1654. 2) HieronymusFohann Paut,
zb. 21. Sept. 1792 zu Rauris im Galzbur-
züchen; war erſt Rechtsprakticant in Landshut,
nudırte machträglih 1817—18 no in Göttingen,
wurde 1819 Vrivatdocent der Rechte u. 1822
drofeffor im Landshut; er ging 1826 mit nad
Ründhen u. wurde 1853 zum Heichsrath ernannt.
ir fchr.: Über die Anderung des Klaglibells,
“andsh. 1819; Theorie der ſummariſchen Bro»
eſſe, Münch. 1829, 6. Ausg., ebd. 1846; Theorie
2er ſummar. Procefordnung, ebd. 1834; Bor-
träge über die ordentlichen Ginilprocefie, ebd.
1828, 8.4, 1853; Theorie des Concursproceſſes,
vd. 1836, 4. Ausg., 1850. 3) Joſeph Auguft,
bervorragender Theilhaber an der ungar. Hevo-
Intiom, geb. 1821 zu Pet; trat 1839 als Lieute-
aant im die öfterr, Arınee, wurde Profeſſor ber
Tadettenſchule zu Neuhaus u. erhielt 1843 feinen
Abſchied. Die folgenden Fabte bereifte B.
Deutihland u. die Schweiz, wo er 1847 im
Herbfie an dem FFreifhaarenzuge theilnahm; 1848
nah Per zurüdgelehrt, wurde er 1849 Oberft
der ar. njurgentenarmee, entwarf für Gör-
gey —28 u. — leitete die Be—
lagerung von Ofen u. den Durchbruch an der
Baag, gerieth nah der Waffenſtreclung der In⸗
furgenten in Gefangenfchaft und wurde zu 18jäh—
iger Feftungsftrafe verurtheilt, aber 1850 am-
neftirt.. Er ſchrieb: Oſterreichiſche Flüchtlinge,
Manuh. 1847. 4) Auguſt von, berühmter
Arditelturmaler, geb. 1808 zu Rorſchach am
Bodenfee ; erhielt eine jorgfältige wifjenichaftliche
Bildung, ftudirte unter Weinbrenner in Karls»
ruhe Architeltur, fette diefe Studien in Zürich,
Straßburg, Freiburg im Breisgau u, Münden
fort u. wendete fich jchlieglih auf Anregung Win-
terhalters der Arditelturmalerei zu; er ftarb 2.
Februar 1872 in Karlsruhe. B. malte meift
Junenanſichten von Kirchen u, Klofterhallen, mit
reizenden Lichtwirkungen u. anfpredenden Stafja-
gen, voll Poefie bei trefflichiter Zeichnung und
outer Farbe. Er war Mitgründer des Badischen
Tterthumspereins, ſeit 1853 Conjervator der
werte: Straßburger Münfter; Freiburger Mün—
fter; Münchener Frauenkirche; Franciscanerlirche
in Salzburg (Neue Pinakothek in München); Ko-
jter Maulbronn, Mittag im Klofter; Botanifirende
Trinitarier (Leipziger Muſeum); ;zeierftunde im
Klofter (Schloß Babelsberg); Toggenburgſage,
Triptychon (Schloß Stolzenfels); Beichte im Klofter
u. Klofterhof (im Befige der Großfürftin Maria von
2enchtenberg); Media in vita sumus, u. der Tod
des bi. Bruno, mit Doppelbeleuchtung. 5) Kart
Emmerid Robert, pfeud. Robert Byr, deut»
iher Romanicriftiteller, geb. 1835 in Bregenz;
befuchte die Militäralademie zu Wien, trai 1852
in das Hujarenregiment Graf Nadeyty ein, rüdte
1859 zum Wittmeiiter auf u. verließ 1862 den
activen Dienft, um fich fortan in feiner Bater-
ſtadt literarifhen Wrbeiten zu widmen. Er machte
fi) zuerſt duch eine Sammlung vom Skizzen:
Gantonnirungs-Bilder, Prag 1860, 2 Bpe., be»
fannt u. entiwidelte dann eine große Fruchtbar;
feit: bis jett (1875) bat er bereit$ über ein
Dugend meift mehrbändige Romane u. daneben
noh 2 Dramen gefchrieben. Seine Romane jdil-
dern das Familienleben u. die Geſellſchaftskreiſe
der Gegenwart, zeichnen fi durch gejunde Nea-
liſtil, lebensträftige Friſche u. fcharfe Gharatter-
— aus. In glänzender Weiſe tritt das
Talent des Dichters in dem Zeitroman Noma—
den, Lpz. 1871, 5 Bde., zu Tage, in welchem
das moderne, unruhige Welt- u. Reijeleben in
der Schweiz, bejonders in Montreur und der
Spielhölle Saron, meiſterhaft geſchildert wird,
Nicht minder bedeutend it der Roman: Auf ab-
ihüffiger Bahn, Berl. 1872, 4 Bde., der eine
unglüdlihe Ehe in der öfterr. Ariftofratie zum
Vorwurfe hat u. im weiten Hintergrunde zeigt,
wie fi) das gejammte gährende u. ringende Böls-
ferconglomerat Dejterreihs auf abſchüſſiger Bahn
bewegt. 6) Philipp Anton, berühmter Ge-
burtshelfer, geb. 1792 in Bamberg; ftudirte Me—⸗
dicin in Erlangen, promopirte 1816 daſelbſt und
ging als Augenarzt nah Nürnberg, übernahm
dann in Erlangen eine Aififtentenftelle, wurde
1821 zweiter Arzt am flinijhen Inſtitut und
1826 außerordentlicher age lin der Geburtshilfe,
übernahm fpäter auch die Directorftelle der Ent-
bindungsanftalt; er ft. 11. Juni 1832. Er fahr.:
Über Tridiafis u. Entropium, nebft Beichreibung
einer verbeflerten Augenlidzange, Nürnb. 1816;
Erfte Nachricht von der Entbindungsanftalt in Er»
langen, ne 1829; Fortgeſetzte Beobachtun⸗
en über die Wirkſamkeit der Belladonna bei Ge—
re falessehfrinern (Horns Archiv, Bd. 1.,
1821), über die Anwendung der Wandfledhte (Lo-
baria parietina L.) in intermittivenden Fiebern.
Er betheiligte fich ferner an B. Schregers Grund-
riß der chirurg. Operat., Nürnberg 1821 u. ſchrieb
verſchiedene Artikel für Horns Archiv für medicin.
Erfahrungen über Arſenik, Quedfilber u. Bella-
donnavergiftungen ꝛc.).
1) Spedt. 4) Negnet. 5) Salomon. 6) Thamhayn.
Bayer-Bürf, Marie, namhafte Schaufpie-
ferin der Gegenwart, Tochter des Schaujpielers
F Rud. Bayer, geb. 31. Oct. 1820 zu Prag.
Mit 16 Jahren betrat fie als Dorothea in Her-
badischen Kunftdentmäler u. Alterthümer,. Haupt-Imann u. Dorothea die dortige Bühne, ber fie
16
bis Michaeli 1839 angehörte,
Hunnover engagirt, wirkte fie dafelbft bis 1. Mai
1841 u. zählt fit Sept. 1841 zu den hervorra-
gendften Kräften der Dresdener Hofbühne. Ihre
Ehe, mit dem Schriftfteller Auguft Bürk ge
ichloffen, löfte frühzeitig der Tod, u. fie verheira-
there fich 1863 zum zweiten Dal mit dem Oberſt-
lieutenant von Falkenſtein. Geminnendes Hußere,
wohllautendes Organ unterftügen die Wahrheit,
Einfachheit u. Anmuth ihres Spiels. Ihre Gaft-
ipiele an den Hoftheatern zu Berlin, Stuttgart,
Darmftadt, Wien (von 1850—1856 alle Frühjahre
6 Wochen), wie an den Stadttheatern zu Breslau,
Leipzig, Stettin, haben au dem größeren Publi—
cum den Genuß ihrer meift vollendeten Leiſtungen
verihafft. Jetzt tritt fie im älteren Partien auf,
aber jrüber erglänzte fie als Maria Stuart,
Iphigenia, Grethen, Klärhen, Donna Diana,
Bortia, Antigone; Emilie Galotti u. a, Küurſchner.
Bayerifhe Alpen, Theil der Oſtalpen,
zwiſchen Lech, Inn u. den Salzburger Alpen, auf
der Grenze zwiſchen Bayern u. Firot. Man
unterſcheidet vorzüglich zwei Hauptregionen, die
wieder in Parallelzüge ſich theilen. Diefe Haupt-
regionen find dur ein Yängenthal getrennt, das
fih aus dem Beden von Yermoos gen ONDO
bis Kufſtein erftredt, aber an —— Stellen
nicht leicht als Thal zu erkennen if. Die ſüd—
lie Hauptregion wird durch die Iſar u. den
Achenſee in drei Gruppen getheilt: 1) Das Wet-
terfteingebirg mit der Zugſpitze 2962 m, dem
höchſten Gipfel im Deutſchen Reiche, dem Wet—
terſchroffen 2872 m, der Scharnigipige 2682 m
und der Dreithornipige 2692 m, Südlih vom
Wetterfteingebirge läuft parallel mit ihm in
Tirol eine Kette unter dem Namen Mieminger:
Berge, mit dem Grünftein 2711 m. 2) Die
mittlere Gruppe umfaßt 4 Parallelfetten, von de»
nen nur die nördlichite zum Theil zu Bayern
gehört. Auf der füdlichften, weihe in der Mar—
tinswand gegen das Innthal abjällt, erhebt ſich
der Große Sollftein 2970 m, als der höchſte
Gipfel der auf öfterreichiihem Gebiete gelegenen
fog. B. A.; auf der zweiten der Hohe Gleirſch
2555 m; auf der dritten bie Edkarſpitze 2748
m, und die Birkarsipite 2634 m, ſowie das
Grabenfahr 2557 m; das vierte endlich heißt das
Karwendelgebirg mit ber Karwendelſpitze 2530
m und dem Sonnjoh 2452 m. Die öftliche
Gruppe, von voriger dur das wildromantiſche
Achenthal getrennt, culminirt im Sonnenwendioch
2307 m. Die nörblide Hauptregion der
B:n U. wird wiederum durd die goifad u. Iſar
in drei Gruppen getheilt, deren weitl. in ihrem
Haupttheil das Ampergebirg heißt u. deren
höchſter Gipfel der Blattberg if. Die mittlere
Sruppe, ganz bayerifch, lagert fih um den Wal-
chen⸗ u. Kochelſee u. gipfelt in der Benedicten-
wand 2075 m. Die öftlihe Gruppe endlich,
das Gebiet um den Tegern- u. Schlierfee um—
faffend, wird auch das Vangfall ebirg genannt,
und das Hintere Sonnenwendjod 1973 m bilder
die höchſte Spike. Die wicdtigften Straßen
(vor S. gen N.) find die Fernſtraße, auf der
weftl. Grenze über Lermos und Garmiſch, die
Bayerische Alpen — Bayerischer Erbfolgefrieg.
Hieranf nah, Walchenfee, u. öftl. die Straße durch das Aden-
thal, von Jeubach im Innthal nah ZTegerniee.
Geologiih gehören die B-n U. größtentheils
den Lias an, unter welchem in der Umgebung
von Partenfirchen, der Scharnig, u, im Karwen-
deigebirge Keuper vorfommt. Auf der Grenze
zwiichen Bayern und Ofterreih, den Adyenpaß
freuzend, läuft eine nicht breite Zone von Gault
u. Neocomien. Die vorliegenden Ausläufer ge»
Zn wie der ganze NRand der Alpen, dem
ocen u. Miocen an, Der Mineralienreichthum ift
nicht beſonders groß: ſehr gute Brauntohle bei
Venzberg, Peiffenberg u. Miesbach, aud etwas
Eifenerz im Achthal. Größer ift der Reichthum
an Mineralquellen: Kreuth, Krankenheil und
Heilbrunn, Anfänge von Gletſcherbildungen zei-
gen fi hin u. wieder. Das Gebirg iſt meit
hinauf fräftig bewaldet, u. e8 werden die Staats-
forften ungleich beffer als anderwärts in Hochge—
birgsländern gepflegt; auch befteht ein bedeutender
Wildftand an Gemien, Hirihen u. Reben. Zu
den größten Reizen der B.-n A. gehören ihre
Seen, von denen die bebeutendften folgende
find: der Chiemſee, ganz im Flachlande gelegen,
der Würm- oder Starnbergerjee, 22km ſüdweſtl.
‚jvon Münden, mit einer bedeutenden Anzah!
mitunter ſehr jchöner Villen bejetst; der Ammerfee,
im gehügelten Borlande, der Schlier-, Tegern-,
Kodel- u. Walchenſee, ihon im Gebirge gelegen;
der Achenſee (einer der wenigen Seen in Tirol),
im Gebirge, und der hochromantiſche Eibſee, am
Fuße des Wetterſteines. Die Bewohner find
ein kräftiger Menſchenſchlag, der jedoch an Bild-
ung, geiftigen Fähigleiten u. induftriellem Erwerbs:
betriebe den benachbarten Schwaben nachſteht.
Bayerifcdyer Erbfolgefrieg, 1) (Lauds-
buter Erbfolgelrieg, 1503—1507) nad dem
Tode Herzog Georgs des Reichen von Bayern,
zwifchen den Herzögen von Bayern u, dem Pfalz-
grafen Ruprecht geführt. Durch einen Bergleich
ward das Fürſtenthum Neuburg an Pfalz abger
treten und fo der Krieg beendet. Bergleiche
Bayern (Geihichte). 2) (Einjähriger Krieg
oder Kartoffelfrieg) Krieg zwiſchen Preußen,
Sachſen und Oſterreich, 1778—79. Am 30, Dec,
1777 ftarb Kurfürft Marimilian III. Joſeph von
Bayern, ohne Erben jeiner Linie zu binterlaffen;
Kurfürft Karl Theodor von der Pfalz war jein
nächſter Agnat, weil 1329, wo ſich der Wirtels-
bachſche Stamm in Ludwig von Bayern u. Ru—
bolf von der Pfalz geichieden hatte, beide Häuſer
zu Pavia den Bertrag geichloffen hatten, dag ihre
Befitungen nah dem Ausfterben eines Zweiges
ganz an den anderen fallen sollten, was jpäter
mehrmals von den Kaifern anerkannt u. beftätigt
worden war. fterreih machte ındeffen auf das
größere Drittheil der Erbſchaft (das ſonſtige Her-
zogthum Straubing in Nieder-Bayern, viele Yehen
in der Ober-Pfalz, auf die Herrichaft Mindelheim,
die Herrſchaften Leuchtenberg, Wolfsftein, Haag,
Hals, Hohenfhwangau u. m. a.), unter dem Titel
von böhmischen, öfterreihifhen u. Reichslehen,
Anfprud u. bejegte die prätendirten Diftricte bis
nah der Thronbefteigung Karl Theodor mit
60,000 Mann, Weitere Aniprüde an die bayeri-
mittlere über die Scharnig, von Zirl nad dem ſche Erbicaft erhoben Sachen u. Medlenburg-
H;
Bayeriſcher Hiefel —
Schwerin. Karl Theodor handelte über die An—
iprüche Öfterreichs im Einverftändniß mit diefem;
deun er hatte nur uneheliche Kinder, die ihn ganz be-
berichten u. deren einflußreichitem der Kaiſer
Ausficht auf die Erhebung in den Reichsfürften-
Hand (mas unter dem Zitel Fürſt von Breben-
deim wirllich geichah) u. auf reiche Dotationen
mahte. Am 3. Jan. 1778, wo Karl Theoder
in Münden einzog, unterzeichnete der pfälziiche
Gefaudte im Wien einen Vertrag, der alle Un-
iprüde des Kaiſers anerlamıte, und die bayeri-
hen Minifter, welche das ganze Land für den
xurfürſten in Befig genommen hatten, befamen
hatt Dant Vorwürfe darüber. Herzog Karl
von Zweibrüden, der nächte Agnat Karl Theo»
ders, wurde nach Münden geiodt, u. faft wäre
6, trog der Proteftationen der Stände u. der
Erbitterung gegen Ofterreich, gelungen, ihn einzu«
chüchtern. König Friedrich II. von Preußen,
von der Prinzeifin Elemens, der Schweiter Karl
Theodors, angeregt, wollte indeſſen dieſe Ber-
größerung Ofterreichs wicht dulden; er bewog die
Kaiferin Katharina von Rußland, fi gegen die
Anſprüche Ofterreihs zu erflären, u. vermochte
den Herzog Karl von YZweibrüden, fih anfangs
an Frankreich zu wenden, fpäter aber München
zu verlaffen u. beim Reichstage eine Proteftation
gegen die Abtretungsurfunde einzureichen. Auf
dem Heichstage ließ Friedrich II. die Gefahr
childern, welche auf ſolche Weile allen Fürſten
drobe. Joſeph II. wollte ſich anfangs in feine
Auseinanderiegung einlafjen, ſpäter berief er fich
auf ſeine Anſprüche als Kaiſer auf das Herzog:
thum Straubing, mit dem erit Kaifer Stegmund
1425 feinen Schwiegerjohn Albrecht, als Enkel
des legten Herzogs von Bayern-Straubing,
sicht aber die vier anderen bayerischen Herzöge
beiehnt habe; da nun die Linie Albrechts er-
ieihen ſei, müſſe Ofterreih als Mitbelehnter
erben (j. Bayern, Geih.). Preußen zog nun
auch Sahjen, das 47 Mill. fl. als Allodialerb-
ihaft forderte, im fein Intereſſe. Da fein Theil
uachgeben wollte u. der König von Preußen den
Vermittelungsvorjchlag Maria Therefias, er folle
ſich gegen die Berzichtleiftung Ofterreihs auf die
beanjpruchten bayerifchen Landestheile verpflichten,
die Burggraffhaft Nürnberg nicht mit dem preu-
Biihen Konigreiche zu vereinigen, entjchieden ab-
lehute, brach endlich Oſterreich die Unterhandlun:
gen ab. Als eine nochmalige, in den beftimmte-
sen Ausdrüden abgejaßte Aufforderung Preußens
an Dfterreich zur Häumung der beſetzten Lande
aichts fruchtete, vüdte Friedrich der Große mit
80,000 Daun am 5. Juli 1778 tiber Nachod,
fein Bruder Heinrich, dem die 20,000 Sachſen
mit untergeben waren, am 17. von Dresden aus
m Böhmen ein. Joſeph II. ftand mit 100,000
Mann in einer jejten Stellung bei Königgräg,
Feldmarſchall Laudon mit 50,000 an der jädi.
Greuze. Erſterem rückte Friedrich entgegen, ohne
od einen Angriff zu wagen, Letzteren drängte
Prinz Heinrid bis Hinter die Iſer bei München⸗
gräg zurück, wo ſich Laudon mit der ——
in Berbindung ſetzte u. eine feſte Stellung nahm.
Bayerische Oſtbahnen. 17
nah Schlefien u. Sachen in die Winterquartiere
zuriüc, weil Friedrich wie Maria Therefia den
Frieden aufrecht zu erhalten wünjchten. Der Herzog
Karl Theodor nahın im dem feinetwillen geführ-
ten Streite feine Partei, jondern begnügte ſich
damit, als Ojterreih noch mehrere Amter außer
dein ihm zugeitandenen Gebiete bejegte, gegen
diefen Act Proteſt einzulegen. Jm Winter knüpfte
Maria Therefta zu ‚jaromierz neue Unterhand-
lungen an, die fih aber durch das Entgegenwir—
ten Joſephs II. wiederum zerichlugen. Erſt als di:
Kaiſerin Katharina Miene machte, ihre Drohung, am
Kriege gegen Öjterreich theil zu nehmen, zur Aus:
führung zu bringen, fam den 7. März 1779 ein
Waffenftillftand, u. nachdem SDiterreih ı.
Preußen die VBermittelung Rußlands u. Frant-
veich8 angenommen, den 13. Mai dejfeiben Jab-
res der Friede von Teſchen zu Stande,
Oſterreich entjagte im demfelben der bayeriſchen
Erbichaft mit Ausnahme des Innviertels u.
Braunaus, die es erhielt; Preußen befam die
Berfiherung, daß Oſterreich feine Erbfolge in
Ansbah u. Bayreuth nicht hindern wolle; Suchen
erhielt für feine Allodialerbſchaft 6 Mid. Thir, u.
die Hoheit fiber die Schönburgiſchen Herrichaften,
die friiher der Krone Böhmen zugeftanden hatte;
Medtenburg endlich wegen eines Auſpruches auf
die Srafichaft Leuchtenberg das Jus de non ap-
pellando; Rußland aber garantirte den Frieden,
Baheriſcher Hieſel, einberüchtigter Räuberan«
führer; hieß eigentlich Mattbias Kloftermeyer (f. d.).
Bayeriſcher Kreis, jeit 1500 einer der 6,
jeit 1512 der 10 Kreife, in welche Kaiſer Maris
milian I. Deutſchland eintheilte, zwischen Böhmen,
dem Öfterreichiichen, Fräntiihen u. Schwäbiichen
Kreife, zu verichiedenen Zeiten von verſchiedener
Größe; 1805 noch 44,166 |_|km u. beftehend aus
dem Erzitifte Salzburg, dem Herzogthum Bayerı
nebft der oberen Pfalz, dem Hochitifte Freiſing, den
Fürſtenthümern Neuburg u. Sulzbad, dem Hoch—
jtifte Megensburg, der gefürfzten Yandgrafichart
Veuchtenberg, dem Hochſtifte Paſſau, der gefürſteten
Sraffhaft Sternftein, der gefürfteten Bropitei
Berchtesgaden, der Graffchaft Haag, den gefürfte-
ten Abteien Emmeran, Niederminfter und Ober«
münster in Negensburg der Srafihaft Ortenburg,
den Grafſchaften Ehrenfeld, Salzburg u. Pyr—
baum, Hohen-Walded, Breitened und der Freien
Reichsſtadt Regensburg; jetzt größtentheils zu
Bayern, zum geringeren Theil zu Oſterreich gehörig.
Bayerifdre Oſtbahnen. (1874) Länge 732
km; im Bau 205, km. Auzahl der Locomotiven
162; der Perfonenwagen 496; der Güterwagen
3514. Einnahme 10,407,500 fl. Benennung
der Linien: Müncden-Regensburg-&ger (233 km),
Nürnberg-Regensburg- Paffau (218 km), Niüru«
berg-Schwandorf- Fürth (161 km), Neufahrn-Gei«
jelhöring-Stranbing (34 km), Geifelhöring-Sin-
hing (9 km), Weiden-Bapreuth (58 km), Wies
ſau⸗Tirſchenreuth (11 km), BPlattling-Deggendborf
(8 km). Zeit der Gründung: 12. April 1856; der
nbetriebjegung 3. Nov. 1858. Anlagecapital
bei der Gründung 60,000,000 fl., beutiges Au—⸗
lagecap. 82,893,800 fl. in Actien; Prioritäten
Beide Parteien unternahmen feinen wichtigen|tönnen bis zum Betrage von 40 Dill. fl. ausge
Schritt, vielmehr zogen fi die Preußen im Sept. geben werden, wovon 15,720,250 fl. bereits be»
Pierers Univerfal-Eonverfationd-Pesiton. $. Aufl. IH. Band. 2
18 Bayeriſch⸗Pfälziſche Eiſenbahnen — Baherle.
geben find. Laut Vertrag der bayeriſchen Staats- aufgericht. 1510 ward eine neue Landesordnung,
regierung u. bem Verwaltungsrathe der Ben ©. welcher jedod die von 1346 zu Grunde liegt, pur
vom 1. März 1875 (mit riidwirfender Kraft vomblicirt, an welche fi 1518 die Neformation des
1. Jan. 1875 an) find diefe vom Staate ange- Bayer. Landrechtes u. 1520 eine neue Gerichts—
fauft um circa 176 Mill. M, zahlbar größtentheils ordnung anſchloß. 1553 erjchien die alte Lau—
in Aproc. bayer. Staatsobligationen.
Bayerifch-Pfälzifche Eifenbahnen. (1874)
Länge 435,95 km; im Bau 158, km. Anzahl
der Locomotiven 134; der Perſonenwagen 475;
ber Güterwagen 3804. Einnahme fl. 7,112,295.
Benennung der Linien, im Betrieb: Ludwigsbahn
(gewöhnlich von der weitl. Endftation Berbadyerbahn
— 196,,, km), Maximiliansbahn (87 ,,, km);
torbbahnen (150,73 km); b) im Bau: Ludwigsbahn
(80,,, km), Marimiliansbahn (42,,,km), Nordbah⸗-
nen (35,,, km). Öefammtlänge ım Berriebeu. Baue
pro 1874 — 593,,, km. Zeit der Gründung 19,
April 1838; der Jubetriebjegung 11. Juni 1847
bis 12. Sept. 1874. Es find 3, von 1870 au
auf 35 Jahre, jedoch nur für den Betrieb fufio-
nirte Eijenbahngejellihaften unter Privatvermwalt-
ung, mit einer für die Actien auf dirje Zeit ge-
währten Ertrags- Garantie des Staates, welche
(incl. der Präcıpuen) bei der Ludwigsbahn 9, bei
der Maxbahn 53 u. bei den Nordbahnen 4 pCt.
beträgt. Das Actiencapital der 3 Gejellihaften ber
läuft fich auf 11,659,000, 6,775,000 u. 10,890,000,
zufammen 29,324,000 fl., wozu bis Ende 1874 an
Prioritäten fommen: 24,520,000 + 4,002,000 +
9,452,000 — 37,974,000 fl.
Bahyeriſches Recht. Das ältefte Geſetzbuch |ihweres Gewicht.
desorduung umgearbeitet, zu welcher jpäter Nach»
träge famen u, die durch currente Berordunungen
(Generalien) mancherlei Modificationen erlitt.
1622 erſchien wieder ein vom Landtage anerlann—
te8 Landrecht, in welchem das Römiſche echt
mit beviidfichtigt ward. Uber die Beränderungen
der Gefeßgebung um die Mitte des 18. Jahrh.
durch den Freiherrn von Kreitmayer u. über die
jpätere Zeit f. u. Bayern (Geogr.). Senftenberg,
Comm, de legibus gent. Barv., Gießen 1742;
Yori, Comm. de orig. jur. boic. ant., Ingolſt.
1748; Klem, Geſch. der bayer. Geſetzgeb., Landsh.
1801; Rudhart, Geſch. der bayer. Gejeßgeb.,
Münd. 1820; Bayerns Gejetgeb. von Mujfinan,
Münd. 1835; außerdem Mittermaier, Deutiches
Privatrecht, Hegensb., 7. Aufl., 1847. Sagai.*
Bayerifdjes Schwein. eine in Bayern in
großer Ausdehnung gezogene große Schweine»
race, mit langem Kopfe, ſchmalen, fpigen, über-
hängenden Ohren, hohen Beinen, abſchüſſigem
Kreuze, geftredtem Leibe, der mit einer ziemlich
dichten, gelblich weißen, am Hintertheil braun-
rothen Borftendede bejegt if. Die Thiere find
dauerhaft u. gefräßig; fie erreichen eine Länge von
2 m u. darüber u, gut ausgemäftet ein vedht
Degen ihrer guten Eigen-
ber Bayern ıft das zuerft unter dem auftrafiichen |ichaften werden diefelben vielfach zur Verbeſſerung
König Theoderih (zwiſchen 511—534) gleichzeitig |der Schweinezucht benugt u. find fogar in ein»
mit der Lex Alamannorum u.
Lex Ripuariorum |zelnen Fällen zu dieſem Zwede nad Norddeutſch-
auf eine von vechtögelehrten Männern eingefor- land erportivt worden.
derte Rechtsweiſung aufgezeichnete u. dann unter
Baheriſche Stanatäbahnen. (Ende 1873)
Ehildebert I., Ehlotar I., Dagobert I. (624—638)|Tänge 1833 km. Anzahl der Locomotiven 555 ;
u. bis herab auf Herzog Thaffilo vermehrte
und verbefferte, in lateinifher Sprache abge-
faßte Rechtsbuch, Bayerifhes Geſetz, Leges
Bajuvariörum (Ausg. v. Mederer, Ingolſt. 1793;
Ei Wittmann, Die Bajuvarier u. ihre Vollsrechte,
ünd. 1837). Später, als das Römiſche Hecht
mehr anitam, gab Kaifer Ludwig der Bayer
feinem Stammlande ein eigenes Nehtsbud,
das, wenn auch einzelne Stellen aus dem Schwa-
benjpiegel entnommen find, im Allgemeinen jelbft«
ftändig bearbeitet ift u. feinen Stoff aus den Ge-
wohnheiten der Bayeriſchen echte zufammenge-
tragen bat;
rechte, nur nebenbei Strafrechtliches, politisches
Net gar nit, Sein Borhandenfein im Fahre
1330 iſt urkundlih erwieſen. Lubmwigs Söhne
beröffentlihten e8 1346 wieder. (Ausgaben:
Augsburg 1484, 1495, Münd. 1516.) 1346
gab er aud eine Gerichtsordnung für Nieder-
ayern u, außerdem eine Reihe von Stadtredhten
(in Heumann, Opuse,, Nürnberg 1747, v. Frei-
berg, Samml. Dior. Schriften, Stuttg. 1834).
Karjer Ludwig gab auch 1340 eine Gerichtsord-
nung. Aus den Berathungen der Landftände
gingen die Landesordnung von 1471, das Land—
gebot von 1491 u. Landpot von 1516 hervor,
da8 Bud der Gemeinen Iandpot. Landsordnung,
Sapung vnd Gebrauh des Fürſtenthums in
Ober» und Nieder » Bayern; im 1516ten Jar
es behandelt vornehmlich Private]
der Perfonenwagen 1307; ber Güterwagen 9728.
Einnahme 38,061,892 fl. Benennung der Linien:
Sid-Rord-Bahn (563,, km), Weſtbahn (205,, km),
Marimiliansbahn (300,, km), Ansbach-Würzburg
(88, km), Nirnberg-Würzburg (102,, km), Mün-
hen: Ingolſtadt · Treuchlingen (136, km), Mün-
hen-Grafing-Rojenheim (64,, km), München⸗Neu⸗
ötting- Braunau (125,3 km), Pafing- Kaufering
(48,, km); kleinere Linien (197, km). ug
Anlagecapital 236,395,066 fl. Mit den B-n St.
find die Bayer. Oſtbahnen (f. d.) jest vereinigt.
Baperifcher Wald, jo v. w. Böhmerwald,
Bayerle, Julius, Bildhauer in Diüffeldorf,
dafelbft 1826 geb., geft. ebenda 8. Aug. 1873;
bildete fi an der Diüffeldorfer Alademie u. fpäter
bei Profeffor Geerg in Löwen; zurüdgelehrt, er
richtete er 1849 unter W. v. Schadows Leitung
das erfte Atelier für Plaftil in Düjfeldorf u. be—
reifte Deutichland u, Italien. Bon feinen Werten,
die in der erften Zeit vorzugsweife der chriftlichen
Richtung, dann aber auch der Allegorie, der hiſto-
riſchen Kunft u. dem Porträt angehörteit, find viele
Statuen für rheinishe Kirchen zu nennen, ferner
7 Statuen für das Rathhaus in Weſel, das Ko»
loffal-Standbild des bi. Suitbert für Eiberfeld, die
Statuen des Generals v. Geidlig für Galcar, der
Königin Stephanie von Portugal, im Votanifchen
Garten zu Düfjeldorf, des Kurfürften Joh. Sieg⸗
muund von Brandenburg für Kleve, Madonua für
Bayern (Geographie).
die Burg Hohenzollern u. das Schloß Sigmaringen,
die großen Sculpturen für das Poftgebäude in
Elberfeld u. den Juftizpalaft in Düffeldorf u. das
Denfmal für die 1870—71 Gefallenen in Mül—
kam a. d. Ruhr, fomwie die Koloffalbüfte Min-
trops in Düfjelporf. In feinem Nachlaſſe -fand fich
auch eine treffliche Stigge zu einem Denkmal für
Cornelius. Regnet.
Bayern, Pfalzgrafenthum Geſch.), ein
von ter Herzogwürde von B. ganz getreuntes
Amt, weldyes die Vogtei über die föniglichen oder
tasterlihen Güter im Herzogthum hatte. Ar
nelf, der 3. Sohn Arnulfs des Böſen, erhielt
von Kaifer Otto I. 948 das Pfalzgrafenthum in
B. u. blieb diefe Würde feit Berthold, dem Sohne
Arnulfs, erblih in diefem Haufe der Grafen von
Scheyern, welche fpäter von Wittelsbach, wohin
fie ihren Sitz verlegt hatten, Grafen von Witteld-
bad; hießen; aus dem Haufe erhielt 1180 Graf
Otto d. Hltere das Herzogthum B., u. vom ihm
ſtammt das ganze bayeriihe Gejchlecht (I. u.
Wittelsbach). Das Pfalzgrafenthum B. fam 1209
an das Haus Ortenburg, ſank aber fchnell zum
leeren Namen herab, da die Herzöge bajd alle
laiſerlichen Güter fi zu erwerben mußten,
Bayern (officielle Schreibweije jeit 1846, fonft
Baiern), Königreich, der zweitgrößte Staat des
Deutſchen Reiches u. der bedeutendfte in SDeutſch—
land. (Hiebei eine Karte). I. Geographifd-
Statiftifches. B. befteht feit 1816 aus zwei
obgejonderten Theilen. Der öftlihe, rechts vom
Rhein, grenzt im N. an Preußen (Prov. Heffen-
Naffan), die thüringiichen Staaten u. das König-
reich Sachſen, im DO. an Ofterreih (Böhmen,
Erzherzogebum Ofterreich umd Salzburg), im S.
ebenjo (Salzburg, Tirol u. Vorarlberg), im W.
an den Bodenfee, Württemberg, Baden u. Groß:
berzogthum Heſſen. Der weſtliche Theil, fints
vom Wbein, auch Rheinbayern oder die Pfalz ge-
naunt, grenzt im N. an Preußen (Rheinprovinz) u.
Heffen, im D. dur den Rhein an Baden, im
©. an Eljaß-Fothringen, im W. wieder an die
Rheinprovinz. Yläheninhalt u. Bevöllerung ver-
theifen fich folgendermaßen:
Regierungsbegirke | IM. | Ükm, | an
1. Oberbayern 309,58 841,707
2. Niederbayern 195,55 603,789
3. Pfalz(Rheinb.)| 107,55 615,035
4. Oberpfalz 175,59 497,861
5. Oberfranten 197... 541,063
6 Mittelfranfen 137,44 583,666
7. Unterfranfen 152,55 586,132
8. Schwaben 172,40 582,773
1377,45 | 75,863,, |4,852,026
Dazu Truppen aus Frankreich zurüdgelehrt 11,424
4,863,450.
Bodengeftaltung. Den öftlihen Theil von B.
umichließen auf 3 Seiten faft ununterbroden Ge-
birge von zum Theil bedeutender Höhe. Im ©.
die Bayerijhen Alpen mit der Zugipite (2962 m),
der höchſten Erhebung im Deutichen Reiche; im
D. der Böhmerwald mit dem Arber (1476 m);
im N. das Fichtelgebirg mit dein Schneeberg
19
(1016 m) u, Theile des Frankenwaldes, der Rhön
und des Speffart. Das Innere beiteht größten»
theil8 aus SHochebenen und geringeren Gebirgs
erhebungen. Bon den Alpen bis zur Donau
breitet fih die Schwäbiſch-bayeriſche Hoch—
ebene aus, welche im Durchichnitte 600 mi über
dem Meere liegt u. ſich allmählid von ©. nad
N, abdacht, auh von W. nah O. an Meereshöhe
abnimmt. Sie wird von zahlreihen Zuflüffen der
Donau durchſtrömt, welche meift am Fuße ber
Alpen Seen bilden, die mit ihren Thälern durch—
Ihnittlih 700—1000 m über dem Dieere liegen.
Zwiſchen ihnen erheben ſich zahlreiche geringere
Hügelletten u. einzelne Berghöhen von 1100 m
u. höher. Umnbedeutendere Höhen ragen im N.
der Hochebene empor; im D. gegen deu Inu fund
fie. durch tiefer gefurchte Thäler getrennt. Der
ebenfte Theil der Hochebene ift das Lechfeld. Nördl.
vou der Donau wird die Hochebene von dem länge
erfterer binlaufenden Jura begrenzt, der bier den
Namen des Fränkiſchen Jura annimmt, zwi—
Shen Mittel-Franten u. der Ober- Pfalz aber plöglich
nördliche Richtung einfchlägt, diefe bis zu jeinem
Ende, dem Dluggendorfer Gebirge, am oberen
Main behält u. namentlich bier reih an Höhlen
ift; feine höchſte Erhebung ift der Kalvariberg
bei Thurndorf (645 m).” Das Thal der Waab,
das fi öftfih vom Fränfifchen Jura einfentt, hat
im SO., links längs der Donau, den Bayeri-
ſchen Wald mit dem Klingenberg (1177 m);
derjelbe ift eine füdliche VBorftufe des höheren, die
Landesgrenze bildenden Böhmermwaldes. In ber
Pfalz ftreicht das Haarbtgebirg, die nördl,
Fortfegung der Bogejen von S. nah N. (höchiter
Punkt: Kalmit 659 m). Einen zweiten, von SW,
nah NO. ziehenden Gebirgszug bildet das Saar-
brüder Steinfohlengebirg. Zwiſchen ihm u. ber
Haardt erhebt ſich ein Zug kegelförmiger Borphyr-
u. Mandelfteinberge (höchfter derjelben: Donners-
berg 670 m). Im W. der Haardt breitet fi)
das Hiigelland des Weftrich ans, öftl. Mittelland u.
unmittelbar am Rhein ein Theil der oberrheinis
jchen Tiefebene. Unter den Gewäffern B-$ ift
die Donan das bedeutendfte. Sie tritt bei Ulm
in das Land, fließt norböftl. bis — dann
ſüdöſtl. u. verläßt es bei Paffau. Bon S. ſtrömen
ihr zu: Iller, Lech, Iſar, welche linls die Amper
aufnimmt, die wieder aus der Ammer u. der Wilrm,
beide gleihnamige Seen bildend, entfteht, Vils u.
im DO. der Jun, deſſen rechter Nebenfluß, die
Alz, Abfluß des Chiemfees ift. Kleinere Seen im
Alpenlande find: der Staffel, Kocdel- u. Walden-
fee, im Iſargebiete der Tegernſee, der durch bie
Mangfall, u. der Königsfee, der dur ein Neben-
flüßchen der Salzah in den Inn abflieft. Der
Würmſee ift befannter unter dem Namen Starn-
bergerfee. Nördliche Zuflüffe der Donau find: die ge
Mörnig von der Frankenhöhe, die Altmühl aus dem
Fränkiſchen Jura, die Naab vom Fyichtelgebirge
u. der Regen aus dem Böhmerwalde. Im N.
des bayer. Oftlandes, dem alten Franken, ift der
vielgewundene Main Hauptfluß. Im ©. nimmt
er die Regnig auf, die bei Nürnberg aus der
Nebnit u. Begnit entfteht, die Rednitz wieder aus
der ſchwäb. u. fränf. Rezat. Die Regnitz fteht
mit der Altmühl duch den Ludwigslanal in Ber-
2*
20
bindung, welcher den Fränk. Jura überfchreitet.
Rechts fließen noch in den Main die Fränk. Saale
u. Kinzig u. links die Tauber. Abgejehen vom
Maingebiete berührt B. das Gebiet des Aheins mit
der SWEde des Oftlandes am Bodenfee, wo in
dieſem die Inſel Lindau nahe am Ufer liegt, u.
mit dem ganzen Weftlande (Rheinbayern oder
Pfalz), welches den Rhein an der OGrenze hat,
der bier die Lauter u. Queich empfängt u. im
NW. an die Nahe ſtößt. Die malerifchiten u. an
Naturſchönheiten reichften Gegenden B-$ find die des
Alpenlandes vom Bodenfee bis zur Salzach. Bul-
canijchen Urfprunges die Hohe Rhön, reih an
Bafalt u. Porphyrſchiefer; Gneis u. Granit bilden
dein Kern des Böhmermwaldes; der bunte Sand—
ſtein herrjcht im Speffart vor, ebenfo im Haardt,
Lias im Naabthal, Mufchellalt in den Thälern
Untere srantens. Die Bayer. Hochebene gehört der
Tertiärformation an, enthält aber zwiſchen dem
Molafjefandftein auch Thon-, Nagelfiue- u. Kalt-
bildungen u. ausgedehnte Sumpfflähen (Moore u.
Mooſeſ. Das Klima Bas ift im Allgemeinen
gemäßigt u. geſund; das raubefte haben jelbftver-
jtändlich die Alpengegenden, des mildefien erfreut
fi) die Pfalz; das Donaugebiet hat häufig bededten
— Die wichtigſten Producte des Landes
ind vor Allem landwirthichaftlihe, u. zwar be—
trug die Ernte nad möglichſt genauer Aufnahme
1863 in Dill, Scheffel: Weizen 1,,,, Roggen 3,59,
Spelz 2,00, Gerste 2,40, Hafer 4,,,, an Korn—
früchten überhaupt 15,,,; ferner Kartoffeln 10,45;
in Mill. Etr.: Heu 5l,,., Rüben 13,,,, Klee
15,57, Flachs u. Hanf O,,,, Hopfen (Mittel ⸗Fran—
fen) 0,59, Zabaf O,,, (pro 1872: O,,,, davon
O,,g allein in der Pfalz); der Weinbau lieferte
954,023 Eimer (davon % allein in der Pfalz,
Neft Unter zranfen); endlich viel Holz, da 4 des
Sejammtareals von B. Wald if. Bon Miuera-
fien finden fih Stein» u. Onellfalz zu Berchtes-
gaden, Traunſtein, Reihenhall, Rojenheim, Dürk—
beim und SKiffingen (1873 959,486 Etr.), Eijen
(1873 2,303,383 Etr.), Marmor und Kalfiteine
(zum Lühographiren), Serpentin, Alaun, Stein-
toblen (1873 8,651,566 Gtr., im Werthe von
5,581,056 M), Braunfohlen, Graphit, Oder und
Furbeuerde, Porzellanerde, Thonerde, Schiefer ıc.
Im J. 1873 waren 330 Bergwerfe u. 7 Salinen
un Betriebe, deren Producte einen Werth von
8,199,968M repräfentirten. Unter den Mineralquel⸗
len find die von Kiffingen die bedeutendften. Die ge-
nannten Salinenorte haben Kochſalzquellen; außer-
dem gibt es zahlreiche Schwefel-, Jod: u. Eijen-
quellen in Abbady, Hailbronn, Tölz, Aleranderbad,
Brüdenan 2c. Das Thierreich liefert Wild, das
jedoh in Abnahme begriffen ift, u. Vieh. Die
Einwohner gehören im eigentlichen B. (Ober- u.
Nieder-B, u. Ober-Pfalz größtentheils) dem bayer.,
m SW, zwiſchen Bodenſee, Iller u. Lech dem
ſchwäb., im N. des Landes, mit Einfchluß der
Pfalz, dem fräuf, Stamme an, u. ift der Contraſt
zwijgen benjelben ein fofort in die Augen fallen-
der: der Altbayer, naturwüchſig, kräftig, offen u.
zuverläffig, aber ſtreitſüchtig u. geiſtig langſam,
unterſcheidet fich damit wejentlih vom Schwaben,
der, ſchon geiftig beweglicher, einfach u. genügjan,
das Diöglicyjie auf Gemüthlichteit halt, noch mehr
Bayern (Statiftifch).
aber vom Franken u. Pfälzer, der voll Rührigkeit
u. Unternehmungsgeift, geiftig gemwedt u. heiter,
immer Neuerungen zugänglid, u. namentlich ift der
Pfälzer höchſt mwanderluftig. Die Zunahme der
Bevollerung geftaltet fi) folgendermaßen: 1818
betrug die Boltszahl 3,707,966, 1827: 4,044,569,
1837: 4,315,469, 1846: 4,504,874, 1852:
4,559,452, 1855: 4,441,456 (Abnahme) u. 1871 u.
1874 4,863,450. Bon 1818—58 betrugbdie jährliche
Zunahme O,,, pCt. 1858—71 zufammen 5 p&t.
oder jährlih O,, pEt. Die Dictigfeit der Bevöl-
ferung ift am ftärkjten in der Pfalz (104 Seelen
auf den | km), dann in Ober- u, Mittel-Franten
(je 77), Unter⸗Frauken (70), Schwaben (61), Nieder-
Bayern (56), Ober-Pfalz (51) u. am ſchwächſten in
Ober-Bayern (49); die mittlere Zahl für ganz B.
it 64 Seelen auf den [)km. Die Geſchlechter
beziffern fih in der Bevölferung B⸗s jo, daß
1871 neben 2,357,281 männliden Berjonen
(48,,, 0) 2,494,745 weibliche (51,,, %) gezählt
wurden, wozu jedoch noch 11,257 männl, u. 147
weibl. Judividuen bei der Occupationsarmee in
raufreih famen. Im J. 1872 wurden 201,476
Geburten u, 159,364 Todesfälle neben 52,045
Eheſchließungen belannt. Die Zahl der unehelich
Geborenen, die 1860/68 noch 22,, % betrug, hat
fih bis 1872 auf 14,,°/, vermindert. Bon 1861/62
bis 1872 find aus B. 64,822 Perfonen aus-, da-
gegen 21,190 eingewanbdert. Die Auswanderung
hat gegen die früheren Perioden ab», die Ein—
wanderung bedeutend zugenommen. Ortichaften
(wobei jedody jedes einzeln ftehende Haus mit
eigenem Namen befonders . gerechnet) zählt B.
45,574, welche 8042 Gemeinden bilden, darumter
237 Städte, die meijten in Unter-Franken (41), die
wenigften in Nieder-Bayern (13). Städte über
40,000 Em. gibt es nur vier (Münden, Nürn-
berg, Augsburg und Würzburg); weitere über
20,000 Ew. nur drei (Hegensburg, Bamberg u.
Fürth), über 10,000: 13, über 5000: 25; über
3000: 37. Nach der Religion zählt man in B.
3,464,364 Katholilen, 1,342,592 Proteftanten,
5453 Sectenglieder u. 50,662 Juden. Die Pros
teftanten zählen O,, p&t. in Nieder-, 8,, in Ober-
Bayern, 8,, in der Ober-Pfalz, 13,, in Schwaben,
17,, in Unter-Franken; die Mehrheit bilden fie in
der Pfalz mit 54,,, in Ober⸗Franken mit 56,,,
u, in Mittel⸗Franlen mit 76,, pCt. Nad der Be»
ſchäftigung lebten 1852 von je 1000 Ew. 679
von der Yandwirtbichaft, 227 von Induſtrie und
Handel, 55 von Renten, Amtern, Kunfl, 39 Mir
Itär 20. Die Haupterwerbszweige find Land»
wirthſchaft u. Viehzucht. Auf das Gefammt-
areal lommen 40,, p&t. Aderlaud, 32 pCt. Wald-
ungen, 16,, p&t. Wiejen, 3,, PCt. Weiden u,
2,, pCt. Gärten, Am fruchtbarften find die Pfalz
u. Schwaben, Die bedeutenditen Wieſen bejigen
Ober-Bayern u. Schwaben. In der Pfalz u. Unter-
Franken ift der Grundbefig ftarf zeriplittert, wäh-
rend in Ober- u. Nieder-Bayern und Schwaben
Vroßgrundbefig vorherrſcht. Der Obftbau wird
hauptfählich in Franken, in der Pfalz, in Nieder-
Bayern (an der Donau) u. am Bodenjee betrieben.
Tabafbau in der Pfalz u. Mittel- zranten, Hopfen«
bau in der fogen. Holledau, einem hauptfächlich
Nieder-Bayern angehörenden, aber aud noch nach
Bayern (Berfaffung). 21
OferBayern und der Ober-Bfalz hineinreihenden | Staat, u. fein Umfang bildet eine einzige untheil-
Hägeland, dann in Mittel- u. Ober- Franken. Weins|bare, unveräußerliche Gefammtmaffe. ie Krone
bau (Production ſ. o.) in der Pfalz u. im Unter-Jiit erblich in dem Mannesftamme des königlichen
granlen. Die fehr ausgedehnten Waldungen Hauſes nah dem Rechte der Erfigeburt und der
unfafjen zu drei Biertel Nadelholz, beionders|agnatifch-linealifhen Erbfolge in Vorausſetzung
Shen u. Kiefern (Föhren), auch Tannen; diejrechtmäßiger Geburt u. Ebenbürtigfeit der Ge-
Fichte herrſcht mamentlid in den Alpe vor, diejmahlin des Negenten; nad gänzlicher Erlöſchung
une auf dem Franlkenwalde; die Eiche iſt amſdes Mannesſtammes aber und in Ermangelung
binfigiten im Spefjart. Was die Viehzucht be-Jeiner mit einem anderen Regentenhaufe aus dem
trifft, jo zählte B. (1873) 3,066,263 Rinder, | Deutjhen Bunde (reſp. Deutichen Reiche) geihlofie-
1,342,190 Schafe, 193,887 Biegen, 872,098 |nen Erbverbrüderung geht die Thronfolge auf
Schweine u. 350,867 Pferde. Bienenftöde find|die weibliche Nachlommenſchaft nach gleicher Erb-
233,139 vorhanden. Induſtrie: Im J. 1878 [folge über, doch foll die Regierung Bes feinen
waren 85 Eijen- und Stahlwerke in Betrieb, Herrſcher treffen, der ein anderes Land befitst,
deren Producte einen Werth von 45 Mill. Miwelcdes die beftändige Verlegung feiner Reſidenz
repräjentirten. Die Tertilinduftrie beſchäftigte außer B. nöthig machen könnte. Der König ift
1872 48,000 infpindeln für Wolle, 3257 |(innerhalb der Schranfen der deutfchen Reichsver—
BWebſtühle für Wollen» u. Halbwollenwaaren, 33 |faffjung vom 16. April 1871, jedoch unter den
Baummollenjpinnereien mit 537,000 Spindeln,|durdy den Berjailler Vertrag vom 23. Nov. 1870,
davon die bedeutendften in Augsburg, Kempten,|vefp. Schlußprototoll feftgeftellten Vorbehalten)
Bamberg, Bayreuth, Rumbad u. Hof, 25,000 ſouveränes Oberhaupt des Staates u. des König-
Baummwollen-Webeftühle, 143 Tucfabrifen, 22,000 lichen Haufes (bezüglih des Ietteren Familien—
Leinenwebſtühle, 8 Jlachsipinnereien, Lederwaaren⸗ geſetz vom 18. Jaı. 1816 u. Familienftatut- vom
jahrifen von Ruf in Münden und Nürnberg, |6. Jan. 1821), darf aber über Gegenftände, die
Drebslereien in Nürnberg, Tabak u. Eigarren-|zum Staats. u. Fideicommißvermögen gehören,
fabrifen in der Pfalz. In der Bierbrauerei nimmt|leine Privatverfügungen treffen u. ift verpflichtet,
8. die erfte Stelle unter allen Staaten ein; es|das Königreich in feiner untheilbaren, unveräußer-
bat, ungerechnet die Pfalz, 5300 Brauereien mit)lihen Gefammtmaffe u. vorzüglich alle Rechte der
emer Broduction von über 11 Mill. hl (1873);| Sonveränetät bei der Erftgeburt oder in der vom
die größten find in Münden, ſodaunn in MAugs-|Grundgefege beftimmten Erbfolgeordnung zu erhals
burg, Nürnberg, Bamberg, Erlangen, Kulınbad). [ten. Die Civilfifte ift durch —* vom 1. Juli
Branntweindrennereien gibt e8 7763, Schaum-[1834 für immer auf 2,350,580 fl. (4,029,566 M)
weinfabriten in Würzburg u. Neuftadt a. d. Haardt;|ieftgefegt u. auf ſämmtliche Staatsbomänen radi—
chemiſche Fabrifen in Nürnberg u. Ludwigshafen; |cirt; die Apanage foll nie 171,400 M, das Witthum
50 Zündmwaarenfabrifen; die beften Bleiftifte der|der Königin nie 342,800 M aus der Staatslaffe
Belt u. die berübmteften Spielmaaren fertigtüberfteigen. Der Landtag des Königreiches beftebt
Nürnberg. Endlih hat B. 15 Porzellanfabrifen, Jaus 2 Kammern, der Kammer der Reichsräthe I.)
11 von den 19 deutihen Spiegelglasfabrifen, 50|u. der Kammer der Abgeordneten (IL.). Die Erſte
Rajhinenfabrifen, bedeutende Papierfabrilen zc.|Kammer befteht aus den volljährigen Prinzen des
Der Handel ift Iebhaft u. bedeutend: Haupt-|Königl. Haufes (gegenwärtig 11), ſodann aus den
eusfubhrartifel find Getreide, Holz, Salz, Rindvieh,|4 Kronbeamten, den beiden Erzbifhöfen, den
Bein, Bier, Hopfen; Ein- u. Ausfuhr fiehen fih]Häuptern der ehemal. reihsftändiichen fürſtlichen
ungefähr gleih. Berfehrsmittel: Außer den|u. gräflihen Häufer (gegemmärtig 18), dem Präfi-
kHiffbaren Flüffen, dem Donau-Dain-(Ludwigs-)|denten des proteftant. Oberconfiftoriums, einem
Kanal u. über 18,000 km Straßen beftehen (Endelvom König auf Lebenszeit ernannten Biichof, den
1874) 3278 km Gifenbahnen (davon 2094 kmferbiihen Reichsräthen, fo lange fie im Beſihe
[mit Einrehnung der Oftbahnen 2876 km] Staats-|ihrer vormals reichsitändischen Beſitzungen in B.
dahnen) u. 6865 km Telegraphen (755 Stationen, |verbleiben (21), endlich lebenslänglich beionders
jährlih 1,300,000 Depeihen). 1872 wurden durd [ernannten Reichsräthen, deren Zahl jedoch den
die Poften des Königeihes an Briefen u. Drud- [dritten Theil der Zahl der erblichen uud dieſen
ſachen 57 Mill. Stiid befördert, ſowie 2,371,218 | gleich zu achtenden wicht überfteigen darf (jett 13),
Geldanmweifungen (110 Mil. M). In Bezug auflım Ganzen aus 71 Mitgliedern. Die Zweite
die Länge der Eifenbahnen im Berhältnig zur Kammer geht nad dem Wahlgejege von 1818 aus
Einwohnerzahl u. dem Areal nimmt B. die fünftelallgemeinen u. indirecten Wahlen hervor u. wird
Stelle unter den größeren deutſchen Staaten einjalle 6 Jahre neu gewählt. Wählbar zum Wahl—
(die erfte behauptet Baden), Ende 1869 be-|manı ift jeder unbefcholtene Staatsbuirger, wähl«
fanden 260 Sparlaffen mit 46 Mill. M Eapital.|bar zum Abgeordneten ift jeder Staatsbürger u.
Die Berfafjung ift eine conftitutionell mo-| Staatsangehörige, welcher dem Staate eine directe
uardische, gegeben duch Urkunde vom 26. Mail Steuer bezahlt u. über 30 Jahre alt iſt. Es wer»
1818, in 10 Ziteln und mit 10 Edicten als den nad dem Berhältnig von 1 Abgeordneten auf
erläuternden Beilagen, die aber einen inte-|31,500 Seelen 154 Abgeordnete gewählt. Für
grirenden Beftandtheil der Berfaffung bilden. |jeden Abgeordneten wird zugleich ein Erjotmann
Für die Pfalz ift die Berfafjung nur mit einigen)gewählt, der im alle des Todes oder Abganges
durch Refcripte vom 22. bis 24. Mai u. 17. Oct.|des Erfteren eintritt, jo daß eine Neuwahl nicht
1818 feftgeftellten Beihränfungen giltig. Das} ftattzufinden hat. Der Landtag wird alle 2 Jahre
Königreich ift danach ein fouveräner monarchijcer !wenigftens berufen, u. kann der König denſelben
09
— —
Bayern (Verfaſſung).
vertagen oder auflöſen, in welch letzterem Falle der Adminiftrativjuftiz der Staatsrath die höchſte
binnen 3 Monaten Neuwählen vorzunehmen find,
Die Verhandlungen find öffentlich. Ohne Zuſtimm—
ung des Yandtages, d. h. beider Kammern, kann
fein neues Geſetz über die Freiheit der Perfon od.
das Eigenthum der Staatsangehörigen erlaffeı, od.
abgeändert, erläutert, od. aufgehoben werden; an
feine Zuftimmung tft die Erhebung der directen n.
indirecten Steuern u. deren Veränderung — außer
foweit die Beftimmung dem Reiche zufteht — ge:
bunden, fowie die Aufnahme nener Anfehen. Alle
2 (früber alle 6) Jahre wird dem Landtage ber
vollftändige Etat zur Berathung u. Genehmigung
vorgelegt. Berfaffungsänderungen können nur nad)
Genehmiguug des Landtages vorgenommen werden,
u, ift hierzu eine 4 Majorität bei Anmejenheit
von mindeftens 2 der Mitglieder erforderlih. Der
Landtag hat das Recht der Beihwerde u. Anklage
wegen verlegter Berfaffung, ſowie wegen Nidht-
vollziehung der Berfaflung von Seiten der Mi—
nifter u. Beamten. Als oberfte berathende Stelle
fteht dem König der Staatsrath zur Geite, ge-
bildet aus dazu berufenen Prinzen, Miniftern mit
Portefenilles, dem Feldmarſchall u, 6 vom König
ernannten Staatsräthen im ordentlichen Dienfte,
im Ganzen 13 Mitgliedern unter Borfit des
Königs oder des Kronprinzen oder eines dazu be»
rufenen Brinzen; daneben beftehen noch 19 Staats-
räthe fm auferordentlihen Dienfte. Die oberfte
volziehende Stelle ift das Staatsminifterium,
gebildet aus den 7 Gtaatsminifterien: 1) des
Königl. Haufes u. des Außern, ihm find das Geh.
I u. Staatsarchiv, die Gejaudtichaften und
oninlate umtergeordnet; 2) der Juſtiz; 3) des
Innern; 4) des Handels u. der öffentlichen Ar—
beiten; 5 des Innern, für Kirchen» und Schulan-
elegenheiten; 6) der Finanzen mit dem oberften
echnungshofe, der General-Bergmwerks-: und Sa—
erkeunende Juſtiz bilde. Dem Finanzminifte
rium find namentlich unterftellt: die Oberzoll-,
Oberberg. und Oberforftbehörde, dann bei dei
Kreisregierungen die Finanzkammern, unter
diefen 217 Rent und 73 Forſtämter u. f. w.
Die Bermwaltung der Katholifchen Kirche fteht den
Erzbifchöfen zu Rüngen u. Bamberg und den
Biihöfen zu Negensburg, Augsbura, Palau, Eicy«
ſtädt, Wirzburg u. Speier zu; die der Evangeli«
Shen Kirche einem Oberconfiftorium in München
mit den Eonfiftorien zu Ansbach u. Bayreuth u. da
neben einem felbftändigen Eonfiftorium für die Pfalz
zu Speyer, dann den Synodalverſammlungen. Die
Gemeinden find durch die Gemeindeordnung von
1869 organifirt, u. zwar im öftlihen Landestheil
mit mwejentliher Unterfcheidung zwiſchen Stabt-
u, Landgemeinden. In jenen führen Magiftrate
(beftehend aus einem oder zwei Bürgermeiitern
— in den unmittelbaren Städten rechtslundige —,
einem oder mehreren rechtäfundigen u. bürgerlichen
Magiftratsiäthen u. endiih aus den nöthigen
Bau- ꝛc. «Beamten; daneben die Eollegien der Ge—
meindebevollmächtigten), im diefen Gemeindeaus»
ſchüſſe die Verwaltung. In der Pfalz befteht eine
eigene Gemeindeordnung vom 29. April 1869,
beruhend auf dem Grundſatze der rechtlichen Gleich-
heit aller Gemeinden, deren es 712 gibt; mur
richtet fi die Zahl der Mitglieder des Ger
meinderathe8 nad der Größe der Gemeinden.
Bilrgermeifter ift indeffen im ganzen Staate der
Titel der Gemeindevorfteher. Die Heineren Ge—
meinden von Amts- oder Landgerichtsbezirken
find außerdem gemäß dem Gejege von 1852
zu Diftricet3gemeinden vereinigt, um im öffent«
lichen Intereſſe Einrichtungen zu treffen u. An—
ftalten zu errichten, denen die einzelnen Gemeinden
nicht gewachfen find. An der Spige einer Diftricts-
Iinenverwaltung u. der General-Bollabminiftration; [gemeinde fteht ein Diftrictsrath mit einem geſchäfts⸗
7) des Krieges.
in 8 Negierungsbezixte (Kreife) getheilt: Ober-
Bayern (Münden), Nieder-Bayern (Landshut),
DOber-Pfalz und Regensburg (Hegensburg), Ober-
Franfen (Bayreuth), Mittel-Franken (Ansbach),
Unter « Franfen und Aichaffenburg (Würzburg),
Schwabenu. Neuburg (Augsburg)u. Pfalz (Speyer).
Jede Kreisregierung, die fich in zwei Kammern, die
des Innern u. die der Finanzen, teilt, fteht un-
ter der leitung eines Regierungspräfidenten. Unter
den Regierungen ftehen 34 unmittelbare Städte u,
153 Bezirksämter (die Pfalz hat nur letztere).
Unter dem Minifterium ver JFuftiz ftehen das Ober»
appellationsgericht in München, zugleich Caſſatious⸗
hof für die Pfalz, und 6 Appellationsgerichte in
Münden, Pafiau, Nürnberg, Bamberg, Augs-
burg u. Zweibrüden, nebft Schwurgerichten Hr
die 8 Regierungsbezirke, dann 38 Bezirksgerichte,
15 Stadgerichte, -17 Stadt und Landgeridhte und
267 Landgerichte, je 1—4 (meift 2) in einem Be-
zirfsamte. Über den Handelsgerichten (2—4 in
ür die Verwaltung ift das Reich | führenden Ausſchuſſe. Die Diftrictsgemeinden eines
Negierungsbezirtes fammt den unmittelbaren
Städten deffelben bilden zufammen eine Kreisge-
meinde, deren Angelegenheiten ein aus Abgeorb«
neten der Diſtricts- u. größeren Ortsgemeinde
beftehender Landrath leitet, Auch die Städte, die
größeren Grundbefiger, die jelbftändigen Pfarreien
u., wo folde beftehen, die Univerfitäten, find im
Landrathe vertreten, deſſen Amtsdauer 6 Jahre
beträgt u. deffen ſelbſtgewählter Ausſchuß von dei
Kreisregierung zufammenberufen wird, oder auf
eigenes Gutfinden fich verfammelt, Das Armen«
weſen ift Sade ber Gemeinden, u. maßgebend da=
für it das Geſetz von 1869; Armenverjorgungs«
anftalten beftehen, theils fir einzelne Gemeinden,
theils für Diftricte, 445, dazu 185 Waifen-, Fin⸗
del» u. Armenerziehungsanftalten, 403 Kranken:
häufer u. 458 Hilfstaffen. Sol Päl, Lehrb. des
bayer. Berfafjungsrechtes, 4. Aufl., Mind. 1870,
Suppl. 1872. Derf, Lehrb. des bayer. Berwalt«
re 3. Aufl., daf. 1871. Eine allgemeine
jedem Regierungabegicke) Reben Handelsappella-| Gejeggebung findet erſt feit B⸗s Vereinigung ftatt
tionsgerichte in Minden, Augsburg, Nürnberg/u. außer dein Gemeinen Römiſchen, Kanonifchen
und Zweibrüden. Durch Gefeg vom 30. Märziu, Deutfchen Rechte gelten auch fehr zahlreiche
1850 wird endlich noch ein Staatsgerichtshof zur) Provinzial- u. Locafrechte, mamentli die Geſetze
Aburtheilung der gegen Minifter erhobenen Anc| frühererRei hsunmittelbarer. Die Rechtspflege
Hagen berufen, während für einige beftimmte Fälle! betr. üben die Stadtgerichte, Stadt- u. Landgerichte
Bayern (Rechtspflege, Finanzen, öffentliche Anftalten ꝛc.). 23
owie Landgerichte die Acte der ſogen. freiwilligen] 18,739,123 (11,438,323 Grundſteuer), die indirec⸗
Gerihtsbarteit (Bormundicaft, Pileafcaft, Ver⸗ſten mit 33,246,343 (Malzaufichlag 17,727,137),
ufenihaften, Hppothefen- u. Depofitenwejen) neben|die Staatsregalien u. Anjtalten mit 76,911,240
Aburtheilung über Streitigfeiten geringerer Art u.) (Salinen u. Bergwerle 8,788,245, Eifenbahnen
geringerer Straffachen. Die übrigen Geſchäfte der)58,281,257, Poſt 7,705,261 ıc.), die Staatsdomä-
freiwilligen Rechtspflege werden durch die Notare)nen mit 36,212,277, der Betrag aus der Reichs:
vorgenommen (Notariatsgeſetz vom 1. Nov. 1861). |Taffe fiir das Militärcontingent mit 34,580,760 M.
za Eivilverfahren bildet die Grundlage die Eivil-|Unter den Ausgaben: Staatsihuld 27,581,400,
procegordnung bon 1869, welde an die Stelle des] Civillifte u. Ypanagen5,415,470, Juſtiz 11,764,618,
ten Codex juris bavarici judiciarii von 1753) Minifterium des Innern 18,209,522, Cultus
tt. Das Hypothelenweſen ift für die rechts-|18,476,318, Militär-Etat 34,580,760, Bermalt-
theiniihen Landestheile geordnet durch Gejeg vom/ungstoften 75,205,274 M. Die Staatsfhuld be
1. Juni 1822 nad einem Entwurfe Gönners|trug 1873 793,147,216 M (allgem. Staatsſchuld
(val. Zeichner, Lehrb. des Hypothefenrechtes, Sulzb. | 232,399,043, Eiſenbahnſchuld 398,345,143, Grund-
1838); für die Pfalz gelten noch die Beftimmuns- |ventenablöfungsihuld 162,403,029). — Im Bun—
gen des franzöf. Code eivil. Das Civilrecht in desrathe des Reiches ift B. durch 6 Mitglieder, im
den 7 rechtsrheiniſchen Kreifen beruht auf deu ver- | Reichstage durch 48 Abgeordnete vertreten. Im
hiedenartigften Unterlagen der Provinzen und|Ausichuffe des Bundesrarhes für das Landheer u. die
Orte; Ober» mn. Nieder-Bayern, der Ober- Pfalz u. Feſtungen hat B. einen ftändigen Sig u. führt im
Regensburg gemeinfhaftlih ift das alte Landrecht | Ausichuffe für auswärtige Angelegenheiten den Bor-
von 1616 (Commentar von B. Schmidt, ebd. 1695, | fit. gi geiftige Bildung forgen: die Akademie
Fol., 3 Bode.) mit dem verbefferten od. Codex|der Wiffenichaften, zahlreiche wiſſenſchaftliche Ber-
Maximilianeus juris bav. eivilis von 1756 (abge- eine im allen Hauptftädten der Provinzen (bei.
faft u. berausgeg. von Kreitmayr, Münd. 1788, | Hiftorifche Gefellihaften, u. unter ihnen das Ger»
Fol. u. 8°, deffen Anmerkungen, ebd. 1758, Fol. maniſche Mufeum zu Nürnberg, mit dem das
n. 8°, 5 Bde., faft geſetzl. Anjehen genießen) nebft|bayer, Nationalmufeum in Münden concurrirt) ;
den neueren Novellen (berausgeg. von Morig, |Gemwerbevereine, Jnduftrieausftellungen, landwirth ·
Memming. 1820). Im Bambergiihen gilt das ſchaftl. Vereine; zweckmäßige Unterrichtsanftalten :
Bamberger Recht, in den ehemals Brandenburgi-|3 Univerfitäten (Münden, Würzburg, Erlangen),
ihen Theilen, refp. Ansbah u. Bayreuth, dasjerftere 2 mit fathol., letztere mit evang. theolog.
Preußische Landrecht, in der Pfalz der franzöſiſche zacuftät), 9 Priefterfeminarien, 8 Lyceen u. 28
Code civil. Dem Gemeinen Rechte fidy meift an⸗Gymnaſien, 96 vorbereitende lateiniſche Schulen,
chließend, ift das Bayeriſche Recht eigenthümlich in]10 Schullehrerfeminarien und 35 Präparandeıı-
den Beitimmungen über Adel, Stegelmäßigkeit, ſchulen, 3 Polytechniſche Schulen (Münden, Augs-
Familienfideicommiffe und das Hypothelenredt. burg, Nürnberg), 6 Realgymuafien, 4 Induſtrie—⸗
Schriften über Bayer. Eivilreht: Kreitmayr, Ein-|fchulen, 36 Gewerbefchulen, davon 3 mit land—
leit., Münch. 1768; v. Krüll, Handb. des Bayer. |wirthichaftliher und 22 mit Haudelsabtheilung, 3
Bürgerl. Rechtes, Landsh. 1808; Gründler, Einleit., | Baugewerlichnlen, 2 Kunftgewerbichulen in DMüns-
Erlang. 1817. In allen 7 öftlichen Provinzen ſchen u. Nitrnberg, 2 ſtädtiſche Handelsſchulen in
gift das Lehnedict vom 5. Juli 1808, mit Nevifion deuſelben Städten, 1 lanbwirthichaftlihe Gentral-
von 1828, jedody mit dem tief eingreifenden Mo» Janftalt in Weihenftephan, 1 Gentralforftlehranftalt
dificationen der Gefeggebung von 1848 (vgl. Mos- Jin Ajchaffenburg, 1 Central» Thierarzneifchule in
hammer, Grundf. des Fehnrechtes, Landsh. 1814; | Münden, 3 Hebammenjchulen, 3 Blinden«, 20
Mayr, Handb. des Lehnrechtes, ebd. 1831). Für] Taubſtummen-JJuſtitute, berühmtes Irrenhaus in
das Wechſel · u. Handelsrecht gilt das Gefeg, betr. | Würzburg, 7113 Volls- und Sountagsſchulen,
die Einführung der Allg. Deutichen Wechfelordnung, die Mititärbildungsanftalten (das Cadettencorps,
der Nürnberger Wechſelnovellen u. des Allgem. Kriegsſchule, Artileriefhule in Münden) zc. Im
Deutſchen Handelsgefetsbuches, fowie das Geſetz, Zeitraume von 1860 hatten unter den Conſcribirtes
betr. die Errichtung eines oberften Gerichtshofes |9,, %/, eine mangelhafte Schulbildung; 1875 ftellm
für Handelsſachen laut Gefeg vom 22. April 1871.|fic diefes Berhältnig in den einzelnen Regierungs-
Die Grundlage des Criminalrechtes bildete früher | bezirfen, wie folgt: Ober-Bayern3,,, Nieder-Bayerı
das von Feuerbach verabfaßte ———— von|5,s, Pfalz 13,,, Ober- Pfalz 10,, Ober⸗Franken 7,,,
1813 (geſetzl. Anmerk. zu demf., Münch. 1813, | Mittels zvanten 2,,, Unter⸗Franken 4,,, Schwaben
3 Bde.) nmebft den dazu erſchienenen zahlreihen]2,,. Bildungsvereine beftanden in B. (1873) 1914.
Rovellen, dann ein ſehr humanes Strafgefegbuc | Bedeutend wird aud die Kunft unterftügt: Mün—
von 1861, bis zu der 26, Dec. 1871 verordneten)chen hat eine Alademie der bildenden Künfte (jeit
Einführung des Deutihen Reichsſtrafgeſetzbuches 1808); die Glyptothel u. die beiden Pinaforheten
von 1870. Das Berfahren in Strafjahen ift enthalten die trefilichften Sammlungen, fo aud) die
öffentlich u. mündlich, für Verbrechen u. Preßver- |Gemäldegalerien von Schleigheim, Augsburg und
gehen mit Schwurgerichten. Die Polizei wird auf) Nürnberg; zweckmäßige Schulen find für jeden
dem flachen Lande u. in den Meineren Städten] Zweig der bildenden Kunft vorhanden. Neben dev
von den Bezirksämtern, in den wumittelbaren | Staatsbibliothek in Miinchen, mit welcher an Um-
Städten von den Magiftraten gehandhabt. fang im Deutjchen Reiche nur diejenige von Berlin
Finanzen: Die satten und Yus- | wetteifert, gibt es 28 öffentliche Bibliothelen in B.
aben betragen 1875 212,51,868 M. Unter den Übung der Religion ift frei. Seit dem Regierungs-
innahmen figuriren Die divecten Steuern mitlantritte des Königs Ludwigs I. find nad einer bis
24
dahin wenig beachteten Stipulation im Concordat
ungemein viele Klöfter wiederbergeftellt; ihre Zahl
betrug 1847 161, Ende 1563 441, Ende 1872
595 mit 1233 männlichen u. 5031 weiblichen Au—
gehörigen, Haupt: u. Nefidenzftadt des Königreichs
it Münden. Militärweſen. Nah dem Ber-
faillev Bertrage vom 23. Nov. 1870 ftelt B. 2
Urmeecorps zum deutſchen Reichsheere, die in Be—
zug auf Organiſation, Formation, Ausbildung,
Gradabzeichen, Bewaffnung (mit Ausnahme des
Werdergewehres, das B. beibehält) wie die übrige
deutſche Armee einzurichten find, jedoch wurde die
Beibehaltung der alten bayeriſchen Uniform, blaue
Waffenröcke und Raupenhelm, zugeftanden. Dem
deutichen Kaifer fteht der Oberbefehl im Kriege u.
das Hecht der Jufpicirung im Frieden zu. (S. u.
Deutichland.) Orden find: Hubertusorden, Orden
des St. Georg, Militär-Max-Joſephs -Orden, Lud-
wigsorden, Civilverdienſtorden, Berdienftorden des
St. Michael, goldene u. filberne Berdienftmedaillen
des Mar-Jojephs-Ordens, Marimiliansorden für
Wiffenfchaft und Kunft (feit 1853); Frauenorden:
der Heil, Elifabeth» u. Therefienorden u, 2 Damen:
jtiftsorden. Wappen: längliches vierediges Schilp,
un 4 Theile getheilt, mit einem Herzſchilde. Letz—
teres hat die bayerifhen Nauten. In dem oberen
rechten Felde der pfälziſche goldene rothgefrönte
Löwe in Schwarz; in dem unteren linken Felde
der blaue goldgefrönte Löwe (wegen Beldenz) in
Weiß, in dem oberen Tinten Felde 3 filberne Spiten
in Roth (wegen Franken), in dem unteren rechten
Felde ein goldener Pfahl auf voth u. weiß ge
itreiftem Grunde (wegen Burgau » Schwaben).
Schildhalter: 2 goldene Löwen mit gejpaltenem
Schweife, von denen jeder eine in filberne u. azurne
Rauten getheilte Fahne hält. Das Ganze umgibt
ein mit Hermelin ausgeſchmücktes Zelt, oben mit
der Königskrone. Die Yandesfarbeu find hellblau
u. weiß. Münzen, Maße u. Gewichte find
die allgemeinen deutihen. Vgl. Grübel, Geogr.-
ftatift. Haudlerifon über das Königr. B., Würzb,,
2. Ausg., 1867; Bavaria, Yandes- u. Volkskunde
des Königr. B., Mind. 1860—68, 5 Bde.
I. Geſchichte. A. Bis zum Aufkommen
der Wittelsbacher, 1130. Die älteften befanuten
Bewohner des altbayerifchen Yandes waren Kelten,
vom Stamıne der Bojer, welde zuvor in Böhmen,
das von ihnen den Namen hat, u. Mähren wohn:
ten, im N. u. der Taurisfer oder Noriter im ©.
Kurz nad dem unglüdlihen Zuge der Kimbern
u. Zeutonen drangen andere germanijche Völker—
Ichaften, wie die Marlomannen, Narister, Hermuns
duren u. a. in das Land u. vertrieben die Bojer,
Bayern (Geſchichte).
Franken kam zum Neiche der Thüringer, u. mit
diefem fpäter zum Fränkischen, B, ſüdl. der Donau
aber zum DOitgothiihen u. dann ebenfall3 zum
Fränkiſchen Weihe. Unter dieſem bildeten die
Bajuvarier, wie die nunmehrigen, aus verichiede-
nen Stämmen verjchmolzenen Bewohner hießen,
einen Bafallenftaat, an deſſen Spige feit Mitte
des 6. Jahrh. Herzoge aus dem Geſchlechte der
Agilolfinger ftanden. Die Grenzen des Herzog-
thums Bajuvarien, Bojoarien od. B, waren Donau,
Lech, Hochalpen, Enns u. Mur. Der erfte dev
Herzöge, deſſen die Geſchichte “erwähnt, war
Saribald I., welder um 554 zu Regensburg re—
fidirte, Mit den Yongobarden verbündet, wurde
er von den Franken gefchlagen u. zum Frieden
gezwungen. Garibald I. ft. um 595, u. auf Be-
treiben der Fraulen wurde nicht deſſen Sohn
Grimoald, fondern fein Anverwandter Thaſſilo I.
Herzog u. vertrieb Grimoald aus B. Er führte
Krieg mit den Avaren u. ft. 609; ihm folgte fein
Sobn Garibald II., unter welchem, nachdem vor-
ber ſchon fräntifche Könige die Geſetze der Bojoaren
berichtigt hatten, König Dagobert (zwiſchen 628
bis 638) die erfte ſchriftliche Faſſung derfelben
durch Staatsmänner an feinem Hofe abfaflen u.
in B. einführen ließ. Auf feine Beranlaffung jollen
auch St. Euftafius u. Agilus nah B. gelommen
fein, um das Ghriftenthum dort auszubreiten,
Garibald II. ft. 640 auf einem Zuge gegen die
Kärnthuer, u. ihm folgte fein Sohn Theodo I,,
welcher den Glaubensboten St. Emeran auffor-
derte, das Chriftenthum zu predigen, u. 680 ftarb,
Theodo II., weldyer felbjt Chrift wurde, nahm 702
feine 3 Söhne als Mitregenten an, deren einer
jedoch ſchon 712 ftarb; nach Theodos Tode (717)
folgten Theodebert bis 724 u. Grimoald bis 725,
die beide viel für Verbreitung des Chriftenthuns
thaten, u. darauf des erjteren Sohn Hugibert, ber
das ganze Land wieder vereinte, aber die Ober-
boheit der Franlen anerfennen u. 728 den ber»
weigerten Gehorſam mit einem Stück Land büßen
mußte. Ihm folgte 737 ſein Sohn Odilo oder
Utilo, unter dem der Glaubensbote Bonifacius
B. in 4 Bisthümer theilte: Salzburg, Regens—
burg, Freiſing u. Paſſau (739). Odilo, welcher
mit Chiltrude, Karl Martells Tochter, ſeit 741
vermählt war, gevieth mit deren Brüdern Pipin
u, Karlmann wegen des Schußes, den er ihr u.
ihrem 3. Bruder Gripho bot, in Streit u. wurde,
obwol mit den Alemannen u. a. verbunden, auf
dem Lechfelde 743 gejchlagen u. gefangen u. erſt 744
wieder freigegeben; er jt. 748. Ihm folgte fein
bjähriger Sohn Thaffilo IL unter der Bormund«
welche zum Theil nach Gallien auswanderten. Als|ichaft feiner Mutter Chiltrude, der 757 dem
die Römer Rhäcien eroberten, wurde B. füdlich|Frankenkönig den Eid der Treue ſchwören mußte
der Donau al$ Vindelicia, fpäter lEhaetia secunda,|u. dagegen fein väterlihes Erbe als Lehn er-
römifche Provinz, ald welche es mit feiner Haupt-|hielt. Auf Beranlafjung feiner Gemahliu (jeit 763)
ftadt Augusta Vindelicorum (Augsburg) großer|Luitberga, Tochter des Longobardentönigs Defide-
Blüthe- theilhaft wurde; die Bewohner wurden|rius, ſchloß er mit diefem u. dem Herzog von
volljtändig vomanifirt. Franken war zu derfelben| Aquitanien gegen die Franfen einen Bund, er
Zeit von den Hermunduren bewohnt, die Pfalz, zur wurde aber von Karl d. Gr., nachdem diejer den
röm. Provinz Germania prima gehörig, von den|Defiderius vom Throne geftoßen, 781 wieder zur
Nemetern. Seit den Eroberungszügen der Aleman-|Ablegung des Bafalleneides gezwungen. Da Thaf-
nen begann für B. eine unruhige Zeit: im 5. Jahrh. ſilo denjelben nicht hielt, ward er 787 wieder
brachen erjt die Hunnen, dann die Rugier, Styreu, bezwungen, fmüpfte nun aber feindjelige Unter
Heruler und die ſueviſcheu Marktomannen ein, !pandlungen gegen Karl d. Gr, mit den Uvaren
Bayern (Geſch. bis 1056). 25
u, ſo daß ihn Diefer auf dem Neichstage zunun das Herzogthum B., wurde aber 939, da er
Ingelhein 788 feines Landes verluftig erflären u.|den Lehenseid verweigerte, von Otto I. verbannt,
n ca Klofter bringen ließ. 794 verzichtete Thaf-| Die Verwaltung B-8 erhielt mun als königliches
Ko zu grauffurt feierlich auf B., welhes num zur Amt mit dem bloßen Titel eines Herzogs der
häniihen Provinz wurde. Karl d. Gr. theilte das| Bruder Arnulfs, Berthold von Kärnten. Diefer
tand ın Graffchaften unter Grafen, über welche ſſchlug 943 u. 944 an der Drau in Kärnthen die
ker gegen die Avaren u. Slaven in Böhmen be-|Ungarı u, ft. 948.
kölgende Markgraf meift die Aufficht führte. Die
Araren wurden bis an Die Raab zurüdgedrängt u.
ren Gebiet, anfangs öftliche Mark, jpäter Ölter-
tab, bayeriihen Grafen anvertraut, aud größten»
teils mit Anfiedlern aus B. bevölkert. 798 erhielt
8, aud einen eigenen Erzbiichof dur Erhebung des
Biethums Salzburg zum Erzbisthum. Nach Karls
d. Gr. Tode (814) gab deſſen Sohn u. Nachfolger,
lubeig der Fromme, anfangs die Berwaltung B-8,
das auger B. Salzburg, Tirol bis Bozen, Oſterreich
sb der Enns, ſowie Steiermarf, Kärnthen u. Krain
misßte, feinem älteren Sohn Lothar, im einer
\päteren Theilung (817) dem drittgeborenen, Ludwig,
als ein zur fränkischen Monarchie gehöriges König-
mich, Dieier erhielt durch den Vertrag von Ber-
un (843) noch einen großen Theil von Deutich-
amd; doch war B. nod das Hauptland Ddiejes
nenen, Dftfranten genannten Reiches, mit der
dauptſtadt Regensburg. Während Ludwigs fort-
dauernden Kriegen mit flapiihen Stämmen be-
nähtigte fi fein ältefter Sohn Karlmann des
Landes zwifchen der Donau u. dem Jun, das ihm
der Bater auch, jedoch unter feiner Obergewalt,
überließ (861). Nach Ludwigs Tode (876) erhielt
Karlmann ganz B. mit der Hoheit über Böhmen,
Mähren, Kärsnthen u. einen Theil von Ungarn,
ipäter auch noch Stalien mit der Kaiſerwürde.
Ihm folgte 879 fein jüngerer Bruder Ludwig, der
alles Land außer Kärnthen für fich behielt, aber
ſchon 882*inderlos ftarb. Ganz Deutichland fiel nun
an Karl den Diden, feit 881 König von Ktalien,
jeit 884 von Franfreih, der aber 887 abgejegt
wurde. An feiner Stelle ward Arnulf, der natür-
ide Sohn Karlmanns,. Herzog von Kärnthen,
zamı deutfchen König gewählt, der den den B.
feimbjeligen Mährenlönig Swätopluk od. Zwenti-
old mit Hilfe der Ungarn befiegte. Arnulf fi.
399 im Regensburg, w. ihm folgte fein Sohn
Zudwig das Kind, unter welchem Yuitpold, Neffe
Arnulfs, als Markgraf von B., Führer (Dux) des
bayerischen Heerbannes war; derjelbe flug mehr-
Dtto I. ernannte wun fei-
neu Stiefbruder, Heinrich L, zum Herzog von
B., den noch lebenden Sohn Arnulis aber, Ar-
nulf, zum Pfalzgrafen in B. Unter diejer Res
gierung wurde die Markgrafihaft Berona u,
Aquileja mit B. vereinigt. Arnulf benugte Hein«
richs Abweſenheit, um ſein väterliches Herzogthum
B. wieder an fidy zu bringen, u. rief die Ungarn
herbei, die, nachdem Arnulf nah einjährigem
Kampfe gegen Heinrich u. den Kaifer 954 erlegen
war, 955 ın B. einfielen, aber in der Schladht
auf dem Lechfelde 10. Aug. 955 von Otto geſchla—
gen wurden. 3 Monate danach ftarb Heinrich I,,
u. ihm folgte fein Sohn Heinrich II, der
Zänter, in B. u. Kärnthen, der, von Kaifer
Otto II. verlegt, 975 ſich gegen denfelben aufs
iehnte, fogar nad der Königswürde ftrebte. Uns
vermutbet gefangen genommen, gelang es ihm,
nah Böhmen zu entfommen, worauf das erledigte
Herzogthum B. dem Herzog Dtto von Schwa«-
ben verliehen wurde. Nachdem Heinrich denjelben
976 bei Pilfen geſchlagen u. in B. felbft einge:
fallen war, wurde er eudlih durch deu Kaiſer
jelbft in Baffau gefangen u. nach Utrecht abge⸗
führt (977). Herzog Otto fiel 982 in Calabrien
gegen die Saracenen, u, es folgte Heinrich II.
der Jüngere (Hezilo) von Kärnthen, Sohn
des Herzogs Berthold, jedoch nur für kurze Seit;
denn nach Kaifer Ottos II. Tode entwiſchte Hein»
vih II. aus der Gefangenſchaft in Utredht, be»
mächtigte fi in Köln des unmlndigen Kaiſers
Dtto III. u. nahm 984 den Königstitel an, dem
er erſt entjagte, als man ihn gegen Herausgabe
Ottos III. wieder im fein Herzogthum einfetste,
das ihm Hegilo oder Heinrich TIL. gegen Ber-
leihung Kärnthens, als eine von B. unab»
hängigen Herzogthums, 986 abtrat; doch kam
Kärnthen mit der Mark Friaul fon 989 oder
990 wieder au B. Heinrich II. ft. 995. Ihm
folgte fein Sohu Heinrich IV., der, als Otto III.
1002 in Italien ohne männliche Erben ftarb, als
Heinri II. zum König von Deutjchland gewählt
mals die Ungarn, bis er 907 mit dem größten|mwurde; 1004 verlieh er das Herzogthum B. fei-
Theil feines Heeres bei Presburg gegen fie auf|nem Schwager, dem Grafen Heinrich von Luxem—
dem Schlachtfelde blieb. Als 911 auch noch Lud-|burg, als Heinrich V., entſehzte ihn jedoch 1008,
wig dar Kind farb u. damit die Herrſchaft der|da der Herzog ſich mit ihm verfeindete, u. ver-
Karolinger aud in B. erlofh, wählten die B. ſwaltete das Herzogthum ſelbſt bis 1017, wo er
Arnulf den Böjen, Luitpolds Sohn, der als ſelb⸗ Heinrich V. wieder im fein Herzogthum eiuſetzte.
Kändiger Herzog in B. u. Kärnthen die Regier-| Nach Heinrichs V. Tode (1027) gab Kaiſer Kon-
ung führte, ohne die Oberhoheit des a rad II. B. an feinen eigenen Sohn Heinrich VL,
Königs Konrad J. anzuerkennen. Diefer überzog|der, 1039 ſelbſt Kaifer geworden, 1040 den Neffen
ihu deshalb mit Krieg, u. Arnulf mußte nach |Heinrihs V. von Luremburg ald Heinrich VII.
Ungare fliehen, von wo er erjt zurüdfehrte, als|über B. fette, nach deſſen Tode 1047 aber das
Heinrich J. zur Regierung kam, dem er auch 920 |Herzogthum 2 Fahre unbejegt ließ, bis er e8 1049
Lehnshuſdigung leiftete u., mit größerer Macht be-jan Konrad I. von Zütphen verlieh. Da diejer
zägfih der inneren Landesverwaltung ausgeftattet, aber ſich widerfpenftig erwies, wurde er 1053 des
bis zu deifen Tode (936) treu anhing. Nachdem |Herzogthums entjegt u. dafjelbe dem erſt Zjährigen
Arnulf bei der Krönung u. Wahl Ottos I. zum deut- Kaiſerſohne Heinrich, als dem VIIL in B., ver
fhen König in Aachen das Amt eines Marſchalls ver- |liehen, u. als diefer 1056 als Kaifer Heinrich IV.
ſeheu, ft. er 937. Sein Sohu Eberhard übernahm jeinem Vater folgte, erhielt es der jüngere Bruder
26
Bayern (Geſch. bis 1231).
Konrad II, der aber noch im felben Jahre, dann mit Welfu. deſſen Anhängernu. mit dem Pfalz.
4 5. alt, ft., worauf die Kaiferin-Wittwe Agnes
B. mit dem Reiche als Neichöverweierin ver«
waltete, bis 1061 daffelbe dem Grafen Otto von
Noroheim übergeben wurde. Diejer, als Herzog
Dtto II., wurde 1070 auf die falfche Anklage,
als habe er dem Kaiſer nach dem Leben geftvebt,
des Herzogthbums B. entjegt u. daffelbe am dei
ſchwäbiſchen Grafen Welf gegeben, deſſen Bater,
der Markgraf Azzo II. v. Efte, dur feine Ehe
mit Knuigunde, dev Erbtochter des Grafen Welf IV.,
einen großen Theil der Güter diefes Geſchlechtes
in Echwaben u. B. an fein Haus gebracht hatte,
das den Welfiihen Namen beibehielt. Herzog
Welf I, der 1075 zu bem Siege des Kaiſers
über die von Dtto von Nordheim geführten
Sachſen an der Unftrut beitrug, ftellte ſich in dem
Streite zwiſchen Heinvih IV. u. dem Papfte auf
des Letsteren Seite, weshaib er 1077 fein Herzog-
thum verlor; erft nach manderlei Kämpfen u.
nachdem fein Sohn Welf feine Gemahlin Ma-
thilde von Tufcien, die reiche Erbin, die Papſt
Gregor VII. anhing und ihre Güter ſchon vor
ihrer Verbeirathung dem römischen Stuhl vermadht
hatte, deshalb verlaffen, fam eine Ausſöhnung
zwiſchen dem Herzog Welf u. dem Kaifer zu
Stande, der mun 1096 Welf I. u. feine Nach-
fommen wieder mit B. belehnte (1096). Als
Greis unternahm Welf, nahdem Jeruſalem von
Gottfried von Bouillon erobert war, mit dem
Herzog von Aguitanien an der Spite eines Heeres
von 16,000 Mann einen Kreuzzug (1100), ft. aber
auf der Rückreiſe 1101 zu Paphos auf der Jufel
Enpern. Ihm folgte fein Sohn Welf IL, unter
dejien Regierung Kaifer Heinrich V. einen Theil
der bayerijhen Martgrafſchaft Nordgau (auch
obere Pjalz genannt) mit der Burggrafichaft Nürn—
berg u. deu Bogteien über die Hochſtifte Wiürz-
burg u. Bamberg zu einem neuen Herzogthum
Ditfranfen machte, mit dem Sitze Rottenburg
a. d. Tauber, u. dem Konrad von Staufen ver-
ieh. Welf II. ft. 1120, u. es folgte ihm fein
Bruder Heinrich IX. der Schwarze, der, ein
ihwader Fürſt, aus Unmuth über die Fehden
des Adels im Lande das Herzogthum feinem
Sohne Heinrihd X. dem Gtolzen übergab
(1126) u. ins Klofter ging, wo er im felben Fahre
ftarb. Heinrich X. begaun feine Regierung mit
Errichtung eines Landfriedens, eines Hofgerichtes
u. Zerftörung der Raubjchlöffer des Adels. 1127
von feinem Schwiegervater, dem Kaiſer Lothar II.,
mit Sachſen belehnt, erhielt er von diefem nach
einem langwierigen, mit wechſelndem Glide ge-
führten Kriege gegen die Staufen u. nachdem er
fih beim zweiten Römerzuge des Kaifers ausge»
zeichnet, die Markgrafſchaft Tuſcien (Toscana) u.
vom Bapjte Innocenz II. die Privatgüter der
Markgräfin Mathilde zu Lehen. Als mit Kon-
rad II. die Staufen die Kaiferfrone erhielten,
wurbe Heinrich, weil er fich weigerte, Toscana u.
das von feinem Bater ererbte Herzogthum Sachſen
abzutreten, im die Acht u. feiner Reichslehen für
verluftig erflärt (1138). DB. erhielt der Baben-
berger 7
grafen Otto von Wittelsbah. Als Leopold 1141
ftarb, wurde fein Bruder Heinrid XI Fajo-
mirgott mit ®. beiehnt u. mit Gertrud, ber
Wittwe Heinrichs X., vermählt, während deren
13jähriger Schn Heinri der Löwe gegen die
Anweifing auf Sachen auf B. Verzicht Teiften
mußte, As aber Heinrih der Löwe mündig
geworden u. von Kaifer Konrad III. fein Her-
zogthum zurüdverlangte, welche Auſprüche Katfer
Friedrich I. 1152 anerlannte, ließ ſich erſt nad)
jährigen Berhandlungen Heinrich XI. bewegen,
das Herzogthum herauszugeben, wogegen die
frühere Marlgrafihaft Ofterreih von B. abge»
riffen u. auf dem NHeichstage zu Negensburg 1156
zu einem eigenen Erzherzogthum erheben wurde.
Heinrih XHU., der Gründer Mündens, u
ein treuer Anhänger des Kaifeıs Friedrich J.,
überwarf ſich mit ihm wegen einer Erbidafts-
augelegenbeit, betr. die welfiſchen Allode in Deutjch-
land u, die Mathildiſchen Güter in Italien, u.
verweigerte ihm förmlich die weitere Mitwirfun
zum Zuge nad) Ftalien, worauf Friedrich L. *
der Niederlage bei Legnano 1176 den Herzog auf
mehrere Reichſstage zur Verantwortuug lud u.,
da derfelbe nicht erfchien, ihn 1179 zu Würzburg
in die Acht u, feiner Herzogthümer verluftig er—
klären ließ; e8 blieben ihm nur die Hausgüter.
B. wurde im Dct. 1180 dem Pfalzgrafen
Otte VI. von Wittelsbadh dem Älteren aus
dem 200 %. von der Herrichaft ausgeſchloſſen ge»
wejenen Haufe Scheyern verliehen, feinem Bruder
DttoVII., dem Füngerenaberdie Pfalzgrafenwürde,
B. 28. unter den Wittelsbadern bis
ur Wiedervereinigung nach feiner erften
Theilung 1180—1508. Dito I., der feine Güter
ander Donau, Paar u, Iſar, im Nordgau ꝛc. mit B.
vereinte u. die Grafihaften Dadau u. Raingan
erwarb, den Grund zu Landshut u. Kelheim legte
u. Ruhe u. Ordnung wiederberftellte, ftarb ſchou
1183, u. ihm folgte fein Yyähriger Sohn Lud-
wig I. der Kelheimer, unter Vormundſchaft bis
1192, während mwelder der Befit bedeutend ver-
größert wurde. Bon dem Welfiſchen Kaiſer Otto IV.
erbielt er aus befonderer Gunft Alles, was einft
fein Bater, Heinrih der Löwe, in B. beſeſſen
(1208), dann 309 er die durch Todesfall erledigte
Markgrafihaft Chamein (1210) ein, erwarb die
Grafichaften Kirchenberg u. Liebenau u. namentlich
Stadt u. Saline Reichenhall (1219). Nah Ot-
to8 IV. Niederlage ſchloß er fi dem Kaifer
Friedrich II. an, der ihm dafür die Pfalzgraf-
ſchaft am Rhein verlieh u. damit den Befit bes
größeren Theiles des Kraichgaues mit Heidelberg,
den Herrſchaften Zweibrüden, Bacharach x. am
Rhein. Unter ihm wurden München u. Landshut
erweitert, Straubing, Landau zc, zu Städten er«
hoben. 1222 von Friedrich II. zum Verweſer
des Neiches für deffen unmündigen Sohn König
Heinrich VII. ernannt, zerfiel er mit dieſem, was
verhängnißvoll für ihn u. feinen Sohn wurde, Lud⸗
wig verlor 1231 durch den Dolch eines wahrſcheinlich
vom Heinrih VII. geworbenen Unbefannten das
opold, der 5. öfterr. Markgraf dieſes Leben, u. ihm folgte fein Sohn Otto IL, der
Namens, der aber viel zu kämpfen hatte mit|Erlauchte, der ’
Heinrih dem Stolzen, bis zu deſſen Tode 1139, |legen mußte, da Heinrich
einen Sy nad Landshut ver-
II. B. mit Regens-
Bayern (Geſch. big 1429), 27
fung überfiel u. verwüſtete. In den Kämpfenines Ludwig, des Markgrafen von Brandenburg, mit
miden Ftiedrich II. u. dem Papfte ftand er auf Margaretha Maultaich, Gräfin v. Tirol, vereinigte
Zete des Erfteren, wofür er 1247 vom Papfteler dies Land wieder mit B. (1342), zog die Pro»
m dem Bann u. B. mit dem Interdict beiegt|vinzen Holland, Seeland, Friesland u. Hennegau
vu, Otto ftarb 1253. Seine Söhne Lud-nach dem Tode des Grafen Wilhelm IV. vou
zig (IL, der Strenge) u. Heinrich (XIII.) Holland (1345) als erledigte Neichsiehen ein u.
!helten 1255 das Land, nachdem fie anfangs ger|beichute 1346 feine Gemahlin u. Beider Söhne
meinibaftiih regiert. Ludwig erhielt Ober-B,|damit; jein vierter Sohn, Wilhelm, übernahm
Dingen, Ingolftadt, die jpätere Ober-Pfalz mit |fpäter die Regentichaft des Landes. Ludwig, der
Neuburg u. Sulzbach) u. die Pfalz am Rhein; vielen bayeriihen Städten eigene Berfafjungen,
Heamih Nieder-B., deſſen Linie jedoch ſchon mitlein großes Gefegbuch in der Landesipradhe für
dem Tode feines Entfels Johann 1340 erlojh.|Ober-B. u. eine Gerichtsordnung für Nieder-B,
duveig verlegte feine Mefidenz nah München. gegeben, auch theilweiſe die Leibeigenſchaft aufge»
Achdem beide Regenten ihr Beſitzthum bedeutend)hoben hatte, ftarb 11. Oct. 1347 und hinterließ
vergrößert, theilten fie fih 1268 u. 1269 no in]6 Söhne, die nad 2jähriger gemeinfamer Re—
tie Beſtzungen des letzten Hohenftaufen, Konradin;
Lurg u. Stadt Nürnberg, die Städte Lauingen
1. Kördfingen u. Die Bogteirehte über Augsburg
übernahmen fie gemeinſchaftlich. Nah einer für
&, ſegensreichen Regierung ft. Ludwig 1294, u.
um folgte fein Älterer Sohn Rudolf, der, gegen
König Albrecht feindlich gefinnt, von dieſem ge-
ihlagen, 1301 die Bogteien über Nürnberg und
Augsburg u. mehrere Staufifhe Güter verlor u.
auf defien Befehl feinen jüngeren Bruder Lud
zig IV. zum Mitregenten annehmen mußte.
Sur deifen Beranlafjung wurde das Yand 1310
getheilt, wodurch Rudolf den öjtl. Theil von
Ober-B,., Ludwig aber den weftl. Theil, das Land
zwischen Lech u. Iſar, erhielt, während die Pfalz
am Rhein beiden gemein blieb. Gleichwol kam
es zu 2jährigem Kampfe zwifhen den Brüdern,
dis Ludwig die Hand zur Berfühnung reichte u.
1313 Beide eine gemeinfchaftliche Negierung wieder
begannen. Indeß als Ludwig IV. (20 Oct. 1314),
zum deutschen Könige erwählt war, ftellte Rudolf
Ah auf die Geile der Gegner feines Bruders,
überließ aber im einem neuen Bertrage von 1317
demjelben die gefammte Landesverwaltung in B.,
io daß Ludwig bis 1329 einziger Herr in Ober-
2. und der Rheinpfalz war, Nachdem Ludwig
der Bayer durch den Sieg bei Mühldorf alleiniger
Herr auch in Deutſchland geworden, belehnte er
1323 feinen erften Sohn Yudwig mit der Mart
Brandenburg u. vermählte fi in 2. Ehe mit
Margaretha, der Zodter u. Erbin des Grafen
Bilhelm ILI. von Holland. Mit den Söhnen
feines 1319 in Wien geftorben Bruders Rudolf,
Rupert 1. u. Rudolf II., Schloß er am 4. Aug. 1329
den Hausvertrag von Pavia ab, dur den die
pfälziichen Lande von B. für immer an Ru—
dolfs I. Nachtommen überlafjen wurden, dazu ein
Theil der oberbayeriſchen Befitzungen im Nordgau,
ton da an Oberpfalz genannt, fodann Wechjel in
Führung der Kurmürde, Verbot der Veräußerung,
Ausihliegung der weibliden Nachfolge von der
Regierumg 2c. beftiimmt wurde, Damit entftanden
die 2 Hauptlinien des Wittelbachiſchen Haufes, die
Pfälzifhe u. die Bayerifche. Durch den Tod
des Herzogs Johann von Nieder-B. (1340) erloſch
defien Linie u. fiel 1341, nachdem Ludwig den
Rıeder-B. die Freiheiten der Ottoniſchen Hand-
vefte von 1311 (das Recht der mittleren Gerichts-
barkeit fiber die Grundholden) beftätigt hatte, mit
Zuftimmung der Landftände ganz Nieder-B. wieder
an Ludwig zurüd. Durch die Bermählung ſeines Soh⸗
gierung, troß der Weifung ihres Baters, unter
20 Fahre ihre Erblande nicht zu theilen, 1349 zur
Theilung jchritten: Ludwig der Brandenburger
erhielt, außer Brandenburg, Ober-B. u. behielt
nebenbei Tirol; ihm zur Geite ftanden jeine
Brüder Ludwig der Römer u. Otto (damals erft
2 Jahre alt), mit denen er wieder zu theilen hatte;
Stephan mit der Haft erhielt Nieder-B, u. die
niederl. Provinzen, u. an ihn fchloffen fich in der-
jelben Weiſe die Prinzen Wilhelm u. Albrecht an,
welche jedod durch Theilung mit Stephan (1353)
die Linie B.- Straubing gründeten u. darauf wieder
unter fi) fo theilten, daß Wilhelm die nieder-
ländiſchen Befigungen, Albrecht Straubing erhielt.
Yudwig V. der Brandenburger trat 1351
Brandenburg an feine Brüder Ludwig den Römer
u, Otto ab u. behielt dafür ganz Ober-B., verlor
aber dur die Goldene Bulle das Recht auf die
Kurwürde im Alternat, die nun der Pfalz zuge-
ſprochen wurde. Als Ludwig V., der vorzüglich für
die bayerischen Städte viel Gutes gethan, 1361 ftarb,
folgte ihm fein Sohn Meinhard, der, obmwol
ſchon 19 %. alt, unter Vormundſchaft geftellt
werden follte. In dem darüber entjtandenen
Kriege wurde Meinhard gefangen, entſloh jedoch
nad) Tirol, wo er 1363 kinderlos ftarb. Stephan II,
von Nieder-B. (B.-Landshut) erhielt Ober-B.;
Margarethe Maultaſch aber trat Tirol an Öfter-
veih ab; nur einige Grenzftriche am Inn u. Led)
blieben bei B. Ebenſo ging bald darauf and)
die Mark Brandenburg Hr das Haus B. ver-
loren, indem Kaifer Karl IV. diefelbe wegnahm
(f. Brandenburg u. Preußen). Stephan II. fi.
1375 mit Hinterlaffung dreier Söhne, StephanlIl,,
Friedrich u. Johann, die gemeinschaftlich regieren
jollten, jedodh 1392 zur Theilung fchritten, wobei
Stephan (IIL.) B.-jngolftadt mit Striden au
der Donau u. im Nordgau, Friedrich B.-Landshur
u. Johann B.München mit den Gauen zwiſchen
Lech u. Iſar erhielt. (Die Linie B.Ingolſtadt
erlofh 1447, die Linie B-Landshut 1505). Seit
Friedrichs Tode (1393) lebten die beiden anderen
Brüder, da Feder ſich liberwortheilt glaubte, in
beftändiger, oft blutiger Fehde, namentlich um den
Befig von Münden, ebenjo war e8 unter ihren
Söhnen u. Enteln, u. ging während dieſer Kämpfe
1433 Holland für B. an Burgund verloren. Es
fam ftetS wieder zu neuen Theilungen, jo 1429
in vier Theile, deren Geſchichte nur ein trauriges
Bild des Bruderzwiftes u. der Berheerung dar-
bietet. Ludwig der Reiche v. B.-Landshut,
28
der ſich zuerft a!
nannte, ftiftete 26.
Ingolftadt u. pflegte Künfte und Wiſſenſchaften.
Albrecht III. von B.-Münden gab Berordnungen
für MNechtspflege u. Verwaltung, für bürgerliche
Zucht, führte gleihes Maß und Gewicht ein und
fiherte den Landmann vor dem Übermuth der
Nitter. Endlich im Jahre 1505, nach Beendigung
des für B. fo verderblidhen Landshuter Erbfolge:
frieges u. nachdem an bie <pfalzbayerifche Linie
noch die fog. junge Pfalz (Neuburg, Sulzbach,
Burglengenfeld ꝛc.) ausgeſchieden war, fiel ganz
B, nach dem Ausfterben der übrigen Linien wie-
der in eine Hand, nämlich in diejenige Albrechts IV.
von B.München.
C. B. von der Wiedervereinigung bis
zum Ausfterben der bayerifhen Yinie,
1505— 1777. Albrecht IV. der Weife, der 1467
feinem Bruder Siegmund in B.München gefolgt
war, ließ, jobald er alleiniger Herr in B. gewor—
ten, am 8. Juli 1506 vor den verjammelten
Ständen mit Einwilligung des Kaifers u. feines
Bruders Wolfgang das Hausgeſetz ausfertigen,
welches auf ewige Zeit die Uutheilbarfeit B-8 u.
das Recht der Eritgeburt von Sohn zu Sohn
feftjegte. Die jüngeren Brüder jollten mur den
Grafentitel führen. Albrecht IV. ft. 1508. Ihm
. folgte fein ältefter Sohn Wilhelm IV. der
Standhafte, anfangs unter Bormundichaft, jeit
1511 jelbftändig regierend. Durch feine Pradht-
liebe machte er ſich mißliebig, u. die Stände ver-
banden fi mit feinem Bruder Ludwig, der mit
dem Grafentitel u. der Apanage von 4000 Gulden
unzufrieden war, zur Umgehung der Primogenitur.
Die beiden Brüder verftändigten ſich 1514 dahin, daß
fie vorerft 3 Jahre lang in Gemeinjchaft regieren
wollten, doc) follte Ludwig feinen Sit in Landshut
nehmen. Die Hegierung Beider war friedfertig:
fie vergrößerten das Gebiet, verbefjerten die Salz—
fiedereien in Reichenhall, die Polizei», Civil- u.
GEriminal-Gejege, befhränften aber Die Rechte der
Landftände, die durch die ſog. Landſteuer (ftändigen
Ausschuß) das ganze Steuerwejen des Yandes von
Alters her in Händen hatten. Ludwig ft. 1545,
unverheirathet. Wilhelm, anfangs der auch in
DB. Raum gemwinnenden Reformation nicht abge-
neigt, wurde nach der Achterklärung Luthers auf
dem Neihstage zu Worms deren entichiedenfter
Gegner, verllagte ſogar die bayerischen Biſchöfe
wegen allzu großer Nachſicht in Rom, ergriff ftrenge
Maßregeln gegen die Stadt Hegensburg, die 1542 die
neue Lehre angenommen, u. rief die Jeſuiten ins
Yand, die 1549 die Leitung der theologiichen Stu-
dien in Ingolſtadt übernahmen, hier ein Collegium
bauten u. in ganz B. bald mächtig walteteı,
Wilhelm IV. ft. 1550, u. ihm folgte fein kuuſt⸗,
aber auch practliebender u. verjchwenderiicher
Sohn Albredt V., der 1552 bei dem Paflauer
Vertrage u. 1555 bei dem Reichstage zu Augs⸗
burg, wo der Religionsfriede zu Stande kam,
als Bermittler auftrat. Er bewilligte 1557 für
B. die Austheilung des Abendmahls unter bei-
derlei Geftalt u. trug 1562 bei dem Concil zu
Trient auf Genehmigung der Priefterehe an;
als der Papft Pius IV. jedoch beides vermwarf,
ſchlug er eine andere Richtung ein, legte den
in Ober- und Nieder-B. |
uni 1472 die Univerfität| Verbannung ein öffentlihes Glaubensbelenntnig
Bayern Geſch. bis 1651).
Lehrern der Univerfität Ingolftadt bei Strafe der
auf, vermehrte die Zahl der Jeſuiten u. verfolgte
den Proteftantismus aufs Außerftie. Er ft. 1579.
Ihm folgte fein ältefter Schu Wilhelm V., der,
Höfterlich erzogen, in die Fußſtapfen feiner Vor—
gänger trat und die Jefuitencollegien zu Alt ⸗Ot ·
ting, Landsberg, Regensburg u. München errich-
ten ließ. Durch ſeine Verſchwendung für Kirchen
u. Klöſter, neben Freigiebigfeit für Arme u. Krauke,
häufte er neue Schulden auf das Yard, jo daß
er, unfähig, fih ans den nicht endenden Finanz-
verlegenbeiten zu helfen, 1597 die Regierung an
feinen älteften Sohn Marimilian abtrat; in Ab—
geichiedenheit von der Welt lebte er noch bis 1626.
Marimilian L, der Große Kurfürft, führte
eine ftrenge Ordnung u. Controle ein, lebte felbft
einfach, tilgte bald die laufende Schuld u. legte
den Grund zu einem Staatsjchage, indem er neue
Finanzquellen fand im Fleiſchaufſchlag, im Auf-
a ar) Gold- u. Silbermwaaren, im Monopol
des Weißbierbrauens u. der Salzbereitung. Nach
dem Vorbilde Oſterreichs wurde eine allgemeine
Vollsbewaffnung eingeführt u. anfangs der 30.,
jpäter der 10. Dann zum Felddienſte ausgehoben
u. Braunau, ſowie Ingolſtadt ſtark befeftigt. Er
ließ ein neues Geſetzbuch ausarbeiten, das 1616
unter dem Titel: Yandrechts-, Polizeis, Gerichts-,
Malefiz- u. a. Ordnung für B. erlaffen wurde;
bildete die Zünfte um u. verordnete das Wandern
der Handwerker. Die Erecution der Reichsacht
gegen die proteftantiiche Reichsſtadt Donauwörth
veranlaßte im Mai 1608 die Bildung der Evanı-
geliihen Union zu Aubaufen, gegen welche Mari—
milian, vom Papfte anufgemuntert, den meift aus
Biſchöſen beftebenden (ion 1538 geichlofienen)
Bund, nun Liga genannt, 1609 organifirte,
Mit dem Erzbischof Wolf Dietrich von Salzburg
geriethb er 1611 über den 1594 von Wilhelm V,
abgefchlofjenen Salzvertrag in Krieg, dev mit der
Gefangennehmung des Erzbischofs endete. Die
böhmtihen Unruhen bewogen Maximiliau 1619,
die 1617 aufgelöfte fatholiiche Liga wieder herzu—
ftellen, als deren oberfter Director er am 8, Oct.
1619 mit dem Staifer yerdinand ein Bündnig zu
gegenfeitiger Unterftügung abſchloß. Der Sieg
auf dem Weißen Berge war bef. Marimilians
Werl. Der Kaifer ertheilte ihm nad der Adht-
ung des Kurfürſten Friedrich V. von der Pfalz
1623 deffen Kurmwirde auf Lebenszeit mit dent
Erztruchießamte 1628 erblih und überließ ihm
für Die Striegsfoften die (bisher zur Rheinpfalz
gehörende) DOber- Pjalz. Bei Erlafjung des Reſti—
tutiongedict8 1629 rieth Maximilian vergebens
zur Mäßigung; 1630 erwirkte er auf dem Reichs—
tage zu Regensburg die Entlafjung Wallenfteins,
deſſen Wiedereinjeung jedoch 2 Jahre fpäter, nach-
dem Guſtav Adolf von Schweden die Siege bei
Breitenfeld u. am Lech errungen, auf feinen Rath
wieder erfolgte. DB. biieb jedody Kriegsſchauplatz
u. wurde von Schweden u. Franzoſen, die fich
dort mit den Kaiferlihen u. Bayern fhlugen, arg
verheert u, durch Gontributionen, Blünderung u.
Brand in jchwere Noth gebradt. Im Weftfäliichen
Frieden behielt Marimilian die Kur, die Ober-
Pfalz, die aber die Schweden bis 1651 bejetst
Bayern GGeſch. bis 1744).
heiten, u, die Graffchaft Cham. Er fuchte nun
em jo arg derwũſteten Lande nah Kräften auf
zielifen u. fie feinem Sohne Ferdinand Maria
uch bei Lebzeiten Huldigen; er fl. 1651. Fer—
drand Maria murde 1654 volljährig; er ft.
1673; ihm folgte fein äftefter Sohn Marımilian
Emannel, der fich entjchieden auf die Seite
Ofterreichs neigte, für das er 6000 Dann Hifs-
trappen gegen die Türlken ftellte, 1683 mit
10,000 M. zum Entſatze nah Wien zog, mwieder-
olten Türlenkriegen beimohnte u. Belgrad 1688
eſtürmte. Hierauf zum Faiferlihen Feldmarfchall-
heutenant ernannt, befehligte er 1690 das Reichs»
beer gegen Frankreich als Obergeneral. Im Der,
1691 von Konig Karl II. von Spanien zum General-
artän der Spanischen Niederlande ernannt, be»
sah er fih fogleich dahin, da er in biefer Stelle
de erſte Stufe zur ſpaniſchen Herrfchaft erblidte,
Zeine erfte Gattin, Maria Antonia, Tochter des
Sailers Leopold I., war nämlich die nächſte Erbin
»3 fpaniichen Thrones, m. ihr Recht ging nad)
brem Tode auf ihren Sohn, den Kurprinzen
Jeſeph Ferdinand, über, den auch König Karl IL.
im Nov. 1698 zum Erben feiner ganzen Mo-
sırhie beftimmte. Der Kurprinz ftarb aber im
Febr. 1699. Ein neuer Theilungsvertrag der
daniſchen Monardie zwiſchen Frankreich, Eng-
land u. Holland u. das Teſtament, in welchem
Sarl II. kurz vor feinem Tode den Prinzen
Ebilipp von Anjou, Sohn Ludwigs XIV., zum
Erben einjette, ermähnte des Kurfürften Anfprüche
anf die Miederlande nicht, an deren Befiß, reip.
der erblichen Statthalterſchaft ihm ſehr viel Tag.
Nu dem nun zwiſchen Ojfterreih u. Frankreich
ausbrehenden Spaniſchen Erbfolgefriege jtellte fich
Mar Emanuel, da von Ofterreih Nichts zu er»
langen war, Frankreich dagegen ihm die Nieder-
iaude veriprad, auf des Lepteren Seite. Obwol
chne Geldmittel (er hatte ſelbſt die Kleinodien des
tayeriichen Kronihages in Amſterdam verſetzt),
begaun er den Krieg im Eept. 1702 (f. u. Spa-
zicher Erbfolgelrieg). Nah der Schlacht von
Hshfädt (15. Aug. 1704) wurde ganz B. von
den Dfterreichern befett n. als erobertes Land
debandelt. Der Gemahlin des Kurfürften blieb
sur das Mentanıt Münden; aber fie verlor auch
dieſes, als die Berihmwörung der Bayern wider die
erdtbar haufende öfterr. Bejatung entdedt wurde,
Zıog der ſchweren Beftrafung diefer Verſchworenen
totteten fich, als im Winter 1705 12,000 Bayern
awsgehoben wurden, erft die Bauern am Walde u, in
der Oberpfalz, dann am Inn un. an der far in
Berbindung mit den Bürgern, von folhen u. Stu-
deuten geführt, zuſammen, u. binnen Kurzem
fanden 30,000 Bayern als Landesvertheidiger in
Saffen; fein Ofterreiher mar mehr fiher; Burg-
banfen, Braunau u. Schärding wurden im Ein-
verkändnig mit den Bürgern genommen, u. nun
brach der Aufruhr auch an der Donau los u, er-
boben fich die Ober- Bayern, um die in München feft-
shaltenen kurfürſtlichen Prinzen zu befreien.
29
von Raftatt (14. Mai 1714) u. den Frieden von
Baden (7. Sept. 1714) wurde Mar Emanuel, der
inzwifchen in den Niederlanden gelebt hatte, im
alle feine Rechte wieder eingeiett, die er vor dem
Kriege befefien, außer in die Statthalterfchaft in
den Niederlanden, welhe an Ofterreich fam. Am
8. April 1715 betrat er wieder den Boden des
furchtbar ausgefogenen B-landes, u. am 10. April
zog die ganze Familie in München wieder ein,
Mar Emannel führte ftatt des Tabakmonopols
1717 eine Umlage auf die Feuerherde ein, er—
leihterte die Einquartierungslaften, führte das
Stempelpapier ein, erueuerte das 1701 erlaffene
Amortifationsgeiet, wodurch der Todten Hand die
Erwerbung liegender Güter verboten wurde, und
verbot, 1717 die künftige Stiftung von Klöftern,
Mit Öfterreih trat er wieder in gute Veziehun«
gen, ftellte ihm 1717 Hilfstruppen fir den Tür
tenfrieg u. Schloß 15. Mat 1724 mit den pfälzi-
Shen Gliedern des Haufes Wittelsbach den Haus-
vertrag, in welchem fi) die Wittelsbacher gegen-
feitigen Beiftand zufagten u. das Recht der gegen»
feitigen Erbfolge neuerdings beftätigten. Mar
Emanuel hinterließ bei feinem Tode (26. Febr.
1726) das Land feinem Sohne Karl Albrecht mit
einer Schuldentaft von 30 Mill. der gegenüber die
Stände 3 Mill. jährlih an Steuern bemilligten
u. außerdem 1728, 1731 u. 1735 außerordentliche
Anlehen. Nah einem knrzen Berfuche, durch
Sparjanfeit dem Lande aufzubhelfen, verfiel er in
die verfchwenderifche Art jeiner Vorgänger und
führte zur Mebrung der Einnahmen eine neue
Tar- u. Sportelordnung u. das verderbliche Lotto»
fpiel ein. Mehr als durch Abgaben litt das Land
aber durch einen neuen Krieg. Als 1740 mit
Kaiſer Karl VI. das Haus Habsburg im Mannes-
ftamme ausftarb, erhob Karl Albrecht Anfprüche
anf die gefammten öfterreichtiichen Erblande, indem
er fih auf den Ehevertrag zwischen Herzog Alb»
recht V. u. deſſen Gattin Anna, Kaifer Ferdi—
nands I. Tochter, berief (f. u. OÖfterreih, Erb-
folgelrieg\, Er eroberte Oſterreich ob der Enns,
nahm 1741 den Titel eines Eraberzogs v. Oſter⸗
reich an, ließ fich in Prag als König dv. Böhmen
huldigen u. wurde 24. Yan. 1742 zu FFranf-
furt a. M. als Karl VII. zum Kaifer gewählt.
Sein Glück hatte jedoh feine Dauer: am Tage
feiner Erwählung fielen die Ofterreicher in B. ein,
u. er mußte nicht nur feine Eroberungen, fondern
auh B. ſelbſt den fterreichern preisgeben.
Indeß lächelte ihm nochmals das Glück: in den
erften Tagen des Octobers 1742 hatte der aus
öfterreichiichen in bayerifche Dienfte übergetretene
Feldmarſchall Sedendorf B. wieder erobert, u. im
April 1743 Ffehrte Karl im feine Hauptftadt
München zurüd, aber nad) der Niederlage Mi-
nuz3i8 bei Simbach (9. Mai 1743) mußte er am
8. juni wieder aus Miinchen fliehen, u.nabhınen nun
die Oſterreicher ganz B. mit allen feſten Plätzen,
festen zu Münden aud eine eigene Landes-Yld«
miniftration ein u, fießen der Maria Therefia deu
Ser aber mißglüdte der Aufftand (Blutbad bei! Fnterims-Huldigungseid Teiften. In diefem Un—
Sendling 25. Dec. 1705) u. bald auch ander»
wärts, u, die
lid wandte ſich der Kaifer au Friedrich If. von
Öfterreicher wurden nun noch firenger. | Preußen, u. dur den Einmarſch defielben in
Am 29. April 1706 ſprach der Kaifer über Max Böhmen (Aug. 1744) wurde B, bald wieder frei,
Emanuel die Reichsacht aus. Durch die Bunctation ſo daß Karl VII. im Oct. 1744 nah München
30
zurüdtehren fonrte; aber noch vor Ende des,
Jahres gewannen die Dfterreicher wieder feſten
Fuß in B,, u. der Nothwendigleit, nochmals zu
fliehen, euthob den Kaifer der Tod, 20. Yan.
1745. Ihm folgte als Kurfürft fein Sohn Maxi—
milian III. Joſeph, der am 22. April 1745 den
GSeparatfrieden zu Füßen Schloß, in welchem Oſter⸗
reih alles von B. Eroberte herausgab, B. dage-
en die Pragmatiiche Sanction anerfannte u. dem
geraog Franz von Lothringen feine Stimme zur
aiſerwahl verſprach. Marimilian. Joſeph bot
nun Alles auf, die inneren Zuſtände zu beſſern,
das Land, das unter einer Staatsſchuld von
40 Mill. ſeufzte, zu heben durch Beförderung der
Induſtrie (Porzellanfabrik, Münz- u. Bergwerks—
Collegium), des Handels, Straßenbau ꝛc. Sodann
führte er zuerft eine Wechſelordnung u. ein Wechfel-
gericht ein, 1751 ein neues Peinliches Geſetzbuch,
1753 eine mufterhafte Gerichtsorduung, 1756 das
Bayer. Landrecht, alle 3 die Arbeiten Kreitmayıs
u. zum Theil bis in die neuefte Zeit hinein in
Gebrauch. Weiter errichtete er eine Bettelordnung,
Leihhäuſer u. ftiftete 28. März 1759 die Alademie
der Wiffenfchaften, deren Drudicriften der Kur
fürft der Genfur der Jeſuiten entzog. Dabei
wurden an der Umiverfität neue Lehrſtühle für
Rechtslehre u. Arzneitunde errichtet, ebenjo eine
chirurgiſche Schule, die höheren Tehranftalten wie
die niederen Schulen verbeflert, eine Muſterſchule
für Schullehrer gegründet, die Klöfter reformirt,
‚Feiertage abgeſchafft un. eine mildere Büchercenfur
eingeführt, zur Förderung der Künfte eine Maler
u. Zeichnungs-Akademie geftiftet ꝛac. Marimiltan
Zofeph ft. 30. Dec. 1777 Einderlos, u. mit ihm
erlojh die Ludwigihe Linie. Ihm folgte ver-
tragsgemäß der Kurfürft Karl Theodor von der
Pfalz, von der Sulzbacher Linie, während mit
Nüdfiht auf deſſen Kinberlofigkeit der Herzog
Karl von Zweibrüden, aus der Linie Birkenfeld,
als eventueller Thronfolger beftinmt war.
. 8. unter der pfälzifhen Linie
bis zur Annahme der Königswürde, 1777
bis 1806. Durch Karl Theodor wurden B. u.
Pfalz nad 448jähriger Trennung wieder ver-
eint. Gleichzeitig mit dem Einzuge Karl Theo-
dors in Münden am 2. Jan. 1778 rüdten öfter
reichifhe Truppen in Nieder-B. u, der Oberpfalz
ein, um dieje Lande für ſterreich in Beſitz zu
nehmen. Damit begann der Bayerijhe Erbfolge
frieg (f. d.), der durch Vermittelung von Rußland
Bayern (Geſch. bis 1803).
der Herzöge Karl u. Mar Joſeph von Zwei—
brüden, unterftügt von Friedrich IL. von Preußen,
die Borftellungen der bayeriichen Landſchaft, Ma—
giftrate u. Behörden vereitelt, Karl Theodor
ründete eine Lanbmwirthichaftsjchule begann eine
Zrodenfegung des Donaumoofes, that viel für
Künfte, namentlich für die Muſik, verwendete aber
die von Max III. Joſeph für Bildung u. Unter-
vicht bejtimmten Güter der Jeſuiten zur Erridht»
ung einer Maltefer-Zunge (der 9. oder bayeri»
ihen), um feinen unehelichen Sohn, den Fürſten
von Bregenbeim, als Großprior zu berjorgen,
übertrug den höheren Unterricht wieder den
Kloftergeiftlihen u. wurde durch Entdedung des
Illuminatenordens (ſ. d.) u. die Einflüjterungen
feines Beichtvaters, eines Jeſuiten, gegen Auf—
Härımg u. Wifjenichaft jo argwöhniih, daß er
alle geheimen Gejellichaften mit Einfluß der
Freimaurer unterdrüdte u. ftrenge Cenſur der
Bücher, namentlih der aus dem Auslande kom—
menden, einführte, Ohnedem bei den B. nicht
beliebt, machte er fih durch diefe Mafregeln noch
mehr Feinde, wurde aber eben darum noch miß—
trauifcher u. ftrenger, zumal nah Ausbrucd der
franzöfifchen Revolution. Die furpfälziihen Länder
(Rheinpjalz, Jülich u, BZweibrüden) kamen zuerft
in die Gewalt der Franzoſen (1792—95), Düſſel-
dorf u. Mannheim 1795, u. 1796 drangen Joure
dan u, Moreau in der Oberpfalz u. dem Herzog-
thum B. ein, Der Kurfürft flüchtete nah Sadjen,
u, fein Miniſterium ſchloß 7. Sept. 1796 mit
Moreau einen Waffenftillftand u. zog das bayeri—
ie Contingent von der Reichsarmee zurüd; auch
wurde eine Contribution von 10 Dill. Frauken
veriprochen, aber nicht gezahlt, da kurz darauf die
fterreicher wieder fiegreih vordrangen. Der
Friede von Campo Formio gereihte B. zum
großen Nachtheil, da durch denfelben . Salzburg
u, ber Theil B⸗s, welchen der Inn von Tirol
bis zum öfterreihifchen Junviertel begrenzt, Ofter-
reich zugeiprohen wurde. Den Wiederausbruch
des Krieges erlebte Karl Theodor nicht mehr: er
ft. 16. Febr. 1799 (Erlöfchen der Pfalz-Sulz-
bacher Linie), u. da Herzog Karl v. Zweibrügfen
finderlos 1795 geftorben, jo folgte deſſen Bruder
Marimilian Joſeph in B. Mit ihm begann
eine neue Zeit: die ftrengen Mafregelu feines
Borgängers u. viele den Einwohnern läjtige Miß«
bräude in der Verwaltung wurden aufgehoben,
u, trog des feit 1798 wieder ausgebrodhenen
u. Frankreich jedoch ſchon 13. Mai 1779 durch Krieges zeigte fi überall neues Leben, ja, jelbft
den Frieden zu Teſchen fein Ende fand, B.jauf der Flucht in Amberg erließ Mar Joſeph
biieb, abgejehen von dem Innviertel, das mit/10. Nov. 1800 die Verordnung, welche den Nicht«
64,000 Ew. an Oſterreich abgetreten wurde, un-|Katholiten die fejte Niederlaffung in B. geftattete,
getheilt, u. die eventuelle Erbfolge wurde nicht Durch den Frieden von Luneville, reip. Reichs.
nur der Bweibrüdener Linie als nmächfter Erbin, deputatioushauptſchluß vom 25. Febr. 1803 ver—
fondern auch der Birkenfeld-Gelnhaufer Seiten-|for B. zwar alle Länder jenjeit des Rheins
linie zugefihert. An Sachſen mußten 6 Mill,,|(220 mit 753,000 Ew.), befam aber dafiir
an Salzburg megen der Galinen 430,000 u.|die Bisthümer Bamberg, Augsburg, Freiſing,
an den Schwäbiſchen Kreis wegen Donaumörth|dann Theile von Würzburg, Paffau und Eich»
10,000 Gulden bezahlt werden. Ein neuer, vom|ftädt, die Propftei Be 12 Neidhsprä-
Kaifer Jeſeph II. 1785 vorgeichlagener u. von|laturen und 15 Meichsftädte, mworunter Ulm,
den Garanten des Teſchener Friedens gebilfigter | Memmingen, Nördlingen, Schweinfurt (324[_ Dt
Umtaufch von B. gegen die Ofterreichiichen Nieder-|u. 898,000 Em.). Die begonnenen inneren les
laude, wobei Karl Theodor den Titel König von|formen wurden jetst, nachdem der Kurfürft feinen
Burgund annehmen jollte, wurde durch den Beoteft bisherigen Dinifter des Auswärtigen, den reis
Bayern (ältere Verfafjung u. Pandjtände).
31
berm von Montgelas, an die Spite des Minie) Auf dem Landtage zu Karpheim beſchwor Heinrich
kerums geftellt hatte, fortgejett u. nad) einander
5Ruiferien, 1 Generallandesdirection mit 4 Pro-
til» Yandesdirectionen, 4 Hofgeridhte, neue
landgerihte m. Mentämter errichtet, für die Be-
amten die Staatsprüfung eingeführt, Ablöfung
der gundberrlichen Laſten, Bertheilung der Ges
mendegründe gejtatter, Brandaſſecuranz 2c., dann
1 General - Schul⸗ u. Studien» Directorium er»
tichtet, beſſere Schuleinridhtungen getroffen, bie
Umverfttät Jugolſtadt 1800 nad Landshut ver-
legt, gleichzeitig Die Aufhebung der Klöfter, gegen
200 an der Zahl, begonnen, ihre Sammlungen zc.
ten Staatsinftituten u. höheren Lehranftalten zu»
gewieſen u. bei. Die Gultur des Bodens verbeffert
(ven 1799— 1803 maren in B. 111,566 Tag—
werte Landes urbar gemacht worden, u. an ber
doppelten Zahl wurde nod gearbeitet); 1803 er-
felgten noch Edicte, betr. die Berbefjerung der
magiftratiichen Berfaffungen, über die Preſſe u.
den Buchhandel. Beim Ausbruche de3 Krieges
zwischen Ofterreich u. Frankreich (1805) ftellte ſich
der Kurfürft auf die Seite Frankreichs u. ließ am
2. Det. bei Würzburg feine Armee zu den franzö-
fihen Corps von Marmont u. Bernadotte foßen,
mit Denen fie in Zirol u. Böhmen foht. In
dem den Vertrag zwiſchen Napoleon u. dem Kur ⸗
fürften v. 8, Oct. 1805 bejtätigenden Frieden zu
Bretzburg erhielt B. gegen BVerzichtleiftung auf
das Bischum Würzburg (97 [IM mit 200,000 Ew.)
anz Tirol, Vorarlberg, Burgau, die fehlenden
Theile von Pafjau, Eihftädt u. Bezirke des jlid-
õſtlichen Schwaben mit den Neichsftäbten Augs—
burg m. Lindau (583 [JM mit 1,028,000 Em.).
Am 1 Jan. 1806 nahm der Kurfürft dem Königs»
titel an m. frat aus dem deutjchen Neichsverbande
zum Rheinbunde über.
E. B⸗s ältere Berfaffung u. Pandftände
Bis zu deren Erlöſchen. Zur richtigen
Beurtheilung der älteren bayerifhen Verhältniſſe
und Zuſtände ift die Kenntniß der Geſchichte
Diefes Factors unerläßlich, wie diejelbe außerdem
an fih für die Rechte- u. Berfaffungsgeichichte
der Deutjchen Völker überhaupt eine hohe Bedeut-
ung befigt. Schon in den älteften befannten baye-
riſchen Geſetzen, welde aus der gleichen Periode
wie die Saliſchen Gejege ftammen, findet fich aus-
drädiih conftatirt, daß diejelben unter Mitwirk-
ung des geſammten Bolfes erlafien wurden. Bei
wichtigen Verhandlungen tiber das Gemeinweſen
traten alle Freien zur Entjcheidung zufammen.
Bor u. nad Karl d. Gr. gelangten die Herzöge
sur Durch die Vollswahl zur Regierung, u. jelbft
der genannte Kaifer fand es notwendig, auch die
Berurtheilung des Herzogs Thaffilo durch ein
Bolksgericht formell ausiprehen zu laffen. Noch
Kaifer Nudolf von Habsburg mußte die Vollks—
verjammlung der mit B. verbundenen Landestheile
Oſterreich u. Steiermark zu gewinnen fuchen, um
Lie Wahl feiner Söhne Albredt und Rudolf zu
erlangen. Es entwidelte fi die Periode des
Eehnöwefens. Die Zahl der Freien ſchmolz mehr
m. mehr zufammen Was früher Gemeinvecht
Aller geweſen, verwandelte fih allmählich in ein
Borredyt Einzelner. Aber der Übergang erfolgte
der Löwe im J. 1127 die Landesfreibeiten; auf
einem anderen Landtage (1161), auf welchem der
Fürſt Gericht hielt, erſchienen neben ihm wicht
nur die Bornehmen, ſondern auch die Yeute des
Volles. Verkaufte der Herzog eine Domäne, fo
geihah es unter Auftimmung dev Geſammtheit.
Ganz allgemein beftaud das alte Verhältniß fort,
daß fein Freier eine Steuer zu entrichten ſchuldig
war; was er gewährte, galt als freiwillige Gabe,
zur Erreichung eines gemeinfamen Zwedes. Die
bayerische Yandichaft als ſolche u. in ihren mittel-
alterlihen Formen entftand aus Verbindungen,
Föderationen, die man, ohne üble Bedeutung des
Wortes, Gonipirationen, Verſchwörungen nannte,
im Sinne von Zufammenjchwören Gleichgefinnter
u. Gleihbetheiligter (wie aus Aventinus erjichtlich).
In ihrer Geldverlegeuheit riefen die Herzöge Die
Boruehmen u. Geringen (darunter and die Dienft-
mannen) auf, fie jollten vathen, wie zu helfen
ſei aus der Noth. Dieie verjammelten fich 1302
zu Schnaitpach. Die Bitte um Gewährung einer
Viehſteuer ward für diesmal bewilligt, aber unter
Verwahrung für die Zukunft; Alle verbanden ſich
dagegen mut einem Eide. Die Herzöge Nudolf
und Ludwig (der nachmalige Kaifer Yudwig der
Bayer) mußten fir ſich u. ihre Erben beſchwören
u. befiegein, fürbaß keine Steuer zu nehmen an
deren Leuten oder Gut, oder an ihren Erben.
Es war dies die erfte befannte Einigung ſolcher
Art. ALS die Herzöge Nudolf und Ludwig nad)
ihres Vaters Tode in Zwiſt gerietheu, forderte
fie die Landichaft zur Söhnung auf (1310). Die
verfammelten Stände waren es, welche die Theil»
ung des Landes befchlofien, indem die Ober-Bayeru
Ludwig, die Nieder- Bayern Rudolf zum Herzog
wählten. Herzog Otto erlangte die Bewilligung
einer freiwilligen Abgabe; er bedurfte der aus»
drüdlihen Genehmigung der Stäude, um ein fol
des Gratum subsidium auch nur von feinen
eigenen Grundholden erheben zu dürfen. Ebeuſo,
wie die Fürſten von Aragonien ihren Cortes,
mußten die bayerifhen Herzöge ihren Ständen
die Befugniß zu bewafjnetem Widerſtande gegen
Willkür als förmliches Recht anerlennen u. ver-
briefen. Auch in Ober-B. ſiellten die dorligen
beiden Herzöge 1315 zu Münden eine ähnliche
Anerfennung des Nechtes bewaffneter Verſamm—
fung u. bewaffneten Widerftandes gegen fürftliche
Übergriffe aus. Auch Krieg beginnen oder Frieden
fliegen durften die Fürſten nur unter Zuftimm«
ung der Stände. Beranlaßt durch die Aus-
jchweifungen u. Verſchwendungen der niederbaye-
riſchen Herzöge traten Ritter u. Städte ohne Zur
mult vertragsmäßig um Michaelis 1324 zu Mer
geusburg zujammen u. gelangten zu dem Be-
Ihluffe, den Herzögen, die ſich felbft zu zügeln
nicht verftünden, dem Bigel der Regierung nicht
mehr allein zu belaffen, jondern ihnen zwölf aus
der Zahl der aumejenden Geſchworenen beizuord-
nen, an deren Buftimmung jene Fürſten in allen
widtigen Angelegenheiten gebunden jeien; alle
Bünde, welde diefelben in oder aufer Yandes
geihloffen, müßten fie binnen zwei Monaten auf
löfen; die Beamten feien auf die Große Handfejte
gleichwol viel langfamer, al3 man meiſtens glaubt. ]zu vereidigen; gegen Willtür ftehe das Land auf,
32
u. gefhieht alsdann nicht gegen die Treue, Wenn
die Herzöge Dagegen thun, find Land und Yeute
ihres Eides ledig und mögen fidh jelber helfen.
Ritter nahmen von Landeß wegen die Feſte im
Befig. Als 1340 der junge Herzog Johann ge»
ftorben war, traten Witter u. Städte zu Lands»
but zuſammen, um einen neuen Herzog zu wäh-
ion, Die Wahl fiel auf Ludwig den Bayer (von
Ober-B.), der jedoch eine förmliche Wahlcapitu—
lation eingeben u. namentlich beſchwören mußte,
dag Ober» u. Nieder-B. politifh nicht mehr ge»
trennt werden dürften, obwol beide ihre eigene
Verwaltung und ihre eigenen Binde behielten.
Wie ſich aus den vorftehenden Thatjachen ergibt,
varen es nicht Klerus u. Model, welche zuerft als
Stände auftraten, fondern Ritter u. Städte; erſt
jpäter ſchloß fich Die Geiftlichkeit an, u. zwar nicht
friiher, als im letten Decennium des 14. Jahr:
bunderts. Die Bünde waren lange Zeit vor-
übergehender Art, nah den jeweiligen Bedürf—
uiffen; erjt jpäter wurden fie dauernd. Im J.
1347 bejchlojjen Nitter u. Städte zu Landshut,
die Söhne Ludwigs des Bayern als Herzöge an-
zuerfennen; fie ſchloſſen aber gleichzeitig, u. zwar
Bayern (ältere Verfaſſung u. Landftände.)
lafien. Die Beichwerden wurden abgeftellt, die
Rechte des Landtages anerfannt, u. ſelbſt als die
Stände des Deutichen Reiches 1492 dem Kaifer
eine Reichshilfe bemilligt hatten, fchrieb der Her-
zog dem Kaifer, Zug u. Macht nicht zu befigen,
jolhen Anſchlag u. Steuer ohne Verwilligung der
gemeinen Landichaft zu erheben. Das Streber
des Fürften während der zmeiten Hälfte feine
Hegierung, die Nechte des Landes zu achten, fand
lohnende Anerfennung. Als die Landshut: Fngol«
ftadter Dynaftie 1503 ausgeftorben war, ernannte
der Landtag eine aus 8 Kittern, 4 Präfaten und
4 Städtern gebildete Regeutſchaft. Im J. 150%
traten die Bertreter der verſchiedenen bayeriſchen
Tandbichaften zum erften Mal wieder in einer
Berjammlung zufammen. Da Thronprätendenter
mit einem bewaffneten Einfalle drohten u. e8 a:
Geld für die Truppen fehlte, ward ein Anleher
bewilligt; die Schuldbriefe wurden von der Land—
ſchaft ausgeftellt. Es mar dies die Zeit der höch—
fien Blüthe des bayerifchen Berfaffungswejens,
zugleih die des größten u. glänzendften Volks—
wohljtandes. Der glüdliche Zuftand währte in-
dei nur furze Zeit. Schon unter der Bormund-
unter der Fürſten Zuſtimmung, eine ewige Eid- ſchaft Wilhelms IV. Tießen die einzelnen Stände
enofjenfchaft zur Aufrechthaltung ihrer Freiheiten. |fidd gegen einander hetzen.
beilungen des Yandes fonnten mur unter Zu—
flimmung der Stände erfolgen; diefelben verftan-
den ſich aber wiederholt dazu, weil der eine Prinz
diefem, der andere jenem Landestheil mehr zu-
fagte. Dabei wurden jedoch die Rechte des Lau
des ftetS forgfam gewahrt, und zwar nicht bloß
theoretisch, jondern noch mehr praftiih. Als Her:
zog Meinhard eine leichtfertige Wirthichaft führte,
traten die Stände zufammen u. zwangen ibn, zu
Münden unter Aufficht zu leben, um der Regier—
ung fähig zu werden. Ungeachtet der Trennung
des Landes vereinigten fi 1404 die Stände aller
Landihaften, In Ober⸗B. wählten 1429 die bei-
den Laudſchaften Zwölf aus ihrer Mitte, je zur
Hälfte Ritter u. Städter (feine Geiftlichen), welche
in Abmwefenheit der Landſchaften die Rechte jedes
Mannes, der verlegt würde, zu wahren hatten.
Dabei erfolgte die —— einer Steuer, aus-
ſchließlich zum Behufe der Wahrung diefer Rechte
u. Freiheiten. Die Fürſten mußten ſtets vor der
Huldigung diefe Rechte u. Freiheiten beftätigen;
jögerte ein Dergon ‚ jo ward die Huldigung ver«
weigert. Die Rechte aber betrafen nicht bloß die
eines einzelnen Standes, fondern aller Klafjen
des Volles; fie wurden verheißen allen Prälaten,
Pfarrern, Grafen, Freien, Dienſtmannen, Rittern,
Knechten, Städten, Märkten, Bürgern, Bauern,
arın und reih. Wurden Steuern genehmigt, fo
erfolgte die Erhebung derſelben u. die Aufbemwahr-
ung der Gelder nicht durch fürftlihe Beamte,
fondern durch Beauftragte der Stände; nicht ein«
mal bei ihren eigenen Grundholden durften die
Herzöge die bereits bemilligten Abgaben erheben.
Albrecht IV. erpreßte eigenmächtig Steuern und
fuchte eine Schredensherrichaft zu begründen. Da
bildete fi gegen ihn der Lömenbund, der feine
Dadurh ward ihre
Krait gebroden; an anderweiten Corruptions«
mitteln fehlte e8 ebenfalls nicht. Nachdem der
Herzog volljährig geworden, regierte er bis ins
dritte Jahr ohne Freiheitsbeſtätigung, wie ohne
Yandtag, aber au ohne Huldigung. Es entjtand
eine vollftändige Gewaltherrſchaft. Endlich nöthigte
ihn die Finanzzerrüttung 1514 zur Berufung der
Stände. Diefe erhoben gewaltige Klagen über
das Willfürregiment, das fie dem Fürften ohne
Umſchweife vorwarfen. Sie ernenerten aber auch
die alten Bünde, durch welche Adel, Prälaten u.
Bürger fi) gegenfeitig verpflichteten, künftige Ein—
griffe in ihre gemeinjamen Rechte, jowie in die
eines einzelnen Standes mir allem Nahdrude zu-
rüdzuweifen. Gleichzeitig erhob Ludwig, der zweite
Sohn des verftorbenen Herzogs, Auſprüche auf die
Regierung. Kaifer Marimilian I. felbft wies, dei
alten Rechten gemäß, die Entſcheidung den Stän-
den zu. Diefe, an deren Spite der Ritter Diet-
rich don Plieningen ftand, entjcieden: das Land
milfje zwar veremigt bleiben, beide Prinzen joll«
ten aber gemeinfam regieren, mit einem Hofe,
einem Rathe u. einer Kanzlei; die Beſetzung der
Amter folle, bis Beide das 24. Fahr zurüdgelegt
hätten, durch die Landſchaft geſchehen; ſonſt gäbe
es fein Mittel, den Hader zum allgemeinen Beften
beizulegen. Die Prinzen nahmen diefe Enticheid«
ung an, u. die Anordnung ward in voller Ruhe
vollzogen. Da verfagte auf einmal der Kaifer,
welcher die Fortdauer bes inneren Bwiftes im
Nachbarlande wünſchte, die Beftätigung, umter dem
Borwande, er könne nidht dulden, daß die landes«-
herrliche Gewalt von den Ständen fo jehr herab»
gewilrdigt werde; er felbft wolle die Brüder eini-
gen. Solder Stüge ſicher, verhöhnte Wilhelm
die Stände. Die Brüder, erfennend, daß ihre
Sache nicht bloß mit dem Schwerte, fondern auch |Uneinigkeit fie Beide unter der Macht des Pand-
auf dem Rechtswege vor dem Kaifer fo trefflich tages halten werde, verfländigten fih zu einer
führte, daß der Herzog nachgeben mußte u. nun dem Namen nach gemeinfamen Regierung, wobei
auch fo Hug war, weitere Gewaltthaten zu unter-!jedoh Wilhelm die Macht in fich vereinigte. Der
Bavern
Hof mußte einzelne Adelige zu gewinnen, u, nun
degann ein ſyſtematiſcher Kampf gegen die Stände.
jwar mußten die Herzöge 1516 endlich die alten
sräibeiten derfeiben anerfennen, worauf die Hul-
zung erfolgte; allein e8 war dies nur ein Nach—
geben zum Scheine. Der Landtag beging in die
jer Zeit dem ?yebler, die Wahrung feiner Rechte
meit bloßen Ausihüffen, den Verordneten, an«
vertrauen. Je weniger zablreid eine foldhe
Corpotation, deſto leichter wurde e8 den Fürſten,
ne einzelnen Mitglieder wanfend zu machen u.
a gewinnen. Dann nahmen die Fürſten das
Recht in Anfpruch, ihre Kammerbauern (Grund-
beiden) eigenmächtig zu befteuern; endlich aber
apregten fie 1536 ich bemilligte Steuern, und
von nun an brachten fie e8 dahin, daß der Aus-
ug, angeblich unter dem Drange der Umftände,
iünen ftets zu Gefallen war; überdies fchufen fie
men neue, indirecte Auflagen, wobei fie ftändifcher
yuftimmung nicht zu bedürfen behaupteten. Al-
dreht V, leß fih fogar von feinem Schwager
Kaler Rarimilian II. 1566 ein Privilegium aus-
tilen, den von den Ständen zur Schuldentilgung
pitweilig bewilligten Auffchlag nicht nur zu ver-
doppeln u. auf ewige Zeiten zu erheben, jondern
uch die Erträgnifje defjelben für Hofausgaben zu
verwenden. Und doch hatte der nämliche Kaiſer
at wenige Monate zuvor die Mechte der Stände
eusdtuctlich beſtätigt. Maximilian I. (der nach—
mals ſogen. Große Kurfürſt) beſtätigte zwar un—
—& die Freibriefe der Landſchaft, wogegen
er die Huldigung erlangte, achtete auch die Rechte
*r Stande ın Dingen, die ihn in feinen Plänen
act dinderten, — jo ift das Landrecht von 1616
eme ſchöne Frucht langjähriger Berathungen mit
er Yandihaft, — dagegen jchrieb er 1620, ohne
die Stände zu berufen, nur anf Vergleich mit
ten Berorbnneten u. kraft feiner fürftlihen Macht
Sienen aus. Als der Ausſchuß endlih im J.
1634 Anftand nahm, eine Erhöhung des Aufe
Sage qutzubeißen, verwies der Fürſt den
Serordneten ihre Lauheit u. Ungeichidlichkeit in
Herten orten u. verfügte aus eigener Macht.
ze ganze Landſchaft vernichtete er eigentlich da—
derch, daß er diefelbe während der letzten 39 Jahre
mer Regierung nicht mehr berief, fondern ftets
euhorder bloß mit dem Ausichuffe verhandelte,
oder kurzweg eigenmächtig verfügte. Im J. 1669
wad der leiste allgemeine Landtag ftatt. Vergeb-
ich machten die Stände einen Berfuh, fi auf:
meafen, Ihre Beſchwerden über Willlür des
»oied, Corruption des Gerichtsweſens ıc. verhall-
u wirkungslos. Die allgemeine Strömung ber
set führte zum Abſolutismus. Nur der Aus-
duß blieb beftehen. Diefer ergänzte fich ſelbſt;
ser Kurfürft konnte bei Erledigung von Stellen
me Günftlinge mit Erfolg empfehlen; die Ber:
daeten hatten felbft ein Intereſſe daran, bie
Berufung des Landtages zu verhindern; ſchon auf
“m legten Landtage hatten fie der Landichaft das
a Rechnungsweſen vorenthalten, u. die Stände
hauen diefes Berfahren jchlieglih gebilligt. Die
Sehäfte mwinden min von den Verordneten mit
*t größten Heimlichteit behandelt. Sie follten
"4 jährlich zweimal, u. zwar je am Hanptorte
er Provinz verfammeln; thatſächlich erfolgte
Piererd Univerfal-Eonverfations:teriton. 6. Aufl.
—
o
o
Geſch.). 3
der Zuſammentritt nur einmal, u. zwar für alle
Landestheile in Münden. Der gewaltthätige Mar
Emanuel führte, ſelbſt ohne nur die Verordneten
vernommen zu haben, neue indirecte Auflagen
ein u. verwandelte nur vorübergehend bewilligte
Steuern im beſtändige. Das nannte man Höf—
anlagen, Unter Karl Albredt fam es dahin, daR
die Alles bewilligenden Verordneten fi von dem
Fürſten Reverſe ausftellen ließen, daß er fie we»
gen der ihre Befugniß überfteigenden Bewillig-
ungen gegen die Landſtände vertreten wolle. Der
Kurfürft befannte mit Bereitwilligkeit urkundlich,
daß dies u. das gegen die Landesfreiheiten fei,
u. die Verordneten bielten damit ihr Gewiſſen
beruhigt. Marimilian III. Joſeph ließ die Ver—
ordneten zwar mitwirken bei Abfaffung der neuen
Geſetzbücher, vermehrte aber eigenmächtig feine
Gefälle. Auch der Dynaftiewechiel brachte feine
Anderung. Somwol Kari Theodor, als Marimi
tan IV. Joſeph beftätigten beim Negierungsan-
tritte die alten Freiheiten, befümmterten fich aber
tbatfächlih nicht um diefelben. Die franzöfiiche
Revolution hatte zwar die Gemüther auch in B.
nicht unbedeutend erregt. Anfangs des J. 1800
erflärten die zu Poftulatshandlungen einberufenen
Berordneten, ihre Vollmadıten jeren beichränft u.
längft erlojhen, fie bäten um Berufung eines
allgemeinen Landtages. Allein nun konnte die
Negierung ihnen entgegenhalten, daß die Aus-
ſchuſſe auf den Grund der nämlichen Bollmachten
130 Jahre lang —— u. mehr als 100 Mil-
lionen auf des Landes Koften bemilligt hätten.
Die alten Zuftände konnten in Wirflichfeit nicht
nur feine Sympathie erweden, fondern überhaupt
jetst nicht mehr befriedigen. Darum vernahm es
das Bol mit Gleichgiltigfeit, als die alte Laud—
ſchaft im 3.1807 befeitigt wurde, indem die Re—
gierung den ftändifchen Kaffen das bis dahin noch
immer von dieſen geübte Steuererhebungsredt
förmlich abnahın. Bgl. Sammlung bayerifcher land»
ſtändiſcher Freiheitsbriefe u, fogenannter Handfeften,
Münch. 1779 (diefe Urkunden beginnen mit dem
J. 1311); Panzer, Verſuch über den Uriprung
und Umfang der lanbftändifhen Rechte in B.,
Münd. 1798; Krenner, Die Landtagsverhand-
lungen in den J. 1489—1513, 18 Bde, Münch.
1808—5; Derf., Anleitung zur näheren Kenntniß
der bayerischen Landtage im Mittelalter, Münch.
1805; Rudhart, Die Geichichte der Yandftände in
B,., 2 DBde., Heidelb. 1816, 2. Aufl., 1819.
F)®B. als Königreich, bis 1848. Als Mari-
milian Joſeph 1806 die Königswürde annahm,
umfaßte B. ungefähr 1600 [_M mit etwa 3 Mill, Ew.
Es erhielt im demfelben “Jahre gegen das Her-
zogthum Berg die Markgrafichaft Ansbach (68[_ML
nut 245,000 Em.), gegen Abtretungen an Wiürt«
temberg die Reichsſtadt Nürnberg ſammt Gebiet
(20 [IR mit 80,000 Em.), im Ganzen einen
Zuwadhs von 37 [MR mit 240,000 Ew. Wei—
tere Meformen eröffneten die neue Ara. Die
Berhältniffe der Mediatifirten u. des Adels wur—
den nun geordnet, Gleichheit der Abgaben u. zu
dem Behufe ein genauer Steuerfatafter eingeführt,
Städteordnungen erlaffen, die Leibeigenichaft de-
finitiv aufgehoben, die Armee im einen Achtung
gebietenden Stand gefegt zc. Die Alademie der
Il. Band. 3
34
BWiffenichaften erhielt 1807 eine neue, zweckmäßige
DOrganifation; 1808 wurde das Mauth-, Boit-,
Salinen-, Forft- und Bergweſen neu organifirt,
eine neue Gerichtsordnung und ftädtifche Polizei—
ordnung eingeführt, eine Akademie der bildenden
Künfte errichtet, eine eigene Section des Miniſte—
riums des Innern für das Kirchenweſen aus fa-
tholischen u. proteftantifchen Räthen gebildet, das
Gemeindeweſen georonet u. am 1. Mai eine ber
für das Königreich Weftfalen erlaffenen nachge—
büdete neue Verfaffung nah dem Hepräfentativ-
foftem veröffentlicht, obwol diefelbe in dem Drauge
der Zeit nicht ins Leben trat. Gegen ſolche Grund»
reformen fehlte es nicht an Widerftand, am auf
falleuditen in Tirol. In dem Kriege gegen Preu-
ben u. Rußland von 1806 u. 1807 ftellte B. als
Glied des Yiheinbundes zur franzöftihen Armee
30,000 M., die theils in Schlefien, theils in Po-
jen u, Preußen fämpften; im Öfterreichifchen Kriege
gegen Frankreich von 1809 wurde B. Kriegsichau-
plag; aber die Dfterreicher wurden durch die
Schlacht bei Abensberg u. Eckmühl und die Ge—
fechte bei Rohr, Landshut u. Regensburg bald
vertrieben, wobei die bayerische Armee tapfer fodht.
Doch wurde B. durch den Aufftand der Tiroler fort-
während beummbigt, Im Frieden zu Wien
(14. Oct. 1809) mußte B. das jildliche Tirol an
Italien, Ulm u. mehrere andere Landichaften an
Württemberg, Schweinfurt u. einige Theile des
Maintreifes an Würzburg (491,000 Em.) abtre-
ten, erhielt aber dafür Salzburg mit Berchtes-
gaden, das Inn- u. Hausrudviertel, das Fürften-
thum Regensburg, die Marfgrafihaft Bayreuth u.
einige württenibergiiche Landftrihe (565,000 Ew.),
fo daß es nun etwa 3,700,006 Seelen zählte.
1812 marſchirten 30,000 M. mit ben Franzoſen
nah Rußland u. fanden dort ihr Grab; die im
November nachgeſandten Erfagmannfchaften(10,000
M.) erhielten in den Oder- und Weichjelfeftungen
Berwendung. Eine neue Armee wurde 1813 ge-
bildet, von welcher eine Divifion zum franzöftichen
Heere ftieß, während der übrige Theil unter dem
Feldmarſchall Wrede am Inn eine Stellung ge-
gen Dfterreih einnahm. Indeß der Napoleoni-
ſchen Bafallenfchaft u. des franzöfiihen Drudes
müde, jchloß Mayimilian Joſeph am 8. Dct. 1813
mit Öfterreich den Vertrag zu Ried, wobei ihm im
Allgemeinen der freie Beſitz feiner Staaten ge
fichert, zwar Abtretungen an Oſterreich bedungen,
dafiir aber Entihädigungen verheißen wurden.
Unter der Führung Wiedes fochten dann die
Bayern bei Hanau u. 1814 bei Brienne, Arcis-
ſur⸗Aube x. Am 4. Juni 1814, 5 Tage nad)
Abſchluß des erſten Parijer —— lam zwi«
ſchen Öfterreih u. B. zur Bo
Tractats ein näherer
welchen B. an Oſterreich Tirol u. Vorarlberg, das
un» u. Hausrudviertel abtrat u. dafür Würz-
burg u. Aldhaffenburg u. das Amt Hedwig er«
hielt. Für die hierdurch entftehende Einbuße B-3
wurde ihm die Bermittelung dafür verfprocen,
daß es die Rheinpfalz mit einem das Gebiet am
Rhein u. das am Main verbindenden Landftriche
erhalten folle. Durch nenen — vom 14. April
1816 erhielt dann B. für die Einbuße einen von
Oſt⸗ B. getrennten Landſtrich am linken Rheinufer,
ertrag zu Stande, durch hebung der
Bayern (Geſch. bis 1819).
die jetzige Pfalz; der verſprochene verbindende
Landſtrich wurde nicht gewährt, ſondern nach dem
Abſchiede der Territorialcommiſſion vom 20. Juli
1819 von Baden ein Theil des Amtes Wertheim
und von Oſterreich eine jährliche Rente von
100,000 fl. B. wurde damit von 1700 [JM
mit 3,700,000 Em. auf 1388 [_JM mit 3,560,000
Ew. verkleinert. Dem neuen Deutihen Bunde
(8. Juni 1815) trat B. nur unter Wahrung jei-
ner Souvderänetätsrechte bei, Auch mwährend der
bewegten Zeit von 1809—16 ruhten die Reforn-
arbeiten im Innern nicht: 1809 wurde die Städte-
ordnung vervollftändigt, gleiches Maß, Gewicht u.
Münze eingeführt, das Rechtsverhältniß der Ein-
wehner in Bezug auf Religion u. firchlihe Ge—
ſellſchaften geordnet, Specialgeridte, Schuliehrer-
jeminarien und eine Gonfiftorialerdnung für Die
Proteftanten eingeführt, die Univerfität Altorf auf-
gehoben, 1810 der Yandwirtbichaftliche Berein ge-
gründet, 1811 die Schulentilgungscommiffion er-
richtet, das Fideicommiß- u. Majoratswejen ge»
ordnet; 1812 erfolgte das Edict über Indigenat,
Staatsbürgerrecht, die Rechte der Fremden ın B,,
1813 die Errichtung des Reichsarchivs, die Ber-
fündung des Allg. Strafgeſetzbuches, das Edict
über die Berhältniffe der Juden, 1815 Errichtung
einer ftändigen Gommijfion für Civil- und
Eriminaigejeggebung im Juftizminifterium, 1816
die Organtjation der Regierung in der Rhein—
pfalz. Am 2. Febr. 1817 erhielt der Premier-
miniſter Montgelas, bauptjählih auf Betreiben
Öfterreichs, feine Entlajjung; es wurde ein neues
Minifterium gebildet u. der Staatsrath organiftrt;
das Land erhielt eine neue Eintheilung in 8 Kreije
(Flar-, Unterdonau⸗, Regen⸗, Oberdonau-, Rezat⸗,
Obermain-, Untermain- und Rheinkreis), jedem
Kreiſe eine Regierung mit je einer Kammer für
innere u. je einer Kammer für Finanzangelegen—
heiten vorgejeßt; dur Edict vom 17. Mai 1818
erhielten die Städte u. Gemeinden ihre Selbft-
verwaltung wieder, die ihnen früher entzogen
worden war, u. wenige Tage danach gab Mari-
milian Jofeph eine Berfafjung (26. Mai 1818),
durch welche B. ein conftitutioneller Staat wurde,
der erjte größere in Deutfchland und die heute,
allerdings unter weſentlichen Modificationen, nod)
giltig ift; zugleich wurden durch bejonderes Edict
die proteftantiichen Kirchenangelegenheiten neu ge-
ordnet und durch Abichluß des Concordats am
5. Juni 1817 aud die der Katholiten regulirt.
Dem zufolge follten künftig in B. 2 Erzbisthümer
(Münden u. Bamberg) u. 6 Bisthiimer (Paſſau,
Regensburg, Augsburg, Eihitädt, Würzburg u.
Speyer) beftehen. Beide Edicte wurden der Bere
ziehung bes Rieder |faffung einverleibt. Außerdem hatten nad Auf:
Hochſchulen zu Dillingen u. Bamberg
die Landesuniverfitäten Landshut, Wirzburg u. Er»
langen neue Sagungen erhalten, und waren die
wiſſenſchaftlichen Sammlungen u. Inſtitute beden-
tend vermehrt worden, In der am 4. Febr, 1819
eröffneten Ständeverfammlung wurde die Offent⸗
lichkeit der Verhandlungen beſchloſſen. Aber über
das Budget, befonders die Schuld von 105 Mitt,
u. das jährliche Deficit von 700,000 fl., fam es
zu gereizten Auftritten, fo daß die Regierung, jo»
bald das Budget, rejp. das Gjährige Finanzgeſetz
Bayern Geſch. bis 1837).
bewilligt war, die Kammern am 16. Juli fchlof. |felben.
Der Landtag hatte außerdem eine neue Zollord-
mung u. Geſetze für eine beffere Gerichtsordmung zc.
jeigehellt. Der 2. Yandtag von 1822 hatte zum
eriten Mal die Rechnungen über die öffentlichen
innahmen u. Ausgaben zu prüfen u. fand dabei
namentlich im Milttäretat folhe Überſchreitungen,
daß er fi veranlagt ſah, auf Vereinfachung der
Ditärverwaltung zu dringen; dann aber berieth
er das Hppothelen» und Prioritätsgejep. Der
3. fandtag von 1825 befchäftigte fich wieder haupt-
Khüh mu Zinanzangelegenheiten, genehmigte die
Gründung der jogenannten Amortifationstafje, die
mit der Staatsſchuldentilgungslaſſe verbunden
wurde. Durch die 3 Yandtage ward menigftens
eine neue Belaftung der Unterthanen umgangen
— ein jedenfalls günftiges Rejultat. Am 13. Oct.
1825 ftarb Marunilian I. Joſeph, im ganzen
Lande aufrichtig betranert. Ihm folgte fein Sohn
Ludwig L., der ſogleich durchgreifende Reformen
zur Ordnung der ae und Sicherung des
Staatshaushaltsetats traf, überflüffige Behörden
aufbob, die Foftipielige Garde zu Fuß u. zu Pferd
in Xinientruppen verwandelte u. die Streisregier-
ungen vereinfachte, außerdem wurde jeder Mi—
nfter verantwortlich gemacht, mit den für fin
Nuiferium bemilligten Fonds auszulommen. Die
Cenſur für alle nicht-politifhen Blätter wurde auf«
gebeben u. dem Minifterium des Innern eine neue
Sechon, der oberfte Kirchen- u. Schulrath, bei-
gegeben, in welcher auch die Proteftanten vertre-
em waren. Beim Militäretat wurde jährlich
mehr als ı Million erjpart u. dem Schuldentilg-
ungsfonds zugewieſen. Auderſeits wurden bebeu-
tende Summen für die Berfhönerung der Haupt:
Radt aufgewendet; es wurden nach u. nach unter
udewig die Prachtbauten aufgeführt, welche Miinchen
zu einem Lieblingsſitze der Kunſt ftempelten. Auch
in den Provinzen wurden großartige Bauten unter-
aomnıen, jo (jpäter)die Walhalla bei Regensburg u.
die Befreiungshalle bei Kelheim; auch nahm Kö—
ng Ludwig den Plan eincs Kanals, der den Main
mit der Donau verbinden jollte, wieder auf; das
35
Auf dem 5. Landtage von 1831 fam,
uachdem die Zweite Kammer entfchieden gegen Be-
willigungen für die Prachtbauten fich erflärt ır. in
der That bedeutende Erjparnifje Duurchgefegt, das
infolge der Ereigniffe von 1830 erlaffene Genfuv«
edict vom 28. Juni 1831 als eine Verlegung der
Berfaffung zur Sprade, u. mußte die Negierung
nah Beihluß der Kammer daſſelbe zurlüdzieben.
Diefe Niederlage der Regierung führte zum Nüd-
tritte des bisherigen Miniſteriums, das nun durch
ein anderes erfegt wurde (Fürſt Ludwig von Ot—
tingen-Wallerftein für das Innere), deshalb aber
die Bewegung in der Pfalz nicht bintertreibeu
fonnte, wo gegenüber den Preßmafregeln der
Regierung fich ein Verein zur Unterftügung der
freien Preffe gebildet hatte, u. endlich die Unzu—
friedeuheit am Hambader Feſte (27. Mai 1882),
das im Gonftitutionsfefte zu Gaibach bei Würz—
burg für die rechtsrheiniſche Zeite einen Wider:
ball fand u. dem im verjchiedenen Städten Auf-
läufe folgten, zum Ausdrude kam. Die Kegier-
ung jandte den Feldmarſchall Fürften Wrede mit
einem Ziruppencorps in die Pfalz, der ohne
Scwertftreih die Provinz zur Ruhe brachte, ı.
verfolgte mit aller Strenge die Hauptiprecher bei
diejen Feſten, ſowie die Hauptführer der radicalen
Partei (Wirth, Siebenpfeiffer, Behr zc.), jchritt
auch gegen die Univerfitäten ein, nachdem baye—
rifhe Studenten fih am Frankfurter Attentat ber
theiligt; namentlich aber wurde überall die Preffe
der ftrengiten Überwachung unterzogen. Während
diefer Proceduren hatte König Ludwig feinen Lieb—
lingsplan durchgejegt, feinen zweiten Sohn Otto
zum König von Griechenland erwählt zu ſehen,
wodurch aber dem Lande neue jchwere Opfer eı-
wuchſen u. damit wieder neue Berftimmung im
der Bevölkerung wachgerufen wurde. Das jahr
1833 bradte dur Bertrag vom 15. Mai den
Anſchluß B-s mit Württemberg an den Preußi-
chen Zollverband, wodurch der Allgemeine Deutſche
HBollverein vom 1. Juni 1834 angebahnt ward.
Der Yandtag von 1834 (8. März bis 28, Juni)
bewilligte für die Feſtung Ingolſtadt 20,189,836 fl.,
Project warb aber erft 1836 wirklich in Angriff ftellte die Civillifte des Königs für immer feft u.
genommen u. fand 1845 feine Beendigung (f. Yud-
mgslanaf); 1827 verlegte Ludwig die lluiverfität von
Yandshut nah Münden. Durch ein Geſetz des
4. Landtages, von 1827, wurde B. eine Pro-
dinzialverfaſſung gegeben durch die Einführung
des ın der Pfalz bereits beftehenden Inſtituts der
Landräthe auch in den auderen 7 Kreifen. Seit
1827 wurden, den bis jett nicht erfüllten Stipu—
Itionen des Coucordats zufolge, geiftliche Orden
a. öfter wiederhergeftellt und durch ein Fönigl.
Reieript in Rheim-⸗-B. das beftandene vereinigte
Seminar der Schullehrer für Proteftanten 2 .
tholifen getrennt; für die proteftantifche Geiftlich-
lei entwarf das Oberconfiftorium neue Discipli-
Kargefege u. führte eine firenge VBeauffichtigung
für diefelbe ein. Wirkten dieje Re erbit«
teınd gegen ihren Urheber, den Diinifter v. Schent,
® gewann auf der anderen Seite der König neue
Sompatbien durch die lebhafte Unterftügung, welche
et der griechischen Sache angedeihen ließ. Die po-
Anihe Bemeguug des Jahres 1830 berührte B.
tum, um fo tiefer aber die Nachwirfungen des—
radicirte dereu Betrag (2,350,580 fl.) auf die ge»
ſammten Staatsdomänen; dann genehmigte er das
Geſetz über Errichtung der Bayeriſchen HYpotbe-
fen» u. Wechſelbank. Indeß dauerten die politis
ſchen Proceſſe fort, die jelbft gegen 6 Männer
wegen Theilnahme am Verſuche, Wirth zu ber
freien, mit Todesurtheil endeten. Den Mitglie-
dern der Unirten und Nicht-unirten Griechifchen
Kirche wurden gleiche Nechte mit den Anhängern
der drei übrigen chriftlichen Kirchen ertheilt. 1835
murde die Eijenbahn von Nürnberg nach Fürth
eröffnet, die erjte in Deutichland, ebenjo tie Hy—
pothefeu- und Wedjelbant, ein neuer, ftrenger
Studienplan u. Disciplinarordiiung für die Uni—
verfitäten eingeführt; und in das J. 1836 fallen
die Abbitten vor dem Bildniß des Königs u. an—
dere Zwangsdemüthigungen gegen die Nadicalen
von 1832 u. die Anordnungen über ſtrenge Bes
auffichtigung der Beamten, 1837 erfolgte die Um—⸗
wandlung der Kreife in Regierungsbezirke mit den
alten Landesnamen (f. Geogr.). Da der Landtag
von 1837 u. felbft der Minifter Wallerftein als
3*
30
Reichsrath gegen eine vom Landtage nicht geneh—
migte Verwendung der Überſchüſſe aus den Staats-
einnahmen für Kunftbauten fi ausſprachen, wur—
den beide in ungnädiger Weife entlaffen, u. au
Wallerfteins Stelle trat infolge der inflüffe
der ſtreng-katholiſchen Partei bei Hofe der Yega-
tionsrarh v. Abel erſt als Staatsrath, im folgen»
den Jahre als wirklicher Minifter. Bon diefem
Wechſel datirt eine für B. höchſt trübe Zeit ber
Willlür: umfonft reclamirten die Udvocaten gegen
die ihnen gewordene Verweigerung des Eintrittes
in die Kammer, umfonft erhob die Kammer bie
Wünſche des Landes für eine freiere Preſſe zum
Beſchluß, umſonſt erhob fie fih gegen die überaus
jtarte Vermehrung der Klöfter u. die Verweiſung
des Unterrichtes an diefelben. Noch brachte das
J. 1838 die höchſt verhängnißvolle Berorduung,
mach der auch proteftantiiche Soldaten u. Yand-
webrmänner bei Proceffionen vor der Hoftie das
Knie beugen jollten, u. welde nad Intervention
des Yandtages erft 1844, nachdem fie viele Er-
bitterung erregt u. namentlich das friedliche Ber-
hältniß zwiſchen Katholiten und Proteftanten ge-
ftört, einigermaßen modificirt wurde. Der nächſte
Yandtag (8. Jan. bis 14. April 1840) brachte
außer dem Nachdrudgefege, dem Gefege über den
Vereinszolltarif gleich dem vorigen die erfreuliche
Eriheinung, daß die Einnahmen des Staates die
Ausgaben um ein Bedeutendes überftiegen; die
Frage der —— dieſer Erſparniſſe blieb
aber trotz ſtürmiſcher Debatten, während deren
ſich der Miniſter von Abel in heftigſter Weiſe
über ſeinen Vorgänger, den Fürſten Wallerſtein,
ausließ, ungelöſt u. fam auch auf dem nächſten
Landtage nicht zur Entſcheidung. Indeß hatte die
Regierung weitere Schritte zur Wiederherſtellung
der alten hierarchiſchen Gewalt der Katholiſchen
Kirche gethan: dem Epiſkopat war die Correſpon—
denz mit Rom in fichlichen u. geiftlihen Dingen
freigegeben, den Nedemptoriften ein Klofter in
Altötting eröffnet. Auch im Proteftantismus zeig-
ten ſich Zerwürfniffe, hervorgerufen durch das
Emporjtreben des Pietismus und Mofticismus;
zwiichen beiden Kirchen aber war der frühere
Friede gebrochen. Der nächſte Landtag (20. Nov.
1842 bi8 30. Aug. 1843) nahm die Anträge auf
Erleichterung in der Preßgejeggebung an; ber
Autrag auf Vorlage eines Geſetzes über Berant-
wortlichleit der Miinifter wurde auch durch bie
Kammer der Neichsräthe unterftütt, während fie
dem Antrage auf Gewährung einer allgemeinen
Civil- u. Criminafgefeggebung mit Offentlichteit
u, Mündlichleit nicht beitrat; das Eiſenbahngeſetz
wurde nad) langer Berathung votirt u. eine erſte
Anleihe von 10 Millionen für die Staatsbahn
von pol nad Lindau bewilligt. Das anfangs
fheinbar gefährdete Einverftändnig zwiſchen Per
gierung u. Abgeordneten war völlig hergeftellt,
namentlih da die Megierung in der Frage der
Berfügung über die Überſchüſſe der Einnahme
den Reclamationen der Kammern Rechnung ge-
tragen hatte, freilich erft, nachdem die Erübrig-
ungen volltändig ausgegeben waren. Gegen
Ende des Jahres 1843 erhielt die September-
revolution in Griechenland das Land und die
Regierung in Aufregung; noch größere brachte
Bayern (©.
ſch. bis 1847).
unter den Wroteftanten das Verbot der Theil-
nahme am Guftan- Adolf» Verein, befonders aber
die mehreren zu Abgeordneten gewählten Staats-
dienern, vorzugsweiſe Proteftanten, gewordene
Urlaubsverweigerung zur nächſten Selfion des
Landtages (5. Dec. 1845 bis 24. Mai 1846).
Diefelbe war bemertenswertb durch die heftigen
fichlichen Streitigfeiten, die dur die Anträge
des Fürften Wrede in der Erften Kammer ber-
vorgerufen wurden, Inter diejen Anträgen wa—
ren bejonder8 widtig zwei, dahin lautend, daß
die Regierung feine neuen Klöfter mehr errichten
laffen u, feine geiftlihen Genoffenfchaften geftatten
möchte, welche den religiöfen ‚Frieden zu ftören
drohten; beide wurden angenommen. Jedoch mwur-
den gerade die wichtigſten Anträge der Stände:
höhere Befoldung der Schullehrer, Bag weise,
der Klofterzunahme, Entfernung der Redempto—
riften, als nicht zu ihrer Competenz gehörig im
Yandtagsabihiede zurüdgemwiejen, die Beflirwort-
ung einer verfaffungsmäßigen Preßfreiheit u. der
Einführung des Princips der Öffentlichkeit und
Mündlichkeit einfach unbeachtet gelaffen. Erft nach—
dem ein theilmeifer Wechſel im Minifterium vor
fih gegangen — Abel, den alle Parteien, außer
der ftreng-flerifalen, haften, blieb — trat im Au-
guft 1846 in der Cenſur ausländiſcher Blätter
einige Milderung ein; doch blieben einige Zeit-
ungen noch immer ganz verboten, ebenjo der
Suftav » Adolf» Berein, während dagegen die
Mönchsorden zunahmen. Die Wirkfamfeit der
drei fetten Ständeverfammlungen war aber nicht
ohne Einfluß auf die Regierung geblieben. ‚yeng-
niß davon gab die Erridtung eines bejonderen
Miniſteriums für Eultus u. Unterriht im Januar
1847, womit v. Abel dem Liedlingskreife feines
Wirkens entrüdt wurde. Einen plöglihen Wende-
punkt in der Negierung, ſowie in der bisher im
der Hauptſache befolgten Politik verurſachte die
vom König geftellte Zudigenatsforderung für die
neue Gräfin v. Landsfeld, eine in der Gunft Lud—
wigs hochftehende ſpaniſche Tänzerin, Lola Mon«
tez, welche die Ultramontanen vergeblih fir ihre
Zwecke zu gewinnen verjucht hatten, Diefer For—
derung antwortete Abel dur ein Memorandum
vom 11. Febr. 1847, das deutlih durchblicken
ließ, daß die Partei im Notbfalle felbft vor einem
Appell an die Maffen und damit einer Bollsbe-
mwegung nicht zurüdichrede. Der König geneh—
migte Darauf am 13, Febr. das angeblih auf
dieje Forderung ſich flülgende Entlafjungsgefuch
des” Minifteriums im ungnädigfter Weife. Die
proviforischen Minifter Zu-MRhein, Maurer und
Zenetti entjpracdhen der vom Monarchen geftellten
Anforderung des energifhen Einfchreitens gegen
die ultramontane Partei, Zunähft wurden 9 Pros
fefforen u. Docenten der Münchener Univerfität,
befannt wegen ihrer ſtreng- kirchlichen Gefinnung,
darunter Laſſaulx, Höfler, Phillips, Döllinger,
penftonirt oder verſetzt. Die Entſetzung des Erite-
ren führte zu Studententumulten, Diejen Ent»
laffungen folgten einige liberale Anordnungen,
Begnadigungen, Aufhebung Abeljher Miniftertal-
verordnungen zu Gunften der Klöfter u. Klerifa-
len ꝛc. Der zum Zwecke der Bewilligung einer
höheren Zinsgewährung für die Eifendahnanlehen
Bayern (Geſch. von 1843). 37
betufene m. anı 29. Sept. eröffnete außerordent-[21. März leiiteten der neue König Marimi-
ide Landtag von 1847 führte, indem er einigellian II, fowie Mititäd u Bürgerwehr in Mün—
Smaltungsmigbrändhe zur Sprade brachte, den chen den Eid auf die Verfaffung. Die Procla-
baldigen Sturz Des meuen Minifterimns, mwenn|mation des Königs machte einen guten Eindrud,
auch nur mittelbar, herbei (27.Nov. 1847). Dasjebenfo fein politiſches Glaubeusbekenntniß, das er
turh den Einfluß Der Lola Montez gebildete neue|bei Eröffnung des Landtages am 22. März 1848
Ninifterium, aus dem Fürſten Öttingen-Waller-|abiegte, u. die Ertheilung einer Amneſtie für alle
tem, Staatsrath Berks, Präfident Beisler und] politiichen Berbreden u. Vergehen. Das neuger
Steuerdirector Heeres gebildet, begegnete als Yola-lichaffene populäre Minifterium war zufammenge-
Amfterium überall offenem Mißtrauen, obwol jein|jegt aus: v. Thon-Dittmer für das Iunere, Heintz
erter Erlaß (16. Dec.) die Freigebung der Preffe|für Juftiz, v. Lerchenfeld für die Finanzen, Weis:
für ımnere Angelegenheiten betraf u. ihm durch Re-|baupt für den Krieg u. Graf Bray für das Außere,
kript vom 17. Febr. 1848 die Auflöfung des Ordens | Der Landtag Lerietb rajch die wichtigften von der
der Aedemptoriften folgte. Indeß war e3 infolge] Regierung vorgelegten Gejetentwürfe über ein
des Abermuthes der Lola Montez u. der von ihr|Wahlgefeg für das Parlament, ein Preßgeſetz,
begünſtigten Stubdentenverbindung Alemannia zu Aufhebung der ftandes« u, gutsherrlichen Gerichts-
Sudentenreibungen gefommen, darauf zu Stra-|barteit, Aufhebung, Fixirung u. Ablöfung von
bentumulten, die den König veranlaßten, am 10. Grundlaſten, ein neues Wahlgeſetz u. Vervollitän-
zebrmar die Schließung der Univerfität München |digung der Vertretung für die Pfalz, Initiative,
bis zum Winterfemefter 1848 anzuordnen, eine] Minifterverantwortlichteit, Capital- u. Einfominen-
Naßregel, welche die Erbitterung allenthalben|fteuer, Aufhebung des Yagdrechtes auf fremden
aufs Außerſte fteigerte. Der am folgenden Tage Grund u. Boden, Aufhebung des Lehnsverban«
durch eine Bürgerdeputation an ihn geftellten For- des ꝛc. Der Gejekentwurf für Aufnahme eines
derung auf Zurüdnahme der Schliegung u. die) freiwilligen Staatsanlebens von 7 Mill. wurde
Entfernung Lolas mwillfahrte der König nach eini-Jangenommen. Der am 5. Juni veröffentlichte
gem Zögern; die Univerfität wurde wieder eröff- Landtagsabſchied enthielt die Sanction ſämmtlicher
net, u. Lola reifte mit einigen ihr anhängenden|vorgeihlagenen Geſetze, 20 an der Zahl, in der
Studenten ab; aber die Aufregung war damit|von den Kammern beliebten Faſſung. Unterdeſſen
nicht geboben, um fo weniger, als weiteren For⸗ waren bereit am 18. April die Wahlen für das
derungen des Bolfes nur mit Ausflüchten geant-| Deutihe Parlament im ganzen Lande vorgenom«
wortet, die verlangte fofortige Einberufung der|men worden u. meift in liberal-conftitutionellem
Stände erjt auf den 31. März angeordnet wurde; Sinne ausgefallen. Exceſſe verfchiedener Art ver«
dogegen aber wurde die Garniſon verftärft. Da anlaßten die Regierung, eifrigft für Organifation
iam noch die Nachricht von der Febrnarrepolution;der Bolfswehr zu forgen. Am 12. Aug. wurden
ın Baris. Eine tumultuarifhe Bürgerverſamm-durch königlichen Erlaß die demofratifchen Bereine
Img vom 3. März auf dem Ratbhaufe b.ichlog|verboten. Auf das Gerücht, daf die werthvolliten
eine neue Deputation an den König, während Stüde des Haus» u. Staatsihates ins Ausland
unter dem Schlagen des Generalmarihes das|gegangen ſeien, entftand am 21. Aug. in Mün-
bürgerlihe Zeugbaus erftürmt, das Minifterimm/chen ein heftiger Tumuft, der zu einem biutigen
des Junern u. die Wohnung des Minifters Berks| Zuſammenſtoße mit dem Militär führte, Darauf
verrüjtet wurden. Noch am jelben Tage wurden ſerſt gab das Minifterium eine wenigftens beruhi—
die Stände auf den 16. März berufen. Als un-|gende Antwort, wonach feine weiteren Ercefle vor»
geachtet deſſen am 6. März die Stadt ſich wieder|fielen. Am 3. Sept. wurde von der Regierung.
mit erregten Haufen fülhe und nun unbedingteldie Öffentlichkeit in den Berathungen der (er
Erfüllung aller Forderungen, in welche fich be-[meindeangelegenbeiten verfügt. Ein neuer Kra-
reits das Wort Republif mifchte, verlangt wurde, |wall mit vielen Gemaltihätigkeiten u. Berwundungen
da erihien die königliche Proclamation, wonad|erfolgte 16. bis 18. Oct. in München wegen eines
alle Forderungen den Stäuden vorgelegt werden, |Bieraufihlages. Auf eine Adreſſe der Bürger an
Preßfreiheit u. Beeidigung des Heeres aber fofort|den König wegen bierbei bemwiejener Unthätigfeit
eintreten ſollten. Zugleih wurde der freifinnige|der betreffenden Behörden erfolgte ein weit hin—
Abgeordnete v. Thon» Dittmer zum Miniiter des)auf reichender Beamtenwechſel. Am 20. Oct. er
Janern ernannt u. der Fürſt v. Ottingen-Waller- |bielt die unterdeß in München gebildete deutſch—
fein entlaffen. Noch folgten die Demolirung des|tatholifhe Gemeinde die königliche Beftätiguug.
Bolizeigebäudes m. die tumultuarifche Erzwingung| Der ſeit längerer Beit erwartete Minifterwechiel
der Entlafjung des feitherigen Polizeidirectors im|erfolgte am 15. Nov.: v. Lerchenfeld übernahm
Münden, ſowie einzelne tumultarifche Auftritte in/das Innere, Weigand die Finanzen, Lejuire den
Angaburg, Aſchaffenburg, Würzburg zc. Die Bor-|Krieg; v. Thon-Dittmer trat als Staatsrath zu-
arbeiten u. Berathungen zur Erfüllung der amjrüd; das Eultusminifterium ward wieder mit dem
6. März gegebenen a, die Kunde) Minifterium des Innern vereinigt, wogegen ein
von den Wiener u. Berliner Eveigniffen überzeug-| neues Minifterium des Handels u. der öffentlichen
ten den König von der Unmöglichkeit der Fort- Arbeiten gebildet wurde. Lerchenfeld legte indeR,
fegung jeines launenhaft willtürlichen Regierungs« da er böcften Ortes mit feinen Grundjägen nicht
foftems, u. fomit leiftete er am 20. März zu Gun-| mehr durchdrang, jein Minifterium fhon am
fen des Kronprinzen Marimiltan auf die Krone|20. Dec. wieder nieder, u. au deſſen Stelle trat
Berziht. Ludwig 1. ft. 29. Febr. 1868 im Nizza, der höchſt umpopuläre frühere Cultusminifter
G. 8. unter König Marimilian IL Amlv, Beister. Am Schluße des Jahres wurden
38
endlich die erften Reichsgeſetze amtlich verfünbdigt,
wenn auch immer noch in einer ihre Giltigkeit
für B. zmeifelhaft lafjenden Form. Die auf den
15. Jan. 1849 einberufene Ständeperfammlung
wurde am 22. von dem König eröffnet. Die Annahme
der Äußerft freifinnigen Adreſſe mit Stimmen-
mehrheit am 7. Febr. veranlaßte den Wiidtritt
des Minifterinms, u. der König lehnte die Adreſſe
ab. Obwol die Zmeite Kammer mit der Hegier-
ung in der Deutichen Frage übereinftimmend zu
Ofterreich hinneigte, zeigte ſich doch eine Spann:
ung, die zu wiederholten heftigen Scenen führte
und bei Gelegenheit eines Antrages von Kolb,
betr. die griechische Anleihe (deren Rückerſatz aus
dem Privatvermögen des Königs gefordert wurde),
die Vertagung der Kammern bis zum 10. April
veranlaßte. Bereits früher hatte die Negierung
in Übereinftimmung mit Württemberg in Frank—
furt die Erflärung abgegeben, daß fie nur eine
ſolche Berfaffung wünſche, die auch Oſterreich ein-
ſchließe; B. ſeinerſeits fügte dem noch hinzu, daß
es nur eine mit den Regierungen vereinbarte
Verfaſſung anerkennen werde. Mitte März kam
ein neues Miniſterium zu Stande: v. Kleinſchrod
Juſtiz, Aſchenbrenuer — v. Forſter In—
neres, v. Ringelmann Cultus (ſeit 16. März wie—
der von dem Innern abgetrennt); das Außere ꝛc.
übernahm 18. April der frühere königl. fächfifche
Minifter v. d. Pfordten. Am 23. April erließ
die Regierung ein Rundſchreiben an die Reichs
gewalt u. die deutichen Regierungen, worin fie
die von der Nationalverfammlung einfeitig feftge-
ftellte Reichsverfaſſung entſchieden ablehnte, gegen
die Kaiſerwahl proteftirte, auf ihre früheren Bor-
Ihläge hinſichtlich eines Directoriums mit wech—
jelnder Präfidentur zurückkam, ber proviforischen
Centralgewalt jedod für jest noch ihre Unter
ftügung zufagte. Trotz zahlreicher u. zum Theil
drohender Demonftrationen gegen dieſen Erlaß,
beionders aus Schwaben, Franken u. der Pfalz,
verharrte die Regierung auf dem eingejchlagenen
Bayern (Geſch. von 1849).
allgemeine Wahlen gebildete u. nach Kaiferslaue
tern einberufene Bolfsvertretung vom 17. Mai
wählte eine proviforifche Regierung, beftehend aus-
den Mitgliedern Reichard, Hepp, Culmann, Schüler
u. Kolb, u. als Erſatzmänner für die abweſenden
legteren Drei: Greiner, Schmitt u. Fries. Das
Militär, meift geborene Pfälzer, trat in großer
Mehrheit über; die Feſtungen Landau u. Ger-
mersheim verloren einen großen Theil ihrer Be-
fagungen. Der am 6, Mat in Speyer angelangte
Neihscommiffar Eifenftud beftätigte, feinen In—
ftructionen zumider die ergriffenen Maßregeln u.
vermochte 3 Bataillone von Mainz gegen Landau
heranrüdender Preußen zur Umkehr, vorgeblich
um unnützes Blutvergießen zu hindern. Die
Proviſoriſche Regierung (in welche jedoch Culmann,
Schiller u. Kolb nicht eingetreten waren) verkün—
dete danach eine neue, demokratiſche Gemeindeorb-
nung, ſchrieb eine Zwangsanleihe von 2 Mill. fl.
aus, ließ das Aufgebot an die Wehrpflichtigen
ergeben u. ging mit dem ebenfalls in Revolution
begriffenen Baden am 18. Mai ein militäriiches
Bilndnig ein. Die Hevolutionsarmee beitand Ende
Mai aus etwa 10,000 M. mit 14 Gejhügen unter
dem Obercommando des polniſchen Generals
Sznayde. Unter ihm befehligten Willich, Annede,
Beuft, Schimmelpenning, van der Oye, Ehlert;
außerdem hatten Blenker, Schlinf, Zitz, Bamber-
ger eigene Abtheilungen ausgerüftet, deren Com-
mando fie führten. Die bayeriihe Regierung,
ihrer eigenen Truppen nicht ganz ficher, hatte in»
zwilchen, nachdem fie unterm 22. Mai eine Pro-
clamation erlaffen, preußiſche Hilfe in Anſpruch
genommen, die auch in einem Corps von 25,000
Mann unter General v. Hirichfeld jchleunigft ge-
währt wurde; 15,000 Manı Bayern wurden als
Hejerve in Unter-zranfen aufgeftellt. Bereits am
12. Juni begannen die Operationen gegen das
aufftändifche Yand, indem die Preußen in 5 Co-
lonnen gegen Germersheim, Neuftadt, Kaifers«
lautern, Yandftuhl u. Homburg vorbrangen. Die
Wege; doch verwahrte ſich das Minifterium durch | Proviforifche Regierung hatte jhon in der Nacht
Erllärungen vom 1. u. 10. Mai vor der An-|vom 13. zum 14. Juni Kaiferslautern verlaffen.
Ihuldigung reactionärer Abfihten, ermahnte zur
Fubhe u. wies auf die nahe bevorſtehende Eröff-
nung der Kammern hin, denen befriedigende Er-
Öffnungen gemacht werden follten. Dieſer Erlaf
traf die Pfalz in vollem Aufftande.
vinz, längit ſchon um ihrer durchaus abweichen-
sen Zuftände willen gegen Alt-B. entfremdet, bot
für die demokratiſche Yaitation den giünftigften
Boden dar. Nachdem” bereits in Bolläverjanm-
lungen zu Neuftadt am 28. und zu Speyer am
29. April offen über die Losfagung von B. ver—
handelt worden war, gab ein Congreß der pfälzi-
hen Bürgerwehren zu Kaiferslautern am 1. u.
2. Mai völlig den Ausfchlag, indem durch dei»
jelben ein Landesvertheidigungsausfhuß niederge-
jest, ſodann Steuerverweigerung, WRüdberufung
der pfälzer Soldaten, Organifation der Volksbe⸗
mwafinung in 2 Aufgeboten, Aufforderung an die
Regierung u. die Beamten zur Unerfennung der
Neihsverfaffung, Beichlagnahme der pfälziſchen
Staatskafſen, Verbrüderung mit den angrenzenden
deutichen Vollsſtämmen befchloffen mwurbe.
Es fam nur zu einigen Gefechten, fo bei Kirdp-
heimbolanden am 14. Juni, Ludwigshafen am 15.
Juni, dann im Annmweiler-Thal am 17. Juni,
wo Willich zum fetten Mal den Preufen Stand
Dieje Bro-|zu halten fuchte, dann ſich aber aud dem Rück—
zuge anſchließen mußte, der ſchon gleich nach dem
eriten Zufammentreffen feinen Anfang genommen
hatte. Am 18. Juni trat der Heft der pfälzer
Armee, faum noch 6000 Mann ftark, bei Daran
auf badifches Gebiet über. Nachdem die Preußen
über den Rhein nach Baden eingerückt waren,
bejegte Thurn u. Taxis die eroberte Provinz mit
bayerijhen Truppen. Unterdeffen dauerte dies—
feit des Rheines der Streit um die Reichsverfaſſ-
ung fort. Dem am 15. Mai wieder zuſammen-
getretenen Landtage eröffnete die Negierung vor
Allem, daß König Ludwig den Betrag des grie-
chiſchen Anlehens aus feinem Privatvermögen der
Staatsfaffe erfett habe, — ein im deutſchen confti-
tutionellen Leben noch nie vorgelommener Erfolg ,—
wodurd übrigens die Oppofition entwaffnet werden
Der ſollte; ſodann brachte fie die von ihr beantragten
Ausſchuß trat fofort im Thätigkeit. Eine durch | Abänderungen der Reichsverfaffung ein, darunter :
Bayern (Geſch. bis 1851),
Verbleiben Ofterreichs im Bunde u. Einfetung
des Directoriums ftatt der einheitlichen Spike,
worauf die Zweite Kammer eine Adrejle annahm,
meihe Anerfennung der — verlangte
u. ein Mißtrauensvotum gegen das Minifterium
abgab. Da aber die Majorität für die Adreffe
ducch das Mitftimmen der 15 pfälziihen Depu-
ten erlangt worden war, fo trat das Minifte-
rum mit dem Autrage auf, die Abgeordneten der
m Aufſtande befindlichen Pfalz einftweilen von
ter Kammer anszujchließen, u. als der Kammer:
prähdent Graf Hegnenberg · Dur den Pfälzern das
Votum verweigerte, verheß die gejammte Linke
am 23. Mat die Sikung, wodurch die Kammer
kihtngunfähig wurde. Nun erfolgte am 11. Juni
die Aufiöfung des Landtages, nahdem die Re—
gierung die Erflärung abgegeben, daß B. dem
von Preußen octroyirten deutichen Berfaffungs-
entwurfe micht beitreten fönne; DÖfterreich muͤſſe
der Eintritt mwenigftens offen gehalten werben;
das von den 3 Königreihen geichloffene Bündniß
jet ebenfo unnötbig, als eine Auderung der probi«
ſeriſchen Gentralgewalt, welche B. fortwährend
häftig unterftügen werde. Segen die am Aufftande
der Pfalz Beteiligten und viele fonftige Miflie-
bige wurde nach anfänglich verheißener Schonung
bald mit Strenge verfahren; ſchon im Juli war
die Unterfuhung gegen 300 Berfonen im Gange,
a. noch füllten fi täglich die Gefängniffe; eben-
fo ftreng verfuhr man im den übrigen Landes-
tbeilen, befonders in Franlen, jo daß der neu
errichtete Centralgerichtshof für politiihe Ver—
brecher vollauf zu thun hatte. Daneben wurde
freng gegen bie Preſſe eingeichritteu u. der Alr-
beitervereim in Nürnberg geſchloſſen. Hier u. da
faın es wieder zu blutigen Reibungen zwiſchen
Bürgern u. Militär. Ein derartiger Conflict in
Bärzburg batte ſchon am 20. Mai die Studenten
veranlaßt, die Univerfitätsftadt auf einige Zeit zu
verlafien. Ju diefe Zeit, Juli, fielen die Land-
tagswabhlen, bei denen fih das Minifterium uns
ter gewaltiger Beeinfluffung nahezu eine Zwei—
drittel · Majorität verichaffte, während das übrige
Drittel viele Radicale zählte, Mehrere der Letz⸗
teren wurden furz vor Beginn bes Landtages
verhaftet, was die am 10. Sept. durch den König
ſelbſt eröffneten Stände bereitwillig geichehen lie
ken. Hinfihtlih der Deutſchen Frage erflärte der
Minifter v. d. Pfordten, der inzwifchen vergeblich
eine Bermittelung zwifchen Wien u. Berlin ver-
fucht, den Nichtbeitritt B-s zum Dreitönigsbiind«
mh. Bom Finanzminifter wurden drei Gejegent-
wärfe eingebradht: über ein freimilliges Anlehen
von 7 Mill. fl., die bereit$ verausgabt waren,
über das Budget von 1850—51 u. ilber die pro-
viſorijche Forterhebung aller directen Steuern, mit
Ausnahme der Eapital- u. Einfommenfteuer, für
die Dauer eines Jahres; fie wurden am 23. Okt.
angenommen. Ebenfo nahm die Zweite Kammer
den Gefegentwurf über Abſchaffung der Strafe
des büraerlihen Todes, der öffentlichen Ausftell-
ung und. Brandmarfung an; die Kammer der
Reichsräthe genehmigte einftimmig den Entwurf
über Errichtung eines Staatsgerichtshofes filr Ab- Hanauſchen ein (f. Deutſchland u. Heffen).
urtheiluag der Staatöminifter. Unterdeffen hatte
39
1849, wonad Preußen und Öfterreih bis zum
1. Mai 1850 die proviſoriſche Centralgewalt in
Deutichland handhaben jollten, zugeftimmt In
der Deutichen Frage jprachen fich beide Kammern
gegen den Ausſchluß Dfterreihs u. für die Po-
litik der Regierung aus. Das von der Negier-
ung vorgelegte, von Ausnahmen wimmelnde Aıne
nejtiegefeg ward von der Zweiten Kammer in
etwas ermeiterter Weife angenommen u. erhielt
auch endlih, nur wenig modificirt, am 20. Dec.
die Zuftimmung der Neichsräthe. Ein in diejer
Sejfton noch von der Abgeorduetentammer ange-
nonmener Gejegentwurf über bürgerliche n. polis
tische Gleichſtellung der Juden vief eine lebhafte
Agitation hervor, infolge deren namentlih aus
den altbayerifchen er binnen zwei Mo—
naten nicht weniger als 690 Adreſſen gegen die
Emancipation einliefen. Derfelbe wurde in der
Kammer der Neichsrätbe auch verworfen. Vom
20. Dec. 1849 bis 8. Jan. 1850 erfolgte wieder eine
Vertagung des Landtages. Dagegen wurden durch
einen Erlaß des Minifteriums für Kirchen» und
Schulangelegenheiten vom 16. Sept. 1849 alle
Verbote, welche feit 1842 gegen bie Verbreitung
des Guſtav-Adolf-Vereins in B. erlaffen worden
waren, aufgehoben. Unter dem 22. Dec, wurde
v. d. Pfordten zum Vorſitzenden im Minifterrathe
ernannt. Gegen die Einberufung des Erfurter
Reichstages proteftirte die Regierung. Nach Wie-
dereröffnung der Seffion berieth die Zweite Kam—
mer ein neues Gejeg, modurd das Wereins- ı.
Berfammlungsrecht beſchräult, namentlich die Ber-
bindung u. Unterordnung zwiſchen den einzelnen
Vereinen aufgehoben werden follte; ferner eiu
Aufruhrgefeß, ein neues ſtrenges Preßgeſetz, ein
Geſetz über den Staatsgerichtshof. Weiterhin be-
riethen die Kammern eine neue Geſchäftsordnung,
Organifation der&erichtsverfaflung, ein Ablöfungs«
gejet, Kapital» und Eintommenfteuer, Eijenbahn«
angelegenheiten u. das Budget. In beiden Kam-
mern ging ein Geſetz über den Militärcredit durch,
wonach eine neue freiwillige Anleihe von 7 Mill.
erhoben werden follte. Dagegen blieben beide
Kammern in Zwielpalt über die bon der Abge-
ordnietenfammer geforderte Reduction des Militär-
etats. Eine zwiſchen den drei Königreihen B.,
Sachſen u. Württemberg 27. Febr. zu, Stande
gelommene Bereinbarung, welcher aud) Oſterreich
im März beitrat, erneuerte die frühere Forder—
ung, Ofterreih als Geſammtſtaat in den Bundes—
ftaat treten zu laffen u. Deutichland in 7 Kreile
zu theilen, von denen jeder einen Bevollmächtig-
ten an den Bundestag aborbnen ſolle. Preußen
verhielt fi) dagegen direct ablehnend, worauf B.
fih bereit zeigte, der Anforderung Ofterreichs ge⸗
mäß den in Frankfurt zu reſtaurirenden Bundes-
tag zu befchiden. Für die Pfalz ward im Juni
die Aufhebung des Belagerungszuftandes, für
Mittel zranten die Schließung der Arbeitervereine
verfügt. Infolge der Kaffeler Wirren ftellte B.
auf Anordnung des Bundestages ein Obfervations«
corps bei Aſchaffenburg auf, u. am 1.Nov. rück—
ten die Bayern, dur Oſterreicher verftärh, im
Der
am 8. Febr. eröffnete Yandtag von 1851 bot außer
auch B. dem fogenannten Interim vom 30. Sept.Ider Annahme des Gefeges über die bürgerlichen
40
Berhältniffe der Juden wenig Intereſſe u. wurde,
Bayern (Geſch. bis 1854).
auf die Berfaffung aufgehoben u. ein neuer Dienft-
am 7. Juni vertagt, nachdem die Kammern noch eid fiir die Armee verfügt. Vom 1. Juli an trat
die Politit des Miniſteriums durch Berwerfung
der gegen diejelbe in der Kurheſſiſchen, Holſteini—
ſchen u. Dentihen Frage geftellten Anträge ge
billigt hatte. Dagegen nahmen die Firchlichen
Berbältniffe, Ähnlich wie in Baden, mehr u. mehr
die öffentliche Aufmerkſamkeit in Anfpruch; Die im
October 1850 zu Freifing berfammelten bayeris
ſchen Biſchöſe hatten eim gleiches Recht zu bean—
ipruchen beichloffen, wie es von denen der Ober-
rheinischen Kirchenprovinz geichehen war, u. ber-
langten im ihrer Dentichrift an den König vom
20, Oct. betrefis der Freiheit der Katholifchen
Kirche, ſowol in Hinfiht auf ihre Negierung u.
Berwaltung, als auf den Eultus u. das ganze
religiöfe Leben, eine durchgreifende Anderung des
bisherigen Berbältnifjes zum Staate. Doch ver-
mochten fie nicht die gewünjchten Erfolge zu er-
ringen. Schon in der vorigen Landtagsdiät hatte
der Eultusminifter die Erklärung abgegeben, daß
eine Anderung des Neligionsedicts nur auf ver—
taffungsmäßigem Wege zu bemirfen fei; im der
diesjährigen Sigung wurde die Angelegenheit ſo—
zufagen von der Hand gewiefen. Auf der anderen
Seite wurde den Deutjchlatholifen u. Freien Ge-
meinden die ihnen in den Jahren 1848 u. 1849
gewährten Rechte entzogen und ihnen die Vor—
nahme aller nur den geſetzlich anerkannten Reli—
gronsgejellihaften zuftehenden Handlungen unter
jagt. Inzwiſchen hatte auch die Beſetzung Kur-
hejiens durch bayerifches Militär ihr Ende erreicht.
In dem Pfälzer Aufruhrproceh, welder am 3. März
eröfinet wurde und die Thatigfeit des Schwurge-
vichtshofes von Zweibrüden das ganze Jahr 1851
hindurch in Auſpruch nahm, erfolgten vıele Frei—
iprechungen durch die Geſchworenen, wie aud nad)
ber viele von den verurtheilten Soldaten von dem
König beguadigt wurden. Mit Ofterreich ſchloß B.
einen am 3. Aug. ratificirten Vertrag wegen der ge
genfeitigen Eifenbahnverbindung (Münden: Salz
burg, Rojenheim-Bozen, Regensburg-Finz) ab. Aın
4. Oct. 1851 fand die erſte Sigung des neu zufam-
mengetretenen Yandtagesftatt. Beide Kammern nah-
men ein die freie Verfügung über das Waldeigen-
thum aus Gründen des Staatswohls beichränten-
des Forſtgeſetz an umd einigten fi noch bis zum
Schlufje des Jahres über die Bewilligungen fiir die
Eifenbahnbauten. Im neuen Jahre, 1852, wurde
das Budget berathen, das Finanzgeſetz votirt u.
von beiden Kammern ein Geſetz über die Diftricts-
u. Landräthe angenommen, Auch das Gejeg, betr.
den Uferſchutz, fand feine Erledigung, u. ein Gejet-
entwurf, wonach das Hecht der Ernennung des
Neichsrathspräfidenten der Krone zurüdgegeben
werden follte, fand in der Kammer der Abgeord-
neten Annahme, Geſammtbeſchlüſſe famen bis
zu Ende der Diät zu Stande über das Gewerbe,
‚teuergefeg, über das Poftulat der Negierung zur
Einführung der Gerichtsorganifation u. über das
Geſetz gegen die gewerbmäßige Zerjplitterung der
Grundftüde. Am 28. Mat fand die Schließung
des Landtages ftatt, und jämmtliche von der Re—
— vorgelegte Geſetze erhielten die königliche
Beſtätigung. — löniglicher Entſchließung
rom 9. Juni wurde die Beeidigung des Heeres
der Deutjh-Sfterreichiihe Poftverein aud für B.
in Kraft. Über B⸗s Thätigfeit bei den Zollver-
einsverhandiungen j. Zollverein u. Deutichland.
Der bis gegen Mitte des Jahres in Ober-Franten
und der Pfalz herrichende Notbitand murde mit
Erfolg betämpft. Zur Förderung der Wiffenfchaf-
ten waren Männer wie v. Liebig, Pieufer, v. Sie-
bold u. A. für B. gewonnen worden, und unter
dem 28. Nov. erfolgte die Stiftung des Bayeri—
chen Marimiltiansordens (f. d.) für Kunft und
Wiffenihaft. Daneben ergriff die Regierung ftrenge
Mafregeln gegen das Bereinsweien u. die Breite
u. wandte eine befondere Aufmerkfamleit den Ge-
meinderathswahlen, namentlich in der Pfalz, zu,
indem allen irgendwie politiih oder perjönlich
Mipliebigen, fiber 1000 an der Zahl, eine früher
von der Regierung nie beanſpruchte Beftätigung
verfagt wurde. Die Auswanderung gewann einen
bisher nicht gelannten Umfang. Dit Frankreich
ſchloß B. am 10. Mai 1853 einen Telegraphen-
Bertrag. Mit der Schweiz lam am 2. Mai ein
Bertrag über die Schiffjahrt auf dem Bodenjee
zu Stande. Der nächſte Landtag wurde am 26.
Vov. durch den Prinzen Luitpold eröffnet. Bon
den Regierungsvorlagen fanden Annahme: der
Gejegentwurf über die Einleitung zum Bau der
Eifenbahn von München nah Freifing u. Lands»
but zum Anſchluß an die Negensburg-Paffauer
Bahn, die Geſetze über die Erweiterung der Com—
petenz der Friedensgerichte in der Pfalz u. über
Ehrenfränfungen (durch welches dieſe dem Straf-
rechte u. Strafproceß ftatt des Eivilverfahrens über«
wiejen werden follten), wie über die Errichtung
der Donaudampfichiffiahrt. Dagegen erfuhr das
Disciplinargefeg für Staatsdiener jhon im Aus«
ſchuſſe wefentliche Änderungen. Durch Decret vom
2. Febr. 1854 wurde der Yandtag auf unbeſtimmte
Zeit vertagt. Als neue Gefege erichienen die Ge—
werbeordnung vom 17. Dec. 1853 u. die Ver—
ordnung wegen Aufhebung des Wanderzwanges
von gleihem Datum. Eine Verfügung vom 22.
‚Jan. war zur Erſchwerung der Auswanderung
bejtimmt. Die Nichtung der Regierung binficht-
lid) der auswärtigen Politit fand ihren befonde-
ven Ausdrud auf dem Bamberger Miniftertage,
der am 25, Mai befonders wegen Berathung über
die Stellung der deutſchen Mittelftaaten zu ber
preußiich-öfterreichifchen Convention vom 20. April
zufanmentrat (f. u. Deutſchland). Die firdlichen
Streitigkeiten fanden einen neuen Ausdrud in der
am 25, Juli von den bayeriihen Biſchöfen ab-
gehaltenen Conferenz zu Augsburg, auf welcher
man ſich zu der Erflärung an das Minifterium
einigte, daß die in Beziehung auf Religion und
lirchliche Gejellichaften beftehenden Beftimmungen
(Concordat von 1817, Edict von 1818) die Rechte
der Katholiihen Kirche in B. verlegten, nament«
lich feien dahin zu rechnen die Beftimmungen über
Beröffentlihung u. Bollzug von Gejegen u. An«
ordnungen der Kirchengewalt, über Feſtſetzung u.
Behandlung der Gegenſiände weltlicher ü. gemiſch⸗
ter Natur, bei denen der Staatsgewalt theils eine
ausſchließliche, theils eine concurrirende Geſetzgeb⸗
ung u. Gerichtsbarkeit vindicirt wird, über Ber»
Bayern (Gejch. bis 18506), 41
maltung des Kirchenvermögens zc. Im Übrigen; Bahnftreden forderten auch große Summen. We:
verbielt der Klerus fich im Ganzen ruhig, nur gen mangelnder Geldmittel hatte die Negierung
x ultramontane Preſſe füihrte den Kampf in die weitere Ausführung der allgemeinen, die Ver—
aaßleſer Weife fort u. gab Veranlaffung zu viel- faſſung u. Verwaltung der Rechtspflege betrefien-
atdem Einichreiten. Der in Münden ftattfinden- |den Gejete von 1848 u. 1852 eingejtellt und in
vn Allgemeinen Ausftellung deutjcher Induſtrie- dieſem Sinne einen Geiegentwurf über Gerichts-
2. Gewerbserzeugniffe geſchah dur die faft imjorganifation vorgelegt, der am Beſtehenden, na-
ganzen Königreiche ernſt auftretende Cholera viellmentlid an den zu Klagen mannigfadhen Stoff
Abruch. Der neu einberufene Landtag tagte vom u. Veranlaſſung bietenden Untergerichten (Land⸗
16, Oct. an und mährte, wieder u. wieder ver- gerigten) wenig änderte u. daher den beitigften
lingert, bis in den März des nächlten Jahres. Widerfpruch der Kammer bervorrief, welche durch
Ze wichtigſten Vorlagen: ein neues Wahlgeſetz dieſe neue Vorlage die auf faft allen Yandtagen
ir die Abgeordnetenfammer, begründet auf diejausgeiprocdhenen Wünſche, nämlich Einheit des
Iertretung nah Stand, Beruf u. Intereſſen, fer- | Civilrechtes anftatt der vielen verichiedenen Hechte
ner der ſchon früher eingebracdhte Gejegentwurfjder ehemaligen Neichsländer, aus denen B. zu—
äber die Familienfideicommiſſe, wonach die Be- |jammengejett ift, Verbeilerung, Bereinfahung,
zündung folder auch Bürgerlichen freigegeben | Beichleunigung des Ginilprocefies u. des polizei
zerden jollte, wurden in der Abgeordntetenlammer |lihen Strafverfahrens, Trennung der Rechtspflege
wmerfen; dagegen wurde ein Geje über Er⸗ von der Verwaltung nah franzöfiihem Muſter,
adtung bäuerliher Erbgüter angenommen u. das daher Anftelung von Einzelvichtern in der unter«
Iriulat zur Deckung rüdjtändiger Kriegskoſten u. |ften Inſtanz u. eigenen Notariatsbeamten, damit
u einer eventuellen Mobilmahung (15 Mill.) am/im Einklange ftehende Straigejegbücher für Richter
2.0. 12. Febr. 1855 von beiden Kammern mit|u, Polizeibehörden, von Neuem in Frage geftellt
berädtfihen Ermäßigungen und einer Heinen |glaubte. Darauf zog die Regierung den Entwurf
Zimererhöbung votirt. Die ohnedem ſchon durch |zurüd uw. brachte einen neuen, den Anfichten der
Ye Haltung der Miniſter einer» und der Führer | Kammer mehr entiprechenden ein, der jpäter zum
ser Abgeordnetenfammer anderſeits gefteigerte Er⸗ Geſetze erhoben u. unterm 1. Juli 1856 als jol«
iterung erbielt noch neue Nahrung dadurch, daß ſches veröffentlicht wurde. Die Verhandlungen
deſhwerden wegen Verlegung verfaffungsmäßiger |des Landtages im %. 1856 führten bezüglich des
Achte für begründet erflärt wurden u. die Re⸗ Budgets zur Vereinbarung mit der Negierung,
serung einen Gejetzentwurf mit einer jährlichen |ebenjo bezüglih der für Vollendung der Bahn-
Rbrierderung von 54 Mill, fl. u. der Fyorders|ftrede Nofenheim, Salzburg geftellten Nachforder-
mg einer nochmaligen Steuererhöhung vorlegte. Jungen. Die Vollendung des baveriihen Babn-
Lem gegenüber bejchloß die Zweite Kammer eine/netes in den öjtlihen Yandegtbeilen übernahm
Dteſſe au den König, melde die verbeißenejein Verein von Privaten unter der Firma einer
Tennung der Nechtspflege von der Verwaltung | Königl. Bayeriſchen Privilegirten Gefellihaft der
u. firgere Syinanzperioden forderte, worauf am) Oftbahnen, welchen der Staat 44 pCt. Zinfen
5. März 1855 die Kammerauflöjung erfolgte.|des Anlagecapital® verbürgte unter der Beding-
Te Rüftungen im Hinblid auf die Ruffih-Tür-Jung, daß die Sämmtliden Babnen in 7 Jahren
Iihe Angelegenheit hatten bei der inzwiichen ver-|dem Betriebe übergeben fein müßten. Nur in
änderten Lage nur vorübergehende Bedeutung. [Bezug auf das Mittärbudget bejtand die Zweite
in 15. Sept. eröffnete der König den neuen Kammer auf Ermäßigung, wogegen die Negierung ,
‘antag, welcher, obwol die Beamten und dielim Landtagsabſchiede (3. Juli) erllärte, daß das
Seiſtlihleit regierungsfeitig angewiefen waren, für | Heer in einem der Würde der Krone u, der Stellung
ionlervative Wahlen zu wirken, nur eine Heine] B-8 entiprechenden Stande werde erhalten werben,
niniterielle Barteı (Pfälzer) aufwies. Da in der/weshalb dem nächiten Yandtage die erforderlichen
Ihronrede die Kur über die Bewahrung der|Borlagen zur Dedung des Mehrbedarfes gemacht
Antraht des Deutihen Bundes ausgeſprochen werden ſollten. Nad Art. 17 des Parijer Frie—
zer, nahm die Zweite Kammer Anlaß, im der dens vom 30. März 1856 wurde B. berechtigt
Autwortsadreffe ihre desfalligen Wünſche dahin ſu. verpflichtet, durch einen Vevollmächtigten an
zu fermuliten, daß endlich die längſt verheißene|der Commiffion theilzunehmen, melde die Auf
Ausbidung der Bumdesverfaffung den Deutfchen|gabe hatte, die flußpolizeilihen Beſtimmungen
men gefiherten Rechtszuſtand gewährleifte und auf der Donau feftzuftellen u, die Donau felbft,
ber Stimme auch am Bunde Gehör u, Beachte|[ihre Mündungen u. die zunächſt gelegenen Theile
ung fihere. Die Berhandlungen zeigten, daß des Schwarzen Meeres in ſchiffbarem Stande zu
man unter Ausbildung der Bundesverfafjung einejerhalten. Auf dem kirchlichen Gebiete verurjachten
Sertretung der deutſchen Nation durch Abgeord- [verjchiedene Erlaſſe (bejenders vom 2. Juli 1856)
“te meinte, Unter den Landtagsangelegenheiten|des proteftantischen Oberconfiftoriums in München
Kanden wichtige Finanzfragen u. die Feſtſtellung in Bezug auf kirchliche Einrichtungen u. Befug-
and der Ausbau der Gerichtsverfafjung obenan.|niffe eine außergewöhnliche Aufregung, die erit
die Regierung hatte wicht nur Voranſchläge an|durd öffentliche Belauntmahungen der Regierung,
enbahnbauien überjchritten, fondern auch dielnamentlih in Bezug anf die gefürchtete Einführ-
%ı verwilligten Gelder theils zur Beftreitung|ung der Privat» (mit Obren-)beichte, und eine
det Koften der FInduftrieausftellung (von 1854), Anſprache, welche den Gemeinden Freibeit in der
zeihe 1,250,000 fl. betrugen, theil$ filr die Do- |gottesdienftlichen Ordnung zufiherte und die dar»
aauſchiffſahrt verwendet. Die noch zu vollendenden/auf folgende Aufhebung der früberen Erlaſſe
42
(17. Jan. 1857). beihwichtigt wurde. Dagegen
blieb eine von — an die Regierung ge—
richtete Bittſchrift um Einberufung weltlicher Mit-
glieder zur Generalſynode unberückſichtigt. In der
Pfalz wurde eine Berfügung des Cultusminiſte—
rium3 aus dem %. 1846, melde den Biichöfen
die Abhaltung von priefterlichen Übungen durch aus-
wärtige Geiftlihe u. befonders durch Fefuiten un»
terjagte, auf Verwendung der Biichöfe aufgehoben.
Der letzte Landtag hatte die ihın gemachte Borlage
zweier Entwürfe neuer Strafe u. Polizeigeſetze
einem Ausſchuß übergeben, der zum Berichterftatter
den zwar entichieden conferpativ gefinnten, aber dem
Minifter von der Pfordten unangenehmen Profeſſor
Weis aus Würzburg wählte; als nun dev Bericht
in etlihen Hauptpunften nicht mit der Negier-
ungsvorlage übereinftimmte, entließ die Regier—
ung den Ausschuß, enthod aber den Profeffor Weis
feiner Lehrſtelle an der Umiverfität u. verſetzte ibn
nah Eichftädt als Appellationsgerichtsratb. Die
2. Kammer ehrte den Gemaßregelten dadurch, daf|führende Reformen beiprocdhen wurden.
fie ihn bei ihrem Wiederzufammentritte zum Bicer
präfidenten wählte, worauf bie Regierung die
Auflöfung derjelben decretirte, 30. Sept, 1858.
Indeß ergaben die Neuwahlen feine regierungs-
freundfichere Kammer: Weis wurde von mehreren
Orten aus fogar gewählt u. wieder duch Wahl
Vicepräfident der 2. Kammer, Damit war bie
Spannung zwiſchen Regierung u. Kammer aufs
Höchfte gejtiegen (jan. 1859). Als der Conflict
zwifchen Frankreich u. Ofterreih wegen Italien
ausbrah, verbot B. infolge einer Anregung in
der Abgeorbnnetenfammer die Pferbeausfubr, und
der Pandtag bewilligte einen außerordentlichen
Militäreredit von 8 Millionen, vermwahrte ſich
aber dagegen, als ob er mit diefer Bewilligung
dem Mlinifterium hätte ein Bertrauenspotum
geben wollen, u. beſchuldigte zugleich den Miniſter
von der Pfordten, daß er die ruffifche od. franz.
Politik unterftüge, Obſchon fi der Minifter zu
rechtfertigen wußte, begegnete er doch fo ſtarkem
Mißtrauen, daß der König in diefer Fritifchen Zeit
den bezeichnenden Ausſpruch that, ich will Frieden
haben mit meinem Volke, indem der Minifter
veranlagt wurde, am Tage nad dem Schluffe des
Landtages, 26. März 1859, von feiner Stelle zu«
rüdzutreten, in welcher ihm ;zreiberr Karl von
Schrend nachfolgte. Das Minifterinm Schrend,
in dem v. Neumayr das Innere, dv. Mulzer die
Fuſtiz, v. Lüders den Krieg, v. Zwehl den Kultus
u. v. Pfeufer die Finanzen leitete, hatte eine
ſchwierige Stellung, indem es die Armee reorga-
nifiven mußte, welche fih in vernadläffigtem
Zuftande befand, u. genöthigt war, der öffentlichen
Meinung Zugeftändniffe zu machen, melche fich
mit großer Lebhaftigkeit für Ofterreich ausſprach.
Degen eines öfterreihiihen Truppen geftatteten
Bayern (Gejch. bis 1862),
reih ftand. Auf dem 14. Juli 1859 einberufenen
u. bom König perfönlih eröffneten Landtage
wurden von der Regierung 55 Mill. Gulden zur
Neorganifirung der Armee u. Umgeftaltung des
Kriegsmaterial® verlangt (mofür bereits 25 Mill.
ausgegeben worden waren) u. bemilligt, eine
Entſcheidung, zu welcher die durch den italienischen
Krieg hervorgebrachten Enttäufchungen nicht wenig
beitrugen. Ein Antrag des Abgeordneten Bölk auf
Neform der Bundesverfaffung u. Gründung einer
ftarfen Gentralgewalt mit Bolfsvertretung wurde
mit 87 gegen 45 Stimmen abgelehnt (12. Aug.)
u. der Landtag hierauf bis auf Weiteres vertagt.
Inzwiſchen nahmen Schrend u. von der Pforbten,
der jett bayerischer Bundestagsgeiandter war, an
den Conferenzen theil, welche der ſächſiſche Minifter
v. Beuſt u. der württembergifhe v. Hügel in
Münden u. Würzburg zur Beiprehung der
Stellung der Mittelftaaten im Deutichen Bunde
abhielten u. wobei verjchiedene in lekteren einzu»
Nah
Beendigung des Italieniſchen Krieges war indeflen
die Stimmung im Lande ruhiger geworden, u.
e8 fand nun eine immer inmgere Annäherung
zwiichen 8. u. Öfterreich ftatt, die ſich auch im
dem Umftande fundgab, daß B. nach den Ereig-
niffen in Mittel» u. Unter- talien, welche die Gründ«
ung des Königreihs Italien im Gefolge hatte,
den diplomatifchen Berlehr mit dem neuen Staate
abbrad. Die Kammern traten am 3. Yan, 1861
wieder zufammen, Der Finanzminifter v. Pfeuffer
legte in der erften Sitzung des Abgeorbneten-
haufes das Budget für die achte Finanzperiode
u. den Entwurf des Finanzgeſetzes vor. Der
Stand der bayerischen Finanzen konnte im Ganzen
als ein günjtiger bezeichnet werden. Die Ein-
nahmen waren im Bergleihe zu dem Budget der
iebenten ?yinanzperiode um 5,467,6683 Gulden,
nämlich auf 46,858,525 fl. gejtiegen, ohne daß
eine Erhöhung der Steuern im Antrag gebradıt
wurde. Die Gefammtziffer des Ausgabebudgeis
wurde, mit Ausnahme des Neichsrefervefonds,
uf 45,211,348 fl. feftgeftellt. Die mwejentlichften
Ergebniffe der Landbtagsfigungen von 1861, dereu
Schließung 12. Nov. erfolgte, waren die endgiltige
Annahme einer neuen Strafgefeßgebung (auch
für Polizeiüibertretungen), mit Durchführung der
Trennung von Juſtiz u. Abminiftration u. Ber-
befferung des Schwurgerichtes in der Pfalz; bie
Aufhebung der auf den Juden bisher noch laften-
den Beichränfungen, die Annahme des Allgemeinen
Deutſchen Handelsgejeßbuches; der Wegfall der
förperlihen Züchtigungen in der Handhabung der
Eriminaljuftiz u. der Polizei; Aufhebung des
verderblichen Lotto. Das Fahr 1862 brachte mit
der von der Negierung im Mai erlafienen In—
fruction zum Bollzuge der geſetzlichen Grund—
Durchzuges durch banerifches Gebiet konnte Schrend | beftimmungen für das Gewerbeweſen die Bor-
auf die darauf von Geiten Frankreichs erhobene|bereitung zur allmählihen Ginführung voller
Beihwerde fih nur ausweichend fvertheidigen. Gewerbefreiheit u. am 30. Juni die neue Juſtiz-
Die Schlacht von Magenta, der
üdtritt desju. Verwaltungsordnung mit der Durdführung
Zorgminifteriums in England, die zweifelhaftelder neuen Strafgefeggebung, wobei allerdings
Haltung Preußens u. die Zurädhaltung Nuß-Inoh immer der Competenz der Polizei ein zu
lands gegen Ofierreich veranlaßten das bayerifche| weiter Spielraum gelafjen if. Einigen Eindrud
Cabinet zu größerer Behutfamleit, während die|bradte in B. die in diefem Jahre erfolgte Ber-
Mehrheit der Bevölferung nad wie vor zu Öfter«Itreibung des Königs Otto aus Griechenland her-
Bayern (Geſch. bis 1865). 43
ver, welcher feinen Wohnfig in Bamberg nahın. | des Prinzen Friedrich als Herzog von Holftein
Die Fragen, welche in diefer Zeit das deutiche ı./zu ftelen u. die Angelegenbeit energiih zu be-
damit auch das bayerische Voll bewegten, die
Oundesreformfrage, die ZJollvereinsangelegenheit
u Frage Des preuf.-franz. Handelsvertrages,
kgten e8 der Megierung nahe, zu erwägen, ob
de in diefen Angelegenheiten von ihr befolgte
volitil ſch auch Der Zuſtimmung des Landes er-
he. Sie hatte auf die Majerität der Kammer
zu zählen, Die mit ihr von der Nothmwendigfeit
äuer Buudesreform fberzengt war, aber auch
jeſthielt an der Selbftändigleit B-8 u, in Über-
einſimmung mit der comjtitutionellen, wie mit
der großdeutfchen Partei einem Deutichland unter
preugischer Spitze abhold, auf der anderen
Seite aber auch eine Gegnerin des durd die
Zollvereins- u. Hanbelsvertragsirage angebahnten
Fteihandeisſyſtenns war. Um fich zu überzeugen,
eb dieie Stimmung auch die des Landes jei,
löfte die Regierung plöglih am 28. Febr. 1865
die Kammer auf u. rief am 29. April das Boll
zur Wahlurne: Die große Mehrheit der Gemählten
gehörte der minmifteriellen u. großdeutichen Partei
an, die Fortjchritts- (fog. preuß.) Partei blieb in
entichiedener Minderheit. Am 23. Juni 1863
durch den König eröffnet, ſprach ſich der Landtag
im der Autmwortsadreffe auf die Thronrede ent-
ihieden für Reform der Bundesverfaffung aus,
betonte aber dabei die Erhaltung der füderativen
Form; den preuß.»franz. Handelsvertrag aber fand
er unannebmbar, fonnte jedoch auch durch dieſe
Ablehnung den Zollverein nicht gefährdet erachten;
u. mährend der „lirftencongreß in Frankfurt
tagte, machte die 2. Kammer auf Anregung ihres
Vräfidenten Grafen Hegnenberg-Dur eine Demon»
fration zu Gunften der öfterr, Reformacte. Da-
gegen ward — allerdings vergeblich — Abkürzung
der Hjährigen Fyinanzperiode auf eine 2jäbrige
veriangt, der von der Regierung geforderte außer-
erdentlihe Militärcretit nur auf 2 Jahre bewilligt
a. eimjtimmig dem Wunjche des Abg. Kolb bezüg-
fh einer Reviſion der Militärverfafjung zuge
ſtimmt. Außerdem murden bedeutende Summen
für Aufbeflerung der Beamtengehälter, fowie für
neue Eifenbafmbauten bewilligt. Am 30. Sept.
erfofgte der Schluß des Landtages. Wenige Wochen
danach trat aber die jeit Jahren fich binfchlep-
pende Schleswig-Holfteinische ‚zrage u. damit die
Deutsche Frage in eine neue Phaſe. Die bayerische
Regierung trat fofort, um dem Präcedens einer
Mediatifirnng vorzubeugen, für die Anfprüche des
Erbprinzen Friedrich von Auguftenburg auf die
Rahfolge in Schleswig-Holitein ein, u. König
Marimilian fehrte, als die Angelegenheit ſich zur
brennenden Frage zufpigte, mitten im Winter
(Dec. 1863) aus Jtalien heim n. erklärte fich für
energiihe Durchführung des’ angegebenen Staub:
punftes. Indeß fjcheiterte feine Abfiht an dem
Mangel eines einheitlihen Yufammengehens der
deutichen Hegierungen im Bunde gegenüber dem
vereinten Borgeben Oſterreichs u. ru Der
Sram über den Gang der Dinge zerftörte vollends
die ſchon ſtarl angegriffene Geſundheit des 52jäh-
rigen Königs; er ft. am 10. März 1864, nad
dem er noch Tags zuvor feinen Gefandten am
.
treiben, allgemein von feinem Volle betrauert.
Ihm folgte fein erft 184 Jahre alter Sohu
Yudmwig II. (geb. 25. Aug. 1345).
H. B. unter König Ludwig II. Der junge
König konnte bei aller ZTrefflichkeit der Gaben
wie der Bildung der jchweren Exrbichaft, die er
antrat, nicht fofort gewachfen fein: er mußte die
Leitung der Gefchäfte feinem erften Minifter iiber-
faffen, zeigte aber bald, daß er im der Geſetz—
gebung u. dem firchlichen Angelegenheiten eine
freifinnige, humane Praris geübt wünſche. Ju
einen Gabinetsichreiben forderte er das Geſammt—
miniſterium auf, die Gründe für u. wider Die
von der 2. Kammer wiederholt u. zuletzt ein-
ftimmig geforderte Abkürzung der Gjährigen
Finanzperioden abermals einer Prüfung zu unter-
werfen u. darüber Gutachten zu erftatten. Die
auswärtige Politif anlang.nd vertrat Ludwig den
Standpunkt des Baters u. lie infolge der Nends+
burger Borgänge feinen Bundestagsgejandten an-
weien, mit Eruft u. Nachdrud auf eine Wieder-
berftellung des früheren Zuftandes im Wejente
lichen hinzuwirken. Mittlerweile traten im Juſtiz-
u. Cultusminiſterium an die Stellen von d. Mulzer
u. v. Zwehl v. Bombard ı. v. Koch (Juli 1864),
Die Handelsvertrags- u. HBollvereinsfrage nahm
in Ddiefer Zeit eine immer ernitere Gejtalt an;
aus allen Theilen des Landes fandten die Han—
delscorporationen u. bervorragenditen Firmen Pe—
titionen an den König, dem Handelsvertrage bei«
zutreten u, damit B. im Bollvereine zu erhalten,
während anderſeits bereits alle übrigen deutschen
Staaten außer Württemberg u. Heffen-Darnıftadt
ihren Widerjtand in der handelspolitiichen Frage
aufgegeben, jo daß endlich auch v. Schrerd fid
zur Nachgiebigleit entichließen mußte, zugleich
aber auch zu ſeinem Rücktritt; 21. Sept. 1864
gab er feine Entlaſſung, am 30, trat B. in den
neuen Zollverein, u. am 5, Oct, erhielt v. Schrend
die nachgeſuchte Demiffton. Nah langen Unter
handlungen ward endlih, nachdem am 3. Dec,
im Minfterrathe ein Programm alljeitig verein-
bart worden, der Bundestagsgefandte - von der
Pfordten am 4. Dec. zum Minifter des Aus-
mwärtigen ernannt u. durch v. Schreud am Bunde
erjegt. Zugleih wurde das Handelsdepartenent
vom Minifterium des Auswärtigen getrennt u.
Minifterialratd v. Pirepichner damit betraut.
Das Drängen B-8 anf Auerkennung des Herzogs
von Auguftenburg gegenüber dem öſterreichiſch-
preußischen Antvage auf Beendigung der Bundes-
erecntion führte zu einem Notenwechſel zwifchen
Berlin u, München, reip. Dresden, in dem bes
reit8 vom Bundesbruche gegenjeitig die Rede war
u. ein Borfpiel zu 1866 erblidt werden darf.
Am 30. März 1865 trat endlich der either ver-
tagte Landtag wieder zufammen, obne jedoch,
troß des inzwijchen erfolgten Thronmechiels, durch
eine Thronvede eröffnet zu werden; die Negierung
legte dabei einen Geſetzentwurf für 2jährige Fir
nanzperioden vor. Die 2. Kammer nahm indeß
jegt fchon eine ganz veränderte Phyftiognomie an;
die bisherige Majorität fiel gänzlih aus einander,
Bunde angemwiefen, einen Antrag auf Anerfennungiu. conftituirte fih ein Theil derfelben mit Aus«
44
Bayern (Gejch. von 1866).
ſchluß ihrer bisherigen Führer unter Annahme|des Bundes gelangte, fo erflärte B. mit feinen
eines bejtimmten Programms als Centrumspartei,
der andere Theil als Nechte, während die, Fort:
fchrittspartei u, die Pfälzer ſich als Vereinigte
Linke conftituirten, innerhalb welcher die Frage der
deutichen Centralgewalt als eine offene, ohnehin
nur durch die Macht geichichtlicher Thatfachen zu
föfende anerlannt wurde. Die Regierungsvorlage
betr. Einführung der 2jährigen Yinanzperiode
murde von beiden Kammern nahezu einjtimmig
angenommen. Ein auf Antrag des Ausichufies
der 2. Kammer vom Juſtizminiſter vorgelegter
Amneftiegefegentwurf verkündete Generalpardon
für alle Militärs ug Betheiligung an den Er—
eigniffen von 1849, beſchränkte aber bezüglich
der übrigen Perfonen nur auf bayerifche Unter-
tbanen, wurde jedoch auf Wunſch des Ausichuffes
auf die Angehörigen der Deutfhen Bundesitaaten
ausgedehnt u, in diefer Yyaffıng angenommen, Ein
Antrag auf Erweiterung der Erften Kammer, reip.
Umgeftaltung derjelben wurde von der Negierung
befämpft u. von der 1. Kammer einftimmig ab-
gelehnt, Am 25. April wurden die neuen Zoll
vereinsperträge von der 2. Kammer angenommen
u. dabei der Wunſch ausgeiprodhen, daß auch mit
Italien, der Schweiz, Belgien, England u. Ruß—
and Handelöverträge abgejchloffen werben, meld
tetsterem die 1, Kammer jedoch nicht beitrat. Dem
Verlangen der 2. Kammer nad Aburtheilung ber
von Militärperfonen verübten nicht militäriſchen
Berbrechen u. Bergeben durch die bürgerlicyen
Gerichte trat Die 1. Kammer nicht bei. Den ver-
langten Militäreredit genehmigte die 2. Kammer
mit unbedeutendem Abftrich, ſprach aber dabei die
Bitte auf Verminderung des Aufwandes für Heeres»
einrichtungen aus. In der Schleswig ·Holſteiniſchen
Frage documentirte der Landtag feine volle Über—
einftimmung mit der Politik der Regierung, ja,
drängte fie, noch weiter zu geben, indem er den
Ausihußantrag annahm, die Regierung wöchte
dahin wirken, daß Schleswig-Holftein als ein
durchaus felbftändiger Staat umter feinem recht«
mäßigen Fürſten fi conftitnire, die Ständever-
fammlung einberufen werde, u. jeder Entſcheidung
über die Zukunft der Herzogtbümer, welche ohne
Zuftimmung der Landesvertretung oder in Wibder-
ſpruch mit den ging en a des Bundes erfolge,
die Anerlennung des Bundes verfagt werde, Am
11. Juli wurde der Landtag geichloffen, u. wenige
Tage danad) folgte der Minijter von der Pforbten
einer Einladung des preuß. Premier nad Salz:
burg, erwiderte aber deffen Mahnung, die Süd—
ftaaten möchten in dem nahe bevorftehenden Kriege
zwifchen Öfterreih u. Preußen ftrenge Neutralität
wahren, wofür B. dann der Erbe der Stellung
Ofterreihs in Süddeutſchland fei, amtlih wie
als Privatmann ablehnend. Am 27. Zuli ftellte
3, im Sinne der ftändifchen Aufforderung mit
Sachſen und Heffen-Darmftabt am Bunde den
Antrag, bei Ofterreih u. Preußen anzufragen,
was fie bezüglich Schleswig Holteins zu thun
sejonnen feien, u. als derjelbe umgangen wurde,
+. Nov, den weiteren, die Bertreter von Holftein
rinzuberufen u. Schleswig in den Bund aufzus
nehmen. Da der Bundestag jedoh zu feinen
Beſchlüſſen gegen die beiden wictigften Staaten
beiden Verbündeten, daß fie nunmehr ihre Auf-
gabe u. Thätigkeit in diefer Sache innerhalb des
Bundes für abgefchloffen betradten u. fi auf
eine laute u. entichiedene Berwahrung gegen jede
nicht auf der Grundlage des Bundesrechtes be-
rubende Abmachung beichränten würden, — eine
Ertlärung, die vollftändig mit der auf verſchie—
denen Bolfsverfammlungen zum Ausdrude gekom—
menen Stimmung des Landes übereinſtimmte.
Judeß begab fih in der nächften Umgebung des
Königs eine erwünſchte Wendung. Der junge
König hatte in Begeifterung fir die Zufunfts-
Mufit den Componiften Richard Wagner nad
München berufen, diefer bald jedoch über Ludwig II.
einen Einfluß gewonnen, der im Lande mehr u.
mehr Mifftummung gegen Wagner bervorrief.
Gleichwol überrafchte am 6. Dec. die Nachricht,
der König habe Wagner die Weifung ertheilt,
auf einige Monate Miinchen zu verlaflen, u. zwar
wurde die Weifung mit den Worten motivirt, der
König wolle feinem theuren Volle zeigen, daß fein
Bertrauen u. feine Liebe ihm über Alles gebe.
Dagegen ließ die Fortichrittspartei dem König er»
fären, daß nicht die Entlaffung Wagners, fon-
dern die v. d. Pfordtens verlangt werde. Der
König nahm indeß die betreffende Deputation
nicht an. In dieſe Zeit fällt auch die Anerfenn«
ung des Königreihs Italien von Seiten B-8
u. der darauf erfolgte Abſchluß des Handeldver-
trages zwijchen dem Zollverein u. Italien. Am
8. März 1866 ſprach fih die bayer. Regierung in einer
Depefche dahin aus, wenn Dfterreih u, Preußen
ihren Zwiſt mit Umgehung des Bundes ausfech—
ten wollten, jo fei für die übrigen Bundesglieder
Neutralität das Rathſamſte, ausgenommen, wein
eine der beiden Mächte den Bund anrufen würde,
vorausgeſetzt, daß diejelbe dann in der jchleswig-
holſteiniſchen Sache zum Rechtsſtandpunkte zurüd-e
febre, ſterreich ergriff ſofort dieſe Ausſicht auf
Bundesgenoſſenſchaft B-8 u, der übrigen Mittel—
ftaaten u. forderte 16. März in vertranlicher De—
pefche die Mittelftaaten zu jofortiger Kriegsrüſtung
auf, Eine preußische Depeiche vom 24. März, welche
ſich nach der Sefinnung der Mittelftaaten erfundigte,
wurde von B. durch Verweiſung an den Bund be»
antwortet, dem dann Preußen 9. April u. 14. Juni
ein Reformproject vorlegte. Es war aber ſchon zu
fpät, als von der Piordten die beiden Großmächte
31. März vom Kriege abmahnte u. fie aufforderte,
in Verhandlungen bebufs Umgeftaltung des Bun—
des einzutreten. B. rüſtete gleichzeitig im Sinne
der öjterreihiihen Aufforderung, machte 10. Mai
fein Heer mobil u. ernannte 23. Mat den greifen
Prinzen Karl, Bruder König Ludwigs I, zum
Oberbefehlshaber. Bon der Pfordten jpielte mit
Beuft die Hauptrolle auf den die Wahrung der
gemeinfamen Intereſſen bezwedenden Eonferenzei:
der Mittelftaaten in Augsburg u. Bamberg im:
April u. Mai. Als danıı Ofterreich in der höch—
ten Noth ſich dem Bundesrechte fügte u. Die
Entiheidung über Schleswig-Holftein dem Bunde
überließ, wies B. alle Anträge Preußens zurid,
ja fogar das noch im uni geftellte Anerbieten
der Hegemonie in Siüddeutichland für den Fall
der Neutralität u. des Oberbefehls über die Süd-
Bayern (Geſch. bis 1867).
ame, u. Schloß 14. Juni den Olmützer Bertrag, dels waren jchon im
a
mt ODferreich, Durch melden es ſich unter deſſen
Sherbeicehl ſtellte. Obſchon von der Pfordten
Mh den General von der Tann über den man»
xlbaften Zuftand Der öfterreichiichen Armee unter-
nhtet war, was er den Kammern verjchwieg,
zurde der Olmiter Vertrag von B. ratificitt.
ga den Kammern hatte die Regierung bei For-
derung eine® außerordentlihen MilitärcreditS von
31,512,000 fl. als ihr Programm die Erhaltung
des riedens m. im Falle des Friedensbruches
die Bertheidigung der Bundesrechte u. der Selb-
tindigleit Bes bezeichnet, morauf die 2. Kammer
den Credit einftimmig annahm, die Linke jedoch
mit der Verwahrung, daß fie damit die Bundes:
politit des Miniftertums nicht billigen wolle, fo
wenig als fie Die preußifche Politik billigen könne,
mie denn überhaupt auf den Berfammlungen die-
ver Bartei das Vorgehen des preußifchen Premier
in rüdfichtsiofefter Weiſe verurtheilt wurde. Die
Berheiligung B-8 am Krieg war, wie diefer lber-
haupt, furz u. wurde ohne rechten Ernft geführt.
Die Bayer. Armee, welcher es nicht gelang, ſich
nit den Hannoveranern zu vereinigen, wurde 4. Juli
ten den Preußen aus Thüringen zurüdgedrängt,
t num wurde um den Main gelämpft, bis die
Preußen 31. Juli im Rüden der B. in Nürnberg
einzogen. Schon 28. Juli aber hatte von der
Piorbten in Nikolsburg mit Preußen einen Waf—
fenftiliftand abgejchlofien, der am 2. Aug. beginnen
ſollte. Sofort rubten die Fyeindfeligleiten; doch
biieb der nördl. Theil von B. bis zum Friedens:
chluſſe von den Preußen befett; leßterer fand
22. Aug. in Berlin flatt; B. verlor durd den»
selben die Bezirke Orb u. Gersfeld mit 10,5 geogr.
PR u. 32,976 Em, an Preußen u. zahlte 30
Ril. Gulden an Sriegstoften. Zugleich ſchloß
von der Pfordten auch das Schu u. Trutz—
bündnig mit Preußen ab, das aber erft im März
des folgenden Jahres zur Keuntniß des Yandes
taım. Daß v. d. Pforten fo rafh vom Olmützer
Sertrage fih losſagte, Frieden Schloß u. fih auch
zu dem Schut- u. Trutzbündniß verftand, welches
3-8 Urmee für den Kriegsfall unter den Ober-
befehl Preußens ftellte, bewirkte die Eröffnung
Bismards, daß Fraufreih als Compenfation die
Abtretung deutichen Gebietes, darunter eines Theils
der Rheinpfalz, verlange, er aber ſolche For—
derung entjhieden abgelehnt habe. Der am 27.
Aug. zufammengetretene Yandta — den
Friedensvertrag, ſowie die 30 Mill. Kriegskoſten,
die 2. Kammer mit dem Beifate, e8 möge die
Einigung Deutihlands unter Mitwirkung eines
rei gewählten u. mit den erforderlichen Befugnif-
fen ausgeftatteten Parlaments erftrebt werden. Auch
die Öffentlihe Meinung in B. jprad) fi) auf Volls—
veriammlungen eutſchieden gegen die Trennung
zwifchen Nord» u. Siiddeutihland aus u. wandte
ſich, wenigſtens auf Seiten der Fortſchrittspartei,
entichieden zu Gunften Preußens. Prinz Karl, als
Feldherr durchaus discreditirt, legte im Dct. alle
feine militärifchen Würden nieder, u. dv. d. Pforb-
ten that im Dec. dafjelbe bezüglich feines Minifter-
poſtens, den ftatt feiner am 31. Dec. 1866 Fürſt
d. Hohenlohe Schillingsfürft einnahm. In den
45
Ye Anderungen eingetreten,
u. als Miniſter v. Pehmann, v. Grefier und
Schlör berufen worden; bedeutjamer aber war
die Entlaffung des jeitherigen Chefs des fal.
Cabinets, des Staatsrathbs Pfiftermeifter u. die
Erjegung deffelben durch den ſeitherigen Cabinets-
fecretär, früher Appellationsgerichtsratb Fuß. Da—
mit war mit dem alten Syſtem gebrocden, ı.
begann eine preußenfreundliche Politik der Regier-
ung. Das neue Minifterium begann feine Thä—
tigleit mit Berbefferung der Kriegsverfaffung, zu
welchem Zwede Anfangs Februar 1867 Conferen-
zen der Südftaaten in Stuttgart ftattfanden, die
Rh für Einführung der preuß. Heeresverfaſſung
ausiprahen. Umfonft aber bemühte ſich die bayer,
Negierung um das ABuftandefommen eines Siid-
deutihen Bundes; dagegen trat B. nicht ohne
Schwierigkeit dem von Preußen reorganifirten
Zollverein bei. Die Beichlüffe der Miniſterial—
conferenzen vom 3.-u. 4. Juni behufs Wieder-
herftellung des Zollvereins in dem Sinne, daß
die Gefetgebung in diefen Angelegenheiten einem
gemeinjchaftlihen Organ der Detheiligten Negier-
ungen u. einer Bolfsvertretung übertragen würde,
gefielen, obwol Hohenlohe an demjelben betheiligt
war, der bayer. Regierung nicht, da fie weder von
ihrem Liberum veto lafjen, noch Abgeordnete in
den Norddeutſchen Neichstag ſchicken wollte. Eine
desfallfige Miffton des Grafen Taufflirchen nach
Berlin erzielte zwar das Liberum veto nicht, aber
die Vertretung der Bevölferung des Zollvereins-
gebietes durch ein felbftändiges Zollparlament mit
eigener Gefhäftsordnung u. anftatt 4 Stimmen
6 im Zollbundesrathe. Damit gab ſich die bayer.
Negierung zufrieden, u. die Holivereinsverteäge
fonnten am 8. Juli 1867 unterzeichnet werben.
Am 8. Jan. 1867 wurde der Landtag eröffnet,
u, fofort ftellte die Fortichrittöpartei den Antrag
auf eine Adreffe an den König, welche engen An—
ſchluß an den Nordbund wünſchte, worauf Hohen»
(che die Erflärung gab, das Biel der bayer. Politif
ſei nationale Einigung mit dem Norden; vorerjt
aber fei e8 unerreihbar, daher das nächſte Biel
jegt Allianz mit Preußen, Unterordnung unter
feinen Oberbefehl gegen beftimmte Garantie der
Souveränetät des Königs; damit beruhigt, 309
die Partei den Antrag zurüd. Nachdem die Re—
gierung ben Entwurf einer neuen Wehrverfaffung
im Sinne der Stuttgarter Conferenzen vorgelegt,
die Linke den Antrag auf Vorlage eines Schulge-
ſetzes, auf Errichtung eines oberften Verwaltungs»
gerichtshofes geftellt, der Abgeordnete v. Staufs
jenberg gelegentlich feines Antrages auf Abſchaffung
der Todesftrafe den Juftizminifter v. Bombard in
einer Weife angegriffen, die deffen Entlaffung
herbeiführte u, endlich noch ein von *, der Kam«-
mer unterzeichneter Untrag eine Umgeſtaltung
des Minifterverantwortlichleit8-Gefetes dahin ver-
langt, daß künftig ein wirkliches Gefanmtftaats-
miniſterium mit voller Solidarität für alle Fragen
von allgemeiner Bedeutung in Wahrheit bejtehe zc.,
— murde am 23. März der Landtag vertagt.
Dem Wunfche nah einem Schulgefege entſprechend
hatte die Regierung einem betr. Entwurf am 16.
Aug. einer Fachmänner-Commiſſion vorgelegt,
Minifterien des Innern, des Cultus u. des Han-|tvag aber damit die Hlerifale Partei am ihrer
40
empfindlichiten Seite, da mit diefem Entwurfe die
Bezirtsichulinfpectionen, bisher fämmtlich (386)
in den Händen von Geiftlichen,, ihnen entzogen,
n. auch in den Ortsichulcommiffionen ihnen der
Borfig nur facultativ, d. h. wenn fie gewählt
würden, b:lafjen werden follte. Dagegen erhob
fh ein Adrefienfiurm an den Köniz, u. der Epi-
ſlopat protejtirte gegen folche Verlegung der un—
deräußerlichen Rechte der Kirche auf die Schule
sw. Gutchriftlihung derfelben. Der am 30. Sept.
wieder zufammengetvetene Landtag empfing mit
der Vorlage der BZollvereinsverträge mieder ein
Programm der Hobenlohejhen Politil dahin, daß
jet die Einigung des nun getrennten Deutichland
in der Form eines Staatenbundes zwifchen Norden
a, Süden erftrebt würde. Die 2. Kammer geneh-
migte die Zollvereinsverträge mit großer Majorität,
der Ausihuß der 1. verwarf fie, worauf ber
preußische Gefandte in München erflären mußte
(26. Oct.), daß die Bollvereinsverträge von 1865
am 30, Dct. gekündigt würden, wenn bis dahin
die Berträge vom 8. Juli nit angenommen
wären. Die höchſte Aufregung bemädhtigte fich
des Landes: Die 1. Kammer aber wollte nur
dann die Berträge annehmen, wenn das Liberum
veto B. belaffen würde. Sofort nah Annahme
biejes Antrages reiften Fürft Hohenlohe u. Frh.
d. Thüngen, Referent der 1. Kammer in Diejer
Sache u. Führer der antipreußifchen Partei, nad
Berlin, famen aber umverrichteter Dinge am 30.
Oct. wieder zurüd, u. nun bewirkte Frh. v.
Thüngen felbft die bedingungslofe Annahme der
Berträge; am 31. Oct., noch zu rechter Stunde,
waren fie genehmigt. Der Wehrgejegentwurf ging
erft nach verſchiedenen Anderungen u. gegenjeiti-
gem Nachgeben durch, die wichtigen, auf entſchie—
den freiheitlihen Grundlagen beruhenden, ſog.
Socialgeſetze, nämlich das über Gewerbsweſen mit
Gewerbefreiheit, u. die über Heimath, Verehelichung
u. Bürgerrecht erſt nach einigem Widerſtreben der
1. Kammer. Während dieſer 7 Monate dauern—
den Seffion wurden 10. Febr. 1868 die Boll
parlamentswahlen vorgenommen. Die Herifale
Agitation gegen den Schulgefegentwurf hatte auch
für diefe Wahlen ihre Früchte, — von den 48
von B. zu ftellenden Abgeordneten entfandte Die
Nerifalfe Bartei 26, die FFortichrittspartei 12, die
großdeutfche 9, die demokratiſche 1, — u. dieſen
Sieg auf Grund der allgemeinen u. directen Wahl
peranlaßte den Führer der Partei, Jörg, ſogar
in der 2, Kammer 26, März 1868 bie Regierung
dahin zu interpelliren, ob fie auch für die Land-
tagsmwahlen diefen Wahlmodus einführen u. noch
auf diefem Pandtage ein beireffendes Geſetz ein-
bringen wolle. Lautete die Antwort ber Regierung
ſchon ablehuend, jo gab eine noch viel deutlichere
Antwort der neue Deinifter des Inuern v. Hör-
mann — feit 30, März an Stelle des verfiorbenen
d. Pechmann — durch fein Eircular v. 9. April
an bie Kreisregierungen, wodurd er die Agitation
dei den Bollparlaınentswahlen u. gegen das Schul-
geſetz verurtheilte u. föniglihen Beamten das Un-
ziemliche der Theilnahme an folhen Demonftras
tienen 2c. vorhielt, worauf auch bald Penfionir-
ungen u. VBerfegungen jolder Beamten u. Negier-
ungspräfidenten erfolgten. In diefem Jahre wurde
Dayern (Geſch. bis 1870).
noch die neue Formation der Armee, aber chne
Anflug an das im Norden geltende Syftem durch—
geführt, u. war eine Einigung mit den Siüdftaaten
über das Feſtungsweſen zu Stande gekommen.
Inzwiſchen war der entlafjene Juftizminifter von
Bombard nah einem Interimiſticum von faft 5
Monaten durch den Gabinetschef Lutz erjett u.
Polizeidirector Pipowsti Gabinetschef geworden.
Beim Wiederzufanımentritte der Kammern 1869
wurde der in voriger Seffion geftellte Antrag des
Abg. Jörg auf Ginführung des allgemeinen
directen Wahlrechtes für die Yandtagswahlen mit
großer Majorität abgelehnt u. darauf in die Berath-
ung des neuen Schulgejeges eingetreten; daſſelbe
ſollte der Schule ihren confelfionellen Charafter,
den kirchlichen Oberbehörden die Anordnung u.
Yeitung des Weligionsunterrichtes wahren, die
übrige Leitung der Schule u. Erziehung etwa 56
bejonderen Beamten, geiftliden oder weltlichen,
als Dijtrictsichulinipectoren überlaffen. Die 2.
Kammer nahm zwar den Entwurf mit Abänder«
ungen an; da aber die 1. Kammer viel mehr
Adänderungen im Sinne der Geiftlichfeit verlangte,
denen die 2. Kammer nicht beitreten wollte, fo
fiel das Schulgejeg. In derfelben Seſſion wurden
die beiden freifinnigen Gemeindegefege — das für
das rechtörbeinische Gebiet u. ein anderes für die
Pfalz — vollendet, eine neue Givilprocefordnung
nit Offentlichkeit u. Diiindlichkeit, ein neues Straf:
verfahren u. Milttärftrafrecht angenommen. Mit
diefer am 29. April 1869 geſchloſſenen Seſſion
börte auch das Gjährige Mandat der 2, Kammer
auf, u. ftanden neue Yandtagswahlen bevor. Aui
beiden Seiten wurde mit größter Erbitterung ge»
rüftet u. gelämpft, aber der Herifalen Partei,
welche vor Allem die Wahrung der durch die
Politif des Minifteriums von ihr gefährdet gehal—
tenen Gelbftändigfeit Bis betonte u. fi deshalb
jegt die patriotifhe Partei nannte, ftanden neben
der Preſſe u. den von ihr gegründeten Eafinos u.
patriotiſchen Bauernpereinen ꝛc. noch Kanzel u.
Seelforge zu Gebote, u. jo erhielt diefelbe bei den
Wahlen am 22. Mai 79 Sige gegen 75 der
(iberafen Partei zufallende. Da infolge von
Wahlbeanftandungen zc. das Stimmenverhältnig
bei der Präſidentiſchaftswahl fich gleichftellte, 72
gegen 72, u. deshalb trog 7 Scrutinien feine
Wahl zu Stande kam, löfte die Regierung die
Kammer 6 Tage nad ihrem Zufammentritt, am
6. Oct., auf u. ordnete Neuwahl au. Diejelbe,
am 25. Nov. vorgenommen, fiel aber trog fünft-
licher Auderung verfhiedener Wahibezirfe für die
Regierung * ungünſtiger aus; die Klerikalen
erhielten 80, die Freiſinnigen bloß 74 Stimmen
(darunter aber 63 Fortſchrittsmänner). Unter
ſolchen Umftänden erbat das Minifterium ſchon
am folgenden Tage feine Entlafjung, doch erhiel-
ten diefelbe nur die Minifter des Innern u. des
Cultus, v. Hörmann u. v. Greffer, als die meift
angefeindeten; das Innere übernahm der Mini-
fterialratb im Handelsminifterium, Braun, das
des Cultus der Minifter Lutz unter Beibehaltung
des AYuftizminifteriums. Am 8. Jan. 1870 trat
der neue Landtag zufammen u. ward ımit einer
verſöhnlichen Thronrede eröffnet. Dagegen lie
ferten die Adreßdebatten in beiden Kammern den
Bayern (Gejch. von 1870),
Imeis des entfchiebenften Mißtrauens gegen die
Fol! des Fürfter Hohenlohe n. des Widermil-
end gegen Die Allianzverträge mit Preußen, u.
immten Diefen Außerungen auch jelbft die Oheime
des Königs, Die Prinzen Luitpold u, Adalbert, der
druder des Königs, Prinz Otto u. die auderen
4m der 1. Kammer anmejenden Prinzen zu.
dr König empfing die Adrefdeputationen nicht,
ie ih aber Die Adreſſen einjenden u. gab feiner
Anſchauung Dadurch Ausdrud, dag er den Prin-
zen bedeuten ließ, fie feien bis auf Weiteres vom
Beſuche bei Hof Dispenfirt, die Minorität der
Rechsräthe u. das Minifterium aber befonders
anszeihnete. Indeß lag do Mar, daß bei fol-
Kr Stimmung der Kammern ein Zufammen-
wirten der Regierung mit den Ständen unmöglich
fei, u. fo wurde am 7. März auch das Entlaffungs-
gefuh des Fürften Hohenlohe vom König anger
nommen u. das Auswärtige dem Grafen Bray
übertragen, der die Aufrechterhaltung der Allianz«
u. Bollverträge, aber auch Wahrung der Selb-
Händigfeit B-8 als fein Programm bezeichnete.
Die Kammer war eben bei Berathung des Mili-
täretats u. im Begriffe, auf die Anträge des Abg.
Kolb, des Statiftifers, die Militärverwaltung zu
emer anderen Heeresverfaflung zu drängen, unter
Behrhaftmahung aller jungen Männer, aber mit
furzer Präſenz, w. unter Befeitigung nutzloſen
Aufmwandes, als die franzöfifhe Kriegserklärung
fie zwang, davon abzuftehen. Der König wollte
Ah nicht vom übrigen Deutihland trennen, gab
am 16. Juli den Befehl zur Mobilifirung der
Arınee u. ließ am 18, dur den Kriegsminifter
einen Militärcredit von 26,700,000 fl. fordern.
Unter der furctbarften Aufregung im Sikungs-
faal, auf den Zribiinen u. vor dem Stäudehaufe
lam der Beſchluß zu Stande, daß für den Fall
der Unvermeidlichkeit des Krieges 5,600,000 fl.
für einmalige außerordentlihe Bediürfniffe, für
den Unterhalt des Heeres aber 12,660,000 fl. bis
letzten Oct. 1870 zu bewilligen feien. Am 20. Juli
erflärte B. feine Bereitwilligleit, an der Seite
Breufens gegen Frankreich zu kämpfen, u. am
27. Juli übernahm bereit8 der Kronprinz von
Breufen das Commando über die der britten
Armee zugewiefenen bayerifhen Truppen. Be-
lannut ift die überaus tapfere Haltung der Bayern im
Kriege u. ihr brüderliches Verhältniß r den
preuß. u. Übrigen deutſchen Truppen. ährend
des Krieges lam naturgemäß das künftige Ver—
hältniß zum Nordbunde zur Sprache. Bei den
desfalls gepflogenen Beiprehungen mit dem preu-
Sifchen Minifter Delbrüd ftellte die bayerische Re-
gierung eine felbftändige Verwaltung der Armee
u. bes Berfehrswejens, eigene Steuern u. eigene
Gejetgebung, bejondere Berüdfichtigung bei der
Leitung der auswärtigen Bolitif, ein Veto gegen
alle Berfaffungsänderungen u. Befreiung von
Beiträgen zu den Koften der deutjchen Flotte als
Beringungen feines Anfchluffes an den Nordbund:
Bedingungen, die man in Berjailles unannehm-
bar fand; erft als die Anträge der übrigen ſüd—
deutihen Staaten zur Yufnahme in den Bund
47
um dort neue Verhandlungen zu beginnen. Aber
immer waren die bayerischen Forderungen noch zu
hoch, jo da, während die Abjchlüffe mit den an—
deren Staaten bereits theil$ vollzogen, theils nahe
bevorftehend waren, beinahe ein Abbruch der Ver»
handlungen zu befürchten ſtand. Um nun aber nicht
iſolirt zu ftehen, ließen die Miniſter fich zu Con»
ceffionen herbei, u. fam am 23. Nov. 1870 der
Bertrag zwiihen B. u. dem Nordbunde zu Staude,
durch melden B. fid) immer noch feine eigene
Diplomatie, die Verwaltung der Armee, der Poft,
der Zelegrapbie, der Eifenbahnen, beiondere Bier—
u. Branntweinbefteuerung, ſowie Unabhängigkeit
von den Beitimmungen der Bundesverfajjung
über Heimaths- u. Niederlaffungsverhältniffe vor—
behielt. Der Bertrag, vom Neichstage 10. Dec.
angenommen, wurde 14. Dec, deu bayeriſchen
Kammern unter wärmfter Empfehlung von den
Diiniftern vorgelegt, nachdem bereits 4. Dec.
1870 König Ludwig II. die deutichen Fürſten auf-
gefordert hatte, dem König von Preußen den Titel
eines deutschen Kaijers anzutragen. Indeß ver-
zögerte die patriotifche Partei in der 2. Kammer
die Annahme der Verträge bis in die zweite
Hälfte des Januar; ja, es ftand fogar ein Jörg—
her Antrag zur Verhandlung, die Berträge zu ver⸗
werfen u, mit dem künftigen Deutfejen Reiche einen
weiteren Bund abzufchliegen auf Grund der inneren
Ausbildung des Allianzvertrages u. der Ausdehn-
ung der durch den Zollvereinsvertrag geſchloſſenen
verfaffungsmäßigen Berbindung. Indeſſen half
alles Widerftreben Nichts; die nationale Ström-
ung machte fi doch fchliehlich geltend, u, am 21.
Jan. wurden die Verträge nad 10tägiger Ber:
handlung mit 100 gegen 48 Stimmen angenom«
men. ie 1. Kammer hatte diejelben bereits
am 30. Dec. 1870 genehmigt. Ebenſo wurde
troß aller Gegenreden u. Öegenanträge der von
der Regierung verlangte Militärcredit (41 Mill.)
mit 146 gegen 4 Stimmen angenommen. Die
übrigen Landtagsverhandlungen boten fein Inter—⸗
effe mehr; die Seſſion ſchloß am 18. Febr. Am
3. März fanden die Heichstagswahlen ftatt: es
fanden fi nunmehr Liberale u. Patrioten ge-
genüber, u. fiegten diesmal die Erſteren, da fie
30 Mandate erhielten, dietegteren dagegen nur 18.
Noch war aber der Krieg gegen Frankreich nicht
zu Ende, als ein neuer, gegen das Papftthum,
hereinbrad. Durch die Aufftelung des Glaubens-
ſatzes der päpftlihen Unfehlbarkeit im Baticani—
jhen Concil wurde namentlih ein zwar wenig
zahlreicher, aber ungemein einflußreiher Theil
der Bevölferung B-8 lebhaft erregt. Die Univer-
frät Münden zählte jhon 24. Juli 1870 44
Lehrkräfte, welche ſich offen gegen die Ofumenici-
tät des Baticanifhen Concils u. gegen die Unfehl-
barkeit erflärten, u. die Regierung unterfagte 9.
Aug., die Concilsbeſchlüſſe ohne ihre verfafjungs-
mäßig feftgeftellte Genehmigung befannt zu machen.
Gleichwol veröffentlichten die bayer, Biſchöfe die
Eoncilsbeichlüffe theils von der Kanzel, theils
durh das Paftoralblatt, trogdem fie großentheils
noch vor Kurzem gegen das Dogma gejtimmt
dort angenommen waren, bejann man fi in|hatten; der Biſchof von Regensburg proteftirte
Münden eines Anderen, u. reiften die Minifter
Bray, Lug u. Pranfd (Krieg) mach Berfailles,
egen das Negierungsverbot, u. der Erzbiſchof von
— bedrohte ſogar ſchon die Gegner des
48
Dogmas mit dem Banne,
München verlangte von den theologischen Brofefioren
der Univerfität die unterfchriftlihe Anerkennung
der Concilsbeſchlüſſe; aber als fich diefem 6 von
9 Profefforen fügten, erhielten fie einen Verweis
vom alademischen Senat, u. wurde die Sade beim
Eultusminifterium als eine Amtsüberjchreitung des
Erzbiſchofs zur Anzeige gebradt. Indeß mehrten
fih unter Führung der Profefforen Döllinger u.
Friedrich die fatholifchen Gegner der Concilsbe—
ſchlüſſe, u. an vielen Orten wurden nad dem
Borgange Münchens Alttatholifenvereine gebildet,
u. aud unter den Geiftlichen zeigten fidh bereits
Gegner. Als einen derjelben die Ercommunica-
tion traf, verweigerte der Miniſter v. Lug dem
Biihof die Beihilfe des weltlichen Amtes dazu,
den Ercommunicirten von feiner Pfarre zu ent-
fernen. Auch Döllinger u. Friedrich wurden
excommunicirt; die Univerſität aber antwortete
darauf mit der Wahl des Erſteren zum Rector,
des Letzteren zum Mitgliede des Senats. Jetzi
wandten ſich die Biſchöfe an den König um
Wahrung der verfaſſungsmäßigen Rechte der
Kirche, jo daß von Seiten der Regierung Etwas
geihehen mußte; Graf Bray aber ſcheute ein
energiſches Vorgehen u. gab jomit feine Entlaffung,
die 22. Juli 1871 vom König angenommen wurde.
Zugleich wechfelte das Minifterium: Graf Hegnen-
berg-Dur Minifter des Auswärtigen u. Präfident
im Minifterrathe, Pfeufer Inneres, Fäuſtle Ju—
ftiz, Lug behielt das Lultusminifterium, Prankh
den Krieg, Pfregichner die Finanzen; das Handels-
minifterium wurde unter verichtedene Minifterten
getheilt. Graf —— u. Lutz übten nun den
Haupteinfluß. Letzterer wies 27. Aug. den Erz—
biſchof mit ſeinem Geſuche um Unterſtützung des
Staates ab. Auf eine Verſammlung angeſehener
Münchener vom 10. April, welche ſich energiſch
zu Gunſten des Altkatholicismus ausſprach, folgte
12. Juni eine ſolche altkatholiſcher deutſcher Gelehrter
unter Döllingers Vorſitz u. 22.—24. Sept. der alt⸗
fatholifhe Congreß, welchen 200-300 Abgeord-
nete aus Deutfchland u. den Nadbarländern be»
ſuchten. In diefem Monat trat aud der Land—
tag wieder zufammen, u. ergriff der Abgeordnete
Herz die Gelegenheit, das Miniſterium über feine
Stellung zu den kirchlichen ‚ragen, in denen bis
jet die Thaten durhaus nicht den Worten ent-
jprachen, zu interpelliren. Der Gultusminifter
erklärte darauf unter ausführlicher Darlegung der
Berhältniffe, daß das Minifterium den katholiſchen
Staatsangebhörigen, Geiſtlichen wie Weltlichen, welche
das neue Dogma nicht anerkannten, ftaatlichen
Schut gewähren, das religiöjfe Erziehungsrecht der
Eitern dem Dogma gegenliber aufredterhalten u.
jeden Eingriff in die Nechte des Staates auf ver-
faffungsmäßigem Wege abwehren werde. Obwol
die Kammermehrheit in diefer Rede des Minifters
eine offene Kriegserflärung erblidte, verwarf fie
doch eine Beichwerde des Biſchofs von Augsburg
wegen Verlegung verfaflungsmäßiger Rechte von
Seiten des Cultusminiſters in Behandlung alt-
katholischer Angelegenheit als unbegründet. Eben»
fo ward aber aud ein Antrag Kolbs auf voll
ftändige Trennung von Staat u. Kirche, n. zwar
Bayern GGeſch. biß 1873).
Der Erzbiihof von;
wie durch die der Ultramontanen, abgelehnt. Die-
jem Yandtage war es auch vorbehalten, im Inter—
eife der nationalen Politik über eine Weihe
bayeriſcher Gefandtihaften die Aufhebung zu be-
ſchließen u. vom Miniſterium bezüglich der Auf-
gebung von Nefervatrechten dahin belehrt zu
werden, daß biefelbe nicht von einem Votum des
Landtages, fondern nur von dem der Bevollmäch-
tigten im Bundesratbe abhängig u. daß ipeciel
bei Abihaffung von Reſervatrechten die Einmil-
ligung des betreffenden Einzelftaates nothwendig
je. Das Minifterium, Hegnenberg-Dur mar
eben entichloffen, den Übergang B-8 von dem
vollftändig jouveränen Staate zum Mitgliede des
Bımdesftaates, zur bumbesftaatlihen Stellung
durchzuführen: um fo jchwieriger war e8 bei der
vorhandenen Stimmung in den noch immer mei
großdeutih gefinnten höheren Kreiſen, wie bei dei
Haltung der Kammermehrbeit, eine Nachfolger
für den am 2. Juni verjtorbenen Grafen Heg-
nenberg-Dur zu finden. Nach faft dreimonatlicher
Bacanz“ wurde 24. Sept. dem FFinanzminifter v.
Pfregichner das Auswärtige mit dem Präfidium
übertragen, dem Minifterialrath Beer aber das
Finanzminiſterium. Dazwiichen fiel die Jubel—
feier des 400jährigen Beftehens der Univerfität
Münden, reſp. Jugolftadt-Landshut am 1. u. 2,
Aug., die, von allen Hochſchulen Deutichlands u, des
Auslandes befchidt, zu einer wahren Siegesfeier der
freien Forfhung wurde. Im politiichen Syitem hatte
fih durch das neue Minifterium nur das Eine geän:
dert, daß die Beziehimgen zum Reiche fi fort n.
fort günftiger geftalteten u. auf der Bahn des
Fortſchrittes unverhohlen weitergegangen wurde:
wo die Kammer der Einführung betreffender Ge—
ſetze fich widerfetste, ging das Minifterium auf
auderen Wegen vor, namentlich in der Schulfache
u. im den kirchenpolitiſchen Fragen, welche der
bayer. Minifter Lug durch feinen Antrag, betr,
Kanzelmigbraud, im Neichdtage aus einer ur-
fprünglid nur bayerifhen Frage zu einer deut-
jhen machte, Die desfallfigen Heichsgejeke fan-
den troß der Beichwerden u. Protefte des Epi-
ftopat8 umaufgehalten aud ihre Wirkfamkeit is
B., u. ebenjo die von den Landräthen genehmig-
ten Schulreformen; was hier noch fehlte, ergänzte
man auf dem Verordnungswege, u. jo famen die
confejfionell gemischten Schulen ftatt der bisher
getrennten u. die Stellung ſämmtlicher Erzieh—
ungs- und Iinterrichtsanftalten, namentlich der
Seminarien fir angehende Kleriler, bezüglich ihrer
Gründung u. Leitung unter die Oberauffidt des
Staates, u. hatte fich ſchon bei der Bertragsdebatte
1871 die Herilale Partei nicht feſt confolidirt
gezeigt, jo hatten die Debatten u. Abftimmungen
iiber die Beſchwerdeſchrift des Biichofs v. Augs-
burg u. über den Jmitiativantrag, betr, die Re—
jerpatrechte, eine offene Spaltung herbeigeführt, u.
bei der Präfidentenwahl anläßlich der Wiederer-
öffnung des Landtages 4. Nov. 1873 trat die
volle Zerflüftung derjelben zu Tage: e8 hatte fich
aus ihr eine freie Bereinigung ausgeſchieden, die,
wenn auch nicht zahlreich, doch den Ausichlag bei
den Abftinnmungen gab. So lam es, da jelbit
der Ermweiterung der Competenz des Heiches über
dur die Majerität der Nationalliberaien ebenſo, das bürgerliche Hechtswefen Die Kammer zuſtimmte;
Bayfield — Bayle. 49
dagegen wahrte fie ihren particulariftiichen Stand-| Sitten der damal. Zeit von unfhägbarem Werthe
punft gegenüber der Forderung auf Aufhebung | (durd Stahlftid vervielfältigt, Lond. 1855 u. 1873).
ammilicher bayerischen Gefandtihaften. Kurz vor B. ift der Geburtsort der Gebrüder Ehartier. —
Bertagung des Landtages wurden die Reihstags-|B., zur Römerzeit Auguftodunum, war eine Stadt
wahlen vorgenommen, 10. Jan. 1874, bei mwel-|der Bajocaffer (Bodiocaffer), wurde im 4. Jahrh.
Gen die Kleritalen in 82 Wahlbezirken ſiegten, Biihofsfig u. im Mittelalter Hauptort des Landes
während die Liberalen, die für den erften Reichs- Beifin. Später theilte B. alle Scidfale der
tag 30 Site hatten, nur in 16 Wahlkreifen die| Normandie u. wurde mehrmals belagert u. erobert,
Mojorität erhielten. Beſchwerden über die ober-|fo 1346, 1417 u. 1450 von den Engländern; im
birtlihe Agitation bei diefen Wahlen vor diej16. Jahrh. empfanden hier die rebellirenden Nu-
Kammer gebracht, mußte der Eultusminifter als pieds die Strenge Ludwigs XIII u. wurden bie
unbegründet zurückweiſen: ungefeglihe Handlungen, |Hugenotten von Ludwig XIV. graufam verfolgt.
eıne Berleung des Blacet, lönnten in den die Reichs» Bahfield, 1) Eounty im nordam. Unionsftaate
tag&mwahlen weg ren nei nicht erkannt) Wisconfin, unter 46° n. Br. u. 90° w. L., an
werden. Nah Wiederzufammentritt der Kammer|derfong-Fsland-Bai des Oberfees (Lake superior);
hatte fich diejelbe wegen einer perjönlihen Be-]344 Ew. 2) Countyfit des vorgenannten, unter
chwerde eingehend mit dem Jeſuitengeſetze zu be-]46° 18° mn. Br. u. 90° 50° m. 8,
ihäftigen u. beftritt die Competenz des Reiches) Bay⸗-Inſeln (Colonie der B.J.), Name einer
zum Eriop diefes Geſetzes. In diefer Seffion] Gruppe Heiner Inſeln in der Bai von Honduras,
warb auch noch der allgemeinen Gehaltsaufbefjer- |nahe der nordöftl. Küfte des Staates Honduras;
ung der königlichen Beamten durch Bewilligung|zu ihnen gehören Roatan (Ruatan), Bonaca,
einer ſolchen auch für die katholiſche u. proteftan-|Utila, Barburet, Moratte u. Helena; Producte:
tiſche Pfarrgeiſtlichkeit der Schlußftein eingefügt.| Bananen, Eocosnüffe, Yamswurzeln; Handel u.
Die Mitte Februar 1875 wieder eröffnete u. am| Schifffahrt unbedeutend; etwa 5000 Em., Mid:
16. April gefchloffene Seffion, welde namentlich linge von Indianern u. Negern, wenige Europäer
den Anfauf der OBahnen durch den Staat ge-Jin Eoren-Hole, dem Hafen von Roatan, Um den
nebhmigte, war die letzte biefer Wahlperiode.
neues Wahlgeſetz kam nicht zu Stande.
einer Differenz mit der Kammer trat ber
minifter von Prankh von feinem Poften zurüd u.
murde durch den mit ihm denſelben politiichen
Standpunkt theilenden General von Maillinger
eriett. Für die im Herbfte vorzunehmenden Neu-
mablen beginnen beide Parteien bereits mit ihren
Rüſtungen zum Wahlfampfe, der ein ziemlich
heftiger werden wird.
Literatur: v. Fallenſtein, Geſchichte der alten,
mittleren u. neueren Zeiten des Serzogth. und
ebemal. Königr. B., Münd. 1768, 3 Thle., Fol.;
Haid, Bejchichte von B. von 1180— 1778, Regensb.
1779; Fepmaier, Geſch. von B., Landsh. 1804;
Mannert, Die ältefte Geſch. Bojoariens u. feiner
Beroohner, Nürnb. u. Sulzb. 1807; Derf., Die
Geih. B-8 nad den Quellen, Lpz. 1826, 2 Bde.;
Heinr. Ziolfe, Bayer. Geihichten, Aarau 1818
bis 1818, 2. Ausg., 1821, 4 Bde.; Buchner, Geſch.
von B. aus den Duellen, Regensb, u. München
1820—55, 10 Bde.; Böttiger, Geſch. B-8 nad
feinen alten u. neuen Beftanbtheilen, Erl. 1832;
v. 2erchenfeld, Geſch. B-8 unter König Mar Jo—
ſeph IL, Berl, 1854; dv. Spruner, Leitfaden zur
Geich. von B., 2. A, Bamberg 1853.
Bahersdorf, Stadt, jo v. m. Baiersborf.
Bayeur, Hauptft. des gleihnam. Arr. im
franz. Dep. Ealvados, unmeit der Mündung der
Aure in den Kanal, in einem fruchtbaren Thal;
itz eines Suffraganbifchofs von Rouen; Handels-
ericht; Börje, ichöne u, reiche Kathedrale; Ber-
igung von Leinwand, Spigen, Blonden, Leder,
Porzellan; Handel damit; 8536 Em. Im hieſ.
Stadtarchiv befindet fi) die berühmte Tapete
(Tapisserie de B.), welde bie Eroberung Wil
beims des Eroberer von England darftellt u.
angeblich von defjen Gemahlin Mathilde geftidt
iſt. Diefelbe hat eine Länge von 70 m, bei 50
em Breite, u. ift in Bezug auf die Trachten u.
Piererö Univerfal-Eonverfationd-?erilon. 6. Aufl. II. Band.
in Beſitz diefer wenig probuctiven und wafferarmen
nfolgeInſein iſt feit ihrer ——
iegs⸗(1602) oft geſtritten worden.
durch Columbus
ugliſche Freibeuter
nahmen 1642 von der größten derſelben, Roatan,
Befitz, wurden aber 1650 von den Spaniern ver-
trieben. Roatan, bis 1742 unbewohnt, da die
früheren Bewohner nad Amatigue ausgewandert
waren, murde von den Engländern birftig colo-
nifirt und befeftigt, 1782 von den Spaniern
urüderobert u. blieb bis zur Lostrennung Central
merilas (1822) unter deren Herrſchaft, worauf
fie an die Republik Honduras kam. 1852 erflärte
der Superintendent von Balize Roatan u. die
übrigen B.⸗J. für eine britiihe Golonie, wogegen
Honduras u. die Vereinigten Staaten Proteft er-
hoben. Nah langen diplomatiſchen Unterhand-
lungen trat England am 27. Aug. 1856 die B. J.
wieder an Honduras ab, mit der Clauſel, daß
diefelben niemals, fei e8 ganz, oder theilmeije,
an einen anderen Staat überlaffen werden dürften.
Bayle, 1) Pierre, berühmter philoſophiſch-
theologiſcher Kritifer, Polyhiftor, geb. 18. Novbr.
1647 zu Carla in Languedoc, Sohn eines refor-
mirten Prediger ; lernte ſchon als Knabe mit fo
leidenfhaftlihem Eifer, daß er feine Geſundheit
aufs Spiel jegte, ging in Zouloufe, wo er im
Jefuitencollegium philofophifche Borlefungen hörte,
zum Katholicismus über, entfloh aber 1670, kehrte
in feine frühere Glaubensgemeinfchaft zurüd u. be-
geb fi, um nicht von den firengen Apoftafiegefegen
etroffen zu werden, nach Genf, wo er die Eartefia-
nifche Philoſophie ftudirte, war dann Hauslehrer
in Coppet am Genfer-See, in Rouen u. in Baris,
wurde 1675 Profeffor der Philofophie in Sedan,
entfernte ſich, als Ludwig XIV. 1681 die refor-
mirten Schulen aufbob, u. wurde befoldeter Lehrer
der Philofophie u. Geſchichte zu Rotterdam. Hier
gab er ohne feinen Namen, der aber nicht ver-
orgen blieb, einige Schriften heraus, die feinen
literariihen Ruhm begründeten: einen Brief gegen
4
50
den Sometenaberglauben, Köln 1682, 2. Aufl,
1683; eine Widerlegung der vom Jeſuiten Louis
Maimburg verfaßten Geſchichte des Galvinismus,
Bille-Frandhe 1682, fortgejetst 1685, 1694, 1704;
eine Sammlung von Auffägen über den Gartefia-
nismus, Amfterd. 1684, und die Monatsichrift:
Nouvelles de la republique des lettres, die er
1684—87 redigirte. Gegen den Widerruf des
Edicts von Nantes, die Dragomaden u. die Yob-
rebner des füniglichen Ketervertilgers erhob B. ſich
in zwei Schriften, die 1686 mit den Drudorten
St. Omer u. Canterbury ohne feinen Namen er:
idienen: Ce que c’est que la France toute
catholique sous le rögne de Louis le Grand u.
Commentaire philosophique sur ces paroles de
Jesus Christ: Contrains d’entrer, ete. Auf die
letztere Schrift richtete der Calviniſt Jurieu feine
Angriffe, befchufdigte fie des Indifferentismus u.
gab zu verftehen, daß er B. für den Autor halte,
Diefer veröffentlichte num, wieder ohne feinen
Namen, eine Fortſetzuug, u. von feiner Hand ge»
ichrieben fam eine Spottfchrift über die nament-
ih von Jurien aus der Apofalypje geichöpften
Hoffnungen auf die baldige Wiederaufnahme der
Keformirten in Frankreich zu Amfterdam in die
Druderei. Nach Erſcheinen diefer Schrift (1690)
warf Jurieu auf B. den Verdacht einer Ber:
ſchwörung, durch weiche Frankreich u. die Katholische
Kirche in den Beſitz der Alleinherricaft geſetzt
werben follten. B. machte (1691) dieſe Verdächtig—
ung lächerlich uw. juchte zu beweifen, daß er die
angefochtene Spottichrijt nicht verfaßt habe. Jurieu
erhob eine fürmlihe Klage; beiden Theilen wurde
Schweigen auferlegt, ohne Erfolg. 1693 wurde
B., angeblid wegen der in feiner Kometenfchrift
ausgejprochenen gottloſen Lehre, jeines Amtes ent-
fest. Dann gab er fein bereits i. J. 1692 an-
gefündigte® Hauptwert: Dietionnaire historique
et eritique, 1695—97, zu Rotterdam in 2 Fol.«Bdu.
heraus, die erfte Schrift, die, ohne daß er es
wollte, unter feinem Namen erichien; 2. A. 1702,
Aufl, mit feinem Leben von Des Maizeaux, Amfterd,
u. Leyden 1740, 4 Fol. Bde., neueſte Aufl., Par.
1820, 16 Bde., deutich von Gottſched mit Anmerf-
ungen, 4 Fol.Bde., Lpz. 1741—44, von Schneider,
Yeipz. 1801—4, 8 Bde. (unvollendeter Auszug,
der nur die philofophifhen Artikel enthält), von
Jacob, Halle u. Leipz. 1797, 2 Bde. 1704—5
veröffentlichte er zn Rotterdam feine Reöponse aux
questions d'un Provineial, eine Sammlung von
Auflägen vermiichten Inhaltes, 3 Bde. Er fümpfte
in feinen legten Jahren mit Clerc u. Jacquelot,
die ihn der Abficht beichuldigten, das Chrijten-
thum, wo nicht alle Religion, zu untergraben.
Dem Letzteren antwortete er in der Schrift: En-
tretiens de Maxime et de Themiste. Noch hier-
mit befchäftigt, ft. er 28. Dec, 1706. Lettres,
Rotterd. 1712, Amfterd. 1729; Ausg. der jänumt-
lichen Werke, mit Ausnahme des Dictionnaire
historique et eritique, Haag 1725 ff., 3 Bde.
(der 3. Theil in 2 Abtheilungen). Vgl. Des Mai-
jeaur, La vie de Pierre B., Amfterd. 1730, Haag
1732, 2 Bde., deutih von Kohl, Hamb. 1731;
2. Feuerbach, Pierre B., ein Beitrag zur Geſchichte
der Philojophie u. Menſchheit (ſämmtliche Werte
Bd. 6, 2. Aufl., Lpz. 1848). 2) Gaspard Lau—
Baylen.
rent, vorzügl. Arzt, geb. 18. Aug. 1774 in Ver—
net (Provence); erhielt eine jorgfältige Erziehung,
wollte erft Theolog werden, entichted fi dann
für Jurisprudenz, befam aber während feines
Aufenthaltes in Montpellier, wohin ihn die be»
forgten Eltern wegen einer kühnen politiichen Rede
gefhidt hatten, Luft zur Medicin, trieb mit Eifer
die neue Wiffenfchaft, ging 1798 nah Paris,
promopvirte dort 1801, wurde 1807 adjumgirter
Arzt der Charite u. 1808 Arzt des laiſerl. Haujes;
mit der Armee nach Spanien gegangen, febrte er
dann nad Paris zurüd u. wurde hier einer der
beliebteften Arzte, der namentlich den Armen ge-
genilber eine bewundernswertbe Aufopferung zeigte.
Sein großes wiſſenſchaftl. Verdienft befteht in der
Heranziehung der patholog. Anatomie in die Praxis;
feine Arbeiten über Krebs u. Lungenſchwindſucht find
muftergiltig. Er ft. 11. Mai 1816. Bon feinen
Werten jet erwähnt: Considerations sur la no-
sologie, la medecine d’observation et la mede-
eine pratique, suivie de l’histoire de maladie
gangreneuse non döerite jusqu’a ce jour, Bar.
1802; Recherches sur la phthisie pulmonaire,
ebd. 1870. Außerdem finden fich bemertenswerthe
Abhandlungen von ihm im 5., 6., 9., 10. u. 11,
Bde. des Journal de medeeine von Gorvijart
u. Lerour, im Nouveau journal de medeecine,
u. bie Artilel: Anatomie pathologique, Odeme
de la glotte und Cancer, um Dictionnaire des
seiences medicales. 8) Antoine Laurent
Seife, geb. 13. Jan. 1799 zu Bernet; ftudirte in
Paris, promovirte 1822 ebendort, wurde 1826
Professeur agröge, Bibliothelar der medicinischen
Facultãt, 1836 Interne der Givilfpitäler u. danach
Arzt der Maison Royale des Aliénés zu Char-
venton. (Er gab heraus: Recherches sur l’ara-
chnitis chronique, la gastrite et la gastro-
enterite et la goutte considerees comme causes
de l’alienation mentale (Diss, inaug.), Bar. 1822;
An herpetis curatio specifica? Par. 1823;
Petit manuel d'’anatomie descriptive, Par, 1823,
1824, 1826; Nouvelle doctrine des maladies
mentales, Par. 1825; An variae organorum de-
generationes ab una et eadem causa pendent ?
Par. 1826; Traite des maladies du cerveau et
de ses membranes, Par. 1826; in Verbindung
mit Hollard: Manuel d’anatomie generale, Bar,
1827; Memoire sur l’existence de la paralysis
du meme cöte que la lesion cerebrale qui l’occa-
sionne, Paris 1824; verjchiedene Mémoires über
Krebs des Herzens, über einige Punkte der Phyfio-
logie u. Pathologie des Nervenfyftens, Par. 1824,
über anomale Gicht, Par. 1824, über Ginnes-
täufhungen bei Irren, Bar. 1825 , über pudrite
Fieber, Par. 1826, über Geiftesfrankheiten im
encpklopädiiher Forın. Seit 1828 gab er die
Bibliotheque de therapeutique heraus; jeit 1835
die Encyclop. des sciences medie.; Traits &@le-
mentaire d’anatomie erſchien 1834. 2) 9) Thamhayn.
Baylen, Stadt in der ſpan. Prov. Jaen (An-
dalufien), am Fuße der Sierra Morena; Palaft
des Herzogs von Arco, 4 Armenhäufer; Setreide-
u. Weinbau, Zöpferei; 7830 Ew. Hier im
Span.-Portugiej. Befreiungsfriege am 23. Zuli
180% Gapitulation der franzöl. Armee unter Ge-
neral Dupont, welche von den Spaniern unter
Baylen — Bayonnet.
Eoftafios, deshalb zum Herzog d. B. ernannt, u.
Reding eingejchlofien war. Auch die meit nörbl.
febende Divifion Wedel wurde mit eingeichloffen.
Die 14,000 Franzoſen follten vertragsmäßig nad
Frontreih geichafft werden; die Spanier brachen
aber ven Bertrag u. hielten fie in den Kerferu u.
Bontens zu Cadiz gefangen.
Baylen, Herzog v. B., ſ. Caſtaños.
Bayles (ipan.), Unterrichter in Dörfern u.
Deinen Städten.
Baynes, 1) Thomas Spencer, engl. Phi⸗
leſoph, Sohn u. Schüler des Edinburgher Prof.
der Zogit William Hamilton (f.d.), Prof. der Logit u.
Rhetoritanderliniverfität St. AndremsinSchottland.
öl
1461, und Dunois u. der Graf v. Foix nahmen
diefelbe durch Gapitulation; von da ab blieb die-
jelbe bei Frankreich. Das Gouvernement nebit
der Hälfte der Steuern verlieh Heinrich IV. feiner
Geliebten Coryſandra von Grammont erblidh;
Richelieu fchenkte e8 einem feiner Secretäre, der
es um 26,000 Fr. an die Stadt verkaufte. Hier
im Juni 1665 Zufammenktunft Karls IX., feiner
Mutter Maria don Medicis, feiner Schweſter
Elifabeth, Königin von Spanien, u. des Herzogs
Alba, bei welcher die Ausrottung der Proteftanten
in Spanien u. frankreich verabredet wurde. 1572
bier graufame Verfolgung der Proteftauten. 1674
wurde die neue Bejeitigung B-3 von Bauban be-
Werte: An essay on the new analytic of logical|gonnen. In der folgenden Zeit ſank B. dur
formswithahistoricalappendix, Edinb. 1850,2.4.,
1853; jodann eine Über). von Arnaulds Logique |feit 1784 der
de Port-Royal, 2, A., 1854, u. a. 2) Robertju. B. zum Freibafen erflärt wurde.
Hall, engl. Geiftliher u. Dichter, geb. 10. März
1831 zu Wellington in der engl. Grafſch. Somer-
jet; bezog 1856 die Univerfität Orforb, wo er in
St. Edmunds Hall 1859 Magifter ward. Zum
Briefter gemweibt, erhielt er zuerft die Stelle eines
Hüfspredigers in London (in Whitechapel), 1862
eıne Pfarre zu Maidftone, 1866 eine andere zu
Coventry u. ward 1870 zum Biſchof von Mada—
Scar ernannt. Er ift der Berfaffer von: A
panion to the Communion Service of the
Church of England, 1859; The Canterbury
Hymnal, 1863; Autumn Memories and other
verses, 1868, umb mehrerer anderer Gedicht-
kenımfungen: Lyra Anglicana, English Lyrics,
Books of sacred Poems, u. 1874: Home Songs
for quiet Hours, ſowie das Manual of Family
Prayers, The Chariot of Israel u.a. m.
une, Hauptft. des gleihnam. Arr. im
franz. Depart.
fluffe der Nive mit dem Adour;
mit Eitadelle, von Bauban erbaut; SKriegsbafen
(kur zwei lange Molos gefihert) mit Loire.
werften n. Arjenal; Sit eines Suffraganbifchofs
von Auch; Handelsgericht, Börfe, tbeologiiches
Seminar, Semannsihule, Zeichenfchule, Münze,
Kathedrale; Handel mit Wein (B-er Wein, bef.
zum Berihneiden leichter Weine, der befte Ju-
rancon blanc). Branntwein, Getreide, Ol, Cho-
colade, Schinken (B-r Schinken, bei. groß und
wohlihmedend), Leinwand, Papier, Glas, Leder,
Maftbänmen, Dielen zc.; 27,173 Ew., wovon je»
doh nur 17,977 in der — Stadt; Ge»
burtsort von Lafitte und Ravignan. — B. foll
ſchon zur Römerzeit ımter dem Namen Lapur-
dum eriftirt u. zum Lande der Tarbeller gehört
haben; e8 war fhon im 4. Jahrh. Feitung umd
ndelsplat. Das Bisthum wird bis zum 9.
ahrh. zurüdgeführt. Die Herzöge von Gascogne,
von melden gegen das Ende des 10. Jahrh. die
Rormamıen vertrieben wurden, gaben der Stadt
viele Privilegien. Den Engländern, welche ſich
1153 der Stadt bemädtigt hatten, fchidten die
Einwohner 1224 30 Galeeren gegen Frankreich
zu Hilfe. 1292 ging dur einen Matrofenftreit
von B. der Krieg zwilchen Frankreich u. England
ans, u. wart dajfelbe 1293 — 95 von den **
zoſen beſetzt. In einer Fehde mit dem von den
franz. Königen unterſtützten Adel unterlag die Stadt
eichränfung des Handels, doch hob es fich wieder,
eg nah Amerika freigegeben
In der Re—
volution ward die Bevölkerung größtentheils zur
Auswanderung genöthigt, das Bisthum kam nach
Pau, aber 1801 durch das Concordat zurück. Hier
auch Vertrag im Mai 1808, wo Karl IV., König
von Spanien, zu Gunften eines von Napoleon zu
beftimmenden Nachfolger der Krone entiagte u.
der Prinz von Afturien (Ferdinand VII.) diefen
Vertrag gezwungen anerfannte; j. Spanien. Am
10. Mai deſſ. F. die B-r Convention zwifchen
sranfreih und dem Großherzogtum Warſchau,
wodurch u. a. die Berliner Bank u. Scehandlung
20 Mil. The. verlor. 1814 ward B. vergebens
dur die Spanier u. Engländer belagert. 1833
bis 1839 war B. der Sammelplatz der jpanifchen
Emigration u. eine Art Operationsbafis im Car-
liſtiſchen Kriege in Spanien, fowie ein Sammel:
punft der ſpaniſchen Emigranten.
Bayonnet (fr. Bayonnette), anfangs zwei-,
ieder- Pyrenäen, am Zufammen- |fpäter dreifchneidige Stoßwaffe der Infanterie, auf
Feſtung das Gewehr gejett. Einige glauben, es fei von
den Malaien, die auf das Gewehr ihren Kris
pflanzten, zu den Holländern gelommen, die es
bei ihren Kegimentern in Oftindien anmenbeten;
die Mehrzahl nimmt an, es fei zu Bayonne 1640
erfunden, 1647 aber von den Franzoſen zuerit
in den Niederlanden u. von 1679 an allge
mein angewendet worden, obgleih erft fpäter
die Schweden und jeit 1732 die Preußen einen
umfaffenden Gebraud davon machten. Das B,,
welches in Gewehrfabrifen von den Bſchmieden
gemadt wird, beſteht aus einer langen, meijt
dreifchneidigen u. hohl ausgeſchliffenen Klinge (B
tlinge) u. einem hohlen Cylinder, weldher das Ge—
wehr umſchließt (B-dille); beide verbindet der
Bhald. Die Dille wird entweder mittels eines
bakenförmigen Einfchnittes, in welchen ein Feiner,
am Laufe befeftigter eijerner VBorjprung (B-warze)
paßt, oder, wie bei den franzöftichen Gewehren,
mittel$ eines darım gelegten Ringes (B-ring),
oder, wie bei den preußiichen, mittel$ einer mit
dem Laufe vernieteten Feder (B»feder) befeftigt.
In neuerer Zeit erjegt man das B. dadurch, daf
das Seitengewehr des Jnfanteriften als Hau-B.
mittel8 einer bejonderen Vorrichtung auf das Ge—
wehr gepflanzt wird (in Frankreich: B.-Säbel,
Sabre poignard, Matagan, ſ. d). Dadurch wird
das Gepäd des Soldaten erleichtert, u. das Ge—
wehr ift bequemer zu tragen u. zu handhaben,
4*
52
da das Hau-®. nur im Falle des Bedarfes, d. h.
beim Nabtampfe u. gegen Cavalerie, aufgepflanzt
wird. Das B. dient weſentlich dem moraliſchen
Element, denn zum wirklichen Gebrauche deſſelben
fommt e8 im Gefechte äußerft felten. B=-attafe:
der früher als Ausihlag gebend ſtets angewandte
Maffenangrifi; in der neueren Taltik, der ge
fteigerten Feuerwirkung der neueren Gemehre
wegen, duch Angriffe Heiner Eolonnen u. ftarfer
Schützenſchwärme erſetzt. Bayonnetiren: das
Fechten mit dem Bayonnetirgewehre, jetzt in allen
Armeen geübt, hauptiächli um dem Jnfanteriften
Vertrauen zu feinem Gewehre auch als blanler
Waffe zu geben,
Banpoor, j. u. Baipur.
Bayreuth, A. ehemal. Fürftenthumim Fränki—
‘hen Kreife; getheilt in Oberland (oberhalb des
Sebirges, mit den Städten B., Kulmbad, Wun-
fiedel, Hofu.a.) u. Unterland (unterhalb des Ge-
birges, mit Erlangen, Neuftadt a. d. Aiſch u. a.);
jenes gebirgig (+sichtelgebirge), mit Walbung,
Bergbau (Eiſen, Marmor, Alaun, Thon zu
Fayence), Viehzucht, Flachsbau; dieſes flach, etwas
andig, doch fruchtbar; Fliiſſe: Main, Eger, Naab,
Saale, Rezat u.a.; umfaßte 1807 3579,,,[_] km,
mit 251,000 meift Iurheriihen Ew. Die ältere
Geſchichte eines er. des Landes, ber jpäter
Fürſtenthum Kulmbah oder B. genannt ward,
jällt mit der Geſchichte von Ausbach (. d.) zu-
fammen; ein beträchtlicher Theil gehörte im 12.
u. 13. Jahrh. den Herzögen von Dieran. Als
1248 Otto, der legte Herzog von Meran, geftorben
Baypoor — Bayreuth.
der Jüngere Alcibiades B. durch das Loos.
Diefer, ein friegerifcher u. ausfchweifender Fürſt,
focht zuerft für Kaifer Karl V. gegen die Pro-
teftanten u. ward durch die furjächfiichen Truppen
1547 bei Rodlig gefangen, aber nad der Mübhl-
berger Schlacht wieder befreit. Nun verfuchte er
bald dur Drohungen, bald dur Lift u. gute
Worte, feine Untertbanen zur Annahme des In—
terims zu bewegen, aber umfonft. 1551 belagerte
er Magdeburg mit Kurfürft Morig von Sachſen;
1552 verließ er bes Kaifers Sade, um ſich mit
Frankreich zu verbinden, entrig den Bilchöfen von
ürzburg und Bamberg u. der Stadt Nürnberg
bedeutende Gebietstheile u. trat mit dem Ber-
langen, daß ihm diefe Eroberungen beftätigt miir-
den, plöglic wieder zum Kaifer über. Die Be-
theiligten aber eroberten das ihnen Genommene
wieder, nachdem fie 1552 mit Kurfürft Morig
von Sachſen u. Herzog Heinrih von Braunſchweig
einen Bund zu Eger gegen Albrecht geichloffen
hatten. Nach der Befiegung Albrechts bei Sievers-
haufen wurden feine Länder bejegt, die Feſtung
Plaſſenburg erobert u. Albrecht jelbft geächtet.
Unftät u. flüchtig irrte er umber u. fuchte Suflucht
in Frankreich bei König Heinrih Il. Er ft. den
8. ‚jan. 1557. Auch er hinterließ feine Kinder,
u. B. warb wieder mit Ansbad vereint, Nach
dem Tode Georg Friedrichs von Ansbach (1603),
der die größte Mühe gehabt hatte, die jequeftrir-
ten Güter in Befig zu befommen, fielen die frän-
füihen Markgrafihaften nah dem Geraifchen Erb»
vertrage von 1598 an die brandenburg. Kurlinie.
war, fam ein Theil don feinen Ländern, nämlich) Durchs Loos erhielt Chriftian, Sohn des Kurfürften
B., Weidenberg u, a., an die burggräflide Fa-Johaun Georg, das Oberland, fein Bruder Foa-
milie, nämlich an Friedrich, ſpäter als ———— chim Eruſt das Unterland.
der III. dieſes Namens, deſſen Gemablin Eltfja-
beth eine Schweiter jenes Otto war. Friedrich III.
u. feine Nachfolger machten noch bedeutende Er-
mwerbungen dazu. Bei der ZTheilung unter bie
Söhne des Burggrafen Friedrich V. 1398 erhielt
der jüngere, Friedrich (VI.), das Land zu Franken,
der ältere, Johann (als Graf von Hohenzollern),
das Yand oberhalb des Gebirge mit B. Derſelbe
refidirte zu Plaffenburg, erwarb Krailsheim u.
Erlangen; er ft. 1420 ohne männliche Erben, fein
Land fiel daher au feinen Bruder Friedrich VI.,
feit 1417 Markgraf von Brandenburg, als folder
Bon 1603—1763
waren bie beiden Fürſtenthümer getrennt. Chri«
ſtian nahm feine Refidenz zu B., u. ſeitdem wurde
ber Name Markgraf von Brandenburg-B. der
gewöhnlichere. Chriſtian erbaute die hohe Baftei
Ehriftiansburg zu Blaffenburg, u., nachdem zwei
furdtbare Brände die Reſidenzſtadt B. 1605 u.
1621 heimgeſucht hatten, die dortige Hauptfirche
(Stadtlirde) u. die Kanzlei (jekt Re terungöge-
bäude). Er förderte die Sache des Vroteauns-
mus ın feinen Ländern u. nahın, nachdem er fidh
an Guftan Adolf angefchloffen, thätigen Antheil
am 30jähr. Kriege. Im Sept. 1632 wurde Plaf-
Friedrich I. Bon diefem erbte 1440 das Fürften- |jenburg von Wallenftein vergeblich belagert, B.
tbum ober dem Gebirge fein ältefter Sohn Jo—
hann IV., der Aldyemift, trat e8 aber 1457 ſei—
nem Bruder Albredt Achilles, welcher das Für—
ftenthbum unter dem Gebirge erhalten hatte, ab u.
zog auf das Schloß Scharfened bei Bayersdorf;
er fi. 1464. Die beiden Söhne von Albrecht Achilles,
der 1471 Herr aller brandenburg. Lande gewor-
den war, Friedrich u. Siegmund, regierten ge-
meinfchaftlih bis 1495, im meldem Fahre der
Letztere kinderlos ftarb, u. 8. fiel wieder an Ans-
bad, mit dem es nun 46 Jahre vereint blieb,
indem bie Söhne des Marlgrafen Friedrich,
Georg der Fromme u. Kaftımir, gemeinfam rer
gierten. Als der Legtere 1527 fl., regierte Georg
als Vormund des unmlündigen Sohnes feines
Bruders Kafımir Albrechts bis 1541 über B. u.
Ansbach. 1541 zwang ihn fein Neffe zur Nieder
legung der Bormundidaft, u. mun erhielt Albrecht
dagegen erobert u. geplündert. Der Markgraf
mußte fliehen; er begab ſich nad Dresden. 1635
trat er dem Prager Frieden bei. Nun drangen
1639 die Schweden ins Land u. hauften darin
ebenfo, wie vorher die Kaiferlihen u. die Bayern,
Sie blieben bis 1648. Der Martgraf fl. 1655.
Sein ÜEntel, Ehriftian Ernſt, Sohn des 1651
verftorbenen Prinzen Erdmann Auguft, folgte ihm,
ftand aber bis 1662 unter Bormundfchaft feines
Oheims Georg Albrecht (f. unten) u. des Kur-
fürften Friedrih Wilhelm von Brandenburg. Er
focht mit gegen Ludwig XIV., war bei dem Ent-
fage von Wien u. befehligte 1673 u. 1707 als
faiferlicher Feldmarſchall die Reichsarmee gegen
die Franzoſen. (Er ftiftete 1664 das Gymnaſium
in®. Unter ihm wurde 1699 von einem fränfi-
hen Adeligen eine Ritterafademie in Erlangen
errichtet (eröffnet 1702), zu deren Aufblüben der
Bayreuth.
Bartgraf ſehr weſentlich beitrug. 1686 mahım er
an Nefugies in fein Land auf. Er
. 1112.
tatlerlihen Dienften gegen Frankreich u. ftieg bis
zum Feldmarſchall. & ftiftete 1712 den Orden
der Aufrichtigkeit (de la Sinceerite), der 1744 in
den Rothen Adlerorden umgewandelt wurde; 1718
begann die Anlegung der Eremitage bei B. Er
f. 1726 ohne Sohn. Das Yand fiel num an die
biäber apanagirte Linie Brandenburg-Kulmbad,
melde der zweite Sohn des Markgrafen von B.
Ehriftian, Georg Albrecht, gegründet hatte. Der-
jeibe ftand als General anfangs in kaiſerlichen,
dann in pfälziſchen Dienften u. führte
Sein Sohn Georg Wilhelm foht in|Hojpital, Schießhaus. B. ift
93
Kanzleigebäude, außer der Schloßlirdhe (jeit 1813
tatheliih) 5 Kirchen, Synagoge, Krankenhaus,
ig eines Bezirks
amtes, Landgerichtes, proteftantiihen Gonfifto-
riums; Gymnafium (1664 von Ehriftian Ernſt
eftiftet und nah dem Stifter Christianum-
imestinum genannt), Kreislandwirtbichafts- und
Gewerbeſchule mit reicher Naturalienfammlung,
höhere Töchterfhule, Taubftummenanftalt; Hifto-
riſcher Berein für Ober-Fjranfen, jyreimaurer-
Großloge, genannt zur Sonne, unter welder bie
meiften ſüddeutſchen Logen ſtehen, und eine Loge
Eleufis zur Berichwiegenheit; große mechaniſche
1655—62 die | Baummollen-Actienfpinnerei mit 50,000 Spindeln,
Bormundihaft über feinen Neffen Ehriftian Ernft Flachsſpinnerei, Leinen-, Wollen» u. Baummollen-
(j. oben); er ft. 1666. Bon feinen beiden Söb-
nen trat ber ältere, Ehriftian Heinrich, zwar 1706
alle feine u. ber zer Anfprühe auf B. an
Preußen ab, dennoch folgte nad dem Ausfterben
der älteren Linie B. mit Georg Wilhelm 1726
fein ältefter Sohn, Georg Friedrich Karl, u. die-
fem 1735 jein Sohn Friedrich. Diefer war in
erfier Ehe mit Friederile Sophie Wilhelmine, der
Schwefter des Königs Friedrichs II. von Preußen
vermäblt; er gab weiſe Geſetze u. fiftete 1743
die Univerfität Erlangen, ſtürzte aber durch feine
Bauluft fein Land ın Schulden; er ft. 1763.
Ihm folgte fein Oheim Friedrich Ehriftian, mit
weidhem 1769 das Haus der Markgrafen von B.
jüngerer Linie ausjtarb, deſſen Beſitzthum jetzt
an den Marfgrafen von Ansbach, Chriſtian Fried—
ob Karl Alerander, fiel; als aber diejer 1791
die Regierung miederlegte, famen beide Fürſten—
tbümer nach dem Fridericianiſchen Bertrage von
175°, dem Frieden von Zeichen 1779 u. der
Abtretungsconvention vom 16. Januar 1791 an
Preugen. 1806 am 24. Febr. nahm Bernadotte
das Fürftenthum Ansbah u. am 14. Nov. der
per Gamille de Tournon das Fürſtenthum
. für Frankreich in Befit. Die franzöfiihe Dccu-
pation dauerte von 1806—1810. 1807, infolge
des Friedens von Zilfit, wurde B. ganz von
Breußen getrennt u. 1810 m Bertrage von Paris
an Bayern abgetreten. Bgl. Bath, Verſuch einer
Zandes- u. Regentengeſchichte der beiden Fürſten-
thümer B. u. Ansbach, Hof 1795; Yang, Geld.
des Fürftenthums B., Gött. 1801, 2 Bde.; Yon-
golius, Nachrichten von Brandendurg-Kulmbadh,
gr 1751—54, 2 Bde.; Filenſcher, Lehrbuch der
ſchichte des Fürſtenthums B., Nürnb. 1807.
B. 1) Bezirksamt im bayer. Regbez. Ober-
Franken, mit 2 Landgerihts-Bez., B. u. Weiden:
berg; ohne die unmittelbare Stadt 445 []'km;
23,095 meift proteft. Em. 2) Hauptftadt des
Regbez. Ober-zranfen u. des ehemaligen Fürſten-
thums B., jest unmittelbare Stadt, am Rothen
Main; hat breite, gerade Straßen, jhönen Markt
mit 3 Springbrunnen. Mertwürdig find das alte
Schloß, 1753 abgebrannt, aber wieder neu er-
richtet, u. das vom Markgrafen Friedrich auf der
alten Rennbahn erbaute meue Schloß mit Hof-
garten, davor die Statue des Markgrafen Chri-
ſtian Ernſt zu Pferde, Palais des Herzogs Aler-
ander von Württemberg, präctiges Opernhaus
(1749 erbaut), das bis jett (Auf. 1875) ums
vollendete Waguer- Theater, Rathhaus, Kajerne,
weberei, Fabriken landwirthſchaftlicher Mafchinen fo-
wie in Papier, Leder, Spiritus, muſilaliſchen In—
firumenten, große Bierbrauereien, Glockengießerei,
Porzellanmalerei, Granitichleiferei, Kunitgärtne-
reien. Eine Borftadt (eigentlih eine befondere
Stadt) bildet St. Georgen, aus einer Strafe
von 70 Häufern beftehend, mit B. durch eine
!/, km fange Allee verbunden; dort Straf- und
Befferungshaus, Irrenhaus und Militärlazarerd;
Zuderraffinerie. B. bat 17,841 Em., morunter
14,801 Proteftanten. Der Dichter Jean Paul
(Friedrich Richter) liegt Hier mit jeinem Sobne be-
graben; ein Granitblod, ein fogen. Findliug, von
Epbenumranft, mit einer Inſchrift auf einer Kupfer-
platte, bezeichnet jein Grab; König Ludwig ließ
ibm 1841 auf dem Gymnaſiumsplatze ein von
Schmwanthaler entworfenes ehernes Standbild er-
richten. B. ift durch Zmeigbahnen nah WR. u. 9.
mit den Bayer. Staatsbahnen verbunden. 3 km
von B. liegt die Eremitage, Yuftihloß, 1718 von
Markgraf Georg Wilhelm angefangen, von Marl-
graf Friedrich vollendet; fie beftebt aus einem Haupt⸗
gebäude mit 24 Zimmern, 12 für den Markgrafen
u. 12 für die Marfgräfin, uw. 2 Flügeln, jeder
von 12 Zimmern, welche f. 3. der eine von Her-
ren, der andere von Damen, als Einfiedler vers
kleidet, benutt murden; die Zimmer find mit vie-
len Bildniffen von Mitgliedern des preußischen
Königshaufes geziert. Die Markgräfin Friederike
Sopbie Wilhelmine (ſ. d.) ichrieb hier ihre Denk⸗
wirdigteiten. Der Garten it reizend angelegt,
mit vielen Wafferfünften. Auf dem Wege dahın
das Bierhaus der Frau Hollmenzel mit dem Ar—
beitszimmer Jean Pauls. Außerdem nod bei
Donndorf das Luftihlch Fantaiſie mit Garten,
vom Herzog Alerander von Württemberg bewohnt,
u. das entferntere, jet vollftändig in Berfall ge—
rathene Luftihloß Sanspareil, mit vielen Reften
von einft großartigen und romantiihen Barlan-
lagen. — Die Stadt B. erſcheint zuerft urkundlich
gegen Ende des 12. Jahrh. im Beſitze der Herzöge
von Meran, u. 1248 erbte fie Friedrich III.,
Burggraf von Nürnberg (f. B. A). 1430 wurde
fie durch die Huffiten miedergebrannt, 1553 bon
Heinrich Reuß von Plauen eingenommen, 1621
brannte fie ganz ab; wieder aufgebaut, eroberte
fie 1632 der Marquis de Grana, 1633 der fai-
jerlihe General Danteuffel u. 1634 der bayerifche
General Wahl; feit 1603 durch Markgraf Chris
ftian definitive Refidenz, blieb fie es bis 1769,
wo die Yinie der Markgrafen von B. ausftarb.
34
Bayrhoffer — Bazaine.
Bgl, I. ©. Heinrig, Geſch. der Kreishauptſtadt Dienfte der Königin-Regentin die Feldzüge im
B., Bayr. 1824; J. W. Holle, Alte Geſch. der
Stadt B., ebd. 1833.
Bayrhoffer, Karl Theodor, Philofophu. de-
mokratiſcher Bolitifer, geb, 1812 zu Marburg; ftud.
jeit 1829 bier u. in — Rechts⸗ u. Staats-
mwifjenichaften, dann Philofophie, wurde in Mar-
burg 1834 Privatdocent, 1838 außerorbentlicher,
1845 ordentlicher Brofeffor, tratindemjelben Jahre
als Berfechter des Deutichlatholicismus auf, wurde
1846 in ‚Folge einer akademiſchen Rede am Ge-
burtstage des Kurfürften, worin er fi für den
Deutjchlatholicismus ausiprad, fuspendirt, grün-
dete 1847 zu Marburg eine Freie evangelische
Gemeinde, gehörte feit 1848 zu dem Führern ber
demokratiſchen Partei in Kurheſſen u. zu der ent-
ichiedenften Oppofition auf den legten kurheſſiſchen
Yandtagen; war auch Präfident des Stägigen Land—
tages 1850, dem die Wirren folgten. Deshalb
zur Unterfuhung gezogen, ging er 1852 nad)
Züri u. fiedelte 1853 nad Aınerifa über, wo
er als Farmer lebte. B. war urjprünglid An-
hänger Hegels, wurde aber im Glauben an deſſen
Lehre ftarf erjhüttert u. fand ein mejentliches
Gegengewicht in der Herbartichen Philofophie; alle
fonjtigen pbilofophiihen Beitrebungen hielt er für
untergeordnet. Er ſuchte die Theorie mit der
Empirie auszugleihen u. verjentte ſich mit philo-
ſophiſchem Geitte in die Nejultate der maturmif-
ſeuſchaftlichen Forihung. Bal. jeinen 1869 ım
Green County (Wisconfin) geichriebenen Aufjag:
Über den gegenmwärtigen Standpunft der Philo—
jopbie, abgedrudt in J. Bergmann Philoſophiſchen
Monatsheften, III. 334 fi, IV. 351 ff. Frühere
Schriften: Grundprobleme der Metaphyſik, Marb.
1835; dee des Chriftenthbums, dal. 1836; Be-
griff der organiſchen Heilung des Menſchen, dal.
1837; Idee u. Geſchichte der Philoſophie, daf.
1838; Das wahre Verhältniß des freien chrift«
lichen Staates zur chriſtlichen Religion u. Kirche,
daſ. 1838; Idee u. Wirkung der, proteftantifchen
Kirchenvereinigung, da. 1838; Über Erfahrung
u. Theorie in den Naturmiffenicaften, Yp3. 1839,
2 Hefte; Über den Deutichlathoficismus, Marb.
1845; Das wahre Wefen der gegemmärtigen relt-
giöſen Reformation in Deutichland, daj. 1846;
Der praktiſche Berftand u. die Marburger Ficht-
freunde, Darmft. 1847 n. a.
Bayon, Flecken im Diftr. Blaye bes franz.
Dep. Gironde; Weinbau; 1400 Em.
Bayjalz, aus Meerwailer durch Berdunftung
gewonnenes Chlornatrium (Kochſalz).
Baza, feſte Stadt im der fpaniichen Provinz
Sranada (Andalufien), am Fluſſe gleichen Namens,
871 m über den Meere, in einer obftreichen Ebene,
am Rande einer Gipsfteppe, mit einer aus Höhlen
beſtehenden Borftadt; ſchöne Promenade, ftattliche
Kirhen u. Klöfter; zur Zeit der Dauren blühende
— 7300 Em.; in der Nähe warme
ineralquellen u. Schmwefelgruben.
Bazaine, François Achille, franz. Marſchall,
ſtammt aus einer alten franz. Soldatenfamilie, geb.
13, Febr. 1811 in Berfailles; trat 1831 als Frei—
mwilliger in die franz. Armee u, diente 1832 als lInter-
offizierin Algerien; 1833 avancirte erzum Lieutenant
u. madte 1835 in der franzöi. Hilfsdiviſion im
Navarra, Gatalonien und Aragonien mit. 1838
nah Afrika zurüdgelehrt, wurde er Gapitän,
wohnte den Erpeditionen nah Miltanah, Zlem-
cen, Marolto und der Sahara bei und leitete
jpäter die arabifhen Angelegenheiten in Tlemcen,
wo er zur Pacificirung Algeriens 1847 bei-
trug. Nahdem er 1845 zum Bataillons-Eom-
mandanten ernannt worden war, wurde er 1848
Oberftlientenant und 1850 Oberſt, als welder
er das erſte Regiment der Fremdenlegion in ber
Provinz Oran commandirte. An der Spige ber-
jelben zog er 1854 mit nad) der Krim, betbeiligte
fi) an der Belagerung von Sebaftopol u. avan-
cirte zum Brigadegeneral; nad der Erftürmung
diefes Ortes wurde er Platcommandant dafelbft
und Divifionsgeneral und befehligte im October
1855 die Erpedition gegen die Feſtung Kinburn,
Im SFtalienishen Kriege 1859 focht er umter
Baraguay d’Hilliers u. zeichnete fih am 8. Juni
bei Dielegnano aus, Im Sept. 1862 wurde er mit
den franz. Ergänzungstruppen nah Merico ger
fendet, commandirte hier unter Forey die erfte Di-
vifion, betheiligte fich feit März 1863 au der Be-
lagerung der orte von Puebla u. dann an der
gu Make Stadt u. der Hauptftadt Merico.
Bei der Mbberufung Foreys erhielt B. das Ober-
commando, 1. Oct. 1863, madte vom Dec, bis
Febr. 1864 den Zug ins Innere des Landes u,
wurde im Sept. zum Marjchall ernannt. Dem
Kaifer Marimilian bereitete er in feiner Regier-
ung viele Schwierigkeiten. Im Februar 1867
fehrte er, nachdem er fi, wie man jagt, auf
Koften des Landes bereichert u. mit einer reichen
Vtexicanerin verheirathet, nad Frankreich zurüd,
wo er Chef⸗Commandant des 3. Armeecorps zu
Nancy u. im October 1869 Oberbefehlshaber
der Kaifergarde in Paris wurde. Im Kriege
gegen Deutichland 1870 erbielt er zuerft das Com-
mando über das 3, Armeecorps bei Meg, dann
nach den Niederlagen bei Wörth u. Spicheren am
12. Auguft den Oberbefehl über die franz. Rhein—
armee, welche die auch für fie ruhmreihen Kämpfe
bei Courcelles am 14. Auguft, bei Mars-la-Tour
am 16. u, bei Rezonville am 18. beftand. Statt
durchzubrechen, ließ fih B. nun aber nah Met
zurüddrängen u. dort einſchließen. Er wird be»
Ihuldigt, Napoleons dynaftiichem u. feinem vere
meintlihen perfönlichen Intereſſe die Vertheidigung
Frankreichs geopfert zu haben. Nachdem B. nad)
langer Unthätigfeit am 31. Auguft u. 1. Sept.,
ſowie am 7. und 8. Oct., ſtets mur mit einem
Theil feiner Truppen, ſchwache Verſuche gemacht,
ſich durchzuſchlagen, capitulirte er am 28. Okt.
mit 173,000 Dann an den Prinzen Friedrich
Karl u. ging kriegsgefangen nad Kaffe. Nach
Abihluß des Präliminarfriedens begab er ſich
im März 1871 nad Genf, dann nah England.
Zur Rechtfertigung jeiner Leitung im Kriege gegen
Deutihland fchrieb er: Rapport sommaire sur
les operations de l’armee du Rhin du 13 Aoüt
au 29 Octobre 1870, deutih von Mels, Berl.
1871. In Frankreich hatte B. kein Commando
mebr erhalten; e8 wurde ihm vielmehr durch Zuſam ·
menberufung eines Kriegsgerichtes der Proceß me-
gen feiner Kriegsführung gemadt. Die Berhand-
Bazancourt — Bazeilles.
lungen dauerten vom 6. Oct. bis. 10. Dec. 1873
u, endeten mit dem Todesurtheil nebft Degradation
des Marjchalls. (Der neunte franz. Marichall,
ft zum Tode verurtbeilt wurde; die übrigen
maren: 1) Gilles de Laval, Marichall v. Net, we—
* Berübung ſchrecklicher Mordthaten u. ——
arer Graufamleit 1440 in Nantes gehängt; fein
teihnam wurde verbramnt. 2) Ludwig v. Lurem-
burg, Graf v. St. Pol, Connetable v, Frankreich,
als Berichwörer gegen Karl VII. u. Ludwig XI.
am 19. Dec. 1475 in Paris enthauptet, 3) Char-
e8 de Gontaut, Herzog v. Biron, als Ber-
Ihwörer gegen die Sicherheit des Staates am
11. Juli 1602 in der Baftille entbauptet. 4)
Marſchall v. Marillac, wegen Berſchwörung
gegen das Leben des Cardinals Richelieu am 10.
Mai 1632 in Paris enthauptet. 5) Heinrich II.
Herzog v. Montmorency, in der Schlacht bei
Kaftelnaudary gefangen genommen u.am 30. Oct.
1632 zu Toulouſe enthauptet. 6) Baron v. Lud-
ner, als des Yandesverrathes verdädtig vom Re—
volutions · Tribunal verurtbeilt u, 1794 bingerichtet.
7) Bhilipp v. Roailles, Herzog v. Mouchy, im
Alter von 64 Jahren als Anhänger u. Verthei—
diger Ludwigs XVI. 1794 guillotinirt. 8) Mars»
ihall Ney, am 7. Dec. 1814 erſchoſſen.) Die
Motivirung des Urtheils gegen B. lautete dahin, daß
er mit ber de u. der Feldarmee capitulirt habe,
ohne vorber Alles getban zu haben, was Pflicht
und Ehre ihm vorgeichrieben. Ummittelbar nad)
der Urtbeilsverfündigung unterzeichneten alle Mit
alieder des Kriegsgerichtes ein Gnadengeſuch für
den Berurtbeilten, infolge deſſen der Präfident
Dac Mahon das Todesurtheil in 20jähr. Ein-
ihiiegung ummandelte. Dabei follte die Degra-
datıen zwar nicht in der vorgeichriebenen Weiſe
erfolgen, jedoch ihre Wirkungen aufrecht erhalten
bleiben. Zur Berbüßung der Haft wurde die
Intel St. Marguerite gegenüber Cannes aus—
erfeben und der Marſchall dorthin abgeführt.
In der Nacht vom 10. auf den 11. Aug. 1874
wußte er fih jedoch mit Hilfe feiner Gattin auf
eine noch nicht ganz aufgeflärte Weile, angeb-
lich mittels einer Stridleiter, ans feinem Gefäng:
niß zu befreien u. veifte durch Italien, die Schweiz
u. Deutihland nah England; fpäter fchlug, er
feinen Wohnſitz einftweilen in Madrid auf. liber
feine Rolle im Deutſch-Franz. Kriege gab B. meh-
rere Schriften beraus, die auch (Berl. 1870 und
Kaſſel 1872) ins Deutiche Überjegt wurden. Außer:
dem fchrieb über ihn u. A. v. Hanneken, Darmit.
1873, u. über feinen Proceß La Brugdre, Paris
1874. Anonym erfhien: Le Maröchal Bazaine
defendu contre ses detracteurs, Brüffel 1874.
Bazancourt, Ceéſar Baron de, franz. Schrift
fteller, geb. um 1810; war bis 1848 königl. Bi-
bliothefar in Compidgne u. ſchr. L’escadron vo-
lant de la reine, Par. 1836, 2 Bbe.; Un der-
nier souvenir, 1840; A cöte du bonhenr, 1845;
Le comte de Rienny, 1845; Hist. de Sieile
sous la domination des Normands, 1846, 2
®de.; Georges le Montagnard, 1851, 5 Bbe.;
La princesse Pallianei, 1852, 5 Bde. Im
Krimtriege wurde er von der Wegierung 1855
auf den Kriegsſchauplatz geſchickt, um Berichte
äber den Gang u. Stand der Angelegenheiten
55
an das Miniſterium zu ſchicken; dieſe erſchienen
als Cing mois au camp devant Sébastopol,
Bar. 1855; dort jammelte er auch den Stoff zu
dem Werfe L’expedition de Orimée jusqu'ä la
prise de Sebastopol, 1856, 3. Aufl., 1857, 2
Bde. deutſch, Wien 1856. Ebenſo ging er 1859
im Auftrage des Kaifers nach alten, um die
Kriegschronik dieſes Jahres zu verfafien, diejelbe
erichten als: La campagne d’Italie de 1859, Paris
1859 f., 2 Bbde., deutich von Seybt, Naumb. 1860,
Auch jchrieb er über die beiden folgenden von
den Franzoſen in Aften u. Amerifa geführten
Kriege: Les expeditions de Chine et de Cochiu-
ehine (nach officiellen Documenten), ebd. 1861
f., 2 Bbe,, u. Le Mexique contemporain, ebd.
1862, Er ftarb 25. Jan. 1865 in Paris.
Bazär, 1) im Orient Markt od. breite Strafe,
wo alle Handelsartitel zum Berkaufe geftellt find,
alle Handelsgeſchäfte abgemacht werden u. der
Hauptverfehr ftattfindet, bald offen, bald bededt
(Babdeftan), vielfach mit Bäumen bejest u. deshalb
Promenaden der Chriften. 2) In großen euro
päiſchen Städten als Berfaufsmagazine verfchiedener
Yurusartifel eingerichtete Gebäude, entweder für
immer, wie in Yondon, Paris, Münden, Stutt-
gart, Yeipzig, od. zu gewiſſen Zeiten, 3. B. zur
Weihnachtszeit.
Bazard, St. Amand, berühmter St.-Simo-
niſt u. eigentlicher Begründer der Secte, geb. 19.
Sept. 1791 zu Paris; war anfangs im niederen
Staatsdienfte angeftellt, verband fich ſeit 1815 mit
der republifaniichen Bartei u. ftiftete exit die Ge—
jellihaft der Wahrbeitsfreunde u. 1820 eine dem
GCarbonarismus ähnliche Verbindung, weiche bald
eine ungeheure Ausbreitung in Frankreich erhielt;
jeit 1825 wurde er einer der Hauptanhänger St.
Simons, deſſen Ideen er eigentlih ins Leben
führte und zur Blüthe brachte und deſſen Lehre
er in der Schrift: Exposition de la doctrine de
St. Simon, 1828— 30, 2 Bde., mit Enfantin ge
ſchrieben, zuerſt veröffentlichte; f. u. Communis—
mus. Er ft. 29. Juli 1832 zu Courtry, nadı-
dem er fih noch von Enfantin u. der Partei der
Emancipation des Fleiſches u. der Frauen ger
trennt hatte,
Bazarũko (Bafarkla), Kupfermünze in Goa
(Oftindien); 5 B-8 — 4 portugiefiihe Rees.
Bazas, Hauptft. des gleichn. Arc. im frauzö—
ſiſchen Departement Gironde, an der Benve, n.
an der SEiſenbahn, auf einem Felſen; Kathe-
drale; Hutfabriten, Gerbereien, Handel mit Vieh
u. Holz; 5023 Em.
azas-Nace, eine Rinderrace im Departe-
ment der Gironde, namentlih in dev Umgegend
der Stadt B. heimisch; ift für Die jpärliche Er-
nährung der dotigen Gegend jehr paſſend, eignet
fih dur die Iebhafte Bewegung u. Ausdauer
u. durch die fräftig gebauten Extremitäten ſehr
gut als Arbeitsvieh. Wenig ausgezeichnet durch
eine reichliche Milchergiebigleit, liefern die Thiere
diejer Race ein ſehr ſchmachaftes Fleiſch; fie find
flein, mit wenig ſchönen u. edigen Formen, brei-
ter Bruft, plumpen Hörnern, hoch angeſetztem,
ftartem Schwanze u. ſchmalem Hintertbeil.
Bazeilles, Dorf in Arr, Sedan des franz.
dep. Ardennen, am Chiers, der Givonne u,
56 Bazias — B. O.
an der O Bahn; 2050 Ew.; Schloß, worin Turenne|de marbre überweijen ließ. Schon 1547 erfolgte
erzogen wurde. Hier am 31. Auguft 1870 Ge-jeine neue u. diesmal nicht wieder zurüdgenom«-
fechte des 1. bayerifchen Armeecorps mit dem|mene Aufhebung, worauf die Mitglieder der Con-
12. franz., das den bayerischen Angriff abichlug. |trerie fih anderen Schaufpielergefellicaften ein-
Am folgenden Tage mörderiſcher u. erbitterter|verleibten. Vgl. Fabre, Etudes historiques sur
Kampf ın der Schlacht bei Sedan, an der fidhiles clercs de la B., Par. 1856. tiähner.
felbft Weiber des Dorfes betheiligten. Das 1. baye-| Bazodhes-Ted-Hautes, DorfimArr.Chateaudun
rifhe Armeecorps u. Theile des 2. nahmen des franz. Dep. Eure-et-Loire, 26 km nördlid von
den von einer Divifion des Corps Lebrun u. Orleans. Hier und bei Orgeres 2. Dechr. 1870
Marinetruppen hartnädig vertheidigten Ort, der|blutiges Gefecht: die Armee-Abtheilung des Groß-
dabei von Grund aus zerftört wurde. — von Mecklenburg drängte das 16. u. 17.
Bazias, Ort, ſ. Baſiaſch. franzoͤſiſche Corps unter Aurelles de Paladine bis
Bazin, Rigomer, franz. Schriftſteller u. Demo-
frat, geb. 1771 zu Le Mans; redigirte die Chroni-
que mancille, ward während der Schredenszeit
verhaftet, infolge tes 9. Thermidor aber wieder
befreit. Darauf redigirte er den Democrat,
wurde 1812 bei der Malletichen Berichwörung
wieder verhaftet u. erft bei der Reftauration frei,
Er wurde 20. Jan. 1820 in einem Biftolenduell
getödtet. Schr. viele Pamphlete, vereint unter
den Titeln: Lynx, u. Suite de Lynx; ein Melo-
drama; Jacqueline d’Olzbourg, Charlemagne,
Le Mans 1807 (Tragödie); Seide (Novelle), ebd.
1816, u.a.ım. 2) Anais B. de Raucon, franz.
—— geb. 26. Jan. 1796 zu Paris; ward
doocat am königl. Hofe u. fi. 1850. Er war
Mitarbeiter an der Quotidienne u. an dem Livre
de cent-et-un und jdır.: Eloge historique de
Chretien-Guillaume Lamoignon de Malesher-
bes, Bar. 1831; La Cour de Marie de Medieis
(Mömoires d’un cadet de Gascogne 1615—
1618), ebd. 1830; L’epoque sans nom (Es-
quisses de Paris 1830—1833), ebd. 18833;
Histoire de France sous Louis XIII. (Preisſchr.),
ebd. 1837; Becherches historiques sur la vie
de Moliere, 1851. 8) Antoine, Orientalift, Se-
cretär der Aſiatiſchen Gejellihaft u. Profeflor der
chineſiſchen Sprade an der faiferlihen Schule
der orientaliihen Spraden in Paris; ftarb 5.
San. 1863; er jhr.: Grammaire Mandarine, Bar.
1856, u. überjette Theätre chinois (eine Samm-
lung von chineſiſchen Theaterſtücken, gejchrieben
unter den mongoliihen Kaifern), Par. 1838, u.
Kao-tong-fias Pi-pu-ki (ein chineſiſches Drama),
ebd. 1841.
Bazoche (Ta B.-Gouet), Marktfleden im Arr.
Nogent-le-Rotrou des franz. Dep. Eure-et-oire;
2037 Emw.; Geburtsort von Jean L'Enfant.
Bazoche (La confrörie de la B.), jehr alte
Berbindung von Aopocatengehilfen in Paris, die
das Recht hatten, öffentliche Aufzüge u. Feſte zu
ordnen, Um 1300 erhielten fie von Philipp dem
Schönen die Erlaubniß, unter einem eigenen
Oberhaupte — Roi de la B. — jährl. mehrere
Öffentlihe Borftellungen zu geben. Dieſe letz⸗
teren, geiftlichen Inhaltes, erhielten den Namen
Moralites, bildeten fi aber bald zu der mehr
fatirifhen Sotie u. Farce aus, die wiederum
als Prototyp des franzöfiihen Charakterluftjpiels
zu betrachten if. Maitre Pierre Pathelien, Par.
1855, herausg. von Genin, ift die für die ganze
Gattung der seo charakteriſtiſchſte. 1470 wur»
den alle Borftellungen der B. zunehmender Unfitt-
lichleit halber verboten, bis Ludwig XII. dieſes
Berbot aufhob u, ihr 1500 das Xheater Table!
Artenay zurüd,
Baztan (Baftan), Thal in der jpan. Provinz
Pamplona, auf der SSeite der Pyrenäen; grenzt
nördlih an das franz. Departement Pieder-Bore:
näen, wird durch zwei Meine Nebenflüffe der Bi-
daſſoa bemäffert, hat gute Weidepläge u. Getreibe-
u. Kaftanienbau; die 8000 Einw. leben in 14
Ortichaften u. haben befondere Vorrechte; Haupt»
ort: Elizondo.
Bazzi, Giopannantonio, genannt il Sod-
doma, berühmter ital. Maler, geb.1474 zu Bercelli
(Piemont), gen in Siena 1574; ging aus der lom-
bardiihen Schule hervor, ftand urjprünglih unter
dem Einfluffe Leonardo da Bincis, bildete ſich aber
jpäter unter dem Einfluffe der florentiner u. rö—
miſchen Kunft. Seine Bedeutung liegt weniger
in großartiger Auffaffung oder durchgebildeter
Compofition, als in hohem Schönbeitsgefühl,
ſchwärmeriſcher Empfindung und duftigem Schmelze
des Colorits. Seiner ftrengeren Richtung gehö-
ren die Fresken aus dem Leben des hl. Benedict
im Klofter Mte. Djiveto bei Siena an. Kurz dar-
auf von Julius II. nah Rom berufen, malte er
im Batican, bieranfin der Fyarnefina Aleranders Ber-
mäblung mit Rorane und die b ei Alerander um Gnade
für ihren Gemahl flebende Gemahlin des Darius,
Später kehrte B. nach Siena zurüd u. ſchuf dort
jeine vollendetften Werke, darunter die Fresken in
Sta. Caterina u. Sto. Spiritu, dann in Sto. Do-
menico Zafelbilder: Anbetung der Könige, in
Sto, Agoftino, Kreuzabnahme, in Sto. Francesco,
St. Sebaftian, in den Officien zu Florenz, eine
der edelften Schöpfungen jener Zeit. Regnet
Bazzini, Antonio, berühmter Violinvirtuoſe,
geb. 24. Nov. 1818 zu Brescia, wo er 17jährig
eine Stelle als Kirhenchor-Dirigent erhielt. Fu
weiteren Kreifen wurde er feit 1842 befannt durch
jeine Kunftreifen, die fi außer Italien über
Deutihland, England u. Frankreich ausdehnten.
Dan jhägt an ihm nicht nur vollendete Technik,
fondern auch verftändnißinnigen Vortrag. Er
ſchrieb Compofitionen für fein Jnftrument, Opern
(3. B. Zurandot), Sympbonien, Ouvertüren. In
Florenz, wo B. ſich dauernd niederließ, gründete er
eine Geſellſchaft, die ſich um die Verbreitung deutſcher
claffiſcher Inſtrumentalmuſik verdient gemacht hat.
BB, 1) (bb, Diufit) das doppelt, alfo um eine
ganze Stufe erniedrigende Borfegungszeihen; auch
dient bb als alphabetiihe Benennung des um 2
Halbtöne erniedrigten Tone h. 2) Abbreviatur
für bene bene (d. h. optime) fehr gut. 3) Auf
franzöfifhen Münzen jo v. w. Straßburg.
B. C., Abbreviatur für 1) (Muf.) Basso con-
tinuo; 2) (Chem.) für Balneum cineris.
B. D. — Beaton.
57
B. D., Abbreviatur für Bonum datum, einge-|von Foir u. mit Foix an Navarra kam. Hein—
räumter Befit.
DBdellium (Gummi Bdelli), Schleimharz von
Balsamodendron africanum Nees; fommt aus
Arabien m. Oftindien; ift rothbraun, mehr oder
weniger durchfichtig, zwiſchen den Zähnen Hebrig,
von myrrhenartigem Geruch, bitterlich-aromatischen
Geſchmack; ſonſt äußerlich als flärfendes Mittel
bei ſchlaffen, brandigen Wunden, innerlih gegen
Bürmer u. Amenorrhde in Auf, jetst außer de.
braud.
Bdellotomie, ſ. Blutentziehung.
B Dur (Mufif), die mit zwei b (b u. es) vor⸗
gezeichnete Tonart; ſ. Tonſyſtem.
Be, 1) chemiſches Zeichen für Beryllium.
2) (Muf.) S. u. Solmtfation.
B. E., Abbreviatur für 1) bene est, es ift gut.
2) Bonus eventus, guter Ausgang oder Erfolg.
Beadiy Head, hohes Borgebirg in der eng-
fischen afihaft Sufler, am Kanal; den See—
fahrern unter dem Namen die Sieben Brüder
befannt; Leuchtthurm. Hier am 1. Juni 1690
Sieg der franzöftichen Flotte Über die britiich-hol-
landiſche unter Torrington; f. England.
rih IV., König von Frankreich, war als Kron—
prinz von Navarra in B. geboren u. bie daher
der Bearner; er brachte N 1593 an frankreich,
das unter Ludwig XIIL die Reformation in B.
gewaltjam unterdrüdte. Die Stände diefes Landes
hatten bis 1789 große Borredhte u. eine Cour
major, welche Ludwig XIII. 1620 bei der fürm-
lichen Einverleibung in Frankreich mit dem Par-
lament von Navatra vereinigte. Wappen: zwei
Ihmwarze Kühe im goldenen gie Bol. de Bor-
denave, Hist. de Bearn et Navarre, Par. 1873.
Bearn-Bich, eine der beften Ninderracen der
niederen Pyrenäen, am reinften im der Umgegend
von Pau gehalten; die Thiere find grau-gelb, hell-
u, dumlelbraun, mit belleren Rändern um die
Augen u. das Maul, heller gefärbt an den inneren
Theilen der- kräftig gebauten Ertremitäten; haben
einen “etwas großen Kopf, breite Bruft u. nad
binten etwas fpit zulaufenden Leib. Sie find ſehr
geeignet u, geiucht als Arbeitsvieh; ihre Milch-
ergiebigfeit u. Maftfähigteit find nicht bedeutend.
Beäta (lat.), 1) eine Selige; f. u. Beatification.
2) Betjchwefter; daher Beatismus, Frömmelei.
Beaminfter, Stadt in der englijchen Grafihafti St. Beäta, fromme Jungfrau zu Genis in
Dotſet, amBrid, in einem frudhtbaren Thal ; Segel-
tuchfabrilen, Eilen- u. Kupferwaarenfabrifation;
3000 Em,
Beamte, Jeder, der mit einem Amte, bef. einem
öffentlichen, verfehen ift; j. u. Amt. Beamten-
ade! u. Beamtenariftofratie, f, u. Adel u.
Ariftofratie. Beamtenberridhaft, Beamten-
thum, fo v. w. Bureaufratie.
Beänus (von Berjaune, Gelbſchnabel), I) eigent⸗
ich ein noch nicht durch feierliche Depofition zum
Studenten erhobener Schüler, dann ein neu an-
getommener Student, Fuchs. 2) Ein fahrender
Schüler. 8) Dummpreifter Menſch; daher Bea-
nismus, ungeſchicktes, dummbreiftes Betragen.
Bear⸗Haven, befeftigte Infel in der Bat von
Bantry, zur iriihen Provinz Munfter gehörig; Mi
durchaus gebirgig u. rauh uw. bildet auf der Weſt—
feite der Bai den ſchönen Hafen gleichen Namens,
Beardſtown, Sit des Caß County im nord»
amerifan, Unionsſtaate Fllinois; 25283 Em.
Bearn, ehemal. Grafihaft in dem ſüdweſil.
Bintel Frankreichs, mit Bayonne u, Mauldon,
5007 km; dermdlen die größere Hälfte des
Dep. Nieder- Pyrenäen, während ein Heiner Theil
dem Heidebepart. (Landes) zugetheilt iſt; wird
von einem kräftigen, arbeitiamen u. nlichternen
Bollsftamme (Bearner) bewohnt, welcher mit
dem Gascogner zu derjelben provengalifhen Dia»
ieftfamilie gehört m. in den höher gelegenen Ge—
birgsgegenden Bergbau, in den wärmeren Thälern
Benbau u. Leinweberei, fowie auch (namentlich
in den Niederungen) Bieh- u. Pferdezucht u. Land⸗
wirtbichaft treibt u. einen eigenen Dialelt fpricht
(Gramm. u. Wörterb. von Lespy, Bau 1858). —
Die alte Hauptftadt Beneharnum wurde 845 von
den Saracenen zerjtört, die nachberige war Pau.
8. befam unter den Karolingern jeine eigenen
Bicomtes, welche jeit 819 mehrere Dynaftien bil-
deten u. Alle entweder Gafton oder Gentull hießen,
Frankreich, die fich vorzüglich armer Kinder an—
nahm u. diefelben unterrichtete; Tag: 22. Der.
Beätae memorias (lat.), jeligen Andeufens.
Beaten (v. Lat.) hießen in Spanien die Ter-
ttarierinnen, welche, obne förmlich in ein Klofter
einzutreten, die 3 Gelübde beobachteten; in Jta-
lien bießen fie Mantille od. Pinzoche, in yrant-
reih Saurs converses, in Deutjchland Belebrte
Schweſtern.
Beatenberg, Pfarrdorf im ſchweizer Kanton
Bern, auf hoher Bergterraſſe am Thuner See,
1230 m ü.d. M.; in neuerer Zeit als Luftkurort be⸗
ſucht; 1042 Ew. In der tiefer gelegenen Beaten-
böble foll der heil. Beatus als Apoftel mit feinem
Schüler Achates gelebt u. den ummohnenden Kelten
das Chriſtenthum verkündet haben, Die dort befind-
(ich gewejene Kapelle war im Mittelalter ein jehr
befuchter Wallfabrtsort. Der aus der Höble kom—
mende Bach beißt Beatenbad.
Beaticum, in der Katholifhen Kirche die dem
Sterbendeir ertbeilte 2 ie,
Beatification (v.Yat.), 1) Seligiprechung einer
verftorbenen Perjon durch den Bapft. Wenn näm-
fh ein Individuum feiner Tugenden u. feiner
Wunder wegen von einigen Biihöfen für heilig
erfannt wird, fo erhält e8, doc erft 50 Jahre
nach jeinem Tode, von dem Papſte den Titel:
Beatus oder Beata, Seliger oder Selige, und
gilt num als einer der Nächſten nach den Heiligen
(f. Kanonifatton). Die Körper der Seliggeipro-
chenen oder Theile derjelben werden öffentlich zur
Verehrung ausgeftellt, die Bildniffe derfelben aber
erhalten eine Strablentrone. Doc ift die Anruf»
ung u. Berehrung der GSeligen auf einen be»
ſtimmten Diftrict beichräntt. Daher beatifici-
ren, feligiprecen.
Beati possidentes (fat.), d. i. glüdlich die Be—
fitenden! Sprüdmort für: gut, wenn man nur
im Befite ift, das Übrige, auch das Recht darauf,
bis Gafton VII., nad) defien Tode (1290) B. durch | findet ſich dann ſchon.
Heirath feiner Erbtochter Margarethe an die Grafen |
Benton, David, ein Schotte, geb. 1494;
38
Beatorum insulae — Beatti.
wibmete fi) dem geiftlihen Stande, war 1519]jenen Heirath von demfelben 1055 als Gefangene
bis 1528 ſchottiſcher Gejandter in Paris, wurde
1528 geheimer Siegelbewahrer Jakobs V. von
Schottland u. Unterhändler bei defien Berheirath-
ungen 1533 mit Magdalene von Frankreich und
1537 mit Maria von Lothringen, wofür franz I.
ihm das Bisthum Mirepoir gab u. 1538 den
Carbinalshut verichaffte; er wurde 1539 Erzbischof
von St. Audrews u. Primas des Reiches u. zeigte
fi als heftiger Feind der Preteitanten, deren er,
als Keterrichter das Land durchziehend, viele
verbrennen ließ. Er verhinderte 1541 die Zuſam—
menlunft Jalobs V, mit Heinrich VIII. von Eng»
land u. verfuchte nah Jakobs V. Tode (1542)
durch ein faljches Teftament deffelben die Hegent-
haft am fich zu reißen. Obgleich ihm dies nicht
elang, gewann er doc großen Einfluß auf den
egenten, Grafen Hamilton von Arran, übte durch
denjelben große Härte gegen die Neformirten,
wurde aber mit Borwiffen Englands, deflen er-
flärter Gegner er war, 28. Mai 1546 zu ©t.
Andrews von mehreren Adeligen ermordet.
Beatörum insülae, Inſeln der Seligen; ſ. u.
Griech. Mythologie.
Beatrir, der 83. Planetoid, am 26. April 1865
von Gasparis in Neapel entdedt.
Beätrir (lat.), d. i. die Befeligende (ital.
Beatrice), meibliher Vorname.
find außer mehreren Heiligen: A) Kaiferinnen:
1) B., Tochter des Grafen Rainald von Burgund,
feit 1156 2. Gemahlin des Kaijers Friedrich J.; ft.
1185; fie war Mutter des Kaifers Heinrih VI.
u. Konrads von Schwaben, des Grafen Otto von
Burgund u. des Königs Philipp. 2) ®., Tochter
des Kaiſers Philipp von Schwaben; war mit beffen
Gegenkaiſer Otto IV. verlobt u. follte die Aus-
öhnung Beider vermitteln. Sie heirarbete Otto
nach Philiprs Erinordung,1209, ft. aber 3 Tage
nad der Hochzeit. B) Königinnen: a) Bon
Neapel: 5) B. von Provence, 4. Tochter des
Brafen Raimund Berengar V. von Provence;
erbie nad) ihres Vaters Tode 1241 die Provence
u. vermäblte fi 1246 mit Karl von Anjou,
Prinzen von Frankreich, Sohn Ludwigs VIII.;
fie bewog ihren Gemahl, Anſpruch auf Neapel u.
Zicilien zu maden, u. wurde vom Papfte 1265
zu Rom mit ihrem Gemahl gekrönt, ft. aber ſchon
1267 zu Nocera. b) Bon Ungarn: 4) B.,
Todter des Königs Ferdinand I. von Neapel u.
Aragon; wurde 1476 mit Matthias I. Corvinus
vermäblt, hatte mit demfelben feine Kinder, be-
förderte zwar Kunft u. Wiffenichaft, ließ ſich aber
nad ihres Gemahls Tode in politifche Umtriebe
ein, indem fie nad der Krone ftrebte, u. mußte
daher das Yand verlaffen,; fie ftarb 1508 auf
der Inſel Ischia. C) Andere Fürftinnen:
5) B. von Lothringen, Tochter des Herzogs
Friedrich II. von Ober-Lothringen; war erft an den
Markgrafen Bonifacius III. von Toscana, jeit
1054 an den feines Herzogthums Nieder-Lothringen
beraubten Gottfried den Bärtigen verbeiratbet.
Diefer rig unter dem Vorwande ihrer erjten Ehe
die Marl Toscana, melde B. als Bormünderin
ihrer Tochter Mathilde verwaltete, u. deren übrige
Befigungen an fih. B. ward wegen ihrer zweiten,
ohne Befragen des Kaifers Heinrich III. geichloj-
nad Deutfchland abgeführt, nah 2 Jahren aber
wieder freigelaffen u. regierte nun gemeinschaftlich
mit ihrer Tochter bis 1076, wo fie ftarb. 6) 2.
von Efte, von Öfterreich, Erbtochter des letzten
Herzogs von Modena, Hercules III. von Eſte,
geb. 1750 u. vermäblt 1771 mit dem Erzherzog
‚Ferdinand von Öfterreih. Gigentlih hätte ihr
Gemahl durch fie nah dem Tode ihres Vaters
Modena, Mafia u. Carrara befommen jollen, da
aber bei dem Einrüden der Franzoſen in Jtalien
1796 dieſe verloren gegangen waren, erbielt er
1803 dafür das Breisgau, welches er aber nicht
lange behielt. Bei der Reftauration 1814 bekam
Ferdinand IV., Beider Sohn, Modena, B. erhielt
aber Maffa u. Carrara, ihre mütterliche Erbichaft,
u. dazu die Lehen von Lunigiana. Sie ft. 1829, u.
ihr Sohn beerbte fie. D) Bürgerlihe: 7) B.,
Dante Geliebte; ſ. u. Dante.
Beatriget, Nicolas, franzöf. Kupferftecher
aus Diedenhofen in Lothringen (auch Beautrizet,
Beatrici u. Beatricetti), geb. um 1507, geft. zu
Rom um 1570; ging, wie e8 bei lothringifchen
Kiünftlern üblih, nah Rom, mo er 1540—62
arbeitete u. zuerft ſich unter Agoftino di Muft,
dann nad Marc Antonio bildete. Zu feinen beften
Blättern zäblen Joſeph u. jeine Brüder, nach Ra-
Merkwürdig|fael, die Belehrung Sauls, nah Michel Angelo;
Petrus vor Ehriftus auf dem Waffer, nad) Giotto
Übrigens fehlt es ihm an Weichheit des Stichels
u. correcter Zeichnung. Regnet.
Beatſon, großbritanniſcher Generalmajor u.
Gutsbeſitzer zu Knowle Farm in Suffer; veröffent-
lichte ein neues Ackerſyſtem (B-jhes Spitem)
ohne Dünger, Pflug u. Brache, deutih von ©.
9. Haumann, Jim. 1828, 2. A. ebd. 1829, Nach
trag dazu von C. E. Mayer, Wien 1830, Grund-
lage des Syſtems: Scarificator, jtatt des Diingers
gebrannter Thon.
Beatti, James, Philoſoph der ſchottiſchen
Schule u. Dichter, geb. 20. od. 25. Oct. 1735 zu
Yawrencelirk in der ſchottiſchen Grafich. Kincardine;
ftudirte Theologie, wählte dann Philoſophie und
Poefie zur Yebensaufgabe, wurde Profeſſor der
Moral in Edinburgh, 1760 Profeffor der Logik u.
Moral in Aberdeen; ft. bier 18. Ang. 1808, Er
trat zuerft mit einem Bande von Gedichten, Lond.
1761, bervor, der u. a. dine Überſetzung der
Birgilihen Ellogen enthielt. 1771 machte er durch
ein ebenfalls in London veröffentlichtes größeres
Gedicht, The Minstrel, or the progress Ri genius,
bedeutendes Aufieben. B-8 poetiihe Werte er-
ſchienen zulett in London 1871, mit den Gold—
ſmithſchen 1865, mit Illuſtrationen von B. Foſter
1861. Seine Philoſophie geht über die ſeines
älteren Freundes u. geiſtigen Führers Thomas Neid
wenig binaus. Im Essay on the nature and
immutability of truth in opposition to sophistry
and scepticism, Edinb. 1780, deutich von Gerften-
berg, Kopenh. 1772, nad) der 5. A. Leipz. 1777,
wandte fih B. ummittelbar gegen Hume. Die
Hauptaufgabe der Philofopbie, beißt es in dieſer
Schrift, die Erkenntniß unferes Geiftes, wird allein
durch Gelbftbeobadtung u. Beobachtung anderer
Meniben erreiht. Wahr ift, was unjere Natur
ung zu glauben zwingt, umvahr das Gegentheil.
Beatus — Beaufort.
Es gibt Wahrheiten, die wir durch Beweis er-
lennen, u. buch fich jelbft einleuchtende Wahr⸗
beiten, die unfer Common Sense, d. h. unſer ge-
meiniaftlicher Sinn u. Berftand, der höchſte
Richter in Sachen der Wahrheit, unmittelbar wie
5%
jedoch wegen Unruhen der Ealviniften feine Stelle
nieder u. fi. zu Grefte 1591 od. 1598; er jahr.
u. a.; Rerum gallicarım commentariü (1461 bis
1580), Lyon 1625, Fol.
Beauce (Bauffe), 1) ehemalige franz. Land
durh Inſtinct erfährt. Alles Wiffen beruht auf ſchaft in Orldanais; umfaßte die Städte Chartres
unbemiefenen Aromen,
des Common Sense fir unrichtig, fo hebt man das
Wiſſen, die Wahrheit, die Tugend auf. Bebeuten-
der ald dieſe Schrift find B⸗s Dissertations moral
and eritical, Yond. 1783, deutih von Große,
Gött. 1789/90, 3 Bde.), namentlih die Abhand-
lung On Memory and Imagination. 1786 ver-
öflentlichte er in Yondon Evidence of the Christian
religion, die verbreitetfte unter feinen proſaiſchen
Arbeiten. B⸗s Leben von A. Bower, Fond. 1804,
2.8. Farbes, Edinb. 1806, 2. A., daf, 1812,
Beätus (lat.), 1) ein Seliger; ſ. u. Beatification.
Beatus, 1) St. ®,., legendenhafter Heiliger
aus dem 1. Jahrh. 2) B. Ahenanus, eigentl.
Bilde, geb. 1485 zu Schlettſtadt; ftudirte in Paris,
war Lehrer u. Gorrector bei Amerbadh u. Erben
m Bafel u. lebte feit 1520 in jeiner Baterftadt,
mo er 20. Mai 1547 ftarb. B. fammelte für die
deutihe Geichichte u. bearbeitete kritiich die auf.
gefundenen Quellen. Er gab den Bellejus Pater-
calus u. Zertullianus heraus, fchrieb auch Bes
germanicae, herausgeg. Bajel 1551. Bgl. Mähly,
B. Rb., Mülh. 1857.
Beau (fr.), ſchön.
Beaucaire (lat. Bellum Quadrum), Stadt im
Ar, Rimes des franz. Depart. Gard, an ber
Rhöne, mit Kettenbrüde, die auf 4 Bogen rubt
u. Zarascon mit B. verbindet; jchöner Dom,
Schlogruine, Stadthaus, öffentliche Bibliothek
(15,000 Bde.); Fabrilen in Seide, Leder u. Tri-
cot; große Meſſe (Magdalenenmeffe, 21.—28. Juli),
mebe außerhalb der Stadt auf einer Wieje an der
Rhöne eine Budenftadt fi) bildet. Über Meßan—
gelegenheiten entjcheidet ein befonderes Handels-
geruht von 12 Mitgliedern. Den Handel begiinftigt
eine Bmeigeifenbabn der Avignon-Marfeiller Bahn,
dann eine Eijenbahn von Alais nah Nimes und
em Kanal (Kanal von B.) von hier nad) Aigues—
Mortes. Ein Gang (Römerwert) führt unter der
Kböne weg bis nah Tarascon. 8804 Em. — B. ſoll
das Ugernum der Alten fein; den jetigen Namen
bat es von einem Schloffe, das 1532 im Bürger-
triege gefchleift wurde. Die Stadt gehörte urfprüng
lich dem Grafen u. dann dem Erzbiichof von Arles
u. ipäter den Grafen von Touloufe; 1215 erhielt
he Simon Montfort vom Erzbijhof, aber Graf
Kaimund nahm fie 1216 wieder in Befſitz u. foll
1217 die Magdalenenmeffe geftiftet haben; 1226
wurde D,, als albigenfiihe Stadt, vom König
Subiwig VII. erobert. Im 16. Jahrh. litt es
als eine jaft ganz proteftantiiche Stabt viel durch
die Religionsunruben, u. 1632 zerftörte Richelieu
das Schloß u. entzog den Bürgern die Abgaben-
freiheit, weil fie es mit dem Herzog von Mont»
morency gehalten hatten.
Beaucaire de Peguillon (Belcarius), Fran-
çois, franz. Geihichtihreiber, geb. 1514 auf dem
Schlofje Creſte in Bourbonnais; war auf dem
Zridentiner Concil Gegner der päpftlihen An-
Hält man die Ausfagen (als Hauptftabt), Nogent-le-Roi, Maintenon, Bon-
neval u. hieß die Kornfammer von Paris; 3460
kn; bildet jetst den Hauptbeftandtheil des Dep.
Eure-et-?oir. Die Einwohner hießen Beauce—
rons Im Oct. u. Nov. 1870 fanden bier zahl-
reihe Kämpfe der franz. Loire-Armee gegen die
deutjche Armee ftatt. 2) (Pays Chartrain, B. im
engeren Sinne) Die Gegend um Chartres.
eauchamp, Alfonje de B., franz. Geſchicht⸗
jchreiber u. Publicift, geb. 1767 zu Monaco; trat
1784 in ſardiniſche Dienfte, die er aber beim Aus-
bruche des Krieges mit Frankreich verließ, u. wurde
als Verdächtiger in Ceva gefangen geſetzt. Nach
ſeiner Freilaſſung ging er nach Paris u. ward
bei der Polizei angeſtellt, ſpäter aber nach Reims
verbannt; er wurde zwar zurückberufen u. erhielt
wieder Anſtellung bei der Einnahme der indirecten
Steuern, ward aber 1814 von Neuem abgeſetzt;
nach der Reſtauration erhielt er als Bourboniſt
eine Penſion; er ſt. 1. Juni 1832 zu Paris. B.
ichr.: Hist. de la Vendee et des — Par.
1805, 3 Bde., 4. A. 1820; Hist. du Bresil, 1815;
Hist. de la conquete du Perou, 1808; Hist. de
la campagne de 1814 et 1815, 1818, 2 Bbe.;
De la revolution d’Espagne, Bar. 1822; Hist.
de la r&vol. du Piemont, ebd. 1823; Biographie
des Generals Moreau, 1824, u. Ludwigs XVIII.,
ebd. 1825. Ihm werden aud die Memoiren
Fouhes, Par. 1828 f., 4 Bde. zugejchrieben.
Beauchamps, Charles Fouis, berühmter
Zanzmeifter, geb. 1626 in Berjailles; war anfangs
beim Theater in Paris für untergeordnete Rollen
angeftellt, hatte aber Gelegenheit, jeit 1661 fein
Talent für die Gompofition von Ballets zu zeigen,
wurde 1664 Director der Academie de danse u.
Oberintendant des Hofballets u. 1666 Balletmeifter;
er ft. 1705 in Paris. B. war jelbft ein trefflicher
Tänzer u. hat das Verdienſt, die Theatertänge
harafteriftifher gemacht u. überhaupt den Tanz un
Frankreich gewiſſen Hegeln unterworfen zu haben.
Beauchesne, Alcide Hyacinthe du Bois
de, franz. Schriftfteller, geb. 31. März 1804 zu
Lorient; ſeit 1825 Borftand der Abtheilung für
Ihöne Künfte, 1827 königl. Kammerberr; nad
längerem Aufenthalte in Deutichland wurde er 1853
Sectiouschef im Archiv; er fhr.: Souvenirs po6ti-
ques, 1830; Louis XVII, 1852, 2 Bbe.; Le livre
des jeunes möres, 1858; Vie et legende de Ma-
dame Sainte-Notburg, 1867; Vie de Madame
Elisabeth seur de Louis XVI., 1869, 2 Bde.
Beaufort, 1) Stadt im Arr. Bauge des
franz. Dep. Maine-et-Yoire, am Couesnon, aus B.-
en»-Balle u. B.+en- Frandife beitehend; Fabri—
fen in Segeltuch; vier Jahrmärkte; 5146 Em.
2) County im nordamerifan, Unionsjtaate Nord
Carolina, unter 36° nördl. Br. u. 76° weſtl. L.,
am Bomilcofund; vom Bomilcofluffe durdhichnitten ;
13,011 Emw.; Countyſitz: Wafhington. 3) County
im nordamerilan. Unionsftaate SCarolina; unter
ſprüche; er wurde 1566 Biſchof von Mes, legte!32° n. Br. u. 80% w. L.; 84,350 Em.; County»
60
Beaufort.
fit: Cilliſonville. 4) Stadt u. Eingangshafen im] Mazarin 1643 ald Gefangener nad Bincennes ge-
Carteret County des Staates NCarolina, unter| draht, von wo er 1646 burd einen Ze
32° 26° n. Br. u. 80% 41° m. L.; 2300 Ew. dem Fenſter entlam. In den bürgerlichen
5) Ort u. Eingangshafen im gleihnam. County
des Staates Scarolina, an der Mündung des
Newport; 2500 Em.
Beaufort. I. Englifhes Geſchlecht. Unter
mehreren englischen Bringen, welche diefen Namen
führten, ift bemerfenswerth: 1) Edmund B.,
Marquis von Dorfet, Earl von Somerjet,
Urentel König Eduards III.; ftrebte nach des Her-
3098 dv. Bedford Tode (1425) vergebens, Regent
von Frankreich zu werden; als er feine Abficht
1445 durch jeine Nichte Margarethe erreichte,
fteigerten fih die Mißerfolge der Engländer, bie
bis 1453 auf Calais allein beſchränkt wurden. Er
behauptete ſich deſſen ungeachtet auch nach feiner
Nüdtehr nad England (1450) in der Gunft des
Hofes; aber von dem Haufe York 1454 bes Hod-
verratbes angellagt, entging er mit Miübe dem
Tode; er blieb unter der füniglichen Fahne 1455
in der Schladht von St. Albans. Bon feinen 3
Söhnen wurden Heinrih u. Eduard, melde die
väterliche Feindſchaft gegen das Haus Nork fort-
fegten, jener 1463, diefer 1471, auf Befehl des
Königs Eduard IV. hingerichtet; der jüngfte, John,
ftarb unbeerbt. Bon einem natürlihen Sohne
einrichg ftammte 2) Henry, Earl u. feit 1642
tarquis von Worcefter; defien Enkel Henry wurde
1682 zum Herzog von B. erhoben; dieſer ift der
Ahn der jegigen Herzöge von B. 8) Henry
Somerjet, 7. Herzog von B., geb. 1792; diente
unter Wellington in Spanien, gerieth in franzö-
ſiſche Gefangenfchaft, aus der er jedoch nach kurzer
Zeit befreit wurde, war Mitglied des Unterhaufes
u. nach dem Tode jeines Vaters Mitglied des
Oberhauſes; er ft. 17. Nov, 1853. 4) Henry
Charles Fitroy Somerjet, 8. Herzog von
B., Sohn des Bor., geb. 1. Febr. 1824; folgte
jeinem Bater 1853 im Titel des Marquis von
Worcefter; jetzt Haupt der Familie B.; ſ. Somerjet.
5) Harry von B., Sohn des Herzogs John
v. Yancafter u. Stiefbruder des Königs Heinrich VI.,
Eardinal u. Biſchof von Windefter; ward von
feinem Bruder mehrmals als Gefandter gebraucht
(beim Konftanzer Concil) u. war 1426 in Deutjch-
Sand als päpſtlicher Legat. 1431 führie er den jungen
König Heinrich VI. von England zur Krönung als
König von Frankreich nah Paris. Er war An-
ftifter des Mordes des Herzogs von Glocefter u.
aus
trei⸗
tigleiten der Fronde (um 1649) war er der Held
u. das Spielwerk dieſer Partei; daher fein Name:
König der Hallen. Er wurde vom Parlament
zum commandirenden General ernannt, war eine
Zeit fang Gouverneur von Paris, mußte aber
jpäter auf Befehl des jungen Königs diefe Stabt
verlaffen. Er erhielt nun die Anwartſchaft auf
feines Baters Stelle als Admiral von Frankreich ır.
ſchlug die algieriihen Seeräuber 1665 an der Küfte
von Zunis; er Algier u. fi. bei einem Ausfalle aus
dem von den Türken belagerten Gandia (1669).
III. Das belgiſche Geſchlecht der Grafen
u. Herzöge von B. Die Grafen v. B. fommen
feit 1005 vor, wo Kaifer Heinrich II. B. an Walther,
Sohn des Ardennenfürften Gottfried, verlieh. Yım
13. Jahrh. kommen die 4 Zweige des Haufes:
B. de Gones, B. de Fallais, B. de Gelles
u. B. Spontin vor; die Glieder des letzteren
zeichneten ſich auch in den Kreuzzügen aus. Jetziger
Chef: Herzog Alfred, Marquis v. B.-Spontin
u. v. Florennes, Graf v. Beauraing, Bicomte v.
Eclaye u. Dubenbourg, geb. 16. Juni 1816; er
hat auch Befisungen in Böhmen u. Öfterreih u.
lebt in Brüffel u. Wien; er ift feit 1854 ge-
ihieden von jeiner 2. Gemahlin, Therefe, geb.
Fürſtin von Thurn u. Taris (geb, 1830), in
einziger Sohn aus erfter Ehe (von Pauline, geb.
Marguife von Forbin-Janſon, ft. 1846) ift Prinz
Friedrich, geb. 1843.
Beaufort, 1) Levinus Ferdinand de, ein
nicht unverbienftliher niederländiſcher Geichicht-
jhreiber, geb. 1675 auf dem Fort St. Anne, im
Yande von Hulft; war Penfionär von Tholen u.
Admiralitätsrath von Seeland; fl. 1730 in Middel-
burg; befannt bauptfähhli dur fein Leben von
Wilhelm I., Prinzen von Oranien, u. Abhandlung
über die Freiheit des Bilrgerftaates. 2) Sir Fran-
cis, engliiher Hpbrograph u. Gontreadmiral,
von franzöfiiher Abftammung, geb. 1774 zu
Callan in Irland; war als Midſhipman 1794 in
der Seeſchlacht bei Breft, wurde 1796 Lieutenant
u. 1800 Commandeur; nachdem er 1811f. die
Küfe von Karamanien in Kleinafien aufgenommen
u. gute Karten dariiber entworfen hatte, war er
1812 bis 1829 in England mit der Bearbeitung
von Seelarten für die Admiralität befchäftigt. Er
wurde num zum Hydrographen ernannt, als wel»
Präfident des Biutgerichtes, welches die Jungfrau|cher er die Aufnahmen der Bermeflungscorps im
von Orleans zum Tode verdammte.
11. April 1447 zu Wincheſter.
Er ftarbifaft allen Meeren verarbeitete u. diefelben allen
feefahrenden Nationen zugänglih machte. Nachdem
II. Die franzöfiihen Herzöge don B.ler 1846 Eontreadmiral geworden war, legte er
ftammen von Gabriele d'Eſtrees u. König Hein-| 1854 feine Stelle als Hydrograph nieder u. ft. 17.
rich IV. ab: 6) Frangois de Bendöme,|Dec. 1857 zu Brigbton. 8) Henri Ernefte
Herzog von B., geb. zu Paris 1616, Sohn Grout, Chevalier de, franz. Reifender, geb. 1798
des Derzoge Eifar von Bendöme, natürlichen zu Aubevoye im Dep. Eure; diente feit 1812 in
Sohnes Heinrichs IV. u. der Gabriele d'Eſtrees; der Marine, unternahm 1823, durch Studien vor-
betheiligte fih mit Auszeichnung feit 1635 anjbereitet, vom Gambia aus eine Neife nach dem
den Feldzügen gegen die Spanier, an den Er-|Fnnern Afrifas u. in den beiden folgenden Jahren
ſtiirmungen von Gorbin (1636) u. Arras (1640);| weitere folde, auf welchen er beionders die Ent-
erhielt nach Ludwigs XIII. Tode die Aufficht über|dedungen Mungo Parts weiter verfolgte u. die
die Prinzen u. bemühte ſich in dieſer ‚Function, | Goldminen von Bambuf erforſchte. Er ft. aber
unter der Königin Anna von Öfterreih eine Rolle ſchon 1825 zu Bakel am Senegal.
zu jpielen, warb aber wegen eines Anfchlages gegen! Beaufort D’Hantpoul, Charles, franz. Ge-
Beaugency — Beaujolais.
neral, geb. 1804 ; trat in die franzöftiche Armee‘
u. diente längere Zeit als Adjutant des Generals
Stv (Soliman Paſcha) in dem ägyptifchen Heere
Idrahim Paſchas, wo er den Feldzug in Syrien
gegen die Türken mitmachte, darauf bis 1848 in
Algenen unter dem Prinzen von Aumale; dahin
ging er auch 1849 zurüd u. wurde 1854 zum Bri-
gadegeneral ernannt. Im Aug. 1860 führte er
als Divifionsgeneral das franzöfiihe Corps nad
Sprien, welches gegen die dort von den Drufen
aa den Maroniten begangenen Graufamleiten
interveniren follte, mußte aber, auf die Forder—
ungen Englands und der Türkei, nod vor Her-
kelung der Orbnung im Juli 1861 mit feinen
Truppen von dort wieder abziehen. Seitdem
Mitglied des Senats, trat er aus dem activen
militärifchen Dienfte zurüd, war mährend bes
Krieges von 1870 in Paris u. 27. Jan. 1871
militärifcher Berather J. Favres bei Abſchluß des
Raffenftillftandes in Verſailles.
Beaugency (Balgentiscum), Stadt im Arr.
Orleans des franz. Dep. Loiret, an der Loire;
Brüde von 26 (früher 39) Bogen; Schloß;
Gerbereien; Handel mit Wein (befter im Dep.)
a. Branntwein; 4635 Emw.; in der Nähe eifen-
haltige Mineralquelle. Zu B. wurden 1086 und
1152 SKirchenverfammlungen (Balgentiacensia
coneilia) gehalten, beide wegen ber Rechtmäßigleit
der Ehen ber damaligen Könige von Frankreich.
Im %. 1291 fam B. aus dem Befite der alten
Barone von B. durch Kauf an König Philipp IV.
u. fpäter an den Baftard Dunois, von deſſen
Kadlommen an die Krone u. dann an das Haus
Orleans. Hier ſchlug am 8. Dec. 1870 der Grof-
berzog von Medienburg den General Ehanzy in
einem biutigen Treffen u. zwang ihn zum Rüch.
zuge auf fe Mans.
Be 8, County von Unter- oder WCa-
nada, am ©t. Lorenzfirom, an den Staat New-
Dorf grenzend; 41,223 Em.
Beauharnais, 1) Fanny de B. franz. Dich⸗
terin (mad ihrem Geburtsnamen Marie Unna
Frangoife Mouchard), geb. 1738 in Paris; hei«
rathete jehr jung den franz. Seeoffizier Grafen
B., fieß fi aber fcheiden u. führte in Paris ein
sehr freies Leben; als Verwandte der Kaiferin
Joſephine an den Hof gezogen, ward fie unter
Marie Luiſe faft er u. ft. 2. Juli 1813,
Ste ſchr. unter dem Namen Fanny: Lettres de
Stephanie, Par. 1778, 3 Bde.; Poesies fugiti-
ves et e sans consöquence, ebd. 1772, 2
Bde.; L’Abailard supposs, Amſt. 1780; L'aveugle
par amour, 1781; L’isle de la felicite, 1801,
u. m. a. 2) Elaude, Graf B., Sohn der Bor.,
geb. 29. Sept. 1756; diente erft als Offizier in
der Garde unter Ludwig XVI., wurde Deputirter
der Etats gendraux, fam dann an ben gi der
Kaijerin Marie Luife u. warb nad der Reſtau—
ration Pair; er fi. 10. Jan. 1819. Er war ver
mählt erft mit der Marquife de Lezay- Marnezia
n. in 2. Ehe mit Fräulein Fortan, deren Tochter
Joſephine Defirde if. 3) Stephanie, Tochter
des Bor. aus 1. Ehe u. Großherzogin von Ba-
den; ſ. Stephanie. 4) Frangois, Marquis de
3., eifriger Royalift, Coufin von B. 2), geb. 12.
Aug. 1756 zu La Rochelle; Deputirter der National-! bildet,
61
veriammlung; verließ Frankreich, nachdem er die
föniglide Familie vergebens zu retten verfucht
hatte, 1792, diente im Condéſchen Corps u. lebte
naher in Koblenz u. Bayreuth; Napoleon er-
laubte ihm 1804, nad Frankreich zurüdzulehren,
u. fchidte ihn 1805 als Gefandten an die Köni-
gin von Hetrurien u. 1807 nad Madrid; doch
ward er, weil er fid mit dem Prinzen von Aftı-
rien in Einverftändniß gejetst hatte, bald zurüd-
berufen u. lebte am bein. Die Rückkehr der
Bourbonen führte auch ihn erft nach Paris zurüd,
wo er, zum Pair erhoben, 4. März 1846 ftarb.
5) Alerandre, Bicomte de B., Bruder bes
Bor., geb. 1760 auf Martinique u. in Paris er-
zogen; er nahm franzöfiiche Kriegsdienfte, heira-
thete Joſephine (f. d.) Taſcher de la Pagerie,
nachmalige franzöfiihe Kaiferin, diente erft unter
Rochambeau in Amerifa u. ward beim Ausbruche
der franzöfifchen Revolution Major. Als Depu«
tirter in der Berfammlung der Notablen verthei-
digte er die Gonftitution, focht als Generaladju-
tant der Nordarmee unter Luckner u. Euftine u,
ward 1793 Obergeneral der Rheinarmee. Er
legte, da alle Adelige durch ein Conventsdecret
ihre Stellen verloren, feine Stelle bei der Armee
nieder; beichuldigt, den Fall von Mainz durdy Un⸗
thätigleit herbeigeführt zu haben, wurde er am
23. Aufi 1794 guillotinirt. 6) Eugen, Sohn des
Bor., nahmaliger Herzog von Senhienlieng (. d.).
7) Hortenfie, Schweiter des Bor., Königin von
Holland; f. Hortenſie.
Beanjen, Stadt im Arr. Billefrande des franz.
Dep. Rhöne, am Ardidres; Weinbau (Beaujo-
lais-Wein, dem Burgunder ähnlih, geht ftarf
nach Paris u. yon); Papierfabrifation, Gerberei,
Böttcherei; 3851 Em,
Beaujeu, alte franzöfiiche Familie, nach vor,
benannt; ftammte von den Grafen v. Florez, der
jüngeren Linie der Grafen u. Dauphins von Als
bon, ab. Merfwürdig: 1) Guihard IL, Sohn
von Ludwig Baron v. Beaujolais und Prinz v.
Dombes; diente jhon unter Philipp dem Schönen
im franz. Heere, ward 1325 bei St.-Fean-le-
Bieur, wo er zu Gunften des Grafen Edmund
von Savoyen gegen den Dauphin von Biennois
focht, gefangen und erhielt feine Freiheit erft 2
Jahre jpäter wieder; er begleitete 1328 den König
Philipp gegen die empörten Niederländer und ft.
1331. Dit 2) Eduard IL, der 1401 ohne Kin«
der ftarb, erloſch diefe Familie; er überließ B. u.
Dombes dem Herzog Ludwig II. von Bourbon,
Bon deffen Nahlommen erhielt die Befitungen
8) Pierre de Bourbon, Sire de B., Conne-
table von Frankreich; er war vermählt mit Anna,
Tochter Ludwigs XL, u. führte unter Karl VIII.
die Regentſchaft; er farb 1503 ohne männliche
Nachkommen. Seine Tochter Sufanne heirathete
der Eonnetable Karl von Bourbon.
Benujolais, ſonſt Landſchaft in der ehemaligen
Prov. Pyonnais, zwiichen der Loire u. Sadne in
Franfreih; 1793 (km; berühmt durch ſehr ge»
ſchätzten Rothwein; umfaßte die Städte Billefrandhe
(Hauptftadt), Beaujen, Belleville, Charlien. Sie
faım 1523 an die Krone. Der größere Theil gehört
jest zum Dep. Rhöne, von dem er faft die Hälfte
ein Heiner Theil ift dem Dep. Loire einverleibt.
62 Beaulien —
Bennlien, Name zahlreiher Ortichaften ꝛc.
in Frankreich, darunter Stadt im Arr. Brive des
franz. Dep. Corrdze, rechts an der Dorbogne
(200 m lartge Kettenbrüde); Mefferichmiede, Wein-
handel, Märkte; 2530 Em.; dabei Bleigrube.
Beanlieu, 1) Jean Pierre, Baron de B,,
öfterr. General, geb. 26. Oct. 1725 zu Namur;
nahm 1743 öfterr. Kriegsdienfte, indem er in das
Regiment des Herzogs von Lothringen eintrat,
ward 1747 Hauptmann, 1757 Major im General«
quartiermeifterftabe. Im Tjährigen Kriege, unter
Daun, zeichnete er fih bei Kollin, Schweibnig,
Breslau, Leuthen, Olmütz, Gera u. Maren aus
u. avancirte zum Oberftlieutenant im General»
ftabe. 1768 fam er als Oberft nach den Nieder-
landen; dort beichäftigte er ſich auf feinem Land»
fige Jrdoigues mit der Anlegung einer antiquari-
ſchen Sammlung von Medaillen, Büchern, Karten,
Kupferftihen, Handzeihnungen zc, Seit 1789 Ge:
neralquartiermeifter beim Deere des Feldmarſchalls
Bender, operirte er gegen die belgischen Inſur—
genten u. wurde 1790 J— u. Feldzeug⸗
meiſter. Er ſchlug 1792 die Franzoſen unter Bi—
ron bei Quieprain und Jemappes, wo er ben
linlen öfterreidhifchen Flügel führte, und zog fich
dann Hinter bie Erft zurüd; 1793 unterhielt er
mit einem Meinen Corps die Verbindung zwiſchen
den Ofterreihern u. Preußen bei Luremburg u.
Namur, unterftügte den geichlagenen Ders von
Hort, den er durch das glüdliche Gefecht bei Cour-
tray von der Gefangenschaft rettete, u. ſchlug in-
folge des fiegreihen Angriffes am Neederbad die
franzöfiiche Armee gänzlih im die Flucht; 1796
erhielt er den Oberbefehl über die italienische
Armee, wurde aber von Bonaparte bei Monte-
notte, Millefimo, Montefimo, Mondovi u. Yodi
geihlagen u. nah Tirol zuriüdgetrieben. Er trat
bierauf das Commando an Wurmſer ab u. 309
fih auf ein Gut bei Pinz zurüd, wo er 22. Dec,
1819 ftarb. 2) Elaude yrangois, franz. Pu—
biicift, geb. 1754 zu Riom; war Redactenr mehrerer
gemäßigt monarchiſchen Zeitungen, Mitbegründer
des Clubs der Feuillants (1791), unter Robes-
pierre eingelerfert, (1797) zur Deportation verur-
theilt, fpäter Secretär des Präfecten der Oiſe;
er ft. 1827 zu Marly; fchr.: Sur les causes et les
effets de la revol. frang., Bar, 1801—8, 6 Bbe.;
Le temps present, 1815, u. a. m. 8) Jatob,
auch Baulot genannt, befannter als Frore Jac—
aues, angebliher Erfinder des Seitenfteinfchnittes
beim Menſchen. Er war feines Handbwerfes ein
berumziehender franzöfiiher Blaſenſteinſchneider.
In Eteudonne (Franche Comte) 1651 geboren,
urfpränglihd Tagelöhner, wurde er Soldat und
ſchloß fich endlich dem italienischen Stein- und
Beaumanoir.
die Facultät. Er follte zunähft nur an Leichen
operiren, damit man nachträglich durh Section
fein Verfahren beurtheilen könne, doch verzögerte
ſich Dies, u. durch Bermittelung der königl. Yeib-
Ärzte Jagon u. Félix erhielt er num in der Charite
u. im Hotel-Dieu 60 Steinkranfe, von denen nach
Merys Angabe 25 ftarben; auch feine Freunde
fonnten ihm nur rohe Routine und Mangel jeder
Sachkenntniß nachjagen. Er wanderte weiter, fam
1700 wieder nad Berfailles, operirte in Angers
mit befferem Erfolge 49 Kranke, von denen nur
2 farben. Dagegen batte er das Unglüd, daß
ihm 1702 der Marſchall de Yorges ftarb. Er ging
wieder auf die Wanderichaft, fam 1716 nad Be-
jangon u. ft. 1720. Anfänglih fam es ibm nur
darauf an, den Stein zu befommen, umbelümmert,
ob er dabei Scheide u. Maſtdarm verlegte, um«
befümmert auch um dem weiteren Berbaud; nur
in fpäteren Jahren trieb er Anatomie und lernte
fo bantiren, daß fich feine Methode von der damals
üblichen kaum unterjchied. I Meinardus,* 3) Thambayn.
pen gg © Bon der alten fran«
zöſiſchen, urfprünglih in Blois angejeffenen Fa—
milte Marconnay wendeten ſich die vier reformir-
ten Zweige nad der Aufhebung des Edicts von
Nantes in das Ausland; die B.M. ließen fih im
Hannoverifchen nieder u. erhielten 1859 die Aner-
tennung ihres Freiherrnſtandes im Großherzog-
thum Oldenburg. Ihr Stammvater: 1) Olivier,
geb. 1660, ftarb als bannoverifher Oberjäger-
meifter 1751 in Celle; er mar durch feine Se.
mahlin, Marie d'Eſſemier d'Olbreuſe, der Schwa-
ger des Herzogs Georg Wilhelm von Braun-
Ihmeig, welcher die Schwefter feiner Gemahlin
Eleonore, unter dem Namen Ducheife d'Olbreuſe
befannt, geheirathet hatte. Das Oberjägermeifter-
amt ging von dem Bater auf den Sohn, fyrhrn.
Georg Wilhelm, und den Enkel, Frhrnu. Friedrich
Georg (ft. 1808), über; von des Letzeren Söhnen
war der jüngfte: 2) Frhr. Wilhelm, geb. 1786,
oldenburgiicher Geheimrath u. Oberſchenk und fi.
1859. Chef: 3) Frhr. Karl Dlivier, Diplomat
u. Hiftorifer, ältefter Sohn des Bor., geb. 5. Sept.
1811; wendete fih, während feine Brüder im
oldenburgiichen Dienfte blieben, 1848 nad) Weimar,
wo er großberzoglicher Kammerberr u. 1851 Hofe
theater» /ntendant (bis 1857) wurde; feit 1864
vertrat er die Sachſen-Erneſtiniſchen Häufer und
Reuß jüngere Linie beim Bundestage als bevoll«
mächtigter Minifter bis 1866; ſeitdem lebt er im
Dresden; er ift mit Anna, geb. v. Fritſch, ver»
mählt. Schr. die Biographie des ſächſ. Minifters
Thom. v. Fritſch, Lpz. 1871; Der Hubertsburger
Friede, ebd. 1871; Herzog Ernft Auguſt von
Weimar, ebd. 1872; er bereitet eine Lebensge-
Bruchichmeider Pauloni an, von dem er feinelichichte des Fürſten-Primas von Dalberg vor.
Kunft handwerfsmäßig lernte, aber eben nur hand-
eaumanoir, 1) Jean de B., Ritter aus
wertsmäßig, denn er war jo unmifjend, bei jeder|ber Bretagne, Waffen genoß Du Guesclins ; verthei⸗
Bruchoperation, allerdings wie auch Pauloni, digte 1351 offelin, wobei er mit 29 Franzoſen
gleichzeitig den Hoden mit zu entfernen.
jeiner Trennung von Pauloni wurde er Francis.) (Gefecht der Dreifig).
Nach einen Zmeilampf gegen 30 Engländer bejtand
Als Anhänger Karls von
caner u. nannte ſich Frere Jacques. ALS folder) Blois focht er im Bretagniichen Kriege. 2) Bhi-
wanderte er nun in jenem Mönchskleide in Franklippe de B., franz. Gejandter in Rom; ftarb
reih umber u. vollbrachte manche glüdliche
tein-| 1296; verfaßte bie rechtögejchichtlihen michtigen
operation. So kam er aud nad Paris, operirte/Coutumes de Beauvoisis, n. U. von Beugnot,
einen Kranken glüdiih und wandte fih nun an Par. 1842, 2 Bde,
Beaumarhais — Beaumont.
63
Beaumarchais, Pierre Auguftin CaronjLettres à M. Voltaire, 1761; Commentaire sur
de B. franz. Schrifiſteller, geb. 24. Jan. 1732/la Henriade, Berl. 1775, 2 Bde. Er gab auch
zu Paris, Sohn eines Uhrmachers; wurde Mufit-|die Briefe der Maintenon, Amt. 1756, 9 Bbe.,
fehrer der Prinzeſſinnen von Frankreich. Durch |beraus,
Heitath mit zwei reichen Wittwen u. durch eine
Beaumes (Baumes), Dorf im Arr. Orange
Afociation mit Duverney erwarb er ſich großes|des franz. Dep. Vaucluſe, an der Salette; Schloß
Vermögen. Als er fih 1764 wegen einer Geld-
ipeculation in Madrid aufhielt, hatte er Ehren-
händel mit dem jpanifchen Schriftfteller Clavigo,
weiber jeine Schmweiter verführt hatte. Nah Du-
derneys Tode (1770) kam er mit deffen Erben, dem
Grafen Blacas, in einen Proceß, den er ver
lor. Hieraus entwidelte fi ein neuer mit einem
der Kichter, Gözmann, von deffen Gattin er die
Geſchenke zuriidforderte, mit denen er diefelbe be-
Kochen Hatte. In 1. Inſtanz zu bilvgerlicher Ehr-
iofigteit u. zur Brandmarkung verurtheilt, wurde
er in 2. Juſtanz freigefprohen. Den Proceß, den
er 1781 für die des Ehebruches befchuldigte rau
des Banguiers Kormann führte, gewann er. In
dem amerifan. Kriege führte B. den Amerifanern
mehrere Schiffe mit Kriegsbedürfniffen zu, wobei
er Millionen gewonnen baben ſoll. Spätere Unter-
uebmungen, bei. die Herausgabe von Voltaires
Berfen, wozu er in Kehl eine eigene Druderei
errichtete, ſchädigten u jein Bermögen.
Ebenfo verlor er im der Kevolution, wo er 1792
der Regierung 60,000 Gewehre zu liefern ver-
ſprochen hatte, die deshalb deponirten 500,000 Fr.
8. #. 17. Mai 1799. Er fchr. die Theateritüde:
Eugenie, Bar. 1767, deutſch, Lpz. 1768; Lea
deux amis, 1770, deutih von Bod, 1771, beide
noch unreiſe Schöpfungen im Diderotjchen Ge—
ſchmach; Le barbier de Seville, 1775, deutſch
von Seibel u. P. Lindau; Le mariage de Fi-
garo, 1784 in Paris 68 Mal hinter einander
gegeben, beide heute noch nicht übertroffen und
Anlaß zu vielen Nachbildungen; Tavare, 1787,
Oper; La mere coupable, 1791, L’ami de la
maison, zuerſt gedrucdt in der Ausgabe feiner
Berfe, von Marescot u. de Heylli, 1869. Die faſt
ebenfo epochemahenden Memoiren ilber die von
ihm geführten BProceffe find gefammelt von
Sainter-Beupe, Bar. 1857 oder 1868, 5 Bde.,
deutih von Lewald, Stuttg. 1839. Bol. 2. de
tomenie, B. et son temps, Bar. 1856, 2 Thle.;
Hust, B. en Allemagne, Par. 1869.
Beaumari (Beaumaris), Stadt u. Hauptort
der engliihen Grafſchaft u. Juſel Anglefea; Sig
der Alfıifen; gute Rhede u. Hafen, beiuchtes Bad;
altes Gaitell, von Eduard I. 1295 erbaut; 2291,
als Barlamentsfleden 13,300 Em,
Beaumelle, Laurent Angleviel de la B.,
franz. Schriftfteller, befannt als Gegner Voltaires,
geb. 28. Yan. 1727 zu Balleraugue in Nieder-
Yanquedoc; wurde 1750 Brofefjor der jchönen
Bifienfchaften zu Kopenhagen, ging aber bald nach
Berlin und kehrte 1752 nad Frankreich zuriid,
mwurbe wegen jener Schriften 1758 in die Baftille
gefegt, lebte darauf auf jeimem Gute u. ft. 17.
oo. 1773 als Bibliothefar der Königlichen Bis
bliothet zu Paris, Er fchr.: Mes pensdes, Par.
1758, deutjch, Berl. 1754; Pensdes de Seneqne,
sn. 4., ebd. 1730; Me&moires de Mme. Maintenon,
Amft. 1756, 6 Bde., deutich, Lpz. 1758, 3 Bpe.;|fanettes,
La sieele de Louis XIV., Par. 1754, 4 Bde.;!im Dep.
mit merkwürdigen unterirdiichen Gemächern; Salz-
quellen; Muscatwein u. Olivenöl; 1675 Em.
Beau-monde (fr.), jchöne Welt, feine Geſellſchaft.
Benumont, 1) B. du BPerigord, Flecken im
Arr. Bergerac des franz. Dep. Dordogne, an
der Couze; Eifenhämmer; 1926 Ew. 2) B. de Lo—
magne, Stadt im Arr. Eaftel Sarrafin des franz.
Dep. Tarıı u. Garonne; Fayence-, Tuch- u. Hut⸗
fabrifen, Gerberei, Getreidehandel; 4344 Em.
3) B.+le-Roger, Stadt im Arr. Bernay des
franz. Dep. Eure, an der Rille; Glashütte, Vein-
wandbleichen; Mimneralquelle; 1985 Ew. 4) B.-
jur-Sarthe, Stadt im Arc. Mamers des franz.
Dep. Sarthe; Leimwandfabrifation; Handel mit
Getreide; 2090 Ew. 5) B.-en-Auge, Dorf im
Arr. Pont P’Evdque des franz. Dep. Calvados;
alterthümliche Kirche; Denkmal Yaplaces, der
bier geboren ift; Viehzucht; 830 Ew. 5) B.-jur-
Dife, Dorf im Arr. Pontoife des franz. Dep.
Seine-et-Dife, an der Paris-Brüffeler Eifenbabn;
altes Schloß; Gerbereien, Glas», Elfenbein-,
Mügenfabr,, Baflementerie; Märkte; 2392 Em.
7) Dorf im Arr. Sedan des franzöfiihen Dep.
Ardennen, an der Maas; Steinbruch; Märkte;
1300 Ew. Merkvürdig dur die Schlaht am
30. Aug. 1870, in welcher die Franzoſen unter
de Failly und Douay durch die Deutichen umter
dem Kronprinzen von Sachen geichlagen u. bier«
durch verbindert wurden, dem ‚Feinde anszuwei—
hen. 8) Stadt im Arr. Charleroy der belg. Prov.
Hennegau; Wollenweberei, Strumpfwirferei, Ger-
berei, ‚zärbereien; 2150 Ew.
Beaumont, 1) Francis, engl. Dichter, geb.
1585 zu Grace-Dieu in Yeicefterfhire; ftudirte die
Rechtswiſſenſchaft u. ft. 1616. Er war mit feinem
Freunde John Fletcher (ſ. d.) Shalefpeares Nach⸗
ahmer u. Nebenbuhler auf dem engliſchen Thea—
ter. Seine komiſchen und tragiſchen Theaterſtücke
ſind im Verein mit Fletcher geſchrieben, ſo daß
Fletcher ſelbſt die Erfindung, B. aber die Aus—
führung angehören ſoll; außerdem neigte B. mehr
zur Tragödie, Fletcher zur Komödie, Ihre Stüde,
52 an der Zahl, wurden meift erft nach 1647
herausgegeben. Bhilafter ift das erfte Stüd, das
ihnen einen Namen machte. Ungefähr um dielelbe
Zeit entftand The Maid's Tragedy. In diefem,
wie auch in den anderen Stüden, herrſcht ein
unfittliher Charakter, der dem Geſchmack der Zeit
huldigte; deshalb wurden fie am Ende des 17.
Jahrh. mehr als Shafeipeare aufgeführt. Engl.
Ausgaben von Darley, 1839, 2 Bde; Dre,
1841—48, 13 Bde., deutih won Kannegießer,
1808, 2 Bde. (unvollit.). Bon ihm auch lyr. Ge⸗
dichte, darımter das berühmtefte Letter to Ben
Jonson und On the Tombs in Westminster.
2) Jean Baptifte Armand Louis Peonce
Elie de 83, ſ. u. Elie de B. 8) Guftave
Augufte de la Bonninidre de B. Enfel Ya-
geb. 16. Febr. 1802 zu B.-la-Chartre
Sarthe; widmete ſich der Rechtswiſſen-
64
khaft, wurde 1824 Subftitut des Procurators im
DObertribunal des Seine-Dep. und ging 1831 im
Anftrage der Regierung mit Tocqueville nad den
Bereinugten Staaten, um das dortige Gefängniß-
weſen zu fludiren. Seit 1839 Mitglied der Kammer,
trat er auf Seiten der Oppofition, wurde 1848
zur Gonftituirenden Berfammlung und zu beren
Bicepräfidenten gewählt u. ſchloß fih der gemä-
Bigten Partei der Republilaner an; unter Cavai—
gnac war er Gejandter in London. Gegen ben
Staatsftreih Napoleons III. proteftirte er mit u.
wurde deshalb verhaftet, aber wieder entlaffen.
In völliger Zurüdgezogenheit ftarb er 2. April
1866 zu Tours. Ermwar Mitglied des Inſtituts u.
ſchr. (mit. de Tocqueville): Traite du systeme
penitentiaire aux Etats-Unis, 3. Aufl., Par.
1845, 2 Bde., deutſch von Julius, Berl. 1833;
Marie ou l'esclavage aux Etats-Unis, 5. Aufl.,
Bar. 1842, 2 Bde. deutich von Spazier, Weim.
1836; L’Irlande sociale, politique et religieuse,
7. A. ebd. 1863, deutich von Brinkmeier, Braunſchw.
1840. Er gab auch die Werfe Tocquevilles heraus.
4) Eduard, Bicomte de B.-Baffy, franz. Gefchicht-
jchreiber, ein Better des Bor., geb. 1816; war
von 1851—53 Präfect von Laon; kam wegen un-
reeller Speculationen 1859 mit den Gerichten in
Eonflict u. zwei Jahre ins Gefängniß; ichr. meb-
rere Romane, u. a.: Une marquise d’autrefois,
Par, 1839; Don Luis, Par. 1839; Un dernier
röve de jeunesse, 1852; Une intrigue dans le
grand monde, 1867; außerdem: Les Suedois
depuis Charles XII. jusqu’a Oscar I, 1841,
2 Bde., 3.4., 1847; La politigque des honnötes
gens, 1851; Swedenborg on Stockholm en 1756,
1842; Hist. des etats europeens depuis le congrès
de Vienne, 1843—53, 6 Bde.; Hist. de mon
temps, 1865—58, 4 Bde.; Les salons de Paris
et la societe parisienne (unter Ludwig Philipp
u. unter Napoleon ILI.), 1866—68, 2 Bbe.; end»
lich eine Geihichte der Commune von Paris, 1871.
1) W. Körner.* 2) HenneAm Rbon.
Deaumontgewwehr, jo genannt nad feinem
Erfinder (Waffenfabrilant in Maftricht), 1871 für
die miederländifche Armee adoptirt; hat Kolben-
verichluß, centrale Zündung, gejtattet 9 gezielte
Sciiffe in der Minute; ſ. Gewehr.
Beaune, 1) Hauptft. des gleichnamigen Arr. im
franz. Dep. Cöte d'Or, an der Bouzaiſe; Gericht
erſter Inftanz, Handelsgericht; Bibliothet, Muſeum,
Ardiv, Hospital, merkwürdige alte Kirche, alte
Thürme u. Mauern (erbaut 1443); Fertigung von
Serges, Droguet, Tüihern, Meſſern; man baut fei-
nen Burgunder (Vin de B.) u. Juderrüben; 11,176
Ew.; Geburtsort des Mathematifers Gasp. Monge,
dem hier 1849 ein Denkmal errichtet wurde. 2) B.-
la⸗Rolande, Flecken im Arr. Pithiviers des franz.
Dep. Loiret; 1818 Ew.; Safranban, Honig und
Wade. Hier am 28. Nov, 1870 ruhmreiches
Gefecht des 10. preußiichen Armeecorps, fpectell
des 16. u. 57. Regiments, in das am Schluſſe
auch Theile des 3. preuß. Armeecorps eingriffen,
gegen überlegene Kräfte der franz. Loirearmee.
Beaune, zlorimond de, Mathematifer, geb.
1601 zu Blois, geft. dajelbft 1652 als Nath bei
dem königlichen Gerichte; befchäftigte fi mit der
durch Descartes neu erfundenen analptiichen Geo-!gemäbhlt,
Beaumontgewehr — Beaupuy.
metrie, bereicherte die Algebra durch den Nach—
weis, mie in den Gleihungen bis zum 4. Grabe
die Grenzen, innerhalb deren die pofitiven Wur-
zen liegen, aus den Eotfficienten gefunden mer-
den können, commentirte die Geometrie von Des:
carte u, fchr.: De aequationum constructione
et limitibus, herausgeg. non Bartholinus. Er
erfand ſehr künſtliche Fernröhren u. andere aftro-
nomifche Inſtrumente. Die von ihm geftellte jog.
Beauneſche Aufgabe verlangt die Gleichung einer
Eurve zu finden, bei der jede Ordinate da zur
bez. Subtangente verhält, wie eine gegebene Linie
zur Differenz von Ordinate u. Abfeiffe, Sie ward
erft 1692 nad) Erfindung der Differential- u. Jn-
tegral-Rechnung gelöft.
Beaunoir, Alerandre Louis Bertrand,
eig. Robineau, franz. Luftipieldichter, geb. 4.
April 1746 zu Paris; wurde Abbe, entjagte aber
diefem Titel, nahm ftatt R. das Anagramm B.
al8 Namen an, heirathete, ging als Theater-
director nach Bordeaug, dann nad) Paris, Brüffel,
Petersburg, wurde Vorlefer bei der Königin Luiſe
von — dann Correſpondent bei Jeérome.
Seit 1814 war er im Polizeiminiſterium u. dem
des Innern thätig; ft. 5. Aug. 1823. Er ſchr.:
Amourqueöteur,1777; Venus pelerine; Jeannette;
Jerome pointu; La nouvelle Omphale, 1782,
Beauplan, 1\ Amadde Louis Fojeph de,
defien eigentliher Name Rouffeau war, geb.
1790 auf dem Landgute Beauplan bei Chevreufe,
30 km von Paris; ftudirte Cameralwiſſenſchaft
u. trat in ben k. Bermwaltungsdienft; in ber
Mufit erwarb er fih einen Namen dur die Com—
pofition von Romanzen, welche jehr beliebt wur-
den; dagegen ſchug ein zweimaliger Verſuch, Opern
zu fchreiben, fehl (L'amazone, 1830, Le mari au
bal, 1845); ftarb 24. Dec. 1853 zu Paris,
2) Victor Arthur Rouffeau de, franz. Dra-
matifer, Bruder des Bor., geb. im Juni 1823 zu
Paris; war feit 1868 Regierungsbeamter bei dem
Odeon, den Igrifhen Theatern u. dem Conſerva⸗
torium der Mufil, Unter feinen Dramen, bie er
zum Theil in Berbindung mit Anderen gedichtet
bat, find Hervorzuheben: Oncle Tom, 1853;
L'ecole des menages, 1858; Les plantes para-
sites, 1862.
Benupre, |. Loyalty.
Beaupreau, Stadt im Arr. Cholet des franz.
Dep. Maine-et-toire, an der Eure; ſchönes Schloß
mit Park, darin eifenhaltige Duelle; Wollen- u.
Tafchentücherfabrilation, Gerbereien, Färbereien,
Biehhandel; 3758 Em. Hier am 28. April 1793
bitiges Treffen zwiſchen den Vendéern und den
Republifanern, in weldem die Letzteren gejchla-
gen wurden.
Beaupuy, Nicolas Michel, Badelier
de, franz. Politifer, geb. 1750 zu Muſſidan; ft.
1802 zu Paris. Mit 18 Jahren Unterlieutenant
im Dragonerregt. des Daupbins, war er, als bie
Revolution ausbrad, bis zum Major geftiegen.
Er ſchloß fi ihr mit Enthufiasmus an, nahm
feinen Abſchied, ging nach Perigord zurüd, wo er
die Nationalgarde befehligte, warb zum Maire,
dann zum Adminiſtrator des Dep. u. endlich zum
Abgeordneten in die Gejeggebende Berfammlung
Er erihien auf der Tribüne, um bort
Beauregard — Beauvais,.
65
feinen Ludwigsorden niederzufegen, war Mitglied fundheit legte er fein Commando nieder. Nad)
des Milttärausfchuffes, ſowie der von der Ber-
fammlung nach dem Lager von Chalons gefende-
ten Commiffion. Commiffar des Directoriums
1797, ward er in den Rath der Alten gewählt
a. unterſtützte mit allen feinen Kräften die ehr-
geizigen Pläne Bonapartes, der ihn zum Mit-
e> des Senats ernannte. 2) Armand Michel
ache lier de, ausgezeichneter Offizier der franz.
Republif u. jüngerer Bruder des Vor., geb. 1757
zu Muffivdan. Gleich feinem Bruder trat er
jung in die Armee, diente unter der Republik an
der Spite des Bataillons der Freiwilligen der
Dordogne und zeichnete ſich mit diefen 1792 bei
Speyer, Worms, Mainz u, Koftheim aus. Für
die muthvolle Erftürmung des letzteren Ortes
wurde er im März 1793 zum Brigadegeneral u.
Eommandanten von Mainz ernannt, als welcher er
im Sommer capitulfiven mußte. Infolige der
Beitimmungen der Capitulation nicht gegen die
Eoalition verwendbar, wurde er mit der Garnifon
nad der Bendee gefandt, wo er an den Schlach-
ten von Tremblaye u. Cholet (15. u. 17. Oct.
1793) mit Auszeihnung theilnahm u. bald dar-
anf bei der Berfolgung der über die Loire zurüd-
gehenden Bendeer ſchwer verwundet wurde. An-
tangs 1794 übernahm er das Commando einer
Diviſion bei der Aheinarmee, wo er fich befonders
1796 auf dem denfwürbigen Rückzuge Moreaus
aus Bayern dur den Schwarzwald auszeichnete.
Er fiel bei Emmendingen 19. Oct. 1796; ein Dent«
mal wurde ihm zu Neubreifach errichtet 1) Bartling.
Beauregard, Pierre Guftade Toutant
de, General in der comföderirten Armee während
des Bürgerfrieges in den Bereinigten Staaten
NAmerilas, Sohn eines reihen u, einflußreichen
Pflanzers in Yonifiana, geb. 1817 auf der Plan-
tage feines Baters, nahe bei New - Orleans,
Er erbielt feine militärifche Ausbildung auf
der Militärjchule zu Weftpoint, aus der er 1838
als Unterlieutenant der Artillerie ausichted. 1839
fieg er zum Lieutenant auf u, machte als folcher
den Krieg der Union 1846 gegen Merico mit,
fämpfte bei Eontreras, Churnbusco u. Chapul«
tepec, wo er zweimal verwundet wurde; eine an-
dere Runde erhielt er bei der Erſtürmung der
Stadt Merico. Am 3. März 1853 ward er Ga-
pitän. Unter Präfident Buchanan nahnı er feinen
Abſchied. Mit großer Entſchiedenheit ftand er von
Anfang an auf Seiten des rebelliichen Südens
u. ward im Febr. 1861 Brigadegeneral in der
ſeceſſio niſtiſchen Armee, als welder er den Bürger-
frieg durch die Beſchießung des Forts Sumter
eröffnete. Als Befehlshaber der Südlichen Truppen
in Birginien trug er am 21. Juli 1861 den Sieg
fiber die nordftaatl. Armee bei Bull Run davon,
Am 5. März 1862 erhielt er das Commando der
Armee am Miffiffippi unter General A. S. John
fon, der am 1. April fi mit ihm vereinigte u.
am 6. April die Schlacht von Shiloh leitete, bis
er fiel, worauf B. den Oberbefehl übernahm.
Nadivem er fih in Korinth befeftigt hatte, hielt
er zwei Monate lang den ihn belageruden Gene»
ral Halle in Schad, u. als er zum Rückzuge ge»
mungen ward, führte er benfelben mit geringem
Bertufe aus. Infolge feiner tief erichütterten Ge—
Pierers UniverfalsConverfations:?erifon. 6. Aufl. IIL Band.
feiner Wiederherftellung vertheidigte er im Sommer
u. Herbfte 1863 Charlefton u. deffen Außenwerk
erfolgreich gegen General Gilmore. Seit 4. Jan.
1864 commandirte er unter Lees Oberbefehl bei
Richmond, ſchlug am 16. Mai Butler bei Drurys
Bluff, am 23. mi Grant bei Petersburg; jeit
October befehligte er in N- u. SCarolina bis zur
Waffenftredung im April 1865. Nah Beendig—
ung des Krieges zog fh B. ins Privatleben
zurüd, beſchäftigte ſich mit Eifenbahnanlagen u.
ft Präfident der New» DOrleans-, Jadion- und
Miſſiſſippi⸗Bahn.
Beau sexe (fr.), das ſchöne Geſchlecht, die
Frauenwelt.
Beauté (fr.), 1) Schönheit. 2) Ein ſchönes
Frauenzimmer. Daher Dame de B., Beiname
der Agnes Sorel (f, d.).
Beaubais, Hauptitadt des gleichnam. Arr. u.
des franz. Depart. Dife, am Therain und der
franz. NBahn; Biicofsfig, Departementsbebörden,
Handelsgericht, Gericht 1. Inſtanz, literarische u.
Aderbaugefellihaft; bedentende Kathedrale (1225
begonnen, unvollendet), Stephanslirche (mit Glas—
malereien u. altrömiichen Grabmälern); Normal-
ſchule, Rathhaus, Altertfumsfammlung, Biblio
thel; Fabrilen von Gobelins» Tapeten (dem
Staate gehörig, 1664 gegründet), von Wolldeden
(2 Dil, jährlich), Tüchern (2 Mill), Teppichen
(14 Mil), Paffementerien (für 700,000 Fes.),
Utrechter Sammet, Indienne zc., Gerbereien;
15,551 Ew., wovon 13,632 in der eigentl. Stadt;
dabei zwei Eifenquellen; Geburtsort des Dominica-
ners Bincent B. — B. war eine Stadt der
Bellovaker u. hieß zur Römerzeit Cäfaromagus,
Ipäter Bellovacum und im Mittelalter Belva-
cum. Hier wurden die Bellovacenfiihen Kirchen»
verſammlungen 845 und 1115 gehalten und in
letsterer Kaifer Heinrih V. von Neuem ercommu-
nicht. Seit der Mitte des 9. Jahrh. gebörte
B. als Grafichaft zum Haufe VBermandois; 1010
vertaufchte Graf Eudo II. Stadt u. Gegend gegen
die Sraffhaft Sanceron u. übertrug den Titel
als Graf von B. feinem Bruder Noger, Bifchof
von B., deſſen Nachfolger den Titel fortführten u,
dazu auch die Pairie erhielten. Seit 1225 faßen
Chatelains (Burgvögte) zu B. In der Mitte
des 15. Jahrh. erheirathete der Kanzler Jean
?eclere die Chatelainerie u. verlaufte diefelbe an
Eftout v. Eftoutoille, Herrn v. Beaumont. 1433
wurde B. von den Engländern u. 1472 von Karl
dem Kühnen, Herzog von Burgund, vergebens
belagert; damals zeichnete fih ‚Jeanne Hachette
(f. d.) an der Spige der frauen durch Tapferkeit
aus u. erbeutete bei einem Ausfall eine Fahne,
weshalb noch jährlih am 14. Dct. ein feierlicher
Umzug gehalten wird, wo bie rauen den Bor-
tritt haben. Der Heldin wurde 1851 in ®. ein
Dentmal errichtet.
Beauvais, Charles Theodore, Baron de,
franz. Schriftfteller u. General, geb. 8. Nov. 1772
zu Drleans; ging 1798 als Adjutant mit Na—
poleon nad) Agypten u. wurde gefangen; 1809
wurde er Seneralftabschef in Spanien u. eroberte
1813 al$ Mar&chal de camp die Feſtung Reus;
er farb 1830 zu Paris. Scrieb: Diction-
6
66
Beauvallet — Bebel.
naire historique, Par. 1826—29, 6 Bde.; gab der nordamerif, Union, unter 38% n. Br u. 112°
heraus: Correspondance de Napoleon avec les
Cours etrangeres, 1819—20, 7 Bde.; war Haupt-
mitarbeiter an Vietoires et conqastes des armdes
fr., 1817 ff., 28 Bde.
Beauvallet, Pierre Frangois, frauzöftfcher
Scyaufpieler u. Dramatifer, geb, 13. Oct. 1801
zu Pithiviers im Depart. Loiret; widmete fi zu-
erft der Malerei u. ftudirte einige Zeit im Atelier
von Paul Delaroche. Ein Spaziergang mit
Caſimir Delavigne, dem er —— etwas vor⸗
declamirte, offenbarte ihm die. Quelle, worin Er-
folg winfte. Nachdem er fi am Conjervatorium
ausgebildet, betrat er auf dem Odeéontheater
zum erften Mal die Bühne, auf der er als Cha—
vafterdarfteller große Erfolge erzielte u. mament-
lih als Polyeucte, Tancröde, Rodrigue, Orosman
neben der Nadel glänzte. Später zog er fi
zurüd u. erſchien nur noch jelten auf der Bühne,
jo 1868, wo er in dem Obeontheater, das ihm
als Anfänger zuerft feine Thüren geöffnet hatte,
die Rolle de Königs Year in der von Lacroi be
arbeiteten Shalejpearejhen Tragödie mit großer
Meifterjchaft fpielte. Seit 1839 war er Profeifor
der Declamation an einer der Klaffen des Con-
jervatoriums. Gleich feinem Kameraden Samſon
jhrieb er auch einige Stüde für das Theater,
welche aber nur geringen ———— Es ſind
folgende: Kain, 1830; Robert Bruce, 1847; Le
dernier Abencerrage, 1851. B. ftarb 21. Dec.
1873. Sein Sohn Leon B., geb. 1829 zu Paris,
folgte glei feinem Bater der doppelten Laufbahn
eines Schaufpielers u. eines Schriftitellers. 1855
begleitete er die berühmte Schaufpielerin Rachel
auf ihrer verunglüdten Kunftreife nad Amerika,
worüber er in Sigaro einen geiftreichen Bericht
unter dem Titel: hel et le Nouveau Monde
veröffentlichte. Außerdem fchrieb er," zum Theil
im Bereine mit Barridre, Decourcelle u. Des-
nopers, eine Neihe von Dramen der leichteren
Gattung: Sur terre et mer, 1854; Les femmes
de Gavarni, 1852; Le roi de Rome, 1855; die
Vaudevilles Ninon et Ninette, 1858; A Chaillot
I’ exposition, 1862, u. a. In der Wochenſchrift
Passe-Temps veröffentlihte er aud einige Ro—
mane, die wenig oder gar feinen Werth haben,
Bartling.
Beauboir-fur-Mer, Gemeinde im Arrondiffe:
ment Sables-d’Dlonne des franzöſiſchen Departe-
ments Vendée, ehemals am Deere, jetzt 4 km
davon entfernt; alte Grabhügel, Schloßruinen;
Aufternfiicherei, Saline; Ausfuhr von Salz uud
Weizen; 2401 Ew., wovon aber bloß 895 im
eigentlichen Orte.
Benurit (Baurit), Mineral, das aus dem
Thonerdehydrat AL,H,O, mit etwas Eifenoryd u.
Kiejelfäure befteht, in SFrankreich, Calabrien,
Irland, Steiermarl, Krain u. am Senegal vor-
fommt u. zur Bereitung der jchwefelfauren Thon—
erde, zur Darftielung des Aluminiums und zur
Herftellung fenerfefter Tiegel verwendet wird,
Benver, 1) County im nordamerif. Unions—
ftaate Pennfylvania, unter 40° ı, Br. u. 80°
w. L.; 36,148 Em.; reihe Kohlenlager; County-
fig: Rocheſter.
w. %.; vom Sevierfluß durchſchnitten; 2007 Ew.;
Countyſitz: Beaver.
Beaver Head, County im Territorium Dion»
tana der nordamerik. Umonsftaaten, unter 45°
n. Br. u, 113% w. L.; Bergwerksdiſtrict.
Beaver Islauds, eine Inſelgruppe, nahe
bei der uordweſtl. Spige des Michigan-Sees; bie
größte derfelben, Big-Beaver, hat einen Flächen—
inhalt von etwa 110 []km.
Beban el Maluf, Theil des Nilthals im
Ober-Kgypten, wo die Königsgräber find.
Bebedſchi, Stadt in Zegzeg, Nebenreich der
Fellatah im Nigerlande Sokoto (Afrika), am Rande
der Granitgebirge von Haufja, in angebauter,
volfreiher Ebene ; die angeblich 25,000 Em, treiben
ausihließlih Handel.
Bebeerin (Bebirin, Bibirin, Burin, Pelofin;
Chem.) C,,H,,NO,, eine in der Bibirurinde
(v. Nectandra Rodiei), fowie in der Rinde des
Buhsbaumes (Buxus sempervirens) u. in ande-
ren Pflanzen vorlommende organishe Baſe. Sie
bildet ein amorphes, farb- u. geruchlojes, bitter
ihmedenbes, beim Reiben eleftriih werbendes
Pulver, das fih in Allohol u. Ather löſt, mit
Säuren fi zu nicht Iryjtallifirbaren Salzen ver-
einigt u. bei 198° ſchmilzt. Als Heilmittel iſt
das ſchwefelſaure B. mit Erfolg gegen Wechjelfieber
an Stelle des Chinins angewandt worden.
Elören.
Bebek, Ort bei Conflantinopel, an der gleihn.
Bucht des Bosporus; hier Luftichloß des Sultans
Humainabad, Bad und Moſchee; Zwiebadbäderei
für die türkische Flotte.
Debel, 1) Heinrich, geb. um 1472 zu Jng-
ftetten bei Zuftingen in Württemberg; ftud. Furis«
prubenz, wurde 1497 Profeſſor der Aſthetil zu
Tübingen; ftarb um 1516. Ein glüdliher, im
latein. Ausdrude gewandter Dichter und Redner,
welcher als Lehrer u. Schriftiteller in den Geift
der alten Elaffiler einführte, dabei aber durch den
beißenden Witz, in melden er feine aufgeflärten
Anfichten Heidete, den Anhängern des Alten ein
Dorn im Auge wurde. Seine mannigfachen
Schriften, u. a. Triumphus Veneris, ein fleines
allegorijches Epos, worin die freien Sitten der
Klerifei u. anderer Stände gegeigelt werden, find
zum Theil öfters wieder gedrudt, feine Schwänke
und Schnurren (Opuscula nova et florulenta)
jhon 1516 in Paris. 2) Ferdinand Auguft,
ſocialdemotratiſcher Agitator, geb. 22. Febr. 1840
zu Köln, feit den fechsziger — Drechsler in
Leipzig; betheiligte ſich ſeit 1862 an der Arbeiter«
bewegung, wurde 1867, 1871 u. 1874 durch den
7. ſächſiſchen Wahltreis in den Neichstag abge»
ordnet, trat als Mitarbeiter des Bolfsftaates u.
Voltsredner überall gegen das Deutfche Heich im
jeiner heutigen Form und deſſen Anhänger auf,
belannte fic) zur Sympathie mit der Parijer Com-
mune u. wurde 1872 mit feinem Genoffen Lieb—
fnecht wegen hodwerrätheriiger Handlungen zu
2 Jahren u. wegen Beleidigung des deutichen
Kaifers überdies zu 9 Monaten Gefängniß ver»
urtheilt. Es findet gebührend Anerkennung, dag
2) County im Territorium UtahlB. ſich durchaus von jener Nohheit frei Hält, in
Bebenburg — Beccaria,
welcher mande Socialbemofraten ihre Stärke zu
fuhen ſcheinen. 1) Hartmann. 2) Henne-Am Rbyn.
Bebenburg, Leupold von, aus dem Ge-
ſchlechte der Küchenmeiſter v. Rothenburg, urjprüng-
Iih von B. (dem jetigen Bemberg im württemb.
Oberamte Gerabronn); wurde Domberr zu
Birzburg u. kaiſerlicher Rath u. zeigte fi) als
Anhänger des Kaiſers Ludwig des Bayern; ſchrieb
zur Vertheidigung der kaiſerlichen Rechte gegen
die päpftlichen Anjprüche: Tractatus de juribus
regni et imperii; wurde 1353 Biſchof von Bam⸗
berg; fl. 1363. Er ſchr. noch: Dietamen rhyth-
micum querulosum de modernis cursibus et
defectibus imperii Romani, herausgeg. in Böh-
mer& Fontes T.
Bebenhaufen, ehemaliges Ciftercienjerklofter
im Oberamte Tübingen des wirttembergifchen
<äwarzwaldfreifes, eines der ſchönſten Baudenf-
miler m Schwaben; geftiftet vom Pfalzgrafen
Sugo von Tübingen 1180 un. 1183—90 erbaut,
kit 1560—1807 mit evangeliihem Abt u. Kloſter⸗
dule; feit 1807 bier fönigliches Jagdichloß. Uber
tie theilweife reftaurirten ſpätromaniſchen, gothifchen
und ſpätgothiſchen Bauten vgl. Leibnig, Die Ci-
ferciemferabtei B. aufgenommen und bejchrieben,
Stuttg. 1858.
Beberbed, Hauptgeftüt im preuß. Regbez.
Sufel, bei Hofgeismar, u. feit 1846 lanbwirth-
daftliche Lehranſtalt.
Bebifation (Muſ.), eine Art Solmiſation.
Bebra, Dorf im Kreife Rothenburg des preuß
Reybez. Kaffel, an der Fulda und der Kurfürft-
gnedrih- Wilhelm- NBahn (Gerftungen-Gunters-
haufen) u. Abzweigungsort der Bahnlinie Frank—
turt-®, (früher Bm); ſtarler Flachsbau;
1700 Em,
Bebung (Tremolo, Tremolando, Muf.),
l) Vortrag eines ansgebaltenen Tones, fo daß
de Stärte abwechſelnd ab- u. zumimmt u, ein
Ersittern der Schallmellen eutfteht; wird mit einer
sewundenen Linie — liber der Note bezeichnet.
die B. kann durch die menſchliche Stimme, durch)
Saiten u. Blasinftrumente, auch durch die Orgel,
nicht durch das Bianoforte hervorgebracht werden.
2) Orgefregifterzug (Tremulant); |. u. Orgel.
Bebütow, Fürſt Wafili Ofipowitih B.,
uf. General, geb. 1791, aus einer armenifchen, zu
den erften Fürſtengeſchlechtern Gruſiens zählenden
jemlie; wurde is Petersburg im Gadettenhaufe
ezegen, diente feit 1809 al8 Offizier in der
Armee am Kaukaſus und 1812 gegen die fyran«
jolen in Pinland; er begleitete 1817 den Fürften
Jemolow als Adjutant auf jenen Gefandtichafts-
roten nach Perfien, trug viel zur Unterwerfung
de Khanats von Kafitumul bei, wurde 1821
Oberft u. Commandeur des Mingreliihen Zäger-
vaiments und führte 1825—27 die Verwaltung
der Provinz Imeretien. Im Türkenkriege 1828
zum Generalmajor und Commandanten der er
kürmten Feſtung Achalzif ernannt, vertheidigte er
deielbe, trotzdem jeine Heine Garnifon durd die
Fett deeimirt war, mit großem Erfolge, bis Mura-
Dem zum Entſatze berbeifam. 1831 wurde er zum
Oberbefehlshaber der armenifchen Provinz, 1838
um Mügliede des Bermwaltungsrathes von Trans»
tastafen in Tiflis, 1840 zum Commandanten
67
von Zamosc in Polen u. 1843 zum General-
lieutenaut ernannt u, erhielt zugleich den Ober:
befehl der Truppen im nördlichen Dagbeitan.
Im October 1846 flug er die Lesghier unter
Schamyl bei Kutifhi, u. 1847 wurde ihm die
Givilverwaltung der transfaufafifhen Yänder
übertragen, die er bis zum Ausbruche des Tür-
liſch-Ruſſiſchen Krieges leitete. Während Ddiejes
Krieges commandirte er als Generallieutenant auf
dem aftatifchen Kriegsichauplate, wo er die Tür—
fen am 1. Dec. 1853 bei Kadillar, am 5. Ang.
1854 bei Koruf-bere flug und dabei eine ieh
bedeutende Beute machte. 1855 in der Statt«
balterichaft in Transtaulafien durch Murawiew er«
jet, trieb er den in Mingrelien gelandeten Omer
Paſcha zurüd, führte danıı 1856 wieder den Ober-
befehl im Kaufafus u. ward im Jan. 1857 General
der Infanterie. B. ftarb nach langer Krankheit in
Tiflis 22. März 1858. Geim Bruder David
war Befehlshaber der kaulaſiſchen Reiterregimenter,
focht unter Pastiewitih in Polen, Ungarn u. vor
Siliftria, ward 1856 Generallientenant, 1861
Commandant von Warſchau; ft. 23. März 1867.
Die beiden anderen jüngeren Brüder fielen im
Kampfe gegen die Bergvölfer. Lagai,*
Bee (fr.), Schnabel; dann fchnabelartige Ver—
längerung, Gasbrenner.
ecarde, Bogel, f. u. Würger.
Becaſſe (Schiffsb.), fo v. w. Barkaſſe.
Becaſſe (fr.), 1) jo v. w. Waldſchnepfe. 2) So
v. w. Schnepfenfiich.
Decaffine (fr.), große oder größte 8,
jo v. w. Pfuhlſchnepfe (Scolopax maior Gm);
gemeine B. od. große Waſſerſchnepfe iſt Scolopax
gallinago L.; Heine 8, oder ftunme Waſſer—
ichnepfe ift Scolopax gallinula L.; ſ. Schnepfen,
Beccabunga, Pflanze, ſ. Veronica.
Deccari, Odoardo, ital, Neifender u. Bota-
nifer, geb. 1839 zu Florenz; bejuchte, um fich im
der Botanif auszubilden, 1864 England; ging
1865 auf Einladung des Radſcha Sir James
Broofe in deflen Neid Sarawak auf Borneo,
fehrte 1868 mit reicher Ausbeute an botaniichen
u. zoologiijhen Gegenftänden u, geographiſchen
Erforfhungen zurüd, bereifte 1870 die Bogos—
länder in Abefjinten, unternahm 1871 eine Er»
forſchung Neu-Guineas und jeit 1873 der Aru—
Inſeln, fomwie von Gelebes u. Sumatra. Geine
Forſchungen finden fich in dem von ihm heraus-
egebenen: Nuovo giornale botanico italiano, u.
ım Bolletino der tal. Geogr. Geſellſchaft, ſowie
in dem Buche Viaggio dei Signori Antinori,
Beccari etc. Zurin 1874. Henne: Am Rhyn.
Beecarin, berühmte Familie zu Pavia, Häupt»
(inge der Ghibellinen u. Gegner der Grafen von
Fangusco; ſ. u. Pavia (Geſch.). Bon den jpäteren
find merhvärdig: 1) Giovanni Battifta, aus«
gezeichneter Phyſiler, geb. 3. Dct. 1716 zu Mon«
dobi; war zuletzt Profeffor der Phyſik zu Turin;
ft. 27. Mat 1781. Er maß 1760 einen Grad
des Meridians in Piemont u. ift bekannt durch feine
phyſilaliſchen Unterfuchungen über Clektricität.
Er ſchrieb: Dell’ elettrieismo, Tur. 1753; Expe-
rimenta, quibus electrieitas vindex late consti-
tuitur atque explicatur, ebd. 1769; Dell’ elet-
tricismo artifiziale, 1772, engliſch von Franklin;
5*
68
Gradus Taurinensis, ebd. 1774; fein Hauptmwerf
ift: Dell’ elletricitä terrestre atmosferica a cielo
sereno, ebd. 1775. 2) Ceſare B. Bonejano,
Philoſoph und Publicitt, bef. verdient um das
Strafvecht, geb. 15. März 738 zu Mailand;
warf ſich hauptjählih auf das Studium der
Boltswirtbichaft u. gründete mit humaniſtiſch ger
finnten Freunden das Journal Cafle, in welchem
er feine national ökonomiſchen Anfichten veröffent-
lichte. Der an Calas 1763 in Toulouſe verübte
Juftizmord veranlaßte ihn zur Herausgabe feiner
berühmten Abhandlung: Dei delitti e dei pene,
Neap. 1764, 2 Bde., ein Werk, worin er die
Principien der Humanität vertrat u. Rechtmäßig—
keit der Todesitrafe u. der Tortur beftritt, wo—
durch er das Auffehen der ganzen gebildeten Welt
erregte. Diefelbe wurde vielfach überjetst: deutſch
von Flathe, Breslau 1788, Bergf, Leipz. 1798,
n. 4., 1817, Glafer, Wien 1851, Walded, Berl.
1870; franzöfiih von Mtorcellet 1766, Röderer
1798, Heli (mit dem Gommentar von Diderot)
1856; Kommentare von Voltaire, Diderot u. von
Schall, Yeip. 1778. 1769 wnrde er Profeſſor
der Staatswirthichaftslehre; ft. 28. Nov. 1794 zu
Mailand, wo ihm 1871 ein von dem Bildhauer
Grandi ausgeführtes Denlmal errichtet wurde.
Er verfaßte noch eine Menge Abhandlungen über
Rechtsfragen, Münzweſen, Mathematil, Sprad)-
wiſſenſchaft u, Bollswirtbichaft; außerdem Ricerche
intorno alla natura dello stilo, Mailand 1770;
Opere div., Neap. 1770. Werfe, Mailand 1824,
glor. 1854.
Berccles, Stadt in der engliſchen Grafſchaft
Suffolt, am ſchiffbaren Waveney; fchöne Kirche,
Collegium; Hafen; Steinfohlenhandel; 4844 Em,
Becerra, Gaspar, berühmter jpan. Maler,
Architelt u. Bildhauer, geb. 1520 zu Baeza in
Spanien; fanı frühzeitig nah Nom, war Gehilfe
des Michel Angelo u. Bafari u. bildete fich, wie
früher nach Rafael, jo fpäter nach Daniel von
Bolterra, kehrte 1556 nah Spanien zurüd,
arbeitete für Philipp II. viel im Wlcazar und
Prado, dann als Hofmaler im königl. Balafte
zu Madrid u. malte außerdem viele Kirchenbilder;
als Hofbildhauer fertigte er zahlreiche Altäre.
Befonderes Berdienft erwarb fih B. als Wieder-
herfteller des guten Gejhmades in der fpaniichen
Kunſt. Regnet.
Beche, Sir Henry Thomas de la 8,
engl. Geolog, geb. 1796 zu London; bezog 1810
die lönigliche Cadettenjchule zu Marlow, trat dann
in die Armee, wurde bald Diffizier, verließ aber
den Militärftand, um fi ganz dem Studium der
Geologie zu widmen, 1819 begann er feine Unter-
ſuchungen der geologiichen Formation der Schweiz,
Staliens, der franzöfifchen Küfte, mehrerer Diftricte
Großbritanniens 2c.; mit Conybeare veröffentlichte
er die Entdedung des Plefiofaurus im Liastalt
Beccles — Becher.
auch Gründer des Mufenms der praftiichen Geo—
logie zu Yondon u. ſchr. u. a.: Geological Notes,
Yondon 1830; Sections and Views of geological
Phenomena, ebd. 1830; Geological Manual, ebd.
1831, deutih von H. v. Deden, Berl. 1832;
Researches in theoretical Geology, ebd. 1834,
deutſch von Rehbock, Berlin 1836; Geological
Observer, ebd. 1851 u. ö., deutih von Hart-
mann, Wien 1835, u. als Vorſchule der Geologie
von Dieffenbab, Braunjchweig 1853; er gab auch
eine Reihe vortrefflicher geognoftiicher Karten heraus.
Becher, 1) Triulgeſchirr von Metall, Holz,
Horn, meift oben weiter als unten u. ohne oder
mit fehr kurzen Füßen, Kleine, unten abgerun-
dete heißen Tummler; große B., mit Henkel u.
Dedel verjehen, Humpen; oder wenn fie von
eblerem Stoffe (Kryftall, Gold, Silber zc.) gefertigt
u. mit einem Griffe oder Fuße verjehen find,
Pocale; ſ. u. Trinkgefäße. In verichiedenen
orientalifhen Mythologien ift der B. ein Symbol
der Nahrung u. ein Attribut von Gottheiten; in
Ägypten wurde aus Ben gemahrjagt. 2) (B. der
Nieren, Anat.) Die häutigen keffelartigen Anfänge
der Harnleiter; f. u. Nieren. 3) (Bot.) S. Becher-
hülle,
Becher, Sternbild am jüdlichen Himmel, weft-
Ih von der Jungfrau, nordweitlihd vom Raben,
von ca. 1709 gerader Auffteiguug u. 15° füdlicher
Abweihung; enthält nad Bode 121 Sterne, wor-
unter 8 von vierter Größe. ES ſoll nah dem
Mythos der B. fein, mit welchem Apollon einen
Haben fandte, ihm Waſſer zu fchöpfen; dieſer
brachte fein Waffer, u. Apollon verwandelte ben
weißen Raben deshalb im einen ſchwarzen.
Becher, 1) (Becherns) Job. Joach., Philofoph,
Mathematiker, Chemifer u. Finanzmann, geb. 1635
zu Speyer, wo feine Eltern im damaligen Kriegs-
getümmel faft Alles eingebüßt hatten. 13 Sabre
alt, verlor er den Vater u. mußte nun für die
Mutter u. zwei Brüder durch Stundengeben die
Sorge der Erhaltung übernehmen. In den
meisten Wiffenichaften war er Autodidakt. Er
ging zur fatholifchen Religion über, befam 1660
eine medicinifche Brofeffur in Mainz, wurde Leibarzt
des Kurfürften, trat dann in furbayerifche Dienfte,
ging 1666 nah Wien als Faiferliher Kammer-
u. Commerzienrath, konnte fi aber wegen feines
hodymüthigen und eigenfinnigen Wefens nirgends
lange halten. 1678 fiedelte er nach Haarlem über,
mußte aber bereits 1680 nad England fliehen. B,
ft., 47 Jahr alt, 1682 in London, nachdem er fich
noch viel mit bergmänniichen Studien beſchäftigt
hatte. Neben verjchiedenen Werfen: Institutiones
chimicae, 1662; Aphorismi ex Institutionibus
Sennerti colleeti, 1663; Oedipus chymicus oder
chemiſcher Aäthjeldeuter, 1665; Die Naturlündig-
ung der Metalle, 16615 Der hemifche Glüdshafen,
1682, u. anderen Meineren Arbeiten, die unter
von Briftol, u. 1825 von eine Reiſe nad) ſeinen dem Titel: Becheri opuscula chymica rariora
Gütern auf Jamaica zurüdgelehrt, berichtete er
fiber die geognoftiihen Berhältniffe diefer Inſel.
Mehrere Jahre fang arbeitete er an der geologi«
fen u. trigonometriichen Aufnahme von Cornwall, |
Devonfhire und WSomerjet, erhielt den Titel
Director of the Geological Survey u. 1848 die,
Nitterwärde; er fl. am 13. April 1855. B. ift
1719 in Nürnberg wieder aufgelegt wurden, bat
er fi ganz beſ. berühmt gemacht durch feine
Physica subterranea u. deren Supplementa; der
erfte theoretische Thr'” ift 1669 in Frankfurt her-
ausgegeben worden; itere Auflagen erfolgten
1681, 1739 u. 1742. Die drei Supplemente
erihienen 1671, 1675 u. 1680. Nach jeiner An«
Becherblume — Bechſtein. 69
\hanımg gab es eine Grunbjäure, von der bie
anderen ſich ableiten Tiefen; er vertheidigte ferner
die Möglichkeit der Ummandlung der Metalle, bie
aus einem gemeinschaftlicden erdigen u. einem
gemeinichaftlichen verbrennlichen Stoffe beftänden,
denen fih ein befonderer mercurieller hinzugejellte,
und entwidelte den Verbrennungsproceß, deflen
Theorie die Grundlage für die jpätere Stahliche
des Bhlogifton wurde. B. hatte das Beftreben,
die Phyſit im genauen Zufammenhange mit der
Chemie zu halten. Er gab ferner heraus: Cha-
racter pro notitia linguarum universali, Frankf.
1641; Clavis et praxis super novum organum
philol., Frankf. 1647, in dem er einen leichteren
Beg zur Erlernung der Sprachen nadhwies; Par-
vassus medicinalis, Ulm 1663; Acta laboratorii
chymiei monacensis, Frankf. 1669, und endlich:
Nirriche Weisheit und meife Narrheit, Franff.
1686 u. 1707; Ietste Ausgabe von Reimman in
teipzig beforgt, der im der Borrede gleichzeitig
eine Lebensbeichreibung B⸗s gab. Ausführlicher
bat dies Bucher gethan in feinem Buche: Mufter
eines mütlihen Gelehrten in der Perſon Dr. ‚Job.
Jeach. Bechers, nad) feinen philofophifchen, mathe-
matiihen, phyſikaliſchen u. moraliihen Schriften
beurtheilt u, mebft feinem Lebenslaufe vorgeftellt,
Nirmb, 1722. 2) Alfred Julius, einer ber
hauptbetheiligten arı der Wiener Revolution vom
Va. 1848, geb. 1803 (nad And. 1804) zu Man-
Becherchen (Bot.), bei Kryptogamen, f. Flech⸗
ten, Pilze, Mooje.
Bechereiſen (Golb- u. Kupferihmied), Heiner
Amboß, beftehend aus einem runden Ouereifen
an einem aufrechtftehenden Eifen; dient, um ge
mwölbte Bleche darauf aufzuziehen.
Bedjerflechte (Bot.), ſ. Cladonia,
Becherglas, Trinfglas ohne Fuß; dann auch
ein im chemiichen Laboratorium gebrauchtes Gefäß
aus fehr diinnem, gut gekühltem Glafe von cylins
driijher Form, mit nah außen umgebogenen
Rande.
Becherhülle (Cupula, Bot.), ein becerähn-
liches, die Blüthe u, jpäter die Frucht der Fagi-
neen (Eiche, Buche, echte Kaftanie) ganz oder
theilweiſe umjchließendes Gebilde. Die B. entiteht
nach Anlage der Blüthentheile aus einer ring«
wulftförmigen Erhebung des Blüthenftield, Die
fid) jpäter vergrößert, eine napf- oder becherähu-
lie Form annimmt u, Schuppen oder Stachelu
Gochblätter) Hervorbringt. Die B. der Eiche
umfchließt nur je eine Blüthe, reſp. Frucht und
auch diefe nur am Grunde, diejenige der Buche
und echten Kaftanie dagegen mehrere, und zwar
umgibt fie hier die Früchte ganz u. fpringt bei
deren Reife auf. Bon diefer echten B. oder Cu-
pula ift die faljche Cupula der Garpineen (Hafel«
nuß, Hainbuche) zu unterfcheiden, welche nicht eine
| Erweiterung des Blüthenftiel® (alfo ein Achjen-
&efter; ſtud. die Rechte in Heidelberg, Göttingen u. organ) zur Grundlage hat, jondern lediglich aus
Verlin, Heß ſich in Elberfeld als Advocat nieder u.|(3) verwachjenen fehuppenartigen Blättern beſtehl.
tefigirte dann im Köln eine Handelszeitung, wandte] Becherzellen (mikrojt. Anat.), milroſtopiſche
fh aber aus Piebe zur Kunft nah Düſſeldorf u. Zellen von Becherform.
wurde fpäter Profefjor der muſikaliſchen Theorien] Bechica (gr., Med.), Mittel wider den Huften,
im Haag; 1840 ging er nad London als Pro-|erpectorirende Mittel (f. d.).
kefor an einer muſilaliſchen fabdemie u. von dal Bechin, Stadt im öfterreich. Kronlande Böhmen,
1845 nah Wien, wo er einem befferen Geedjetztim Bezirke Mühlhauſen des ehem. Kreiſes Tabor,
Ihmade Bahn brad. Nah den Märztagenfan der Luſchnitzz; einft Hauptft. des eig. (gleich.
1948 warf er ſich auf die Politit und gabinam.)Kreifes; Bezirksgericht; großer Thiergarten,
de Zeitihrift: Der Radicale, heraus; da er Mi Schloß, Bad; 2380 Em.; dabei eime falinifche
derielben vor Allen zum äußerſten Widerftande) Fijenguelfe u. die gigantischen Bechiner Steine.
xgen Windiihgräg aufforberte, jo wurde er ver- Bechſtein, 1) op. Matthäus, deutjcher
baftet, ſtandrechtlich verurtheilt u. am 23. Nov. \Maturforiher, geb. 11. Juli 1757 zu Malters-
1848 zu Wien erſchoſſen. Er fohr.: Jenny Lind, hauſen bei Gotha; ftndirte in Jena Theologie
2.4, Bien 1847. 3) Siegfried, Statiftifer| md Naturwiſſenſchaften, wurde 1785 Lehrer zu
2, Rationalöfonom, geb. am 28. Febr. 1806 Zu) Schnepfenthal u. eröffnete 1794 auf dem Freigute
Yan in Böhmen; ftudirte in Prag u. Wien, ward | Femnate bei Waltershaufen eine Foritiehranitalt,
1835 Profeffor der Geſchichte u. Geographie am] zugleich ftiftete er die Societät der Forft- u. Jagd-
Folgtehuiichen Juſtitut zu Wien, nebenbei an ber En wurde 1800 Director der Forſtakademie
Foft, Stempel · u. Tabatregie thätig; verfaßte auf] u Dreigigader in Meiningen, ebenſo Mitglied
rund der Archive das verdienftvolle Werk: Das des Operforftcollegiums; er ft. dafelbft 1822 als
—— — Muünzweſen von 1524—38, 2 Bde.,| Hcheimer Kammer- u. Forſtrath. Von feinen zahl—⸗
Sen 1838; daun Statiftifche Ueberſicht des Handels | reihen, umfangreichen Schriften zur Forftwilien-
der Öterreichiichen Monarchie mit dem Auslande shaft, Zoologie u. Botanik find hervorzuheben:
2. Statiſtiſche Überſicht der Bevöllerung, Stuttg.| Handbuch der Forftwiffenihaft, Nürnb. 1801 f.;
1841 ıc. Er veranlaßte die Behörde, ihre Be— —— 5. Aufl., Erfurt 1841; Forftinfecto-
fihte wiſſenſchaftlich zu verwerthen, ward 1848 |{ogie, Gotha 1818. Seine Biographie jchrieb fein
Generalfecretär im Handelsminifterium, erjetste|Meffe Ludwig, Meining. 1855. 2) Yudmig,
m Dit. den flüchtig gewordenen Minifter u. trat|peutfcher Schriftfteller u. Dichter, geb. 24. Nov.
1852 auß dem Staatsdienfte. B. ft. 4. März 1873.| 1801 im Meiningifchen; früher Apothefer, ftudirte
See größeren Werke find: Die Volkswirthſchaft, ar jeit 1828 Philofophie u. Geſchichte in Leipzig u.
en 1853; Organifation des Gemwerbewejens, | München, wurde 1831 Bibliothefar der Cabinets—
Bien 1851, u. Die deuten Zoll u. Handelsver-|y, der öffentlichen Bibliothet in Meiningen und
ältnifle, Leipz. 1850. 1) Zhambayn. 3) Fr. Körner. gründete den Hennebergifhen Alterthumsforihen-
Becherblume ift Poterium sanguisurba. den Verein; er fl. 14. Mai 1860. Bon feiner
70
pielfeitigen literarischen Thärigkeit ift die verdienft-
fichfte Die auf die Sammlung des Sagenjchates
u. die Gejchichte jeiner Heimath gerichtete (Thü-
ringifches Sagenbuh, Wien 1858; Deutjches
Sagenbuch, Lpz. 1853; Deutſches Märchenbuch,
%pz. 1860; Fränkiſche Sagen, Würzb. 1842).
Seine novelliftiichen Erzeugntffe zeichnet eine reine
Empfindung u. warme Sprache aus: Der Duntel-
graf, Frankf. 1855; Das tolle Jahr, 1832; Der
rlirftentag, 1834; Grumbach, 1839; Fahrten
eines Mufilanten, 1836. Auch poetiih war er
thätig, wenn auch mit geringerem Erfolge. Ger
dichte, Frankf. 1836; Luther, 1834; Sonetten-
fränze, Amfterd. 1828; Der Todtentanz, 1831.
38) Reinhold, Germanift, Sohn des Borig.,
eb. 12. Oct. 1833 in Meiningen; fudirte im
eipzig, Münden, Jena und Berlin deutjche
Philologie, fand 1858—59 Beichäftigung am
Archiv des Germaniihen Mufeums in Nürnberg,
ging zur Unterftügung feines Baters nad Mei—
ningen zurüd, war dajelbft nach deſſen Tode
(1860) ein Jahr lang interimiftiicher Bibliothekar
der herzogl. öffentlichen Bibliothek u, widmete fid)
dann der alademischen Laufbahn, wobei er fidh
wie einft fein Bater der Förderung des Herzogs
Bernhard von Sahjen-Meiningen erfreute, Nach
einem mehrjährigen Aufenthalte in Leipzig fiebelte
er 1864 nad Jena über, wurde 1866 Privat-
bocent, 1869 Ertraordinarius, u. 1871 ging er
als Ordinarius für die deutfche u. nenere Literatur
an die Univerfität Noftod. Außer zahlreichen Bei-
trägen in Pfeiffer Germania, Blätter für liter.
Unterhaltung, Wiffenfhaften im 19. Jahrh. u. a.
m. gab er verſchiedene altdeutſche Schriftwerfe heraus
re u. Kunigunde von Ebernand von Erfurt,
uedlinburg 18605 Des Matthias von Beheim
ea er Lpz. 1867; Gottfrieds von Straß-
burg Zriftan, Lpz. 1869, 2. Aufl. 1873), ſetzte
das Deutjche Mufeum feines Vaters fort (neue
Folge, 1. Bd., Lpz. 1862), fammelte: Altdeutſche
Märden, Sagen u. Legenden, Lpz. 1863, und
ſchrieb über die Ausſprache des Mittelhochdeutichen,
Halle 1858, u. Das Spiel von den zehn Jung—
frauen, Habilitationsidrift, Jena 1866, u. Bor-
trag, Noftod 1872.
Bechteltag (Bachtelis- oder Berchtoldstag), in
dev Schweiz der Tag nah Neujahr, dur Be-
fhenfen der Kinder gefeiert, aber auch von Er»
wachſenen; ein offenbar aus der vordriftlichen
Zeit ftammendes Felt; j. Berchta.
Beck, 1) Chriſt. Dan. berühmter Gelehrter, geb.
22. jan. 1757 zu Leipzig; ſtudirte dafelbft u. wurde
1782 Profeffor der Philofophie, 1785 der griech,
u, latein, Literatur, 1790 zugleich Univerfitätsbiblio-
thelar, 1819 der Gejchichte, 1825 aber wieder der
alten Fiteratur; ft. 10. Dec. 1832. Er ſchr. u. a.:
Anleitung zur Kenntnig der allgemeinen Welt- u.
Böltergefchichte, Lpz. 1787—1807, 4 Thle., 2. N.
des 1. Thls., 1814; Artis latine scribendi prae-
cepta. ebd. 1801; Über die Würdigung des
Mittelalters u. feiner allgemeinen Geſchichte, 1812;
Grundriß der Archäologie, ebd. 1816; überſetzte
auch Fergufons Geſchichte der Römischen Republik, | Darftellun
ebd. 1784—87, 3 Bde.; Muradgea dV’Ohffon, Fiſchers
———. Dttoman. Reiches, ebd. 1788 bis ĩ. ©, 108. ff.
;
1793, 28
Bechteltag — Bed.
ebd.1792,2 Bbe.; gab heraus: Commentarii histo-
rici decretorum religionis christ. et formulae Lu-
theranae, ebd. 1801; Commentationes societatis
philologieae, ebd. 1801—1805, 4 Bbe.; Acta
seminarii Lipsienis , ebd. 1811—13, 2 Bbe.;
von Claſſikern: den Euripides, Pindaros, Apollo»
nios Rhod., Ariftophanes, Platon, Cicero, Calpur—
nius u, erwarb fi Verdienſte um miljenichaft-
che Kritif u. Bibliographie, befonders durch Die
Literariſchen Denkwürdigkeiten, 1792—97, eine
Fortfegung der Neuen —— Zeitung von ge—
lehrten Sachen, u. durch das Allgemeine Reper—
torium ber neueſten in- u. ausländiſchen Literatur,
1819— 33; letzteres wurde von Pölitz u. Gers—
dorf fortgeſetzt. B. wirlte als Lehrer nicht nur in
ſeinen Vorleſungen philoſophiſchen, hiſtoriſchen,
theologiſchen Inhaltes, ſondern auch in den Dis-
putationen der Philologiſchen Geſellſchaft; außer-
dem nahm er regen Antheil an der Univerfitäts-
verwaltung. Bgl. Nobbe, Vita Beceii, Lpz. 1837.
2) Heinrich, Schaufpieler, geb. 1760 zu Gotha;
debutirte dafelbft und wirkte neben Beil und
land unter Echhofs Direction, von 1779 bis
1800 in Mannheim, von wo er als Regiſſenr
nach München berufen wurde; ft. in legterer Stadt
6. Aug. 1803. Seine fhaufpieleriihen Leiftungen
find, wenn auch gediegen, doch nicht hervorragend
zu nennen. Dagegen machten feine dramatiſchen
Producte ziemliches Auffehen, vor allen das Cha-
mäleon, im welchem Luftipiel fi Tieck perfiflixt
glaubte. Bielen Beifall fand auch: Die Schadh-
maſchine u.: Die Quälgeifter. Unter dem Titel:
Theater find feine Werfe 1803 in 2 Bdn. ge»
jammelt erfcyienen. Bon ungleich höherer ſchäu—
—— Begabung als B. war deſſen Gattin
3) Caroline, geb. Ziegler, geb. 3. Jan. 1766
au Mannheim; betrat — 1781 das dortige
Nationaltheater mit dem entſchiedenſten Erfolge.
Natürlichleit, Wärme, volles Verſenken in den
Dichter zeichnete die Kiünftlerin, edle Gefinnung
u. alle weibliden Tugenden die Frau aus, für
die ein Schiller zu ſchwärmen nicht unwürdig ge-
funden bat u. für die er feine Luife Miller jchrieb.
„In Mollen faufter, leidender Tugend war ihr
Spiel weiblih wahr, fein und ſchön.“ Nach
Gmonatliher Ehe mit dem Bor. ftarb fie in
Folge eines unglüdlihen Sturzes. Über Lebens-
verhältniffe u. Spiel vgl. Reihard, Goth. Theater-
Kal. 1785, S. 53—58; Deutjches Muſeum 1785
&.172—176. 4) Jalob Siegmund, deutſcher
Philoſoph, geb. 1761 in Niffau bei Danzig; war
Schüler Kants in Königsberg, 1791—99 Privat-
docent in Halle, daun Profeffor der Philofophie
in Roftod; fcharffinniger Ausleger des Kantichen
Kriticismus; ft. dafelbft 1842. Hauptichriften:
Erläuternder Auszug aus den kritiſchen Schriften
des Prof. Kant, Riga 1798 ff., 3 Bde.; auch
mit dem befonderen Titel: Einzig möglicher Stande»
punkt, aus welchem bie kritiiche Philofophie be—
urtheilt werben muß, Riga 1796. Grunbriß der
kritischen Philofophie, Halle 1796; Commentar
über Kants Metaphyſik der Sitten, Halle 1798;
feiner Stanbpunftsiehre in Kuno
efhichte der neueren Philofophie, V.
©. aud d. Art. Kant. 5) Joh.
Goldſmiths Geſchichte der Griechen, |Ludw. Wilh., Sohn von B. 2), geb. 21. Oct.
Dede — Bededorff. 71
1786 zu Leipzig; finbirte die Nechte, habilitirternicht tief, u. im Ganzen fehlt ibm die künſtleriſche
fd 1809 Dajelbft, murde 1812 Profeffor zu Kö-|Abllärung., Dichtung außer der oben erwähnten
migsberg, 1813 Hegierungsrath in Weimar, 1814 Sammlung: Der fahrende Poet, Yeipz. 1838;
Beifiger des Schöppenftubls zu Leipzig u. 1819) Stille Lieder, ebd. 1839; Saul, Traueripiel, ebd.
auch Profeſſor; bei der Auflöjung des Schöppen-| 1841; Janko, der ungarische Roßhirt, ein Roman
Hubs 1835 trat er in das neu errichtete Appella-|in Berjen, ebd. 1842, 3. Aufl., 1870; Geſammelte
timsgeriht zu Leipzig als erfter Nath ein und Gedichte, Berlin 1844, 3. Aufl., 1870; Lieder
wurde 1837 Präſident defielben, was er bis 1863 |vom armen Mann, ebd. 1847; Monatsroien,
bfieb; er ft. 14. Febr. 1869. Er gab das Corpus|ebd. 1848; Gepanzerte Lieder, ebd. 1848; At
juris mit Moten, Lpz. 1826—36, 2 Bbe,, und Franz Joſeph, Wien 1849; Aus der Heimath,
ftereetupirt ohne Noten, 1829—33, heraus u.|Dresden 1852; Mater dolorosa, ein Roman,
ſchr.: Anleitung zum Neferiren, 1839; Anmert- | Berlin 1854 ; Jadwiga, eine Erzählung in Verſen,
ungen zum Erecntionsgejete vom 28. Febr. 1838; Lpz. 1863; Still u. bewegt, zweite Sammlung
Bemertungen über den Griminalgerichtsftand in|der Gedichte, Berlin 1870, 2. Aufl. 8) Auguft,
Sadien, 1842. 6) Johann Tobias von B.,|Zeichner u. Maler, geb. 1823 in Bafel; bildete
Theolog, geb. 22. Febr. 1804 zu Balingen; wurde |fih in Diffelvorf u. machte den Ftalienifchen Krieg
Pfarrer in Waldthbann 1827, Stadtpfarrer und|von 1859, den Deutfch-Däniichen Krieg von 1864,
Oberpräceptor in Mergentheim 1829, außerord.|den Deutichen Krieg von 1866 u. den Deutſch—
Brof. der Theol. in Bajel 1836, Dr. der Theo- | Franzöfifhen Krieg von 1870/71 mit, aus denen
logie, ordentl. Profeffor der Theologie u. Frühsjer viele Gefechtsbilder, namentlich Reitergefechte,
prediger in Tübingen feit 1843. B-8 Hauptwirk- (fr die Leipziger Illuſtrirte Zeitung u. f. w. zeich-
famtert befteht im ummittelbarer Anregung eines|nete, die — mit trefiender Charalteriſtik
fehr zablreichen Schülerfreiies vom Katheder aus, |behandelt find. Seine dem Augenblid abgelaufchten
Seine Theologie fuht B., auf Bengel u. Dtinger Skizzen, namentlich die aus dem letzten Kriege,
fortbauend, unmittelbar aus der Hl. Schrift zujbehaupten unter ihresgleichen einen hoben Rang.
fhöpfen. Er ift ein Hauptvertreter des fog. bibli-|Er ft. plöglih 28. Juli 1872 in Thum. 9) Jo—
fhen Realismus. Er ſchr.: Über die mwiffenfhaftl.|bann Nepomuf, bedeutender Baritomit, geb.
Behandlung der chriftl. Lehre, Bafeler Antrittr.,|5. Mai 1828 zu Peſt; erhielt bald nad abjol-
2. A., Tübing. 1865; Uber das Berhalten des|virter Gymmafialbildung infolge eines öffentlichen
EhriftentHums zum Zeitleben, aladem. Antrittsrede, | Auftretens, welches bereits die Großartigfeit feiner
Zübingen 1843; Einl. in das Syſtem der hriftl. |ftimmlichen Anlagen befundete, einen Ruf nad
Lehre, Tüb. 1839; Die Geburt des chriſtl. Lebens, fein | Wien an die Hofoper. Trot eines überaus gün—
Beien u. fein Geſetz, Bafel 18395 Die chriftl. |ftigen Erfolges, der ihm bier zu Theil wurde,
Menfchenliebe, das Wort u. die Gemeinde Ehrifti, verließ er die Kaiferftadt wieder, wirkte an den
Bajel 1842; Die Kriftl. Yehrwiflenfchaft, 1. Thl.;] Theatern von Bremen, Düffeldorf, Hamburg,
Die Logik der chriftl. Lehre. Tüb. 1841; Umriß Köln, Mainz, Wiesbaden u. ſ. w., um fich als—
der bibl. Seelenlehre, Stuttg. 1843, 2.U., Ziib. |dann auf eine Reihe von Jahren für rauffurt a. M.
1862; Leitfaden der chriſti. Glaubenslehre für |engagiren zu laſſen. Ein ungemein günftiges An-
Kirhe, Schule u. Haus, 2 Bde., Stuttg. 1862; jerbieten, das B. nad) einem erneuten Gaftipiel
Ehrifil, Reden, 6 Sammlungen, 1. Sammlung infin Wien von Gornet gemacht wurde, ließ ihn
2. Anfl., 1858, 2. ©. in 2. Yufl., 1867, 3 ©. in ſſchon nah 2 Jahren u. unter Nichtachtung des
2. Aufl., 1868; Cafualreden, 1867; viele Predigten | Eontracts Frankfurt mit Wien vertaufchen. Hier
einzeln. 7) Karl, deutſch-ungariſcher Dichter aus|entfaltete ſich die ganze Größe feines Talents,
der Schule Grüns u. Lenaus, geb. 1. Mai 1817 |welches dem Künftler im Verein mit den glücklich—
in dem ungarischen Markifleden Baja, von ji |iten phyſiſchen Mitteln geftattet, alle großen Bariton-
diicher Abkunft, jedoch der Evangelifhen Kirche |partien nicht nur nach gejanglicher, ſondern aud)
angehörig; ftudirte in Wien Heiltunde, verfuchte|ichaufpielerifcher Richtung muftergiltig darzuftelfen.
es dann mit der laufmänniihen Beichäftigung,| 1) Brambad.* 2) 3) 9) Kurſchner. 6) Löffler. >) Reguet.
fieß ſich aber wieder als Studioſus in Leipzig in-| Becke, Frhr. Karl, öfterreih. Staatsmann,
jeribiren u. veröffentlichte hier 1838 feine Ge-|geb. 31. Octbr. 1818 zu Kollinig in Böhmen;
dictefannmiung: Nächte, gepanzerte Lieder, womit|itudirte in Prag, widmete fi jeit 1840 dem
er großen Beifall erntete. Er wählte fpäter Berlin) Staatsdienfte, er ſchlug 1846 die Diplomatiiche
u. nach dem Ausbruche der ungarifchen Revolution |Yaufbahn ein, wurde nad einander öfterr. Conful
(1848) Wien zumAufenthalte. Hier verheirathete er in Conftantinopel, Alerandria u. Galacz, an leg-
fi) 1850, verlor aber nach hurzer Zeit jeine Gattin |terem Orte auch 1856 zugleich Präftdent der inter-
durch den Tod. Seit 1855 redigirte er eine belle- [nationalen Donaucommiſſion; 1862 murde er
triftifche Zeitjchrift: Friſche Quellen, in Pet. Seit|Bicepräfident der Gentraljeebehörde in Trieſt,
einigen Jahren lebt er wieder in Wien. B. iſt 1866 als Sectionschef ins k. k. Finanzminiſterium
ein urjprünglicger Dichter u. ein edles Gemüth, nah Wien berufen u. 1866 in den Freiherrn—
der Sänger des Judenthums u. des Proletariats. |ftand erhoben, Als im Januar 1867 Graf Lariſch
Alles an ihm ift euer, Gefühl, Anſchauung, |das Portefenille des Finanzminiſteriums abgab,
Beſchreibung, Erzählung, Gedanke u. Rhythmus, [erhielt B. daſſelbe u. zugleich das des Handeld-
u. ſein lyriſcher Flig wird Verzückung. Ungarns miniſteriums u. wurde im Decbr. d. J. Reichs—
Natur- u. Vollsieben faßt er unerfhöpflih in finanzminiſter. Er. ft. 15. Jan. 1870.
glänzenden, pracdtvollen, großen Bildern auf.| Bededorff, Georg Philipp Ludolf v. B.,
Aber jeine Gedankenwelt ift micht umfaffend u. | Schriftfteller, geb. 1777 zu Hannover; ftudirte in
72
Göttingen Theologie, dann Medicin, war 1810
Hofmeifter beim Kurprinzen v. Helfen, 1811—18
Führer des Erbprinzen von Anhalt» Bernburg;
trat 1819 in den preußiſchen Staatsdienft u. wurde
Dberregierungsrath im Obercenfurcollegium u. im
Minifterium der geiftlihen und Unterrichtsan«
ftalten.. Nachdem er 1827 katholiſch geworden
. war, jchied er aus dem Staatsdienfte und bezog
jein Gut Grüuhof bei NRegenwalde in Hinter—
ponmern. Vom König Friedrich Wilhelm IV,
wurde er in den Mdelftand erhoben und im den
Staatsdienft zuriidberufen, zum Präfidenten des
Landesölonomiecollegiums ernannt u. 1849 von
Münfter in den Landtag gewählt. B. ft. im Ruhe—
ftande 27. Febr. 1858 zu Grünhof in Pommern.
Er ſchr.: Zur Kirchenvereinigung, Halle 1814;
An die deutiche Jugend über der Leiche Kotebues,
Hann. 1819; Die fatholifhe Wahrheit, Regensb.
1840—46 , 4 Bde.; Das Berhältnig von Haus,
Staat u. Kirche zu einander und der Schule zu
Haus, Staat u. Kirche, Berl. 1849; gab heraus:
Jahrbücher des preußifchen Volksſchulweſens, ebd.
1825—29, 9 Bde.
Beden (lat. Pelvis), A. des Menfchen. Unter-
fter Theil des Rumpfes, zwiſchen dem letzten Len-
denmwirbel u. den Schenfeln, mit deren Ktöpfen es
in Gelenkverbindung fteht; wegen entfernter Ahn-
lichkeit feiner fnöchernen Grundlage mit einem Hard
beden jo genannt. Es wird zumächt gebildet von
den B-fnodhen (B-beinen, Ossa pelvis). Dieje
find: a) Das Kreuzbein (Heiliges Bein, Os
sacrum), der Knochen, der mac Einten das 8.
ſchließt u. gleichſam als ein nach unten zugefpigter
Keil zwifchen die beiden Hüftbeine hineingetrieben
it, der auf ihm ruhenden Wirbelſäule gewiffer-
maßen als Piedeftal dient und ſomit die ganze
Wirbeljäule u. damit den ganzen Oberkörper im
Stehen u. Sitzen trägt. Es befteht aus 5, zu«
weilen 6 oder nur 4 unter einander feft verfchmol-
zenen Stüden, an denen man noch die einzelnen
Theile der Wirbel unterjceiden kann u. die man
daher zum Unterfchiede von den übrigen, wahren
Wirbeln (Veortebrae verae), falſche Wirbel (Verte-
brae spuriae) nennt. Bon oben nad unten
nehmen diefe Wirbel u, damit der ganze Knochen
an Größe ab. Die obere Endfläche des Kreuz-
beines trägt in ihrer Mitte eine ovale Gelenkfläche
zut Verbindung mit dem letten Lendenwirbel;
dahinter zeigt ſich eine dreiedige Offnung, der
Eingang zu dem das Kreuzbein der Länge nad
von oben nach unten durchziehenden Kanal, dem
Kreuzbeinfanal (Canalis sacralis), der die Fort-
jeßung des durch die ganze Wirbeljäufe verlaufen»
den Küdenmarfsfanals tft u. nach unten allmählich
an Breite u. Tiefe abnimmt, Neben diefer Öff-
nung vagt vechts u. links je ein oberer Gelent-
fortfag des erften Kreuzbeinwirbels empor zur
Berbindung mit dem unteren Gelenffortjägen des
letsten Lendenwirbels. Die Borderflähe des Kreuz-
beines u. die der zunächft oberhalb beffelben ge-
legenen Wirbeltörper bilden an ihrer Bereinigungs-
ftelle einen nach vorn vorjpringenden Winkel, das
—— (Promontorium). Die vordere, die
hintere Wand des kleinen Bes bildende Fläche
des Kreuzbeines ift der Länge u, Breite nad)
concad u. hat vier Paare von oben nad) unten! Bei den Th
Beden.
an Größe abnehmender und näher an einander
riidender Löcher, die vorderen Kreuzbeinlöcher
(Foramina sacralia anteriora), die in den Kreuz⸗
beinfanal führen u. den vorderen Kreuzbeinnervei
zum Durdhtritte dienen. Zwiſchen den Löchern
eines jeden Paares zeigt eine quer erhabene Leifte
die Grenze der verwachjenen falihen Wirbel an,
Den zwiſchen ben vorderen Kreuzbeinlöchern ge
legenen diden Theil des Kreuzbeines, der den ver-
wachſenen Wirbellörpern entipricht, bezeichnet man
als feinen Körper (Corpus ossis sacri), die außer⸗
halb derjelben gelegenen bdünneren Theile, den
verwachſenen Duerfortfägen entiprehend, als
Seitentheile oder Flügel (Massae laterales a.
Alae ossis saeri). Die Hintere, convere Fläche ift
vaub u. uneben u. trägt 5 parallele rauhe Leiften;
die mittlere dieſer Leiften (Crista sacralis media)
wird von den unter einander verwachienen Dorn-
fortfägen, die beiden folgenden von den unter
einander verwachlenen Gelenffortjägen, die beiden
äußerften von dem unter einander verwachſenen
Duerfortfägen der Kreuzbeinmwirbel gebildet. Am
unteren Ende der mittleren Leifte liegt die untere
Endöffnung des Krenzbeinfanals, der jog. Kreuz»
beinfchlig (Hiatus sacralis). Zwiſchen den beiden
äußeren Leiftenpaaren liegen die hinteren Kreuz-
beinlöcher (Foramina saeralia posteriora), an Zahl,
Lage und Bedeutung den vorderen entiprechend,
Die zwei den unter einander verwachjenen Gelenf-
fortfäßen entjprechenden Leiften laufen unterwärts
in zwei griffelförmige Hervorragungen aus, melde
die verfümmerten unteren Gelentfortfäte des letzten
Kreuzbeinwirbels repräfentiven, ſeitwärts vom
Kreuzbeinſchlitze ftehen u. Kreuzbeinhörner (Cornua
sacraiija) genannt werden. Die nad unten con»
vergirenden Seitenränder des Kreuzbeines tragen
an ıhrem oberen, diden Ende eine ohrfürmige Ge-
lenfflähe (Facies aurieularis) zur Berbindung
mit dem entiprechenden Flächen an den beiden
Hüftbeinen, werden nad unten ſchmaler u. rauher
und enden in eine ftumpfe Spike, die eine iiber-
Inorpelte Fläche zur Berbindung mit dem Gteiß-
beine trägt. Im weiblichen B. ift das Kreuzbein
breiter, fürger u.flacher gekrümmt, alsim männlichen,
auch tritt jowol oben das Vorgebirg, als unten die
Spite weniger hervor, wodurd) der Ein- u. Ausgang
des weibl. B-sjehran Geräumigfeit gewinnt. b) Das
Steiß- oder Kufufsbein (Os coccygis) bejteht
aus 4 Knochen, welche unterhalb des Kreuzbeines
liegen. Selten find die einzelnen Stüde zu einem
einzigen Knochen vereinigt, oder 5 oder 3 Stüde
vorhanden. Der oberfte Knochen hat einige Ähn-
liihfeit mit einem Wirbelbeine ohne Bogen; zu
beiden Seiten des Körpers gehen nad) oben zwei
örnchen (Cornua coccygea) ab, die fi mit ähn-
lichen des Kreuzbeines verbinden; die 3 anderen
werben immer Meiner, haben ober- u. unterhalb
Gelentflähen da, wo fie einander berühren, u.
find durch die Steifbeinbänder (Ligamenta sacro-
coceygea) verbinden, Alle Knochen find jehr
weih u. ſchwammig. Die Verwachſung der ein-
zelnen findet am häufigften beim männlichen Ges
jchlechte ftatt, weit feltener beim weiblichen, mo
eine größere Beweglichkeit a. der Erweiterung
des zu bei der Geburt nothwendig ift.
eren geht das Steifbein in die Schwanz-
Beden.
wirbel über; f. Schwanz. ce) Die beiden Hüft-
beine (Ossa coxae s. innominata) entjteben
durh den Bufammentritt je dreier bis zu den
Jabren der Mannbarkeit geichieden bleibenden
Stüde, ſchließen ſich zu beiden Seiten an das
Kreuzbein an und bilden den ganzen vorderen,
feitlihen u. vorwiegend auch den hinteren Theil
des Bes. Die drei das Hüftbein zufammen-
ſetzenden Knochenpaare find: aa) Das Darm-
bein (Os ileum s. ilei), der obere und hintere,
anschnlihfte Theil, weicher nach oben eine breite,
ausgeböhlte Fläche darſtellt. Beide Darmbeine
buden zufammen die obere Seitenwand des B⸗s,
nah außen die Hüfte u. ftügen einen großen Theil
ber Gedärme. Das Darmbein bildet bloß im der
Jugend einen eigenen Knochen, indem es fpäter
in der Pfanne (f. unten) mit dem Scham- u.
Sigbeine völlig verwächſt. An feinem dichſten Theil,
feitwärts u. nach unten, befindet fih die größten—
theils von ihm gebildete Gelenfhöhle des Schentel-
fnochens, die Pfanne (Acetabulum), die größte ur.
tieffte Gelenfhöhle des ganzen Körpers. Gie
ftellt eine balbiugelförmige, nach hinten u. oben
überfuorpelte (balbmondförmige Knorpelfläche der
Pfanne, Facies lunata acetabuli), unten mit
einem Ausjchnitte (Incisura acetabuli) verjehene
Höblung dar, in deren Mitte eine nicht überknor-
pelte, zur Aufnahme’ und zum Anfag des runden
Bandes des Schentellnodhens beftimmte Bertiefung
(Fovea acetabuli) fi befindet. Die Knorpelfläche
endigt in einen ſehr erhabenen Rand (Supereilium
acetabuli), deffen Enden nad unten u. vorn durch
den Ausjchnitt von einander — u. Hörner
(Cornua) genannt werden. Der kleinſte vordere
Theil der Pfanne gehört dem Schooßbeine, der
untere u. zum Theil der hintere dem Sitbeine an,
Son der Pfanne aus erhebt fih das Darmbein,
breiter u. dünner werdend, nad) oben u. hinten.
Die äußere Fläche mit einer nach oben converen
&inie dient dem mittleren u. Heinften Geſäßmuskel
zum Anjage. Die innere Fläche bildet in ihrem
oberen größten Theile die Seitenwand des großen
3-8, mit dem Hleineren binteren, rauhen Theil
73
media) u. nad hinten den oberen hinteren Darın-
beinftachel (Spina superior posterior); von diefem
abwärts zieht fi) der hintere Rand (der halbmond-
fürmige Ausichnitt des Hüftbeins, Incisura se-
milunaris ossis innominati); er endigt mit dem
unteren hinteren Stadel u. geht in den glatten,
mwulftigen, ſehr ausgeichweiften unteren Nand iiber,
der zum großen Theil den großen Ausjchnitt
des Hüftbeines (Ineisura ischiadica major) aus-
madt u. in das Sitbein verläuft. bb) Das
Sigbein (Os ischii), der mittlere u. untere
Theil des Hüftbeines, bildet den unteren Theil der
Pfanne, fließt das B. feitwärts u. dient durch
jeinen tieferen Theil beim Giten dem Körper
zum Ruhepunkte. Man untericheidet an ihm den
Körper u. zwei Aſte, einen abjteigenden u. einen
auffteigenden. Der Körper gebt nad hinten im
eine rauhe Hervorragung, den Sitsbeinftachel
(Spina ischii), über, der zur Anlage des unteren
feinen B-bandes dient; von dieſem beginnt der
große Ausichnitt des Hüftbeines (Incisura ischia-
diea major s. iliaca), der fi) nach hinten bis zu
dem Binteren unteren Darmbeinftachel zieht u. zum
Theil von dem Darmbeine begrenzt wird. Der
abfteigende Ak (Ramus descendens) ift eine Fort«
jeßung des Körpers u. endigt nach unten mit dem
diden u. rauben Sitfnorren (Tuber ischii), wel—
her zur Anlage mehrerer Muskeln u. Bänder dient,
An feiner hinteren Fläche befindet ſich zwiſchen dem
Sigbeinftahel u. Sitzknorren der Heine Sitzbein—
ausfhnitt (Ineisura ischiadica minor), welcher
zum Austritt des immereu Hüftbeinlochmustels
dient. Der auffteigende Aſt (Ramus ascendens)
fteigt vom unteren Ende des auffteigenden Aſtes
unter einem fpigen Winkel nad vorn u. oben,
wo er in den abfteigenden des Schoofbeines über-
geht. cc) Das Schooßbein (Schambein, Os pubis)
iſt der Meinfte vordere Theil des Hiftbeines, der,
fih mit dem gleihnamigen Theil der anderen
Seite vereinigend, das B. vorwärts ſchließt. Man
unterjcheidet an ihm den Körper, der in der Pfanne
fih mit dem Darm- u. Sigbeine verbindet, u. 2
von jenem abgebende Afte: der wagrechte Aft
den Höder des Darmbeines (Tuber ossis ilei)|(Ramus horizontalis) geht nad) vorn ab u. endigt
u. hat nad) innen eine ohrfürmige Kuorpelfläche
(Facies auricularis), durch melde fie mit ber
ohrförmigen Fläche des Kreuzbeines verbunden ift.
Diefe Verbindung des Hüftbeines mit dem Kreuz-
beine heißt die Kreugbeinhüftbeinfuge (Symphysis
sacro-iliaca) u. ift ein nur äußerft geringe Beweg-
fihleit zulaſſendes Gelenk. Die untere Heinfte ab.
teilung wird durch die ungenannte Linie (Linea
innominata), die zugleich die Grenze zwiſchen dem
Keinen u. dem großen B. bildet, von der oberen
geſchie den, bilder den oberen Theil der Seitenwand
des Heinen B⸗s, verläuft nach unten in den Körper
des Sitzbeins, nach vorn in den horizontalen Aſt
des Schoofbeines. Der vordere, von der Pfanne
aufwärts fteigende Rand ift concav u. hat unten
und oben eine rauhe GErhabenheit, den vorderen
unteren u. vordern oberen Darmbeinftadhel (Spina
anterior inferior et anterior superior ossis ilei).
An ihn ſchließt fih in einer ftumpfen Ede der
breite obere Rand (Kamm, Crista) an; derſelbe
bildet nach außen u. innen zwei wulfige Lippen
(Labia), zwifchen beiden eine Linie (Linea inter-
mit einer oberen jcharfen Leifte, im welche die un«-
genannte Linie ausläuft (Schambeinfamm, Crista
ossis pubis), in eine rauhe Erhabenheit (Scham«
beinhöder, Tuberculum ossis pubis); ver
von dem wagerechten ausgehende abfteigende Aft
(Ramus descendens) iſt unterwärt® u. auswärts
gerichtet und bildet mit dem der anderen Geite
die Schambeinvereinigung (Symphysis ossium
pubis). Der unterhalb diefer Bereinigung befind-
lihe, im weibliden B. mehr halbfreisförmige,
bogenartige, im männlichen einen fpigeren Winkel
bildende Raum Heißt beim weibl. B. der Schamt-
beinbogen (Arcus ossium pubis), beim männlichen
B. der Schambeimminfel (Angulus ossium pubis).
Zu beiden Seiten und etwas oberhalb deſſelben
findet fi) das rumdlich-breiedige, große, von den
Äften des Sitz und Schooßbeines umgrenzte, von
einer ftarfen Membran (j. unten) verjchlojjene ei—
runde Hüftbeinloch (Foramen ovale pelvis s. ob-
turatorium).
B-bänder (Ligamenta pelvis) find a) ſolche,
welche die einzelnen B-knochen unter ſich u. mit
74
anderen Knochen verbinden. Hierher gehören
aa) Die Sympbyje der Schoofbeine des
Hüfttnochens (Symphysis ossium pubis); fie
wird noch unterftütt duch ſehnige Querfaſern,
welche vorn u. hinten über jene mweglaufen (Liga-
mentum annulare ossium pubis) u. durch Faſern
mehrerer Muskeln, bei. des jchiefen Bauchmustels,
deren untere man als bogenartige® Baud (Liga-
mentum arcuatum) uatschbeiiet: bb) Die Syn»
hondroje des Kreuzbeines mit den Hüft—
beinen (Symphysis sacro-iliaca), durd die ohr«
fürmige Kuorpelflähe u. verftärfende Faſern ver-
mittelt, durch andere B-bäuder verftärtt, Man
hält diefe beiden Berbindimgen nad den neueſten
Unterfuhungen für wahre Gelenktverbindungen,
ec) Die Selentverbindung des Kreuzbeines,
nach oben mit dem lebten Lendenmwirbel, nad) unten
mit dem erften Steißbeinwirbel, wird auf gleiche
Weiſe wie die Berbindung der Übrigen Rüdgrats
wirbel (j. Ridgratsbänder) unter fid) bewirkt. dd)
Als Gelentverbindungen der Steißknochen
dienen außer dünnen Zwiſchenknorpeln u. dilnnen
Kapfelbändern noch befondere Kreuzteigbeinbänder
(Ligamenta sacro-coccygea), u. zwar hinten auf
jeder Seite ein langes u. ein kurzes, welche, vom
Rüden u. der Spite des Kreuzbeines ausgehend,
* bis zur Spitze des Steißbeines verlaufen,
theils an die Hörner des oberſten Steißbeinknochens
ſich anſetzen; u. zwei vordere, die vom legten falſchen
Wirbel des Kreuzbeines aus auf der inneren Fläche
der Steifbeine verlaufen. b) Unterftügende
Bänder, die, an verjchiedenen Theilen des B-8
ausgejpannt, dafjelbe verichließen, feine Höhle voll-
enden u. den inner- u. außerhalb gelegenen Theilen
zur Bededung, Anlage und zum Schuge dienen:
aa) Das Poupartiihe Band, zwiſchen vor»
derem oberem Darmbeinftahel u. Schambein-
böder, ein Theil der Aponeurofe des äußeren jchiefen
Baucdmusfels. bb) Die obturatorijhe Mem-
braun (Membrana obturatoria), die das Hüft-
beinloch (f. oben) bis auf eine Heine, nad oben
u. außen befindliche Spalte (Hiatus) verſchließende
Haut, weldye zwei Muskeln zur Anlage dient u.
mehreren Gefäßen u. Nerven durch den Hiatus
u. ein oder mehrere Fleine Löcher den Durchgang
gewährt. cc) Die unteren Brbänder (Liga-
menta ischio-sacralia), vom jeitlihen Theil
des Kreuzbeines u. der Steigbeine zu dem Sitz-
beine gehend; auf jeder Geite ein großes (Liga-
mentum tuberoso-sacrum) nebft einem Anhange
(Falx ligamentosa) u. ein Heine (Ligamentum
spinoso-sacrum). Sie fjpannen fi über bie
Hüftbeinausfchnitte (f. oben), die fie bis auf eine
zum Durchgange von Gefäßen beftimmmte Offnung
u. ſomit auch das B. nad) hinten zu verjchliegen.
dd) Die hinteren Bänder des B-8 (Liga-
menta ileo-sacralia) gehen vom hinteren Theil
des Hüftbeinfammes (ſ. oben) zum Sreuzbeine,
werden auf jeder Seite als das lange u. als das
kurze unterjchieden, zu denen noch acceſſoriſche u.
Seitenbänder u. viele fefte, glänzend weiße, ſehnige
Fäden kommen, welche die Berbindung der Hüft-
fnochen mit dem Kreuzbeine verftärten. ee) Bor-
dere B-bänder (Ligamenta antica s. ileo-
Reden,
ein unteres. Beide dienen Musleln zum Anſatze
u. haben Spalten zum Durchgange von Gefäßen
u. Nerven,
Die Bedenhöhle, der von den genannten
Theilen umſchloſſene, nah umten u. feitwärts von
denfelben u. mehreren Bauch» u. Schentelmusteln
umgebene, nah oben offene Raum bildet den
tiefiten Theil der Bauchhöhle, umichließt außer
einem Theil des Darmkanals die Harnblafe u. die
inmeren Gefchlechtstheile. Wegen letterer, denen
das Beden zur Aufnahme u, zur Stütze dient, u.
weil e8 bei der Geburt dem Kinde den Durch—
gang geftattet, ift e8 bef. für den weiblichen Körper
von großer Wichtigkeit. Das weiblihde B. iſt,
diefen Zwecken entiprechend, bedeutend weiter, als
das männliche, die Darmbeine deffelben find mehr
nach außen geneigt, weniger fteil anfteigend, die
aeg bildet unten einen bogen-
förmigen Ausschnitt; bei dem männlichen B. hin-
gegen einen fpigen Winkel. S. noch B⸗arterie,
B-vene u. Benervem
In Beziehung auf die Berheiligung des weib-
lichen B-8 bei der Schwangerichaft u. Geburt u.
behufs geburtshilflicher Demonftrationen unters
icheidet man das große u. das Feine B. Die
Grenze derjelben ift eine Linie, weldhe, von dem
oben hervorragenden Rande des Kreuzbeines be»
ginnend, längs der inneren Bogenlinien des Hüft«
eines bis vorwärts au den oberen Wand der
Scooßbeinvereinigung verläuft und als obere B—
Öffnung oder Eingang des Heinen B-8 bezeichnet
wird. Das große B. ift der oberhalb derjelben
gelegene, zur Seite von den Darmbeinen be-
grenzte, das Meine B. der unter jener Linie be
findlihe, von dem Kreuz. und Steifbeine, dei
Sitz n. Schooßbeinen umſchloſſene Raum; letzteres
wird nach unten begrenzt durch eine Linie, die
vom fetten Steigbeine zu beiden Seiten über die
großen Geiten-B-bänder und längs dem unteren
Rande des auffteigenden Ajtes des Sitzbeines herauf
bis zu dem Bogen des Schoofbeines gezogen wird
(untere B-öffnung, Ausgang des B⸗s). Der innere
Raum eines normal gebauten weiblihen B-$ hat
folgende Dimenfionen: a) Im großen B.: größter
Abftand der Hüftbeinfänme in ihrer Mitte 24 bis
27 cm; Abftand eines oberen vorderen Hiüftbein-
ſtachels von dem der anderen Seite 22—24 cm; Tiefe
des großen B-8 von der inneren Bogenlinie bis
zu gleiher Höhe mit der Mitte des Kammes
7,, em; Umfang 35—41 cm. b) In deroberen
B-öffnung: Querdurchmeſſer (Diameter) von
ber Mitte der bogenförmigen Linie einer Seite zu
der anderen beim Manne 10, em, beim Weibe
11,, cm; gerader Durchmeſſer (Conjugata) vom
Promontorium des Kreuzbeines zum oberen Rande
der Schooßbeinverbindung b. M. 10, cm, b. ®.
12,, em; fchiefer Durchmefjer (Diameter obliquus
8. Deventeri) von der Kreuzbeinhüfibeinverbindung
einer Seite zu der Stelle, wo fih das Darmſtück
u. Schooßftüd des Hüftfnochens der anderen Seite
vereinigen, b. M. 12,, cm, b. W. 12, cm; Um-
fang: 35cmb.M., 43cm b. W. c) Mittlerer
Theil des Meinen B-s: gerader Durchmeſſer
von dem oberen Rande des 3. falſchen Wirbels des
lumbalia) gehen von dem Hüftbeinfamme zu den u. bis zur Mitte des Schambogens
Lendenwirbeln.
Man unterfcheivet ein oberes n.|b,
10, cm, b. W. 12,5 cm; Querdurd«
Beden.
mefler, oberer: von der höchſtgelegenen Stellejdie Verbindun
der PBianmenfläche einer Seite zu der anderen
12,, em 6. ®,; unterer: von
10, cm b. M.,
einem Sitbeinftachel zum anderen 10,, em; ſchie—
ſet Durchmefjer von der Bereinigung des aufftei-
genden Altes des Sitsbeines und des abfteigenden
des Schoofbeines einer Seite zu dem Hüftbein-
ausihnitte der anderen 12, cm b. M., 12, cm
6. W.; Umfang: 40—43 cm. d) Untere B-
öffnung: Querdurchmeſſer von einem Sitfnor-
ren zum anderen 11,, cın; gerader Durchmeffer
von der Mitte des Schambogens bis zur Spige
der Steigbeine 8 cm b. M., u. b. W. 11,, cm,
durh Zurüdbiegung der legteren noch um 1,, cm
bis höchſtens 2, em zu erweitern; Umfang
28, cm, refp. 32,, em. e) Die Höhe des gan-
zen B⸗s beträgt im mittleren Maße 18—19 cm.
Die Aushöhlımg des Kreuzbeines beträgt 1,, bis
1,, em, höchſtens 2, em; die Stärke deſſelben
an feiner Bajis 4 cm; die Stärke der Schooß-
beinvereinigung 1,, cm; weshalb man von dem
an einem Lebenden von außen genommenen Maße
5, cm u. außerdem ein Geringes für die Haut-
Sededungen abzurechnen hat. Zur Ausmeſſung
des Bes gibt e8 verfchiedene Juſtrumente (B.-
meifer), den BPelvimeter u. Klifeometer (ſ. d.),
leßterer dient zur eig Aa B-neigung, d.h.
der jchiefen Richtung des B-8 gegen den Horizont
bei aufredhter Stellung der Perſon; erfterer bei.
für das meiblihe B. rüdfihtlih ber Geburt.
Migbildung des B⸗s (B-abmweihungen) find eine
der gewöhnlichſten Urfachen ſchwerer Geburten.
Man rechnet dahin ein zu weites B., wodurch
der Durchgang des Kindes zwar erleichtert, aber
auch auf eine für die Gebärende in ihren Folgen
nacht heilige Weife zu fehr beichleunigt wird; em
zu enges B. (bei weniger als 8cm der B-burdh-
mefjer fann nur ein jehr Meines u. unreifes Sind
mit großer Anftrengung von ſelbſt geboren wer—
den); Knochenauswüchſe in der Brhöhle, melde
die Bröffnungen verengen; Berfnöcerung der
Schambeinverbindung; zu ftarfe Zurüdbeugung
des B⸗s; Sciefheit des B-3 mad) einer Seite;
Mißverhältniß der Brdurchmefler, was beſ. häufig
bei verwachſenen Perſonen ftattfindet. Das B.
erreicht feine vollftändige Ausbildung erft in den
fpäteren Jahren. Im Hitftlnochen zeigen fich beim
reifen Kinde nur 3 Knochenlerne, die ſich all-
mäblich vergrößern u. erfi im 6. Lebensjahre in
der Pfannue ſich erreichen u. deren fefte Verwachſ⸗
ung erft im 14.—16. Jahre erfolgt. Das Kreuz-
bein bat beim reifen Kinde in jedem ber 8
oberen falihen Wirbel 5, in jedem der 2 unteren
3 Knochenkerne. Die gg Berlnöherung und
Berwadhjung der faljchen Wirbel erfolgt erjt nad
dem 11. Jahre. Die Steigbeine find bei der Ge-
burt ganz fmorpelig u. werben zum Theil erft im
14.—20. Jahre zn Knochen.
B. Das B. der Säugethiere geht, wie das der
Menihen, aus 3 Stüden (Darm, Sit- u. Scham-
dein) hervor, welche hier wie dort zu einem ein—
zigen Hüftbeine verfhmelzen. Das Darmbein ver-
bindet fi mit einer ſehr verjchiebenen Anzahl
von Wirbein, bei manden Ebentaten geht aud)
das Sigbein Berbindungen mit dem Kreuzbeine
75
der beiden Hüftbeine auf die
Schambeine. Doch ift auch bei den Affen durd)
eine lange Schambeinfuge u. ein ſchmales Krenz-
bein eine langgeftredte B»form bebingt, weldye
ih auch noch durch geringe Breite u. geringeres
Auseinanderweichen der Darmbeine von der
menschlichen unterfcheidet. Bei den niederen Ord—
nungen tritt die Abhnlichkeit des B⸗s mit dem
— noch mehr zurück; daſſelbe wird ſehr
lang, u. auch die Sitzbeine ſtoßen in einer vor—
deren Fuge zuſammen, fo bei vielen Huf-, Nage—
u. Beutelthieren. Bei manden, 3. B. Flatter—
thieren u. Inſectenfreſſern, findet fih an Stelle
der Schambeinſymphyſe eine bloße Bandverbind-
ung, welde den weiblichen Individuen eine be-
deutende B-ausdehnung ermöglicht, Bor dei
Schambernen von Kloaken- u. Beutelthieren finden
ih noch 2 befondere, aufwärts gerichtete Knochen—
ftüde, welche wegen ihrer Beziehungen zu der
Bentelbildung Beutellnochen genannt werden.
Dur den Mangel der ——— bei den
Walen erleidet der B-gürtel eine Rückbildung, er
wird durch 2 umter fih u. von der Wirbelfäule
— Knochen, rudimentäre Scham- u. City
eine, dargeftellt. Bei den Vögeln verbinden fich
die 3 Stüde frühzeitig; das Darmbein erlanaı
eine beträchtliche Ausdehnung u. geht, wie au)
die langgeftredten Sitbeine, eine Verbindung mit
einer größeren Wirbelzahl ein; die Schambeine
find vorn nur noch beim afrikanischen Strauße
verbunden. Sonft ift das B. vorn offen. Bei
den Reptilien ift das Darmbein ſchmal u. ver:
bindet fich bei den Krofodilen, Eidechſen u. Schild—
fröten nur noch mit 2 Wirbeln. Die Schamfit-
beine, urfprünglich einfach, werden durch ein Fenſter
in einen borderen, das Schambein, u. einen hin—
teren, das Sitbein repräfentirenden Aſt getheilt.
Das Schamfigbein der Krofodile ift einfah; vor
ihm Tiegt ein feiner Knochen, welcher zumeilen als
Schambein aufgejaßt wurde, Nocd mehr verein»
faht ift das B. der Ampbibien, Bei den
Fröſchen find noch die langen u. ſchmalen Darın-
beine mit den Scham- u. Sitbeinen vereinigt;
bei den geſchwänzten Amphibien dagegen nicht
mehr. Bei den Fiſchen endlich liegt dem B—
gürtel nur ein einfaches Knorpelftüd zu Grunde;
dieſes trennt fi bei den Ganotd- u. den Knochen-
fiihen in 2 Theile, welche zumeilen durch eine
Naht, zuweilen dur ein Band mit einander ver-
bunden find; auch treten fie verfchieden weit nad)
born, um fich bei den Kehlfloffern jogar mit dem
Schultergürtel zu vereinen, Bei den übrigen
Fiſchen iſt es meift ein einfaches Stück. — Im
Allgemeinen nähert ſich die Bildung des B-gürtels
der Wirbeithiere um jo mehr der Ihres Scyulter-
gürtels, je gleichartiger die Aufgabe der beiden Ex—
tremitätenpaare ift; diefe Homologie ift aljo bei
Ihwimmenden, friechenden od, laufenden Thieren
größer, als bei fliegenden u. fpringenden.
A) Berns.“ B) Thome.
Beden, 1) Gefäß, welches breiter als tief ift,
meift von Metall. 2) (Türkiſche B., Einellen,
ital. Piatti, Cinelli, fr. Cymbales) Dinne Metall:
telfer, in der Mitte mit einer halbrunden, bedenar-
tigen Vertiefung, durch welche lederne Niemen zum
ein. Bei den höheren Orbnungen beſchränkt ſich Halten gehen; fie werden, ftreifend an einander
76
geſchlagen, bei der Fanitiharenmufik gebraucht,
um einzelne Stellen durch ihren hellen, fräftigen
Klang hervorzuheben. Nur die türkischen u. hir
nefiihen B. haben einen ſchönen metallreichen
Ton; fie beitehen aus einer Miihung von ’/;
Zinn u. %, Kupfer, welche gegoffen, ſchnell ab-
gekühlt, dann gehämmert u. endlich durch nod-
maliges Erhigen u. langſames Abkühlen jpröde u.
Hangreich werden; fie bewirlen in Verbindung mit
der großen Trommel eine jhärfere Hervorhebung
des Rhythmus, verleihen zugleich den Zonftüden
einen energiichen Charakter, welcher je nad der
Anlage feftlih, pomphaft, aber aud fremdartig
wid fein fan, 3) So v. w. Balfın. 4) Jede
Einſenkung des Terrains, ob fie von Waſſer aus—
gefüllt ift (See- oder Meeres⸗-B.), od. nicht (Land⸗
.); legtere find für die Entwidelung von Fluß—
ſyſtemen befonders günſtig. 5) Muldenförmige
Geſteinbildungen, früher Yand» oder See-B., bei.
für Koblenablagerungen (Kohlen-B.) gebraudt.
Beckenachſe (Axis pelvis), die Nnie, melde
mitten durch das meiblihe Beden hindurd von
der oberen zur unteren Bedenöffnung gedacht
wird, um danach den Durchgang des Kindes bei
der Geburt zu beftimmen.
Bedenarterie (Hypogaftriihe od. Unterbaud-
arterie, Arteria hypogastrica s. pelvica), inne-
rer Stamm der Hüftarterien; theilt ſich gewöhnlich
in einen hinteren n, einen vorderen Aft, doch fin-
den bier u. in dem weiteren Berzweigungen häu-
fige u. bedeutende Abweichungen ftatt. a) Aus
dem binteren Aſte ri; gewöhnlich: die
Sjleofumbalarterie (Arteria ileolumbalis), welche
in der Gegend der Kreuzbüftbeinverbindung einen
auffteigenden, an die Muskeln Zweige gebenden
u, mit der letzten Sendenarterie ſich vereintgenden,
ſowie einen abfteigenden, an mehrere Musfeln u.
das Darınbein Zweige gebenden u. mit der um—
ſchlungenen Hiüftarterie anaftomofirenden Zweig
ubgibt; die Geitenarterie des Kreuzbeines (Arteria
sacralis lateralis), die vor den vorderen Löchern
des Kreuzbeines herabfteigt u. innere Zweige an
den Knochen, äußere durch die Löcher an das
Rückenmark u. zum Theil dur die Hinteren
Löcher wieder heraustretend an die hintere Fläche
des Kreuzknochens abgibt; die Hiftbeinlocdharterie
(Arteria obturatoria) tritt durch den Ausjchnitt
des eifürmigen Loces aus dem Beden heraus,
theilt fich in einen inneren u. einen äußeren Zweig
u. gebt an die obturatorifche Membran, mehrere
Muskeln u. den Knochen; die hintere Hüftarterie
(Arteria iliaca posterior s. glutaea superior),
der ftärfjte Zweig dieſes Aftes, gebt nad unten,
außen u. vorn, durch den Hiüftbeimausichnitt her
aus und an im Becken u. außerhalb gelegene
Muskeln. b) Aus dem vorderen Afte kommen:
die Sigbeinarterie (Arteria ischiadiea s. glutaea
Beckenachſe — Bedenvene.
toris in die genannten Theile. Die Nabelarterie
(Arteria umbilicalis) ift im neugeborenen Finde
der ftärffte u. wichtigfte Zweig ber B., geht an
beiden Seiten an der Harnblafe in die Höhe u.
durh den Nabel in die Nabelichnur, verwächſt
nach der Geburt unterhalb des Nabels zu dem
Seitenbande derHarnblafe (Ligamentum laterale
vesicae urinariae). Aus dem Unfangstheil der
Arterie entfpringen obere u. untere Harnblajens,
mittlere Hämorrhoidale, Scheiden u. Gebärmut«
terarterien.
Bedenbänder, ſ. u. Beden.
Bedenbinde (Fascia pelvis), die von dem
Bauchfell bededte, das ganze fleine Beden innen
überziehende Sehnenhaut.
Bedendrüjen, die Driüfen des Iymphatiichen
Bedengeflechtes, welches an den Gefäßen der Beden-
arterie liegt. Sie nehmen die Lymphgefäße des
tieferen Theils des Geſäßes, der Hüftlochgegend,
der Darmbeinlendengegend, der Harn u. Samen-
blajen, Proftata, Scheide, des unteren Uterus, des
Gliedes u. Kitzlers, des Hodenfades u, der Scham«
lippen, des Darmes u. Aiters auf.
Beckenmeſſer (Belvimeter), mehr oder weni«
ger zirkelförmiges Inſtrument zur Beurtbeilung
der Mafverhältniffe des weiblichen Bedens.
Beckennerven entjtehen als oberes Beden-
geriet (Plexus hypogastricus superior) u. untere
Bedengeflehte (Plexus hypogastriei inferiores),
u. zwar erjteres aus dem Xortengeflecdhte u. dem
unteren Bedenganglienfnoten, legtere aus der
Fortjepung des vorigen, Zweigen der Kreuzbein-
fnoten u. des 3. u. 4. Kreuzbeinnervs. Aus den
beiden unteren Geflechten entfteht das Maftdarm«
gefledht (Plexus haemorrhoidalis), Blajengeflecht
(Pl. vesicalis), Gebärmuttergeflecht (Pl. uterinus),
Proftatagefleht (Pl. prostaticus), Geflecht des Zell»
förpers der Ruthe (Pl. cavernosus penis).
Bedenried (Beggenried), Dorf im Schweizer
fanton Unterwaldeu, Halblanton Nidwalden, am
Vierwaldftätterfee; einjt Berfammlungsort der Kan
tone Schwyz, Uri, Unterwalden u. uzern bei ge
meinihaftlihen Berathungen; jett viel bejuchter
Aufenthalt von Reiſenden; Yandungsplag; guter
Käfe (Mayenzieger); 1350 Em.
Bedeniump iR; die Verbindung der zwei
Schambeine unter einander u. die der als
mit den Krenzbeinen. Sie laffen einige Dehnung
zu (falls fie micht krankhaft verfuöchert find), was
bei der Geburt von Wichtigkeit ift, wenn auch die
dadurh möglihe Raumſchaffung noch fo gering
ausfällt.
Beckenvene (Vena hypogastriea) ; ergießt ſich
in die Hüftvene, wird aus mehreren, dem Laufe
der gleichnamigen Bedenarterien folgenden Bwei-
gen, als: Fleolumbal-, Kreuzbein-, Hüftbeinloch-
vene 2c, gebildet, im welche fich ſehr zahlreiche
inferior) gibt außer Zweigen an Muskeln, Bän-| Zweige ergießen, die zum Theil aus bejonderen
der, die Harnblafe, den Maſtdarm u. das Schentel-| Venengeflechten entipringen. Solche Benengeflechte
gelenk die Steißbeinarterie (Arteria coccygea)|find: das Blafengeflecht — vesicalis)
ab, die an die Schließmusleln des Afters geht; umgibt die Harnblaſe, aus ihm die Harnblajen-
die innere ober gemeinjchaftliche Schamarterie |venen; das Maſtdarmgeflecht (Pl. haemorrhoidalis)
(Arteria pudenda communis) vertheilt ſich als umgibt den im Beden liegenden Theil des Maft«
mittlere u. äußere Hämorrhoidal-, untere Harn-|darınes, aus ihm die Maftdarnıvenen (Venae
blafen», Mittelfleifch- (Damm-), Scrotal-Arterie, haemorrhoidales) u. andere Zweige. Das innere
Nüden- u. tiefe Arterie der Ruthe oder der Eli Schamgeflecht nimmt beim männlichen Geſchlechte
Beder.
77
die Benen der Proftata, des Penis, der Samen-|1798—1800, 3 Bdchen.; außerdem: Taſchenbuch
bläshen auf, beſteht beim Weibe aus dem Schei-
den u. Gebärmuttergeflehte u. fteht mit dem
Samenvenen-, Harnblafen- u. Maftdarmaeflechte
m Berbindung; das äußere Schamgeflecht, äußer-
fh am Beden gelegen, gehört den äußeren Ge-
Ihlechtstheilen an u. ergießt ſich in die Sitzbein—
u. äußeren Schamvenen; das Kreuzbeingeflecht, an
der vorderen Fläche des Kreuzbeines gelegen, ftebt
mit den jeitlichen Kreuzbeinvenen in Berbindung;
das Hüftinustelgeflecht, auf der dem Beden zuge-
wandten Fläche des Muslkels gelegen, entleert ſich
durch die Ileolumbalvenen.
eder, County im nordamerifan. Unionsftaate
Minnejota, unter 46° n. B. u. 95° w. &,, faft
genan im Mittelpunfte NAmerifas, im höchſt
fruchtbaren Gebiete des Red-River of the North
gelegen; batte 1870 noch nicht mehr als 308 Ew.,
deren Zahl. aber fchnell zunimmt; wurde zu
Ehren des um den jungen Staat hochverdienten
Senators B. benannt.
Beder, 1) Rudolf Zacharias, Volksſchrift-
fteller, geb. 9. April 1752 zu Erfurt; ftudirte in
Jena Theologie, wurde 1782 Lehrer am Philan-
thropin zu Deffau, 309 1783 nad) Gotha, begrün-
dete bier 1797 eine Buchhandlung u. wurde 1802
fürftlich fondershaufiicher Hofrath; im Nov. 1811
ward er wegen eines Aufjages in der National-
zeitung buch franzöfifhe Gensdarmen verhaftet
u. bis Wpril 1813 zu Magdeburg in firenger
Berwahrung gehalten (er bejchrieb diefe in: Yeiden
n. Freuden in 17monatlicher franz. Gefangenichait,
Gotha 1814) u. erft auf Fürbitte des Herzogs
Auguſt ven Gotha.bei Napoleon freigelaflen; er
fl. 28. März 1822. Er gab heraus: Deſſauiſche
Zeitung für die Jugend u. ihre Freunde, 1782 f.,
jeit 1784 als Deutiche Zeitung für die Jugend zc,,
von 1796 an aber. die Nationalzeitung dev Deut-
fhen, daneben 1791 den Anzeiger, von 1793 an
Heihs-Anzeiger u. ſeit 1806 Allgemeiner Anzeis
ger der Deutichen genannt, heraus. Sein Noth-
u. Hilfsbüchlein oder lehrreiche Geſchichte des
Dorfes Mildheim, Gotha 1788 f., 2 Bbde., n. Aufl.,
1833, 2 Bbe., u. fein Mildheimiſches Liederbuch,
ebd. 1799, 8. Aufl., 1837, Haben zur Bildung
des Volles viel beigetragen; er jchr. außerdem
Borlejungen über die Pflichten u. Rechte der
Menihen, Gotha 1791 f., 2 Bde.; Das Eigen-
thumsrecht an Geifteswerfen, Frankfurt 1789;
Mildheimiſches Evangelienbuch, 1816; gab heraus:
Holzichnitte alter deutjcher Meifter, ebd. 1808—16,
3 Lıef. 2) Wilhelm Gottlieb, Belletrift u.
Kunftichriftfteller, geb. 4.Nov. 1753 zu Kalenberg
im Schönburgiihen; ſtudirte ſeit 1773 iu Leipzig
die Rechte, war 1776—1777 Lehrer an dem Phi—
lanthropin zu Deffau, lebte dann in der Schweiz
u. auf Reifen, wurde 1782 Profeffor der Moral
an der Nitterafademie in Dresven u. 1795 Auf-
jeher über die Antifengalerie u. das Miinzcabinet,
1805 auch über das Griine Gewölbe; er ft. 3.
Juni 1813 zu Dresden. B. fchrieb eine Reihe
ammutbiger Gedichte u. Erzählungen. Die vor-
züglichften enthält fein Taſcheubuch zum gefelligen
Vergnügen, Lpz. 1794—1815; an ebd,
1796— 1810, 8 Boden, (1808—10 unter dem
fir Gartenfreunde, Lpz. 1795—99, 5 Jahrg.;
Garten- und re re er 1798 f.,
4 Hefte; Der Plauenihe Grund, Nürnberg
1799; Das Seifersdorfer Thal, Lpz. 1800, 4
Hefte, u. gab heraus: Des Erasmus Lob der
Narrheit, Baf. 1780, Berl. 1781; Das Augu—
fteum (Dresdens antile Denkmäler), Dresd. 1805
bis 1809, 2 Bde. gr. Fol., 2. Aufl., Lpz. 1832
bis 1837; Zweihundert jeliene Münzen des Mit:
telalters, Lpz. 1813. 8) Karl Ferdinand,
deutſcher Sprachforicher, geb. 14. April 1775 zu
Lifer im Trierichen; wurde 1794 Lehrer am Jo—
fephinum zu Hildesheim, ftudirte 1799 im Göt—
tigen noch Medicin, prakticirte jeit 1803 zu Hörter,
wurde 1810 Unterdirector der Pulver- u. Sal—
peterbereitung fiir das Departement der Leine u.
des Harzes zu Göttingen u. 1813 bei der Cen—
tralhofpitalverwaltung für Die Heere der Verbin:
deten angeftellt; jeit 1815 prafticirte er in Offen—
bach u. errichtete 1823 ein Erziehungsinftitut; er ft.
5. Sept. 1849. 8, ſchr.: Über die Wirkung der
Wärme u. Kälte auf den menfchlihen Korper
(Breisfchr.), Gött. 1802; Über das Petechialfieber,
1812; Die deutihe Wortbildung, Frankf. 1824;
Deutiche Sprachlehre, ebd. 1827; Deutiche Sram:
matif, ebd. 1829; Schulgrammatif der deutichen
Sprache, ebd. 1831, 9. A. von Theod. B., 1870;
Ausführliche deutihe Grammatif, 1836—1839, 3
Tble., 2. Aufl., 1842; Yeitfaden xc., 1833, 8. A.,
1864; Das Wort in feiner organiſchen Bedeutung,
1833; Organismus der deutschen Sprache, 1841f.;
Der deutihe St, 1848; Lehrbuch des deutſchen
Ztils, herausgegeben von Theod. B., 1850, 2.
Aufl., Prag 1870. 4) Karl Friedrich, der
befannte Gefchichtichreiber, geb. 1777 zu Berlin;
jtudirte in Halle Philoſophie u. Geſchichte, wurde
1798 Mitglied des Seminars für gelehrte Schufen
in Berlin; er privatifirte feit 1800 daſelbſt u. ft.
15. März 1806. B. verfafte die befannte Welt-
geſchichte für Kinder u. Kinderlehrer, 1801—5, 9
Bde, melde in Bd. 10—12 von Woltmann u.
K. A. Menzel fortgefegt wurde u. durch die Über-
arbeitungen von Loebell, Berl., 7. A. 1841—43,
14 Bde., u. Schmidt, 8. A., ebd. 1860-64
(ergänzt von E. Arnd, 4. A., 1874), 22 Bde.,
einen größeren woiffenfchaftlihen Werth erhielt,
aber die Originalität ihrer Darftellungsmeife ein»
büßte. B. fchrieb ferner: Erzählungen aus der
alten Welt, Halle 1802, 3 Bde, 9 A. von Ed:
ftein, 1857, dazu ein 4. Theil von Günther, Halle
1842; Die Dichtkunſt aus dem Gefichtspunfte des
Hifterifers, Berl, 1803. 5) Wilhelm Adolf,
— * von Bedeutung, Sohn von B. 2), geb.
1796 zu Dresden; ſtudirte ſeit 1812 in Schul—
pforta u. feit 1816 im Leipzig Philologie, wurde
1822 Gonrector zu Zerbſt, 1828 Profejfar zu
Meigen, 1837 Profeſſor der claſſiſchen Alterthums—
kunde an der Univerfität Leipzig u. bereifte 1840
Italien; ftarb 30. Sept. 1846 zu Meißen. Er
ihr. De comicis Romanorum fabulis, %p3. 1837;
die enlturgeihichtlichen Romane: Gallus od. römi»
che Scenen aus der Zeit des Auguflus, 1838, 2
Thle., 3. Aufl., 1863, 3 Thle., engl. von Met—
calfe, 1844, u. Chariffes od. Bilder altgriechifcher
Titel: Neue Erholungen); Darftellungen, ebd. | Sitten, 1840, 2. Aufl., 1854, engl. von Metcalfe
78
Becker.
1845; Handbuch der römiſchen Alterthümer, 2Mairevolution (mit Eſſelen), Genf 1849. 8) Ju-
Thle., 1843—46, fortgefeßt von Marquardt bis
zum 5. Thl., 1859—1868. B. gab heraus die
Schrift des Ariftoteles vom Schlaf u. Wachen,
1823; Elegia rom., 1827, u.die 2. Ausgabe von
feines Baters Augufteum, 1832—34. 6) Karl
Ferdinand, bedeutender Mufifer, geb. 17. Juli
1804 zu Leipzig; bildete fi zum Klavierfpieler,
wandte fi” aber jpäter ganz dem Studium der
Drgel zu, wurde 1825 Organiſt an der Petri-
firde, 1837 an der Nicolailirche feiner Baterftadt
n. 1843 Lehrer des Orgel- u. Partiturjpiels am
dortigen Gonfervatorium der Muſik. Seit 1856
privatifirt er bei feipzig. Er fhr.: Rathgeber für
Organiften, Leipz. 1828; Sammlung von Chor»
älen aus dem 16. u. 17. Jahrh., daf. 1831;
Syſtematiſch⸗chronologiſche Darftelung der muſi—
falifchen Literatur, daſ. 1836, Nachtrag 1839;
Die Hausmufit in Deutfchland im 16., 17. u. 18.
ahık, 2c., daj. 1840; Evangel. Choralbud) zc.,
daf. 1841; Choralgefänge zu Spittas Pjalter u.
Harfe, daf. 1841,; Sebaftian Bachs vierfiimmige
Shoralgejänge, daj.; Die Tonwerfe des 16. u. 17.
Jahrh., daf. 1847, 2.4., 1855; Lieder u. Weiſen
vergangener Jahrhunderte, daf. 1849, 2.U.,1852;
Die Tontünftler des 19. Jahrh., daf. 1850; Ber-
zeihnig einer Sammlung muſilaliſcher Schriften,
2. 4.,1846. Die Choralfammlungen der verfdie-
denen hriftlichen Kirchen, daf. 1845. Außerdem
betheiligte er fi) als Redacteur eine Zeit lang an
der Allgemeinen mufifaliihen Zeitung und als
Mitarbeiter an Schumanns Neuer Zeitfchrift für
Muſik. Sein Evangelifches Choralbudy wurde in
den Leipziger Kirchen eingeführt. Seit 1856 hat
er fih ins Privatleben zurüdgezogen u. lebt zu
Plagwitz bei Leipzig. 7) Johann Philipp, be-
lanuter Radicaler, geb. 19. März 1809 zu Fran—
fenthal in der Pfalz; wurde Bürftenbinder, bethei-
ligte ſich aber jeit der Julirevolution 1830 als
Nadicaler an der Bolitif; in feinem Baterlande
deshalb mehreren Unannehmlichkeiten ausgefetst,
wendete er fich 1837 mad der Schweiz, wo er
1846 in Biel das Bürgerredht erwarb, eines der
Häupter der deutfch-demofratiihen Propaganda
in der Schweiz wurde u. 1847 in Ochfenbeins
Stabe als Adjutant am Sonderbundskriege Theil
nahm, Als im April 1848 der republifamijche
Aufftand in Baden ausbrad, führte B. ein Corps
Deutfher aus der Schweiz dahin, zog fich aber
nah dem Mißlingen des Attentat$ nach der
Schweiz zurüd. Im Mai 1849 wurde er von
dem Landesausihuß in Baden zum Gomman-
danten der Bollswehr ernannt, zog mad der
heliichen Grenze und machte dort, zum Ober-
befehlshaber der Heeresabtheilung im Odenwalde
ernannt, den Julilampf mit, nach deffen für die
Aufftändiihen unglücklichem Ausgange er nach der
Schmeiz entlam. Hier lebte er erft in Genf u.
verband ſich mit den Socialiften, wandte fich aber,
nach dem Fehlſchlagen mehrerer induftriellen Unter-
nehmungen, 1860 nad Paris; 1862 kehrte er
nad Senf zurüd u. jchloß fih der Partei Fazys
an. ‚Seine ferneren Verſuche, fih dur die Gründ-
ung eines republifanifhen Vollsbundes in die
deutschen Angelegenheiten zu mengen, hatten kei—
nerlei Erfolg. Er ſchr.: Geſch. der ſüddeutſchen
lius, Gomponift u. muſilal. Schriftfteller, geb.
3. Febr. 1811 zu Freiberg; ging nad Leipzig,
um fi philoſophiſchen Studien u. der Muſiklehre
zu widmen, u. trat bier zuerft als mufifaliich-
belletriftiicher Schriftfteler n. jpäter ald Compo-
nift auf. Geit 1846 lebte er zurüdgezogen in
Hortöpnig bei Dresden u. ft. dort 16. Febr. 1859.
Er fhr.: Die Neuromantifer, Lpz. 1840, 2 Bbde.;
Kleebein u. Compagnie, ebd. 1841; Harmonielehre,
ebd. 1842; ferner Yiedercompofitionen, eine Oper
(bie Belagerung von Belgrad) u. eine Symphonie.
9) Nikolaus, der Dichter des Mheinliedes,
geb. 15. Jan. 1810 zu Bonn; ſtudirte anfangs
die Rechte zu Bonn, verließ aber dies Studium,
um bei einem Gerichtsichreiber zu Geilenfirchen
zu arbeiten. Er dichtete 1840 das Lied: Sie
jolfen ihn nicht haben, welches über 70 Compo«
fittionen erlebte u. fchnell dur ganz Deutjchland
als Demonftration gegen Frankreich verbreitet
wurde; ererhielt dafür von Friedrich Wilhelm IV.
ein Honorar von 1000 Thlr. u. wurde Gerichts-
Ihreiber in Köln. B. ft. 28. Aug. 1845 zu Gei-
lenfirhen. Seine fonftigen Gedichte find ohne
Bedeutung. 10) Jakob, Genremaler, geb. 1810
zu Dittelsheim bei Worms; Huldigte im Aufange
jeiner Laufbahn der romantischen Richtung, wandte
ſich aber fpäter ganz entſchieden der Darftellung
ländliher Scenen zu. Seine Erfindungsgabe ift
nicht unbedeutend; doch wirden feine Bilder durch
etwas meniger Fdealifirung der dem Leben ent-
nommenen wmeift zu zarten Geftalten gewinnen.
Sein Eolorit könnte etwas kräftiger fein. Aus»
gezeichnet dagegen ift er in der friichen, lebens—
vollen Auffafjung des wirklichen Lebens u. im
flaren, leicht verftändlichen Ausdrude,. Auf dieBe-
handlung ber Landſchaft verfteht er fich trefflich
u. verleiht ihr meift einen beftimmten Charafter.
Humoriſtiſche Scenen gelingen ihn nicht befonders;
dagegen ift er der Meifter der ländlichen Tragödie.
Sein beftes u. durchgreifendſtes Bild ftellt vom
Gemitter überrafchte Landleute des Weftermaldes
vor, die eben ihr Dorf in Flammen erbliden.
Daran reiben fih fein vom Blig erfchlagener
Schäfer, fein heimkehrender Krieger am Grabe
jeiner Eltern, feine betende Bauernfamilie u. a.
Eine gewiſſe peinliche Sentimentalität ward B. nie
08. Seit 1840 fcheint er ins Kleinliche binein-
erathen zu fein. In der fandichaft war Schirmer
Kin Lehrer. 1840 ward B. Profeffor der Land—
ihafts- u, Genremalerei am Städelſchen Inſtitut
in frankfurt a. M., wo er 22. Dec. 1872 ftarb.
Au als Porträtmaler erfreute B. ſich eines guten
Namens, 11) Hermann Heinrich, Oberbürger- —
meifter der Stadt Köln, gen. der rothe Beder, geb.
15. Sept. 1820 zu Elberfeld; ſtud. in Heidelberg,
Boun u. Berlin Redts- u. Staatswiffenfchaften, be«
theiligte ſich als Publicift u. Redner an den Ereig-
niffen von 1848 u. 49, büßte dafür mit Feftungs«
haft u. widmetefich nachher dem Dienfte der Stadt
Dortmund, wo er 1870 Oberbürgermeifter wurde.
Im au. 1875 wurde er zum Öberbürgermeifter
von Köln erwählt. Seit 1862 faß er im preuf.
Abgeordnetenhaufe, jeit 1872 im SHerrenhauje,
außerdem im Deutſchen Neichstage. 12) Karl,
Dialer, geb. 18. Dez. 1820 in Berlin; bildete ſich
’
Bederath. 79
an der bortigen Alademie u. feit 1841 in Mün-
den, dann in Paris u. Rom, B. kann als der
Schöpfer des jog. venetianifchen Genre betrachtet
werden. Seime einichlägigen Bilder athmen eine
gewiſſe frobe Behaglichleit, u. Die Figuren bewegen
ch in ihrem reizenden u. echt malerischem Coftiim
mit der größten Friſche u. Unbefangenheit. Dahin
ve u.a.: Die Audienz beim Dogen; Der ver-
otene Eingang; Im Borzimmer; Beſuch; Mädchen
mit der Laute 2c. Zeigt fih B. hier als Künftler,
der es verfteht, jeine ——— lebendig u. unter
Umftänden pilant in Scene zu ſetzen, u. entfaltet
er bier als eigentlicher Salonmaler eine feltene
Meifterihaft des coloriftiihen Vortrages, jo ver»
einigt fih im feinen hiftorifhen Compofitionen,
wie in feinem Beſuche Karls V. bei Fugger in
Augsburg u. in feiner Inquifitionsfcene das ibealc
Motiv ala gleichberechtigtes Element mit der colo-
riſtiſchen Wirkung. B. ift jeit 1862 Mitglied der
Berliner Alademie. 18) Auguft, deuticher Dich-
ter, geb. 27. April 1828 zu Klingenmünfter in
der Rheinpfalz; flubirte in Münden, war von
1849 an Mitarbeiter an den Münchener Leucht-
fngeln, den Fliegenden Blättern, ———
ven 1855 an Correſpondent der Augsb. Allgem.
Zeitung. 1859 verheirathete er ſich mit einer
Tochter des Pyrifers Georg Scheuerlin, redigirte
von da an bis 1864 eine liberale politische Beit-
ung der großdeutichen Partei, fiedelte dann nad)
Häbrigem Aufenthalte in. Bayerns Hauptjtadt
1868 nach Eiſenach über u. fehrte ſchließlich 1875
nad feiner Heimath, der Aheinpfalz, u. zwar
nad Landau zurüd. Seine erfte poetiihe Schöpfung
war ein Igriiches Epos: Yung Friedel, der Spiel-
mann, Stuttg. 1854, das großen Beifall fand u.
auch in den eingelegten Liedern u. Balladen viele
Schönheiten bietet, aber an großer Breite u.
Ihleppender Handlung franft. An denielben Feh—
lern leidet ir der fonft ſich durch faubere, Iebens-
wahre Eharalteriftifen vortheilhaft auszeichnende
Roman: Des Rabbi Vermächtniß, Berl. 1866,
6 Bde. In neuerer Zeit entfaltete B. eine große
Thätigleit auf dem Gebiete des Romans; von
1868 bis jett (1875) ſchrieb er bereits 7, meift
mebrbändige Romane; feine jüngfte Arbeit: Meine
Schweſter, Berl. 1875, 4 Bde., ſchildert das
Treiben der Lola Montez in Münden u. beleuchtet
in höchſt intereſſanter Weife die Revolution in
Bayern im J. 1848. 14) 8. Hugo, deuticher
andihaftsmaler, geb. 19. Juli 1834 in Wejel,
der Sohn eines Uhrmachers; bejuchte das Gym-
naſium feiner Baterfiadt u. ging 1852 an die
Aademie zu Düffeldorf, wo er fih unter Joh.
üb. Schirmer bildete, trat 1856 mit feinem
Opfer der Deutichen zuerft vor das größere Bubli-
cum u. bereifte dann Weftfalen, fpäter den Ober-
thein, die Mofel, die Schweiz, die Normandie u.
die Dftfeegebiete. Überaus entwidelt ift fein
Talent zur Compofition. Ein anderer feiner Bor-
säge ift die glüdliche Bereinigung der Staffage
mit der Landichaft, melch letztere er ausschließlich
dentihen Motiven entnahm. An dem 1. Bande
der deutfchen Bilderbogen nahm er lebhaften Au—
theil u. führte auch die Radirnadel mit Sicherheit.
15) Jean, bedeutender Biolinvirtuos, geb. 11.
u. Binc. Lachner; wurde, nachdem er fih auf
Kunftreifen Schon Auf erworben hatte, Concert»
meister in feiner Baterftadt, gab diefe Stelle aber
nach kurzer Zeit wieder auf (1858); im J. 1865
ließ er fih in Florenz nieder. Befonders berilhmt
wurde er bier durch die Gründung des fogen.
Florentiner Duartetts, im welchem er feit 1866
mit Mafi (2. Violine), Ehioftri (Bratiche) u. Hil-
pert (Cello) die claffiihe Quartettmuſik gepflegt
u. auf GConcertreifen im feltener Bollendung zu
Gehör gebracht hat. 16) Oskar, bekaunt durch
fein Attentat auf den König Wilhelm I. v. Preu-
Ben, geb. in Odeſſa 18. Juni 1839; ftudirte feit
1859 in Leipzig Jurisprudenz u. Gameralia. Er
verübte am Ben des 14. Juli 1861 im ber
Lichtenthaler Allee bei Baden-Baden das erwähnte
Attentat, indem er die beiden Läufe eines Doppel-
terzerols auf den König abfeuerte, ihn aber nur
unbedeutend am Halfe verwundete. B., fogleid er»
griffen, gab als Grund feiner That die Überzeugung
an, daß der König ein Hinderniß zur Einigung
Deutichlauds ſei. Von den Aſſiſen in Bruchjal am
23. Sept. zu 20jähr. Zuchthausftrafe verurtkeilt,
wurde der Reſt der Strafe auf Fürſprache des
Königs Wilhelm ihm 20. Oct. 1866 unter der
Bedingung erlaffen, daß er fernerhin nie wieder
ein deutiches Land betrete. Er ft. in Alerandria
16. Juli 1868. 6) Brambad.* 10) 12) 14) Regnet.
Bederath, 1) Hermann von B., geb. 1801
zu Krefeld; erlernte daſelbſt die Handlung, gründete
1838 ein Banlgeſchäft u. erwarb ſich ein bedeus»
tendes Vermögen; er wurde 1836 Mitglied der
andelsfammer in Krefeld, 1843 Mitglied der
Rheiniſchen Landtage zu Düſſeldorf u, Koblenz u.
1847 Mitglied des erften Vereinigten Landtages
zu Berlin, wo er die Adreffe auf die Thronvede
verfaßte u. im feinen Reden fih als einen für
die Einheit Preußens, ſowie Deutichlands begei-
fterten Anhänger der liberalen Partei zu erkennen
gab. 1848 wurde er für Krefeld Abgeordneter
zur Frankfurter Nationalverfammlung u. gebörte
bier zum rechten Centrum, Nach der Wahl des
Erzherzogs Fohann zum Reichsverweſer wurde
B. im Juli 1848 zum Neichsfinanzminifter er-
nannt (f. Deutichland, Gejch.); aber im Mai 1849
legte er fein Mandat als Mitglied der Neichäver-
ammlung nieder u. ſchied kurz daranf auch aus dem
Minifterium. Geitdem Mitglied des preuß. Ab»
eorbnetenhaufes, bethätigte er fich als entichiedener
egner der Manteuffelichen Bolitit. Im Febr.
1850 wurde er zum Parlament nach Erfurt ge-
wählt. Seit 1852 trat er ins Privatleben zurüd
u. ft. 12. Mai 1870 in Krefeld, 2) Morik von,
deutscher Hiftorienmaler, geb. 1838 zu Krefeld; be-
gannjeine Studien 1857 ander Diüffeldorfer Afademie
unter Foſef Kehren. Zwei Jahre nachher verlief er
Diüffeldorf, um in Münden bei M. v. Schwind
feine weitere Ausbildung zu fuchen. Unter feinen
zahlreichen Arbeiten find Rapoleons Flucht aus
Moskau, Gög von Berlichingen unter den Zi—
geunern, der Tod Ulrihs von Württemberg in der
Schlacht bei Döffingen, feine 5 Blätter: Zeichnungen
aus der Gejchichte der Meromwinger, fein: Witte
find ruft die Sachfen zum Kampfe, feine Epijode
aus der Kimbernichlacht, feine Beſtattung Alarichs
—
Mai 1836 in Mannheim, Schüler von Kettenus u. feine fieben Cartons aus dem erſten Kreuzzuge
f
80
Becket — Bedum.
(1096—99) die befannteften, B⸗s Stärke liegt mehr, fchr. u. a.: Grundfäge der deutſchen Lanbmwirth-
un der formalen Compofition u. in der fharfen u.|fchaft, Gött. 1769, 6. Ausg. 1806, das erfte Wert,
harakteriftifchen Zeichnung, als im Colorit. 3) Regnet.
Bedet, Thomas a (gemwöhnlid St. Thomas
von Canterbury), Borlämpfer für die päpftliche
Hierarchie in England, geb. 1119 zu London;
ftudirte zu Oxford, Paris u. Bologna die Gottes»
u. Nechtögelahrtheit, wurde 1154 Archidiaconus
von Canterbury, 1158 Kanzler des Reiches u,
1162 Erzbiſchof von Canterbury. Er ging feitdem
von dem Weltleben zu afletiicher Strenge über u.
lam bald durch fein ernftes Wirken für die Frei-
heit der Kirche mit feinem früheren Gönner, dem
König Heinrich IL., in Händel. Als B. 1163 nicht
in die vom König verlangte Aufhebung der
Eremtion der geiftl. von der weltl. Gerichtsbarfeit
willigte u. auc die Anerkennung der von feinen
Borfahren ererbien Rechte des Königs (Consuetu-
dines avitae) nur mit der Claufel: unbeichadet
der Rechte der Kirche, zugeſtand, nöthigte ihn
einrich II. 1164 zur Annahme der 16 Gonftitu-
tionen von Clarendon, in welden die Freiheiten
ber Geiftlihen beſchränkt u. die fünigl. Gemalt
erweitert wurde, Wegen des Widerrufes dieſes
Zugeftändnifies auf das Concil von Northampton
vorgefordert, weigerte fih B., zu ericheinen, u. floh
vor dem Zorne des Königs nah Frankreich, wo
Ludwig VII. u. Bapft Alerander III. ihn ſchützten,
während Heinrich feine Güter einzog. Der Papft
Alerander III., der 1167 Legaten nah England
ſchickte, brachte durch diplomatiihe Unterhandluns
gen u. zulett durch Bedrohung mit Ercommumi-
cation den König dahin, die Gonftitution von
Elarendon aufzuheben. Nun kehrte B. der indeh
auch theitweifen Zugeitändniffen des Papftes an
Heinrich II. gegenüber unbeugfam geblieben war,
1170 nad England zurüd, obwol Heinrich II. die
Zurüdgabe der Kirchengüter troß feines Ber-
ſprechens verweigerte. Eine Außerung, welche der
König wegen B-$ fortdauernden Starrfinnes über
diefen getban, liefen 4 Edelleute den Plan faffen,
B. zu ermorden, u. fie erftachen ihn am Altar
zu Canterbury. Päpftliher Bann traf die Mörder
u. ihre Mitjhuldigen, Heinrich II. mußte ſich eid-
lid) reinigen, 200 Reiter in Baläftina unterhalten,
auf alle feine Reformen zur Mäfigung der Kicchen-
gewalt Berzicht leiften u., nachdem ». 1174 fa-
nonifirt worden war, an feinem Grabe zu Ean-
terburg Buße thun. Dies Grab ward ein ftarf
beſuchter Wallfahrtsort. Tag: 29. December.
einvich VIII. ließ 1538 feine Gebeine als eines
Majeftätsverbredher8 verbrennen, feinen Namen
aus dem Kalender ftreichen u. die auf fein Grab
gehäuften Opfer, 26 Wagen voll Gold u. Silber,
in den fönigl. Schat bringen. Bgl. Giles, Life
and Letters of Th. B., Lond. 1846; Buß,
Thomas d. Canterbury u. fein Kampf für die
Freiheit der Kirche, Mainz 1856. Löffler.
Bekmann, 1) Johann, Gelehrter u. Schrift-
fteller, geb. 4. Juni 1739 zu Hoya; ftudirte im
das die Landwirthſchaft in eine wiſſenſchaftliche
Form brachte; Phyſikaliſch ⸗Olonomiſche Bibliothek,
ebd. 1770—1806, 33 Bde.; Anleitung zur Tech⸗
nologie, eb. 1777, 5. Aufl., 1809; Beiträge zur
Ökonomie, Technologie, Polizeir u. Cameral-
wiffenjchaft, ebd. 1779—90, 12 Bde; Beiträge
zur Geſchichte der Erfindungen, Lpz. 1780—1805,
5 Bde.; Anleitung zur Handelswiſſenſchaft, 1789;
Borbereitung zur Waarentunde, Gött. 1793,
2 Bde; Entwurf der allgemeinen Technologie,
ebd. 1805; Literatur der älteren Reijebeichreib-
ungen, ebd. 1807—1810, 2 Bde. 2) Friedrich,
berühmter Komiler, geb. 13. Jan. 1803 im
Breslau; fam als Chorift zum dortigen Theater
u. 1824 an das Königftädter Theater nad Ber-
lin, wo er nad) u. nach als Komiler Liebling des
Publicums wurde. 1845 fam er nah Wien an
das Theater an der Wien u. 1846 am das dortige
Burgtheater. Er ft. 7. Sept. 1866. Als Schrift-
fteller machte er fich durch die Poffe: Der Eden»
fteher Nante (44. Aufl., Berl. 1878) belannt.
Bal. F. Raifer, F. Bedmann, Wien 1866.
Beckum, 1) Kreis im preuß. Regbez. Miünfter,
in den Flußgebieten der Ems u, der Yippe, auf
einem Plateau, von der Köln-Mindener Bahn
(33,4 km) durchſchnitten; 4 Städte; 683, [_jkm
(12, UM); 39,100 Ew. 2) Hauptft. dajelbft,
in hoher Lage, an der Wafferfcheide —— Rheiu
u. Ems, 5 km füdl. von der Eiſenbahnſtation gl.
Nam; katholiiche Kirche; Dampfmühlen, Brannt-
weinbrennerei,Kaltinduftrie, Garnhandel; 2980 Em.
B. war einft Glied der Hanfa u. gehörte feit
1622 den Herzögen von Holftein-Sonderburg.
3) Dorf im preuß. Negbez. Arnsberg, bei Balve;
hemifche Fabrik, Eifengruben, Eifenhütten; 500 Em.
‚ Beter Sehann, Jeſuitengeneral, geb.
8. Febr. 1795 in Sichem bei Löwen in Belgien;
trat in den Jeſuitenorden u. machte fein Noviziat
am 29. Oct. 1819 zu Hildesheim. Bon feinen
Oberen gejhätt u. vielfach zu Miffionen verwen-
det, wurde er 1826 Pfarrer bei der in Anbalt-
Köthen neu errichteten kath. Gemeinde u, zugleich
Beichtvater des zur Kath. Kirche befehrten Herzogs
Ferdinand. ALS diefer geftorben war, ging B.
mit deffen Wittwe, der Herzogin Julie, RR Wien,
wo er 1847 Procurator der Gejellihaft Jeſu in
Dfterreich ward u. als folder das Metternichiche
Gabinet nicht wenig beeinflußte,. 1848, nach Ver⸗
treibung der Jeſuiten aus Öfterreich, fiedelte er nach
Belgien über, wurde Beiftänder des Provincials
dafelbft u. Rector des Eollegiums zu Löwen. Nach
Wiedereinführung feines Ordens in Oſterreich
wurde er Superior ſtir Ungarn, daun Provincial
für Oſterreich, um endlich nach dem Hinſcheiden
Rootenhans am 2. Juli 1853 Jeſuitengeneral
zu werden. Mit diplomatifher Schlauheit regierte
er nun den Orden, förderte hauptſächlich die Mif-
fionen in proteftantiihe Länder u. erweiterte jo
Göttingen Theologie u. dann Naturwiffenfchaften;|den jeſuitiſchen Einfluß nad allen Weltgegenden,
er wurde 1763 Lehrer der Phyſik und Natur
geihighte am proteftant. Gymnafium zu Peters-
urg, bielt fih 1765 u. 66 in Schweden auf,
Sein Erbauungsbudh: Monat Mariä, Wien 1843,
erlebte viele Auflagen (12. Aufl. 1867) u. wurde
mehrfach ilberfett. Die umter feiner Leitung ftatt«
1766 Profeffor der Philofophie zu Göttingen u. gehabten Erfolge des Jeſuitenordens (f. ee
1770 der Okonomie; ftarb 4. Febr. 1811.
Er; find belannt,
Becquerel — Beddoes. "
Becquẽrel. 1) Antoine Cejar, bedeutender
franz. Ponfiter, geb. 8. März 1788 zu Ehätillon«
fur-Feing im Departement Yoiret; trat 1808 in
dad Ingenieurcorps, machte die Feldzüge von
1810—12 in Epamien mit, ward nad der Rüd-
leht Etudieninipector bei der Polytechnifchen
Schule, wohnte dem Feldzuge von 1814 bei und
nahm 1815 als Bataillonschef beim ingenieur»
corps feine Entlaffung. Er widmete ſich nun dem
Studium der phyſikaliſchen u. hemifchen Wiffen-
khaften, bei. der Eleftricität u. des Magnetismus u.
wurde 1829 Mitglied der Academie des sciences;
er fhr.: Trait& de l’&lectrieit et du magnetisme,
Par. 1834—40, 7 Bbde.; L'eleetrochimie appli-
quee aux arts, 1842, 2 Bde., deutich, Erf. 1845;
Traitö de physique appliquee à la chimie et
sux sciences naturelles, 2 ®Bbe.; Elements
de physique terrestre et de metöorologie, 1847,
».m.a. 2) Alfred, Sohn des Ver., Arzt,
geb. 1814, geſt. 1862; feine Schriften über die
Iufammenfetsung des Blutes find ins Dentfche
von Eifenmann, Erl. 1845 u. 1847, überjegt.
& ihr. noh: Der Urin im gefunden u. franl-
baften Zuftande, deutich von Neubert, Lpz. 1842,
u. Traite elinigue des maladies de l’uterus,
Far. 1859, 2 Bde. 8) Alerander Edmond,
titiger Bonfifer, Bruder des Vor., geb. 24. März
1820 in Paris; ſtudirte Raturwiftenfchafien u.
kurde 1853 Profefior der Phyſik am Conjerva-
terum der Künfte und Gewerbe in Paris. Er
bat über verfchiedene chemiſche u. phyſikaliſche Ge—
Aſtande, insbeſ. über das elektrifche Licht u. über
Photographie, wichtige Unterſuchungen veröffent-
licht u. ihrieb außerdem: La lumiere, ses causes
et ses effets, Par. 1867—68, 2 Bde.
Bees, in Ungarn, Serbien u, der Türfei fo
db, m. Wien,
Becs de corbin (fr., Krähenfchnabel), von den
einem Rabenſchnabel ähnlichen Hellebarden ge»
saunte Leibwache der franzöfiihen Könige, Bit
1474 ımter Ludwig XL, anfangs aus 100 Edel⸗
kmten beitebend (daher "Cent gentils hommes),
von Karl VIII. 1498 auf 200 erhöht, von Lud—
zig XIV. 1688 auf 100 rebucirt u. 1727 von
+ XV. aufgehoben.
Berie, 1) D«- oder Alt-B. (Serbiih-B.),
Nartifiefen im ungar. Comitat Bacs, am rechten
Uber der Theißz 14,058 Ew.; ftarter Getreide:
bandel. 1526 und 1551 von den Türken er»
obert, 2) Uj» od. Neu-B. (Türkiih-B., Töröt-
8, Marktflecken im Com. Zorontal, am lin.
ten Ufer der Theiß, 7 km unterhalb Alt-B.,
Dampferftation ; herrſchaftl. Schloß; große Getreide:
wärfte, 7193 Em.
Becskerek, 1) Nagy», Groß-B., Stadt im
ungar, Comitat Torontal u. Hauptort deſſelben,
ou der Bega u. deren Kanal, über welchen eine
dehe Brüde führt; Boftamt, Kinderbewahr-
anfalt, Sparkaffe; Fiſchfang, Schafzucht, Maul-
bterbaumpflangumg, Bienenzudt; ftarfer Handel
mt Getreide u "Rndvieh: mit Augehör ur Ge-
meinde 19, 666 Em. 8) Kis-, Klein-B., Dorf
im ungar, Eomitat Temeswar ; Poftamt; Bienen-
u, Schafzucht; 3000 Ew.
— Marltfleclen im ungariſchen Comitat
81
umgeben;
2300 Ew.
St. Beda, genannt Venerabilis (d. der
Ehrwürdige), geb. 673 im Dorfe — in
Northumberland; wurde von ſeinen Eltern zum
Geiſtlichen beftimmt u. in dem Benedictinerflefter
St. Peter zu Wearmouth von 679—91 erzogen;
wurde dann im Kloſter St. Paul zu Yarrow
Mönch, 692. Diaconus, 703 Presbyter; er ftarb
26. Mai 735; Tag: 26. Mai. Seine Leiche
wurde in Narrom beigeiett, aber im 11. Jahrh.
nad Durham übergeführt, Er ſchr. über Gram-
matif; Chronologie; eine Kosmographie; Historia
ecelesiastica gentis BritonuM (bis 731 n. Chr.),
befte Ausg. von Smith m. —— Chronieon
s. de VI. mundi aetatibus; Vita St. Cudberti;
Erflärungen des A. u. N. T.; Jüdiſche Alter-
thümer; Predigten (denen viele unechte von Spä-
teren angefügt find; ein Martyrologium (gleichfalls
von Spätern verfälicht); Hymnen; Epigramme ır,
v. a. Werle: Par. 1544, Bajel 1563, Köln 1612,
1688; von Giles, Lond. 1843 f., 6 Bbe., ı.
Moberley, ebd. 1869; deutih von M. Wilden,
Schaffh. 1866, befte Ausg. in Patrolog. cursus
complet; Bd. 90— 92, Par. 1850. Yebensbeichreib-
ung von Gehle, Leyd. 1838, Löffler.“
Bedachung (Bauw.), ſ. Dach.
Bedarf, j. u, Bedürfniß.
Bedarieur, Stadt im Arr» Beziers des franz.
Klofter, Schloß; Wein- u. Obitban;
Depart. Herault, am Orb; Weinbau; Steinbrüche;
Tue, — u. Bapierfabrifen; Holz. u. Getreide:
Webarribes, Flecen im Arr. Avignon des frz.
Depart. Vaucluſe, am der Oundze, über melde
eine fhöne Brüde führt; 2860 Em.
Bedburg, DMarktil. im Kreiſe Bergheim des
prenß. Regbez. Köln, an der Erft; Schloß des
Fürſten Salm-Reiferfcheid, ſeit 1842 ur
Ritterakademie; der Ort800,die Gemeinde 2925 Em
Bedda, |. Bedda,
Beddoes, Thomas Lovell, engl. dramatifcher
Dichter u. nicht unbedeutender Phyſiolog, geb.
20. Juli 1803 zu Rodney Place in Clifton,
gi Sohn des berühmten Arztes Thomas
B.; feine Mutter war die Schweiter der her—
vorragenden Romanjchriftftellerin Maria Edge-
worth. Jung Waife geworden, ward er ım
Charter Houfe zu London erzogen u. bezog 1820
die Univerfität Drforb, wo fein wildes, Sarfaftifches
u. widerfpenftifches Wefen ihn in viele Conflicte
mit den Behörden verwickelte. Nachdem er Ma—
giſter geworden, verließ er 1824 die Univerſität
ermildet u. unzufrieden, ging nach Göttingen, wo
er vier Jahre eifrig Medicin ftudirte, dann nad
Würzburg, wo er Docter wurde, u. Tebte endlich
eine Zeit lang in Straßburg u. Zürich. Die
preußischen, hannoverifchen u. bayerischen Regier-
ungen verwiefen ihn mehrfach als Demokrat ihres
Landes, Nah furzem Aufenthalte in England
(1846) kehrte er im folgenden Jahre nach Frank—
furt zuriüd, wo er infofge eines Sturzes vom
Pferde, wo er beide Beine brach, fih amputiren
laffen mußte. Wenige Monate fpäter, 26. Jan.
1849, ftarb er in Bafel, wohin er ſich der Luft«
veränderung wegen hatte ſchaffen laſſen. Seine
Tteucſin, a. d. Waag, mit Mauern u. Schanzen hauptſächlichſte Dichtung, das einzige aa
Pierers Univerfal-Eonverjationd-Leriton. III. Band 6. Aufl.
82 Bedeau — Bededter Weg.
Werft feiner reiferen Jahre, trägt den Titel: beigegebene Milttärbegleitung fihern. 3) Schiffen
Death's Jest-Book, or the Fool’s Tragedy. ſicheres Geleit geben. |
Zuerft machte er fich durch feine im zweiten Un- Bedeckt, bei Geigeninftrumenten ein Ton,
verfitätsjahre gedichteten Bride’s Tragedy belannt. | welcher nicht auf der Saite, die ihn, ungegriffen,
Nah feinem Tode veröffentlichte fein Freund |leer enthält, fondern auf einer tieferen Satte durch
Kelfall (1851) einen Band feiner Gedichte, mit|Öreifen mit den Fingern. hervorgebradt wird;
einem Meinoire itber ihn. B. war ein leidenjchaft-|er ift fanfter u. pflegt daher vor dem reineren
licher Bemwunderer der großen Dramatifer des Tone den Vorzug zu erhalten, der meift bei ab-
16. Jahrh. u. zeigte felbft bedeutendes Genie. ſichtlich fcharfen Tönen angewendet wird. Bei
Die wenigen von ihm Hinterlaffenen Gedichte find|den Pauken ift bededt fo viel wie gedämpft, d. h.
von vorzügliher Diction, prägnantem Ausdrude|die Pauken werden zur Verdunkelung des Klanges
u, voller Hochfliegender, leidenſchaftlicher Gedanken, mit einen Tuche bededt; ital. Timpani coperti.
teiden aber aud häufig an düfterer Schwermuth.]| Bededte Batterie, ſ. Batterie,
Vgl. Keliall, Thom. Lovell B. in der Lond.]| Bededte —— ſ. Flanke.
Fortnightly Review, Juli 1872, Bartling. Bededte Sappe, |. u. Sappe.
Bedeau, Marie Alpbonfe, franz. General, Dededter Weg (Gededter Weg, fr. Chemin
geb. 10. Aug. 1804 in Vertou bei Nantes; trat|couvert), bei Feſtungen u, proviſoriſchen Anlagen,
1825 als Yieutenant in die Armee u. führte als|felten bei Feldwerten, ift der Weg, welder um
Gapitän 1832 die Unterhandlungen wegen Über: |den äußeren Grabenrand herumläuft u. durch
gabe der Citadelle von Antwerpen. Als DMajor|das Glacis dem Auge ſowol, als den birecten
u. Bataillonscommandeur ging er 1836 nach Feuer bes Feindes entzogen wird. Bei feiner
Algier, wo er, die Stufen bis zum Brigade [erften Anwendung nur daranf berechnet, ein paf-
general bis 1841 rafch durdlaufend, an der Er⸗ ſives Dedungsmittel für die Ausfalltruppen ab-
ſftürmung von Conftantine 1837, an der Erpedis[jugeben, wurde er fpäter auch zur BVertheidigung
tion von Scherfchell u, den Gefechten von Mitianah|eingerihtet u. zählt gegenwärtig zu den wichtige
u. Medeah mit rühmlichiten Erfolge ſich betheiligte. |Iten Feſtuugswerlen, infofern er außer ber fräftig-
Bon 1842 an Befehlshaber an der maroffanischen | fen Bertheidigung des unmittelbarften Vorterrains
Grenze, organifirte er die Prov. Tlemcen u. leitetejder Feſtung bei. die Offenfivunternehmungen
die Kämpfe mit Abd el Kader bis zur enticheiden-|gegen den Belagerer begünftigt, Der bededte W.
den Shlaht am Isly, 14. Aug. 1844. Seitfift 4,,—9ın breit u. wird von der erlinie des
1845 Divifionsgeneral, führte er das Obercom-|Ölacis 1,,—2,, m überhöht. Bertheidigung er-
mando in der Rrov. Gonftantine u. focht mit| hält er dadurd, daß ein Banket an die innere
gleich glüdlichen Erfolge 1845 gegen die Stämme|Ölacisböfchung angefhüttet wird. Um die langen
tm Atlas, 1847 in Budſchia u. führte nach der Abreije | Linien des bededten W-es gegen das feindliche Rico»
des Marſchalls Bugeaud proviforifch das General-| Hetfener zu fhügen, hat man Traverſen angelegt,
gouvernement bis zur Anfunft des Herzogs v. Aumale, | od. auch die Linien en cremailliere gebrochen, u. um
Sodann kehrte er nach Paris zurüd, wo er in der eigen zu erzielen, hat man die eingehenden
Nacht vom 23./24. Nov. die Colonne führte, Winkel wieder nah auswärts gebrochen. Die
welche, von den Tuilerien ausgehend, über die|freien Räune, welche fi in den eingehenden u.
Bonlevards nach der Baftille vordringen jollte,[ausipringenden Winkefn bilden, heißen Waffen-
fam aber nicht zur Action. Daım erhielt er vom|pläge (Places d’armes rentrantes, P. saillantes).
Herzog von Nemours den Befehl, die Abreife der Dieſe Pläge find die Berfammlungsorte der Aus-
Herzogin von Orleans mit einem Dragoner-|falltruppen; auf ihnen befindeiP ſich die zur ins
regiment zm beſchützen; da die Herzogin fich jedoch |neren Vertheidigung des bededten W-es angelegten
nach der Deputirtenfammer begab, jo rückte erjReduits (meift Blodhäufer od. fleine Erdwerte),
mit den Dragonern bis an das Gitter vor der-ſund in dem eingehenden Wafjenplägen meift
ſelben vor, erhielt hier aber von Odilon Barrot|die Ausfallöffnungen. Der bededte W. erhält
den Befehl, fich jedes Einfchreiteng zu enthalten, u. von deu dahinter Fiegenden Außenwerfen u. dem
entließ dann feine Soldaten nach ihren Kafernen.|Hauptwalle jowol Frontal-, als Flantenvertheidig-
Die Provif. Negierung übertrug ihm den Befehtjung. Außer durch die in deu Waffenplägen ange»
über die Armee von Paris. Während der Parifer|fegten Reduits, welche diejen Zwed am volltän«
Junilämpfe befehligte er eine Abtheilung Truppen|digiten erreicht haben, hat man die Sturmfreibeit
in der inneren Stadt u. wurde ſchwer derwundet. des bededten Wses and noch durch andere Mittel
Dann vom Departement der Nieder-Loire in die|zu fihern gefucht, u. zwar durch Paliffadirung am
Nationalverfammlung gewählt, wurde er in der-| Fuße der inneren Glacisböfhung, od. durd Ber:
feiben Vicepräſident; dafjelbe Amt erhielt er auch theidigungseinrichtung der Traverſen, od. auch
in der Geſetzgebenden Verſammlung, in welche ihn|durdh einen am äußeren Fuße des Glacis ange—
die Stadt Paris gewählt hatte, Beim Staats-|legten Vorgraben. Eine Hauptbedingung fiir die
jtreich vom 2. Dec. 1851 wurde er verhaftet, dann| Anlage des b-n W-es ift die leichte u. doch voll-
wegen vermweigerten Eides fiber die Grenze ge- kbommen geficherte Verbindung mit den dahinter
bradt; er Iebte feitdem in Brüffel, dann nach derjliegenden Werfen: bei trodenen Gräben Rampen
Amneſtie (1859) in Nantes, woer30. Oct.1863 ftarb. |od. Stufen, bei nafjen Gräben Brüden od. Fahr—
Tpielemann.* zeuge, meift in den Kehlen der Waffenpläge anr
Bededen, 1) vom Hengite oder mänul. Wilde,\gelegt. Der bedvedte W. kam 1529 bei der Bela-
das Weibchen befpringen. 2) Einen Transport|gerung von Wien durch die Türken auf u. wurde
od. während des Gefechtes auch ein Geihüg dur beim Scloffe von Mailand zuerft angewendet,
Bededicd Terrain — Bedeus dv. Scharberg.
Bedecktes Terrain, ein Terrain, welches
teine Übericht gewährt u. der Waffenwirfung
Öindernifje bereitet. Wälder, Hügel» u. Häufer-
reiben, auch hohe Saatfelder u. Heden bewirfen
eine Terrainbededung,, ohne gerade immer dem
Marih der Truppen hinderlich zu fein, wie dies
beim coupirten Terrain der Fall ift.
Bedeckte Bertheidigung, ſ. u. Kalematte,
Bededtiamige (Angiospermia), Bilanzen,
teren Samen nicht frei, fondern in einem Frucht⸗
Inoten eingeichloffen find. Der Name B, kommt
zuerft im Linneischen Syftem als Name der 2.
Ordnung der 14. Klaffe vor u. bezeichnet die—
jmigen Pflanzen diejer Klaffe, deren Samen in
einer zweifächerigen Kapfel eingeichlojien find. In
tem jest allgemein angenommenen natürlichen
Syſtem verfteht man unter Bn diejenige Abtheil-
ung der Phanerogamen oder Blüthenpflanzen,
deren ruchtblätter nicht, wie bei den Nadtjamigen
3. 8. Nadelhölzern), flach bleiben, fondern einzeln
od. zu mehreren mit ihren Rändern verwachſen
x. dadutch einen Stempel (Biftill) bilden. Der
untere, bauchige Theil des letzteren, der Frucht.
moten, enthält die Samen, während der obere
fh als (Griffel m.) Narbe entwidelt. Die Ben
des natürlichen Syftems zerfallen in Monototy-
ledenen u. Dilotgledonen (Ein- u. Zweileim⸗
blatterige). Wimmenauer M.
Bedeckung im Kriegsweſen, Böen des Bo—
dens, jeder Gegenſtand, natürlicher (Wald) od.
fünſtlicher GGebäude, Pflanzungen zc.), welcher
die Ausſicht od. Bewegung hemmt, od. vielleicht
ach zugleih Schug gegen feinbliches Feuer ge
währt; dann Truppenabtheilung, welde einen
Transport od. eine Fouragirung, od. vor einer
Feſtung Arbeiter an den Angrifjswerlen, in
Schlahten Batterien u. dergl. gegen feindliche
Störungen dedt. Die Arbeiter in den Laufgräben
werden durch Amfanterie, die Feldbatterien in
einem Treffen bald durch Infanterie, bald durch
Cadalerie bededt (f. u. Batteriebededung). Bal.
Condei. Im Seeweien, den Kauffahrern beige-
gebene Kriegsichiffe, od. ſolche Schiffe, die einem
Schiffe, worauf fich ein hoher Offizier befindet,
der eine Commanbdeurflagge führt (3. B. ein Ad—
miral od. Sontreadmiral), zum Schutze dienen u.
fetö bei demjelben jegeln.
Bededungen (Dccultationen) der Geftirne
heißen in der Aftronomie diejenigen Ericheinungen,
bei welchen ein Geftirn durch das Davortreten
eines anderen, der Erde näher ftehenden Himmels-
lerpers unferen Bliden für eine gewiſſe Zeit ent-
Ihwindet. Am häufigften erfolgen die B. durch
den Mond, der fomwol Firfterne, als Planeten be
dedt; die Planeten können aber einander auch
elbſt beveden u. infolge ihrer Eigenbewegung
ebenfo die FFirfterne, was jedod nur felten jtatt-
finde. Die B. der Sonne durd; den Mond
uennen wir gewöhnlih Sonnenfinſterniſſe. Die
®. der Firſterne durch den Mond find in jo fern
von großer Wichtigkeit, als fie zur Beftimmung
der geographiichen Yänge u. des Mondlaufes dienen.
ieje Ericheinungen werden daher in den aſtrono—
mühen Jahrbüchern vorausberechnet. Specht.
Bedegnar (Roſenſchwamm, Schlafapfel, Spon-
ga cynosbati, Fungus rosarum; Arab.) ent—
83
fteht dadurh, daß die Roſengallweſpe (Rho-
dites rosae L.) ihre Eier in die Zweigipiten der
Mose, befonders der Heden- od. Hundsroie (Rosa
canina), legt, wodurd der Stengel verkürzt bleibt
u. zu einer Meinen Kugel anſchwillt, während die
Blätter zwar in Menge erjcheinen, aber zwijchen
ihren Blattnerven fait gar fein Zellgewebe ent—
wideln, fo daß ichließlich der unförmliche Trieb,
eine ſog. Galle (f. d.), einer Mooskugel mit hartem
Kerne nicht unähnlich fieht. In dem letzteren
finden fich mehrere Höhlungen, Yarvenfammern,
worin ſich die Eier der Gallweſpe entwideln. Die
jungen Larven ernähren fih von den Säften ihrer
Wohnpflanze u. verlaſſen endlich nach ihrer völli—
gen Verwandlung als Welpen ihre Brutftätte,
Die Galle bat etwa die Größe eines Heinen
Apfels u. gewährt, da die Blätter fich ſchön rotb
u. grün färben, ein zierlihes Anſehen. rüber
galt fie als Heilmittel; unter das Kopftiffen gelegt,
jollte fie jchlaferregend wirken (daher Schlafapfel);
auch als Mräftiges innerliches Heilmittel ftand fie,
wiewol mit Unrecht, in hohem Anjehen. Zbome.
Dedemund (Bumede) hieß die Abgabe,
welche der Leibeigene für die Einwilligung zur
Eingehung einer Ehe au den Leibberen zu
zahlen hatte, aber auch die Buße, weiche dieſer
von Demjenigen fordern konnte, der eine Yeibeigene
außerehelich geihwängert hatte.
Bedenfzeit, 1) im Handel die Friſt, um fich
über die Annahme einer Waare od, eines Wechſels
zu erllären. 2) B. der Erben (Spatium delibe-
randi, Rechtsw.), eine auf Anfuchen vom Richter
od. Kegenten gewährte Friſt, binnen welcher der
Erbe überlegen fann, ob er die ihm angefallene
Erbſchaft antreten will, od. nicht, Erklärt er fich
in diefer Zeit nicht, fo wird fein Stillſchweigen
als Losfagung angefehen, wenn Miterben oder
Subftituten vorhanden find; als Beitrittserklärung
aber, wenn Yegatarien od. Fideicommiſſarien die Er—
tlärung verlangten. ©. u. Buneficium,
Bederkeſa, Fleden im Kreife u. Amte Lebe
der preuß. Yanddroftei Stade (Prov. Hannover),
am gleihnam, See; altes Schloß; bedeutende
Bierbrauerei, Brennerei u. Gerberei; 1300 Ew,
Bedeus v. Scharberg, eine alte, der Luthe⸗
riſchen Eonfeifion folgende, in Siebenbürgen be»
güiterte u. 1854 in den erbländiich-öfterreichiichen
‚zreiherrnftand erhobene Familie: Frhr. Jojepb,
Sohn des 1805 verftorbenen fiebenbürgifchen
Subernialfecretär Joachim v. B., geb. 1782
zu Hermannftadt; trat 1802 in üfterreichiiche
Staatsdienfte beim fiebenbürgiihen Gubernium,
wurde 1829 Gubernialratd, 1837 Oberlandes—
commiffär u. 1843 Borftand der fandesdeputation
zur ger Grundlagen des Yandtages
von 1846—47. Während der ungariihen Inſur—
rection trat er mit Entjchiedenheit auf die Seite
der öfterreichifchen Regierung, rettete bei der
Einnahme Hermannftadts die Arariallaffe in die
Walachei u. trat dort an die Spite der Com—
miffion zur Unterftiigung der flüchtigen Familien,
wofür ihn der Kaiſer am 20. Febr. 1854 in den
Freiherruſtand erhob. Seit 1842 Vorfteher des
Vereins für fiebenbürgifhe Landestunde, wirkte
er mit erfolgreicher Thätigkeit für das Studium
der Geſchichtsquellen u. der geogr, Nerhältnifie
6*
84
Ungarns u. Siebenbürgens; er fl. am 6. April;
1858. Als Chef der Familie folgte ihm fein ein«
ziger Sohn Frhr. Joſeph,
geb. 1826; er iſt
Beifiger des Urbarialgerichtes in Hermannftadt u.
Bedford? — Bedingung.
führte feit 1469 kurze Zeit den Titel ala Herzog
v.B.; f. Noaille. 3) Jasper Tudor, 1485 bis
1495 Herzog v. B.; ſ. u. Pembrofe. 4) Der erfte
Herzog v. B. feit 1689 war William Aufjell;
mit Selma, geb. Täuffer, vermählt. Frhr. Joſeph ſ. d. u. Ruſſell.
ſchrieb: Lucrum camerae in Ungarn u. Sieben-
bürgen, Kronft. 1838; Berfaffung des Groß»
fürftentHums Siebenbürgen, Wien 1844; Hiſtoriſch-
grnealogiih-geographiicher Atlas zur Überficht der
Geichichte des Ungariſchen Neiches, feiner Neben»
länder u. angrenzenden Provinzen, Hermannftadt
18415 f.
Bedford, 1) Grafihaft im ſildöſtl. England;
1235,, [km (22,, [IM); umgrenzt von den
Grafihaften Budingham, Hertford, Cambridge,
Huntingdon u. Northampton; theils hügelig, theils
fiach u. jandig; Flüſſe: Ouſe (mit der Joel),
Ouzel u. a.; reich an Mineralquellen; bringt Ge—
treide, Gartenfrüchte, Lerchen, Fiſche, Walfererde,
Thon, Braunftohlen; 146,257 Ew., meift Yand»
bauer; Induſtrie: Strohfledhterei; eine Zweigbahn
der London-Northweſtern- u. die Midland- ud
Great-Northern-Eifenbahn berühren die Grafſch.,
u. Handel u. Verkehr find dadurch jehr gehoben,
2) Hauptft. derfelben an der (hier ſchiffbaren)
Ouſe mit Brüde; 5 Hauptkirchen, Gymmaftım,
Irren-, Arbeits und Landſchaftshaus; Spiten-
flöppelei; Getreidehandel; 16,850 Ew. 3) County
im nordamerifan. Unionsjtaate Penniplvania,
unter 40° n. Br. u. 78° w. %; 29,635 Ew.;
wird von Ausläufern des Alleghanygebirges durch»
zogen ; reiche Steinfohlenlager, Kaltftein u. Schiefer.
4) County im Umionsjtaate Tenneffee, unter 35°
n. Br. u. 86° w. L.; 24,833 Ew.; Gountyfig:
Shelbyrille. 5) County im Unionsftaate Birginia,
unter 37° n. Br. u. 79% w. 8; 25,327 Ew.;
zieht fih an den Bergen der Blue-Ridge hin, die
eine Höhe von 1365 ım erreihen; Countyſitz:
Liberty. 6) Stadt u. Countyſitz im County gleichen
Namens im Staate Penniglvania, unter 40% 1’
n. Br. u. 78° 30° w. L.; in der Nähe Salz- u.
Schmefelquellen.
Bedford, engliiche, zu dem Ruſſells gehörige
Familie, feit 1550 zu Grafen u. 1689 zu Herzögen
erhoben: 1) John Plantagenet, Herzog v. B.
od. Prinz Johann von Lancafter, 3. Sohn
des Königs Heinrih IV, von England; wurde
bon feinem Bater zum Gouverneur von Berwid
ernannt, kämpfte bei Shrewsburg mit u. wurde
von feinem Bruder Heinrich V. 1414 zum Herzog
v. B. erhoben; 1422 commandirte er die englische
Armee im Kriege gegen Karl VII. von Frank—
rei, wurde nach Heinrichs V. Tode Regent von
Sranfreich, ſchlug die franzöfiiche Flotte bei Sou-
thampton u. das franzöfiiche Heer bei Erevant,
Verneuil u. a. Orten u. vertrieb Karl VII. fait
ganz aus feinen Staaten. Trog der Lauigkeit
seiner Bundesgenoffen, bef. Burgunds u. des deu
un feit dein Auftreten der Jungfrau von
rleans wieder günftigen Kriegsglüdes bielt er
doch die Sache der Engländer aufreht. Er jtarb,
eben als ſich diejelbe durch den Abfall des Her-
3098 von Burgund völiig zum Unglüd wendete,
19. Sept. 1435 zu Rouen. Bon feiner Gemahlin
ftammt das Miffal v. B., welches 1833 um 1100
Pi. St. verkauft wurde. 2) George Noaille;
Bedford-Level, Diftrict in der engliſchen Graf-
ihaft Cambridge (Inſel Ey), zum Theil nad den
angrenzenden Grafichaften ſich ausdehnend; größ-
tentheil® Sumpf u. Moraft, an dejlen Troden-
legung neuerdings gearbeitet wird.
Bedientenftener, eine Art Lurusfteuer; wird
nach der Zahl der Bedienten, welhe Jemand, jei
es zu feiner perfönlichen Bedienung, od. aud zum
Geichäftsbetriebe (Kellner, Poſtillous zc.) hält, ev«
hoben. Sie kommt noch in England, Belgien u.
Holland vor; in Preußen nur bi$ 1820, u. zwar
war fie bier nur für Liordebediente zu zablen.
Bedienung 1) der Geſchütze, ſ. u. Geſchütz;
2) B. der Tafelage, ſ. u. Takelage.
Bedienungsmannfchaften einer Batterie,
im Gegenjage zu den Fahrern, diejenigen Kano-
niere, melde vorzugsweiſe zur Geſchützbedienung
beſtimmt find.
Bedingung, 1) eine erwartete Begebenheit
od, Handlung, vom deren Eintritt eine Handlung
abhängig fein fol. 2) Das nothwendige Erforder-
niß zur Möglichkeit od. Wirklichkeit eines Gegen-
ftandes der Berftandes- u. Bernunftserfenntniß,
der dann als Bedingtes (in a an von
jenem (als Grund) erjheint. 8) (Conditio) Im
weiteren Sinne (O. sensu latiori), einem Rechts-
geichäfte, ſei es einem letten Willen, od. einem
Vertrage. beigefügte Nebenbeftimmung,, wodurch
die Erfüllung des Hauptgefchäftes modificirt wird.
Zur B, in diefem Sinne gehört aud die Zeit -
beftimmung (Dies), d. i. die Feſtſetzung eines
Zeitpunftes (Terminus), von weldem an das
Geſchäft erft beginnen foll (ex die), od. bis zu
welchem e8 bloß beftehen od. bei Kraft bleiben fol
(in diem); eine folde Nebenbeftimmung trifft die
Eriitenz des Geſchäftes nicht, fondern regelt nur
die Geltendmachung defjelben, Grund» u. Zwed-
beftimmung (Causa et Modus), d. i. Angabe
der Urſache, wegen welcher dem Erben Etwas
binterlaffen,, od. dem Contrahenten Etwas über-
geben worden ift (Causa), u. Angabe des Zweckes,
für welchen der Erblaffer das hinterlaffene Erb-
gut verwendet wifjen will (Modus), od, der Eon-
trahent den Bertrag geichloffen hat; auch dieſe
läßt das Dafein des Rechtsgeſchäftes unberührt
u, erzeugt nur eine Berbindlichkeit zur Erfüllung
des angegebenen Zwedes, auf welche zu dringen
Derjenige ein Recht hat, welcher den Modus fett,
od, zu deffen Gunften er beigefügt ift. Dagegen
it B. im eigentlihen Sinne (Conditio sensw
angustiori), die Beziehung auf ein zufilnftiges,
jei e8 an fich, od. nur in Betreff des Zeitpunktes
feines Eintritte® noch ungewiſſes Ereigniß, von
deffen Eintritt od. Nichteintritt die Eriftenz des
ganzen Rechtsgeſchäftes felbft abhängig gemacht
wird. Man unterjcheidet pofitive u. negative,
je nachdem der noch ungewiſſe Umftaud in einem
Geſchehen oder Nicht-Geſchehen beruht; diefe Be—
dingungen find erfüllt, wenn das, was geichehen
fol, vollftändig geſhehen ift, bezw. wenn das,
was nicht geſchehen ſoll, nicht mehr geſchehen kann.
Bedingungsgleihung — Beduinen.
Caſuale Ben find die, deren Erfüllung von
einem Zufalle abhängt, poteftative diejenigen,
deren Eintritt der freie Wille Desjenigen, der aus
dem Rechtsgeſchäfte berechtigt oder verpflichtet wer»
den joll, oder einer dritten Berfon bewirken kaum.
Ferner umterjcheidet man Suspenfiv- u. Reſo—
lutiv⸗Been, je nachdem mit dem Cintritte der ®.
die Rechtsgiltigkeit eines Geichäftes anheben oder
aufhören fol. Die Wirkung des Eintrittes dieſer
Ben ift, Daß das Rechtsgeſchäft im erfteren Falle
als vom Tage des Abſchluſſes an perfect gemwor-
den, im anderen Falle dagegen als nie geichloffen
angejeben wird (Conditio existens retrotrahitur).
So lange aber der Eintritt. der B. ungewiß ift
(pendente eonditione), gilt das refolutiv bedingte
Hechtsgeichäft mit voller Wirkung, das ſuspenſiv
bedingte aber als nicht vorhanden. Die noth-
wendig eintretenden B-en find fo gut wie die
85
Bedizzole, Marktfleden in der italienischen
Provinz Brescia u. im Diftrict d. N., nahe dem
Ehieje; Seidenipinnerei, Eijenhüttenwerte, Ol—
fabrifation; 3605 Em.
Bedlam (Bedlem, engl, Eorrumpirung für
Bethlehem), 1) Irrenhaus in London, aus Der
1246 gegründeten Propftei: Unſeres Herrn von
Bethlebem, zur Zeit der Reformation entjtauden;
daher 2) überhaupt Tollhaus.
Bedlis (Bidlis), Stadt wefllih vom Wan-
See, in Kurdiftan (Afiat Türkei), am Fluffe
leihen Namens; liegt jehrzerftreut im drei tiefen
Tpalfcluchten: Sitz eines Paſcha, welcher in einem
alten Schloſſe reſidirt; mehrere türkiſche Atade-
mien, Moſcheen, Bäder, Karavanſerai; Waffen-,
Gold- u. Silberwaarenfabriken, berühmte Roth—
färbereien; Tabatshandel; 14,000 Ew., darunter
4000 Armenier, auch viele Jakobiten. Die Stadt
(abſolut oder relativ) unmöglidhen gar Feinejfoll von Alerander d. Gr. erbaut worden jein.
eigentlihen Ben, da fie fein ungemwiffes Ereigniß|Hier 1534 Sieg der Berfer über die Türken.
enthalten; mit jolhen B⸗en kann kein Hechtsge-
ſchäft abgekhlofjen werden. Nur bei legtwilligen
u gelten ſolche Ben als nicht Hinzu»
gefügt. en unmöglichen Ben ftehen auch die
unfittfihen (Conditiones turpes) gleih (3. B.
Bedingung der Ehelofigleit für die Zuwendung
Bedmar (Bedemar), Alfonio de la Eneva,
Marquis de B., geb. 1572 in Eaftilien; war
1607—1617 ſpaniſcher Gejandter in Venedig u.
machte mit dem Herzog von Oſſuña den Plan,
den Dogen u, die Signoria zu ermorden u. dann
Benedig in die Hände der Spanier zu bringen.
emes Bermögensvortheils, B. der Eheiheidung,| Der Plan ward aber verratben, u. B. floh nad
des beftändigen Aufenthaltes au einem beftimmten
Orte). Dies find die gemeinrechtlichen (römischen)
Grundfäge der B-en; bezüglid) der neueren Codifi-
cationen des Privatrechtes f. (ode eivil Art.
1168 ff., welcher fih am meiften dem Römifchen
Techte anſchließt, u. Preuß. Allg. Landrecht Th. I.
Kit. IV. SS 100 fi. m. Th. I. Fit. V. 8$ 226 ff.
Dafielbe gilt auch von den perpleren B»en,
d. b. folhen, welche einen Widerfpruch in die
Dispofition jelbit bringen. 4) Im gemeinen Leben
eine Gegenforderung, welche bei zweiſeitigen Ber-
trägen von dem einen Contrahenten dem anderen
ge wurde, 3. B. der Kaufpreis, Pachtzins zc.
ies find jedody feine B⸗en im eigentlichen recht-
lihen Sinne, fondern Leitungen, welche ſich aus
der Natur des Vertrages ſelbſt erflären. 5) Eine
Baare auf B. (a condition) annehmen, heißt,
fih die Rüdgabe derjelben vorbehalten, falls fie
nicht probehaltig ift, od. auch wol, falls fich fein
Käufer dazu findet (ſ. d. Art. Kauf- u. Commij-
fionsgeihäft),. 6) (Marh.) In einer Aufgabe
eine Forderung, welcher bei der Auflöfung Ge:
nüge geſchehen ſoll; jo ift 3. B. allgemeine B.
der unbeſtimmten Analytik, daß die geſuchten
Größen ganze Zahlen oder auch rationale Brüche
ſeien. 36) Groteſend.
Bedingungsgleichung heißt eine Gleichung,
von welcher die Auflöſung einer Aufgabe jo ab-
bängt, daß diefe nırr möglichift, wenn der Bedingung
genügt ift. Soll 3. B. eine ganze Zahl gefunden
werden, die den Austrud ax? +b zu einem
Quadrat madt, jo ift dies nur möglich, wenn
a fo befchaffen ift, daß ed der B. m?=an? + 1
entipricht; a, b, m, n find ganze Zahlen. Sonft
verfteht man bejonders unter B-en diejenigen Gleich»
ungen in der Differential- u. Jutegralrechnung,
weiche die Beziehungen der Differentiale zu ein—
ander darftellen, die erforderlich find, wenn die In—
tegration einer Differentialgleihung möglich fein ſoll.
Mailand. Er ward dann Biſchof von Oviedo,
1622 Cardinal u, Präfident des Rathes der Nieder:
lande, jedoch megen feiner Strenge abberufen n.
ging nah Rom, wurde Bischof von Paleftrina u.
jpäter von Malaga; er ft. 1655.
Bedoin, Fleden im Arr. Carpentras des
franz. Depart. Bauclufe, an der Mede; Töpferei,
Seidenjpinnerei; 2425 Em,
Bedr, Ort im gleihnam. arab. Thal, zwifchen
Mefta u. Medina; Schauplag von Mohammeds
erftem Siege über feine ihm feindfeligen Stamm-
genoffen (Koreifchiten).
Bedretto, Bal di, 20 km langes Thal im
jchweiz. Kanton Teſſin, an der Südſeite des Gott-
hard; 300 Em., die von Alpenmwirtbichaft leben.
Der Roggenbau fteigt hier fat bis zur Nufenen-
Paßhbhe, 2440 m.
edriäenm (Betriacum, Bebriacum;a.Geogr.),
Heiner Fleden im Zranspadanifchen Gallien (Ita—
lien), öftlih von Cremona; jet St. Lorenzo Guaz«
zone, nach Anderen Beverara. Zwiſchen B. und
Cremona 69 n. Ehr. Sieg des Bitellius über Otho,
dann des Veſpaſianus über die Bitellianer; f.
Rom (Geid.).
Bedſcha, afrikanisches Bolt in Nubien, zwiichen
dem Nil u. dem Nothen Meere, zum hamitifchen
Bölferftamme gehörend; im Alterthum Blemmyer;
in mehrere Stämme zerfallend, wie die Bilcharin,
Hadendoa u, Bent Amer, die neben einem verdor-
benen Arabifchen noch eine ältere Hamitifche Sprache
mit 3 grammatifchen Gejchlechtsformen, das To»
Bedſchauijeh, ſprechen. Dies gilt auch von einigen
in diejen Gegenden nomadifirenden arabiihen Stäm-
men, den Habab, vn u.a.
Bedſchember, Yandichaft, jo v. w. Bequemeder.
Beduinen (arab. Bedäwi, d. i. Bemohner
des flachen Landes oder der Wüſte) werden gegen-
iiher den Pandbauern un. Städtebewohnern diejenigen
Araber genannt, die ein nomadiſirendes Leben
86
führen. Won ihrer Urheimatb, dem Innern der
Arabiſchen Halbinfel aus, verbreiteten fie ſich ſchon
frübzeitig über die Syriihe u. Agyptiſche Wüſte,
ſpäter, nach Untergang der alten Culturſtaaten, in
Syrien, Mefopotamien u, Chaldäa, zulegt mit der
Eroberung NAfrifas, im 7. Jahrh. n. Ehr., nicht
bloß über die nördlichen Küftenländer, jondern auch
über Nubien, die Sahara u. einen großen Theil
des Sudan; das nördliche Afrika iſt ibnen zur
zweiten Urbeimath geworden. Seildem werden
auch die nomadifirenden Mauren u. Berbern B.
genannt. Auch die alten Hebräer, jo lange fte ein
Nomadenleben führten, find durchaus in Zitte u.
Lebensart den B. gleichzuftellen. Nur in einigen
anbanfäbigen Gebieten Mejopotamiene, Syriens
u. der Berberei treiben die B. Aderbau u. haben
" fefte Wohnfige; der bei Weitem größte Theil führt,
durch die Natur feiner Ländergebiete gezwungen,
ein hberumjchweifendes Leben u. nährt fih von dem
Ertrage der Viehzucht, der Jagd u. des Raubes.
Phyſiſch u. moraliih befunden die B, ihren ſemi—
tischen Urſprung, mobdificirt durch ihre Lebensweiſe.
Die Beduinen find im Ganzen wohlgebaut, ſehr
mager, mehr jehnig als musculös, dabei aber kräf—
tig, behend, abgehärtet u. ausdauernd. Ihre Farbe
ift braum in verſchiedenen Stufen, ihre Sinne jehr
ſcharf, der Blick feurig u. jchlau, der Geſichtsaus—
drud ſtolz m. unbefangen, die Haltung frei u.
imponirend. Bon Gharafter find die B. gelb-
gierig, ranbluftig, treulos, ſowie wollüftig u. rach—
jüchtig bis zur unbändigen Leidenſchaft, dabei jedoch
nüchtern, furchtlos, kriegeriſch, ruhmliebend, gaft-
freundichaftlih, in manden Berhältuiffen ſelbſt
aufopfernd, befonders für Verwandte, ıı. ritterlid.
Ihren Reichthum bildet ihr Viehſtand an’ Kamelen
u. Pferden, die fie zärtlich lieben, dann an Ejeln,
Schafen u. Ziegen, aus dem Pflanzenreiche vor
Allen die Dattelpalme. Ihr politiich-jocialer Zu—
ftand ift der eines patriardhaliihen Stammlebens.
Den Mittelpunkt eines jeden Stammes bildet eine
oder einige Familien, deren männliche Glieder den
Namen heit (diateftiih audh Shefh) führen;
aus ihnen werden die Häuptlinge des ganzen
Stammes, die Kaid oder auch Emire, ſowie die
BVorfteher der Duar oder Dörfer gewählt. Letztere
find bewegliche Yager u, bejtehen aus einem un—
regelmäßigen Zirkel von Zelten, die aus Deden
von Ziegen» u. Kamelhaaren beftehen, welche über
3 od. 5—6 Fuß hohe Stangen ausgefpannt find.
Jedes Zelt wird von einer gemite bewohnt und
dur einen Vorhang in 2 Theile getheilt, deren
einer nur für die Weiber if. In den leeren
Raum, den der Zirfel diefer Zelte einſchließt, wer-
den nachts die Heerden getrieben. Hunde find die
einzigen Wachen. Die Pferde bleiben gejfattelt,
man ift jeden Angenblid zum Aufbruche bereit,
u. doch werben bie B. oft von anderen Horden
überrumpelt u. ihnen ihr Vieh geraubt. Der Re—
ligion nad) find jetst alle B., mit Ausnahme einiger
Stämme in Syrien, die befondere Secten bilden,
Mohanımedaner. Die Stelle der Priefter vertreten
die Marabut (f. d.). Die meift unverjchleierten
Ben bewegen ſich freier, als bei den jeßhaften
vientalen. Die B. leben in bloß einfacher Ehe,
Sie find trefflihe Reiter, ſehr gejchidt als Jäger
u. im Ballipiel; fonftige Bergnügungen find Tanz,
Bedungene Strafe — Bedürfniß.
Geſang u. Märchenerzählung, fowie fühes Richts-
thun bei Tabak u. Kafſe. Ihre haupriäcdhlichften
Kleidungsftüde find der Haifd, ein weites Unter-
fleid, u. der übergeworfene Burnus, beide ans
felbftgewebten Wollenftoffen; auf den Bart wird
forgfältige Pflege verwendet. Über die Fertigung
der umentbehrlichiten Geräthichaften u. Stoffe gebt
die Induſtrie der B. nicht hinaus; für die Er—
zeugniffe ihrer Heerden erhandeln fie Waffen, Ge-
treide u. Schießbedarf. Ihre geiftige Bildung ift
gering, doch find fie von natürlichem Berftande,
lebhaften Geifte u. fenriger Phantafie, wie u. A.
ihre Märchen u. PBoefien befunden. Die B. hal»
ten fich für das vornehmfte Volk u. verachten die
Araber, welche in Städten wohnen. Diejenigen
Stämme, welche, wie in Syrien, dem Peträiſchen
Arabien u. in Algerien, mit Europäern in näbere
Berührung gelommen find, baben fih den Ein—
flüffen derjelben nicht entziehen fünnen u. ihre
Lebensweiſe in manden Stücken modificiren milj-
fen. Die beiten Aufichlüjfe über das Leben und
Treiben der B. haben befonders Niebuhr, Burd-
bardt, Wallin, Burton, für Afrika in meuefter Zeit
befonders Barth gegeben,
Bedungene Strafe, jo v. w. Conventional»
ftrafe; ſ. u. Strafe,
Bedürfniß it im Allgemeinen u. abstract Alles,
was ein organisches Wejen zur Erbaltung feiner
Eriftenz u. Erfüllung feiner Zwede od. Abfichten
erfordern muß. Die Pflanze bedarf zu ihrer Ent«-
widelung vielerlei hemifcher u. phyfifaliicher Ele—
mente; dem Thiere ift Nahrung u. Pflege n. dent
Hausthiere auch noch die Dreſſur nöthig; der
Menſch aber bat unermeßlich viel u. vielartige Be-
dürfniſſe phyſiſcher u. pſychiſcher Art für feine leib-
liche, wie für feine geiftige Entwidelung; ev bat
materielle u. ideelle Bedürfniſſe. Die Bedürfniffe
des Menſchen find theils mothwendige, inſofern
dadurch feine leibliche und geiſtige Exiſtenz und
Entwidelung im Allgemeinen, oder die befondere
Geftaltung der Lebens» u. Berufsverhältniffe des
Einzelnen bedingt find, theils nur nügliche, indem
deren Befriedigung zwar nicht in der eben ange-
deuteten Hinficht nothwendig, aber doch für dies
beftimmte Individuum vortheilhaft ift, oder enb-
lich beziehen fie ih auf Dinge, deren Beſitz nur
einen entbehrlichen Genuß bereitet (Lurus). Der
Begriff des menſchlichen Bedürfniffes ift, went
man von den unerläßlihen Borausfetungen der
menschlichen Eriftenz abfiebt, durchaus relativ:
ſchon das, was fir nothmwendigen Befit oder Ge—
nuß gehalten wird, ift bei den Einzelnen verichie»
den, noch mehr aber das, was fie filr nützlich
u. für zum Vergnügen begehrenswertb halten.
Im Allgemeinen ıft wahrzunehmen, daß die Be—
dürfniſſe des Menfchen in dem Maße feiner fitt-
lichegeiftigen Entwidelung fteigen; es gilt dies
vor Allem von den geiftigen Bedürfniſſen, in ge⸗
ringerem Grade von den materiellen; denn je
höher die geige Fähigleit u. das geiftige Ju—
terefie des Menſchen, defto tiefer finkt für ihr der
Werth des Materiellen, wobei jedoch die fteigende
giifige Eultur jelbft wieder mit neuen materiellen
edürfniffen befannt macht und an ſolche gewöhnt.
Der Menſch bat feine Bedürfniffe durch ehren
ung feiner lörperlihen u. geifligen Kraft zu be»
Ber —
friedigen; da diefe aber nicht ausreicht, fo ift das
Zuſammenwirken Bieler erforderlich; der Einzelne
findet ald Glied der Familie, der Gemeinde, des
Staates, der Geſellſchaft den Weg zur BVefriedig-
ung jeiner Bedürfniſſe. Daß fo der Einzelne des
Anderen, das Glied des Ganzen bedarf, ift das
Zundament der jocialen Ordnung u. die unab-
läſfſig wirfende Kraft der focialen Bewegung. Weil
aber alle Menjchen innerhalb der Sphäre ihrer
jortalen Zufammengehörigkeit u. Gleichftellung, wie
an beitimmte gleichartige ————— ſo auch
an gleichartige Bedürfniſſe ſich gewöhnen, fo un—
terſcheiden ſich von den Individual-Bedürfniſſen
die des Standes, der Berufsgenoſſenſchaft, u. bis
zu gemwiffem Grabe beherrſcht den Einzelnen die
Macht dieſes Bedürfniffes der Gemeinichaft in
einer unausweichlichen Weiſe. Man denle au die
despotiihe Macht der Mode. Es kann fih dann
der ſittliche Werth des Einzelnen an der Freiheit,
welche er vor dem falichen od. übertriebenen Be—
bürfnifje feines Standes gegenüber zu bewahren
vermag, erproben. Die Fürſorge für das jeder
Zeit genügende Borhandenfein der zur Vefriedig-
ung des allgemeinen (öffentlichen) od. des inbivt-
duell»befonderen Bedürfniſſes ift die Aufgabe der
Staats. oder Gemeinde», bezw. der Privat-Ofono-
mie. Dahin gebört aber auch die Fürſorge für
die Befeitigung aller Ansprüche, welche Entfittlich-
ung u. Übercultur au den Staat oder den Einzel-
nen ftellen. Aufgabe ift für Beide, die Bedürfniffe
auf die rechte Höhe, aber aud) auf das rechte Maß
zu bringen u. Anftalten, Einrichtungen u. Mittel
zu ſchaffen u. bereit zu halten, welche zu deren
Beiriedigung Dienlih find. Nationalökonomiſch
entipricht dem Begriffe B. der der Nachfrage
(f. d. Art); in dem Staats- u. Gemeinde-Haus-
halte (j. Budget) ift in gewiffem Sinne B. u. Aus-
gabe identiſch, weil es hier nur nothwendige Aus-
gaben gibt. Grotefend.
Dee, County im nordamerifan. Unionsftaate
Teras, unter 28° n. Br. u. 970 w. L.; vom Aran—
ſasflüßchen durchzogen; 1082 Ew.; Countyfig:
Refugi.
Beecher, 1) Lyman, amerifan. Theolog, geb.
1775 zu New-Haven im Staate Connecticut;
wurde 1798 Geiſtlicher u. ließ ſich im folgenden
Jahre in Eaſt-Hampton auf der JInſel Long—
Island nieder; 1810 wurde er Prediger in Litch-
feld (Eonnecticut), war Mitbegründer der Mifr
fionsgejelljhaft in Connecticut, der Erziehungs-
gejellichaft, der amerifanishen Bibelgejellicaft;
1826 ging er als Prediger nad Boſton u. wurde
1832 Bräftdent des presbyterianisch theologischen
Seminars in Cincinnati; 1850 refiguirte er u. ft.
10. San. 1863 in Broofiyn. Seine Schriften
(u. a.: Six Sermons über — —— erſcheinen
geſammelt ſeit 1852 in Boſton. 2) Henry Ward,
der berühmteſte amerikanische Kanzelredner, geb.
24. Juni 1813 zu Lirhfield (Connecticut); ftudirte
zuerft Mathematit und Naturwiſſenſchaften, dann
Theologie in Cincinnati, war von 1839 an Pre-
diger in Indianopolis, feit 1847 an der neu ge«
gründeten congregationaliftiihen Plymouthfirche in
rooliyn. t als Kanzelvedner mit allen
traditionellen Kanzelgewohnheiten gebrodhen und
beipriht alle Tagesfragen in der zwanglofeften
Beecher. 87
Weiſe. Im Princip orthodox, iſt er in der Lebeus—
auffaſſung freiſinnig u. Gegner eines beſchränkten
Chriſtenthums. Er iſt ein entſchiedener Geguer
der Sklaverei, ein eifriger Vorlämpfer der Tem—
peranzſache u. der Frauenemancipation. KHeraus«
gegeben hat er: Lecture to young Men (außer-
ficchliher Vortrag), Boſton 1850, neue Ausgabe,
1863; Beiträge zum Independent Industry and
Idleness, 1850; The Star Papers, 1855; Pleasant
Talk about Fruits ır. ſ. f., 1858; Life Thougts,
1858, deutich, Berl. 1864; Royal Truths, 1864,
deutich, Berl. 1866; Aids to Prayer, 1864; Nor-
wood (Novelle), 1867, 3 B., deutich, Stuttg. 1871;
Life of Christ, 18., 1871; A volume of Speeches,
1863; Bortrag über den amerifan, Krieg; Aus»
wahl feiner geiftl. Reden, deutſch v. Tollin, Berl.
1870. In der jüngften Zeit in einen Scandal-
proceß verwidelt, wurde er von einem aus feinen
Gemeindegliedern gebildeten Gerichte freigeiprochen.
3) Katharine, amerifanische Schriftftellerin auf
pädagogischen Gebiete, Schwefter des Vor., geb.
6. Septbr. 1800 zu Gaftl-Hampton auf Yong-
Island; widmete ſich dem Lehrfache u. gründete
1823 zu SHartfort ein Mädchenſeminar, welches
jehr befucht war; 1832 begleitete fie ihren Vater
nah Cincinnati u. gründete 1833 das Weftern-
Female-FJIuſtitut (eine höhere Mäpchenfchule) da-
ſelbſt. Sie jhr.: Suggestions on education,
1829; Letters on difficulties in religion, 1836;
The moral Instructor, 1838; Domestie Economy
for young Ladies, bat viele Auflagen erlebt;
Truth stranger than Fiction, 1850; The true
remedy for the wronpgs of women, 1851;
Letters to the people on health and happiness;
Domestic receipt book; Physivlogy and calli-
sthenics for the use of schovuls and families,
1856, u. a. 4) Harriet B.-Stomwe, Schwefter
der Bor., geb. 15. Juni 1812; trat als Lehrerin
in die von ihrer Schwefter geleitete Mädchenfchule,
fiebelte 1832 mit ihrem Bater nach Cincinnati
über, wo fie fi) 1836 mit Calvin Stowe verbei-
vathete, welder 1850 Profeffor am Theologischen
Seminar zu Andover in Maffachufetts wurde. In
ihrem früheren Wohnfige hatte fie fih, durch ihren
eifrig abolitioniftiihen Vater angeregt, mit der
Negerfrage beſchäftigt, auf Neifen im Süden die
betreffenden Berhältniffe näher kennen gelernt, u.
nun fchrieb fie den die traurige Lage der Neger
in den nordamerikaniſchen Sflavenftaaten darftellen-
den, aber in dichteriicher Beziehung ſchwachen Ro—
man: Uncle Toms Cabin or Negro Life in’the
Slave States of America, oft. 1852, welcher
innerhalb 3 Monaten 20 Auflagen zu 3000 Exem—
plaren erlebte u. auch in Europa vielfach (ins
Deutihe als Onfel Toms Hütte) überſetzt wurde,
Sie felbft bearbeitete ihr Werl dramatiſch uuter
dem Xitel The Christian Slave, Bofton 1853.
Zugleich ließ fie einen Schlüffel zu Ontel Toms
Hütte erfcheinen, worin die Thatſachen als wahr
nachgewieſen wurden. Sie felbft kam 1853 nad)
Europa, befuchte England, Paris, die Schweiz u.
fehrte im Sept. deil. 38. nah Amerika zurüd,
Bei einem wiederholten Beſuche Europas hatte fie
im März 1857 aud eine Audienz bei dem Papfte
in Rom. Sie ſchrieb noch mehrere Erzählungen
u. Novelletten: Sunny Memoirs of foreign Lands,
88
Boſt. 1854, 2 Bde., ferner: Geography for my
children, Lond. u. Boft. 1855, den culturgejchidt-
lichen Roman Dred, a tale of the great dismal
swamp, ebd. 1856 fi., u. mehrere andere Romane,
die nicht viel Glück machten, ſowie Schriften über
die grauenfrage, darıınter The American Wo-
man’s Home, New-York 1869. Seit 1867 war
fie an der Herausgabe der Zeitſchrift Hearth and
Home betheiligt. Ihre True story of Lord
Byrons Life im Atlantic-Monthly-Magazine, 1869,
traf, meil der große Dichter darin in einem un—
günftigen Lichte erfchien, anf viel Umvillen und
Widerſpruch. Unter ihren zablreihen übrigen
Schriften ragt Old Town Folks, 2.N., 1871, her-
vor, eine Schilderung des religiöfen Yebens der
Nen-Engländer im vorigen Jahrhundert, Sie ver-
faßte auch Gedichte. Eine Auswahl ihrer Werte ent-
hält Golden Fruit in silver Baskets, Yond. 1859.
Sie lebt zu Hartford in Connecticut.
2) Löffler. 4 Henne-Am Rhynm.“
Beecher Lake, Binnenfee im Gebiete Victoriana
des brit. Namerika, u. 64° n. Br. u. 108° w. %.;
Uriprung des großen Fiſch- oder Badfluffes.
Beechey, 1) Vorgebirg u. Bucht an der NKüſte
des nordamerilanifhen Zerrit. Mlasta. 2) Kleine
Inſel in den amerikan. Nordpolarländern, an der
SWede von North»Devon, am Eingange des
Wellington-Kanals, Durch ihre Lage für die Nord-
polerpeditionen von Wichtigkeit, war fie während
der Aufjuhung Franklin der Eentraldepotplag für
die verwendeten Schiffe. Auf ihr fand man Spur
ven Franklins vom Jahre 1850.
Beechey, Frederid William, engl, Reifen-
der, geb. 17. Febr. 1796 in London; trat 1808
als Cadet in die Marine, wurde Offizier u. reifte
1818 mit Gapitän Franklin nad Spigbergen u.
1819 als Parrys Lieutenant nad dem Molar—
meere; 1821—22 unterfuchte er mit- feinem Bru-
der die NHüfte Afrikas u. führte 1825 als Capitän
das Proviantichiff zum Succurs für Franklins u.
Parrys Erpedition zur Auffuhung eines NWWeges
durch das Polarmeer in die Veringsftraße auf
einem Umwege durch den Großen Dcean nach der
WKiiſte Amerilas, die er bis zu 71° unterfuchte,
während er auf der Chamiffo-Jnfel, in Kotebues
Sund, wo er Franklin treffen mwollte, vermeilte.
Ohne Franklin gefunden zu haben, fehrte er im
Det. von dort zurüd u. befuchte bis zum Juli
1827 Californien, Macao u. die Lieukieu-Inſeln;
danır ging er wieder bis zur Beringsitraße, u. da
er Franklin wieder nicht fand, fo kehrte er zurüd
u. fam im Sept. 1828 in Portsmouth an. Wäh—
vend diefer Reife war er 1827 zum Gapitän er-
nannt worden. An feinem Plan, 1835 die Auf-
nahme der Südſee fortzufeten, wurde er durch
Krankheit verhindert, dagegen nahm er 1837—47
den Briftol- u. Frifhen Kanal auf; wurde 1847
Director des Marinedepartements im Handels—
bureau, 1854 Biceadmiral, u. 1855 Präfident der
Königl. Geographiſchen Gefellichaft; er ft. 29. Nov.
1856 zu London, Geine Neifen befchrieb er in:
Proceedings of the expedition to explore the
Northern coast of Africa (1821), Lond. 1828;
Narrative of a voyage to the Pacific and Bering
Becher Lake — Beer.
Beede (auch Bede, Petitio, Exactio precaria),
war urjpränglih die Abgabe, durch melde man
fih vom Kriegsdienfte lostaufte (Heerfteuer, Heer»
ichilling); wurde aber bereits im Mittelalter ohne
Nüdfiht auf jene Entftehungsart als eine Art
Bermögensfteuer in verjchiedener Weiſe erhoben,
nah Köpfen, nah Häufern, nad dem Biehftande,
nah Landhufen. Den Terminen entiprechend, an
welchen. die Steuer zu zahlen war, hieß fie auch
Herbft-B., Lihtmeß-B. ꝛc. Als mit der Ausbild-
ung des Lehnweſens die großen u. Heinen Lehus—
träger fi immer mehr von der Staatsgewalt uns
abhängig gemacht hatten, erhoben auch dieje von
ihren Bafallen die B.
Deeidigung, |. u. Eid.
Beelit (Belig), Stadt im Kreife Zauche-Belzig
des preuß. Negbez. Potsdam, an der Stieglig;
Aderbau; Flahsmärkte; 2738 Em. Wird 997
zuerft genannt; Stadt jeit 1321; war bis 1815
ſächſiſch.
Beelzebub, 1) im A. T. der Baal in Efron;
j. u. Baal. 2) Im N. T. Name des oberften
der Dämonen, indem die Juden bei ihrem Haß
gegen die Heiden den Namen eines der Götter der-
jelben auf den Satan übertrugen. Derjelbe ward
von ihnen gleichzeitig in den anderen Beelzebufl,
d, i. Herr des Kothes, verändert.
Beelzebub, 1) jo v. w. Marimonda; ſ. Klam-
meraffe. 2) So v. mw. rother Brüllaffe (f. d.).
Beemiter, Polder im Bez. Hoorn der nieder-
ländifchen Prov. NBrabant, nordweftl. von Edam;
1608—12 ausgetroduet; jchöne Kanäle u. Alleen;
Viehzucht, Wolle» u. Käfefabrifation; 3770 Em.
Beer, 1) Peter, geb. 1758 zu Neubidſchow
in Böhmen; wurde Lehrer der israclitiihen Schule
zu Mattersdorf, 1785 an der zu Neubidſchow u.
1811 an der Prager Hauptichule, wo er 1838 ſtarb.
Er trug viel zur Verbefferung des Eultus u. der
jüüdiſchen Schulen in Ofterreih bei u. ſchr. u. a.:
Toldoth Israel, mit deutfcher Überfegung, Bonn
1796, 2 Thle.; Ceremonialgefänge der Juden, Prag
1818; Gejchichte der jüdischen Secten, Brünn 1822,
2 Bde.; Leben u. Wirken des Maimonıdes, Prag
1836; Gelbftbiographie, ebd. 1838. 2) Georg
Joſeph, Profeſſor der Augenheillunde in Wien,
geb. 1763 u. geft. 1821 daf.; gehörte zu den vor-
züglichften deutichen Augenärzten, der durch That,
Wort u. Schrift das Meifte für Bervolllommnung
der Augenheiltunde beigetragen hat, vor Allem
aber zu dem Ruhme, den Wien binjichtlich der
Euftur diefer Wiffenfhaft mit Recht in Anfpruch
nimmt. Er veranlaßte ein Buftrömen von Zus
börern aus aller Herren Ländern, Sein Wirken
wurde ein noch ausgiebigeres, als 1815 ın Wien
ein eigenes, von allen Nebenzweigen getrennıes
Lehramt der prakt. u. theoret. Augenbeillunde,
verbunden mit einer beſonderen Hinifchen Anftalt,
ins Leben gerufen wurde. Er veröffentlichte außer
der Lehre von den Augenkrantbeiten, Wien 1792
mit Kupferu (dem beiten Werte damaliger Zeit
über diefen Gegenftand), noch: Praktische Beobacdht-
ungen über verſchiedene, vorzüglich aber über jene
Augenkrankheiten, welche aus allgemeinen Krank»
heiten des Körpers entipringen, Wien 1791;
Street 1824—1828, ebd. 1831, 2 Bde.; Avoyage of| Braft. Beobachtungen über den Grauen Gtaar u,
discovery towards the North Isle(1818), ebd.1843. |die Krankheiten der Hornhaut, daf. 1791; G. 5,
Beerangelica — Beeſt-Milch.
Beers Methode, den Grauen Staar jammt der
Kapiel auszuziehen, daſ. 1799; Nepertorium aller
bis zu Ende des Jahres 1797 erſchienenen Schrif-
ten über die Augenfranfheiten, daf. 1799; Aus—
wahl aus dem Tagebuche eines praft. Augenarztes,
daf. 1800; Pflege gefunder u. geſchwächter Nugen,
daf. 1800; Anficht der ftahylomatöfen Metamor-
phoſe des Auges u. der Fünftlihen Pupillenbild-
ung, daſ. 1806; Geſchichte der Augenheilkunde,
1. Heft, daf. 1813; Das Auge, oder Verſuch, das
edelſte Geſchenl der Schöpfung vor dem höchſt ver«
derblichen Einfluffe unferes Zeitalters zu fichern,
daf. 1813; Lehre von den Augenkrankfheiten, als
Leitjaden zu feinen öffentlichen daſ.,
1. Bd. 1813, 2. Bd. 1817. 8) Jakob Meyer
(od, wie er fi gewöhnlich nennt, Giacomo Meyer-
beer), ſ. d. 4) Wilhelm, verdienftvoller Aftro-
nom, Bruder des Bor., geb.4. Jan. 1797 zu Berlin;
erhielt jeine Schulbildung auf dem Joachimsthaler
Gymnaſium, machte die Feldzüge von 1813—15
als Freiwilliger, dann als Offizier mit, widmete
fih nad dem Frieden den Handelsgeichäften, über
nahm ipäter das Geihäft feines Baters u, erhielt
den Titel Geb. Commerfienrath, trieb aber da—
neben auf jeiner Meinen Sternwarte im Thier-
garten zu Berlin mit Mädler Aftronomie; er war
1849 Mitglied der 1. Kammer; ftarb 27. März
1850. Er jr. mit Mädler: Phyſiſche Beobadit-
ungen bes Mars, Berl. 1830; Mappa seleno-
graphica, ebd. 1834—36, 4 Lief.; Der Mond nad
feinen kosmiſchen u. individuellen Verhältniſſen,
ebd. 1837; Die Dreifönigsverfaflung in ihrer Ge—
fahr für Preußen, 1849. 5) Midael, drama-
tiſcher Dichter, Bruder des Bor., geb. 19. Aug.
1800 zu Berlin; findirte dafelbit Geichichte und
Vhiloſophie und machte Reifen in Deutichlaud,
Italien u. Frankreich. Seinen gewöhnlichen Aufent-
balt hatte er in München, wo er 22. März 1833
farb. Er ſchr. die Trauerſpiele: Klytämneſtra
(1819); Die Bräyte von Aragonien (1822); Der
Paria, Lpz. 1823; Struenjee (1829); Schwert u.
d® (1832); außerdem: Genuefiihe Clegien,
(1826). Sämmtlihe Werke, herausgeg. v. Schent,
Cp5. 1835; Briefwechiel, 1837. 6) Adolf, öfterr.
Geſchichtſchreiber, geb. 27. Febr. 1831 zu Proß-
nis in Mähren; wurde 1853 Öymnafiallehrer in
Ezernowig, dann in Wien u. Prag, 1857 Pro-
feffor der Gefhichte an der Nechtsalademie zu
Grogmwardein, 1858 an der Handelsafademie zu
Wien, 1868 an der technifchen Hochſchule daſelbſt,
1869 Hofrath im Unterrichtsminiſterium, von wel—
cher Stelle er jedoch mit dem Sturze des Bürger-
miniſteriums zurücktrat. Außer mehreren kleineren
Arbeiten über die Geſchichte der Zeit Maria The—
reſias u. Joſephs LI. ſchr. er: Geſchichte des Welt-
bandels, 2 Bde., Wien 1860; Die Fortſchritte des
Unterrihtswejens in den Qulturftaaten Europas,
ebd. 1867 ff., 20. 2 Thambayn. 6) Henne-Am Rhon.
Beerangeliea (DBot.), fo v. w. Aralia.
BDeerberg, Berg des Thüringer » Waldes
auf der Grenze zwiſchen Roburge@otd
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oder fleifchige Fyrucht, deren innere Höhlung oder
Fächer von einem micht bolzigen, fondern von
einem bäutigen oder pergamentartigen Endocarp
ausgefleidet find. Die B-n können oberftändig
(Rebe) oder unterftändig (Heidelbeere), einſamig
(Stachelbeere) od. mehrſamig (Kartoffelbeere), ein-
fächerig (MHebe), zmei- (Kartoffel), drei- (Gurke)
bis vielfächerig (Eitrone) fein. Der fleifchige Theil
der B. ijt entweder das Mejocarp (Dattel), oder
die verdidten Samenträger (Kartoffel), oder eine
faftige Zellmaſſe, welde den Samen umhüllt
(Sacao). Die fogen, zujammengefetten Ben, wie
die Maulbeere, Erdbeere, Himbeere u. Brombeere
find feine wirflihen B-n; denn die Maulbeere be:
ftebt aus mehreren, durch faftig gewordene Blüthen-
büffen verbundenen Steinfrüchtchen; bei der Erd⸗
beere fiten Meine, hartſchalige Früchtchen auf einem
fleifchig gewordenen Fruchtboden; bei der Himbeere
u. Brombeere endlich fird viele Heine faftige Stein-
früchtchen auf einem; gemeinichaftlichen trodenen
Fruchtboden vereinigt. Die Apfelfrucht, Kürbis-
frucht u. Eitrone müffen zu den einfachen Beeren-
jrüchten gerechnet werden (f. daf. u. Fracht).
Beerenblau, Farbeftoff in den Heidel-, Hol-
lunder- n. Yiqufterbeeren, ſowie in den Beeren des
ihwarzen Maulbeerbaumes u. in den Weinbeeren.
Der in legteren vorlommende, näher unterfuchte,
Onolin oder Önolinfäure genannte Farbſtoff, dem
auch der Bordeauxwein feine Farbe verdankt, bifdet
eine bläulich⸗ſchwarze, in Waffer wenig lösliche Maſſe.
Beerenzapfen (Galbulus) nennt man die
Frucht des Wachholders; bei diefer find die {bei
den Nabelbölzern ſonſt gewöhnlich holzigen) Frucht—
blätter fleifchtg geworden u. zu einer der Beere
ähnlichen Frucht verjchmolzen.
— — Stadt im Kreiſe Erbach der groß.
berzoglich beifiihen Prov. Starfenburg, am Ur-
Iprunge der Mümling; Quchweberei, Strumpfmwir«
ferei; 2643 Ew.; brannte 1810 faft ganz ab.
Beergelb, gelbe Malerfarbe, in Holland aus
dem Safte des Kreuzdorns (Rhamnus catharti-
cus L.) gewonnen.
Beermifpel, jo v. w. Aronia.
Beernem, Dorf im Arr. Brügge der belgi«
hen Provinz WFlandern; Spigenfabr.; Handel
mit Leinwand u. Bich; 4100 Ew.; ſeit 1853
Strafichule für junge Sträflinge weibl. Gefchlechtes.
Beerſchwamm, ſ. Framböſie.
Beerſeba (d. i. Eidesbrunnen, a. Geogr.),
Stadt if Paläſtina, anfangs zum Stamme Yuda,
damı zu Simeon gehörig; blühte noch zu Chriſti
Zeiten; das jegige Bir Sabea.
Beestomw, 1) Stadt im Kreiſe B.-Storfom
des preuß. Regbez. Potsdam, am Ausfluffe der
Spreeaus dem Schwielung-See; Tuchfabr., Wollen«
mweberei, Brauerei; Freimaurerloge: Guthanafia
zur Unfterblichfeit; 4227 Ew. B. war bis 1368 Sit
einer beſond. Herricaft, dann unter Böhmen u.
1558 unter Brandenburg. 2) B.-Stortom,
Kreis ebendafelbft, im SD. des Regbez., faft ganz
a und dem zwiſchen der Spree u. der Dahme; viele Waldungen
preuß. Kreiſe Schleufingen, unweit Zellaberg, u. Seen, im N. bügelig; 1244 [_]|km (22,, [_W);
985 m hoch; oben flad u. dicht bewaldet, daber!42,150 Em.
ohne Ausficht.
Beerdigung, |. Todtenbeitattung.
Beere (lat. Bacca), in der Botanik jede jaftige
Der Kreisgerichtsbez. B. umfaßt
den größten Theil diefes Kreifes u. einen Theil
des Kreiſes Yiibben,
Beeſt⸗Milch (Colofirum, auch Beet, Geeſt⸗
‘00
milch, Prieftermilch), die bei dem Rinde furz vor
oder bald nad) dem Gebären abgejonderte Milch,
von grauegelblicer Farbe, fadem Gerud u. Ges
ſchmack u. größerem Gehalte an flidftoffhaltigen
Nährftofien, als längere Zeit nad der Geburt
producirte Mich; namentlich ift der Eimeißgehalt
der B. wefentlih größer; fie geriunt leicht beim
Kochen u. darf deshalb nicht umter die andere
Mich gegoffen werden. Nah etwa adıt Tagen
verſchwindet nad u. nach dieſe Eigenthümlichleit
der B. Hat diefelbe einen Tag gejtanden, jo hat
fie einen falzig-widrigen Geihmad u, röthet Yad-
ınus nur ſchwach. Die Rahmkügelchen (Colo—
ftrumlörperchen) in derjelben find bis zu O,, mm
groß, alſo größer, als in der gewöhnlichen Milch.
Nicht jehr ſelten bildet fi die B. ſchon 3—4 Wochen
vor der Geburt. Sie bat eine abführende Wirk
ung, u. die Aufnahme derjelben ift filr das Kalb
unbedingt norhwendig, um das im Darmfanal
deſſelben befindlihe Darmped (Meconium) ber»
anszuichaffen, weil erft dann eine ungeftörte u.
regelmäßige Verdauung u. Ausnugung der auf
genommenen Nahrungsmittel erfolgen kann.
Beet, ein Streifen Land zwiſchen zwei tiefen
Furchen; f. u. Acker.
Beethoven, Ludwig van, Tonkünſtler, einer
der größten Genien aller Zeiten, geb. 1770 zu
Bonn, wahriheinlih am 16. Dec. (der gemöhn-
ih als Geburtstag angegebene u. gefeierte
17. Dec. ift ſein Tauftag). Die Familie ıft nad
den neueften Forfhungen flamändiſchen Urfprunges,
u. im 17. Jahrh. wohnte L. v. B-8 Urgroßvater
in Antwerpen. Sein Sohn Ludwig ging infolge
von yamilienftreitigleiten nach dem Niederrhein u.
fand in der Kapelle des Kölner Kurfürften zu
Bonn eine Stelle. Er erwarb ſich Anerkennung
u. wirfte günftig auf die Familienverhältniſſe feir
nes Sohnes Johann, während der erften Kind-
heitsjahre des Enkels Ludwig ein. Aber nad
feinem Tode (1773) geriethen die Verhältniſſe der
Be⸗ſchen Familie fo ın Berfall, daß Ludwig eine
jehr harte Jugend durchleben mußte. Bon jeinem
Vater rücjichtstos zu muſilaliſchen Übungen ge:
zwungen, damit die erworbenen Fertigkeiten mög-
lichft bald eine Duelle des Unterhaltes fiir die
Familie würden, ſah er fih von den Freuden
der Jugend ausgeſchloſſen, u. hierin findet man
den erjten Grund der Ungeſelligkeit, die er fpäter
an den Tag legte. Außer dem Water, welcher
den Anfangsunterriht auf der Bioline ertheilte,
waren jeine Lehrer der Mufilvirector Pfeiffer, ein
tüchtiger Klavierfpieler, der Hoforganift van der
Eden u. defien College Neefe. Schon 1783 comt-
ponirte B. ſechs Klavier-Sonaten, die er dem
Kurfürften von Köln widmete. Dieſe u. andere
Jugendarbeiten hat er feinen Werfen nicht ein-
gereiht, vielmehr bezeichnete er felbjt ala Opus 1
die 3 Trio, die Joſeph Haydn gewidmet find
(1795). Fünfzehn Jahre alt, wurde er vom Kur—
fürften Mar Franz, dem Bruder des Kaifers Jo»
ſeph IL, als zweiter Hoforganift angeftellt, 1787
zum erjten Mal nah Wien geihidi, wo er Mo-
zart feinen lernte. BZurüdgefehrt, bildete er fich
weiter im Klavierfpiel u. der Gompofition aus u.
wirkte bei den Aufführungen der Hoflapelle als
Bratſchiſt mit. Bon bildendem Einjluffe auf ihn
Beet — Beethoven,
während ſeiues Bonner Aufenthaltes war befonders
der Verkehr mit der Familie Breuning; auch er-
warb er ſich hohe Protection, bejonders die Zu—
neigung des Grafen Waldheim, deffen unter-
ftügepde u. anfmunternde Theilnahme für B⸗s
Leben entſcheidend werden follte. Denn durch die
Vermittelung dieſes Gönners wurde bie zweite
Neife nah Wien ermöglicht. Es war auch dies-
mal eine Rückkehr u. dauernde Anftellung zu
Bonn im Ausficht genommen; aber der gänzliche
Umſturz der ftaatlihen Berbältniffe infolge der
franzöfiihen Revolution vereitelte den Plan. B.
ftudirte nun bei Haydn 1792—95; als Letzterer
dann feine zweite Neife nah London unternahm,
verwies er den Schüler an Albredhtsberger. Aber
ihen vorher hatte fih B. auch der ———
Unterweiſung Schenks zu erfreuen — Neben
den ſtreng ſchulmäßigen Studien bei dieſen Mei—
ſtern nahm die ſelbſtändige ſchöpferiſche Thätigkeit
des jungen Componiſten einen raſchen Fortgang.
Nach den erwähnten Trios erſchienen 1796 Die
drei Klavierfonaten Op. 2; es folgten in kurzer
Zeit weitere Sonaten, die 6 erften Streichquartette,
das Geptett, u. nah 5 J. hatte er mit der Ber-
öffentlihung der erften Symphonie jhon Op. 21
erreicht. Durch die Empfehlung des Bonner Hofes
fand er Zutritt in den Ariftofratentreifen Wiens,
u. namentlich die Fücſten v. Lichnowsky, v. Yob-
fowig widmeten ihm eine ehrenvolle Theilnahme.
Nach dem Tode des Kölner Kurfürften (1801) er-
ihien es als wahrfcheinlich, daß B. in Wien feie
nen dauernden Aufenthalt nehmen würde; um
ihn an die Kaiferftadt zu fefjeln, vereinigten ſich
jpäter mehrere feiner Gönner, darunter fein Schiller,
der Erzherzog Rudolf, zur Berleihung einer ftän-
digen Yabresrente, wodurch dem genialen Ton-
fünftfer eine forgenfreie Eriftenz gefichert werden
follte. Die nächte Beranlaffung hierzu batte eine
Einladung gegeben, welche der König von Weit«
falen im J. 1809 an B. ergehen lieh, in Kaffel
eine Hoflapellmeifterjtelle unter den günftigften
Bedingungen zu übernehmen. DB. bat feit dent
%. 1793, abgejchen von wenigen Reifen, in Wien
u. dem benachbarten Dorfe Mödling, wohin er
im Sommer zu ziehen liebte, fein Leben zugebradit.
Er batte einen großen Hang zur einfiedlerifchen
Zurüdgezogenheit u. war ein enthufiaftiicher Natur»
freund. Auf einem feiner ansgedehnten Spazier:
gänge hatte er ſich übermäßig erhigt, u. durch
unbedachtſame Abkühlung nah feiner Heimkehr
jcheint er den Grund zu jenem ſchweren Gehörs
leiden gelegt zu haben, welches ihm bejonders feit
1812 fein Mannesalter jo jehr verbitterte. Ohne—
bin den comventionellen Formen des gejellichaft-
lichen Lebens wenig zugeneigt, wurde er unzu—
gängliher u. mißtrauiih. Dazu kamen trübe
Erfahrumgen, welde er an feinem Neffen, deſſen
Bormundichaft er 1815 übernommen hatte, u. au
befien Mutter machen mußte. Aber trogdem u.
ungeachtet der allmählich eingetretenen Taubheit
erlahmte feine jchöpferifhe Kraft nit. Seine
erhabenften Werke, die drei legten Symphonien,
von welchen die mittlere ſich der einfacheren Leich—
tigfeit der erften Sympbonien mähert, u. die
Missa solennis, entftammen dieſer traurigen Pe—
tiode jeines Lebens (jeit 1812). Er ftarb 26. März
Beethoven.
1827 u. wurde auf dem Währinger Friedhofe be-
ftattet. Im feiner Baterſtadt Bonn wurde ihm
1845 ein von Hähnel mobellirtes, von Burgſchmiet
m Erz gegojienes Standbild errichtet, u. eben-
dafelbft wurde die 100jährige Erinnerung feines
Geburtstages 1871 (megen des Krieges verſchoben)
dur ein mehrtägiges Mufitfeft begangen.
Die gedrudten Compofitionen umfajfen 138 Opus-
nummern u. eine bedeutente Reihe kleinerer Werte,
melde feine Opuszahl tragen. Weiter verbreitet,
ald irgend andere neue Tonwerle gleicher Gatt-
ung, find von ihm 32 Klavierfonaten, 10 Biolin-,
5 Cello» u. 1 Hornjonate mit Klavier, 8 Klavier:
Trios, 16 Streichquartette, 3 Quintette, 2Sertette,
1 Eeptett, die 9 Symphonien, die Oper Fidelio,
Me Muſik zu Egniont, 2 Feſtſpiele: die Ruinen von
Aben, König Stepban, die Duvertüren zu Corio-
lan, Leonore u. a., 7 Goncerte, 2 große Meſſen zc.
Kein Mufiter der Neuzeit bat mit fo vielen Wer—
fen einen ſolchen dauernden Erfolg erzielt; nur
auf dem Gebiete des Oratoriums ift B. mit dem
Bere: Chriſtus am Olberg weniger glüdlich ge-
weien, Anfnüpfend an die Traditionen der Wiener
Zonihule, weiche ihre Höhepunkte in Haydn und
Nezart bis dahin gefunden hatte, bahnte er all-
mäblih eine großartigere Geftaltung der Ton—
‘Höpfung an, ındem er ſowol an Originalität u.
Tiefe des Gedankeninhaltes, wie an Gemalt u.
Farbenreichthuum der Inſtrumentation, an genialer
sreibeit der Formbildung fich - über feine Vor—
gänger erhob. In feinem Entwidelungsgange,
abgefehen von den vorbereitenden Jugendftudien,
(affen fih drei Perioden unterjcheiden. Die erfte
Beriode ift dadurch charakterifirt, daß die Com-
pofitionen weſentlich auf den durch Haydn u.
Mozart entwickelten Kunftformen u. Geſchmacks—
tichungen beruhen, aber eine mit feltener That-
kraft u, inniger Empfindung ausgeftattete fünft-
leriſche Individualität befunden. Hierher gehören
die bis zur erften Symphonie einschließlich ge-
'haffenen, oben erwähnten Were; aber es ſtehen
auch von fpäteren Eompofitionen einige, wie bie
zweite Symphonie, auf einer ähnlichen Stufe.
Dit der zweiten Periode beginnt eine fubjective
Vertiefung des Inhaltes. Die iiberfommenen claffi-
Ihen Kunftformen bilden nur noch den Rahmen,
m welchem fich das von einem Grundgedanten
beberrichte, frei geichaffene Tonbild darftellt. Die
berwendung der Mufifinftrumente, die namentlich
mit Bezug auf das Klavier ſchon in der erften Periode
einen originellen Charakter hat, wirdeine ſtets erwei-
terte,reichere. Die bedentendften Werkediefer Periode
And; die zwei Sonaten, Op. 27; Sonate in Ddur,
Op. 28 (aus dem Jahre 1801); die drei Sonaten
in Gdur, Dmoll, Esdur, Op. 31; Sonate in
Cdur, Op. 53; SKreuzerfonate, Op. 47 (1803);
Sonate in Fmoll, Op. 57 (1804); die Sonaten
in Fisdur, Esdur, Op. 78, 81a; Sonate, Op. 69
mit Viofoncell (1809), Op. 96 mit Violine (1810);
das Triple-Goncert, das 4. u. 5. Klavier«-Concert
(1805— 1809); das Biolin-Goncert; die Trios,
Op. 70, 97; Quartette, Op. 59, 74, 95; Sertett,
Op. 71 (1805—6); Phantafie fir Klavier, Chor
und Orcefter (1808); Fidelio (1804—1805);
‘91
König Stephan; die Ruinen von Athen (1812).
In der dritten Periode behandelte dev Tondichter
die Formgebung jeiner Werke vollkommen frei.
Alles ift beherricht von fubjectiver dee, zu deren
Ausdrud die überlommenen Kunftformen entweder
gar nicht, oder nur unvolllommen genügen. Die:
jelben finden zwar noch Anwendung, müfjen fich
aber der freieften Umbildung fügen. Im Ganzen
bat fih B. feine eigene Tonfprache gebildet, den
vollfommenen Ausdrud feiner boben Gedanken;
die Tonmittel, fomwol die menſchliche Stimme wie
die Inſtrumente, werben oft ohne Nüdficht anf
die herkömmliche Technik, zuweilen jegar obne
Nüdficht auf die naturgemäße Eigenart der Vocal»
mufit im Gegenfate zu der Jnſtrumeutalmuſik,
behandelt. Die legten Werke B⸗s gehören zum
Theil zu den erhabenften, großartigiien Schöpf—
ungen der Tonkunſt, u. wurde deren Studium u.
Wilrdigung erft geraume Zeit nach dem Tode des
Meifters allgemeiner, obgleich fie bei ihrem Er-
ſcheinen ſofort großes Aufſehen, ſelbſtverſtändlich
auch Widerſpruch erregt hatten. In die Zeit nach
1812 fallen u. a. die Sonaten in Adur, Op. 101;
Bdur, Op. 106; Edur, Op. 109; Asdur, Op. 110;
Cmoll, Op. 111 (1815—22); die Quartette,
Op. 127, Op. 130—132, Op. 135 (1824-26);
die dritte Bearbeitung des Fidelio erſchien 1814;
die neunte Symphonie (1823—24); Meeresitille
und glückliche Fahrt (1815); Missa solennis
(1818— 22). Eine überſichtliche u. doch eingehende
Charalteriftif der drei Perioden findet fih in der
B.-Biographie des Mendelihen Mufitaliihen Con:
verj.»Lerifons, Berl. 1870, deren Auffaffung uns
fere Darftellung fih im Wefentlichen anſchließt.
B-8 Werke find gefammelt u. kritiich herausge-
geben (1861—65) zu Leipzig bei Breitlopf und
Härtel. Bollsausgaben der Sonaten, Duartette,
Lieder erfchienen bei L. Holle in Wolfenbüttel,
9. Litolff in Braunfhweig, C. F. Peters in Leip—
319, E. Hallberger in Stuttgart. Die Quartett:
u. Ordejtercompofitionen find in zahlreichen Ar-
rangement® verbreitet durch die Berleger Andre
in Offenbach, Breitfopf u. Härtel, Litoiff, Peters,
Holle, Schott in Mainz, Leudart in Breslau u. a.
ie Piteratur über B-8 Leben u. Werke ift fehr
umfangreih. Bemerkenswerth find die Schriften
von Wegeler u. Nies, Biographiſche Notizen iiber
e. v. B., Koblenz 1838, Nachtrag, daf. 1845;
Schindler, Biographie v. 8, v. B., Müuſter,
2.4.,1845, 3. A. 1860; W. Neumann, L. v. B.,
eine Biographie, Kaffel 1854; W. v. Lenz, B.
eine Kunſtſtudie: 1) Das Leben des Meiſters,
2) Der Stil in B., die Mit- u. Nachwelt B 8.;
Der B. +» ftatus » quo in Rußland, Kaffel 1855;
3—5) Kritiſcher Katalog ſämmtlicher Werte L. v.
Bes mit Analyfe derfelben, Hamb. 1860; eine
frühere Schrift deffelben führt dem Titel: B. et
ses trois styles, Petersb. 1852, Brüffel 1854;
Dulibicheff, B., ses eritiques et ses glossatenrs,
Lpz. 1857, deutſch v. Biſchoff, Lpz. 1859; Dlarr,
L. v. Bes Leben u. Schaffen, Berl. 1859, 2. A.,
1863; Nohl, B-8 Leben 1., Wien 1864, IL.—IIT. 1,
vLpz. 1867—74; D. Müblbreht, B. u. jeine
Werke, Lpz. 1866;"Aler. Wheelod Thayer, L. v.
Egmont: Mufit (1808); Meſſe in Cdur (1807); B⸗s Leben, deutih, Berl. 1866—72. B⸗s Briefe
3, bis 8. Symphonie (1804—12); die Feftipiele: |find herausg. von 2. Nitter v. Köcel: 83 neu
92
anfgefundene Originalbriefe 2. v. B-8 an den
Erzherzog Rudolf, Wien 1865 ; von Nohl, B-8 Briefe,
Stuttg. 1865; Neue Briefe, ebd. 1868; v. A. Schöne,
Briefe an Marie, Gräfin Erdödy, Lpz. 1867.
Be⸗s Studien im Generalbaffe, Contrapunkte und
in der Compoſitiouslehre find gejammelt u. her-
ausg. von Ign. Nitter v. Seyfried, Wien 1832,
2: x. von E. Mansfeldt-Pierfon, Lpz. 1856,
engliih, daf. 1853. Ein Slizzenbuch von B. ift
beichrieben von G. Nottebohm, Lpz. 1865. Ka-
taloge feiner Werke verfaßten Yenz, Thayer,
hronologisches Berzeihniß, Berl. 1865. Erläu-
ternde Schriften über Bes Compofitionen lieferten:
F. L. ©. v. Dürenberg, die Symphonien B-2
it. anderer berühmten Dleifter, Lpz. 1863; E. v.
Efterlein, Bes Klavier-Sonaten, 3. A., Lpz. 1866;
9.8 Spmpbonien, 2. W., Dresd. 1858, 3. A.,
daf, 1870; Marx, ‚Anleitung zum Vortrage B-icher
Klavierwerke, Berl. 1863, Worträts find ericie-
nen bei Trautwein u, Comp. in Berlin, Breitfopf
u. Härtel in Leipzig u. a. Zum 100jährigen
Gedaͤchtnißtage wurde u. a. veröffentlicht: L. v. B.,
ein dramatiſches Charalterbild in vier Aufzügen,
mit einem Epilog, von einem Bonner, Lpz. 1870.
Rich. Wagner, Beethoven, ebd. 1870. rambach.
Be fa (Muſ.), ſonſt in der Solmiſation der jetzt
b genannte Ton.
Befahren 1) (Bergb.), in eine Grube oder einen
Schacht fteigen, um Etwas zu befihtigen. Die
Befabrung geichieht entweder nur von einem, oder
von wenigen Bergbeamten; nehmen fänmtliche Offi-
tianten daran theil, fo ift e8 Generalbefabhr-
ung; der Bericht darüber mit Riß heißt Befahr-
ungsbericht oder Befahrungsregifter. ) Ein in
der Handelsflotte üblicher Ausdrud, jo v. w.:
Lange auf See gefahren; daher ein befahrener
Seemann, mwelder viel Seefahrzeit hat.
Befallen nannte u. nennt der Landwirth noch
jetst verſchiedene eigenthümliche, krankhafte Er»
ſcheinungen an den Culturpflanzen, deren Ents
ſtehung theilweife bis im die letzte Zeit in Dunkel
gehüllt war. Erft den neueren Forichungen iſt es
gelungen, die wahren Urſachen, von mehreren
Erſcheinungen, mie Honigthau, Mehlthau, Roft,
Mutterforn, Brand, Kartoffelfäule (ſ. d. a.)
feſtzuſtellen. Das B. zeigt ſich faft an allen Eul-
turpflanzen, u. je üppiger u. faftreiher die Ge—
wächje find, in defto größerem Maßſtabe treten
die meiften der genannten Krankheiten auf. Mit-
tel gegen diefe Krankheiten werden, fomweit ſolche
befannt, bei den einzelnen Krankheiten angeführt.
Befana (ital. Sage), ſchwarze u. ungeftalte
Frau, melde, zum Schernftein herabfahrend, die
unartigen Kinder jchredt, artigen dagegen Ge-
ſchenke, bei. Nüffe, Mandeln u. Nofinen, bringt.
Um 6. Jan., als dem Epiphaniastage, woraus
B. gebildet ift u. wo in Italien eine Art Ehrift-
markt gehalten wird, fegen Frauen u. Kinder aus
alten Lumpen gemadte Puppen (Befanapırppen)
an das Fenſter, angeblih um fich die rau B.
geneigt zu machen, u, Kinder fenden Männern
ihrer Belanntichaft Heine Strümpfchen zu, u. Diefe
ſchicken diejelben mit Bonbons gefüllt zurüd. Der
Begriff der B. ift dem der Beutichen Holle oder
Berchta (f. d.) ähnlich.
Be fa — Befeftigungsmanier,
einer SeRung, die vor einer ihrer Polygonjeiten
liegen ; bei bajtionirten Feſtungen befteht fie aus
2 Falten Baftionen der fie verbindenden Courtine
u. dem Ravelin u. anderen Außenmwerfen vor
letter. Unter einer angegriffenen B. werden aber
gewöhnlich alle von den feindlichen Parallelen
wirklich umfaßten Werte verftanden.
Befeſtigungskunſt (Fortification), die Kunft,
einen Ort in den Stand zu ſetzen, daß fich dort
Wenige gegen Biele mit Vortheil vertheidigen
fönnen. Je nachdem der Ort, den man haltbar
machen will, beichaffen ift, theilt man fie a) im
Feld-B. (flüihtige B., Fortification passagere),
welche bloß für das Bedürfniß des Mugenblides,
höchſtens eines Feldzuges, Schanzen in freiem
Felde aufwerfen oder Terraingegenftände, mie
Wälder, Dörfer ꝛc., zu einer vorteilhaften Ber-
theidigung geihidt maden und b) Feſtungs—
baufunft (beftändige B., Fortific. royale,
F. permanente), melde haltbare Pläge, wirf-
liche Feſtungen und Forts für die Dauer ausfüh-
ven lehrt; zmwifchen beiden ſteht c) die proviſo—
riſche B., melde Städte u. wichtige Zerrain-
punfte für die Dauer eines Krieges in möglichft
furzer Zeit, zum wenigften für den erften Aulauf,
zu baltbaren Plätzen zu machen lehrt. Je nach—
dem die zu bauenden Werke eine regelmäßige
oder unregelmäßige Gejtalt erhalten, wird die Be-
feftigung eine regelmäßige od. unregelmäßige,
u. je nachdem von der Natur gebotene Berftärfungen,
wie Sümpfe, Flüffe, Seen, fteile Abhänge, vor—
handen u. bemugt find, Fünftliche oder natür-
liche genannt. Unregelmäßige u. natürliche Be—
feftigung find nahe mit einander verwandt, da
die Geftalt der Werke fih an das Terrain an—
ſchließen muß u. dieſes die Feſtung ftärfer macht,
als es die beften Werke vermögen. Über die
Form der Werke ꝛc. ſ. u. Feldſchanzen u. Feſtung.
Die B. iſt die erſte u. nöthigſte Wiſſenſchaft für
den Ingenieur; außer genauer Belanntſchaft mit
den Baumaterialien, den jämmtlichen Bauband-
werfen u, ihrer Anwendung zu Fortifications—
zweden u., als Hilfswiſſenſchaft, auch der bürger-
lichen Banfunft, ift zur vollftändigen Kenntniß der
B. reine Mathematik (zur Anordnung u. Beredh-
nung der Werfe), Mechanik, Hydroftatit, Hydraufif,
Artillerie u. Waffenlehre (um die Angriffs- u. Ber-
theidigungsträfte würdigen zu können) u. genaue
Belanntichaft mit dem Feſtungskriege nöthig. Bgl.
Garnot, Memoire sur la fortification etc., Bar.
1823; Bleſſon, Befeftigungshunft für alle Waffen,
Berl. 1825; Peichel, Kriegsbaufunft im Felde,
2. Aufl., Lpz. 1854; After, Lehre vom Feitungs-
kriege, Dresd. 1835; Zaftrow, Garnot u. Die
neuere Befejtigung, Lpz. 1840; Zaſtrow, Gefchichte
der permanenten Befeſtigungskunſt, 3. Aufl., Lpz.
1854; Fesca, Handbuh der Befeftigungstunft,
Berl. 1853; Oftboff, Handbuch der Feldbefeftig-
ungskunſt, Braunſchweig 18535 Brialmont, Etudes
sur la defense des &tats et sur la fortification,
Brüffel 1863; Prittwig, Lehrbuch der Befeftigungs-
funft u. des Feitungsfrieges, Berl. 1865; Wag-
ner, Grundriß der yortification, Berl. 1870,
Befejtigungsmanier (Befeitigungs« ober
Fortificationsſyſtem), die ſyſtematiſche Auseinander⸗
Befeſtigungsfront neunt man alle Werle ſtellung der einzelnen Linien eines Feſtungswerkes
Befeftigungsmanier.
oder die nach beftimmten Regeln aufgeftellte Grund-
rißform deſſelben, welde für die Bertheidigung
am zwedmäßigften erachtet wird. Kriegsbau—
meifter, welche über Fortification gefchrieben haben,
fellten meift jeder eine eigene, einzelne fogar
mehrere Befeftigungsmanieren auf. So finden
Ab von Bauban 3, von Coehorn 3, von Rim—
pler, Dontalembert, Carnot ebenfalls mehrere, die
meientlih von eimander verfchieden find. — Die
Grundrißformen der jett vorhandenen Feftungen
laſſen fih auf drei Hauptſyſteme ———
4) Das Polygonalſyſtem, deſſen Wall ein aus
geradlinigen Fronten beſtehendes Vieleck mit nur
ansipringenden oder wenigen ganz flachen ein-
ipringenden Winfeln bildet u. feine Flanfirung
aus vor dem Hauptwalle liegenden Caponnieren
erhält, weshalb man daffelbe auch Caponniereſyſtem
genannt hat, hauptſächlich von den deutſchen In-
enienren angewandt u. ausgebildet. B) Das
enaillenfyftem, deifen Grundriß aus regel«
mäßig mit einander abwechfelnd aus- u, einfprin-
genden Winkeln zufammengefett ift, deren Schen-
tel fh gegenfeitig flanfiren, von Landsberg ı.
Rontalembert empfohlen. C) Das Baftionär-
Item, beitebend aus Lünetten, bier Baftione
genannt, weiche durch gerade Walllinien (Courtine)
mit einander verbunden find, Die Baftione lie-
gen ver oder hinter den ausipringenden Winkeln
des Bolygons, welches man fih um den zu be-
feftigenden Platz gezogen denkt, die Courtine läuft
parallel der Polygonjeite. Die Flanke des einen
Baftions beftreicht jedesmal die Kourtine u. die
Face des anderen Baltions. Diefe Manier der
Befeitigung ift im den verfoffenen Jahrhunderten
die herrichende geweſen u. daher bis jett am
meiften zur wirklichen Ausführung gelangt. Die
franzöſiſchen Ingenieure haben diejelbe am detail-
irteten ausgebildet u. verwenden fie noch jetst
faft ausschließlich. Als nah Erfindung des Pul—
vers die Anwendung der Feuergeſchütze mehr u.
mehr die Unzulänglichkeit der bis dahin üblichen
Befeſtigungen der Städte u. Burgen mit Ring-
wauern u. Thürmen dargethan hatte, war man
unächſt bemüht geweſen, den Mauern durch grö-
jere Stärfe u. dur Anjhüttung eines Erdwalles
dinter ihnen mehr Halt u. den num ganz maifiv
erbauten Thürmen einen größeren Durchmeſſer zu
geben, um zablreichere Geſchütze, als bisher, flir
die Bertheidigung aufftellen zu können. Gleich—
zeitg machte man auch die Mauerbauten niedriger,
um fie dem Gefchütfener aus großer Ferne zu
entziehen. Aus den vergrößerten Thürmen ent-
handen die fogenannten Rundeln, die zum Theil
‚son den langen Befeftigungstinien Flanfenfeuer
gewahrten u. jo einem der vornehmften Grundfäte
der neueren Befeftigung theilweife Genüge leifteten.
&8 bezeichnet diefer Moment den Übergangspuntt
aus der Vefeftigung des Mittelalters im bie
neuere. Weſentliche Berbefferungen ſchlug nun
Abrecht Dürer (fl. 1528) vor, indem er theils
de Mauern durch äußere Erdanſchüttungen gegen
das feindliche Feuer zu ſchützen fuchte, theils den-
jelben noch größere Stärke verlieh, theils größere
Geſchützmaſſen concentriren, theils durch Kafemat-
tenbau u. Caponnieren dem Graben Bertheidig-
ung ertheilen wollte, Ideen, die tbeilweife bei den
93
neueften Bauten, nur mehr ausgebildet, zur Gelt-
ung gelangt find. Dabei nahm nad den gemach—
ten Erfahrungen im Angriffe der Feſtungen der
Belagerungskrieg einen mehr u. mehr bedenklichen
Charakter für Die Feſtungen an. Man dachte
darauf, außer der ‚Frontalvertheidigung jeder der
Linien möglichft kräftiges Flankenfeuer zu geben;
es entitanden jo die Bollwerke oder Baftione (zuevft
bei Turin u. Verona angemendet), u. es beginnt
die Periode a) der älteren italienifhen B.
deren Charalteriftit in Meinen, ftumpfmwinfeligen
Baftionen mit fenfrecht zur Gourtine gejtellten
Flanken befteht; in der Mitte der Courtine theil«
weife ein Meines Mittelbollwerk, die Flanken bis«
weilen zurücgezogen u. kafemattirt. Außenwerke
find nur der bededte Weg, welcher jedoch noch
nicht zur Vertheidigung eingerichtet ift. Die vor-
züglichften Baumeifter waren: Micheli (ft. 1559),
Zartaglia, Algbifi da Carpi, Paciotto von Urbino
(ft. 1572, Erbauer der Eitadelle von Antwerpen
u. Zurin), Maggi u. Caſtriotto. Nachdem inzwis
Ihen der aus Straßburg gebürtige Daniel Spedle
(ft. 1589) mwefentliche Berbeiferungen vorgeichlagen
hatte: die fenfrechte Stellung der Flanken zu den
Defenslinien; rechtwintelige, große Baftione, Ca—
valiere in den Baftionen, niedere Grabenverthei-
digung aus fafemattirten Galerien, große Rave—
ins vor den Courtinen, Bertheidigungseinridhtung
des gededten Weges u. Anlage großer Waffen-
pläge in demfelben, gegen das directe Feuer des
Feindes geichiittes Dlauerwerk: fing man auch in
Italien an, weiteren Fortſchritten ſich zuzuwenden.
b) Die neuere italieniſche oder ſpaniſche B.;
man verkürzte die Courtine, Tegte Cavaliere an,
ordnete Außemverfe, namentlih das Ravelin, an
u, richtete Abjchmittsvertheidigung ein, legte Minen
u, Schleufenipiele an u. verdoppelte die Flanken.
Die vorzüglichften Baumeifter diefer Periode waren:
March, deifen Werk 1599 erfchien u. deffen Ideen
fpäter bei. von Pagan u. Vauban ausgebentet
worden find, Busca, Floriani u. Rofetti. Als
in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. der Nieder-
ländiihe Befreiungsfrieg feinen Anfang nahm ı.
gut befeftigte Pläße eine Nothmwendigkeit für die
Niederländer wurden, ohne daß fie die Zeit oder
die Mittel gehabt hätten, nach ttalienischer Manier
zu bauen, entjtand ec) die altniederländiſche
B., zu deren Ausbildung jedoch auch die in dei
Niederlanden fämpfenden Spanier nit wenig
beitrugen. Ihr Charafter befteht in breiten u.
flahen Waflergräben, im niedrigen Hauptmällen
ohne alle Steinbefleidung, in Anwendung der
Fausse-braye zur niederen Grabenbeitreihung u.
endlich in zahlreichen Außenwerken, die je nad
Mafgabe der Terrainbeichaffenheit angelegt wur—
den; die Flanken fanden ſenkrecht zur Courtine,
Repräfentant diefer Periode ift Freitag (1630) u.
nah ihm Marolois, Völler, Melder, Ruſenſtein,
Scheither, Neubauer, Heidemann u. Heer (1689).
Während diefer Zeit hatten nun d) deutſche In—
genieure, wie früher Spedie, die Syſteme der
Italiener, Holländer u, Franzoſen mit ihren eigenen
Vorſchlägen zwedinäßig zu verbinden gejucht u.
der Befeſtigungskunſt viele neue, zum Theil glüd«
liche Ideen zugeführt, Grotte (1618) jchlug eine
Art Tenaillenbefeftigung vor, welche wahrſcheinlich
94
Befeftigungsmanier.
dem fpäteren Rimpfer zum Mufter diente; Dillich, hatte, als jener im Angriffe. Die Baftione wur—
(1640) ward der weſentliche Berbefierer der alt-
niederländifhen Manier, indem er Spedies Bor-
ſchläge mit diejer zu vereinen trachtete; Rimpler
übte bedeutenden Einfluß duch feine Befeftiqung
mit Mittelbollwerten u. die Aufftellung von Anfich-
ten, welche genau mit denjenigen Grundfägen über-
einftimmen, von denen jpäter Montalembert aus-
ging, der als der Begründer der neueften Befejtig-
ungsfunft angejehen werden mjıh. u ferneren
Fortſchritten boten Griendel von Ad (1677), Zader
(1679), Werthmüller (1685) u. A. in ihren Vor—
ichlägen Gelegenheit; wichtiger aber ward Landsberg
(ft. 1746), der, von der überzeugung ausgehend, daß
namentlich die Flanken der Baftionärbefeftigung zu
ſchwach ſeien, der eigentliche Begründer des
Tenaillenfgftems ward, Seinen Anſichten folgten
Voigt (1713), Herih (1719), Sturm (1720),
Safer (1728), Herbort (1734) u. A. Indem bie
franzöfiihen Ingenieure von der italieniſchen B.
die Profile, von der niederländiichen aber die An-
ordnung des Grundriſſes entlehnten, enijtand e)
die jranzöfifhe B. Als Begründer derjelben
darf man Errard de Bar-le-Duc anfehen, als
den erften weſentlichen Berbefjerer Pagan. Bei
Feſthaltung der baftienären Form begrenzte Letzte⸗
rer die Fänge der Defenslinien zmedmäßig, ftellte
die Flanken zu denfelben fenfveht u. gab den
Flanten Etagenfener; den Baftionen u. Rave-
Ins gab er duch innere Werke Abjchnittsver-
tbeidigung, vor die Baftione legte er eine Contre-
garde. Daran reihten fi faft unmittelbar bie
Syſteme Baubans (ft. 1707), der zwar nicht als
der Erfinder neuer Manieren, zu befeftigen, anzu—
jeden ift, unbeftritten auch mehr in Der Kunft des
Augriffes der Feſtungen (da er durch Erfindung
des Ricochettſchuſſes u. der Anlage der Parallelen
bei Belagerungen dem Angriffe ein bedeutendes
Übergewicht über die Bertheidigung verjchaffte),
jein Talent zur Geltung gebracht hatte, doch aber
das Verdienſt hatte, in feiner erften Manier die
verjchiedenen Linien der Baftionärbefeftigung in
ein richtiges Verhältniß zu einander gejtellt, in
feiner zweiten (Landau) und britten (Breifach)
Manier durch detachirte Baftione Abjchnittsver-
theidigung angewendet, immer aber feine Anlagen
dem Terrain angepaßt zu baben, Nächſtdem
war e8 bei. Cormontaigue (fl. 1752), der auch
die Vorſchläge Baubans noch verbefjerte und der
Baftionärbefeftigung, die noch bis jekt als am
zwedmäßigften geltenden Berhältniffe der Linien
gab. Die Veränderungen, welche die Ingenieur:
ſchule zu Mezitres, deren thätigfte Mitglieder
Chätillon u. Dupigneau waren, ınit der Baftıonär-
befeftigung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh.
vornahmen, waren von keinem entſchiedenen Ein»
ituß, ebenfo wenig die noch fpäteren Modificationen
der Jurgenieure Dobenheim u. Lejage. Seitdem
unter Ludwig XIV. ohne große Anftrengung in
den Nieverlanden eine Feſtung nad der anderen
weggenommen worden war, hatte fi} auch dort
die Nothwendigteit von Berbefferungen der älteren
Manier aufgedrängt. Es entſtand jo f) die neuere
niederländifche B., begründet von Coehorn,
der, noch ein Zeitgenoſſe Baubans, vielleicht ebenfo | maras.
den vergrößert, ebenfo die Ravelins; die zahlreich
angewendeien YAußenwerfe follten ftet8 fo angelegt
werden, daß der Verluſt des einen nicht auch den
der übrigen nad) fich ziehe; der gededte Weg mit
jehr geräumigen Waffenplägen ward als ein bef.
wichtiges Werf betrachtet; die Vortheile von
trodenen u. naffen Gräben jollten verbunden wer-
den. In ganz Europa hatte man die Feſtungen
mit bald mehr, bald weniger Abweichungen von
den verichiedenen Manieren, immer aber im Ba-
ftionärigftem, zu erbauen fi gewöhnt: als g&)
Montalembert, ein franzöfiicher Heiteroffizier, um
die Mitte des 18. Jahrh. mit Theorien hervor—
trat, die faſt in jeder Beziehung im grellen Gegen-
late zu denjenigen Grundfägen ftanden, melde
die öffentliche Meinung im Laufe mehrerer Jahr»
hunderte fanctionirt hatte, Bisher hatte troß
aller Beränderungen des Baftionärfyftems doch
immer der Angriff eine Überlegenheit über vie
Bertheidigung behauptet. Montalembert war
überzeugt, daß, wenn dem Belagerer in allen
Perioden der Bertheidigung ein concentrirtes, über—
legenes Feuer entgegengejegt werde, die Berthei-
digung in Bortbeil gegen den Angriff kommen
mie. Die Baftione vermwirft er und will ftatt
ihrer die Zenaillen- oder Polggonalbefeftigung
angewendet wiflen; die ganze Stärke der Ber-
tpeidigung bafirt er auf die Anlage zahlreicher u.
zwedmäßig conftrnirter Defenfivfafematten; jolide
permanente Abjchnitte ſoll jede Befeftigung ders
eftalt haben, daß die Beſatzung binter ihnen
Sicherheit finde, felbft wenn der Hauptwall vom
Feinde erjtiegen wird. Außerdem gehören noch
zu feinen Berftärkungsmitteln die Anlage deta-
dirter Forts, welde die Feitungen wie Gürtel
umgeben follen, u. die Errichtung kaſemattirter
Thürme, h) Der ſchwediſche General Virgin
(1781) fuchte den baftionirten Befeftigungen eine
erhöhte Widerftandsfraft zu geben, indem er
getrennte Baftione, Abftumpfung der Baftione,
fafemattirte Mörjerbatterien u. ftarfe Reduits im
gededten Wege vorſchlägt. Nicht wenig ward das
Baſtionärſyſtem i) durch die franz. Ingenieure
des 19. Jahrh. verbejjert. Bousmard (ft. 1806)
wollte, um den Ricochettſchuß zu entkräften, die
Facenflanfen der Bajtione gefrümmt führen, den
gededten Weg en eremaillöre führen, die Graben-
jcheere Tafemattiren, das Ravelin vergrößern und
zahlreiche bombenfihere Räume angelegt haben;
Chaffeloup folgte im Allgemeinen Y An⸗
ſichten. Caruot (1810), der die Stärke einer
Feſtung mehr in der hartnädigften Bertheidigung
als in der Anlage der Werke fuchte, mollte
namentlih das ofjenfive Element erhöht wiſſen u.
hing deshalb das Glacis en contrepente vor,
fowie er auch einen großen Erfolg von aus»
gedehnter Anwendung der Mörjerlajematten er»
wartet. Die Ingenieurſchule zu Meg, deren
Repräfentant General Noizet ift, folgte den Vor—
ſchlägen Gormontaignes, erzielte aber dabei eine
Vervolllommnung der geficherten Communication
der MWerfe unter fih. Doc bedeutfamer als alle
diefe Underungen murden die Vorſchläge Chou«
Bei gerader Escarpenmauer foll die
große Erfahrungen in der Vertheidigung gemacht Bruſtwehr nad ihm gebrochen oder gefrimmt
Befeftigungsreht — Befeuerung.
geführt u. außerdem von der Cordonlinie zurüd-
gezogen werden, um einen Rondengang anzulegen;
es jollen die Baftione abgerundet u. die Facen
jo weit zurücdgezogen werden, daß ihre Berlänger-
ung in das Wavelin fällt. Gegen die Breiche-
batterien ſchlägt er ein Glacis auf der Graben-
fohle vor, den gededten Weg führt er en cre-
maillere, bie Flanken werden verlängert, in ben
Eapitalen Hohltvaverfen angelegt, durd Rampen
wird für gute Commmunicationen geforgt. Neueftens
endlich ift auch General Haro von Einfluß ge-
weien, der unter Anordnung großer Dauerbauten
mehrere Ideen von Ghoumara entlehnte und
außerdem die Flanlen noch vergrößerte, perma-
nente Abjchnitte in den Baftionen anlegte, die
Courtine gebroden führte, Contregarden u. in
den Baffenplägen ftarle Reduits anmendete. k) In
Dentihland wurde bis zur Mitte des 18. Jahrh.
meitt das Baftionärtrace in den verjchiedeniten
Variationen angewendet, Seit Friedrich d. Gr.
nahm die Bejeftigung einen mehr temaillirten
Charafter an, ſchmale, tiefe u. zumeilen durch
Reverscapennitren flanfirte Gräben, hohe Contre-
escarpen, miedrige Escarpen, viele dur Blod-
bäufer u. Reduits hergeſtellte Abjchnitte, eine
große Zahl Kafjematten zur ficheren Unterbring-
ung der Zruppen. Die Winfel des Tenaillens
foftems wurden allmählich vergrößert, fo daß bie
gegenfeitige Flankirung der Linien aufbörte, es
wurden dann in bie einfpringenden Wintel Capon-
nieren gelegt, welche die Beftreihung der Gräben
übernehmen. Daraus entjtand allmählig das
Polggonaltrace od. die neupreußifhe B. Diefelbe
umgibt den zu befeftigenden Platz mit geraden
Balllinien (Fronten), welche nur in ausfpringen-
den Winkeln zufammenftoßen. In der Mitte der
Fronten liegt eine oft durch den Hanptwall durch—
reichende Grabencaponnidre, zu deren Dedung eine
Eontregarde in Ravelinform vorgelegt ift. Hinter
den ausjpringenden Winkeln liegen größere Kafe-
mattencorp®. Man erreicht dadurd ein einfaches
Trace mit möglihft großer Frontalwirkung und
eine Erſparniß an Bertheidigungsperfonal und
Material. Die Bolygonalfronten laffen fich ſchwer
ober gar micht ricochettiren. Die in diefer Manier
angelegten Plätze find meift mit einem Gürtel
detachirter Forts umgeben, melde eine kräftige
eifenfive Bertheidigung ermöglichen u. jolide Ab-
ſchnitte ſchaffen. Somol in der Hanptbefeftigung,
al3.in den Forts ift für die bombenfichere Unter-
bringung der Bertheidigungsmittel durch Anlage
zablreiher Kafematten, Reduits u. Caponnidren
gejergt. Die Forts wurden anf wichtige Terrain
punkte innerhalb des Geſchiltzbereiches der Haupt-
befeftigung gelegt. Die Deutichen haben in diefem
Sinne Koblenz, Köln, Poſen, Königsberg, Mainz,
Raftatt, Ulm, Fugolftadt, Germersheim ⁊c. gebaut.
Ju neuefter Zeit nah Ginführung der mweittragen-
den gezogenen Gefhiige legt man die Hauptver-
theidigungslinie in den Gürtel der detachirten
Forts, welche zu diejem Zwecke 5000 m u. weiter
vor die möglihft einfah gehaltenen Polygonal-
fronten der Stabtbefeftigung, um. diejelbe gegen
wirljames Bombardement zu ſchiltzen, vorgeſchoben
werden, Die detachirten Forts find meift Lünetten
mit ſehr flachem ausfpringendem Wintel, fangen
95
Facen u. kurzen, gut traverfirten Flanken, Die
Gräben werden durch Caponnidren flanfirt, die
Reduits fallen fort, weil diefelben gegen den in«
directen Breſcheſchuß nicht zu deden find. Die
Forts liegen fo weit aus einander, daß fie fi
gegenfeitig noh mit Geichlitfeuer unterftügen
fönnen. In diefer Art iſt Meg u. Straßburg
befeftigt. Die Principien der neupreußiichen B.,
Polygonalfronten mit vorgefhobenen Werten, find
von fajt allen Nationen Europas zu den ihrigen
gemacht worden. Die Vfterreiher haben Yinz,
Verona, Briren; die Belgier Antwerpen (vgl.
Brialmont, Trait& de fortification polygonale,
Brüffel 1869), in diefer Manier gebaut. Die
Engländer u. Ruffen find nad denjelben Grund—
lägen verfahren, jene nicht nur in England, fon«
dern aud in Indien, auf Malta, Korfu und in
Sibraltar, dieje bei den Neubauten der Citadelle
von Warjhau, den Befeftigungen von Breczk—
Vitowst, Kiew, Dubnomw-Zwanice, Modlin. Auch
in Dänemark, Schweden, Holland u. in der Türkei
it man dieſer Richtung gefolgt, ja, ſelbſt die
‚sranzofen, obwol hartnädig das Baftionärfgftem
Cormontaignes als die bejte Form vertheidigend,
haben in den großartigen Befeftigungsanlagen
von yon u, Paris denjelben Grundlägen Red»
nung getragen. Das Nähere über die bejonderen
Anlagen der einzelnen Manieren f. u. den Namen
ihrer Erfinder oder Berbefferer. Bol. Bleifon,
Befeftigungstunft für alle Waffen, Berl. 1825,
2 Theile; Zaſtrow, Geſchichte der bejtändigen
Befeftigung, 3. Aufl., Ypz. 1854; Prittwit, Vehr-
buch der Befeftigungstunft u. des Feſtungskrieges,
Berl. 1865; Wagner, Grundriß der Fortification,
Berl. 1870; Hergberg, Seiefiguug großer Städte,
Halle 1871; Brialment, La fortilication à fossds
secs, Briffel 1872.
Befeſtigungsrecht, das Recht, eine Stadt zu
befeftigen. Es fteht dem Staate zu, der durch
Anwendung defielben geſchädigte Privat-Jutereſſen
dem Erpropriations-Gefete gemäß ansgleicht.
Befenerung (Beleuchtung) der Meerestüften
bezwedt die Sicherung der Schifffahrt in der Nähe
des Landes. Man unterscheidet die Küften-B. von
der Kin Die Kiften-B. foll an fid während
der Nacht dem Lande nähernden Schiffen ſowol die
Nähe der Küfte überhaupt, als auch den betreffenden
Punft derfeiben anzeigen; einerfeits zur Bermeid«
ung einer unvorbergejehenen oder zu großen Au—
näherung an die Küſte, bezm. an die vor derjelben
liegenden Untiefen, anderjeits zur Sicherung dev
weiteren Navigirung durch die exleichterte Hrts·
beftimmung. Bei der Küſten-B. dürfen daher
feine unbeleuchtete Lücken bleiben, d. h. die Feuer—
freife der neben einander liegenden Yeuchtfener
müſſen fih fämmtlich fchneiden; ferner muß die
Lichtbarkeit der Feuer groß genug fein, um vor
den etwa außliegenden Untiefen noch rechtzeitig zu
warnen, u. endlich müjfen fie in der Eharakteriftif
ihrer Leuchtapparate derartig unter ſich verſchieden
fein, bezw. abwechſeln, daß einer Verwechſelung
der Peuchtfener unter einander möglichjt vorgebeugt
iſt. Die Hafen-B. dagegen hat den Zwed, deu
Schiffen bei der Einfegelung in die Häfen während
der Nacht den Weg in dem betreffenden Yabr-
waſſer anzugeben. Am ficherften wird dies erreicht,
96 Beflogen — Befruchtung.
wenn die betreffenden Leuchtfeuer eine folche Lage! (Fracht) zum Transport beladen; daher Be-
zu einander annehmen, daß die Verbindungslinie frachter, der Miether bef. eines Schiffes; er
von je zweien den Schiffen immer diejenige Rich- zahlt gewöhnlich im Ganzen für die Tonne oder
tungslinie angibt, in welder fie zur Vermeidung die Laft, oder die Fracht wird von Wolle, Manu-
aller Gefahren zu fteuern haben. Als Leuchtfeuer|facturwaaren u. dgl. nah Quadratfuß bezahlt.
lommen Landfeuer und jchwimmende euer oder
euerichiffe zur Verwendung.
die Peucht- Apparate auf Gebäuden, Thürmen od.
Pfahlwerlen angebracht, welche auf feſtem Boden,
an Yand oder im Wafjer errichtet find; während
bei letsteren die genannten Apparate an ben
Maften der auf den beftimmten Stellen veranfer»
ten Feuerſchiffe befeftigt werden. Die Leudht-
Apparate werden entweder nach dem Spiegeliyftem,
oder, wie im legter Zeit vorzugsweile, nach dem
Linſenſyſtem gefertigt u. nad ihrer Lichtftärle in
6 Klaſſen oder Ordnungen eingetbeilt. Nach der
Charatteriftit der Apparate umterjcheidet man
folgende Arten von Yeuchtfeuern: feites Feuer,
dejien Licht ununterbrochen u. von gleich bleiben-
der Stärle, weiß oder farbig ift; feites Feuer
mit Blinfen, feſtes Feuer, das außerdem im
regelmäßigen Zeiträumen helle weiße ober
rothe Blinfe zeigt und kurz vor und nad) diejen
Blinten "momentan verſchwindet; Wechielfeuer
erjcheint abmwechielnd roth und weiß, ohne Ber-
dunfelungen; Drebfeuer, allmäblih zur größten
Lichtftärfe zunehmend u. ebenfo allmählich bis zur
Berbunfelung wieder abnehmend. Die Verdunkel—
ungen treten ein in Zeiträumen von 1, 2, oder
3 Minuten, feltener alle halbe od. drittel Minute;
Blinffener zeigt 1—5 helle Blinfe in der Minute
u. verſchwindet in den Bwifchenräumen gänzlich;
Funkelfeuer zeigt 5 oder mehr Blinfe im ber
Minute; Unterbrochenes euer erjcheint plöglich,
bleibt eine Zeit lang fihtbar u. verſchwindet dann
ebenjo plöglih auf kürzere Dauer. Zur Küften-
B. wird nur weißes u., allerdings feltener, rothes
Licht angewandt, während bei der Hafen-B. auch
das grüne Licht mitunter zur Berwendung kommt,
fowie endlich die augeftrebte Verfchiedenartigleit der
Leuchtfeuer, außer dur die aufgeführte Charaf-
teriftit der Apparate u, Farbe des Lichtes, noch
Befreite von Flandern, Congregation der
Bei erjteren find |Benedictiner, der urjprünglichen Megel getreu, daß
die Klöfter den Ordinarien untergeorbnet bleiben
jollten; beftanden in Flandern zc. in vielen Bere»
dictinerflöftern ohne irgend einen Berband unter
ih. Das Tridentinifche Concil zwang dieſe Klöfter
1564, entweder anderen Congregationen fih an»
zuſchließen, oder im eine neue, eigene Eongregation
zufammenzutreten, u. fo entftand diefe unter dem
Borfite des Klofters von St. Waaft zu Arras u.
eine andere franzöj. Kongregation.
Befreiungshalle, monumentaler Prachtbau
auf dem Micaelisberge unmeit des bayerifchen
Stäbtchens Kelheim an der Donau, vom König
Ludwig I. zum Andenken an die deutidhen Be—
freiungsfriege von 1813—15 im J. 1842 be
onnen u. vom König Mar 1868 vollendet. Der
lan des Baumerles ift im italienischen Stil
entworfen, Es bildet eine auf einem breiftufigen
Unterbau von 7 m Höhe rubende, von einer
Kuppel überwölbte Notunde, an deren Mußenjeite
fih eine Galerie befindet. Die Rotunde umgibt
eine Bogenhalle, welche ein 18ediges® Polygon
von 55 m Durchmeſſer bildet. Das Junere, dur
Kuppellicht erhellt, befteht aus einem runden Saal
mit 18 Granitfäulen. Am Fuße einer jeden Säule
fteht eine Victoria, einen ebernen Schild haltend,
auf welchem die Namen der Feldherren und die
Schladtentage verzeichnet find. Trophäen und
Malereien jhmüden die Felder der Gewölbe des
Säulenganges,
Befreiungsjahr (Annus liberationis, A. di-
missionis), 1) das Jahr, in welchen der Berfer-
fönig Kyros die Babyloniſche Gefangenſchaft der
Juden beendigte. 2) So v. w. Gabbathsjahr.
Befreiungsfrieg, j. Rufj.-Deutiher Krieg. -
Defreundete Zahlen (Numeri amicabiles),
jedes Paar ganzer Zahlen von der Beichaffenheit,
durch Anwendung von Doppelfeuern neben oder|daß die eine glei) der Summe aller aliquoten Theile
unter einander vermehrt wird.
Beflogen, heißt 1)das Federwild, wenn es erft
vor Kurzem fliegen gelernt hat; 2) (Forſtw.) mit
ungen Nadelholze (Anflug) bewachſen.
eforiten, Wälder nad den Regeln der Forſt—
wiffenichaft pflegen u. verwalten.
A j. u. Belfort.
Beförfterungsgebühr ift die von Gemeinden
u. Stiftungen, deren Waldungen durch Forſtbe—
diente des Staates mit beaufſchtigt u. bewirth-
ichaftet werden, für lettere an die Staatskaſſe
entrichtete Abgabe. Jede Art von Staatsaufficht
des Privatmwaldbefiges beiteht insbejondere im
Frankreich, wo die B. alljährlih im Finanzgeſetze
eftimmt u. den Walbbefigern nad der Grund»
ftener aufgetheilt wird. In Deutſchland findet fich
diefes Verhältniß noh in Baden, Heſſen und
Braunſchweig, u. ift die B. in Baben fir 6 fr.
auf 100 fl. Walbfteuercapital, jedoch find Ge—
der anderen u. umgefehrtift. B. 3. find z.B. 220
u. 284; denn die aliquoten Theile von 220 find:
1, 2, 4, 5, 10, 11, 20, 22, 44, 55, 110 u. die
Summe derjelben = 284; die aliguoten Theile
von 284 find: 1, 2, 4, 71, 142 u. deren Summe
— 220. 8.3. find ferner 3. B. 18,416 und
17,296; 9,437,056 u. 9,363,584. Stifel behaup⸗
tete, daß B. 3. fih nicht durch Rechnung finden
laffen; doch gaben bald darauf Descartes und
von Scooten Berfahren an, dur Algebra dieſe
Aufgabe zu löfen. Später find allgemeinere Mer
thoden durch Euler, Krafft u. Klügel gegeben
worden. Das Aufluhen ber 8. gehört in die
unbeftimmte Analytik.
Befriedete Sachen (Res sanctae), Gebäude
u. Gegenflände, welche unter dem befonberen
Schuge der Geſetze ftehen; 3. B. Kirchen, Grenz«
zeichen, Adergeräthe ac.; ‘. Res.
Befruchtung (Foecundatio), Allgemein ver-
meinden, welche herlömmlich ihren — Förſter ſteht man unter B. die Bereinigung männlicher
halten, von diefer Gebührenzahlung frei.
Fortpflanzungszellen mit weibliden u. die dadurch
Befradhten, Schiffe und Wagen mit Waaren’!bewirtte Anregung der legteren zur Weiterent-
Befruchtung. 97
mwidelung. 1) Bei dem Menſchen u. bei denj 2) B der Pflanzen. Bei weitaus den meiften
Thieren nennt man diejenige im weiblichen Or-| Pflanzen wird die Fortpflanzung ebenfalls dur
ganismus entjtandente Er aus welcher fi dur |die Bereinigung des Inhaltes zweier Fort⸗
Jellvermehrung u. Wachsthum der neue Dr |pflanzungsaeflen bedingt. Diefe Ietteren find ent-
anismus bilden fol, die Eizelle. Eizelle u. Ei weder glei, aoenigſtens fcheinbar), wie bei ge-
if oft gleichbedeutend, fo bei den Fröſchen; mit-|wiffen Algen (def. Conjugaten u. Diatomeen) u.
unter ıft das Ei indeffen eim recht complicirtes, jeinigen Pilzen; dann heißt die Vereinigung Con—
aus der befruchteten Eizelle entftandenes Gebilde, |jugation oder Paarung; oder fie find, wie bei
wie bei den Bögeln. Im männlichen Organis- |vielen Algen, Pilzen, jowie bei allen Characeen,
mus bildet fi) der Samen, eine eigenthümliche|Moofen u. Gefäßpflanzen, ungleih; dann unters
Filfgfeit, in welcher zahlreiche, fteduadelförmige|icheidet man die eine (Kleinere), welche bei ber
ide, die Samenfäden oder Spermatozoen, um-| Bereinigung ihre jelbftändige Eriftenz verliert, als
herſchwimmen. Diefe find mit felbftändiger Be-|die befruchtende, männliche Fortpflanzungszelle
wegung begabt und murden daher auch wolliSpermatozoid, Pollenkorn); die andere (größere),
Samentbierhen genannt. Der Moment der B. ſwelche den Juhalt jener paffiv in fih aufnimmt,
if num derjenige, im welchem eim oder mehrere|ald die befruchtete, weibliche (Eizelle, Ei), u. die
Samenfären in das Junere der Eizelle eindringen. | Vereinigung ſelbſt heißt B. Doc find Conjugation
Geihieht das nicht, dann geht die Eizelle in derju. B. derart durch allmähliche Übergänge mit
Regel zu Grunde, denn nur felten ift die feg.jeinander verbunden, daß eine ſcharfe Grenze
yungjerngeburt (Parthenogenesis), bei welcher fi zwiſchen beiden ſich nicht ziehen läßt. Indem wir
ein unbefruchtetes Ei zum Thiere entwidelt, wielin Betreff der mannigfahen B-svorgänge bei den
dies bei den Bienen der Fall ift, bei welchen ſich verſchiedenen Klaffen der Sporenpflanzen oder
aus den unbefruchteten Eiern Männchen (Drohnen), Kryptogamen, fowie bei den Gymnojpermen oder
aus den befruchteten dagegen Weibchen (Königin|nadtfamigen Blüthenpflanzen auf die über die
u. Arbeitsbienen) entwideln. Gewöhnlich bedarf|ielben handelnden bejonderen Artikel vermeiien,
es indeffen zur MWeiterentwidelung einer vor-|bejhräufen wir uns bier auf die B. der Angio«
gängigen ®., gleich als ob in dem Cie die Lebens. |fpernien, d. i. derjenigen Blüthenpflanzen, deren
mergie ſchlimmere, bis fie durch den Samen- | Fruchtblätter einen Stempel bilden, die alfo wahre
faden erwedt werde. Man unterfcheidet inmere u. | Früchte hervorbringen. Bei diefen wird die B.
äußere B.; bei erfterer findet die Vereinigung der ſtets dadurch eingeleitet, daß die in den Pollen-
in den beiderlei Geſchlechtsdrüſen bereiteten Pro- |jäden der Staubblätter durch einen eigenthimlichen
ducte in dem weiblichen Körper ftatt; bei letzterer] Zelbildungsproceh entitandenen Pollenkörner auf
außerhalb deſſelben. Innere B. findet fich beijdie Narbe (dem oberen Theil des Stengels) ge-
den Thieren, bei melden eine Begattung ftatt- [langen u. dort durch einen Mebrigen Überzug, oft
findet, jo bei den Säugethieren, Vögeln u. ſ. w. ſauch durch Haare, feitgehalten werden. Dieſer
äußere B, kommt z. B. bei den Fiſchen u. Fröſchen Borgang heißt Beftäubung. Gewöhnlich wird die
dor, bei weichen das Weibchen die Eier (Laich) ablegt | Beftäubung durch Inſecten, feltener duch den
2.205 Männchen feinen Samen über den bereits) Wind vermittelt, noch feltener findet diefelbe ohne
abgefetsten Laich ergießt. Auf diefen Thatfachen| fremde Beihilfe ftatt; ferner wird der Pollen in
beruben die Erfolge der künſtlichen Fiſchzucht, der Regel auf die Narbe einer anderen Blüthe,
melde eben darin befteht, daß man reife Männ-joder ſelbſt einer anderen Pflanze derſelben Art
dm u. Weibchen öffnet, Eier u. Samen heraus» [Übertragen; eine Selbftbeftäubung findet viel jel-
nimmt, zufammenbringt und die auf diefe Weiſe ſtener ftatt, als gewöhnlih angenommen wird.
befruchtetem Eier ſich am geeiguetem Orie unge-[Denn felbft wenn die B-Stheile (Staubgefäße u.
hört weiter entwideln läßt. Auch innere B. fann| Stempel mit Fruchtknoten) im derfelben Blüthe
eine Begattung erfolgen, mie die künſtliche Besfdereinigt find, fo ift doch in zahlreichen Fällen
ftuchtung brünftiger Hündinnen Iehrie. B. u. Be— feine Selbtbeftäubung möglich, theils weil der
gattung fallen in der Negel der Zeit mach micht| Pollen ohne fremde Hilfe nicht auf die Narbe ge
juſammen, da die in die weiblichen Geichlechts. [langen kann, theils weil die Yunctionsfähigleit
ergane gebrachten Samenfäden oft einige Xage|der beiden Geſchlechtsorgane micht gleichzeitig
nöthig haben, um an den Ort zu gelangen, mwojeintritt, In dieſen Fällen ift alfo gerade
das Cichen fich befindet. Die Bereinigung ge-ſſo eine Fremdbeſtäubung möthig, wie wenn
Kbieht in der Regel in den Eileitern, deiijenigen|die Geſchlechtsorgane in verichiedenen Blüthen ent
Organen, durch welche fih das Ei vom Orte|balten wären. Schon 1793 hat Konrad Sprengel
feiner Entftehung, dem Eierftode, nach der Gebär-|(Das nen entdedte Geheimniß der Natur im Bau
mutter hinbewegt. Samenfäden u. Ei müffen daher |u. in der B. der Blumen, Berl. 1793) bewieſen,
ihre Befruchtungsfähigleit einige Zeit, beim Menfchen |daß Inſecten die weſentlichſte Rolle bei der Be—
ea 10—14 Tage, behalten. Die Fähigleit, zu fäubung jpielen und vielfad) eine B. ohne ihre
deftuchten u. befruchtet zu werden, fan in die Hilfe geradezu unmöglich ift. Angelodt aber wer—
Periode der Geſchlechtsreife (f. d.) m. findet fihjden die ufecten durch die Größe, Gejtalt umd
ah nur dann, wenn das männliche IndividuumFarbe der Blüthen, vorzugsweife aber durch ihren
über wohl ausgebildeten Samen verfiigt u. wenn|Yonig. Geranium pratense L. hat große Blüthen,
das Weibchen eın Ei in feinem Gefchledhtsapparat[u. faum nur mit Hilfe der Inſecten Beftäubung
beſitzt. Letzteres ift beim Weibe während u. nach|ftattfinden. G. pusillum Z., mit Heinen Blüthen,
der Menftruation: der Fall, Thiere find nur zur|bejtäubt fich jelbft. Während bei Parnassia pa-
Brunftzeit zeugungsfähig. lustris L. fih die Staubbeutel der Neihe nad auf
Pierers Univerjal-Eonverjations-?eriton. 6. Aufl. IIL Band. 7
98
die Narbe üiberbeugen u. ben Pollen ausftrenen, [örperchen, gebildet; dieſe legen ſich gleichzeitig mit
wird bei den honigreichen Blüthen der Berberize)der Wandung des Embryofades an das Ende
das Überllappen der reizbaren Staubfäden durch des Pollenſchiauches an, aus welchem dann der
Beg — Begarelli.
das Krabbeln der Bienenbeine bewirkt. Bei der
gemeinen Ofterluzei (Aristolochia clematitis L.)
reift der Griffel vor den Staubbeuteln (proto«
gyne Pflanzen), alfo ift Fremdbeftäubung nöthig;
die lange Blüthenröhre ift durch borftenartige Haare
geichlojjen, welche nach innen geneigt u. bis zum
Aufipringen der Pollenjäde fteif find, jo daß In—
fecten zwar in die Blüthen hinein kriechen u. den
etwa an ihnen hängenden Blüthenſtaub auf die
Narben übertragen, aber vor dem Aufipringen
der Antheren nicht wieder herausfommen können.
Erft dann werden fie frei, u. gung bepudert mit
Pollen befliegen fie dann andere Blüthen u. be:
fruchten fie. Bei dem Aron (Arum maculatum L.)
ift es ähnlich; der Pollen der oberen männlichen
Blütben reift erft, wenn die Griffel unten zur B.
untauglich geworden find, fällt auf den Grund ber
tutenförmigen Blütheſcheide u. würde da, geſchützt
vor jedem Luftzuge, unnüg verderben, wenn er
nicht von Inſecten aufgenommen u. nach anderen
Blüthen iibergetragen wirde. Die Kapuzinerkreſſe
Tropaeolum) iſt protandriih, d. h. der Pollen
reift, ehe die Narbe empfängnißfähig wird. Die
nah und nad reifenden Staubblätter Tegen fich
gegen den Eingang zur honigreihen Spornröhre;
zufliegende u. naſchende Inſecten müſſen aljo den
Pollen abftreifen, u. wenn dann zulegt auch der
Griffel gereift ift u. fi vor Die Spornröhren ge-
legt hat, fo erfolgt die B. durch Inſecten mit
Pollen von jüngeren Blüthen. Ahnliche Beiſpiele
u. Beweije dafür, daß die Inſecten die wejent-
lichſten Bermitteler der B. find und von diejen
angelodt werden, ließen fid noh in Menge au-
führen. Darwin hat durch zahlreiche Berfuche die
Angaben Anderer beftätigt, daß bei Gelbft-B. die
Samen weniger zahlreich find, als bei Wechjel-B.,
1. daß die Pflanzen aus dem durch Wechſel-B.
erzeugten Samen fräftiger wadien, als bei
Selbit-B., und auch früher u. reichlicher blühen.
Bol. hierüber u. A.: Darwin, Über die Ein-
richtungen zur B. Brit. u. ausländ. Orchideen
durch Inſecten u. über die günftigen Erfolge der
Wechfel-B., überſetzt von Bronn, Etuttg. 1862;
Hildebrand, Die Gejchlechtsvertheilung bei den
Pflanzen u. das Geſetz der vermiedenen u. um«
vertheülbaften Selbſt-B., Lpz. 1867; Thome, Das
Gefeg der vermiedenen Selbft-B.
Auf die Beftäubung oder die mechanische Über-
tragung des Pollens auf die Narbe folgt dann
der vitale Theil des Gefchledhtsacts, die eigentliche
D-sftoff in eines bderfelben gelangt. In dieſer
befrucdhteten Eizelle, der Keimzelle, beginnt num
ein Zellbildungsproceß, deffen Refultat der Keim—
ling oder Embryo, d. h. die aus Würzelchen,
Stengelhen und eimem oder zwei Keimblättern,
Samenlappen oder Kotyledonen, befiehende junge
Pflanze, ift; während ſich außerdem gleichzeitig im
Embryofade zahlreiche freie Zellen bilden, die
Ipäter zu einem die Eizelle einschließenden Ge—
webelörper, dem Keimlager, Sameneiweiß oder
Endojperm zufammentreten. Diefer gejammte
Borgang kann nur in den allerfeltenften Fällen
in Gegenwart von Waſſer ftattfinden; e8 haben
daher oft die Blüthen einen folhen Bau, daß etwa
aufiallender Negen abgehalten wird. Bejonders
merfwirdig find die Vorkehrungen bei Wafler-
pflanzen, welche die B. ermöglichen. Die unter-
getauchte Trapa natans L, fteigt aus dem Waſſer
während des Blühens empor, u. bei der Vallis-
neria spiralis Z, fteigen die weiblihen Blüthen
an langen, fpirafig ſich aufwindenden Stengeln
zur Oberfläche des Waffers, während die Turz-
geftielten männlichen Blüthen abreifen und auch
auf die Oberfläche des Waſſers fteigen, um ihren
Pollen auszuftreuen, 1) Thonie,
Ben Gegh, türk,, Herr), 1) bei den Türken
ein Landesperweier u. Provinzialftatthalter (Sand—
ihaf-Beg), mweldyer kein Paſcha ift. Er trägt als
Auszeihnung auf dem Turban eine Reiherfeder;
bei Feierlichkeiten u. im Felde wird ein Roß—
ſchweif vor ihm hergetragen. Bgl. Begler-Beg.
2) liberhaupt Titel, welchen man höheren Weilitäre,
Scifiscapitänen u. vornehmen Fremden gibt.
Dega, 1) (Beg) Nebenfl, der Theiß in Un-
garn, in den Comitaten Temes u. Torontal. Der
B-lanal geht von ihm bis zum Temes, von Te-
mesvar bis Becslerel. Man flößt Holz auf dem-
jelben, u. nad) feiner Bereinigung mit der Temes
u. dem Flatſcheter Kanal wird er jdifibar.
2) Feltes Schloß bei Temesvar. Hier am 15. Aug.
1696 Sieg Muftaphas IL über ven Kurfürften
von Gadjen.
Bega (eigentinh Begyn), Eornelis, nie
derländiicher Genremaler u, Kupferjteher, geb.
1620 zu Haarlem, Sohn eines Bildhauer, der
ihn wegen feines ungeorbneten Lebens verftieß;
nannte fi dann B., widmete fich der Malerei u,
ward der vorzüglichfte Schüler von Adrian von
Dftade u. malte in deffen Manier; er fl. 27. Aug.
1664. Werte im Louvre, im Berliner Mujeum
B. Die an der flebrigefchleimigen Narbenflüffig- |u. in der Pinafothef in Münden; 35 Blätter
feit haftenden Pollen quellen u. treiben Schläuche ; gr ee
einer oder einige wachen durch das Zellgewebe
egah, Fluß in Vorder-Fndien; kommt vom
des Griffels hindurch in den Fruchtfnoten, wo ſie Hindu-Kuſch, fließt durch das Pendſchab u. nimmt
mit den Gamenfnofpen (f. d.) in Berührung nach feiner Bereinigung mit dem Sedletſch den
lommen, deren jede einen folhen Schlauh zum/Namen Gharra (f. d.) am.
Zwede der B. aufnehmen kaun. Der Schlaud
gelangt durch den Knofpenmund zu dem Embryo»
Bepafanal, |. u. Bega 1).
Begarelli, Antonio, ital, Bildhauer, geb. 1498
jade, einer durch bejondere Größe ausgezeichneten zu Modena m. geft. daſelbſt 1565; Schüler Guido
Zelle im inneren Zellgewebe des Knoſpenkernes.
Im Einbiyejade haben ſich, u. zwar am Scheitel
deffelben, ſchon vor der B. eine oder gewöhnlich
anzonis, leitete Vorzüigliches in Figuren aus
Terracotta, denen er die Farbe des Marmors
gab. Er foll den Eorreggio unterrichtet u. ihm
zwei Eizellen, die fog. Keimbläschen oder Keim-!die Figuren zur Kuppel ım Dome zu Parına in
99
Thon mobellirt haben, damit diefer die Berfürz- Berliner Börſe. Im nächſten Jahre erhielt B.
ungen derfelben richtiger zeichnen lönnte. Werleleinen Ruf als Profefior an die Kunftfchule zu
jaft ſämmtlich untergegangen. Michel Angelo fol|Weimar, gab diefe Stellung aber bald wieder auf
gegenüber B⸗s Tchonfiguren ausgerufen baben:ju. fehrte nach Berlin zurüd, um von da nad
webe den Antifen, wenn diefe Erde Marmor|Paris u. Stalien zu gehen. Um dieje Zeit bewarb
Begas — Begattung.
mürde! jo viel Wahrheit, Gefühl, Schönheitsfinn,
Sicherheit der Technik u. Zartheit der Ausführ-
ung zeigen fie.
Degus, 1) Karl, berühmter Maler, geb. 80.
Sept. 1794 zu Heinsberg (Rheinpropinz); widmete
fi der Hiftorien»- u. Porträtmalerei. Er ging im
vie Schule des Pe Gros nad Paris, fuchte fich
er fih um die Ausführung des Königsdenkmals
in Köln, wofür er den eriten Preis erhielt, u.
1862 befand er fih unter den Goncurrenten für
das Gchillerdentmal in Berlin, wobei er feine
Dlitbewerber nah langen Kämpfen überwand,
Aus dem Jahre 1864 datirt feine berühmte, aber
auch vielfah angefochtene Gruppe: Venus mit
nad feiner Rückkehr in das deutſche Baterland|dem verwundeten Amor, weldher 1866 jein Bad
(1821) u. noch mehr darauf in Stalien (1823)|eines Mädchens folgte.
der älteren Florentiniſchen Schule zu nähern,
nahm jpäter eine mehr der Natur verwandte
jormen» u. yarbengebung an. 1826 nad) Deutich-
and zurüdgelebrt, lebte er in Berlin, wo er Pro-
fefor u. Mitglied des Senats der Kunftaladente
wurde u. 24. Nov. 1854 ftarb. Seine hiftorischen
u. Genrebifder treten durch edle Auffaflung,
harte Charatteriftil, Klarheit der Compofition u.
narbe, forgfältige Ausführung hervor; es paart
sh in ihnen denlender Geift u. lebhafter poetiicher
Zn mit vollendeter Technil. Aus feinen Por:
träts ſpricht Naturwahrbeit u. Treue neben ftil-
voler Auffaffung. Werke: Eine Himmelstönigin,
in der Galerie Bellevue; Hiob; Chriftus am
Olberge; die Ausgießung des Heiligen Geiftes,
in der Domfirche zu Berlin; die —— ſeines
Vaters, in Köln; die Taufe Chriſti (in der zweiten
Manier), in der Garnifonfirche zu Potsdam; Auf-
ertehung Ehrifti, im der Werderſchen Kirche zu
Berlin; die Loreley, nach Heine; Heinrih IV. ın
Canofja; der Zinsgrofhen; Chriftus am Kreuze
u.a, u. viele Porträts hervorragender Männer
Preufens in Der Königl. Galerie. Die >
"tung diefer Porträts wurde nad ſeinem Tode
feinem Sohne Ostar B. aufgetragen, von welchem
Boch, Joh. Müller u. Ehrenberg gemalt wurden.
2) Ostar, Hiftorien- u. Borträtmaler, Sohn des
vot., geb. 30. Juli 1828 in Berfin; ftudirte in
Kom u. malte u. a. eine Kreuzabnahme, die Ber-
treibung aus dem Paradiefe nah dem Sünden»
fale u. die Salzburger Emigranten in Potsdam;
dum fette er die vom feinem Bater begonnene
Galerie berühmter preuß. Künftler und Gelehrter
für König Friedrich Wilhelm IV. fort u. befchäftigte
fh aud vielfach mit decorativer Malerei. 8) Rein-
bald, deutfcher Bildhauer, geb. 1831 in Berlin,
Bruder des Bor.; erhielt vom Bildhauer Wich—
mann den erften künſtleriſchen Unterricht, feit
1354 von Rauch. In jener Beit entſtand bie
Ömppe: Hagar u. Fsmael, durch welche B. in
neiteren Kreiſen befannt wurde. In die Fahre
1854—58, welche B. größtentheils in Italien zu-
drachte, fällt feine volle künftierifche Entfaltung.
&r fiudirte dort außer der Antile namentlich
Fihel Angelo. Die Früchte diefes Studiums find
bie Gruppe: Piyche mit der Lampe über dem
IHlafenden Amor, für Oppenheim; dann die
Gruppe: Ban die verlaffene Piyche tröftend (letz ⸗
tere nur in Gips ausgeführt), wofür er in Parıs
u. Brüffel die goldene Medaille erhielt. Ihr
jelgte 1860 die höchft originelle Faunen⸗Familie
u die Auffehen erregende Giebelgruppe für bie
Im nächſten Jahre fchuf
er feinen Pan als Mufifiehrer, u. 1869 vollendete
er fein Schillerdenkmal. Auch eine Reihe Heinerer
Arbeiten u. trefilicher Borträtbüften verdanft man
feinem Meißel. B. folgt der Richtung der Plaftit,
welche auf maleriiche Wirkung binarbeitet, was
ihm den Namen des Rubens der Plaſtik einge-
tragen. Seine reihe Begabung, fein ausgebildeter
Sinn für Schönheit der Yinien wie der Form im
Ganzen u. Einzelnen fichert dem Künſtler eine
ebhrenvolle Stelle unter den Plaftitern der Neuzert,
unter denen er in gewiſſem Sinne jelbft als Re—
generator erſcheint. Seine Gegner aber werfen
ihm vor, er thue Unrecht daran, feine Motive
vielfach der engeren realiftiichen Sphäre zu ent«
nehmen u. feine Behandlung des Dialerifchen bis
zum Genrehaften zu übertreiben. Ju der That»
lade, daß alle heutigen Schöpfunger im antiken
Geifte u. mit antifen Motiven felbft im günftig«
ften alle nur Reminiscenzen bleiben, beruht der
Grund der Forderung einer modernen Behandlung
der Plaftil, als deren Hauptvertreter B. zu be
traten u. die nur in der malerifchen Behand—
[ung zu erzielen if. Als die neueſten Arbeiten
Bes find zu neımen: eine Sujanna das Gewand
umnehmend u. eine Statue der Königin Yuife von
Preußen in darreichender Stellung, die deutfche
Kaiferfrone in den Händen baltend (für den Kaifer
Wilhelm beftimmt), jomwie eine Kindergruppe um
einen Candelaber geordnet. 4) Adalbert Franz
Eugen, Hiftorien- u. Porträtmaler, Bruder des
Bor., geb. 1836 in Berlin; war erft Kupferftecher,
ftudirte dann in Paris u. bei Bödlein in Weimar.
Sehr geſchätzt find namentlich feine weibl. Porträts.
Regnet.
Begattung (Coltus), beim Menſchen auch
Beifhlaf, nennt man die Bereinigung eines
männlichen u. eines mweiblihen Individuums zum
Zwede der Befruchtung u. der davon abhängen«
den Fortpflanzung, wobei das männliche Glied
in die weiblichen Organe eingeführt wird, Cine
bloße Annäherung der beiden Geſchlechts—
individuen, wie fie z. B. bei gewiſſen Fiſchen
ftattfindet, welche ſich gegenfeitig an einander reiben
u. dann gleichzeitig ihre Zeugungsſtoffe, Eier u.
Samen, ın das Waſſer ergießen, hat man eben-
falls, wiewol nicht mit Necht, B. genannt u. als
äußere B. von der eigentlichen, inneren B. un—
terjchieden (die richtige Bezeichnung ift äußere u.
innere Befrudtung, f. d.). Bei der B. wird
der in den Geſchlechtsdrüſen des Männchens be-
reitete Samen in die weiblichen Geſchlechtsorgane
gebracht, um hier die Befruchtung (f. d.) zu voll»
jr
100
ziehen. B. ift indeſſen feine nothwendige Beding-
ung der Befruchtung, aber bei vielen Fhieren u,
den Menſchen ein — Auslunſtsmittel, die
beiden Arten von Keimgebilden, den männlichen
Samen u. das weibliche Ei, zuſammenzubringen.
Die damit verbundenen Nebenverhältniffe dienen
zur Sicherung der Fortpflanzung. Da dieje nicht zu
den individuellen Exrhaltungsbedürfniffen des Ein-
zelthieres gehört, wie 3. B. die Nahrung, fo wird
dur Blutandrang nach den Geichlechtstheilen zc.
ein Nervenreiz hervorgebracht, deſſen Folge ein
änßerft fräftiger Geichlehts- u. Begattungstrieb
it. Diefer, ſowie Wolluftgefühle, welche die Be—
gattung begleiten, bilden gleihfam den Köder,
den die Natur zur Erreihung ihres Hauptzwedes,
der Erhaltung der Orgunismen, ausgemworfen
hat. Bei den meiften Thieren ift der Geſchlechts—
trieb und damit die Begattung an eine gemiffe
Jahreszeit, die Zeit der Brunft gebunden.
Manche Thiere begatten fi nur einmal in jeder
Brumftperiode, andere häufig; bei einzelnen dauert
die B. lange Zeit, bei anderen ift fie nur mo»
mentan, Letteres findet ſich 3. B. bei den Pferden,
bei welchen auch die Stute, fobald fie fich ber
ſchlagen fühlt, den Hengft miht zum zweiten Mal
annimmt, vielmehr abichlägt; erfteres dagegen
3. B. bei den Bären, welche ſich zur Brumiizeit,
etwa 4 bis 6 Wochen lang, täglid längere Zeit
begatten; öftere B. findet fi) aud bei Katzen,
Sperlingen u. a. Alle Säugethiere u. Vögel, die
meiften Reptilien, Infecten, viele Würmer zc. be-
gatten fi. Zwitterthiere, welche beiberlei Ge-
ſchlechtsorgane in fi tragen, begatten fih auch
wechſelsweiſe, 3. B. viele Schneden, bei welchen
das eine Individuum erft das andere begattet,
danı von dieſem begattet wird. Bei ben mei-
fien Thieren erftredt fih die Wirlung einer B.
nur auf einen einmaligen Beugungsact, bei ande—
ren dauert fie oft jahrelang an, fo bei den VBienen-
föniginnen, welche nur einmal, auf ihrem Hod)-
zeitsfluge, begattet werden, danı aber im Verlaufe
v.ca. 5 Jahren gegen 1 Million Eier legen. home.
Begehr, jo v. w. Nachfrage:
Begehren. Das B. ift ein im fich einfacher,
primitiver feeliiher Zuftand, der in feiner be-
ſtimmten Art u. Weife nicht mehr definirt, fon-
dern von jedem Einzelnen, der den Buftand ken—
nen lernen will, ſelbſt erfaßt u. beobachtet werden
muß. Das B, wird allein dur die Wahrnehm-
ung oder Vorſtellung der Urſache einer Luſt oder
eines Schmerzes erwedt. Iſt die Urſache der Luft
verwirklicht, die des Schmerzes befeitigt, ſo erliſcht
es. Bol. die Art. Willen u, Trieb,
Begeifterung, die ungewöhnliche, jedes andere
Jutereſſe ausjchließende Erwedung des inneren
Geſammtlebens durch Liebe u. Berehrung eines
Gegenſtandes, oder durch religiöfe, Tünftlerifche,
philofophifche, politifhe Anjchauungen und Ideen.
Sehr verfdiedentlih find ihre Gründe a. Ziele;
überall jedoch ift fie eine mächtige Steigerung,
Begehr — Begierde.
fann aber au, wenn fie ausdauert, fortwirkt, in
entiprechender Weife wiederkehrt, wenn ihr bie
erforderlihe Begabung uud die Thatlraft fi zu-
gejellen, zur Leiſtung, zum Werte aus fi ber-
ausgehen und darın ihren befriedigenden Aus-
drud erlangen. In diefem Sinne wird fie na-
mentlich dem künſtleriſchen u. dichterishen Genius
beigelegt; bier tritt auch mit voller Klarheit die
ureigene Bedeutung des Wortes hervor, die darauf
hinweift, daß im Yuftande der B. die Seele von
einem höheren, unendlich über fie hinausragenden,
Göttlichen, ergriffen wird. Auf dem religiöfen
Gebiete heißt diefe B. Prophetie, Infpira»
tion, Theopneuftie. Zur Hervorbringung größer
ver Kunftwerte ift eine nachhaltige und ſich öfter
wiederholende B. u. die Weisheit in ihrer Ber«-
werthung erforderlih. Der Künftler kann fich
nicht auf fie allein verlaffen; er muß auch ange»
ftrengt arbeiten, jonft würde niemals ein um«
fafjendes Hunft- oder Dichterwerf zu Stande fom-
men. Den höchſten Grad der B. pflegen wir alg
Enthufiasmus (f. d.) zu bezeichnen; er kann
unmöglich, wenn er nicht zur Geiftesftörung füh-
ren fol, von langer Dauer fein: vpr der Thür
der Berziidung fteht der Wahnſinn. Menjchen,
die aus Mangel an Befonnenheit u. Schärfe des
Urtheils leicht für die Erjheinungen des Lebens,
der Kunft und der Wiſſeuſchaft begeiftert werden,
nennen wir eraltirt. Verwandt mit der B. ift
die Shwärmerei, welde fih im Haffe und der
Berfolgungsfudht des Gegenjages zum Fanatis-
mus fteigert,
Et. Begaha (Begga), Tochter Pipins von
Landen, Herzogs von Brabant; war vermäblt mit
Anfegifil, Sohn des Biſchofs Arnulf von Meg, u.
wurde von ihm Mutter Pipins von Heriftal; fie
ftiftete 696 das Fraueuklofter Andenne an der
Maas, yo fie um 698 ftarb; Tag: 17. Dec.
Begharden (Beguini), religiöje Männergejell-
haften, den mweiblichen Genofjenjchaften der Be»
guinen nachgebildet, ſchon 1220 in Löwen. Ihnen
ſchloſſen fi namentlich viele von den unter Papſt
Johann XXIL ausgeftoßenen Franciscanern (Fra-
tricelli) an. Später ließen fie ſich vielfach mit
den Brüdern des Freien Geiftes, mit Waldenjern
ein, daher fie oft verfolgt wurden (der Begharde
Berthold zu Speyer 1359 verbrannt). Die von
Kegerei freien Elemente befahl Gregor XI. 1374
u. 1377 unter dem Namen Lollharden zu dulden.
Dem Zertiarierorden der Franciscaner einverleibt,
beftauden fie in Belgien bis ins 17. Jahrhundert. '
Tracht: grober grauer Rod mit runder Kapuze,
rauer Mantel, darüber ein graue Scapulier,
©. Bequinen. —
Beghardinen, ſo v. w. Beguinen.
Beglerde iſt das entweder auf einer ange»
borenen Empfänglichteit beruhende, oder gewohn-
heitömäßig erworbene, andauernde und hierdurch
babituell gewordene Begehren nad) einer beftimm«
ten Urſache der Luft. So mannigfaltig als dieſe
eine energiihe Goncentration des Gemüthes auf letzteren find, fo mannigfaltig find auch die erfteren,
irgend eine Stelle des inneren u. äußeren Lebens. | Das Begehren nad Luft aus dem Leibe wird zur
Ste kann ſich in die menſchliche Bruft verjchlie-| Gefräßigfeit, Trunkſucht, Wolluft; das Begehren
pen, in ihr verglüben; fie fan ihre Lebens- nach Luft aus dem Wifjen zur
Wißbegierde oder
äußerung auf leidenſchaftlich bewegte Reden, ja falls dieſe Luft launenhaft und ohne Conſequenz
auf dunkle, abgeriſſene Worte bejchränfen; fielauf Einzelnes geht, zur Neugierde; das Begehren
Begießen — Begnadigung.
101
nah Luft aus der Ehre zur Prunffucht, nach Luft|bei u. außer Gericht durch jchriftlich legaliſirte Boll«
aus der Macht zur Herrichfucht, Streitfucht, beil macht.
Frauen auch zur Kofetterie oder Gejalljucht; nach
ft aus fommender Luft zur Speculationswuth,
Projectenmacherei, leidenſchaftlichem Spiel x.
Ein großer Theil der Erziehung befteht darin,
die Empfänglichfeit für einzelne Arten der Luft u.
der Ben danach abzuſchwächen, oder zu —
olf-
Begiehen der Pflanzen; geihieht, um dem
Boden die zum Wachsthum der Pflanzen nöthige
Feuchtigleit zu geben, richtet fich daher theils nad)
der Witterung, theils nad der Art u. Größe der
Manzen. Samen u. Heine Pflanzen werden oft
a. nur oberflähhlih begoffen, größere dagegen
feltener, dann aber fo ftark, daß das Waffer den
Boden bis an die Wurzel durchdringt; es erfordert
ſtets große Borficht, foll weder bei heißem Son»
nenideine, noch vor möglichem Froſte geicheben,
wird am beften morgens früh oder gegen Abend
vorgenommen, am wirliamjten bei mildem Regen.
Gewöhnlih wird mit der Gießkanne begofien,
Samen u. Pflanzen mit der aufgeſetzten Braufe;
bei größeren Pflanzen ift es gut, zuvor den Bo—
den um biefelben etwas zu entfernen u. nach dem
®. wieder zu ebuen, damit er loder bleibt u.
nicht an der Oberfläche feſt wird; bei kranken od.
Ihwählihen Pflanzen geichieht e8 mäßiger, als
bei fräftig wachienden; zur Zeit ſtarker Blattbild—
ung, der Blüben- u. Fruchtentwickelung mehr,
als beim Abfterben u. der Fruchtreife, wo es oit
ſchadlich wirlt. Bei größeren Bäumen werben bie
Löcher zum B. nicht diht am Stamme, fondern
in der Entfernung gemacht, welche der Umfang
der Stone hat, weil ſich dort die meiften Heinen
Burzen im Boden befinden. ZTopfpflanzen müſ—
fen ſtets von oben begoffen werden, mit Aus-
nabıne der Sumpfpflanzen, bei welchen das B.
in Unterfägen geftattet iſt; es darf nur geſchehen,
wenn die Erde ziemlih ausgetrodnet iſt, dann
aber fo ſtark, daß das Waſſer den Topf ganz
durchdringt, wobei der etwaige Überfluß durch das
im Boden befindliche Loch abfliefen fann. Das
befte Waffer zum DB. ift Negen- oder weiches
Aue oder Teichwaſſer; Brunnen- oder Duell
waſſer muß zuvor längere Zeit der Luft u. Sonne
ansgejett fein, Damit e8 wärmer u. weicher wird;
wenn man zugleich mit dem B. büngen will, fo
lann man dem Waſſer etwas Miftjauche zuſetzen,
oder in Waſſer aufgelöften Guano u. ähnliche, je-
doch jehr verbünnte Düngftoffe anwenden. Wolde.
Beglaubigung, die von Amts wegen erfolgende
Bezengung über bie Nichtigkeit einer Thatfache,
de Echtheit eines Schriftſtückes, einer Sadje, auch
über das Beſtehen eines Auftragverhältniffes.
Bihrend amtlihe u. notarielle Urkunden durch
Form u. Beibrüdung des Siegels ſchon ihre B.
haben, werden Privaturfunden u. Unterfchriften
erſt durch eim öffentliches Zeugniß darüber, daß
der Schreibende vor Gericht oder Notar oder
einer anderen öffentlichen Behörde ſich dazu be-
fannt hat, Abfchriften im Bezug auf ihre Über-
Im Proceh haben beglaubigte Abjchriften
von öffentlichen Irkunden volle Beweistraft. Die
ftaatlihen Gefandten erhalten bei fremden Mäd-
ten ihre B. durch ein Schriftftüd, B-sichreiben,
Ereditive (Lettres de er&ance), welches die Stell-
ung deffelben für die ihn empfangende Regierung
beurfundet, Name u. Charakter des Gejandten
angibt u. die Natur des ihm ertheilten Auftrages
bezeichnet. Dieje Schreiben richtet der entiendende
Souverän (oder in nicht monarchiſchen Staaten
die höchfte Erecutivgewalt) an den empfangenden
Souverän; deshalb auch befondere Feierlichkeit bei
Empfang eines feine Creditive übergebenden Ge-
fandten, von welcher Übergabe ab der Gefandte
erft amtlich als accreditirt erfcheint, wenn er auch
vorher ſchon die Privilegien eines ſolchen N
agai.
Begleitſchein iſt die zollamtliche Urkunde,
welche ertheiit wird, wenn die zollpflichtigen
Waaren von der Grenze auf ein Amt im Innern
oder zur Durchfubr abgelaffen werden jollen, oder
wenn nach dem Antrage des Declaranten die Er—
bebung des dur jpecielle Reviſion ermittelten
Eingangszolles bei einem anderen dazu befugten
Zollamte erfolgt. S. Bereinszollgefeg v. 1. Juli
1869, 8$ 41 fi u. $ 61 fi.
Begleitung, jo v. w. Accompagnement.
Begler-Beg (türk., Herr der Herren), Titel der
türkischen Statthalter in Rumelien (Sophia), Ana«
tolien (Kiutahtia) und Syrien (Damast), melde
Paſcha find, im Range nah dem Großvezier
jtehen u. als Zeichen ihrer Würde 3 Roßſchweife
führen. Sie find zugleich die militäriſchen Gou—
verneure der Provinz, Begler-Belilk.
Begliederung (fr. Emmanchement), in ber
Kunft 1) —— der Glieder mit dem Rumpfe
u. unter einander. 2) Die Art, wie dieſe geſchieht.
Eine gute B. muß ungeſucht natürlich ſein u. durch
den Faltenwurf hindurch die Glieder erlennen
laſſen, ohne darin zu weit zu gehen.
Beglik (türt.), 1) Herrnertrag, d. h. Früchte,
beſ. Äpfel, welche frei auf Bergen u. Heiden wach—
ſen u. dem Spahi gehören, ſofern nicht ein Au—
derer mit deſſen Erlaubniß ſie gepflanzt hat.
2) Der Schatz des Kaiſers aus folhem u. ähn-
fichem Ertrage. B.-Kalemi, Erpedit der Fer—
mane u. Archiv der Staatsurkunden.
Beglifdfchi-Effendi (türt.), Staatsreferendar,
entwirft nur die Auffäge von größter Wichtigkeit
u. firengftem Geheimniß. Er ag = alle Sers
mane od. Depefchen u. ift neben dem Meltubdſchi,
dem Kanzler des Vortragsminifters, zum Theil
dem Reis-Effendi zugeordnet.
Begnadigung (lat. Aggratiatio, Indulgentia,
Abolitio), das der höchſten Gewalt im Staate
zuftehende Recht, Berbrehen od. Straferlenntniffe
in gewiſſen rechtlihen Beziehungen zu tilgen, oder
zuerfannte Strafen zu mildern. Die B. erfolgt:
entweder a) vor vollendeter richterliher Unter»
fuhung od. doch vor gefälltem Straferfenntniß
u. beißt dann Abofition; od. b) nach geiprochenem
einftimmung mit dem Urfchriften durch amtliches Urtheil u. ift dann vollftändige B. durch Auf-
oder notarielles
eugniß (Fidemation, Bidimation)|bebung aller Strafe, od, unvollftändige B.
dt Stellvertreter von Privatperfonen er-|durd Aufhebung nur eines Theils od. Milderung
halten ihre B. zu Verhandlungen u. Abjcplüffen'der Art der Strafe; od. c) mad bereits einge
102
tretenem Strafvollzuge, entweder durch Erlaß des
noch zu verbüßenden Strafrejtes, od. durch Ber-
nichtung der rechtlichen ‚Folgen einer verbüßten
Strafe u. heigt dann Reftitution od. Rebabilitirung.
Als eine beiondere Art der B. unterjcheidet man
noch die Ammeftie (f. d.) od. den Generalpardon,
d.h. B. aller wegen beftimmter Berbrecdhen oder
Vergehen Verurtheilten aus einem außerhalb der
individuellen Verhälmiſſe der Begnadigten liegen—
den Anlaffe. Die Möglichleit der B. entipringt
aus dem Begriffe u. Weſen der Staatsgemwalt,
die, während der Nichter bloß das Hecht zu üben
u. bei feinem Urtheil den Menfchen nur in recht
licher Beziehung zu denfen bat, höhere Rückſichten
nehmen u. die befonderen Berhättniffe des be-
ftraften oder ftraffälligen Individuums in Mech
nung ziehen darf u. muß. Die B. joll ein Aus-
gleich des Unrechtes des formalen Strafrechtes jein
u. ift deshalb ein überall anerkanntes, unver-
äußerliches Recht des periönlichen Inhabers der
Staatsgemwalt. Die Gründe, ob in einzelnen Fällen
B. zu üben fei, fünnen theils von der objectiven
Seite des Verbrehens hergeleitet werden, 3. 2.
wenn die ftrafbare Handlung aus einer endemi—
ichen Verwirrung der rechtlichen, bezw. politischen
Anſchauungen entiprangen u. jo Diele fidh der-
ſelben fchuldig machten, daß die volle Streuge des
Geſetzes in Ungerechtigkeit übergeben u. zur Er-
haltung des Anſehens deſſelben nichts beitragen
würde; theil$ von der jubjectiven, 3. B. von
früheren ganz bejonderen Berdienften des Ber:
brechers 2c. Unter der Geltung der älteren Straf:
gejege, die faft nur abjolute Strafen androhten,
war eine häufigere Übung des Besrechtes um fo
mebr geboten, je mehr Diele Geſetze binter den
Anforderungen einer vorgeichrittenen Zeit zuriid»
geblieben waren, Die neueren Berfafjungsurfuns
den erfennen daffelbe, u. daß der Laudesherr an
eine Concurrenz der Stände dabei nicht gebunden
ſei, meift ausdrüdih an. Nur beichräufen es
Einige theils hiuſichtlich gemilfer Arten der B.,
wie 3. 8. der Abolition, tbeil® binfichtlich bes
ftimmter Berbrechen, wie Berlegungen der Ber»
fafjung, Dienftverbredhen der Staatsdtener ac.;
auch bei Amneſtien wird die Mitwirkung aller ge-
ſetzgebenden Factoren meiſt nothwendig befunden.
Die Wirkung der B. beſtimmt ſich in jedem ein—
zelnen Falle aus dem Inhalte des B-Sactes; keines—
falls fann fie die wohlerworbenen Rechte Dritter
verändern, da ja dieſe überhaupt der Verfügung
der Staatögemwalt entzogen find. Ein Berzicht auf
die B, ift unftatthaft, da der Verurtheilte Fein
Recht auf den Vollzug der Strafe, fondern nur
darauf bat, daß diefe nicht härter, als der Urtheils-
ſpruch beftimmte, vollzogen wird; doch ift dieſer
& nicht ohne Gontroverfe; jo brachte vor Jahren
ein von der ſchwediſchen Regierung verfolgter u.,
ba die alte ——— für den gegebenen Fall
feine andere als die Todesftrafe fannte, zu dieſer
verurtheilter Schriftfteller die nämliche Regierung
im ziemliche Berlegenheit, da er die Begnadigung
zu einer anderen Strafe hartnädig abwies; man
mußte eine allgemeine Amneftie erlaffen, um über
die Schwierigkeit hinwegzulommen. Grotefenb.
Begonia L., Pflanzengatt. aus der familie der
Begonia.
Begon, Jutendanten auf St. Domingo, benannt;
umfaßt etwa 350 Arten, von denen eine große
Anzahl wegen der jchönen fleiidhigen, im ben
verichtedenften Niüancen des Grüns variirenden,
mannigfach geftalteten fchiefen Blätter u. der mit-
unter jehr Schönen, reichblüthigen Biüthenftände in
unferen Gewähshäufern cultivirt wird. Bu
den hervorragendften Arten gehören B. boliviensis
DC,, mit fchmalslangettlihen, jehr ſchiefen Blät-
tern, großen, rofa gefärbten Blüthen u. zablreichen,
an gejtredter Blüthenachfe fisenden Staubbfättern,
von Bolivia. B. fuchsioides Hook., halbitraudh-
artig, reich verzweigt mit verfehrt-eiförmigen,
fiedernervigen, ſcharf gefägten, furz gejtielten, dun-
felgriinen Blättern u. purpurrotben hängenden
Blüthen, von Neu-Granada. B, incarnata Lk.
d Otto, ftraudig, fabl, mit fchief eiförmigen, an
der Bafis berzfürmigen, unregelmäßig gelappten,
gefägten Blättern u. fleifchrothen, hängenden Blü-
thv:, aus Merico. B. Evansiana Andr. (B. dis-
coror Smith), mit nolligem Grundftode, ſchief—
eiförmigen, gezähnten, oberwärts grünen, unter»
ſeits vöthlihen Blättern u. bellvofa gefärbten
Blüthen, aus China. B. incana Lindl.,, aus
Merico, ausgezeichnet durch diden, graufilzigen
Stengel u. ſchildförmige, fchiefeeiförmige, faft ganz-
vandige, ebenfalls graufilzige Blätter. B.manicata
Brongn,, mit jchief-eiförmigen, ſehr fpiten, ge—
zähnten, gemimperten, unterfeitS mit purpurnen
Schüppchen verjehenen Blättern, von Merico, B.
Rex Putzeys, aus Oftindien, mit. didem Rhizom,
großen, eiförmigen, an det Bafis berzförmigen,
furz zugeipigten, geferbten, zeritreut behaarten,
dunkelgrün u, filbergrau gefärbten, metalliſch glän»
zenden, auf rothen Stielen fitenden Blättern u.
großen, hellroſa gefärbten Blüthen; dieſe Art,
ſowie auch einige andere laffen ſich auch leicht aus
Segmenten der Blärter vermehren, welde, auf
feuchte Erde gelegt u. vor Fäulniß geichiitt, zahl
reihe Knoſpen entwideln, die zu felbjtändigen
Pilanzen erzogen werden können. Die Zahl der
in unferen Gewächshäuſern cultivirten Formen
vermehrt ſich von Jahr zu Jahr nicht blog durch
neue Einführungen, fondern auch durch künſtlich
gezogene Baftarde; ſo iſt z. B. B. Verschaffeltiana
Regel ein Bajtard, entftanden durch Befruchtung
der B. caroliniaefolia Regel mit dem Bollen der
B. manicata Brongn,
Zu diefen zahlreichen Arten u. Abarten unferer
Gewächshäuſer u. Zimmer gehören noch von halb-
ftrauchartigenz.®.: B.subpeltata, .B. viridis punc-
tata, B.hybrida floribunda, mit ſchönen, oft im
Winter erſcheinenden Blüthen; von frautartigen
u.a.: B.ricinifolia,B.heracleifolia. B.smaragdina,
B.hydrocotylefolia, B. argyrostigma, B.zebrina n.
v. a., die mit ihren großen, ſchön gefärbten u. ge-
zeichneten, oft metalliih glänzenden Blättern als
Blattpflanzen beltebt find, zumal ihre Cultur nicht
ſchwierig u. aud an nicht jehr hellen Plägen nocy
möglich it. In fandiger Humuserde gedeihen fie
am beften; die halbitraudhigen werden im Som-
mer durch Stediinge, die frautartigen leicht durch
Blattftedlinge vermehrt, einige knollige Arten, 3.8.
B. Evansiana u. B. diversifolia, durch Theilungder
Kuollen während des Abfterbens der frautigen
Degoniaceen (XXI. 9), von Plumier nad Michael] Theile im Winter; nachdem biefe daun troden
Begoniaceae — Begriff.
fiebengelafjen, werben die Knollen im März in
fandige Humuserde gepflanzt u. etwas warm geitellt.
(Bot) Engler. (Gärtn) Wolde.
Begoniaceae, dilotyle Planzenfamilie aus der
103
grabens von Scheintodten unterfagen, tbeils die
Defientlichleit der Beerdigungen (menigftens das
Mitwiffen der Polizeibehörde), oder theils den
Schub des Grabes, bez. des ganzen Begräbniß-
Abtheilung der polypetalen Difotgledonen, mit|pfages u. die äußere Umngeftörtheit bei der Be-
afgmmetriichen, eingeſchlechtlichen u. einhäufigenjerdigung (3.®. Verbot von Grabreden) bezwedten
Blüthen. Die männl. Blüthen befiten meist 2|(polizeil. Begräbnigordnungen). Die Kathol. Kirche
gegenfländige, in der Knoſpenlage Happige Kelch-
fätter u. feine oder 3—5 Blumenblätter, ferner
zebfreiche, der mehr oder weniger geftredten Blü—
thenachſe auffigende Staubblätter; die weiblichen
Blüthen befiten 2—5 oberftändige Blumenblätter,
bisweilen auch mehr, u. einen unterftändigen, drei—
fantigen, ungleichjeitigen, oft ftarf geflügelten, 1-
oder 3-, jeltener mehrfächerigen Fruchtknoten u.
2—5 freie oder an der Bafis mit einander ver-
wadiene, oft 2jpaltige, entweder überall mit Nar-
benpapillen befete, oder mit einem fpivalig ge—
wundenen Narbenftreifen verjehene Griffel; Frucht
meist eine fächerfpaltig aufipringende Kapfel, deren
zahlreiche Heine, längliche Samen einen verfehrt-eiför:
migen od. cylindriichen geraden Embryo mit ſehr klei⸗
nen Kotyledonen einjchließen. Ale Arten der Fa—
milie find faftige Kräuter, oder auch perennirende
Halbfträucher, mit aufrechtem, einfachem oder ver-
jweigtem, feltener Hetterndem Stengel, bisweilen
auch mit fnollig verdidtem Rhizom, mit abmed)-
feinden, umgleichfeitigen, ſchiefen, handnervigen,
ungetheilten oder gelappten oder handförmig ge-
theilten Blättern, an deren Baſis 2 häutige ab-
fllige Nebenblätter ftehen; die oft prächtigen,
weiß, rofa, gelb oder voth gefärbten Blütben ftehen
in wiederholt gabelig verzmeigten, achſelſtändigen
Blüthenftänden. Ben den beiden zur Familie ger
börigen Gattungen ift die eine, Hillebrandia
Ölicer, duch 5 Kelchblätter u. 5 Blumenblätter
m den männl, Blüthen ausgezeichnet, auf die
Sandwichs ⸗ Inſeln mit einer Art beichränft, während
die andere Gattung Begonia alle iibrigen Arten
umfaßt, welche im tropiichen Amerika, im tropi-
iben, jenfeit8 des Ganges gelegenen Aſien u. im
füdlihen Afrita vorlommen. Engler.
Begräbniß, 1) der Act des Verſenkens von
Leihen unter die Erde, im Gegenſatze von Leichen-
verbrennung (j. d. Art.). 2) Die dabei üblichen
religiöfen u. auch profanen Geremonien u. Ge:
bräude. 3) Die Gruft oder das Grab für die
Aufnahme einer Leiche. Die fir die allgemeinen
Beerdigungen hergerichteten Begräbnißpläge(Atria,
Kirchhöfe, ſofern fie die Kirche umgeben, Todten—
oder Friedhöfe, Leichenfelder, Gottesäder) find
entweder im Eigenthum u. unter Berwaltung der
volittichen, oder beftimmter firchliher Gemeinden.
Im letzteren Falle follen nur die Leichen der An-
gehörigen dieſer lirchlichen Gemeinde oder did)
diefes kirchl. Belenntniffes darauf aufgenommen
werden, im erfteren alle dagegen werden bie
Leihen ohne Rüdfiht auf das religiöfe Belennt-
niß der Berftorbenen beerdigt. Nach Franuzöſiſchem
Rechte ftcht das Eigenthumsrecht an den B-plägen
den Givilgemeinden zu; das Preuß. Allg. Landrecht
begründet die Bermuthung für das Eigenthums-
teht der Kirchengemeinden. Bon den religiöjen
Geremonien bei
die polizeil. Borfchriften, welche theils das zu frühe
weiht die Gräber u. Begräbnißpläge, nicht fo die
Evangel., welde in der Leiche nur den der Erde
zurüdgegebenen Staub fiebt. Den öffentl. B—
pläten gegenüber ftehendie Privat-B-pläte. Yn
deren Anlegung bedarf es befonderer polizeil. Ge
nehmmgung. Die Beerdigungen in den Kirchen
find jetst wol allgemein unterfagt; höchſtens iit
eine Ausnahme bezüglich der höheren Diöceſan—
geiftlichen geftattet. Sanitätspolizeilih wird von
allen Begräbnißplägen erfordert, daß fie jo weit
von bewohnten Gebäuden u. Brunnen entfernt
liegen, daß eine Inficirung der Wohnungen durd
Leichengaſe, bezw. der Brunnen durch die davon
erfüllten Grund» od. Tageswaſſer nicht möglich ift.
liber die verichtedenen Ceremonien u. Gebräuche
in Bergangenbeit u. Gegenwart ſ. u. Todtenbe-
jtattung. Brotefend,
Benräbnifkaffen, meiſt mit Kranfen- u. Ber
forgungsfaffen verbundene Spartaffen, die von
Handarbeitern, Handwerfsgeiellen, Fabrilarbei—
tern ꝛc. durch Einlagen gebildet werden, um im
Todesfalle die Begräbnißloften zu deden. Sie find
entweder freiwillige, wie jolhe in England in
großer Menge erijtiren, od. gezwungene, wie fie
ur preuß. od, bayerischen Fabriken eingerichtet find.
Bepräbniffoften (Impensae funeris), der
Aufwand, welchen das Begräbniß eines Todten
macht. Die B. müſſen nad Gemeinem Rechte zu»
nächſt als eine Laft der Erbſchaft, durch welche
diefe jelbft fih mindert, von dem Erben des Ber-
jtorbenen getragen werden, aushiljsweife dann
von Dem, der eine Perfon zu ernähren verbunden
it, wie vom Manne für die Frau u. vom Bater
für das unter feiner Gewalt befindlihe Kind.
Sollte aber Niemand vorhanden jein, welcher auch
aushilfsweife dazu verpflichtet wäre, fo hat bie
Armentaffe einzutreten u. mindeftens die nöthigen
DB. zu übertragen. Werden B. vorgelegt, fo jtebt
Demjenigen, welcher dies that, gegen den eigent-
li Berpflichteten gemeinrechtlich die Actio fune-
raria auf Erſatz diefer Koften zu. Außerdem ge-
nießen dieſelben auch bei entjtehendem Concurs
Vorzugsrechte, indem fie zu den abfolut privile»
girten Forderungsrechten gezählt werben.
Begrenzung, 1) ſo v. w. Limitation. 2) (Con-
fination) Strafe, welche darin befteht, daß einem
Verbrecher ein gewiſſer Bezirk angewieſen ift, aus
dem er ſich nicht eutfernen darf. J
Begrenzungshaut der Nervenfäſerchen
(Hülle oder innere Scheide der Nervenfibrille),
eine feine, röhrenartige Umhüllung der feinſten
Nervenfäſerchen, welche erſt dann ſichtbar wird,
wenn der Inhalt (durch Druck oder Eſſigſäure)
entfernt iſt. Die B. des Gehirnes, Rückenmarkes ꝛc.
iſt weicher, zarter u. dünner, als ſonſt u. daher
die Erſcheinung, daß dieſe Nervenfäſerchen durch
eerdigungen unterſcheiden ſich Druck ſehr leicht varicös u. wie knotig werben.
Begriff (lat. Conceptus, Notio), die Zujam-
Beerdigen der Leichen zur Verhinderung des Be-Imenfatjung des finnlih wahrgenommenen Mannig-
104
faltigen im Gedanken zur Einheit, durch Feſt—
haltung beftimmter Merfmale, oder eine Vor—
ftellung, durch melde Etwas gedacht wird. Will
man einen ®, genau fennen lernen, jo muß man
ihn in feine Merkmale zerlegen od. ihn analpfiren,
Es gibt: Stamm-B»e (reine Be), die fi bloß
auf die Form des Berftandes beziehen, z. B. der
B. Urſache; e8 find dies diejenigen, die man ehe-
mal® angeborene B-e nannte, über deren Bor-
handenfein viel unter den Philofophen geftritten
worden if. Dem Anbalte (d. i. den ım ihnen
aufgenommenen Merkmalen) nach find B-e trans:
jcendentale, über alle Erfahrung erhabene, wie
Gott, Ewigkeit; od. empirijche, aus Erfahrung
abgeleitete; dem Umfange (Gebiet, Kreis, Sphäredes
B.e8) nad meite u. enge, je nachdem fie viele
od. wenige Gegenftände bejaflen. Allgemeine od.
Geſchlechts-⸗Bee find ſolche, die etwas mehre—
ven Einzeldingen Gemeinichaftliches vorftellen u.
in Gattungs-Bee, welche böber, weiter umfaf-
ſend, abstracter find, u. Art-Bee, die niedriger,
enger, weniger abstract find, getbeilt werden.
Befjondere od. Einzel-Bee ftellen nur ein ein-
zelnes Ding vor. Inhalt u. Umfang des Bees
zufanmen beißen aud die Größe (Quantität)
eines B-8, Je mehr Merkmale an einem wahr-
genommenen Gegenftande in einen B. aufgenom-
men werden, deſto bejchränkter wird die Sphäre
der darunter befaßten Gegenftände, u. wenn dann
der B. volfftändig ift, d. h. alle "Merkmale
darin aufgenommen find, fo ift er auch nur auf
einen Gegenftand ausschlieglih anwendbar, wie
der B. von allem Individuellen; dagegen iſt ein
B. beftimmt (determinirt), wenn er, in feinen
Grenzen eingejchloffen, auf nicht mehr Dinge be-
zogen werden fann, als. für welche er ein gemein»
james Merkmal ift; 3. B. wenn man den B.
Planet jo denkt, daß er auf feine andere Art von
Himmelsförpern bezogen werden kann. Analy-
tische B-e find Die aus einem anderen allge
meinen B. durch Zergliederung — z. B.
Wohlthätigleit aus dem B-e Tugend; ſynthe—
ꝛiſche, die durch Zuſammenfügung mehrerer ge—
bildet find, 3. B. Tugend als Compler ſittlich—
guter Eigenſchaften. Dem pofitiven Dre, dem
eine Realität entfpricht, ift der negative, in dem
diefe verneint wird, entgegengejeßt, 3. B. Mangel.
Ein leerer B. ift ein folder, dein durchaus nichts
in der Erfahrung entipricht, 3. B. ein räumlich
vorüberijhwebender Geift. Ein Begriff ift Mar
u. deutlich, deflen Merkmale wirflih als ſolche
unterjhieden werden, im Gegenfage von verwor-
venen u. dunklen; widerfpredhend aber
(im Gegenfage übereinftimmender, adäquater B-e)
ift ein B., in welchem Merkmale aufgenommen
find, die einander aufheben, 3. B. eine edige
Begriff.
dunkle od. nicht ganz klare Bee zu verdeutlichen.
Der Yehrer muß dabei paflende VBorftelungen er-
weden, das fchon Belannte bemugen, daraus das
Unbetannte entwideln u. die einzelnen gefundenen
Merkmale vom Schüler zuſammenſuchen laffen.
Begrüßung, Zeihen von Achtung u, Freund-
ſchaft, melde ſich Perſonen beim Begegnen oder
beim Zufammentommen, od. bei der Trennung
bieten. Die Art dev B. zeigt fich im den mannig-
faltigften Formen, überall aber hängt fie innig
zufammen mit dem Stande der Eultur des jedes:
maligen Bolfes u. bietet daher ein charakteriftiichet
u, culturbiftoriih ebenfo wichtiges wie intereffan«
tes Moment dar: Die Griehen riefen fich beim
Kommen, Begeguen u. Scheiben chaire, d. i.
eigentlich: freue dich! die Römer beim Kommen
ave, d. i. fei gegrüßt! beim Gehen vale, d. i. lebe
wohl! zu. Beiden Juden pflegten fid) Berfonen, die
genauer mit einander befannt waren, wecdjelsweije
die Hand, das Haupt u. die Schulter zu küſſen;
der Gruß war: ‘Friede fei mit Euh! Eigen»
thümliche B-en find: in Fatholiihen Ländern
das: Gelobt ſei Jeſus Chrift! worauf die Antwort:
In Ewigkeit, Amen! erfolgt. Die am Meere
wohnenden, Schifffahrt treibenden Bölker verab—
ichieden fid) von einander mit: Jahre wohl! daher
jagt 3. B. der Engländer Fare well! der
Schwede Farväl! der Däne Farvel! der Hol—
länder Vaarvel! Das Küffen der Stirn von
Damen vertritt bei den Ruſſen die Stelle des
Handküſſens; beimAbjchiede jagt der Ruſſe: Prosti
od. Proschtszhai! d. bh. verzeibe, vergib (näm-
lich, wenn ich etwas Unrechtes begangen od. dich
mit einem Worte gefräuft habe). Der Pole um—
faßt die Kniee m. küßt die Schulter bei der B. u,
jagt beim Abjchiede: Byway zdröw, d. h. fei oft
gejund! Die Bewohner der Schumadia im
Serbien (melde ein Hirtenvolf find und deſſen
Ideen fih alle auf das Gedeihen der Heerden
beziehen) fragen beim Gruße: Gibt es Eicheln?
Der Slowene fagt beim Abſchiede: Sdrav
ostäni, d. h. Bleibe gefund! oder Bög te shirvi,
d. h. Gott made Did gefund! Ju der Türkei
grüßt man gemöhnlid durch Übereinanderlegen
der Arme auf der Bruft u. Beugen des Kopfes.
Der gemeine Araber jpridht zum Gruße: Selam
aleikum, d. h. Friede fei mit euch! worauf die Ent»
gegnung: Aleikum esselam, d. h. mit euch ſeiFriede!
erfolgt. Im größten Theil der füdlichen Hälfte
des übrigen Aſien find die B-en höchft wichtige
andlungen, u. da, wo der Despotismus auf die
Spitze getrieben ift, werden Berftöße dagegen für
Verbrechen angejehen u. demnad behandelt, Gie
ftufen ſich nad dem Range des zu Grüßenden ab
u beftehen (mie bei den Hindu) in Berührung
der Stirn u. Beugen des Kopfes bis auf die Erde,
Kugel. Ausführlich ijt ein B., wenn man nah|od, (mie in China) im Niden mit dem Kopfe,
der Verdeutlichung deſſelben durch die Zerglieder- |Übereinanderichlagen der Hände u.allerhand freund«
ung in feine nächſten Mertmale die Merfmale|tihen Worten, od. (wie auf Sumatra u. anderen
von jenen Merkmalen (entfernte Merkmale) auf-
oftindiichen Inſeln) im Niederwerfen auf die Erde
führt. Mehrere B-e werden außer ig aufju. darin, daß man den Fuß des zu Grüßenden
e
einander gebildet (abfolute B-e), oder in
aufeinander als relative B»e, 3.8. Zunahme,
Die Zerlegung der Bre in ihre einzelnen Ber
ftandtheife (B»Szerlegung) ift eine nothwendige
Übung in den Elementarfchulen, um den Schülern
zug auf die Bruft, den Kopf, das Knie zc. des Grü-
genden fegt. Überhaupt trägt der Gruß im Orient
das Gepräge eines bedientenhaften, wenn nicht
hündiſchen Wejens, bejonders wo Intereſſen oder
Würden im Spiel find. In Perfien begrüßt der
Boe gue —
Beguinen. 105
Birth feinen Gaſt zweimal, indem er ihm zuerſt die von Blaſius im Amſterdam 1669 beforgte
eine Strede entgegenläuft, dann nad der Thür
zurüdeilt u. dort den Gaft noch einmal bemill-
lemmt. In China muß der Untergebene, wenn
er dem Vorgeſetzten zu Pferde begegnet, abfteigen
u. ihn ftebend vorbeilafien. Ju Japan trägt
der Grn des Untergebenen ebenfalld den Cha-
tafter der größten Unterwürfigkeit. Weniger civi-
kfitte Bölfer grüßen auf noch eigenere Art, wie
die Bewohner der Garolinen, Lappen u. Ota-
heiter, durch Berühren "der Nafenfpiten; die
Keger an der Guineafüjte durch Knaden der
Anger; die Tibu in der öftl. Sahara, indem fie
mit der Lanze im der Rechten u. dem Schild in
der Linken, Rüden an Rüden eine Zeit lang Be-
grüßmasformeln herfagen, und dann mit ein:
ander ſprechen; die Beduinen, indem fie auf
den Fremden los jagen u. dicht bei ihm das Ge—
wehr abfeuern; einige Andianerftämme in NAme-
vita durch das flirdhterlichfte Gefchrei. In Ägyp—
ten gibt es mandherlei Arten der B.; gemöhnlid)
inedt der Agypter beim Begrüßen die Hand aus,
legt fe auf die Bruft, indem er den Kopf neigt.
Im Übrigen tragen die Begrüfungen auch in
Arıfa größtentheils den Charakter ſtlaviſcher
Unterwürfigfeit. Über die B. beim Militär u.
jur See f. Ehrenbezeugung. ES chroot.*
Begue, Ahille Guillaäume B. de Preste,
seb, zu Pithiviers, unmeit Orleans; ſtudirte Me-
cm, promopirte 1760 zu Paris u. wurde fönigl.
Gmior; er fl. 18. Mat 1807. B. war bejonders
tätig auf dem Gebiete der Volksarzneilunde u.
lieferte derſchiedene Überjesungen ans dem Deut-
ten, dem Lateiniſchen u. Engtifgen. Er war
Kouſſeau ſehr nabe befreundet, rietb ihm, den von
Öirardin angebotenen Zufluchtsort in Ermenonville
azunehmen, bejchrieb feine letzten Lebenstage in
ker Notice sur les derniers jours de J. J.
Bousseau, Lond. 1778, u. vertheidigte ihn gegen
die Beihuldigung des Selbſtmordes. Er ver
öfenfihte außerdem u. a.: Economie rurale et
civile, Par. 178% 2 Bde, Thambann.
Deguemeder (Berichember), Landichait im
abeſſinijchen Reiche Amhara, nach der alten Schreib:
ar Bebihember; die Einwohner gehören zum
Stamıme der Galla, find meift Chriften u, treiben
Vieh⸗ m. Pferdezucht; Hauptſt.: Deyra-Tabur,
Beguin, Jean, franz. Arzt u. Chemiler;
fedte zur Zeit Heinrihs IV. u, war unter Lud—
wig XIII. Almofenier. Ramentlih um den Berg-
bau zu ftudiren, bereifte ev Deutichland, Ungarn
x. alien. Er gab das unten erwähnte Tyro-
cinium berans, eın Buch, das, wie die vielfachen
Ausgaben beweijen, allgemeines Aufjchen erregte
u, die erfte foftematiiche Behandlung u. Bearbeit-
ung der Ehemie enthielt. Auch gab er zuerft die
genaue Beichreibung der Kalomelbereitung. Tyro-
enium thymicum, e naturae fonte et manuali
eiperientia depromtum, Paris 1608 u.11, 2p3.
1614 u. 19, Köln 1615 u. 25, Königsberg 1618,
Franff. 1619, Wien 1619, Genf 1625 u. 59,
Sitenberg 1634, 40 u. 56, Amfterdam 1659 u.
#9; franz. Überjegung, Paris 1615, 20 u. 24,
Genf 1624, Rouen 1626, 37, 60, Lyon 1665;
engliſche Überſetzung 1669. Im 18. Jahrh. galt
Ausgabe für die beſte. Thamhanyn.
egninen, der älteſte aller weiblichen welt-
lichen Bereine zu frommen Zweden; ift von un«
befanntem Uriprunge u. tritt 1065 zuerft in einer
jegt freilich als unecht nachgewiefenen Urkunde zu
Vilvoorden geihichtlih auf. Die Entftehung des
wahrſcheinl. franz.) Namens ift ungewig. Man
leitet ihn ab von Lambert le Bögue, Briejter in
Lüttih 1180, der Frauen u. Jungfrauen zu ge
meinfamem Leben aufgefordert haben foll, oder
von St. Beggba (ſ. d. Art.), oder von beggen,
betteln, beten (begutten, wahricheintih von der
Formel: bei Gott). Die B. verbreiteten ſich im
13. Jahrh. über die Niederlande, Frankreich u.
Deutichland (mo fie fich bei. in Hamburg, Lübed,
Regensburg, Görlig, Rochlitz, Leipzig anfiedelten)
ungemein; fie lebten in großen Geſellſchaften, oft
bis 2000 Schweitern, in ihren Beguinereien (Be-
guinenhäufern, Beguinagiae, Beguinasiae) paar-
weiſe im einzelnen Hüttchen, wo ein Spital, eine
Kirche, ein Betjal die Bereinigungspunkte waren,
oft auch bei ihren Verwandten einzeln, m. erhielten
vom Erirage der Arbeit fich ſelbſt, die Gejellichafts-
taffe, die Priefter, Bereinsbeamten und Spitäler,
Die Borfteberin geder Bequinerei hieß und heißt
Magistra, welder Guratoren oder Tutoren, ge-
wöhnfich Bettelmönche, zur Seite ftehen u. welche
oft nur dem Ortspfarrer, gewöhnlich dem Biſchof
u, jedenfalls auch der weltlichen Obrigkeit unter-
worfen ift. Die einfachen Gelübde der Keuſchheit
und des Gehorſams gegen die Statuten konnten
eigemmillig durch Austritt aufgehoben werten u.
alle Schweitern ſich dann verheirathen, Die Tracht
war die gewöhnliche der Bürgerfrauen jedes Yan-
des, jedoch hatte jede Begquinerei eine beftimmte
Farbe dafür, Braun, Grau, Blau, u. dazu einen
weißen Schleier über dem Kopfe. Später wurde
Schwarz beinahe allgemeine Farbe, u. dazu fam
eine ſeltſame, einer umgekehrten Muſchel ähnliche
Mütze mit einer großen Schwarzen Quafte. Der
Verein bewies fi als ein höchſt nützlicher durch
Aufnahme verlaffener Frauen u. Mädchen, durch
treue Kranfenpflege u. Erziehung armer Kinder,
u. von dieſer Seelforge hießen die B. in Deutich-
land aud Geelenweiber, Da fie fih aber ur
fprünglih feiner genehmigten kirchlichen Anftalt
anfchloffen, fo ftanden fie ohne Schuß gegen etwaige
Anfeindungen u. Beeinträchtigungen. Daher ver-
banden fie fich meift mit den dritten Orden der
Dominicaner u. Franciscaner zur Befolgung einer
jtrengeren Yebensregel, wobei fie wie ihre Be-
ſchützer auch bettelten, was in den erfien Zeiten
u. befonders in den Niederlanden niemals gejchah.
Am Rhein dagegen famen fie vielfah in Berühr-
ung mit Kebern, befonder8 mit Brüdern des
freien Geiſtes (Spiritualen u. Fratricellen), jo daß
ion ſeit der Mitte des 13., namentlich aber im
14. Zabrh. ihr Name vielfach zum Spott- und
Keternamen wurde. Deshalb wollte jchon Cle—
mens V. 1312 alle B. u. Begbarden unterdrüdt
wiffen; Johann XXII. dagegen nahm die recht
gläubigen®. in Schuß, 1318 in Dentihland u. 1326
in Ftalien. Indeſſen blieben fie auch von Bor-
würfen über mancherlei Unordnung xc. nicht frei
106
u, durften daher, nach dem Beſchluſſe der Synode
von Friglar 1244, feine Schweſtern vor deren
40. Xebensjahre aufnehmen. Die Reformation
machte ihnen in Deutichland und der Gchmeiz
größtentheild ein Ende. Nur in Bremen be-
fteben fie in veränderter Geftalt als proteftantijche
Stiftung fort. Die B-häufer, welche hier und da
noch vorhanden, find meift bloß Wohlthätigfeits-
anftalten, worin ältere unverheiratbete Frauens-
personen eine Zuflucht finden. Die größte die-
fer Vereinigungen ift der Begynenhof zu Gent,
im Jahre 1230 geftiftet, faft eine Heine Stadt für
fih, worin etwa 600 Schweſtern leben, die fidh,
wenigſtens früher, meiſt mit Spitenflöppeln be-
ſchäftigten. Die Klofteraufhebungen unter Kaifer
Joſeph II. u. feibft die in der franz. Revolution
gingen jpurlos an diefem Inſtitut vorüber. Bal.
Mosheim, De Beghardis et Beguinabus, Ypz.
1790; €. Hallmann, Geſchichte des Urfprunges der
belgischen B., Berl. 1843, Bon den männlichen
B. |. Begharden. Frühe jhon wurde der Name
in Frankreich Spottname für Solche, die eine
übertriebene äußere Frömmigkeit an den Tag legten.
Begünftigung, Handlung aus Gunft zum
Bortheil Femandes, gewöhnlich mit dem Neben-
begriffe der Ungerechtigkeit, ja der Unrechtmäßig-
feit, fo die B. eines bereits geichehenen Ber-
brechens (f. Theilnahme im Allgemeinen, Concur-
sus ad delictum; B. der Flucht eines Arreftaten
(f. ebd. u. Amtsverbrechen).
Behnart, 1) (Bot.) ein, Pflanzentheil, wenn
er mit einem baarartigen Überzuge verſehen iſt.
Die Behaarung, (Pubescentia) tann ſehr verſchieden⸗
artig ſein, u. man unterſcheidet danach zerſtreut—
haarig (pilosus), fteifhaarig (hirtus), rauhhaarig
(hirsutus), zottig (villosus), weich- oder flaum-
haarig (pubescens). Wenn fich die einzelnen Haare
nicht mehr gut unterfcheidenlaffen, nennt man die Be-
haarung jeidenartig (sericeus), wollig (lanatus, la-
nuginosus), filzig (tomentosus), flodig (floccosus).
Die ger in den Haaren felbft ſ. u. Haar
(Bot.). 2) (Herald.) Ein Haupt, deffen Haare von
auderer Farbe find, als der Kopf.
Behaden, das Erdreih um die Pflanzen mit
Werkzeugen auflodern, um das Unkraut zu ver-
tilgen, den Boden zur Aufnahme atmoſphäriſcher
Pflanzennährftoffe empfänglidy zu maden u. das
Wachsthum der Gewächſe zu fürdern. Im Gar»
ten u. beim Kleinbetriebe der Fandwirthichaft be—
dient man fi) dazu des Karſtes oder der verjcie-
denen Arten von Haden, in größeren Landwirth-
ſchaften bei der Feldcultur zur Erjparung an Zeit
u, Menſchenhänden verfchiedener Adergeräthe, mie
des geld oder der Furchenegge, des Schaufel»
pfluges oder der Pierdehade. Das B. muß ftets
zu der geeigneten Zeit gejchehen. Die Pilanzen
müfjen einige Zoll hoch u. der Boden weder zufteutihe Kir
feucht, noch zu troden, noch auch ſchon zu fehr
berunfrautet fein.
Dehadur (Bahadur, Behader, Held, Krieger),
1) in Indien Titel der 3. Apelsflaffe, der auch
den englischen Offizieren gegeben wird. 2) Ehren«
name von indifchen u. tatariichen Fürften.
Behaften, in Befits nehmen, behalten. Daher
im altdeutichen Recht Behafter, der Bormund
oder Eurator, weil er für bie Erhaltung des Ver-
Begünftigung — Behaim.
mögens forgen mußte. Behaftung, in ein-
zelnen Gegenden das richterlihe Berbot, wodurch
Einer in feinem Rechte gefhütt wird. Behaftet
jein, von einem phyfiichen oder moraliſchen Übel
ergriffen fein (von der Fallſucht Trinkſucht zc.).
Behaim, 1) Michael, Meifterjänger, als joldher
gewöhnlich nad feinem Grundherrn, dem Reichs«
fänımerer Konrad von Weinsberg, Poöta Weins-
bergensis genannt, geb. 27. Sept. 1416 in
Sulzbady nahe bei Weinsberg, der Sohn eines
Webers; betrieb eine Zeit lang das väterfiche
Handwerk, bis ihn die Luft zum Dichten ergriff,
die fein Lebensglüd zerftörte u. feinen Charakter
verdarb. Er entzog fich die befcheidene, aber fichere
Quelle des bürgerlichen Erwerbes, hatte viele
Sabre hindurch feine fefte Eriftenz, feine Heimatb,
ichmeichelte, um ſich u. die Seintgen zu erhalten,
den Fürſten und Großen, verftand es aber nicht,
fi in ihrer Gunft zu befeftigen, u. ſah in feiner
Berbitterung auf den Bürgerftand, aus dem er
jelbft hervorgegangen war u, der einen jchönen
Aufſchwung — hatte, mit Verachtung
herab. Doch bewahrte er unter dem Schmutze der
Armuth immer nod einen Kern der Biederfeit u.
eine rübrende Hingebung an die Poefie. Er
quälte fih raſtlos mit dem eitlen Verſuche, Die
untergegangene Liebe zu feiner Kunft an den
Höfen wieder zu erweden. Um 1439 trat er als
Kriegsfnecht in feines Grundherrn Dienfte, kam
nad Konrads Tode (1448) zu dem Marfgrafen
Albrecht von Brandenburg, befuchte den däniſchen,
norwegischen, bayeriihen Hof, diente dem Herzog
Albrecht von Ofterreih in Wien, bievauf dem
ſchmählichen Grafen Urih von Cilly, dem Ber-
trauten des jungen Königs Ladislaus von Un—
gar, fiel aber bier in Ungnade, fam dann an
ven Hof des Kaifers Friedrich II. nah Wien,
wo e8 ibm nicht befjer gina, u. mußte, als er im
Zorne die Fürften, den Adel u. die Geiftlichkeit
in feinen Gedichten angriff, die Kaijerftadt ver-
laſſen. Endlih fand er ein Aſyl am Hofe des
Pfalzgrafen Friedrich I. (des böſen Fritz) in Heidel-
berg. Dit dem %. 1474 bören die Nadrichten
über fein Leben auf. Bon jeinen poetiih werth-
(ojen, aber al$ Quellen der Zeitgeihichte ergie-
bigen Berjen ift eine Anzahl abgedrudt in Hagens
Sammlung für altdeutiche Literatur und Kunft,
in den Quellen und Erläuterungen zur bayeri-
ihen u. bdeutichen Gejchichte, Bd. 3. München
1863, herausgegeben von K. Hofmann. Kara—
jan veröffentlichte fein Buch von den Wienern,
Wien 1843, u. 10 Gedichte von ihm, die fih auf
öfterreichifche Geichichte beziehen, und Quellen u.
Forschungen zur vaterländifchen Geſchichte, Kunſt
u, Literatur, Bd. 1, Wien 1848. Seine geiftlichen
Dichtungen gaben heraus: Ph. Wadernagel (Das
— Bd. 2, Leipzig 1867) und
Nötdele, Halle 1867. 2) Martin, Kosmograph
und Geograph, geboren um 1459 (nah An
deren ſchon bedeutend früher) in Nürnberg, aus
einer Patricierfamilie dajelbft ftammend; bejchäf-
tigte ſich frühzeitig mit aftronomifhen und ma-
thematishen Studien; wurde 1477 zur Erlern⸗
ung der Tuhmanufactur nah Mecheln in Flan—
bern gejdidt, ging von dort 1479 zu feiner
weiteren faufmänntichen Ausbildung nah Ant-
Bcham — Behen, 107
merpen u. lebte feit 1483 im Portugal, wo er diergüter, beſ. in Weftfalen, die für einen gewiſſen
Belanntihaft des Columbus machte u. 1483 Mit-| Zins vom Eigenthümer an eimen Anderen zur
ked der Commiſſion murde, welche der König |Nugung auf 2 oder mehr Hände überlaffen wer-
— OD. zur Herſtellung eines für die Schiff-|den. Nach dem Tode des Zinsmannes mußte der
fahrt brauchbaren Aſtrolabiums ernannt hatte. Erbnehmer fih vom Zinsherrn beftätigen laſſen,
Im folgenden Jahre ward er als Kosmograph|das Handlohn erlegen u. das Gut auf feine Hand
der Entdedungsfahrt des Diego Cão längs derjfeten laſſen.
BKüfte Afritas beigegeben. Sie drangen bis) Behang, die Ohren der Hühner- u. anderer
zur Mündung des Kongofluffes vor, ein Erfolg, Jagdhunde; daher wohl (gut) behangen, wenn
wegen defien B. von König Johann II. zum
Ritter geihlagen ward. Er ging 1486 nad)
Fayal, einer der Azoriſchen Inſeln, auf welcher
eine flämiſche Colonie beftand, u. verheirathete fich
dert mit der Tochter des Gouverneurs, Yobft v. Hur⸗
ter. 1491 — 98 hielt er ſich in Nürnberg auf u. hinter-
ließ dort den noch jett vorhandenen, aber fehlerbaf-
ten, von ihm entroorfenen Erdglobus mit handichrift:
lichen Notizen, einen intereffauten Beitrag zur Ge—
Ihichte der Geographie. B. wurde fpäter auf einer
Sefandtfchaftsreife nach Flandern von Seeräubern
gefangen; nach feiner Freilaſſung ging er wieder
nad Liſſabon, wo er 29. Juli 1507 ftarb. Dal.
Rurr, Diplomatifche Gejchichte des Ritters v. B.,
2, Aufl., Gotha 1801, u. Ghillany, Geſchichte B⸗s,
Rürnb. 1853. — Die Familie, welcher B. ange»
dörte, blühte in Nürnberg fort u. zeichnete fich
dur ritterlihe Tugenden u. Gelehrſamkeit aus.
Der jetzige Chef iſt Freiherr Chr. Karl, Sohn
des 1833 verftorbenen Freiherrn Karl Friedrich,
geb. 1807; er ift bayerischer Major in Benfion
u. vermäblt mit Henriette, Tochter des Karl Aug.
Schmidt von Altenftadt; fein Älterer Sohn Frie-
drich iſt 1852 geboren.
Beham een verwandt mit Behaim
2,12), 1) Barthel, Hiftorienmaler und
Kupierftecher, geb. zu Nürnberg 1502, Schiller u.
Rachahmer Albrecht Dürers; lebte, von Herzog
Wilhelm IV. von Bayern zu feiner Ausbildung
nah Italien geſchickt, längere Zeit zu Bologna u,
Rom u, bildete fich unter Marco Antonios Yeitung
aus, B, arbeitete vornehmlich für die bayerischen
Herzöge Albrecht IV, u. Ludwig; er ft. in Italien
1540, wohin er im Auftrage des Yetsteren noch
einmal gegangen. Manches von Marco Alttonio
berausgegebene Blatt ift ein Werl Bes. Sandrarts
Bohn if mit DB, identiih. In feinen Bildern
berricht gute Charafteriftit und Zeichnung neben
naiver Auffafiung. 2) Hans Sebald, geb. 1500
zu Nürnberg; erhielt von feinem Oheim Unterricht
in der Malerei und Kupferftehtunft und gehörte
ſpäter auch zu den Schülern Dürers; er ward
1550 in Franffurt a. M. als Borbellwirth, da—
maliger Übung gemäß, ertränft. Er war ausge-
jeihnet in Olgemälden, die er nach Urt der Mi—
maturen ausführte, Seine Werke find felten. In
feinen Bildern, die er mit vielen im Beitcoftüm
gezeichneten Figuren ausftattete, zeigt ſich das
derblomifche Natureli des Kinftlers. Eine Holz-
tafel mit Scenen aus dem Leben Davids, die er
gemalt bat, befindet fi im Youpre; in der Bi-
bliothet zu Ajchaffenburg ein Gebetbuch mit Mi—
miaturen von B.; feine Kupferftihe find deutlich
und jauber ansgeführt und gehören zu den beiten
feiner Zeit. 8) Albert v., |. Bohemus. Regnet.
andigungsgüter (Behändigungsgüter,
ia admanuta, Bona admanuationis), Bauern»
dieje und die Lefzen groß-u. breit find, ſchlecht
behbangen, wenn das Gegentheil ftattfindet.
Behar, PBrov., ſ. u. Bahar.
Deharrungsfutter, diejenige Futtermenge,
durch welche die dur Bewegung, Stoffwechſel xc.
bedingte, durch den Gefundheitszuftand u. äußere
Umftände modificırte Ausfuhr aus dem Körper
der Thiere gededt wird, jo daß diefelben in dem
jeweiligen Ernährungszuftande zu verbleiben ver-
mögen, wenn fie aucd die gewöhnlichen, durch—
ſchnittlichen Producte liefern, Man nimmt im
Durchſchnitt beim Rinde „A, beim Schafe Z,, bein
Dierde Zi, des eigenen Körpergewichts in Heu—
werth als die für ein B. genügende Menge Er—
näbhrungsmaterial an.
Beharrungsgejch (Trägheitsgeſetz), das Na-
turgeſetz, nach welchen: ein in Ruhe befindlicher Kör—
per feinen Ruhezuſtand, ein bewegter Körper feine
Bewegung mit unveränderter Richtung und Ge—
ſchwindigkeit jo lange beibehält, bis durch eine
außer ihm liegende Urfache eine Anderung feines
Zuſtandes herbeigeführt wird. Cine jede folche
Urjache heißt Kraft. Eineabgeichoffene Kugel würde
3. B. nad diefem Gejege immerfort in der au:
fänglichen Richtung u. mit gleicher Geſchwindigkeit
weiter fliegen, wenn nicht zwei Kräfte da wären,
welche die Bewegung derſelben modificirten: die
Schwere, welche die Kugel allmählih nach unten
zieht, alfo ihre Richtung ändert, u. der Widerftand
der Luft, welcher die Gefchwindigkeit der Kugel
fortwährend vermindert. Aus dem B. erklärt fich
eine große Anzahl aus dem alltäglichen Leben
befannter Erfcheinungen. Wenn wir, um nur
ein Beifpiel zu geben, in einem ftilltehenden
Wagen figen, fo werden wir, fobald der Wagen
plötzlich vorwärts gezogen wird, rückwärts ge-
worfen, indem unjer Oberkörper feinen bisherigen
Ruhezuſtand beizubehalten fucht, fich alſo der Nid-
wand des vorwärts gehenden Wagens nähert; iſt
umgelehrt der Wagen im Fahren begriffen und
hält dann raſch an, jo fett unfer Oberkörper feine
Bewegung nad vorn noch fort, und wir werden
deshalb ım Wagen nah vorn geworfen, Die
Eigenfhaft der Materie, welhe man fid) als den
Grund diejes Gejetes denkt, nennt man das Be-
barrungsvermögen. Wimmenauer M.
Beharrungsvermögen (Phyfit), ſ. Beharr-
ungsgeſetz.
ehäufeln, die Erde mit der Hade zu einem
Haufen um eine Pflanze ziehen. Geſchieht das B.
mit dem Pfluge, jo werden nur Kämme gebildet,
welche von beiden Seiten die Pflanze einfließen.
Behentot (v. Kopt., d. i. Waflerftier), 1) im
Buch Hiob ein großes, ſtarles Säugetbier, das
Nitpferd. 2) Im Talmud ein großer Stier, der
im Anfange erſchaffen ward.
Behen Mönch., als Pflanzengattung nicht auer«
Bchenöl — Behr.
tannt. Siehe daher Behen vulgaris Mönch., unter, Behn, Aphra, engl. dramatiihe Dichterin u.
Silene Cucubalus Wib. Schriftftellerin; ebenso befannt wegen ihrer Schön-
Behenöl (Beenöl, Behennußöl, Oleum Been, beit u. ihres Witzes, wie wegen ihrer vielfachen
O. balatinum), das aus der Behennuß (j. Mo-|Abenteuer. Aus einer quten Familie in Canter-
ringa) gewonnene DI. Daffelbe ift hellgelb, did-)bury ftammend, war fie während der Regierung
lich fett, geruchlos, dem Olivenöl an Geſchmack Karls I. in einen nicht näher feftzuftellenden Jahre
ähnlich, wird erft bei 25° ganz flüffig u. nicht geboren; fie lebte längere Zeit auf Surinam, wo
leicht ranzig; es wird bei. in Ägypten bereitet u.|fie die Bekanntſchaft des berühmten Sklaven
108
viel nach Jialien ausgeführt, wo man es zur Be
reitung wohlriehender Ole benugt, indem mau
Droonofo machte, eines Mannes von heroiſchem
Charafter, der ihr fpäter als Held eines ihrer
wohlriechende Blumen, 3. B. Jasmin, Orangen- Romane u. einer Tragödie diente, melde befler
biüthen, u. dal. jchichtweife mit in B. getränt«
ter Baummolle in einem Gefäße der Sonne aus-
fett; Dies wird mehrmals wiederholt und bie
Baummolle dann ausgepreßt. Sonft war das B.
als Purgirmittel und äußerlich gegen Hautfranf-
heiten officinell, u, in Indien wird es noch bei
Nheumatismen als Einreibungsmittel gebraudtt.
E3 enthält neben Glycerin eine eigenthümliche
Säure, die Behenfäure C,,H, ,O,, ine aus Als
tobol Nadeln tryftallifirende, der Stearinfäure
ähnliche Fettſäure.
Beherrſchen (Kriegsw.), 1) fo v. w. domi—
niren (f. d.). 2) Ein Terrain b., auf demjelben
frei operiren können; einen Fluß b., mit feinen
Streitkräften auf beiden Ufern auftreten können
u. dabei Verbindung über den Fluß haben; einen
Flußübergang, ein Defild ac. b., diejelben unter
Waffenwirkung haben.
DBehlen, Stephan, verbienftlicher forftwiffen-
ſchaftlicher Schriftfteller, geb. 5. Aug. 1784 zu
Frigkarz ftubirte die Nechte u. Cameralia u. praf«
tieirte dann bei einer Juſtizbehörde in Ajchafien-
burg; er wurde 1803 Landescommiffar der Lan—
desverbefferungsdeputation u. 1804 Forftcontroleur
ber Staatswaldungen des Speffart, 1808 Forft-
meifter, 1819 Verwalter des Forftamtes Kothen,
1821— 32 Profeffor der Naturgeihichte an ber
Forſtſchule zu Aſchaffenburg, 1833—35 Nector der
Gewerbejchule, privatifirte ſodann u. fl. 7. Febr.
1847 zu Aſchaffenburg. Er ſchr. u. a.: Der
Epeffart, Lpz. 1823—27, 8 Bde; Lehrbud der
beichreibenden Forftbotanif, Franlf. 1823; Die
Gebirgs- u. Bodenkunde, Gotha 1826, 2 Bde.;
Lehrbuch der deutſchen Forft- und Jagdgeſchichte,
Frankfurt 1831; Die — —————— Leipzig
1831; Archiv der Forſt- u. Jagdgeſetzgebung der
deutfhen Bundesftaaten, Freib. 1834—46, 29
Bde. ; Lehrbuch der Jagdwiſſenſchaft, Franff. 1835,
2. A., 1839; Neal» u. Berballeriton der Forft-
u. Jagdkunde, Frankf. 1840—45, 7 Bbe.; mit
Depberger die FForftfräuterfunde, 1826, als 2,
Theil derjelben die Forſtbotanik, Gotha 1833;
mit Laurop: Sammlung der Forft- u. Jagdge—
jege der Deutjchen Bundesftaaten, Hadam. 1827
bis 1833, 5 Bde., Fortſetzung im Archiv der
orfte u. Jagdgeſetze der deutſchen Bundesftaaten,
reib, 1834—47, 29 Bde.; au gab er heraus:
eitichrift für das Forft- u. Ja on 1823—46;
Forſt⸗ u. Jagbaeitung, Frank). 1825—46.
Behme (Le Böme, eigentih Janomwih),
geb. 1542 im Württembergiſchen, Sohn eines
aus Böhmen eingewanderten Geſchiltzmeiſters;
wurde Stallmeifter des Herzogs von Guife u. war
1572 unter den Mördern — 25 wofür er
1575 von Proteftanten erjchoffen ward,
unter dem Namen ihres Freundes Southern be-
fannt if. Nach Eugland zurüdgelehrt, heivathete
fie den aus Holland ftammenden Kaufmann Behn,
ward bei Hofe vorgeftellt, wo ihre fürperlichen
Neize, ihr Witz, ihr lebhaftes, freies Weſen u.
ihre eleganten Manieren dem Iuftigen Monarchen
(Karl II.) gefielen, der fie nach Flandern ſandte,
um bie dortigen Ereigniſſe als feine Agentin zu
überwachen. Sie ging demgemäß nah Antwer-
pen, wo es ihr gelang, die Abficht der Holländer
zu entdeden, die Themje u. den Mebway hinauf
zu fegeln; dies Geheimniß theilte fie dem engl.
Hofe mit, der jedoch feine Notiz davon nahm,
weshalb fie für immer ber Politif entfagte, nad)
England zurückkehrte u. jchriftftellernd in den
geiftreih ausgelaffenen Kreifen Londons lebte,
aber auch in Beziehungen zu ernften Männern
wie Pope u. Diyden fand. Außer ihren Gedich-
ten, Yicbeöbriefen, Erzählungen u. Überjegungen
in Profa u. Reim jchrieb fie 17 Schauſpiele.
Die einft berühmten Briefe zwifchen einem Ade-
figen u. feiner Schwägerin (Kady Henvietta Ber—
feley u. dem Wüftling Lord Grey) find von ihr
verfaßt. Bon ihren gefammelten Werfen erſchien
1871 in London eine neue Ausgabe in 6 Bon.
unter dem Titel: The plays, histories and
novels of the ingenious Mrs. A. B., with life
and memoirs. Der Charakier ihrer Schriften ift
der einer lebhaften Mittelmäßigteit, die ſich die
Sittenlofigleit des Zeitalters zu Nuten machte,
Ste ſchrieb einzelne fchlüpfrige, aber anziehende
Novellen, die meift dem Franzöſiſchen entlehnt
find; verſchiedene hübjche Lieder u. eine Reihe
von Dramen, welche in ihrer Zeit Erfolg hatten,
aber von Erftaunen erregender Immoralität find,
B. ftarb etwa 50 Jahre alt ums Jahr 1689 u,
ward in einem der Kreuzgänge der Weftminfter«
Abtei begraben. Bartling.
Belmer (Behnerih, Behnert), runder Korb
aus Weidenruthen mit hölzernem Duerbügel im
der Mitte, Gemüſe u. Obft hineinzuthun.
Deholzungsrecht (Jus lignandi), das einem
Gute, reſp. dem jeweiligen Beſitzer deffelben zu«-
ftehende (dingliche) Necht, aus dem Walde eines
Anderen Holznutungen gegen ermäßigte oder gar
feine Abgabe zu beziehen. Das B. ift entweder
ungemeſſen u, erftvedt fi dann auf den ganzen
Bedarf des Berechtigten an Brenn- u. Nutzholz;
oder gemefien, d. h. auf eine gewiffe Menge oder
auf einzelne Holzarten oder Sortimente, z. B.
Weihholz, Windfälle, Aft-, Stod-, Leſeholz u. a.,
beichränft.
Behr, 1) Wilhelm Joſeph, ausgezeichneter
Public, geb. 26. Aug. 1775 zu Sultheim;
ftudirte die Rechte u. lehrte 1799—1821, bag
Behrend — Beichtbud).
109
Staatstecht in Würzburg. Aufrichtige Vertretung |der Militärreorganifationsfrage mit den liberalen
der conftitutionellen Brincipien auf der Stände:
verfammlung von 1819 führte zu feiner Wahl
zum Bürgermeifter von Würzburg, von welcher
Stelle er wegen einer auf dem Gonftitutionsfefte
zu Gaibach 1832 gehaltenen jehr freifinnigen
Rede, da ihm feit 1831 bie Erlaubniß zum Ein—
tritt in die Kammer als Beamter verjagt worden,
entſetzt u. angeflagt der Mitwirkung zu demago-
giſhen Umtrieben, ſowie grober Beleidigungen
gegen den König von Bayern, nad Jahre langer
moviforiiher Haft, 1836 zur Abbitte vor dem Bilde
des Kömgs u. zu Feſtungsſtrafe auf unbeftimmte
Zeit lerſt nach Ablauf von 16 Jahren follte ihm
danach die Eimveihung eine® Begnadigungsge-
indes geftattet fein) verurtheilt. Er büßte diejelbe
auf der Feſte Oberhaus bei Paffau. 1839 erhielt
a die Erlaubniß, in Paſſau eine Privatwohnung
zu beziehen, 1842, in Regensburg unter polizei-
ber Aufficht zu wohnen, Erft das Jahr 1848
gab ihm die Freiheit wieder. B⸗s Berurtheilung
ward aber fo allgemein als Unrecht angejehen,
daß ein in der Bayer. Abgeordnetenfammer ge-
felter Antrag, ihm (und ebenfo Eijenmann)
wenigſtens eine Geldentihädigung aus Gtaatd-
mitein zu gewähren, da eine andere Entf hädigung
möt möglich, nicht nur bier die allgemeine Zu—
fimmung erlangte, fondern auch die der hodjcon-
kmativen Neihsrathslammer u. die Ganction
der Krone. B. wurde fodann in das Deutiche
Parlament nach Frankfurt gewählt, allein feine
Kıaft war gebrochen; er fiarb 1. Aug. 1851 zu
gg wo er feit jeiner Befreiung gelebt
hatte. Von feinen Schriften beziehen ſich viele
auf die politifche Lage der Zeit, einige find
algemein ftaatsrechtlihen Inhaltes: Über die
!chnsherrlichkeit u. Lehnshobeit, Würzb. 1799;
Syftem der allgemeinen Staatslchre, 1804; Die
rfaffung u. Berwaltung des Staates, Nürnb.
1811 f, 2 Bde., u. a. 2) Joh. Heinrich
Auguft v., königl. ſächſ. Staatsminifter, geb. 13.
Aug. 1793 zu ‚reiberg; ftudirte feit 1811 zu
teipzig anfangs Theologie, wandte fi aber 1812
kr Rechtswiffenſchaft zu, trat 1816 im Amte
Schwarzenberg als Acceffift ein, warb 1817 Ju—
har zu Burichenftein, 1833 Umtmann in Dres-
un, Geh. Finanzrath u. nahm theil an den
Arbeiten des Syinanzminifteriums u. wurde am
14. Mai 1849 Finanzminifter, in welcher Stell»
ang er durch zwedmäßige Operationen zur Be-
grändung der blühenden Finanzen Sachſens we-
jentfih beitrug. In den Adeljtand erhoben, über-
nabın er 1859 das Zuftizminifterium, das er
bon vorherinterimiftifch mehrmals verwaltet hatte;
als Juftizminifter erwarb er ſich große Berdienfte
um die Gefeggebung Sachſens. 1866 trat er in
den Ruheſtand u. ft. 20. Febr. 1871.
Behrend, Heinrich Theodor, geb. 26. Apr.
1817 In Danzig; ftudirte in Schulpforta u. ein
Jahr lang in Berlin, worauf er fich der Kauf-
mannihaft widmete u. drei Jahre in Rio de
Janeiro befchäftigt war u. nach feiner Niüdtehr
Afocie des väterlichen Geichäftes in Danzig wurde.
Seit 1856 in das preußishe Abgeordnetenhaus
Altpreußen die entſchiedene Linfe, unter dein
Namen Jung -Lithauen, gründete, welche ſich in
der Diät 1862 der meu gebildeten FFortichrittspartei
anfchloß. Fett wurde B. zum erften Bicepräfi
denten gewählt, ebenfo aucd wieder 1863, doch
nöthigten ihn im Herbſte deſſelben Jahres Ver—
legenbeiten feines Haufeg, fein Mandatniederzulegen.
Behrens, Konrad Berthold, braunfchweig.
Yeibarzt, geb. 26. Aug. 1660 zu Hildeshein;
ftudirte u. promopirte in Helmftädt, befuchte Straß.
burg u. Leyden, ging mit den braunſchw. Trup⸗
pen 1685 nad Ungarn u. ließ fih dann in Hil-
desheim nieder. 1695 wurde er unter dem Namen
Eudorus 1. Mitglied der Academia naturae cu-
riosorum, 1769 folche8 der Berliner Afademie,
1712 braunſchw. Leibarzt. Leibniz, mit dem er
befreundet war, rühmt ihm große Gelehrjamteit
nad. Er trieb viel Geſchichte u, Genealogie, ent»
dedte das Gedicht des Hrosmwitha: De construc-
tione coenobii Gaudersheim u. veröffentlichte
verschiedene mediciniſche Schriften in deutfcher u.
lat. Sprade, fo Selecta medica de medicinae
eertitudine et natura, Frankf. 1708; Selecta
diaetetica de recta ad valetudinem tuendam
ratione, Hildesheim 1710; Gründlicher Bericht
von der Peſt, Braunschweig 1714. Zbambayn,
Behrent (Berent), 1) Kreis im preuß. Regbez.
Danzig, auf der ſüdl. Abdachung des Plateaus von
Karthaus, an der Filze, Ferſe u. dem Schwarz.
waſſer, mit 2 Städten; 1233,, km (22,, [IM);
43,060 Ew. 2) (Koscierz) Hauptitadt dafelbft, au
der Ferſe; kath. Schullehrerfeminar; Bierbrauerei;
4136 Em,
Behring, Behringsftraße zc., |. Bering ac.
Behut ———— der Hydaſpes der Alten), Fluß
in Hindoſtan; fommt vom Himalaja, mündet in
den Dichenab (Alefines der Alten) u. mit dieſem
in den Indus. Er felbft nimmt den Heinen Sind
u. Kriſchna-Ganga auf.
Behütung der Grundftüde, ſ. Hutungsge-
rechtigfeit.
Bei, jo v. w. Bey.
Beich, JZoahim Franz, deuticher Landichafts«
u. Schladptenmaler, geb. zu Navensburg 1665, geft.
in Münden 16. Dit. 1748; malte für Mar
Emanuel defjen Türkenfchlachten u. war als Land»
ichafter der berühimtefte Meifter feiner Zeit. Im
Miündener Bürgerfaal eine Reihe bayer. Wall-
fahrtsorte in der Art Sal. Roſas behandelt,
Beichlingen, 1) gräflih Werthernſche Herr»
haft im Kreiſe Edartöberga des preuß. Regbez.
Merjeburg, mit den Städten Kölleda u. Wiebe ı.
der Schule Klofter Donndorf. 2) Dorf darin;
Schloß; 500 Ew. Stammort der Grafen v. B.,
die jhon 1103 vorfommen u, 1144 ausftarben;
eine 2 von Heinrich dem Löwen geftiftete Linie
ftarb 1567 aus.
Beidjtbrief, an manden Orten ein vom Bi«
ſchof ertheilter Erlaubnißſchein, fich einen beliebigen
Beichtiger zu wählen, während die übrigen Seelen
an einen beftimmten Diftrict mittels der Beicht-
briefsjurisdiction gebunden find,
Beichtbuch, 1) fo v. w. Communionbuch;
gewählt, ſchloß er fich den Liberalen am u. gehörte]2) jo v. w. Beihtmanual; 3) Beichtbicher, Libri
jur Fraction Binde, bis er nad dem Auftauchen'poenitentiales, die zuerft in England aufgelommen,
110 Beichte.
bilden eine wichtige Quelle des Kirchlichen Rechtes lichen Actes als Stellvertreter Gottes wirklich ge-
in der Derovingiihen u. Karolingijchen Zeit, weiljwähre u. allein gewähren fünne. Zwar verwarfen
fie, ang der kirchlichen Praris hervorgegangen, das die Albigenfer im 13. Jahrh., Wiclef und der
damalige Syitem der Kirchenftrafen u. »Bupen dar» [General der Karmeliter, Michael de Bologna, tm
ftellen. Die bedeutendften Beichtbücher find aus 14. Jahrh. die B. gänzlih u. Huß im 15. Jahrh.
diefer Periode die fog. Angelſächſiſchen Pönitential- |die bisher übliche, alleın fie wurde durch mehrere
bücher, injenderheit die vom Erzbiſchof von Concilien, zulett beionders durch das zu Trident,
Canterbury u. Primas von England, Theodor |beftätigt u. genauer beftimmt ı. ift in der Römijch-
(um 676—705), u. von Beda BVenerabilis (nach | Katholiichen Kirche in der ausgebildetften Form ge—
731) berrübrenden.
Beirhte (v. althochd. bigiht, mittelhochd. bihte,
Bejabung, Belenntni, lat. Confessio). 1. B. it im
Allgemeinen das feierliche, reuige Belenntniß der
Siinden vor dem Geiftlihen, um durch diefen die
Vergebung derielben (Abfolutien, f. d.) von Gott
zu erhalten. Sie geht gewöhnlich dem Abendmahl
voraus, ift aber bei den verfchiedenen chriſtlichen
Neligionsparteien verichieden (f. unten). Die B.,
u, zwar als öffentliches Sündenbekeuntniß, war
urſprünglich Beitandtheil der Bußdisciplin der
Kirche fiir öffentlich befannt gewordene Vergehen.
Als die Biſchöfe, welche urſprünglich allein die
Aufſicht über die Büßenden u. die Beſtimmung
der Bußübungen hatten, bei der immer größer
werdenden Menge derjelben, jeit den Berfolgungen
im 3. Jahrh., —* nicht mehr allein konnten, fo
bildete fich, im Drient zugleih aus Anlaß der
Novatianiihen Streitigkeiten, die Sitte, einen be-
jonderen Bußpriefter (Presbyter poenitentiarius)
aufzuftellen, damit ihm die geheimen Sünden ge-
beichtet würden. So entftand die Privat-B, vor
befonderen Beichtpätern u. mit ihr die priefterliche
Abfolution, welche dann befonders mit dem Abend-
mabl verbunden war, weil durch den Genuß des»
jelben die Gefallenen u. Büßenden wieder ganz
in die christliche Kirchengemeinichaft aufgenommen
wurden. Die beionderen Buhpriefter wurden von
dem Patriarchen Nectarins in Conftantinopel 390
für den Srient abgeihafft u. die Wahl des Prie-
ſters, dem man beichten wollte, freigegeben. Die
Privat-B. an einzelne Prieſter dauerte fort umd
wurde allmählih das Borberrichende. Ju der
Römiſchen Kirche entwickelte ſich bejonders feit dem
5. Jahrh. duch die Bemühungen des Papſtes
Yeo d. Gr. die Privat-B,
Die B. war indeßlichieht durch einen gelinden Schlag mit einem
blieben. II. Die verjhiedene Form der
B.: A) Bei den driftliben Confeſſionen.
a) Griechiſche Kirche, Die orthodore Griechiſche
Kirbe-bält die B. mit der Buße verbunden für
ein Sacrament u. legt vor der Abjolution eine
Genugtbuung auf. Ein fpecielles Siündenbeleunt-
niß gilt zwar für gut u. heilſam, aber nicht für
notbwendig, ja, e8 ift, außer in der Nuffiich-Grie-
chiſchen Kirche, Jeden freigeftellt, ob er vor der
Communion die B. ablegen will, oder nicht, und
Viele unterlaffen diejelbe ganz; befonders ift ein
Angeben der einzelnen Umjtände einer Sünde nicht
gefordert, ja, das ragen danach verboten. Die
B. geichieht vor dem Altar, wo ber Priefter betet
u. einige Pfalmen u. eine Collecte fingt. Nach-
dem er dem Günder die B. abgenommen bat,
bittet er Gott, dem Sünder zu vergeben, legt ihm
eine Buße auf, läßt ihm niederfnieen u. gibt ihm
die Abfolution. Während eines Gefanges füßt der
Beichtende dann das Evangelium u. begibt ſich
weg. Bei den jcdhismatischen Roskolniken hört
zwar der Starif, der den Gottesdienft leitet, B.
u. legt Bußübungen auf, ertheilt aber feine Ab-
jofution, weil nur Chriſtus Sünden vergeben fünne,
Unter den anderen ſchismatiſchen Parteien der Grier
chiſchen Kirche verlangen die Jalobiten in Syrien
das Bekenntniß aller, aud der Gedanfenfünden
vor dem Priefter, welchen die ftrengfte Beichtver⸗
ihmwiegenheit zur Pflicht gemacht wird. Unter den
Neftorianern jtand früher die Buße u. das Sün-
denbefenntnig im großem Anſehen u. wurde als
nothwendige Vorbereitung zum Abendmahl gefor-
dert; jetst haben fie aber die B, nicht mehr. In
der Abyſſiniſchen oder Äthiopifhen Kirche ift die
allgemeine u. öffentlihe B.; die Abfolution ge»
[e
noch immer Jedes freiem Willen überlaffen und|zweige, bei größeren Verbrechen aber erft nach kör—
mußte nicht nothwendig der Communion vorhers |perlihen Bußen, als Geifelung u. a. Auch die
gehen, ja, noch auf dem Concil zu Chalons|Armenier u. Maroniten fordern ungeachtet ihrer
(818) und fpäter ward ausdrüdlich zwiichen Vereinigung mit der Katholischen Kirche fein Be-
dem Siündenbelenntniffe vor Gott u. vor demjfenntnig aller einzelnen Sinden, nur das ven
Priefter unterſchieden. Immer mehr bildete ſich Mord, Ehebruh u. Diebftahl. bJ Nömifche
indeß die Borftellung aus, daß die Priefter an Katholiſche Kirche. Nach ihrer Lehre (f. oben)
Gottes Statt die Sünden vergäben u. daß Güne|gründet fi die B. auf Matth. 3, 6 u. Apoftelg.
den u. zukünftige Strafen durch Geld Tosgefanft]2, 37 f. u. ift die Aufzählung aller einzelnen,
werben können, u. fo wurde die geheime oder ſauch der verborgenften Sünden, deren man fich
Ohren-B. (Confessio aurienlaris) immer ge:/nad) fleißiger Cetbfipräifung erinnert, vor dem
wöhnlicher, u. obwol die bedentendften Scholaftifer | Briefier, wobei auch die einzelnen wichtigen Us
noch die Möglichleit, ohne den Priefter unmittel- [ftände nicht verſchwiegen werben follen. Sie wird
bar von Gott Vergebung zu erlangen, behauptet| gewöhnlich nur über die Sünden feit der Ietsten B.,
batten, endli auf der 4. Fateranfynode (1215)/oder auch von einem längeren Beitabfchnitte, ja
durch Papſt Innocenz III. zum Kirchengejege er⸗ über die ganze Lebenszeit (fo beim Eintritt ing
boben, indem dieje verordnete, daß Jeder jährlich | Klofter) abgelegt u. heißt dann General:-B. Ge
wenigſtens einmal, u. zwar alle Todfiinden beichten |fordert wird die geheime oder fpecielle B., Obren-
jolle. Bon mın fing die B. an, für das alleinige|B. (j. ob.), u. zwar unbedingt der Todſünden,
Mittel zu gelten, die Bergebung für Todfiinden das Bekenntniß der läßlihen Sünden aber wird
zu erhalten, welche der Priefter vermöge richter-Fals rathſam u. nüglich erllärt. Durch eine wife
Beichte. 111
ſentlich verſchwiegene Todſünde wird der Beichtact gehaltenen Vorbereitungspredigt u. ertheilten all-
nichtig u. das Sacrament entweiht. Die B. folligemeinen Abfolution geben könne. Er felbft ſchlug
perfönlih mündlih u. (nah einer Beſtimmung |auch ftatt derjelben ein kirchliches Sittengericht vor.
Elemend’ VIII. vom 20. Juli 1602) nur aus- Infolge ihres Streites wurde es im Kurfürften-
nabınsweife Durch einen Bevollmächtigten oder thum Brandenburg Jedem freigeftellt, ob er vor
jhriftlich abgelegt werden. Daß die facramentliche|der Communion beichten wolle, oder nicht, nur
8. von Ehriftus angeordnet u. nad göttlihem|mufte er fich vorher bei dem Geiftlichen melden.
Rechte nothwendig fei, ift in der Römiſch-Katho⸗ | Seit der Mitte des 18. Jahrh. wurde die allge»
hihen Kirhe ein Glaubensdogma. Die Nothwen-| meine B, bei weitem in den meiften Lutherifchen
digkeit der Ohren⸗B. leitet die Katholifhe Kirche Ländern gewöhnlich, u. die Privat-B., findet fi)
ab aus der den Apofteln von Jeſu verliehenen|nur noh an wenigen Orten. Indeß iſt dieſelbe
dellmacht zur Vergebung oder Behaltung der/neuerdings vielfach vertheidigt u, ihre Wiederein-
Sünden. Dadurch fei' den Apofteln u. ihren Radh> |jekung gewünſcht, Hier u. da auch die Abhaltung
felgern eine richterliche Gewalt übertragen worden, der Privat-®. neben der allgemeinen für die Kirch—
melde fie nur dann ausüben können, wenn fie|gemeindeglieder, welche fie wünſchen, empfohlen
zeuau von der Beichaffenheit der Bergehungen u. | worden, » auf dem Kirchentage zu Bremen 1852.
von der Würdigkeit oder Ummwürdigkeit der Sinder| Bon der B., melde dem jedesmaligen Genuffe
unterrichtet feien. Für die Heilfamfeit der Ohren⸗ des Abendmahls vorausgeht, der Abendmahls—
8. beruft ſich die Katholische Kirche darauf, daß B., unterfcheivet man die Cultus-B. oder die
ein Jeder nach feinem bejonderen Charakter, feinenjallfonntäglihe Borlefung der in den Agenden
mdiridnellen Berhältniffen u. Bedürfniffen belohnt, |vorgeichriebenen allgemeinen Beichtformel nach der
emuntert, gewarnt, beruhigt, getröftet, manche| Predigt. Die Reformirten verwerfen nicht
geheime Sünde gebeffert, mancher verbredherifche |nur die Ohren-B., jondern auch die bei den Luthe—
catwurf zurüdgehalten u. ſonſt viel Gutes gewirkt|vanern früher übliche Form der Privat-B., Teug-
merden fünne. Auch jetzt noch foll Feder wenig: |nen die Nothiwendigkeit eines bejonderen Siünden-
fens einmal im Jahre, befonders zu Oftern, dem |befenntniffes u. lehren, daß man vor jedem from-
triefter beichten u. erhält hierfür an manchen Orten | men u. rechtgläubigen Chriften ein ſolches ablegen
anen Beichtzettel als Beicheinigung, daß esju. Belehrung, Troſt u. Vergebung aus Gottes
ihchen. Laien zu beichten, verbietet die Katho- | Wort von ihm empfangen könne. Der Geiftliche
Iöhe Kirche u. fpricht ihnen das Abfolutionsrecht ſei indeß der natürlichfte Beichtvater, u. diejer habe
&, Die in der Katholifchen Kirche vorgefhriebene|vie Pflicht, fi der befümmerten Gewiſſen anzu«
deihtformel ift, daß der Beichtende vor dem/nehmen. Die ftatt der eigentlihen B. übliche
Priefter niederkniet, das Zeichen des Krenzes macht | Vorbereitung zur Communion ift der allgemeinen
2 fpriht: Ich bitte Em. Hochwürden um den B. fehr ähnlid. Es wird ein allgemeines Sün-
heiligen Segen, damit id meine Sünden recht u. denbelenntniß laut vorgelefen, von allen Commu—
vltändig Plan möge. Er betet dann die for/uicanten durch ein lautes Jal befräftigt, die Wb-
genannte offene Schuld oder das Confiteor, be-|jolution feierlich ertheilt u, an Alle die Aufforder»
kant einzeln feine Sünden, bejchließt dieſes Be⸗ ung gerichtet, bei befonderen Gewifjensangelegen-
kantmig mit einer Meuebezeigung u. der Bittelheiten ſich unmittelbar an den Geiftlichen zu wen«
um Abfolution und Bußauflegung nnd verläßt,|ven. Auf ähnliche Weife ift die B. auch in der
sıhdem er beides erhalten hat, den Beicht-Unirten Evangelifhen Kirche verordnet, In
kubl. e) Die Proteftantiihen Kirchen. Dielder Presbyteriallirche in Schottland findet
Lutheriſche Kirche verwirft die Ohren-B. mit|keine Art von ftehendem Sündenbekenntniß, B.
der genauen Aufzählung der einzelnen Sünden, und Mbfolution ftatt, obgleih die Communion
als nicht im der Heiligen Schrift begründet, doch ſehr feierlich gehalten wird. Die Socinianer
wird in den Symbolijhen Büchern die Beibehalt- |haben ftatt der B. am Tage vor dem Abendmahl
ung der Privat-B, vor jedem Genufje des Abend-|eine Disciplin, d. h. Vorbereitung bei verichloj-
mahls megen der Abfolution, der Berubigungijenen Thüren, wo Jedem feine Fehler verwiefen,
des Gewifiens und des moralischen Nutens ver- Ärgerniß Gebende ernftlich ermahnt, felbft von der
langt. Sie verwirft indeß allen Zwang, welder|&emeinde ausgeſchloſſen und Beleidigungen aus
die Gewiſſen beumruhigen könnte, u. überläßt es|gejöhnt werden, Bei den Herrnhutern ver-
dem Beichtenden, ob u. welche einzelnen Sünden |tritt das fogenannte Sprechen, welches 8 Tage vor
er dem Beichtvater bekennen wolle. Statt diefer|der Gommunion zwifhen den Chorhelfern u. den
Privat-B, war indeß gleih anfangs in einigen Communicanten über ihren Seelenzuftand gehal:
Lutherifchen Ländern, wie in Schweden, Dänemarf,|ten wird, die Stelle der 8. Die Epijlopal-
Straßburg, feit 1674 die Allgemeine B.,d. b.|tirhe in England bat kein befonderes Beicht-
eine — — auf das Abendmahl, |inftitut als Vorbereitung zum Abendmahl, jon-
abi, wo nad einer dem Gegenftande angemeje|vern ſchreibt die allgemeine B. u. Abfolution in
jenen Rede des Geiftlichen (B eichtrede) mehrerelihrem liturgifhen Book of common Prayer für
zugleich ein gemeinjames Sündenbetenntniß ablegen |jeden Morgen- und Übendgottesdienft vor. Die
2. gemeinfam die Abfolution erhalten. Schon der Quäker vermwerfen mit dem Gacrament des
Prediger Schade zu Berlin verwarf 1695—97 das Abendmahls auch die B. Die Beichtformel
ganze Beichtweſen; gegen ihn trat Deutihmann in|der Proteftanten ift am verjchiedenen Orten ver-
Bittenberg auf, Spener aber fuchte zu vermitteln ſchieden u. findet fich in den Agenden der einzelnen
u. meinte, dag man dem gegen die B. Eingenom« |Yandesfirhen. Vgl. Omler, Der Prediger im
menen auch ohne diefelbe das Abendmahl nad) der | Beichttuhl, Jena 1780; Waldau, Über das Beicht-
112
Beichtformel — Beil.
wejen, Dresd. 1786; Merkel, Über die allgemeine, Beichte für die Beichtväter (Summae de casibus
u. befondere B., Chemnitz 1800; Köhler, Anleit-
ung für Geelforger im Beichtſtuhl, Frankf. a. M.
1803; Klee, Die B., eine hiſtor.krit. Unterfuch-
ung, Frankf. 1828; J. Stäublins Beleuchtung
dietes uches, Lpz. 1830; Siemers, Die facram,
B., Miünfter 1844; Adermann, Die B., befonders
die Privat-B., Hamb. 1852; Pfiſterer, Luthers
Lehre von der ®., Stuttg. 1857; Kliefoth, Die B.
u. die Abfolution, Schwerin 1856; Nehr, Kurze
Seichichte der B., Windsheim 1799. B) Bei aufer-
hriftliden Neligionsperwandten. a) Die
Juden brauden bei der B. eine beftimmte allge»
meine Beichtformel (Al Chet), welche aus 44, die
gewöhnlichen Sünden enthaltenden Sägen bejteht,
u. welde fie nur am Berföhnungstage an den 3
Tageszeiten u. am Vorabend dejjelben abbeten;
außerdem nur am Hochzeits- u. am Öterbetage,
weil die Verheirathung, nach der Meinung der
Rabbiner, wie der Tod, Entfündigungstraft befitt.
Der Beichtende ſchlägt fih dabei zum Zeichen der
Betrübnig mit der rechten Hand auf die Bruſt.
Fällt der Berföhnungstag auf einen Sabbath, fo
wird die B. nur am Vorabeud des Bußtages ab-
gebetet u. vor Ausgang defielben in dem Schluß.
ebete — eingeſchaltet. Die dem Al Chet vor—
———— urze B. (Aſchamuu), die nur aus 22
Worten befteht, wird auch an dem Borabend ber
Neumonde u. anderen geringeren Bußtagen des
Jahres im Morgengebete eingejchaltet. Öffentliche
Sindenbelenntmiffe in der Synagoge famen bei
großen Sünden fonft mehr als jett vor, b) Bei
den Mohammedanern heißt die B. Efrar u.
wird deu Mollah abgelegt. zörfler.*
Beidhtformel, ſan. Beichte.
80 tgeheimniſſe, ſ.u. Beichtverſchwiegenheit.
eichtgeld (Beichtpfennig, Beichtgroſchen,
Beichtopfer), eine urſprünglich freiwillige Gabe,
welche bei Gelegenheit der Beichte der Beichtende
dem Beichtvater gab u. die allmählich ſtehend
wurde. Als freiwillige Gabe wurde das B. in
der Katholiſchen Kirche da u. dort beibehalten
(Synode von Trier 1549). Die Reformatoren
verwarfen mit dem Zwange zur Beichte auch das
B. Doch beſtand es wegen der geringen Einkünfte
der Geiſtlichen mehrfach als freie Gabe fort. In
der Reformirten Kirche wurde das B. auf Calvins
Vorſchlag abgeſchafft, u. auch in der Lutheriſchen
Kirche hat man ſich oft dagegen erklärt, beſonders
von Seiten des Pietismus; jo Franke. Berfuche
in Preußen u. Braunfhweig im 17. u. 18. Jahrh.,
das DB. ganz abzuſchaffen, ſcheiterten an öfono-
mifchen Gründen; in Ofterreih u. Württemberg
ift es indeß fchon längſt, feit 1817 in Naffau u.
außerdem an manchen Orten durch Privatüberein-
fommen gejchehen. P. Müller, De nummo con-
fess,, Jena 1688; Fertih, Das B. in der Prot.
Kirche, Gießen 1830. Löffler.
Beichtiger, jo v. w. Beichtvater,
Beichtkind, ſ. u. Beichtvater.
Beidhtpfennig, ſ. u. Beichtgeld.
Beichtregiſter, Verzeichniß der Beichtenden,
welches bei jedem Pfarramte gehalten wird.
Beichtſchein, ſo v. w. Beichtzettel.
Beichtſiegel, ſo v. w. Beichtverſchwiegenheit.
Beichtſpiegel, Anleitung zum Abhalten der
conscientiae), aber aud Anleitungen zur Selbſt⸗
prüfung u. zur Wblegung der B. für die Beich-
tenden, öfter ben katholiſchen Andachtsbüchern
u #
eichtituhl, 1) der Sitz, in welchem ber
fathofl. Priefter die Beichte abhört. Er fol an
einem überall in der Kirche fihtbaren Orte ftehen
u. der Beichtvater von dem VBeichtenden durch ein
Gitter getrennt fein. 2) So v. w. Beichte,
Beichtunter, Beichtfind: fo wird früh ſchon
auf Grund von 1 Cor.4, 15, Gal., 4,19 das Ber-
hältnig des abfolvirenden Klerilers zum Beich—
tenden bezeichnet. In der Kathol. Kirche ſteht das
Abfolutionsrecht eigentlich nur dem Biſchof zu,
der e8 aber den Prieftern (im Notbfall Diafonen)
für einen beftimmten Kreis überträgt. Doch ift
geftattet, wen mehrere für einen ſolchen approbirt
find, zu wählen. Nur im Notbfalle fann jedem
Priefter gebeichtet werden, Laien nie. In der
Evangel. Kirche ift, wo mehrere Geiftfiche find,
meift die Wahl des Beichtvaters frei. Die Wahl
eines anderen Beichtvaters, als desjenigen, in
deffen Parodie man gehört, bedarf einer Dis-
penfation, fol aber nicht erichwert werden. Im
Notbfalle kann man aucd Laien beichten u. von
ihnen die Abjolution empfangen,
Beichtverſchwiegenheit (Beichtfiegel,Sigillum
confessionis), die Verpflichtung des Geijtlichen,
das ihm im Beichtſtuhl vertraulich Entdedte zu
verjehweigen. Aufforderungen dazu finden fi) ſchon
im 4. u. 5. Jahrh., u. Papſt Junocenz ILL, erließ
darüber ein befonderes Decret. Nach dem Kano—
nischen Rechte ift die Verletzung derjelben unbe-
dingt und in allen Fällen verboten u. mit Ab-
jegung u. in Klofterhaft zu bejtrafen.
Der Beichtvater foll nicht gezwungen werden
fönnen, über das ihm Gebeichtete gerichtlich aus-
zufagen., Man hat bei. in der Proteftantifchen
Kirche feit längerer Zeit das Gefährliche der B.
zu mildern gejucht. Durch Beichluß des preuß.
Obertribunals 1875 find Geiftliche von der Pflicht,
Zeugniß abzulegen, nur dann entbunden, wenn es
fih bei dem Beichtgeheimniß ausjchließlih um den
Shut der feeljergeriihen Thätigfeit handelt und
bei dem Amtsgeheimniß um Umftände, welche nicht
mit dem Staatsgefege in Widerſpruch ftehen; ift
letzteres jedoch der Fall, jo foll das Beichtgeheim⸗
niß geofjenbart werden. Bgl. Mor. Beier, De
sigillo confessionis, Jena 1721; Breiger, Über
das Beichtgeheimuig u. das Recht der Obrigleit,
defien Relation zu fordern, Hann. 1827; Uihlein,
De confessionis sigillum violantis poena, Heidelb.
1823; Derf., De sigillo conf., ebd. 1828, *öfller.*
Beichtzettel (Beichtzeugniß), ſ. u. Beichte II.
Deidrehen (Schiffsw.), jo v. w. Beilegen; ſ.
u. ZTalelage,
Deiendurg (Beyenburg), |. u. Luttringhanfen.
Beifall u. ſ. w., f. u. Applaudiren,
Deifuf, j. Artemisia.
Beikent, Fluß im W. der Kaffıs- Mongolei,
welcher ſich, nachdem er viele Seitenflüffe aufge»
nommen bat, mit dem Kemtfif vereinigt u. nun
Kem oder Oberer Seniffei Heißt.
Beil, 1) breites eifernes Werkzeug, zum Hauen
beftimmt; bat einen kürzeren Stiel, als die Art
Beil — Beinbrud).
u, it in der Regel nur von einer Seite ange»
ihliffen; die Schneide kann gerade oder gekrümmt
m Je nah Form u. Gebraudh hat es ver-
IHiedene Benennungen, ald: Hand-B., Breit-B.,
Richt ⸗B. ꝛc. Aus der Urzeit find in verichiedenen
Gegenden Mittel- Europas fteinerne B-e aufge
fanden worden (f. Steinzeit). Auch viele milde
Stämme bedienen ſich noch jett fteinerner B-e;
andere haben fie bei der Ankunft der Europäer
in ifrem Lande aufgegeben. 2) Ähnliches Werk⸗
F zur Enthauptung; ſ. Todesſtrafe.
eil, Joh. Davıd, bedeutender Schaufpieler
aus der Ölanzperiode des deutfchen Theaters, geb.
1754 zu Chemnit; das einzige Kind unbemittelter
Eltern, fonnte er nur durch Unterftügung Fremder
die Univerfität seipaig zum Studium der Rechte
bezieben. Bon den Borftellungen der Seylerichen
Ztuppe indeß mehr angezogen, als von den Bor-
Itfungen der Profefforen, ward er Scaufpieler.
Zunähft lernte er Freuden u. Leiden diejes neuen
Standes bei herumziehenden Gejellichaften Tennen,
Bis er auf Empfehlung Karl v. Dalbergs 1777
an dem erften — zu Gotha engagirt
wurde. Nach Aufgabe dieſes Inſtituts engagirte
ih B. bei dem Mannheimer Nationaltheater u.
entfaftete bier die ganze Größe u. Eigenartigfeit
keines Talents, die ihm jelbft Schröders Gunft in
schem Maße erwarben. Er ft. 13. Aug. 1794.
In lomiſchen Charakterrolfen, wie aud im Tra-
gſchen war B. vorzüglich; befonders bedeutungsvoll
fir das deutſche Theater ward er durch feine
Sehfelbeziehung zu Zffland u. Bed. Seine
Dramen (Zür. 1794, 2 Bde.) find originell und
zeugen von großer Bühnenkenntnig. Am be
hebteften waren feiner Zeit: Die Spieler, Mannh.
1785; Die Schaufpielerichule, ebd. 1786; Armuth
u. Hoffart, Verl. 1789. Bol. B⸗s Biographie
113
Bellegen, ſ. u. Tafelage (Bedienung).
Beilngries, 1) Bezirksamt im bayer. Regbez.
Mittel⸗Franken, im Frankenjura u, an der Altmühl;
549,, [km (9. LM); 25,360 Emw.; zerfällt
in die beiden Landgerichte B. u. Greding. 2) Stadt
(feit 1485) hier, in einem Thal an der Sutz, zwiſchen
der Altmühl u. dem Ludwigskanal; 1620 Em.;
dabei das Jagdſchloß Hirſchberg, an der Stelle
des Stammſchloſſes der ausgejtorbenen gleichnam.
Grafen.
Iftein, fo v. v. Nephrit.
Beiljtein, 1) Stadt im Oberamte Marbad
des württemberg. Nedarkreifes; guter Wein;
1680 Em.; dabei Ruinen einer Burg der ehem.
Grafen v. B. mit einem großen, fünfedigen Thurm,
Langhans genannt. 2) Hauptort der ehemaligen
——— Naſſau-B. im Dillkreiſe des preuß.
egbez. Wiesbaden, bei Herborn; Schloßruinen;
680 Ew.
Beilſtrafe, ſ. u. Todesſtrafe.
ein, 1) fo v. w. Knochen. 2) Die untere,
refp. hintere Ertremität beim Menſchen u. den
Affen; bei anderen Thieren die Gehwerkzeuge (in
beliebiger Zahl) derjelben überhaupt.
Beiname, |. u. Name,
Beinarbeiten, Gegenftände, die aus Knochen,
bef. der Border- u. Hinterfüße, verfertigt werben.
Man nimmt dazu die Knochen von Rindern,
Pferden, pe (bauptiählih zu Klaviaturen),
afen (bef. zu Wild- u. Jagdrufen zc.), auch die
Flügelknochen der Gänfe (zu Bogelpfeifen u. dgl.).
Um B. zu verfertigen, werden die Knochen erft
efocht, entweder in Waffer, oder in Lauge von
Sottalhe, u. dann zum Bleihen an die Sonne
gebradt. Das Zurichten u. Zuſchneiden derſelben
eſchieht mit der Beinſäge, die kleiner als die
Solgfäge ift u. ein ungefchränftes, bärteres Blatt
von Iffland in deffen Almanach fürs Theater, |bat; das Behauen mit einem Beil (Beinhade).
1808, ©. 92—187. Kürfchner.
Das meitere Bearbeiten geichieht bei gedrebten
Beilager, feierliche Si a © u. Vollzieh-B. auf der Drehbank mit Schrot-, Spitz-, Schlidht-
t
ung der Ehe von Perfonen hoben
de Vefteigung des Ehebettes. Mit — be»
gannen nach Deutſchem Rechte erft die Wirkungen
der Cheſchließung; daher auch bei der Antrauung
Nirfliher Bräute an die Hand eines den Bräu-
am vertretenden Gefandten dieſer in vorge—
Hriebener Meidung u. Rüftung auf kurze Zeit
he neben die Braut auf ein Ruhebett legte.
Beilan, Stadt im türf. Bilajet Adana in
einaſien, hart an der Grenze von Syrien, 15 km
vom Mittelmeere, an der fehr belebten Straße von
Aeppo nach Iskenderun (Meerbufen von Isken—
derun) zwiſchen Bergen gelegen; ehem. Sit eines
Paldaz; jhöne Gärten, Weinberge u. Olivenhaine ;
Tabalsbau; Handel mit Seiden- u. Baummollen-
hoffen; Sommeraufenthalt der Reichen von Is-
knderun; 5000 Em.
Beilbrief, 1) (Bielbrief) Zeugniß des Schiffs.
mmermannes, daß der Bau eines Schiffes voll-
Iommen vorſchriftsmäßig ausgeführt worden fei.
Ohne einen ſolchen darf kein Schiff zum Waaren-
ansport gebraucht werben. 2) Schulbichein über
Gelder, welche zu einem Schiffsbau aufgenommen
worden find; Defeiben werden hypothekariſch auf
andes durchfftählen 2c.; die der flachen u. platten B., wie
Spielmarten, Falzbeine x., mit Feilen, das
Schaben derjelben mit Meſſern oder Schabern.
Das Schleifen u. Poliren verrichtet man bei ge-
wöhnlichen B. mit trodenem Schadhtelhalme ır. den
Knochenſpänen; bei feineren mit naſſem Schachtel»
balme u. Bimsftein, mit geihlämmter Kreide, oder
Kalt u. Seife, Zuletzt werden fie gebeizt u. gefärbt.
Beinafche, Aiche gebrannter Knochen; j. Aiche,
Beinbred, die Prlanzengattung Symphytum,
Beinbruch, Knochenbruch (f.d.) überhaupt;
insbejondere Bruch des Ober- od. Unterfchentels,
Beinbrühe machen ungefähr 6 pCt. aller Knochen-
brüche aus; fie find häufiger beim männlichen,
als beim weiblichen Geſchlechte, weil erfteres am
meiften den Gelegenheitsurfachen ausgeſetzt ift, u.
bier liefert wieder die arbeiteude Kaffe, bej. im
fräftigen, mittleren Mannesalter das ftärffte Con«
tingent. Arten derf. find: a) Brüche des Schentel«
halſes, ſowol außerhalb, als innerhalb der Kapfel,
kenntlich bef. an der Relation des Schentels nad
außen, der oft beträchtlichen Berkilrzung u. der
nicht immer deutlichen Erepitation. Iſt das untere
Bruchftüd in das obere eingeleilt, mas nicht fehr
das Schiff gezahlt, u. die Gläubiger haben im alle) felten gefchieht, fo entfteht keine Crepitation, u. ein
des Nihtbezahlens das erfte Hecht auf daffelbe,
Pierers Univerfals-Eonverfations-Periton. 6. Aufl. III. Band.
geringer Grad von Gebrauchsfähigkeit ift noch vor»
8
114
Beinerv — Peiram.
handen. Befonders hierzu disponirt ift das höhere]zäblt u. heißt nach feinem Entdeder aud N. acc.
Alter; bier beruht dieje Eriheinung auf dem Alters—
ihwunde der Knochen. b) Brüche der einzelnen
Gondylen des Oberjchenfels, d. h. Gelenfenden,
finden bei ſehr gebrechlicher Beſchaffenheit u. di—
recter Gewalt ſtatt und ſind von verſchiedener Be—
deutung, je nachdem ſie ins Gelenk dringen, oder
nicht, mit einem mehr oder weniger hohen Grade
von Quetſchuug, Wunden u. ſ. w. verbunden
ſind. Immer aber führen ſie die Gefahr der
Gelenkſteifigkeit mit ſich. e) Bruch des Mittel—
ſtückes des Oberſchenkels, Duer- od. Schrägbrüche,
meiſt durch indirecte Gewalt, Fall auf die
Füße ac. entſtanden, ſeltener durch directe; Sym—
ptome wie bei Knochenbrüchen überhaupt(ſ. Knochen-
bruch). d) Brüche des Unterſchenkels, entweder
eines oder beider Unterſchenkellnochen. Beſonders
gefürchter find die complicirten Unterſchenlelbrüche,
d. h. jolche, wobei die gebrochenen Knochenenden
die Haut durchbohren, weil fie, namentlich im
Spitälern, durch binzutretende Pyämie (j. d.)
einen größeren Procentfag von Sterblichkeit be-
dingen. Am häufigſten unter allen Unterſchenkel—
fracturen find wol die Kuöchelbrüche, die oft durch
einfaches Umfniden des Fußes nad außen oder
innen entjteben können u., da fie ſehr häufig
vom Patienten nicht fogleich beachtet werden, öfter
bedeutende Gelenkentziindungen im Gefolge haben.
Brühe der Fußknochen find äußerft felten. Zu
den Beinbrüden zählt man aud noch die Brüche
der Kniefcheibe; fie jegen immer eine bedeutende
Gewalt voraus und laffen bei der Heilung faft
immer Steifigleit des Kniegelenkes zurid. Was
nun die Behandlung der Beinbrüche anlangt, jo ift
das Zurüdbringen der getrennten Knochenſtücke in
die normale Lage oft ſehr leicht, das Feſthalten der-
jelben im dieſer Lage dagegen mit um fo mehr
Scwierigfeit verbunden. Eine Menge von Ber-
bänden find erfunden u. als unzwedmäßig wieder
verworfen worden. Berbände von Wajlerglas,
Vappſchienen, Schmweben jegliher Urt, um bei
möglichit bequemer Yage des mehr oder weniger
ſchwebend erhaltenen Öliedes die größtmögliche Frei—
beit der Bewegung zu geben, Beinladen, Rinnen, Ge—
jtelle oder Kaften zur Aufnahme des gebrochenen od.
eingerichteten Gliedes, B-wmafchinen, durch welche
die Bruchenden, wenn fie fi über einander ger
ſchoben haben, in ihre naturgemäße Yage zurid-
gebracht u. darin fetgehalten werden, find ange»
wandte worden, In der neueren Zeit find wol
nur noch für die Schenkelhalsbrüche und die
Brühe des Mittelſtückes des Oberſchenkels die
einfahe und doppelte ſchiefe Ebene, die per-
manente Ertenfion, Gewicht u. Gegengewicht in
Gebrauh. Der Gipsverband genügt faft immer
allen Anforderungen, die man an einen Verband
für Knochenbrüche ftellt.
Beinerv (Nervus accessorius); entipringt aus
dem oberen Theil des Rückenmarkes, tritt durch das
große Hinterhauptloh in die Schädelhöhle, nimmt
dann mit dem umfchweifenden Nerv (deffen mo—
toriihe Wurzel er bildet) feinen Berlauf (daher
ber Name), tritt nebſt diefem mieder zu dem
Jugularloche aus der Schädelhöhle heraus u. ver-
breitet fi) in den Kappen» und Bruftbeinfchlüffel-
beiumuslel.
Willisii.
Beinfäule, ſ. Winddorn.
Beinfraſß (Caries), ſ. Knochenfraß.
Beinhaus, kleines Haus auf Kirchhöfen zur
Aufbewahrung von ausgegrabenen Todtenknochen.
Beinhaut (Periosteum), fo v. w. Knochen-
baut (j.d.u. Knochen). Daher Brentzündung
(Periostitis), Entzündung ber Knocheuhaut; B-
frebs, bösartige (krebfige) Wucherung der Knochen-
baut, u. B-necrofirung, Bereiterung u. Ber
jauhung der B. infolge von B-entzilndung, oder
infolge benachbarter Eiterungsprocejie.
Beinſchienen, Theileiner Rüftungzum Echuge
der Beine; beftanden aus Bledhftüden, die mit
loderen Nieten verbunden waren.
Beinſchwarz (Beintohle, Knochenkohle), der
durch trodene Deftillation, d. h. durch Glübung
in verfchlefienen Gefäßen, gebildete Rückſtand von
Thierlnochen; findet in der Technif zwei wichtige
Berwendungen: erſtens liefert diejelbe die vor-
zugsweife aus Elfenbein gebrannte ſchöne ſchwarze
Dialerfarbe und zweitens das Entfärbungs- und
Reinigungsmittel gefärbter Flüffigkeiten, nament-
lich des Zuderiyrups. Bu legterem Zwecle wandte
es zuerit der Frauzoſe Payen an, der die Ent
dedung machte, daß die thieriihe Kohle vor jeder
anderen Kohle einen Borzug in der Eigenichaft
beſitze, Kalk aus feiner Lofung in Waſſer und
Zuder in fih aufzunehmen. Zur Raffinerie des
Zuckers wird es gekörnt in der Feinheit des
Sciefpulvers. Nah dem Gebraude faun es
wieder benutt werden, nachdem e8 durch Behand»
lung mit Salzläure vom Kalk durh Gährung u.
nochmalige leichte Glühung von den aufgenommer
nen organichen Stoffen befreit worden iſt. Man
nennt Diefe Operation die Wiederbelebung Fer Kohle.
Beirn, ehemal. Provinz in Portugal, zwi—
ihen dem Atlantiihen Meere, Spanien und den
Provinzen Minho, Traz 08 Montes, Ulemtejo u.
Ejtremadura; getheilt durch die Natur in B.-Mar,
den Küftenftrih, B.-Alta (Hoch-B.) u. B.-Baira
(Nieder-B.); zerfällt jegt politiſch in die 5
Diftricte Aveiro, Coimbra, Pifen, Guarda und
Saftello Branco; zufammen 23,942 [_jkm (434,
IM); (1871) 1,294,282 Ew. in 87 Gemein«
den; Hauptort: Coimbra. Das Land ift theils
gebirgig (Serra de Eſtrella 2160 m, ©erra de
Alcada, Serra Buffaco) theils fandig, wenig
fruchtbar ; Flüſſe: Duro (mit Goa, Tavora, Paiva),
Zejo (mit Erga, Dcreza, Zezere), Mondego (mit
Alva, Geira); einige Seen; viele Moräfte; zahlreiche
Schwejelquellen; Beihäftigung: Vieh-, vorzüglich
Schafzucht, etwas Garten», viel Wein. (Portwein)
u. noch mehr Dlivenbau, geringer Bergbau, bedeut.
Salzgewinuung; wenig Induſtrie u. Sande Die
Bewohner des Küftenftriches find träg u. demoralfi»
firt; die von Hoch- u, Nieder-B. dagegen fleißig,
vedlich, heiter. S. im Übrigen u. Portugal.
Beiram (perf.), eim feierliches Feſt. Die
mohammedaniſche Religion kennt 2 Feſte B.: a)
B.Kitſchi, das Meine B., am 1. bes Monats
Schewwal; beginnt gleih nad dem Faſtenmonat
Ramadan u, dauert 3 Tage lang; b) Kurbaan-d,,
das Feſt der Opfer (au Kutjchul-B.), das große
Er wird als 11, Hirnnerv aufge-IB.; joll die Opferung Iſaals bedeuten; beginnt
Beireis — Beijafjen. 115
60 Tage nach dem großen B., am 10. des Monats
Dulhedſche (Sithidiche), u. dauert 4 Tage. Au
beiden Feſten empfängt der Sultan früh die
Stüdwänjihe der oberjten Staatsbeamten u. zieht
mit gie Pracht in die Moſchee. Dann werden
die Staatödiener geipeift u. 16 mit Bobelpelzeu
deſcheult; ſonſt erhielten auch die chriftlichen
Selandten Geſchenke. Das Bolf beiuftigt fich durd)
Schmauſen u. Bejuche. Angefündigt werden dieje
Feſte in Conftantinopel durd die Kanonen des
Serail u. in Tophana.
Beireis, Gottfried Chriſtoph, gelehrter
Zenderling, geb. 28. Febr. 1730 zu Mübldanjen
u Thüringen; ſtudirte feit 1750 ——— u.
daturwiſſenſchaften, machte dann Reifen, angeblich
nad JIudien, fehrte 1756 zurüd u. ftudirte in Helm»
dt unter Heifter Chirurgie, wurde daſelbſt 1759
Brofeffor der Phyſik, 1762 der Medicin, 1768
dır Chirurgie und 1802 Leibarzt deg Herzogs
Kur Wilhelm Ferdinand v. Braunfchmweig; er
#. 18. Sept. 1809. B. war mit mehreren von
im geheimgehaltenen chemifch » techniichen Pror
wen (m. a. zur Färbung des Scharlachs) ver-
traut, wodurch es ıhm gelang, Geld, bei. von den
Sellindern, zu gewinnen, um ſich eine anjehn-
Ihe Bibliothel u. eine Sammlung von Natur-
. Kunſtſchätzen anzulegen (darımter ein Diamant,
größer als ein Hühnerei, den angeblich der Kaifer
den China bei ihm verfegt habe, den er aber
Kennern mie zeigte u. der ſich nad) feinem Tode
ritt vorfand, eigens von Lieberfühn injicirte
mtomtche Präparate, phyſikaliſche Inſtrumente
ton Otto von Guericke, die Vaucanſonſchen Auto—
waten u. viele andere Seltenheiten); die mathe—
Baummollengewebe, franzöfifche Artikel, deutſche
und öfterreihiiche Seidenwaaren und Tücher ꝛc.
Einführt wurden 1864 274 Mill,, ausgeführt.
324 MU. Fes. Unterftütt wird der Handel
durch regelmäßige Dampfiifffahrt nach den euro-
päiſchen u. levantinishen Häfen u. Poſtwagen—
verbindung mit Damascus. Weniger günftig iſt
der der Verſandung ausgefette Sur, an deſſen
Berbefferung indejlen gearbeitet wird. Der be-
deutendjte Handelsverkehr findet mit Marſeille
ftatt, und B. wetteifert an Bedeutung für den
Handel mit Smyrna. Sedenfalls ift es der ber
deutendfte Handelsplag au ver ſyriſchen Küfte u.
Stapelplag für den ganzen inneren Handel, außer«
dem Sammelplag der Mellapilger u. der Kara-
wanen nad Damascus zc. u. Yandungspunft aller
nad Syrien u, Paläftina direct gehenden Reiſen-
den. Dicht vor der Stadt im Meere liegen die
Ruinen von 2 zerjtörten Gajtellen, ein anderes
vor dem Saraithore am Kangnenplage. — B. (in
der Bibel Berotha, bei den Profanjchriftitellern
Berptos) lag in Phönilien am Ausfluſſe des Ma—
goras u, hatte einen guten Hafen. David eroberte
u. plünderte die Stadt; Antiohos d. Gr. entriß
fie den Agpptiern u. vereinte fie mit Syrieu.
Durch Diodotos Tryphou 140 v. Chr. zerftört,
wurde B, unter Auguftus von M. Agrippa wie—
derhergeftellt, al8 Julia Augusta Felix Berytus
mit Veteranen der 5. u. 8. Legion colomifirt u.
mit dem Jus italicum bejchenft. Unter Kailer
Claudius wurde B. von dem jüdiſchen König
Agrippa jehr verichönert u. nahın den Beinamen
Anteniniana an, u. Theodoſios II. erhob fie
zur Metropolis. In B. war eine der 3 Rechts—
mattihen, phofifalifchen u. aſtronomiſchen Ynftrus|ichulen des Alterthums. Die Stadt wurde 349
mente vermachte er teftamentlih der Univerfitätfdurd Erdbeben ſtark beſchädigt u. 551 gänzlich
Helmftädt; jein literariſcher Nachlaß war unerheb> |zerftört, erhob fi aber wieder und ward zur
Id. Im Übrigen war er ein außerordentlich] Zeit der Kreuzzüge eine beveutende Stadt. König
knutnigreiher Mann, geiuchter Arzt u. unermiid- | Balduin I. eroberte B. nach 2monatliher Bes
hher Lehrer, der im allen Fächern der Wiffen-|lagerung April 1109, worauf fie Saladin 1187
Kat mit Eifer arbeitete u. auch in dem jchönen|nahm, 1197 aber wieder die Kreuzfahrer u. 1291
Sinften nicht unbemwandert war. Bol. Heifter, [wieder die Saracenen. Später war fie längere
Nadrikten über B., Berl. 1860. ambayn.* [seit im Befitte der Drufen u. jelbft Reſidenz des
Beirũt, Stadt im gleihnam. türkfiihen Lima} Emir Fakhr-Eddin, bis 1763, wo fie durch Verrath
dee Ejalet Seideh (Saida) und Bilajet Syria,jan die Türfen fam. 1772 ward B. von einer
auf einer Pandipitse des Libanon am Mittelmeere, |ruffiihen Flottille erobert und geplündert. Seit
in ſehr gefunder Lage; eng und krumm gebaut,]1831, feit der Bejegung Syriens durch Soliman
aber mit weiten Borftädten u. Gärten umgeben: Paſcha, wurde B. von Ibrahim Paſcha als
Siz des Gouverneurs des Ejalet Seideh und| Station und Verbindungsplag mit Ägypten feft
eines griechiſchen u. maronitifhen Biihofs, derjerhalten, 10.—14. Sept. 1840 von der türfifch-
Generakonfulate der europäifhen Großmächte u.|englifch » öfterreichifchen Flotte unter Admiral
der Conſulate anderer Staaten; Ouarantäne;|Stopford beſchoſſen und, nachdem dic Befagung
Zellamt, mehrere Poftanftalten, europäiiche Arzte,|unter Soliman Paſcha die Stadt am 9. Oct. ver«
Apotbefer; Klofter der Barmherzigen Schweitern, jlaffen hatte, bejegt.
*it 1853 eine proteftantifhe Gemeinde und Mäd-| Beiſaſſen (lat. Incolae), Einwohner, denen
Henihufe der Dialoniffen; in den mit Duadern|nicht das volle, fondern nur das feine Bürger-
rpfafterten und mit vielen Schwibbogen über-|recht zuftand; der Inbegriff der ihnen zukommen—
zaunten Straßen fehr lebhafter Berlehr. Die den Rechte warb Beiſaſſenrecht, wie die von
Vevölferung ift in den letzten 30 Jahren vonlihnen für die Gewinnung deffelben zu entrichtende
8009 anf etwa 80,000 Emw. angewachſen, darunter Abgabe Beifaffengeld, u. ihre ſchriftliche Ver—
?m Drittel Mohammedaner, faft zwei Drittel Ehri-|jafjungsurtunde Beifafjenneunung genannt.
hen, viele Juden 2c. Sie betreiben ftarfen Bauns| Zur Befolgung ihrer Pflichten mußten fih B.
mollenban umd Seidenzucht, bedeutende Webereildurd den Beifaffeneid verpflichten. Gegen»
u beiden Stoffen, Gold- u. Silberarbeit, Töpferei wärtig ift mit dem Princip der politifchen Gleich
(Rühlgeichirre), Kofferfabrifation zc. Der Handel |berehtigung aller jelbftändigen Staats: und Ge—
bermfit europäiſche, bej. englifche u. fchweizeriiche Imeindeangehörigen auch die rechtliche Bedeutung
83*
116
dentungspollften war.
Beisbarth, Karl Friedr., Baumeifter, geb.
1809 zu Stuttgart; ftudirte umter Sfabelle in
Paris u. Gaertner in München, befuchte Ftalien,
nahm am Bau des Kunſtmuſeums u. Hoftheaters
in Stuttgart theil, warb Mitarbeiter von C.
Heideloffs Kunft des Mittelalters u. es Vieles
zur Einbürgerung der Renaiffance in Wiürttem-
berg bei, wo fie dermalen mit jo fchönen Erfolgen
gep 9 wird,
Belſchlaf, maturgemäßige Befriedigung des
Geichlechtstriebes; über denfelben in geſetzlicher
u. moralifher Hinfiht vgl. Ehe u. Concubitus.
Beiſetzen, 1) eine Leiche im Sarge in eine
Gruft oder ein Grabgewölbe jegen. 2) Die Segel
b., fie anipannen, indem man die Schoten an
einem ihrer Winkel zurüdzieht; f. Talelage.
Beifis (Beiſeß), das ſchon von Alters her in
Deutſchlaud geltende u. noch in einzelnen Parti
cularrechten aufrechterhaltene Recht des über-
lebenden Ehegatten, das Bermögen des Berftorbe-
nen mit den Kindern gemeinihaftlih zu nutzen
m. zu verwalten. Es erjcheint je nad den ver-
fchiedenen Güterrechtsigftemen (j. Gütergemeinjchaft)
in verfchiedener Geftalt, hört aber auf, wenn
der überlebende Ehegatte wieder heirathet, oder
wenn Sohn oder Toter einen eigenen Haushalt
errichtet, u. jomit eine Abjonderung des Vermögens
nöthig wird.
Beisker, Fiih, fo dv. w. Schlamm- u. Gtein-
peister; |. u. Schmerle.
Beisler, Hermann von B., bayer. Staats-
mann, geb. 1790 zu Bensheim; trat 1807 als
Lieutenant in die bayeriiche Armee, ſchied, nachdem
er den Feldzug in Zirol mitgemacht hatte, aus
dem Militärdienfte und widmete fich der Juris-
prudenz; er wurde 1813 Generaljecretär im
Juftizminifterium des Großherzogthums Frankfurt,
entfagte aber diefer Stellung, um an dem Frei—
Kar gegen die Franzoſen theilzunehmen.
eim Feldzuge von 1815 wurde er zum Haupt-
mann ernannt, arbeitete nach dem Frieden in dem
bayerischen Minifterium bes Außern und erhielt
dann eine Anftelung als Regierungsrath, erft in
Ansbach, fpäter in Bafla, Augsburg u. Negeus-
burg. Obgleih er feiner liberalen Gefinnungen
wegen bei der Regierung nicht beliebt war, wurde
er doch wegen feiner Kenntniffe erft zum Negier-
ungsdirector von Ober-Bayern u. fpäter (1838)
zum WRegierungspräfidenten in Nieder-Bayern er-
nannt,. Unter dem Minifterium Abel wurde er,
weil er ſich für die verfaffungsmäßigen Rechte ber
Protefianten verwandte, von dieſem Poſten ent«
fernt u. zum Präfiventen des oberften Rechnungs-
bofes, 1847 aber, nad dem Sturze von Abels,
zum Staatsrathe und 1848 zum @ultusminifter
ernannt, Als Mitglied der Nationalverfammlung
in Frankfurt ftimmte er in den wichtigften Fragen,
weldye die Gejammtftaatsverfaffung betrafen, mit
der Rechten. Ende 1848 übernahm er das Mi—
nifterium des Junern, fam aber, weil er bie
Beisbartd — Beitler.
n. Sonderftellung der B. verſchwunden; fo aud[5. ng
in der Schweiz, wo dieſes Inftitnt noch am be-| feinem
1849 aus dem Minifterum, um bis zu
ode (15. Octbr. 1859) wieder als Prä-
fident des Oberftien Nechnunghofes zu fungiren.
Er ſchr.: Betradhtungen über Staatsverfafiung u.
Kriegsmefen, el 1822; Betrachtungen über
Gemeindeverfaffung, Augsb. 1831.
Beifpiel. Das Wort heißt im Mittelhochd.
bispäl, zufammengefegt aus bi, bei, u. spele,
Rede, Erzählung, althochd. spel, goth. spill
(goth. spillön, althochd. spällön, bedeutet: ver-
fündigen, erzählen); es bat mit Spiel nichts zur
Ihaffen; das neuhochd. Wort fteht für beispell,
bispel, entipricht dem lateinifchen fabula und be—
deutet eine zur Belehrung erdichtete Erzählung.
Bon diefer Bedeutung bat unfer moderner Eprad-
gebrauch mur Überrefte beibehalten, Wir verftehen
jet unter B. eine Thatſache oder Reihe von
Thatfahen, wodurch ein diefelben in ſich ſchließeu—
des Allgemeines, ein Lehrbegriff, ein Sat der
Yebensanfhauung, ein Urtheil über menſchlichen
Werth oder Unwerth ꝛc. verdeutlicht, begründet,
nachgewiefen wird. So wird der Begrifi der
Tragödie am König Lear, das -allgemeine Geſetz
der Schwere an der Gentripetalfraft der Erde,
das über einen Menſchen ausgeſprochene Urtheil,
daß er einen feften oder einen jchwanfenden
Charafter babe, durch einzelne ihm mahrheits-
gemäß zugefchriebene Handlungen verdeutlicht od.
egründet und nachgewieſen. Insbeſondere wird
nad unferem heutigen Spradhgebraude das B.
als Mufter der Nacheiferung oder als Gegenftand
der Abjchredung vorgehalten, u. wir können durch
unferen Wandel ein gutes od. ein böfes B. (ein
Ürgerniß) geben. Das lateinifhe Exemplum (f d.)
vereinigt im ſich die älteren u. jüngeren Bedeut-
ungen unſeres Bispöl od. B. u. hat noch andere,
Eremplarifd, fo v. w. mufterhaft; eremplarifch
beftrafen, ein Erempel ftatuiren, fo v. w. eine
abihredende Strafe vollziehen.
Beiſpruch (Beiiprade), die von einem Drit-
ten, welcher das Näherrecht (f. d.) für fih in
Anſpruch nimmt, gegen einen Berlauf erhobene
Einfprade.
Beit (arab.), Haus; fo: B. el Fakih, Bezirk
u. Stadt in der arab. Landſchaft Jemen, nord»
öftlih von Molla, mit großem Kaffemarkte, 8000
Ew.; Beit el Ham, jo v. w. Bethlehem.
Beithar (arabiich Pferdearzt), Abdallah Ebn
Ahmed Dhiaddin el B., auch Aſchab (der Bota-
nifer), > zu Benana bei Malaga in Spanien;
war Oberauffeher der Gärten des Sultans Male
el Kamel in Damasl; er fl. 1428. B. ift Ber-
faffer mehrerer medicinifhen Schriften; feine
Zufammenftellung der einfahen Heil- u. Nahr«
ungsmittel überſetzte Sontheimer ins Deutjche,
Stuttg. 1840,
Deitler, Wilh. Gottl. Fr., Aftronom, geb.
17. Febr. 1745 zu Neutlingen; ftudirte Dathe-
matif w. Jurisprudenz in Tübingen, wurde Hof-
— ging dann als Lehrer der Gräfin
lorzewsta in ber er mer und Aftrenomie
nad Großpolen, fehrte aber 1778 wieder zurück
u. ward 1778 als Profeffor ber Mathematif u.
Einführung der Grundrechte von der Zuftimmung|Aftronom der Petrinifhen Akademie nah Mitau
der einzelnen Landesregierungen abhängig miffen berufen; er ft. 24. Sept. 1811. Um die Aftro-
wollte, im Conflict mit der Kammer u. ſchied lnomie machte fi B. vornehmlich durch feine Be-
Beitöne
obahtungen der Berfinfterungen der Jupiters-
monde verdient. Er jchrieb: Nova analysis
aquationum cubicarum, Mitau 1778; Bon den
Blaneten unferes Sonnenſyſtems, ebd. 1811. Specht.
Beitöne (Muf.), |. Obertöne.
Beitzke, gen Ludwig, deutſcher Geichicht-
Kreiber, geb. 15. Febr. 1798 zu Muttrin in
Sommern; machte 1815 als freiwilliger Jäger
den — gegen Frankreich mit u. beſuchte
dann die Kriegsichulen zu Koblenz, Mainz und,
schdem er 1818 Lieutenant geworden war, die
m Berlin; 1823—26 war er zur topographiichen
Irmeffung des Generalftabes commandirt, 1828
he 1836 Lehrer der Geographie an der Divifions-
\Sule in Stargard; 1839 wurde er Hauptmann,
nahm aber 1845 als Major feinen Abſchied; jeit
1862 wurde er in allen tegislaturperioden
w das Preußiſche Abgeordnetenhaus gewählt,
20 er zur Fortſchrittspartei gehörte und wejent«
ten Antbeil an den Berhandlungen über die
Nimirfrage hatte. Er ftarb 10. Mai 1867
un Berlin während der Lanbtagsfigung. Er jchr.:
<ie Alpen (ein geographifd)-hitorilihes Bid),
selb. 1843; Geſchichte der deutſchen Freiheits—
Inege in den Jahren 1813 u. 1814, Berl. 1855,
38%.,3. A. 1864 f.; Geichichte des Ruſſiſchen
Rruges im Jahre 1812, ebd. 1856; Geſchichte
des Jahres 1815, ebd. 1865, 2 Bde.; Das
enge Heer vor u. nach der Reorganifation,
ebd. 1867; nr heraus: 8. Friccius' hinterlaſſene
<ürften, ebd. 1866.
Veiwerk, Theile eines Kunftwerkes, die zur
Verftellung der Idee nicht weſentlich nothwendig
Ad, fondern mehr zur Erklärung des Haupt-
gegenftandes u. der Nebenumftände, ſowie zum
Ausfüllen leerer Partien dienen. Bei Anbring-
un von B. hat der Künftler wol zu beachten,
N er durch daffelbe nicht die Wirkung feines
Zerles ſtöre oder ſchädige, was auch dadurch
geiheben lann, daß er es zu ſtark betont und es
je über Gebühr erhebt.
Selwort, jo v. w. Adjectivum.
Beizaum; dient bei Pferden zur Erreihung
fuer richtigen Kopfftellung, reſp. Genidbiegung
u, = Pierden, welche die Naje zu hoch tragen,
angelegt,
Beige, j. Beizen.
Veije (Jagdw.),1) fo v. w. Faltenjagd. 2) So
d. m. Salzlede,
Beizen, im Allgemeinen die Behandlung eincs
<iofes, namentlid an jeiner Oberfläche, mit
Semi wirlſamen Subftanzen, zu dem Zwecle,
un denſelben zu gewiffen Operationen tauglich)
ja mahen. Die dazu verwandte Subftanz neunt
man Beige. So beizt man Gewebe, um die—
ken zur Aufnahme eines Farbftoffes vorzube-
'aten, u. verwendet dazu namentli den Alauı,
ffen Thonerde fi auf der Pflanzenfajer nieder:
Mlägt u. fi dann chemifch mit dem Farbſtoffe
verbindet; auch die Ehlorverbindungen des Zinnes
denen als Beige, namentlich für Wolle u. Seide,
Bene Weinſtein, fchwefeljaures und effigfaures
enoryd. Unter B. der Häute verfteht man im
der Gerberei das Behandeln derjelben mit Äblall,
um de Haare leichter entfernen zu können.
Realiegirungen, 3. B. Meffing, Silberlegirungen
— Beke. 117
mit Kupfer zc., beizt man mit Säuren, um die
Farbe des edleren Metalld, das meiſt in ber
Säure weniger löslich ift, beffer bervortreten zu
machen; Holz; beizt man mit Farbſtoffen, um
andere Hölzer nachzuahmen, Elſenbein, um
daſſelbe zu färben, ebenſo Knochen und Horn.
rg gebraudt das Wort, obwol unrichtig, auch
ür Agen.
Beizen, die Jagd dur die Fallenbeize bes
treiben,
Beisfalfe, jo v. w. Wanderfalte u. Edelfalle.
Bein, 1) portugieficher Diftrict in der ebemal.
Provinz Alemtejo; 105,983 [ km (235, IM);
137,784 Ew.; davon hatte Prinz Johann, der
3. Sohn der Königin Maria, geb. 1842, den
Titel Herzog von B. erhalten. 2) (Pax Julia)
Hauptjtadt darin; Bifchofsfig; Caftell, Kathedrale;
römische Wlterthümer; zwei Meilen; Viehzucht
(Schweine, Ziegen, Bienen); 7060 Ew. 3) Stadt
im nördl. Tunis (Afrila); befeftigt; Handel mit
Getreide, gute Pferdezucht.
Bejar, 1) befeftigte Stadt in der fpanifchen
Provinz Salamanca, an der Sierra de B.; Tud-
u. Hufeifenfabrifation ; Wollenhandel; befuchte Heil-
bäder (Schwefelquelle von 34° Wärme); 10,700 Em.
2) S. Antonio de B. Stadt im nordamerilan.
Staate Teras, nahe den Quellen des Rio San
Antonio; eine der älteften Städte NUmerilas;
8300 Em,
Bejafi (Bejafiten, Ibadhi), eine häretische Secte
in OArabien, deren Stifter Abdallah ben Ibadh
der Tamimite ift, woher ihr arab. Name Ibad—
ijjah. Ihr Oberhaupt in Maskat im Staate
Oman führt den Imamtitel. Sie ſchreiben dem
ganzen arab. Adel gleiche Souveränetät zu, trin«
ten nicht Kaffe, rauchen nicht Tabak, bemwirthen
aber Fremde damit; auch darf ſich bei ihnen jeder
Araber in Gegenwart jeines Oberen, jelbft des
Imam, ſetzen.
Bejuda (Bahiuda), Steppenlandihaft in NO—
Afrila, am linken Ufer des Nil, zwiſchen der
großen Krümmung gelegen; zum Theil zu Don-
gola, zum Theil zu Khartum, zum Theil zu
Kordofan gehörig; im Allgemeinen geſundes
Klima. Im Ganzen eben, wird fie im S. von
niederen Bergrüden durchzogen, zwiſchen denen
Thaleinfchnitte, wie das Wadi Mokkatem, laufen.
Der Pflanzenwuchs, am NRande ärmlich, gebt nadı
S. zu in eine üppige Strauch u. Baumvegetation
über. Die Fauna ift außer den Hausthieren
(Ramele, Rinder, Ziegen, Schafe, Ejel, Pierde zc.)
durch zahlreihe Wiüftenthiere vertreten. Die Ein—
wohner find Beduinen, von wohlgebildetem Kör-
perbau, u. zerfallen in die 2 Hauptftämme der
Khafanieh u. Kababiſch.
Bekannte Größen (Math.), in algebraifchen
Gleichungen die gegebenen, aus welden andere
(unbelannte) befttmmt werden follen. Sie wer-
den gewöhnlih mit den erften Buchitaben des
Alpbabets a, b, e zc. bezeichnet, die unbelannten
hingegen mit den lebten x, y, z x.
efe, Charles Zilftone, berühmter Reifen-
der, geb. 10. Oct. 1800 zu London; widmete fidh
zuerft dem Kaufmannsjtande, ftudirte dann in Lin—
colns- Inn die Hechte u. befleißigte fich zugleich der
Geſchichte, Ethnographie u. Philologie. Sein Werk:
118 Bekenntniß
Origines biblieae, or Researches in primeval
history, Pond. 1834, fand in Deutichland wegen
jeiner orthoderen Haltung viel Anfechtung, wes—
balb er eine Bertbeidigung gegen Paulus,
Lpz. 1836, jchrieb. 1836 wendete er fib nad
Leipzig, wo er bis 1838 englischer Conſul war;
ging 1840 nad) Abeffinien, wurde dort der Er-
pedition des Majors Harris zugetheilt u. erwarb
fih durch die Erforihung Godſchams n. der noch
ganz unbekannten jüdlich davon gelegenen Yänder
nambafte Berdienfte. Nach London zurückgekehrt,
war er 1849—53 Secretär der National Asso-
eiation for the Protection of Industry and
Capital ete. u. lebte dann längere Zeit als Kauf-
mann auf der Inſel Mauritius. Die Ergebniffe
feiner Reife F er in der Schrift: Abyssinia,
a statement of facts ete., Lond. 1846, 2. U,
nieder. Im Jahre 1861 bereifte er mit feiner
Frau die Landihaft Harran im D. Paläftinas,
verjuchte 1865 umſonſt die Befreiung der eng»
liſchen Gefangenen in Abeffinien u. bejuchte 1874
Agypten u. den Sinai. Er ft. 31. Juli 1874 in
London. Er fchr. außerdem: Essay on the Nile
and its tributaries, Yond. 1847; On the sources
of the Nile in the Mountains of the Moon, ebd.
1848; Meömoire justificatif ea rehabilitation
des pöres Paez et Lobo, Par. 1848; On the
sources of the Nile, Lond. 1849; An ingniry
into A. d’Abbadie’s journey to Kaffa, ebd. 1850
(worin er zu beweiſen fuchte, daß Antoine D’Abba-
dies Reiſe nach den Nilquellen erlogen jei), wo:
gegen ſich die Brüder Abbadie (ſ. d.) vollkom—
men redhtfertigten; On the geographical distri-
bution of the languages of Abyssinia, Edinb,
1849; Gerrit de Veer (zur nordiichen Entded-
ungsgeidhichte), Lond. 1853; The Sources of the
Nile, ebd. 1860; The French and the English
in the Red-Sea, ebd. 1868; Jacobs Flight, ora
Pilgrimage to Harran, ebd. 1865; The British
captives in Abyssinia, ebd. 1867 2c. Henne-Am Rhyn.“
Belenntnif, 1) der Ausſpruch defien, mas
man glaubt, weiß oder gethan hat. Daher 2) B.
in religiöjem Sinne, jede äußere Darlegung
des Ölaubens, ſowol von Seiten des Einzelnen, als
von einer Gefammtbeit. Bon letzterem wird vor-
herrichend der Name Eonfeifion gebraucht, u. zwar
ebenjo wol, wenn es ſich um einen geſchichtlichen
Act, wie wenn es ſich um die fchriftliche Urkunde
handelt, im welcher diejer Act niedergelegt wird,
3. B. Mugsburger B., Helvetiihes B. u. f. f.
Die Befreiheit ift das Hecht des Menſchen, feine
religiöje Überzeugung frei zu äußern; ſ. u. To
leranz. 8) B.der Sünde, Ausjprechen der Sünde,
deren man fich bewußt it, im Gebete vor Gott,
oder in der Beichte eg dem Beichtiger (1.
Beichte), oder gegenüber dem verlegten, beleidigten
Nebenmenſchen, ım Bedürfniß u. in der Hoffnung,
Bergebung zu erlangen. 4) B. vor Gericht,
fo v. w. Geſtändniß (j. d.). 5) B. eines Do—
cuments, |. u. Wecognition. 6) B. einer
Schuld, jo v. w. Schuldichein.
Bekenntnuißzwang iſt der kirchlich feftftehende
Zwang der Mitglieder der Kirche, die von der
betrefjenden Kirche fejtgeftellten Lehrjäge zu glau«
ben, oder wenigſtens — auf Befragen — zu bes
fennen. Bejonders meuerlih auch innerhalb der
— Bekker.
Protejtantifchen Kirchen feitens der Geiftlichleit als
in den Belenntnißichriften der Neformatoren Tie-
gend behauptet, während von den Gemeinden zum
großen Theil an der Belenntnißfreibeit (in Die-
jem Sinne), d. h. an der auf das allgemeine
Priefterthbum u. auf die gerade dur die Refor—
matoren feitgeftellte Forihungsfreibeit in der Bibel
bafirten individuellen Glaubensfreiheit innerhalb
der Proteftantiichen Kirchen, feitgehalten wird. Val.
Proteftantenverein. Bezolb.
Bekes, 1) Comitat in Ungarır, öftl. vonder Theiß,
umgeben von den Comitaten Szabolcs, Bihar,
Arad, Cſanad, Cſongrad, Hewes u. dem Diftrict Groß-
Kumanien; 3420 |_|km (62 M); 209,729 Em.,.
durchaus Magyaren u. meift evangeliih; meiſt
eben und fruchtbar, aber theilweiſe jumpfig ur.
holzarm; bringt Getreide, Waffermelonen, Wein,
Tabaf 2c.; das Klima ift ungelund; Flüſſe: Kö—
rös, Berettyo u. Maros, alle fiichreich; eingetheilt
in 6 Bezirke; Hauptort: Gyula. 2) Belesvar,
Marltfl. dariu, am Zujammenfluß der Schwarzen
und Weißen Körös; die Gemeinde im Ganzen
22,547 Em.
Bekk, Johann Baptift, badiiher Staats-
mann, geb. 29. Oct, 1797 zu Triberg im
Schwarzwalde; ftubirte 1816—20 die Rechte in
Freiburg, wurde 1822 Advocat in Meersburg, 1829
Hofgerichtsaffeffor in Freiburg u. 1832 Rath im
Minifterium des Innern, ſchied aber 1837 unter
Wlittersdorf aus dieſem Berufskreiſe u. wurde
Vicefanzler beim Oberhofgerichte in Mannheim.
Als Mitglied der 2. Kammer (feit 1831) zeichnete
er ſich durch unerjchätterliches Halten an der Con—
ftitution aus u. ward 1842—45 Präfident; 1846
wurde er als Staatsrath Mitglied des Mini«-
ftertums ohne Portefeuille, im Dec. deſſ. J. Mir
nifter des Innern; beim Ausbruch der Revolution
1848 fuchte er die Zeitforderungen durch liberale
Zugeftändniffe zu befriedigen (j. Baden Geſch.),
aber beim Ausbrucheder Dlairevolution 1849 ver-
ließ er mit dem Großherzog Karlsruhe u. wurde
im Juni entlaffen. 1850 wurde er wieder als
Mitglied des Staatenhaufes nah Erfust zum
Präfidenten der 2. Kammer gewählt. Er jtarb
22. März 1855 zu Bruchfal, wo er zulett (feit
1851) Präfident des Hofgerichtes gewejen war u.
wo ihm 1856 ein Dentmal errichtet wurde. Er
jchr.: Erläuterungen über die Badiſche Strafpro-
ceßordnung, Mannh. 1846 f., u. das badiſche Pref-
geieg vom 15. Feb. 1851, Karlör. 1851; Bor-
träge über die badiſchen Strafgerichte, Karlsr.
1851; Die Bewegung in Baden, 1850.
Belter, I) Balthafar, niederl. Theolog,
geb. 25. März 1634 zu Metslawier in Wries-
land; wurde rveformirter Prediger erft in dent
friefiihen Dorfe Ofterlittens, dann zu Franeder,
Ipater zu Loewen u, Weeſp u. zulegt (feit 1679)
in Amſterdam. Nachdem er jchon 1683 durch fei-
nen Nachweis, daß die Kometen keine Borboten
von Unglüdsfällen wären, den Orthodoren großes
Argerniß gegeben hatte, wurde er wegen ſeines
Buches: D bezauberte Welt, worin er ben
Ölanben an die Macht der böjen Beifter u. deren
Einfluß auf die Menſchen, fowie an Zauberei u.
Hererei befämpfte, durch den Ausſpruch der Syn—
ode 1692 feines Amtes entjegt w. hielt fich feit-
Bellemmung — Bel. 5 119
dem zu der Franzöſiſch-Reformirten Gemeinde; er
ft. 11. Juli 1698. B. jchr.: De vaste spysen
der volmaakten (ein Katechismus), 1676; Onder-
sock van de betekeninge der Kometen; Leeuw.
1682 u. ö.; De betooverde wereld (Die bezau-
verte Welt) 2c., Amfterd. 1691—93, in mehrere
Sprahen überjetst, deutich, ebd. 1693, v. Schwa»
g vermehrt von Semler, Lpz. 1781 f., 3 Bde.;
!ebensbeichreibung von Schwabe, Kopenh. 1780;
Biographie B-8 von Dieft Lorgion (Balth. B. in
Franeder u. Balthafar B. in Amfterdam, ein
Berträt aus dem 17. Jahrh., Groningen 1848 1.
1851). In Rostoffs: Gefchichte des Teufels, ep3.
1869, wird die Betooverde wereld ausführlid
beiprochen. 2) Eliſabeth, vorzüglihe hollän-
diche Schriftftellerin, geb. 24. Juli 1738 zu
Sheifingen, Gattin des reformirten Predigers
Ar. Wolff; nach defien Tode 1777 lebte fie mit
äiner yreundin, Agathe Deten, innig verbunden
u. fhrieb mit ihr Romane; vor dem Kriege mit
den Eugländern 1778 geflohen, lebte fie erft in
Trevour, dann kehrten fie 1795 nad dem Haag
wrüd, wo die B. 5. Nov. 1804 ftarb. Sie Ihr.
u. a.: Historie van Willem Levend, Amt. 1785,
8 ®e.; Abraham Blankaart, 1787, deutich,
Berl. 1798— 1802, 4 Bde.; Hist. van Sara Bur-
gerhart, ebd. 1790, 2 Bde, 2. A., 1836, deutſch,
&p;. 1789; Cornelie Wildschut, 1793 fi., 6 Bde.,
deutſch, Berl. 1800 f. 3) Immanuel, bebeu-
tender Philolog u. Krititer, geb. 21. Mai 1785
zu Berlin; ſtüdirte 1803—1807 zu Halle unter
J. A. Wolf Philologie u. wurde 1810 Profeffor
an derilniverfität zu Berlin; er arbeitete 1810—12,
1815 u. 1817 auf der Parifer Bibliorhef für das
Corpus inscriptionum graee. u. bemußte 1817 aud)
de Bibliothefen in Jtalten u. England u. 1839
wiederholt in Italien; er ft. 7. Juni 1871 in
Berlin. B. gab heraus: Anecdota graeca, Berl.
1814— 24, 3 Bde.; dann den Theognis, Koluthos,
Blaton, Thukydides, Ariftoteles, Lulianos, Polybios,
Julius Pollur, die Attiihen Redner, Sertus Em-
pirivs, Ariftophanes, Photius, Caſſius Dio, He
todianos, Paufaniad, Herodotos, Homeros mit
Wiederherftellung des Digamma, die Scholien zu
Hemero® (Jlias), Harpofration, Möris u. A.;
dann mehrere byzantiniſche Schriftfteller in der
Bonner Ausgabe; Tacitus, Livius; aud hat er
mehrere romaniſche Dichterwerle, bej. in den Ab-
handfungen der Berliner Alademie, deren Mitglied
er ſeit 1815 war, herausgegeben (Fierabras, Flor
md Blanceflor u. a.). Seine in der Afademie
vechtes, Lpz. 1859 (unvollendet); Loci Plautini
de rebus ereditis, Greifsw. 1861; die Actionen
des Römischen Privatrechtes, Berl, 1871. Er rer
digirte 1857—63 mit Muther u. Stobbe das
Jaͤhrbuch des Gemeinen Deutichen Rechtes, ſowie
mit Pözl die kritiſche Zeitschrift für Rechtswiſſen⸗
ſchaft u. Geſetzgebung. Auch beſchäftigte er ſich
mit dem Hypothelenweſen u. fchr.: Die Reform
des Grunderediiweſens als Aufgabe des Nord»
deutichen Bundes, Berl. 1867; Entwurf einer
Grundbuchordnung (im Auftrage des Bundesfanz-
lers). B. war 1868 auf der Bundesenqudte für
Hppothefenbanten u. ift feit 1868 Mitglied des
Ausichuffes des Tandwirthichaftlichen Congreſſes
für Norddeutſchland. Noch ſchrieb er: Bon beit»
ſchen Hochſchulen Allerlei, Berl. 1869 (anonym)
u.: Zur Erinnerung an meinen Vater (im den
Preuß. Jahrb. 1872). 1) Wenzelburger.”
Beflemmung (Betfonmenheit), ein Gemüths-
zuftand mit dem Charafter der Angit, begleitet
von gg | in der Ahmungs- u. Herz-
thätigleit. Vgl. Angft.
Bektaſch GHadſchi B.), türkiicher Heiliger unter
Murad I. (um 1360); veranlaßte die vollitändige
Organifirung der feit 1329 errichteten Janitſcharen,
jegnete fie u. gab ihnen den Titel Yanitfchart,
d. i. neue Krieger. Seine Anhänger Bektaſchi,
eine Art wandernder u. bettelnder, freigeiftiger
Derwiſche, tragen weiße Kleider u. einen mt
einer Schnur undrehten wollenen Turban. Sie
waren fonft die Geiftlihen der Jauitſcharen. Bei
öffentlichen Aufzügen u. an Diwanstagen gingen
fie, grün gelleidet u. die Fäuſte geballt auf die
Bruft legend, ummittelbar vor dem Pferde des
Aga ber. Im Felde trugen fie Hände, Füße u.
den größten Theil des berleibes bloß, warfen
über die Schulter eine Thierhaut, führten eine
Hellebarde, Pile oder Streitart in der Hand u.
jangen während bes Marſches. Seit Aufhebung
der Janitſcharen hat auch ihre Thätigfeit in die»
jer Beziehung aufgehört, doch beſteht der Orden
noch u. zählt zu denen, deren Einrichtungen mehr
oder weniger mit der Staatsverfaffung in Zufams-
menhang jtehen, u. deshalb zu den angejebeneren,
Layai.*
Bel (Myth.), bei den Babyloniern jo v. w.
Baal; B. zu Babel, apofryphiiche Beilage zur
tiechiichen Überjegung des prophetiichen Buche?
Daniel, urſprünglich griechiich geichrieben u. vo“
der Alerandriniichen Überjegung unabhängig ent
ftanden. Es wird darin erzählt, wie ein Betrug
geleienen Mohandlungen zu Homeros u. zur roma-|der Baalspriefter durch Daniels Lift entdeckt wurde.
niſchen Piteratur find gefammelt in den Homeri« Bel. Ruffihe Namen, welde fo beginnen,
iden Blättern, 2 Bde., Bonn 1863—72 4) Ernftlf. u. Biel. : ;
— ei, namhafter Rechtsgelehrter, Sohn des| Bel, 1) Matthias, ungar. Geſchichtſchreiber,
or., geb. 1827 zu Berlin, ſtud. daſelbſt u. in Heidel-|geb. 24. März 1684 zu DOcjowa bei Reufohl in
berg 184447, arbeitete am Stadtgerichte, dann | Ungarn; ſtudirte in Halle u, wurde hier Tehrer
am Kammergerichte zu Berlin bis 1849, habilitirte|am Waifenhaufe; er erhielt 1714 eine Berufung
ih 1853 in Halle für Römiſches Recht u. Erie|nad Neuſohl als Rector am geiftlichen Seminar,
winafrecht u. wurde 1855 daſelbſt außerordent⸗ wurde 1714 Rector am evangelifhen Lyceum zu
fiher Profeffor m. 1857 im Greifswald ordent-|Presburg u. 1719 Prediger der Evangelijh- Deut ·
fiber Profeſſor. 1874 erſetzte ex Windſcheit auf dem; jchen Gemeinde; er ft. 29. Aug. 1749. Seine
Lehrſtuhl im Heidelberg. Er fchr.: De emptione| Forſchungen auf dem Gebiete der ungarifchen Ge»
venditione, quae Plauti fabulis fuisse probetur, ſchichte u. Statiftif find von wiſſenſchaftlicher Be⸗
le 1853; Die proceſſualiſche Conſumption, deutung. Er ſchr.: De vetere literatura hunno-
1.1853; Theorie des heutigen Deutſchen Strafe|scythica, &pj. 1718; Hungariae antiquae et
120
novae prodromus, Nirnb. 1723; Der ungar.
Sprachmeiſter, Presb. 1728 u. ö.; Apparatus ad
historiam Hungariae, Presb. 1736—46; No-
titia Hungariae novae, Wien 1735—42, 4 Bde.
(unvolfendet), Fol. 2) Karl Andreas, eben-
falls Gejchichtichreiber, Sohn des Vor., geb. zu
Presburg 13. Juli 1707; ftudirte in Altdorf, Jena
u. Yeipzig, habilitirte fih 1742 an leßtgen. Unis
verfität, wurde 1757 Profeffor der Dichtlunft u.
Bibliothefar, entleibte fi aber 5. April 1782
aus Schwermuth. Er leitete 1754—81 die Acta
eruditorum u. ſchrieb: De vera origine et epocha
Hunnorum, Avarorum, Hungarorum in Pannonia,
Lpz. 1757, u. a.
Bela, Könige von Ungarn: 1) 8. L,, vom
Arpadiſchen Stamme, Sohn Yadislams, Neffe des
Königs Stephan I.; ftiftete gegen den von dieſem
zum König beftimmten Peter von Venedig mit
feinem Bruder Undreas eine Berfhwörung an,
mußte aber flüchten u. begab fih nah Böhmen.
Als 1047 fein Bruder Andreas König wurde,
erhielt er den Titel Herzog u. die Berficherung
der Nachfolge in Ungarn; da aber Andreas jeinen
Sohn Salomon ald König frönen lieh, jo zog B.
gegen ihn, befiegte ihn 1060 u. ward 1061 zum
König gekrönt; er ft. 1063 (S. Ungarn.) Er war
vermählt mit einer polnischen Prinzeſſin. 2) B. II.,
der Blinde, Enkel des Bor, Sohn des Her-
zogs Almus; wurde als Knabe von jeinem Better,
xönig Koloman, geblendet u. von Stephan 11.
zu jeinem Nachfolger erflärt; er regierte von
1131—1141; f. ebd. Seine Gemahlin war He-
lena, eine ferbifche Prinzeffin. 3) B. III, Sohn
Geyſas II.; wurde am Hofe des byzantiniſchen
Kaifers Manuel Kommenos erzogen u. jollte deſſen
Nachfolger werden, folgte aber 1174 feinem Bru—⸗
der Stephan III. als König von Ungarn u. rer
gierte bi8 1196; ſ. ebd. Er war vermählt in
2. Ehe mit Margaretha, Tochter des Königs Jo—
hann des Jüngeren von Frankreich. 4) B. IV.,
Entel des Bor, Sohn des Königs Andreas II.;
wurde ſchon als Kind (1206) gekrönt u. war Mit-
glied der Negentichaft während des Zuges feines
Bateıs nah Paläftina; er regierte von 1235 bis
1270; ſ. ebd. Er war vermäblt mit Maria, Tochter
des griechiichen Kaifers Theodor Laſtaris I.
5) 2. (V.), Name, welchen Otto von Bayern als
ephemerer König von Ungarn (1305—1307) an«
nahm, weil feine Mutter, Elifabeth, die Tochter
B⸗s IV. war; f. ebd.
Belad (arab.), jo v. mw. Gegend, Bezirk mit
Beifligungen; Name mehrerer arab. Landichaften.
Belagerung ift diejenige Art des Angriffes
einer Feſtung, bei welcher durch das gededte all-
mäblihe Vorgehen das Ziel, wenn nidt am
ſchnellſten, doh am ficherften erreicht wird; ſ.
Feſtungskrieg. Daher: B⸗sarbeiten, die Lauf
gräben u. Batterien bei einer B.; ſ. ebd. B-3-
equipage, das zu einer B. nöthige Material u.
Geihüß; f. ebd. B⸗skunſt, die Kunft, eine FFeft-
ung anzugreifen u. zu vertheidigen, gewöhnlich
als ein Theil der Befeftigungstunft behandelt; ſ.
ebd. Da fie einen integrivrenden Theil der In—
genieurmiffenichaft u. Artillerie ausmacht, jo ge
Bela — Belagerungszuftand,
1835, 2 Bde.; Augoyat, Angriff u. Bertheibigung
fefter Pläte, Berl. 1852.
Belagerungstrain enthält alles zum artil-
leriftifchen Augriffe einer yertung erforderliche Ma-
terial an Geſchützen, Munition, Fahrzeugen, Ma-
ſchinen, Schauzzeug ꝛc.; ſ. unter Feftungsfrieg.
Belagerungszuftand (Belagerungsftand, Etat
de siege), der Zuftand einer Feſtung, wenn die-
jelbe von dem Feinde belagert wird, oder nahe
daran ift, es zu werden. Der B. erfordert außeror«-
dentliche Maßregeln u. die Abtretung der polizei-
lihen Gewalt an den Gouverneur u. Eommandanten,
welcher alle Borkehrungen zu treffen befugt if,
die zur Sicherung des Plates dienen, ſelbſt wenn
diefe gegen die Rechte einzelner Perjonen oder
Körperichaften fireiten; die Thore werden mit
erfter Dämmerung gefhloffen u. erft nad) völliger
Tageshelle wieder geöffnet; auf alle Ein» u. Aus»
pajjirende forgfam geachtet; zahlreiche PBatrouillen
durchziehen bei Tag u. Nacht die Strafen; das
Führen, ja jchon der Befig von Waffen ift ftreng
unterfagt; mehr als 3 Perjonen dürfen ſich nicht
zufammen auf den Straßen bliden laſſen. In
der neueren Zeit ift der B. als ausnahmsmeife
Mafregel nicht bloß im Falle der Kriegsgefahr
u. fir eigentliche Feſtungen, ſondern auch im
‚Frieden u. in offenen Plägen zur Unterbrüdung
innerer Unruhen, aber immer nur im Falle eines
Aufruhrs, nicht als eine allgemeine polizeiliche
Vlaßregel angewendet worden; jo dauerte 3. B. der
B. in Paris jeit Überwindung der Schredensperiode
des Communalaufftandes 1871 noch 1874, dort u. in
mehreren großen Städten u. ganzen Departements
Frankreichs in zwar gemilderter Weiſe, aber im«
mer noch mit abiolut militärifher Strenge gegen
innere Unruhen u. Mipbraud der Preffreibeit
fort. Die Jahre 1848 u. 1849 haben die An
wendung ſolcher Ausnahmegejege auch nach Deutjch-
land gebracht, u. es find infolge hiervon, da es
an Beitimmungen darüber anfangs ganz fehlte,
mehrfahe Berordnungen in den einzelnen Staaten
erſchienen, welde die dann eintretenden Mechts»
verhältniffe näher normirt haben, Fir Deutjch-
land ijt, nachdem die Reichsverfaſſung das Recht,
den B. zu erflären, dem Kaiſer für den Fall,
„wenn die öffentliche Sicherheit dies fordert“, vor-
behalten bat, das preuß. Geſetz über den B. v.
4. Juni 1851 maßgebend geworden. Nach diefem
Geſetze ift für den N imo des Krieges in den vom
Feinde bedrohten Provinzen jeder Feitungscom-
mandant befugt, die ihm auvertraute Feſtung mit
ihrem Rayonbezirfe in B. zu erllären; für an-
dere Bezirke fteht die Erflärung dem comman—
direnden General zu. Für den Fall eines Auf-
ruhrs kann der B. fowol in Kriegs-, als Friedens⸗
zeiten erflärt werden; die Erklärung geht dann
aber in der Hegel vdm Staatsiminijterium aus,
u, nur in dringenden Fällen kaun proviforifh u.
vorbehaltlich der fofortigen minifteriellen Bejtätig«
ung rüdfichtli einzelner Orte u. Bezirke durch
den oberfien Militärbefehlshaber auf Antrag des
Verwaltungschefs, oder, wenn Gefahr im Verzuge
ift, durch den Militärbefehlshaber allein erfolgen.
Die Erllärung des B⸗es erfolgt dann regelmäßig
bören auch alle Hilfswiſſenſchaſten derſelben zu bei Trommelihlag oder Trompetenihall, außer
ihr. Bgl. After, Lehre vom Feſtungskriege, Dresd.Idem durch Mittheilung an die Gemeindebehörbe,
Belanig — Beleredi.
durch Anſchlag an öffentlihen Plätzen u. durch ſerhielt.
Öffentliche Blätter. Mit der erfolgten Belannt-
madhung gebt die vollziehende Gewalt an die Mi-
Itärbefeblöhaber über, jo daß die Eivilverwalt-
ungd- u. die Communalbebörden den Anorduun⸗
121
An den Küften von Borneo hatte er
ein jcharfes Gefecht mit Piraten u. leitete 1852
bis 1854 eine Erpedition zur Auffindung John
Franklins, fror aber dort ein u. kehrte, mit Zu—
rüdlafjung der Schiffe u. Bemanmung, im Auguft
gen u. Aufträgen der Militärbefehlshaber Folge 1864 zurüd, ohne eine Spur von Franklin ge-
zu leiften haben.
Mit der Erklärung des B-es|funden zu baben (f. u. Norbpolreijen).
Bor ein
wird aber meift auch das Recht, daß Niemand Kriegsgericht geftellt, ward er für nicht ſchuldig
keinem ordentlichen Richter entzogen werben darf,
die freiheit der Preſſe, die echte, welche fich
auf Unverleglichleit der Wohnung u. die perjün-
he freiheit beziehen zc., für die Dauer des Aus-
nahmezuftandes juspendirt; e8 hängt von dem
Ermefien des commanbdirenden Militärbefehlshabers
ab, welche Beichräntungen er an Stelle der hier-
über fonft geltenden Beftimmungen treten laſſen
will. Hält e8 der Militärbefehishaber oder das
Staatsminifterium für nöthig, die ordentlichen Ge»
tichte zu fuspendiren, jo treten an Stelle der-
kiben die Kriegsgerichte, welche bejonders die
Verbrechen des De ee Landesverrathes,
Mordes, des Aufruhrs, der thätlichen Widerſetz
ung, der Meuterei, des Raubes, der Plünderung,
Erprefiung, der Berleitung der Soldaten zum
Ungeborjam oder zu Vergehen gegen die mili«
ürnihe Zucht u. Dromung zur Unterſuchung u.
deftrafung übermwiefen erhalten. Die Kriegsge—
tute werden aus Offizieren u. Civilrichtern zu—
ammengeſetzt. Das Berfahren vor diefen Kriegs-
gerichten iſt daun ein fummarifches; f. u. Kriegs»
recht, Meift ift der B. weit mehr eim factisches,
as ein rechtliches Verhältniß u. bedarf in den
meiften Ländern einer durchgreifenden gejetlichen
Reubeftimmung.
Belanis, jo v. mw. Pillnig.
Belaspur, Stadt im nördl. Hindoftan, am
Setledih; Reſidenz des England tributpflichtigen
Rıdihah von Kulur; 3000 Em.
Belbeys, ehemals große, jetzt von 6000
Renihen bewohnte Stadt im Bezirke Garbieth in
Unter-Agypten, nordöftl. bei Kairo; Lurpinen-,
Bohnen- u. Korianderbau,
Belbog (flav. Myth.), fo v. m. Bjelbog.
Belbud (Belbuh, Belboch), Dorf im Kreife
Greifenberg des preuß. Regbez. Stettin; merf-
wärdig durch das ehemals hier befindliche Klofter
(eines der reichften in Pommern), welches der
Reformation jchnell zugänglich wurde u. zu deren
Verbreitung weſentlich beitrug.
Beldyen, 1) zweithöchfte Bergipite des Schwarz.
maldes, 1414 m; liegt am Ende des Mün«
herthals in Baden. Er ift ein fteil anfteigender
Regelberg u. bietet eine weite Ausficht auf die
Raube Alp, den Schwarzwald, die Alpen u. die
en. 2) ©. u. Ballon.
elher, Sir Edward, Seefahrer, geb. 1799;
fat 1812 in die englifhe Marine, in welcher er
1816 als Midſhipman unter Lord Ermouth dem
Bombardement Algier beimohnte; 1819 zumı
jeutenant avancırt, machte er 1825—29 die
Reiie des Capitän Beechey nah der Verings-
ftraße mit u. wurde dann Commandeur; 1836—42
unternahm er mit dem Schiffe Sulphur eine
Beltreife, nahm in China an der Forcirung des
Tantonfiuffes wirffamen Antheil, wofür er zum!
Pofcapitän ermannt wurde u. die Ritterwürde
befunden u. 1864 zum Gontreadmiral der Rothen
Flagge befördert. Er ſchr.: Narrative of a voy-
age round the world, London 1843, 2 Bde.;
Voyage of the Samarang to the Eastern Archi-
pelago, ebd. 1846, 2 Bde.; The last of the
Arctic Voyages in search ofJ. Franklin 1852 —54,
ebd. 1855, 2 Bde.; The great equatorial Cur-
rent, ebd. 1871.
Beldjite, Stadt in der fpanischen Provinz
Saragofia, am Almonacid; Zeugfabrit; 3300 Em,
Hier ım Spanifh-Portugiefihen Befreiungstriege
Schlacht am 16.—18. Juni 1809, wo die Frans
zojen unter Suchet das verſchanzte Lager unter
Blafe ftürmten.
Belde, Friedrich Auguft, Pofaunenvirtuofe,
geb, 27. Mai 1795 zu Yuda bei Altenburg, Sohn
des dortigen Stadtmufifus; erwarb ſich mit feinem
Inſtrument 1815 zu Leipzig großen Beifall,
wurde 1816 f. Kammermufitus uw. Pofaunift im
Berlin; er machte größere Kunftreiien, erhielt 1844
vom Barijer Eonfervatorium die Ehrenmedaille u.
309 fih 1858 ins Privatleben zurüd. Unter fei-
nen Compofitionen find die Übungen u. Concerte
f. Poſaune werthvoll. Sein Bruder Ehriitian
Gottlieb, geb. 17. Juli 1796, zeichnete ſich als
‚zlötift aus, wirfte 1819—32 zu Yeipzig, 1834—41
zu Nitenburg u. zog dann nad Yuda.
Beleredi. Die katholiihe Familie B. war
eine alte lombardifche Familie und gehörte zu
den erſten Patricier-Geſchlechtern Pavias; fie
ift Seit 1769 in dem erbländiihen böhmischen
Örafenftand erhoben u. beſitzt Löſch, Ingrowitz,
Bofenig zc. in Mähren. Jetziger Chef: 1) Graf
Egbert, Sohn des 1838 verftorbenen Grafen
Eduard, geb. 2. Sept. 1816; ift k. k. Rittmeifter
a, D. u. feit 1848 vermählt mit Chriftiane, geb.
Gräfin Noftig-Riened (geb. 1820); er ift der
Führer der Feudalen Mährens. 2) Graf Ri—
hard, geb. 12, Febr. 1823, Bruder des Bor.;
itudirte die Rechte u. trat 1845 in den Staats
dienft, aus welchem er 1848 jchied; er lebte pri«
vat, bis er 1854 unter Bach zum Kreishauptmann -
in ynaim ernannt wurde, B. wurde 1861 Leiter
der polit. Fandesbehörde in Schlefien u. im Okt.
1862 dafelbft Landeschef, im Mai 1863 Biceprä-
fident der böhmischen Statthalterei u. am 27.
Mai an Stelle des Barons Forgach Statthalter
von Böhmen u. Geheimrath, Als Kaifer Franz
Joſeph bei feiner Anweſenheit in Peit Juni 1865
die Möglichkeit eines Ausgleiches mit Ungarn er-
fannte, wurde Schmerling entlaffen u. am 27.
Juli B. Staats-, VBerwaltungs- u. Polizeiminifter
für alle nicht zur ungar. Krone gehörenden Län—
der u. zugleih Minifterpräfident. B., der 1861—63
Abgeordneter des fchlefiihen u. feit 1863 des
böhmischen Großgrundbefites im Reichsrathe ge—
wejen war, hatte in diejer Stellung das Wort
nur zur Bertheidigung der feubalen u. Herikalen
122
Intereffen ergriffen. Als Präfident des Drei«
Belchende Mittel — Belenyes.
Belehrungsurtheil, ein Rechtsgutachten, wel-
Grafen-Miniſteriums (B., Yariih u. Eſterhazy) ſches Jemand in einem zweifelhaften alle zu feiner
verjuchte er denfelben mit Hilfe der Slaven gegen|eigenen Hechtsbelehrung fi erbittet, um danach
die liberalen Deutſchen im den Ländern diefjeits
der Leitha zur Herrichaft zu verhelfen, während
in Ungarn die Altconfervativen dafjelbe Ziel ver-
folgten. Am 20. Sept. 1865 wurde das Geſetz
über die Reichsverfafjung fiftirt u. das Schwerge-
wicht für die Länder dieſſeits der Leitha im die
17 Yandtage verlegt. Bei diefem Buftande ber
Unordnung trieb das Minifterium B. 1866 in
den Krieg gegen Preußen, u. die Niederlage traf
nicht alleın die äußere Politik, fondern auch die
innere. B. aber wußte fich auch nach dem Kriege
als Minifter zu erhalten. Durch das Überwiegen
des liberalen Elements in Ungarn aber erftart-
ten auch die Gefinnungsgenoffen dieſſeits der
Leitha, m. mit Hilfe des aus Sachſen berufenen
Minifters Baron Ferd. v. Beuft wurde B. geſtürzt
u. am 7. Februar 1867 entlaffen. Er lebt feit-
dem zurüdgezogen in Gmunden, 2) Eicalef.
Belebende Mittel, Mittel zur Erhöhung
gder aud Erwedung der Lebensthätigleit über
baupt u. der Eirculation u. Rejpiration insbes
fondere, Man bedient fich derfelben bei Anmwan-
delung von Ohnmacht, bei Ohnmacht, Scheintod,
bei Übelkeit u. f. w. Die b. M. können unter-
jchieden werden im Äußere w. innere; zu jenen
gehören die Heibungen, Begießungen, Beipriguns
gen, Betropfungen der Haut, die Klyſtiere, die
Riechmittel, die Glektricität, die Hautreize (mie
Senf, Meerrettig); zu den inneren die aromati:
jchen, ätheriihen u. dgl. Mittel, das kalte Waj-
jer, die Braufepulver x. Man kann auch die
Transfufion des Blutes aus den Adern eines
gefunden Individuums in die eines veriehmachten-
den (zu dem Behufe der Wiederbelebung) zu den
belebenden Den rechnen,
Belebungsverſuche, Anwendung ber bele—
benden Mittel, vorzugsweile bei Scheintod (f. d.).
Beleg, 1) B. der Zunge, der jchleimige Über:
zug der oberen Fläche der Zunge, bei. auf ihrem
hinteren Theil, der bei Perſonen von nicht fehr
hräftiger Gefundheit, häufig auch bei nur geringer
Magenſchwäche, bei. in nüchternem Auftande, ſich
findet, in Krankheiten aber bemerflicher u. ver—
breiteter, auch wol verſchieden, bei. gelb u. braun,
gefärbt ift, Pilzvegetationen enthält, auch fefter auf
der Zunge aufliegt u. nebft anderen Zeichen An-
deutung innerer Krankbeitszuftände, bejonders der
Berdauungsorganeift. 2) (Rehnnungsbeleg) Schrift:
lihe Beglaubigung über Einnahme- und Aus—
gabepoften.
Belegknochen, die fpäter am Schädel zur
Enmpidelung fommenden Knochen. Im Gegen»
fage zu dem primären od. Primorbdialeranium beftehen
diefeiben aus Membranen, die fpäter verfnöcern,
Belegſchaft, die auf einem Bergwerte beichäf-
tigte Mannſchaft.
Belehnung (Investitura), der gerichtliche Act,
durch welchen der Vajall nach amgelobter Lehns-
treue feierlich durch den Lehnsheren oder durd)
die von demielben dazu ‚beauftragte Behörde ben
Lehnhof, das Fehngut übertragen erhält.
einen obwaltenden Rechtsſtreit entweder einzuftellen,
oder fortzuführen.
Beleidigte Majeftät (Crimen laesae maje-
statis), ſ. Majeftätsverbrechen,
Beleidigung, 1) die Handlung, modurd man
Einen dur Eindringen in deſſen Rechtsſphäre u.
durch Verlegung feines Rechtes beeinträchtigt, mit
dem Nebenbegriffe, daß ihm dadurch Schaden (Leid)
zugefügt wird; 2) jo v. mw. Injurie.
Belem, 1) Stadt u. Hauptort der brafiliani-
ichen Provinz Para; Eit des Statthalters u. eines
Biihofs; Seminar und Collegium; Handel mit
Kaffe, Gummi 2c.; 10,000 Ew, 2) Stadtheil Fiffa-
bons, am Tejo; 8000 Ew.; hat feinen Namen von
der Kirche Noſſa Senhora de Bethlehem, die zum
Andenten an Bascos de Gama Nüdlehr von
Indien von Don Emanuel erbaut wurde (nach
dem Erdbeben 1755 im gothiichen Stil wieder
bergejtellt); dabei das Hieronymitenklofter mit der
füngl. Marmorgruft u. ein königl. Schloß mit
herrlicher Lage am Meere; f. u. Liſſabon.
Belemniten, Berfteinerungen einer Familie
der Gephalopoden, nur aus einer Gattung, aber
vielen Arten beftehend, die alle chne Ausnahme
ausgeftorben find. Die foifilen Überrefte, welche
man jegt noch von ihnen findet, waren unſtreitig
innere, den Sepienfnochen analoge Schalen, die
urjprünglih aus 3 Theilen beftanden, u. zwar
a) der fpigen, fegelförmigen, jpindelfürmigen,
cplindrifchen oder fingerförmigen Scheide, die in
der Regel aus Faferfalf befteht, deſſen Faſern
ſymmetriſch, faft recbtwinfelig auf die Achie geitellt
find. An ihrem oberen Ende ift fie mit der
Alveole, einer kegelförmigen Höhlnng veriehen, die
b) den Aiveoliten umfchließt, der aus vielen con—
caven, von einem randftändigen Sipbon durchbohr—
ten Scheidewänden beftebt. c) Zwiſchen den Aiveo-
ftten u. der Scheide lag urfprünglich eine ſehr
dünne, horuige Schale, die fidy trichterartig über
den Alveoliten verlängerte u. den Tintenbeutel u.
andere Organe aufnahm, aber bei der Berftei-
nerung in der Megel nicht mehr wahrnehmbar if.
Die B. beginnen erft mit der Liasformation, in
der fie aber fogleich in ungeheurer Menge auf»
treten; fie gehen durch die Juraformation und
fommen noch in der Kreideformation vor, um
dann auf immer zu verſchwinden. Ihre Länge
beträgt 3—48 cm. Dem Aberglauben dienten
fie zu mandem Mißbrauche. Im Boltsmunde
nennt man fie häufig Donnerfeile.
Belen (Belenus oder Belinus), dem römiſchen
Apollo verwandte Gottheit der Kelten; Geber der
Geneſung u. der Orakel. Seine Tempel ftanden
meift bei Bädern u. Heilquellen; heilig waren
ihm die Belche u. das Bilfenfrant, welches nach
ihm Belinuntia bie. Dem B. zu Ehren zün—
dete man am 1. Mai feuer au. Bol, Holgmann,
Deutſche Mythologie, Lpz. 1874, ©. 77.
Belenyed, Stadt ım ungarischen Gomitat
Bihar, am Schwarzen Körös; Sit der Bezirks-
Der|behörde, Poftamt; Schloß; Spiritusfabrit, Obit-
mit einem Lehn Begabte Heißt ein Belehnter.|bau; 2600 Ew.; in der Nähe wird Marmor ge»
Näheres ſ. u. Lehn u. Lehnrecht.
broden u. Eifen, Kupfer u. Blei gewonnen.
Bel-esprit — Beleuchtung. 123
rit (fr.), Schöngeift.
Beleita (Beleftat),, Flecken im Arr. Foix des
franz. Depart. Urriege; Eiſenhämmer; Mar-
mor-, Porphyr⸗· und Alabafterbrüce; die perio-
diſche Duelle Font Ejterbe; 2534 Em.
Delefys, gemäß dem Berichte des Griechen
Kteſias Oberpriefter zu Babylon unter der Ne-
ierung des Sardanapal; unterftügte den Meder
rbales bei deffen Empörung gegen den König
von Affprien u, wurde von diefem dann als Sa-
map von Babylon eingelegt. Da er erfahren
hatte, daß die alten Reichsichäte Aſſyriens nicht
m den verbrannten Sclöffern untergegangen,
jendern unter der Ajche geborgen wären, fo erbat
er unter einem Vorwande von dem König die
Aſche diefer Schlöfjer, erhielt dieſelbe u. ichaffte
jo mehrere Schiffe voll Schäte nad) Babplon,
As fpäter Arbakes die Sache erfuhr u. ein Kriegs-
gericht die Todesitrafe über B. ausſprach, war
Arbales doch der früheren Wohlthat des B. gegen
ihn eingedenk u. fchenfte ihm das Leben, ibm
auh die Echäke belaffend. Die Monumente
Aſſyriens u. Babyloniens laffen diefe Erzählung
als reine Fabel eriheinen. Doch erwähnen Ti-
glath-Pileſar u. Aſarhaddon in ihren Ynichriften
vornehmer Babylonier mit Namen Balafu, d. i.
Beleſys.
Bel·tago (fr., Bauf.), ſo v. w. Hauptgeſchoß,
das erſte Stodwerf über dem Parterre.
Beleudytung, 1) Erhellung von Gegenftänden
duch auf diefelben geworfenes, künſtlich erzeug-
tes Licht. Die Fünftlihe Erzeugung von Yicht
geihieht Durch das Berbrennen von Stoffen,
welche reich an Kohlenjtoff und Mafferftoff find,
feltener durch Berbrennen anderer Stoffe, wie
der Feuerwerkstörper, leicht brennbarer Metalle,
z. B. Magnefium (Magnefiumlict), oder dadurch,
dag man dur ſehr beige Flammen (Knallgas-
gebläje) feite Körper, befonders Kalk, zum inten-
fiven Glühen bringt (Drummondſches Kalllicht),
oder endlich durch galvaniſche Ströme (elektriiches
ht). Das zur B. verwendbare Licht muß einen
gewiffen Grad von Helligkeit befiten, leicht u. be-
quem bervorzubringen und zu unterhalten fein,
obne Rauch- u. Rußentwidelung zur Erfcheimung
fommen u. verhältnigmäßig billig uhr fein,
Die gewöhnlichen Beleuchtungsitoffe werden in
Gasform gebracht und fo verbrannt. Die Ent
widelung diefer Gaje geißicht entiveder an einer
von dem Orte, der beleuchtet werden foll, ent:
fernten Anftalt (Gasanftalt), von welcher das Gas
durh Nöhren nah feinem Beftimmungsorte ge-
leiter wird, oder unmittelbar an der zu beleuch-
tenden Stelle mittels Kerzen oder Lampen. Die
Brennftoffe, welche zur B. verwendbar find, be-
Anden fich zum Theil in flüffigem Zuftande, wie
die Ole, oder im feſtem, wie Taig, Walrath,
Wachs, Stearin, Harz, Paraffin u. Steinlohte.
Um ihre Verwandlung in Gasform zu befördern,
bedient man fih bei Lanıpen umd Kerzen eines
Dochtes, der durch Haarröhrchenmwirkung die flüffiger
oder nach Anzündung des Dochtes flüffig werden-
den Subftanzen auffaugt. Beim erften Anzünden
nun an das Berbrennen u. MWiedererzeugen der
Safe einen regelmäßigen Verlauf nimmt. Um
die Wärme zu vermehren u. dadurd die Ver—
wandlung der Brennftoffe in Gas raſcher u. voll
ftändiger zu bewirken, bedient man ſich bei Lam—
pen der Ölascylinder, weldye außerdem das Flackern
der Flamme verhindern. Am den Autritt des
Sauerftoffes der Luft zu allen Theilen des Doc-
tes jo gleihmäßig u. jo ſtark als möglich zu ma—
hen, ift die mehr platte als dicke Form der Dochte
die geeignetere, Bollloımmener noch wirft die Luft
ein, wenn fie durch einen Cylinder ftrömt, deſſen
oberer Rand von dem Dochte eingefaßt ift. Die
Leuchtkraft einer gewöhnlichen Flamme ift, abge-
eben von der Ummandlung des Brennitoffes in
Has, noch davon abhängig, daß der Koblenftoff,
ehe er verbremmt, möglichit ſtark glühend wird,
weil gerade das intenfive Glühen fejter Körperchen
in der Flamme die Venchtfvaft bedingt. Es tie
daher die regelmäßige Zufiihrung eines beftimm-
ten Luftquantums zur Flamme die erfte Beding—
ung zur Erzielung größtmöglichfter Yeuchtlraft bei
geringftem Brennftoffverbraud. Führt man der
Flamme zu wenig Luft zu, jo bremmt fie dunkel
roth u. rußt. Auch durch zu viel Luftzuführung
wird die Leuchtkraft jehr beeinträchtigt, weil daun
der Koblenitoff verbrennt, ehe er leuchtend glüht.
Läßt man 3.8. Leuchtgas durch eine weite Höhre
ſtrömen, in der es fich mit Yuft mengen kann,
u. zindet e8 dann oberhalb eines die Röhre ver-
ichliegenden feinen Drahtnetzes an, jo bremt es
mit faum Teuchtender bläulicher Flamme, Cine
iolhe Flamme gibt bei richtiger Regulirung des
Yuftzutrittes mehr Hige, als eine ftarf leuchtende
Flamme, u. fest feinen Ruß ab, ift deshalb zum
Erhitzen vortheilhafter. Bei Yampen vegulirt man
den Yuftzurritt durch geeignete Eylinder. Indem
man diefe höher oder tiefer ftellt, enger oder wei—
ter ausmwählt, kann man leicht verfuchsweile be»
ftimmen, wann die größte Leuchtkraft der Flamme
eintritt. Bei Gasbeleuchtung ift es zur Erlang-
ung eines intenfiven u. verhältnißinägig billigen
Lichtes wefentlih, daß das Gas mit möglichſt ger
ringem Drude ausftrömt. Darauf beruhen die
Spar-Brenner (f. Brenner). Die Lichtftärfe einer
Flamme bejtimmt man durch Photometer (f. d.).
Das in neuerer Zeit entdedte Petroleum bat durch)
Billigkeit u. intenfive Leuchtffaft den Gebrauch
anderer Stoffe zur B. jehr vermindert, ja, die-
jelben, bis auf die Gasbeleuchtung, fat verdrängt.
Teifie du Motay hat ein Verfahren entdedt, billig
reinen Sauerftoff herzuftellen, u. verwendet den-
jelben zur Verbrennung des gewöhnlichen Leucht-
gaſes. Dadurch erhält er ein dem Tageslichte
näber ftehendes intenfives Licht ohne größeren
Koftenaufwand. Ausführungen in größerem Maß-
ftabe (Paris, Wien) find noch felten. Je nad
der Örtlichkeit fommen in der Wahl der B⸗s—
apparate u. in der Art u. Weife, mie biefelben
angebracht werden, verichiedene Rückſichten in Be-
tracht. Große ungeichloffene Räume erfordern ein
helles, weißes, von Glasſcheiben eingeichloffenes
Licht. Die B. der Straßen u. freien Pläge fannte
brennt die Flamme matt, bis fie Wärme genug|man fchon im Alterthum, wenn auch nicht in der
entwidelt, um bie ihr zunächft befindlichen Theile | Ausdehnung, wie diefelbe heutigen Tages ftatt-
des Brennftofjes in Gas zu verflüchtigen, u. von|findet. Die moderne Straßenbeleuhtung datirt
124
Beleuchtung.
vom Beginne des 16. Jahrhunderts, wo fie ans-|der Gasröhren, leicht Erplofionen und dadurch
fangs nur zeitweife der öffentlichen Sicherheit mer | Feuersgefahr herbeiführen.
Bor Allem ift Bor-
gen, Später dauernd in volfreihen Städten ein-|ficht zu empfehlen bei der Theater-B., einer mo—
geführt wurde. So mußten 1524, 1526 u. 1553
die Straßen in Paris von den Einwohnern von
9 Uhr Abends an durch am die Fenfter geftellte
Lichter erhellt werden, bis 1558 zuerft Laternen
an Piählen in den Straßen angebradt "wurden.
Erſt 1667 war dieſe Art der Straßenbeleuchtung
in Paris allgemein durchgeführt, worauf die mei—
ften großen Städte, London 1668, Amſterdam
1669, Berlin 1679, Wien 1687, dem gegebenen
Beilpiel folgten. Eine Verbeſſerung diejer ur—
jprünglichen Einrichtung fand erft ım Beginne
des 19. Jahrh. ftatt, wo man die Laternen mit
Neverberen verjah u. fie an Striden oder Ketten
in die Mitte über die Straße aufhängte. Die
Erfindung der Gas-B. (f. d.) wurde für die B.
der Städte von großer Bedeutung, indem durch
Einführung derjelben die Koften des Brennmate-
rials verringert, an Arbeitsfräften gejpart u. ein
bedeutend höherer Grad von Helligkeit erzielt
wurde, Mit Gas wurden zuerft ın London 1811
einige Straßen u. 1815 der größte Theil berjel-
ben erleuchtet. In Deutichland war Hannover
die erjte Stadt (1826), welche die Gasbeleuchtung
einführte; in Berlin befteht fie feit 1828, in Wien
feit 1840; jetzt ift fie in faft allen, ſelbſt Heineren,
namentlich Fabrifftädten in Anwendung gefommen,
In neuerer Zeit hat man in London, Paris u.
Petersburg Verſuche gemacht, mit dem galvani-
ſchen Koblenlichte u. mit dem fogen. Siderallichte
(ſ. d.) Straßen u. öffentlihe Pläge zu erleuchten,
doch find dieſe Verſuche bis jett für die Praris
ohne Erfolg geblieben. Es gelang zwar in Pa-
ris, mit Anwendung des ungemein intenfiven gal-
vaniſchen Lichtes, öffentliche Bauten aud zur Nacht—
zeit ununterbrochen fortzufegen; aber die Koften
der Erzeugung u. die Schwierigleit, e8 zu unfer-
balten, find jo groß, daß man einjtmeilen von
allgemeiner Anwendung deſſelben abjeben muß.
Große geichloffene Räume, welche öffentlihen, na»
mentlich feftlihen Zweden dienen, erfordern eben-
falls ein helles, am beften von oben herein fallen-
des, oder an den Seitenwänden angebrachtes, durch
Neverberen oder Spiegel reflectirtes Licht. An—
fangs bediente man ſich zur B. foldyer Yocalitäten
der Wachsferzen, die aber ihrer Koften wegen ſeit
Berbefferung der Ollampen von diejen verdrängt
wurden. Fetzt hat das DI fait überall in großen
Städten auch hier dem Gaſe u., wo feine Gas:
einrichtung ift, dem Petroleum Play gemacht.
Das Gaslicht, von geihmadvoll decorirten Kron-
und Armleuchtern getragen, gibt den feftlich ge-
ſchmüchten Räumen ein bei weitem brillanteres
Ausſehen u. dient zugleich als Heizmittel. Dem
Übelftande, daß es den Sauerftoff der Luft rafcher
verzehrt u. dadurch beläftigend auf die Arhınungs-
organe eimmwirkt, begegnet man durch Zuglöcer,
die, ohne der Decoration Eintrag zu thun, am
beiten über den Kronleuchtern, von durchbrochenen
Stuccaturen verdedt, angebradht werden. Fabri—
fen, Berlaufsläden, Gonditoreien, Speifefäle ꝛc.
werden am zwedmäßigiten mit Gas erleuchtet;
nur ift überall große Borficht anzuwenden, da
dernen Einrichtung, welche den Alten, da die Bor-
ftellungen bei Tage erfolgten, unbefannt war.
Die B. des Aufchauerraumes wird durch einen
Kronleuchter für die von feiner Galerie überded-
ten Pläge und durch Armleuchter für die Logen
erzielt. Um ein matteres Licht zu erzeugen und
dadurd die Bühne jelbit heller ericheinen zu laffen,
verringert man die Öffnung der Hauptröhre, durch
welche das Gas zujtrömt. Zur B. der Bühne
dienen Gasflammen Hinter jeder Eouliffe u. eine
Reihe derjelben vor der Rampe zunächſt dem Or—
chefter, welche von dem Bühnenrande den Bliden
der Zufchauer entzogen werden. Zur Berftärkung
des Lichtes find die Flammen mit Meverberen
verjehen. Um einen geringeren Grad von Hellig-
feit zur Andeutung der Dämmerung oder Nadıt
bervorzubringen, befchränft man entweder die
Gasftrömung, oder man entzieht durch einen vor«
gezogenen Schirm der Bühne die vordere B. Be—
ſonders intenfives Licht zu Effecten wird durch
Eleftricität oder das Drummondſche Kalllicht ger
wonnen, oder, befonders wenn es farbig fein jo,
dur Feuerwerke (f. d.). Zur Zimmer-B. bat
das Gasliht zwar aud Anwendung gefunden,
jedoch ift dafjelbe mit Rüdficht auf die Geſundheit
zu diefem Zwecke nicht zu empfehlen, wenn das
Zimmer flein u. zur Bentilation nicht eingerichtet
it. Arbeitet man in der Nähe einer Gasflamme,
jo ift es vortheilhaft, den Kopf durch einen Schirm
vor der ftrahlenden Wärme zu fchügen und auch
das directe Licht vom Auge abzuhalten. Für
Signallichter auf Yeuchtthürmen, Eiſenbahnen zc.
ift befonders Sorge zu tragen, daß die Lichtſtrah—
len ſich nicht zerftreuen, fondern möglichft parallel
bleiben, um jo in großen Entfernungen noch wirf-
ſam zu fein. Man erreicht dies durch Aufftell-
ung der Lichtquelle im Brennpunkte großer Hohl»
ipiegel ober Linſen (Fresnelſche Linien). Farbige
Beleuchtung wird entweder durch farbige Flam-
men (ſ. Feuerwerk), oder aus weißem Lichte durch
farbige Gläfer erhalten. Am leichteften ift es,
rein gelbe B. zu erhalten, indem man eine Spi«
ritusflamme mit Kochjalz verſetzt. Bgl. Lampen»,
Kerzen-, Ga8-B, 2) B. fommt bei Kunftwerfen
in zweifahem Sinne vor. Wir ſprechen von B.,
wenn e8 fih darum handelt, in welchem Maße
einem Bilde, einem plaftiihen oder arditeftoni-
ihen Werfe das natürliche, oder ein fünftliches
Licht r theil wird, von günftiger oder ungüniti-
ger B. in Gemäldegalerien u. Muſeen plajtiicher
Kunftwerfe; Ddesgleihen von der Wirkung, die
ein Ban im Morgen», oder Abend» oder Mond»
lichte macht. Bis in die legte Zeit glaubte man
für Gemäldefammlungen fogen. Oberliht, d. h.
durch die Dede einfallendes Licht, anwenden zu
follen; nach neueren Erfahrungen, namentlich auf
der mit der Wiener Weltausjtellung von 1873
verbundenen Kunftausftelung, baben fih nam«
bafte Sachverſtändige, wie C. v. Lützow u. A., für
in einem Winkel von 450 einfallendes Seitenlicht
ausſprechen zu ſollen geglaubt; doch muß die —
noch immer als eine offene betrachtet werden. Für
Unvorfictigfeiten, namentlih beim Berjchließen | plaftiiche Werke wird allgemein B. aus hoch an-
Belfaft — Belfort. 125
angebrachten jeitlichen eihtöffnungen als das gün⸗
I gewählt. Daß plaftiiche Werte bei gut an-
gebradhtem Fackel · gder Kerzenlichte eine treffliche
Birma machen, if längſt befannt,u. in italie-
niſchen Sammlungen vieljach erprobt; es war
daber zur B, von Sculpturen im Gapitolinischen
Rufeum mittels Gaslicht, die bei SFeftlichkeiten
neuerlih eingeführt ward, nur ein Schritt. Wirf-
lichen Kunſtwerlen der Plaftit durch eine B. mit-
tels röthlicher Gläſer den Anjchein des Fleiſches
8 geben, muß ats Beweis auf grob ⸗ſinnliche
irtung fpeculivenden Ungeſchmackes bezeichnet
werden. Eine eigenthümliche Erfcheinung ift, daß
die meiften engliihen Salonbilder für Lünftliche
®. berechnet find, wie denn die engliche Olmale-
ver faft ausichließlih auf den Abſatz an Private
angewiejen ift, die damit ihre Gejellichaftsräume
zu Ihmüden pflegen. Die Eigenthümlichleiten
von Baumwerlen treten unter dem directen Ein-
ſſuſe des Sonnen- oder au des Mondlichtes in
der Regel jchärfer hervor, als im zerftreuten Lichte.
In der Malerei insbejondere verjtehen wir unter
B. die Art u. Weife, wie der Maler über feine
Scenerie Piht u. Schatten verbreitet u. zugleich
ren Urſprung erkennen läßt. Bildet auch die
Einheit der B. in einem Gemälde, Stiche zc. die
Regel, fo können doch einzelne Partien ihr Licht
aus einer zweiten Duelle erhalten; es kann
natürliches u. Liinftliches Licht neben einander her»
laufen, u. fann das erftere ebenfo wol Tages», als
Rondiiht fein (Doppel-B.). Ein vielfach vor-
bommender Verſtoß gegen die Regeln der reinen
®. befteht darin, daß Maler in ihrem Atelier, fo-
din in gejchloffenem Lichte gemalte Studien ohne
Veiteres auf Bilder Übertragen, deren Scenerie
im zerfireuten Tageslichte fpielt. Da die male-
tifche Wirkung eines Bildes auf der künſtleriſchen
B. beruht, fo verdient diefe die ganze Beachtung
der Maler um fo mehr, da fie zugleich von emi«
nentem Einfluffe auf das eigentliche Colorit ift.
Mit der Farbe zujammen bildet fie die Stimm
ung (f. d.) u. dient jo ganz befonders zum Aus-
drude eines poetischen Gedankens, wie wir au
den Yandfchaftern Claude Lorrain, C. Rottmann,
&.Schleih, E. Hildebrand, beiden Achenbach zc.,
ſewie an den Genremalern Oftade, Schalten, Knauf,
€. Gefellihapp, 3. P. Hafenflever, Morig Müller
u. A. ſehen. Doch aud die firenge —
ierei macht ſich die Wirklſamleit der B. zu Nuke,
wie namentlich Correggio u. Rembrandt beweifen.
Bei Dioramen zc. werden im Intereſſe einer mehr
überrafhenden als künſtleriſchen Wirkung farbige
der matie Gläſer zur B. verwendet, mährend
bei Transparentbildern (j. d.) das Licht nicht von
vorn, jendern von hinten auf das Bild fällt, das
zu dieſem Behufe mit Farben gemalt ift, welche
dem Lichte den Durchgang geftatten. 3) (Seew.)
©. Bejeuerung. 4) ©. u. Augenpflege.
1) Sicfeler.* 2) Regnet.
Belfaft, 1) Stadt in der Grafſchaft Antrim in
der irischen Provinz Ulfter, am 236 m breiten
gan (worüber 2 große Brüden, die eine mit
21 Bogen) u. dem Garriefergusbufen (jet Briton
* Eis eines tath. Biſchoſs; 73 Kirchen u. Ka⸗
pellen; lathol. u. methodiſt. Collegium, aladem. In⸗
fitut, Seminar, Bibliotheken, naturhiſtoriſches Mu-
feum, Botanischer Garten, Kranfen-, Armen- und
Barfenhaus, Jrrenanftalt, Blinden-Fnduftriefchule,
Zellenftrafanftalt, Leinenhalle, große Kaferue, pradht«
volle Ulfter-Halle für öffentliche Berfammlungen,
Theater, Mufitpalle ; Hafen, Schiffswerften u. große,
1839— 52 erbaute Dods; 30 Flachsſpinnereien mit
9000 Arbeitern, 5 große Baummollenfabrifen, Seil
u. Segeltuchfertigung, Eifengießereien u. Mafchinen-
fabriten, Glas- u. chemiſche Fabrilen, Sägen,
Ölmühlen, Deftillationen, Bierbrauereien (alles
mit Dampfbetrieb); ftarter Handel (der bedeutendſte
in Irland), welcher Leinengarn, Eifen, Salz u,
Spirituofen aus- u, Getreide, Petroleum, Wein,
Zuder, Thee u. ſ. w. einführt, beſ. mit England
u. Schottland, dann mit NAmerifa u. Rußland;
1871 174,324 (1755 nur 8600, 1801 75,308,
1851 100,301, 1861 126,777 Ew., vorwie-
gend Proteftanten. B. ift außer Dublin die ein-
zige größere Stadt in Irland, welche an Volls—
zahl zunimmt. 2) Eingangshafen im Waldo County,
mordamerif. Unionsftaat Maine; ziemlich lebhafter
Handelsplatz; 5278 Em.
Belfort (Befort), 1) Territorium in Frankreich,
vorläufig feinem- Dep. zugetheilt; grenzt an Ober«
Elfaß, die Schweiz u. die Dep. Vogeſen, Ober-
Sadne und Doubs; 607, m (11 (JM);
56,781 Ew. 2) Hauptftadt defielben, an der
Sapoureuje; von Yudwig XIV. durch Bauban nad
jeiner 3. Manier neu erbaute Feſtung mit den
Borwerlen La Miotte und Pa Juſtice an der
Straße nah Kolmar, welche das befeftigte Lager
dabei ſchützen, und mit Citabelle, feit 1847 noch
verftärkt u. zur Feſtung 1. Klaffe erhoben durch
die Werte Les Barres u. Les Be
Sit mehrerer Eivil- u. Militärbehörden, Handels»
geriht; Synagoge, Spital, Bibliothel, Theater;
Eiſenwerle; Eifen- u. Weinhandel; 8030 Em.
B. ift ftrategifch ein höchſt wichtiger Ort, da er,,
in der fogen. Bodenſenkung von Altkirch ge—
legen, alle zwijchen den Vogeſen u. dem Jura
nach Deutichland führenden Berbindungswege auf
nimmt u. mit dem feften Schlofje von Montböliard
(j. d.) beherrſcht. Es war fonft Hauptort einer
Herrichaft, welche im 14. Jahrh. an bie Graf-
haft Ferette (Pfirt) u. im demſelben Jahrh. an
den Markgrafen Rudolf von Baden, aber nod
vor Ende diefes Jahrh. mit den übrigen Mümpel-
gardihen Gütern an die Landgrafen von Ober-
Elſaß aus dem Haufe Habsburg fam; 1633 wurde
es vom Herzog d. Feria u. 11. März 1634 von
den Schweden unter dem Rheingrafen Otto erobert,
1635 verlor bei B. der Herzog von Lothringen
eine Schlacht gegen die — u. Schweden.
Am 29. Juni 1636 beſetzten es die Franzoſen
unter dem Grafen de la Suze; 1648 fam es mit
dem Sundgau an Franfreih; 1659 erhielt es
Mazarin zum Gefchenfe; 1781 brachte es ber
Herzog von Balentinois an fi; 1814 wurde es
urch Bayern, Ruſſen u. Ofterreicher, fpäter von
Letzteren allein blofirt u. am 16. April durch Ca»
pitulation befegt; 1815 wurde es wieder von den
Ofterreihern eingefchloffen, aber nicht belagert.
1825— 38 wurden die Forts La Miotte u. La Juſtice
auf den gleichnam. Bergrüden öftl. von der Feftung
erbaut u. ſowol unter einander, als mit der Stadt«
befeftigung u. dem 50 m über ber Stadt liegen:
126
Belfrid — Belgien (Geogr.-Statijt.).
den Schloffe, der Eitadelle, durch Befeftigungs-| Theil der Niederlande), dur die Maas getrennt.
linien verbunden, welde das Camp retranche | Die Bewohner von B., Belgen, waren nach Anficht
einſchließen. 1865— 70 wurde das Fort des Barres | Mancher ein feltifch-german. Diifchvoll, nah Anderen
auf dem rechten Savoureuſe-Ufer u. 1870 während
der Armirung im Deutich-Franzöj. Kriege die
Forts Hantes-Perches, Baſſes-Perches u. Belle
vue in propiforiicher Manier erbaut; den 3. Nov.
1870 wurde B. von der 1. Nejerve - Divifion unter
General v. Trestom cernirt u. vom Gemie-Öberften
Denfert-Nochereau vertheidigt. 15. Nov. Ausfallge-
fecht von Beſſoncourt; 23. u. 24. Nov. Gefechte um
die Höhe von Le Mont; 3. Dec. N der
erften Bombardementsbatterie vor dem Dorfe
Ejiert (27 Gejchüge); 13. Dec. Wegnahme der
Wälder Bosmont u. Grandbois, 1871: 7. Jan.
Megnahme des Dorfes Danjoutin; 15—18. Jan.
Schlacht bei B. zwifcdhen dem 14. Armeecorps
(General v. Werder) und der franzöfiichen Dft-
arnıee (General Bourbali); 20. Jan, Eroberung
des Dorfes Peroufe u. der Gehölze Taillis und
Merveaur; 21. Jan, Eröffnung der 1. Parallele
gegen die Forts Hautes- u. Baſſes-Perches; 8. Febr.
Befipnahme beider Forts; 13. Febr. Eintritt dei
Waffenrube; 18. Febr. Übergabe der Feſtung an
die Deutſchen mittel Convention. "Bis-Juni 1873
in deutihen Händen, dann gemäß dem Friedens—
jchluffe an Frankreich zurüdgegeben. Die Feitungs-
werle werden feitbem noch ungemein erweitert u.
verftärtt. Über die Schlacht bei B. f. u. Liſaine.
Belfrid (Belfry, Bellefroy, Beffroi), der Haupt-
thurm einer Burg, hauptjählih als Warte die
send; jpäter auch ſtädtiſche Glockenthürme, welche
vielfach mit den Nathhäufern in Verbindung ftan:
den, wie zu Gent, Brüffel und Brügge, vgl.
auch Baufımft.
Belgen (Belgae, a. Geogr.), Bolt in der gal-
lichen Prov. Belgica (f. d.). Aus Gallien waren B.
nad dem füdöftl. Britannien gezogen und hatten
fih dort im jegigen Somerfetihire, Wiltfhire u.
einem Theil von Hampfhire niedergelaffen; ihre
Hauptftadt war Benta (jet Bincefler). S.England,
Belgard, 1) Kreis im Regbez. Köstin der
preuß. Provinz Pommern, an der mittleren Per-
jante, auf dem Sandrüden u. deffen nördl. Bor-
ftufe, von der Berlin-Stettiner Bahn (44 km)
durchzogen; 1126,, [km (20, LM); 44,120
Em. 2) Hauptftabt darin,an der Yeitnig u. Perſante;
Progymnaſium; Schloß, Rolandsjäule; Dampf-
fchneidemühle, Eifengießerei, Aderbau; Pferde- u:
Nindviehmärkte; 6302 Ew. B., feit 1159 genannt,
war von 1325 an Mefidenz des Herzogs Wratis-
law IV. u. ift Geburtsort des Schriftjteller8 Grävell.
Belgern, Stadt im Kreife Torgau des preuß.
Regbez. Merfeburg, an der Elbe; Getreidehandel,
Brauerei, Steingurfabril; Braunkohlenlager; Ro-
landsjäule; 3105 Em.
Belgien (a. Geogr.), eine der 3 Provinzen,
in welde Gallien zu Cäſars Zeit getheilt war;
lag nordöſtlich zwiſchen Vogeſen, Marne, Rhein,
Seine u. dem Atlantifchen Meere. Im 1. Jahrh.
wurden als bejondere Theile, nah Art einer Mi—
litärgrenze, ausgeſchieden: Germania superior u.
G. inferior; im 4. Jahrh. theilte man B. in
B. prima (Isle de France, Picardie, Artois u.
dagegen reine Kelten, wofür duch ihre Sprade u.
Religion ſpricht (f. Keltiſche Mythologie); bej. ward,
nad aufgefundenen JInſchriften zu jchließen, bei
den Belgen Nehalennia, der Hercules Maguſauus
u. Saxanus (j. d. A.) verehrt, mit dem Magu—
ſanus, einem Wafjergotte, wird die Göttin Hacva
erwähnt. Ein Hauptfit des belgiſchen Heiden-
thums fcheint Zeeland gemweien zu fein. Die
Belgen zerfielen in 15 Völlerſchaften, darunter
die bedeutendften die Bellovalen um Beauvai‘,
die Suefjionen um Soiſſons, die Nervier ur
Namur, die Abuatifer, u. waren fo zahlreich und
mädtig, daß fie 300,000 Manu in das yet
jtelen fonnten. Die erfte biftorijhe Erwähnung
diefer Voller finder fih in Cäſars Galliſchem Feld—
zuge, defjen fchwierigfter Theil ihre Unterwerfung
bildete. Im Jahre 57 befegte er theils durch
frempillige Unterwerfung (jo der Gueffionen),
tbeil$ durch die Schladt an der Sambre worin
die Mervier, Atrebaten, Beromanduer bis zur
Auflöfung geichlagen wurden, das Land; ber
Aufftand der Eburonen im Jahre 53, wobei 2
römiſche Legionen unter Sabinus u. Cotta auf—
gerieben wurden, die dritte unter DO. Cicero dem
Untergange nahe war, ftellte alles in Frage, bis
es Cäjar gelang, durch ſchnelle Concentration feiner
Truppen die Ruhe wieder herzuftellen. Einzelne
Bölterjchaften, wie die Nerpier, Eburonen, wurden
dabei vollftändig vernichtet.
Belgien. Geograpd.-Statiftifhes. Seit
1831 Königreih; grenzt nordweſtl. an die Nord»
jee, nördl. und nordöſtlich an die Niederlande,
öfl. an die Preuß. Aheinprovinz und Luxemburg
u, fübmweftl. an Frankreich. Seine Größe beträgt
29,455,,6 [km (534,., [IM), mit einer Bevöls
ferung, weldye bei der legten wirklichen Zählung
(1866) 4,829,320 Seelen betrug, nach den (tm der
Regel jedoch eine etwas zu hohe Ziffer ergeben«
den) Berehnung des Statift. Bureaus auf Grund⸗
lage der ermittelten Bevölkerungsbewegung für
Ende 1873 5,253,821 gejtiegen jein wuͤrde. 8.
ift in 9 Provinzen eingetheilt, welche folgende
Größe u. Bevölterung haben:
Q.Am DM. Ew. Ende 1873,
Antwerpen 2831,33 Bi. 513,543
Brabant 3282,08 59,82 922,468
OFlandern 2999,55 54,4 854,366
Wrlandern 3234,,, 58,4 682,921
Hennegan 3721,98 67,59 932,036
Namur 3660, 55 6,40 316,331
Lüttich 2893,55 52,56 623,165
Limburg 2412,54 43,81 202,922
luremburg 4417,46 80,33 206,069
29,455, 53hrns 5,253,821.
Nach jeiner Bodenbeihaffenheit bildet B. im
NW, u. N. eine große Ebene, die gegen das
Meer (Küftenlänge 70 km), wo ihre Streden
Polders heißen, durch Dämme u. Dünen geichügt
werden muß u. bier mit Ausnahme einiger Heide-
ftreden meift ſehr fruchtbar if. Dagegen im ©.
u, SW. ift B. durd den Ardenner- Bald u. feine
der mweftliche Theil der Niederlande) u. B. secunda |nördi. Abdachungen gegen Lüttich u. Namur bergig
(Lothringen, ein Theil von Champague, der öftl.'u, waldig. Doch find die Erhebungen diejes Landes-
Belgien (Ocogr.-Statift.).
theils nicht bedeutend, indem die höchſten derjelben
nicht einmal 700 m erreichen u. auh nur Pla-
teaux mit fteilen Flußthälern im SO. find,
Eigentlihe Berge gibt es überhaupt nicht im
Lande. Der Boden ift in diefen hügeligen Ge-
genden theils fteppenartig, theil® jumpfig u. bringt
neben Wäldern fajt nur Biehweiden hervor. In
geognoſtiſcher Beziehung ift B. meift ange
ſchwemmtes Land, das in den höheren Gegenden
Shiefer- u. Quarzmaſſen enthält, Die Flüfje
B⸗s, welche ſämmilich ihr Waffer in die Nordiee
jenden, find: Scheide (linls mit Ws, rechts mit
Dender, Rupel, letstere aus Dyle u. Nethe ent-
Randen), Maas (lintS mit Sambre, rechts mit
Semoy, Durthe, Leffe), Mier (redyts mit Yperlé).
Stehende Gewäſſer gibt es nur unbedeutende
(Beiher u. Simpfe); das flahere B. wird aber
von 29 der Schifffahrt u. der Bewäfferung dienenden
Kanälen durchzogen, welche mit den jchifibaren
Streden der natürlichen Flüſſe 1438 km meſſen.
Das Klima ift im Ganzen gemäßigt u. zur Hervor-
bringung von Feldfrüchten jehr geeignet; auf den
bergigeren Gegenden ift es etwas rauber; in ben
Marihgegenden feucht u. ungefund mit auffallen-
dem Temperaturwechſel: Brüſſel hat bei einer
Seehöhe von 87 m eine mittlere Wärme von
+ 10° 2* im Winter u. im Sommer von 18° 2%,
Producte: Zuctvieb (def. Pferde ſchwerſter Art,
Rinder, Schweine), Wild (meift in dem füdlicheren
Gegenden), Geflügel, Bienen; befond. Getreide
(Reizen), viele Handelsgewächſe, Holz (mur auf
den Ardeunen reichlich, außerdem Waldvon Soignes,
füdlih von Brüffel); Metalle: bei. viel Eijen und
Steinloblen (ſ. u.), ehvas Blei, Kupfer, Zink,
Marmor, Alaun, Torf, Thonerden; Mineralwaſſer
(Zpaa). Die Einwohner (Belgier) beftehen aus
2 Hauptſtämmen: a) Wallonen (1866: 2,041,784),
fait durdhweg im Gebiete der Maas; find franzo
ſiſchen Uriprunges, reden einen alten franzöfiichen,
vielſach mit fremden Elementen vermengten Dialelt
Walloniſch); b) Flamländer (Blemen, 2,406,491),
im Gebiete der Schelde; fie reden flamländiſch,
einen Dialekt des Niederländiichen u. mit diefem des
Plattdeutſchen. Die beide Vollsſtämme jheidende
Linie zieht fich ziemlich gerade von W. nad O.,
indem fie bei Doornif an der franzöf. Grenze be»
ginnt u. in der Gegend von Aachen an der deutjchen
Grenze endigt. Zwiſchen beiden Stämmen herrſcht
eine ftarle Kiferfucht, die zuweilen in Nationalhaß
übergeht. Unter diefen beiden Nationen find
Deutiche (bef. in Lüttich ı. Limburg), Franzofen
(bei. in Luremburg u. ——— u. Holländer
(im Limburg) gemiſcht. Die Sprade der Ge-
„tildeten ift faft allgemein franzöſiſch, auch ift die
elbe feither die Geſchäflsſprache geweſen; doch find
gegen dieſe, als ſolche, neuerdings von den Flam-
ländern Agitationen erhoben worden, die nicht ohne
Lirtungen geblieben find (f. Flamismus unter
FRämiſche Sprache u. Literatur). Der Bolls-
daralter ift hiernach nicht gleihmäßig: die füdl.
Ballonen ähneln den Franzoſen an Erregbarteit
u. Tapferkeit, find ihnen aber-an Munterleit u.
127
thätig m. freundlih. Die Zunahme der Bevölter-
ung Bes ıft eine bedeutende. Ende 1831 betrug
die Vollszahl 3,785,814, 1846: 4,337,196, 1856.
4,529,560, 1866: 4,829,320; es fand alfo in
diefen drei Perioden eine jährlihe Zunahme von
O,42, Ogar Ogz pt. ftatt., In den Jahren 1851—1860
wurden 1,371,197 Geburten (davon 108,484 un«
ebelihe) u. 1,020,269 Todesfälle gezählt; i. J.
1868 163,619 Geburten, 36,271 Hetwathen u.
115,041 Todesfälle, Unter den Geborenen waren
84,210 Knaben (6283 umebeliche) und 79,409
Mädchen (5825 uneheliche). Im J. 1868 wurden
60 Ehen geſchieden, u. wanderten 9600 Perſonen
ein und 12,015 aus. Auf den [km kommen
(1870) 173 Einw. Am ftärkiten ıft O Flandern
bevöffert, mit 279 Ew. auf 1 [Jkm, am ſchwäch—
jten Luremburg mit 47; Antwerpen kommt dem
Sejammtrefultat ungefähr gleich; zwifchen ihn u.
Luxemburg fteben ‚nur Namur u. Pimburg, die
übrigen ſämmtlich höher. Das Berhältnig zwiichen
der jtädtifchen u. ländlichen Bevölkernng in B. ift
derart, da 1866 in 131 Gemeinden von 5009 u,
mehr Ew. 1,787,373, in 2429 Gemeinden von ges
ringerer Vollszahl 3,046,460 Seelenlebten. Städte
über 100,000 Ew. gibt es 4 (Brüffel, Antwerpen,
Gent u. Lüttich), zwischen 560—100,000 feine; die
nächſt größte Stadt ift Vrligge mit 47,205 Ew.;
weitere über 10,000 Ew. gibt es 39. Die Zahl
der bewohnten Häufer betrug 1866 929,792, der
unbewohnten 56,369. Unter ben Erwerbszweigen
der belgischen Bevölterung ifteiner der wichtigjten die
Landwirthſchaft, mit der fih 25 %, der ganzen
Bevölferung befchäftigt und die, obwol bie localen
Berhältniffe dem Aderbau nicht ganz günftig find,
bejonders in den drei nördl., altberühmten Pros
vinzen Brabant, Oft- u, Weitflandern und dem
Hennegau, ſchon feit früheſten Zeiten auf einer
jeltenen Stufe der Ausbildung ſteht. Wo früher nur
Sand u. Heide, finden wir jetst die bevölfertite
Gegend Europas, ein Zeichen außerordentlicher
Fruchtbarkeit u. Wohlhabenheit. Feder Fuß breit
Yandes wird ausgenugt u. durch zwedinäßige Ber
arbeitung u. ftarte Dingung in einen Zuſtand
verfett, in welchem man ihn fonft als Garten-
land bezeichnen würde. Der Dünger, die Gold»
grube des Fandwirthes, genießt dort volle Beacdht-
ung. Die meiften Ställe find jo eingerichtet, daß
die Ereremente der Thiere in einer geräumigen
Vertiefung hinter dem Biebftande ſich anſammeln
u, von da gleich auf das Feld gefahren werden
fünnen. Reicht der Stall zur Aufbewahrung des
Mijtes nicht aus, fo wird derjelbe in große Hau»
fen in die Nähe des zu düngenden Feldes ge»
fahren u. mit Erde bevedt. Außer dem Stall»
mifte fammelt u. verwendet man alle düngenden
Stoffe, bejonders gilt diefes von dem Federvieh—
mifte, den menschlichen Ercrementen u.dem Straßen»
fothe. In großen Städten ift ein forgfältiges
Abfuhrſyſtem eingeführt, u. wo dies nicht der Fall,
werden die Ercremente auf andere Weiſe geſam—
melt u. die gewonnenen Fäcalien auf Kanälen
weit ins Land geführt. Auf den yeldern werden
Leichtigleit nicht gleich; die Flamländer ähneln den ſie alsdann in gemauerten u. cementirten Cifter-
Holländern, ohne ihnen aber an Feftigkeit gleich.
zulommen; bie Belgier des platten Landes, bei.
in Flandern, find daneben ftreng religiös, wohl:
nen bis zur directen Verwendung aufbewahrt.
Der Berfauf der Latrinen geſchieht, um vor Ber-
dünnung während der Fahrt fiher zu fein, nad
128
bedeutender. Eine eigenthümliche Art des Dün-
ens ift das Dverbuylen oder Miftüberbreiten,
— für Gerſte gebräuchlich u. darin be—
ſtehend, daß der auf die⸗Beete gebreitete Miſt
aus den marlirten Furchen mittels eines Spatens
mit Erde beworſen wird. Da in Belgien nur in
den jeltenften Fällen Brache gehalten wird, der
Ader vielmehr ununterbrodhen Früchte tragen
muß, jo wird auf Bearbeitung des Bodens,
— — u. Reinhaltung deſſelben von Unkraut
großes Gewicht gelegt. Es iſt deshalb das Jäten
faſt allgemein üblih. Wie weit der Belgier in
der Verwerthung feines Bodens zu gehen ſucht, zucht in OFlandern.
bemeift, daß er faft bei jeder Frucht noch eine
Zwiſchenfrucht zu erzielen weiß, 4. B. Hanf ftart
gedüngt, Weizen gebüngt (Zwiſchenfrucht Mohr-
rüben), Lein (Zwiſchenfrucht Runfelrüben), Rog-
en, ftark gebüngt (Zwiſchenfrucht Turnips), x.
ie Fruchtfolgen find übrigens nach der Beichaffen-
beit des Rodens u. nad) den Provinzen jehr ver-
ſchieden; auf Marihboden faft ohne alle Düngung:
Klee, Weizen, Brache, Wintergerfte, Widen, Ha-
fer; auf firengem Lehmboden: gedüngte Brache,
Roggen, Hafer, Klee überbiingt, Weizen, Hafer,
Kartoffeln gedüngt, Widen, Roggen, Ei auf
utem fandigem Yehmboden: Klee, Weizen, Hafer,
Sein, Roggen, Raps, Wintergerfte, oder Weizen,
Roggen; auf trodenem lehmigem Sandboden:
Weizen, Roggen, Hafer, Klee, Wintergerfte,
Buchmeizen; auf geringem Sandboden: Kar⸗
toffeln oder ein, Roggen, Hafer, Klee. Das
Getreide wird, trotzdem die MWitterungsverhält«
niffe ungünftiger find, als in Deutſchland, nur
theilweife in Scheunen, zum größten Theil in
Feimen im Freien aufbewahrt. Unter den Fut-
ſergewächſen dominirt der Klee überall, ausge
nonımen in der Gampine, wo deſſen Stelle die
Serradella u, der Spörgel vertritt. Inter den
Burzelgemwächfen jpielen die Rüben die Hauptrolle,
welche aber meift nur als Zwiſchenfrüchte gebaut
werden; dafjelbe gilt von den Möhren u, Huntel-
rüben. Zn den Gegenden mit leichtem Boden
werden fogar Kartoffeln als Zwiſchenfrucht gebant.
Unter den Handelsgewächſen fteht ber Flachs
obenan, beſonders in Flandern u. im Waeslande;
Hanf in Dendermonde, Raps in Brabant u. an
den Ufern der Dender. Der Raps wird nicht
geſäet, ſondern gepflanzt. Außerdem baut man
beſonders zwiſchen Aloſt u. Brüſſel viel, in der
Umgegend von Poperingue den beſten belg. Hopfen.
Moin, Tabak, Krapp u. Wan werben nur wenig
angebaut. Daß B. in Bezug auf Landwirthſchaft in
jeder Beziehung eine hervorragende Stellung ein-
nimmt, zeigt auch fein ausgebildetes Bachtrecht. Bei
der gewöhnlich kurzen Pachtdauer ift es üblich, daß
der anziehende Pächter feinem Vorgänger jede auf
ein Feld verwendete, noch nicht ausgenugte Arbeit,
wie Pflügen, Eggen, Walzen ꝛc., ja jelbft bie
durh Sachverſtändige abgejhätte Dungkraft im
Boden bezahlt. In neuefter geh hat die Drainage
große Fortſchritte gemadt. Dem landwirthichaft-
Belgien (Landwirthſch., Induftrie).
fpec. Gewicht. Auch der Berbraud der künftlihen am meiften angewandte Transportmittel ift in Bel-
Düngemittel, befonders des Guanos, ift ein ganz gien die Karre,
Sorge für einen möglichſt großen
orrath von Dünger u. gartenmäßige Bearbeitung
des Landes find die Hauptpunfte, durch welche die
belg. Pandwirtbichaft einen Ehrenplat neben der
engl. ſich gefihert hat. Bol. Schwerz, Anleitung
zur Kenntmß der beig. Landwirthſchaft, Halle 1807,
2 Bde.; P. A. Poggendorf, die Landwirthſchaft
in Belgien, Lpz. 1858; Guſtav Krauß, Die Yand-
wirtbihaft in Flandern, Verl. 1873. Die Bich-
zucht wies i. J. 1866 283,163 Pferde, 1,242,445
Kinder, 586,097 Schafe, 632,301 Schweine auf.
Die Pferde- u. die Schafzudt war amı ftärkften
in Luxemburg, die Rindvich- uud die Schweine-
Eine weit größere Be-
deutung hat jedoch in B. die Induſtrie, die
durh Speculationsgeift, Actiengeſellſchaften zc. feit
1830 fi) weit über das Doppelte gefteigert hat.
Leinwand wird gut u. fein bearbeitet (Spigen) u.
behandelt, vorzüglih in den weftlidhen Provin—
zen, wobei ?/, Million Menſchen beſchäftigt find;
man zählt 820,000 Spindeln u, 5000 medan,
Webftüihle; jährlich werden 80 Mill, kg rober
Flachs verbraudt u. für 25 Mill. Fes. Waaren
ausgeführt. Baummplienwaarenfabriten find theils
in Flandern und Brabant, theils in der Provinz
Lüttich jehr belebt und erzeugen mit ®%, Mill.
Spindeln fir 75 Mil. cs. Wolle in Fäden
und für mehr als 74 Mill, Fes. Gewebe; Tuch—
bereitung beſ. in Berpiers u. Difon (die Ausfuhr
beträgt fit einer Reihe von Jahren 40—45 Mill.
Fces.); Leder (Maftrichter Sohlenleder), Glas
(im Hennegau 57 Glashütten mit 7370 Arbeitern
und 27 Dill. Fes. Productionswerth), Papier,
Hüte, Seife, Kutihen, Ziegel, Strümpfe, Holz-
ſchuhe (aus dem Waeslande); Bier (1865 2638
Brauereien), Branntwein, Nübenzuder (150 Fab ⸗
rifen mit 33,000 Arbeitern), Eifig. Berühmt find
die Eifenwaarenfabrifen (Gewehre u. Kanonengie-
Bereien zu Lüttich, Klingen u. Meffer zu Namur;
die — Fabrik in allen Zweigen, beſ. Maſchinen,
in Seraing beſchäftigt allein 9000 Menſchen u,
223 Dampfmafcdinen), melde durch die Maffe
von Steintohlen, die allenthalben gewonnen werden,
bei. begünſtigt werden. An dieſem Product iſt B.
ungemein reich; es nimmt unter den Kohlen er-
zeugenden Ländern die fünfte Stelle ein. 1866
waren 155 Steintohlengruben im Betriebe, welche
fih über 86,051 ha erjtredten und 86,721
Arbeiter m. 857 Dampfmaſchinen beſchäftigten.
Unter den Arbeitern befanden fich zahlreiche rauen
u. Kinder, und zwar unterirdilih 76 %, Frauen,
128 %,, Knaben u. 55 %. Mädchen, oberirdifch
138 9/,, Frauen, 95 °/,, Knaben und 93 *
Mädchen, Erzeugt wurden 12,774,662 Tonnen
Kohlen, wovon 8,987,136 Tonnen im Lande felbft
verbraucht wurden. 1870 flieg die Production
auf 18,697,110 Tonnen (Werth: 20 Mill. Fes.)
1871 auf 13,733,000 Tonnen, wovon das Yand
jelbft 9,800,000 verbrauchte. Die iibrigen Berg-
werte befchäftigten 10,686, die 431 Hüttenwerfe
(movon 335 für Eifen) 20,799 Arbeiter, Unter den
Metallen fteht in der Production das Eifen voran.
lichen Unterrichte fchenft man die gebührende Auf-/An Eifenerzen wurden 1870 654,332 Tonnen
merffamteit. Bewäfferungen der Wiefen u. der (für 5°/, Mill. Fes.), an Roheifen 565,234 Tonnen
Ader find, wo irgend rentabel, angelegt.
Das (für 25 Mill. Fes.), an Stabeifen 491,563 Tonnen
Belgien (Handel u. Verkehr, Staatsverfaffung). 129
(für RO Mil. Fes.) erzeugt. Demnächſt famen
Gußwaaren (67,045 Tonnen), Zint, Binterze,
Blech u. Draht, Schwefelkies, Bleierze, Blei, Stahl,
Alaun u. Nickel.
Handel und Verkehr. Der Aufſchwung, den
der belgiſche Handel ſeit 10 Fahren genommen,
if großartig zu nennen; es flieg nämlich die Ein»
fuhr von 1254,, Mill. Fes. pro 1864 auf 2424,,
Nil. pro 1873, während die Ausfuhr von 1172,,
anf 2164,, Mil. cs. wuchs. Die Werthe pro 1871
vertbeilen ſich, wie folgt:
Einfuhr. | Ausfuhr.
Millionen Fes.
tnd- u, Flußtransport 1483, , | 1502,,
Seetransport 941,,| 662,,
Davon:
gür den Couſum, refp. belgische
Baaren 1322,, | 1158,,
Für reip. aus Entrepots 138,.| 27,0
Jur Ducchfuhr 978,2 | 978,,
Dieie Zahlen begreifen nur Waaren, feine Edel:
metalle, von denen 1404,, Mil, ein- und 1315
Rill. 8. ausgeführt wurden. Hierbei waren
betbeiligt:
| Einfubr, | Ausfusr.
Aus und nad: | Millionen ges
Preußen 222,, 1124
England 41,,| 154,
Hranfreich 1135,, | 33,,
Leim Waarenhandel war die Betheiligung fol-
gende: Frankreich, Einfuhr 28,,%, Ausfuhr
27,0%; Deutfchland 22,,, bezw. 28,,;5 Groß:
britannien 14,,, bezw. 21,,; Niederlande 11,,,
bezw. 11,,;5 Berein. Staaten von NAmerifa 5,,,
bezw, 1,,; Argentina 3,,, bezw. O,,; Rußland
3,4 bezw, O,, ; Schweiz O,,, bezw. 2,, °/o &.
Von den einzelnen Ärtileln entfielen auf: Seide
u. Stivenwaaren, bei der Einfuhr 311,, Mil.
%8., bei der Ausfuhr 277,, Mill. Fs.; Wolle
u. Bollenwaaren 387,,, bezw. 348,,; Gerealien u.
Diehl 258,,, bezw. 51,,; Colonialwaaren 138,,,
bezw, 77,,5 Baumwolle und Baummollenwaaren
114,,, bezw. 70,, ; Flachs zc. 100,,, bezw. 178,,;
Sol; 65,,, bezw. 19,,; Wein 35,,, bezw. 15,0;
Steintohlen u. Cole, 19,,, bezw. 148,,; Ma-
inen 31,,, bezw. 67,,; Häute 99,,, bezw. 63,5;
Eiien, Stahl zc. 68,,, bezw. 122,,; Kurzwaaren
%9,,, bezw. 44,,; Metalle 64,,, bezw. 56,, Mil.
1, ſ. w.
Der Schiffsverlehr ergab folgende Ziffern:
Eingelaufen. | Ausgelaufen.
Trogfäbigkeit.| _.. |Tragjähigteit.
Schiffe. Dee. | Schiffe. Kennen,
1872 6134 | 1,878,106 | 6241 | 1,907,530
1873 6854 | 2,438,0711 6794 | 2,835,793
Bon diefen Tonnenzahlen kommen auf Dampfer
$, auf Segler 4. Bon den fremden Staaten war
fi eo allein mit über 50%, an dieſem Verfehre
betheiligt. In Bezug auf die Häfen behauptete
marine war feit Jahren entfchieden im Abnehmen
begriffen, doch zeigt das Fahr 1873 gegen das
Vorjahr wieder eine Zunahme, Es beftanden 41
Segler u. 28 Dampfer gegen 40 Segler u. 19
Dampfer mit zufammen 46,939 Tonnengehalt,
wovon auf Antwerpen allein 40,656 T. kommen,
Zu Lande wird der Handel befördert durch gute
Straßen (1867: 7096 km) u. viele Kanäle (f.
oben), fowie durch das große Netz von Eifen-
bahuen, deifen ganze Länge 1874 3386 km be
trug, von denen 177 im Bau u. die anderen im
Beiriebe waren. B. nimmt in diefer Hinficht von
allen Ländern verhältnißmäßig den erften Rang ein.
Die Telegraphenlänge betrug 4430 km mit einer
Gefammt-Drahtlänge von 15,802 km. Haupt«
banken: die Nationalbanf, La Söociets generale
pour favoriser l’industrie nationale, die Belgifche
Bank (diefe 3 in Brüffel), die Banque Lie-
geoise in Yüttih u. Banque de Flandern in Gent;
. m. Banfen. Die gegenwärtige Staats»
verfaffung ift mach der vom Nationalcongreß
errichteten Conftitution vom 25. Febr. 1831
(deutsch officiell heransgegeben, Brüffel 1831) die
einer verfaffungsmäßigen Repräſentativmonarchie,
deren Gewalt im Volle rubt, aber deren (nach Orb»
nung der männlichen Erftgeburt, mit beftändiger
Ausſchließung der Frauen) erbliches Oberhaupt ein
König ift, u. zwar als erfter Regent Leopold I. aus
dem Haufe Sadfen-Koburg-Gotha (jeit 21. Juli
1831). Die Perion des Königs ift unverletzlich,
u. er übt unter fteter Contraſignatur der dadurch
berantwortlihen Minifter allein die vollziehende
Macht aus, theilt aber die gejeßgebende u. das
Befteuerungsrecdht mit der Nation. Seine Civil-
lifte beträgt etwas über 3 Mill. Fes. Dem König
fteht Begnadigungs- u. Münzrecht, Berleibung von
Orten u. Adel, ohne jedoch Vorrechte daranı
fniipfen zu können, Oberbefehl der Land» und
Seemadt, Recht auf Krieg u. Frieden zu; doch
haben die Großmädte 1831 B. eine ewige Neu—
tralität zugefihert, Der Kronprinz berg von
Brabant) wird mit dem 18. Jahre in den Senat
aufgenonmen, ift aber erft mit dem 25. Jahre
ftimmfähig. Jedem Belgier, od. durch Berleih-
ung des großen oder Heinen Indigenats (La
grande et petite naturalisation) ihm gleichen
Fremden fteht Gleichheit, Freiheit der Berfon,
des Unterrichtes, der Neligion, der Sprache und
Preſſe, das Necht der Afjociation, Berfammlung
u. Petition, u. Unverletlichkeit der Wohnung zu.
Auch dem Aufenthalte der Fremden find nur in
dringenden Fällen durch Gefeg vom 22. Septbr.
1835 (abgeändert 1841) Beichränkungen auferlegt
u, ihre Auslieferung durch Gefeg vom 1. Okt.
1833 auf gewiffe Fälle zurücgeführt, wegen deren
mit mehreren Staaten ein Cartell geſchloſſen ift.
Die Nationalvertretung geichieht in 2 Kam '
mern, deren Mitglieder von dentelben Wahlcollegien
fir den Senat auf 8, in die doppelt fo zahlreidye
Repräfentantenfammer auf 4 Jahre (in letztere
mit einem Monatsgehalte von 240 7518.) ge
wählt werden; alle 2 Jahre tritt die Hälfte der
weiten Kammer u. alle 4 Jahre die Hälfte des
Senats ab; auf 40,000 Seelen kommt 1 Depur
Antwerpen mit je 2 Mil. Tonnen Eingang u.|tirter der Zweiten Kammer. Die active Wahlfähig-
Ausgang den Vorrang. Die belgiſche Haudels- keit ift einem nicht jehr hohen Cenſus, die palfive
vieters Univerfal-Eonverfations-?ezilon.
6. Aufl. ii. Daub. 9
130
nur für die Senatoren einem Genfus von 2000
ts. unterworfen. Beide Kammern verhandeln
öffentlich, wählen ihr Bureau felbit, beichließen
nach abfoluter Stimmenmehrheit, u. fein Mitglied
darf für feine Außerungen zur Necenichaft ge
zogen werden. Das Budget wird jährlich feitge-
ſetzt, die Nepräfentantenfammer wählt die Mit-
glieder des Rechnungshofes u. hat das Recht der
Minifteranflage vor dem Caffationshofe. Staats-
verwaltung: Die vom König beliebig gewählten
Minifter bilden das Staatsminifterium; den De-
partementsminifterien des Innern, der Juſtiz,
Finanzen, der auswärtigen Angelegenheiten, des
Krieges u. der öffentlihen Bauten find General-
fecretäre beigegeben. Das Land wird in 9 Provinzen
(. oben), dieie in 41 Bezirke (Arrondiffements),
letstere in Kantone u. diefe in Gemeinden gerheilt.
Für jede Provinz ernennt die Regierung einen
Gouverneur, welcher nad dem Provinzialgefete
vom 30. April 1846 unter Beirath eines von
den Wahlcollegien auf 1 Jahr erwäbhlten, auf 14
Tage jährlich im Juli fi verfammelnden, öffent:
lih berathenden WProvinzialratbes u. außerdem
deifen aus 6 Mitgliedern bejtehenden ftändigen
Deputation die Bermwaltung der Provinz leitet.
Das Budget der Provinz wird vom Provinzials
rathe votirt u. feine Verwendung geprüft. Doch
bedarf es der füniglihen Bejtätigung. Für jeden
Bezirk it ein Bezirkscommiſſar beftellt; jeder Ge-
meinde ftehen nach dem Gemeindegeſetze vom 30.
März 1836 ein Bürgermeifter u. 2 bis 5 Schöp-
pen bor, melde die Hegierung auf 6 Jahre aus
den mit der Gontrole beauftragten Gemeinde—
rätben ernennt, die ihrerjeits von den Gemeinde—
bürgern auch auf 6 Jahre gewählt find (vgl.
Faider, Coup d’eil sur les institutions provine.
ot commun. en Belgique, Brüffel 1833; Gachard,
Preeis du regime municipal de la Belgique,
ebd. 1834). Gerichtsverfaſſung: Unabhängig«
feit u. Umabiegbarkeit der Richter, Mündlichkeit
u. Öffentlichleit des Verfahrens, Begründung der
Urtheile gewährleiftet die Conftitution. Die Strei-
tigkeiten über bürgerliche u. ftaatsbürgerliche Rechte
geheren in 1. Inſtanz vor die FFriedensgerichte,
ivil- u. Handelstribunale, deren Richter der
König ernennt; in 2. Inſtanz vor die Appella-
tionshöfe, deren es 8 gibt u. deren Präfidenten
u. Näthe vom König aus 2 Liften der Gerichts-
höfe u. des Provinzialhofes ernannt werden. Es
gibt für ganz B. einen Gafjationshof, der nicht
über den Grund der Sachen, mit Ausnahme der
Minifteranflagen, fondern nur über die Fragen
der Formverlegung und der unrichtigen Anwend-
ung des Rechtes erfennt, u. deſſen Räthe der
König nah 2 Liften des Senats u. des Caffa-
tionshofes ernennt, welcher wie die Appellations-
böfe jelbft die Präfidenten aus eigener Mitte wählt.
Für alle criminal-politifchen u. Preßvergehen befteht
die Jury, deren Verfahren das Gejeg vom 15. Mai
1838 regelt; Boltzeiübertretungen gehören vor die
Friedens⸗, Vergehen vor die Zuchtpolizeigerichte,
Mit der franzöſiſchen Herrfchaft ift die franzöſiſche
Geſetzgebung, mamentlih die 5 franz. Codes,
eingeführt, welche nur theilweiſe u. örtliche Ab-
änderungen erlitten haben. Am wictigften mar
unter niederländischer Herrſchaft die Aufhebung der
Belgien (Verfaſſung 2c.).
Jury dur Decret vom 6. Nov. 1834, welche aber
nach der belgischen Revolution mwiederbergeftellt u.
neu organifirt wurde (vgl. Henry, Expose des chan-
gements operes dans la legislation penale en
Belg., Gent 1834.) Uber die Revifion des Code
penal vgl, Haus, Observations sur le projet
de revision du Code penal, ebd. 1835—36,
3 Bde. Das Römiſche Recht hat auf B. großen
Einfluß Er u. deffen Rechtsbildung ſich vor-
züglih Deutichland zugewendet (vgl. Warnfönig,
Über die Wichtigkeit des Belgiihen Rechtes für
Deutſchlands Rechtsgeſchichte, Freib. 1836). Die
bedeutendſten Landrechte waren die von Lüttich,
von Limburg von 1682, von Stavelot, von Flan—⸗
dern (vgl. Ehriftgn, Brabants Mechte, Antw.
1682, 2 Bde.); die wichtigſten Stadtrechte (vgl.
te Grand, Coutnmes de Flandres, Cambray
1719, 3 Bde, Fol.) von Antwerpen, Brüiſſel,
Gent, Ville, Mecheln u. Lüttih, wo unter dem
Namen Paix alte Statuten bejtanden, woraus
ein Rechtsbuch, Pawillart, entitand. Bat. Warn-
fönig, Flandriſche Staats- u. Nechtsgefchichte,
Tüb. 1835—39, 3 Bde. ; Rapfaet, Analyse des
droits des Belges, Gent 1824—26, 3 Bde. Fi-
nanzen: Gtaatseinnahmen nach dem Budget
von 1874: 229,643,000 Fes., Staatsausgaben
236,417,402 Fes. Die Staatsichuld theilt ſich in
die ordentlide, von der Organifirung des König-
reiches (wobei 220 Mill. cs. 24 procentige als
Antheil an der Schuld der Niederlande übernommen
wurden), oder gewiſſen Ereigniffen herrührende, u.
die außerordentliche, durch öffentlihe Bauten u.
Eiſenbahnen, Kanäle zc. veranlaßt. Die Gefammt-
fumme betrug 1. Mai 1874, einichließlih des
Erwerbspreijes der Privateifenbahnen, 1058 bis
1060 Mill. 758. Der Religion nad ift die über-
wiegende Viehrzahl der Bevölferung fatholifcher
Confeſſion; man ſchätzt die Zahl der Proteftanten
auf etwa 15,000 (die Zahl proteftantifcher Ger
meinden beträgt nicht mehr als 12), die Juden
auf 3000, Diefe Zahlen find jedoch weit unter
der Wirklichkeit. Die Katholiten haben 1 Erz
biſchof und 5 Bijchöfe; heute zählt B. etwa 180
Mönds- u. über 1500 Nonnenköfter, zufammen
mit etwa 3000, rejp. 15,300 Bewohnern. Der
Geldwerth des im Beſitze der Todten Hand be»
findlihen Grundes u. Bodens berechnet ſich auf
weit über 200 Mill., mit einem Jahresertrage
von 9,555,322 Fes. (1866, officiell), davon follen
jedoh auf die eigentlichen Geiftlichen - Stiftungen
nur 1,749,848 Fes. Nenten- gegen 50 Millionen
Capitalwertb fommen, was jedenfalls jehr unvoll-
ftändige Angaben annehmen läßt. Die öffentliche
Gottesverehrung ift allen Religionen gewährleiſtet.
In wiffenschaftlider Hinſicht ift B. in der
ihönften Entwidelung begriffen, fo viele Feſſeln
auch dem Unterrichte Durch den Ultramontanısmus
angelegt find. Univerfitäten find zu Lüttich und
Gent (vom Staate unterhalten), zu Löwen (von
der Kirche unterhalten), zu Brüffel (freie, von den
Logen unterftügte Anftalt); königliche Athenäen
(Gymnaſien) 10; nebenbei viele Gemeinde» und
Privatichulen, Ecoles moyennes 50, eigentliche
Vollsſchulen 1864: 5664; Gelehrte GSefellichaften
(Akademie der Wiffenichaften zu Brüffel, Nadeifer-
ungsgejellfhaft zu Lüttih u. a.). Die Frage des
Belgien (Militärwejen ꝛc. — Geſchichte bis 1598).
öffentfichen Unterrichtes ſteht mit der ganzen belg.
Geichichte in einen jehr genauen Zufammenhange.
AUSB. mit den nördlichen Niederlanden zu einem
Königreiche vereinigt wurde, erflärte die Kegier-
ung das Geſetz der Batavifchen Republik vom
“3. April 1806 für verpflichtend, weshalb der Ne-
ligionsunterriht aus den Schulen verbannt wurde ;
der Jeſuitismus opponirte fortwährend, u. nad
der Trennung im Jahre 1830 herrſchte vollftän-
dige Freiheit im Uuterrichtsweſen, wovon die
131
3. B. heißt der Meter Aune, der fiter Litron, der
Heltoliter Baril u. ſ. w. Vergl. Jourdain, Die-
tionnaire national beige, histor., biogr., statist,,
artist, industriel et commercial, Brüſſ. 1864;
Statistique de la Belgique (officiell), ebd. 1873.
Geſchichte. I. Altefte Zeit. Der Länder-
compler, welcher das jetige Königreich B. aus-
macht, gehörte zur Römerzeit feinem größten
Theil nach zu der Provinz Belgica (Gallia
Belgiea), |. d., welche indeß noch Theile der
Geiftlichleit den ausgiebigften Gebrauch machte. jetzigen Aheinprovinz, Lothringens, NFrankreichs
Die Üdelftände zeigten fi aber bald, u. durch das
Geſetz vom 23. Sept. 1848 — eine Transaction
zwiichen Staat u. Geiftlichfeit — wurden viele
derielben bejeitigt. Thatſächlich befindet ſich das
umfaßte. Die damalige Bevölferung, die Belgen,
war urfprünglich feltiichen Stammes, aber unter-
mengt mit germanischen Glementen (ſ. Belgica).
Das Land fam im 5. Jahrhundert unter die Herr»
Unterrichtswefen in höchſt ungenügendem Zuftande. |ichaft der Franken, u. unter den Merovingern ge»
Bei der Vollszählung v. 1866 konnten 2,518,742|börte Flaudern zu Neuftrien, das Übrige B. aber
Einw. weder leſen, noch fchreiben; zieht man auch zu Auſtraſien. Jenes fiel bei der Theilung des
389,154 Kinder ab, jo bleiben noch inımer 42 p&t.|Heiches Karls d. Gr. durch den Bertrag von Ver—
der erwachjenen Bevöllerung ununterrichtet. Haupt- |dun (843) als Mark Flandern an Frankreich, dieſes
md Reſidenzſtadt des Königreiches iſt Brüfiel.
Militärwejen. Die Armee beträgt nach dem
neuen Organtfationsgefese: 19 Reg. Infanterie,
8 Cavalerie, 7 Artillerie, 1 Genie — 74,000 Mann
Jufanterie, 19,300 Cavalerie jammt Gensdarmerie,
17,000 Artillerie, 3600 Genie, zufammen 103,900
Mann, mit 12,894 Pjerden und 240 Geichiigen.
Die Bürgergarde foll außerdem 30,000 Mann in
50 Bataillonen ftellen. B. ift in militärifcher gr
fiht in 2 General-ECommando-Bezirfe, von Ant«
werpen u. von Brüfjel, getheilt. Das Yahres-
tontingent beftimmen die Kammern; feit 1868
beträgt es 12,000 Mann. Die Bürgergarbe ift
im Jahre 1848 für ſämmtliche Gemeinden des
Königreiches organifirt worden; fie beträgt in ihren
2 Heerbannen ungefähr 100,000 Mann. Die
Gensdarmerie beträgt 46 Dffiziere u. 1092 M.
Die Armee wird durch Conſcription gebildet; die
Dienftzeit beträgt 8 Jahre, durch Beurlaubungen
gewöhnlich um die Hälfte verkürzt; Yosfauf gegen
eine Brämie von 1600
das Kriegsminifterium für einen Stellvertreter
forgt. Eine Kriegsmarine eriftirt noch nicht. Die
Feſtungen maren früher namentlih gegen die
franzöftiche Grenze bin jehr zahlreih u. aniehn-
lich; im 1. Linie gegen Fraufreih: Ypern, Menin,
Teurnay, Ah, Mons, Charleroi; in 2.: Gent,
Namur (mit Eitadelle) u. die Citadelle von Lüttich;
gen Holland: Dieft. Da diefelben jedoch den
— * der modernen Kriegslunſt größ—
tentheils nicht mehr entſprachen, ſo hat man eine
bedeutende Anzahl derſelben geſchleift u. als all-
gemeinen Warfenplag und ftarle Gentralfeftung
Antwerpen in ein befeftigtes Lager verwandelt.
Bappen: der jtehende brabanter Löwe mit der
Unterihrift: L’union fait la force; größeres
Bappen: das ſämmtlicher 9 Provinzen, National-
farben u. Flagge: ſchwarz, gelb, toth. Orden:
ein eiſernes Kreuz für die dem Baterlande 1830
geleifteten befonderen Dienfte; der Leopoldsorden
(. d.), in 5 Klaſſen, gejtiftet 1832. Ferner
wurde 1856 ein bejonderes Kreuz den 25 Jahre
fang im Diititärdienfte ftehenden Offizieren, Unter-
offizieren und Soldaten bewilligt. Die Münzen,
Maße u. Gewichte Bes find die franzöfiichen,
nur mit theilweije anderen Bezeichnungen. So
an Lotharingen (Lothars Reich) u. mit dieſem 870
an das Deutihe Reich, u. zwar an das Herzog-
thum Nieder-Lothringen. In diefem aber bildeten
fih, namentlich im 11. Jahrhundert, nach und
nad durch die Erblichleit der großen Lehen
Meinere Erbftaaten, die Herzogtbiimer Brabant,
Limburg, Lügelburg (Luremburg), die Srafichaften
—— u. Namur u. als geiſtliches Gebiet das
isthum Lüttich. Im 14. u, 15. Jahrhundert
fielen alle diefe Länder, mit Ausnahme des Bis—
thums Lüttich, u. 1385 auch das bisher unter
franzöfiicher Oberhoheit geitandene Flandern
theils duch Erbſchaft, theils durch Kauf au die
Herzöge von Burgund u. bildeten den eigentlichen
Kern ıhrer Macht. Mit Hennegan (1436) fam auch
der größte Theil des jegigen Holland unter burs
gundiſche Herrichaft. In dieſe Zeit fällt die Ent»
widelung der Vlüthe u. des Reichthums der bei-
gischen Städte, die einen bedeutenden Einfluß auf
die Geſchicke des Landes ausübten. Nah dem
8. ift geftattet, worauf| Tode Karls des Kühnen, des legten Herzogs von
Burgund, gingen, während das eigentlihe Bur-
gund an ;‚sranfreih kant, die Niederlande, das
jetzige zum und Belgien, durch Verheirathung
jeiner Tochter Maria mit Marimilian I. 1477
an das Haus Habsburg über (ſ. u. Niederlande)
ut. von diefem nach der Thronentfagung Karls V.
(1556) an Spanien, mit der Bejtimmung, daß
fie durch Primogeniturredht mit Spanien vereinigt
bleiben follten.
II. 8. unter fpanifher Hoheit, 1556 bis
1715. Der bald nad) Philipps Thronbefteigung ſich
entjpinnende Befreiungstrieg der Niederländer ge»
gen die Spanier führte allmählich, bef. ſeit 1579
unter dem Statthalter Alerander Farneſe, zu dem
Refultat, daß, während die nördlichen Provinzen
(Geldern, Holland zc.) ihre Religion u. Unab—
hängigleit durchfochten, die füdfichen Provinzen
(Luremburg, Namur, Hennegau, Brabant, Flan—
dern) bei dem tatboliiden Glauben und der fpa-
nischen Herrſchaft blieben u. daf dieſe Gebiete, welche
das heutige B. ausmachen, ſeitdem als die Kar
tholifchen Niederlande bezeichnet wurden, Mur
kurze Zeit hatten diefelben für fih allein einen
Fürften (ein befonderes Gemeinweſen blieben fie
immer), da fie Philipp II. 1593 an feine mit dem
9*
132
Belgien (Geſch. bis 1787).
Erzherzog Albert verheirathete Tochter Iſabella Im Oſterreichiſchen Erbfolgekriege (ſ. d.) eroberten
abtrat; da aber ihre Ehe kinderlos blieb, jo fielen
die jiid » niederländiihen Provinzen wieder an
Spanien, um in der Folge gewöhnlich den Kampf»
plaß zwiſchen Frankreich u. Spanien zu bilden,
Durch den Weftfäliichen Frieden (1648) wurde die
Freiheit der nördlichen Staaten der Niederlande
von Spanien anerlaımht, auch ein Theil von Bra-
bant fam zu jenem. B. war der Hauptſchauplatz
des 1648— 59 mit abwechjelndem Güde geführten
Krieges, welder für Spanien unglüdlid endete,
jo daß es im Pyrenätichen Frieden (7. Nov. 1659)
an Franfreih die Grafichaft Artois, Gravelines,
Yaudrecy, Thionville, Le Quesnoy, Montmédy u.
m, a. abtrat. Ein neuer, von Ludwig XIV. auf
das in Brabant giltige Anfterbereht (Jus devo-
lutionis) 1667 begründeter Krieg (Devolutions-
fiieg) entriß Spanien Lille, Charleroi, Binde,
Ah, Dudenaarde, Courtray zc., u. durch den
Bertrag von St.» Germain-en-faye (23. Jan.)
m jpäter durch den Frieden von Machen (2. Mai
1668) erhielt Frankreich jene Eroberungen in den
Niederlanden, trat aber am 5. Febr. 1679 im
Frieden zu Nimwegen die im Aachener Frieden
erhaltenen Pläge wieder ab u. erhielt dagegen
die Städte Nienmport, Valenciennes, Boucain,
Eonde, Cambray, Aire, St. Omer, Ypern, War-
wid, Maubenge u. Charlemont nebft Gebiet, jo-
wie die ganze Frandhe Comte. Nah dem Reu—
nionsfriege erhielt aber Spanien durch den Fries
den zu Ryswijk 1697 einen Theil der im Nim-
wegener Frieden abgetretenen Beſitzungen wieder;
aud) entiagte Frankreich allen prätendirten Rechten.
Auch der Spaniſche Erbfolgetrieg hatte wieder B.
zum Schauplage, u. die FFriedenstractate bon
Utrecht, Naftatt u. Baden enthielten die Abtretung
Bes an Öfterreich, weiches ſich jedoch verpflichtete,
der Republik der nördlichen Niederlande gewiſſe
jefte Plätze als Barritre gegen Frankreich zuzuge-
ftchen (Barrißretractat, ſ. d.). Die verfchiedenen
beigiihen Provinzen behielten indeß bei allen vor-
angegangenen Herrſchaftswechſeln ſehr weitgehende
Freiheitsrechte (Privilegien), fo daß die Huldig-
ungsurfunden die ausdrückliche Beſtimmung ent
hielten: „Im Falle einer Verlegung der Verfaſſ-
ung find die Unterthanen alles Gehorfams gegen
den Fürſten ledig u. nicht mehr verpflichtet, ihm
Dienfte zu leiften.” So namentlih auch noch in
der folgenden Periode,
III. Belgien unter öfterreichifcher Hoheit,
1715—1794. Die nun folgende Periode eines
faft 20jährigen Friedens führte zu eimer fchnellen
u. fräftigen Entwidelung der materiellen Hilfs-
anellen des nom Kriege erihöpften Landes. Die
Beherrfcher Oſterreichs waren verpflichtet, die alten
Juftitutionen feiner neuen Gebietstheile beftehen
zu laſſen. Ständeverfammlungen fanden in ſämmt—
lichen Provinzen ftatt u. beriethen u. beichlojien,
ron der Regierung unbehindert, öffentliche Aus
gelegenheiten. Statthalter wurde Prinz Eugen
von Sapoyen. Er war faft immer in Wien u.
übertrug Anderen die eigentlihe Verwaltung.
Unter einem von diefen, dem Marquis von Prie,
jand ein Aufruhr in Brüſſel ftatt, der aber bald|Brabant, Limburg u.
gedämpft wurde und mit der Enthauptung des
Zunftmeifters Agneeſſens (19. Sept. 1719) endete.
die Franzoſen alle Feftungen u. von 1744—1748
faft das ganze Land nebſt der Hauptſtadt Brüffel;
aber der Friede von Aachen 1748 ſetzte die,
Ofterreiher wieder in den Befit ihrer Gebiete
ein. Gin mehr als 40jäbriger Friede verbreitete
num feine Segnungen über das Yand, Der Statt-
halter Prinz Karl von Lothringen (ftarb 4. Juli
1780) bob den WUderbau, begünftigte Kunft und
Wiffenfchaft, beförderte den Geldumlauf, errichtete
eine Akademie in Brüffel, ſchränkte die Gewalt
des Klerus ein und machte fich jo beliebt, daß
ihm die Stände 1772 ein Denkmal fetten. Als
Joſeph II. an die Negierung gelangte, war er
von dem Wunfche bejeelt, das materielle u. geiftige
Wohl feiner Unterthanen durch Reformen aller
Art zu heben, ftieß aber mit diefer Abfiht im
den Niederlanden auf heftigen Widerftand, do er
die beftehenden Landes- und Bollsrechte durchaus
nicht beachtete. Er begann feine Reform mit Aufe
fündigen des VBarriöretractats im Novbr. 1781.
Die Republik der nördlichen Niederlande zog nad
einigem Wideriprucd ihre Truppen zurüd, u. die
Pläge in B. wurden bis auf Oftende, Luxemburg,
Antwerpen u. die Gitadelle von Ramur gejchleift.
Ein Grenzftreit mit den Niederlanden endete 1785
dur den Bertrag von Paris, dem zufolge
Holland 5 Mill. u. Frankreich 44 Mill. Gulden
an Oſterreich zahlten; wogegen Öfterreich der freien
Scheldeſchifffahrt und jeinen Anfprühen auf
Maaftricht entfagte, aber einige Grenzdiftricte er«
bielt. 1785 machte Joſeph 1. den Verſuch, die
Oeſterreichiſchen Niederlande gegen Bayern zu ver-
tauchen, aber auf Proteftation des Herzogs von
Zweibrüden u. der bayerifhen Stände unterblieb
die Sade. Noch fhlimmer als in feiner Äußeren
Politik erging e8 dem Kaifer in Bezug auf die
von ihm angeftrebten Reformen in der inneren
Verwaltung und den firchlihen Zuftänden ber
Niederlande, Er begann mit Veränderungen in
der geiftlihen Verfaſſung, zog mehrere Klöfter
ein n. unterſagte die Proceifionen, Wallfahrten
u. Brübderjchaften. 1786 beichräntte er die Frei-
heiten der ftreng katholiſchen Umiverfität Löwen
u, errichtete eine Yehranftalt für junge Theologen,
welche er der Oberaufficht der Biſchöfe entzog u.
von fremden Lehrern leiten ließ. Die Studiren-
den empörten fih 6. December 1786 u. mußten
mit Gewalt zur Ruhe gebracht werden. Der Erz.
biſchof von Mecheln, der fi durch —
feiten hervorgethan hatte, wurde nad Wien ab—
gerührt, u. der päpftliche Nuntius, der unbejcheidene
orftellungen machte, erhielt Befehl, fih zu ent«
fernen. Kurz darauf, im Frühjahr 1787, nahm
Joſeph auch Anderungen in der bürgerlichen Ber-
faffung vor; der permanente Ausſchuß der Stände
und alle Berathungsbehörden uud Gerichtshöfe
wurden abgejchafft, dagegen diefelben Richterſtilhle
u. Behörden, wie in der übrigen öſterreichiſchen
Monarchie, errichter u. das Land in 9 Kreife ger
theilt, deren einzelne Berwejer einen nur bom
Kaifer abhängigen Richterftuhl bilden follten. Alle
diefe Neuerungen erregten großen Unwillen.
ntwerpen bejaßen über
ihre Privilegien fchriftlihe Documente, u. in Deme
jedesmaligen Beftätigungsbriefe derjelben, der
Belgien (Geſch. bis 1816).
Joyeuse entree, war (ſ. o.) gejagt, daß diefe Propinr
zen nicht mehr zum ferneren
jein follten, jobald -der Regent diefe Privilegien
verletste. Brabant verweigerte deshalb die Ab-
gaben, bob das Oberſeminar wieder auf, vertrieb
die fremden Lehrer und ftedte eigene Karben
(Schwarz, Noth, Gelb) auf. Nachdem der Ober-
jtatthalter, Herzog Albert, in Alweſenheit des
Kaifer® die hauptſächlich von dem Grafen von
Belgiojofo, dem bevollmädtigten Minifter des
Kaifers, eingeführten verfaffungsmwidrigen Map-
regeln fiftirt, der Kaifer nad) feiner Rücklehr die-
jeiben aber durchzuſetzen befohlen hatte, rüfteten
die Stände Truppen zum Widerftande; in Brüffel
fam es zu biutigen Unruben, ebenfo in Löwen,
wo die Univerfität aufgehoben worden war. Als
die Regierung Strenge anwandte u. die Joyeuse
entree autbob, bildete fih aus ausgewanderten
Unzufriedenen unter van der Root und van der
Merſch ein Heer. Joſephs Nacygiebigleit kam zu
ipät, u. Jene fielen, indem fie den Kaifer nicht
mehr als Herrn anzuerfennen erklärten, im Oct.
1789 aus dem Lüttichihen u. von Holland aus
in die Oftekreichiichen Niederlande ein, die fie bis
auf Brüffel einnahmen, wohin fi die öſterreichi—
fhen Zruppen zurüdzegen. Am 11. Decbr.
brach der Aufruhr auch hier offen aus, die Öfter-
reicher wurden nach der oberen Stadt getrieben,
capıtulirten u. erhielten freien Abzug, worauf die
Patrioten in Brüffel einzogen,. Die Brabanter
Stände erflärten fih anı 26. Dec. 1789 für un-
abhängig, und die übrigen beigiihen Provingen
(außer Yuremburg, wo General Bender die Ord—
nung aufrecht erhielt) folgten nad, verbündeten
fih unter dem Namen Bereintes B. 11. Jan.
1790 zu einem eigenen Staate u. übertrugen die
Leitung deffelben einem Eongreß. Seitdem wurde
B. der officielle Name des Landes. Nun ging
Graf dv. Gobenzl mit Borichlägen zur Ausjöhnung
nah B., die indeß abgemiejen wurden. Da in«
wijchen Joſeph II. geitorben war, jo machte fein
Bender u. Nachfolger Yeopold IL. den Berſuch,
das verlorene Land wiederzugewinnen. Dabei
tam ihm die inzwilchen eingetretene Spaltung des
Congreſſes in zwei Parteien zur Hilfe, eine
eriftofratiihe und eine demofratiihe, Während
diefe fih ftritten, nahm General Bender von
!uremburg aus die Provinz Limburg wieder,
fiel Ende November 1790 mit 30,000 Mann in
2. ein u. erſchien am 30. Nov, vor Brüſſel, wo
er ſchon am 3. Dec. feinen Einzug hielt, und in
wenigen Wochen ward ganz B. unterworfen.
Herzog Albert kehrte nun auch nad Brüffel zurück
u, verbieß im Nauen des Kaifers die Wieder-
berftellung der Rechte, welche das Land zu Ende
der Regierung Maria Therefias bejeiien hatte.
As fi) aber die Stände wieder jchwierig zeigten,
gebrauchte die Regierung Gewalt u. ließ ihre
Berlammlung fprengen. Der Ausbrud) des Franz.
Revoflutionstrieges verfehlte nicht, in B. die Hoff-
nung der Patrioten von Neuem anzuregen, und
133 -
IV. Belgien unter franzöfifher Herr-
ehorjam verpflichtet /fchaft, 1794—1814. Die Franzofen organifirten
das eroberte Land nach republifanischer Weiſe,
vereinten daſſelbe aber noch nicht mit Frankreich,
jondern nannten e8 B., im Gegenfate zu Bata-
vien, dem gleichfalls eroberten Holland, Das
Land wurde leidlich bebandelt, theils meil die
belgischen Patrioten mit den franz. Republifanern
ſympathiſirten, theils weil die franz. Machthaber
hofften, es für immer zu behalten. Da der
Nepublitanismus der Franzoſen nah dem Sturze
Nobespierres gemäßigter wurde, blieben auch viele
angejehene Adelige, die zur Partei der Patrioten
gehörten, im Lande u. nahmen zugleich bedeutende
Stellen ein. 1796 im Frieden von Campo—
Formio u. 1802 im Frieden von Lunenille wurde
B. an Frankreich abgetreten u. in 9 Departeinents
getheilt u. machte nun alle Phafen der fpäteren
Republik u. des Kaiferreihes durd. Im Januar
1814 erihienen die Alliirten in B., bejetten
Brüffel u. nahmen das Land in Befis. Der Ein-
zug der Berbündeten in Paris am 31. März
1814 n. die Abdankung Napoleons führte Mitte
April das Ende des Krieges herbei.
V. Belgien mit Holland vereinigt, 1814
bis 1830, Anfangs von einem eigenen Generaf«
gouvernener der Wllürten, dem öfterreichiichen
Feldmarſchall Bincent, verwaltet, wurde B., nad)
dem es von Frankreih im erjten Parifer Frieden
abgetreten war, durch Protokoll im Juli 1814
dem Prinzen Wilhelm von Oranien als Gebiets-
zuwachs überwiejen. Durch den Wiener Eongreß
Anfangs 1815 kam noch Lüttich u. eine Strede
an beiden Seiten der Maas zu den Niederlanden;
Luxemburg wurde als ein durch Perfonalunion
nit den Niederlanden verbundenes eigenes Grof-
berzogthum u. als integrirender Theil des Deutſchen
Bundes betrachtet. Als Napoleon, aus Elba zu-
rücgefehrt, auch B. wieder bedrohte, nahm Prinz
Wilhelm den Titel eines Königs der Niederlande
(f.d.) an und betbeiligte fi mit feinen Truppen
am Siege von Waterloo. Nah dem zmeiten
Parifer Frieden, welcher B. einige Heinere Ber-
größerungen, jo u. a. die Diftricte u. Feſtungen
Philippeville, Marienbourg u. Bouillon, brachte,
wurde mit Organifirung B-8 u. Hollands weiter
geſchritten. Eine Verfaſſung trat am 24. Auguft
in das Leben. Ihrer Einführung widerſetzte ſich
bob B., indem von den zur Abſtimmung aufs
gerufenen belgischen Notablen die Mehrheit fi
gegen diefelbe erflärte. Der Hauptanftoß war die
durch die Berfaffung ausgeiprochene Gleichheit der
Rechte der verſchiedenen KReligionsparteien, welche
das ſtreng katholiſche B. nicht wollte und gegen
welche der Biſchof von Gent, Fürft von Broglie
(. d.), förmlich proteftirte. Allein der König er«
Närte, daß er, da freie Religionsübung eine von
allen Gliedern der Heiligen Allianz anerkannte u.
dur Staatsverträge beſtimmte Maßregel fei, die
Berfaffung annehme, die dann auch auf Ermahıt-
ung des Papftes anerfannt u. von der Mehrzahl
B. wurde 1792 der Schauplag eines Krieges|der Notablen beſchworen wurde. Mit Oeſterreich
*
in
der Öfterreicher, dann 1794 wieder in die der
Erſteren brachte.
(Franzöfifcder Revolutionslrieg), welcher es 17092 ſchloſſen die Niederlande 1816 einen Tractat wegen
die Gewalt der Franzoſen, 1793 wieder in dieilübernahme der größtentheils beigifhen Schulden.
Ein Hauptftreben der niederländischen Regierung
war, die Belgier mit dem Holländern auf Koften
154
Belgien (Geſch. big 1830).
Erfterer zu verfchmelzen. Bor Allem aber ſetzte, dem Lande beunruhigende Symptome fund. In
der Kathoficismus und der fortwährende Kampfjfüttih nu. Antwerpen, in WFlandern n. Brabant
der Geiftlichfeit gegen die Berfaffung diefem Skre—
ben uniberwindlihe Schwierigkeiten in den Weg.
Endlich kam am 18. Juli 1827 ein Goncordat
zu Stande, welches von de Celles, dem früheren
verhaften Napoleonischen Präfecten von Amfterdam,
entworfen war, fihb auf Das franzöfiihe von
1801 gründete u. bie Fyeindfeligkeit der Stimm—
ung des Volles zwar etwas befierte; aber auf
der anderen. Seite riefen Mafregeln der Negier-
ung wieder Beforgniffe der Gefährdung der beig.
Nationalität wach; deun obgleich B. faft Doppelt jo
ftarf bevöltert, ift als die Übrigen Niederlande, wurden
nicht nur faft ausichließlich holländische Offiziere
bei den belgiichen Regimentern angeftellt, fondern
auch aus Furcht vor Meutereien jo überaus harte
Discipfinarftrafen eingeführt, dag belgische Sol-
daten ſchaarenweiſe dejertirten; auch im Civil, bef.
in den höheren Gentralpoften, fand Bevorzugung
der Holländer ftatt. Außerdem ſollte laut fünig-
lichen Befehls vom 15. Sept. 1819 in den Pro-
vinzen Limburg, O- und Wglandern uud Aut»
werpen die bollänbiiche Sprache bei öffentlichen
Verhandlungen allein gebraucht (jedoeh Tam diejer
Befehl wegen der dadurch verurjachten Aufregung
nicht ganz zur Ausführung) u. die Jury durch
einen Beichluß der Generalftaaten abgeichafit wer—
den, auch B. die Zinſen einer Staarsihuld von
786,556,236 bolländische Fl., umgerechnet die auf
geſchobene Schuld von 1,203,903,512 Fl., welche
die nördlichen Niederlande ganz für ihre Bedürf—
niffe contrabirt hatten, mit abtragen. Als 1829
mehrere Principienfragen u. vornehmlich bittere
Klagen über Berletung der Preßfreiheit zur
Sprache famen, wuchs die Unzufriedenheit, u. die
Berbindung zwiichen der Tlerifalen und liberalen
Partei befeftigte fih immer mehr. Der liberale
Schriftiteller de Potter war nämlich 1828 wegen
eines Angriffes auf das Minifterium verhaftet
worden u. forderte aus dem Gefänguß heraus
die Belgier auf, in Petitionen den König über
den Mißbrauch aufzuklären, der mit feiner Auto—
rität getrieben werde. Im Februar 1829 kamen
ablreihe Petitionen an die Kammern, morin
reiheit des Unterrichtes, der Preſſe, Berantwort-
tichkeit der Miniſter, Gejchworenengerichte, die
franz. Sprade vor Gericht, gleiche Beſetzung der
Stellen durch Belgier u. Holländer zc, verlangt
wurde, Die Kammern richteten deshalb eine
Adreſſe an den König, u. die Regierung beſchloß
nachzugeben und ermählte eine Commiſſion, die
fi mit der Hevifion aller Verordnungen über den
Unterricht, welcher namentlich der Berbejlerung
bebüritig war, bejchäftigen jollte. Das Geſuch
um Geichworenengerichte wurde von den Kammern
abgelehnt. Die Mißſtimmung wuchs 1829 infolge
einer Botjchaft des Königs, worin derjelbe die
Berfafjung für eine octropirte erflärte, Die er aus
freiem Willen gegeben habe; diefe Botſchaft mußte
von allen Beamten unter Androhung fofortiger
Dienftentlaffung binnen 24 Stunden unterzeichnet
werden, welde Drohung auch in der That an
mehreren Beamten ausgeführt wurde. Zuletzt
gaben fich nicht allein in den Kammern, fondern
aud in den Städten des Südens, ja jelbft auf
bildeten ſich Conftitutionelle Bereine, und in ganz
B, fielen die minifteriellen Candidaten bei den
Wahlen durh. Die Berurtheilung de Potters,
ZTilemans, Bartel8 u. de Neves wegen Preßver—
gehens zu mehrjähriger Berbannung Anfangs
1830 machte die Aufregung allgemeiner, jo daß
jelbit das Gefeh vom 4. Juni 1830, welches den
Sebraud der franzöftichen Sprade bei Gerichts—
verhandlungen in den jüdlichen Provinzen ge—
ftattete, Taum etwas zur Milderung der gereizten
Stimmung beizutragen vermochte. Bor Allem
war es aber der Mangel an Energie u. Feſtig—
feit auf Seite der Regierung, die fich nicht ent-
ſchließen konnte, zu rechter Zeit Conceſſionen zu
machen, und dieje, wenn fte durch die Noth der
Berhältniffe ihr - abgerungen worden, mebrere
Male widerrief, was den Ausbruch des Sturmes
herbeifiihrte, Am bedeutendften waren die Miß—
griffe gegen den Klerus geweſen, beionders die
mit Anwendung von Gewalt durchgejührte Aus-
weifung der Jeſuiten fteigerte Die Erbitterung
aufs Höchite,
VI. Die belgiſche Revolution u. die
Yostrennung Belgiens von Holland, 1830.
Deunoch blieb bei der Nachricht vom Ausbruche
der franzöſiſchen Jultrevolution (27. Juli 1830)
in B. Altes ruhig, bis am 24. Aug. 1830, am
Geburtstage des Königs, nach der Borftellung der
Stummen von Portici, ein Bollsaufruhr in Brüſſel
losbrach, in Folge defjen zuerft die Erpedition des
Herausgebers des wminifteriellen National, die
Häufer des Juftizminifter8 van Maanen u. des
Boligeibirectors van Kuyff zerftört u. angezündet
wurden, Die Truppen feuerten eıft am Morgen,
tonnten aber damit nichts ausrichten u. zogen
fih in die Kafernen zurüd. Jet wurde eine
Communalgarde unter dem Befehl des Barons
von Hooghvorſt in Brüffel gebiet, welche die
Farben von Brabant (nachmals zu den beigiihen
erllärt): Schwarz-Gelb-Koth, aufftedte, u. am
28. Septbr. reifte eine Deputation angejehener
Männer, unter ihnen Hooghvorft, der Graf Felix
Merode, der Baron Secus u. A., nad dem Haag
zum König ab. Wilhelm I. weigerte ſich indeß,
von den Vorrechten, welde ihm die Berfaffung
bewilligte, zu Gunften der Belgier etwas aufzu—
opfern. Nur in dem einzigen Punkte zeigte er
ſich nachgiebig, daß er dem verhaßten van Maanen
die Entlafjung gab, was aber an der Yage nichts
mehr änderte. Schon am 27. u. 28. Aug. waren
der Prinz von Oranien u. Prinz Friedrid, Söhe
des Königs, nach Antwerpen abgereift; holländische
Truppen, 5—6000 Daun, folgten ihnen nad, u.
die Prinzen fchlugen in Vilvorde, zwei Stunden
vor Brüffel, ihr Hauptquartier auf. Der Prinz
von Dranien, der, mweil er 1818 als erfter Kriegs-
minifter 42 beigifcher Offiziere, die der zweite
Kriegsminifter Graf Golz nah Batavia zu dem
bejchwerlichen u. gejundheitsgefährlicden Colonial-
dienfte jchiden wollte, fi angenommen u. weil fie
dennoch dahin geſchickt wurden, feine Entlaſſung
als Kriegsminifter gefordert u. erhalten hatte, bei
den Belgiern jehr beliebt war, begab ſich nad)
Brüffel, um dort als Vermittler aufzutreten. Die
Belgien (Geſch. bis 1831).
135
Stimmung war aber fhon fo erbittert, daß der Jan. 1831 beftimmte fie, daß B. ein für ſich be-
Prinz von Dranien hier mehrere Male Gefahr |ftehender Staat fein u. alles Land mit Ausnahme
läef, von den Aufftändifchen ermordet zu werben; |Luremburgs umfaffen jollte, das 1815 zu dem
es waren auch ſchon in Lüttich u. Löwen Unruhen Königreich der Niederlande geichlagen worden fei.
ausgebrochen, u. in Brüffel hatte das Voll auf
die Nachricht, daß holländiihe Truppen im An-
marſch mären, am 31. Aug. die Strafen der
Stadt verbarricadirt. Als Berfuche, bei der nie-
derländiſchen Regierung eine adminiftrative Treun⸗
ung der nördl. u. fübl. Provinzen zu bewirken,
zu feinem Biele führten, bildete fidy in Brüffel
eine proviforishe Regierung, an deren Spite der
aus jeiner Berbannung zuritdgelehrte de Potter
fand. Ein Angriff des Prinzen Friedrich ‚auf
Brüffel (23. Sept.) wurde zurüdgefchlagen; fofort
erflärte die Provijoriihe Regierung: daß durch
diefen Angriff alle Bande zwiichen Holland u. 8.
elöft wären, u. amd Dc.: daß das Haus
ranien factiſch alle Rechtsanſprüche auf B. ver-
foren babe. Zwar verfuchte der Prinz von Ora-
wien, B. als unabhängigen Staat für ſich zu
retten, u. in B. war man auch diefem Auswege
nicht abgeneigt; aber der König wollte nichts da—
von wiſſen, rief den Prinzen zurüd, u. diefer fügte
fih. Sn Untwerpen brady unterdeflen ein Kampf
zwifchen den Belgiern u. Holländern aus, melde
Letztere fih unter dem General Chafje in die
Citadelle zurüdzogen u. von da aus die Gtabt
bombardirten, bis ein Vertrag diefem ein Ende
machte. Als am 10. Nov. auch Venloo von den
Belgiern genommen war, blieben nur noch Luxem—
burg, mo die Einwohner faft des ganzen platten
Landes fich für B, erlärten, Maaftricht u. die Cie
tabelle von Antwerpen von den Holländern be
jeßt. Inzwiſchen trat die Eonferenz der Großmächte
in London zur Eutſcheidung des holländiich-bel-
giihen Streites am 4. Nov. zujammen u. ftellte
die Waffenftillftandsbedingungen fejt, denen zus
folge die holländischen Truppen das beigiiche
Gebiet räumten. Am 18. Nov. 1830 wurde in
Brüffel der Nationalcongreß eröffnet, Surlet de
Cholier zu deffen Präfidenten ernannt, am 19. Nov.
die Unabhängigkeit B-3 proclamirt, am 22. die
erblich · monarchiſch⸗ conſtitutionelle Regierungsform
mit 174 gegen 13 Stimmen angenommen und
am 24., entgegen den Beſtimmungen der Lon—
doner Conferenz, der Ausſchluß des Haufes Ora-
nien vom Throne beſchloſſen. Die Abfiht der
fiberalen, die republikaniſche Staatsform einzu-
führen, jcheiterte am Widerftande der Geiftlichkeit,
weshalb de Potter fein Vaterland wieder verlieh
u. von diefer Zeit an in Paris lebte. Num fchritt
die Berjammlung zur Wahl eines Monarden,
die zuerſt auf den Herzog von Leuchtenberg, u.
als diefe Wahl von den Großmächten mißbilligt
wurde, am 8. Febr. 1831 auf den Herzog von
Remours fiel. aber die Londoner Eonferenz
beſchloß, daß fein Prinz der 5 Großmächte zum
König gewählt werden dürfe, fo wurde am 28.
Febr. 1831 der Baron Surlet de Chofier zum
proviforifhen Regenten des Königreihs B, er-
wählt u. die Proviforiihe Regierung aufgelöft.
Am 20. Dec. 1830 erklärte die Londoner Confe—
renz, ohne den miederländiihen Botjchafter zu
Rathe zu ziehen, B. als von Holland getreunt,
wogegen König Wilhelm proteftirte, u. am 20,
Am 29. März nahm der 2. Nationalcongreß, der
zunächſt das Aufgebot der 1. Klaſſe von 90,000
Dann zum Kriegsdienfte befchloß, die Wahl eines
Königs vor, welche auf Empfehlung der Höfe
von ‚zranfreih u. England auf den Prinzen Yeo-
pold von Sadjen-Koburg:-Gotha fiel, ungeachtet
fih der Klerus faft einitimmig gegen die Wahl
eines proteftantifchen Fürften erhob. Brinz Leopold
gab am 26. Juni eine zufagende Antwort, doch
nur unter der Bedingung, daß die Londoner Con—
ferenz die Anerlennung der europäischen Groß«
mächte ihm zuſichere. Am 26. Juni erließ die
Londoner Conferenz das unter dem Namen der
18 Artikel bekannte Ultimatum, welches außer den
früheren Grenzbejtimmungen noch Separatunter-
handlungen über Yuremburg, Maaftridht, die freie
Rheinſchifffahrt für B. u. die Schuldentheilung
anordnete u. beſtimmte, daß Antwerpen bis aui
Weiteres bloß ein Handelshafen jein ſollte. Eud—
lich wurde am 9. Juli diefes Ultimatum von dem
Belgiichen Congreß angenommen, worauf König
Leopold am 13. Juli aus London nach B. abreiite,
VII. Belgien als eigenes Königreich,
jeit 1831 bis auf die neuefte Zeit. Nachdem
der neue König am 21. Juli in Brüffel die ine
zwifchen zum Abichluß gebrachte Verfaſſung be-
ſchworen u. fein Minifterium gebifvet hatte, bevief
er den Senat u. die Repräfentantenfammer auf
den 8. September nad Brüffel. Holland hattr
indeffen, trog der Entfcheidung der Conferenz,
feine Anfpriüche auf B. nicht aufgegeben. Wäh—
rend König Leopold auf einer Reiſe durch die
Provinzen begriffen war, fündigte der Prinz von
Dramen, der Chef der holländiichen Armee, den
Waftenftillftand auf u. rückte Anfangs Auguſt 1831
ins Limburgiſche ein (zehmtägiger Feldzug), ewrang
bei Haffelt u. Yöwen mehrere Erfolge u. war
eben im Begriffe, gegen Brüffel vorzuriden, als
England u. Frankreich fih ins Mittel ſchlugen,
erjteres diplomatiſch, letteres mit 40,000 Maun
unter Marjhall Gerard, die gegen Holland an—
rüdten. Am 12. Auguft fam ein Waffenſtillſtand
zu Stande, infolge deſſen die Holländer den
Rückmarſch antraten. Am 6. October 1831 erlieh
die Londoner Konferenz ein zweites Ultimatunı
in 24 Artikeln, welches von Luxemburg u, Yını
burg einen Theil zu Belgien jchlug, dieſem aber
eine jährliche Zinszahlung von 8,400,000 fl. für
feinen Antheil an der holländifchen Staatsichuld
aufgab. Die belgiſche Repräjentantenfanmıer nahm
das Ultimatum an, worauf am 15. October König
Leopold von der Gonferenz fürmlih anerlannt
wurde. Als aber Holland ſich nicht zur Erfüllung
der in dem Pondoner Ultimatum feitgefegten Ord—
nungen, namentlich nicht zur Öffnung der Schelde
verftehen wollte, fam es ungeachtet der Proteita-
tion Rußlands, Ofterreichs u, Preußens vermöge
eines Bertrages zwiichen England u. Frankreich
am 22. October zur Belagerung u. Gapitulatioi
der Eitadelle ven Antwerpen (f. d.) durch 43,000
Mann Franzofen unter Marfchall Gerard u. zu
einer mehr nominellen als wirklichen Blolade der
136
olländifchen Küfte durch englische Schiffe im Spät-
er 1832. Nach der@innahme von Antwerpen
fehrten die Franzoſen nad Frankreich zurüd.
Endiih fam am 21. Mai 1833 zwiſchen Eng—
land, Fraukreich u. Holland ein Präliminarver-
trag zu Stande, durd melden die Zwangsmaß—
regeln gegen Holland aufgehoben, B. für neu—
tral u. die Schelde für geöffnet erklärt, alle ande-
ren Bunfte aber in Frage gelaffen wurden. Die
Grenzen Hollands gegen B. blieben indeß gejperrt,
u. die directe Correfpondenz wurde erſt 1835
wieder geftattet. Zur weiteren Scheidung der bei-
den Staaten trug die Einführung des franzöfiichen
Münzfußes in B. bei. Bei dem Wiederzufammen-
tritte der Kammern, Mitte 1833, gewann die
Friedenspartei die Oberhand, Im April 1834
trat an die Stelle des bisherigen doctrinären
Minifteriums ein aus Liberalen u. Katholiten ge-
mijchtes Cabinet unter de Theur u. Muelenaere,
u. das Land erfreute fih bis Ende 1837 einer
für den Aufihwung des Handel u. Berfehres
jegensreihen Ruhe. Indeſſen war e8 in Betreff
der ftreitigen Punkte in der Finanz u, Gebiets-
tbeilungsfrage mit Holland noch immer beim Alten
geblieben. Erft Anfangs 1838 fchien der König
der Niederlande geneigt, den Frieden mit B. defi—
nitiv abzufchliegen u. die 24 Artifel (f. oben) anzu-
nehmen. Aber die Regierung Bes erhob Schwie-
rigfeiten nicht nur fiber die jährliche Zinszahlung
von 8,400,000 hol. Gulden u. die Nachzahlung dieſes
Betrages auf die ganze Zeit der Losreißung, aljo
auf 7 Fahre, fondern auch über die Abtretung
eines Theils von Luremburg u. Limburg, worin
fie durch die ausgeſprochenen Wünſche diejer Lan—
destheile u. der Kammern unterftütt wurde, Der
König ſchritt zu Kriegsrüftungen u. reifte nad)
Paris, um Ludwig Philipp für B. zu gewinnen,
Inzwischen erfolgte eine nene Erklärung der Lon—⸗
doner Gonferenz (6. December 1838), die auf
Erfüllung der 24 Artifel drang, am 22. Januar
1839 ein nochmaliges befinitives Protofoll der-
jelben, welches, von allen Großmächten unterzeich-
net, auf der Gebietsabtretung beftand u. mur in
den Finanzen etwas änderte u. den Nichtbeitre-
tenden mit Amangsmaßregeln bedrohte. Dies
erregte das Kriegsgejchrei von Neuem, die Nüftun-
gen wurden fortgejegt u. der ehemalige polnifche
Belgien (Geſch. bis 1847),
wurden, Die Regierung vermochte daher ihre ganze
Aufmerfamfeit auf die inneren Angelegenheiten
zu wenden. Infolge deffen hob ſich die Induſtrie
u. der Nationalmohlftand von Jahr zu Jahr;
Berg- u. Aderbau, Handel u. Schifffahrt ent-
widelten fi in verhältnißmäßig furzer Zeit zur
höchſten Blüthe. Zugleich aber begann eine Periode
innerer Kämpfe zwiſchen ben beiden fich jchroff
gegenübertretenden Parteien, den Liberalen ı.
Katholifen. Anfangs war auf Seiten der Letzteren
das politiiche Übergewicht, u. das Minifterium
de Theur folgten ihren Tendenzen. Dem An-
drängen der fıberalen, welche die Erledigung ver-
ſchiedener materieller Fragen u. eine Reform bes
Wahlmodus verlangten, erlag das Minifterium
un März 1840, u. das liberale Minifterium Lebeau
u. Rogier trat an deffen Stelle, erließ ein neues
Amneftiegefeg u. megoctirte ein Anlehen von 90
Mil. Fes., theils um die Schulden zu beden,
theil8 zu induftriellen Unternehmen, beſonders
Eifenbahnen, konnte fi aber infolge der Schwie-
rigleiten, melde ihm von Geiten der Heritalen
Partei bereitet wınden, nur bis zum April 1841
halten, worauf Nothomb die oberfte Leitung der
Gejchäfte übernahm. Während diefer aber in der
Hoffnung, eine Berföhnung der fireitenden Par-
teien ins Leben rufen zu können, mit beiben
Parteienzu gehen fuchte, entfrembdete er fich beide.
Dabei vermochte er dem übergroßen Einfluffe fei-
ner Herifal gefinnten Eollegen u. deren ultramon-
tanen Beftrebungen nicht die Wage zu halten,
Seit Bervollftändigung des großen, über ganz B.
ausgebreiteten Eifenbahnnetes erfolgte ein immer
engeres Anſchließen B-8 an Deutfhland u. am
den Deutjchen Bollverein, worans endlich der
Handelsvertrag vom 1. Sept. 1844 hervorging.
Anfangs Nov. 1841 fand ein Nevolutionsverjuch
ftatt, der von den Drangiften angejtellt war; man
verhaftete viele Verdächtige, u. A. die Generäle
van der Smiffen (der jedoch entfloh), van der
Meeren, Lecharlier, fand Waffenvorräthe, ſelbſt
Kanonen vor, doch ward alles ſchnell unterbrüdt,
Bei Weiten tiefere Bedeutung hatte eine auf
nationaler Bafis ruhende Bewegung, die Beftreb-
ungen der Bewohner Flanderns, ihrer Sprache,
dem RFlämiſchen, gegenüber dem Franzöſiſchen,
die uriprüngliche Geltung zu vericaffen, zu wel-
General Skrzynecki als belgiſcher Divifionsgeneral| dem Ende am 11. Febr. 1844 zu Brüffel ein
angeftellt. Diejer aber wurde, da Preußen, wel-|flämifches BVBerbindungsfeft aller Städte ber Pro-
ches erft vor Kurzem dem diplomatifchen, Verkehr |vinzen Antwerpen, Brabant, Flandern u. Limburg
mit B. wieder angeknüpft hatte, u. Öfterreich| ftattfand. Die Stellung Nothombs wurde inzwi⸗
dagegen energifh proteflirten u. am 6. Febr. ihre) ſchen immer unhaltbarer, namentlich feit die libe-
Gejandten abriefen, mit einer Penfion wieder ent-
lafien. Die Kammern ermädhtigten den König,
den Bertrag abzufchliegen, u. am 19. April 1839
erfolgte der fürmlihe Friedensſchluß zwiſchen
vn u. B., dem die Großmädhte u. der Deutjche
und beitraten. Es blieb bei den 24 Artikeln, u.
dabei wurden für B. günftigere Beftimmungen
über die Scheldeſchifffahrt u. den Scheldezoll ges
troffen u. die von B. an Holland für die gemein-
ſchaftliche Staatsihufd jährlich zu zahlende Nente
auf 5 Mill. Gulden feſtgeſetzt. In dem nun fol-
genden Zeitraume beobachtete B. eine firenge Neu-
rralität in den Streitigkeiten u. politiſchen Stür-
inen, von denen die europäiſchen Staaten betroffen katholiſchen ein ganz liberales
rale Partei durch die Wahlen von 1843 neuen
— erhalten hatte, Im Juli 1845, wo die
ablen abermals zu Gunften der Liberalen aus-
fielen, traterab, u. an feine Stelle fam der libe-
rale van de Weyer; Diejer jedoch zerfiel bei der
Unterridhisfrage mit feinen Heritalen Amtsgenoffen,
welche die Prärogative der Eivilgewalt nicht an-
erfennen wollten, worauf er bereit? im April
1846: wieder abtrat. Ihn erfetste das entichieben
fatholifhe Minifterium de Theur. Die Liberalen
jhloffen ſich ſeitdem enger an einander u. erran⸗
gen bei den Wahlen im Sommer 1847 einen fo
entfchiedenen Sieg, daß der König an Stelle des
inifterium mit
Belgien (Geſch. bis 1857).
Rogier an der Spite berief. Die unmittelbare
Folge diefes Minifterwechjels war, daß B., ob*
gleih noch 1847 infolge einer durch eine fchlechte
Ernte erzeugten Theuerung von zahlreihen Tu—
multen, wie in Brüffel, Zournay, Brügge, Ant»
werpen, Gent zc., heimgefucht, dennoch von der
politifhen Bewegung des Jahres 1848 nicht be
rührt wurde, ausgenommen durch einen lächer«
fihen Einfallsverſuch franzöfiicher Arbeiter, der
leicht vereitelt wurde. Der glüdliche Erfolg des
PMinifteriums Rogier, in der ſilirmiſchen Zeit dem
Lande die Ruhe zu erhalten, fo daß Handel u,
Induſtrie ungeftört fih enmtwideln fonnten, be-
feftigte deſſen Stellung. Kräftige Unterſtützung
ewährte der Regierung erft die nach dem neuen
bigeiete zufammenberufene u. im Juli 1848
eröffnete Kanımer, von welcher die Herifale Partei
faum noch ein Drittel für fi hatte. Die Gunft
der miederen Bollsflaffen erwarb fih das Mini-
fterium dur unausgejegte Sorge für das Wohl
derielben. Unter großen parlamentariſchen Stür-
men kam 1849 das fortichrittliche Gejeß über den
böheren Unterricht trotz des heftigen Widerjpruchs
der Klerifalen, zu Stande. Am 5. Mai 1850
wurde ein Geſetz wegen Errichtung der National
banf erlaflen, melde der Regierung zur Stüte
bei Fyinanzangelegenheiten dient. Um gegen alle
Eventwalitäten jeitend der gegen B. höchſt um-
ſteundlich gefinnten franzöfiihen Negierung ge»
fihert zu fein, ergriff die Regierung 1852 Vor—
ſichtsmaßregelu, indem fie die Bildung eines
veribanzten Lagers bei Antwerpen anordnete.
Um eine directe, ımter allen Umftänden geficherte,
von ber franzöfiihen Controle freie Telegrapben-
verbindung zwiichen London, Dftende, Brüffel,
Berlin u. Wien zu haben, wurde am 29. Febr.
zur Herftellung eines unterfeeifchen Telegraphen
zwifhen London u. DOftende geichritten. ur
Dedung der außerordentlihen Militärbedürfniffe
bewilligte die Kammer 4,700,000 Fr., darunter
435,000 Fr. für nene Befeftigungen bei Antwer-
pen. Am 27. Sept. traten die im Geifte des ge-
mäßigten Liberalismus new gewählten Kammern
zufammen, aber nur um dem Viüchtritt des Mini«
ſteriums Nogier zu vernehmen, welches 5 Jahre
lang der Berwaltung vorgeftanden hatte, worauf
der Landtag bis zum 26. Nov. ſich vertagte. Am
9. Octbr. war das neue Minifterium gebildet,
on deſſen Spite de Brouddre als Miniſter des
Auswärtigen trat u. deſſen Glieder ſämmtlich im
Nufe unzmweidentiger Liberalen, aber gemäßigter
Gefinnung ftanden u. eine Wiederannäherung an
Frankreich bewerkftelligten, mit dem 1853 der
frühere Handelsvertrag vorläufig erneuert wurde,
bis im Jan. 1854 der neue beigisch-franzöfiiche
—— abgeſchloſſen war, ohne jedoch
itgendwelche Begünſtigung für B⸗s Handel zu
bringen. Bei der Eröffnung der Kammern am 7.
Rover. 1854 redhtfertigte ‘die Megierung die furz
vorher erfolgte Ausweifung des
Oberſten Charras damit, daß diejelbe wegen des
Gewichtes, welches die franz. Negierung darauf
gelegt habe, im Intereſſe des Landes geboten ge-
weſen fei. Am 2. März 1865 reichte das ge»
ſammte Minifterium wegen der verletenden Weife,
wie einige Regierungsporlagen von der Kammer
137
behandelt worden waren, feine Entlaffung ein u.
wurde am 29, März durch eine der confervativen
u. zum Theil der klerikalen Partei angehörende
Combination erſetzt, worin Graf Bilain XIIII.
Minifter des Aeußern u. de Deder Minifter des
Innern wurden. Ihr Programm war: Berjtän-
digung im Innern, Erhaltung eines freundlichen
Vernehmens nah außen u. Aufrehthaltung der
Neutralität, in materieller Beziehung Herbeiführ-
ung der Handelsfreiheit. Im Orientalifchen Kriege
war die große Mehrheit der Belgier, die fathol.
Geiſtlichkeit u. Die Neichen voran, entfchieden den
fogenannten Weſtmächten abgeneigt, die fran-
zöſiſch Geſinnten (Fransquillons) ganz unbedeutend
an Zahl u. Einfluß. Seit Anfang Juli 1855
erfhien daher auch in Brüffel zur Aufklärung
über ruſſiſche Verhältniſſe u. ‚zur Berichtigung
thatjächlicher Irrthümer iiber Rußland das Tages
blatt Le Nord, obwol alle Nicht-Belgier, die zum
Redactionsperfonal gehörten, ausgewieſen wurden,
Aber Franfreih u. England batten ebenfalls ihre
Agenten, welche im dem neutralen B. unter der
Hand diplomatische Beſtrebungen verfolgten, fo
daß es als deren Sammelplag eine gewiſſe Wich-
tigleit erlangte. Die Wahlen zur Ergänzung der
Hälfte der Mitglieder der Zweiten Kammer im
Sommer1856 fielen zum Bortheil der Negierungs«
partei aus, eine Folge der Zerſetzung u. Um—
wandlung der beiden uriprünglichen poliliſchen
Parteien, der fogenannten liberalen u. der fatho-
liſchen. Die erftere hatte fi in Radicale, eigente
liche Liberafe, u. gemäßigte Liberale geipalten, u.
die katholiſche Partei durch Vereinigung mit ges
mäßigten Liberalen die neue conjervative Partei
gebildet, welche infolge diefer Wahlen eine Mehr-
beit von drei Fünfteln in der Zweiten Kammer
hatte u. in der ‚zolge mit dem Namen Doctrinairs
bezeichnet wurde, Die Kammern von 1856—57
brachten heftige Kämpfe zwifchen den beiden poli«
tischen Parteien, welche öffentlihe Unruhen zur
Folge hatten, Als das Minifterium ein Geſetz
über Schenkungen ginter Lebenden od. durch lebten
Willen zu Gunften von Hoipitien, von Armen«
od, von gemeinnügigen Anftalten vorlegte, wonach
die Stifter folder Anftalten über deren Berwalts
ung frei follten verfügen dürfen, fürchtete die
liberale Partei, daß auf diefem Wege die Ber-
waltung namentlich” neuer Stiftungen ausſchließ—
ih der Geiftlichkeit in die Hände fallen würde.
Je fefter das Minifteriunm u. die parlamentarifche
Mehrheit auf dem Entwurfe beharrte, defto mehr
flieg die Aufregung innerhalb u. außerhalb der
Kammern, bis endlih am 27. u. 28. Mai eine
erbitterte Menge in Straßenaufläufen in Brüffel
u. anderen Orten durch Verhöhnung mißliebiger
Abgeordneter u. Geiftliher u. felbft durch Miß—
bandlungen von Mönchen Störungen der öffent-
liche Ruhe verurfachte. Die Bürgergarde wurde
aufgeboten; die Gerichte verfolgten u. beftraften
franzöfifchen |die Schuldigen. Der König erflärte zugleich, daß
er einem Geſetze feine Zuſtimmung verjagt haben
wirde, welches die unheilvollen Wirkungen hätte
haben fönnen, die man beflirchtete; überdies waren
aus den bedeutendften Pläben an Yeopold Adreſſen
gerichtet worden, im denen er dringend gebeten
wurde, dem Gejegentwurfe jeine Zuſtimmung zu
138
verjagen. Die Gutachten, welche er über das be»
treffende Gefe von den franzöfiihden Staats»
männern Guizot u. Thiers auf jein Verlangen
erhielt, waren verjchieden ausgefallen, indem Guizot
den Geſetzentwurf principiell vertheidigte, während
Thiers im entgegengejegten Sinne advifirte. Die
Agitation nahm fortwährend zu; die Miniſter jelbft,
welche zuerſt den feften Entichluß tundgegeben
hatten, ıhr Programm durchzuführen, baten unter
diefen Umftänden am 30. October den König um
ihre Entlaſſung, worauf unter Rogiers Leitung
die liberalen Ditnifter von 1847 u. 1850 an ihre
Stelle traten, deren erfte That die Auflöfung der
Kammer war.
Ende Auguft 1859 fam König leopold mit dem
Prinz⸗Regenten von Preußen in DOftende u. bald
darauf mit Napoleon III. in Biarritz zuſammen.
Am 26. Sept. wurde das zu Ehren des erften
Eongrefjes u. der Berfaffung errichtete Denkmal
feierlich eingeweiht. Während die franzöfiiche chau-
viniftifche Preſſe wieder offen mit Annerion drohte,
eınpfing der König bei feiner Reife durch das Yand
die unzweideutigſten Sympatbien. Auch das Eiu—
vernehmen mit Holland wurde ein beſſeres. Im
Dct. 1858 hatte der Graf von Flandern den hol:
ländiſchen König auf feinem Schloſſe Loo bejucht,
u, jegt kamen beide Könige in Wiesbaden periön-
lih zufammen, u. Withelm III. wurde auf der
Rückreiſe in Lüttich von Leopold periönlic begrüßt.
Bei dem 1863 zwifchen Brafilien u. England ans-
gebrochenen Conflict wurde Leopold zum Schieds—
richter erwählt u. entschied gegen England. Am
10. Dec. 1865 ftarb Yeopold auf jeinem Schloſſe
Lafer, u. ihm folgte fein Sohn Leopold IL.
Bei den Wahlen von 1863 erbielten die Kierilalen
bedeutenden Zuwachs, fo daß der liberale Abg.
Orts den Antrag ftellte, die für 1866 projectirte
Vermehrung der Zahl der Deputirten ſchon jet
eintreten zu lafjen, was in der Kammer zu jehr
ftürmifhen Scenen führte. Diefelbe wurde auf
gelöft, u. die Neuwahlen verfchafften der liberalen
Partei mur cine Mehrheit von 12 Stimmen. In
demjelben Jahre kam der Proceh de Bud zur
Verhandlung, der die fuftematiche vom Jeſuiten—
orden betriebene Erbſchleicherei in ein helles Licht
ſetzte. Maximilian von Öfterreich, Schwiegerjohn
Leopolds J., war indefjen Kaifer von Merico ge:
worden, ı. die Bildung eines FFreicorps, wofür
das Kriegsminifterinm fehr thätig gemeien war,
veranlaßte ftürmtiche Debatten; die von der Kam—
mer votirte Tagesordnung ſprach zwar das Mi-
nifterium von aller Schuld frei, aber die Folge
war doch das Duell zwiichen dem Kriegsminifter
Chazal u. dem Abgeorbneten de Laet. Die Linke
ſetzte es durch, daß die Regierung die der Sicher-
heit des Landes gefährlichen Fremden nicht mehr,
wie bisher, durch Lönigliches Decret, fondern durch
Entſcheidung des Minifterrathes des Laudes ver-
weiſen konnte; auf die nicht⸗belgiſchen Redacteure
des antibonapartiftifchen Blattes La Rive gauche
wurde Sept. 1865 diefe Beftimmung zuerit ange:
wenbet.
u. Beitrafung von Betrügereien bei Communal-,
Provinzial« u. Kammerwahlen zu Stande. Im
Nov. 1865 trat der Juftizminifter Teich freimillig|trages, mährend die chauviniſtiſche
Belgien Geſch. bis 1868),
tanen, trat an feine Stelle, Jetzt begaun der
Kampf mit neuer Erbitterung, u. die ganze Hechte
ſtimmte wie ein Mann gegen das Budget, Die
liberale Partei hatte ſich indeſſen in 2 Fractionen
gejpalten, die eine, die doctrinären Liberalen mit
zröre-Orban an der Spite, die andere von mehr
radicafer Richtung; legtere, vereinigt in den fog.
Associations liberales, die fih in jeder Stadt
bildeten, verlangte hauptiächlich Ausbreitung des
Wahlvechtes, Herabjetsung des Genfus, Abihaffung
des dem Klerus günftigen Schulgefeges von 1842
u. Einſchränkung des Militärbudgets. Diefe Spalt-
ung wurde in Ber Folge für die liberale Partei
jehr verderbli. Die Ereigniffe des Jahres 1866
machten tiefen Eindruck in B., u. es wurde im
Dec, eine Conmiſſion aus höheren Offizieren u.
Dütgliedern der Zweiten Kammer u. des Senats
unter dent Borfige des Kriegsminifters Goethals
ernannt, um einen Plan für die Reorganifation
des Heeres u. der Yandesvertheidigung auszus
arbeiten. Der darauf vorgelegte Gejegentwurf,
der aus den Borfchlägen der Commiſſion hervor»
gegangen war, ftieß auf Widerftaud, weshalb, da
im Laufe von 1867 unter den Miniftern ſelbſt
Imeinigfeiten entjtanden waren, einige der bis»
berigen Diinifter, Nogier, Peerevoom u. Goethals
(Hußeres, Juneres, Krieg) austraten und v. d.
Stielen, Pirmez u. Nenard ihre Stellen eilt«
nahmen. Da Nenard das jährlihe Contingent
von 13,000 auf 12,000 Mann u. die Dienjtzeit
von 30 auf 27 Monate herabiette, fo wurde das
Kriegsbudget mit 69 gegen 39 Stimmen ange»
nommen (14. Mai 1868). Einer Veränderung des
Schulgeſetzes von 1842 verfagte Fröre-Orban jeine
Zuftimmung; von den Peereboom hatte früher fo»
gar die Schulen für Erwachſene unter die Ober-
aufficht des Klerus ftellen wellen; fein Nachfolger
Pirmez traf die Beftimmung, daß dieſe Schulen
je nad dem Gutdünken der einzelnen Gemeinden
unter geiftlicher Leitung ſtehen jollten, oder nicht;
ferner fam ein Geſetz zu Stande, wonach den Ger
meinden ein gewifier Autheil an der Verwaltung
des Kirchenvermögens eingeräumt wurde. Bon
großer Wichtigkeit find in dieſem Beitraume die
Bezichungen B-8 zum Auslande. Die Yuremburger
Frage berührte das Land nicht näher, weshalb
aud) B. auf der Pondoner Conferenz nicht vertreten
war. Dagegen wurde das Boll durch Gerlichte
über Abmachungen zwischen Napoleon u. Bismard
jehr aufgeregt, u. die — Entrüftung kehrte
ſich hauptſächlich gegen Preußen. Biel broender
u. gefährlicher war ein Conflict mit Frankreich.
Es waren zwiſchen der Compagnie de l’Est fran-
gaise u, dem Grand- ———— Verhaudlungen
eröffnet worden, nach welchen letztere an erſtere
verkauft werden ſolle. Die Regierung welche ſo—
fort die Gefahr begriff, die für die Selbſtändigkeit
Bes entfichen mußte, wenn ein fremder Staat in
den Befig der wichtigften Bahn käme, brachte bei
den Kammern jchnell einen Geſetzentwurf ein, der
die Abtretung von Eifenbabnconceifionen ohne Er«
Herner kam ein Geſetz über Verhütung |laubnif der Negierung verbot; das Gejep wurde
angenommen; aber Frankreich drohte mit Neprefe
falten, bejonders der Kündigung des Handelsver-
reſſe einen
zurüd; Bara, der glühendfte Feind der Ultramon« IKriegsfall in dem Auftreten B-s ſah. Durch die
”
Belgien (Geſch. bis 1872).
Neife Fröre-Orbans nad) Paris lam endlich eine,der 2.
Bereinbarung zu Stande, infolge deren Frankreich
einige Begünftigungen im Berfehre erbielt. Das
franzöfifche Project der Erwerbung der OBahn
fand mit dem von Niel ausgearbeiteten Project,
im Falle eines Krieges mit Preußen über Yurem-
burg u. Belgien zu marſchiren, in eıtgem Zuſam—
menbange. Die Reife Leopolds II. nad England,
der begeifterte Empfang feitens der engliſchen Be—
völferung, fowie die majjenhaften Beſuche eng:
liſcher Riflemen bei belgifhen Schütenfejten waren
Gegendemonftrationen gegen das Gebahren der
franzöfifchen Politi. Das widtigite Ereigniß
während der eriten Hälfte von 1870 war die
Affaire Langrand-Dumonceau (f. d. Art.), infolge
deren der Generalprocurator de Bavary u. der
Procurator Baron Hody, beide Klerifale; da Beide
die Einleitung einer gerichtlichen Unterfuchung ver
weigert hatten, vom ZJuftizminifter ihrer Ämter
enthoben wurden. Die Hoffnung, daß bei den
bevorftehenden Kammerwahlen die Betrügereien
Langrands für die Liberalen günftig wirken ſollten,
beftätigte fich aber nicht; vielmehr beftand infolge
der Ergänzungswahlen vom 14. Juni die Kammer
aus 63 Klerifalen u. 61 Liberalen, worauf das
bisherige Eabinet, mit Fzıdre-Orban an der Spike,
am 17. jeine Entlaffung einveichte, Am 25, beauf⸗
tragte der König den Herifalen Baron d'Anethan mit
der Neubildung des Cabinets. Yetterer ſelbſt über:
nahm Außeres, Corneſſe Juftiz, Kervyn de Letten-
bove das Innere, Tad die Finanzen, Jacobs
Öffentliche Arbeiten u. Guillaume Krieg. Durch
Decret vom 8. Juli wurden die Kammern auf«
gelöft, u. bei den Wablen vom 2. Aug. fiegten die
Klerifalen banptjählih dankt dem im Hıberafen
Lager noch fortdauernden Zwifte noch entſchiedener,
fo daß in der Zweiten Kammer 73 Klerikale 51
Liberalen u. im Senat 33 Klerifale 29 Yiberalen
egenüberftanden, Beim Ausbruche des Deutich-
Frauzöſiſchen Krieges wurden jofort die nöthigen
Vorkehrungen zur Aufrechterhaltung der Neutrali-
tät getroffen. Die Armee concentrirte ſich in Ant-
werpen, u, die franzöfifche, wie die deutiche Grenze
wurden ftark befett, wozu ein Credit von 15 Dill.
8. von den Kammern bewilligt wurde, Obmol
man von jeder der friegführenden Mächte die bün—
digften Zufiherungen der Reipectirung der belgi-
ſcheu Neutralität erhalten u. England fein Garantie-
perfprechen ernenert hatte, jo machten doch die von
Bismard vor dem Ausbruce der Feindieligfeiten
gemachten Enthüllungen über die Napoleoniichen
Anichläge auf die Selbftändigfeit B-s ungeheures
Aufſehen, brachten aber in der faft durchaus auf
franzöfifher Seite ftehenden öffentlichen Dleinung
nicht den geringften Umſchwung hervor, fo wenig
als dies jpäter der Fall war, wo die Blätter
(12. Dct. 1871) das fog. Doſſier Leffine veröffent-
lichten, welches die Napoleonishen Intriguen mur
betätigte. Gegen die aufrichtige u. gewiffenhafte
Neutralität der Regierung ftach das Benehmen der
Bevölferung und der meift vom Franzoſen ge:
leiteten fiberalen Preſſe jehr grell ab, wogegen
ein großer Theil der flämiſchen Bevöllerung mit
feinen Sympatbien zu Deutichland hielt. Am
139
Kammer einen Gefetentwurf vor, der den
Genius für Communalwablen auf 10 ı. für Pro»
vinzialwablen auf 20 Fes. herabſetzte, wibrend die
von den Radicalen verlangte Herabſetzung des
Cenſus fiir die Wahlen zur 2. Kammer u. zum
Senat abgelehnt wurde. Indeſſen fanden infolge
der Beſetzung Noms zahlreiche Herifale Demonjtra«
tionen ftatt, die größte in Brüffel (2. Febr. 1871),
woran fi über 100,000 Menſchen betheiligten;
eine Collectiveingabe der Biichöfe forderte den König
auf, auf diplomatiſchem Wege Schritte für die
Wiederherftellung der päpftlihen Macht zu thun.
Das freundichaftlide Verhältniß zu Holland zeigte
fih bei der Auslieferung der Gebeine der im Jahre
1830 bei der Bertheidiqgung der Eitadelle von Ant-
werpen gefallenen bolländiihen Soldaten. Mit
der Ernennung von de Deder, einen bei den
Yangrandihen Schwindeleien am meiſten Gravirten,
zum Gouverneur einer Provinz fette das Mini«
jtertum feinem vüdfichtsiofen Vorgehen die Krone
auf. Am 17. Nov, interpellirte Bara die Neziert
ung wegen diefer die Ehre des Landes compro-
mittirenden Ernennung, die Kammer ging mit 66
gegen 44 Stimmen zur Tagesordnung über; Bara
forderte darauf am 24. Nov. den Rücktritt aller
Minifter, die bei den Langrandſchen Unternehm-
ungen betheiligt geweſen waren, u. dieſes Berlangen
wurde in Brüffel durch Bollsdemonftrationen fehr
nachdrücklich unterftügt, jo daß de Deder um feine
Entlaffung bat. Da die Demonftrationen u. Maf-
fenanflänfe ſtets drohender wurden, ergriff der
König jelbft die Amitiative, forderte die Porter»
ieuilles zurüd, u, das Diebsminifterium — fo war
es getauft worden — trat ab. De Theur wurde
7. Dec. mit der Neubildung des Gabinets be-
auftragt, u. es trat nun ein gemäßigt Elerifales
Miniftertum auf; kein Mitglied deffelben hatte ſich
an Langrandihen Unternehmungen betheiligt; der
Theux ſelbſt war Minifter ohne Portefeuille,
d'Aspremont⸗Lynden übernahm das Außere, Ma—
four die Finanzen, Delcourt das Innere, Lants—
beere Justiz, Moncheur öffentliche Arbeiten, und
Guillaume behielt Krieg. Am 22. u. 29, Dec.
wurde das Kriegsbudget in der geforderten Höhe
genehmigt. Neue Unrnhen entftanden bei dem
Aufenthalte des Grafen Chambord in Antwerpen,
dem der Gouverneur feine Aufwartung machte.
Die zweite Kammer, in der der Miniſter über
letsteren Borfall interpellirt wurde, ging mit 58
gegen 37 Stimmen zur Tagesordnung über, Am
6. März 1872 wurde die Beibehaltung des bel—
gischen Geſandten beim päftlihen Stuhl bejchlof-
jen (68 St. gegen 12), dagegen fielen im April
im Senat beleidigende Ausdrüde gegen den König
von SFtalien. Darüber u. iiber die weitere That-
fache, Daß der belgiſche Geſandte Soluyus in Florenz
blieb, ſtatt der italtenifhen Regierung nah Rom
zu folgen, interpellirt, erHlärte der Miniſter, daß
Solvyns die Weifung erhalten babe, nah Rom
zu gehen; dagegen wurde die Borlegung der dar—
über geführten Correjpondenz mit 54 gegen 41
Stimmen verweigert. Golvyus blieb in ‚Florenz
u, wurde zur Strafe fiir feinen Ungehorſam als
Gefandter nach London verfegt (13. Nov.). In—
2. Oct. 1870 wurde das Objervationsheer wieder|folge des neuen Wahlmodus erhielt die klerilale
entlaffen. An 9. Nov. 1870 legte die Megierung| Partei auch bei den Provinzialwahlen (15. Mat)
140
in verfchiedenen Provinzen das Übergewicht. Der
tlerilale Deputirte Dumortier wurde zum Staats-
minifter ernannt, u. die Klerifalen verftärkten fich
wieder, fo daß ihre Majorität jegt 24 betrug.
Dagegen fiegte die liberale Partei faft überall in
den größeren Städten bei den Communalmahlen
(1. Juli); in Brüffel wagten die Klerifalen es nicht
einmal, eine eigene Wahlliſte aufzuftellen, ſelbſt in
.Mecheln fiegten die Liberalen, u. in Antwerpen
wurde die Neritafe Verwaltung nad neunjähriger
Herrichaft geftürzt. Gegen Ende 1872 hatte ſich
mit dem päpitlihen Stuhl ein Conflict erhoben,
da die Curie einen Conſul in Antwerpen ernannt
hatte, ohne es der belgischen Regierung anzuzeigen.
Diefe hatte dem Conſul ſchon das Exequatur er»
theilt, aber infolge der Borftellungen Italiens
mußte der Gonful um Zurüchnahme der Erequa-
tur erfuchen. Bei der Organifation des Heereg,
die in Angriff genommen werden follte, ſprachen
ich alle Fachautoritäten u, befonders der Kriegs-
unifter Guillaume für Einführung der allgemei»
nen Dienftpflihk aus. Der Klerus ftellte als Be-
dingung feiner Unterftügung für die Durchführung
des Projects die Zufage, daß bie militärischen
Almofeniers wieder eingeführt u. die Soldaten
unter Auffiht u. Führung der Offiziere zur Meffe,
Beichte u. Communion geführt würden. Guillaume,
der die Unvereinbarkeit diefer Forderung mit
der belgishen Berfaffungsbeftimmung, daß der
Staat als folder confeffionsios ift, einfah, nahm
22. Nov, 1872 feine Entlaffung, u. Thiebault trat
an feine Stelle. Einige Tage vorher (11. Nov.)
hatte die Generalverfjammlung ber katholischen Ber-
eine, die in Brüffel unter Vorſitz des Generals
Robiano tagte, eine Reihe von Beichlüffen gegen
die Erhöhung der Militärausgaben u. die Ein»
führung der allgemeinen Dienftpflicht gefaßt. Die
Regierung erklärte am 21. Dec., daß fie von der
Einführung der allgemeinen Dienftpflict iiberhaupt
abgefehen habe. „Infolge des von der Regierung
vollzogenen Anlaufes der Grand-?uremburg-Eifen-
bahn, joweit die Bahn auf belgiſchem Gebiete lag,
welcher Kauf trotz ſcandalöſer Enthüllungen von
der Zweiten Kammer (13—15. Jan. 1873) ge:
nehmigt wurde, mußte eine Anleihe von 240 Mil.
Fes. contrahirt werden. Ein großer Sturm erhob
fi in der Kammer, als der Kriegsminifter fiir fein
Budget um einen Mehrcredit von 34 Mill. Fes.
anfvagte, wobei Malou die Gabinetsfrage ftellte;
die Mehrforderung wurde deshalb (3. Aug.) mit
54 gegen 37 Stimmen genehmigt. Der flämifche
Sprachenkampf trat jet wieder einmal in den Bor«
dergrund, Die Kammer genehmigte am 26. Juli
einen Gefepentwurf, nad welchem der Gebrauch
der flämiſchen Sprade unter gewiſſen Umftänden
vor Gericht geftattet wurde. Während Langraud
ſchon im vorigen Jahre in contumaciam zu zehn
Jahren Zucdthausftrafe verurtheilt worden mar,
wurden jämmtliche Adminiftratoren feiner Banf
vor das AZuchtpolizeigericht verwiejen (15. Aug.),
aber meift freigeſprochen. Wie in Frankreich,
organifirte der Klerus großartige Wallfahrten.
Im September und Dctober wurde in Brüffel
ein internationales Yuftitat für Völkerrecht ge-
gründet, Eine große Aufregung im Volle trat
Belgien (Geſch. bis 1875). E
Gericht verbreitete, Preußen babe ſich bei der bel—
giihen Regierung ebenfo wie bei der franzöfifchen
über den unflätigen Ton der belgiſchen klerilalen
Preffe beitagt; der Abg. Berge interpellirte den
Minifter des Außern darüber, u. dieſer erflärte,
daß fich die ganze Sache auf Borftellungen reducire,
welche das Minifterinm aus freien Stüden der
Preffe, an deren Patriotismus man appellirt, ge⸗
macht habe, womit der Fall erledigt war, ähn-
liches wiederholte fih im Frühjahre 1875 aus
Anlaß einer deutſchen Note an die Regierung
B-8, weil man einem von dort aus beabfichtigten
Atentar auf den FFürften Bismard auf die Spur
gelommen war. Man mollte anfangs darin viel»
fach Verlegung der beigiihen Neutralität jehen,
aber die Sache hatte feine weiteren Folgen, ja,
die belgiſche Hegierung zeigte ſich ſchließlich durch»
aus mwillfährig den deutſchen Forderungen gegen«
über (Ende Mai 1875). Bon den Wilhlereien
der Juternationale blieb B. gleichfalls nicht ver-
ihont; 1869 fanden bedeutende Unruhen in ben
Koblendiftricten ſtatt, die theilweiſe durch Waffen«
gewalt unterdrüdt werden mußten; den nach B.
geflohenen Mitgliedern der Commune wollte man
zuerft das Aſylrecht verfagen, man hat aber nichts
von Auslieferungen gehört. Bot den Pariſer
Kriegsgerichten ftanden 150 der Theilnahme an
der Commume bejchuldigte Belgier. Die Con—
ferenz zur Regelung des Kriegsrechtes trat im
Jahre 1874 in Brüffel unter dem Borfite des
ruffischen Generals Jomini zufammen, tremmte fich
jede, ohne zu einem definitiven Reſultat gelom-
men zu fein.
König Leopold IT. erfreut ſich derfelben Popu-
larität, wie fein Vater. Er ift ein perfönlicher
Gegner der Todesjtrafe u. hat noch fein Todesur-
theil unterzeichnet. Der präfumtive Thronerbe ift
Balduin (geb. 3. Juni 1869), Sohn des Grafen
von Flandern, des Bruders von Leopold II.
Die Literatur zur Gejchichte Bes ift jo eng mit
der über die Vereinigten Niederlande zc. verbuns«
den, daß wir bis zu der Trennung B-$ auf die
dort zu gebende Literatur verweilen müffen u. bier
nur für die frühere Gejchichte erwähnen: Collec-
tion de chroniques Belges inedites, publice par
ordre du Gouvernement et par les soins de la
Commission royale d’histoire, Brüffel 1836—39,
4 Bde.; J. F. Willems, Belgisch Museum voor
de nederduitsche taelen letterkunde en de ge-
schiedenis des vaderlands, Gent 1837 —40,
4 Thle.; Darftellung der Urfahen u. Begeben«
beiten der belgischen Revolution, Stuttg. 1830;
La Belgique et l’Europe, ou precis des &vöne-
ments, arrives dans le royaume des Pays-Bas,
pendant la periode de 1815—31, Amſt. 1832;
Noch ein Wort über die Belgijh-Holländifche Frage,
re 1832; Nothomb, Hiftoriich diplomatische
arftellung der völferrechtlihen Begründung des
Königreihs B., nah dem Franzöſiſchen von A.
Michaelis, Stuttg. 1836; W. A. Arendt, Belgiiche
Zuftände, Mainz 1837; Kuranda, B. feit Feiner
Revolution, Lpz. 1846; Tb. Jufte, Leopold L.,
roi des Belges; derſ., Histoire de la Belgique
depuis les temps primitifs jusqu’a la fin du
rögne de Leopold I., Gent 1868; Derf., Histoire
zu Tage, als fi) zu Anfang des Jahres 1874 das|de la fundation de la monarchie belge, Gent
Belgiojojo — Belgıad,
1850, 2 Bde.; Derf., La revolution belge de 1830
ete., Gent 1872, 2 Bde; derjelbe Verfaſſer hat
außerdem noch im einer Reihe von Werten die
Geſchichte B-8 im 17. u. 18. Jahrh. behandelt;
Mote, Histoire de la Belgique, 5. A., Gent 1868.
(Gefch.) Wenzelburger.*
Belgiojöfo, Meine Stadt im Diftrict und der
italien, Provinz Pavia; Schloß, Stammhaus der
Fürften Barbian u. B.; Biehzudt u. Käjebereit-
* 4469 Ew.
elgiojöſo, Fürſten von Barbian-®.; ſ. u.
Barbian.
Belgiojöfo, Chriſtina, Fürſtin v. B., ita—
lieniſche Patriotin u. Schriftftellerin, Tochter des
Marquis Hieronymus Iſidorus v. Trivulzio, geb.
28. Juni 1808 u. 1824 mit dem Fürſten Emil
vd. Barbian-B. (geb. 14. Mai 1800)z5u Mailand ver:
mäblt. Nad der Julirevolution nahm fie einige
Jahre ihren Wohnfig in Paris, wo ihr Haus der
Sammelplag gebildeter rauen, geiftreiher Män—
ner, wiffenichaftliher Celebritäten, Staatsmänner
u. hoher Militärs wurde, Sie gründete hier um
1843 die Gazetta Italiana u. den Ausonio, eine
Wochenſchrift, u. jchrieb für dem Constitutionnel
u. die Democratie paeifique politifche Beiträge;
außerdem: Essai sur la formation du dogme
catholigue u. eine Überfegung von Bicos Scienza
nuova. Politiſche Flüchtlinge, welche das J. 1821
aus alien vertrieben hatte, fanden an ihr eine
Unterftüterim, u. ihr feuriges Intereffe an Ita—
hens Freiheit u. Selbftändigfeit fand am den
Borgängen 1846 u. 1847 den lebhafteften Wider:
ball. Nah dem Ausbruhe der Bewegung in
Mailand (März 1848) betheiligte fie fich durch
die Errichtung eines Freicorps an derfelben, nach
der Umterdrüdung durch die Ofterreicher fuchte fie
durh ihren Einfluß in Paris u. Turin für fie zu
wirfen, Anfangs 1849 begab fie fih nah Nom
u. ging nad) der Kapitulation diefer Stadt au Lie
Franzofen u. nachdem ihre Befigungen in alien
mit Beichlag belegt worden waren, fiber Athen
nah CEonftantinopel. Von hier aus befuchte fie
Jerufalem u. Damascus u. lebte hierauf in dürf-
tigen Berhältniſſen zu Zicherfiefh (dem alten An-
toniopolis) in Kleinaſien. Auf mehrfeitige Ver—
wendung ward im November 1855 die Befchlag-
nahme ıhrer Gitter aufgehoben, u. im Mai 1856
lehrte fie begnadigt in ihr Vaterland zurüd, von
wo fie nad Paris überfiedelte, u. 1859 ging fie
wieder nach Italien, an defjen Einigung fie den
regften Antheil nahm. B. ftarb 5. Juli 1871
in Mailand. Bon ihren Schriften find zu er-
wähnen: Emina (Reeits turco-asiatiques), 2
Bpe., Paris 1856; Asie mineureet Syrie, 2Bbe,,
Parıs 1858,
Belgium (a. Geogr.), Theil von Belgica, wo
die Bellovacer, Ambianer, Atrebater, Belliocaffer,
Aulerfer und Galeter wohnten; die Gegend des
jetzigen Beanvais, Artois u. Amiens.
elgius oder Bolgius, einer der Anfihrer,
der gegen d. J. 280 v. Chr. Pannonien, Thras
fien u. Makedonien verbeerenden Kelten; bejette
leßteres Land, nachdem Prolemäos Keraunos ge-
fhlagen u. getöbtet worden war, 280 v. Chr.,
wurde aber von dem Mafebonier Softhenes be-
fiegt u. getödtet.
141
Belporod, f. u. Bielgorod.
Belgrad, 1) Kreis des Fürſtenthums Serbien;
bededt einen Flähenraum v. 1707 [km (31 [_ IM)
u. ift getheilt in die 5 Bezirke: Grotzka, Kolubara,
Kosmaj, Poffamina u. Wratiher. Er bat in
1 Stadt (Belgrad), 1 Flecken (Grogla) u. 120
Dörfern 88,970 Em, (1866); 2 Kiöfter, 33 Kirchen
u. 41 Elementarfchulen (obne B.). Das Fand ift
bügelig; größere Gebirge find Amala u. Kosmaj.
Die Einw. leben von Aderbau, welcher ſich ver«
hältnißmä ig gut lohnt. 2) (Serb. Beograd,
griechiſch Weißenburg, ungar. Nandor » Fejer⸗
wär, türk. Darol Dſchichad, lat. Alba graeca od.
Jauris) Hauptftadt des Fürſtenthums Serbien u.
wichtige ‚zeitung; liegt am Einfluß der Save in
die Donau, gegenüber Semlin; Wefidenz des
Fürften von Serbien, Sit der höchſten Landes—
bebörden u. eines griechiich-ferbiichen Erzbiichof-
Metropoliten; Rußland, Defterreich, Ungarn, Franke
veih, England u, Jtalien haben hier ihre Diplo»
matiichen Agenten, Deutichland, Griechenland ı.
Rumänien ihre General-Gonfulate; Hochſchule mit
einer juriftiichen, philoſophiſchen und techniichen
Facultät, Gymnaſium, theologische Lehranitalt
und Seminar, Kriegsalademie, zwei Untergom«
nafien, Oberrealichule, höhere Mädchenſchule, 1
deutſche Bürgerſchule, 7 Elementarjchulen für Kna—
ben und 8 für Mädchen; 3 ferbifhe Kirchen in
der Stadt, 1 in XTopichieder, 1 in der Feſt⸗
ung u. 1 Kapelle in dem erzbifhöflichen Palais,
1 evang. Kirche, 1 Synagoge u. 1 fath. Kapelle
im öfterr.-ung. Gefandtichaftsgebäude; Nationale
bibliothel u. Muſeum (1832 gegründet), eine Ge—
fehrtengejellichaft (feit 1842) u. die Gejellichaft der
jerbifhen Arzte. Bon den öffentlichen Gebäuden
find die bervorragendften: die Hochſchule, das
Theater, das Fürſtenpalais, das Gebäude der
Minifterien der auswärtigen u. inneren Angelegeit-
heiten, Militärbofpital, das Stadt-Hranfenhaus u.
einige Privathäufer, Die obere Feſtung liegt in
der Mitte des Ganzen, auf hohem Felſen, der als
Endpunkt des vom Amwalagebirge abjteigenden Ge—
birgszuges zu betrachten iſt; fie iſt mit Mauern
u, dreifachen Gräben umgeben, beherricht die Stadt
u. die Donau u. hat von der Stadtjeite nur einen
ee Die untere Feſtung umgibt die obere
im O., N., W. u. hat zwer Thore. Die Yage im der
Sabel, melde jene beiden an diefer Stelle fehr
breiten Flüſſe bilden, macht die Feſtung ftrategiich
wichtig u. ziemlich feft, doch für die Belagerung
mit den neuen Artilleriewafien unhaltbar, da fie
von den naheliegenden Anhöhen beherrſcht wird,
Außer den Gommandanturgebäude ift in der
oberen Feitung ein Arjenal u. eine Mofchee, die
zur Zeit als Mititärfpital dient. Die Kafematten
find zu Gefängniffen eingerichtet. In der unteren
Feſtung find Kafernen, Magazine u. Werkftätten.
Bon der Feſtung duch einen breiten Hayon, dei
Kalimeydan, der nad) der Räumung der Feſtung
duch die Türken in einen jchönen Park umge»
wandelt wurde, getrennt, breitet fih im SO, u.
W. die Stadt 9 aus. Sie hat zwei ſchöne
Anlagen, die Häuſer ſind mit wenigen Ausnah—
men nur ebenerdig u. in den äußeren Stadt-
theilen mit großen Gärten umgeben, Nad der
Bertreibung der Türken wurde die Türkenſtadt
142
(Dortfhol) demolirt u. eine zwedmäßige Straßen-
regulirung durchgeführt, aber die Schanzen und
EStabtthore wurden niedergerifien u. das Terrain
Die Moſcheen fteben mit berinauerten
Eingängen da u. find im Berfalle begriffen, mit
Ausnahme einer einzigen, in welcher ein von
geebnet.
der ferbifchen Regierung beſoldeter tückijcher Prie-
fter den Gottesdienft für die wenigen noch in
B. mweilenden oder zugereiften Türlen verrichtet.
Die Stadt hat ein jdylechtes Pilafter, und viele
Strafen haben noch gar keines; die Straßen-
beleuchtung ift äußerft fümmerlih, die Kanalifa-
tion jchlecht u. das Trinkwaſſer mangelhaft, daher
1866
25,178 Em., darunter 1915 Deutjche, Ende 1872
26,674. Die Eimw. beftehen zum großen Theil
aus Kaufe u, Wirthsleuten, einer verhältnigmäßig
großen Zahl von Beamten u. Meinen Handwerfern,
die mur für den Ortsbedarf arbeiten; von einer
Die Stadt
auch ſtarle Sterblichkeit. In B. lebten
Fabrifinduftrie iſt nichts vorhanden.
als Handelsplatz ijt ſehr wichtig, da ſie den
Waarenverkehr zwiſchen Oſterreich-Ungarn u. der
Türfei größtentheils vermittelt. Der Tranſithan—
del Oſterreichs mit der Türkei u. umgekehrt geht
ausſchließlich über B. u. beträgt bei 8 Mill. Fes.
jährlih. Den Aufihwung des Handels unter
fügen ein Bayfinftitut u. eine Ereditanftalt. Die
Oſterr. Donau⸗Dampfſchifffahrts-Geſellſchaft u. die
Staats - Eifenbahn » Gefellichaft haben bier ihre
Agenturen, welde den Vexkehr längs der ferbi-
fhen Flußufer und mit ſterreich-Ungarn ver:
mitteln; doch ift die Stadt von Eijenbahnen noch
nicht berührt. B. hat eine jelbftändige Polizei-
verwaltung und wird in 6 Stadtviertel getheilt,
welche von Polizeichefs verwaltet werden; die Ge—
meindeangelegenheiten verwaltet ein Bürgermeiiter,
ans der freien Wahl der Bürger hervorgegangen,
mit einem Stadtrathe u, Gemeindeausihuffe, der
ebenfo von u. aus der Bürgerjchaft gewählt wird,
B. fteht auf der Stelle des alten Singidunnm; e8
gehörte zu Ober-Möften u. war das Standgnartier
der römischen Legio IV. Flavia Felix. Es wurde
im 5. Jahrh. von den Hunnen u. O®othen, 1073
von dem Ungarnlönig Salomon eingenommen,
lam fpäter wieder an die Byzantiner u. wurde
im 12. Jahrh. von dem Kaifer Emanıtel Kome
nenos befeſtigt. Im 14. Jahrh. fam die Stadt
in Befig der Serben; dieje ftellten fie 1342 als
Gaftell wieder ber u. traten fie 1425 an Sieg-
mund von Ungarn ab, welcher die Werte befier
befeftigen ließ. 1440 wurde B. vergebens von
Murad II. 7 Monate lang belagert u. diefer von
den Ungarn, Böhmen u. Deuiſchen gefchlagen,
dabei blieben 17,000 Türken am Plage. 1441
erneuerten die Türken die Belagerung, wurden
jedoh abermals von Johann Hunyady geſchla—
gen; 1456 wieder durch 150,000 Türken unter
Mohammed II. belagert, entjetsten Hunyady u.
Capiſtrauo die Stadt u. erfochten dort einen großen
Sieg; auch im %. 1493 verjuchten die Türken B.
zu nehmen. Erſt 29. Aug. 1521 wurde B. von
Soliman II. durch Kapitulation erobert u. die
auf 400 M. geſchmolzene Bejagung trenlos ermordet;
6. September 1688 wurde B. von 60,000 Mann
unter dem Kurfürſten Marimilian Emamtel von
Boyern erjtürmt u. faft die ganze Beſatzung nie-
Belgrad.
dergemacht, doch auch die Erftürmer hatten ſchwere
Berlufte erlitten; jchon am 1. Dct. 1690 ging es
durch den Öroßvezier Muftapha Köprili durch
Sturm wieder verloren; 1692 ließ es der Groß—
vezier Hadſchi Ali befier befeftigen; 1693 wurde
B. wieder hart von den Ofterreichern unter dem
Herzog von Eroy belagert, aber nicht genommen;
1698 verbrannten 150 Magazine bier mit allen
Vorräthen an Mehl, Korn, Gerſte, Zwieback.
Am 16. Juli 1717 fette Prinz Eugen mit
100,000 Mann über die Donau, zog um die ganze
Stadt Belagerungswälle u. begann am 22, Juli
mit der Beſchiehjung der Stadt, welche von
29,000 Mann mit 500 Geſchützen vertbeidigt wurde.
Zugleih griff er den 150,000 Mann ftarfen
Sroßvezier Köprili, welcher ihn durch eine Cir—
cumvallationslinie einjchloß, mit 40,000 M., wäh-
rend 20,000 M. vor der Feſtung blieben, in der
Nacht vom 16.—17. Aug. an, fprengte die feind«
lihen Linien nach hartem Gefechte u. ſchlug die
Türken gänzlih. B. ergab fih mit 20,000 M.
am 18, Aug. u, verblieb im Paffarowiger Frie—
den (1718) den Ofterreihern. Als im J. 1737
der Krieg zwiſchen Ofterreih u. der Türkei von
Neuem ausbrad, famen die Tiirfen nach manden
harten Kämpfen u. nachdem die Ofterreicher am
23. Juli 1739 bei Grotzka durch die Unentſchloſ—
jenheit des Feldmarſchalls Wallis geichlagen, am
25. Juli vor B. an u. beitürmten die Feſtung,
aber vergebens; erft durch den am 18. Gept.
1739 abgefchlojjenen Frieden von B. wurde B.
nebſt Schabacz, Orfowa u, den von Dfterreich
occupirten Theilen von Serbien u. Bosnien an
die Türken abgetreten. Die nenen, von den Ojter-
veichern ausgeführten Befeftigungen B-s wurden
zuvor geſprengt. Neipperg u. Wallis wurden
wegen des Ber Friedens verhaftet u., jo lange
Karl VL lebte, gefangen gehalten. 1755 erregten
die Yanitichaaren hier einen Aufſtand, infolge
deffen der Statthalter Achmed Köprili Paſcha
floh; den 2. Dec. 1787 mißlang ein Überfall
dur 4 ungarische Megimenter auf der Wafler-
jeite; am 12. Sept. 1789 überjchritt Gen. Laudon
die Sawe mit 80,000 Mann u. begann mit ber
Belagerung; am 30. Sept. wurde die Stadt mit
Sturm genommen, u. nad einem furdhtbaren
Bombardement übergab Osman Paſcha am 8. Oct.
die Feſtung an Laudon; Öfterreih gab fie nad)
dem Frieden von 1791 wieder heraus, Im
3. 1801 fetten fih in B. die abtrünnigen Dahien
feft, u. nachdem fie den Paſcha gemordet, hauften
fie arg in Serbien u. ımterdrüdten das Boll der-
maßen, daß 1804 ein Aufſtand unter Georg dem
Schwarzen (Kara-Djadje) ausbrach; doch erjt 1806
jhritten die Serben zu einer Belagerung B-3 u.
nahmen die Stadt am 30. Nov. ein, u. am
30. Dec. def. J. capitulirte auch die Beſatzung
der FFeftung. ie Feſtung blieb dann in den
Händen der Serben, welche, von den Auffen un«
terftügt, die Türlen an der Landesgrenze be»
fämpften. As nah dem Bufarefter Frieden
(28. Mai 1812) zwifchen der Türkei u. Rußland
die Serben den Schuß Rußlands verloren, räumten
fie 21. Sept. 1813 B., u. die Feſtung wurde von
ven Türlken befett. Nach dem Jahre 1859 wur—
den die Verhältniſſe zwifchen der ferbifchen u.
Belial — Bell.
türfifhen Stabtbevölferung immer gefpannter, es
famen Zwiftigfeiten vor, die endlich den 3./15. Juni
1362 mit einem blutigen Zufammenftoße u. der
Bertreibung der Tiirfen aus der Stadt endeten,
dem das mebrftündige Bombardement der Statt
aus der Feitung am 5/17. Juni folgte. Die
türfifhen Bewohner fehrten nicht wieder in die
Stadt zurüd, doch die Feftung blieb bis zum J. 1867
von den Türken bejegt, u. im April befam die
Feſtung laut einer Übereinkunft zwifchen Serbien
u. der Pforte eine ſerbiſche Beſatzung, u, neben
der türfiihen Fahne wurde aud die ſerbiſche auf-
gehigt. Über die ſtrategiſche Wichtigkeit der Feſt⸗
ung 2. f. Filek von Wittinghaujen, das Für—
ftenthum Serbien (©. 39). Jovanovic.
Belinl (v. Hebr.), im N. T. Bezeichnung
des Teufels, 2. Kor. 6, 15. Es ift die einzige
Stelle im N. T., in welcher der Name vorlommt,
wabrjcheinlich nach urſpr. Yesart in der Form Beliar.
Belidor, Bernard Foreſt de B., franz.
Ingenieur, geb. 1697 in Gatalonien; ftudirte
Mathematik u. wurde Profeffor der neu errichteten
Artillerieſchule zu La Foꝛre. Hier ftellte er wichtige
Berſuche über die Gejchligbedienung, das Ballı-
ftifche Problem u. über die Minen an u. berichtrgte
die Grundjäge über beide; dadurd, daß er feine
Entdedungen dem Cardinal Fleury mit Übergeh
ung des Kommandanten der Artillerie, Prinzen
von Dombes mittheilte, zog er fich deſſen Ungnade
zu u. verlor fogar fein Yehramt zu La Fre. Er
machte 1742 den Feldzug in Bayern als Adjutant
Ségurs u. des Herzogs von Harcourt mit, wurde
Oberſtlieutenant u. ging mit dem Prinzen von
Conti 1744 nah Italien, 1745 nad den Nieder:
landen, wo er wejentlich zur Eroberung von Char:
feroi beitrug; er wurde Oberft, 1758 Director
des Arjenals u. bald darauf Brigadier u, General-
infpector der Mineurs. Er fl. 8. Sept. 1761 zu
Paris. B. ſchr. u. a.: Cours de mathematique,
Bar. 1723; Science des ingönieurs. ebd. 1729;
Le Bombardier francais, ebd. 1731; Traite
des fortifications, 1735, 2 Bde; Architecture
hydraulique, 1737—51, 4 Bde.
Belin, Frangois Alpbonfe, franz. Orien-
talift, geb. 31. Juli 1817 zu Paris; widmete fich
rühgeitig unter Leitung des J. J. Marcel, eines
alten Mitgliedes des Institut d’Egypte, dem
Studium der oriental. Sprachen, ftudirte am Col-
lege de France u, in der Ecole des langues
orient. zu Paris, unter den Profefforen ©. de
Say, E. Duatremdre, Am. Jaubert u. Reinaud
die arabifche, perfiiche u. türfiiche Sprache, wurde
1838 Repetitor an der Ecole royale unter dem
Director. Jouannin, 1842 dragoman, Chancelier
am franz. Conſulat in Erzerum, 1843 in Salo—
nich, 1846 in Kairo, 1852 interimiftifcher Seerd-
taire-Interprete an der franz. Gefandtichaft in
Conftantinopel, 1862. wirflicher kaiſ. Secretaire
Interprete bafelbft u. 1868 Consul general.
Außer folgenden 4 Werten: a) Vie de Djengiz-
Khan, tente persan de Mirkhond, Par. 1841;
b) Histoire des Sassanides, texte pers, de
irkhond, ebd; c) Ambassade de Méhémed
Effendi ä la Cour de France, türtiſch, ebd., u.
d) Ambassade de Seid Wahid Effendi a la
Cour de France, türkiſch, Par. 1843, ſchrieb B.
143
auch zahlreiche meift größere gelehrte Abhand-
lungen, die im Parifer Journal asiatique erichie-
nen find u. die ſowol von feinen gründtichen
Kenntniſſen der arab., per. u. türl. Sprade
Zeugniß geben, als auch feine große Bertrautheit
mit der Geſchichte des Drients u. deffen Cultur—
zuftänden beurfunden.
Belijar (Belifarios), oftrömifcher Feldherr,
Sohn eines Füyriers, geb. um 505 n. Chr. in
Dardanien; war zuerjt Soldat bei den Haustruppen
des Prinzen Juſtinianus u. vermählt mit Antonina;
er wurde außer feiner Tüchtigfeit auch durch deren
Freundin, Theodora, Juſtinianu's Gemahlin, ges
hoben. Im J. 527 im Berferkriege zum Comman«
danten in Meſopotamien, im J. 530 zum Ober-
feldheren im Orient ernannt, unterdrüdte er 532
einen Wufftand der Bürger in Conftantinopet
gegen Kaiſer Fuftinianus, eroberte im J. 533 u.
534 das Vandaliſche Reich in Afrika, beiette im
J. 535 Sicilien u. vernichtete in hartem Ringen
in den J. 536 bis 540 das Oftgotbiiche Neich in
Italien. Nunmehr aus Ftalien abberufen, mußte
er es geſchehen laſſen, daß die Gothen in FJtalien
ſich wieder erhoben. Und als er ſeit 544 wieder
dahin geſchickt wurde, mußte er mit höchſt unge
niigenden Streitträften feine Feldherrngröße bis
548 in erfolglofen Kämpfen gegen die Gothen ver-
geblich anftrengen. Bon jetzt al$ abgedantter Feld»
herr in Conſtantinopel lebend, rettete er die Haupt«
tadt im J. 559 vor einem Angriffe der kutur—-
guriſchen Hunnen. Einer Verſchwörung gegen den
Kaiſer Yuftinianus angellagt, wurde ev 562 feiner
Würden entfegt, feiner Güter beraubt u. 7 Mo—
nate lang gefangen gejegt, darauf aber 563 wieder
entlaffen u. alle feine Güter ihm zurücdgegeben.
Er ft. 13. März 565. Unwahr ift die Erzählung
von feiner Blendung u. Armuth im Alter, welche
ihn gezwungen habe, fein Brod auf den Straßen
Conſtantinopels zu erbetteln. Yebensbeichreibung
von Mahon, engliih, Lond. 1848. B. ift Gegen»
jtand einer Tragödie von E. v. Schenk, einer
Oper von Donizetti; das berühmte Gemälde, der
blinde B., ift von Gerard, in Kupfer geftochen von
Desnopers. Hergberg. *
Belitz, ſ. u. Beelit.
Belize, f. Balize 2).
Dellnap, County im nordamerifan. Unions-
ftaate New-Hampfbire, unter 43° n. Br. u. 71°
w. L.; zahlreihe Seen; 17,681 Ew. Countyfig:
Dover. j
Bell, 1) Dorf im Kreife Mayen des preußischen
Regbez. Koblenz, nordweitlih vom Yaacher-See;
Mühl- u. Tuffſteinbrüche. Säuerling; 1000 Em.
2) County im nordamerifan. Unionsftante Teras,
unter 31° n. Br. u. 97° w. 2; 9771 Em.
Countyſitz: Belton.
Bell, 1) John, vorzüglicher Anatom u. Chi«
rurg, geboren den 12. Mai 1768 in Edinburgh;
ftudirte daſelbſt Medicin und hielt bereits 1790
Vorlefungen in feinem eigenen anatomifhen Hör-
jaal, wodurd er ſich mancherlei Anfeindirugen
ausjegte. In feiner Schrift: Discourses on
the nature and cure of wounds, Edinburgh
1793, deutih von Leue, Leipzig 1798, gab er
lebrreiche Anfichten über die Heilung der Wunden
und empfahl namentlid das Terpentinöl beim
144
erften Grade der Verbrennungen. Weiter erfchier
nen von ihm: The anatomy of human body,
Fond. 1797, mit Fortiegung dur Charles B, u.
The principles of surgery, 3 Bde., 1809—183,
von Charles B. neu aufgelegt, 1816, u. vorzüg—⸗
liche anatemifche Kupferwerke: Engravings of the
bones, muscles and joints, Edinb. 1794 u. 1809;
of the Arteries, ebd. 1801, 4. Aufl., 1824; of
the brain and the nerves, ebd. 1803; of the
viscera, ebd. 1804. Nachdem er fein Lehramt
niedergelegt hatte, ftarb er auf einer italienischen
Meife 15. April 1820 in Rom. Seine Neife-
notizen find von feiner Frau unter dem Titel:
Observations on Italy, Edinb. 1825, herausge-
geben worden. 2) Andrew, engl. Pädagog, Bru—
der des Vor., geb. 1753 zu St. Andrews in Schott-
land; wurde Pfarrer au der biichöfl. Kirche zu Leith
u. ging daun nach St. George bei Madras in Jn-
dien, wo er 1789 Prediger u. zugleich Lehrer an
der Militär-Waifenfchule war; bier erfand er die
Methode des gegenfeitigen Unterrichtes u. verfuchte,
1795 nad) England zurüdgetehrt, aud hier Schu-
fen mit diefer Unterrichtsmethode zu gründen; ſ.
BellsYancafteriche Methode. Aber erft jeit 1807
unterftügte ihn die Negierung, weil er bie reli»
giöfen Anfichten der herrſchenden Kirche gegen den
Quäler Lancafter, deſſen ähnliches Unterrichts—
ſyſtem in London viel Anklang fand, vertheidigte,
u. vertraute ihm die Leitung mehrerer Armen«
ſchulen w. das Nectorat am Shernburnhofpital zu
Londoy an. Er ftarb 27. Jan, 1832 zu Chelten-
ham; fein in 120,000 Pf. St. beftehendes Ver—
mögen vermachte er verichiedenen Nationalinftitu-
ten. Er jr.: Experiment in education made
in the asylum of Madras, Lond. 1797; Ele
ments of tuition, ebd. 1812, 3 Bde., deutſch von
Tilgenfanp, als B-8 Schulmethode; Instruc-
tions for conducting schools through the agency
of the scholars themselves, 6. A., 1817; The
Wrongs of Children, 1819. 8) SirBenjamin,
in Edinburgh, Wundarzt am Royal Infirmary,
Mitglied des Irländiſchen Collegiums der Wund-
ärzte u. Mitglied der Königl. Geſellſchaft, Esq.;
hat zu Edinburgh ftudirt, ımter Alex. Monroe
namentlich fi) mit Anatomie beichäftigt, den Con—
tinent bereift u. auch längere Zeit in Paris ver
weilt. Das find merfwürdiger Weife jo ziemlich
die einzigen ficheren Lebensnotizen, die wir von
dem hodpberühmten Manne noch befisen. Ge—
burts- und Sterbejahr fehlen. Er ft. zu Anfang
unferes Jahrh. Folgendes find die Schriften dieſes
gelehrten Mannes, durch deren auf Gelehrfamleit
u. eigener großer Erfahrung beruhende Bear-
beitung er fi) ein hohes Berdienft um die Chi-
rurgie erworben bat: On the Theory and Mana-
gement of Ulcers, with a diss. on white swelling
of the joints, Edinb. 1778, verſchiedene Male
aufgelegt u. in bas Deutjche, Franzöfifche u. Spa«
niſche übertragen; A systeın of surgery, ebb.
1783—88, wie das vorige; A treatise on gonor-
rhoea virulenta and Lues venerea, ebd. 1793;
A treatise on the hydrocele, sarcocele, cancer
and other diseases of the testes, ebd. 1794.
Die beiden letzten find gleichfalls mehrfach auf-
gelegt u. überſetzt. Außerdem finden fich noch Hei-
nere Artilel in verjhiedenen medicinifchen Zeit-
Bell,
ungen 4) Charles (Sir Ch. B.), berühmter
Anatom, Phyfiolog und Chirurg, Bruder von
8. 1) und 2), geboren in der Nachbarſchaft
von Edinburgh im Herbfte 1781 (mn. U. 1774
oder 1778), Sohn des presbyterianischen Geift«
lihen John B.; befuchte bis 1798 die Hochſchule
feiner Baterftadt, ftudirte dann bafelbft unter Leit«
ung feines älteren Bruders Sohn, ging 1803
nach London, wo er zwei Jahre als Geburts«
belfer prafticirte, trieb dann vorzüglich Anatomie,
lehrte dieſe Miffenfchaft in Wilſons anatomiſch-
chirurgiſchem Theater, befam an der neu errichte-
ten Londoner Mniverfität die erfte Profefiur für
Phyſiologie u. Therapie (am 1. Oct. 1828) und
fehrte fpäter vergleichende Anatomie am College
of Surgeons. Wilhelm IV. erhob ihn 1833 in
den Nitterftand. Fiir feine anatomifhen Ent-
dedungen im Bereiche des Nervenipftems_ erhielt
er von der Royal Society eine Preismedaille, ca.
1000 Mark werth. 1836 verließ er London, wobei
ihm von feinen Gollegen eine koſtbare filberne
Vaſe verehrt wurde, und ging als Profeffor der
Chirurgie nach feiner Vaterftadt Edinburgh zurück.
Er mar Mitglied verichiedener Gelehrter Gefelle
ichaften u. ft. 28. April 1842 auf einer Bergnils-
gunasreife in Worcefterfhire. 1815 war er in den
Hofpitälern zu Brüffel außerordentlich thätig ger
wejen. B⸗s großes Berdienft um die neuere Ner-
venphpfiologie beiteht in der Aufftellung des nad)
ihm benannten Sages: die vorderen Wurzeln der
aus dem Nildenmarfe tretenden Nerven vermitteln
die Bewegung, die hinteren dagegen die Empfind-
ung; Ddieje leiten alfo nah dem Gehirne, jene
nah der Peripherie; e8 war fomit eine dop-
pelte Leitungsrichtung in den Nerven nachgewieſen.
Als Chirurg folgte er im Großen u. Ganzen dem
Grundſätzen feines Bruders John, wich aber doch
in Einzelnheiten ab; er hatte den Ruf eines ge-
ihidten Operateurs. Bon feinen Schriften find zu
erwähnen: System of dissecetions, Edinb, 1798,
das noch vor der Aufnahme in das Edinburgher
College of Surgeons herausgeg. wurde und das
neben der Zergliederungsfunft zugleich auch patho-
logiih-anatomifche Berhältniffe berückſichtigt; es
— vier Auflagen und verſchiedene Über—
ſetzungen; The anatomy of the human body,
4 Bde., Edinb. 1802, als Fortfegung des von
John B. begonnenen Werkes, der nur den 1.—2.
Theil vollendete, ebenfalls verſchiedene Male auf—
gelegt; mit 3. B. gab er aud) Anatomy of tlıe
rain, ebd. 1802, heraus; Engravings of the
arteries, Yond. 1801, u. A series of engravings
explaining the course of the nerves, ebd. 1804;
Essay on the anatomy of expression in pain-
ting, ebd. 1805, auch in einer neuen Ausgabe
unter dem Xitel: Essay on the anatomy and
philosophy for expression (1824); A system of
operative surgery, founded on the basis of ana-
tomy, Lond. 1807 (2. Bd., 1809) u. 1814, in
das Deutſche, Italieniſche und Franzöfiiche über«
jet; Idea of a new anatomy of the brain, 1809,
enthält die erften Nachrichten iiber das vorher er-
wähnte Nervengefeß; A treatise on the diseases
of the urethra, vesica urinaria, prostata and
rectum, ebd. 1811, 1820 eine neue Ausgabe mit
fritiihen Bemerlungen; Engravings from spe-
Bell.
145
eimens of morbid parts etc., ebd. 1813; Disser- Krieges, u. die Marmorftatue, Bewaffnete Wiffen
tation on gun-shot wounds, ebd. 1814; Surgi-|fchaft, zu Wolwich. Unter feinen öffentlichen Werten
cal observations, 5. Heft, ebd. 1816—18; Illu-
strations of the great operations of surgery,
trepan, hernia, amputation ete., ebd. 1821; Ob-
find nennenswerth: das Denkmal der Garden auf
dem Waterlooplage zu london u. das Monument
der Krimartillerie auf der Parade zu Woolwich.
servations on the injuries of the spine and of Au dem großen Denkmal des Prinzen Gemabt
the thigh bone, ebd. 1824, Streitichrift gegen
U. Cooper ; An exposition of the natural system
of the nerves of the human body, ebd. 1824;
Appendix to the papers on the nerves, ebd.
1827, und endlich bie prächtige Arbeit über die
— The hand, its mechanism,and vital en-
owments as evincing design, ebd. 1834, überf.
von Hauff, Stuttg. 1836. Außerdem gab er no
beraus: John B-s prineiples of surgery, Yond.
1826, u. veröffentlichte eine Menge in den einzel»
nen wiſſenſchaftlichen Zeitungen zerſtreute Ab»
bandlungen u. Beobachtungen. 5) Thomas, brit.
Boolog, geb. 11. Dct. 1792 zu Poole in Dorfet-
ſhire; ftudirte im London Medicin, wurde 1815
Mitglied des Royal College of Surgeons u. hielt
medicinishe Borlefungen in Guys Hofpital, na—
mentlih über Zahnkranfheiten; 1832 wurde ihm
der Lehrſtuhl für Zoologie am Kings-College in
London übertragen. Außer zablreihen Abhand-
fungen in den Philosophicaf Transactions und
den Memoiren der Linnean-Soeiety, deren Prä-
fident er bis 1861 war, ſchrieb er: Monograph
of the testudinata, Yond. 1836; Natural history
of the British quadrupeds, ebd. 1837; Natural
history of British reptiles, ebd. 1839; History
of the British stalk-eyed 'crustacea, ebd. 1853;
auch beforgte er eine neue Ausgabe von Whites
Natural history and antiquities of Selborne,
ebd. 1862. 6) John, hochgeachteter Politifer der
nordamerifan. Union, geb. 18. Febr. 1797 zu
Naſhville; ftudirte die Hedite, ward Advocat und
Senator feines Ortes, 14 Jahre lang Repräfen-
tant in Waſhington, trat infolge langer Strei-
tigleiten von der demokratischen zur Wighpartei
er, ftimmte für Abſchaffung der Sklaverei, ward
(1841) unter Harrifon Minifter, dankte aber unter
Zylor ab, lebte bis 1847 als Privatmann, trat
aber dann wieder in den Bundesjenat u. ward
bon einer Partei als Bundespräfident aufgeftellt,
unterlag aber gegen Lincoln. Während des Krie-
ges ſprach fih B. für den Süden aus, that aber
Richts. Er ft. 11. Sept. 1869. 7) John, her-
borragender engl. Bildhauer, geb. 1811 in Nor—
folf; machte ſich zuerft durch die Ausftellung einer
religiöjen Gruppe in der Königl. Alademie zu Lon-
don 1832 einen Namen; dieler ließ er folgen:
Mädchen am Graben; Pſyche von Zephyren ge-
tragen; Pigche einen Schwan fütternd, u. Johannes
der Täufer. Allgemeines Aufjehen erregte 1837
die auch in der Weltausftellung ausgeftellte herr—
Iihe Gruppe: Der Adlertödter, von der vielfache
Heine Bronceabgüffe eriftiren. Für das neue
Barlamentögebäude ſchuf B. die Statuen von Lord
Faltland u. Sir Nobert Walpole. Unter feinen
übrigen Werten, melde meift der poetiſchen
KHafle angehören, find zu erwähnen: Kinder im
Walde, eine Antromeda (Bronce), eines der Haupt-
füde der Weltausjtellung von 1851. B. führte
ferner das — — in Guildhall
aus, mit Koloffalfiguren des Friedens und des
Pierers Univerjal-Converjations-?erifon. 6. Aufl. IIL Band.
im Hydeparf hat er die marmorne Koloffalgruppe
auf dem nordweſtl. Winkel der Bafıs: Die Ver:
einigten Staaten leiten den Fortfchritt Amerikas,
ausgeführt. B., der ein Buch über das freie Hand-
zeichnen (1852) fchrieb, ift ferner der Autor von
The four primary sensations of the mind, Fon»
don 1852, u. Ivan III, or: a Day and Night
in Russia, Drama in 5 Acten, Yondon 1855.
8) Robert, engl. Schriftfteller, geb. 10. Jan.
1800 zu Cork in Jrland; wandte fi, nachdem
er kurze Zeit in der Berwaltung thätig geweſen
war, Itterarifchen Beftrebungen zu u. wurde Her-
ausgeber des wieder ernenerten Dublin Jnauifiter
in Dublin, Von dort fiedelte er bald nad London
über, wo er die Hedaction des Atlas, eines theils
Politik, theils Schöne Literatur enthaltenden Jour—
nals übernahm, jeit 1840 das Mounthly Magazine
mit Bulwer u. Lardner berausgab, zuletzt bis zu
ſeinem Tode (10. April 1867) Leiter der Home
News war, Ausgezeichnet durch elegante u. flüſ—
ige Darftellung, war B. neben feiner journalifti-
Ihen Thätigkeit aud in größeren Werten litera-
rich ungemein "fruchtbar: in Lardners Encyklo—
pädie als Verfaſſer einer History of Russia,
3 Bde., Yond. 1836), von Lives of the English
Dramatists, 1837, 2 Bde.; Lives of the English
Poets, 1839, 2 Bde.; ferner der felbftändigen
hiſtoriſchen Werfe: Onutlines of China, 1845;
Life of G. Canning, 1846; Memorials of eivil
War, 1847, 2 Bde; Wayside Pictures through
France, Belgium and Holland, 1849; als Her-
aasgeber von Fairfax Gorrespondence, 1849;
der Songs from the Dramatists, 1855; der An-
notated edition of the British Poets, 1870, 29
Bde. ; Early Ballads, 1856; Golden Leaves, 1863;
Poetical Works of Butler, 1867, u. als ortjeter
von Sontheys Naval History of England und
Malintoſhs History of England. Auch als dra-
matijcher Dichter war er nicht ohne Erfolg; Dramen:
The double Disguise, Comic Lectures, 1826;
Marriage, 1842; Mothers and Daughters, 1848,
u. Temper, 1849, von denen namentlich die leteren
jehr günftig aufgenommen wurden. 9) Wil»
liam Abraham, junger englifcher Arzt, der ſich
dur eine im ihrer Art einzige Entdedungsreiie
im J. 1867 durd bis lange unerforjchte Länder-
ftreden NAmerilas einen Namen erwarb, Zwi—
ſchen Fort Wallace in WKanſas u. Santa + FE in
Neu-Merico u. an der mericanischen Örenze ent-
(ang, wo der Arizona und der Sonora fi ver-
einigen, Tiegen ungeheure Diftricte, welche bislang
nur den Suberfudern (Silver-miners) und aud)
diefen nur im ganz geringem Grade befannt
waren. 1867 fandte die Kanjas-Pacific-Eifenbahn-
gejellichaft eine Erpedition aus, unter der Führ—
ung des Generals W. J. Palmer, zu dem Zwecke,
den Weg für eine füdliche Bahnftrede nad der
Pacificküfte dur Kanjas, Colorado, Neu-Merico,
Arizona u, dem ſüdlichen Theil Californiens auf-
zufinden. Diefer Erpebition durfte ſich B., der
10
Bella —
joeben feine medicinifchen und naturmiffenjchaft«
lichen Studien an der Umiverfität Cambridge voll-
endet hatte, auf hohe Fürſprache Hin als Photo-
graph anschließen, obgleich er von der Kunſt eines
jolhen nichts verfiand. DB. begamı jeine Reife
von St. Louis u. durchwanderte nah ©. u. W.
bin eine Strede von etwa 8000 km, bis zum
28, Breitengrade. Sein Weg ging zwijchen den
Thälern u. Zuflüffen des Rio-Grande u. Colo-
rado, durch die wilden Bergpäffe zwiichen beiden
und hauptjächlich Durch die Territorien der Chey-
ennes, Navajos, Apaches, Pureblos und anderer
Indianerftämme, ſowie dur Neu-Merico u. a,
Diftricte, wo ſich zahllofe, höchſt bemerlenswerthe
Ueberrefte der aztefiihen Civilifation vorfinden.
Im Winter lehrte B. durch Nebrasfa, Utah und
Nevada zurüd. Mediciner y. Botaniker, als er
feine Neifen begann, n.d B. während derjelben
zum Alterthumsforfcher, u. er macht uns in feinem
Wteifeberihte New Tracks in North America
Lond. 1869, 2. Aufl., 1870) mit einer Vegetation
u. einem Bolfe befannt, von denen man bislang
nur die allergeringfte Keuntniß hatte, nämlich der
‚ylora der Coloradowüſte u. den nördlichen Azte—
ien von Neu-Merico u. Chihuahua. Neben der
Erzählung feiner zahlreichen u. intereffanten Aben-
teuer gibt er noch eine Fülle der lehrreichiten
Skizzen über die phufiihe Geographie, Geologie
u, Erhnologie der meitlihen Staaten und ihrer
wilden Eingeborenen, ſowie höchſt ſchätzenswerthe
Andeutungen über die in jenen Gegenden ſich er—
öffnenden commerciellen Ausſichten. B. vervoll—
ſtändigte feine Mittheilungen noch durch Special«
abhandlungen, 3. B. On the basin of the Colo-
rado and the great basin of the North- Ame-
riea (im Journal der Geographiſchen Gejellichaft
zu london, 1869); On the native races of New-
Mexico (im Journal der Londoner Etbnologischen
Bejellichaft, 1861) u. namentlich: A paper on the
eolonies of Colorado in their relations to Eng-
lish enterprise and settlement, in General Pal-
mers Buch: The Westward Current of Popula-
tion in the United States, Fond. 1874, 2 Bde.
B. ſchrieb ferner: Wonderful adventures ....
among the native tribes of America, Yond., Par.,
New-Yort 1872, u. Michel's Process for rcmoving
external tumors, Yond. 1871.
1) 3) 4) Thambayn. 6) Fr. Körner. 7) 9) Bartling.
Bella (ital.), Schöne u. Borname,
Bella, Fleden im Diftrict Melfi der italien.
Prov. Potenza (Baftlicata); 5395 Ew. Im J.
1857 furdtbares Erdbeben.
Bella, Stefano della, Zeichner und Kupfer-
äter, geb. 1610 zu Florenz; lam zu einem Gold»
arbeiter in die Lehre, copirte aber lieber Stiche
von Jacques Gallot, die er täuſchend nachahmte.
Er pflegte beim Zeichnen feiner Figuren unten
anzufangen, machte aber trotdem feine Zeichnungs—⸗
verftöße. Förmlichen Kunftunterricht erhielt er von
Bannı u. Santa Gallina. Cardinal Richelieu berief
ihn nach Frankreich, wo der Hof ihm zahlreiche
Aufträge gab. Gegen das Ende jeines Lebens
fehrte er nach Florenz zurüd und ftarb dort als
Zeichnungsiehrer Cosmos II. 12. Juli 1664,
146
Bellange.
Schlachten, Landſchaften, Thiere und Ornamente
mit gleichem Verſtäudniß. Namentlich befannt find
feine Anfichten vom Pont-nenf in Paris. Regnet.
Bellac, Hauptii. des gleichnam. Arr. im franz.
Dep. Ober-Bienne, am Bingon; Gericht 1. In—-
ftanz; Tuch-, Deden-, Flanelle, Yeinwand-, Hut⸗,
Handſchuh⸗, Steihhölzerfabr., Gerberei, Gießerei,
Fabr. von landwirthſchaftl. Maſchinen; Bieh-,
Holz», Wein-, Korn⸗ u. Kaſtanienhandel; 3398 Em,
Bellndonna, j. Atropa.
DBelladonnalilie, j. Amaryllis,
Bellapgio, Städtchen im Diftrict und im der
ital, Provinz Como, reizend am Gomer-Sce ge
legen, auf der Landzunge, welche den See in die
Buchten von Como u. Lecco trenut; 2745 Em.
Dan befucht von B. aus die Billen Melzi, Ser-
bellont u. Sommariva od. Carlotta.
DBellamy, Jakob, holländ. Dichter, geb.
12. Nov, 1757 zu Bliffingen; follte anfangs Bäder
werden, einige Gönner aber, die auf fein Talent
aufmerkiam geworden, ließen ihm eine beffere
Erziehung geben und fchidten ibn dann zum
Studium nad Utrebt. Dort fi. er 11. März
1786, ehe er noch eine veformirte Predigerftelle
antreten fonnte, Anonym erjchienen von ihm:
Gezangen mijner jeugd, 1782, 2. Aufl., 1790,
Größere Aufmerkſamkeit ervegten die pfendonymen
Vaderlandsche Gezangen van Zelandus, 1785.
Unter feinem Namen folgtendanı 1785: Gezangen.
Seine ganze poetifhe Hinterlaſſenſchaft, Alle de
Gedichten, erſchien in einem Bande 1816 u, 1842,
Zeine Roosje ftand zuerft in den Proeven voor
het verstand, den smak en het hart, ltr, 1784;
Twoe nagelatene leerredenen (Predigten); gab
v, Kuipers, Bliff., 1790 heraus. B. hatte bei
jeinen Zeitgenoffen großen Auf, u. was ihm fo
viel Bewunderung verjchaffte, war, daß, im Gegen-
jate zu feinen unmittelbaren Vorgängern, feine
Poeſie aus dem Herzen kam. Wol feidet auch er
an dem Gebrechen feiner Zeit, einer kraufhaften
Empfindiamfeit, mitunter wird er bombaftifch, doch
zeigt er anderwärts wirkliches Dichterfeuer und
wahres Gefühl, u. wenigftens hat er das Beftreben,
einfach u. natürlich zu fein. Am befanntejten ift
jeine rührend einfache Erzählung: Roosje, deutſch
von Zanfen, Emm. 1834. Bgl. Oderfe u. Kleyn,
Gedenkzuil op het graf van J. B., Haarl. 1822.
Bellange, Hippolyte, franz. Schlachten.
maler, geb. 16. Jan. 1800 in Paris; Schiller
von Gros, ſchloß fih dann der Richtung Horace
Vernets an u. malte meift Bilder Napoleonifcher
Schladten. Sein erftes Bild, die Eroberung der
Heboute an der Mostwa, fand jehr günftige Auf-
nahme. Das eigentlich Hiftorijhe war micht fein
Fach; feinen Bildern fehlt meift ein einfacher
Mittelpunkt, fie find mehr allgemein mit Epifoden
— Überſichten des ganzen Schlachifeldes.
aneben vertritt B. noch eine zweite, mehr genre—
bafte Richtung, in der ibm Charlet Vorbild war:
er zeigt das Kleinleben des Soldatenftandes, die
menschliche Seite des militärifchen Treibens theils
vom gemüthlihen, theil$ vom humoriſtiſchen Ge»
fihtspunfte, zumeilen auch Scenen aus dem Bolls-
leben. Zur erfteren Gattung gehören u.a.: Die
Seinen Sticyel führte er mit größter Freiheit u.|Schladht bei Wagram, im Muſeum zu Berfailles,
Feinheit, und er behandelte hiftorijche Motive,!Die Begegnung Napoleons mit dem Marjchall
Bellano — Bellegarde.
Lannes, Die Erſtürmung des Somma -Sierra«,
vaſſes, Die Schlacht bei Landsberg, Kellermanns |
Gavaferie-Angriff bei Marengo, Napoleons Rüd-
fchr aus Elba, Die Schlacht bei Fleurus, die
Scene aus der Schlacht bei Friedland, Die Er-
fürmung des Laure 1830, Die Eroberung der
Smalah Abd el Kaders, Die Schlacht an der Alma,
Der Übergang liber den Mincio, die Epifode aus
der Schladht von Magenta; zur zweiten Gattung :
Der Abihied des Rekruten von feiner Familie,
Epifode ans der Belagerung von Sebaftopol u. a.
B. fl. am 10. April 1866 in Paris. Negnet.
Bellaäno, Marktfleden in der ital. Provinz
Come, am Comer⸗See; Wafferfall der Pioverna;
Tuch⸗, Seiden⸗, Bapier- u. Wacdsterzenfabrifation ;
3005 Ew.; in der Näbe viele Landhäufer.
Bellari, 1) Diftrict der indo-britischen Präfi-
dentihaft Madras, nörblih von Myſore; 33,900
km; 1,653,154 Ew., verichiedener Kaften, mit
Zelugu- u, canarefiiher Sprade. Das Yand ift
ein trodenes Hochland, bemwäfjert vom Tumbudda;
jeit 1800 britiſch. 2) Hauptftadt darin, an einem
Zweige der Bombay-Madras-Eifenbahn; bedeuten-
der Waffenplatz der Engländer; proteftantiichen
Kirhe, Miifionsanftalten mit Schulen und Bibel»
geſellſchaft; zwei Forts mit Kafernen, Zeughaus;
30,420 Ew. In der Umgegend die Nuinen von
Bisnagur und viele Dolmen, die ganz den euro—
paiſchen gleichen. 2
Bellarmin, Robert, gelehrter Jefuit u. meit-
gehender Berfechter des Papftthums, geb, 4. Oct.
1542 zu Monte Pulciano; wurde 1560 in Rom
Jeſnit, lehrte 1563 Humaniora in Florenz umd
1564 Rhetorif zu Mondovi, ftudirte feit 1567 in
Padua Theologie u. wurde 1569 Lehrer der Theo-
logie zu Löwen; 1576 kehrte er nad) Rom zurück,
wurde 1592 Rector des Collegium romanum, feit
1590 zu wichtigen firdhenpolitiihen Sendungen
verwendet, 1595 Provincial in Neapel, 1597 Rath
bei der Inquiſition u. Eraminator der Biſchöfe
u, 1599 Cardinal; Papſt Clemens VILL ernannte
u. weibte ihn 1602 zum Erzbifhof von Capua;
1605 ging er wieder nad Rom u. ft. dajelbt 1621.
Bei der Wahl Peos XI. u. Pauls V. ſollte er
Bapft werden, wurde aber, weil man die wach—
ſeude Macht des Jeſuitenordens fürdhtete, nicht
gewählt. Er ſchr. n.a.: De potestate pontificis
in temporalibus, Rom 1610; Disputationes de
controversiis fidei adversus hujus temporis
haeretieos, Rom 1561—92, Ingolſt. 1586—92,
3 Bre., Fol., u. A., Mainz 1842, deuticd) von Gum:
poih, Augsb. 1842; dagegen: Martin Chemnik,
Examen concilii Trident,, Gerbards Bellarminus
orthodoxias testis, Jena 1631 —33, 3 Bde.;
Christianae doctrinae applicatio, Rom 1608 u.ö.;
jeim faſt in alle Sprachen überiegter Katechismus,
deutih von Krawutzky, Breslau 1872; Aſlet.
Sr. vom Hercher, Paderb. 1868— 73, 6 Be.
Berte, Köln 1619, 7 Bde., Fol., Ben. 1721, 5 Bde,
Sein Leben bejchrieb Fuligatti (nah B⸗s Selbit-
biegraphie), italienifh, Rom 1624. DB. zeichnet
fh aus durch die Klarheit, Schärfe u. Eleganz
feiner theol. Polemik, wie durch die Objectivität
feiner Auffaſſung, ebenfo des Katholicismus, als,
joweit es ihm möglih ift, des Proteſtantismus.
147
Paolo Sarpi) vertritt er die äußerfte Ausdehnung
päpftliher Macht. Löffler.”
Bellas, Stadt im Diſtr. Santarem der ehe—
maligen portugiefiihen Provinz Cftremadura;
Ihönes Schloß; Mineralguellen; 4000 Einw.
Hier fängt die Wafferleitung von Alcantara (für
Yiffabon) an.
Bellatrir, Stern zweiter Größe an der weſtl.
Schulter des Orion,
Bellay, Joachim du B., franz. u. neulat.
Dichter, geb. 1524 zu Pire, von vornehmer Ab-
funft; ging infolge einer fchweren Krankheit
gegen 1552 nad) Italien als Inteudant u. Secre«
tär, fehrte danıı nach Frankreich zurüd u. wurde
Canonicus an Notre-Dame zu Paris; er ftarb
1. Jan. 1560 bafelbft. Seit 1547 hatte er enge
Freundſchaſt mit Ronſard geichloffen u. ift neben
ihm der hervorragendfte in dem poetiichen Sieben-
geftien Fraukreichs (ſ. d. Art. Pleiade). Er jchr,
u. a.: Recueil de poésies, 1549; Defense et
illustr. de la langue frangaise, 1549; Epi-
grammata amores elegiae, 1558. Seine latein.
Gedichte vollftändig in: Gruters, Deliciae poeta-
rum gallorum, Par. 1609; feine franz. Werke,
1584, zulegt von Marty Yaveaur, 1867. Bgl.
G. Plötz, Etude sur J. du B., Berlin 1874.
Belle (Bellenbaum), jo v. w. Bappel, befon-
ders die weiße Bappel.
Belle-Alliance, ein Geböft im Bezirke Nivelles
in 2er beig. Prov. SBrabant, fonft Tri-Motteau,
jeit 1760 B.A. genannt, etwa 20 km ven Briffel
entfernt, zwiſchen Waterloo u. Jemappe, am Wege
nah Eharleroi. Nach ihm benennen die Preußen
die große Schlacht von 18. Juni 1815, in welcher
die Engländer (melde fie Schlacht bei Waterloo
nennen), Niederländer u. Preußen unter Welling-
ton u. Blücher die Franzoſen (welche fie Schlacht
von Mont St. Jean nennen) unter Napeleon
enticheidend jchlugen (ſ. u. Waterloo).
Belleau, Remi, franz. Dichter, geb. 1528 zu
Kogent-le-Notroun; ft. 6. März 1677 zu Paris;
einer von dem poetischen Siebengeftirn Frankreichs
(f. d. Art. Pleiade). Seine gefammelten Werte,
Rouen 1604, 2 Bde. Außer Heineren Gedichten,
welche als Bergerie 1572 erfchienen, ift fein Haupt»
wert: Amours et nouveaux eschanges des pier-
res precieuses, Paris 1576, das einzige, defien
Ronfard erwähnt. Bgl. Les poetes frang. jusqu'a
Malherbe, Bar. 1824, 4. Bd. 228—68,
Bellechaſſe, County im ſüdl. Theil der cana—
diſchen Prov. u. des Diſtr. Duebed, am St. Yorenz-
from; zerfällt in einen nördlichen (12,117 Ew.)
u. einen füdlihen Theil (5520 Ew.); Hauptitadt:
Berthier⸗en⸗bas.
Belle⸗Fontaine, 1) Markiflecken im Arr.
St. Claude des franz. Jura-Depart., an einen
Heinen See; Papiermühle, Berfertigung von
Uhren u. Nägeln; 700 Ew. 2) Dorf im Arr.
Nemiremont des franz. Dep. Bogejen; Kohlen-
werte, Eijenhämmer, Steinbrüde, Baunmmollen-
weberei; 2133 Ew. 8) Stabt im nordamerif.
Unionsftaate Obio, unter 40° 21’ n. Br. u. 83% 40°
w. 2., an der Bereinigung zweier Eijenbahnen;
3182 Ew.; Countyfig des Yogan County.
Bellegarde, 1) Ort im Arr. Nantua des
Mehrfach (fo gegen Jakob I., gegen Venedig u.Ifranz. Dep. Yin, an ber Eponer-Bahı u. am
. 10
148
Einfluß der Balferine in die Rhöne, wo letterer
Strom 225 km weit zwifchen Felſen eingeengt ift
u. früher ganz verſchwunden war (Perte du Rhöne);
Wafferfall der Balferine u. ſchöner Biaduct über
diefelbe, 2) Kleine Feftung im Arr. Ceret des
franzöf. Depart. Oßyrenäen, an der Grenze
Spaniens; vertheidigt die Straße über den Col
de Pertuis. B. wurde 1793 von den Spaniern
unter Ricardos erobert u. im Gept. 1794 von
den Franzoſen zurüderobert. 3) Gemeinde im Arr.
Aubufjon des franz. Dep. Ereuje, an der Orleans-
Bahn ; Handel mit Leinwand, Leder u. Pferden;
v88 Ew. B. war ehemals befeftigt u. Haupt«
ort der Landſchaft ranc-Aleu. 4) (Deutih Zaun)
Das höchſte Dorf im fchmweizer Kanton. Freiburg,
im gleichnamigen fruchtbaren Thal der Monne
oder Jaun.
Bellegarde, uriprünglich franzöfifche, dann nach
Savoyen ausgewanderte Familie, wo fie 1628 bie
Zitel Marquis des Marches u. Comte D’Autremont
erhielt; feit 1741 erlangte fie das Incolat in
Böhmen, Mähren und Schlefien und wurde in
den Grafenftand erhoben. Mertwürdig: 1) Graf
Heinrih von B., geb. 28. Auguft 1756 zu
Ehambery; trat frühzeitig in kurſächſiſche, dann
im öfterreichiiche Kriegsdienfte, nahm theil an dem
Feldzuge 1793—95, wurde 1796 Feldmarſchall—
lteutenant, fämpfte 1799 in Tirol u. der Schweiz,
von wo er den franzöj. General Lecourbe ab»
drängte, u. führte dann jein Corps nad) Italien, wo
er am 20. Juni bei Giuliano unmeit Aleffandria
gefchlagen wurde; 1800 war er Chef des Ge-
neralftabes in Ftalien u. wurde General der Ga-
valerie, trat 1801 in den Hoffriegsrarh, deſſen
Präfident er 1805 nad) dem Wustritte des Erz-
berzogs Karl wurde. Im Juli d. 3. murde er
Seneralgouverneur der Benetianiihen Staaten u.
fämpfte gegen die Franzoſen unter Mafjena, 1806
Generalgouverneur von Galizien u. Feldmarſchall,
1808 Oberhofmeiſter des Thronfolgers, 1809
Befehlshaber des 1. Armeecorps, welches von
Böhmen aus auf dem linken Donanufer agirte.
In den Schladten von Aſpern u. Wagram fämpfte
er als Führer defjelben Corps mit, ging na
dem Abjchluffe des Wiener Friedens (14. Okt.
1809) zum zweiten Mai als Generalgouverneur
nah Galizien u. blieb dort bis zu den Kriegs«
ereigniffen 1813, in welchem Fahre er zur ita-
lienischen Armee abging, um den Bicelönig Eugen
zu befämpfen; dur geſchickte Unterhandlungen
bewirkte er den Abfall Murats von Napoleon.
Rad) dem Pariſer Frieden war er wieder General-
gouderneur der öfterreichiichen Länder in Italien
mit Hauptquartier in Mailand; 1815 fchlug er
den König von Neapel bei Ferrara u. an der
Brüde von Bell’ Occhio, zerftrente in der Schlacht
von Tolentino das neapolitaniſche Heer, murde
nah Schwarzenbergs Erfranfen wieder Präfident
des Hoffriegsrathes, zog fi aber 1825 wegen
eines Augenübels von den Kriegsgeihäften zurüd;
er fi. 22. Juli 1845. 2) Graf Friedr. Auguft,
Sohn des Bor., geb. 1826, f,f, Kämmerer, Geh,
Rath, Feldinarihalllieutenant ı. bis März 1874
erfter Generaladjutant des Kaifers.
Bellegarde — Belleme.
Belle⸗JIsle, 1) (B. en-Der) Inſel im Arr.
Orient des franz. Dep. Morbiban; 220 [km
(4 [_|M); 9870 Em.; ift fruchtbar; Sardellenfang,
Borfalzichlemmerei, Handel uud Landwirtbichait.
Palais, befeftigter Hauptort derfelben, mit Hafen,
Rhede, Citadelle, Leuchtfeuer; Fiſcherei; 4850 E.
Die Inſel gehörte im 9. Jahrh. dem Grafen von
Eornouailles, fam dann an die Abteien Redon ır.
Quimperlé, von letterer im 16. Jahrh. an König
Karl IX. von Frankreich. Der König verlieh fie
dent Marjchall von Reg; 1658 faufte fie Fouquet;
deffen Enlel, der Marſchall B., vertaufchte fie 1718
gegen die Grafſchaft Giſors an Ludwig XV. Bei
B. 1759 glüdlihe Seeſchlacht der Briten gegen
die Franzejen. 2) (B.-en-Terre) Stadt im Arr.
Guingamp des franz. Dep. Edtes du Nord; Hoc-
ofen, Eifenhämmer, Papierfabrit, Gerberei; 1876
Ew. 3) Eine zum brit. NAmerifa gebörige
Inſel im Atlantiihen Ocean, an der Mündung
der Straße von B., zwilchen Labrador und der
nörblihen Spige von Neu zundland; Wachtpoſten
für Sciffbrüdige an der gleihnam. Straße, einem
der Ausflüffe des St.Lorenz-Golfes zwiſchen dei
Küften von Labrador u. Neu-Fundland.
Belle⸗Isle, 1) Charles Louis Augufte
aa a Eomte de B., Pair u. Marihall von
Frankreich, geb. 22. Sept. 1684 zu Billefrande;
zeichnete fi in den franz. Kriegen in Ftalien, bei.
1706 bei Turin aus; ftand 1707 in Flandern,
ward 1708 vor Lille verwundet u. nach dem Frieden
Gouverneur von Hüningen. Nad dem Span.
Erbfolgefriege ließ ihm der Herzog von Orleans
in die Baftille bringen; im Freiheit gefetst, kam er,
bei. unter Fleury, wieder in Anjeben, wurde 1732
Senerallieutenant, 1733 Gouverneur von Met,
zeichnete ſich 1733 im Kriege wegen der polmjchen
Königswahl aus u. trug viel zu dem vortheil-
haften Frieden 1735 bei. Marichall geworden,
bewog er den Cardinal Fleury zum Kriege gegen
Ofterreich; er befehligte 1741 das franzöfiiche Heer
in Deutſchland, nahm Prag, hielt fi) dort mit
dem Herzog von Broglie tapfer gegen die Oſter—
reicher, warb von Maillebois einen Augenblid
hlentjetst, nach deffen Abzuge aber um fo enger ein»
geichloffen, z09 fih endlih im Dec. 1742 von
Aus nad Eger zurild u. rettete das Heer (. u.
fterreihticher Erbfolgefrieg). Kaifer Karl VII.
erhob ihn zum Neichsfürften. Er ward im Dec.
1744 auf einer Fncognitoreife zu Elbingerode von
einem hannoverifchen Amtmanne erfannt, gefangen,
nah England gebradt u. erft 1745 wieder aus⸗
gelöft. 1746 commanbdirte er in Stalien, wurde
1749 Pair u. 1757 Kriegsminifter u. verſuchte im
Tjährigen Kriege umfonft Ludwig XV. auf die
Seite Preußens zu bringen. Er ft. 26. Jan. 1761.
2) Louis Charles Armand Fouquet, ge—
mwöhnlih Chevalier B., Bruder des Bor., geb.
1693 zu Agde; begleitete feinen Bruder faft im
allen Feldzügen u. blieb 45. Juli 1747 bei Erilles
auf dem Feldzuge gegen Piemont.
Bellelay, ſonſt Prämonftratenferfiofter (ge=-
ftiftet 1171) im Jura des ſchweiz. Kantons Bern ;
wurde durch Napoleon aufgehoben und ift jetzt
verfallen; berühmter Käſe, 5— 74 kg ſchwer, Tete
Belleghem, Dorf bei Eourtray (Belgien); Azur-|du moine genannt,
blaufabrif, Flachs- u. Leinwandhandel; 3400 Ew,
Belldme, Stadt im Arr, Mortagne des franz,
Bellenz — Bellerophon.
Dep. Orne, am gleihnam. Walde; Hoipital, Ger
fängniß; Steinbrüche ; Glashütte, Kallöfen; Märkte;
3199 Em.; in der Nähe bedeutender Dolmen n.
römische Alterthlimer.
Bellenz, jo v. w. Bellinzona.
Bellermann, 1) Jobann JZoahim, Theolog
u. Philoſoph, geb.23. Sept. 1754 zu Erfurt; ftudirte
daf.u.in Göttingen, übernahm 1778 eine Hauslehrer-
ftelle in Eſthland, befuchte Petersburg, habilitirte ſich
1782 als Privatdocentin Erfurt, wurde 1784 zugleich
Profefior am Gymnafium u. 1790 Profeflor der
Theologie, 1804 Director des Gymnafiums zum
Grauen Klofter in Berlin, fpäter Profeſſor der
Theologie an der Univerfität u. 1819 Confiftorial«
rath; 1828 legte er feine Directorftelle nieder;
f. 25. Oct. 1842. Er ſchr.: Handbuch der bibli-
ſchen Fiteratur, Erf. 1787—95, 4 Thle., n. Aufl.,
1796; Bemerkungen über Rußland, ebd. 1788,
2 Thle.; Erflärung der puniichen Gtellen im
Plautus, Berl. 1806—8, 3 Brogr.; Über phöni-
fie u. puniſche Münzen, 1812—16, 4 Progr.;
Bibliſche Archäologie, Erf. 1812; Verſuch über die
Metril der Hebräer, Berl.1813; Über die Gemmen
nit dem Abrarasbilde, ebd. 1817—19, 3 Progr.;
Uber die Scarabäengemmen, ebd. 1820 f., 2 Progr.;
Geſchichtliche Nachricht über Eſſäer u. Therapeuten,
ebd. 1821; Urim und Thumim, ebd. 1824; gab
beraus: 1802 den Cornelius Nepos, 1803 den
Terentins u.den Phädrus, 1806 die Reden Ciceros,
als Schulausgaben ; von ihm ferner: Der Theo-
log, Erf. 1803— 18, 8 Thle.; Überficht der Fort-
küritte in den fpeculativen und pofitiven Wiſſen—
ihaften, ebd. 1801 fi, 7 Bde. 2) Chriftian
Friedrih, Sohn des Bor, Theolog und mo—
derner Bhilofog, geb. 8. Juli 1793 zu Erfurt;
machte die ar üge von 1818 u. 14 mit, ftudirte
vor» u. nachher Fiese, war 1818—25 Prediger
der evangeliichen Gemeinde zu Liffabon, 1827—35
der deutfch"frangöf. Gemeinde in Neapel, bis 1858
Parrer an St. Paul in Berlin, worauf er in
Ruheſtand trat u. erft in Halle, dann in Bonn
lebte, wo er 24. März 1863 ſtarb. Er ſchr.: Die
Katalomben zu Neapel, Hanıb. 1839; Die alten
Gederbüher der Portugieſen, Verl. 1840; Inhalt
und Berfaffer der Heiligen Schrift, ebd. 1849;
Über die reactionären Beitrebungen in ber Evang.-
Unirten Kirche, ebd. 1850; Erinnerungen aus
SEuropa, ebd. 1851; er gab aud den Märker
Boten für den Guftan-Adolf-Berein heraus; ferner
gab er heraus: Portugiefiiche Volfstiedern. Roman-
zen, mit deutfcher Üderfegung und Anmerkungen,
?p3. 1864. 8) Johann Friedrich, Bruder des
Vot., antifer Philolog, geb. 8. März 1795 zu
Erfurt; ſtudirte Theologie und Philologie, wurde
1819 Lehrer, 1825 Profeſſor und 1847—67
Director am Gymnafinm zum Grauen Kloſter
in Berfin; fl. 5. (Februar 1874. Er ſchr. u. a.:
Die Hymnen des Dionyfios u. Meiomedes, Berl.
1840; Anonymi seriptio de musica‘, Bacchii
senioris introductio artis musicae, ebd. 1841;
Die Tonleitern u. Mufilnoten der Griechen, ebd.
1847; gab Heraus: Sopholles, König Odipus,
ebd. 1857, u. Heinere Abhandlungen. 4) Fer—
dinand, deutſcher Landjchaftsmaler, geb. 1814
zu Erfurt; war im feiner Jugend Scafhirt, ging
1828 nad Weimar, um Porzellanmaler zu wer
149
den, u, bejuchte, von Preller geleitet, die dortige
Kunftihule; er mußte wegen YAugenleidens die
Kleinmaleret aufgeben und widmete fi) an der
Berliner Alademie der Yandichaftsmalerei, ward
Wilhelm Schirmers Schüler, bereifte 1840 Belgien
u. Holland, dann Norwegen, darauf mit einem
Stipendium des Königs Friedrih Wilhelm von
Preußen SAmerifa u. bradte nach 4jähr. Aufent-
halte in Benezuela 300 Blätter Studien mit. Sein
Augenleiden führte ihn 1849 dem Lehrfache zu; er
beiuchte 1853 alien u. ward 1866 in Berlin Ala—
demie-Profeffor. Die Borziige feiner Bilder find:
reihe Compofition, fchöne Anordnung, gemwandte
Technik. Werke: Stubbenfammer (Stettiner Kunft«
verein); Guacero- Höhle, Küſte von Yaguayra,
Abend im Thal von Caracas (Charlottenburg);
Hünengrab(Nenes MufeuminBerlin). 5) Heinrich,
Sohn von B. 3), mufitaliiher Compofitenr und
Mufifgelehrter, geb. 10. März 1832 in Berlin;
wurde 1853 Gefanglebrer am Gymnaſium zum
Grauen Klofter, erbielt 1861 den Titel eines
fgl. Mufifdirectors u. wurde 1866 auferordent-
licher Brofeffor der Muſik an der Berliner Unis»
verfität. Er componirte Oratorien, Motetten,
Dupverturen, Chöre u. melodramatiiche Muſik zu
Sopholles, ein- u. mehrftimmige Gefänge; ſchr.: Die
Menjuralnoten u. Tactzeichen des 15. u. 16. Jahrh.,
Berl. 1858; eine Bearbeitung von Fuchs' Gradus
ad Parnassum unter dem Titel: Der Eontrapunkt
oder Anleitung zur Stimmführung in der muſi—
fatiichen Compofition, Berl. 1862, u. verichiedene
mufttaliihe Abhandlungen. 4) Regnet.
Bellerophon, eine Gattung verfteinerter Schne-
den, die namentlich im Übrrgangsfalf der Ahein-
provinz bei Ratingen und Geroljtein in mehreren
Arten vorfommen, in jüngeren Formationen aber
verichwinden.
Belleröphon (Bellerophontes), lorinthiſcher
Heros, Sohn des Königs Glaulos in Korinth.
Legen Ermordung des Belldros (woher er aud
feinen Namen B., der Bellerostödter, empfangen
haben foll) flüchtig, fand er bei König Prötos zu
Argos Aufnahme. Weil er die unkeuſche Liebe, die
ihm defjen Gattin Anteia (mn. A. Stheneböa) zu-
wandte, nicht ermwiderte, verleumdete dieſe ihm,
als habe er ihrer Tugend nachgeftellt. Deshalb
ſchickie Prötos den B. aus Argos (oder nad) Homer
ihon aus Korinth) zu jeinem Schwiegervater,
dem König Jobates in Lyfien, mit einem Briefe
(der älteften bei Griechen erwähnten Schrift), in
welchem er um Ermordung des Überbringers bat
(daher heißt ein folcher fhadenbringender Empfehl⸗
ungsbrief Bellerophontesbrief; vgl. Uriasbrief).
Da aber Jobates des Gaftrehtes wegen Bedenken
trug, den Mord zu vollziehen, jo trug er dem B.
die Tödtung des feuerichnaubenden Ungeheuers
Chimära (f. d.) auf, in der Hoffnung, daß er in
dieſem Kampfe unterliegen würde. Aber B., vou
Athene durch das Flügelroß Pegaſos unterftügt,
erſchlug die Chimära, befiegte auch ferner noch die
Solymer, die Amazonen u. andere Feinde u. erhielt
nun von Jobates deffen Tochter Philonoe zur Ger
mablin u. ward fein Mitregent. Zuletzt wurde B.
den Göttern verhaßt, u., aus Lyfien fliehend, irrte er
einfam u. gramvoll umher; endlich verjuchte er
den Olymp zu erflimmen, ftürzte aber gebleudet
150
berab. B. war Stoff zu einer Tragödie (verl.)
tes Euripides, die ibn als Himmelsſtürmer des
Zweifels wie Fauſt darftellte. WBlaftiihe Dar-
ftellungen B⸗s, wie er den Pegajos Rn
oder die Chimäre tödtet, finden fih auf amtifen
Münzen u. Gemmen; Schwanthaler fertigte da—
nach ein Relief. Rieſe.
Belles-lettres (fr.), die ſchönen Wiſſenſchaften,
richtiger: die ſchönen Schriftwerle, die ſchöne
Yıteratur,
Belletriſtik (v. fr. belles - lettres), ſchöne
Literatur; ſ. d. Art. Literatur. Belletrift, wer
ſich productiv, aufnehmend und beurtheilend mit
der ſchönen Yiteratnr befchäftigt; micht felten mit
dem Nebenbegriffe der Oberflädhlichleit, des Di—
lettantisınus u. der Abneiqung gegen ausdauernde,
gründliche Geiftesarbeit (Bellerrifterei, Schön-
geifterei). Belletriftiich, fih auf jchöne Yitera-
tur bezichend, jhöngeiftig.
Belleville, 1) ehem. Dorf im franzöf. Dep.
Seine; bildet eine Borftadt von Paris, mit dem es
feit 1860 vereinigt ift, u. hat fchöne Ausfiht auf
Paris; Kajchmirweberei, Fabriken chemiſcher Pro—
ducte, Metallſaiten, Drahtzieherei; 57,700 Em,
Der berühmte Friedhof Pere-la-Chaiſe liegt dort.
Im Jahre 1871 ein Hauptfit der Commune—
Anhänger. 2) B.-fjur-Sadne, Stadt im Arr.
Billefrandhe des frz., Dep. Rhöne, an der Sadne
u. der Lyoner Bahn; Seiden- u. Sammetfabr.;
Märkte; 3271 E. 3) Sig des St. Clair County,
Staat Illinois; 8146 Ew, 4) Landſtädtchen im
Haftings County, Provinz WLanada; 4000 Em.
Bellevue (fr., ſchöne Ausficht), 1) Hof in
Deutjh-Lorhringen bei Meg. Hier fanden 1870
im Deutjch- Franz. Kriege während der Belager-
ung von Met in den Monaten Sept. u. Okt.
mehrere blutige Gefechte ftatt. 2) Kleines Schloß
bei Sedan im franz. Depart. Ardennen, wo am
2. Sept. 1870 nad dei Capitulation von Sedan
die Zufammenktunft Wilhelms I. mit Napoleon 11I.
Hattfand. 3) Schloß im Arr, Berjailles des franz.
Dep. Seine u. Dife; 1748 von Frau von Pom-
padour gebaut u. derfelben von Ludwig XV. ab-
gefauft, von Napoleon prächtig eingerichtet, aber
in der Revolution (1789) zerftört. 4) Mehrere
Luftihlöffer in Deutichland, beſ. bei Gharlotten-
burg, Kaffel, Kannftatt u, a. ;
elley, Hauptjtadt des gleichnam. Arr. im
frauzöl. Dep. Ain; Bisthum, Gericht 1. Inſtanz;
Hellengefängniß, Holpital; alte Kathedrule, biſchöf—
liher Palaſt; Alterthümer; lithograph. Steine (die
beiten Frankreichs); Weinbau u. Seidenzudt; Jn-
dienne- u. Muffelinfabr., Gerberei; Märkte; 4684
Ew. Schon unter den Römern als Bellitium
oder Bellicum beftehend, wurde die Stadt im
Mittelaiter öfter zerftört, aber 1385 durch Ama-
deus II. von Savoyen mit Mauern wiederhergeftelltt.
Belli, 1) Balerio, gen. Bicentino, Stein-
Schneider, geb. 1479 zu Bicenza (oder Peſaro),
vortreffliher Künftler, von dem nur wenige Ar-
beiten erhalten find; die befte unter den vorhan«
denen ift eim Käftchen im Florentiner Mufeum,
Belles-lettres — Belliard.
Kirchengeräthe u. viele Steine fiir weltliche Zwede,
ferner zahlreiche ſchöne Medaillen sc. Er ſt. 1546.
2) Joſeph, Phyſiler, geb. 1791; widmete ſich
dem Studium der Natunmiffenfchaften u. wurde
infolge feiner Forſchungen auf dem Gebiete der
Phyſik Mitglied mehrerer italienischen Akademien
u. Gelehrten Geſellſchaften u. jpäter zum Profejjor
der Phyſik an der Univerfität Pavia ernannt.
Seine zahlreihen Abhandlungen über Molecülen,
Pendelihwingungen, Barometermeffungen, Elektri—
cität, Wärme, Licht u. ſ. w. finden fi in ver-
ſchiedenen Journalen zerſtreut. B. erfand einen
Pfychrometer. Er ft. 5. Juni 1860. 8) Giu—
jeppe Gioachino, röm. Bolksdichter, geb. 1791
zu Nom, geft. daf. 21. Dec. 1863; verfaßte eine
große Zahl von ganz volksthümlich gehaltenen So—
netten, von denen nur die Heinere Hälfte veröffent-
licht ift, nämlich 800 von feinem Sohne Ciro B.:
Poesie inedite di G. G. B., Rom 1865 — 66,
4 Bde., u. 200 weitere von L. Morandi, Rom 1872.
Belliard, Auguftin Daniel, Graf von B.,
franz. Militär, geb. 25. Mai 1769 zu Fontenay
(Poitou); trat beim Anfange der Nevolution in die
Armee, wurde 1791 Hauptmann der Freiwilligen
in der Bendee, zeichnete fih unter Dumouriez als
Seneral-Adjutant in Belgien aus, ward nad Du—
mouriez’ Sturz verhaftet, dann abgejegt u. ent-
laffen; trat hierauf, um feinem Baterlande zu die—
nen, als Gemeiner freiwillig wieder ein u. er—
warb fih den früheren Boften raſch aufs Neue;
madhte 1796 den Krieg in Jtalien mit, wurde auf
dem Schlachtfelde bei Arcole Brigadegeneral, trug
1798 bei der Erpedition nad Agypten viel zur
Einnahme Maltas bei, drang bis Nubien vor,
zeichnete fi namentlich bei Heliopoli8 aus und
wurde nah der Einnahme Kairos Gouverneur
dort u. Divifionsgeneral. 1801 infolge einer gün-
jtigen Convention mit den alliirten Türfen und
Engländern nah Frankreich zurücdgelehrt, erbielt
er das Commando der 24. Militärdivifion, war
1805 Generalftabschef bei Murat u. zeichnete fich
1806—7 bei der Großen Armee in Preupen und
Polen aus, brachte namentlih das Gorps des
Prinzen Hohenlohe zur Gapitulation, ging 1808
mit nach Spanien und wurde Gouverneur von
Madrid; 1812 zog er als Aide-Major-General der
Cavalerie mit nad Rußland, fänpfte bei Smolenst
u, an der Mostwa; zum General der Cavalerie
ernannt, reorganifirte er diefe Truppe danı in
Preußen, wohnte 1813 den Schladten von Dresden
u. Leipzig bei, wo er einen Arm verlor. Am
— 1814 nahm er bei Haute-Epine, Chäteau-
Thierry, Montereau, Craonne, Laon, Reims u.
vor Paris ruhmreichen Antheil, erhielt noch von
Napoleon den Groß-Cordon der Ehren-Legion,
wandte nad deſſen Abdankung fi) Ludwig XVII.
zu warb von biefem 1814 zum Pair von
ge ernannt u. fungirte als Major-Generaf
ei der Armee des Herzogs von Berry. Er folgte
nah Napoleons Rückkehr von Elba 1815 Ludwi
XVIIL bis nad Beauvais, dann ſchloß er Kb
wieder Napoleon an, der ihn als Gejandten nad)
gefertigt für Bapft Clemens VIL uw. aus vielen|Neapel ſchickte; doch da es zu ſpät war, Murats
roftallplatten zujammengejegt; die Zeichnungen
derjelben von anderen Künftlern. Außerdem jchnitt
B. eine Menge Steine u. Kryftalle für manderleilder 3. u. 4. Militärbivifion.
ehler wieder gut zu machen, lehrte er bald nach
rankreich zurüd u. übernahm das Commando
Er wurde nad) ber
Bellicum — Bellinzona,
Rüdfehr des Königs der Theilnahme an einer
Verſchwörung zur Befreiung Neys beichuldigt,
verhaftet u. jeiner Würden verluftig erflärt, 1816
aber freigelaffen u. 1819 wieder zum Pair er»
nannt, Er flimmte immer mit der Sache bes
Bolfes, was ihm eine neue Ungnade zuzog. 1830
ſchloß er fi der Revolution gegen die ältere
Bourbonenlinie an u. erflärte fih für die Orleans,
ging nah Wien, um Ludwig Philipps Anerlenn-
ung bei dem Kaiſerhofe zu erwirken, u. wurde im
März 1831 erfier Gefandter in Brüffel, in wel-
der Stellung er fih um das neue Staatsweſen,
ansbejondere die Organifation der Armee, ehr
verdient machte. Er ft. 28. Jan. 1832 in Brüffel,
wo ihm die Belgier ein Denkmal errichteten.
Bellicum (lat.), mit der Trompete gegebenes
Zeihen zum Zreffen.
Bellin, Ländchen im preuß. Negbez. Potsdam;
18,, Xm; 3000 Ew.; Hauptort: Fehrbellin.
Being, Wilhelm Sebaftian von B., be-
rühmter preuß. Reitergeneral, geb. 15. Februar
1719 zu Altena (Weftfalen); trat 1737 in preuf.
Mittärdienft und fam 1741 zu den Ziethenſchen
jaren, mit denen er den 1. u. 2. Schleftichen
ieg mitmachte u. bis zum Rittmeifter avancirte,
u. 1749 als Major zu den Braunen Hufaren, als
meiher er 1757 bei Prag und Kollin kämpfte;
1758 wurde er Commandeur der Schwarzen Hu-
faren u. ftand in Pommern, wo er gegen die
Schweden glüdlih kämpfte und Blücher fir
den preußischen Dienft gewann, dann 1762 in
Sadjen, wo er mit bei Freiberg focht; er wurde
darauf Generalmajor u. 1776 Generallieutenant u.
machte den Bayeriſchen Erbfolgelrieg mit. B. ft.
28. Nov. 1779 in Stolp.
Bellinghaufen, Graf Minh v. B., ſ. Mind.
Bellingwolde, Dorf im Bezirle Winfchoten
der Provinz Groningen (Niederlande); über 3871
Ew., welche ausfchließlih Uderbau treiben; dabei
die Bellingwolder Schanze (Bellingwolderzyl).
Bellini, venetianische Künftlerfamilie: 1) Gia-
como, geb. um 1400, geft. um 1470; verpflanzte
die Paduanische Kunftrihtung (Streben nad) anti-
fer Schönheit) nah Venedig. 2) Gentile,
Sohn des Vor., geb. 1421, geft. 1501; malte 6
Bilder aus der Geſchichte Benedigs für den Dogen-
palaft, ging 1479 nad Eonftantinopel u. arbeitete
dort für Mohammed II. Werke in der Afademie
zu Benedig, im Louvre x. 3) Giovanni, ge
wöhnlih Gianbellin genannt, Bruder des Vor.,
eb. 1426, geft. 1516; der Haupt-Meifter der ven,
Eule jener Zeit, welche die kirchlichen Aufgaben
freier faßte u. nad Naturwahrheit u. Schönheit
der Farbe ſtrebte. ©. war ein Schüler feines
Baters u. des U. Mantegna, eigentliher Schöpfer
der venetian, Bildnigmalerei, veredelte den venet.
Stil u. Die Technik, jo daß ihn Albr. Dürer, der
ihn 1506 befuchte, den Beſten in der Malerei
nannte, Seine Werke zeichnen fi) durch unge»
wöhnliche Innigleit u. Gemürhstiefe aus. Werte
in allen größeren Galerien, Regnet.
Bellint, 1) Lorenzo, berühmter italienijcher
Anatom, geb. 3. Sept. 1643 zu Florenz, geft. 8.
juni (oder Januar) 1703; ftubirte, durch bie
teigebigteit des Großherzog
in den Staub geſetzt, in 5
151
Jahre alt, eine Brofeffur der Phifofophie u. theoret,
Medicin, etwas fpäter die neugeichaffene der Ana-
tomie, die er 30 Jahre lang mit großem Beifalle
verwaltete, wurde dann von Cosmo III, als
Leibarzt nach Florenz berufen u. durch Lancifis
Bermittelung Leibarzt des Papftes Clemens XI.
Seine Borträge über Anatomie waren außer
ordentlich beſucht. Worzügliches leiſtete er in der
anatomischen Unterfuchung der Nieren ı. im ein«
zelnen phyfiologiihen Bezirken; er wies den Sit
des Geſchmackes in beftimmten Bapillen der Zunge
nach, unterjuchte den Einfluß der Nerven auf bie
Musfeln, erklärte aber den Kreislauf rein mecha-
nisch, ftellte eine eigene Entzündungstheorie auf
u. ließ das Athmen bedingt fein durch die Schwere
der Luft. Die Abfonderungen erflärte er mit
Hilfe der Fermente. Er veröffentlichte: Exerei-
tatio anatomica de structura et usu renum,
‚Florenz 1662 (Straßburg 1664, Amfterdam 1665,
Pavia 1665, Peyden 1711 u. 1714); Gustus
orgauon novissime deprehensum, Bologna 1665;
Gratiarum actio ad Etruriae principem, Pija
1670; De urinis, pulsibus, missione sanguinis,
de febribus, morbis eapitis et pectoris opus,
Bologna 1683, Yeipzig 1685 u. 1731, Leyden
1718; Opuscula aliquot ad Archibaldum Pit-
carnium, Piftoja 1695; Discorsi di anatomia,
Florenz 1742—46; auch in der Dichtkunft ver-
juchte er ſich nicht ohne Glüd. 2) Vincenzo,
einer der beliebteften neueren Opern-Componiiten,
geb. 1. od. 3. Nov. 1802 zu Catanea in Sicilien;
wurde am mufifalifhen Confervatorium zu Nea—
pel erzogen u. erregte in weiteren Kreifen Auf-
merkſamkeit durch jeine zweite Oper: Bianca e
Fernando, welde 1826 in Neapel zur Aufführ-
ung kam. Der Erfolg derjelben verſchaffte ihm
den Auftrag, für die Scala in Mailand eine Oper
(Il Pirata) zu componiren, Er jchuf fi einen eige-
nen, von Koffini u. a, Italienern abweichenden Stil,
welcher, von überflüffigen Zierrathen frei, dem
Gedanken des Tertes ſich anjchliegt u. dem Or—
chefter eine untergeordnetere Rolle anmweift. Erging
1833 nach Paris; hier erhielt er einen Ruf nad
London, von wo er indeß bald nad) Baris zurüd-
fehrte. B. ft. 23. Sept. 1835 zu Puteaur bei Paris,
Er jeßte die Opern: Adelson e Salvina (1824),
Il Pirata (1827), La straniera (1828), I Mon-
tecchi e Capuleti (1829), Zaira (1829), Son-
nambula (Die Nachtwandlerin,1831),Norma(1831),
Beatrice di Tenda (1833), I Puritani (1834),
von denen Norma u. die Nachtwandlerin ihren
Platz auf der deutichen Bühne behauptet haben
u. auch wol ſtets behaupten werden. Y Thambayn.
Bellinzona (deuiſch Bellenz), einer der beiden
(früher drei) Hauptorte des ſchweiz. Kant, Teifin,
237 m ü. d. M., am Teifin, im engen Aus-
gange feines Thals und an der 1875 eröffneten
Sotthard-Bahnftrede Biasca-Focarno, in milden
Klıma u. üppiger Gegend, 2500 fath., italien.
ſprechende Ew.; Stapelplat aller über den Gott«
hard gehenden Güter, ftrategifch vermöge jeiner
Lage Schlüffel zum Gotthard u. Bernhardin und
ift jet noch mit forgfältig angelegten Schanz-
werten u. Batterien umgeben, Die Gegend ge-
8 Ferdinand II. dazu)hörte zu den Campi canini der Kömer, die ein
ifa, erhielt dafelbft, 20|Eaftel hier hatten, wurde im Mittelalter ein
152
Zankapfel im milden Kampfe der Comasker u. worden, beide unabhängig von einander.
Bellis — Bellocques.
Die
Mailänder, bis endlich 1413 das ganze Teſſinthal Grundſätze ſind die nämlichen, ausgenommen daß
bis zum Mie. Cenere käuflich an die Eidgenoſſen
von Uri, Schwyz u. Unterwalden überging u. von
1499 — 1798 unbeanftandetes Eigentum u. B. eine
Landvogtei derjelben blieb. Aus den Kämpfen
der Gbibellinen n. Welfen ftammen die drei
Schlöſſer, welche der Stadt ein fo überaus feftes
u. maleriiches Anjeben geben, u. zwar hatten im
der Duäfer Yancafter den Religionsunterricht aus
jeinen Schulen ausihloß, da diefe allen Kindern
offen ftauden, während die Schulen Bells nur
Kinder von Eltern aufnahmen, welche der Hod)-
firhe angehörten, Die BellsLancafter-Schulen,
welche im Anfange biejes Jahrhunderts großes
Auffeben machten, find faft ganz verfchmunden.
tiefft gelegenen Gajtello grande (jegt Zeughaus) In Deutihland, wo fie von vorn herein wenig
die Urner ihren Landvogt, im öftlih höher gele-| Anklang fanden, bat man für die Volksſchulen
genen Gaftell di Mezzo die Schwyzer und im
höchſten Caſt. Corbario (Ruine) die Unterwaldner
ihren Statthalter. 1798 wurde B. Hauptort eines
gleihnam. heivet. Kantons, der den norböftlichen
Theil des heutigen Teſſin umfaßte, 1803 einziger
Hauptort des jegigen Kantons Teſſin, feit 1814
abwechielnd mit Yugano u. Locarno je 6 Jahre u.
feit 1870 neben Lugano je 12 ‚jahre lang Haupt-
ort von Teſſin. Die Hauptlirhe an der Piazza
St. Pietro e Steffano ift in italienischen Geſchmacke
im 16. Jahrh. mit breiter Freitreppe u. marmor-
ner Façade erbaut; im ehemal. Auguftiner-Klofter
befindet fih während ihres Aufenthaltes die Me-
gierung; an der öden Kirhe S. Biaggio ift eine
‚sresfe grotesfen Stils. Der 780 m lange, ſtarke
Damm (Riparo tondo) wurde gegen Anfchwell-
ungen des Zeifin (über den eine jchöne, 230 m
lange Sranitbrüde fiihrt (v. 1514 an) erbaut u.
wird forgfältig unterhalten.
Bellis L. (Marienblümchen), Pilanzengattung
aus der Familie der Compofiten (XIX. 2), mit
gleihen, einreibigen Hillllelchblättern, weibli-
chen, zungenförmigen, einreihigen Rand» u. zwit-
terigen, röhrigen Scheibenblüthen; Früchtchen
(Achenen) ſchnabellos, platt zuſammengedrückt,
berandet, ohne Fruchtkrone u. auf nadtem Frucht—
boden; Blüthenſchaft einfach, einköpfig. Arten:
Das Gänjeblümden (B. perennis L.), mit
weißen, außen röthlihen Strahlen«, gelben Scei-
benblumen u. ſpateligen, gelerbten, meift drei-
nervigen, rojettenartig gereibten Blättern; auf
Angern, trodenen Wiefen, auch im Winter blü—
hend. Durch Eultur verwandeln fi die Blüthen
der Scheibe alle in Strahlenblumen, od. alle Blüthen
werden röbrig, nad oben oft mehr oder minder
in Zungenform übergehend, u. färben ſich in ver-
jchiedenen Niüancen voth, wo fie dann unter dem
Namen Zaufendihön (Masliebhen), als
Zierpflanze, bei. zu Einfafjungen von Rabatten,
gehegt werden. Gie fchlagen bei längerer Eultur
leicht in die urſprüngliche Form zuriüd. Andere
Arten: B. sylvestris Cyrill., in Italien; B. an-
nua L., in England, Bon aufßereuropätfchen
Arten find nurB. arabica Rsch., in Arabien, B.
campestris Arrab,, in Brafilien, B. integrifolia
Michz., in Rordamerifa, B. pedunculata Arrab,
u. B, scandens Arrab,, in Brafilien, zu bemerten.
Bell⸗Lancaſtriſches Unterrichisfyftem ; be-
ftand im Wefentlichen darin, daß die talentvolleren
u, befferen Schüler — Monitoren — einzelne
Mitſchüler u. ganze Abtheilungen unterrichteten,
daher dieje Einrichtung auch wechjelfeitiger Unter:
richt genannt wurde. Das Unterrichtsſyſtem ift
von Bell in der Nähe von Madras 1795 u. von
Yancafter in London bald nach 1798 erfunden
nur einzelne Grundjäge aus ihrem Syſtem ver-
mwertbet. Laudbarb.
Bellmann, Karl Michael (pieudonym Fred-
man), ſchwediſcher Lyriker u. der nationalfte Dich-
ter Schwedens, geb. 15. Febr. 1740 zu Stodholm,
von deuticher Herkunft (der Urgroßvater ſtammte
aus Bremen, ebenfo war feine Urgroßmutter eine
Deutjhe); war Secretär bei der Yotterie daſelbſt;
er ft. 11. Febr. 1795. Büſten von ihm find
aufgeftellt 1829 in dem Thiergarten zu Stodbolm
(wo alljährlich am 26. Juli fein Feſt gefeiert
wird) und 1855 zu Garlsborg bei Gefle;
außerdem eine figende Statue am Yuftorte Hajel-
baden bei Stodholm. Sein jpecifiih Stockholmiſcher
Beift u. feine Unüberſetzbarkeit madt ihn Auslän-
dern weniger zugänglid. Als Vectiire find jeine
Lieder nicht ſehr genießbar; fie find nur zum
Singen geeignet u. untrennbar von ben Melodien,
die B. fremden Componiften entlebnt u. zum
Theil frei bearbeitet. Die burlesfe Lebensluſt
feiner Dithyramben des Branntweins, des Tanzes
u. der Benus fchließt nicht eine gewiffe, jedoch in
den Hintergrund gedrängte Melancholie aus
(Trauer in Rofenrotb); Zweideutigleiten u. 30-
ten find bei ihm feine Seltenheit. Seine beften
Lieder find meift vor 1780 gedichtet u, enthalten
in Fredman's epistlar (1790), demnädft in Fred-
man’s sänger (1791); Bacchi tempel (1783)
enthält fpätere und ſchwächere Producte. Viele
jeiner Lieder ließ er theils gar nicht, theils nur
einzeln druden, darunter viele, die zu gefelliger
Unterhaltung in der Gejellihaft Par Bricole
dienten; dieſe find im neueren Ausgaben unter
dem Namen Bacchanaliska Ordenskapitlets
handlingar gejammelt. In diefen Gedichten ift
er höchft originell, faum mit einem anderen Dich-
ter vergleichbar (die Benennung der ſchwediſche
Anafreon könnte irrige Borftellungen erregen).
In anderer, u, zwar in unintereffanterer Geftalt
erſcheint er in religiöjfen Gedichten, Zions högtid,
(1787), wo er ®ellert nahahmt, von dem er auch
Fabeln frei überfegte, Bon den zahlreichen Aus-
gaben nennen wir bie Gejammtausgabe von Car-
lens, 5 Bde., Stodh. 1856—61, u. die (von Klem-
ming) nach einer eigenhändigen Handfchrift B-$ ans
dem Jahre 1772, enthaltend 134 Lieder (darumter
50 Epifteln): B-s poetiska arbeten till är 1772,
Stochh. 1872. Deutih Hat man eine Auswahl
von Winterfeld, Berl. 1856. Sehr Biel ift über
B. gejchrieben, das Beſte von Atterbom in Bo.
6 ſeiner Siare och skaldr.
Belloeques, Jean Jacques od. Louis, geb.
1730 zu St. Maurin bei Agen; bildete fi in Mont»
pellier zum Wundarzte aus, wurde 1754 in Baris
Meifter der Chirurgie, ftudirte dann noch weiter,
Belloquet — Bellows.
ließ fih in Agen als pralt. Arzt nieder u. bewarb,
fih dann in Paris um eine Stelle an dem neu
geftifteten anatom. u. pathol. Theater; er ft. dort
19. Nov. 1807 als Profeffor der gerichtlichen
Medicin. Die Akademie der Chirurgie gab ihm
2 Mal die goldene Medaille, außerdem war er
Mitglied = Gelehrten Geſellſchaften. Bon
ihm ftammt das Bſche Röhrchen, bei Unter:
bindung der Polypen benutzt, ſowie zur Stillung
von Nafenblutungen; es bejteht aus einer filber-
nen Röhre, worin eine Stahlfeder mit filbernem
Knöpfchen vorgeihoben werden lann. Er gab
beraus: Cours de medecine legale, judiciaire,
theor. et prat., Par. 1801 u, 1811. Zhambayn.
Belloquet, Dominique Francois Louis,
Baron Roget de, franzöfiicher Geſchichtforſcher, geb.
1796 zu Bergheim im Elſaß; trat 1814 als
Cavalerie- Dffizier in die franzöf. Armee, aus
welcher er 1834 die Entlafjung nahm, um in
Burgund, fpäter in Paris biftoriihen Studien
zu leben; ft. 3. Aug. 1872 zu Paris. Schrieb:
Questions bourguignonnes ou mémoire critique
sur l'’origine et les migrations des anciens Bour-
guignons, Par. 1847; Carte du premier royaume
de Bourgogne, ebd. 1848; Origines dijonnaises,
Dijon 1851 (diefe 3 Werle wurden von der
Barifer Akademie gefrönt); ferner: Ethnogenie
gauloise ete., Bar. 1858—68, 3 Bbe., 2. Aufl.,
1872 fj.; Unterfuhungen über Uriprung, Sprache,
Cultur u. Sitten der galliihen Bölter, wofür er
den großen Preis Gobert erhielt.
Bellon (fr.), die Metallvergiftung, welcher bei.
die Arbeiter in Bleimerfen ausgejegt find und
welche fich bef. als Kolik äußert.
Bellona, der 28. Planetoid, am 1. März
1854 von Luther in Bill entdedt.
Bellona (Duellona), der grieh. Enyo (f. d.)
verwandte römische Kriegsgöttin ſabiniſchen Ur—
fprunges, Gemahlin ober Schweſter des Mars u.
ftets in Begleitung mit anderen Kriegsgottheiten;
abgebildet mit furchtbarem Gefichte, mit Helm,
Banzer, Schild u. Lanze, oder auch mit Facel u.
Geigel. In ihrem Tempel zu Rom, welcher auf
dem Campus Martius ftand, wurden die fremden
Gefandten, welche die innere Stadt nicht betreten
durften, u. die heimfehrenden Feldherren, melde
auf einen Triumph Anſpruch machten, vom Senat
empfangen; vor dem Tempel ftand eine Säule
(Columna bellica), an welder die Fetialen die
Geremonie der Kriegserflärung, den Speerwurf
gegen bie Feinde, vornahmen. Später wurde B.
mit der Birtus (f. d. A.) identificirt. Dagegen
wurde in Rom durd Sulla aus Kappadelien im
Jahre 88 v. Chr. eine andere B., urſprünglich
Mondgöttin, eingeführt. Ihre fanatiihen u. für
Bropheten gehaltenen Oberpriefterinuen u. Priefter
(Bellonarii) verehrten fie mit Selbftverwundung
u. rafjenden fanatifhen Weiſen; fie ftürzten in
fhwarzen Kleidern wild um den Altar u. fchnitten
fih mit Meffern die Adern auf, daß das Blut
153
Wundarzt gedient hatte. Er hat fih ein großes
Berdieuft dadurch erworben, daß er die Behand-
lung der Wunden vereinfachte; auch empfahl er
die Anwendung des Trepans, um entblößte Kno-
hen wieder zum Anfegen der Beinhaut u. der
natürlichen Bededungen zu bringen. Die nad
ihm benannten Quedfilberpillen verfaufte er als
Geheimmittel, ein Geſchäft, das fein Sohn fort
\egte, doch rührt die Zuſammenſetzung wol nicht
von ihm ber, fondern von Barbaroffa. Sein
Liquor (Bellostii), aus einer Auflöfung von Oued-
filber in rauchender Salpeterfäure mit Wafler be-
ftehend, wird gegen Knocheufraß angewendet. Er
ihr.: Chirurgien de l’höpital, Paris 1696, 1693,
1705, 1708, 1716, Amfterdam 1707, London
1732, deutiche Überſetzung, Dresden 1705, 1710,
1724 xc.; Suite du Chirurgien de l’'höpital, du
ımercure, des maladies des yeux, des tumeurs
eneystees etc. Paris 1725, 1728, 1734.
Seine Beobachtungen über Quedfilber find im
legteren niedergelegt, doch finden fie fih auch in
einer bejonderen, von jeinem Sohne Michael
Anton herausgegebenen Schrift: Traite du mer-
cure, avec une instruction sur le bon usage
des pillules de M. Belloste, Paris 1738, 1756.
Thamhayn.
Dellot:Strafe, Meerenge zwiſchen Boothia
Felix u. NSomerſet in den amerikaniſchen Nord:
polarländern, benannt nad dem franz. Seelieut.
Bellot, welcher hier 1853 bei Auffuhung Frank—
ins umtam.
Bellotti, Felice, ital. Dichter, geb. 1786 in
Mailand, geft. 1858 ebenda; lieferte treffliche me—
triſche Überfegungen der Tragödien des Aichylos,
Sophofles, Euripides, fowie der Argonantifa des
Apollonios u. verfaßte u. a. die Tragödie Jephta.
Bellotto, Bernardo, gen. Canaletto, nad
jenem Oheim u. Lehrer Ant. Ganale, berühmter
Yandichafts- u. Architelturmaler, geb, zu Venedig
1724; ft. zu Warſchau 1780. Seine Städtepro-
jpecte find überaus zahlreih w. geichäßt, da er
ſelbſt gleichgiltigeren Stoffen eine malerische Seite
abzugewinnen wußte u. im der Perfpective, wie
im Golorit überaus Tüchtiges leiſtete. B. ver
itand auch die Radirnadel trefilih zu führen.
Hauptbilder: Anfihten aus Beuedig, von Verona,
Brescia, Mailand, München, Dresden, Warſchau,
Yondon ꝛc. Wadirungen: 15 Anfichten von Dres-
den, 2 Anfichten vom Königftein, 2 Anfichten von
der Terra firma. Negnet.
Bellovafen (im Mittelalter Belvagi, a. Geogr.),
mächtiges Bolt im Belgiihen Gallien; wohnten
zwiſchen Somme, Dife n. Seine u, zeichneten fich
bei. während des Galliichen Krieges Cäſars durch
Tapferfeit aus. Ihre Städte waren Cäſaromagus
(im Mittelalter Belloväcum, jett Beauvais), Curs
miltaca (Gormeilles), Auguftomaqus (Senlis) u.
Bratufpantium (bei dem jegigen Bortenil, ſ. d.).
Bellovefus, Fürft aus dem galliihen Stamme
der Bituriger; unternahm nad einer Sage im
berausfiröimte, das dann vom abergläubiichen|6. Jahrh. v. Chr. einen Feldzug nad Italien u
Volke aufgefangen wurde, u. weiffagten babei.
Bellojte, Auguftin, geb. 1654 in Paris, geft.
fol Mailand gegründet haben.
Bellows, Henry Whitney, amerif, Geiftlicher
15. Juli 1730 in Turin; wurde Leibdhirurg des u. Schriftiteller, geb. 10, Juni 1814 zu Boften;
Zerioge (oder ber Herzogin) Bictor Amadeus von|jtubirte (1832) theils auf der Harward-lniverfität,
apoyen, nachdem er in der franzöf. Armee alsitheild (1834—37) an der theologiſchen Schule zu
154
Cambridge (Maflachufetts) die Gottesgelahrtheit
u. ward 1838 Paſtor der erften Congregationa-
liſten- oder Unitarierlirche zu New-Porf. Er war
dort einer der Hauptgründer des unitarijchen
Blatte8 Christian Inquirer, für das er von
1846—50 fchrieb. B. ift ein fließender Ertem-
pore-Redner u. ein höchſt vollsthümlicher öffentlicher
Borlejer, der Biel über die hervorragenden Tages-
fragen gefchrieben u. geiproden bat. 1857 hielt
er eine Reihe von Borlefungen vor dem Yomwell-
Inſtitut zu Bofton u. der Dramatic Fund Society
zu New-York über die Behandlung der focialen
Krankheiten, Sorlefungen, weldye er ımmmittelbar
darauf unter folgendem Titel veröffentlichte: The
relation of publie amusements to publie
morality, especially of the theatre to the
highest interests of humanity, New-Yort 1857;
1860 veröffentlichte B.: Restatements of Chri-
stian Doetrin, in 25 sermons, Beim Ausbruche des
Bürgertrieges machte er fih um die Begründung
der Sejundheitscommilfton ſehr verdient (1861) u.
ftand derjelben als Präfident 6 Jahre lang mit
großer Energie u, Umſicht vor, ohne dabeı doch
feine Pilichten als, Pfarrer zu vernadläffigen.
1866 bereifte er Europa, um dort die Organiſation
internationaler Gejundheitscommiffionen zu für«
dern, worüber er in dem Werke: The old World
in its new Face: Impressions of Europe in
1867—68, New⸗York 1868, 2 Bde., berichtete,
B., längere Zeit Herausgeber des umitariichen
Magazins Christian Examiner, ift gegenwärtig
der erjte Redacteur des Liberal Christian, des
Hauptorgans der Unitarier. Bartling.
Bellows Falls, Poſtdorf im County Windham
im nordam. Unionsſtaate Vermont, am Connec—
ticut River; 5 Kirchen; mehrere Fabrilen; in
der Nähe des Ortes Mineralquellen u. ſchöne
Waſſerfälle des gen. Fluſſes.
Belloy, 1) Pierre Yaurent Buirette de
B., franz. dramatischer Dichter, geb. 17. Nov. 1727
zu St. Flour in Auvergne; war anfangs Parla-
mentsadvocat zu Paris, dann Schaufpieler an
mehreren Höfen u. vermweilte längere Zeit in
Petersburg, wo er von der Kaiferin Eliſabeth
jehr begünftigt ward. Er kehrte 1758 nad Yrant-
reich zurüd u. wurde 1770 Mitglied der Franz. Ala-
demie; ft. 1775. Er ſchr. die Traueripiele: Ti-
tus, Zelmire, Gaston et Bayard; Le siege de
Calais (1765); Pierre le Cruel u. a. Werte,
Paris 1779, 6 Bre. 2) Augufte, Marquis
de, fr. Dramatiker, geb. 1816 zu Paris. Seine
hauptiächlichften Dramen find: Karel Dujardin,
1844; Pythias et Damon, 1853; La ınal'aria,
1853; Le Tasse a Sorrente, 1857; außerdem
Bellows Falls — Belmontet.
von mehr als 130 m, mehr als 65 m Breite u.
nur 1 m Höhe fidhtbar wird. Zur Sicherung
für die Schiffer feit 1807 von Stepbenfon ein
37 m bober Leuchtthurm (B-R.-Peudhtthurm)
gebaut, deſſen Licht Dur einen Drebapparat ab-
wechſelnd weiß u. roth erjcheint, während bei
nebeligem Glodenfiguale gegeben werden.
Beilſcher —2 (Phyſiol.), ſ. u. Bell 3).
Bellüae, nach Linne Ordnung der Säugetbiere,
mit den Gattungen: Pferd, Flußpferd, Schwein
(u. Tapir). Blumenbah nahm noch dazu Ele»
fant und Nashorn u. benannte fie Multungulae.
Neuere bebielten Iegtere Benennung zum Theil
bei; zum Theil verband man fie u. noch einige
Gattungen unter dem Namen Pachydermata.
Bellüno, 1) Provinz in Benetien (Königreich
Italien); grenzt an Tirol, Treviſo, Udine u. Bi-
cenza; gehörte früher zur Mark Trevigiana und
bildete zur franzöfiichen Zeit das Departement der
Piave; 3292 [km (59... [M); 175,282 Ew.;
in 9 Diftricte getheilt; gebirgig durch die Trien—
tiner Alpen (Monte Pelmo 3163 m) u. von ber
Piave bemäflert; Viehzucht (Alpenmwirthichaft),
Obſt- u. Weinbau; Mineralien (Eijen, Kupfer u.
Galmei); veich an Holz, welches auf der Piave u.
dem Tagliamento verflößt u. zum Scifibau ver-
wendet wird u. einen bedeutenden SHandelsartifel
ausmacht. 2) Hauptftadt daj., auf einem Hügel
zwiichen der Piave und dem Ardo jchön gelegen,
venetianisch gebaut, mit Arcaden in den Haupt-
itraßen; Sit eines Bifchofs u. des Domcapitels;
Bibliothef, Dom, Theater, Municipalpalaft mit
gresten; Triumphthor, Wafjerleitung (welche die
Stadt mit Gebirgswaffer verfieht); Handel mit
Seide, Wachs, Leder, Holz; 15,509 Ew. — Zur
Römerzeit Belunum genannt, wurde die Stadt im
Mittelalter von Biſchöfen regiert, feit 1404 aber
der Republik Benedig unterworfen. Der Marichalt
Bictor (f. d.) erbielt nach diejer Stadt den Titel:
Herzog von B. Heitige Erdbeben 1873.
Beilyach Root, die fellerieartige, ſcharf aroma-
tiſch Schmedende Wurzel von Angelica lucida L..
welche an jchartigen „Stellen NAmerikas, von
Canada bis Pennſylvanien, wächſt; fie wird vor»
züglich bei Leibjchmerzen von Blähungen ange-
wendet.
Bellye, 1) Herrichaft im ungariihen Comitat
Baranya; 826 [km (15 [M); 85,000 Ew.,
meist flach; Flüſſe: Donau, Drau u. Karaſchitza;
bringt Wein (Billaner), Getreide, Gemüſe, Wild-
pret. B. war früher römiſch, dann Befigung
der Könige von Ungarn u, zeitweife des Prinzen
Eugen von Savoyen. 2) Dorf darin, an der
Moraviga; Schloß, vom Prinzen Eugen erbaut;
überſetzte er metriich Plautus u. Terentius, jchrieb | Hauienfang; 1300 Em.
in verichiedene Journale, namentlid) in den Courrier
Belm (Bellm), Dorf im Kreife u. Amte Osna-
de Paris, u. veröffentlite: Le chevalier d’Ai,|brüd der preuß. Provinz Hannover, wo Wittefind
ses aventures et ses podsies, 1854. Bonanderen getauft worden u. Gijela, feine Gemahlin, begra-
Gedichten jchrieber: Ruth, 1843; I,ögendesfleuries, |ben fein joll; 2 Kirchen, 400 Em.
1855; Portraits et souvenirs, 1859; Les toqués, Belmont, County im nordam. Unionsftaate
1860; Christophe Colomb, 1864. Obio, unter 40° n. Br. u. 81° w. 8;
Dell Rod (d. i. Glodenfelfen, Jh » Cape),|39,714 Em.; reihe Steintohlenlager; Eountpfig:
lien bei Dundee in der jchottiichen Grafſchaft St. Clairsville.
orfar, bei der Mündung des Tay; gefährlich tür] WBelmontet, Louis, franz. Dichter u. Publi-
hiffer, weil er bei gewöhnlicher Fluth unſicht |cift, geb. 26. März 1799 zu Montauban, von it.
bar bleibt, nad Springflutgen aber in einer Länge |Borfahren; war erft Advocat, lam danı nad.
Belmontin
— Below. 155
Paris, ſchloß fih den Romantifern an u. wurde; Judee, Egypte ete., Par. 1558, 54, 55 u. 88;
zum begeifterten Berfechter des Bonapartisınus,
Er war mebrfah Mitglied des Corps legislatif.
Seine Hauptdidhtungen find: Les Tristes, 1824;
Le souper d’Auguste, 1828; Une fete de Neron
(Tragödie), 1829; L’empereur n’est pas mort,
1841; Les nombres d’or, 1846; Poesie des
larmes, 1865.
Belmontin, das aus dem Erdöl u. Petro—
leum dargejtellte Baraffin, während das aus Torf,
Brauntoblen u. 5. mw, dargeftellte jchlechthin Pa-
raffin genannt wird.
Belmontylöl, ein aus Baumöl gewonnenes
Fett, das zum Einſchmieren der Berfchlüffe der
gezogenen Geſchütze verwendet wird, um diefelben
roftfrei u. gangbar zu erhalten.
Belo-Chrobäten, ſlaviſches Voll mit eigenen
Fürften, auf der WSeite der Karpatben; fie ver-
reiteten ſich über einen Theil von Polen und
Schiefien, gebörten Ende des 9. Jahrh. zu dem
Großmähriichen Neiche und jcheinen ſich nachher
mit den neben ihnen wohnenden Belo-Serbei
in die übrigen jchlefiihen u. polnischen Slaven
aufgelöft zu haben.
Beloei, Dorf bei Ath im Arr. Tournay der
belgiſchen Provinz Hennegau; Brauerei; etwa
8000 Ew.; Schloß des berühmten Feldmar—
Ihalls Fürften von Ligue, welches Delille in feinem
Gedichte Des jardins befungen hat.
Beloi, Kreisftadt im ruͤſſ. Gouv. Smolensk,
an der Obſcha; 5 Kirchen, wohlthätige Anftalten;
6600 Em.
Beloit, Stadt im nordamerik. Unionsftaate
BWisconfin, unter 42° 30° n. Br. u. 89° 3’ w. L.,
am linten Ufer des Rod- River; Fabriken und
Eifenbahnverbindungen; 4400 Em,
Beloje-Djero, ſ. Bjelo-Diero.
Belon, Pierre (Petrus Bellonius), verdienft-
voller franz. Arzt u. Naturforicher, geb. 1517 in
dem Dorje Soulletidre in Maine. Er war arm,
fand aber an dem Garbinal von Tournon einen
mächtigen Beſchützer, der ihn Medicin u. Botanit
Rudiren ließ u. ihm in Allen Vorſchub leiftete, um
feinen wiſſenſchaftlichen Neigungen nachgehen zu
die ſchönſte Ausgabe, Antwerpen 1555, aud ins
Deutſche übertragen; L’histoire de la nature des
oiseaux, Par. 1555, die erfte franz. Ornithologie
u, vergleichende Anatomie; Portraits d’oiseaux,
animaux, serpents, herbes, arbres ete., ebd. 1557,
als Auszug aus dem vorigen: Rementrance sur
le defaut de labour et culture des plantes etc,
ebd. 1558. Seine Überjegungen des Dioskorides
und Theophraftos, fowie eine Naturgefchichte der
Schlangen find nicht gebrudt. Thamhahn.
Belopaſchzen, eine privilegirte ruſſ. Familie,
von dem Bauer Suſſanin ſtammend, welcher
dem Czar Michail Romanow das Leben rettete;
zu Korobowa im Gouvb. Koſtroma angeſiedelt u.
von der Regierung mit Land verſehen und von
allen Abgaben befreit, ausgenommen wenn ſie in
Städten Bürger werden. Sie ftehen direct unter
dem Hofe, u. der Gouverneur von Koftroma bat
nur eine bejchränfte Aufficht über fie zu führen.
Belöbar, 1) Comitat im norböftl, Theil Kroa-
tiens, an der Drave; 3880, | |km (70,4: [_NMR);
159,248 Ew. 2) Hauptftadt daſelbſt; Seminar;
Seidenzudt, Getreide u, Weinbau; 2150 Em.
Below, Guft. Friedr. Eugen v. B. preuf.
General, geb. 1791 zu Trafehnen in Oftpreußen;
trat 1807 als Lieutenant in die preußiiche Arınee,
nahm an den Feldzügen der Jahre 1812 in Ruß—
fand, 1813 in Deutichland u. 1814 in Frankreich
als Adjutant im Hauptquartier Yorks tbeil, fun—
girte 1815 als Rittmeifter u. Generalftabsoffizier
im Hauptquartier Billows von Dennewig, lam
nach dem Frieden zum Großen Generalftabe nach
Berlin u. verfah die Stellung des Generalftabs:-
eis vom 2. Armeecorps. In biefer Periode
verfaßte er auf Beranlaffung des damaligen Kron-
prinzen ein Memoire an den Kriegsminifter über
die Nothwendigkeit der Errichtung einer preußi«
ihen Seewehr zur Kiftenvertbeidigung. Im Laufe
der nächſten Jahre wurde B. mit verjchiedenen
höheren militärischen Aufträgen betraut u. 1840
bei der Thronbefteigung des Königs Friedrich
Wilhelm IV. zu deffen Flügeladjutanten u. 1849
zum Öenerallieutenant ernannt. Nebenber batte
fönnen. 1546 trat er feine erſte große Reife nach ſich B. lebhaft an den ftändifchen Angelegenheiten
Falten, der Türkei, Griechenland, Kleinafien, | Oftpreußens betbeiligt; er hatte 1831—1841 den
Baläftina u. Agypten an, wurde dann Arzt beim
Cardinal, Gartendirector bei Kathar. v. Medicis
u. erhielt von Heinrich II. eine Penſion. 1557
machte er die zweite Reife nad) Savoyen u. Stalien,
wurde dann dicentiat (1560), aber im April 1564
im Boulogner Hölzhen von einem feiner Feinde
ermordet, Er ift als Naturforfcher neben Konrad
Geßner zu ftellen u. zeichnete fich durch eine ger
naue, Sharffinnige Beobachtung, Zuverläffigteit u.
roße Wahrheitsliebe aus, Er lieferte zuerft eine
efhreibung u. Meffung der Pyramiden, war
auch einer der erften vergleichenden Anatomen u.
würdigte die Leiftungen der Araber. Er gab
heraus: Histoire naturelle des ötranges poissons
marins eto,, Pari$ 1551; De aquatilibus libr.
oO, ebd. 1563; De arboribus eoniferis etc., ebd.
1553; De admirabili operum antiquorum et
rerum suscipiondarum praestantia liber, ebd,
1563; Les observations de plusieurs singularites
et choses romarquables trouvses en Gröce, Asie,
Yandtagen zu Königsberg u. Danzig, ſowie dent
ih in Berlin verjammelnden Ausihuß beigewohnt
u. namentlich file Berbeiferung der Communica-
tionen in Oſtpreußen, für eine beffere Vertretung
der Städte u. Landgemeinden, fowie überhaupt
für eine Umbildung der Provinziallandtage ge-
wirft. Beim Antritte des Erzherzogs Johann als
Neihsverwefer wurde B. nah Frankfurt gejendet,
um die Zuftimmung Preußens zu erflären, und
jpäter erhielt er vom Reichsverweſer für Preußen
die Bollmaht zur Abſchließung des Malmöer
Waffenftilftandes mit Dänemart. 1849 ſaß B.
in der 1. Kammer, fodann im Unionsparlament
zu Erfurt und ging im Mai 1850 nod einmal
nad Kopenhagen, um auf Grund der Bedingun-
gen des fogenannten Einfachen Friedens zu unter«
handeln. Hierauf wurde er wieder zur 1. Kammer
erwäblt, legte aber 1851 fein Mandat nieder u.
fehrte nach Königsberg zurüd, wo er am 30. Nov.
1852 ſtarb.
156
Belp, Dorf im Bezirke Seftigen des ſchweizer
Kantons Bern, an der Aare; Schloß, Yandbäufer;
Zuhfabril; 2040 Emw.; dabei der B.:Berg
8094 m mit jchöner Ausficht.
Belper, Stadt am Derwent in der englijchen
Grafichaft Derby; bedentende Baummollenmanu-
factur; 8527 Em,
Belfäzar (Belihazzar), nach der Bibel Sohn
Nebuladnezars, letter König des Chaldäiſchen
Reiches in Babylon. Ber einem Gaftmahl, wozu
B. alle Großen des Neiches geladen batte, er-
ſchien plößlih an der Wand eine Inſchrift: Mene,
Mene, Thelel Upbarfin, die fein Magier deuten
tonnte; Daniel deutete fie dahin, daß des Königs
Sturz nahe wäre, u. im derjelben Nacht wurde
Babylon von den PBerfern u. Medern unter Kyros
eingenommen u. B. getödtet, eine Erzählung,
welche H. Heine zu einer Ballade benugte. In
Wirklichkeit war B. (Bil-farrußur) der erftgeborene
Sohn des letzten Königs von Babylon, Nad-usnits.
Belt, zwei Meerengen in Dänemark, welche
die Dft- u. Nordfee verbinden: a) Großer B.,
16—30 km breit, etwa 16 m tief; zwiſchen dei
Inſeln Seeland und Fünen; Berbindung durch
Dampfichifffahrt zwiſchen Korjör u. Nyborg; b)
Kleiner B., 0,7 bis 15 km breit (am fchmal-
jten bei Fyriedericia), etwa 14 m tief, zwiſchen
Fünen u. dem Feſtlande von Jütland; beide we—
gen Strömungen u. Untiefen für große Schiffe
unſicher. Überfahrtsorte: Middelfart, Aſſens und
Faaborg.
Belträmi, 1) Giovanni, berühmter Stein—
jchneider, geb. 1779 zu Gremona, Sohn eines
Juweliers; beſuchte erft die Schule des berühmten
Steinichneiders Grafji in Mailand, bildete fich
aber jeit 1794 in feiner Heimath jelbftändig im
Gemmenſchnitt aus. Zur Zeit der franzöfiichen
Herrihaft fand B. an Eugen Beauharnais einen
boben Gönner, für den er u. a. eine Kette von
16 Caméen, die Geſchichte der Pſyche darftellend,
arbeitete, 1820—26 war er fajt ganz für den
Grafen Sommariva bejchäftigt. Er ft. 1854 in
Gremona. Geine bedeutendften Kunſtwerke find:
ein 17 mm großer Stein mit etwa 20 Figuren
nad dem Bilde Lebruns, das Zelt des Darius
darftellend, u. ein 26 mm großer Topas mit dem
Abendmahl Leonardos da Vinci. Bgl,. Meneghelli,
tiov. B., Bad. 1839. 2) Conftantino, ital.
Patriot u. Entdeder der Miffiffippiquellen, geb.
1779 zu Bergamo; mußte 1821 als Anhänger
der Earbonarı nah Amerila flüchten, wo er fi
1823 der Erpedition des Majors Long behufs Er-
jorihung der Miffiffippignellen anſchloß u., nach—
dem er ih von feinen Gefährten getrennt, wirk—
ih die Quellen entdedte. Seine Gntdedung
bejchrieb er in: La decouverte des sources de
Belp — Belutſchiſtan.
Whale, Weißfiſch, Weißwal) Art aus der Gatt-
ung Delphin; Nüdenfinne fehlt; Farbe weißlich,
braunfledig; 6 m lang; Kopf Mein, nieder—
gebogen; Schnanze ftumpf; Wachen Hein, jeder
Kiefer mit 18 diden Zähnen; lebt um Grönland
von Fiſchen, die er vor fidh her jagt; gibt weniger
Thran, als andere Delphine, aber dod genug,
daß fi ihr „Fang verlohnt, Sein Fleifh, obwol
Ihwarz, wird von den Nordbewohnern gegefien,
u. aus der Haut fchneiden fie Riemen, um aus
ihnen Fiſchernetze zu maden; die Samojeden
bringen die Schädel auf Stangen geftedt zum
Opfer. Als angeblicher Borbote der Walfische wird
er von den Fiſchern gern gejehen.
Belur-Dagh, |. Bolor-Dagh.
Belutſchen, ein Bollsftanm der eranifchen
‚Familie des indo-germanischen Stammes, find die
Bewohner von Belutſchiſtan, mit Ausnahme des
Yandftriches, den die zur Dravida-Mace gehören«
den Brabui (f. d. A.) einnehmen, Sie zerfallen
in die drei Stämme der Nharui, Rind u. Maghzi.
Der erftere wohnt mweftlich von der Wüſte, in ein«
zelnen Abteilungen auch bei Nujhli und im
Seiſtan. Die beiden anderen Stämme find bei.
in Katſch-Gandawa anſäſſig, wohin fie zu ver-
Ichiedenen Zeiten aus Meran übergefiedelt find
u, fih mit den indifchen Dichat vermifcht haben.
Erft gegen Ende des 18. Jahrh. haben fie fich
aud bis an den Indus u. nach Sindh verbreitet.
Die Sprache der B. ſchließt fih namentlich an
den Zaza-Dialelt des Kurdifchen an u. reicht von
der OGrenze Kermans bis an den Indus, ſowie
von der SGrenze Afghaniſtans bis an den indie
ihen Dcean. Der Lebensart nah find die B.
theil8 Nomaden, theils Aderbauer, die in feften
Orten wohnen, der Religion nad Sunniten. Im
Übrigen find fie gaſtfreundlich u, tapfer, aber ohne
höhere Cultur, _ Henne-An Rhon.
Belutſchiſtan (Balutihiftan), 1) (Geoar.),
Land in Afien, im N. begrenzt von Afgbanijtan,
im DO. von Vorder⸗Indien, im W. von Berfien,
im ©. vom Indiſchen Ocean; angeblich 440,000
km; wegen feiner natürlihen Bejchaffenheit
wenig bebaut und jpärlich bevölfert; im NW,
eine öde und furchtbare Sandwüſte, die ſich nad
S. hin bis in den am Meere gelegenen Land-
ftrih Meran erftredt, im NO. hohe Xafel-
länder mit ertremen Temperaturunterſchieden,
im ©. ein furchtbar heißer, vegetationslofer,
hafenarmer Küftenftrih, vom Binnenlande dur
öde —— geſchieden, hat das Land im
Ganzen den Charakter einer Gebirgswüſte, die
nah ©. in eine vollftändige Sandwüſte, eine trau⸗
rige Aufeinanderfolge gähnmender Klüfte, madter
Anhöhen u. wellenförmiger Sandhügel übergeht.
Allein au der Abdachung des bie Mitte des dan.
Mississippi, New» Orleans 1824, u. in: A pilgri- des durchſchneidenden Gebirges bieten fruchtbare
mage in America leading to the discovery of| Thäler gefundes Klima u. gemäßigte Temperatur.
the sources of the Mississippi, London 1828.|Bon Indien wird B. durch die an das Suleiman-
Nah Wanderungen in Merico ging er 1827 nach Gebirg, ſich anfchliegenden, bis zum Meere reichen:
Yonden, 1830 nah Paris, wo er fchrieb: Lejden
rahui- und Hala- Ketten geſchieden; das
Mexique 1830, 2 Bde. Nah mehrjährigem Auf-|Fnnere durchzieht in unregelmäßiger Linie das
enthalte in Heidelberg, Wien u. Bonn fl. er 1855 | Kbaran- u,
zu Filotrand in der Romagna.
alhati-Gebirg; die im Sommer
wafjerlofen Flußbetten jchwellen im Winter zu
Beluga Gray (Delphinus L., Delphinapterus |reifjenden Bergftrömen an, ohne der Fruchtbarkeit
Lac£p.), B. leucas L. (engl. Whitefish, White-|des Landes zu nützen. B. ift reih an aflatifchen
Belvedere — Belzoni.
Raubthieren; ferner lommen vor Kamele, Pferde,
fettihwänzige Schafe, Ejel, Papageien, Pfeffer
frefjer, Eltern; Producte: Dliven, Feigen, Aja
fötida, Dattelpalmen, Indigo, Weis, Futter—
fräuter; Gold, Silber, Blei und vorzugsmeife
Kupfer, ferner Eifen, Maun, Antimon, Salpeter,
Schwefel, Salz xc. finden fi) in großer Menge, obne
daß indeß eine Ausbeute ftattfindet. Ader- und
Bergbau fteben auf einer niederen Stufe. Indu—
ftrie ift nur im dem öftlihen Gegenden etwas ent-
widelt (Danufacturen von baummollenen und
jeidenen Zeugen, Leber u. a.), ebenſo der Handel.
Einwohner find Belutfhen (f. d.) u. Brabui
(f. d.); die Zahl wird auf 2 Millionen geichätt.
Man theilt das Yand in 8 verfchiedene Landestheile,
deren jeder bon einem eigenen Khan beberricht
wird, ohne daß diefer Eintheilung bei der Zer-
jplitterung der Ew. in einzelne Stämme bei ihrer
nomadiſchen Lebensweije, bei ihrem plünderungs-
füchtigen Sinne längere Dauer beizumefien ift.
Das noch dem Indusgebiete angehörige Katicha-
Sandawa, Sahrawan, Kelat, Dihallawan, Yus,
Kohiftan, Kalpurafan u. Mekran, der Küftenftrich,
bewohnt von noch jetzt fait ausichlieglih auf Fiich-
nahrung angewiejenen Menichen, den Ichthyopha—
* des Alterthums, iſt durchzogen von dem engl.
Telegraphendraht von Karatſchi in Hindoſtan bis
Gwaitar in Perſien. Die Haupiſtadt iſt Kelat,
12,000 Em., in fruchtbarer Umgebung, deſſen
Khan ein nominelles Herrſcherrecht ausübt, andere
kleinere Städte: Dader u. Gondawa, ummeit der
ind. Grenze. 2) Geſchicht e) B.,dasalte Gedrofien,
war vor dem Schidjal des benadbarten Afgha—
niftan, ein Durchgangspunkt erobernder Böller-
züge zu werden, durch feine öde Natur, deren
Shreten Alerander d. Gr. auf feinem. Rüdzuge
von Indien erfuhr, geichlitt. Im Alterthum u.
früberen Mittelalter theilte es polttifch das Schickſal
Berfiens unter der wechſelnden Herrichaft der
Ahämeniden, Seleufiden, Parther, Saflaniden bis
zur Einverleibung in das Khalifenreih (im 7.
Jahrh.). In der Folgezeit fol das im 10. Jahrh.
zuerft erfcheinende ariige Bolt der B. ſich des
Landes bemädhtigt haben, welches nun von felb-
fländigen Fürften regiert wurde. Als Nadir
Schah 1736 das Perſiſche Reich zu hoher Macht
zu erweitern anfing, regierte in Kelat Abdallah
Khan, deſſen Vorfahren fih nah Verdrängung
einer einheimifhen Brahmanifchen Dynajtie, wie
man berichtet, des Throne bemächtigt und die
ewaltſame Belehrung zum Islam bemirft hatten.
Der Berjerberricher zwang die Belutſchen, feine
Oberberrlichleit anzuertennen, u. führte Abdallahs
zwei Söhne, Mohammed u. Naffir, als Geißeln
nach Indien mit. Nach Abdallahs bald erfolgtem
Zode übergab er die Regierung an Mohammed,
den er jedoch fchon 1738 wegen ſchlechter Regier—
ermorden ließ; deffen Bruder Naffir trat an
die Stelle. Diefer, ein einfichtsvoller u. gerechter
rft, mußte nah, Nadirs Tode 1747 die Ober:
errihaft des Afghanen Ahmed Khan anerlennen,
erreichte jedoch 1758 einen Vertrag, nach welchem
die Belutfchen der Afghanen bei Kriegen mit
Auswärtigen Hecresfolge gegen Sold leiften müſſen,
die inneren Berhältnifje beider Länder aber gänz-
lich getrennt bleiben ſollen, welder Vertrag das
157
bis heute noch geltende NRechtsverbältniß beider
Länder bildet. Nach Naffirs Tode (1795) wurde
das Land eine Beute der gewöhnlichen orientali—
chen Thronftreitigfeiten; unter feinem Nachfolger
Mahmud Khan rıg fi Mefran ab, wie auch die
Macht der einzelnen Häuptlinge ſich fteigerte,
Deſſen Nachfolger Mehrab Khan fiel 1839 im
Kampfe gegen die Briten; 1841 erhielt endlich
fein Sohn Naffir Khan B. als britiiches Lehns—
fürftentbum, doch bat fich der britiihe Einfluß
nicht erhalten können. Fortdauernde Räubereien
der Belutſchen laſſen ein geregeltes Handelsver—
hältniß nicht auflommen; ihnen zu ſteuern, erweiſt
ſich die Macht des Khans, jetzt Mir Khadabad, un«
zulänglich. Die brit,-ind. Regierung hält einen Reſi—
denten zu Kelat, ift auch beredhtigt, Truppen aui«
zuftellen, eines Rechtes, deifen fie ſich jedoch noch
wicht bedient hat. Uber einen Theil des W. hat
jeit 1872 Perfien die Oberhobeit. Bgl. Maifon,
Narrative of various journeys in Baloochistan
etc., 3 Bde., Lond. 1832; Pottinger, Travels in
Beloochistan, Yond. 1816; Bellew, From tl:e
Indus to the Tigris ete., Yond. 1874.
Belvedere (ital., d. h. ſchöne Ausficht, franz.
Bellepue) beißen mehrere Schlöffer, ſowie tburm-
artige Gebäude, z. B. in Wien, bei Weimar,
Warihau x. Am berühmteiten ift der Palaft B.
in Rom, ein Anbau des Batican, durch feine
Antitenfammlung, worunter der gefeierte Apollo
von B. (f. u. Apollon) danach benannt if. Iu
Fraukreich nennt man B. verſchiedene Berzierungen
von Parkanlagen mit Bogen, Tempeln u. dal.
Belvedere Marittimo, Stadt im Diftrict
Paola der italienischen Provinz Eofenza (Calabria
citeriore), nahe am Tyrrheniſchen Meere; ftarter
Wein» u. Nofinenbau; 4858 Ew. Thielemann.
Belves, Stadt im Arr. Sarlat des franz.
Depart. Dordogne; erzeugt vorziigliches Nußöl,
Papier, Leinwand, Leder; Ruinen eines Templer:
hauſes; 2368 Em.
Belz, befeftigte Stadt im Öfterreichifchen Kreije
Zolfiew (Galizien), am Zolokia; altes Caſtell;
bedeutende Potajchefiedereien; 3711 Ew. B. wurde
1473 durch eine Feuersbrunſt gänzlich zerftört.
Belzen, jo v. w. Jmoculiren.
Belzig, Stadt im Kreife Zauche- Belzig des
preuß. Hegbez. Potsdam; Rentamt; altes Schloß
(Eifenbort); Aderbau, Pferdemärkte; Dampfwollen«
ipinnerei, Bierbranerei, Webereien; 2475 Ew.
Am 11. April 1635 wurde B. von den Schwe—
den ausgeplündert und angezündet. Bei B. am
27. Aug. 1813 fiegreiches Gefecht der Preußen
gegen die Franzofen. B. fam 1815 von Sadjen
an Preußen.
Belzöni, Giovanni Battifta, berühmter
Reiſender u. Alterthbumsforjcher, geb. 5. Nov. 1778
zu Padua; wurde in Rom geiftlih erzogen, trieb
aber mechanifche Künfte, floh 1800 vor den Fran—
zojen nad Holland, ging 1803 nad England und
jtudirte dort Mafferbantunft, trat aber auch auf
Aſtleys Theater als Apollo und Hercules auf.
1812 reifte er mit feiner Frau nach Liffaben,
Madrid, Malta u, 1815 nad Agypten, baute zuerſt
für den Pafcha eine hydraulifhe Mafchine, ter»
fuchte jeit 1816 die Pyramide des Chephren, die
Königsgräber zu Theben (von bier fehidte er
158 Bem — Bemelberg.
mehrere Riefenfäulen u. die Büſte des Memnon;Öfterreicher u. die ruffiichen Hilfstruppen nach der
in das Britiihe Mufeum) u. den Tempel von Walachei. Hierauf eroberte er das Banat u. ver
Abu Simbel, bereifte dann die Oaſe des Jupiter
Ammon, fand das alte Berenike wieder auf umd
beichrieb dies alles nach jeiner Rückkehr in:
Narrative of the operations and recent disco-
veries within the pyramids, temples, tombs
and excavations in Egypt and Nubia, and of a
journey to the coast of the Red-Sea, in search
of the ancient Berenice, and another to the
oasis of Jupiter Ammon, Lond. 1820, mit Atlas,
Fol., 2. A., 1821, ins Franzöſiſche überjegt von
Depping, Par. 1821; jtellte die mitgebradhten
ägyptiſchen Alterthiimer in einem eigenen, den
Königsgräbern genau nachgebildeten, ebenſo ge-
malten Mufeum zu London auf, jchidte ſich Ende
1822 zu einer neuen Reife an, um von der Witte
Afrifas aus den Yauf des Niger zu erforjchen,
ftarb aber auf dem Wege nah Benin zu Gato
3. Dec. 1823. Die Zeihnung des Grabes des
Pſammetich wurde herausgeg. 1829. Vgl. Menin,
Genni biogr, intorno al viggiatore ital. G. B. B.
Mailand 1825. Brambadj.*
Bem, Joſeph, poln. General, geb. 1795 zu
Tarnow in Galizien; befuchte zuerjt die Univerfität
zu Krafau, feit 1809 die Militärjchufe zu Warſchau
u. machte als Pieutenant der polnischen Artillerie
den Feldzug 1812 in Rußland mit, fand 1813
bis 1814 in Danzig, trat 1815 in ruffiich-pol-
nische Dienfte, wurde 1819 Hauptmann und war
furze Zeit Lehrer an der Artilleriefhule zu War-
hau. Nah vielfahen Berfolgungen von Sei:
ten des Großfürften Conftantin (er wurde zweimal
verabjchiedet, dreimal vor ein Militärgericht ge
ftellt, in einen fcheußlichen Kerker geworfen, ver-
bannt, unter Bolizeiaufficht geitellt) nahm er 1825
feinen Abſchied u. Iebte in Yemberg, feit 1826 auf
Fr. Potodis Gütern u. befhäftigte jih mit Con-
ſtruction von Dampfmafchinen. 1831, bei der pol-
nischen Wevolution, trat er als Major wieder ein
u, rüdte jchuell zum Oberftlieutenant, Oberften,
General u. Chef der polnischen Artillerie empor
u. zeichnete ſich mamentlih in der Schlacht bei
Dftrolenfa aus, wo er das Feld behauptete. Bei
Warſchau der Unthätigkeit beſchuldigt, ging er nad
der Einnahme diefer Stadt nach Preußen u. 1832
nah Paris, Bergebens fuchte er 1833 in Por-
tugal u. Spanien Dienſte und lebte feitdem im
Zurüdgezogenheit in Paris, die oft durch Reiſen
unterbrodyen war. Infolge der Maiereigniſſe 1848
ging er nah Lemberg, von da nah Wien und
nahm feit dem 14. Oct. wefentlich theil an der
Vertheidigung der Stadt. Seit dem 28. Oct. 309
er fih aber zurüd, u. am 31. Oct. glüdlich ent
lommen, flüchtete er zu Koſſuth nach Peſt, wo er
als vermeintliher Verräther durch den Piftolen-
ſchuß eines Polen verwundet wurde. In Koffuths
Auftrag organifirte er in Debreczin die Honveds,
ging mit einem Heere von 8—10,000 Man im
December nad Siebenbürgen, nahm Klaufenburg,
ſchlug 19. Dec. 1848 den General Puchner bei
Dees und bedrohte Hermannftadt. Obgleih am
4. Febr. bei Bizafna total von Puchner gejchla-
gen, lieferte er ihm fchon am 9. Febr. wieder
eine fiegreihe Schlaht an der Brücke von Piski,
vahm am 11. März Hermannftadt u, drängte die
waltete bie beiden Provinzen beinabe jelbftändig.
Bon der verftärkten ruffiihen Armee bei Schäß-
burg 31. Juli gejhlagen, ging er nad Un—
garn, wo er 7.—8. Auguft in der unglüdlichen
Schlacht von Temesvär ein Commando; führte
von dort flüchtete er nach kurzem, verzweifelten
Kampfe im Aug. 1849 in die Türkei, nahm den
Islam an, um vor einer etwaigen Auslieferung ges
ſchützt zu fein, u. erhielt die Wirde eines Paſchas
u. den Namen Murad Paſcha. Am 24. Febr. 1850
wurde er mit den anderen zum Islam Überge«
tretenen nach Aleppo in Syrien gebradt, wo fie,
nad dem türkisch »Öfterreichijch «ruffiichen UÜberein-
fommen, internirt werden follten. In OÖfterreich
aber wurde er abwejend proceifirt, am 16. Mai
in Wien in effigie gebängt und feine Güter
confiscirt. Bei dem Blutvad in NAleppo im
Nov, 1850 commandirte er die türkifchen Truppen
gegen die arabiihe Bevölkerung n. ft. hier am
10. Dec. 1850, von den Türken mit allen mili«
tärischen Ehren beftattet. Ein unternehmender,
raftlojer und gejchidter Feldherr, von edlem Cha»
vatter, war er überall beliebt. Er jchrieb frau—
zöftich: Über die Congreviſchen Brandrafeten, deutjch
von M. Schub, Wem. 1820; Expose general de
la methode mnémonique polonaise perfectionnde
a Paris, Bar. u. Lpz. 1839,
Bema (gr.), in den griechischen Kirchen vorn
im Chor ein erhöhter Sig für den Biſchof, wenn
er nicht von dem Biſchofsſitze aus predigen wollte,
u. für den Presbyter, wenn diefer die Predigt hielt.
Bemannung, ſ. Beſatzung.
Bembo, Pietro, berühmter ital. Gelehrter,
geb. 20. Mat 1470 zu Benedig; widmete fich dem
geiftlichen Staude, hielt fih 1503—6 im. yerrara
am Hofe Alfonjos von Ejte auf, ftand in jehr ins
timem Berfehre mit deſſen fo ſchlimm gefchilderter
Gemahlin Lucretia Borgia u. ſchloß enge Freund-
ichaft mit dem Dichter Ariofte, die bis zu deſſen
Tode dauerte; 1506 ging B. nach Urbino, 1512
nah Rom, wo er Secretär des Papftes Leo X,
wurde. Nach defien Tode zog er ſich nach Padua
zurüd, wo feine Geliebte Diorofina lebte, u. wid«
mete fi bier der Poeſie u. den Wiffenjchaften,
1529 wurde er Hijtoriograph der Republif Venedig
u. Bibliothefar an der Marcusbibliothef, 1539
vief ihn Papft Paul nah Nom, machte ihn zum
Gardinal, bald darauf zum Biſchof von Gubbio
u. endlich zum Biſchof von Bergamo. Er ft. zu
Nom 18. Jan. 1547. B. war ein feiner Kenner
der claſſiſchen, ſowie der provençaliſchen Sprachen
u, ſchr. u. a.: Gli Asolari, Bened. 1565; Prose
nelle quali si ragiona della volgar lingua, ebd.
1525; Rime, 1530; Carmina, 1533; Epistolarum
Leonis X. nomine seriptarum Jibri XVI, 1535;
Lettere volgari, Berona 1545, 5 Bde.; Rerum
veneticarum libri XII (1487—1513), Ben. 1551,
ital. als Istoria veneziana, Ven. 1552, 2 Bde;
Werle, Bened. 1729, 4 Bde; Fol.
Demelberg, Konrad v., aus einer heifiichen
Familie ſtammend; diente dem Schwäbijchen Bunde
beim Kriege gegen Württemberg, machte uuter
Sidingen als Hauptmann die Belagerung von
Trier 1522 mit, zog 1524 mit ©. v. Frundsberg
es
Bemmel —
nah Tirol u. focht 1525 bei Pavia mit; auch bei
der neuen Rüftung gegen Hom 1526 nahm er
unter Frundsberg Dienſt, befam, als Frunds-
berg im März 1527 vom Schlage gerührt worden
war, an defien Stelle deu Befehl über die Lands—
fnechte u. betheiligte fi im Mai an der Erober-
ung Roms u. dann an der Bertheidigung Neapels,
während welcher Zeit er die Angelegenheiten der
Yandöfnechte führte u. die Truppe möglichit bei-
ſammen hielt. Im Febr. 1530 wurde er bei der
Krönung Karls V. in Bologna zum Nitter ge
ſchlagen. Er blieb auch ferner ein treuer Aubänger
des Kaiſers, commandirte das Fußvolk bei der
Delagerung von Peſt 1542 u. Meb 1552 und
wirfte enticheidend zum Siege bei St. Quentin
(1557). Sein Ende ift nicht befannt. Bal. Sol»
ger, Der Landsknechtobriſt 8. v. B., Nördl. 1870,
Bemmel, eine aus Burgund ftammende Fa—
milie, aus der zahlreiche Maler entſproſſen find:
l) Wilhelm v. B., Landichaftsmaler, geb. 1630
zu Utrecht; ließ ſich zu Utrecht nieder; ftarb 1708
zu Wöhrd, 2) Joh. Georg v. ®., Sohn des
Vor, geb. 1669 in Niirnberg; widmete fi vor-
zugswerie dev Thiermalerei; ft. 1723. 3) Peter
?. B,, Bruder des Bor.; malte mit Gefchid von
Sturm u. Gewitter bewegte Yandfchaften; ft. 1754
zu Regensburg. 4) Joel Paul v. B., Land»
ſchafts u. Hiftorienmaler, Sohn von B. 2), geb.
1713 zu Nürnberg. 5) Joh. Noah v. B., Bru—
der des Vor., geb. 1716, Jagd» u. Genremaler,
auch Bortraitenr. 6) Chriftoph v. B., Land-
Khaftsinaler, Sohn von B. 3), geb. 1707. 7) Karl
Schaftian, Neffe des Vor., geb. 1743 in Bam:
berg; einer der hervorragendften, bejonders in der
Ausführung von Seeftiiden u. ftürmifch erregten
Naturfcenen; er ft. 1796 in Nürnberg. 8) Joh.
Kaspar v. B., Bruder des Bor., Landſchafts-
maler; ft. nach einem jehr bewegten Leben 1799
in Leipzig.
Ben (ihottifch), fo v. w. Bergfpite; kommt bei
vielen Berguamen vor, jo B. Avon, B. Maddhui,
d. More zc.
Ben (bebr. u. arab.), fo v. w. Sohn; fteht
vor dem Namen von Perfonen, um das Kiud—
ihaftsverhältniß anzuzeigen (Abjalom Ben David,
d.h. Abfalom Sohn Davids, Abdallah Ben Diufa
u. ſ. w. Die Araber verändern B. meift in Ibn,
die Juden im Drient oft in Aben. Dur An-
fügung an Namen ift B. bisweilen aud in Fa—
miliennamen übergegangen, 3. B. Bendavid.
Benäcns (a. Geogr.), See im Transpadani-
Ihen Gallien, durch welchen der Mincius ftrömte;
iegt Garda⸗See.
Benannter Diebitahl, jo v. w. Qualificirter
Diebitahl; ſ. u. Diebitahl.
Benannte Zahl, Zahl, deren Einheit ein be-
fimmter Gegenjtand ift; f. Zahl.
Bönarde (franz.), Art Schloß, welches nad) zwei
Seiten bin ſchließt.
Benared, 1) Prov. des Gouvernements der
NWProvinzen im britischen Border - Fudien;
ca. 42,000 [_jkm; 8,178,167 Ew,; davon der
Diftrict B. allein 2577 [_)km mit 793,699 Ew.;
bewäfjert vom Ganges, Karamnafja, Gumty;
durchzogen von zahlreihen Seen, mit trodenem,
PBenavente, 159
das Land Weizen, Mais, Tabaf, Hirfe, Opium
in großer Menge hervor u. eignet ſich vorzüglich
zur Cultur des Zuderrohres u. Indigo; 6 Die
ftricte: Benares, Aziıngurh , Baflı, Goradpur,
Ghazipur, Mirzapur;
nad Allahabad. (Gefchichte |. Indien.) 2) Haupt:
jtadt darin, am linfen Ufer des Ganges; mit
Einrehnung des Gantonnements 173,352 Em.
in 30,000 Häufern, größtentheil® Brahmaniſcher
Religion,
gegen den Fluß, engen, krummen Straßen im
Imnnern, iſt der angefehenite Wallfahrtsort der
Hindu und der Mittelpunkt des Siwa-Eultus,
Unter den berühmten religiöjen Feiten ift das
Ram⸗Lila, Die eier des Sieges Namas über
den
allgemeiner Illumination.
ligen Stadt bezeugt die Zahl der Heiligthlimer:
Eifenbabn von Calcutta
Die Stadt, mit prächtiger Front
Dämon Ravana, und das Dumwalli, mit
Den Ruf der hei-
1090 Hindu- Tempel, 333 mohammedaniiche Mo—
sheen, Darunter die berühmte von Aureng-Zeyb
auf den Ruinen eines Wifchnutempels erbaute;
Schaaren von Fakirn und die zahlreich umher—
laufenden heiligen Thiere beweilen die unge»
ſchwächte Fortdauer der uralten Brahmaniichen
Heligion, Daneben ift B. angefehen als Sit alt-
indischer Gelehrjamfeit, wenn auch gegen frühere
Zeiten gefunten; bat ein Hindncolleg, Sanstrits
colleg (1792 geftiftet), fonftige Miſſions- ud
Privatihulen, Sternwarte (feit 1680). Die gün—
flige Lage am Ganges u. an der Eifenbahn Calcutta«
Alahabad-Bombay (mit Abzweigung nad Lucknow)
bat die Bedeutung der Stadt, die in Webereien,
Gold- und Silberjhmieden, Spielzeugfabriten feit
lange eine blühende Induſtrie beſaß, als Handels-
plat noch mehr gehoben. B., ſanskrit. Baranafı,
als Kaſi gefeierter Sit uralter indischer Cultur,
Hauptftadt einheimifcher Neiche (f. Indien, Geich.),
fiel zuerit 1193 in die Hände der Mohammedaner,
fam 1529 unter die Herrichaft des Großmoguls,
1760 an den Nabob von Audh, 1775 an die Engl.-
Oftind. Compagnie. Die jegige Stadt ift wenig
über 300 Yahre alt. Thielemann.
Benary, Franz Simon Ferdinand, Orien—
taliſt, geb. 22. März 1805 zu Kaſſel; ſtudirte ſeit
1824 in Bonn und Halle, ſeit 1827 in Berlin
Theologie u. orientaliiche Sprachen; an der let»
teren Univerſität habilitirte er fi 1829 u. wurde
1831 Profeſſor der altteftamentlihen Exegeſe.
Außer vielen Abhandlungen aus diefem Gebiete,
dem der jemitiichen Sprachen (u. a. über die auf
Cypern geiundenen phönikiſchen Jnfchriften, 1845)
gab er heraus das ſanskrit. Gedicht Nalodaya,
Berl. 1830, u. ſchrieb: De Hebraeorum leviratu,
Berl. 1835. Auch ihm blieb ein Streit mit dem
Miniſterium Eichhorn nicht erfpart (j. die von ihm
berausgeg. Actenftüde 1844).
Benatek,1)(Fung-od. Neu-B., Benatty) Stadt
im öfterr. Bez. Jung-Bunzlau (Böhmen), am
rechten Ufer der Fer; Bezirksgericht; Fundort
böhmischer Diamanten; 800 Ew. Hier lebte län-
gere Zeit der Aſtronom Tycho de Brahe. 2) Dorf,
efannt durdy den hartnädigen Kampf in der
Schlacht von Königgräg (ſ. d.).
Bennvente, 1) Stadt in der fpanifchen Prod.
Zamora, am Obrigo ; Seidenwebereien; 4500 Em,
heißem Klima, im Winter trodener Kälte, bringt!2) (Sonſt Aritium praetorium) Stadt im Diftr.
160 Benbecula
— Benda.
Santarem der ehemaligen portugiefiihen Provinz Weljaminow u. Woronzow mitgemadt, als ruf
Alemtejo, am Zatas; königl. Schloß; Schifffahrt; |fiiher Mitttärcommiffär nad Berlin, machte 1855
2500 Em,
Benbecüla, eine Hebriden-Jnfel, 110 km (2
(IM) groß, an der NWKüfte Schottlands, zwi—
ſchen North» u. Süd-Uift; Kelpbrenneret, Fiſchfang.
Bend; (engl.), Bank, ſ. Kings-Bend.
Bendenborf, 1) Alerander, Graf von B.,
ruff. General, Sohn des ruff. Generals Ehriftoph
von B., geb. 1783 in Efihland; ward mit jenem
Bruder zu Bayreuth im Engelharbtihen Privat»
inftitut erzogen, trat dann in ruſſiſche Dienfte u.
zugleih im mähere Beziehungen zu dem Hofe,
machte hierauf die Kriege von 1813 und 1814
im Generaljtabe mit Auszeichnung mit, ftieg
bald zum Generallieutenant und wurde dem
Großfürften Nikolaus als Adjutant beigegeben.
‚Für feine Dienfte bei Interbrüdung des Aufftandes
bei der Thronbefteigung des K. Nikolaus er:
nannte ihn diefer 1826 zum Chef der Gens»
darmerie u, Commandanten des faiferlichen Ge-
neralguartierg; damit fleter Begleiter des Kaifers,
übte er auf ihn bedeutenden Einfluß, fo daß er
dem Kaiſer jelbjt umentbehrlih war. 1829 ward
er General der Cavalerie, 1831 Mitglied des
Reichsrathes, 1832 zum erblichen Reichsgrafen er-
hoben, Generaldirigent der 3. Abtheilung der be-
fonderen Kanzlei des Kaifers, als welchem ihm
befonders die Leitung der Geheimpolizei zufiel,
Auf der Ridreife aus Deutfhland nad Rußland
begriffen, ftarb er 23. September 1844 auf dem
Schiffe u. wurde auf feinem Gute Fall in Efth-
fand begraben. 2) Conftantin von B., ruſ—
fiiher General und Diplomat, Bruder des Bor.,
geboren 1785; widmete fi erjt der biploma-
tiſchen Garritre, trat aber 1812 als Major ins
ruſſiſche Heer, führte einen Theil des Streif-
corps Wingingerodes, dann einige Pull Ko—
faten unter dem Hetman Platow, that mit diefen
den Franzofen auf dem Müdzuge aus Rußland
großen Schaden u. war mit Einer der Erjten, die
in Deutichland anlangten u. unter Tſchernitſchew
NDeutichland durchftreiften und Kaſſel beſetzten.
Oberftlieutenant geworden, zeichnete er fich bei
Hanau u. durch den NRheinübergang bei Ditffel-
dorf aus, focht als Oberft u. Commandeur eines
re Corps 1814 in Frankreich, namentlich
7. März 1814 bei Craonne u. 30g ald Generalmajor
in Paris ein. Nah Abſchluß des Friedens trat er
in die diplomatische Laufbahn zurüd u. war 1820
bis 1826 außerorbentlicher Gejandter in Stuttgart
u. Karlsruhe. Bei Ausbruch des Perſiſchen Krie-
ges trat er wieder in die Armee unter Pasliewitſch,
nahm das Klofter Eiihmiadzin, ſchlug die Kurden
vor Eriwan, biofirte diefe Stadt u. rieb am
Arares das ihm bei Weiten überlegene feindliche
Heer fat gänzlih auf. Hierfür wurde er 1827
zum Generaflieutenant ernannt, u. 1828 begleitete
er den Kaifer als Generaladjutant in den Türlen-
frieg, führte ein Streifcorps durch den Balkan in
den Rüden der Türken, nahm Prawadi im Juli
1828 u. ft. dafelbft im folgenden Monat am
Nervenfieber. 3) Dorothea Chriftophoromna,
j. fieven. 4) Eonftantin, ruf. General und
Diplomat, Sohn des Grafen B. 2), geb. 1817;
faın, nachdem er den Krieg im Kaufafus unter
den Orientkrieg mit, wurde nach dem Friedens»
Ihluß 1856 in außerordentlihem Auftrage nad
Spanien gejendet u. 1857, unter Beförderung
zum Generallieutenant, Gejandter in Stuttgart.
Im Kaulafus mehrmals verwundet, flarb er an
den Folgen 29. Juni 1858 in Paris. Nach fei-
nem Zode erfdien von ihn: Souvenir intime d’une
campagne au Caucase, Par, 1858. Tagai.*
enda, 1) Franz, Biolinift, geb. 25. Nov.
1709 in dem böhmischen Dorfe Altbenatef; entfloh
als Kind von Prag, wo ihn die Geiftlichen feiner
Ihönen Stimme wegen als Chorfnaben feitbalten
wollten, nad) Dresden. Dort fand er als Kapell-
fnabe Aufnahme, blieb einige Zeit, entfernte fich
aber wieder beimlih. Nachdem er feine Sopran»
ftimme verloren u. eine Zeit lang Alt gefungen,
griff er zur Bioline, ſchloß fich einer mwandern-
den Mufifantenbande an u. fam, 18 Fahre alt,
nah Wien. Sein ausdrudsvolles Spiel erwarb
ihm bald einen Namen, worauf ihn der Staroft
Szaniawsfi zu Warfhau als Kapellmeifter en—
gagirte. 1732 wurde er in die Dienfte des Kron—
prinzen von Preußen (Friedrich II.) berufen, und
1771 wurde er königlicher Concertmeifter, Er ft.
7. März 1786 zu Potsdam, Bon feinen zahl-
reihen Compofitionen find 12 Soli in Paris u.
1 Flötenfolo in Berlin gedrudt. Nach feinem Tode
wurden die Etudes de Violon, Oeuvr. posth., u.
Exereices progress. pour le Violon, livr. III.
zu Leipzig herausgegeben. 2) Georg, Bruder
des Bor., geb. 1721 in Jungbunzlau; ward auf
Berwendung feines Bruders 1742 Biolinift in der
fönigl. Kapelle zu Berlin, 1748 Gothaifcher Kapell-
meifter, legte 1778 dieſe Stelle nieder, machte
Kunftreifen in Italien, Frankreih u. Deutfchland,
lebte dann in Wien, Gotha u. Ronneburg; er ft.
zu Köftrig 6. Nov, 1795. Seine vorzüglicften
Werfe find: das Duodram Ariadne auf Naros
(1774), das Duodram Medea, das Monodram
Pogmalion, die Operetten: Der Dorfjahrmarft,
Walder, Romeo u. Julie, Der Holzbauer, Das
tatariiche Geſetz, Lulas u. Bärbchen, Das Findel-
find. 3) Friedr. Wild. Heinr., Violin- und
Klavierjpieler, Sohn von B. 1), geb. 1745; ft. als
penfionirter Kammermuficus 19. Juli 1814 zu Bots»
dam; er jegte Opern u. Cantaten, 3. B.: Orpheus,
Das Blumenmädcen, Die Grazien x. 4) Karl
Heinr. Herm., Biolinift, Bruder des Vor., geb.
2. Mai 1748; umter König Friedrich II. von
Preußen Kammermufiter u. dann Eoncertmeifter;
ft. penfionirt 15. März 1836. 5) Friedrich
Ludwig, Sohn von B. 2), geb. 1746 zu Gotha;
wurde 1778 Mufifdirector am Seylerſchen, 1782
am Hamburger Theater, reifte dann mit feiner
Frau, der berühmten Sängerin Felicita Agnefia
ie, von welcher er fich ſpäter fcheiden ließ. Er
ft. al8 Director der Concerte in erg sei 27. März
1793; ſchr. Biolinconcerte und Opern (Barbier
von Sevilla, Die Verlobung u. a.). 6) Joh.
Wild, Dito, Sohn von B. 4), geb. 1775 zu
Berlin; ſtudirte die Rechte u. fam 1797 als Au-
feultator nad Petrifau, als Neferendar u. dann
als Eriminalratd nah Kaliih, wurde 1807 mit
den übrigen füdpreußifhen Officianten brodlos u,
Bendat — Bender.
nährte ſich nun durch belletriftiiche Schriftftellerei;
Ipäter wurde er Confulent der Kanfmannjchaft zu
Landshut und Bürgermeifter; nachdem er als
föniglider Commiſſar für die Organifirung des
andfturms eine bedeutende Thätigleit entwidelt,
wurde er Megierungsrath in Oppeln; er ftarb
daſelbſt 1832. Beſonders bekannt durch jeine
Überfegung des Shalefpeare, Leipzig 1825, 19
Bände, Brambach.
Bendak, in Perſien eine hohe, mültzenartige
Kappe der Derwiſche.
Bendavid, Lazarus, Mathematiker u. Philo—
ſoph, geb. 18. Oct. 1762 zu Berlin von jüdiſchen
Eltern; erlernte zuerſt die Glasſchleiferei, ſtudirte
dann in Göttingen mit großem Erfolge noch Ma—
tbematif, ging nad Berlin zurück u, hielt feit
1790 Borlefungen über Kantiche Pbilofophie, der
er fih mit großer Begeifterung bingegeben. In
der Hoffnung, in Wien neue Anhänger für die»
jelbe zu gewinnen, fiedelte er dortbin über und
feste, im Haufe des Grafen von Harrach lebend,
keine Vorleſungen fort. Da jedoch die Negierung,
die infolge der Borgänge in Frankreich argwöhniſch
geworden, B. mißtraute, wurden jeine Borlefungen
verboten. Er kehrte deshalb nah Berlin zurid
u. bielt von Neuem Borlefungen über die Kantſche
Pbilofophie. Als aber die Univerfität gegründet
ward, mußte er fie als einen Eingriff im deren
Rechte einitellen und nahm dann eine Stelle als
Rechnungscontroleur an. Er ft. 28. März 1832
zu Berlin. B. ſchr.: Über die Paraflellinien, Bert.
1786; Verſuche einer logiſchen Auseinanderjegung
des mathematischen Unendlichen, ebd. 1789; Ber-
fuh über das Vergnügen, Wien 1794, 2 Th.;
Vorlefungen iiber die Kritif der reinen Vernunft,
ebd. 1795, 2. U., Berlin 1802; Vorlefungen über
die Kritff der praftiichen Vernunft, Wien 1796;
Borlefungen über die Kritik der Urtheilstraft, ebd.
1797; Beiträge zur Kritik des Geichmades, ebd.
1797; Borlefungen über die metapbufiihen An—
fangsgründe der Naturmwiffenichaft, Wien 1798;
Verſuch einer Geichmadsiehre, Berl. 1799; Ber-
ſuch einer Rechtsiehre, Berl. 1802; Über den Ur—
Iprung unferer Erlenntniß (Preisichrift), ebd, 1802;
Ueber die Religion der Ebräer vor Moſes, ebd.
1812; Zur Berechnung des jüd. Kalenders, ebd.
1817; Selbjtbiogr., ebd. 1804. Specht.
Bendel, Franz, geb. 3. März 1833 in Böh—
men; bildete fich zu einem ausgezeichneten Klavier-
ipieler, zuletst unter der Leitung von F. Lilzt,
wirkte als Muſiklehrer in Berlin, wo er 3. Juli
1874 ſtarb. Er war auch ein jehr fruchtbarer
Componift; feine Werfe (über 100 Opus) find
meiſt Klavierftücde im Salonftil.
Bendemann, Eduard, berühmter deuticher
Geihichtsmaler, geb. 9. Dec. 1811 zu Berlin. Da
feine Eltern im Haufe des Bildhauers Shadow mwohn-
ten, erhielt der Knabe Gelegenheit, deſſen Ateliers
zu befuchen. Kaum 16 Jahre alt, fiedelte er (1827),
nachdem er jhon während feines Gymnafialbefuches
in Berlin unter J. Hübner tüchtige Studien im
Zeichnen gemacht, nach Düffeldorf iiber, befuchte
de dortige Akademie u. fehritt im Zeichnen nad
der Antife bald tlichtig voran. Ende 1827 nad
Berlin zurüdgelehrt, zeigte er ſchon im feinem
161
altteftamentfihe Stoffe, die er mol feiner Ab:
ftammung aus einer jüdischen Familie verdantt.
Als Shadow 1830 mit Hübner, Hildebrandt u.
C. Sohn nad Italien ging, ſchloß fih B. ihnen
an. Nah Jahresfrift ging er über die Alpen
zurüd u. begann feine Trauernden Juden im Eril,
mit denen er auf der Berliner Ausftellung von
1832 einen wahren Triumph errang. enig
über 20 Jahre alt, hatte er ſchon eine Reihe von
bedeutenden Arbeiten geliefert, Durch die meift ein
Iug poetisher Reſignation ging, der aber bald
einem eigenthämlichen Charakter Iyrifcher Jung—
fräulichkert u. lieblicher Naivetät Pla machte, ohne
daß DB. hierin jo meit ging, wie die fpäteren Diüi-
jedorfer. Im J. 1834 entftand jein Jeremias
auf den Trümmern Jerufalems, der in Paris präs
mitrt ward u. jetst in der Galerie zu Bellevue fich
befindet. Fünf Jahre fpäter fehrte B. nach Berlin
zurüd, boffend, dort große monumentale Werte
Ihaffen zu dirfen: doch er täufchte fih. So nahnı
er denn eine Brofeffur an der Dresdener Akademie
an (1838) u. begann damit eine neue Epode in
feinem Leben. Er ſchuf nun die großen Fresken
im Thron», Concert» u. Ballfaal der königl. Re—
fidenz, wobei er fi) eine heftige Augentrantheit
zuzog, die ihn aber nicht hinderte, anderwärts
tünftterifch thätig zu fein. Dann ging er au die
Fortfegung der Fresken im Concertfaal mit antiken
Stoffen, wogegen er im Thronſaal allgemein
menschliche benutt hatte. Bald danach entjtand die
antil-romantiihe Compofition Nauſikaau. Odyſſeus,
die indeh feinen früheren Werfen weder an Tiefe
der Empfindung, nod an Technik gleichiteht. Als
jein Schwager Schadow der Yeitung der Diüifel-
dorfer Alademie aus Gefundbeitsrüdfihten nicht
mehr nacdhlommen konnte, ward B, an deſſen Stelle
gewählt, nahm aber diefelbe erſt an, als die Ala—
demie auf feine Beranlaffung reicher dotirt wor—
den, Er trat indeß 1867 zurüd, um ganz dem
künſtleriſchen Schaffen leben zu lönnen. Außer
den genannten Werfen find — u nennen: Zion
u. Babel, Ulzſſes u. Benelope, Der Brudermord
des Hain, die Wegführung der Juden in die Ba-
byloniſche Gefangenſchaft (National-Galerie in Ber-
lin), die Fresken in der Aula der Realſchule in
Düffeldorf, Chriſtus, die Kinder feguend. Trog
der großen Formen hat B-8 Zeihmung etwas An-
muthendes, feine Farbe etwas Helles u. Mildes.
Seine Compofition ift abgemeffen, einfach, feine
Charaftere find edel u. keuſch, doch ermangeln fie
der Größe, Reanet.
Bender (Bendery), Kreisſtadt u. Feſtung in
der ruffiihen Provinz Belfarabien, nördlich am
Drrjeftr; hochliegende Eitadelle; Handel; 24,443 Em,
B. fcheint erft im Mittelalter angelegt zu fen.
Mit der Moldau befegten die Türlen aub B. u.
befeftigten e8 gegen die Polen. In dem nahen
Dorfe Barniga lebte König Karl XII. von Schwe-
den 1709—1712 nad) der Schlacht von Pultama.
Bei B. am 25. Oct. 1769 Gieg der Türken
unter dem Großvezier Ali Bey über die Ruſſen
unter Wittgenftein. General Banin erftürmte es
1770, ließ Einwohner u. Beſatzung niederhauen
u. die Stabt abbrennen; im Frieden 1774 zur
—— ward B. am 15. Nov. 1789 von
erftien Bude, Boas u. Ruth, feine Vorliebe filr den
Vierers Univerfal:Eonverfations-Leriton. 6. Aufl. LIT Band.
uffen unter Potemlin nochmals" erobert,
11
162
Bender — Benedef.
wieder abgegeben, aber 1811 von Neuem erobert|den Anfang der wahrhaft wiſſenſchaftlichen mittel
u. 1812 mir Rußland vereinigt.
Bender, Johann Blafius, Freiherr von,
öfterr. General, geb. 1713 zu Gengenbadh in
Schwaben; trat 1733 als Cadet in öſterr. Dienfte,
ward 1734 Fähnrich u. machte zwei Feldzüge
unter Eigen mit. 1737 diente er gegen die
Türken, Fpäter im erften u. dritten Schleftichen
Feldzuge gegen Friedrich II., wo er ſich bei Moll
wig u. vor Prag auszeichnet. 1769 ward er
Generalmajor, 1775 Felemarſchalllieutenaut u.
Commandant von Olmüg. Joſeph II. erhob ibn
in den Freiherrnftand u. ernannte ihn zum Feld—
zeugmeiſter. Bei der Empörung der Niederlande
1789 zeichnete er fih von Neuem aus u. wurde
zum Feldmarſchall ernannt, Als Gommandant
von Puremburg capitulirte er nach Smonatlicher
Belagerung aus Mangel an Nahrungsmitteln,
ging nad Wien zurüd u. ward zum commans»
direnden General von Böhmen ernannt, wo er
am 20, Nov. 1798 ftarb. Meinardus.
Bender Abas, (Bender-Abaſſi, Gamron),
Stadt am Perſiſchen Meerbuſen, im Küftenlande
Moghiſtan der perfiihen Provinz terman; Perlen
fiicherei; — Hafen; 4—5000 Ew. Die Stadt
hat den Namen von Abbas dein Großen, welcher
fie zu einem Hauptplage des perfiichen Seehandels
erhob. Bom 17. Jahrh. bis 1870 gehörte fie
dem Sultan von Oman zu Maslat, ift aber
wieder an Perfien abgetreten worben.
Bendorf, Stadt im preuß. Kreife u. Regbez.
Koblenz, rechts am Rhein u. Station der Rheini—
chen Eifenbahn; 4 Jrrenanftalten ; Seidenhaipel-
anftalt, Wollenipinnerei, GCichorienfabril , Eifen-
hüttenwerf, Fabrilen für feuerfefte Steine, Bleiweiß
u, Bimsftein, Majchinen u. Pfeifen, Gasanftalt;
Holz: u. Fruchthandel; Objtbau; 3045 Ew.
Bene (lat.), 1) wohl, gut; daher in der Sprache
des Umganges: fi ein B. thun; 2) B. tibi
(te), vobis (vos), d. h. Heil dir! Heil euch! ein
beim AZutrinten üblicher Zuruf der Römer, jo viel
wie Profit!
Dene (B. Baglenna), Städtchen zwischen Stura
und Tanaro im Diitr. Mondovi der ital. Brov,
Euneo; Kinderbewahranftalt, Comvict für arme
Mädchen, Krankenhaus; Wefte einer römischen
Wafferleitung; Garten- und Obftbau, Bereitung
von Semenge fredde aus Arbujen- u. Gurfen:
fernen, zur Orgeade und dgl., jährlih gegen
12,000 kg.; 6131 Emw.; Ruinen der Römerftadt
Julia Augusta Bagiennorum.
Benede, Georg Friedrich, bahnbrechender
Germanift, geb. 10. Juni 1762 zu Möndsrode
um Fürftenthum Öttingen (Bayern); ſtud. jeit 1780
in Göttingen, bejuchte namentlich Heynes Borlefun-
gen über altclaffiiche Philologie, wurde daſelbſt
1789 bei der Ilniverfitätsbibliothet angeftellt,
1805 aufßerordentlicher, 1814 ordentlicher Univer—
fitätsprofeffor, 1829 Bibliotbelar, 1836 Ober-
bibliothelfar. Er las hauptjächlich iiber die eng—
liche Sprache, die er aufs Gründfichfte verftand,
u, über altdeutjche Literatur. Er ft. 21. Aug. 1844
zu Göttingen. Schriften: Beiträge zur Kennt-
niß der altdeutihen Sprache u. Literatur, 2 Bde.,
Gött. 1810—32; Ausgabe von Boners Edel—
ftein, Berlin 1816, mit einem Wörterbuche, das
hochdeutſchen Lerifographie bezeichnet; Ausgabe
des Wigalois von Wirnt von Gravenberg , mit
Anmerkungen, in denen B. mit Sinn u. befchei-
zener Sorgfalt zuerft ein ganz neues Verftändniß
der mittelhochdentichen Boche eröffnete (Lachmann),
u. Wörterbuch, Bert. 1819; die meiften erflärenden
Anmerkungen zu Yahmanns Ausgabe von Hart»
manns wein, Berlin 1827, 2. Ausg., 1848,
3. Ausg. 1868; Wörterbuch zu Hartmäuns Jwein,
das den Grund zur mittelhochdentichen Yerifo-
graphie legte, Göttingen 1838; viele Beiträge zu
den Göttinger gelehrten Anzeigen, die B. ſeit
1828 mit Heeren vedigirte, m. zu Haupts Zeit
schrift für deutſches Alterthum. Sein Nachlaß
wurde in Müllers u. Zarndes mittelhochdeutichem
Wörterbuch (Leipzig 1854 ff., 3 Bde., in 4 Bon,
mit Supplement von Lexer, 1871 ff.) verwendet.
Vgl. Rudolf v. Raumer, Geſchichte der germanischen
Philologie vorzugsmeile in Deufchland, Münden
1870, ©. 455 ft., 540. fi. 2) Wilhehm, ban-
delswiſſenſchaftlicher Schriftiteller, geb. 1776 zu
Hannover; lebte fange Zeit ftudirend in England,
fchrte fpäter wieder ins Hannoveriſche zurüd u.
ließ ſich 1828 in Heidelberg nieder, wo er 8. März
1537 jtarb. Er ſchr. u. a. engliſch: Syſtem des Affe»
curanz· u. Bodmereiweſens, Hamb. 1807—21,
4 Bde., u. 1Bd. Zuſätze, ins Deutſche, Franzö—
ſiſche, Holländiſche, Däniſche u. Italieniſche über—
ſetzt, neue Bearbeitung von Nolte, Hamburg 1352,
2 Bbe.
Denedel, Ludwig, Ritter v. B., öfterr. Ge—
neral, geb. 1804 zu Odenburg in Ungarn; im
der Wiener - Nenftädter Militärafademie erzogen,
trat er 1822 als Fähnrich in das Fufanterie-
Negiment Marquis Chafteler ein, ward 1824
Unterlientenant, 1831 Oberlientenant und als
folder 1833 zum Generalguartiermeijterftabe bei
der Armee in Italien befördert, 1835 Hauptmann,
1840 Major u. Generalcommandoadjutant im
Galizien, 1843 Oberftlientenant, 1846 Oberſt u.
zeichnete fich bei der damals in Galizien ausge.
brochenen Revolution durch richtigen militäriihen
Bid u. perfönlihe Tapferkeit aus, fo bejonders
bei Soow u. Wieliczta, mo er die Fufurgenten
zeriprengte. 1847 zum Negimentscommandanten
vom nfanterieregiment Giulay ernannt, ging er
nach Italien, wo er am Kampfe gegen die Pie»
montejen theilnahm und fih bei. vor Mortara
u, beiNovara auszeichnete, weshalb er 1849 zum
Generalmajor ernannt wurde. Er übernabin bier-
auf eine Brigade bei dem 1. Nejerpearmteecorps
der Donauarmee, mit der er gegen die Ungarn
foht; nach Beendigung des Feldzuges wurde er
‚eldmarkhalllieutenant u. Chef des Generaljtabes
bei dem Generalgouverneur Grafen Radegiy; 1859
commandirte er das 8. Armeecorps in Italien,
wo er fich in der Schlacht bei Solferino auszeich-
nete, ohne das Gefammtrefultat des Feldzuges
ändern zu können. Doch war jeine Popularität
in Heer u. Boll von da feft begründet, jo daß
man im ihm allgemein den oberiten Befehlshaber
auf den Schiachtfeldern Oſterreichs bezeichnete.
Zunähft ward er Anfang 1860 Feldzeugmeiſter
u, General-Gouverneur in Ungarn, darauf nod
im jelben Jahre Oberbefehlshaber in Benetien
Benedetti — Benedict.
u. 1866 in gleicher Eigenfchaft bei der Nordarınee
den Preußen gegenübergeftellt. Der Feldzug ver-
lief unglücklich, B. zeigte fih nicht als der Feld»
herr, den man in ihm vermuthete. Dazu fam
die Unfertigfeit der Armee, die Übrigens B. felbit
ſehr gut erfannte, jo daß er noch von Olmüg
ans den Kaifer aufforderte, Frieden zu fchließen.
Aus diefen Umftänden erklärt fich die mangelnde
Energie, die es zuließ, daß die Armee des Kron-
prinzen in Böhmen eindrang u. ihre Vereinigung
mit der Hauptarmee bewerfitelligte, ein fernerer
Fehler war die Mahl des Echlachtfeldes von
Königgrätz, mo der preufifche Sieg vom 3. Juli
die Armee der Bernichtung nahe bradte, B. zog
nd nah Olmüg zurüd u. wurde duch den in
Falien fiegreih geweſenen Erzherzog Albrecht im
Commando erjegt. Eine kriegsgerichtliche Unter
mung wurde auf Befehl des Kaiſers niederge-
ſchlagen. In Ruheſtand verfegt, lebt B. in Graz.
Dieinarbus.*
Benedetti, 1) Alerander, auch Bene-
dictus Päantins genannt, berühmter Arzt
aus Legnano in der Lombardei; ging 1490 nad
Griehenland , hielt ſich als Arzt in Candia und
Moton in Morea auf, wurde 1493 Lehrer ber
Anatomie inBadua, wo er fich einesübergroßen Zu:
laufes erfreute, u. diente 1495 in der venetianischen
Armee gegen Karl VIIL.; er fl. 1525. B. hielt
fh mehr an die griech. Autoren, fürdhtete ſich
nicht, vielfältig mit Celſus zu brechen, trat ber
arztlichen Barbarei entgegen, wie aus der Dedis
catton feiner Anatomie an Marimilian hervor:
seht, befchrieb zuerſt die Entftehung der Gallen-
feine u. faßte auch die verfchiedenen Erſcheinungen
der Syphilis, mit als einer der Erſien, unter
emem gemeinfamen Gefichtspunfte auf. Geine
Verfe enthalten einen reihen Schag merkwürdiger
Veobachtuugen, auch findet man in ihnen die
erfte genaue Nachricht iiber jene calabrefische
Jamie, weiche neue Nafen zu bilden verſtand.
De pestilenti febre etc., Venedig 1493; Anato-
miae sive historiae corporis humani libri 5, ebd.
1493, 1498, 1502, Bar. 1514 u. 19, Bajel 1517,
Koln 1527, Straßb. 1528; De medici et aegroti
vffieio aphorismorum libellus, Paris 1814; dieſe
drei Werke find auch im einem Bande zufammen
erihienen u, dem Kaiſer Maximiliau gewidmet:
De re mediea opus insigne et candidatis medi-
“inae apprime utile, ad Maximilianum Caesarem
Augustum Imperatorem hoc ordine digestum ete.
Venedig 1535, Bafel 1539, 49, 72; Medieinalium
observationum rara exempla; De prodiguis
inediis exempla duo, Bern 1664. 2) Bincent,
Graf, franz. Diplomat, der Sohn eines Richters
anf Gorfica, geb. 29. April 1817 zu Baftia;
widmete fich der diplomatischen Laufbahn u. war
erit feit 1846 franz. Conſul in Kairo, wo er ſich
mit einer jungen Öriechin vermählte u. von wo
et 1848 in gleicher Eigenfchaft nad Palermo u.
taranf nad Malta verjegt wurde; 1851 beglei-
tete er Lavalette als Legationsfecretär nad Con—
fantinopel u. wurde bier 1854 Gefchäftsträger,
aber fhon 1855 als Director der politiiyen An-
gelegenheiten im Minifterium des Äußern nad
Farıs berufen, wo er 1856 Secretär beim frie-
deuscougreß war. Durch feine Gewandtheit dem
163
Kaifer Napoleon bekannt geworden, bediente fich
derjelbe feiner fortan zur Realifirumg feiner Ein»
flußerweiterungs- u. Yändererwerbungsplane; fo
ihidte er ihn 1860 nah Turin, um dort die
Abtretung Savoyens u. Nizzas ernftlih zu be»
treiben, was ihm aud bei Cavour glüdte, er-
nannte ihn 1861 zum Gefandten am Hofe zu
Turin, wo er gelegentlich auf Ausſöhnung zwifchen
dem Papft- u. Königthum in Italien u. die Be-
feftigung der franzöfiichen Machtitellung in Rom
wirten jollte; dies gelang ihm freilich wicht, m.
er wurde im Auguft 1862 von feinem Poften ab»
berufen, dagegen im November 1864 als Bot»
ſchafter nah Berlingejhidt, wo er erit Preußen
zu allerhand Transactionen wegen Bergrößerungen
Fraukreichs in Luremburg, am Rhein, in ber
Schweiz zc. zu gewinnen verfuchte u. zu diefem
Zwece fogar Frankreichs Hilfe gegen ſterreich
zu verfprechen hatte, Zwar mußte er nach dem
Siege Preußens feine Betheiligung an dem Frie—
densſchluß mit Öfterreich (1866) ganz Übergangen
iehen, aber dejto dringlicher trat er nun mit
feinen Compenfationsforderungen für Frankreich
auf, verlangte die Abtretung der Feſtung Mainz
an Franfreih n. dann die Gommivenz Preußens
zur Erwerbung Yuremburgs; legte 1867 dem
preußiichen Diinifterpräfidenten einen Plan vor,
wonach Süddeutſchland an Wreufen, dagegen
Belgien an Frankreich kommen follte. Obgleich
dieje Negociationen alle erfolglos waren, wurde
er dennoch von feinem Kaiſer im Mai 1869 im
den Grafenftand erhoben, Da feine diplomatischen
Künfte die Abfichten des Kaifers nicht zu fördern
vermochten, jo wurde ihm die Aufgabe, Frant«
reichs Kriegsluft gegen Preußen zu verwertben; da-
zu wurde 1870 die ſpaniſche Thronangelegenheit mit
dem Erbprinzen von Hohenzollern benugt: B. be-
gab ſich 9. Juli zum König nach Ems, an welchen er
das Berlangen jtellte, an den Prinzen das Ber-
bot ergehen zu laffen, die fpaniihe Krone an-
zunehmen, was er, obwol am 11. ſchon abgewie-
jen, am 13. wiederholte und eine entſchiedene
Zurüdweilung erfuhr. Er ging am 14. nad
Paris zurück, worauf die Kriegserflärung er»
folgte. Nach dem Sturze der faiferlichen Regier—
ung begab er fih nad Baſtia auf Korfica und
erhielt 16. Aug. 1871 feine Entlafjung aus dem
Staatsdienfte, Er fchr.: Ma mission en Prusse,
Par. 1871, worin er einen vergeblichen Berfuch
machte, fi u, bie faiferlicye Regierung zu recht ⸗
fertigen. 1) Zhambayn.
Benedicamus Domino (lat.), d. h. preilen wir den
Herrn! Formel, womit der katholiſche Gottes»
dienft in der Faſtenzeit u. an einigen anderen
Zagen, flatt des gewöhnlichen Ite, missa est!
geſchloſſen wird.
Benediciren (v. Lat.), weihen, feguen.
Benedicite (lat., ſeguet), 1) Aufruf zum Ziich-
gebet in Klöſtern. 2) Der Geſang der 3 Männer
im Feuerofen, der nad) einem Beſchluſſe des Con—
cils von Toledo 633 in Kirchen u, Klöftern an
jedem Sonntag u. Feſttag der Märtyrer gefungen
werden muß.
Denedict (v. lat. benedietus, der Geweihte,
Geſegnete, Gebenedeite). I. Heilige: 1) St.
Benedict von Nurjia, geb. 480 zu Nurfia,
11*
164
jetzt Norcia im Neapolitanifchen ; faın fromm er-
zogen mit feinen Eltern nad) Rom, um ſich dem
Studium der Wifjenjchaften zu widmen. Allein
da feine Studiengenoffen in Lafter verjunten
waren, floh er fon im jenem 14. Lebensjahre
das Elternhaus, Rom u. die Welt. Bon jeiner
Anıme begleitet, zog er fih zuerſt nach Enfide
(Aufidene, Alfidena) in den Abruzzen zurüd, um
ebenjo bald vor dem Andrange des ehrfürdhtigen
Boltes allein nah DOften, gegen Subiaco am
Anio zu entfliehen, wo er 3 Jahre lang einfam
in einer Höhle, in Biegenfelle gefleidet, ftrenger
Kafteiung lebte u. 510—27 nad u. nad 12
öfter mit je 12 Mönden, einen Abt am der
Spike, gründete, denen er jelbft wieder als Ober»
abt vorjtand. 528 gründete er das Klofter Monte
Caſſino (j. d.) inmitten einer noch heidniſchen
Landbevölkerung, deren Tempel u. Haine er zer—
ſtören ließ. 629 gab er der von ihm gegründeten
Mönchsgemeinde u. den von ihr ausgehenden
Colonien ihre Regel. Ju Monte-Eaffino ft. er
543 als Patriardy aller abendländiichen Mönde;
jein Tag ift der 21. März, in der Griechiichen
Kirche der 12. März. Seine Schweiter ift St.
Scholaſtica. Hauptquelle feiner Lebensgeſchichte
die Erzählung Sregors d. Gr. im 2, Buche feiner
Dialoge (Op. ed. Bened. T. II., p. 207—276).
2) St. B., geb. 623 in England; hieß urjprüng-
ih Biscop; lebte im Gefolge des Königs Oswin
von Northumberland, ging aber 25 ‚jahre alt
sad Hom, wurde auf einer zweiten Reiſe nad)
Nom im Klofter Yerins, wo er 2 Jahre lebte,
Möuch, jpäter Abt des Klofters St. Peter bei
Canterbury u. gründete bald Darauf (670 u. 674)
die Klöfter zu MWearmouth u. Jarrow in Dur:
bam, wo er viel für Gelehriamteit, kirchl. Bau—
tunſt u. Mufit that. Er ft. 690 od, 703; ſein
Zag: 12. Jan. 8) St. 8. v. Aniane, Wi-
tiza, Graf v. Maguelone, geb. um 750 in
Yanguedoc; war Wundſchenk Pipins des Kleinen,
trat 774 in das Klofter des bi. Sequanus im
Bisihum Yangres u. gründete 780 das Kloſter
zum Weltheiland auf ſeinen Giltern am Bache
Aniane (daher ſein Beiname) nach der ermenerten
Regel Benedicts u. ſah bald viele Klöſter ſeinem
Muſter folgen. Bon Karl d. Gr. wurde er an
die Seite Alcuins berufen u. zur Beftreitung des
Adoptianismus verwendet. Er legte auch, von
Yudwig dem Frommen ausgezeichnet, das Kloſter
Inda (an der Inde) des St. Cornelius bei
Aachen (Corneliusmünſter) an u. redigirte 817 bei
dem Concil die Hegel Benedicts in 80 Gapiteln,
wonach zu leben allen Bencdictinern befoblen
wurde; er ft. zu Corneliusmünfter 851; Tag:
12. Febr. Er ſchre: Codex regularum etc.,
herausgeg. von Lucas Holftein, Rom 1661, Par.
1663, u. von Brolie, Augsb. 1759, 6 Bbe., Fol.;
Voncordia regularum, herausgeg. von Menard,
Par. 1638; Abhandlungen, meift gegen Felix von
Urgel, in Baluze, Miscellanea, Thl. 5. Quellen:
Bollandus in den Acta 8.; Mabillon in den
Acta S. ord. Bened.; Gfrörer Allg. Kirchengeſch.,
Thl. Ul. ©. 704 fi. 4) St. B. (Benezet), geb.
Benedict.
in Avignon, welche den Bau der Brüde über
die Rhöne beforgen u. franfe Handwerksleute im
den Hojpitälern verpflegen mußten; man nennt
fie auch Fröres pontifs od. Brüdenbrübder (j. d.).
B. ft. 1184; Tag: 14. April,
11. Päpſte. 5 8. LI. Bonoſus, der 63.
Papft ; regierte 574—78, wo er aus Sram über
die verwüjtenden Einfälle der Congobarben ftarb.
6) 8. IL, der 82. P. ein geborener Römer;
gewählt 683, aber erſt 684 beftätigt, weshalb der
byzantinifche Kaifer Conftantinus II. Pogonatus
bejtummte, die Weihe der Bifchöfe von Rom ſo—
fort nah der Wahl vorzunehmen, ohne erjt die
faiferlihe Genehmigung abzuwarten. B. ftarb
685. 7) 8. IU., der 108. P., der Nachfolger
Johanns VIII., d. i. der angeblichen Päpitin
Johanna; regierte nach Unterdrüchung des Ge—
genpapſtes Anaſtaſius 857—58. 8) B. IV,
der 121. P., geborener Römer; hatte den päpſt-
lihen Stuhl von 900—903 ume 9) 2. V.,
der 137. P., Gegenpapft Yeos VIIL, 964, von
den Römern gewählt; wurde von Kaijer Otto L.,
dem fie ihn auslieferten, entjegt und nad Has
burg weggeführt, wo er 965 karb. 10) B. VL,
der 139, P., 972 von der faijerlihen Partei ge-
wählt; wurde 973 bei dem Aufjtande des Cre—
jcentius in Rom in den Kerler geworfen u. er»
drofielt. 11) 8. VIL, der 142. ®., ein Vetter
Alberichs, des ehemaligen Fürften von Rom, bis
zu jeiner Wahl Biſchof von Sutri, 975 von der
toscanischen Partei gewählt; ft.983. 12) 8. VIIL.,
der 151. P., Sohn des Grafen von ZTuscoli,
Biihof von Porto (1012); wurde, vom Gegen-
papft Gregor vertrieben, 1014 durch Kaifer Hein«
rich IL. wieder eingeſetzt, jchlug, ſich ſelbſt an die
Zpige des von Genuejen u. Pifanern verftärkten
Heeres ftellend, die Saracenen bei Yımi, nahm
ihnen die Inſel Sardinien u, mit Hilfe Heinrichs II.
den Griechen Apulien; er weihte das Bisthum
Bamberg ein; fi. 1024. 13) B. IX., der 153,
P., ein Neffe des Bor.; erhielt 1033 als 10jäh-
tiger Knabe durch Beftehung die dreifache Krone,
wurde, wegen feiner Sittenlofigfeit u. Graufam-
feit 1038 vertrieben, durch Konrad II. wieder
eingejegt; 1044 abermals entjett, erhielt er durch
Held nah 3 Monaten die päpftlihe Würde wieder,
verkaufte fie dann an den Erzpriefter —
Gratianus (als Papſt Gregor VL), blieb aber
Bapft, während ihm in Gilvefter III. vom
der Partei des Conſuls Ptolemäus noch eur Ge«-
genpapft geftellt war, bis 1046 Kaifer Heinrich ILL.
auf der Synode zu Sutri alle Drei abſetzte. B.
machte noch Berfuche, durch Geld wieder Papft zu
werden, ward es auch 1047 auf 8 Monate, ur.
dann 1054, diesmal vergebens; er fl. 1056.
14) 8. X., der 160. ®., vorher Biihof von
Belletri; aud durch Beitehung 1058 auf den
Thron gelommen, mußte er aber nad 9 Mona-
ten dem von der Partei Hildebrands gewählten
Nitolaus II. weichen. 15) 8. XI., der 200. P.,
vorher Niccole Bocaffini, Sohn eines Hirten aus
Trevigi; wurde 1296 General des Dominkaner-
Ordens, 1298 Cardinalbiſchof von Dftia u. 1308
zu Hermillon, Schäfer zu Aloilard in Bivarais;/Papft als Nachfolger Bonifacins’ VIIL.; er
baute infolge einer Bifion die Brüde zu Avignon.
1304 u. wurde unter B. XIV. ſeli
geiprochen ;
Er war Stifter der Hofpitaliter zu St. Benedict! Gedächtnißtag: 7. Juli. 16) 8. XIL, der 203,
Benedict. 165
V., vorher Falob Fournier aus Saverdun in ‚ihm einen eifrigen Förderer, wie feine Bauten in
Languedoc, ein Bäders- od. Müllersjohn; ftieg Rom u. die Afademien in Rom u. Bologna be-
dur jeine Kenntniffe u. fonftigen guten Eigen- zeugen, ſowie die Opfer, welche er für die Hand-
Ihaften bis zum Biſchof von Mirepoir empor u. |ichriftenfammlung der Baticanifchen Bibltothef
ward endlid 1334 Papft. Er wollte von Avignon brachte. Beſondere, wiewol erfolglofe Beitreb-
den Si nah Bologna verlegen, wurde aber|ungen widmete er der Wiedervereinigung der
durch widrige Berhältniffe daran gehindert; auch |Proteftanten mit Rom. Die Regierung aber über-
verfuchte er eine Ausjöhnung mit Ludwig dem
Bayer, jedoch umfonft infolge der Intriguen der
Höfe von Frankreich u, Neapel; er trat entichieden
für Beſſerung der Kirchenzucht u. gegen das Com-
mendenmwejen u. den Nepotismus auf; ft. 1342.
17) 8. (XIII.), fo nannte fi) der Cardinal
Peter de Luna, ein edler Aragonier, nachdem er
unfolge feines Verjprechens, die Einigkeit der Kirche
wiederberzuftellen, 28. Sept. 1394 während des
Schisma zu Avignon zum Papfte erwählt worden
war. Da er das Verſprechen nicht hielt, rieth ihm
Karl VI von Franfreih, abzutreten, mas auch
die Univerfität zu Paris verlangte; indeß Peter
blieb, bis er 1398 für abgejegt erklärt wurde u.
verſprechen mußte, zu entiagen; 1403 aber trat
er, nachdem er die Garbinäle gewonnen, wieder
als Papft auf u. erlangte durch den Herzog von
Orleans feine Anerkennung. Bis 1408 hatte er
mit 3 Gegenpäpften zu kämpfen u. entging dann
der von Karl VI. befohlenen Berhaftung durch
die Flucht nach Spanien, wo er, erit anerfannt,
durch feinen Hohmuth bald den König Ferdinand
gegen fih aufbrachte; endlich, 26. Juli 1417, er«
Härte ihn das Concil von Konftanz als Störer des
Kirhenfriedens für abgeſetzt. Seine mehrfachen
Bannftrahlen blieben fo wenig beadhtet, daß er
ſelbſt nicht einmal als Papft von der Kirche ge»
zählt wird. Er fl. 29.Nov. 1420, 90 Yahre alt,
auf feinem Felſenſchloſſe in Valencia. 18) B. XIII.,
der 253. P., vorher Bincenz Maria Orſini, Sohn
des Herzogs Ferdinand III. Orſini von Gravina,
geb. 2, Febr. 1649 zu Neapel; wurde 1667: Do-
mintcaner, 1672 Eardinal u. Profetto della con-
gregazione del concilio, 1673 Biihof von Dans
fredonia, 1680 von Gefena, 1686 Erzbiichof von
Benevent, welche Stadt er nad dem Erdbeben
1688 wiederherftellte, u. 1724 wider feinen Willen
zum Papfte gewählt, da er jelbft fühlte, daß es
ıhm an Geift m. Kraft dazu fehle; fo lag er denn
ganz in den Händen des unwürdigen Cardinals
Coſcia, der ihn im verfchiedene Streitigkeiten mit
den Jeſuiten, Kaifer Karl VI, dem König von
Bortugal zc. vermwidelte, ohne daß dabei die
Würde des Papſtthums behauptet worden wäre.
Die Zahl der Kanonifirten verjtärkte er bedeutend.
Er ft. 21. Febr. 1730. Bon ihm: 13 Homilien
über das 2. B. Mofes, Rom 1724, 2 Bde.;
Lebeusbeihreibung von Mlerander Borgia, Rom
1741. 19) 8. XIV., der 255, Bapit, vorher
Brojper Laurentius Lambertini; geb. 31. März
1675, aus einem edlen Geſchlechte zu Bologna;
ward 1727 Bifhof von Ancona, 1723 Cardinal,
1731 Erzbifhof von Bologna u. 1740 Papft. B.
zeichnete ſich durch Gelehrſamkeit, wie durch edlen
Tharalter aus, ftrebte, die Kirche durch Schärfung
der Kirchenzucht in ihrem Anſehen zu heben u,
die fatholifchen Fürften durch Muge Nachgiebigfeit
zu
Kır
fieß er meift feinem Minifter, dem Cardinal Ba-
lentin. Ex ftarb 3. Mai 1758. Seine Werle:
Über die Gebräuche bei den Seligiprechungen ;
Über die Synoden zc., herausg. von Em. Azevedo,
Rom 1747—51, 12 Bde, 1777, 16 Bde. Le
bensbeichreibung, Rom 1787.
III. Gelehrter. 20) B. der Levit, Dia-
conus in Mainz, vervollftändigte u. feste des An-
jegifus Sammlung der Capitularien Karls d. Gr.
fort; fie machen das 5., 6. u. 7, Buch der Capi«
tufarien ans; herausgeg. im 2. Thl. der Monu-
menta Germaniae legum; im 9. Jahrh. ließen
der Erzbifchof Herard von Tours u. der Bifchof
Iſaak von Langres Auszüge fiir ihre Diöcefe dar-
aus machen, herausgeg. in Baluze, Capitul. re-
gum Franc. Bergl, Kuuf, De Benedicti Lev.
eolleetione capitularium, 1836.
1) Huber. 2-4) Löffler.” 5—19) Lagai.
Benediet, 1) Traugott Wilhelm Guftav,
geb. 1785 zu Torgau; feit 1809 praftifcher Arzt
zu Chemnit; wurde 1818 Profeffor der Ehirurgie
u. Director der chirurgiſchen u. augemärztlichen
Klinik zu Breslau; er ſchr: Gefchichte des Schar-
fachfiebers, Lpz. 1810; Beiträge fir prattifche
Heilkunde u. Opbthalmiatrif, Lpz. 1812; Mono»
grapbie des Grauen Staars, Bresl. 1812; Ehir-
urgiihe Monogramme, ebd. 1817; Handbuch
der praftiihen Augenbeilfunde, Lpz. 1822—25,
5 Bde.; Darftellung der Yehre aus den Verbänden
u. chirurgiſchen Werkzeugen, Lpz. 1827; über die
Rhinoplaftit, Brest, 1828. 2) Julius, hervor—
ragender Stlavierfpieler und Componiſt, geb, 24.
Dec. 1804 in Stuttgart, Sohn eines jüdischen
Bantiers; erhielt eine jorgfältige wiffenjchaftliche
u, mufilalifche Ausbildung. Im Klavierjpiel waren
jeine Lehrer: Goncertmeifter Abeille, jeit 1819
Hummel in Weimar; in der Compofition: feit
1820 C. M. v. Weber in Dresden. 1823—25
war er auf Webers Empjeblung bin als Kapell-
meifter am Kärnthnerthbor-Theater zu Wien an-
geftellt, reiſte dann durch Deutichland u. Italien
u. wurde in Neapel, wo er zur fathol. Keligion
iibertrat, Mufildirector am Theater San Carlo,
erwarb fi) aber auch als Klavierſpieler in meh—
reren italien. Städten Beifall, Er kehrte 1830 nad)
Deutihland zurüd, wandte fih 1831 nad ‘Paris,
lernte hier Beriot u. Malibran kennen, welde
ihn veranlaßten, 1832 nad London überzufiedeln.
Abgejehen von einer größeren Concertreiſe, die
er 1850—51 mit Jenny Lind in Amerika machte,
u, Heineren Reifen, ift er in London fehhaft ge-
blieben u. hat fi als Pianift, Componift u. Di-
rigent eine ſehr angefehene Stellung erworben,
wie feine Erhebung in den Ritterjtand 1871, viele
Ordensauszeichnungen u. das 40jährige Jubiläum
feiner Londoner Thätigleit (18. Mai 1875) be-
Innden. Sehr zahlreihe Klapiercompofttionen
ewinnen, u. that jehr viel für die Euftur des)(Sonaten, Variationen, Yantafien, Salonftüde,
denflaates; Kunſt u. Wiffenichaft fanden in Concerte), die Opern Ernesto e Giacinta und I
166 Benedicta --
Portorhesi a Goa, die Operette Un anno et un
giorno, ſchon in Italien unter Einfluß des Roffini-
ſchen Stils componirt, während feine jpäteren
Opern fih an Webers Vorbild anlehnen; es
find: The Gipsy's Warning (1838), The Bride
of Venice, The Crusaders, von ihm als Kapell-
meifter des Drury-Lane-Theaters auf die Bühne
gebradht, jener The Lily of Killarney (1861),
die Operette The Bride of Song ; außerdem jchrieb
er eine Symphonie, das Oratorium St. Peter,
für das Birminghamer Mufiffet 1870 componirt,
die Gantaten: Die Hi. Cäcilie, Undine u. a. Als
Dirigent leitete er das Mufitfeft zu Norwich, die
Monday Popular Concerts, Liverpool Philhar-
monie Concerts, die italien, Oper im Drury-tane
u. Her Majestys Theatre.
Benedieta (lat., die Geſegnete), weibl. Name.
Denedietbeuern, Dorf im Bezirksamte Tölz
des bayerifhen Regsbez. Ober-Bayern, 625 m
ü. d. Meere; 1072 Em.; reiche, im Jahre 740
geftiftete Benedictinerabtei, deren prächtige Kirche
vom Abt Placidus gebaut, 1686 geweiht, 1803
aufgehoben wurde, woranf of. von Utichneider
bier 1806 eine Kunſtglashütte zur Fertigung von
Kron- u. Flintglas für fein u. Reichenbachs u.
Fraunhofers optisches Anftitut zu Münden an-
legte; jeit diefe Anftalt 1819 nach München ver»
legt war, wurde vom Staate in B. ein Militär-
fohlenhof errichtet und 1869 aud die Veteranen-
anftalt von Donauwörth u. das Invalidenhaus
von Fürftenfeld dahin verlegt.
Benedietenkraut u. Benedietentuurz, das
Kraut u. die Wurzel von Geum urbanum; die
Wurzel ift officinell als fogen. Neltenwurzel, Radix
Caryophyllatae u. wird als Surrogat der Ehina-
rinde benußt.
Benedictenwand, großartiger fteiler Gebirgs-
ftod in den Bayerischen Alpen (ſ. d.) bei Benebdict-
beuern, 2075 m hoch; herrliche Fernficht.
Benedietiner, Mönchsorden, geftiftet von
Benedict (ſ. d. 1) von Nurſia 529 auf dem
Monte Caſſino. Die —— find die Stabi-
litas, Beharren im Möndsftande u, in dem ge-
wählten Klofter, Conversio morum, fittlihe Um-
fehr, Obedientia, Gehorfam gegen die Klofter-
obern. Außer Gebet u. Lefen ift täglich Tmaliges
Gebe: vorgefchrieben u. Vermeidung des Müßig-
gaugs, namentlich Handarbeit, zur Pflicht gemacht,
wozu Caſſiodoruſſ, Gründer des Klofters Vivarium
in Bruttien (538), Beſchäftigung mit den Wiffen-
haften fügte. Die Atefe war nicht fiberfireng,
Fleiihgenuß zwar im Allgemeinen verpönt, den
Kranken aber zugelaffen. Die Abte follen zwar
den Rath der Untergebenen benutzen, gebieten
aber unbejhränft. Unter ihnen ftehen zur Ber-
mittelung des Berlehres mit den Mönchen Pröpfte
(Propvsiti) u. Decane. Da die Aufnahme von
Kindern, fogen, Oblati, geftattet war, jo verban-
den fi bald mit den Bettöern Klofterjchulen.
Die Kleidung ift die Cuculla, Mantelkragen mit
Kapıze, u. die Tunica, ein Rod mit dem Sca—
pulier, für die Arbeitszeit. Der Orden verbreitete
fih über den ganzen Dccident ı. ftiftete durch
die großen Abteien u. Schulen zu, Pavia, Jvrea,
Turin, Eremona, Florenz, Fermo, Berona, Bir
cenza, Paris, Tours, Reims, Meg, Toul, Ber-
Benedietiner.
dun, Fleury, Elugny, Görz, Mainz, Trier, Köln,
Magdeburg, Würzburg, Korvey, Fulda, Reichenau,
Hirſchau, Hersfeld, St. Emmeran, Echternach,
St. Gallen, Einfiedeln, Pfäfers, Diſentis ꝛc., for
wie durd die Sorge für Landescultur mehr Nugen,
als die anderen Klöfter. Ihre vielen irländiſchen
Lehrer (befannter unter dem Namen Schotten)
waren die erften, welche ſchon im 8. Jahrh. für
Erhaltung der Überrefte des claſſiſchen Alterthums,
für theologifshe u. philoſophiſche Gelehrſamkeit
nicht Unbedeutendes Teifteten. Aber durch den er»
worbenen Reichthum, ſowie durch Amter u. Wir-
den berlor der Orden feine urſprüngliche Sitten-
reinheit, ergab fich der Schwelgerei u. weltlichen
Beipäftigungen, indem Abte jogar Kriege führten,
u. mußte fich verſchiedenen Reformen unterwerfen,
fo der des St. Benedict von Aniane um 8. Jahrh.,
de8 Abtes Benno zu Clugny 910, des Abtes
Wilhelm zu Hirihau 1069, zu Ballombroja im
11. Jahrh., zu Burdfeld 1425 zc. Hierdurch u.
ans den B.-Eremiten u. B.-Reformaten,
mit ftrengerer Regel, entjtanden theild neue Orden
mit verjchiedener Auslegung u. Anwendung der
Benedictinishen Grundregel u. neuer Tracht, wie
die Eluniacenjer (v. Odo, 927—941), Eijtercien-
jer (mit weißer Tracht, zum Unterjchiede von der
Ihwarzen des älteren B.-Ordeus, von Bernhard
von Clairvaur feit 1113 gegründet), Feuillanten,
Barretiner, Camaldulenfer, ECorpus-Ehrifti-Orden,
Ebraldiner, Damianiften, Humiliaten, Orden vom
Grünthal, vom Jungfernberg, vom Olberg, Mus
roniten, Orden von Pulfano, Silveftriner, Trap-
piften, Wilhelmiten, Orden von VBallombroja ıc.;
theils auf Befehl der Päpfte oder durch Anreg«
ung einzelner eifriger Ordensmitglieder bildeten
ſich auch mehrere neue eigene Gongregationen
(d. i. freie Vereinigungen felbjtändiger Klöfter zur
Beobachtung einer und derfelben Hegel), welche,
der Grundregel u. Tracht getreu, lediglich durch
Beränderungen in der Auslegung u. in gottesdienft-
licher Form fi unterfhieden. Dagegen vermwil«
derte der Orden in Frankreich am meiften u.
widerftand am hartnädigften allen Reformver-
juden, was bef. feinen Grund darin hatte, daß
bier die Klofterpfründen häufig au Laien u. Welt-
geiftlihe verlichen wurden; nur die Abtei Chezal»
Benoit in der Bretagne machte mit wenig anderen
eine rühmliche Ausnahme. Bon allen aber zeich«
nete fich die 1618 von Lorenz Benard, Mönd zur
St. Vannes, geftiftete Congregation von St. Maure
aus, welhe duch ihren General Gregor Tarife
auf Wunfc des Cardinals Ricelieu, der ein Gegen-
gewicht gegen die Jeſuiten fuchte, eine ausge—
zeichnete wiſſenſchaftliche Organilation erhielt u.
namentlich für franzöfifhe Geſchichte, kirchenge-
ſchichtliche Duellenforidung u. Herausgabe der
Schriften der Kirchenväter viel leiftete. Um Lait«
descultur u. Bollsbildung machten fi aud die B.
in Ungarn (hier feit dem 11. Jahrh. verbreitet
u, bej. in der 1385 geftifteten Congregation auf
dem St. Martinsberge bei Raab) u. in Polen
(bier die 1670 gegründete Gongregation des Hei-
ligen Kreuzes) ſehr verdient, „Zu Ungarn gingen
fie infolge der Schlacht bei Mohäcs 1526 faſt
alle ein. Die in England von St. Auguftin
597 geftiftete Eongregation zu Canterbury, welche
Benedietinerinnen — Benedir.
900 von St. Dumftan u. 1072 von Lanfranc neu
organifirt wurde, hob König Heinrich VIII. 1535
auf. Sehr litt der ganze Orden dur die Re—
formation, durch Nivalität der beinahe allmächtig
gewordenen Jeſuiten, durch feine mehr od. minder
offene Widerjeglichkeit gegen die päpftt. Bullen,
durch das Unweſen, daß man bie Abteien lediglich
als Revenüen betrachtete u. daher fogar an Yaien
die Abtftellen vergab (Commendataräbte) u. Zucht
u. Ordnung zerrüttete, dur den Aufihwung der
Bettelorden m. durch faft ausichließlihe Aunahıne
von Adeligen in die reicheren Abteien, durch den
Geift der Zeit, durch Kriege, endlich durch Die
franzöfifhe Revolution. Das Decret des Kaifers
Joſeph IT. bob 1786 auch die B. auf. Bon den
15,107 Ktöftern des 15. Jahrh. ließ ihnen die
Reformation nur etwa 5000 übrig, u. jet werden
faum 800 gerechnet, obgleich Kaifer Franz 1802
den Orden reftituirte u. Bayern (mit der Haupt«
DB. Anftalt zu Augsburg) u. Frankreich deren
neue errichteten. 1849 wurden in Parma und
Neapel ihre Klöfter aufgehoben. Nach Fehlers
Berechnung zählten die B. während der 13 Jahr.
ihrer Dauer 15,700 Schriftfteller, 4900 Biichöfe,
1600 Erzbiichöfe, 200 Cardinäle, 24 Päpfte,
1560 Tanonifirte Heilige. Hauptwerfe über die B.:
Defte Ausg. der Ordensregel, dv. Edm. Martene;
Mabillon, Annal. ord. 8. Benedieti, Par. 1703
bis 1739, 6 Bde., Fol, gehen bis 1157; Ziegel
bauer, Historia rei literariaeord. S. Bened., 1754,
4Bde., Fol.; Brandes, der B.-Orden nad feiner
meitbift. Fedeutung, Tib., Qu.⸗Schr. 1851. !üffler. *
Benedietinerinnen, Klofterfrauen nah Ct.
Benedicts Regel, nach der Ordenstradition von
der Schwefter Benedicts von Nurfia, der bi. Scho-
laftica, gegründet, erft feit dem 7. Jahrh. nad)-
weisbar. Die Mehrzahl ihrer Klöfter blieb im
der folge vereinzelt, außer Congregationsverband,
unter Aufficht der Ordinarien, felten der Bene-
dictiner. Früher als bei den Mönchen zeigten ſich
Unordnung u. Verwilderung u. Bevorzugung des
Mels; die vornehmften Klöjter verwandelten fich
in regufirte od. fogar in weltliche Stifte adeliger
Ehorfrauen, mobei nur noch der Name Benedicti-
niſch war. Sonft folgten fie den verſchiedenen
Regelmodificationen der Mönche u. nahnıen, wie
diefe, eigene Drdenstitel an, z. B. Gongregation
Unferer Yieben ehe von Ealvaria, 1622, von der
beftändigen Anbetung des Sacraments in Franl-
reih. Eigentlihe B, gibt es nicht mehr, nachdem
Franfreih 1789, Ofterreich, Polen, Preußen ac.
u. auch Spanien, Portugal, Neapel u. Parma in
neuefter Zeit den Orden aufgehoben haben, Förller.*
Benediction (v. lat. benedietio), die Ein-
ſegnung (f. d.), von ſymboliſchen Handlungen, wie
Handanflegen, Beſprengen, Räuchern, Salben ıc.,
begleitete Gebete, die Gnade Gottes für Perjonen
oder Heilfamen Gebrauch von Sachen zu erflehen,
ju ımterjcheiden von Gonfecrationen, Weihungen,
wodurch Berfonenoder Sachen gemeinem Gebrauche
entzogen werden, u. von Dedicationen, Widmune
gen, wodurch namentlich Orte (Kirchen, Altäre)
* Eigenthum Gottes beſtimmt werden. Die
Formelu zu den verſchiedenen Einſegnungen ent
bält das Benedietionarium (Benedictionalis liber).
167
13. Jahr.; ft. 25. Decbr. 1306, Anfangs Yurift,
befebrte er ſich nah dem Tode feiner Frau zu
einem ftrengen Bußleben, nannte ih Jacoponıus
(Jacapone) u. ging nach einem zehmährigen un«
ftäten Yeben im ein Franciscanerkloſter, Bon Papft
Bonifacius VIIL, gegen den er bei deffen Be—
lagerung Paleftrinas zwei Lieder dichtete, wurde
er ins Gefäugniß geworfen. Biele Erzählungen
aus jeinem Leben find fabelbaft. Berühmt wurde
er namentlich durch feine Cantiei spirituali, die
zuerft in Florenz 1490 gedrudt wurden; zweiici-
haft ift eine ältere Ausgabe v. 1480. Unter deu
Ausgaben feiner Gedichte gelten als die beften
eine römische von 1558 u. eine venetianifche von
1617. Ihm wird der Tert des berühmten Stabat
mater zugejchrieben, Brambadı.
Benedictus, 1) fo dv. w. Benedict. 2) Jo—
hann, berühmter Arzt und großer Kenner der
grieishen Sprache; wurde auch auf Empfehlung
des Iſaak Caſaubonus u. des Mornäus Profeiler
diefer Sprade inSaumur, wo er 1664 ftarb. Er
gab den Lukianos mit later. Uberjegung heraus,
Saumur 1619; den Bindaros, daf. 1620, u. über«
fette den Horatius ins Griech. Erft.1664. 3) B.
Päantius, ſ. Benedetti, Alerander, Thambayn.
Benedictus (Pharın.), Bezeichnung mehrerer
Arzneiformen, bej. gelind, aber mit Erfolg aus—
leerend. Am befannteiten ift die Aqua benedicta
Rulandi, ein Antimonialmittel; Benedicta solutiva
Nicolai (Ph. Augyst.), ſonſt Yatwerge aus Tur—
pith u. Diagıydium. Lapis b. (Aichem.), jo v. w.
Stein der Weiſen.
Denediftow, Wladimir, bedeutender ruf.
Pyrifer, geb. 1806; wurde im Gabdettencorps ge»
bildet, machte die 3 letzten ruffiichen Feldzüge mit
u. wurde dann im Minifterium der Finanzen an—
geftellt. Er wirkte als Iyrifcher Dichter für die
Nomantil in Rußland: Stichotworenija, 1835,
2. A., 1836, darunter bei. ausgezeichnet: Drei Ge—
ftalten, Der See, Der Grabeshügel. B. ft. Ars
fangs Mai 1873 in Petersburg.
Denedir, Roderich, vortreffliher Luftfpiel«
dichter, geb. 24, Febr. 1811 zu Yeipzig; befuchte
die Thomasſchule daſelbſt, verließ aber diejelbe
1831 u. ging zum Theater über, ſpielte auf den
Bühnen mehrerer Städte im Anhaltiichen und
Schwarzburgiichen, 1333 am Rhein, widmete fich
aber, erimutbigt Durch Erfolge, die ihm fein zwei—
tes Schaufpiel: Das bemoofte Haupt, einbradıt:,
der Bühnenſchriftſtellerei u. lebte jeit 1838 in
Wefel u. jeit 1842 in Köln, wo er 1847 die tech—
nische Direction der Bühne übernahm u. Lehrer
an der Rheinischen Mufitichule wurde. 1855 ging
er als Intendant des Stadttheaters nah Frant-
furt a. M., in welcher Stellung er jedody ſolchen
Schwierigfeiten begegnete, daß er diefelbe 1858
aufgab u. nach Leipzig überfiedelte, wo er fi
1860 mit der Schaufpielerin Leontine Paulman
vermähfte, Er ft. dert 26. Sept. 1873. 8. ſchr.
Euftipiele u. Converfationsjtüde, darunter Johanne
Sebus (1835), Das bemooste Haupt (1839),
Doctor Weſpe, Der alte Magifter, Der Better
(ins Flämiſche überfegt), Eigenfinn, Der Proceß,
Die Hochzeitsreife, Der Liebesbrief (1851), Die
Mode, Der Stedbrief, Der Kaufmann u.a, Ges
Benebietis, Zacabus de, geb. zu Todi unljammelte dramatiſche Werke, Lpz. 1846—1877,
168 Ben£fice —
26 Bde.; Auswahl unter dem Titel: Haustheater,
4 U, ehr. 1871. Außerdem: Bilder aus dem
Schaufpielerleben (Roman), 1847, 2 Bde, n. A.,
1851; Deutihe Bolfsfagen, 6 Bde, 1839 f.;
Bolksfalender 1836—42; 1813, 1814, 1815, ein
Vollsbuch, 1841, 6 Hefte; Gedenkbuch fir das
Leben, ebd. 1841; Die Lehre vom mündlichen
Bortrage, 1852; Der mündliche Vortrag, Lpz. 1860,
3 Bde., 3. A. 1871; Der deutihe Rhythmus,
ebd. 1862; Katechismus der deutichen Bersfunft,
1872. Nach jeinem Tode erſchien das polemilche
Schriftchen: Die Shaleipearomanie, zur Abwehr,
Stuttg. 1873, welches Aufſehen erregte, aber nicht
geeignet war, des Berfafiers Ruhm zu vermehren.
Bönöfice, 1) fo v. w. Beneficium; bei. 2)
(Beneficevorftellung) Borftellung, deren Ertrag
nad Abzug der Koften einem Schaufpieler oder
einer Schaufpielerin (Beide Beneficianten), zu
Gute fommt; garantirtes B., wenn die Direc
tion eine gewiffe Summe als Einnahme ge:
währleiftet.
Beneficenz (v. lat. beneficentia), Wohlthätig-
feit, Güte.
Beneficial (v. Lat.), was zu einer Pfründe
gebort.
Beneficia non obtruduntur, Tat. Spruch: Wohl⸗
thateı werden nicht aufgedrängt.
Beneficiariae actions (Rechtsw.),
Condietio ex lege.
Beneficiren (v. Lat.), Wohlthaten ermeifen;
daher Beneficiat, emand, der Mobitbhaten,
bej. Stipendien, genießt; weichem ein Beneficium
(j. d.) verliehen ıft.
Beneficium (lat.), Wohlthat, Gefälligfeit, Bor-
theil, Vergünftigung. 1) Das römifhe Privat-
recht nannte B. Juris, B. legis die Rechtswohlthat,
mitteld Berufung auf eine Ausnahmebeftimmung
des Geſetzes ſich der unter beftimmten Verhältniſſen
nachtheiligen Wirkung einer allgemeinen Nechtöregel
zu entziehen, B. in diefem Sinne ift das aus dem
Jus singulare (Ausnahmerecht) hervorgehende ſub⸗
jective Recht. Dafjelbe kann personale, oder reale
fein, je nachdem es der Perjon als ſolcher, oder
infolge eines Berbältniffes, in welchem bie Berfon
ſich befindet, zuſteht. Es Tann indeß Jeder anf
ein ſolches befonderes Recht verzichten u. der all-
gemeinen Rechtsregel fi unterftellen: Benefieium
invito non datur, beneficia non obtruduntur.
S. übrigens auch Privilegium. Das Römifche
Recht hat eine große Menge von Rechtswohlthaten
in jenem Sinne eingeführt. Dahin gehören: B.
muliobre, rechtliche Begünftigung der Weiber in
Rechtsſachen, welches indeß feit Aufhebung der
befchräntenden Beftimmungen über die Bilrg-
haft der Frauen (ſ. Bürgichaft) fein Hauptgebiet
verloren bat. B. pupillorum et impuberum, ſolche
der Waifen u. Unmündigen ꝛc. B. restitutionis
in integrum, die Rechtswohlthat der Wiederein»
ſetzung in den vorigen Stand, B. electionis, die
Freiheit, unter mehreren Rechtsverhältnifien oder
Rechtswirlungen zu wählen. Bei Erbichaften:
B. abstinendi, das Necht der Hauslinder, welche
nah Römiſchem Rechte ohne befonderen Untre—
tungsact die Erbicaft des Hausvaters ohne
Beiteres von felbft erwerben, durch eine vor der
fo v. mw.
Einmiſchung in die Erbſchaft abgegebene Erftär-Itann, der Bürgichaft entbunden zu werben,
Beneficium.
ung fih von der Erbichaft loszuſagen und "fo
fih von den nachtheiligen Folgen des Erbichafts-
erwerbes zu befreien. B. abdicationis, das im
Bremifhen und Lübiſchen bejonders, aber auch
font nod, mo das Syſtem der Gütervereinig-
ung (Biltereinheit) oder Gütergemeinihaft gilt,
beftehende Recht, daß die Wittwe fih von dem
unter der Gewalt des verftorbenen Ebemannes
befindlih gemejenen gemeinfchaftlihen Bermögen
losjagen fann und damit die mit der Befiger-
greifung bes eventuell verjchuldeten Gutes ver»
undene Übernahme einer perjönlichen Berpflicht-
ung abgelehnt wird. B. (Jus) deliberandi, von
Juftinianus in c. 19. Cod. de jure delib. VL
30 eingeführte Rechtswohlthat, die einem Erben
erlaubt, wenn er iiber die Näthlichkeit der An«
nahme einer Erbichaft zweifelhaft ift u. Gläubiger
der Erbichaft, Subftituten od. Vermächtnißnehmer
anf eine Entſcheidung drängen, ſich vom Richter
eine Frift zur Überlegung (Spatium deliberandi)
zu erbitten, binnen deren der Erbe dann, ohne
efürcdhten zu miffen, deshalb als Antretender
betrachtet zu werden, fich in die Erbichaft immis-
ciren u. Diefelbe forgfältig prüfen kann. Ber
ftreicht die Frift ohne Erklärung, fo wird, wen
diefelbe auf Andrängen von Subftituten geſetzt
wurde, die Erbſchaft als ausgeichlagen, wenn
Gläubiger od. Pegatarien fie veranlaßten, al3 au⸗
getreten angejeben. Auch ohne von folden Jnter-
ejfenten gedrängt zu werden, kann aber der Erbe
ein Spatium deliberandi fich erbitten, welches
dann vom Richter auf 9 Monate, vom Regenten
auf 1 Jahr gewährt werden fol. B. inventarü,
von Juftinianus dem Erben ertbeiltes Recht, unter
öffentlicher Autorität ein Verzeichniß über bie
Berlaffenkhaft verfertigen zu laffen u. dann nicht
mehr Schulden bezahlen zu müffen, als aus der
Erbmaffe bezahlt werden fünnen. B. legis Falci-
diae, Befugniß eines Teftaments- od. Fnteftat-
erben, von jedem Legat, Fideicommiß, jeder
Schenfwag auf den Todesfall zc, fo viel abzu-
ziehen, daß ihm wenigftens 4 der Berlaffenihaft
(Quarta Faleidia) übrig bfeibt (val. Faleidia lex).
B. SCti Trebelliani, Rechtswohlthat, die den
Fiduciarerben erlaubt, bei Auslieferung der Erb»
Ihaft an den FFideicommißerben 4 davon zu be-
halten, wenn er es nicht vom Erblaffer früber
ausgezahlt od. auf andere Art erhalten hat. Bei
Schuldiahen: B. cedendarum actionum, das
dem Bürgen felbft nad der Zahlung zuftehende
Recht, vom Gläubiger gegen Bezahlung der gan-
zen Schuld die Abtretung der Klagen auf die
Schuldforberung wider Hauptichuldner u. Mit-
bürgen zu verlangen; im Weigerungsfalle ift jener
Bürge feiner Birgichaft enthoben. B. divisionis,
die Berfiigung des Kaiſer Hadrianus, von Juftinianus
erneut, daß von mebreren Bürgen, die alle zahl-
ungsfähig u. gegenwärtig find, ber einzelne nur
jeinen Theil, nicht die ganze Summe zu bezahlen
verbindlich ift (da vorher der Gläubiger von jedem
Einzelnen das Ganze verlangen konnte). B. libe-
rationis, Nechtswohltbat, wonach ein Bürge,
wenn es wahrfcheinlich wird, daß Der, flir welchen
er bürgte, wegen Verarmung, Berſchwendung
u, dgl, fünftig nicht zahlen könne, darauf antragen
ie
Benefiz — Benefe.
Geltendmachung des B. erfolgt mittel® einer
Provocatio ex lege si contendat (f. d.). Der
Slänbiger muß ihn der Bürgichaft entlafjen, oder
jogleih zur Eintreibung der Schuld fchreiten. B.
ordinis (B. exeussionis), von Juftinianus ertheilte
Rechtswohlthat eines Bürgen, vermöge ber er,
wenn er belangt ift, der Hauptſchuldner aber noch
nicht, verlangen fann, daß er in Ruhe gelaffen
werde, bis der Hauptichulöner verflagt u. deſſen
169
das Fribericianum feiner Baterftadt, betbeiligte
fih am Feldzuge 1815, ftudirte feit 1816 in Halle
u. Berlin Theologie u. Philofophie u. habilitirte ſich
1820 in Berlin als Privatdocent. Nah Ber-
öffentlihung feiner Grundlegung der Metaphufit
ber Sitten, Berl. 1822, wurde er feinem Antipo—
den Hegel zu Gefallen vom Katheder entfernt.
Die Ausficht zu einem Rufe nah Jena fcheiterte
an jenem Bundestagsbeichluffe, ver die Anftellung
Zahlungsunfäbigteit conftatirt ift, ſofern derjelbe|eines ausgejchloffenen Lehrers in anderen Bundes:
mit gleihem Erfolge u. ebenjo leicht in Anjpruch|ftaaten verbot. B. wurde 1824 Privatdocent in
genommen werden fann. Bis dahin hatte der
Gläubiger freie Wahl zwiichen dem Hauptichufdner
u. Bürgen. B. SCti Vellejani, die Rechtswohl-
that, nach welcher den Frauen das (jedoch einge-
Ichräntte) Recht zufieht, daß ihre Bürgichaften u.
ihr Gutjagen feine Gültigkeit haben. B. cessionis
bonorum (B. de bonis cedendis), das Recht
eines ohne jeine Berfchuldung infolvent gewordenen
Schuldners, durch vollitändige Abtretung feines
en an die Gläubiger jih von den befon-
deren Nachtheilen, die außerdem für ihn aus feiner
Infolvenz entipringen würden, zu befreien; ſ. u.
Concurs. B.competentiae, Rechtswohlthat, ver-
möge welcher der dürftige Schuldner jo viel Ber-
mögen oder Einnahme behält, als er nothdürftig,
feinem Stande gemäß, zum Yeben braudt. Dies
nur als Einrede, nicht al$ Klage vorzuſchützende
u. auch nur gewiffen Schuldnern, 3. B. Eltern
gegen bie Kinder, Ehegatten, Soldaten zc., zu
ftebende B, fett voraus, daß der Schuldner nicht
durch Lmredlichleit oder Vergehen vermögensios
geworben jei. Früher konnte er in ſolchem Falle
verlangen, nur foweit fein Bermögen reichte, ver-
urtheilt zu werben, daher das B. in den Quellen
mit Condemnatio in id, quod facere potest debi-
tor bezeichnet wird. B. dationis in solutum,
wonah ein Schuldner Sahen an Zahlungsitatt
überlaſſen kann. B. separationis, die Viechts-
wobithat, nach der auf Antrag der Gläubiger
eines Berftorbenen, deſſen Güter von dem Beſitze
feiner Erben getremmt werden, um die Gläubiger
aus erfteren zu beiriedigen. Bei Käufen: B.
exceptionis ultra dimidium justi preti, Befugniß
eines über die Hälfte des Werthes (ultra alterum
tantum laesio enormis) fibervortheilten Berfäu-
fers, auf Entſchädigung zu dringen, od. den Kauf
für ungiltig zu erflären, ein Recht, das Diele ohne
Grund aud) dem Käufer einräumenmwollen. B. igno-
rantiae juris (facti), das in gemijjen Fällen u.
beftimmten Perfonen (Minderjährigen, Frauen,
Ungebildeten , Soldaten) gegebene Recht, die
Rechtsunkenntniß zu ihrem Bortheil vorzuſchützen
(j. Irrthum). Beneficiorum liber war das Bud)
im römischen Ararium, in welches ber aus ber
Göttingen, 1827 erfolgte dann feine Rehabilitation
als Privatbocent in Berlin, 1832, kurz nach Hes
gels Tode, feine Ernennung zum außerordentlichen
Profeffor ohne Gehalt, ſeit 1839 mit einer jähr-
lichen, widerruflihen Remuneration von 200 Thir,
Er blieb unvermählt. 1. März 1854 verichwand
er auf eine noch unenträthjelte Weile. B. gründet
fein Hauptfach, die Piychologie, auf die innere
Wahrnehmung u. Empfindung; erft auf dieſe ges
deutet, fönnen die Auffaffungen der äußeren Sinne
für die Piychologie VBermerthung finden. An Er-
fahrungen hat das Denken anzufnüpfen; es bat
fie dann auf dem Wege der Fnduction, Hypothe-
jenbildung zc. vationell zu verarbeiten. Die Piy-
chologie iſt nicht auf die Metaphyſik, als die Lehre
von dem Verhältniſſe zwiſchen Sein u, Borftellen,
ſondern die Metaphyfil und alle anderen philo-
ſophiſchen Wiffenihaften find auf die Pipchologie
zu gründen. Das pbilofophiiche Denken hat die
in der Erfahrung gegebenen, jehr verwickelten Bor-
gänge bis in ihre erjten Beitandtbeile zu analy«
firen u. dann wieder aus dem Bereinzelten ſyn—
tbetiich ein Ganzes zu bilden. Die Seele it durdh-
aus inmateriell, fie befteht aus Grundſyſtemen,
die jowol im fich felbft, als auch mit einander eine
innigfte Wejenseinbeit ausmaden. Die Sitten-
lehre erflärte B. für fein gelungenftes, ibn am
meisten befriedigendes Werl. Die frübefte und
weitreichendfte Anerkennung fanden feine Leiſtungen
auf dem pädagogischen Gebiete, Schriften: Erfennt-
nißlehre nad) dem Bewußtſein der reinen Bermunft,
in ihren Grundzügen dargelegt, Jena 1820; Er-
fahrungsſeelenlehre als Grundlage alles Wiſſens,
in ihren Hauptzügen dargeſtellt, Berl. 1820; Bo
veris philosophiae initiis, diss, inaug., 1820;
Neue Grundfegung zur Metapbufil, als Programmı
zu feinen Borlefungen über Logif u. Metaphyfit
dem Drud übergeben, Berl. 1822; Grundlegung
zur Phyſik der Sitten, ein Gegenftüd zu Kants
Grundlegung zur Metaphyſik der Sitten, nebft einen
Anhange über das Weſen u. die Erfenntnißgrenzen
der Vernunft, Berl. 1822; Beiträge zu einer vein
feelenwifienichaftlihen Bearbeitung der Seelen.
franfheitsfunde, nebit einem vorgedrudten Send—
Provinz zurüdtehrende Proconful, Proprätor ꝛc. ſchreiben an Herbart: Soll die Pſychologie meta-
die Namen der von ihm zu Amtern Ernannten phyſiſch oder phyſiſch begründet werden? &pz.
oder Beförberten eintrug. 2) B., fo v. w. Feu-|1824; Piychologiihe Skizzen, 1. Bd.: Skizzen
dum (Lehn), welch letzterer Ausdrud feit demjzur Naturlehre der Gefühle, in Verbindung mit
13. Zahrhundert der übliche geworden ift; ſ. einer erlänternden Abhandlung über die Berwußt-
Lehn. 3) B. im firchenredhtlichen Sinne fo dv. w.| werbung der Seelenthätigleiten, Göttingen 1825;
Brlinde; ſ. d. Art. 2. Bd.? Über die Vermögen der menidlichen
Denefiz, 1) fov. mw. Beneficium. 2) So v, w.| Seele u. deren allmähliche Ausbildung, daf. 1827;
B=vorftelluug; f. Benefice 2). Das Berhältniß von Seele u. Leib, daf. 1826;
Beneke, Friedrich Eduard, deutſcher Phi-|Kant u. die philofophiihe Aufgabe unſerer Zeit,
Iofoph, geb. 17. Febr. 1798 im Berlin; befuchtejeine Fubeldenkicrift auf die Kritif der reimen
170 Bene meritus
Bernunft, Berl. 1832; Lehrbuh der Logif als
Kunftlehre des Dentens, dal, 1832; Lehrbuch ber
Bindpologie als Naturwiflenichaft, daf. 1832, 2. A.,
1845, 3. A., 1861; Die Philofopbie in ihrem
Berhältmiß zur Erfahrung, zur Specnlation u.
zum geben dargeftellt, daf. 1833; Erziehungs» u.
Unterrichtsicehre, 2 Bde, Berl. 1835, 36, 2. A.,
1842, 3.4.,1864; Erläuterungen über die Natur
u. Bedeutung meiner pſychologiſchen Grundhypo—
theſen, daſ. 1836; Grundlinien des natürlichen
Spftems der praftiichen Philofophie, Bd. 1: All-
gemeine Cittenlehre, daf. 1837, Bd. 2: Specielle
Sittenlebhre, daf. 1840, Bd. 3: Grundlinien des
Naturrechtes, der Politit u. des philoſophiſchen
Griminalrechtes, allgemeine Begründung, daj. 1838;
Syllogismorum analyticorum origines et ordinem
naturalem demonstravit F. E. B., daf. 1839;
Syftem der Metaphyſil u. Religionsphilofophie,
aus den natürlichen Grundverhältniſſen des menſch—
lichen Geiftes abgeleitet, daf. 1840; Syſtem der
Logit als Kunftlehre des Denlens, 2 Bbe., daſ.
1842; Die neue Piychologie, erläuternde Aufjäge
zur 2. Aufl. meines Lehrbuches der Piychologie
als Naturwiſſenſchaft, daj. 1845; Die Reform u.
die Stellung unjerer Schulen, ein philoſophiſches
Gutachten, daſ. 1848; Pragmatiſche Piychologie
oder Seelenlehre in der Anwendung auf das Ye-
ben, 2 Bde., daf. 1820; Lehrbuch der pragmatis
Ihen Pſychologie, 3 Bde., daf. 1853; Archiv für
die pragmatische Piychologie, 3 Bde., daf.1851—53.
Bene meritus (lat.), ein wohlverdienter Mann;
daher Benemerenz, Berdienftlichkeit,
Bene misceätur (abgelürzt b. m,, lat.), es
werde gut gemiſcht! auf Recepten.
Bene placito (ital.), Gefallen, Belieben; a bene
placito ift eine Bortragsbezeihnung für ſolche
Stellen, deren Ausführungsweije dem Ermeffen des
Vortragenden anheimgegeben ift, wie bei a piacere,
Bene qui latuit, bene vixit (lat., wer im Ver—
borgenen wohl gelebt hat, hat gut gelebt), Aus»
ſpruch der Pythagoreer u. des Obidius; er bejagt,
daß das ftille, glanzlofe Privatleben dem gejähr-
tihen Wirken in öffentlichen, bef. hohen Stellungen
vorzuzieben ſei.
enefchau, Stadt im gleichn. Bez. des öfterr,
Kronlandes Böhmen, füdojil. von Prag, an der
Prag⸗Gmünder Eiſenbahn; Piariften-Eollegium;
Lederſabr.; 3694 Ew.; die Bez.Hauptmannſch.
hat 889 [Jkm (16 [RR), mit 67,120 Em.
Benetti, Johann Dominicus, Leibarzt
des Herzogs Karl Ferd. v. Diantua, geb. 3. Febr.
1658 in Ferrara, wo er Profeffor der Medici
war; er ift befaunt durch fein Werk über die
medirinischen Vorſchriften, Die fih auf den Eultus
der Kathol. Kirche beziehen: Corpus medico-mo-
rale, continens adnotationes in Bascarini dispen-
sationum medico-moralium canones ete,, Mans
tua 1718, Zhambayn.
Bene valete (lat.), d. i. lebet wohl! Abſchieds-
wunſch in Briefen m. dgl. Die Päpfte fetsten es
unter ihre Bullen, u. nad u. nad wurde es in
Form eines Monogramms unter- u, ein Krumme
ftab dazugeſetzt.
Benevento (Benevent), 1) früher Delegation
im Kirchenftaate u, vom Königreih Neapel um-
gebene Enclave; 12 (km; 23,176 Ew.; feit
— Benevento.
der Annectirung Ende 1860, mit Zuziehung neas
politanifher Gebietstheile, Provinz des Könige
reichs Jtalien, von 1782,, [km (32, [_M), mit
232,008 Ew. 2) Hauptftadt dafelbft am Sabato u.
Calore, über den eine ſchöne Brüde gebt, an der
alten Via Appia u. an der Neapolitan, Eiſenbahn,
in jhöner Hügellandichaft; befeſtigt durch Mauern
u. Caſtell; Sit; der Behörden u. eines Erzbiichofs;
Schloß, intereffante Kathedrale (mit Bronce»
Thüren) u. a. Kirchen, 19 Klöſter, Alterthümer
(f. unten); ſchöne Spaziergänge und Gärten;
Handel und beſuchte Jahrmärlte; 20,183 Einw.
— B. ſoll nad der Sage von Diomedes aus
Argos gegründet worden fein. Zur Römerzeit
gehörte die Stadt den Hirpinern, einem Stamme
der Samniten, von denen fie die Römer er-
oberten., 275 v. Ehr. ſchlug Hier der Conſul
M Eurius Dentatus den König Pyrrhos vou
Epiros. 268 ging eine römiſche Colonie dahin,
u. der frühere Name Maleventum (wegen ber
ungefunden Luft) wurde mit Beneventum ver-
taujcht. Wegen ihrer lage an den fich hier freuzen-
den Hauptftraßen u. wegen der Fruchtbarkeit der
Umgegend wurde B. fehr blühend, Die Römer
bauten dort prächtige Gebäude, von denen noch
der Trajaniſche Triumphbogen (Porta aurea) aus
parijhem Marmor (mit reichen Neliefs, jett ein
Stadtthor), die Ruinen eines Antphitheaters u. a.
erhalten find. 214 v. Chr. ſchlug der Proconful
Sempronius Grachus den Carthager Hanno bei
B. Unter Auguftus, welcher Veteranen als Co-
loniſten dahin jchidte, erhielt B, für einige Zeit
den Namen Julia Concordia. Im Gothifchen
Kriege fielen (544) die Mauern der Stadt durch
Totila. Als Alboin nad Italien lam, wählte
ſich ein Theil feiner Longobarden 571 n. Chr.
einen Herzog Zodo (Zotto), der in B. feinen Sit
nahm. König Autharit fügte ganz Samnium zu
dem Herzogthum u. gab demſelben eine feſte Ein—
richtung; das Voll wählte den Herzog, u. der
Yongobardenfönig, von welchem B. meiſt abhängig
biteb, beſtätigte ihn. Im Jahre 662 ſchwang fid)
Herzog Grimoald zum König der Yongobarben
anf. Im 8. Yahrh., nad dem Sturze des Lon—⸗
gobardiichen Neiches, gerieth das Herzogthum in
Abhängigfeit vom Fränkliſchen Reiche, wurde zum
Fürſtenthum herabgefegt, nicht ohne mehrere Ber-
ſuche zur Wiederherftellung feiner Unabhängigkeit
zu wagen, u. zerfiel 840 nad langen inneren
Streitigfeiten in die Fürftenthümer B., Salerno
u. Capua. Nach langem Kriege mit den Byzanti-
nern geriethen Stadt u. Fürſtenthum B. immer mehr
in Berfall u. wurden Bajallen Kaifer Ottos I. Mitte
des 11. Jahrh. fiel die Stadt B. mit Hilfe Kaifer
Heinrichs III. in die Gewalt des Papftes Leo IX.
(1051), u. 1077 ftarb das longobardifche Fürften-
haus aus, worauf die in Neapel berrichenden
Normannen den Heft des Fürſtenthums au fid
riſſen. Im 11. u. 12, Jahrh. wurden in B. die
vier Beneventinischen Goncilien gehalten. Im
J. 1241 fiel B. nad —— Widerſtaude in die
Gewalt Kaiſer Friedrichs Il. Den 26. Febr. 1266
fiegte bei ®. Karl von Anjou über Manfred von
Neapel, welcher blieb, 1418 famı B. an Neapel,
aber vun Ferdinand I. erhielt es Papft Aleyan-
ber VI. zurüd u. übergab es Ferdinands älteftem
Benevolent — Bengalen. 171
Sohne Johann als ein Herzogthun; doch wurde! Oude ı. ie 19 ſowie viele Schutz u. Vaſal—
derſelbe bald ermordet. 1688 wurde B. durch leuſtaaten. 2) Jetzt Gouvernement des bri—
ein Erdbeben gänzlich verwüſtet; den Wiederauf- tiſchen Oſtindien, Gouv. der unteren Provinzen
bau unterſtützte der nachmalige Papſt Bene- B⸗s genannt; umfaßt die 5 Provinzen: B.,
dict XIII., der damals Erzbiſchof von B. war, Bahar, Oriſſa, Tſchota-Nagpur und Aſſam
aus ſeinem Privatvermögen. 1761 wurde B. (ſ. d. a.), welche 8 regulirte u. 3 nicht regu—
wegen der Härte des Papſtes Clemens XIII. ges |lirte Diviſionen bilden u. unter einem Lieute—
en den Infanten Philipp von Parma von den|nant» Gouverneur ftehen, der in Allipore, einer
— J——— beſetzt, aber 1774 au Clemens XIV. Vorſtadt Calcuttas, reſidirt; 610,380 [km
zurüdgegeben. 1798 entriffen es die Franzoſen (11,0858 FM); 66,856,859 Ew. Bon ein:
dem Bapfte u. verfauften es an Neapel; 1799 heimiſchen Staaten unter Eontrole der Negierung
zerfireute in einer Schlaht bei B. der Cardinal werden zum Gouv. B. gerechnet ſolche mit einen
Ruffo die republikaniſchen Truppen (f. ranzöft- Flächeninhalte von 205,006 [km (3723 00)
icher Revolutionstrieg). 1806 wurde B. als Für⸗u. 2,139,565 Ew. 8) Provinz darin (Nieder
ſtenthum von Napoleon dem Deinifter Talleyrand/B.), zmichen dem Bengaliſchen Bufen, Oriſſa,
äberlaffen, 1815 aber an den Papft zurüdgege-|Babar, Butan, Affam u. Britiſch-Birma; 232,665
ben; der König von Neapel behielt nur einige Ikim (4225 (N); 36,769,735 Ew. Das vom
Hoheitsrechte. 1860 wurde B. mit dem König) Ganges, Brahmaputra u. deren Nebenflüffen
reih Ftalien vereinigt. durchftrömte Land ift größtentheils® eben, von
Denevolent (v.Lat.), wohlwollend, geneigt; da- [großer Fruchtbarkeit, au den Gangesmündungen
ber Benevolenz, Geneigtheit, Wohlmollen, Gunſt. ſumpfig u. dicht bevölkert. Das Klima ift im
Benevölus (lat.), günftig, geneigt; daher Lec- höchſten Grade heiß u. ungefund. Die Cholera
tor b., geneigter Lejer, oft in Vorreden ꝛc. hat in ®. ihren Hauptherd u. fordert ein Viertel
Benfeld, Stadt im Kreife Erftein des reichs-Jaller Sterbenden. Faſt alle tropiichen Landes—
ländiihen Bezirkes Unter-Eljaß, an der Ill u. der Producte, ald Baumwolle, Zuder, Kaffe, Reis,
Erjäffiichen Eifenbahn; Kantonshauptort; ftarler|bringt der Boden in reicher Menge hervor. Die
Tabat- u. Hanfbau, Eichorienfabrif, Baummollen- Viehzucht ift bedeutend (Schafe, Büffel, Ziegen);
fpinnerei, Bandbmweberei u. Färberei; 2603 Em.[in den noch vorhandenen Urwäldern lebt der
B., ſchon 769 genannt, wurde im 13. Jahrh.|Königstiger, der Elefant, das Nashorn ꝛc.; der
Stadt u. gehörte zum Bisthum Straßburg. Ganges hat Fiſche, doch auch Alligatoven in Dienge;
Benfey, Theodor, deutiher Spracdforicher, [von Mineralien werden Eifen u. Salpeter in
geb. 28. Jan. 1809 in Nörten; ftudirte feit 1824 | geringer Menge gefunden. Der Kunftfleiß der
m Göttingen u. München Bhilologie,lebte 1830— 34 | Eingeborenen verarbeitet Baummolle, Seide und
mit Studien beichäftigt in — a. M. und Leder, auch Gold u. Silber; der Handel mit Eng—
wurde 1834 Profeffor in Göttingen. Er fjchr.:|fand ift bedeutend. Die Einwohner find Hindu,
Uber die Monatsnamen einiger alten Böller, 1836; | Bengali genannt, vertheilt in viele Städte u.
Griechiſches Wurzellerifon, ebd. 1839—42, 2 VBde.| Dörfer, daneben auch Europäer. Die verbreitetite
(Breisihr.); Uber das Verhältniß der ägyptiihen | Sprache ift die bengaliihe (ſ. u. Beugaliſche
Sprache zum ſemitiſchen Sprachſtamme, Lpz. 1844; | Sprache u. Literatur), Die Bengali find geiftig
Die perfiihen Keilinichriften, ebd. 1847; Gramsliehr begabt u. gutherzig, aber ftreitfüichtig u. auf ·
matik der Sanstritipradhe, Lpz. 18525 Kurzelichneideriih. Ein großer Theil, namentlich der
Gramm. der Sanstritipr., ebd. 1855; A practicallimteren Kaften, find Mohammedaner. Hauptitadt
Grammar of theSanscrit Language, Berl. 1863, |ift Ealcutta; bedeutenditer Handelsplat nach die»
2. A., Lond. 1868; A Sanskrit-English Die-ſem: Tſchittagong. Den weftlihen Theil durch—
tionary, 2ond. 1866; Geſch. der Spradmifjen- Fichneidet die von Calcutta durch Indien führende
ſchaft u. orientalischen Philologie in Deutjchland |Eifenbahn (mit Verzweigungen), 1962 km.
(befond. feit dem Auf. des 19. Zahıh.), Münd.| B., feit der Eimmanderung der Arier ein Sit
1869; gab heraus die Hymnen des Sama-Beda,|hoher Eultur, war, ſoweit es hiſtoriſch noch fejt-
ebd. 1848; Sangfrit-Ehreftomathie, ebd. 1853 f.,|zuitellen ift, politifch mie eine Einheit, fondern in
2 Thle.; redigirte die Zeitfchrift Orient u. Dcci-|jeinen Theilen wechſelnden einheimiſchen Dyna—
dent, Götting. 1863 f.; außerdem ſchrieb er eine|ftien untergeben (j. Indien, Geſch.). Exit mit der
Anzahl Mleinerer Arbeiten in den Abhandlungen der| Eroberung durch die Mohammedaner (1203 bis
Königl. Gefellichaft der Wiflenfhaften zu Göttin-1206) beginnt eine feitere Grundlage der Ge-
gen; er überſetzte auch den Pantjchatantra, Leipz. ſchichte. 1225 fiel es unter die Herrichaft der in
1859, 2 Bde. Delhi herrſchenden afghaniſch. Ghoriden-Dynaftie,
Bengalen (Geogr.), 1) ehemalige britische] Die Empörung des Gouverneurs Togrul (1279)
Präſidentſchaft in Oftindien; 1,740,100 [_Jkmimwurde unterdrückt, hiernach das Land eine Zeit
(672,648 engl. — 31,640 geogr. [_|M); etwallang unabhängig, 1327 von Mohammed Toghluf
107 Mil. Em. (ohne die wicht incorporirten ein- [wieder Delhi unterworfen, 1338 von Neuem in
beimischen Staaten); ftand unmittelbar unter dem|Xufruhr. Bon 1341—1477 regierte die Dynaftie
Bicelönig; wurde eingetheilt u. 1861 auch aufgelöft|der Purby, meist nnabhängig w. nur fcheinbar der
in die 5 Gouvernements B., Bendihab, NWPro- | Oberhoheit von Delhi unterthan; in der folgenden
vinzen, Eentralprovinzen, Brit.-Birmanten, welche Zeit war es der Schauplag von Kämpfen beute-
je von einem dem Bicefönig untergeordneten Liente- |jüchtiger Häuptlinge, unter denen Schir Schah 1530
nant-Gouderneur verwaltet werden. Inr Präfident-|zu großer Macht gelangte, bis es mit der Nieder-
ſchaft B. gehörten mod die Berwaltungsgebietellage u. dem Zode von Daud Khan durch Albar
172
1576 dem Großmoqgul unterthänig wurde. Geit-
dem blieb B. ein Beftandbtbeil des Meiches von
Delhi u. wurde duch beinahe felbftändige Statt-
balter (Subahdar) regiert. 1633 erlaubte der
Großmogul den Engländern, in B. zu handeln,
und 1681 festen jene zu Hugbly einen britischen
Wouvernenr ein. Der Subahdar Mirza Moham—
med (Suradſchah ed Daula) gerieth 1756 mit der
Britiich - Oftindiihen Compagnie in Streit, er-
oberte Galcutta, mo er 146 Engländer den Qua—
len der Schwarzen Höble ausjegte, wurde jedoch
7. Febr. 1757 von Clive zu bedingungslojem
Frieden gezwungen. Ebenſo vertrieb Clive die
Aranzofen aus Tichandernagor. Bei der baldigen
Wiederaufnahme der zeindfeligkeiten wurde Surad»
ſchah bei Plafiey 21. Juni 1757 von Clive voll»
ſtändig —— u. bald darauf ermordet, ſein
Vetter Mir Dſchafar auf den Thron gelett, au
deffen Stelle 1760 fein Schwiegeriohn Dir Kafım
zum Nabob ernannt, aber auch diefer 1764 ver-
trieben und Mir Dichafar wieder eingefegt; feit
1765 regierte jein Sohn Nadſchim ed Daulah
ohne jeglichen Einfluß. Bon diefem Zeitpuntte
an beginnt die engl. Herrichaft in diefem Gebiete;
das Nähere ſ. Indien (Geich.).
Bengaliſches Feuer (Bengalifche Flamme),
Feuerwerkscompoſition, aus Indien ftanımend u.
durch die Engländer verbreitet; ihre weiße Flamme
bewirkt Tageshelle u. iſt nachts bei hellem Wetter
Meilen weit fihtbar. Die Compofition befteht aus
64 Theilen Salpeter, 23 Theilen Schwefel u. 16
Theilen Schmwefelantimon; fie wird in offenen Ge-
fähen abgebrannt und kommt gewöhnlich zur feft-
lichen Beleuchtung von Straßen u. Gebäuden in
Anwendung. Dft bezeichnet a aud buntes
euer (j. d.) überhaupt als B.
Bengalifcher Meerbufen, Fpeit des Indi⸗
hen Oceans, zwiichen Border» u. Hinter-Jndien;
bat (bef. an den Ufern) viele Inſeln (Milobar,
Andaman, Tſcheduba u. a.) u. bildet außer den
Mündungen der Flüſſe wenig Bufen. Zur Schiff:
fahrt tragen eine Menge großer ſich in ihn er»
giegender Flüſſe bei, jo Jrawaddi, Ganges und
Brahmaputra, Mahanadi, Godavary, Kiftna, Pan—
natr, Cavery u. v. a. Es herrichen regelmä-
Bige "Winde 6 Monate lang aus NO. u, dann
wieder 6 Monate lang aus SW. Der B. M.
it reich an Schalihieren, bei. Perlenmuſcheln,
doh arm an großen Häfen.
Bengalifd) e Epradıe u. Literatur. Die B.
Eprade (Bengäli) ift eine von den zahlreichen
Sprachen, welche dem Sanskrit entitammen, und
nächſt dem Hindi jedenfalls die wichtigfte derjeiben,
da fie von der Hindubevölferung der ganzen Pro-
vinz Bengalen, d. b. von wenigitens 36 Millionen
Menſchen, gefprochen wird. Der Wörterſchatz iſt
bis auf wenige Ausnahmen ſanskritiſch; doch ift der
Formenreichthum der Mutterfpracdhe verloren ge-
gangen. Die fFlerionsendungen bei Nomen u. Ber-
bum werden durch Partikeln u. andere Hiliswörter
eriett. Das Alphabet hat ſich ebenfalls unmittel-
bar aus dem Devanagari entwidelt; mit demſel—
ben werden in Bengalen nur Bücher in Sauskrit
geſchrieben u. gedrudt. Das Bengaliſche theilt
mit dem Sanskrit in hohem Grade die Fähigfeit,
zufammengejegte Wörter zu bilden, wie dies bei.
Bengalijches Feuer — Bengaliſche Sprache u. Literatur,
die juriftiihen und philofophifhen Schriften be-
Tunden. Bor dem 16. Jahrh. fcheint das Benga-
liſche nicht als Schriftſprache gebraudt worden
zu fein. Das ältefte Werk in Bengali ift die Cai—
tanya Caritämrita von Krishnadäja, einem Schü—
ler des fanatischen Wiſchnuiten Eaitanya, geb. 1484,
u. Vegründers eines neuen Cultus des Kriichna.
Sonſt bat die b. 2. nur wenig Originales von
Bedeutung aufzuweiien. Das Meifte befteht in
Überjegungen, vor Allem aus dem Sanskrit, dann
aus den übrigen nordindiichen Dialelten und in
neuerer Zeit aus europäiſchen Sprachen, nament«
Ih aus dem Englischen. In ältere Zeit gebören
die Übertragungen des Mahäbhärata von Käfidäfa,
Seramp. 1836, 2 Bde, und des NRämäjana von
Kirtivaſa, ebd. 1803, 4 Bde. ebd. 1830, 2 Bde.,
beides jehr populäre Werke; die Hymne Manafü-
mangala, dem Khemananda zugeichrieben; die
Arithmetil des Subhanfara; das Werlchen Guru-
dalſhina ꝛc. Eine neue Epoche begann gegen Ende
des 18. Jahrh. mit Errichtung des Forts William
u. dem Wirken Careys u, feiner Genofjen. Seit
jener Zeit find bereits zahlreiche bengafijche
Bücher im Drud erſchienen, die in dem Descrip-
tive Catalogue of Bengali Works von %. Long,
Galc. 1855, genau verzeichnet find. Auch werden
darin 41 beugalifche Drudereien allein in Eal-
entta als 1854—55 befichend aufgezählt, neben
anderen 4 in Empor. Sehr verbreitet find
die Überlegungen der Hitopadeſa, Seramp. 1801,
1802, 1808, 1814 u. ö., der Batris Singhäfana,
ebd. 1808, 1816, Lond. 1834, der Betala Panca-
vinjati, Calcutta 1846, 1849, der Tota Itihaſa,
Seramp. 1805, Lond. 1811; ferner Rajabalt,
Seramp. 1808, 1822 u. ö. Unter vielem an—
deren wurde noch aus dem Sanskrit überfett das
zweite Buch der Mitälibara, Galc, 1824, die
Nyayadarfina, ebd. 1821; dann aus dem Eng»
lichen: Marſhmans History of Bengal, ebd. 1847,
u. History of India, Seramp. 1831, 2 Bbe,,
Hays Fabeln, Calc. 1836, Johnſons Rasselas,
ebd. 1833, u. v. a. Belondere Beachtung ver-
dient Nam Comulſens Übertragung von Johnſons
nglish Dictionary, Seramp. 1834, 2 Bde.
Seit 1846 erjcheint zu Calcutta eine Bengalifche
Encyklopädie. Eine große literarifhe Tätigkeit
haben die driftlichen Miffionäre entwicelt, denen
die Eingeborenen nicht nur verschiedene Journale,
jondern auch den Berein Zatwobodhini Sabha
entgegenftellten. Letzterer hat viele Meine Schriften
verbreitet. Als Überfeger, Herausgeber zc. machten
ih von Eingeborenen außer Nam Comulſen noch
bef. verdient: Ram Ram Boshu, Lalſhmi Narayan
Nyayalanlar, Kali Krishna Bahadur, Kafı Natha
Zarlapancana x. Grammatifen lieferten von Ein-
heimischen Brij Kiſor Gupta, Calc. 1840, und
Rammohun Roy, ebd. 1845; von Guropäern
zuerft Halhed, Hoogly 1778, dann Garey, Se-
rampore 1801, 1805, Haugthon, Lond. 1821,
Keith, Calc. 1846, Haies ebd. 1847, 2 Bde. ꝛc.;
Wörterbücher: Carey, Seramp. 1825, 8 Bde..,
ebd. 1827, 2 Bde., Forſter, Calc. 1799 —1802,
2 Bde., Sanghton Bengali and Sanserit Dict.
expl. in English, Loud. 1833, Gordon, Calc.
1837, u. A. In dem mit Hindbuftani vermifch-
ten Jargon, was die moslemitiſche Bevölferung
Bengaliften — Beni.
von Dacca u. die Pascar fprechen, ift ebenfalls
Manderlei im Drud erfchienen.
Dengaliften, Bögel, jo v. w. Bengeliften.
Dengaft (Bengazi), das alte Berenile, Prov.
u. Hauptjt. (Sit des Kaimalam) der Landſchaft
Barla im türk. Bilajet Tripolis (NAfrika), am
Mittelimeere, an der OSeite des Golfes von Sydra;
die Stadt iſt Sig eines Aga, hat ein Caſtell,
einen großen Bazar, gute Rhede, aber fehr ver-
landeten Hafen; etwa 15,000 Ew., welde bis
auf 2000 Europäer und 2500 Juden moham—
medanifche, mit Negern vermiſchte Araber find;
der Handel zur See u. zu Land (mit Wabai) ift
bedeutend.
Bengel, 1) Job. Albr., proteft. Theolog, geb.
24. Juni 1687 zu Winnenden im Wirrtember-
giſchen; ftudirte feit 1703 Theologie zu Tübingen,
murde 1707 Pfarrvermeier in Mezingen, war
1708—13 Repetent am Stifte zu Tübingen, in-
zwiſchen aud Vicar in Nürtingen, Tübingen u.
1711 Stadteicar in Stuttgart, 1713 Prediger u.
Klofterpräceptor zu Dentendorf, 1741 Propft des
Klofter Herbredhtingen, 1747 Mitglied des weiteren,
1748 auch des engeren Yandichaftsausichufies,
1749 Gonftftorialrath u. Prälat zu Alpirsbady; er
ft. 2. Nov. 1752. B. ift einer der Hauptbegrün-
der der neuteftamentlichen Tertfritif durch folgende
Schriften: Die 1. Ausg. des N. T. mit dem friti-
jhen Apparat, Tüb. 1734, im Auszuge von
Bürtig, Lpz. 1736 (fpäter ohne den Apparat,
Stuttg. 1734,38, 53, 77, 2pz. 1737). Für gram-
matiſch⸗ hiſtoriſche Auslegung u. praftiihe Anwend—
ung des N. T. iſt von bleibendem Werthe: Gno-
mon N. T. (Schyolien zum N. T.), Tüb. 1742,
3. A., von Ernft B., ebd. 1773, 6. A., 1850,
6.4, von %. Steudel, Tüb. 1855, 2, Abdr.
der letsteren, Berl. 1860, deutich von E. F. Wer-
wer, Stuttg. 1853 u. 54; Überſetzung des N. T.,
ebd. 1758. Am meiften befannt tft er durch feine
Studien über das prophet. Wort der Bibel, be. die
Dfienbarung Johannis, in mwelder er die ganze
Kicchengeichichte zum voraus ins Einzelne geweiſ⸗
fagt fand u. aus welcher er dann auch durch höchſt
tünſtliche Berechnung den Anfang des 1000jähri-
gen Reiches der Offenb. Joh. auf 1836 berechnen
zu können glaubte. Dabin gehören: Erklärte
Offenbarung St. Johannis, ebd. 1740 u. ö,, u.
Sechszig erbanlihe Reden über die Offenbarung
St. Johannis, ebd. 1748; außerdem: Ordo tempo-
rum ete., Stuttg. 1741, 2. Ausg., ebd. 1753;
Weltalter, darin bie fchriftmäßige Zeirlinie be-
wiefen ꝛc., E8ling. 1746, Heilbr. 1753. Auch als
geiftlicher Liederdichter reiht fih B. den beften der
pietiftifchen Schule an. Wie feine ereget. Thätig-
feit auf gründlicher philologiſcher Kenntniß ruhte,
zeigt feine Herausgabe von: Ciceronis epistolae
ad familiares, Stuttg. 1719; Gregorüi Thaumat.
panegyricus ad Origenem, ebd. 1722; J. Chry-
173
der Theologie in Tübingen u. Später Superinten-
dent des dortigen evangelifch-theologiichen Stiftes
u. Propft der St. Georgslicche; er ft. 23. März
1826. Der gemäßigt-pietiftiichen Richtung ange«
börig, fuchte er in der Lehrthätigleis feinen Ein-
fluß; Schriften: Archiv für Theologie und ihre
neuefte Yiteratur, 1.—8. Bd. Tüb. 1815—27;
Reden iiber Religion u. Ehriftenthum, ebd. 1831,
2. A., 1839; Opuscula academica, Hamb. 1834.
Löffler. *
Bengeliiten (Pytelia Fr.), Gattung der zu
den Prachtfinken gehörenden Aftrilden (ſ. d.); ihr
Schnabel ift mehr geftredt, ihr Schwanz dagegen
fürzer als der der echten Aſtrilden. Dahin der
Zierfint (P. melba L.). Männden: Stirn,
Bügel, Baden, Kinn u. Obertehle lebhaft zinnober-
roth; Oberkopf, Ohrgegend u. Hinterhals oliven-
grau; Mantel und übrige Oberjeite olivengelb;
obere Schwanzdeden ſcharlachroth; Unterfehle,
Kropf u. Oberbruft lebhaft orangegelb mit duml-
leren Querlinien u. kleinen weißen Flecken; übrige
Unterjeite weiß, jchmal duntelbraun, quer liniirt;
Schwingen olivenbraun mit olivengelben Yußen-
rande; die beiden mittelften Schwanzfedern jdhar-
lachroth, die übrigen ſchwarzbraun mit jcharladh-
rothem Außenfanme; Schnabel hellroth; Füße
hellbraun, Weibchen: Kopf und Hals ſchmutzig-
gran; Mantel und übrige Oberjeite olivengrün;
Unterjeite weiß, dunkel quergewellt; obere Schwanz»
deden düſterroth. Diefer Prachtvogel verbreitet
fih über einen großen Theil von Afrika, fommt
aber verhältnigmäßig felten nach Europa und ift
jehr gefucht u. gefchätt. Tbome.
Bengelweizen (Fgelweizen), Bartweizen mit
verfürzten Ahren, Heinen gelben Körnern u. ge-
ringem Ertrage.
engler, 1) Rittergefellichaft, geftiftet 1391
von einem Theil des rheinischen u. wejtfäliichen
Adels und gegen den Yandgrafen Hermann von
Heffen und den Biſchof von Paderborn errichtet;
trugen einen filbernen Bengel (Knüppel) auf der
Bruft. Da ihre Unternehmungen unglücklich gin—
gen, löfte fi der Bund bald auf. 2) So v. w.
Geißelbrüder (j. d.).
Benguela, großes Ländergebiet an der WKüſte
SAfritas, fiber welches die Portugiefen die Ober-
boheit üben; etwa 285,000 |_jkm (5000 [_M);
an der Küſte flach, im Innern das hohe Moſſamba—
Gebirg; reih an Metallen, bei. Silber, Kupfer,
Eifen; Palmen, Südfrüdte, Wein, Bananen, Ce»
dern, Maniok, Zuckerrohr; —— Löwen, Elefan⸗
ten, Zebra, Antilopen. Die Einwohner findfehr rohe
Neger. Die Verwaltung des Gebietes fteht unter
dent Gouverneur zu Yoanda. Die Hauptftadt iſt
©. Felipe de B., nahe dem Atlantifhen Ocean, in
jhöner, aber ungefunder Gegend, mit gutem aber
unbequemem Hafen u. 1500 Ew., bis auf etwa
100 Europäer (meift Soldaten) befehrte Neger;
sostomi de sacerdotio, ebd. 1725; Abriß der ſog. die Stadt ift im Berfall begriffen.
Brüdergemeinde, Stuttg. 1751, Berl. 1858. Gein
Bent (Beni), 1) Fluß in Bolivia u. Peru; ent-
Leben von Burt, 2. A., Stuttg. 1837; Barth, Sitd-|jpringt auf den Eordilleren im bolivianiichen Dep.
deutſche Driginalien, ebd. 1828; Oskar Wäch- La Paz, durchſtrömt das Dep. B. u. bildet an
ter, J. A. B. Lebensabriß, ebd. 1865. 2) Ernſt der brafilianifchen Grenze mit dem Mamore den
Gottlieb, Enfel des Vor., —— 3. Novbr. Madeira, einen der bedeutendſten Zuflüſſe des
1769 zu Zavelſtein auf dem Schwarzwalde; war Amazonenſtromes. 2) Dep. der Republil Bolivia,
erft Prediger in Marbach, wurde 1806 Profeffor|das größte u. nörblichfte derjelben; begrenzt von
174
Brafilien, Peru u. den Dep. La Paz, Cochabamba
n. Santa-Eruz; meift eben u. noch umerforicht,
von Urwäldern bededt; noch nicht genau gemeſſen,
etwa 700,000— 720,000 [km (12— 13,000 |M);
—
54,000 Em,
Trinidad.
Beni-Amer, hbamitiiher Vollsſtamm in NAbej-
finien, vom Fluſſe Barka bis an das Rothe Mieer,
etwa 1—200,000 Seelen ftarl; dem Khedive von
Agypten tributpflichtig und durchaus nomadiich
lebend; fie ſprechen die Berihauijeh-Sprade (ſ. u.
Bedſcha).
Beni (arab., Kinder), 1) Böllerftämmen (mie
B. Ajad, die Ajariten), oder 2) Dynaftien (wie 8.
Nafar, die Nafariden) vorgejekt.
Denicarlo, Stadt in der ſpan. Prov. Cajtellon
de la Plana (ehemal. Königreih Valencia), am
Mittelmeere; 7000 Ew.; bier der feurige fpan.
Hothwein B., den man in Bordeaur zum Ber-
ſchneiden braucht.
Benicia, die frühere Hauptftadt des nord»
amerifan. Staates Californien, an der nördlichen
Seite der Strafe, welhe die San-Pable- und
Saiſun⸗Baien verbindet; im öftlihen Ende be
finden fih die Maſchinen-Werkſtätten der Bacific»
Mail-Steamfbip-Company; Station der Dampfer
zwischen San Francisco u. Sacramento; von bier
auch Eifenbabn nach Marysville. B. hat einen Ein-
gangehafen, ift aber im Verfall; nur nod 1675 Ew.
enignität (v. lat. benignitas), Güte.
Benignus (lat., der Gütige), nad) der Sage
Schüler des St. Polykarpos, eifriger Verbreiter
des Ehriftenthums in Frankreich, daher Apoftel von
Burgund genannt; It unter Kaifer Aurelianus
den Märtyrertod; Tag: 1. Nov. Auf feinem Grabe
joll die Abtei St. Benignus in Dijon erbaut fein,
&. Greg. von Tours, De gloria mart., Cap. 55.
Ben Mezzab (B. M'zab), berberifcher Stamm
in Algerien, Dep. Algier, in einer qut bewälferten
n. fruchtbaren Oaſe um gleichnamigen Wadi am
Rande der Sahara, aus Tripolitanten ſtammend;
etwa 30,000 Seelen ftarl, eine bejondere fleptische
Secte bildend; treiben eifrig Gewerbe und Hans
del. Hauptort Ghardaia, von Mauern umgeben;
14,000 Em.
Benin, 1) Küfte u. Landſtrich in Ober-Guinea
Afrika), am gleichnamigen Golfe, entdedt durch
die Portugiefen 1484; veicht von der Mündung des
Bolta bis zum Aſtuar des Groß» Kiver und im
Innern bis zum nördlichen Abfall des zum Reiche
Dahomeh gehörenden Berglandes der Dahi u. des
Berglandes von Moruba; der Boden iſt am der
Küſte flach, bat füdlich das Gamerongebirg u. im
Innern die großen Bergmaffen des Konggebirges;
Hauptfluß der Niger mit feinen zablveihen Münd—
ungen u. der Wio del Hey (Königsfluß); das
Klima iſt im Flachlande höchſt ungefund, nament«
lich im Nigerdelta, in den Berglandichaften des
Innern beffer; große Grasflähen u. ſchöne Wald⸗
ungen von Adanſonien, Wollenbäumen u. Olpalmen
bedecken die Küſtenſtriche im Weſten; die Thier—
welt ift dagegen mehr im Innern entwidelt: es
gibt Elefanten, Leoparden, Papageien, in den
Flüffen zahlreiche Fiihe; von Mineralien finden
fidy reiche Yager Eijenerze u. Salpeter, auch Gold,
faft ausfchließlihb umberftreifende
Andianer vom Stamme der Mojos; Hauptort
Peni-Amer — Benini.
Die Einwohner find Neger, meift mit ſehr gerin«
ger Eultur; es fommen noch häufig Menſchen-
opfer u, Menichenfrejjerei vor. Der. Handel ift
bedeutend, früher war e8 bef. der Sflavenbandel,
der aber jet aufgehört hat; es wird viel Balmöl
ausgeführt, außerdem Gummi, Wachs, Elfenbein
u. etwas Gold, nad dem Binnenlande Salz. Die
Induſtrie erzeugt Stoffe aus Baumwolle u. Ge»
räthichaften aus Eijen, Korb- u. Töpferwaaren,
In politischer Hinficht ift die Bevöllerung im
viele fleine, von einander unabhängige Staaten
getbeilt, von denen die von B., Yagos, Badagry,
Kalabar, Ebo, Camerons, Biafra, Empunga die
befauntejten find; im Innern die bedeutenderen
Staaten Dahomeh, Moruba u. Iddah. 2) Neger-
ftaat an der Mündung des Nigerarmes Onarreh
oder B.; noch ſehr anbefannt, doch fol der Staat
mächtig fein, Korallen find Geld, Yamswurzeln
die Hauptnabrung; der Herrſcher ift Despot; es
finden Menfchenopfer ftatt. 3) Hauptitabt des
gleihnamigen Reiches; liegt redht3 am Nigerarm.
B., 237 km von deſſen Mündung, in fruchtbarer,
aber jumpfiger u. ſehr ungejunder Gegend, zählt
etwa 15,000 Ew. Hier ftarb der italieniſche Rei—
jende- Belzoni. 4) Golf von B., der Theil des
Dieerbufens von Guinea, in welchen der Niger
mündet, wird durch das Cap Formoſa vom Golfe
Biafra getrennt.
Benincasa Sari, Pflanzengattung aus der Fa—
milie der Cucurbitaccen (XXL), mit einjäbrigem,
friehendem, weichhaarigem, verzweigtem Steugel,
wierenförmigen, 5lappigen Blättern, 2—3theiligen
Ranfen u. großen, gelben, eingefchlechtigen, ein—
häufigen, in den Achſeln der Blätter einzeln ftebene
den Blüthen; männliche Blüthen mit glodenför«
migem, 5lappigem Reiche, vadfürmiger, tief btheili—
ger Blumentrone mit verfehrtserförmigen Ab«
Ichnitten u. 5 Staubblättern, von denen je zwei
paarweiſe verwachlen find u. das 5, frei ift und
deren Antheren vielfach gewunden find; weibliche
Blüthen mit einem eiförmigen Fruchtkuoten, didem
Srifjel u. 3 wellenförmigen Narben; Frucht eine
große, dide, cylindriiche, grau-grüne, mit einem
Wacsiberzuge verſehene, vielſamige Beere (Kürbis-
frucht); Samen länglih-eiförmig, flach, mit auf«
geſchwollenem Rande. Die einzige Art dieſer Gatt.,
B. cerifera Sari, ift im tropischen Ajien einhei-
miſch u. wird im tropiichen Afrika u. Amerika
cultivirt, da das mojchusartig riechende traut als
Dittel gegen Fieber, Schwindel ꝛc., die üligen
Samen gegen Dyjurie Verwendung finden. In
Indien wird auch die Frucht bei Hochzeiten den
Neunvermählten als glüdbringend überreicht. Engler.
Beninga (Eggeric), Geſchichtſchreiber, geb. zu
Grimmerſum; lebte als Droft zu Leer, wo er
über 70 Jahre alt am 19. Dctbr. 1562 jtarb.
Seine Chronyck oft Historie van Oostfriesland
behandelt die Zeit von 1048—1562 und ward
zuerjt von Ubbo Emmius 1587 nur überjegt, dann
auc herausgegeben von Ant. Matthäus, Leyden
1706, und von Hardenvoth, Emden 1723 und
Haag 1738,
Benini, Gioachino, italien. Schriftfteller,
geb. 23. Febr. 1799 in Prato (Toscana); ftudirte
jeit 1815 in Pila die Rechte und trat 1819 m
Florenz in Praris. Als zu Ende der zwanziger
Beniſuef — Benfulen.
175
Sabre Giacchetti in Prato eine Druderei errichtete, ſchickt. Dort erwarb er fich durch feine Kenntniffe
betbeifigte fih B. an der Herausgabe der Werfe
Windelmanns, d'Azincourts und Cicognaras und
ward fpäter Miteigenthümer der Druderei, in
welcher er u. a. den Drud aller Werte des Pap-
ftes Benedict XIV., der Collezione de’ elassici
latini für die Schulen mit itafieniihen Noten u.
De Bits Lessico u. Onomastico u. ſ. w. bewerf-
ftelligte. Er ft. 15. Dec. 1867. Als Politiker ge-
‚börte B. zur liberalen Partei, ohne ertremen An-
fihten zu huldigen; er ſchr. Programma per il
Comitato elettorale del 48, Istruzioni per il de-
putato Pratese. Bon ihm ift aud das Calen-
dario pratese,
Benifnef, Hauptft. der gleichnamigen Prov.
in Mitte-Agypten; Staatsbaummollenfpinnerei;
lebhafter Handel; 6000 Em.
Benjamin (bebr., d. i. Glücksſohn), jüngfter
Sohn Jakobs von der Rahel, die bald nach jener
Geburt ftarb. Er war Joſephs leibliher Bruder
u. mit diefem Liebling des Vaters, Nach der
Nüdkehr der Fsraeliten nah Kanaan erhielt der
Stamın B, fein Poos in Mittel-Paläftina zwiichen
Ephraim, dann in Juda; in ihm lagen die Städte
Jericho und Bethel, aus ihm ftammte der König
Saul, u. nad dem Abfalle der 10 Stämme bil-
dere er mit dem Stamme Juda das Reich Juda.
Benjamin, J. J. Reijender, geb. 1821 zu
Foltitideny in der Moldau von jüdifchen Eltern;
bereifte 1846—51 Paläſtina, Syrien, Armenien,
Mefopotamien, Kurdiftan, Arabien, Berfien und
DOftindien, 1852—55 Agypten, Tripolis, Tımis,
Algerien un. Marofto u. 185962 NAmerila; ft.
6. Mat 1864 in London. Er fhhrieb u. a.:
Acht Jahre in Afien u. Afrika, u. Drei Jahre
in Amerifa, Hannov. 1862.
Benjamin Ben Jona von Tudela (einer
fleinen Stadt am Ebro), berübinter jüdischer
Reifender des 12. Jahrh. u. der erfte Euro»
päer, der von dein fernen Oſten Kunde brachte.
Er durdmwanderte vom Fahre 1165—73 drei
Welttheile, um die religiöfen u. ſocialen Zuftände
feiner Glaubensgenofien kenuen zu lernen. In
feinem Itinerarium Massaoth Binjamin finden
fih außerdem auch intereflante Berichte über die
Sitten u. Eulturverhältniffe oftafiatischer u. nord—
afrifanischer Voller. Das vorgedachte Werk er-
ſchien zum erſten Mal in Gonftantinopel 1543
u. wurde bald aus dem Hebräifchen in verſchieden⸗
Sprachen überjetst. Die neuefte Ausgabe von Aiber
(2 Bde. London 1841) enthält den hebräiſchen
Tert nebit englifcher Überſetzung u. gelehrten Ans
merfungen. Bgl. Gräg, Geſchichte der Juden, Bd.
VI., Note 10,
Denjowsft, Merik Auguft, Graf von B.,
merfmwürdiger Abenteurer, geb. 1741 zu Werboma
in der Neutraer Geſpanſchaft; machte als Yiente-
nant den Tjährigen Krieg mit, ging 1758 nad
Lithauen zu feinem Onfel, dem Staroften B.,
weichen er beerbte, u. durchreiſte, nachdem er eine
Beit lang aud in Hamburg Schifffahrtstunde ge-
trieben, Deutichland, England u, Holland. Hierauf
nahm er in polniihen Dienften an der Kralaner
Gonföderation theil, wurde Generalquartiermei«
fter u. fiegte bei Kumenfa, wurde aber 1769 von den
Ruſſen gefangen u. 1770 nah Kamtſchatka ge-
u, jein gutes Schadhipiel die Gunft des Gouver—
neurs Nilomw, der ihm feine Tochter Afanafia zur
Gattin gab, obſchon B. bereits eine Frau batte.
Aus Liebe zur Freiheit verfchwor fih B. mit an-
deren Verwieſenen, verließ im Mai 1771 mit
feiner rau u. 96 Berfonen, nachdem er fich noch
der Kronfaffe mit 14 Mill. Piafter bemächtigt,
in einem im Hafen von Botfcherezt meggenommes
nen Schiffe Kamtſchatka u. enttam glüdlich über
Formofa u. Macao, wo Afanafia u. viele feiner
Gefährten ftarben, er fein Schiff verfaufte u. auf
ein franzöftiiches Schiff fich verdingte, nach Frank⸗
reich; daſelbſt erhielt er ein Fnfanterieregiment u.
dann den Auftrag, eine Colonie auf Madagascar
anzulegen. Er gründete bier 1774 Foul Point u.
wurde von mehreren Dadagafienftämmen 1776
zum König gewählt. Bon Frankreich her nicht
gebörig unterjtügt, verließ er die franzöftichen
Dienfte u. begab ſich nach Öfterreich, wo er zum
General ernannt warb und 1778 im Gefechte bei
Habeljhwerdt gegen die Preußen commandirte.
1783 ging er nad London u. bierauf nach Bal-
timore n. unternahm, von Privaten unterſtützt,
von Amerifa aus im Oct. 1784 eine Erpedition
gegen Madagascar n. begann gleich nach feiner
Landung 1785 die Feindfeligfeiten gegen die Fran—
zofen, ward aber Ende Mai 1786 tödtlidh ver«
wundet u. ft. wenige Tage nachher. Die Geichichte
feines Lebens, von ihm jelbft franzöſiſch beichrie-
ben, herausgegeben von Nicholfon, Yondon 1790,
2 Bde., deurfh von Georg Forſter, Lpz. 1791, u.
von Ebeling, Hamb. 1791. Die Verſchwörung in
Kamtjchatla ift der Gegenſtand eines Schaufpiels
von Kotzebue.
Bentendorf, 1) Ernjt Ludwig von B.,
ſächſ. Meitergeneral, geb. 5. Juni 1711 zu Ans»
bach; trat 1733 in fächfisch-polniiche Militärdienfte,
machte den Feldzug 1741 in Böhmen u. Mähren
mit, focht 1745 als Hauptmann bei Keſſelsdorf
u. 1757 bei Kollin, wo er zur Enticheidung des
Sieges beitrug; er wurde dann Oberft und im
Yaufe des Siebenjährigen Krieges Generalmajor;
im Oct. 1768 führte er die ſächſ. Truppen aus
Warſchau, wurde 1775 Generalinipector der Ca—
valerie u. trat 1788 als Chef der Garde in Ruhe—
ftand; er fl. 5. Mai 1801 zu Dresden. 2) Karl
Friedrich von B., geb. 1720 zu Blumenfeld
in der Neu-Mark; war Oberamtspräftdent bei der
Regierung in Breslau; 1751 entlaffen, 30g er
fih auf fein Gut zurüd; er ft. 1788. Er gab
heraus: Berliner Beiträge zur Landwirthſchaft,
Berl. 1771—85, 7 Bde, u. fhr.: Oeconomia
forensis, ebd. 1771—84, 8 Bde.; UOeconomia
controversa, ebd. 1787 f., 2 Bde.
Benkert, j. Kertbeny.
Benfulen, 1) niederländifcher Regbez. an ber
MWfüfte der Inſel Sumatra; 25,087 [km
(4554 |M); 140,126 Ew. 2) Feſte Stadt dafelbit,
an der Mündung des Fluſſes gleichen Namens
in das Indiſche Meer, in höchſt ungefunder Lage;
Hafen; bedeutender Handel mit Pfeffer umd
Kampher; 6000 Em., darunter viele Malaien u.
Ehinejen; in der Nähe das Fort Marlborougb.
Die Stadt war ehemals Hauptort der britischen
Beſitzungen auf Sumatra oder der Präfidentichaft
176
B., wurbe aber von den Briten 1825 gegen die
Niederlaffungen auf Malacca an die Holländer
abgetreten, da die Berwaltungstoften die Einnahme
überftiegen.
Benndorf, Otto, namhafter Arhäolog, geb.
13. Sept. 1888 zu Greiz i. Voigtlande; ftudirte
Philologie zu Erlangen u, Bonn, wurde 1863
Lehrer am Öymmafium zu Schulpforta, widmete
fih aber feit 1864 ausſchließlich archäologiſchen
Studien. Im J. 1868 wurde er Privatdocent
in Göttingen, fiedelte 1869 als Profeffor nad
Zürich über, ging dann 1871 (nady der deutſch—
feindlichen Demonftration) nah München u. über-
nahm 1872 eine Profeffur in Prag. Er ver
Öffentlichte eine Beichreibung der antifen Bild
werte des Lateraniſchen Mufeums (mit R. Schöne),
Leipz. 1867; Griech. Bafenbilder, Berlin 1869;
Die Antiten von Zürih (in den Mittheilungen
der Antiquar. Gefellihaft 1872); Die Metopen
von Selinunt, Berl. 1873.
Bennedenjtein, Stadt im Kreife Nordhaufen
des preuß. Negbez. Erfurt, ganz vom Braun—
ſchweigiſchen u. der Prov. Hannover enclavirt, am
Oberharze; Holzwaaren, bei. Streihhölzchenfabr.,
Nagelichinieden, Bergbau auf Eifen; 3355 Em.
Hier am 21. Juli 1857 große Feuersbrunſt.
Bennet, Henry, engliſcher Staatsınamı, geb.
1618 zu Arlington in Middleſer; ftudirte zu Orford,
widmete fih unter Karl I. dem Kriegsdienſte u.
begab ſich nad deſſen Hinrichtung nad) Frankreich.
Unter Karl II. kehrte er als Staatsjecretär und
Kammerherr nah England zurid, wurde 1664
Baron v. Aılington u. 1672 Graf v. Arlington;
1669— 73 war er Mitglied des Cabalminiſteriums,
dann trat er in den Privatftand zurüd u. wurde
1679 nochmals Mitglied des Geheimrathes; ftarb
28. Juli 1685. Erjdr.: Letters to W. Temple,
Yond. 1702.
Bennett, 1) Will. Sterndale, engl. Mufiter,
geb. 13. April 1816 zu Sheffield, wurde, 8 Jahre
alt, in die Kapelle des Kings College aufgenommen;
{päter genoß er den Unterricht auf der Königlichen
Akademie der Muſik u. erwarb fich namentlich im
Piauoforteſpiel eine große Fertigkeit, Er befuchte
1837 das Mufitfeft zu Diüffeldorf u. fpielte in
Yeipzig während der Goncertiaifon von 1837—38,
wurde 1838 Mitglied der Königl. Gejellihaft der
Mufit zu London u, 1842 Mütdirigent ihrer Con:
certe; 1856 von der Univerfität Cambridge zum
Profeffor der Muſik ernannt, ward er 1868 dr.
fident der Königl. Alademie der Mufif in Yondon;
ft. 1. Febr. 1875. Er componirte mehrere Con—
certftüde, Quartette u. j. w, für Kammermufil u,
Salonftüde für Pianoforte, die Cautate The Mary
Queen, das Oratorium: Die Auferftehung des Ya»
zarus, u. fchr.: Classical Practice for Pianoforte
Students, Fond. 1841. 2) James Gordon,
nordamerif. Publicift, geb. 1795 zu Nem- Dill,
Grafſch. Banff in Schottland. Einer fath. Familie
angehörend u. zum Priefterftande beſtimmt, bejuchte
er auf einige Zeit das römifch-fathol, Seminar zu
Aberdeen, verließ dafjelbe jedoch bald u. wanderte
1819 nad) Halifar in Canada aus. Nachdem er hier
Benndorf — Bennett.
verjchiedenen Zeitungen thätig war. Hierauf be«
fuchte er New-York, nahm ein Engagement bei
einer Zeitung in Charleften als Überjeger fpan.
Artikel an, fehrte aber doch bald nah Nem-Nort
zurüd, mo er die Gründung einer Handelsſchule
u. Vorlefungen über Vollswirthſchaft ohne Erfolg
verjuchte. 1825 machte er den erſten Verſuch,
Eigenthümer eines öffentlihen Journals zu wer-
den, u. während der nächſten 10 Jahre ftand er
in Berbindung mit dem New-York Courier (einem
Sountagsblatte), dem National Advocate, dem
New-York Enquirer (}pät.d. Courierand Enquirer),
dem New-York Globe u. bem Pennsylvanian zu
Philadelphia, meld letztere Zeitung er bis 1834
redigirte. Yın Mai 1835 gab B. die erfte Nummer
des New-York Herald heraus, den er jeitdem als
Eigenthümer u. Chefredactenr leitete. Obgleih B.
ich niemals einen Auf als guter Schrüftiteller,
noch als beftändiger Bolitifer erwarb, fo war doch
der Herald trog jeiner Unzuverläffigleit u. Yügen-
haftigfeit berühmt wegen feiner wielfadhen Unter»
nehmungen u. feines überaus reichen Juhaltes;
finanziell ift er eines der bedeutendfien Blätter
der Welt. B. ſt. Juni 1872 zu New-York. Bor
jeinem Tode erwarb er fih noh Ruhm dadurch,
daß er feinen in Paris ftationirten Berichterftatter
Henry Stanley zur Aufſuchung des feit 2 Jahren
verichollenen Reiſenden Yivingftone (f. d.) nad
Afrıla jandte, eine Aufgabe, die jener, wie belaunt,
mit glänzendem Erfolge löfte, 3) William Cor,
engl. Dichter u, Schrifrfteller, geb. 20. Mai 1820
zu Greenwich, Sohn eines dort anſäſſig geweſenen
Uhrmaders. Kaum 14 Jahre alt, ward er nad) dem
Tode feines Vaters von feiner Mutter aus den
Schulen feiner Baterftadt genommen, um ihr in
der Fortſetzung des Geichäftes behilflich zu jein.
Bon Wifjensdrang getrieben, vervolllommnete er
in feinen Mufeftunden jeine Ausbildung u. wid«
mete fih namentlich mit großem Eifer allen in
England jeit den legten 30 Jahren gemachten
Anjtvengungen zur Hebung der Bolfsbildung.
Noch im jugendlihen Alter war er Mitbegründer
eines populär-literarifchen Inſtituts, das jett iiber
2000 Mitglieder zählt, und ſchuf in Verbindung
mit diefem eine Bibliothek, welche allmählich zu mebr
als 12,000 Bänden angewachlen if. Nicht minder
war er thätig, feine Baterftadt mit billigen Bade»
u. Waſchanſtalten, einer großen auf Actien ge-
gründeten Schule u. anderen populären Inſti—
inten zu verichen. B., der Secretär des Greemmwich-
Zweiges der Gefellichaft für Nationalerziehung u.
Diitgied des in London feßhaften General-Eoncils
derjelben ift, fungirte während des Dentich- Franz.
Krieges als Secretär beim Flücdhtlings-Unterftüg-
ungsiond B., der augenblidfih zu einem der
voltsthümlichften Lieder- u. Balladendichter Eng-
lands zählt, verfuchte ſich ſchon frühzeitig mit
vielem Erfolge auf dem Felde der Dichtfunit.
Seine 2 erften Bände Gedichte, auf Privatloften
gebrudt, erſchienen 1843—45; alsdann entfaltete
er eine reiche poetiſche Thätigfeit für eine Menge
populärer Journale u. gab die für dieſe geſchrie-
benen Lieder von Zeit zu Zeit in Sammelmwerlen
kurze Zeit als Lehrer gewirkt hatte, lam er nach heraus, wie z. B.: Poems, Lond. 1850, 2. Aufl.,
Portland u. dann nah Boſton in den Berem.|1862; War Songs, 1855;
Queen eanor's
Staaten, wo er als Gorrector u. Mitarbeiter an|Vengeance, 1857; Songs by a Song-writer,
Ben Nevis — Bennigjen.
1858; Baby May, and other poems of infants,
1859; The worn Wedding Ring, 1860; Our glory
and other national poems, 1867, u. Songs
for Sailors, 1872, 2. Aufl., 1873. In Allem,
was B. jchreibt, thut fi große Herzlichleit fund;
feine Beobadhtungen find friih u. durchdringen,
und feinen Beſchreibungen mangelt es jelten an
Geift u. Wirklichteit; zugleich befigt er eine nicht zu
veradtende Gewandtheit in der Handhabung des
Versmaßes u. der Sprache; vornehmlich gelingen
ihm Schilderungen häuslicher Gemüthlichkeit, wie
denn 3. B. jein Gedicht: My own easy Chair, ein
berrlihes Gemälde. fiillen Familienglückes bietet.
Der Berfuch aber, den er machte, durch eine Reihe
von Balladen hiftoriihe Kenntniß zu verbreiten
u. das Studium der Geichichte zu fördern, muß
als gänzlich gejcheitert angeichen werben; fo viel
177
Beffarabien, zog fi} aber 1818 nah Hannover
zurüd u. ft. auf feinem Gute Banteln 3, Oct.
1826. Er ſchr.: Gedanfen über einige Kenmtmifie,
die einem Offizier der Cavalerie vorzüglich nöthig
find, Riga 1794, Wilna 1805. 2) Wer kuin,
Graf v. B., hanuov. Staatsmann, Sohn des Bor,,
geb. 21. Juli 1809 zu Zakret bei Wilna; ftudirte
jeit 1826 in Göttingen die Nechtswiffenichaften u.
wurde, nachdem er mehrere Stellen in der han—
noveriichen Juſtizverwaltung begleitet hatte, 1835
im Deinifterium des Innern angeitellt, nahm jedoch
1840 feine Entlaffung; 1841 ward er vom den
Fürſtenthümern Nalenberg, Göttingen u. Gruben:
bagen zum Echagrathe gewäblt, trat vermöge dieſer
Stellung in die hannov. Erfte Kammer u. ward
Mitglied des Schatzcollegiums. m März 1848
erhielt er nach dem Sturze des Cabinetsminiſters
Anregendes auch feine Proposals for and Contri-|v. Falde vom König den Auftrag, ein neues
butions to a Ballad History of England, Lon- Cabinet zu bilden, in dem er den
orfig u. das
don 1868, enthalten Rh, fo find fie doch) Fortefenille des Auswärtigen u. des Königl. Haufes
I
durbaus fein Boltsbuch. Neben feinen Dichtungen
bat B. auch politiihe Schriften veröffentlicht, wie
;.®.: Verdiets, 1852; Roan’s School, a chapter
in the educational history in England, 1859, u.
The Politics of the People, 1861, 2 Bde.
Der Beröffentlihung nahe ſuid feine Recollections
of the Cate Miss Mitford, with selections from
her correspondence. Die Meine nordamerif. Uni-
verfität Tuscalooja (Alabama) machte B. 1869 zu
ihrem Ehrendoctor. 2) 3) Bartling.
. Ben Nevis, Bergipige des Grampiangebirges
in Schottland, Grafſchaft Inverneß, 1343 m body.
Bennigjen, 1) Levin Auguft Theophil,
Graf v. B., ruſſ. General, geb. 10. Febr. 1745
zu Braunjchweig; nahm 1759 hannoveriſche
Tienfte, machte den Tjähr. Krieg zum Theil als
Sffigier mit, nahm nah Beendigung deſſelben
ſemen Abſchied, ging auf fein Gut Banteln im
pannoverifchen, wirthichaftete aber jo ungliidlich,
daß er um fein Vermögen fam, 1773 trat er in
ruffiiche Dienfte, zeichnete ſich als Major in dem
Zürfentriege, dann gegen Pugatihew u. 1788 bei
dem Sturme auf Oczalow, jowie 1793— 94 in
Solen aus, wo er Generalmajor wurde; nahm an
tom Perſiſchen Kriege 1796 theil und avancirte
1798 zum Generaltientenant; 1801 betheiligte er
fd an der Verſchwörung gegen Kaifer Paul, u.
AleyanderI. ernannte ihn zum Generalgouverneur
in Lithauen u. 1802 zum General der Cavalerie;
1806 commanbdirte er anfangs das erfte Corps
unter Kamenskoi und gewann die Schladht von
vultust; als Kamensloi den Oberbefebl nieder»
gelegt hatte, befebligte er 1807 in den Schlachten
bei Eylau u. Friedland, Nach dem Tilfiter Frieden
auf jeinen Gütern lebend, ward er erft 1812
wieder activ, machte die Schlacht bei Borodino
mit u. ſchlug Murat bei Tarutino; 1813 erhielt
er den Oberbefehl über die Reſerve (die polnische
Armee), mit der er nach Dentichland ging u, an
der Leipziger Schlacht theilnahm, wo er am
18, Oct. bei Bmweinaundorf focht und auf dem
Schlachtfelde zum Grafen ernannt wurde; nad) dem
Einzuge in Leipzig fündigte er dem König von
Sachſen deffen Gefangenihaft an u. ging dann
zur Belagerung von Hamburg. 1816 wurde er
übernahm, Das fog. Dreitönigsbündnig zwifchen
Preußen, Hannover u. Zahlen vom 26. Mai
1849, der Rücktritt Hannovers von diefem Bünd-
niß (21, Febr. 1850), die Unterhandlungen in
München über die Errichtung eines Großdeutichen
Bundes zwiihen Bayern, Württemberg, Sachſen
u. Hannover, fein perjönliches Erfcheinen in Wien,
um bei den Wirren im Deutichen Bunde eine
Berftändigung zwiichen den deutſchen Großmächten
berbeizuführen, nahmen feine ftaatsmänniiche und
diplomatische Thätigleit mehrfach in Anipruch, bis
er Ende Oct. 1850 feine mehrmals nachgefuchte
Entlaffung erhielt, 1851 —55 war er Präſident
der Erften Kammer, ſah ſich aber wegen feines
entichiedenen Auftretens gegen die Regierung und
die Krone durch Verordnung vom 14. Yan. 1857
von der Kammer ausgeichlofien, deren Bräfivent
er jedoch 1863 mad Borries Wüdtritt wieder
wurde, u, auch im folgenden Jahre wiederholte
fi diefe Wahl. 8) Rudolf v. B., deuticher
Staatsmann, Sohn des 1869 in Hildesheim ge«
ftorbenen Generalmajors v. ®., geb. 10. Juli
1824 in Yiineburg; ftudirte 1842 —45 in Göt—
tingen u. Heidelberg die Nechte, wurde 1846 Auditor
im Amte Lüchow u. bald darauf bei der Juſtiz—
fanzlei in Osnabrüd, 1850 Aſſeſſor bei der Juſtiz⸗
fanzlei in Aurich u. 1852 in Osnabrüd; nachdem
er dann einige Zeit Viceftaatsanwalt in Hannover
gewejen war, fam er 1852 als Mitglied des Ober«
gerichtes nad Göttingen, Da er 1855 von der
Stadt Aurih als Abgeordneter in die hannover,
Zweite Kammer gewählt u. ihm die Erlaubniß
zum Eintritt vom Juſtizminiſter verweigert worden
war, jo verließ er den Staatsdienft u. widmete
fih bis 1858 der Landwirthſchaft in Haftenbed,
worauf er die Bewirtbichaftung Des Familiengutes
B. übernahm. In die Kanımer feit 1857 von
Göttingen gewählt, gehörte er zu der Oppofition;
1859 wurde er Mitbegründer des Deutihen Nas
tionalvereins und zum Präfidenten des geichäfts-
feitenden Ausſchuſſes defelben gewählt. Auch den
firhlihen Angelegenheiten widmete er feine Ihä-
tigleit und betheiligte fi) 1863 bei der Ber-
jammlung in Celle, welche eine Presbyterial- u.
Synodalordnung anftrebte. In der Kammer
Oberbeſehlshaber über die ruffiihe Armee in|führte er 1863— 66 die Mehrheit gegen die Po—
Plerers Univerjal-Eonverfations:2erilon. III. Band.
6. Aufl, 12
178
fitil des Miniftertums ins Feld u. verjuchte 1866
umfonft die Neutralität Hannovers zu bewirken,
Seit der Vereinigung diefes Staates mit Preußen
wirkte er an der Spitze der nationalliberalen Partei
für den Ausbau des Deutſchen Reiches u. wurde
Vicepräſident, ſowol des Norddeutſchen Reichs—
tages, als des Preuß. Abgeordnetenhauſes, in
welchen Verſammlungen er der Provinz Hannover
möglichſte Autonomie zu retten ſuchte, wie er auch
zur Verbeſſerung der Landes- u. Gemeindever-
waltung beitragen balf. Die Provinzialftände
wählten ihn 1868 zum Yandesdirector der Provinz;
1870, während des Krieges mit Frankreich, begab
er fih nah Bayern, um dort mit den Liberalen
wegen des Anfchluffes an Norbdeutfchland zu ver-
bandeln, wurde auch im Dec. mit ins Lönigliche
Hauptquartier nach Verjailles berufen, um an den
Berathungen mit den Süddeutſchen in derielben
Abficht theilzunehmen, In den Neichstagfefftonen
1872 u. 1873 war B. wieder Vicepräfident und
im Ietten Jahr (November) erfter Präfident im
Preußischen Abgeorbnetenhaufe.
Bennington, County im nordamerif. Unions-
ftaate Bermont, unter 43° n. Br. u. 73° w. 8;
21,325 Ew.; wenig Bodencultur; Baummollen-
n. Rollenmanufactur; Marmor, Oder u, Eijenerz;
Countyfis: Arlington.
Benuiſch (Beniih), Stadt im Bezirke Freuden-
thal des öjterr. Kronlandes Schlefien; Bezirlögericht;
Feinwand- und Baummollenfabrifation; Magnet,
eifengruben; 3023 Ew. (im Gemeinbebez. 4256).
Et. Benno, Schutpatron von Bayern u. fpe-
ciell der Stadt Münden, aus dem gräflichen Ge—
ichlechte der Woldenburger in Sachſen, geb. 1010
bei Goslar; trat 1028 in ein Klofter zu Hilbes-
beim, wurde 1035 Diafon, 1040 Priefter, dann
Chorherr in Goslar u. 1066 Biſchof von Meißen.
As ſolcher widmete er fidh bei. der Belehrung der
heidniſchen Slaven, wurde 1085—87 auf Betrieb
des Kaifers Heinrih IV. feines Amtes entjeht,
1088 aber wieder eingejegt; er ft. 16. Juni 1107,
Er wurde 1523 von Papft Hadrian VI. heilig ge-
jprodhen, wogegen Luther: Wider den neuen Abgott
u, alten Zeufel, der zu Meißen foll erhoben wer-
Dennington — Bensheim.
gekauft wurde u. fich durch tiefempfundene Ruhe ır.
Sammlung rühmlichft auszeichnet. In der Ausftell«
ung von 1855 jab man feine beiden Bilder: Chrift»
liche Märtyrer betreten die Arena, u.: Ein Prophet
vom Stamme Juda von einem Löwen getödtet, die
neben tüchtiger Compofition n. ſchlagender Cha-
rafteriftit auch eine treffliche harmonische Färbung
zeigten. Im Salon 1857 hatte B.: Rafael be-
gegnet der Fornarina zum eriten Mal, Pouifin
am Ziber-llfer und die beiden Tauben. Nad)
italienischen Meiftern tüchtig gebildet, zeichnet ſich
B. dur den wahren und getragenen Ausdruc
inniger Gemüthsftimmungen aus, die aud in der
Sruppirung einfach u. maßvell hervortreten. Regnet.
Benozzo, Maler, ſ. Gozzoli.
Denrath, Dorf u. königi. Luſtſchloß mit Park-
anlagen im preuß. Kreife u. Regbez. Düffeldorf,
unmeit des Rheins, Station der Köln-Mindener
Bahn; 1820 Em,
Densberg, Dorf im Kreife Mülheim des preuß.
Negbez. Köln; Station der Berg-Märf. Bahn;
Schloß (1710 erbaut, 1840 zu einer Kriegs- u.
Sadettenjchule eingerichtet); chemiſche zabr.; nahe
Bleierz- u. Blendegruben nebft Aufbereitungsan-
falt; al$ Bürgermeifterei 9300 Ew., wovon aber
noch nicht 2000 in der Gem. B.
BDenjen, Heinrih Wilhelm, Geſchichtſchrei⸗
ber, geb. 12. Eept. 1798 zu Erlangen; ftudirte
Theologie in feiner Baterftadt, wurde danach Gol-
laborator an der Franckeſchen Stiftung in Halle
u. dann Lehrer der Geſchichte u. griech. Sprache
in Schnepfenthal; 1820 nad) Bayern zurüdgelehrt,
wurde er Lehrer am Gymnaſium zu Erlangen,
1822 in Ansbah u. 1823 Gubrector in Noten»
burg a. T., wo er 1863 ftarb. Er ſchr.: Hiſtoriſche
Unterfuchung über die ehemalige Reichsſtadt Hoten-
burg, 1833; Alterthümer der Stadt Rotenburg,
Ansb. 1841; Gedichte des Bauernkrieges im
OFranken, 1841; Deutſchland u. die Gedichte,
1844; Die Proletarier, 1847; Hiftor.»geograpbiicher
Atlas von Europa, 1849, 1. Heft; Beſchreib. u. Ge-
dichte von Rotenburg, Erl. 1856; Das Berhäng-
niß Magdeburgs, 1858; Eingeftampfte Phantafien
eines alten Politilers; auch Übungsbücer zum
den, ſchrieb. Ein Theil der (übrigens bezmweifelten)|Überfegen aus dem Deutichen ins Lateiniſche,
Reliquien Bes fam 1576 nad München, dieanderen | Frankf. 1839 u. 1844.
nah Dresden.
sitio supra Ev. dominica.
Emſer, Xeipzig 1512;
B. jhr.: De dietamine, expo-
Denferade, Ziaac de B., franz. Dichter,
Lebensbeihr. von|geb. 1612 zu Lyons-la-fzorreft; fam nah Paris
Seyffarth, Ossilegium|u. erfreute fih wegen feiner Concetti (f. d.) eine
Bennonis, Münd. 1675; Cramer, Apologica|Zeit lang der Gunjt Nicheliens, Mazarins u. des
Bennonica, ebd. 1778.
Hofes Ludwigs XIV, AS er aus biefer Gunft
Benouville, 1) Jean Adille, franz. Land-| gefallen war, ging er nach Gentilly, wo er 1691
ichaftsmaler, geb. 15. Juli 1815 zu Paris; Schüler] jtarb.
Auswahl jeiner Gedichte, Paris 1697,
Picots; erhielt 1845 den römischen Preis, ging dann 2 Bde, u. ö.
nah Rom u. entwidelte feither eine große Thä—
DBenshaufen, Marttfleden im Kreiſe Schleu-
tigleit. Er malt gern Wälder, wie die Partien |fingen des preuß. Negbez. Erfurt; Mineralquelle;
aus den Wäldern von Compièegne u. don Fon- Eiſenhammer; früherwichtiger Weinhandel; 1700€.
tainebleau zeigen, u. ftaffirte eines feiner Büder| Bensheim, Kreisfiadt in der großberz. beff.
mit der Geftalt Homeros’. 2) François Léon, Prov. Starkenburg, an der Bergftraße u. a. der
franz. Geſchichtsmaler der Gegenwart, Bruder des Lauter, Station der Main-Nedar- Bahn, Zweig»
Bor., geb.30.März 18213u Paris; gleichfalls Schüler bahn von Hier nad Worms; feit 1852 geftiftete
Picots; fl. 16. Febr. 1859. Bes erfied Gemälde |protefti. Gemeinde; Gymnafium, kathol. Schul-
war; Mercurius u. Argos (1839). Bon Florenz lehrerfeminartum, Taubkummenanftalt: viel Wein ·
eins er nah Nom und ftellte 1852 fein großes/u. Tabakbau; Papierfabrikation, Gerberei u. Leder-
emälde: Der fterbende bi. Franz v. Affiſſi, im)fabrik, Eigarren- m. Mineralwafjerjabr.; beiuchte
Salon aus, das für die Lurembourg-Galerie an-IMärkte; 5079 Em.
Benfon — Bentheim.
Benfon, George, ein presbyt. Prediger, der
die Bibelparaphrajen des berühmten Philoſophen
Tobann Lode (ft. 1704) über alle apoſtoliſchen
Briefe fortſetzte.
Bentham, 1) Jeremy, engl. Politiker, geb. Graf Bernhard I. 1421 aus,
15. Febr. 7748 zu London; bezog erſt 13 Jahre
alt die Univerfität Orford, widmete fih dann der
Mpocaten-Faufbahn, die er jedoch bald aus Man-
gel an Neigung wieder verlieh. Er machte 1785
eine Neife nach onftantinopel und Smiyrna,
febrte 1788 über Polen u. Deutjchland nach Pondon
zurüch und widmete fich fortan einzig dem jurifti
ſchen u. politiichen Wiſſenſchaften; er ft. 6. Juni
179
Durd Sophie, Tochter oder Schwefter diefes Otto,
gelangte die Grafichaft an den Grafen Theoderich VI.
von Holland. Der zmeite Sohn Beider, Otto,
folgte in B., u. deffen männliche Linie ftarb mit
Der Entel feiner
Scwefter Hedwig, der Dynaft Eberwyn von
Siltersmpf (ft. 1454) fuccedirte; er hatte durch
Heirarh mit Melte, Erbtochter des Grafen von
Steinfurt» Steinfurt, nnd in 3. Ehe mit Agnes,
Gräfin von Solms-Ottenftein, deren Güter er-
beirathet; fein Urenkel Eberwyn IV. (ft. 1562)
vereinte die väterlichen Gitter mit denen feiner
Mutter, der Erbtochter des Grafen von Tedlen-
1832. Seine Ideen über Rechtsphiloſophie und burg u. Rheda, ſowie deffen Sohn Arno IV. (ft.
das praftiiche Leben, welche das Nützlichleitsprincip
(Lilttarismus, ſ. d.) an die Spite der Geſetzgebung
ftellte u. deren Anhänger man Benthamiften
nennt, fanden weniger in England, als in Frauk—
reich u. Amerika Anerkennung, wo die Gejege von
New Yort, SCarolina u. Lonifiana nach feinen
brincipien ausgearbeitet wurden. Auch Kaiſer
Xerander ließ ihm bei der ruf. Gefegcommiffion
zu Natbe ziehen. In politischer Beziehung hul—
digte er den Ideen der franz. Nepolution u. ver:
langte in feiner im Unterhaufe eingebrachten Bill
(1819) allgemeines Stimmrecht u. jährliche Parla-
mente. Er jchr., von Dument franz. heransgeg.:
Traitös de ligislation eivile et penale, Paris
1802, 3 Bde, deutſch von Beneke, Berl. 1830,
28te.; Theorie des peines et des recompenses,
Loud. 1801, 2 Bbe.; Essai sur la tactique des
assernblees legislatives, Erl. 1817. B. jelbft gab
beraus: Fragment on Government (gegen Black⸗
fone), Lond. 1776; Panopticon, or the Inspection
House, Zond. 1791, 2 Bde.; Tracts relat. the
Spanish and Portugueze affairs, ebd, 1821;
Rationale of judical evidence, ebd.1827, 6Bde.;
On death punishment, ebd. 1831. Werte, berausg.
von Bowring, Lond. 1843, 11 Bde. 2) George,
engl. Botaniker; bejchrieb die Labiaten u. andere
Manzenfamilien, bereifte 1825 die Pyrenäen,
Sgranfreid u. verſchiedene überfeeische Länder; er
\ör.: Catal. des plantes imlig. des Pyröndes et
de Bas-Languedoc, Paris 1826; Labiatarum
genera et species, Lond. 1832 f., 3 Bde. Seine
Verdienfte um die Geographie u. Botanik der
sußer-enropäiichen Pilanzen werden bei A. Grife-
ba (Die Vegetation der Erde, Lpz. 1872) nam-
daft gemacht.
Bentheim, 1) ebemalige, jetst mediatifirte Graf-
ſhaft im Kreiſe Lingen und im der Landdroftei
Osnabrüd der preuß. Prov. Hannover; 925{ km
(164 M); 30,500 Ew.; in die beiden Ämter
8. und Neuenhaus getbeilt; eben, viel Sumpf,
im Übrigen gut angebaut; Producte: Getreide,
Zuchtvieh, Bienen, Torf. 2) Gleihn. Stadt
darin, Station der Almelo-Salzbergener Eijen-
bahn; Sit der Amtsbehörden; altes, bejeftigtes
Schloß der Grafen von B. (1761 gefprengt) ;
2202 Em.; in der Nähe eine wenig benutte
falte ſaliniſche Schwefelquelle und gute Mühl—
ſteiubrüche.
Bentheim, Grafen u. Fürſten v. B. Frilher
ſell die Grafſchaft B. den Namen Tubant geflihrt
u. den Namen B. erhalten haben, als ſie 1120
dutch Heirath an Otto von Pfalz-Rheineck kam.
1606) durch feine Gemahlin noch Hohen-Limburg,
Alpen u. Helfenftein an ſein Haus brachte. Bon deſſen
5 Söhnen, weldye 1609 das väterliche Erbe theilten,
jtarben 3 finderlos, und das Geſchlecht B. wurde
in 2 Hauptlinien fortgefegt, welche noch blühen
u. der reformirten Conieffion folgen. A) Die
ältere Linie: B.- Tedleuburg-Nbeda; Reſi—
denz: Gohen- Limburg; ihr Stifter war Adolf (ft.
1625); fie beſaß Tedlenburg-Rheda u. Hohen ⸗Lim—
burg. Ein Nachlomme von dorf, Johann Adolf (ft.
1701),trat 1699 ®/, von Tedienburgu. !/, von Rheda
anden Grafen von Solms ab. Solms cedirte feine
Rechte wieder an Preußen, das 1707 die ganze
Grafſchaft Tecklenburg in Beſitz nahm. B.-Tedlen-
burg gab auch ſeine Rechte an Rheda zu Gunſten
des Bisthums Münſter auf, doch ſetzte der Wiener
Congreß feſt, daß Rheda (22,, [_)km, 11,355 Ew,)
Standesherrichaft unter der Hoheit Preußens fein n.
Hohen-Pimburg (18,, [ km, 6480 Ew.) ebenfalls
unter der Oberhobeit von Preußen fteben follten.
1816 wurde preußifcherfeits beiden Standes—
berrichaften das Hecht einer Birilftimme auf dem
Wefrfätiihen Yandtage u. 1817 dem Grafen Emil
(geb. 1765, ft. 1837) die preußiiche Fürſtenwürde
erteilt. Regierender Fürſt ift I) Franz, 2. Schn
Emils, geb. 11. Oct. 1800; fuccedirte feinem am
3. Dec. 1872 auf Schloß Rheda Tinderlos ver
ftorbenen Bruder Kafımir. Er ift preuß. General
major & la suite u. unvermählt. Sein Bruder
Prinz Adolf ift 1804 geboren. B) Die jüngere
Linie: B.- Steinfurt, mit der Refidenz Stein-
furt; ward von Arnold Jobſt 1622 geftiiter; dieſer
ft. 1643 u, hinterließ 2 Söhne. Ernſt Wilhelm
(geb. 1623, ft. 1693) erhielt B. Defien Sohn
Ernſt verglich ſich 1691 in einem Succeſſionsſtreite
mit der jüngeren Linie Steinfurt dabin, daß er
Steinfurt, jene aber B. erhielt. Als jene Linie
B.-Bentheim, welche Arnold Morig Wilhelm ge»
ftiftet hatte, mit deffen Enfel 1703 erloſch, nahm
der Nachlomme von B.-GSteinfurt die eigentliche
Grafihaft B. in Befig und damit den Namen
Bentheinw Bentheim an. Graf Friedrich Karl ver-
pfändete Schulden halber fein Land 1753 auf
30 Jahre an Hannover, u. 1783 wurde diefer
Bertrag auf 30 Jahre verlängert. Bor dem Ab—
laufe des Vertrages nahmen aber die Franzoſen
Hannover in Bes, u.der Graf v. B. "e durch
Convention mit Frankreich die hannoveriic ı Bands
anfpriche durch Averfionalguantum von 800,000
Fcs. ab. Gleichwol wurde B. 1806 durch die
Üheinbundsacte dem Großberzogtbum Berg ein—
verleibt u. 1810 mit Frankreich verbunden. Nach
12*
180
dem Sturze der franzöfifhen Herrfhaft erkannte
Hannover die Convention mit Frankreich nicht an,
und Frankreich mußte im Pariſer Frieden die
800,000 Fes. baar zurüdzablen u. 510,000 Fes.
in Snferiptionen mit Wentengenuß überneh-
men, worauf 1822 der Vertrag mit Hannover
erlofh. Nah der Ordnung des Wiener Con-
grefles gehörte die Grafihaft B. unter die Herr-
ſchaft Hannovers, Steinfurt unter die Preußens ;
fei 11866 find beide preußiſch. Auch dieſe Linie
wurde mit Graf Ludwig im Januar 1817 in
den preußiſchen Fürſtenſiand erhoben. 2) Fürft
Ludwig, älterer Sohn des 1866 verftorbenen
Fürften Alerius, geboren 1. Auguft 1812; iſt
preuß. Generalmajor a la suite, erblides Mit-
glied des Preuß. Herrenhaufes u. jeit 1839 mit
Bertha, geb. Yandgräfin von Heffen- Philippsthal-
Barchfeld, vermäblt. Dev Erbprinz Aleris ıft 1845
geboren. 3) Wilhelm Belgicus (melden
Namen er nad feinen Pathen, den Generalftaa-
ten, erhielt), Oheim des Bor., geb. 17. April
1782; trat 1799 in öfterreichiihe Dienfte als
Hauptmann, wurde 1805 Major, 1809 Oberft-
heutenant und auf dem Schladhtfelde von Aipern
Obriſt; führte bei Wagram, die Fahne in der
Hand, fein geworfenes Regiment wieder vor, focht
1813 bei Dresden und Kulın, wurde General
u. zeichnete ſich mit der von ihm errichteten öfterr.-
deutjchen Yegion 1814 in Syranfreih aus. Nach
dem Pariſer Frieden zu mancherlei diplomatischen
Sendungen, bef. nad Baris u. Yondon, verwendet,
führte er dort u. in Berlin u. Frankfurt die Sache
der Mediatifirten, wurde Brigadier in Prag, 1827
Feldinarichalllieutenant u, Divifionär in Padua u.
ftillte 1831 die in Bologna ausgebrochenen Un—
ruhen. Er farb 12, Octbr. 1839 zu BVillafranca.
4) Georg Ferdinand d., preußiicher General:
heutenant, geboren 11. Januar 1807; ward
1825 Yieutenant, machte als Hauptmann 1848
den Schleswigihen Feldzug mit, ward 1852 Ma-
jor, 1859 Oberft, 1864 Generalmajor und 1866
Generallientenant; war 1864 im Feldzuge gegen
Dänemark, 1866 gegen Öfterreich thätig, führte
1870 gegen Frankreich die 1. Infanterie-Divifion
Schlacht von Eourcelles: 14. Aug., von Noiffe-
ville: 31. Auguft); jpäter, nad der Einnahme
von Met, führte er interimiftiich das 1. Armee-
corps, an deſſen Kämpfen gegen die franzöftiche
NArmee er hervorragenden Antheil hatte. Nach
dem Friedensichluffe wurde B. zu den Offizieren
der Armee verjegt u. zum Gouverneur von Met er«
nannt, trat aber 1873 in den Rubeftand, # Meinarbus.
Bentind (Geneal.), urſprünglich freiherrliche
Familie in der Pfalz; kam im Dreißigjährigen
Kriege nad den Niederlanden, von wo ein B.
mit dem Prinzen von Oranien, dem nahmaligen
König Wilhelm III, nah England zog u. dort
Ahn der Grafen u. Herzöge von Portland wurde
(. 8. 1). A) Die ältere englijhe Linie
wurde gegründet von 1) Johann Wilhelm,
Sohn Hendrit B-8 von Diepenhbam, geb. 1648;
wurde mit Wilhelm von Oranien erzogen, war
ſpäter deffen Günftling u. vermittelte deſſen Hei«
rath mit der Prinzeſſin Marie, Tochter Karls II.,
u, erwirkte, als Wilhelm 1688 als Kronpräten«
dent in England landen wollte, die Hilfe Bran-
Pentind,
denburgs, im Falle er von Frankreich angegriffen
werden jollte. Als Wilhelm III. den eugliſchen
Thron beftieg, wurde B. zum erjten Kanımer-
berrn, Gebeimrath und Baron von Eirencefter,
Biscount Woodſtock u, Grafen von Portland er-
nannt. Er wohnte 1690 der Schlacht an ber
Boyne, dann dem Congreß im Haag bei, beglei-
tete den König auf allen Feldzügen u. leitete den
Frieden von Ayswijd (1697) ein. Dur. Keppel
aus des Königs Gunft verdrängt, wurde er 1698
außerordentliher Gefandter am franzöftihen Hofe
und vermittelte bier die Zerjtüdelung der ſpani—
hen Monardyie nad Karls II. Tode. Hierfür
ward er vom Unterhaufe des Hocverrathes an-
gellagt, aber freigefproden. Wilhelm, dejjen Gunft
er wiedererlangt hatte, ftarb in feinen Armen
(1702). 8. lebte hierauf in Holland, kehrte 1708
nah England zurüd und ft. 23. Nov, 1709 auf
einem Yandgute in Berlſhire. 2) Henry, ältefter
Sohn des Bor.; erhielt 1716 den Titel als
Herzog von Portland u. Marquis am Zichfield,
wurde 1721 Gouverneur von Jamaica, wo er
4. Juli 1726 ftarb, 8) William, Sohn des
Bor., geb 1. März 1705; war vermählt mit
Margarethe Cavendiſh; er farb 1. Mai 1762.
4) William Henry Cavendiſh-B., ältejter
Sohn des Vor., geb. 14. April 1738; folgte als
dritter Herzog von Portland, wurde 1782 Statt»
halter von Irland, 1792 Kanzler der Univerfität
Orford u, trat bald darauf der Partei Pitts bei.
Bon 1794—1801 war er Dlinifter des Auswär-
tigen und folgte 1807 Lord Grenville als erfter
Lord des Schatamtes, d.h. Premterminifter, trat
jedoch bald zurüd u. fl. 30. Oct. 1809. 5) Will.
Henry Cavendifh-Scott, ältefter Sohn des
Vor., vierter Herzog von Portland, geb. 24. Juni
1768; war unter Georg IV. kurze 44 Präſident
des Geheimen Rathes; er fl. 27. März 1854. 6)
William Charles Lavendijh-B., Bruder des
Vor., geb. 14. Sept. 1774; war 1808—7 Gou-
verneur von Madras, um deſſen Regierung er
fh Durch Neform der Steuergejetgebung weit-
tragende Berdienfte erwarb, Nah feiner Rüd.
fehr war er zuerft in Spanien, dann als Geſand—
ter in Sicilien thätig, wo er nah Weggang der
Königin Caroline 1811 dur Reformen in der
Verwaltung u. Einführung einer Conftitution die
elenden Berbältniffe der Inſel jelbftändig ver-
beiferte. 1813 landete er in Gatalonien, mußte
jedoch nad) der Schlacht von Villa-Franca die Be-
lagerung von Barcelona aufheben u. ſich wieder
einjchiffen; 1814 landete er in Livorno, von wo er
ſich nad Genua wandte, um dort, wiewol verge-
bens, gegen die Einverleibung Genuas in die
Sardiniſchen Staaten zu proteftiren; 1815 lebte
er in Florenz, war eine Zeit lang Gefandter im
Rom, fehrte aber fpäter nah England zurück u.
wurde Parlamentsmitglied im Unterhaufe. Seit
1828 Generalgouverneur in Indien, bezeichnete
er feine Verwaltung durch eine Reihe der ein«
greifenditen Neformen: Berbot der Wittwenver-
brennung, Bereinfahung der Procefformen, Zu»
lafjung von Eingeborenen zu Staatsämtern, Ber-
befjerung der Schulen. 1835 wurde er zurück-
berufen, ging nah Paris und ft. hier 17, Juri
1839. 7) Georg Friedrich Eavendifh-B.,
Bentind,
Sohn des Bor., geb. 27. Febr. 1802; diente erſt
in der Armee, die er ald Major verließ, worauf
er Brivatjecretär bei feinem Obeim Canning wurde,
Seit 1826 war er Mitglied des Parlaments, wo
er ſich zu Peels Politik belannte, bis diejer das
Schutzzollſyſtem aufgab; von 1846 an war er
das Haupt der Protectioniften im Parlament. Er
fi. 21. Sept. 1848. Ihm murde 1851 in Ga-
vendifb Square ein Denkmal errichtet. Lebens»
beihreibung von Benj. D’Fsraeli, Lond. 1851.
B) Die jüngere niederländifche oder deutiche
tinie ftammt von Graf Wilhelm (f. u. 5), der,
Reihsgraf geworden, 1733 mit Charlotte So-
pbie, Erbtochter des letzten Grafen von Alden-
burg, Antons II. (f. B⸗ſcher Erbfolgeftreit), die
reihsummittelbare Herrichaft Knipbaufen, die un-
ter dänischer Hobeit ftehende Herrichaft Varel (f. d.)
u, beträchtliche Güter im Oldenburgiſchen erbei-
rathete. Charlotte Sophie übertrug 1754 ihren
2 Söhnen u. Namens derfelben deren Vater ihre
dentihen Befigungen, weigerte fih aber fpäter,
da fie mit ihrem Gemahl in Unfrieden lebte, die-
en Bertrag zu vollziehen, u. Dänemarf erhielt
daher 1757 von dem Neichshofrath Auftrag, den
Gemahl Eharl. Sophiens in den BBefik dieſer
Güter zu jeßen, worauf bis 1759 der Bater als
Bormund, von da an aber der mündig gewor-
dene ältere Sohn, Ehriftian Friedrich Anton, die-
jelben verwaltete, Diefe Güter waren fpäter Ge—
genftand eines Rechtsſtreites zwiichen den beiden
Brüdern u. ihren Nachkommen, der erft zu Ende
des vorigen Jahrhunderts zu Gunften der älteren
mweitfäliichen Yinie entichieden wurde. a) Diele
ältere weſtfäliſche Yinie, durch Chriſtian
gi Anton (f. unten 10), älteften Sohn von
. 8) u. 9), geftiftet, befaß Kniphauſen u. Barel
als Fideicommiß, und der Stifter hinterließ bei
feinem Zode 1768 von feinen 3 Söhnen dem
älteiten, Wilhelm Guſtav Friedrich (f. unten 11),
daſſelbe; derſelbe übergab die Familiengülter ſei—
nen Söhnen. Als er aber 1835 zu London ftarb,
trat b) die jlingere Linie, geftiftet von Wilh.
Guft. Friedrichs Bruder, Jobann Karl (f. un—
ten 15), proteftirend gegen dieſe Befitanipriiche
u. Erbfolgeprätenfionen auf, und befonders war
von defien Söhnen (f. unten 16)—18) der mitt:
lere der Eifrigfle, um bie Anfprüche jeiner Agna—
ten rechtlih zu beftreiten. Uber dieſen ganzen
Streit f. B⸗ſcher Erbfolgeftreit. Der zweite Sohn
von Charlotte Sophie, Erbgräfin von Aldenburg,
vermähiter Gräfin B., Joh. Albert, geb. 1737,
war zeitig nach England in Seedienfte gegangen
u. hatte dort c) die jüngere (jüngere eng-
liſche) Linie — er ft. 23. Sept. 1776.
Bon feinen 2 Söhnen fl. Wilhelm, Graf B.,
als britifcher Admiral 1813, der zweite, Johann,
wurde 1771 geboren. Auch fie hatte an jener
Proteftation der Giltigleit der Erbfolge theil.
8) Wilhelm, Graf ®., Herr zu Rhoon u. Pend-
recht, jüngerer Sohn von B. 1), geb. 1704; war
Präfident des Hathes der Staaten von Holland
u. Wriesiand, warb 1732 von Karl VI. zum
Neihsgrafen erhoben und erheirathete 1733 mit
Charlotte Sophie von Aldenburg, Tochter des
Grafen Anton II., die Herrichaft Kniphauſen u.
Barel; er ft. 1773 u. ift Stammberr der nieder-
181
ländiſchen Linie B. 9) Charlotte Sophie,
Erbtochter des Grafen Anton II. von Aldenburg,
geb. 1715, mit Borigem 1733 vermäblt; gerieth mit
ihm über die dentichen Güter in Streit, der bald
nad der Geburt des zweiten Sohnes die Trenn«
ung beider Gatten zur Folge batte; fie lebte nun
zu Kopenhagen, Wien u. Berlin, von Friedrich IT.
und Maria Therefia hoch geachtet; ihre koftbare
Bibliotbef u. Münzfamınlung, von welder fie
einen Katalog druden ließ, fam an den Herrn
v. Donop zu Meiningen; fie ft. 1800 zu Ham-
burg. 10). Graf Epriftian Friedr. Anton,
ältefter Sohn von B. 9) u. der Bor., ‚geb. 1734;
regierte jeit 1759 u. ft. 1768; er war vermäblt
mit Marie Katharine Baronefje v. Tuyll (ft. 1793).
11) Wilh. Guſtav Friedrich, Sohn des Bor.,
geb. 1762 im Haag; erhielt ſchon als Gjähriger
Knabe die Fideicommißgüter feines Haufes, ftand
bis 1787 unter Bormundichaft feiner Mutter, lebte
als Befiger der Herrichaft Rhoou u. Pendrecht
(deshalb auch Graf B.-Rhoon) in Holland, trat
1787 zu Rotterdam u. im Haag als Parteihbaupt
für Oranien auf, wirkte feit 1792 für Bewaff-
nung der Niederlande, wurde aber 1795 in ber
Gitadelle von Woerden eingeiperrt. 1798 freige-
laffen, ging er nad Deutichland, wo feine Ge—
mahlin Ottoline, geb. v. Reede, die Regierung
in Kniphauſen u. Barel geführt hatte, nahm als
englischer Oberft an der Erpedition des Herzogs
von York 1799 tbeil u. wirkte zu Gunften bes
Erbjtatthalterse. Später ging er nah Rußland,
um Entihädigung wegen der Herrichaft Jever zu
fuchen, fonnte aber nichts als ein Jahrgebalt von
5000 Rubel erhalten. 1807 wurden feine Befit-
ungen mediatifirt u. famen erft an Holland, dann
1810 an Frankreich. Als er Anfangs 1813 beim
Herannaben der Ruſſen einige Mafregeln als Yan-
desherr traf (j. u. B-fcher Erbfolgeftreit), wurde
er von dem franzöfiichen Präfecten verhaftet, nad)
Wejel gebracht u. dort zur Verbannung u. Con—
fiscation jeiner Güter verurtheilt, 1814 aber durch
die Alliirten befreit. Seine Güter fand er jedoch
jequeftrirt in oldenburgifchen Händen vor, und
Oldenburg behauptete dieſe auch, bis 1825 der
Vergleich von Berlin zu Stande kam u. er 1826
die Yandeshoheit wieder erhielt. Er batte von
feiner erſten Gemahlin, Ottoline, welche 1799
jtarb, 2 Töchter und 1 Sohn, der 1813 ftarb.
Danach lebte der Graf mit einer Bauerstochter,
der Kammerjungfer Sara Margarethe Gerdes,
in Gewiffensebe, ließ dieſelbe aber 1816 durch
Trauung legitimiren. 1827 trat er dem älteften
Sohne aus diefer Ehe das beutiche Fideicommiß
ab, begab fi nach London u. ftarb dort als bri«
tiicher Generalmajor 1835. Die Gräfin Sara ftarb
11. Febr. 1856 auf Schloß Barel. Seine 3 Söhne
waren: 12) Graf Wilhelm Friedrich, geb.
1801; erhielt 1827 von feinem Bater die Mit-
regentichaft über die B-fchen Güter, verzichtete
aber 1833 anf die Succeffion u. ging nad Miſ—
fouri in NAmerifa, wo er 22. Okt. 1867 ftarb.
13) Guftav Adolf, Bruder des Bor., geb. 1809;
erhielt nach der Überfiedelung feines Bruders nad
Amerifa die Mitregentfhaft u. den Befit der
Güter; er Taufte fi fpäter in Nieder - Dfterreich
an. 14) Friedrih Anton, Bruder bes Vor.,
182
geb. 1812,
8. 11), geb. 1763, großbritannifcher General-
major; ft. 1. Dec. 1833; er war vermählt mit
Jacobea, Todyter des Grafen Athlone in Irland
u. Reichsgrafen v. Reede de Gindel, von welcher
er 3 Söhne hatte: 16) Wilh. Friedrid Chrift.,
geb. 5. Nov. 1787, vermählt 1841 mit Pauline
Albertine v. Münnich, geft. im Haag 8. Juni 1855.
17) Karl Auton Ferdinand, geb. 4. März
1792, Lönigl. großbritann. Generalmajor; machte
den Krimfeldzug mit; er ft. zu Bergheim in Wal»
dei 28. Oct. 1864. Sein Nachfolger Heinrich ift
geb. 30. Oct. 1846, Offizier der fönigl. britiichen
Yeibgarde. 18) Graf Heinrih Joh. Wilh,,
geb. 8. Sept. 1796, künigl. großbritannifcher Ge-
neralmajor. ©. Bricher Erbfolgeftreit.
Bentindjcher Erbfolgeitreit. Anton Gün—
tiber, Graf zu Aldenburg u. Deimenborft, Herr zu
Fever u. Kniphaufen, hatte von Eliſabeth v. Un—
gnad einen natürlichen Sohn, Auton, geb. 1688,
u. da er feine ehelichen Nachkommen hatte, jo er:
wirkte er vom Kaifer durch Urkunde vom 16. März
1646 die Erhebung dieſes unter Beilegung des
väterlihen Familiennamens von Aldenburg und
Wappens in den Adel- u. am 28. Febr. 1651
in den Neichsfreiherrnftand, als Freiherr von Al-
denburg, Edler Herr von Barel; den 15. Juli
1653 erhielt Anton auch noch die Reichsgrafen—
würde, u. zwar jo, daß dem neu begründeten Gra-
jengefchledhte die perjönliche u. dingliche Qualifi—
cation zur Meichsftandichaft ertheilt wurde; daß
alle jeine ehelichen Leibeserben u. deren Erbes—
erben, jo in rechter Ehe vou ihm erzeugt fein
möchten, in Stand, Ehren u. Würden der Heichs-
grafen eintreten, u. daß er die Befugniß haben
tollte, mit einem der 8 Grafencollegien zu votiren.
Die Herrihaft, welche Anton erwerben würde,
wurde im voraus zur unmittelbaren freigehörigen
Grafſchaft erhoben. Zugleich follte bei der Suc—
teffion das Jus primogeniturae ftattfinden. Dem—
jenigen Nachlommen aber, welcher keine ehelichen
männlichen Nachlommen binterlaffen würde, wurde
freigegeben, felbjt wenn mehrere Töchter vorhan—
den wären, einen vom dem eigenen Gejchlechte,
oder einen Anderen zu adoptiren u. ihm den Na—
men der Familie zuzumenden, Nachdem Anton
Günther je die Erhebung Antons bewirkt, fuchte
er ihn auch mit unmittelbaren Gütern u. Herr-
haften ftandesgemäß auszuftatten. Durch den
Rendsburger Erbvergleih vom 10. April 1649
hatte er von dem König von Dänemark u. Her-
309g von rn in Bezug auf das Amt Barel
die Berechtigung erworben, darüber wie über
volles Eigenthum zu verfügen; durch Urkunde vom
8. Sept. 1654 verzichteten Dänemark u. Holftein
15) Johann Karl, Bruder von,
Bentinckſcher Erbfolgeftreit.
von Barel u. Kniphauſen. Allein ſchon dieſemn
wurden die Rechte an der Erbichaft deshalb be-
ftritten, weil Holftein-Plön, die zweite holjteiniiche
Linie, zu dem Bertrage, welchen fein Bater mit
Dänemarf u. Holſtein-Gottorp geichloffen hatte
(j. oben), nicht zugezogen worden war u. nicht bei»
geftimmt hatte. Die Streitigkeiten dauerten fort,
als Anton 27. Oct. 1680 ftarb. Zwiſchen den Vor⸗
mindern des ihm folgenden unmündigen Anton IL
u. dem König Chriftian V., anf welchen inzwi—
ichen die von Holtein-Plön prätendirten Anſprüche
übergegangen waren, lam es aber zu einem Ber»
gleich (Aldenburgifcher Tractat), welchen Anton IL.
auch nach erlangter Großjährigkeit 1706 betätigte.
Nach diefem Tractat mußte er auf die Reichs—
unmittelbarteit des Anıtes Barel verzichten u. na—
mentlich die Superiorität des Grafen von Olden-
burg anerfennen. Dagegen wurde ibm die Herr—
ſchaft Kniphauſen in der männlichen Weife, wie fie
jein Vater Anton I. befeffen hatte, mir allen Rech—
ten u. Pertinenzien zugefihert. Mit Anton IL,
jtarb 1738 das männliche Gejchledht der Graien
von Aldenburg wieder aus, der Graf hinterließ
nur eine Tochter, Charlotte Sophie, welche feit
1733 mit dem Grafen Wilhelm dv. Bentind (f.d. 8)
vermählt war. Nach den Familienftatuten u. dem
Zeftament ihres Vaters juccedirte Charlotte So—
phie in Land u. Leuten, Herricaften u. Unter
thanen u. hatte die Nachfolge nah dem Primo»
geniturrechte auf die aus jener Ehe ftammenden
Nachlommen zu übertragen. 1754 trat fie auch
die Herrfchaften Barel u. Kniphauſen, neben allen
ihren anderen in Deutjchland gelegenen Befigun-
gen, an ihre beiden Söhne Ehriftian Friedrich
Anton (. Bentind 10) u. Johann Albert (geb.
1737, geit. 1775), Reichsgrafen von Bentind,
ab, jo jedoch, daß ihr Vater bis zu ihrer Boll
jährigleit die Befigungen regieren u. verwalten
jollte., Graf Ehriftian Friedrich Anton wurde
1759 majorenn u. trat am 15. Aug. die Regier-
ung an. Bei feinem Tode (1768) hinterließ er
5 Kinder, von denen jedoch 3 ohne Defcendenten
verfiarben; die beiden anderen waren: Wilhelm
Guſtav Friedrih u. Johann Karl (j. Bentind 11)
und 15). Bon diefen fuccedirte der Ältere, an—
fangs unter Bormundichaft, 24. Juli 1787 über-
nahın er die Negierung ſelbſt. Bon feiner erften
Gemahlin, Dttoline, geb. v. Reede, hatte er 2
Töchter u. 1 Sohn, Wilhelm Anton (geb. den 8.
Oct. 1798, ft. 1813); nach dem Tode jeiner Ge-
mahlin (ft. 1799) zeugte der Graf noch mit der
Sara Margaretha Gerdes, weldye feit Mitte 1799
auf dem Schlofte zu Varel als Hofjungfer lebte,
3 Söhne: Wilhelm Friedrich (geb. 9. Juli 1801),
Guſtav Adolf (geb. 21. Nov. 1809) u. Friedrich
auch auf das Hecht der Territorial- Superiorität. | Anton (geb. 3. Aug. 1812). Infolge eines Zer—
Ebenfo bewirkte der Graf in Betreff der Herr-
haft Jever nebft Kniphaufen, deren Lehnsherr
der König von Spanien als Herzog von Brabant
war, daß die Legitimation des nunmehrigen Reichs»
grafen Anton von Aldenburg auch für das Herzog-
thum Brabant als wirkſam anerfannt u. die Be—
fugniß, über die brabantiſchen Lehngüter frei zu
verfügen, zum Beften des Grafen Anton aner-
famıt würde. Am 18. März 1667 ftarb Anton
wirfniffes zwifchen dem Grafen Wilhelm Guftav
Friedrih u. feinem Bruder, Johann Karl, ließ
fih Erfterer mit der Gerbes am 8. Sept. 1816
in der Kirche zu Accum trauen und erflärte in
einem 1818 errichteten Teſtament feine 3 mit
feiner jegigen Frau Sara, geb. Gerdes, aus einer
bereits -jeit Auguft des Jahres 1800 mit derjelben
beftandenen Gewiffensehe bervorgegangenen, num
aber durd die nachfolgende Ehe überall mit den
Günther, u. fein Sohn Anton I. nahm nun Befig!Redhten eheliher Kinder verjehenen Söhne zu fei-
Bentindjcher
nen Erben, von denen jedoh nur der ältefte,
Wilhelm Friedrich, nah den Anordnungen des
Stifter8 der Aldenburgiſchen Fideicommißgüter,
als Erfigeborener zu juccediren habe.
Unterdeffen batten ſich jedoch in dem Beſitze
Erbfolgeſtreit. 188
‚fein Bruder 1. September 1827 eine öffentliche
Bekanntmachung erließ, daß er den Befit der
reichsgräflih Aldenburgs Bentindihen Familien-
(fidercommißherrichaften u. Güter auf feinen älte—
jten Sohn, den Erbreichsgrafen Wilhelm Friedrich
biefer Güter jelbft weientliche Veränderungen zu- von Bentind, übertragen babe. Johann Karl er-
getragen. Durch den jjrieden von Campo For—
mio a7. Dct. 1797) war der frühere Yehunerus,
welcher Kniphauſen mit Brabant verbunden hatte,
aufgeboben, u. durch die Auflöfung des Deutichen
Reihes erlangte die Herricaft die volle Souve—
ränetät. Nachdem König Ludwig von Holland
Oldenburg u. die oldenburgischen Befigungen mi»
litätiſch bejett hatte, übergab Napoleon 1807 fei-
nem Bruder die Souveränetätsrechte über Knip-
haufen u. Barel jo, daß der Graf Bentind in
das Berbältnig eines Mediatifirten treten follte;
1810 wurde Barel u. Kniphaufen mit Holland u.
Oldenburg dem franzöfiichen Kaiferreiche gänzlich
einverleibt. Um feine Befitungen nicht ganz zu
verlaffen, übernahm Graf Wilhelm Guſtav das
Amt eines Maires von Varel; da er beim An—
rüden der Alliirten fi für jelbftftändig erflärte,
murde er zur Confiscation feiner Güter verurtheili
u. bis 1814 in franzöfiicher Gefangenfchaft gebal-
ten. Mittlerweile war Oldenburg von ruffijchen
Truppen bejett worden, denen gegenüber der
Graf vergeblich wieder Befis von Barel u. Knip-
—— zu nehmen verſuchte. Ebenſo erfolglos
lieben die Schritte beim Wiener Congreß. Erſt
infolge des Congreſſes von Aachen im J. 1818
lam es zwiſchen dem Herzog von Oldenburg u.
dem Grafen v. Bentind unter dem 8. Juni 1825
zu Dem ſog. Berliner Abtommen, deffen Garantie
der Deutſche Bund übernahm. Der Graf erlangte
daburch zwar nicht eine volle Souveränetät der
rrichaft Kniphanfen, aber doch den Genuß der
andeshobeit u. der perjönlichen Rechte wieder,
welche ihn vor Auflöfung des Deutichen Reiches
zugeftanden hatten. Dagegen erflärte er ſich zu-
rieden, daß die Hoheit über Kniphaufen, ihn felbft
n. feine Familie, als Befiger der Herrſchaft, von
dem Großherzog von Oldenburg fo ausgeübt werde,
wie folche ehedem bei Kaifer u. Reich geweſen jei,
wogegen derjelbe aber auch für fih u. feine Nach—
folger die Pflichten zu übernehmen habe, melde
mit der Reichshoheit verbunden waren. Jufolge
diejes Ablommens wurde der Graf in Kniphaufen
wiedereingefegt; aber die ihm in Bezug auf die
Herrſchaft Barel zuftehenden Hoheitsrechte wurden
ihm erft durch eine großherzoglihe Berorbnung
vom Januar 1830 reftituirt.
Noch ehe es jedoch jo mweit fat, entſpaun fich
der Streit zwifchen dem Grafen Wilhelm Guftav
riebrih u. feinem Bruder Johann Karl (j. Ben-
tind 16) von Bentind, als nächſtem Agnaten u.,
wenn von jenen 3 Gerdesichen Kindern abgejehen
wurde, eritberechtigtem Anmwart auf die mut dem
Tode Wilhelm Guftav Friedrichs erledigten Güter.
Dem Grafen Johann Karl war weder von der
Gewiffensehe, noch von der 1816 in orbnungs-
mäßiger Weife eingegangenen Ehe (ſ. ob.) Kennt«
niß gegeben worden. Dennoh war Johann Karl
immer befliffen geweien, überall jeine u. der Sei-
nigen agnatifhen Rechte zu fihern. Bu beftimm-
teren Schritten ſah er. fidh aber veranlaft, als
bob hiergegen als nächſter Agnat nicht bloß eine
Froteftatton bei der großherzoglichen Regierung
zu Oldenburg, fondern übergab aud am 9. Mai
1828 eine auf Wahrung feiner Rechte abzwedende
Erklärung bei der Deutihen Bundesverfammlung,
welche fi) jedoch fiir incompetent erflärte. Zur
gleich ftellte Johann Karl bei dem Oberappellas
tionsgerichte zu Oldenburg den Antras, dem Wil
heim Friedrich Bentind u, deffen Brüdern ſowol
die vermeintlich zuftehenden u. eingeräumten Suc-
ceffions- u. Befitgerechtiame, als Titel, Rang u.
Wilrde der Familie abzuerfennen u. die fragliche
Befigeseinräumung für rechte u. wirkungslos zu
erklären. Die Klage ftütste fih bierbei auf den
Mangel der Succeffionsfähigkeit u. Ebenbürtig«
feit der mit Sara Gerdes erzeugten Söhne. Da-
gegen wurde von Seiten der dellagten auszu—
führen verjucht, wie zumächft die Ebenbürtigfeit
der Söhne dur ihre Abftammung aus einer
Sewiffensche vorhanden fei, daß aber meiterhin
durch die unter der franzöfiichen Herrichaft bewirkte
Aufhebung der FFideicommigeigenichaft des Alden-
burgifhen Familtengutes u. durch die Bermichtung
des Adelsjtandes des Befiters die Nothwendigkeit
einer ebenbürtigen Ehe weggefallen fei; eventuell
follte aber die Zucceffionsfahigleit der Kinder aus
ihrer Eigenſchaft als fog. Brautlinder, als Kinder
aus einer vermeinten Ehe, oder als Mantelfinder
deducirt werden. Während diefer Proceß über
den Befis noch ſchwebte, giug im März 1833 der
Ältere, zum Mitregenten angenommene Sohn,
Wilhelm Friedrich, nach Amerifa, indem er jei-
nem Succeffionsrechte zu Gunſten feines nächft-
gebovenen Bruders Guſtav Adolf (f. Bentind 13)
entfagte. Diefer erhielt hierauf vom Bater am
23. Dat 1834 den Befig u. die Mitregentichaft
in derſelben Weiſe übertragen, wie 1827 der äl«
tefte Sohn. Am 1. Dec. 1833 ftarb der Graf
Johann Karl, der damalige Kläger, u. am 22.
Oct. 1835 auch fein Bruder, Wilhelm Guftav
Friedrich. Die Rollen der ftreitenden Parteien
änderten ſich dadurch in fo weit, daß an Stelle des
bisher Hagend aufgetretenen Grafen Johann Karl
feine 3 Söhne (f. Bentind 16)—18) eintraten,
Durch einen oldenburgischen Cabinetsbeicheid wurde
zwar den Kindern der Sara Gerdes die ausdriüd«
liche Anertennung des Adelsſt. es u. gräflichen
Titeld verweigert, jedoch der einftweilige Gebraud
des Grafentitels zugeftanden, Die ofdenburgifche
Regierung ließ fih fogar durch die Anzeige, daß
der Graf Guſtav Adolf Bentind fih im factiichen
Beſitze des Fideicommiffes befinde, beftimmen, in
vorfommenden Fällen bis auf Weiteres mit ihm
zu commmmiciren, jedoch immer freilich unter dem
Vorbehalte, daß dadurch den Rechten Dritter nicht
präjudicirt werde. Dem Grafen Wilhelm Fried»
rih Chriftian wurde dagegen von der Negierung
die nachgeſuchte Anerkennung als recdhtmäßiger
Nachfolger verweigert, auch ein anderes Gefuch
um Herftellung eines angemeffenen proviforifchen
184
Zuftandes zurücdgewiefen, weil die Entſcheidung
über die Zuläſſigleit u. Rechtmäßigleit des bes
ftebenden Befites Tediglih dem competenten Ge—
richte überlafien bleiben follte, Der Graf Wilbelm
Friedrich Ehriftian ſah ſich dadurch nun veranlaßt,
am 18. Juni 1836 eine neue Imploration bei
dem Oberappellationsgerichte zu Oldenburg ein»
zureiben, wonah er Einräumung des Beſitzes,
eventuell wenigftens des Mirbefiges, od. Sequeſtra-
tion der Güter verlangte.
Die Berhandlungen diefes Brocefjes murden
durch den vergebliben Verſuch der beiden jünge-
ren Brüder des Klägers, am 16. Oct. 1836 ſich
der Burg Kniphauſen mit Gewalt zu bemächtigen,
u. die daran ſich knüpfenden Einreden verzögert.
Während die Procefichriften weiter gewechfelt wur»
den, einigte'man fich vorläufig durch einen pro-
piforifchen Bergleih vom 28. März 1838, daß
beide Theile bis zum Endurtheil ohne Berpflicht:
ung der Wiedererjtattung eine gewiſſe Heute ziehen
u. der dann noch bleibende Überfhuß der Einnah-
men gerichtlich deponirt werden folle. Endlich
wurde 1842 von der Juriftenfacultät zu Jena ein
erites Erlenntniß gefällt (veröffentlicht durch Pro-
fejlor Died, Lpz. 1843), nach welchem die fämmt-
lihen Klaganträge des Klägers als unftatthaft
verworfen wurden, weil die Familie Bentind
wegen der ihr bis dahin fehlenden Anerkennung
des Deutihen Bundes als zum hoben Adel nicht
gehörig anzufeben fei.
Ehriftian (der Kläger) u. feine jüngeren Brlider
wiefen darauf ihren hohen Adel bei dem Deut-
ſchen Bunde nah u. erwirkten einen Bundesbe—
ſchluß vom 12. Juni 1845, dur welchen die
Anerkennung des hoben Adels der Familie Ben-
tind ausgeſprochen wurde. Hiermit fchien die
Inebenbürtigteit und Nichtberechtigung des facti-
chen Befites ermwiefen, u. die jüngeren Brüder
erlangten infolge deſſen 1847 von dem Deutichen
Bunde, welcher der Familie den Befit von Knip—
haufen garantırt hatte, die rg 3 einer
rechtmäßigen Regierung daſelbſt. Diefem Gejuche
wurde 1848, nach Wegfall der Bundesverjamm-
lung, durd die an die Stelle derjelben getretene
proviſoriſche Gentralgewalt in der Weiſe gemill-
fahrt, daß die geſammte Gerdesſche Dejcendenz
als unfähig zur Erbfolge u. Negierung in der
— — Kniphauſen ertlärt, die oldenburgiſche
egierung aber erſucht wurde, das Geeignete zur
Herſtellung der rechtmäßigen Regierung zu veran-
lafien. Dies blieb jedoch ohne Refultat; ebenfo
der Ausipruch der Bundescentralommijfion im
April 1850 und die imjolge von Petitionen des
Klägers verfuchte Fntervention der preußifchen u.
öfterreichifchen Regierung. Als daher inzwiſchen
die Erneuerung des Bundestages erfolgt war, fo
wendeten fih die Kläger von Neuem an dieſen
mit der Bitte, das Geeignete zur Herftellung der
rechtmäßigen Regierung in ber Herrichaft Knip-
baujen zu veranlaffen. Indeß da die Veredhtig«
ung ber Beichlüffe der Bundesverfammlung be-
firitten wurde u. Oldenburg die richterliche Ent-
fheidung abwarten zu wollen erklärte, kam die
Sade nicht vom Flede, bis endlich unter Mit-
wirfung der Höfe von Wien u. Berlin unterm
13. April u. 30. Juni 1854 mehrere Berträge
Graf Wilhelm Friedrich |fie 1856 ftarb) gewährt.
Bentkowjfi.
zu Stande famen, melde dem meiteren Fortgange
des Streites ein Biel fetten. Yaut diefen ift das
ganze Object des Streites mit allen Rechten an
die oldenburgifche Regierung abgetreten worden,
fo daß nunmehr fämmtlihe Herrſchaften mit DI-
denburg als vollitändig vereinigt zu betradhten
find. Zur Abfindung machte fih zunächſt bie
oldenburgiihe Regierung den Klägern, dem Gra-
fen Wilhelm Friedrih Chriftian u. feinen Brü—
dern, gegenüber verbindlich, dag außer einer Baar-
zablung von 200,000 Thlr. Gold die Yyideicon-
mißgualität des bisherigen gräflich Aldenburgiichen
Fideicommiſſes auf einen mit der Standesherr-
lichkeit beliehenen Compiler von Liegenjhaften in
einem deutichen Staate übertragen werde, weldher
den Werthe von 1,100,000 Thlr. Gold gleich
fommt,. Bis diefe Liegenichaften erworben wären,
jollte gedachte Summe als ein unauffündbar auf
das Großherzogthum Oldenburg radicirter Fidei-
commißſtamm mit jährlich 34 pCt. verzinft u. zu
mehrerer Sicherheit auch eine Specialhypothet an
mehreren bisher zum Fideicommiß gehörigen Bor»
werten u. Holzungen beftellt werden. Dem Be-
Nagten, Guftav Adolf v. Bentind, u. defjen jünges
rem Bruder, Friedrich Anton, dagegen wurde eine
Summe von 500,000 Thlr. Gold zu freier Ber-
fügung, der Mutter des Bellagten ein Wittthum
von jährlih 2000 Thlr. Gold nebſt der lebens«-
länglihen Benutzung des Schloſſes zu Varel (mo
Dem älteren Bruder,
Grafen Wilhelm Friedrich (fl. 1867 in Amerika),
endlich wurde bis zum Tode eine jährliche Rente
von 3750 Thlr. Gold u. feinen Kindern nach
feinem Tode eine Summe von 100,000 Thlr.
Gold zugefihert. Als Zeitpunkt des Überganges
des Fideicommiſſes an die großherzoglide Re—
gierung wurde der 1. Yan. 1854 beftimmt und
durch ein Patent vom 1. Aug. 1854 die Wieder-
vereinigung mit Oldenburg fererlih ausgeſprochen.
Am 8. Juni 1855 ft. der Graf Wilhelm Fried-
rich Ehriftian im Haag, u, fein Bruder u. Nach«
folger im Fideicommiß, der Graf Karl Anton
Ferdinand (f. Bentind 17), welder anfangs einen
erſuch machte, der Ausführung der Berträge
Hinderniffe zu bereiten, gab im Auguft defl. J.
jenen Berſuch auf u. bequemte fich zur Annahme
des Vergleiches, der hiernach allerjeits angenom-
men jcheint.
Bentkowffi, Wiadiflam v., poln. Publicifi
eb. 1817 in Warjchau; trat bereits 1880 als
Schüler bei dem Aufitande in Warſchau in die
dafige Stadbtmiliz u. ftudirte feit 1833 in Königs-
berg Jurisprudenz u. Gejchichte; 1840 wendete er
fih nad Poſen u. trat in die preußiſche Artillerie
ein, verließ jedoch 1848 als Lieutenant den Dienit,
um fih an der Hebaction der Gazeta Polska zu
betheiligen, u. madhte dann in der Reihe der
ungariihen Inſurgenten den Krieg gegen Ofter-
reih mit. Nach der Kataftrophe von Vilagos, im
Aug. 1849, trat er zunächſt in die Türkei über
u, fehrte dann nad ofen zurück, wo er ſich wie⸗
der literariſch beſchäftigte u. bis 1856 den Gonice
Polski redigirte, auh Macaulays Geſchichte Eng-
lands (1854) ins Polnifche überjegte. Ins preu-
Biiche Abgeordnetenhaus gewählt, vertrat er bie
Sache der polnischen Nationalität. Nach dem Aus»
Bentley — Benton.
bruche der polnischen Revolution (1863) betheiligte
er ih an dem Kampfe gegen die Auffen u. war
unter der Dictatur Langiewiczs Chef des General«
ftabes; nachdem diejer jeine Holle ausgejpielt hatte,
trat B. mit auf öfterreichiiches Gebiet über und
murde eine Zeit lang gefangen gejekt.
Bentley, Richard, berühmter engl. Krititer,
geb, 27. Jan. 1662 zu Oulton (Morkihire); ſtu⸗
dirte feit 1676 zu Cambridge, wurde 1682 Yehrer
zu Spalding, 1694 königücher Bibliothelar zu
St. James, 1700 Majter of Trinity in Cam.
bridge, 1701 Archidiaconus von Ely u. 1716 Pro»
feffor der Theologie in Cambridge; hier ftarb er
14. Juli 1742. B. verband mit umfaffender
Belefenheit u. Kenntniß des claffiichen Alterthums
dipinatorischen Scharffinn in Erflärung u. Ber-
befferung dunkler Stellen u. Partien der antifen
Kıteratur. Daneben harakterifirte ihn eine unbe«
zwingliche Reigung zu literariihen Händeln u. zur
Einmiſchung in verwidelte Berhältniffe, welche ihm
fein Leben hindurch zahlreiche Titerarifche Fehden
bereitet bat. Berühmt ift fein Streit mit Boyle
über die Echtheit der Briefe des Phalaris (j. d.);
feine dadurch veraulaßte Dissertation upon the
Epistles of Phalaris, Themistocles, Socrates,
Buripides and the Fables of Aesop (1699) ift ein
Nufter der Kritik für alle Zeiten. Unter feinen
Ausgaben ift die des Horatius (Cambr. 1711, wieder
abgedr. Lpz. 1826) die berühmtefte, ferner zu er
mähnen der des Terentius u. Phädrus (Cambr,
1726, die damals einem heftigen Angriffe Hares
begegnete). Willtürliche Veränderungen erlaubte er
kb ın der Ausgabe von Miltons Paradise lost.
ig philolog. Schriften: Epistol. ad Millium,
Ur. 1691; Emendationes in Menandri et Phi-
lemonis reliquias, Utr, 1710 (unter den Namen
bhileleutherius Lipfienfis); theologiſche: Reden
gegen den Atheismus, Oxf. 1691; — upon
a diseourse of freethinking, 1713. Lebensbeſchr.
von Monf, Yond. 1830; von Mähly, Ypz. 1868.
Seine Opuseula philologiea, Ypz. 1781; umvoll«
endete Gejammtausgabe jeiner Werte, Yond. 1836.
Benton, 1) Conny im nordamerifaniichen
Untonsftaate Arlanſas, unter 36° n. Br. und
34° mw. %.; 13,831 Emw.; Countyfig: Bentonville,
2) County im Staate Indiana, unter 46° n. Br.
u. 87° w. ©; 5615 Ew.; Countyſitz: Orford.
3) County im Staate Jowa, unter 42° n. Br.
u. 92° w. 2.; 22,454 Emw.; Klima u. Boden qut;
Eountofig: Binton. 4) County im Staate Diin-
nefota, unter 45° n. Br. u. 94° w. L.; günſtig
in der Nähe der Hauptftadt des Staates St. Paul
gelegen; Boden leicht, aber ergiebig; hatte 1865
erit 505 Emw., 1872: 1757; Gountyfig: Sauf Ra-
pids. 5) County im Staate Mifjouri, unter 38°
n. Br. u. 93° w. 2.; Bleiminen; 11,322 Ew.;
Countyfig; Warſaw. 6) County im nordamerit.
Unionsftaate Dregon, unter 44° n. Br. u. 123°
w. 2; 4584 Ew.; Gountyfig: Corvallis. 7) County
im nordamerifan. Umionsftaate Tenneffee, unter 36°
n. Br. u. 88° w. 2; 8234 Ew.; Countyſitz:
Camden. 8) Station der Union-Pacific-Eifenbahn
m Carbon-County des norbamerilan. Unions-
territoriums Wyoming, unter 41° 48° n. Br. u.
106° 66° w. v.
Denton, Thomas Hart, hervorragender
185
nordamerifan. Staatsmann, geb, 14. März 1782
| auf einer Farm bei Hillsborough im Staate NLaro-
Ina; ftudirte in Chapel-Hill, widmete ſich der
Juriftenlaufbahn, in der er bedeutenden Erfolg
batte; aud war er in der Yegislatur während
einer Periode thätig u. zeichnete fich durch die
Vorlegung u. Durchjegung einer Bill aus, die
den Negerfllaven den ihnen bisher von den Wei-
Ben verjagten Nechtsichuts des Geſchworenengerichtes
einräumte. Andrew Jackſon machte ihn beim Aus»
bruche des Krieges mit England (1812) zu feinem
Adjutanten; auch brachte B. ein Regiment Frei
williger zufammen, von welchem er ſeitdem den
Oberjtentitel führte. Seine Verbindung mit Jad-
fon ward jedoch bald durch einen heftigen Zwiſt
unterbroden, der mit einem Duell endigte, in
welchem Beide fchwer verwundet wurden. Nach
geichloffenem Frieden fiedelte er nah Miffourt
über u. ließ ih 1815 in St. Louis nieder und
gründete dajelbit zu gleicher Zeit die demofratijche
Zeitſchrift Missouri Inquirer, in der er aufs Kräf-
tigfte die Aufnahme Miffouris, trog feiner Stlaven-
inititution, als Staat in die Union unterftügte,
Hierfür ward er mit einem Site im Senat der
Union belohnt, den er 30 Jahre innehatte. Im
diefer Körperichaft ſchwang er fih durch jeine
Energie, feinen eifernen Willen, feine Ausdauer
u, jein Selbftvertrauen zu einem der hervorragend
ten Mitglieder auf. Der Berwaltung des Prä—
fidenten Adams machte er heftige Oppofition,
unterftiigte dagegen diejenigen von Fadjon umd
Ban Buren. Über die Banlfrage in den Ber.
Staaten hielt er mehrere von tiefer Keuntnig des
Finanzweſens zeugende Reden zu Gunjten des
Metallumlaufmittels, was ihm den Beinamen Old
Bullion zuzog. Bejondere Aufmerkjamleit widmete
er auch der Hebung des Weſtens u. war der Erite,
der den Sedanten fahte, die Oft u. Weſtküſte der
Ber. Staaten dur Berfehrswege zu verbinden.
Dit Heftigkeit, aber auch mit Erfolg widerjetste
fih B. der Annahme der Parallele von 54° 40%
als NGrenze gegen die englifchen Befigungen u.
vereinbarte mit Großbritannien die Firirung der—
jelben längs des 49. Breitegrades. Der Merica-
nische Krieg fand in ihm einen warmen Förderer,
den Eoinpromigmaßregeln von 1850 aber, welche
in der Kanjas-Nebrasta-Bill gipfelten, durch welche
in diefen Staaten die Shlaverei eingeführt werden
jollte, war er ein unermüdlicher Gegner, doch war
es ihm unmöglich, die Annahme derjelben zu ver-
hindern. SHieriiber zerfiel er mit feinem Staate u.
wurde feit 1850 nicht mebr in den Senat gewählt;
auch in feinem Berfuche, Gouverneur von Miffourt
zu werden, fcheiterte er. Dafür aber wurde er
mit großer Dajorität 1852 in das Nepräfentanten-
haus gemäblt. Bei der Präfidentenwahl (Nov.
1856) ſtimmte er für Buchanan, gegen feinen
Scwiegerjohn Fremont, weil er en den
Grundſaͤtzen Jachſons geneigt hielt. Als er aber
im gleichen Jahre nicht wieder gewählt wurde, zog
er fih aus dem politijchen Leben zurüd, ſich von
nun an hauptſächlich Iiterariichen Arbeiten widmend.
Schon vorher hatte er jeine Thirty Years View,
or a history of the working of the American
Government . . . from 1820 to 1850, New-Wort
1857, vollendet u. übernahm hierauf die ſchwie⸗
186
rige Aufgabe, die Verhandlungen des Congreſſes
von der Gründung der Union (1789) an ın ge
drängter Faſſung herauszugeben, von welder Ar-
beit ihn jedoch der Tod, 10. April 1858, abrief.
Bartling.
DBentonsille, Poſtdorf im County Johnſon
des nordamerilanifhen Unionsftaates NEarolina,
Hier 18.—25. März 1865 blutige Gefechte zwischen
den Bundestruppen unter General Sherman u.
den Gonföderirten unter General Fohnfton, fieg-
reich für Erftere.
Bentſchen (Benczin, Zbanszyn), Stadt im
Kreiſe Diejerig des preuß. Negbez. Polen, am
gleihnam. See, an der Obra u. der Märkiſch—
Voſener Bahn; Schloß mit Bart; Wollenfpinnerei;
Hopfenmarlt; 2451 Ew.
Bensel-Eternau. Diefe feit 1790 gräfliche
Familie ftammt aus Schweden, wo lieder ber-
felben im 18. Jahrhundert die höchſten Kirchen-
würden beffeideten u. Lars Benzel wegen jeiner
Berdienfte um das Bergweſen von der Königin
Urife 1719 als Bengelftjierna geabelt wurde.
Ein Nachkomme defielben, 1) Johann Jakob
Joſeph Philipp Chriſtoph, ging nad) Deutich-
land u. ließ fih zu Mainz nieder, wo er Hobenau
erwarb u. mit den Rheininſeln bei Oppenheim be»
lehnt wurde; er war auch Reichshofrath, kur—
mainziicher Geheimrath u. Hoffanzler u. murde
1746 in den Freiherruſtand erhoben. Während des
Neichsvicariats erhielt die Familie vom Kurfürften
Karl Theodor 1790 die Graſenwürde, 1801 in Öfter-
reich anerfannt u. 1818 in Bayern inmmatriculirt.
2) Chriftian Ernft, Graf zu B. geb. 9. April
1767 zu Mainz; wurde 1791 Regiernugsrath in
Erfurt, 1806 Director der General» Studiencom:
miffion und Geheimrath bei dem Bolizeidepar-
tement zu Karlsruhe, 1808 Gtaatsrath u. Mini-
fteraldirector, 1810 Oberhofgerichtspräfident zu
Mannheim u. von 1812—13 Staatsminifter des
Fürſten-Primas zu Frankfurt a. M. Darauf lebte
er zu Mariahalden am Ziricher-Gee, oder auf
feinem Gute Emrichshofen bei Aichaffenburg u. trat
1827 mit feinem Bruder Gottfried (ft. 1832) zu
Franffurt a. M. von der Katbolifchen zur Evans»
gelifchen Kirche über; er ft. 18. Aug. 1850 zu Maria»
halden. Ausgezeichneter humoriſtiſcher Schriftfteller,
Ihr. er (meift anonym) u. a.: Novellen für Das Herz,
Hamb. 1795, 2 Bde; die Romane: Das goldene
Kalb, Gotha 1802 f., 4 Bde. ; Der fteinerne Gaft,
Gotha 1808, 4 Bde; Der alte Adam, ebd. 1820,
4 Bde.; Lebensgeifter aus dem Klarfeldichen Ar-
iv, ebd. 1804, 4 Bde.; Geipräce im Labyrinth,
1805, 3 Bde.; Proteus, Regensb. 1806; Titania,
1807; Morpheus, 1807 f., 2 Thle., 2. A. 1811;
Poygmäenbriefe, Gotha 1808, 2 Bde..; die Schau-
ipiele: Der Eid (nach Corneille), ebd. 1811; Hof-
Bentonville — Benzenberg.
Frankf. 1825. Bermählt war er feit 1805 mit
Dlarie, geb. Freiin von Sedenborf (ft. 1838).
3) Graf Albert, Sobn des Bor., geb. 22. Mai
1806; iſt k. k. Wittmeifter in Penſion; unver⸗
mählt. Sein Bruder Erich, geb. 1810, lebt
in Amerika. Außer dieſen der jüngeren Linie
B.St. angehörenden Gliedern, welche der evan-
geliſchen Confeſſion folgt, gibt es noch eine ältere
Linie des Hauſes, welche katholiſch u, deren gegen»
wärtiger Chef iſt: Graf Aloys, Sohn des 1868
verftorbenen bayer. Generallieutenants Grafen Lud⸗
wig, geb. 3. April 1822; vermählt jeit 1844 mit
Karınfa, geb. von Schrottenberg. Sein Sohn
Ludwig ift geb. 1848.
Denne, Fluß, ſ. Binue,
Benvenüti, Pietro, einer der bedeutenderen
Maler Italiens in der Neuzeit, geb. 1769 zu
Arezzo; nad) David gebildet; ft. 1844 zu Florenz
als Profeffor u. Director der Kunftalademie. Er
bildete fi) befonders nach Andrea del Sarto und
Rafael, konnte ſich aber erſt jpäter von dem Ein—
fluffe der antififivenden Schule Davids gänzlich frei
maden. Er behandelte religiöje, hiſtoriſche und
mythologiſche Stoffe, vorwiegend in Ol; zum Fresco
ging er erft über, als er bereits ein fünfziger
war, ſchuf aber im diejer Technik feine Meifter-
werfe: die Darftellungen aus dem Alten u. Neuen
Teftament, in der Kuppel der Mediceischen Be-
gräbnißfapelle in ©. Lorenzo zu ‚Florenz, u. die
Mythe des Hercules, im Balazzo Pitti dafelbit;
Werle in Ol: Die Delphiſche Sibylle u. der Tod
des bi. Petrus Chryjologos. Regnet.
Benzaldehnyd (Benzoͤylwaſſerſtoff) C. H.O ſteht
zu der Benzoeſäure im derſelben Beziehung wie
der gewöhnliche oder Acetaldehyd zur Eifigjäure
(vgl. d. Art. Aldehyde). Er bildet den Hauptbe-
itandtheil des rohen ätherifchen Bittermandelöls
(j. d.), befittt aber deffen von Blaufäure herrübren-
den giftigen Eigenichaften nicht. Aus letzterem
wird der Körper, nachdem man das ätherifche Ol
zur Abjcheidung der Blaufäure mit Kalfhydrat u.
Eiſenchlorür geſchüttelt har, durch Deftillation als
ein anfangs farblofes, jpäter gelblich werdendes DI
von 1,oes IP. Gew. u. 180° Siedepunft erhalten.
Aus dem B. entfteht durch Einwirkung von Waj-
jerftoff im Entftehungszuftande, d. b. beim Be—
bandein mit Natriumamalgan n. Waffer, der
Benzplaltohol C,H,O, mobei alfo der B.
2 Atome Wafferftoff aufnimmt. Diefer Körper
bildet eine ölige, bei 206° fiedende, in Waffer un-
lösliche, in Altohol u. Ather lösliche Flüſſigleit, die
durh Oxydation wieder in B. u. darauf in Ben-
zöffäure übergeführt wird, Clören.
BDenzamid, ſ. u. Benzotjäure.
Benzenberg, Foh. Friedrich, Phyfiter u.
Fublicift, geb. 5. Mai 1777 zu Schöfler bei Eiber«
theater von Barataria, Lpz. 1828, 4 Bde; Weißfeld; ftudirte erft Theologie ın Marburg u. dann
und Schwarz, Zürich 1826; Mein ift die Welt, Phyfit u. Mathematik in Göttingen; nachdem er
Hanau 1831; Der Geift von Canoſſa, Zr. 1839; | fi darauf in Hamburg u. Baris aufgehalten hatte,
Die jüngften TFeigenblätter, 1840; Grillenfang wurde er 1805 Profefjor der Phyfit u. Aftrono-
auf 1840, ebd. 1840, jedoch ohne befondere dra-jmie zu Diüffeldorf, erhielt dort auch 1807 die
matiſche Erfindungsgabe. Als freimüthiger Poli» Leitung einer Landvermeffung und gründete eine
tifer zeigte er fidh in feinem Berichte über die baye-| Schule für Feldmeſſer; 1810 wandte er fi) nad)
riſche Ständeverfammlung von 1827—28, Zür. der Schweiz, lebte feit 1815 auf feinem Gute Bilt
1828, u. in: Bayerbriefe, Stuttg. 1830—32,|bei Düffelvorf, wo er ſich 1844 eine Sternwarte,
4 Bde. Er überſetzte auch Youngs Nachtgedaulen, |Charlottenruhe, angelegt hatte; er ft. hier 8. Juni
Benzi — Benzoefäure,
1846. Die
Düſſeldorf.
187
Sternwarte vermachte er der Stadt, genehmen Geruch, einen ſüßlich-ſcharfen u. bal—
Er ſchr. u. a.: Verſuche über das ſamiſchen Geſchmack. Erhitzt ſchmilzt es unter Ent
Geſetz des Falles ꝛc., Dortm. 1804; Verſuche über, widelung von B-ſäuredämpfen. In Altohol iſt die
die Umdrehung der Erde, ebd. 1804; Briefe auf B. löslich, in Ather wenig; kochendes Waſſer nimmt
einer Reife nach Paris, ebd. 1805; Briefe auf
einer Reife durch die Schweiz, ebd. 1811, 2 Thle.;
echrbuch der Geometrie, Düfleld. 1810, 2. Aufl.,
1818, 3 Thle.; Befchreibung eines einfachen Reife
barometers, ebd. 1811; Liber die Sternichnuppen,
Hamb. 1839; Briefe, gefchrieben in Paris 1816;
Ueber Berfaffungen, 1816; Wünſche u. Hoffnungen
eines Rheinländers, 2. A. 1815; Ueber das Katajter,
Bonn 1818, 2 Bde; Ueber Handel u. Gewerbe,
Steuern u. Zölle ‚Elberf. 1819; Ueber Brovinzial-
verfaffung, Hannov. 1819—22, 2 Bde.; Ueber
Preußens Geldhaushalt zc., Lpz. 1820; Ueber die
Staatsverwaltung des Fürften von Hardenberg,
Xp. 1821; Friedrich Wilhelm IIL., 1821, u. v. a.
Benzi, Hugo (auch Bentius, Hugo de Benciis,
Hugo von Siena od. Sienenfis genannt), einer der
größten ital. Arzte u. Philoſophen in der erften
Hälfte des 15. Jahrh. Er führte ein bewegtes
Leben, wurde in Siena Doctor der Philofophie u.
Medicin, ging als Profeffor der Medicin 1399
nah Piacenza, dann nad Florenz, Bologna,
Parma, Padua, Perugia, kehrte nah Padua zu-
rüd, um e8 1431 wieder zu verlaffen, weil er in
Ferrara Peibarzt des Marcheſe Nicolas wurde, Er
farb in Rom 1448, oder nad) Ugurgieri in Ferrara
1439. B. war ein außerordentlich vielfeitig ger
bifdeter Mann, der auch für einen großen Soc.
Iogen galt; Doch jagen ihm feine Zeitgenofjen Ruhm—
redigleit nad. Er hinterließ Commentare über
Galenos, Hippofrates, Avicenna; jeine Werte erjchie-
nen aud) gejammelt 1518 in Venedig. Thamhahn.
Denzie, County im nordamerifan. Unionsftaate
Michigan, unter 44° n. Br. u. 86° w. L.; 2184
Emw.; Countyſitz: Benzonia.
Benzin Chem.). Dieſer Name wird meiſt
pnonym mit Benzol gebraucht. Während man
aber in der Chemie unter Benzol einen Koblen-
mafferftoff von der Formel C,H, u. einem be
fımmten Siedepunlte bezeichnet, verſteht die Tech.
nie unter dem Namen B. ein Gemifch von flüſſigen
Koblenwafferftoffen, die zwiſchen 70 u. 100° fieden;
J. Benzol.
BDenzoe (Benzoegummi, Benzotharz, Gummi
Benzoös, Resiua B., Asa duleis), ein aus der
Rinde des B-baumes (Styrax Benzoin Dryand,)
theils freiwillig, tbeil® nach dem Einfchneiden aus-
füeßendes Harz, weldhes aus Sumatra, Borneo,
Java u. Siam in mehreren Sorten in den Han
del fommt. Die feinfte Sorte, die ſiameſiſche
B. in Kömern oder Thränen (B. in lacrimis),
bildet Heine, außen röthlich-gelbe, innen milchweiße,
auf dem Bruce harzig glänzende Stüde. Die
Calcutta-B. kommt in größeren Stüden (B. in
massis) mit [hmußigroth brauner Oberfläche vor,
während die ſiameſiſche Mandel-®B. (B.
amygdaloides) als ein Conglomerat beider zu be-
trachten ift u. um jo höheren Werth befigt, je
mebr fie von der erfteren Sorte enthält. Die
Sumatra» oder Penang-®B. befteht aus dhoco»
ladebraunen, matt ausjehenden Mafien, in denen
milchweiße Thränen vertheilt liegen. Das Harz
befigt, namentlich beim Erwärmen, einen jehr an«
|
die B-jäure auf. Außer der B-fäure enthält fie
noch drei Harze, die fi durch ihre verſchiedene
Löslichkeit in Aether untericheiden, fich mit Schwe—
felfäure carmoifinrotb färben u. mit Salpeteriäure
beim Erbigen Blaufäure, Pikrinſäure, Bitterman-
delöl u. f. w. liefern. Viele Sorten B enthalten
aud Zimmtfäure, Die B. dient zur Darftellung
der B-jäure (ſ. d.), ſowie zur Herftellung einiger
pharmaceutifchen Präparate (Betinctur, Tinctura
Benzoös, ift eine Yöfung von B. in Allohol), findet
aber des angenehmen Öeruches wegen ihre Haupte
verwendung zu Räucherpulvern. Elören.
Denzocbaljam (Balsamum Benzoös Zwel-
feri), aus Benzoe, Storar u. Weingeiit durch De»
jtillatton erbalten.
Benzocblumen, fo v. wie Benzokfäure.
Denzocjäure (VBenzotblumen, Acidum ben-
zojeum, Chem.) C,H,O,, eine im Benzotharz,
Dradenbiut, Storar, im Totubalſam u. manchen
anderen Harzen, Baljamen u, ätheriihen Ölen,
ſowie im faulenden Harn pflanzenfrefiender Thiere
vorlommende organische Säure. Künſtlich läßt
fh die B. durch Orydation verſchiedener orga-
nifher Körper (Bittermandelöl, Benzylallohol,
Zimmtfäure u. a. m.) barftellen. Man gewinnt
fie aus dem Benzodharz (f. u. Benzoe), indem man
daffelbe in einer flachen eifernen Schale, die mit
Filtrirpapier überbunden u. auf welche ein Hut
von feſtem Papier geftülpt ift, der Sublimation
unterwirft. Das Fültrirpapier hält die den B—
dämpfen beigemengten brenzlicden Producte zurüd,
während erftere fi im Hut zu Kryſtallen verdich-
ten, Dieſe ftellen Farbioke, glänzende Blätter dar,
welche ſich in Altohol, Ather u. in heißem Waſſer
leicht Töjen, aber beim Erkalten fid kryſtalliniſch
ausicheiden, bei 121° jchmelzen u. bei 2509 ſieden.
Beim Erhitzen an der Luft verbrennt die B. mit
leuchtender Flamme. Auch aus dem Pferdeharne
läßt fih die B. zweckmäßig darftellen. Die in dem-
ielben enthaltene Hippurfäure (j. d.) zerfällt näm⸗
Ih beim ‚zaulen des Harnes, wobei unter ben
Zerjegungsproducten namentlih B. auftritt. Man
jegt zu dem gefaulten Harne Kallkmilch, wodurd
ein Niederichlag von benzokſaurem Kalk entfteht,
u, zerlegt diefen durch Salzſäure. Die fo darge»
ſtellte B. (Harn-B.) unterjcheidet fi von der aus
dem Benzotharze gewonnenen dadurch, daß fie faft
geruchloß ift, während legtere einen angenehmen,
von Heinen Mengen trodener Deftillationsproducte
des Harzes herrührenden Geruch befitt. Die B.
findet Anwendung in der Medicin, Sie ift eine
ſchwache einbafifhe Säure, die fih mit Bajen zu
meiſt neutralen Salzen vereinigt. Die löslichen
Salze, wie die der Allalien, werden durch Sättigen
der Säure mit den fohlenjauren Salzen der Alfahen
dargeftellt, die unlöslichen od. ſchwerlöslichen durch
Füllung. Durd die meiften Säuren wird die B.
aus ihren Salzen abgefhieden. Benzotjaures
Silberoryd C,H,AgO, ift ein weißer, flodiger
Niederihlag, aus heißem Waſſer in glänzenden
Blättchen fryftallifirend. Das Kaltſalz (C,11,0,),Ca
bilder in Waffer leicht lösliche Nadeln. Gleichwie
188
Benzoejäureanhydrid — Benzol.
der Wafferftoff (H) der B. durch Metalle erſetzt Koblenwaflerftofien u. beigemengten Bafen befreit
werden fann, wodurd die Benzokſäureſalze ent-
fteben, läßt fi) derjelbe auch durch Altobolvadicale
vertreten; die fo entitebenden Verbindungen find
die Ather der B., von denen mehrere befannt
find. Der B-ätbhyläther C,H,(C,H,)O,, auch
Benzotäther genannt, wird durch Cinleiten von
Salziäuregas in die alkoholische Löjung der B.
erhalten u. ftellt eine farblofe, angenehm ätheriich
riechende ‚Flüjfigkeit dar. Auch der Methyl- und
Ampyläther find dargejtellt worden u. bilden ähn—
liche Flüffigkeiten wie der vorbergehende. B-anhy—
drid oder jog. wafjerfreie B. (C,H,0),0 erhält man
dur Eimwirfung von beuzotiaurem Natron auf
Benzoylchlorid als farblofe Irnftalliniiche Subftanz,
die bei 429 ſchmilzt u. bei 310% unzerſetzt deftil-
lirt. In kochendem Waffer gebt fie in B. über.
Benzoylchlorid oder Chlorbenzoyl C,H,OC1
entfteht dur Einwirkung von zünffacdh» Chlor-
phosphor auf B. u. deftillirt als farbloje, jtart
lichtbrechende, brennbare Flüffigleit, die mit Waffer
fh in B. u. Salzſäure zerjegt u. deren Dämpfe
die Augen zu Thränen reizen. Benzoyljulfi®
(C,H,0),8, ein aus Wlfobol u. Ather in Prismen
mit wachsartigem Glanze kryftallifirender, bei 48°
Ichmelzender Körper. Benzamid C,H,ONH, wird
durch Einwirkung von Benzoylhlerid auf Ammo-
niaf erhalten. Es bildet perlmutterglänzende, bei
115° jchmelzende u. bei höherer Temperatur un—
zerſetzt fliichtige Kryſtallblättchen, in kaltem Waſſer
wenig, in fochendem, ſowie in Allohol u. Ather
leicht löslich. Mit Alfalien u. ſtarken Säuren ge
focht, Tiefert e8 B. u. Ammoniaf. Elören.
Benzokſäureanhydrid, Denzocfänreäther,
Benzocfünrefalze, |. u. Benzotjäure.
Benzoetinetur, a) einfache (Tinctura Ben-
zoös), Auflöfung der Benzod in 5—6 Theilen
Weingeift; dient als innerlices Mittel bei Brujtver-
fchleimungen, bej. mit Waſſer verdünnt, mo fie eine
milchähnliche Flüffigkeit (Lac virginis, Lait vir-
ginal, Jungfernmilch) bildet; wird häufig mit
Borax gemiſcht als kosmetiſches Mittel gegen
Sommerjprofien, Hautunreinigfeiten, überhaupt
als Schönheitsmittel, auch als Zufag zu Mund—
waffern u. Zahntincturen u. zu der oft nicht ge»
fahrlofen Vertreibung von Flechten, Finnen und
Flecken der Haut gebraudt, aud wol überhaupt,
um eine feine Haut zu erhalten; b) zujammen-
eſetzte B. (Tinct. Benz. composita, Balsamum
Commendatoris, B. traumaticum), aus Benzoß,
Aloe, Perubalfam u. ser we bejtehbend; dient
als reinigendes, heilendes Mittel bei jchlaffen, un.
reinen Wunden.
Benzol (Benzin, Phenylwaſſerſtoff) C,H,, ein
Product der trodenen Deftillation kohlenſtoffreicher
organischer Subftanzen; findet fih in großen
Mengen im Steintohlentheer, der ein Gemenge
der verjchiedenften kohlenftoffhaltigen Berbindungen
it. Wenn man den gewöhnlichen Steinfohlentheer
in eifernen Keffeln einer Deftillation untermwirft,
jo gebt zwiichen 60° u. 200° eine farbloje, aus
einem Gemenge von Kohlenwafierftofien beftehende
‚lüffigleit über, welche für fih aufgefangen das
jogen. leichte Steinfohlentheeröl bildet.
wird durch Bermifchen mit conc. Schweieljäure u.
Waſchen mit Wafjer von einer großen Anzahl
und einer nochmaligen Deitillation unterworfen.
Die zwiichen 80% u. 120° überbeftillivenden Pro—
ducte ftellen das B. des Handels dar, melches
aber noch immer micht reines ®., d. h. die Ber-
bindung C,H, iſt, ſondern höher ſiedende Koblen-
waſſerſtoffe, Toluol, Xylol u. a. beigemengt ent-
bält. Eine Trennung derjelben ift möglid durch
fractionirte Deftillation; die bei 82° übergebende
Flüſſigkeit ftellt ziemlich reines B. dar. Auf jyn-
thetiſchem Wege fann das B. aus dem Acetylen
0,H, (f. d.) erhalten werden; läßt man dieſes
durch eine glübende Röhre ftreichen, fo treten am
anderen Ende Dämpfe von B. auf, Letzteres ift
dadurch entftanden, daß fih 3 Molecüle C,H, zu
1 Mol. C,H, vereinigt haben. Auch durch Deitil-
lation von Benzotfäure mit Kalt erhält man reines B.
C;H,0, + CaO = CaCO, 4 C,H,
Benzoeſ. u. Kalt geben —— u. Beuzol.
Das B. iſt bei gewöhnlicher Temperatur ein farb»
loſes, dünnflüffiges, ftark lichtbrechendes Ol vom
ipec. Gew. 0,09 bei 0° u. angenehmem Geruch,
welches zwiſchen 81° u. 829 ſiedet. Bei — 4°
bis — 6° erftarrt e8 zu einer blätterigen Kryſtall-
maſſe. Es ijt wenig löslih in Waffer, dagegen
leicht in Allohol, Ather, Holzgeift u. a. Ange-
zündet breunt e8 mit ſtark rußender, leuchtender
Flamme. Es ift ein gutes Auflöfungsmittel für
Fette u. ätheriſche Ole, Kampher, Kautichul,
Guttapercha, Harze, einige Alfaloide, Jod, Brom,
Schwefel, Phosphor u. f. w. Das B. fommt auch
in anderen Koblenwafjerftoffgemengen vor, 3. B.
im rohen Petroleum, u. fann daraus durch frac«
tionirte Deftillation erhalten werden. Es bildet
deshalb einen Hauptbeftandtheil der flüchtigen Pro-
ducte des Petroleums, welche Anwendung als
Fleckenwaſſer finden, weil fie wegen ihrer Flüch—-
tigkeit nicht zum Brennen in Lampen benutzt wer⸗
den fünnen. Das Brönneriche Fleckenwaſſer be-
fteht zum größten Theil aus diejen Kohlenwaſſer-
ftoffen. Im 8. C,H, laſſen fih Die 6 Atome
Wafferftoff (H) in mannigfacher Weife durch andere
Elemente u. Atomgruppen erjegen, wodurch bie
jogen. Subftitutionsproducte des B⸗s entftehen.
Dur Behandeln von mit etwas Jod vermiſchtem
B. mit Chlorgas erbält man das MonochlorB.
C;H,C1 als ſtark fichtbrechende, farbloje, bei 136°
fiedende Flüſſiglkeit. Durch weitere Einwirkung
von Chlor gelingt es, nad u. nad alle Waffer-
ftoffatome durch Chloratome zu erjegen, jo daß als
Endproduct ein Chlorkohlenſtoff von der Formel
C,Cl, refultirt. Ahnlihe Körper liefert das B.
mit Brom u. Jod. Bon Wichtigfert find die
Subftitutionsproducte, welde das B. mit ber ſog.
Unterjalpeterfäure NO, bildet. Indem dieje Atom-
gruppe au die Stelle von 1 Atom H tritt, ent»
jteht das Nitro-B. C,H,(NO,) Die Bildung
erfolgt leicht beim Bermifchen von B. mit Sal»
peterjäure; fügt man hernach Waſſer hinzu, fo
jcheidet fi das Nitro-B. an der Oberfläche aus u.
lann durch Deftillation rein erhalten werden. Es
bildet eine gelbliche, ölige Flüfſigleit von 1,, ſpec.
Dieſes Gew., die bei — 3° erftarrt u. bei 218° fiedet.
Es befitst einen füßen Geſchmack, ift in Allohol
u, Ather löslich, in Waffer umlöslih. Der eigen-
Benzoylalfohol, Beuzoylwaſſerſtoff — Beöthy.
189
thümliche Gerud des Ols ift ähnlich dem des Aftronomie findet jedod das Erperiment feine
Vittermandelöls, weshalb es als künſtliches Anwendung, da der Aftronom fünftliche Beränder-
Bittermandelöl bezeichnet wird u. wegen ſei—
nes billigeren Preifes erfteres vielfach erjet. Das
ungen au den Himmelskörpern nicht vorzunehmen
Sollen durch angeitellte aftronomifche
vermag.
als Parfümeriemittel, namentlich zur Bereitung Beeu Dlaßbefimmungen erzielt werden, fo wer«
von Bittermandelöfjeife gebrauchte Nitro-B. fommt|den auch
in den Handel unter dem Namen Mirbanöl (Es-
senee de Mirban). Durch fortgeiegte Einwirkung
von Salpeterfänre auf Nitro-B. entfteht das
Dinitro-B. C,H,(NO,),, weldes in langen,
gelblichen Nadeln Erpftallifirt. Durch Behandeln
von Nitro-B, mit Neductionsmitteln, 3.8. Schwe-
jelwafferftofi, Eiſenfeile u. Effigfäure u. a., ent
ſteht Waſſer u, Amido-B. oder Anilin (ſ. d.):
Nitro-B. u. Wafferfioff geben Anilin u. Wailer.
Das Nitro-B. dient deshalb zur Darftellung des
Anilins (f. d.), aus welchem dann die Anilinfarben
— werden. Elören.
enzoylalfohol, Benzoylwaſſerſtoff, i. u.
Benzaldebyd,
enzoylclorid, Benzoyliulfid, ſ. u. Ben-
zefäure.
Beobachten (Kriegsw.). Den Feind beobachten,
ift eine wichtige friegerifhe Thätigkeit; denn auf
die Meldungen, welche von den hierzu beftimmten
Truppen einlaufen, gründen ſich die Entſchlüſſe
des Feldherrn. Die Beobachtung fällt meift der
Cavalerie zu u. wird durch Meine Abtheilungen:
A er Fi (ſ. Necoguos-
ciruug) u. Beobachtungspoſten ansgefübrt.
In bededtem u. coupirtem Terrain muß häufig
Infanterie diefen Dienjt übernehmen. Beobacht
ungscorps, ein ganzes Armeecorps, ja oft
jelbft ftarte Armeen werden erforderlich, wenn ein
Feldherr in einer beftimmmten Richtung operiren
will, während der Feind möglicherweile aus einer
anderen vordringen fann; wenn die Hauptmaffe
einer Armee eine Feſtung belagert, während das
Anrüden eines feindlichen Heeres zum Entſatze
möglich ift, um dieſem Anrüden entgegenzu-
treten; wenn an den Örenzen eines Staates
zwifchen zwei fremden Staaten ein Krieg geführt
wird, um die Neutralität aufrecht zu erhalten,
eventuell interveniren zu lönnen, und im ähnlichen
llen.
—— die abſichtliche Richtung unſerer
Aufmerkſamkeit auf einen Gegenſtand oder eine
Erſcheinung, um dadurd das wahre Wejen der-
jelben kennen zu lernen u., wenn die B. wiſſen—
ſchaftlicher Natur ift, allgemeine Gelege daraus
ableiten zu können, Die wiflenichaftlihe B. er-
folgt daher nad) beftimmten Grundfägen u. Regeln.
Es wird dabei Beobadtung sgeif, d. i.
Scharffinn u. lebhafte Einbildungskraft, voraus-
geſetzt. Bornehmlich werden die Ericheinungen in
der Natur beobadıtet, wobei dem Beobachter
Schärfe der Sinne, Ruhe u. Ausdauer u. eine
genaue Kenntniß der Bauart feiner Inſtrumente
nöthig find. Da es bei der Mannigfaltigteit der
in den Naturerfcheinungen ftet8 vorhandenen ein»
zelnen Vorgänge u. Beziehungen fehr ſchwierig
iſt, genaue u. vollfländige Beobachtungen anzu
ftellen, fo hat man das Bi Erperiment zu Hilfe
bei der größten Geichidlichkeit u. Auf
merfjamfeit des Beobachters, fowie bei der mög.
ich größten Volllommenheit feiner Inſtrumenie
die zu meſſenden Größen mit Meinen ‘Fehlern bes
haftet hervorgehen. Man darf ſich alfo nie mit
einer B. begnügen, ſoudern muß deren möglichft
viefe anftellen u. dann durch die Methode der
Heinften Quadrate den Werth beftimmen, mwelder
die gt Wahrſcheinlichkeit für fich hat. Specht.’
eobachtungscorps, |. Beobadıten.
Beolchi, Carlo, italien. Patriot, geb. 1798 in
Urona; betbeiligte fich lebhaft an der Revolution
bon 1821 u. wanderte nach deren unglüdlichen
Ausgange nah Spanien aus, trat dort in die von
Pacrarotti commandirte Eoınpagnie von Mataro
u, dämpfte mit Auszeihnung gegen die Royaliften
u, Franzoſen. Nach der NReftauration Ferdinands
'I1. 1823 ging er nad England, wo er Unter
riht im der italienischen Sprache gab. Im J.
1849 fehrte er nach Italien zurüd u. ſaß zmwei-
mal, von 1857—60, für Arona im Parlament.
Cavour achtete ihm jehr hoch. Er ft. am 6. Juni
1867. Er fdr.: Beminiscenze dell’ esilio, 1830
bis 1852, 2 Bde.; Vittorio Ferrero o il fatto di
8. Salvario (eine Epijode aus der Revolution
von 1821), 1853 ; Il Piemonte nel 1821, 1864.
Beöthy, 1) Eugen, geb. 1796 zu Groß.
wardein; trat 1812 im die öfterreichiiche Armee
u, nahm theil am den Feldzügen gegen Napoleon
von 1813—15. Nach iederberfiellung des Frie⸗
dens widmete er fich biftorischen, politifchen und
claſſiſchen Studien umd wurde feit 1826 in ben
Yandtag gewählt, wo er als Berfechter der
Glaubensfreiheit der Proteftanten der kirchlichen
Partei gegenübertrat u. fi fehr populär machte.
1841 zum Bicegefpan im Biharer Gomitat
erwählt, bewog er den Adel in feinem Co—
mitat, au den Gemeinlaften mitzutragen. 1848
wurde er Commandant der Biharer National-
garde, dann Obergeipan des Comitats und trat
als folder im Juli 1848 in die Ungarische Natio-
nalverfjammlung. Anfangs ſchloß er fich der
Partei Koſſuths an u. bereifte in Aufträgen der
Proviforiihen Regierung das Yand, jagte fid)
aber nad der Unabhängigfeitserflärung von ihr
(08, legte die Obergeipanswürde nieder u. erſchien
als Abgeordneter auf dem von Peft nad Sze-
gedin verlegten Landtage. Die Waffenftredung bei
Billagos nöthigte ihn zum Berlaffen feiner Hei—
math, u. feit 1849 lebte er im Auslande, 2)
Siegmund, geb. 1819 zu Komorn; ftudirte die
Rechte, ward 183940 Abgeordneter des Ko«
morner Comitats auf dem Ungarischen Yandtage,
1841 Advocat u. Comitatsbeamter, 1848 Conci«
piſt im erften ungar, Minifterium für Cultus u.
Unterricht. Nach dem Einriiden der Kaiferlichen
in Pet zog er fih nad Komorn zurüd u. wirfte
als Aovocat u. zugleih Ober-Eurator des refor-
mirten Kircheniprengels. B. iſt einer der frucht«
—— ‚, wodurch man ſelbſtändig eine Er- barſten der neueren ungariſchen Dichter, Novelr
ung nah Wunjc hervorrufen lann. In der
litten u. Pubficiften. Er jchrieb mehrere Jugend—
190
Beowulf — Berat.
Ichriften, dann Luftfpiele, wie; Vigjätek, Kobor|ward, dedten fojort feine Freunde. Als nationaler
Istök, 1840; Küövetoalasztäs, 1843; feine Ge-| Dichter u. Gegner der Bourbonen war er nicht
dichte erjchienen gefammelt u. d. T.
temenyei, Peft 1851 ; jeine Novellen ebd. 1856.
Außerdem fchrieb er jurid. Werke: Elemi magyar
Közjog (ungar. Gemeinredht), Pet 1851; Ev. Ma-
zassäg, ebd. 1853. 8) Fadislaus, Bruder des
Bor., geb. 1826 zu Komorn; von diefem angeregt,
arbeitete er nah einigen Jahren jelbftändig; er
ift Humoriſt u. Romanſchriftſteller. Werte: Puncs,
1853; Berzelied, 1855; Pugacsett (Roman),
alle in Peſt erichienen, Cicalel.
Beowulf, angehächſiſcher Held, in der Sage
belaunt Durch ſeine Siege über den böſen Grendel
u. einen Drachen, welcher das Yand verheerte.
Urſprünglich deutſch, wurde die Cage von B. in
England weiter ausgebildet u. chriſtianiſirtz Das
jetige Brlied ftammt aus dem 8. Jahrh. u. tft
das Ältefte germaniiche Vollsepos; beransgeg. von
Thorfelin, Kopenh. 1817; von Kemble, Yont.
1833, 2. A., von Heyne, 1837; Pob. 1863; engl.
von Kemble, 1837. u. von Thorpe, 1855 ; deutjch
von Ettmüller, Zür. 1840, pon Simrod, Stuttg.
1859, u. von Heyne, Paderb. 1863.
Dera, König zu Sodom; dem Kedor-Taomor
12 Jahre lang zinsbar , fiel er im 13. Jahre
mit 4 anderen Königen ab. Kebor-Yaomor ſchlug
ihn, ward aber jeinerjeits von Abraham, der ihm
nachjegte,, überwunden, u. B. erhielt das ihm
Geraubte zurüd.
Berabra, j. Barabra.
Beranger, Pierre Jean, berühmter franz.
Didier, geb. 19. Aug. 1780 zu Paris. Bon
niederer Abkunft, wuds er faſt ohne Erziehung
in Haufe feines Großvaters auf, bis er zu einer
Tante nach Peronne Tlam, die eine Herberge
hielt. Hier fand der Knabe feine erfte geiftige
Anregung durch Fenelons Telemaque u, einige
Bände von Nacine u. Voltaire. Seine Tante
gab ihn, 14 Jahre alt, zu einem Buchdrucker in
die Lehre, welcher, die geiftigen Anlagen des Kna—
ben erfennend, fich feiner mit Intereſſe annahm
u. ihm den Eintritt in das Patriotiiche JInſtitut
verſchaffte. Hier empfing B. nothbürftigen Unter
richt u. lehrte 1797 nah Paris zurüch, wo er
zunäcdft feinen Vater im Handwerke unterftügte,
dabei aber jeinem Hange zur Poeſie nachging.
Yucian Bonaparte, dem er Proben feiner hyriſchen
Dichtungen vorlegte, unterftügte ihn. 1806 murde
er Mitarbeiter der Annales du Musee u. erhielt
1809 die Stelle eines Schreibers im Minifterium
des öffentlichen Unterrichtes. Seinen erfien Erfolg
als Yiederdichter (Chansonnier) errang er mit
le Roi d’Yvetot (1813) u. Le senateur. Der
Napoleoniſchen Herrſchaft nicht gerade huldigend,
vermied er es doch, ſie anzutaſten, wohingegen
er nad ber Reſtauration die Bourbonen in beigen-
der Weije angriff. Seine im Bollstone geichrie-
benen Lieder fanden bald allgemeine Verbreitung,
um jo mehr, als die Regierung dieſelbe zu hin—
dern fuchte. 1821 verlor er infolge der Heraus—
gabe einiger gegen die Negierung gerichteten Ger
dichte feine Stelle u. wurde zu dreimonatlicher
Sejängnißftrafe veruntheilt; Die 10,000 Fes. um
welde er 1829 infolge der Publication feiner
Karl X. verjportenden Chansons incdites geftvaft
sszeo Köl-Iohne Einfluß auf die Bolfsbewegung, die im Juli
1830 zur Revolution wurde. An diejer nahm er
thätigen Antheil, lehnte aber Würden u. Anıter,
jowie 1840 die Mitgliedſchaft der Akademie u.
nach der Yyebruarrevolution 1848 die Wahl zum
Deputirten ab. 1837 vermachte ihm fein Verleger
Manuel, mit weldem er feit 1815 in der innige
ften Freundſchaft gelebt hatte, eine Jahresrente
von 8000 Fes. Später zog ſich B. ganz auf fein
Landgut in Paſſy zurüd, u. erft 1852 mwäblte er
wieder Paris zu feinem Aufentbaltsorte; bier ftarb
er am 16. Juli 1857, nachdem er oft tief be—
Hagt, zur Verherrlichung des Alt-Napoleonismus
beigetragen zu haben. Er jdr.: Chansons mo-
rales et autres, Bar. 1815; Chansons nouvelles,
1821 u.1825; vollftäudige Sammlung, 1826, dazu
Chansons inedites, 1828; neue Sammlung aller
Chansons anciennes, nouvelles et inedites, 1831,
2 Bde., deutſch, Stuttg. 1832, u. Chansons
nouvelles et dernieres, 1833; Sämmtl. Werle,
1835, am vollftändigften 1857 u. ſpäter; deutſche
Überfegung von Engelhardt, Kafjel 1830; Rus
bens, Bern 1839 ff., 3 Bde; Natbufius, Brauns
Ihweig 1839; von Chamiſſo und Gaudy, Leipz.
1838, n. U., 1873; von Seeger, 2. A., Stuttg.
1859, 2 Bde.; von Yaun, Bremen 1869. Seinen
legten Gejang über den Galliichen Hahn gab er
ber Entjtehung des neuen Kaiferreihes, 1852,
heraus. Kine Selbjibiographie eridien Paris
1857; fein Briefwechiel, 1860, 4 Bde. gl. Ar-
nould, B., 1864; Janin, B. et son temps, 1866.
Derär, Piateaulandidaft im nördlichen Delhan
in Oftindien, früher gewöhnt. Hyderabad genannt;
jeit 1853 britijche Provinz, jet unmittelbar unter
dem General-Gouverneur ven Indien fiehend u.
von einem Ober » Commijfienär verwaltet; ge-
theilt in Oſt- und Weft-B,; etwa 43,925
(798 M); 2,231,565 Ew.; ift begrenzt von den
Gentiaiprovinzen Indiens, dem Bajallenftaate des
Nizam von Hyderabad u, der Präfidentichait Bom«
bay. Das Yand, durchzogen vom Purnah, einem
Nebenfiufie Des Tapti, eignet ſich vorzüglich zur
Cultur der Baummolle, welche eifrig betrieben u,
deren Betrieb durch die Eifenbahn nah Bombay
gefördert wird, B. zerfällt in Oſt-B., mit den
Diftricten Amraoti, Elitihpur, Wun, u. Weſt⸗B.,
mit Aloka, Buldana, Baſim. Bedeutendſte Städte:
Amraoti u. Ellitihpur. Die Einwohner, nicht in gro«
Ber Anzahl für das Yand, find meiſt Hindi, nur
wenige Mohammedaner; fie treiben Vichzuct u.
Handel u. beichäftigen fih mit Weberei. B. war
ehedem der Name eines unabhängigen Neiches,
welches im Anfange des 18. Jahrh. gegründet
wurde und unter der mahrattiihen Dynaftie der
Bhunsla aud das Gebiet von Nagpere umfaßte.
Es mußte aber bereit$ 1804 einen Dijtrict an Die
Brit.-Dftind. Compagnie abtreten, fam 1816 in
Abhängigkeit von dieſer u. wurde 11. Dec. 1858,
als die Dynaftie ausjtarb, brit. Provinz.
Derat (türk.), Anſtellungsdipiom der Pafcha
mit 3, der Begler-Beg mit 2 Roßſchweifen umd
der Sandfhal-Beg mir 1 Noßichweif.
Birat, 1) Liwa im türfiihen Bilajet Janina
in Albanien, ein Küftenland am Kanal von
Berathene Kinder — Berberis.
Dtranto ; gebirgig durch Nebenzweige des Helle
niſchen Gebirges (Tomor u. a.); am der Küſte
Cap finguetta nebft der Inſel Sajena u. die Bai
von Avlona mit Hafen; Flüſſe: Wogutſa u. Be-
ratino; der Trebutihi-See ift ein Haff. 2) Ar-
naut-Beligrad, Hanptft. deff., im oliven- u. wein.
reihen Thal des Ergent; Sig des Kaimalam
und eines griechifchen Erzbiſchoſs; Kaftell; 10 bis
12,000 Ew.
Berathene Kinder, Kinder, die noch zu Peb-
zeiten der Eltern durch ein gewiſſes an fie ge-
zahltes Quantum (Berathung) abgefunden werden
und deshalb fpäter am Erbe nicht theilhaben.
Die Berathung als Art einer anticipirten Erb-
theilung kommt gewöbnlih in Verbindung mit
dem Spftem der ehelichen Gütergemeinjchaft vor.
Beraun (Bern, Verona, Slawoszow), Stadt
im Bezirfe Horowis des öfterreih. Kronlandes
Böhmen, an der Yitamfa u. Beraunka, Eijen-
bahnſtation; Baummollenfpinnerei, Kattunmeberei,
Buder- u. Parketfabrilen, Kall- u. Cementbereitung,
Gerbereien, Brauerei; 4585 Em. Anfangs Sept.
1744 mißglüdter Angriff des preuß. Öenerals Harbe
auf die öfterreichiihen Magazine. In der Nähe
St. Johann unter dem Fellen, Schloß, ſonſt
Klofter und Höhle, Wallfahrtsort; ferner Hob-
Öfen, Walzwerke u. Mafchinenfabrifen. 2) (Ber
raunfa) Fluß; beißt erſt Mies, entjpringt auf
dem Böhmer Wald, nimmt die Litawka u. a. auf,
beißt nun B. u. mündet bei Königfaal links in
die Moldau; Lauf: 170 km.
Berauſchen (Jagdw.), fih b., von wilden
Schweinen, ſich begatten.
Berauſchende Mittel, alle Mittel, die, ge—
noſſen od. eingeathmet, Rauſch (ſ. d.) bewirken;
z. B. Alcoholica, indiſcher Hanf, Opium, Stid-
orydulgas zc. (j. Alkohol, Narcotica).
Derber (EI Mucheireff oder Mejcheriff), große
u. weitläufige Stadt in Mittel-Nubien, rechts am
Nil; regelmäßig gebaut; Sig eines Mudir; Han:
delsplag zwiſchen Agypten u. dem S.; Indigo u.
Lederwaaren; 30,000, nad Anderen nur 8000 Em.
Berböra, früber Landungsplatz, jett befeftigte
Ortſchaft im Lande der Somali (in OAfrika),
am Meerbufen von Adel; früher größter Han-
belspla der dortigen Gegend, wohin im Früh—
fing arabifhe, indiſche u. europäiſche Schiffe u.
ebenjo afrikaniſche Karavanen kamen; jett aber
verödet, da der Handel andere Wege eingejchla-
gen bat.
Berber Bafdıy (Berberi B., türf.), der
DOberbarbier des Sultans, welcher deſſen Bart
ordnet u. falbt, nicht aber ſcheert, da fein Scheer-
mefjer das Antlitz defielben berühren darf. Er
gehört zu den 12 Alteften der innerften Kammer.
Berberei, nörblichfter Theil Afrikas, zwifchen
dem Atlantiichen u. Mittelmeere, Agypten u. der
Sahara; umfaßt bei einem Flächengehalte von
1,762,000 [km (32,000 (IM) die Reiche Ma-
roffo, Algerien, Tunis u. Tripolis. Der Name B.
fommt von den Ureinwohnern, den Berbern (f.
d. A.); ebenſo zahlreich find jedoch au Mauren
(Araber) vorhanden, auch viele Europäer, Os—
nianen, Neger u. Juden. Mit Ausnahme der
Europäer u. Juden belennen fib alle Einmohner
(geihägt auf etwa 10 Mill., wovon gegen 6 Mill.
191
in Maroffo) zum Islam. Gebirg: der Atlas;
Flüffe, im Ganzen mır Heine: Medicherda, Schetif,
Muluviah mit Isly. Das Klima in den füdlichen
Gegenden u, an der WKüſte heiß u. troden, au
der NKüſte und im Gebirge gemäßigt, überhaupt
dem füdenropätichen ähnlich. Die Induftrie ift fehr
gering, doch gibt es Seiden-, Wollen- u. Yeder-
fabriten, auch werden Teppiche, Schmudfachen,
Gewehre u. Pulver erzeugt. Wichtiger ift der
Karawanenbandel u. die Korallenfiicherei. Künfte
u.Wiffenfchaften liegen ganz danieder. Die Sprachen
der Urbewohner bilden den berberifchen od, li—
byichen Sprachſtamm; in den Städten wird meift
arabifch geiprochen, was aud in Marokko Amts-
ſprache ift; in Tunis u. Tripolis ift dies das
Türkiſche. Alles Übrige, wie auch die Gejchichte j.
u. den Artifeln der einzelnen Staaten.
Berberideae, Pflanzenfam. aus der Klaſſe der bo-
denblüthigen Dikotyledonen; Kräuter od. Sträucher
mit 3-,4«.— Iblättrigem Kelche, ebenfo vielen Blumen-
blättern mit 2 Driifen od. Grübchen, ebenjo vielen
Staubblättern; die Staubbeutel zweifächerig, weit
vom Örunde gegen die Spige hin mit nad) außen ſte—
henden Klappen aufipringend; ein Fruchtknoten,
einfächerig, mit mehreren Samenknoſpen an wand-
ftändigen Samenträgern, oder wenigeren, bom
Grunde aus aufrechten; Beere oder Kapſel nicht
anfipringend, 2 big vielfamig; Keim in der Achje
des fleifchigen Eimeißlörpers, Gattungen: Epime-
dium ZL., Berberis L. u. a.
Berberin (',,H,;,NO,, ein in der Wurzel
von Berberis vulgaris, in der Colombowurzel
(Cocenlus palmatus), in Coscinium fenestratum
u. anderen in Oftindien, China u. SAmerifa
einheimischen Pflanzen enthaltenes fchwaches Alfa-
loid. Aus der Berberiswurzel erhält man dafjelbe,
indem man den mällerigen Auszug verdampft,
den Rückſtand mit Alkohol auszieht u. dieſen ver-
dunftet. Es Erpitallifirt in Meinen, gelben Nadeln,
die bei 120° ſchmelzen, in höherer Temperatur
zerjetst werden u. intenfiv bitter fchmeden. Es
töft fih in Waffer u. bildet mit Säuren gelb ge-
färbte, leicht Ergftallifirbare Salze. lören.
Berböris L., Pflanzengatt. aus der Familie
der Berberideen (VI. 1), mit 6blätterigem Kelche,
6blätteriger Blumenfrone, mit 2 Drifen an der
Bafıs der Blätter u. zweifamiger Deere; bie
Staubgefäße legen fi, wenn fie unten mit einer
Nadel od, von den homigfuchenden Inſecten mit
den Füßen berührt werden, ſchnell über die Narbe
u. ziehen fi nach deren Beftäubung wieder im
ihre frühere Yage zurüd. Bon den zahlreichen
Arten find die meiften ausländiſche Sträucher; bei
uns nur der Berberitenftraud (Sauerdorn, B.
vulgaris L.), bi8 2 m hoch, mit verfehrt-eiruuden,
erwwimpert gejägten Blättern, die an fehr ver«
ürzten Zweigen in Büſcheln ftehen; jeder Büſchel
it von einem dreifpaltigen, die oberen von einem
einfahen Dorne (dornartigen Blatte) gehst;
Blüthentraubeeinfach, vielblüthig, hängend; Blüthen
gelb, Beeren roth, jehr ſauer (Sauerachbeeren,
Eſſigbeeren). Der Strauch dient bef. zu Zäunen
u. Heden. In dem Gewebe der Blätter der B.
entftehen inı Frühjahre häufig zweierlei kugelige u.
becherförmige Pilzbildungen,, die zahlreiche gelb-
röthlihe Eporen (Aecidium Berberidis Pers.)
192
entleeren. Sie gelangen aber nur zur weiteren
Entwidelung, wenn fie auf die Blätter von Grä-
fern, namentlih mancher Getreibearten, gelangen,
wo fie dann die Puccinia Graminis Pers. (f. d.),
den Getreideroft, bilden, erft rothe, jpäter braune
Staubhäufchen, welche fowol den Körner», als den
Strohertrag beeinträchtigen. Ihre Sporidien find
nur auf Blättern der B. entwidelungsfähig. (©.
auch unter Generationswecjel.) Das gelbliche
Holz ift für Drechsler u. zu eingelegten Arbeiten,
auch die Afte u. Blätter mit der Wurzel zum
Gelbfärben brauchbar. Wurzel u. innere Rinde
purgiren u. wurden ehemals in der Gelbjucht an-
gewendet. Die B-beeren (Baccae Berberidis),
gewöhnlich roth (doch auch bei einer Abart dunlel-
violett) u. zumeilen ohne Kern, laſſen fich, ger
trodnet, wie Preißelbeeren benugen. Der ausge
preßte, ſtark faure Saft (reichlich Apfelläure, auch
Weinftein- u. Citronenſäure enthaltend) kaun den
Citronenfaft ziemlich erjegen u. fo auch im ber
Haushaltung, 3. B. zu Punſch, benugt werden.
In den Officinen batte man jonft, außer dem
Safte, Berberigenmuß, Berberisiprup
md Berberiszeltdhen (Succus, Syrupus,
Rotulae Berberidum). B. aristata DC. (B.
Chitria Don.), dorniger Strauch am Himalaja
auf 1—2000 m Höhe, mit wohlſchmeckenden
Beeren. B Lyeium Boyle, ebenbafelbit. Aus
dem Holze beider Arten bereitet man in Aſien
einen Ertract (Ruzat), der allein od. mit Opinm
u. Alaun örtlich gegen Augenentzündungen ange-
wendet wird u. das wahre Lycium indicum des
Dioskorides fein fol. B. tinctoria Leschen,, in
DOftindien, gibt ebenfalls eine Art Lycium, auch
ein beliebtes gelbes Pigment,
Berberiten (Bot.), 1) jo v. mw. Berberideae;
2) jo v. w. Berberisbeeren, ſ. u. Berberis,
Berberitzenſtrauch, ſ. u. Berberis.
Berbern, jo heißt bei den Europäern nad) Bor-
gang der Araber der Vollsftamm, welcher ur
Iprünglih ganz NAfrita von Agypten bis zum
Atlantiihen Ocean u. die ganze wejtlichere Hälfte
ver Sahara bis etwa zu 17° m. Br. bewohnte,
jedoch jchon im Altertfum an den mittelländiſchen
Küften von den Phönilern und Griechen, jpäter
von den Nömern, in noch weit höheren Grabe
aber feit dem 7. Jahrh. n. Chr. von den Arabern
beeinträchtigt worden ift. Vorher wol zum größten
Theit Chriiten, wurden die B. von den erobern-
den u. jehr zahlreich einwandernden Arabern all-
mählich jämmtlih zum Islam befebrt und der
moslemifhen Cultur unterworfen. Die B. ge
bören dem hamitiſchen Bölferftamm der mittel-
ländifchen Race an. Zu ihnen gehörten außer
den ausgeftorbenen Guanchen, den Urbewohnern
der Canariſchen Inſeln, die Libyer, Mauren,
Numider und Gätuler des Alterthums, welches
ihnen auch den Namen der Amazifen od. Maziten
gab (Amazigh oder Amazirgh heißt in ihrer
Sprache: die Freien, Unabhängigen). In Marofto
nennen fih die B. Mafig u. ihre Sprade das
Scellah od. Tamafight. In der Sahara gehören
die Tuareg zu den B., die fi Imoſchagh und
Berberitzen
— Berbir.
Suamua; ferner find den B. noch die Bewohner
der Dafe Siwah u. die Teda oder Tibbu in der
öſtlichen Sahara beizuzäblen. Die Bewohner bes
Nu in Nubien find ebenfall3 mit den B. ver»
wandt u, nennen fich jelbft Barabra (f. d. A.),
ebenfo die alten Ügypter, die Dalla in OAfrika zc.
Die Hautfarbe variirt nah den verjchiedenen
Stämmen zwiihen dem Weiß des europäiichen
Siüdländers bis zum dunklen Braun, obgleich ihr
Typus bei allen Stämmen, fo weit diejelben auch
aus einander wohnen, entichieden derſelbe ift.
Dafjelbe gilt auch von den Spraden der Berber-
ftämme, welche nur noch verwandte Glieder eines
eigenen und jelbftändigen Spradftammes, des
berberijhen od. libyjhen Spradftammes,
bilden. Gemeinfam mit den meiften aboriginalen
Spraden Afrifas ift demfelben, daß er den
Numerus der Haupt u. Zeitwörter u. ſelbſt das
Geſchlecht durch Präfire anzeigt. Die B. bedienen
fi) gegenwärtig des arabiſchen Alphabets, dem
fie einige punktirte Beichen hinzufügen; nur die
Tuareg befigen eine eigene Schrift, die zuerft
auf der zweiſprachigen — zu Thugga er-
ſcheint. Eine Berber-Literatur ift wicht vorhanden,
wenn auch in meuefter Zeit Einiges in Berber-
ſprache geichrieben und jelbft in Algier gedrudt
worden iſt. Die verſchiedenen Dialefte Ad nie
lexikaliſch, nur fehr wenig grammatifch verichieden.
Am befannteften unter ihnen ift der der Kabylen
in Algerien. Grammatif und Wörterbuch der
Tegteren lieferte Benture de Paradis, herausgeg.
von Somard, Par. 1844; ein franzöfiid-kabyli«
ches Wörterbuch gab das franz. Kriegsminiſterium,
Bar. 1844, heraus. Grammatiſche Skizzen der
Berberjpradhe lieferten Hodgſon, Philad. 1829,
u. Neumann in der Beitichrift für Kunde des
Morgenlandes, Bd. 6.
Berberrof, Pierderace, der arabifchen ver»
wandt; j. u. Pferd.
Berbice (Berbiche), 1) Fluß in Britiſch-Gu—⸗
iana; ergießt ſich 15 km mnörblih von New—
Amfterdam in den Atlantiſchen Ocean u. ift etwa
190 km vom Ocean aus jcdiffbar und im
Ganzen 337 km lang. Unter den Wucher-
gewächſen an den Ufern wurde die berühmte
Vietoria regia entdedt. 2) County im O. des
britiihen Gouvernements Guiana, am gleichna-
migen Fluſſe; hat Tropenflima und befteht aus
Savannen; 3855 [_)km; frudtbar, aber unge-
jund; Hauptproducte: Zuder, Rum, Cacao (Ber-
bice-Cacao, ſ. u. Cacao), Indigo, Tabak und
Baummolle. Die Einwohner, über 30,000, find
meift Neger; nur etwa 550 find Weiße, meift
von holländiſcher Abkunft (mie denn die holländi»
jhe Sprache auch noch in Gerichten u. auf der
Kanzel herrſchend ift); Hauptftadt New⸗Amſterdam;
Hermbutercolonie — Die Holländer ſandten
1626 die erſten Coloniſten hierher. Die Engländer
beſetzten e8 1803, u, im ‚Frieden von Paris (1814)
wurde es ihnen nebft Efjequibo u. Demerara von
— förmlich abgetreten. S. im Übrigen
Buiana.
Berbir (Türkiſch-Gradisca), ſeſte Stadt im
ihre Sprache Ta-Maſheg nennen, in Algerien die Sandſchal Banja-⸗Luka in Bosnien, am Einfluffe der
fogen. Kabylen, welder Name aus Kabail, die) Berbas in die Save; Hauptort des gleichn. Bezirles
Stämme, gebildet ift; in Tunis nennen fie fihlder ſlawoniſchen Feſtüng At-Gradisca gegenüber;
Berbrugger — Berdheim.
iebhafter Zranfit- u. Ausfuhrbandel; etwa 1500
Emw., zum größten Theil aus Mohammedanern
beftehend; die wenigen Katholiten haben bier einen
Pfarrer. Im Jahre 1789 ward B. von General
Yandon erobert.
Berbrugnger, Louis Adrien, franz. Gelehrter,
geb. 11. Mat 1801 zu Paris; ging 1835 als
Serretär des Marſchalls Clauzel nah Algier,
redigirte dort eine Zeit lang den MoniteurAÄlgerien,
wurde Präfident des Hiftoriihen Vereins von
Algier und machte fich fehr verdient um die
Arbäologie u. Geſchichte diefes Yandes. 1865
wurde er Commandeur der Ehrenlegion; er ftarb
2. Juli 1869 zu Algier. Schrieb außer vielen
Aufiägen in der Rev. Alger.: Relation de l’expe-
dition de Mascara, 1836; Voyage au camp
d’Abd el Kader, 1839; L’Algerie hist., pittor.,
et monument., 1843—45; La Grande Kabylie
sous les Romains, 18583,
Berceau (fr.), 1) eigentlich Wiege. 2) Flaches
Gewölbe. 3) Bogengang in Kunftgärten.
Berchem, Dorf im der belgischen Provinz
Antwerpen, bei Antwerpen; Flachsſpinnerei u. Lei—
nenweberei, Tabaf- u. Wadsleinwandfabrifation;
5270 Ew. Ber B, im October 1830 Gefecht
zeichen Holländern und belgischen Freiwilligen,
bei welchem Graf Friedrich v. Merode das Leben
einbüßte.
Berchem, Nikolaus, niederländiicher Thier-
maler, geb. 1624 zu Haarlem, Sohn eines Ma-
lers, Bieter Klaasze, geft. daf. 1683; Schiller von
Beenir u. 9, icheint in Italien gewefen zu fein;
Hauptvertreter der bukoliſchen Poeſie in der Kunſt,
daber der miederländiiche Theofrit genannt. B.
vereint Einfachheit u. Größe der Auffaffung mit
Loeſie der Erfindung und des Colorits, feiner
Euftperipective u. leichter u. fleigiger Technik.
Doch wird er bisweilen gejucht u. verfällt zuletzt
in Manierirtheit. Werke in allen Galerien. 8.
war auch ein geiftreicher Radirer. Negnet.
Berchet, Giovanni, ital. Dichter, geb. 1788
(n. And. 1790) zu Mailand; ftudirte die Nechte
u. erhielt in der Napoleoniichen Zeit eine Anftell-
ung beim Senat für das Königreich Italien; nad
der Rejtauration verlor er dieſe Stelle u. widmete
ich der Literatur u. Poefie. Verdächtig, den Gar:
bonari anzugebören, floh er u. lebte in Frank
reich, England, Belgien u. Deutichland, bier bei.
in Bonn u. Berlin. Nah der Ammneftie kehrte
er nah Italien zurüd u. lebte in Florenz, feit
Ende 1847 u. 1848 in Mailand. Nachher in die
fardinische Zweite Kammer gewählt, hielt er ſich
zur gemäßigten Partei; er ft. 23. Dec. 1851. Er
ihr. u. a.: Poesie italiane, Baftia 1848; über-
ſetzte auch altipanifche Romanzen ins Italieniſche;
Werle, Neap. 1861.
Berding, Stadt im Bezirksamte Beilngries
des bayer. Hegbez. Mittel⸗Franken, an der Sulz;
opfen«, Flachs · u. Obftbau, Viehzucht; 1467 Ew.
22. ._.. 1796 Gefecht zwiſchen Berna-
dotte u. dem öfterreichifhen Bortrabe, worauf die
anzojen den Rüdzug begannen; ſ. Franzöſiſcher
evotutiongfrieg.
Berdta (Berahte, d. i. die Glänzende),, in
der deutſchen Bollsjage auch Perchte genannt, ein
weibliches Göttermweien, welches über die Spinne-
Pierers Univerfal-Eonverfationd-?erifon. 6, Aufl.
III. Band.
193
‚rinnen die Aufficht führt, in den Zwölfnächten
‚einen Umzug mit ihrem Gefolge der Heimchen,
d. b. den ungeborenen Kindern, hält, alles dag
verdirbt, was fie an dem letten Tage des Jahres
nicht aufgeiponnen findet, und die Fehlbaren
empfindlich ftraft. Daher ift fie ein gefürchtetes
Weien, Ihr Feft wird gefeiert mit Brei und
Fiihen. In Deutſch-Oſterreich ift das Bercten-
laufen, Berchtenjagen oder Perchtenipringen in
den Zwölfnächten zwiſchen Weihnachten u. Drei«
lönigen noch gebräuchlich, wo Banden von jungen
Burſchen (Berchten) unter dem Klange von Kuh—
gloden u. dem Geklatſch von Peitichen hüpfend
u. ſpringend umberzieben u. ſchmauſen (Berd-
teln). 8. ift wahrscheinlich die altdeutſche Nacht-
ober Erdgöttin (Nerthus) und eine ihrer Modifle
cationen die Weiße Frau (f. d.) mander edfen
Familien. Die Sagen von B. überwiegen in
Schweiz u. SDeutſchland; in Mittel-Deutichland
tritt Frau Holle, in der Marf rau Harfe, im
Voigtlande die Werre an ihre Stelle, Henne-Am Rbyn ®
Berchtesgaden, 1) Bezirksamt im bayer.
Regbez. Ober-Bayern, mit den 2 Yandgerichten B.
u. Reichenhall; 631 [_jkm (11,46 [M); 16,360
Em.; großartiges Alpenland (Watzmann); viel
Bieh, Wild und Salz. 2) Marftfleden, 750 m
über dem Meere, in prachtvoller Alpengegend;
Yandgericht; ehemaliges Stift u. ſchöne Kirche,
jetzt fönigl. Schloß (Fürftenftein), in ihm die Aus—
ftellung der berühmten Berchtesgadener Waa-
ren in geichnigten Holz, Horm und Elfenbein;
Zeichnungs- und Modellirichule; 1763 Ew. Hier
auch große Salzwerfe, die mit dem Dürrenberg
in Hallein verbunden find u. theil® das Steinjalz
in Stüden nah Neihenhall zur Verſtärkung der
dortigen Soole führen, theils durch merfmwürdige,
mächtige Mafchinen als Soole dahin u. nad) den
Salinen Ttaunftein u. Roſenhain leiten u. 4 Mill.
Ctr. Salz jährlich Tiefern. Unten im Thal liegt
das 1820 abgebrannte, aber wieder errichtete Sud«
baus Frauenreuth. Dabei der Bartholomäus-
(Rönigs-)Sce, 15 km lang, 2 km breit, mit
boben Felſenwänden, über die ſich Gießbäche als
Wafferfälle ftürzen; in ihm die jehr wohljchmedende
Fiſchart Schwarzbreitlinge (Salmling) u. dabei die
größten Gemsjagden. Unweit davon aud) derlinters-
berg. — Die Propftei B. (Berchtoldsgaden) wurde
anf Grund einer Stiftung der Gräfin Irmgard
zu Wafferburg für Auguftiner- Ehorherren 1109
gegründet, erhielt vom Kaifer Friedrich I. 1156 das
Salzregal, von Heinrih VI. 1194 die weltliche
Gerichtsbarkeit u. 1294 von Adolf von Naſſau den
Blutbann. 1486 erhob Kaifer Friedrid III. den
Bropft Ulrich zum Reichsfürſten; 1803 wurde das
Stift unter dem Propit Konrad v. Schraffenberg
fäcnlarifirt und nebſt Salzburg dem Großber-
zog von Toscana übergeben; 1805 fam es an
Öfterreih und 1810 am Bayern. Bol. Koch
Sternied, Gefchichte des Fürſtenthum B., Mün«
chen 1816, 3 Bde.
Berchthold, deutſcher Vorname, jo v m. Ber-
thold (f. d.). {
Berckheim, freiherrlihe, in Baden begüterte
Familie, welde aus dem Elſaß ftammt u. mit ber
v. Andlaw gleihen Stammes fein fol. Die beiden
noch blühenden Linien fammen von Egenolf III.
13
194
Bery — Bereicherung u. B⸗sklage.
von ®., geb. 1552, geft. 1629: I. Die älteregu. U. Die mächtigſten find die Juffufzat und
Linie zu Jebsbeim, melde der evangel. Eon»
feifton folgt, iſt geftiftet von Egenolfs älteſtem Sohne
Wilhelm II. Haupt der Linie it 1) Chriftian
Frhr. v. B., Gejandter a. D., großh. bad. Kam-
merberr, geb. 1817. IL Die jüngere Linie zu
Rappoltsmweiler, welche katholiſch ift u. von
Egenolfs jüngftem Sobne, Egenolf IV., gegründet
if. 2) Freih. Karl Ehriftian, Sohn des 1797
verftorbenen Freiherrn Ludwig Karl, geb. 1774;
war 1813 badiicher Minifter des Innern, 1817
Bundestagsgejandter u. 1522 wieder Miniſter; er
ftarb 1. März 1849 zu Karlsruhe. 3) Freiherr
Rudolf, Sehn des Bor., geb. 1805; war großr
berzogl. badiſcher Kammerherr u. feit 1848 ver
mählt mit Balbina, geb, Freiin Neveu v. Wind»
ſchläg (geb. 1816); er fl. 1863.
Berch, Dorf im Arr. Sceaur des franz. Dep.
Seine, an der Seine; bildet eine Vorſtadt von
Paris; viele ſchöne Landhäuſer; Lyoner Bahn-
bof und Eiſenbahnwerkſtätte; Weinniederlagen,
Zuderfiebderei, Gerbereien.
Berdangemwehr, jo genannt nad) feinem Err
finder (nordameritaniicher Oberft); gilt als vor-
züglich, in Rußland adoptirt; hat Cylinder-Verſchluß,
centrale Zündung u. geftattet 9 gezielte Schüffe in
der Minute; f. Gewehr.
Berdelle, Joh. Bapt., Hiftorienmaler in
München, geboren zu Mainz; ftudirte im Diüffel-
dorf, war erft Bildnigmaler u. that fich früh durch
glänzendes Kolorit u. ideales Streben hervor;
bei. verdienftlich ift feine Arion-Gage.
Berdĩtſchew, Kreisſtadt im ruf. Gouverne—
ment Kiew, Eiſenbahnſtation; 4 Kirchen, 5 Syna-
gogen; Theater, Börſe u. Kaufbof; Fabrilen;
Handel mit Leder, Honig u. Wachs, Wein, Ge—
treide, Zabaf, Rindvieh und Pferden; mehrere
große Jahrmärkte jährlih, worumter der Anfangs
‚Juni ftattfindende Pferdemarkt bedeutend; 1871:
53,787 Ew., meift Juden.
Berdjansk, Kreisjtadt im gleichn. Kreife des
ruff. Gouv. Taurien, weftl. von der Berda-Miind-
ung, in günftiger Yage; erit 1827 gegründet,
1835 zur Stadt, 1842 zur Kreisftadt erhoben,
blühte es rajch empor, wurde 1855 im Mai von
der englifch » franzöfifchen Flotte zerftört, zählte
aber ım Sabre 1871 wieder 12,465 Ew.;
1500 Wohnhäufer, Theater, Zollamt, Communal«
banf und mehrere Kirchen; beträchtlicher Handel
mit Getreide, Wolle, Häuten, Talg und Salz;
tiefer, fiherer Hafen; Eifenbahnverbindung mit der
wejtlichen Linie Loſowaja⸗Sewaſtopol u. der öftl.
Charkow⸗Taganrog ift projectirt. B. ift Gib der
Conſuln Großbritanniens, Deutihlands, Ftaliens,
Belgiens u. der Türkei. Zum Amtsbezirte des
deutihen Conſuls gebören Melitopol u. die deut«
jhen Kolonien zu beiden Seiten der Molotſchnaja.
Berdburani, Gejammtname für die afghani-
fen Stämme, welde das öjtliche Afghaniftan bis
Kbaibari (f. d.).
Bereczk, Marktfleden im Lande der Szefler
in Siebenbürgen; Bergtheerquellen, Gipsbrüdhe;
4500 Ew,; dabei der Pak Oijtoſch.
Berednikow, Jaltom JIwanowitſch, ruff.
Alterthumsforſcher, geb. 1793 in St, Petersburg;
ftudirte in Kajan u, Mostau, diente 1820— 1827
in verjchiedenen Berwaltungszmeigen in Nomwgorod
u.a, Orten, nahm 1827 jeinen Abjchied u. wurde
1830 im Berwaltungscomite der Alabemie zu
St. Petersburg angejtellt, wo er dem Chef der
archäographifhen Erpedition, P. M. Strojem,
beigegeben ward. Die Afademie der Wifjenichaften
für die Abtheilung der ruſſ. Sprade u. Literatur
machte ihn zu ihrem Mitgliede. Er ft. 24. Nov,
1854 in St. Petersburg. Als Hauptredacteur
der arhäographiihen Commiſſion redigirte er
6 Bde. der Sammlung der ruffiihen Annalen,
die von der archäographiſchen Erpedition ge
jammelten Urkunden, die Urkunden juriftiichen
Inhaltes u. a. m.
Beredtjamkfeit, im weiteren Sinne die Gabe
des Haren, lebendigen u, anfprechenden fchriftlihen
u. namentlih mündlichen Ausdrudes von Ideen,
Anfhauungen u. Empfindungen, im engeren Sinne
die Befähigung, auf den Willen u. auf das Ge»
mithsleben anderer Menichen durch die Schrift
u. bejonders durch das lebendige Wort beſtimmend
einzumirten. Borausjegungen der redneriſchen Ein«
dringlichkeit find: Beherrihung des Gegenitandes,
Überzeugung des Redners von der Wahrheit feiner
Ausiprücde, Tiefe u. Stärke des Gemüthes, Be—
weglichkeit der Phantafie, natürlihe u. erworbene
Gewandtheit des Ausdrudes, declamatoriiche umd
mimiſche Anlage u. Kunft, Heraus» u. Vorfühlen
der Stimmung, mit mwelder die Zuhörer oder
Leſer den Bortrag begleiten oder begleiten werden,
überhaupt inniger Zujammenhang des Redners
mit dem Geifte der Einzelnen oder der Geſammt ·
beit, an den er fih zu wenden, den er zu leiten,
zu befeftigen oder umzubilden beabfihtigt. Man
unterfcheidet in diefem engeren Sinne die B. in
geiftliche u, weltliche, die letztere wieder in politische
(namentlich parlamentarifche), gerichtliche, militärt»
ihe, diplomatijche (auf Congreſſen zc.), in Schul-
u, KRathederberedtfamfeit (die mit der Übung der
Lehrgabe nicht zu verwechſeln ift, aber häufig mit
ihr zufammenmwirft) und macht außerdem einen
Unterichied zwifchen der öffentlichen u. der Privat-
beredtjamfeit. S. d. Art. Redekunſt u. Rhetorik.
Bereg, 1) Comitat im norböftl. Ungarn, an
Salizien u. die Gomitate Marmaros, Ugocſa,
Szathmar, Szabolcs u, Unghvar grenzend; 3724
km (67, [); 159,223 Ew,, rutbenifchen
tammes, zum Theil auch Deutfche ; imNO.gebirgig
durch die Karpathen, im SW, eben, an der Grenze
bewäffert durch die Theiß u. Borfova; Klima dort
rauh und gejund, bier warn und ungeſund;
in den indijchen Diftrict Peihawar bewohnen. Sie Producte: Getreide, Gemife, Obft, Wein, viel
zerfallen in die Juffufzai in Peſchawar u. Pandſch⸗Holz; Zuchtthiere, Fiſche; Salpeter, Eijen, Alaun.
fora, die Turlolani in dem Thal von Bad—
) (Bereg-Szasz, d. i. Sachſenberg) Hauptort
ſchur, die Othmankail nördl. davon, die Khaibari|des Comitats; nach der Sage ſächſiſche Kolonie,
am Kabulufer, die Mohammedzai, Goggiani, doch ohne alles deutiche Weſen; 6272 Ew.
Ghori in Peichawar, die Khattaf am füdl. Kabul-
ereicherung u. B-öflage (im Röm. Rechte
ufer, die Bangaſch weſtl. davon, die Turi, Jadſchi Condiectiones genannt) bezweden in den vom
Bereifet —
Gelee bezeichneten bejonderen Fällen den Ber-!
mögensvortbeil, welchen Jemand nicht ftrafbarer, |
195
von Stoih, Berl. 1829. 2) Julius, preuf.
Politifer, geb. 30. April 1817 zu Kyritz; ftudirte
Berengar.
aber doch umbilliger Weife aus einem Nechts- | Theologie u. Philofopbie. Da er bei Bewerbung
eihäfte gehabt, zu Gunften des benachtheiligten
ontrabenten rüidgängig zu machen. Die Boraus-
jegungen der römiſch-rechtlichen Condictionen find:
1) Wenn Jemand dem Anderen in der irrigen
Meinung geleiftet hat, bierzu verpflichtet zu fein
(Condietio indebiti). 2) Wenn die Leiftung unter
der ausdrüdlichen oder ftillihweigenden Voraus—
fegung gegeben war, daß in der Zukunft ein
Umftand eintreten werde, diefer aber in der That
nicht eintrat (Cond. ob causam datorum). 3)
Benn geleiftet war, damit der Empfänger etwas
durch das Geſetz oder die Sitte ohnehin Berbote-
ues unterlaffe, damit er Etwas thue, wozu er
ohnehin rechtlich verbunden war (Cond. ob turpem
eausam, ex injusta causa). 4) Wenn Jemand
die Sache eines Anderen ohne Rechtsgrund befitt
(Cond. sine causa).
Bereift (Bot), mit feinem, weißem ober
bläulihem, wachsartigem Staube (Pruina) über-
jegen, wie 3. B. die Zwetſchen.
Bereitfhaft (Kriegsw.), der Zuſtand einer
Truppe, in welchem de jeden Angenblid unter
die Waffen zu treten vermag. Der Grad der
Bereitichaft, ob alſo 3. B. die Pferde gefattelt
oder angejpannt bleiben, die Infanterie das Ge-
päd umgehängt hat, wol gar mit Gewehr in der
Hand fteht, wird nad den Umftänden befohlen.
-ftellung: verdedte Aufftellung von Truppen,
aus der fie zu jofortiger Verwendung im Gefechte
vorrüden können.
Berefynthos (a. Geogr.), Berg auf Kreta,
Theil der Leuei montes; hier follen nad der
Mythe die Idäiſchen Daftyler den Gebrauch des
Feuers u. das Schmelzen der Metalle erfunden
haben.
Berekyntin (a. Geogr.), Gegend in Phrygien,
am Sangarios; der Kybele heilig, die daher den
Beinamen B. führte; die Bewohner hießen Bere-
tyntes (Berekyntai).
Berends, 1) Karl Aug. Wilh., Prof. der
Medicin, geb. 19. April 1759 in Anklam; ftu«
dirte in Wien und Frankfurt a. d. Oder, wo
er auch promovirte u. ſich als Privatdocent habi-
ktirte, wurde 1786 Stabtphyfifus, 1788 orbentl.
Prof., ging mit der Verlegung der Univerfität
1811 nah Breslau u. 1815 nah Berlin, wo er
auch Director der mwiffenichaftlihen Deputation für
das Medicinalweien u. Geh. Med.-Rath wurde;
er fi. am 1. Dez. 1826. B. war ein feiner,
iharffinniger Kopf, vorzüglicher Lehrer, Verehrer
des Alten, guter erg, u. ein außerordentlich um⸗
ſichtiger Arzt. ſchr.: Dissert. inaugur., sistens
vomitoriorum historiam culorum, Franlf.
1780; Über ven Unterricht junger Ärzte am Kran-
tenbette, Berlin 1789; Dissert. de cardialgia,
age 1792; De suflocationis-.signis, daf. 1793;
difficultatis intestinorum definitione, daſ.
1793; De letalitate vulnerum absoluta atque
relativa, daſ. 1800; De dubio plicae polonicae
inter morbos loco, daf. 1801; De asthmatis
Millari et anginae polyposae diversitate, Bresl.
1813. Nah feinem Zode erihien eine Samm-
lung jeiner Hinterlaffenen Schriften, herausgeg.
um die Rectorftelle in Lindow wegen freifinniger
Anfichten vom Confiftorium abgemiejen wurde, fo
ging er 1845 nach Berlin, gründete daſelbſt eine
Buchdruderei, wurde Lehrer des Handwerkervereins
u. Stadtverordneter u. beichäftigte fich bei. mit
der Berbefferung der Lage der arbeitenden Klafjen.
1848 trat er als Abgeordneter für Berlin in die
Nationalverfammlung u. war einer der Wort-
führer der äuferften Linken u. Mitglied des Ber-
faſſungsausſchuſſes. 1849 Abgeorbnetee in der
Zweiten Kammer, betheiligte er fi an mehreren
politiihen Vereinen, bis diejelben im März 1850
polizeilih gejchloffen wurden. Mehrmals wegen
politiſcher Umtriebe zu Gericht gezogen, wurde er
auh einmal mwährend des Belagerungszuftandes
zu kurzer Gefängnißhaft verurtheilt, Im J. 1853
ging er nah Amerifa, wo er zu St. Antonio in
Zeras als Buchhändler lebt. 1) Thambayn.
erendt, Georg Karl, geb. 1790 zu Dans
zig; ftudirte Medicin u, Botanik in Königsberg
u. prafticirte feit 1814 in Danzig als Arzt; er ft.
1850. B. intereffirte fih namentlid für die vor-
weltlichen Einfchlüffe in Bernftein u. binterlich
eine große Bernfteinfammlung mit Pflanzen-
abdrüden, eingeſchloſſenen Pflanzentheilen u. In—
jecten. Er ſchr. bei.: Die Inſecten im Bernitein,
ug 1830; Die Einſchlüſſe im Bernitein, 1845,
1. Theil,
Berengar (Berengarius). I. Fürſten: 1)B. L,
Sohn des Herzogs Eberhard von Friaul u. der
Gifela, der Tochter Ludwigs des Frommen; folgte
jeinem Bater 874 als Markgraf von Friaul (f. d.)
u. machte, weil er mütterliher Seit$ von den
Karolingern abftammte, 888 nah Karls des
Diden Tode, wiewol vergebens, Anfprücde auf
die Erbichaft diefes Kaiſers; dagegen wurde eı
888 König von alien u. vom Papfte Formoſus
zuerft mit der fogenannten Eifernen Krone u. 915
zum Kaifer von Stalien gekrönt. Über feine un«
ruhige Regierung ſ. Italien (Geſch.). Er fiel 924
durh Meuchelmord. In 1. Ehe vermählt mit
Bertila, Tochter des Herzogs von Spoleto, hinter-
fieß er 2 Töchter. 2) B. II., Entel des Bor.,
Sohn des Markgrafen Adalbert zu Idrea u. der
Giſela, Älteren Tochter des Vor.; wurde 925
Markgraf von Ivrea, empörte ſich gegen Hugo,
König von Ftalien, mußte jedoch nad Deutſchland
fliehen, wo er Zuflucht u. Hilfe bei Kaifer Otto I.
fand; 945 nach alien zurüdgelehrt, ließ er,
obgleih die Großen u. die Städte Ober- Ftaliens
fih anfhloffen, Hugo u. nad deſſen Abdankung
948 dem Lothar die Krone, herrichte aber für
diejen; erft nach deffen Tode (950) ließ er fid
frönen, hatte aber, gleich feinem Großvater, eine
jehr unrubige Regierung; ſ. Italien (Geſch.).
Er murde 961 von Otto I. entſetzt, 964 gefangen
n. nah Bamberg geführt, mo er 966 ftarb, Er
war vermählt mit Willa, Tochter des Markgrafen
Bojo von Toscana,
I. Geiftlihe u. Gelehrte 8) 8. von
Tours, deb. am Anfange des 11. Jahrh. zu
Tours; war ein Schüler des Biſchoſs Fulbert von
Ghartres, wurde Vorſteher der Domſchule zu
18*
196
Tours u. 1040 Archidiaconus zu Angers. Weil
er im Gegenjage zu der Transfubftantiationslehre
des Paſchaſius Hadbertus Brod u. Wein bloß für
Zeihen u. Unterpfänder des Leibes u. Blutes
Ehrifti hielt, wurde er 1050 infolge eines Briefes
an Yanfranc, Prior des Klofterd Bec, auf ben
Synoden zu Rom u. Bercelli verdammt u, ercoms
municirt. Auf den Schub des Gardinals Hilde-
brand vertrauend, ging B., um jeine Lehre zu ver-
theidigen, 1059 zu der Synode nad Rom, wurde
aber bier zur Abſchwörung feiner Anfichten ge-
zwungen. Allein nad feiner Rückehr erflärte er
laut jein® Menue über feinen falſchen Eid u. brei-
tete feine Lehre weiter aus. Zwiſchen 1063 u.
1069 fchrieb Lanfranc gegen ihn die Schrift:
De eucharistia,. Er wurde aufs Neue auf der
Synode zu Poitiers (1076) verdammt u. mußte
1079 zu Rom widerrufen n. Stillihweigen ge»
loben. Daranf gab er fein Lehramt auf, 309 fich
1080 auf bie Inſel St. Come bei Tours zurid
n. fl. 1088, Seine Schriften: De sacra coena
ıt. De eucharistia, herausg.von Viſcher, Brl. 1834.
Bgl. De Roye, Berengarii vita, haeresis et —
tentia, Anjou 1656; Leſſing, Berengar von Tours,
Braunfhw. 1770. Eine Sammlung ihn bes
trefjender Briefe gab Sudendorf 1850 heraus.
4) Jatob, j. Berengario, Giacomo.
1) 2) Lagai.* 3) Löffler.
Berengaria, 1) Tochter des Grafen Raimund
Berengar von Barcelona, erite Gemahlin des
Königs Alfons VIII. (VIL) von Eaftilien; ver-
theidigte 1139 Toledo gegen die Mauren u. ft.
1149. 2) B., Tochter des Königs Alfons IX,
von Gajftilien, geb. 1171; feit 1196 Gemahlin
Alfons’ IX. von Leon u. Galicien, geſchieden 1204,
Nach ihres Bater$ Tode (1214) Regentin von
Gaftilien, an ihres Bruders Heinrich Statt. Nach
deffen Tode (1217) allgemein als Königin aner-
fannt, trat fie den Thron fogleich ihrem Sohne
Ferdinand III. dem Heil. ab; fie ft. 1244. 8) B.,
Tochter des Königs Sando VI. von Navarra;
beirathete 1191 den König Richard I. Löwenherz
von England, mit dem fie nach der auf Cypern
jtattgehabten Bermählung nah WPaläftina ging;
fie ft. 1230.
Berengario, Giacomo (Berengar v. Carpi,
Jacobus Carpus), berühmter Anatom u. Chirurg,
der erftie Wiederherfteller der Anatomie im 16,
Jahrh., geb. zu Earpi; promovirte in Bologna,
ging als Chirurg nach Pavia u. als Profeſſor der
Chirurgie nach Bologna zurüd, wo er von 1502
bis 1527 blieb, u. fiedelte dann nach Ferrara über;
bier ft. er. Er konnte fib, was damals viel
heißen wollte, rübmen, 100 Leichen zergliedert zu
haben, u. bat in faft allen Theilen des Körpers
neue Entdedungen gemacht. Der Erfinder der
Duedfilberturen bei Syphilis ift er Übrigens nicht,
wol aber ein eifriger Beförderer derfelben. Ein
Hauptvorzug 8-8 ıft, daß er ſich freimadhte von
Salenishen Anſchauungen u. die Dinge ſah, mie
fiewaren. Erjdr.: De cranii fractura tractatus,
Bologna 1518, meift aus arabiichen Schriften ge
Ihöpft; Commentaria cum amplissimis additioni-
bus, super anatomia Mundini, daf. 621, 1552,
engl. überfest, London 1664; Isagogae breves
perlucidae et uberrimae in anatomiam corporis
Berengaria — Berenife.
hnmani ete., daf. 1514, 22, 28, 25, Benedig
1525, Köln 1529, Straßb. 1530. Die anatom.
Abbildungen in dieſen Werfen gehören zu dem
frübeften. Zbambapn.
Berenger, Alpbonfe Marie Marcus
Thom., franz. Nechtsgelehrter, geb. 31. Mai
1785 zu Balence; war früher Advocat in Grenoble,
trat 1815 in die Deputirtenfaımmer, 309 ſich aber
nad den 100 Tagen nadı Valence zurüd; fpäter
bielt er Borlefungen über Offentliches Recht in
Paris u. trat 1828 wieder in die Kammer, wo
er zu den Liberalen gehörte, aber gewöhnlich mit
der Regierung ſtimmte. Er wurde 1831 Kath bei
dem Gaffationshofe u. 1839 Pair, B. ft. 1866
zu Paris. Er jchr.: De la justice crim. en France,
1818; De la repression penale, Par. 1855, 2
Bde, u. überjegte die Juftinianifchen Novellen,
1810 f., 2 Bde.
Berenhorft, Georg Heinrich v. B. friegs-
wiffenfchaftliher Schriftiteller, geb. 26. Oct. 1733
zu Sandersleben, natürliher Sohn des Fürſten
Veopold I. von Defjan; diente im preuß. Heere,
war von 1757—60 Adjutant beim Prinzen Hein»
rich, 1760 bei Friedrich II.; er nahm 1763 als
Major den Abſchied, hielt fih danı zu Deffau
auf, begleitete den auhaltiſchen Prinzen Haus
Georg auf Reiſen, ward nah u. nach Kammer
präfident, Schloßhauptmann u, Hofmarfhall. B.
ft. 30. Oct. 1814. Er ſchr.: Betrachtungen über
die Kriegskunft, Lpz. 1797—99, 3 Abth., 3. A.,
1827; Aphorismen, ebd. 1805. Aus B-3 Nachlaß,
Def. 1845.
Berenife (a. Geogr.), 1) früher Hesperis,
Stadt in Kyrenaila, auf dem nordweftlihen Vor—
gebirge Pieudopenias; nah Berenife (j. d. 2),
der Gemahlin des Ptolemäos Euergetes, B. ge-
nannt; war meift von Juden bewohnt; der Kaiſer
Juſtinianus ließ fie neubefeftigen u. Bäder anlegen ;
jetst Bengaft, wit wenigen Überreften der alten
Stadt. %) (Beronife) Stadt in Ober-Agypten,
an der Grenze Athiopiens, im inneriten Winkel
des Sinus immundus; eine für,ben arabijchen u.
indijchen Handel wichtige Geeftadt, welche Ptole-
mäos Philadelpho8 anlegte u. zu Ehren feiner
Mutter Berenife (f. d. 3) benannte; diefer König
ließ aud eine Straße von Koptos nah B.
anlegen.
Berenike, griechifcher SFrauenname. 1) B.,
des Lagos Tochter, des maledonifchen Feldherrn
Antipater Großnichte; murde als junge Wittwe
im 3. 322 od. 320 v. Chr. von Antipater mit
feiner Tochter Eurydile, die den Lagiden Ptole-
mäos, B-8 Halbbruder, heirathen follte, nach
Ägypten geſchickt. Hier verliebte ſich Ptoiemtlos
in fie u. machte fie zu feiner zweiten Gemahlin.
2) B., Tochter des Königs Magas von Kyrene u.
der Apama, Antiochos’ I. v. Syrien Tochter, geb.
265/4 v. Chr.; erft mit Demetrios dem Schönen
von Makedonien, nad defjen Ermordung aber feit
246 d. Chr. mit Ptolemäos III. Euergetes, König
von Agypten, vermählt. Ihr infolge eines Ge—
lübdes bei der Nidfehr ihres Gemahls von dem
Syrien Feldzuge in dem Tempel der Aphrodite
als Weihgeſchenk niedergelegtes Haar, welches an
einem Morgen aus dem Tempel verihmwunden
war, wurde von der Schmeichelei der Alexandrini⸗
Berenifes Haupthaar — Beresford.
Then Aftronomen unter die Sterne verſetzt (j. B-s|den Länder bezeichneten Lehnfahne,
107
Die Belehn-
Haupthaar). Sie wurde im J. 220 v. Chr. auflung ging dann ihren Gang fort. 2) ®. einer
Anftiften, jedenfalls unter Zulaffungibres Sohnes, | Feftuna, f. u. Feſtungskrieg.
Btolemäos’ IV. Pbhilopator, ermordet. 3) B.,
erens, Hermann, geb. 1826 zu Hamburg;
Tochter des Königs Ptolemäos II. Philadelphos;|bifdete ſich zu einem tüchtigen Klavierfpieler n.
war jeit 248 v. Chr. Gemahlin des Königs An-
tiochos II. von Syrien u. wurde von ihrem Stief-
ſohne Seleutos auf Anftiften feiner verftoßenen
furchtbaren Mutter Laodile getödtet. 4) B.
(Kleopatra), Tochter des Königs Ptolemäos VIII.
Lathyros von Agypten, Schwefter des Auletes,
Gemablin ihres Obeims Ptolemäos IX. (ft. 88
v. Ehr.), fpäter (40 Yahre alt), nach dent Tode
ihres Baters (81 v. Ehr.), 6 Monate Königin von
Aegypten; von Ptolemäus X., ihrem 20jährigen
Stiefſohne, bedrängt, wurde fie mit Gewalt an
dieſen vermählt u. von ihm nah 19 Tagen ver-
aiftet. 5) B., Tochter des Königs Ptolemäos XI.
Auletes von Agypten; wurde nach deflen Ber:
treibung (im J. 57 v. Chr.) Regentin n. beirathete
den Seleufos Kybiofaltes, den fie aber bald wegen
jener gemeinen Sitten tödten ließ; Darauf ver-
mäblte fie fih im J. 55 mit Archelaos von Ko—
mana u. wurde nach Wiebereinfegung ihres Baters
in das Rei (55 v. Ehr.), wo ihr zweiter Ge-
mahl in einem Treffen blieb, anf Befehl des Baters
ermordet. 6) B., Tochter des jübifchen Königs
Aarippa I. von Kypros, Gattin des Herodes,
Königs von Ehalfis in Syrien, ihres väterlichen
Oheims, nachher des Königs Polemon von Kilifien;
als Geliebte des römischen Prinzen Titus kam fie
im %. 75 n. Ehr. nad Rom, u. Titus wollte fie
nad feiner zeugen für feine Gemahlin
erflären, allein das römijche Voll wollte feine
Ausländerin als folhe ſehen, darum mußte fie
79 n. Ehr. nach Afien zurüdkehren. 7) B. (Phe⸗
renife, nah Anderen Kallipateira), Tochter u.
Schweſter von Siegen in den Olympiſchen Spie-
len. Sie begab fih einft gegen die Sitte zu
Olympia, die den verheiratheten Frauen bei Strafe
der Födtung durch Herabftürzen von einem Felſen
den Beſuch der Olympischen Spieleverbot,als Wittime,
als Athletenlehrer verfleidet, mit ihrem Sohne
zu den Olympiſchen Spielen. Ihr Sohn gewann
einen Siegespreis; als man mun damals durch
einen Aufall ihr Geſchlecht entdedte, wurde fie
aus Rüdfiht auf den olympiihen Ruhm ihres
Baters, ihrer Brüder u. nun auch ihres Sohnes
ftraflos entlaffen. Hertzberg.*
Berenikes Haupthaar (Coma Berenices),
nach Berenile 2) benanntes Sternbild am nörd—
lichen Himmel, nahe am Schwanze des Löwen,
bon 176—203° gerader Aufſteigung u. 16—33°
nörblicher Abweihung; enthält nur 36 dem bloßen
Auge fihtbaren Sterne der vierten, fünften u.
fehften Größe, ift aber fonft durch zahlreiche Nebel:
flede ausgezeichnet. Die bei den Alten allgemein
befannte Benennung des Sternbildes verlor fich
wieder u. ward erft 1572 von Tyco de Brabe
wieder hervorgeſucht.
Derennung, 1) 8. des kaiſerlichen fehns,
ehemals die Sitte, daß bei der Belehnung der zu
belehnende Fürſt das Gerüft, auf weldem der
wu jaß, dreimal im vollen Jagen umritt, erſt
ne
der mit dem Wappen ber in Zehn zu empfangen-
unter Reiffigers Yeitung zum Componiften aus.
Nach einer Concertreile mit Marietta Alboni 1845
wandte er fih wieder nach Hamburg, 1847 nad
Stodholm, wurde 1849 königl. Mufildirector in
Derebro u. 1860 Kapellmeifter des Mindretheaters
zuStodbolm. Er icdr.: Symphonien, Duvertüren,
ein Wianoforte » Quartett, ein Trio, Cantaten,
Opern (Bioletta, Der Sommernadtstraum, Lully
u, Quinault, Mufit zum Drama Kodrus).
Derent, Stadt, jo v. w. Behrent.
Bereny, |. u. Fasz B. u. Lovas⸗B.
Beresford, aus England ftammende u. mit
Triftram B. unter König Jakob I. nah Irland
übergefiedelte Familie, welche 1665 in der Perſon
Triſtram B.s, des Sohnes des Vorigen, die irische
Baronetwürde n. mit Sir Marcus B. durch Hei>
rath 1720 den Titel als Earl v. Tyrone u. die
irifche Peerfchaft erhielt. Sir Marcus B. hinter-
ließ 3 Söhne; der ältefte, 1) George de la
Poer B. erbte 1765 den Titel feines Baters u.
wurde 1789 Marauis von Waterford; er ft. 1826.
2) Henry de In Poer, Marquis v. Water-
ford, Sohn det Vor. geb. 1811; folgte jeinem
Vater als Marquis, 8) William Carr, Bis-
count B., geb. 2. Dct. 1768; trat jung als
Fähnrich in die Armee u, verlor, während er im
Neu-Schottland diente, durch die Unvorfichtigfeit
eines Kameraden ein Auge. B. diente vor Ton-
fon, Baftia u. Calvi, in Weftindien unter Aber-
cromby u. in Ägypten unter Baird. 1806 zum
Brigadegeneral aufgeftiegen, befebligte er die
Landmacht der Erpedition, welche Buenos-Ayres
eroberte, ward aber von überlegenen fpanifchen
Streitträften mit feinem Heinen Corps gefangen
(f. Südamerilanifcher Freiheitskrieg); doch entfloh
er nach kurzer Gefangenfchaft nah England u.
erbielt dort 1807 den Befehl über die Streitkräfte,
welche fi der Inſel Madeira bemächtigten, 1808
ging er mit einem engl. Corps nad Portugal u.
erhielt den Auftrag, Die portugiefiihe Armee zu
organifiren, was er mit vielem Gefchide that, fo
daß er bereits 1809 die gran ofen unter Loiſon am
Douro, 1811 Soult bet Albura befiegte. Dann
befehligte B. unter Wellington eine Divifion, trug
faft zu allen Siegen bei, die in Spanien u. Franf-
reich erfochten wurden, bef. zu denen von Bittoria,
Bayonne u. Toulouſe. Für feine Dienfte war er
zum fpanifhen Herzog von Elvas und Marquis
von Santo Campo u. zum portugiefifchen General-
Feldmarſchall erhoben worden. 1814 ging er im
Auftrage der portugiefiichen Regierung nad Bra-
filien, fehrte 1815 zurüd u. warb 1817 aufs
Neue in Brafilien verwendet, wo er einen Auf:
ftand in Rio de Janeiro unterdrüdte. Zurücdgefebrt,
übernahm er wieder das Commando der portu-
giefiichen Armee, legte daffelbe jedoch nad einigen
Fahren. nieder, weil ihm bie Anftrengungen zur
Errichtung einer conftitutionellen Regierung zu-
wider waren. 1827 führte er wieder eine englijche
hne, dann mit der Mennfahne, zuletzt mit|Erpedirion nah Portugal der royaliftifch- anti»
conftitutionellen Partei unter Ehaves zu Hilfe;
198
allein fie blieb unthätig u. kehrte bald nad Eng- Berkẽſow (Berefomwa), ‚Kreisftadt im ruſſiſchen
fand zurid, wo er 1828 Großmeifter der Artillerie | Gouvernement Tobolst (Sibirien); 1593 angelegt;
ward, aber 1830 dieſe Stelle mit dem Sturze) Pelzbandel; 1460 Em.; harter Berbannungsort.
Berefina — Berg.
des Minifteriums Wellington verlor. Später lam
er wieder in Berdacht, geheime Berbindungen
mit Don Miguel zu unterhalten, u. verlor 1835
fein Gebalt als portugiefiiher Feldmarſchall.
Seit 1814 als Baron B. zum Peer mit einer
Barlamentsbewilligung von 2000 Pf. St. u. 1823
zum Biscount creirt, faß er jeit erjlerem Jahre
ım Oberhauſe u. gehörte zu den Zories. Später
erhielt er jein portugiefiihes Gehalt wieder; er
ft. in Zurüdgezogenheit am 9. Jan. 1854 auf
feinem Landgute in der Grafſchaft Kent. 4) Sir
John Poer, PBaronet von B., Bruder des
Bor., geb. 1769; trat in dem englischen Geedienft,
wurde 1825 Viceadmiral, 1838 Admiral; er
fl. 1844 auf feinem Gute Bedate in der Graf—
haft Nort. Bartling.*
Berefina (poln. Bemszina), Nebenfluß des
Dujepr im ruf. Gouv. Minst (Lithauen); Duelle
bei Polotzk; Yauf 570 km (movon gegen 400 fchiff-
bar); durch den nicht nugbaren B.-Kanal mit der
Ulla, einem Arme der Dina, verbunden. Hier
nördlih von Boriſſow bei Wefelomo Übergangs.
ort ber franzöfiihen NRüdzugsarmee aus Rußland
26.—28. Novbr. 1812, wobei 10,000 Fran—
zofen ums Yeben famen u. 15,000 gefangen
wurden; ſ. u. Ruſſiſch-deutſcher Krieg von 1812
bis 1816.
Berefine, Elias Nikolaewitſch, Reijenter
u. ausgezeichneter Orientalift, geb. 19. Juli 1818
im ruf. Dep. Perm; ftudirte zu Kaſan unter
Erdmann u, Mirza-Kaſem-Beg oriental. Spracen,
bereifte auf Koften der Regierung in den Jahren
1842—45 den Orient, bekleidete 1846 als außer⸗
ordenti. u. 1854 als ordentl. Profeſſor den Yebr-
ſtuhl der türkiihen Sprahe auf der lniverfität
zu Kaſan u. wurde 1858 in derjelben Eigenſchaft
an die Umiverfität zu Et. Petersburg verfegt.
Obgleih mit den meiſten Spraden des moham—
medanifchen Orients vertraut, beſchäftigte er ſich
doc vorzugsweije mit der türliiden Sprache,
deren Studium er ſowol durch feine in ruffischer
Sprade geichriebenen Supplemente zu Kafem-
Begs türkiicher Grammatik, Petersb. 1847, deutich
von Zenker, Lpz. 1848, als auch durch feine aus-
gezeichnete türliſche Chreftomathie in 3 Bon. zu
befördern fuchte. Unter feinen zahlreihen Schriften
u, Abhandlungen, die theils ſprachlichen Inhaltes
find, theils die Geographie, die politiihe u. Cul—
turgefhichte des Orients behandeln, verdienen
diejenigen befonder# hervorgehoben zu werben,
welche ſich mit der Gejchichte der Mongolen, u.
zwar in ihrer fpeciellen Beziehung zur ruſſiſchen
Geſchichte befaſſen. Wir verbanfen ihm namentlich
die Veröffentlichung von Raſchid Eddins ausge:
zeichnetem Geſchichtswerle über die Herrichaft der
Mongolen unter Didingis Khan u. feinen Nach—
folgern bis zur Geſchichte der Mongolen in Per-
fien, das er im perfiihen Original mit ruffiicher
Überfegung u. Anmertungen in mehreren Bon.
in ©t. Peieröb. 1858 f. herausgibt. A
Berefit, ein glimmerarmer Granit, der bei
Berefomst im Ural vorfommt u. die bortigen
Golblagerftätten bildet. .
Bereſowsk, Fleden im gleichn. Bergdiftr. des
ruff. Gouv. Berm; in der Umgegend die Bſchen
Gold-Bergwerle an der Bereſowla, jeit 1744
befannt.
Derettini, Maler, jo v. m. Peter von Eortona.
Berezowski, Anton, geb. 1847 zu Kogzlyſh
in Bolbynien; betbeiligte ſich am der polnischen
Revolution von 1863, nad deren Riederwerfung
er nah Franfreih ging u. zuletzt bei einem
Mechaniler in Paris arbeitete. Hier madte er
am 6. Juni 1867 einen Morbverfud auf den
Kaifer Alerander von Rußland, Er ft. 1869 in
Neu-Ealedonien, wohin er deportirt worden war.
Bern, Erböbung der Erdoberfläche, welche
nad wiſſenſchaftlichen Begriffen im Gegenfatse zum
Hügel, etwa 200 m beträgt; im gewöhnlichen
Leben ift diefe Grenze ſehr relativ. Selten fin-
den fih Be einzeln, mehr in näherer ober
entfernterer Verbindung mit anderen. Iſt eine
jolhe Berbindung weitumfaffend, in Züge, aud
Seitenzüge ausgebend, fo heißt fie Gebirg, deren
einzelne beſ. ins Auge fallenden Höhen wieder als
Bee unterfchieden u. dann Gebirgsberge genannt
werden. Zu ihnen gehören 3. B. der Montblanc,
Monte-Rofa, die — auf den Alpen, der
Brocken auf dem Harz ꝛc. Stehen B-e in einem
ebenen Lande ijolirt, jo nepnt man fie Yandberge
(3. B. die Landeskrone, der Zobtenberg). Weitere
u. flache Erhebungen nennt man Landhöhen, Land⸗
rüden (3. B. der Fleming bei Wittenberg); nie-
dere, Holirte u. jcharf marlirte Höhen von geringer
horizontaler Ausdehnung: Feldberge, reip. Hügel.
Man umtericheidet als wejentlih notbwendig zu
jedem B. gehörig: den Nüden, den oberen Theil
beffelben; jeinen Fuß, wo er in die Ebene oder das
Thal übergeht, u. Abbang, den zwiſchen beiben
befindlichen Theil. Iſt der obere Theil eines
Dse8 platt, jo tft er eine Krone (Platte, Plateau);
ift dieſe wagerecht, fo ift der B. ein Tafelberg;
etwas hohl, ein Sattelberg (gefoppelter B.); hat
die Krone eine Vertiefung, jo heißt der B. ein
Kraterberg. Läuft dagegen der obere Theil des
Bees in einen Punkt zujammen, fo beißt dieſer
der Gipfel; der B. ift ein Spigberg (Zahn, Na-
del, Thurm, Pit), wenn diefes Zulammenlaufen
fpig, u. eim Hutberg (Dah, Krone), wenn es
ftumpf ift. An den höchſten Theil des Bres ſtößt
unmittelbar der Abbang (Hang, Abdahung) des-
jelben an; der 8. ift fteil oder flach, je nachdem
der Abbang mehr oder weniger ſenkrecht auf
die Horizontalflähe trifft, auf der man den ®.
fiehend annimmt. Dan pflegt die Abdachung nad)
deſſen Winkel, welchen der Abhang mit der Hori«
zontale macht, zu beftimmen, fo daß man von
Abdahungs-(Böihungs-)winteln von 5, 10, 15,
20, 25, 30, 35, 40, 45 Graben ſpricht. Letztere
Abdahung ift die jähefte, die, wenn der B. nicht
aus Felſen befteht, vorlommen lann. Noch fteilere
Felsabhänge, zumeilen auch ſchon Abhänge über
35 Grad, heißen Wände. (Bal. Plauzeichnen.)
Gewöhnlich rechnet man, daß die Verwendbarkeit
im Terrain bei der Artillerie fhon mit 10 Gra-
ben, bei ber Reiterei mit 15 Graben und bei ber
Berg.
Infanterie mit 20 Graden aufhört. Abhänge von
45 Graden nur mit Hilfe der Steigeifen u. Hände
erflettert werden. Die Höhen der De werden
meift nach dem Spiegel des zunächſt liegenden
Meeres berechnet (abjolute Höhe), theil® durch
trigonometriſche Meffungen, theils mit Hilfe des
Barometer gefunden (vgl. Höhenmeffungen u.
Barometer), Dan hat indeffen auch noch eine
relative Höhe der B-e, welche anzeigt, wie hoch
B-gipfel über einem Punkte des nächſten Fluß—
ipiegel8 oder über einem anderen Bunfte des
Zerrains liegen. Diefe relative Höhe ift bei. in
militärischer Beziehung wichtig. Die höchſten B-e
ericheinen in Afien (Mount Evereft oder Gauri-
janfar 8837 m., Dapfang 8616 m, Kindbdin-
junga 8591 m, Dhawalagiri 8180 m); dann
in Amerila (Sorata 7566 m, Illimani 7373 m,
Aconcagua 6590 m, Chimborazo 6528 m) und
Afrila Kilima-Ndſcharo 6004 m); während die
höchſten B-e Europas (Montblanc 4811 m u.
Monte » Rofa 4638 m) jenen weit nadhitehen.
Dem B-e entgegengefebt ift Thal (ſ. d.). Die Be-
ſchreibung der B-e ihrer Äußeren Form nah ge-
bört zur Orographie (j. d.). Bon Entftehung u.
Bidung der B-e handelt die Geologie (1. d).
Bgl. Gebirg. Das Wort B. wird in Bufam-
menjegungen auch gebraucht, um dadurch ein na—
türliches Borlommen zu bezeichnen, 3. B. Berg-
grün, natürlich vorfommende — Bzinnober,
natürlich vorlommender Zinnober ıc.
Berg, 1) früher Herzogthum in Deutſchland,
wiſchen Rhein, gerznotd. Kleve, Bisthum Münfter,
afſchaft Mark, Weſtfalen, Naſſau xc.; öſtlich
bergig, am Rhein eben u. fruchtbar; bewäſſert
von der Sieg, Ruhr, Diffel u. a. Flüſſen; hielt
54 [M; 262,000 (295,000) Em.; ift jetst Theil
der preußischen Regierungsbezirte Arnsberg, Köln
u. Düffelvorf. 2) Geſch.) Das Herzogthum 8.
war zur Römerzeit von Ubiern, jpäter von Si—
gambrern, Tencterern u. Bructerern bewohnt, die
erft in der Völkerwanderung verfhwanden. Unter
den Franken gehörte B. zu Ripuarien u. war in
4 Gaue getheit. Man hält Hermann u. feinen
Bruder Adolf I. für die Stammmväter der Grafen
von B. Des Lekteren Entel, Adolf III. u. Eber-
hard, wurden 1108 zu Grafen von dem B. u
Altena ernannt; Letzterer verwandelte die von ihm
erbaute Stammburg B. bei Mülheim 1133 in die
Giftercienferabtei Altenberg u. ftarb daſelbſt 1152
als Abt. Adolfs II. Enkel theilten das Erbe,
indem Eberhard hie Grafihaft Markt, Engelbert
aber B. erhielt. Engelbert8 Sohn Adolf V. er-
Närte fih in den damaligen Reichshändeln für
Raifer Dtto IV., feit 1205 für Philipp von Schwa-
ben; machte 1211 einen Kreuzzug mit, ging 1218
nah Agypten u. fiel vor Damiette. Hm folgte
fein Bruder Engelbert II., Erzbiſchof von Köln,
u. als mit deffen Tode (1225) der B-ihe Mannes»
ſtamm ausgeftorben war, kam B. durch Adolis V.
Tochter Ermengarde oder Kunigunde an deren
Gatten, Herzog Heinvih IV. von Limburg.
Sein Entel Adolf VII. lebte fortwährend in
Streit mit dem Erzbiſchof von Köln, bis er von
199
‚folgte ihm fein Bruder Wilhelm I., der früher
40 Graden können nur von geübten Jägern, von Canonicus in Köln war.
Da diejer wieder ohne
Nachkommenſchaft war, folgte ihm 1308 fein Neffe
Adolph VILI., Sohn Heinrichs von Windeck. Auch
dieier ft. 1348 finderlos, u. nun fam B. an jeine
Schweſtertochter Margarethe von Wavensberg,
welche die Grafjchaft ihrem Gemabl, Gerhard vou
Jülich, zubrachte, unter deifen Sohn Wilhelm
diefelbe 1380 Herzogtbum u. unter deſſen Sohn
Adolf fie mit Jülich vereinigt wurde. Die von
num an gemeinjame Gejchichte von Jülich u. B.
j. u. Jülich. 1609 erloih die Jülicher Linie, u.
es entjtanden zwiſchen Brandenburg, Sachſen,
ſterreich u. der Pfalz Streitigkeiten über den
Beſitz dieſer Lande, welche erſt 1666 geendigt
wurden. B. fiel an Pfalz-Neuburg, kam 1742
beim Erlöſchen diefer Linie an die Sulzbader
Linie u. 1799 nah dem Tode des Kurfürften
Karl Philipp Theodor an Pfalz-Jweibrüden, wurde
aber 1806 gegen Ansbach an Preußen vertauſchi.
Napoleon machte es jedoch bald darauf zur dem
Kern eines Großherzogthums, das auf 315 | |M
879,000 Ew. zählte u. dis er feinem Schwager
Joachim Murat abtrat. Diefer vertaufchte es aber
1808 gegen das Königreih Neapel, u. Napoleon
Ihenfte es 1809 Ludwig, dem ältejten Sohne jei-
nes Bruders, des Königs Yudwig von Holland.
Bevor biefer zur Mündigkeit gelangte, wurde B.
1813 von den Alliirten beiegt, das Großherzog:
thum anfgelöft u. B. 1814 durch den Beichluß
des Wiener Congrefies Preußen zugetbeilt.
Berg (Montagne), 1) politiih radicale Partei
in der Franzöſiſchen Nationalverfammlung nad)
der erften Revolution, fo genannt, weil ihre Mit-
glieder auf den höheren Bänfen des amphithea-
traliich gebauten Sitzungsſaals faßen u. von dort
die Verſammlung beherrichten; ſ. Franzöſiſche Re—
volution. 2) Eine dergleichen auch nach der Fe—
bruarrevolution 1848 in der Nationalverſammlung
(j. Frankreich, Geſch.) und in anderen Berfamm-
lungen.
Berg, 1) Weiler, gleihfam Borftadt von
Stuttgart; Billa des Königs, ſchöne, 1855 er-
baute gothifche Kirche; neben vielen Gemwerben
bedeutende Mafcinenfabrit und Kunftmüble; viel
befuchte Mineral» und Nedarbäder; 1875 Em.
2) Dorf im Landgerichte Starenberg des bayeri«
ichen Regbz. Ober-Bayern; am Wurmjee ; fünig-
lihes Schloß; Yuftort der Münchener; 218 Em.
Berg, 1) Freiherr Günther Heinrid v. B.,
ftaatsrechtlicher Schriftfteller, geb. 27. Nov. 1765
su Schweigern bei Heilbronn; wurde 1793 Pro»
feffor der Rechtswiſſenſchaften u. Beifiger bes
Spruchcollegiums in Göttingen, 1800 Hof u. Kanz-
feirath in Hannover u. Advocatus patriae u.
1810 Schaumburg-tippefher Regierungspräfident
zu Büdeburg; er nahm Antheil an dem Wiener
Eongreß u. trat 1815 als Oberappellationsgerichts-
präfident in oldenburgiſche Dienfte, ging bis 1821
als Geſandter für die Staaten der 17. Stimme
an den Bundestag, 1819 zu dem Wiener Mini—
ftercongreß u. 1824 (für Anhalt u. Schwarzburg)
zu den Wiener Minifterialconferenzen. Bon 1821 bis
1830 führte er den Borfig im Appellationsgerichte
demjelben gewonnen wurbe; er ft. 1296 im beriu. war ſeit 1823 als Geheimerath Mitglied des
Gefangenfchaft, u. da er keine Kinder hatte, jolStaats- u. Eabinetsminifteriums; er ft. 9. Sept.
200
1843 zu Oldenburg. Schr. u. a.: Handbuch des
deutichen Polizeirechtes, 5 Bde., 1801—1809; Juri«
fiihe Beobadtungen u. Nechtsfälle, 1802 bis
1809; Abhandlungen zur Erläuterung der Rhei—
nischen Bundesacte, Hann. 1808; Staatswiffent-
ichaftliche Berfuche, Lübeck 1794, 2 Bde. 2) Karl
einrih Edmund v. B. deutſcher yorftwirth,
Sohn des Vor., geb. 30. Nov. 1800 zu Göttin«
gen; ftudirte 1815—18 zu Dreißigader u. Göt-
tingen Forft: u. Naturwiſſenſchaft, wurde 1820
beim Berg- u. Forſtamte in Klausthal angeitellt,
1821 Hilfslehrer an der f. hannov. Berg. u. yorft-
ſchule daſelbſt, 1833 Oberfürfter in Lanterberg im
Harz, 1845 Oberforftrath u. Director der fünigl.
ſächſiſchen Forftafademie in Tharand, an Eotias
Stelle, u. 1866 in den Nubeftand verjegt. Er
ſchrieb: Anleitung zum Berfoblen des Holzes,
Darınft. 1830; Liber das Berdrängen der Yaub-
mwälder im nördl. Deutichland, ebd. 1844; Staats«
forftwirthichaftsiebre, Lpz. 1850; Geichichte der
deutichen Wälder, Dresden 1871; außerdem viele
Heinere Abhandlungeh in forjtwirth. Zeitichriften,
über feine Reifen in Skandinavien u. der Schweiz,
über Durdforftung der Fichte u. Buche, über
forſtlichen Unterricht u. a. m., namentlich in den
Tharander Forftwirtbichaftlihen Jahrbüchern, die
er von 1846 bis 1864 redigirte; gab auch 9.
Cottas Waldbau in 6. u. 7. Aufl. heraus.
3) Friedrih Wilhelm Nambert, Grafv. B.
(ruſſ. Fedor Fedorowitſch), ruſſiſcher General,
Statthalter von Polen, geb. 26. Mai 1790,
aus einem von den Schwertrittern ſtammen—
den livländiſchen Adelsgeſchlechte; ſtudirte im
Dorpat u. trat 1812 als Freiwilliger in die ruſ—
ſiſche Armee, in der er fh fortdauernd auszeid)-
nete, 1822— 24 als Oberft auf Erpeditionen gegen
die Kirgifenftämme, 1828 u. 1829 als General-
major (jeit 1829) u. Generalftabschef unter Witt-
genftein u. Diebitih gegen die Türlen, 1831 in
Polen. In der Zwiſchenzeit war er 1819 von
einer Meife durch das füdliche Europa zurüdge-
febrt, als Oberft den Gefandtichaften in München
u, Neapel attachirt, 1822 nad Orenburg gejandt
behufs Ordnung der Berhältniffe der Kirgifen u.
des Karawanenweſens iiber Bokhara nad Indien,
die erjt durch die oben erwähnte Erpedition glüdte,
hatte fi 1830 in Italien mit einer Gräfin
Cicogna vermäblt. Nah Beendigung des Krieges
in Polen zum Generallieutenant u. Generalftabs-
chef der rufjishen Armee in Polen ernannt u, 1843
zum General der Infanterie u. Generalquartier-
ineifter im faiferlichen Generalftabe befördert, wurde
er mehrfach zu diplomatischen Miffionen verwen-
det u. ging 1849 als ruſſiſcher Bevollmächtigter
in das öſterreichiſche Hauptquartier, das die Ope-
rationen gegen Ungarn leitete. Für feine Dienfte
Berga — Bergamo.
an feinem Krönungstage, 7. Sept. 1856, ihm
den Titel eines finnländiichen Grafen verlieh. Im
November 1861 aus Finnland abberufen, wurde
B., als die Verbältniffe in Polen eine befonders
energiihe Verwaltung dort nöthig fcheinen ließen,
im Mai 1863 zum Adjuncten des Großfürften
Conftantin u. nah deſſen Rücktritt, 31. Oct.
1863, zum Statthalter u. General-Commandanten
der ruffiichen Armee im Königreih Polen mit
jelten unumjchräntten Bollmachten ernannt. Nach
Niederwerfung des Aufftandes (f. Polen, Geich.)
wendete er feine volle Thätigkeit der Ruſſificirung
Polens zu, die ihm auch gelang, ohne deshalb die
nationalen Leidenſchaften der Hafen zu neuer Er⸗
bitterungzireizen. 1866 wurde erzum Feldmarſchall
u. Mitgliede des Reichsrathes ernannt,aber mit dem
Site in Warſchau. Er ftarb 18, Jan. 1874 in
Petersburg, wohin er fi zu den Bermählungs-
feierlichfeiten der Großfürftin Maria mit dem Her»
zog von Edinburgh auf Einladung feines Kailers
begeben hatte. B. war ein Mann der alten Zeit,
von großem perjönlihem Wohlwollen, aber den
liberalen Ideen der Gegenwart wenig gugeneigt.
Am preußischen Hofe ftand er in ſolchem Anſehen,
daß ihm bei der Drei-Kaiſer-Zuſammenkunft im
Berlin, 9. Sept. 1872, das 6. brandenburgifche
Jufanterie-Negiment Nr. 52 verliehen wurbe.
2) Wimmermauer L. 3) Lagai.
Derga, Stadt im gleihnam. Juftizamte des
Weimariſchen Kreifes Neuftadt, au der Weißen
Eifter; Sit des Juftizamtes; Schloß (Schloß B.),
Hoſpital; Streichgarnſpinnfabrik; gute Schiefer u.
Plattenbrüce; 970 Ew.
Bergahorn (Acer campestre Z.), f. u. Ahorn,
Bergafademie (Montaniftiihe Lehranftait),
Lehranftalt, in mweldyer die zum Bergbau nöthigen
Wiffenichaften ſammt Hilfswiffenihaften gelehrt
werben. Die berühmtefien B-en find zu Berlin
(feit 1861), Freiberg (feit 1766), Mausthal am
Dar (feit 1811), Paris u. St. Etienne (Ecole
es mines), Schemnig (in Ungarn, feit 1770),
Leoben (für Steiermark) u. in rd (für die
nörblien Provinzen des Oſterreichiſchen Staates,
ſeit 1849), Petersburg, Kielce (Polen), Falun u.
Stodholm, London. Auch Amerika hat verſchiedene
derartige Anſtalten aufzuweiſen.
Bergama, Stadt im Lima Karaſſi des Hein-
aftat.türkiichen Bilajet Khodamendiljar, am Fluſſe
Balyız das alte Pergamum (Pergamon); jetst
fehr verfallen; etwa 12,000 Em.
Bergamasker Schaf, eine der größten Schaf-
racen, bejonders in den oberitalienishen Provinzen
Bergamo u. Como heimiſch. Das B. wird fiber
1 m hoch u. erreicht ein Gewicht bis zu 100 kg
u. darüber; ift jehr breit gebaut, hat einen ge-
rammften, meiſt ungehörnten, lahlen Kopf mit
dafelbft mit der öfterreihiichen Grafenwürde bes|jehr großen, herabhängenden Ohren, kräftige,
lohnt, übernahm er, nad) Petersburg zurücdges
fehrt, wieder die Leitung ber topograpbiichen Ar-
hohe, faft ſtets unbewollte Füße, grobe, fange, oft
bräunliche Wolle; bedarf reihliher Ernährung u,
beiten, erhielt 1854 bei Ausbruch des srientalifchen | wird dabei leicht fett; liefert viel Mil, aus der
Krieges den Auftrag, Reval u. Eſthland gegen|hauptiächlic Käſe fabricirt wird,
die weſtmächtliche Flotte zu vertheidigen, zugleich
Dergämo, 1) Provinz im Königr. Jtalien;
mit der Führung des Generalgouvernements in|2817,, [km (51,1 [IM); 368,152 Em.; von
Finnland, u. beftand vom 8.—10,. Aug. 1855 das) Tirol u. den Provinzen
rescia, Cremona, Mai-
für die alliirten Angreifer erfolgloje Bombardement land, Como u. Sondrio begrenzt; in 3 Diftricte:
von Smweaborg, für welches Kaijer Alerander IL.IB., Cluſone u. Treviglio, getheilt; nördlich hohes
Bergamotte — Bergbau,
Alpenland, füdlich Flachland; Flüffe: Adda, Og-
io, Serio, Brembo, alle zum Pogebiete; See:
eo; bringt Wein, Flachs, Seide, Eifen u. Vieh.
Die Einwohner (Bergamasten) find in Italien
als plump verfchrieen u. fprechen einen eigenthim«
fihen rauhen Dialelt; Arlecchino u. Brighella (f. b.)
in der italienischen Komödie werden als Berga-
maslen genommen u. fpreden den Dialelt der-
felben. Das Klima ift gefund, namentlich im N.;
ebemals bedeutende, jetst herumtergelommene Vieh»,
bei. Schafzucht (f. Bergamaster Schafe). 2) Haupt-
ſtadt defjelben, zwiichen Brembo u. Serio u. an
den Eifenbahnen zwiſchen Mailand, Lecco, Be:
rona ꝛc., beftebend aus der Alt- u. Neuftadt, von
denen erftere auf einer fteilen Anhöhe, mit dem
gothiſchen Palafte Broletto, davor Taſſos Bild-
fäule, dem Dome u. daneben der an Kunftwerten
reihen Kirche S. Maria Maggiore. Die Neuftadt
fiegt in der Ebene; Sitz eines Erzbiſchofs; Wai-
ſenhäuſer, bifchöfl. Seminar, Gymnafium, Yy«
ceum, die Accademia Carrara mit vorzüglicher
Semäldefammlung, Maler« und Bildhauerafa-
demie, schönes sen: Gelehrte Gejellichaften;
veges Gejchäftsleben; merlwürdig ift La Fier
(das Kaufhaus mit 540 Kaufläden), zwifchen den
Borftädten ©. Leonardo u. Antonio, mit weitem
Plage davor u. Springbrumnen; 14tägige Seiden-
meilen (26. Aug. bis 7. Sept.), Biehhandel;
Seiden- u. Tuchwebereien, Eifengießereien in fei-
nen Waaren, Steingut-u.Glasfabrikation, Zuder-
bädereien (Confetti di Bergamo); 37,363 Ew.
B. ift der Geburtsort Tiraboshis u. Bernardo
Tafjos. — B., das alte Bergamum, im Dlittel-
alter Bergomum, war von den in Ober⸗Italien
eingewanderten Kelten (Galliern) gegründet, unter
der Herrichaft der Römer Municipium; Attila zer
ftöıte e8 452. Unter den Longobarden wieder aufge-
baut, wurde B. der Sit eigener Herzöge, von
denen indeß nur Gaibulf, bekannt ift, der zu Ende
des 6. Jahrh. vergeblich fi von dem Yongobar-
dentönig unabhängig zu machen verfuchte. Seit
dem 8. Jahrh. Bahn die Karolinger B.; darauf
ward es unabhängig bis zur Zeit der Ghibellinen-
u. Guelfen-Kämpfe, in denen es auf Geiten der
Erfteren ftand u. mehrfach den Herricher wechſelte:
1264 warf fih Philipp Turriani in B. auf, dann
tam B. unter Walter Bisconti, Capitano u. Po-
deita von Mailand, welchem Staate e8 aber erft
ſeit 1331 gefihert blieb. Neue Parteilämpfe gegen
Ende des 14. Jahrh. legten einen Theil der Stadt
in Schutt u. Ajche, u. 1402 wurde nach Vertreibung
des berzogliben Bicars Roger Suardi zum
201
es Theil des Lombarbifch « Benetianishen König-
reiches. Im Febr. 1848 kam es bier zu einer
revolutionären Bewegung; im März verließen die
öfterreichiichen Truppen die Stadt, u. Piemontefen
bejegten diefelbe. Am 18. Auguft rüdte Fürſt
Schwarzenberg in B. wieder ein, nachdem zuvor
die abziehenden Piemonteſen die Eitadelle in die
Luft geiprengt hatten. Bei den nachmaligen Er-
eignifjentheilte es die Schickſale fonıbardo-Benetieng.
HenneAm Rhyn.“ (Gefdy.) Yagai.*
Dergamotte (Bergamottcitrone), ſ. Citrus.
Bergamottöl (Oleum Bergamottae), ätheri-
ihes Ol; wird in Stalien durch Auspreffen der
Schalen der Bergamottcitrone (Citrus medica
bergamotta) gewonnen, bejonders aus dei noch
nicht ganz reifen Früchten. Es bildet eine blaß—
gelbe, jehr angenehm riechende ölige Flüſſigkeit,
die in der Parfümerie u. Pharmacie vielfache
Auwendung findet. Elören.
Dergamt, ſ. u. Bergredt.
Bergära (Bergora), Stadt in der fpanifchen
Provinz Guipuzcoa, am Deva; Collegium (In-
stituto) für Naturwiffenichaften, 2 Seminarien,
Baskiſche Gejellihaft; Stahlarbeiten; 6300 Em.
Hier 31. Aug. 1839 Vertrag zwiſchen den Chri—
ſtinos u. dem carliftiichen General Maroto, welcer,
da deffen ganzes Corps capitulirte, die Flucht des
Don Karlos über die Grenze bewirkte u. den
Bürgerkrieg beendigte; ſ. Spanien.
Dergart, das Geftein, in welchem Gänge
auftreten.
Bergaſſe, Nicolas, franzöfiiher Schriftiteller,
geb. 1750 zu Yyon; war Advocat dafelbft, jpäter
Parlamentsadvocat zu Paris, Bertheidiger des
Banguiers Kormmann in dem Proceß mit Beaus
mardais (f. d.). Zum Deputirten Lyons bei den
Etats généraux gewählt, hielt er zu den Roya—
liften, trat aber bald wieder ab; zu Tarbes wegen
einer von ihm an Ludwig XVI. gerichteten, im
den Tuilerien vorgefundenen Schrift 1793 ver«
haftet, entging er nur durch den Sturz Hobes-
pierres dem Tode. Er wurde 1830 nod von
Karl X. zum Staatsrathe ernannt; ft. 29. Mai
1832. Er fr. u. a.: Sur la loi et sur la libert
de manifester ses pensdes, 1817, 3. Aufl., 1822;
Essai sur le rapport, qui doit exister entre la
loi religieuse et les loıs politiques, Par. 1822;
Essai sur la propriet‘, Par. 1821. Er ver
theidigte auch dem thieriſchen Magnetismus,
Bergbau im engeren Sinne it der Inbegriff
aller Arbeiten, durch welche die von dem Verfüg—
ungsrechte des Grundeigenthümers ausgejchlofie-
Statthalter erwählt, der die Stadt an Bandulf IIL.,|nen Mineralien aus dem Innern der Erde ges
Malatefta von Brescia, 1407 verlaufte.
defien Tode follte gemäß dem Frieden von 1419
B. an Herzog Philipp Maria Bisconti von Dai-
land zurüdjallen; derjelbe nahm die Stadt aber
ſchon 1420 in jeinen Beſitz, mußte fie jedoch im
Frieden von Ferrara (1428) an Venedig abtreten,
ge fie mit furger Unterbredung (1509 bis
1516 unter Ludwig XI. von Fraukreich) bis
1796 blieb u. ftarf befeftigt wurde. Bon ben
anzofen wurde B. nad) der Eroberung Ober-
taliens der Cisalpiniſchen Republiku. dem König-
reich Italien zugetheilt u. Hauptſtadt des Depart.
Serio; 1814 wieder öfterreihijcd geworden, wurde
zu führen ift, lehrt die B-kunde.
Nach | fördert u. zu Gute gemacht werden, ohne in letzte⸗
rer Beziehung jedoch einem chemiſchen Proceß
unterworfen zu werden. Die Orte u. Einricht-
ungen, wo biefe Arbeiten ausgeführt werden, hei—
ben Bergmwerle. Wie der B. am volllommenften
Dieje umfaßt:
1) Borlommen der nutbaren Mineralien, 2) Auf«
juchen der Yagerftätten, 3) Gewinnung der Mi-
neralien, 4) Gruben» Ausbau, 5) Förderung,
6) Fahrung, 7) Wetterführung, 8) Wafferhaltung,
9) Aufbereitung.
Das Bortommen der nugbaren Mine
ralien ift zweifacher Art; entweder find fie ge-
202
Bergbau.
lagert wie das umgebende Seftein, oder fie burch- | Feftigleit der zu gemwinnenden Maffen; man un—
feten diefes Geftein. Erfteres Vorlommen nennt |terfcheidet im dieſer Beziebung: a) rollige Maſſen
man Flötze oder Lager, letzteres Gänge.
Flögen oder Lagern kommen vor 3. B.: Sıtein-
u. Braunfohlen, Steinfalz, Dachſchiefer u. a. m.;
auf Gängen: Silber-, Blei⸗, Kupfer, Zink,
Nidel- u. Schwefelerze. Manche Dlineralien, wie
namentlich Eifenerze, fommen ſowol auf Gängen,
als auf Flötzen u. Lagern vor. Außer den ge
nannten gibt e8 maifige Yagerftätten in jog. Stod-
werten, und unregelmäßige ın Bugen, Neftern,
Nieren, ſowie oberflächlicye Yagerftätten. Alle dieſe
Vorlommen treten in ihrer Bedeutung ſehr zurüd
gegen das Vorkommen in Flötzen, Lagern und
Gängen. Dieje drei haben das Eigenthümliche,
daß fie in gemwiflen, oft viele Onadratmeilen um:
faffenden Bezirken zahlreich u. über einander ge-
lagert auftreten, während die übrigen Borlommen
in der Regel auf fleineve Gebiete beſchränkt find.
Gänge fommen vorzugsweije im älteren (dem jog.
Übergangs-) Gebirge vor, Flöte in jüngerem
Gebirge, als diefes. Die urjprüngli horizontal
abgelagerten Gefteine haben durd) die verjchiede-
nen Nevolutionen, welche den Erdlörper erichüt-
tert haben (f. Geologie), eine Reihe von Berän-
derungen erfahren, melde die Gefteine vielfach
ans diefer Lage aufrichteten, dann aber auch zer-
riffen. Diefe Zerreißungsipalten find vielfach mit
nutzbaren Mineralien ausgefüllt u. charakterifiren
fih als Gänge. Sie find meift fteil aufgerichtet.
Das Geftein, anf welchem die Lagerftätte ruht,
heißt das Piegende, dasjenige, welches fie brebedt,
das Hargende. Die fürzefte Entfernung beider
Gefteine heißt die Mächtigleit der Yagerftätte, Un—
ter Streichen verfieht man die Abweichung einer
in der Mittellinie der Lagerftätte gedachten hori«
zontalen Linie von dem Meridian, unter Einfallen
die Neigung der Lagerftätte gegen den Horizont.
Dem Aufſuchen der Minerallagerftätten
muß die Unterfuchung der allgemeinen geognoftiichen
Beichaffenheit der Gegend vorausgehen. Hat diefe
Unterfuhung das Auftreten eines Minerals wahr-
ſcheinlich gemacht, jo fchreitet man zum Schürfen.
Gehen die Fagerftätten bis zu Tage, find fie alfo
nur von der Adertrume bebedt, fo bietet das
Bloßlegen derielben keine Schwierigkeiten. Durch |ftahl von 2,,,—4 cm Stärke gefertigt.
quer gegen das Streichen gezogene Gräben (Schürf-
gräben) ift es leicht, das Ausgehende der Lager:
ftätten bloßzulegen. Gehen die Lagerftätten nicht
bis zu Tage aus, fo werden umterirdijche Arbeiten
zur Auffindung derfelben nothwendig. Iſt das
Zerrain durch Thäler eingefchnitten, jo ſchließt
man die Lagerftätten auf durch quer gegen das
Streihen gerichtete horizontale Streden, fogen.
Stollen. In flachen Gegenden müſſen jedoch ver-
ticale Arbeiten, Bohrlöher, ausgeführt werben.
Dieſe Art des Schürfens ift für alle in größerer
Tiefe vorlommenden Mineralien, bef. bei Stein-
foblen, Soolquellen, Steinfalz ꝛc., allein üblich.
Bei der Gewinnung handelt es fi nicht
nur um das Mineral felbft, fondern auch um die
Gewinnung des Gefteins, welches vor Erreihung
der Mineralien, oder mit dem letteren felber ge»
wonnen werben muß. Die Werlzenge, deren man
fih zu dieſem Zwede bedient, nennt man Gezähe. zündet.
Die Gewinnung ift eine verjchiedene je nach ber
Auf|(Sand, Torf); b) milde (Thon); c) gebräde
(Thonichiefer); d) fefte (Granit, Sandflein); e) ſehr
fefte (Schwefelties, Ouarzit). Die Gewinnung ge
ſchieht hiernach a) durch Handarbeit allein; b) durch
Anwendung von Sprengarbeit; c) durch yeuer-
fegen; d) dur Maſchinen. Die Handarbeit läßt
fih unteriheiden als Wegfüllarbeit, als Keilhauen-
arbeit und Sclägel- u. Eifenarbeit. Die erftere
ift in Anwendung bei Maffen ohne allen feiten
Zufammenbang u. bei der Förderung. Die bier-
bei zur Anwendung fommenden Gezähe find die
Schaufel, die Krage, der Bergtrog. Die Keilbaue
befteht aus einem eiſernen, etwas gebogenen Keil,
der an dem ftärferen Ende mit einem Auge zur
Aufnahme eines hölzernen Stiels (Helm) verjehen
ift. Die Keilhaue ift naimentlih bei Gewinnung
der Steintohle in Gebrauh und wird bier als
Schräm- u. Kerbbaue unterichieden. Schrämen
ift das Hereinnehmen einer ſchmalen Schicht, des
fog. Schrams, aus dem Koblenflöge. Hierzu wird
jelbftverftändiich die weichfte, mildeſte Schicht aus«-
geſucht. Hat man die Kohlenwand in diejer Weife
auf etwa 1 m Tiefe umterhöblt, fo wird fie an
beiden Seiten durchgehauen, geferbt. Die Schram-
baue hat etwa 1 kg, die Kerbhane ca. 2 kg Ger
wicht. Die unten u. an den Geiten freigelegte
Maſſe wird duch Fimmel (ftarle Stablfeile),
weldhe mit Hämmern (Zreibfänfteln) eingetrieben
werben, bereingenommten,. Bei der Schlägel» u.
Eifenarbeit wird das Eifen, ein Keil mit oder
ohne Stiel (Helm), u. das Schlägel (Fäuftel) ber
nut. Das Eifen ift 13—18 cm lang u. etwa
2 cm ftarl, Zur Aufnahme des Hehues hat das
Eifen ein rechtwinfeliges Auge, welches am beften
in der Mitte fteht. Das Schlägel ift ein Hammer
mit furzem, bölgernem Helme. Die Schlägel- u.
Eifenarbeit ift durch die Sprengarbeit faſt voll
ftändig verdrängt. Sie wird nur noch angemwen-
det, wo man die zu weit greifenden Wirkungen
der Schießarbeit vermeiden will. Bei der Bohr-
u. Sprengarbeit fommen der Bohrer, das Fäuſtel,
der Kräger, der Stampfer u. die Räummadel zur
Anwendung. Der Bohrer wird meift aus Guß-
Der ge-
bräuchlichfte ijt der Meifelbobrer mit converer oder
dreiediger Schneide. Das dur den Schlag bes
Fäuſtels auf den Bohrer abgelöfte Geftein, das
Bohrmehl, wird durch den Kräger aus dem Bohr-
loche entfernt. Fit das Bohrloch bis zur geminfch-
ten Tiefe gejchlagen, jo wird e8 mit Sprengma«
terial geladen. Der Stampfer dient zum Beſetzen
des Bohrloches nad erfolgter Ladung deffelben;
er ift aus weichen Eifen gefertigt und hat eine
Hohltebte, in welche die Räummadel oder die Zünd⸗
ſchnur paßt. Die Räummadel, aus Meifing oder
Kupfer koniſch bergeftellt, hat oben einen eijernen
Ring, mittels defien man diefelbe nad erfolgter
Beſetzung des Bohrloches aus demjelben heraus-
zieht u. hierburd einen Zugang in der, Bejat-
maffe zu der Ladung erhält. In diefe Offnung
wird der Zündhalm eingeführt u. legterer als-
dann mit Schmefelfaden oder Schwamm ange»
Das Sprengpulver ift bei naffer Arbeit
mit Erfolg erſetzt worden durch ben Dynamit,
Bergbau.
der gegen Näffe durchaus unempfindlich iftz auch
it feine Sprengfraft eine bei Weitem größere,
als die des gewöhnlichen Pulvers, doch ift er im
Das Feuerſetzen wird nur noch
Preiſe theurer.
an ſehr wenigen Stellen bei höchſt feſten Maſſen
angewendet; bis zur Einführung der Sprengarbeit
jpielte diefe Methode indeß eine große Holle. Das
Geftein wird dur ein vorgelegtes Holzfeuer 24
Stunden lang erbitt u. dann mit Wafler abge-
fühlt; hierdurch erreicht man ein Yoslöfen der Ge
fteinsichalen, die alsdann mit Brecheiien berein-
genommen werden. Die Gewinnung der Mine-
ralien durch Maſchinen beichränft fih auf die
Bobrarbeit u. die Schrämarbeit. Für legtere find
feit den letzten 15 Jahren Maſchinen der ver-
ſchiedenſten Conftructionen in Anwendung gebradt,
von denen fih bisher nur die von der Firma
Garrett, Marſhal u. Eo. in Leeds conftruirte eini-
germaßen bewährt hat. Dieſe Mafchine verrichtet
die Schrämasbeit mit einem langen Sägeblatte.
Als treibende Kraft wird unter hohem Drude
ftehendes Waſſer benutzt. Die Schrämmafcinen
eignen fib nur für Flöge von flacher Lagerung,
gutem Hangenden u. einer 1 m micht weſentlich
überfteigenden Mächtigleit u. jeten ferner lange
Arbeitsjtöße voraus, Wegen aller dieſer Anfor-
derungen find Schrämmaſchinen zwar für den
engliihen Bergbau von einigem Nutzen, für ben
deutichen, unter den vberichiedenartigften Berbält-
niffen arbeitenden Bergwertsbetrieb aber faſt gänz«
fi werthlos.
Ausrihtung, Borrihtung u. Abbau. Die
unterirdischen Pagerftätten müſſen bebufs ihrer Ge»
winnung ausgerichtet, d. i. zugänglich gemadht
werden. Die Ausrichtung erfolgt durd Stollen
oder Schächte, melde beide Arten von Bauen
übrigens gleichzeitig zu anderen Zweden, 3. ®.
ur Wetterführung und Waſſer haltung, dienen.
—S unterſcheidend zwiſchen beiden Aus—
richtungsmethoden iſt zunächſt bie Art der Waffer-
abführung, aus welcher ſich dann nod andere
Berfchiedenbeiten ergeben. Auf dieſe Weiſe ent-
ſteht der Unterfchied zwiſchen Stollengrube und
Tiefbaugrube. Ein Stollen ift ein möglichft ho-
rigontaler, nah Umftänden unterirdifch verzweigter
Grubenbau. Liber Erbftollen ſ. den bejond. Art.
Der Stollen kann folgende Zwecke erfüllen:
a) Wafferabführung, b) Wetterzuführung, c) För-
derung. Als Benennungen find folgende hervor»
zubeben: das Mundloch ift die Stelle, wo der
Stollen unterfriecht, d. h. unter die Oberfläche
des Gebirges eintritt; die Röſche ift der Graben,
welcher die aus dem Stollen zu Tage tretenden
Bafler in einem Wafferlaufe abführt; die Wafjer-
A ift der tieffte, zum Wafferabfluß dienende
des Stollens. Über der Wafjerjeige liegen
auf eingebühnten Schwellen Bretter u. Schienen;
203
derung der gewonnenen Mafjen zı dienen, oder
auch um zur Beichleunigung des Stollenbetriebes
mehrere Anſatzpunkte zu gewinnen. Schächte die-
nen zur Ausrichtung von Yagerftätten unter der
Stollenfohle und im umverritten Gebirge. Die
Ausrichtung durch Schächte im umperritten Ges
birge wird nothwendig bei ganz flacher Geftalt
der Oberfläche, bei horizontaler oder faft horizon—
taler Yagerung u. bei Bededung der Yagerftätten
mit jüngerem Gebirge. Der Hıichtung nad un—
terſcheidet man faigere (ſenkrechte) u. donnlägige
(geneigte) Schähte. Die Schädte ftehen entwe⸗
der im Gefteine, oder im der Lagerſtätte. Schächte
um Geſteine find in der Megel faiger, die in der
Yagerftätre meıft donnlägig. Außer zur Ausricht-
ung dienen die Schächte — wie die Stollen —
zur Förderung, Wafferbaltung u. Fahrung. Zur
Erfüllung dieſer Zwede wird der Schacht in
mehre Abtbeilungen, (Trümmer) getheilt. Die
* iſt die Offnung des Schachtes über
Tage. Man erhöht die Schächte über die Ober-
fläche, — man verfiebt fie mit einer Aufjattel-
ung, — um Raum für das Abftürzgen der geför«
derten Maffen — Haldenfturzg — zu erhalten. Die
Ausrichtung der Lagerftätten von einem Schachte
aus erfolgt im Allgemeinen nah dem Princip:
Theilung des Gebirges in Etagen (Sohlen, Feld»
ortftreden, Gezengftreden), welche ſenkrecht unter
einander liegen. * Man gewinnt mit diefer Theil«
ung Mbfchnitte der Lagerftätten, welche beauem
find für die Gewinnung u. die Förderung. Die
Theilung wird bewirkt durch Querfchläge, d. h.
Betriebe im Gefteine, mit denen man rechtwintelig
gegen das Streichen, alfo auf dem fürzeften Wege,
die abzubauende Tagerftätte erreicht. In der Ya-
erftätte werden alsdann die Grund» (Gezeug.)
Streden ———
Auf die Methode der Gewinnung der Lager⸗
ftätten, Borridtung u. Abbau, wirlen die dere
hältniſſe der Lagerftätte, ob plattenförmig, maffig ıc.,
ihre Mächtigkeit, Nebengeftein, Ri der Lager⸗
ftätten, Nüdficht auf Wetter- u. Wafjerführung u.
a, ein. Man untericeidet zwei Hauptmethoden:
1) Abbau mit Bergeverſatz; bei demjelben wer—
den die durch Wegnahme des Minerals geichafie-
nen Hohlräume mit Bergen ausgefüllt. 2) Ab-
bau ohne Bergeverfag, wo diefes nicht geichieht.
Die am bäufigften angewandten Abbauarten der
erftien Gruppe find: Firftenbau, Strofienbau,
Duerbau, Strebbau; die der zweiten Gruppe:
Pfeilerbau, Stodwertbau, Bruchbau. Die erfte
Gruppe wird vorzugsweife bei der Gewinnung
von Erzlagerftätten, die zweite bei der Gewinn-«
ung von Stein» und Braunfoblen angewendet.
Firftenbau wird auf fteil einfallenden Fagerftätten
von nicht zu großer Mächtigleit getrieben, melde
dem zufolge auf einmal ganz hereingenommen wer«
diefes ift das Tragewerk. Über diejes Tragewerk|den iaun. Der Bau mird eingeleitet durch eine
geht auf Brettern oder Schienen die Förderung;
der Raum über dem Tragewerle heißt der Fahr⸗
raum; das oben im Stollen anftehende Gebirg
heißt die Firſte, das feitlich anftebenbe die Stöße;
den Boden des Stollens nennt man Sohle; Yicht-
löcher nennt man Schächte, welche vom Tage nie-
ftreihende Strede in der Lagerftätte. Demnächft
wird ein Überhauen in der Mitte des abzubauen-
den Mittels aufgehauen. Der Abbau fann, je
nachdem er zu beiden Seiten oder mur an einer
Seite diefes Überhauens begonnen wird, zwei«
oder einfliigelig geführt werben. Man beginnt
der auf den Stollen abgeteuft werben, um die mit bem Abbau an ber unteren Ede dieſes Auf-
Bettercirculation zu unterftügen, oder zur För ⸗
hauens. In dem Maße, wie ber Bau im bie
204
Bergban.
Höhe rüdt, füllt man den ausgehöhlten Raum, England u. Schottland. Bon einer ftreichenden
hinter fih mit Bergen aus. Die Unterſtützung
diefes Berjates gegen die Grundftrede geſchieht
entweder durch Zimmerung, oder auch Mauerung,
oder durch Stehenlaffen einer Bergfeſte, indem
man über der Grumndftrede eine zweite Strede
(Firftenftrede) treibt. Um die Maflen von den
Sewinnungspunktten zur Grundftrede zu fördern,
wird das Aufhauen dur Zimmerung u. Mauer—
ung offengehalten und durch daffelbe die Maffen
geftürzt; außerdem bringt man in gewiffen Ent—
fernungen, etwa von 20 zu 20 m, ſog. Kollen im
Bergeverjage an, deren Wände aus größeren Ber
gen troden aufgemauert werden. Der Strofjenbau
iſt gleichſam die Umkehrung des Firftenbaues, abeı
älter als diefer. Er wird eingeleitet durch ein
von einer ftreichenden Strede aus —— Ab»
bauen, welches wo möglich in der Mitte des ab:
zubauenden Mittels zu ftehen kommt. Der Abbar
beginnt mit dem Aushiebe der Eden zwiichen Ab:
bauen u. Strede. Für den Bergeverjag werden
Kaften geichlagen, beftebend aus zwiſchen Hangen-
des u. Yiegendes eingetriebenen Stempeln. Die
reichen Erze werben in Körben gelammelt u. die
Yeiter (Fahrt) hinaufgetragen; die ärmeren wer:
den mit Kübel u. Hafpel hinanfgezogen. Bei dem
Stroffenbau ift Erzverluft weniger zu befürchten,
als beim Firſtenbau, der bier gar nicht zu ver-
meiden, Bei jenem ift die Zimmerung ehr Foft-
jpielig u, nicht gut zu erneuern, weshalb er im-
mer jeltener angewendet wird. Der Querbau
findet Ammendung auf mächtigen Lagerftätten mit
ftartem Einfallen, auf Stodwerten u. beim Be-
triebe unterirdifher Steinbrüche. Er bezwedt:
Theilung der Yagerftätte durch Sohlen von oben
nah unten, Gewinnung des Minerals über jeder
Sohle von unten nach oben in Abjchnitten mittels
quer durch die Mächtigkeit der Lagerftätte geführ—
ter Streden, Letztere werben verkent, fo daß bei
der Gewinnung des nächft höheren Abjchnittes der
Arbeiter auf dem Berfate des unteren ftebt. Im
Liegenden der Lagerftätten wird eine Strede anf-
gefahren, von diefer geht man mit einem Orte
von 2—4 m Breite quer durch den Gang; ein
zweites Ort treibt man um 3—9 m von dem
erften entfernt in derſelben Richtung. Haben die
rter das Hangende erreicht, fo werden fie voll:
ftändig verfegt. Darauf nimmt man die zwiſchen
zwei benachbarten Örtern ftehen gebliebenen Pfeiler
binmweg, ſei es in einer Tour, ſei es im zwei oder
mehreren. Alle diefe Räume miüfjen verjegt mwer-
den, um bemmächft den höher gelegenen Theil der
Lagerftätte gewinnen zu können. Durch anusge-
manerte Rollen werden die in oberer Höhe ge»
wonnenen Maffen zur unteren Gtrede hinabge-
fördert.
Der Strebban ift diejenige Abbaumethode die»
fer Gruppe, welche bei geringen: Fallen eintritt
u. welde außer binreihenden, in oder in unmit-
telbarer Näbe der Yagerftätte zu gewinnenden
Mafien zum Berjate nicht über 1 m betragende
bat.
Strede aus haut man fchrwebende Streden — im
kinfallen — auf u. bildet Abtheilungen von ca.
50 m flacher Höhe u. 50 m Länge, u. zwar mad
beiden Seiten. Die hohlgemachten Räume mer»
den durch die Berge, welche bei dem Erweitern
der Baue fallen, möglichft dicht ausgefüllt. Zur
‚Förderung werden von 20 zu 20 m Diagonalen
bergeftellt. Der Strebbau in den engliihen Koh»
lenflögen ift genau derjelbe, nur muß bier wegen
der auftretenden jchlagenden Wetter auf Wetter-
führung ein befonderes Augenmerk gerichtet werben.
Bou den Abbaumethoden ohne Bergever-
ſatz ift die wichtigfte der Pfeilerbau. Derjelbe
harakterifirt fi dadurch, daß die Ausgewinnung
der Yagerftätte in zwei Stadien erfolgt, nämlich;
1) durch Vorrichtung von Pfeilern, d. h. Abſchnit-
ten der Lagerſtätte, 2) demnächſt durch den Ab»
bau der vorgerichteten Pfeiler, Der Pfeilerbau
ift die häufigſte Abbaumerhode für Steinfohlen«
flöge u. Braumnfoblenlager; er ift anwendbar bei
allen Fallwinkeln. Er fann ftreichend, diagonal,
oder ſchwebend geführt werden; die beiden letzte-
ren Arten eignen fih aber nur für fladhliegende
Yagerftätten. Mach der erfteren Art wird das Flötz
im Streihen in Bau-Abtheilungen zerlegt, im
diefen werden parallele ftreihende Streden aufs
gefahren; haben dieje Streden die Baugrenze er»
reicht, jo werden die durch dieſelben gebildeten
Pieller rüchwärts, und zwar die oberften zuerft,
verbauen. Die Höhe der Streden muß ftets jo
groß fein, daß Die bei der Herftellung derſelben
jallenden Berge in der Strede verjegt werben
fönnen; letzteres gejchiebt in der Megel unter ver
Förderbahn. Zu hohe Orter vermehren die Selbft-
foften und verringern den Stüdfoblenfall. Die
Pfeiler nimmt man zwedmäßig jo bob, als es
das Nebengeftein erlaubt; hohe Pfeiler vermin—
dern die Gelbftloften u. erböben den Stüdtoblen«
fall. Eine Grenze ſetzt bier der Umjtand, daß
allzu hohe Pfeiler zu früb Bruch u. stohlenverluft
herbeiführen. In Weitfalen nimmt man die Orter
3—4 m, die Pfeiler 8—12 m; in Öberjchlefien
die Orter 2—4 m, die Pfeiler 6 m; im Saar
brüdichen die Orter 5 m, die Pfeiler 10 m. Die
gewonnenen Kohlen gelangen dur Bremsberge
zur Sohle, Die Einrichtung derjelben ift die, daß
das gefüllte Fördergefäß (jei es direct, oder auf
einen Förderbod geftellt) das leere binaufziebt.
Bei flahem Einfallen reicht die Schwere des err
fteren micht mehr zur Lberwindung der Beweg-
ungshinderniffe des letzteren aus; es ift damıt
die Örenze der Möglichkeit der Ausführung er—
reicht. ALS zuläffiges Minimum kann man beim
Abbremjen eines Wagens u. nicht ganzer Wagen
züge einen Fallwinkel von 7 Grad anjehen. Die
Bremsberge find entweder einjeitig oder zweifeitig
porridytend; bei letteren läßt man das Gegen
gewicht entweder unter dem Förderbode ber im
einem Schlitze des Fiegenden laufen, oder feirlich
von der Abtheilung für den Förderkorb. Die legtere
Mächtigkeit u. gutes Nebengeftein zur Bedingung —— bedingt die Herſtellung einer anfzu-
Derjelbe ift gewiffermaßen ein Firftenbau, |hebenden lb
erbrüdung über die für das Gegen-
der der flachen Lagerung angepaßt ift. Er fommt| gewicht bejtimmte Abtheilung, um mit Hilfe der»
vor auf dem Kupferichieferflög im Mannsjeldicen, ſelben das gefüllte Fördergefäß auf den Förder⸗
euf flachfallenden Steintohlenflögen in Belgien, in|bod zu jchieben,
Bergbau.
205
Die Länge der Bauabtbeilungen if, ab-,fehr harzige Hölzer, alfo Eichenholz, ſodann Fichte,
gejehen von Berwerfungen oder Markicheiden, be» | Kiefer u. Tanne.
Nadelholz hat außer der grö—
dinge durch die Beſchafſenheit des Nebengefteines, |Geren Billigkeit den Vorzug des geraden Wuchies,
namentlih durch das Aufguellen des Liegenden.| Das vielfah verfuchte Jınprägniren des Holzes
Je drudhafter dieſes Geftein, um fo kürzer muß mit Binl- u. Kupfervitriollöjung, oder mit Kreo—
die Abtbeilung fein, in allen Fällen jo kurz, daf|fot kann, weil es zu theuer ift, nicht allgemein
die Zimmerung in den Streden nicht einer Aus—
wechjelung bedarf. Hiernach ergibt ſich dieſe Länge
von 60 m bis 300 m. Hat die oberfte Strede
die Baugrenze erreicht, fo beginnt man mit dem
Abbau. Zur Unterftüsung des bloßgelegten Han-
genden bringt man Stempel an, nad) Sn in
mwegnahme das Gebirg hineinbridht. Dieſes Zu-
bruchemwerfen ift nothwendig, um den Pfeiler vom
Gebirgsdrude zu befreien; jedoch muß die Zim-
merung in der Nähe des Arbeitsftoßes ftehen blei—
ben, jo daß letsterer immer offen ift.
Der Diagonale u, der ſchwebende Pfeiler-
bau wird bei flachem Einfallen angewendet, wo,
wie oben bemerkt, eine Bremsmaſchine nicht mehr
anzubringen ift; er ift in Bezug auf Theilung
der Banabtheilung in Pfeiler u. auf Gewinnung
der letteren nicht verjchieden von dem ftreichenden
Pfeilerbau.
Der Stodwerfbau ift befchränft auf mäch—
tige Lagerſtätten, u. fett eine große Feſtigkeit der-
felben voraus. Als Beiſpiel ıft das Zwitterſtoch-
werk zu Altenberg im Sächſiſchen Erzgebirge anzu-
führen. Bon einem Schachte aus geht man mit
einem Querſchlage in das Stodwerl u. fucht die
edleren Partien dejjelben zu gewinnen, indem die
unedleren als Bergfefte ftehen bleiben, Diele
Weitungen werden 12—16 m weit u. ca. 12 m
hoch; die ftehenbleibenden Pfeiler müſſen 10 m
ſtarl bleiben, um den Bau nicht zu gefährden.
Der Bruchbau dient für mächtige, fteil auf-
gerichtete Lager, deren Maſſe feine großen Weit-
ungen geftattet, Er darf nur in der tiefften Soble
beginnen; hat man mit dem fog. Bruchort eine
baumiirdige Partie aufgefunden, jo erweitert man
daffelbe u. läßt das Mineral bereinvollen. Erſt
wenn das Nacrollen aufgehört hat, geht man
weiter vorwärts.
Der Grubenausbau hat den Zweck, Drud
bon den Grubenbanen abzuhalten, ſei es Waffer-
drud, oder Gebirgsdrud. Erſterer macht fi
bemerflih beim Zurückdämmen der die Gruben-
baue bedrohenden Waſſer. Gegen das Zufam-
menbrechen der unterirdiihen Räume jchügt man
fih durch verjchiedene Mittel: 1) durch eine
entfprechende "Beftaltung diefer Räume (bei feſtem
Gebirge); 2) durch Stehenlaffen von Gebirgsmitteln
oder Theilen der Lagerftätten; 3) durch Berge:
derſatz; 4) durch Zimmerung; 5) durch Mauer-
ung; 6) dur Ausbau mit Eifen, Die Zimmer:
ung it am jchmellften herzuftellen u. erfordert die
geringften Koften, eignet ſich alfo in allen Fällen,
wo der Ausbau nicht jehr lange zu halten braucht.
Mauerung ift jehr widerftandsfähig, erfordert aber
u ihrer Anbringung größeren Kaum u. größeren
ufwand an Beit u. Geld. Eiferner Ausbau ift
die foftfpielfigfte Art des Musbaues, aber in man-
hen Fällen unentbehrlih. Er hat vor der Mauer»
ung den Bortheil, daß er weniger Raum zu ſei—
ner Anbringung erfordert. Am beften eignen fich
harte Hölzer zur Grubenzimmerung u. demnächſt
angewendet werben. Die Zimmerung ift zu un—
tericheiden nach der Art der zu fihernden Gruben—
baue als Zimmerung in Streden u. Bimmerung
in Schädten. Bei der Zimmerung in Streden
ift zu untericheiden: einfache, aus einzelnen felb»
fändigen Hölzern (Stempeln) beftebende, u. zu.
fammengefegte, bei welcher mehrere Hölzer in Ber«
band gebracht find. Bei der einfahen Zimmer-
ung wirft jedes Holz für ſich als Säule, oder als
Ballen. Die zujammengtiegte Zimmerung fell
ganze Flächen fihern. Letzteres wird beabjichtigt
bei den Fjirftenfaften. Auf zwiſchen Hangendes
u. Yiegendes getriebene Stempel werden Hölzer
gelegt, welche mittels aufgelagerter Berge das
Seftein am Hereinbrehen hindern. Die Sicer-
ung mehrerer Flächen erreicht man mit Thürftod-
zimmerung. Sie iſt überall anwendbar, wo die
Strede einen rechteckigen oder trapezförmigen
Querſchnitt erbält mit horizontaler Firfte u. Soble.
Die ganze Thürftodzimmerung bejteht aus einer
nad drei oder vier Seiten geichlofjenen Eonftruc«
tion; Die halbe wird angewendet, wenn nur ein
Stoß u. die Firſte zu fichern ift. In geneigten,
plattenförmigen Yagerftätten wendet man die Schal-
bolz» oder Unterzugzimmerung an, wenn das
Hangende u. ein oder beide Stöße zu fichern find.
Das Charafteriftiiche ift, daß die zur Sicherung
der Firſte anzubringenden Hölzer nicht horizontal
gelegt werden, wie bei der Thüritodzimmerung,
fondern im Einfallen der Yagerftätte. In rolligen
Maſſen kommt die Abtreibearbeit vor. Bei dieſer
geht die Anbringung. der Zimmerung der Gewin—
mung der Maſſen voraus. Bon einem Thürftod-
geviere aus treibt man nämlich an Firſte, Sohle
u. den Stößen Abtreibepfähle (vorn zugeihürfte
ſchmale Bretter) in das Gebirg ein; das Gebirg
wird dann hereingenommen u. die Pfähle durch
eine neue Thürftodzimmerung geftügt. Die Zim-
merung in Schädten tft verſchieden je nach der
‚eftigteit des Gebirges. Bei feitem Gebirge fichert
man in der Regel alle vier Stöße durch vollftän-
dige Geviere, von denen zwei gegenüberliegende
Jöcher heißen, die beiden anderen Kappen. Die
Seviere ruhen auf Trageftempeln, d. i. im bie
Stöße eingebühnten Hölgern; Diefelben tragen mits
tel8 der Bolzen (im die Schadhteden geftellte
Berticalhölzer) die einzelnen Geviere, melde mit
Rückſicht auf den Gebirgsdruck mehr oder weniger
von einander entfernt angebracht werden; bei jehr
ſtarkem Drude werden ındeß die Geviere dicht
auf einander gelegt. Auch die Entfernung der
Trageftempel richtet fi nad) der Feſtigleit bes
zu fihernden Gebirges. Die Zimmerung in donn«
lägigen Schächten nähert fih je nad) dem Neig-
ungsminfel bald mehr der Streden-, bald mehr
der Schadhtzimmerung. In loſem u. ſchwimmen—
dem Gebirge wender man Abtreibezimmerung au,
die in derfeiben Weife, wie bei Streden, ange»
bracht wird. Die Mauerung wird in Streden u.
Schädten angewendet, hauptjählid aber in letz
206
teren. Zu derielben verwendet man faft aus-jchenräume zwiſchen den Kränzen werden durch
khlieglich Ziegelfteine, die allerdings tadelfrei fein |eingerriebene Holzteile ausgefüllt bis zum völligen
müſſen; als Mörtel in der Haupiſache bydrauli»-Abichluß des Waſſers. Die in der Mitte der Auf-
ſchen, aus gleichen Theilen Kalt u. Traß beftehend. ſatzkränze befindlichen Löcher laſſen bei diejer Ar-
Bei Mauerungen, von denen man ein jehr rajches|beit das Waſſer durchftrömen, bis auch fie zuletzt
GErhärten des Mörtel erwartet, ift Lünftlicher|verfeilt werden. Sehr wichtig ift als Methode
Bergbau.
Gement in Anwendung.
it entweder Scheibenmauerung, oder Gewölbe»
manerung. Die Gemwölbemauerung ift zu unter
ſcheiden als ganze, oder halbe, je nachdem jämmt«
lihe Stöße, oder nur einer zu fichern if. Der
Querſchnitt der Strede wird bei geringerer Weite
elliptiich, bei größerer freisrund genommen. Bei
theilmeifer Ausmanerung ift es von großer Wid-
tigkeit, gute Gefteinswiderlager für den Anſatz
der Gemwolbe zu erhalten. Die Stärle der Mauern
nimmt man in der Regel zu 14 Stein = 375 mm,
weil hierbei fich leicht ein gehöriger Berband ber-
ftellen läßt. Unmittelbar umter der Zagesober-
fläche werden Schädte faft ftet3 ausgemauert.
Mauert man die Schächte in der ganzen Tiefe
aus, fo geſchieht es entweder abſatzweiſe, oder
von unten herauf hinter einander bis nach oben;
das erftere geſchieht hauptfählih dann, wenn
man drudhaftes Gebirg durchteuft u. die entblöß-
ten Geſteinsflächen baldmöglichſt ſichern muß.
Sehr wichtig iſt die Wahl eines geeigneten Ge—
ſteines zum Aufſetzen der Mauer. Um das Waſſer
von den Grubenbauen abzuhalten, iſt waſſerdichter
Ausbau derſelben nothwendig; dieſelbe findet faſt
nur in Schächten Anwendung. Dieſer Ausbau
lanu in Holz erfolgen u. beſteht dann aus dicht
auf einander gelegten Hölzern, die auf in gewiſſen
Entfernungen von einander angebradpten, in die
Stöße eingebühnten Hölzern, den Xrageftem-
pein, ruhen. Dan nennt diefen Ausbau ganze
Schrotzimmerung; die Zmilchenräume zwiſchen
den einzelnen Hölzern,, die Fugen, werden
mit Hanf Halfatert. Überwiegend wird zur
Abdänmung der Grubenbaue Mauerung ange
wendet; fie hat, wenn fie gut ausgeführt ift, vor
der Zimmerung den Vorzug unerjchütterlicher
Dauer. Sie ift, wie die gewöhnliche Schachtinauer-
ung, eine abjagmweife, oder ein von unten ber-
auf erfolgende, u. hat 2—3 Ziegelfteinftärfen —
500— 750 mm. Bei ſehr ftarten Wafferzufläffen
dichtet man die Schächte mit Gußeifen, den fog.
Zubbings, eine Methode, die zwar wejentlich theue-
rer ift, als Mauerung, aber auch weit ficherer u.
volltändiger zum Ziele führt, Diefer Bau jetzt
einen runden Schadt voraus, Man unterjcheidet
bei diefem Ausbau, der immer abjatweife erfolgt,
Trage- oder Keilfränze, welche, in das Geftein
angelegt, als Fundament dienen, u. Aufſatzkränze.
Ein King Aufjagkränze befteht aus 10 — 12
einzelnen Segmenten von 300—600 mm Höhe;
die Keiltränze find niedriger, aber ftärler. Zur
Berlagerung eines Keilkranzes fucht man fich eine
waſſertragende, undurdläffige Schiht aus. In
dein Kreidemergel, mwofelbft bie Urt des mafler-
dichten Ausbaues hauptſächlich Anwendung findet,
Die Stredenmauerung|zur Herſtellung waſſerdichter Schächte das Bohren
derſelben und die Cuvelirung des ausgebohrten
Schachtes unter Waffer; man eripart hierbei das
jo foftipielige Wafferhalten (Pumpen) während
des Abteufens. Es ift bei größeren, 2 cbm pro
Diinute dauernd überfteigenden Zuflüffen die un-
zweifelhaft mwohlfeilfte Methode. Die Methode be»
iteht darin, daß zunächſt ein engerer Schacht von
1,, m Weite vorgeftoßen wird; dann nimmt man
die volle Weite bis zu 4,,, m, u. ſchließlich jet
man die Cuvelage ein. Die Methode ift von Kind
zuerft 1849 zu Schöned in Deutſch-Lothringen
angewendet u. fpäter von Chaudron vervolllomm«
net. Die Conjtruction der Bohrer ift folgende:
In ein qußeifernes Gerippe wird eine Reihe von
Meißeln feſtgeſetzt; diejes gilt jowol von dem enge»
ren Schachte, als von dem weiteren. Die Bobre
erhalten Führungen, um das verticale Eindringen
in das Gebirg zu fihern. Als Motor dient eine
Dampfmajchine, welde an einem Schwengel ans
greift (f. Bohrer). Iſt der Schacht bis auf die
wafjertragende Schicht abgeteuft, jo wird die Cu
velage eingebracht. Sie befteht aus gußeiſernen,
aus einem Stüde gegoffenen Eylindern, die außen
glatt, im Innern mit horizontalen Rippen ver»
jehen find. Die Ringe find 1,, m ho u. 40 mm
jtart; fie werden aneinandergeichraubt. Die Eu-
velage ift etwas enger, als der abgebohrte Schacht,
jo dad an den Schachtſtößen etwa O,., m frei
bleibt. Zwiſchen die einzelnen Ringe legt man
zur Dichtung Bleiringe. Der Anſchluß des Fußes
der Cuvelage wird mit der Moosbüchje erreicht,
Diefelbe bejteht aus einem eifernen Cylinder, der
mit einer Moosihicht von 1 m Höhe umgeben
iſt; auf diefe Schicht wird der eiferne Schadht im
einzelnen Ringen aufgefegt u. durch Zufammen-
drüden der Moosihicht die Wafferdichtigkeit er-
zielt. Schlieflih wird der Raum zwiſchen Cu—⸗
velage u. Schachtſtoß durch Betoniren, d.h. Aus-
füllen mit hydrauliſchem Mörtel, abgeſchloſſen. Hat
man lodere und zugleich wafjerreihe Maſſen zu
durdhteufen, fo erfolgt ſolches mit Senlſchächten.
Das Genten kann geſchehen bei gleichzeitiger
Waſſerhaltung, oder unter Waffer; die erftere Me-
thode ift die häufigere. Der einzufentende Schacht
muß von außen glatt fein; man belleidet demzu-
folge die Mauer mit Brettern. Die geeignetfte
Form ift die runde. Das Sinten der Mauer
wird unter fortwährender Wegräumung der abr
gejhnittenen Maſſen durch das eigene Gewicht
der erfteren bewirkt. Zum Eindringen in das
Gebirg dient der Roſt, ein aus Bohlen oder aus
Gußeiſen conftruirter Körper von dreiedigem Quer»
ſchnitt. Auf dieſem Roſte wird die Mauerung
aufgeführt. Bei Bohren ohne Waſſerhaltung wird
wechſellagern ſolche waſſerdichte Schichten mit wafjer- |da8 Gebirg durch Sadbohrer ausgeräumt. Die
durchlafjenden. Auf den Keilfranz werden die Auf- Bohrer werden entweder durch Menfchenhand im
jagfränge aufgebaut bis zum Anflug an den 8 Bewegung geſetzt, oder durch — Kräfte,
bis 16 m höher liegenden Keillranz, oder foufti» oder a afhinen; in legterem Falle wird im
gen wafjerdichten Ausbau (Sentmaner). Die Zwi- der Regel der ganze Schadhtquerfhnitt auf ein-
Bergbau.
207
mal ausgebohrt. Die Bohrer beftehen aus einer,der horizontalen Seilförderung) angewendeten un«
unten fpigen Stange, mit welder ein Gerippe
von Eifenftangen in Verbindung fteht, an wel—
dem die das Gerippe abjchneidenden Meſſer u.
die Säde befeftigt find. Gußeiferne Sentihächte
werben im Allgemeinen nur dann angewendet,
wenn e3 nicht gelungen ift, die ganze Mächtigfeit
des ſchwimmenden Gebirge mit der Sentmauer
zu durchteufen; diefe find in der Gomitruction
gleich den Kindſchen Bohrihädten. Der Abſchluß
der Sentmauer oder des Senthlſchachtes erfolgt
durch die eigentlihe Schadhtmauer; unterhalb des
Sentihachtes läßt man nämlich einen Gebirgsteil
fieben, den man erit dann wegnimmt, wenn man
den Schacht von unten herauf ausgebaut hat.
Ein weiteres Mittel, von den Grubenbauten die
Baffer zurüdzubalten, ift die Berbämmung. Dieje
Arbeit wird in der Kegel nur in Streden vor-
genommen, wobei man unterjcheidet Abdämmung
mit Holz oder mit Diauerwert, Im Allgemeinen
muß man darauf achten, daß während der Aus»
führung der Dammarbeit der Waſſerabfluß nicht
gehemmt werden darf, w. hierfür durch proviio-
riſche Dämme und dur Einban eines Abfluß
rohres in den definitiven Damm Sorge tragen.
An der Stelle, wo der Damm eingebaut werden
fol, muß das Geftein gejund u. ohne Klüfte, alſo
zum Widerfager geeignet jein. Gemauerte Dämme
erhalten bis zu 2,, m Stärfe u. nach außen u.
innen gewölbte Flächen. Der Mauerlörper iſt
breiter nad der Wafferfeite, fchmaler nach der
entgegengejegten. Gut ausgeführte Mauerdämme
find, wie Schachtmauecungen, von unzerftörbarer
Daner.
Die Förderung befaßt fih mit dem Trans:
port der beim Bergbau gewonnenen Mineralien.
Man unterjheidet Grubenförderung uw. Tageför-
derung u. als Verbindung beider Schachtfoͤrder—
ung; bei der Grubenförderung unterjcheidet man
Förderung auf jöhligen oder beinahe jöhligen, u.
en auf geneigten Ebenen. Bei der Gru—
enförderung werden gebraucht Karren, Hunde u.
Bagen. Bei den Hunden hat man zwei größere
Hinterräder u. zwei kleinere Borberräder, um das
Gefäß auch auf jenen Nädern allein transportiren
zu fönnen; bei den Wagen find die vier Mäder
gleih groß. Die Wagen unterfcheidet man, je
nachdem das Rad nicht mit Spurkranz verjehen
it, als deutjche, oder umgekehrt als engliſche Wa:
gen. Hiernach ift ſelbſtredend auch das Geflänge,
d. h. der Laufweg für die Wagen, verichieden.
Bei deutichen Wagen muß das —— zur Führ⸗
ung des Rades eine Rippe haben. Die bei eng—
liſchen Wagen übliche Conſtruction iſt ein kleineres
Format der Eiſenbahnſchienen. Die Grubenwagen
enthalten 6— 10 Etr. Sie werden vielfah aus
Eijenblech hergeftellt. Als bewegende Kraft wer-
den verwendet Menichen, Pferde u. Dampfma-
ihinen. Pferde leiften das Sechs- bis Neunfache
eines Menſchen; fie werben um fo vortheilbafter
verwendet, je länger bie zurüczulegende Strede
it. Die Förderung mit Dampfmaſchinen ift in
England am meiften verbreitet; man bält dort in
den Fällen, wo 7 Pferde zur Bewältigung der
Maſſen erforderlich find, die Anwendung von Ma-
fhinentraft für vortbeilhafter. Die hierbei (bei
terirdiihen Maſchinen erhalten ihren Dampf ent-
weder von in der Nähe aufgeftellten Keſſeln, oder
von Tage bereingeleitet. Die bewegten Züge be»
ftehen je nach den Berbältniffen aus 20—80 Wa-
gen von je 7—10 Eir. Inhalt. In früheren
Zeiten transportirte man auch wol das Haufwerk
auf Kähnen in jchiffbar gemachten Stollen; man
ift inde von diefer Metbode wegen ihres geringen
Effects wieder zurüdgelommen. Bei der ;Förder-
ung auf geneigten Ebenen benutzt man die Schwere
als bewegendes Moment. Die Anwendung dieſes
Principes geftaltet fih beim Bergbau, wo die
Mafien in der Regel zunächſt abwärts transpor-
tirt werden u. hierbei die Nothwendigleit fich er-
gibr, zum Erfage der beladenen Gefäße leere zurid-
zuſchaffen, jehr günftig. Die Abwärtsförderung ge—
ſchieht in der Regel durch Bremsberge (ſ. u. Bremſe).
Neben ihr befteht noch in Lagerftätten, welche mit
30 Grad u. mehr einfallen, die Rolllochförderung,
indem die gewonnenen Maſſen von einem höberen
Niveau Durch eine in der Yagerftätte bergeitellte
Strede (eine Rolle) abgeftürzt werden. Die Brems-
bergförderung findet fiıh unter Tage faft nur auf
Steintohlengruben, über Tage jedoch auch beim
Erzbergbau angewendet. Die Bremsberge find
entweder in der Yagerftätte, oder im Geſtein her-
geftellt; fie find in Fallwinkeln von 2 Grad bis
90 Grad bergeftellt. Zum Mäßigen der Berweg-
ung dienen Bremjen, welde in der Regel an
hölzernen Bremsſcheiben wirfen. Die Bremſen
jind entweder Badenbremien, melde nur einen
Tbeil der Scheibe, oder Bandbremjen, welche die
Scheibe faft ganz umfaflen. Bei geringer Neig-
ung bremft man die Wagen, rejp. Wagenzüge
direct ab; bei 20 Grad überfteigender Neigung
muß man jedoch die Wagen auf ein Geftell jchie-
ben. Wlsdann läßt man die leeren Wagen nicht
direct durch das mit dem vollen Wagen belajtete -
Geftell binaufziehen, fondern bedient fich eines
Gegengewichtes, welches leichter als dieſes Geitell
durch dafjelbe aufgezogen wird, feinerfeits dagegen
das Geftell mit leeren Förderwagen in Bewegung
ſetzt. Der Raum für das Gegengewicht ift ent
weder neben, oder unter dem filr das Geſtell be-
fimmten Raume bergeftellt. Bei Förderung aus
einfallenden Streden benutt man Pferdegöpel (ſ.
unten) u. namentlich Majchinen mit comprimirter
Luft, welche gleichzeitig zur Bentilatton der ber
treffenden Berriebspuntte dienen. Die Schadt«
förderung ift verichteden für faigere u, für dom:
lägige Schächte, ſodann auch mad der Art der
bewegenden Kraft. Bei Anwendung von Men—
ſchenkraft bevient man fih der Haſpel, bei ande-
ren Motoren der Göpel (PBferde-, Waflerrad- oder
Dampfgöpel). Bei der Hafpelförderung benutzt
man als Gefäße in der Hegel Kübel. Der Haj-
pel befteht aus einem Hundbaum u. den Kurbeln
zum Dreben (den Hörnern). Die Rundbäume
haben 0,,5,—1 m Durchmeffer, je nachdem der
Halpel ein» oder zweimännijch ift; fie liegen mit
den Achſen auf Halpelftüten. Als Seile wendet
man in der Regel Hanfleile an. Bei der Göpel-
förderung if ſehr wichtig die Führung der För—
dergefäße im Schadte. Bei jaigeren Schädhten
wendet man, falls Gejchwindigfeiten über 2 m
208
Bergbau.
pro Secunde nothwendig find, hölzerne Leitbäume, Das Princip der Fahrkunſt befteht darin, ein Gew
an, welche von an den Fördergefäßen angebrad-
ten Leitſchuhen umfaßt werben Cie Leitbäume ba»
ben Dimenfionen von 100—150 mm), oder Eifen-
bahnichienen, oder Drahtfeile, welche legtere von
an den Eden der Fördergeſtelle angebrachten Rin-
gen umfaßt werden, Die Fördergeſtelle find in
der Megel in Eifen conjtruirt. Das Material der
Förderſeile ift Hanf, Eiſen- oder Gußftahlbraht,
oder Aloe, Die Stärke der Drähte beträgt 2 bis
3 mm, je nad dem Durchmeſſer der Seile; die
Seile haben je nach der zu hebenden Laft Durdh-
mefjer bis zu 50 mm; Nlotjeile werden faft nur
in platter Form angewendet. Zur Verhütung
der nachtheiligen Folgen eines Seilbruches bringt
man an den Fördergeſtellen Fangvorrichtungen an.
Die gebräuchlichſte ıft die Gonftruction, bei mel-
her die Leitbäume von beiden Seiten ber durch
gezahnte Ercentrics erfaßt werden. Die Ercentrics
werden durch Gußftahlfedern, welche beim Reigen
des Seiles zur Wirkung fommen, mit den Zäh—
nen in die Yeitbäume eingedrüdt. Zum Auffetzen
der Fördergeſtelle an der Hängebanf dienen die
Caps, in Scharnieren bewegliche, in den Stößen
angebrachte Stüten, welche eine geneigte Stellung
in das Schadttrum haben, beim Aufgange des Ge-
ftelles durch diejes zuridgedrüdt werden u. dem-
nächſt von jelbft zurüdfallen. Die Seilſcheiben
haben einen Durchmeſſer von 1,,—4 m. Sie
werden ans gußeifernen Kränzen u. Naben mit
eingegoffenen ſchmiedeeiſernen Speichen hergeftellt.
Die Haupttheile eines Pferdegöpels find: die Gö—
pelwelle, an deren oberem Theil der zur Auf-
nahme des Seils dienende Geiltorb angebradıt
it, u. der Rennbaum (Schwengel), an welchem
die Thiere arbeiten. Die Seillörbe find fat im-
mer cylindriih; die Seile find Rundſeile. Die
Beipannung erfolgt durch 1 oder 2 Pferde. Unter
den bydrauliihen Motoren unterfcheidet man Kehr-
radgöpel, Wafferaufzüge u, Wafferfäulengöpel; fie
ipielen nur in gebirgiger . eine Kolle, wo
dur eine gut eingerichtete Wafferwirthichaft mit
Leichtigleit die Kraftwafjer gefammelt u, verwendet
werden können, beifpieläweife im Harz und im
Sächſiſchen Erzgebirge. Am widtigften find un-
ter den Motoren zur Schadhtförderung die Dampf-
göpel; fie geftatten bei großer Kraft Geſchwindig—
feiten bis zu 8 m pro Secunde und find beim
Steinfohlenbergbau unerjeglih. Die gebräuch—
lichfte Conftruction ift die mit 2 Enlindern (ſog.
Zwilliugsmaſchine), welde das Schwungrad ent-
behrlich macht; die Eylinder werden in der Hegel
liegend montirt; die Seillörbe find auf derfelben
Welle angebracht, an welcher die Zugftangen an-
greifen. Die Steuerung wird mit Bentilen be-
wirkt; zum Umfegen der Mafchine bedient man
fih der Couliſſe. Die Seiltörbe find felten cy-
lindriſch, meift koniſch zur Ausgleihung des Seil-
ibergewidtes. Am vollfommenften wird biejer
Zwed erreicht durch Spiraltörbe, bei welchen ſich
jeder Seilumſchlag in die für ihm beftimmte Nute
des Korbes einlegt; diejelben erhalten Durchmeſſer
von 2 m an der Heinften u. 10 m an ber größ-
ten Endfläde.
Die Fahrung erfolgt beim Bergbau auf Fahr-
ten (Leitern), auf Fadrtünften, oder am Seil.!
fänge, an welchem in gewiffer Entfernung wieder
fehrend Bühnen angebracht find, zu heben u. zu
jenfen; der auf einer ſolchen Bühne Stebende tritt
im gegebenen Moment auf eine andere Bühne
ab. Die Fahrkünſte find entweder doppeltrümig,
oder eintrümig; bei erfteren ift das Geſtänge eın
doppeltes, bei letteren ift das Geftänge einfach.
Bei der eintriimigen Fahrkunſt tritt man auf eine
fefte Bühne ab u. wartet, bis das Geftänge mit
der beweglihen Bühne wieder neben der feften
angelangt ift, während man bei der doppeltriimis
gen Fahrkunſt infolge Übertretens auf die Bühne
des zweiten Geftänges ununterbrochen in Beweg—
ung if. Das Geftänge für die Fahrkunſt ift ent—
weder ein hölzernes, verjehen mit eifernen Laſchen,
oder ein eifernes. Die Fahrkunſt hebt oder ſenkt
den Fahrenden jedesmal um ungefähr 4 m. Als
bewegende Kraft werden verwendet Waſſerräder
und Dampfmaſchinen. Wegen der großen Koft«
jpieligfeit der Fahrkünfte gewinnt das jahren am
Seil eine immer größere Verbreitung, zumal da
ftatiftifch feftiteht, daß bei gut eingerichteten und
beauffihtigten Seilfahrungen die Gefahr für dem
Fahrenden mindeftens wicht größer ift, als bei
der Fahrkunſt. Die Einrichtungen bein Geilfah-
ren find diefelben, wie bei der Förderung, da die»
jelben Apparate und Mafchinen zur Anwendung
gelangen.
Unter Wetterfübrung verfteht man die Ver—
jorgung der Gruben mit friſcher Luft u. die Ber-
theilung derjelben auf die einzelnen Betriebs-
punfte. Zugleich muß die verborbene Luft ent«
fernt werden. Außer den Producten des Ath—
mungsproceffes find der Grubenluft folgende jchäde
lie Gafe beigemengt: Koblenfäure, leichtes uud
ichweres Kohlenwafjeritofigas u. Kohlenorydgas.
Man unterſcheidet matte Wetter, ſolche mit gerin-
gem Sauerftoffgebalte; böſe Wetter, die dem Orga»
nismus feindliche Gaſe enthalten; jchlagende Wet-
ter, die wegen ihrer leichten Entzündbbarfeit Ge—
fahr bringen, u. brandige, die Berbrennungspro-
ducte mit fih führen. In den erfigenannten
Wettern brennt die Lampe jchlecht, u. man athmet
ſchwer, während von den beiden letztgenannten
das Gegentheil gilt. Das gefährlichſte Gas ift
unzmeifelbaft das Grubengas, beitehend aus
Wafferftoff u. Koblenftoff; es bildet im Gemenge
mit atmoſphäriſcher Luft die fogen. ſchlagenden
oder erplodirenden Wetter. Die ftärfften Erplo-
fionen finden ftatt bei einer Mengung der Luft
mit 4 Gas; bei ftärferer Beimengung erlifcht die
Flamme. Nah der Erplofion bleiben in Folge
Verbrennung des Sauerftoffes der Luft irrefpirable
Safe, die ſog. Nachſchwaden, zurüd; diefelben be-
ftehen aus Kohlenfäure u. Stidftofl. Den Wetter-
zug unterjcheidet man als natürlichen u. Fünftli-
hen. Der Wetterzug ift das Nefultat des Be—
ftrebens, wonach eine Störung im Gleichgewichte
der Luft fih auszugleihen ſucht. Dieſe Befeitig-
ung wird bei natürlichem Wetterzuge herbeigeführt
durch den Temperaturunterſchied unter und über
Tage; bei künſtlichem Wetterzuge ſucht man bie
Verſchiedenheit in der Dichtigfeit der Luft zu er-
höhen durch Verdünnen des ausziehenden, oder
Verdichten des einziehenden Wetterſtromes. Die-
Bergbau. 209
je8 erreicht man durch Wetteröfen, die ſowol unterführen jedoch meistens Nachichlüffel mit fich, oder
Tage, als auch über Tage aufgejtellt werden füu-|wiffen doch durch allerhand Mittel die verichloffene
nen, ober buch Wettermajcinen, welde in der Lampe zu öffnen. Die Möglichkeit des leichten
Regel jaugend wirken. Die gebräuchlichſien unter|Offnens ift in vielen Fällen die Urfache von Er-
diefen find die Eentrifugalventilatoren. Man hat} plofionen geweſen, fodann aud ein rajches Seiten-
diefelben in Heinen Dimenfionen für den Hand-|bewegen der Lampe, wodurch die Flamme durch
betrieb conftruirt zur Wetterverforgung einzelner
Berriebspunfte (Wettertrommeln), underfeits mit
befonderer Betriebsmaſchine zur Bentilation gan«
zer Gruben. Eine Wettertrommel befteht aus
einer mit Flügeln verſehenen Welle innerhalb eines
Gehäufes, weldes mit einer Einzieheröffnung in
der Nähe der Achfe u. mit einer Ausftrömungs-
Öffnung am Umfange verfehen it. Die gebräuch—
lichſte Maſchine zum Bentiliven ganzer Gruben ift
die Guibaliche. Diefelbe bejtebt aus 6—8 Flü-
gein, die bis zu 3 m Breite und bis zu 10 m
Durchmeſſer haben. Das Rad ift mit einem ge-
manerten Gebäufe verfehen. Es leiſtet in der
Minute mit Yeichtigfeit 1000 kbm, Cine eben-
falls häufig in Anwendung fommende Maſchine
ift der Fabryſche Ventilator, beftehend aus 2 Rä-
dern; jedes hat 3 Speichen, von denen jede mit
einem Querarme verjeben ift. Bei Bewegung der
Maschine greifen Querarme u. Speichen jo inein-
ander, daß fie dicht an einander abfchließen. Wetter-
maſchinen findet man bauptjächlich in Deutjchland,
Belgien und Frankreich angewendet, während in
England die Wetteröfen in vorzugsweiſer Benut-
ung ftehen. Bei der Wetterführung bat man den
einziehenden Strom von dem ausziehenden mög-
üchft getrennt zu halten; dieſes wird jehr erleid
tert durch die Eriftenz zweier Verbindungen mit
der Tagesoberfläche, feien e8 zwei Schächte, oder
ein Schacht u. ein Stollen. Die einftrömenden
Better läßt man bis zur tiefften Sohle fallen u.
führt fie dann auffteigenb vor die einzelnen Be-
triebspunfte und fchlieplih zum ausziehenden
Schachte, reſp. Schadttrum. Die Bertheilung
der Wetter wird bemwirft durch Wetterthüren,
Bettervorbänge, Wetterjcheider u. Wetterlutten,
Die Wetterjcheider find entweder gemauert, oder
gezimmert; die Wetterlutten werden fowol aus
polz, als aus Zink hergeſtellt.
Zur Beleuchtung führen die Bergleute meiften-
theits Lampen mit fih von mannigfacher Conftruc-
tion, in ſchlagenden Wettern jedoch die Sicherheits-
lampe. Diejelbe ift erfunden von Davy 1815 u.
beruht auf der Thatſache, daß enge Metallgeflechte
die auf der einen Seite erfolgte Entzündung nicht
nach der anderen fortpflanzen. Auf einer runden
Lampe ift ein fegelfürmiges Drabtgefleht aufge
ſchraubt. Die urſprüngliche von Davy conſtruirte
Lampe leidet ſehr an Mangel an Helligkeit, ein
Übelftand, den man durch Erjegen des unteren
Theil des Geflechtes durch einen Olascylinder
erfolgreich bejeitigt hat. Zum Schutze gegen das
Erlöihen der Lampe in ftarfen ſchlagenden Wet-
tern, oder bei fhräger Haltung, hat man über
der Flamme einen Blechtamin hergeftellt. Leider
⸗
das Geflecht nach außen geſchleudert wird. Sehr
wichtig iſt auch ein ſorgfältiges Inſtandhalten aller
Theile der Sicherheitslampe, namentlich des Drabt-
geflechtes. Nad der Natur der Berhältniffe bietet
die Wetterlampe nur einen verhältnißmäßig ger
ringen Schub; das Hauptmittel zur Bejeitigung
der Gefahr iſt die Verhütung der Anſammlung
des Grubengafes durch — friſche Wetter.
Zum Eindringen in Räume, welche mit ſchäd-
lichen Gafen erfüllt find, wird der Nouquayrof-
Denaprouzefche Rettungsapparat benugt. Er be-
fteht aus einem runden eifernen Gefäße von 80 mm
Weite und 50 mm Höhe: daffelbe wird mit compri—
mirter Luft gefüllt. Auf dem Cylinder ift ein Blech—
franz von 115 mm Weite u. 45 mm Höhe befeftigt
u, auf diefen eine Kautichufhaube aufgefett, aus
welcher die Luft dem Arbeiter dich einen Summi-
ſchlauch zugeführt wird, welchen er mit den Zähnen
fefthält. Die ausgeathmete Luft gebt denfelben Weg
zurüd, entweicht aber aus dem Blechkranzbehälter
durch ein Nöhrchen, welches durch 2 dünne Gummi—
blättchen leicht, aber luftdicht geichloffen ift. Der
Upparat ift auf dem Rüden tragbar. Man hat
in neuerer Zeit den Yuftcompreffionsbehälter fehr
groß gemacht und fchidt den Arbeiter mit dem
Gummiſchlauche an die Stelle der Gefahr. Durch
Beobadhtung des Spiel der Ventile für die im
den Apparat eintretende u. aus demjelben aus-
tretende Luft kann man fich leicht überzeugen, ob
der Mann regelmäßig athmet, oder in Gefahr ift.
Zur Berhütung des Athmens durch die Nafe muß
diefe geichloffen gehalten werden. Man braucht
diefe Hettungsapparate einerfeits bei der Nettung
ven betäubten, dem Erftidungstode ausgefetten
Berfonen, anderfeits bei den Arbeiten zur Befei-
tigung der Einengung der Örubenbrände, die bei
der großen Neigung mancher Flötze zur Selbft-
entzündbung nicht immer zu vermeiden find.
Die Wafjerhaltung bezwedt die Freihaltung
der Grubenbaue von Waffer, alfo einerfeit$ die
Zurüdhaltung der im Gebirge befindlichen, ander:
ſeits die Hebung der eingedrumgenen Waffer, Das
Zurüdhalten der Waſſer erfolgt durch die oben
bei Gelegenheit der Methoden des wafferdichten
Ausmanerns beſprochenen Mittel, Man fucht fer-
ner durch Stehenlaflen von Sicherheitspfeilern das
an der TZagesoberfläche befindliche Waffer von den
Örubenbauen zurüdzubalten, oder leitet Bachläufe
mittels waſſerdichter Gerinne über die Stellen hin-
weg, unter denen gearbeitet wird. Zur Wajler-
bebung auf„geringe Höhen fördert man es mit
Kiübeln, wobei jede Kraft als Motor verwendet
werden kann; bei größeren Höhen benußt man
die Pumpe. Die wejentlihen Theile der Bumpe
if es noch nicht gelungen, einen fiheren Verſchluß, find: das Kolbenrohr mit dem Kolben, die Saug-
für die Sicherheitslampe zu erfinden. In der
Regel wendet man verticale Schrauben an, welche
röhren, die Steigröhren u. die Ventile. Saug-
pumpen, wie ſolche auf den gewöhnlichen Brun-
durch den Dibehälter hindurch gehen, in den Mef- nen ftehen, fommen beim Bergbau felten in An-
rand für den Glascylinder eingreifen u. durch wendung. Wir haben deshalb nur zu unterſchei—
Schlüffel geöffnet werden können. Die Bergleutelden Hubpumpen, bei welden das Waffer durch
Pierers Univerfal-Eonverfations-?erilon. 6. Aufl, IL Band.
14
210
Bergbehörde — Bergblau.
den Aufgang des — gehoben wird, u. Drud-| ” Was die Musbeute an Bergwerfspro-
pumpen, bei weldyen das Wafler beim Niedergange
des Kolbens durch diefen fortgedrüdt wird. Die
erftere hat dem zufolge einen hohlen, mit Klappen
verfehenen, die Drudpumpe einen völlig geichloffe-
nen Kolben. Die gebräudlichfte Form der Bentile
find die Klappenventile, beftebend aus einer Yeder-
icheibe, welche oben u. unten mit Eiſenblech be—
ichlagen ift. Diefe einfachen Bentile haben ihre
Stelle behauptet gegenüber den vielfachen Con»
ftructionen von Bentilen, welde alle den Fehler
des leichten Verfagens haben u. bierdurd) für den
Srubenbetrieb verhängnigvoll werden lönnen. Die
einfachfte Konftruction eines Saugfolbens ift der
Stulptolben. Er befteht aus einem hohlen Cy—
linder mit einer aufliegenden Klappe u. Seiten-
liderung. Die fiderung wird dadurch bemirft,
dag beim Aufgange das Waffer den Stulp au
die Wand des Kolbenrohres preßt. Der Stulp
beiteht in der Hegel aus Rindsleder; er wird durch
einen umgelegten Eifenring an den Kolben be:
feftigt. Die gewöhnlichſte Drudpumpe ift die
Plungerpumpe; bei diejer fteht in der Regel das
Kolbenrohr ſeitwärts u. das Steigerohr mit den
Bentilen in einer Achſe. Der Plunger ift ein
hohler, außen abgedrehter Eylinder, der oben
dur eine Stopfbüchle hindurchgeht, im welcher
eine Padung von Hanfzöpfen oder Gummiringen
liegt, die durch Schrauben zuſammengepreßt wird,
Zur Übertragung der Bewegung des Motors auf
die Bumpenkolben bedient man fich des Schacht—
geftänges; dafjelbe wurde früher in der Regel in
Holz in Verbindung mit Eifen, in neuerer Zeit
indeg nur in Eifen conftruirt. Bei der erfteren
Conſtruction nimmt man Holzbalten von 150 bis
300 mm Stärfe, die, fei e8 an 2, oder an 4 Sei—
ten, mit eifernen Laſchen von der Breite der Holz-
ſtüücke u. von 10—30 mm Stärfe verſehen werden.
Wegen des geringeren Gewichtes wählt man in
neuerer Zeit Eifenconftruction unter Verwendung
von Winfeleifen, T-Eiſen u. U-Eijen in verjchie-
dener Combination. Die einzelnen Stücke läßt
man ſtumpf auf einander ftoßen u. verbindet fie
durch Dedlafhen. Als bewegende Kraft wendet
man an in feltenen Fällen Menſchen u. Thiere,
häufiger hydrauliſche Mafchinen, in den meiſten
Fällen Dampfmafchinen. Als Hydraulische Mo»
toren find in Anwendung Wafjerräder u. Waffer:
ſäulenmaſchinen. Bei eriteren wird die rotirende
Bewegung durch einen Winfelhebel, das fog. Kunſt—
freuz, in auf. u. abgehende umgelegt; die Waffer-
ſäulenmaſchinen, welche ftet$ direct wirtend find,
find überall da in Anwendung, wo man mehrere
Stollen iiber einander hat, fo dag man die Kraft-
wajler der Maſchine leicht abfübhren kann. Ale
Reſervoir dient ein möglichtt hoch gelegenes, fünft-
lich bergerichtetes Bajfın, fei es durch Ausgrabung,
fei es durch Abfperrumg eines Thals mittels einer
Maner,* Die hierbei zu befolgenden Grundſätze
lehrt die Wafferwirthichaft. Die zur Wafjerhebung
bejtimmten Dampfmajchinen (Dampflünfte), wirkten
theils imdivect mittels eines Balanciers, theils
direct, indem man den Dampfcplinder oberhalb des
Schachtes aufitellt; fie find in der Regel einfach
wirfend. Rotirende Mafchinen werden meift nur
vorübergehend zur Wafferhebung benust.
ducten im Großen betrifft, jo Fann dieſelbe jelbft-
verftändlich nur in annähernden Werthen berech—
net u. angegeben werden. So ſoll die Produc-
tion a) an Gold nu. Silber pro 1863 etwa
1100 Mill. M betragen haben, wovon 300 Mill.
auf Auftralien, 280 Mil. auf Californien, 90 Mil. .
anf die übrigen Unionsftaaten von NAmerila, 88
Mill. auf Rußland, 100 Mill. auf Merico, 24
Mill, auf Brit.-Columbia, 52 Mill. auf SAmerifa,
27, Mill. auf Europa (außer Rußland), 23 Mill.
auf Afien u. Afrika, 18 Dill, auf Neu- Seeland
x. fommen. b) An Steinkohlen pro 1872
256,275,824 Tommen zu 20 Etr., wobei Groß:
britannien allein mit 49 pCt., Deutichland mit
17, die Ber. Staaten mit 16, Franfreih u. Bel-
gien mit je 6, Oſterreich Ungarn mit 4 und die
übrigen Yänder mit 2 pCt. betheiligt find. ce)
An Eifen: Großbritannien (1873) 16,584,857
Tonnen, Deutichlaud (1870) 3,839,222 T., Frank:
rei (1868) 2,996,600 T., Ber. Staaten (1873)
2,695,434 T., Ofterreich-Ungarn (1871) 880,604
T., Rußland (1871) 845,000 T., Schweden (1871)
360,000 T., zufammen etwa 28 Mill. Tonnen ü
20 Etr. Europa producirte außerdem jährlich etwa
44 Mill. Etr. Blei, 24 Mill, Etr. Zink, 900,000
Er. Kupfer. Die Anzahl der Bergleute in die-
jem Kontingent joll etwa 1,275,000 betragen,
wovon auf England 363,000, auf Frankreich
206,500, auf Dentichland 220,700, auf Ofterreich
125,900, auf Belgien 111,500, auf Rußland
80,000, auf Spanien 73,600, auf Ftalien 36,000,
auf Schweden u. Norwegen 29,000 zc. kommen.
(Bol. Kolb, Handb. der vergl. Statiftil, 7. A.,
1875, ©. 796 fi.)
Yiteratur: Bonfon, Trait de l'exploitation
des mines, Lüttich 1854, deutih von Hartınann,
Lpz. 1856; Gotta, Erzlagerftätten, fyreiberg 1861;
Gatſchmann, Bergbaufunde, Yeipz. 1866; Yottuer-
Seclo, Leitfaden zur Bergbaufunde, "Berl. 1874;
Beth, Deutihes Bergwörterbuch, Berlin 1871;
Haupt, Baufteine zur Philofophie der Geſchichte
des Bergbaues, Yeipz. 1867. Die wichtigiten
gegenwärtig ericheinenden Beitjchriften find: Zeit-
Ichrift fir das Berg⸗, Hütten- u. Salinenmejen,
Berlin; Berg» u. Hüttenmännifche Zeitung, Leipz.;
Oſterreich. Zeitfchrift für Berg⸗ u, Hilttenweien,
Wien; Rittinger, Erfahrungen im Berg. u. Hüt-
tenmänntichen Mafchinenbau- und Aufbereitungs-
weien, Wien; Annales des mines, Paris; Anna-
les des travaux publics; Brüffel; Mining Jour-
nal, London. Niederftein. Oſthues.
Bergbehörde, die vom Staate beitellte Be-
hörbe, welcher die Wahrung der Rechte obliegt,
die dem Staate binfichtlich des Bergbaues zuftehen.
Bergblau (Uendres bleues), urjprünglich die
natilrlihe Kupferlafur, die in gemahlenem u.
fein geihlämmtem Zuftande als blaue Farbe ver
wandt und namentlich in Cheſſy bei Lyon darges
ftellt wurde. Neuerdings ftellt man dafjelbe künſt—
lich dar, angeblich durch Fällen einer falpeterfauren
Kupferorydlöfung mit Agfall. Der Niederichlag
wird mit Kreide, Gips oder Schmweripath nilancırt.
Auch die mit Thon oder Kaolin gemifchten bei-
feren Nitancen des Berlinerblaus nennt man B.,
aber mit Unrecht,
Bergbohrer
Bergbohrer, ſ. u. Bohrer.
Berge-Borbed, j. u. Vorbei.
Bergedorf, 1) Amt, der Freien Stadt Ham—
burg gebörend; 85,4, [km (1,5 IM); 13,112 Ew. |
(m 4 Ktirchipielen, daher Bierlander); äuferft Frucht»
barer Warjhboden;Gemüfe- u. Aderbau, bedeutende
Biebzudt. Zu dem Amte gebören auper der
Stadt B. noch die 4 Kirchdörfer Neuengamm,
Atengamm, Kirhwärder u. Kurslack. 2) B.,
Stadt darin, au der Bille u. einem Elbarnıe u.
an der Berlin» Hamburger Eifenbahn; Schloß
Riepenburg; Handel, Viehzucht; 3600 Cm, 8.
gehörte früber zu Sadjen-Yauenburg, wurde aber
1420 von Lübeck u. Hamburg erobert u. 1867
für 600,000 M an Hamburg allein überlafien.
Dergegeld (Schifisw.), j. u. Bergen 3).
Bergeigenthum (Bergwerlseigeuthum) er
ftredt ſich auf die Yagerflätte der zu ſchürfenden
zoifilien u. auf das Grundftüd, auf welchem der
Bau angelegt ift, ſowie auf die Tagegebäude,
Baffer zc. Uber die Erwerbung des Bes ſ. u.
Bergredt b).
Dergeifen, auch Eifen genannt, ftählerner
Spitsfeil mit einem Auge zur Aufnahme eines
Helmes (Stiels), welcher in der linken Hand ge-
halten wird, während der Arbeiter mit dem Schlä-
gel auf die Bahn des Eifens fchläat.
Bergell (Val Bregaglia, das Praegallia der
Römer), Thal der Eentral-Alpen, von der Maloja-
Band (1816 m) bis hinaus nah Chiavenna
(340 m), etwa 30 km laug, von denen 20 der
Schweiz (Kanton Graubünden) it. 10 dem Königr.
Jtalien (Prov. Sondrio) angehören; wird nördl.
vom Pizzo della Duana 3125 m u. dem Sep—
umer-Paß, füblih von höchſt wild gezadten
Spigen, unter denen bie Cima di Trubinesca
23384 m bervorragt, eingefchloffen, von der
Maira durchfloſſen und zeichnet ſich durch höchſte
landſchaftliche Schönheit aus. Die ſchwache Be-
völferung fchweizerifcherfeit8 von 1600 Köpfen
ſpricht italienisch, ift wohlhabend, ernft u. prote-
ſantiſch; die zum Königreih Italien gehörende
Bevölkerung ift lebensfröhlid, aber ärmer, katho—
liſch m. lebt in maleriihen, aber faft zu Ruinen
zerfallenden Häufern. Die bedeutendften Orte
des fchweizer Theils find: Caſaccia, Vicoſoprano,
Stampa, Promontoguo u. Caftafegna. Das reiche
Dorf Plurs (ital. Gebiet) wurde anı 4. Sept. 1618
mit 2430 Em. verſchüttet.
Bergen, 1) Etwas in Sicherheit bringen; bei.
2) die Güter eines gejcheiterten oder gejtrandeten
Schiffes in Sicherheit bringen; 3) einem Schiffe
in offener See bei Gefahr Beiftand leiſten. Die
Geſetze über das B. waren fehr verfdieden. In
manchen Ländern verfiel fonft das Strandgut
ganz dem Küſtenbewohnern, die es aufgefangen
(geborgen) Hatten (jo früher in Livland u. im
Kirchenfiaate); in anderen muß ein {heil der ge»
retteten Güter (oft $, 4) an die Bergenden gege-
ben werden; nod in anderen mußte Bergegeld
(Bergelohn) zu höherem oder niedrigerem Betrage
an die Arbeiter u. auch an den Fiscus gezahlt
werden. Für das Deutiche Neich ift ein feiter ır.
allgemeiner Rechtsboden durch die Strandungs-
orduung v. 17. Mai 1874 (R.-G-Bl. ©. 73)
geihaffen. Diefelbe beftimmt die Strandbehörden,
9
—
— Bergen. 11
das Verfahren bei Bergung u. Hilfeleiſtung in
Seenoth, handelt dann von Seeauswurf u. ſtrand—
triftigen Gegenftänden, jowie von verfunfenen u.
jeetriftigen Gegenſtänden, von dem Aufgebotsver-
fahren in Bergungsfahen u. dem Rechte auf
herrenloje geborgene Begenftände u. von der feit-
jegung der Bergungs- u. Hilistoften, Strand»
ungsordnung.
Dergen, 1) Kreis des preußifchen Regierungs-
bezirtes Stralſund; begreift die Inſel Rügen
int 1369,76 [km (24,4, [(0) u. 45,677 Em.
(f. u. Rügen). 2) Hauptitadt bier, in der Mitte
der Inſel, auf einem 100 m hoben Hügel (Rus
gard); nordöſttich dabei die Kirche und ein
Arndt-Denlmal (Ausfihtsthurm); 1198 geitiftetes
adeliges Fräuleinſtift, Yandeslazareth; Lederfabr.;
3616 Ew.; Geburtsort von A. Ruge. 3) Marft-
jleden im Kreiſe Hanau des preußiſchen Regbez.
Kaſſel; Ader-, Obſt- und Weinbau; 2546 Gw,,
wovon 1820 im Orte felbit. Hier 13. April
1759 Schlacht zwiſchen der preußiichen und eng—
liſchen Armee unter Herzog Ferdinand von Braun«
ſchweig und den zranzojen unter dem Marichall
von Broglie, Legterer Sieger; ſ. u. Siebeu—
jähriger Krieg. 4) Dorf ım Bezirke Alfınaar
der mederländiichen Provinz NHolland; 1240 Ew.
Hier nad der Yandung der engliich » ruifischen
Armee unter dem Herzog von Mork 19. Novbr.
1799 unglüdtiches Gefecht des ruffishen Generals
Hermann gegen eine Abtheilung des franzöfiichen
Generals Brune, wobei General Hermann geiangen
ward; deshalb die Capitulation von Allmaar;
ſ. Niederlande (Geſch.). 5) Stift im füdlichen
Norwegen; grenzt an die Stifte Chriftiania und
Ehriftianfand; 38,510 [km (699 [_ JM); 267,354
Em; ift gebirgig durch das Yangfjeld mit dem
Stagftöls-Tind 2650 m u. das Hardangerfjeld
mit dem Bofje-Stavfen 2055 m un. a.; Flüſſe:
Juftes-dal-Elf, Eide-Elf u. eine große Menge
Berggewäfler; Seen in großer Menge, doch nicht
von bebeutendem Umfange, deſto mehr u. größere
Meerbufen: Bönmel-, Hardanger-, Strand, Mov-,
Sognefjord u. a., meift mit hohen Felſenwänden
(bis 1200 m), oft gefährlich zu befahren; vor
ihnen liegen viele Inſeln; Klima mehr kalt u.
nebelig, Stürme wehen oft u. heftig; Producte:
weniger vom Aderbau, mehr aus der Viehzucht
u. Fiſcherei; Fabrilen find wenige, and) der Berg-
bau unbedeutend. Das Stift enthält die Stadt
B., die Amter Söntre- (Sid-) u. Nordre-Ber-
genhuus u. die Bogtei Söndmöre vom Amte
Homsdal. Das Amt Nordre-Bergenhuus ums
faßt 18,245 [km (331 (JM) mit 86,803 Ew,
(5 auf ı [_)km), Söndre-Bergenhuus 15,159,
km (275 M) mit 113,403 Ew. (8 auf 1
km). Die Bewohner leiden jehr durch ven
Ausſatz. 6) Nah Chriftiania die größte Stadt
des Königreihs Norwegen u. wegen ihres leb—
haften Seehandel3 das nord. Hamburg genannt;
1870 30,252 Ew. in ber Stadt u. 1700 in
den Borftädten Sandvigen u. Nojted; ift die Haupt:
ftadt des gleichn. Stiftes u. liegt in einem Halb«
freife um den Waagfjord (Vaagfiord), der den
ſchmalen, aber für die größten Kriegsichiffe hin-
reichend tiefen Hafen bildet, der von dem Felſen—
fort Bergenhuus, der Echanze Ehriftiansholm
14*
>
<.
212
u. den lieinen Forts Everresberg u. Frederelsberg
vertheidigt wird; eine Abtheilung der Kriegsflotte
Die fämmtlih weiß oder hell
gerinchten Häufer der Stadt find, wie in ganz
Norwegen, von Holz, wenige von Stein, immer
aber die Edhäufer, um das Uberjpringen des
Feuers in Brandftätten zu verhüten, von denen
die Stadt ficbenmal (zulegt 30—31. Mai 1856)
Die Stadt jelbit ift auf zwei
nadten Borgebirgen von Glimmerjdiefer u. Gneis
gebant u. am der Landfeite von fieben bis zu
670 m hohen Bergen umgeben, während unmit-
telbar binter deufelben ein lieblicher See von 22,,km
Am Nordende des Borgebirges
erhebt fih das glänzende Gemäuer des genannten
Forts Bergenhuus mit dem großen Waltendorfs-
auf den Ruinen des Burgpalaftes des
iſt bier ftationirt.
he imgeſucht wurde.
Umfang liegt.
thurme
Königs Dlaf Kyrre, des Gründers der Stadt im
Jahre 1069,
ſüdliche VBorgebirg, wo ſchöne Landhäuſer mit
Luftgärten u. Lindenalleen ein Kleines Paradies
bilden u. die deutiche Kirche mit ihrem Doppel-
thurme fteht, der ſich eines 7OOjährigen Alters
rühmt. Dort ficht man aud die Spuren des
mächtigen Stäbtebundes der Hanfa, welche bier
drei Jahrhunderte lang herrſchte. Unter dem
Unionstönig Erih von Pommern ftifteten nämlich
die Hanjaftädte ein fogenanntes Handelscompteir in
B., weldyes im Jahre 1445 vonjeinemNlachfolger,
König Ehriftopher von Bayern, beftätigt wurde.
Von diefem Jahre an wird die Stiftung des
Comptoirs zu Bergen gerechnet, woran die Städte
Yübed, Hamburg, Noftod, Deventer, Emden u.
Bremen den größten Antheil hatten, Jetzt wird
dies eimft weltberübmte Etabliffement für den
Seehandel zum Theil von Bremen, Hamburg
u. Lübeck unterhalten, die bier noh 17 Waa—
venböfe befigen, wovon Bremen 15, den beiden
anderen Hanfaftädten je 1 gehört. Alljährlich,
wenn die auf den Fiſchſang bis in das Arlktiſche
Meer ausgejandte Flotte zurüdfehrt, ftrömen die
Käufer von allen Ländern berbei, u. Seeleute von
allen Nationen füllen die holperigen Strafen bis
in die Nacht. Alle fegelten hierher, um Fiſche
zu faufen: Holländer, Briten, Spanier, Portu—
giefen, u. Häringe u. Stodfiiche find die Waare,
welche am eifrigften gefucht wird, neben Nogen u.
Unſchlitt. B. ift der Sit eines proteft. Biſchofs,
hat eine Kathedrale, Kathedralichule u. ein Schau
fpielhaus, Arınenhäufer und Spitäler, mehrere
wiffenschaftliche Geſellſchaften; Gerbereien, Fabriken
aller Art, Der bekannte ſatiriſche Dichter Baron
Holberg ward bier 1684 geboren. B. heißt im
Norden bie Negenftadt, weil der Einfluß ber
zahllofen Einfchuitte vom Meere u. der Golfftrom
einen fo ſtarlen Negenfall bewirken, daß die
Menge deffelben jährlih 2, m, mithin dreimal
jo viel als 3.8. in bo u. fünfmal fo viel als in
Upfala beträgt. Cine zweite Eigenthümlichleit der
WKüſte find die furdtbaren Stürme mit ftarken
Gemwittern im Winter, wovon auch die Stadt B.
heimgejucht wird bei ihrer lage an der nördlichen,
weitlihen u. füdlihen Abdachung der flandinavi-
hen Gebirge, welche ihr ein entſchieden oceani«
jhes Klima bereitet. 7) S. u. Mons. 8) County
Darüber binaus erhebt ſich fteil
aus dem Meere das ganz mit Häufern bededite
Bergen — Bergen op Zoom,
im nordam. Umiousftaate New-Jerſey, u. 40° n.
Br. u. 74° w. %; New⸗Yort gegenüber; im O
vom Hudionftrome begrenzt; von Eiſenb. durch—
ſchnitten; Eiſenerz amd Kalkftein; 30,122 Em.;
Countyſitz: Hadenjad. 4 6) Jenſſen⸗Zuſch.
Bergen, 1) Job. Georg von, Profeffor der
Anatomie u. Botanif, aus uraltem deſſauiſchen
Adel ftammend; ftudirte in Wittenberg u, fam als
Profeffor nad) Frankfurt a. O.; er ft. als Decan
der Univerfität am 27. April 1738. Er war Bater
des 2) Karl Auguft v. B., geboren 11. Auguft
1704 in Frankfurt a. D. Nach vollendetem Stu-
dium bejuchte ev 1727 Leyden, Paris, Straßburg,
fchrte 1730 nach Franky. zurüd, machte in Ber-
iin den Cursus anatomicus dur, promovirte
1731, wurde 1732 auferordentl. Prof. der Una-
tomie, nad) feines Vaters Tode 1738 orbentl.
Profeffor der Anatomie u. Botanif u 174 erfter
Profefjor der Pathologie u. Therapie. Sein größtes
Verdienſt hat er auf anatomiſchem Gebiete; er
lehrte dieſe Wiffenfhaft Har u, unter getreuem
Anſchluſſe an die Natur; als Botaniker ift er
untergeorbneter. Unter der großen Anzahl kleinerer
u. größerer Schriften, die theils felbftändig er-
jhienen, theil® in gelehrten Zeitungen zeritreut
fi finden, feien erwähnt: Programma de mem-
brana cellulose non mermbrana, ranff. 1732;
Programma seu exereitatio splanchnologico-
anatomica, quae ventriculorum cerebri latera-
lium novamsistit tabulam, daf.1733; Programma
sive exereitatio meningologica, quae de structura
piae matris inter alia novam nec hactenus
visam tradit observationem, daj. 1736; auch er-
fand er eine Maſchine, „vermöge deren man den
Kopf in fo viele Theile zerlegen kann, als er
natürliche weiße Knochen hat“. Thamhayhn.
Bergenfiſch, jo v. w. Dorſch.
Bergenhuus, 1) Feſtung zum Schutze des
heſen von Bergen (f. d.). 2) Nordre- u. Söndre-
., Amter; ſ. u. Bergen 5).
Bergen op Zoom, 1) Stadt im Bezirke
Breda der niederländiihen Provinz NBrabant,
an der Einmündung der Zoom in die DSchelde,
Eifenbahnuftation; liegt auf moraftigem Boden,
der duch Inundation leicht unzugänglich ge—
macht werden fann; 3 Kirchen, Zeichneninftitut;
ftarfe Ausfuhr von Andovis; Zöpferei; guter
Hafen; 1869 8352 Em. (die Gem. 9534). Die
Zoom fließt durch die Stadt und bildet von
da bis zur Schelde einen Hafen. Sie mar
früher bedeutende Feſtung, nah holländischen
Spitem von Eoehorn u, And. (1699) angelegt,
und hatte ein verſchanztes Lager an der SSeite,
das durch 3 Forts mit Sternbergen verbunden
war, wodurch beide eine faft unangreifbare Stell-
ung bildeten; da B. o. 3. nicht mehr zum beu-
tigen holländischen Feſtungsſyftem gehört, fo
wird die Stadt bald entmantelt werden. — Ber-
gen, welches jhon im 9. Jahrh. vorfommt, war
im 13, Jahrh. der befeftigte Hauptort einer dem
Grafen Gerhard v. Wezemaele gehörigen Herrichaft
(f. unten 2). Die Stadt trat 1676 der Union
ber Nördlichen Niederlande bei, warb 1577, nad
der Bertreibung der fpanifchen Befatsung, u. noch
mehr 1688 u. 1727 in ihren Feſtungswerken
verftärkt u. 1628 das verſchanzte Lager angelegt;
213
1583 öffnete fie dem Herzog von Alengon fürser fih an Glementi anichloß, mit diefem 1805
Ftankreich Die Thore; 1588 belagerte fie der nach Petersburg, 1812 nah Stodholm, von da
Herzog von Parma vergebens u. 1622 Spinola. nach London u. lehrte 1815 nad Berlin zurüd;
1747 ward B. nad dreimonatlicher Belagerung |er ft. 1839 daſelbſt. B. componirten, a.: Klavier-
der Franzoſen unter Marſchall Löwendahl genom-|jonaten u. Lieder, darunter: Die ſchöne Miüllerin,
men u, geplündert, aber im fFrieden-zurüdgegeben | Andreas Hofer, Theodor Körner. Als Klavier-
(. u. Öjterreichifcher Erbfolgefrieg); 1795 capitu-|lehrer hatte er Felix Mendelsiohn, Taubert, Hen—
litte e8 an Pichegru u, wurde 1810 Frankreich |felt zu Schülern. Vgl. Neltitab, L. B,, ein Dent-
Bergente — Berger.
einverleibt. Im Dechr. 1813 blofirten die Ver—
bündeten die Stadt, u. in der Nacht zum 9. März
1814 verfuchten die Engländer unter Graham
einen Sturm, der jedoch zurüdgeichlagen wurde;
am 11. April capitulirte B. 2) Ehemals Herr-
ihaft (jpäter Markgrafichaft) ebenda; im 13. Jahrh.
den Grafen von Wezemaele gehörig, kam diejelbe
dur Heiratb an Die van Bouterjem u. ebenfo
an Die van Ölimes; Karl V. erhob fie 1533 zur
Markgrafſchaft. Diefe fam nun nah u. nad
tur Heirath au die Häufer Merode, Heerenbert,
Hohenzollern u. 1662 an Friedrich Moritz de la
Tour d'Auvergne, dejjen Enkelin Marianne 1722
den Pfalzgrafen Johann Ebhriftian von Sulzbach
beirathete, wodurch die Markgrafihaft an das
Haus Pfalz u. fpäter an das Haus Pfalzbayern
tam; dies bejaß fie unter der Hoheit der Gene-
talftaaten bis 1801, wo Bayern fein Eigenthums-
recht an die damalige Batavifche Republik abtrat.
Bergente, jo v. w. Anas marila; j. u, Ente.
Berger, 1) 30H. Gottfr. von, einer der
größten deutſchen Arzte, der in litteris elegan-
tioribus Wenige feines Gleihen hatte, geb. 11.
Nod. 1659 in Halle; ftudirte in Erfurt u. Jena,
promovirte bier, fam als außerordentlicher Pro—
feffor nach Leipzig, machte aber gleich darauf eine
Reife nach Holland, Frankreich u. Italien u. nahm
dann eine Profeſſur der Medicin in Wittenberg
an, der er über 50 Jahre vorftand; er ſtarb 2.
Oct. 1736. Er war Löniglih polnischer Hofrath
und Leibarzt der Gemahlın König Auguſts des
Starten. Er huldigte als Gegner Stahls me—
chaniſchen Lebensgrundſätzen, verwarf die An—
nahme eines feurigen Erdinnern und erklärte
die Entftehung der heißen Quellen, ſowie über—
baupt der Erdwärme von dem Pyrite oder den
beißen u. glühenden Kiejeln, Außer einem größe-
ten Werke: Physiologia medica s. de humana
natura liber bipartitus, Wittenberg 1702, Lpz.
1708, Frankf. 1737, einer damals jehr beliebten
Schrift, ı. dem Prodromus commentationis de
Carolinis Bohemiae fontibus, daj. 1708, hat er
nur eine Menge Differtationen aus dem Gebiete
der Anatomie, Phyfiologie, Pathologie u. Phar-
matologie binterlafien. 2) Ludwig v. B. geb.
1768 zu Oldenburg; ftudirte die Nechte, war erji
Advocat zu Eutin, dann Kanzleivath in Olden-
burg u. 1813 bei dem Abzuge der Franzoſen aus
Oldenburg Mitglied der Berwaltungscommiffton;
nach der Hüdkehr der Franzoſen wurde er jeiner
patriotifchen Äußerungen wegen mit feinem Freunde
Fink vor ein Kriegsgeriht in Bremen geftellt u.
10. April 1813 erjchoffen. Sein Fürft lieh ihn
in die herzogliche Gruft beftatten. Bgl. Gilde-
meifter, B-8 Ermordung, Bremen 1814. 3) Lud⸗—
wig, vorzügliger Pianift u. Componiſt, geb.
18. April 1777 zu Berlin; Schüler Gürrlichs;
mal, Berlin 1846. 4) Job. Nepomuf, öſterr.
Staatsmann, geb. 16. Sept. 1816 in Profnit
(Mähren); ftudirte feit 1832 in Olmütz Philo—
jopbie u. feit 1834 in Wien Jurisprudenz u.
ichrieb dann für juriftiiche u. (umter dem Pieudo-
nym GSternan) für beletriftiiche Journale. 1844
wurde er Aififtent für die Profeffur des Natur«
u. Griminalredhtes an der Therefianifchen Nitter:
afademie u. 1848 von einem Mähriſchen Wahl-
bezirfe ins Parlament nad Frankfurt gewählt, im
welchem er, der äußerften Linken angebörend, öfter
mit jchmeidendem Wite, befonders auch gegen die
Übertragung der deutſchen Kaiſerwürde auf den
König von Preußen fprad. Seit 1845 Advocat,
prafticirte er wieder nad feiner Rückkehr nad
Wien, wurde 1861 in den Gemeinderath und in
den Wiederöfterreihiihen Landtag, 1863 in dus
Abgeordnetenhaus des NHeichsrathes gewählt und
Anfangs 1868 ald Minifter ohne Portefenille im
das cisleithanische Minifterium berufen, trat aber
am 17. Januar 1870 mit Taaffe u. Potocki wies
der aus. DB. ftarb 9. December 1870 in Wien.
Er ſchrieb: Vergleichung des neuen Wechjelrechtes
mit dem früheren, Wien 1850; Kritiiche Beiträge
zur Theorie des Hſterreichiſchen Privatrechtes,
ebenda 1856 u. a. 5) Johann Erich v., deut»
iher Philofoph, geb. 1. September 1772 zu aa»
borg auf Fünen; abjolvirte in Kopenhagen das
Studium der Jurisprudenz, beichäftigte ſich im
Göttingen u. Kiel eingehend mit der Kantichen
Philojophie, ging 1793 nah Jena, wo er zuerit
Reinholds, jpäter Fichtes Zuhörer war, kehrte
dann in fein Baterland zurüd, bejuchte Jena zum
zweiten Dal, wo der Umgang mit Fichte u. Hülfen
u. die Lectüre Schellings bedeutend auf ihn wirkte,
reiſte mit Hülfen duch Deutſchland u. die Schweiz,
fam 1797 wieder nah Jena, wurde bier immer
mehr von der Fichteſchen zur Schellingichen Rich»
tung binübergezogen, kehrte 1798 wieder in fein
Vaterland zurüd, bejchäftigte fich mit der Land—
wirtbichaft, hörte feit 1809 in Göttingen die aftro-
nomichen Borlefungen des berühmten Gauf,
wurde 1814 Profeffor der Ajtronomie, 1816 Pro—
feffor der Philofophie in Kiel; er ft. 23. Febr. 182%,
Sein geiftvolles Hauptwerk: Grundzüge zur Wiffen-
ihaft, Altona 1817—27 (1. Bd.: Analyſe des
Ertenntnigvermögens od. ber erjcheinenden Er:
fenntnig im Allgemeinen; 2. Bd.: Zur philofo-
phiſchen Naturerfenntnig; 3. Bd.: Jur Anthro
pologie u. Piychologie; 4. Bd.: Grundzüge der
Sittenlehre, der philojophifchen Rechts- u. Staats-
lehre u. der Neligionsphilojophie) fteht im We-
jentlihen auf dem Boden Scellings, berührt ſich
aber auch in vielen Punkten mit Hegelihen Ideen.
In der Weligionsphilofophie hebt B. die praftifde
Seite hervor u. zeigt fih dem Dogma u. der
Myſtik abgeneigt. Den Schellingichen Pantheismus
ging 1801 nach Dresden, 1804 nach Berlin, wo lerlennt er „als die Grundlage des wahren Gottes—
214
begriffes an, aber nur als dieſe, denn es ſoll ſich
ein Theismus auf denfeiben gründen, vermöge
defien das Sein Gottes ein durch ſein Erlannt-
werden bedingtes ift, das ſich alfo (mie Fichte
gelehrt hatte) erſt realifirt”. Seine Bemerkungen
über praftiiche Philofophie gewähren reichhaltigen
Stofi zum Denken. Vgl. J. E. Erdmanns Ber-
juh einer wiſſenſchaftlichen Darftellung der Ge-
fchichte der neueren Philofopbie, 3. Bd., 2. Abtb.,
S. 423. fi. Andere Schriften B-s find: Uber
Geſindeweſen, befonders in fittliher Hinficht, Kiel
1794; Die Angelegenheiten des Tages, ein Wort
an Dänemarks jelbftdvenfende Männer, Schleswig
1795; Beitfchrift: Mnemoſyne, 2 Hefte, Altona
1800; Philoſophiſche Darftellung der Harmonie
des Weltalls, ebd. 1808; Über den ſcheinbaren
Streit der Vernunft wider fich felbft, ebd. 1818.
Bol. J. E. von B-8 Leben, von H. Ratjon, ebd.
1835. 6) Michael, deuticher Baumeiſter, geb.
21. April 1824 zu Münden, Schn armer Eltern;
ſchwang fi durch eigene Kraft vom Maurergefellen
zu einem der tüchtigſten Architelten der Münchener
Schule auf, leitete mit ungewöhnlichem Berjtänd:
niß für die Gothik die umfaffende Reftanratiou
der Münchener Franenkirche, für die er Altäre,
Kanzel ꝛc. neu entwarf, baute die neue Piarr-
fire in der Vorſtadt Haidhaufen mit einem Ge-
mwölbe, das alle bisher befannten an Spannung
weit übertrifft, ferner die Kirche in Partentirchen
u. das jchöne Palais der Schaufpielerin Ziegler
in München ꝛc. 1) Thamhahn.
Bergerac, Hauptſtadt des gleichnamigen Arr.
im franzöfiihen Departement Dordogne, an der
Drleans-Eifenbahn u. an der Dordogne; Handels-
ericht 1. Inſtanz, Gericht; Handel, bejonders mit
ein (B., Petit Champagne, weiß, voth, ſehr
fieblih), Märkte; 11,699 Ew., wovon 8024 in
der eigentl. Stadt.
Bergerae, Savinien Cyrano de B., geb.
1620 zu Bergerac; nahm Kriegsdienfte unter der
franzöftfchen Garde; er foll mehr als 1000 Duelle
gehabt haben. Die hierbei u. im Kriege erhalte:
nen Wunden zwangen ibn, den Abjchied zu neh-
men; er arbeitete feitdem in mehreren Fächern
der Schönen Piteratur; flarb 1655. B. jchrieb:
die Tragödie Agrippine; das Luftjpiel Le pedant
joué (von Molidre benugt) u. den jatiriichen Ro—
man; Hist. comique des états et empires de
la lune et du soleil (nadhgeahmt von Fontenelle,
Swift u. Voltaire). Seine Werle erſchienen Par.
1677 u. von Neuem 1858, 2 Bde.
Berger de Xivrey, Jules, franz. Philolog
u. Gefcdichtforfcher, geb. 16. Juni 1801 zu Ber.
failles; ftudirte Philofopbie u. Philologie, war Mit-
glied der Alademien von Touloufe, Rouen, der
Acadömie des inseriptions etec.; er ft. 27. Oct.
1869 als Profeffor der Ecole normale in Paris,
B. überjette die Batrachomyomachie, Par. 1823,
2. A., 1837, u. fhr.: Traite de la prononeiation
grecque moderne, ebd. 1828; Recherches sur
les sources ant. de la litterature frangaise, ebd. |u.
Bergerae — Berghaus.
frangais, ebd. 1836; Recueil des lettres missives
de Henri IV., ebd. 1845—46, 3 Bde.; Essais
d’appreeiations historiques, ebd. 1837, 2 Be.
u.a, Brambadı.
Dergeret, Jules Bictor, Mitglied der fran-
zöſiſchen Commune, geb. um 1820; trat nach einem
wildbemwegten Leben (er war Offizier, Buchdruder,
Buhhandlungsgehilfe, Kellner geweſen) zuerft bei
den Wahlen von 1869 als einflußreicher Volls—
redner in die Öffentlichkeit. Dies verichaffte ihm
1871 eine wichtige Stellung in der Commune,
vorzüglich im milttäriihen Angelegenheiten, denen
er als Führer der Operationen gegen den Mont
VBalerien, nachher der 1. Nejervebrigade mit wah-
rem Fanatismus, aber ohne entiprechenden Er-
folg fit widmete; die theilweiſe Einäfcherung ber
Zuilerien war hauptfählich fein Wert; er wurde
1872 in contumaciam zum Tode verurtheilt, da
eFihm gelungen war, ins Ausland zu enttommen.
Bergfink (Fringilla montifringilla L.), j.
Finlen.
Bergflachs, jo v. mw. Albeſt.
Bergfreiheit, 1) die Freiheit, an jedem Orte,
wo man Ausbeute vermuthet u. welchen der Eigen-
thlimer zu diefem Behufe nad der Tare verlaufen
muß, Bergwerke anzulegen. 2) Privilegium, wo-
mit einzelne Perfonen u. ganze Communen be»
gnadigt find, wenn fie Bergbau treiben. 3) Ge—
gend, melde unter der FJurisdiction des Berg-
amtes ftebt.
Bernfried, 1) (Berdfrit) in den mrittelalter:
lichen Burgen ein Thurm od. thurmartiges Ge—
bäude, welches als Wartthurm od. letzte Zuflucht
bei Belagerungen diente. 2) Kriegsmafchine, fo
v. w. Belfrid.
Berggeiit, ſ. u. Kobold.
Derggelb, jo v. mw. Oder.
Bergpiefhübel, Bergſtadt im Gerichtsamte
Gottleuba, Amtshauptmannſch. Pirna des künigl.
ſächſiſchen Regbez. Dresden; Sonntagsſchule;
Eiſenerzbau u. Eiſenhüttenwerl; 1161 Ew. Hier
das (1722 entdeckte) Johann-Georgen ⸗Bad mit
4 Mineralquellen, wozu noch der 1818 eutbedte
Auguftusbrunnen lommt; fie enthalten haupt
ſächlich jalziaures u. lohlenſaures Natron, jchwefel-
fauren Kalf u. Eifenoryd nebft freier Koblenjäure.
Bei B. am 21. Auguft u. 14. Sept. 1813 Ge-
fechte zwiichen den Alliirten u. Franzoſen, legteres
unentjchieden, erfteres für die Allürten günftig;
ſ. Ruffiih-Deuticher Krieg von 1812—15.
Berggrün nennt man fein gemahlenen Ma-
ladhit (j. d.), der als Farbe bemugt wird. B. wird
jetst wie Bergblau (f. d.) meift künſtlich dargeftellt
durh Fällen von Kupferlöfungen, meift Gement-
waſſern, mit foblenfaurem Kalf od. Ratron. Es
führt dann die Namen Braunfchweigergrün, Bre-
u Kaffelmanns-Grün, Mineralgrün (f. d.).
Foeler. wilder, ſo v. w. Wieſenhafer, ſ.
u. Hafer.
rohänfling (Fringilla montium Gm.), f.
’
l'antiquite et du moyen-äge en Occident sur] Berghaus, 1) Heinrich, deuticher Geograph,
uelques points de la fable, du merveilleux et/geb. 3. Mai 1797 zu Kleve; wurde 1811 Gon-
de l’'histoire naturelle, publies d'après plusieurs| ducteur beim Brüden- u. Straßenbau in dem
manuscrits inedits grecs, latins, et en vieux!franz. fippebepartement, trat 1814 als Freiwilliger
inflinge.
1829; Traditions teratologiques, ou R£eits de ar Director des Oberbergamts.
Bergheim
in die Armeevermaltung bei dem im den weftiäli-
hen Provinzen errichteten Corps, machte 1815
ten Feldzug gegen Frankreich mit, murde 1816
Ingenieurgeograph im 2, Departement des Kriegd-
niyiftertums in Berlin, 1821 Lehrer u. 1824
Profeffor der angewandten Mathematik, bei. der
praftifchen Geometrie an der Bauakademie von
Berlin; 1836 fiedelte er nad Potsdam über, wo
er Director der 1838 von ihm gegründeten Königl.
Geograpbiichen Kunftihule wurde; diefe Kunſt—
ſchule ging 1848 wieder ein. 1855 wurde B.
ſeiner Brofeffur enthoben, u. er lebt ſeit 1862
wieder in Berlin. Er gab heraus: Starte von
Frantreich (1824), vom Königreich der Nieder:
lande (mit Weiland), in 40 Blättern; gegen 40
Blätter zu Reymanns Karte von Deutichland, vom
Harzgebirge (1825), von Afrifa (1825), von Spanien
u. Bortugal (1829), von Aften, in 18 Blättern
(1833—43); Phyſilaliſcher Atlas, 90 Blätter
(1838—48), 2. A., 1852, engl. bearbeitet bei
Johuſon, Dubl. 1845— 47, 30 Blätter; Sammlung
byprographiich-phuftlafiiher Karten der preußtichen
Seefahrer, 1840—48; redigirte mit 8. V. Hoff—⸗
mann: Hertha, 1825—29; Annalen der Erde,
Bölter- u. Staatenfunde, 1830—43, 28 Bbe.;
Kritiicher Wegweifer im Gebiete der Yandlarten-
kunde, 1829—35, 7 Bde.; Geograpbiiches Jahr-
buch, 1849 fi.; Gabinetsbibliothef der neuejten
Reiten zc., 1834 f., 2 Bde; Almanach für Freunde
der Erdfunde, 1837—41, 5 Bde; Elemente der
Erdbeichreibung, Berl. 1831; Allgemeine Yänder-
u. Völlerkunde, Stuttg. 1857—41, 6 Bbe.;
Grundriß der Geographie, Berl. 1842; Die Völler
des Erbballs, Lpz. 1845—47, 2 Bde; Führer im
Harz, 1846; Landbuch der Mark Brandenburg,
Brandenb. 1852—55; . Yandbudy des Herzogth.
Bommern, Wriezen 1862 ff.; Deutichland jeit
100 Jahren, Lpz. 1859—62, 5 Bre.; Was man
bon der Erde weiß, Berl. 1856—60, 4 Bde.
Briefmechfel Alerander v. Humboldts mit H. B.,
Ep;. 1863, 3 Bde. 2) Hermann, Nefle bes
®or., geb. 16. Nov, 1828; arbeitete an den
Stielerihen u. Sydowſchen Atlanten u. fertigte
außerdem Allgemeine Weltfarte in Mercators
Projection, Gotha 1859, 4 Bl., u. 1864; Karte
des Otzthaler Gletſchergebietes, ebd. 1861; mit
Stüfpnagel Chart of the World, 7.X., ebd. 1873,
8 Bl.; mit &önczy: Magyar korona tartomanyai
fali abrosza, ebd. 1866, 9 Bl.; Phnfital. Karte
der Erde, ebb. 1874, 8 Bl. Henne-Am Rbun.*
Bergheim, I) Kreis des preußiichen Regier-
ungsbezirtes Köln; 863,,, [km (6,,. [IM);
39,936 Ew.; gebirgig durch die Eifel, bemäflert
von der Erft; von der Köln-Nacener und Neuf-
Dürener Bahn (33,175 km) durdichnitten; bringt
Getreide, Flachs, Hafer. 2) Marttfleden u. Kreis-
bauptftabt hier, an der Erft, am Fuße der Bille;
Brannlohlengruben; 1200 Ew.
Berghem, j. u. Berchem.
Bergifches Bud; (Bergiiche Formel), fo v.
w. Concordienformel.
Bergifh-Märkifche Eifenbahn (Ende1873):
Länge 1077,, km (1874: 1264 km). Anzahl der
Cocomotiven 706; ber Perjonenwagen 561; ber
Güterwagen 17,995. Einnahme 18,746,234 Thlr.
Benennung der Linien: Obertaſſel⸗Weilenraedt
— Bergf. 215
(93,, km), M.-Gladbah-Homberg (42,, km), M.-
Gladbad- Stolberg 74 kın), VBierfen-Kaldenkirchen
(22,3), Neuß-Düffeldorf-Dortmund-Soeft (146,,),
Hengitei-Holzwidede (19,,), Unna-gamm (17,,),
Dortmund Deülheim-Duisburg (54,,), Steele-Voh-
winlel (33,,), Düffeldorf-Kupferdreb (35,,), Haan«
Deut (32,,), Barmen -Remſcheid (17,5), Schwerte:
Warburg (137,,), Warburg-Öerftungen (132,54),
Hümmesfarlshafen (16,,), Hagen-Siegen (10%,,)
u. zahlreiche kleinere Linien (Sefammtzahl der
Linien 30). Zeit der Gründung 1848. Anlage
capital bei der Gründung 4,800,000 Thlr., An—
lagecapital 1873: 192,593,500 Thlr., davon 70
Mill. Thlr. Stamm-Actien, 28 Mil. Sproc., 72
Dil. 44proc. u. 22,593,500 Thlr. 3iproc. Priv»
ritäts · Obligationen. Staatd-Verwaltung. Direc⸗
tionsſitz: Elberfeld. 5 Commiſſionsbezirle (Zube
directionen): Aachen, Düſſeldorf, Eſſen, Altena u.
Kaſſel.
Bergius, 1) Benedict, geb. 1723 zu Stod—
holm, geft. 1784; war Arzt, Naturforfcher und
bekleidete das Amt eines Banfcommiffars, Befaunt
ift ev namentlich Durch fein mit einer Menge alter
u, neuer DBelegitellen verjehenes Buch über Yede-
reien: Tal om swenska aengskötseln, Stodholm
1766; Tal om Läckerheter, ebd. 1785—87, überf.
von Forjter u. Sprengel, Halle 1792. 2) Peter
Jonas, Bruder des Vor., Arzt u. Profeffor der
Naturgeſchichte in Stockholm, geb. 1730 in Erik—
jtadt in Smüland (nad Anderen in Stodholm);
promovdirte in Upſala 1750; fl. 1790, Mit
jeinen Bruder gründete er das Beſche Fuftitut,
ein Vermächtniß zur Befoldung eines Profeffors
der Naturgeſchichte. Er lieferte eine recht gute
Beichreibung der Pflanzen vom Gap der guten
Hoffnung, ſoweit dies nad getrodueten Exem—
plaren möglid war: Descriptiones plantarum ex
Capite bonae spei, Stodholm 1767, u. gab eine
jehr in Aufnahme gelommene Arzueimittellehre
aus dem Pjlanzenreihe: Materia medica e regno
vegetabili, bi$ 1778 u. 82, heraus, Außerdem
veröffentlichte er noch: Försök til de uti Swerige
gangbare sjukdomars utroenande for aer 1755,
ebd, 1756; Bon om Spannemals bristen ärsätt-
jande medelst quikrot, ebd. 1757; Tal om kolla
bad i gemen x., ebd. 1764, deutih von Georgi,
Stettin 1766, und lieferte für engliſche und
ſchwediſche gelehrte Zeitungen eine Menge Aufs
füge. 3) Karl Jul., deuticher Finanzmann, geb.
14. Dec. 1804 in Berlin, Sohn eines Bantiers;
ftarb dajelbft 28. Oct. 1871; machte das Gym«
naſium dur u. trat dann in bes Baters Geſchäft,
eutſchloß fih aber, als diejes fi) auflöfte, zu
wilfenichaftlihen Studien, wozu er Necdts- und
Gameralwiffenihaft wählte. Er betrat die Staats»
carridre, namentlich im Finanzfache, wo er Tid-
tiges in Breslau leiftete, che er fih nach Berlin
zurüdzog. Sein Hauptwerk ift: Grundſätze ber
Finanzwiſſenſchaft; außerdem bearbeitete er M'
Eulloch, Über Geld u. Banken u. jchr.: Betracht.
ungen über die Finanzen u. Gewerbe im preuf.
Staate, Berlin 1830; Preußen in ftaatdrechtlicher
Beziehung, Münfter 1838, u. kleinere Aufſätze.
Seine Grundfäge gelten für ein Hauptwerk über
Finanzweſen. 1) 2) Thamhaijn. 3) Fr. Körner.
Bergk, Theodor, Sohn des als Berfafier
216
vieler philofophiichen u. geograpbiichen, populären
Schriften belannten, 27. October 1834 geftor«
benen Schriftjtellers Johanı Adam B., geboren
22. Mai 1812 zu Yeipzig; dur umfaſſende
Kenntniſſe des clajfiihen Alterthums ausgezeich-
neter Philolog. Nahdem er in Leipzig jtudirt,
wirfte er von 1835 au den Gymnaſien von Halle,
Neu-Strelig, dem Joachimsthal in Berlin u. Kaſſel
als Lehrer n. wurde 1842 Profeffor der claffiihen
Philologie in Marburg, ven wo er 1852 in gleicher
Eigenſchaft nach Freiburg, 1857 nach Halle über:
fiedelte. 1869 zog er fi von feiner alademiſchen
Thätigleit zurück u. lebt wiſſenſchaftlichen Studien
in Bonn. Seine durch Selbftändigleit des Urtheils
ausgezeichneten Schriften bewegen fih auf ver-
ſchiedenen Gebieten des claffiihen Alterthums;
außer einer Reihe Zeitichriften zerftreuter Abhand—
ungen find zu bemerfen; Die Ausgaben der
Poetae ]yriei graeei, 3 Bde, 3 Aufl., Ypz. 1866;
des Anafreon, Lpz. 1834; des Arifiophanes, 2
Boe., 2 Aufl., Lpz. 1851; des Sopholles, %pz.
1857; der Fragmente des Ariftophanes im Ans
ſchluß an die von Meinede bejorgte Ausgabe der
Bruchſtücke der griech. Komödie; ferner die Unter-
ſuchungen über griedh. Monatsfunde, Gieß. 1841;
iiber Aristoteles’ Buch: De Xenophane etc., Marb.
1843, u. f. w.; die Beiträge zur lat. Grammatif,
Halle 1870; die auf umtaffende Studien beru-
hende Griechische Literaturgeichichte, bis jetzt Bd.
1, Berlin 1873,
Bergkalk it ein dichter, gleichartiger, häufig
von Ralljpathadern durchzogener, bituminöfer, ge—
Berglalk — Bergman.
Bergkryſtall, die reinften, durchſichtigſten Va⸗
rietäten des Quarzes (f. d.). Er findet ſich na»
mentlih in den ſogen. Kryſtalllammern der Alpen
in großen Drufenräumen im Granit oder Gneis,
oft in ungeheuren Kryftallen von mehreren Gent-
nern Gewicht. Der letzte bedeutende Fund ift der
aus 1868 von Tiefang in der Nähe von Furka;
die größten Kryftalle find im Bonner Mufeum
aufgejtellt, darunter einer von 100 u. einer von
133. kg Gewidt. Die reinften Stüde, namentlich
die ohne alle Sprünge, werben neuerdings im
Oberftein zu Lampengläfern verfchliffen. Ebenſo
finden fih jhöne B-e in der Dauphine, in Pie—
mont u. in dem Carrarifhen Marmor eingewachien;
auch Oftindien liefert prachtvolle Eremplare ſowoi
in Drujen, als aud in Geſchieben der Flüſſe. Auch
aus NAmerila find in neuerer Zeit prachtvolle
durchfichtige u. Mare Kryftalle gefommen. Die
beim Quarz zu erwähnenden Flächen der tetarto-
edriſchen Formen des heragonalen Syftems finden
fih immer am jhönften in den Harften Kryitallen,
namentlich denen der Schweiz. Die intereffanten
optiſchen Eigenfchaften des Duarzes find natürlich
ebenfalls au ihnen am beften zu ftudiren.
Berglafur, jo v. mw. Bergbfau.
Bergler, Jojepb, Hifterienmaler, geb. 1. Mai
1753 zu Salzburg; bildete ſich unter feinem Vater,
dann unter M. Kmoller in Mailand u. Maron,
Menge, David u. A. in Rom, lieh ſich 1786 im
Paflau nieder u. ward Gabinetsmaler und Hof-
truchieß des dortigen Fürftbifchofs Grafen Auers—
perg, wurde 1800 Director der Kunſtſchule zu Prag;
möhntich deutlich geichichteter Kalkftein, von meift)ft. dafelbft 25. Juni 1829. Werke: Simjon und
rauer oder blauer, felten weißer oder fchwarzer|Delila; Befreiung des heil. Peirus, im Nonnen-
Farbe, weicher der Kohlenformation angehört u.
namentlih in England u. Irland verbreitet ift,
In Deutjchland tritt er feltener auf, 3. B. an der
beigiichen Grenze bei Aachen, in Schlefien bei
Silberberg u. Altwaffer, in Bolen u. NAmerilka.
Er ift oft jchwierig vom Übergangstaltftein zu
unterjcheiden. Leitfoſſil ift Calamites transtitionis;
auch fonft ift derſelbe jehr verfteinerungsreih u.
enthält oft reiche Lager von Blei» u. Zinterz, 3.8.
bei Moresnet bei Aachen, Er gibt ein treffliches
Baumaterial ab.
Bergfleidung, Paradeanzug der Bergleute:
ſchwarzer Kittel mit Stehlragen, an welchem bie
Abzeichen angebracht find ; cylinderförmiger Schadht-
but ohne Krempe, vorn mit Schlägel und Eijen
verziert; hinten das Leder (Arſchleder). Die
Häuer tragen Bergbarten (Beile) oder Hädel
(Heine Haden).
Berginappe, jo v. w. Bergmann. Beug-
fnappjchaft, fo v. w. Knappſchaft; f. u. Berg»
leute u. Bergredt IV.
Bergfranfheit (Mal de Buna, Sorroche,
Mareo), ein Gompler von Symptomen (unter
denen die nmerpöjen, vom Gehirne ausgehenden
eine hervorragende Stelle einnehmen), welcher bei
dem Aufenthalte auf Höhen über 2200 m bei Neu-
—— zu erſcheinen pflegt, durch Schwere,
Hofter zu Fabriano; Kreuzigungsbild, in der Paſ—
ſauer Stabdtpfarrlirhe; Geburt Ehrifti, in der
Pfarrlirche zu Schärding ꝛc. B. ätzte aud viele
u. Schöne Blätter, Negnet.
Bergleute, die auf einem Bergwerle arbeiten«
den Perjonen. Die mit der Gewinnung der Mi-
neralien bejhäftigten heißen Häuer, während der
Erlernung diefer Arbeiten Lehrhäuer. Beauffich
tigt werden die Arbeiter von dem Steiger. Die
tägliche Arbeitszeit, die Schicht, ift in der Megel
8 Stunden. Der Lohn ift nach den einzelnen
Gegenden jehr verjchieden, beträgt aber an man—
hen Stellen Deutſchlands und Englands bis zu
6 Marl. Gie find vereinigt in Knappichaftsver-
einen, welde ihnen bei Krankheit u. Juvaliditär
Unterftügungen gewähren.
Bergliftod, 3573 m hoher Berg in ben
Berner »Alpen, zwiihen dem Schredhorn und
Wetterhorn, mit breit abgejchnittenem Gipfel; am
26. Sept. 1864 zuerft erftiegen.
Dergman, Tobern Dlof, berühmter ſchwed.
Naturforfcher, geb. 20. März 1735 zu Kathrinberg
in WGothland. Sein Bater Barthold B. wer
ein Deutiher. Gr befuchte das Gymnaſium zu
Stara, ſtudirte in Upfala Mathematif u. Natur
wiffenichaften, wurde 1758 Magifter u. 1761 Ad ·
junct der Mathematif. In diefem Jahre, fowie
Schmerz im Kopfe, Schwindel xc. fi aukündigt,)8 Jahre jpäter beobachtete er den Borübergang
unter Umftänden gefährlichen Charakter annimmt|der Benus vor der Sonne.
Nachdem er wieder-
und mit beftiger Gebirnentzündung (Meningitis holt von der Stodholmer Akademie der Wiffen-
montana) zu ſchließen vermag.
Ahrens, Die B., Ypz. 1854.
Bgl. Meyer:
ſchaften Breite erhalten, wurde er 1764 Mitglied
derſelben, fowie der Kaiſerl. Leopoldinishen; 1767
Bergmanit — Bergredt.
wurde er Brofeffor der Chemie u. Bharmacie in
lpfala, in welcher Stellung er ſich fowol durch
feine epochemachenden chemiſchen Unterfuchungen
n. Entdedungen, wie auch durch jeinen trefilichen
theoretiichen u, praftiichen Unterricht auszeichnete,
dur melden eine Menge in- und ausländiicher
Stubirender nad Upjala gezogen wurden. 1776
murde er Mitglied der Berliner Alademie. Seit
1769 kränklich, ftarb er am 8. Juli 1784 als
Badegaft in Medevi. Obgleich noch Anhänger der
Phlogiftontheorie, hat er in jeiner Berwandtihufte-
lehre Auffaffungen entwidelt, die den Sturz jener
Theorie überdauert haben u. zum Theil noch heute
in Geltung find. Er erflärte die chemiſche Ber-
wandtſchaft als eine Anziehung ber Heinften Theil-
hen (Atome), welche je nad der Natur der Gub-
tanzen u. je nad den äußeren Umftänden mit
größerer oder geringerer Stärfe wirke. Er für-
derte die qualitative Unalyfe durch zwedmäßige
Auswahl der Reagentien, dur das Auffchließen
der Silicate u. durch feine Anleitung zum Ge—
brauch des Löthrohres. Bon feinen zahlreichen
chemiſchen Leitungen fei noch feiner Unterfuchung
der Luftfäure (Kohlenfäure) erwähnt, deren Bor-
bandenjein in der atmojphäriichen Luft er nach—
wies. Auch die Geologie u. Mineralogie verdantt
ihm manche wichtige Entdedung. Seine gejam-
melten Schriften find erichienen unter dem Zitel:
Öpuscula physica, chemica et mineralogica,
Upiala 1779—84, 6 Thle., deutich von Tabor,
Fetf. 1782—90. Wimmenauer M..
Bergmanit (Spreuftein), Varietät des Natro-
fitbs (j. d.) aus dem Birkonfyenit Norwegens. Er
findet fich meift in unreinen röthlichen Maſſen, die
Pleudomorphojen nah Nephelin, Caucerinit umd
Oligoklas find.
ergmannsfpradhe, der Inbegriff der beim
Bergbau angewendeten Kunftausdrüde.
ergmehl u. Bergmild; (Farina fossilis od.
Lae lunae) nennt man die jchneemweißen, erbigen
Barietäten des fohlenjauren Kalfes, die fih in
Klüften u. Drufen des Kalfgebirges finden.
Bergnaphtha, jo v. wie Erdöl,
Bergpech, jo v. w. Aſphalt.
Bergpferd, jo v. m. Zebra.
Bergpredigt, im Ev. Matth. 5—7 u. Luc. 6
überliefert, bei Luc. als Rede auf einem ebenen
Orte gehalten u. wahrfcheinlich weniger uripring-
th als bei Matth. Die B. bei Matth. iſt eine
Gruppirung von Redeſtücken, höchſt wahrjcheinlich
(nah Keim, Leben Jeſu, II., Züri 1871) aus
einer Bollspredigt Jeſu am Anfange feiner Wirk—
jamfeit beftehend (Matth. 6, 19—7, 27) u. einer
etwas fpäteren Füngerpredigt, nah des Matth.
Anfiht auf einem Berge ‚bei Kapernaum gehalten
Matth. 5, 3—6, 18). Der Inhalt ift die Pre—
bigt vom Himmelreiche, der Gerechtigleit Gottes,
durch welche man des Himmelreichs Seligfeit er-
langt. Die wichtigſten Stüde find 8 Seligpreifun-
gen, das Berufsfeld der Jünger, Jeſu Stellung
zum Moſaiſchen Gefege u. zum Pharifäismus, aus
Geſetzesauslegungen des letzteren dargeftellt, die
3 Pharifäerwerle, vom Schägefammeln uud der
Rahrungsjorge, vom Richten, vom (Gebete, Hegel
der Nächftenliebe, die falichen Propheten u. Herr-
Derrfager, das Bauen auf dem Felſen Durch Hören
217
u. Thun. Die Sage bezeichnet als Berg der
Seligfeiten den Hügel Hattin, 2 Stunden weitlich
von Tiberias, andere rathen auf den ver Safed
oder Tabor. Die B. iſt oft bearbeitet. öffler,
Dergracen, die in den gebirgigen u. Alpen—
Gegenden heimifchen Rinderracen, von einem in—
folge der äußeren Lebensbedingungen jehr kräftigen,
musculöfen Körperbau u. großer Leiftungsfähigteit.
Sie werden deshalb nicht allein zur Feldarbeit,
jondern aud zur Fortbewegung ſelbſt jchwerer
Laſten vielfach benutt. Die Kühe der B. liefern
meift weniger, aber gehaltreichere Milch, als die
der Niederungsracen.
Dergredjt. Die eigentbümlihen Berbältniffe,
von welchen die Gewumung der Foſſilien, der im
Schooße der Erde verborgenen Mineralien, abbängt
u, welche der Betrieb des Bergbaues hervorruft,
haben ein eigenes Syſtem von Nechten geichafien,
welche die Praris u. Wiffenfchaft des Hechtes feit
Yangem als B. bezeichnet hat. Drei Puntte be-
ſtimmen die Eigenthiimlichleit diefes bejonderen
Rechtsſyſtems: die vollswirthichaftliche u. ftaatliche
Norhwendigleit eines rationellen Betriebes des
Bergbaues, die Unvereinbarkeit defjelben mit der
Unbejchränftheit des Einzelrechtes u. die befondere
Gefährlichkeit diefer Art der Urprobuction fiir die
dabei beichäitigten Menſchen. Inhalt u. Umfang
diejes beionderen Rechtsſyſtems waren zu PDerichie«
denen Zeiten verichteden, aber die natürliche Gleich«
heit der thatjächlichen Berhältniffe u. Zuftände, au
welchen es ſich herausgebildet, bemwirkten doch eine
wenigſtens in den europälfhen Staaten fidh zei—
gende Gleichartigkeit der bergrechtlihen Normen
u. Formen. Mau ift aber mit Unrecht der An-
ſicht geweſen, daß die gefchichtlichen Godificationen
des Dres, welde mit dem Ende des 12. Jahrh.
begannen, gleidhjam nur Umarbeitungen der antifeu
Geſetze für die griechiichen u. thrafifchen Bergwerte
geweien jeien. Deutſchland war, wie die Heimath
des europäischen Bergweſens, fo auch der Nusgangs-
punft der bergrechtlichen Geſetze u. Ordnungen,
Es genügt uns, die Geichichte u. heutige Geitalt-
ung des deutichen Bes zu verfolgen,
IL Geſchichtliches. Unbeftritten gehörte zum
Recht der königlichen Gewalt aud das Berg- und
Salzregal als das ausſchließliche Hecht des Staates,
anfangs gemifle, Später alle edlere Metalle zu ge-
winnen (Bergbobeit, Bergregal). Der König aber
verlieh fein Hecht auch mittels befonderer Privi-
legien an einzelne Reichsſtände, u. im der Goldenen
Bulle von 1356 (Cap. 9, $ 1) ward diefe Prä«-
rogative des Königs den Kurfürſten dauernd ein«
geräumt; fie überwies ihnen universas auri et
argenti fodinas atque mineras stanni, eupri,
plumbi, ferri et alterius ceujuscunque metalli
ac etiam salis. Die wachſende Macht der Terri«
tovialherrichaften z0g dann auch das B-regal in
den Bereich ihrer Zuftändigleit, u., wenn anderes
nicht möglich, beriefen fie fih auf das Recht der
unvordenflihen Berjährung. Die örtliche Aus—
dehnung u. befjere Technik des Bergbaues mußte
zu einer gefeglichen Klarftellung des B-8 führen.
Die Be, unter welden das Zrienter (1185) u,
das Iglauer (1086) wol die älteſten find, u. die
landesherrlichen Bergordnungen, unter welchen die
Zoadimsthaler von 1584 als Mufter galt, be-
9
—
18
ſtimmten im Allgemeinen die Bedingungen, unter,
Bergrecht.
I. Heutiges Recht. An dem gewaltigen
welchen den um Berleihung des Rechtes zum Aufſchwunge der Juduftrie in der Gegenwart be—
Bergwertsbetriebe Nachſuchenden — e8 jollte aber|tbeiligte ſich nicht im geringem Mafe der Bergbau.
Zedweder darum nachſuchen können — die Er-
laubniß ertbeilt werden folle, auch auf fremden
Grund u. Boden auf Foſſilien bergmänniſch zu
bauen (Freierklärung des Bergbaueß). So geftaltete
fi) das Iandeshoheitlihe B:regal als das Recht,
auf gewiſſe Foffilien ausſchließlich felbft zu bauen,
u. daneben als das Nedt, den Bergbau für frei
zu erflären, d. b. das Recht zu verleihen, auf
Mineralien, weldhe in Gängen u. Flöten ftreichen
u, nur durch künftlichen Bergbau betrieben werden
fönnen, zu bauen. Galpeter, Salz, Stein« umd
Braunfoblen, Torf u. alle Arten von Steinen ge-
börten deshalb nur zu den Gegenftänden des Berg-
vegals, wein das Herlommen oder das Geſetz Dies
ausdrüdlich erflärt u. wenn fie durch künſtlichen
Bergbau gewonnen werden jollen, Außer dem
Falle, wo es fi) um Verleihung eines bereits im
Baue begriffenen Bergwerles handelte, gab ber
Erwerb des Berglohnes die Erlaubniß, nach Foſ—
fillen zu fchürfen u. die Fundgrube vor Anderen
zu muthen; aber Echürfen u. Muthen mußte bei
Berluft der Erlaubniß innerhalb beftinmter Friſt
geicheben fein. Das Hecht des Belchnten galt als
Dominium utile, dem das D. direetum des Yan-
desherrn gegemüberftand; dieſes aber machte ſich
geltend in dem Rechte des eventuellen Nüdfalles
des Bergwerls-Eigenthums, in dem Rechte einer
Bergmwerlsabgabe (Receß-⸗, Quatembergeld) u. in
dem Rechte des Berfaufes der geförderten Erze,
Im 17. u. mehr nod im 18. Jahrh. machte ſich
daneben die Überzeugung geltend, daß der Berg-
bau ein mwefentliches Element in dem wirtbichaft-
lihen Rechte der Gejellichaft fei u. daß fein Be-
tricb deshalb der ftaatlichen Fürſorge, „Daß ſolches
Megal gejegmäßig u. zum Nuten des Publici ver
waltet werde“ (Magdeburger Bergordnung von
1772, €. 1, 8 35), nicht entrathen fünne In
den diefer Periode angehörenden Bergordnungen
findet fi eine Berfchmelzung der Regalienqualität
des Bergbaues mit den Grundfägen einer Berg»
polizeiverwaltung. Die Rechtsverhältniffe der Berg-
bautreibenden waren im Wejentlihen u. Allgemei-
nen die folgenden. Außer dem Eigenlohner, d. h.
wer für eigene Rechnung den Bergbau treibt, od.
doch nicht mebr als 8 Perfonen in das ideelle
Miteigenthum aufgenommen hat (Gejellenbau), be»
ftand die aus mehr Perfonen beftehende Gewerk—
fchaft, welche ihre Bergantheile in (in der Regel
128) Kuren beſaß. Diefe Kuren galten als
freies, unbewegliches Eigentbum; an ihrer Ge-
fammtheit beftand das Hecht des Miteigenthums
u. der Genoſſenſchaft; auf ihnen rubte die Pflicht
zur Leiflung der Zubußen für dem fich nicht felbft
dedenden Bergbaubetrieb; auf fie vertheilte fich die
Ausbente, welche fich aus dem Überſchuß des Geför-
derten nach Abzug der Betriebstoften u. Rückzahl⸗
ung der Zubußen u. des Verlages feftftellte. Nicht»
Seine raſch wachſende Ausdehnung war Urſache
u. Wirkung deffelben zugleich. Aber aucd das Recht
des Bergbaues zeitigte neue Formen u. Örund-
füge, Wie überhaupt das Offentlihe Recht ſich
aus den engen Formen des Privatredhtes be»
freite und anderfeits die wirthichaftlihen Volls—
intereffen nach einer Klarftellung ihres Rechtes
verlangten, jo entfeſſelte fi aud das Bergmeien,
diefer weientliche Factor des wirthſchaftlichen Lebeus,
aus dem vergangenen Zeiten u. Anſchauungen au⸗
gehörigen Spftem der Regalien und emancıpirte
ſich als das von dem Princip der Freiheit des
wirthſchaftlichen Lebens getragene Gebiet eines
neuen Rechtes. Die Gefetsgeber in den bergbau-
treibenden Staaten jahen ſich gezwungen, auch die
Nechtsverhältnifie des Bergbaues entiprehend zu
rejormiven, As die erfte umfaffende und maß»
gebendfte neuere Codification des Bergrechtes iſt
das Öfterreichifche Berggeſetz vom 23. Mai 1854
zu nennen; ihm folgte das Preußiihe Allgemeine
Berggefets vom 24. Juni 1365; beide ftimmen in
den Grundprincipien überein. Gin weiter zu be»
achtendes Berggeſetz ift das für das Königreich
Bayern vom 20. März 1869, von Manchen für
das vorzüglichfte gehalten. Wir nehmen an die»
jer Stelle auf das Preuß. Berggejeg bejonders
Rücſicht; daſſelbe gilt für Die ganze preußiiche
Monarchie in ihrem gegenwärtigen Umfange. Seine
Grundbeſtimmungen find aber im Allgemeinen fol-
gende. Der Staat hat auf das Bergregal ver-
zichtet; indem die Mineralien: Gold, Silber, Qued-
filber, Eifen, mit Ausnahme der Rafenerze, Blei,
Kupfer, Zinn, Zink, Kobalt, Nidel, Arſenik,
Mangan, Antimon u. Schwefel, Wiaun- u. Bitriol«
erze, Steinloble, Braunloble u. Graphit (in Naffanı
auch der Dachſchieſer), Steinfalz, nebft den mit
demjelben auf der nämlichen Yagerftätte vorlom-
menden Salzen u. die Soolquellen dem Berfüg-
ungsrechte des Grundeigenthümers entzogen find,
ift die Auffuhung u. Gewinnung derfelben für
Jeden, aud den Staat, wenn er auf eigene Rech-
nung Bergwerke erwerben u. betreiben will, an
die nämlichen gefeglichen Bedingungen u. Formen
geknüpft (SS ı u. 2). a) Zum Schürfen auf
fremdem Eigenthum ift die Erlaubniß des Grund»
eigenthümers zu erwirlen; diefe aber muß ertbeilt
werden, wenn es nicht öffentliche Pläge, Straßen,
Eifenbahnen oder Friedhöfe find u. wenn micht
nad der Enticeidung der Bergbebörde übermwie-
gende Gründe des öffentlichen Intereſſes entgegen«
ftehen. Der Schürfer ift verpflichtet, dem Grund-
eigenthümer für die entzogene Nutzung jährlich im
poraus vollftändige Entichädigung zu leiften und
das Grundſtück nach beendigter Benutzung zurid-
zugeben, auch den etwa eingetretenen Minderwerth
zu erjeßen; auf Verlangen bat er dieferhalb an-
gemeſſene Gaution zu beftellen; einigen ſich beide
Leiftung der ſchuldigen Zubnße in der beftimmten Frift Theile nicht hierüber, jo enticheidet die Bergbe»
(in Netardat fallen) bewirkte den Berluft des Berg- hörde.
In den Feldern fremder Bergwerke darf
theils; wenn der Fortbau umterbleibt, oder wenn nach denjenigen Mineralien geichürft werden, auf
alle Kuren in Retardat fallen, fo fiel die Grube in welche der Bergwerkseigenthüimer Rechte noch nicht
das Tandesherrliche Frey, u. Wiederaufnahme des|erworben hat, falls nicht ſolche Schlirfarbeiten die
Baues erforderte neue Muthung u. Belehnung.
Sicherheit der Baue oder den ungeftörten Betrieb
Bergrecht.
des Bergwerles bedrohen. Der Schürfer iſt be—
fugt, über die bei ſeinen Schürfarbeiten geförderten
Mineralien zu verfügen, infofern nicht bereits
Dritte Rechte auf diefelben erworben haben.
b) Die Muthung, d. h. das Gefuh um Ber-
leihuug des Bergwerfs-Eigenthums in einem ge»
willen Felde, ift Schriftlich in zwei gleichlautenden
Eremplaren bei dem Ober-Bergamte einzulegen
oder zu Protokoll zu erllären u. muß die gejetlich
rorgejchriebenen Punkte enthalten. Zudem bat der
Mutber die Lage u. Größe des begehrten Feldes,
fegtere nach Quadratlachtern, anzugeben u. einen
von einem conceffionirten Markicheider oder Feld—
mejjer angefertigten Sitwationsriß in 2 Eremplaren
einzureihen. Die Giltigfeit der Muthung ift aber
dadurch bedingt, daß das im derjelben bezeichnete
Mineral an dem angegebenen Fundpunkte auf
feiner natürlichen Ablagerung vor Einlegung der
Muthung entdeckt worden ift u. bei der amtlichen
Unterfuhung nachgewieſen wird, u. daß außerdem
nicht beſſere Rechte Dritter auf den Fund entgegen»
ftehen. e) Die den gefetlichen Erforderniffen ent-
iprehende Muthung begründet einen Anfpruch auf
Berleihung des Bergwerfs-Eigenthums im dem
beftimmten Felde. In der Regel gebt die Ältere
Muthung der jüngeren vor; nur wer auf eigenem
Grund u. Boden oder in feinem eigenen Öruben»
gebäude, oder durch dem geſetzlichen Borichriften
entiprechende Scürfarbeiten ein Mineral auf fei-
ner natürlichen Ablagerung entdedt, hat als Finder
das Vorrecht vor anderen, nah dem Zeitpunkte
feines Fundes eingelegten Winthungen, wenn er
innerhalb einer Woche nach Ablauf des Tages der
Entdedung Muthung einlegt. Nachdem über den
Berleihungs »Bertrag ein Provocationsverfjahren
ftattgehabt u. die etwaigen Einſprüche Dritter be-
feitigt find, fertigt das Oberbergamt die Berleib-
ungsurfunde in der geieglich beftimmten Weiſe
aus, Diefe wird durch das Regierungsamtsblatt be
fanntgemadt, u. fünnen noch innerhalb 3 Monaten
Einwendungen dagegen geltend gemacht werden.
Die Koften des Berleihnngsverfahrens, mit Aus—
ihluß der durch unbegründete Einiprüche entitan-
denen, hat der Muther zu tragen. d) Der Berg-
werfseigenthüimer ift befugt, die amtliche Ber-
mefjung u. Berlodfteinung des dur bie
Berleihungs-Urkunde bejtimmten Feldes zu ver-
fangen; diejelbe Bejugnig haben die Eigenthiimer
angrenzender Bergwerke. Diejes Geichäft wird
unter der Leitung der Bergbehörde durch einen
eonceffionirten Markſcheider oder Feldmeſſer aus-
eführt auf Koften des Antragftellers. e) Bei der
ereinigung zweier oder mehrerer Bergmwerfe zu
einem einheitlichen Ganzen — Eonfolidation —
find vor Allem die bisherigen von den vereinigten
Werten beftandenen Hypothelen- und Realrechte
zu fihern. Mit der Beftätigung der Conſoli—
219
Veräußerung, Berpfändung u. des Arreftes den
allgemeinen Vorſchriften, welche in diefer Bezieh—
ung für das Örundeigenthum gelten. Der Berg-
werfseigentbümer hat die ausſchließliche Befugniß,
nah den Beitimmungen des Geietes das in der
Verleihungsurfunde benanıte Mineral in feinem
Felde aufzuſuchen und zu gewinnen, fowie alle
bierzu erforderlichen Borrichtungen unter u. über
Tage zu treffen. Auf Mineralien, welche mit den
in der Berleihungsurtunde benannten innerhalb
der Grenzen des Feldes in folhem Zuſammen—
hange vorfommen, daß fie nach der Entfcheidung
des Oberbergamtes aus bergtechniichen od. berg-
polizeilihen Gründen gemeinichaftlih gewonnen
werden müfjen, hat der Bergwertseigentbiimer vor
jedem Dritten ein Borredht zum Muthen. Die
durch den Betrieb des Bergmerfes gewonnenen,
wicht unter die im Berggeſetze benannten (j. oben IL,
zu Anfang) gehörigen Mineralien find zu Zwecken
ſeines Betriebes ohne Entihädigung des Grund-
eigentbümers zu verwenden; andernfalls lann diefer
deren Herausgabe gegen Erftattung der Gewinn-
ungs- u. Förderungskoſten verlangen. In dem
Bergwerfseigenthum liegt ferner die Befugniß
zur Errichtung u. Betreibung der zur Aufbereitung
der Bergwertserzeugniffe erforderlichen Auftalteu,
ebenfo zur Anlegung von Hilfsbauen im freieu
Felde, Wird der Hilfsbau in dem Felde eines
anderen Bergwerkseigenthümers angelegt, jo muß
der Hilfsbauberechtigte für allen Schaden, welcher
dem belafteten Bergwerle durch feine Anlage zu—
gefügt wird, vollftändige Entſchädigung leiſten.
Endlich bat der Bergwertseigenthimer das Recht,
die Abtretung des zu feinen bergbaulichen Zweden
erforderlichen Grundes u. Bodens nach den desfall-
figen geſetzlichen Vorichriften zu verlangen. f) Bes
trieb u. Berwaltung der Bergmwerfe unterliegen
der Aufficht der Bergbebörden und find nach dei
allgemeinen gejeglichen u, polizeilichen Vorſchriften
einzurichten. Stehen der Unterlaffung oder Ein»
ftellung des Betriebes nad) der Entſcheidung des
Oberbergamtes überwiegende Gründe des öffent:
lihen Jnterefles entgegen, fo ift der Bergwerts-
befitser verpflichtet, Das Bergwerk zu betreiben.
Der Betrieb darf nur auf Grund eines von der
Bergbehörde zuvor aus dem bergpolizeilihen Ge;
fihtspunfte geprüften Betriebsplans erfolgen.
Anfang u. Einſtellung des Betriebes find der
Bergbehörde vorher anzuzeigen. Der Betrieb
darf nur umter Leitung, Aufficht u. Berantwort-
lichkeit von Perſonen geführt werden, deren Be—
fähigung hierzu von der Bergbehörde geprüft u.
anerfannt ift; fie find für die Innehaltung der
Betriebsplane, fomwie für die Befolgung aller in
Geſetze enthaltenen oder auf Grund deſſelben cı-
gangenen Vorſchriften u. Anordnungen verant-
wortlid. Das Bertragsverhältniß zwiſchen den
dation geht das Realrecht ohne Weiteres auf] Bergwerksbefigern umd den Bergleuten wird nad)
den entſprecheuden, geſetzmäßig feſtgeſtellten An-|den allgemeinen geſetzlichen Vorſchriften beurtheilt;
theil an dem conſolidirten Werke über, Die Be—
ſtätigung der Conſolidation darf nur verſagt wer-
den, wenn die Felder der einzelnen Berg—
werke nicht am einander grenzen, oder wenn
Gründe des Öffentlichen Intereſſes entgegeuftehen.
Das Bergwerkseigenthum gehört zu den unbe
meglichen Saden u. unterliegt in Anfehung der; Geſetze enthaltei.
nur in einzelnen Beziehungen, namentlich in Be
treff der Kündigung, des vorzeitigen Entlaffens
oder Austretens (Ablebrens) der Bergleute, der
Ertheilung von Abtehrſcheinen, Ausloojung der
Bergleute, find befonbere, durch die Verhältniſſe
des Bergbaubetriebes gebotene Vorſchriften in dem
Bezüglich der Beſchäftigung
220
jugendliher Arbeiter in den Bergmwerlen kommen
die Beftimmungen der Gewerbe» Ordnung vom
21. Juni 1869 zur Anwendung. g) Die Rechts—
verhältniffe der Mitbetheiligten eines
Bergwerles faßt der Begriff der Gewerkſchaft.
Sie befteht, wenn Zwei oder Mehrere an dem
Bergwerke betheiligt find, u. kann ihre beiondere
Verſaſſung durch ein notariell oder gerichtlich zu
errichtendes Statut, welches der Zuftimmung von
wenigftens drei Viertheilen aller Antheile u. der
Betätigung des Oberbergamtes bedarf, regeln,
Allgemein aber gilt, wenn micht Anderes durch
Bertrag unter den Mitbetheiligten verabredet ift,
für die feit dem Erjcheinen des Allg. Berggejetes
in Betrieb gejetsten Bergwerte Folgendes: Die
Gewerkichaft beſitzt die echte einer Juriftiichen
Perſon u, wird jubjectiv wie objectiv nur als ein
einheitliches Ganzes behandelt; die auf 100 oder
1000 beftimmten Kure find untbeilbar u. haben
die Eigenfchaft der beweglichen Sachen; die Ge—
werfe nehmen nach dem Berbältniß der Kure an
dem Gewinne u, Berlufte tbeil und haben danad)
auch die Weiträge, melde zur Grfüllung ber
Schuldverbindlichkeiten der Gemwerfichaft oder zum
Betriebe erforderlich find, zu zahlen, Uber ſämmt—
lihe Mitglieder der Gewerkſchaft und deren Kure
wird das Gewerlenbuch geführt, auf defien Grund
einem jeden Gewerfen, welcher es verlangt, ein
Autheil- oder Kurichein ansgefertigt wird, Die
Kure fünnen ohne Einwilligung der Mitgewerten,
aber nur fchriftlich veräußert u, verpfändet werden.
Die Gemwerten fafien ihre Beſchlüſſe in Gewerlen-
verſammlungen, in denen das Stimmredt nicht
nach Perſonen, jondern nach Kuren geilbt wird,
Die Wichtigkeit der Gemwerkichaftsbeichlüffe bat zu
der fingulären Vorſchrift geführt, daß binnen einer
Präcluſivfriſt von 4 Wochen jeder Gewerfe die
Entiheidung des ordentlichen Hichters, in deſſen
Bezirk das Bergwerk liegt, darüber anrufen fann,
ob der Beichluß zum Beſten der Gewerlſchaft ge-
reiche, u. gegen die Gewerkſchaft auf Aufhebung
des Beichlufies Hagen kann. Durch das Statut kann
diefe Entſcheidung aud einem Schiedsgerichte über:
tragen werden. Die Gewerlichaft wird durch einen
Repräfentanten, oder durch einen aus mehreren
Mitgliedern beftehenden Grubenvorftand vertreten,
Dieje Vertretung führt aud das Gewerlenbud u.
fertigt die Kurſcheine aus, beruft die Gewerlen—
verjammlungen, nimmt alle Borladungen u. jon»
ftige Zuftellungen an die Gewerkichaft in Empfang;
durch die von ihr im Namen der Gemerticaft
geſchloſſenen Nechtsgeichäfte wird dieſe bevechtigt
u. verpflichtet. Die Klage gegen einen Gewerten
auf Zahlung feines durch Gewerlſchaftsbeſchlüſſe
bejtimmten Beitrages kann nicht vor Ablauj der
gegen jeden Gewerkſchaftsbeſchluß offen ftehenden
wöchentlichen Prächufivfrift erhoben werden. Der
Gewerke kann die VBerurtheilung u. Erecution da-
durch abwenden, daß er unter Überreihung des
Kuricheines den Verkauf feines Antheils behufs
Befriedigung der Gewerkſchaft anheimftellt. Der
Verkauf erfolgt dann im Wege der Mobiliarver-
jteigerung. Feder Gewerke ijt befugt, auf feinen
Antheil freiwillig zu verzichten, wenn darauf weder
ſchuldige Beiträge, uoch ſonſtige Schulbverbiud-
lichleiten haften, oder die ausdrückliche Einmillig-
Bergrecht.
ung der Gläubiger beigebracht wird u. außerdem
die Rückgabe des Kurſcheines an die Gewerkichaft
erfolgt. Der Antheil wird fodann, wenn die Ge—
werfichaft nicht anders darüber verfügt, zu deren
Gunften verkauft. Iſt der Antheil unverfäuflich,
fo wird er den anderen Gewerken nach Verhältniß
ihrer Antheile in ganzen Kuren, fomweit dies aber
nicht möglich ift, der Gemertichaft als foldher im
Gewerkenbuche laftenfrei zugeichrieben. h) Auf«
bebung des Bergwerkseigenthums, Frei—
erflärung, Freifahrung. Wird amtlich feftgeftellt,
da ein Bergwerkseigenthümer bie nach Vorſchrift
des Geſetzes an ihn erlaffene Aufforderung zur
Inbetriebſetzung des Bergwerkes oder zur jFort-
jegung des unterbrochenen Betriebes nicht befolgt
bat, jo fann das Oberbergamt die Einleitung des
Verfahrens wegen Entziehung des Bergwerks—
eigentbums durch einen Beichluß ausſprechen.
Innerhalb 4 Wochen kann der Bergwerlseigen-
thümer bei dem Gerichte, in deſſen Bezirk das
Bergwerk liegt, gegen das Oberbergamt auf Auf-
bebung des Beichluffes Hagen. Der rechtskräftig
gewordene Beſchluß des Oberbergamtes wird den
Hppothefen- Gläubigern und anderen Realberedh«
tigten zugeftellt u. außerdem zur öffentlichen Kennt-
niß gebradjt. Jeder derjelben kaun dann inner-
balb 3 Monaten behufs feiner Befriedigung Die
nothwendige Subhaftation des Bergwerles bei dem
zuftändigen Richter auf feine Koften beantragen;
andernfalls erlischt der Nealanipruch bei der dent»
nächftigen Aufhebung des Bergwerkseigenthums.
Einen gleihen Antrag lann auch der Bergwerts-
eigenthiimer auf jeine Koften ftellen. Die Auf:
hebung des Bergwerlseigenthums ſpricht das
Oberbergamt durch einen Beichluß aus; mit dem-
jelben erlöſchen alle Anſprüche auf das Bergwerk,
von welder Art fie fein mögen, Ebenſo wird
verfahren u, diefelben ‘Folgen hat es, wenn ber
Eigenthümer vor der Bergbebörde feinen frei
willigen Berzicht auf das Bergwerk erklärt. Bei
jeder Aufhebung des Bergwerkseigenthums darf
der bisherige Eigenthümer die Zimmerung und
Mauerung des Grubengebäudes nur in jo weit
wegnehmen, als nad der Enticheidung der Berg—
behörde nicht polizeiliche Gründe entgegenitehen.
Die Koften des Aufhebungsverfahrens hat ftets
der Bergwerkseigenthümer zu tragen.
III. Bergmwerfspolizei. Die den Bergbe-
börden zuftehende Aufficht über den Bergbau er-
ftredt fi auf die Sicherheit der Baue, die Sicher-
heit des Lebens und der Gejundheit der Arbeiter,
den Schug der Oberfläche im ntereffe der per-
fönlihen Sicherheit u. des öffentlichen Verkehres,
owie auf den Schuß gegen gemeinſchädliche Ein-
wirlungen des Bergbaues, Dieler Auffiht unter-
liegen auch die Nufbereitungsanftalten, Dampf»
tefiel u. ZTriebwerfe, ſowie die Salinen. Die
Oberbergämter haben die erforderlihen Polizei-
verordbnungen für den ganzen Umfang ihres Ver—
waltungsbezirtes zu erlaflen u. alle zur Abwend-
ung u. Bejeitigung von Gefahren nöthigen Anord-
nungen zu trefien. Werden dieſe nicht innerhalb
der gejegten Friſt vom Bergwerlsbeſitzer ausge»
führt, jo läßt die Bergbehörde diefelben auf deflen
Kojten ausführen. Ereignet fi auf einem Berg-
werte unter oder über Tage ein Ungtüdsfal,
Bergrecht.
welcher den Tod oder die ſchwere Verletzung einer
oder mehrerer Perſonen herbeigeführt hat, ſo ſind
der Betriebsführer oder der denſelben vertretende
Grubenbeamte zur ſofortigen Anzeige an den
Revierbeamten und an die nächſte Polizeibehörde
verpflichtet. Der Revierbeamte ordnet die zur
Rettung der verunglüdten Perfonen oder zur Ab»
wendung weiterer Gefahren erforderlihen Maß
regeln an. Die Koften trägt, vorbehaltlich des
Regreſſes gegen Dritte, welche den Unglüdsfall
verſchuldet haben, der Bergmerlsbefiger, der auch
die zur Ausführung der angeordneten Maßregeln
nothwendigen Arbeiter u. Hilfsmittel zur Verfüg—
ung zu ftellen hat.
IV. Die Bergwerfsverfaffung, als der
Jubegriff der die adminiftrative Organifation des
Bergbaubetriebes betreffenden Einrichtungen und
Grundfäge, bat einen zweifachen Inhalt, indem
fie ſich theils auf die Organe des Bergbaube
triebes ſelbſt, theils auf die Organe der Staats-
aufficht über denfelben beziehen, In erfterer Be-
ziehung find die verichiedenen bergtechniichen Be—
amten von den Bergleuten (Knappen) an bis zum
Grubendirector hinauf zu nennen. Die Beziebun-
gen ihrer verichiedenen Kategorien find nicht allge:
mein diefeiben (f. 3. B. Schell, Die Verbältniffe
des Bergarbeiters im Ober-Harze, Lpz. 1850, wo
man eine reichhaltige Nomenclatur findet). Nur
der Steiger (Ober- u. Unterfteiger) als der Auf—
fichtsbeamte und der Schichtmeifter als der Rech—
nungsführer der Gewerfichaft kommen wol überall
vor. Bon bejonderem Intereſſe find die Ber-
einigungen der Bergleute in den Knappſchaften.
Die einzig gearteten Berhältniffe der Yeib und
Leben dem Schoofe der Erde anvertrauenden und
den Gefahren unter Tage ausjetenden Bergleute
führten jchon früh zu befonderer Fürſorge für das
Wohl derjeiben n. zu beionderen Einrichtungen zur
Wahrung ihrer eigenthümlichen Intereſſen. Nas
mentlich beftehen jeit langer Zeit in den Bergbau:
Diftricten Knappfchaftsunterftügungstaffen (Kuapp-
ſchaftsladen), weiche dem invalide gewordenen Berg-
mann u. den Hinterbliebenen des Berunglüdten
oder Berftorbenen durch die ftatutenmäßigen Unter
ſtützungen zu Hüfe zu kommen beftimmt find,
Nach dem Preuß. Allg. Berggeſetze vom 24. Juni
1865 miüfjen für die Arbeiter aller Bergmwerte,
Aufbereitungsanftalten u. Salinen Knappidafts-
vereine bejteben, welde den Zwed haben, ihren
Theilnehmern u. deren Angehörigen nad näherer
—— des Geſetzes Unterſtützung zu ge
währen, ie Leiſtungen, weldhe danach jeder
Berein nad näherer Beftimmung feines Statuts
feinen vollberechtigten Mitgliedern mindeſtens zu
gewähren bat, find; 1) in Krankheitsfällen eines
Knappſchaftsgenoſſen freie Kur u. Arznei fiir feine
Perſon; 2) ein emtjprechender Kranfenlohn bei
einer ohne eigenes grobes Verſchulden entjtandenen
Krankheit; 3) ein Beitrag zu den Begräbnißtoften
der Mitglieder u. Invaliden; 4) eine lebensläng ·
lihe Juvalidenunterftiitung bei einer ohne grobes
Verſchulden eingetretenen Arbeitsunfähigkeit; 5)eine
Unterftügung der Wittwen auf Yebenszeit, bezw,
bis zur etwaigen MWiederverheirathung; 6) eine
Unterftügung zur Erziehung der Kinder verftor-
22]
gelegtem 14. Lebensjahre. Für die Leiſtungen
unter 1), 2) u. 3) ift die Einrichtung beionderer
Kranfenkafien auf jämmtlihen zum Knappſchafts-
vereine gehörigen Werfen, u. zwar auf jedem ein«
zeinenen Werte, oder gruppenweiſe auf mehreren,
vorgejeben. Die Anſprüche der Berechtigten auf
die Veiftungen der Knappihafts- u. der Kranken—
faifen fünnen weder au Dritte übertragen, noch
auch mit Arreft belegt werden. Die Kaffenbeiträge
find ſowol von den Arbeitern (in einem gewiſſen
Procentiage ihres Lohnes, oder im einen ent
Iprechenden Fixum), als auch von den Werkbe—
fipern zu zahlen. Die Berwaltung eines jeden
Ruappichaftsvereines erfolgt unter Betheiligung
von Nuappicaftsäfteften, melde von den zum
Bereine gehörigen Arbeitern u. Beamten aus ihrer
Mitte gewählt werden, dur den Stnappicaits-
vorftand. Diefer wird nach näherer Bejtimmung
des Statuts zur einen Hälfte von den Werfbe-
fittern, bezw, von den Repräſentanten, u. zur ans
deren Hälfte von den Knappichaftsälteften je aus
ihrer Mitte oder ans der Zahl der fünigl. oder
Privat-Bergbeamten gewählt. Der Knappſchafts—
vorftand vertritt den Berein nah außen. Die
Organe der Staatsaufficht über die Bergwerke
gliedern fich in verfchiedene Inſtanzen, deren un—
terfte die Local Bergbehörde u. deren höchſte das
Minifterium ift, zu deffen Neffort das Bergmweien
gehört. In Preußen find e8 die Revierbeamten,
die Oberbergämter, der Handelminifter. In ges
wiſſem Betrachte könnten auch Die Markicheider bier
genannt werden, infofern fie unter Aufficht der
Oberbergämter ftehen u. ihre Bermeffungen öffent-
lihen Glauben haben; jedoch als eigentlihe Be—
anıte find fie nicht zu bezeihnen. Zur Wahr-
nehmung der bergredhtlichen Geſchäfte beftanden in
Preußen ehedem befondere Berggerichte, u. lag den-
felben namentlih die Filhrung der Berg» Hypo-
thefenbücher ob. Jetzt find deren Geſchäfte an die
ordentlihen Gerichte Übergegangen; mur in Ofter
veich beſtehen fie noch.
Literatur. Sie hat 3 Richtungen: die tech—
nifche, die wirthichaftliche, die juriftiiche; die letz—
tere ift am meiften gepflegt. a) Zur Geſchichte
des Vees: Eichhorn, Deutiche Rechtsgeſchichte,
5. Ausg., Gött. 1843 (88 58, 297, 307, 362,
395, 534, 548); Meyer, Verſuch einer Geichichte
der Bergmwerköverfaffung u. der B+e des Harzes
im Mittelalter, Eijen. 1817; Gmelin, Beiträge
zur Gefchichte des deutſchen Bergbaues, Halle
1783; Karften, Über den Urfprung des Berg-
regals in Deutichland, Berl. 1844. b) Syſte⸗
matifhe Bearbeitungen: Wagner, Corpus
juris metalliei, Leipz. 1791; Bauſſe, Einleitung
zu den in Deutichland üblichen Bsen, Lpz. 1740;
Köhler, Anleitung zu den Rechten bei dem Berg-
baue in Kurſachſen, Freiberg 1786; Canurin,
Grundſätze des deutfhen Berg. u. Salzrechtes,
Frantf. 1790; Hate, Commentar über das B. :c.,
Sulzbach, 1823; Karften, Grundriß der deutſchen
B⸗slehre, Berl. 1828; Stein, Handbuch der Ver-
waltungslehre zc., Stuttg. 1870. (©. 314 f.);
Klojtermann, Lehrbuch des preuß. B-es mit Beriid-
fichtigung der übrigen deutihen B-e, Berl. 1870;
Achenbach, Lehrbuch des Gemeinen Deutichen DBses,
bener Mitglieder und Juwalıden bis nach zurüd«! Bonn 1870; Wenzel, Handbuch des Ofterreichiichen
222
Bergregal — Bergiturz.
Be⸗es, Wien 1855; Zeitfchrift für B., berausge- fpäter erfand; ferner Realwörterbuch über die
geben von Braffert u Achenbach, Bonn feit 1860;
d. Hingenau, Handbud) der B-Sfunde, Wien 1855.
S. auch die Gommmentare zum Preuß. Allg. Berg-
gefete vom 24. Juni 1865 von Kloftermann, Berl.
1874, 3. Aufl., Huyſſen, Efien 1867, 2. Aufl.
Die technische Piteratur ſ. u. Bergbau. Grotefend.
Bergregal, der Inbegriff der Rechte, welche
dem Staate hinfichtlidh des Bergbaues zuftchen.
Bergreichenitein (Kaszpersty Hory), Berg-
ftadt des Böhmermwaldes im öfterr. Bez. Schütten-
hofen (Böhmen); Bezirksgericht; Glashütten, Papier:
mible; unbedeutender Goldbergbau; 2185 Em.;
in der Näbe die Schlöffer Böhmerwald u. Karlsberg.
Bergreihen, im 15. u. 16. Jahrh. Lieder
von Bergleuten und für ſolche gedichtet; bef. in
Sachſen u. Thüringen; geiftlichen u. weltlichen In—
haltes. Sammlımgen: Zwidau 1531 u. 1533;
Nürnb. 1834, m. A., Wein. 1854; andere von
Döring, Grimma 1839 f.; Kolbe, Halle 1843;
Vogl, Wien 1856; Köhler, Weim. 1858. Bgl.
Schade, B., Weim. 1854.
Bergjeife, ein namentlich aus Thon befteben-
bes Mineral, das fih fettig anfühlt u. ftarl an
der Zunge klebt, braunichwarz bis pechſchwarz
ausficht u. zum Wallen u. Wafchen grober wollener
Zeuge gebraucht wird, namentlich an feinen Fund—
orten in Böhmen u. Polen. Die hemiihe Zu-
ſammenſetzung ift jehr wechielnd, die Subftanz iſt
fiherlich ein Zerfegungsproduct anderer Mineralien,
Bergſöe, Wilhelm Jörgen, beliebter däni-
ſcher Noman- u. Novellendichter, geb. 8. Februar
1835 in Kopenhagen; ftudirte daſelbſt Medicin,
dann Naturwiffenfchaften, bejonders Zoologie, ver-
weilte 1862 in Italien, fchrieb über die Parafiten
des Schwertfiſches (1864) u. über die Tarantel
(1865), bereitete eine neue Syſtematik der Myria—
poden vor, wurde aber Durch jchwere Augenleiden
genöthigt, feine naturwiſſenſchaftlichen Forſchungen
aufzugeben, u. pflegte mun um fo eifriger fein
Dicptertalent. Nachdem er ſich 1868 zum zweiten
Mal in Nom aufgehalten hatte, begab er ſich
1873 wieder nad alien. Romane u. Novellen
(zum Theil ins Deutſche überſetzt): Piazza del
Popolo, 1866; Aus der alten Fabrik, 1869; Im
Sabinergebirge, 18715 Die Braut ans Förvig,
1872; GeipenReugerhhten, 1872.
Bergitrafe, 1) eine mit Nuß- u. anderen
Objtbäumen bejegte, 52 km lange, wahrſcheiulich
hen von den Römern angelegte Straße in Heflen
u. Baden, zwiſchen Bejlungen (bei Darmiftadt)
und Heidelberg, am weftlihen Fuße des Oden«
waldes. 2) (Varadies von Deutichland). Die diefer
Straße näditliegende Gegend, von milden Klima
u. fruchtbar an Obft u. Wein. Die Anficht der
ſchön geformten, meift wohl angebauten Berge ift
nicht minder reizend, als die Ausficht von ihren
Höhen. Diefe Gegend ift daher noch immer das Ziel
zahlreicher Reiſenden. Cine andere B, findet ſich
in der Pfalz; fie dürfte ſogar für die ſchönere gelten.
Bergiträßer, Johann Andreas Benignus,
geb. 21. Dec..1732 zu Idſtein; ftudirte in Jena
u. Halle u. wurde 1760 Rector zu Hanau; ftarb
24. Dec. 1812. Er jhr.: Synthematographik,
Hanau 1784—87, worin er eine Art von Tele-
graphen vorſchlug, wie fie Ehappes in Frankreich
claffiihen Schriftfteller der Griechen u. Yateiner,
Halle 1772—81, 7 Bde; Abbildungen u. Be»
Ichreibungen der Inſecten in der Grafihaft Hanau-
Münzenberg, Hanau 1777— 79,3 Jahrg., u.a. m.
Bergiturg nenut man im Allgemeinen jedes
Herabftärzen einer größeren Gefteinsmafle von an«
itehenden zellen oder Bergen. Die Urſache der
Bergftürze (auch Bergſchlipfe, Felsftürze u. Erd»
fälle genannt) ift, wenn aud nicht immer une
mittelbar, doch mittelbar das Waſſer. Wenn
feftere Schichten irgend eines Gefteines in Bergen
oder Bergrüden mit anderen darımter liegenden
Schichten abwechjeln, welche aus folhen Mafien
bejtehben, die leicht vom Waſſer ermeicht oder
ſchlüpfrig gemacht werden, aljo vornehmlich tho—
nigen, u. zugleich der Aufbau der Höhen jo be
Ihaffen ift, daß ihre Schichten eine' Neigung
gegen eine nicht unterftütste Seite z. B. ein Thal,
haben, fo ereignet e8 fi) nicht ganz felten, daß
nah u. nad die vom Waffer erweichten Schichten
jo jchlüpfrig werden, daß die oberhalb Tiegenden
Felsmaſſen mehr oder minder jchnell auf ihrer
geneigten Unterlage herabfinten, mit ihren Trüm«
mern die vorliegenden Thäler erfüllen u. die
furchtbarſten Berheerungen anrichten, ja, mit ihrer
Maſſe Thäler jo abjperren, daß oberhalb Seen
entftehen. Soldye Bergftürze, die namentlichin Tirol
u, der Schweiz jehr verjchieden in Größe und
Furchtbarkeit je nah Maß u. Neigung der Schich—
ten vorlommen, nennt man Bergichlipfe, im Salz-
burgischen Blaiken. Eine andere Art von Berg»
ſtürzen entfteht dadurch, daf das Meer, Ströme
oder Bäche nad) u. nach den Fuß von gr abs
nagen, diejelben unterfpülen, wodurch die überban-
genden Bergmafjen die Unterftütung ihres Schwer-
punftes verlieren und durch ihr eigenes Gewicht
abbrehen. Dieje Erjcheinung ſollte man eigentlich
Felsſturz nennen. Sie ijt gleichartig mit der
Tostrenmung fleinerer oder größerer Geſteins—
mafjen, wie dieſelbe immerfort ftattfindet durch
die BVermwitterung, oder das Eindringen von
Waffer in Gefteinen und darauf folgendes Los-
brechen, oder durch Cindringen von Baum«
wurzeln, weiche ebenfalls Gefteinsbroden löfen, die
oft tief u. verderblich herabftürzen. Erbfälle endlich
nennt man die Phänomene, bei welchen der Boden
mehr in verticaler Richtung in das Inuere der
Erde niederfinft, fo daß an der Oberfläche eine
trichterförmige Vertiefung entfteht. Dieſe Erdfälle
ereignen fih meift an Punkten der Erboberfläde,
wo unter deufelben von Waffer mehr oder minder
leicht auflösliche Schichten liegen, z. B. Gips oder
Steinfalz, oder auch Foblenjaurer Kall. Durch
die Auflöfung u. Wegführung diefer Schichten
eutftehen dann hohle Räume, deren Gewölbe
ſchließlich nicht mehr Feftigfeit genug haben u.
dur ihr eigenes Gewicht einftürzen. Ob öfter
Erdbeben dann auch noch als Urſache Hinzutreten,
oder Wirfung diefer Erdfälle find, indem durch
die ftattfindende Reibung der niederftürzenden
Schichten fo viel Wärme erzeugt wird, um die
bei Erdbeben öfter auftretenden vulcaniſchen Er—
ſcheinungen zu erflären, darüber find die Meinuns
en der Gelehrten noch getheilt. Statt vieler
ler Fälle, die ung die Geſchichte von ſolchen
Bergtalg — Bergzabern.
Ereigniffen bewahrt hat, folgen bier nur einige
ausgezeichnete.
Der ältefte der Wirkung nad), wenn auch nicht
der Zeit nach befannte, dürfte der den Unter—
gang der Stadt Belleja verurfahende B. jein.
Man kannte aus Plinius nur den Namen diejer
Stadt, die Stelle, wo fie gelegen hatte, war uns
befannt; da fand man 1757 zwiſchen Piacenza u.
Parma in einem Gebirgsthal der Apenninen die
Tabula Trajana, ein in Erz gegrabenes Dentmal
einer Stiftung Trajans; die Aufmerkſamkeit wurde
rege, u. e3 gelang nun, allmählich die ganze Stadt
unter den Trümmern des Bergichlipfes wieder zu
finden. Die Berge der ganzen Umgegend find
zu Bergichlipfen heute noch fehr geneigt, noch
1784 fam einer vor, u. 1800 zeigten ſich in ber
Nähe bei Giovanni della Bertoja ebenfalls die
Spuren eines drohenden Bergichlipfes, der aber
jo langfam vorrüdte, daß die Eimvohner Zeit
batten, auszumandern u. fih an minder geführ-
licher Stelle anzufiedeln.
Das großartigfte Beiipiel eines Bergichlipfes
it der vom 2. Sept. 1806, am Ruffi oder Hof:
berge, fildl. vom Rigi in der Schweiz. Der Rof-
berg beftcht aus jogenannter Nagelfluhe, einer
Felsart, die aus lauter Heinen Felsbrocken zuſam—
mengelittet erfcheint, welche fih beim Berwittern an
Felswänden mie die Köpfe eingeihlagener Nägel
ausnehmen. Der Rigi befteht ebenfalls daraus,
Die Schichten diefer Nagelfluhe wechſeln mit oft
anſehnlich diden Lagern von feinem fandigen
Thon. Die Steigung der Schichten beträgt ca.
25% In dem nafjen Sommer des Jahres 1806
war nun eine dieſer Thonſchichten jo ermweicht, daß
die aufgelagerten Nagelfluhe-Schichten fi in einer
lage befanden, wie ein Schiff vor dem Stapellaufe;
es riß ſich daher von dem Gipfel des Berges,
durch Querſpalten begünftigt, eine wuchtige Fels—
platte von ca. 30 m Dide u. 300 m Breite u.
der Länge einer Stunde los u. rutfchte mit un—
olaubficher Schnelligkeit, wie e8 fcheint, in etwa
5 Minuten, in das benachbarte Thal nieder, Alles,
was auf feinem Wege lag, ſpurlos vernichtend.
Drei Dörfer, unter ihnen das bedeutendite Goldau,
mit 484 Menſchen gingen unter, u. im Thal—
grunde erhebt fich jest ein Hügel von 60—70 m
Höhe aus den Fzelstrümmern. Bereits 1355 fand
in derſelben Gegend ein Erbichlipf ftatt, mwobet
das Dorf Röthen unterging, u. 1823 ereigneten
fi) wieder Meinere Bergſchüpfe im derfeiben Ge-
gend. Der Bergichlipf des Jahres 1839 am
24,—25. Dec. an der Küfte von Devon in Eng-
land war ebenio erfolgreich für die Veränderung
der Erdoberfläche, wie der am Auffi: er jchob
eine ganze Hügelreihe ins Meer vor. Auch der
1846 ftattgefundene Bergſchlipf bei Unfel am
Khein hatte ähnliche Urfachen u, Wirkungen. In
der Schweiz u. namentlich in Graubünden finden
fih no die Spuren mannigfadher Eriheinungen
diefer Art, namentlih ım Nolla- u. Hinterrhein-
That. Bon Felsſtürzen find befannt der fogenannte
223
fah finden fi diefelben auch in Wallis u. der
Kari. Vgl. Nöggerath, Die Erde, Stuttgart 1847,
u. Berlepſch, Die Alpen, Leipzig 1861.
Bergtalg (Ervwahs, Bergwachs), veraltete,
Bezeihnung für eine Weihe natürlicher fefter
Koblenwafjerftoffe, die weiß u. wahsähnlich find
u. von welchen neuerdings mehrere Arten unter-
jchieden werden; ſ. u. Ozokerit, Hatichettin, Fich-
telit, Scheererit, Hartit.
Bergtheer, ſ. Aſphalt.
Bergues, befeſtigie Stadt im Arr. Dünkirchen
des franz. Dep. Nord, an der Nordbahn u. meh—
reren Kanälen; St. Martinskirche mit geichägten
Bildern, neues Stadthaus; Gerbereien, Ol» und
Hutfabrifen; Handel mit Korn, Bieh, Butter u.
Käje, Märkte; 5774 Ew.; dabei Ruinen der ehem.
Abtei St. Winok (1793 zeritört). 1793 vergebl.
Belagerung durch die Engländer.
Bergün (romaniſch Bravoign), reformirtes
Pfarrdorf im Bezirke Albula des ſchweizer.
Kant. Graubünden u. an der Straße über den
Paß Albula, in einer wildfchönen Gegend, 1389 m
ü. d. M.; alte romanische Kirche, 420 Ew.; da-
bei der wilde Engpaß des Bergüner Steins.,
Bergwachs, ſ. u. Bergtalg.
Bergwage, ein in der Mitte des vor. Jahrh.
von Rothe erfundenes Fnftrument zum Meſſen
der Neigungswinkel jchiefer Ebenen, namentlich
von Böjchungen. Es iſt eine Setzwage, melde
mit dem Gradbogen eines geftredten Üinfeis jo
verſehen ift, dak in dem Mittelpunkte dieſes Bo—
gens das Yoth befeftigt if. Der Nullpunkt des
ogens liegt in der Mittel- oder Lothlinie; von
bier aus ift der Bogen nad rechts u. links im
90° eingetbeilt. Man kann mit dieſem Jnſtru—
ment die Böſchungswinkel faum genauer als bis
auf Biertelgrade ermitteln, daffelbe ift daher auch
für Nivellements nur von geringem Werthe.
Bergwerk, i. Bergbau.
—— en oder Steuern, ſ. Berg-
zehent.
Bergwerksrecht, jo v. w. Bergredt.
Bergwerföregal, fo v. w. Bergregal.
Bergwerkswiſſenſchaften, jo v. mw. Berg-
wiſſenſchaften.
Bergwiſſenſchaften, der Jubegriffaller Kennt»
niſſe, die zum Bergwerksbetriebe erforderlich ſind.
Je rationeller dieſer letztere geworden, um ſo mehr
iſt der Kreis der B. erweitert. In denſelben
gehören als Hilfswiſſenſchaften Geognoſie, Ver—
ſteinerungskunde, Mineralogie, Phyſik, Chemie,
Mathematik, Markſcheidekunſt, theoretiſche u. an—
rem Mechanik, Technologie, Rechtslehre, ins-
ejondere Bergrechtsiehre, Nationalölonomie, Fyi-
nanzwifienihaft und Statütil. Die eigentliche
Wiſſenſchaft ift die Vergbaufunde; f. Bergbau.
Bergmwolle (Din.), jo v. w. Amiant; j. Aſbeſt.
Bergzabern, 1) Bezirksamt im bayerifchen
Regbez. Pfalz; 464,4, [km (8, [IM); 38,218
Em.; meift gebirgig; getheilt in die 2 Yandgerichte
B. u. Annweiler; von der pfälz. Marimiliansbahn
u. der Bahn Fandau-Zweibrüden durchſchnitten.
uß unterjpülte, u. der am Siebenubrenberg an der 2) (Tabernae montanae) Stadt hier, am Erlbach;
* Fels bei Oberſtein, wo die Nahe den
oſel v. 7. Juli 1820, deſſen Spuren die Moſel
Schloß; Eifenfteingruben, Weinbau; Biegeleien;
nun weggefhwenmt hat, Schöne Beifpiele von Strumpfwirterei, Seifenfieberei, mechan. Werl.
Erdfällen find die drei Meere bei Pyrmont; viel-Iftätten, 2233 Ew. B. erhielt 1286 durch König
224 Bergzehent — Beringsmeer.
Rudolf Stadtrechte, fam 1385 an den Pialzgra-|VBerfehre die Auskunft über irgend einen Sach—
fen Ruprecht, wurde 1676 von den fFranzofen|verbalt, oder die Rechtfertigung einer Verfügung,
verbrannt m. erſt 1714 wieder aufgebaut. welche eine niebere Behörde einer höheren auf
Bergzehent (altd. Bergfrohne) ift die aufjderen Aufforderung oder ohne ſolche gibt. Fr
Grund des Bergregals an den Landesherrn ent-|jolche amtliche Berichte pflegt eine beſtimmte Form
richtete Abgabe von der Bergwerkserzeugung. Im herlömmlich oder ausdrüdlih vorgeidrieben zu
Mittelalter betrug diefelbe überall den zehnten fein. B. ift ferner die Auskunft, die einer col-
Theil der gewonnenen Naturalien in natura ohne |legiafiihen Berfammlung ein aus derſelben ber
alle Rückſichtnahme auf die Ertragsverhältniffe des
Bergbanes, gleihlam als Mitmigungseigenthum
des Yandesherrn. Später, als man die unver—
hältnigmäßige Höhe diefer Abgabe u. den durch
diefelbe hervorgerufenen Berfall mancher Berg.
werte einjeben lernte, wurde der B. vielfach auf
den 20. u. 30. Theil der Ausbeute ermäßigt u.
für mit Berluft betriebene Bergwerle (Zubuß—
gruben) aud ganz aufgelafien. Die Naturalab-
gabe ward dann im Intereſſe der Kammerkaſſe
nach u. nach überall in eine Seldabgabe nad) be-
ſtimmten Preisanfägen umgewandelt, oder auch
vom Rohertrage der Bergwertserzeugung mit 10
bis 5 pCt. eingehoben. Nachdem in unjerer Zeit
an die Stelle der früberen fiscaliihen Ausbeute
des Bergbanes die Anſchauung von der Nothwen-
digfeit feiner möglichften Förderung u. Pflege im
allgemeinen Intereſſe getreten war, wurde jowol
der B. als folder, wie aud die Abgabe vom
Nohertrage der Bergbaue aufgehoben, u. es trat
eine förmliche Bergwertsftener (3. 8.5 p&t.) vom
Reinertrage, zuerft in Frankreich u. Belgien, zulegt
in Preußen u. Ofterreih an die Stelle. Maurus.
Bernzeichen, Schlägel u. Eifen als Zeichen
des Bergmannsitandes,
Beriberi (Beri, in der Hindufpradhe: Schaf,
lat. Beriberis, franz. Barbiers), immer noch jehr
räthielhafte, in Oftindien, bei. auf Ceylon u. der
Küfte von Malabar endemiſche, langwierige Krank—
heit, wobei die Kranten einen Gang wie bie
Schafe bekommen; fie hat frampfhafte u. paraly-
tiſche Zufälte u, beginnt mit Müdigkeit, Zittern,
Stumpfgefühl, bei. ur den Füßen, Hautwafjerfucht,
in ſchlimmeren Fällen auch Bauch- oder Bruft-,
jelbft Hirnwaſſerſucht; am fäftigften ift ein Schmerz.
gefühl wie vom Winterfroft u. eine eigene Art
von Brufttrampf. Die DB. tödtet zumeilen fchnell,
binnen 6—30 Stunden, zieht ſich aber auch oft
lange hinaus u. macht häufig Rückfälle. Sie be»
fällt Einheimifche wie Fremde zumeift während
der Abnahme der periodiſch wehenden Winde
(Monfune).
ficherfien noch durd Entfernung aus dem Yande.
Dan unterfcheidet von B. die maraftifche Form,
welche jehr langſam verläuft u. gewöhnlich tödtlich
putirter Ausſchuß oder ein einzelnes Mitglied über
eine von derfelben zu unterjuchende Sache ertbeilt
und von welcher möglichft, objective Darftellung,
aber doch eine beftunmte Hußerung bezüglich des
zu fafjenden Beichluffes erwartet wird; der ſtän—
diſche B. namentlich erfordert ſolche Objectivität,
u. es iſt daher zu empfehlen, was auch bereits
mehrere parlamentarifche Geſchäftsordnungen vor-
Schreiben, daß Diefelben in der Megel jchriftlich
abgefaßt und gedrudt werden; das dieſes Ge—
haft vollziehende Mitglied des Ausſchuſſes ift dann
der Brerftatter. Im Handelsweien, fo v. w.
Avis. In diefer Besform müffen auch die An—
träge unferer Behörden an höhere abgefaßt jein.
eriei, Monti, eine Bergreihe in der ital.
Prov, PVicenza, 14 km lang u. 7 km breit, mit
ihönen fruchtbaren Thälern u. präcdtigen Villen;
fie liefern Grobkall aus tiefen Steinbrüchen zum
Bauen, auch weißen Kalt zu Bildhauerarbeiten.
Hier 10. Juni 1848 Treffen, in welchem Ra—
detsfi die zur Unterftüguug des italien. Unab—
hängigkeitslampfes ausgezogenen römischen Zrup-
pen ſchlug u. zur Gapitulation nöthigte.
Berisjelung, ſ. Bewäſſerung.
Bering, Veit, Seefahrer u. Entdecker, geb.
1680 zu Horſens in Jütland; diente erft in der
dänischen, dann als Kapitän in der ruifiichen
Marine u. erhielt von Peter dem Gr. den Auf-
trag, die Düfte von Aſien zu unterſuchen. Bon
1725—28 erforschte er die Küften von Sibirien u.
verficherte fih der Eriftenz der nach ihm benannte
ten Straße; auf der zweiten Reife, die am 29,
Mai 1741 auslief mit der Aufgabe, das gegen«
überliegende Yand zu erforjchen, ftrandete am 5.
Nov. das Schiff. B. ftarh am 8. Dec. auf der
Inſel, die danach feinen Namen trägt.
Beringer, Johann BartholomäusAdam],
Feibarzt des Biſchofs v. Würzburg; ft. in der erften
Hälfte des 18. Jahrh.; befannt als eifriger Foſſi—
lienſammler, dem aber das Ungemach zuftieh, daß
fünftlich zubereitete Berfteinerungen ihm in die
Die B. ift ſchwer zu heilen, amjHand geipielt wurden, die er dann in Lithogra-
phiae Wirceburgensis ducentis Japidum figu-
ratorum & potiori insectiformium prodigiosis
imaginibus exornatae specimen, Wirzb, 1726,
ausg.ht, oder doch mit unheilbaren Lähmungen |Frantf. 1767, mit beſchrieb, eine Schrift, welche
endigt; die hydropiſche, dauert von 6 Stunden|er nad Entdedung des Betruges zu vernichten
bis zu hödftens 20 Tagen u. kennzeichnet fihlfich alle Mühe gab. Außerdem gab er herans:
durch häufige waſſerſüchtige Anfchwellungen in den
verichiedenen Körperhöhlen; die fettfüchtige, von
bald jehr kurzer, bald fehr langer Dauer, charal-
terifirt durch bedeutende Vermehrung des Fettes
unter der Haut. B. fommt endemiſch u. epibe-
miſch vor u. geht ziemlich weit über das Heimath-
land hinaus.
Bericht, im gewöhnlichen Leben überhaupt
jede mündliche oder fchriftliche Kundgabe über
eine Sache oder eine Angelegenheit, im amtlichen
Connubium Galenico-Hippocraticum sive idea
institutionum medieinae rationalium, Witrzb.
1708; Plantarum exoticarum perennium cata-
logus, daf. 1722. Ihambhayn.
Berings Jsland (ruf. Awatſcha), Inſel des
Aſiat. Rußland im fldweftl. Theil der Berings-
See, die weitlichfte der Alduten«fette, u. 55% 17°
n. Br. u. 165° 46° mw. L.; etwa 4000 km groß;
benannt nach dem Seemann Bering (f. d.).
Beringsmeer (früher Kamtſchatka-Meer),
Beringsitraße — Berfeley. 225
Theil des nördliden Großen Oceans zwifchen den was bei anderen Waffen Corporalfhaft u. Ju—
Aleuten⸗Inſeln und der Beringsftraße.
it Kamtfchatfa u. Tſchuktſchenland mit dem Golfe
Weſtlich ſpection ift.
Berka, 1) Stadt im gleichnam. Amte des
von Anadir, öſtlich Alaska mit dem Nortonfund u. Großherzogthums Sachſen-Weimar, an der Ilm;
der Britiſchen Bai.
Es enthält mehrere große) Schloß, Jagdzeughaus; Waldwollenfabr., mehrere
Inſeln u. nimmt den Anabirfluß in ſich auf, iſt Mühlwerke; Sandfteinbriiche; klimatiſcher Kurort;
ftets mit Nebel bededt und erftredt fi von 50
bis 60° n. ®r, u. 160 bis 180° w. 8,
Beringsitrafe (Straße von Anian, Cool-
ftraße), ſchon 1648 von dem Kofalen Dejchnem
entdedte, aber 1728 von Bering wieder aufge
fundene u. benannte u. 1778 von Cook nochmals
unterfuchte Meerenge zwiſchen Amerika u. Afien,
welde das Nörblide Eismeer mit dem Stillen
Meere verbindet. Die Ufer find felfig, gezadt n.
lahl; die Tiefe in der Mitte variirt zwischen 29
u. 30 Klafter. Die B. ift im Winter mit Eis
bededt oder durch ungeheure, fich feit an einan—
der brängende Eisbänfe verichloffen, u. jelbft im
Sommer fieht man in ihr Eisſchollen umbertrei-
ben. In fie fpringen von der Kiüfte Amerikas
das Prinz-Wales-, von der Küſte Afiens das Oſt—
cap hinein, u. zwifchen beiden (151—153° w. %.)
ft die Meerenge 75—100 km breit u. am ſchmal⸗
fien. In derjelben liegen die 3 Diomedes-Juſeln.
Beriot, 1) Charles Augufte de B., be
rühmter Violinvirtuoſe, geb. 20, Febr. 1802 zu
Löwen; widmete fich frühzeitig der Muſik u. ging,
nachdem er fchon in feiner Vaterftadt Proben jei-
ned bedeutenden Zalents als Biolinjpieler ab-
elegt hatte, 1821 nah Paris, um dort von
lot, Biotti u. Lafont zu lernen. Bald aber
trat er als Meifter auf u. brachte eine eigene
Manier des BViolinfpiels zur Ausbildung. Die-
felbe war mehr auf den Effect eines die größten
technischen Schwierigkeiten befiegenden Spiels, als
auf wirklich tiefe mufifalifhe Empfindung gerichtet
u. gibt fi) auch im feinen zahlreichen Compo—
fitionen zu eriennen. Bon Paris ging B. nad
England, wo er großen Beifall fand, Fehrte dann
in feine Heimat zurüd u, erhielt von König
Wilhelm der Niederlande den Titel eines Kammer:
virtuofen mit einer Penfion von 2000 Gulden.
Durch die Trennung Belgiens von Holland 1830
verlor er dieſe Stellung u. begab fich wieder auf
Reifen. Er heirathete die Malibran, nachdem fie von
ihrem Gatten gefchteden war (1833). 1842 erhielt
er Baillets Stelle am Parifer Confervatorium;
1843 bis 52 war er Profeffor des Violinſpiels am
Confervatorium in Brüffel; 1855 hatte er das Un—
glüd, zu erblinden; er ft. 9. April 1870, Prambadı.*
Berißlaw, Landftadt im ruffiihen Gouverye-
ment Cherfon u. im Kreiſe Cherfon am Dujepr;
lebhafter Verkehr u. mehrere Jahrmärkte; einige
— etwa 6000 Ew.; durch regelmäßige
mpfſchiffverbindung mit dem 73,, km unterhalb
—— Cherſon in Fühlung. 5 km von bier
efinden fi) die fogenannten Schwediihen Colo—
nien. B. hatte unter den früheren Kriegen zwis
ſchen Rufjen u. Tataren viel zu leiden u. ift von
erfteren nad) mehrmaliger Zerftörung in vegel
mäßigen Linien wieder aufgebaut worden.
Beritt, 1) Diftrict, über welchen ein Forft-
bereiter die Auffiht hat. 2) (Kriegsweſen) Bei
der Cavalerie Die von einen Unteroffizier
unter bejonderer Aufficht gehaltene Mannichaft,
BVierers Univerjal-Eonverjationsskeriton. 6. Aufl. II, Band,
Diineralquellen (1812 entdedt), Stahl», Schmwefele,
Kiefernadelbäder, Sandbäder, Molkenkur; 1650 Em.
2) Stadt im Amte Gerftungen des weimariſchen
Kreifes Eifenad, an der Werra; Sammetweberei
u. Schönfärberei; 1140 Em.
Berkeley, 1) Fleden in der englifchen Grafſch.
Glouceſter; Handel mit Käfe, Kohlen u. Holz;
etwa 4500 Ew.; Geburtsort Jenners, welder
1796 die Schutgpoden entvedte, Auf dem Schloffe
wurde Eduard II. 1327 ermordet. 2) County im
nordamerifan, Unionsjtaate WPirginia, u. 399
n. Br. u. 78 w. 2%; 14,900 Emw.; Countyſitz:
Martinsburg.
Berkeley (Berkiey), 1) George, engliſcher
Philofoph, geb. 12. März 1684 zu Kilfrin, nahe
bet Thomastown in der irländiſchen Grafichaft
Kilfenny, Sohn eines ausgewanderten Stuartir
ſtiſch geſinnten Engländers; ftudirte feit 1700 im
Trinity College zu Dublin Theologie, wurde in
demjelben 1707 Fellow, kam 1713 nad London,
wo er die Freundſchaft von Addiſon, Steele,
Swift, Pope gewann, begleitete 1713—14 den
engliihen Gefandten Grafen von Peterboroug)
bei der Gefandichaft als Caplan und Secretär,
1715—20 einen jungen reiben Frländer auf
einer Reife durch Frantreih, Jtalien u. Sicilien,
lernte den Philoſophen Malebrande kennen, der
einige Tage nad einer mit ihm geführten Ieb-
baften Disputation (13. Oct. 1715) ftarb, kehrte
nah London zurüd, made eine ganz umer-
wartete Erbichaft und erhielt einige Jahre fpäter
eine jehr einträgliche Pfarrei. Mit großen Opfern
verfolgte er den Plan zur Erridtung von Mil.
fionse u. Erziehungsanftalten auf den Bermuda»
Inſeln, brachte desfalls auf Rhode-Island 5
Jahre zu, kehrte aber, da ihn die Negierung
im Stiche ließ, 1732 nad London zurid, Er
wurde im die gelehrte Unrgebung der Königin Ca—
roline gezogen u. erbielt 1734 durch ihre per-
ſönliche Gunft das Heine irländiſche Bisthum
Cloyne; bier lebte er 18 Jahre faft ohne Un—
terbrechung feinen geiftlichen Pflichten, der Sorge
für das Wohl feiner Gemeinde n. Irlands. 1752
auf fein Nachſuchen ehrenvoll entlaffen, zog er nad
Orford u. ft. dort 14. Jan, 1753 eines plötlichen
Todes. B. hing mit jeinem Zeitalter durch die
Oppoſition gegen die ſcholaſtiſche Methode, durch
das Studium der neueren Mathematif u. Phyſik
u, durch die Anknüpfung feines Philofophirens
an Lodes Theorie zuſammen, fowie er mit diefem
Denker die praftiihe Richtung u. die Hochhaltung
des gefunden Menjchenverjtandes theilte; aber mit
Entjegen ftemmte er ſich gegen die bereinge-
brochene neue Richtung des Zeitalters, gegen den
Materialismus. In der Religion ftand er auf
dem Boden der anglicanifchen Orthodorie, in der
Politit auf dem des paffiven Gehorfams. Seine
Erfenntnißtheorie ift zunächſt vollendeter Senfua-
lismus (f. d.), wird aber zum jubjectiven Idea—
lismus. Hatte Yode alle Metaphyſik über bie
15
226
Berkeley.
Klinge jpringen laffen, fo belebte B. fie wieder, B. in Betreff der finnlihen Borftellungen nad-
nachdem er gemwiffermaßen die Folgerungen des
Lodeihen Senjualismus erihöpft hatte. Er fagt:
Nur dur richtiges VBerftändnig der Erfahrungen
fönnen wir zur Einfiht in die Natur gelangen.
Angeborene Begriffe gibt es nicht; die Begriffe
werden von der Seele aus der Anfhauung heraus
gebildet. Es gibt nur Einzelweſen; das Allge—
meine, Abstracte ift nur unfer Machwerk, u. es
fommt nicht einmal in unferem Denfen, jondern
nur in unferer Sprade vor; unſerem Geifte fehlt
ur Abstraction die Kraft, er bleibt immer in be-
ee nee Bildern fiehen, die abstracten Worte find
nur bequeme Abkürzungen, von welchen die Natur
der Dinge nicht ausgedrüdt wird. Jeder von
unferen Gedanken bleibt immer ein befonderer
Gedanke; allgemeine Worte find nicht allgemeine
Borftellungen,. Auch die finnlihen Subftanzen
oder Dinge find fprachlihe Abbreviaturen, Ber-
bindungen von Qualitäten, die wir durch unjere
Sinne erfannt zu haben glauben. Alles, was
wir empfinden, führt uns nur einzelne Vorftell-
ungen zu; jeder Sinn bat feine bejonderen
Empfindungen u. erzeugt bejondere Borftellungen.
Da diefe Vorftellungen im gegenfeitiger Verbind—
ung auftreten, erinnern fie an einander; aber
feine vermag die andere hervorzubringen; eine
dient nur als Zeichen der anderen. Weil die
Borftellungen an einander erinnern, werden fie
für wirffam gehalten; fie ruhen aber unthätig in
unferer Seele. Die finnfihen Einheiten eriftiren,
wie gefagt, nur in uns, in unferem Empfinden;
die Subjtanzen oder Dinge find nur Erſcheinun—
gen. Nur Ericheinungen fünnen uns durch uns
jere finnlihe Empfindung beglaubigt werden, u.
nur dem Geifte fann Etwas erſcheinen. Wol
haben wir die finnlichen Borftellungen, welche nicht
von unferem Willen abhängig find, als Wirkungen
anzufehen, die von einer ung fremden Urſache aus-
gehen; aber ihr Grund darf nicht in der todten
aterie, in dem fraftlofen Körper gejucht wer-
den. Die Materie als ein Allgemeines ift eine
bloße Hypotheſe, melde eine völlig unbegreifliche
Subftanz zur Trägerin der Accidenzen, der Fi—
ge u. dev Bewegungen machen will, Unter
aterie haben wir nur die einzelnen finnlichen
Dinge, oder vielmehr die Complere von Erſchein—
ungen, die als Complere nur im Empfundenwer-
den eriftiren, zu verfteben. Die wahren wirkenden
Urſachen der Dinge find nicht durch Beobachtung
u. Erfahrung der Erſcheinungen, vielmehr nur
auf metaphyſiſchem Wege zu entveden, Was die
Sinne zu ergreifen vermögen, find nur vorüber-
gehende Erſcheinungen; der Berftand erkennt die
geiftigen Subftanzen oder das bleibende, nicht
finnlihe Weſen der Dinge. Die finnlihen Bor-
ftellungen find nur das niedrigfte Glied einer
Kette, die uns allmählich durch Schlüſſe der Ver—
nunft zum Überfinnlichen, zum Geiftigen u. end-
Ih zu Gott führen fol. Die finnlihen Vorſtell—
ungen, welche wir von der Natur empfangen,
werfen uns auf einen allmächtigen, fie alle her»
vorrufenden Geift hin. Daher haben wir in der
ganzen Natur lediglich eine Sprache Gottes zu
verrehmen, durch welche er ums zu unterrichten
drüdlichft gegen die Realität der allgemeinen Be—
zeichnungen verwahrt, jo trägt er fein Bedenken,
fie für geiftige Dinge anzunehmen. In der Be—
trachtung der überjinnlihen Welt bleibt er dem
Nominalismus (f. d.) nicht getreu, dem er in den
fenfualiftiihen Ausgängen feiner Lehre huldigte.
So fpriht er von einer allgemeinen Weltſeele,
deren Werk die Natur fei. Überhaupt verarbeitet
er in feine Gedanfenwelt viel platoniftrendes und
theofophiiches Material, das mit feiner nüchternen
u, praftifhen Grundrichtung nicht vecht ver-
ihmelzen will. Bgl. Heinrih Ritters Geſchichte
der Philofophie, Bd. 12, 5.233 ff. B⸗s Schriften:
Arithmetica, absque Algebra et Euclide de-
monstrata, Yond. 1707; An .essay towards a
new theory of vision, daſ. 1709; A treatise
eoncerning on the prineiples of human know-
ledge, daf. 1710, 2. A., 1725, deutfch von Eichen»
bad, 1756; Three dialogues between Hylas and
Philonous in opposition to sceptics and atheists,
daf. 1713, deutſch, Lpz. 1781; Alciphron, or
the minute Philosopher, daf. 1732; Werke, Daf.
1784, 2 Bde., n. A. von Wright, dal. 1843,
und von Frafer, Lpz. 1871, 4 Bde., überjegt
I. Th., Yeipzig 1781. Yebensbefchreibung von
Arbuthuoth, in der 1. Ausgabe feiner Werte.
Bgl. au: An account of the life of G. B.,
Yond. 1776. 2) George Charles Grantley
Fig-Hardinge, engl. Politifer u. Schriftfteller,
jüngerer Sohn des Grafen B., geb. 10. Febr.
1800; war anfänglih Militär, zog ſich aber bald
zurüd u. vertrat von 1832—47 WGlouceſterſhire
in liberalem Intereſſe im Unterhaufe. 1836 ver-
öffentlichte er feine erfte Novelle: B. Castle, die
namentlich in Fraſers Magazine eine heftige Kritif
erlitt, weshalb der jugendliche Verfaſſer den Kri—
tifer forderte und ihm im Duell leicht verwun«
dete. Längere Zeit Jägermeiſter der Königin,
zeigte er fih in allem, was fich auf das Waid-
mannswert u. den Sport bezieht, als großer
Kenner. Eine Folge davon war, daß er, trogbem
er zur liberalen Partei gehörte, für Beibehaltung
des Jagdrechtes eintrat, aber anderfeits dig Ein-
führung des Ballots (f. d.) befürmwortete, von
defien Nothwendigkeit er fih bei den Wahlen
überzeugt hatte. Er fchrieb: Sandron Hall, Lond.
1840; Reminiscences of a Huntsman, daſ. 1854;
A Month in the Forests of France, daf. 1857;
The English Sportsman in the Western Prai-
ries, daf. 1861; Tales of Life and Death, daſ.
1870, 2 Bde. Großes Aufjehen erregte er durch
feine Schriften über das Treiben der engl. Ari»
jtofratie: My Life and Recollections, daf. 1864,
u. Anecdotes of the Upper Ten Thousand:
their legends and their lives, daf. 1867. Unter
feinen mannigfahen Schriften über Agricultur u.
Viehzucht ift die mwichtigfte u. werthvollite: Facts
against Fietion: The habits and treatment of
animals practically considered; Hydrophobia
and Distember, daſ. 1874, 2 Bde, 8) Miles
Joſeph, bedeutender engl. Botanifer, geb. 1830
zu Biggin in dem Kirchipiel Oundle; erbieft
jeine Ausbildung in dem berühmten Rugby Eol-
lege u, dann in Cambridge, Nachdem er kurze
u. umjeren Willen zu lenken beabfichtigt. Hat ſich Zeit Hilfsprediger geweſen, erhielt er 1833 eine
Berfenhout
and zwei Gemeinden beftehende Pfarre bei Wans-
ford ın der Grafihaft Northbampton. Frühzeitig
erwarb er fich einen bedeutenden Ruf als gründ-
fiher Kenner der niederen Formen des Pflanzen-
lebens, beſonders der Mooje, der Pilze u. anderer
Krgptogamen. B. ift Mitglied verſchiedener Ge-
lehriet Geſellſchaften. Er Pue Gleanings of
British algae, London 1838; British flora,
fungi, daf. 1836; British fungi, daſ. 1836—43, |lem, geft. 23. Nov. 1693; ing
4 Bbe.; Decades of fungi, daf. 1854—56; In-Job nad Deutichland, mo He
— Berlat. 227
erplofion 1807 rettete ihn ein Zufall vom Tode.
Er ft. in Leyden 13. März 1812. Er veröffent«
lite: Natuurlijke historie van Holland, Amiterd.
1769— 79; Natuurlijke historie van het rundvee
in Holland, ebd. 1805—11; von feinen Gedichten
fei: Het verheerlijkt, Leyden 1774, befonders her«
7* Thambayn.
erfhenden, Gerhard, geb. 1643 zu Haar«
mit feinem Bruder
en Rhein bereiften
troduction te eryptogamic botany, daf. 1857;|u. an dem Kurfürften von der Pfalz einen Gönner
Outlines of British fungology, daſ.
Handbook of British mosses, daf. 1863; Die
Schwämme, ihre Natur, Einfluß u. Nuten, deutſch
in Brodhaug’ Internat. Bibliothel. 2) 3) Bartling.
Berkenhont, John, britischer Naturforjcher,
geb, 1730 im Leeds (Morkihire), holländiſcher Ab-
fammung; wurde in Berlin, wohin er zur
Spracherlernung gejhidt war, Soldat, avancırte
bald zum Hauptmann, trat als folder 1756 in
die engl. Armee über; flubirte nach dem Präli—
minarfrieden von Fontainebleau (1762) Medicin,
promovirte 1765 und ging 1769 als engl. Unter:
händler nach Philadelphia; er ftarb 8. April 1791
in Veſſelsleigh. B. veröffentlichte: Clavis anglica
linguae botanicae Linnaei, Yond. 1764 u. 66;
Diss. de podagra, Evinb. 1765; Pharmacopea
medica, London 1766 (oder 1768) u. 82; Out-
lines of the natural history of Great-Britain
and Ireland, ebd. 1769— 70; Symptomatologia,
ebd. 1784; Letters on education to his son at
Oxford, ebd. 1791. Zhambapn.
Berkenmeyer, Jö 19" ein frommer Laie zu
Um (1525—45), der durch Schriften viel zur
Reformation diefer Reichsſtadt (1530) beitrug.
Später wandte er fih dem 1535 in Um thätı-
gen Schwantfeld zu, als deſſen Anhänger er 15456
auf Betreiben des Predigers Martin recht vor
Gericht gezogen wurde. Bon ihm find die 2 Lieder:
D du betrübter Jeſu Chriſt xc. u. O Herr, bift
du meine Zuverficht 2c.; das ihm ſonſt zugeſch rie-
bene Lied: Kommt Her zu mir, Spricht Gottes
Sohn, if von Hans Witzſtadt von Wertheim. Löffler.
erfhampftend, Marlifleden (Stadt) in der
engliſchen Graffchaft Hertford, am Bulborn, am
Grand-Function-Kanal u. an der Eifenbahn von
London nah Birmingham; Strohfledhterei, Eifen-
gießerei, Holzwaarenfabr.; 4083 Ew. Hier wurde
697 das Beiſche Concil wegen der Sitten- u.
Kirchendisciplin gehalten.
Berkhey, Joannes le Francq van, Natur-
hiſtoriler, geb. 23. Jan. 1729 in Leyden; befaßte
ſich ſchon als Knabe mit anatomiſchen Unterfuch-
ungen, legte ſich nach u. nach eine große Samm—
lung anatomiſcher Präparate an u. ſtudirte emſig
Anatomie, Naturwiſſenſchaft u. Sprachen, Er pro«
movirte 1761, ging als prakt. Arzt nah Amiter-
dam, fehrte nad
1860; |fanden, in befien eig fie viele Bilder, na»
mentlih Rheinanfihten, Jagden, Bolls- u. Hof
fefte, malten. Gerhard überragte ———
als Architelturmaler (die Dresdener Galerie beſitzt
von ihm eine Anſicht des Amſterdamer Rath-
haufes), während dieſer im Porträt u. in Fir
gurenbildern (nad der Weile ZTeniers) bedeu-
tender war.
Berkowitz (Berlowetz), rufiiches Gewicht —
10 Pud od. 400 ruſſiſche Pfund — 163,, kg.
Berkihire-Schwein, eine der beliebteften
Racen Englands, welche im Laufe der Zeit den
verjchiedenften Kreuzungen unterworfen worden
ft u. fi daher in verfchiedenen Größen findet,
Das jetige B.-S. ift durch —— mit dem chine⸗
ſiſchen Schweine zu feiner Bolllommenbeit gelangt
u. ift, je nachdem mehr od. weniger chinefijches
Blut demjelben beigegeben ift, von größerem od,
fleinevem Körperbau , e8 bat aber das gute, feite
Fleiſch u. den fernigen Sped, die Fruchtbarkeit,
die Abgehärtetheit u. das lebhafte Temperament
der alten Race behalten u. wird ſowol in Eng-
fand, als auch auf dem Continent vielfach zur
Verbeſſerung der Schweinezucht benutt. Das
jetzige B. erreicht je nach der Größe der Zucht
ausgemäftet ein Gewicht von 150—300 kg, ift
von gebrungenem, fräftigem Körperbau, hat eine
breite, tiefe Bruft, langgeitredten Rumpf u. breite,
volle Schenkelpartie.
Berk (Berfipire), 1) Grafihaft in England,
zwifchen den Grafihaften Orford, Buckingham,
Middleſex, Surrey, Wilt, Gloucefler u. Hampibire;
1875 [Jkm; eben, fruchtbar (an Getreide), zum
Theil waldig (Windfor-Parf), reih an Wildpret;
Flüſſe: Kenner, Od, Aubour u. Themje (welche
beim Eintritt in die Grajihaft noch Iſis heißt);
einige Kanäle, Die Em., 196,475, treiben
Aderbau, Butter u. Käfefabr., weben Segels
tücher, baummollene u. feidene Zeuge u. verar«
beiten Kupfer. Hauptort: Reading. 2) County
im nordamerif. Unionsftaate Penniylvanio, unter
40° n. Br. u. 76° w. 8; vom Scupltill
Strome durdjchnitten; reiche Eijen- u, Kallſtein-
lager; Eijenbahnverbindung ; 106,700, Einw.;
Eountyfig: Reading.
Berkihire, County im nordamerif. Unions«
Leyden zurüc, ließ fich in Leer-/flaate Mafjachufetts, unter 42° n. Br. u. 73°
bliet nieder, wo er feine anatomiihen Unterfuch-|w. 2.; 64,827 Em.; Countyfig: Lennor.
ungen fortfegte u. als Dichter thätig war, ohne
Bierbei gerade Ausgezeichnetes zu leiften, u. wurde) fes, am gleichn.
Berlat (Brlad), Hauptftadt des gleichn. Krei«
Fluſſe in Rumänien (Moldau),
1773 als Brofeffor der Naturgeichichte nach Leyden|füdlih von Jaſſy, Eifenbahnverbindung mit Fol»
berufen. Berfchiedene Streitigkeiten u, Procefie, ſchani; Normalſchule; Setreidehandel; 1873 angebl.
in die er als eifriger Orangıft verwidelt wurde, 26,558 Ew. B. hieß im Altertfum Pallada, war
ſchmälerten fein Vermögen u. zwangen ihn zum/im Mittelafter eine unabhängige Stadt von gro-
Berkaufe feiner Sammlungen. Bei der Bulver- ßem Umfang.
15*
228
Berleburg, 1) fürſtlich Sayn-Wittgenftein-
B-iihe Herrihaft, im Kreiſe Wittgenftein des
preuß. Regbz. Arnsberg in Weftfalen; 275 [_]km
(5 [IM); 7000 Ew. 2) Kreisftadt daſ., am Ber-
lenbach; Schloß ; Holzwaaren; 1858 Em.; Drud-
ort der b»er Bibel (1726).
Berlepſch, altadeliges Geſchlecht, urſprünglich
Bernewiz od. Bernewizko heißend; iſt beſ. in
Sachſen u. Heſſen verbreitet. Ein Zweig, der mit
dem Erbkammeramte in Heſſen beliehen war, wurde
im 17. Zahrh. in den Grafenſtand erhoben, ſtarb
jedoch 1732 wieder aus. Hiſtoriſch erwähnens—
werth find: 1) Maria Jöſephe Gertrud v.
B., geb. Gudenberg, geb. 1654; wurde 1672
an Wilhelm Ludwig v. B. verheirathet, wurde
aber bereit 1676 Wittwe; darauf Oberhofmeifterin
bei der Kurfürftin v. d. Pfalz, begleitete fie die
Schweſter des Pfalzgrafen, Marianne (melde
König Karl II. v. Spanien heirathete) als Ober»
hofimeifterin nach Madrid n. fette fich fo im Gunſt,
dap fie zur Donna d’honore ernannt wurde. 1695
ward fie mit ihren beiden Söhnen, Sittich Herbold
(geb. 1673, geft. 1712) u. Peter Philipp Joſeph
(geb. 1677, geit. 1721), in den deutſchen Reichs—
freihernftand erhoben, repräfentirte am fpan. Hofe
die deutiche Partei, ward, als die franzöftiche die
Oberhand befam, 1700 über die Grenze gebradht,
lebte auf ihrer Herrſchaft Müllendonk in den Nie—
derlanden u. wurde 1700 erfte Fürft-Abtiffin der
Engliſchen Fräulein zu Prag; 1705 wurde fie in den
Brafen- u. 1706 in den Reihsfürftenftand erhoben;
fie ft. 1723 zu Müllendonk. 2) Sriedrich Ludwig,
Freiherr v. B., hannoverifcher Staatsmann, geb.
4. Dct. 1749 zu Stade; wurde 1769 Auditor bei
der dafigen Juftizfanzlei, dann Regierungsrath zu
Fanenburg, 1787 Yand- u. Schatrath, aber 1795
wegen eines eigenmächtigen Borfchlages an die
Stände Hannovers, ohne den König von England
mit Frankreich zu unterhandeln , feiner Ämter
entlaffen; ev wurde 1809 weftfäliiher Staatsrath
u, Präfect zu Marburg, ward aber auch dort
bald entlaffen; ft. 22. Dec. 1818 zu Erfurt.
Er ſchr.: Geſchichte des landfchaftlihen Finanz«
u. Etenerwejens des Fürſtenth. Kalenberg u.
Göttingen, Frankf. 17995 Abriß der weitfäli-
ſcheu Finanzgeſchichte, Gött. 1814—16, 2 Bde.
3) Hermann Alexander, Sohn des Vor.,
Reiſeſchriftſteller, geb. 17. März 1814 zu Göttingen;
widmete ſich nach beendigten Studien dem Buch—
handel u. gab in dieſer Stellung einige Zeit—
ſchriften (namentlich Thüringer Ztg.) heraus, durch
deren Inhalt er mit den vormärzlichen Behörden
in Couflict gerieth. Das Jahr 1848 nöthigte
ihn (nachdem er zahlreiche Erkenntniſſe des Ober-
CeniumTribunals zu Berlin, allermeift zu feinen
Sunften, erzielt hatte), Deutschland zu verlaffen
u. fih in der Schweiz, 1849 in Graubünden ein«
zubürgern, werauf er feinen Wohnſitz meift in)
Zürich nahm. Natur, Volks- u, Staats Zuftände
der Schweiz ſchilderte er in einer Rebe von
Werken: Die Alpen in Natur- u, Yebensbildern,
Jena, 4. Aufl., 1870, ins Engliſche, Franzöſiſche,
Schwediſche u. Dänifche überi.; Schweizerkunde,
Braunſchw., 2. Aufl., 1873; Reiſebuch f. d. Schweiz,
veutih von 1854—1875 in 10 Aufl., franz. von
1864— 70 in 3 Aufl., engl. 1873; Rhododendron,
Berleburg — Berlichingen.
Prachtwerf, Miinchen, 2. Aufl., 1872 u. 73, u.
eine Partie anderer Neifebücher, wie iiber Paris,
das füdlihe Franfreih 1869, die Rheinlande,
2. Aufl. 1871, Norddentichland 1870, Süd—
Deutichland 1870, Harz, 4. Auflage, Münden,
2. Aufl, und ins Engl. überf., Züri, 2. U. zc.
4) Caroline v. B., Tochter des kurheſſ. Gene-
ralmajors v. B., geb. 9. Yan. 1820 ; Heirathete in
morganatifcher Ehe 1843 den Kurfürften Wilhelm IL
von Heffen u. wurde zur Gräfin v. Berg erhoben;
wurde Wittwe am 20. Nov. 1847 u. verheirathete
fi in zweiter Ehe 1851 mit dem Grafen Adolf
von Hohenthal-Rnauthain (f. d.). 5) Auguft,
Freiherr von, Bienenzüchter, geb. 28. Juni 1815
in der preußischen Provinz Sachen, nächſt Mühl
haufen; ging nah Vollendung jeiner Studien
nad Rom, trat zum Katholicismus über, war
Zögling des Zefuitencollegiums, lebte lange Jahre
in Gotha, wo er u. a. als eifriger Lobreduer
der abſoluten Monarchie auftrat, überfiedelte nach
Stuttgart, wo er mit einer berühmten Schriite
ſtellerin ſich verheirathete, u. befindet fich jegt im
der Echmeiz als Profeffor der höheren Thierzucht
u. Landwirthſchaft. Er jchr. hauptfählich: Die Biene
u. ihre Zucht mit beweglichen Waben in Gegenden
ohne Spätſommertracht, 2. A., Mannh. 1868,
Berlichingen, Dorf im württembergiſchen
Oberamte Kinzelau, an der Jagſt; dabei das noch
theilmeije erhaltene Stammhaus der Familie Ver-
lichingen, welcher der Ort gemeinschaftlich mit
dem nahen Klofter Schönthal gehörte; 1200 Ew.,
worunter 195 Israeliten mit Synagoge.
Berlidhingen, altes, in Franken u, Schwaben
begütertes Geſchlecht, deſſen Stammhaus die Burg
Berlichingen (f. d.) war u, deffen ununterbrocdhene
Reihe um 1150 mit Engelhard v. B. begimut.
Kilian v. B., Sohn Friedrihs v. B., welcher
Jagſthauſen, Hornberg, Hettingen, Beuern und
Olnhauſen befaß, ftarb 1498 zu Fagithaufen ır.
wurde durch feine 2 Söhne, Hanns u. Göß,
Stifter der beiden Linien: der älteren Yinie zu
Jagſthauſen u, der jüngeren zu Roſſach. Der
Stifter der legteren, genannt Götz (Gottfried) v.
B. mit der eifernen Hand, geb. 1480 zu
Jagſthauſen, dem Stammſchloſſe feines Geſchlechtes
in Württemberg, wurde von feinem Oheim Kuno
v. B. erzogen. Schon früh feiner Neigung zu
friegeriichen Unternehmungen folgend, begleitete er
den Herzog von Bayern in dem Kamıpfe gegen
die Pfalz ın dem Landshuter Erbfolgefriege, im
dem er bei der Belagerung von Yandsbut 1504 .
die vechte Hand verlor, melde künſtlich durch eine
jegt nod in Jagſthauſen aufbewahrte eijerne er-
jegt ward. Die folgenden Fahre verbrachte er
auf feiner Burg, trotz des von Marimiltan I.
feftgefegten Landfriedens in zahlreiche Fehden mit
anderen Wittern u, mit den ſchwäbiſchen Neichs-
ſtädten verwidelt; 1519 unterftügte er Ulrich von
Wirttemberg gegen den Schwäbischen Bund u.
gerieth nach des Herzogs Vertreibung durch Ber-
rath in die Gewalt der Feinde, die ihn bis 1522
in Heilbronn gefangen hielten. In dem Bauern»
aufitande 1525 gezwungen, mehrere Monate der
Anführer eines Bauernhaufens zu werden, als
welcher er der rohen Sranjamleit deſſelben fomeit
möglich fteuerte, wurde er 1528 wieder vom
Berlin (Geogr., Stadttheile).
Schwäbiſchen Bunde in Haft genommen und erfilren Stadttheile.
229
Der Luifenftädtifche Kanal mit
1530 gegen das Verſprechen, fih aller friegeri- [dem Gngelbeden ftellt innerhalb der Luilenftadt
Ihen Unternehmungen zu enthalten, entlaffen.jeine directe Verbindung zwiichen Spree u, Schiff-
Bis zur Auflöfung des Bundes (1541) lebte er|/fahrtsfanal her.
Auf dem rechten Ufer zweigt
ruhig auf feiner Burg, feinem Worte getreu. Aufjfih unterhalb der Stadt von dem ſchön ange-
den Ruf des Kaiſers kämpfte er noch in Ungarn
gegen die Türken u. 1544 gegen bie Franzoſen.
Seine leiten Lebensjahre verlebte er ruhig auf fei-
ner Burg Hornburg am Nedar; hier ftarb er 23.
Juli 1562 (nicht im Thurme zu Heilbronn, mie in
Goethes Schaufpiel geichieht) und wurde in dem
Klofter Schönthal begraben. Er war vermählt
ertt mit Dorothea von Sachſenheim, danı mit
Dorothea Gayling von Illesheim. Gein Leben
beihrieb auch Geſſert, Pforzh. 1843. Er fchrieb
in dem lebten Jahren feine Lebensbefhreibung,
Nürnb. 1731, Berl. 1813. Goethe benutzte den
darin gegebenen Stoff zu feinem Ritterſchauſpiel
Götz v. B., in dem jedoch die hiftorifche Perfon
der poetifchen Geftaltung vielfah gewichen if.
Mit feinen Enleln fchied fich die Linie zu Roſſach
in die 2 Speciallinien zu Rofjah u. Illesheim,
deren letztere 1801 ausftarb. Fortgeſetzt wurde
die Linie Roffah durch Hanns Reinhard v.
B.; durch deifen 2 Söhne Hanns Konrad u.
legten Humboldthafen der 10 km lange Spandauer
Kanal zur Havel ab. Die innere Stadt, ehedem
von einer 15 km langen Mauer umgeben, bildet
ein ungleichfeitiges Viered, deffen Längendiagonale
ungefähr mit der Spree zufammenfällt u. 5,, km
beträgt, während die Heinere Diagonale, vom
ehemal. Halliihen zum Königsthore, 3,, km lang
ft. Der bebaute Flähenraum hält 22 [km
(0,4 LM) Das Territorium der Stadt ift
59,, [km (1,55 [IM) groß. 1874 zählte B.
15,600 Häufer mit 184,000 Wohnungen, welche
einen Mietbzins von 132 Dill. M repräfentiren,
Mit Einihluß von 20,000 Mann Militär wurde
im Auguft 1873 die Bevölkerung auf 909,580
Seelen geihäßt, nad den Liſten des Polizei«
Präfidiums im Januar 1875 anf ca. 920,000,
wovon 5400 außerbeutfchen, 13,600 ventichen
Staaten und der Reft dem Königreich Preußen
angehören. Über das Wacsthum der Stadt fei
bemerkt, daß diejelbe 1645 erſt gegen 9000 Em.
Melchior Reinhard fpaltete fich zwar die finie Noffach | hatte, 1688: 20,000, 1712: 53,355, mit Militär
wieder in 2 Aefte, zu Roſſach u. Nechenberg, aber
der fettere ftarb 1781 aus, u, jo beiteht noch die
Linie zu Roſſach fort: Hanns Konrad, älterer
Schn von Hanns Reinhard, geb. 1579 u. geil.
1606; war vermählt mit Dorothea von Berli-
Hingen-Neuenftetten; von ihm ſtammt in gerader
Linie der jetige Chef: Freiherr Götz, älterer
Sohn des 1847 verftorbenen Freiherrn Mari«
miltan, geb. 1819, unvermählt; fein Bruder,
BEER. geb. 1826, Mitglied der badiſchen
rften Kammer, wo er zur großdeutfchen Partei
gehört; wurde 1859 in den württemberg. Örafen-
fand erhoben; er ift Berfafler einer Geſchichte
feines Ahnherrn Götz v. B., Lpz. 1861.
Berlin (hierbei ein Plan), Hauptftadt ber
preußischen Monardie u. des Deutfchen Reiches,
bisher in der preuß. Prov. Brandenburg, aber zur
eigenen Provinz bejtimmt, u. 52° 30°16,," n. Br.
u. 31° 3' 38% öftl. ©; Mefidenz des Kaiſers u.
Königs u. Sig der höchſten Reichs- u. Staats:
behörden; Tiegt in einer fandigen Ebene, auf einem
zum großen Theil von Jnfufionsthierichalen ge-
bildeten Grunde, zu beiden Seiten der Spree,
32 m ü. d. Meere in an, günftigem
Klimaftrihe. Die mittlere Jahres» Temperatur
beträgt + 7,000 B. (Sommer: + 14,,° B).
Die Spree ift bei ihrem Eintritt in die Stadt
136 m, bei ihrem Austritt nur 42 m breit u.
durchſchnittlich 3 m tief. Sie bildet in der Mitte
der Stadt zwiichen dem Mühlen- u. Schleujen-
ftrom (Kupfergraben) eine Juſel, auf welcher das
alte Köln liegt. Die fih hieran anſchließenden
älteren Stadttheile werden von den ehemaligen
Feitungsgräben umzogen, Nördlich ift dies ber
Königs, ſüdlich der meift überbaute $Ktölnifche-
Graben. Unterhalb der Weidendammer: Bride
nimmt die Spree die wafjerarıne Banfe auf. Dem
Scififahrtsverfehre dient in der inneren Stadt nur
der Schleufenftrom. Auf dem linken Ufer ungebt
Dr 9 km lange Schiffiahristanat die bewohnte
65,300, 1750: 89,523, mit Militär 113,789,
1800: 146,911, mit Militär 172,132, 1820:
185,829, mit Militär 201,900, 1840: 309,953,
mit Militär 328,692, 1867: 680,469, mit Mili—
tär 702,437, nach der Bollszählung vom 1. Dec.
1871: 826,341; wilrde man die 8 Nadybarorte
einrechnen. jo ftieg die Ziffer auf 868,755. Unge—
rechnet d. diplomatischen Corps x. waren hiervon
732,617 evangeliich, 51,722 fatholifh, 2099 Diſ—
fidenten, 36,015: Israeliten und 34 Beleuner
anderer Religionen. 7575 gehörten dem Adel an,
I. Die Stadttheile B-$: a) Berlin, der
innere Kern am redhten Ufer der Spree, nördl. u,
öftl. vom Königsgraben umgeben, welcher jett zur
Anlage der Stadtbahn benutt werden foll, Haupt«
fit des B-er Großhandels, namentlih in Manu-
facturen, Surzwaaren, Leder, Droguen u. Wolle,
erinnert an die Yondoner Eity; b) Köln, zwiſchen
den beiden Hauptarmen der Spree, das wieder
in Alt-Köln, den nördlichen, u, Neu-Köln, den
ſüdlichen Theil, zerfällt, mit dem Schloß u. den
Mufeen; e) Friedrichswerder, noch weftlicher am
Iinten Spreeufer, mit Neu-Köln von dem ehe—
maligen Feitungsgraben umjchlofjen, der fleinfte
aller Stadttheile, 1653 gegründet zur Aufnahme
der niederländifchen Einwohner, mit dem Plate
am Zeughauſe; d) (Neu-)Dorotheenftadt, jo von
der Kurfürftin Dorothea genannt, melde 1673
diefen ſchönſten Theil B-8, vom Opernhauſe bis
zum Brandenburger Thore, bebanen Tieß, Tiegt
weftlih von den Borigen, links u. fübl. von der
Spree; e) Friedrichftabt, größer als vorige, füdl.
von derſelben n. meitl. von Friedrichswerder,
völlig regulär gebaut, 1688 gegründet, mit dem
Scillerplape (Gensdarmen-Markt); f) Friebrich-
Wilhelmftadt, nördl. von derDorotheenftadt, 1828
angelegt, mit der Thierarzneifhule; g) Span-
dauer Viertel, nördl. von Alt-B. u. der Doro:
theenftadt, im Anfange des 18. Jahrh. entftanden,
mit Schloß Monbijou u. der Synagoge; h) Königs-
230
ftadt, öftl. von dem eigentlichen B., 1740 ange»
baut, mit dem Aleranderplage u. Friedrichshain;
i) Stralauer Viertel, füdöftl. von der Königsitadt,
mit dem DOft- u. Frankfurter Bahnhofe u. bedeu«
tender Induſtrie; K) Luiſenſtadt (ſonſt Köpenider
Biertel), ſüdl. von Alt-B. u. öſtl. von der Friedrich—
ſtadt; auf dem linken Spreeufer lagen 1840
innerhalb der Ringmauer noch große unbebaute
Strecken, welche inzwiſchen zu einem eigenen Stadt-
viertel, 1) Köpenider Viertel, mit dem Görliger
Bahnbofe, angewachſen find. An diefe Stabttheile
reihen fi die Vorſtädte mit ungefähr 255,000
Ew. Xor 1826 eriftirten nur die Rofenthaler u.
Oranienburger Borftadt, jest find es folgende:
nr) Potsdamer Vorſtadt (auch Äußere oder neue
Ariedrichftadt genannt), die füdmeftlichfte, vor dem
Brandenburger, Potsdamer- u. Anhalter Thor,
füdl, vom Thiergarten, mit dem ſogen. Geheint-
raths-Biertel, den Wohnungen der höheren Be-
amten, mit dem belebten Potsdamer Plage am
gleichen Bahnhofe, der Potsdamer⸗-, Bellepue:
ftraße u. den im Sommer belebteften Promenaden
Bes, der Thiergartenftraße u. am Sciffiahrts-
Kanal; n) Tempelbofer Vorſtadt mit dem Kreuz»
berge, der Hajenhaide u. vielen Brauereien; 0)
Köpenider Vorftadt, die ſüdöſil. von der Spree;
auf dem rechten Ufer folgen: p) Frankfurter Bor-
ftadt mit den Wafferwerfen u. dem Terrain der
Niederſchleſiſch-Märkiſchen u. Oftbahn-Bahuhöfe;
g) Nofenthaler Vorſtadt, eine der bevölfertfien
Borftädte u. zugleich die Ältefte, von armen voigt-
ländifhen Handarbeitern ehedem colonifirt u. daher
Boigtland genannt, während ber legten 50 Jahre
durd Neubauten vollftändig umgewandelt, mit
dem Viehmarfte u, dem Humboldthain, Daran
ſchließt ſich der Geſundbrunnen mit 8000 Em. an;
r) Oranienburger Vorftadt mit dem Stettiner,
Hamburger» u. Lehrter Bahnhofe, dem Humboldt-
bafen, dem Aupalitnpart u. bedeutenden Ma—
jhinenbau-Anftalten; s) der Wedding, die nord-
wetlichitte Borftadt mit allein 25,000 (1871
19,518) Ew., Sit; einer bedeutenden Fabrikthätig—
keit; t) Moabit, die weſtlichſte Borftadbt an ber
Spree, mit den Borfigihen Etablifjements und
15,000 Ew. Thatfählih ift Charlottenburg mit
feinen 22,000 Ew. auch eine Borftabt B⸗s, offi-
ciell zählt es nicht dazu. Ehedem bildeten die 4
eriigenannten Stadttheile eigene Städte mit be»
jonderen Magiftraten; 1709 wurden diejelben zum
Stadt» Magiftrat von B. vereinigt. (Weiteres
bierüber f. unten VIL)
11. Thore u. Brüden. Die alte, feit 1864
nad u. nach niedergelegte Umfaffungsmaner wurde
durch 19 Thore od. Ausgänge unterbrochen, von
denen das fchönfte, das Brandenburger Thor, am
Ausgange der Linden jetzt als ein Zriumphbogen
fteht; es ift 1789—1793 von Langhans nach den
Propyläen der Afropolis zu Athen in Form einer
Golonnade, mit 12 dorifhen Säulen aus Sand:
ftein, erbaut, 61 m breit, 20 m bo u. mit der
von Shadow mobellirten, 6,, m hoben kupfernen
Gruppe der Bictoria, welche 4 Pferde leitet, ge-
Ihmüdt. (Diefe Gruppe wurde vou den Fran—
zojen 1807 nad Paris geführt u. 1814 im Tri-
umph von da zurüdgebradt). Zu beiden Geiten
des Thores befinden ſich die von 18 Säulen ge«
Berlin (Thore, Brüden, Straßen ꝛc.).
tragenen Seitenhallen als Durdgänge für Fuße
gänger. Unter den beinahe 100 Brüden, melde
B. zählt, gehören nur wenige zu den monumen«-
talen Bauten. Dieje find: a) die Kurfürften- od.
Lange Brüde, von der Königſtadt nad dem
Schioßplage führend, 1690—95 aus Pirnaiſchen
QDuabderfteinen erbaut ; auf dem mittleren Brüden-
pfeiler jteht das eherne Reiterftandbild des Großen
Kurfürften (1703 von Schlüter modellirt, 300
Gentner ſchwer, mit 4 gefeffelten Sklavenftatuen
zu feinen Füßen); b) die Schloßbrüde, von Schin-
lel 1822 erbaut, führt vom ag hing nah dem
DOpernplage, 48 m lang, 33 m breit und mit 8
Marmorgruppen, die Laufbahn des Kriegers in
mythologiſch⸗ allegoriſcher Weiſe darftellend, ver-
ziert; die Gruppen find 1853 nach Schinlels Idee
von Beer Bildhauern ausgeführt; e) die Her-
culesbrüde, das Stadtviertel B. mit dem Span—
dauer Biertel verbindend, 1792 von Yangbans
aus Stein gebaut, mit 2 Sandjteingruppen nad
Schadows Entwurf den Kampf des Hercules mit
dem Nemeishen Löwen u. einem Kentauren dare
ftellend; d) die Neue Friebrihsbrüde, von dem
Luftgarten nad der Neuen Friedrichstraße, über
den Hauptarın der Spree führend; e) die Durch«
fahrt durch die füniglihen Mühlen, welde den-
jelben Spreearm oberhalb der Kurfürftenbrüde
überbrüden u, burgähnlih nah einem Entwurfe
von Perfius, ganz aus Stein u, Eifen im eng»
liſch normänniſchen Stil erbaut find; f) die Königs-
brüde, zmifchen der Königsftraße u. dem Alexan-
derplage, bekommt 4 Figuren der preußijchen
Hauptflitfie: Weichjel, Oder, Elbe u. Rhein, 4
Kriegergruppen: der Auszug, der Kampf, Pflege
der Bermundeten u. die Heimfehr u, dazwiſchen
noch 4 Meinere Kindergruppen; g) die Schillings»
mit der Zwillingsbriide; h) die Berbindungsbahn-
brüde, beide über die obere Spree; über die»
untere Spree führen noh vom Königsplage aus
i) die fchöne Alfen- u. k) die ehemalige Eijen-
bahnbrücke. An der Oberbaum- u. Unterbaum«
brüde, wo die Spree bei der ehemaligen Stadt«
mauer ein» u. austrat, befinden ſich ——
III. Straßen, Plätze u. Denkmäler. Von
Plätzen im älteren Theil von B. zeichnet ſich
der Schloßplatz, von wo über die Lange Brücke
die Königsſtraße durch Alt-B. beginnt, durch
Stattlichkeit aus; großartiger aber iſt der vom
Schloſſe, der Domlirche, dem Muſeum u. Zeuge
haufe umfchloffene, mit Bäumen, Bowlinggreens
u. zwei Springbrunnen gejhmüdte Luftgarten.
Ju der Mitte des impofanten Plates fteht das
am 16. Juni 1871, am Einzugstage der aus
Frankreich zurüdtehrenden fiegreichen deutichen
Armee enthüllte Reiterbild Friedrich Wilhelms III.
von Albert Wolf. Bor dem Muſeum ift 1827
die aus einem erratiihen Blode bei Fürſtenwalde
gehauene, 7 m im Durchmeſſer haltende u. 1500
Gentner miegende Granitſchale aufgeftellt. Bon
da eröffnet fi) über die Schloßbrüde, den Plat
am Zeughauſe u. den Platz am Opernhaufe einer
der großartigjten Proſpecte nach den Linden, einer
mit 4 Reihen Lindenbäumen bejetten Strafe,
welde, 1 km lang u. 50 m breit, nad dem
Brandenburger Thore führt, eine Promenade für
Hußgänger in der Mitte, einen Fahrweg auf der
Berlin (Straßen, Pläge, Denfmäler).
231
üblichen, einen Reitweg auf der nördlihen u. zweiſu. Prinzen eingefaßt wird. Auf dem mit Garten-
Fabrftraßen an den Außenfeiten enthält u. mit
dem vieredigen Parifet Plage endigt. Diefen
Profpect —* die prächtigſten Gebäude zu einem
der ſchönſten der Welt. Er iſt mit ——
Monumenten geziert: zwiſchen dem Opernhaufe
u. dem föniglihen Palais ſteht das 1826 errid-
tete, von Rauch modellirte eherne Standbild des
Fürften Blüher, 3m hoch; diefem rechts u. links
zur Geite die ebenfall® von Hauch mobdellirten
Standbilder Yorls u. Gneifenaus u. ihnen gegen-
über, neben der Königswache, die marmornen
Statuen Scharnhorfts u. Bülows, gleichfalls von
Rauch, fowie zwifchen der Königswache u, dem
Zeughaufe, von einem Gitter umfchloffen, die aus
Lübeck nah Frankfurt entführte, von dort hierher
gebrachte Riefenfanone u. 2 in La Fere zur Be-
Ihiegung von Cadir gegoffene, von den Preußen
eroberte große Mörfer. Un dem Eingang der
Linden, zwiſchen dem Palais des Kaifers u. der
Alademie, erhebt fih die broncene Keiterftatue
Friedrichs d. Gr., zu der am 1. Juni 1840, wo
Friedrich vor 100 Fahren die Regierung antrat,
der Grund gelegt wurde. Diefe, am 31. Mai
1851 enthüllt, ift ebenfalls ein Wert Rauchs. Die
ganze Höhe beträgt 14 m, die der Figur des
Könige zu Pierde 6 m; zu dem Ganzen find
880 Gentner Metall verwendet. Böllig parallel
mit den Linden laufen nördl. 3 u. füdl. 13 breite
u. ſchnurgerade Straßen, von denen die Behren-
ſtraße die breitefte, die Leipziger Straße aber,
welche mit dem Leipziger Plate (Erzftandbild des
Grafen von Brandenburg, 1862), am Potsdamer
Thore beginnt u. neben dem Dönhoffihen Plate
über die in Form eines mit Säulengängen ver»
ebenen Rondels über den alten se raben
weggebaute Spittelbriide weg nad dem Spirtel.
marfte führt, die längfte u. belebtefte iſt. Alle
diefe Straßen werden von der breiten, jchnur-
eraben, vom Halliihen nach dem Oranienburger
hore, von Süden nah Norden laufenden, faft
3 km langen Friebrichsftraße, welcher die Char:
lotten- u. Marlgrafenftraße parallel laufen, recht.
winfelig durchſchnitten; zwiſchen beiden letzteren,
der Leipziger u. Frauzöſiſchen Straße liegt der
Gensd’armenmarft, ein großer, völlig regulärer
Pla, welchen das Schanijpielhaus u. ſymmetriſch
daneben nördl. der franzöftihe u. fildl. der deutjche
Dom zieren. Der mittlere Theil des Plages vor
dem Schanfpielhaufe heißt feit der Enthüllung des
Schilferdentmals am 10. Nov. 1871 Scillerplag.
Das Dental ift aus weißem Marmor von Rein—
hold Begas gefertigt. Die Friedrichsſtraße mündet
ſüdlich aus in den freisrunden Belle Alliance-Platz.
In der Mitte deſſelben erhebt fi die 22 m hobe,
1843 enthüllte Friedensjäule von Granit auf
einem WPiedeftal von grauem Marmor, welches in
Form eines Brunnens voneinem granitenen Bajfin
umgeben ift. Auf dem Säulencapitäl von weißem
Marmor fteht im fchwebender Haltung eine ge-
flügelte Bictoria von Bronce, modellirt von Rauch.
Dort beginnt auch rechts die nordöftlih bis zum
Dönhofſchen Plate gerade laufende Lindenftraße
u, die ſchnurgerade —— die nordweſtl.
nach den Linden führt u. vom Wilhelmsplatze an
ſaſt nur von den Hotels hoher Staatsbeamten
anlagen geſchmückten Wilhelmsplatze ſtehen die
Erzſtatuen des Fürſten Leopold von Deſſau u.
Ziethens (von Schadow), Seidlig’ u. Keiths (von
Zefjart), Schwerins (von Adam) u. Winterfelds
(von Ränz). Die früheren Marmorftandbilder,
welche auf Friedrichs d. Gr. Befehl feinen Helden
gejegt waren, find nad Fertigſtellung jener Erz-
ftatuen dem Gabettenhaufe übergeben worden.
Auf der anderen Seite der Linden fett fich die
Wilhelmsftraße als Neue Wilhelmsftraße nach der
Spree fort, die fie mittels der Marſchallsbrücke
überfchreitet, von dort an den Namen Luiſen—
ftraße führend u. an dem vieredigen Luifenplage,
von wo die Straße durch das Neue Thor nad
dem Hamburger Bahnhofe führt, endigend. Von
den mit ber Friebrichsftraße parallel laufenden
Straßen ift no der Jeruſalemer Straße zu er—
wähnen, welche, von dem ge a rn aus-
gehend, an dem Dönbofsplag vorüberführt u. im
der !indenftraße ausmiündet. Die ſchönſten Privat-
gebäude finden ſich im den vor dem Potsdamer
Thore gelegenen neueren Stabttheilen mtit der
Königgräger-, Potsdamer, Bellevue-, Thiergar-
tenftraße u. den Billen-Terrains zwiſchen dem
Zoologifhen Garten u. der Potsdamerftraße. In
die regelmäßig gebaute Luifenftadt gelangt man
mittel$ mehrerer von der Lindenſtraße aus—
laufenden Barallefftraßen. Unter diefen ift die
Dranienftraße, welche über den Morig-, Oranien-
u. Heimvichsplag führt, die belebteite. In der
Nähe der Spree zieht im gleicher Richtung die
Köpenider Strafe, Beide werben von der Yinie
der Brinzenftraße u. dem Schififahrts-Kanal durch.
jchnitten. Die Uferanbauten deſſelben mit dem
Michaelskirchplatz bieten hübſche Berfpectiven dar.
Die Luifenftadt iſt mit dem Stralauer Viertel
duch 4 Brüden über die Spree verbunden. Die
Scillingsbrüde führt nah dem Stralauer Plage,
in deflen Nähe der Frankfurter Bahnhof liegt.
Die Hauptftraßen der Königsftadt find die Yands-
berger un. die Neue Köntgsftraße, beide vom
Aleranderplage ausgehend, wo, vom Innern der
Stadt fommend, die frequentefte aller Straßen,
die Königsftraße, mit der Königsbrüde, mündet.
Die Hauptpläge des Spandauer Viertels find nahe
zufammenliegend, der Haalſche Markt u. der Mon—
bijouplat, von wo aus die Nofenthaler u. die
Oranienburger Straße beide nad) den gleichnami«
gen Thoren führen. Bon den Pläten im Innern
der Stadt find noch merkwürdig der Werberiche
Markt, an dem die Werderſche Kirche, u. der
Schintelplag an der Bauafademie, mit den Stand-
bilden Beuths (von Kiß), Thaers (von Hagen)
u. Sciufels (von Drale). Außer den bisher er-
wähnten Denhnälern bleiben noch folgende zu be«
achten: Das Standbild Hegels auf dem Hegelplate
in der Dorotheenftvaße, auf Granitjodel in Erz,
von Bläfer; die Marmor-Staudbilder Rauchs
(von Drake), Scintels (von Tieck), Schadoms
(von Hagen) u. Windelmanns (von Wichmann),
ſämmtlich in der Säulenhalle des Muſeums; der
Kißſche Heilige Georg als Dradenbefieger, eine
folofjale Reiterftatue aus Erz auf dem großen
Stadtſchloßhofe; am Portal 4 dajelbft die Hoffe-
bändiger in Erz von Glodt u. auf den Treppen⸗
232
Berlin (Kirchen).
wangen des Mufeums die Kißſche Amazone u. der|13. Jahrh. ftammend u. wohl erhalten, mit dem
Wolffſche Löwentödter.
Außerhalb der Stadt be⸗ Grabmal Ludwig des Römers; die Parochial-
finden ſich: Das 1821 enthüllte Nationaldentmal|firhe, mit Glockenſpiel, ſämmtlich in Alt-B.; die
der Kriege gegen Frankreich 1813—15 auf dem Domkirche im Luftgarten beim Schloffe, mit Be-
Kreuzberge in der Tempelhofer Vorftadt. Es ift
20 m hoc,
ſtückweiſe gegoffen u. dann zufammengejett, befteht
aus einer gothiihen Spitfäule mit 12 Kapellen,
in denen die 12 Hauptihlachten aus den Kriegen
1818—15 als Genien nad Modellen von Rauch,
Tied u. Wichmann dargeftellt find, erhebt fich auf
einem Sodel von 11 Stufen u. ift von einem
eifernen Gitter umgeben. Das National-Krieger-
Denkmal, eingeweiht 1854, im Garten des Inva—
lidenhaufes vor dem Neuen Thore, in der Näbe
des Hamburger Bahnhofes, dem Andenfen der
1848 u. 1849 gefallenen Soldaten gewidmet, iſt
eine 38 m hohe Säule, innerhalb mit einer
Wendeltreppe verjeben, melde zu dem auf dem
Gapitäl derjelben befindlichen, 8 m breiten fliegen«
den Adler führt. Das Capitäl ift mit einer Gale-
vie verfjehen. Das Denkmal ift von drei Seiten
von einer Granitmauer umgeben, in welde 38
Marmortafeln mit den Namen der gefallenen
Soldaten eingelaffen find. Das Marmorbild Fried—
vih Wilhelms III., von Drake, im Thiergarten.
Das Relief, welches das runde Piedeftal umgiebt,
bezieht fih auf den Charakter des Königs als
Freund u. Beförderer des Familienglückes u. uns
Ichuldiger Naturfreuden. Die am 2. Eept. 1873
enthüllte Siegesjänle auf dem Königsplage vor
dem Brandenburger Thore nah dem Entwurſe
von Strad, zur Erinnerung an die Feldzüge 1864,
1866 u, 1870— 71. Auf einem 8m boben Unter-
bau ftehbt eine 11 m hohe Säulenhalle, über
welcher fi ein cannelirter u. mit 60 vergoldeten
Geſchützrohren verzierter Sandftein-Säulenjchaft
erhebt, welcher die vergoldeie Victoria-Boruffia,
nodellirt von Drale, trägt. Der Scheitel derjelben
liegt 58 m üb. d. Plate. An dem Unterbau be»
finden fih 4 herrliche Relief-Frieſe in Bronce,
it Kriegsicenen von A. Wolff, Keil, Calandrelli
u. Schulz, in der Sänlenhalle ein rings herum—
laufendes Mofail-Gemälde von Werner (in Be-
nedig angefertigt). Im Friedrichshain ift noch eine
berühmte bronzene Büſte Friedrihs d. Gr., im
Humboldtshain ein Denkmal Aler. v. Humboldts
u. auf dem Zurnplage in der Hajenhaide das am
11. Aug. 1872 enthüllte Standbild des Turn—
vaters ‚Jahn, in Erz von Ente, ermähnenswerth.
Das Poftament des letzteren ift aus Steinen zu-
ſammengeſetzt, welche aus allen Theilen Deutſch-
lands, mit Inſchriften verfehen, nah B. geiandt
worden find.
‚ IV. Kirchen. 8. zählt 72 Kirchen u. Kapellen,
einichließlih der 8 außerhalb der Landeskirche
ftehenden evang., 4 kathol. u. 4 jüdiſchen Gottes-
häufer. Bemerkenswerth find: die Nikolaifirche,
mit einem Grabmal Bufendorfs, die Ältefte, 1223
geweibt, 1817 im Jnnern reftaurirt, an der äuße—
ven Kirchenmaner die Denkmäler Speners und
Spaldings; die Marienkirche, mit dem Grabe
des Dichters Canitz u, einer don Schlüter 1703
aus Mlabafter erbauten Kanzel; die Garnijon-
firde; die Kloſterkirche, das einzige würdige Dent-
mal altdeutjchen Kirchenbaues in B., aus dem
gräbniß des Großen Kurfürften u. Friedrichs J.,
nah Schinkel Entwurf aus Eifen|Bildjäulen der Kurfürften Johann Cicero und
Joachim L,, marmornem Taufſtein von Hauch,
Altarblatt von Begas; die Werderiche Kirche auf
dem Friedrichswerder, neu, nah Schinfels Angabe
ganz von Ziegeln im altdeutichen Stil gebaut ur.
mit Altargemälden von Begas u. W. Schadow,
mit einem St. Georg über dem Hauptein«
gange von gebranntem Thon, nad einem Modell
von Tied; in der Friedrichsſtadt befindet fich
die katholiſche Kirche St. Hedwig, eine mad
dem Mufter der Maria Rotonda zu Rom gebaute
Notunde (das innen von 24 Korintbiihen Säulen
geihmiücdte Portal und die Gruppe Ehriftus und
Maria am Hochaltar ließ der Cardinal Quirini
auf jeine Koften errichten); die franzöſiſche und
neue Kirche oder der franzöflihe u, deutſche Dom,
beide auf dem Gensdarmenmarkte fih einander
gegemüberftehend (die 70 m hoben Thürme
mit fchlanfen Kuppeln find nadı dem Mufter der
Kirde Maria del popolo zu Rom gebaut; auf
den Kuppeln ftehen kupferne, vwergoldete Figuren
[5 m bod], die der erfteren die triumpbirende
Religion, die der anderen die fiegende Tugend
darjtellend); die St.Petri⸗Kirche in Köln, jeit
1852 an der Stelle, wo jchon feit 1237 eine mehrere
Male, zulegt 1809 abgebrannte Kirche ſtand,
nah einem Plan von Strad in Form eines
riechiichen Kreuzes erbaut, mit einem 96 m hoben
Zhurme, deffen 34 m hohe Spite von Eiſen ift,
u. vier adtedigen Thürmen an den Eden; die
St.-Marcus-Kirhe in der Weberitraße, 1855 ein»
geweiht, nach Stülers Entwurf im Rundbogenſtil
mit Kuppel ausgeführt; die Dorotheenftädtiiche
oder Neuftädter Kırde, 1860—62 im Ziegel-Roh-
bau mit einem ausgezeichneten Grabdentmal,
welches Friedrich Wilhelm IL. feinem Sohne, dem
1787 verftorbenen Grafen von der Mark, durch
Schadow jeten Tief; die Jeruſalemer Kirche; die
Dreifaltigleitsfirche; die St.-Bartholomäus-Kirde,
am Königstbore, 1854—58 von Stüler en einer An=
böhe im gothiſchen Stil mit einem durchbrochenen,
68 m hoben Thurme erbaut; die St.-Micaels-
Kirche in der Luifenftadt, 1856—60 von Soller
in romanishem Stil mit 47 m hoher Kuppel
erbaut (auf dem Giebel der heil. Michael von
Ki in Erz; es ift dies die jchönfte der neueren
B-er Kirchen); die Thomaskirche im Köpenider
Viertel, 1864—68 von Adler im Stil der roma-
nishen Renaiffance mit Kuppeln aus Badjteinen
erbaut; die Zionsfirhe in der Rojenthaler Vor—
ftadt, 1866—69 im gothifchen Stil von Orth aus
Badfteinen erbaut, u.a. m. Eines der bedeutenditen
neuen Bauwerke Bes ift die im Spandauer Viertel
gelegene, von Knoblaudh 1859—66 im mauriſchen
Stil erbaute neue Synagoge; die Haupt-Kuppel
iſt 54 m hoch; das Innere it durch Größe des
Naumes wie durch Farbenreichthum u. Lichteffecte
ausgezeichnet.
V. Königliche Schlöſſer u. fonftige monu—
mentale Bauten. Das Königliche Schloß in
Köln, ein längliches Biered, 32 m hoch. Der
Berlin (größere Bauten).
urfprüngfiche, jetst nicht mehr vorhandene Bau!
wurde 1451 unter Kurfürft Friedrich II. begonnen |
u. 1538 durch Kurfürſt Johann IL. niedergeriſſen.
Von dem dann von Kaspar theils neu erbauten
Schloſſe iſt an der Waſſerſeite noch ein Theil!
übrig. Das jetzige Schloß wurde erſt unter König
Friedrich J. 1699 von Schlüter begonnen, von
Eoſander v. Goethe fortgeſetzt u, 1710 endlich von
Böhm vollendet. Die größte Länge beträgt 145 m,
die Breite 87 m. Es bilder ein Rechteck mit 4
Höfen u. 5 Hauptportalen. Das 3. derjelben,
an der Echloßfreibeit, ift nach dem Triumphbogen
des Septimiud Severus aufgeführt. Über diejes
mölbt fi die unter Friedrich Wilhelm IV. erbaute
Schioßfuppel, welche die Dede der darunter be-
findlichen Scloßlapelle bildet. Bon den 600
Räumen des Schlofjes find bemerlenswerth der
Nitterfaal, der Weiße Saal, das Wohnzimmer
Friedrichs I, u. Friedrich Wilhelms IL, das Kur—
fürftenzimmer, das Kroncabinet, die Brautlammer,
das Schwarze - Adlerzimmer u. die Bildergalerie.
Das Palais des Kaijers, unter den Linden, am
Opernplate, 1834—86 von Langhans erbaut, mit
einer 62 m langen Front und bedeutender Tiefe,
zeichnet ſich durch feine vornehme Einfachheit aus,
Der Palaft des Kronprinzen, dem Zeughauſe gegen-
über, unter dem Großen Kırfürften aufgerührt,
uriprünglich den Gouverneurs zur Wohnung be-
fimmt, dann von Friedrich II. als Kronprinz,
jpäter von Friedrih Wilhelm III. als Kronprinz
u. König bewohnt, endlich von dem jegigen Kron-
prinzen Friedrich Wilhelm bezogen, nachdem es
um ein Stodwerf erhöht morden iſt. Es ift durd
einen über die Obermallftraße gehenden Bogen
mit dem ehemaligen Palais des Prinzen Lonis
(PBrinzeffinnenpalats) verbunden, welches letztere
fpätere Wohnung der Fürfiin von Liegnig wurde,
Das Gartenſchloß Monbijou, in dem Spandauer
Biertel, an der Spree, mit Park umgeben, von
Eofander dv. Goethe in zwei getrennten Gebäuden
erbaut u. von den Gemahlinnen Friedrih Wil-
beims I. u. II., dann vom Herzog Karl von
Medienburg (gegenwärtig von der Yandgräfin
von Hefien- Philippsthal» Barchfeld) bewohnt und
als hiſtoriſches Mufeum benugt. Das Palais des
Brinzen Karl in der Wilhelmstraße, 1787 als
Palais des Johanniterordens erbaut, 1828 von
Schinkel umgeändert, mit Waffenhalle im unteren
Stade. Das Palais des Prinzen Albrecht, 1733
als Privathaus erbaut, von Friedrich II. feiner
Schwefter, der Prinzeifin Amalie, zur Sommer-
wohnung beftimmt, feit 1810 Luifenftiftung, 1832
von Schinkel für den Prinzen Albrecht eingerichtet.
Das Palais des Prinzen Adalbert am Yeipziger
Platz, 1853 erbaut. Unter den Linden das des
Prinzen Friedrich der Niederlande. Im Thiergarten
das Schloß Bellevue an der Spree, früher dem
Bringen Heinrich, dann dem Prinzen Auguft von
Preußen gehörig, gegenwärtig königlich, mit
grogem Park. Bon der reichen Auswahl jonftiger
monumentalen Bauten B-8 fünnen bier nur die
bedeutendſten Erwähnung finden. Berlin hat in
Diefer Beziehung übrigens während der letzten
Jahrzehute ungemein gewonnen.
Gegenwärtig Garniſon.
233
unter VL, VII. IX., X., XI. u. XII. zu ſuchen,
joweit fie fih nicht in den eriten 4 Abjchnitteu
dieſes Art. befinden. Zu den älteren Bauten
gehören: Das Lagerhaus in der Kloſterſtraße, als
ältefte Nefidenz der Markgrafen und Kurfürften,
jpäter Wollenmanufactur, jetzt Sit berfchiedener
Verwaltungsbehörden, des Staats-Arhivs und
Rauch-Muſeums; die Gründung datırt von 1280;
das Kammergericht in der Yindenjtraße; der
Königlihe Marftall in der Breitenftraße. Zu den
neueren Bauwerfen gehören: Das Rathhaus in
der Königsitraße, 1860— 70 von Waeſemann im
oberitalieniichen Rohbau aufgeführt, nimmt den
Flächenraum eines früheren Stadtviertels ein,
Es ift 100 m lang, 90 m breit und mit einem
83 m hoben Thurme geſchmückt. Die Spite der
Fahnenſtange erhebt fih 94 m über dein Straßen»
pflafter. Der Durchmeſſer der Thurmuhr- Hiffer-
blätter beträgt fat 5 m. Der pracdtvolle Feſtſaal
u, die übrigen zahlreichen Räume find jehr jebens-
wertb. Der Rathhauskeller mit feinen Spriüchlein
bat eine vorzügliche Aeftauration. Der Bau des
Gebäudes erforderte, mit Grund und Boden,
9,365,850 M. Die Börfe in ber Burgitraße,
1859—63 im Stil der claffiihen Nenaijiance in
Sandftein von Hitsig, übertrifft mit den einfachen,
ſchönen Verhältniſſen und den fein cannelirten
Korintbifchen Säulen alle öffentlihen Prachtbauten
Deutihlands, und auch die Garde-Meubles in
Paris milſſen biergegen weichen. In dem Bejtibül
ift die von Siemering ausgeführte ſitzende Statue
des Kaiſers Wilhelm als Geſetzgeber aufgeitellt,
Der prachtvolle Börjenfaal ift 70 m lang, 27 m
breit und 20 m hoch. Das Gebäude foftete
3,246,396 M. Die Paſſage unter den Linden,
zur Behrenftraße führend, 1871—73 nad dem
Entwurfe von Kyllmann u. Heyden, mit der Kaifer-
Galerie, der eigentlichen Glasftraße, prachtvoll aus»
geführt. Ferner: die Münze bei der Bau-Afademie,
1869— 71 im Stil der Früh-Renaiſſance nad
Plänen von Stüler; das Gebäude der preuf.
Boden-Eredit-Attien-Banf bei der kath. Hedwigs⸗
fire, aus Sanditein im Stil italienifcher Renaif-
fance von Ende-Bödmann 1871—73 erbaut, mit
prächtiger Palaſt ⸗Front; die Denfihe Reichsbank in
der Jüngerſtraße, in griechiſcher Renaiſſance von
Hisig, ein herrlicher Neubau; das Kaiferl, Ger
neral»Boft-Amt in der Leipziger Straße, 1871
bis 1873 von Schwatlot erbaut, ein drei Stock⸗
werfe hoher Quader-Sandfteinbau in dreigetbeilter
Fagadenfront, mit fchönem Portal; das Rothe
Schloß an der Stehbahn u. a. m. Von den
Bahnhöfen find zu erwähnen: der Frankfurter
Bahnhof, mit der größten Halle Deutichlands,
8225 Im Flächeninhalt; OBahnhof; Görliker-,
Lehrter- Bahnhof, ein ſchöner, Spät-Renaiffance-
Bau; der Potsdamer Bahnhof, mit pradhtvoller
Palaft-Fagade in italienischer Stenaiffance, u. der
im Bau begriffene Anhalter Bahnhof. Mebreren
noch großartigeren Bauten fieht B. entgegen.
Hierzu gehören der Dom und das Meichstags-
gebäude.
VI. Mititäretablijfements, Behörden un.
Bon den zahlreichen, militärischen
it die Thätigleit der Architelkten höchſt bedeutend. | Zweden dienenden Bauten find die hervorragend»
Die in dem Folgenden fehlenden Gebäude bleiben !ften: Das Zeughaus auf dem Friedrichswerder,
231
Berlin (Militäretabliffements, Garnifon, Behörden).
von Nehring begonnen, von de Bobt 1696 ume;die der Fufanteriefhulen, die Train-Fnfpection,
geichaffen u. 1706 vollendet; von Schlüter find|die Juſpection ber Gewehrfabrifen, das nbas
die in Stein gehauenen Masten fterbender Krieger
im inneren Hofe u. über der Hinterthür die der
Neue, die Statuen des Mars u. der Bellona u.
die übrigen friegerifchen Embleme über den Bogen-
fenftern u. auf dem Dade. Das Baumerf bildet
ein Quadrat, jede Seite 90 m lang, mit 4 Por-
talen; im Hofe ift der coloffale Flensburger
Yöwe aufgeftellt; in den um das
herumlaufenden hohen u. jehr breiten Galerien
find Gewehre aus neuerer Zeit ſymmetriſch ge
ordiret und eine reihe Sammlung alter Waffen,
fowie eine andere von Modellen zu Kriegsmaſchi—
nen befindlih; die Wände find mit eroberten
franz. ahnen aus der Revolutionszeit geziert;
das untere Stodwert enthält Geſchütze, auch eine
Sammlung von alten Geſchützen aus der früheften
Zeit bis jebt. Das Zeughaus wird demnächſt in
eine Ruhmeshalle für Preußens Armee umge-
ändert und wird jomit nah Erbamıng neuer
Magazingebäude bei Moabit feinen Charakter als
Waffendbepot verlieren. Neben demſelben fteht die
Königswache, 1819 von Schiufel in Form eines
römischen Gaftrums gebaut; über die Statuen
daneben, |. oben III. Ferner: das Kriegsminis
fterium in der Leipziger Straße; das Ynvaliden-
haus vor dem Neuen Thore an der Panke, 1748
für 600 Mann eingerichtet, aus 2 palaftähnlichen
Biereden, die — ein Mittelgebäude verbunden
ſind, beſtehend. Auf dem Kirchhofe daneben das
Denkmal Scharnhorſts: das Generalſtabsgebäude
v. Steuer am Königsplatze, mit 3 ſchönen Palaſt-
fronten; die Commandantur, dem Zeughauſe gegen-
über, 1874 durch Steuer verſchönert, welcher auch
das neue großartige Cadettenhaus im Lichterfelde
bei B. erbaut; das alte Cadettenhaus in der
Neuen Friedrihsftraße, mit der einzigen vollzähli-
en Gemäldefammlung ſämmtlicher Feldmarſchälle
—*— u. den alten Statuen des Wilhelms—
plages; viele Artillerieetabliffements in der Jung-
fernhaide vor dem Unterbaum, fehr viele Kafernen,
Erercirhäufer, Reitbahnen, das Gießhaus, Feitungs-
modellhbaus, Admiralität zc, Unter den Kafjernen-
bauten ift die in normännischem Stil ausgeführte
Ulanen- u. Dragonerkaferne, ferner die Franz- u.
Füſilierlaſerne beachtenswertd. In Betreff der
Mititärbehörden B-s kann auf das 1873 er
ſchienene Mititärifhe B., von Reuter, verwieſen
werden. Hier folgen die höheren Verwaltungsbe—
hörden, Commandos u. Jnftitute, dann die Garni-
fon. Die erfteren find: das Kriegsminifterium
(Gentral-Abtheilung), Allgemeines Kriegsdepar-
tement, Dilit.» Ofonomie-Departement, Departe-
ment fir das Invalidenweſen, Abtheilung für das
Nemontemwefen, Militär-Medicinal-Abtheilung, &e-
neral-Auditoriat, General-Militär-Kaffe u. Abtheil-
ung für die perfönlichen Angelegenheiten od. das
Miitär-Cabinet, der Große Generalftab, das Tri—
gonometriihe u. das Topographiſche Bureau, die
Planfammer, das Obercommando in ben Marten,
die Landes-Bertheidigungs-Commiffion, die Gene-
ral⸗Inſpection der Artillerie, die des Ingenieur—
corps u. der Feſtungen, die des Militär-Erziehungs-
u. Bildungsweiens, die Obermilitär- Eraminationg-
Commiffion, die Inſpection der Jäger u. Schügen,
lidenhaus, die Kriegsalademie, die Inſpection der
Kriegsihulen, die Bereinigte Artillerie und Fn-
enieurfchule, das Cadettencorps, die Gentral«
Zurnanftalt, die Militär» Hoßarzneifhule, das
Medic, »Ehirurg. Friedridh- Wilhelms » Zuftitut ꝛc.
Die zur Garnijon gehörigen Behörden u. Trupe
pentheile find: das Gouvernement, die Commans
ganze Viered|dantur, das Artillerie-Depot, die erforderlichen
Garnifons-, Verwaltungs u.Berpflegungsbehörden,
das Generalcommando des Gardecorps, das Ges
neralcommando des 3. Urmeecorps, 2 Jufanterie⸗
u. 1 Gavalerie-Divifionscommande, ferner 3 In⸗
fanterie=, 2 Cavalerie- u. 1 Artillerie-Brigadecoms
mando der Garde u. das der 11. Ynfanteriebri«
gade, 4 Infanterie-Regimenter, 4 CavalerierRegir
menter, 1 Garde Jäger-, 1 PBionnier-, 1 Eifenbahn«-
u. 1 Reſerve-Landwehrbataillon, Artillerie, Train
xc., in Summa ca. 20,000 Dann. Sämmtliche
Kafernen, die Hauptwahe ꝛc. find durch unter»
irdiſche Telegrapbenleitungen in fteter Fühlung;
der Poftverfehr ift durch eine beiondere, eigenthlime
ih organifirte Militär-Poftanftalt geregelt.
VI Behörden und ſtädtiſche Einridt-
ungen, in allgemeiner Überfiht. a) Hofbehör«
den: An der Spibe das Oberft- Kämmerer Aınt
u, Minifterium des Königl. Haufes. Ferner das
Herolds- Amt, das Haus-Ardiv, die en
das ObersCeremonien-, Hofmarihall-, Hofiagd«
Amt, die a — der Königl. Schau⸗
ipiele und das Geh. Eivil-Cabinet, b) Reichs»
bebörden reffortiren vom Reichskanzler-Amte,
wozu das Kaiferl. General:Poft-Amt, die General-
Direction der Zelegrapbie, die Regierung für
Elfaß-Lothringen, die Neichs-Banf, die Normale
Adhungs-Commilfion, das Statiftiiche Amt, das
Auswärtige Ant, die Adimiralität, das Reichs -
Eifenbahn- Amt, die Verwaltung des NReihs-Fnvas
lidenfonds, das Bundesamt für Heimathweſen u.
die Neihs-Schulden-Gommiffion gehören. e) Die
preußiſchen Staatsbebörden find: der Ge-
richtshof zur Eutfheidung der Competenz-Conflicte,
der Gtaatsrath und das Staatsminifterium mit
dem Disciplinarhofe für nicht richterliche Beamte,
dem Gerichtshofe für kirchliche Angelegenheiten,
dem Staatd-Arhiv x. Die einzelnen Miniſterien
mit ihren Reſſorts find: 1) Finanz» Minifterium
mit 4 Abtheilungen, u. ferner der General-Staats-
Kaffe, General-Yotterie-Direction, Münze, Sees
handlung, Staats-Schulden-Berwaltung x. 2)
Minifterum der geiftlihen, Unterrichts: u. Medi
cinal-Angelegenheiten, mit 3 Abtheilungen, mehre-
ren Commiſſionen u. dem evang. Ober«Kirchen-
rathe. Die Alademien u. Univerfität ſ. m. VIII.
3) Minifterium für Handel, Gewerbe u. öffentliche
Arbeiten, mit 4 Abtheilungen, von denen die Kgl.
Eifenbahn-Directionen, die Bau-Alademie, das
Benth-Schintel-Mufeum, die Gewerbe-Alademie,
das Ahungs-Amt u. die Porzellan» Manufactur
reffortiren. 4) Minifterium des Innern, mit
2 Abtheilungen u, ferner dem Landtags, Statifti«
ſchen Bureau u. dem Polizei» Präfidium. Dieſe
für B. fehr wichtige Behörde zerfällt in 6 Ab-
theilumgen mit verichiedenen umterfiellten Behör-
den, von denen die Schutzmannſchaft u. die Feuer⸗
Berlin (ftädtiiche Einrihtungen). 235
wehr fi einen wohlverdienten, weitgehenden Ruf Sommer u. theil® endlich zum Privatgebraudhe,
erworben haben. In polizeiliher Beziehung ift| Eine andere Londoner Sefeifichaft wird demnächſt
2. in 6 Bezirts-Hauptmannihaften mit 11 Be-|die weftl. Borftädte B-s, Potsdam und die zwi—
zutswaden u. 50 Polizeirevieren eingetheilt. |fchenliegenden Ortſchaften mit Waffer verjorgen,
5) Juftiz- Minifterium mit der Juftiz- Prüfungs) Behufs der Befeitigung des bisherigen dürch
Commiffion, dem Ober-Tribunal, dem Kanımere, eine Actiengefelichaft geleiteten Abfuhriuftems if
Stadt» u. a he 6) Das Kriegs-Minifterinm|man 3. 3. mit der Anlage einer aus 4 Radial
(vgl. VI). 7) Minifterium für die landwirthſchaft⸗- ſyſtemen beftehenden Kanalifation befchäftigt. Die
lihen Angelegenheiten mit 7 dazu gehörigen be-| hierzu erforderlichen Rieſelfelder find bis auf eines
jonderen Behörden, mie das Sandes-Otonomie- | bereits angefauft. Zur Regulirung des Placaten«
Collegium, d. landwirthſchaftliche Muſeum u. a. m.|wefens find in allen frequenteren Stadttbeilen
8) Das Staats-Minifterium für d. Herzogthum|runde, 4 m hohe Anfchlagejäulen (Litfaß-Säulen)
Lauenburg. B. ift Sit des Deutſchen Reichstagesjaufgeftellt. Den localen Berfehr, mit Ein—
u. der preußifchen Häufer des Landtages (Herren-|fchluß der nächiten Umgebung, vermitteln 2 Pierder
haus u. Abgeordnetenhaus). Bon den branden-|eijenbahn-Gejellichaften mit 6 verſchiedenen Linien,
burgiſchen Provinzial-Behörben ift in B. das Con⸗ nahe an 200 Omnibuswagen auf ca. 30 Linien,
fitorium d. Prod, Brandenburg, d. Provinzial-|300 Thorwagen, ungef. 900 Drofchten I. Kaffe,
Schul» Eollegium, Kreis + Erjate, Departements-|3500 Droichten II. Klaſſe u. 14 Perf. »- Dampfe
Erfat » Eommiffion u. a. zu merlen. d) An derjboote. — Der Poftvertehr innerhalb der Stadt
Spitze der ftädtiihen Behörden fteht derlift durch eine Ober-Poitdirection mit 58 Stadt«
Magiftrat u. die Stadtperordneten-Berfammlung.|poftbureaur in den verichiedenen Stadtvierteln u,
Der erftere ſetzt ſich aus DOber-Bürgermeifter,|352 ftündlih geleerten Brieffaften geregelt. Der
Bürgermeifter u. 84 Stadträthen zuſammen und| Stadtpoftbezirt des Adrefiaten ift bei Briefen nad
büdet 46 Directionen, Deputationen, Curatorien| Berlin ſtets anzugeben. Der Stadtpoftbezirfe find
u. Commiffionen für verihiedene Berwaltungs- n.|9, welche nach den Himmelsgegenden benannt find:
Wohlthätigleitszwecle. Die Stadtveropneten-Ber-|NW.FN., NO., O., C. (Central), ®., SW., ©.
ſammlung beftehbt aus 102 Mitgliedern. Daslu. SO. Ahnlich ift auch B. in 16 Telegraphen-
Perfonal der Communal-Beamten beläuft fi) auf] Diftricte mit ebenjo vielen Stationen eingerheilt,
etwa 2500 Köpfe. In Bezug auf Verwaltung ift|jwodurd der Verkehr, bei großer Billigleit des
B. in 16 Stabttheile mit 210 Stadtbezirken,| Tarif, ungemein erleichtert it. Die umliegeuden
ferner in 50 Polizeireviere (f. oben), 13 Standes | Orticyaften haben außerdem ihre Stationen. —
ämter ꝛc. eingetheilt. Sämmtlihe Straßen und| Das Budget der Stadt betrug 1873: Ges
öffentlichen Pläte der Stadt werden durch Gasſſammteinnahme 8,856,991 Thaler u. Ausgabe
der 4 ftäbtifhen Gasanftalten beleuchtet. ?zür|9,079,564 Thlr.; Etar für 1874: Einnahme und
beinahe 10,000 öffentliche und 865,000 Privat-| Ausgabe 10,423,260 Thlr.
flammen arbeiten diefe Anftalten unter der Di-| VII. Kunft- u. Wiſſenſchaft. Die frühere
tection einer bejonderen Verwaltung für das] Parole B-8 hieß: Sand u. Soldaten, u. diefe
ſtädtiſche Beleuchtungsweſen. Das Straßenreinig-|batte nichts mir Kunft u. Wiffenfchaft zu thun.
ungs- u. Feuerlöſchweſen, beide unter einer Ber-|Nichterne Einfachheit der Umgebung u. ftetes
waltung des Polizei» Präfidiums (f. weiter vorn)| Ringen um die Eriftenz haben fie bis zur Er—
ftehend, ift vortrefflich organifirt u. durch die feit|weiterung der Mactiphäre ferngehalten. Daher
1855 im Thätigleit geſetzte Wafferleitung zu einer|find z. B. die monumentalen Zierden B-8 ver-
hoben Stufe der Bolllommenheit gebradt. Die|bältwgmäßig jung. B. nimmt aber jest auf allen
——— ſeit 1851 errichtet, beſteht aus 732 Gebieten der Kunft eine würdige u. hervorragende
erjonen. Die Stadt ift in 6 Branbdinipectionen| Stellung ein. Die wiffenfhaftlihen Yeiftungen der
mit einem Gentralpunfte, der Hauptfeuerwache, | Hauptftadt ftehen den künftlerifhen nicht nad. B.
6 Feuerwehrdepots und 19 Feuerwachen eims|ijt befannt als die Stadt der Gelehrten u. Kritifer;
getheilt. Diefe ftehen durch unterirdiſche ZTele-fe8 tadelt lieber, als daß es Lob ſpendet. Die
raphenleitungen mit einander in Verbindung undj vielen Kunft- u. wiſſenſchaftlichen Anftalten, ſowie
And fo eingerichtet, daß binnen 5 Minuten nach|Bereine u. die 227 Schulen geben ein erfreuliches
der gefchehenen Anzeige eine genügende Anzahl] Bild der lebhaften geiftigen Arbeit der Hauptſtadt.
Spriten auf der VBrandftätte concentrirt werden; Die herporragendften Auftalten u. Bereine mögen
fönnen. Die Wafferleitung wurde 1853 von/nacfolgend Erwähnung finden. Die Königlide
einer englifchen Gefelihaft angelegt und am|Alademie der Wifjenihaften, 1699 von
31. Dec. 1873 von der Stadt Täuflich übernom-} Friedrich II. geftiftet, 1812 neu organifirt, ſteht
men u. fofort feitens derfelben mit einem Koften-|unter dem Protectorat des Kaiſers. Das Alade-
aufwande von 12 Mill. M an die Erweiterung] miegebäude unter den Linden hat eine Uhr, welche
egangen. Die Wafferwerke befinden fih amjals Normaluhr dient; in demfelben Gebäude ver
Dir: von wo das Waffer durch Dampfkraftjanftaltet audy die Akademie der Künfte, 1699 ges
nad) dem Waſſerthurm anf dem Windmühlenberge|ftiftet, 1790 reorganifirt u. gleichfalls unter dem
vor dem Prenzlauer Thore getrieben, und von|Protectorat des Kaifers ftehend, ihre Sigungen,
bier durch Drud in die verfchiedenen Stadttheile|Kunftausftelungen u. Borlefungen. Die Königl.
mittels eines Rohrſyſtems vertheilt wird. Es Bibliothef, 1659 gegründet und fpäter in das
dient theils zum Reinigen der Abzugstanäle, theils 1775—1780 unter Friedrich II. durh Bumann
zur Speifung der Spritzenſchläuche bei yeuersge-| (Sohn) im Bopfftii erbaute Bibliorhelgebäude
fahr, theil® zum Beiprengen der Straßen imlam Opernplatze verligt, befteht aus 800,000 Bän-
236
Berlin (Kunft u. Wifjenjchaft).
den u. 15,000 Mannfcripten; außerdem haben; gärten; 1 ftädtifche große Turnhalle in der Prinzen»
die Univerfttät, die meiften höheren Behörden, die ſtraße, 1864 gegründet, u, der große Turuplag in
wichtigſten Unterrichtsanftalten u. die Stadt noch
Bibliotheken, letztere 15 Boltsbibliotheten. Die
Univerfität wurde 1809 von Friedrich Wils
helm III. geftiftet u. hat ihren Sit im ehemali—
x Palais des Prinzen Heinrich unter den Yinden,
ie hat 4 Facultäten. Die Zahl der Yehrer be-
läuft fih gegenwärtig auf 187, die Zahl der Zur
börer auf 1609 (Winterf. 1873/74). Mit der
Univerfität ift ein tbeol., pbilolog. u. mathemati»
ihes Seminar verbunden. Die Univerfität wird
dur einen Nector geleitet; die alademiſche Ge-
richtsbarfeit führt in deſſen Namen ein König.
Univerſit.Richter. Zu ihren Hilfsanftalten ge:
hören: die 1849 gegründete hriftl. archäologiſche
Kunftfammlung (weile chriftlihe Denkmäler von
den erjten Anfängen des Chriſtenthums an in ge-
ichnittenen Steinen, Inſchriften, Miniaturgemäl-
den, Elfenbeinſchnitzwerken, Abbildung kirchlicher
Baumerle, Nahbildungen religiöfer Gegenjtände,
auch Olgemälde bibliihen Charakters umfaßt;
archäologiſcher Apparat; 12 kliniſche Anſtalten,
von denen 9 mit der Charite in Verbindung
ſtehen; anatomiſches Theater; anatomiſche Samm-
tung; Inſtitut für pathologiſche Anatomie; phyſio⸗
ı>giiches Yaboratorium; chemiſches Laboratorium;
‚ neurgifchrgeburtshilfliche Juſtrumenten · ꝛc. Samm⸗
iung; Unterrichts-Anſtalt für Staats-Arzueilunde;
zoologiſches Muſeum; phyſikaliſche Apparaten-
Sammlung; mineralogiſches Muſeum, pharmako—
logiſche Sammlung, Univerfitäts-Garten; Herba-
rium; pflanzenpbpftologiiches Inſtitut u. die Uni—
verfitäts-Bibliothel. Fernere Anftalten find: die
weidhsanftalt für ardäologiihe Correſpondenz
Nom u. Athen); botaniicher Garten bei Schöne-
berg; die Sternwarte, 1835 neu errichtet und
von Schinkel erbant, am Endeplate (diefelbe wird
vorausfichtlich nach dem Grunewalde bei B, verlegt
werden); die Bauakademie, in dem von Sciufel
in Badftein aufgeführten Gebäude, an der Werder⸗
ſchen Straße, jet 1824 von der Alademie getrennt,
jeit 1849 neu organifirt, mit 662 Eleven (Winter.
1873/74). Daran jchlieft fich das Beuth-Schinfel-
Mufeum, theils Handzeihnungen Schinkels zu
Bauwerken u. Sculpturen, tbeils Kupferftiche u.
andere Gegenftände aus dem Beuthichen Nachlajie
enthaltend. Die Berg-, die Gewerbe- Akademie,
letztere 1820 geftiftet u. in der Klofterftr. gelegen,
mit 420 GEleven (1873/74); das landwirtbicdhaft-
lihe Lehrinftitut; Alademie für jüdiſche Theolo-
gie 2c.,; 3 Seminarien,; das Dom-Gandidatenitift ;
die fgl, Thierargneiichule befindet ſich im einem
1840 erbauten Gebäude an der Puiienftraße zc.
Schulen hatte B. 1874: 227 mit 98,545 Schü-
leru (melde 12 Schul-Inſpectionen unterſtellt
waren), nämlich: 10 Gymnaſien mit 5080 Schü—
lern (fernere 2 Gynmaſien werden im Herbſte
1875 eröffnet) u. 10 Realſchulen mit 5677 Schür
lern, theils königlichen, theils ftädtifchen Patro-
nats, ferner: 4 böbere Töchterſchulen mit 2504
Schülerinnen, 89 Mittel» u. Elementarfchulen mit
51,406 Sch., 17 Schulen unter fpecieller Aufficht
von Vereinen mit 2885 Sch., 2 jüdiſche Schulen
mit 966 Sch. und 95 Privatichiilen mit 30,027
Ch. Außerdem erifiven 24 Fröbelſche Kinder:
der Hafenhaide (Jahn); die königl. Central-Turns
Anftalt bildet nur nah B. commandirte Difiziere
aus. Weitere Facanftalten find: das mediciniich-
chirurgiſche Friedrich-Wilhelms-Juſtitut (mit der
jonftigen Bepinidre vereinigt, dient zur Ausbildung
von Militärärzten), die Kriegs-Alademte (nur für
Diffiziere zu höherer Ausbildung), die Artillerie-
u. Ingenieurſchule mit eigenem Gebäude unter
den Finden, weiches jedoch nad Fertigſtellung des
Neubaues am Zoologiichen Garten eine anderweitige
Berweudung finden wird, das Cabettenhaus, 1775
erbant. Zur Ausbildung von Mufifern, Sängern
u. Sängerinnen beftehen folgende Anftalten: die
fönigl. Hochſchule für, ausübende Tonkunſt (am
Königsplage), das Inſtitut für Kirchenmuſik (zur
Ausbildung von Muſiklehrern u. Organiften), die
Singafademie (mit 500 Mitgliedern, in einem
eigenen, 3826 erbauten Gebäude mit großem Con—
certjaal), die Geſangsklaſſe der Könige. Oper u.
mehrere Conſervatorien für Muſik. Wiffenichaft-
liche u. Kunftvereine, außer den von Staats wegen
angeordneten Alademien, befteben: die Gejellichaft
für Erdfunde (Organ: Zeitſchrift für Erdlunde),
die Afrilaniſche Gejellichaft, die Geſellſchaft natur«
forjchender Freunde, die Hufelandſche mediciniich-
chirurgische Geſellſchaft, die Deutihe zoologiſche
Geſellſchaft, die Militäriſche Gejellichaft (1801 ge—
gründet), der Statiftifche Verein, der Berein für
die Geichichte B-8 (1865 gegründet), der Wiffen-
ſchaftliche Verein des Gewerbeinftituts, der Mu—
fitalifche Orchefterverein, die Liedertafel, der Wif-
fenichaftliche Verein (in welchem Borträge wäh—
vend der Wintermonate in der Singafademie ges
halten werden, gründete mehrere Bolfsbiblio-
thefen), der Kunftverein, der ältere und jüngere
Künftlerverein, der Berein Berliner Gymnaſial-
lehrer, Gejellichaft für Ddentihe Sprade und
Alterthbumstunde (gegründet 1815), der Literariſche
Sonntagsverein (gegründet 1827), der Apotheler-
verein,‘ der Aıcdhiteltenverein, Preußiihe Haupt»
bibelgeſellſchaft, Hauptverein für evangeliſche Miſ—
ſion, Hauptverein für chriſtliche Erbauungsſchriften,
Evangeliſche Bücherſtiftung, Zweigverein der Evan-
gelical-Alliance in London, Katholiſcher Leſever⸗
ein, Schachgeſellſchaft (welche Schachturniere ver-
anftaltet, Organ: Berliner Schachzeitung), Hand»
werferverein (mit eigenem Gebäude), Berein zur
Beförderung des Gewerbefleifes, Frauenbildungs-
verein, Deutfcher Feuerverfiherungsverein, Verein
für Eifenbahntunde, Zweigverein des Scillerver-
eins, Verein zur Förderung des Gartenbaues (hält
halbjährliche Ausftellungen u. vertheilt Preife,
verbunden mit einem Gärtnerlebrinjtitut). Außer-
dem befördern die Kunft die Ateliers vieler Künft«
ler, permanente Ausftellungen, öffentliche Borles
fungen u. die periodifchen Ausftellungen im Ala—
demiegebäude. Es eriftiren im Ganzen über
1000 Bereine, worunter als bedeutendere: 97 für
Wiffenfhaft, Kunft u. Erziehung, 20 für Gym-
naſtik, 40 für gewerblide, 36 ir politiiche und
139 für gemeinmügige Zmede arbeiten. Nach
Aufhebung der Schladjt- u. Mahlftener haben ſich
auch viele Eonjum-Bereine gebildet. Hinfichtlich
der literariſchen Production ift B. nächſt Leipzig
Berlin (Preffe, Sammlungen, Heil- ꝛc. Anstalten).
der bedeutendfte Platz in Deutichland. Im J. 1872, lanum u. Pompeji, antiker Thongefäße ıc.
237
Das
wurden mit Ausſchluß der periodiihen Schriften Neue Muſeum iſt mach einem Plan Stülers in
1540 Iiterarifche Erzeugniffe duch den Buchhandel
vertrieben, u. zwar gehörten der fchönen Yiteratur
20°/,, der Philologie u. Pädagogik 15 %,, der Staats-
u. Rechtswiffenihaft 14%,, d. Geſchichte 7%/,, dem
Milttärweien 6°%/,, d. Theologie 5%,, d. Land»
wirthſchaft 5%, u. Mebdicin 49%, der ſämmtlichen
Eriheinungen an. Die periodiihe u. die Tages»
prefie Tieferte 265 Tages-, Wocen- u. Monats-
blätter, worunter 29 politifche Zeitungen ſich be»
finden. Hierzu gehören als bedeutendere: Der
Reihs-Staatsanzeiger (officiell), die Norbdeutiche
Allgemeine Zeitung (balbofficiell), Voſſiſche Zeitung,
mit der ftärfften Auflage (liberal), die Nene
Preußische Zeitung (Kreuzzeitung, conjervativ), die
Bollszeitung (populär u. liberal), die National-
zeitung (nat.-liberal), die Provinzial-Eorrefpondenz
(officiös), die Poft (freiscpnfervativ), die Börfen-
jeitung (nat. fib.), Germania (latholiſch), Zri«
ine, Tageblatt u. a. Seit 1872 find eine große
Anzahl weiterer Titerarifcher Ericheinungen aufs
getreten. 1875 eriftirten 37 amtliche Essen
und periodiiche Zeitichriften; nichtamtlih: 55 für
Politit, 221 für Wiſſenſchaft, Kunft, Handel u.
Gewerbe, 21 für Religion ꝛc. und 19 für Unter-
baltung, alfo zufammen 353 (88 mebr als 1872).
Wie bedeufend die Production auf diefem Gebiete
ift, erhellt aus‘ der Poftthätigfeit. Das, Poftzeit-
ungsamt fteht mit 2643 Poftanftalten u. 158 Beit-
ungsverlegern inunansgefegter Gefhäftswerbindung
u. hat täglich über 200,000 Eremplare im Ge—
jammtgemwichte von etwa 11,000 kg zu berjenden.
Es ift eine bei diefen Zahlen auffallende Erichein-
- ung, daß B. dennod bis jett über kein Welt
blatt verfügt.
IX. Die Sammlungen wiffenihaftlicher
n. Kunftgegenftände find zum Theil ſchon
oben bei der Univerfität genannt. B. hat 14 Mu-
feen, welche mit Ausnahme des Gewerbe-Muſeums
u. Aquariums unter der Berwaltnng des Staates
fiehen. Wir heben hervor: die beiden mit ein-
ander verbundenen fünigl. Mufeen zwischen der
Spree u. dem Schleufengraben am Yuftgarten.
Das alte Muſeum im Luftgarten, 1824 begonnen,
von Schinkel aufgeführt, 1829 eröffnet, iſt ein
90 m langes, 56 m breites, bis zur Oberfante
20 m Hohes Viered, nah dem Borbilde des
Tempels der Athene Polias in Athen gebant.
Die Vorhalle mit ihren Kunſtwerken ift bereits
erwähnt. In der 23 m hoben Rotunde, ſowie
in den anftoßenden Räumen des unteren Geſchoſſes,
dem Götter» u. it dem Kailerfaal, dem
mittelalterlihen Saal u. dem Etrusfiihen Saal
find antife u. moderne Sculpturwerfe aufgeftellt,
Auf der Galerie der Rotunde befinden fih Nach—
bildungen der für Leo X. zu Arras gewebten
Gobelins. Das obere Geſchoß enthält in 37 Ea-
bineten die Gemäldegalerie, die aus den Kumft-
werten in den königl. Schlöffern, aus der 1815
in Paris erfauften Ginftinianischen u. der Solly«
ſchen Galerie u. anderen Erwerbungen zufammen-
gejett ift. Im Grundbau befindet ſich das Anti-
quarium, bejtehend aus einer Gemmenfammlung,
einer Münzlammlung, Sammlung antifter Metall»
einem antifen, mit modernen Elementen gemifch-
ten Stil 1843—55 erbaut. Seine Länge beträg:
106 m, feine Höhe 23,, m, feine Tiefe 40 m.,
der Mittelbau, das Treppenhaus enthaltend, über-
ragt das Gebäude um 8, m, die Deden der Säle
find gewölbt u. werden von theils marmornen,
theils Stud, theils qußeifernen Säulen getragen.
Die einzelnen Abtheilungen mit ihren verichiedenen
Sammlungen find im erften Geihof: das Mu-
ſeum nordiicher Alterthümer u. das Ägyptiſche
Mufeum (Gräberfaal, Mytbologiiher Saal); im
zweiten Geſchoß: Gipsabgüſſe antiker, mittelalter-
licher u. moderner Sculpturen (8 Säle); im oberen
Geſchoß: die Kunftlammer, die ethnographiiche
Sammlung, die Sammlung vaterländiicher Alter-
thümer (feßtere drei ehedem im königl. Schlofie
befindlih) u. das KHupferftichcabinet. Das Trep-
penhaus, weldes die ganze Tiefe des Gebäudes
einnimmt, ift geſchmückt mit den berühmten Wand⸗
gemälden W. v. Kaulbachs. Die National-Galerie,
nah Stülers Entwürfen zwiſchen dem Neuen
Mufeum u. der Spree erbaut, wird nach Bollend-
ung die im Alademie-Bebäude befindliche Gemälde—
galerie u. andere Werke aufnehmen. Außerdem
finden fih noch Gemäldeſammlungen im fünigl.
Schloffe u. in Bellevue (letztere aus Ölgemälden
neuerer Meifter beftehend). Das Vaterländiſche
Muſeum im Schloſſe Monbijou mit einer in
14 Räumen aufgeftellten reichen Sammlung von
Antiquitäten, Modellen, Waffen x. In —
Privatſammlungen ſind noch Kunſtſchätze gehäuft,
jo Gemälde im Palais des Grafen Raczynski
vor dem Brandenburger Thore, wo fich auch das
Ütelier von Gornelius befindet, beim Conſul
Wagner, NRavene, eine permanente Gemäldeaus-
ftellung in der Kunfthandlung von Sachſe u, Comp.,
eine Kupferftihlammiung beim Kaufmann Thier—
mann u. m. a. Den Naturmiffenichaften dienen:
das reichhaltige, von Brehm eingerichtete Ber
Aquarium unter den Finden u, der unter den Um—
gebungen Bes zu erwähnende Zoolo giſche Garten.
X. Heil» u. milde Anftalten: die mit dem
Klinicum verbundene Charite (jeit 1710 be—
ſtehend und 1400 Kranfe beherbergend), das
Militärlazaretb, Heilanftalt durch Efeltricität und
Magnetismus, mehrere ortbopäbiiche Inſtitute,
Brummenanftalten, Wafferkgilanftalten, Minerale
wafjeranftalten von Strude und Soltmann ꝛc.
Unter den Babdeanftalten find namentlich zu ev»
wähnen: das Admiralsgartenbadb in der Fried—
richsſtraße (mit über 100 Zellen, Wintergärten
u. höchft eleganter Austattung), die vielen Hötel—
Bäder, das Victoriabad ꝛc. Die Flußbäder lir-
gen oberhalb B-8 und find per Dampfboot leicht
zu erreichen. Fiir Unbemittelte unterhält die Stadt
eine Anzahl Bäder. An milden Stiftungen ift
B. reich. Ihre Anzahl beläuft fih auf 280, Die
Verwaltung derjelben leitet meift der Magiftrat,
mitteld bejonderer Deputationen oder Commt‘
fionen, dann aber auch das Polizei-PBräfidiunt,
Kirchen, die Univerſität, Schulvorftände u, Private,
Wir erwähnen der zablreichen Hofpitäler zur Ber-
pflegung Armer u, Infirmer: Heiligen-Geifts-Ho-
arbeiten, Terracotten, Wandimalereien aus Hercus !jpital, Gertrauden-, Jerufalemer-, Jatobshofpitat,
238
das Diafoniffenhaus Berhanien (gegründet 1847,
eine Stiftung Friedrich Wilhelms IV., unter dem
Protectorat der Kaiferin, zur Ausbildung von
Krantenpflegerinnen, für 300 Kranke einge»
richtet), das Elifabeth-Krantenhaus, das Augufta-
ojpital, das St. Hebwigs- (katholiiche) Kranken⸗
5 das Friedrich Wilhelms⸗Hoſpital, Heil⸗ u.
Bildungsanftalt für Blödſinnige, mehrere Armen»
u. Berjorgungsbhäufer, darunter das vom Kaiſer
Nikolaus als Ehrenbürger von B. gegründete Ni-
folai-Bürgerhofpital, das Allgem. Städtiſche Kran-
tenhaus in Friedrihshain (1870—73 v. Gropius
u. Schnrieden erbaut, mit durchgeführtem Pavillon—
Spftem für 600 Kranke), eine Anftalt, welche einen
meiten Ruf hat; die Notherfliftung für Beamten:
töchter über 40 Jahre, Ehriftliche Mägdeherberge,
Hollmanns Wilhelminen » Amalien » Stiftung für
alte Frauen iiber 60 Jahre, Alterverforgungsan-
ftalt der jüdischen Gemeinde, die Piſchonſche Pen—
fionsftiftung für Volkslehrer und Lehrerinnen,
Königlihe Wittwenpflegeanftalt und mehrere An-
ftalten für Predigerwittwen; Waifenhäufer, dar-
unter das große Friedrichs-Waiſenhaus, welches
für 580 Waifen und verwahrlofte Kinder (außer
Berlin (Induſtrie, Handel).
vereine, das Königl. Leihamt u. die Darlehnskaffe
des Berliner Frauenvereins zur Abhilfe der Noth
unter den Heinen Fabrifanten und Handwerkern.
Detentionshäufer, Gefängniffe, das Arbeitshaus
(zugleich Zufluchtsort für Obdachloſe), Siehenhaus
und Frrenbewahranftalt, die Stadtvoigtei für im
Unterfuchungshaft Befindlihe u. Strafgefangene,
das Zellengefängniß in der Nähe des Hamburger
Bahnhofes, mit 800 Gefangenen.
XI. Induſtrie, Handel u. Verkehr. 8. ift
infolge des gewaltigen Aufihwunges, den es faft
anf allen Gebieten des Gewerbfleiges aufzumeijen
hat, gegenwärtig die bedeutendfte Induſtrieſtadt
des Eontinents. Nahe an die Hälfte der Ein-
wohner lebt von der Induſtrie: man zählt über
30,000 Mafchinenbauarbeiter, die Hüttenproductiom
beichäftigt über 10,000 Arbeiter, die Weberei u.
Zeugmanufactur über 18,000, die Metallwaaren«
jabrifation 9000, die Fabrilation von Berzehrungs-
gegenftänden 4000, von Strumpfmwaaren 15,000,
die Eonfection 6000 Arbeiter u. ſ. w. Neben den
Ihon unter VIII. erwähnten technischen Lehran—
ftalten u. Bereinen wirken durh Eröffnung von
Eoncurrenzen, öffentlichen Ausftellungen, Prämien
2700 Koftlindern) beftimmt ift, das Kornmefjerfche | Vertheilungen, Stipendien u. ſ. w. nod eine große
und Scindlerihe Waifenhaus (beide Privatan-
falten), die jüdiſche Waijenerziehungsanftalt,
das Friedrichsſtift; Erziehungs und Beſſerungs—
anftalten: die Bavierſche Arftatt zur Erziehung
mutterlofer Kinder, Magdalenenftift für fittlich ver-
derbte Mädchen, Peftalozzi-Stiftung, die Wadzel-
Anftalt für 420 arme Kinder u. mehrere Klein-
finderbewahranftalten; Taubftummen- (1798 vom
Staate) u. Blindeninftitut (1800 von Zeune ge-
gründet, jetst königlich), Beihäftigungsanftalt für
erwachſene Blinde; Unterftügungstaflen u. Unter-
Rütungsvereine, darunter das 1840 von der
Karferin von Rußland nach dem Tode ihres Vaters
Friedrih Wilhelm III. mit 46,000 Thlen. aus
ihrem Erbichaftsantheil gegründete Fzriedrih-Wil-
helms⸗ Inſtitut für unbejchäftigte Arbeiter (VBorihuß-
laſſe), Bürgerrettungsinftitut (1796 von Baum-
garten gegründet, foll zurückgekommene Gewerb-
treibende mit Vorſchüſſen unterftügen), Hinkeldey⸗
ſtiftung für hilfsbedürftige Bürger Berlins, die
Blecherſche Stiftung für junge Künſtler zur Reiſe
nach Italien, Allgemeine Landesſtiftung, National-
dank, zur Unterſtützung alter Krieger (gegründet
ans Anlaß der ſilbernen Hochzeit des jetzigen
Kaiſers 1854), die Auguften- Stiftung, zur Aus:
feuer armer Brautpaare (gegründet bei demfelben
Anlaß), Gefindebelohnungsfond, mehrere Gejellen-
u. Arbeiterunterftügungstaffen, Unterftügungsan-
Halt der Gejellichaft der Freunde für Wittwen u.
Waiſen, Gemeinnütige Baugeſellſchaft (gegründet
1848, hat den Zwed, durch Bauten gejunde u. wohl-
feile Wohmungen fir fogenannte Heine Leute zu be-
ſchaffen), Lutherftiftung für Waifen des Lehrer:
fandes, Bereinsfterbefafie, Wittwenpenfions- u.
Unterftügungstaffe, Speifeanftalten; Vereine: für
Kleinfinderbewahranftalten, Unterftütungsverein
hilfsbebürftiger Buchhändler, Hilfsverein für jü—
diihe Studirende, Verein zur Unterflügung armer
Wöchnerinnen zc. Zur Beihaffung von Geldmitteln
dienen Darlehns- u. Vorſchußvereine in allen
Anzahl von anderen Privatvereinen u. »Anftalten
für die Beförderung bes Gewerbfleißes. Bon tech-
niſchen Juftituten des Staates find die Münze
(alte u. neue, beide bei der Bau-Afademie, die
neue 1869—71 nad Stülerſchen Plänen gebaut,
mit fchöner Fagade und mit Schadowihen Bas-
reliefs geſchmückt), die Königliche Porzellan ⸗Manu⸗
factur im Thiergarten bei Charlottenburg, die
Königl. Eifen» u, Broncegießerei, ſowie die Staats-
druderei vorhanden. Die Privatinduftrie hat fich
in wahrhaft großartiger Weife entwidelt u. fonnte
weder durch Kriege, noch Strifes, od. Wohnungs.
notb aufgehalten werden. Niefige Eapitalfräfte,
welche ihr durch 326 Actiengeſellſchaften, excl,
Banken u. Affecuranzen, zuftrömen, laffen einen
noch bedeutenderen Aufſchwung gemwärtigen. Gro-
Ben Ruf hat die Eijeninduftrie B-8 erlangt, nament«
ih im Fade des Maſchinenbaues. Unter den
173 Fabrilen, die ſich damit befaffen, verdient be»
jondere Erwähnung das Borfigiche Etabliffement,
das größte feiner Art in Deutichland, aus welchem
im Jahre 1867 die 2000, u. 1873 die 3000, Loco«
motive hervorging. Außerdem producirt B. die
verjchiedenartigften Gegenftände: Teppiche, Par-
fümerien, Hüte, Spiegel u. Broncefadhen, Lampen,
Möbel, Porzellanöfen, Seiden-, Halbjeiden-, Baum-
wollen. u. Zeinenwaaren, Flußlähne, Wagen, Ta-
peten, Silberwaaren, Stut- u. andere Uhren, Holz-,
bronzes, Bijouterie-, ladirte Blech- und hölzerne
Waaren, Sonnen- u. Regenſchirme, dhirurgifche,
mathematifche, optische u. muſikaliſche Inftrumente,
chemiſche Waaren, Leder, kinftlihe Blumen n. a.
Putmwaaren, fertige Kleidungsftüde, feine Korb-
flechtereien, Strohhüte, Stärke, Spielwaaren, Li-
queurs 21. Der Handel B-8 wird von dem Staate
durch das Juſtitut der Preuß. Bank, jetst Deutſchen
Reichsbank (j. Banken), u. der Seehandlung unter»
ſtützt u. von der Handelsfammer u. dem Hanbelsrathe
überwacht. Außerdem befördern den Geldverkehr die
Bank des Ver Kaffenvereins, die Discontofaife
Stadtbezirken, die Städtijhe Sparlaſſe, die Spar- |u. 607 (1875) zum Theil großartige Bautgeſchäfte;
Berlin (Berfehr,
die Börfe in der Burgftraße (Gebäude ſ. unter V.)
dient zur Erleichterung des Waaren- u. Geldge-
ſchäſten; fie tft eine der bedeutenditen Europas,
ihre Kourszettel ericheinen täglich. Der Handel er-
firedt fih, außer auf Staatspapiere, auf Actien»
u. Wechjelgefchäfte, Spedition, Bertreiben der Er-
zeugnifie der Induſtrie B⸗s 20, Auch findet im
Zum ein großer Wollenmarft ftatt. Die bedeuten.
deren in» u. ausländiſchen Affecuranzgefellichaften
haben in B. Comptoire: 147 Feuer⸗, Lebens,
Hagel», Bieh-, Glas-, Transport-, Unfall⸗, Nenten-
u. Capital» Berfiherungen find in B. vertreten.
Neun Eifenbahnen laufen in B. zufammen: die B.-
—— die B.Stettiner, die Niederſchleſiſch—
ärliſche, mit der neuen B-er Verbindungsbahn
(10 km), die Anhaltiſche, die B.Potsdam ⸗Magde⸗
burger, die B.-Görliger, die Magdeburg - Halber-
ſtädier, die Oftbahn u. die B.- Dresdener Eifenbahn
(im Stadtbezirke 1874 zufammen 29,,, km, über
das locale Berfehrsmweien f. u. VII.). Die Nord»
bahn nach Stralfund u. die B.-Nordhauiener Bahn
werben demnächſt gebaut werden. Kine GStadt-
Eiienbahn ift projectirt. Der Gütertransport diejer
Bahnen bezifferte fi pro 1873 auf ca. 83 Mill.
Etr., wovon auf die Einfuhr etwa 73°/, kommen;
von diefer nimmt das Brennmaterial allein an-
näbernd den dritten Theil in Anſpruch. Elektri—
ſche Zelegraphen verbinden die Stadt mit den be-
deutendften Haupt» u. Handelsftädtendes Eontinents.
XII Bergnügungen. B. hat 24 größere u.
Kleinere Theater. Die föniglihen Schaufpiele, das
DOpern- u. Schaufpielhaus, unter der Bewvaltung
einer General-Fntendantur, ftehen oben an. Das
Opernhaus, 1740—42 nad) v. Knobelsdorfs PBilä-
nen erbaut, brannte 1843 ab u. wurde mit Be—
nugung der ftehen gebliebenen Umfafjungsmauern
faft gan in derjeiben Weife, nad dem Vorbilde
des Pantheon zu Athen von Langhans wieder auf-
ebaut. Es ift 90 m lang, 32, m breit u. 23 m
Doc): im Giebel find Basreliefs von Nietichel; der
BZujhauerraum hat 4 Fogenreihen, faßt 2000 Ber-
fonen u. ift prächtig ausgeichmücdt. Ein reich ge-
ſchmückter, mit einer von 32 Karyatiden getragener
Galerie verjehener Concertiaal fteht mit dem Thea-
terraum im Verbindung. Das Haus ift zur Auf-
führung von Opern, Balleten u. größeren Schau-
fpielen beftimmt. Außerdem finden daſelbſt im
Winter mufifalifhe Matinées u. die alle Kreiie
der gebildeten Welt vereinigenden n. vom Hofe
beſuchten prachtvollen Subicriptiong » Bälle ftatt.
Das Schaufpielhaus auf dem Schillerplage, 1803
von Langhans gebaut, brannte 1817 ab u, wurde
1820 von Schinfel neu erbaut; es hat eine breite
Freitreppe, welche zu einem vorfpringenden Perifty!
von 6 ionifhen Säulen führt, ift 77 m lang u.
im Mittelbau 50 m tief; e8 enthält einen Concert:
faal mit Nebenzimmern u. Galerien u. einen
Decorationsfaal; der Zufchauerranm faßt 1500 Per-
fonen. Die vorzüglichen Yeiftungen des Ber Schau-
fpiels haben ihm einen mwohlverdienten Auf ein-
gebracht. Nächſt den königlichen Theatern ragen
die folgenden hervor: Das Bictoria-Theater, 1856
bis 1859 nach Plänen von Langhans erbaut, cul«
tivirt befonders größere Ausftattungsjtüde,. Es be-
fieht aus einem Sommer- u. Winter-Theater, mit
gemeinjchaftlicher, durch eine großartige Maſchinerie
239
ausgezeichneter Bühne. Das Gebäude ift beinahe
100 m lang u. 40 m breit. Der Zufchauerraum
faßt 1400 Perjonen. Das Wallner Theater, ehe-
dem als Königftädtiihes Theater auf dem Aleran-
derplage in der Königsftadt, auf Actien gegründet,
für das Luftipiel u. die komiſche Oper beftimmt,
blühte in dem vierziger Jahren u, rivalifirte mit
der Königl. Bühne; ſpäter fam es in Berfall,
wurde dann im einen Circus in der Charlotten-
ftraße u. von dort nad) der Blumenftraße verlegt,
bis es 1866 in ein in ber Balner-Thenterfttahe
neu erbautes, prachtvoll Decorirtes Gebäude über-
fiebelte. Das Friedrich W.ihelmftädtiiche Theater
in der Schumannsftraße, verbunden mit Sommer-
theater, fiir Luſtſpiel, komische Oper u. Poſſe be-
jtimmt, wurde von Tits erbaut u. 1850 eröffnet.
Es faßt 1600 Perſonen. Das Krolliche Etabliffe-
ment am Königsplage, mit großen Sälen, eines der
großartigften Bergnügungslocale der Welt, faßt an
5000 Perjonen. Das 1834 errichtete Gebäude
wurde, nachdem e8 1851 niedergebrannt war, von
Tig wieder aufgebaut; es ift 115 m lang, 30 m
tief u. mit den beiden Thürmen 40m bob. Der
große, mit einer Bühne verbundene Königsjaal
wird zur Darftellung von Operetten u. Puftipielen,
auch Opern, zu großen Bällen zc. benutt. Daran
ftoßen verichiedene andere Säle. Die Weihnachts
ansftellungen find berühmt. Bon den übrigen,
zum Theil vorftädtifchen Theatern feien erwähnt:
Das Nefidenz-, Ber Stadt-, Vorftädtiiche-, Wol«
tersdorff-, National-, Königſtädtiſche-⸗ Reunion-,
Belle-Alliance» u. Barietd- Theater. Die beften
Concerte hört man in der Ging-Afademie, im
Opernhaufe, im Saal des Hotel de Rome, im
Goncerthaufe (Bilfe), in den Reichshallen u. a.
Yocalen. Der Winter bringt ftet3 eine Menge von
Birtuofen-Eoncerten u. größeren mufitaliichen Auf«
führungen. Die equeftrifhen Schaufpiele find durch
zwei Circus (Renz in der Friedrichsſtraße u. Salo-
monsty in den ehemaligen Martthallen mit viefigen
Räumen) vertreten. Kine große Menge von Lo—
calen, in vielen Abftufungen, gewähren Gelegen-
beit, fih bejonders durch Zanzen zu vergnügen,
werden aber nur von einer ſehr gemiichten Gejell«
haft u. Damen von zweideutigem Ruſe befucht.
Die befannteren derartigen Abiteigequartiere find
das ſchön decorirte Orpbeum u. das Ballhaus,
Unter den zahlveihen Gonditoreien find die von
Joſti, Stehely, Spargnapant, D’Heureufe, Kranzler
u. das Wiener Kaffehaus ın der Baffage die befann-
tejten. Elegante Reſtaurants u, Kaffehäufer werden
von dem jeineren Publicum beſucht, während die
Kellerwirtbichaften meiftens nur für niedere Bolfs-
klaſſen eingerichtet find. Dagegen pflegen in den
Delicatefjenfellern nur die höberen Stände zu vers
fehren. Unter der großen Zahl der Bierlocale
läßt fich leicht eine Auswahl von joldhen treffen,
welche nur echtes bayerisches Bier verſchenken und
eine beſſere Sejellichaft beherbergen. Was übrigens
B. an Bier confumirt, grenzt ans Fabelhafte.
Schon die 49 einheimischen Brauerei-Etabliffements
producirten 1873 896,198 hl untergähriaes und
531,851 hl obergähriges Bier, wozu die Einſuhr
noch 122,055 hl bradte. Eigentliche Weißbier-
(ocale, wo nur oder faft ausſchließlich dieſes B«er
Getränf (füble Blonde) verabreicht wird, find die
Bergnügungen).
240
Sammelpunfie der B-er Kleinbürger. Unter den
vielen geichlofjenen Gejellichaften find die wichtigften
die 3 unter kaiſerlichem Schuge ftehenden Groß:
flogen der Freimaurer: Nationalmutterloge zu den
3 Weltfugeln, Große Landesloge u. Royal-York,
welche in eigenen Localen mit Gärten, jede mehrere
Zohaunislogen (zufammen 17) in B. umfaſſen
u, die übrigen Yogen Preußens u. Heinerer deut-
iher Staaten leiten. Noch gedenten wir der
Sommer-Concerte des Zoologiſchen Gartens u. der
Flora, der Corfofahrten im Mai, Juni u. Juli,
veranftaltet vom Bser Fahrverein im Thiergarten,
der mit dem Wollenmarfte im Mai u. Zeptember
in Hoppegarten bei B. ftattfindenden Pferderennen
u. des am 24. Aug. den Janhagel vereinigenden
Stralauer Fiihzuges. Bon den Winterverquüg-
ungen feien noch das Schlittihuhlaufen im Thier-
garten bei Militärmufif u. die Hofjagden im Grune-
wald erwähnt.
XI. Das Leben in ®. ift vorberrichend das
eines großen induftriellen u. Börfenplages. Das
Hofleben tritt nur während der kurzen Winter—
ſaiſon, dann allerdings mit entichtedenem Aufwande
äußerlich hervor, Der preußiſche Adel zieht nicht
in dem Grade, wie in anderen Hauptftädten, z. B.
Bien, zum Winter in die ererbten Paläſte ein;
finanzielle u. politische Rüdfichten bilden die Haupt:
urjachen diefer Reſerve. Nur ein Heiner, den Hofe
nabeftebender Kreis deffelben, die hervorragenden
Mitglieder der inönftriellen Kreife u. die Diplo»
matie betbeiligen fich mit äußerem Pomp an den
winterlichen Bergnügungen der erjten gejelligen
Kreife, Beamte, Gelehrte u. Künftler finden leicht
Zutritt, der Offizier darf nirgend fehlen. Das
Intereſſe für Kunſt u. Wiffenichaft ift lebhaft, u.
viele reiche Privatleute lieben es, fih mit einem
gewählten Kreife von Küuftlern u. Gelehrten zu
umgeben. Im Sommer gehört e8 zum guten
Tone, B. wenigftens auf einige Wochen den Rüden
zu kehren. Die nicht zu den vornehmſten Klafien
der Gefellichaft ſich rechnenden veridhiedenen Ele—
mente der Gebildeten jcheiden ſich, je nad) den ge-
meinfamen Jutereſſen, die fie verbinden, in be—
ftimmte Coterien, Eine gewiſſe äußere Bildung
ift auch den niederen Klaſſen eigen, u. der Ber
Bollswig, der durch Glasbrenner u. Bedmann
zuerft eine gewiffe Berühmtheit erlangt hat, offen-
bart ſich in einer Menge von Yocalpoffen und in
dem verbreitetiten Wigblatte Deutichlands, dem
Kladderadatich, und den Berliner Weipen (Bei-
lage zur Tribüne). Das Bollsleben concentrirt
fih jelten auf einem Punkte; nur große, vom
Hofe veranftaltete Feite, große Paraden, feftliche
Einzige zc. bringen ganz B. auf die Beine, ohne
jedoch nachhaltend zu wirken. Nicht mit Unrecht
gibt man den Bern eine gewiſſe Yeichtlebigfeit
u, Frivolität ſchuld, wie ſolche faft in jeder großen
Stadt, welche viele Gelegenheit zum materiellen
Genuß des Yebens bietet, zu Haufe ift. Die Beer
Volksſprache ifl fein eigentliher Dialeft, jondern
nur ein corrumpirtes Hochdeutih. In deu ge—
bildeten Kreifen ift diefelbe verpönt. Die Proftir
tution ift in B. geduldet u. wird von dem Polizei-
Berlin (Leben, Umgebung).
Fahren (u. zwar der Handwerferftand mit 48 u.
der Frabrifarbeiterftand mit 22°/,) war am ſtärkſten
vertreten. In fittliher Beziebung jei noch be—
merkt, daß man in B. ımter 100 Geburten 14,,
uneheliche rechnet. Eine befoudere Erwähnung
verdienen die MWohnungsverhältniffe. Bon den
bei der Aufnahme von 1871 verzeichneten 178,561
Wohnungen lagen 19,208, alio 10, pEt., in
Kellern. Nicht jelten find diefelben Sammelpläge
phyſiſchen und moraliihen Elends; in feiner an-
deren Stadt leben verhältmigmäßig jo viele Men-
[hen unter der Erde. Im Jahre 1872 famen
durhfchnittlich 55,45 Bewohner auf jedes Haus.
In 171 Wohnungen, aus 1—2 Zimmern be-
jtehend, kamen 10 Menſchen auf jedes dieſer
Zimmer, in 57 Wohnungen jogar 11, in 19 nicht
weniger als zwiſchen 13 u. 20 Meuſchen, d. h.
jo viel auf jeden zum Schlafen dienenden, oft
völlig unheizbaren Kaum. Die Zahl der Wohn-
ungen obne befondere Küche hat von 1867 bis
1872 in den Borderhäufern um 63,,, in den
Hofgebäuden fogar um 103,, pCt. zugenommen.
Die Pflafterung der Stadt läßt jehr viel zu wün«
ſcheu; Kanalifirung nad den Anforderungen der
Jetztzeit fehlt noch trog der beharrlichften Necla-
mationen der Preſſe.
XIV. Umgebung B-⸗s. Die Umgebungen B-8
find nicht fo unfreumdlich, als ihr Auf. Man hat
fiıh daran gewöhnt, die von feinem Hügel unter
brochene, unfruchtbare u. allerdings dominirende
Sandebene, auf der faft mur Nadelbolz gedeiht,
zu verjchreien, u. gedenkt nicht der Ausnahmen.
Die herrlich grünen u. welligen Ufer der weite
Seeflähen bildenden Havel unterhalb u. auch der
Spree oberhalb B-8 verleihen der Landſchaft einen
ganz eigenen, melancholiſchen u. dabei die Herzen
gewinnenden Charakter. In der Neuzeit iit man
beftrebt, die zahlreihen Ausfihtspunfte mehr und
mehr dem allgemeinen Berlehre zugänglich zu
machen. In B. fjelbft den Sommer verleben zu
müſſen, gehört nicht zu den Annehmlichkeiten des
Dafeins, Freundliche Spaziergänge gewährt der
durch Alleen u. Chauſſeen durchichnittene Thier-
garten, ein anfehnlicher, ſich zwiſchen B. u. Char»
lottenburg erftredender, durch einen präcdtigen
Baumftand ausgezeichneter u. ſtets belebter Part
(Goldfiſchteich mit der Venus Victrix, Floraplatz,
Luiſen⸗Inſel, Rouſſeau⸗Inſel, Siegesallee, Königs-
platz u. wundervolle Reitwege). Der Umfang des
Thiergarteng beträgt 14 Stunden. Die an den«
jelben grenzenden Stadtviertel zeichnen fich durch
ihre Billen, eine Zahl anftändiger VBergnügungs-
locale u. den Zoologiſchen Garten aus. Dieſer,
bereit 1844 gegründet, wurde 1869 unter bie
Verwaltung des Dr. Bodinus gejtellt, welcher es
verfianden hat, durch Schönheit der Anlagen,
Großartigfeit der Neubauten u. Bollftändigfeit der
Sammlungen das Etabliffement zu einer Haupt«
zierde der Kefidenz u. zum Anziehungspunkte für
das feinere Bublicum umzugeftalten. Ein anderes
——— Unternehmen verſpricht die Flora in
harlottenburg zu werden. Auf dem rechten Ufer
der Spree liegt einer der Hauptanziehungspunfte
Präfivium überwacht. 1874 zählte man ca. 14,000 [für die niedere Bevölkerung: Moabit. Der Nanıe
Proftituirte, von denen 2249 unter fteter Sanitäts- |foll von den unter Friedrich I. hier angefiedelten
Controle ftanden.
Das Alter zwiihen 18 u. 25 franzöſiſchen Gärtnern herrühren, welde den Ow
Berlin Geſchichte).
des unfrudhtbaren Bodens wegen la terre moab|den Handelsverfehr mit den Slaven, an deren
oder terre maudite nannten. Bor dem Halleihen| Grenze fie lagen, auf. Die gemeinichaftlih herr-
Thore, dem Kreuzberg gegenüber, liegt der Bod- chenden Fürften von Albrehts Stamm, Johann 1.
berg mit einer Bayeriihen Bierbrauerei, einem (1220 — 66) u. Otto III. (1220 — 67), legten in
Eoncertiaal u. Parkanlagen auf der Höhe. Bon|B. Märkte u. eine Zollſtätte an u. ertheilten den
bier, wie vom Krenzberge aus, mit der ſehr be⸗ Anſiedlern, welche ihre Rechte von Brandenburg
ſuchten Zivoli»Brauerei, hat man einen ſchönen erhalten hatten, eigene Gerichtsbarkeit. 1253 war
liberbfid über die Stadt, ſowie über das Dorf|®. ſchon eine anfehnliche Stadt, nad) deren Mufter
Schöneberg, weiterhin eine Ausfiht nad demjandere new gegründete Städte, wie Frankfurt a. O.,
Grunewalde, nad Charlottenburg u. nad) den das |ftädtiihe Nechte u. Freiheiten erhielten. Unter der
Spreethal bei Spandau einſchließenden Anhöhen Regierung jener Fürften wurden die Nicolaikirche,
(Pichelsberge). Nach der entgegengejetten Seite|darauf die Marienkirche und das Heiligengeift-
fiegt die waldige Hafenhaide, 4 Stunde von der|Hofpital, die älteften geiftlihen Stiftungen B-s,
Stadt, mit Rafke- u. Landhäuſern, Bergnügungs- |gegründe. Das bedeutendfte Ereigniß unter den
ort der niederen Stände; dort ein befonderer Plag | Nachfolgern der genannten Fürſten, 13 Jahre vor
241
mit Schießftänden für das Militär u. der Turn»
plag. Am entgegengejegten Ende der Stadt, in
der Ehauffeeftrage, dürfte noch das große Etablifje-
ment Eistelfer zu nennen fein. Die an den Spree-
ufern oberhalb B-8 gelegenen Sommer-Bergnüg-
ungsorte, Schwimmanſtalten zc. find per Dampf
ſchiff von der Janfowigbrüde Teicht zu erreichen.
Hierzu gehören u. a. das fehr befuchte Stralau
(befonders zur Zeit des dortigen Fiſchzuges), das
—— Treptow u. Rummelsburg am
ummelsburger-See, mit einem großen ſtädtiſchen
Baifenhaufe, u. weiter die Stadt Köpenit in der
Nähe des Müggel-Sees, welche auch mit der Frank⸗
futter Eiſenbahn zu erreichen if. Die außerdem
zu Ausflügen benugten Ortſchaften in der Umgeb—
ung B-8 Bee in der Neuzeit durch Billenbauten
ungemein gewonnen, Anderjeits find ganze Billen-
orte neu entſtanden u. durch die zahlreichen Eifen-
babnen in fteter Verbindung mit der Hauptftadt,
fo daß viele Beamte, Kaufleute zc. mur zur Ab-
widelung ihrer täglichen Berufsgejchäfte nah B.
fommen. Die bedeutendfte Eolonie ift Weftend bei
Charlottenburg, ferner Steglit, Pichterfelde (mit
dem im Bau begriffenen Gadettenhaufe), Zehlen⸗
dorf, Wannje (im jhöner Lage, mit dem Kaifer-
Pavillon der Wiener Weltausftellung, durch Zweig-
bahı mit Zehlendorf u. Potsdam verbunden),
Tempelhof, u. auf der rechten Seite der Spree:
tebrichsfelde, Weißenſee, Pautow, Schönhauſen,
einidendorf, Tegel (mit dem Landhauſe Alexander
v. Humboldts), Saatwinfel u. Pichelsdorf, die drei
legten in fhöner Lage am Havel-Ser.
XV. Geſchichte. Die älteften Anfiedler an
der Stelle der Spree, an welcher das jegige B.
fegt, waren ohne Zweifel wendische Fiſcher. Die
beiden Dörfer Berlin und Köln, welde fie be-
wohnten, wurden durch die Spree getrennt. Der
Sit der wendifchen Fürſten war das nahe Köpenick,
weshalb deu Markgrafen, welche die Grenzen des
Deutihen Reiches nach diefer Seite gegen die
ränberischen Einfälle der Staven zu ſchützen hatten,
an dem Befite des von Waſſer umfloffenen, alſo
bis zu einem gewiffen Grade feſten Platzes, Kölns,
bef. gelegen jein mußte. Albrecht der Bär war
der erfte, welcher bis hierher vordrang (um 1142)
und durch Anfiedler, namentlih aus den Nieber-
landen, deutihe Sprade u. Sitte an der Spree
einführte. Wahricheinfich legte er die erften Be—
feftigungen an. Unter feinen Nachfolgern blübten
die Schwefterftädte, die zuerft 1237 u. 1244 als
bejondere Orte genannt werden, namentlih durch
BPierers Univerfal:Eonverfations-Lerilon. 6. Aufl. III. Band,
dem Erlöjchen des anhaltiniſchen Haufes, war
1307 die Bildung eines gemeinichaftlichen Rathes
für B. u. Köln, deren Verwaltungen bis dahin
völlig getrennt waren. Zu diefem Zmede wurde
ein drittes Rathhaus nothwendig u. auf der Grenze
beider Städte, an der heutigen Langen Briüde in
der Boftftraße, erbaut. Nun bob fih B. immer
mehr, u. im zmeiten Jahrzehnt des 14. Jahrh.
war die Stadt das Haupt eines märkiichen Städten
bundes, welcher der Willfür des räuberifchen
Adels einen Damm entgegenfeßte. 1340 ſchloß
B. einen Handelstractat mit Magdeburg u. trat
in den Bund der Hanfa. Nah dem Erlöſchen
der Astanier brachen Unruhen im Lande aus und
wirkten lähmend auf den Handel u. Bertehr B⸗s,
u, erft inter der Fräftigen Herrichaft des Burg-
rafen Friedrich von Nürnberg, aus dem Haufe
Folern (von 1411 an), gelang es, die Sicherheit
im Lande wieder herzuftellen. Zwar hatten bie
Hohenzollern manden Kampf mit der Bürger-
ſchaft, die fich ihre alten Rechte nicht nehmen laffen
mollte, auszufechten u. namentlich gegen Friedrich
den Eifernen (1440—70) erhob fid die Stadt,
als er eine Burg bauen wollte, in offener Fehde;
doch unterwarf fie ſich fpäter; die Burg wurde
gebaut und die ftäbtiihe Verwaltung wieder ge
trennt. Johann Cicero erhob B. zu Ende des
15. Jahrh. zur feften Reſidenz, welches bisher
Spandau gewefen war. Gein Nachfolger Joa-
him I. Neftor (1499— 1535) gründete das Hof—
u. Kammergericht für alle Die, welche nicht der
Gerichtsbarkeit des Rathes von B. unterworfen
waren, u. verfucdhte überhaupt eine Reform des
Gerichtsweſens. Seitdem gab die Stadt ihre Oppo-»
fitton auf u. wurde eine feite Stüte des Kurfürften«
baufes. Die Neformation fand unter Joachim II,
(1535 — 71) raſch Eingang. Der Kurfürft trat
1539 zur evangelifhen Lehre über, u. mit ihm
auch der Rath u. die Bürgerichaft. In demfelben
Fahre wurde im B. die erfte Buchdruderei er-
richtet. Unter Johann Georg (1571—98) wurde
der Werder in der Näbe des Schloffes bebaut,
u. 68 ließen fich viele Riederländer nieder, welche
dur Herzog Albas Schredensherrichaft vertrieben
waren. Seltige Unruhen hatte 1613 der Übertritt
des Kurfürften Johann Siegmund zur Galvi-
niftifhen Eonfeffion zur Folge. Im 30jährigen
Kriege litt B. außerordentliih. Es murde 1627
von Wallenftein, 1631 von Guſtav Adolf, 1634
von den Kailerliben u. 1636 von den Schweden
unter Wrangel beiept. Unter diefen Wirren wurden
16
242 Berlin (Geichicte).
die Vorſtädte niedergebrannt, Brandſchatzungen der Franzöſ. Krieg gerietb, großen Schaden. Am
Stadt auferlegt, und arge Entfittlihung u. Ber-23. Oct. 1806 wurde B. von den Ssranzofen be-
wahrlofung vig ein. Beſſer wurden die Zuftände|jegt, am 27. hielt Napolcon feinen Einzug u. blieb
in der ſeit 1638 mit Schanzen umgebenen Stadt|bis 24. Nov. bier; die franz. Belagung zog erft
mit dem Negierungsantritte des Großen Kurfürſten, 1808 wieder ab. Der König kehrte 23. Dechr.
Friedrih Wilhelms (1640—88), der dem Friedrichs | 1809 nach B. zurüd. 1809 wurde die Univer-
werder Stadtrechte gab, die Neuftadt erbaute (mady |fität hier geſtifte. Im März 1813 wurden die
feiner Gemahlin auch Dorotheenftadt benannt), u. Franzoſen von den Kofalen aus B. vertrieben,
Neu⸗Köln u. mehrere Vorſtädte jenfeits der alten Die Einwohnerzahl betrug 1815 175,000, Nach
Feftungswerfe, die er nach neuem Syſtem umſchuf, dem Kriege bob fih B. ungemein; es vergrößerte
anlegte.
der Straßen ein u. bevöllerte die erweiterte Stadt
mit fremden Coloniften, be. reformirten Fran—
zojen, welche der religiöfen Berfolgungen wegen
ihre Heimath verließen; die Bevölkerung ftieg dar
dur von 6000 auf 20,000 Einwohner, Kurfürjt
‚sriedrich IIL., nachmals König Friedrich I., baute
die Friedrichstadt, erweiterte die wieder aufge-
bauten Borftäbte, erhob B. zur löniglichen Reſi—
denz u. vereinigte die beiden getrennten Magiitrate
von B. u. Köln 1709 von Neuem. Prachtvolle
Bauten (das Schloß, Zeughaus, Pofthaus, jpäter die
Sharite, die Bank, Sternwarte, Kurfürſtenbrücke,
die Franzöſiſche u. die Neue Kirche) wurden unter
ihm aufgeführt. Auch gründete er 1699 die Maler-
u. Bildhauerafademie und 1700 die Alademie der
Riffenjchaften, und unter ihm wurde (jeit 1690)
Theater gejpielt u. fand die franzöfiihe Mode u.
erhöhter Luxus Eingang. Unter Friedrich Wühelm I.
wurde der Bau des Schloſſes vollendet, die ‚zried»
richsſtadt bedeutend vergrößert, die Königs-
Sophien« u. Luiſenſtadt angelegt u. der Name B.
als Gejammtname der vereinigten Stadt einge»
führt; 1727 fiedelte fi die Böhmiſche Colonie in
B. an. Die Einwohner, deren Zabl unter Fried-
vi I. 50,000 betragen batte, mehrten ſich auf
90,000. Friedrich II. baute, obgleich er in der
Hegel nicht in B. refidirte, viele neue Gebäude,
ließ die Feſtungswerle B-s demoliren, an deren
Stelle neue Straßen bauen u, Alleen in den Thier—
garten banen; die Einwohnerzahl wuchs bis 145,000.
Im Siebenjährigen Kriege wurde B. 1757 von den
Kroaten unter Haddil gebrandihatt, 1760 von
Er führte Beleudtung u. Bflafterung|fih nach allen Seiten, bei. nah W. u. ©., und
Prahtgebäude aller Art Mufeum,Königsmwache,neues
Schaufpielhaus, die Baualademie, die Werderiche
Kirche, die Sternwarte) u. Dentmäler der Helden
des Befreiungskrieges entitanden. 1828 murde
die Gasbeleuchtung eingeführt; 1828 erhielt der
nordweſtl. Stadttheil den Namen Friedrich-Wil-
beims-Stadt; 1831 wüthete die Cholera; 1838 wurde
die erfte Eijenbahn vollendet, welche B. berührt
(B.- Potsdam). Beim Tode des Königs betrug
die Zahl der Eimmohner 310,000, u. der Werth
der Grundftüde war feit Ende des vergangenen
Jahrh. auf das dreifache geitiegen. Unter Friedrich
Wühelms IV. Regierung wurde das neue Mufeum
erbaut, die Schlopfuppel u. das Friedrihsdentmal
vollendet, die Schlobrüde mit Statuen und der
Opernplag mit neuen Denfmälern gefhmidt, ſowie
auch die Friedensfänle auf dem Belleallianceplage
zum Andenken an den 30jährigen Frieden ere
richtet. Auch das wiſſenſchaftliche und Kunftleben
hob fich unter dem perjönlichen Einfluffe des Königs,
und die Bedeutung, melde B. als GCentralpunkt
des norddeutihen Handels u. Gewerbefleißes er-
rungen bat, 309 u. zieht immer nene unterneb-
mende Kaufleute, Arbeitskräfte u. Capital an, fo
daß die Grenzen der Stadt ſich weit über die
Hingmaner ausdehnten. Im Auguſt 1844 fand
hier die erfte große Gemwerbeausftellung der Zoll.
vereinsjtaaten (j. u. Fnduftrieausftellungen), 1851
der Abjchluß des Pojtvereinsvertrages u. der An—
ſchluß des Steuervereins an den Hollverein, 1853
die Unterzeihnung des Handelsvertrages zwiſchen
Ofterreih u. dem Zollverein u. die Ratıfication
den Ruffen unter Zottleben bejhofien u. genommen, des Vertrages mit dem Steuerverein, ferner ein
jedoch bald wieder verlaffen. Um der bierdurd
veranlaßten Entvöllerung u. Verarmung zu fteuern,
gab der König der Induſtrie in B. neuen Auf:
ſchwung u. lieg Fabriken für Seiden- u. Kattun«
jtoffe errichten un. hob Handel u. Gewerbe durch
zwedmäßige Einrihtungen. Die Bevölferung
mebrte fi wieder auf 150,000, und die Stadt
wurde durch Bauten (Vollendung der beiden Kirchen
auf dem Gensdarmenmarkte) und Statuen der
Helden des Siebenjährigen Krieges verichönert.
Es entjtanden das Opern u. das Scaujpiel-
Congreß der Zelegraphendirectoren Deutichlands
u. der Niederlande ıı. 1855 die Deutſch-Belgiſch-
Franzöſiſche Telegrapbenconferenz ftatt. Bon grör
geren Bränden der neneften Zeit find zu erwähnen :
der des Krollſchen Etabliffement® 1851, des
Sitzungslocals der Erften Kammer in demjelben
‚Jahre, des Tivoli auf dem Kreuzberge 1853, des
Renzſchen Circus 1854 u. der des Großen Opern—
haujes i. J. 1847. Dieje Gebäude wurden alle
neu u. fchöner wieder aufgebaut. In Bezug auf
firhlihe Angelegenheiten wurde bier 1846 die
haus, die Königl. Bibliothek u. die Straße Unter |Evangeliihe Kirchenconferenz, im Herbfte deffelben
ven Yinden. 1785 wurde in B. der Deutſche
Fürſtenbund geichloffen u. 1792 der Allianzvertrag
mit Oſterreich gegen
Friedrich Wilhelm II. baute u, a. das Branden-
burger Thor;
Anfang feiner Regierung Manches zur Berfhöner- | bes abgebalten.
ichon | faltete :
nah 10 ‚Jahren durch den Krieg von 1806 unter- | Rußland u.
In den folgenden Jahren litt B. durch in die öfterreichiichen Staaten beſchloſſen war, im
ung B⸗s, doch wurde jein Bemühen
brochen.
Jahres die Hauptverfammlung des Guftav-Adolj-
Bereins und der Deutſch-Evangeliſchen Miſſions-
Frankreich unterzeichnet. | gejellichaft, im Mai 1847 das zweite Coucil der
eutjh- Katholifen und im September 1857 die
Friedrich Wilhelm III. that zu) Verſammlung der Freunde des Evangeliihen Bun:
Negeres politiihes Leben ente
ich, nachdem bier 1846 zwiſchen Preußen,
jterreih die Einverleibung Krakaus
die Calamität, im melde der Staat durch den Jahre 1847 nah Berufung des erjten allgemeinen
Berlin Anhaltiiche Eiſenbahn — Berlin Hamburger Eijenbahn.
Landtages; am 18. März 1848 war B. Schauplagı XVI. Literatur: Mila, Geſchichte des Ur—
eines blutigen Straßenfampfes; im October ver- |fprunges B⸗s 2c., Berl. 1829; Fidicin, Beiträge
fammelte fih hier der Demokratiſche Congreß, vom zur Gefchichte der Stadt B., ebd. 1837, 3 Tble,;
November 1848 bis Ende Juli 1849 wurde über| Klöden, Über die Entſtehung ꝛc. der Städte B. u.
die Stadt der Belagerungszuftand verhängt, u. im Köln, ebd. 1839; Fidicin, Die Gründung Brs,
Mai 1848 wurde hier das Dreifönigsbündnig|ebd. 1840; Chronik B-8 für die Jahre 1837—40,
unterzeichnet; im Mai 1850 trat hier der ;zürften- |berausg. von Gropius, ebd. 1837—40, 4 Jahrg.;
congreß zufanımen, und im Juli wurde hier der Geppert, Chronik von B., ebd. 1837 ff.; Hamgo,
245
Friede mit Dänemark abgeichloffen.
1853 wurde die neue Städteordnu
Entwidelung
Am 28. Juni Neue Berliner Stadtchronit, 1841; Braß, Chronik
19 eingeführt. |von B., 1841; Nicolai, Befchreibung B-8 u. Pots-
Die ſchon unter Friedrich Wilhelm IV. begonnene |dams ꝛc.,
ebd. 1779, 2 Thle.; Gädife, Yeriton
Bes zu einem blühenden Site derjvon B. u. der umliegenden Gegend, ebd. 1806;
Großinduftrie, des Handels u. Gewerbes nahm |Helling, Geichichtlich-ftatiftiich-topographiiches Ta—
unter dem Nachfolger deffelben, Wilhelm, noch ſchenbuch von B. zc., ebd. 1830; Die Umgegend
größere Dimenfionen an,
Induſtrie u. bürger-|B-8, ebd, 1833; Cosmar, Bilder u. Skizzen aus
licher Verkehr hatten ſich allmählich große, außer-|dem Berliner Leben, ebd. 1839; Wegweiſer durch
halb der Dauer liegende Gebiete in dem Grade
angeeignet, daß diefelben 1866 zur Stadt hinzu—
gezogen wurden. Diefe jüngften Stadttheile find
der Wedding, Moabit u. die ſchon vorher von
Tempelhof u. Schöneberg abgezmweigten Reviere.
Eine Folge diejer Affımilirung der äußeren Re-
gionen war bie jeit jenem Fahre begonnene Nieder-
legung der Stadtmauer, welche die unter könig—
licher Leitung früher entwidelte Stadt einſchloß.
Das Wahsthum der bürgerlihen Thätigfeit und
Schöpfung erhielt feinen Ausdrud in dem neuen
Rathhausbaue, in welchem am 6. Januar 1870
der Magiftrat u. die Stadtverordneten unter Führ⸗
ung des damaligen Oberbürgermeifters Seydel ıhren
feierlichen Einzug hielten. Judefjen war B. nad} dem
glüctichen Erfolge des Dän. Krieges vom J. 1864
u. des Böhmiſchen von 1866 das Jahr darauf Sit
des Norddentichen Reichſstages geworden u. ward
dur den Erfolg des Franzöſ. Krieges der Jahre
1870 u. 1871, nachdem König Wilhelm zu Verſailles
am 18. an. 1871 die Huldigung als deutſcher Kaiſer
empfangen hatte, deutſche Kaiſerſtadt u. Sit des
Deutſchen Reichstages u.der oberftenHeihsbehörden.
Die drei Einzüge der fiegreichen Heere von 1864,
1866 u. 1871 erbielten 1873 ihr Denkmal in der
Friedensfäule auf dem Königsplage, nachdem der
September 1872 die AZufammentunft der drei
Kaifer von Ofterreih, ſtußland und Deutfchland
ejeben. Der reißend fchnellen Bermehrung der
Stadtbevölferung ift bereits oben unter I. erwähnt.
Der vermehrte Zuzug und die Steigerung der
Mietbpreife führten i. J. 1872 zu zahlreichem
Abzuge, zu Niederlafjungen in den benachbarten
Drtihaften u. zur Gründung von Colonien, welde
in täglihem Geſchaftsverlehr, mit B. blieben und
jenen Orten einen ftäbtiihen Charafter gaben.
Diefe neue Erweiterung Bes veranlafte die Be—
rathungen zwiſchen dem Oberbürgermeifter Hob-
recht u. dem Minifter des Innern, aus welden
Ende des Jahres 1874 der Gejegentwurf herbor-
ing, wonach aus der Stadt u. dem umliegenden
rtichaften eine Provinz B. geſchaffen werden
foll, zu welcher die Städte Charlottenburg u. Kö—
penid gehören, ferner der Grunewald, die Jung:
fernhaide u. gegen dreißig Ortſchaften geichlagen
werden, unter diefen (als Landkreis B.) 5. B.:
Brit, Dahlem, Giejendorf, Lichtenberg , Lichter
felde, Mariendorf, Rirdorf, Schöneberg, Stralau,
Tempelhof u. Tegel, welches Gejeg jedoch vorläu-
fig zurücgeftellt worden iſt.
B., Potsdam u. Umgebungen; Illuſtr. Wegmeifer
(Griebens Neife » Bibliothel), 21. Aufl., 1869;
Spifer, B. u. feine Umgebung im 19. Jahrh., ebd,
1833 ff.; B., ein ihrer zc., 5. Aufl., ebd. 1857;
Stredfuß, B. feit 500 Jahren, ebd. 1863 — 65,
4 Bde.; Derj., B. im 19. Jahrh., ebd. 1867—69,
4 Bde.; Woltmann, Die Baugeſchichte B-3 bis
auf die Gegenwart, ebd. 1872; Gebald, B⸗s Dent-
mäler der Bau- u. Bildhauerfunft, ebd. 1844;
Schasler, B-3 Kunftihäge, die Königl. Mujeen,
10. Aufl., ebd. 1874; Cotta, Heimathskunde von
B., 2. A. ebd. 1873; Trachſel, Gloſſarium der
B-ihen Wörter n. Redensarten, ebd. 1873. Die
authentische u. umfaffendfte QOuellenjchrift über die
neuefte Entwidelung B»8 bildet die Sammlung
der Berichte über die Berliner Bollszählungen
von dem Jahre 1861 an bis zur Gegenwart, ber
arbeitet u. erläutert von dem im Sept. 1874 ver-
ftorbenen Dr. jur. H. Schwabe, Director des
Statiftiichen Bureaus der Stadt 8.
L—XIV. X. XV. XVI. B. Bauer.“
Berlin⸗Anhaltiſche Eiſenbahn (Ende 1873):
Länge 372,, km. Auzahl der Locomotiven 101;
der Perjonenwagen 255; der Güterwagen 2083,
Einnahme: 5,143,245 Thlr. Benennung der fir
nien: ge (161,, km), Eröffnung 1841,
rejp. 1859; Jüterbogk-Röderau (78,, km), €,
1848; Wittenberg - Köthen (57,, km), E. 1840;
Zweigbahn Deffau-Bitterfeld (25,, kın), €. 1857;
Bitterfeld-Leipzig (31,, km), €. 1859; Noßlau-
Zerbft (17, km), E. 1863, refp. 1874. Zeit der
Gründung 1839. Anlagecapital bei der Gründung
3,000,000 Thlr., neues Anlagecap. 5%/, Dil, Thir.
Privat Verwaltung. Directionfig Berlin,
Berlin-Breslan, |. Niederſchleſiſch-Märkiſche.
Berlin» Görliter Eiſenbahn (1875):
Länge 287,0, km; im Bau 40,,, kın. Anzahl der
Locomotiven 71; der Perjonenwagen 137; der
Güterwagen 1031. Einnahme pro 1873 1,709,271
Thlr. Benennung der Linien: Berlin - Görli,
Stammbahn (207,88 km), Zweigbahn Plibbenaus
Kamenz (71,46 kp), Zweigbahn Weißwaſſer ⸗Mus⸗
fau (7,0 km); im Bau Görlig-Ridiich-Seiden-
berg (16,96 km) u. Nidifch - Zittau (23,59 km), Zeit
der Gründung 1863/64; der Inbetriebſetzung 1868,
Anlagecapital bei der Gründung 11,000,000 Thlr.;
beutiges Anlagecap. 19,531,000 Thlr, (incl. Zweig«
bahnen). Privat-VBerwaltung. Directionfig Berlin.
Berlin - Hamburger Eiſenbahm (Ende
1874): Yänge 441 km. Anzahl der Yocomotiven
16*
244
164; der Perfonenwagen 361; der Güterwagen
3473. Cinnahme 5,250,376 Thlr. Benennung
der Yinien: Hauptbahn (286 km), Wittenberger
Lüneburg- Buchholz (142 km), Bücen-Yanenburg
(13 km). Inbetriebſetzung 15. Oct, reip. 15.
Dec. 1846. Heutiges Anlagecapital 24,338,000
Thlr. (einichließlih Amortiſationsfonds), wovon
15,533,000 Thlr. im Prioritäts-Obligationuen.
Privat⸗Verwaltung. Directionſitz Berlin,
Berlin ſtönigsberg, ſ. Oſtbahn.
Berlin⸗Lehrte, ſ. Magdeburg -Halberſtädter
Bahu.
Berlin⸗Potsdam-Magdeburg (1875):
Länge 263,, km. Anzahl der Locomotiven 120;
der Berjonenwagen 292; der Gilterwagen 2487.
Benennung der Linien: Berlin Schöningen (189,
km), Eilsleben-Helmftedt (17, km), Magdeburg:
Zerbit (30,, kun), Wanniee » Babn (11, km),
Nebenbahnen (14,, km). Zeit der Gründung 1837,
der mbetriebjegung: für die Strede Berlin-
Potsdam 1838, für die Str. Potsdam- Magdeburg
1846. Heutiges Anlagecapital 14,850,000 Thlr.
Privat-Berwaltung. Directionfig Berlin.
Berlin-Stettiner Eifenbahn (1874): Länge
821, km); im Bau 121,, km; gepadtet 23,0
km). Anzahl der Yocomotiven 252; der Perjonen-
wagen 444; der Güterwagen 3986. Einnahme
6,791,147 Thlr. Benennung der Linien: Berlin-
Stettin xc. (222,95 km), Stargard-Köslin-Kolberg
(173,0, kın), Köslin-Danzig (197,,, km), Anger-
münde- Straljund 2c. (229,,, km) ꝛc.; im Bau:
Swinemünde -Ducherow (38,, km), Angermünde:
Freienwalde a./D. (30,, kın), Wriegen- Frant-
furt a, d. O. (52, km); in Pacht genommen:
Angermünde » Schwedt (23... km). Beit ber
Gründung 1840; der Inbetriebſetzung 1842.
Anlagecapital bei der Gründung 2,724,000 Thir.;
beutiges Anlagecapital 47,806,200 Thlr. Privat:
Bermwaltung. Direetionfig Stettin,
Berlindgen, Stadt im Kreife Soldin des preuß.
Negbz. Frankfurt, am Ausfluß der Plöne aus dem
See gleihen Namens; Papierfabril; Krebsfang;
BViehmärkte; 4756 Em.
Berline, in Berlin erfundener, Aſitziger Reife-
mwagen, welcher zurüdgeichlagen werden fann;
hängt mit Riemen in Federn, bat ftatt des Yang-
baumes 2 Schwungbäume u, wirft nicht leicht um.
Die halbe B. (Berlingot) ift leichter gebaut u.
ſitzig.
Berliner Blau. Fällt man die Löſung eines
Eilenorydialzes, 3. B. Erienchlorid, mit einer Auf-
löſung von gelbem Bilutlaugenfalz, wobei erfteres
im Überſchuß vorhanden ſein muß, jo erhält man
einen tiefblauen Niederichlag, der nad dem Aus-
wachen u. Zrodnen eine tiefblaue, faft ſchwarze
Mafje bildet, ähnlich dem Indigo, beim Reiben
Kupferglanz zeigt und in Waſſer u. verbünnten
Mineralfäuren unlöstih if. Derfelbe führt die
Namen Berliner oder Parifer Blau, Ferri—
ferrocyanid, Ferrocyaneifen, u. feine Bildung ver-
läuft nad folgendem Proceß:
3K,FeCy, + 2Fe,C,=12KC1 + 3FeCy,,4Fe
gelbes Blut: u. Wilen: geben Eblor: u. Berliner Blau.
laugenfalz chlorid. lalium
Es wird durch Kochen mit Kalilauge in Ferro—
cyanfalium u. ſich abicheidendes Eijenorybhybdrat
Berlin Königsberg
— Berliner Blau.
zerlegt. Beim ftärferen Erhiten erleidet es eben-
falls Zeriegung. Diefes B. B. ift in Oralfäure
leicht löslich u. wird daher zur Bereitung blauer
Tinte benugt, indem man die gepulverte
Subftang in Wafler, in welchem ihres Ge-
wichtes an Oraljäure gelöft ift, erwärmt. Das
B. 8, findet eine ausgedehnte Anwendung als
Malerfarbe, in der Kattun- u. Tapetendruderei,
zum Färben der Wolle, Baummolle u. Seide.
Während das auf obige Weiſe dargeftellte B. B.
reines Ferriferrochanid if, enthält das gewöhn—
liche B. B., von feiner Darftellung berrübrend,
noch Thonerdehydrat. Die Darftellung im Gro—
Ben geſchieht nämlich auf die Weije, dag man zur
einer theilweife orydirten Eifenvitriollöfung rohes
Biutlaugenfalz fett, wodurch ein bläulich-weißer
Niederihlag entjteht, der entweder duch Steben
an der Yuft, oder durch Behandeln mit Eblorlalt
u. Salzfäure orydirt, reip. dunkler gefärbt wird.
Das hierzu dienende rohe Blutlaugenjalz enthält
aber merft größere Mengen von kohlenſaurem
Kali, zu deſſen Neutraliirung man dem Eifen-
vitriol Alaun zujett, wodurch lösliches jchmweiel«
jaures Kali u. unlösliches, im Niederichlage zu—⸗
rüdbleibendes Thonerdehydrat entſteht. Um let
teres nicht in Löſung zu bringen, darf alsdann
die Orydation nicht wie vorhin durch Salzſäure
u. Eblortalf bewirkt werden, fondern einfach durch
den Sauerftoff der Luft. Eine noch unreinere
Sorte, das Mineralblau, wird durch Bermifchen
des gemöhnliden B. Bres mit Schwerfpath,
Kreide, Thon u. Fodftärke hergeftellt. Außer dem
oben bejchriebenen, in Waffer unlöslihen B. 8.
ift auch noch eine in Waſſer löslihe Verbindung
befannt, die ebenfalls den Namen B. B. führt,
fih aber in der Zufammenfegung durch einen
Gehalt an Kalium von erfterer unterjcheidet. Fällt
man nämlid eine Auflöjung von gelbem Blut-
laugenſalz mit einem Eiienorydfalze, wobei erfteres
Salz im Überfhuß vorhanden ift, fo entfteht ein
tiefblauer, dem Barifer Blau ähnlih ſeheuder
Niederſchlag nach der Serfegumgsgieidung:
2K,FeCy,+ Fe&,C,=6KCl + 2FeCy,K,F&
gelies Blut: u. Eifen: geben Eblor: u. los liches
laugenſalz chlorid talium Berliner Blau.
Dieſer Niederfchlag ift ın der ammefenden Löſung
von Ehlorkalium unlöslich; filtrirt man denjelben
aber u. wäſcht ihn mit Waffer aus u. trodnet
ihn, jo zeigt er die Eigenichaft, fih in Waffer zu
einer tiefblauen, ebenfalls als blaue Tinte ver«
wendbaren Flüſſigkeit aufzulöfen. Allohol und
Salzlöfungen fällen ihn aus feiner wäfferigen
Löſung. Da der Niederfchlag vom B. B. felbit
in den verbünnteften Löſungen von Eifenorydialzen
ftattfindet, jo dient derjelbe als eine der fchärfften
Neactionen auf fegtere. Gin blauer Niederſchlag,
der au oft mit dem Namen B. B., häufiger
aber als Turnbulls Blau bezeichnet wird, ent⸗
jteht beim Berjegen. einer Eifenorydulfalzlöfun
mit FFerrideyanfalium (rothem Blutlaugenfalz
nad der Gleihung:
2K,FeCy, + 3FeSO,—=3K,SO, + 2FeCy,Fe&
rotbes Blut: u. Eiſen⸗ geben ſchweſel⸗ u Turnbulls
laugenſalz vitriol faures Kali Blau.
Diefer Niederihlag beißt auch Ferridcyaneiſen.
Serrodnet bilder er eine Ihön dunfelblaue, dem
B. 3. ähnlihe Maffe. Die Entftehung des Nie-
245
derihlages dient als Reaction auf Eifenorgdufl-)1842—1843 feine erfte Reife durch Belgien und
ſalze. Elören. Deutſchland, wurde 1850 Vorſtand der Phil-
Berliner Braun, eine durch Glühen des Ber-/barmonifchen Gefellihaft u. 1856 infolge feines
Iiner Blaus in einem eifernen Löffel erhaltenes, Tedeums Mitglied der Afademie für ſchöne Kitnfte
aus Eifenoryd u. Koblenftoffeifen beftehende braune zu Paris, auch war er Offizier der Ehrenlegion.
Farbe. B. Grün wird ein grüner Niederichlag| Er ft. 9. März 1869. B. componirte noch: Sin-
genannt, welcher durd Einwirkung von fiberihüf-|fonie melodique; Franes-Juges; die Ouvertüren
figem Chlor auf eine Löſung von gelbem Blut-/zu Waverley, Le roi Lear; die Symphonie Ha-
laugenſalz u. Kochen der erhaltenen Flüſſigkeitſrold en Italie (1834); die Oper Benrvenuto
entitebt. Denjelben Namen hat eine grüne Ber-[Cellini (1838) u. die Symphonie Romeo et
bindung, welche durch Behandeln von Berliner| Juliette (1839); der Tod Napoleons (Cantate
Ban mit Bargthydrat oder Ammoniak entfteht,|von Beranger); Sinfonie funebre et triomphale
Berliner Braun — Bermudas.
ſowie das Kobaltferrocyanür, welches durd Fällen
von Kobaltorydulialgen mit Ferrocyanfalium fich
bildet. Die Farbe ift ohne Anwendung, weil
der blaßgrüne Niederfchlag fich bald röthlich-braun
färbt, Elören.
Berling, 3. 8.; war Buchdruder in Kopen-
bagen, wurde dann Kammerherr u. zulett Pri—
vatjecretär, Generalintendant der Givillifte und
Neifemarihall des Königs Friedrih VIL.; er ft.
29, März 1871 auf einer Bergnügungsreiſe zu
Ismaila in Agypten. Er ift bei. befannt durch
fein Berhältnig zur Luife Rasmuſſen, der nach—
maligen Gräfin Danner, die ihm drei Töchter
gebar, u. als Beſitzer der Berlingske Tidende,
der jet im Dänemark älteften u. halbofficiellen
Zeitung.
Berlinghieri, Andrea Bacca, berühmter
Chirurg, geb. zu Pifa 1772; ftudirte vom 17.
Jahre an in Paris ımter Default, den er nad
Holland begleitete, ging danı nadı England, um
Hunter u. Bell zu hören; wurde 1799 feinem
Vater beigegeben u. erhielt kurz darauf die Leit-
ung der chirurgischen Klinik in Pifa, woſelbſt er
am 7. Sept. 1826 ftarb, Die operative Ehirur-
gie verdankt ihm mehrere werthvolle Erfindungen
von Methoden u. Inſtrumenten. Er ſchr.: Ri-
flessioni sul trattado di chirurgia dell Sign. B.
Bell, Bifa 1793; Trait& des maladies venerien-
nes herausg. dv. Algon, Paris 1800, deutic,
teipz. 1801; Storia del aneurysma, Pifa 1803;
Memoria sopra l’allacciatura dell’ arterie, daſ.
1819; della esofagotömia, daf. 1820; Memoria
sopra il metodo di estrarre la pietra della
vesica orinaria u. |. f., daj. 1821, der ein
zweites u, drittes, 1822 u. 23, folgte, Zbambayn.
Berliog, Hector, geb. 11. Dec. 1803 zu
Cöte St. Andre im Dep. Iſere; ging nach Paris,
um Medicin zu ftudiren, wandte fi aber gegen
den Willen feines Vaters, der ihm in der Folge
jede Unterftügung entzog, dem Studium der Muſik
au; war erft Chorift am Theätre des Nouveau-
tös zu Baris u. trat dann in das Eonfervatorium
als Schüler ein. Hier genoß er den Unterricht
Reihas u. Leſueurs u. bildete ſich ſowol im praf-
tiſchen Spiel, wie aud in der Compofitionslehre
aus,
war die Sinfonie fantastique (1828); 1830 erbielt
er für die Cantate Sardanapal den großen Preis
des Inſtituts; 1830— 32 bereifte er Jtalien, Als
(bei Enthällung der Yulifäule, 1840), Sara la
baigneuse; Scenen aus Fauſt von Göthe; Re—
quiem zu Damremonts Todtenfeier (1837); die
Trilogie L'enfanee du Christ (1854), deren erfter
Theil, La fuite-en Egypte, aud in Deutjchland
Erfolg hatte; Te Deum (1856); die lomiſche Oper
Beatrice et Benediet (1862); die Oper Les
Troyens en Carthage (1864). Er ſchr.: Traite
d’instramentation et orchestration modernes,
Par. 1844, deutih von Grünbaum, Berl. 1845,
2, A., 1864 f., u. von feibrod, Lpz. 1845; von
Dörffel, ebd. 1864; Voyage musical en Alle-
magne et en Italie, Paris 1845; Les soirces
de l’orchestre, ebd. 1853, 2. W., 1854; Les
grotesques de la musique, ebd. 1859; A travers
chant, ebd. 1862; Geſamm. Schriften, Ausg. von
R. Pohl, Lpz. 1863 f. 1—4. Als muſilaliſcher
Kritifer trat B. mit Erfolg in der Gazette musicale
und dem Journal des Debats auf, im Letzteren
namentlich mit feinen Briefen über die Reife durch
Belgien n. Deutichland, deutich von Gathy, Hamb.
1844; er hinterließ Memoiren, die nad) feinem Tode
veröffentlicht wurden, ®gl. Hector B., Etudes
biographiques et eritiques in der Revue et ga-
zette musicale 1869—1870 von Mathieu de
Monter, Brambah.*
Berlofen (v. fr. Breloques), 1) Kleinigfeiten,
Spielmaaren von Metall, Elfenbein, Porzellan u.
dgl.; 2) Ziergehänge an das Uhrband.
Derme, 1) Abſatz zwiſchen dem inneren Gra—
benrande u. der Böſchung des Walles, meiit bei
‚Feldbefeftigungen angewendet, O,5—1,, m breit,
um theils das Herabrollen der Erde der Bruft-
wehr zu hindern, theils um den Bau der Brujt-
wehr zu erleichtern. Auch bei älteren Feſtungen
findet fie ſich 1—3 m breit, auf der oberen
Fläche der Futtermauer angelegt, meift tiefer als
der Bauhorizont u. gegen den Graben zu durch
eine freiftehende, crenelirte Mauer begrenzt. Den
binter dieſer Mauer führenden Weg nannte man
Rondengang. Nachtheil der B. iſt immer, daß
fie die Sturmfreiheit des Werfes verringert ı.
dem ftürmenden Feinde einen Ruhepunkt bietet;
um diefen Nachtbeil zu verringern, bringt man
bei Feſtungen Dornenbeden x. auf ihr am.
Sein erſtes Aufſehen erregendes Wert|2) (Wafjerb.) So v. w. Banker 3). 3) So v. mw.
Hefen.
Bermẽo, Flecken in der fpan. Prov. Bilbao,
an der Baivon Biscaya; Hafen, Fiſcherei; 3900 Ew.;
Eomponift bildete, er fi einen eigenartigen Stit| Geburtsort des Dichters Alonfo de Ercilla.
ans, der viele Abntichleit mit der meudeutichen
Bermüdas (Somers-Jnfeln), Gruppe von ges
Richtung zeigt; er jchriftjtellerte auch, zunäcdhft für gen 400 Eilanden im Arlantiihen Ocean, ımter
muſikaliſche Zeitschriften, umd wurde 1839 Bi⸗— 310 50° bis 32° 20° n. Br. u.
bliothetar des Conſervaioriums. B. unternahm
47° 11°
mw. 2.; 187, km lang, 135 km breit; 1522
246
von dem Spanier Juan Bermubdez entdedt und
1609—1612 von den Briten unter Sir George
Somers bejegt; meift niedrige waſſerloſe Korallen-
riffe; zufammen 105, [km (Io DIM);
14,791 Ew., wovon 12,121 Civilben., 2670
Militärs mit deren Familien; unter den Erften
4725 Weiße ı. 7396 Farbige, auf 9 Inſeln (die
übrigen find unbewobnt). Die Juſeln find dürr,
felfig, bringen einige XTropenfrüchte (befonders
Juniperus bermudiana), Schiffsbau- u. Bauholz,
Fiſche hervor. Gute, wenn auch ſchwer zugäug—
liche Häfen u. die Lage machen die Inſeln zu einer
wichtigen Flottenſtation; das milde Klima empfiehlt
ſie als Kurort; Waſſer wird nur aus Ciſternen
gewonnen, Als Grenze der Paſſatwinde find bie
B. häufig Orkanen ausgelegt. Handel n. Sciff-
bau bilden die Sauptbefcäftigung. Werth der
Sndelsproducte 1872 329,500 Pi. St., wovon
une 62,000 Ausfuhr; jährlich verfebren 220 —240
Schiffe. Ein Gouverneur mit einem Rathe von
8 Mitgliedern machen das Oberhaus, eine
Aſſembly von 36 durch die Grundbeſitzer gewähl«
ten Abgeordneten das Unterhaus aus, Die be-
wohnten Eilande beißen: a) St. George, mit der
gleihnam. ehem, Hauptftadt u. dem Hafen George-
toren, gededt durd das Fort Davers, 7 Batte-
rien; große Wafferbehälter; 3000 GEimw.; b)
St. Davids; c) Bermuda, mit Hafen Hamilton,
jest Hauptftadt u. Sig. der Negierung; d) Gates;
e) GCoopers; f) Somerjet; &) Bird Island; h)
Kings Island und i) Jreland mit einem großen
Ded. Bgl. Godet, B., its history, products,
agriculture, commerce, government, Yond., 1860.
Bern, 1) Kanton, der zweitgrößte Kanton der
Schweizer Eidgenoffenihaft und der abfolut
am ftärfften bevölferte (über ?/, Mill. Em.);
6889 |_ km (125, [IM); grenzt im NW. an
Frankreich u. das deutiche Reichsland Elſaß u.
nad) den übrigen Seiten an die fchweiz. Kantone
Solothurn, Bajel-Fand, Aargau, Yuzern, Unterwal-
den, Uri, Wallis, Waadt, freiburg u. Neuenburg
u. kommt aljo mit der halben Schweiz grenznach-
barlicy in Berührung. Vom Grimfelpaß bis Bon-
court ift der Kanton 350 kn lang u. vom Suftenpaf
bis zur Gummflub 105 km breit. Die (1870)
506,465 Köpfe zählende Bevöllerung befteht aus
436,304 NWeformirten, 66,014 Katholifen, 2746
andere Chriften und 1400 Israeliten. Sprache
vorwiegend deutih (afemannischer Dialekt); nur
etwa 17°, der Bevölkerung, in den Bergen des
„Jura lebend, jprechen franzöfih. Der Kanton
enthält nirgends große Ebenen; die Bodenerheb-
ung gipfelt fih von dem beträchtlichen Hügel-
und Berggelände zu den gewaltigen Hochalpen,
welde unter der Bezeichnung des Berner Ober:
landes (ſ. d.) bekannt find, In Ddiefem Ge:
birgsftode erreihen fie im Finſteraarhorn den
höchſten Punkt mit 4275 m, Diefe Bergfette
bildet zugleih die Wafjericheide zwiſchen der
Nordfee (Mheingebiet) u. dem Mittelländiichen
Meere (Rhönegebiet). Im NW. gebört ein Theil
des Jura zum Kant. B.; es find Partien der
Blauen, Wiffenberg: oder Lomont⸗Kette, der Paß—
wang« u. Hauenftein Kette, die Freiberge u. das
Erguel u. endlid die Chafferal- u. Weißenitein«
Kette, von meld) legterer nur die ſüdweſtl. Aus-
Bern (Kanton, Geogr.).
läufer no zu B. gehören. Die bedeutendſte
Erhebung im Beer Jura ift der Ehafferal 1610 m.
Eine nambafte Anzahl von Päflen u. Bergftraßen
(Cluses) verbinden die einzelnen geftredien Thäler
mit einander (ſ. d. Art. Jura). Geologiſch
—— die Bser Alpen den kryſtalliniſchen oder
ogenannten Urgebilden des Glimmerjciefers und
Gneifes, des Alpen⸗Granits und den davor ge»
lagerten Sediment-Gebilden des Jura, der Kreide
und der älteren Tertiär-Formation an. Der
Jura ift faft ausſchließlich durch den nah ihm
genannten Kalk mit durchbrechenden Trias⸗Ge—
jteinen gebildet, u. nur das gehügelte Mittelland
(zwifhen Wlpen und Jura) zeigt die jüngiten
Zertiär-Gebilde der Nagelfluh u. Molafle-Schich-
ten. Die Gemwäfjer gehören, lediglih mit Aus-
nahme des Doubs, zum Syftem der Aare, welde,
den Brienzer- u. Thuner- See durchfließend, die
Lürfchine, die Kander u, Simmen, die Saane mit
ihren Nebenflüffen, die Zihl mit ihren Gewäflern
aus dem Neuenburger-, Bieler- u, Murten-See, ſo—
wie endlich nody Die Emme u. eine Maſſe Heinerer
‚zlüffe u. Bäche aufnimmt. Die Birs fließt direct
in den Rhein bei Bafel u. nimmt die Jura-Ges
wäſſer des Minfter-Delsberger- u. Laufen-Thals
auf. Bedeutende Schäden erwachſen dem Yande
durch die Heinen Jura-Gewäſſer; ihr ungeregele
ter Yauf bat viel Sumpfgegend geichaffen, an
deren Trodenlegung (Jura »Gemwäfler »- Correction)
die Negierung nah den Plänen des Ingenieurg
Ya Nicca mit großem Fleiße arbeitet, Nächſt den
obengenannten gibt es noch eine bedeutende Zahl
Heiner Hochgebirgsieen, wie 3.8. die Grimſel-Seen
auf dem gleichn. Baß, der romantische Oſchinen⸗See,
der Engitien- See, an der Unterwaldener Grenze,
u. v. a. Unter den Mineralguellen ragen bes
jonders die bei Weißenburg, am Gurnigel, Blu—
menftein, Limpach, Yangnau zc. hervor, Waffer-
fälle fiehe B-er Oberland. Das Klima, bedingt
durch die maffige Erhebung des Bodens, ift vor«
herrſchend rauh, falt, aber gefund, in einzelnen
Thälern, wie 3. B. im Lauterbrunnenthal, am
Mittag im Hochſommer durch feine riefigen Nefler-
wände faft unerträglich heiß, in einzelnen Yagen
am Thuner-See (Spiez u. Thum), fowie am
Bieler-See (Twann u. Erlach) dagegen fo mild, daß
noch Wein gedeiht, deſſen Eultur im Kant. Bern
ſonſt nicht zu ermöglichen iſt. Der Yandbau erzeugt
in guten Jahren jo viel Getreide (namentlich im
Ober-YAargan, Mittel u. Seeland), als er bedarf;
außerdem find Hanf u. Flachs zwei hervorragend
cultivirte Pflanzen. An Weinbergen bat der Kant.
bloß die zwei angeführten Lagen; eingeführt wer—
den jährlich noch faſt 9 Mill. 1 aus den Kant.
Waadt, Neuenburg u. Wallis u. faſt 7Y/, Mill. 1
aus dem Auslande, Wälder deden etwa 1/,
des Kant., namentlih die Jura» Diftricte; indeß
werden die Wälder jährlihb um 75,000 Alafter
übernugt, Biebzucht ift bedeutend, beionders in
der ſchönen Frutig-Simmenthal-Saaneuthal-Nace,
Im Oberlande, im oberen Emmenthal u. im Jura
wird das Vieh im Sommer größtentheils auf die
Weide getrieben, u. hier beichäftigt man fi) haupt»
ſächlich mit der Aufzucht; im übrigen Kanton fin«
det auch im Sommer Stallfütterung jtatt. Der
Kant. hat über 900 Dorj- u. Bergläjereien, die
Bern (Kanton, Berfaffung).
jährlih etwa /, Mill, Etr. Käfe produciren, wo—
von etwa die Hälfte, im Werthe von 10 Mill.
Fes., erportirt wird; am berühmteften ift die
Milchwirihſchaft des Emmenthals; Hauptmärkte
dafür find in Yanguan u, Burgdorf; der Jura
hat nur menig Dorfläjereien. In der Pferdezucht
zeichnen fih die Amtsbezirfe Pruntrut u. Deis-
berg aus. Bergbau unbedeutend; die Bohnerz-
Gewinnung nimmt immer mehr ab. Xorflager
finden fih im Großen Moos, bei Hadned, Mün—
chenbuchſee r. Bellelay; Huper-Erde zu feuerfeften
Biegelfteinen bei Yangnau u. Büderich; Töpfer:
thon bei der Gemeinde Steffisburg u. bei Bonfol;
Gips an der Krattighalde am Thuner-See; Thon—
ſchieferplatten bei Goldswyl; rother Granit im
Habternthal (bei Interlaten); ſchwarzer, weiß ge⸗
aderter Marınor bei Brienz u. bräunlich- grauer bei
Merligen; ausgezeichnete Sanditeine in der nächiten
Umgebung von Bern, welche weithin ausgeführt
werden. Andußrie: Die Leimwandfabrifation ift
im Abnehmen begriffen; fie findet ihren Hagpt-
abjag in der Schweiz ſelbſt u. im Italien; die
jährl. Fabrikation mag auf 2'/, Dill. Fes.
fteigen. Banmmwollenfpinnereien beftehen nur zwei
große im Kanton. Im Übrigen ift Baummollen-,
Beiß- u. Buntweberei, ſowie Seiden » Fnduftrie
unbedeutend, Größere Wollenfpinnereien gibt es
über ein Dutend. Beträchtlich ift die Zahl der
Branntweinbrennereien, welche jährlih etwa 6
Mil. 1 liefern. Der Werth der Holzjchnigerei
(im öftl. Theil des Oberlandes) beläuft ſich auf
jährl, über 1 Dil. Fes., die Uhrenmacherei,
die etwa 8000 Berfonen beihäftigt (davon ®/,,
im Jura) auf jährlich 30 Mill. Fes. Die Tradt
der Bäuerinnen, namentlih im Oberlande (Em:
menthal) u. Ober-Nargau, befteht aus einem lan-
gen ſchwarzen Rode mit hohem, bis an die Schul-
tern hinauf reihendem Rüden. Der Bruftlag ift
tief ausgeichnitten, jo daß das bieudend meihe
Hemd faft von der Herzgrube bis an den Hals
zu ſehen ift; um den Hals ein fchwarzes Göller
u. filberne Ketten als Schnürmittel u. blaue, ger
glänzte Leinwandſchürzen bei der Arbeit; auf dem
Kopfe ein großer, platter Strohhut. Die Männer
berjelben Gegend gehen Winter u. Sommer in
hellbraunem Stoff, Hofe, Wefte u. mißgeftaltetem
— Eharatteriftiich waren noch die Guggisberger
rauentrachten, der Hod bis an die Kniee veichend,
die indeß jetst faft ganz in Abnahme gelommen
find; mur ein rothes Kopftuch bat fish erhalten.
Im Dialekt zeichnet fih der Berner durch die
Plural-Anrede Ihr aus; jowie im Oberlande das
Adjectivum mit declinirt wird, 3. B.: D’Ehind fi
g'ſundi, s'Chind iſch g'ſunds. Andere Eigenthüm—
lichkeiten ſ. Art.: Berner Oberland u. Jura.
Bappen: ein Schwarzer Bär auf goldenem Balten
in rothem Felde.
Die Staatsverfaffung ift dur das Grund—
gejeg des Bundes u. das des Kantons B. vom
31. Juli 1846 mit jpäteren Zuſätzen geregelt. Nach
ihr iſt B, ein demofratifcher Freiſtaat, u. die Sou—⸗
veränetät rubt auf der Geſammtheit des Volkes.
Sie wird unmittelbar von den ftimmfähigen Bür-
gern im den politiihen Berfammlungen u. mittel:
bar von den durch die Verfaffung eingeſetzten Ber
börden ausgeübt, Außerdem find die durch die
“47
Bundesverfaffung gemährleifteten Rechte (f, Art.
Schweiz) in Geltung. Folgende find die Haupt:
punfte der Berfaffung: Stunmfähig find alle Kan—
tousbürger, die Das 20. Yebensjahr zurüdgelegt
haben, u. alle Schweizerbürger, welche jeit 2 Jah
ren im Kanton wohnen u. ehrenbaft find. Ste
ftimmen ab über Abänderung der Bundesverfaff-
ung, der Kantonsverfaffung, über außerordentliche
Geſammterneuerung des Gr. Nathes, über Annahme
od. Berwerfung aller Geſetze u. Beſchlüſſe, weiche
eine Ausgabe von J Dill. 58. zur Folge haben,
u. über einen auf 4 Jabre giltigen Finanzplan.
Die Bürger haben zu wählen die Mitglieder des
Großen Rathes, des Amtsgerichtes, Die Friedens:
richter, die fant. u. eidg. Geſchworenen, jowie die
Abgeordneten in den jchweizer Nationalrath, und
außerdem fteht ihmen das Recht der Wahlvor-
Ihläge von Wegierungsitatthaltern u. Gerichts-
präfidenten zu. Die höchfte Staatsbebörde ift der
Große Rath, der Gejege erläßt, Steuern aus-
ihreibt, das Landrecht ertheilt, das Begnadig-
ungsrecht ausübt, über alle wichtigen Finanz—
Operationen enticheidet, die Oberaufficht iiber die
ganze Staatsverwaltung führt u. die wichtigften
Beamten wählt (Regierungsräthe, Reg.-Statt-
balter, 2 Ständerätbe, Oberricter u. f. w.). Der
Reg.Rath beftehbt aus 9 Mitgliedern, auf 4
jahre gewählt; jelbe theilen ſich in die Direction
des Innern, mit der Abtheilung für Bollswirth-
ſchaft, Gewerbe, Handel» u. Geſundheitsweſen u.
der Abtheilung für das Armenweien, die Direction
der Juſtiz u. Polizei, die des Kirchenmweiens, die
der ‚Finanzen u. der Domänen, Forſten u. Ent—
jumpfungen, die der Erziehung, die des Militärs,
die der öffentlichen Bauten u. der Eifenbabnen,
Das Staatsvermögen beitand Ende 1873 aus
mehr als 48 Mill. Fes., ungerechnet die Eiſen—
bahnen, die Staatsichuld 31 Mill, Fes., worunter
aber 21 Mill. Anleihe für die Staatsbahnen. Der
Reinertrag der Steuern ſummirt auf fait 74 Mil,
jährlich, wobei die directen Abgaben (Grundcapital-
u. Einfonmmenfteuer ) faft 24 Mill., der Neinertrag
der indirecten Abgaben fat 24 Mill, (Reinertrag
der Ohmgelder faft 1 Mill.), Neinertrag der Negas
lien (wie Salz, Bergbau, Jagd zc.) 14, Mill. u. der
Neinertrag des Staatsvermögens über 14 Mill.
ausmachen, Unter den Ausgaben zeichnen fich die
Poſten für Hoce, Straßen u. Wafferbau mit Amor»
tifation des Bauanlebens von faft 14 Mill., Erzieh-
ung von mehr als 14 Mill., die Amortifation ber
Eifenbahn- Anleihen von nahezu 900,000 Fces. aus,
In 511 Städten u. Kirchgenoſſeuſchaften beſitzt
der Kanton 1620 Primärichulen, 43 Nealichuten,
5 Progymmafien, 1 deutihe u. 1 franzöſiſche Kau—
tonsſchule u, 1 Hochichule nebſt den nöthigen Se—
minarten, Für jeden der 30 Amtsbezirte wird
vom Großen Rathe ein Negierungsitatthalter er—
wählt. Die Gemeindeverfammlung erwählt ihren
Semeinderath. Das Armenweſen iſt Sache der
Gemeinden; der Staat betbeiligt ſich durch Geld—
beiträge u. Unterhalt von Armenanitalten (16,600
Unterftütte mit 777,000 Fes. Ausgaben; 14
Armen» u. Rettungsanftalten mit 1184 Pfleglingen).
Fir dem ganzen Kanton gibt e8 ein Obergericht
von 15 Mitgliedern, auf 8 Jahre erwählt, be—
ſtehend aus der Criminallammer, dev Polizei u,
248
Anklagekammer, dem Appellationd» u. Caflations-»
hofe. Für jeden Amtsbezirk befteht ein Amtsgericht
von 5 Mitgliedern. Die Kirchgemeinden können
fih einen Friedensrichter wählen. Für criminelle,
politiiche u. Preßvergehen eriftiren 5 Gefhworenen-
gerihte. Die Givilrechtspflege wird verwaltet
durd die Friedensrichter, die Serichtspräfidenten,
die Amtsgerichte u. den Appellations- u. Caffations-
hof. Literatur: Geſetze, Decreteu. Verordnungen
des Kantons B. jeit 1846; Bericht des Reg.
Rathes an den Großen Rath, feit 1846; Statifti-
ſches Jahrbuch für den Kanton B., 5. Bd.; B.
Wyß, Neife in das B-er Oberland, 2 Bde., 1817;
Lanterburg, Ber Taſchenbuch von 1852 an. ©.
auch Ber Oberland.
2) Amtsbezirf B. die Stadt B. u. 12 um-
liegende Kirchgemeinden des fog. Mittellandes
umfaſſend; (1870) 60,408 faft nur proteftant.
Em. (2792 Katholiten); fait überall fruchtbarer,
vortrefflih bebauter Boden.
3) Stadt B., Hauptit. des Kantons u. feit
1848 Bundesftadt der Schweiz; 36,000 Em.;
liegt auf einer länglihen, von der Aare in tiefem
Bette umfloffenen Halbinjel (503 m ü.d. M.). Die
Häufer find wmeift in gleiher Höhe aus Sand»
ftein erbaut, Die Stadt hat manche Eigenthüm-
lichkeiten, jo die Yaubengänge (Arcaden) im Par—
terre der Häufer, vermöge deren man im den
Hauptftraßen von einem Ende der Stadt bis zum
anderen (mit Unterbredung der Querftraßen) unter
Dach geben kann; dazu die alten Thürme und
Thore , welche die jedesmalige Vergrößerung der
Stadt bezeichnen (Zeitglodenthürme, Käfigthurm),
die mit Statuen gezierten öffentlihen Brunnen
u. die überall angebrachten Bären als heraldiiches
Thier im Wappen. Dagegen hat B. fein großes
induftrielles Leben, u. fein Handel vermag fidy nicht
zum großen Export aufzuſchwingen. Bier Brüden
führen über die Aare: die ſchöne Eifenbahngitter-
brüde mit Paffage für Heineres Fuhrwerk u.
Fußgänger, 182 m lang, 44 m über dem Wajjer-
ſpiegel, eine eiferne Kettenbrüde u. 2 fteinerne,
am Stalden (die ältefte) u. die ftolze Nydedbriide,
welche, 24,,, m über dem Wafjerjpiegel (129 m
lang, 12 m breit), 1841—44 aus Granitfünd—
lingen gebaut wurde. In der Nähe ein geräumiger
Bärenzwinger, in welchem auf Koften der Stadt
eine Bärenfamilie unterhalten wird. Im Innern
derStadt das gothiiche Münſter, ehemals Bincenzen-
Miünfter genannt, von 1421 bis gegen 1570 gebaut,
von Matth. Enfinger vollendet, mit 70 m hohem
Thurme, der nur ein Nothdach trägt; darin eine
267 Er. ſchwere Glocke; das Hauptportal ift
außerordentlich figurenreih, u. im Innern befindet
fi eine große Orgel von 58 Regiftern u. 4000
Pfeifen. In der Nähe die Plattforın od. Münſter—
terraſſe, ehemal. Kirchhof, ein mit fchattigen Alleen
beiegter Bromenadeplag, in welchem die Bronces
ftatue der Gründers von B., Berchtholds V. von
Bähringen (1191), fteht; Modell von Ticharner.
Auf dein Kirchplage vor dem Münſter die Reiter:
ftatue Rudolfs von Erlach, des Siegers in der
Schlacht bei Laupen (21. Juni 1339), modellirt
von Prof. Bolmar. Die katholiſche Kirche, neu er—
baut, im einem fchwerfällig romanifirenden Phan—
taſieſtil. Endlich die Heilig-Geijt- od. Epitalfirche
Bern (Stadt).
in zopfigem Stil, in welcher früher die Tagſatz-
ung jedesmal feierlich eröffnet wurde. Unter
deu Profangebäuden ift das Bundescathhaus
(Palais federal), der Sit der ſchweizer geſetzge⸗
benden Gemalten u. Adminiftrativbebirden, zu
nennen; es wurde in den Jahren 1852—57 nach
den Plänen des Architetten Stadler von Zürich
(Bauloſten 24 Mil. 8.) erbaut. Im oberften
Stocdwerte das Kunſtmuſeum (Bildergalerie), vor
demfelben ein neuer Brunnen mit einer Statue der
Berna, von Raphael Chriſten; ſchöne Ausfiht auf
die ganze Kette der Bser Alpen; daneben das
Injel-Spital, reich dotirt; die Umiverfität (1834
gegründet u. durchſchnittlich von 150—200 Stu⸗
direnden befucht); das naturhiſtoriſche Mujeum,
berühmt durch jene ornithologifche Abtheilung u.
durch die riefenhaften ſchwarzen Bergfryftalle;
ferner die Stadt-Bibliothel, mit 80,000 Bon. u.
den Burgunder Tapeten Herzog Kerls des Kühnen,
einen Theil der Miurtener Beute ausınadhend. Unter
dem Kornbaufe befindet ſich eim kolofjaler Wein-
felfer, der an Markttagen überfüllt if. Außerdem
find noch zu nemmen: die Kantonalbank, die Eidg.
Bank (Capital 9 Mill. Fes.), in franz. Stil er«
richtet; das neue Muſeum, Geſellſchaftshaus mit
den 8 Statuen berühmter Berner; das renopirte
Rathhaus aus dem Anfange des 15. Jahrh., in
welchem die Kantonsbehörden von B. ihre Sigungen
halten; das Bürgeripital amı Murtener-Thor; das
Jennerſche Rinderipital u. außerhalb der Stadt die
große Frren-Heil- und Pilegeanftalt Waldau, mit
200 Zimmern. Die Bevölterung von B. befteht
hauptſächlich aus drei Klaſſen, welche ſich ziemlich
ſcharf abgrenzen: das Patriciat od. der Stadt»
Adel, größtentheils ſehr rei, von feinftem Schliff,
aber gejellichaftlih ftreng abgeſchloſſen; dieſer
Haute-volde gegenüber ein Proletariat, moraliſch
verwahrloft wie im feiner anderen Schweizerftadt.
Die Mitte nimmt ein fräftiger, gefunder, ehren—
hafter Bürgerftand ein, der zu den bejten in der
ganzen Schweiz zählte. Auf dem neuen, jchönen
BahnhofeB-8, beider Heilig-Geift-Kticche (dabeiaud
die Poſt), treffen fich die Linien der Schweiz. Central»
bahn, der Berniſchen Staatsbahn u. der Schweiz.
WBahnen (von Bafel, Biel, Thun, Yangrau-
Luzern u. Freiburg-Lauſanne). B. iſt Geburtsort
des Phyfioloaen u. Dichters Haller, der Schrift—
fteller 8. v. Bonijtetten, Albert Bitzius u. A, des
Geologen B. Studer u. ſ. w. B. hat eine Frei—
maurerloge: Zur Hoffnung, u. ift 1874—79 Sit
der ſchweiz. Großloge Alpına. Die Umgebungen
von B. bieten auperordentlich reiche Ausfichts-
punkte, darunter namentlih das Schänzli mit
großartig pradhtvoller Ausſicht auf die Ber Alpen.
Dann geben nah allen Richtungen breite, von
alten Bäumen gebildete Alleen, namentlich nach
der Enge, längs des Bremgartenmwaldes u. ſ. w.
Von eutjernteren Punkten ijt bei. zu nennen der
Gurten (366 m), mit einem Alpen» Panorama vom
‘Pilatus bis zu den Diablerets.
Geſchichte des Kantons und der Stadt.
Nur wenig tft vom Gebiete des jetigen Kantons
B. belaunt vor der Zeit, da die Einfälle der Ale»
mannen im 4. Jahrh. die römiſche Herrichaft
zerftörten. Burgunder fiedelten fihb im 5. Jahrh.
an, u. im 8. Jahrh. machten die Franken fich
Bern (Gejchichte).
Der nördliche Theil des u. nach durh Neichthum u. Einfluß in den aus-
das Land untermürfig.
249
heutigen B. gehörte zur Pipinichen Grafſchaft. Im ſchließlichen Beſitz aller Amter u. jogar politischen
9. Jahrh. wurde B. ein Theil des Burgundiichen
(Arelatiichen), 888 des Klein-Burgumdiichen u. nach
deſſen Untergang (1031) des Deutichen Reiches.
Ein zahlreiher Adel beherrſchte das Yand; über
ihn übten die Herzöge von Zähringen als Land-
vögte von Klein-Burgund trog mandes Wider-
ftandes die Obergemwalt. Um die Macht feines
Haufes zu befeftigen, ließ Herzog Berthold V.
auf einer Halbinjel der Yare 1191 dur Kuno
von Bubenberg eine neue Feſte erbauen, welche
er nach einem früheren Beſitzthum der Zähringer,
Berona, B. nannte, u, gab der Stadt die Rechte
Freiburgs im Breisgau. Die Stadt erhielt bald
viele Bewohner, an melde fi die Partei des
— unter dem Adel anſchloß. Nach dem
ode deſſelben, des Letzten ſeines Stammes (1218),
wurde B. vom Kaiſer Friedrich II. zur Freien
Reichsſtadt erflärt, u. ihre Privilegien wurden in
der noch jest aufbewahrten faijerlihen Handfefte
beftätigt. Bald wurde B. mächtig, fiegte in vielen
Fehden mit benachbarten Herren (Kyburg u. Habs-
burg), bielt 1288 eine Belagerung Rudolfs von
Habsburg aus, ſchlug 1289 die Vfterreicher an
der Schoßhalde u. 1298 unter Ulrih von Erlach
die Freiburger am Donnerbühl, fchloß 1318 einen
Bund mit Freiburg u. anderen Städten u. 1323
mit Uri, Sry; u. Unterwalden, fiegte 1339
unter Rudolf von Erlach über einen Bund des
Adels mit den übrigen Städten bei Laupen u.
trat 1353 dem Eidgenöffiihen Bunde bei. Bon
num au wird die Geſchichte B-$ die der Schweiz;
j. d. Geſch.). Indeſſen führte B. zumeilen noch
Fehde auf eigene Hand, zur Erwerbung von Ge:
biet, deflen es auch durch Kauf erlangte. 1405
brannte B. ab. Zu Anfang des 15. Jahrh. war
2. ſchon ein Land von Bedeutung, u. fein Gebiet
erfiredte fih von den Ber Alpen bis an den
Aura. 1415 eroberte e8 auf Veranlaſſung Kaijer
Siegmund das untere Yargau vom Herzog
Friedrich von Oſterreich u. nahm an der Erober-
ung von Baden, deſſen Mitherr B. wurde, Ieb-
haften Antheil. Anmaßungen des Adels führten
1470 zum Bruce zwiichen diefem u. der Birger-
fchaft; er verließ die Stadt, fehrte aber fchon 1471
wieder zurüd. 1475 eroberte B. einen großen Theil
des Waadtlandes von Savoyen. Am Burgundiſchen
Kriege nahm B. lebhaften Antheil, ebenjo an dem
Schwabenkriege (1499), an den Kriegen Ludwigs
XUH. u. franz’ I. von Frankreich, jowie an der
Eroberung der weliden Bogteien (jet Kanton
Teſſin). DieReformation fand 1528 nad) (befonders
im Oberlande) hartem Widerftande Eingang. Den
6. Jan. d. J. war auf dem sag: riet. zu B.
zwiſchen den ſchweizeriſchen Reformirten Luthers
Abendmahlslehre verworſen worden.
tämpfte B. wegen ftreitiger Beſitzungen lange gegen
Savoyen, dem es 1536 den Reſt des Waadtlandes
wegnahn, wihrend es dagegen die Eroberungen
in Chablais nah langwierigem Kriege wieder ver-
for. Ziemlich friedlidy vergingen die nächſten Jahr—
hunderte, während welcher fih die uriprüngliche
Demokratie der Berfaffung almählih in eine Oli—
archie umwandelte, indem gewifje Familien der
tadt (derem zulett nurnoch 104 waren) ſich nad)
Rechte ſetzten u. mit den — — Stellen
einen wenig ehrenvollen Wucher trieben, auch durch
Werbung in fremde Kriegsdienſte ſich immer mehr
bereicherten u, zugleich‘ das Landvoll durch ſchlechte
Münze, Frobhndienfte u. ſ. w. bebrüdten. Infolge
deffen fam es zu inneren Unruhen. 1653 erhob
fih das Landvoll im Bunde mit jenem andecer
Kantone (j. Bauernkrieg 4) unter Nifolaus Yeuen-
berger, um ſich die Rechte zu nehmen, die man
ihm vorenthielt, wurde aber von den ſtädtiſchen
Maunſchaften umter Siegmund von Erlach bei
Herzogenbuchlee geichlagen. In den darauffolgen-
den Religionskriegen verloren die Ber u. Züricher
1656 die Schlacht bei Billmergen, fiegten aber
1712 bei demjelben Orte in dem Kampfe gegen
die fatholischen Stände. 1749 verfuchte eine An—
zahl jener Stadtbürger, die durd das Patriciat
von der Negierung ausgeſchloſſen waren, unter
Samuel Henzi einen Aufjtand, der aber verratben
wurde u. den Anführern das Leben koſtete. Beim
Ausbruche der franzöfiihen Revolution zeigten ſich
nene Unruben, be juchte Waadt fi von dem
Kanton loszureißen. Bis 1797 wußte die Yiegier-
ung zwar diefe Berfuche zu vereiteln, aber fie
unterftütend, ridten 1798 franzöfiihe Truppen
troß tapferen, aber ſchlecht organifirten Wider»
ftandes der Berner in B. ein, u. der alte Kanton
wurde als Theil der Helvetiichen Republif (j. u.
Schweiz, Gef.) in die vier neuen, B., Waadt-
land (Leman), Aargau u. Oberland getbeilt, Ober:
land vereinte fih ſchon 1803 fremeillig wieder
mit B., in der Hoffuung, Gleichberechtigung zu
erlangen, für die e8 fih aud 1814 erhob, aber
eingeſchüchtert wurde. Aargau u. Waadt jollten
1814, wo die alte Verfaſſung auf Oſterreichs
Veranlafiung etwas verbefiert wieder eingefübrt
wurde, zur Wiedervereinigung mit B. gezwungen
werden; der Wiener Congreß entichied aber für
ihre Unabhängigkeit, u. B. wurde durch emen
Theil des ehemaligen Bisthums Basel für feinen
Berluft entihädigt. Die Berfaffung wurde ziem—
ih ariftofvanih 1815 u. 1816 gegeben; ein
Großer Rath von 299 Mitgliedern u. ein fleiner
Rath von 27 verfaben die Negierungsgeicäfte.
In B., mit Luzern u. Zürich je 2 Jahre lang
Vorort der Schweiz, verſuchte die Ariftofratie, ob«
ihon nicht mehr allein berrichend, indem auch das
Land eine geringe Bertretung hatte, aber doch
immerhin übermächtig, fich den früheren Zuftäns
den zu nähern, bis 1830 die bedeutendften Kantone
der Schweiz eine durchgreifende Reform der Ver—
fafjung in demofratiihem Sinne unternahmen.
In B. widerfegte fi zwar das Patriciat entſchie—
den, aber eine Vollsverſammlung erllärte am 10,
Mit Genf Yan. 1831, daß fie den Wunſch des Yandes auf
gewaltfame Weije erfüllen würde, wenn der Große
Rath nicht den gejenmäßigen Weg einzuichlagen
vorzöge. Die Regierung berief daher einen Ver—
jafjungsrath von 240 Mitgliedern, der aus den
27 Amtsbezirken des Kantons erwäblt wurde u.
im Juni 1831 die neue, gemäßigt demofra-
tiihe Berfafiung vollendete, die jedem Staats-
bürger gleihe Rechte u. Pflichten gab. Die neue
Berfafjung fand, außer bei den Parriciern, allge
250
meinen Beifall; aber diefe verfuchten im Auguſt
1832 eine völlige Barihwörung, die jedoch recht-
zeitig entdedt u. vereitelt wurde, Bald gerieth der
nen georduere Staat in mehrere Bermwidelungen.
Eine ſolche betraf die flüchtigen Polen, von denen
eine Schaar auf Winke won B. aus 1834 den
Kanton Neuenburg überrumpeln wollte, aber aus
Verſehen auf bernifches Gebiet fich verirrte und
dann von bier aus wieder einen Einfall in Sa-
voyen verjuchte, der aber vollitändig mißlang.
Die fremden Mächte verlangten Entfernung der
Polen, melde B. erft nad langem MWiderftreben
bewerfftelligte. Abnliches wiederholte ſich nach einer
harmloſen Demonftration deuticher Handwertsger
jellen in der Nähe der Stadt B. Eine andere
Berwidelung drohte durch den Widerftand des
mit B. vereinigten latholiſchen Juragebietes gegen
die von den liberalen Kantonen beabfichtigten ve-
ligiöfen Meformen; es gelang jedoh, die Ruhe
wiederherzuftellen. 1834 wurde die Univerfität
in B. eröffnet u. an biefelbe mehrere deutſche
Brofefioren, u. A. die Brüder Ludwig u, Wil-
heim Snell, berufen. Gegenüber dem vadicalen
Einfluß derfelben erhob fich die allem Fremden
abgeneigte fogenannte Burgdorfer Partei unter
den Brüdern Karl u. Hans Schnell, welche jeit
1831 den Kanton meift geleitet hatten, nun aber eine
demüthige Haltung gegenüber Frankreich einnah—
men, als dieſes die Schweiz wegen angeblicher
weiterer Umtriebe von Flüchtlingen fchulmeiftern
wollte u. einen Agenten in die Schweiz jandte,
um diefelbe auszuſpioniren. Als Frankreich weiter
ging u. 1838 die Ausweiſung Youis Napoleone
aus der Schweiz verlangte, proteftirte mit den
fämmtlihen größeren Kantonen aud der Große
Rath von B., worauf die Burgdorfer Partei ſich
als geichlagen bekannte u. ans den öffentlichen
Amtern jchied. An ihre Stelle trat die Partei der
Yegalliberalen oder des gemäßigten Fortiihrittes,
den Schultheiß Neuhans an der Spite, Ihr ent-
gegen trat aber nun die fog. Junge Rechtsſchule,
eine Partei der äußerften Linlen, uuter der Yeitung
des Profeffors W. Snell u. feiner Schwiegerföühne
Stämpfli u. Niggeler. Dieſe drang auf eine Re
pifion der Verfafiung, welde dem Kanton eine
mehr demofratifche Unterlage geben ſollte. Zu
diefem Zmwede wurde ein Berfafjungsrath durch
Urmwahlen des Bolles gebildet, welder zum größe:
ren Theil aus Nadicalen beftand. Die neue Ber-
faffung wurde am 31. Juli 1846 durch Stimmen»
mebhrheit angenommen uw. im Auguſt deſſelben
Jahres die neue Regierung gebildet. Zwar er-
folgten mehrere materielle Berbefferungen, allein
durch den Wegfall der Staatszehnten u. Boden»
zinſe entſtand ein Deficit, welches die Regierung
durh Einführung einer Grund-, Gapital- u. Ein«
fommenftener deden mußte. Da nah dem Aus-
bruche der Februarrevolution 1848 von B. aus
die beiden Freiſchaareneinfälle in Deutſchland be-
trieben wurden, fo jchidte die dentiche Heichsgemalt
im September Franz Naveaur als Gejandten nad)
B., welcher jedoch die begehrte Ausweifung der
deutichen Flüchtlinge nicht erlangen fonnte. 1849
vereinigten fi alle übrigen Parteien zum Sturze
der Hadicalen. Namentlich grollte die Geiftlichkeit
der Negierung wegen Berufung des der freien
Bern (Geſchichte).
Richtung angehörigen Tübinger Privatdocenten
Zeller al3 Profeffor an die Univerſität B., u. die
Ultramontanen des Jura blieben natürlih nicht
zurüd. Als un Mai 1850 die Ernenerungsmwahlen
für den Großen Kath ftattfinden jollten, wurde
ſchon im Januar die Wablagitation mit Heftigfeit
betrieben; bei den gleichzeitigen Vollsverſamm-
ungen beider Parteien auf 2 anftogenden Wiejen
zu Münfingen am 25. März, wo die Wahlen be—
ſprochen wurden, war der Sieg noch unentſchie-
den; aber am Wahltage (5. Mai) jelbft blieben
die Radicalen in der Minderheit. Zwar hielt die
neue Regierung an der Berfaffung von 1846 jeft
u, war hauptſächlich darauf bedacht, die materiellen
Schwierigkeiten der Verwaltung zu befeitigen; aber
fie ſchien Alles zu verfuchen, die Gegner zu er—
bittern. Man verfolgte gewiffe Abzeichen u. Yieder,
verhaftete Radicale wegen geringfiigiger Urſachen
u. eutließ die freifinnigen Lehrer am Schullehrer-
jeminar. Ein bartnädiger Kampf entipann ſich
zwiihen Stämpfli u. den Batriciern, deren Vor—
fahren er beichuldigt hatte, im J. 1798 den Staats«
ihag vor den Franzoſen zu eigenem Bortbeil „ges
rettet“ zu haben, was ihm Gefängniß einbrachte,
Bollsverfammlungen der Radicalen bewirften, daß
1852 nad der Berfaffung über die Abberufung
u. Neuwahl des Großen Rathes abgeftimmmt
werden mußte. Es geſchah, aber die beftehenve
Richtung fiegte. Darauf wurde das Lehrerfeminar
vollends aufgehoben u. ein ftrenges Preßgeſetz
eingeführt. So erreichte die Spannung zwiſchen
beiden Barteien bei den Neuwahlen 1854 einen
hoben Brad; doc fam ein Compromiß zwifchen
ihnen, die fi nach der Neuwahl ziemlich die
Wage hielten, zu Stande, u. die bervorragendften
Männer von beiden Seiten traten in den neuge—
bildeten Regierungsrath. Beiden nächſten Wahlen,
1858, befand ſich die conjervative Partei wieder in
bedeutender Minderheit u. nabın nicht mur immer
mehr ab, während zugleich ihre früheren Maß—
regeln (Preßgefeg) ein Ende fanden und das
Lehrerſeminar mwicderbergeftellt wurde, fondern fie
näberte fi jogar in ihren Anschauungen den bis-
berigen Gegnern jo jehr, daß bald fein weſent—
licher Unterichied mehr im Standpunkte beider zu
bemerfen war. So fam es, daß beide Parteien
1869 einverftanden waren, das jog. Neferendum
einzuführen, u. der Große Rath beichloß am 19.
Mai, daß künftig alle Geſetze u. wichtigeren Be—
ihlüffe diefer Behörde dem Bolfe zur Abitimmung
über Annahme oder Berwerfung vorgelegt werden
jollten, was das Wolf mit 32,000 gegen 22,000
Stimmen beftätigte. Jn den Jahren 1873 u. 74
wurde das katholifche Furagebiet des Kantons B.
Schauplat heftiger Unruhen wegen des Conflicts
zwiichen dem Biſchof Lachat in Solothurn u. den
zum Bistbum Baſel gehörenden Kantonen; infolge
deilen mußten Truppen aufgeboten u. 97 renitente
fatholiiche Geiftlihe ihrer Pfarreien entiett wer-
den, Dies veranlaßte u. a. die Gründung einer
alttatbolifchstheologiihen Facultät an der Univer-
fität B., deren Projefioren der fatboliihe Pfarrer
in B, die Abhaltung von Gottesdienft vermehren
wollte, worauf ihm Die Regierung 1875 die Kir»
chenichlüffel mit Gewalt wegnehmen ließ. Diefe
Wirren find noch nnausgetragen. Vgl. Juſtinger,
Bernabei — Bernadotte,
251
Der Chronik vom Anfange der Stadt bis 1421, her⸗Hannover durch das Ansbachſche nah Würzburg,
ausgeg. von Studer, B. 1871; Balerius Anshelms,
en, Rüd, Brer Chronik vom Anfange der Stadt B.
18 1526, berausgeg. von Stierlin u. Wyß, ebd.
1825—33, 6 Bbe.; A. v. Tillier, Gefchichte des
eidgenöffiichen Freiſtaates B., ebd. 1838, 5 Bde. ;
Stettler, Staatd- u. Nechtsgefchichte des Kantons
B., ebd. 1845; Urkunden für die Geſchichte der
Stadt B., herausgeg. von Zeerleder, ebd. 1853
bis 1854, 3 Bde.; Hodler, Geſchichte des B-er
Volles jeit 1798, ebd. 1865—70, 2 Thle; Wur-
fteinberger, Geſchichte der alten Landſchaft B., ebd.
1862, 2 Bde.; Wattenwyl, Gedichte der Stadt
u. Landſchaft B., Schaffhanſen 1867—72, 1. u.
2. Bd. Geſch.) Henne-Am Rim.*
Bernabei, Giufeppe Ercole, bedeutender
Componijt, geb. 1620 zu Gaprarola im Sirchen-
ftaate; wurde Kapellmeijter im Yateran 1662, an
der Kirche des hi. Ludwig 1667, an St. Peter
1672 u. ging auf eine Einladung des Kurfürſten
Ferdinand Maria 1674 nah München, wo er bis
zu feinem Tode (1690) blieb. Er ſchr.: Polyphone
Kirhencompofitionen u. Opern, legtere in München.
Gedrudt find Madrigale, Rom 1669, u. Motetten,
Münd. 1691. Bon jeinen Söhnen folgte ihm der
ältere, Giuſeppe Antonio, geb. 1659 zu Rom, in
feinem Münchener Amte; componirte ebenfalls
Opern u. geiftliche Vocalmuſik; ftarb in Münden
1732; ber jüngere, Vincenzo, geb. zu Rom 1669,
war ebenfalls Operncomponift, ftarb aber fchon
1690 zu München. Brambach.
Bernadotte, Jean Baptiſte Jules, geb.
26. Jan. 1764 zu Pau, wo fein Vater Nechts-
—— war; wurde 1780 Soldat, avancirte ſeit
usbruch der Revolution vom Feldwebel ſehr
raſch u. war bei Fleurus 1794 ſchon Divifions-
eneral, trug 1795 wejentlich zum Rheinübergange
ei Neuwied bei, führte 1796 eine Divifion unter
Jourdan in Deutichland, wo er 22. Augujt bei
Zeining u. 8. Sept. bei Afchaffenburg geſchlagen
wurde, befehligte 1797 in Italien unter Bona—
parte die Belagerung von Gradisca und brachte
vereinigte fi dort mit den Bayern und fiel den
Kaijerlihen in den Rüden, trug zu den Erfolgen
von Ulm bei, befehligte vor Aufterlig das Gen»
trum und wurde 5. Juni 1806 zum Fürſten von
Ponte-Corvo ernannt. Im Kriege gegen Preußen
1806 führte er das 1. Arımeecorps über Hof in
das Boigtland, gefährdete aber den Sieg von
Jena, indem er ſich nicht unter Davouits Be—
fehl jtellen wollte und 2 franz. Divifionen vom
Kampfe abhielt: ein Benehmen, das ihn nahezu
vor ein Kriegsgericht gebracht hätte; dann aber
verfolgte er Blücher nad Lübel u. zwang den»
jelben dort zur Capitulation. Die dabei auf der
Trave eingeichifften, aber durch widrige Winde
zurüdgebaltenen 1500 Schweden behandelte er
auf humane Weife. Er mendete fih mın nach
Preußen u. hielt die Nuffen durch das Treffen
bei Mohrungen (25. Jan. 1807) ab, die franz,
Hauptarmee zu überfallen, wodurch er das kaiſer—
liche Hauptquartier u. die Divifion des Marichalls
Ney rettere. Er befehligte hierauf das in Deutich-
land zurüdbleibende Heer, erhielt 1809 in dem
Kriege gegen Öfterreih den Oberbefehl fiber die
Sachſen, führte diefeiben nad Öfterreih u. nahm
an der Schlacht bei Wagram Theil. Daß er die
Ehre des Sieges den von ihm geführten Sachen
zuichrieb u, behauptete, 'mit diefen abfichtlih auf
einen ſchlimmen Poſten gejtellt worden zu fein,
nahm ihm Napoleon jehr übel. Wegen eines
verfehlten Angriffes auf das Dorf Aderklaa wurde
er von Napoleon jedoch des Commaudos entboben.
Bet der Nachricht von der Yandung der Engländer
auf Walcheren ftellte er fih auf Requiſition des
Kriegsminifters an die Spite des größtentheils
aus Nationalgarden beftehenden Corps u. nötbigte
die Engländer, die Inſel wieder zu räumen, Dann
fchrte er nach Paris zurüd, Werl ihm Napoleon
mißtraute, jo wollte er ihn von dem Scauplage
der Thaten entfernen u. ernannte ihn zum Gene:
neralgouverneur von Nom; indeß die Schweden,
welhe die Behandlung ihrer 1806 gefangenen
die bei Nivoli eroberten Fahnen nah Paris. |Yandsleute nicht vergeifen hatten, wählten ihn
1798 ging er al3 Gefandter nah Wien, von wo
er infolge eines wegen der dreifarbigen, am
franz. Geiandtichaftshotel aufgeftedten Fahne am
13. April entftandenen Aufrubhres nah Paris zu-
rüdtehrte; vermählte ſich mit Eugenie (j. d.) Bern-
hardine Defirde, Todter des Kaufmanns Clary
in Marieille, einer Schwefter der Gemahlin Joſeph
Bonapartes. 1799 führte er die Objervations-
arınee, welche über den Ahein gehen u. Bhilipps-
burg belagern follte, allein wegen der ‚yortichritte
der Üfterreicher und Ruſſen in Deutichland und
Italien berief ihn das Directorium bald ab und
ernannte ihn zum Kriegsminifter, in welcher Stell-
ung er jedod nur 3 Monate blieb. Nah dem
18. Brumaire 1799 wurde er in den Staatsrath
berufen u.,erbielt das Commando in der Vendée,
wo er mit Mäßigung die Unruhen unterdrüdte.
1804 befam er an Mortiers Stelle den Ober:
befebl in Hannover u. wurde 1805 Marichall,
obwol ftet3 eine gewiſſe Zurüdhaltung zwiichen
Napoleon und ihm beftand, die mandmal in
Spannung überging. Im Kriege 1805 mit Öfter-
reich führte er im September ein Corps aus
auf den Borjchlag des Königs Karl XII. am
21. Ang. 1810 zum Kronprinzen. Nachdem er
das franzöfifhe Bürgerredht aufgegeben und am
19, Oct. zu Helfingör das Tutheriihe Glaubens»
befenntnig abgelegt hatte (mach Einigen wäre er
Calviniſt, nach Anderen Katholif geweſen), ging er,
20. Oct. bei Helfingborg landend, nah Schwer
den u. wurde am 31. Oct, der Reichsverſamm—
lung vorgeftellt. Am 5. Nov. vom König adop«
tier, nahm er den Namen Karl Johann an,
leiftete den Eid als Kronprinz vor dem Throne
u. empfing die Huldigungen der Stände. Noch
bei Yebzeiten des Königs ging die oberfte Feitung
des Staates faft ganz in feine Hände itber.
Napoleon behandelte ihn mit gewohnter Rüdfichts«
fofigteit. Danach ſich auf Seiten Englands und
Rußlauds neigend, ſchlug B. 1811 das ihm von
Jenem angetragene Bündniß gegen Rußland aus,
ſchloß 1812 eine geheime Alltanz, den Bertrag
von Abo, mit Rußland und mit England im
Juli 1812 Frieden, wobei er veriprad, eine
Diverfion mit 25—30,000 Mann Schweden in
Deutichland zu unternehmen. Im Juli 1813
252
erlfärte er an Franfreih den Krieg. Immer
temporifirend umd mehr den eigenen Bortbeil,
al$ den der Alliirten berüdfichtigend, übernahm
er zwar ben Oberbefehl über die aus Ruſſen
unter Wingingerode, Woronzow u. Tſchernitſchew,
Preußen unter BMom und Tauenzien, Briten
unter Wallmoden n. 20,000 M. Schweden unter
Stedingt beſtehende Nordarmee, operirte aber,
nachdem er Napoleon mehrere Male zum Fries
den ermahnt hatte, nah dem Waffenftillftande
ohne alle Kraft gegen ihn. Seine zögernde
Kriegsführung erregte mehrfache Beſchwerden;
erft durch das Drängen der ruffifhen u. preußis
ſchen Generale, bei. Billows, der ihn faft zu der
Schlacht bei Großbeeren u. Dennewit u. zu dem
Überfehreiten der Elbe bei Roflau u. zu feinem
Mari nad) Leipzig nöthigte, wurde er zu größe-
ven Bewegungen gebracht. Es war ihm aber fein
Ernft mit der Kriegführung, und er wirkte fufte-
matiſch hemmend un. lähmend. Seine Schweden
fuchte er ftetS zu fchonen, fo daß fie in dem ganzen
Feldzuge kaum einige hundert Mann verloren.
Nach dem Siege bei Yeipzig zog er gegen Davonft
u, die Dänen an der linterelbe. Bald war Lübeck
erobert, Davouft von den Dänen getrennt, jener
nah Hamburg geworfen, wo er blofirt wurde,
dieje nach Holjtein verfolgt, u, am 14. Jan. 1814
erfolgte der Frieden mit Dänemark zu Kiel, in
weldem Dänemark an Schweden Norwegen gegen
Shwediid- Pommern abtrat; ſ. Ruſſ.-Deutſcher
Krieg. Außer feinem Plan lag das liberfchreiten
des Rheins durch die Alliirten. Er wollte Nor»
wegen erobern, nicht Fraukreich befriegen. In
langſamen Märichen folgte er dem Hauptheere u.
lam eben bei Jülich u. in den Niederlanden an, als
die Verbündeten in Paris einzogen. Er ging nun
nah Paris, eilte von da nach Norwegen und
zwang den Prinzen Chriftian am 24. Aug. 1814
zur Wefignation, worauf Karl XIII. von den
Norwegern am 4. Nov. als König, er als Kron-
prinz anerfannt murde (j. Norwegen); folgte
am 5. Februar 1818 feinem Adoptivvater als
Karl XIV. Johann auf dem fchwediich- normwegi-
ihen Throne, Erft.den 8. März 1844 zu Stod«
bolm. Obgleich er auf Hebung u. Bergrößerung
der Macht Schwedens immer bedacht war, fonnte
er es doch zu feiner eigentlichen Popularität
bringen, woran hauptſächlich feine anfängliche, den
nationalen Traditionen zumiderlaufende ‘Politik
in Bezug auf Rußland u. fein feites Halten an
ben Borrechten der Krone ſchuld war; fein Mangel
an Charakter trug aud nicht wenig dazır bei. ©.
Schweden. Ihm folgte fein einziger Sohn Oskar,
Im Nov. 1854 wurde jeine von Fogelberg gefertigte
Neiterftatue anf dem nah ihm genannten Karl
Sohanns- Plage in Stodholm aufgeitellt. Andere
Dentmäler wurden ihm in Upfala u. Norköping
gejegt. Vgl. Geijer, Konung Carls XIV, Johan
hist., Stockh. 1844, dentih von Dietrich, ebd.
1844; Sarrans, Hist. de Bernadotte, Charles
XIV, Jean, Par. 1845, 2 Bde; M. Runkel,
xarl XIV. Johann, Elberfeld 18415 5. 8. v.
Strombed, Memorabilien aus dem Peben u. der
Degierung Karls XIV. Johann, Braunichw. 1841;
Groſſe, Karl XIV, Johann, fein öffentliches und
Privatleben, Meißen 1844; Politiſches Vermächt—⸗
Bernakelgans — Bernard.
an des Königs Karl XIV. Johann, Alt. 1844 f.,
2 Bde.
Bernakelgans (Bernifel-, Ringel, Bronke,
Klofter- od. Rottgans, Anser torquatus Frisch),
ſ. Gans.
Bernalillo, County im Territorium New—
Merico der norbamerif. Union, unter 35 n. Br.
u. 104° w. %.: 7591 Ew.
Bernard, 1) franz. Vorname, fo dv. w. Bern-
bard (f. d.). 2) B. de Treviers, im 12. Jahrh.
Stiftsherr auf Maquelonne, Berf. des Gedichtes:
Die ſchöne Magelone (j. 2.) in provengalifcher
Sprade. 8) Salomo, Maler u, Holzihneider,
geb. 1512 zu yon; beihäfige fi nur mit
der Darftellung Heiner —— (daher der
Kleine B.). — Werth bat feine Aus»
gabe der Bibel (1550). 4) Pierre Joſeph,
geb. 1708 zu Grenoble; war Schreiber zu | Paris,
machte mit dem Marquis de Pezuy die italien.
Campagne 1734 mit, wurde dort Gecretär des
Marquis v. Coigny u. nad deſſen Tode Schatz«
meifter der Dragoner und Bibliothefar auf dem
Scloffe Choiffy-fe-Roi; er ftarb 1. Nov. 1776,
Er ſchr. die Oper: Castor et Pollux (Mufit von
Rameau); das Lehrgedicht: L'art d’aimer, u. Phro-
sine et Melidore u. a. Gedichte. Werke, Par.1803 u.
1825, 2 Bde. 5) B., berühmter franz. ‚ingenieur,
geb. 1779 in der Frandhe- Comte; nahm als Freie
williger Militärdienfte der Nepublit, trat 1796 in das
Geniecorps ein u, erhielt, nachdem er 1809 durch
feine Überbrüdung der Donau dem Kaifer Napo-
leon befannt geworden, in demjelben Jahre den
Auftrag, bei den Küftenbauten in Belgien, bei.
beim Bau des Baffins von Antwerpen, theilzu«
nebmen; 1813 wurde er Obrift u. Adjutant des
Kaifers, dann Brigadegeneral u. Baron. 1814
ging B. in die Dienfte der Vereinigten Staaten
von NAmerifa, wo er als Chef des Militärweiens
bef, das Küften- und Grenzvertheidigungsſyſtem
der Union vollendete, 1830 kehrte er nad) ‚Franke
veih zurüd, wurde Adjutant des Königs Ludwig
Philipp und Generallieutenant und im Cabinet
Mold 1836 Kriegsminiiter; er entwarf einen Plan
zur Befeftigung von Paris, refignirte aber bald
u. ft. 5. Nov. 1839 in Paris. 6) Charles de,
franz. Schriftjteller, geboren 1805 zu Befangon;
widmete fi der Belletriftil; er ft. bereit 1850.
Er jr. hauptjählid Romane, . deren Satire gegen
Romantik u. Idealismus gerichtet ift; viele der»
jelben ins Deutſche überſetzt: Gerfaut 1838;
Le paravent, 1830; La peau de lion et la chasse
aux amants, 1840; Un homme serieux, 1843;
Le gentil homme campagnard, 1847. Nach
feinem Tode erſchienen: Nouvelles et melanges
1854; Poesies et theätre, 1855. 7) Claude,
vorzügliher Phyfiolog der Jetztzeit, geb. 12. Zuli
1813 zu St. Julien (Ahöne-Departement); ftudirte
Medicin in Paris, wurde 1839 ärzlicher Prafti-
cant, 1841 Präparator bei Magendie, promovirte
1843, wurde 1847 fupplivender Docent, 1854
Profeffor der allgemeinen Phyfiologie in Paris
und Mitglied der Atademie, 1855 Profeſſor der
Erperimentalphyfiologie am College de France.
Seine erften Arbeiten, durch die er ſich gleich
vortheilbaft bekannt machte, beihäftigten ſich mit
dem Einfluffe der Nerven u. der einzelnen Ab-+
Bernardi — Bernauer,
fonderungen des geſammten Speileganges auf die
Verdauung; die folgenden iiber die Stellung der
Bauchipeicheldrüfe bei dieſem Vorgange, deren
Saft er als den Verdauer der Trettitoffe nachwies,
253
‚ften, fpäter Ingenieurhauptmann auf Isle de
Frauce, lebte dann von einer Benfion u. wurde
endlich Intendant des Botaniſchen Gartens und
Naturhiſtoriſchen Muſeums; er ft. 21. Jan. 1814,
begründeten feft feinen bereits erlangten Ruf Im J. 1852 wurde ihm eine Statue, von David
(1856). Zwiſchen diefen beiden Arbeiten liegen |in €
andere über das Athmen u. den Blutumlauf, jo-
wie eine höchſt wichtige über die Juderbereitung
in der Leber u. den bierbei obmwaltenden Nerven:
einfluß, eine Arbeit, an die ſich jahrelange Strei-
tigfeiten anfnüpften, die indeß zu B-8 Bortheil
endeten u. die ihm 1851 u. 53 die Preife der
Alademie für Phyfiologie einbrachten. An dieſe
ſchloß fih eine andere, in der er den Beweis
brachte, daß beim Fötus der Mutterfudhen und
einzelne andere Organe die Stelle der Leber be-
züglih der Zuderbereitung übernehmen (1859).
Die ſchönen Unterfuhungen über den Einfluß des
Nervus sympathicus auf thieriſche Wärme be-
gannen bereit$ 1852; fie wurden weiter aus«
gedehnt auf die Beränderungen, welche die Körper-
wärme in den einzelnen Bezirken erleidet (1856).
Seine neueften Arbeiten find: Introduction &
l'etude de la medeeine experimentale, Paris
1865, u. Lecons de pathologie experimentale,
Paris 1871. Bes glänzendes und dauerndes
Verdienft beftebt nicht nur darin, daß er der
jungen Wiſſenſchaft der Erperimentalpbyfiologie
neue Bahnen angeriefen u. felbft wichtige Ent-
dedungen gemacht hat, fondern auch hauptſächlich
in dem befruchtenden Einfluffe, den er allfeitig
ausübt. Die genannten Arbeiten find theils ın
einzelnen wiſſenſchaftlichen Blättern (Gaz. medi-
cale, 1844, Comptes-rendus de la Société de
biologie, Comptes-rendus de l’Academie des
sciences, 1856), theils in feinen jeit 1856 im
Drude erjheinenden Vorlefungen, theils in den
Lecons de physiologie experimentale appliquee
a la medeeine, Paris 1850 u. 1865, erjchienen,
8) Johann Stepban, gelehrter Arzt, Sohn
eines Predigers in Berlin, wo er 1718 geboren
mwurde; ging jhon früh nah Holland, be-
jhäftigte fi viel.mit der Literatur u. erwarb ſich
dadurch ein Berbdienft, daß er die Meineren, felte-
neren grieh. u. röm. Arzte mit Anmerkungen
berausgab. Später ging er nah Arnheim, wo
er im März 1793 ſtarb. 9) Thalds, franz.
Dichter u. Gelehrter, geb. 16. Mai 1821 zu Paris;
widmete ſich nach kurzem Staatsdienfte im Kriegs-
miniſterium den Studien u. der Poeſie. Er ſchr.:
Etudes sur les variations du polytheisme grec,
1853; Les couronnes de Saint-Etienne, 1853
(Roman); Adorations (Gedichte), 1855; Les
röves du commandeur, 1855; Po6sies pastorales,
1856; Podsies mystiques, 1858; Voyage dans
la vieille France, 1859; Histoire de la po6sie,
1864; Melodies pastorales, Bgl. Brocherie,
B. et la po&sie populaire, Par. 1860. 7) 9 Thampayn.
Bernardi, Giovanni da Caſtel Bolo-
gneſe, ausgezeichneter Stein- u. Stempeljchnei-
der, geb. 1495; arbeitete für viele Fürſten u. Päpſte
feiner Zeit; er ft. 1555 zu Faenza.
Bernardin, Jacques Henri®. de Saint«
Bierre, hervorragender franzöſiſcher Idyllendich⸗
ter, geb. 19. Jan. 1737 zu Havre; war „Inge
nieur in franzöfiichen, ruffiichen u. polniſchen Dien-
rz ausgeführt, in feiner Geburtsftabt errichtet.
Er ar Voyage à l'Isle de France, Bar. 1773;
Etudes de la nature, 1784; Veux d’un solitaire;
Harmonies de la nature u. die Idyllen Paul et
Virginie, 1788 u. La Chaumiere indienne, 1791.
Die erftere jhildert die Liebe zweier auf einer
fernen Sübdfeeinjel aufgewachſenen Kiuder, die letz⸗
tere fpielt in der Hütte eines verachteten Paria,
welder den Europäer lehrt, dah Anfang u. Ende
aller Glüchſeligleit ein reines Herz ſei. B. bildet
den fchärfiten Gegenſatz zu Beaumarchais, u. doch
jpiegelt fih bei ihm Ddiefelbe Zeitftinunung, die
allgemeine Unzufriedenheit, wieder.
ernardon, Benennung einer komiſchen PBer-
fon auf dem Wiener Bolfstheater, welche, einen
leihtfinnigen, tölpishen Burſchen darftellend, von
dem Komiler Joſ. Fel. Kurz erfunden wurde.
Kurz, geb. 1715 zu Wien, betrat 1737 das Thea«
ter, ward fpäter Director des Leopoldſtädter Thea-
ters u. gab num felbftgefertigte, ertemporirte Stüde
der niedrigften, zotenvollften Komit, jo: Der Cale-
euttifhe Großmogul, Der 30jährige A⸗-b⸗c⸗ſchütz,
Der Feuerwedel der Venus u. a. Den meiſten
Erfolg hatte: Die getreue Prinzeſſin Pumphia u.
Hanswurſt, der tyranniihe Tartar und Kulifan.
Diefe Gattung Wiener Poffen nannte man Ber-
nardoniaden, ihn felbjt den Bater B. 1762
verlieh er Wien, bereite mit feiner Gejellichaft
STDeutichland, kehrte 1770 in die Kailerftadt
zurüd, wandte ihr jedoh wegen mangelnden Zu«
laufes für immer den Rüden. Bon Neuen herum—
ziebend, ging er 1774 nah Warfchau, löfte dort
feine Truppe auf u. ft. 1786, nachdem er in den
Adelitand erhoben war. Kürfchner.
Bernardus, 1) ſo v. w. Bernhard. 2) So v.
w. Bernoldus.
Bernau (B. an der Panke), Stadt im Kreife
Niederbarnim des preußischen Regbez. Potsdam,
in weiter Ebene, am Urjprung der Pante u. an
der Berlin-Stettiner Bahn, 23 km von Berlin;
große Kirche; mertwürdige Alterthümer, den Huſſi⸗
ten 1432 abgenommene Kriegsgeräthe; Baum—
wollen» und Seidenweberei, Muftermalerei; Gas-
anftalt, Aderbau; 5567 Em. Geburtsort von Georg
Rollenhagen; großer Wald in der Nähe.
Dernauer, Agnes, nah der Sage ſchöne
Tochter des Baders Kaspar B. zu Augsburg,
welche Herzog Albrecht IL. von Bayern-München
bei einem Zurnier ſah u. jo heftig liebte, daß er
fi heimlich mit ihr vermählte und mit ihr auf
dem Schloſſe Bohburg wohnte. Sein Bater,
Herzog Eruft, entdedte dies Berhältnig erft, als
Albreht dem Plan, Anna, Tochter des Herzogs
Erih von Braunſchweig, zu heirathen, bebarrlich
Mipderftand leiftete, u. hieß nun den Prinzen wegen
unritterlichen Lebenswandels vom ritterlichen Feſte
zu Regensburg ausichliegen, worauf Albrecht jeine
Bermählung mit Agnes öffentlih befannt machte
und ihr einen fürftlihen Sit zu Straubing au—
weiſen ließ. Sie ftiftete hier im Kreuzgange bei
den Karmelitern ein Betgewölbe und eine Grab—
2 DE
mt)
fiätte, Nah dem Tode von Ernfts Bruder, Wil
beim, welcher Albrecht ftets in Schub genommen
hatte, benutzte Herzog Ernft Albrechts Abweſenheit,
ließ Agnes verhaften, flagte fie als Zauberin an
n. ließ fie, da fie fich weigerte, als fürftliche Frau
fih zu vertheidigen, am 12. Oct. 1435 gebunden
von der Donaubrücke zu Straubing durch Henfers-
tnechte herabftürzen u. erjänfen. Albrecht überzog
feinen Vater mit Fehde, die erft nad längerer
Zeit u. namentlich durch Bermittelung des Kaiſers
Siegmund beigelegt wurde. Albrecht heirathete
darauf die ihm vom Vater zugedachte Braut, und
dieſer ließ felbft iiber dem Grabe der B. ein Bet-
ficchlein errichten. Albrecht aber ftiftete ihr im
Karmeliterflofter zu Straubing eine Ewige Meffe,
feste ihr ein Deufmal und Tieß nah 12 Jahren
die Uberrefte der chriamen Frau Agneſen der
Pernawerin im der von ihr felbft einſt geitifteten
Ruheſtätte begraben. Babo, Graf F. A. v. Törring,
Jul. Körner, Herm. Schiff, A. Böttger, Fr.
Hebbel, Melch. Meyr (Herzog Albrecht), Otto Lud—
wig u. A. benugten den Stoff zu Dramen, Neuere
geichichtlichen Forihungen haben ergeben, daß Agnes
3. weder eines Baders Tochter war, noch B. hieß,
noch aus Augsburg ſtammte, fondern wahricein-
lih aus Biberach in Baden und als Badermagd
in Augsburg diente, u. daß der Herzog Albrecht
ihre Belanntihaft nicht bei einem Turnier, ſon—
dern wahricheinlid in dem öffentlichen Bade, wo
fie diente, gemacht hat, daß fie auch Tange nicht
mit ihm getraut, fondern bis zu feiner Zurid-
weiſung vom Turnier in Regensburg bloß feine
Beliebte gemefen iſt. Vgl. Chr. Meyer, Agues
3. (Gartenlaube Wir. 28, 1873).
Dernay, Hauptit. des gleichnamigen Arr. im
frangöf. Tep. Eure, in einem Thal, an der Cha»
rentonne u. am Cosnier u. an der WBahn; Ge:
richt 1. Inſtanz, Handelsgericht; merkwürdige alte
Kirhen; Diineralquellen; Mühlen, Baummollen: u.
Wollenipinnereien, Bandfabrifen, Bleichereien,
Gerberei, Olmühlen, Sägen, Papierfabrilen, Eifen-
werfe, Glasbiütten, Ziegeleien; bedeutender Han-
del mit Pferden, Wolle u. Getreide; 7281 Ew.,
wovon 5695 in ber eigentlien Stadt, B., im
Altertum Bernacum, wurde im Hugenotteufriege
zweimal (1563 u. 1482) erſtürmt u. verbrannt.
Bernahs, Michael, deuticher Literaturbiftori«
fer, geb. 17. Nov. 1834 zu Hamburg; ftudirte
in Bonn u. Heidelberg, babilitirte ſich 1872 als
Docent in Leipzig u. wurde im Mai 1873 Pro-
fefior der deutſchen Literaturgefchichte zu München.
Er bat viel zur wiſſenſchaftlichen Begründung
diefes Faches, namentlich was die neuere Zeit
betrifft, beigetragen. Unter feinen Werken find zu
nennen: Uber Kritit u, Gefchichte des Goetheſchen
Tertes, Berl. 1866; Briefe Goethes an F. 4.
Wolf, ebd. 1868; Zur Entftehungsgeichichte des
Schlegelichen Shaleipeare, Leipz. 1872, und feine
Abhandlung: Shakeſpeare, ein katholiſcher Dichter
im Jahrbuche der Deutſchen Shalejpeare » Gejell-
ſchaft, Berl. 1865.
Bernbrunn, Karl, Freiherr von (pfſeudonym
Karl Karl), Theaterdirector, Schaufpieler u. Büh—
nendichter, geb. 7. Nov. 1789 zu Krakau. Nach—
dem er auf der Angenienr » Akademie zu Wien
eine wijfenfchaftliche Ausbildung empfangen hatte,
Dernay — Bernburg.
trat er in öſterreich. Militärdienſte, nahm als Fähn-
rih an dem Feldzuge gegen Frankreich 1809 theil
u. trat nachher im „Jojephitädtiihen Theater zu
Wien ald Schanfpieler auf. Bon bier ging er
nah Minden u. ward bei der zweiten Hofbühne
engagirt, wo er bald zu den gefeiertiten Mitglie—
dern des Theaters gebörte. Geine Verheiratbung
mit der Schaufpielerin Margarethe Lang befeftigte
ihn noch mehr in der Gunit des Publicums. Als
Regiſſeur führte er bier die Wiener Pocalpofie
ein, ſchrieb ſelbſt ähnliche Stüde (Staberliaden)
u. trat in denſelben als Komifer mit großem Er»
folge auf, Zum Director des Iſarthortheaters
ernannt, brachte er daſſelbe raſch in Flor. Er
gründete in München eine Schauſpielerſchule und
trug viel zur Ausbildung junger Talente bei.
1826 penſionirt, lehrte er nach Wien zurück, brachte
eine Vereinigung des Theaters an der Wien u.
des Leopoldftädtertbeaters zu Stande und wurde
Director der gemeinichaftlihen Bühne. 1847 lieh
er das Veopoldftädtertheater niederreißen u. erbaute
an der Stelle defjelben ein nenes Schaufpielbaus,
das Karltheater, welches noch im jelben Jahre
eröffnet wurde u. wofür ihm der Magiftrat Wiens
die Salvatormedaille verlich. Er ft. 14. Aug. 1854
zu Iſchl. B. war eines der glänzendften komiſchen
Zalente auf der Bühne, und jeine vielbelachten
Poffen, vor allen Staberl in Floribus, verdanten
befonders feinem Spiel ibre gewaltige Zugkraft.
Als Director wußte B. jedes Ungemach zu befie-
gen u, ſtets die beften Kräfte für fih zu erwer«
ben. An Wohithätigfeit famen ihm nur wenige
Menſchen gleih. Vgl. Kaifer, Theaterdirector
Karl, 2. Aufl., Wien 1854; Gämmerler, Karls
Leben, ebd. 1854. Kürfhner.*
Bernburg (Geogr.), 1) Herzogthum Anhaft-
B., f. Anhalt (Gefchichte) IL. 2) Kreis im Her-
zegthum Unhalt, an der Saale u. Wipper, von
der Bahn Aichersleben » Halle durdhfchmitten; jehr
fruchtbar; 54,000 Ew. 8) (Nenerer lateinijcher
Name Aretopolis, Ursopolis) Stadt dafelbit, an
beiden Ufern der Saale u. an der Bahn Halber-
ftadt-Köthen; beftebt aus der Alt- u, Neuftadt links
u. der Bergftadt rechts von der Saale; dicht an
der Neuftadt die Borftadt Waldau; ſchöne Brücke
über die Saale, altes Schloß auf den Berge der
Bergftadt iiber der Saale, mit dem Rothen Thurm
(Eulenjpiegel) u. dem Schloßgarten mit Orangerie:
haus, Reitbahn; Kreisdirection, Kreisgeridht, Poſt-
direction; 3 Kirchen (darumter die ſchoͤne Marien-
firche), katholiſche Kirche, Synagoge, neues Kranlen-
haus, Wittwen- u. Yandes-rrenanitalt, Yehrer-
jeminar, Gymnaſium, Nealichule, israclitifche
Schule, höhere Töchterjchule; Loge Aleris, Schaur
jpielhaus (1827 vollendet); bürgerliche Gewerbe,
Brauereien und- Branntweinbrennereien, Yuder-,
Wagen, Watten-, Thonmaaren-, Preßkohle⸗, Stein-
gut- u, Papierfabrilen, Eijengießerei, *
Inſtitut; Runkelrüübenbau; mit Domäne u. Waldau
15,709 Ew. — B. iſt eine ſehr alte Stadt; ſchon
992 wurde die Bergſtadt von Kaiſer Otto II.
befeftigt, die Neuftadt wurde zu Anfang des 13.
Jahrh. angelegt. B. war die Nefidenz der Für.
ften der alten B»er Linie bis 1468, dann (1498)
Wittwenfit. Seit 1603 war es Wohnſitz der neuen
Beer Linie, bis 1765 Fürſt Friedrich Albrecht
Bernd — Verned.
nah Ballenftedt 309. Doch mar es bis 1863
Hauptit. des Herzogthums Anbalt-B,
Bernd, 1) Ehriftian Samuel Theodor,
Philolog u. Heraldifer, geb. 12. April 1775 zu
Meſeritz; ftndirte in Jena Theologie u. warf fi)
fpäter auf das Studium der Spradmifienichaft;
von Campe 1804 nad Braunſchweig berufen, um
an der Bearbeitung des deutichen Wörterbuches
tbeilzunehinen, führte B. fait ganz allein dieſe
Arbeit 1807—11 aus, Hierauf fand er Anftellung
an der Bibliotbef und dem Ardiv in Breslau,
wurde 1813 Profefjor am Gymnaſium zn Kaliſch,
1815 am Gymuaſium zu Poſen u. 1818 Biblio-
tbefjecretär zu Bonn; er habilitirte ſich bier 1822
als Brofeffor der Diplomatit, Sphragiſtik u. He-
raldit; ft. dafelbft 14. Sept. 1854. Er fohrieb:
Die deutihe Sprache im Großberzogtbum Poſen,
Bonn 1820; Die Verwandtſchaft der flavifchen u.
germanischen Sprachen, ebd. 1822; Die doppel-
formigen Beitwörter der deutſch. Sprache, Aachen
1837 (unvollender); Allgemeine Schriftenfunde
der gefammten Wappenmifjenfhaft, Bonn 1830
bis 1835, 3 Bde., mebit Nachtrag, ebd. 1841;
Wappenbuch der preußiichen Aheinprovinz, Bonn
1835—42, 2 Thle. u. Nachtrag; Die Hauptſtücke
der Wappenmiffenichaft, Bonn 1841—49, 2 Bde.;
Handbudh der Wappenwiſſenſchaſt, ebd. 1856; Die
drei dentichen Farben u. ein deutiches Wappen,
Bonn 1848. 2) B. v. Guſeck, ſ. Berned, 8.6. v.
Brambah.*
Berndal, Karl Guſtav, namhafter Schau-
fpieler, geb. 2. Nov. 1830 zu Berlin, wo er
zunächſt auf dem Friedrich Wilhelms Gymnaſium,
jpäter auf der königl. Realſchule feine Schulbild-
ung erbiet. Bon 1848—49 Hoppés Schüler,
betrat er 5. Juli des erfteren Jahres als
Diener des Marcus Antonius (Julius Cäſar) die fgl.
Bühne, der er bis Mitte des Jahres 1849 au—
gehörte, um dann auf dem genugſam befannten
Liebhabertheater Urania feine künſtleriſche Aus:
bildung zu vervollfommmen. 1851 engagirte ihn
BWoltersdorf fir Königsberg, 1852 Director Hein
für Stettin. Ein von diejer Stadt ang im Mai
1853 beifällig aufgenommenes Gaftipiel am kgl.
Schaufpielhaufe zu Berlin führte im folgenden
Jahre zu einem dreijährigen Engagementsvertrag,
der fpäter auf 10 Jahre verlängert, endlich 1866
durch eine fgl. Cabinetsordre auf Yebenszeit aus-
gedebnt wurde, ein Umſtand, der B. veranlafte,
den 1870 an ihn ergangenen Auf als Director
des Leipziger Stadttheaters abzulehnen. Die viel-
fahe Beihäftigung, der B. als Darjteller gerecht
werden muß, bat ihn nicht abgehalten, neben
Gaſiſpielen in Köln, Diagdeburg, Pyrmont, Leipzig,
Mannheim, Gera, Königsberg und Stettin auch)
unterrichtend aufzutreten. Seit 1855 Yehrer der
Declamation, ift B. von 1860— 73 am Sternichen
Eonfervatorium als folcher thätig geweien u. vom
October 1873 ab für dem Unterricht in Ausſprache
u. Declamation bei der fgl. akademiſchen Hod-
ſchule flr Muſik angeftellt. Im Juli 1856 ver-
heirathete er ſich mit der Hofihaufpielerin Zohanne
Hartmann, welche früber ın Kinderrollen mit Glück
aufgetreten war. B. bat bei einer Fülle glänzen:
der Mittel, von denen beionders fein prächtiges
Organ hervorzuheben ift, mit feltener Ausdauer
255
'u. großem Fleiße zum überwiegenden Theil die
Schwierigkeiten feiner Kunft überwunden,
Fiir
die Darjtellung der Weflerion, wie die fomifcher
Partien, weniger angelegt, fucht er feine Stärle
bauptiächlich in der Wiedergabe fräftig-mannbaf-
ter, oder Hug berechnender Charaktere. Die von
vielen Rollen geforderte dämoniſche Färbung liegt
ihm bis jetst ferner, indeſſen ift die Kritik über-
zeugt, daß ſich B. auch diefe noch aneignen wird
u. dann den beiten Theil von Deſſoirs Erbichaft
anzutreten berechtigt ift. Als feine beiten Yeiltungen
werben bezeichnet: Gtamettino Doria, Percy und
Wilhelm von Oranien, denen fi mirdig ans
Ihließen: Franz Moor, Fauſt, Tell, Götz, Buttler,
Präfident in Cabale u. Liebe, Dr. Forſter, ‘Prof.
Didendorf, Philipp IL. Zu feiner Charafteriftif
vgl. D. F. Genfihen, Berliner Hofſchauſpieler,
1842, p. 49—64. Kürjehner.
Berne, Marktfleden im Großherzogthum und
Obergerichtsbezirte Divenburg, an der Mündung
der Berne in die Oller, Eiſenbahnſtation; jonit
Hauptort des Stedinger Landes; 700 Ew.
Berned, 1) Stadt im gleihnamigen Bezirks—
amte des bayer. Regbez. Ober zranfen, an der
Mündung der forellenreihen Olsnit in den weißen
Main; bejuchte Badeanftalt; Obft- u. Hopfenbau;
Perlenfiicherei; Baummollenwaarenfabrif, Glas-
jchleiferei, Steinhanerarbeiten, 1355 Ew.; dabei
Eijenfteingrube u. Serpentinbrüche. 2) Städtchen
im Oberamte Nagold des mwürttemberg. Schwarz-
waldfreijes; Schloß; 460 Ew. 3) (Bernang) Gro⸗
Bes Dorf im Bezirke Unterrheinthal des ſchweiz.
Kantons St. Gallen; Stiderei, Spinnerei; beſuchte
Jahrmärkte; vorzigliher Weinbau m. Zrauben-
furort; 2140 Ew.
Berueck, Karl Guſtav v., pieud. Bernd v.
Guſeck, deutſcher Romanſchriftſteller, geb. 28. Oct.
1803 zu Kirchhain in der Nieder-Lauſitz; beſuchte
das Berliner Cadettenhaus, trat 1820 als Offizier
in die preußifche Eavalerie, ftudirte 1823—26
in der Allgemeinen Kriegsjchule zu Berlin, ward
1839 Lehrer der Geſchichte an der Divifionsichule
in Frankfurt a. D., 1848 Mitglied der Ober-
Milttäreramimnationscommiifion, Lehrer der Ge-
ſchichte der Kriegskunft an der vereinigten Artillerie
u. Ingenieurſchule, fowie der Taktik am Cadetten-
hauje zu Berlin, 1855 Profeffor der Mathematit
in diefer Anftalt; nahm 1862 feinen Abichied u.
ft. 8. Juli 1871 zu Berlin, Mit einer lebhaften,
fruchtbaren Phantafie begabt, ſchnf B. eine lange
Reihe biftorifcher Romane, die alle mit einer
reihen ‚zülle von Handlungen ausgeftattet, von
einem warmen, patriotifschen Gefühl befeelt u. in
fanberem Stil geihrieben find. Dagegen feblt es
oft an genügender Motivirung u. an einer fünfte
leriihen Gruppirung der Begebenheiten, Cine
feiner vollenderften Dichtungen ift der Roman:
Die Hand des Fremden, Yeipz. 1857, weldyer in
lebendigen Farben das Elend fchildert, das Yud-
wig XIV. über Deutihland bradte. Auch die
Romane: Der Raub an Deutſchland, Lpz. 1862,
4 Bde.; Deutihlands Ehre 1813, Lpz. 1863,
3 Bde.; Unter dem Krummftab, Hannov. 1865,
3 Bbe.; König Murats Ende, Lpz. 1866, 3 Bde.,
u. a. nehmen eine hervorragende Stelle unter
den Ericheinungen der neueren deutſchen Roman
256
literatur ein. Neben diefen eigenen Schöpfungen
lieferte B. aud) eine Überfegung von Dantes Götts
licher Komödie, Stuttg. 1840; aud gab er nad
Tromlitz' Tode von 1842—51 das Taſchenbuch
Bielliebhen heraus. Nicht minder vorzüglich als
feine beiletriftifchen Erzeugniffe find die militäri-
ihen Werfe, die er jchrieb, fo: Elemente der
Zaftif, Berl. 1852, 6. A., 1870; Geſchichte der
Kriegstunft, ebd. 1854, 3. A., 1867; Buch der
Schlachten, Lpz. 1856 u. a.
Berner, 5 Friedr. Wilh., Orgelvirtuoſe
u. Componiſt, geb. 16. Mai 1780 zu Breslau;
war Organiſt au der evangel. Hauptlirdhe, dann
an der Eliſabethenkirche u. Univerfitätsmufildirec-
tor; er ft. 9. Mai 1827. B. componirte u. a.
ein Te Deum, Gantaten, den 150. Pſalm, Chöre,
Choräle, Lieder u. ſchr. Grundregeln des Geſanges,
die Lehre der mufilalifchen Jnterpumction u. a.
2) Albert Friedrid, Crimimalift, geb. 30.
Novbr. 1818 zu Strasburg in der Ulermark;
fudirte in Berlin Jurisprudenz u. Philofophie.
Auf feine Dissertatio de divortiis apud Romanos,
1842, folgte die Schrift: Grundfäge der crimina-
liftifchen Imputationslehre, Berl. 1843, welche
den Begriff der Zurehnungsfäbigkeit, die Zuſtände
der Zurehnungsunfäbigfeit, die Lehre von Dolus
u. Culpa philojophiih begründet u, die Stellung
des Gerichtsarztes zum Wichter bei diefer Frage
beleuditet. Im Winter 1844/45 begann er feine
afademifche Yehrtbätigfeit u. lehrt —* 1861 als
ordentlicher Profeſſor Criminalrecht und proceß,
Rechtsphiloſophie, Völkerrecht u. Naturrecht, ſowie
Encyklopädie an der Berliner Hochſchule. Er ſchr.
ferner: Lehre von der Theilnahme am Berbrecen,
Berl. 1847; BWirfungstreis des Strafgeſetzes nad
Zeit, Raum u. Perfonen, ebd. 1853; Lehrbuch
des Deutſchen Strafrechtes, Lpz. 1867, 7.U., 1874,
ins Griechiſche, Ruſſiſche, Polniſche u. Serbiiche
überfett; Grundfäte des Preuß. Strafrechtes, Berl.
1861; Abſchaffung der Todesſtrafe, Dresd. 1861;
De impunitate propter summam necessitatem
roposita, ebd. 1861; Die Strafgefeggebung in
eutſchland von 1751 bis zur Gegenwart, Lpz.
1867 (die ein vollftändiges Bild der Particular-
Geſetzgebung u. der darauf bezügligen Literatur
ibt); Kritif des Entwurfes eines Strafgeiep-
uches für den Norddeutihen Bund, Ypz. 1869,
Berner-Alpen, ſ. u. Berner Oberland.
Berner laufe (Chiusa di Verona), ein
Engpaß auf der Grenze Tirols u. Italiens, öſtl.
vom Garda-See, an der Erich u. unterhalb der
Brennerbahn; durch Forts befeftigt; berühmt durch
die Waffenthat Ottos von Wittelsbah auf dem
Rüdzuge des laiſerlichen Heeres 1154 gegen ben
drohenden Überfall von Seiten der Beronejen.
Berner Oberland, füdl. Theil des ſchweiz.
Kantons Bern, ein Hauptziel der Schmweizreijen-
den; beiteht aus dem Aare-Gebiete von der Quelle
bis nah Thun u. enthält die ſchönſten u. höchſt
ragenden Theile der Berner-Aipen u. deren nördl.
Täler: das Haslie, Grindelmald-, Lauterbrun-
nen⸗, Kander-, Simmen- u. Saane-Thal, fomwie
den Brienzer- u. Thuner-See. Politisch befteht
e8 aus den B. Amtsbezirten Oberhasli, Inter
lafen, Frutigen, Ober: u, Rieder-Simmenthal,
Suanen u. Thun, Es bededt einen Flädhen-
Berner — Berner Oberland.
inhalt von 3026,, [km (53, DM), wovon
67 pCt. der probuctiven Bodenflähe angehören,
während 33 pCt. Wiüftung u. nicht benutztes Ge-
birgsland find. Bon erfteren find nur 11 pCt.
Wald, Die B.-Alpen erftreden fi) als impojante,
ein prachtvolles Panorama bietende Hochgebirgs-
fette vom Gipfel des Titlis im O. bis zum
Oldenhorn im W. 105 km, während ihre be-
deutendfte Breite 30—37,, km mißt. Das Finſter ·
aarhorn bildet mit 4275 m den Culminations-
punft. Es thürmt fid) aus Eismeeren zur felfi-
en Zinne empor, welde dem Beichauer, vom
N. u. W. gefehen, als ſchlanke, ſcharflantige Pyra-
mide erſcheinut. Gegen W. ſendet es über das
Agaſſizhorn 3950 m das Große Vieſcherhorn
4048 m u. über die Grindelwalder Vieſcherhörner
2700 m einen Grat, welder im Mönd) 4104 m
endet. Gegen D. fällt das Finfteraarhorn gegen
das Oberaarhorn 3648 m ab, von dem der ber-
aar⸗Gletſcher abfinkt. Die beiden begleitenden Firn-
felder find ſüdweſtl. das Wallifer Vieſcherhorn u.
nordöftl, derszinfteraar-Gletiher. Ein zweiter, die
Alpenrihtung freuzender Gebirgsgrat ift der der
Schredhörner 4080 m, melde gegen NW mit dem
fleinen Schredhorn 3497 m u. mit dem Metten-
berg 3108 m gegen das Grindelmalder-Thal ab-
fallen. Der obere u. untere Grindelwald⸗Gletſcher
begleiten diefen Uusgang. Gegen SO, lanfen fie
mit den Yauteraarhörnern 4030 m gegen den
Abſchwung aus, welcher den Lanteraar-Gletiher
vom Unteraar-Gfleticher fcheidet. Gegen NO baut
fi) nun eine dritte Gruppe auf, welche im Wet-
terhorn oder der Hasli- Jungfrau 3708 m culmi«
nirt. Zu den Wetterhörnern rechnet man noch das
Mittelborn u. Roſenhorn 3691 m, welches den
Roſenlaui⸗Gletſcher entfendet. Als vorgeihobener
Boften fteht bier das jähe Wellhorn 3196 m.
Gegen S. verläuft ein Grat, der mit dem Emig«
Schneehorn 3331 m, dem Hühnerjtod 3348 m
u. dem Bädiftod 2921 m über das Juchli gegen
die Grimfel abfinft. Aus diefer Gruppe, melde
egen das großartig-prächtige Hasli-Thal abfällt,
And nod zu nennen: das Dofjenhorn 3140 m,
das Hangend-Öletjherhorn 3294 m, welches den
Gauli-Gletſcher zur Seite hat, u. das Ritzlihorn
3282 m. Jenſeits des Hasli-Thals läuft die
Grenze über die Gerftenhörner 3185 m, den
Thierälpliftod 3406 m, die Diedhterhörner 3389 m,
den Galenftot 3598 m bis zu dem Zriftgebiete,
in welchem ſich die Grenzen von Bern, Wallis
u, Uri treffen u. aus deren Erhebung nur noch
die Suftenhörner 3511 m, die vorderen Thier-
berge 3173 u. das Steinhaushorn 3133 m aufe
tagen. Es gehören aber nod, wenngfeid on
* dem Gebiete von Uri liegend, die Abſenkung
gegen die Gotthardſtraße zu den B.Alpen, aus
denen das Gletihhorn 3307 m, der Schneeftod
3556 m u. der Spigliberg od. yledenftod 3418 m
die bedeutendften find. Südweſil. von der Finfter-
aarhorn-Kette breitet fich ein großes Firnfeld aus,
das größte der Schweiz, welches dem bezeichnenden
Namen: Ewig-Schnee- u. Jungfraufirn- Feld führt.
Aus demjelben taucht nordweſtl. die von inter
lafen fo unvergleihlih ſchön fihtbare Jungfrau
empor, 4167 m. Zu ihren Füßen ftehen nördl.
zwei Bafallen, das Silberhorn 3690 m u. das
Berner Oberland,
Schneehorn 3415 m. (Weiteres ſ. u. Jungfrau.)
Nördl. vom Mönd fteigt der Eiger als jcharf-
tantiges, jelbftändiges Individuum auf 3975 m.
Diefe ſämmtlichen Berge des Oberlandes laufen
in ihrer Streihungslinie von SD, gegen NW,,
aljo gerade die allgemeine Richtung der B. Alpen
von SW gegen NO freuzend. Die, welche wir
aus dem Gentralgebiete der Alpen jetst noch nennen,
halten im großen Ganzen eine normale Richtung
ein. Das große Schneefeld entiendet nach dem
Kanton Wallis zunächſt den großen Aletſch · Glet⸗
ſcher, dann aber noch den Lötſchen-Gletſcher u.
nördl. den Schmadribach⸗Gletſcher, welch letzterer
weniger groß als belannt iſt. Auf Walliſer Gebiet
liegen noch folgende, zum Finſteraarhorn-Maſſiv
gehörende Punkte: Das Aletſchhorn (mit 2 Höhen⸗
angaben 4207 m u. 4198 m), alſo jedenfalls der
ren Punkt diefer Gruppe, das Große
ietſchſorn 3953 m, das Nefthorn 3820 m u.
m. a. (j. u. Wallis). In dem Rücken, welder
von der Jungfrau fitdweftl. ausläuft u. dem Be—
fuher von Mürren ins Auge fällt, mögen ge-
nannt fein: das Gletiherhorn über dem Roth
Thal 3982 m, das Mittagborn 3887 m, das
Großhorn 8763 m, das Breithorn 3774 m u.
das ebenfall8 aus einer Gletſchermaſſe aufjtei-
> Tſchingelhorn 3580 m, von welchem der
Tſchingel- oder Kander-Gletjcher ſüdweſtl. u. der
Breithorn » Gleticher nördlich herniederfommen.
Nordweſtl. liegt eine zu den B.-Alpen gehörende,
aber ganz ijolirte Gruppe, die Blümlis-Alp oder
Frau 3670 m, welcher das Gipaltenhorn 3432 m,
die Büttlaffen 3189 ın, die Wilde-Frau 3262 m,
das Freunden-,, 3368 ın u. das Doldenhorn
3647 m aus dem Syirngebiete diefer Gruppe an-
gehören, von welcher danı eine Menge beveuteu-
der Bergftöde, wie z. B. das Schilthorn 2965 m,
der Wild-Andrift 2928 m, die Wittme 2868 m
u. a. auslaufen. Hier führt ein Paß über das
Gebirg von Bern nad Wallis, der Lötichenpaf
2681 m welcher zugleih die Grenze für die
txyſtalliniſchen Gefteine bildet. Alles ſüdweſtl. von
bier Liegende gehört den Kalfen an. Die haupt-
fählichften Punkte find die Altel$ 3634 m, das
Balmhorn 3688 m u. das Ninderhorn 3466 m.
Diefe Gruppe wird durch den ſchauerlichen Paß
der Gemmi getrennt von ber nächſten Gletſcher—
erhebung, dem Wild-Strubel, deſſen großes Firn—
gebiet zu eimer Höhe von 3266 m emporjteigt
u. welcher das Lämmernhorn 3115 m, das Weit:
horn 3012 ın u. das Steghorn 3149 m entfteigt.
Abermals benütt hier der Verkehr die tiejfte Ein—
jattelung zwifchen Bern u. Wallis, um den Rawil—
paß, Paßhöhe 2421m, auf Berner Seite chauſſirt,
auf Wallifer Seite vernadläffigt, zu bahnen; es
tommt noch einmal eine getrennte Gletſchergruppe,
die des Wildhorns 3268 m, welcher außerdem
noch das Arbeihorn 3042 m, das Schneidehorn
2942 m u. das Rawilhorn 2908 ın entfleigen.
Hier geht ebeufall® wieder ein nur für Saums
tbiere benutzter Paß, der Sanetſch, herüber, Pap-
höhe 2246 m. Die letzte Erhebungsmafle der
B. Alpen find endlich die Diablerets mit dem
257
das Sanetihhorn 2950 m u. der an Teufelsjagen
reihe Tour de St. Martin 2918 m. Vor diejer
Hauptkette des Finfteraarhorn-Eentrafmaffivs lie
gen nun die außer der Schneeregion, welche
man nicht anders als nach den hydrographiſchen
Berhältniffen eintheilen ann. Zunächit, zwiſchen
Brienzer-See, Aare-Thal u. Lütſchinen⸗Thal ift es
das Schwarzhorn-Mafliv 2930 m, dem noch die
Wildgerft 2892 m u. das Faulhorn 2683 m ger
bören; weftl, grenzt daran die Tretteuhorn-Gruppe
2806 m, zu welcher wiederum die Lobhörner
2523 m u. die Suled 2412 m gehören; dann
die Niefenkette mit dem Niefen 2366 m, Männli«
lub 2660 m u. Gſür 2693 m u. eine Partie
anderer Erhebungen bis zu 2400 m, welche den
weftlichiten Theil des B. O⸗es bilden. Nördl.
von Brienzer-See u. dem Aare-Thal liegen auf
der Grenze der befannte Zitlis 3239 m, die
Gadmer Flüchen, das Brienzer Rothhorn, Tanıı-
born, Widderfed, Schrattenfluh, Bäuchlen, Napf
auf der einen u. Stodhorn 2193 m, Ganterifd)
2177 m zc, auf der anderen Seite, welde all-
mählih gegen das Mittelland auslaufen. An
Seen hat das B. D. den jchönen Brienzer- und
den Thuner-See, ſowie den Heinen Ofchinen- u.
den Grimjel-See u. a. Wafferfälle: Der impo—
jante Aarefall an der Handed, die mächtigen Rei—
chenbachfälle bei Meiringen, der aus neun Waffer«
fal-Stufen beftehende Gießbach, gegenüber von
Brienz, der Staubbad u. der Schmadribad im
Lauterbrunnen-Thal nächſt vielen anderen min«
der bedeutenden. Als Kunftitraße im B. Dre ift
lediglich der Brinig (von Luzern an den Brienzer-
See 1024 m) eingerichtet. Durdy das Ober-Hasli
über die Grimjel 2165 m joll eine Straße gebaut
werden, welche ji an die Straße über die Furka
2436 m, den höchſten fahrbaren Paß im der
Schweiz, auſchließt. Die Bevölterung des
B. O⸗es, 1870 94,676 Seelen, iſt der ſchönſte
Menſchenſchlag der Schweiz; aufgewedt, Hug, be-
vechnend, oft etwas zudringlih u. hinter einer ge-
wiſſen Gutmüthigleit Verſchlagenheit verbergend.
Der fortwährende Fremdendurchzug hat vielfach
ungünftig auf den GCharafter u. die Moralität der
Bevölferung eingewirkt. Der B. Oberländer ift
ein Freund gummaftiicher Spiele, wobei er Kraft
u. Gewandtheit entwidelt. Das Haus im B. Ore
iſt das heimiſchſte, ftiliftiich Durchgebildetite der Holz⸗
Architektur; fein Dad iſt mit Steinen belajter,
um die großen Schindeln vor der Gewalt des
Sturmes zu bewahren. Käſe-Fabrilation ift der
Haupt» Erwerbözweig nächſt der Viehzucht
(jog. braune Brienzer-Hace). Der Grumdbefig ift
jehr verſchuldet. Im weftl. Oberlande herrſcht
die rothe oder falbjchedige, gemeinhin Fledvieh
genannte Frutig-Sinimenthal-Saanen-Race. Zu
einem großen Theil des B. Dres blüht Holz.
Induſtrie, welche fi von den Parquetböden und
ganzen Chälet3 an durd alle Zweige der Kunſt—
ſchnitzerei bis zu den Schwefelhölzchen herab aus«
gebildet hat. Die großartigen Waſſerkräfte und
deren hydrauliſche Wirkung beuutzt das B. O. jo
gut wie gar nicht. Der ſommerliche Fremden—
Oldenhorn 3124 m u. einer noch unbenaunten verkehr knüpft ſich hauptſächlich an Interlaken,
Spitze 3251 m über dem Paß de Cheville; Punkte Meiringen, Grindelwald und Thun und ſoll dem
der Öruppe find: Les Sexes rouges 2982 m,’
UI. Band.
Pierers Univerial-Eenrerfatio8-Lerifon. 6. Aufl.
Yande fünf Mill. Fes. jährlih einbringen.
17
Val.
258 Berneskiſcher Stil — Bernhard.
Wyß, Reife ins Oberland, 2 Bde., 1817; Ober,
Interlafen u. feine Umgebungen, Bern 1858; ©,
Studer, Uber Eis u. Schnee, I. Abth., Bern 1869;
Berlepih, Schweizerfunde, 2. Aufl.
— Stil (Berneſtiſche Poeſie), |. u.
erni.
Bernhard (althochdeutſch Perinhart, mittel»
deutſch Bernhart, d. i. hart wie ein Mann,
mannfeſt). I. Fürſten. A) König von Ita—
lien: 1) B., matürliher Sohn Pipins, Enkel
Karls d. Gr.; noch bei deſſen Lebzeiten erft zum
Herzog von Bayern, dann 812 zum König von
Italien geſetzt, erhob er fich 817 wegen der Theilung
des Reiches zum Aufftande, wurde aber gefangen
u, geblendet; er ft. 818. B) Andere Fürften,
a) Bon Anbalt: 2) B. von Asfanien, Graf
von Anhalt, Sohn Albrechts des Bären, geb. um
1140; erhielt, als fein Bater das Land unter feine
Söhne theilte, Ajchersieben u. Plößlau u. 1180,
nad der Theilung der Yande Heinrichs des Löwen,
einen Theil von Sadien, nannte fi Herzog
von Sachſen n. baute Wittenberg; er fl. 1212 zu
Bernburg; f. Anhalt (Geichichte). b) Graf von
tippe: 3) B. II., Berbündeter Heinrichs des
Yöwen, nad deſſen Sturze er 1181 im Haldensieben
uach tapferer Vertheidigung capttuliven mußte.
Obgleich feit 1190 gelähmt, zog er doch nit gegen
die heidnifchen Liven u. trat einem Gelübde zu—
folge ins Klofter zu Marienfelden; dann zog er
mit Bifchof Albert wieder nad) Livland, ward dort
Abt u, fpäter Bischof. In feinem Miffionswerte
durd innere u. Äußere Feinde gehindert, ging eı
wieder nad Deutſchland, um Krenzfabrer nach Yiv-
land zu rufen, u. darauf fehrte er dahin zuriid;
er jt. 1224. Während feiner Herrichaft in Lippe
gründete er Lippſtadt u. Lemgo. Bgl. Scheffer-
oihorſt, B, zur Lippe, Detm. 1872. c) Herzöge
von Sachſen. aa) Herzog von Sadjen-
Weimar: 4) B., geb. 6. Aug. 1604, jüngfter
(effter) Sohn des Herzogs Johann III. von Weis
mar; folgte diefem 1605 in Gemeinvegierung mit
jeinen noch lebenden 7 Brüdern, diente anfangs
ſeit 1620 unter Mansfeld, bis zur Schlacht bei
Wimpfen (1622) unter dem Markgrafen Georg
Friedrich von Baden, dann unter Chriſtiau von
Braunſchweig, trat nach dem Gefechte bei Stadt-
Iohn (1623) im holländische, 1625 in däniſche
Dienfte, wo er mehrere glüdliche Gefechte gegen
MWallenfteins General Schhd beſtand. Mit feinem
Bruder Fohann Ernſt begleitete er 1626 den
Grafen DMansfeld auf feinen Zuge zu Bethlen
Gabor u. blieb dann 1628 in däniſchen Dieniten,
wo Walfenftein ihn mit dem Kaifer ausföhnte,
Darauf durchreifte er Frankreich, Holland u. Eng-
land, wohnte 1629 der Belagerung von Herzogen:
bush durch die Holländer bei u. lebte fpäter in
Weimar. As Guſtav Adolf in Deutichland er-
Ihien, ging er fogleich zu ihm, ward nad) dem
Gefechte bei Werben (28. Juli 1631) ſchwediſcher
Generalmajor, erhielt 3 Reiterregimenter u. ver-
trieb Die Kaiferlihen aus Heffen. Gr begleitete
nah der Schladt von Yeipzig den König von
Schweden nah Franken, an den Rhein u. nad
Bayern, führte ein befonderes Corps an den Main
u. übernahm nah Guſtav Adolfs Tode bei Lützen
(6. Nov. 1632), wo er erft den linken Flügel com»
manbdirt hatte, den Oberbefehl u. gewann die
Schlacht; 1633 befehligte er die Hälfte des Heeres
in Deutichland, beſetzte Bamberg, nahm Hochſtädt
nit Sturm u. erhielt 12. Juni 1633 von Oren-
jtierna die Hodhftifte Bamberg u. Würzburg unter
dem Titel eines Herzogtbums Franken als ſchwe⸗
diſches Lehn. Er beichwichtigte dann die Unruhen
im ſchwediſchen Heere im Yager von Donauwörth
durch Geld u. Anmweifungen von Yäudereien an die
Offiziere. Darauf eroberte er Regensburg und
unterbandelte von bier aus mit Wallenftein. Am
27. Aug. verlor er gegen Gallas die Schlacht bei
Nördlingen u. in deren Folge auch fein Herzog»
tbum Franken, Bon den erihöpften Schweden
und dem Heilbronner Bunde ohne Lnterftü
gelafien, 309 fih B. an den Rhein und jchlo
17. October 1635 mit den Franzoſen einen Ber-
trag zu St.» Germain-en-Laye, worin er ver»
ſprach, 18,000 Mann für Frankreich gegen 4
Millionen Livres zu unterhalten. Durch geheime
Artifel wurde ihm der Befis von Eljaß zugefichert.
1636 u. 1637 focht er in Eljaß, Lothringen, Bur-
gund und dem Breisgau, ſchlug 1638 bie Feinde
unter Johann v. Werth 21. Febr. bei Rhein—
felden, 30. Juli bei Wittenweiber und 4, Okt.
bei Thann und eroberte 7. December Breiſach.
Er Tieß fih num als Herrn des Landes, unab-
bängig von Frankreich, huldigen und eine Münze
mit den Wappen Weimars u. Breiſachs jchlagen.
Bergeblich fuchte ihn der darüber betroffene Richelien
nad) Paris zu loden, um Frankreich in Befig des
von B. eroberten Landes zu bringen, B. war
vielmehr darauf bedacht, die errungene Macht flir
feine eigene Perfon zu behaupten, u. ging damit
um, biefelbe dur Bermählung mit ber verwittweten
Fandgräfin Amalie von Heffen noch mehr zu be—
feftigen, als er plötlic) 8. Juli 1639 zu Neuburg
am Rhein, nad der Behauptung Einiger an Gift,
nad Anderen von der Lagerſeuche ergriffen, ftarb ;
jeine Leiche wurde 1655 von Breifah nah Weis
mar übergeführt. Mehr f. Dreißigjähriger Krieg.
Sein letter Wille, dag Elfaß an feinen Bruder
fomme un. bei dem Deutschen Neiche verbleibe, wurde
nicht erfüllt, fondern Nichelien nahm daffelbe für
Frankreich in Beſitz. Bgl. Yebensbejchreibung von
Höfe, Weim. 1829 f., 2 Bde. Zum Helden einer
Tragödie wurde er durch Rud. Gottichall, Lpz. 1871.
bb) Herzöge von Gadjen - Meiningen:
5) B., 3 Sohn des Herzogs Ernſt von Gotha,
geb. 1649; erhielt 1680 Meiningen zum Antheil,
war ber Kirche ſehr ergeben, ebenfo Alchemiſt und
veund des Ditlitärwejens; er ft. 27. April 1706,
) B. Erid Freund, Sohn des Herzogs Georg
u, der Luife, geb. Prinzeifin von Hobenlohe-
Yangenburg, geb. 17. Dec. 1800; folgte feinem
Bater 1803 unter Vormundichaft feiner Mutter,
ftudirte in Jena u. Heidelberg, bereifte die Nieder-
lande, Schweiz, Stalien u. England u. übernahm
1821 die Regierung felbit, trat nach den Theil«
ungsvertrage vom 12. Nov, 1826 in den Befit
von Hildburghaufen, Saalfeld, Kranichfeld u. Kam—
burg, gab 1829 feinem Lande eine neue Berfaflung,
verhütete 1848 durch fein Entgegenlommen revo«
lutionäre Auftritte, ftand 1866 auf Geite Dfter-
reichs u. legte infolge der Siege Preußens 20. Sept.
die Negierung in die Hände jeines Sohnes Georg
‚ i
x
nieder. Er it feit 1825 vermählt mit Prinzeffin
Marie von Heſſen⸗Kaſſel.
1. Brinzen: 7) B. Karl, 2. Sohn des
Großherzogs Karl Aug. v. Weimar; geb. 30. Mai
1792; trat früh in preußische Kriegsdienſte u. ftand
während der Schlacht von Jena beim Corps des
Fürften Hohenlohe. Er trat dann im fächfifche
Dienfte, wurde 1807 Hauptmann bei der ſächſiſchen
Garde, machte 1809 als Major den fFeldzug gegen
fterreich unter Bernadotte mit, nahm aber, um
nicht gegen Rußland zu fämpfen, einen längeren
Urlaub, den er zu Reifen in Frankreich u. Italien
benngte. Erſt nad dem Yutritte Sachſens zur
Eoalition (Ende 1813) trat er zw feinem Negiment
zurüd u. focht 1814 ald Oberſt in Belgien und
— 1815 trat er als Oberſt in holländiſche
ienfte, fämpfte bei Waterloo als Brigadechef,
wurde 1816 Generalmajor u. führte feit 1819 das
Gouvernement von OFlandern. 1826 unternahm
er eine Reife nach NAmerila, deren Bejchreibung
Luden, Weim. 1832, 2 Bde., herausgab; ins Eng-
liſche zu Philadelphia u. ins Holländische zu Dort-
recht überjegt. Bei der Inſurrection Belgiens
(1830) warb feine Wohnung geplündert u. er ge-
zwungen, ſich nad Antwerpen zurüdzuziehen; er
befebligte 1831, kurz vorher zum Generalfieutenant
befördert, beim Angriffe der Holländer auf die
Belgier eine Divifion, führte eine Zeit lang das
Commando in Luremburg u. war von Ende 1848
bis 1854 nmiederländiicher General der Infanterie
u, Oberbefehlshaber der Eolonial-Arımee im Nie-
derländiichen Indien. Er war jeit 4. April 1852
Wittwer von Prinzeifin Jda v. Sadjen-Dleiningen
u. fi. 31. Juli 1862 ın Bad Liebenftein. Er
ihr.: Précis de la campagne de Java en 1811,
von 1834,
11I. Heilige: 8) St. 8. v. Menthon, geb.
923 im Schloffe Menthon im Genfer Gebiete,
Archidiaconus in Aoſta; gründete oder reftaurirte
962 das Klofter auf dem Großen Bernharbsberge
für Auguftiner Ehorberren u. ward deren Prior;
er ft. in Novara 1008; Tag: 15. Juni. (9) ©t.
3. von Elairvaur, geb. 1091 zu Fontaine in
Burgund, aus einem edeln Geſchlechte; ging mit
30 anderen, durch feine Beredtjamfeit u. fein Bei-
fpiel Hingerifjenen edlen Sünglingen 1118 in das
Klofter Citeaux u. wurde 1115 Gründer u. erfter
Abt der Giftercienfer zu Clairvaur bei Fangres.
Er war Reformator der Klofterzucht, Rathgeber
ber Fürften u. Hauptiprecher in den Sirchenver-
fanmfungen; in dem Streite der 2 Gegenpäpfte
Sunocenz II. u. Anafletus IL. von 1130—38 war
er mit Erfolg für den Erfteren thätig; auch brachte
er 1146 durd feine hinreißenden Predigten den
zweiten, übrigens unglüdlichen Kreuzzug zu Stande.
Sehr beredt u. ſtreug orthodor, kämpfte er fieg-
reich gegen Abälard, Urnold von Brescia, gegen
die Katharer, Gilbert de la Porree; er ft. 20. Aug.
1153 u. ward von Alerander III. 1174 fanonifirt;
Tag: 20. Aug. Der von ihm reformirte u. aus-
gebildete Orden heißt der Ciftercienjerorden, doc)
nennen fich mehrere geiftlihe Körperſchaften nad
ihm Bernhardiner u. Bernhardinerinnen. Seine
Schriften, im Geifte der edleren Myſtik geichrieben,
beftehen in Homilien, Briefen, Hymnen (3. B. das
berühmte Salve caput cruentatum, weldes P.
Bernhard.
259
Gerhards Liede: O Haupt voll Blut u. Wunden,
zu Grunde liegt; Jesu dulcis memoria, deutich
von Moller, 1584; Commentar zum Hohen Liebe ;
Vita St. Malachiae, tract. de gratia et libero
arbitrio, befte Ausgabe von Mabillon, Par. 1667,
1690, 2 Bbe., 1718, 2 Bde., 1839 f.; die Schrift:
De consideratione libr. V, deutſch von Reintens,
Münft. 1870. Bgl. U. Neander, Der heilige B.,
Berl. 1813, 2. A., Hamb. 1848; %. Morijon,
The Life and Times of St. Bernhard, Lond. 1864.
IV. Berihiedene. 10) B., Mönd in Prüm,
1008 Abt von Reichenau; ftudirte den Kirchenge-
fang auf feiner Reife nah Rom (1014) u. ver-
beflerte die kirchlihe Mufit in Deutihland; ftarb
1048; er jr. u. a.: De officio missae, Par,
1518, Ben. 1572. Die Schriften: De varia
psalmorum atque cantuum modulatione, Prolo-
gus in tonarium, Tonzrius, De consono tonorum
diversitate find von Abt Gerbert in der Samıns
fung der Seriptores eceles. de musica herausgeg.
11) B., Arhidiaconus von Gompoftella; verans
ftaltete eine Sammlung der Decrete Innocenz' III.,
die Compilatio Romana, fpäter wegen einiger der
Curie unbequemen Stüde unterdrüdt. Ein anderer
B. von Compoftella, genannt de Montemirato,
commentirte die Decretalfen Innocenz' VI. und
Gregors IX.; j. Corpus juris canonici. 12) B.
von Pavia (B. Eirca, B. Ballus), erft Propft,
dann Bischof von Pavia; er hr. um 1190: Bre-
viarium extravagantium, eine Sammlung von
Kanones, in weldyer jowol die nad) Öratianus er-
ichienenen neueren Kirchengejege, als aud die von
Gratianus nicht aufgenommenen Älteren zufanmen-
geftellt find; herausgegeben Yerida 1576, Fol. Par.
1609, Fol. 18) B. von Parma (Bernardus de
Botono), geb. zu Anfang des 13. Jahrh. in
Parma; ſiudirte in Bologna die Rechte, wo er
auch Profeffor war; nachdem er hierauf Curial«
beamter in Rom geweſen war, fehrte er auf jeinen
Fehrftuhl in Bologna zurüd u. fl. 1266. Er ift
der Sammler der Glossa ordinaria; f. u. Gloffe.
14) 8. (Bernardus Guidonis), geb. 1260 in
Limoges; ft. 1331 als General des Dominicaner-
ordens u. Biſchof von Lodove; er ſchr. die Lebens-
beichreibungen der Päpfte von Cöleftin IV. bis
Johann XXII. (bei Muvatori Theil 3 abgedrudt);
das Leben einiger Heiligen; Chronicon comitum
Tolosanorum, Zolola 1623; Speculum sanctorale;
Ueber die Wunder des Thomas von Aquino zc.
15) B. Claude, der arme Priefter genannt, geb.
1588 zu Dijon; ftudirte zuerſt Die Rechte; durch
eine Viſion befehrt, trat er in dem geiftl. Stand
u. widmete fi) ganz der Armen- u, Kranfenpflege
in Paris; er fl. 1641.
V. Dieter u. Schriftfteller: 16) ®. von
Bentadorn, der herporragendfte Minnefänger der
Provence; lebte etwa von 1130—95. Er war ber
Sohn fehr armer Eltern u. wurde von Eble IL,
Bicegrafen von Bentadorn, erzogen. Er jang um
1150—60 an den Höfen des Vicegrafen Eble IIT.
von Bentadorn u. der berüchtigten Herzogin Eleonore
von Poitou, fpäter Königin von England. Bon
ihm find etwa 50 Gedichte erhalten, welche fid,
durch Naivetät des Ausdrudes u. Wahrheit der
Empfindung auszeichnen u. öfters an Bolfslieder
unferer Tage erinnern, 3. B.: Gort dilrft' ich 'ne
j 17*
260 Bernhard, Großer
St. — Bernhardi.
Schwalbe fein, Durd die Lilite ſchweben, Wollt' jtorben, aber nicht weniger treue u. intelligente
mich in ihr Kämmerlein Mitternacht begeben. | Neufundländer verjeben den Dienft), von denen
Dal. 9. Biihoff, Biographie B-S, Berl. 1873.
Eine Ausgabe jeiner Gedichte mit deutſcher Uberr
ſetzung beiorgt Prof. E. Stengel in Marburg.
17) Karı B., Bieudonym für Saint-Aubin (j. d).
18) 8., Graf von Trevis, daher Trevifanus,
befaunter Alchemiſt, geb. 1406 zu Padua, geit.
1490. Int den Stein der Werfen zu finden, opferte
er deu größten Theil feines Yebens u. Vermögens,
bereiſte Europa, Agupten, Baläftina, Perfien, wurde
eingeitandenermaßen vielfach betrogen, glaubte aber
aunehmen zu Dürfen, daß jener Stew mit Hilfe
des Quecſilbers u. Goldes berzuftellen ſei. Die
jefteren Blutbeftaudtbeile brachte er mit der Er-
nährung der feften Gemebstheile, die flüjfigen mit
den Mbjonderungen in Beziehung. Er veröffent-
lichte: De chymia, Straßb. 1567, Bajel 1583,
Frtf. 1625, Geitmar 1647; De chymico mira-
eulo, quod lapidem philosophorum appellant,
Bajel 1583, 1620, auch franzöfifch mit Hinzufügung
anderer, ähnlicher Schriften, in Antwerpen 1567,
Straßb. 1574 u. 1586, Nürnb, 1643 x. aufge:
legt; Responsio ad Thomam de Bononia de mi-
neralibus et elixiris ete., Bafel 1610, aud in
franz. Überfegung; Traite de la nature de l’@uf
des philosophes, Par. 1559 zc, Es find ihm
mancherlei Werte fälſchlich untergefchoben.
7) Weinarbus.* 9) 11) 12) 14) Löffler.*
Bernhard, Großer St., 1) Berg, Paß und
Klofter, zwiſchen dem Wallifer Bal d'Entremont
(Schweiz) u. dem ſavoyiſchen Bal St. Bernard,
das nad Nofta führt, 2472 m had, in ummittel:
barer Nähe des Mont-Belan 3792 m, der Pointe
de Dronaz 2953 m und der Chenalette 2876 m.
Der Weg von Martiguy nad Yofta, 85 km lang,
ti bis zur Gantine de Proz hauffirt, dann über
die Höhe bis nah St. Remy Saumweg u. von
da bis Aoſta wieder dauffirt. Pandjchaftliche
Schönheiten bietet dieſer Paß wenig; im ſchnee—
reihen Wintern ift er faſt ungangbar, im Früh
jahre, weil ohne genügende Sicherheit gegen Yawinen,
gefährlich. Die 6 km diefjeits unter der Paßhöhe
gelegene Steinhütte, in weldyer die todt gefundenen
vanderer früher ausgeftellt wurden (oft Jahre
lang), fo daß die Körper in der jcharjen Luft ganz
eintrodneten, ift jest bloß ein Beinhaus. Yuj
diefer Höhe wurde zu Römerzeiten der Jupiter
Penninus verehrt; Münzen u. Anticaglien wurden
hier aufgefunden; wahrſcheinlich benugte ihn Cäſar
zuerft, danı Gäcinna, u. Eonftantinus verjah ihn
mit Meilenjteinen. Später überjgritten ihn Karl
d. Gr. (773) u. Friedrich Barbarofja (1166) bei
ihren Nömerzügen. Wahrſcheinlich gründete oder
rejtaurirte Bernhard von Wenthon (962) das
Auguftiner-Chorberren-Klofter, von weichem jebod)
Urkunden u. Schriftliche Beweismittel bei Feuers—
brünften zu Grunde gingen. Die jetzt daftehenden
Gebäude ſtammen aus dem 16. Jahrh. Bedeutend
erweitert wurde das Gtift 1822. Es ift mit 10
bis 15 Chorherren u. einer Anzahl dienender
Brüder bejegı, welche die Aufgabe haben, durch—
pafficende Reiſende unentaeltlih aufzıgichmen und
zu verpflegen u. bei ſchlechtem Wetter Verirrten
der im Berner Mufeum ansgejtopft aufbewahrte
Barıy einer Anzahl Menſchen das Leben gerettet
bat. Die Patres haben auf 15 Jahre Gelübde
gethan, balten diejelben jedoch oft nicht aus.
Eine Filiale befteht auf dem Simplon» Paß,
welche gleiche Berpflichtungen hat. Krank wer-
dende Öeiftice beziehen Bfründen auf Thal-
pfarreien. Im Kloſier berricht das freiefte Yeben
u. die fröhlichite Ausnugung der wenigen Monate,
in denen Fremde bier logiren. Die Patres jpre-
hen franzöfiih. Mehr als 10 ganz belle Tage
foll man im Fahre faum zählen. Bom 15. bis
21. Mai 1800 führte der Conſul Bonaparte feine
30,000 Maun ſtarke Armee diejen Weg nad) Italien.
Später ließ er dem in der Schladt von Marengo
gebliebenen General Defair ein Denfmal in der
Kirche jegen. 1829 fand die Sitzung der ſchweizer
Naturforscher bier ftatt. Obihon während des
Jahres 1847 die Mönche auf jonderbiündleriicher
Seite gefianden u. diefe Erhebung pecuniär be»
dentend unterftütt hatten, ließ man das Klofter,
auf Fürſprache der Kegierungen von Frankreich,
Sardinien u, des Nirchenftaates, fortbeftehen, legte
ihm aber eine Contribution von 80,000 alten
Schweizer-Fts. auf. 2) Kleiner St. Bernhard,
Paß u. Gebirgseinfenfung zwifchen dem Mont-
Valaifan u. dem Mont-Belleface, 2192 m bod;
verbindet Courmayeur im Thal der Dora-Baltea
(Ztalien) mit Bourg⸗ Maurice im Iſere ⸗Thal (Frank⸗
reich) u. gehört zu den im Winter gangbarften
Bergpäflen. Man nimmt an, daß Hannibal über
diefen Paß gegangen ſei.
Bernhardl, 1) Auguft Ferdinand, Sprad-
forfcher u. Schriftfteller, geb. 24. Juni 1769 in
Berlin; wurde 1791 Lehrer am Friedrichs - Wer-
derichen Gymnaſium daſelbſt, 1808 Director des-
jelben u. Conſiſtorialrath; er ft. 1. Juni 1820.
Er ſchr.: Lateinische Grammatik für Schulen,
Berl, 1795; Gried. Grammatik, daf. 1797; Sprad-
lehre, ebd. 1801—3, 2 Bde.; Anfangsgriude der
Spracdwifienichaft, ebd. 1805; Anfichten über die
Organisation der gelehrten Schulen, Jena 1818.
Mit feinem Schwager L. Tied gab er heraus:
Bambocciaden, 3 Bde,, Berl. 1797 f.; Reliquien,
Erzählungen u. Dichtungen von ihm u. jeiner
Gattin Sophie, geb. Tied, berausgegeben von
ihrem Sohne Wilhelm B., Altenb. 1847, 3 Bde,
2) Joh. Jakob, Naturforfcher, geb. 1774 in
Erfurt; war jeit 1805 Brofefjor der Philoſophie
u. 1819 Mitglied der Sanitätscommiffton daſelbſt;
ft. 13. Mai 1850. Er ſchr. nach einem eigenen
Spftem, in welchem er die Pflanzen nach der Zahl
der Staubbeutel in 12 Klaffen theilte, ein Ber
zeihnig dev Pflanzen ın der Gegend um Erfurt,
1800; Handbuch der Botanik, ebd. 1805; Beob-
achtungen über Pflanzengefäße, ebd. 1805; Beur-
theilung des gejunden u. franfen AZuftandes or-
ganifirter Körper, ebd. 1805; Handbuch der Con-
tagienlehre, 1815. 3) Karl Siegmund, geb.
5. Oct. 1799 zu Ottrau in Kurheſſen; ftudirte
1816—19 Theologie u, Philologie in Marburg,
ward 1826 Univerfitätsbibliothefar in Löwen, 1836
Leizuftehen; fie bediexen fich dabei der berühmtenjerfter Bibliothefar an der Yandesbibliothet im
Bernhardiner ⸗Hunde (tie echte Race ift aufge
‚Kaffel, half dafeibft 1831 den Berfafjungsireund
Dernhardin — Bernina.
fegründen u. wirkte für Entwidelung eines con-
ftitutionellen Lebens in Kurheſſen, erbielt aber nie
den Urlaub zum Eintritt in die Ständeverſamm—
fung. 1848 wurde er Mitglied der Frankfurter
Rationalverfammlung, wo er zu der Gagernichen
Bartei gehörte u. vor der Überfiedelung des Par-
lament3 nah Stuttgart austrat. Er ſchr.: De
exceidio regni iudaiei, Löw. 1824 (Breisichrift);
überjette de Gerandos Fortfchritte des Gewerb—
fleißes in Beziehung auf die Sittlichfeit des Ar-
beiterftandes, 1842; gab heraus Karl Schomburgs
Nachlaß u. Briefwechſel, 1843; Spradfarte von
Deutidjland, 1844, 2. A., 1849; Der Kirchen-
freund, eine Wochenichrift, 1845 f., 2 Bde. ; Flug⸗
blätter aus der Deutihen Nationalveriammlung,
1848; Wegweiſer durch die deutihen Volls- und
Jugendſchriften, Lpz. 1852—55;5 Die Evangel.
Kirhe u. ihre Mitglieder, Kaffel 1862; Die
Spradgrenze zwifhen Deutſchland u, Frankreich,
ebd. 1871; Deutjchland u. Rom, ebd. 1862.
4) Theodor von, deuticher Diplomat u. Hi-
ftorifer, geb. 6. Nov. 1802 zu Berlin; lebte in
privater Stellung lange auf Reiſen in verichiede-
nen Ländern Europas, wurde 1866 preuß. Lega—
tiongrath u. wirkte als folder in Ftalien, Spanien
u. Portugal bis 1871, wo er ſich zur Ruhe fette.
Schrieb u. a.: Denfwilrtigfeiten aus dem Yeben
des ruſſ. Generals K. Fr. v. Zoll, Lpz., 2 4,
1865—66, 4 Bde.; Gejchichte Rußlands u. der
europ. Politik in den Jahren 1814—31,293.1863 ff.
Bernharbin (ital. Bernardino), 1) ein alter
Bergpaß, welcher aus dem Rheimwald-Thal in das
Miforer» Thal des ſchweizer. Kant. Graubünden
führt u. deffen Übergangshöhe 2139 m hoch ift.
Er wurde 1818—23 vom tefi. Staatsrathe Poco-
belli mit einem Koftenaufwande von 14 Mill.
Fes., welchen zum Theil die fardinifche Negierung
trug, gebaut, ift vom Dorfe Splügen bis nad
Bellinzona 56 km lang uw. bat nabe der Paß—
höhe den Motfola-See, aus welchem die gegen ©.
fließende Moeſa entipringt. 2) Dorf u. Poſtſta—
sion ebenda.; ftarter Stahlfäuerling (8,,° C.);
— von Italienern beſucht.
ernhardin, St. B. von Siena, geb.
1380 in Maffa-Carrara, aus dem Geſchlechte Al:
bigeshi; war feit 1404 Franciscaner u. jtrenger
Prediger gegen die Sittenverderbniß der damalir
gen Zeit, wurde 1438 Generalvicar der Francis—
caner u. ftiftete die Fratres de observantia,
welche ſchnell in Ftalien fih in 500 Klöftern aus-
breiteten. Er fl. 1444 in Aquila in Abruzzo u.
ward 1450 fanonifirt; Tag: 20. Mai. Werte meift
moftiihen Inhaltes, Vened. 1591, 4 Bde, u. ö.
zuletzt Beu., 1745, 5 Bde., Fol.
Bernhardbineru. Bernhardinerinnen, |. Ci-
ftercienfer u. Ciftercienferinnen.
Bernhardöfraut (Carbobenedictenfraut, Cni-
cus benedietus Gaerin.), |. u. Cnicus.
Bernhardäfrebs (Pagurus Bernhardus) ift
eine Art der Fam. der Einfiedlerfrebje (f. d.); er
lebt in der Nordiee.
Bernhardy, Gottfried, gelehrter Philolog,
geb. 20. März 1800 in Landsberg in der Neu—
mark; ftudirte in Berlin, habilitirte ſich 1823 da—
ſelbſt, wurde 1825 außerordentl,, 1829 ordeuil,
Profeffor der alten Literatur u. 1844 Oberbiblio-
261
tbefar in Halle, wo er 14. Mai 1875 ſtarb. Er
gab heraus: Kratosthenica, Berl. 1822; Dionyſios
»Berieg., Lpz. 1828; Suidas, Halle 1834—47,
Braunſchweig 1851 ff.; Wiſſenſchafil. Spntar der
griech. Sprade, Berl. 1829; Grundriß der von,
Yiteratur, Halle 1830, 4. A., Braunjchw. 1864,
5. A., dal. 1869; Grumdlinien zur Encpflopädie
der Philologie, Halle 1832; Grundriß der griech.
Viteratur, Halle 1836—45, 2 Bde, 2. Bearbeit-
ung, daf. 1852—59, 3. Bearb. 1861 fi.; Pa:a-
lipomena syntaxis graecae, Commentationes
academicae; Halle 1862; 5. A. Wolf, Heine
Schriften in lateinifcher u. deutſcher Sprade,
Halle 1869; redigirte eine Bibliotheca scriptorum
latinorum, die 1838 zu Halle im Verlage des
Waifenhaufes unternommen, aber micht zu Ende
geführt wurde, Brauibach.
Berni, 1) (Berna, Bernia) Francesco,
ital. Dichter, geb. um 1490 in Lamporecchio;
war erſt Secretär des Biſchofs Giberti von Be—
rona, verließ dieſe Stelle u. wurde in Nom Mit—
glied der Vignajuoli (einer beiteren Afademie) ır.
jeit 1533 Canonicus in Florenz; er ft. 26. Juli
1536. DB. dichtete vorzüglih Capitoli u. So-
netti, in burlest - fatirifchem Stil (Versi Berne-
schi, Stile Bernesco, Berneitiiher Stil); Opere
burlesche, Flor. 1548—55, 2 Bde., Loud. 1721
u. ö., zulegt Flor. 1827 f., 2 Be; den
Orlando innamorato von Pojardo arbeitete er in
gleihem Geſchmack um, Ben. 1541 u. ö. Er ſchr.
auch latein. Gedichte.
Bernicia, nördl. Theil Northumberlands
vom Tyne bis zum Gfpde, eines der Angel
ſächſiſchen Reiche in England, gegründet von Ida
547, aber bald mit Deira zu Northumberiand
(f. d.) vereinigt; ſ. England (Geſch.).
Bernier, — berühmter Arzt, Phi—
loſoph aus ——— ſtudirte Medicin, promovirte in
Montpellier, bereiſte Afrila u. Aſien, lebte zwölf
Jahre am Hofe des Großmoguls Aureng-Jeyb,
darunter den größten Theil als Leibarzt deſſelben,
ging aber 1670 nach Frankreich zurück u. ſtarb
1688 in Paris, Am meiſten machte er ſich ber
fannt durch feine Schrift: Voyage contenant la
description des &tats du Grand-Mogol, Amfterd.
1699 u. 1710. Außerdem gab er noch im Aus-
zuge die Schrijten feines Freundes Peter Gaffendi
heraus: Abrégé de la philosophie de G., Yyon
1678 u. 1684, u. ferner: Histoire de la derniöre
revolution des etats dr. Grand-Mogol, Par, 1671,
u. Suite des m&me;res :ur l’empire du Grand-
Mogol, ebd. 1673. Als Philoſoph ſchloß er fi
den Epikureern an, Ihambayn.
Bernina, Central-Gebirgsitod im Graubünd-
ner Thal Engadin (Schweiz), innerhalb der Thal-
einschnitte des Jun, der Maira, der Adda u. des
Spoel, die vierthöchſte Gruppe der Alpen, eine der
bedentendjten MDaffenerhebungen der öftl. Schweiz.
Sie ift 82,, im lang, u. ihre größte Breite mif;t
45 km. Bis zum Jahre 1850 war die ganze
B maſſe wenig befamnt, in welchem Jahre dem
Foritinfpector Coaz aus Chur 13. Scptember die
erfte mübevolle Erfteigung des Piz B. (4052 m)
gelaug; Die nächſthöchſten Gipfel diefes jett gründ-
lich erforichten Gebirgsſyſtems, deffen Gneis bier
zu ungewöhnlicher Höbe emporgehoben u. wie bei
262
feiner anderen Gentralmaffe durch einen Ring
von Granit, Hornblende u. Serpentin faft voll-
ftändig umſchloſſen ift, find Piz Zupo 3999 m
(erfte Erfteigung 1863 durch Lehrer Enderlin und
Pfarrer Serrardy), P. Roſeg 3943 m (Moore
u. Walter, 1865), Bali Muotas 3912 m (Wadhtler
u. Wallner, 1868), P. Bella-Bifta 3921 m
(Emil Burkhardt, 1868), Erefta-Güzza 3872 m,
P. Morteratih 3754 m, Monte della Disarazia
3680 m, P. Tſchierva 3670 m, P. Cambrena
3607 m. Zur B.-Gruppe gehört auch noch die
fchlante Felſennadel des P. Yanguard, 3266 m
oberhalb Pontrefina, in neuerer Zeit als aus—
fichtsreicher u. leicht zu erfteigender Höhepunkt
viel befucht. Der einzige fahrbare Paß ift die
von der Poſt beiahrene B.-Straße aus dem En—
adin durch das Poschiavo-Thal in das italien.
Berttin, 2239 m; ein Gletſcherpaß ift der Muretto
2615 m, der von der Maloggia-Höbe ins Bal-
Malenco geleitet. Vgl.: Zheobald, Tas Thal
von Poschiavo, in Naturf.Geſell. Graub., Ehur
1859; Coaz, Top. Überblid über den B.-Gebirgs-
ftod, ebd. 1856; Lechner, P. Yanguard u. die B.-
Gruppe, 1858; Studer, Über Eis und Schnee, 3
Bde. 1871; Zahrbuh des S. U. .-C., faſt alle
Bde.; Peals, Passes and Glaciers, II. Serie;
Alpine Journ., viele Nummern; Berlepſch, Schiwei-
zerfunde, 1875.
Bernint, Giovanni Lorenzo, berühmter
Baumeifter, Bildhauer u. Maler, gew. Il Cavalierv
B. genannt, geb. 1598 in Neapel, wo fein Bater
Bildhauer war; erhielt von ihm den erften Unterricht
in der Kunft, meißelte, 10 Jabre alt, felbftändig
einen a Ser Engelstopf n., 18 J. alt, eine
Apollo- u. Daphnegruppe (Billa Borgheſe) von
ausgezeichneter Technik. Er lenfte bald die Auf—
— Urbans VIII. auf ſich, der ihm die
Herſtellung des gegen 25 m hoben Tabernatels
über der Gruft des bl. Petrus in der Peterskirche
übertrug, wozu das Erz aus dem Pantheon ge-
nommen ward. Im J. 1629, zum Baumeilter
der Petersfirche ernannt, begann er die Gloden-
thürme an der Fagade, mußte fie aber wieder
abtragen, weil das Fundament zu ſchwach war.
B. war ber Piebling aller Päpfte u. faft aller
Fürſten feiner Zeit. So berief ihn Ludwig XIV.
Bernini — Bernoulli.
pomphaften Abichluß, beeinträchtigte aber das
Innere der Kirche durch Überladung mit baroden
Detaild. Arm weiteften ging B. am erwähnten
Zabernafel in St. Peter über das Maß des Er-
laubten hinaus, während er in der Scala regia
des Baticans u. in der gewundenen Treppe des
Palazzo Barberini feine feltene Begabung für „groß.
artige, malerifh wirffame Anlagen zeigte. Regnet.
Dernis, François Joahim de Pierres,
Eomte de Lyon u. Gardinal de B., franz. Staats:
mann, geb, 22. Mai 1715 in St. Marcel de
"Ardöche; befuchte anfangs die geiftlihe Schule zu
Paris u. wurde dur die Pompadour ınit Lud—
wig XV, befanut; er wurde 1744 Mitglied ber
Alademie, 1751 Gejandter in Benedig u., weil er
einen Streit zwifhen Benedig u. dem Bapfte aus-
gli, Cardinal; nad Paris zurüdgelehrt, wurde
er Minifter des Auswärtigen. Da er durch feine
Verbindung mit Ofterreih Frankreich in den
Siebenjährigen Krieg verwidelt hatte, fiel er 1758
in Ungnade, wurde nad der Abtei St. Medard
verwieſen, aber 1764 zum Erzbiihof von Albin.
1769 zum Gefandten in Nom ernannt. Hier bes
förderte er die Aufhebung der Jeſuiten. Während
der franzöfifchen Revolution lebte er von einer
PBenfion des Spanischen Hofes m. ft. in Rom
2. Nov. 1794. Er ſchr. u. a. die befchreibenden
Gedichte: Les IV parties du jour n. Les IV
sajisons; La religion vengee; Werfe, Par.
1797 u. 1825.
Bernfaitel (Berencastellum), 1) Kreis im
preußiſchen Regbez. Trier, meift im ©. der Mofel;
umfaßt die Höbe des Idarwaldes u. Hochwaldes;
668, [km (12,15 ); 44,125 zu %s
fatholiih; Hauptproducte: Wein, Holz, Gijen,
Blei, Kupfer, Steintohlen u. Schiefer. 2) Stadt
dajelbft, rechts an der Mosel; altes Schloß; Ci—
garren- u. Zabalsfabr.; Schieferbrüche, Eifen-,
Blei- und Kupfergruben; Weinbau (Berntafteler
Doctor) u. Weinhandel; 2463 Ew. B, erhielt 1291
v. Kaifer Rudolf Stadtrechte,
Bernoife, lebhafter Tanz, worin das Walzen
mit Ronde abwechſelt. Es tanzen 2, 4, 6 oder
mehrere Paare zufammen, die ſich immer nach den
genannten Touren zu mehreren Paaren verbinden.
Bernoldus (Bernardus), Mönch in St. Bla-
nad Paris. Bei feinem Tode (28. Nov. 1680)|fien, Anhänger des Biſchofs Gebhard III. von
hinterließ er ein Bermögen von mehr als
400,000 Scudi. B. übte ſowol als Bildhauer,
wie als Arditelt den entichiedenften Einfluß auf
die Kunft feiner Zeit. Bei überaus großer und
glücklicher Begabung u. einer erftaunlichen Yeichtig-
feit des Schaffens führte er insbefondere in der
Konftanz u. Öregors VIL; ft. 1100; er fchr. eine
Ehronif von Chriſti Geburt bis 1100, welde
nur in ihrem fetten Theil felbftänd. Werth bat.
Bal. Bert, Monum. ser. V. 385 ff.
Bernoulli, berühmte Gelehrtenfamilie, welche,
aus Antwerpen flammend, von da vor Albas Ver—
Plaftit jene Richtung auf effectvolle, dramatiich|folgungen floh u. nach Bafel überfiedelte, wo im
entwidelte Handlung bis zu den äußerjten Con—
fequenzen. Befonders liebt er Scenen, wie die
in ber oben erwähnten Gruppe Apollo u. Daphne
u. im Raub der Proferpina dargeftellten. In
feinen religiöfen ®erten jucht er es den Malern
feiner Zeit gleich zu thun u. verfällt in vaffinirte
Sinnlichkeit, fo 3. ®. in feiner bi. Therefia.
Seine monımentalen Werfe find nicht frei von
hohlem Pathos, jo die Heiterftatue Conftantins
im Batican ꝛc. Als Architelt fügte B. der Peters»
firche die prächtige Borhalle anu.gab der ganzen
Yaufe eines Jahrhunderts 8 ihrer Mitglieder
fih als Mathematiker anszeichneten, 1) Jakob,
geb. 27. Dec. 1654 in Bajel, Sohn eines Naths-
herru; ſtudirte zunächſt nah der Beſtimmung
des Vaters in Bajel Theologie, widmete ſich dabei
jedod im Geheimen der Mathematif, für die er
Ihon früh Neigung hatte; nad beftandenen
theol. Eramen (1676) lebte er mehrere Jahre im
Auslande als Erzieher, kehrte 1682 nach Bafel
zurüd u. lebte nun allein der Mathematik, zu-
nächſt ohne öffentliches Amt. 1687 wurde er
Anlage dur die riefige Doppelcolonnade den|Profeffor der Math. an der Univerfität feiner
Baterftadt u. ftarb als foldher 16. Aug. 1705,
nachdem er die ruhmreichſte Gelehrtenlaufbahn
era hatte, für die Wiſſenſchaft leider all-|10. Oct. 1687 in Bajel;
zu früh. Die Wichtigkeit der 1684 von Leibniz in der Mathematik dafelbft, 1716 in Padua,
den Act, erud. zuerſt befanntgemadten Erfind-
ung der Differentialvehnung wurde anfänglich
Bernoulli.
263
Senf, 4 Bde, 1742; Brieiwechlel mit Leibniz,
ebd. 1745. 3) Nikolaus, Neffe der Vor., u
wurde 1705 Profeffor
| ging
1719 nad Baſel zurüd, wurde hier 1722 Bros
feffor der Logik u. 1731 des Lehnrechtes; er ft. daf.
wol nicht recht verjtanden, ı, die neue Rechnung 29. Nov. 1759. Er machte Entdedungen in der
verbreitete fich nicht, da man ihre Fruchtbarkeit
an fchwierigen Problemen noch nicht erprobt fah.
B. erfannte die Wichtigkeit derſelben, beichäftigte
fih anhaltend mit ihr, bildete fie weiter aus u,
löfte mit ihr 1690 das erfte fchmwierigere Broblem,
das der Iſochrone, d. h. fand diejenige Eurve, in
der eim fallender Körper in gleihen Zeiten gleiche
Höhen durchläuft. Wichtig waren die folgenden,
mit demielben Mittel ausgeführten Unterfuchungen
über die Kettenlinie, die logarithmiſche Spirale u.
andere Curven, da durch fie die neue Rechnung
verftändlicher ıı. die Mehrzahl der Mathematiker
erft auf lestere aufmerkiam gemacht wurde. Das
Problem der ifoperimetriihen Curve wurde Ur—
jahe eines heftigen, nie beigelegten Streites
zwiichen ihm u, ** Bruder u. Schüler Jo—
hannes, der zu Gunften des älteren Bruders ent-
ihieden werden muß. Au ermähnen find nod
jeine Arbeiten über Wahrfceinlichkeitsrechnung,
die erft in der Ars conjectandi, Bajel 1713, er⸗
ſchienen; auch erfand er die nach ihm benannten
Beſchen Zahlen. Seine zahlreichen Abhandlungen
wurden gejammelt unter dem Titel Opera Jacobi
B., Genf 1744, 2 Bde., herausgegeben. 2) Jo—
bannes, Bruder des Bor., geb. 27. Juli 1667
zu Bafel; wurde zum Kaufmann beftinmt, widmete
fh jedoch unter der Leitung des Bruders ber
Mathematik, wurde, erſt 18 J. alt, Doctor der
Philoſophie u. gelangte rafch zu hohem Ruhme.
1695 nahm er eine Profeffur der Mathematik in
Groningen an, 1715 die bis dahin durch feinen
Bruder ausgefüllte gleiche Stelle in Bajel, in welcher
er am 1. San. 1748 ftarb. Mit feinem Bruder
theilt er den Ruhm der Ausbildung u. Berbreit-
ung der Infineteſimalrechnung. 1691 ichrieb er
für den Marquis de l’Höpital 59 Lectiones
math. de meth.’ integralium, nachdem er ihn
auch in der Differentialrehnung unterrichtet hatte,
welche (f. o.) damals in Frankreich noch faft un-
befannt war. Dieſe Lect. enthalten zuerft das
ganze Syſtem der Integralrechnung, u. da Yeibniz
nur wenige Andeutungen über lettere gemacht
bat, fann man B. wol den Begründer dieſer
Rechnung nennen, wenn aud die Zahl der nad
den Leet. integrirbaren Ausdrüde nicht groß ift.
Beionders wichtig find die ebenda fich findenden
Integrationen von Differentialgleihungen, die
anfer Newton noch Niemand unternommen hatte,
In den 1697 erichienenen Principia calculi ex-
ponentialium, Act. erud., behandelt er, von ein-
zelnen Arbeiten Leibniz’ abgeichen, zuerft die
Differentiation u. Integration der fog. Erponen-
tialgrößen. Gleichzeitig mit Leibniz lehrte er 170%
zuerft die Integration vationaler gebrochener Func
tionen duch Zerlegung in Partialbrüche. Er u. fein
älterer Bruder gehören unter die erſten Mathematifer
aller Zeiten; des Johannes langes Leben ift die
Urfache, daß feine Arbeiten umfaffender u. viele
feitiger find. Joh. B., Sämmtliche Werte, Lauf. u.
Wahricheinlichkeitsrechnung, auf Jakob B-8 Ars
conjeetandi fortbauend, wandte fie zuerft auf die
Daner des mienjchlihen Lebens am u. lieferte
treffliche Bearbeitungen wichtiger Fragen aus dem
Gebiete der Differential- u. Integralrechnung.
4) Nitolans, Sohn von B. 2), geb. 27. Jan.
1695 in Bafel; wurde 1723 Profeffor der Rechte
zu Bern, ging 1725 mit feinem Bruder Daniel
nach Petersburg m. ft. dort 26. Juli 1726. Als
Mathematiker zeichnete er fih mamentlih in
der analytiihen Geometrie aus. 5) Daniel,
Bruder des Bor., geb. 29. Jan, 1700 in Gro-
ningen; ging 1725 als Profeffor nach Peters-
burg, wurde 1733 zu Baſel Profeffor der Ana-
tomte u. Botanif u. 1750 der Phyfif, legte die
Stelle 1777 nieder u. ft. 17. März 1782. 10mal
erhielt er für mathematiiche, phyſilaliſche u. aftro-
nomiſche Arbeiten den Preis der Pariſer Alade-
mie; einen Doppelpreis tbeilte er mit feinem
Bater für die Abhandlung über die Urſachen der
verfchiedenen Neigungen der Planetenbahnen gegen
den Sonnenäquator. Er wendete bei. die Geo»
metrie auf die Phyſik an, wie bei den Unterſuch—
ungen über den ercentriihen Stoß, über die
Klänge der Stäbe u. Saiten, Ebbe u. Fluth u.
das von ihm entdedte Geſetz für die Neigung der
Magnetnadel gegen den magnetiihen Meridian.
Er jhr.: Hydrodynantif, Straßb. 1738, u. aufer-
dem zablveihe Abhandlungen in die Schriften
befonders der Parifer, Berliner u. Petersburger
Alademie, deren Mitglied er war, Unter feinen
Arbeiten finden fih außer der mathematischen
auch einige pbyfiologische, bei. über den Grund
des erften Einathmens u. Über den blinden Fleck
der Nephant des Auges. 6) Johann, Bruder
des Bor., geb. 18. Mai 1710 in Bafel; ging
1732 nad Petersburg, fehrte aber ſchon 1733
nad Bajel zurüd, wurde hier 1743 Lehrer ber
Beredtiamfeit u. 1748 der Mathematif; er ft.
dafelbit 17. Juli 1790. Er ſchr. gefrönte Preis-
ſchriften über die Fortpflanzung des Lichtes ur. über
die Magnetnadel. 7) Johann, des Bor. Sohn,
geb. 4. Nov. 1744 in Bajel; wurde 1763 Aftro-
nom an der Akademie von Berlin; ft. 13. Juli
1807 al8 Director der mathematischen Klaſſe der
Berliner Aklademie. Er jehr.: Recueil pour les
astronomes, Berl. 1772—76, 8 Bbe.; Lettres
sur differents sujets, ebd. 1777—79, 3 Bde.;
Zufäge zu den neuejten Reiſebeſchr. von Italien zc.,
tp3. 1777—78, 2 Bde.; Reifen durch Branden-
burg, Bommern, Preußen, Lpz. 1779; Samml,
kurzer Reiſebeſchr., Def. 1782 bis 1793, 15 Bde.;
Archiv zur neueren Geichichte, Geographie, Natıır-
u. Menfchentenntwiß, 1783—88, 8 Bde. ıc.
8) Jalob, Bruder des Bor., geb. 17. Oct. 1759
in Bafel; war erft Secretär bei der öfterreichiichen
Gefandtihaft in Zurin und dann BProfeffor
der Mathematik zu Petersburg; er ft. 3. Juli
‚1789 dajelbit beim Baden in der Newa. 9) Chri-
264
ftopb, Meffe des Bor., Sohn von ®. 7), geb.
15. Mai 1782 in Bajel; wurde 1802 Yebhrer am
Fädagogium in Halle, ging 1804 nach Berlin u.
Paris, eröffnete 1806 ın Bafel eine Privatlehr-
anftalt u. wurde 1817 Profeſſor der Naturge-
ſchichte; ft. 6. Febr. 1863. Er ſchr.: Über das
Leuchten des Meeres, Gött. 1802; Pſychiſche Au—
thropologie, Halle 1804, 2 Bde.; Leitfaden für
Phyſit u. Mineralogie, ebd. 1807, 2. A., 1811;
fiber den nachtheiligen Einfluß der Zunftverfaff-
ung auf die Induſtrie, Bafel 1822; Anfangs«
gründe der Dampfmaſchinenlehre, ebd. 1824;
Betrachtungen über Baumwollenfabrifation, ebd.
1825; Rationelle Darftelung der gefammten
mechan. Baummollenipinnerei, ebd. 1829; Handb,
der Technol., ebd. 1833 f., 2 Bde, 2. A., 1840;
Handbuch der Dampfmaſchinenlehre, Stuttg. 1833,
4. U, 1854; Handb, der induſtriellen Phyſik,
Mechanik u. Hydraulif, ebd. 1834 f., 2 Bde;
lberf. von Baines Geſchichte der brit. Baummollen-
manufactur, ebd. 1836; Handb. der Bopulationi-
ſtil, Ulm 1840; Technol. Handencyliopädie, Stuttg.
1850. Er gab heraus das Bürgerblatt u. nad
deſſen Aufhören das Schmeizeriihe Archiv für
Statiſtik u. Nationalökonomie, Baſel 1828—30,
5 Bde. 10) Joh. Guſt. Sohn des Bor., geb.
1811 in Bajel; jchr.: Vademecum des Mechanifers,
14. 9, Stuttg. 1872.
Bernoullifche Zahlen. Wenn man irgend
eine gerade Potenz aller ganzen Zahlen von 1 bis
x bildet u. die jo entftandenen Potenzen ſummirt,
jo ift der abjolut gewonnene Cokfficient der nied-
rigften Potenz von x in diefer Summe eine B.
Zabl. Bezeichnen wir 12042203204 ,,+x?n
mit S(xn), wo n jede ganze pofitive Zahl jein
fann, fo ift, wenn n=1,2,3...genommen wird
S@)—=4 x’ +4 1° +4x
St)=4ı1° +... — „X
Ssky—=4ı'+... + X
4, ug, 25 find aljo die drei erften Ben 3. Ber
zeichnen wir fie der Heibe nah mitA,B,C...,
je it ibre Abhängigkeit von einander durch fols
gende Gleihungen gegeben, aus denen fie nad
einander leicht zu berechnen find:
A=-j4=
BB-—AA . 44m}
=; HAB =14.2.1.4,=}
9D=!-{7 2AC + 1-20. BB
UE=T$ 2AD +"°7-2°7 2BC
13F =" 2AE +.20-°9BD +2 CC
Den Namen baben fie von Jakob Beruoulli
(1.d. 1), ihrem Entdeder. Sie find für die höhere
Analyfis von großer Wichtigkeit,
Bernftadt (Birntowa), 1) B. in Schleſien,
Stadt im Kreife Ols des preuß. Megbez. Breslau,
an der Weida, Eifenbahnftation; altes Schloß;
Tuchmacherei, Weberei, Gerberei; 3861 €. 2) 8.
in Sachſen, Stadt im gleichnam. GerichtSamte der
Amtshauptmannfhaft Yöbau des königl. ſächſ.
Regbez. Bauten (Ober-Laufig), an der Pfiesnig;
Sit des Klofteramtes Marienftern und demfelben
gebörend; Wollenfpinnerei, Tuchfabriken; 1731 €,
Bernitein (Brennftein,
Bernoulliihe Zahlen — Bernitein.
Amber, Aatitein; Eleetrum, Suceinum u. Lyn-
eurium ber PBlinius). A) Der B. iſt ein Harz,
welches nicht in unſerer Zeit entitanden ift, oder
noch entftebt, jondern von foifilen Bäumen ftammt
und aus Kohlenſtoff, Waſſerſtoff und Saueritoff
befteht. Nach den Unterſuchungen des Prof. Göp-
pert in Breslau find es minbeftens 9 Nadel-
bölzer, namentlih Pinites suecinifer und meb-
reren Arten aus den Familien der Abietineen
u. Eupreifineen, Der B. findet fih in amorphen
unregelmäßigen Maffen, in aufgeichwenmten
Lande, namentlih an den Hüften der Oſtſee von
Danzig bis Memel, wo er durch den Wellenfchlag
vom Grumde des Meeres los u. ans Yand ge-
jpfilt wird. Hierzu trägt wejentlich bei, daß jein
ipec. Gew. 1,95 —1,os, aljo nahezu gleich dem des
Waſſers ift, fo daß er in demjelben jelbit ſchwimmt,
daher man ihn auch im phyſikaliſchen lnterrichte
dazu benutt, die Strömungen des erwärmten
Waffers in Gefäßen zu zeigen. Er gleidt im
Übrigen den natürlihen Harzen volllommen, bat
barzigen Glanz, iſt von gelber, weißlich- gelber
und bräunliher Farbe und burdicheinend, oft
durchfichtig. Außer dem oben bereits erwähnten
Yauptfundorte, der Ditfee, bat man vereinzelte
Stüde B. in ber Zertiärformation auch ander-
wärts gefunden, 3. B. in Schlefien, Galizien,
bei Bajel, Baris, Yondon, in Amerifa x. Die
größte Mafje ift wol die im Berliner Mufeum
befindliche von kg Gewicht. Seine Eigenſchaft,
durch Reiben eleftriich zu werden, ift ſchon den
Alten befannt geweien, und das Wort Elektricität
jtammt von feinem gried. Namen elektron; Pli-
wus erwähnt bereits, das er ein folflles Harz
jein müfle, das aus Bäumen geträufelt jei, und
leitet den Namen ab von Electrides, einer Inſel-
gruppe im Adriatiichen Meere. Belannt find die
in ihm vorfommenden Einſchlüſſe von Inſecten u.
deren Larven, Spinnen ꝛc., die auf dem friſchen
Harze kleben blieben und dann damit überzogen
wurden. Ufter bemerkt man an ihren Stellungen
noch das Beitreben, wieder loszukommen, indem ein
Bein oder ‚zlügel, die bei den heftigen Anftreng-
ungen ausrıfjen, etwas vom Thiete entfernt eine
geihloffen find. Aus diejen Einjchlüffen und den
ebenfalls eingeichloffenen Holzftüdchen bat Prof,
Göppert uns die Faung u. Flora der Bernfteinzeit
vollftändig heransconftruirt u. feine Unterfuchungen
in den Berichten der Berliner Alademie 1853 nie-
dergelegt. Noch heute find Danzig, Königsberg
und Stolpe in Pommern die Haupthandelspläge
für B. Der rohe B. geht meift nad) dem Orient,
Breslau u. Paris, wo er verarbeitet wird; wäb-
rend früher in Königsberg auch eine lebhafte
B.Induſtrie betrieben wurde, ift diejelbe heute
faft Null. An den genannten Orten wird der B.
zu Schmudjadhen, Pfeifen» u. Cigarrenfpigen ver»
arbeitet und bat feine Beliebtheit eigentlich nie
u. nirgend verloren. Bor der Bearbeitung mer»
den die rohen Gtüde in Waffer gelegt, wol damit
fie bei der folgenden Behandlung fih weniger
leicht erbigen, dann wird die rohe braune Rinde
mit Meigeln abgejpalten u. endlich die Bearbeit-
ung mit der Feile, dem Meffer u. namentlih auf
der Drebbant vollendet. Das jchließlihe Poliren
brennbarer Stein, !findet ftatt durd Schleifen ' mit Bimsftein, mit
Bernſtein.
265
feinen eigenen Spänen, od. mit gebranntem Kalt,]des gepulverten B-3 mit Waſſer löſt ſich B-fäne
od. Kreide; Zripel, mit Weingeift augefeuchtet, gibt
dem B. Glanz. Das Ülberzieben mit B⸗firniß
findet ftatt an Stellen, wo man mit Bolirmittelu
nicht anltommen kann. Seine Eigenschaft, in fie
dendem Yeinöl etwas zu ermweichen, wenn er in
dieſem bleibt, ermöglicht die Heritellung gebogener
Gegenftände, namentlich gefrümmter Bietfenfpiten.
Kitten laffen fih B-ſachen mit einer aus Leinöl—
firniß, Maftir u. Bleiglätte hergeftellten Miſchung,
auch Kalilauge ſoll hierzu anmendbar fein. Klei—
nere unreine Stücke werden zur Herftellung von
B⸗ firniß u. zu Parfümerıen angewandt, ſowie
(bei. früher) zur Darftellung von Befäure. Seine
Gewinnung ift Regal und wird von der künigl.
Behörde verpadtet. Sie bejteht theils im Auf
ſuchen der nah Stürmen mit den Meerespflanzen
auf den Strand geworfenen Stüde, theils in
einem Aufiuchen derjelben mit Stechhafen auf dein
Meeresgrunde bei ruhiger See, theils in einer
bergmännifhen Gewinnung des B. aus der fog.
blauen Erde, der B. führenden Schicht, die auf
dem Lande durch Schächte aufgefudht u. ausge»
beutet wird. Neuerdings liefert das von den
Unternehmern Beder u. Stantien in Memel ein-
geführte Ausbaggern des Kuriſchen Haffs, na-
mentlic bei warzorth, die größte Ausbeute.
Eine hübſche Beichreibung der betreffenden Ar-
beiten liefert die Leipz. Jlluftrirte Zeitung, 1867,
Nr. 1276. Das Berpaditen des Negals, das
eine jährliche Ausbeute von ca. 100 Tonnen liefert,
wovon allein durch Baggern 40,000 kg gewonnen
werden, trägtdem Staate im Jahreca.30—40,000M
ein. Die Hauptfahe bildet dann das Sortiren
des Gemwonnenen nad) Größe, Form, Durdfictig-
keit u. Färbung. Die obige Memeler Firma
unterſcheidet nicht weniger als 58 Sorten. Zuerſt
unterſcheidet man he u. Meine Waare. Die
erfte umfaßt wieder: a) Groß-B., Stüde von
ca. 150 g u. mehr, mit 250—500 M pro kg
bezahlt; Stüde iiber 500 g foften 600M pro kg
n. mehr. b) Zehner, Stüde von 120—150 g
im Preije von ca. 160—180M prokg. c) Drei-
Biger, Stüde von 40 g aufwärts, 150 M pro
kg. d) Czaken, Stüde von 20 g aufwärts,
toften 120 M pro kg. Die kleine Waare befteht
wieder aus Grumbdfteinen und Knibbeln,
erfteres Stüde unter 20 g, aber noch bohnen—
groß, mit einem Preife von 90 M pro kg, und
lesstere, erbfengroß, zu 40 Mprokg. Die Preife
find natürlihd nur Durchſchnittswerthe für durd-
fihtige Waare; durchſcheinende od. undurchſichtige
bat oft nur */, des genannten Werthes. Die
Heinften Stüdchen liefern Material zu Firniß,
Räucerpulver x.
B) Der 8. ift unlöslih in Waffer, Alkohol, u.
flüchtige Ole löfen ihn mur wenig auf. In fochendem
Leinöl erweicht er, mobei trübe Stüde oft durdh-
ſcheinend werden. Er bejteht auseinem Gemenge
von zwei in Atfoholäther löslihen Harzen, etwas
flüchtigem Ol, B-fäure umd einem unlöslichen
Körper, dem fog. Bebitumen oder Succinin.
Letzteres bildet den Hauptbeftandtheil; es ſchmilzt
beim Erhigen unter Berbreitung eines Geruches
nad verbranntem Fett, bei der trodenen Deitil-
fation liefert e8 feine B-ſänre. Beim Kocheun!
u, etwas ätheriihes DI. Aus dem Rückſtande
laifen fih mit Alkohol zwei Harze, ein leichter
und ein ſchwerer lößliches, ausziehen. Nach dem
Erbigen des Rüditandes kann durch Ather noch
ein drittes Harz ausgezogen werden. In conc,
Schwefelfäure löft ſich der gepulverte B., durch
Waffer wird ein ſchwefelſäurehaltiges Harz abge-
ſchieden. gr a Kochen mit Salpeterfäure liefert
B » fäure, auchende Salpeterfäure verwandelt
den B. ın ein nah Moſchus riechendes Harz,
das fi im Uberſchuß der Säure löſt. Beim Er—
bien mit Kalilauge bildet fih ein dem Kampher
ähnlicher weißer Körper. Der B. ſchmilzt zwiſchen
280° u. 290° unter Zerfegung; er läßt ſich ent-
zünden u. verbrennt mit angenehmen Gerud).
Trocken deftillirt liefert er Waſſer, B->fäure,
B-öl und B-kampher. Der braune NRüditand
bildet das Br» colophonium (Colophonium
suceini), welches bei weiterem Erbiten unter
Bildung von B-fampber eine fohlige Maffe hinter-
läßt. Das Brcolophonium, weldyes bei ber
trodenen Deftillation des B-8 zur Darftellung
von B + fäure als Nebenproduct gewonnen wird,
ift eine dunkle harzartige Maffe, die fich in heißem
Zerpentinöl u. fetten Delen löjt; mit Yeinöl und
Zerpentinöl zufammengeihmolzen, dient es zur
Herftellung von B+ firniß. Das B- öl (Oleum
suceini aethereum), welches bei ver trodenen
Deitillation des B-8 als dunkelbraune, auf Waffer
ihwimmende Flüffigkeit erhalten wird, iſt ein Ge—
menge mehrerer Kobhlenwafjerftoffe mit Eſſigſäure,
Propionjäure und anderen flüchtigen Fettſäuren.
Ueber Holzkohle rectificirt ift es farblos, hat das
jpec. Gew. O,..—0,9: und riecht weniger unanges
nehm, als das rohe Product. Es ift in Mailer
unlösfih, in abſolutem Altohol u. Ather, flüchtigen
u. fetten Ölen leicht löslich u. beginnt bei 130°
zu fieden; an der Luft färbt es ſich allmählich,
wird durch Salpeterfäure zu Eſſigſäure, Butter«
jäure u. a. orydirt, wobei ſich ein rothbraunes,
nah Moſchus riechendes Harz bildet, welches als
fünftliher Moſchus bezeichnet wird. Die im B.
enthaltene B-jäure C,H,O, ıft in der Natur
ziemlich verbreitet, fomwol im Pilanzenreiche, wo
fie im Terpentin u. XTerpentinöl, in Lactuca- ı.
Artemisia-Arten auftritt, als auch im Thierreiche,
wo man fie als Bejtandtheil verichiedener Säfte,
in der Milz des Ochſen u. auch im Harne antrifft.
Sie entfteht bei der Oxydation vieler organischen
Berbindungen durch Salpeterfäure, 3. B. der Fette,
des Walraths, Wachſes ꝛc., aus Apfeliänre u. Wein-
fäure durch Reduction mit Jodwaſſerſtoff u. bei.
bei der mweingeiftigen Gährung des Zuders, wo fie
nebſt Glycerin immer als Nebenproduct auftritt.
Aus dem B. erhält man fie Durch trodene Deitil-
lation, Abdampfen des Deftillats, Kochen mit
Salpeterfäure und Umfryitallifiren aus Waſſer.
Statt diejer Darftellungsmethode beugt man meift
die billigere, durch Gähren des äpfellauren Kalles.
Derjelbe bildet, wenn man ihn mehrere Tage mit
faulem Käfe einer Temperatur von 30° bis 40°
ausjegt, ein Gemenge von bernfteinfaurem und
äpfellaurem Kalfe, aus welchem die B-jäure durch
Schwefelſäure abgejhieden und durch Abdampfen
fiyitallijirt erbalten werden kann. In reinem Zur
266
ftande ftellt fie blendend weiße, glänzende rhombiſche
Prismen u. Tafeln dar, die geruchlos und von
ſchwach ſäuerlichem Geſchmacke find, ſich in kaltem,
beſſer in heißem Waſſer u. Allohol u. in reinem
Zuſtande ſchwierig in Ather löſen. Sie ſchmilzt
gegen 180° u. zerſetzt ſich in höherer Temperatur
hauptſächlich in Waſſer u.B-fäureanhydrid. Vorſichtig
erhitzt, kann fie bei 140° ſublimirt werden, wobei
ihre Dämpfe ein Kratzen im Schlunde verurſachen.
Sie bildet mit Baſen neutrale und ſaure Salze,
von denen die mit Allkalien in Waſſer leicht, die
mit den übrigen Metalloryden jchwerer löslich find,
Diejelben können auf 200° ohne Zerſetzung erhitt
werden, beim Glühen zerfallen fie. Mit den Al—
fobolradicalen bildet fie Ather. B-fäurean-
hydrid (',H,O, entitebt durch Deftillation der
B + fänre mit waſſerfreier Phosphorſäure als
weiße, Iryftalliniiche, in Waffer ſchwer, in Alkohol
leicht lösliche Maſſe, die fih beim Kochen mit
Waffer in B-fäure verwandelt. Mit Chlor bil-
det die B-fäure das Succinylchlorid C,H,O,CH
eine an der Luft rauchende Flüffigleit, die bei 190°
unter theilweiſer Zerjegung fiedet. Succinamid
H. N. O, ein Ammoniafderivat der B-fäure,
entiteht bei der Einwirkung von Ammoniaf auf
B-fäure und Äthyläther als weiße, in kochendem
Waſſer Iösliche, in Allohol und Ather unlösliche
Kryſtalle.
C Geſchichtliches. Schon in den älteſten
Zeiten war der B. hoch geſchätzt und meit ver—
breitet, fei es, daß die Phönifer ihn auf ihren
Reifen in die weitlihen Meere mitbrachten, ſei es
daß er durch Zwifchenhandel zu Yande nach dem
Süden gelangte u. von den Mündungen des Po
u. Dnijepr zur See weiter verbreitet wurde. Nach
riechifcher Anſchauung entftand der B. aus ben
A hränen, welche die in Pappeln vermwandelten
ve um ihren in den Eridanus geftürzten
ruder Phatthon meinten. Eine andere Anficht
der Alter, daß auch B. in Ligurien aus der Erde
gegraben wurde, fanı daher, daß fie den Namen
des Minerals Lynkürion, welcher Name auch
Ligürion geichrieben wurde, auf Ligurien zurüd-
führten. Sie Griechen, die ihm den Namen Elek-
tron gaben, adhteten ihn dem Golde gleih und
machten Schmudiachen daraus; Thales kannte auch
ſchon die Eigenfhaft des B-s, daß er gerieben
leichte Körper anzieht. Nah den Erörterungen
des gelehrten Polen Lelewel wäre jedoch das Elek—
tron der Alten nicht gerade B. geweſen, welcher
vielmehr erft jpäter befannt geworden ſei; nicht
früher, als zur Zeit des Augufius habe man Nach-
richt von dem B. der Oftieeländer erhalten. Nach
Tacitus wurde er von den Äftyern, die wahrſcheinlich
damals im preuß. Samlande wohnten, aus dem
Meere gefammelt u. von denjelben mit dein Namen
Glesum bezeichnet; Plinius, der ihn Succinum,
den goldgelben aber Subalternicum oder Chrys-
electrum nennt u. fir ein verhärtetes Fichten-
harz hält, legte feine —— nah den B.Inſeln,
Glesariae od. Elektrides, im Germanifchen Meere,
Die Römer überhaupt verwandten ihn viel zur
Fk von Waffen u. anderen Geräthen u,
Bernftein.
‚eine Einnahmeauelle der prenß. Biihöfe, dann
ein Monopol der Deutihen Ritter, von denen es
mit der größten Strenge aufrechterhalten wurde,
Danziger Kaufleute bejorgten den Vertrieb; in
Benedig war ein Hauptftapelplag für den Zee
nach dem Süden u. befonders nah dem Orient,
wo er megen feiner angeblichen Heilfräfte jebr
geichätt wurde. Die preuß. Wegierung bat die
Gewinnung, nachdem fie früher fie felbft in die
Hand genommen, im diefem Jahrh. gegen eine
beftimmte Summe an Unternehmer berpadhtet,
an die (da der B. zum Regal der Krone erflärt
it), jeder Finder gegen den geſetzlichen Finderlohn
abliefern muß. ©. Runge, Der B. in Oftpreußen,
Berl. 1868, u. Die B-gräbereien im Samland, ebd.
1869; ®Pierfon, Das Elektron, ebd. 1869; Zeit-
ichrift für Geſch. Ermlands, Br. 1. B. Glören.
Bernftein, 1) Job. Gottlob, Mediciner,
geb. 28. Juni 1747 in Berlin; wurde Bergwund-
arzt zu Jlmenau, 1796 Hofhirurg und Gehilfe
bei der Mediciniſch-Chirurgiſchen Krankenanftalt zu
Jena u. 1806 Gehilfe in der Reilſchen Klinik zu
Den: er ging 1810 nad Berlin, wurde dajelbft
Mitglied des Mediciniihen Obercollegiums und
Profeffor der Medicin; lebte feit 1821 in Neu-
wied; ft. 12. März 1835, Er ſchr.: Neues dyirure
giſches Lexikon, 1788 f., m. A. als Handbud für
Wundärzte, 1786 f., 2 Thle.; Handbuch für Wund-
ärzte, Lpz. 1790, 8 Thle., u. Zuſätze dazu, ebd.
1792, 5. U, Lpz. 1818—20, 4 Bde; Ebirur«
giſches Handwörterbud, Jena 1801; Syftematifche
Darstellung des chirurgischen Berbandes, Jena
1797; Über Verrenfungen u. Beinbriüche, Jena
1802, 2. Aufl., 1819; Geſchichte der Chirurgie,
Lpz. 1822, 2 Tble. 2) 3; Th. Chriftian,
Sohn des Vor,, ebenfalls Mediciner, geb. 1779
in Ilmenau, war erft Anıts- u. Stadtphyſikus zu
Noßla u. Apolda, dann Hofrath u. Leibarzt zur
Neuwied. Er ſchr.: Beiträge zur Bundarzneitunft
u. gerichtlichen Arzneikunft, Jena 1804; Neue Bei»
träge zc., 2 Bbde,, 180912; Bruchftüde aus dem
Leben %. ©. B:8, Franff. 1836. 3) Georg Hein-
rich, geb. 12. Jan. 1787 inKofpeda bei Jena; habi-
litirte fih 1811 in Jena, wurde 1812 Profeffor der
orientalischen Piteratur in Berlin, machte den Feldzug
von 1813 u. 14 als Offizier mit, trat dann wieder
in fein Lehramt; er ft. 5. Apr. 1860 als Prof.
der, morgenländifhen Spraden in Breslau zu
Lauban. B. ſchr.: Bergleihungstabelle der mo-
bammedanischen Zeitrechnung mit der chriftlichen,
Jena 1812; gab heraus: Szaft Eddin, Lpz. 18165
die arabiiche Schrift: De initiis et originibus re-
ligionum in ÖOriente dispersarım, Berl. 1817;
ihr. über die Charklenſiſche (ſyr.) Überſetzung des
N. T., 1837; über Bar Bablul, 1842; Bar
— 1822 u. 1847; Hitopadesae particula,
Bresl. 1828; Wörterbuch zu der neuen Auflage
von Kirfh, Chrestomathia syriaca, Lpz. 1832
bis 1836, 2 Bde. Bon feinem Lexicon linguao
syriacae, Berl. 1857, fam nur das 1. Heft ber-
aus. 4) Aaron David, deutfcher Publiciſt u.
BVoltsjhriftfteller; geb. 1812 zu Danzig von
jüdiſchen Eltern; war urjprünglih für den
schrieben ihm Heilfräfte zu, eine Meinung, die fih|Rabbinerftand beftimmt, gab jedoch die theologi-
im Mittelalter erbielt.
Mit der Ehrifttanifirungffchen Studien bald auf u. ging 1832 nach Berlin,
des Landes wurde der B. (Lapis ardeus) zuerjt|mwo er fi) eine vieljeitige Bildung anzueignen
Bernfteinbaum — Bernitorff.
fuchte. Unter dem Pfeudonym A, Rebenftein gab
er zunäcft eine liberfegung u. Bearbeitung des
Hohen Liedes Salomons heraus, Berl. 1834,
die in wifienfchaftlichen Kreifen Anertennung fand.
Hierauf wandte er fi dem Studium der Natur:
wiſſenſchaft zu, veröffentlichte eine Arbeit über die
Notation der Planeten, jchrieb dann auch einen
Plan zu einer neuen Grundlage für die Philofo-
phie der Geſchichte, Berl. 1838, u. Novellen und
Lebensbilder, Berl. 1840. Als 1848 eim neues
politifches Leben begann, fand B. nun erft feinen
eigentlichen Wirfungstreis; er ward Publicift u.
ründete im März 1849 das demofratiiche Volls-
fatt: Die Urwäblerzeitung, die vielen Beifall
fand, aber durch Hinfeldey bald wieder unterbrüdt
wurde. Schon 1853 rief B. jedoch ein menes
Organ ins Leben, Die Volkszeitung, welche im
Berlage von Franz Dunder in Berlin noch jett
(1875) erjheint. Neben diejer journaliſtiſchen
Thätigfeit lag B. auch ferner noch dem Studium
der Naturwiſſenſchaft ob u. veröffentlichte bei. in
der Bolfszeitung eine große Menge von an—
ſprechenden populären Abhandlungen, die er fpäter
unter dem Titel: Aus dem Reiche der Natur—
wiſſenſchaft, Berl, 1853—57, 12 Bde., heraus⸗
ai er jchrieb ferner Betrachtungen aus dem
atur- u. Eulturleben, ebd. 1874 u. a. N Ealomon,
Bernfteinbaum (Pinites suceinifer), eine
tertiäre Nabelholzart, die hauptjächlich den Bern-
ftein als Harz ausſchwitzte.
Bernfteinfirnif, eine Löſung von Bern-
ftein in Leinölfirniß, von gelblicher Farbe u. er⸗
härtet nicht ſo ſchnell, als Kopalfirniß. Man
ſchmilzt 20—30 Th. Bernſtein in einem Keſſel
über ganz gelindem Koblenfeuer, dann gießt man
25—30 Th. fiedeuden Yeinölfirnig Hinzu u. läßt
das Gemiih ca. 10 Minuten lang bei einer
Temperatur bis 140° fieden, Nach dem Abkühlen
fegt man dann noch 25—30 Th. Terpentindl zu.
Der dunfle B. wird nicht aus Bernftein ſelbſt,
fondern aus dem bei der Deftillation des Bern-
fteins zu Bernfteinöf. und Bernfteinfäure zurüd-
bleibenden Bernfteincolophontum bereitet.
Bernſteinſaure Ammonflüffigfeit (Lig.
ammonii succiniei, Lig. cornu cervi suceinatus),
durch Sättigung einer wäſſerigen Auflöfung von
brenzlich kohlenſaurem Ammon mit Bernfteinfäure;
bräunliche FFlüffigleit von eigenthümlih brenz—
lichem Geruche, fühlend bitterlihem, etwas ftechen-
dem Geihmade, als frampfftillende, nervenftärfende,
die Ausdünftung befördernde Arznei (zu 20—60
Tropfen) im Gebraude.
Berniteinjdynede(Succinea AmphibiaDrap.),
zur Fam. der Schuirfelfchneden, Ordnung der
Yungenichneden; Oberfühler unten Did und auf
der kolbige Spitze Augen tragend, umtere Mein;
Scale eiförmig, länglih, durchſichtig bernftein-
artig, fein längs geftreift, 12—15 mm hoch, mit
wenigen Windungen, von denen die lebte ſehr
groß und anfgetrieben, faft das ganze Gehäufe
ausmahend; Mündung ſchief, groß; zahnlos;
ampbibiih; am Ufern, auf Waiferpflanzen, aud)
im Waſſer felbft jchwimmend, mit nad oben ge-
lehrter Sohle.
Bernftorff, eine aus dem 11. Jahrh. her-
ftammende deutſche Mdelsfamilie,
267
Erbherren auf Teſchen u. Bernftorfi in Mecklenburg—
Schwerin, feit der Reformation lutheriicher Confej-
fion, feit 1715 freiberrlich, feit 1767 in den Grafen»
jtand erhoben: I) Andreas Gottlieb, geb. 1649;
wegen derguten Dienfte, dieer als lurfürſtlich hanno—
veriſcher u. dann engl. Premierminifter Georg I.
zur Erlangung des engl. Thrones geleiftet hatte,
zum Freiherrn gemacht; ftiftete das hannoveriſch—
lauenburgiſche Gartow-Woterſenſche Fideicommiß;
er ft. 1726. 2) Johann Hartwig Ernſt, Groß—
neffe des Bor. u. Sohn von Joachim Engelte v. B.,
geb. 13. Mai 1712 in Hannover; ftudirte im
Tübingen, trat in den däniſchen GStaatsdienit,
wurde 1737 Gejandter beim Reichstage in Re—
gensburg u. 1744 in Paris. 1751 trat er als
Mitglied in den dän. Gtaatsrath, nachdem er
ihon im vorhergehenden Jahre Staatsfecretär u.
Gebeintrath geworden, erwarb fi) durch Die von
ihm vermittelte Neutralität Dänemarts im Sieben
jährigen Kriege, die Nüftungen gegen Peter III.
und den Hausvertrag mit Rußlaud von 1763
(f. Dänemark, Geſchichte) große Verdienſte und
wurde bei Ausführung diefes Bertvages 1767 in
den rafenftand erboben. 1770 durch Struenſee
entlaffen, zog er fih nah Hamburg zurück; 1772
zurüdberufen, ftarb er auf der Rückreiſe nad
Kopenhagen 19. Februar. Sein Andenken erbält
fein Standbild an der Yandftrafe nach dem
Schloſſe B., der jetigen Sommerrefidenz des
Königs von Dinemarf, Er war in Dänemark
u. Schleswig-Holjtein der Erfte, der die Yeibeige-
nen auf feinem Gute nicht bloß zu Freien, ſondern
auch zu Eigenthiimern ihrer bisherigen Feſtehufen
machte, wie er ſich auch ftets wohtthätig gegen
Arme zeigte, mehrere Robithätigkeitsanftalten ftiftete
u. auch die Einimpfung der natürliden Blattern
einführte. In gleicher Seife war er ein Beſchützer
der Wiſſenſchaften u. Künfte u. erwirkte nament-
fh auch Kiopftod eine Staatspenfion. 3) An
dreas Peter, Graf von, Neffe des Bor., geb.
28. Aug. 1735 auf Gartow im Yüneburgiichen.
Nach beendigten Univerfitätsitudien u, Reifen durch
Deutſchland, Frankreich, Italien, Holland und
England erhielt er 1759 eine Anſtellung in der
Deutſchen Kanzlei zu Kopenhagen, ſtieg 1769
zum Geb. Conferenzrath empor, wurde aber‘
1770, gleich feinem Oheim, B. 2, von Struenfee
entlaflen. Gleich nach des Letzteren Sturze 1772
zurücdberufen, ward er Director der Deutichen
Kanzlei u, Minifter der auswärtigen Angelegen-
beiten, Als ſolcher leitete er die Berhandlungen
der dän. Negierung mit Rußland im J. 1773
wegen des Yändertaufches der holftein. » gottorper
Erblande gegen Oldenburg u. Delmenhorft, die
zu dem Tractat von 1776 führten, wofür er von
Ehriftian VII. in den dän. Grafenftand erhoben
wurde. Sein diplomatifches Verdienſt um die
Erhaltung des Friedens im Norden war die von
ihm zu Stande gebrachte bewaffnete Neutralität
der 3 nordiihen Mächte u. Sperrung des Ore—
Sund im Kriege zwiſchen England u. Frankreich
während des nordamerik. Unabhängigkeitslampfes
für die Kriegsmarine der fich belämpfenden
Mächte. Die gegen ihn geiponnenen Intriguen
Guldbergs u. der verwittweten Königin Juliane
urfprünglich |bewogen ihn, 1780 feine Entlafjung zu verlan-
268
Bernuth — Beröa.
gen, worauf er fih nad Mecklenburg zurüdzog; heime Obertribunaf in Berlin u. 1849 vortragen-
aber 1784, als der Kronprinz Friedrich volljährig
geworden u. die Regierung für feinen gemiüths-
tranfen Vater übernommen hatte, wurde er zu—
rüdberufen n. in feine vorigen Würden wieder
eingefegt. Aberınals Teiftete er nım dem dänischen
Staate die ausgezeichnetften Dienfte, indem er
das gute Bernehmen mit allen anderen Mächten
zu erhalten wußte. Eine über das engliihe Ber-
langen der Unterſuchung neutraler Schiffe mit
dem dortigen Cabinet gewedjjelte Note ermedte
als ein diplomatijches Meifterftüd jo allgemeines
Aufjeben, daß fie jogar in London felbft in 7
Auflagen erſchien. In der inneren Landesregier-
ung wirlte B. mit Energie für die Aufhebung
ber Leibeigenshaft auf den adeligen Gütern und
Emancipation des Bauernftandes, die zuerft im
Königreihe u. 1805 in den Herzogtbümern ein-
geführt wurde, Er ftarb 21. Juni 3797.
4) Ehriftian Günther, Graf don, Sohn des
Bor., geb. 3, April 1769 in Kopenhagen; war
zuerſt der Gefandtichaft in Berlin attachirt, dann
Sefandter in Stodholm, nad des Baters Tode
Minifter der auswärtigen Angelegenheiten, nahm
aber 1810 feine Entlafjung, wurde dagegen 1811
Sefandter in Wien und war 1814 dän, Bevoll-
mädhtigter beim Wiener Congreß, darauf Ge.
fandter in Berlin. 1818 trat er als Minifter
des Auswärtigen in den preuß. Staatsdienft u.
wohnte als folder den Gongrejien in Aachen,
Verona, Karlsbad, Troppau u, Laibach bei, trat
jedoh 1832 ins Privatleben zurüd; er ftarb
28. März 1835 in Berlin. 5) Albredt, Graf
von, Neffe des Bor., preuß. Staatsmann, geb.
22. März 1809 zu Dreilützow in Medlenburg;
wurde, nahdem er verichiedenen Gefandtichaften
attadhirt geweien, 1837 Legationsrath, ging 1840
in diplomatisher Sendung nah Neapel, 1842
nah Paris, wurde 1845 Wefandter in München,
wo er gegen die ultramontane Partei auftrat,
1848 aber in Wien, wo er, weil er die Uinter-
ordnung Preußens unter Defterreih belämpfte,
auf Schwarzenberg Berlangen 1851 abberufen
wurde, u. war 1851 u. 52 Mitglied der Erften
Kammer für Berlin. Wieder in diplomatiichen
Dienſt tretend, wurde er 1852 Sefandter in Neapel
und 1857, als Nachfolger Bunſens, in London,
wo man ihn anfangs als ruffiichen Agenten ver-
dächtigte, fpäter ae ihm Gerectigfeit mwiber-
fahren lief. Im October 1861 wurde er an
Schleinig' Stelle Minifter des Auswärtigen, ging
1862 in das neue Minifterium über, ſchloß die
Handelsverträge mit China u. Japan ab u. be
förderte denjenigen mit Frankreich. Im Septbr.
1862 ging er auf feinen Gefandtichaftspoften in
London zurüd, während in Berlin Bismard fein
Nachfolger wurde, und blieb 1867 als Gejandter
des Norddeutfchen Bundes u. 1871 des Deutſchen
Neiches in London, mo er 26. März 1873 ftarb.
1—4 Jenſſen⸗ Tuſch.
Bernuth, 1) Auguſt Moritz Ludwig Hein—
rich Wilhelm v., preußiſcher Staatsmann, geb.
1808 in Münſter; ftudirte feit 1825 in Göttingen
u. Berlin die Rechtswiſſenſchaft u. wurde, nachdem
er verfchiedene Stellen im unteren Staatsdienfte
belleidet hatte, 1845 Hilfsarbeiter für das Ge»
der Kath im Inſtizminiſterium; 1849 u. 50 ſaß
er in der Erften prenfiichen Kammer, u. da er
bier mit der liberalen Partei gejtimmt hatte, jah
er ſich veranlaßt, feine Stelle als Minijteriafratb
niederzufegen, u. wurde 1855 Vicepräfident des
Appellationsgerichtes in Glogau u. 1859 Chefprä-
fident des gleihen Gerichtes in Poſen. Am 17.
Dec. 1860 übernahm er ım Minifterium Auers-
wald das Portefenille der Inſtiz, welches er je«
dod im März 1862 ſchon wieder abgab, ohne im
der kurzen Zeit feine Gedanken zur Ausführung
gebracht zu haben. Seitdem ijt er Kronſyndicus u.
Mitglied des Herrenbaufes, zu deſſen liberaler
Partei er gehört, im den lebten Jahren Biceprä-
fident des Haufes. Seit 1874 tjt er auch Mit-
glied des Deutichen Neichstages. 2) Otto Frie—
drich Karl v., Berwandter des Vorigen, geb.
1816 in Berlin; ftudirte feit 1834 in Berlin u.
Bonn die Rechte, wurde 1839 Kammergeridts-
referendar in Berlin, 1842 Affeffor bei der Re—
gierung in Merfeburg und 1850 Lanbrath des
Viegniger Kreifes. Ws Mitglied der Zweiten
Kammer 1849—52 u. 1858—61 bielt er ſich zu
den Gonjervativen, wurde 1862 Bolizeipräfident
in Berlin u. 1867 Regierungspräfident in Köln.
Bernward, Biihof von Hildesheim u. der
bedeutendite Künftler der erjten Hälfte des Mittel
alters; Miniatur-Maler, Mofaicıit, Plaſtiker, Erz-
gießer, Schniger u. Goldfhmied. B., geb. um 930,
jtammte aus edlem ſächſiſchem Geſchlechte. Sein
Öroßvater mütterliher Seite war der Pfalzgraf
Adalbert von Heffen. In der Hildesheimer Dom-
jhule war er der Mitſchüler des Kaiſers Hein-
rich II. des Heiligen. Nach vollendeten Studien
ging er an den Def feines Großvaters Adalbert,
ward dann von Willigis von Mainz zum Priefter
geweiht u. ferner Erzieher des nachmaligen Kai-
jer8 Otto IIT., 991 Reichskanzler u. Biichof von
Hildesheim. B. erfand die Dachziegel aus ger
branntem Lehm, ımodellirte die fog. Ehriftusfäufe
anf dem Hildesheimer Dombofe u. die ebernen
Doppeltbüren im Dome, that viel für die Berihöner-
ung befjelben, arbeitete das höchſt werthvolle gol«
dene Kreuz für die Magdalenenfirhe in Hildes-
beim m. ein anderes zur Aufbewahrung eines
jog. Kreuzpartifels, den Toloffalen Kronleuchter im
Diittelfchiffe des Hildesheimer Domes, den fogen.
Bernmwarbsftab im Domfchate, baute das Bene»
dictiner-Münfter dafelbft, das zu den bedentendſten
romanischen Bauten in Deutſchland gehört. Er
ft. 20. Nov. 1022. DB. wurde vom Papſt Cöle-
fin III. 1192 unter die Zahl der Heiligen ver-
fett. Vgl. Lüntel, Der hl. Bernward, ee
1856. egnet.
Beröa (a. Geogr.), 1) (Berytus) Stadt am
öftl. Abbange des Bermios in Maledonien, wo
Paulus und Silas mit Erfolg das Evangelium
predigten, namentlich unter den dafigen Juden;
im Mittelalter Sit eines Bischofs, im 10. u. 11.
Jahrh. in der Gewalt der Bulgaren; jet im
türt. Ejalet Salonik, Verre oder Berta; Ruinen,
2) Gerrhöa) Stadt in Thrafien, nad der fie
wieder aufbauenden Kaiferin Jrene im 8. Jahrh.
zeitweilig Irenopolis genannt; jettt Beria oder
Beria. 3) Alter Name von Aleppo (j. d.).
Beroaldo-Bianchini — Berruguctte.
Beroaldo:Biandjini, Natalis Felir, No⸗ gezogenheit.
Eile, öfterr. General, geb. 1779 in Modena; trat
1796 in franzöftiche Dienfte, wurde M97 Haupt«|
mann u. Adjutant bei der Eisalpinifchen Legion, |
nahm au dem Feldzügen in der Nomagna u. der
Marf Ancona, 1798 an der Belagerung von Fer—
rara (mo er in Gefangenſchaft gerieth) u. 1800
an dem lbergange über den Mincio u. an ber
Einnahme des Kaftelld von Beroma theil u.
commandirte in den Gefechten bei S. Elpidio u.
Gaftelnuovo die Artillerie. 1801 der General-
Artillerieinfpection der italienifhen Armee als
Adjutant beigegeben, ging er 1802 als Militär-
deputirter der außerordentlichen italienischen Volls⸗
vertretung nah Pyon und im October db. J.
nah Brescia, um dafelbft eine Gemwehrfabrif an-
zulegen u, zu leiten. 1803 zum Major u. zum
Artillerie » Unterdirector der ttalienischen Armee
ernannt, wurde er 1805 Chef des Artillerieitabes
u. Director der Kanonengießerei u. des Zeug—
hauſes zu Pavia, 1807 auch mit der Einrichtung
u. Leitung einer Kanonengießerei zu Cajonrico
betraut. 1811 wurde er an die Spike ber 3.
Divifion des italienischen Kriegsminifteriums be-
rufen; er commandirte 1813 u. 14 anfangs das
Artilleriecorps der Divifion Palombini, dann das
der Föniglihen Garde u. zuleßt die gefammte
Artillerie der italienifhen Armee. Ber Auflöſung
des italienischen Kriegsminiſteriums wurde B.
1814 Mitglied der öſterreichiſchen Kriegscommiſſion
u. 1816 als Oberftlieutenant der Artillerie in die
öfterreichtfche Armee eingereiht. Seit 1822 Oberft
u. Direckor der Gewehrfabrit in Wien, verbefferte
er das militärische Maſchinenweſen; 1831 zum
Seneralmajor befördert, übernahm er das Artille-
viebrigabecommando in Wien, wurde 1838 Feld—
marſchalllieutenant u. Diviftonär bei der Artillerie.
In diejer Zeit wurden von ihm mehrere Mafchie
nen fir Die Kanonengieereien u. Bohrereien
erfunden, ferner die Tpfündige lange Haubige
eingeführt. 1849 trat er in den Ruheſtand u.
fl. 1854.
Berolbingen, eine aus der Schweiz, Kanton
Uri, ſtammende, der Tatholiihen Confeſſion fol
gende, im 2 Linien zerjallende Familie, von denen
die eine in der Schweiz, die andere in Öſterreich
u. Württemberg begütert ift. 1623 wurde die
deutſche Linie in den Neichsfreiherinftand erhoben
u. dieje Erhebung 1691 aud auf die andere aus-
gedehnt. 1800 wurde Die deutſche Linie gräflic.
Thef A) der öfterreich. Linie ift: 1) Graf Franz,
geboren 7. Juni 1820; ift Befiger der fFider-
commißherrichaften Schönbühel, Agitein zc. wtf. k.
auptmann; B) der württembergifhen Linie:
) Sraf Joſeph, Oheim des Bor., geb. 1780
in Ellwangen; jtndirte in Wien die Nechte, trat
in öſterreichiſche, 1803 in württembergijche Kriegs:
dienfte u. ftieg bis zum General; er ftand im hohem
Anjehen bei Napoleon, ging 1814 als Geſandter
aa London, wo er den für Württemberg vor-
theilhaften Subfidientractat abſchloß, u. 1816 nach
Perersburg. Seit 1823 Minister des Königlichen
Haujes u. der auswärtigen Angelegenheiten, ſchloß
er mebrere wichtige Yandesverträge mit Preußen
2069
3) Graf Cäſar, königl. württemb.
Seneral-Major, Adjutant u. Hofmarſchall a. D.;
geb. 1824. 3 Cicalet.·
Beröfos, Prieſter des Bel in Babylon, um
250 dv. Chr.; jr. eine Geſchichte Babylons u.
Chaldäas in griedh. Sprade, die aus den Tempel
arhiven zu Babylon gejhöpft war u. von dei
Alten ſehr gefchätst wurde; befonders von der Zeit
Nabopolafjars an war fie authentiſch u, ſehr aus—
führlih. Übrig find davon noch Fragmente bei
Joſephos, Eufebios, Syntellos u. A., gelammelt
von Richter, Lpz. 1825, fowie von Müller im
deſſen Fragm. histor. Graec,, ®ar. 1848, II
Bgl. M. v. Niebuhr, Geſch. v. Affur, Berl. 1858.
Berquin, 1) Louis de B., geb. 1480 in
Artois; war föniglicher Rath bei Franz I. u. Be-
förderer der Reformation; er wurde deshalb 1523
vom Parlament u. 1526 von der Sorbonne zwei«
maf verhaftet, aber vom König begnadigt; da er
jedoh feine Grunbjäge nur deſto eifriger ver—
breitete, wurde er 22. April 1529 in Paris ver-
brannt. 2) Arnaud, franz. Schriftfteller, geb.
1749 in Bordeaur; ging 1772 nad Paris u. fi.
bier 21. Dec. 1791. ſchr.: Idyllen, 1774;
Tableaux anglais, 1775; die Romanzen: Le lit
de Myrtle, Genevievo de Brabant, L’incon-
stance u. a.; den Roman: Sandfort et Merton,
ebd. 1787; Bibliothöque des villages, Paris
1790, u. a.; fein Ami des enfants (eine Nad)-
ahmung des Weißeſchen Kinderfreundes) erhielt
1784 den von der Akademie auf das müklichfte
Buch ausgefegten Preis. Sämmtliche Werte,
Bar, 1797—1802, 20 Bbe.
Berre, 1) (Etang de 8.) fiſchreicher Salzſee
im Arr. Air des franzöfifchen Dep. Rhönemün—
dungen, 15 km lang u. 11 km breit, durch den
ein angeblih von den Römern gebauter Damm
(Eajon) gebt. 2) Stadt daran; Fiſcherei, chem.
Fabr., Seefalzbereitung; Mandeln u. eigen;
1918 Ew., wovon 1358 im Orte jelbft.
Berretini, Pietro, gen. Pietro da Cor-
tona, Maler u. Baumeifter, geb. 1596 zu Cortona;
ging, nachdem er daheim den erjien Kuunſtunter-
richt genoffen, zur weiteren Ausbildung nad Rom,
wo er Rafael, Michel Angelo n. die Antiken ftudirte;
er malte dort Bieles für den Bapft Urban VIII,
ging dann nad) Florenz, um den Palazzo Pitti
init Gemälden zu ſchmücen, tehrte aber bald nad
Rom zurüd u. entfaltete num eine enorme Thätig-
feit, die endlih zur Berflahung der Kunft führte,
da es ihm bei aller Productionskraft doch an
Tiefe des Geiftes fehlte u. er bauptfächlich nur
nah wirkſamen Maffencontraften ftrebte. Er ft.
1669 zu Rom. Us fein Hauptwerk gelten die
Dedengemäßde im Palazzo Barberini zu Rom,
Außerdem bedeutende Bilder in den Minieen zu
Berlin, — Devonſhire, Blenheim,
Minden, Wien, Paris. Reguet.
Berrien, 1) County im nordamerik. Unions—
ftaate Georgia, unter 31° n. Br. u. 83° w. %;
4518 Ew.; Eountyfig: Naſhville. 2) County im
nordamerif. Unionsflaate Vichigan, unter 420n. B.
u. 86° w. L.; Eifenbahnverbinduung; 35,104 Ew.
3) (Berrien Springs) Conntyfig im vor., am St.
u. anderen deutfchen Staaten; feit 1848 bis zu Joſephfluß.
feinem Tode, 24. Yan. 1868, lebte ev m Zurüdel Berruguette (Beruguete), Alonſo, Spanischer
270
Maler, Bildhauer u. Baumeifter, geb. zu Paredes de
Nava, geft. 1561; fam nad feines Vaters Tode
1503 nad Jorenz u. 1504 nad Rom, wo er fi)
die Freundſchaft Michel Angelos erwarb, Fehrte aber
bald nach Florenz zurüd, wo er viel mit Anbrea
1520
ging er nad Spanien zurüd, wurde Karls V.
Kammermaler u. von ihm vielfach beichäftigt.
Als Bildhauer folgte B. der Richtung Michel
Angelos, als Maler der Leonardos da Binct ı.
führte den rein italienischen Stil in Spanien ein.
Werke: Hl. Benedict u. Biihofsftuhl im Muſeum
zu Valladolid; Sarlophag des Erzbiſchofs Tavera,
ın ©, Juan Battifta ertra muros bei Toledo;
del Sarto u. Baccio Bandinelli verkehrte.
ie
Akademie zu Balladolid. Regnet.
Berrũhyer, Joſeph Iſaak, Jeſuit;
1681 zu Rouen; ft. 1758 zu Paris.
fägen erzäblte,
Diet XIV, und Clemens XIV. verdanmten es.
göffler.*
Berry (Berri), ehemaliges Lehnsherzogthum
in Frankreich, zwiihen Zouraine, la Marche,
Bourbonnais, Nivernois, Gatinois, Orldanais
u. Blaiſois; zerfiel in Ober u. Unter-®.; war
ein eigenes Gouvernement; umfaßte 14,337 Dkm
(260,35 [_M); Hanptftadt: Bourges; fehr frucht-
bar, bei. an Hanf, bedeutend duch Schafzucht;
jegt die Hauptbeftandtbeile der Dep. Cher und
Indre bildend, während Heinere Theile an die
Dep. Bienne, Haute-Bienne, Creuſe u. Loiret ab-
gegeben find; der Kanal von B., 150 kmlang, ver-
bindet den Eher mit dem Canal lateral. B. war
zu den Römerzeiten von den Biturigern bewohnt
u. hieß deshalb Biturica.
ihre Städte und zogen fi nach dem befeftigten
Avaricum. 475 fam B. an die WGothen, unter
Chlodwig aber an die Franken, melde es durch
Grafen beherrihen ließen; dann an die Karolin:
ger, feit 917 wurde es durch eigene, Burgund
lehnspflichtige Vicomtes vegiert, deren letter,
Eudo Arpiım, es an König Philipp I. von
Frankreich verfaufte. Nun war B. oft Apanage
nadhgeborener Prinzen und ward 1360 von Jo—
dann zum Herzogtum ‚erhoben. Diefer und
mehrere fpätere Prinzen führten den Namen
Herzog von B. namentlih: I) Jean, 3. Sohn
des Königs Johann von Frankreich, geboren
1340, war erjt Graf von Poiton, wurde durch
den Zractat von Bretigny als Geifel an England
gegeben u. btieb 9 Jahre bort; er befehligte 1372
die franzöfifhe Armee in Guienne; nad Karl V.
—— in der Kapelle des Collegio major di
an Jago in Salamanca; H. Familie, in der
geb.
Er ſchr.:
Hist. du peuple de Dieu depuis son origine
jusqu’a la naissance du Messie, Par. 1728, 7
Bde., 8 A., 1738, 10 Bde., fortgejegt in Histoire
dupeuple deDieu depuis la naissance du Messie
jusqu’a la fin de la $ynagogue, 4 B., u. Para-
phrase litterale des apötres ete., 2 B., worin
er die heilige Gejcdh. des A. T. zu modernifiren
ſuchte u. diejelben in höchſt frivolem Tone, mit
fonderbaren u. üppigen Ausihmüdungen u. Zur
Der General des Jeſuitenordens
befahl dem Berfaffer, in dem folgenden Auflagen
Bieles megzulaffen u. Anderes zu ändern; das
Werk fam in den Index libr. prohib., u. Bene
Im Galliihen Kriege
(j. d.), 52 v. Chr., verbramnten die Bituriger
Berruyer — Berry.
Mitglied der Regentſchaft, nahm er das Gouper-
nement Yanquedoc, herrichte dort mit unumfjchränf«
ter Macht, derlor durch feine Härte diefe Provinz,
nachden Karl VI. mündig geworden war; bei
der Geiftesfranfheit Karls VI. kam er von Neuem
zur Regentſchaft, zog fi aber wegen Streitig-
fetten mit dem Herzog von Burgund u. dem
Haufe Orleans zurüd u. nahm an dem Kriege gegen
den Herzog von Burgund theil; er fi. 1416 im
Paris. 2) Charles, Herzog von B., Norman-
die u. Gutenne, Sohn des Königs Karl VIL u.
der Marie von Anjou, geb. 1446 auf dem Schloffe
Montils-les-Tours; er trat 1464 zur Ligue; Die
Normandie, die er nad dem Frieden erhalten
hatte, fiel 1466 wieder ab, jowie 1468 die Cham»
pagne, welche er darauf mit Guienne vertauicte;
er ft. 1472 in Bordeaur. 3) Charles, 3. Sohn
des Dauphin Louis u. der, Marie Ehriftine von
Bayern, Enkel Ludwigs XIV., geb. 1686; führte
den Titel Groß-Dauphin; er ft. 1714. 4) Marie
Elijabeth, geb.1695; geiftreihe u. ſchöne Toch«
ter des Herzogs von Örleans, Gemahlin des
Borigen, der ſich wegen ihrer Ausſchweifungen
von ihr fcheiden lafjen wollte, aber über dem
Proceh ftarb. Der Graf von Riom war am
längjten ihr Liebhaber u. fol fogar insgeheim mit
ihr vermählt geweſen jein; fie ft. 1719. 5) Char-
les Ferdinand, Graf v. Artois, Herzog v. B.,
2. Sohn des Grafen von Artois (nachmaligen
Königs Karl X.) u. der Maria Therefia von Sa-
voyen, geb. 24. Jan. 1778 in Berfailles; floh
mit feinen Eltern 1792 nad Turin, focht dann
unter Gonde bis 1798 gegen Frankreich u. trat
mit dem Condöihen Corps in rufliiche Dienſte.
Nach der Auflöjung diefes Corps (1801) ging er
nad Holyrood in Schottland zu feinem Bater u.
vermählte ſich hier im morganatifcher Ehe mit
einer Engländerin, welche Ehe jedoch Ludwig XVILL.
nicht anerfannte; aus dieſer Ehe entiprangen 2
Töchter, von denen jpäter die eine an den Mar—
quis von-Charette u. die andere an den Prinzen
von Faucigny vermählt wurde, Nach dem Sturze
Napoleons landete der Herzog 18. April 1814
im Hafen von Cherbourg u. war 1815, nad Na-
poleons Ridtehr von Elba, zum Oberbefehlshaber
über die Truppen bei Paris beftimmt; er folgte
aber, weil er mit feinen Truppen nichts ausrich-
ten fonnte, bereit am 20. März dem Hofe nad
Gent u. kehrte erft nad) dem Siege der Allüirten
am 8. Juli nah Paris zurüd, wo er fi 1816
mit Caroline Ferdinande Yonife, Tochter Königs
Franz’ I. von Sicilien, vermählte. Bon Louvel,
einem politiſchen Fanatiker, welcher die Bourbonen
ausrotten wollte, wurde er 13. Febr. 1820 beim
Ausgange aus der Oper verwundet u. fl. am fol-
genden Zage. Memoires über ihn von Chateau«-
briand, Par. 1820. 6) Caroline Ferdinande
Lonife, Herzogin von B., Tochter des Königs
Franz I. von Sicilien, geb. 5. Nov. 1798; ver»
mäblt mit dem Borigen 1816. Am 14. Febr.
1820 Wittwe geworden, gebar fie 7 Monate dar«
auf ben Herzog von Bordeaur (genannt Hein»
ri V.); 1819 hatte fie ihrem Gemahl eine Prin-
zeifin (Mademoifelle de France), die jpätere Her-
zogin von Parma, geboren. Sie war faft bie
Einzige unter der älteren bourbonishen Dyna-
Berrya — Berfezio.
271
fie, die noch unter dem Bolle einige Zuneig-] Wiesbaden, ıı. nad feiner Zurückkunft nach Paris
ung beſaß. Nach der Yulirevolution 1830 mollte
fie mit ihrem Sohne in Franfreich zurüchleiben,
um diefem wo möglich die Thronfolge zu fichern,
aber Karl X. gab dies micht zu, und fie lebte
erft in England, dann in Neapel u. feit 1832
in Modena. Bon bier aus landete fie am 24.
April 1832 bei Marfeille, wo man vergebens am
30, einen Aufftand zu ihren Gunſten zu erregen
verjuchte; fie ging dann verfleidet nach der Bendee,
wo fie in der Bretagne Anhänger fand; aber von
der Hegierung verfolgt, irrte fie verkleidet im
Lande umber, hatte jedoch ihren Hauptaufenthalt
im Haufe der Schweitern du Guigné in Nantes,
wo fie fih 5 Monate lang aufhielt. Endlich von
dem Juden Deug aus Köln, welder in Rom
fatholifch geworden war, verrathen, wurde fie am
7. Novbr. in Haft genommen u. auf die Citadelle
von Blaye gebracht, wo fie ein Kind gebar u. fi
in 2. Ehe feit 1831 mit dem neapolitanifchen
Marcheſe Hector Luccheſi Ballı - vermählt erklärte.
Diefe Erflärung raubte ihr das königliche An-
fehen, weshalb die Regierung fie als ungefährlich
freifieß. Sie fchiffte fih im Juni 1833 ın Blaye
nah Sicilien ein, lebte jeitvem abwechſelnd in
fterreih und Italien und nahm zuletzt in
Benedig ihren Wohnfig, wo ihr 2. Gemahl
1864 ſtarb, achdem er -Hernzog |della Gracia ger
pworden. Sie ftarb 16. April 1870 zu Brunnſee
in Steiermarf.
Berrya Amomilla Roxb., Baum aus der Fa—
milie der XTiliaceen; in Oſtindien einheimtich;
fiefert Bimmerholz von großer Leichtigleit, das
fog. ZTrincomaliholz, ans welchem die Mafjoula-
boote in Madras gefertigt werben.
Berryer, Bierre Antoine, berühmter fran-
zöfifcher Advocat u. Redner, geb. 4. Jan. 1790
in Paris; ftudirte Mechtswifjenichaft, wurde 1814
Advocat u. erlangte einen großen Ruf; ſchon 1815
war er mit Dupin m. feinem Vater Bertheidiger
des Marichalls Ney vor dem Pairshofe. Ebenfo
vertheibigte er 1833 den Grafen Larochefoucauld
vor den Barijer Aſſiſen; 1334 war er Sadjwalter
des Herzogs von Borbeaur bei dem Proceß in
Betreff der Einziehung des Gutes Chambord für
den Staat, der zu Gunften des Grafen von Cham—
bord ausfiel, 1840 Bertheidiger Yonis Napoleons
vor den Pairshofe wegen des Boulogner Attentats
und 1847 Barmentiers im Gubidres»Teftefchen
Proceß. Seit 1829 jaß er für das Departement
der Ober⸗Loire in der Deputirtenfammer u. war
in den Julitagen 1830 der wärmjte Bertheidiger
der Ordonnanzen Karls X., u. unter der Negie-
ung —— Philipps galten B. u. Laroche⸗Jac⸗
quelin für die erften Stummführer der Legitimiften.
Im Jahre 1832 wurde er in Angouleme feſtge—
nommen, da er im Verdachte ftand, mit der Her-
zogin von Berry die Unruhen in der Bendee ver:
anlaßt zu haben, aber von den Aifiien zu Blois
freigefprochen. Wegen feiner Anweſenheit 1843 in
London beim Derzog von Bordeaux in der Depu⸗
tirtenfammer getadelt, trat er aus derjelben, wurbe
aber von ber Stadt Marſeille wieder gemählt;
als Legitimift ſtimmte er am4.Nov. 1848 gegen
die Annahme der Berfaffung. Im Auguſt 1850
bildete fi unter feiner Leitung ein parlamenta-
riſcher Legitimiftenausihuß, weicher das Zwölfer-
Comitd genannt wurde. Als er beim Ausbruce
des Staatsſtreiches (2. Dec. 1851) aus den Fen—
ftern der Mairie die Truppen durch die Kraft
jeiner Rede vom Blutvergießen abzubalten ver-
juchte, wurde er verhaftet, erhielt jedoch bald feine
Freiheit wieder. Im Febr. 1852 lehnte er jede
Candidatur zum Gejeggebenden Körper ab; dage-
gen wurde er 1855 zum Mitgliede der Alademie
u, zum Vorfteher (Bätonnier) des Parifer Advo—
catenjtandes gewählt. Seit bem Staatsftreiche
bemühte er ſich beſonders, zwifchen den beiden
Bourbonifhen Linien zu vermitteln. Erſt 1863
ließ er fih von Marfeille als Abgeordneter in den
Sefegebenden Körper wählen. Er ft. 29. Nov.
1868 auf feinem Landgute zu Augerville. Ein
Standbild von ihm in Marjeille wurde am 25.
April 1875 enthüllt.
Berfaglieri (ital., von bersaglio, Scheibe,
Ziel), die Jäger der italienifhen Armee. Sie
wurden durch den General Lamarmora in der far»
dimjchen Armee nah dem Mufter der franzöf.
Jäger zu Fuß organifirt, zeichneten fi im Krim—
friege aus u. wurden in ber Armee des König-
reichs Italien bis auf 10 Negimenter (A 4 Ba-
taillone zu 4 Compagnien) mit einem Kriegsftande
von 1000 Offizieren u. 32,700 Mann vermehrt.
Außerdem umfaßt die mobile Miliz 15 Bataillone
B., mit 759 Offizieren u. 17,195 Mann.
— 2 jo v. w. Herztohl.
Berjenbrüf, 1) Kreis in der Landdroſtei Osna-
brüd der preuß. Prov. Hannover; reich an Hei-
den und Mooren; 1079, [km (19,0 [I M);
42,520 Ew.; getheilt in die Stadt Quakenbriick
u, die Amter B., Börden u. Fürſtenau. 2) Amt
ebendafelbft; 17,613 Ew. 8) Dorf ebendafelbft,
an der Haaſe u. der Bahır Dsnabrüd-Didenburg;
Amtsgericht; evang. Damenftift; 750 Em.
Berferker, richtiger Bärjerker, d. i. Hemb-
träger, weil die B. aus Eiſendraht geflochtene
Bruftnege oder Panzerheinden als Dedwaffe auf
bloßem Leibe trugen. Die alte nordiſche Heldenjage
erzählt von B-n mı Odins Gefolge, von B-ihmwär-
men als Ottars Gefchlecht, namentlih aber von
zwölf B-n als Kriegern des Dänenkönigs Rolf
Krake. Diefe Kämpen, die nad ihren Panzerhents
den B. genannt wurden, madten fih durch an
Wuth grenzende Kampfbegierde berühmt u. be»
rüchtigt; denn als folhe megelten fie auf ihren
Zügen alles Yebende nieder, was ihnen in den
Weg fam. Sole Kampfzüge oder Parorysmen
wurden Berjerfergang genannt, u. dieſe als
ein Übermaß- von rohefter Bravour gefchilderten
Wuthausbriche werden al8 eine Abſchwächung
jener Sagen angefehen, welche Menſchen fi in
Thiere (beionders Wölfe) verwandeln u. als foldye
wüthen laſſen (j. Werwölfe). Daher kommt es,
dag man ſpäter überhaupt blind miüthende
Menichen, wie auch in der Frrenbeiltunde Wahn-
finnige B. nannte.
Berjezio Vittorio, ital. Dichter u. Politiker,
geb. 1830 zu Cori; dichtete ſchon mit 12 Fahren
Opernterte; feit 1845 ftudirte er in Zurin bie
nahm er theil an dem Yegitimiftencongreß in Rechte u. machte 1848 den lombardiihen Feldzug
272 Berſich —
mit. Bald darauf redigirte er den literariſchen
Theil der Gazetta Piemontese. Seit 1864 ver-
tritt er die piemontefiihe Oppofitionspartei- im
Barlament. Er fchr.: Novelliere contemporaneo
u. mehrere andere Romane, zulest Mentore e
Ca'ipso, 1874; befonders gelungen find die Luſt⸗
ipiele Le Jisgrassie d’Monsii Travet. in piemont.
Dialelt, deutſch bearbeitet als: Bartholomäus’
Leiden, u.: Una bella di sapone.
Berfid, (Berfing), Fiſch, ſo v. w. Flußbarſch.
Berſtadt, Dorf im Kreiſe Büdingen der groß—
berzogl. heifiichen Prov. Ober-Heflen; 970 Ew.;
reiches Braunfoblenlager in der Nähe.
Berftett, Wilhelm vLudwig Leopold, Frei—
berr v., badifcher Staatsmann, geb. 1770 in dem
den Namen feiner Familie tragenden Orte bei
Straßburg; diente erft als Militär im Oſterreich
u. Baden, war badifcher Gefandter am Wiener
Congreß, dann am Bundestage, feit 1817 Minifter
des Sroßherzogl. Hanjes und des Auswärtigen,
wirkte am Zuſtandelommen der badiſchen Ber-
faſſung u. bei manchen Fortſchritten in der Ver—
waltung mit; er nahm 1831 feinen Abſchied u.
ſt. 16. Febr. 1837.
Berſtuk (wend. Myth.), im Allgemeinen Name
der Wald» u. Erdgeiſter; beſ. der oberfte Waldgott,
in Bodsgeftalt abgebildet, auch Zlebog genannt.
Berierca DC., Pflaugengattung, benannt nach
einem jungen Piemontejen, Bertero (der in Weftin-
dien und SAmerifa botanifirte und De Cantolle,
Balbis u. Sprengel viele neue Pflanzen Tieferte),
aus der Familie der Eruciferen (XV. 1). Arten:
B. incana DC, (Farsetia incana KR. Br.), mit
aufrechtem Stengel, nebſt den lanzettlich-ſpitzen
Blättern u. den elliptiihen Schötden grau; aui
fandigen, trodenen Pläten in ganz Europa ver-
breitet; B. mutabilis DO., in Dalmatien und
Griechenland; B. obliqua DO. in Sicilien u.
Neapel; die beiden letteren ftraudartig, bei uns
im Freien, im Winter gut bebedt, cultivirt, Die
erftere zweijährig.
Bertha, deutiher Name, verwandt mit Bercht—
hold, Berchta, bedeutet: die Prächtige, Gläuzende,
Edle. 1) Sta. B. (Evithberga), Tochter des
Königs Charibert von Franken n. der Ingoberga,
vermäblt 560 an König Ethelbert von Kent; fie
beredete denjelben zur Annahme des Chriftenthums
u. wurde fanonifirt; Tag: 4. Juli. Nach Auderen
ift jedoch diefe, welcher der 4. Juli geweiher ift,
eine andere B., welche um 690 Abtiffin zu Blangi
in Artois wurde u. um 725 ftarb. 2) B. mit dem
großen Fuße (welcher angebliche Körperfehler eine
mythologiſche Bedeutung bat, vgl. B. 6), im
Sagentreife Karls des Gr. Tochter des Grafen
Eharibert von Laon oder eines ungariſchen Kö—
ige, Frau Pipins des Kurzen. Sie wird auf
der Reife nach Frankreich auf Anftiften der böjen
Margifte entführt, und Alifte, der lettteren Toch—
ter, wird an ihrer Stelle mit Pipin vermäblt.
Auf einer Jagd entdedt jedoch Pipin die echte
Bertha u, nimmt fie als jeine rechtmäßige Frau
Berthelier,
u. Profaerzählungen gefeiert. Das ältefte erhal-
tene ift ein von Abends le Roi im 13. Jahrh.
iiberarbeitetes, herausgeg. von P. Paris, Paris
1832 (vgl. darüber $, Paris, Hist. poétique
de Charlemagne, Par. 1865, ©. 223—6). 3) 8.
jagenbafte Schweiter Karls, Frau des Milon
Angers, Mutter Nolands, ſonſt auch Gille ge»
nannt. Sie ift hauptfählih in ital. Gedichten be-
jungen, die älteſte Berfion in der Handſchr. XIII.
e Venedig in franco-ital. Spradhe (vgl. darüber
‘. Gautier, Epopdes fr., Par. 1867 II, 57 ff.)
4) B., Tochter Karls des Gr. u. der Hildegarde,
Gemahlin Engelberts und Mutter des Gejchicht-
jchreibers Nithard. 5) B., Tochter Yorhars des
Jüngeren von Lothringen; erft mit dem Grafen
TIheobald II. von Arles vermählt, wurde fie
Mutter des nachherigen Königs Hugo von Italien;
dann beirathete fie den Markgrafen Adalbert II.
von Toscana, in deffen Namen fie die Regierung
führte; fie war fchön, doch ausfchweiiend u. ft. 925
zu Lucca. 6) B., Tochter des Herzogs Burl-
bard I. von Schwaben; wurde 922 Gemahlin des
Königs Rudolf IT. von Burgumd u. Mutter der
Kaiſcrin Adelbeid; nah Rudolfs Tode jchloß fie
eine zweite, nicht glücliche Ehe mit König Hugo
von Iratien (938). Ihr Beichliger Kaijer Otto d.
Gr. gab ihr die Abtei Ehrenftein; fie ſelber ftiftete
u. a, Peterlingen, mo man 1818 ihre Gebeine
auffand. Sie ft. zu Eude des 10. Jahrh. Die Er
innerung an ihre Zeit, als die des Gliides, der
Überfluffes u. der Gitteneinfalt, lebt bei den Jta-
lienern, WSchmweizern und Burgundern in dem
Sprüdwort; Al tempo que Bertha filava (Zur
Zeit als B. fpann), u.: Ce n'est plus le tem
su Berthe filait, womit man ein goldenes Zeit-
alter bezeichnet, was jedoch mit den Sagen von
der fpinneuden Erdgöttin zuſammenhängt, ebenio
auch ber große Fuß von B. 2); vgl. Berchta.
6) Hartmann. *
Bertheau, Ernft, Orientalift, geb. 23. Nov.
1812 in Hamburg; ftudirte feit 1832 in Berlin
u. Göttingen orientaliihe Sprachen, wurde an
legterer Univerfität 1836 Repetent, 1839 Privat-
docent u. 1842 Profeflor. Er ſchr. De secundo
libro Maccabaeorum, Gött. 1829; Die fieben
Gruppen Moſaiſcher Gefete, ebd. 1840; Zur Ger
ſchichte der Fsraeliten, ebd. 1842, u. commentirte
in dem Kurzgefaßten eregetifhen Handbuche das
Buch der Richter und Wutb, 1845, die Sprüche
Salomonis, 1847, die Chronika, 1854, Esra,
Nehemia u. Eftber, 1862; gab auch ein Gedicht
Ephraem des Syrers ſyriſch und lateiniſch, ebd,
1837, beraus.
Berthelier, 1) Philibert, Genfer Patriot;
mußte als Gegner der Anmaßungen des Herzogs
von Savoyen gegenüber der Freien Stadt Genf
1506 von da fliehen, wurde Bürger in Freiburg,
tebrte als folder zurüd und trat dem Herzog
jowol, als dem Biihof von Genf, einem Gliede
des Haufes Savoyen, für die bedrohten Rechte
der Stadt Fräftig entgegen; er entjlammte die
mit fi. Sie gebar ihm Karl den Großen u. ft. |Baterlandsliebe der Genfer u. bemwirtte, als die
725. Den Überlieferungen von ihr hat fich viel
Sagenhaftes, ja Myſtiſches beigemiſcht. Sie er-
Tyrannei des Herzogs u. Biſchofs zunahm, einen
Bund zwifhen Genf u. Freiburg, dent zufolge der
innert an Berchta, die Göttin mit dem Schwa-| Herzog jeine nah Genf gemworfenen Truppen
en» oder Gänfefuße, und ift in wielen Gedichten zurücziehen mußte. Da ließ der Bischof B. plötz-
Berthelsdorf — Berthold,
lich 22. Aug. 1619 verhaften und am folgenden
Tage widerrechtlich zum Tode vernrtheilen u. hin-
richten, u. die eingejchlichterte Stadt mußte einige
eit die ſavoyiſche Herrichaft dulden (ſ. u. Genf).
) Philibert, Sohn des Vor., in Frankreich
als Proteftant verfolgt; war gleich allen patrioti«
ihen Genfern ein Gegner der Herrihaft Ealvins
(i. d.), welchem gegenüber er fich aller um der
Gewiſſensfreiheit willen Berfolgten annahm, wurde
deshalb von Calvin ercommumnicirt, mußte endlich
fliehen, wurde 1555 in contumaciam zur Bier
theilung verurtheilt u. ftarb in der Berbanmung.
5) Franz Daniel, jüngerer Bruder des Vor.;
nahm an allen Beftrebungen feines Bruders theil,
floh aber nicht u. wurde daher 1555 verhaftet u.
wegen angeblichen Hochverrathes enthauptet. Beide
Brüder waren Müngzmeifter in Genf. Henne-Am Royn.
Berthelsdorf, Dorf im Gerichtsamte Herrn«
but der königl. ſächſiſchen Amtshauptmannichaft
Löbau im Regbez. Bauten; Sig der Direction
der Herinhuter Gemeinden u. der alle 12 Jahre
zufammentretenden Synode derſelben; 1902 Em.
Außerdem führen noch 6 andere Orte im König:
reih Sachen den Namen B.
Derthet, Elie Bertrand, franz. Roman—
dichter, geb. 9. Juni 1815 zu Pimoges; trat feit
1834 zu Paris als Schriftfteller auf u, war über:
ans fruchtbar an mittelmäßigen Nomanen, die
ater ftarle Verbreitung fanden u. auch in fremde
Sprachen überfegt wurden.
Derthier, 1) County im weftlihen Theil von
Canada, am St. Lorenzitrom gelegen; 43,250 Ew.;
— Berthieren-Hout. 2) Diſtrict in der
rovinz Quebeck von Canada; 19,804 Em.
Derthier, 1) Alerandre, franz. Marſchall,
geb. 20. November 1753 in Berfailles ; bejuchte
die Militärſchule und trat dann in das Genie-
corps; er murde 1770 im Generalftabe ange:
fielit, focht mit Lafayette in Amerifa und ward
dort Oberſt; mach Frankreich zurückgekehrt, trat
er in Seygurs Generalftab; 1791 wurde er Ge-
neral der Nationalgarde von Berfailles, 1792
Brigadegeneral u. bei Luder Chef des General-
ftabes, 1795 Divifionsgeneral u. 1796 u. 97 Ge-
neralftabschef bei der Ftalienifchen Armee. 1798
zog er als General en Chef der Stalienischen
Armee gegen die römiichen Staaten, entjette die
päpftlihe Megierung und richtete in Rom eine
repubfifaniiche Regierung ein. Bon hier abberufen,
ſchiffte er fih 19. Mar als Chef des General«
Kabes der Agyptiichen Armee mit Bonaparte zu
Zoulon ein u. fam mit diefem im Sept. 1799
nad Paris zurüd. Nach dem 18. Brumaive wurde
er Kriegsminifter u. bald darauf Obergeneral der
Refervearmee beim Zuge nach Ftalien, jedoch nur
dem Namen nah, denn Bonaparte commandirte
jelbft. Nach der Schlacht von Marengo organifirte
die Regierung von Piemont und ging in
außerordentlicher — nach Spanien. Als
Napoleon Kaiſer wurde, erhielt er den Titel
Reichsmarſchall, begleitete denſelben im den Feld—
zügen gegen Oſterreich und Preußen u. war der
Ordner aller militäriſchen Details, wozu Napo—
leon die Anleitung meiſt nur in den allgemeinſten
Zügen gab,
Nah dem Frieden von Presburg | Mannheim 1856.
273
Senator u. Biceconnetable von Frankreich; 1808
vermäblte er ſich mit Marie Elifabeth Amalie, der
Tochter des Herzogs Wilhelm von Bayern, u. be«
fam große Dotationen u, die Domaine Gros-⸗Bois
bei Paris; 1809 wurde er Majorgeneral der Arınee
u. nah der Schladht bei Wagram Firft von Wa-
ram; Napoleon übertrug ihm auch 1810 feine
Berbung um die Erzberzogin Maria Luife von
Öfterreih. Er begleitete Napoleon auch in den fols
genden Feldzügen als Chef des Generaljtabes,
Nach der Abdanfung Napoleons 1814 verlor er
zwar das Fürſtenthum Neuenburg, wurde aber
Pair u. Marichall von Frankreich u. Capitän der
Garden u. genoß das Vertrauen Ludwigs XVIII.
Er verließ auch mit diefem bei Napoleons Rücklehr
1815 Frankreich u. ging von Ditende zu feinem
Schwiegervater nah Bamberg. Eine tiefe Schwer»
muth bemächtigte fich feiner, ı. am 1. Juni 1815,
in dem Augenblide, als eine Eolonne Ruffen, nad)
Frankreich marjchirend, in Bamberg einzog, ftürzte
er fih vom 3. Stode des Schloſſes herab u. ftarb
augenbfidiih. In der Kivhe zu Banz, wo er
beigefeßt wurde, ift ihm eim Denkmal errichtet.
Bon ehrenwerthem Charakter u. ftreng im Dienfte,
widerftrebte er Napoleon, wenn er denfelben auf
Abwegen ſah, mit freimüthiger Offenheit. Bol.
M&moires, Paris 1826. 2) Bictor Leopold,
Bruder des Bor., geb. 12. Mai 1770 in Vers
failles; wurde 1794 Bataillonschef, 1799 Chef
des Generalitabes Zr Armee von Neapel uud
Brigadegeneral, diente 1805 bei der Belebung
Hannovers und machte als Divifionsgeneral die
Feldzüge 1805 und 1806 mit; er jtarb 1807
in Paris. 83) Céſar, Graf v. B., Binder dev
Bor., geb. 4. Mai 1765; erft bei B. 1), dann
bei der Militäradbminiftration angeftellt, wurde er
1799 Brigadegeneral und Chef des Generalftabes
bei der 1. Mifitärbivifion, befehligte 1805 ein
Obfervationscorps in Holland und murde 1811
Divifionsgeneral, Reichsgraf und Gouverneur in
Corſica; nad) der Neftauration ging er, zu Ludwig
XVII. über u. ft. 17. Aug. 1819 in Gros-Bois.
Berthierit (Diin.), jo v. w. Antimoneiſen (j.
u, Antimon), eine natürlihe Verbindung von
Schwefeleifen mit Schwefelantimon , von dunlel-
grauer, ftahlglänzender Farbe, die in Braunsdorf
in Sachſen, bei Yalaye in den Bogefen, bei Anglar
im Dep. de la Creuſe und in der Auvergne in
Frankreich, in Ungarn und in Unter» Californien
uw. f. w. meift in fajerigen Maffen vorkommt. Es
wird als Antimonerz bemutt, liefert aber nur
untergeordniete Qualität.
Berthold (Berchthold), deutfcher Name, ber
deutet der Glänzende, Herrliche. I. Herzöge dv.
Zähringen: 1) B. I. der Bärtige, Sohn des
Grafen Gebhard im Breisgau; folgte 1030 feinem
Bater als Graf im Breisgau u. Ortenau, baute
die Burg Zähringen im Breisgau, nahm 1052
den Herzogstitel an, als ihm Kaiſer Heinrich III,
die Anwartichaft auf das Herzogthum Schwaben
gab; ftatt deſſen erhielt er 1060 das Herzogthum
Kärnthen u, die Mark Berona, welde de aber
einrih IV. 1073 wieder nahm; er jtarb 1077.
5. Zähringen. Lebensbejchreibung von Ficller,
2) 38. II., Sohn des Vor.;
(1805) wurde er Fürſt von Neufchätel und 1807 "folgte demjelben in feinen Gitern u. dem Herzog
Piererd Univerjal-Eonverfatiomb-teriton. III. Band. 6. Aufl.
18
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Berthold — Berthollet.
B. von Schwaben 1092 in Alemannien (Oſtſchweiz /des öfterreich. Kronlandes Unter der Enns, an ber
u. Elſaß); er ft. 1111 u. gilt für den Gründer
von Zähringen; er war vermählt mit Agnes,
Tochter des Gegenkaiſers Rudolf von Schwaben.
3) 8. UIJ., Sohn des Bor.; jolgte demjelben 1111
u. beißt zuerft Herzog von Zähringen; er war
Reichsvogt von Züri, gründete 1118 Freiburg
im Breisgau u. murde 1122 auf väthjelbafte
Weiſe ermordet. 4) B. IV., GEntel des Vor,
Sohn Konrads; folgte diefem 1152 u. gründete 1177
Freiburg im üchtland; ft. 1186; f. Zähringen
(Geſch.) 5) B. V. der Reihe, Sohn des Bor.;
folgte demjelben 1186, wurde nah Heinrihs VI.
Tode von einem Theil der deutschen Fürſten zum
Kaifer gewählt (ſ. Deutſchland, Geſch.), Forte
fi aber gegen Philipp nicht halten; er ft. 1218,
u. mit ihm jtarb das Haus Zähringen aus, deſſen
Güter an verfchiedene Erben lamen (f. Zähringen).
Er gründete 1191 die Stadt Bern, wo ihm 1847
auf der Münfterterrafe ein Denkmal errichtet
wurde, II. Biſchöfe u. Geiftlihe: 6) B. der
AFranciscaner od. B. v. Negensburg (Berthol-
dus de Ratisbona), berühmter Prediger, geb. um
1220—30 zu Regensburg; im Franciscanerkloſter
dajelbft von Bruder David von Augsburg aus-
gebildet, durchzog er als Reifeprediger jeit Mitte des
13. Jahrh. Alemannien, Graubünden, Bayern,
Ofterreih, Mähren, Böhmen zc. unter ungeheurem
Zudrang Des Bolles zu jeinen Durch Anmuth,
Friſche, Lebendigkeit ee, rei Predigten. Er
ft. 13. Dec. 1272 zu Negen$burg u. ift dort be-
graben. Seine Predigten herausgeg. von Kling,
Berl. 1824, ergänzt u. berichtigt von J. Grimm,
Wiener Jahrb. B. 32, u. Fr. Pleiffer in: Die
deutjhen Miyftifer des 14. Jahrh., I. XXVI
fi., u. in der Zeitſchr. f. deutſches Altertum;
herausgeg. u. übertr. von Franz Göbel, mit Bor»
wort von Alban Stolz, 2 Bde.; ebenjo von Fr
Pfeiffer, 1862. 7) Eig. Pirftinger, geb. 1465 zu
Salzburg; wurde Kammermeifter des Erzbiichois,
1508 Biichof von Chiemfee; jchr. anouyın: Onus
ecclesiae, 1524 in Landshut erſchienen, worin nach—
drüciich eine dDurchgreifende Reformation der Kirche
gefordert wird. 1525 refignirte B. u. zog fich in
die Stille zurüd. Er ſchrieb hierauf: Tewtſche
Theologey, München 1528, Augsb. 1531 (lat.),
worin mit etwas jpeculativer Myſtik das römijche
Syſtem vertheibigt wird. Die nicht jehr bedeutende
Schrift wurde herausgeg. von Reithinayr, Münch).
1852. 6-7) Löffler.
Derthold, Arnold Adolf, Phnfiolog, geb.
26. Febr. 1803 in Soeft; ftudirte bis 1823 in
Göttingen Medicin, bildete fih dann meiter in
Berlin u. Paris aus, wurde 1825 in Göttingen
praft. Arzt u. Privatdocent der Phyfiologie, ver-
gleihenden Anatomie u. Zoologie u. 1835 Pro-
ſeſſor; 1837 wurde er ald Mitglied in die Königl.
Sorietät der Wiffenfchaften aufgenommen u. er
bielt 1845 den Titel als Hofrath; ft. 3. Jan.
1861. Er ftiftete 1838 den Göttingenſchen Berein
für Natur» m. Heilfunde u. jchr.: Lehrbuch der
Phyſiologie, ebd. 1829, 2 Thle., 3. Aufl., 1848;
Darftellung ſämmtlicher Säugethierarten, ebd.
1832; Lehrbuch der Zoologie, Götting. 1845 u.
viele andere.
Dertholdsdorf, Marktfleden im Bezirle Baden
Wien-Triefter Eiſenbahn; alterthiimliche Kirche;
Baummollendruderei; Weinbau; Mineralbad; da-
bei der Leonhardberg mit ſchöner Ausfiht. B.
wurde 1683 durch die Türken zerftört.
Berthollet, Claude Louis Graf von B.,
berühmter Chemiler, geb. 9. Dec. 1748 zu Talloire
in Sapoyen; ftudirte Medicin in Turin, promo-
pirte 1770, fam 1772 mittello8 nad Paris, wurde
durch Tronchin an den Herzog v. Orleans ge-
wiefen, der ihm zum Leibarzte feiner Mätreffe
machte u. ihn jo in den Stand jegte, feiner Lieb»
lingsneigung nach ſich mit Chemie beichäftigen zu
fünnen, Anfangs Gegner Lavoifierd, verband er
fih mit ihm zur Ausarbeitung einer neuen chemi-
ihen Nomenclatur, wurde 1780 Mitglied der
Alademie der Wiſſenſchaſten, jpäter aud des In—
ftituts, 1794 Profeſſor der Chemie an der Nor-
malfchule zu Paris; 1796 ging er nad) Italien,
um die erbeuteten Kunſtdenkmäler auszufuchen,
folgte Napoleon nad) Agypten u. fam 1799 zu-
rüd, vertrat 1804 Montpellier im Senat, präfi-
dirte im Mai 1806 dem Wahlcollegium der OPyre-
näen ; 1814 flimmte er für Napoleons Abjegung
u. für Aufftelung einer Pariſer Regierung und
wurde nach der Reftauration zum Pair ernannt;
er ft. 6. Nov. 1822. Auf feinem Yandhaufe zu
Arcneil hatte er die Soeiete d’Arcueil, einen
Verein von jungen Phyſikern u. Chemilern, ger
bildet, die unter feiner Leitung die analhtiſche
Chemie praftiih trieben u. 3 Bde. Memoires
berausgaben. B. entdedte die Zufammenjegung
des jog. flüchtigen Alkali (Ammoniaf) aus Wafler-
ftoff u, Stidjtoff, entdedte die bleichende Eigen-
ichaft der Chlor (Bertholletiche Bleichflüffigkeit,
ſ. u. Bleihen), unterjuchte das chlorſaure Kali u,
deſſen Anwendbarkeit zur Bereitung eines bei.
wirfamen Schiegpulvers (j. Bertholletiches Schieß-
pulver), erfand das Knallſilber (Bertholletiches
Knallpulver). In theoretiſcher Hinfiht war er ein
bartnädiger Gegner der jett allgemein angenome
menen Lehre von der chemijchen Bereinigung nad
bejtimmten unveränderlihen Gewichtsverhältniffen.
Troß jeiner Standeserhöhungen u. feiner gün-
ftigen pecumniären Lage blieb er der einfache be-
jcheidene Mann mit tiefer Wahrheitstiebe u. uner-
ſchütterlicher Nechtlichkeit, feiner Wiffenichaft treu.
ÖObservations sur l’air, Par. 1776; Theorie sur
la nature de l’acier, ebd. 1789; Art de la teinture,
ebd. 1791; Description dublanchiment des toiles,
ebd. 1795; Lois de laffinite, ebd. 1801; Statique
chimique, 2 Bde., ebd. 1803. Mit Lavoifier,
Monge u. A. in den M&m. de l’Inst., Par.: Methode
de nomenclature ehimique, ebd. 1787; Surl'acide
phosphorique de l’urine, ebd. 1780; Sur la
nature des substances animales ; eb. 1780; Sur
la causticit6 des sels metalliques, ebd. 1780; Sur
la decomposition de l’acide nitreux, ebd. 1781;
Sur l’augmentation de poids qu'eprouvent le
soufre, le phosphore et l’arsenie, lorsqu'ils sont
changes en acide, ebd. 1782; Sur la causticits
des alcalis et de la chaux, 1782; De l'alcali
volatil, 1785; L’acide prussique, 1787; Obser-
vations eudiomötriques (Mem. surl’Egypte); Na-
ture de l’acide muriatique; Mercure fulminant,
18015 Influence de la lumiere, 1786; Decompo-
Bertholletihes Schießpulver — Bertini.
275
sition de l’eau, 1786; Proc@de pour rendre lajlogie, Bar. 1754) erfcheinen, da ihn feine oben
chaux d’argent fulminant, 1788; Hydrogöne sul-
fur6, 1798; Blanchiment des toiles par l’acide
muriatique oxygene, 1789; Action de l’acide
muriat. oxyg. sur les parties colorantes des
plantes, 1790; Moyens de conserver l'’eau dans
les voyages de long cours, 1806; Manomötre
nouveau, 1807; Les gaz inflammables hydrogene
carburs et hydr. oxycarbure, 1809; L’analyse ve-
götale et l’analyse animale, 1817. Über ſein Leben
vgl. €. F. Jomard, Notice sur la vie et les
ouvrages de B., Par. 1844,
Bertholletfches Schiefkpulver, Gemenge von
chlorſaurem Kali, Schwefel u. Kohle, auch muria-
tiſches Pulver genannt, von Berthollet 1788 er
funden; fommt nicht mehr zur Verwendung.
Berthoud, Samuel Henri, franz. Schrift
fteller, geb. 19. Jan. 1804 in Cambrai; redigirte
1834 den Mercure, war dann bis 1848 an der
Preſſe thätig u. fchrieb unter dem Pſeudonym
Sam für Patrie. Er fehr.. Chroniques et tra-
ditions surnaturelles de Flandre, 1831—34,
3 Bde.; mehrere culturbiftorifche Romane: Pierre
Paul Rubens, 1840; El Hioudi, 1847; Le Ze-
phyr d’El-Arouch, 1850, u. m. a.; ferner: Fan-
taisies scientifiques, 1861, u. Petites chroniques
de la science, 1868, fowie mehrere Jugendichriften.
Berti, Domenico, italienischer Politiler und
Bhilofoph, ein geborener Piemonteje; Profeſſor;
jaß im ſardiniſchen Parlament von 1848 u. von
da an in allen jardinifchen u. italienischen Kam:
mern, der gemäßigt-liberalen Partei —
Unter dem erſten Miniſterium Ratazzi war B.
Generalſecretär für Landwirthſchaft und Handel;
1865 übernahm er das Handels- u. Unterrichts—
Vortefeuille im Minifterium Lamarmora und be»
bieft letzteres auch unter deſſen Nachfolger Ricafoli
im Juni 1866 bis 16. Febr. 1867. Seine poli-
tiiche Thätigkeit entzog ihn aber ber Literatur
nicht; er ſchr.: Verſuch über die Philofophie des
16. Jahr. in Ftalien, 1848; Leben des Giordano
Bruno, 1868.
Bertie, County im nordamerifan. Unionsftaate
NEarolina, unter 36° n. Br. u. 76° w. 1;
12,950 Ew.; grenzt an den Albemarle-Sund;
Countyſitz: Windior.
Bertin, 1) Erupdre Joſeph, berühmter Arzt
u. Anatom, geb. 21. Sept. 1712 in Zramblay
bei Rennes; ftudirte in Paris, promovirte hier
1741, nachdem er bereits 1737 in Reims Doctor
geworden war; wurde 1744 Aififtent der Ana-
tomie bei der Acadämie des sciences, erfranfte
erwähnte Krankheit au der Vollendung hinderte.
2) Louis Francois, franz. Journalift, geb.
14. Dec. 1766 in Paris; wurde Redacteur meh—
rerer Journale u. erwarb 1800 mit feinem Bru—
der das Journal des Debats. 1802 wegen einiger
egen die bonapartiftiihe Regierung gerichteten
Artikel verhaftet, wurde er nach Elba verwiefen,
entlam aber u. fehrte 1804 nad Paris zurüd,
ohne weiter beunruhigt zu werden. Auf Wapo-
leons Antrieb mußte er indeß 1805 den Titel
feines Journals in Journal de l’Empire verwan-
dein und erſt Fievèé, 1808 aber Etienne zum
Oberredacteur annehmen, während er,jeibit mit
Chateaubriand den Mercure de France redigirte.
1814 unter den Bourbonsd nahm es den Titel
Journal des Debats wieder an u. erhielt eine
vopaliftiiche Färbung. B. folgte Ludwig XVIII.
nach Gent, vedigirte dort den Moniteur universel
während der 100 Tage u, übernahm nad feiner
Rüdfehr das Journal des Debats von Neuem.
AS fein Freund Chateaubriand 1824 aus dem
Minifterium entfernt wurde u. diefes die Cenfur
wieder einführte, trat er zur Oppofition u, wurde
1830 vom Minifterium Polignac vor das Zudht«
polizeigericht gezogen u. verurtheilt, jedoch vom
Appellationsgerichte freigeſprochen. Er ergriff dann
die Partei der neuen Negierung; ft. 13. Sept.
1841. 3) Louis Francois (B. de Vaux),
Bruder des Bor., geb. 1771; unterftügte feinen
Bruder bei der Redaction feiner Journale, grün-
dete 1801 ein Banfierhaus zu Paris und ward
bald darauf Richter u. Präfident beim Hanbels-
gerichte; 1814 ſprach er ſich lebhaft für die Bour-
bonen aus, wurde 1820 Deputirter für Verſailles,
was er bis 1827 blieb; 1829 war er umter ben
221 Deputirten, welche die Yulirevolution ver-
anlaßten. Fufolge deifen wurde er nah Eng-
land u. Holland gefandt u. nach feiner Nücteh:
Pair und Gtaatsrath; er fi. 23. April 1842.
4) Louis Marie Armand, Sohn von B. 3),
geb. 1801 zu Paris; war erft Legationsjecretär
Shateaubriands in London, trat 1820 zur Me
daction des Journal des Debats, wurde nad fei«
nes Vaters Tode Hauptredactenr deffelben u. er-
hielt e8 durch fein liberalsconfervatives Syſtem
auch während u. nach 1848; erft. 11. Jan. 1854.
5) Eduard Frangois, Bruder des Bor., geb.
1797 in Paris; widmete ſich der Hiftorien- umd
Genremalerei u, malte mehrere Bilder, welche in
den Befi öffentlicher Mufeen übergingen. Nach
dem Tode ſeines Bruders Louis Marie Armand
ſehr ſchwer 3 Jahre lang, wurde Veteran ber|(1854) übernahm er die Leitung des ſeiner Familie
Aladeınie und ftarb im Febr. 1781 in Gahard
bei Rennes, wohin er ſich feit 1750 zur Erzieh-
ung feines Kindes zuridgezogen hatte.
feine anatomischen Arbeiten über die Nerven des
Herzens, über die Verbindung der Arteria epi-
gastrica u. mammaria, über den Bau der Nie»
ven, den Schließmusfel des Pferdemagens, die
Biutcireulation in der Leber des Fötus u. das
Berhalten der Thränen bei einigen Thieren hat
er fih einen guten Namen geichaffen. Die feinen
Knochen am Keilbeine (Ossicula Bertini) tragen
feinen Namen. Bon einem größeren anatomifeh
Berte konnte nur der erfte
ehörigen Journal des Debats u, führte diejelbe
Dis an feinen Tod, 14. Sept. 1871. 2) Thamhayn.
Drh) Bertini, Henri, Componift u. Mlaviervirtuofe,
geb. 28. Dct. 1798 zu London, ſtammte aus einer
jüdfranzöfiihen Mufiterfamilie; von Vater und
Bruder ausgebildet, machte er ſchon im 13. Jahrh.
als Klaviervirtuofe Kunftreifen u. ließ ſich 1821
in Paris nieder; er jr. eine Klavierjchufe und
zahlreihe Kompofitionen für Klavier, Trios u. a.
Abgefehen von zeitweiligem Aufenthalte in London,
lebte er als angejehener Klavierlehrer dauernd in
en|Paris, bis er aus Nüdficht auf fein Alter in der
heil (Traite d’osteo- Gegend von Grenoble auf ein Landgut zog.
18*
276
Bertinoro — Pertoni.
Bertinöro, Stadt in der ital. Prov. Forli,)5) Jean Baptifte, geb. 1774 in Francheval bei
am Ronco; Biihofsfig, Weinbau; 6540 Em.
Bertoft, reiches u. hübjches Kirchdorf im nörd«
iichen Schleswig, Kreis Hadersleben; tgl. Plan»
tage zur Bepflanzung der noch unangebauten
Heibejtreden; Geburts- u. Wohnort des dänischen
Agitators Chriftian Krüger.
Bertoldo, italienisches Vollsbuch, deffen Held
gleichen Namens, ein verfrüppelter Bauer, am
Hofe des Longobardenkönigs Alboin Schwänke
treibt; Bearbeitung der weitverbreiteten Sage von
Salomon u. Marcolf. Eine Fortſetzung verfaßte im
16. Jahrh. Ceſare Eroce aus Bologna, u. im
18. Jahrh, erjchienen 20 Bearbeitungen.
Bertoloni, Antonio, italienischer Botaniker,
geb. 8. Febr. 1775 in Sarzana; ftudirte in Pavia
von 1792 an Medicin, Botanif u. Mathematif,
ging infolge der franzöſiſchen Invaſion nad) Genua
u. prafticirte nach feiner Heimfehr als Arzt; 1811
ward er Profeffor der Phyſil am Lyceum und
Supplent an der Univerfität Genua, Director
des Gartens dello Zerbino der Familie Durazzo,
1815 Brofeffor der Botanik u. Vorftand des Bota-
nifchen Gartens in Bologna; er ft. hier 17. April
1869. B. legte ein umfangreiches Herbarium der
italienischen Flora an u. jchr.: Plantae genuenses,
1804; Amoenitates italicae, 1819; Sui Zafferaui
italiani, 1826; Flora italica, Bologna 1833—54,
10 Bde.; Flora italica eryptogama, ebd. 1858
bis 1862, 2 Bde. (unvollendet); Flora guatema-
lensis; Miscellanee botaniche, 1842—62, 24 Bde.;
Plantae novae asiaticae, 1864 f.; Praelectiones
rei herbariae; Mura di Luni, 1861; Della patria
di Papa Nicolo V.; Delle piante infestanti i
seminati di grani della provincia bolognese, 1867.
Berton, 1) B. de Erillon, j. Erillon.
2) Pierre Montan, Theater-Kapellmeifter, geb.
1727 zu Paris; anfangs Sänger, wandte ſich
aber theoretifhen Studien zu u. bewährte fich jo
als Orcefterdirigent, daß ihm 1774 die General-
direction der Großen Oper in Paris anvertraut
wurde. In der Compofition trat er wenig jelb-
ftändig auf; gewöhnlich ſchloß er ſich Auderen als
Mitarbeiter an, oder fette Einlagen zu vorhande-
ven Opern; er ft. 14. Mai 1780 zu Paris.
3) Henri Montan, franz. Componft, Sohn
des Borigen, geb. 17. Sept. 1767 in Paris;
wurde Profeffor der Harmonie am Conjervatorium,
1807 Mufifdirector an der Stalienifchen Oper,
1809 Director des Gejanges bei der faiferlichen
Großen Oper u.1816 Profeffor der Compofition am
Gonfervatorium; er ft. in Paris 22, April 1844,
B. componirte viele zu ihrer Zeit beliebte Opern,
. B.: mit Cherubint u. Boteldien Blanche de
’rovence, 1821; mit Boieldieu u. Kreutzer Pha-
ramond, 1825; Ponce de Leon, 1794; Montano
et Stephanie, 1799; Le delire, 1799; Aline,
reine de Golconde, 1803. Er ſchr.: Traité d’har-
menie; Jeu de preludes harmoniques; De la
musique mecanique et de la musique philoso-
phieue, 4) Frangois Montan, Sohn des
Vor., Pianift, geb. 3. Mai 1784; ſeit 1821 Pro-
feffor des Gejanges an der Gejangsjchule zu
Paris; ft. 15. Juli 1832 u. componirte mehrere
tomifhe Opern, wie: Monsieur Desbosquets,
Jeune et vieille, Ninette & la Cour, Les caquets.
Sedan; war Offizier während der Revolution u.
des Kaiſerreiches, Chef des Generalftabes des
Generals Sebaftiani in Spanien, apancırte zum
Brigadegeneral, wurde aber nad der zweiten Re—
ftauration wegen feiner freien politiſchen Anfichten
aus der Armeelifte geftrihen. In eines der von der
Polizei felbft angezettelten Complotte der Mißver⸗
guügten verwidelt, erregte er am 24. Febr. 1822
zu Thouars einen Aufruhr, proclamirte ein pro—
viforifches Gouvernement u. marjcirte mit feiner
geringen Maunſchaft nah Saumur. Hier zer»
ftreuten ſich feine Soldaten, er jelbit floh verklei—
det, ward aber am 14. Juni zu Laleu verhaftet,
von den Aſſiſen in Poitiers zum Tode verurtbeilt
u, am 5. Aug. 1822 hingerichtet. Er ſchr.: Pre-
eis des batailles de Fleurus et de Waterloo,
Par. 1818. Bal. Laumier, De l’affaire de Thouars
et Saumur, ®eit, 1822; Procös de la conspira-
tion de Thouars et de Saumur, ebd. 1822.
6) Charles Frangois, franz. Schaufpieler,
geb. 16. Sept. 1820 zu Paris; entftammt einer
berühmten Gomponiftenfamilie, die bis auf das
Jahr 1727 zurüdreicht. Michelets, jpäter Sams
ſons Schüler, erhielt B. ſchon im 16. Jahre den
erften Preis im Luftipiel, debütirte am 12. Dec.
1837 in der Comedie frangaise, in L’ecole des
maris, ohne engagirt zu werden, u. waudte ſich
1840 dem Vaudeville-Theater zu. 1844 bereifte
er mit einer Gejellichaft Dentichland, Öfterreih u.
Ungarn, wurde fodann durch Mad. Allans Ber-
mittelung für Michel Brefjant, der nad) Paris
zurüdgetehrt war, in Petersburg engagirt u. er⸗
warb ſich bier den Ruf, welchen er in jeiner Bater-
ftadt vergeblich gejucht hatte, Als er nad 7 Jahren
wieder am Öymmajetheater auftrat, machte fein
Debüt in Diane de Lys eine großartige Senfation.
Seine Leiftungen in Dramen, wie Le gendre de
Mr. Poisier, Demi-Monde zc. galten als unüber«
trefflih. Nach einem zweiten Aufenthalte in Ruß»
land war er in Paris zunächſt am Gaiete-Theater,
jpäter am Vaudeville u. Odeon thätig u. gefiel
auch da außerordentlich in modernen Schaufpielen,
fo in G. Sands Marquis de.Villemer, Bonillets
Conjuration d’Amboise, Augiers Contagion, Gare
dous Diables noirs et Patrie u. a. 1870 trat
B, in ein Regiment ein, durchlebte als Soldat die
Belagerung von Paris u. betrat nach dem Kriege
nur noch einmal die Bretter, im Theätre italien.
Bon einer unheilbaren Krankheit erfaßt, verſchied
er nad) einem Fahre unjäglider Leiden 17. Jan.
1874. Carolina B., Samſons Todter u. jeit
1840 B⸗s Frau, bat fih auf dem Gebiete der
Belletriftif, wie des Dramas nicht ohne Erfolg
verfucht; ebenfo ift Beider Sohn als erjter Lieb—
haber des Gymnafetheaters u. dramatiſcher Schrift«
fteller nicht unbefannt. 2—4 Brambad. 6) Kürfchner.
Dertöni, Ferdinand, geb. 17. Aug. 1725
auf der Inſel Salo bei Benedig; widmete fi) der
Muſik unter Pater Martinis Leitung u. wurde 1757,
nachdem er lange Zeit Organift geweſen, Yehrer
u. Kapellmeifter im Conservatorio dei mendicanti;
er fl. 1. Dec. 1813 zu Dejenzano. Seit 1746
componirte ev Opern, von denen jedoch feine Er-
folg batte, bis er 1776 in Venedig den Orfeo zur
Aufführung bradte. Von mm au brad er ſich
Bertrade — Bertrand.
277
Bahn, u. feine Compofitionen gehörten lange Zeit politifche Berechnung geweien, feine Beitgenoffen
zu dem auf den italieniichen Bühnen am meijten
gefeierten.
njaber jahen in ihm ur umerfättlihe Streitjucht u.
Er jegte im Ganzen 24 Opern, mit Gewiſſenloſigkeit, für die ihn denn auch Dante in
meiden er auch in London Anerkennung fand, u. |der Hölle büßen läßt, indem er feinen vom Rumpfe
Kirbencompofitionen. Brambadı.
getrennten Kopf als Laterne herumtragen muß.
Berträde, Tochter des Grafen Simon von B. hat viele fenrige Kriegslieder ı. ſehr biffige
Montfort u. mit dem Grafen Fulco dem Eigen—
finnigen von Anjou vermählt. Als König Philipp L.
von ‚Frankreich feine Gemahlin Bertha verjtoßen
batte, verließ fie ihren Gemahl u. heirathete Yeb-
teren troß des Widerftandes des Papftes Urban II,
(1092). Nach Philipps Tode ging fie in ein Klofter
zu Chartres, wo fie ftarb.
Bertram, 1) deutfher B. (Bertrammurzel,
Anacyclus offieinarum Hayne), zur Familie der
Compofiten, mit aufrechtem, 5—15 cm hohem
Stengel, doppelt-fiedertheiligen Blättern mit weiß-
ſtacheiſpitzigen Zipfeln, einem Blüthenfopfe, deſſen
Hülfblätter dunkelgrün, weißlich-hautrandig und
deffen Strahlblüthen weiß, unten purpurn geitreift
find; die Wurzel enthält ein ſcharfes Harz, Pyrethrin,
daher officinell al$ Radix Pyrethri; in Deutich-
land auf kalfhaltigem Boden gebaut, das Bater-
fand ift unbelannt. 2) Römiſcher B. (B-famille,
iharfe Ringblume, wahre Speichelwurz, Anacyelus
Pyrethrum DC.), von der vorigen durch didere
Wurzel u. niederliegenden Stengel verſchieden; in
Afien u, NAfrifa einheimish; die Wurzel (Radix
Pyrethri feri s.romani) wird als Kaumittel gegen
Zahnjchmerzen, Rheumatismus u. Lähmungen an-
gewendet. 3) Wilder B., jov. mw. Thysselinum
palustre Hoffm. Ensier.
Bertramiten (Kirchengeſch.), fo v. w. Natram-
niten.
Bertrand, 1) B. de Born, berühmter Trou—
badour des 12. Jahrh., geb. im Schloſſe Hante-
ford im Perigord (Geburtsjahr unbelannt). Um
1185 fing er an, eine bedeutende Rolle zu ſpielen,
indem er confequent England zu ſchwächen juchte,
deffen König Lehnsherr von Aquitanien war. Erjt
betste er Heinrich, den Sohn Heinrich II. von
England, u. feinen Bruder Richard Löwenherz gegen
einander auf. Heinrich wurde befiegt, B. von jei-
nen Bundesgenofjen im Stich gelafjen, u. Hautefort
mußte fich ergeben. Aber der ſchlaue Troubadour
wußte Richards Berzeihung zu erlangen u. erhielt
jogar fein Schloß wieder. Darauf nahm er theil
an dem Kriege, den Heinrich u. Nichard gegen
ihren Bater unternahmen, Uber der Tod Hein»
richs brachte den Krieg zum GStillftande, und B«s
Schloß wurde wieder genommen. Bor König
Heinrich IL, geführt, gang e3 ihm, indem er ihn
durch eine geichidte Wendung an feinen Sohn er»
innerte, deſſen Tod er in einem Liede gefeiert hatte,
den König zu rühren u, feine Güter wieder zu er-
halten. Später organifirte er einen Aufjtand gegen
Richard Löwenherz, als diefer König geworden
war, u. um fich halten zu können, Hette er Philipp
Auguſt von Fraukreich gegen den König von Eng-
land, u. wenn die beiden Gegner fih auch ver-
föhnten, gelang es ihm doch, endlich einen großen
Krieg zu Stande zu bringen. Aber die fetten
Scidjale u. Thaten Bes weiß man nichts. Die
Legende jagt, er fei Ciſtercienſerniönch geworden.
Geftorben ıft er jedenfalls vor 1212. Die Trich-
feder feiner Handlungen iſt wol nur Ehrgeiz und
Spottlieder gedichtet, in denen er Feinde verböhnt,
oder Säumige zum Kriege reizt. S. Raynouard,
Choix des Possies des Troubadonrs. Wir be-
figen ungefähr 45 Gedichte von ihm und zmei
alte Biographien. N. Stimmring bereitet eine
Ausgabe derjelben vor. Deutiche Übertragungen
finden fich bei Diez, Leben u. Werte der Trou—
badours, Zwickau 1829, ©. 179 fi., u. Kanne»
gieger, Gedichte der Tronbadours, Tüb. 1855,
S. 149 ff. Bgl. Yaurens, Le Tyrtee du moyen-
äge on l’histoire da B. de B., Bar. 1863,
2) Elie, einer der bedeutenditen Phyſikler und
Geologen des vorigen Jahrh., geb. 1713 in Orbe,
geft. 1797; er trat 1738 in den geiftlihen Stand
u, wurde 1744 Pfarrer in Bern. Im Frübjahre
1765 folgte er einem Rufe des Königs Stanislaus
Poniatowsky nah Warſchau, wurde dort Beheint-
vath u. veifte mit dem jungen Grafen Muiscech
3 Jahre lang an den Höfen von England, Frant-
veih u, Italien, kehrte dann nad der Schweiz
zurüd, lebte größtentbeil zu Mperbun, das einen
Theil feiner Naturalienfammlung ihm verdantt,
u. ftand in Gorrefpondenz mit Voltaire, Finne u.
Haller ꝛc. Seine bevdeutfamjten Werfe find: Moͤm.
sur la structure interieure de la terre, 1752;
Mem. sur l’usage des montagnes, 1754; Mm.
pour servir äl'histoire des tremblements de terre
de la Suisse, 1756; Mom. hist, et phys. sur les
tremblements de terre, 1757; Dietionnaire orye-
tologique, 1763. 3) Joh. Ambrofins Marie,
einer der achtungswertheſten italien. Anatomen u.
Chirurgen, geb. 17. Oct. 1723 in Turin; ftudirte
alte Sprachen, Logit, Matbematit, Phyſik, wollte
erft Minorit werden, ftudirte aber noch, um feine
Eltern umterjtüten zu können, Chirurgie, wurde
Repetitor der Anatomie, drei Jahre jpäter auc)
der praft, Medicin in dem königl. Collegium Pro—
vinciale, bald darauf auch an den mediciniſchen
Fnftitutionen, wo er noch 6 Jahre, nachdem ex
jeine Eramina beendet hatte, als Wepetitor de:
prakt. Chirurgie blieb. 1749 wurde er Mitglied
des Ehirurgencollegiums u. ließ fi nun in Turin
als pralt. Arzt nieder. Karl Emanuel unterſtützte
ihn, fo daß er nach Frankreich — in Baris wurde
er 1754 Mitglied der Afademie der Chirurgie —
ſowie nach England reifen konnte, Nach jeiner
Rücklehr erhielt er die Berufung als auferordent-
licher Profeſſor der Chirnrgie, ließ es fih nun
angelegen fein, tiichtige Chirurgen zu bilden, und
jorgte für Einrichtung eines Aratom, Theaters,
einer Hebammen» u. Thierarzneifchule. 1758 wurde
er königl. Leibchirurg u. ordentl. Profeifor der
Chirurgie, ftarb aber jchon 6. Dez. 1765. Er hat
ſich namentlih durch jeine Arbeiten über das
Auge, den fünften Nerv und Leberabscejie nach
Kopfverlegungen belannt gemadt. Seine Ger
jammtwerfe erjchienen nach feinem Tode in Turin
1787—89 unter dem Titel: Opere anatomiche e
eerusiche, 4) Henri Gratien, Comte de B.,
der treue Gefährte Napoleons I., geb. 28. März
278
1773 in Touvent bei Chateanrour im Dep. Indre;
wurde Ingenieur, diente dann zuerjt unter der
Parifer Nationalgarde, hierauf im Ingenieur—
corps, 1795 u. 1796 als Unterlientenant in ber
Borenäenarmee, befand fih 1797 bei der nad
Gonftantinopel gefendeten franzöf. Geſandtſchaft
u. ging mit Napoleon nad Agypten, wo er bie
Befeftigung von Alerandria leitete u. zum Oberft-
lientenant, fpäter zum Oberften u. Brigadegeneral
ernannt wurde. Er begleitete den Kailer von 1805
an in allen Feldzligen, feit 1806 als Divifions-
general, und baute nach der Schlacht von Ajpern
1809 die Übergangsbrüden über die Donau, woflir
ihn Napoleon zum Grafen u. zum Gouverneur
von Jlliyrien ernannte. 1813 führte er das 4.
Corps, mit welchem er bei Lüten und Bautzen,
dann unter Oudinot bei Großbeeren, Dennemwig
u. Wartenburg focht, in der Schladht bei Leipzig
die Stellung bei Lindenau mit Erfolg behauptete,
bei Hanan kämpfte, endlich den Übergang der
Franzoſen über den Rhein bei Mainz dedte. An
Durocs Stelle 1813 Großmarſchall des Palaftes
umb 1814 Aide- Major der Nationalgarde ge-
worden, folgte er Napoleon nad Elba, von dort
nach Frankreich u. endlih nah St. Helena, wo
er bis an Napoleons Tod (1821) blieb. Er fehrte
dann nah Frankreich zurüd u. lebte, nachdem
Ludwig XVIII. die in contumaciam 1816 über
ihn verhängte Todesftrafe aufgehoben u. ihn in
alle feine Würden wieder eingejegt hatte, auf fei«
nem Gute bei Chateauroux. Nad der Julirevo—
fution ward er 1830 zum Deputirten erwählt u,
mar auch eine Zeit lang Leiter dev Polytechnijchen
Schule. Er wurde 1840 mit zur Abholung der
Aſche Napoleons von St. Helena betraut u. ft.
31. Jan. 1844 zu Ghateaurour. Seine Leiche
wurde 1845 im Dom der Invaliden beigefegt u—
feine Bildjäule zu Touvent 1848 aufgeſtellt.
3) Thamhayn.
Bertrich, Dorf im Kreife Kochem des preuß.
Negbez. Koblenz, in romantiſchem Thal an der US;
ftark befucchtes, fchon den Nömern bekanntes, gegen
Drüfentranfpeiten u. alte Hautausſchläge gerühmtes
Warmbad von 25—26° R, (enthält ſalzſaures
Natron, jchwefelfanres Natron, ſchwefelſauren Kalt
u. fhwefelfaure Magnefia), nit Badeeinrichtungen;
feit 1852 evangeliſche Kapelle für Badegäfte;
dabei die Käfegrotte (Graumadenfdiefer, der auf
einer Reihe Bafaltfäulen rubt, deren einzelne Stüde
dem runden Hollunderfäje ähneln), der 16 m hohe
Errisfall u. die über ein tiefes Thal geführte
Prinzen-(Wilpelins-)brüde, Bgl. Böhm, Bad B.,
Darmit. 1859,
Bertuch, Friedrih Juftin, eim um Indu—
firie, Literatur u. Kunft vielverdienter Mann, geb. 80.
Sept. 1747 in Weimar; ſtudirte 1765— 69 in Jena
Theologie, hievanf Jurisprudenz, daneben ältere
nu. nenere Poefie, war 1769—73 Hofmeifter bei
dem Freiherrn Bachoff von Echt in Dobitichen bei
Altenburg, erhielt von dieſem die Anregung zum
eingehenden Studium der fpanifchen u, portugiefi-
ſchen Sprade u, Literatur, zog jpäter nad) Bei
mar, wurde bier 1775 Geheimer Gabinetsjecretär
u. 1785 Segationsrath; er gab 1796 fein Amt auf
u. ft. in Weimar 3, April 1822. Durch feine Ber-
»Imwelche8 aber nur dann der
Bertrich — Beruf.
Fortſetzung von Avellaneda, Lpz. 1775 fi, m. A.
1780, f., machte er den weiteren Kreis der Leſe—
welt zuerft auf die fpanische Literatur aufmerffam.
Er veröfientlichte fodann: Magazin der fpanifhen
u. portugiefiihen Literatur, Deſſau 1780 — 82,
3 Bde; Theater der Spanier u. Portugieſen,
Weim, 1783, 1 ®d.; Spanisches Leſebuch, Lpz.
1790, 2 Bde.; Bilderbudh für Kinder, Weim.
1790— 1822, 190 Hefte; Blaue Bibliothel aller
Nationen, Gotha 1790—97, 11 Bde. 1785 rief
er die Jenaiſche Allgemeine Literatur Zeitung ins
Dalein, zu welcher A erit Wieland, dann Shit,
in der Folge, als Wieland zurüdtrat, Hufeland,
zuletzt Erich mit ihm vereinigte; 1786 begann fein
Journal des Lurus u. der Moden, bei defjen
Herausgabe er anfangs von Goethes Landsmann.
Kraus amterftilt wurde, Für diefes Organ u.
noch mehr für das Bilderbuch gründete er 1791
jein Induſtriecomptoir (feit 1802 Landesinduftrie-
Comptoir) als Kunft- u. Berlagsbuhhandlung,
welche fih bald zu einem der achtungswürdigſten
Itterariihen Inſtitute Deutfchlands erhob. Nach
u. nad wurde mit ihr eine Menge von Anftalten
verbunden, die viele Schriftfteller, Künftler und
Handwerler befcäftigten, auch Kindern Arbeit
gaben; dazu gehörte das noch jetst beſtehende
Geographiſche —** u. eine 1805 in Rudolſtadt
gegründete Buchhandlung. Aus dieſen Anſtalten
gingen allgemein verbreitete Karten, die von B.
eine Zeit lang mit Zac, dann mit Gaspari, Erd-
mann u. U. bearbeitet worden; dann die feit 1806
von B. allein herausgegebenen Geographijchen
Ephemeriden, 1799 fff, und die Neue Bibliothet
ber wichtigſten Heifebejchreibungen, 1815, ff., bis
zum 32. Bde,, von B., hervor.
Berücken (Jagdw.), das Netz fiber ein Thier
rüden u. e8 dadurd fangen.
Beruf, die bejondere Beichäftigung, der fidy
Jemand gewidmet hat. Die Freiheit der Staats-
angebörigen, ſich ihren Beruf jelbft zu wählen, ift ein.
wichtiger un für die öffentliche Wohlfahrt, in-
dem die Entwidelung der geiftigen Kräfte des
Einzelnen jchließlih der Gejammtheit zu Gute
fommt. Dieje Freiheit ift indeß nur eine be—
grenzte, da Niemand feinen Beruf auf Koften
eines Dritten auszubenten berechtigt ift, ferner
die Ausübung eines ſolchen Berufes nicht geftattet
werden faun, welcher der berrfchenden Sitte u.
den Rechtsgrundſätzen widerspricht, emdlic der
Staat zur Ausübung gewiffer Berufsarten nur
ſolche Perſonen zulaffen darf, welche ihre Befähig-
ung dazu dargethan haben, wie z. B. Staats-
diener, Pfarrer, Schullehrer, Arzte, Advocaten,
Apotheker zc. m privatrechtliher Hinficht finder
die Berufsfreiheit eine Beihränlung in dem Rechte
des Vaters, des Bormundes x. Der Berufsfrei-
heit gegenüber fteht der Berufszwang, welder
durch das Kaſtenweſen bei einzelnen Völkern be—
dingt if. Da es zu dem oberften Intereſſen der
bürgerlihen Gemeinſchaft gehört, daß Jeder in
feinem Berufe fo viel wie möglich das Beſte leifte,
Sal ift, weun ber
Beruf mit Freude betrieben wird, fo muß durch
Erziehung die Anlage zu Freude im Berufe er-
wirkt, durch Gerechtigkeit u. Humanität am öffent-
deutſchuug des Don Quixote von Cervantes u. derjlichen Leben diefe Anlage gefördert und Jeder zu
» Berufen — Berufstranfheiten.
Erwählung desjenigen Berufes
zu welchem er vermöge feiner Organifation, ac.
geeignet ift. Verfehlung des Berufes ift ein Übel
für das Individuum u. die Gejellichaft, eine Quelle
von Unzufriedenheit, von Berbrechen u. Laftern.
Über das Verhältniß der Eltern zu der Berufs-
wahl! der Kinder vgl. Robert Mohl, Syſtem der
Präventiv-YFuftiz, Tüb. 1834, ©. 816. Liber
Beruf, Be u. ge dgl. u. A.: W. Kie-
ſelbach, Social» politiihe Studien, Etuttg. 1862;
3.3. Roßbach, Geſchichte der Geſellſchaft, Würzb.
1868— 73, 6 Bde.; F. Walter, Naturrecht u. So:
fitif, 2. Aufl,, Bonn 1871; %. St. Dill, Über
die FFreibeit, Frankf. a. M. 1860; U. Mittler,
Bermifhte Schriften, Wien 1817, 2. Ausgabe,
Br. I. x.
Berufen, f. u. beichreien.
——— Erigeron acer L.), ſ. Erigeron.
Derufstranktheiten. Jede Beihäftigungs-
meife bringt ein gewifjes Maß von Schädlichkeiten
mit fi, u. in jedem Berufe find dieſe Schädlich—
feiten von anderer Art u. Stärke. Darum gibt
es bejondere Krankheiten, die durch die Profeſſion
bedingt find u. mit Recht B. genannt werden.
Dieien Leiden kann nur durch Borficht, firenge
Geiundheitspflege, fittlihen Lebenswandel u. Ver—
befjerung der Technik wirffam begegnet werben.
Wegen der B. fiud Lebensdauer u. Sterblichkeit
bei den verjchiedenen Profeſſionen verichieden; fo
3. B. war nah den Angaben von Southmwood
Smith im Alter zwiihen 35 u. 45 Jahren die
Sterblichleit der Londoner Schneider und Buch—
druder um 57, bez. 117 p&t. höher, als die
Sterblichkeit felbft der ſchlecht beftellten Aderbauer.
Nah Shann erkranken von den Schneidern jähr-
lich im Durdichnitte 67 pCt., während von allen
Brofeffionen zufammengenommen nur etwa 46 pCt.
erfranfen. Schneider find den Krankheiten der
Bruftorgane und der Verbaunngswertzeuge ſehr
unterworfen. Die fchlechte, damnpf- u. ftauberfüllte
Luft der Werkftätten, die mehr hodende als ſitzende
Beihäftigungsweife u. das meift ſehr unpaffende
diätetiihe Verhalten verjchulden jene Leiden. Die
Tuberkelſchwindſucht der Lungen rafft jehr viele
Schneider dahin; zumeilen wird die Hälfte der
279
— werden, ‚fällt nicht ſelten im ſehr heftigem Grade die mit
Bleiverbindungen hantierenden n. die in Blei—
werfen bejhäftigten Arbeiter. Durch unvorfid-
tige Behandlung von Kupferverbindungen pflegt
die Kupferfolif zu entftehen. Arbeiter in den
Quedjilberwerfen u. in den Fabriken, welche
Quedfilber u. deſſen Verbindungen präpariren,
werden von der fogenannten Mercuriallrankheit
befallen und beichließen in der Regel ihr Leben
frühzeitig; nad Goerbez u. Herrmann erfrankten
im J. 1856 zu Idria in Illyrien von 516 Are
beitern 122 durh den Einfluß der Quedfilber-
dämpfe; die Sterblichkeit in jener Gegend ift ſehr
bedeutend, u. die Nachlommenfchaft der Berg- u.
Hüttenleute ficht an Scropheltvanfheit. Die mit
Erzeugung von Anilin u. Anilinfarben in Ans
ſpruch genommenen Menfchen werden durch arſe—
nige Säure u. andere Gifte, die zu Bereitung
jener Farben Anwendung finden, krank. Bei Ar-
beitern, die mit hromfaurem Kali zu thun
haben, findet man oft Krankheiten u. Zerftörungen
der Nafenfchleimhaut. In den Phosphor u.
Phosphorzündholz-Fabriten werden die Ars
beiter, befonders bei Unvorfichtigkeit u. Unreinlich-
feit, von Nekroſe des Unterkiefers befallen. Nach
Chevalier find e8 nicht die Phosphor», ſondern
die Phosphorzündholz- Fabriken, welche die größte
Gefahr für die Kiefer der Arbeiter bergen. Die
unterirdifche Arbeit der Bergleute ift jehr dazu
angethan, die Gefundheit zu beeinträchtigen u. das
Yeben zu verlürzen. Nah den Berichten einer
englifchen Commiſſion ift das Loos der meiften
Bergleute Siehthum u. frübzeitiger Tod, u. Män—
ner von 50 Jahren gelten unter ihnen als Greife;
Bruft- und Verdauungskrankheiten feien die ge
mwöhnlichften Todesurjahen. Die Krankheiten der
Bierbrauer find, nach der richtigen Bemerkung
von Turner Thadrab, das Ergebniß ebenfo ihres
Gewerbes, wie ihrer Gewohnheiten. Nah Neuf-
vilfe fterben über 26 pCt. der Bierbrauer an Aus»
zehrung u. 21 p&t. an Krankheiten des Gehirnes;
die Zahl der Selbftmörder ift unter den Bier-
brauern eine ſehr bedeutende. Fälle plößlichen
Todes durch Schlagfluß ꝛc. fommmen bei allen Be-
rufsgenofen, die mit Erzeugung geiftiger Getränle
Todesfälle von diefer Krankheit veranlaßt. Auchlzu thun haben, infolge übermäßigen Zrinfens
——— find bei dieſen Beſchäftigten ſehr häufig. häufig vor. Patiſſier beobachtete bei den Bädern
ie Schuhmacherprofeſſion ift den Unterleibs- [vielfach Krankheiten des Herzens, u. Neufville fand,
organen u. dem Gemüthe oft verderblih, aberidaß etwa 23 pCt. diefer VBerufsgenoffen an Aus-
auch dem Herzen u. den Athmungsmwerkzeugen. |zehrung u. über 18 pCt. an Nervenfiebern fter-
Nach Neufville fterben 38 pCt. der Schuhmacher|ben. Auch Hautausihläge u. Augenleiden gehören
an der Auszehrung, u. faft 50 an Bruſtkrankhei- zu den Plagen der Bäder, Harte Arbeit, grelle
ten überhaupt. Der Drud auf die Leber, den die| Temperaturwechjel u. Disharmonie in dem Ber-
Schuhmacherei mit ſich bringt, veranlaßt nicht nur |hältniffe von Arbeit u. Ruhe verichulden das Eigen-
Leberleiden, jondern auch Gemüthsverftimmungen|thümliche in dem Leiden der Bäder. Schorn-
u. jenes contemplative Weſen, durch welches dielfteinfeger, beſonders in England, leiden nicht
Schuhmacher oft fih auszeichnen uw. melches folallzu jelten an dem von Percival Pott zuerft be—
viele von ihnen zu Schwärmern uw. (meift einge- |ichriebenen Schornfteinfegerkrebs. ine ähnliche
bildeten) Philofophen machte. Sehr gefunbheits-|Art von Krebs ift in der neueften Zeit zuerft von
nachtheilig ift die Weberei, indem diefer Beruf Richard Vollmann in Halle a./S. bei Arbeitern,
große Störungen in den Arhınungs - u. Berdau-|die eine Reihe von Jahren in Paraffinfabrifen
ungsmerfzeugen mit fich bringt. tyärber mwerden|thätig waren, beobachtet und als Theerfrebs be-
vom Haut- n. Lungenleiden vorzugsmweile heimge-|jchrieben worden. Krebskranlheiten trifft man nad)
ſucht. Arbeiten Färber mit giftigen Metalljalzen, |Neufville-bei Maurern in größerer Zahl an, als
jo fommen zu * Krankheiten zuweilen noch bei anderen Profeſſioniſten. Die Töpfer haben
chroniſche Vergiftungen. Die ſog. Bleilolil be-Inach Merat ſehr viel mit Wechſelfiebern, nad) Patij-
280
fier viel mit Hiftweh zu thun, find den Folgen ftar«
fer Erkältungen ausgejeßt u. werden in ziemlichem
Verhältniſſe von der Auszchrung ergriffen. Ar—
lidge, der Sehr ausführlihen Bericht über die
Töpfer: Bevöllerungen der Graffchaft Strafford
(Straffordihire) erſtattete, jagt, daß alle Leiden,
weiche dafelbft bei den Arbeitern auftreten, auf
den Einfluß des Porzellanjtaubes, auf den
grellen Wechſel der Temperatur, auf die Einmwirk-
ung der zum Glafiren benugten Beijalze u. auf
die äußerſt gejundheitswidrigen Gewohnheiten der
Leute ſich zurüdführen laſſen. Diefe Schädlich—
leiten bedingen nicht nur eine hohe Sterblichkeit
an Schwindjucht (413 pCt.) u. anderen Krank—
heiten bei den Erwachſenen, fjondern auch eine
ganz enorme Kinderſterblichleit durch Schwind-
jucht, typhöfe Übel, Comvulfionen u. Leiden des
Gehirnes. Diele Beobachtungen ſprechen dafür,
daß die Profeifion der Gerber vor epidemijchen
Krankpeiten ſchütze; dagegen aber iſt, nad) der
Zufammenftellung der Zudesurfachen der Gerber
von Beaugrand, die Zahl der typhöjen Erkrank—
ungen bei allen den Handwerkern, welde mit dei
Lederbereitung fich beichäftigen, feine ganz geringe.
Durch Yungenihwindiucht u. Leiden der Athmungs:
organe überhaupt wird die Mehrzahl der Gerber
bingerafit, wie dies 5. B. von U. Hannover ſehr
genau nachgewieſen wurde. Lunel beobachtete zwei
bei Gerbern vorfommende eigenthünliche Leiden
der Finger, von denen er eines Fingercholera,
das andere Nachtigall nennt. Geiler u. Sei—
fenmader leiden, nah Shann, nicht felten an
organiſchen Herzfehlern, u. nach Foderé find Sei—
fenerzeuger von Unterleibsleiden oft befallen, die
Kinder derſelben ſchwächlich u. kränllich. Mit den
Schlachtern verhält es ſich eigenthümlich; denn
Neufville berechnet, daß 10 pCt. der Geſtorbenen
bei dieſer Profeſſion den Krebskrankheiten erlagen
u. 8 pCt. ſich ſelbſt mordeten, daß Herzkrankheiten
häufig bei den Schlachtern vorlommen u. 22 pCt.
der Todesfälle durch Krankheiten der Centralorgane
des Nervenſyſtems veranlaßt wurden. Schmiede
u. Schlofjer werden von Auszehrung und Ty—
phus ftark heimgeſucht; nach Neufville erfolgen
bei diefen Handwerkern faft 31 pCt. aller Todes-
fälle an Auszehrung u, faft 11 p&t. an Typhus,
Shann läßt von den Krankheiten der Schmiede
u. Sclofjer 194 pCt. aus organischen Herzleiden
beftehen (bei anderen Profejfioniften nur etwa
94 p&t.), u. Thadrah weift auf die Unmäßigkeit
der jyeuerarbeiter hin, felbe als eine der beträd)t-
lichften Krankheitsurſachen erflärend. Unter den
Uhrmadern richtet zumal die Lungenſchwind—
ſucht große Verheerungen an. Perron zählte
unter 200 verftorbenen Arbeitern der Uhrenfabri«
fen zu Bejangon 127 durch Lungenſchwindſucht
getödtete. Die gebeugte Stellung bei der Arbeit,
die Einathnmung des feinen Metallftaubes u. viel-
fach auch das dürftige Leben find hier als Todes-
urſachen anzufeben. Die Arbeiter in den Buch—
drudereien find je nad) ihrer bejonderen Be—
ſchäftigung verichiedenen Leiden unterworfen. Ban
Holsbed jchreibt die Mundkrantheiten der Setzer
theil$ der Umreinlichkeit zu, theils auch der Ger
wohnbeit, die Lettern in den Mund zu nehmen,
u. gibt an, daß 25 pCt. dieſer Kinftler der Lun-
Berufskrankheiten.
genſchwindſucht erliegen. Aderkröpfe an den Un—
terſchenleln u. varicöſe Geſchwüre find bei Setzern
häufig anzutreffen: das Stehen bei der Arbeit u.
allzu große Dürftigleit des Lebens müſſen bier
als Urjadhen betrachtet werden. Wegen der Wirf-
ung des in den Lettern enthaltenen Bleies wer«
den die Setzer zumeilen von Bleitolif befallen.
Die ſchwere Arbeit der Druder an Handprejfen
bewirtt oft organifche Herzübel. Krankheiten der
Athmungswertzeuge, insbefondere Tuberculoſe, u.
Thyphus find die häufigften Todesurſachen der
Tifchler. Nach Neufville erfolgen 41 pCt. der
Todesfälle bei den Tifchlern durch Tuberlelkranf-
beiten und über 10 p&t. dur Typhus. Über-
mäßige Anftrengung u. der Einfluß des Holzſtau—
bes u. der fchlechten Luft der Werkftätten können
als Urfachen gelten. Die Hafenhaarjhneider
haben, gleih den Hutmadern, nicht wenig mit
Duedfilberfalzen zu thun u. erfranfen oft durch
Einfluß diefer Metallgifte. Pappenheim beobady-
tete, daß dieſe Arbeiter jehr häufig Schwarze Zähne
hatten, daß deren Zahnfleiſch krank war u. viel-
fach langwieriger Huften fich zeigte. Es muß der
legtere ber Einwirkung der Haarjpiten auf die
Yunge u. die übrigen Luftwege zugeichrieben wer-
den. Glas- und Metalljchleifer pflegen an
Krankheiten der Athmungswerkzeuge zu leiden.
Hall nahın wahr, daß die Gabelfchleifer zu Shef-
field felten das 30. Lebensjahr erreichen u. meifl
der jogenannten Schleifertranfpeit, einer Art von
Auszehrung, zum Opfer fallen. In den Fabriken
von Kautihulmaaren haben die Arbeiter, nach
der Mittheilung von Delpeh, durd das Einath-
men der Dämpfe des Schwefelfohlenwafjerftofies zu
leiden; e8 zeigen fi) Störungen in der Verdauung,
Herabjegung der geiftigen Thätigleiten, Kopfichmerz,
Schwindel, Sinnesverwirrung, Yähmung, aud Im—
potenz. Zabalsarbeiter haben anfänglid, wie
Melier mittheilt, viel mit Durchfällen zu thun.
Nah Mgonin erkrankt faft der vierte Theil der
Tabatsarbeiter an Magenbefchwerden, theils durch
Jen Einfinß des Tabals, theils durch die Diürftig-
feit des materiellen Lebens. Die mit dem Reisbaue
beſchäftigten Menjchen find in der Mehrzahl der
Gegenden ſchweren, hartnädigen Wechſelfiebern u.
dem Siechthum, welches die Folge dieſer Fieber
ift, unterworfen. Ughi hält die Reisfelder u. die
denjelben entjtrömenden Diasmen für die alleinige
Urſache der in Parma herrichenden böjen Fieber;
in den Reis bauenden Ebenen Parmas jterben
zwei Dritttheile der Bewohner vor dem erreichten
20. Lebensjahre. Der Minifter Pepoli hat Vor—
ihläge zur Verbeſſerung der Reiscultur gemacht
u, dabei hervorgehoben, daß auch die jehr mangel«
bafte Ernährung der NReisbauern viel zu deren
Siechthum u. Lebensverfürzung beitrage. In fonft
gefundheitsgemäßen Klimaten u. Gegenden fließt
der Beruf des Landbaues feine beionderen Ber-
anlafjungen zu Krantheiten ein, Wenn aber ben-
noch die Bauern häufig von ſchlimmen Leiden be—
fallen werden, jo wird dies durch die erbärmlidye
Gefundheitspflege, beziehungsmweije die völlige Ab-
weſenheit der Leibes⸗ u. Weiftespflege, bedingt.
Die Seefahrer werben auch mweit weniger burch
ihren Beruf, als durch ihre vielfach gefundheits-
widrige Lebensweife gejhädigt. Yonfjagrives be-
Berifung — Berula.
zeichnet mit Recht Trunffucht u. geichlechtliche Aus—
ben der Matrofen; vorzugsweife im tropifchen Län»
dern gibt unpaſſende Lebensweile zu den ſchlimm—
ften und fürdterlichften Erfrantungen die Veran—
lafjung. Schlechte Nahrung, verdorbenes Waſſer
u. Mangel an Bentilation der Sciffsräume er—
zeugen den Scorbut, eine der größten Qualen ber
Seefahrer. Schanjpieler, Sänger u. Mu:
tiler leiden an den Folgen von Erfältungen, von
allzu großer Anftrengung der Athmungsorgane u.
großer Geiftesaufregung; anderjeits führen fie
bäufig unpaffende Yebensweife u. geben den finn-
Uhen Genüſſen ſich ftarf hin; daher kommen
Schwindfuct, Leiftenbriüche, Schlagfluß, Blutftürze
bei diefen Berufsgenoſſen nicht felten vor. Tän—
zer werben in beträchtlicher Zahl, nad Batiffier,
von der Pungenjchwindfucht hingerafit u. leiden,
nach Corviſart, vielfah am Herzkrankheiten. Die
Bhotographen und Maler werben durch die
Chemilalien, mit denen fie hantieren, manchmal
gefährdet. Maler befommen durch den Einfluß
von Bleifarben Bleikolik zc., und Photographen
fchaden ihren Athmungswerkzeugen durch unvor-
fichtiges Einathmen von Säuredämpfen u. jegen
bier u. da durch Umgang mit Cyankalien ihr Le—
ben auf das Spiel. Soldaten find Erfrankun-
gen u. frübzeitigem Tode mehr preisgegeben, als
viele Theile der Givilbevölferung, u. zwar nicht
allein im Kriege, fondern auch im Frieden. Pringle
unterſchied die Leiden der Krieger in ſolche, weldye
den Unbilden der Luft, u. in ſolche, welche An—
fiedungsftoffen ihre Entftehung verdanfen, prüft
die Beranlaffungen der Yuftverderbniß u. gibt die
trefflihften Hathichläge zu Bannung u. Zilgung
aller den Soldaten angehenden Krankheitsurſachen,
wie fie aus Märjchen, Erercitien, dem Kriegs- u.
Lagerieben, dem Kafernenaufenthalte 2c. entjprin«
gen. Nah Moberts find bei den auserlejenen
ritiſchen, in England felbft ftationirten Truppen
bon 1000 Mann 40 beftändig frant, 26 werden
jährlih zum Dienfte untauglih und 18 fterben.
Nahrhafte Koft, gute Bekleidung u. trodene, wohl
gelüftete Kajernen hält Roberis für die vorzüg-
Ihften Bewahrungsmittel der Soldaten. Boudin
verfichert, es fei das Berhältniß der Kranken in
der franzöftihen Armee in Frankreich ſelbſt drei—
mal, in Algier achtmal größer, als jenes bei dem
zwiichen dem 20. u. 30. Yahre ftehenden Theil
der arbeitenden Klaffe in England, u. die Kranl-
beiten der franzöfiichen Soldaten dauerten in Frank—
reich felbft viermal, im Algier achtmal länger, als
die Krankheiten bei der bezeichneten Klaſſe von
Arbeitern in England. Nach Casper ift das Krank⸗
beit3- u. Sterblicpleitsverhältniß in der preußischen
Armee nod das gänfigne. Alle ftatiftiichen Aus-
weiſe beftätigen, daß durch Erfranfungen unge
fähr dreimal mehr Soldaten getödtet werden, als
durch die Waffen des Feindes. Diefe Thatſache
hat der Hygieine des Krieges neues Leben ge
geben, Geiftlihe find bei einigermaßen vor«
fihtigem u. einfachen Leben fehr wenig der Ge»
fahr des Erfranfens ausgeſetzt, u. nach den Forſch—
ungen bon Eiherih haben die proteftantiichen
Geiftlichen die beiten Lebens- u. Gejundheitsausfich-
281
Rheumatiſche und Fatarrhafifche Peiden,. Hämor:
ſchweifung als die gefährlichſten Momente im Yes |
rhoiden, Verdauungsbeſchwerden und Gicht find
die häufigſten Plagen der ſitzenden Beamten.
Von 100 Todesfällen bei Lehrern werden un—
gefähr 42 durch Krankheiten der Athmungswerk—
zeuge verſchuldet. Die vorzüglichtten Todesur-
fahen der Arzte find Zuberculofe, Typhus,
Krankheiten der Bintgefäße u. Harnorgane. Ge—
lehrte u, Dichter werden viel von Hypochondrie
geplagt, insbejondere wenn fie viel vun u. ein⸗
jeitig geiftig thätig find. Vgl. Glatter, Die Werk
ftätte, Wien 1864; Namazzini, Krankheiten der
Künftler u. Handwerlfer, Jimenau 1828; Neuf-
ville, Lebensdauer u. Todesurfachen, Franff. a. M.
1855; Goronel, De gezondheidsleer, Haarlem
1861; Bernois, Hygiene industr. et administr.,
Par. 1860; Reich, Urſachen der Krankheiten,
Lpz. 1867; Derf., Entartung des Menſchen, Erl.
1868; Eulenberg, Die Lehre von den fchädlichen
vergifteten Gafen, Braunſchw. 1865; Eſcherich,
—— Stud., Würzb. 1854; Thackrah, The
Affects of arts, trades and professions, Lond.
1832; Halfort, Krankheiten der Künftler u. Ge»
werbetreibenden, Berl. 1845; Corradi, Intorno
alla diffusione della tisichezza, Vened. 1867;
Hirt, Die Krankheiten der Arbeiter, Lpz. 1871
bis 1874; Boudie, Statistique de l’ötat sani-;
taire et de la mortalit& des armées de terre
et de mer (Preisjhrift), Paris 1846; Derjelbe,
Traits de geographie et de statistique medi-
cales, 2 Bbe., Paris 1857; vgl. auch Kolb,
Haubb, d. Statiftif, 7. Aufl., Lpz. 1875, 6. Abth.
Berufung, 1) der Recurs auf das Zeugniß
oder Urtheil einer höheren oder befjer unterrich«
teten Perſon; ſ. Uppellation. 2) B. auf Gnade,
das Gefuch eines Berurtheilten an den Landes»
herrn um Begnadigung gegen die zuerfannte
Strafe. Die fonft verſüchte B. auf den Aus-
jprud u. Richterſtuhl des Heilandes, auf
das jüngfte Gericht (B. an das Thal %o-
ſaphat) find veraltet. 3) Die göttliche Einlad-
ung an bie Menſchen, daß fie ſich das Heilsgut
aneignen, um dadurch zur Seligfeit zu gelangen;
fie ift ein Theil der Gnadenordnung; f. u. Gnade,
Sie geichieht nach der biblifhen Lehre durch das
Wort Gottes, weldes von den Verordneten ge-
predigt u. von den Erwählten aufgenommen wird,
nach der Kirchenlehre dur den Heiligen Geift;
ſ. u. Gnade. 4) B. zu einem geiftlihen
Amte, jo v. wie Vocation.
Beruguẽte, j. Berruguette.
Beruhigende Mittel, ſ. u. Bejänftigende
Mittel,
Berührungsebene (Tangentenebene) nennt
man jede eine Fläche berührende Ebene, in wel-
her alle Tangenten liegen, die im Berührungs-
punfte an die Fläche gezogen werben fünnen.
Will man in einem Punkte eine B. conjtruiren,
jo zieht man durch ihn auf der Fläche zwei be»
fiebige Eurven u. conftruirt deren Zangenten im
Durchſchnittspunlte. Diefe liegen in der B. und
beftimmen dieſelbe polfftändig.
Berührungseleftrieität (Phyſ.), jo v. mw.
Galvanismus.
Berula Koch (Berle), Pflanzengattung aus ber
ten. ®. werben bei ihnen nicht augetroffen. Familie der Umbelliferen (V. 2), der Gattung
282
Sium L. jehr verwandt, von ihr verichieden durch
die unter der diden Fruchtſchale verftedten Ol—
firiemen u. das auf der Fugenſeite gemwölbte Ei-
weiß des Samens, Schmalblätterige B. (B.
angustifolia Koch., Sium angustifolium L.),
fahl mit rundem Stengel, gefiederten Blättern,
furz geftielten Dolden u. lanzettl., fiederipaltigen
Hiüllblättern; in Deutfhland in Gräben und Bä⸗—
hen ziemlich verbreitet.
Berulle, Pierre de B., geb. 1575 in Se—
villyg in der Champagne; galt ſchon als Knabe
für einen Heiligen; um einen neuen Orden zu
ftiften, verpflanzte er die Therefianerinnen nad
Paris. 1611 fliftete er die Congregation der
Bäter des Dratoriums in Frankreich zu Paris;
1625 holte er aus Nom die Dispenfation zur
Bermählung der franzöfifhen Prinzeffin Henriette
Marie mit dem Prinzen von Wales, nahmaligem
Karl I., begleitete diefelbe 1625 nad England,
wirkte dort, jebody ohne Erfolg, für den Katholi-
cismus, reizte in Frankreich zum Borgehen gegen
die Sicherheitspläge der Hugenotten, befonders Das
1628 eroberte Rowelle, u. ward 1627 Gardinal;
er ftarb 1629. YLebensbejchreibung von Hubert,
Par. 1746.
Berum, 1) Amt im Kreiſe Emden der Land—
Droftei Aurich (preuß. Prov. Hannover); 23,100
Ew. 2) Hauptort daſelbſt, Dorf; fonft mit Schloß;
früher Wittwenfig der Fürftinnen von OFriesland.
Bervie, Charles Eldment, franz. Maler,
9* 1756 in Paris; Kupferſtecher, Schüler von
ille; ſt. 1822 in Paris; war beſonders in der
Nachahmung plaſtiſcher Werke unerreicht. Seine
berühmteſte Arbeit iſt das Bildniß Ludwigs XVI.,
wovon B. die Platte in der Revolution zerſchnitt,
um ſie zu ſichern; neuerdings iſt ſie wieder zu—
ſammengeſetzt.
Berville, Saint-Albin, geb. 22. Oct. 1788
in Amiens; kam als Advocat 1815 nad Paris,
wo er ſich bei den meiften politifchen Proceffen
durch fein Rednertalent hervorthat; war 1838 bis
1848 Mitglied der Deputirtenfammer u. dann
der Eonftitwirenden Nationalverfammlung; ft. Sep-
tember 1868 in Paris. Mehrere feiner Blaidoyers
find abgedrudt in Pancoudes Barreau frangais
J
N
l
Berulle — Berwid.
Ontel Joh. Friedrih, aber mit weniger Erfolg;
er wurde Director des Stodholmer Conſervato—
riums; ft. 3. April 1868. Brambadh.
Berwid, 1) Grafihaft in Sild- Schottland;
12,290 [Jkm; öftl. fehr gebirgig (Lammermoor),
im ©. fruchtbar, im N. gebirgig u. lalt; Flüſſe:
Tweed, Miiteadder, Eye u. a.; Gteinfohlen-
und Gipslager;, Getreide-, Gemije-, Flachsbau,
Fiſchfang u. Viehzucht; 36,486 Em.; Hauptftabt:
Greenlaw an dem Bladadder. 2)B. upon Tweed,
Stadt u. Kirchipiel in der engliihen Grafſchaft
Northumberland, an der jchottiihen Grenze, Der
Nemceaftle»-Edinburgher Eifenbahn u. der Mündung
des Tweed; alte Feſtungswerke, große Brüde über
den Tweed (über den bei Haggerston, 7 km da-
von, eine Schottland und England verbindende
Kettenbrüde, Unionsbrüde, von 196 m Länge
geht), Hafen (mit neuem Damm); Schuhmaderei
(fertigt befonder8 Cumberlands- Clogs, eine Art
Schuhe mit hölzernen Sohlen u. Abjäten); Fiſche—
rei (Lachfe); Handel mit Hummern, Fiſchen, Ge-
treide, Branntwein; Bau von Dampfmafdinen,
Eifengießerei, Schiffswerft, Schiffrüftung für den
Walfiihfang; 13,282 Ew.; in der Nähe Stein-
foblen. — B. war früher ſchouiſch 1296 von den
Engländern erobert, 1314 wieder geräumt u. bon
den Schotten bis 1402 bejefjen), jet nördlichſte
Stadt Englands,
Berwid, 1) James Fitzjames, Herzog v. B.,
gewöhnlich Marſchall B., natürlicher Sohn des
Königs Jalob II. von England u, der Arabella
Churchill, geb. 1670; führte anfangs den Namen
Fitziames; ward im Frankreich erzogen, diente
unter dem Herzog Karl v. Lothringen in Ungarn,
begleitete jeinen Bater beim Ausbruche ber eng»
liſchen Revolution 1688 nad Frankreich u. machte
die Erpedition gegen Jrland mit, wo er 1690 am
Boynefluß verwundet wurde; darauf trat er im
franzöfiihe Dienfte u. machte 1691 die Feldzüge
unter Lurembourg in Flandern, wo er 16983 bei
Neerwinden gefangen ward, fowie als General.
lientenant die 1702 f. unter dem Herzog von
Bourgogne und Billeroi mit. Er commandirte
dann 1704 in Spanien gegen Karl III. von
Oſterreich, ward aber, da er Philipp V. nicht ge-
u. in den Annales du barrean francais. Auch|fiel, 1705 abberufen und gegen die Camifarden
gab er mit Barriere feit 1820 die Collection des[gefhidt, melde er zur Ruhe bradte. In dem-
mömoires relatifs à la r&volution frangaise her-
aus u. war Mitrebacteur der Revue encyclope-
dique u. m. a. Journale; Eloge de Delille, 1817,
n. Eloge de Rollin, 1818 (zwei Preisichriften);
Fragments oratoires et litteraires, 1845; Me-
lodies amienoises, 1853; Gresset, sa vie et ses
ouvrages, 1863.
Berwald, 1) Johann Friedrid, Compo-
nift, geb. 1788 zu Stodholm, Sohn eines Kam-
mermufifus; hatte fchon im 6. Jahre bedeutende
ng Si auf der Bioline, brachſe im 10. Jahre
eine Symphonie zur Aufführung u. bildete ſich
unter Abt Vogler als Componiſt, Klavier- und
Drgelipieler aus. 1817—19 machte er große
Eoncertreifen, ließ fih dann in feiner Baterftadt
nieder u. wurde 1834 ftapellmeifter; ft. 1861, Er
hr. Symphonien, Streidyquartette, Eoncerte n. a.!Philippsburg. Mem. du Marechal de B.,
2) franz, geb. 1796 in Stodholm; bewegte ſich 1787 f., 2 Bde.; Me&m., Par. 1778, 2
jelben Jahre wurde er nach Savoyen geichidt, von
wo er 4. Jan. 1706 Nizza eroberte. Sieranf zum
Marjchall ernannt, commandirte er wieder im
Spanien, gewann dort 1707 die Schlacht von
Almanza (f. Spanifher Erbfolgefrieg) und ward
biefür von dem König von Spanien zum Herzog
von Liria u, Xerica ernannt; von Ludwig XIV,
erhielt er die Statthalterfchaft Pimoufin, wurde
zur Bertheidigung von Toulon berufen u. zwang
die Alliirten zum Abzuge; befehligte darauf 1708
am Rhein u. in Flandern, 1709 in der Dauphine
gegen Daun u. beendete durch bie Einnahme von Bar-
celona (Sept. 1714) den Spanischen Erbfolgefrieg.
1719 marfdirte er gegen Philipp V. in Spanien,
zog 1733 mit über den Rhein, belagerte Kehl u.
blieb 12. Juni 1734 bei der Belagerung von
Be
auf demjelben Gebiete der Eompofition, wie jein!2) James Figjames, Herzog v. Liria u. B.,
Beryll — Berzawa.
Sohn des Vor., geb. 1695; zog früh mit feinem
Bater zu Felde, nahm 1715 an der Expedition
283
Berylliumhydroryd, |. Berplliumorydbudrat,
Berylliumjodid (Jodberyllium, Chem.), Ber
des Prätendenten Theil, ward 1724 fpan. General, | bindung von Beryllium und Jod; Formel BeJ;;
ging als folder nach Petersburg u. Wien, be-
febligte 1734 in Stalien, belagerte u. eroberte
farblofe, in Waſſer lösliche Nadeln.
BDerplliumoryd (Beryllerde, Glycinerde, Süß⸗
Gatta und blieb nach dem Kriege als jpanifcherjerde; Chem.), das einzige bis jetzt bekannte Oryd
Gejandter in Neapel; er ft. dort 1738,
Beryll, (der Smaragd der Alten, die aber
auch andere grüne Edelfteine Smaragd nannten)
ein als Edelſtein dienendes Mineral, das hera-
gonal Irpitallifirt m. oft in wunderjchönen großen
und wol ausgebildeten fänlenförmigen Kryftallen
vorfommt. Er befitt diefelbe Härte wie Topas
(8 der at ein fpec. Gew. von 2,,, Glas-
lanz; findet fi in vielen Farbenvarietäten, grün,
lau, gelb, w. ift meift durchicheinend bis durdh-
ſichtig. Die Bruchflächen find uneben u. mufcelig,
eim deutlicher Blätterdurchgang fehlt. Er befteht
aus 66,, pCt. Kiefelerde, 19,, Thonerde, 14,,
Veryllerde u, Heinen zufälligen Mengen von Kalte
erde, Ehromoryd, Magnefia u. f. w., hat alſo die
Formel B,AL,Si,O,,. Smaragd nennt man bie
durh Ehromoryd grün gefärbten Varietäten, die
namentlich bei Bogota in Neu-Granada vorkommen
und den Alten vom Berge Balora in Ober
Agypten befannt waren. Alle anderen Barietäten
beißen Beryll, u. kommen prachtvoll blaue Kryftalle
aus dem Ural von Murfinst u. Katharinenburg,
fowie aus Hindoftan und Brafilien; waſſerklare
Kryftalle, namentlich aus Elba, u. geringere, aber
jehr große aus NAmerifa, befonders aus Maffa-
ufetts. Die Smaragde namentlih find als
delfteine fehr beliebt, auch ſchön blaue u. rein
F Berylle werden als ſolche gern verwandt.
er größte ift im Kaiferlihen Mineraliencabinet
in Peteröburg; er ift bei ca. 310 mm fänge u.
300 mm Dide faft 8 kg ſchwer. Die meergrünen
Barietäten heißen Aquamarine (f. d.),
Beryllerde, |. u. Berylliumoryd.
Beryllium (chem. Zeichen Be, bei den Franzoſen
Glycinium, chem. Zeichen G, Atomgewicht— 9,,),
ein dem Aluminium ähnliches Metall, das ſich in
einigen felteneren Mineralien (Phenalit, Helvin,
Euflas, Beryll, Smaragd u. Chryſoberyll) findet.
Es befitt Farbe u. Glanz des Zinfes, ift Hämmer-
bar u. zähe u. hat ein jpec. G von 2,. An
der Luft ift es unveränderlich; Pon Galzjäure,
Schwefeljäure u. Kalilauge wird es leicht, von
Salpeterjäure nur jchwierig aufgelöf. Beim Er-
biten an der Luft orgdirt fi compactes B. mur
an der Oberfläche, pulverförmiges verbrennt mit
ftartem Glanze; es ſchmilzt leichter als Silber.
Wöhler erhielt es zuerft 1828 in Pulverform,
Debray 1854 in Heinen Kugeln; Beide ftellten es
aus Bechlorid auf diefelbe Weife dar, wie das Alu-
minium aus Aluminiumchlorid. Heer.
Berylliumbromid (Bromberyllium, Chem.),
Verbindung von Beryllium u. Brom; Formel
BeBr,; farbloſe, nadelförmige, in Waſſer lösliche Hamb. 1835.
Kryſtalle.
Beryliiumdlorid (Chlorberyllium, Chem.),
eine Berbindung von Beryllium mit Chlor nad
der Formel BeCl,; bildet farblofe, zerfließliche,
in ſſer leicht lösliche Nadeln. Seine Dar-
des Berylliums, nad) der Formel BeO zufammen«
ge. Es bildet mit Thonerde das Mineral
hryſoberyll. Zu feiner Darftellung glüht man
Berylliumoxydhydrat oder kohlenjaure Beryllerde;
loderes, weißes Pulver, deffen fpec. Gew. — 3,,.
Es iſt in Waffer volltommen unlöslih; in Säu—
ven löſt e8 fih um fo ſchwieriger auf, je ftärter
e8 vorher geglüht war. Durch ſtarles, anbalteı-
des Glühen entweder allein, oder mit Kieſelſäure
oder Borfänre kann es aud in Meinen Kryſtallen
erhalten werden. Es wurde von Bauanilin 1797
als eine von der Thonerbe verjchiedene Erde aus
erfannt und wegen des füßen Gefchmades feiner
Salze Glycine (v. gr. glykys, füß) genannt; da»
ber der in Franfreih noch gebräudlihe Name
u Heher.
erlernte eu ac Berylliumhydroxyd;
Chem.), eine Ber — Beryllium, Waſſer⸗
ſtoff u. Sauerſtoff nach der Formel BeH. O. Es
entſteht bei der Fällung eines Berylliumſalzes
mit Ammon als gelatinöſer Niederſchlag, der ſich
beim Trocknen in ein weißes, leichtes, aus der
Luft gern Kohlenſäure anziehendes Pulver ver-
wandelt. Es ift in Waffer u. Ammon unlöslic;
in Säuren löſt es fich leicht unter Bildung von
Berylliumfalzen, ebenjo in Altalien u. tohlenjauren
Altalien. Heer.
Berylliumſalze (Chemie), Berbindungen,
welche bei Eimwirtung von Säuren auf Beryllium-
oryd oder Berylliumorybhydrat entfteben; farb»
(08, von füßlihem, ſchwach zufammenziehendem
Geſchmack und meift in Waffer löslich. Ihre
Löſungen reagiren ſauer und "geben mit Kali- u.
Natronlauge gelatinöfes Berylliumoxydhydrat, wel⸗
ches im Überſchuß des ag ri fih auf.
flöft; Ammon bewirkt einen bleibenden Nieder-
Ihlag von Berylliumoxydhdrat; fohlenfaures Am—⸗
mon liefert fohlenfaures Berglliumoryd. In der
Natur finden fih mur die kiefelfauren Salze des
Berplliums, namentlich das kieſelſaure Beryllium—
oryd als Phenafit, Fiejelfaures Berylliumoryd mit
fiejelfaurer Thonerde als Euflas und der Beryll
von ähnlicher Zuſammenſetzung, deſſen wichtigſte
Varietät der ſchön grün gefärbte ie
Beryllus, Biſchof von Boſtra in Arabien (im
3. Zahrh.); gehört wahrſcheinlich (nach Bauer) zu
den ebjonitiichen Monardianern, d. h. Ehriftus iſt
ihm eine menſchliche, nur unter göttlicher Ein-
wirkung ftehende Perſönlichleit; Andere (jo Dorner)
rechnen ihn zu den patripaffianiichen od. mobdalifti«
jhen Monardianen. Ullmann, De Berylio,
Seine Anhänger dh
öffler.
Berhtos, Stadt in Phönifien, an der Münd—
ung des Magoras; jest Beirut (f. d.).
Ibersume, Nebenfluß des Temes in Ungarn,
in den Comitaten Kraffo u. Zorontal; 150 km
ftellung ıft ganz analog der des Aluminiumchlorids. lang. Der gleichnam. u. in die Temes mindende
Kanal trägt zur Gutjumpfung der Umgegend bei.
284
Berzeliit, auch Kühnit genannt, ein feltenes
Mineral, weientlich eine Verbindung von Arjen-
fäure mit Kalferde, Magnefia u, Manganorydul;
lommt nur an einer Fundſtelle in Schweden bei
Longbanshytta mit Eiſenerz vor.
Derzelin nannte Beudant das jetst Berzeltanit
oder Gelentupfer benannte Mineral, das ın dünnen
Anflügen von metallglänzender, filberweißer Farbe
bei Stiferum in Schweden und Leerbach am Harze
vorfommt, während man mit Berzelin neuerdings
ein dein Leucit ähnliches feltenes Mineral bezeichnet.
Berzelius, Jöns (Johannes) Jakob, Frei—
herr v. B., der bebeutendfte Chemiler der erjten
Hälfte des 19. Jahrh., geb. 29. Aug. 1779 ın
BäfverfundaSörgärd, einem Dorfedes ſchwed. Stiftes
Yinföping, wo fein Bater Caplan war; 1796 be-
zog er die Hochichule Upſala, um Arzneifunde zu
ftudiren, wandte ſich aber jehr bald jpeciell der
Chemie zu. Er verließ Upfala jchon 1798 mieder,
übernabın zu Medevi, einem vielbejudhten ſchwed.
Badeorte, die Stelle eines Aififtenten des dor—
tigen Badearztes u. machte hier 1799 feine erjten
Mineralwafjer-Analyfen, über welche er 1800 eine
Differtation: Nova analysis aquarum Mede-
viensium fchrieb; eine zweite: De electrieitatis
galvanicae in corpora organica effectu, erſchien
1802. Nachdem er fi) 1804 die medic. Doctor-
würde erworben, ward er Adjunct des Profeflors
Spauernau in Stodholm, welcher Medicin, Bo-
tanik u. Pharmacie vortrug; 1806 wurde er Lehrer
der Chemie an der Kriegsafademie zu Carlsberg
und 1807 Profeffor der Medicin u. Chemie am
Medicinifch- Ehirurgiihen Inſtitut in Stodholm.
Sein Curſus über Chemie galt als Mufter für
alle Hochſchulen Europas. 1807 begründete er
die Schwediſche Geiellichaft der Arzte, wurde 1808
Mitglied der Stodholmer Alademie, 1810 deren
Borftand und 1818 deren beftändiger Gecretär;
1818 murde er in "den Adelsſtand, 1835 im den
Freiherenftand erhoben, nachdem er ſchon 1832
feine Profeſſur an Moſander (f. d.) abgegeben
hatte, um ungeftört feinen Studien obliegen zu
tönnen. B. ft. 7. Aug. 1848 in Stodholm, Wenn
Lavoifier (f. d.) die neue Chemie begründete, fo
verbanfen wir B. ihre weitere Entmwidelung und
Ausbildung. Er führte die kurze Zeichenichrift
für die dem. Borgänge ein, bejtimmte die Aqui—
valentzahlen der Elemente mit bewundernsmwür«
diger Genauigkeit, unterfuchte die Berbindungen
einer großen Weihe von Elementen genauer, ent—
dedte die Grundftoffe Thorium, Selen, Silicium,
Zantal u. Zirkon u. erfannte die metalliihe Natur
des Ammoniums. Er begründete die eleltrochem.
Theorien in der Chemie u. das chem. Syſtem in
der Mineralogie u. zeigte die Nützlichkeit u. viel»
jache Berwendbarfeit des Löthrohres bei chem, Unter-
inchungen. Seine für die Chemie wichtigfte Leift-
ung iſt die Ausbildung der Lehre von den chem.
Proportionen, mit welchen er fich feit 1807 au—
haltend beichäftigte. Auch um die organische Eher
mie bat fih B. Berdienfte erworben. 1855 wurde
fein von Ouarnftröm gefertigtes Standbild in
Stodholm aufgeftellt. B⸗s herporragendfte Schiller
find: Mitſcherlich, Ehr. Gmelin, H. u. ©. Roſe,
Wöhler, Magnus, Naumann. Unter feinen zahl»
Berzelitt — Befalır.
Lärbok i kemien, 3 Bde., Stodh. 1808 — 12,
2. Aufl., 6 Bde., 1817—30, deutſch von Wöhler,
der auch die nur deutſch geichriebene 3, u. 4. Aufl.
beforgte, die 5. A. wurde von B. jelbft in 5 Bon.,
1843 — 48, herausgegeben; Elektro - kemiska
theorien, ebd. 1814, 2. A., deutich von Nammels-
berg, 1847; Nouv. syst. de mineralogie, Paris
1819; La cause des proportions chim, et sur
influence chim, de l’öleetrieite, ebd. 1819,
2. Aufl., 1835; Om bläsrönets användande i
kemien och mineralogien, 1820, in 4 Aufl. ins
Deutihe u.a. Sprachen überſetzt; Arsberättelser
om framstegen i fysik och kemi, 27 Bbe,,
1821 —48, deutſch von Gmelin, Wöhler u. 4.
Dazu kommen mehr als 200 Abhandlungen aus
den Gebieten der Phnfif u. namentlich der Che»
mie, deren meifte auch im deutfche wiſſenſchaftliche
Beitichriften, namentlich die von Gehlen, Schweigger,
Gilbert u. Poggendorff, übergegangen find. Hier
finden fi auch noch einige Meinere Abhandlungen
von B. (j. Noje, Gedächtnißrede auf B. in den
Verh. der Akademie Berlin, 1851).
Derzeliusiche Lampe (Chem), eine von
Berzelius conftruirte Spirituslampe mit ring«
förmigem Dochte u, doppeltem Luftzuge, der noch
durch einen niedrigen Blechſchornſtein verftärft
wird. Da der Docht durch Bahnftange u. Ger
triebe leicht bewegt werden Tann, jo eignet fie fich
zur Hervorbringung der verjchiedenften Tempera-
turen u. wird deshalb in Laboratorien, aber auch
in Haushaltungen vielfach bemukt. Hehzer.
erzezio, Vittorio, ital. Dichter, geb. 1830
zu Cori; widmete ſich der literariihen Journa-
iftit und übernahm die Redaction der Gazetta
Piemontese. Er ſchr. eine Reihe von Romanen
im Stil Balzacs, fo: La famiglia, L'amor di
patria, Palmina, L’odio,. Man lobt an ihm bes
ſonders die Schönheit der Sprache u. Schärfe der
Charafterzeihnung. Auch Dramen jchrieb B., wie:
Mica d’Adormo, Romulus u. La Pasque Veronesi,
Berzſenyi (Egyhazas-Nagy-B.), Daniel,
ungar, Dichter, geb. 7, Mai 1776 zu Hetye im
Eijenburger Comitat; bildete fi faſt ganz allein
dur Privatftudien für Sprachwiſſenſchaft u. Li—
teratur. Seine Gedichte wurden von Helmeczy
ohne ga Be Verfaſſers 1813 heransge-
geben und taMben allgemeinen Beifall. Später
ſchrieb er in Journalen zerftreute philofophiiche
u. äfthetiihe Abhandlungen; war Mitglied der
Ungar. Akademie; er ft. auf feinem Guͤte Nikla
1836. Seine Gebidhte (Versei), Peſt 1818,
n. U., 1816. Werte (Osszes müvei), herausgeg.
von Debrentei, Peſt 1842, neuefte A., ebd. 1862,
Bes (Muſ.), das doppelt erniedrigte h oder das
noch einmal erniedrigte b; die Anwendung des
Namens B. fir das gewöhnliche, nicht erniedrigte
b ift ein Mißbrauch.
Beſa, zu Conjtantinus’ Zeit vorkommende
Drafelgottheit der Agypter zu Abydos und An—
tinoopolis. Der genannte Kaifer machte dem
Oralel ein Ende.
Befälu, Stadt in der ſpan. Prov. Gerona (Catalo»
nien) linf8 am Fluvia; 2000 E. B. hieß im Mittel-
alter Biſulduna (Befalumum) und war der Sit
einer Grafichaft (Comitatus Bisuldunensis); von
reihen Schriften find von größter Bedeutung: früheren Grafen ift nur Humfred befannt; dann
Beſamung — Bejagung oder Bemannung.
285
fam B. an die Grafen von Barcelona u. wurde hier eine Univerfität, die aber jpäter wieder einging.
eine Secundogenitur derjelben, fiel aber 1111 au
Jene zurüd.
Beiamung, die Fortpflanzung der Holzge-
wächſe, aud die Berjlingung der SHolzbejtär.de
durch Samenabfall (Anflug, Aufihlag). Bgl.
Berjüngnng.
Deinmungsfdlag, fo v. w. Samenſchlag;
vgl. Berjüngung.
Befanbaum, Befancarbeel, Befanrane,
Befanfegel ze., |. u. Gaffel, Mars, Maſt, Raae,
Segel, Talelage x.
ejangon, Hauptftabt der ehemaligen Franche—
Eomte, jetzt des gleichnam. Arr. u. des franzöf.
Depart. Doubs; liegt zum Theil auf einer vom
Doubs gebildeten Halbinjel u. am Rhein-Rhöne-
Kanal, die Eitadelle 892 m ü. d. M.; Eijen-
babnmverbindungen nad Paris, Lyon und Straf-
burg; Feſtung zweiten Hanges mit vom Doubs
bemwäfjerten Gräben, doch find die Werke, ob-
oleich zum Theil von Vauban nad) jeiner zweiten
Manier angelegt, jehr unregelmäßig; die Ober-
ftadt enthält das durch einen Graben abgefonderte
Champ de Mars, die Unterftadt ift ſehr unregel-
mäßig befeſtigt; die Citadelle, ein längliches,
baftionirtes Biered mit Navelins, auf einem naben
Berge (auf der Stelle der alten römischen Burg
liegend), ift ftarf, u. ihr Graben, von einem Fluß—
ufer zum anderen reichend, verfchließt die ganze
Halbinfel; Erzbiichof, Departementsbehörden, Ar-
ineecorpscommando, Handelsgericht, Gerichte 1.
u. 2. Inſtanz, Präfectur; Kathedrallirche u. meh-
vere andere merhvürdige Kirchen; Juſtizpalaſt,
Alademie (für Mathematik u. ſchöne Wiſſenſchaf—
ten), £yceum, Seminar für Lehrer u. Lehrerinnen,
Artilleries, Zeichen- und Uhrmacherſchule, Taub
ummen- u. Jrrenanftalt, Spitäler; Alterthums-
muſeum, Biblsothet (120,000 Bände), Gemälde-
galerie, Naturaliencabinet, Botanischer Garten,
Theater, Kornhalle, Zeughaus, Kajerne; Aderbau-
gsjellichaft, Handelsfammer (Filtale der Frz. Bant),
Sitz der Hohöfen-Gefellichaft von Frauche-Comté;
Sägemühlen (jährl. 3 Mill. Eichen- u. Tannenbret-
ter), Uhrmacherei (13,000 Arbeiter, jährl. 335,000
Uhren, davon 114,000 goldene, Werth: 14 Dill.
FIcs.), Tiſchlerei; 42,01 Ew. Die Stabt hat
angenehme Spaziergänge und bedeutende lÜber:
reſte aus der Römerzeit. B. ift der Geburtsort
von Gramvella, Acton, Abel Remuſat, Victor Hugo,
Pajol, Nodier, Milot, Ebifflt. — B. war im
Alterthum als Veſontio (Biiontium) eine Stadt
der Segnaner; fie wurde fajt ganz vom Dubis
umfloffen; die Eitadelle war mit der Stadt durch
eine Mauer verbunden. B. war groß, hatte präch-
tige Gebäude u. wurde ſpäter römiſcher Waffen-
platz; noch übrig find Ruinen eines Triumph—
bogens des Kaifers Aurelianus, einer Wafferleitung,
eines Ampbitbeaters, x. 58 v. Chr. hier Cäſars
entfcheivender Sieg über Ariovift (ſ. u. Gallifcher
Krieg). Zur Zeit des Kaiſers Julianus wurde
3. von den Aemannen zerftört. Es fam 413 an
die Burgunder u. wurde um 451 von Attila zer
ſtört. Unter König Heinrich I. fam B. als Haupt»
ftadt der Franche-Comté an das Deuiſche Meich
und wurde durch Kaifer Friedrich I. Reichsſtadt.
1590 ftiftete Cardinal ®ranvella, Erzbiſchof von B.,
Im MWeftfäliichen Frieden 1648 wurde B. an
Spanien abgetreten; 1668 u. 1674 von den Frau—
zofen erobert, kam e8 1679 mit der Franche-Comteé
an Frankreich. Ludwig XIV. ließ die Stadt durch
Bauban befeftigen. 1814 wurde B. durch das
2. öfterr. Armeecorps unter Piechtenftein blofirt u.
beſchoſſen und 2 große Ausfälle abgeichlagen; es
hielt fi bis zum Frieden. Hier concentrirte der
franzöi. General Bourbali in der zweiten Hälfte
des December 1870 die Armee, mit der er
Belfort entiepen und in SDeutichland einfallen
follte, ward jedoh Ende Januar 1871 von deu
GSeneralen Manteuffel u. Werder fo umitellt, daß
er eine Selbſtmordverſuch machte und feiner
Armee nur der Ausweg blieb, auf ſchweizer Ge—
biet ütberzutreten.
Bejänftigende Mittel (Sedantia, Sedativa),
allgemeine Bezeihnung derjenigen Heilmittel, welche
Aufregung, Schmerz, Krampf mildern oder beiei-
tigen. Die ben M. find daher jchr verichiedener
Art u. werden unterſchieden als Antispasmodica,
Anodyna u. Paregorica, Soporifica (Hypnotica).
Beiipiele find: Opium, Bilſenkraut, Belladonna,
Aconit, Blaufäure.
Dejakung oder Bemannung eines Schiffes
oder Bootes wird die Gefammtheit der zu deijen
Führung u. Bedienung an Bord befindlichen Per-
jonen genannt u, umfaßt daher Offiziere u. Dann»
ſchaft des Schiffes. Stärke u. Zujammenfegung
der Schiffsbefagungen find nah dem Zwecke der
Schiffe jehr verjchieden. Während die Bemanmung
eines Segelidhiffes der Handeldmarine nur aus dem
Schiffsführer, Schiffer u, dem nach der Größe des
Schiffes mindeft nothiwendigen übrigen ſeemänni—
ſchen Perſonal (1—4 Steuerleute u. 3—40 Matro«
jen u. Schifisjungen, worunter 1 Koch u. 1 Zim«
mermann) befteht, tritt auf den Dampfern noch
das zur Bedienung der Majchine nöthige Mafchinen-
Perſonal (Majchiniften u. Heizer), auf den größeren
Poſtdampfern außerdem noch das der Paffagiere we»
gen nothwendige Küchen u. Aufwärter-Berfonal u.
die mit den Verwaltungs» u. Poftangelegenheiteu
betrauten Beamten hinzu. Die Mannſchaft fol
her Kauffahrteiſchiffe, welche Walfifh» und See-
hundsjagd betreiben, erreicht nicht jelten eine Stärke
von 80 Dann u. darüber, Die Bejatungen der
Kriegsſchiffe beftehen, neben etwaigen wenigen als
Köche u. Kellner engagirten Civilperfonen, ledig—
lich aus Militärperjonen, welche nach den in deu
verjchiedenen Ländern beftehenden Gejeten zu die—
jem Dienfte entweder ganz, oder theilweile gewor—
ben oder verpflichtet find. Jede zu einer Kriegs—
ihifjbefagung zufammengeftellte Truppe befteht ale»
dann zum Frößten Theil (65 — 85 pCt. der Ge—
jammtftärfe) aus dem feemännifchen Berfonal der
Marine; demnähft aus einer der Größe u, Con—
firuction der Mafchine entiprechenden Ztärfe des
Marine-Maſchinen-Perſonals (10—20 pEt.); fer
ner aus einer Abtheilung des Marine-Handwerker-,
Berwaltungs- u. ärztlichen Perſonals (6— 10 pCt.).
In einigen Flotten, deren Organijation Marine—
Yandtruppen fennt, find auf den größeren Klaſſen
von Kriegsichiffen auch Heinere Abtheilungen dies
jes Perfonals (ca. 16 pCt.) eingeichifit; während
auf den Segelſchiffen, weiche, foweit wie verhau-
286
Bejagungsrcht — Beſchädigung fremden Eigenthums.
den, in den größeren Kriegsmarinen allerdings Gouverneur, dem der Artillerie-Offizier vom Plate
nur noch zu bejonderen Zweden, 3.8. als Schul-|u. der Ingenieur⸗Offizier vom Plage beigegeben
oder —— eh Verwendung finden, |find. Im Kriege, oder jobald der Belagerungs-
das Maſchinen-Perſonal jelbitverftändfih fortjällt,
Die Stärke der Kriegsichiff-Befagungen nah Art
und Größe der Schiffe ſchwanlte früher zwiſchen
40 u. 1800 Mann, lettere Zahl nur auf den be»
reits liberal! aus dem Sriegsdienfte entfernten Li-
nienichifien früherer Zeit (in England nahm man
früher an: B. eines Yinienichiffes von 110 Kano-
nen 950 Mann; von 80 Kanonen 750, von 70
620; einer FFregatte von 50 Kan, 450, von 30 8.
300 Dann); die Bejatungsftärten der heutigen
großen Panzerfregatten überfteigen dagegen nicht
die Durdichnitiszahl von 700 Köpfen. Die den
genannten Kategorien an Bord zufallenden Func—
tionen find folgende: Dem Maſchinen-Perſonal
hiegt die Bedienung der Mafchine ob; dem Hand-
merfer-Perfonal (HZimmerleute, Böttcher, Segel-
macer, Schmiede, Büchſenmacher, ——
Schneider, Maler) die Ausführung der an Bord
vorfommenden einſchlägigen Arbeiten; dem Ber—
waltungs» u. Bere * die Geld», Pro-
biant» u. Verwaltungs» Angelegenheiten, u. dem
ärztlichen Perfonal die Krankenpflege; das etwa
eingefchifite Perfonal an Marine-nfanterie wird
zum Sicherheits-Wachtdienſt u., ebenſo wie das
Maſchinen- u. Handwerfer-PBerfonal, zur gelegent-
hen Berftärtung des ſeemänniſchen Perfonals,
wenn nothwendig, verwendet, welch letterem die
Erfüllung der geſammten übrigen an das Schiff
zu ftellenden militärifhen u. feemannidaftlichen
Anforderungen zufält. Die zur Beſatzung ge
hörige Zahl von Offizieren ꝛc., Unteroffizieren u.
Gemeinen innerhalb der einzelnen Kategorien tft
für jede Klaſſe von Kriegsſchiffen feftgeitellt und
beſtimmt fih — abgejehen von jolden Ausnahme—
fällen, weiche durch die etwaige Verwendung eines
Scifjes in bejonderem Dienfte bedingt werden
können — nad der Art u. Größe des Sdifis-
lörpers, feiner Armirung u. der Talelage. Ebenio
find in den verjchiedenen Kriegsmarinen die den
einzelnen Perſonen obliegenden dienftlihen Ber-
richtungen an Bord, nad) Maßgabe der jeder Ka-
tegorie zufallenden Aufgabe, durch Inſtructionen
u. die Schiffsrollen vorgeichrieben.
Die Befagung einer Feftung muß im Frie-
den ftarf genug fein, um die Werke zu bewachen,
im Kriege, die Feftung zu vertheidigen. Für ge»
wöhnlich braucht nur der dritte Theil der B. ım
Dienfte zu fein. Ihr Haupttheil beiteht aus In—
fanterie; Artillerie jo viel, als zur Bedienung der
Geſchütze, die bei einem Angriffe gleichzeitig in
Thätigkeit treten fünnen, erforderlich; Genietruppen
etwa „, ber Stärke; Cavalerie nur ſchwach zur
Beobachtung außerhalb der Feſtung, jo lange dieje
möglih. Nach der Größe der Feſtung, der An—
zahl der detadhirten Werke ꝛc. iſt die Stärfe der
Kriegs⸗B. verschiedener Feitungen fehr verichieden;
fie überfteigt bei den größten Feſtungen 60,000
Mann, ein Grund, der gegen viele große Feftungen
fpricht, da der Operations. Armee zu bedeutende
Kräfte entzogen werden, In Deutichland ift vor-
züglih die Yandwehr zu Befatungszweden be—
ſtimmt. Den Befehl über die B. führt der Com-
mandant, oder — in größeren” Feſtungen — der
zuftand prockamirt wird, ift der Commandant mit
großer Machtbefugniß ansgeftattet; in jchwierigen
Fällen wird er einen Kriegsrath aus den älteren
Offizieren der B. bilden, der ihm berathend zur
Seite ſteht.
Beſatzungsrecht (Kriegsm.), die durch das
öffentliche Recht, Staatsverträge oder Friedeus—
Ihlüffe garantirte Befugniß, Soldaten in einen
unter anderer Herrſchaft ftehenden befeftigten oder
unbefeftigten Ort legen zu dürfen. In neuejter
Zeit ift das B. von ben europäiſchen Staaten
nur als ein vorübergehendes anerfannt, um ſich
für im Friedensſchluſſe gemadte Zufiherungen
gleihjfam ein Fauftpfand zu ſchafſen.
Desborodfo, Fürſt Alerander Andreje-
witſch, geb. 1742 in Stolnoje in Klein⸗Rußland;
ftudirte zu Kiew, wurde erſt Secretär des Feld⸗
marſchalls Romanzow u. hierauf Secretär in ber
Reichskanzlei. Als ihm einft aufgetragen war,
einen Ulas abzufaffen, u. er dies vergefien hatte,
ertemporirte er denjelben vor der Kaijerin Katha—
rina II. von einem leeren Blatte, u. als dieſelbe
ihre Unterfchrift beifügen wollte u. die Täuſchung
bemerfte, machte fie ihn feiner Gemwandtheit we—
gen zum Gebeimrath u. 1780 zum Staatsjecretär
un Auswärtigen. 1784 von Joſeph IL. in den
Reihsgrafenftand erhoben, wurde er nad Abſchluß
des Friedens von Jaſſy (1791) faft der alleinige
Leiter der ruſſiſchen Politif, bis es dem Günftling
Platon Subow gelang, ihn bei der Kaiferin in
den Hintergrund zu drängen. Kaiſer Paul I.
machte ihn 1796 zum Reichskanzler, erhob ihn
zum Fürſten u. beanftragte ihn 1798 mit dem
Abſchluſſe des engliih-ruffiichen Bindniffes ge
gen Frankreich. Er ft. 9. Aug. 1799, ein —
erehrer der Kunſt. Einen Theil ſeines Ver—
mögens beſtimmte er zur Gründung eines Ly—
ceums zu Njeſchin, das nad ihm das Besborod⸗
fische genannt wird, Lagai.
Beſchädigung fremden Eigenthums wird
in den neueren Strafgeſetzbüchern als eine eigene
Art von Berbrechen aufgeführt, wenn fie aus Boss»
heit, oder wenigftens aug Muthmwillen erfolgt ift,
aber den Begriff des Diebftahls nicht erfüllt. Das
Gemeine Recht kennt wegen joldyer Beihädigungen,
jelbft wenn fie vorſätzlich geichehen find (injofern
nicht wegen der Art der Beihädigung, z. B. durch
Brandftiftung, beſ. Strafgejege eingreifen), feine
jelbftändige Androhung einer öffentlichen Strafe,
jondern gıbt dem Berlegten nur Privatflagen, na«
mentli die Actio legis Aquiliae, vermöge deren
der Beſchädigte vollen Erjag des Schadens, im
Lengnungsfalle fogar das Doppelte defjelben zu
verlangen berechtigt iſt. Ebenſo findet fih in der
Peinlihen Halsgerihtsordnung Karls V. nur für
den Fall, wenn Jemand unerlaubter, beimlicher
Weiſe fremdes Holz abhauet, eine bejondere Straf.
androhung (Art. 168) vor, wobei auf die an je
dem Orte dafür übliche Strafe vermwiejen wird.
Dagegen enthalten ſchon die Polizei» u. Landes»
ordnungen des 16. u. 17. Jahrh. manche bier-
auf bezüglice, allgemeiner lautende Strafvor-
jhriften, welche die neueren Strafgefegbiicher noch
Beichalen — Bescherelle.
287
weiter ausgebildet haben. Zum Thatbeftande des Beſchälkrankheit leidende oder innerhalb der letzten
Bergehens oder Verbrechens der B. wird immer|3 Jahre daran frank gewejene Pferd mit dem
eine fremde Sache u. eine Handlung gefordert, | Brandzeihen BK. verjehen werden, Srankheits-
welche die Sache entweder ganz vernichtet, oder
doch in ihrer Beichaffenheit jo verändert, daß fie
dadurch im ihrem Werthe mejentlich verringert
wird; die Abficht des Beſchädigenden darf nicht jo-
wol daranf gerichtet fein, fich felbft einen Nuten
zu verichaffen, als vielmehr den Anderen zu be-
nachtheiligen. Die Strafe befteht je nach der
Schwere des Falles entweder in Geldftrafe, oder in
Gefängniß, Arbeitshaus, auch ſelbſt in Zuchthaus,
Geleifteter Erſatz vermindert die Strafbarkeit; ja,
nah manchen Gefegen fällt bei völliger Schadlos-
haltung jede Strafe weg. Andere Geſetze laſſen,
wenigjtens bei den leichteren Fällen, eine Be—
ftrafung nur dann eintreten, wenn der Bejchä-
digte ausdrüdlid darauf anträgt. Das Deutſche
Strafgeſetzbuch von 1871 beitimmt $ 303, daß,
wer vorjäglich u, rechtswidrig eine fremde Sache
beihädigt oder zerftört, mit Geldftrafe bis zu
900 M, oder Gefängniß bis zu 2 Jahren be-
ftraft werde, läßt jedoch die Verfolgung nur auf
Antrag eintreten. Wer aber Gegenftände der Ber-
ehrung einer im Staate beftehenden Religions:
geſellſchaft, oder dem Gottesdienfte gemidmete
Saden oder Grabmäler, öffentliche Dentmäler,
Gegenftände der Kunft, der Wiffenichaft oder des
Gewerbes, melde in öffentlihen VBerfammfungen
aufbewahrt werden, oder öffentlich aufgeftellt find,
oder Gegenftände, welche zum öffentlihen Nuten,
oder zur Verſchönerung öffentlicher Wege, Plätze
oder Anlagen dienen, bejhädigt oder zerjtört, wirt
mit Gefängniß bis zu 3 Jahren, oder mit Geld-
firafe bis zu 1500 M beitraft ($ 304), Wer
vorſätzlich u. rechtswidrig ein Gebäude, ein Schiff,
eine Brüde, einen Damm, eine gebaute Straße,
eine Eifenbahn oder ein anderes Bauwerk, welche
fremdes Eigenthum find, ganz oder theilweije zer-
ftört, wird mit Gefängniß nicht unter 1 Jahre be-
ftraft ($ 305). Als gemeingefährliche Verbrechen
u. Bergehen find dagegen Brandftiftung, Beran-
ftaltung von Überfhwenmungen, Beihädigung
der Eijenbahnanlagen u. Bejörderungsmittel und
anderer Berfehrsanlagen im 27. Abſchnitte des
Strafgeſetzbuches befonders behandelt. ©. Gemein-
gefährlihe Handlungen. Grotefend.* »
Beſchalen, eine durch ftärkere Hölzer beftimmte
Fläche (Wand, Dad), mit dünnen Brettern
(Schalbrettern) befleiden.
Beichälen, das Paaren eines Hengftes mit
einer Stute. Beihäler, diejenigen Hengſte,
welche in der Hegel in Geftliten gehalten werden
u. eine Meinere oder größere Anzahl ihnen zu-
getheilter Stuten belegen. Beihälzeit, die für
die Baarung der Pferde zweckmäßigſte u. gebräud-
liche Zeit, gewöhnlich die Monate März, April
Mai u. Juni, weil dann die Geburt der Füllen
in die für das Gedeihen derfelben günftige Zeit
fällt. Beſchälausſchlag, f. Aphthenkrankheit der
Genitalien. Beſchälkrankheit (bösartige), Be-
ſchälſeuche oder Schanferjeuche der Pferde, eine
ronifche, tödtlih verlaufende und anftedende
Krankheit der Beichlechtstheile, die nur bei Zucht:
thieren vorfommt. Die Anſteckung erfolgt durch
die Begattung. In Preußen muß jedes an ber
erfheinungen bei dem Hengfte: Anichwellung des
Schlaudes, Bläschen u. Geſchwüre an den Ge-
ſchlechtstheilen, Steigerung des Geſchlechtstriebes,
Duaddelbildung an verſchiedene Stellen der Haut,
Lähmungserſcheinungen (befonders im Hintertheil);
bei Stuten: Katarrhaliiche Erjcheinungen an dei
Geſchlechtstheilen, vöthlich«gelber Ausflug aus der
Scheide, Bläschen u. Gejhmwürbildung auf der
Schleimhaut der Geſchlechtstheile, Entzündung des
Euters, Anfhwellung der Haut, verjchiedenartige
Yähmungsericheinungen. Der Berlauf der Kranf-
heit ift chronisch; die Prognofe ungünftig. Schmitt.
Beihauung, 1) die Richtung der Aufmerk⸗
ſamleit auf einen —— um ihn in ſeiner
wahren Geſtalt zu erkennen. 2) (Contemplation)
Der Gemüthszuftand, in dem man bei gänzlicher
äußerer Unthätigkeit u. Ruhe gewiſſen Vorſtell—
ungen oder Betrachtungen (beſ. wenn dieſelben
ih auf Moral oder Religion beziehen) nachhängt
u. feine gefammte Geiftesthätigfeit bloß auf ein
Beobadıten der jogenannten inneren Anſchauungen
des Gemüthes oder der eigenen Seelenzuftände
beihränft. Die beharrlide Neigung zu folder
B. beißt Beihaulichleit. Ein befhaulidhes
Teben wurde im Altertfum von den Gnoftileru
u, Neimplatonitern empfohlen, von den indiſchen
Falir und buddhiſtiſchen Mönchen geführt u. ſpäter
noch von chriſtlichen Mönchen, Eremiten, moham-
medaniſchen Derwiſchen u. dgl.
Beſchauwalzen, hölzerne Walzen, auf welche
das Tuch gehängt wird, um es gegen das Licht
zu beſehen.
Beſch⸗Barmak, Berg im Faufafisch-ruffifchen
Gouvernement Baku, an der Weite des Kaspi-
ihen Meeres, mit Höhlen, Inſchriften u. Grab-
mälern, 528 m bod.
Beſcheid (lat. Decisum, Rechtsw.), die einen
Rechtsſtreit betreffende richterlihe Berfügung, fei
es daß fie die Leitung des Proceffes betrifft, oder
das den Proceß beendigende Erkeuntniß oder Ur-
theil; fodann auch die Eröffnung einer adminiftra-
tiven Behörde auf eine Anfrage oder Bejchwerde,
jei e8 einer Privatperfon, oder einer untergebenen
Behörde.
Beicheidenheit, 1) Mäßigung in den Anfor-
derungen jeder Art, ſelbſt unter ben berechtigten
Anfprücen bleibend. 2) (Fiterat.) Der Titel der
Spruchgedichtſammlung des Freidank in Luthers
Bibel, jo v. w. das grieh. gnösis, Erfenntnif,
2. Betri 1, 5, wie in Freidank, Beſcheidwiſſen,
Geſcheidtheit.
— ————— 1) Ausſtellung eines Zeug⸗
niſſes über einen Vorfall oder Sache. 2) Dieſes
Zeugniß felbft. 3) (Demonstratio) Der im fum«
marischen Proceß erforderte, nicht an die fireng
materiellen und formellen Borausjegungen des
ordentlichen Beweiſes gelnipfte Beweis,
Bescjerelle, Louis Nicolas, franz. Teriko-
graph u. Grammatifer, geb. 10. Juni 1802 zu
Paris; feit 1828 Bibliothefar des Louvre, be»
ſchäftigte fih in feinen zahlreichen Schriften über
die Grammatik der franz. Sprade theils mit
wiffenshaftlicher Unterfuhung derfelben, theils mit
288 Beſchicken —
Beſchneidung.
Bekämpfung der willkürlichen Theorien anberer,ftänden, welche durch ein vorſätzliches Verbrechen
Grammatilker u. gab eine Grammaire nationale,
Par., 14. Auflage 1870, fowie mehrere Wörter-
biicher der franz. Sprache heraus; mit Denars
auch das Grand dietionnaire de geographie
universelle, 4 Bbe., Par. 1865.
Beſchicken, die Erze durch geeignete gegen»
feitige Mifhung, ſowie durch Zufcläge, d. b. bes
fondere Zufäge metallifher u. nicht metallifcher,
erdiger oder fteiniger Natur, zum Berfchmelzen,
d. h. zur vortheilhafteften Bildung von reinem
Metall, metalliihem Nebenproduct (Steinen und
Speijen beim Blei» u. Kupfer-Hüttenbetriebe) u.
moͤglichſt metallfveien Schaden, beim Aufgeben
vorbereiten. Daher: Beihidung, das Berhält-
niß unter den Beftandtheilen der Schmelzung außer
den Brennftoffen, nah den Verhältniß (befter)
Scladenproduction gewählt. Jm Münzmwejen
heit beichidden: die edlen Metalle mit fo viel ge-
ringem Metall vermifchen, daß der richtige münz-
füßige Gehalt heraustommt. Daher Beihidung
(Beichidungsregel), die Regel, wonach dies ger
ſchieht; Beſchickungsrechnung, jo:v. w. All.
gationsrechnung; und Beſchichte Mark (Rauhe
Mark), die ſo verſetzte Mark edlen Metalls.
Beſchik, Stadt im Bilajet Salonik der Europ.
Türkei, am gleichnam. See; 2500 Em,
Beſchiktaſch, Ortihaft bei Conftantinopel;
armeniſcher Erzbiſchof; Hier ein Sommerpalaſt des
Sultans.
Beſchimpfung, die Kränfung der Ehre eines
Menſchen; fie kann entweder ausgehen von Ande—
ven u. die Ehre Jemandes verlegen (Injurie),
od. von der Obrigkeit u. Borgefegten, um wegen
eines Bergehens dadurch zu bejtrafen, als Ehren-
firafe; fie ift dann entweder mit wirklicher In—
famie verbunden (dem ehrlichen Namen raubend),
oder bloß degradivend, durch Herabjegung des
Beftraften in der öffentlihen Meinung oder Er-
niedrigung feiner äußeren Stellung.
Beichlag, Wort, das in der Technik vielfache,
meift allbefannte Verwendung findet; jo: 1) Eifen-
oder Mejfingwerf an Thüren, Schränken, Kiften,
Fenftern, Rädern, Wagen ꝛc.; aud Bezeichnung
für Hufeifen. 2) Der Überzug, der fich beim
Erhiten mancher Körper vor dem Löthrohre auf
der zur Unterlage dienenden Koble bildet; er ver-
dankt feine Entjtehung der Berflüchtigung entweder
des erhittten Körpers felbft, oder Feines DOrybs,
weshalb feine Farbe und jonftigen Eigenjchaften
wichtige Aufichlüffe über die Natur des erhigten
Körpers geben können. 3) Der Uberzug, mit
welhem man die innere Geite von Dfen, ſowie
die äußere von Gefäßen (namentlich aus Glas)
bededt, um fie vor der allzu intenfiven Einwirk—
ung des Feuers zu ſchützen. Zum B. von Ofen
eignet fi) am beften ein Gemiſch von Thonbrei
u. Ziegelmehl, dem man aud- wol etwas zer-
ſchnittenes Werg oder Kälberhaare zufegt. Zum
B. von Netorten u. Kolben benugt man einen
Brei aus fein zerriebenem Lehm oder Thon und
Baffer, in dem man etwas Soda aufgelöft hat.
Derjelbe wird mit einem Pinjel in mehreren fid)
überdedenden Lagen bis zur Dide eines ftarken
Kartenblattes aufgetragen. 2) 3) Heber.
oder Bergehen hervorgebracht, oder melde zur
Begehung eines vorſätzlichen Verbrechens od. Ber-
gehens gebraucht od. beftimmt find; Tann ftattfinden,
wenn die Gegenftände dem Thäter od. einem Theil«
nehmer gehören. Bei Übertretungen findet nie
mals B. von Gegenftänden ftatt ($ 40 des D.
Str.-G.-B.). 2) Vreßpolizeiliche B. ohne richter-
liche Anordnung ift nad dem jeßigen Reichs-
Preßgeſetze vom 7. Mai 1874, 88 23 zc. nur in
beftimmten (Ausnahme) Fälen geftattet (f. Pref-
gejek). 3) Im Eivilproceh findet B. des ftreiti-
gen Gegenftandes ftatt, wenn die Verfügung dar—
über einem od. beiden ftreitenden Theilen entzogen
werden fol, oder das Mittel zur Sicherung der
Realifirung der Anſprüche des Klägers; ſ. d. Art.
Arreft, Sequeftration. Grotefend.
Beſchleichen (Jagdw.), ein Thier b., dem-
ſelben, ohne von ihm bemerkt zu werden, ſo nahe
fommen, daß ein ſicherer Schuß darauf gethau
werden kann.
Beicleunigende Kraft, eine Kraft, welche
eine beſchleunigte Bewegung hervorbringt. Jede
continuirlich wirkende Kraft, Drudkraft, ift eine
folde, 3. B. die Schwerfraft; während jede
momentan wirkende oder Stoßfraft eine gleich-
et Bewegung erzeugt, Näheres ſ. u.
Bewegung. Wimmenauer M.
Beichleunigende Muskeln, fo dv. w. Accele-
vator des Harnes u. Samens (ſ. d.).
Beſchleunigte Bewegung, f. u. Bewegung.
Beſchleunigung (Acceleration), eigentlich Ber-
größerung der Gejchwindigfeit. Im weiteren
Sinne bezeichnet die Mechanik mit dem Worte
B. oder Acceleration die gleichförmige oder
als gleichförmig gedachte Anderung der (in Meter
ausgedrüdten) Geſchwindigkeit in der Zeiteinheit
— GSecunde — und umterfcheidet dann pofitive
u. negative B., je nachdem diefe Anderung der
Geſchwindigleit in einer Vergrößerung oder Ber-
minderung beftebt. Jede B. wird durch eine
continnirlih wirkende Kraft herporgebradt und
hängt von der Größe dieſer Kraft ab: die B-en,
welche verjchiedene Kräfte einer u. derjelben Maſſe
ertbeilen, verhalten fich wie dieſe Kräfte. Daher
ift die B., welde eine Kraft der Mafjeneinbeit
ertheilt, ein Maß diefer Kraft. Näheres ſ. u. Be-
wegung. Über B. der Schwere j. Schwere.
. Winmenauer M.
—— der Bäume ze., ſ. u. Baum«
nitt.
Beſchneidung, die Wegſchneidung der Bor
haut des männlichen Gliedes, bei manchen Völ—
fern auch die Entfernung eines Theil® der Vors
haut der weiblichen Klitoris oder der Klitoris
felbft. Die Operation it im Kindesalter leicht,
weil hier die Vorhaut fehr lang ift, bei Erwach—
fenen dagegen oft jchmerzhaft u. nicht ohne Ge—
fahr, indem ſich zuweilen am 3. Tage ein Wund-
fieber einftellt w. der Beichnittene wol 2—3 Boden
bettlägerig bleibt. Über den Zwed der B. herrſcht
3. Th. noch Dunkel. Einige behaupten, durch die
3. babe der ijüdiſche Gefetgeber Erhöhung der
Fruchtbarkeit (durch Vermehrung der Zeugungs-
Inft jeitens des Mannes) beabfidtigt (vgl, 3. 8.
Beichlagnahme, L)ftrafgerichtliche, von Gegen- | Friedreih, Zur Bibel, Nürnberg 1848, Bd. 2);
Beichneidung.
289
Andere nehmen weientlich dafielbe an, nur erflä-) Jahırh. n. Chr. eingeführte B. auch todtgebore-
ren fie die Borhaut in wärmeren Ländern für ein
emmmiß der Reinhaltung, dadurd fir eine Urſache
rtlicher Leiden u. bierdurch wieder fiir ein Heinm-
niß der Fruchtbarkeit (vgl. Rofenbauın, 9. a. D.);
J. 9. F. von Autenrieth (Abhandlung über den
Uriprung der B., Tübingen 1829) bringt die B.
der gegenwärtigen Juden lediglich mit deren Theo»
logie in Beziehung u. betrachtet die B. als ein
{iderbleibfel aus der Zeit des frühen Alterthums,
deffen die Theologie gleichſam fi bemädhtigt;
während Rofenbaum die B, für etwas Religiös-
Drätetifhes erflärt, glaubt B. Conftant (De la
religion, Paris 1824—31, Bd. 1) nicht an einen
Zufammenbäng der B. wit der Diätetil, eine
Meinung, die auch von M. G. Salomon (Die B.,
Braunſchweig 1844) getbeilt wird. Auch zu einem
Sennzeihen der Stammes- oder Nationalanger
börigfeit, wie der Religionsgemeinichaft, wurde
die B. Nach Herodotos (Hist. lib. II.) ıft es un—
gewiß, ob Athiopier oder Ägypter zuerft die 8.
vollzogen; Phöniler und Syrier follen dieſe Ge:
bräucde von den Ägyptern angenommen haben.
Die B. der Hebräer war der Sage nad von
Gott dem Abraham verordnet und von Moies
zu einem gefeglichen Inſtitut mit veligiös-fitt-
licher ug | erhoben; daher wurden nicht bloß
die jüdischen Kinder, jondern Später auch vie
Proselgten der Gerechtigkeit und die im Haufe
geborenen oder erfauften heidnifchen Sklaven be»
fchnitten. Später zwangen die Juden jogar die
befiegten Idumäer u. Ituräer zur B. Einen
beſchnittenen Geborenen hielt man für heilig; die
Agypter erzählten dies von ihren Halbgötteru, die
Juden von ihren Patriarchen, auch von Adaın,
David zc., die Mohammedaner von Mohammed,
die Perier von Ali. Bei den Juden gefchieht die
2. u. Namengebung (lettere auch bei den Mäd—
ben) am 8. Tage nad) der Geburt in der Syna-
goge, felbft wenn diefer Tag auf einen Sabbath
fällt. Doch kann, wenn das Kind ſchwach ift, die
B. verichoben werden. Bei der B. fit der Ger
vatter auf einem Stuhl neben dem Tifche, auf
welchem fie gejchieht; ein anderer Stuhl bleibt
für den Elias, den man fich bei der B. gegen-
wärtig dent, leer. Knaben bringen die nöthigen
Geräthe, eine Wachsfadel, Das Meſſer, Bulver
zum Beftrenen der Wunde, einen Verband, Wein,
SI, Sand ıc., herbei. Die Operation kann jeder
Israelit, jelbit eine Frau verrichten, doch geſchieht
ſie gewöhnlich von einem beſonderen Beſchneider
(Mohel); dieſer ſpricht beim Beginne den Geſang
2. Moſ. 15, 1. Der Gevatter bringt das Kind
von der Thür, wo er es den Weibern abnimmt,
herbei, u. der Mohel ſpannt die Vorhaut in eine
Art Kamm u. ſchneidet fie ab; das Bändchen der
Borbaut aber reißt er mit dem Daumennagel ab,
welche Operation Pria beißt; hierauf mimmt er
Wein in den Mund u. beipritt die Wunde u.
das Gefiht des Kindes mit demjelben, faugt das
Blut dreimal aus der Wunde, fpudt es aus u.
ner Knaben, um dıe an der Vorhaut haftenden
Dämonen zu entfernen u. das Kind der Seligfeit
theilhaftig zu machen, ift nicht allgemein geworden,
Zur Zeit der Maktabäer u. unter römiſcher Herr
ſchaft zogen viele Juden, um fi) den Berfolgun«
ge u. dem Spotte ihrer heidniſchen ‚Feinde zu
entziehen, durch eine chirurgifche Operation u.
andere Mittel die Vorhaut wieder über die Eichel
herab, um fo als unbefchnitten zu ericheinen (Epi-
spasmos, Becutitio), Bon den dhriftl. Secten
behielten die Korinthianer die B. bei, weil Jeſus
ſelbſt befchnitten worden ſei, auch die Ebioniten.
Über die B. im Allgemeinen und bei den He—
bräern insbefondere vgl. noch: ©. B. Winer,
Bibliſches Nealwörterbud, 2. Aufl,, Lpz. 1833 —38,
Bd. 1; Antonius, Diss. de circumeisione gen-
tilium, Lpz. 1682; Orapius, Diss. an eircumei-
sio ab Aegyptiis ad Abraham fuerit derivata,
Roftod, 1699; Ch. Meiners, De ceircumeisionis
origine et causis, Comment, Societ., Göttingen,
Bd. 14; M. Cohen, Diss. sur la eirconeision,
Baris 1816; 3. D. Michaclis, Moſaiſches Hecht,
Biel 1777, 6 Bde; F. F. Schröder, Satungen
u. Gebräuche des talımudıich-rabbiniichen Juden—
thums, Bremen 1861; J. F. Bavez, De causa
foeeunditatis gentis eireumeisae in eircumei-
sione quaerenda, Ypz. 1739; Banier, Cause
morale de la eirconeision, Paris 1847 (VBanier
betrachtet auch die B. als Mittel zur Berhinder-
ung der Onanie bei den Kuaben); Glaparöde,
De la circoneision, Paris 1861. Bei den Ägyp—
tern war die B. ebenfalls u. wahrfcheunlich früber,
als bei den Hebräern, daher man glaubt, daß fie
Abraham bei feiner Anmwejenheit in Agypten oder
von den aus Agypten ausgewanderten Hylios
fennen gelernt u. zu den Hebräern übergetragen
habe. Ob jedoh in Agypten die B. allgemein
geweſen ſei, ift unbeftunmt, u, man weiß nur,
daß die Priefter u. die Krieger ſich beichneiden
faffen mußten. Die B. wurde in Agypten erft
im 14. Lebensiahre vorgenommen. über die B.
bei den alten Agyptern vgl. u, a.: M. Uhlemann,
Thoth, Götttingen 1855, 8 28, u. bei den heu-
tigen Agyptern: A. B. Elot-Bey, Apergu general
sur lV’Exypte, Brüffel 1840, Bd. 2; E. W.
Yane, Sitten u. Gebräuche der heutigen Agypter,
Ypz. 1852, 2 Bde, zc. Bei den Arhiopiern, bei.
den Troglodpten, war die B. allgemein, u. bei
den chriitlichen Athiopiern ift die Sitte noch ge»
bräuchlih, ohne eine religiöfe Bedeutung zu haben,
fondern aus Gefundheitsrüdfichten,. Bei den Mo—
hammedanern geichieht die B. mit der Names
ebung im väterlihen Haufe in Gegemwart des
— der die Gebete ſpricht, durch öffentliche
Barbiere, meiſt zwiſchen dem 7. u. 13. Jahre; der
Ceremonie folgen Feſte. Uber die B. bei den
Türken: F. W. Oppenheim, Über den Zuſtand
der Heilfunde u. über die Volkskrankheiten in der
Europ. u. Afiat. Türkei, Hamburg 1833. Bon
den WAftaten befchnitten fih in alter Zeit die
verbindet fie dann mit in DI getauchter Baum-|Homeriten in Arabien; die Koldier, die nad
wolle. Zum Echluffe werden Gebete geiproden,
u. dann folgt eim feftliches Mahl (Beichneidungs-
mahl), bei dem mindeftens 10 Männer u. darun«
ter ein Rabbiner fein müſſen.
Piereräliniveral:Converfations:?eriton. ®. Aufl.
Die erft im 9.!u. deren Nachbarn, die Mafroner.
III. Banb,
erodotos eine ägyptiſche Eolonie waren; ferner die
Phöniker (die unter Griechen lebenden unterliegen
die B.), die Syrer in Paläftina, die Kappadoler
In Afrifa ift
19
290
außer bei den äthiopiſchen n. abeifiniichen Bölfer-
Bejchneidungsfeft — Bejchreien,
hen fann, ftreng genommen, die Nede fein —
Schatten die ®, auch ımter den Megerftänmmen im kommt es vor Allem darauf an, daß der Gegen-
Innern, in Kongo, Guinea u. bei den Kaffern
gebräuchlich. Gelbft auf einigen Inſeln von Poly-
nefien, wie auf Otaheiti u. den Fidſchi-⸗Inſeln, auch
in SAmerifa, wie bei den Galtnas- Indianern,
hat man diefen Gebraud angetroffen. Cine eigen-
thümfiche Sitte in Ägypten, Athiopien u. den
benadbarten Yäudern ift die fogenannte B. der
Weiber, wobei man den dien, weichen, aus der
Schaam beraushängenden, die Begattung bindern-
den Auswuchs abichneidet.
Mädchen von T—8 Jahren, zur Zeit, wenn der
Nu fteigt, von umberziehenden Weibern, mit
Meffern, worauf die Wunde mit Afche beftreut
wird. Nichtbefchnittene Weiber gelten für unvein,
u. Gefäße, woraus fie gegeffen haben, werden
zerſchlagen. Dieſe Operation wird aber von fei-
nem Sachlundigen zu der B. gerechnet, fondern
unter dem Namen der B. aud bei Mädchen nur
die Entfernung der Borhaut, u. zwar von der
Klitoris, verftanden. 2) (Chir.) Operation der
Phimosis, d. h. einer entweder angeborenen, oder
durch entzündliche Schwellung oder Narbenbildung
bedingten Berenaerung der Vorhaut des männ—
lichen Gtiedes, Die Operation war fhon in den
ältejten Zeiten befannt u. wird gegenwärtig noch
bei vielen Völfern als religiöfer Act vorgenommen,
Man wutericheidet hauptſächlich 3 Methoden der
B.: die Circumciſion, wobei der vordere, verengte
Theil der Vorhaut ringsum abgeichnitten u.,
wenn nötbig, das innere Blatt gejpalten (bei der
B. der Juden zerriffen) wird; die Inciſion bei»
der Blätter der Vorhaut, wobei diefe mit Meſſer
oder Scheere der Fänge nad gejpalten wird, u.
die Inciſion oder Spaltung bloß des inneren
Blattes derjelben; je nad Umftänden ift die eine
odere andere dieſer Methoden anzumenden,
Bejchneidungsfeit (Feſt der Beichneidung
des Herrn, Festum oder Dies eireumeisionis
Domini), der 1. Januar, als Tag der Beſchneid—
ung Ehrifti, nah Ein. feit dem 5., gewiß jeit
dem 8. Jahrh., aber nicht allgemein gefeiert; ge
trennt vom Neujahrsfefte feiern es die griechischen
Ehriften in der Türkei, da fie ihr Neujahr mit
dem September anfangen.
Beidyort, Fried. Jonas, Schaufpieler, geb.
1767 in Hanau; betrat 1786 als Sänger die Bühne
in Worms, war 1792—1796 in Hamburg enga-
girt u. vollzog bier jeinen Übertritt zum vecitiren-
den Drama. 1796 für Berlin gewonnen, errang
er fich den größten Beifall des Bublicums; er ft.
im hoben Alter 1846, nachdem er 10 Jahre vor-
ber, am 12. Dct., fein 50jähriges Künftlerjubiläum
gefeiert hatte. Die fchaufpieleriihe Bildung, die
B. duch Schröder, die Einwirkung, die er jpäter
durch Iffland erfahren hat, bejtimmten feine Dar-
jtellungsweife, die immer einfach u. würdevoll u.
von realiftiicher Treue war. In der Oper zählten
Don Juan u. Oreſt, im Schaufpiel: Pofa, Ham-
let, auch Polonius, Riccaut de Marlinidre, Percy
u. v. a, zu feinen Glanzpartien.
Beichreibung it ſprachliche Kenntlichmachung
eines materiellen Gegenftandes vder eines Be
griffes durch Angabe ſeiner Merkmale. In der
projaifhen Beſchreibung — u. nur von ejuter ſol—
“
Dies geihieht an
ftand richtig u. Har, in bejtimmter u. ſcharfer
Unterfdeidung von anderen u. in volljtändiger
Aufzählung jeiner mejentlihen Momente bevor»
trete. So in lehrhaften, geographiiden u. Natur—
befchreibungen, in mathematiihen u. logiichen
Beichreibungen u. ſ. w. Die Bollſtändigkeit darf
der Lilberfichtlichkeit nicht im Wege fteben; die ein-
zelnen Dierfmale ver B. find in der Art zu wäh—
lien u. aneinanderzureiben, daß dem Yejer oder
Zuhörer die einheitliche Anſchauung derjelben mög-
lichſt erleichtert werde. Dieje Forderung gründet
fid) auf die Pflicht, den Vortrag unferer Gedan—
fen, habe er nun einen willenichaftlichen, oder
einen praftiihen Zwed, der Allgemeinverſtändlich—
lichleit möglichit anzunähern, u. auf das äſthetiſche
Bedürfniß, dem wir, joweit es die Natur der
Sache verftattet, auf allen Gebieten Rechnung tra«
gen ſollen. Natnranfichten, menschliche Gertalten
u. Gruppen u. dgl. fünnen in der B., die biermit
zur Darjtellung wird, eine folde Yebeudigfeit,
Wärme u. Fülle empfangen, auf Gemüth u. Phau—
tafie eine jo tiefe u. mächtige Wirkung äußern, daß
fie der Dichtung nahe foınmen (jo bei Alerander
von Humboldt). Solche Darftellungen bejhräufen
fih nicht darauf, uns zu unterrichten, uns Die
Merkmale ihrer Objecte kenntlich zu machen, dieje
unjerem Berftande zu verdeutlichen, unferer wiſſen—
ſchaftlichen Anſchauung zu vergegenwärtigen: fie
entrollen uns Bilder, Die, wenn auch mit unzählie
gen Beftandtheilen einer ebenfo ſcharfen wie groß»
artigen u. weitumfafjenden Beobachtung gejättigt,
unfer inneres Yeben auf unberedenbare Weiſe
durchdringen, anregen u. nähren. Diefe Art von
B-en oder Darftellungen hat nur noch einen, aber
freilich großen Schritt zur Poeſie, zu der Hunt, Die
fih den Gejegen der Wahrheit u. Wahrjcheinlichkeit,
nicht der individnellen Wichtigkeit zu unterwerfen
hat, deren Gejtaltungen zwar an das Vorbild des
wirklichen Yebens im Allgemeinen, aber nit an
die einzelnen Erſcheinungen vdefjelben gebunden
find u. gebunden fein dürfen. Daß die Poefte nir-
gends, oder nur in untergeordneten Diomenten be-
ſchreibend auftreten fol, darüber ift unter den
Kennern beutzutage fein Zweifel mehr. Die in
Leſſings Yaofoon hierüber aufgejtellten Grundfäge
beleuchtet Hettner in feiner Geichichte der deutjchen
Yiteratur im 18. Jahrh., 2, 557 fi.
Beſchreien (berufen; gr. Baskania, lat.
Fascinatio), Aberglaube, darin bejtehend, daß
einem lebenden Weſen, bej. einem Heinen Kinde,
durch übermäßiges Yob, 3. B. wegen einer benei—
denswerthen Eigenſchaft, od. auch nur Lob ſchlecht—
hin, ſelbſt ohne Willen u. Wiſſen Schaden zuge—
fügt, bezw, dieſe Eigenſchaft, in das Gegentheil
verkehrt werden könne. Schon die Griechen fürch—
teten ſolch übermäßiges Lob und ſuchten die
böſe Folge durch dreimaliges Ausipuden, durch
Auruſung der Adraſtea, oder Berfügung des
Wortes Abaskantös, die Römer durch Praetiscine
zu entlräften; noch jegt jagt man: Gott behüte
es! zur guten Stunde ſei es gejagt! Bgl. Böſer
Blick. Die Wurzel diefes Aberglaubens iſt ohne
Zweifel der belannte „Neid der Götter”, der wie:
derum nichts anderes ift, ald eine Trausforma—
Beſchreitung des Ehebettes — Beſeler.
tion des menſchlichen Neides. Im mittelalter—
lichen Criminalproceß ſpielte das B. eine bedeu—
tende Rolle; ein Hauptunterſchied des Verfahrens
beruhte nämlich darauf, ob eine verbrecheriſche
That beſchrieen oder nicht beſchrieen war: eine
beſchrieene oder berufte That aber war diejenige,
bei welcher der Verbrecher ſogleich mit Geſchrei
(Gerufte) u. Zuſammenlauf von Leuten Echrei—
leuten) verfolgt wurde; ſie war ein Delict, bei
welchem wenigſtens das Factum notoriſch geworden.
Beſchreitung des Ehebettes, ſymboliſche
Handlung der Ehe im Mittelalter bei den Deutſchen,
um die reelle Bollziehung anzudenten,. Ste geichab,
indem Braut u. Bräutigam nad der priefterlichen
Einfeguung angezogen zufammen in das Ehebett
gelegt u. die Dede über ihnen zuiammengezogen
wurde, u. war ehedem, weil die Ebe dan erft
als vollzogen betrachtet wurde, vüdfichtlid der
Rechte der beiden Ebegatten wichtig. Daber die
Sprichwörter: Iſt das Bett beichritten, fo ift das
Hecht erftritten, oder: Wenn die Dede über den
Kopf ift, fo find die Eheleute gleich reih. Die
B. d. E. beiBrocurationstrauungen, ſ. u. Trauung.
Beſchtau, Gipielgruppe des Kaulaſus in deſſen
nördlicher Abdahung, aus fünf fteilen lUrtalt
Gipfeln beftehend (daher ruffiich Pjätigora, Flinf-
berge), deren höchfter Iſchgwa 1490 m; ohne
Hol; Schmwefelquellen.
Beſchwerde, lat. Gravamen, Rechtsw.), die
über eine obrigfeitlihe Anordunng, Berfügung
oder Entiheidung von dem davon Betroffenen
(Beamten oder Privatmann) oder über das (dienft-
Ihe oder außerdienftlihe) Berhalten eines Be—
amten geführte Klage. Betreffen die B + puntte
eine im einem Proceß ertbeilte Rechtsenticheidung,
oder das procefjualiihe Verfahren, jo find fie in
der Regel durch die gewöhnlichen Rechtsmittel
di. u. Appellation) mit Einhaltung der dafür
dorgejchriebenen Formen u. Friſten zu verfolgen;
für außerordentlihe Fälle ıft die Nidhtigleits-
beſchwerde, Querela nullitatis, ſ. d.) gegeben,
wenn die Rechtsentſcheidung fi nicht bloß als
eine dem Geſetze nach unrichtige, jondern zugleich
an jolden Mängeln leidende erweift, daß die
Geſetze das Zuftandefommen eines Rechtsſpruches
ſolchenfalls ganz ausſchließen, jowie die B. wegen
verweigerter oder verzögerter Juſtiz (Querela
protractae vel denegatae justitiae), welche als—
dann ftattfindet, wenn einer Partei von einem
Gerichte das rechtliche Gehör entweder gänzlid)
verjagt, oder die Adminijtration der Juftiz doch
ungebührend verzögert worden ift. Betrifft die
B. abminiftrative Anordnungen, jo find bejon-
dere Formen und Friften nur ausnahmsweife
vorgeichrieben, u. der B⸗führer hat fi, nur mit
Einhaltung des geieglihen Inſtanzenzuges, an
die vorgejeten Böheren Behörden um Abhilfe
zu wenden. Wo eine conftitutionelle Verfaſſung
beiteht, kann unter der Vorausſetzung, daß die B.
auch von den höchſten Staatsbehörden als unbe»
gründet verworfen worden ift, zulegt auch die
Verwendung der Bollsvertretung angerufen werden.
Der letzteren ift außerdem nad allen deutjchen
Berfaffungsurfunden das Recht eingeräumt, Bren
über Mängel u. Mifbräude in der Verwaltung
291
auch felbjtändig der Megierung vorzutragen,
Sollte aber die B. den Fall einer Juſtizver—
weigerung betreffen, jo begründet dagegen die
deutihe Reichsverfaſſung (Art. 77) für ſolche Fälle
die Competenz des Bundesrathes, wenn auf ge
ſetzlichem Wege ausreichende Hilfe nicht erlangt
werden kann. Grotefend.*
Im Soldatenftande find beftimmte Vorſchriften
über die Art der Anbringung von Bn gegen
Borgefetste erforderlich, damit durch die B-führung
die Disciplin nicht leidet. Im Allgemeinen wird
die B. beim nächſten Vorgeſetzten Defien ange—
bracht, über den man ſich beſchweren will. Un—
begründete Ben werben ſtreng beſtraft, ebenſo
aber auch die Unterdrückung einer B. ſeitens des
Vorgeſetzten, bei dem ſie angebracht wurde. In
Deutſchland geht bei Offizieren der B. ein Ver—
mittelungsverſuch voran. (Bgl. Vorſchriften über
den Dienftweg u. die Behandlung von Ben der
Militär-Perſonen des Heeres u. der Marine, fo»
wie der Givil-Beamten der Militär- u. Marine»
Verwaltung vom 6. Juni 1873).
Beſchwören, 1) mit einem Schwur befräfti-
gen (j. Eid); 2) durch Anrufung eines beilig
oder mächtig geachteten Weſens Einen zu Etwas
verpflichten oder zu bewegen fuchen; 8) zu aber«
gläubifhen Zwecken verjchiedene Dinge, im Orient
3. B. namentlih Schlangen, auch Todte, Geifter
xc,, anrufen u. durch allerlei Gaufeleien u. jonder«
bare Wörter, Räucherwerf, Ringe u. dgl. zu Et—
was zu bewegen ſuchen (j. Exorcismus, Geifter
beſchwörung, Kabbala, Magie, Netromantie).
Beſehblech (Beicher), halbrundes Blech mit
einer Öffnung; dient beim Schriftgießen zum
Vergleihen eines gegofienen mit einem Probes
buchſtaben auf dem Bejehflögchen ; f. u. Schriftgießen.
Bejeler, 1) Wilhelm Hartwig, jchleswig«
holfteinifcher Politifer, geb. 3. März 1806 auf
Marienbaujen in Jever; fiedelte früh mit feinen
Eltern nah Schleswig über, ſtudirte 1823—27
in Kiel u. Heidelberg die Rechte, wurde Advocat
in Schleswig, gehörte bier zu den Patrioten und
Opponenten der Regierung in den Danifirungs-
verjuchen u. wurde 1844 in die jchlesmwigiiche
Ständeverfammlung gewählt, wo er bei, für die
Vereinigung des deutichen Theils von Schleswig
mit Deutfchland wirkte. Nach der Hevolution zu
Kopenhagen im März 1848, melde die Einver-
leibung Scleswigs forderte, übernahm B. am
24. März d. J. mit dem Prinzen Friedrich von
Anguftenburg-Noer u. dem Grafen Reventlow—
Preeg die proviforishe Regierung der Herzog:
tbümer u. wurde dann Mitglied der nah Beſchluß
der Fandesverfammlung vom 20. März 1849 ein-
geſetzten Statthalterſchaft; zugleih war er Mitglied
u. eine Zeit lang Bicepräfident des Deutfhen
Parlaments in Frankfurt, wo er fi zur Gothai-
chen Partei hielt. 1851 bei der Theilnahme Oſter—
veihs u. Preußens an der Entwidelung der An-
gelegenheiten der Herzogthümer trat B. aus der
Regierung u. 309 ſich nah Braunſchweig zurüd
Durch Erlaß der dänischen Regierung vom 10. Ma:
1851 wurde er von der Amneſtie ausgeſchloſſen,
1861 aber zum Curator ber Univerfität Boni:
ernannt, Er jchr.: Der Proceß Gerpinus, 1855;
u, Rechtspflege, ſowie über einzelne Staatsdiener! Zur Schleswig - Holfteinishen Sade, Braunſchw.
19*
292
1856, u. überfegte Macaulays Geſchichte Englands,
2) Karl Georg Chriſtian, Juriſt, Bruder des
Vor., geb. 2. Nov. i809 zu Rödemiß in Schles-
wig; findirte Seit 1827 die Rechte u. Philoſophie
in Kiel u. Münden, lebte feit 1833 in Göttingen,
habititirte fi) 1835 in Heidelberg, wurde aber in
tiriem Jahre Profeſſor der Rechte in Bafel, 1837
in Koftod u. 1842 in Greifswald. 1848 in das
Deutihe Parlament gewählt, gehörte er dem
Rechten Ceutrum an u. ſprach bei, für das Erb-
favierthum; er trat im Mai 1849 mit feiner
Partei aus u. wurde in diefem Jahre Mitglied
der preuß. 2. Kammer, wo er anf der Linken jaß;
1859 wurde er Profeffor in Berlin; 1861—63
Mitglied des Preuß. Abgeordnetenhaufes u. 1874
des Deutichen Reihstages. Zeit diefem Jahre ift
er auch Bertreter der Univerſität Berlin im
Herrenhauſe. Er ſchr.: Lehre von den Erbver-
twägen, Gött. 1835—38, 3 Bde.; Vollsrecht u,
Juriftenrecht, Lpz. 1843; Syſtem des Gemeinen
Deutfhen Brivatrechtes, ebd. 184753, 3 Bde.,
3. U, 1873; Commentar über die Strafgeiep-
gebung für die preußiichen Staaten, ebd. 1861.
Belen, befanntes Haus» und Stallgeräth; ver—
dient wegen feiner Bedeutung im Zanberweien Er-
wähnung, einer Bedentung, die in germaniich-
heidnifchen Anjchauungen beruht u. ohne Zweifel
mit den Wolfen, dem Sturme u. dem Blite, alio
mit Donar, deffen Priefterinmen bejenartige Em—
bleme geführt zu haben jcheinen, in Beziehung
fieht. Daher Austdrüde, wie Donnerbeien u. (bei
den Seelenten der NWWind) Himmelsbejen. In
Böhmen legt man dem B. ſchützende Kraft gegen
den Blig bei, u. in Oldenburg glaubt man, mit
einem vorher ins Waſſer geworfenen B. Wind
hervorrufen zu können. Ganz allgemein ift der
B. das Wahrzeihen der Heren, die daranf zum
Blodsberg :c, reiten, aber auch gebannt werden
fönnen, wenn man einen B. umgekehrt, oder
deren zwei freuzweife vor die Thür 2c. ftellt, In
dem Goetheſchen Gedichte: Der Zauberlehrling,
ericheint der B. als Kobold, Schroot.
Beſenginſter, Bejentraut, ſo v. mw. Saro-
thamnus.
Befenpalme, 1) jo v. w. Chamaerops Hystrix
Fraser. 2) So v. w. Thrinax argentea Lodd.
Befenval, urjprünglihd Beſenwald, Peter
Joſeph Bictor, Baron de B,, franz. General,
geb, 1723 zu Solothurn; zeichnete fih im franzö—
ſiſchen Heere in dem Feldzuge von 1735 u. wäh—
rend des Oſterreichiſchen Exrbfolgelriegs in Deutſch—
land u. den Niederlanden aus, ward 1762 General:
lieutenant u. Generalinipector der Schweizer, be-
febligte 1789 die von Ludwig XVI. bei Paris
verfammelten Truppen u, forderte Yaunay auf,
die Baftille zu vertheidigen, ohne ihm alsdann
zu Hilfe zu foınmen. Er flüchtete hierauf nad
der Schweiz, ward unterwegs verhaftet, nach Baris
zuridgeichafft u.entging dem Tode nur durch Neders
Verwendung; er ft. zu Paris 1791, Memoiren,
berausgegen von Segur, Par. 1805—7, 4 Bde.
Bejejiene (Dämoniſche, Daemoniaci). Von den
Perjern ber feit dem Babyloniſchen Eril enıpfing
das Judenthum den Glauben an das Eingehen
von Dämonen in die Menichen, um in denielben
zu wohnen, fie im Beſitze zu haben. Die perfiichen
Bejen — Belichtigung.
Dew u. Druja, melde den Abriman umtgebeı,
wie den Ormuzd die guten Geifter, finden ſich
unzweifelhaft wieder im Buche Baruch u. Tobia,
in welch legterem Asmodi nichts anderes ift, als
der mäcdhtigfte der Druja, Anfhma. Zu Jeſu
Zeit war es allgemeiner Bollsglaube geworden,
daß die böfen Geifter Beſitz von Menden neh—
men u. Taubſtummheit, Berfrümmungen, Zudune«
gen u, dgl. veranlafien. Die Beihmwörung der böfen
Beifter ward nah dem N. T., Philo u. Joſephus
damals allgemein geübt u. diefe Kunft auf David
u. Salomon zurüdgeführt. Auch Jeſus u. die
Apoftel theilten offenbar den Bolfsglauben. Erft
die neuere Zeit, Belfer, Thomafius, Semler (De
daemoniaecis, 1779), Farmer (Berfuh über die
däm. Yeute, 1776, aus dem Engl.), überhaupt
die neuere Wiffenichaft lehrt in diejen Erjchein-
ungen daſſelbe erfennen, wie im den heutigen
Geiſteskrankheiten, oder in Epilepfie, Beitstanz,
Diondfudt u. dgl. Ein Neft von Thatſächlichleit
in Jeſu Heilung Br wird aud von der ftreng-
ften neuteftamentlihen Kritik anerlannt, die aus
dem Gindrude der ungewöhnlichen Perjönlichkeit
Jeſu erklärt wird, fo ſelbſt von Strauß (menig-
jtens in feinen früheren Schriften), Keim, Weit-
fäder. Es gehört zu den Kennzeichen unſeres
Jahrhunderts, daß felbft im dieſem noch gar
Mauche, wie Juftinus Kerner, aud Theologen,
wie Olshauſen, Ebrard, Steinmeyer, Preffenfe,
den alten Bollsglauben wieder zu rehabilitiren
gefucht haben. Val. auch Deligih, Bibl. Pſycho⸗
logie, 2. Aufl., Lpz. 1861.
Bejeftan (tück.), öffentliher Markt, fo v. w.
Bazar; f. u. Eonftantinopel.
—— Hügelu. Stabttheil von Jeruſalem (ſ. d.)
Beſetzung der Stimmen bei Ausführung von
vielſtimmigen Muſikſtücken nennt man die Aus—
wahl u. Feſtſetzung des Zahlenverhältniſſes unter
denjenigen Perſonen, welche die einzelnen Stim—
men vortragen follen. Die Stärke der B. richtet
fih nad dem Charakter des Mufifftüdes, fo daR
Schlachtſymphonien mehr Inſtrumente erhalten,
als Schäferjpiele, u. nad dem Orte, wo ein Stüd
vorgetragen wird, jo daß die B. in der Kirche
ftark, in einem Zimmer ſchwach jein muß. Das
Verhältniß der Fnftrumente gegen einander muß
ebenfall$ gut abgewogen werben, jo daß feine
Stimme zum Nactheil der anderen vorherrſcht.
Herkömmliche Verhältniſſe find 3. B. zu 6 erften
Biolinen 4—5 zweite, 2—3 Bratichen, 2 Violon⸗
cellos, 1—2 Contraviolons; Blasinftrumente pfler
gen einfach u. nur bei ftarfem Orcheſter doppelt
bejegt zu werden. Den talentvolleren u. geſchich⸗
teren Mufifern werden die Solopartien übertra—
gen, indeß dürfen nicht alle befjern in die erſteren
Stimmen concentrirt werden, indem die anderen
Stimmen dadurch verlieren u. die Einheit des
Ganzen leidet.
Befichtigung, 1) (Inipection) als Ertenn-
ungsmittel in Krankheiten neuerdings verbefjert
u. auf eine größere Anzahl von Erſcheinungen
(3. B. Herzihlag, Athemswegung zc.) —
liefert nächſt der Palpation, Percuſſion u. Aufcul-
tation manche für die Erkenntniß (Diagnoſtil) der
Krankheiten erhebliche Wahrnehmungen. Be—
waffnete Inſpection, ſolche mit Zuhilfenahme
Befigheim
von Inſtrumenten, befonders optifchen (Poupen,
Spiegel ꝛc.); gewöhnlihe B. heißt im Gegenſatze
dazu: Ocularinipection. 2) (Fat. Ocularis In-
spectio, Criminalrecht) Die gerichtliche, vor be-
jegter Gerichtsbanf oder einem Delegirten des
Gerichtes (z.B. Unterfuhungsrichter u. Staatsan-
malt), wenn erforderlich, unter Zuziehung Sad
verftändiger
welche der Richter mit feinen eigenen Sinnen
(niht bloß Augen, daher Augenjchein) Gegen-
fände der finnlihen Wahrnehmung, auf die es
bei der Beurtheilung eines Nechtsfalles ankommt,
prüft. Die B. fann ſich eben ſowol im Eriminal-
proceß, als in einem Civilproceß nothwendig
machen. m letterem fommt die B. bef. vor bei
Grenzirrungen, Bauftreitigleiten, Befchädigungen
fremden Eigenthums, Tarationen zc. Im Erimiral-
proceß werden dadurch erörtert Verlegungen an
Perſonen u. Sachen, verbrecheriſche Erzeugnifie,
die Beichaffenheit des Ortes, wo, der Inſtrumente,
womit, der Perjonen, von melden die That ge-
ſchah. Außer den Sachverſtändigen wird öfter
der Angeichuldigte u. der Berletste, wenn e8 auch
nicht die B. ihrer Perfonen gilt, zugezogen, um
von ihnen Aufklärung zu erhalten, u. e8 muß ein
genaues Protofoll über die Handlung geführt
werden. Am wichtigften find die Ben unter Zu-
ziehung von Arzten, namentlich an todten Körpern
J. Obduction u. Section)... Die zum BProtofoll
gegebenen Bemerkungen bei der B. werden von
den Arzten gewöhnlich in einem ſchriftlichen Auf-
fate näher erörtert; daber Fundſchein (Visum
repertum), ein mwiffenfchaftlich ausgearbeitetes Gut-
achten der verpflichteten Arzte (gewöhnlich eines
Arztes [Gerichtsarztes, — u. eines Chir—
urgen [Serichtschirurg], bei einer gerichtlichen B.,
namentlich einer Section, über die Todesurjache
u. fiber andere hierauf bezügliche Fragen, 3. B.
auch über körperliche Beichaftenbeit eines lebenden
Menſchen oder Thieres. Bei unbedentenden Bor-
fällen gefchiebt die B. u. Ausfüllung eines Fund—
jcheines ohne Concurrenz desRichters. 3) (Krgsw.)
In der deutjhen Armee, jo v. mw. Prüfung
der Truppen auf ihre Ausbildung m. Kriegs»
tüchtigleit.
Beſigheim, Stadt im gleichnam. Oberamte
des mwürttemb. Neckarkreiſes, am Neckar und au
der Enz u. an der Eiſenbahn Stuttgart-Heilbronn;
Amtsſitz; Weinbau (am Schallſtein); Bandfabrif;
römifche Alterthümer; 2310 Ew. B. wird 1077
zuerft genannt u. gehörte 1153—1595 zu Baden.
efing, 1) rothe, in der Mark Brandenburg
für Erdbeere; 2) ſchwarze, ebenda, befonders
in Berlin fürHeidelbeere (Vaceinium Myrtillus Z.).
Beſitz (Possessio, Rechtsw.), die factifche Herr-
ichaft einer Perfon über einen Gegenftand in der
Weiſe, daß diefelbe beliebig m. mit Ausſchluß Ans
derer auf denjelben einwirken fann. Der B. er-
ſcheint zunächſt als eim reines Factum, welches
eine rechtliche Bedeutung nicht in ſich trägt, ſon—
dern ſeinen rechtlichen Charalter erſt von einem
anderen Rechte (Beſitztitel, justa causa possessionis)
zu entlehnen hat. Er wird indeſſen auch für ſich
zu einem Rechtsverhältniß kraft des Rechtes der
Berfönfichkeit des Befigenden, welches ſchon der
— Belip. 293
Weiſe zur Theil werden läßt, daß der Beſitzende
nur der auf rechtlihem Wege nachgewieſenen u.
entjchiedenen rechtlichen Macht iiber die Sache zu
weichen, bis dabin aber Anipruch bat, in der fac»
tiſchen Innehabung geſchützt u. erhalten zu wer⸗
den. Um dieſen letzteren Schutz beanſpruchen zu
fönnen, muß jedoch die Beſitzfähigkeit vorhanden
vorzunehmende Handlung, durdh|iein, d. 5. zu dem körperlichen Verhältniß (Corpus)
auch noch ein entiprechender Wille des Beſitzenden,
die Sache total für fich zu haben (Animus rem
sibi habendi) hinzutreten, weshalb auch nur ein
folder B. juriftiiher B., dagegen ein folder,
beiwelchem der Befitende in fremdem Namen aus—
übt, natürliher B., Detention (Rem corpora-
liter tenere) genannt wird, Stützt fich dabei der
Animus —— anf einen ſolchen Titel, wel⸗
her im Stande ift, ein Recht auf den B. zu ge-
währen, jo ift der B. ein rehtmäßiger (P.
Justa), im Gegenjage des unrehtmäßigen (P.
injusta), bei welchem es an einem ſolchen Titel
fehlt, wie dies insbeſondere der Fall ift, wenn
Jemand den B. nur durch Gemwalt, heimlich, oder
bittweife (vi, elam, precario) erlangt hat. Ujucar
pionsbejit ift der B. welcher geeigenſchaftet if,
nach Ablauf der erforderlichen Erfitungszeit den ®
Beſitzer auch zum Eigenthümerder Sache zu machen,
u. wird hierzu außer den Bedingungen eines juri—
ftiihen B⸗es noch erfordert, daß der Beſitzer die be»
feffene Sadye in dem guten Glauben, daß fie ihm
eigenthümlich gehöre, erworben habe u. die Sarhe
felbft auch der Erfigung überhaupt fähig ſei. Ab
geleiteten B. hat man endlich demjenigen ge
nannt, bei welchem dem Befiger, ohne daß derſelbe
den Animus domini bat, doch ausnahmsweiſe die
Rechte eines juriftiichen Befies übertragen worden
find, was nach Gemeinem Rechte in zwei Fällen,
bei dem B. des Sequefters n. Pfandgläubigers,
ftattfindet. Der Erwerb des B-es (zu unter
fcheiden von dem des Eigenthumsrechtes) ift an
zwei Bedingungen gefnüpft: Die 1. ift die Appre«
benfion der Sache, d. h. eine fürperliche Handlung
(nicht notwendig Berührung), mwodurd der Er—
werbende ſich in ein folches Berbältniß zur Sache
verießt, da daraus das Bemuftiein der phnftichen
Herrſchaft entipringt, als durch Occupation,
d. i. durch einfeitige Thätigfeit, durch Tradition,
d. i. durch Übergabe von Seiten des bisherigen
Beſitzers; die 2. Bedingung ift der Wille (Animus),
die Sache für fih zu haben, u. gilt demnach der
B. als erworben, fobald die beiden Elemente des—
jelben, die körperliche Junebabung der Sache ır.
der Wille, zu befigen, zufammentrefien. Weil aber
beide Momente gleih nothwendig find, jo fann
ein B. von unkörperlichen Sachen, ſowie einzelner
Theile förperlicher Sachen, die keine jelbjtändige
Gewalt über fih ohne B. des Ganzen zulaffen,
ebenfo wenig gedacht werden, als ein B. bei jol-
hen Perfonen möglich ift, welche eines wirklichen
Willens od. wenigitens des natürlichen B-willens,
der auf Haben» u. Behalten der Sache gerichtet
ift, nicht fähig find, wie bei Wahnfinnigen, Kins
dern u. Zuriftiichen Perſonen. Für ſolche Verſonen
iſt daher ein B-erwerb nur durch Repräſentanten
möglich. Unthunlich ift ferner ſchon nach dem Be—
griffedes Bes, daß mehrere diejelbe ganze Sache
factiichen Gewalt eine rechtlihe Garantie in der;befigen fönnen, weil damit die factiiche ausſchließ—
294
fihe Herrſchaft eines Befigers über die Sache ſich vermöge welcher ihr die phyfiihe Einwirkung auf
nicht vereinigen lajjen würde, Dagegen ift es wohl dieſelbe vor allen anderen möglih it. Die ein»
denfbar, daß mehrere nad ideellen Theilen einen ſeitige B. ohne Mitwirkung eines bisherigen Be—
Mit-B. an einer Sache ausüben (Compossessio), |figers heißt Occupation; geſchieht die B. mit
mwobei nur vorausgeſetzt wird, daß für jeden der Willen des bisherigen Befiters, der zu diefem
Mirbefiger eim beſtimmter aliquoter Theil durch Zwecke feinen Beſitz aufgibt, Tradition. Eine
irgend eine Thatſache gegeben ift u. von dem|iymbolische B,, wie man fte früher oft annahm, gibt
Beligergreifung — Bejoldung.
Mitbefiger ſelbſt gelannt ift. Verloren geht der B.
‚vel corpore vel animo, d. b. entweder durch die
eingetretene Unmöglichleit, fi ferner beliebig in
den Zuftand factiiher Gewalt über die Sache zu
verjegen, oder dadurch, daß der Befitende den
Willen, zu befigen, aufgibt. Den Schu des B-e3
vermitteln nad Römiſchem Rechte die poſſeſſori—
fhen Interdicte. Dieſelben bezweden theils die
Aufredhterbaltung eines beftchenden Bees (Inter-
dieta retinendae possessionis); theils die Wieder-
erlangung eines unrechtmäßiger Weife verlorenen
B-es (Interdieta recuperandae possessionis).
Eine Erweiterung über den eigentlichen Begriff
des Bes hinaus ift die Quasi-possessio (Quaſi—
B.), indem aud auf die Ausübung einzelner un:
förperlichen Rechte, wie der Servituten, der Real-
laften, der Superficies, die Grundfäte des B—
rechtes übertragen worden find. Dagegen gibt es
einen B. bei reinen Obligationsverhältniſſen
nicht. Auf ganz bejonderen Grumdjägen beruht
die Vehre vom unvordenklichen B-e (P. imme-
morialis), welder in Bezug auf ein Rechtsver—
hältniß alsdann angenommen wird, wenn daffelbe
jeit Dienfchengedenfen jo wie gegemwärtig bejtanden
hat u. auch Niemand ſich erinnern kann, daß es
je auders beftanden habe. Das Rechtsverhältniß
wird alsdann ſchon deshalb, weil e8 fo lange aus—
geübt worden ift, daß der Anfang diejer Ausübung
über Menfchengedenfen hinaus liegt, als recht-
mäßig erworben betrachtet, indem von dem Ges
danken ausgegangen wird, daß eine jo lange Dauer
der Ausübung die begründetite Vermuthung recht—
mäßigen Erwerbes für fi haben muß n. alsdann
der Nachweis eines befonderen Nechtstitel$ der
Eutſtehung nicht wol gefordert werden kann. Die
Theorie des Berechtes bat von jeher als eine der
feinſten u. fchmwierigften Lehren auf dem Nechts-
gebiete gegolten u. daher eine große Zahl von
Bearbeitungen hervorgerufen, von denen die älte-
ren meift dem Fehler unterlegen find, allgemein
iltige Regeln aufzuftellen, dadurch aber den
uellen Zwang angethan, od. fi) ganz davon
entiernt haben, Epode hat in diefer Lehre das
Wer v. Sapiguys: Das Recht des Befitses,
Gießen 1803, 7.4, Wien 1865, herausgeg. von
Audorff, gemacht, welches der Ausgangspuntt aller
neueren Unterfuhungen über das Beſitzrecht ge-
es wenigſtens nach Gemeinem Nechte nicht, obſchon
das Deutiche Recht an die Bornahme mander
iymbolishen Handlungen, wie 3. B. des Aus-
hauens eines Spanes, des Anzündens von Feuer
auf dem Herde zc., den Anfangspunft für den
Ähnlichen Begriff der Gewere geknüpft hat. Bei
dem Duafibefige umlörperliher Saden, 3. 8.
Serbituten, erfolgt die B. durch die Ausübung
des Rechtes od. B. der Sadye, in Beziehung auf
welche das betreffende Hecht befteht.
Befistitel (Titulus aequirendi), 1) der Grund
der Erwerbung einer Sache; entgegengejeßt der
Erwerbungsart (Modus acquirendi); 2) die dar-
über ausgefertigte Urkunde,
Besfiden, der wejtlihe Theil der Karpathen
in Galizien, Mähren, Schlefien u. Ungarn; die
35 ſind meiſt ſtark bewaldet u. ſteigen in der
Babiagora auf 1720, ın der Liſſahora auf 1320 m
au, Der Jablunka-Paß überjchreitet mit Kunft«
itraße die B. in 622 m Höhe und führt aus
Oſterr.Schleſien nach Ungarn.
Beskow, Stadt, jo v. w. Beeskow.
Beskow, Bernhard v., ſchwediſcher Schrift-
fteller, geb. 19. April 1798 zu Stodholm; wuchs
in Reichthum auf, den er edel verwandte, ftudirte
in Upfala, wurde 1814 in der Königl. Kanzlei
angeftellt, machte 1819—21 Reiſen durd Süd—
Europa, erhielt 1824 den großen Preis der Schwe-
diihen Alademie für fein Gedicht Sveriges anor
u. wurde in demfelben Jabre Privatjecretär des
Kronprinzen Oskar. 1826 geadelt, reifte er 1827 ff.
wieder durch SEuropa, leitete 1830—32 die
Königl. Bühne zu Stodholm, wurde Hofmarſchall,
beftändiger Secretär, endlich Präfident der Schwe-
diſchen Alademie. Er ft. 18. Oct. 1868, ein Gegen
ftand allgemeiner Verehrung. B. gehörte als
Dichter zur gothirhen Schule (j. Schwed. Lit.) u.
nimmt unter den ſchwediſchen Dramatifern die erfte
Stelle ein. Seine Tyagödien (gefammelt in Dra-
matiska studier, Stodb. 1836f.): Torkel Knut-
son; Erik XIV; Hildegard; Birger och hans, rett
(Birger und fein Gejchlecht); Gustaf Adolf in
Tyskland (Guftav Adolf in Deutſchland), wurden
von Ohlenſchläger ins Dänifhe u. Deutiche über-
ſetzt, Lpz. 1887—41. Bon feinen Abhandlungen
werden bejonders geichätt die Minnesteckningar
(Denkichriften 3. B. über Karl XII., Guſtav III.,
worden ift. Eine ausführlihe Darftellung der den Dichter Leopold), gedrudt in Beitfchriften, in
Dogmengefcichte über den B., insbejondere die)den Handlingar (Acten) der Schwediichen Atademie
Beſitzesllagen, hat Bruns, Das Net des Beſitzes oder als Vorwerle zu Ausgaben jhmwediiher Lite—
im Mittelalter ı. in der Gegenwart, Tüb. 1848, /raturwerle. Zu bemerken find auch feine Van-
geliefert. Jherings Jahrbücher VII. 1864. Bez. drings-Minnen (Heife-» Erinnerungen), 2 Bde.,
des älteren Deutſchen Rechts in diejer Beziehuug ſ. 1833 f., u. Lefnads-Minnen (Lebens-Erinnerun-
Gewere. gen), Stodh. 1870. Als Stift wird B. fehr hoch
Befitergreifung, die Handlung, mittels der geftellt. J. E. Lydgviſt hat über ihn eine Dent-
man ‚fih in den körperlichen Beſitz einer Sache fchrift in den Handlingar der Akademie 1873
jest. Der Act der ®. fett nicht ſowol ein ummit» geliefert.
telbar förperliches Berühren, als vielmehr eine Befoldung, beftimmte Summe Geldes, welche
ſolche Nähe einer Perfon bei einer Sache voraus, ein öffentliher Beamter oder überhaupt ein An-
Bejoldungsiteuer
— Beljarabien. 295
eftellter für die zu feiftenden Dienfte erhält; audh| Parallele fteht, fei es aus der heiligen Geſchichte
balt, Salair, bei den Schauipielern Gagegenaunt. od. Sage, ſei e8 aus dem Gebiete der kirchlichen
Befoldungsitener ift die vom Gehalte ber
öffentlichen und Privatbeamten erhobene jährliche
Abgabe. Diefelbe wird in Bayern, Württemberg
u. Baden unter dem Titel Ermerbfteuer, in
Prengen n. Sadfen wie fonftiges Einfommen
je nad der Höhe des Gehaltsbezuges als Klafien-
fteuer oder claffificirte Einfommenfteuer, in Öfter-
reich al3 reine Einfommenfteuer u. überall, zwar
mit Freilaſſung der niedrigften Gehaltsftufen, je—
doch progreifiv von 1—8 pEt, mit der fleigenden
Gebaltshöhe eingehoben.
Beſömmern, Benugung der Brache (I. d.)
zum Anbau von Kartoffeln, Runkeln, Rüben,
Mohn, Klee, Wid- oder Mengefutter u. |. w.
Man nennt dann die Brade halbe oder bejüm-
merte Brade.
Bejonnenheit, 1) jeweilige Gemütbsftimm-
ung, in der wir unſerer Borftellungen und Gefühle
Herr find u. daher mit Überlegung zu Werfe
geben können. 2) Habitueller Gemithszuftand od.
Eharalterzug eines Menfchen, der fein Yeben im
Ganzen zu überjehen u. feine einzelnen Hand«
lungen nicht bloß nach den unmittelbaren Folgen,
fondern im Berhältniß zu den allgemeinen Zielen
jeines Lebens zu betrachten pflegt. 3) Sittlich
(Söphrosyne) ift diefer Charafterzug, wenn er
fi) unter der vormwaltenden Wegelung bes Ge-
müthes durch die Geſetze des Guten entwidelt. Zu
B. gehört gute natürliche Anlage, eine gewiſſe
Eonjtitution, ein geeignetes Temperament umd
befonders eine forgfältige Erziehung. Manche
Menſchen bleiben ihr ganzes Yeben lang unbe»
fonnen, Kinder des Augenblides, weil es mit einer
oder der anderen jener Bedingungen nicht wohl
fih verhält. Zu B. gebört ferner eine Yebens-
weiſe nach den Megeln der Gejundheitspflege u.
Sittenlehre u. das Freiſein von tyrannifirenden
Gemwohnbeiten.
Beipredhen, das unter beftimmten Zeichen u.
Eeremonien erfolgende Herjagen gewiſſer Zauber-
formeln, entweder um eine Gefahr abzumenden,
oder ein phnfiiches Abel 2c. zu entiernen; jo zur
Verhütung einer Feuersbrunſt oder zur Bewäl-
tigung einer ausgebrocdhenen (Feuerſegen); gegen
Diebftahl (Diebesbann); gegen Krankheit der Dien-
fhen u. Thiere, wie Aufblähungen, Fieber, Zahn—
fhmerz, Entzündungen, bei. die Roſe, Blutungen,
Berrenkungen, Warzen, Flechten, Schlaflofigleit ıc.,
ferner gegen Schlangenbiß, gegen Schuß u. Hieb zc.
Das Beiprehen, ein Beftandtheil des Zauber-
weſens, icheint allen Zeiten und Böllern eigen
geweſen zu fein u. ift aus der Gegenwart, ſelbſt
in der civilifirten Welt, keineswegs verſchwunden.
Die Beiprehungsformeln, auch Segen genannt,
find meift Überlieferungen aus der heidniſchen
Zorzeit, oder heidnifchen Gebräuchen nachgebildet
u. mit chriftlichen Formeln, bei. die Dreieinigfeit
betreffend (j. u.) verflochten. Nach Kuhn find manche
bis ins indiihe Wlterthum zu verfolgen. Ge-
mwöhnlich find fie gereimt (die altgermaniſchen allite-
rirend) u. ihrer Form nad) entweder befehlend, wo
der Dieb, die Krankheit zc. angeredet u. zu weichen
aufgefordert wird, oder erzäblend, indem Etwas, |u. a. Völlerſtämme.
was mit dem zu Beiprehenden im einer gewiſſen hörte e8 zur Moldau.
oder natürlichen Wirklichkeit, ſei es aus der dich—
tenden Bhantafie, hergejagt wird. Je fremdartiger
die Formel Mingt, je dunkler ihr Sinn ift, um
jo heil- u. wirtungsfräftiger ſoll fie fein. In der
Regel ift die Formel dreimal herzufagen, am
Ende das Baterunfer zu beten, das Zeichen des
Kreuzes zu maden, auch wol auszuſpucken umd
die Hände aufzulegen und das Ganze mit der
Nennung der Dreieinigleit, od. mit Amen (od. beiden
zugleih) zu beichließen. Der Beiprechende hat
auch meiſt mancherlei zu beobachten oder zu ver«
meiden, wenn der Segen nicht erfolglos gemacht
werden ſoll, er darf 3. B. auf dem Wege zum
Kranfen, oder wenn er das B, an fich jelbit voll»
ziehen will, nad) dem Orte, wo es vor fi geben
joll, nicht jprecben, Niemanden grüßen u dal. Auch
wird der Segen nicht bloß ausgeſprochen, ſondern
zuweilen aufgeichrieben u. als Amulet um den Hals,
um den Leib, auf den Nabel gebunden, getragen,
auch jogar verihludt. Formeln zum B. finder man
u. a. geſammelt in J. Grimms Deuticher Mythologie
(Unb.), 3. W. Wolfs Beiträgen zur Deutichen
Mythologie (I. 255), A. Wuttfes Deutſchem Bolts-
aberglauben der Gegenwart (5. 158 — 165 ber
2. Bearb., Berl. 1869). Schroat.*
Beflarabien, ruſſiſche Provinz zwiichen dem
Schwarzen Dieere, dem Pruth, Jalpuch u. Dnjeſtr;
grenzt im N. an Podolien, im DO. an Cherjon,
m ©. u W. an die Moldau u. im NW.
an die Bulowina u. Galizien; 36,286 [_]km
(659 (IM): ein in Ertremen fih bemwegendes
Klima; im Allgemeinen fruchtbar; im N. waldreich,
gebirgig u. bügelig, im S. baumlofe Steppen u.
Weideland (Budſchat); dünn bevölkert; 1,052,013
Einw.: Numänen, Juden, Armenier, Ruſſen,
Griechen, Zigeuner, auch einige deutiche Golonien,
weiche größtentbeils Aderbau u. Viehzucht treiben,
doch fteht die Yandwirtbichaft noch auf ſehr nied«
riger Stufe; die Fuduftrie befindet fich noch in der
Kindheit, fie betreibt befonders Gerberei u. Zeifens
fiederei; Naturproducte: Gemüſe (Gurten, Kürbiſſe,
Melonen xc.), Obit, Getreide (Hirfe, Gerite, Mais),
Flachs, Hanf, Tabak, Färbekräuter, Mohn, Maul
beerbäume, Wein, (namentlih am Dujeſtr-Liman
in vorzüglicher Qualität); Wildpret, Bären, Luchſe,
Wölfe, Rindvieh (gegen 4 Million), Büffel, Schafe
(über eine Million, zur Hälfte feinmwollige), Pierde
(etwa über 100,000), Schweine, viele Wafler-
vögel u. File (Haufen, Sterlete); die Gebirge
find reih an Salz, Steinlohlen, Salpeter und
Marmor. Sit der Regierung u. des Civilgouver-
neurs ift Kifchinem. Die Provinz zerfällt in 7
Kreife: Chotin, Bjelzy, Kiſchinew, Bendery, Aljer-
man, Orgiew u. Sorofi,
Die älteften Bewohner Bs8 waren ſtythiſche
Nomadenftämme,. Mit Erfolg behaupteten fie ſich
gegen die Perſer unter Darius 513 vor Ghr.,
ebenfo wenig gelang es den Römern, dauernd feiten
Fuß dort zu fajfen. Seit dem 3. Jahrh. wechjelten
die Bewohner oft; den Gothen folgten feit dem
5. Jahrh. Staven; feit dem 7. Jahrh. die Ugrer,
Avaren, Bulgaren, Petihenegen, Uzen, Kumanen
Seit dem 14. Jahrh. ge-
Beim Einfalle der Türlen
296
nahmen die dort mohnenden Tataren den Islam
an u. wurden von den Türken al$ dem moldaui«
ſchen Hofpodar unterworfen betrachtet; ſ. Moldau,
(Geih.). Ju den Kriegen, welche Rußland im
18. Jahrh. gegen die Türken führte, wurde B.
gewöhnlich von den Ruſſen genommen, aber ftet#
wieder an die Türkei zurüdgeaeben. B. blieb
unter türkiſcher Botmäßigkeit, bis zum Frieden
von Bufareft (1812), infolge deſſen e8 an Ruß-
land abgetreten wurde. Beim Frieden von Adria—
nopel (1829) famen noch einige Annere an Ruß
fand, wodurd die Donaumündungen der Türkei
verloren gingen. Diefe Annere, ein Landftrich zwi»
ſchen dem Pruth u. Jalpuch, u. der ſüdliche Theil
bis zum Trajanswall, wurden von Rußland in-
folge des Pariſer Friedens (1856) wieder abge-
treten u. zur Moldau gejchlagen.
Beflarion (eigentlich Baſilios od. Johannes),
berühmter Gelehrter des Mittelalters, geb. 1395
in Trapezunt; ſtudirte feit 1410 in Conftantinopel,
trat 1423 in den Orden des St. Bafilios und
nahm bier den Namen B. an. Er fette feine
Studien in Morea bei Gemiftis Plethon fort u.
ward bald als Homilet berühmt. Der griechische
Kaifer Johannes VII. Baläologos ernannte ihn
1437 zum Biſchof von Nicäa u. fchidte ihn 1438
behufs Vereinigung der Griechiſchen Kirche mit
ver Römischen zum Concil nach yerrara, u. durch
jeine Nachgiebigfeit Fam die ſcheinbare Bereinig«
ung auf dem in Florenz fortgejegten Concil 1439
zu Ztande. Da fi der griechiſche Klerus dagegen
erklärte, ging B. zur Lateinischen Kirche über
(1440), wurde vom Papft Eugen IV. zum Gar»
dinal ernannt, kehrte für kurze Bet nad Griechen«
land zuriüd, wählte aber bald Rom zum beftän-
digen Aufenthalte, wurde unter Nikolaus V. Bischof
von Sabina u. war 1451—55 Legat von Bologna,
worauf er zuMiffionen verwendet wurde. Er machte
in Rom den Bermittler zwifchen beiden Kirchen
u, fein Haus zum Sammelplage der Gelehrten,
unterftügte feine nad der Eroberung Gonftanti-
nopels durch die Türfen geflüchteten Yandsleute
nach Kräften u. trug dadurch weſentlich zum Wie-
deraufleben der Wiſſenſchaften bei. 1459 wurde er
als Vermittler zwiſchen Kaifer Friedrich II. und
Matthias von Ungarn nah Deutſchland geichidt,
erbielt 1463 den Titel Patriarh von Conitanti-
nopel u. Bifhof von Euböa, war in demfelben
Jahre Legat in Venedig u. ſchenlte dort feine
Bibliothef der Signoria von S. Marco. Bei einer
Vermittelung der Streitigfeiten Yudwigs XI. von
Franfreih u. Karls des Kühnen von Burgund
ward er von Erfterem mit Hohn behandelt und
jtarb auf der Rüdreife 19. Nov. 1472 zu Ra—
venna. Er fchr.: In calumniatorem Platonis
(Georg v. Zrapezunt), Ben. 1503 u. 1516, Fol.;
De praestantia Platonis prae Aristotele, gried.
u. lat. (im 3. Bd. der Mem. de l’Acad. des
inser.); Epistolae et orationes de arcendis Tureis
a Christianorum finibus, Pari$ 1471, 1521, Ron
1543; Orationi a tutti gli Signori d’Italiaconfor-
tando gli a pigliar guerra contra il Turcho, 1471;
De processione Spiritus S., Arcudio interprete,
Kralan 1602; überjetste Xenophbons Memorabilien,
die Metaphyſika des Ariftoteles u. a. ins Latei—
nifhe u. fand den Koluthos u. Quintus Smyr⸗
Beflarion — Belle,
näus auf. Bgl. Mid. Apoftolios Leichenrede auf
B., gried. u. lat. herausgeg. von Fülleborn, Lpz.
1793; A. Bandini, De vita et rebus gestis
Bessarionis, Rom 1777; Haggi, Sulla rita
del card. Bessariones, ebd. 1844. Prambas.*
Beſſaſtadir, Ort auf der SWKüſte der Inſel
Island; Kirche; Heimath Snorri Sturinjong;
die frühere gelehrte Schule wurde nah Reiljavik
verlegt.
Beilel, 1) Gottfried v. B., Selehrter, geb.
5. Sept. 1672 in Buchheim im Mainziichen; ſtu-
dirte Theologie u. Philofophie in Salzburg, trat
1692 in den Benedictinerorden zu Göttweig, war
längere Zeit Lehrer der Philofophie u. Theologie
im Klofter Seligenftabt u. wurde von dem Kür—
fürften Lothar Franz von Mainz zu mehreren
Legationen verwendet; er wurde 1714 Abt von
Göttweig u. 1716 zugleich faiferliher Theolog u.
fand Berwendung bei Miſſionen. Er ft. 1749. B.
bewirkte den Übertritt des Herzogs Anton Ulrich
von Wolfenbüttel zur Katholiſchen Kirche (1710).
Bon feinem Chronicon Gottvicense erſchien nur
der Prodromus, Tegernjee 1732, Außerdem jchr.
er: Quinquaginta romano-catholicam fidem om-
nibus aliis praeferendi motus, Mainz 1708.
2) Friedrih Wilhelm, der bedeutendfte Aftro-
nom der Neuzeit, geb. 22. Juli 1784 zu Minden;
trat in feinem 15. Lebensjahre in ein Bremer
Handlungshaus als Lehrling ein, wo er fih im
jeinen Freiſtunden mit Nautik beichäftigte. Durch
diefe Beihäftigung wurde er auf das Studium
der Mathematif u. Aſtronomie geleitet. (Eine
Bahnbeftunmung des Halleyihen Kometen ver»
Ihaffte ihm die Gunft Olbers, der ihn bejtinmte,
fih ganz der Aftronomie zu widmen, u. durch deſſen
Bermittelung er an die Privatſternwarte Schröters
nach Lilienthal fam, wo er von 1806—10 ftudirte.
Von bier aus wurde B. 1810 als Vrofeſſor der
Aftronomie an die Univerfität Königsberg berufen,
wojelbft er 1811—13 eine Sternwarte errichtete,
deren Director er wurde u. welche durch die auf
ihr gemachten genauen Beobadtungen bald Welt»
berühmtheit erlangte. In einem jeltenen Grade
Beobachter u. Theoretifer zugleich, wurde B. der
Schöpfer ganz neuer Methoden. Durch feine u.
Gauß', ſowie andere daran fich jchliegende Ar-
beiten wurde, wie Mädler fagt, die theoretifche
Atronomie jo gut wie umgeftaltet. Ein Mann
von eiferner Conititution u. eiſernem Fleiße, fcheute
B. keine Anftrengung, feine Mühe, feine Nacht»
wachen u. fand feine Erholung in der Arbeit
ſelbſt. Berühmt wurde er vorzugsweije durch die
erite Barallarenbeftimmung eines }yiriternes, und
zwar des Sternes 61 im Sternbilde des Schwanes,
deifen Entfernung von der Sonne er auf 357,700
Halbmeijer der Erdbahn, alfo über 13 Billionen
Dieilen, berechnete. Spätere Unterfuchungen von
Struve u. Auwers haben indefjen dargethan, daß
gerade dieſe Arbeit B-s nicht zu feinen beften
zählt, indem die von ihn gefundene Parallare zu
Hein u. fomit die Entfernung des fraglichen
Sternes zu groß angegeben if. Wegen jeiner
ausgezeichneten VBerdienite zum Geheimen Regier-
ungsrath ernannt, ftarb B. 14. März 1846. Eine
vorzügliche Charafterijtit B-8 lieferte 1868 Mädler
in Weftermanns Monatsheften. Er ſchr: Über die
Beſſemer — Beffer.
297
wahre Bahn des 1807 erfhienenen Kometen, |fol. Das zu biefem Zmede gebaute Schiff machte
Königsb. 1810; Theorie der Störungen der Ko-
meten, ebd. 1810; Fundamenta astronomiae, ebd.
1818 ; Unterfuhungen über das VBorrüden der
Nachtgleiche, Berl. 1821; Unterfuchungen über die
Länge des einfadhen Secundenpendels, ebd. 1823;
Aftronomishe Beobachtungen auf der Sternwarte
in Königsberg, Königsb. 1815—35, 21 Abthl.,
1815—46 fortgejett von Buſch; Tabulae Regio-
montanae, ebd. 1830; Berjuche über die Kraft,
mit der die Erde Körper von verſchiedener Be-
fhaffenbeit anzieht, Berl. 1833; Beltimmungen
der Länge des einfachen Secundenpendel®, ebd.
1837; mit Baeyer: Gradmeſſung in Oftpreußen,
ebd. 1838; Darjtellung der Unterfuchungen und
Maßregeln, welche 1835—38 durd die Einheit
des preußischen Yängenmafes veranlaft worden
find, ebd. 1839; Meſſungen der Entfernung des
61. Sternes im Sternbilde des Schwanes, in
Schumachers Jahrbuch, 183% Aitronomijche Unter-
fuhungen, Königsb. 1841—42, 2 Bde.; Popn-
läre Borlefungen über wiſſenſchaftl. Gegenftände,
herausgeg. von Schuhmacher, Hamburg 1847;
Über die aus der Schwere hervorgebenden Ber:
änderungen, die der Kreis eines aftronomijchen
Inſttuments in der lothrecdhten Yage feiner Ebene
erfährt, u, Theorie des Saturnſyſtems, im 25. u.
28. Bde, der Aitronomishen Nachrichten. Außer
diefen genannten Schriften publicirte B. noch eine
Reihe von über 300 Abhandlungen, worunter
eine 1844 erjchienene über die Veränderlichkeit der
eigenen Bewegungen gewiſſer Firiterne von be-
fonderer Wichtigkeit if. Seinen Briefwechſel mit
Dibers, Lpz. 1852, 2 Bde, gab. ernan Deramm,
pecht.
Beſſemer, ges. berühmter engliiher In—
genieur u. Erfinder einer neuen Methode zur
Mafienfabrifation von gejhmolzenem Stahl und
Stabeilen. Die früberen Yebensumftände find
wenig befannt, nur das iſt anzuführen, daß B. eine
Reihe von technischen Bervolllommnungen u. Er-
findungen fich patentiven ließ, ehe er an die epoche⸗
machende Arbeit gerieth, die ihn unfterblich machen
ſollie. B. fuchte anfänglih nur nah einem Wege,
ein bejjeres Material für die Waffenerzengung zu
finden, u. fam auf die dee, Roheiſen durch Yuft-
einführung ſchmiedbar zu maden, Experimente,
vie er anftellte, fieferten den Beweis, daß die er-
forderlihe Temperatur durch den Proceß felbft
geliefert werden könne. Auf den Rath Anderer
trug er feine Ideen bei einer Sigung der British
Association im Juli 1856 vor u. erregte ein um:
gebeures Auffehen, Indeſſen waren viele Jahre
nothwendig, um in der Ausführung im Großen
Erfolge zu erzielen, u. ohne die Ausdauer, mit
der man in Schweden u. in Öfterreich den Pro-
ceß auszubilden fuchte, wäre die neue Methode nicht
fo rajch zur Geltung gelommen. Die eigentliche
Berbreitung datirt von der Londoner Austellung
des Jahres 1862. (5. Stahl.). In jüngfter Zeit
bat Beſſemer fih noch mit anderen Problemen
bejbäs-zt, u. a, mit der Herftellung eines Tra-
jecrichifjes für die Kanalfahrt zwiſchen Galais u.
Dover, das durch einen im Schiffe ſchwebenden
u. die feitlihen Schwankungen deſſelben aufbeben-
den Salon die Seekrankheit vermeidlih machen
am 8, Mai 1875 feine erfte Fahrt zwiſchen Dover
u. Calais, entiprach jedoch nicht zur Genüge den
gebegten Erwartungen. Bejchreibung des Schiffes
in der Illuſtrirten Zeitung, Nr. 1667 und 1668
(Juni 1875). Dürre.
Defiemer Anlage, B. Apparate, B. Birne,
8. Converter, B. Stabl zc., ſ. Stahl.
Beſſemer Dampfichiff, ſ. u. Beſſemer.
Beſſenyei, György, ungar. Dichter, geboren
1740 in Berczelen in der Szabolcſer Geipan-
ſchaft; trat in die Ungarische Leibgarde zu Wien,
beihäftigte fich mit den Wifjenichaften u. Sprachen
u. ward Stifter der franz. Schule in der unga-
riihen Poefie. Bon 1779, wo er zur fatholifchen
Religion übertrat, bis 1784 war er Cuſtos an
der kaiſerlichen Hofbibliothef, lebte dann auf feinem
Gute BeretiyorKovacfi im Bibarer Comitat; er ft.
daſelbſt 1811. Mit kräftigen Geifte vereinigte er
riefige Muskelkraft. B. war einer der fruchtbar»
ten ungarischen Schriftfteller u. ſchr. u. a. die
Tragddien: Hunyadi Laszlo, Agis, Wien 1772;
Buda, Preßb. 1787, 2. A.; das Yuftipiel: Der
Philofopb, Wien 1776; das philofopbiiche Gedicht:
Az embernek pröbaja (die Menichenprobe), und
das didaktiſche Gedicht: Esterhazi vigasagok (die
Annehmlichkeiten von Ejterhaz), ebd. 1772; den
pbilofophifchen Roman: Die Amerikaner, Kaſchau
1776, ungar. von Kazinczy; eine Sammlung
poetiicher ır. profaifcher Aufläge, Wien 1777, u,
Holmi (eine Sammlung philojophiicher, literari«
iher u. poetiicher Aufläge), ebd. 1779; überſetzte
auch Voltaires Triumvirat, ebd. 1779, u. das
1. Buch des Lucanus, Presb. 1776.
Beſſer, räuberisches Volk im nordöftl, Thrafien,
am Hämos; Hauptort Uskudama, an dejien Stelle
jpäter HadrianopolisS gebaut worden fein joll.
Die B. behaupteten unter eigenen Häuptlingen
lange ihre ‚zreibeit, bis fie 70 v. Ehr. von den
Hömern unter M. Lucullus nah einem unglüd-
lichen Treffen auf dem Hämos unterworfen wur—
den. Octavianus verwandelte das Yand in eine
römische Präfectur, Beſſica.
Beſſer, Johann v., deuticher Gelegenheits-
dichter, geb. 8. Mai 1654 zu Frauenberg im
Kurland, Sohn eines Predigers u. einer Adeligen;
ftudirte in Königsberg Theologie, begleitete 1675
einen Edelmann als Führer auf die Univerfität
Leipzig; ftudirte bier Jurisprudenz, murde 1680
vom Großen Kurfürften zum Rathe, 1681 zum
Legationsrathe ernannt u. verweilte 1684—85 als
furfürftliher Nefidert in London, Der Nachfolger
des Großen Kurfürften machte ibn 1690 zum
Geremonienmeifter u. Hofpoeten wit dem Range
eines Geheimrathes und adelte ihn, erhöbte ibn
dann 1701 zum Oberceremonienmeifter und Ge—
beimrathe, 1702 zum Geremonienmeifter des
Schwarzen Adlerordens. Für die Gelegenheits-
gedichte u. proſaiſchen Denkichriften, die er den
Erlebniffen des Hofes u. auch mancher nicht-fürft-
lihen Perjon widmete, nahm er jchweres Geld
ein, das er aber nicht zu Rathe hielt. Der neue
König, Friedrich Wilhelm I., entiegte ibn ſofort
aller jeiner Amter auf eine fräntende Weile und
ohne alle Entihädigung. B. lebte nun im Elende;
aber 1717 wurde er als Geheimer Kriegsratb,
298
Ceremonienmeifter un. Jntroducteur der Gejandten
nah Dresden berufen. Hier ft. er 16. Februar
1728. Er ift im Ganzen ein leerer Berjejchmied;
aber das große Anfehen, worin er al$ Dichter
bei den Zeitgenofjen fand, fichert ihm eine Stelle
in der deutichen Literaturgefchichte. Er wurde
außerdem als tiefer Kenner des Ceremonienweſens
geſchätzt. Bollitändigfte u. befte Ausgabe feiner
Werle, mit voransgeichidter Beichreibung feines
Febens, von E. U. König, 2 Bde., Yeipz. 1732,
Tal. Barnhagen von Enjes Biographie Dent-
möäle, Bd. 4, 3. Aufl., Lpz. 1872.
Beflerungsanitalten (Beijerungsbäufer, Cor—
recttons-, Arbeitshäufer), Anftalten, worin Den»
hen, die dem Müßiggang u, den Ausichweifungen
ergeben find, zur Arbeit u. zu geregeltem Yeben
gewöhnt werden follen, u. die, gut eingerichtet u.
von umfichtigen, gebildeten Kennern des menic-
lichen Herzens beauffichtigt, bei noch nicht ganz
verborbenen Menſchen oft zum Zwecke führen, bei
schlechter Yeitung aber wegen der jchled;ten Gefell-
ichaft, die den darin Arbeitenden umgibt, oft frei
(ih au gerade Das Gegentheil bewirfen. In
neuerer Zeit ift einer verbeflerten Einrichtung
folher Anftalten viel Aufmerlſamkeit zugewender
worden. Jusbeſondere find dergleichen aud für
jugendliche Eubjecte theilweife unter den Namen
Rettungshäufer (ſ. d.), vielfach eingerichtet,
um die Aufgenommenen dem Einfluß der ſchlechten
Geſellſchaft durch Iſolirung, Einführung eines
religiöſen Zuſpruches u. Ähnliches zu entziehen.
Dieſe Häuſer dienen zunächſt als Erziehungsan—
ſtalten, in welchen von dem Staate als Inhaber
der Polizeigewalt auf adminiſtrativen Wege für
die Zukunft des betreffenden Individuums ſowol
felbſt, als für die zukünftige Sicherheit des Staates
beionders in der Richtung geiorgt wird, um bie
mangelnde Erziehung der Eltern zu erjeten, od.
Die verberblihe elterliche Erziehung zu befeitigen
u. die ftaatlihe an ihre Stelle zu fegen. Es
dienen dieſe Häufer aber auch zugleih als Straf:
auftalten für Kinder u. junge Yeute, welche durch
ihr Zujanımenfperren mit alten Berbredern die
höchſte Gefahr ver vollen Berderbniß laufen wür—
den. Nach S 362 des D. St.-G.-B. können die
wegen Landjtreicherei, Bettelei oder Unzucht Ver—
urtheilten von der Landespolizeibehörde in ein
Arbeitshaus gebracht werden. In keinem Falle
empfiehlt es fi, tie B. mit dem eigentlichen
Strafanftalten in Verbindung zu feßen, obwol
nad) dem uriprünglic vorwiegend ins Auge ger
fapten Zwede u. der früheren Einrichtung der
Zudthäufer (ſ. d.) dies noch heutzutage oft der
Fall iſt. Im Übrigen follen alle Strafanftalten
auch zugleih B. ſein.
Beſſieres, 1) Jcan Bapt., Herzog v. Iſtrien,
franz. Marihall, geb. 6. Aug. 1768 in Praiffac
im Dep. Lot; nahm 1791 Militärdienfte, machte
1792 den Feldzug nah Spanien mit, wo er
Gapitän wurde; focht 1796 als Commandant der
Cuiden in Jtalten, mamentlich bei Roveredo, u.
rüdte bis zum Oberſten auf. Der Erpebition
nad Agypten wohnte er als Brigadegeneral bei
und zeichnete fih bei St. Jean d'Acre und bei
Abukir aus; erhielt nah dem 18. Brumaire
(1799) den Befehl zur Reorganifation der tal.
Beilerungsanftalten — Beljon.
Armee u. trug 1800 bei Marengo viel zur gln-
ftigen Entſcheidung der Schlacht bei, worauf er
zum DPivifionsgeneral u. bei Napoleons Thron»
befteigung zum Reihsmarihall ernannt wurde.
Bon nun an wohnte er fat allen Feldzügen
Napoleons bei und commandirte die Cavalerie
der Kaifergarde. 1805 durchbrach er bei ber
Berfolgung der Ruſſen zwiihen Brünn und Ol—
mütz das ruffiihe Gentrum, war bei Jena, focht
in Polen und bei Eylau, wo er vorzugsmeife
zum Siege beitrug. Im März 1808 wurde er
zum Herzog von Jitrien ernannt; in demfelben
„Jahre nahm er am Spaniihen Feldzuge theil,
ihlug 14. Juli die Spanier unter Cueſta bei
Medina del Rio Secco und ging 1809 an ber
Spitze der Reſervecavalerie nach Deutſchland, wo
er die Öſterreicher bei Landshut ſchlug und bei
Eßlingen zurüddrängte, wodurch eine vollftändige
Niederlage der Franzoſen bei Alperu abgewendet
ward. Bei Wagram murde B. dur eine Ka-
nonenfugel ſchwer verwundet. Mit der NArmee,
deren Gommando er an Bernadottes Stelle über«-
nahm, nahm er den Engländer Blifingen wieder
ab, ging 1811 als Generalgouverneur nad Alt—
Gaftılien u. von dort 1812 als Commandeur der
Garden mit nah Rußland, wo er bei. auf dem
Rückzuge fi auszeichnete, Nach der Rücklehr
nad Deutjchland erhieit er den Cherbefehl über
die gejammte franz. Cavalerie. Bei einer Reco—
gnogcirung vor der Schlacht bei Lützen tödtete
ihn 1. Mai 1813 eine Kanonenkugel. B. zeich«
nete ſich unter den Napoleoniihen Marihällen
nicht bloß durch ZTapferleit, jondern auch durch
Menichlichfeit u. Milde aus. Ihm wurde 1847 zu
Praiffac, auch in Cabors, der Hauptitadt des Dep.
Yot, ein Denkmal geſetzt, ebenjo finder fich fein
Name auf dem Triumphbogen u. deu Broncetafeln
zu Berjailles, 2) B., ipan. General; war 1808
Bedienter eines franz. Gapitäns, erklärte ſich
fpäter für Die royaliftiihe Partei u, betbeiligte
ſich ſowol am Kampfe der Guerillas gegen die
franz. Invaſion, als fpäter an dem der apoftolis
ihen Partei gegen die Yiberalen, wurde 1825,
nach der Aufhebung des Glaubensheeres, als Mittel
einer Empörung gegen das jpan. Miniſterium
gebraudt, aber bei Madrid gefangen genommen
u, erichofien.
Beſſin, Grafih. in der Nieder-Normandie mit
dem Hauptotte Bayeur; früher Sit der Biducaffer,
dann Gigenthum der Grafen von B., die im
11. Jahrh. ausftarben; an deren Stelle traten
die Bicomtes von Bayenr, nad deren Ausfterben
B. an den Herzog von Normandie u. dann an
die Krone Frankreich zurüdfiel; jest Theil des
Dep. Calvados,
Beßmelch (türt., verdorben aus dem arabiichen
bisni Allah, tm Namen Gottes), 1) der Anfang der
Suren im Koran u. faft jedes mohammedantichen
Gebetes. 2) Bei den Mohommedanern, bei. in
Judien, ein Familienfeft, wo die Freunde des
Haufes ſich feftlih gekleidet verfammeln und das
Kind, welches 4—6 Jahre alt und gelb gekleidet
ift, unter eine Art Draperie geſetzt wird. Ein
Gapitel aus dem Koran wird vorgeleien, u. das
Kind Sprit darauf den Namen Gottes nad,
Beſſon (Beſſon Bey), ägyptiſcher VBiceadmiral,
Beſſos — Beftätigung.
299
geb. 1782 in Frankreich; trat in dem franz. See- feinem Begriffe oder Wefen nach zufammengefekt
dienst, machte den Feldzug 1806 u. 7 mit, wurde
während der Belagerung von Danzig Schiffs.
hentenant u. befand ſich als folder 1815, dem
Generalftabe attachirt, in Nochefort. Hier bot er
dem Kaifer Napoleon feine Dienfte an zur Flucht
nah Amerifa. Alles war zur Abfahrt vorbereitet,
als der Kaijer felbit, um erft die Ankunft feines
Bruders Joſeph abzuwarten, den Aufbruch um
eine Nacht verihob u. Bes Dienfte ablehnte, um
auf dem Bellerophon nad England abzugeben.
B. verließ darauf Frankreich, verlebte mehrere
Jahre in Kiel u. auf Handelsjeereifen, trat 1821
in die Dienfte des mit der Bildung einer Kriegs-
marine bejhäftigten Bicelönigs von Ägypten, um
weiche er fih große Verdienſte erwarb, erhielt
das Commando der Fregatte Bahire, ward dann
un den Womiralitätsrath aufgenommen; er ftarb
12. Sept. 1837 zu Wlerandria.
Beſſos, Satrap von Baltrien unter Darius
Eodomannus; machte nach der Schlacht bei Arbela
831 v. Chr. eine Meuterei, nahm feinen König
unter Mithilfe des Nabarzanes gefangen u. lich
ihn, vor den nahenden Maledoniern fliebend, nach—
dem er ihm eine Todeswunde verfegt hatte, am
Wege fiegen. Er eilte darauf den nördl. Pro-
vinzen des Perfiichen Reiches zu u. ließ ſich bier
als Artarerges IV. zum König ausrufen, wurde
aber in Sogdiana von Spitamenes den Makedo—
niern verrathen, von Ptolemäos Lagi gefangen
genommen, dem Bruder des Darius überliefert
u. auf das Urtheil eines perfiich-mediichen Gerichtes
lebendig geviertheilt.
Beflungen, Dorf im Kreife ur. ſüdl. anftohend
on die Stadt Darmftadt in der großherzogl. heil.
Prov. Starfenburg; großherzogl. Schloß, Garten;
Hopienbau; 5795 Ew. Hier beginnt die Berg.
ftraße (f. d.).
Beftallung, die Einfegung in ein Amt oder
einen Dienft; fie geihieht entweder mündlich, mo
dann über diefen Act ein Protofol aufgenommen,
oder jchriftlih, wo deshalb ein Patent, das
daher jelbft auh B. genannt wird, ausgefertigt
wird, im welchem die Beſtimmungen des Dienftes,
Ebarafters, Ranges u. der Befoldung enthalten find.
Beitand, 1) vie Gefammtheit der auf einer
Waldfläche ſtehenden Holzpflanzen oder Bäume,
2) Was nah gefertigter Rechnung über Aus-
gabe u. Einnahme, über Berbrauh u. Zuwachs
an Geld (Kafien-B.), Waaren (Waaren- B.),
Thieren u. dgl. noch vorhanden ift; daher Geld,
das mad) abgeichloffener Rechnung in Kaſſe bleibt.
8) In einigen Gegenden jo v. w. Padıt, jo:
Be⸗gut, B-contract, B-geld; daher Beftän-
der, fo v. w. Pächter.
Beitändig (Bot., lat. persistens), Kelch, der
nad) dem Berblühen, Blatt, das im Herbfte nicht
abfällt.
Beitändige (conftante) Größe od. Conftante
heißt in der Analyfis jede Größe, melde einen
(befannten oder unbelannten) unveränderlichen
Werth Hat; im Gegenfate zu den veränderlichen,
variablen Größen, die im Allgemeinen unendlich
viele verjchiedene Werthe annehmen können.
Beitandtheil, einer von den Theilen eines
iſt. Integrirende weſentliche B-e eines Dinges
heißen diejenigen, durch welche daſſelbe weſentlich
beſtimmt wird, von welchen das Weſen derſelben
abhängt, oder deren Fehlen das Weſen des Dinges
aufheben würde. Ihnen find die zufälligen Be
entgegengejegt.. So ift ein inneres Skelett ein
integrivender B. eines Wirbelthierlörpers, Haare
find nur zufällige B-e, weil jenes einem Thiere
nicht fehlen darf, wenn es ein Mirbeithier fein
joll, dieje aber fehlen können. Die Theile eines
Körpers werden entweder nur fo betrachtet, wie
fie neben einander liegen u. durch eine bloß me—
chaniſche Trennung von einander gejondert werden
können, u. heißen dann phyſiſche, mechaniſche
B«e; oder fo, mie fie durch mwechjelfeitige Anziehs
ung bei ihrer Bereinigung den Körper (als ein
Product von anderer Beichaffenheit) erzeugt haben
u. wie fie durch deffen Zerlegung erhalten werden,
und dann heißen fie B»e im engeren Sinne,
hemifhe Be. Sind die Bee, in melde die
chemiſche Analyſe die Körper zerlegt, felbit noch
zufammengejegt, fo werden fie nähere Be ge
nannt, die Bee diefer letzteren heißen entferntere
Bee; die nicht mehr zuſammengeſetzten chemiſchen
Be der Körper heißen Grundftoffe oder
Elemente. Winmenauer M. *
Beitandzins, fo v. w. Miethe- u. Pachtgeld.
Beitäter, 1) (Seew.) f. Beſteder. 2) (Be-
Range ſ. Güterbeftäter.
eftätigen, 1) (Jagdw.) einen gewiffen Theil
des Waldes mit dem Leithunde dergeitalt umziehen,
vorſuchen u. jede Fährte mit einem Bruche ver-
brechen, daß man fieht, wie viele Hirſche u. Thiere
in denſelben eingegangen find und in demfelben
fteden. Meift wırd, wenn dies geichehen ift, dies
Stüd mit Tiihern oder Lappen umpftellt und ein
eingeftelltes Jagen (Beftätigungsjagen) gebalten;
im Gegentbeil: Hazardjagen, wo nicht vorgefucht
wird, 2) (Bergw.) Ein gemutbetes Revier b.,
daffelbe Einem in Lehn geben, wofür dem Beamten,
der dies im Namen des Fürften thut, das Ber
ftätigungsgeld bezahlt wird.
Beitätinung (Nechtsw.), der auf ein einge
wenderes Rechtsmittel mit dem vorigen Erfennt»
niffe gleichlautende Ausſpruch des Oberrichters;
dann im Griminalrechte die Erklärung des Lan
desherrn od. der dazu beauftragten Behörde, daß
das gejällte Erkenntniß richtig ſei und erecutirt
werden folle. In früheren Zeiten wurden alle
mwichtigeren Strajuribeile, wenn fie die Rechtskraft
erlangt hatten, vor dem Vollzuge dem Yandesherrn
zur Beſtätigung vorgelegt; neuerdings geſchieht
dies nur noch der Wichtigkeit der Sache halber
bei gefällten Todesurtheilen, bier u. da auch bei
Erfenmug auf wage Zuchthausſtrafe u.
wegen der Stellung des Regenten als Kriegsherr
auch bei milittärgerichtlihen Erfenutniffen, Im—
öffentlihen Rechte die Gutheigung eines von einer
Gemeinde oder autonomen Corporation gewählten
Beamten oder Beauftragten vn Seiten der vor»
gejetsten Behörde. Das B-srecht, früher ſehr
ausgedehnt, ift jest insgemein nur mehr auf die
Wahl der oberften BVBerwaltungsbeamten eines
Kreiies oder einer Gemeinde, auch die von ber
Dinges, bei. eines Körpers, aus denen daſſelbe kirchlichen (alttatholiihen) Gemeinde durch die
300
Kichenvorftände, oder von der geiftlichen (fatho-
liihen) Behörde oder dem Patronatsheren zur
Beſetzung einer Pfarrei zc, präjentirten Geiftlichen
beihränftt, Nach dem preuß. Ge. v. 12. Mai
1873 follen die geiftlihen Oberen die Candidaten,
weichen ein geiſtliches Amt übertragen werden
fol, dem Ober: Bräfidenten beiennen, und fann
diefer dann innerhalb 30 Tagen Einſpruch er-
heben. Es fteht je nach der Wichtigleit der Sache
und der gejeglihen Beſtimmung oder jonftiger
Vorſchrift dem Yandesherru felbit, oder einer be—
ftimmten höheren Behörde (Minifter, Regierung,
Zandrath) zu.
Beitäubung (Bot.), ſ. Befruchtung.
Dehaubuns, die Bildung von Seitentrieben
aus dem Wurzelftode während der erſten Wachs-
tbumsperiode der Pflanzen. Befördert wird Die
B. durch günftige Witterung, zwedmäßige Düng-
ung, Hemmung in der erjten Wachsthumsperiode,
Walzen x.
Beſtauen der Wiefen, |. Bewäſſerung.
Beitecdjung (Crimen repetundarum, Cr. ba-
rattariae) ift 1) (activ) das Anerbieten eines Ge—
fchenfes oder anderer Vortheile an öffentliche Be-
amten, um fie zu eimer pflichtwibrigen Handlung
oder Unterlaffung zu bewegen; 2) (paifiv) die An-
nahme eines Geſchenles feitens des Beamten für
eine pflihtwibrige oder auch nicht pflichtwibrige
Handlung; auch Gejhworene u. Schöffen können
ſich der Beſtechung ſchuldig machen (j. Amts»
vergehen). Die Folgen der Beftehung von Zeu—
gen werden ſtets umter den Begriff des Meineides
oder falihen Zeugniſſes fallen,
Beſteck, 1) leicht tragbares Behältniß, in mwel-
chem mehrere zufammengebörige Sadyen, be. Wert:
zeuge, aufbewahrt werden. 2) Dieje zufammenge-
börigen Werkzeuge felbft. 3) (Anatomifches, Chi-
rurgiſches B.) Etui mit den zum Anatomiren
u. zu chirurgischen Operationen nöthigen Inſtru—
menten. 4) B. des Schiffes heißt die Beſtimmung
des Schifisortes nah geographiicher Yänge und
Breite, Bo⸗srechnung it die zu dieſem Behufe
auf Grund terreſtriſcher oder aſtronomiſcher Beob-
achtungen angejtellte Berechnung, und wird dieſe
Ortsbejtimmung, auch das B-aufmadhen ge
naunt. Stütt fi die Nechnung im erfteren Falle
nicht auf Landpeilungen, d. h. Richtungs- u.
Abjtandsbeftimmungen von befannten Yandobjecten,
fondern nur auf Beobadhtungen des gefteuerten
Schiffscurſes, alfo des Compafjes der geloggten
Fahrt, d. h. der mittels des Loggs gemeſſenen Ge-
ſchwindigkeit des Schiffes durch das Waſſer, jo
wird diefe Ortsbeftimmmmg das gegiffte B. ge
nannt, im Gegenfage zu dem objervirten B.,
welches fih auf aſtronomiſche Beobachtungen ftügt.
Beiteder, der Bauherr, welcher ſich ein Schiff
bauen laßt; dann aud der Sciffsbaumeifter des
Werftes, welcher die Schiffe auf den Stapel legen
läßt.
Beitellen, 1) (Landw.) das Feld b., es durch
Dingen, Pflügen, Eggen, Walzen u. a. dgl. Ader-
arbeiten gebörig zur Ausſaat vorbereiten u. befüen.
Beftellzeit, die Zeit, in welcher das Feld fo vor-
bereitet u. beſäet wird. Sie it für die Sommer-
Beftäubung — Beſtimmung.
Berreideart einige Wochen früher oder jpäter.
2) In Oberdeutichland jo v. w. Pachten; daber
Beiteller, Pachter, Miethsmann. 83) (Färb.)
Keſſel u. Küpe b., fie mit Waffer anfüllen,
Beitelmeier, Georg, geb. 22. Aug. 1785
in Schwabach; widmete fih dem Kaufmannsitande,
trat in das Gefchäft feines Vaters, eines Tabals-
fabrifanten u. Bierbrauers, welches er 1825 nad
Nürnberg verlegte, wohnte als Abgeordneter den
Yandtagen 1819 und 1822 bei u. wurde 1830
Mitglied des Magiftrars, 1836 Mitglied u. Vor-
fteher der Municipaldeputirten u. 1837 abermals
Abgeordneter des Yandtages, 1888 zweiter Bür-
en der Stadt Nürnberg, welche Stelle er
i8 1849 behielt; er fl. 28. Sept. 1852 zu Nürn-
berg. Er fchr.: Über die Berhältniffe der Tabats-
fabrifation u, der Tabalscultur in Bayern 1828,
Deiteuerung, |. Steuern.
Beſte 2Velt, ſ. u. Optimismus.
Beſtgut, die geernteten reinen Tabaksblätter;
j. u. Tabak.
Beithaupt hieß das Necht des Leibherrn, aus
dem Nachlaffe des Leibeigenen das befte Stüd Vieh
zu nehmen; Betheidigung der Vergleich über die
jpeciellen Nachlaßgegenjtände.
Bestiarii (röm. Ant.), die Gladiatoren, welche
in den Thierlimpfen kämpften; ſ. u, Gladiatoren.
Beitie (v. Lat.), 1) ein wildes Thier, Wald»
tbier. 2) Menſch, der durch Rohheit u. Zügellofig-
feit dem wilden Thiere gleich iſt; daher beftia-
liſch, thieriſch, viehiſch; Beftialität, das Weſen
eines unvernünftigen Viehes, dann auch bei Men—
ſchen thieriſches, rohes Benehmen und ſchändliche
Handlungsweiſe.
Beſtimmt (Math.) iſt Alles, was Willkür
ausſchließt: eine Aufgabe, wenn ſie nur eine oder
eine beſchränlte Anzahl Löſungen zuläßt; eine
Gleichung, in der nur 1 Unbekannte vorkommt.
Beſtimmter Schnitt Geetio determinata),
eine Reihe geometriſcher Aufgaben, die ſich unter
folgende allgemeine bringen laffen: Auf einer un-
begrenzten Geraden find mehrere Buntte gegeben;
man foll auf derjelben einen anderen Punkt fo
bejtimmen, daß die Quadrate oder Rechtecke der
Abftände der gegebenen Punkte von dem gejuchten
ein vorgeichriebenes Verhältniß haben. Der gege⸗
benen Punkte können entweder 2, 3, oder 4 ſein.
Beifpiel: Auf einer unbegrenzten Geraden find 2
Punfte Au. B gegeben, man joll auf dieſer einen
dritten P finden, jo daß, wenn e eine der Größe
nach gegebene Yinie bezeichnet, AP? : BP? oder
AP.c: BP? = einem gegebenen Verhältniß
m:nift. Apollenios von Perga hat eine (ver«
lorene) Schrift über dieſes Problem gejcrieben.
Beitimmung, 1) (log.) die Begrenzung eines
Begrifies nad feinen Merkmalen und das Mert«
mal jelbft. Daher ift ein Ding durchgängig be-
jtimmt, deffen mögliche Merkmale (B»en) man alle
zufammendenft, und Cat der durchgängigen B.:
von allen möglichen, einander widerſtreitenden
Merkmalen fommt einem durchgängig beſtimmten
Dinge entweder nur das pofitive, oder das nega⸗
tive zu. 2) Die überwiegende Neigung des Willens
bei einem Entſchluſſe für oder wider eine Handlung.
früchte im Frühjahre, für die Winterfrüchte im Criminalrechtlich iſt nach der Art der B. des
Herbſte, nach Verſchiedenheit der Gegend und der
Willens zur That Die ſubjective Größe eines Ber-
Beſtockung — Beſtuſchew-Rjumin.
brechens oder Vergehens erlennbar. 3) Der End⸗
zweck, wozu etwas da ift, z. B. B. des Menſchen,
die ſittliche Aufgabe des menſchlichen Lebens, worin
demſelben die höchſten Zielpunkte feines Willens
u. Beftrebens vorgehalten find. 4) So v. m.
Scidjal; daher Beftimmungsgläubige und
Beftimmungslehre, fo v. w. Determinismus,
Fatalismus u. Präbeftination.
Beitodung, jo v. w. Beftand; auch die natlr-
liche oder künftliche Erzeugung eines Holzbeftandes.
Beftreichen (Kriegsmw.), eine fortificatorifche
Linie durch das (Feuer einer anderen, mit ihr
einen rechten oder etwas größeren Winfel bilden-
den Linie vertheidigen,
Beſtrichener Haum (Kriegsmw.), ift derjenige
unter Feuer genommene Terraintheil, über den
fi) die Gefchoffe nuht mehr als 6 F. (gegen In—
fanterie) reip. 9 F. (gegen Cavalerie) erheben.
Die Flugbahn der Gejchoffe bildet eine Curve,
der kürzere Theil diejer bis zum höchſten Punkte
heißt der auffteigende Aft, der längere, von da,
bis das Geſchoß die Erde berührt, der abfteigende
Aft. In Tekterem liegt, wenn die Flugbahn nicht
— rafant iſt, d. h. wenn micht ber höchſte
Punkt der Geſchoßbahn unter + 6 F. reip. +
9 F. liegt, der hauptiählih in Frage fommende
beftrichene Raum. Fe flacher alfo die Curve, deito
se der beftrichene Raum, defto befier u, wir-
ngspoller die Waffe, da mit der Rafanz der
Flugbahn der Geſchoſſe die Zufallstreffer unend-
üch fteigen u. Fehler im Diftancefhägen weniger
nachtheilig wirlen.
Beſtürzung, eine durch den unerwarteten u.
plötzlichen Eintritt von etwas Unangenehmem od.
Schredhaftem hervorgerufene, hırze Zeit anhaltende
Unterdrüdung und Hemmung der regelmäßigen
piochiichen Thätigleiten, durch welche auf Augen-
blide die Überlegung u. Beſonnenheit zur Faflung
eines zmwedmäßigen Entſchluſſes verloren gebt.
Beſtũſchew, Alerander, ruffiiher Roman-
u. Novellendichter geb. 1795, Sohn des Staats-
rathes u. Publiciften B., Rittmeifter beim Gene:
ralftabe u. Adjutant des Herzogs Alerander von
Württenberg. In die Verſchwörung von 1825
egen Kaifer Nifolaus verwidelt, wurde er, zum
meinen degradirt, nach Fakutsl verwieſen; von
bier ging er 1830 mit faiferlider Erlaubniß als
Gemeiner zur Kaufafusarmee, erhob ſich bald
wieder zum Offizier, fiel aber im Juni 1837 bei
Jelaterinodar gegen bie Tſcherkeſſen. Mit feinem
ze Rylejew hatte er jchon vor feiner Ber-
annung den erften ruffiichen Almanach: Der Po-
farjtern, Petersb. 1823, herausgegeben u. jchrich
dann unter dem Namen Kofat Marlinsfi No—
vellen u. Erzählungen, Petersb. 1835, deutſch von
Seebadh, Lpz. 1837; die Erzählung Mulah-Nur,
den Roman Ammalath-Beg, ſein heivorragendites
Wert; Skizzen aus dem Kaulafus; Fregatte Nad-
jeihda ꝛc. Geſammelte Werke, Petersb. 1839 f.,
12 Bde., deutfch von Löwenſtein, Lpz. 1845, 4
Bde. Seine Privatcorrefpondenz * Semewsly
1860 heraus. Seine Brüder Nikolaus, Capitän«
lientenant, Michael, Garbecapitän, und Peter,
Marinelieutenant, die fih mit ihm an der Ber-
30f
infolge der Ammeftie v. 7. Sept. 1856 ins Bater⸗
land zurückkehren; Beter begleitete feinen Bruder
A. in den Kaufafus u. fl. vor ihm, vom Wahn-
finn befallen. Lagai, *
Beſtũſchew⸗Rjumin, ruffiiche Familie, von
englifhem Urfprunge, eigentlih Beft; nahm, nad
Rußland übergefiedelt, den Namen B., genannt
Ruma an, was Peter d. Gr. 1701 in B-Rjumin
verwandelte. Merlwürdig: 1) Peter Michaelo-
witfch, Graf von B.; war ruffiicher Gejandter
zu Hamburg u. a. O. u. wurde von Peter dem
Gr. in den Grafenftand erhoben. 2) Michael
Petromwitih, geb. 1686, Sohn des Bor., zu
Berlin erzogen, 1721—41 Gefandter in Stod«
bolm, wo er die ſchwediſche Politik ganz in ruffi-
ihem Sinn leitete u. die Bündniffe von 1724 u.
1735 zu Stande brachte; unter Eliſabeth Groß-
marſchall und 1756 bis zu feinem Tode, 1760,
ruffiicher Gefandter in Paris. Seine Gemahlin,
Schwefter des in Ungnade gefallenen Grafen Go»
lowlin, ſpann mit Lapuchin 1743 eine Berfhwörung
gegen die Kaiferin an, die jedoch entdedt wurde,
worauf die Gräfin, nachdem ihr die Zunge ausge»
ſchnitten worden war, nad Sibirien gefchidt wurde.
3) Alerei, Graf von B., Bruder des Vor., geb.
1. Juni 1693 zu Mosfau; wurde zum Theil in
Berlin, zum Theil in zen erzogen u, lernte
dort den nahmaligen König Georg I. von Eng«
fand kennen, in deſſen Dienfte er mit kaiſerlicher
Bewilligung trat; 1718 kehrte er nach Rußland
zurüd, u. Peter I. ſchicte ihn als Geſandten nad
Kopenhagen. Die Katferin Anna fandte ihn fpäter
als Minifterrefidenten nah Hamburg und 1734
als Geſandten nah Kopenhagen, von wo im April
1740 zurüdgerufen, er vorzüglich für die Er
bebung Birons zum Regenten wirkte und unter
diefem im October wirklicher Geheimrath u. Cabi—
netsminifter wurde. Nach Birons Sturze (Nov.
1740) auf feine Güter verbannt, ward er durch
Elifabetd 1741 zurüdgerufen, zum Neichsvice-
fanzler u. Senator ernannt u. in den Grafen-
ftand erhoben. Nachdem er 1742 die Allianz mit
England u, 1743 mit Schweden, das die Suc—
ceffion ganz nah den Wünſchen Rußlands ein-
richtete, geichloffen, ward er 1744 Großkanzler u.
alleiniger Leiter der ruffiichen Politik; als jolcher
bewirkte er, ein erflärter Feind Franfreihs und
Breußens, 1746 die Allianz zwiihen Rußland n.
Ofterreich, fendete 1748 ein Corps von 30,000
Mann unter Repnin nah dem Rhein u. ftürzte
1748 Leſtocq, den Günftling der Kaiferin. 1756
erneuerte er die Allianz gegen Preußen mit Öfter-
reich, rief aber, da er den Tod ber Kaiferin fiir
bevorftehend hielt, Aprarin aus Preußen zurüd,
um die Thronbefteigung des Großfürften Peter
zu hintertreiben, gerieth aber deshalb, als Eliſa—
beth genas, in Ungnabe, wurde 1758 des Hoch»
verraths angellagt, feiner Würden entjegt u. nach
dem ihm gehörigen Gorelowo verwiefen, von mo
ihn jedech Katharina II. 1762 zurüdrief unter
Verleihung der Würde eines Feldmarſchalls.
Wenig mehr an den Staatsgefchäften betbeiligt,
ft. er 21. April 1766. Nah ihm ift die Bſche
Nerventinctur (f. d.) genannt. 4) Michael, aus
ſchwörung 1825 betheifigt hatten, wurden ebenfalls derſelben Familie; war Lieutenant beim Infanterie
verbannt. Nikolans ft. 1855, Michael durfte
regiment Pultamwa, verband fih mit Murawiew,
302
um nach Veſtels Verhaftung 1825 die im Süden
ausgebrodene Militärrevolution zu leiten, nachdem
er ſchon 1821, mit Letzterem an der Spige der
panjlavischen Agitation u. der geheimen Berbin-
dungen in Rußland u. Polen ftehend, die Fuſion
der vereinigten Slaven im Lager vor Leichtichin
zu Stande gebradt hatte. Bei Unterdrüdung des
Anfruhrs wurde er gefangen genommen u. mit
Peitel, Aylejew u. Sergei Murawiem 25. Juli
1826 durch den Strang hingerichtet. Bgl. Herzen,
Die ruifiihe Berihwörung u. der Aufitand vom
14. Dec. 1825, Hamb. 1858, Lagai.*
Beſtuſchewſche Nerventinetur (Tinetura
tonico-nervina Bestuschewi), nad Bejtuicher-
Rjumin 3), der fie um das Jahr 1725 erfand,
benannt. Das Geheimniß ihrer Bereitung wurde
von der Kaiferin Katharina IL. mit 3000 Rubel
erfauft und befannt gemacht. Sie ift durch eine
einfachere Zinctur, eine Auflöjung des Eifen—
chlorlds in Ather, mit Weingeift verdünnt, erſetzt
u. al® Tinetura ferri chlorati aetherea (Liquor
anodynus ımartiatus) in die Pharmakopöen auf-
genommen. Ihre goldgelbe Farbe verichwindet
durch das Sonnenlicht, kommt aber im Schatten
wieder, Am einfachften wird fie Durch Auflöfen
von Eifenchlorür in Ütherweingeift dargeftellt.
Beſuki, 1) öftlihfte Provinz auf der Müſte
der Inſel Java; 14,150 [km (257 [M);
meist vulcaniiches Land, fruchtbar; die 562,790
Em. ftammen meiſt aus Madura. 2) Stadt
darin; Sig der holländifchen Behörden; Handel;
18,000 Em,
Dita, Name des 2. Buchftabens im griechifchen
Alphabet; ſ. B.
Beta L., Pflanzengattung aus der Familie der
Chenopodeen (V. 2), mit Ywitterblüthen, fünfipal-
tiger Blüthenhülle, fünf dem den fleifchigen Frucht-
fnoten umgebenden Ringe eingefügten Staub-
blättern, 2—3, jelten 5 Narben, der elwas fleis
digen Blüthenbülle anbängender Frucht u. mit
horizontal abftehendem Samen mit ringförmigem
Keimling; Die langgeitielten Grundblätter bilden
eine Nojette, die Gtengelblätter find Mein; die
Blüthen bilden zu 2—3 in den Achſeln der Hoc-
blätter gelnäuelte Trugdöldchen u. verwachſen in
der Fruchtreife mit ihren Blüthenhüllen. Mehrere
Arten werden in der Küche und Landwirthſchaft
benugt; bei.: 1) B. vulgaris L. (rotbe Rübe,
Runtelrübe), fahl, mit aufrechtem, äftigem Stengel,
eiförmigen, ftumpfen Grundblättern, länglichen bis
lanzettlihen Stengelblättern u. 2 länglich-ovalen
Narben; an den Küften SEuropas einheimiſch.
Während bei der wilden Pflanze die Wurzel nicht
dider wird, ald der Stengel, erreicht diejelbe bei
mehreren Gulturvarietäten eine bedeutende Größe;
man unterjcheidet a) var. Cicla L. (B. hortensis
Mill), mit cylindrifcher, dider, derber Wurzel, von
der wieder eine Form mit fraufen Blättern u. | ars
oder rothen Blattrippen als Zierpflanze in Eultur
ift. b) Var. Rapa Dumort., mit fpindelförmiger,
fleifchiger Wurzel, welche allein in den Zuderfa-
brifen wegen ihres reihen Gehaltes an Rohr»
zuder verarbeitet wird; fie fommt weiß, gelb oder
roth vor; letztere Form liefert Salat, die ſogen.
rotben Rüben. 2) B. maritima L. mit vielen
niederliegenden Stengeln, rhombiſch-eiſörmigen,
Beſtuſchewſche Nerventinctur — Betel.
kurz zugeſpitzten Grundblättern und lanzettlichen
Narben; wild an den Ufern der Nordfee, Engler,
Beta, Heinrich, eigentlih Bettziech, deut«
her Schriftfteller, geb. 22. März 1813 zu Wer-
ben bei Delitzſch; ftubirte 1834—38 zu Halle
Bhilofophie und Naturwiffenfchaften, warb dann
Mitarbeiter an Ruges Halliihen, fpäter Deutſchen
Jahrbüchern, redigirte 1838—48 die litera«
riihe Beilage zu Gubitz' Gejellichafter und ent»
widelte eine rege journaliftiihe Zhätigfet. Im
Sturmjahre 1848 veröffentlichte er verfchiedene
politiſche Brofchüren, die ihm eine ſchwere Anklage
zuzogen, weshalb er nad England flüchtete. Die
Amneftie von 1861 führte ihm nach Berlin zurüd,
wo er zunädft die Werke: Deutſche Früchte aus
England, Lpz. 1864, 2 Bde, u.: Aus dem Herzen
der Welt, ebd. 1866, 2 Bde., ichrieb, in denen
er mit vieler Sachlenntniß englische Zuftände u.
Sitten ſchildert. Sodann gab er ein größeres illu—
firirtes, von Brehm eingeführtes Wert: Die Be-
mirtbichaftung des Waſſers, Lpz. 1868, heraus,
in welchem er ſich in umfafiender Weiſe beionders
über die Nahrungsinittel verbreitet, welche man
aus dem Waller gewinnt, Salomon.
Betain (Betin), eine im Safte der Runkelrübe
(Beta vulgaris), vorfommende, auch durch Oxy—
dation des Cholins darftellbare (daher auch Oxy—
holin genannte) organische Baſe, leicht in Waſſer
u, Allohol löslih u. daraus in ſchönen, nah Mo«
ſchus riechenden Nadeln Iryftallifirend, Eldren.
Betakelung (Schiffsw.), 1) fo v. w. Tafel-
wert. 2) Das Bringen deſſelben an den gehöri—
gen Ort; vgl. Auftateln,
Detanzos, Stadt in der ſpaniſchen Prov. Eo-
rufia (Galicien), nahe am Meere; Weinbau, Ger«
berei, Fiſchfang; etwa 5000 Em.
Betäubung, zunächſt Verſetzung in den Zu«-
ftand der Taubheit; dann überhaupt in den Zus
and der Empfindungslofigkeit, der Unfähigkeit
zum Denfen, der finnlihen u. geiftigen Stumpfe
beit; endlich diefer Zuftand felbft. Speciell in der
Medicin verfteht man unter B, eine Unempfind-
lichleit des Hirnes, die durch veränderte Blut-
miihung (bei Typhus, bei Vergiftungen), Aufs
nahme von Eiter (Pyämie) u. Urin (Urämie) ins
Blut, oder durch Hirndrud und Hirnerfhütterung
bedingt wird. Die B, geht bald mit Schlaffucht,
bald mit Delirien und Krämpfen einher. Auch
Arzneien können im diefen Zuſtand verjegen; man
bezeichnet fie dann als betänbende Drittel
(narkotiſche Mittel, Narcotica), 3. B. Opium u.
Morpbium, welche ſchon in Keinen Doſen die Thä—
tigfeit der Gentralorgane des Nervenigftems ftören
u. jo Betäubung, Schlummer, intellectuelle Stör-
ungen, Abftumpfung des Gefühls bedingen. Auch
ein durch ſolche Mittel geftillter Schmerz wird als
B. deſſelben bezeichnet, bei. wenn die Stillung
nur vorübergehend ift; ſ. Narfotifirung, Chloro-
formirung.
Bete (fr.), 1) unvernünftiges Thier. 2) Dumm-
kopf; daher Betife, Dummheit, Unvernünftigfeit.
Beteigenze (arab.), röthliher Stern 1. Größe
an der öftl. Schulter des Orion; f. u. Firiterne.
Betel, gewürzbaft ſchmedendes Laub einer
oftindiihen Staude, des Betelpfeffers (Chavica
Betle Miq. (Piper Betle L.), aus der Familie
Betelnuß — Bethlehem.
der Biperaceen (II.3); fie befitst einen kriechen-
303
Betheneourt, Jean, Seigneurde B. Baron
den od. Tletternden Stengel, geftielte, eiförmige,jvon St. Martin le Gaillard, frauzöſiſcher See:
ſtachelſpitze Blätter u. diejen gegenüberftebende Blü+|fahrer, aus der Normandie gebürtig; landete 1402
thenähren mit winzigen eingejchlechtigen Blüthen. mit einigen Abenteurern an den Canariſchen
B. dient in Oftindien als Kaumittel, gewöhnlich Injeln, eroberte bis 1405 Yanzarote, Fuertaven—
mit Kalt u. Arecanuß vermiſcht; jehr beliebt; man
bietet B., wie bei ung Schnupftabaf, einander an
u. führt jtets eine Büchſe mit B. bei ſich. Vergl.
Areca, Der Saft gilt in Java als Heiftäftig gegen
trodenen u. krampfhaften Huften. Engler.*
Betelnuß, ſ. u. Areca.
Betende, 1) jo v. w. Meflalianer. 2) Einige
ſehr viel betende Wiedertäufer. 3) Betende
Kinder, Kinder, die ib von 1707—1709 (nad
Karls XII. Zuge durh Schlefien nad Sadjien u.
zurüd nach WBolen) zuerft in Glogau, dann in
anderen jchlefiihen Orten, in Nababmung der
Betübungen der schwedischen Soldaten, unter freiem
Himmel jammelten, beteten, fangen u. fi) mit
dr Dingen unterhielten.
etfuhre, Fuhre, die aus Gefälligkeit gethan
wird, bei. zur Herbeiihaffung von Baumaterialien,
wofür Denen, die jolche Fuhren gethan haben, ein
Schmaus gegeben wird.
Betglode, 1) Slode, mit der zu beftimmten
Zeiten das Zeichen zum Gebete gegeben wird;
) diefes Zeichen ſelbſt. Bgl. Ave Maria.
Beth (hebr., arab. Beit), Haus, Wohnung;
daber die zahlreichen damit zuſammengeſetzten
bibliihen Ortsnamen, 3. B. Bethlehem, Bethel,
Berbpbage x.
Bethania (a. Geogr.), fo v. w. Haus der
Armutb, nah Yazarıs genannt, Feines Dorf,
3 kn von Jerufalem entfernt, am Oftabhange
des Ölberges. Hier wohnten Martha u. Maria,
bei denen Jeſus öfter war, u. Lazarus, defien
Wohnung u. Grab man noch zeigt, auch Simon
der Ausjägige. Auf den Auinen fteht jetzt der
elende Ort Betel Afarijeh.
Bethans, 1) Gebäude, wo zwar gebetet u.
epredigt, allein feine Pfarrverrichtungen (Taufen,
rauumgen 2c.) vorgenommen werden. 2) Kirche
der Proteftanten in Ungarn u. zur öfterreichiichen
gi in Schlefien, fo lange fie mit denen der
atholilen nicht gleiche Rechte hatte. 3) Gottes-
dienftlihes Gebäude chriſtl. Secten,
Bethaus, Orden vom B. (Patres oratorii),
weltlicher Priefterorden, geftiftet von Philipp Neri
1556, beftätigt von Papſt Georg XIIL. 1577 m.
von Paul V. 1612; bat den Namen von dem
Oratorium in der Hieronygmustirche zu Nom, wo
deſſen Glieder fi zuerft verjammelten. Der
Orden wurde von Pierre de Berulle (f. d.) 1611
nach Baris verpflanzt, nad England 1847 durd)
oh. Nemman.
ethel (d. i. Haus Gottes; a. Geogr.), Stadt des
Stammes Benjamin in Judäa, im Gebiete des
Stammes Ephraim; jett Beitin. Hier ſah Yatob
nach der Überlieferung im Traume die Himmels»
leiter u. foll den urjprüngligden Namen Lus in
B. umgewandelt haben. B. war der Standort
eines der beiden von Ferobeam errichteten Stier-
bilder u. darum ein Zankapfel zwiſchen den Rei—
chen Jsrael u. Juda. Zur Maflabäerzeit von dem
Syrer Baldides befeftigt, wurde es fpäter von
Beipafianus erobert.
Cremona u. St. Hieronymus,
tura, Gomera u. Ferro, erhielt dieſe Inſeln von
Heinrich III. von Eaftilien zu Lehn, führte aus
Spanien Coloniften dort ein u. gerirte ſich bald
als Dynaft; er ft. 1425 zu Granvilla.
Dethesdn (d. i. Haus der Wohlthätigkeit,
Gnadenort), Teih in Jerufalem mit heilträftigem
Waſſer für gemwifje Krankheiten, nach Joh. 5, 23,
deffen Ortlichfeit im der Nähe des Schaftbores,
deshalb vielleicht im Teiche Amygdalon (vd. Hiskfia-
teich), od. im Strutbion zu juchen ift, vielleicht
eine intermittirende Quelle, wie die heutige Maria—
Quelle. Die Tradition verlegt B. in die Näbe
des Stephansthores. Nach der evangeliihen Er-
zäblung, daß ein Gichtbrüchiger 38 Jahre lang
vergebens das Waffer des B. gebraudt hatte (bis
ihn Chriftus beilte), jagt man fprühmörtlid von
Einem, welcher lange u. unverdroffen auf Etwas
bofft, er liege am Teiche B.
Bethharam (d. i. Haus der Empfängniß),
Stadt in Paläftina, 15 km öftlih vom Jordan
und am Fuße des Peor; von Herodes zu Ehren
der Livia, des Auguftusßemablin, Livfias genannt;
nah Anderen bie fie auch Julias; jekt. in,
Trümmern.
Bethhoron (d. i. Ort der Höhlung, a. Geogr.)
Stadt im Gebirge Ephraim auf der Örenze der
Stämme Ephraim u. Benjamin, dem erfteren ge—
börig; zerfiel in die obere, auf dem Gebirge, u.
in die untere, an deſſen Fuße; fie war eine
Levitenftadt und wurde von Hehabeam befeftigt;
nicht weit davon war ein Gebirgspaß, wo Joſua
die 5 Könige Kanaans u. Judas Matfabäos die
Sprer ſchlug; auch der Römer Ceſtius ward dort
befiegt; jegt Berhur od. Beit-Ur, weldes noch
in das obere (EI Foka) u. das umtere (EI Tahta)
zerfällt.
Bethlehem, 1) (jo v. w. Brobhaus, fonft
Ephrat, d.h. die fruchtbare, a. Geogr.), Stadt in
Baläftina, 7,; km ſüdl. von Jeruſalem auf einem
Berge. 2 nahm die Überlieferung die Stätte
an, wo Nabel ftarb u. begraben wurde (das 1.
Mof. 35, 19 genammte Ephrat, obmwol in dieſer
Stelle jelbft aufB. gedeutet, ift ohne Zweifel mach
er. 31,15 bei Ramah in Benjamm); bier wobit-
ten Boas u. Ruth, die Ahnen Davids, der ſelbſt
bier geboren wurde, daher Davids Stadt. Unter
Nehabeam wurde B. befeftigt. Nah Mattb. u.
Luc. ift in B. Jeſus geboren; an der Gebunts-
ftätte ließ Hadrianns einen Tempel des Adonis,
Helena aber, die Mutter Conftantinus’ des Großen,
eine prächtige Kirche errichten, die von Juſtiniauus
wiederhergeitellt u. der Maria de Präfepio ge»
weiht wurde; fie bat unter dem Wltar eine
Grotte, welche ımmer von 32 Yampen erleuchtet
wird, darin die in Felſen gehauene Geburtsitelle
Jeſu, mit einem ſilbernen Gitter verichlojien.
Nicht weit davon eine 2, Grotte, wo die Gebeine
der im Betblehemitiihen Kindermorde umgelom-
menen Kinder beftattet fein follen; in anderen
Grotten die Grabmäler des St. Eufebius von
Die Stelle, wo,
304
die Engel in der Geburtsnacht den Hirten auf dem
Felde erichienen fein follen, ift in einem Dliven-
garten mit Klofterruinen. Jetzt heißt B. Beitlahm
Fleiſchhaus); 3000—5000 Ew. rüber hatte B.
eine von Ehriften mit Moslemin gemiſchte Bevölfer-
ung; ba fi) aber die Stadt 1834 an dem Aufftande
gegen Ibrahim Paſcha betheiligte, ließ diefer das
mohammed. Viertel zertören, u. dann wohnten nur
noch Ehriften verſchiedener EConfeffion, 2—3000,
dort, denen fi) aber jpäter wieder Mohammeda—
ner beigefellten. Die Ew. ernähren fih mit Dliven-
u. Weizenbau, mit Berfertigung von Roſenkränzen,
Erucifiren, bi. Krippen u. dergl. aus Holz, Perl-
mutter, Dattelfernen, Ajphalt. Bgl. Zobler, B.
in WPaläftina, St. Gallen 1849. 2) Poftftation
in Northbampton County, Staat Penniyivania;
1741 von Mährifhen Brüdern gegründet ; hübſch
gelegen für den Sommeranfentbalt; Univerſität,
berühmte weibl. Lehranftalt; bed. Eifen- u. Zinf-
fabriten; 8070 Em, 1) Yöfller.*
Bethlehemiten und Bethlehemitinnen,
1} geiftliher Orden nad St. Auguftinus’ Regel im
13. Jahrh. in England; ift längft eingegangen.
2) Ritterorden U. 8. 5. von Beiblehem
(Betblehemitifcher NWitterorden, Nitterichaft von
Lemnos), geftiftet 1459 von Pius II. zum An-
denfen der Wiedereroberung der Inſel Lemnos,
nah St. Auguftinus’ Regel u. der Einrichtung der
Johanniter; Zwed: neben den religiöfen Übungen
ein emwiger Krieg gegen die Türken; Tracht: weiß,
mit rothem Kreuze auf der Bruft; ging nad dem
Berlufte der Inſel Lemnos an die Türken ganz
ein. 3) Geiftlicher Orden, von Peter v. Bethen-
court 1655 zu Guatemala nad der Hegel des
h. Franciscus ımter dem Namen Congregation
von Bethlehem geftiftet, von Betheucourts Nach—
folger, Anton vom Kreuz, 1667 von den Fran—
ciscanern durch eigene Kleidung unterfchieden;
1668 murde von Maria Anna dei Galdo für
Hoipitaldienft u. unentgeltlichen Schulunterricht
ein weibl, Zweig geftiftet; 1707 wurde von Cle—
mens XI. die Congregation zum Orden erhoben
n. mit allen Privilegien der Bettelmönde begabt.
Sie legen feierliche Gelübde ab, gehen ganz wie
Kapuziner u. SKapuzinerinnen gefleidet, tragen
jedoch Hüte, breite Yedergürtel u. auf der rechten
Bruft ein Schild mit einem Bilde der Geburt
Ehrifti; fie find mit ihren vielen Klöftern im
SAmerifa von großer Bedeutung, am manchen
Orten die einzigen Berbreiter einiger ——
öffler.*
Bethlehemitifcher Kindermord, j. Matth.
2,26. Nah der fagenhaften Kindheitsgefchichte
Jeſu ließ Herodes d. Gr. alle Kinder in Beth-
lehem unter 2 Fahren tödten, weil ihm von Wei-
fen aus dem Morgenlande die Geburt des Meifias
auf Grund der Erſcheinung eines Sterneß ver-
kündigt u. nach Did. 5, 1 von den jüdijchen
Schriftgelehrten Bethlehem als Geburtsort des
Meifias genannt worden war, Der Stoff liegt
dem verbeutichten Bethlehemitiſchen Kindermorde
’e3 Ritters Marino von Brodes zu Grunde. Seit
dem 6. Jahrh. wird in der Katboliichen Kirche
der 28. Dec. als Tag der Unichuldigen Kindlein
gefeiert, weil man jene Kinder als die erſten Mär-
yvrer des Chriſtenthums anſah. Scherzweiſe nennt
Bethlehemiten — Bethlen.
man fo (AMassaere of the Innocents) in der
Sprade des engliihen Parlaments das Bejeitigen
unerledigter Bills. zöfler.*
Bethlen, Flecken im Comitat Iuner-Szolnot
in Siebenbürgen, an der großen Szamos und
Biftriga; Stammhaus der Grafen gleichen Na»
mens; Salzquellen; 1500 Em,
Bethlen, eine urjprünglih aus Ungarn flam«
mende, in Siebenbürgen begüterte, der refor«-
mirten Eonfeffion folgende u. 1622 in den Grafen»
ftand erhobene Familie. Sie zerfällt in 2 Haupt-
linien, die von Iltar u. von Betblen, letztere aber
wieber in viele Abtheilungen. I. Altere Haupt«
linie, B. v. Ittar. Aus ihr ftammten: 1) Ga-
briel (Gabor) B., gemöhnlid Bethlen Ga—
bor, Sohn —— B., geb. 1580; er ſchlug,
nah Mofes Szellys Fall, die ihm angetragene
Fürſtenwürde aus, ward fpäter von Siegmund
Haloczy feſtgeſetzt u. zog fi, durch Freunde be»
freit, auf feine Güter zurück; er diente dann Ga—
briel Bathori, ward aber fpäter diefem feind u.
nah deſſen Ermordung (1613) zum Fürſten von
Siebenbürgen erwählt. Er erflärte jih 1619 für
die böhmitihen Inſurgenten gegen Kaiſer Ferdi⸗
nand II., drang gegen Presburg u. Wien vor,
wurde 25. Aug. 1620 zum König von Ungarn
gewählt, ließ fi) aber micht frönen, Sondern
ſchloß 1622 zu Nifoldburg mit dem Kaifer Frieden
u. entjagte der Krone von Ungarn. 1623 wurde er
durh den Markgrafen Georg von Brandenburg-
Fägerndorf u. durch Mansfeld bewogen, in Mäh—
ren einzufallen, ließ Mansfeld jedoh im Stidye
u. jchloß 1624 nochmals Frieden. Er wurde 1626
wieder in den 30jährigen Krieg verwidelt, ſchloß
aber bald in Leutſchau einen neuen Frieden. B.
ft. 15. Nov. 1629. Näheres f. u. Stebenbürgen,
Ungarn u. Dreißigjähriger Krieg. Während feiner
Regierung betrat fein Feind Siebenbürgens Örenze.
Er begünjtigte Wiffenfchaften u, Kiünfte, ftiftete die
Akademie von Weißenburg u. rief außerdem Ge»
lehrte, Künftler u. Handwerler ins Land. Bgl.
Boithy, De rebus gestis Gabrielis B., herausgeg.
von v. Engelin den Monum. ungar., 1808. Zum
2. Mal war er vermählt mit Katharina B., der
Tochter des Kurfürften Johann Siegmund von
Brandenburg, die ihm in der Regierung folgte;
aber die Stände zwangen fie, da fie ein Liebes-
verftändnig mit Johann Eiäfy unterhielt, ſchon
1630 die Regierung niederzulegen u. das Yanb
zu verlaffen. 2) Stephan, Bruder des Bor.;
folgte nad der Entfernung feiner Schwägerin in
der Regierung, mußte diejelbe jedod 1630 Georg L.
Rakoczy überlaffen u. trat in den Privatitand
zurüd, 3) Graf Dominik, geb. 15. März 1810,
geft. 10. März 1866, der letzte mäunl. Sprößling
diefer Linie. II. Jüngere Hauptlinie: 8.
von B. Zu diefer Linie gehören aus früherer
Zeit eine große Zahl von Männern, welche ſich ſowol
im Kriegs- u. Staatsdienfte, als auch auf dem
Gebiete der Künſte u. Wifjenichaften ausgezeichnet
haben, jo: 4) Graf Johann B., geb. 1613;
war Kanzler unter mehreren Fürſten von Gieben-
bürgen; ſt. 1687; er jchr.: Rerum transsyl-
van. libri IV (von 1629—63), Hermannft. 1663,
n. Aufl, Wien 1779; dazu Fortſetzung (bi$ 1673)
herausgeg. vonHoranyi, Wien 1873 f. 5) Wolfe
Bethmann — Bethmann - Hollweg.
gang B., geb. 1640, Kanzler von Siebenbürgen; Geſchäfte
305
und jegiger Chef deffelben ift Freiherr
ft. 1679; er fchr.: Historia de rebus transsyl-|Moriß, geb. 8. Oct. 1811 u. 1854 in den
van. (enthält die Jahre 1526—1609), herausgeg. badiſchen Freiherrnſtand erhoben.
6) Graflichweiter des Lerteren,
von Benkö, Belt 1782—93, 6 Bde.
Die Baters-
Suſanne Elifabethb, war
Nillas, Sohn von B. 4), geb. 1642; ftudirte/vermäblt mit „Johann Jatob Hollweg (geb. 7.
in Heidelberg, Utrecht u. Leyden die Wiffenichaften
u. machte dann Reifen nad England, Frankreich
u. Italien. Nach jeiner Rückkehr wurde er Ober-
capitän des Udvarhelyer Stuhls u. der Feſtung
Huft, fowie Obergeipan des Marmaroſcher Co—
mitats. Bei dem Übergange Siebenbürgens unter
öfterreichifche Herrſchaft leitete er die Unterband-
Inngen am Kaiferhofe; dadurch hatte er ſich im
Lande mächtige Feinde zugezogen, welde während
der Ragoczyichen Unruhen jeine Berbaftung und
Abführung nah Wien bemirften, Er wurde zwar
als unichuldig freigelaffen, kehrte aber nicht in jein
Baterland zurüd, ſoudern lebte in Wien u. ftarb daj.
17. Oct. 1716, Die Memoires bist. du Comte
B. Nielas, Amft. 1738, 2 Tble., find nicht von
ihm. Jetzt zerfällt dieje Linie in mehrere noch
blühende Zweige. Gicalet.*
Bethmann, eine aus den Niederlanden wegen
Religionsverfolgung ausgemwanderte, erjt in dem
Städtchen Naffau, jpäter in Frankfurt a. M. an-
gas Familie, aus welder das berühmte
anfierhaus in Frankfurt a. M. (dem 2. Jan.
1745 geftiftet) hervorgegangen ift. Der Bater
der die Firma gründenden Brüder war Simon
Morig B., naffanisher Amtmaun, geb. 26. März
1687, get. 6. Juni 1725. Seine drei Söhne wur—
den von einem Obeim mütterlicherfeits, Jakob
Adami (geb. 8. Dec. 1670, geft. 23. Dec. 1745),
Kaufmann in Frankfurt a. M., erzogen u. erbten
deffen Bermögen u. Geſchäft. Der ältefte derjelben,
Johann Philipp B., geb. 30. Nov. 1715,
afjociirte fih 1748 mit feinem jüngften Bruder
Simon Mori (geb. 6. Oct. 1721) u. nahm
die Firma Gebrüder B. an, während der zweite
Bruder, Johann Jakob (geb. 20. Juni 1717),
fih in Bordeaur etablirte. Der einzige Sohn
Ich. Philipps, kaiſerlichen Rathes u. Bantiers
(geit. 27. Nov. 1793), war Simon Morig, geb.
31. Det. 1768), welcher das Geſchäft feines Vaters
u. Oheims, der kinderlos ftarb, übernahm. Die
politiich vielberwegte Zeit fam feinem fpeculativen
Sinne u. jeinem geihäftlihen Scharfblide zu Hilfe,
um die Geldoperationen feiner Handlung in einem
größeren Maßſtabe auszudehnen Er war bald
einer der bedeutendften yinanzmänner feiner Zeit,
negocüirte verjchiedene Staatsanlehen, wurde vom
Kaiſer Franz von Ofterreich geadelt u. vom Kaijer
Alerander von Rußland zum Staatsrathu. General:
Conſul ernannt. Während der franzöfiihen Herr-
ſchaft wirfteer beſonders fegensreich für die Stadt,
indem er fein Anſehen aufbot, um die Napoleoni»
chen Kriegsbedrüdungen jo viel wie möglich von
ihr abzumenden. Er war aud Freund u. Kenner
der Kunſt u. Beförderer wiffenichaftlichen Strebens;
mit jeiner Billa bei Frankfurt verband er das
fogen. Bethmannſche Mufeum, in welchem ſich
nebſt anderen Kunftihägen die berühmte Statue
der Ariadne von Danneder befindet. Er ft. 28.
Dec. 1826, u. am 31. Oct. 1868 wurde fein von
dem Bildhauer v. d. Launitz gefertigte® Denkmal
aufgeftellt. Sein ältefter Sohn u. Nachfolger im
Biererd Univerfal-Eonverfations-Perifon. 6. Aufl.
I. Band.
Jan. 1748, geft. 22. Jan. 1808), melder das
Berhmannihe Wappen annahm u. die Linie Beth»
mann-Hollweg ftiftete.
Bethmann, 1) Friederife NAugufte Kon.
radine, eine der eriten Schaufpielerinnen des
Berliner Nationaltbeaters, geb. 24. Jan. 1771
zu Gotha. Ihr Familienname ift Flittner. Bon
ihrem Stiefvater, dem Scaufpieler u. Schau»
fpieldichter Großmann, frühzeitig auf die Bühne
gebracht, mandte fie fich zunächſt der Oper zu,
trat dann aber zum Schauipiel über u. gläuzte
bad in allen Noltenfähern. In Mainz verhei—
rathete fie fi mit dein befaunten Komiter Unzel—
mann, ging alsdann mit dieſem 1788 nad
Berlin, wo fie faft in jedem Zuſchauer auch einen
Verehrer fand. Bon Unzelmann 1803 geichieden,
beirathete fie 26. Mai 1805 den Scauifpieler
B. (j. 2). Eine Beleidigung, die fie dem Publis
cum von der Bühne herab (1809) fagte, 309 ihr
Hausarreit zu u. hätte vielleicht das freundliche
Verhältniß zu den Berlinern für immer gefährdet,
wenn nicht Iffland eine Berfühnung angebahnt
u. zu Ende geführt hätte. Allgemein betrauert ft.
fie 16. Aug. 1815 zu Berlin. Die B, iſt eine
der genialiten Schaufpielerinnen des deutſchen
Theaters, die nicht allein durch ihre unendliche
Bielfeitigkeit, fondern auch die feinjte Charakteriſtik
ihrer Rollen, den feelenvollen Bortrag, wie die
glüclichite Verwendung aller äußeren Hilfsmittel
einen unmiderftehlihen Zauber ausübte, Goethe
hätte fie, Schlegel bewarb fih um ihre Hand,
Jffland war entzücdt von ihr, u. Friedrich Wilhelm
hatte das wärınfte Intereſſe für fie. Briefe von ihr
u. an fie findet man bei Dorow, Krieg, Yiteratur u.
Theater, Lpz. 1845, ©. 263—292. 2) Heinrich
Eduard, zweiter Gatte der Borigen, geb. 1774
zu Roſenthal bei Hildesheim; betrat 1793 als
Deitglied der Boffanfhen Truppe die Bühne, fam
1794 an das Berliner Hoftheater, verheiratbete
fih mit der Borigen, privatifirte nach dem Tode
jeiner Battuf u. übernahm 1824 das Königsftädter,
dann das Wachener, ipäter das Magdeburger
Theater u, führte endlich die Direction einer klei—
neren Truppe in Sachſen, mit der er auch Yeipzig
beſuchte. B. fl. 1857 zu Halle, Sem Sohn
3) Frist, ebenfalls Schaujpieler, geb. 1796 in
Noftod; betrat zuerft unter Arrefto, der 1813—15
in Noftod fpielte, die Bühne, debütirte 1818 auf
der Hofbühne zu Strelitz, ging 1821 zu Gerftel
nach Deffau, gaftirte in Magdeburg, war dann 3
Jahre am Theater in Sondershaujen u. jeit Herbft
1825 in Bremen engagirt. Hier übernahm B.
die Direction der Bühne, die er bis 1832 führte,
Im Dec. 1833 eröffnete er das Stadttheater zu
Noftod, das früher nur von wandernden Trup—
pen bejucht war. Er ft. 1846 in Greifswald.
1) 2) Kürfchner.
Bethmann-Hollwen, Moris Auguſt v.
B.⸗H., berühmter Nechtsgelebrter, geb. 8. April
1795 in Frankfurt, ſtammt durch jeine Mutter,
eine Schweiter des Simon Moris Berhmann, die
20
306
fih mit Joh. Jakob Hollweg verbeiratbete, aus
dem großen Frankfurter Banquierbaufe Bethmann
(j. d.), in welches jein Bater als Affocie eintrat.
Er ftudirte, nachdem er die Schweiz u. Italien
bereift, 1813 in Göttingen u. Berlin die Nechte,
bej. die hiſtoriſche Jurisprudenz. Als 1816 die
Inſtitutionen des Gajus durch Niebubr in Verona
entdedt worden waren u. Göſchen zur Entzifierung
derfelben abgejendet wurde, ſchloß fih B. dieſem
an, um an diejer Entzifferung theilzunebmen.
Er babilitirte fih 1819 zu Berlin als Privat«
docent u. ward 1820 aufßerordentlicer, 1823
ordentlicher Profeſſor der Rechte dajelbit u. 1829
in Bon, wo 1840 feineftobilitirung erfolgte. Im
Jahre 1842 legte er jeine Profeſſur nieder ıı. führte
dann bis 1848 das Guratorium der Umniverfität.
Im J. 1845 wurde er Mitglied des Staatsrathes
u, nahm 1846 als Deputirter der Rheinischen Pro-
vinzialiynode an der Generalſynode tbeil; 1849
trat er in die Erjte Kammer u. 1852 im die
Zweite Kammer ein u. begründete bier die fog.
Altpreußiſche Partei, melde” auf Grumd der ge-
ſchichtlichen Berhältnifie Preußens eine Weiterent-
widelumg des Staatslebens auftrebt u. den reac—
tionären Beftrebungen auf politiichem (Gebiete
entſchieden abhold war. 1848 rief er den Evange—
lichen Kirchentag ins Yeben, der am 21. Sept.
jenes Jahres zufammentrat u. von ihm wie in
den folgenden Jahren präfidirt wurde. 1851
gründete er für feine Bartei das Preuß. Wocen-
blatt, in welchen: er für die Emancipation Preu—
ßens von Öfterreih u. von der feudalen Reaction
tämpfte. Am 6. Nov. 1858 ward er als Staats-
munter an die Spige des Miniſteriums für getit-
lihe u. Unterrichts-Angelegenbeiten berufen u.
fuchte in dieſer Stellung den Diſſidenten einige
Sicherheit zu ſchaffen. In der Zeit des parla-
mentariſchen Conflicts, welcher die Erwartungen
der Ende 1858 beginnenden neuen Aera mähigte,
fonnte er ſich jedoch mit feinen Vermittelungs—
verfuchen nicht mehr behaupten, und 18. März
1862 trat v. Mühler an feine Stelle. B.-H. ge-
hört zu den bedeutenditen rheinischen Grundbe—
figern; fein Schloß Wheined bei Brohl lief
er 1832 im Rundbogenſtil nen aufführen u. im
Innern durch zresten u. Sculpturen ausſchmücken.
Er jhr.: Grundriß des Civilprocefies, 3. Aufl.,
Bonn 1832; Verſuche über einzelne Theile der
Theorie des Civilproceffes, Berl. 1827; Gerichts-
verfaffung u. Proceß des finfenden Römiſchen
Reiches, Bonn 1834; Urfprung der lombardifchen
Städtefreibeit, Bonn 1846; fiber die Germanen
bor der Völlerwanderung, Vonn 1850; Der Civils
procch des Gemeinen echtes in geſchichtl. Ente
widelumng, Bonn 1864—74, Bd. 1—6 Yen
er.’
Dethöme, judäiſche Stadt, wohin im Jüdiſch—
Syrien Kriege gegen 800 mächtige u. reiche
Juden flohen, welche Alerander Janäos nad Er-
oberung der Stadt Freuzigen lich.
Bethonceonrt, Dorf nördlih von Montbeliard
(Frankreich), um das in der Schladht an der Fir
‚Bethome — Bethuſy.
Olberg mit dem Dſchebel Batten el Hawe ver-
bindet, Von bier aus erblickten die von Jericho
tommenden Pilger zum erjten Mal die hi. Stadt,
weshalb Jeſus von hier aus am fetten Ofterfefte
ieinen Einzug bielt; jegt verſchwunden. Loffler.
Bethjaide (d.i.Hausdes Fiſchſangs, a. Geogr.),
1) Stadt in Ganlonitis, am OUfer des Sees
Genezareth, wo der Jordan minder; bieß jpäter
Julias; Ruinen auf dem jesigen Hügel Tell;
bei B, war die Speifung der 5000. 2) Stadt im
Galiläa, am Wllfer des Sees Genezaretb; Varer-
jtadt der Apoftel Petrus, Andreas u. Pbilippus,
Bethſean (d. i. Haus der Ruhe, Stytho—
polis, a. Geogr.), Stadt in Samaria, auf der
Grenze von Galiläa, im Gebiete des Stammes
Iſſaſchar. An den Mauern von B. war die Leiche
Sauls aufgehängt. B. wurde von Gabinus be-
feftigt u. im 4. Jahrh. Sip eines Biſchofs; jetzt
Beilan, mit 200 Em,, Ruinen eines röm. Theaters,
Bethſemes (d. i. Sonnenhaus), Prieiteritadt
in Judaa, im Stamme Juda, nahe an der Grenze
von Philiſtäa. Hier wurde zuerft die Bundeslade
aufgeftellt u. der König Amazia von Juda von dem
König Joas von Israel befiegt; unter König
Abas wurde B. von den Philiftäern erobert; jetst
beißt der Ort Ain⸗Schems. j
Bethulia (a. Geogr.), Stadt in Nieder-Galiläa,
wo Judith nach dem dieien Titel tragenden Buche
dem die Stadt belagernden Holofernes den Kopf
abbieb u. ftarb; jet wahricheinlich Beit Ilfah.
Bethune, Hauptit. des gleihnam. Arr. im
franz. Dep. Pas de Calais, auf einem Felſen an
der Blanche, am Kanal von B, u. an der Nord«
bahn; ebemal. Feſtung 3. Ranges, jeit 1867 ab»
getragen; altes Schloß; Salzraffinerie, Gerberei,
vtigung von Pfeifen, Leinwand, Ol, Yuder,
Käſe; 8410 Em.; unweit davon das fonft auch
feite Schloß Annecin. — B. ward im frühen Dlite
telalter an das feite Schloß, das die Herren von
B. bejaßen, angebaut. Im 12. Jahrh. war es
ihen beträchtlich. Vido von Dampierre, Graf
von Flandern, erhielt B. durch Heirath mit der
Erbtochter des legten Grafen von B. 1646 von
den Franzosen, 1710 von den Allürten, 1712 von
den Franzoſen belagert u. erobert; feit 1713 durch
den Frieden von Utrecht franzöftiche Beſitzung.
Berhufy, eine evangelifche, aus Languedoc im
Frankreich ſſammende u. eigentlih Huc gebeißene,
jegt in Preußiſch-Schleſien, wo fie Die Herrichaften
Bankau u. Aibrechtsdorf befist, u. in Polen bes
güterte, jeit 1773 in den Neichsgrafenitand erho—
bene Familie, welche ſich von der ſchweiz. Beſitzung
B. nannte u. 1859 von Preußen die Erlaubniß
erhielt, dieſem Namen ihren alten Namen (Huc)
wieder beizufügen. 1) Paul, Marquis v. Huc,
Sohn des Marquis Philipp; ſiedelte in der Mitte
des 18. Jahrh. nach der Schweiz über, wo er
B. u, andere Güter in Bern u. Freiburg erwarb,
1773 während des NReichsvicariats unter dem
Kurfürften Karl Theodor von Pfalz » Bayern in
den Neihsgraienitand erhoben wurde; er jtarb
als kurſächſiſcher Nammerberr in Dresden. Der
jaine am 15. Jan. 1871 beftig gefämpft wurde ;(jetige Chef it 2) Graf Eduard Georg, Sohn
ſ. Liſaine.
Bethphäge (d. i. Feigenhauſen), Flecken un⸗
weit Jeruſalem, auf dem Sattel, der den eigentl.
des 1833 verſtorbenen Grafen Heinrich, geb.
3. Sept. 1829; ſtudirte in Bonn, Breslau u.
Berlin Jurisprudenz, machte Reifen im Orient u.
Bethzur — Betrieb.
ift feit 1861 Mitglied des fchlefiihen Provinzial] firte aus Sicht kommt.
landtages, jeit 1862 ununterbrochen des Preußischen
Abgeorpnetenhaufes u. in demfelben der freicon-
fervativen Partei, jeit 1867 Mitglied des Nord-
deutichen, darauf des Deutichen Reichstages u. indem-
jelben Mitglied der Deutſchen Reichspartei. Bauer.’
Bethzur (Beihzura, Felienhaus, feite Stadt
im Stamme Juda, füdlih von Jeruſalem, von
Rebabeam u. mehr noch von den Maffabäern
befeftigt. B. wurde 165 v. Chr. von Lyſias ar
u. von Judas Maflabäos entjegt; 163 v. Chr.
nahm Lyſias die Stadt dod, u. die Syrer be-
bielten fie bis 140 v. Chr., wo fie Simon Mat:
tabäos wieder eroberte. Bei B. taufte nach der
Sage Philippus den Kämmerer der Königin Kan-
dafe. Die Lage, nicht weit von Hebron, ift nicht
mit Sicherheit ermittelt.
Beton (fr.), ein mit Kies oder Ziegelftüden
vermiſchter hydrauliſcher Mörtel, welcher, da er
unter Waffer erhärtet, namentlih bei Waflerbau-
ten, Brüdenjundirungen x. angewandt wird; er
wird jedoeh auch als Gußmörtel im Trodenen
verwendet, namentlich zu yundamenten, zu Guß—
gemwölben u. Fußböden.
Betonica L., Pflanzengatt. aus der Fam. der
Labiaten (XIV. 1), der Gattung Stachys ver-
wandt, nur ohne Haarleifte in der Blumenröbre u.
die Staubbeutelfächer auseinanderfabrend, oder fait
gleihlaufend, mit gemeinjchaftliher Längsritze auf
jpringend. Der Name ift dur Schreibfehler für
Vettonica (bei Plinius) entftanden. Arten: B. offi-
einalis L. (Zebrtraut, Pfaffenblümlein), mit läng-
lich eiförmigen, am Grunde herzförmigen, gelerbten
Blätternu. purpurrothen, eine Scheinähre bildenden
Blüthen; fat in ganz Europa auf trodenen Wald»
wieſen, auch in Gärten cultivirt, wo fie mit weißen
Blüthen u. gefledten Blättern varürt. Das bitter-
Sich» gewürzhaft jchmedende Kraut u. die Blüthen
find als Herba et Flores Betonicae officinell;
die Wurzel bewirkt friſch leicht Erbrechen und
Purgiven; das Kraut wurde ehedem als nerven:
färtendes Mittel, auch bei Katarrhen u. Gicht
verordnet, jetst dient es nur noch als Bollsmittel;
die Blätter werden jung als Gemiüfje genofjen.
Am Alterthum ftand die B. in jo hohem Aufe,
dag Antonius Mufa diefelbe in einem eigenen
Buche über fie gegen 47 Krankheiten empfiehlt
u. (nach Plinius) das Haus, wo fie ſich befand,
für frei won Krankheiten angejehen ward. B. hir-
suta L., mit raubaarigen Blättern; an gebirgigen
Orten SDeutfhlands. B. Alopecuros L., mit
grünlich- blaßgelben Blüthen; in der fubalpinen
Region der Alpen nicht felten. Engler.
etonnung eines Fahrwaſſers oder einer Un—
tiefe beißt die Stellenzeihnung derjelben durch
Auslegen von Tonnen an den Seiten des Fahr—
waſſers oder der Uintiefe, jo daß dieſe von den
Schiffen auch nöthigenfalls ohne Yootjenhilfe er-
tannt u. paffirt werden fünnen. Zur B. ver»
wendet man verjchiedene Arten von Seezeichen
(f. d.), welche aber jämmtlich auf folder Wafler-
tiefe liegen müſſen, wie der Tiefgang der das
betreffende Fahrwaſſer beiuhenden Schiffe es er»
fordert, u. ım folder Entfernung von einander,
Daß auch bei unfidhtigem Wetter das nächſte See»
zeichen gejeben werden kann, che das zulegt paſ⸗
307
Die Seezeihen müſſen
ferner in möglichft grader Linie u. jo ausgelegt
mwerden, daß Feine geringere Waffertiefe als die,
auf welcher die Seezeichen jelbft liegen, zwiſchen
je zweien in das Fahrwaſſer bineinreicht. Zur
Unteriheidung etwa neben einander liegender
Fahrwaſſer oder wichtiger Wendepunfte in einem
jolhen werden Seezeihen von veridhiedenen For—
men; zur Kennzeichnung, welche Seite des Fahr—
waſſers durch das Seezeihen angezeigt werden
ſoll, aber verſchiedene Farben für dieſelben ge»
wählt, während ihre Größe ſich vorzugsweiſe nad)
der für fie geforderten Sichtbarkeit u. den diejelbe
beeinfluffenden Umftänden richtet.
Betonung, j. Accent.
Detretungsfall, im B., d. h. wenn ein ges
richtl. od. polizeil. Verfolgter erreicht, od. Jemand
bei Berübung einer ftrafbaren Handlung betroffen
wird. Der jofort auf der That beiretene Ber-
breder wurde bei den alten Deutichen dur das
Gejchrei des ihn vor den Richter führenden Volkes
angeflagt (beruftet). Gegenwärtig wird er ver-
haftet, u. ſchützt in diefem Falle felbft das Privile-
gium der andtags- oder Neichtagsmitglieder nicht.
Betrieb im Allgemeinen die Ausführung
einer gewerblichen Unternehmung. Erſt der B.
der Yandwirtbichaft, einer Fabrik, eines Hand»
werkes ꝛc. macht diefe Güterquellen rentabel. Er
fann durch den Eigenthümer ſelbſt geichehen,
Eigen-B., oder von ihm am dritte ‘Berfonen
überlaffen werden. Yebteres gejchieht wieder in
der Weife, daß die Eigenthümer entweder andere
Perfonen zur Führung des Bes in ihre Dienfte
nehmen, diejelben bejolden und dagegen das volle
Erträgniß des Betriebes empfangen, B. für
eigene Rechnung; oder es wird der B. an
Dritte gegen Zahlung einer firen Summe —
— — überlaſſen, wogegen denſelben das
Betriebserträgniß zu eigen verbleibt. Jeder ge—
werbliche B. ſetzt das Vorhandenſein der ent—
ſprechenden techniſchen Einrichtungen u. Anſtalten
(ein beſtimmtes wirthſchaftliches Grundſtüch, eine
Fabritanlage, Werkſtätte, die erforderlichen Ge—
räthe und Werkzeuge zc.) voraus, jodanı aber
auch das Capital, welches, in der Hand des Un—
ternehmers u. von feiner Intelligenz geleitet, die
productive Benugung jener Einrichtungen u. Ans
ftalten ermöglicht (Anlage u. B⸗scapital). Um—
fang u. Art der B⸗smittel u. Capitalien find durch
Zwed u. Art des gewerblichen Unternehmens ber
dingt; die Berfchiedenheiten zeigen fih in dem Unter—⸗
jhiede der Fabrifation von dem Handwerfe, der
Maffenproduction von der Einzel-(Stüd-)Produce
tion (ſ. auch den Art. Anlagecapital). Für
manche gewerbliche B-e find auch noch beſondere
polizeirechtliche Erforderniſſe gegeben. Allgemein
iſt der Unternehmer verpflichtet, den Beginn des
Gewerbe-#re8 u. bei einem ftebenden Gewerbe
den Ort deffelben anzuzeigen (D. Gew.-Ord.
$$ 14 u. 15); die Fortſetzung des Bres kann
polizeilih verhindert werden, wenn ein Gewerbe
ohne die gejeglich erforderlihe Genehmigung ber
gonnen wird. Zur Grridtung von Anlagen,
welche durch die örtliche Yage oder die Beſchaffen—
beit der B⸗sſtätte für die Beſitzer oder Bewohner
der benachbarten Grunditüde oder für das Pur
20*
308 Betriebscapital — Betrug.
dem man mit wenig Arbeit u. mäßigem Capitaf
einen hohen Reinertrag zu erzielen ſucht. Ber
flacher Cultur wird einer zwedmäßigen Düngung
wenig Aufmerkſamleit geichenft, fünftlihe Dünger
gar nicht zugelauft. Maichinen findet man außer
Drefhmafchinen nicht, Wiejen u. Weiden im aus-
gedehnten Maßſtabe. In der Viehhaltung prä—
valırt das Wollſchaf, während Rindvieh nur in
befhränftem Maße auftritt u. im Sommer ge-
weidet wird. Bon technifchen Gewerben ift nur
die Brennerei u. allenfalls die Stärlefabrilation
vertreten. Der Bruttoertrag ift ein geringer, u.
fteigt der Reinertrag wol bis auf 40%, des Brutto-
ertrages. Die Feldſyſteme, melde im ertenfiven
Betriebe hauptfächlich vertreten find, find: aa) die
reine Graswirthſchaft; bb) die Hackwirthſchaft od.
Waldbrandwirthſchaft; ce) die Plaggenwirtbichaft ;
dd) die Moorbrandmirthichaft, u. ee) die Dreifch-
feldwirthſchaft; ſa u. Feldſyſteme. Den ertenfiven
Betrieb finden wir am meiſten dort, wo die Be—
völkerung gering, Arbeitskräfte u. Capital ſchwer
zu beſchaffen, wol aber große Flächen für einen
geringen Preis zu haben find.
b) Intenſiver Betrieb fucht durch viel Ar—
beit, u. Aufwendung großen Capitals einen ftets
ſteigenden u, lohnenden Ertrag zu erzielen. Futter
u. Handelsgewächſe werden viel angebaut, Drai-
nage, Tiefcultur ausgeführt u. die Drill u. Hack-
cultur Hand in Hand gehend mit der Vodenver-
befferung betrieben. Majchinen aller Art werden
angewendet. Die Wiefen find, weil ſchon der
Futterbau ftark betrieben wird, nur auf gute u.
reihlih producivende Flächen beſchränlt. Das
Wollſchaf ift durch das Fleiſchſchaf oder die Rind-
viehhaltung verdrängt, bei weich Ießterer jedoch
felten Aufzucht ftattfindet; Sommerftallfütterung
ift bier am Plage, Im intenfiven Betriebe treten
folgende Feldiyfteme auf: aa) verbeflerte Körner-
wirthichaft; bb) Fruchtwechſelwirthſchaft; ce) Baum»
feldwirthichaft; u. dd) die freie Wirthichaft. Sind
auf einem Gute fo verichiedene Bodenarten, daß in
mehreren Rotationen gewirthſchaftet werden muß,
jo findet man oft beide Syiteme auf demfelben
vereinigt. Robbe.
Betrug, I) im Allgemeinen die bemußte
Hervorbringung einer falfhen Vorſtellung od. Ber-
leitung eines Anderen zur Vornahme einer Hand«
fung, welche nur infolge der Täuſchung über die
Motive u. Erfolge unternommen wird, Der B.
kaun ftattfinden im jeder biftoriichen Darftellung,
wo abfichtlih die Wahrheit entjtellt, verduntelt,
it Unrichtigfeit vermifcht, oder durch Verheim—
chung wejentliher Momente ein faljcher Eindrud
hervorgebradht wird; geſchieht dies aus guter
Abficht, fo fpricht man von einem frommen Be,
aber auch diefer ift durchaus unfittlich; im Handel
u, Wandel, wenn das nah Dualität oder Ouan«
tität Geringere und Gchlechtere dem Befleren,
das erwartet ift, untergefhoben wird. 2) Im
Rechtsweſen, das Verbrechen einer beabfichtig-
ten (j. Dolus) rechtswidrigen u. Anderer,
zu deren Benachtheiligung durch ittheilung
falfher oder Vorenthaltung wahrer Thatfachen.
Die Frage über den begrifflihen Umfang des
Bees als eines Verbrechens ift gemeinrechtlich
—* Quellen,
blicum überhaupt erhebliche Nachtheile, Gefahren
oder Beläſtigungen herbeiführen können, bedarf es
obrigfeitliher Genehmigung, u. unterliegt der B.
derselben in fo fern der polizeilichen GControle, als
die Einhaltung der Eonceffiensbedingungen u. die
Beobachtung der allgemeinen B-svorichriften (3. B.
in Betreff der Beihäftigung jugendlicher Arbeiter,
der ſanitätspolizeilichen Einrichtungen) überwacht
wird (D. Gew.-Ordg. 88 16— 28). Im fanitäts-,
fiherheits+ u. fittenspolizeilihen Intereſſe bedürfen
gewifje Gemerbetreibeude beionderer Genehmig
ung; anderen fanı der B. ihres Gewerbes uns
terſagt werden, wenn fie die perfönlichen oder
fahlihen Erforderniffe nicht mehr erfüllen (Gew.:
Ordg. SS 29 fi... Die Berechtigung zum Ge:
werbe-B:e famı, abgejehen von Conceſſions-Ent—
ziehungen u. den gejeglich geftatieten Unterfagungen
des Gewerbe-B-e8 weder durch richterliche, noch
adıminiftrative Enticheidung entzogen werden (daj.
& 145). Bezliglich der einzelnen gejeglichen Bor-
ausjegungen des B-⸗es eines ftehenden Gewerbes,
bezw. des Gemwerbe-B-e8 im Uurberziehen, ſ. d.
Art. Gewerbemeien. B. im Forftwefen und die
zufammengefegten Wörter, wie B-sart, Besklaſſe,
B⸗snachweiſung, B-sregulirung 2c., ſ. in den Art.
Forftwirtbfchaft u. Waldertragsregelung.
Detriebscapital, das zum Betriebe eines
Geſchäftes, einer Fabrik sc. nöthige Capital, zum
Unterjdiede von dem Wulagecapital (f. d.); dient
zur Beftreitung der Probuctionsloften, wie der
‚abrifationg-Hilfsftoffe, zum Einfaufe der Roh—
ftoffe und Waaren, zur Zahlung der Löhne und
Handlungsipejen, des Verſchleißes der Fabrilka—
tionsgebäude u, Utenfilien u. ergänzt ſich wieder
durch den Berlauf der Fabrifate oder Waaren.
Den Ab» und Zugang des B-8 nennt man Um-
fa oder Umſchlag. Mangel an B. (häufig her«
beigeführt dur zu große Ausdehnung der Ge—
ſchäfte über die eigenen Mittel) veranlaßt gewöhn—
lich ſchwere Verlegenbeiten u. nicht felten den Ruin
von Fnduftrie-Etabliffements, da die Beſchaffung
fremder Gelder zu Eoftfpielig zu fein pflegt, in
kritischen Zeiten wol ganz unmöglih wird. Es
ift daher nöthig, in der Ausdehnung der Anlagen
Maß zu halten, um bezüglich des B⸗s nicht in
Verlegenheit zu gerathen. Vgl. Anlagecapital u.
Abihreibung.
Betriebsingenieur, zum Unterſchiede von
Sectionsingenieur, Eivilingenieur u, dergl., ift der
mit dev tedhnijchen Leitung und Aufficht betraute
Beamte einer Eiſenbahn oder eines induftriellen
Etabliffements.
Betriebsſyſteme, Iandwirtbichaftliche, die Art
u. Weife, die einzelnen Theile, wie Boden, Ca-
pital u. Arbeit, auf eine Reihe von Jahren zu
einem woblgefügten Ganzen zu verbinden. Ebenfo
wie die Behandlung des Grundes u. Bodens, je
nach feiner Beichaffenheit, dem Klima, den ört—
lichen Verhältniſſen, Angebot u. Nachfrage der
Bodenerzeugnifje verschieden fein fannn, wird auch
der Aufwand an Capital u. Arbeit bald größer,
bald geringer fein. Durch vorbenannte Verhält-
niſſe hervorgerufen, find denn auch im Laufe der
Zeit verſchiedene B. entftanden; zumächft find zu
unterfcheiden: ertenfiver u, intenfiver Betrieb.
a) Ertenfiver Betrieb ift ein foldher, bei eine fehr beftrittene, indem die römi
Betfaal — Betichuanen.
auf welche Hierbei zurüdzugehen if, darüber nicht
ganz Har find m. insbefondere die Fälle, in denen
der B. nur civilrechtliche Folgen nad ſich zog, u.
diejenigen, in denen er auch criminell 4*
wurde, nicht beſtimmt zu unterſcheiden ſind. Den
Grund zur Beſtrafung des B-es legte die Lex
Cornelia de falsis, eigentlih nur in Bezug auf
Teftaments- u. Münzfälihung. Allmählich wurde
der Begriff auf Urkundenfälihung und ſchwerere
Arten des B-es durch Senatusconsulta u. Consti-
tutiones ausgedehnt, u. jo findet fi) das Crimen
estraordinarium stellionatus unter dem Begriffe
von gröberen ftrafbaren Betrügereien, unter denen
man anfangs jedoh bloß Beihädigungen durch
—— Gaumerſtreiche u. erſt fpäter auch jede
edeutendere Beſchädigung, mit bejonders gefähr-
licher Schlauheit verübt, verfianden zu haben
Iheint. Die vom Stellionatus fprechenden Stellen
wurden daher in der gemeinrechtlichen Praris aus-
bilisweife fr die Fälle des Bes benutzt; zu einer
völligen Sicherheit des Begriffes und der Strafe
gelangte man jedoch mie, u. jo ift die Lehre vom
Bee nah Gemeinem Rechte vieliah anf Willfür
bafırt geblieben. Erft die neueren Strafgefet-
ebungen haben diefem Mangel abgebolfen, indem
EM feftere Begriffe u. Normen darüber aufgeftellt
haben. Das Deutihe Str.-&.-B. 8 263 beftimmt,
309
famosa und fonnte deshalb meder bei unbedeu—
tenden Schädigungen, noch gegen Reſpectsper—
fonen geltend gemacht werden. Auch war die
Actio doli nur ſubſidiär, d. b. nur für den Fall
zuläffig, wenn nicht eine andere Klage, nament-
li die gewöhnliche Contractsklage, zur Abwend⸗
ung ber Folgen des Betruges von dem Betro-
genen genügte. Das Nähere f. in dem Art. $rr-
thum. 8) B. der Sinne (Pſychol.), fo v. w.
Sinnestäufhung. Grotefenb.*
Betſaal, Saal zur Gottesverehrung fir öffent-
liche Anftalten, oder für eine in eine Yande nur
geduldete Religtonspartei, weldhe eigentliche Kirchen
nicht befitst oder nicht haben darf; vgl. Berhaus.
Betſche (Re og) Stadt im Kreiſe Meſeritz
des preuß. Regbez. Poſen, zwiſchen dem Schar-
ziger- und Klop⸗See; Aderbau; Tuchweberei;
1810 Ew.
Betſchuãnen (genauer Betſchuana, im Singu«
far Moſchuana) heißt ein mehrfach gegliedertes,
zum großen füdafritanifchen Wölfer- u, Sprach-⸗
ftamme (Bantu»Böller) geböriges Volk, welches
den ©. u. SD. des inneren SAfrifa bewohnt,
weit. von den Kaffern, etwa 16—28%j. Br. Sie
zerfallen in 23 Stämme, und zwar 11 weftliche,
unter denen die Balalahari oder Balala, u. 12
öftlihe, unter denen die Baſuto (ſ. d.) die be-
daß, wer in der Abficht, fich oder einem Dritten einen
rechtswidrigen VBermögensvortheil zu verichaffen,
das Bermögen eines Anderen dadurch beichädigt,
daß er durch Borfpiegelung falicher od. auch Ent-
ftellung oder Unterdrückung wahrer Thatſachen haben das fraufe Wollenhaar, fowie im ger
einen Irrthum erregt oder unterhält, wegen B»s| meinen den Typus der Neger. Bon Charalter
mit Gefänguiß beftraft wird, neben welchen auch |find fie heiter, mild u. harmlos; ihre häufigen
Geldſtrafe bis zu 3000 M, fowie auf Berluft der ſ Fehden nehmen ſelten einen ſehr blutigen Aus«
bürgerlihen Ehrenrechte erlaunt werden kann. |gang. Ihre Waffen find nur leichte Speere und
Mit Zuchthaus bis zu 10 Fahren u. zugleich mit|furze Schilde; deshalb u. wegen der Weichheit,
Geldftrafe von 160 bis 6000 M wird dagegen|ja jelbft Weichlichkeit ihres Charakters unterlagen
($ 265) beftraft, wer in betrügerifcher Abficht eine|fie in den Kämpfen ftets ihren kriegerifchen Nach-
gegen Feuersgefahr verfihertee Sache in Brand|barn, wie den Koranas und Kaffern. Dennoch
ftedt, oder ein Schiff, welches als foldyes oder in|zeigen die B. offenen Sinn, Liebe zur Unab—
feiner Ladung oder in feinem Frachtlohn verfichert hängigkeit u. würdiges Auftreten; an Fleiß, ſowie
ft, finfen oder firanden macht. Beſondere Arten an Geſchicklichkeit in Handarbeiten übertreffen fie
des B⸗es find: die Urkundenfälfgung und der die Kafferu. Eigentlihe Sklaverei findet nicht
Banferott (f. diefe Art... In England ift der ſtatt. Die B, treiben Viehzucht in großem Um—
Begrifi von B. (Cheat) u. Fälihung (Forgery)|fange, und mo es der Boden geftattet, wird er
fehr cafuiftifch ausgebilvet, u, es ift für jede einzelne fleißig cultivirt; einige Stämme haben ziemliche
Art defielben eine befondere Praris entjtanden. | Induſtrie, wie 3. B. Verfertigung von Kleidern
deutendften find. Die B, zeigen mit den Kaffern
ſehr nahe Verwandſchaft. ie Farbe iſt meiſt
ein reines Kaffebraun, am lichteſten bei den
Barolong; der Wuchs ſchlank u. gig fie
u
In Frankreich entjpridt das Wort Escroquerie
dem deutſchen B. u. wird (Code penal Art. 405)
in den unbenannten Fällen mit 1—5 Jahren Ge-
fängniß u. Geldftrafe geahndet; benannte Fälle find
mit theild polizeilichen, theils criminellen bejon-
deren Strafen bedroht. Bon der Literatur vgl.
bei. Lucunnis, Über das Verbrechen des Bes,
Würzb. 1820; Eicher, Lehre vom ftrafbaren Be,
Zürich 1840. Civilrechtlich gilt als B. (Dolus
malus) jede abſichtlich rechtswidrige vermögens—
rechtliche Schädigung ohne Rüdfiht auf das Mo—
tip der Schädigung und begründet nah Röm.
Rechte eine befondere (Delicts⸗)Obligation. Mit-
tels der Actio doli konnte immerbalb 2 Jahren
allerdings auf Erfa des vollen Schadens (des
vollen Intereſſe) u. nachher auf den Gewinn, den
der dolos Handelnde durch jeinen Dolus gehabt,
geflagt werden, Indeß diefe Klage war eine
aus zellen, Häuferbau, Holzichnigerei, Gewinnung,
Schmelzen u. Berarbeitung von Eiſenerz u. ſ. m.
Den B. fehlt nicht ganz der Begriff einer Gott«
heit (Morimo); Tempel, Idole, geheiligte Gegen-
fände und Prieſter fehlen faft völlig; einzelne
Stämme follen Affen, od. Schlangen, od, Kroto-
dile verehren. Menſchenopfer od. jonftige blutige
Gebräuche widerftreben dem milden Sinne der B.
Den Glauben an die übernatirlihe Wirkſamleit
der Regenmacer theilen fie mit den übrigen
Völkern SAfrikas. Beſchneidung ift allgemeine
Sitte. Chriſtliche Miſſionäre haben unter mehreren
Stämmen bereits Erfolg gehabt, namentlich unter
den öſtlichen B. Jeder Stamm hat ſein erbliches
Oberhaupt; unter ihm ſtehen die Häuptlinge der
einzelnen Ortichaften, und unter diejen wieder bie
Koft, d. i. die Reichen, welche eine Art Ariftolratie
bilden. Die Macht der Fürften ift zwar groß u.
310 Betihwa — Bett,
jeibit despotifch, wird aber durch die öffentliche] fpäter u. feßtere mur von rauen gebraucht. Die
Veriammlung der Heineren Chefs (der fogenannten Armen lagen bloß auf Fellen (Köea). Ubrigens
Piticho) jehr gemäßigt. Einige Häuptlinge der B.| dienten die Betten auch oft zum Sitzen bei der Ar—
gründeten zu Zeiten ausgedehnte Neiche, die ader| beit oder Mahlzeit; doch gab es dazu auch befon-
alle bald wieder zerfielen. Früher debnten ſich dere Ruhe-Bsen. Das B. der Nömer (Lectus
die B. füdfih bis zum Garip aus, wurden aber|cubicularius) war von dem griech. wenig unter«
hier durch Hottentotten verdrängt; von D. herjichieden, nur meift veicher ansgeftattet. Die Bett-
drangen jeit einigen Jahrzehnten die Zulu-Kaffern ftellen der Reichen waren aus Holz oder Metall,
tief in das Gebiet der B. ein, verwüfteten das mit Elfenbein, Süber, Gold, Edelfteinen ac, vers
Land u. die oft 15— 20,000 Em. zäblenden Ort-|ziert; fie waren mit Vroncefchienen (neben den
ſchaften u. bewirften eine vollftändige politiſche u. griechiſchen Gurten), Deden u. Kiffen ausgejtattet
fociale Umgeſtaltung derfeiben, Einige Stämmelund ftanden in einem beionderen Schlafzimmer
wurden bis auf flüchtige Nefte völlig vernichtet. |(Cubiculum). Federn zum Ausftopfen der Kiffen
In neuefter Zeit haben die vom Gaplande aus|fanden fon vielfah Anwendung, namentlich im
einmwandernden holländischen Boers auf dem Ge-|der fpäteren Zeit. Das B. diente auch bier oft zu
biete der B, die freien Staaten Oranje = River:
Republik un. die Transvaaliſche Republik (f. b.)
begründet, denen die öftliden B. jet unter:
worfen find, theilweife auch der britiichen Herr:
Ihaft. Die Sprade der B., das Setſchuana,
ift außerordentlich weich u. wohlllingend. Cie ge-
hört zu dem großen füdafrifanischen Sprachſtamme
u. zerfällt in verschiedene Mundarten. Gramma-
tiſch wurde fie von Caſalis (Etudes sur la lanzue
Sechuana, Paris 1841) bearbeitet; das N. T.
ward in diefelbe von Mifjionär Moffat (Lond. 1843)
übertragen. Seitdem find verichiedene religiöfe
Schriftchen u. Unterrichtsbücher gedrudt worden.
Über die B. berichten u. A.: Fichtenjtein, Thompion,
Eampbell, Alerander Harris, Meihuen, Freemanır,
Anderfon, bef. Livingſtone (Travels, Yond. 1857).
Bol. Solomon, Lectures on the native tribes
of the interior, Capftadt 1855. Henne-Am Rhon.*
Betſchwa, Nebenfluß der March in Mähren,
der oft austritt und Verheerungen anrictet;
122 km lang.
Betfonntag, fo v. w. Sonntag Rogate.
Betſtuhl, in Kirhen Stuhl mit Bank, um
darauf fnieend zu beten.
Betitunde, 1) in der Proteftantiichen Kirche
Sottesdienfte, meift an Wochentagen, die vor-
herrſchend in Gebet, Borlefen von Palmen, all-
gemeiner, auf alle menſchlichen Verhältniſſe fich
eritredender Fürbitte, oder Fürbitte aus Anlaß ber
fonderer öffentliher Noth beſtehen; 2) in der
Katholiſchen Kirche Andahrsübungen Emzelner,
die in einer Bedrängniß vor der aufgejtellten
Monftranz Gott um Hilfe bitten.
anderen Zweden, namentlih zum Studiren oder
Schreiben (Teetus Jueubratorius), ferner zum Lies
gen bei Tiſche (Trielinium) u. umgab den Tiſch
auf drei Zeiten. Diefe beiden Arten von Ben
waren bedeutend niedriger al$ der L. cubieularius,
den man mit einem Schemel befteigen mußte,
Im Mittelalter war es unter den höheren
Ständen Sitte, daß ganze Familien, mol auch
Säfte im einem Bee fchliefen; ſelbſt Könige gaben
Bajallen dadurd einen Beweis ihrer Gunft, daß
te das Yager mit ihnen theilten. In nenerer
Zeit wurde das Schlafen auf B-en, die durd
Ausftopfen von B-indelten mit Federn zubereitet
waren, im nördlichen Europa allgemein Sitte,
Sole Federbetten halten jehbr warn, da die
Federn ſchlechte Wärmeleiter find. In Frank
veih, England und ganz SEuropa, in neuerer
Zeit auch in Deutjchland ift flatt der vermeich«
ichenden und im Sommer läftigen ————
der zwedmäßigere und geſundere Gebrauch der
Matragenbetten aufgelommen, deren Grundlage
eine mit Pferdehaaren oder Seegras ausgeſtopfte
Matratze nebſt keilfürmigem Kopfliffen bildet, die
beiderjeit$ meift wieder auf einer durch Spiraf«
federn elaftiih gemachten Unterlage (Springe
federmatrage) ruhen. Zum Zudeden braucht man
durchnähte umd gefteppte Deden von Seide oder
baummwollenem Zeuge, mit Watte gefüllt, oder,
wie meift in Frankreih und England, wollene
oder baummollene breite Deden. Zur Beitwäſche
nimmt man am zwedmäßigften gröbere Leinwand,
weil fie zur Aufnahme der körperlichen Ausdünfts
ung geeigneter ift als feine; wer nicht zur Tran«
Bett, 1) Geſch. u. Bejhr.) ein nad deujipiration neigt, mag feinere Leinwand oder Seide
verfchiedenen klimatiſchen Berhältniffen verichieden|zu feinen Bettzeug benutzen laſſen.
Die Ben
conjtruirte8 Lager, welches theils zur nächtlichen | find entweder nur für eine Perfon eingerichtet
Ruhe, theils als Unterftügungsmittel der Kur im|leinfchläfriges oder einmännifhes B.), oder für
Krankheiten (j. m.) dient. Im Orient ſind 2, mit doppeltem SKopififien (zweiſchläfriges B.).
eigentliche B-en nicht bekannt, jondern man ruht Um Raum zu fparen, gibt man den B:ftellen u. a.
dort auf Matten oder Polftern, ganz oder theil-|zumeilen die Form eines Tifches (Betiich), welcher
weile befleidet. Die Ben der Griechen (Klinai)|(meift in Gefindeftuben) aus 2 durch eiferne Bän—
waren in der Homeriſchen Zeit höchſt einfach; der verbundenen Hälften befteht, oder einer Bank
fpäter beitanden fie in einer auf Pfoften od. Fil- (B.bank), oder eines Kaftens, der Tags über ums
en (Hermines) ftehenden Bettftelle (Demnion);|ter ein anderes B. gejhoben wird zc. Dergleichen
darin lag auf Gurten (Keiria) eine Matrage) Einrichtungen find jedoch zu verwerfen, da eine
(Kn£phalon), darauf weiche wollene Deden (Ta-|genügende Lüftung nit vorgenommen werden
pötes), darüber ſchöne gefärbte, loſtbare Deden|kann, Abgeſehen von dergleihen Mißbräuchen
(Rhögea); zum Zubeden bediente man ſich gro-|wird auf einen Gegeuftand, der jo tief in unjer
Ber, dichter, auch gefärbter, außerdem als Mäntel|gefammtes Leben eingreift, im Allgemeinen viel
gebrauchter Tücher (Chlainai). Kopftiffen (Pros-|zu wenig Sorgfalt verwendet. Vgl. d. Art. Schlaf.
kephälaia) u. B-tücher (Epibl&mata) wurden erft zimmer. 2) (Hygiene) Die Ben müſſen gleich
Bettag — Bettelwejen.
nah dem Aufftehen dem Luftzuge ausgeſetzt und
auch von Zeit zu Zeit an der freien Luft ge
fonnt werden. B-en, in welchen anftedende Krant-
beiten (Boden, Typhus zc.) überftanden wor—
den, müſſen mit bejonderer Sorgfalt gereinigt
und in einem Dampfapparat desinficirt werden,
da das Bozeug (bei. Federn) ſehr leicht zu Trä—
gern von Krankheitsftoffen wird. Das B. ſoll bei
Erwachſenen weder zu weich, noch zu bart, weder
zu fühl, noch zu warm fein; am zwedmäßigften
ift Roßhaarmatrage mit oder obne Federumterbett.
Je jünger ein Kind ift, defto weicher fei das B.;
ganz Meine Kinder, Neugeborene, müſſen immer
ihr eigenes B. haben u. dürfen durchaus nicht im
B. der Amme oder Mutter jchlafen, weil es leicht
vorfommt, daß die Amme das Kind im Schafe
erdrückt. Scädlic, ift die Gemohnbeit, Kinder
mit älteren Perfonen zuiammen jchlafe zu laſſen.
Die Ausdünſtung alter Perfonen u. andere Gründe
wirfen ſchwächend u. zehrend auf das Kind, In
Krankheiten dient das B. zur Herftellung einer
teihförmig über den ganzen Körper vertheilten
Zemperatur u. verhindert daher Blutanhäufungen
in inneren Organen, Während bei Bollblütigen u.
Aſthmatiſchen eine durch Kopftifien erhöhte Yager-
ung des Kopfes zwedinäßig ift, müſſen Blutleere
mit dem Kopfe tiefer liegen, damit die Einftröm-
ung des Blutes in den Kopf erleichtert wird. In
hochgradig biutleeren Zuftänden, z. B. nad Ent-
bindungen, erfolgt nicht jelten plöglicher Tod durch
ſchnelles Aufrichten aus der horizontalen in die
aufrechte Lage. Die Stellung des Bees muß jo
gewählt fein, daß das Fenſterlicht nicht in die
Augen fällt u. der Körper nit von Zugluft ges
troffen wird. 1) Schroot.“ 2) Kunze.
Bettag, 1) jo v. wm. Bußtag. 2) In der
Schweiz die jährlih bei allen Confeifionen auf
Anordnung des Staates am 3. Sonntag im Sep-
tember ftattfindende religiöfe Feier vaterländiicher
Gefinnung.
Bettelini, Pietro, ital. Kupferftecher, geb.
1763 zu Lugano, geft. zu Rom 1828; bildete fich
nah Gandolfi, Bartolozzi u. beionders nah Raf.
Morghen u. verftand es trefflih, den Geift der
Driginale und nicht minder die Farbenwirkung
wiederzugeben. Hauptwerke: Der Leichnam, Ehriftt,
nah X. del Sarto, die Madonna col Divoto, nad
Eorreggio, Die Anbetung der Hirten, nah A. van
der Werff, Die Hunmelfahrt Mariä, nah Guido
Reni, Maria mit dem jchlafenden Kinde, nad)
Rafael. Regnet.
Bettelorden, Bettelmönche (Mendicanten).
Unter diejem Namen begreift man die 5 Orden
der Franciscaner (vom Innocenz III. vorläufig
1209, von Honorius III. feierlich 1223 beftätigt), der
Dominicaner (von Honorius III. 1216 beit.),
der Karmeliter (beft. 1245 von Junocenz IV.),
der Augufliner-Eremiten (von Alerander IV.
1256 beft.), der Serviten (entftanden 1233, feit
Pius V. [1566— 72] den B. beigezählt). Ihr Ger
meinfames tft die Erwerbung des Yebensunter«
baltes durch Betteln, zur Nahahmung des armen
Lebens Jeſu u. zur Erweifung hriftliher Demuth.
Die Beranlaffung zur Entftehung der B. gab die
Idee apoftoliihen Yebens, wie fie die Waldenfer|
in ihrem Berzihte auf alle äußeren Güter undirigiten ift der Hausdettelei zu wehren.
811
finnlihen Genüffe und in ihrer einzig der Ver-
fündigung des Evangeliums gewidmeten Wirkſam—
feit aufftellten. Indem die B. diefe Idee fich zu—
eigneten, entkräfteten fie nicht nur die firchliche
Oppofition, fondern errangen fich auch jelbft eiuen
Einfluß auf das Boll, der die älteren Mönchs—
orden jehr in Schatten ftellte u. deſſen das Papft-
thum zur Wirkung auf die Maflen im eigenen
wohlermwogenen Intereſſe fich trefflich zu bedienen
wußte. Schon Innocenz III. erfannte, dag Leute,
denen die weltliche Gewalt feine Reichthümer ent-
reißen fonnte (wie den alten Orden), die unbeug«
famften Vertreter der päpftlihen Forderungen ab-
geben würden. Die B. ihrerieits benutzten die
Sunft, deren fie fih beim päpftl. Stuhl erfreuten,
za möglichft weiter Ausdehnung ihrer Privilegien
gegenüber den Biſchöfen u. der Wettgeiftlichkeit
u. verichafften fih auf diefem Wege namentlich
auch jehr einflußreihe Stellungen an den Univer—
ſitäten trot alles Widerftandes, der fih von Zeiten
der legteren erhob. Da die B. ganz auf die
Mildthätigkeit, namentlich des geringen Bolt:s, an«
gewieien waren, jo beförderten ſie vielfah den
Aberglauben, fo die Franciscaner durch Ausbierung
des Portiuncula-Ablaſſes, die Dominicaner durch
Erfindung des Roſenkranzes, alle dadurch, daß fie
Denen, welche fi) fterbend noch im ihre Mönchs—
tracht einlleiden ließen, befondere Anwartſchaft auf
die Seligfeit in Ausficht ftellten. Weiblihe B.
find die Glariffinnen, die 1224 von Franciscus ihre
Hegel erhielten, die Serritinnen (Mantellaten,
Schwarze Schwejtern, entitanden um 1270). Löffler.
Betteljdywarm (Hungerihmwarm), |. u. Bie—
nenzucht.
Bettelweſen. Selten iſt dringendes Bedürf—
niß des Nöthigſten, ſondern gewöhnlich Luſt zum
Müßiggang u. Neigung, ſich Gegenſtände des
Genuſſes ohne Arbeiten zu erwerben, die Urſache
der Bettelei, wie denn die ärmſten Gegenden
Europas, Schweden u. Norwegen, die wenigſten,
u. die reichſten, Italien u. Brabant, die meiſten
Bettler zählen. Bettelei iſt aber eine Laſt für die
übrigen Staatsbürger, ohne den Bettelnden dau—
ernde Vortheile zu ſchaffen. Wenigſtens iſt daher
öffentliches u. Straßenbetteln unbedingt
abzuſchaffen, da fie in hohem Grade demoralift«
rend wirken, für die wirklich Bedürftigen aber ift
durch Armenpflege (vgl. Armenmwejen) zu forgen.
Dem Bettel zu jteuern, fann die Bevölterung die
Behörde wejentlih unterftiten, einmal, indem fie
ſich nicht Durch falſches Mitleid beitimmen läßt u.
den Bettler abweiſt, u. dann, indem fie Arınen-
vereine gründet, welche die Mitglieder verpflichtet,
feinem Bettler eine Gabe zu reichen, wirklich er—
werbsunfähige Arme aber aus der Bereinsfaffe
zu unterftügen. Durch ſolche Vereine ift ſchon in
manchen Gegenden NDeutichlands weſentlich die—
ſem Übel abgeholfen worden; ebenſo haben auch die
beſtehenden Handwerkerlaſſen neben der Einführung
der Gewerbefreiheit ı. Aufhebung des Wander-
ungszwanges dem Betteln wandernder Handwer—
fer erheblich gefteuert. Im Ubrigen thut aber
auch diefem Übel gegemüber ein gründticher Volls—
unterricgt, eine rationelle Armenpflege u. eine
wachſame Polizei unerläßlich Noth. Am ſchwie—
Sie
312 Bettenhaufen — Bettung.
collidirt zu jehr mit der jedem Staatsbürger über-
laffenen Mildthätigkeit, nimmt zu oft den Vor—
wand von Ausipielen, Anleihen, Naufanträgen ꝛc.
vor, al$ daß es möglich wäre, ihr ganz zu fteuern.
Bei. gilt Dies von den vornebmen Bettlern
u. Hochſtaplern, die häufig die Welt durchziehen
u. jo unter den liſtigſten u. feltiamiten Vorwänden,
durch Tournure u. fedes Weſen umterftiitt, felbit
dem Klügften u. Zäheſten das Geld zu entloden
u. jelbjt der beiten Volizei fich zu entwinden wuß—
ten u. noch milien. Das D. Str.-G. befiraft
Diejenigen, welche betteln, oder Kinder zum Bet:
teln anleiten oder ausichiden, oder Perſonen,
welche ihrer Gewalt u. Aufficht untergeben find
u. zu ihrer Hausgenoſſenſchaft gehören, vom Bet-
teln abzubalten unterlafien, mut Haft bis zu 6
Wochen; auch können fie zu Arbeiten, welche ihren
Fähigleiten u. Berhältniſſen angemefjen find,
innerhalb u., fofern fie von anderen, feineren
Arbeitern getrennt gehalten werden, auch außerhalb
der Strafanftalt angehalten werden. Iſt aber der
Berurtbeilte in den legten 3 Jahren wegen diejer
bertretung mehrmals rechtsfräftig verurtbeilt,
oder bat er unter Drohungen oder mit Waffen
gebettelt, jo kann bei der Berurtheilung zugleich
auf Überweifung an die Yandespolizeibehörde nach
verbüßter Strafe erfannt u. von Ddiejer der Ber:
urtheilte entweder bis zu 2 Fahren in ein Arbeits-
haus untergebracht, oder zu gemeinnügigen Arbei-
ten verwendet werden. Iſt mit der Bettelei Betrug
od, eine jonftige ftrafbare Handlung verbunden gewe-
jen, jo fommen auch die darauf bezüglichen Straf-
androhungen zur Anwendung. Das Betteln war
im ganzen Alterthum etwas Ehrenrühriges. Die
Hebräer, da bei ihnen durch Arbeitiamfeit Feder
jeinen Unterhalt verdienen fonnte, jaben das Bet-
teln für eine Folge der Faulheit u. Yiederlichkeit,
alfo für eine Schande an. Doch war das Ber-
teln kranken, arbeitsunfäbigen Yeuten nicht ver
boten, u. ſolche pflegten jih an beiuchte Straßen
u, Orte, bei, an den Haupteingang in den Tem:
pel, zu jeßen u. um ein Almofen zu bitten. Daher
fam es auch, daß im dem Älteften chriftlichen Kir—
hen die Bettler in den bededten Säulengängen
vor der Kirche ftanden u. dort um Gaben baten,
wie noch im jeßiger Zeit die Nähe von Kirchen u.
vielbejuchten Wallfahrtsorten ein bejonders belieb—
ter Aufenthalt der Bettler zu fein pflegt. Im
griehiihen Alterthum waren Bettler nichts
Ungewöhnliches; fie waren Freie, die durch den
Wechjel des Glüdes heruntergekommen waren u.
den leichten Erwerb des Bettelns dem durch Arbeit
vorzogen; fie bettelten nicht allein in ihrer Ge-
meinde, fondern ftreiften als Yandbettler unher
u. wurden micht felten zugleich als Spione ge-
braucht, da fie nicht bloß in Bauernbäufern, fon»
dern auch im Häuptlingspaläften ihre Mabizeit
erhielten; ihr Platz war bier auf der Schwelle
der Thür. Der ins Sprüchwort übergegangene
Bettler bei Homeros ift Fros (f. d.). Auch ganze
Bettlerfamilien zogen ſchon in alter Zeit umber.
Wie die Fremden, ftanden auch die Bettler unter
dem Schutze des Zeus Hiletefios. In Athen
war in der guten Zeit (bis zum Peloponneſiſchen
Kriege) Keiner fo arın, daß er den Staat durch
Betteln beſchämte, jpäter aber zogen aud bier
Bettler aus u. ein. In Rom gab es ein eigent-
liches B. nicht, da mach einem ftrengen Geſetze
Bettler zur Unfreibeit verurtbeilt wurden. Aber
in der erjten Kaiferzeit trieb ausmärtiges, bei.
orientaliiches Gefindel namentlich als Geiſterſeher,
Wahrjager u. dgl. nach Art der Zigeuner durd)
ganz Italien eine unverichänte Bettlerprofeijion,
weshalb aud) fpäter gejetslich beftimmt ward, daß
gejunde Bettler aufgegriffen u. zur Arbeit ange
halten werden follten. Im Mittelalter trugen
die allzu weit gehenden Anfichten über chriftliche
Mildthätigkeit (dann die Politit der Päpfte, ſ.
Bettelorden), die Entjtehung eigener Bettelorden
(f. Bettelmönde) u. die vielen Kriege, welche eine
Menge Arme erzeugten, jpäter aud das Söldner-
wejen, aus weldem nad Beendigung der Kriege
immer eine große Anzahl umherſchweifenden dienft-
fofen Geſindels (gardende oder fahrende Kriegs»
fuechte) hervorging, u. die Ankunft der wandern»
den Zigeumer viel zur Vermehrung des B⸗s bei.
Einzelne Reichsgeſetze, wie der Reichsabſchied von
1512, Yandfrieden von 1551, Reichspolizeiordnuug
von 1577, fuchten vergeblid dagegen zu wirlen.
Bettenhaufen, Dorf im preuß. Regbez. u.
Kreiſe Kaſſel, an der Loſſe; Yandfranfenhaus;
Kattundruderei, Eifen- u. Kupferhammer, Mej-
fingbütte; Vergnügungsort der Kajjeler (das Fiſch-
haus); 1450 Ew.
Betti, 1) jo v. mw. Pinturichio (Bernhard).
2) Salvatore, ital. Gelehrter, geb. 1792 zu
Rom; trat in intime Beziehungen zu den literas
riichen Berühmtheiten aus dem Anfange des Jahrh.
u, redigirte jeit 1820 das Giornale Arcadico.
Später wurde er Genfor u. 1858 Präſident der
Alademie für Alterthumskunde; Pius IX. ernannte
ihn zum Staatsratbe, u. ift er noch jebt deſſen
Anhänger. Sein Hauptwerk ift: L’illustre Italia,
dialoghi, Nom 1841—43, 2 Bde,
Bettina, Abkürzung für Eltfabeth; Pjeudonym
für Elifabeth von Arnim, ſ. Arnim 3).
Bettinelli, Saverio, ital. Schriftfteller, geb.
18. Juli 1718 in Dantua, Jeſuit; war 173944
Lehrer der Aſthetik in Brescia, 1751 —55 Director
des adeligen Collegiums in Parma, madte dann
Reifen, lebte jeit 1759 in Berona u. jeit 1773 in
Mantua, wo er 13. Dec. 1808 ſtarb. Er ſchr.:
Dialoglhi d’amore; Risorgimento negli studj ete,,
Bajjano 1775, 2Bde.; Dell’entüsiasmo nelle belle
arti, Mail. 1769, 2 Bde., deutich von Werthes, Berl.
1778; Lettere dieci di Virgilio agli Arcadi; Poe-
metti, Versi sciolti,Sonetti, Canzoni, Epigrammi
Trauerjpiele (Jonathan), gefammelt als Poeſie,
3 Be. Gejammelte Werte, Ben. 1801, 24 Bde,
Lebensbeichreibung von Napione, Tur. 1819.
Bettlerthaler, Thaler mit dem St. Martin,
der ein Stüd von feinem Mantel abichneider, um
es einem Bettler zu geben; vom Grafen Philipp
v. Horn (ft. 1568), Grafen Günther v. Schwarz«
burg 1606 u. 1608, von Mainz 1568, Schwyz
1653, Lucca 1600 bis 1750, Uri, Schwyz u.
Unterwalden 1548 bis 1550 u. als Viertelthaler
der Stadt Kolmar 1499 geprägt.
Bettitroh unjerer Lieben frauen ijt Ga-
lium verum L.
Bettung, Unterlage für Feſtungs- u. Bela-
gerungsgejhüge, um denjelben einen feſten, gleich-
pe:
— — — —— —h —— —
Bettivanze — Betula.
mäßigen Stand zu geben u. die Bedienung zu
erleichtern. Eine Bettung befteht aus 3—5 in die
Erde eingegrabenen Kreuzbölzern (Bertungsrippen),
auf welche querüber Bettungsbohlen mittels der
Battertenägel aufgenagelt werben. Cine ſolche
Unterlage beißt auch ganze B.; eine Noth-B.
dagegen bejteht nur aus 3 unter dem Rädern
u. dem Yaffettenfhwanze eingegrabenen Bohlen.
Das Herftellen einer B. nennt man ®, ftreden.
Dettwanze (Acanthia lectularia Fabr.), Art
der Hautwanzen, mit flah gebrüdtem Leibe,
viergkiederigen, an der Spige meift gefmöpften
Fühlern u. eimer Kteblrinne, im welche der drei—
gliederige, fchnabelartige Stechrüſſel gelegt werden
fann; die Fühler find borftenförmig, fein behaart;
Flügel fehlen. Durch ihr Blutfaugen wird fie dem
ichlafenden Menjchen (auch Tauben, Schwalben,
Fledermäufen) äußerft beſchwerlich. Sie flieht das
Licht, ift Schwer zu vertreiben, da fieindenverborgen-
ften Schlupfmwinfel ihren zufammengedrüdten Körper
verftedt, auch ihre Eier überall hin verbirgt; iſt
am lebhaftejten in der wärmjten Jahreszeit, ftirbt
auch im fälteften Winter u. bei längerem Fajten
nicht, wol aber von fcharfen u. beigenden Dingen
(Betroleum, perfisches Jnfectenpulver, Terpentinöl
2c.); wird am ficherften durch Ausbrüben der
Betrftellen mit heißem Waffer, ſowie durch neues,
forgfältiges Verputzen der Zimmer, bei. aber
durch firengfte Reinlichfeit u. durch Yüftung ver-
trieben. Die Wanze war ſchon den alten Römern
u. Griechen befammt. Dan vermuthet, daß fie aus
Dftindien ftamme. Jetzt ift fie faft auf der
ganzen Erde verbreitet. Thome.*
Bettziech, ſ. Beta.
Betula Tourn. (Birke), A. Pflanzengatt. aus der
Familie der Betulaceen (XRX. 2), Waldbäume u.
Sträucher der gemäßigten u. falten nördlichen
Zone, einhäufig; männliche Blüthen, je 3 in einem
Zrugdöldchen mit ſchildförmigem Tragblatte, welche
berabhängende Kägchen bilden; Perigon 4blätterig,
das vordere Perigonblatt viel größer, die hinteren öfter
verfümmernd; Staubblätter 2, bisweilen 3, bis
zum Grunde 2theilig, daher fcheinbar 4 oder 6;
weibl. Trugdöldchen 3-, feltener 2blüthig; die 2
Vorblätter der Mittelblüthe mit dem Tragblatte
zu einer Blappigen Schuppe verwachjend, welche an
der Frucht häutig bleibt u. mit dieſer abfällt;
Frucht: eine geflügelte einfamige Nuß. Arten:
Die Betula alba 5A umfaßt 2 Arten: 1) Weiß»
birte (B. verrucosa Ehrh.), mit fahlen Zwei-
gen, 3edig-rhombifchen Blättern mit nicht abge-
rundeten Seiteneden u. ‚Früchten, bei denen die
Flügel doppelt jo breit find als die Nuß; ältere
Bäume haben meist hängende Zweige (Trauer- oder
Hängebirfe). 2) Haar» oder Ruchbirke, (B. pu-
bescens Ehrh., B. odorata Bechst.), ausgezeichnet
durch Bebaarung der jungen Zweige u. Blätter,
welche eiförmig oder rhombiſch-eiförmig u. an
den Seiteneden abgerundet find; Flügel der Früchte
jo breit al$ die Nuß. Beide Arten im Deutich-
land, erftere häufiger, lettere feltener, in Brü—
hen und Mooren aber, meift ftranchartig, ſehr
verbreitet. Beide Arten erwachſen zu hochſtämmi—
en Bäumen mit weißer Rinde, während eine
bart der letteren, die Schwarzbirfe (B. pu-
‚Ihlagfäbigfeit der Stüchke.
bescens var. nigra) aucd im Alter dunkle Rinde
313
Bon beiden find offictnell Folia et cortex
Betulae. Ablochungen der Blätter dienen Äußer-
ih gegen Flechten u. Kräge, Aus dem füßen,
im Frübjahre aus Verwundungen des Stammes
ausfließenden Safte wird ftellenmweife fogenannter
Birtenwein (Birlenwaffer, Birkenjatt), dem
Champagner ähnlich ſchmeckend, bereitet. Die
Rinde dient zum Gerben, Gelb» und Braun
färben, ſowie zur ger von Tabatsdoſen.
Aus dem Holze wird in Rußland Birlenöl, Bir-
fentheer, Birfentampber, jhmwarzer Dschesrget,
Oleum betulinum s. Olenm Rusei durch Deitils
lation gewonnen. DerBirfentheer iſt eine braun—
Shwarze, ziemlich dide, eigenthümlich riechende
zlüffigkeit; er wird zur Bereitung des Juchten—
leders, dejien befannter Geruch von ihm berrübrt,
jowie als Wagenſchmiere gebraudt. Die Blätter
enthalten ein gelbliches, dünnflüffiges baljamijch rie⸗
chendes ätheriiches DI. Im hohen Norden, wo die
Birke bis an die Baumgrenze (70— 71?) noch ange-
troffen wird, dient die Rinde allgemein zum Dach—
deden, zur Anfertigung von Kähnen zc. Die übrigen
europäiichen Arten bilden nur Sträucher, die meift
auf dem Zorfboden der Alpen u. im hoben Nor«
den heimiſch find. Hierher gehören: 3) Die Alpen—
birte (B, intermedias Thomas), meift nit mehr
als manneshoch, zwiichen dem beiden erftgenanne«
ten Arten ftehend, mit unterjeits negaderigen, rund-
lichen Blättern u. geftielten Fruchtkätzchen; der Stiel
jo lang od. länger als diefe. 4) Die Straudbirfe,
(B. frutieosa Pall., B. humilis Schrank), mit
aufrechten, kurzgeftielten weiblichen Kätzchen, ein nied»
riger, 0,,—2 m bober, aud in NDeutichland vor«
fommender Straud. 5) Die Zwergbirte (B.
nana L.), friechend, nicht iiber O,, m body, aber
mit bis 3 m langen, am Boden liegenden Zweigen
u, Heinen runden Blättern; am Fuße der Alpen, in
Deutihland, Skandinavien, Sibirien u, Canada,
In NAmerita heimisch, bei uns bier u. da in Baum»
anlagen angepflanzt find die Bappelbirfe (B.
populifolia Ait.), die hohe Birke (B. excelsa
Art.) und die zähe Birke (B. lenta L.).
B. Forftlihe Bedeutung haben bei uns die
beiden erftgenannten Arten, insbejondere die Weiß-
birfe, die in der Ebene u. bis zu etwa 500 m
Meereshöhe auf leichtem, loderem, jelbft magerem
Boden gedeiht; während die Haarbirke einen mehr
feuchten, bindenden Boden vorzieht, im Gebirge
höher anfteigt u. ihren Hauptverbreitungsbezirf im
hoben Norden (Rußland u, Skandinavien bis zum
NEap) befitt, wo fie ausgedehnte Wälder bildet.
Bei uns eignet fi die Birke zur Anzucht im
reinen Hochwaldbeſtande nicht, weil fie wegen
ihres großen Lichtbedürfniſſes den Boden zu wenig
ſchützt u. beffert; ganz wohl dagegen zur Ein-
michung im Buchenhochwalde, wo fie bis zum
50. oder 60, Jahre — jelten jpäter — werth—
volle Bornubungen liefert; ferner als Oberholz
im Nieders u. Mittelwalde, der ihre lichte Bejchatt-
ung leicht erträgt, während ihr weit fliegender
Samen zur Beitefung der Blößen beihilft; endlich
zum Borbau auf Blößen, um andere, jchatten-
bedürftige Hölzer unter ihrem Schute nadzu-
ziehen. Als Unterholz im Nieder- u. Dlittelmalde
taugt die Birfe weniger wegen der geringen Aus-
Natürliche Berjüng-
behält.
314 betulaceae — Beudant.
ung durch Anflug findet überall da leicht hatt,
wo der Eamen einen wunden Boden vorfindet;
fie fann mithin durch oberflächliche Bodenbearbeit-
ung unterftütst werden. Letstere gemügt auch zur
Anjaat aus der Hand; der im Juli reifende Sa-
men — der immer febr viel taube Körner enthält
— wird imHerbſte oder zeitig im Frühjahre aus-
geſäet. Auch die Pflanzung, mit u. ohne Ballen,
geht leicht von Statten; Schaft u. Wurzeln ſind
dabei möglichſt wenig zu beſchneiden. Das Bir—
kenholz iſt röthlich- oder gelb-weiß, weich, aber
zäbe, ichwerjpaltig u. wenig biegſam. As Nutz-
hol; ift es von früher Jugend an zu den ver
ichiedenften Zweden verwendbar: als Beſenreiſig,
zu Bind- u. Floßwieden, Reif u. Wagenftangen;
ftärfere Stüde werden, da es fih gut polirt, zur
Möbelfabrifation u. fonft vielfach vom Schreiner
u. Wagner verwendet; Maſerholz, das häufiq
vorfommt, dient zu Schnitz- u. Drechslerwaaren.
Es brennt raſch u, mit lebbafter Flamme u. jtebt
an Heizfraft dem Buchenholze nur um ca. 10 bis
15 ®, nad. A. Engler. B. Wimmenauer L.
Betulaceae (Birkengewähfe), Pilanzenfamilie
aus der Klaffe der Kätschenblüthler (Juliflorae),
Bäume u. Sträucher, mit zerftreuten, nicht ge-
gliederten Aften, abwechſelnden, einfachen, fieder-
uervigen, gezähnten oder gejägten Blättern; Blü-
then einhäufig, ohne Blumenblätter, zu 2 oder 3
in Trugdöldchen, welche Scheinähren oder Küß-
hen bilden u. in den Adfeln jchuppenartiger
Tragblätter ftehen; ‚männliche Blüthe mit 4thei-
ligem oder fehlendem Perigon; Staubblätter 2—4,
vor den Abjchnitten des Perigons ftehend, meift
geipalten; weibliche Blüthe mit deutlihem oder
faft verſchwindendem Saume des Perigons; Frucht
fnoten 2fächerig, jedes Fach mit 1 Samenknoipe;
2 fadenförmige, purpurfarbene Narben; Frucht:
eine einfamige Nuß; Samen ohne Eiweiß. Gat-
tungen: Corylus Tourn., Carpinus Tourn., Östrya
Mıich., Betula Tourn., Alnus Tourn, Gngler.”
Betulejns (Berulius), Zyftus, eigentlich Sir-
ins Birk, geb. 21. Febr. 1500 zu Augsburg;
ftudirte feit 1520 in Erfurt, Tübingen u. Bajel,
wurde 1530 Rector in Bajel, 1536 Rector der
Schule zu St. Anna u. Stadtbibliorhefar in Augs-
burg; er ft. hier 19. Juni 1554. Er fr. u. a.:
Symphonia etc. (Concordanz 3. N. T.), Baſel
1546; Dramata sacra (Judith, Sufanne u. Jo—
jepb), Baſel 1547.
Betulin, Birtenfampber, ein in der Oberbaut
der Birfenrinde vorlommender u, daraus beim
Erbisen efflorejcirender indifferenter Pflanzenftoff.
Aus der mit Waſſer ausgelochten Rinde läßt fich
das B, mit kochendem Alkohol ausziehen u. jet
fih beim Erfalten ab, wonach es aus Ather um—
fipitallifirt, leichte weiße Kryitallwarzen u. Flocken
bildet; dieſelben find geruch- u. geichmadlos,
ichmelzen gegen 200° u. laffen ſich im Luftftrome
fublimiren. Das 2. ift in Waffer unlöstih, löſt
fih in kochendem Allohol leichter als in kalten,
ſowie in Ather, Terpentinöl u. Alfalien. An der
Luft verbrennt e8 mit weißer Flamme, Elören.
Betulius, Siegmund B., jo v. w. Birken.
Betũwe (Berer Yand), Landichaft der niederl.
Trov. Gelderland, zwiihen den Rheinarmen Waat
u. Led; 270 [km (5 [IM) groß; befigt einen!
fruchtbaren Alluvialboden ; reich an römiſchen u.
fettiichen Gräbern. B. gebörte im Anfang unſerer
Zeitrechnung zur Insula Batavorum. Van hält
es für den Wohnfig der von riefen, Franken u.
anderen Stämmen gedrängten, bierher zurüdge-
flüchteten Bataver.
Betwoche (Hebdomas rogationis), Woche
zwifchen Nogate u. Eraubi.
Bes, Franz, berühmter Baritonift, geb. 19.
März 1835 zu Mainz; beiuchte dajelbft das Gym⸗
naſium 6 Jahre, Sodann von Dftern 1851 bis
zum Herbſte 1855 die Polgtehniihe Schule zu
Karlsruhe. Der gefanglihe Unterricht, den er
an letsterem Orte durch Coſ. Haufer erhielt, war
der einzige, der einen merflih günftigen Einfluß.
auf ihm ausübte, während er ſich im Uebrigen
baupriächlich felbit zu dem gemacht bat, als der
er beute mit Hecht bewundert wird. Am 16. Dec.
1855 debütirte B. als Heerrufer in der erjten
Yohengrin- Aufführung zu Hannover, blieb, erft
als Rolontär, dann definitiv angeftellt, bis 1857
am daſigen Hojtheater u. jpielte im folgenden
Jahre unter der Direction Bensberg auf den
Bühnen von Bernburg, Köthen, Altenburg, Gera,
1858—59 unter der Behrs in Roftod. Im Mai
1859 gaftirte er als Wolfram von Eſchenbach
(Tannhäuſer) am Kgl. Opernbaufe zu Berlin,
wurde hierauf engagirt n. gehört ſeitdem zu den
eriten Bierden u. Trägern dieſes Knnſtinſtituts.
1874 wurde B.das Prädicat: Kal. preuß. Namınere
jänger, bereits vorher der Großh. Heil. Bhilipps-
orden I. KL. u. die goldene Medaille f. K. u. W.
verliehen. Seit 1863 bat er bis 1874 faft jedes
Jahr Saftjpielreifen unternommen, fo nad) Deifau,
Aachen, Mainz, Yeipzig, Niga, Mannheim, Karls-
ruhe, Baden, Prag, Darınftadt, Bremen, Ham
burg, Stettin, Wien u. Münden, wo es ibm
vergönnt war (1868) zum eriten Malden Wagnere
ihen Hans Sachs aut der Bühne zu verkörpern.
Die Ausgiebigfeit u. vollftändige Beherrſchung der
Ztimme haben fait alle erjten Barıtonpartien zu
B-8 Meifterrolfen gemacht. 1860 verheirathete er
fih mit Anna Düringer. Kirichner.
Besenjtein, Stadı im Bezirksamte Begnits des
bayerischen Regbez. Ober- zranten; Schloß; Hopfene
bau; 672 Em,
Besingen, Pfarrdorf im Oberamte Reutlingen
des mürttembergiihen Schwarzwaldkreifes, an
der Echatz; von Künftlern wegen der maleriichen
Volkstracht viel befjucht; 1582 Em.
Beudant, François Sulpice, geb. 5. Sept.
1787 zu Paris; war als vieljeitiger Gelehrter u.
Yehrer in jehr verichiedenen Wiffenszweigen thätig,
beionders als Mineralog ausgezeichnet. 1811 wurde
er Brofeflor der Mathematik am Lyceum in Avig-
non, 1813 Vrofeſſor der Phyſik am College zu
Marjeille, 1815 Unterdirector der Wlineralien«-
ſammlung Yubwigs XVIIL; von nun an wandte
er ſich ipeciell der Diineralogie zu. Seine 1818 auf
Koften der Regierung unternemmene mineralogiiche
Forſchungsreiſe in Ungarn berichrieb er in: Voyage
mineralogique et geologique en Hongrie, Paris
1822, 3 Bde, 4°, nebit Atlas. Noch durdichla-
gender war fein Traite elömentaire de minera-
logie, Paris 1814, Das auch in verichiedenen
deutjchen Überfegungen erichien. Aus diejem Werte,
315
das 1830 in 2. Aufl. erſchien, entmwidelte fichlein Helligfeitsmarimum u. gebt beiderfeits im die
Ipäter fein Cours el&mentaire de mineralogie et|dunflen Streifen allmäblich über, Die B-sjpectra
e geologie, Paris 1841, 12. Aufl., 1868, welches] find um fo breiter, je ſchmäler der Spalt iſt; fer«
Werk ebenfalld in deutſcher Überfegung (Stuttg.|ner ift ihre Breite für die verichiedenen Farben
1858) erſchien. Seinen Specialforfhungen unter- |nach ihrer Neihenfolge im Spectrum verſchieden:
warf B. bejonders den Zufammenhang zwifchen)bei rothem Lichte find fie am breiteften, bei vio-
Kryftallifation u. chemischer Zufammenfegung, das|lettem am ſchmälſten. ig. 1 zeigt die durch
Hortleben von Seemollusten in füßem Waſſer, einen u. demielben Spalt berporgerufenen Bser—
Beuggen — Beugung des Lichtes.
das fpec. Gewicht u. die chem. Analyje der Mine
ralien. Seit 1824 Mitglied der Parifer Alademie,
feit 1840 General-Inipector der Pariſer Univer⸗
fität, ftarb der verdiente Gelehrte 10. Dec. 1850.
Denggen, Piarrdorf im Amtsbezirle Sädin-
gen bes
vu. an der Bahn Konſtanz-Baſel; ſonſt Deutid
Drdenscomtburei, jetzt Erziehungsanitalt für ver
wahrloſte Kinder.
Dengung, uriprünglich jede Einwirkung, welche
ein Biegen oder Sichbiegen zur Folge hat;
insbe. 1) (Anat., Biegung) Gegenſatz der
Stredung, Musteiwirkung, durd die ein Glied» |
abſchnitt, der mit einem anderen in freier Gelent
verbindung fteht, aus der geraden Richtung im
eine Binkelftellung gebracht wird; die Seite, nad)
welcher die B. ftattfindet, heißt die Beuge—
ſeite, die Muskeln, welche dieſelben bewirken,
Beugemusteln (Beuger); ihre die B. aufhe—
benden Antagoniften: Stredmusteln ; die Sehne,
durch welche ein Beugemustel fih an den Knochen
anbeftet, Beugejehne; B. des Dickdarmes
(Flexura coli), j. Dickdarm; ebenjo machen der
Zwölffingerdarm u. einzelne Arterien Bsen, fo dic
B. der inneren Garotis, ſ. Gehirnarterien. 2)
(Srammatif). S. lerion. 8) B. des Nedtes
(verletste Richterpflicht, Syndicatsverbreden, Cri-
men Kg erfolgt, wenn der Nichter in einer
ftreitigen Rechtsſache durch Nichtausübung (Justi-
tia denegata vel protracta), oder gejegwibrige
Ausübung feines Amtes (in irgend einer Amts
handlung), ohne beabfichtigten Geldgewinn (mad
dem Geſetze wegen Bitte, Freundſchaft, Feindſchaft,
oder dergl., etwa um fi Gemwaltbabern zu em-
piehlen), aber abfichtlich eine Ungerechtigkeit —
Die Strafe für dieſes Vergehen tritt nach Maß
gabe der Mittel u. Beweggriude, der Größe des
unerjegten Schadens ein (bis zu 5 Fahren Zuchthaus).
Bengung (Diffraction, Inflerion) des Lichtes,
die Ablenfung, welche die Lichtftrahlen beim Vor—
übergange am Rande eines undurdfichtigen Kör-
pers au wg Läßt man ein fchmales Bündel
einfarbiger Lichtftrahlen durch einen ſchmalen Spalt
auf einen Hinter demfelben u. demjelben parallel
aufgeftellten Schirm fallen, fo erblidt man aui
dem Schirme in der Richtung der Strahlen
ein helles Bild des Spaltes, welches aber breiter
ift, als diefer; neben demſelben liegen beiderfeits,
durch dunfle Streifen getrennt, belle Streifen von
der halben Breite des mittleren, deren Helligkeit
aber mit der Entfernung von dieſem jehr raſch
abnimmt. Das directe Bild, ſowie diefe Streifen,
welche B-8« od. Diffractionsfpectra heißen,
Er bei einfarbigem Lichte felbftverftändlich eben-
alls einfarbig; dieſelben find nicht, mie dies in
der uutenftehenden Fig. 1 der Einfachheit halber
dargeftellt ift, gegen die dunklen Streifen fcharf
adiſchen Kreiſes Waldshut, am Rhein
ſcheinungen für rothes, grünes u. violettes Licht.
a
Fig. 1.
Diejelbe Erſcheinung fieht man, wenn man durch
einen ummittelbar vors Nuge gehaltenen jehr feinen
Spalt nach einer feinen Lichtlinie hinſieht (mo die
Besſpectra erft auf Der Nephaut erzeugt werden),
ſowie wenn man den Spalt unmittelbar vor das
Objeetiv eines Fernrohres bringt u. durch diejes
nach der Lichtlinle hinſieht. Als Lichtlinie benutzt
man z. B. das Bild, welches jeder von der Sonne
beſchienene undurchſichtige u. glänzende Cylinder,
z. B. ein inwendig geſchwärztes Glasröhrchen liefert;
dag Licht läßt man, um es einfarbig (homogen) zu
machen, durch ein möglichſt — d. h. nur Licht
von einer beſümmten Farbe (Brechbarkeit) hindurch—
laſſendes Glas, gehen;
den Spalt ſtellt man am
beſten dadurch her, daß
man in ein Stanniolblätt⸗
chen mit einem feinen
Meſſer einen Einſchnitt
macht. Benutzt man an—
ſttatt des Spaltes eine
Meine freisjörmige Oeff—⸗
mung, jo erhält man das
dur Fig. 2 dargeftellte
B⸗sbild, beftehend aus
einem hellen Flede, der
von mehreren nach außen
bin an Helligkeit abneh-
menden Wingen unıgeben
Fig . 2.
iſt. Fig. 3 zeigt die B⸗serſcheinung, welche man
durch eine parallelogrammförmige Offuung, wie
fie bei o dargeftellt ıft, wahrnimmt. Durch eine
dreiedige nung fieht man einen jechsedigen
Stern. Im Schatten ſchmaler Körper beobachtet
man ähnliche Streifen, wie die durch einen feinen
Spalt hervorgebracdhten. Aus diefen Erſcheinungen
erfennt man, daß das Licht fich hinter der feinen
Öffnung ausbreitet, daß alfo die an den Rändern
vorbeigegangenen Lichtſtrahlen theilweife eine Ab-
abgegrenzt, jondern jeder hat wieder in der Mitte lentung aus ihrer urſprünglichen Richtung erfahren,
316
fih alfo in den Schattenraum binein verbreiten
(beugen),
ig. 3.
Die richtige Erklärung der von Grimaldi
(Physico-Mathesis de lumine ete., Bologna 1665)
entdedien Erſcheinungen u. namentlich des anfangs
unerflärlichen Auftretens der Dunklen Streifen,
welche beweiſen, daß „Licht mit Licht zufammen
Dunkelheit erzeugen lann“, verdanfen wir dem Eng-
länder Thomas Moung (On the theory oflight
- and colours, Lond. 1802); die erften ausführlichen
eg iiber diejelben wurden von Fresnel
(Mem. sur la diffraetion de la lumiere in den
Mem. de l’Acad., Par. 1826) ausgeführt. Die
vollftändige Erflärung der B⸗serſcheinungen, welche
fi anf die Undulations« od. Wellentbeorie
des Fichtes ftütst, bier zu entwideln, wilrde uns zu
weit führen. Wir beſchränken uns daher auf Fol—
gended. Das den Epalt ab, Fig. 4, treffende
ef?
Fig. 4.
Strahlenbündel gebt hinter demſelben nicht nur in
feiner anfänglichen Richtung nach cd hin fort, ſon—
dern die Wellenbewegung des Athers (in welcher
eben das Licht nad) der Undulationstbeorie befteht)
theilt fih von dem Spalte aus (ähnlich, als wenn
diefer felbft leuchtend wäre) auch dem im geome-
triſchen Schattenraume zu beiden Seiten des Bün—
deis abed befindlichen Ather mit, jo daß unzählig
viele ihräge Strablenbiündel, wie abfg, entjtehen,
die den Schirm hi zu beiden Seiten von od
treffen. Die Schwingungen der Athertheilden er-
folgen rechtwinfelig zur fFortpflanzungsrichtung des |ftehen vielfarbige Spectra.
Beugung des Lichtes,
immer gleichzeitig in demfelben Schwingungs-
ſtadium find, alfo alle z. B. gleichzeitig nad) tet
u. dann wieder alle gleichzeitig nad) linls fich bes
wegen, fo find die in der Linie kg befindlichen
Arhertheilhen im Allgemeinen gleichzeitig in der»
Ihredenen Schwingungsftadien, einige fireben
3. B. nad) reits, andere gteichzeitig nach lints;
u, in gewiffen von abed aus nad) beiden Seiten
in gleihen Winfelabftänden vertheilten Strahlen»
bindeln tritt, wie die Theorie als nothwendig er»
gibt, der Fall ein, daß in jedem Querſchnitte des
Bündels genau ebenfo viele Üthertheilhen nach
rechts wie nach linkls ftreben, was bier zur Folge
haben muß, daß fie ihre Bewegung gegen-
jeitig vernichten. Infolge davon Fr) BA. die
von dieſen Strahlenbündeln getroffenen Stellen des
Scirmes dunkel. Wie die Theorie nachweift, tritt
diefer Fall für ſolche Bündel ein, bei welchen der
Gangunterſchied der Randftrahlen eine ganze Zahl
von Wellenlängen beträgt; fir das Bündel abfg
alfo, wenn kf gerade 1, 2, 3... oder irgend
einer ganzen Zahl von Wellenlängen glei ift.
Die Wichtigkeit der Beugungseriheinungen
beruht nun namentlich darauf, daß fie eine wejent-
liche Stütze der Undnlationstheorie des Lichtes ab»
geben, indem fie nur durch diefe Theorie ihre Er-
Härung finden. Fa, eine genaue Meffung der
Spaltbreite ab, der Entfernung ac des Spaltes
vom Schirme u. der Abftände der dunflen Strei»
fen von einander ermöglicht eine genaue Beftimm-
ung der Wellenlänge u. damit aud der Schwing«
ungszahlen der einzelnen Farben, wie zuerft
sraunbofer (Neue Modification des Lichtes ıc.,
in den Denkſchr. der Münchener Afad., 1821—22)
nachgewiefen bat. So beträgt die ————
des rothen Lichtes (der Fraunhoferſchen Linie B)
O,00068. mm, aljo noch nicht den 1400, Theil
eines Millimeters, was die ungeheure Zahl von
etwa 450 Billionen Schwingungen in der Secunde
ergibt. Das gelbe Licht (Lınie D) hat eine
Wellenlänge von 0,9005, mm u. macht in der
Secunde mehr als 500 Billionen Schwingungen;
das violette Licht (Linie H) macht, bei einex
Wellenlänge von nur O,500995 mm, etwa 780
Billionen Schwingungen in der Secunde — Zahe
len, deren Beftimmung mit verhältnißr:äßig grO»
ber Sicherheit ausgeführt werden kann, wenn⸗
gleich fie, die einen durch ihre Kleinheit, die
anderen dur ihre Größe, alle Borftellung weit
überfteigen.
Complicirtere Beugungserjheinungen,
welche wir indeffen nur kurz berühren können, tre—
ten namentlich auf, wenn man ftatt des einfarbi- -
gen Lichtes weißes, d. i. aus allen Farben zu -
ſammengeſetztes Licht anwendet, fowie wenn man
ftatt einer Offnung deren mehrere, insbe-
jondere anftatt des einfachen Spaltes ein Gitter
(Syſtem paralleler Spalten) benutt. Im erfteren
Falle Lönnen die Beugungsipectren der verjcie-
denen Farben wegen ihrer verſchiedenen Breite
nur theilweife auf einander fallen, u. es ent-
Bei mehreren
Lichtes, alfo gehen z.B. diejenigen des Strahlen Öffnungen u. homogenem Lichte erſcheinen
bündels abfg in der Richtung der Linie kg hin die Spectren durch neu auftretende ſchwarze Streie
u. her; während aber die in der Linie ab (oder|fen in Meinere Abtheilungen, Spectren zweis
einer. ihr parallelen) befindlihen Äthertheilchenſter Ordnung, zertheilt, Läßt man endlich
Beufeljon
— Beule. 317
weißes Licht durch ein hinreichend feines Gitterjfion, eines Schlages, Falles, Stofes, woher die
treten, fo fieht man zu beiden Seiten einer weißen
Mittellinie vollftändige fFarbenfpectren, ähnlich den
durch Prismen erzeugten, mit dem violetten Ende
nad innen, dem rothen nach aufen; die der Mitte
nächſten fiehen ganz frei auf Shwarzem Grunde,
die entfernteren greifen in einander über, Diefe
Gitterfpectren wurden von Fraunhofer ent-
dedt u. namentlih von F. W. Schwerd näher
unterfucht, der in feinem vortrefjlihen Werke: Die
Beugungseriheinungen aus den Fundamentalge-
fegen der Undulationstheorie analytiich entwidelt,
Mannh. 1835, die vollitändige Erklärung aller
Beugungserfheinungen gibt. Das Gitterfpectrum
zeigt dieſelbe Reihenfolge der Farben, wie das
prismatifche Spectrum; auch läßt daffelbe bei hin-
reichend feinem Gitter die Fraunhoferſchen Linien
ertennen; nur ift der nah dem Roth zu liegende
Theil deffelben verhältnigmäßig breiter, jo dag das
Gelb (in der Nähe der Fraunhoferſchen Linte D)
die Mitte des Gitterfpectrums einnimmt, während
in der Mitte des prismatifhen Spectrums das
Grün u. Blau (Fine F) liegen.
Wir übergehen — andere, zum Theil
höchſt intereſſante Beugungsphänomen u. erwäh—
nen zum Schluſſe nur noch einiger dahin gehöri—
gen Erſcheinungen, welche Jeder in der Natur od.
ohne beſondere Apparate leicht beobachten kann.
Bon diefer Art find 3. B. die an Spinnengeweben
u. feinen Haaren im Sonnenfheine auftretenden
Farben, bie fchönen FFarbenbilder, melde man
wahrnimmt, wenn man dur die Fahne einer
Heinen Boge.feder, durch die gemäherten Augen-
mwimpern oder durch feine Gewebe nad einem
Lichtpuntte ſieht. Betrachtet man ferner durch ein
mit Bärlappfamen oder anderem feinen u. gleich
törnigen Staube beftreutes Glas (ftaubige Brille)
die Kerze einer Flamme, fo ericheint diejelbe mit
farbigen Ringen umgeben, weldhe in der 2.
des Lichtes ihre Erklärung finden. Auf ganz
ähnliche Weife entftehen die farbigen Höfe, welche
man bei etwas getrübter, leicht bewölfter oder
nebeliger Luft um den Mond oder die Sonne be
obadtet; auch die Nebelbilder, d. i. Schatten,
welche die hinter dem Beobachter ftehende Sonne
auf eine vor ihm befindliche Nebelmaffe von jei-
nem eigenen Körper entwirft, find bismweilen mit
folhen Farbenringen umgeben. Endlich fei noch
angeführt, daß fein geriefte Flächen auch bei auf-
fallendem Lichte farbige Beugungsericheinungen
bervorbringen. Dahin gehören das Farbenſpiel
der Perlmutter, das Frifiren gewiſſer Seidenzeuge,
ſowie mancher Vogelfedern u, Schmetterlingsflügel.
, Wimmenauer M.
Bentelfon Bötet), Willem, Fiicher zu Bierpfiet
in Flandern, der die Methode des Einjalzens der
eringe verbefferte; er ft. um 1397 in Biervliet,
Sen mwurde zu Enkhuyzen ein Denkmal errichtet,
u. Cemberlyn fchrieb ein Gedicht: De Bukelingi
genio, Gent 1827, auf ihn.
Benle, 1) jede äußere ſchnell entftehende ent-
zündliche Geihwulft, von einer mehr oder minder
ſcharfen Abgrenzung. Nach Berfchiedenheit ihrer
Entftehung u. eigentlichen Krankheitsnatur unter
fheidet man Blut», Eiter-, Peſt-, Froſt-B.
u. a. 2) Solche als Folge einer äußeren Contu—
Haut nicht verlegt iſt (in dDiefem Sinne fommt ſchon
in alten Gefegen Beulenſchlag vor), einer äußeren:
Verlegung, aber ohne Wunde; es liegt folcher
auch Austretung von Blut bei Zerreifung Heiner
Gefäße zu Grunde; ift die ansgetretene Feuchtig—
feit Blut, fo entfteht die bereit? gedachte Blut-
3. 8) Auch bei Thieren, bei. Pierden, kommen
Ben vor; fo die durch Geſchirrdruck veranlaften
ſog. Drudbenten, ferner die durch Drud der Stollen
veranlaßten Stollbeulen ꝛc.
Beulé, Charles Erneite, franz. Alterthums-
forjcher, geb. 29. Juni 1826 zu Saumur; trat
1845 in die Normalichle zu Paris, ging 1849
nach Athen, wo er als Mitglied der franz. Schule
ich große Berdienfte um die Ausgrabungen an
der Afropolis erwarb. Im J. 1853 zurückgekehrt,
widmete er fih mit Gifer der archäologiihen
Schriftftellerei, wurde 1854 Nachfolger Naoul-
Rochettes im Departement der Archäologie an der
Kaiferl. Bibliothek; 1858—59 unternahm er Nach⸗
grabumgen in den Trümmern des alten Carthago;
er trug jelbft die Koften u. erzielte in Bezug auf
die Anlage der Citadelle, der Häfen, der Gräber
aufflärende Erfolge. Die Alademie der Inſchriften
ernannte ihn 1860 zu ihrem Mitgliede, u. 1862
wurde er an Haldvys Stelle zum beftändigen
Secretär der Afademie der Kiinfte gewählt. Nach
dem Deutſch-Franzöſiſchen Kriege widmete er fi
der Politik, fir welche er ſchon in früher Jugend
Neigung bekundet hatte. Er murde 8. Februar
1871 als Mitglied der Nationalverfammliung int
Departement Maineret-Foire gewählt, ſchloß fich
dem rechten Centrum an u. diente orleaniftiichen
Intereſſen. An dem Sturze Thiers' nahm er
hervorragenden Antheil, ſowol an der Jnterpella-
tion, welche den Bräfidenten der Republik zu feinem
Demiffionsgefuche veramlaßte, wie auch an ben
Berhandlungen, welche in der Nacht vom 24. Mai
1873 die fofortige Wahl Mac Mahons berbei-
führten. Im neugebildeten Dlinifterium übernahm
er das innere, machte ſich aber durch feine reac«
ttonären Maßregeln unmöglih und verlor feinen
Poften bei dem Miniftermwechiel vom 26. Novbr.
defjelben Jahres. Bald darauf ftarb er, 4. April
1874. Dan glaubt, daß unbefriedigter Ehrgeiz
ihn lebensmüde gemacht u. zu freimilligem Tode
durch einen Dolchitich getrieben hat. Seine Schriften
befunden, wie jein Xeben, ein großes Talent,
welches durch ertravagante Ehrliebe „geftachelt
wurde. Die hauptſächlichſten ſind: L’Acropole
d’Athönes, Par. 1854; Etudes sur le Pélopon-
nese, ebd. 1855; Les monnaies d’Athönes, ebd.
1858; L’architeeture au siecle de Pisistrate,
ebd. 1856; Fouilles a Carthage, ebd. 1860,
Nahgrabungen in Carthago, aus dem Franzö—
ſiſchen, Luz. 1863; Phidias, antiles Drama,
‘Bar. 1863, zuerft in der Revue des Deux Mondes
erſchienen, u. d. Tit.: Der Tod des Phidias, deutich
von W. Baumbard, Berl. 1864; Causeries sur l'art,
Par, 1867, 2 Auflagen; Histoire de l’art grec
avant Periclös, ebd. 1870, Der mit anticäjari-
iher Tendenz geichriebene Enflus: Procès de
Cesar, 1867 ff., in 4 Bon.: 1) Auguste et sa
famille, 4. A., Bar. 1868, 5. Titelauflage, 1875;
2) Tibere et l’heritage d’Auguste, 3. A., 1868
313
Beulenpeft — Beurmann,
(1870); 3) Le sang de Germanicus, 3. X., 1869; 1pCt., jelten unter 60 pCt. Die Behandlung richtet
4) Titus et sa dynastie, 1870, deutſch von Döbler,|fih nur nach allgemeinen Grundiägen, u.
Halle 1873 fi.; Fouilles et decouvertes, resumees
et discutdes en vue de l’histoire de l’art, ebd.
1873. Außerdem lieferte er werthvolle Aufjäte
in die Gazette des Beaux-arts, Revue des Deux
Mondes u. in das Journal des Savants, Er war
auch ein Kenner der Mufif u. bielt in der Alfa»
demie die mit oratoriſchem Schwunge ausgeführten
Gedächtnißreden auf Meyerbeer, Roſſini u. Berlioz.
Brambadı.
Beulenpeft (Beft, Pestilentia). Lange Zeit
nannte man alle jene Kranfbeiten, welche epide-
milch auftraten u. viele Menfchen mwegrafiten, Peit;
gegenwärtig bezeichnet man mit diejem Namen
nur eine fpecielle acute Krankheit mit typhöſen
Erjcheinungen, bei der e8 zur Bildung von
Lymphdrüſenanſchwellungen und Lymphdrüſener⸗
weiterungen oder von Carbunkeln kommt. Die
Pet ift eine alte, ſchon vor Chriſti Geburt vor-
gelommene Krankheit. Im Mittelalter gehörten
Peſtepidemien zu dem verbeerenditen, 5. B. der
fogen. Schwarze Tod des 14. Jahrhunderts. Ende
des vorigen Jahrhunderts wurde die Peſt in
Europa jeltener, jeit 1841 erjchien fie nicht mehr
in Europa und jeit 1844 jelbit nicht mehr in
Agypten. Im Fahre 1858 trat jedoch wiederum
eine Peftepidemie in NAfrifa u. 1871 im perfi
fhen Kurdiftan auf, jo dag die Belt für feine aus-
geftorbene Kranfbeit, wie man angenommen, gelten
fonn. Die Berbreitungsweile der Krankheit bat
mit der des Typhus große Abnlichkeit. ine
Anftedung von Berfon zu Perion findet nur in
den jeltenften Fällen ſtatt; meift geſchieht dieſelbe
durch die von den Kranken benutzten Effecten,
Betten, Wäſche ꝛc. Das der Peſt eigenthümliche
Krankheitsgift entfaltet um jo ſicherer u. intenſiver
jeine en bei durh Hunger u. Elend berab-
gelommenen Menfchen, in ſchmutzigen Wohnftätten,
ın Localen, wo viele Menichen zufammengepfercht
find, bei ungejunden Lebensmitteln. In mäßig
warmer u. feuchter Jahreszeit (Frühjahr) finden
wir die größte Verbreitung dr Epidemien, während
ftarfe Kälte u. große Hite der Verbreitung hinder—
lich find; fo hörte in Agypten vom Johannistage
(24. Juni) ab die bis dahin herrſchende Epidemie
auf. Die Krankheitsericheinungen beginnen meift
plöglih mit Benommenbeit, großer körperlicher
u, geiftiger Schwäche, Kopfſchmerz, Schwindel;
dazu gejellt ſich ſchnell Fieber, die Kranfen werden
betäubt und deliriren. Dann, nah 2—3 Tagen,
ſchwellen die Lymphdrüſen in den Yeiftengegenden,
in der Achjelhöhle zc., womit in der Hegel das
Fieber geringer wird. Die Lymphdrüſenanſchwell-
ungen (Bubonen) zertheilen ſich num entweder,
oder geben in Eiterung oder Verjauchung über.
In etwa 4 der Fälle entjtehen Carbunkel an
Gefäß, Rücken u. Ertremitäten u. feine Lymph—
drüjenanichwellungen. Mit Eintritt umfänglicher
Eiterung u. Berjauchung erhebt fich das Fieber
von Neuem, und der Kranke erliegt meift jchon
nah 5—10 Tagen der Krankheit. In den in
Genejung übergebenden Fällen find die nervöſen
Erjcheinungen nur mäßig, die Bubonen zertbeilen
fih, oder fie bilden mur Heinere Eiterberde. Die
Viortalität ift eine enorme u. betrug oft 70 —90
ibt es
fein jpecifiiches Mittel gegen die Belt. a der
Tod bauptiählih durch — 5 erfolgt, ſo
iſt eine ſtärlende Diät, Wein, Milch, Fleiihbrühe
allein am Platze. Genügende Beobachtungen über
Wärme entziehende kalte Bäder find noch nicht
gemadt; das Chinin ſchien wirkungslos zu fein.
Kunze.
Beulenſucht (Benlenjeuche, Thierarzneitunde),
j. Milzbrand.
Beurlaubtenftand. Zum Be gehören 1)
Offiziere, Arzte, Beamte und Mannfcaften der
Neferve und Landwehr; 2) die vorläufig in die
Heimath beurlaubten Rekruten und Freiwilligen;
3) die bis zur. Entſcheidung über ihr ferneres
Militär-Verhältniß zur Dispofition der Erſatz—
bebörden entlaffenen Mannicaften; 4) die vor
erfüllter activer Dienftpflicht zur Dispofttion der
Zruppentheile beurlaubten Mannichaften. Die
Berjonen des B-es find während der Beurlaub-
ung den zur Ausübung der militärischen Controle
erforderlihen WUnordnungen unterworfen. Sie
baben geeignete Borkehrungen zu treffen, daß
dienstliche Befehle ihrer Borgefegten u. nament-
lich Einbernfungsordres ihnen jeder Zeit zugeftellt
werden können. Im dienftlihen Verlehre mit
ihren Vorgeſetzten, oder wenn fie in Militär—
Uniform ericheinen, find fie der militärischen Dis»
ciplin unterworfen.
Beurlaubung vom Mifitärdienfte erfolgt unter
der allgemeinen Wehrpflicht ſowol in dauernder,
als zeitlicher Weife. Die erftere ergibt fih aus
der Nothwendigleit, jenen Theil der dienſttauglich
befundenen Militärpflichtigen, welcher die Ziffer
des ausgeſchriebenen Jahrescontigents über—
ſchreitet, ſogleich in die Landwehr oder Reſerve
einzutheilen, aus welcher die Wehrpflichtigen nur
zu den periodiſchen Waffenübungen, um für den
Kriegsfall zum wirklichen Militärdienſte geübt zu
ſein, einberufen werden. Dieſe dauernde B. iſt
für den Einzelnen vollſtändig vom Zufalle ſeiner
Loosnummer u, der Anzahl ſeiner durch die Stell—
ungscommiſſion dienſtuntanglich erflärtenBormänner
abhängig. Für die zeitliche B. der dienſtthuen⸗
den Soldaten beſtehen zwar beſtimmte Vorſchriften,
allein ſie bleibt immer abhängig vom guten Willen
der für die Urlaubsertheilung competenten mili—
täriſchen Vorgeſetzten und iſt für die Dauer der
Dienftzeit auch ſtets widerruflich.
DBeurmann, Karl Morik von, deuticher
Neifender, geb. 28. Juli 1835 in Potsdam;
befuchte das Gymnaſium in Poſen u. die Real—
ſchule in Berlin, trat 1853 ins Militär u. wurde
Offizier bei den Garde» Pionnieren; 1860 trat er
feine erfte Afrifareife über Kairo nad Berber u,
Sualin an; von dort ſchiffte er ſich nach Maſſaua
ein, um die Bogosländer zu erforjchen; aber die
dort ausgebrocdhenen Kämpfe des Kaiſers Theodor
vereiteften feinen Plan, und er kehrte über Aden
nah Suez u. Kairo zurüd. Im folgenden Jahre
führte er feinen früheren Plan einer Bereifung
der Bogosländer aus. Nah Europa zurüdgetehrt,
ward er vom Gothaer Ausihuß der Deutichen
Erpedition nah Afrika zur Auffuhung Vogels
auserjehen, wobei er von Norden ber nah Wadai
Beurnonville — Beuft.
319
vorzudringen beauftragt wurde, während Heuglin Beurten (v. boll. beurt, Neibe, Loos) find
von Abeifinien ber diefes Pand erreichen ſollte. fin Holland u. NWDeutſchland Vereine von Schiffs«
B. ging Ende 1861 nah Bengaft in Tripolis,
von da über Murzuf nah Bilma (nachdem er
eignern (Beurtmannen), welche Ladungen zur
Beförderung auf Flüſſen, felbft zur See überneh»
einen Seitenausflug im die vorher von feinem|men, u. zwar fo, daß dabei ihre Schiffe (Beurt-
Europäer betretene Dafe Djebado gemacht hatte) |ichiffe) nach der Reihe daran kommen. Eine Fahrt
u. nah Kufaua in Bornu, wo er Ende Auguſt
1862 eintraf. Da fih feinem Vordringen nad
Wadai Hinderniffe in den Weg ftellten, jo unter:
nahm er von da eine Reiſe nach Jaloba in
Bauticht, von welcher er am 13. Dechr. wieder
in Kufaua anlangte,. Kurz darauf wandte er fi
wieder nad Wadai, wurde aber fchon nach zwei
Tagemärſchen von feinen Dienern beraubt und
verlaffen und kehrte nad Kukaua zurüd. Nach
einem nochmaligen Berfuche, die Reife auszuführen,
wurde er im Febr. 1863 bei Mao im der meft-
fihiten Provinz von Wadat auf Befehl des dorti«
gen Statthalters ermordet, Geine Biographie
Ihrieb Merx für den Jahresbericht des Vereins
für Erdfunde in Leipzig, 1866. Sein Gloffar der
Tigre-Sprache, wie fie bei Mafjaua geiproden
wird, gab derjelbe heraus, Ypz. 1868, engliſch,
Halle 1868.
Beurnonville, Pierre Ruel, Graf von B.,
franz. Marihall u. Staatsinann, geb. 10. Mai
1752 zu Champignolfe in Burgund; wurde Soldat
u. diente bis 1781 als Offizier in Indien. Bon
dort ald Major nah Frankreich zurüdgefehrt,
wurde er Oberftlieutenant in der Schweizer:
compagnie, ging 1792 mit Luckner zur NArmee,
bob die Belagerung von Lille auf, wurde General-
bientenant und nahın an dem Zuge gegen Trier
tbeil. Durch Bermittelung der Gironde wurde er
im Februar 1793 Kriegamimiter, wo er fich den
Haß der Jacobiner zuzog, und trat bald zurüch.
As ihn Dumouriez für Öfterreich gewinnen wollte,
tieferte er den Brief dem Comvent aus, erhielt den
Befehl, Dumouriez zu verhaften, ward aber von
diefem mit 4 anderen Commifjarien des Convents
gefangen genommen, den Ofterreichern ausgeliefert
u. nah Olmütz geſchickt, wo er bis Nov, 1795
eingeferfert blieb u, mit feinen 4 Gefährten gegen
die Herzogin von Angouleme, Ludwigs XVI.
Tochter, ausgewechſelt ward, Er befehligte ſpäter
erft die Sambre-, dann die Maasarınee, fowie
die von Holland, mit der er 1796 die preußijche
Demarcationslinie beobachtete, und erhielt nach
Jourdans Niederlage den Oberbefehl über defjen
Corps, mit dem er 1796 u. 98 tapfer focht; er
wurde 1798 Generalinipectenr der Armeen, dann
Geſandter Napoleons zu Berlin, fpäter zu Madrid
und 1805 Senator und Graf des Reiches; 1814
fimmte er für die Abjegung Napoleons, wurde
Mitglied der Proviforishen Negierung und 1815
Bair; ging mit ludwig XVIII. nad Gent, wurde
1816 Marihall u. 1817 zum Marquis ernannt.
Er ft. 23. April 1821 zu Paris. ,
Beuron, Klofter u. Moltenkuranftalt im preuß.
Regbez. u. Oberamte Sigmaringen, an der Donau.
Der Ort wird jhon im 8. u. 9. Jahrh. genannt;
die Zeit der Gründung des Klofters, eines Stiftes
tegulirter Auguftiner-Cborberren, im 12. Jahrh.
ift nicht mehr genau zu beftimmen. 1803 aufge
hoben ‚ift e8 um 1860 durch eine Prinzeſſin v. Hoben-
zollern wieder mit Benedictinerm bejegt worden. reich gegen Preußen.
folder Schiffe heißt Beurtfabrt.
Benit, eine alte, aus der Mart Brandenburg
ftammende, jegt in Thüringen, Sachen, Schlefien,
Baden, Bayern und Öfterreih heimische Familie,
aus welcher eine Reihe nambafter Männer ſtam—
men: 1) Joadhim v. B. Gelehrter, geb. 1522 zu
Mödern; wurde 1549 kurfürftlich ſächſiſcher Rath,
1551 Profeffor in Wittenberg, 1580 Confiftorial«
rath in Dresden und 1591 Prinzeninftructor; er
ft. 1597 auf Planig bei Zwickau. Einer feiner
Defcendenten, Friedrich v. B., hatte 2 Söhne,
welche 2 Linien ftifteten: A. Altere od. freiherrliche
Linie. 2) Friedr. Conftantin, Frhr. v., ſächſ.
Oberberghauptmann,geb.13. Apr. 1806 in Dresden;
wurde 1835 Bergamtsaffefior in Dresden, 1836
Bergmeifter in Marienberg, 1838 Bergratb in
Freiberg, 1843 Berghauptmann u. Blaufarben-
commiflar u, 1851 Oberberghauptmann dafelbft,
feit Aufhebung feines Oberbergamtes General-
inſpector des cisleithanischen Berg», Hütten- und
Salinenwefens in Wien. Er ſchr.: Geognoſtiſche
Slizze der wichtigſten Porvhyrgebilde zwiſchen
Freiberg, Frauenſiein, Tharand u. Noſſen, Frei—
berg 1835; Kritiſche Beleuchtung der Wernerſchen
Gangtheorie, ebd. 1840; Erläuterungen zur Gang-
farte über den inneren Theil des Freiberger Berg-
reviers, ebd. 1842, u. einige fleinere Schriften.
3) Friedr. Ferd., Bruder des Borigen, geb,
13. Jan. 1809 zu Dresden; ftudirte 1826—29
in Göttingen und Leipzig. Jurisprudenz, wurde
1830 Acceffift im Dresdener Juftizamte u. 1831
beim Meinifterium des Auswärtigen, trat 1832
als Aſſeſſor bei der damaligen Landesdirection ein
u, unternahm 1834 eine größere Reife nad der
Schweiz, Frankreich und England. Ende 1835
wurde er Fegationsjecretär in Berlin u. übernahm
1838 Ddiefelbe zunction in Paris, Ende 1841
wurde er Geichäftsträger in München, 1846 Mi⸗
nifterrefident in London u. im Juli 1848 Geſandter
in Berlin. Am 24. Febr. 1849 trat er in das
föniglich fächfiihe Miniſterium unter Helds Vorſitz
als Chef des Departements des Auswärtigen ein.
In diefer Stellung widerrieth er dem König die
Annahme der deutichen Neichsverfaflung, obichon
das Minifterium Held einftimmig die Grundrechte
veröffentlicht hatte. Daber traten die meilten
Mitglieder des Cabinets ans, in welchem nur B.
u. der Kriegsminifter v. Rabenhorit blieben, Als
in Dresden die Wevolmion ausbrad, rief DB.
preuß. Hilfe gegen diefelbe an u. floh mit dem
König und dem Kriegsminifter auf die Feſtung
Königitein, worauf die Aufſtändiſchen eine provi—
ſoriſche Regierung einſetzten. Nach Unterdrüdung
der Revolution übernahm B. in dem neuen
Minifterium Zichinstg zum Minifterium des Aus—
mwärtigen nod das des Cultus, half 30. Mat das
Drei⸗Königs-Bündniß verfündigen, trat aber bald
wieder davon zurück u, verfichte, freilich umfonft,
die Bildung eines Vier-Königs-Bundes mit Deiter-
Der ihn deshalb heitig
320
angreifende Landtag wurde aufgelöft, die 1848
für immer aufgehobenen alten Stände wieder
einberufen, die Bereins- u. Preßfreibeit geknebelt.
Im Eultusminifterium begünftigte B. die fireng-
ficchlibe Richtung, trat aber 1853 daffelbe an
Falleuſtein ab u. übernahm das Miniſterium des
Innern. Nah Zſchinslys Tode wurde er Minifter:
präfident und trat als folder erft jedem Streben
nach Berbefferung der deutichen Bundesverbältniffe
entgegen, erflärte fih aber 1862 jelbit für eine
fothe u. ftellte fih 1863 auf die Scite der öjter«
reihiichen Aeformvorichläge. Bei Ausbruch des
Eouflictes mit Dänemark wegen Schleswig-Holftein
nahm er eine wirflih deutſche, der einjeitigen
Bolitif Ofterreihs und Preußens entgegengejette
Haltung ein u. vertrat auf der Londoner Gonfe-
renz den Deutihen Bund. Als daher Dfterreich,
nad) feinem Bruche mit Preußen, feine Sache mit
derjenigen des Bundes verſchmolz, trat auch B.
auf die Seite Oſterreichs und mußte demzufolge
nach der Schlacht bei Königgrät von feinem Amte
zurüdtreten, worauf er 30. Oct. 1866 als öfterr.
Dinifter des Auswärtigen und bald darauf auch
des Kaiferlihen Haufes berufen wurde. Ende des
Jahres 1866 bewirkte er in Peith den Ausgleich
mit Ungarn, Nah dem Sturze des Miniſters
Belcredi u. der Krönung des Kaifers zum König
von Ungarn, Juni 1867, wurde B. zum Reichs:
fanzler u. Ende 1868 in den Grafenftand erhoben.
Sein Beftreben in Ddiefer Stellung war fort
während auf Ausgleihen der Ertreme in politis
iher, nationaler und confeffioneller Beziehung
gerichtet, doch ohne dabei wejentliche Erfolge zu
erzielen u. allgemeines Vertrauen zu gewinnen,
indem fein Wirten ftets der Klarheit u. Confequenz
entbehrte. So wechſelten unter ibm raſch das
fogen, Qürgerminiftertum und die Minifterien
Hasner, Potodi u, Hohenwart. Doc bradte er
1869 den Ausgleih zwiihen Ungarn u. Kroatien
zu Stande u. trat für die Nechte der Deutichen
u. gegen die Anmaßungen des päpftlihen Stuhls
in die Schranfen. In auswärtigen Angelegen—
heiten beobadtete er ſtrenge Weutralität und
Friedensliebe und legte diefelbe auch (freilich in
diefem Falle wider jeinen Willen u. durch die
Umftände gezwungen) während des Deutich-Tzrane
zöfihen Krieges von 1870 u. 71 an ben Tag,
in welchem er gern mit Frankreich gemeinſame
Sache gemacht hätte. Dem Concordat mit Rom
machte er nah der Erflärung der päpftlichen
Unfehibarleit ein Ende. Im Orient bewirkte
er die Räumung der Feſtung Belgrad von Seiten
der Türken. Ganz unerwartet wurde er nad
dem Sturze des Minifteriums Hobenmwart (6. Nov.
1871) vom Reichsfanzleramte entbunden, wo An—
draſſy fein Nachfolger wurde, u. als Botſchafter
nach Yondon gejaudt. Vgl. Ebeling, %. F. Graf
von B., jein Leben u. Wirken, 2 Bde., Lpz. 1870.
B. Jüngere oder gräfliche Linie, is Karl
Fouis, Sohn des herzoglich altenburgifchen Ober:
landjägermeifters Grafen Traugott von B., geb.
12, Febr. 1811; ftudirte im Leipzig und Berlin
Nechtsgelchriamteit, trat 1834 in preußiihen u.
1838 als Negierungsaffeffor in den altenburgichen
Staatsdienft, wurde 1842 Kreishauptmann und
Beute.
nachdem er 1853 ſeine Entlaſſung genommen
hatte, wurde Geſandter der ſachſen erneſtiniſchen,
ſchwarzburgiſchen und reußiſchen Höfe in Berlin
und fehrte 1867, als dieſe Stelle einging, nad)
Altenburg zurüd, wo er jeitdem privatifirt.
3) Henne Am Rhym.
Bente, 1) die dem Feinde im Kriege abgenom«
menen Gegenftände, Nah den Mojaifhen Ge»
jegen befamen Die, welde die B. gemacht hatten,
die Hälfte, das zurüdgebliebene Voll die andere
der gefangenen Menſchen (be. Weiber u. Kinder)
u. des Viehes; doch mußten Exftere „I, an die
Priefter, Lerstere A, an die Leviten abgeben. Yeb-
loſe Gegenftände gebörten Dem, welcher fie dem
‚zeinde abnahbm. Aus gebannten Städten ge»
mwonnene B. an Metall wurde ebenfo getheilt; wie
es mit anderen Gegenftänden gehalten wurde, ift
nicht befannt, in einem Kriege gegen die Midia-
niter wurden diefelben vernichtet. Bei den Griechen
ehörten ebenfall® die Gefangenen zur B., der
Anführer‘ wählte fih nah jeinem Wohlgefallen
aus; bei. nahmen die Heerführer dein im Zwei—
fampfe überwältigten Gegner die Rüſtung (Lapbyra)
ab, die anderen Krieger zogen nach der Schlacht
die Todten aus, diefe B. hieß Skyla,. Auch waren
Yeute beim Heere, melde die gemadte B. im
Ganzen fauften u, diefelbe dann wieder im Ein—
zelnen verbandelten, dieje hießen Laphyropolai.
Bei den Yaledämoniern wurde die B. gefammelt
u. von dem Feldherrn an die Tapferften durch das
Loos vertheilt. Bei den Römern hieß B. über-
haupt Praeda od. Exuviae, was man dem Feinde
auszog u. abuahm, alfo Kleider u. Waffen; die
dem getödteten Feinde abgenommene Rüſtung
Spolia, u. zwar Spolia opima, die vom Feld—
herrn dem eigenhändig erlegten feindlichen Heer—
führer abgenommenen B.ſtücke (diejeiben wurden
im Zempel des Jupiter aufgehängt); Manubjae
waren die B-ftüde, welche der Feldherr erhielt,
auch nannte man jo das Geld, welches der Quäftor
aus der B. gelöft hatte; daffelbe wurde zu gleichen
Theilen dem Staate, dem Feldherrn u. dem Heere
zugewendbet. Gefangene gehörten als Eigenthum
Dem, welcher fie eingebracht hatte. Bei den Ger-
manen gehörte die B. dem Heere u. wurde nad
dem Looſe vertheilt; jelbjt Konig Chlodwig mußte
es fih gefallen laffen, daß, da er bat, eıne unter
der B. befindliche, aus einer Kirche berrührende
Bafe ihm zum voraus zukommen zu laffen, um
diejelbe wieder einer Kirche zu ſchenlen, ein ge—
meiner Franke ihm mit den Worten entgegentrat:
„Du König haft bier nichts anzufprechen, als was
das Loos Dir beſtimmt“, und die Baje mit feiner
Streitart zuſammenſchlug (ſ. Gregor von Tours).
Die gefangenen Feinde wurden aud als B. ver-
theilt, nachdem ein beftimmter Theil den Göttern
zum Opfer ausgefchieden war. In den Zeiten
des Fauftrechtes jah man Alles als geredhte B.
an, was der Stärfere ſich zueignete; indeſſen ber
gann man doch jhon die Menſchen nicht mehr
unter die B. zu zählen, dagegen begann feit dem
14. Jahrh. neben dem Bemachen an befiegten
Feinden auch das Plündern der Wehrlofen im
durchzogenen oder eroberten Lande, Bei erober-
ten Feſtungen gehörten fonft die Gloden dem
Negierungsrath und 1848 Minijter (ſ. Sachſen); !feindlihen General; beftürmte Feſten wurden aus—
Beutel — Beutelratten.
geplündert. Gegenwärtig betrachtet man bei civi-
Ifirter Kriegführung als B. nur das dem feind«
lien Staate gehörende, deffen Soldaten abge-
nommene Gut, aljo Waffen, Munition, Pferde,
Fahnen, Karten, Kriegskaſſen zc., während das
Privateigenthum auch dem gefangenen Feinde
verbleibt. Nur das auf dem lachtfelde zurück⸗
gelaffene Privateigenthum, oder das bei Todten
vom Sieger auf dem Schlachtjelde gefundene fann
noch B. werden, aber auch dies fällt nicht dem
Einzelnen, jondern dem Truppentheil zu. Plün—
dern ift jeßt wölferrechtlich unzuläffig; das zur
Eriftenz Nothwendige, aber auch nur dieſes, aljo
Lebensmittel, Fourage, Kleidung, Pferde ꝛc. wird
nöthigenfalls durch geordnete Requifition beige»
trieben. Für erbeutete Geſchütze pflegt der Staat
Prämienzu geben (Geſchütz ⸗Douceur⸗Gelder), ebenſo
für aufgefangene Pferde. Im Seekriege iſt das
heutige Völlerrecht noch nicht fo weit vorgeichrit-
ten u. geftattet auch noch das Wegnehmen feind-
lichen Privateigenthums. Über ® zur See |.
Prifen. 2) S. u. Bienenwohnung.
Beutel, türkiſche Rechnungsmünze: a) in
Silber, and Kis, Kefer genannt, 500 Piafter
— 294 Thir.; b) in Gold, 30,000 Piafter oder
15,000 Zedhinen = 1850 Thlr. Alles Silber u.
Gold, das in den Schat des Serails fommt, wird
in federnen B-n nad dem jeftgejegten Geldfnße
aufbewahrt. In den türliſchen Staatsrechnungen
verſteht man unter B. ſolche von 500 Piaſter.
Beutelbär, ſ. u. Beutelthiere.
Beutelbilch, ſ. Beutelmarder.
Beuteldachſe (Peramelidae, Entomophagae),
Fam. aus der Ordnung der Beutelthiere (j. d.),
Unterordnung NRaubbeutler; ausgezeichnet durch
ihre nad Art der Inſectenfreſſer zugeipitte Schnauze
u. ihre verlängerten — die Zehen der
Borderfüße find Hein, die der Hinterfüße erinnern
in Größe u. Stellung an die des Känguruhs;
graben fid) Höhlen u. Gänge in der Erde. Dabin
der Beuteldachs oder Bandikut (Perameles
nasutus Geofr.), ein auftraliihes Thier, mit heil»
u. dunkelbraun gemiſchtem Pelze u. rilffelartiger
Schnauze, welches nah Wirmern gräbt; der
Stußbeutler (Choeropus Ow.), aus Neuholland,
von Kaninchengröße. Thome.
Bentelgans, jo v. mw. Pelikan,
Bentelhund, ſ. Beutelmarder.
Beutelmarder (Dasyuridae), Fam. aus der
Säugethierordnung der Beutelthiere, Unterordnung
Raubbeutler; Heinere u. größere Raubbeutler,
welche nachts meift auf Erbeutung von Bögeln
u. Säugethieren ausgehen. Den Übergang zu
den Beuteldachſen bilden die Ameifenbeutler
(Myrmecobius Waterh.),mit langer, ſpitzerSchnauze
u. jehr zahlreichen, jcharfipigigen Badenzäbnen;
dahin M, fasciatus Waterh., von Eihhorngröße,
heil gebänbert, ſchlau u. überaus gewandt, aber
harmlos; lebt von Ameifen u. Kerbthieren; in
NReuholand. Die Beutelbilhe (Phascogale
Temm.) befitten eine zugejpitte, derjenigen der
Spigmäufe ähnlihe Schuauze; der Pinjelbeu-
telbilch (Ph. penicillata Temm.) ift ein blut-
dürftiges, fühnes Raubthier, von Eichhorngröße,
zen das Wiejel von Süd» und Weft-
321
‚eigentlihen B. (Dasyurus TI.), mit ziemlich lan—
gem, gleihmäßig behaartem Schwanze, gleichen
in ihrer Lebensmweije etwa den Mardern; fie wer—
den in den Wohnungen durch Stehlen der Yebens-
mittel u. Wirgen des Federviehes läftig; dahin
der Rauhſchwanz (D. viverrinus Geoffr.);
Schwanz lang; ſchwarz mit weißen Flecken, u.
der Devil (D. artinus Geofr.); Schwanz furz;
ſchwarz mit weißer Querbinde über Bruft und
Arme; beide in Bandiemensland. Die Beutel»
wölfe (Beuteldunde, Thylacinus Temm.) befigen
einen jehr kurz behaarten Schwanz u. anftatt der
Beutellnochen nur Knorpel. Der Beutelbund
(Th. eynocephalus A. Wagn.) ift in jeiner
äußeren Erjcheinung einem Hunde ähnlich, oben
gelbli-braun-gran mit 16 ſchwarzen Querbinden;
von Schalalgröße; der kühnfte u. ſtärlſte Raub»
beutler; fol gefellig fogar Schafheerden —
om
Beutelmaſchinen, Borrihtungen zum Abfon«
dern feiner Pulver von gröberen. 1) Zu pharma»
ceutiihen Zweden werden die Pulver zwiichen
feine Leinwand in ein Zuderglas od. in eine
hölzerne Büchſe getban u., nachdem ſolche ver-
ihloffen worden, duch Schütteln (Beuteln) das
feinfte davon geichieden. Bel. dienen dazu Beu-
teltrommeln, oder Siebe von feidenem Zeuge, oder
von Nantın, Slor u. dal., oder von doppelt zufam-
mengelegten tinnen für feineres Bulver, mit einem
Boden u. Dedel von Pergament oder glatten
Schaffellen. 2) Für Mühlen, f. Mühle.
Bentelmaus, jo v. w. Wombat (f. d).
Beutelmeiſe, Gattung Meife (j. d).
Bentelratten (Didelphyidae, Pedimana),
am. der Beutelthiere aus der Unterordnung der
aubbeutelthiere; mittelgroßen. Heinere Kletterbeut-
fer mit zierlich angelpihter Schnauze, großen Augen
u. Ohren u. meift langem Greifihwanze; Beutel
oft unvollftändig u. auf ſeilliche Falten reducirt.
In der Gegenwart find fie auf Amerika beichräntt,
woſelbſt fie vornehmlich in Wäldern leben; in der
Vorzeit waren fie indeffen auch in Europa ver—
breitet. Hierher die Shwimmbeutler (Chiro-
nectes Ill.), deren großen Zehen der Hinterfüße
durch Schwimmbäute verbunden find, u. die ei-
gentlihen 8. (Didelphys L.). Letztere find aus»
gezeichnet durch ihre freien Zehen, durch einen
langen, zugeipigten Kopf, weit geipaltenes Maul,
nadte, getbeilte Naſenkuppe n. große, gerundete,
faft nadte Ohren; alle Füße haben 5 Zehen u.
nadte Sohlen; Krallen kurz, fiheliörmig, nur ber
Daumen der Hinterfüße ohne Krallen u. entgegen«
jegbar; Schwanz bis an die behaarte Wurzel
nadt, fein ringelihuppig u. nur mit einzelnen,
furzen, fteifen Haaren bejegt, übrigens zum Ein-
rollen geſchickt (Rollihwanz), die Spite eine halbe
Krümmung bildend; Weibchen mit wirklichen
Beutel, oder nur mit Hautfalten; Pelz gewöhnlich
weich, wollig u. gleichförmig furzhaarig, bei den
ößeren Arten mit längeren, fteifen Stiheihaaren;
ebiß: oben 10, unten 8 Vorderzähne, überall
1 Edzahn u. 7 Badenzähne, von denen 8 Lücken⸗
zähne find; die beiden mittleren oberen Vorder—
zähne find etwas größer. Dieſe Thiere leben meift
auf Bäumen, jchleihen des Nachts umher, Vögel,
uftrafien,daher auch Beutelmwiefel genannt. Die Eier u. dergl. zu fuchen, verzehren aber aud)
Bierers Univerfal:Eonterfationssteriton. 6. Aufl.
Il. Band.
21
322
Obit.
E3 find dumme, langfame Thiere, die
Beutelſpach — Beutelthiere.
Beutelſtaare, mehrere den Staaren ver—
nicht ſehr wild find u. ſich leicht zähmen laſſen wandte (daher Stärlinge) amerikaniſche Vogel—
würden, haben aber einen unangenehmen Moſchus- gattungen, welche
eruch, wie die Spigmäufe. Mittels ihrer Hinter
ände Mettern fie zwar nicht ſchnell, aber geſchickt
an Stämmen u. Aften auf u. ab, vermöge ihrer
ſcharfen Krallen jogar an rauhen Mauern; mit
dem Schwanzende fünnen fie fih an Aiten an-
halten u. anhängen. Friſches Blut ift ihre Yieb»
lingsipeife, daher nähern fie fih oft den Wohn-
ungen der Menſchen, plündern die Nefter u. tödten
Alles, was ihnen in SHübnerftällen vorfommt,
10—20 Hühner in einer Nacht. Sie laffen feinen
Laut hören, außer einer Art von Schneuzen, wenn
fie angegriffen werden. Das Weibchen wirft
8—14 Junge, die böcftens S mm lang, ganz
unbebaart, blind u. unbemweglich find; fie müſſen
daher von der Mutter an die Zigen angelegt wer
den; erft nah 4 Wochen baben fie die Größe
einer Maus, befommen Haare u. Bewegung;
nach 7 Wochen erreichen fie die Größe einer Hatte,
haben offene Augen u. verlaffen nun bisweilen
den Beutel; nah 50 Tagen verlaffen fie diejen
ganz, werden dann aber noch einige Zeit lang
von der Mutter auf dem Rüden getragen. Sie
haben weder ein brauchbares Fleiſch, noch nutz—
bares el n. find wegen ihres Geftanfes ver-
haft. a) Arten mit volllommener Bruttajche:
Die virginiihe B. (D. virginiana Shau., D.
marsupialis Schreb.) ift die größte Art, faft fe
groß wie eine Kate; Wollhaar weiß mit brammen
Spigen, die 3 Zoll langen Stihelhaare weiß, fo
dag das Thier weiß u. bräunlicy überlaufen er
fheint; Augen von einem dunfelbraunen Ringe
umgeben; Beine dunfelbraun; Obren groß, ſchwarz,
mit gelblicher Spite; in den mittleren Vereinigten
Staaten NAmerilas ‚gemein. Das Opofjum
(D. opossum Z.), ziemlich kurzwollig, roſt- oder
zimmtröthlich, das Weibchen lichter, Unterſeite
gelblich weiß, über jedem Auge ein weißer Flech,
nadter Theil des Schwanzes braun mit weißlicher
Spitze; Länge: 40 bis 45 cm, Schwanz ungefähr
20cm, der behaarte Theil 5 cm lang; vorzüglich im
Guinea. Ferner: derFarus (D. Philander L.), die
frabbenfrejjende Beutelratte (D. canerivora
L.), ver Gamba(D. Azarae Temm.)u.a. b) Ar-
ten mit unvolllommener, oft nur duch Hantfalten
vertretener Bruttajche: die Aneas- od. Buſch—
ratte(D. dorsigera L.); Schwanz dünn u. länger
als der Körper, nur der 7. Theil behaart; Farbe
falbbraum, Augen von einem dunkelbraunen Flecke
umgeben; Yänge 14 bis 15cm, Schwanz 18 cm;
in Surinam, Dft hängen fi die anf dem Rüden
der Mutter getragenen Jungen mut ihren
Schwänzchen an den Schwanz jener an, über-
haupt halten fie fih an der Mutter feft, wo fie
nur lönnen. Ferner: die Marmofe (D. mu-
rina L.), in Brafilien; die didihwänzige 8.
(D. erassicandata Desman,), in Paraguay, u. a.
Abbild. f. Taf: Säuger I. Tbome.*
Beutelſpach, Markifl. im Oberamte Schern-
dorf des württembergiſchen Jagſikreiſes; ehemals
Burg u. Heiligtrenzitift, mit dem Grbbegräbniß
ver älteften Grafen von Württemberg, bis 1311
die Feinde des Grafen Eberhard B. zerftörten u.
Graf Ulrich 1321 das Stift nah Stuttgart verlegte.
indeflen feine gute Familie
bilden. Dahin die Gilbvögel, altimore-
vogel, Shwarzvogel,Japu u.a.;f. Trupiale,
Beutelthiere (Beutler, Marsupialia), Orbd-
nung der aplacentalen Säugethiere. Ihr Haupt»
charalter liegt in dem Beſitze eines von 2 Knochen
getragenen Sades oder Beutels (Marsupium),
welcher die Bigen der Milchdrüſen umschließt u.
die hilfloſen Jungen nad der Geburt aufnimmt.
Die Geburt tritt bei dem Mangel des Mutter-
fuchens außerordentlich früh ein; felbit das Rieſen—
füngurub, deilen Mäuncen fait Manneshöhe er»
reicht, trägt nur 39 Tage u. gebiert ein blindes,
nadıes Junges von ungefähr 20 mm Länge, mit
faum wahrnehmbaren Gliedmaßen. Diejer Embryo
wird von dem Muttertbiere in den Beutel ge-
bracht, ſaugt fih dort an einer Zitze feit u.
empfängt dort noch etwa 8 bis 9 Monate Nabhr-
ung, Wärme u. Schub. Kleinere Bentler, 3. B.
gewiſſe Beutelratten, werfen eine größere Anzabl
ebenjo bilftofer, faum beweglicher „Jungen; einige,
bei denen der Beutel durch kurze Hautfalten er»
ſetzt wird, tragen ihre Jungen. ſchon frübzeitig
auf dem Rüden umber, 3. B. die Aneasratte. Das
Hegen der Jungen im Beutel erjegt das Aus«
tragen im Wiutterleibe; dort ift das Junge an«
fänglih faft ohne jede mwoillfürlihe Bewegung,
jelbjt Harn- u. Kothausicheidung umterbleibt, jo
lange das Junge den Beutel noch nicht verläßt.
Eigenthümliche Borrihtung ift getroffen, um dem
‚Jungen gleichzeitiges Saugen u. Athmen zu ge
ftatten; fein Kehlfopf ift nach oben verlängert, jo
daß die Milch zu deffen Seiten in die Speijeröhre
abfliegen fann.
In Europa fehlen die B. gegenwärtig gänzlich,
waren daſelbſt jedoch noch zur Tertiärzeit ver»
breitet, ja, mit Rückſicht auf paläontologiiche Hefte
(Unterkiefer erfennbar an dem nach innen ein«
gebogenen Gelenkwinkel u, einem blattartigen,
mitunter fajt den ganzen Raum zwiſchen den bei»
den Unterkieferäjten füllenden Fortſatze) betrachtet
man die Beutler als die älteften Säugetbiere.
Hat man fonah im ihnen noch Anflänge an die
Urfäugetbiere zu erfennen, dann ift e8 um fo in«
tereſſanter, daß Die noch lebenden fyormen im der
änßeren Erſcheinung, in der Art ihrer Ernährung
u. Yebensweife ganz bedeutend auseinanderweichen
u. eine Reihe von Säugethiertypen verichiedener
Ordnungen wiederholen, oder müſſen wir fagen:
vorbilden? Co find die einen Pflanzenfreſſer,
welche in ihrem Gebiffe bald an die Nager, bald
an die Hufthiere erinnern, andere leben von ge-
mischter Koft, find Allesireffer, nähren fib von
Wurzeln, Früchten u. Inſecten, nod andere end»
ich find echte Haubtbiere, welche ſich Inſecten,
Vögel u. Säugethiere zu ihrer Nahrung wählen.
Nicht anders ift es mit dem Habitus, der Körper-
form u. der Art der Bewegung. Die Wombat
repräfentiven die Nagetbiere, die flüchtigen, im
gewaltigen Säten fpringenden Kängurub ent-
ſprechen den Wiederläuern u. vertreten gewiller-
maßen das in Auftralien fehlende Wild, die Flug—
beutler gleichen den Flughörnchen, die kletternden
Phalangıiften erinnern in Körperform u, Yebens»
Beuteltuch.
weiſe an die zu den Halbaffen gehörenden Lem» zwiſchen den Nagebeutlern u. Känguruh an.
323
Es
ren, andere, wie die Parameliden, gleichen den ſind meift gefellige, harmloje u. zäbmbare Thiere,
Spitsmäufen. Endlich weiſen die Bezeihnungen
Beuteldachs, Beutelwolf u. Beutelmarder auf die
Ähnlichkeit mit allgemein befannten Raubtbieren
bin, Dieje Raubbeutier nähern ſich binfichtlich
ihres Gebifies bald mehr den echten Raubtbieren,
bald mehr den Inſectenfreſſern; letzteren ſtehen
fie in der großen Zahl ihrer Heinen Vorderzähne
u. ſpitzhöckerigen Badenzähne faun nad, erjteren
ſchließen fie fih an durch die oft hervorragende
Größe des Edzahnes, jowie dur die Berichieden-
geftaltigteit der Badenzähne, welche bier wie dort
meift als Lücken⸗ n. als Höderzähne unterfchieden
werden können. Intereſſant ift bei der großen
Verſchiedenheit der Gliedmaßen die Tendenz zur
Daumenbildung, ſowie zur Verwachſung der bei-
den Innenzehen; bäufig fehlt aber aud der
Daumen, oder er iſt nur wenig auggebildet.
Die geiftigen Fähigkeiten find gering, ent
ſprechend der Bildung des Gebirnes: das Groß:
birm ift wenig entwidelt, mit faum bemerfbaren
Windungen, u. der Balfen bleibt überaus rudi—
mentär, foll jogar nah Owen u. A. gänzlich feb-
len. Faſt alle Beutler find nächtliche Thiere, welche
in waldigen oder buſchigen Gegenden leben. Gie
finden fich meift in Neubolland, viele auch auf
den Sübdjee » Infeln, Moluffen u. in SAmerita.
Man unterjcheidet 4 Unterordnnungen: Nage-,
Springe, Kletter- u. Raubbeutler. 1.1.0. Nage-
beutler (Beutelmäufe, Wurzelfrefier, Glirina
oder Rhizophaga); plumpe, ihwerfällige Thiere
von Dachsgröße, mit dichtem, weichem ‘Pelze, mit
Nagethiergebiß (2 Schneidezähne oben u. unten,
u. feine Eczähne), kurzen Gliedmaßen u. ſtum—
melförmigem Scmanze; Grabfüße mit breiter,
nadter Sohle u. 5 großentheild verwachſenen,
ftart befrallten Zehen (die ftummelförmige Innen—
zehe des Hinterfußes entbehrt der Gichelfralle).
Dahin der Wombat (Phascolomys Wombat
Per. Les); |. d. 2. U.-D,. Springbeutler
(Krautfrefier, Macropada oder Po&phaga), mit
Heinem Kopfe u, Halfe, Schwachen, Heinen, bzehigen
BVorderbeinen u. ungemein entwideltem Hinter—
förper, deſſen ftark verlängerte Hintergliedmaßen
um Sprunge dienen u. von dem langen, an der
Burzel verdidten Stemmſchwanze unterſtützt wer-
den. Die fräftigen Hinterfüße zeichnen ſich durch
Die Verlängerung von Unterjchenfel u. Fuß aus
u. enden mit 4 hufartig befrallten Beben, von
denen die beiden inneren verwacjen find, die dritte
aber jehr lang u. kräftig ift. Das Gebig erinnert
an das der Pierde, doch find im Unterkiefer nur
2 Schneidezähne vorhanden, Edzähne fehlen, oder
treten nur wenig entwidelt im Oberliefer auf,
Badenzähne oben u. unten 5. Der Magen ift
groß, diddarmähnlich zufammengejett, der Blind:
darm fang. Es find Gras- u. Pflanzenfreifer,
Dahin die Kängurub (f.d.). 3. U.O. Kletter—
beutler (Fruchtfreffer, Scandentia oder, Carpo-
phaga), durchſchnittlich von geringer Körpergröße,
höchſtens 60— 70 em Länge, mit ziemlich gleich-
langen 5zebigen Gliedmaßen, an den Hinterglieds
mahen ein Daumen. Dem Baumleben entiprechend,
welche nachts auf Nahrung, Früchte, Knoſpen u.
Blätter, einige auch auf Inſecten und Bogel-
eier, ausgehen. Dabin die Beutelbären, von
plumper Körperform, mit didem Kopfe u. wenig
ausgebildeten Schwanze, u. die Phalangijten,
von ſchlankerer Körperform, mit Greifſchwanz. Zu
diefen die Flugbeutler (ſ. d.), welche zwiſchen
den Border- u. Hintergliedmaßen eine als Fall-
ſchirm dienende, behaarte Haut ausgeipannt und
einen mehr oder minder bujdig behaarten Schwanz
baben, u. die Kufu (j. d.), deren Schwanz vor-
zugsweife an feinem Grumde behaart it u. denen
der Fallſchirm fehlt. Letzteren jchließen fih an
die Zahnkümmerer, mit langer Schnauze, aber
wenigen u. Heinen Zähnen u. wurmförmiger, zum
Ergreifen von Inſecten geeigneter Zunge. Hierhin
der wejtauftraliihe Tarsipes Gerr. 4 U. O.
Raubbeutler (Rapacia), mit Jniectenfreffer- u.
Raubthiergebiß; Blinddarm menig entwidelt;
theils Kletterthiere, theils Springer u. Läufer,
Dahin die Familien der Beuteldadje (f. d.),
mit verlängerten Hinterbeinen u. fpiger Schnauze
nad Art der nfectenfreffer; der Beutelmarder
(ſ. d.), mit Raubthiergepräge u. behaartem, aber
nicht zum Greifen eingerichtetem Schwanze, u. der
Beutelratten (f. d.), mit oft unvollſtändigem,
auf jeitlihe Falten reducirtem Beutel u. meiſt
langem Greifichwangze.
Foſſile Beutler finden ſich fait aus allen Unter:
ordnungen, jo Phascolomys-Arten aus den Allu—
vialhöhlen Neuhollands; ebendafelbft finden fich
auch Kängurubrefte, darımter das riefige Dipro-
todon australis Ote.. deſſen Schädel 1 m lang
iſt; von foſſilen Naubbeutlerreiten find bemerkens—
werth Thylacoleoe Ow., ein Thier von Löwen—
größe, von dem aber leider nur ein Schädelfrag-
ment aus den pleiftocänen Formationen Aujtras
liens befannt wurde, jowie von den Beutelratten
die Phascolotheria, welche in der Vorzeit auch)
in Europa verbreitet u. im Eocän, ſelbſt Oolith
gefunden wurden. Bejondere Bedeutung für den
Haushalt des Menſchen befisen die ur nicht,
Thonte,
Beuteltuch (Bentelgaze, Müllergaze), 1) locke⸗
res, durchfichtiges, aus grobem, aber jeit gedreh—
tem Kammwollen- oder Yeinengarn, auch Pferdes
baaren (dann Rapatel genannt) u. Seide nad
Art der Etamine gewebt u. bei. in den Mühlen
zum Durchbeuteln des Mehls gebraucht; es ift von
verichiedener Breite u. Feinheit, u. man unterjchei«
det 13 Sorten, mit den Nummern 20, 25, 30, 35
bis 80 bezeichnet, wovon 80 die feinfte Sorte ift.
2), Dafielbe, nur feiner, dient zur Näherei, zu
Modelltüchern u. zur Beziehung der Arbeits- und
Fenfterrahmen. Das B. umnterjcheidet fih von
anderen Geweben dadurch, daß ftets 2 Kettfäden
zufammengebören u. fi) gegenfeitig freuzend den
Einjchlagfaden umfhlingen. Dadurch erreicht man,
daß die vieredigen Löcher, melde in dem ſtets
jehr loſen Gewebe zwiſchen 2 Kettfäden u. 2 Ein-
ſchlagfäden entitehen, von conftanter Größe bleiben,
weil fib die Stettfäden auf den Einfchlagfäden
dient der lange Schwanz als Greif» u. Widel-|nicht verſchieben fünnen. Bon den beiden Kett-
ſchwanz.
Ihr Gebiß weiſt ihnen eine Stelleifäden heißt der eine der feſte, der andere der
21°
324 Beutelwerk
Tourfaden.
Litze oder des Perllopfes regiert u. einmal rechts,
das andere Mal linkls vom feſten Faden gehoben,
wodurch die Umſchlingung fommt, Benflel.*
Beutelwerk (Miüblenw.), Maſchine, um das
Mehl von der Kleie zu jondern u. in verſchiedene
Sorten zu trennen, indem man e8 meiftens ſechs
feitige, mit Seidengaze beipannte, rotirende Eylinder
(richtiger Prismen) paifiren läßt; ſ. Mühle.
Beutelmwiefel, j. Beutelmarder.
Beutelwolf, j. Beutelmarder.
Beuth, Beter Chriſtoph Wilhelm, geb.
28. Dec. 1781 in Kleve; ftutirte die Rechte und
Eameralia in Halle, wurde 1801 Referendar dei
furmärkiihen Kriegs- u. Domänenfanımer, 1806
Aſſeſſor bei der Kammer in Bayreutb, blieb nad
der Abtretung der Fränkiſchen Yande bei dem Staats-
minifter von Hardenberg, wurde 1809 Hegierungs:
rath in Potsdam, 1810 Mitglied der Geſetzcom—
miffion, dann Oberfteuerratb bei der Finanz»
commiffion; er trat 1813 als freiwilliger Jäger zu
Pferd in das Lützowſche Corps, ward bald Offi-
zier u. nach dem Frieden Geh. Oberfinanzvath in
der Abtheilung des Finanzminiſteriums für Handel
u. Gewerbe, 1821 Mitglied des Staatsratbes,
1828 Director der Abtheilung für Gewerbe, Handel
u. Baumwefen u. 1830 wirklicher Geheimer Ober—
regierungsrath; er trat 1845 aus dem Staats:
dienfte, jedoch unter Beibehaltung feiner Stellung
im Staatsrathe, u. ft. 27. Sept. 1853 in Berlin,
wo ihm 1861 ein Denkmal errichtet ward. B.
hat jegensreich für die Induſtrie Preußens gewirlt,
die Handels: u. Gewerbefreiheit begünftigt, das
Sewerbeinftitut zu Berlin u. Provinzialgewerbes
fhufen gegründet, den Berein zur Beförderung
des Gerverbefleißes in Preußen geftiftet. Seine
populäre Stellung gründete fich — auf das
von ihm 1821 geſtiftete Gewerbeinſtitut, jetzt Ge-
werbealademie, in welchem er im Vereine mit
Schinkel auf die Verbindung des Gewerbes mit
der Kunft u. auf Veredelung des Geſchmackes in
der Gemerbethätigteit hinmwirtte, Bauer.
Beuthen, 1) chem. Kreis im preuß. Regbez.
Oppeln, plateauartig an der rufl.epoln. Grenze,
zwiſchen den Flüſſen Malapane, Brynica u. Klod—
nitz, durchſchnitten von mehreren Verzweigungen
der Oberſchleſiſchen u. der Rechten Oderuferbahn
(zuſ. 59, km); Hauptfig der Eiſeninduſtrie u. bes
Steintohlenbergbaues in Schlefien, fowie der Zink—
production in Deutichland; ſchon im Mittelalter
wurde bier Blei- und GSilberbergbau getrieben,
Eifen- u. Steintohlenbergbau u. BZinkinduftrie erft
feit neuerer Zeit; 758, km (13, LM);
192,390 Em.; ift feit 1873 in die vier Kreiſe:
B., Kattowig, Tarnowis und Zabrze getheilt.
Das Land gehörte ehedem den ſchleſiſchen Biaflen.
berzögen unter böhmijcher Yehnshobeit, war 1526
bis 1621 im Pfandbeſitze der Kurfürften von
DENE feit 1623 im Befige der Familie
Hendel von Donnersmarf, feit 1697 freie Standes»
herrſchaft derjelben unter öfterreichifcher Hohett;
1741 wurde es preußiih. Bol. Solger, Der
Kreis B. in Ober-Schlefien, Bresl.1860. 2) Jebiger
— Beuvray.
Letsterer wird mittels der engliſchen Kreisftadt ebd., an der Duclle des B-er Waflers
oder Iſerbaches, 4 km von der Grenze, 309 m
über dem Deere auf einer wellenförmigen Hodh-
ebene, auf der Wafferfcheide zwifchen Oder und
Weichfel; 15,711 (mit Noßberg 18,492; 1816
erft 1976) Em., darunter 6000 Polen und 1500
Juden. Dur eine Zweigbahn der Oberſchleſi—
chen Eifenbahn und durch die Rechte Oderufer-
Eifenbahn fteht B. in Ddirecter Verbindung mit
der Provinzialhauptftadt; daneben viele ſchmal—
ipurige BZmeigbahnen nad dem Induſtrierevier.
Die Stadt ift dur ihre günflige Yage fchnell
emporgeblüht; einzelne Theile derjelben haben
großftädtifches Ausjehen. Das Kreisgericht mit
24 Wichtern (mit den Commiffionen 32) ift das
größte der Monardie; Städt. fath. Gymnaſium
mit über 400 Schülern; Sit der Berwaltung der
gräflih Schaffgotichefchen Güter, Hütten u. Gruben,
u. der gräflich Hendelichen Gruben; vier Hofpi-
täler; Mafchinenbauanftalt, neben zahlreichen grö⸗
ßeren und kleineren induftriellen Etabliſſements.
Einzelne Gewerbe, als Töpfer u. Gerber, find
wegen durch die Gruben-Tiefbanten entftandenen
Waffermangel8 u. die Sperrung der nahen ruf.
Grenze zurüdgegangen; doch blühen Handwerte
u. Gewerbe jet wieder mehr denn je, ſeitdem
durch ein großes Wafjerhebewert die Stadt mit
dem nöthigen Waffer verjcehen wird. Das Klima
ift ein durchaus continentales umd ziemlich raub.
In der Umgebung das Eifenhüttenwert Eintrachts-
bitte u. das Zinkwerl Klarahütte und mehrere
Kohlenzehen. Die Stadt wird feit 1178 genannt
u, erhielt 1254 deutſches Stadtredht. Vgl. Öramer,
Ehronil der Stadt B., Beutben 1863, 4) Nieder»
B. (B. an der Oder), Stadı im Kreife Freiſtadt
des Regbez. Liegnitz, an der Breslau - Stettiner
Bahn; Schloß des Fürſten von SKarolath-B.;
Obſt- u. Weinbau; Schifffahrt; Brauntohlen«
gruben; 3826 Em.
Beuther, 1) David, Probirer an der Münze
in Annaberg u. Alchemiſt (in der erften Hälfte des
17. Jahrh.). Der Kurfürft Auguft von Sachen
wollte das Geheimniß des Goldmachens von ihm
erfahren und zwang ihn zu dem eiblichen Ver—
ſprechen, ihm daffelbe zu entdeden. B. arbeitete
nun mit Schirmer in des Kurfürften Saboratorium;
allein bei einem enticheidenden Proceß, wo Schir-
mer das Geheimmiß erfahren follte, ftarb B. plög-
ih, wahrjdeintih durch genommenes Gift. Unter
jeinem Namen erſchienen: Bericht von der Kunſt
der Alhemie, Frankf. 1631; Zwei rare chemiſche
Tractate zc., dem beigefügt diefe® Autors Uni—
verfal, Lpz. 1717; Probirbud, ebd. 1717, und
Universalia et Particularia über die Verwandl.
der Metalle, Hamb. 1718. 2) Michael, geb.
18. Oct. 1522 zu Karlftabt in Franken; fludirte
in Wittenberg u. wurde 1565 Profeffor der Ge-
ſchichte in Straßburg; er ft. hier 27. Oct. 1587.
Er jr. u. a.: Ephemerides historicae, Paris
1551, Bajel 1556 (ein Hiftorifcher Kalender anf
jeden Zag des Jahres); De rebus a Carolo V.
gestis, Straßb. 1572; Animadvers. histor. et
chronogr.; Opus fastorum antiq. rom.; Fasti
Kreis, den ſüdöſtl. Theil des ehem. begreifend;|Hebraeorum, Atheniensium et Romanorum.
dem Flächeninhalte nah noch nicht beredunet;
85,616 Ew. 8) Ober-B. (poln, Bythom, Byton)!
Beuvrah, Berg im franz. Dep. Nidore, im
Gebirge Morvan, zwiſchen den Flüſſen Arrour u.
Bevagna —
Orva, 810 m hoch, mit prachtvoller Ausſicht. Auf
ſeinen Gipfel wurden Trümmer von galliſchen u.
römiſchen Bauten gefunden und ſiand einſt ein
Priorat. 1851 ließ dort die Franz. Archäologiſche
Geſellſchaft ein Steinfreuz errichten. Faprrich im
Mat wird bier jeit alter Zeit eim berühmter
Marft gebalten.
Bevagna, Stadt im Diſtr. Spoleto der ital.
Prov. Perugia, an der Maroggia; Gymnaſium;
Handel mit Wein u. Geweben; 4817 Em.
Beveland, Nord- u. Sild-B., zwei nebft dem
weftliheren Raldperen durch die Schelde-Miündung
gebildete Inſeln der niederländ. Prov, Geeland
Zeeland‘, an der Küfte der Nordfee, durch zmei
Ihmale Arme von einander getrennt. Nord-B.
it etwa 120, Süd-B. etwa 320 [km grof.
Beide find fruchtbar, leiden aber oft durch Über—
ſchwemmungen, daber ihr Gefundheitszuftand ein
unglnftiger if. Über Süd-B. geht der Fänge
nah die Eilenbahn von Bergen op Zoom nad
Middelburg und Bliſſingen auf Walderen. Der
größte Ort ift die Stadt Goes auf Eiid-B, mir
6300 Ew.
Beveren, 1) Marktfleden im Bezirke Dender
monde der beig. Pron. OFlandern; Baummollen-
webereien, Spigen:, Kerzen« und Eifigfabriten:
6560 Em. 2) Dorf im Bez. Beurne, Provinz
jlandern —— an der Nier; 2670 Ew. 3
Dorf bei Kortryk; 1425 Em.
Beveren, Charles van, Hiftorien-, Genre:
u. Borträtmaler, geb, 1809 zu Mecheln, geft. 1850
zu Amfterdam; ftudirte in Paris und Stalien.
Er vereinigt im jeinen Bildern bohen Ernſt mit
&arafteriftticher Auflaffung, Schönheit der Zeich—
nung mit Zartheit des Colorits und hoher tech—
niiher Vollendung. Werte: Beichte eines kranken
Mädchens, in der Neuen Pinakothel in München;
Judit u. Hagar, in Rotterdam, Regnet.
Beverin (Piz B.), Gebirgsſtock im ſchweiz.
Kanton Graubünden, Bezirk Heinzenberg; 3000 m
hoch; zu erſteigen von Tſchappina oder von Zillis
aus; großartige Ausſicht.
Beverlen, Haupıftadt des Diftr. Eaftriding in
der engliſchen Grafſchaft Port, am Kanal B.-Bed;
Ihöne Straßen; 7 Armenhäufer; Kartenfabrifation,
Berjertigung von Aderinftrumenten; Handel mit
Pferden, Getreide, Steinfoblen; 10,220 Ew.
Beverloo, Dorf in der beig. Prov. Limburg,
von Heideland umgeben, in deſſen Nähe das
Übungslager der beig. Armee fi) befinde. Im
Jahre 1831 war bier das Objervationslager des
Prinzen von Orauien.
Beverly, Stadt u. Eiienbahnftation im Effer
County des nordamerif. Unionsftaates Maſſa—
chuſetts, unter 42° 32' 49 u. Br. u. 700 52 23
w. L.; bedeutende Edhuhmanufactur; 6507 Em.
Bevern, Marktfl. im braunſchw. Kreife Holz-
minden, an der Bever; Schloß; Befferungsanftalt;
1900 Ew. Nach ihm ift die Linie Braunschweig:
B. (1687— 1786) benannt, welder B. gebörte u.
die bier refidirte, Mehr ſ. u. Braunſchweig-Bevern.
325
u. zu Nimmwegen (1675) Antheil, zog ſich ſpäter
von dem öffentlichen Geſchäften zurid u. ft. 1690,
Beverungen, Stadt im Kreiſe Hörter des
preuß. Regbez. Minden, an der Bever u. Weſer;
Eigarren-, Schub», Seifen- u. Bapierfabrifation;
Handei mit Geireide; Schifffahrt; Zoll; 1660 Em,
Bevermwpf, Marttileten auf der nur 2 km
breiten Landenge im Bezirke Haarlem der niederl.
Provinz NHolland, zwiſchen der Nordfee und dem
Binnenke (Ber Meer), der jet ausgetrodnet
wird; Viehzucht, Gartenbau; 3113 Em.
Bevölkerung. (Hierbei die Karte: Bevölter-
ungsdichtigkeit.) I. Die Gefammtzahl der einen
gewiffen Flächenraum bemwohnenden Menichen
nennt man die abjolute B. deffelben, während das
Berhältniß der Kopfzahl zu dem Flächeninhalte od.
auch zur Productionsfäbigfeit eines Landes die
relative B. deffelben ergibt. So war 3. B. die
abfolute B. von Deutfchland bei der Zählung vom
Dec. 1871_41,058,641, die relative dagegen 4170
auf die DM, während die letstere ın Belgien
9346, im Europ. Rußland dagegen nur 735 bes
trägt. A) B⸗sbewegung ift die Ab- und Zus
nahme der B, eines Landes als Ergebniß der
Geburten und Sterbefälle (unter Berüdfichtigung
der Heirathen) einer-, der Ein» u. Auswander-
ungen anderfeits. Über die Urfachen der Ab- u.
Zunahme, die Übel, welche aus der einen od. der
anderen entipringen, u. die Mittel, diejen Übeln
abzuhelfen, find genauere Unterjuchungen erft feit
Ende des 18. Jahrhunderts mit der Ausbildung
der nationalökonomiſchen Wiffenichaften überhaupt
angejtellt worden. Bei den Schriftftellern ver
Alten finden fi bier u. da zerjtreute Anfichten
über die Bewegung der B., namentlih äußern
Platon u. Ariftoteles Befürchtungen vor Übervölter-
ung u. rathen zu vorbeugenden und repreifiven
Maßregeln, als Kindermord, Abtreibung der Frucht,
Herrathsverbot für alle körperlich verunftalteten
oder geiftig Schwachen Bürger ꝛc. Böllig ente
gegengefettte Anfichten waren um die Mitte des
18. Jahrh. verbreitet, u. die Anhärder der jog.
pbofiofratiihen Schule bielten eine Zumabme der
B. für das vom Staate auch durch fiinftliche Mittel
zu erftrebende Ziel, weßhalb fie vorichlugen, durch
Begünftigung frühen Heirathens, Unterftütung
finderreiher Väter (in einigen Staaten tft es noch
Gebrauch, daß dem Vater eines 7. lebenden Soh—⸗
nes eine Prämie gewäbrt wird und der Yandes«
fürft Bathenftelle vertritt), durch Benachtheiligung
Unverheiratheter, Hagenſtolzen-Steuer (jelbft in
Frankreich doppelte Perſonalſteuer), Answander-
ungsverbote zc. für Vermehrung der Population
zu forgen. Sie gingen dabei von der Annahme
aus, daß die Zunahme der B, mit der Zunahme
der Subfiftenzmittel eines Landes mindeftens glei-
hen Schritt halte, wenn nicht das Verhältniß
überhaupt unbedingt zu Gunften der legteren aus»
falle u. ſonach der allgemeine Woblftand u. das
Nationalvermögen fih zu größerem Flor entwidele.
Diefe Anficht fand in Deutſchland einen entjchie-
Bevölkerung.
Beverningf, Hieronymus van B. einer)denen Vorfämpfer an Joh. Bet. Süßmilch (Die
der ausgezeichnetiten niederländ. Staatsmänner u.
göttfihe Ordnung in den Beränderungen des
Diplomaten, geb. 1614 zu Gouda; war niederländ, menſchlichen Geichlechtes, Berl. 1740, 4. A., 1775)
Unterhändler beim Frieden zu Breda (1667), u. bei. an v. Sonnenfels, welcher (Örundjäge der
hatte an den Friedensſchlüſſen zu Aachen (1668), Polizei, Handlung und Finanzwiffenihaft, Wien
326
1765, 7. A., 1804) diefe Anſchauungsweiſe über
Beöbemwegung zu einem Syſtem ordnete, Directen
Widerſpruch gegen diefe Theorie erhob der Eng-
länder 3. R. Malthus, indem er das Streben
nah Entvölterung als das richtigfte Princip der
Staatsregierungen binftellte (Essay on the prin-
ciples of population, Lond. 1798, 6.4., 2 Bbe.,
1826). Er ftellte die Behauptung auf, die B.
eines Yandes verboppele fich (bei normalen Zu—
ftänden von 25 zu 25 Jahren) in geometrifcher
Progreffion, während die Productionskraft der
Böller, aljo and) die Summe ihrer Subfiftenzmittel,
verhältnigmäßig mur fehr langſam, bloß in arith-
metischer Proportion zunehme. Zur Berhütun
des allmählich entitebenden Mißverhältniſſes ga
er ald vorbeugende Mafregel die Enthaltjamteit
im ebelichen Leben, als repreffiven Schuß gegen
bervölferung, Elend u. Yafter, an. Gegen dieſe
mit vielem Scharffinne entwidelten Anfichten erhob
fi ein großer Kampf, theil$ vom religiöfen, theils
vom voltswirthichaftlichen Standpunkte aus. Die
jenigen, welche den erfteren feithielten, verwarfen
die Theorie als mit der chriftlihen Religion und
der göttlihen Weltordnung unvereinbar. Die
wifjenichaftlihen Forſcher warfen dagegen ein, daß
die Maltbusiche Aufftellung einer progreifiven Zur
nahme, die von amerikanischen Berhältniffen abs-
trabirt war, ebenſo wie feine Behauptung einer
fih gleich bleibenden Fruchtbarkeit ud Zeugungss
fraft bei zunehmender Tichtigkeit der B. falſch jei,
eudlidh aber auch die Vermehrung der Nahrungs-
quellen eines Volles weit raſcher erfolge. Auf
die Geſchichte fih ftügend, führten andere Gegner
des Malthusichen Syftems aus, daß, wenn daffelbe
begründet wäre, von Anfang an, zumal da bei
niederen Culturſtufen das Enthaltfamkeitsprincip
feine Anwendung babe finden können, ein Krieg
Aller gegen Alle hätte ftattfinden müffen, u, ein
Fortichritt der Eivilifation, der doch unzweifelhaft
feftftehe, unmöglich habe eintreten können. Uber
die frage wurde ein heftiger Federkrieg geführt;
doch fehlte eben damals vorgebrachten Beweiſen für
u. wider an hinreichenden ftatiftiichen Unterlagen,
um fie durch Thatſachen zu unterftügen, oder zu
entfräften. Die Entwidelung der Statiftil hat die
Mittel geliefert, die thatſächliche Unhaltbarfeit der
Grundlage des Malthusſchen Spitems, nämlid
der Unterjtellung einer geometrijchen Bollszunahme,
darzutbun. So betrug das Wachen der B. in
Procenten:
Yabre: in Frankreich: in England: Jahre: in Preußen:
1821— 30 6,00 15,00 1831-39 14,
1831—40 5 14a: | 181046 Tu
1841 50 4, 154 1847-52 By
1851— 60 33 ln 180355 13
1861-66 I. 1856-58 Bus
1867— Tminusian Jr 1859-62 Ay
1863-65 us
186668 Yu
1869— 72 Ya
Dies ift nicht die gefürcdhtete geometrifche, nicht
einmal conftant die arithmetifche Progreifion. Man
mußte erfennen, daß ein Steigen od. Sinten der
Verhältnißzahl bei der Vollsvermehrung in dem
Maße zu erfolgen pflegt, in welchem eine Ber-
befferung oder Verſchlimmerung in der Lage des
Bevölferung.
Volfes eine ſolche Anderung ebenfo wol rechtfertigt,
als erklärt. Dabei wirft mächtig ein: der Eultur-
grad eines Bolles, das Maß der Behürfniffe,
deren Befriedigung man in’ den verichiedenen
Klaffen, bis zur unterften herab, für unentbehrlich
bält. Davon, von der Ab- u. Zunahme des Ber-
dienftes, im Berhältnig zum Steigen oder Sinten
der Yebensmittel» 2c, Preife, hängt die Ab- oder
Zunahme der rer der Geburten, der Sterbe-
fälleab. B)B-sftatiftif. en ya fannte
ihon das frühefte Altertum, u. bei den Chineien,
Juden, Griechen u. Römern wurden von Zeit zu
Zeit über die Einwohnerzahl der Städte und des
Landes Regifter angelegt. Nähere Ermittelungen
über Zanf-, Trauungs- u. Sterbefälle fommen
erft im 16. Jahrh. vor u. werden von da an im
den civilifirten Staaten allgememer. Doch fehlte
ed dieſen Angaben faft durdgehends an Zıwer-
läffigkeit, wie denn in der Neuzeit überhaupt die
Anſicht ziemlich allgemein zur Geltung fommt, daß
zur Erlangung zuverläffiger Eiviljtandsregifter
deren Führung an weltliche Beamte ftatt der
Geiftlichkeit übertragen werden müſſe. Schweden
war der erite Staat, welder ungeachtet der durch
die räumlichen und Himatiichen Verhältniſſe be-
dingten großen Schwierigkeiten ſeit 1751 Jahr
tür Jahr eine Statiftif der B-sbewegung u. der
Vollszahl iiberhaupt herftellte. Lange Zeit fand
das Beiſpiel höchſtens im Heinen Gemeinmefen
einige Nahahmung. Bon größeren Staaten folgte
zuerft Die jugendfräftig fih entwidelnde Nord-
amerifanishe Republik, in der feit 1790 alle 10
Jahre Bolfszählungen vorgenommen werden;
England ſchloß fih im mächften Jahrzehnt an;
Frankreich folgte 1801 mit Zählungen, fegte” die-
jelben aber nur unregelmäßig fort bis 1831, von
wo an fie alle 5 Jahre wiederholt werden. Im
Deutſchen Zollverein wurden feit 1831 alle 3 Jahre
Bollszählungen vorgenommen, u. jegt gibt es in
Mittel-Europa feinen Staat mehr, in welchem ſolche
Erhebungen nicht regelmäßig ftattfänden. Zu den
wichtigeren Ergebniffen der B - Sftatiftif rechnen
wir die. Gonftatirung —— Thatſachen: Es
werden mehr Knaben alz Mädchen geboren (durch-
ſchnittlich in Europa etwa 106,,, gegen 100; die
Schwantungen find in hen einzelnen Yändern jehr
gering, nämlich zwiſchen 105,,, als Minimum ı.
107,,, als Marimum gegen 100; dagegen iſt die
Sterblichkeit, beſ. im frübeften Alter, bei den Knaben
eine weit größere: auf 100 todtgebovene Mädchen
fommen 140,5, todtgeborene Kuaben; auch bei den
lebendgeborenen berricht vom erften Tage an eine
größere Sterblichkeit; in Bayern ergab ſich in
einer 33jährigen Periode, daß im erjten Alters»
jahre 33,, p&t. Knaben, aber nur 28,, pCt. Mäp-
hen ftarben; Quetelet fand in Belgien, daß nach
Ablauf eines Jahres das Gleichgewicht bereits
nahezu bergeftellt war. Jufolge deffen und des
Hinzumittes von Auswanderungen u. Kriegen ift
in Europa die weiblihe B. im Allgemeinen die
zahlreicher... In Amerifa walter aus nahelie-
genden Gründen das entgegengeiekte Verhältniß
ob, u. in Belgien, das von Kriegen u. Maſſen—
auswanderungen freigeblieben, bat fich das Gleich»
gewicht bergeftellt, —— (bei der Zählung von
1866) mit einem Heinen Übergewichte der männ—
327
fihen B. von 11,445 Individuen. Im Deutichen, Lebensdauer betrifft, jo berechtigen die Berbeffer-
Bollverein dagegen, wo die weiblihen Einwohner jungen in Nahrung, Wohnung u. Kleidung zwar
hen 1864 313,383 mehr betrugen, ftieg dielallerdings im Allgemeinen zur Annahme einer
Differenz 1867 auf 471,855 u. 1871 fogar auf ſolchen Berlängerung; anerkannt muß indeß werden,
755,875; in Frankreich, wo der Unterſchied 1821, daß auch bier alle bis jetst aufgeftellten fpeciellen
nad den großen Kriegen, 868,325 betragen hatte Berechnungen auf durhaus mangelhafter u. un«
(auf dem jetigen Gebiete nur 37,244), war der-jzuverläffiger Grundlage beruhen, deshalb wiffen-
ielbe 1866 auf 33,906 herabgegangen, erichien aber |jchaftlich unhaltbar find; poſitiv nachweifen läßt ſich
Bevollmächtigte — Bewäjjerung.
1872 wieder mit 137,899. — Als Folge von
Notbjahren ftellen fih regelmäßig ein: Vermin—
derung der Heirathen u. Geburten, Bermebrung
der Todesfälle; man zählte 3. B. in 7 engliichen
Grafihaften:
Sterbefälle: Meizenpreis:
1801 55,965 118 Shill. 3 Den,
1804 44,794 60 „1m
In gleicher Weife mwirten Wohlhabenheit u. Ar-
muth auf die Sterblichkeit. Hat jedoch ein außer-
ordentlicher Menfchenverluft, bei. infolge von Seu⸗
chem, ftattgefunden, fo zeigt fih ein Streben nad
Ergänzung der Lücken, ſowol durch Verminderung
der Zodesiälle, als durch Bermehrung der Se
birten. Nachdem im Eholerajahre 1832 in Frank—⸗
reich die Zahl der Sterbefälle auf 933,733, d. F.
63,300 Individuen od. 15 pCt. über das Durch
ſchnittsverhältniß, geftiegen war, fanf die Zahl im
nähften Jahre auf 812,548, d.h. 57,600 weniger,
als die Normalzahl — gleichfalls nahezu 15 pCi.
Im Theurungsjahre 1847 ftarben 3 pCt. über
den Durchſchnitt, u. im nächften Jahre nahm der
Tod beiläufig die normale Zahl hinweg, allein
die Geburten vermehrten fih um 3 p&t. Im
Allgemeinen ift das Sterblichleitsverhältmiß für Die
mitteleurop. Länder nach den einzelnen Monaten
mit ziemlicher Berläffigteit berechnet. Die Sterb-
hapleit zeigt fich am größten in den falten Monaten.
Während Viele die Haren friihen Wintertage für
ſehr gefund halten, raffen diefe eine Menge Men-
ſcheu hinweg, bei denen der Organismus bis da-
bin gerade noch ausgereicht hatte, gegenüber deu
Leiden u. Gebrechen das Gleichgewicht zu erhalten;
der Hinzutritt der Kälte, oft ein Meines Moment,
genügt, die Magichale finfen zu machen, diefes
Gleihgewicht aufzuheben u. die Vernichtung des
Yebens herbeizuführen. Auch die Zahl der Selbft-
morde richtet fich nach der Jahreszeit, nad ben
Monaten. Aber nicht, wie man denfen möchte,
im beiteren Sommer, jondern umgelehrt, im falten
Winter kommen diefe Seibftmorde am jeltenften
vor; ihre Zahl vergrößert fi mit dem Wachſen
der Tageslänge; fie vermindert ſich mit der Ab-
uahme derielben; fie ift am geringften im Dechr.
u, Jan,, am größten im Juni u. Juli, Was
das Alter der Selbftmörder betrifft, jo fommen
bon vom 5. Jahre an Fälle vor; die Zahl ver
mehrt fih von da an regelmäßig u. ift (ebenfalle
entgegen der gewöhnlichen Annahme) relativ am
Rärkften im Greifenalter. Daß die Beihäftigungs-
weile der Menfchen, das fpecielle Gewerbe ac.,
phyſiſch u. pigchiih einen Einfluß auf die Lebens—
dauer ausübt, fanın micht bezweifelt werden, wol
aber ift es richtig, daß alle bis jekt vorliegenden
desfallſigen Einzelberechnungen entichiedenen Be-
denfen unterliegen u. daß ihre Ergebniffe höchft
fraglih ericheinen. Was die faft allgemein ge»
glaubte große Verlängerung der menjclichen
jene Lebensverlängerung zur Zeit noch feineswegs;
gerade darüber jind Die hervorragenditen. Ztas
tiftifer, wie Engel, Hopf, Wappäus, einig. C) B-8-
politil. Eine unbefangene Würdigung der er—
mittelten Thatfahen wırd die Regierungen ab—
halten ebenfo wol von einer künftlihen Vermin—
derung, als von einer künſtlichen Vermehrung
der B,, letteres etwa mit Ausnabme von Ver—
hältniſſen, wie fie in Amerifa u. Auftralien beſtehen,
mit vielen Himderttaufenden von Heltaren unbe—
bauten Landes. Im Allgemeinen, doch nicht ohne
Ausnahme, wird Man eine naturgemäße, nicht
verfünftelte Zunahme der B. als vortheilhaft ans
zuiehen haben, wogegen deren Berminderung faſt
unbedingt auf ſchwere fociale, wirthichaftliche oder
politiſche Schäden deutet. Daß aber weder die
Zunahme, noch die abfolute Größe der- B, ein
unbedingtes Kriterium der Zuftände eines Yandes
ift, zeigt ein Blid auf China mit feinen 400 oder
500 Dill, Einm., die zum Theil in menſchenent⸗
wirdigenden Berhältnifien Icben, wo das Weib
aleihram Sklavin u. der Kindermord bergebradhte
Zitte ift, abgeſehen von den politiihen Ver—
hältniſſen. Bgl. Kolb, Handbuch der vergleichen-
den Statiftif, 7. Aufl, Ypz. 1875. Kolb.*
Bevoilmädhtigte, Perionen, welchen von An-
deren Die Vollziehung einer Handlung für fie in
ihrem Namen ausdrüdlid aufgetragen ift. Ber
glaubigt werden fie Dur eine von dem Ab»
ſchicker ausgeftellte Vollmacht (ſ. d.). ©. Mandat.
B. Miniiter, ſ. Geſandte.
Bewaffnung, die Verſorgung des einzelnen
Soldaten oder ganzer Truppentheile mit Waffen,
auch die Art der Waffen, mit denen der einzelne
Mann oder Truppentheil verſehen werden muß,
um ſeiner Beſtimmung gemäß im Kriege ver—
wendbar zu ſein; ſ. u. Waffen.
Bewäſſerung der Wieſen u. Felder geſchieht
auf mannigfache Weiſe u. hat zum Zwecke, die Er—
tragsfähigleit des Bodens zu heben. Durch Zus
fuhr von Waffer bieten wir den Pflanzen sicht
nur Erfriihung, Sondern auch ſämmtliche Nähr-
jtoffe; denn alle Nahrung — Kohlenfäure ausge»
nommen — welche die Pflanze zum Leben nöthig
hat, muß ihren Wurzeln in mäfferiger Löſung zu
Gebote ftehben. Das Leben der Pflanzen beiteht
in fortgefegter Waſſeraufnahme durch die Wurzeln
und Wafjerabgabe, Berdunftung dur Die ober»
irdiſchen Pflanzentheile. Schon vor Jahrtaufenden
bat man diefe Bedeutung des Waſſers erfannt u.
daffelbe zur B. des Bodens verwandt. So fin«
den wir in Agypten ſchen vor der Erbauung der
Pyramiden, in Meiopotamien Jahrhunderte vor
Ehrifti Geburt zwedmäßige B-sanlagen, Die
Ehinefen und Fapanejen, welde allen anderen
Völkern in der Bodencultur voraus find, erzielen
ihre hohen Erträge bei rationellerv Bodenbearbeit-
ung dur zwedmäßige B. Bei der Entdedung
9
328
von Xınerifa fanden die Spanier in Merico
Wafferleitungen u. B-sanlagen; die Gärten der
Aztefen follen wahre Wunderwerke geweſen jein.
Bon den heutigen europäiſchen Staaten ift Italien
in diefer Beziehung am weiteften vorgeſchritten.
An der Univerfiät Turin wird das Besweſen
als Wiffenfihaft gelehrt und durch praftifche
Beifpiele aus der Umgegend erläutert. Galten
aud die von den Römern angelegten Waſſerwerke
namentlich in fpäterer Zeit mebr dem Woblleben,
jo gaben fie jedenfalld Veranlaſſung zu den
jetigen B-Sanlagen. Durch zmwedmäßige Gelege,
befonders durch den Wafferleitungszwang und
die Bildung von Genoffenichaften durd den
Staat haben denn auch die betreffenden An—
lagen Dimenfionen angenommen, wie bisher in
feinem anderen Yande. In Venetien beftehen be-
reit$ 80,459 ha, in der Lombardei 550,000 ha
und in Piemont 196,000 ha bemäljerter Yän-
dereien. Das Waffer, welches in Kanälen das Land
durchzieht, wird von der Regierung verfauft oder
verpachtet. Für bewäflerte Flächen bezieht der
Staat eine Steuer von 12,5, Fes. pro ha. Nächſt
Italien erfreuen fih Bayern u. England der aus:
gedebnteften B-sanlagen. In England find fiber
522,000 ha, die Hälfte ſämmtlicher Grasländereien,
bemäflert. Die erjten Rieſelwieſen wurden dajelbit
1690, die erften U eriblämmungsanlagen 1743
angelegt. In Preußen wurde erft nah dem
J. 1849, ım Frankreich feit 1860 der B. mehr
Aufmerffamteit geihentt. Auch in Spanien, mo
man die gewaltigen Wafferbauten der Mauren
zerftörte oder zerfallen ließ, findet neuerdings bie
B. wieder Aufnahme, nachdem man ceingejeben
hat, mie jehr die Yandwirtbichaft gejunfen war,
Frankreich befist 4886 km, England u. Irland
4825 km, Belgien 781 km, Ofterreih 550 km
u, Preußen 515 km Kanäle, welche, wenn fie
auch nicht ausichliehlih zur B. von Yändercien
angelegt find, doch in ziemlichem Umfange dazu be
unge werden, Man untericheidet mehrere B- sy
jteme, welche entweder auf dem Anftauen, od. dem
Beriefeln bafiren. Bon ganz bejonderer Wichtigkeit
ift die B, beim Wiefenbau; hier unterfcheider man
nad dem zu Grunde liegenden Syſtem Stau- u,
Riefehviefen. Staumiejen werden gewällert
durch Anſtauung, oder durch Beftauung. a) Durch
Auſtauung, indem man das Wafler in offenen
Sräben bis nahe an die Oberfläche der Gras—
narbe treten läßt u. dadurd die ZIufuhr des
Waflers von unten aus bewirkt, Durd die Ca-
pillarität des Bodens ſteigt das Waffer nach oben
u. kommt den Wurzeln zu Gute. Da jedoch viele
von dem Waſſer mitgeführte Dungftofie fih in
den Gräben mit dem feinen Schlamme feitjegen,
jo ift die büngende Wirkung des Waffers bei der
Anftauung eine jehr geringe. b) Durd die Be-
ftauung, auch Überſtauung genannt, werden die
Wiefen nah Maßgabe der örtlichen Berhältnifje
0, bis 1,, m unter Waffer gefegt. Überſtauun—
gen werden überall dort ausgeführt, wo nur zu
gewiffen Zeiten ein veihliher Waflerzufluß ftatt-
findet. Die Überftauung geſchieht gewöhnlich im
er und Herbite, zu welchen Zeiten die
. überhaupt am zmwedmäßigiten erfolgt, Wer—
den Wiejen im Frühjahre überſtaut, wenn nod
|
Bewäflerung.
— Tea ge zu erwarten find, jo muß man
das Waſſer fo lange überhalten, bis ſolche nicht
mebr zu befürchten. Iſt nämlich im Frühjahre zu
wenig Waffer vorhanden, fo erfrieren die Gräſer
zu leicht bei eintretendem Froſte. Anderjeits faulen
bei zu langem Überhalten, namentlih einer hoben
Waſſerſchicht, Die Untergräjer leicht aus. Die An-
lage einer Überftanung ift eine verhältnißmäßig
billige, indem im vielen Fällen ein Wall u, einige
Gräben genügen. Beriefelung. Unter Beries
ſeln verftebt man ein beftändiges Überfließenlafien
des Waſſers über eine Fläche, ohne die Pflanzen
zu beveden. Man untericheidet: a) wilde Riejel-
ung. Durch Anftanen eines Fluſſes oder Bades
wird Waſſer gezwungen jeitlih auszutreten und
über von Natur geneig:e Flächen zu fließen. Iſt
das Gefälle unregelmäßig oder zu ſtark, jo werden
von den Staupunften aus Yuleitungsgräben ge»
zogen, welche das Waſſer an entferntere D:te
bringen. Die Abwäſſerung erfolgt gewöhnlich von
ſelbſi. Der Erfolg diefer Art der B. ift jelten
erheblich, weil nur in der Nähe der Wafferrinnen
gutes Gras wächſt. b) Rieſelung des Kumft-
baues geichiebt bei jehr ftarfem Gefälle auf Fünft«
lich angelegten Hängen, Terrafien oder Beeten.
Die Koften ſolcher Anlagen find meift jehr be-
deutend, oft iiber 1200 M pr. ha, indem die ganze
Fläche umgebaut, planirt u. dann gleihmäßig mit
Raſen bededt oder friih angefäet werden muß.
Beim Terrafienbau wird durch Gräben Wafler
oben zugeleitet u, rieſelt von Terraſſe zu Terrafje
bis in die Ableitegräben. Ahnlich beim Hangban.
Beim Beetbau wird durch einen Hauptgraben das
Waſſer fo berbeigeleitet, daß durch abgezweigte
Rinnen die Rücken (Sattel) der Beete bewäſſert
werden. Das Waſſer riejeit nach beiden Seiten
des Beetes in die Abzugsfanäle. Die Breite der
durch jede Hinne zu bemwäflernden Flächen wird
nah Maßgabe der düngenden Bejtandtbeile des
Waflers im Allgemeinen auf 4 bi$ 12 m, das
Gefälle für jeden m Breite auf 4,, bis 2,, cm an»
zunehmen jein. ec) B. drainirter Yändereien, ein
von Peterſen eingeführtes Syftem, verbindet die
Entwäfferung mit der B. u. ift überall da zu
empfeblen, wo wenig Waſſer zur Berfügung ftebt.
Bei der Anlage wird dem Hauptdrain das ſtärkſte
Sefälle gegeben, jo Daß derſelbe vom bödhiten
Punkte beginnend den Ausflug an der tiefiten
Stelle hat. Die Saugdrains, welche rechtwintelig
zum ſtärkſten Gefälle laufen, haben felbit nur ein
geringes Gefälle. An jeden Verbindungspuntte
der Nebendrains mit dem Haupidrain iſt eim
Stauapparat eingefegt, in welchem Neben- und
Hauptdrain einmuünden. Die Fortſetzung des letz-
teren kann durch ein Bentil geichlofien werden.
Alsdann tritt das Waſſer in den Naften u. jteigt,
da ihm der Abfluß veriperrt ift, fo hoch, daß es,
in die horizontal über den Nebendrains liegenden
Wafferrinnen ablaufend, aus diejen die Boden-
fläche überrieſelt. Ein anderes, noch wenig be-
kanntes, in England eingeführtes B⸗sſyſtem befteht
darin, daß durch fein durchlöcherte Bleiröhren be-
wäſſert wird, Die Nöhren werden 12—13 m
ans einander gelegt, u. find über 5000 m Röhren
pro ha nothwendig. Der großen Koften wegen
dürfte Dieje Art der B. wenig Verbreitung finden.
Bewdley — Bewegung.
Die gleihfalld in England übliche flüſſige Düng-
ung bat B. des Bodens zum Hauptzwede. Bon
der B. ift, nach welchem Spitem fie auch ange
legt jein mag, mur dann Bortheil zu erwar-
ten, wenn für entiprechende Entwäſſerung gejorgt
it. Sol eine B-Sanlage vorgenommen werden,
fo bat man genau die zu Gebote ſtehende Wailer-
menge zu prüfen, denn je nach der Anlage ift
diejeibe ſehr verichieden. Schenf fordert pro ha
Riejelmiefe in der Secunde 1,4, cbm Waffer, an-
dere dagegen nur O,yass ebm. Dieje bedeutenden
Unterſchiede vejultiren aus der Berjchiedenbeit des
Bodens, der Breite u. Neigung der Flächen und
dem Klima. Bgl. die Werte über Wiefenbau (f. d.)
und Lad. Wagner, Yandwirtbichaftsiehre, Buda-
Veit 1874. Rohde.
Bewdley, Stadt in der engliſchen Grafichaft
BVorcefter, an dem ſchiffbaren Severn; Bart; Horn-
arbeiten, Meffinggießerei, Gerberei; 3021 Em.
Beweglidye Güter, j. u. Mobilien.
Bewegung 1) (Mechanik), ftetige Veränder—
ung des Ortes. Der Gegenſatz der B. ift die
Ruhe oder das Berharren am Orte. Der Ort
eines Bırftes oder Körpers wird aus der Yage
defielben zu anderen Punkten erfannt; wir fagen
von ihm, er jei in B. oder in Ruhe, je nachdem
er ſeine Lage zu diefen anderen Punkten verändert
oder nicht. Bon einem auf der Erde befind-
lichen Gegenftande jagen wir z. B. er fi in ®.
oder in Ruhe, je nachdem er jeinen Ort auf der
Erde, d. h. feine Lage zu ſolchen Punkten oder
Begenſtänden, welche auf derjelben eine unverän-
derte Stellung einnehmen, ändert oder nicht. Man
erlenut aber leiht, daß ein folcher Körper nur
relativ, d. h. nur in Beziehung auf dieje Buntte,
nicht aber abjolut, in Beziehung auf feine wirt.
liche Lage im Weltraume, in B. oder Ruhe tft;
denn die Erde dreht fih um ihre Adje u. mit
diejer um die Sonne; jene Punkte, auf melde
die Lage des Körpers bezogen it, find gar nicht
wirtiih in Ruhe, jondern fie bewegen fich mit
der Erde; ja, auch die Sonne ift micht in Ruhe,
fie bewegt fih um einen Gentralförper, und ob
diefer emdlich fich ebenfalls bewegt, das läßt fich
betanntlich noch nicht feftitellen. In der Natur
findet fich ein wirklicher Ruhezuſtand überhaupt
niht; was man gemeinhin Ruhe nennt, ijt alſo
nihts Anderes als derjenige Bewegungszuftand
eines Körpers, melden er mit anderen ihn um—
gebenden in der Art theilt, daß feine Yage zu
diejen dabei nicht geändert wird, oder daf er, wie
man dies auch nennt, mit ihnen eine gemeinjame
B. macht. Jede andere B. wird im Gegenfate dazu
eigene DB. genammt. Von einem Gegenjtande auf
der Erde aljo jagen wir, er ſei in Ruhe, wenn er
zu den ihm umgebenden Gegenftänden, 3. B. zu
den Wänden des Zimmers, oder zu den Bäumen,
Häufern, Bergen zc. eine unveränderte Page ein—
nimmt; im anderen Falle jagen wir, er ſei u B.
Bon der Erde jagen wir, fie ſei in B., fofern wir
die Anderung ihrer Stellung zu der Sonne u. den
Firfternen ins Auge faflen; von legteren jagen
wir, fie ſeien in Ruhe, infofern fie ihre Stellung
zu einander nicht Ändern, Fält im Innern eines
Eifenbahnwagens ein Gegenftand frei berab, fo
eriheint feine B. dem im Wagen Sigenden als
329
genau diejelbe, ob der Wagen ftille ftebt od. fährt;
als diefelbe, ob er rajch oder langſam fährt. a,
wenn wir uns im Wagen befinden u. den Gegen-
ftand außerhalb des Wagens fallen laffen, fo er-
ſcheint ſeine Fallbewegung uns vom Wagen aus
gefehen u. auf eine am Wagen befindliche verti-
cale Finie, 3. B. den Rand des Fenſters, bezogen,
noch ebenfo, obmwol diejelbe für einen Beobachter,
der ftille ftebt, den Wagen an ſich vorbei:
fahren fiebt und die Hichtung der Fallbewegung
nit der eines feſtſtehenden Öegentandes, 3.8.
einer Telegraphenftange, vergleicht, anders, näm—
lich nicht lothrecht, jondern ſchräg ericheint. Der
Gegenftand fällt, nimmt aber gleichzeitig am der
B. des Wagens theil. Diefes Beifpiel veran-
ſchaulicht uns einen ganz allgemein giltigen Sag:
„Jeder Körper fann an mehreren Been
gleichzeitig theilnehmen, u. jede einzelne
diejer Ben erfolgt fo, als ob die am-
deren alle gar nicht vorhanden wären;
wir dürfen aljo eine B., wenn fie auf ſolche
Funtte bezogen wird, die man als rubend an—
nimmt, jo betrachten, als wäre fie eine abfolute.
Daher die in der Mechanik gebräuchliche Defini—
tion: Ruhe u. B. find abjolut, wenn fie ſich
auf ruhende oder als ruhend vorgeftellte, relativ,
wenn je fih auf bewegte oder in Bewegung ge-
dachte Orte beziehen,
Die Lehre von der B. beißt Mechanik. Gie
betrachtet die B. entweder rein mathematisch, als
bloße Erſcheinung, ohne Berüdfichtigung der Ur-
jachen, oder phyſiſch, als B. materieller, der Ein-
wirtung von Kräften unterworfener Körper u. als
Wirkung diefer Kräfte. Die mathematiſche B-slehre
beißt Phoronomie oder Kinematif, die phy—
fifaliiche heißt Dynamil.
Die fterige Aufeinanderfolge der Orte, welche
ein bemwegter Körper ım Raume nah u, nad
einnimmt, heißt der Weg oder die Bahn deffelben ;
der Weg kann ein geradliniger oder frumm-»
liniger fein, je nachdem die Richtung der B.
diefelbe bleibt, oder fich continuirlih ändert. Die
B. eines Körpers ift ferner fortjchreitend,
translatorifh oder eine Verrüdung, wenn alle
Theile deſſelben fih in gleiher Richtung u. mit
gleiher Gejhwindigfeit bewegen, drehend, wenn
eine dur den Schwerpunkt des Körpers gehende
rinie in Ruhe ift u. ſämmtliche anderen Puntte
defielben in Bezug auf dieſe Linie in gleichen
Zeiten gleihe Winkel bejhreiben, oder fie ift fort«
jchreitend u. drehend zugleih. Zu jeder B. ift
ferner Zeit erforderlih. Eine B. beißt gleid-
fürmig, wenn die im gleichen Zeiten zurüdges
legten Wege gleihe Länge haben, ungleich-
förmig, wenn dies nicht der Fall ift. Die we—
nigften der in der Natur vorfommenden Bsen find
gleichförmig; es gehören dabin: die Achiendrehung
der Erde oder die jcheinbare täglihe B. des Fix—
ſternhimmels; die B. der Zeiger einer (gut ge
henden) Uhr; die Fortpflanzung des Lichtes durch
ein homogenes Medium. Die Wegftrede, welche
ein gleicplörmig fi” bewegender Körper in der
Zeiteinheit (Secunde) zurüdlegt, beißt feine Ge-
ihwindigleit. Man findet die Geſchwindigkeit
eines fjoldhen Körpers in der Secunde, indem man
die Anzahl der Längeneinheiten (Meter, Meilen),
330
welche er zuridgelegt hat, durch die Anzahl der
Secunden dividirt, die er dabei gebraudt hat.
Die Gejhwindigkeit eines Fußgängers, der in der
Stunde (zu 3600 Sec.) 5 km = 5000 m zurüd-
legt, ift demnach 5000 : 3600 — 1,54, m. Die
B. eines Fußgängers iſt freilich nicht im aller
Strenge gleihförmig; denn jeder Schritt ift aus
mehreren verjchieden raſchen B-n zuiammenge-
fest; fie kann indefjen für unferen Zwed als gleid)-
förmig betrachtet werden, wenn der Fußgänger
zu jedem Schritte die gleiche Zeit braucht u. wenn
die Schritte gleich lang find. Solche B-en können
periodifh-gleihförmige genannt werden, Ein
Beifpiel ſtreng giewhförmiger B. tft dagegen fol—
gendes: Ein Punkt des Aauators durchläuft in
24 Stunden (— 86 400 Sec.) den ganzen Umfang
der Erde (360 Grad Ad 15 Meilen — 5400 M);
die Gejchwindigfeit der Erde beträgt demnach am
Aquator 5400 : 86 400 —0,gga5 (Oder 2) N.
in der Secunde. Die Gejhmwindigfeit einer un»
gleihförmig en B. iſt verändertich,, fie ift in
jedem Augenblide eine andere; die in einem be
ftimmten Augenbiide vorhandene Geſchwindigkeit
iſt dann der Weg, welcher in der Zeiteinheit zu—
rücgelegt werden würde, wenn die B. von diejem
Augenblide au gleichförmig bliebe, Eine ungleich:
fürmige B. heißt beſchleunigt oder verzögert,
je nachdem die Geſchwindigleit derfelben ftetig zu—
nimmt, oder ftetig abnimmt; fie heißt ferner
gleihförmig beſchleunigt, refp. verzögert;
wenn die Zunahme, reſp. Abnahme der Geſchwin—
digfeit in gleichen Zeiten gleih ift, ungleid-
förmig befhleunigt, reip. verzögert, wenn
die Anderung in gleihen Zeiten ungleich ift. Als
Beifpiel einer gleihförmig beichleunigten B. nennen
wir den freien Fall (im Iuftleeren Raume). Ein
frei fallender Körper bewegt ſich mit ftetig zuneh—
mender Geſchwindigleit; dieſelbe ift nach der erften
Secunde nahezu 10m (genauer 9,405, M), d. h.,
wenn ein frei fallender Körper vom Ende der
erften Secunde an eine Secunde lang fich mit
der bis dahin erlangten Geſchwindigkeit gleichför«
mig fortbewegen könnte, fo würde er ım dieſer
Secunde 10 m zurildiegen. Am Ende der zweiten
Secunde ift feine Geſchwindigteit 20 m, am Ende
der dritten 30 m u. f. f. Seine Geichwindigfeit
ändert fih fomit in jeder Gecunde um denjelben
Betrag von 10 m. Die B. eines lothrecht in die
Höhe geworfenen Körpers ift eine gleichförmig
verzögerte, Derfelbe werde mit einer Geſchwindig—
Bewegung.
eine Verzögerung). Bei ungleihförmig be—
ſchleunigter oder verzögerier B. ift die Be—
Ichleunigung in jedem Augenblicke eine andere,
Hier ift die Beſchleunigung für einen beftimmter
Augenbiid diejenige Anderung, melde die Ge—
Ihwindigkeit in der auf diefen Augenblid folgen«
den Secunde erfahren miürde, wenn innerbafb
diefer Secunde die B. eine gleihförmig beichleu-
nigte, reſp. verzögerte wäre. Als Beifpiele ungleich“
förmig beichleumgter u. verzögerter B. nennen
wir die einzelnen Bhalen der B. eines Pendels.
Bon dem Augenblide an, im welchem diefes am
mweiteften von der (lothrechten) Gleichgewichtslage
abweicht, nähert es fich mit ungleihfürmig be»
ſchleunigter B. der Gleihgewichtsiage; feine Ge»
Ihmwinvdigfeit nimmt während des Niederganges
zu, aber die Zunahmen werden immer Heiner;
von dem Moment an, wo es die Gleichgewichts
lage paffirt, entfernt es ſich von diefer mit une
gleihförmig verzögerter B., feine Geſchwindigleit
nimmt wäbrend des Auffteigens ab, u. zwar wirb
der Betrag diefer Abnahme ımmer größer; endlich
verliert e8 für einen Moment feine Geſchwindig-
feit ganz, um jfofort wieder die abfteigende Be—
wegung zu beginnen. Die gefammte B. des Pen—
dels, welches um eine (mittlere) Gleihgemwichts-
lage in regelmäßigem Wechſel fih bin u. herbe—
wegt, dient uns zugleich al$ Beiſpiel einer ihmwin-
genden d. i. regelmäßig hin- u. hergehenden B.
Das widtigfte Bewegungsgeſetz ift das von
Galilei aufgeftellte Trägheits- od. Beharr-
ungsgejeg. Es lautet: Ein in B. begriffe-
ner Körper fegt feine®. inunperänderter
Richtung m. mit unperänderter Geſchwin—
digfeit fo lange fort, bewegt ſich alio jo
lange geradlinig u. gleichförmig, bis er
durch irgend eine Urſache zu einer Ander—
ung feiner Rihtung oder Geſchwindigkeit
oder beider gezwungen wird. Da, wie wir
oben geſehen haben, Ruhe nichts als ein beione
derer B⸗szuſtand tft, So folgt aus dieſem Geſetze
auch, daß ein rubender Körper fo lange in
Ruhe bleibt, bis er durch irgend welde
Urſache zur B. gezwungen wird. Jede Ur—
ſache, welche einen Körper zu einer Anderung
jenes B⸗szuſtandes veranlafien fan, nennt
man eine Kraft. Eine Kraft heißt eine bewe—
gende, wenn fie einen ruhenden Körper zu einer
3. veranfaffen kann; fie beißt Widerftand,
wenn fie nur vorhandene B-en verhindern oder
feit von 40 m in die Höhe geworfen, jo wird/m äfigen kann; fo ift z. B. die Schwerfraft eine
feine Gefchwindigfeit nad einer Secunde auf 30,
nad) zwei Sec, auf 20, nad) drei Sec. auf 10m
reducirt, nach 4 Sec, wird diefelbe O jein, er ift
einen Moment in Ruhe, um von da an frei ber-
abzufallen. Seine Gefchwindigfeit ändert fich fo
mit in jeder Secunde ebenfalls um 10 m. Diele
Anderung der Geſchwindigleit in der Zeiteinheit
nennt man Bejchleumigung oder Accele-
ration. Diefelbe hat in beiden als Beiipiele ge—
nannten Fällen den mämlichen Betrag von 10 od.
bewegende Kraft, die Reibung ift ein Widerftand.
Das Beharrungsgefeg kann aus der bloßen Er-
fahrung nicht abgeleitet werden (mie es denn
den Alten unbefannt war), weil alle Körper dem
Einfluffe von bemegenden und widerſtehenden
Kräften fortwährend unterworfen find und dieſem
Einfluffe nicht Tängere Zeit entzogen werden
fönnen, fo daß der Fall gar nicht eintreten
fann, daß ein Körper ſich fortwährend gerad-
finig und gleihförmig bemegt. Ein mit einer
genauer von 9,405, m in der Secunde; aber im gewiſſen Geſchwindigleit Tothredt in die Höhe
erften Falle war fie pofitiv (eine Vermehrung
der Geſchwindigleit, eine Beſchleunigung im ei—
> x b
eihmindigfeit,
gentlihen Sinne des Wortes), im
tiv (eine Berminderung der
geworfener Körper würde fih mit dieſer Ge—
ihmindigfeit immerfort aufwärts bewegen, wenn
nicht die Schwerlraft u. der Widerftand der Luft
feine Geſchwindigkeit verzögerten u. endlich ver⸗
Bewegung.
nichteten. Eine in wagerechter Richtung aus dem
Rohre geſchoſſene Flinteulugel würde mit ihrer
anfänglihen Gefchwindigfeit u. in mageredter
Richtung immer weiter fliegen, wenn nicht erftere
durch den Luftwiderftand vermindert und wenn
nicht die Kugel durh die Schwerfraft allmählich
zur Erbe miedergezogen u. dadurch gemötbigt
würde, eine krummlinige Bahn zu bejchreiben.
Ein auf mwagerehten Schienen laufender Eijen-| S
bahınwagen würde, wenn er fich jelbft überlaſſen
wäre, gleihförmig ſich weiterbewegen; aber durch
die Reibung wird feine Geſchwindigkeit allmählich
vermindert u. ſchließlich ganz — ſo daß
er zuletzt ſtillſtehen muß. Ein Bahnzug bewegt
ſich nur dann gleichförmig, wenn durch die Zug—
kraft der Locomotive die Reibung an den Schienen
u. der Luftwiderftand gerade aufgehoben wird;
ja, es leuchtet ein, daß dies im Wirklichkeit eine
längere Zeit hindurch gar nicht einmal genau,
fondern höchſtens annähernd erreicht werden fann.
Das Beharrungsgeſetz befagt nichts weiter, als daß
aus jeder Anderung des Bewegungszuſtandes eines
Körpers auf das Vorhandenſein einer dieſelbe
bervorrufenden Kraft geicyloffen werden muß, daß
fein Körper von felbft, ohne daß eine Kraft auf
iha wirft, feinen B-szuftand ändern kann.
Betrachten wir, wie dies in der phyſiſchen Me—
Ganif geihieht, die B. materieller Körper
als Wirkung von Kräften, fo haben wir zu
fragen, wie die Kräfte befchaffen fein müſſen,
welche die verihiedenen Formen der B. erzeugen,
Eine momentan wirfende bewegende Kraft
oder Stoßfraft fann nur eine gleichför mige
B. erzeugen; denn wenn eine Kraft nur eimen
Augenblid auf einen Körper wirkt, jo ertheilt fie
ihm eine Gejchwindigleit, weldye er dem Beharr-
ungsgefets zufolge jo lange unverändert beibehalten
muß, al$ feine neue Rrah auf ihn wirkt. Auch wenn
eime dauernd wirtende Kraft auf einen Kör—
per zu mwirfen aufhört, jo muß er, jo lange feine
andere Kraft auf ihm wirkt, die im legten Dioment
⸗
4
ad
Figur a der Ort eines Körpers, ab die eine u.
ac die andere, im derſelben Zeit zurüdgelegte Sei
tenbahn, jo ift die mittlere Bahn oder der Weg,
weichen der Körper wirklich durchläuft, die Dia-
gonale ad des Parallelogramms abde, welches
aus den Seitenbahnen auf bie hier veranſchau—
lichte Weile ergänzt wird.
Denfen wir uns z. ®., a ſei eine auf einem
Schiffe befindliche Kugel, welche in der Richtung
331
der Einwirkung erlangte Geihwindigleit under»
ändert beibehalten. Daraus ergibt fih, daß ein
Körper in gleihförmiger B. ift, wenn u. jo
lange feine Kraft auf ihn wirft, oder auch,
was denjelben Erfolg hat, wenn u. jo lange die
auf denjelben wirfenden Kräfte einander
das Gleihgewicht halten. Wirkt dagegen eine be»
mwegende Kraft continuirlih (wie z. B. die
Schwerkraft auf einen nicht unterftügten Körper),
jo mußder Körper 1) die im erften Moment empfans«
gene Geihwindigfeit von da an beibehalten; er
empfängt aber 2) in zweiten Moment eine neue
Geſchwindigkeit, die nun zu der erften hinzu—
tritt u. f. w.; die Geichwindigkeit erhält aljo in
jedem folgenden Moment einen Zuwachs. Hatte
der Nörper eine anfängliche Geichwindigleit und
wirkt auf ihm im entgegengefegter Richtung eine
ftetige Kraft (wie 3. B. die Schwerkraft auf einen
lothrecht in die ve geworfenen Körper), jo muß
dieje Kraft jeine Gefhwindigfeit von Moment zuMo-
ment verringern; die B. des Körpers ift in dieſem
Falle eine verzögerte. Demnad ift ein Körper
ın bejhleunigter oder verzögerter B.,
wenn u. fo lange eime continuirlice oder
Drudfraft auf denjelben wirkt. Eine ftetig wir
fende Kraft neunt man deshalb eine beſchleu—
nigende oder verzögernde, je nachdem fie po-
fitive oder negative Acceleration bervorbringt.
Wirkt eine foldhe Kraft immer mit gleicher
Stärke, fo ift der Zuwachs oder die Abnahme
der Geſchwindigkeit in gleichen Zeiten gleich groß;
die B. it dann gleichförmig bejhleunigt
oder verzögert; ändert fich die Stärfe der
Einwirkung während der B., fo ift diefe un-
gleihförmig beſchleunigt oder verzögert.
Ein Körper kann mehrere Been gleichzeitig
ausführen. Die Bahn, welche er dann in Wirt»
lichkeit bejchreibt, heißt die refultirende der
Bahnen jener einzelnen B-en oder die mittlere
Bahn, dieſe jelbit heißen die Componenten
oder die Seitenbahnen. Fit in beiftehender
x
—
u. zwar komme der Punkt a des Schiffes in einer
Secunde bis nah b. Wenn das Schiff ſtill ſtünde,
fo wiirde die Kugel im einer Secunde wirklich
den Weg ac zuridlegen; wenn die Kugel nicht
fortrollte, fo würde fie mit dem ſich bewegenden
Schiffe den Weg ab machen; finden beide B-en
gleichzeitig ftatt u. find dieſelben gleichförmig, je
gelangt die Kugel offenbar in Wirklichkeit weder
nach b noch nach e, jondern nach dd u, beichreibt
ay (auf dem Schiffe) rollt u. dabei in einer Se-|dahin die mittlere Bahn, melde durch die Dia-
bis nad c gelangen würde; das Schiff|gomale ad dargeftellt ijt. Der obige Sat ift ber
bewege ſich aber gleichzeitig im der Richtung ax, kaunt als der Sag vom Barallelogramm der
332
Bewegungsgejege der Weltförper — Beweis.
B-en. So wie zmei oder mehrere gleichzeitige |jo fehen wir die Planeten und Monde auf eine
(refative) Seiten-B»en nach diefem Sage zu einer ganz andere, oft umregelmäßige Weife um bie
(abfoluten) mittleren B. vereinigt werden fünnen,
fann man auch eine jede B. in mebrere (rela-
tive) Geiten-B-en zerlegen; beides ſoll in dem
vom Parallelogramm der Kräfte handelnden Ar»
Sonne oder um den Hauptplaneten laufen, und
diefe B. heißt dann die ſcheinbare, bei welder
dann rehtläufige u. rüdläufige B. unter
jhieden, fomwie der jogenanmnte Stillftand bemerkt
tifel näher ausgeführt werden. wird. ‘Mittels des Kopernilaniihen Syftems laſſen
Wir haben hierbei vorausgejett, daß die beiden 'fid aber die wahren u. fcheinbaren B»en der
Seiten-B»en gleichförmig feien. Etwas complicirter | Planeten ganz ungezwungen die einen auf die
wird die Sache, wenn die eine der Seiten-Bsenjanderen zurüdführen Als täglide B. des
ungleihförmig ifl. Dies ift u. a. bei der Wurf-)Himmels bezeichnet man ferner die fheinbare
bewegung der Fall. Wird z. B. ein Körper in Umdrehung der geftirmten Himmelsfugel um vie
wagerechter Nichtung geworfen, jo bat er zweiljog. Weltachfe, welche mit der Achſe der Erdfugel
Serten-B»en: die eine ift eine wagerechte gleich—
förmige, die andere ift die lothrechte, gleichſörmig
beichleunigte B. des freien Falles. Die analytiiche
Mechanik lehrt, daß diefer, überhaupt jeder ge-
worfene Körper (im leeren Raume) eine frumme
Linie bejchreibt, welche danach Parabel (gr. pa-
rabolö, die Wurflinie, von parabällein, auf die
Seite werfen), genannt wird, Hier können die
Richtungen der lothrechten Seiten-B. von den ver-
ichiedenen Stellen der Bahn aus, wenngleich fie
alle nad dem Schwerpunkte der Erde hinzeigen,
doch als unter fih parallel angejehen werden, da
ihre Abweihung von der parallelen Richtung ver-
ihmwindend Hein ift. Convergiren diefe Richtungen
merklich gegen einen beftimmten PBunft, jo haben
mir eine andere Form zufammengefegter B., dit
Gentralbewegung. Das wichtigſte Beifpiel
einer B. diefer Art bietet die Umdrehung der
Planeten u. Kometen um die Sonne, jowie die
jenige der Trabanten um die Planeten. Der
Blanet wird in jedem Bunkte feiner Bahn von
der Sonne angezogen, u. infolge davon bat er
das Beftreben, mit beichleunigter B. nad der
Sonne hinzufallen. Diefe Seiten-B., die alſo
in jedem Punkte der Bahn nad dem Echwer-
punfte der Sonne gerichtet ift, combinirt ſich nun
mit der gleihförmigen B., welche der ‘Planet dem
Beharrungsgefete zufolge bat, derart, daß eine
in ſich gejchlojiene kirummlinige Bahn rejultirt.
Kepler hat gezeigt, daß diefe Bahn eine Ellipie
ift, in deren einem Brennpunkte die Sonne jteht.
2) Der Begrifi der B. iſt ein rein matbema-
tiſcher u. wird auch häufig in der Geometrie au:
gewandt. Durch B. eines Punktes entfteht eine
Linie, durch B. einer Yinie nach einer anderen
als ihrer eigenen Richtung eine Fläche, durch B.
einer Fläche nah einer in ihr nicht enthaltenen
Richtung ein mathematischer Körper. Schon die
Alten haben den Begriff der B. in die Geometrie
eingeführt, jo Archimedes (Spirale), Euftides u.
Apollonios, die geometriihen Körper durch B.
ebener Figuren entjtehen laſſen. Die Neueren
haben ibn feit Descartes in jeder Form mit dem
größten Erfolge der Rechnung unterworfen.
3) In der Aſtronomie untericheidet man
zufäcit wahre u. Scheinbare B. Wahre B.
(wahrer Lauf) ift die wirkliche B. eines Pla—
neten (von W, nad DO.) um die Sonne oder
eines Trabanten um feinen Hauptplaneten, wie
man fie alfo von der Sonne oder dem Haupt-
planeten aus wahrnehmen würde. Da wir aber
zufammenfällt; mithin kann man auch fagen: Die
tägliche B. des Himmels ift die jcheinbare B. aller
Geftirne um die Erde oder die wirflihe Rotation
der Erdfugel binnen 24 Etunden, Sie ift die
gleihförmigfte, ſtets unveränderlich gebliebene 8.
u. gibt das Grundmaß aller Zeitrechnungen ab,
denn die Dauer einer einmaligen Rotation der
Erde oder einer einmaligen jheinbaren täglichen
B. des Himmels ift die Länge des Sterntages.
Die fcheinbare tägliche B. des Himmels verur«
jaht alle Erfcheinungen in den Beränderungen
des gejtirnten Himmels in Bezug auf Horizont n.
Zenith u. bängt alſo von der geographiihen
Breite des Beobadhtungsortes ab. Eigene B. if
diejenige, vermöge weldyer einige Himmelslörper .
ihre jcheinbare Stellung gegen die übrigen ver
ändern; mittlere B., eine angenommene B.,
die aus der wahren entjteht, indem man lebtere
von allen periodischen Ungleichbeiten befreit. Außer-
dein kommen die Ben der Apbelien u. Per
rihelien der Planeten, des Apogäums u. Per
rigäums des Mondes, der Knoten in den
Planetenbabnen u. der Mondbahn in Betracht
(j. a. d.). Bon der B. der Erde ſ. u. Erde.
1) Wimmenaner M.
Bewegungsgeſetze der Weltförper, fiebe
Keplerſche Geſetze.
Bewegungsnerven (Bewegungsfaſern, Mo—
toriſche Nerven; Anat.), derjenige Theil des cere—
bro-ipinalen Nervenſyſtems, welder die Bewegung
der Muskeln vermittelt, im Gegenfage zu den fen»
ſitiven Faſern, die der Empfindung dienen; j. Ner»
venſyſtem.
Bewegungsorgane, diejenigen Theile des
Körpers, welche der Bewegung dienen; die bewe—
genden Organe ſind Muskeln, die bewegten Knochen;
als Beihilfe dienen Bänder u. Kuorpel.
Beweis, 1) in der Logik die Darlegung der
Richtigfeit oder Umrichtigleit eines Urtheils aus
Gründen; die Ableitung des Urtheils aus jenen
Gründen (B-gründe, Argumenta) beit auh B-
führung. Es gibt gewiffe Urteile, die nicht erft
bemwiejen zu werden brauchen; ohne fie würde gar
feine Beführung möglich fein, indem man den B,
ſonſt in das Endlofe führen müßte. Solche Urtbeile
find entweder unmittelbare, für fi gewiſſe Säge,
oder Ariome des Bemußtjeins oder der Anſchau—⸗
ung (j. Grundfag). Ein B. ift in Aniehung der
Duellen, aus welchen die Gründe geihöpft find,
ein rationaler B. (Bernunft-B., B. a priori),
wo die Überzeugung in dem befonderen Falle fich
von der Erde aus, als einem felbit im fteter B. auf den Zufammenbang deffelben mit allgemei«
befindlichen Weltlörper , die Geftirne betrashten,inen Begriffen und Grundjäten gründet; bier-
Beweis,
ber gehören mathematifhe n. philofophiihe B=e;
oder ein empirischer B. (Erfahrungs:B., B. a
posteriori), der fi) auf Erfahrungen fügt; hier⸗
ber gehören alle biftorishen B-e. In Anjehung
der Form ift der B. ein analytifcher, wo man
von der zu bemeilenden Sade zu den Gründen
binauf-, oder ein ſynthetiſcher, wo man von
den Gründen zu der zu bemweifenden Sache herab
ſteigt. Sind in einem B-e mehrere Gründe, fo
muß man den Hauptgrund, in welchen die eigent«
liche B⸗kraft (die Seele, der Nerv des B-es,
Nervus probandi) liegt, von den Nebengründen,
welche allein feinen B. hinreichend führen, umter«
fheiden. Danach unterjcheidet man aud voll:
fändige (zureihende) u. unvollftändige (un:
zureihende) B-e, je nachdem die Gründe eben zur
Darlegung der Wahrheit zureihen, oder nicht.
Auch verfteht man ımter unvollftändigen B-en
jolhe, die abgekürzt find, weil man alle einzelne
Site des B-es für denfende Menſchen nicht für
nötbig hält. ft der B. aber in ganz gehöriger,
ausführliher Schlußform abgefaßt, jo heißt er ein
förmlicher oder ſchulgerechter. In Anfehung
der Materie, die man zu den B-gründen wählt,
ift der B. ein oftenfiver (directer), wenn die
Bahrheit einer Sache geradezu, oder ein apago-
giiher (indirecter), wenn die Falſchheit des Ge—
gentheils dargethan wird; ein apodiktiſcher
(demonftrativer)®. (Demonftration), welcher volle
Gemwißheit gibt u. die Möglichkeit des Gegentheils
ausichließt; ein wahriheinliher B. (Proba-
tion), der feine volle Gewißheit gibt, ſoudern die
Diöglichteit des Gegentheil® noch denkbar läßt.
In Anjehung des Zwedes: ein B. ad verita-
tem, der für die Wahrheit der Sache, ad homi-
nem, der nur für die Ueberzeugung gewiſſer Ber:
fonen wirffam if. Fehler des Bes find: die
Erjhleichung des B-es (Petitio prineipii), mo
man als Bsgrund annimmt, was erft bewieſen
werden muß; der Kreis-B. (Diallelus), wenn
man Eines aus dem Anderen gegenfeitig bemeift;
der Sprung im Be, wo man in der B-jühr-
ung etwas „Wejentliches oder Beweiſendes weg—
lägt u. wo ſomit dem B-e der Zuſammenhang fehlt.
2) In der Matbematit eine Verbindung von
befannten Säten, aus welchen die Nichtigkeit
einer aufgeftellten Behauptung hervorgeht. an
unterfcheidet auch bier: ſynthetiſche, bei denen
man von der Annahme (Hypothefis) ausgeht, um
zu der Thefis zu gelangen, u. analytijche, bei
denen man umgefehrt annimmt, das zu Ermweijende
fei wahr, u. durch richtige Folgerungen auf einen
ſchon befannten Sat kommt; alle hierbei ange-
wandten Säte müffen jedoch unbedingt umfehrbar
fein, jo daß man rückwärts den ſynthetiſchen Weg
einschlagen kann, wenn das Verfahren als B. gel»
ten foll; dieſes ift, deshalb genauer ald B-methode
aufzufafien, die auf den ftrengen (ſynthetiſchen) B.
führt. Ferner unterjcheidet man directe Dee,
welche zeigen, wie eine Behauptung aus der Air
nahme folgt, u. indirecte oder apagogiſche
Bee, welche zeigen, daß das Gegentheil unmöglich,
333
— eines Satzes in beſonderen Fällen auf die
allgemeine Richtigkeit deſſelben; man wendet ihn
oft in Ermangelung eines allgemeinen B-es an.
Soll ein Sag 3. B. für alle ganzen Zahlen be-
wiejen werden u, kann man feine Richtigkeit fiir
die Zahl 1 zeigen, ferner, daß er auch für die
Zahl m + 1 gilt, wenn er für die Zahl m gilt,
jo iſt damit das Verlangte erreicht. Jakob Ber-
noulli hat ihn wohl zuerjt angewandt; jetzt findet
man ihn jehr häufig. 3) Im Civilrecht. I. In
dem Eipilprocehverfahren werden nur ftrei«
tige Rechtsanſprüche oder Berneinungen zum
Austrage gebracht, u. es geichieht dies, indem ent-
weder Grund, oder Ungrund des behaupteten fub-
jectiven -Hechtes, bezw. der dagegen vorgebrachten
Einwendungen bewieſen wird. Das B-verfahren
ift der Schwerpunft des gerichtlichen Procefies;
MWiffenichaft u. Braris haben fih damit befonders
viel u, eingehend beichäftigt. Wir verfolgen dafjelbe
nad) feinen einzelnen Stadien, 1) Den Gegen—
ftand des B-verfahrens bilden nur Thatjachen,
u. zwar nur rechtlich bedeutende u. nur für die
Entiheidung des beftimmten einzelnen Rechts—
ftreites wichtige. Rechtsregeln können nicht zum
Bee der Parteien verftellt werden; fie zu fennen
u. aufzujuchen, ift Aufgabe des Richters. Nur
wenn es fi um die Eriftenz eines Geſetzes oder
einer fonftigen anerlannten pofitiven Rechtsquelle
bandelt, fann auch diefe bewiejen werden müſſen,
jo 3. B. die Eriftenz einer ftatutariichen oder ge—
wohnbeitsrechtlichen Beftimmung oder eines fremd»
ländiſchen Geſetzes, worauf Kläger oder Bellagter
fich beruft. 2) Zmed des Beverfahrens ift, deAn
Richter die juriftiihe Gemwißheit über die Be-
ſchaffenheit des ftreitigen Mechtsverhältniffes zu
verichaffen, damit er nun beftimmt ausiprechen
fann, welches die rechtlichen Wirkungen deſſelben
im vorliegenden alle für die Parteien find,
welche fubjectiven Rechte denielben daraus zu—
ftehen. Nur juriftiihe Gewißheit foll gegeben
werben, d. h. der Richter verlangt nicht, die Exiſtenz
eines Rechtsverhältniſſes mathematiſch, bis zur
Evidenz der Unmöglichkeit einer anderen Befchaffen«
heit deffelben ermwiejen zu fehen, anderjeits aber be»
gnügt er ſich auch nicht mit der Beruhigung der ſub⸗
jectiven, moraliſchen Uberzeugung. Das Eigen-
thümliche des B-verfahrens im Eivilrechte ift eben,
daß es nur eine formale, durch äußere Gründe
geftügte Gewißheit herporbringen will; mur mas
u, wie es nach den Kegeln u. Formen des pofie
tiven Proceßrechtes bewieſen ift, kann der Richter
als wahr anertennen, wenn auch diefe Wahrheit
ftetS nur eine relative, von der fubjectiven Über-
zeugung fern abfiegende ift. 3) Die B-führung
it Yaft u. Recht der Parteien; mer eine recht:
(ih relevante Thatſache behauptet, muß im Be—
ftreitungsfalle fie beweiſen, aber der Gegner, d. h.
Der, welcher fie beftreitet, hat das Recht, auch die
Wahrheit feiner Beftreitung zu bemeifen u. auch
direct gegen die Beführung des Anderen, ſei es
gegen die von biefem gebrauchten B-mittel, fei es
gegen die Wahrheit der demſelben zum Bee ver
der Sag aljo wahr ift, weil ein Drittes nicht |ftellten Thatiachen, feinerjeits B. zu führen. So un-
flattfinden kann.
bei., um Umtehrungen von Sägen zu ermeilen.
Der letteren bedient man ſich | tericheiden ih Haupt- u. Gegenbeweis, u, kanu
fegterer wieder ein directer oder imbdirecter fein.
Ein inductiver B, endlich ſchließt von der Rich- Der Haupt-B, wird vom Richter auferlegt und
334
normirt; ihm zu erbringen ift die Pflicht der Partei;
diefer B. ift ein nothwendiger. Der Gegen-B, ift
Dagegen nur ein Hecht Desjenigen, ber sen führen
mil: der Nichter muß ihn zulaflen, darf ihn aber
nicht fordern, Was Haupt- u. was Gegen-B. jei,
enticheider ſich nicht nad der Procefitellung der
Partei, nicht danach, ob fie Kläger oder Beklagte
ift; beide Theile können Haupt u. Gegen-B.
führen; was der Fall, enticheidet nur die pro—
ceffualiihe B-pflicht. 4), Die Theorie nennt
verfchiedene Arten des Bes, indem fie mit Rüd-
fiht auf die Bemittel den phufiichen (dur finn-
liche Wahrnehmung des Berichtes) von dem morali-
{chen (auf anderem Wege geführten), ferner den
fünftlihen (durch Schlußfolgerungen) "von dem
nicht-fünftlichen untericheidet. Hinſichtlich des Ge-
genftandes fpriht man von Haupt u. Neben-
(nicht zu verwechjeln mit Segen-, B., bezüglid)
des Erfolges von vollftändigen u. unvollftändigen,
mit Rückſicht auf die Zeit der B-führung von
ordentlichen u. außerordentliben B-en. 5) Das
civilproceſſualiſche B- verfahren, welches bei der
Art der Rechtfindung im Nömifchen Hechte feinen
Platz fand u. erft im Kanoniſchen durch die Ein-
führung des B.-Fnterlocuts wenigſtens etwas mar
firt wurde, hat in den deutichen u. franzöfiichen
Proceßrechten eine fo beſtimmte Geftaltung erhal
ten, daß es einen auch äußerlich beſtimmt be-
grenzten Abjchnitt des Procefies bildet. Indeß
dies ift auch jetst nur particularrechtlich. Nach der
öfterreihifhen Proceßordnung Joſephs IL von
„1781 mußte der B. einer Behauptung fofort mit
diefer angetreten werden, während nad dem jüng-
ften Reichsabſchiede von 1654 genügen ſollte, wenn
der B. einer Behauptung angetreten ward, nach—
— die Gegenpartei auf dieſelbe ſich erklärt hatte.
Nach der Hannov. Allgem. Bürgerlichen Proceßord—
nung vom 8. Nov. 1850 folgt auf die Inſtanz der
ge die des Bees derfelben. A)Brgründet
wird daffelbe durch den Ausipruch des Richters,
daß u. was nad den bisherigen Berbandlungen
der Parteien als ftreitig zu beweilen, von wen
u, bis wanu der B. anzutreten jei. Dies ift das
B.-Interlocnt. Über die rechtliche Bedeutung
des B.⸗Interlocuts ift lange u. viel gejtritten. Es
ift als ein einfaches, der fofortigen Berufung aus⸗
geſetztes Urtheil behandelt u. ward dann nur zu
leicht der Anfang eines Appellations-Zmiichenver-
fahrens, das über die endliche Entſcheidung des
Nechtstreiteg feinen Auffhluß zu geben vermochte.
Rad anderen Geſetzgebungen gilt es nur als ein
Decret, an welches der dafjelbe erlaffende Richter nicht
gebunden ift. Die unter dem neueren Proceßord⸗
nungen weit hervorragende Hannov. Allg. Bürger:
liche Procepordnung vom 8. Nov. 1850 $ 218
beſtimmt, zwiſchen jenen Principien vermittelnd,
daß das Gericht, welches das B.-Interlocut er»
laffen hat, an dafjelbe gebunden fei, dieſes aber
der — indeß nur als vorbehaltene, d. 5. gegen
die Hauptfache gerichteten Plat greifenden — Be:
rufung unterliege. Das B. Interlocut muß immer
den B-fab, die P-laft u. die Befrift beftimmen.
a) Der B-jak kann nur enthalten, was über-
haupt Gegenftand des B-e8 fein kann (f. oben
Nr. 1); in conereto muß er aber alle noch nicht
gewiſſe u. zweifellofe Thatſachen, freinde Geſetze,
Beweis.
Statuten u. Gewohnheiten, welche unter den Par—
teien ſtreitig u. für die Entſcheidung des Rechts—
ſtreites wichtig find, als die einzelnen B.Themata
(B.-Artifet) bezeichnen. b) Die B-Laft wird zwiſchen
Kläger u. Bellagten nah dem Grundſatze vertbeilt,
daß Feder das beweiſen muß, was er zur Geltend»
machung feines Hechtes, alfo der Klage, bezw. der
Einrede behauptet bat. Näher läßt ſich das Prin-
cip nicht bezeichnen; das materielle Necht muß im
einzelnen Falle angeben, was zur Stügung der
Klage erforderlih u. welche Einrede dagegen zus
läſſig iſt. e) Das B.Interlocut beftimmt die Friſt,
innerhalb welcher, oder einen Termin, zu welchem
der auferlegte, bezw. übernommene B. angetreten
fein muß, widrigenfalls der B. für nicht gefübrt
erachtet werden müßte, Solche peremtortihe B.-
friften fennen indeß nur die Particular-Brocep-
rechte; dem Gemeinen Rechte waren fie fremd. Wo
die Einlegung eines Rechtsmittels gegen das B-
Interlocut zuläffig if, werden in Falle derjelben
auch die Befriften od. «Termine fuspendirt. Gleich-
zeitig mit dem Haupt-B-e ift auch der Gegen-®,
anzutreten; nur der eigentliche (directe) Gegen-B
fann feiner Natur nach erft nach der Hauptbeweis:
führung angetreten werden. Nach Ablauf der
peremtoriichen Befrift oder des B-termins fann
der B-pflichtige ein bisher nicht benuttes B-mittel
nicht mehr einführen; die richterliche Enticheidung
fann nur die bis dahin geltendgemadhten berüd:
fihtigen. Bezüglih der Anticipation des Bres |.
unter Unticipation. B) Die B-antretung ge
ſchieht, indem der B— pflichtige oder «Berechtigte
dem Richter die Mittel bemenut, durch weldye er
feinen B. anbringen will. Der Gegner wird
darüber gebört, u. der Richter erkennt über die
Zuläffigkeit derfelben, fowol in Betreff der Recht:
zeitigfeit ibrer Geltendinachung, als bezüglich ihrer
rechtlichen Statthaftigkeit (Productionsverfahren).
Die producirten B⸗mittel werden gemeinſchaftlich;
der Producent kann hinfort dieſelben nur, ſofern
es feine B-führung betrifft, zurüctziehen. C) Die
den Parteien zu Gebote ftehenden B- mittel find
— abgejehen von dem ohne ibr Zuthun wirfiamen
der Kotorietät, der Nechtsvermuthungen und des
gegnerischen Geftändnifies, welche nur uneigentlich
zu den B-mitteln gehören (f. die Art. Notorietät,
Rechtsvermuthung, Geftändnig) — Zeugen, Ur
funden, richterliher Augenichein, Sachverftändige,
Eid (f. d. Art.). D) Das Rejultat des B- verfah⸗
rens hat der Richter feſtzuſetzen. Er hat alle in
Folge des B.⸗Interlocuts producirten B-mittel in
der Weife zu prüfen, daß ihre Bedeutung für die
einzelnen B-fäte ohne Nüdfiht darauf, ob der
Bpflichtige, oder fein Gegner fie probucirt bat,
feftgeftellt wird. Die Prüfung muß ergeben, ob
der B. nicht, ob er vollitändig, ob er nur unvoll-
ftändig geführt ift. ollidiren die Ergebniffe der
einzelnen B-mittel, 3. 8. wenn Haupt- u. Gegen-B,
gleichermaßen geführt find, jo fragt fi, ob die
rechtliche Kraft der einzelnen Bemittel gleich ſtark
ift, oder nicht; im erfteren Falle heben fie fich
gegenfeitig auf, im anderen bat das ftärfere den
Vorzug. So können je nad dem Gegenftande des
Bſatzes Sachverſtändige den Zeugen, Zeugen den
Urkunden, oder auch dieſe jenen vorgehen. Bei un—
vollftändig geführtem Be kann ber Eid die B-
Beweisartikel — Bewurf.
335
führung ergänzen; dieſer nothwendige Eid iſt dann jnen Zuſammenſtellung, des fog. Directorium cum
entweder der den B»führer auferlegte Ergänzungs-», | testibus.
oder der von dem Gegner zu leiftende Reinigungs-
eid (j. Eid). Nach jo beendigtem B»verfahren ent-
Beweisfähige Zeugen, ſ. u. Zeuge.
Beweisfriſt Rechtsw.), jo v.w. Beweistermin;
Iheidet der Richter zur Sache jelbft, über Klagelf. u. Beweis 3).
und Einrede definitiv. Particularrechtli (3. B.
nıod. Allg. Bürgerlihe Procefordnung $ 219)
det fih auch vorgeichrieben, daß fchon das B.-
Futerlocut die Wirkung des B-jages auf die end-
lie Entſcheidung jo bejtimmt, wie die Lage der
Sache esgeftattet, auszujprechen hat, widrigenfalls
dafielbe als ein unvolljtändiges Urteil zu behan-
dein ift. — Literatur. Anftatt die zahlreichen Spe-
cialihriften über die Theorie des civilrechtlichen
Be⸗es zu citiren, verweiſen wir auf die Lehrbücher
des Eivilprocejjes, namentlich auf die von Martin,
Linde, Heffter u. Wegel; ſ. auch Endemann, B—
lehre, 1860, u. v. Bar, Redt u. B., 1867.
U. In dem ftrafprocefjualiihen Ber-
fahren ift der B, von ganz anderer Art, als
in dem Givilproceß; dort handelt es ſich um bie
Klarftellung des objectiven Thatbeftandes, welcher
den äußerlichen Begriff der ftrafbaren Handlung
erfüllt u. der Beziehung deijelben auf den Willen
einer Perſon, d. h. der jubjectiven Schuldbarteit,
Der Weg, auf welchem man diefe Feſtſtellungen
erreichen wollte, war verfdieden. Ehedem lag dem
criminalrechtlichen B-verfabren das Princip der
Inquiſition zu Grunde, nad) welchem das Straf.
—— ſelbſt zu ſehen hatte, wie die ſtrafrechtliche
erantwortlichfeit einer Perſon zu ermitteln ſei.
Welche Erceffe Praris u. Geſetzgebung auf dieſem
Wege begangen, braucht nicht weiter erörtert zu
werden: das eine Wort era erinnert genugſam
daran. Erft der neueren Yeit war es vorbehalten,
den richtigeren Weg zu finden; e8 war das An-
Hogeprincip. Diefes reformirte auch die Grundſätze
des ftrafgerichtlichen B-verfahrens. Dem öffent«
lichen Ankläger obliegt die B-laft, dem Beſchul⸗
digten ſteht das Recht des Gegenbeweijes zu. Der
Hauptunterjchied des ftrafrechtlichen B=es von dem
eivilrechtlichen liegt aber in dem verjchiedenen
Duett. Jeuer foll nur die fubjective, moraliſche
berzeugumg des Nichters begründen, während
durch dieſen juriftiiche Gemißheit verichafft werden
ſoll. Was jene Überzengung verſchaffen kann, iſt
ein geeignetes B-mittel; das ſtrafrechtliche Bver-
fahren ift aber ein anderes, weil hier die öfjent-
Ihe Anllage der Bertheidigung des Angeklagten
gegenüberjteht. Das Näbere f. in den Art. An-
Mage u. Grimimalproceh. 3) Grotefend.
Betweisnrtifel (Weifungsjäge, Artieuli oder
Capitula probationis, Rechtsw.), einzelne auf
einander folgende Fragen, welche bei der förm—
lichen Bemweisführung in dem Civilproceh ge-
braucht werden u. den aufgeſtellten Beweisſatz in
einzelne Punkte zerlegen, zu deren jedem dann die
betreffenden Beweisinittel anzugeben find. Die B.
haben fih, wenn fie ihren Zwed erfüllen jollen,
über alle erheblichen Haupt» u. Nebenumftände
des Beweisthemas zu verbreiten u. find im Ganzen
nah den Grundfägen der zweckmäßigen Frageftells
ung bei einem Berhöre auszuarbeiten. Ber ums
fafienderen Beweisführungen erfolgte in dem fchrift-
lihen Berfahren die Angabe der Beweismittel in
der Regel am Schlufje der B. mittels einer eige-
Beweisführung u. Beweisgrund (Argu-
ment, %og.), ſ. u. Beweis 1).
Bewelöinterloent, Beweislaft, Beweis:
mittel, Beweistermin, Beweisverfahren,
j. u. Beweis 3).
Beweisſtellen( Dogm.), ſ. v. w. Dietaprobantia.
Bewer, Clemens, Hiſtorienmaler, geb. 1820
zu Aachen; ſtudirte in Düſſeldorf unter Sohn u.
in Paris unter P. Delaroche u. Ary Scheffer,
fehrte 1847 mit ganz veränderten Anſchauungen
nah Düſſeldorf zurüd u. legt namentlich zu viel
Werth auf die Außerlichkeit. Werke: Flucht Maria
Stuarts; Taſſo lieſt am Hofe von ‚Ferrara jein
Befreites Jeruſalem vor; Süngerfrieg auf der
Wartburg. Regnet.
Bewick, ausgezeichneter engl. Xylograph, geb.
12. Ang. 1753, geft. 8. Nov. 1828 in Newcaſtle;
Schüler des Kupferftehers Beilby, als Formſchnei—
der Autodidaft u. Negenerator des Holzihnittes,
wobei er dem Grabftihel der Kupferfteher ähn—
he Inſtrumente einführte. Hauptwerke: eine
Naturgejhichte der vierfüßigen Thiere mit Holz-
ſchnitten nach eigenen Zeichnungen, 1790, Yond.
1811; eine Naturgeſchichte der britifchen Vögel,
Lond. 1809, 2 Bde, m. A. 1848 2c. Regnei.
Bewunderung ift die ſich unterordnende leb—
bafte Anerlennung einer über das Alltägliche weit
hinausragenden Eriheinung od. Yeiftung; die mit
dem Zurücktreten des Gelbftgefühls verbundene
Hingebung an das Große, Erhabene, Außerordent«
liche, mit Ausſchluß jedoch des Unfittlihen. Wir
bewundern die das Mittelmaß weit überjchreitende
Körper- u. Geiftesftärte, die Thaten des Genies
in Kunft u. Wiffenfchaft, den Grad von Willens»
kraft, den gewöhnliche Menichen fich nicht entfernt
zutranen fünnen, die Bereinigung von außer
ordentlicher „Intelligenz u. Energie in den Thaten
der Staatsinänner u. Feldherren x. Entwickelt
fih die Größe nicht einfeitig, mit Bernadhläffigung
der auf anderen Gebieten liegenden Anforderungen
des Gewiſſens, vor Allen 3. B. der Selbftbeherrich
ung, jo gejellt fich der B. die Verehrung u. Liebe
zu; bewährt fich die Größe unter Heinlichen, küm—
merlichen Berhältniffen, jo bewundern wir fie mit
Rührung. Berwunderung ift die von feiner Werth-
ſchätzung begleitete, vielmehr in Abneigung über-
gehende Bewegung des Gemüthes durch unerwar-
tete, befremdende, jeltfame Ericheinungen.
Bewurf (Berpuß, Berpliefterung; Bauf.), die
Bekleidung der Wände u. Deden eines Gebäudes
mit Mörtel, um deſſen Ausſehen zu verichönern
u. um die Außenflächen gegen die Witterung zu
jhügen. Dan wendet zum gewöhnlidhen 8.
auf Mauerwerf mit grobem Sande verfegten Mör
tel, bei befferen Bauten an der Außenjeite in der
Regel reinen Cement, am beiten Bortland-Cement,
zu feinerem B. im Innern mit weniger grobem
Sande u. etwas Gips gemiſchten Mörtel an.
Noch feinerer u. feiter B. (Weifftud) wird aus
4 Weißlalt u. 4 Gips gemifcht, oder aus 4 jchar-
'fem, geihlämmten Grande u. $ Gips. B. an
336
feuchten Orten wird aus 4 Kall u. 4 Ziegelmehl,
2, von Fehmmwänden aus Mergeltalf u. Sand
oder geihlämmten Lehm u. Steinfohlenafche be-
reitet. Bor dem Anmerfen des Putes muß die
Mauer ausgetrodnet, von Staub gereinigt fein u.
vorher angefeuchtet werden. nn wird vor⸗
ber mit Patten, Ruthen oder Rohr, das mit Nä-
geln u. Bindfaden befeftigt (berohrt) wird, be-
ſchlagen; Lehmmände werben erft mit Lehmſtroh
bemworfen, dann mit einem ftumzfen Belen Yücher
darein geftohen u. nun der eigentlihe B. darauf
eſetzt. Auch drüdt man Ziegelftüde od. Scherben
h in den Yehm, daß fie 6 mm hervorragen und
dann den Putz tragen. Das Bemwerfen jelbjt ge-
fchiebt mit der Maurerfelle u. wird entweder vaub
gelafien (berappt), Sprig-®. genannt; oder, be;
fonders im Innern, mit dem Heibebrette abgerieben
(fügen, fein berappen, pugen im engeren Sinne).
Ber den Alten wurden fogar Omaderfteinmauern
u. fteinerne Säulen verputzt. Ihr B. war 4
löcheriger Kallſtein, der gleih nad dem Brennen
gelöfcht u. lange gut in Gruben verwahrt, mit
JFlußſand gemiicht u. tüchtig durchgerührt ward.
An feuchten Orten nahm man % feines Ziegelmehl
zu 4 Kalf. Die hiermit befteidete Mauer über:
dedte man mit einem dreimaligen B. von mit
Kalk gemengtem Sande u. dann mit drei anderen
von Kalt mit Marmorftaub gemiicht, welcher letztere
bei jedem B. immer feiner genommen ward. ‘jede
Schicht kam auf die andere, wenn diefe noch naf
war. Dieier 5—8 cm ftarfe B. behielt viele
Jahrhunderte feine Politur u. ift noch jet bei
vielen erhaltenen Baumerfen jo feit, daß er ſich
wie Marmor abjägen u. transporticen läßt, wie
die in Pompeji ausgeführten Butarbeiten bemeijen.
Emerbed,*
Bewuftfein, 1) (pſychologiſch) der abstract
begrifflihe Ausprud für das Wiffen der Seele;
iſt wie diefes ein in ſich einfacher, primitiver,
nicht weiter definirbarer Zuſtand, der fich weiter
zu dem eigenen ſeeliſch-körperlichen Selbit«-B. con—
centrirt. Das B. wird vermittelt dur das Wahr⸗
nehmen, das jelbft nur eine bejondere Art des
Wiffens if. Es zerfällt in die Sinneswahrnehm-
ungen, durch welche uns ein Wiffen der uns um—
gebenden Körpermwelt-, reſp. des eigenen Körpers
vermittelt wird, u. in die innere Selbft- oder
Seelenwabrnehmung, durch welche die Seele ein
B. ihrer eigenen piychiihen Zuftände erhält. Das
fetstere ift fomit ein Wiflen der Seele von dieſen
ihren eigenen Zuftänden, im feinem jeienden Bes
ftande nicht meiter zu ergründen. Auf ibm be-
rubt alle Seelentennmiß (Selbft-B.). Der Gipfel-
punkt deffelben ift das identische, einheitliche Ich,
was jomit als das aus dem ganzen wahrge-
nommenen Inhalte der Selbftwahrnehmung (jee-
licher mie förperlicher) ausgefonderte begriffliche
Zrennftüd bezeichnet werden kann, was ıft, eri«
ftirt und doch feine nähere Beftimmtheit erft von
einer bazutretenden Wahrnehmung erhält. Das
Ich ift und es weiß fih als feiend (eriftirend).
Ich denle, fühle, will, ich habe einen Körper u.
dgl. Von dem Moment an, wo das B. voll er-
wacht, bleibt es dajlelbe einheitliche, identifche
durch das ganze Leben hindurch, jedoch periodiſch
mwechjelnd an Grad u. Klarheit, erlöfchend und
Bewußtſein.
wieder erwachend. In ihm, wird von den An
hängern des Spiritualismus einer der Hauptichwer-
punfte für die unmaterielle Erflärung der Geele
efunden. Kant betrachtete das einheitlich be»
ste B. als den metaphyſiſchen Hintergrund,
aus welchem er feinen ſämmtlichen aprioriſchen
Begriffsfond herleitete. Reinhold ſtellte einen
eigenen Sat des Bes auf, der dahin lautete: daß
m B. durch das Subject die Borftellung vom
Subject u. Object unterjchieden u. auf beide be
zogen wird. Herbart u. Fechner nehmen Beide,
wenn auch in verfchiedenem Sinne, eine Schwelle
des B»8 an. Nach Herbart find alle Borftellungen
Selbfterbaltungen eines einheitlichen, feiner Qua—
(ität nach unbetannt bleibenden Wejens u. als
ſolche Kraftintenfitäten, die im Widerftreite mit an-
deren ſolchen fih hemmen, fteigen u. fallen. Die
Schwelle ift num derjenige Grad der Vorftellung als
Kraftintenfität, in welchem fie zum Wiffen od. B.
gelangt; unterhalb derfelben dagegen ift fie em
bloßes Streben zum Vorſtellen 8). Fechner
feinerfeits dagegen betrachtet mehr vom pbufiole
giihen Gefichtspunfte aus den Punkt, mo em
Heiz oder Neizumterfchied (Licht-, Schall» Reiz u.
dat u. eine diefem entiprechend herporgerufene
Empfintung oder ein Empfindungsunteridied um
Sinnesorgan anfangen merflih zu werben, als
den Schwellenpuntt des B-8 u. B⸗sunterſchiedes.
Ju feiner Pſychophyſik gibt er diefe Punkte für
einzelne Sinnesorgane an u. erbaut darauf ſein
berühmtes, von €. H. Weber angebahntes, pſycho⸗
phyſiſches Grundgeſetz, daß die Empfindung ım
B. wächſt oder —* im Verhältniß zum jede
maligen Reizunterfchiede. Dieſes Gejeg iſt Die
Grundlage für die moderne phyſiologiſche Pſycho⸗
(ogie geworden, deren Hauptvertreter u. A. Wundt
u. Horwicz find. 2) Der Standpunft der pfycho⸗
phyfiologiihen Richtung ift im Näheren folgender:
Das Einzige, modurd fi das B. zu erfennen
gibt, find Bewegungen, u. zwar foldye, die nicht
mafchinenmäßig und theoretiih genau porausbe-
ftimmbar, fondern willtürlih u. für uns unbe
rechenbar vor fi) gehen. Es kann wol durd einen
Neiz eine Bewegung erzeugt werden, es braucht
dies aber nicht zu geicheben. Durch diefe Be
fimmung ift fofort Har, daß mir allen Pflanzen,
wenn auch einzelne unter ihnen noch fo compli⸗
cirte und zumeilen auch zwedmäßlge Bewegungen
nah Eimwirfung änfßerer Reize ausführen,
B. doch gänzlich abzufprechen haben, indem fit
nur nach rein mechanischen Geſetzen, die uns nicht
mehr unbelannt find, reagiren, u. daß wir dad
felbe nur den Thieren zuzuichreiben berechtigt find-
Was den näheren Sit des Bes anlangt, jo find
wir auf dem Wege der Forſchung dahın gelangt,
denfelben ausichlieglich in das Gehirn, u. zmar in
die Großhirnhemifphären zu verlegen. hrend
nun einfach organifirte Geichöpfe mitteld der ſeu⸗
ſiblen Nerven nur einem Syſtem von Ganglien
zellen über den Zuftand ihres Leibes Bericht ET
ftatten, Ganglien, welche die ihnen mitgetheilte Er
regung durch die motorischen Nerven im geringem
Maße modificirt auf die bewegenden Apparate d
Körpers übertragen, verhält fi die Sache gatz
anders, jobald wir verwidelter gebaute Organis
men ins Auge faſſen. Hier finden wir diejenige
Ber — Beyer.
337
Ganglienzelle, welche den Reiz in Bewegung zu|m. Br. u. 100° w. 2.; von einigen FFlüffen durch⸗
verwandeln beftrebt iſt, mit anderen Ganglienzellen zogen; nur 1077 Ew. 2) County im nordamerilan.
durch —— verbunden, welche die reflectoriſch
eingeleiteten Bewegungen zu vernichten, od. zu ver
ftärfen, oder fonft qualitativ abzuändern im Stande
find. Die Summe aller der Ganglien u. Nerven
fafern, von denen aus diejer Einfluß auf die blo-
gen Reflerbewegungen ftattfindet, ift Träger der
willfürlichen Lebensäußerungen u. fomit des Bes.
Je bedeutender das Gewicht diefer Faſerzüge das—
jenige der Nervenmafjen übertrifft, die eine ein-
fahe Umfegung der Reize in eine Bewegung be-
forgen, defto ausgebildeter ift das B., d. h. aljo
der Einfluß, den der Wille auf das Buftandelom-
men der Reflerbemegung ausübt. Natürlich ift es
nicht allein diejes Verhäliniß, welches die Jntenfität
des B-8 beftimmt, fondern diefe Jntenfität hängt
auch von der abfoluten Größe der reflerübertragen-
den Apparate ab, d. 5. alfo ein Meines Thier mit
relativ bedeutenden Großhirnhemiiphären wird doch
nie an Größe des B-8 zeigen können, welde
ein großes Thier auch bei einem weniger vortheilbaf-
ten Berhältniß feines Großhirnes befigt. Das B.
iſt alfo eine Function des Großhirnes, die von
deffen augenblicklichem Zuftande in mannigfacher
Weiſe abhängig iſt; über dieſe Abhängigleit iſt ſchon
vielerlei ermittelt worden, u. vor allen Dingen ſteht
feft, daß eine gleihmäßige Eirculation des Blutes,
wie fie im normalen Organismus dur einfache
Vorrichtungen vermittelt wird, zur Erhaltung des
Bes unbedingt nöthig if. Ferner muß auc das
Blut eine ganz beftimmte chemiſche Zufammenjegung
baben, denn jchon die geringften Ouantitäten vieler
Stoffe, die wir unter dem Namen der Narcotica
zufammenfaffen, vermögen das B. aufzuheben.
Sind aber die Bedingungen einer gleichmäßigen
Eirculation eines Blutes, das eine beftimmte
chemiſche Beſchaffenheit befitt, vollftändig erfüllt,
dann wird das Gehirn auch B. haben müſſen.
Aus diefen u. anderen Thatiachen, die zum Theil
jelbft dem alltäglichen Leben angehören, glaubt die
neuere moniftische Richtung die fpecifiih phyſiolo—
giihe Grundlage des B⸗s ableiten zu dürfen. Da-
ei ift allerdings nicht zu vergeffen, daß die Phy-
fiofogie nur das Borhandenjein eines urjäd-
lihen Zufammenhanges zwiihen den Erſcheinun—⸗
gen des B⸗s u. gewiſſen Gehirnfunctionen feit-
geftellt hat, daß es ihr aber hoffentlich gelingen
wird, diefen Zufammenhang nod genauer ım Ein-
zelnen zu ermitteln.
Ber, Pfarrort im Bez. Aigle des ſchweiz. Kan—
tons Waadt, 390 m di. d. M., am Avengon, in
teizender Lage, Eifenbahnftation,; 3860 Em.; ber
—8 wegen ſeiner Salzquellen u. als Badeort.
Erſtere wurden im J. 1554 bei Panex u. Bexvieur
entdedt, lange Zeit von der Augsburgiſchen Familie
bel ausgebeutet u. dann 1685 an Bern verkauft.
it 1823 wurde bergmänniſch auf Steinfalz aus
den Minen dur Fondement u. du Bouillet gebaut,
aber jpäter wieder auf Salinenbetrieb zurüdge-
gangen; man ſchlägt den jährlihen Ertrag auf
30,000 Etr. an.‘ Oberhalb des Ortes die Ruinen
des von den Bernern im J. 1465 zerflörten
Schloſſes Duin.
Unionsftaate Teras, unter 29° n. Br. u. 98° w. L.;
16,043 Em.: Countyſitz: San Antonio,
Berbach (Mittel-, Nieder- u. Ober-®.), drei
Dörfer im Bez.-Amte Homburg des bayer. Regbez.
Pfalz, erfteres an der Blies u. der Lubwigshafen-
B⸗er Eifenbahn; alle mit Steinfohlengruben; 1747,
618 u. 1220 Em.
Berlen (Lord), jo v. w. Ban Sittart.
Ben (Bei, türf.), Capitän der Galeeren der
türkischen Flotte, vom Range des Paſchas vpn 2
Roßſchweifen.
Beybazar (Baibazar), Ziegenhaar aus der
Levante; ſchlechter als Angorahaar, doch reiner u.
weißer, da es, ehe es in den Handel fommt, ger
wajchen wird.
Beybazar, Stadt in dem türkiſchen Cjalet
Ungora in Klein-Afien, am Südfuße des Gebirges
Ala-Dagh; ftarker Reisbau; 4—5000 Em.
Beyer, 1) (Beyer), Job. Wilh., Bildhauer,
geb. 1729 in Gotha; kam als Knabe nach Paris,
widmete fich dort der bildenden Kunft und ging
dann zu weiterer Ausbildung nah Rom; 1752
fam er nad Stuttgart und wurde Profeffor der
Malerei an der Akademie der Künfte; fpäter ging
er nah Wien, wo ihn Maria Therefia zum Hof:
maler, Hofftatuen- u. Kammerarditelten ernannte.
Er fertigte eine Anzahl Statuen im Schönbrunner
Garten, darunter die von Janus bejänftigte Bellona
u. die Nymphe Egeria. Er fl. 1797 zu Hiebing
bei Wien. Schriften: Ofterreihs Merhwürdigfeiten,
die Bid» u. Baufunft betreffend, Wien 1779;
Die neue Muſe xc., ebd. 1784. 2) Morit, land-
wirtbichaftliher Schriffteller, geb. 1807 in Imnitz
bei Leipzig; ftudirte im Leipzig, erlernte feit 1827
die Ofonomie bei Schmalz zu Kuffen in Lithauen
u. verwaltete nachher in Sachen mehrere Güter,
Er hielt fih auch eine Zeit lang in NAmerika
auf, wurde nach feiner Rückklehr Yehrer an dem
landwirtbichaftlihen Inſtitut — Kranichſtein und
übernahm dann kurze Zeit die Wirthſchaftsinſpection
zu Eldena; 1839—40 war er Profeffor der Land-
wirthichaft am Garolinum zu Braunſchweig u. lebte
feit 1841 im Leipzig; er fi. hier 1854. DB. war
Hedacteur der Henne Zeitung für deutjche
Land» u. Hausmwirthe, Lpz. 1839 ff., u. ſchr. u. a.:
Mittheilungen fiir Landwirthe, ebd. 1837 f., 3 Hefte;
Zmwedmäßige Fütterungsmethode, ebb. 1838; Ame-
rilauiſche Heiten, ebd. 1839, 2 Bde.; Driginal-
mittheilungen über die gefammte Landwirthſchaft,
ebd. 1841, 3 Bde.; Hauptverbefferungen in der
deutichen Yandmwirthichaft, ebd. 1843—47, 3 Hefte;
Landwirthichaft flir rauen, nad dem Engliichen,
Peſt 1845; Praktiſches Hausbuch der Yandwirth»
ſchaft, Lpz. 1846; Das Auswanderungsbud, ebd.
1850, 3. A.; Das Heil der Landwirthſchaft durch
die Chemie u. Patentdüngermirtbichaft, ebd. 1847;
Das goldene Wirthſchaftsbuch, ebd. 1850; Illu⸗
ftrirter nenefter Bienenfreund, ebd. 1851, wovon
4. A., Berl. 1862; Gewerbliche Goldgrube, ebd.
1852. Mit Prog gab er heraus: Der Landiwirth
ber Gegenwart, Nordh. 1850, 2 Bde., u. Land«
wirtbichaftliche Groichenbibliothef, ebd. 1851—54.
erar, 1) Diftrict im äußerten W. des nord-8) Guſtav Friedrich von, preuß. General, geb.
ameritaniichen Untonsftaates Teras, unter 30— 320126. Febr. 1812 in Berlin; trat 1828 in bie preu—
Biererö Univerfal:Converfations:?erifon. 6. Aufl. TIL Band.
22
338 Beyle —
Beyichlag.
Bifhe Armee ein, ward 1830 Offizier, nahm theil (Pſeudonym Stendhal), geb. 26. Febr. 1783 ım
am Badiichen Feldzuge, fam 1849 in den Großen
Generalftab u. 1850 ind Kriegsminifterium, wo
er bei der Keorganifation der Armee thätig war.
Bom Prinz-Regenten geadelt, erhielt er 1860 bas
1. Thüring. Inf.Reg. Nr. 31, ward 1863 Com-
mandeur der 32. nf.» Brigade u. Commandenr
der preuß. Truppen in Frankfurt a. M. Bei der
Formation der Main-Armiee (1866) erbielt er das
Commando der in Wetzlar formirten Divifion,
rüdte in Kafjel ein, wo er in einer Proclamation
die Rückkehr verfaffungsmäßiger Zuftände verhieß.
Er nahm theil an der Abſchließung der Hannove—
raner nad Süden, führte jelbftändig die fiegreichen
Gefechte bei Hammeiburg (10. Juli) u. Helmftadt
(25. Juli). Im Sept. 1866 ging er als Com
mandant nad Frankfurt a, M, u. 1867 als Mi-
litärbevollmächtigter nach Karlsruhe. Hier trat er
in badiſche Dienfte über, ward Kriegsminifter u.
Seneral-Adintant des Großberzogs u. führte die
Ausrüſtung der badischen Divifion nach preußischen
Mufter aus. Beim Ausbruche des Krieges 1870
führte er die badische Divifion bis zur Gernirung
von Straßburg, mußte aber wegen Gichtleiden
das Commando miederlegen, welches von Werder
übernommen wurde. Im Oct. febrte er auf den
Kriegsſchauplatz zurüd u. bewertitelligte die Ein-
nahme Dijous (31. Oct). Um die Mititär-Gon-
vention mit Preußen abzuſchließen, ging er nad
Karlsruhe zurüd, trat 1. Juli 1871 wieder in
preußiſche Dienſte u, ward zum Gouverneur und
Commandanten von Noblenz u. Ehrenbreitftein
ernannt. 4) Konrad, deutjcher Yiterarhiitorifer
u. Dichter, geb. 13. Juli 1934 zu Bommersielden
bei Bamberg; ftudirte in Leipzig Naturmiffenichaften
u. Philoſophie u. beganı hier jchon feine literarische
Thätigleit, Die er im der Folge bejonders auf
Rückerts Leben u. Werke richtete u, bier Bedeuten-
des leiftete. Dem Yieblingsplan feines Yebens:
Gründung eines interconfeffionellen Erziehungs:
Inſtituts, mußte er aus zwingenden Gründen
(Gejundheitsrüdfichten zc.) entiagen. Seit 1864
lebt er bei Eiſenach ſeiner Muſe. Er ſchre: Er-
innerung an Fr. Rückert, Kob. 1866; jr. Nüderts
Leben u. Dichtungen, 3. A., Kob. 1869; Fr. Rückert,
ein deutſcher Dichter, Kob. 1867; Fr. Nüdert, ein
biographiiches Denkmal, Frankf. 1868; Charafteri-
ftil Fr. Rüderts (im XIL Bod.| der Rückertſchen
Gejammtausgabe); Neue Mittheilungen über Fr.
Rückert u. kritiihe Gänge u. Studien, 2 DBde,,
Lpz. 1873;- Der Nire Sang, 2. A., 1868; Er:
innerumgsblätter aus einer Dichtermappe, 1871;
Arja, die jhönften Sagen aus Indien u. ran,
Xp3. 1872; Leben u. Geift Ludw. Feuerbachs,
4. A., %pz. 1874; Zur deutfchen Kircheneinigung,
ein liter.philof. Zeitvotum, Lpz. 1872. Bon ſei—
nen pſeudonym (C. Byr) erjchienenen Dramen jei
erwähnt das Sactige Drama: Der geräufchlofe yeld-
zug, 1873, Das Ericheinen einer Poetik in 3 Bon.
u. Einführung in die Technif der Dichtfunft fteht
bevor. Die Kal. Preuß. Akademie der Wiſſenſch.
zu Erfurt ernannte ihn zum Mitgliede; das Deutfche
Hocftift zum Ehrenmitgliede u. Meifter, der deutjche
Kaifer zum Ritter des Kronenordens ꝛc.
2) Robte.* 3) Meinardus.
Beyle, Henri, origineller franz. Schriftfteller
Grenoble; wurde Inſpector des kaiſerl. Mobiliars
u. 1813 Auditeur ım Staatsratbe; er verließ nach
der Reftauration Frankreich, lebte in Italien bes
fonders den Kunftftudien u. wurde nad der Juli-
revolution 1830 Generalconjul in Eivita-Bechia,
wo er 23. März 1842 ftarb. Er ſchr.: Lettres
sur Haydn, $ar. 1815; Vie de Haydu, Mozart
et Metastase, 1817, n. A. 1854 (dies unter dem
Namen Bomber); Rome, Naples et Florence,
1817, n. A. 1855; Racine et sine 1823,
n.W., 1854; Vie de Rossini, 1825, 2 Bde, n..,
1854; Del romantismo nelle arti, 1819; Pro-
menades dans Rome, 1829, n. A., 1873; die
Tragödien: Cenei u. La duchesse de Palliano,
1533; den Roman: Le Rouge et le Noir, 1830,
2 Bde., 1831, 6 Bde. n. A.,1857; La chartreuse
de Barme, Par. 1839, n. A. 1857. Merimede
gab feine Werte, Par. 1855 f., 18 Bde., und
jeine Correspondance inedite, ebd. 1857, 2 Bde.,
heraus. gl. Baton, H. B., a critical and bio-
graphical study, Yond. 1874.
Deyme, Karl Friedr., Graf v. B., preuß.
Staatsmann, geb. 10. Juli 1765 in Königsberg in
der Neumark; wurde Kammergerichtsrath in Berlin,
1800 Geheimer Cabinetsrath u. 1807 Großkanzler
im Juftizminifterium. Er legte dieje Stelle nie-
der, als Hardenberg die Stelle Steins eiunnahm,
ohne darım außer Thätigfeit gefetgt zu werben.
1813 u. 1814 war er Civilgouverneur von Poms
mern, 1815 Staatöminifter, wurde 1816 in den
Srafenftand erboben u. mit der Organifation der
Rechtspflege beauftragt. Er trat 1819 aus dem
Minifterium, lebte dann auf jeinem Gute Steglitz
bei Berlin u. fl. 8. Dec. 1838,
Beyridy, Heinrich Ernit, geb. 31. Aug. 1815
zu Berlin; Profeſſor der Mineralogie u. Geologie
an der dortigen Univerfität; war feit 1853 Mitalied
der Akademie der Wiffenichaften, jetst auch Bor-
jtand der geologifchen Yandesanftalt. Seine zahl—
veichen ausgezeichneten Unterfuchungen find tbeils in
Poggendorffs Annalen, theils in Karſtens Archiv,
Yeonbards Jahrb., Monatsberichten der Berliner
Alad. u. Zeitſchrift der Deutichen Geolog. Gefells
ſchaft veröffentlicht worden. Bon feinen Schriften
find bejonders zu nennen: De goniatitis in mon-
tibus rhenanis oceurrentibus, Berl. 1837; Kry
jtalliyfteme des Pbenafits, 1857; Liber die Ent«
widelung des Flötzgebirges in Schlefien, Berl,
1844; Unterfuchungen über Zrifobiten, ebd. 1846,
2 Bde.; Kondylien des norddeutichen Tertiärge
birges, ebd. 1853— 59, ꝛc. SHerporzubeben find
bejonders feine Berdienfte um die Herausgabe einer
genauen geologischen Karte von Deutichland, von
der jest Sachſen u. Schlefien im Maßftabe von
1:25,000 vorliegen.
Beyſchlag, 1) Job. Heinrih Chriſtoph
Willibald, Theolog u. theolog. Schriftfteller,
geb. 1823 zu Frankfurt a. M.; ftudirte von 1840
bis 1844 in Bonn u. Berlin Theologie u, ward
1850 zweiter Pfarrer der evangel, Gemeinde zu
Trier; 1856 erbielt er einen Ruf als Hofprediger
nach Karlsrube u, 1860 als ordentlicher Brofeijor
der Theologie nach Halle. Schriften: Evangeliiche
Beiträge zu den Geiprähen (des Generals von
Radowiz) über Staat u. Kirche, Berl. 1852; Aus
Beza — Beziert.
dem Leben eines Frühvollendeten, Berl. 1857 f.,
2 Bde., 4. A., 1867; Evangeliſche Predigten,
1. Sammt., Berl. 1858, 2. W., 1863; 2. Samml.
1861, 2. A. 1864; 3. Samml. (Afademijche Pre-
digten) 1867; Welchen Gewinn bat die Evangelische
Kirche aus den neueften Verhandlungen über das
Leben Jeſu zu ziehen? Berl. 1864; Die Ehrifto-
logie des N. Teft., ebd. 1866; Karl Ullmann,
Gotha 1867; Die Paulinische Theodicee, Berl.
1868. 2) Robert, Genremaler in Miinchen,
eb. 1838 in Nördlingen; ftudirte in München u.
Baris, behandelt meift modern-jentimentale Stoffe
in aumutbhiger Darftellung. Am gelungenften find
feine weiblichen Geftalten, denen er ungewöhnlichen
Liebreiz zu geben weiß.
Beza (de Bye), Theodor, Theolog in Genf,
gen. 24. Juni 1519 in Bezelay im Departement
tıeore; ſtudirte feit 1535 in Orleans Rechtswiſ—⸗
fenshaften u. Philologie u. erhielt zwei einträg-
liche Pfründen zu Paris. Die durch den Lehrer
feiner Jugend, Wolmar, in ihm angeregten refor:
matoriishen Überzeugungen bracdten ihn nad
langem Schwanlen dazu, feine Pfründen aufzu-
eben; er ging unter dem Namen Thibaud de
an 1548 nad Genf, wurde bier Proteftant u.
führte die feit 1544 ihm verlobte Claude Desnoz
zur Ehe. 1549 wurde er Lehrer der. alten Lite—
ratur in Paufanne; er reifte dreimal nad Deutich-
land, um die Verwendung von Württemberg und
Plalz für die verfolgten Reformirten in Frankreich
zu gewinnen; im Auguft 1558 ging er als Pro-
teffor der griechiihen Sprache nach Senf u. wurbe
hier Calvına Gehilfe in der Befeftigung der Re—
formation, 1559 Pfarrer u. Vorſtand der neu er-
richteten theologische Akademie, Im Jahre 1561
wohnte er dem Religionsgeſpräche von Poiſſy bei,
blieb num bei den Führen der Meformirten
Partei in Paris, machte die Schladht bei Dreur
1562 als Feldprediger des Prinzen Conde mit,
begleitete dann den Admiral Coliguy, kehrte 1563
nah Genf zurüd und wurde 1564 nach Galvins
Tode Präfident der Genfer Prediger bis 1580,
Er nahm theil an der Proteftantifhen Synode zu
Rochelle, 1573 an der zu Nismes, gerieth über
mebrere Differenzpunfte der Yutherifchen u. Nefor-
—— in heftige Streitigleiten, hielt 1586
in Dümpelgard mit J. Andrei ein Religions-
geipräb, nahm an der Genfer ——
(1560—88) theil, heirathete 1588, nach dem
feiner erften Gattin, Claude Desnoz, feine zweite
Frau, Katharina Plania v. Afli. 1599 legte er
fein Lehr» u. 1600 fein Predigeramt nieder u. ft.
18, Octbr. 1605. Er überjette das N. T. ins
Lateinische, 1556 u. Ö.; fehrieb u. a.: Poemata
juvenilia, Paris 1548 u. ö.; Zoographia Jo.
Coehleae, Genf 1549 (Satire auf Cochläus);
Epist. Passavantii (Satire gegen den Proteftan-
teuverfolger Lizet), 1551; De haereticis a eivili
magistratu puniendis, ebd. 1554, franz., ebd.
1560; Le sacrifice d’Abraham (Drama, mit An-
fpielungen auf den damaligen Kampf zwiſchen
Proteftantisnus und Katholicismus), Laufanne
1550, Bar. 1553; Confessio, 1560 (eine furzge-
faßte Dozmatif); Comédie du Pape malade par
Thrasybule Phenice, Genf 1561; vollendete Ma-
rots: Traduetion en vers frangois des psaumes
odela
339
1552, Lyon 1563; De repudiis et divortiis, Genf
1567, Leyd. 1651; De pace christ. ecelesiarum
condenda, 1566; De coena domini plana et
perspicua tractatio, 1559 (gegen ®eftphal); Creo-
phagia u. Onos syllogizomenos (gegen Heßhus),
1559; Commentar zum N. T., 1557; Epistolae,
1573; Tractationes theologicae, 1582; Abrif des
Lebens Calvins in Tholuds Comm. zum. T. I.,
Berl. 1833, u. vd. a. Auch wird ibm eine Ge—
Ichichte der Reformirten von Frankreich von 1521
bis 1563 zugefchrieben. Lebensbeichreibung von
Ya Faye, 1606; Schloffer, Heidelb. 1809: von
Baum, Lpz. 1843—51, 2 Bde.; Heppe, Th. B.,
Elberf. 1861. Lötler.*
Dezäne (Bezans), in Fraukreich weiße, geitreifte
oder verjchtedenartige bengalifhe baummollene
Tücher.
Bezaubernng, 1) im eigentlihen Sinne an-
geblihe Einwirkung auf Menihen u. andere Wer
jen dur übernatürliche Mittel, meift in feind-
licher oder eigenmügiger Abſicht; ſ. Zauberei.
2) Im umeigentlihen Sinne Feſſelung der Ge»
müther durch außerordentlihe Eigenſchaften (Er«
ſcheinungen).
Bezeichnung, in der Mathematik Darſtellun
der Größen, ibrer Formen u. Berbindungen
eroiffe willfürliche Buchftaben u. Zeichen u. deren
Sufammenfegung. Eine kurze, überfihtlihe u.
bequeme B. ift im Rechnen u. in der Math. von
der größten Wichtigkeit; jede höhere Aualyfis wäre
ohne fie durchaus unmöglich; hat doch unbequeme
Bezeichnung der Zahlengrößen den jcharffinnigen
Griechen ſelbſt einfache numerishe Rechnungen
theils ſehr erichwert, theils unmöglich gemacht.
Bezeredj, Stephan, geb. 28. Nov. 1796 in
Szerbahelyg im Ödenburger Comitat; fiedelte fich
im Zolnaer Gomitat an u. wurde 1830 deflen
Abgeordneter zum Ungariihen Landtage; als jol-
her wirkte er vorziiglich für die Megelung der
Urbarialverbältniffe im philanthropiſchen Sinne,
gründete oder unterftütte aus eigenen Mitteln
viele gemeinnügige Anftalten u. Vereine u. genob
in feinem Baterlande ein großes Anſehen. Wäh—
rend der Unruben von 1848—49 Bollsvertreter,
verbielt er fich faft ganz paffiv. Er jt. 6. Mai
1856 zu Hidia im Tolnaer Gomitat. Seine
Gattin, Amalie, geb. 1804 in Jvanfa, ift belannt
als Jugendſchriftſtellerin; fie ſt. 1837 u. ſchr. u.
: Flori Könyve (Floras Buch), Peſt 1836 u. ö.;
Novellen u. Erzählungen, ebd. 1840, 2 Bde.
Bezẽtha (d. i. Neuftadt), einer der 4 Hügel,
auf welhem Jeruſalem (f. d.) erbaut war.
Besichtigung, |. Beihuldigung, age ri
Beziers, Hauptit. des gleichn. Arr. im franz.
Dep. Herault, am Einfluffe des Orbe in den Canal
du Midi u, durch die Eifenbahn mit Toulouſe u.
Montpellier verbunden, in einer jehr fruchtbaren
Gegend; Gericht erfter Juftanz , Friedensgericht,
andelsgericht; Hofpitäler, Stadthaus, Theater,
öffentliche Bibliothel u. ſchöne Kathedrale; Fertig-
ung von Branntwein, Liqueur, Effig, Ziegeln,
Papier, Brauerei, Töpferei, Böttcherei, Eijen- u.
Kupferihmelzen, Kalköfen; Handel mit Bieh, Korn,
Schwefel, Leder u. dgl.; Obft- und Weinbau;
31,468 Ew.; dabei Steinbrüche. Bon der ſchönen
u. gefunden Lage der Stadt jagt ein Möndsfprüd-
22*
340
Bezifferung — Bezoar.
wort: Si Dens in terris, vellet habitare Beterris land Eingang u. wird noch in Schulen Hin u.
(Wäre Gott auf Erden, würde er in B. wohnen
mwollen). Die Stadt B. hieß zu den Römerzeiten
Beterrä (Bäterrä) und gebörte zum Gebiete der
Arecomiler; fie ward römische Colonie u. hieß Co-
lonia Septimanorum, weil bier die 7. Legion ftatio-
nirt war. Im 4. Jahrh. war B. ſehr in Blüthe;
im 5. Jahrh. nahmen es die WGothen, im 7.
Jahrh. die Saracenen, von denen es 738 die
Franken unter Karl Martell u. 759 unter Pipin
eroberten, worauf es die Nefidenz der Grafen von
Septimanien wurde. In den Religionskriegen
fitt e8 viel; 1633 murde die Eitadelle geichleift.
In B. wurde früh ein Bisthum gegründet, u.
bier wurden Synoden: 356 wegen der Arianer,
1234 u. 1243 gegen die Albigenjer, 1279, 1299
u. 1351 in mebreren Streitigkeiten, abgehalten.
B. murde im MWibigenferfriege 21. Juni 1209
von dem SKirenzheere unter geiftliher Anführung
erftürmt, die in die St. Nazar- u. Magdalenen-
firhe geflüchteten 7000 Einw. mit diefer ver:
brannt u. die übrigen 20,000 niedergemegelt.
Bezifferung, in der Mufit das Verfahren,
die zu einer Harmonie gehörigen Intervalle über
(andy unter) der in Noten aufgezeichneten Baß—
ftimme in Biffern anzugeben. Kun wichtigſten ift
diejenige Art der B. oder Signatur, weldye man
genauer Generalbaßfchrift oder italieniſche Tabu-
latur nennt, In derjelben werden die Ziffern
1—9 angewendet. Die allgemein giltigften
Grundfäte dabei find: a) Zu jedem Baßton ohne
Ziffer wird der Dreiflang gegriffen, als bloßer
Bapton aber ohne harmoniſche Begleitung mit
t. s. (tasto solo) 8vo, all’ ottava, oder mit O
wieder gebraudt. Schlechthin mennt man aud
die Bezeichnung des Fingerfages durch die Ziffern
1—5 für die einzelnen Finger Bezifferung (Appli«
catur). Brambady.”
Bezirk ift der beftimmt abgegrenzte Flächen-
raum, über welchen fich die Zuftändigfeit der ftaat-
lichen Organe, jei es der gerichtſtchen, oder ber
adminiftrativen, erftredt. Die B⸗e der verjchie-
denen unmittelbaren oder mittelbaren Staatsbe»
börden können diefelben jein, fo daß fi dann in»
nerhalb des. beftimmten B-e8 nur die materiellen
Competenzen der verjchiedenen Behörden unter«
iheiden. Die Feftftellung der Be der Be—
börden ift im Allgemeinen Sade der Staats-
regierung; fofern aber dabei rechtliche Berhält-
niffe in Frage kommen, ift eine geſetzliche Feſt-
ftellung erforderlih. Die B-e der verſchiedenen
Inftanzen erweitern fi nah dem Berhältniffe
der Zuftändigfeiten derielben; die umterften Ju—
ftanzen haben bie Heinften, die höchſten die größ-
ten Be. Für die Gentralbehörden im Staate
fällt der Begriff des Zuftändigkeits-B-es mit dem
des Staatögebietes zufammen. In bejonderem
Sinne wird die Bezeihnung B. in einigen Staa-
ten gebraucht, indem dort damit eine beftimmte
Art von Mittelbehörden im Gegenjage zu ben
unteren wie zu den Provinzal- od. Gentralbehör-
dem bezeichnet wird. So heißen die Negierungs-
collegien in Preußen B⸗sregierungen, zum Unter»
ichiede von den Kreis-, wie von den Provinzial-
u, Minifterialbehörden. In anderen Staaten gibt
es B⸗sämter, als erfte Fuftanz über den Gemeinde»
behörden. Wllgemeiner Grundſatz ift, daß jede
bezeichnet; dabei ift jedoch zu bemerken, daß durch Behörde u. jeder Einzelbeamte im Staate einen
0 oder Bogen, oder Punkte, oder jchrägen Strich | beftiimmten B. fiir die amtliche Thätigkeit zuge-
auch durchgehende Noten bezeichnet wurden. b)
Feder Accord erhält die für ihn charakteriftiiche
Ziffer, alfo der Septimenaccord 7, der Duartiert-
accord $ zc., wird aber durchaus nur aus feiner
Grundtonart, alfo je nach feiner Vorzeichnung,
gebildet, zufällige Berfetsungen dagegen mit #,
u. 8 angegeben. ec) Die charafteriftiiche Terz wird
nur duch # u. | angezeigt. d) Fortlaufende
Accorde über nur einen Baßton erbalten die
nötbigen Ziffern nah einander folgend. Wird
über mehreren Baßnoten ein horizontaler Strich
gefett, fo bedeutet diejer, daß die Harmonietöne
unverändert angehalten werden u. zu den über-
ſtrichenen Noten erklingen follen. Die Harmonie-
töne jelbft werden durch Ziffern meift vor dem
Strih angegeben. Undeutlicher ift es, wenn die
anzubaltenden Harmonietöne nad) dem Strich an-
gefetst find; denn ein einfacher Strich oder Punkte,
ohne vorhergehende Accordfignatur, bedeuten auch,
daß die darımter befindlichen Baßtöne ohne Har-
monie erflingen follen. Eine andere Art von B.
ift die Verwendung der Zahlen 1—7 für einfache
Fonreihen (Melodien). Diefelbe findet fi ſchon
m den franzöfifhen Pialmen Marots u. Bezas,
in deren Ausgabe vom Fahre 1560 Pierre Da-
oante® (Antesignanus) die Bermwerthung von
Ziffern ftatt Noten zuerft auseinanderſetzte.
wiefen erhält, auf welchen fich dieje erftredt und
beichräntt. @rotefenb.
Bezirksſchulen, in größeren Städten . für
die Kinder eingerichtet, deren Eltern nur ein ge-
ringes Schulgeld zu zahlen vermögen. Sie ftehen
alfo zwifchen den Bürger- u. den Armenſchulen.
In Betreff der Organifation u. des Schulziels
ftehen fie in der Regel den Bürgerſchulen ziemlich
gleih. ES liegt übrigens in der Entmidelung
der Neuzeit das Streben, bie Kinder aller Stände
in den B. zu vereinigen, namentlich unter Be-
feitigung befonderer Armenfchulen.
ezirföumlagen find die von den competen-
ten politifchen Verwaltungsförpern der Landeshe-
zirfe, Provinzen, Departements u. dgl. an ihre
Bezirlsangehörigen zur Zahlung ausgeichriebenen
Steuern zur Beftreitung der befonderen Verwalt ⸗
ungsauslagen des Bezirkes. Es find dies Aus-
lagen für Einrihtungen u. Anftalten, welche, wie
Schulen, Armene u. Findelhäuſer, Straßen-,
Brüden- u. Wafferbauten, Friedensgerichte, Ger
fängniffe, Polizei u. dgl., ganz oder doch größten»
iheil$ den Bewohnern der betreffenden Bezirke
oder Provinzen allein zu Gute kommen. In den
meiften Staaten werben die Bezirksfoften durch
Percent- Zufhläge auf bie beftehenden bdirecten
Steuern aufgebradt; in England beftebt für die
Kouffeau machte diefelbe Erfindung (1742), wol ſehr bedeutenden Grafihaftsausfagen eine jelb-
unabhängig von Davantes, u. trug viel zu ihrer |ftändige Befteuerung. Maurus,
Berbreitung bei. Dieſe B. fand auch in Deutjcdh-
Bezöar, 1) (arab., auch Bezaar, d. i, Gegen
Bezoarwurzel
gift, Bezoarſtein, Lrpis bezoarlicus), in dem
Magen oder in den Eingeweiden verichiedener
Ihiere entbaltene rundlide Concremente aus
Kalk, unverdautem Futter und eigenen dee
welche fie beim Leden verſchluckt haben; bei den
arabiichen Arzten noch heute beliebtes u. ehemals
auch in Europa ald Schweiß erregendes u. jchäd-
liche Stoffe aus dem Körper entfernendes Mittel
gebraudt. Der B. ift entweder orientalifcher,
aus dem Magen mehrerer Untilopenarten, aus
Oftindien u. Perſien, oder occidentalifcher,
aus dem Yama u. Vicuña. Be. erfterer ftand
in hohem Anſehen, u. jein Werth ward, wie, bei
den Edelfteinen, nach der Größe beftimmt. Abn-
liche Concremente waren der Affen- u. Stadel-
ſchwein-B. Auch eine kugelförmige, in dem
Blinddarm der Pferde ſich krankhaft erzeugende
ſteinige Subſtanz, phosphorſaure Ammon-⸗Ma—
gnefia, wird B. genannt; die Stücke werden bis
auf 20 cm im Durdhmeffer groß und 6 kg und
darüber ſchwer. Hiervon die B.-Kolif, wenn der
— Bhanmo. 341
und 86% 15' bis 88° 3° 6. L.3 48,392 (km
(BT8,05 | ); 6,613,348 Emw., wovon auf den
Diftriet B. 11,206 km (203, M) und
1,826,290 Em. (Brahmanen u. Mohammedaner)
fommen. Das Yand, bewäffert von Ganges und
feinen Nebenflüffen, ift von großer Früchtbar—
feit; Producte: Reis, Mais, Hirie, Zuder,
Indigo, Baummolle, Olfrüchte in großer Menge;
das Thierreich ift durch Elefanten, Rhinoceroſſe,
Tiger, Leoparden, Hyänen, Büffel, Antilopen,
Rieſenſchlangen und zahlreiche giftige Schlangen
vertreten; daneben in den Flüſſen zahlloje Fiſche.
Den D. durchichneidet die Eiſenbahn Calcutta-
Benares. Das Land, der Haupttbeil des alten
Reiches Magadha, fiel jpäter an den Großmoguf
und 1765 an die Engliſch-Indiſche Compagnie,
2) Hauptft. darin, am rechten Ufer des Ganges,
ein weit ausgedehnter Ort, aber ſehr herabge-
fommen; viele Mojcheen, Tatholiihe Kirche; Uns
terrichtsichule; zwei Monumente des um die Stadt
verdienten Richters Cleveland. Einige vermuthen
B. den Blinddarm verläßt. %) (Bezoardica)|hier die Lage der alten Hauptſtadt Pataliputra
Sonft allgemeine Benennung von Arzneizubereit- | (Balibothra).
ungen, denen man Kräfte zuichrieb, Gift u. gift-
artige Stoffe durch die Haut zu entfernen.
ezoarwurzel, j. Dorstenia.
Bezoarziege ift Capra aegagrus L.; f. Biege.
Bezogener (Traffat), an welchen ein Wechiel-
brief zur Auszahlung gerichtet ift; ſ. u. Wechiel.
Bezold, Albert v., deuticher Naturforfcher,
eb. im Jan. 1836 in Ansbach; ftudirte feit 1853
in Münden u. Würzburg Naturwiffenfchaften u.
Medicin; er wurde dann Ajfiftent am phyfiologi-
ſchen Amflitut in Berlin, wo er unter Du Bois»
Reymonds Anregung ſich den Unterjuchungen iiber
die elektrischen Erjcheinungen der Nerven u. Mus-
felu wibmete, u. folgte 1858 einem Rufe als
Profeſſor der Phyfiologie an die Univerſität Jena;
1865 ging er als Profeffor u. Director des phy-
fiologifhen Iuſtituts nah Würzburg, wo er 2.
März 1868 ftarb. Er ihr. u. a.: Unterfuchungen
über die eleftriihe Erregung der Nerven u. Mus—
fein, Lpz. 1861; Unterjuchungen über die Inner—
vation des Herzens, ebd. 1863; Unterfuchungen
aus dem phyfiologiihen Laboratorium in Wirz-
burg, Lpz. 1867, 2 Hefte.
Dhadya (Hind.), entftanden aus dem ſanskrit.
bhascha, Sprache, ift die generelle Bezeichnung
fiir diejenige Sprache, welche ſich mit dem Ab»
fterben des Sanskrit vor dem 11. Jahrh. unſerer
Zeitrechnung als lebende Sprache in Indien aus-
gebildet hat u. umter ber fpeciellen Benennung
Hindavi oder Hindui, d. i. Sprade der Hindu,
befannt geworden iſt; ſ. Hinduftani.
Bhadrafäli (ind, Myth.), Name einer Gott-
beit, jpäter eine Fyorm der Durga oder Gemahlin
des Siva, die auch den Beinamen Parvati führt
u. fpäter unter dem Namen Bhavani mit der
Barvati identificirt wird; f. d. u. Parvati.
Bhadrinath, j. Badrinath.
Bhadurgurh, j. Bahadurgurh.
Bhagalpur (officiell geihrieben Bhaugulpore),
1) Commiſſionerſhip der Präſidentſch. Bengalen u.
dann gleihnamiger Diftr. darin; begrenzt im M.
von Nepal, im DO. von Maldab, im W. von Tir⸗
but u. Monghir, u. 24° 17° bis 26° 20° n. Br.
Tbielemann.
Bhagevadgitä (jansfr., aus bhagavad-
bhagavant [f. d.] u. gita Gefang, zuſammenge—
jet), die von Bhagavant (Kriſchna-Wiſchnu)
ejungene, verkündete Seheimlehre, Titel des be—
annten theofophifchen Gedichtes im Mahabharata,
das im Original u. in Überfetungen öfter erſchie—
nen ift. Beſte Ausgabe die von Laſſen bejorgte
Schlegelſche mit lat. Überſetzung u. krit. Anmerts
ungen, Bonn 1846, deutſch mit Anmerk. von
Peiper, Lpz. 1834.
Bhagavant (fansfr.) oder bhagavat, vor
tönenden Buchſt. bhagavad, Nom, bhagavän, Fem.
bhagavati, 1)(Adj.)gut begabt, glücklich, glüdfelig u.
hehr, heilig, als Bezeichnung höherer u. göttlicher
Weſen u. vor Titeln heiliger Bilder bei den
Buddhiften; 2) (Subft. m.) a)von ſtriſchna⸗Wiſchnu,
b) von Siva u. e) von einem Buddha, Bodhijattva
u. Dſchina.
Bhagavdata (jansfr.), Adj., zu®hagavant, d. i.
Kriſchna⸗Wiſchnu, in Beziehung ftebend, von ibm
berrührend u. ſ. w. Daher Bhägavata Purana,
Titel eines der 13 Purana, worin das Leben
u. die Thaten Krifchnas erzählt werden, herausge-
geben u. überfegt von E. Burnouf in der Collection
orientale, Paris 1840 u. 1844, 2 Bde; f. u.
Upangas.
Bhagavatiĩ (ind. Myth.), Subſt. f. von Bha-
gavant (j. d.), die Heilige: a) Veiname der Durgü
oder Gemahlin des Siva; b) der Lalſchmi oder
Gemahlin des Wiſchnu, der Segensgöttin.
Bhagiratti, Name des Ganges in feinem
oberen Laufe; entfpr. in den Bergen von Gurwhal;
feit der Vereinigung mit dem Alafnauda ver»
ſchwindet diefer Name; f. Ganges.
Bhagrutti, ein bedeutender Nebenarm des
Ganges, von den Eingeborenen für den Haupts
ftrom gehalten (f. Ganges).
Bhagul (Bagdal), Heiner Clieutelſtaat der Eng«
länder in Border» Indien, Prov. Pendihab, am
Setledich ; unter einem Radſcha; 388 [IJkm(7 IM);
22,000 Ew.
Bhanımo (Banıno), wichtige Handelsftadt in
Birma, am Einfluß des Taping in den Jramaddi;
342
20,000 Ew. (nah wahrſcheinlicheren Shätungen
nur 5000), darunter viele Chineſen, in deren
Händen der Handel liegt, der meift Baummollen-
ftoffe, Seide, Thee, Rhabarber, Moſchus und
Metalle betrifft. B. ift bush eine Dampferlinie
mit Rangum verbunden,
Bhanpura, Stadt im Territorium Indore
(Gentral- Indien), an dem Fluſſe Rewa, auf einer
Hügellette; prächtiger Palaft; 20,000 Em.
Bharabi, ind. Epiter, Name des VBerfaffers
des Kiratardihuntja, eines epiichen, ans 18 Ge-
fängen u. 1019 Strophen beftehenden Gedichtes,
das den Krieg beichreibt, welchen Arbihuna gegen
den Ziva in der Geftalt eines Bergbewohners
Kiratas führte; deffen 1. und 2. Gefang ins
Deutiche überjegt von E. Schü, Bielf. 1845.
—28 f. Bhurtpur.
Bhartrihari, Bruder des Königs Vikrama—
ditja; regierte im 1. Jahrh. v. Ehr. u. führte,
nachdem er des Thrones überdrüſſig geworden,
ein zuridgezogenes Leben; war zugleich indischer
Dichter u. gilt al8 der Berfaffer folgender Werte:
1) der 3 Kenturien (Satafa), moraliiher Sprüche,
a) des Zringüra Sat. über die Liebe; b) des
Ni Sat. über die Pflichten, u. c) des Bairagja
Cat. über die Frömmigkeit, herausgegeben mit
fat. Uberſetzung von P. von Bohlen, Bert. 1834,
u. in deuticher metrifcher überſetzung, Hamb. 1835;
fit. u. erläuternde Anmerkungen dazu, von €.
gegeben Bielef. 1835; früher zum Theil heraus:
Schütz, von Abr. Roger, in deffen: Thür zum
verborgenen Heidentbum, Rürnb. 1653; 2) gram-
matiſcher Karifa, d. i. metriich abgefaßter Erflär-
ungen u, Entwidelungen ſchwieriger Lehrſätza wie
des Vafjapadija, das zu Baninis Grammatik im
Beziehung fieht. Nah Einigen foll B. auch der
Veriaſſer des Bhattilanja fein; f. d. u. Bhatti.
Bhäskara, indiiher Aftronom des 12. Jahrh.
n. Chr., der fich große Berdienfte um das mathe-
matiihe Wiffen der Inder erwarb. Er jchrieb
unter dem Titel: Siddhäntaciromani (Aftronomie-
Stirnſchmuch ein großes Lehrgedicht, in welchem
ev Algebra, Geometrie u. Aftronomie behandelt
u. das theilweife von Taylor, Bombay 1816, u.
Eotebroofe, Lond. 1817, ins Englische übertragen
wurde. Bol. Brodhaus, Über die Algebra des
B., in den Berichten der Sächſiſchen Geſellſchaft
der Wiffenichaften, 1852. Specht.
Bhat, eine oſtindiſche Miſchtaſte, deren Mit-
lieder vorzugsweiſe Sänger u. Chronilſchreiber
And: bei. im Weften zahlreich.
Bhatgung, Stadt im Reiche Nepaul in Hin-
doftan, am Bagmutti; Sit eines Radſcha; Auf⸗
enthaltsort vieler Braminen (meil bier viele Sans-
frithbandichriften); Baumwollenweberei, Eifen«,
Kupfer- u. Broncewaaren, Fabril von Papier
aus Daphnne-Kinde; 12,000 Em.
Bhatti, Name des Autors eines mach ihm
benannten epiichen Gedichtes Bhattikavja (daraus
5 Geſänge überjett von C. Schütz, Bielef. 1837),
in welhem er die Heldenthaten Hamas befingt,
zugleich aber darauf bedadıt ift, dem Lefer eine
vollftändige Kenutmi der Sanskritſprache durch
eine ſyſtematiſche Anwendung aller möglichen
rammatischen Formen u. Conftructionen beizus
ringen. Vgl. Yaffen, Indiſche Alterthumskunde,
Bhanpıra — Bhil.
BD. 3, S. 512 fi. Einige ſchreiben diefes Gedicht
dem Bhartrihari zu.
Bhattia, ein wilder, räuberiiher Stamm der
Radihputen in Vorder⸗Indien, der vor ungefähr
600 Fahren in feine jegigen Sie in Bilanir u,
Bhamwalpur eingemwandert fein fol. Die nad ih—
nen benannte Landſchaft Bhattiana, größtentheils
eine öde Sandwüſte, ift abminiftrativ jett mit
den angrenzenden Diftricten —
ielemann.
Bhattikavja, ſ. u. Bhatti.
Bhaugulpore, |. Bhagalpur.
Bhavabhuti, indiſcher Dramatifer aus dem
Anfange des 8. Jahrh. v. Chr., Verfaſſer der
Dramen Mälatimadhava (deffen 1. Act berausge-
geben von Yafjen, Bonn 1832), Mahäviratscharita
u. Uttararämatscharita. Jedem diefer 3 Dramen
gibt er nach Vorſchrift der Poetik einen vorherr⸗
Ihenden Charakter, dem erften den erotiichen,
dem zweiten den heroiſchen u. dem dritten ben
pathetiſchen.
Bhavãni (ind. Myth.), Name einer Göttin,
die ſpäter mit der Parvatt, der Gemahlin des
Siva identificirt ward; f. Pärvatt.
Bhawalpur, 1) ein Staat in Britich » Ins
dien, zur Provinz Pendſchab gehörig; begrenzt im
W. von Sindh u. dem Pendihab, im O. u. ©.
von Bilanir, im N. von den Flüſſen Ghara und
Pandfchnab, u. 27° 41° bis 30° 25°’. Br., u. 69° 80°
bis 73° 58' ö. L.; 38,848 Djkm (7054 IM);
472,791 Ew.; ein ebenes Yand, zum größten Theil
Sandwüfte (nur 4 des Bodens in der Nähe ber
Flüffe ift ertragsfähig), mit den gewöhnlichen in
diſchen Producten u. Thieren. Sie Bevöllerung
beſteht aus Dihat-Stämmen, Hindu, Afghanen
u. Beludſchen, ein kräftiger Menſchenſchlag mit
einem verderbten HinduftanieDialeft; die herr—
chende Kaffe find Daudputra (d. h. Söhne Da
vids) u. führen ihre Abftammung auf Mohammed
zurüd, Sie wurden 1737 unter Daud Khan von
den Perjern in dies Land aus Sindh getrieben.
Sie ftanden unter der Herricaft der Afghanen;
dann der Sith. Bhawal Khan fuchte freiwillig die
Freundſchaft der Engländer nad), 1833, denen er
u. fein Nachfolger Hadſchi ſiets mwillfährig blieben.
Seit 1866 wird das Yand von einem britifchen
Agenten für den unmündigen Radſcha vermaltet.
2) Die Hauptftadt diejes Landes, an einem Arme
des Ghara, befeftigt; Palaft des Khan; 20,000 Ew.
Thielemann.
Bhikſchu (ind. Rel., von der Wurzel bhiksch,
fi etwas erbitten, erwünſchen), eigentlich Bettler,
insbefondere ein Brabmane in feinem 4. u. le
ten Lebensftadium, worin er Haus und Familie
verläßt u. von Almoſen lebt.
Bhil (BHilla), eine Familie von Bergpöllern
in Hindoftan, zum Munda-Stamme der dradidiſchen
Urbevölferung gehörend; wohnen in den Wäldern
der Auhöhen, welche die Flüſſe Tapti, Nerbubda
u. Mahi begleiten. Sie finden fich auch in ben
WGéhat u. in den Bergen von Guzerat, find
ftart gemiſcht u. nahmen Sitte u. Sprade von
den Völkern an, unter denen fie ſich niedergelaffen.
Ihre Cultur ift noch auf einer tiefen Stu; aber
ihre Anlagen zu höherer Entwidelung find nicht
unbedeutend. Sie find Mein, dunfelfarbig, geben
Bhillung — Bhrigu.
foft nadt, find flets mit Bogen und Pfeilen be-
maffnet und leben von Raub und Diebftahl.
Henne: Am Rhim.
Bhillung, bedeutender Nebenfluß des Bhagi-
ratti od. Ganges; reih an Fiſchen; gilt als heil.
Strom. .
Bhilſa (Bilfee), Stadt in dem Staate Gwa—
fior des Sindhia, in Hindoftan, am Betwa; um—
mauert, ſehr verfallen; 5716 Emw.; in der Nähe
roße Überrefte alter mit Pali⸗Inſchriften bededter
aumerfe, Sculpturen zc. (f. Judiſche Kunft u.
open). Die Stadt war ein Streitpuntt zwiſchen
den Hindufürften des Sidens u. dem Großmogul
von Delhi; 1230 u. 1293 wurde fie von den
Letzteren erftürmt, unter Baber 1528 der Schau-
plas vieler Kämpfe; feit 1570 von Albar definitiv
zu Delhi geichlagen. Thielemann.
Bhima, größter Nebenfl. des Kriſchna im
Delhan (Dftindien); entfpringt öftlih von Bom—
bay am DAbhange der What und mündet bei
Ferogpur; Länge 594 km.
Bhima (ind. Myth., von der Wurzel bhf,
n fürchten), 1) (Adj.) furchtbar, ſchrecklich.
(Zubit.) a) Beiname des Siva (f.d.); b) Name
verihiedener Gottheiten u. Männer.
Bhimagora, Walljahrtsort der Hindu, im
N. von Hurdwar, mit einem vom Ganges gefpeiften
heiligen Teiche, in dem die Wafchungen vollzogen
werden; dort eine Meine fünftlihe Höhlung des
lſens, der Sage nad vom Noffe des Bhima
ervorgerufen.
Bhiwani St. in Hiffar (Punjab); 32,254 Ew.
Bholan-Dap, f. Bolan⸗Paß.
Bhooj, ſ. Bhudſch.
Bhopal (Bopaul), 1) Staat in der Provinz
Eentral-Fndien, direct unter dem Generalgouver-
neur, füblih von Gwalior, zwiichen 22° 23’ bie
23° 46° u. Br. und 76° 25° bis 78° 506, 8;
vom Bindhjagebirge durchzogen; im S. vom
Nerbudda, im N. vom Betwa u. anderen Zu:
flüffen des Dſchumna bemäflert; 16,587 km;
663,656 Ew., theils Hindu, theils Patauen, deren
Stamm die regierende Familie, Nabob, angehört.
Staat u. Dynaftie wurde von Doft Mohammed
Khan begründet, der 1723 von AurengeZeyb die
Statthalterichaft über dieſe Gebiete erhielt u. nad)
deffen Tode den Titel Nabob (Nawaub) annahm,
Seine Nachfolger, darunter der einfichtige Waſir
Mohammed u. feit 1818 deffen Tochter, die ener-
giſche Sikander Begum, die trog aller Anfechtuns
rn den Thron behaupteten, ftets den Engländern
eundlich, ftehen feit 1818 unter brit. Oberaufficht
und feiften Heeresfolge. 2) Befeftigte Hauptftadt
darin mit 25—30,000 Em.; über der Stadt das
Fort Futtyghur, von Doft Mohammed Khan ers
baut u. die Reſidenz des Nabob; Handel; in der
Nähe der B.-Tal, ein berühmter Teich. 1813
miderftand die Feſtung wirffam dem Angriffe des
Eindbia. Tpielemann.*
Bhoree-Ghat, Paß durh die Ghat in N—
Concan, zwiſchen Bombay u. Puna, früher der
Schlüſſel zur Eroberung des Delhan; jet durch
eine Kunſtſtraße palfirbar.
Bhotan (Butan), unabhängige Landſchaft im
nordöftliben Oftindien, unter 260 18° bis 28° 2°
N. Br, u. 88° 32° bis 920 30 ö. L.; grenzt im N.
343
u. NO. an Tibet, im DO. u. S. an Affam, im
W. an Siffim; ungefähr 50,000 Ikm. 8. ift
ein vom SAbhange des Himalaja gebildetes, mit
Gletſchern bededtes Alpenland; feine Thäler Tiegen
gegen 1000 m über dem Mleeresipiegel; Gipfel
is zu 16,500 m. Flüffe: Monas, Sunacas,
Zehintfiu (Nebenflüffe des Brahmaputra), Tifta
(Grenzfluß gegen Siffun). Klima mild und ge
mäßigt, an der SGrenze mad Bengalen zu der
Siümpfe wegen ungefund. Producte: Eifen, Reis,
Weizen, Gerfte, Hirſe, Obft, Maulbeerbäume,
Eichen, Fichten, verfchiedene Begetabilien, aus
denen Papier bereitet wird; Elefanten, Rhine—
ceroffe, Schafe, Pferde, Büffel (welche die Chorri-
Schweife liefern). Die Einwohner, welche fih auf
ungefähr 1—14 Million belaufen, treiben vorzüg-
lich Ader- und Gartenbau, Viehzucht (veichlicher
Milchertrag u. Bienenzucht, auch etwas Bergbau
(Eifen). Sie find der Hauptmaffe nach mongo-
licher (tibetanischer) Abkunft, gehören zum Stamme
der Bhotija, find von hoher, kräftiger Geftalt,
dunkler Hautfarbe, haben jchwarze Haare umd
Ihwarze, Schmale, jcharfwinfelige Augen, breite
Gefichter mit vorftehenden Backenknochen, zeigen
viel Ausdauer, find abgebärtet und muthig und
tragen ziemlih ſchmutzige Kleidung (Schürze,
wollene Weite oder Wams u. dgl. Mantel). Die
Religion der Bevölkerung ift der Lamaismus, die
Sprache ein Dialekt des Tibetaniſchen. Die Re—
gterung ruht in den Händen eines geiftlichen Herr—
Ihers, des Dhman Rtadſcha, deffen Ztellvertreter
der weltliche Datb (Deb) Radſcha if. Sämmtliche
Beamte find Priefter, deren Einfluß überhaupt
bedeutend ift. Hauptftadt Zaffifudon. Die Ge-
ſchichte B-8 ift wenig befannt (f. Tibet). In der
legten Zeit find feit 1773 infolge der Einfälle
der Bhotija auf engl. Schußgebiete Zwiſtigkeiten
mit der brit.»indiichen Regierung vorgekommen,
die zu Heinen Erpeditionen der Engländer führten.
1863 wurde die Grenze von Neuem feſtgeſetzt.
Vgl. Griffith, Jonrnal of a mission which visited
Bootan in 1837—38, im Galcuttaer-Afiatiichen
Journal, Br. 8, Tbielemann.*
Bhotija (Bootia, Bhautija), Nomadenſtamm
an den Abhängen des Himalaja, in Bhotan,
Siklim, Gurwhal wohnend, mit Yamaitiicher Reli—
gion; Viehzucht als hauptſächlichſter Beichäftig-
ung I Bhotan).
hownuggar, Stadt im Diſtrict Ahmedabad
der britiſch-oſtindiſchen Präſidentſchaft Bombay,
nahe beim Meerbuſen von Cambay; Sitz der
Fürſten von Gohilwar; beträchtlicher Handel mit
Baumwollenwaaren; Hafen; 12,000 Ew.
Bhrigu (ind. Diyth.), 1) Name eines Geflecht
mythiſcher Wefen, das auch geſchichtliche Anknüpf—
ung bat, indem einer der Brahmaniſchen Haupt—
ftänme diefen Namen führt. 2) Name eines
den Stamm repräfentirenden Rifchi (f. d.), der als
Funke aus Pradichapatis Samen entipringt u. den
Barıma (Waffergott) in fih aufnimmt, weshalb
er Barımi (Varunas Sohn) beißt. B. ift auch
der Berfünder u. Berfafjer eines Dharmajaftra
od. Geſetzbuches, u. B. u. Bhrigus Söhne bezeich—
nen auch Sukra, d. i. den Planeten Venus. Einen
Berfuh zur Deutung der B.-Mythen fiehe in
Kuhns Herabkunft des Feuers, S. 6 fi.
344 -
Bhuddawur, ehemals Bez. einer Herrichaft
am Ufer des Tihumbul, deren Fürſten Ddiejen
Ramen als Titel führen. Wegen geleifteter Dienfte
1804 mit großen Grundbefige bei Agra belohnt,
erfreuen fie fich befonderer Protection bei der brit.
Regierung. J
hudſch (Bhooj), Hauptſtadt des britiich-
oftindifhen Schutzſtaates Cutſch (Kati); brit.
Befatung; mehrere Pagoden; 20,000 Em.
Bhunsla, urjprüngliche Bezeichnung eines
ſdherrn der Mahratten, nad) feiner Selbftändig«
eit Titel feiner Nachkommen als unabhängiger
rften eines in Border-Jndien liegenden Staates
— 5 u. Nagpur).
Bhurtpur (Bhartpur), 1) Radſchaſchaft in
Radſchputanag unter britiſcher Oberhoheit, öſtlich
von Agra, unter 26° 43' bis 27° 50° n. Br.
und 76° 54' bis 77° 49° 8. &.; 5100 jkm;
650,000 Einw.; trodener Boden, der aber durch
fünftliche Bewaſſerung zu großer Fruchtbarkeit
entwidelt if. Die Einw. find Brahmanijche
Dſchat, fleipig u. betriebfam. Die Dſchat, viel
feicht die urjprüngliche Bevöllerung diejer Land—
ftriche, erjcheinen bier fchon 1397 u. 1525 als
Feinde Timurs u. Babers. Mitte des 18. Jahrh.
riß fih das Land von Delhi los u, bildete einen
mächtigen eigenen Staat, der bis Agra reichte.
1804 führte der Radſcha Rundſchit Singh einen
glüdlihen Krieg gegen die Briten; 1825 wurde
das Land erobert und unter Oberherrichaft des
Bicelönigs geftellt. 2) Hauptftadt dafelbft, mit
wol übertrieben 100,000 Emw.; gegründet gegen 1732.
Sie mwurbe 1805 von den Engländern unter
Lale mit großem Berlufte vergeblich geftürmt, 1826
von Gombermere erobert u, ihrer Mauern be»
vaubt. Thielemann.
Bhüta (ind. Myth.), Barticipium, von der Wurzel
bhü, werden, daher eigentlich Gemordenes, dann
1) Weſen überhaupt. 2) Geipenft, Kobold, daher
vöfer Geift. Solchen wird befonders bei den Ta»
milen gehuldigt. An ihrer Spige ftebt der Gott
Siva. Gie find tbeilmeife Naturgeiſter, theil-
weiſe abgejhiedene Seelen von Menfhen. Man
weiht ihnen Tempel, Altäre u. Bildfäulen und
opfert ihnen Thiere. Bol. Wurm, Geſchichte der
indifhen Weligion, Baſel 1874, ©. 294—296.
3) Element, wie Erde, Luft, Waſſer, Feuer, Ather.
4) Eigenname a) eines Opferpriefter® der Götter,
b) eines Sohnes des Vaſudeva von der Pauravi,
6) Baters einer Unzahl von Rudra, u. d) eines
Falſcha. 5)M. pl., Name einer häretiſchen Schule,
Bhuddawur — Biancardi.
tiger Tranfit- und Speditionshandel; 6535 Em.
2) Fluß dabei; minder in die Weichfel u. bildet
die Grenze zwiſchen Galizien und Schleſien.
8) Stadt im gleichnam. Kreife des ruſſiſch⸗polni⸗
jhen Gonv. Stedlce, an der Krzua, Eifenbahn-
ftation; Schloß ai. Garten des Fürften Radzivill;
6662 Em.
Bialla, Stadt im Kreife Johannisburg des
preuß. Regbez. Gumbinnen; Flachsbau; 1640
Emw., davon 700 Polen.
Bialowieza (Bielowisha, Bialowiczer Heide),
ein Bald im Kreiie Prushany des ruſſ. Gouv.
Grodno; im Umfange 160 Werft, 375 km lang,
112,079 Deffjatinen groß (wovon die Hälfte der
Krone gehört); von den Flüſſen Narwa, Narerofa
u. Bialowiczonka durchſtrömt; viele Buchen u.
Eichen (meift Urwald); Großwild (Auerochſen bier
no einzig in Europa wild, Elenthiere, Bären,
Wölfe, Luchſe, Wildſchweine). Oft Aufenthalt poli»
zeilih Berfolgter u. während des Nevolutions-
frieges von 1831 Zufluchtsort polnisher Infur«
genten, die von bier aus ben Ruſſen bedeutend
ſchadeten. In der Mitte des Waldes liegt das
Dorf Bialowicza.
Bialyſtock (ruſſiſch Bjeloſtol), Kreisftadt im
ruſſ. Gouv. Grodno, an der Biala, Eiſenbahnſt.;
4 Kirchen, Gymnaſium, mehrere Schulen und
wohlthätige Anſtalten; Fabriken; 16,985 Ew.; ein
ſchönes —* u. Garten (daher heißt B. das
Polniſche Verſailles). B. war früber ſeit 1520
Hauptort einer Woiwodſchaft, welche 1795 an
Ben, 1807 als Provinz an Rußland kam,
aber 1842 mit dem Gouv. Grodno vereinigt wurde.
Diana, Stadt im Staate Bhurtpur, 74 km
well. von Agra, auf einer Anhöhe, wohlgebaut;
mehrere Tempel, Reſte großer Bauten, eine weit
fihtbare hohe Steinjäule, d. Behim-Lat. Die
Stadt ift feit der Vertreibung der Mohanımedaner
dur den Fürften von Bhurtpur 1750 zurüdge»
gangen. In den Kriegen der Afgbanen u, des
Großmoguls war fie ein wichtiger Punkt. 1527
bier blutiger Sieg Babers über den mächtigen
Radſchputen Rana-Santa. Tbielemann.
Bianca (nota, ital.), bei ben Stalienern die
halbe Tactnote,
Binnen (ital.), Name, jo v. w. Blanca; bef.
B. Gapello, ſ. Eapello.
Binncardi, Stanislao, italien. Redhtsge-
lehrter, geb. 27. April 1811 zu Montegiopi;
ftubirte feit 1827 in Siena NRedtswiffenihaften
u, Literatur u. ward 1831 Advocat im Florenz,
deren Anhänger fih den Körper mit Aſche (bhuti)|gab indeß die ihm nicht zufagende Praris wieder
einreiben.
Bhutan, ſ. Bhotan.
auf u. widmete ſich ganz der Literatur, wurde
Profeſſor der Redekunſt am Seminar von Monte»
Biafra, 1) kleines Reih am der Küſte von|calcino, hierauf von Siena n. bald darauf erft
Guinea in Afrika, zwiſchen dem Rio del Rey u.|Lehrer, dann zweiter Vorftand des Inſtituts von
Camazones. 2) Hauptftabt diefes Reiches, am)San Gerbone; er ging 1846 mach Livorno u.
Bufen gleihes Namens. 3) B.-Bai, der öftlihelübernahm vorübergehend die Direction des In—
Theil des Meerbufens von Guinea, zwiichen den ſſtituts de’ Padri di famiglia, lebte von 1848—60
Borgebirgen Formoſa u. Lopez; in diefelbe miün- |von Privatunterricht in Florenz, ward 1859 Secres
den der Eroß (Kreuz) und Malimbafluß; außer tär der Unterrichts-Commiffion, 1860 Profefior
anderen Heinen Inſeln liegt in derjelben ;yer-|der lateinischen u. italienischen Literatur in Florenz
nando-Bo. 4) B.-Bant, Sandbant in der B.-Bai.|u. 1867 Vorſtand des oberften Schulrathes; er
Biäla, 1) Hauptftadt des gleihnam. Bezirkes ſſt. 22. Dechr. 1868 in Florenz. Er ſchr. u. a.:
im öfterr. Kronlande Galizien, gegenüber Bielitz; Letture originali e tradotte offerte ai fanciulli
yertigung von Tüchern und Yeinwand; wid-litaliani; Letture originali e tradotte offerte ai
Biancavila — Bianchi-Giovini.
345
giovanetti italiani; Storia dei Papi; Le Veglie,/mteifter in Mailand u. 1785 Organift an ber
Francesco Orlandini nella sua vita e nei suoi Kirde ©. Marco in Benedig; 1796 gung er nad)
seritti.
London, kehrte aber einige Jahre fpäter nad
Biancaville, Stadt im Diftrict u. der italien. | Italien zurüd; er ft. 24. Sept. 1811 zu Bologna,
Provinz Catania, auf der Inſel Sicifien; der B. ſchr. über 30 Opern, an verſchiedenen Orten
Gemeindebezirt 12,631 Ew., meift Albanefen.
gedrudt, u. 2 Dratorien. 5) Antonio, geb.
Binndyetti, Giuſeppe, italien. Schriftfteller, 1758 im Mailand, Baritonift auf den Theatern
geb. 1795 zu Onigo,; war anfangs Advocat in
Tadıra, dann Literat u. — der Zeit
ſchrift: Scienze e lettere delle provincie venete,
jpäter Bibliothelar von Trevifo u. Senator des
Königreiches; er ft. 1872. Schr.: Giulia Fran-
cardi, Roman; Lo scrittore italiano (fritifche
Schriften verjchiedenen Inhaltes) u. a, m.
Biandyi, 1) granc. Ferrari, gen. il Frari,
bedeutender Hiftorienmaler in Modena, geb. 1447,
geft. 1510; Lehrer von Gorreggio. Seine Ge-
mälde erinnern an Fr. Francia; menige find
erhalten. 2) Giambattifta, einer der berühm-
teften italienischen Arzte und Anatomen, geboren
12. Sept. 1681 in Zurin; wurde von feiner
Mutter jehr forgfältig erzogen, disputirte bereits
im 15. Jahre über verjchiedene philofophifche
Themata u, promopirte zwei „jahre ſpäter mit
ſolchem Grfolge, daß man ihm furz darauf die
Leitung fämmtlicher Turiner Hofpitäler übertrug.
Neben praftifcher Medicin, Chemie u. Pharmacie
las er mit bejonderer Vorliebe Anatomie. Ihm
verbanft auch Turin die Erbauung eines anar
tomischen Theaters, das der König auf B-8 Ans
regung bin 1715 berftellen ließ. Er ft. 20. Juni
1761. Seine bedeutendfte Arbeit it: Historia
hepatica, seu de hepatis structura, usibus et
norbis, Turin 1710 u. 1716, Genf 1725, ein
Werk mit vielemRichtigen, aber auch vielem Falſchen,
was namentlih Morgagni u. Heller bervorgehöben
paben. Auch die Thränenmwege unterwarf er jeinen
Forſchungen, mit gleihem Erfolge: Ductus lacri-
males novi eorumque anatome, usus, morbi,
eurationes, Turin 1715. Von einem größeren ana»
tomifhen Werfe erjhienen 1759 vierundfünfzig
Platten. Belannt find feine Streitichriften gegen
die Hellerſche Jrritabilitätslehre, deren beftigiter
Gegner er war: Lettera sull’ insensibilitä ed
irritabilitä delle parti nellenomini e nelle bruti,
Zurin 1755. 8) Pietro Martiro (au Iſidor),
ital. Gelehrter, geb. 1731 in Cremona; trat in den
Orden der Camalbulenfer, ging 1763 nad Rom, wo
er fih mit dem Studium der Archäologie, Mathe:
matif u. Philofophie befaßte. 1774 begleitete er den
Fürften Naffadali als neapolitanifcher Gejandt-
fchaftsjecretär nach Kopenhagen u. von dort 1776
über Paris nah Madrid, von wo er nah Mai-
land zurüdfebrte. Kurz darauf wandte er fih nad
Eremona, wo er als Profeſſor der Moralphilo-
fopbie lehrte; er ft. dal. 1808. Bon feinen zahl«
reihen Schriften find zu erwähnen: Meditazioni
sulla felitita, gegen Rouſſeau gerichtet, Palermo
1774 u.ö.; Dissertazione apologetica, ebd. 1771;
Lettere sulla stato delle science in Danimarca,
Kopenb. 1775; Marmi cremonesi, Mail, 1791;
Antichi monumenti della gente Magia, Cremona
1793.
1752 in Benedig od. Gremona, mas man bis
jest nicht Hat emtfcheiden können; wurde 1780
Gembalift an der Opera buffa, 1784 Hoffapell-
zu Genua, Paris, Hannover, dann Naſſau-Weil -
urgijher Kammerfänger; war 1793—95 beim
Nationaltheater in Berlin engagirt, gaftirte dann
in Hamburg, Breslau, Dresden, Leipzig, Braun-
ihweig u. ging 1799 unter eine umberziehende
Spaulpielergefe haft in Thüringen, wo er ver-
ſcholl. B. jr. mehrere Intermezzos, darunter
Fileno eClorinda; die Operette: Die InfelAlcina,
deutih von Herclots, Berl. 1794; mehrere Lieder
u. Gefänge mit Ouitarrebegleitung (morunter auch
beliebte deutjche Lieder, jo: Nah Sevilla ꝛc.) u.
Ballets. 6) Siufeppe, italienischer Aftronom,
eb. 13. Oct. 1791 in Modena; ftndirte in feiner
aterftadt un. in Padua u. ward 1815 als Inge—
nieur u. Architelt angeftellt; er ftudirte dann im
Padua u. Mailand Aſtronomie u. lebrte feit 1820
Atronomie in Modena, wo er ein Obſervatorium
errichtete, deffen Borftand er wurde. 1859 erbielt
er von dem Dictator Farini feine Entlaffung als
Profeffor, worauf ihm der Marcheſe Raimondo
Montecuccoli feine Privatſternwarte zum beliebigen
Gebrauche ammwies. Er ft. 25. Dec. 1866 in
Modena. Er gab heraus: Atti del Regio obser-
vatorio di Modena, 1834, u. Catalago di 220
stelle principali del Piazzi. 7) ®Brunone,
italien. Gelehrter, geb. 6. Octbr. 1803 zu Figline
im Arnothal; fiudirte erft Theologie in Fieſole,
bierauf Humaniora bis 1826 u. kehrte dann in feine
zn zurüd; fpäter wurde er Korrector in der
'ruderei Gambiagi u. gab nachher die für die
Bibl, naz. vorbereiteten Wanujcripte heraus, es
find: Das Leben Benven. Eellinis, die Werte Angelo
Firenzuolas mit Noten, ein geihätter Commentar
zu Dantes Göttliher Komödie mit Anmerkungen.
Der Großherzog Leopold IL ernannte ihm zum
Mitgliede der Alademie u. Vicefecretär der Erusca
(1856); 1864 ward er deren Gecretär, was er
bis zu feinem Tode, 17. Yan. 1869, blieb.
1) Regnet. 2) Thambayn. 4,5) Brambadı.*
Biandi-Giovint, eigentl. Angiolo, gewöhn—
ih aber Aurelio genannt, italien. Publiciſt, geb.
25. Nov. 1799 in Como, der Sohn eines Ge-
fängnigwärters, der dann nad Cremona verfetst
wurde; er erhielt eine ftreng religiöfe Erziehung,
war drei Jahre am Seminar, lebte hierauf eine
Zeit fang als Privatjecretär u. Privatlehrer in
Mailand; 1830 ward er Corrector u. literarischer
Director der helvetiſchen Druderei zu Capolago
im Kanton Teſſin u. erbielt die Redaction eines
roßen Journals, welches die Neformprojecte zu
Belämpfen hatte. Da dies feinen politischen An—
ſchauungen ganz widerfprach, jo gründete er in
der Druderei Ruggia u. Comp. den Repubblicano,
was ihm viele Unannehmlichkeiten zuzog. Infolge
fortgejegter Angriffe verließ Er Yugano u. zog nad
4) Francesco, italien. Mufiter, geb. Zürich, 1841 aber nah Mailand, wo er bis 1847
blieb, Damals entitanden jeine S@udii ceritiei
sulla storia universale di Cesare Cantü; Dizio-
nario storico-Alologieo-geografico della Bibbia;
346
Biandini — Biard.
Storia degli Ebrei etc.; Idee sulle cause della] ®eneralinfpector in Ungarn u. erhielt 1812 das
decadenza dell’ Imperio Romano in Oceidente;| Commando der 1. Infanteriedivifion bei beim
Storia dei Langobardi; l’Austria in Italia e le
sue confische; il Conte Fiquelmont e le sue
eonfessioni. Wichtiger ift: Vita di Fra Paolo
Sarpi, 2 Bde., Zür. 1836. Bon Mailand ging
2. nad Turin, wo er 1849 einen Play im Par-
lament erhielt. Hier redigirte er bis 1852 die
Dpinione u. trat kräftig für die Einheit Jtaliens
in die Schranfen. B. gründete 1855 die Unione,
zog mit derfelben 1860 nah Mailand u. 1862
nach Neapel, wo er aber 16. Mai deffelben Jab-
res ftarb. Sein 1837 begonnenes, aber unvoll-
endete Hauptwerk ift Storia de’ Papi, Zurin
1853 f., 10 Bde. HenneAm bon.”
Biandjini, 1) (Bianhinius) Francesco, be-
rühmter italien, Aftronom u, Archäolog, geb. 13.
Dec. 1662 in Verona; ftudirte feit 1680 in Padua
Theologie u. Naturmiffenichaften, feit 1684 im
Rom Oneiörubenz, wurde Bibüothelar Aleran-
ders VIII. u. Ehrenfämmerling Clemens’ XI., der
ihn zum Secretär der mit der Kalenderverbefier-
ung beihäftigten Commiffion ernannte. Glüdlich
vollbradhte er den Auftrag, eine Mittagslinie in
der Kirche Sta. Maria degli Angeli zu ziehen u.
einen Sonnenzeiger zu errichten; unvollendet da-
gegen blieb feine adhtjährige Arbeit, in Italien
von einem Meere zum anderen eine Mittagslinie
zu ziehen. B. wurde hauptſächlich befannt durch
die aus feinen Beobachtungen abgeleitete Venus-
rotation von ca. 24 Stunden, die der Caſſiniſchen
von 23'/, Stunden widerfprah. Neuere Unter—
fuhungen haben indeffen gezeigt, daß Eaffini Hecht
hatte, B. ft. 2. Mai 1729 zu Rom. Er fahr. u.a.:
Storia universale, provata con monumenti e
figurata co'gli simboli degli Antichi, Rom 1697
u. 1747; Camera ed inscrizioni de’ liberti,
servi ed ufficiali della casa di Augusto sco-
perti nella via Appia, ebd. 1727, Fol.; Del
alazzo de’ Cesari, Verona 1738; begann die
usgabe von Anaftafius’ Vitae Rom. pontificum,
Rom 1718—35, 4 Bde. Nach feinem Tode er
fdien: De tribus generibus instrumentorum
musicae veterum organicae, Rom 1742. Bgl.
Mazzolini, Vita di F. B., Ber. 1735. 2) Giu-
feppe, Nefie des Bor., geb. 9. Sept. 1704 in
Berona; lebte jet 1732 in Rom, wo er in die
— ——— des Oratoriums trat u. nach 1759
ftarb. Er vollendete die von dem Bor. begonnene
Ausgabe des Anaſtaſius.
Bianchi di Caſa Lanza, Bincenz Friedr,,
Frhr. v.B., Herzog von Caſa Yanza, öfterr. Ge—
neral,geb. 1768 in Wien; wurde 1787 als Ingenieur-
offizier angeftellt. Er zeichnete ſich wiederholt im
Kriege gegen die Türken, dann gegen die Fran—
zofen aus, avancirte 1793 zum Gapitänlientenant
u. wurde 1795 in den Generalquartiermeiiterftab
verfegt, 1799 zum Major u. 1800 zum Oberft-
fieutenant befördert. Im Feldzuge 1805 begleitete
er den Erzherzog Ferdinand als Generaladjutant,
wurde 1807 Generalmajor u. Commandeur einer
Brigade, —— ſich im Feldzuge 1809 wieder:
holt aus, beſonders bei Aipern u. durch die Ver—
theidigung des Brüdenfopfes bei Presburg, und
wurde noch A demielben Jahre zum Feldmarſchall⸗
lieutenant ernannt. Nach dem Frieden wurde B.
öſterreichiſchen Hilfsheere gegen Rußland. In
dem darauffolgenden Feldzuge befehligte B. eine
Diviſion unter dem Erbprinzen von Heſſen-Hom⸗
burg, focht bei Dresden, Kulm, Leipzig und be—
fehligte 1814 den rechten Flügel der öſterreich.
Sübdarmee, mit welcher er bei Eu neuen Ruhm
erntete; 1815 erhielt er den Oberbefehl der Armee
von Neapel, flug Murat bei Tolentino u. ſchloß
am 20. Mai 1815 mit den neapolitaniichen Ge—
fandten die Convention zu Cala Yanza, durch
welche die Rüdtehr des alten Regentenhaufes mit
Ferdinand IV. feitgeftellt wurde, Nach dem Ein-
zuge des Königs Ferdinand in Neapel (17. Juni)
ging B., vom König zum Herzog von Caſa Yanza
erhoben, zur Armee nah SgFrankreich. 1816
wurde er in den öfterreihiihen Freiherrnſtand
erhoben u. belleidete die Stelle eines Hoffriegs-
rathes, bis er 1827 in Rubeftand trat. 1848
wurde er auf Befehl der proviforiihen Regierung
von —— 2 Monate lang zu Trevifo ge»
fangen gehalten, bis er bei Einnahme diejer
Stadt durch die Öfterreicher feine Freiheit wieder
erhielt, Er ft. in Sauerbrumm bei Rohitſch 21.
Aug. 1855.
Biance, Andrea, venetianiiher Geograph
(zu Anfang des 15. Jahrh.); jeine 1453 geftochene
Karte (worauf ſich weſtl. von den Azoren zwei
große Inſeln Namens Antilla befinden) ift auf—
bewahrt in der Marcusbibliorhef zu Benedig, u.
Formaleoni hat fie in feinem Saggio sulla nau-
tica de' Veneziani, Ben. 1783, ftechen laffen.
Bianco ciaro, der bläulich weiße Marmor, eine
der 3 Gattungen des weißen Garrariihen Mar»
mors (f. d.), welcher die meiste Verwendung für
Sculpturen in großen Dimenftonen, für koloſſale
Säulen u. architeltoniſche Zwecke verichiedenfter
Art findet.
Dianconi, Johann Ludwig, berühmter
italien. Arzt u. Diplomat, geb. 30. Sept. 1717
in Bologna; war bereits im 19. Jahre Hilfsarzt
an einem Hoſpital, promovirte 1742, ging 1744
als Yeibarzt zum Landgrafen von Heffen-Darm-
ftadt, 1750 in gleicher Eigenfhaft an den Hof
Augufts III. von Polen, der ihn fpäter in den
Srafenftand erhob. 1760 wurde er in diplomatie
her wichtiger Angelegenheit nah Paris geichidt
u. dann ſächſiſcher Gejandter in Rom, Hier wid»
mete er ſich wieder literariihen Beichäftigungen;
er ft. 1. Jan. 1781 in Perugia, In feinen Scrif-
ten glänzt er als ein tüchtiger Kemmer des Alter
thums; hoch angefehen ıft feine Arbeit über
Celſus: Lettera sopra A. Cornelio Celse, Rom
1779, deutſch von Krufe, Lpz. 1781. Seine liber-
jegungen des Anafreon, das Leben Petrarcas u.
die Unterſuchungen über Ovids Exil find ungedruckt.
Zhambann.
Bians, Pak zwiſchen Tibet u. dem Diftr.
Kumaon in Hindoftan, 5000 m; B-Rikhi, ein
Gipfel des Hımalaja, ebendaf., 7200 m.
tard, François, berühmter franz. Genrer
maler, geb. 27. Juni 1800 zu yon; bereifte,
nachdem er fi in der Kunſtſchule feiner Bater-
ſtadt gebildet, Spanien, Griechenland, Syrien u.
Agypten u. ftellte 1833 zum erften Mal in Paris
Biarrig — Bibel.
347
aus: Ein vom Wüftenfturme überfallener arabi-‘der vierte mamlukiſche Sultan aus der Dynaftie
fher Stamm. Seine Hauptftärfe liegt in der
Komif; feine komischen Bilder verfchafiten ihm
iu feinem Baterlande den Namen: Moliere der
Malerei. Im Jahre 1839 ging er nach Grönland
u. Spigbergen, u. 1856 machte er eine Reife um
die Welt. Bon allen feinen Reifen aber kehrte
er mit unzähligen Skizzen u. Studien zurüd.
Bon feinen humoriftiihen Bildern wären zu nen-
nen: Wandernde Komödianten, Revue einer Dorf:
nationalgarde, Herumftreihende Komödianten,
Der Dorflüfter, Die — onneurs, Die
goigen eines Mastenballes, Das Familienconcert,
er — Das unterbrochene Mittagsmahl,
Der Regimentstambour im Beichtſtuhl, Die alten
Jungfern, Unannehmlichkeiten einer Bergnitgungs-
reife, Gulliver auf der Inſel der Rieſen, Linnes
Jugendleben, Badefcenen. Bon den Bildern eru—
ften Inhaltes find befannter: Der Sflavenmarkt,
Duquesne, 1683 in Algier die europäifchen Sklaven
befreiend, Der Schiffbruh, Der Halt in der Wüſte,
König Louis Philippe beim MWachtfeuer der Natio-
nalgarden, Johanna Shore ftirbt in Londons
Straßen den Hungertod, Die Schiffbrüchigen,
Hudfon von feiner Schifismannjchaft verlaffen u.
dem Tode preisgegeben. Die meiften Arbeiten
B.s find von Jazet geftochen. Regnet.
Biarritz, Dorf im Arr. Bayoıme des franz.
Dep. Baffes-Porendes, an der Südbahn u. am
Biscayiihen Meerbufen; 4659 Ew.; Heiner Hafen,
Leuchtthurm, Seebad, welches jährlih im Juli
bis Sept. von 5-—6000 Perſonen aus verfchiede-
nen Ländern befucht wird, viele Gaſthöfe u, Pen—
fionen. Napoleon III. ließ bier 1856 die Billa
Eugenie bauen, die er mit der Kaiſerin während
feines dortigen Aufenthaltes bewohnte. Vgl. Ruſſell,
B. and Basque countries, Lond. 1873.
Bias, einer von den 7 Weiſen Griechenlands,
aus Priene in Jonien, Sohn des Teutamos;
febte um 570 v. Chr. Als die von den Berjern
belagerten Einwohner Prienes mit ihrer Habe
flüchteten u. einer von ihmen fi wunderte, daß
B. feine Anftalten zur Reife machte, gab er die
berühmte Antwort: Ich trage Alles mit mir (lat.
Omnia mea mecum porto). Die ihm beigelegten
Gnomen (Sitteniprüde) hat Orelli in Opuscula
Graecorum veterum sententiosa et moralia,
Lpz. 1819, gefammelt, Dilthey im feinen Frag—
menten der 7 Weifen, Darmft. 1835, überfegt.
Biasca (deutich Ablentich), Pfarrdorf im Bez.
Riviera des ſchweiz. Kantons Teffin; 1870 Ew.;
Station der Gotthard-Eifenbahn (im Dec. 1874
eröffnet). Der früher wohlhabende Ort litt wie
derholt durch Bergfturz (1512) u. Üüberſchwemm—
ungen (1714 u. 1745).
ibacũlus, Furius, römifcher Dichter; geb.
99 v. Ehr. in Eremona; fchrieb fehr beifende
Jamben, namentl. gegen Cäſar; bei Suetonius
finden ſich noch einige derſelben.
Biban-Thor, Eiſerne Pforte, Engpaß in Al—
gerien, in einem den Atlas durchbrechenden Thal
zwiſchen Algier u. Conſtantine.
Bibars, 1 B. Dhaher Rokn Eddin Abul
utuh, früher Sklave bei Sultan Redſchem
ddin; zeichnete fich im Tartarenfriege aus, er-
mordete den Sultan Kotuz, wurde jelbit 1260
der Bahariten in Agypten u. vertrieb die Europäer
in langem Kampfe aus Paläftina; er ft. 1277 (f.
Agypten). 2) B. Malet ei Medhaffar Rokn
Eddin, ein Circaffir; Shave des ägyptischen
Sultans Kelaun, dann Emir, ftieg er unter Khalil
und Mohammed zu den höchſten Reichswürden,
wurde nebft Salar das Haupt der Mamlufen u,
1309, da Mohammed die Herrichaft niederlegte,
jogar Sultan, bis er 1310 ermordet wurde,
Bibb, 1) County im nordamerif, Unionsftaate
Wabama, unter 33° m. Br. u. 87° mw. ©;
7469 Ew.; Hügelland; mehrere Eiſenb.; County-
fig: Gentreville, 2) Eounty im Unionsft. Georgia,
unter 32° u. Br. u. 83° w. 2; 21,255 Ew.;
Hügelland; Eiſeuerz, Steinfohlenlager; County»
ig: Macon.
Dibbiena, mwohlhabende Stadt in der ital.
Prov. Arezzo (Toscana), am Arno u. in der Nähe
des 1350 m hohen Sacro Monte della Bernia
(mit Klofter); 5683 Em,
Bibbiena, 1) Bernando Divizio (Dovizio),
ital. Dichter, geb. 4. Aug. 1470 in Bißbiena; bes
fleidete unter Papft Juſius IL mehrere Staats«
ämter u. Gejandtichaftspoften u. wurde von Leo X,
zum Gardinal ernannt; er ft. 9. November 1520,
Er ift u. a. Berfaffer des geiftreichen, |. 3. be
rühmten Luftipiel® Calandra. 2) Fernando,
Dialer u. Baumeifter, Sohn des Hiftorienmalers
u. Baumeifters Giov. Maria Gallı (geb. 1625,
geft. 1665, welcher fih nach feinem Geburtsorte
ın Toscana da Bibbiena nannte), geb. 1656 in
Bologna; erwarb fi) großen Ruf als Theater»
baumeifter u. Decorateur, wurde zur Erridtung
de8 bei der — Karls VI. aufgeführten
Theaters nach Prag berufen, erhielt mehrmals
bei fürſtlichen Feſten Aufträge zur Ausführung
von Decorationsbauten u. Malereien u. ward Hof—⸗
mann des Herzogs von Parma u, Kaifer Karls VL;
er fl. 1729 zu Bologna; fehr.: Architettura
civile, Parma 1811. Seine Opere varie de pro-
spettiva gab heraus fein Sohn Giufeppe B.
1740, Fol.
Bibel (vom griech. biblia, d H. die Bücher),
durch u. feit Chryioftomos üblih gewordene Be-
zeihuung der heiligen Schriften der Juden u.
Ehriften, die font auch Schrift, Heilige Schrift,
Wort Gottes genannt werden. I. Eintheilung
der B. Man theilt die B. in das Alte w. Neue
Teftament (Schriften des Alten u. Neuen Bundes,
ı nakara xal xauwn dadızn, Testamentum s.
Foedus vetus et novum) eit. A) Das Alte
Teftament befteht aus den kanoniſchen Büchern,
welche die Religionsurkunden der Juden enthalten
u, auch den Chriſten als heilig gelten (ſ. B-fanon J.),
u. aus den Apofryphen, die weder bei den Juden,
noch bei den älteren Chriften, noch in der Grie-
chiſchen u. Proteftantiihen Kirche, wol aber bei
den Katholiten, nah Beſchluß des Tridentiniſchen
Concils, göttliches Anfehen haben; ſ. u. Apolryphen.
Die kanoniſchen Bücher des A. T. find in hebrät-
ſcher, einige Stüde im Buche Esra u. Daniel
aber in daldäiſcher Sprache geichrieben, Die
Apokryphen find nur griechiich vorhanden. B) Das
Neue Teftament enthält die den Chriften heili-
‚gen Schriften der Apoftel u. Evangeliſten (ſ. B—
348
Bibel.
tanon II.) Die Bücher des N. T. find griechiſchſbloß aus u. ſchrieb fie in fogenannte Lectionaria
gelgrieben, nur Matthäus fol uriprünglich he⸗ zufammen,
Diefe Pefeabichnitte find von den
räisch geichrieben gemeien fein. Die Proteftanten| heutigen verſchieden, welde erft im Mittelalter
halten Die Uriprade für die einzig zumerläffige
Duelle ihres Inhaltes; die Katholiten aber, nah
einem Beichtuffe des Tridenter Concils auch den
Text der lateinischen Überſetzung (Bulgata) für
authentisch u. für zuverläſſig in Betreff der Rein—
beit der Glaubens- u. Sittenlehren u. ausreichend
zum öffentlichen Kirchengebraude (j. u. VIII).
II. Der Tert der biblifhen Bücher. Zum
Tert gehört nur das, was der Schriftjteller ſelbſt
geichrieben bat, m. man muß vom weſentlichen
Beitande defielben unterfcheiden, was im Berlaufe
der Zeit hinzugelommen ift u. die äußere Geftalt
deffelben ausmacht. Zu letzterem gehören: im
bebräiihen Tert die Vocale, im hebräiſchen u.
griechischen Tert die Accente u. diakritifhen Zei—
hen, die erft fpäter erfunden find. Die biblischen
Schriftfteller ſchrieben ohne diefe Zeichen, die he—
bräiſchen blos die Confonanten. Die PVersab-
theilung, wenigitens die vollftändig durchgeführte,
ift auch erft fpäter beftimmt morden, ſöwie bie
Interpunction. Im N. T. bat fib die inter:
punction aus der ſtichiſchen Abtheilung, welche
Euthalios von Wlerandria im 5. Jahrh. ein-
führte, entwidelt. Diefer theilte den Tert in jo
viele Abfäte, als beim Vorleſen durch die Stimme
unterichieden wurden (Stihometrie). Dieſe Abjäge
rüdte man in den Hanbjchriften wirflih ab;
jpäter unterfchied man fie durch Punkte; diefe In—
terpunction beflimmte man dann logiſch, u. fo
entitand die jetige Interpunction. Die Abtheilung
in Berfe ift im Hebräifchen erft mit der Accen-
tuation eingeführt u. meift dem Sinne nad) richtig;
im N. T. aber von Robert Stephanus, der ſie
in feiner Ausgabe 1551 anbracdte, erfunden u.
oft dem Sinne nicht entiprechend. Die Abtheilung
in Capitel rlihrt von dem Cardinal Hugo St. Caro
ber, der fie behufs feiner lateinischen Bibelconcor-
danz erfand; Daniel Bomberg nahm fie in feine
Ausgabe des A. T. von 1525 auf, u. die Her-
ausgeber der Eompiutenfis u, Erasmus führten
fie auch ins N. X. ein. Ehedem war eine andere
Gapitelabtheilung üblich. Die Evangelien find
nämlich in den Sandfehriften in Meinere u. größere
abgetheilt (erftere griech. Kephälaia, lat. Capitula,
letstere griech. Titloi, lat. Breviaria genannt).
Die Eufebianifhen Kanones find 10 Tabellen, in
welche furz die Harmonie der Evangelien, u. was
jeder Evangelift Eigentbümliches bat, aufgeftellt
if. Enfebios ſelbſt theilte mit Ammonios die
Evangelien in Kephalaia (Matthäus 355, Mar-
cus 233, Lukas 342 u. Johannes 232) u. Titloi
(Mattb. 68, Lukas 83, Johannes 18), daber
Ammonianiih-Eufebianiiche Abichnitte. Die Apoftel-
geichichte u. die Briefe find bloß in Kephalaia
abgetheilt, für deren Urheber man den Eutbalios
hält, der fie in feine ftichifche Ausgabe des N. T.
aufnahm. Die Perifopen oder Lejeabichnitte des
N. €. find ebenfalls jpäteren Urſprunges, u. die
neuteftamentlihen Biicher waren ebedem durchweg
in foiche Perifopen abgetbeilt, die Evangelien in
üblih geworden find, Ber den Juden ift der
Bentateuh in 669 Abichnitte (Paraſchen) zum
Behufe des öffentlihen Worlefens u. in 54 Yeje-
abjchnitte (große Paraſchen oder Sabbathsperifo-
pen) getheilt, melde in den Synagogen an den
Sabbathen vorgelejen wurden. Die Lejeftüide der
Propheten, welche aber nicht durchgehen, ſondern
bloß ausgehoben find, heißen Hapbthaten; mit
ihnen murde die Berſammlung beendigt. Auch die
Über⸗n. Unterfchriften der neuteftamentlichen Bücher
rühren nicht, von den Verfaſſern, fondern von
fpäteren Yejern ber. Diefe waren erft bloß Wier
derholungen von jenen, denen man aus llberlie-
ferung u. Bermutbung noch biftoriiche Nachrichten
beifügte. Euthaltos trug fie in feine ftihometriiche
Ausgabe ein, u. jo pflanzten fie fich in den Aus-
gaben fort.
III. Handijhriften der B. A) Das Alte
Teftament. Die jüdiſchen find entweder Sy«
nagogenrollen, oder heilige Handichriften, welche
die Bücher Mofis zum Gebrauche der Synagogen
enthalten u. weder Bocale, noch Accente baben.
Sie find mit der größten Genauigfeit auf Berga-
ment gefchrieben, die älteften, wiewol nicht über
700 ‘jahre, u. widtigften, oder gemeine oder
Privathandihriften, welche theils in Onadratichrift,
mit Bocalen u. Nccenten, tbeils in rabbiniicher
Eurfivfchrift gefchrieben find. Die famaritaniichen
enthalten die Bücher Mofis nah dein bei den
Samaritanern üblihen Text, in famaritanifcher
Schrift, find aber noch jünger, als die jüdiſchen.
Kennicot veranftaltete eine Vergleihung der ber
bräiſchen Handichriften, deren Ergebniſſe er im
jeiner Ausgabe des U. T., Orf. 1776, 1780, FoL,
niederlegte; nah ihm gab de Roſſi Variae leo
tiones Vet. Test. ete., Barma 1784—88, 4 Thle.,
heraus. Die Lesarten der jüdischen Handichriften
find felten fehr abweihend vom gewöhnlichen
Zert, die der famaritanishen mehr u. find wich—
tiger, aber auch der Corruption verbädhtig; vgl.
Geſenius, De pentateuchi samarit. origine etec.,
Halle 1815. Der Talmud erwähnt 3 im Tempel
aufbewahrter B-handihriften, welche durch gegen«
jeitige Bergleihung der Terte berichtigt wurden.
Aus dem 7. Jahrh. wurden mehrere B-handſchr.
als muftergiltig erwähnt, eine um 600 n. Chr.
in Hilla, ın der Nähe des alten Babylon ange
fertigte, die berühmte Hillahandfchr., welche bis
1500 noch eriftirte. Im 10. Jahrh. fhrieb Aaron
Ben Aſcher ein B-eremplar, welches von Karäern
u, Juden als muftergiltig betrachtet ward u. auf
weldem ter heutige B-tert beruht. In einigen
Stellen differirt von ihm die Lefeart des Moſe
Ben Naphtbali. Aus Ben Aſchers Eremplar copirte
man Eremplare in Jerufalem, Jericho, die Sinaie
bandichr., die Damascusbandihr. Im %. 1839
fand FFirkomitich, ein gelehrter Karäer, mehrere
alte B-handichriften in der Krim. Die eine, eine
undollftändige Pentateuchhandſchrift ohne Bocals
bezeihnung, ift aus dem J. 843, eine aus dem
57 (nad der Zahl der Zonn u. Feſtiage des J. 916 nm. Chr, welde die 3 großen u. die 12
Jahres) u. die Apoftelgeihichte u. die Briefe in Meinen Propheten mit einer anderen Vocalbezeich-
ebenio viele,
Nachher bob man die Leſeſtücke nung als die jetzt übliche enthält; enblih eine
Bibel.
bandihrift aus dem J. 1808. Alslichiedenem Format, von verſchiedenem Material,
je nad dem Alter der Handichriften.
vollftändige
Bruchſtücke alter Handſchriften gelten die Anführ-
ungen altteftamentlicher Stellen im Talmud und
in den Schriften der Rabbiner, wenn fie nicht,
ftaments,
349
IV. Ausgaben der B. A) Des Alten Te-
Die älteften Ausgaben find nad
wie häufig der Fall ift, ungenau u. nach fpäteren |Handfchriften gemacht u. vertreten die Stelle der-
Handſchriften
die kritiſchen Anmerkungen der Mafora (f. d.),
welche fih zum Theil in allen Ausgaben des U.
T., vollftändig aber in den rabbinishen B-n fin-
den und unter denen die Keri (Randlesarten) am
wichtigften find, zu beadten. B) Das Neue
Zeftament. Die Handfhriften, deren Anzahl
fehr groß ift, fteigen bis zum 4. Jahrh. hinauf,
enthalten auch mehr Abweichungen, als die des
A. T. Man theilt fie ein im Handjchriften mit
Uncialfchrift u. ſolche mit Eurfivichrift; letztere find
die jüngeren. Die berühmteften von jenen find
folgende: Codex Alexandrinus, bezeichnet mit
Cod, A. (f. Merandrinifcher Eoder); Cod. Vatica-
nus (Cod. B.), in der Vaticaniſchen Bibliothel
zu Rom, aus der 1. Hälfte des b., nad) Anderen
des 4. Jahrh., von Karyophilos mit nach Europa
gebracht; die Abfchnitte im ihm find ganz eigen-
tbümlich, zulegt herausg. von Bercellone u. Cozza,
Rom 1868 fi. (vgl. pus: De antiquitate cod.
Vat,, 1810); Cod. Regius, Cod. Ephraemi
— C.), zu Paris, enthält eigentlich die griechiſche
Überfegung des Ephräm Syrus, darunter aber als
uriprünglide Schrift Fragmente der B.; die
— iſt uralt u. in Agypten geſchrieben,
erausg. von Tiſchendorf, Lpz. 1845; Cod. Can-
tabrigiensis (Cod. Stephani, C. Bezae, Cod. D.),
zu Cambridge, enthält die Evangelien u. die
Apoftelgeihichte griehifh mit lateinifcher Über—
jegung, herausg. von Kipling, Cambr. 1793, Fol.;
Cod. Claromontanus (Cod. D.), zu Paris, aus dem
7. od. 8., nad) Einigen ſogar aus dem 6. Jahrh.,
die Briefe des Paulus griechiſch u. lateiniſch ent-
baltend, Herausg. von Tiſchendorf, Lpz. 1852;
Cod. Basileenis (Cod. E.), aus dem 9. Jahrh.,
die Evangelien enthaltend (vgl. Schmelzer, De
antiq. cod. Basil., Gött. 1750); Cod. Laudianus
(Cod. F.), inder Bodlejaniſchen Bibliothef zu Or-
ford, enthält die Apoftelgeichichte griechiſch fit
iateiniſcher Überfegung; er ift geichrieben im 6.
oder 7. Jahrh. zu Wlerandrien, im Facſimile
herausgegeben von Hearne, Orf. 1715; Cod.
Boernerianus (Cod. G.), die Pauliniſchen Briefe
griehiih mit Iateinifher nterlinearüberfegung
enthaltend; fam aus Börners Privatbefig in die
Königliche Bibliothel in Dresden, herausg. von
Mattbäi, Meißen 1791; Cod.Coislinianus (Cod.H.),
Fragmente der PBauliniihen Briefe enthaltend, im
7. Fahr. geichrieben; Cod. Cyprius (Cod, K.),
in Paris, die 4 Evangeliften enthalteud, nad
Einigen aus. dem 8., nad) Anderen aus dem 10.
Zahrb. ſtammend; Cod. Dublinensis (Cod. Z.),
ein Balimpfeft, welcher das Evangelium des
Matthäus enthält, aus dem 6. Jahrh. oder noch
älter, jetzt auf der Bibliothel des Zrinitätscolle-
giums zu Dublin, im Facſimile herausg. v. Bar-
rett, Dublin 1801; Codex Sinaitiens (Cod. Alcph,
f. Sinaitifher Coder) u. v. a. Alle diefe Codices
find nicht Rollen, wie die des U. T., jondern
Hefte (Quaterniones, Quinterniones, Sexterniones,
d. h. aus 4, 5, 6 Blättern beftehend) in ver-
var find. Befonders aber find|jelben. 3 derjelben find die Grundlage der übrigen
geworden, nämlich die, welche 1488 zu Soncino
erihien u. welder die von Brescia folgt, 1494
(der letzteren bediente ſich Luther); ferner der bes
bräifche Tert der Complutenſiſchen Polyglotten-B.,
1514—17, ferner die Eonftantinopler Bolyglotten«
B., 1546 mit der arabiſchen Überjegung Saadias
u, ber perfiihen Überſ. des Jakob Zus; daſelbſt
eine Polyglotte, 1552, mit griech. u. ſpan. Überf.,
u, die 2, rabbinifche B., welche bei Bomberg in
Venedig 1525 f., Fol., unter der Aufficht des
Rabbi Jalob Ben Chajim erichien u. welder bie
meiften anderen folgen, bef. die von Athias, Am-
fterd. 1661, van der geost, ebd. 1705, Jablonstky,
Berl. 1699, Opitz, Kiel 1709; 1617 erſchien bie
venetianiſche Bsausgabe, von Leo da Modena ges
leitet; in demf. Fahre die von Johannes Buptorf
in Baſel beforgte rabbinifshe B.; 1635 die von
naffe Ben Fsrael in Amfterdam u. A. u. die mit
Varianten ausgeftatteten, außer der Ausgabe von
Kennicot, die von Döderlein u. Meisner, Lpz.
1793, u. Jahn, Wien 1807. Handausgaben von
Clodius, Frank. 1677; Neineccius, Lpz. (1725)
1756; Simonis, Halle (1752, 1767, 1822) 1828;
gain, Lpz. 18315 G. W. Theile, Lpz. 1873;
Hurrheimer, mit Überſ., Erklärung u. homifetiichen
Noten, Bernb. 1841 - 1848, 2. Aufl., Berl.
1854 ff.; Philippſohn, Bibelwerl, mit Überf., Er—
tlär. u. 500 Kupfern, 1838 ff.; Philippſon, B.,
Tert mit Illuſtrationen von Guſtav Doré, Fol.
B) Die erften Ausgaben des N. T., die in
der Complutenſiſchen Polyglotte 1514 u. die von
Erasmus 1516—35, haben wenig Werth, weil fie
aus meift jungen Handjchriften gefloffen u. ohne
tritiiche Sorgfalt veranftaltet find. Der Text diefer
beiden Grundausgaben ward lange theils rein,
theils verändert, theild mit einander vermifcht
fortgepflanzt, unter anderen auch in den Stephani«
hen Ausgaben, bis Theodor Beza in feinen eben-
falls in der Stephaniſchen Officin erfchienenen
Ausgaben, 1565, 1582, 1589, 1598, den Stepha-
mischen Zert in einer neuen Bearbeitung nad
andfchriften lieferte, melden die Elzeviriſche
fficin durch ihre gefälligen Ausgaben, Lenden
1624, 1633, 1641, 1656, 1662, allgemein ver«
breitete u. zum gemeinen Text ftempelte, Aus
der Vergleihung der verſchiedenen Handichriften
u. Gitate bei Kirchenfchriftftellern, wozu noch die
alten Überfegungen (ſ. u. V.) fommen, ift eine
große Menge verfhiedener Lesarten erwachſen,
welche in dem fritifhen Ausgaben vorliegen, von
Mill, Orf. 1707, Fol., neu herausg. von Kifter,
Amft. 1710; Bengel, Tüb. 1734; Wetftein, Amt.
1751 f., Fol.; Griesbah, Halle 1774 f., neue
Bearbeitung 1796 u. 1806 u. der 1. Bd. von
Dav. Schulz, Berl, 1827, dauach eine Pracht⸗
ausgabe Ypz. 1808—7, Hi. ge u, eine Hand⸗
ausgabe, Lpz. 1805, 2. Aufl., 1811; Matthät,
Riga 1782—88, 12 Thle., Heine Ausgabe, Wit-
tenb. 1808, 3 Bde.; Alter, Wien 1786 f.; Bird,
Kopenh. 1788, Fol. (bloß die Evangelien, wozu
350
Variae leett. ad textum act. App. epp. cath. et
Pauli, 1798, u. Variae lectt. ad textum Apoe.,
1800, gehören); Scholz, Lpz. 1830 f.; Schotts
Ausgabe mit lateinifcher Überſetzung, Lpz. 1805,
3. Aufl., 1825, folgt der Griesbachſchen; Knapp in
feiner Ausgabe, Halle 1797, 4. Aufl., 1829, gibt
einen eigenen Text; ebenfo Rink in feiner friti-
fhen Ausgabe, Leipz. 1830—36, 2 Bde.; Lach⸗
mann, Berl. 1831, dazu der fritiiche Apparat
von Buttmann, 1841 u. 1850, 3. A., 1865, mit
beionderem Anschluß an die morgenländifhe Re-
cenfion, u. Zifchendorf, Lpz. 1841 u. 1850,
8. Ausg., Lpz. 1864—72; daraus Editio minor,
ebd. 1872; Derfelbe, Testamentum novum Si-
naiticum, ebd. 1863; Test. nov. graece et la-
tine, Paris 1867; Test. nov. Vaticanum, %p3.
1867, mit Appendix, ebd. 1869. Handausgaben
noch von Tittmann, Lpz. 1820; Vater, Halle 1824;
Näbe, Lpz. 1831; Göſchen, Lpz. 1882; Theile,
1865; Tiſchendorf, In usum academienm, 8. A.,
1875, u. A.; vgl. E. Reuß, Bibliotheca novi
testamenti Graeci, Brſchw. 1872. Griesbach hat
ein eigenes Syſtem der neuteftamentlichen Kritif
aufgeitellt, welhem Hug mit Abänderungen bei:
etreten if. Beide Kritiker unterfchieden nad
Sichtung u. Anordnung aller kritifhen Materialien
verschiedene, in den verichiedenen Dentmälern ers
Icheinende Geftaltungen u. Bearbeitungen oder
Necenfionen des Tertes: a) eine occidentalifche
Necenfion in den griehiich-Tateinischen Handichrif-
ten, der lateinischen Überſetzung u. den lateinischen
Kirchenvätern; b) eine Alerandrinifche (nah Hua
von Heſychios veranftaltete) Necenftion, in den
Anführungen der Alexandriniſchen Kirchenväter, der
Memphitiſchen, Philorenianisch- fyriichen Überſetzung
u. den älteften griechiſchen Handichriften (Cod.
Alex., Vat. u. a.); c) eine Eonftantinopolitanifche,
wahrſcheinlich von Lukianos veranftaltete Necenfion
in den Schriften der Kirchenlehrer von Syrien,
Kleinafien u. den Gegenden des Conftantinopoli-
taniſchen Patriarhats, in der ſlaviſchen u. gotbi-
hen Überfegung, in den jüngeren griechiſchen
Handichriften, bei. auch denen, die mit Heiner
Schrift, geſchrieben find.
V. Überjeßungen der Bibel. A) Die be-
rühmtefte Überjetung des A. T. ift die griechiiche
der Ziebzig (Septuaginta, ſ. d.), ferner des Aquila,
Theodotion u. Symmachos; die foriiche Üüberſetz—
ung (RBeichito, ſ. d.); die chaldäiſche Targums od.
Paraphrafen des Onkelos u. Jonathan, deren
mehrere mit dem Text in die Bibelpolyglotten
(j. u. Bolyglotte) zufammengeftellt find; ferner
arabiich im 10. Jabrh., von R. Saadia (Penta-
teuch, Leyd. 1622, Jeſ., Jena 1790) u. B. Joſua;
B. Job (Fragmente im Brit. Muſeum, berausg.
von Wolf v. Baudiffin, Lpz. 1870); perfifch im
9. Jahrh., von Jalob B. Joſeph Tawus; ſpaniſch,
— 1553, Fol., Amft. 1762, Fol., Jeſ. u.
er., Salonidi 1569, FFol.; jüdiſch-deutſch von
Sekutiel B. Jiaal, Amft. 1679, Fol., von of.
B. Aler., Aunft. 1687, Fol., Prag 1765; deutſch
einzelne Bücher von M. Mendelsſohn, Friedländer
u. Heinemann. Die Samaritaner überjegten die
5 Bücher Mofes im 2. Jahrh. in ihren Dialekt
u. ins Griechifche, im 12. Jahrh. ins Arabiſche.
B) Überfegungen des N. T. u. der ganzen B.
Bibel.
feit dem 2. Jahrh.: Lateiniih das A. T. nad
den Septuaginta die fogenannte Itala (ſ. d.), die
des Hieronymus u. a. alte lateiniſche im Bibl,
sacr, vers, antiq., herausgegeben von Sabatier,
Reims 1739—49, 3 Bde. Fol.; Evangeliarinm
quadrupl. lat., berausg. von Bianchini, Rom
1749, 2 Bde. Fol., Evangelium palatinum, von
Hieronymus überjett, herausg. von Tiichendorf,
%p3. 1847; Biblia sacra latina vet. test. Hiero-
nymo interprete, angefangen von Th. Denk,
herausg. von Tifchendorf, ebd. 1873; E. Ranle
ab heraus: Codex Fuldensis, nov. test, latine
interprete Hieronymo, Marb. 1868; Fragmenta
versionis latin. Antehieronymianae, Wien 1868;
Par palimpsestorum Wirceburgensium, antiquis-
simae vet. test. versionis latinae fragmenta, ebd,
1872; Fragmenta evangelii Lucani, ebd. 1874;
aus dem 3. Jahrh. ober» u. nieder-ägpptifch oder
foptiich (f. u. Koptifche Sprache); aus dem 4. Jahrh.
äthiopiih (vom A. T. find früher Fragmente ge-
druckt, jeit 1853 aber erfcheint: Biblia Veteris
Testamenti aethiopica in V tomos distributa,
1.—II., 2. Ausg. von Dillmann, Lpz. bis 1872, N. T.,
Nom 1548, 4), u. gothiſch (Ulfilas, ſ. u. Gothiſche
Sprade); aus dem 5. Jahrh. armeniih (im 4.
T. nad) den Septuaginta, Amjterdam 1666, Eon-
ftant. 1715, Bened. 1733, Fol., Lond. 1817);
aus dem 6. Yabrh. ift die Philorenianiich- jyriiche
Überfegung des N. T.; die georgiiche, Most. 1751;
aus dem 10. Jahrh. die angeljähfiihe (4 Evang.,
Dortr. 1565, Pentateuh u. Joſ., Orf. 1698,
Plalm., Pond. 1640); die arabiihe aus dem 8,
bis 10. Jahrh. (Pentateuch u. N. T., herausg.
von Aurivillius, Upfala 1803, Rom 1671, 3 Bde,
Fol.); die perfiihe aus dem Syriſchen (4 Evang.,
herausgegeben von Wheloc, Yond. 1657); aus dem
9, Jahrh. die flaviiche, von Methodius u. Eyrillus,
Oftrem 1581, Most. 1663, verb., Most. 1751,
Kirchen-⸗B. der Nuffen, Serbier u. Illyrier, auch
Kiew 1788, 5 Bde., Dfen 1804, 5 Bde.; bie
waladiiche, von Gretichan, Bukareſt 1688, Balas-
falva 1804; die moldautiche, Betersb, 1819; das
N. T. für griechiſche Ehriften iliyriih, Wien 1795,
Fol.; die türfiiche Überſetzunug von Seamann,
Orf. 1666; die neugriehiiche von Kalliopolita,
Leyd. 1638, von Mid. Diacedo, Halle 1710; die
neuruffiiche von der Bibelgefellichaft in Petersburg
1821 (vgl. Polyglotten). Aus der von Hierony-
mus bejorgten Umarbeitung der Itala entftand
jeit dem 5. Jahrh. die Bulgata, nad derjelben:
die romanische der Waldenier im 12. Jahrh., die
franzöfifhe vom F. 1294 (A. T. von J. Macho
u. Ferget, Lyon um 1477), von Le eure d'Etaples,
Paris u. Antw. 1523—28, 7 Bde, revidirt von
den Löwenſchen Theologen, Antıv. 1578, von of.
le Maitre de Sacy, Bar. 1672, 32 Bde., n. ö.
noch Par. 1789—1804, 12 Bde., von Quesnel,
Par, 1687, von Kid. Simon, Trevour 1702,
4 Bde., von Bouhours, Par. 1704, von Galmet,
Par. 1724, 8 Bde. Fol. (vgl. G. Striimpell, Die
eriten Bellberfegungen der Branpolen, Braunſchw.
1873); die engliſche, von Wicliffe 1380, Douay,
1609 f., 2 Bde.; Die italienische, von Malermi,
Ben. 1471, 2 Bde., von Martini, Turin 1776,
23 Bde., Vened. 1781—86, 36 Bde; das N.T,,
Yond. 1818; aud von Marmochino, Ben, 1538;
Bibel.
bie deuttichen feit dem erften Abdrud, Straßb. 1466;
T. von Emier, Dresd. 1527; W. T. von
Dietenberger, Mainz 1534; A. u. N. T. von Ed,
Ingolſt. 1537; von Ulemberg, Köln 1030; von
raun, Augsb. 1786, 1803, 3 Bde.; von Wide—
mann, Regensb. 1819; die niederfächfiiche, von
Joh. Hodderften, herausgeg. von Bugenhagen,
Lübed 1534; die holländiſche, Delft 1477 (mur das
4. T. ohne Pialter); die der Janfeniften, N. T.,
von van der Schnurren, Utr. 1698, A. u. N. T.,
bon van der Schnurren u. vd. Rhyn, ebd. 1732,
2 Bbe.; die fpanische, von Scio de San Miguel,
Madr. 1794—99, 19 Bde., 1807, 6 Bde.; die
portugiefifche, von A. Pereira de Figueiredo, Liſſab.
1730 ff., 23 Bde; die ungarische, von G. Kaldi,
Wien 1626, Ofen 1782, N. T. von Erdöfi, Wien
1574; die polnische, von Leopolita, Krakau 1561,
u. Wuyek, ebd. 1599, Fol.; die ruffifche, von
Storina, A. T., Prag 1519, ,
Nicht an die Bulgata banden ſich folgende Über-
ſetzungen von u. für Katholiken: lateiniſch, N. T.,
bon Erasmus, Bafel 1516, von Sant. Bagnint,
A, u. N. ZT, yon 1527, 1542, Fol.; deutich,
nad) dem Grundtert von Brentano u. Dereier,
FH. a. M. 1796—1810, 7 Bde; von Mut-
helle, N. T,, Münch. 1789 f., 2 Bde., von Fiſcher,
Prag 1794, von van Ei, Braunſchw. 1807,
Stereot., Sulzb. 1820, A. T., Sulzb. 1822.
proteftantifche Lberiegungen find: lateiniſch, von
den Reformirten Seb. Münfter, U. T., Zürich
1534, Yeo Judä u. Bibltander, A. u. N. I,
ebd. 1543, Fol., Caſtalio, A. u. N. T., Baſel
1551, Fol., Lpz. 1738, Beza, N. T., Genf 1556,
Tremellius u, Junius, A. T., Frkf. 1579, Fol.,
Au N. T., Hannov. 1624, 2 Bde. Fol.; von
den Lutheriſchen: Seb. Schmidt, Straßb. 1696,
Dathe, A. T., Halle 1784— 94, 6 Bde., Reichard,
N. T., Lpz. 1799, 2 Bde., Schott, ebd. 1805
u. d., Schott u. Winzer, A. T., Altona 1816,
1 Bb.; deutih, von Luther, Wittenb. 1522—32,
5 Bde. Fol., revid. 1541, Fol., mehrere hundert
Ausgaben, in denen nur Nechtfchreibung, Wort-
u. Drudforn dem Üblihen angepaßt ward; fie
behielt in der Futherifchen Kirde die Oberhand,
während die Berfuche der Wiedertäufer (Propheten
von Hetzer u. Deut, Worms 1527, Fol.), Unitarier,
(R. Z. von Erell u. Stegmann, Rakow 1630;
von Felbinger, Amfterd. 1660; von Triller, ebd.
1703, von Reiz, Offenb. 1708), Eoccejaner, my—
ſtiſche u. prophetifche B. von Horch, Marb. 1712;
Binzendorf, * T., Büding. 1727, 2 Bde., der
ihnen verwandten Myſtiker, A. u. N. T., Berleb.
1730—42, 8 Bde. Fol., belannt als Berleburger
B., u. a., vorzüglich von J. F. Haug bearbeitet,
die wegen ihres Myſticismus zu vielen Unterfuch-
ungen u. Streitigkeiten, ſelbſt auf dem Reichstage
zu Regensburg Beranlafjung gab, die rationalt-
ſtiſche Wertheimer B. (j. u. Schmidt), die des
abgeihmadten Junkherrot, N. T., Offenb. 1732,
des Böhmiften Kayſer, N. T., o. O. 1735, u.
des frivolen Bahrdi, N. T., Riga 1773, 1774,
2 Bde., nur fiterarifche Euriofitäten find. Die
deutihen Überſetzungen der Meformirten find von
2eo Judä, Züri 1527—29, 5 Bbe., 1531, Fol.,
Worms 1529, Fol.; neue Züricher B. 1665—67,
Fol., 2 Bde., in der Schweiz kirchlich gebraucht;
351
von Piscator aus dem Lateinischen des Tremellius
u. Junius, Herborn 1602 — 1604, 3 Bde., von
Toſſanus nah Luther, Heidelb. 1617, Fol. Die
Fortſchritte der bibliihen Kritif u. Exegeſe be-
urfunden die neuen Berdeutihungen von Seiler,
N. T., Erl. 1781, 1805, Stolz, N. T., Zürich
1781, 1794, Hannov. 1820, Dlichaelis, A. T,,
Gött. 1789, 2Bde., N. T., 1790, 2 Bde,, Thieß,
N. T., Lpz. 1790—1800, 4 Bde., Bolte, N. T,,
Altona 1795—1806, 8 Bde., Hezel, N. T., Lpz.
1809, Preiß, N. T., ebd. 1811, 2 Bde., Örtel,
A. T., Unsb. 1817, Kelle, A. T., Freiburg 1815
bis 1819, 3 Bde.; von Augufti u. de Werte, A.
u. N. T., Heidelb. 1809—14, 6 Bde., u. von
de Wette allein, Heidelb. 1836, 3. A.; von Meyer,
Frtf. 1819, 3 Bde., 3. Ausg. 1855, von Bunfen,
j. unten VL Überſetzungen in andere europäiſche
Sprachen find: Holländiſch, Antw. 1526, Fol.,
Emden 1552, Fol. (lirchlich gebraudt); an ihre
Stelle trat die jogenannte Staaten-B. aus dem
Örundterte von den orthodoren Theologen der
Dortrechter Synode, Leyd. 1637, Fol., neue Über-
jegung, Antw. 1657, Fol., von van der Bloten,
Leyd. 1789—96, 138 Bde., von van der Palm,
ebd. 1817 fi.; Engliich, von Coverdale nad dem
Lateiniſchen u. Holländiihen mit Tindals N, T.,
Yond. 1535, Fol., nad dem Grundtert, 1539,
Fol., von Puritanern, Genf 1561, Fol., von
Parker u. A., Lond. 1568, Fol.; die kirchlich ge—
braudte Biſchofs-B., unter Jakob I. neun überſetzt
als Könige-B., ebd. 1611, Fol., iſt feitdem im
der biſchöflichen Kirche allein gebraucht, neu nad
dem Grundtert, Cambridge 1763, Fol., mit An—
merfungen, Yond, 1811, 3 Bde,, u. oft in neuerer
Zeit; von ler. Geddes nah dem Grumdtert,
Lond. 1792—97, 2 Bde.; Wäliſch, Lond. 1654,
1760, Caer Grawet, 1813; Gälifch, Yond. 1807,
ebd. 1821; das N. T,, Edinb. 1807; im der
Sprade der Inſel Mau, London 1815, 1819;
Irländiſch, Lond. i681, ebd. 1817; Niederbre-
tagnish, das N. T., Paris 1827; Bastiich,
das N. T., Bayonne 1828; Franzöſiſch: von
R. Benoift nad der Geufer, Par. 1566, Fol,.
Ve Gros, nad dem Grundtert, Köln 1739, ır. in
neuerer Zeit oft, 3. B. von Montauban, Par. 1819,
2 Bde., zc.; von Dlivetan, Neufchätel 1535, Fol,,
Genf 1540, Fol., redigirt von Beza u. Bertram,
ebd. 1588, Fol., 1805, 3 Bde. Fol.; Kichen-B.,
von Gaftalio, Bafel 1555, Fol, von Martin,
Amft. 1707, Fol., von Noques, Baſel 1744, von
Ofterwald, Amft. 1724, Fol. (lirchlich gebraucht),
von Le Gene, Amft. 1741, Fol., N. T., von de
Clerc, ebd. 1713, 2 Bde; Socinianifh, am beften
von Beaufobre Yenfant, ebd. 1718; Italieniſch:
von Bruccioli, Bened. 1632, Fol. 154247,
7 Bde. Fol., nach der reformirten lat. Überf, u.
dem Grumdterte von Ruftici, Genf 1562, Fol.,
von Diodati nah dem Grumbdterte, ebd. 1607,
1641, Fol., Lpz. 1744, N. T., von Berlando della
Lega u. Ravizza, Erl. 1721 f., 2 Bde.; Maitefiich,
die gejchichtlichen Bücher des N. T., Lond. 1829;
Rhätiſch, Graubündiſch, Obergranbiindiih, Chur
1718, Fol., Untergraubündifh, Scuol 1743, Fol.,
Euera 1818, N. T. 1820; Spanifd, von Gaf»
fiod de Reyna, nad der reformirten Tat. Überf.,
Baſel 1569, verbejfert von Balera, Amft. 1602,
352
Bıbel.
Fol, N.T., von Enzinas, Antw. 1543; Portu-)1777—80, 3 Bde., von Hammond, lateiniſch von
giefifch von Ferreira dD’Almeida, 4. T., Trans
auebar 1719— 38, 5 Bre., Pond, 1819, N. T.,
Amft. 1712, Batav. 174%—53, 2 Bde., 1773;
Däntifch nah der Lutherischen, Kopenh. 1550,
ol. (firhlih gebraudit), ebd. 1699, mach dem
rundterte von Refenius, ebd. 1607, verbeffert von
Suaning, ebd. 1647, neu verbeffert 1742, neu
ebd. 1819; Fardiih u. Däniſch, das Evangelium
Matthäi, Randers 1823; Isländiſch nad der Lu—
theriihen u. der dänischen, Holum 1584, Fol.,
verbeilert 1644, Fol., Kopenh. 1747, 1813;
Schwediih, N. T., nah dem Grundtert von
Andreä, Upfala 1526, A. u. N. T., nad) der Lu-
theriichen, von Olaf u. Yorenz Petri, ebd. 1541,
Fol., revid., Stodholm 1618, Fol., neu revib,,
ebd. 1703, Fol., 1801, 2 Bbe., neu überſetzt von
Gezelius mit Anmerkungen, N. T., Abo 1711—183,
2 Bde. Fol., A. T., Stodh. 1724—28, 4 Bde.
Fol.; von einer Commiſſion jchwediiher Gelehrter
wurde die B. 1834 ff, neu überſetzt; Finniſch,
Stodh. 1642, Fol., Abo 1685, 2 Bbe., 1776,
Petersb, 1817; Eſthniſch, N. T., Niga 1727;
nach der Lutherifchen, Neval 1729, die ganze B.
nad dem Grundtert, ebd. 1739, 1778, Petersb.
1822, das N. T., ebd. 1816; Yettiich, nach der
Lutheriichen, Riga 1689, 4 Bde., nad) dem Grund—⸗
tert, ebd. 1739, 3 Bbe., ebd. 1794, das N. ZT,
Mitau 1816; Lithauiſch, das N. T., Königsb.
1727, nad) der Lutherifhen, ebd. 1735, 17565,
2 Bde.; ebd. 1816, 2 Bde.; Polnifch von Uni-
tariern, Brzesc 1563, Fol., von Buduy, Czaslau
1572, von Czechowitzky, Rackow 1577, vh Smal-
cius, 1606; von Reformirten, Danz. 1632, Amt.
1660, Halle 1726, von Schultz, Königsb. 1738
(auch von Lutheriſchen gebraudt), Berl. 1810;
Böhmische, von den Böhmiſchen Brüdern, nad
dem Grundtert, Kralitz 1579—93, 6 Bde., ebd.
1596, 1613, Fol., PBetersb. 1737, 1808, Königeb.
1816, neu überiegt, Prag 1769—71, 3 Bde. Fol.,
Berl. 1813; Slavoniſch u. Ruſſiſch, Petersb. 1820,
1822; Ruſſiſch, das N. T., Lpz. 1830, die
Pialmen, Petersb. 1822; Wendiſch, nad) der Lu—
theriſchen, Budiſſ. 1724, 1742, 1797, 1820 und
1823; Ungariſch, nad der Lutheriſchen, von Heltei,
Klaufenb. 1551—84, 5 Bde., nach der reformirten
fateintichen, von Karolyi, Bifolt 1590, 3 Bde, Fol.
(von Reformirten u. Lutheranern firchlich gebraudtt),
verbeffert von Molnär, Hanau 1608, neue Ausg.,
Utrecht 1794, Peft 1805, Fol., von Ejiples, Leyd.
1717 (auf laiferlihen Befehl confiscirt), N. T.,
von der futher., Trofoih, Wittenb. 1736, von
Bäräny, Lauban 1754; Neugriehidh, das N.
T., Yond. 1815; Albanefifh, Korfu 1827. Für
außereuropäiiche Länder veranftaltete die Englische
B.Geſellſchaft befondere Überfegungen in die meiften
afiatiihen u. einige afrilanifche, amerikanische u.
auftralifche, die ruſſiſche B.⸗Geſellſchaft in die nord»
afiatiihen Sprachen, meift nur das N. T. oder
einzelne Evangelien enthaltend. ©. d. unter den
einzelnen Nationalliteraturen.
VI. Ertlärung der B. Für die Auslegung
des Urterts (Eregefe) ift feit den älteſten Zeiten
viel gearbeitet worden. Die wichtigften Paraphraſen
oder erläuternden Umichreibungen vom N. T. find
die von Erasmus, men herausgegeben, Berl.
Elericus, Frif. 1714, 2 Bde., Fol., von Semler,
in mehreren Abtheilungen, 1771—92, von ——
in mebreren Abtheilungen, 1769—76. Commen⸗
tare fchrieben umter den Kirchenvätern: Drigenes,
Commentationes, hHerausgeg. von Huet, en
1668, 2 Bde. Fol., Johann Chryſoſtomos (in
feinen Homilien), Theodoretos (Comment. über
die Paulinishen Briefe), Theophylaftos, Olume⸗
nios, melde meift den Chryſoſtomos ausichric
ben; Hieronymus (Comment. über das U. u. N.
T.) u. Auguftinus, in mehreren eregetiichen Schrif-
ten. Im Mittelalter zeichneten fid) als Ausleger
aus: Walafrid Strabo (gloffizte B.), Beda Bene
rabilis (Comment über das U. u. N. T.), Nicol.
de Lyra (Postilla perpetua in universa biblia).
Der Reformation arbeiteten vor: Laurentius Balla
(Annotationes in N. T.), Erasmus (Commen-
tationes in Evangelia et epistolas can.); Luther,
Melandthon, Zwingli u. Calvin haben Mehreres
für die Auslegung der B. gearbeitet; außer ihnen
waren zur Zeit der Reformation: Joachim Ga-
merarius (Comment. in N, T.), Striegel (Hypo-
mnemata in N. T.), Ocolampadius, Brenz,
Bucer, Pellicanus, Bullinger, Musculus, melde
faft die ganze B. commentirten; Fr. Vatablus,
Seb. Münfter, Joh. Mercerus haben fi um das
A. T. verdient gemast; jpäter Theod. Beza
(Annotationes inN.T.), Jo. Drufius (Annotatt.
über faft alle biblifhen Bücher), Hugo Grotius
(Annotatt. in V. T., 3 Thle,, Fol. Bar. 1644,
von Bogel u. Döderlein, Halle 1775 f., 3 Thle.,
Annotott. in N. T., herausgeg. von Windheim,
Erl. 1745—57), Abr. Calovius Biblia illustrata,
1672— 76, 4 Thle., Fol.), Lud. de Dieu (Critics
sacra, 1693), J. Elericusg (Commentar über das
ganze A. T., Bearbeitung von Hammonds Para«
phrafe). Die Erklärungen mehrerer dieſer Aus-
leger, des Grotius u. 4. find gefammelt in den
Critica sacra, Lond. 1660, 9 Bde. Fol., Ami.
1698, 9 Bde. Fol., Frankf. 1696, 7 Bde. Fol,
2 Suppl., 1700 f. Kurze Ercerpte aus allen
befjeren Auslegern enthält Matth. Bali, Synopsis
erit. alior. scripturae sacrae interpretum, Fond.
1669, 5 Bde. Fol, Fılf. 1694, 1712. Eine ereger
tiſche Sammlung ift das Engl. Bibelwerf, heraus-
gegeben von Romanus Teller, Baumgarten u. A.,
Ypz. 1749—70, 19 Bde. Neuere Eommentare
find: Scholia in V. T., von Rofenmüller; Schol. in
V.T., von Schulz u. Bauer, 1783—98, 10 Thle.;
Maurer, Comment. in V. T., Lpz. 1832 ff., u.
Eregetiiches Handbuh zum A. T. von Hirzel,
Hitzig u. U., 2pz. 1838 f.; Wolf, Curae philol.
et crit. in N. T., 1739—41, 4 Thle.; 3. G.
Rofenmiller, Schol. in N. T.; Koppe, N.T.
perpetua annotatione illustratum, fortgejeßt von
Heincihs und Pott, 1778 ff.; Schmidt, Philo»
logiſche Elavis über das N. T., fortgejegt von
elter 1796—1805; Kuinöl, Comment. in li
N. T. hist, 1807—18, 4 Tble.; Olshaufen,
Ebrard u. Wiefinger, Bibliiher Commentar, Kö—
nig&b. 1830—53, 7 Bbe., u. d.; de Bette,
—J— Handb. zum N. T., Lpz. 1838 -48,
11 Thle., u. ö.; Meyer, Kritiſch⸗-exegetiſcher Com⸗
mentar zum N. T., Götting. 1832 4 u. ö. B.⸗
Lexikon, Realwörterbuch zum Handgebrauche für
Bibel,
353
Geiftliche u. Gemeindeglieder, in Verbindung mit] Authenticität u. Integrität, Zweck, Inhalt und
Bruch, Dieftel, Dillmann zc. herausgeg. von D.|Schreibart, auch eigenthümliche Schidfale einzelner
Schentel, Lpz. 1868 fi. Die Commentare zu den|biblifhen Bücher ein, Nachdem durch Eaifiodorus
einzelnen biblischen Büchern f. u. denſelben.
ußer-|(De institutione divinae scripturae), Pagninus
ordentliche Fortſchritte hat die biblifche Erflärung|(Isagoge ad sacras literas), Sirtus von Siena
fammt der Hermeneutit feit der Mitte des 18.|(Bibliotheca sancta) u. Walther (Offieina bi-
Jahrh. gemacht, durch freies Eingehen u. Forſchen
nach dem wahren Sinne der heiligen Schriften,
dur Fortſchreiten der grammatiichen Kenntniffe
auf biftorifhem u. philoſophiſchem Wege, durch
tiefere Einficht in das Weſen der nterpretations-
mittel u. ihren Gebraud, verbunden mit verfei-
nertem Geihmad und wahrer Pietät gegen die
Schriftſteller. In der altteftamentlihen Exegeſe
haben fi} befonders Gejenius, Emald, de Wette,
Umbreit, Maurer, Hengftenberg, Hitig, Hävernid,
upfeld, Knobel, Schlottmann , R Versi, K.
il, in der neuteſtamentlichen als Lexikographen
Winer, Bretſchneider, Grimm, Wahl, als Gram-
matiker Winer und Buttmann, als Berfaſſer
von Commentaren Bengel, Flatt, Storr, Pau-
lus, Kuinöl, Tittmann, Schulz, Fritzſche, Lücke,
Tholud, Olshauſen, Harleß, Rückert u. v. A. aus:
ezeichnet. Den Beausgaben mit fortlaufenden
Härungen liegt die Lutheriſche Überfegung zu
Grunde, fo die Weimarifhe oder Nürnberger
B., nad ihrem Begründer, go Ernft dem
Frommen, auch Erneftiniihe B. genannt u. von
erbard, Glaffius, Joh. Major u. U. bearbeitet,
Nürnb. 1641, n. A., 1768 f.; das Pfaffſche B- wert,
Tüb. 1729, Fol., 4 Thle.; die Liebich- Burgiche
B., Bresl. 1756—64, 3 Bde.; die Braunfce B.,
Erf. 1764—69, 2 Thle.; Körnerſche B., Lpz. 1770
bis 1773, 3 Thle.; Hetzelſche B., Lemgo 1786 bis
1791, 10 Thle.; die Altonaer B. von Funk,
Altona 1815; die von Meyerſche, Frkf. 1818,
83. A., 1855 f., 3 Thle.; das theologiſch⸗homiletiſche
B-wert von Lange, Bielef. 1857 ff.; Bunſens
B⸗werk für die Gemeinde, Lpz. 1858 ff.; von
Gerlach, von Rud. Stier, Bielef. 1856 fi.; die
Schullehrer-B-n von ©. F. Seiler, N. T., Erl.
1790 f., 3 Bbe., u. ö., U. T., 1796, 3 Bbe.,
2. X., 1819, Dinter, Neuft. 1824—28, 9 Thle.,
n. von Brandt, Sulzb. 1829—31, 3 Thle.; die
Prediger-B. von Fiſcher u. Wohlfahrt, Neuft.
1836 fi.
VU. Die Einleitung in die B. ift die Wiſ—
fenichaft, welche die kritiichen Unterfuchungen über
die Geſchichte der Entftehung, Erhaltung u. Samm-
fung der bibliihen Bücher, über deren Grund»
ſprachen, Überfegungen und Erflärungsimittel in
Ipftematifher Ordnung darlegt. Die allgemeine
Einleitung, welde die B. im Ganzen betrifft, hat
die Geſchichte u. Charakteriſtil der Geiftesbildung
un. Literatur ber Hebräer, ber von ihnen gebraud-
ten Sprachen u. Schriftzeichen, der Sammlung,
Anordnung n. kirchlichen Geltung des Kanons ‘
Belanon), des Originaltertes der B., feiner Schid-
fale u. Beränberungen, mit Beichreibung der Hand»
fchriften, u. eine Mufterung der ſprachlichen (alte
Überfegungen u. Erklärungen, Gebrauch anderer
orientalifhen Sprachen u. der griechiſchen) u. ſach⸗
fihen (Angabe der eregetiihen Hilfsmiffenichaften
blica) alte Materialien überliefert, durch Hottinger
(Clavis seripturae 8.) u. Leusden (Philologus
hebraeus, Phil. hebr. mixtus) kritiſche Unterfuch-
ungen —— u. durch Brian Walton (Appa-
ratus biblicus), Simon (Histoire eritique du
V. T., Par. 1678; Hist. crit. du texte du N.
T., Rotterd. 1689; Hist. crit. des versions du
N. T.; Nouvelles observations sur le texte et
les versions du N. T.. Par. 1695; Hist. crit.
des commentateurs du N, T., 1693) lichtvolle
Refultate dargelegt worden waren u. Carpzob,
(Introduetio ad libros canonicos V. T.: Critiea
sacra V. T.), die erfte Einleitung in das 4. T.
in Deutfhland in ſtreng Lutheriichem Geifte ger
Ichrieben batte, ſchritt Semmler (Apparatus ad li-
beralem N, T. interpretationem; App. ad li-
beralem V. T. interpr.) auf Simons Wege fort,
lehrten der Engländer Lowth (De sacra po&si
hebr., Gött. 1758) u. Herder (Bom Geifte der
bebr, Poefie; Briefe über das Stubium der
Theologie; Ältefte Urkunde des Menfchengeichlechtes)
den Geiſt der bibliihen Schriftfteller würdigen, u.
ftellte zuerft Eichhorn (Einleitung in das u T.,
Lpz. 1780—83, 3 Bde., 4. A., 1823 f., Einleit-
ung in die apokryphiſchen Schriften des A. T.,
Lpz. 1795: Einleitung in das N. T., ebd. 1804)
den Ertrag der Wiſſenſchaft mit feinen eigenen
Unterfuhungen zufammen, Gefördert wurde fie
in der neueften Bet durch gründliche Forſchungen
über einzelne Theile der Einleitung in das. T.,
von Hafie, Rofenmüller d. J., Vater, Bertholdt,
de Wette, Gefenius, ©. &. Bauer, J. Jahn,
Augufti, Adermann, Hengftenberg, Beiträge zur
Einleitung in das A. T., Berl. 1831—39, 3 Bde. ;
Hävernid, Handbuch der hiſtoriſch-kritiſchen Ein-
leitung in das U. T., Erf. 1836—39, 2 Bbe.;
Herbft, Hiſtoriſch⸗kritiſche Einleitung in die heiligen
Schriften des A. T., Tüb. 1840—42, 2 Bde.;
K. Keil, Lehrbuch der hiſtoriſch⸗kritiſchen Einleitung
in die kanoniſchen u. apokryphiſchen Schriften des
A. T., 3.4, Frkf. 1873. Die wichtigſten Ein-
leitungen ins N. T. find von Michaelis, Hänlein,
Eichhorn, Schmidt, Hug, Einleitung in die Schrif-
ten des N. T., Tiib. 1808, 2 Bde., 3.4, 1826;
Gueride, Creduer, Einleitung in das N. T., Halle
1836, 1. Bd.; Beiträge zur Einleitung in die
biblifhen Schriften, ebd. 1832—38, 2 Bde., u.
Das N. T., nah Zwed, Urfprung u. Inhalt für
denfende Lejer der B., Gießen 1841—43, 2 Bde.;
Reuß, Geſchichte der heiligen Schriften des N. T.,
Halle 1842, 4. A, 1864; über einzelne Bücher
der B. ftellten Unterfuchungen an: Schleiermacher,
Giefeler, Bretſchneider, Schnedenburger, Holg-
mann, Blanf, Strauß, Baur, Br. Bauer u, 4.
In einem Werke verband Berthold die Einleitung
in das A. u N. T., Erl. 1812—19, 6 Bre,;
de Wette, Lehrbuch der biftorifch- kritischen Ein⸗
im Allgemeinen) Hilfsmittel zur Auslegung derjleitung in das 4. u. N. T., Berl. 1817—26,
B. zu lehren. Die beſondere Einleitung geht aufj2 Bde., u. ö.
Unterfuchungen über Berfaffer, Entftehungszeit,
Vierers Untverfal:Eonverfations-@eriton. 6. Aufl. II. Band.
VII. Dogmatifhe Befimmung über die
23
354
B. Die Katholiſche Kirche verehrt die Bücher
des A. u. N. T. als eine Hauptquelle zur Er-
fenntniß der göttliben Offenbarung, als unter
dem ummittelbaren Einfluß des Heiligen Geiftes
geichrieben (infpirirt) u. folglich über jeden biito-
riſchen u. doctrinellen Irrthum erbaben. Allein
die B. ift ihr mol eine, aber nicht die einzige,
ausſchließende Erkenntnißquelle der Offenbarung;
fie nimmt neben ihr auch eine mündlich fortge-
vflanzte Tradition (j.d.) an u. gibt derfelben, als
der urfprünglichen Ertenntnißguelle, gleiches An-
jeben mit der B., Da keineswegs erwiefen werden
{önne, dab Alles, was Jeſus gelehrt, in der B.
verzeichnet ſei u. es ein lebendiges Yehranıt der
unfeblbaren Kirche gebe. Sie glaubt, daß es, da
bisher alle Irrlehrer den Buchſtaben der Schrift
zu ihren Gunften angefübrt haben, jeder ſein
Zyftem daraus beweilen will u. folglich nicht
dem Einzelnen die eigene Auslegung der B.
überlafien werden kann, ein fiheres Mittel geben
müſſe, um den wahren Sinn des geichriebenen
Wortes zu beftimmen u. dafjelbe nicht der Will
für und launenhajten Deutungsiucht des menſch—
lichen Witzes auszufesen. Sie nimmt daber eine
untrügliche Auslegerin der B. an, die Kicche, u.
hält dafür, daß ohne eine authentische Auslegung
der B. eine völlige Anarchie in der nterpretation
unvermeidlich fei, weil Niemand berechtigt iſt, ſei—
nem Mitleſer feine eigene Erklärung als fiber u.
zuverläfftg vorzuichreiben. Dem von Chriftus ge
fifteten Lehramte gebührt das Necht dieſer Schrift-
erflärung; jo bat das Comcil zu Trient in der
4. Seffion entihieden. Daſſelbe har auch die Bücher
des N. u. N. T. verzeichnet, welche die Katholiſche
Kirche für kanoniſch hält (ij. Bibellanon u. Apo-
finpben), aud) die als Vulgata belannte lateinische
B-überjegung für authentiſch, d. i. zuverläffig in
Berreff der Reinheit der Glaubens» u, Shake
u. zum öffentlichen Kirchengebrauche beftummt, er-
flärt. Die Proteſtantiſche Kirche bezeichnet in
ihren Bekenntnißſchriften die Heilige Schrift als
den allein glaubwürdigen Eoder aller göttlichen
Offenbarung (Auctoritas s. Fides scripturae
sacrae) und erlennt demgemäß in derjelben die
Regel u. Richtſchnur des Glaubens u. Lebens der
Chriſten, nad welcher man Alles zu beurtheilen
habe, was als göttliche Lehre oder Anordnung
gelten ſoll. Hierbei wird für die Auctoritas hu-
mana dreierlei vorausgeſetzt: die Authentie (Echt-
heit), die Ariopiftie (Glaubwürdigkeit) u. die In—
tegrität (Unverfälichtheit) der einzelnen Bücher.
Die Auctoritas divina der B. aber gründet fi
auf die Inſpiration, wonach die Schriften von
dem Geifte Gottes eingegeben worden find. Be—
reits zur Zeit Jeſu ſah man das A. T. für in-
jpirirt an, jedoch wurde in der erften chriftlichen
Kirche die Inſpirationstheorie nicht weiter ausge
bildet u. nicht forwol als Dogma, jondern als Sade
des frommen Gefühls behandelt, Je mehr man
aber anfing, der Kirche dieſelbe Autorität zuzu—
ſchreiben, wie der Heiligen Schrift, defto jchärfer
betonte man die Inſpiration, u, die fpäteren Dog-
matifer nach der Neformation, befonders jeit Ger-
hard u. Calovins, bildeten die Jnipirationstheorie
Bibelausgaben — Bibelgejellichaften.
tholifchen Kirche gegenüber die auf Inſpiration
gegründete Auctorität der Schrift fefthielt, um dar
mt die Vehren von der Tradition u. von dem
Anjeben der Goncilien wie der Päpſte zurüdzu-
weilen. Man faßte hierbei die Inſpiration, als
das Werk des Heiligen Geiftes, in einer doppelten
Beziehung auf, indem man feine Wirkjamfeit
theils auf den Antrieb, zu ichreiben, theils auf den
anzen Inhalt der Schrift, ſelbſt auf die hebräiſchen
untte, ſowie auf die Geſchichte u. jedes Wort der
Heiligen Schrift ausdehute. Obſchon die neueren
Theologen die Lehre von der Inipiration vericdie-
den auffaßten n. darftellten, fo bielt man dod in
der Proteftantifchen Kirche bis auf die neueſte Zeit
an der Anctorität der Heiligen Schrift feſt, fucht
da8 formale Princip der Kirche wiſſenſchaftlich
immer mebr zu begründen u. hält es nicht bloß
der Katholiſchen Kirche entgegen, fondern im der
Kirche jelbit den Anhängern des Naturalismus u.
Rationalismus, die an die Stelle der Schrift die
Auctorität der Vernunft fegen (val. Wisticenus,
Ob Geift, ob Schrift, Lpz. 1845), ebenſo wie den
Dipftifern, die ſich einer unmittelbaren Einwirkung
des Heiligen Geiſtes rühmen. Was die Ausiegung
der Schrift anlangt, jo bat die Proteftantiiche Kirche
(im Gegenſatze zu der Katholiſchen Kirche, die auch
bier das Ansehen der Kirche feithält) immer mebr
der grammatifch- biftoriichen Juterpretation, be
fonders feit Ernefti u. Semmler, ſich zugeneigt,
wonad jede Stelle nah dem Spradgebraude u.
nach dem Verhältniß ihrer Zeit ausgelegt u. zu
nächſt ein beftimmter Wortfinn gejucht wird, wo—
bei aber immer die Harmonie aller dogmatiihen
Schriftjtellen unter einander beridfichtigt werden
muß. Die Lehre von dem Schriftprincip ift in
neueſter Zeit befonders von Hundesbagen, Julius
Müller, Hofmann u. U. wiſſenſchaftlich behan-
delt worden,
Bibelausgaben, ſ. u. Bibel IV.
Dibelauslegung, |. Exegeſe u. Bibel VI.
Bibelfeft, Feit zur Erinnerung an die Wohl
thaten, weldye die Chrijten der Heiligen Schrift
verdanfen; zuerft-von Bugenhagen, jegt von fait
allen Bibelgeiellihaften jährlich gefeiert.
Bibelgeſellſchaften, Bereine, deren Aufgabe
ift, Bibeln für einen geringen Preis, oder aud
umjonft zu verbreiten. In Großbritannien
u, vorziiglih in England bildete ih jchon 1780
eine Bibelfocietät für Arme u. Seefabrer; aber
den eigentlichen Anuſtoß der dortigen großartigen
Bibelgeſellichaſten gab der Prediger Charles, ber
1800 aus Wales nach Yondon kam, um Abhilfe
des Mangels an wäliſchen Bibeln zu fuchen, u.
auch 20,000 Eremplare erhielt. Auf den Mangel
an Bibeln in fait allen Yandern aufmerkjan ge
macht, gründeten viele Mitglieder der 1795 ge
ftifteten Miifionsgeiellichaft in Verbindung mit
Anderen 1804 die Britiiche u. ausländifche Bibel
gejellihaft (The British and foreign Bible Society)
zu London. Ihr Zwed war u. ift, erſt den Ar
men in Großbritannien, dann nach Kräften allen
Bölfern der Erde ganz umfonft, oder für einen
geringen Preis die Bibel zu verſchaffen. Das
Unternehmen fand große Theilnahme, obgleich
aus, um damit die Lehrfäge der Socinianer und'mebrere hohe Geiftlihe der Biſchöflichen Kirde
Arminianer zu befämpfen, während man der Ka» demfelben abgeneigt waren, In Großbritannien,
Bibelgejellichaften. 355
feinen auswärtigen Befitungen u. anderen Län- ſterdam in Berbindung mit SO Abtheilungen für
dern, fo im dem zugänglichen Gegenden Aſiens,
die Verbreitung der Bibel theils im Mutterlande,
Arilas, Amerikas u. Indiens, wie in den culsitheils auf der Inſel Java. In der Schweiz ver-
tivirten Ländern Europas, entitanden Hifs- u. folgt die 1804 geftiftete Bibelgefellihaft in Bafel
Zweiggeſellſchaften u. feine Bibelvereine, deren
Mitglieder wöchentlich wenigftens 1 Penny beitru-
gen. Die Bibel ift durch dieſe engliihen B. in
die meiften befannten Sprachen der Erde (über
150, darumter 130 neue Spr.) überjegt; den
Katholiten wird fie in dem von ihnen anerfaun-
ten fatholifhen Überjegungen geliefert. Um einen
annähernden Begriff von der —— Thätig-
tzit Diefer Bibelgejellichaft zu geben, fei erwähnt, dag
fie bis 1862 bereits über 23 Mil. Bibeln zur Ber-
teilung gebradt hatte u. aus etwa 8000 Zweig—
geſellſchaften beſtand. 1831 fonderten fi) durch den
verworfenen Antrag, Alle, welche nit an den
dreieinigen Gott glaubten, aus der Geſellſchaft zu
weifen, eine Trinitariſche Bibelgefellichaft ab,
welche fih aber bald nur auf die Anhänger Ir—
vings beichränfte. Die Londoner Bibelgejellichaft
it die bedeutendite u. ausgedehntefte; fie hat in
dem Mutterlande u. in den Golonien zahlreiche
Filialanſtalten. Ihre Einnahmen beftehen in
Schenkungen, Subfcriptionen, Yegaten ꝛc. Ihrer
Bibelverbreitung ftand faft überall die Thür offen,
nur in den ſpecifiſch römischen Ländern, Spanien,
Portugal m. Jtalien, blieb ihre Wirkjamfeit aus-
geſchloſſen (f. u.). In Deutſchland hat fie Depots
ın Köln, Frankfurt a. M. u. Berlin. In Deutſch—
land: Die Preußiſche Haupt-Bibelgeſellſchaft in
Berlin, am 2. Aug. 1814 gegründet, jteht mit vier
len Zweiggejellichaften in Berbindung; fie erhielt
durch eine Minifterialverordnung vom 9. FJuni1849
die Erlaubniß zur Eolportage der Bibeln u. hatte
bis 1862 1,879,034 Bibeln u. 841,488 N. Tefta-
mente vertheilt. Die Sächſiſche Haupt-Bibelge-
ſellſchaft in Dresden mit 32 Bmeigvereinen ift
gegründet 1813; auch hier befteht das Inſtitut
der Bibelcolporteure. In Bayern leitet der 1823
gegründete Gentralbibelverein für die Proteftan-
tische Kirche des Landes zu Nürnberg die Bibel-
verbreitung in Verbindung mit 86 Hilfsvereinen,
Die Württembergifche Bibelgejellihaft zu Stutt-
gart, feit 1812; da fie bis 1846 mehr Bibeln
verbreitet hatte, als es proteftantiiche Familien
im Lande gab, fo entftand bei der Jahresver—
jamımlung 1846 bie Frage über Auflöfung der
Gefelljhaft, indem ihre Aufgabe erfüllt vorliege;
es wurde aber wegen des Bedürfniffes im Aus-
lande das Fortbeſtehen beſchloſſen. Die Schles-
wig⸗ Holſteiniſche Landes-Bibelgefellichaft zu Schles-
wig, jeit 1826 beftehend, erhielt anfangs von der
britiichen Geſellſchaft Unterftügungen zur Anlegung
einer eigenen Druderei, trennte fih aber fpäter,
ebeifo wie die Oberheſſiſche in Marburg, von ihr,
ald man in England grumdbjäglih die apokryphi—
ſchen Bücher aus den Bibeln wegließ. Die Freien
Städte haben alle B.: die Bibelgefellichaft zu
Hamburg ift 1817 gegründet und mit ben Ber-
einen zu Bergedorf, Eppendorf, Ham u. Stein-
bed verbunden. Im Herzogthum Altenburg be-
ſteht eine Bibelgefellichaft feit 1853 zu Altenburg,
mit welcher ſich 1856 aud die 1825 zu Shmölln
gegründete vereinigte. In den Niederlanden
wirkte die Niederländische Bibelgefellichaft in Am-
innmer noch eine rege Thätigleit. In Frankreich
gibt es drei einheimifhe B. 1) die Bibelgejellichaft
von Franfreih, 2) die Franzöfiiche und Auslän«
diſche Bibelgejellihaft, 3) die Proteſtantiſche Bibel-
gejellihaft von Paris. In Rußland legte die
Britiihe Gefellichaft den Grund zur Bibelverbreit-
ung, anfangs (1806 und 1807) nur für die am
Kaspiihen Meere für die Tataren gegründeten
Miffionsftationen; fpäter (1810—12) für Finn⸗
land u. Eſthland; 1812 bewilligte der Kaifer für
die Finniſche Bibelgefelichaft bedeutende Kron⸗
zehnten ꝛc. Daraus entjtand die Ruſſiſche Bibel-
geſellſchaft in Petersburg, welche 1813 die kaiſerl.
Genehmigung erhielt. Die Griechische, die Katho-
liche, die Lutheriiche, die Reformirte u, die Arme-
nische Kirche waren bei der Geſellſchaft repräfentirt,
um die Bibel in dem ganzen Nuffiichen Reiche zu
verbreiten. Die Gefellichaft übernahm jofort von dem
Heiligen Synod der Griechischen Kirche, welche das
alleinige Hecht des Drudes u. der Herausgabe der
Bibeln in Rußland hat, die vorräthigen Eremp-
fare zur Vertheilung, ftiftete noch 1813 eine Hiljs-
gejellichaft in Moskau u. ließ die Bibel in die ver-
jhiedenen Sprachen überfegen; 1815 traten die
Griechen bei, u. die Zahl der Hilfsgejellichaften
wuchs bedeutend. Das Erſcheinen der Bibel
überfegung in das Neu-Ruffiihe u. die große Ver—
breitung derjelben unter dem Landvolfe erwedte
aber das Mißtrauen der Geiftlichen, u. dies trug
am wmeiften dazu bei, daß 1826 die Vibelgejell-
haft durch einen faiferl. Befehl aufgehoben wurde,
An ihrer Stelle wurde die Ruſſiſch Broteftantische
Bibelgejellihaft in Petersburg gegründet. Neuer»
dings hat die Ruſſ. Bibelgefellihaft fich wieder neu
conjtituint u. bereits 305,000 Bibeln verbreitet.
Aud die H. Synode hat das N. T. in ruffiicher
Sprache druden laſſen und im Jahre 1873 die
Überjegung der ganzen H. Schrift in 3 Bänden
vollendet. In den Standinapifchen König-
reichen befiehen fehr thätige B.: die dänijche in
Kopenhagen hat Hilfsgejellichaften in Island und
in Weftindien; die Schwedische in Stodholm u. in
Gothenburg die norwegische. In der Türkei
nahm ſeit 1855 die Bibelverbreitung durch die
Engländer u. Amerilaner einen großartigen Anf-
Ihwung. Ju NAmerika hatte die Haupt-Bibel-
gejellihaft mehr als 1000 Töchtergefellihafen. In
Kanada befteht eine Hilfsgeſellſchaft. In Une
garn und 1822 in Ofterreich murden die B.
verboten; bejonders aber verhielt fich die päpit-
liche Regierung feindfelig gegen diejelben, Nach:
dem bereits Gregor XVL in einer Encyllica
am 8. Mai 1844 gegen die Geſellſchaften zur Ber:
breitung der Bibel fih entſchieden ausgeiprochen
u. die früheren Verordnungen über das Leſen der
Bibel eingefhärft hatte, wiederholte Pius IX, in
der Encyklica vom 9. November 1846 feine
mißbilligende Erflärung gegen diefelben. Ebenſo
feste in Spanien, wo noch 1861 Matamoros
wegen Bibelverbreitung zu ſchwerer Kerkerbaft
verurtheilt wurde, eine intolerante Geſetzgebung
der Tätigkeit der Geſellſchaft große Hinderniiie
23*
356
Bibelkanon.
entgegen. Die neuere Geſetzgebung in Ofterreich jung her Bücher wich man von den hebräiſchen
aber, bie politiihe Neugeftaltung von Italien, Juden ab, wie jet das Buch Ruth bei dem der
die Revolution in Spanien von 1868 u. bie da⸗ Richter, die Klagelieder bei Jeremias, Daniel un»
mit verbundenen Reformen der Gefegebung|ter den Propheten, Esra u. Nehemia, Efther u,
haben auch in biefen Ländern der Gefellichaft|die Ehronifa bei dem älteren hiſtoriſchen Büchern
neue, große Wirfungsfreife eröffnet und ihnen ſtehen. Den in den Kanon aufgenommenen Bü-
volle Freiheit gegeben.
Hi Berichten von 1874 ift der Stand ber
B. folgender: Es find bis jetzt im Ganzen 120 Mill.
Heil. Schriften in 210 Spraden von den B. ge
drudt u. Verbreitet worden. Davon fommen auf
die brit. u. ausländiihen B. 70 Mill., auf die
amerifaniihen 30 Mill., anf die übrigen 20 Mil.
In Großbritanien wurden im Jahre 1873 ver-
breitet 1,006,000, in Deutichland 489,000, in
Frankreich 200,000, in Spanien und Portugal
70,000, in talien 41,000, Ofterreih 140,000,
Türfei und Griechenland 52,000, Dänemarf,
Schweden u. Norwegen 175,000, Rußland 292,000,
Amerifa 1,100,000, Afien 289,000, Afrifa 20,000,
Auftralien 16,000 Eremplare der H. Schrift (ganz
oder zum Theil). Die Einnahmen der brit. u.
ausländ. B. betrugen 1873 4,543,000 M, die der
amerif. 2,847,000 M.
Bibellanon, die Sammlung der Biblifchen
Bücher, in denen die Kirche die Richtſchnur (Ka-
non) des chriftlichen Glaubens u. Lebens findet.
Er zerfällt in den auch von den Juden anerlaun-
nah ee des Ulten u. in den des Neuen Tefta-
ments. I. Kanon des U. T. Nah allge
meiner Sitte des Altertfums wurden die Älteften
biftoriichen und heiligen Urkunden des jübdifchen
Boltes zur Seite der Bundeslade im Tempel nie-
bergelegt u. die heiligen Schriften nah u. nad
hinzugefügt. Als aber nad dem Eril das Heilig-
thum fehlte, fo machte fih das Bebürfnig einer
Sammlung derfelben geltend, und zwar ftiflete
wahrſcheinlich Esra in Berbindung mit anderen
Männern (Große Synagoge) den jegigen Kanon
des U. T. Gründe zur Aufnahme waren der
Wunſch, vaterländiſche u. nationale Schriften zu
faınmeln uw. die durch innere Kennzeihen u. all-
gemeine Tradition als vom Geifte Gottes einge-
geben beglaubigten religiöfen Urkunden zu erhal-
ten. Der altteftamentliche Kanon wurde ſehr früh
ſchon in 3 Theile eingetheilt: a) der 1. Theil
enthielt die Thora (das Geſetz), beftehend aus
den 5 Büchern Mofis; b) der 2. Theil die Ne-
biim (Propheten), u. zwar die hinteren Prophe-
ten, die jetst unter dem Namen Propheten befann-
ten (außer Daniel), u. die vorderen Propheten,
die gemöhnlih Geſchichtliche Bücher genannten,
die Sücer Joſua, der Richter, Samuelis u. der
Könige; Prophetiihe Bücher hießen dieſe wegen
ihrer Berfaffer, für die man nad der Tradition
die Propheten Joſua, Samuel, Nathan u. ere-
mias bielt; e) den 3. Theil bildeten die Ketu-
bim (Hagiographa), beftehend aus den poetifchen
Büchern Hiob, Pſalmen u. Sprüchen, Hohem Liede
u. Prediger Salomonis, Ruth, Klageliedern Fere-
mid, Eher (bei den Juden die fünf Rollen), den
Büchern Esra u. Nehemia (bei den Juden ein
Bud), den Büchern der Chronik u. Daniel. Die
er der Bücher wird verjhieden angegeben: Jo⸗
ſephos zählt 24, die griedhiichen Juden u. mande
Kirdhenväter 22, andere 27; auch in der Berbind-
ern fchrieben die Juden in Paläftina u. Aler-
andrien eine größere Heiligleit zu, als den fpäter
erſt dazu gelonmmenen Apofryphen. Eine Ber-
fhiedenheit in Bezug auf den Umfang des Ka
nons fand bei veridiedenen Parteien ftatt: bie
Samaritauer hatten nur einen Pentateuch in eigen»
thümliher Form u. eine Bearbeitung des Buches
Joſua, alle anderen Schriften verwarfen fie; die
Sadducäer verwarfen die Zuſätze u. Erflärungen
der Pharifäer; die Effener nahmen neben allen
fanon. Büchern andere heilige Bücher an, apc-
tryph. Schriften berühmter Männer der Borzeit
u, eigener Propheten, heilige Lieder; Chriſtus u.
die Apoftel nahmen alle kanoniſchen Bücher an u.
citirten fie unter verfchiedenen Bezeihnungen.
1, Kanon des NR. T. Bei den erjten Chriſten
war das 4. T. einzige Religionsurlunde, u. erft
nah u. nad; famen dabei auch die evangeliichen
u, apoftolifhen Schriften in Gebraud. Bei den
apoftoliihen Vätern finden ſich fehr felten An-
führungen von Stellen aus dem NT., öfter An-
jpielungen auf apoftolifsche Briefe. Im 2. Jahrh.
finden fich bei Zuftinus Martyr, Tatianus, Athena-
goras u. Theophilos Belanntichaft mit den Evan-
gelien u. apoftolifhen Briefen. Um die Mitte des
2. Jahrh. hatte ſchon Marcion eine Sammlung
von 10 Baulinifhen Briefen u. ein verfälichtes
Evangelium Luck. Zu Anfang des 3. Jahrh.
ftimmten die Kirchenlehrer in den verichiedenen
Gegenden, Frenäus, Tertullianus, Elemens, in der
Annahme der 4 Evangelien, der Apoſtelgeſchichte,
der 13 Paulinifchen Briefe, des 1. Briejes Petri
u. Johannis u. der Offenbarung überein, u. es
waren die beiden Summlungen, das die 4 Evan-
gelien enthaltende Euangelikön u. das die Pau-
linifchen Briefe begreifende Apostolikön in Ge—
brauch, wozu fpäter das die übrigen Briefe be-
greifende Katholikön (j. Katholiſche Briefe) kam.
Bon einigen häretiſchen Parteien wurden einzelne
diefer Bücher verworfen u. andere aufgenommen.
Die Gründe der Kirche zur Aufnahme diefer wa⸗
ven befonders dübereinftimmende Überlieferung,
heiliger Inhalt u. die Ramen ber Berfaffer, welche
fie trugen. Zu Ende des 3. Jahrh. kannte man
aud, fo Drigenes, den Brief an die Hebräer,
den 2. Petri, den 2. u. 3. Johannis u. den des
Jacobus u. Hatte eine Sammlung ded ganzen
N. T. Eufebios theilt das N. T. in 8 Klafien:
a) Homologumena, die allgemein als edit apoftor
liſch u. im die neuteftamentlihe Sammlung gehö⸗
rend anerlannten 4 Evangelien, 14 Paulinifche
Briefe, den 1. Brief Johannis u. den 1. Petri;
b) Antilegomena, die nicht allgemein, aber von
Bielen als echt u. apoftolifh anerfannten u. in
den Kirchen zum Borlefen gebraudten Bücher,
den 2. Brief Petri, den 2. u. 3. Johannis, dem
Brief Jacobi n. Jubä u. außerdem aud die Tha-
ten des Paulus, den Paftor des Hermas, bie
Dffenbarung Petri, den Brief des Barnabas u.
die Lehren der Apoftel; über die Offenbarung
Bibel Rafaels — Bibelverbot.
357
Johannis ift er zweifelhaft; c) zur 3. Klaſſe zählt] Ausipruch zu mildern, unterfchieden gelehrte Ka—
er die allgemein als unecht anerkannten (Notha),
ungereimten u. gottlofen Schriften (Atopa), bie
durchaus nicht in das N. T. gehören u. nur von
retifern erdichtet u. aufgenommen worden find
(j. Apotryphen). Bol. Lüde, Über den nenteftamentt.
Kanon des Euſebios, Berl.1817. In neuefter Zeit
bat fi die Tübinger Schule, an ihrer Spitze
Baur, eingehend mit der Kritil der Kanonifchen
Schriften des N. T. beichäftigt u. behauptet, daß
der Geſichtskreis der Erjcheinungen, in deren Sphäre
der Urfprung der kanoniſchen Schriften möglicher
Weiſe fällt, fih nicht bloß auf das apoftoliidhe,
fondern aucd auf das nachapoſtoliſche Zeitalter er-
ftreden müſſe; namentlih galten ihm anfangs
amter den Bauliniichen Briefen die Heineren u.
die fog. Paftoralbriefe u. unter den Evangelien
das des Johannes ala dem letteren Zeitalter an—
gebörend. Doc hat fich die Kritif diefer Schule
nad u. nad auch auf die anderen Bücher des
Kanons erftredt u. hat für dieſe gleiche Mefultate
gr Bol. Baur, Die fogenannten Paftoral-
riefe des Apoftels® Paulus, Stuttg. 1835; Pau-
lus, der Apoftel Ehrifti, ebd. 1845; Kritiiche Un-
terjuchungen über die fanonifhen Evangelien,
Tüb. 1847; Das Mawus-Evangelium nad) jeinem
Urfprunge u. Charalter, ebd. 1851.
II. Kanon u. Apofrypben. Das N. T.
wurde zugleih mit dem A. T. bei kirchlichen Bor-
lefungen gebraudt, u. da man fi megen Un—
funde bes Hebräifchen al3 Überſetzung von let-
teren der Septuaginta bediente, jo machte man
anfangs feinen Unterfchieb zwiſchen den Kanoni-
fhen Büchern u. den Apotryphen (f. d. 2) a).
Sobald aber die gelehrten Kirchenväter darauf
achteten, richtete man ſich nad der Tradition u.
dem Gebraude der Juden u. unterſchied ebenfalls
zwifhen dem Kanon u. den Apofrpphen, obmol
man letztere auch noch brauchte. Im 4. Jahrh.
wurden in der Griechiſchen u. Laternifchen Kirche
alle Katholifchen Briefe als lanoniſch anerkannt,
ebenfo die Offenbarung Johannis, wenigftens in
der Lateinischen Kirche. Beim A. T. bielt man
fih im Orient ftrenger an den jüdiihen Kanon
u. unterfchied zwifchen den Büchern deffelben u.
den Apokryphen, unter denen man bejonders er-
Dichtete u. ketzeriſche Schriften verftand; im Occi—
dent nahm man mehrere Apofryphen auf. Die
Syroden von Garthago (397 u. 419) beftätigten
den größten Theil der Apolryphen des A. T. als
tanoniſch, u. obwol Gelehrte wie Hieronymus den
jüdischen Kangı fefthielten u. dieſem aud Nilol.
Lyra noch folgte, fo wurde fpäter doch die Will-
für immer größer, fo daß man nicht nur Apo-
tryphen unter die fanonifchen Bücher, fondern
auch kanoniſche Bücher unter die Apofruphen redh-
nete. Die Proteftanten kehrten zum jüdiſchen Ka-
non zurück u. jonderten von ihm die in ımferen
Bibelausgaben als Apokryphen bezeichneten. In
Bezug auf das N. T. ftimmten fie mit der gan-
en Kırde überein. Im Gegenfage gegen fie u.
geitügt auf die kirchliche Autorität beftimmte die
Katholische Kirche auf dem Concil zu Trient, daß
alle Bücher der Bulgata, alio auch die Apofry-
pben, beilig u. kanoniſch feien. Um diefen mit
tholiten zwiſchen protofanonifhen Büchern (Libri
homologumeni), die allgemein u. überall als gött-
lich anerfannt, u, deuterofanonischen Büchern (Libri
antilegomeni), die nicht allgemein angenomnten u.
von Einigen bezweifelt werden. Zu letteren ges
bören aus dem A. T. die Apokryphen, aus dem
N. Z. der Brief am die Hebräer, der 2, Petri,
2. u. 3. Johaunis, Brief Jacobi u. Judä u. die
Offenbarung Johannis. Den erfteren wird ein
— Anfehen zugeſchrieben. Die Griechiſche
rche ſtimmt in Bezug auf den Kanon mit der
Proteſtantiſchen überein. Über den B.: Semmler,
yo 1771— 75, 4 Thle.; Schmid, Lpz. 1775;
orrodi, Halle, 1792; Weber, Tüb, 1791, u. vie
Einleitungen in die Bibel; f. Bibel VII.
Bibel Rafaels, ſ. u. Rafael.
Bibelüberfegungen, |. u. Bibel V.
Bibelverbot, Bei dem hoben Anfehen, wel:
des die Bibel in der Älteften Kirche genoß, kam
ein Berbot des Leſens derfelben nicht vor. Die
ausgezeichnetften Kirchenlehrer der 6 erften Jahr⸗
hunderte, befonders Frenäus, Tertullianus, Origer
nes, Eyrillus von Jerufalem, Bafılius, Job. Chry-
ſoſtomos, Auguftinus, jelbft Gregor d. Gr., for
derten alle Ehriften auf, die Heilige Schrift zu
lefen, u. Privatperjonen, wie Bampbilos u. jpäter
die chriſtlichen Kaifer forgten für Verbreitung von
Abihhriften der Bibel. Indeß ſchon jeit dem 5.
Yahrh. rietb man den Laien, micht alle Bücher
der Bibel ohne Linterfchied, fondern namentlich
das N. T. zu lefen, da das A. T. leichter mif-
verftanden werben könne, u. Papſt Gelafius, zu
Ende des 5. Jahrh., bezeichnete bereits das Leſen
der Apokryphen als gefährlich für die Chriſten,
obgleih er die Lectiire derfelben noch geftattete.
Fe ummiffender feit dem 8. Jahrh. im Abendlande
die gewöhnlichen Priefter wurden; je mehr die
Beſchlüſſe der Concilien u. die Tradition mit der
Bibel gleiches Anſehen erbielten; je mehr ein ge»
ſchloſſenes dogmatiſches Syſtem ſich bildete u. je
mehr die Macht der Hierarchie, beſonders ſeit dem
11. Jahrh., wuchs, deſto mehr ſuchte man die
Laien von eigener Prüfung der Lehre abzubalten
u. daher auch die Bibel ihnen unzugänglich zu
machen. Zwar murde durch Beſchlüſſe von Con»
cilien u. Päpften nie ausdrüdlich u. geſetzlich den
Laien das Lefen der Bibel verboten, allein die
angeordneten Maßregeln erftrebten u. erreichten
Dielen Zwed dennoch. Dafür wirkte befonders die
allgemeine Einführung der dem Volle unverftänd-
lichen lateiniſchen Sprache beim Gottesdiente u.
das Verbot einer Bibelüberfegung in die Landes»
ſprache. So verfagte reger VII. 1080 dem
Herzog Wratislav von Böhmen die Erlaubniß zu
einer Überfetung der Bibel in die Böhmiſche
Sprade, weil der hohe Sinn berjelben in einer
Überfegung nicht genau erfannt, weil fie bei allge»
meiner Zugänglichkeit leicht geringgeihägt u. weil
fie von Ekiwäderen leicht falich verftanden werden
würde. Papft erg Ip erllärte zwar noch
ausdrüdih, dat das Berlangen nah Kenntniß
‚der Heiligen Schrift aufzumuntern fei; allein eine
Synode zu Toulouſe (1229) unter Gregor IX.
verbot den Laien, die Bibel zu haben (ausgenoms»
der Älteren Tradition in Widerſpruch ftehenden | men den Pjalter u. das Breviarium zu dem hei-
358
Biber.
ligen Stunden), u. beſonders jede Überſetzung der-!haben die Bibel im katholiſchen überſetzungen auch
feiben in der Yandesipradye, Das Concil zu Ta—
racona (1234) erllärte Den für einen Keger, wel
her im Befige einer Bibel in der romanischen
(Volls⸗) Sprache fei, u. dieielbe nicht binnen 8
Tagen am den Biſchof zum Verbrennen abliejere.
Dies geihah befonders wegen der Albigenfer u.
Wafdenfer, die aus der Bibel ihre Gründe gegen
die Kirchenfehren ſchöpften. Ebenſo bezeichnete es
eine Synode zu Orford (1338) an Wichffe als
ketzeriſch, daß er die Bibel ins Englifche überſetzt
hatte, u. eine andere, 1408 dafelbft gehaltene Sy-
node verbot, dies ohne Genehmigung des betreffen-
den Biihofs oder einer Provinzialſynode zu thun.
Wurde nun auch damit den Laien nicht das Velen
der Heiligen Schrift in der als kirchlicher Drigi-
naltert anerfannten lateimichen Überſetzung (Buls-
ata) verboten, jo wurde ihnen das Lejen derfel-
en doch durd die mangelnde Kenntniß der latei-
nischen Sprache unmöglih. Als nach Wiederauf-
leben der Wifjenfchaften u. Erfindung der Buch—
druderfunft neben der Bulgata fon 1462 eine
deutſche Vibelüberfegung erſchien u. fiber ganz
Deutihland fich verbreitete, wollten latholiſche
Theologen, 3. B. Erasmus, den Ungelehrten das
Leſen der Bibel verftattet wilfen, u. um fie vom
Gebrauche der Lutheriſchen —— abzuhalten,
gaben Dietenberger, Eck, Emſer u. Ulemberg die
ihrigen heraus, die indeß auch dem Volle nicht
zugänglich wurden, zumal da die Katholiſche Kirche
nie das uneingeſchränkte Leſen der Bibel in der
Landesſprache erlaubte. Das Concil zu Trient
(1545) erklärte die Vulgata als authentiſch und
ſetzte ſchon damit den Werth der anderen Über—
ſetzungen herab, u. die 3. u. 4. Regel des 1654
unter Pins IV. verfaßten Index librorum prohibi-
torum überließ die Ertbeilung von Erlaubiiß zum
Leſen der Bibelüberjetungen dem Ermefjen der
Biſchöfe u. Inquiſitoren mit erftattetem Berichte
der Vrieſter, wenn es feinen Schaden bringe u.
den Glauben fördere, u. erklärte, daß, wer dies
che Erlaubniß the, vor Auslieferung der Bibel
an den Ordinarius feine Losiprehung von feinen
Sünden erhalten fünne. Papſt Clemens VII.
unter Katholiken fehr verbreitet, fo beſonders die
deutiche der Gebrüder van Eh, jo daß man, we—
nigften® in Deutichland, nicht mehr von einem B.
in der Katholifhen Kirche reden kann; die ſchwe—
ren Strafen, mit welcher in einigen ttalienijchen
Staaten, wie Toscana, die weltlihe Macht das
Bibellefen bedrohte, haben feit deren Einverleibung
aufgehört. Bei den Altkatholilen it es ausdrüd-
ih erlaubt u, empfohlen. Die für das B. ange-
führten Gründe, daß fo viele Stellen felbit für
Gelehrte dunkel u. ſcheinbar widerſprechend feien,
daß nadte Bilder u. Erzählung unfittliher Hand»
(ungen der Moralität jhaden fünnen, daß daraus
fo viele Schwärmer ihre falihen Anfichten geſchöpft
hätten, haben auch Proteftanten zum Theil als
erwägenswerthe Gritude gegen das Leſen der gane
zen Bibel anerkannt, u. es find Auszüge aus der
Bibel für das Boll als rärhlich vorgeichlagen mor-
den. Bgl. Hegelmaier, Geicichte des B-es, Ulm
1783; Entwurf zu einer Geſchichte des Bibellejens,
Würzb. 1786; Leand. van Eß, Ausziige aus den
heiligen Bätern über das nothwendige u. nützliche
Bibelleien, 2. Aufl., Sulzbad 1816; Oberthür,
Anfichten von Bibelgefellihaften u. dem durd fie
beförderten Bibelleſen, Sulgb. 1823.
Biber (Hdlsmw.), mollenes ftarles Zeug, von
feiner Ahnlichkeit mit Viberfellen fo genannt; fo
v. w. Diüffel,
Biber (Castor), Sängerhiergattung aus der
Ordnung der Nagethiere, Familie der Biber, mit
oben 2 u. unten 2 meißelförmigen, vorn orange-
farbenen Border und überall 4 fchmelzfaltigen
Badenzähnen, wenig verichmälerter Schnauze,
huzen, kräftigen Beinen mit je 5 Zehen, Zeige—
finger der Hinterfüße mit doppelter Kralle; Zehen
der größeren Hinterfüße durch eine Schwimmhaut
verbunden; Schwan; breit, oval, plattgedrüdt
und mit 6- oder auch 5=feitigen, blaß« bläulich-
braunen Schuppen bejetst, zwiichen denen einzelne
kurze Haare fteben; die kurze Schnauze jehr
ſtumpf; die Vorderzähne fo groß, daß die Lippen
fie kaum bededen können; Schnurrboriten Did,
borftig und nicht fehr lang; Augen Fein umd
ſchärfte diefe Verordnung 1595, Gregor XV, ver- ſchwarz; Obren kurz; Grannen- oder Dedhaar
bot 1622 den Laien das Velen der Bibel in der
grob u, glänzend, Wollhaar furz, jehr weich und
Volksſprache, u. Clemens XI. beftätigte dies durch |jeidenartig. Bei beiden Geichlechtern finden ſich
die Bulle Unigenitus 1713. Noch 1816 unter
fagte Pius VII. in feinen Breven an die Erz-
biichöje von Gneſen u. Mohilew den Gebrauch
der polnischen Bibel, die doch 1599 mit Erlaub—
niß des Bapftes Clemens VIII. erichienen war.
Leo XII. verdammte 1524 die Bibelgeiellichaften,
u. jo jprechen ſich noch Verordnungen Pius’ VIII.,
Sregors XVI. u. Pins’ IX. (j. unt. Bibelgejell-
haften) dagegen aus, und noch immer hat das
Decret der römischen VBüchercenfur von 1757 fr
Katholifen feine Gittigkeit, wonach Überſetzungen
in die Mutterfprache mit erklärenden, aus den
Kirchenvätern entnommenen Noten u. der päpit:
lichen Approbation verjehen fein müſſen. Noch
1873 bat Pius IX. diefe Beitimmungen ausdrüd-
lih wiederholt. Seit der 2. Hälfte des 18. Jahrh.
am Hinterförper unter der Haut zwei große bir:
nenförmige Driüfenjäde, welche eine ftark riechende,
anfangs weiche, jpäter verhärtende Flüſſigleit, das
Begeil (Castoreum), f.d., abfondern. Diefes iſt
in Farbe u, Gonfiftenz verjchieden,, von unange-
nehmen, ftarfem Geruch u, bitteren Geſchmack;
es wird als frampfitillendes, aber etwas erbisen-
des Arzneimittel gebraucht u. ift ſehr geſucht; das
Weibchen liefert eine geringere Menge, als das
Männden; drei®. geben etwa Pfund. Man kennt
nur eine Art: Gemeiner B. (CastorFiber L.);
wird 80 cm lang, mit 30 em langem Schwanze,
u. 20—22 kg ſchwer. Das Wollbaar ift dunfel-
graubraun, das Dedhaar glänzend roſibraun, zu⸗
weilen aber auch ſchwarzbraun bis ins helle Selb:
fihbraune. Der B. lebt in der Alten Welt (in
haben indeß viele aufgellärte fathotiihe Theologen | Europa ı. Afien) zwischen dem 33. u. 67. Breite-
u. Biſchöfe ihren Yaien das Leſen der Bibel in der grade, ift jedoch in vielen Gegenden ganz ausge-
Landesiprache erlaubt, und die Bibelgeſellſchaften rettet; in NAmerifa ift er mweitverbreitet, ſüdüch
Biberach — Bibergeil,
359
bis zu 379 nördl. Br., und kommt noch fo häufig) Weibchen wirft 2—3 behaarte, bis zum 8. Tage
vor, daß England von da im den legten Nahren|blinde Junge; ſobald diefe jehen können, begleiten
durchſchnittlich 150—180,000, 1871 ſogar ungefähr
230,000 Felle erhielt; in Deutichland findet man
den B. nur noch vereinzelt, felten in Meinen Co—
fonien, jo 5. B. noch vor —* Jahrzehnten
(jetst nicht mehr) in Bayern an der Donau uud
wenigen Mebenflüfien derjelben, namentlich der
Amper, ferner in Salzburg und Öfterreich, felten
auch in Sachſen an der Elbe; in Böhmen foll er
noch ziemlich haufig fein; in Galizien ift er felten,
häufiger in Ungarn; zahlreich findet er ſich noch
in Sibirien am Ob u. deffen Nebenfliffen, felte-
ner am Jeniſſei u. den ſüdl. Flüſſen. Bereinzelte
®. bauen nur wenig künſtlich in Erbhöhlen; da
aber, wo fie in größeren Gefellfchaften leben, füh—
ren fie jehr großartige Baue auf. Nach Cart-
wrighis Ausfage graben fih 3. B. die B. auf
Yabrader unter dem Wafferfpiegel ins Ufer eine
Ihief nah oben gerichtete Röhre, miſchen unter
die ausgeicharrte Erde Holzftüde und Steine, er-
richten einen üb‘ die Bodenebene hervorragenden
Hügel (Burg), welcher mitunter 4 m im Durd)-
meſſer u. 3 m Höhe befigt, u. höhlen denſelben
zu ihrer Wodnung aus. Diefe Burgen haben,
zumal da fie mit Schlamm u. zarteren Pflanzen-
theilen bedeckt find, das Anſehen von Badöten,
welde, im Inuern, einem verichiedenen Waiffer-
tande entiprechend, mehrere Etagen u. außerdem
gewöhnlih noch mehrere Abtheilungen, gleichſam
immer für einzelne Familien, enthalten, ſo daß
ſie die Alten ſchwimmend u. tauchend. Die Familie
bleibt bis ins 3. Jahr zuſammen, macht gemein-
ſchaftlich nächtliche Ausflüge, gebt gemeinſchaftlich
auf Aſung, ruht und wohnt zufammen. Dann
werben die Jungen fortpflanzungsfähig, bauen
eigene Wohnungen u. gründen eigene ‚zamilien.
Der Hund geht den B. an; außerdem hat er am
Vielfraße u. dem Fiſchotter Feinde. Man ſchießt
ihn beim Eisgange, fängt ihn in Tellereiſen,
mit Netzen, in en, durch Trockenlegen ſeiner
Wohnungen, oder Ausgraben. Er gehört zur
hoben Jap Forſtlich iſt der B. ein ſchädliches,
waldverderbendes Thier, deſſen Ausrottung in
Culturgegenden mit Freuden zu begrüßen ift. Tbome.*
Biberach, Stadt im wirttemb. Donanfreife,
an der Riß u. der Bahnlinie Ulm⸗Friedrichshafen.
Die Stadt hat mit ihren Thürmen, Ihoren und
Mauern noch ein mittelalterliches Gepräge; reiche
Kirhen-, Schul» u. Hofpital-Stiftungen; viele Ge—
werbe (Kirchenparamente, Traganthmwaareır zc.);
bedeutender Fruchtmarkt; 7091 Ew. Eine Stunde
davon das Jordaubad mit ſchwach geſalzenem
Waſſer. — B. wurde in der Hohenftaufenzeit kai
jerliche, wenig jpäter Freie Neichsitadt; ein Theil
der Einwohner nahm frühe die Reformation an,
weshalb die Stadt im 30jährigen Kriege zum
Zankapfel der Kaiferlichen, Schweden u. Franzofen
wurde. Auch im Spaniſchen Erbfolgelriege und
in den Napoleonifchen Kriegen litt die Stadt viel:
deren mehrere unter einem Dache wohnen. Zt] Treffen zwischen Moreau u. Latour 2. Oct. 1796,
das Waſſer feicht, fo follen fie einen ner: zwiſchen Saint-Eyr u. Kray 9. Mai 1800. 1808
damım ven Holzitüden, Steinen, Schlamm und|fanı B. an Baden, 1806 an Württemberg. Der
Fand — oder neue Ausgangsröhren an-| Dichter Wieland, geb. in dem der Reichsſtadt B.
fertigen, Die Wände glätten fie bei ihren Bauen gehörigen Dorfe Ober-Holzheim, war in B. 1760
mit den Füßen. Bäumchen von der Stärke eines bie 1769 Stabdtichreiber; die Erinnerungen an
Spazierftoctes fällen fie mit einem Biffe, didere|diefe Zeit Tiegen feinem Roman: Geſchichte der
Hagen fie an einer Seite, fehr dicke oder harte/Abderiten, zu Grunde,
rund herum ab, u. zwar fo, daß diefelben ins) Biberbaum ift Magnolia.
Bafler fallen; tleinere Bäume u. Zweige tragen] Bibere graeco more (lat.), eine Art des Toaft-
fe mit den Zähnen u. Borderbeimen fort. Weich: |trintens bei den alten Römern, u. zwar: B. ad
dölzer, beionders Aipen, Weiden, Erlen, Pappeln,Inomen, wenn man fo viele Becher trank, als der
fein, Eichen u. Birken ziehen die B. härterem|Name Deſſen, auf deſſen Wohl man tranf, Buch»
je vor; in Amerika follen fie Magnolia glauca,
rasinus americana, Laurus sassafras u. ver»
chiedene, jühes Gummi enthaftende Holzarten vor-
züglih wählen. Die Zweige werden in der
Regel von den Bäumen eichnitten.
dient ſowol zur augenblidlichen Aſung, als aud
zum Vorrathe für ſpätere Zeiten, namentlich den
Tinte, Das Holz dient zur Anlage der Bauten.
ftaben enthielt, oder jo viele Jahre man ibm noch
zu feben wünſchte; B. ad numerum, wenn man
nach der Zahl Derer trank, denen der Trunk zu
Ehren galt, 3. ®. 3 Becher beim Triuken zu Ehren
Die Rinde)der Grazien, 9 Becher zu Ehren der Wufen.
Biberente, jo v. w. Großer Sägetaucher (ſ. d.).
Biberfelle, ſ. u. Biber.
Bibergeil (Castoreum, Pharm.), die in zwei
> Sommer äjen fie auch die Murzefftöde von neben dem After des Bibers befindlichen Beuteln
Imus, Teichrofe, Schafthalmen u. Schilfarten. [enthaltene Maffe; die beiden Side, B-jäde,
Ta der B. vorzugsweife Nachtthier u. ehr fcheu liegen parallel neben einander unter der Haut,
it, läßt fich fein Freileben ſchwer beobachten, zumal aa nur mit den bünmeren Enden ihres Ur—
dei feiner Seltenheit. Befelle find ſehr geſucht; ſprunges in Verbindung, münden hier beim Männ-
Linter- oder friiche B. find die lang» u. dicht-/hen zwiihen den Wlättern der Vorhaut und
daarigen Winterpelze; junge B., die faum 2—3| beim GBeibipen in den Raum, wo die fehr Heine
Jahre alten, find die fchönften u. glänzendſten; Klitoris liegt u. wo ſich die Mündungen der Harte
eiden-B, find vorzüglich ſchöne, ſehr lange, röhre u. der Scheide befinden. Es kommen haupt«
Weide u. glänzendhaarige., Die Wolle wird zu ſächlich 2 durch ihre Güte verfchiedene Sorten B.
Filzhilten (Caſtorhüten) ꝛc. gebraucht. Das Fleiſch im Handel vor: a) Das ſibiriſche (xuſſiſche
er B. gilt im katholiſchen Yändern als Faſten- B. (Castoreum sibiricum, moscovitum, rossienm,
peiſe; der Schwanz wird als Delicateſſe betrachtet. polonieum, germanicum, europaeum) fommt in
Die Ranzzeit des B-8 fällt Ende Februar; dag lei- oder birnfürmigen, etwas zujammengebrüdten,
360
außen ziemlich ebenen, dunfelbraunen, 8—10 cm
langen, 4—6 cm breiten, 90—250 g ſchweren
Beuteln vor, die aus vier; bei vorfichtigem Ein-
jchneiden von einander abzuziebenden Häuten be-
fteben, deren drei, von der feinen vierten ilber-
zogen, im Inunern des Beutels gleichſam Zellen
bilden, in denen das anfangs falbenartige, fpäter
zu einer gelben, braunen, gefledten, mehr ober
weniger glänzenden, je nach dem Alter mehr oder
weniger trodenen u. zerreiblihen Maſſe erhärtende
3. enthalten if. Durch das Austrodnen entfteht
meiſt eine unregelmäßige Höhle. Das B. hat
friſch oder angefeuchtet einen juchtenartigen Geruch,
nad, deffen Berihwinden erft der ihm eigenthüm—
liche ftarke, den meiften Menfchen widrige Geruch
bervortritt. Neuere Unterfuhungen von Weber
u. Lehmann haben gezeigt, daß das B. von der
gefäßreichen Lederhaut der Borhant u. der Klito-
ris abgefondert wird, daß er alfo das Smegma
praeputii des Bibers if. In Bayern, Polen,
Preußen u. Dänemark wird B. von gleicher Güte,
doch in geringerer Menge gewonnen. b) Das
amerifanifche (canadifhe, engliſche) B., (Casto-
rum canadense, anglicum, americanum) fommt
befonders durch die englifch » norbamerifanifchen
Handelsgejellichaften zu uns, ift in viel Meineren,
jchmäleren, mehr in die Länge gezogenen, duntel-
braunen, mehr unebenen, runzeligen Beuteln ent-
halten, deren Häute ſich nicht von einander trennen
lafien; im friſchen Zuftande weich, orangegelb, ge-
trodnet vom Gelben bis zum Bräunlid-fhmarzen
nüancirt. Man bielt diefe Sorte früher ſtets für
verfälſcht u. künſtlich Hergeftellt, mas fich aber
neuerdings als umrichtig erwieſen hat. Das B.
wird von Wafſer wenig angegriffen, Weingeiſt zieht
eine kräftige, dunkelbraune Tinctur aus (ſ. Betinctur),
Vorwaltende Beſtandtheile ſind: Atheriſches B-öl,
gelblih-weiß, ſchwerer als Waſſer, durchdringend
wie B. riechend; B-harz (Caſtoreumreſinoſd),
bräunlich, ſchwach nach B. riechend, für ſich geſchmack⸗
los, in Alkohol gelöſt, bitter u. ſcharf ſchmecend,
leicht in Alkohol, auch in fetten Olen, Ammoniak—
flüſſigleit u. Kalilauge, concentrirter Eſſigſäure,
nicht in abſolutem Äther, ätheriſchen Olen, Schwefel
u. Salzjäure löslih, in der Wärme ermeichend;
3 - fett (Caftorin), weiß, lörnig, bisweilen kry⸗
ftallinifch, zerreiblih, wachsartig, ſchwach nah B.
riehend; in Waſſer, Allohol, ätherischen u. fetten
Ölen in der Siedhite löslich, beim Erkalten fich
abjcheidend; Gallenfteinfett (f. d.), viel fohlenfaurer
Kalt u. andere organifhe u, unorganiide Sub—
tanzen. Das ruffiihe B. enthält weit mehr
ätherifches Ol, Harz, Caftorin, Gallenfteinfett, als
das amerifanishe, dieſes mehr kohlenſauren Kalt
u. andere unorganiihe Subftanzen, weshalb das
erftere vorzugsmeile zu pharmaceutifhem Ge»
brauche zu wählen ift. Außerdem enthält das B.
Benzoffäure, Salicin u. phenylige Säure. Wöhler
glaubt, daß letztere das ätherifche DI fei, welches
Brandes u. A. dem B. eigenthümlich erflären,
daß fie wahrſcheinlich die medicinifhen Wirkungen
begründe, n. daß fie demnach das theure B. zu
erjegen wol im Stande jein könne; Andere find
der Anficht, daß die phenyliihe Säure nur dur
tas Räudern in das B. gelommen fei. Das 2.
Bibergeilharz — Bibescı.
Mittel, das in Pulver od. Pillen zu 1—4 Gran au
in geiftigem Auszuge (f. B-tinctur) häufig ange»
wendet wird, Falſches oder fünntihes ®. wird
in den Hodenfäden junger Ziegenböde in den Handel
ebracht u. ift leicht daran zu erfennen, daß das
Älderglängende Bellgewebe fehlt, welches das In—
nere der Säde maſchenartig füllt. Verfälſcht wird
das echte gewöhnlich mit a nah od. auch
mit Blei, um das Gewicht zu vermehren.
Dibergeilharz, |. u. Bibergeil.
Bibergeilöl (Oleum castorei Ph. Würt.),
dur Digeftion von Bibergeil u. anderen Stoffen
in Ol gewonnen; jetzt obfolet.
Dibergeiltinetur (Pharm. Tinctura Castorei
canadensis u. T. C. sibiriei), durch Digeftion von
1 Theil canadiihem reip. fibir. Bibergeil mit 10
Teilen Weingeift gewonnen. Ehedem waren noch
verſchiedene mit Aſant, ätherifhen Olen, Harzen,
Ammonium ꝛc. u. B. bereitete weingeiftige Auszüge
al® Essentiae anthystericae u. dgl. officinell,
Biber-Jndianer, ein nordamerif, Indianer
flamm von der Familie der Athapaska, weſtlich
vom Athapasfa-See, am Friedensfluffe; fried-
liebend, gaſtfreundlich.
Bibernelle, 1) weiße, fo v. w. Pimpinella;
2) rothe, fo dv. w. Sanguisorba,
Biberitein, 1) Dorf u. Schloß im ſchweizer.
Kanton Yargan, Bezirt Aarau, an der Aare;
630 prot, Em., die fih von Strobflechtarbeiten,
Fiſcherei und Schifffahrt nähren; im Aareſande
wird bier Golbftaub gefunden. Das Schloß ge-
bört der Familie Feer zu Aarau, 2) Schloß, f.
u, Hofbiber.
ibesen, 1) Georg, Großbojar u. Hoſpodar
der Walachei, geb. 1804; ftudirte in Paris 1824,
trat dann in waladhifche Dienfte und wurde unter
der proviforiichen Regierung des ruffiihen Generals
Kiſſelew Unterftaatsfecretär im Juftizdepartement.
1834 trat er zurüd u. lebte bis 1841 im Aus
lande; zuriücdgefehrt, wurde er in den Landtag
gewählt und trat im entjchiedene Oppofition gegen
Ghikas Regierung, nad deren Gturze er ſeibſt
Jan, 1843 Holpodar murbe. Obwol er jeine
Regierung mit Energie, Umficht u. Gerechtigkeit
führte u. das Land unter ihm fich eines wachſen⸗
den Wohlftandes erfreute, konnte er doch zuletst der
nationalen Bewegung, die er namentlich durch
jeine Verfügung von 1847, wonad die franzöfiiche
Sprade anftatt der rumänischen an den Gymnafien
eingeführt werden follte, angefacht hatte, nicht mebr
miderfieben, fo wenig als den dem organiſchen
Reglement mwiderftrebenden reformatorishen Be-
firebungen des Minifteriums, u. legte daber am
25. Juni 1848 die Regierung nieder. Von Krons
ſtadt, wohin er fich zuerft begeben, bejuchte er im
Oct. Eonftantinopel, ging dann nah Wien u. im
Nov, 1851 in fein Baterland zurüd, ohne ſich
an der Politik zu betbeiligen. 1857 in den Ber-
joflungs eratbenden Divan gewählt, erflärte ſich
. für die Vereinigung beider Fürſtenthümer unter
einem auswärtigen er u. zog fi dann wieder
ins Privatleben zurüd. Er ft.in Paris 1. Juni 1873.
2) Georg, 2. Sohn des Bor., geb. 1834; wurde
in Frankreich erzogen u. nahm an ber Erpedition -
nah Maroffo u. 1870 unter Douay am Kriege
it ein Mräftiges, krampfſtillendes, anthyſteriſches gegen Deutfhland theil; mit dem General gerieth
Bibi — Bibliographie. 361
er in Gefangenfchaft u. fehrte nach dem Frieden ſtypographiſch (zuerft von Pfizer in Bamberg) oft
nad Paris zurüd, wo er wieder als Privatmann|berausgegeben. Selten findet man die B.p. voll-
lebte n. 1872 ein Duell mit dem Hrn. v. Bauffre-|fländig, oft nur 22, 38 ꝛc. Blätter, Eine Er-
mont hatte, den er verwundete. 8) Berbo-|meiterung der B. p. war das Speculum humanae
Demetrius, durd Adoption Fürſt Stirbei, Bruder |salvationis (f. d.). Vgl. Bibel Rafaels (u. Rafael).
von B. 1), geb. 1801; bethbeiligte fih 1821 am Als B. p. wollte Luther die Bilder aus der beil.
Aufftande unter Alerander Ypfilanti, war Juſtiz- Geſchichte in den Kirchen zufaffen. Verſchieden von
minifter unter Fürſt Ghika u. Minifter der Juſtiz diefer B. P: it 2) ein Wert des Bonaventura,
unter feinem Bruder; 1849 wurde er zum Hoſpo⸗ worin die bibliſchen Gejchichten nach dem Alphabet
dar der Walachei ernannt, bewirkte viele Ber- — u. mit allegorifch-myftiihen Deutungen
befierungen u. legte 1856 feine Stelle nieder; er begleitet find, beftimmt file Prediger, damit fie
ſt. 13. April 1869 zu Nizza. 1) Lagai. die Materialien für ihre Reden u. Predigten deito
Bibi (peri., gut, Jlüclich, Heilig), Ehrentitel|leichter auffinden können, alſo um ihrer geifigen
der rauen, 3. B.: B. Mariam, Titel der Perſer Armuth zu Hilfe zu kommen. öffler.®
für die Mutter Jeſu. Biblignofte (v. Gr.), Bücherkenntniß.
Sta. Bibiäna, Tochter des römischen Ritters] Bibliograph (v. Gr.), im Altertbumein Bücher-
Flavianıs; fol von dem Präfecten Apropianusjabfcreiber; nah Erfindung der Buchdruderkunft
363 als Chriftin mit ihrer Familie in Rom hin-|fo v. w. Buchdruder; auch eine Perjon, melde
erichtet, u. zwar, an einen Pfeiler gebunden, zu|die Kunft verftand, alte Schriften zu entzifferm;
ode geichlagen worden fein. An der Gtelleffeitdem18.Fahrh.ein Büchertenner (Bibliognoft,
ihres Begräbniffes bei Porta ©. Lorenzo Olym-|Bibliolog).
pina wurde im 5. Jahrh. eine Kirche erbaut,). Bibliögraphie (v. Gr., bisweilen auch Biblio-
welche 1525 erneuert und mit der Bildjänlelgnofie, Bibliologie), die Wiffenfchaft, welche fich
der B., dem Meifterwerte Berninis, geihmüdt|mit der Kenntniß und VBeichreibung der jchrift-
wurde. Ihr Tag: 2. Dechr. ftellerifhen Erzeugniffe (Bücher), der gebrudten u,
Bibikow, Alerander, geb. 1729 zu Mos-Jungedrudten, der noch vorhandenen, wie der
fau, aus einem altadeligen Gejchlechte; wurde bereits untergegangenen, aller Bölter u. Zeiten
1746 Ingenieurlieutenant, focht 1758 als Negi-|befhäftigt. Sie ift eine hiſtoriſche Wiſſenſchaft u.
mentscommandant bei Zorndorf u. gewann 1761 |verhält fich zur Gefchichte der Gelehrſamkeit und
das Gefecht bei Treptom; nah dem Ende des Literatur wie die Quellenkunde zur politifchen Ge—
Ziebenjährigen Krieges wurde er General und ſchichte, die Kunde von den Kunftdenkmälern zur
beforgte verjchiedene Aufträge im Innern des Kunſtgeſchichte; die bibliographiichen Werte find
Reiches; war 1767 Marfchall der Reichsdeputirten daher gemiffermaßen die Diplomatarien der Ge—
veriammlung in Moskau, commandirte 1771 bielichichtichreiber der Literatur und Gelehriamteit.
ruf. Truppen in Polen, wo ſich beſ. Suwarow unter] Als Gründer der B. ift Konrad Gesner zu be»
ihm augzeichnete; 1773 wurde B. General en Chefltraditen, der in feiner Bibliotheca universalis
u. gegen Pugatſchews Kofadenaufftand geſchicktz (Zur. 1545 —55, 4 Bde.) die literariichen Er-
er henimte das Weitergreifen des Aufftandes durch |zeugniffe aller Zeiten, Länder und Wiffenfchaften
tluge Mafregeln, ft. aber vor Beendigung derizufammenftellte. Doch wurde erft gegen Ausgang
Sache 1774. Yebensbefchreibung von ſeinem Sohne,
dem Senator B,, Petersb. 1817.
Bibitorius muscülus (Anat.), Trintmustel; fo
des 18. Jahrh. die Technil durch Erich feftgeitellt.
Wie in Frankreich Debure, fo hat in Deutichland
Ebert eine für die Wiſſenſchaft u. für prattiiche
nennt man fcherzhafter Weiſe den inneren geraden |Bedirfniffe zugleih ausreichende Behandlung der
Augenmusfel, weil er es ift, welcher das beim
Trinken aufs Glas gerichtete Auge nad) innen wendet.
Biblia (gr., die Bücher), die Bibel; ſ. d.
Biblia pauperum (lat., d. i. Bibel der Armen),
1) eine Darftellung der altteftamentl. Vorbilder
n. der entfprechenden Begebenheiten aus der neu:
teftamentl. Erlöſungsgeſchichte, in 40—50 Bildern;
dazu gefilgt find kurze Erflärumgen u. Propheten»
ſprüche inlatein, Sprade. Der erfte Berfafjer der
latein. B.p. joll Nicolas von Hanapis, der als letter
Patriarch von Jeruſalem 1291 ftarb, fein. Durch
diefe B. p. wurde die Bibel für arme Geiftliche
(bei. für die geringen Ordensgeiftlichen, wie Fran—
B. ausgebildet. In neuefter Zeit hat bie miffen-
Ihaftlihe Behandlung der B. felbft in die meiften
buchhändleriſchen Literaturverzeichniffe Eingang ger
funden,. Bgl. Nottner, Lehrbuch der Contorwiſſen⸗
ſchaft für dem deutſchen Buchhandel, Lpz. 1855,
letste Abth. Die B. läßt fich theils rein mifien-
ſchaftlich oder hiſtoriſch, theils auch mit Rücſicht
auf praktiſche Zwecke behandeln. I. Die wifjen-
Ihaftlihe oder Hiftorifhe B. befchreibt die
Bücher nur um ihrer felbft willen, ohne Riüdficht
auf ihren äftbetifhen oder feientifiihen Werth.
In einem allgemeinen Theil bietet fie die Geſchichte
des Bücherwefens überhaupt u. berichtet über die
ciscaner u. Karthäufer, die fich felbit Pauperes Form u. Einrichtung der Bücher bei den Griechen
Christi nannten, woher der Name B. p. tommenju. Römern, den DOrientalen und im Mittelalter,
foll) u. Laien erjegt. Es finden fih mitunter auch ſowie beſ. auch jeit Erfindung der Buchdruder-
Eremplare mit prächtigen Miniaturgemälden. kunſt. Der befondere Theil der biftoriichen B.
Diefe Reihe von bildlichen Darftellungen murbe|befchreibt die literarifhen Erzeugniffe der verſchie-
dann aud an Altarjhreinen ı, ———— in|denen Bölfer; er berichtet über das Äußere
Sculpturarbeit und Malerei wiederholt, jo 3. B.|(Stärke, Größe, Eintheilung zc.), die Zeit u. den
enau in der Zahl 40 an den Fenſtern des Klofters | Ort der Abfaffung u. des Erjcheinens, über Ur—
Sirfau. Im 15. Jahr. wurde die B. p. xylo⸗ ſprung und Zwed, den Berfaffer und Berbreiter,
graphiih (in dem Niederlanden u. Deutichland) u.lüber jonftige Schidfale u. dgl. Zur einer genauen
362
bibliographiichen Beichreibung eines neneren Drud-|den Zwed der B. Auskunft zu geben, fo bieten
werkes gehört der Name des Verfaſſers nebft Vor⸗ wir im Folgenden eine inftematiiche Üderficht über
namen, der vollftändige Titel des Buches, Drud-|die einzelnen Zweige der B. und über den Zu-
ort u. Verleger (od. Druder), Seitenzahl, Format, |fammenhang ie Die B. dient ſowol der
artiſtiſche oder fartographiiche Beilagen; bei älteren | Literatur» u. Gelehrtengejchichte, als dem Biblio-
Druden pflegt man außer dem Bucddruder noch thekar und Vücherfammiler, wie auch dem Buch—
Angaben über die Schrift, die typographiiche Ein: händler, u. fo betrachten wir fie nach diefen drei
richtung 2c. hinzuzufiigen. Urtheile über deu äſthe- Geſichtspunkten. A. Die literar-biftoriihe B.,
Bibliographie.
tiſchen oder wiſſenſchaftlichen Werth der Bücher
gehören eigentlich nicht in bibliographiſche Werte,
wie denn au genauere bibliographiiche Angaben
nicht nothwendig im die Literaturgeichichte gehören;
doch gehören mauche literar « biftoriiche Arbeiten
mehr der B. an, als der Fiteratnrgeichichte. Ein
Wert, das die geſammte Literatur aller Völler u.
Zeiten bibliograpbiih umfaßte, ift nicht vorhanden
u. bleibt unausführbar; das Vollftändigfte bieten
bis jetst die Kiterar-hiftoriichen Werke von Gräpe:
Lehrbuch einer allgemeinen Yiterärgeichichte aller
befannten Böller der Welt, Dresd., Lpz. L—IV,,
183759; Handb. der allgem. Literärgeichichte,
ebd. L—1V., 1845—50; Tresor de livres rares
et preeieux, Dresden L—VIL, 1859—69. Da-
gegen liegen bereits eine Anzahl zum Theil trefi-
der Arbeiten über die Literaturen einzelner Völfer
u. einzelner Wiffenichaften, ſowie zahlreiche Mono»
En sah vor. Ze nah Bedürfniß werden die
ibliograpbifchen Angaben chronologiſch (nad) dem
Jahre des Erfcheinens), oder ſyſtematiſch, oder
alphabetiich (mach den Verfaſſern, oft aud) in Ver—
bindung mit biographiſchen Notizen über diefel-
ben) angeordnet. In die letztere Kategorie ge-
hören die fogenannten Gelehrtens und Schrift:
ftellerlerifa.
I. Die praktiſche B. verzeichnet u. beichreibt
die Bücher nicht nur um ihrer jelbjt willen, ſondern
nah gewiſſen Rüdfichten u. für beftimmte Zwede.
Sie arbeitet vorzugsweife entweder im Jutereſſe
der Bücherfammier, d. i. der Bibliethefare oder
Bibliophilen (angewandte B. im engeren Sinne
oder bibliorhefariiche B.), oder fir die Zwede des
Ermwerbes u. Berfaufes der Biicher im Intereſſe
des Buchhändlers und des Bücherkäufers (biblio-
poliiche B.) Indeſſen dienen die Werfe der prat
tiihen B. jo Häufig auch wiſſenſchaftlichen, be-
fonders literargeſchichtlichen Zweden, daß fich
die Unterſcheidung in miffenfchaftliche (reine) und
praftiiche (angewandte) B. als unzulänglich er-
weiſt. J. Pegholdt hat in feinem vortreiflichen
Werfe: Bibliotheca bibliographica, kritiſches
Verzeihnißg der das Geſammtgebiet der B. be»
treffenden Literatur des In- und Auslandes in
foftematifher Ordnung, Lpz. 1866, folgende Ein-
theilung getroffen. Nach einem einleitenden Ab-
ſchnitt (I.), welcher die Schriften über B. über-
haupt, jewie über die bibliographiihen Syfteme
verzeichnet, folgt ein allgemeiner Theil (IL): Ben
von Schriften in allen oder mehreren Spraden,
fowie aus allen oder mehreren Wiffenichaften, u.
ein bejonderer Theil (TIL): B. von Schriften in
Sprachen einzelner Länder (nationale) und aus
einzelnen Wiffenichaften (wiſſenſchaftliche). Da es
bier nicht unfere Aufgabe fein kann, eine mehr
oder minder reichhaltige Auswahl aus der biblio—
graphiichen Fiteratur der verſchiedenen Nationen
zuſammenzuſtellen, fondern über das Weſen und
welche darftellt 1) die literariſche Production der
einzelnen Nationen, oder 2) die Piteratur nad
Wiffenfhaften geordnet, oder 3) die Schriften
einzelner Berfonen, Schriftitellerlerita. B. Dir
bibliothelariiche B., welche dem Bücherfamnı«
ler die Kenntniß werthvoller Schriften vermittelt,
die Geſchichte u. Beichaffenheit der Drude dar—⸗
ftellt u. Bücherſammlungen verzeichnet. C. Die
bibliopoliiche B., welche den buchhäudleriſchen
Vertrieb der Schriftwerte unter Darlegung der
Verlags», Antiquariats- u. Preisverhältniffe ver-
mittelt, A. Die literarhiftorifhe B. 1) Die
nationalen Ben dienen in der neueren Beit
vorwiegend praftifchen, d. h. bibfiothefarifchen od.
buchbändferiihen Zweden. Aus dem Gebiete der
literarhiſto riſchen Rational-B. find nur we—
nige Werle hervorzuheben. a) Für Deutſchland:
G. W. Panzer, Annalen der Älteren deutſchen Lite
ratur oder Anzeige und Beſchreibung derjenigen
Bücher, welche von Erfindung der Buchdruder-
funft bis MDXX im deutiher Sprache gedrudt
worden find, Nürnb. 1788; Zujäte, Lpz. 1802;
Bd. IL: Bücher, weile vom Jahre MDXXI bis
MDXXVI in deuticher Sprade gedrudt worden
ud, Nürnb. 18055 J. ©. Eric, Handbuch der
deutichen Yiteratur feit der Mitte des achtzehnten
Jahrh. bis auf die neueſte Zeit, neue Ausgabe,
L.—IV., £p3. 1822—10, 3.%., ebd., von Ch. U.
Geißler, 1845—50 (philolog. und philofopb.
Lit.); G. Schwab n. K. Klüpfel, Wegweifer durch
die Yiteratur der Deutichen, ein Handbuch für
Yaien, 2. A., Lpz. 1847, mit Nachträgen bis 1862,
3. A., 1861. b) Für Frankreich: La Franc-
litteraire, L—IV., von Jacq. Hebrail, Joſ. de La—
porte, Joſ. Andre Guyot, Par. 1769-84; J. M.
Quérard, La Franee litteraire, L.—X., Par. 1827
bis 1839, Bd. XT., ebd. 1854—57, XIL. 1—2, ebd.
1858 -59; Derſ., La litterature frangaise con-
temporaine, I., ebd. 1840, fortgefet von Youandre,
Bourquelot u. Maury, IL—V., ebd. 1846—57;
3. M. Ouerard, Les supercheries litteraires
devoilees, L—V., Bar. 1847—53, 2. A. .—IIL,,
ebd. 1869—70. c) Für England: R. Watt,
Bibliotheca Britannica, or a general index to
British and foreign literature, L.—IV., Edinb.,
Lond. 1824; W. Ih. Lowndes, The bibliogra-
pher’s manual of English literature; neue Ausg.,
von H. Bohn, Theil L—X., Anhang, Yond. 1857
bis 1864. d) Für Italien: B. Gamba, Serie
dei testi di lingua e di altre opere importanti
nella Italiana letteratura seritte dal secol»
XIV, al XIX., durchgeſehene Ausg., Bened. 1839.
e) Für die Niederlande: J. F. Foppens, Bi-
bliotheca Belgica (usque ad a. MDCLXXX).
Brüffel 1739; mehrere bibliographiiche Zufantmeu-
ftellungen im — Belge; Adrian Pars,
Index Batavieus of naamrol van de Batavise
en Hollandse Schrijvers, Leyd. 1701; Biblio-
Bibliographie.
graphie des Pays-Bas, Nyon 1783 (von Bottin),
tir unzuverläffig. f) Kür Spanien u. Portu-
al: Nicolao Antonio, Bibliotheca Hispana vetus
ad a. MD), Rom 1696, Madr. 1788; Bibl. Hisp.
nova (MD—MDLXXXIV), Rom 1672, Madr.
1783—88; Dionifio Hidalgo, Dicecionario gene-
ral de Bibliografia Espanola, Madr, 1862 fi.;
Diceionario bibliographieo Portuguez Estudos
de Jnn. Franc. da Silva applicaveis a Portngal
e ao Brasil, Liſſab. 1858 ff. g) Für flandina-
viſche B.: Nyerup u. Kraft, Literaturlerifon for
Danmark, Norge, og Ysland, Kopenh. 1820;
Möbius, Catalogus librorum Islandicorum et
Norvegicorum, Ypz3. 1856; Jens E. Kraft, Norit
re 1814—56, herausg. von Chriſt.
. A. Lange, Ehriftiania 1857 fi.; Bruun, Bi-
bliotheea Daniea 1—2, Kopenh, 1872—1875.
h) Für Rußland: W. Sopitow, Verſuch einer
ruffiichen B. (im ruffiicher Sprade) von Ein-
führung der Buchdruderfunft bis 1813, L—V.
(der fette Bd. von W. G. Anaftafewirfch), St.
Petersburg 1813—21; A. oder, Bibliogra-
phiſch⸗ hiſtoriſches Bild der Fiteratur und Wijien-
fhaft in Polen ſeit Einführung der Buchdruder:
funft bis 3. J. 1830 eimichließlich (polnisch),
L—IN., ®in, 1840—57. i) Für Böhmen:
Joſ. Jungmanu, Gefchichte der böhmischen Yitera-
tur, Prag 1849 (2. A., in böhmiſchen Sprade).
k) Für Ungarn: U. Lonkay, Ismertetese a
magyar irodalom, Dfen-Peft 1855 f. 1) Für
Griehenland: A. PBapadopulos Bretos, Neo-
hellenik& Philologia, Athen 1854—57. m) Für
Amerila: N. Trübner, Bibliographical guide
to American literature, Fond. 1859, für wiſſen—
fhaftlihe u. buchhändleriiche Zwede gleich werth—
voll; für Brafilien f. oben unter Portugal. n) Fir
den Orient: J. Th. Zenfer, Bibliotheca orien-
talis, Manuel de bibliographie orientale, Yp;.
1846—61; %. Long, A deseriptive catalogue
of Bengali works, Calcutta 1855; J. Gilde
meijter, Bibliothecae Sanskritae speeimen, Bonn
1847; J. Fürft, Bibliotheca Judaica, %p3. 1849
bis 1863; %. v. Hammer, Geſch. des Osmani-
ihen Reiches, Bd. VIL—VIII, Belt 1831 f.;
Bianchi, Bibliographie Ottomane, Par. 1863,
An die B. ganzer Nationen fchließt ſich eine be
deutende Zahl von Monographien, 3. B. Walther,
Literarifches Handbuch für Geſchichte u. Landes-
funde von Helfen, Darmft. 1841, Nachtrag 18560;
Predari, Bibliotheca milanese, Mail. 1857; Fi—
ueira, Bibliotheca portugueza hist., Liſſab. 1850;
. Narbone, Bibliotheca sicula, Palermo 1850
bis 1856, 4Bde.; Valentinelli, Bibliografia della
Dalmazia e del Montenegro, Agram 1856 zc.
2) Die jyftematifhe odernah Wiſſenſchaf—
ten geordnete B. Umpfaffende Werte diejer
Art find: D. G. Morhof, A ir literarius,
hilosophieus, practicus, 4. A., Lübech 1747;
. G. Struve, Bibliotheca historiae literariae,
letzte Ausg. von J. F. Jugler, Jena 1754—63,
Suppf. von H. F. Köcher, ebd, 1785; aus der
neueren Zeit: E. Schleiermader, Bibliogr. Sy—
ftem der geſammt. Wiffenichaftsfunde, Braunſchw.
1852. Die B. der einzelnen Wilfenichaften bat
fich Sehr ungleihmäßig entwidelt; während einzelne
Zweige jehr jorgfältig dur Monographien ges
363
find, fonnten zufammenfaffende Werfe, wie
e3 ſcheint, unter dem Drude der gefteigerten lite-
rariſchen Production in der Neuzeit nur jelten
edeihen. Daber find die größeren ſyſtematiſchen
„n faſt alle nicht bis zur Gegenwart fortgeführt,
bagegen treten «bier buchhändleriihe Zuſammen-
ftellungen von wiſſenſchaftlicher Brauchbarteit ein.
Pbilefopbie:Bibliotheca philosophica, heransg.
von Th. Eh. Fr. Enslin, Berl. 1824; Ph. ums
poſch, Die philof. Literatur d. Deutfchen, J. Regensb.
1851; Büchting, Bibliotheca philosophica, Nordh.
18675 Theologie: Bibliotheca theologica,
herausg. von W. Nupredt, fpäter von W. Mül—
dener, Gött. 1848 ff.; ©. B. Winer, Handbuch
der theolog. Literatur, 3. A., Lpz. 1838—40,
Ergänz. 18425 € A. Zuchold, Bibliotheca theo-
logiea,. Gött. 1862 f. Jurisprudenz: Martini
Lipenii Bibliotheea realis inridiea, n. A., Lpz.
1757 mit verschiedenen Fortſetzungen bis 1830;
Bibliotheca inridica (1750— 1839), herausg. von
Enslin, umgearbeitet von W. Engelmann, tp3.
1840—49. Medicin: Biblivtheca medico-chi-
rurgica, berausg. von W. Ruprecht, Gött. 1847 fi.
Biblioth. med.-chir. berausg. v. W. Engelmamı,
Ypz. 1848; 8. Choulant, Handbuch der Bücher—
funde für die Ältere Medicin, I., Yp3. 1841; Biblio-
theca medico-historica, ebd. 1842; G. B. Co-
letti, Bibliografia sanitaria, Flor. 1856. Natur-
wiſſenſchaften: Bibliotheca historieo-natura-
lis (1700—1846), heransg. von W. Engelmann,
Yp3. 1846, Suppl. 1861 f.; Bibl. hist.-nat.,
herausg. von Zuchold, Guthe, Mesger, Götting,
jeit 18515 Pritel, Thesaurus literaturae botani-
cae, Ypz. 1851, Zuläte von E. A. Zuchold, 1853,
2. U. 1872, u. a.; Mathematik: Bulletin de
bibliographie, d’histoire et de biographie mathe-
matiques von Terquem, I.—VI., Bar. 1855—61;
U. Grlede, Bibliotheca mathematica, ſyſtema—
tiſches Verzeichniß der bis 1870 im Deutichland
auf den Gebieten der Arithmetif, Algebra, Ana—
Infis 2c. erichtenenen Werfe, Schriften u. Abhand—
tungen, Halle 1872. Hiftorifch-philologiiche
Wiſſenſchaften: Bibliotheca historico-geographica,
L.—IX., berausg. von G. Schmidt, X. ff., herausg.
von W, Miüldener, Gött. 1853 ff.; Geographie
a. Geſchichte erfcheinen jetzt in beionderen Heften
(22. Jahrg); W. Koner, Nepertorium über die
von %. 1800—1850 in akademiſchen Abhandlun—
gen, Geſellſchaftsſchriften u. wiffenichaftlichen Jour-
nalen auf dem Gebiete der Gejchichte und ihrer
Hilfswiſſenſchaften erfchienenen Aufſätze, Berlin
1852—56; Bibliotheca philologiea, berausg. von
W. u. 8. Ruprecht, jpäter von G. Schmidt, W.
Müldener, Gött. 1848 fi.; Bibliotheca scripto-
rum celassicorum (1700—1858), herausg. von
W. Engelmann, Lpz. 1858, fortgefegt von Her
manır, Halle 1870 fi.; 4. Schweiger, Handbuch
der claſſ. B., Lpz. 1830— 34. Tehnil u. Kunft:
Bibliotheca mechanieortechnologica, herausg. von
W. Miüldener, Gött. 1862 ff.; Universal cata-
logue of books on art, Lond. 1870; €. inet,
Bibliographie methodique et raisonnde des
beaux-arts, I, Par. 1874; Beder, Darftellung
der mufifalifchen Literatur, Lpz. 1836, 2 Thle.,
Nachtrag 1839; A. Büchting, Bibliotheca musica,
Nordh. 1867—72. BZahlreihe Monographien
364
über einzelne Disciplinen, z. B. Bernd, Schriften-
Hunde der Wappenmiflenihaft, Bonn 1830—41,
4 Bde; Trübner, Bibliotheca glottica, 1. Bd.;
American languages, von Ludewig, Lond. 1857,
nu. viele andere. Ferner Monographien iiber ein-
zeine Begebenheiten u. ei Shan wie 3.8. über
das Neformationsjubelfeft; Moreaus Bibliogra-
phie des Mazarinades, Par. 1850—51, 3 Bde. xc.;
fiber einzelne berühmte Perfönlichkeiten und ihre
literariſchen Productionen, wie 3.8. iiber Luther,
über Goethe (von Hirzel, Leipz. 1849, neue
Bearb,, 1874), über Schiller (von Portung, Lpz.
1855, Conſtant Wurzbach v. Tannenberg, Schiller:
buch, Wien 1859, P. Trömel, Schiller-Bibliothek,
Lpz. 1865), über Dante (Colomb de Batines,
Biblivgrafia Dantesca, Prato 1845—48, 1. u. 2.
Bd., ebenio von Earpellini, Siena 1866, von
Ferrazzi, Baflano 1873, von Petzholdt, Catalogus
bibliothecae Danteae, n. Ausg., Dresd. 1855),
über Shalefpeare (von Hallimell, Lond. 1841,
von Sillig, Ypz. 1854), über Lamennais (von
Quérard, Par. 1849) zc., u. das Sammelwert
E. M. SÖttingers: Bibliographie biographique
universelle, 2 Bde., 2. A., Brüffel 1854; über
befondere Gegenſtände, wie 3. B. Wadernagel,
B. des deutſchen Kirchenliedes, Frkf. 1854—55,
2 Thle.; Gräße, Bibliotheca magica, Lpz. 1843;
Kloß, B. der Freimaurerei, Frankf. 1844, Er-
gänzung von Barthelmeh, Nem-Mork 1856; Du-
plettis, Bibliogr. par&miographique, Par. 1846;
Zader, Literatur der deutſchen Sprüdmörter-
fammlungen, Lpz. 1843; Trömel, Literatur der
deutihen Mundarten, Lpz. 1843—44; Schmid,
Literatur des Schadhipiels, Wien 1847; N. von
der Finde, Gejchichte u. Literatur des Schadhipiels,
2 Bde, Berlin 1874; Peters, Die Fauftliteratur,
Lpz. 1856, 2. A., ac. Periodiſch wird die wiffen-
ichaftlihe Literatur in manden Fachzeitſchriften
zufammengeftellt; eine umfaffende fuftematiiche B.,
die vorzüglich gearbeitet ift, liefert regelmäßig die
Jenaer Literaturzeitung, red. von A. Klette, feit
1873. Zunähft verwandt der nationalen u. ſyſte—
matiſchen B. find 3) die Schriftitellerlerita.
Dieſe zerfallen einerjeits in allgemeine u. beſon—
dere, anderſeits im ſolche über einzelne Völker,
Länder u. Orte u, im folche über einzelne Wiffen-
ſchaften. Zu erfteren gehört Jöchers (ſ. d.) befann,
tes Gelehrtenlexikon, zu letteren Meufels (f. d.)
Gelehrtes Deutichland, Quérards: La France
litt6raire (f. o.), u. zablreiche andere ältere und
neuere Werte. Als muſterhaft find n. a. zu nennen
Erslews Forfatter-Lexikon for Kongeriget Dan-
mark (1814—40), I.—III., Kopenb. 1843—53,
Supplem. bi® 1853, ebd. 1858; Schröders Yeriton
der Hamburger Schriftiteller, Hamb. 1852—57,
1.—3. Bd.; Keßlins Buch über die Schriftftelfer
aus Wernigerode, Wernig. 1856. Zu den Lericis
iiber einzelne Wiffenfchaften gebört auch Callifens
Mediciniſches Schriftftellerleriton, Kopenh. 1829
bis 1837, 25 Bde., Suppl. 1838—45, 1.—8.
Bd. An diefe Art von bibliographifchen Arbeiten
ſchließen fi dann weiter die bio-bibliographiichen
Sammelmwerfe über die Dichter, Profaiften zc. ein»
zeiner Völler, Länder und Yandestbeile. B. Die
bibliothekariſche B., zunächſt in ihrer Tendenz,
dem Bücherſammler die Kenntnig wertholler Schrif-
Bibliographie.
ten zu vermitteln, dann aber and die Geichichte
der legteren darzuftellen, hat ihre Ausbildung bef.
in Frankreich u. England erhalten; fie beichreibt
ſolche Bücher, die durch ihre Schidjale, ihr Alter,
ihre äußere Beichaffenheit merkwürdig find. In
ihrer ganzen Ausdehnung wurde diefelbe zuerſt im
Franfreih von Debure in der Bibliographie in-
structive, Par. 1763—68, 7 Bbe., bearbeitet.
Diejem folgte fpäter Brunet mit dem Manuel da
libraire, ebd. 1810, 3 Bbe., 4. A. 1845, 4 Bbe.,
5. U. 1860—65, 6 Bde., welches Ebert in jeinem
bis jet noch unübertrofienen Allgemeinen bliblio«
graphifchen Wörterbuch, Lpz. 1821—30, 2 Bde.,
zu Grunde legte. Letzteres Werk nimmt jedoch, wie
überhaupt die deutſche B., mehr auf das Bedürf-
niß des eigentlichen Bibliothelars, des Gelehrten
u. der Wiſſenſchaft Rückſicht, während die biblio-
graphiſchen Arbeiten der Engländer u. Franzoſen,
wie 3. B. Dibdins (f. d.), mehr das Intereſſe
der Bibliomanie im Auge behalten. Indeſſen be»
fundet der erwähnte Brunet in diefer Beziehung
einen guten Tact, indem er ſowol den rein biblio-
graphiihen Zmweden durch feine meift forgfäl«
tige u. reichhaltige Bücherbefhreibung im alpha»
betiihen Theil des Wertes genügt, als aud eine
foftematifche Überficht über die Yiteratur der ein«
zeinen Wiffenfhaften beifügt. Es gibt bereits
brauchbare Werke über die Incunabeln, wie von
Panzer (f. d.) u. Hain, Repertorium bibliogr.,
Stuttg. 1826— 38; E. Weller, Repertorium typo-
graphicum, Nördl. 1864, nebft zablreihen Mono«
grapbien von Heller, Sotmann, Fiſcher, Beejen-
meyr, Weigel, Zunz, Aber, Gräße, Merzdorf,
Mone, von der Hagen, Haßler zc., ſowie über die
Drude der Elzevire, Aldus, Giunti, Stephanus,
Plantin, über die Privatdrude (in England von
Martin, Fond. 1854), über: die Ana (j. d.) zc.;
Zeitichriften für die angewandte B. find: Bulletin
du bibliophile (et du bibliothecaire), von Nodier
u. Techener redigirt, Par. 1834 ff.; Le biblio-
phile beige, gegründet von Baron von Reifien-
berg, ſpäter redigirt von Chenebolld, v. Scheler,
1854—63, zu unterjcheiden von dem fpäteren
Bibl. belge, dem Bulletin der Société des biblio-
philes, 1866 ff.; Naumanns Gerapeum, Lpz.
1840—70, und Pegholdts Anzeiger für B. und
Bibliothetswiffenichaft, Halle 1850—55; Neuer
Anzeiger, Dresd. 1856 ff., eine Fortfegung von
defjen Anzeiger für Bibliothelswiſſenſchaft (Halle
1840—49); vgl. Bibliomanie u. Bibliothelwifien-
ſchaft. Schr beachtenswerth ift auch Aubros Bulie-
tin du Bonquiniste, Par. 1857—61. Die biblios
thelariſche B. verzeichnet aber auch die vorhandenen
Bücherfammlungen in wiffenfchaftlihen Katalogen.
Obgleich die meiften Bibliothefen von der Drud-
legung ihrer Kataloge abftehen, weil biefelben
durch die fortlaufende Bermebhrung einer Samm«
fung meift jhon während des Drudes unvollftändig
mwerden, jo bat man doch auch noch aus der neues
ren Beit gedruckte Bibliothelslataloge, u, man fann
nicht leugnen, daß diefelben nicht nur für die Ber»
waltung u. Benutzung einer einzelnen Bibliothet,
fondern auch für die * im Allgemeinen nützlich
u. danfenswerth find, z. B. ſyſtematiſch⸗alphabe-
tiſcher Hauptlatalog der fünigl. Univerfitätsbiblio-
thet zu Tübingen, nach dem Stande vom 1. Juli
365
1853, Tüb. 1854, mit Zuwachsverzeichniſſen; Ka-| Buchhandels, welche die neueften Erſcheinungen in
talog der Stadtbibliothek in Zürich, 1864; Katalog |dem verjchiedenen Ländern verzeichnen. Es beftehen
der Eommerzbibliothef in Hamburg, 1864, mit|folgende in Deutfchland : Allgemeine B. für Deutſch⸗
Nachträgen bis 1871; Katalog der Bibliothel|land feit 1836; Allgemeine B., red. von E. Brod-
des tönigl. Statiftiihen Bureaus zu Berlin, 1874; |haus (früher v. Zrömel), Lpz. (Brodh.) feit 1856,
Bibliographie.
Catalogue de la section des Russica, St. Betersb.
1873; Catalogue of the public library of Cin-
einnati, 1871. Das größte Unternehmen dieſer
Art ift die Drudiegung von Katalogen der Natio-
nalbibliothef in Paris (vgl. Neuer Anzeiger f. B.
u. Bibliothefwiffenfchaft, 1874, S. 297). Hierher
ebören auch Lie zahlreichen Verzeichniſſe von
rivatjammlungen, ie einen um fo größeren
Werth haben, je mehr fie ſich auf Beſchreibung
von Specialitäten einlafien, 3. B. v. Maltzahı,
Deutiher Bücherſchatz des 16., 17. und 18. bis
um die Mitte des 19. Jahrh., Jena 1875.
C. Die bibliopolifche B, dient zunächſt dem
rg Bertriebe der Schriftwerle. Am
eutlichften tritt dies zu Tage in den Ben ber
Buchhändlerzeitungen, wie im Börfenblatt fiir den
deutihen Buchhandel, 42. Jahrgang 1875 (Leip⸗
zig), in den Verlagslatalogen,
projectirte und ausgeführte Berlagsunternehmun-
en, ferner in den Meßlatalogen (vgl. G. ©.
Schwetihle, Codex nundinarius Germaniae lite-
ratae bisecularis, Meß ⸗ Jahrbücher des deutichen
Buchhandels 1564—1765, Halle 1850; Petzholdt,
Bibliotheca bibliogr., ©. 282 fi.). Zn den biblio-
graphiihen Werfen für bibliopoliihe Zwede, die
un neuefter Zeit jedoch einen mehr u. mehr wilfen-
ſchaftlichen Auſtrich erhalten, kommt e8 namentlich
auf genaue Angabe des Titel, des Drudortes,
Drudjahres, Berlegers, des Formats, der Stärke
des Buches u. des Preifes an. Cie find meift
alphabetijch geordnet, fei es, daß fie die gefammte
Literatur eines Volles, oder bloß die einer Wiffen-
ſchaft während eines längeren oder kürzeren Beit-
raumes umfaffen. So verzeichnet Heinfius, Allge-
meines Bücherlerifon (Lpz. 1812—29, 1. -7. Bd.,
von Schulz ebd. 1836—47, 8.—9. Bb., von
Schiller, ebd. 1847—56, 10.—12. Bd., von 8.
R. Heumann, 1857—67, 13.—14. Bd. Lpz. bis
ih? alle feit 1750 in Deutichland ericiene-
nen Bücher ; Chr. Kayfer, Bollftändiges Büdher-
leriton (von 1750—1832), fortgefegt von Zuchold,
Wuttig, Haupt, 1.—18, Theil, Lpz. 1833—72;
Kirchhoff, Bücherkatalog, beginnt mit der 2. Hälfte
des 19. Jahrh. (1851 fi.); das Werk wird von
inrichs fortgeſetzt: Fünfjähriger Bücherfatalog, I.
is IV., 1851—70 (der 3. u. 4. Bd. von Büchting
u. Herre bearb.) ; Hinrichs Bücherlatalog, 1851 bis
1865, bearb. von Bilhting u. Baldamus, Yeipzig
1874; Deutſcher Zeitfchriften-Katalog, 2. A., Lpz.
1874, bearb. von E. Baldamus. In Frankreich
bat Eheron einen Catalogue de la librairie fran-
Saise au XIX sitcle (har. 1855 f.) begonnen,
Ähnliche Arbeiten über einen größeren Zeitraum,
doch mehr oder weniger forgfältig, befigen bie
Dänen, Schweden, Rormweger, Holländer, Engländer
u. NAmerilaner. Die Literatur einzelner Wiffen-
haften bezeichnen auf diefe Weife beſ. die Biblio»
thefen von Enslin, gegenwärtig von Engelmann
in Leipzig umgearbeitet u. meitergeführt (f. 0.).
ieran fließen fi die verſchiedenen periodifchen
lätter, meift fogenannte Nationale B⸗en des
umfaßt auch außerdeutſche Fiteratur; Das halb»
jährige Hinrichsſche Verzeichniß der Bücher und
Landlarten zc., feit 1799; der Bierteljahrsfatalog
aller neuen Erfheinungen im Felde der fiteratur in
Deutſchland, nad den Wifjenichaften geordnet feit
1846, ift leider 1860 eingegangen; das B-iche
Jahrbuch für den deutihen Buch-, Kunft- und
Landlartenhandel, eine Fortfegung des Meflata-
logs (f. d.) jeit 1853, fänmtlich zu Leipzig; B.
der Schweiz, 4. Jahrg. 1874, Züri; in Sant:
rei: die R. de la France, feit 1812 wöchentlich
ericheinend, das erfte Blatt diefer Art in Europa;
Catalogue annuel, herausgegeben von C. Rein-
wald, hat leider feit dem Kriege von 1870 zu er-
ſcheinen aufgehört; Petite bibl. frangaise, ge-
Ser von E. Galette, redig. von A. Lemoigne,
eit 1873; in Stalien: die Bibliografia italiana,
ittheilungen über ſeit 1867 zu Florenz; eine Bibliografia italiana
beftand ſchon 1828—29, herausg. von Paftori zu
Parma, 1835—46 herausg. von Stella zu Mai-
land, legtere vor figtich, und verfchiedene andere
buchhäudleriſche —2* in Spanien: El biblio-
grafo espaßul y estrangero, von Hidalgo und
Bailly-Baillire, 1857—59 zu Madrid; Boletin
bibliogräfico Espaäol, red. v. Hidalgo, 1860 ff.,
zu Madrid; in England 1838—62 Publisher's
Cireular and general Record of British Lite-
rature; feit 1842 Longmans, Browns, Green zc.
Monthly list of new books published in Great
Britain; The English Catalogue of books, zu—⸗
fammengeftellt von ©. Low, 1835—62, 1863— 71,
1872 fi.; in NAmerila: Nortons Literary Ga-
zette, feit 1851; in den Niederlanden: die Neder- *
landsche bibliographie, berausg. von Nijhoff,
8 Gravenh. 1856; für die frühere Zeit: Naam
Register of verzaameling van Nederduytsche
Boeken, von J. van Abloude, Arvenberg, Jong,
1640—1788, u. d. Zitel Alphabet. Naanılyst,
1790— 1849, Leyd., Rotterd,, 8’Gravenh., Amſterd.
1743— 1858; daneben Alphabet, Naamlist van
Boeken, Landkarten ac., Amfterd. b. Brinfınann
1846—62; in Belgien: Muquards Bibliographie
de la Belgique, 1838—68; 3. folge, 1.,
1875; in Schweden: die Svensk bibliographi,
feit 1829, n. das Svensk literaturbulletin, 1844
fi.; in Dänemart: Höfts Dansk Bibliographie,
feit 1843; Dansk Bogfortegnelse, feit 1851; in
Polen: dieBibliografia krajowa, 1856 zu Warſchau
von Klulowsti u. Rafalsk Yerausgegeben; Biblio-
grafia polska, herausg. von Brodhaus, Leipzig
1861 —65; fortlaufende Berichte in Brodhaus’
Mittheilungen,; in Rußland: die Russkaja bi-
bliografija, feit 1856 monatlih von Smirdin her«
ausgegeben; in Oſterreich gaben 1853 ff. u. nad)
Unterbredung von einigen Jahren 1873 mwöchent-
lich die Ofterreichifchen Blätter (Wochenſchrift) für
Literatur u. Kunft ein forgfältiges Berzeichniß
fämmtlider im öfterreidhifchen 228 erſchie⸗
nenen (auch der ungariſchen, böhmiſchen, polniſchen,
rutheniſchen, ſloweniſchen, ſerbiſchen, italieniſchen
x.) Bücher. Bibliographiſch-⸗ſtatiſtiſche Überſichien
305
Biblivlatrie — Bibliothek.
der Literatur des öſterreichiſchen Kaiſerſtagtes gab großen antiquariſchen Bücherauctionen, die vor«
Conſt. Wurzbach 1852—54 heraus; Die Öfterrei- zugsweiſe in Paris u. Yondon abgehalten werden.
chiſche Buchhändler-Correjpondenz; bat im Jahre In der Auction des Herzogs von Norburgh 1812
1874 ihren 15. Jahrgang erreicht (Red. 3. C.
Fiſcher). Die buhhändlerifche B. ift für die Yiterar-
geiichte oft von großem Werthe, namentlich die
antiquarifchen Kataloge, wenn fie ſyſtematiſch ab-
gefaßt find, oder fi auf befonders reichhaltige
Yager, wie bei Brodhaus, Köhler, Weigel, Bär,
Aber, Briffel u. A., beziehen. B. Quaritſch in
London hat einer Neihe jeiner Kataloge Braud-
barkeit dur ein angebängtes, umfajlendes Re—
gifter verliehen (A general catalogue of books by
B. Q., Lond. 1874). Ein jehr verdienftvolles bud)-
händlerifches Unternehmen, weldes der Wiſſen—
ſchaft zugleich Dienfte leiftet, ift Zrübners Ame-
rican and Oriental Literary Record, welcher die
bedeutendften neuen Publicationen in Amerifa,
Indien, China, den Britiſchen Colonien verzeichnet,
mit gelegentlichen Nachrichten über deutſche, hol—
ländiſche, dänische, franzöftiche, italienische, ſpaniſche,
portugiefiihe u. ruſſiſche Schriften, Braubach.
Bibliolätrie (v. Gr.), die abergläubiiche Ver—
ehrung der Bibel, bei. ſoſern man Buchſtaben n.
Geift derjelben nicht unterſcheidet.
Bibliomänie (v. Gr.), Sucht, Bücher, na-
mentlich alte u. feltene, zu fammeln, indem man
dabei Werth auf wifjenschaftlich unbedeutende Ne—
bendinge legt. Der Bibliomane verfolgt entweder
gar feine beſtimmte Nichtung u. häuft Bücher aus
ven verjchiedenften Fächern der Literatur an, oder
er beichränft ſich auf eine gewiſſe Klaffe von Drud-
werten, fei es in Rückſicht der Beit, . in welcher
fie erfchienen, oder in Bezug auf ihren typogra—
phiſchen Charakter, oder in Hinficht der darin ab-
gehandelten Materien, oder endlih in Anbetracht
ihres Werthes als Turiofitäten. Auf diefe Weije
jind die verjchiedenartigjten Sammlungen, fo von
Jucunabeln, von Drudwerten gewiſſer Beitab-
jchnitte, 3. B. des Dreißigjährigen Krieges, einzel«
ner Drudereien, 3. B. Aldinen, Elzevire, dann
von Holzichnittwerten, von Ausgaben eins oder
mehrerer Claffifer u. der iiber diejelben veröfjent-
lichten Abhandlungen, von einzelnen Werten, wie
anz befonders der Bibel, von Schriften, die ein
veftimmtes Land, eine beſtinunte Wiffenichaft bes
trefjen, von Flugblättern, einzeln gedrudten Volls—
liedern, von ebedem verbotenen u. bis auf ein»
zelne Eremplare (Unica) vernichteten Büchern zc.
“ entftanden, die in den meiſten yällen für den
erften Befiger nur den Werth der Guriofität
hatten, während fie, , Später in große öffentliche
Bibliothefen oder in die Hände von Forſchern
übergebend, für Kunft u. Wiffenfhaft, namentlich
aber für die Eulturgefchichte, Wichtigkeit erlangten.
In England u. fpäter in Frankreich, neuerdings
auch in den Bereinigten Staaten von NAmerifa
it die B. zu einer Paffion reicher Privatleute
geworden, u. um ein jeltenes oder durch irgend
einen Umftand, als durch die Breite des Randes,
die Pracht des Einbandes, durch das Nutograph
eines berühmten Mannes, durch handjchriftliche
Notizen des Autors, merkwürdiges ara von
einem Werte zu erhalten, werden oft über alles
Maß hinausgehende Preife bezahlt. Die Biblio-
manen find die hauptſächlichſten Käufer bei den
wurde m, a. ein Exemplar der 1. Ausgabe des
Decamerone von Boccaccio von 1471 um 2260
Fi. St. verfauft, u. um dies Ereigniß zu ver«
herrlichen, ftiftete fih der Bibliomanic-Ror-
burg-Elubb, welder am 13. Juli, als dem
Tage jener Verfteigerung, feine Situngen hielt,
Die Kataloge folher Auctionen werden vorber
nach allen bedeutenden Städten Europas n. Amer
rilas verfandt, u. die höchften Preife, welche direct
oder dur Commiſſionäre geboten werden, dienen
als Anhaltepunfte für den antiquariihen Biicher-
handel. Außer mit alten Werfen treibt man auch
Luxus mit Herftellung einziger (Wluftrirter) Exem⸗
plare, indem man Werken Kupfer, die eigentlich
gar nicht zu ihnen gehören, oder doch nicht zur
Erläuterung derfelben dienen, beifügt u. fie fo
verlauft. Einige Gejellichaften vereinigen ſich auch,
um ein Werl im nur wenigen (20—30) Pradıt=
eremplaren druden zu laffen; ja, e8 bat Yiebhaber
gegeben, die ein Buch nur in einem Prachterem-
plar ganz allein für fi anfertigen ließen. Endlich
vervielfältigt man auch Heine Werke, die nur im
einem einzigen Eremplar befannt find, in der
Weife, daß fie dem Original täuſchend ähnlich
jehen, oder man nimmt von ungedrudten Werfen
photographiiche Kopien, wie dies im Jahre 1856
mit dem Codex argenteus (f. d.) in Upfala ge—
ſchehen if. Vgl. Frognall Dibvin, Bibliomania
or Bookmadness, Lond. 1811, n. A. 1842; Deiien
Biographical Decameron, eb. 1817, 3 Be;
Deiien Tour in France & Germany, ebd. 1821,
3 Bde.; Deſſen Bibliophobia, remarks on the
present languid state of literature and the book
trade, von Mercurius Ruſticus, eb. 1832; Defien
Reminiscences, ebd. 1836. Brambadı.*
Dibliomantie (v. Gr), Wahrjagung aus
Bücher, bei. Bibelftellen.
Bibliophil (v. Gr.), VBücherfreund, Bilder-
liebhaber, der Bücher jammelt zu willenjcyaft«
lichen Zweden, im Gegenjage zu dem Bibliomanen,
(j. d.). Daher Bibliopbilie, Biicherliebhaberei;
dagegen Bibliophobie, Abneigung gegen Bücher,
Bibliothef (v. Gr.), eine jede zum Zwede der
Aufbewahrung u. Benutzung veranftaltete Samım-
lung von Büchern u. Handjhriften, namentlich
wenn eine folhe größer u. mach einer gewiſſen
Ordnung aufgeftellt ift. I. A) Dan unterfcheidet
Privat-B-en, melde für den Gebraud) einzelner
Gelehrten u. Freunde der Lectüre, u. öffent
lihe B-en, welde zur allgemeinen Benußung
beftimmt find, Der Einzelne ſammelt nach Reig-
ung u. Bedürfniß; öffentliche Ben haben den
Anſprüchen des gebildeten Publicums im Alge-
meinen oder befonderen Kreifen defielben zu ger
nügen, Daher 3. B. Bolfs-B=-en, welde zur
Bildung der niederen Bevöllernngsſchichten be—
ſtimmt find; Schul-Been, welche entweder den
Lehrern, oder den Schülern einer höheren oder
niederen Lehrauſtalt, oder einer beſtimmten Fach—
ſchule dienen ſollen; Univerſitäts-Be-en, welche
zunächſt die wiſſenſchaftlichen Arbeiten der Profeſ—
ſoren u. die Studien der Studenten unterſtützen
ſollen; Stadt-B»en, welche für die gebildeteren
Bibliothek.
Theile der Bewohner einer größeren Stadt be
ftunmt find; Staats-B-en, welche nicht bloß
den höheren Staatsbeamten , fondern and der
großen Anzahl von Gelehrten u. höher Gebilde:
ten, die eine Reſidenz zu vereinigen pflegt, auch
wol des ganzen Yandes, offen fteben. Yettere
haben natürlich die Piteratur im ihrer Gefammt-
beit, ſoweit es die Mittel erlauben, gleihmäßig
zu berüdfichtigen, während bei den übrigen Arten
von Ben ein oder das ande e Yireraturgebiet
mehr oder minder in den Bordergrumnd tritt,
ja, einzelne ſehr umfajjende Gebiete geradezu in
Wegfall fommen können. B) Die Anichaff-
ung der Bücher geihicht meift allmählich, nach
Mafgabe der vorhandenen Mittel; ſoll aber
raſch gefammelt' werden, jo thut man am beften,
eine ſchon vorhandene, dem Zwecke entiprechende
Büherfammlung im Ganzen anzufaufen u. dieſe
dann durch Ankauf einzelner Werle zu vervoll-
ſtändigen. Wünſcht man die B, an alten Ma—
nufcripten (Codices) und Incunabeln reich zu
maden, fo muß man, bejonders nad erfteren,
vorzüglich im Klöftern von Ländern, die noch nicht
genug durchſucht find, wie 3. B. des Orients,
Nachforſchungen anftellen, oder fih nad dem Ver—
faufe alter Ben von aufgebobenen Klöftern u.
Bat. umfehen. Bücher vom Jahre 1500 bis zu
den letten Jahrzehenden erlangt man am beften
von Antiguaren oder in Auctionen, C) Das Yocal
einer B. muß gebörigen Raum für die Biicher
haben, troden, bell u. gleichförmig erleuchtet, je-
doch die Bücher gegen die Sonnenftrablen geſchützt,
möglichit gegen Feuersgefahr gefihert u. mit be-
auemen Vorrichtungen zu Arbeiten in der B. od.
doch in anftogenden heizbaren Zimmern verjeben
ſein. Man hält gewöhnlich ein vundes, oben mit
einer Kuppel oder mit einem gläfernen Dache verr
jebenes Gebäude für befonders geeignet. Indeſſen
bat auch ein derartiges Oberlicht feine großen
Mängel, weil e8 gegen Hitze feinen Schub ge—
währt, feuchte Niederichläge befördert u. doch eine
gleichmäßige Verteilung des Lichtes nicht in dem
Maße geitattet, daß die Büchergeſtelle in allen
Theilen entiprechend erhellt wären. Zwedmäßiger
ift jedenfalls ein hoher, eingemwölbter Raum, wel—
her jein Licht von den Seiten empfängt. Das
Gewölbe ſchützt gegen die Sonnenhitze u. befeitigt
namentlich bei Feuersbrünſten die Gefahr, welche
durch fliegende, das Dach treffende Feuerfunken
entfteht. Die Fenſter, welche von der Sonne be»
rührt werden, find mit beweglichen Borhängen zu
verfeben. Die VBüchergeftelle müſſen eine dem
format der Bücher entiprechende Tiefe haben;
wenn es thunlich ift, fett man die Bücher vom
größten Format in befonders tief gebaute Geftelle,
während für die übrigen Folianten u, Heineren
Formate eine Durchichnittstiefe berechnet wird,
Die Biichergeftelle werden am beiten jo einge»
richtet, daß die Horizontalbretter, auf welchen die
Bücher fteben, beweglich find, Es muß eine Bor-
richtung getroffen werden, daß Diele Bretter je
nah der Höhe der einzuftellenden Bücher böber
oder tiefer eingelegt werden können. Man bat
dafür fog. Zahnleiften an den Rändern der Ber:
ticalwände angebracht, im welche die Horizontal-
bretter mittel® eines Einschnitte eingriffen, ine
3067
dem fie Durch 2 untergeichobene Leiſtchen geſtützt
wurden. Dieſe mübjelige u. unpraktiſche Eiuricht—
ung ift fo unzulänglich, daß man oft auf die Be—
weglichleit der Schäfte verzichtete u. dieſelben be:
feftigte, wobei eine empfindliche Raumverſchwend—
ung unvermeidlich tft. Diejen Übelftänden iſt man
zuerft im Britiihen Muſeum durch das von Pa-
nizzi erfundene Syſtem der Stellftifte erfolg«
reich begegnet. Der Stellitiit beiteht aus einem
cplindriichen,, eigentlichen Stiftjtüde, welches in
die Verticalwand eingeftedt ift, u. einem Träger,
auf dem das Horizontalbrett ruht. Zum Einſtecken
des Stiftes find in den Berticalmänden Löcher mit
genau berechneten Diftanzen angebradt. Die
leichte Verſetzbarkeit der Bretter läßt michts zu
wünſchen übrig. Diefes Syſtem ift in Paris an-
genommen u. der Stellftift vervolllommmet wor:
den. In Deutichland bat derielbe zuerſt zu Karls—
rube Anwendung gefunden. D) rüber ordnete
man die Büher nah dem Format, ſpäter ent—
weder nach dem Alphabet, oder nach Wiffenichaften;
jetst ift die leßtere Anordnung auf den metiten
öffentlihen B-en eingeführt. Danach find zunächſt
die Bücher verjchiedener Wiſſenſchaften von ein»
ander getrennt aufgeftellt; von denen aber, welche
zu derjelben Wiffenichaft gehören, werden diejeni-
gen vorangeftellt, welche von der Einleitung oder
ven der Geſchichte der bezüglihen Wiſſenſchaft
handeln, dann kommt die Yıteratur der einzelnen
Fächer, wie fie fih aus dem allgemeinen Begriffe
derjelben entwidelt; die einzelnen Bücher werden
in chronologiſcher, Hiftorifcher oder in einer Durch
praftijhe Bedürfniffe beftimmten Folge geordnet.
Bei dem Aufftellen werden die Bücher aber auch
noch nad ihrem Format in 2 oder mehr Ab»
theilungen gejondert: nämlich in Folianten und
Quartanten, Octavbände, Duodezbände, u. dieſe
in die verſchieden hohen Nepofitorien iiber ein-
ander, und zwar unter fi in der angegebenen
Ordnung eingejtellt. Neben diejer äußerlichen
Aufitellung gebt noch eine ſchriftliche, d. h. die
Katalogıfirung der Bücher. Jede B. braucht
wentgitend zwei, große fogar drei Kataloge:
a) Wealfatalog, in welchem alle Schriften nad
dem Inhalte, in ſyſtematiſcher Ordnung aufge—
führt find; derſelbe enthält den vollitändigen
Namen des Verfaſſers, des Drudortes u. Ver—
legers, den Zitel der Schrift, oft auch die Sei-
tenzabl des Buches (die der Vorrede und des
Terte8 gejondert), ferner Format und Angabe
etwaiger Illuſtrationen u. dal.; bei Anonymen u.
Pſeudonymen wird der Name des Berfafiers,
wenn u, ſoweit er bekannt ift, beigefügt, beziehent-
ih dem angenommenen in Harenthefe beige»
ſchloſſen; b) Nominalfatalog, ein alphabetiiches
Verzeichniß der Bücher nach den Namen der Ber-
faffer, u. e) ein Yocalfatalog, worin die Stand»
pläge der Bücher in der B. angegeben jind,
Außerdem werden Die geordneten Bücher fiqnirt,
wobei einige eine durch die ganze Sammlung lau-
fende Numerirung anwenden, od. eine Nummern-
reihe duch die ſämmtl. Abtheilungen einer Wiffen-
ſchaft beibebalten; oder endlich Die Hauptabtheil«
ungen jeder wiſſenſchaftlichen Disciplin durch bes
fondere, d. h. mit den übrigen nicht zufammenbäns
gende Zahlen numeriren. Eine Schwierigleit des
368
Bibliothek,
Signirens entfteht bei dem Nachanſchaffen von fchaftlihen u. belletriftiichen Werte von Werth an
Büchern; gewöhnlich werben aber dann für die neu |gelauft werben fönnen. Die meiften find barauf
binzugelommenen Bücher hinter der Nummer bes
Buches, womit das neue gleihen Inhaltes if,
noch Heine lateinische Buchftaben hinzugefügt. Ubri-
gens fiehe Bibliographie. E) Die Berwaltung
einer geordneten B. erftredt ſich hauptſächlich auf
Folgendes: 1) Die Bücherſammlung muß in einem
guten Zuftande erhalten werben, was befonders
durch jorgfältige Reinhaltung u. Lüftung ber
Biicherfäle, Durch periodiiches Abftäuben der Bücher
u. duch Putzen der Fußböden, Wände u. Fenfter
in fänmtfihen zur B. gehörigen Räumlichkeiten
erzielt wird. 2) Der Anhalt der Sammlung muß
allgemein nugbar gemacht werden. Dies geichieht,
indem man die Bilcher entweder in den Räum-
lichkeiten der B. vom Bublicum benugen läßi, od.
indem man fie ausleiht. Wo ein großes Auffichts-
perfonal vorhanden ift, fann man dem Publicum
den Zutritt in die Bücherſäle felbft geftatten, je-
doch ift es nicht rathſam, das Herausnehmen von
Werfen aus ihrem Geftelle dur andere Berfonen
als dur B-beamte zu erlauben. Nod weniger
farın das Cinftellen gebraudter Bücher einem
Nihtbeamten anvertraut werben. Übrigens ift
e3 in großen B-en mur felten noch üblih, die
Bücherräume zugleih als Leje- oder Studienfäle
zu benugen; vielmehr ſucht man in der Nähe der
Bücherräume ein Lejezimmer einzurichten, in wel-
chem den Beſuchern der Anftalt Werte auf Ber-
langen vorgelegt werden, ferner eine Hand-B. der
nothinenbigen Nadhichlagebücher beftändig aufge⸗
ftellt ift u. die neu erſcheinenden Zeitſchriften zur
Einfihtnahme bereitliegen. Geftattet die B-Ber-
mwaltung die Benutung der Bücher ſowol im
Lefezimmer, als durch Ausleihen, jo muß ein be-
fonderes Ausleihezimmer eingerichtet werden, ba
im Leſeſaal alles Spreden u. überhaupt jedes
vermeidbare Geräufch verboten fein muß. Mufter
eines Lejefaals ift der Reading Room des Bri-
tiihen Mufeums (vgl. A list of the books of re-
ference in the Reading Room of the British Mu-
seum, 1859, mit einem Plan). Über die auszu⸗
leihenden Bücher ſtellt der Entleiher eine Em—
pfangsbeſcheinigung aus, und dieſe iſt in eine
(am beſten nad alphabetiſchen Gruppen einge
theilte) Lifte der ausgeliehenen Werke einzutragen.
Bill man fih das Führen der Lifte erjparen, fo
fann man Duplicate der Empfangsbefcheinigungen
ausftellen laſſen u. lettere alphabetiich nad dem
Stihmworte der ausgeliehenen Werte ordnen, wäh-
rend die anderen Seine nah dem Namen des
Entleihers zufammengelegt werden. Es ift ftatu-
tarisch feftzuftellen, wer das Recht der Benutzung
hat, wie viele Bände an eine Perfon abgegeben
u. welche Bücher nicht ausgeliehen werden. 8) Jede
B., welche rechten Nutzen bringen fol, muß einen
Fonds haben, dur welchen neu erjcheinende Werte
regelmäßig angelchafft werden können. Die ratio:
nelle Bervolffiändigung u. Fortführung einer Bü-
herfammlung ift der ſchwierigſte Theil der Ber-
maltung ; denn es ift hierzu eine gründliche Fite-
raturfenntniß u. ein bejonberes Geſchick in der
Verwendung u. Vertheilung der Gelbmittel erfor-
derlih. Es
fo reichliche
angewiefen, eine beſchränkte Auswahl zu trefien.
ier muß num der Zweck der betreffenden B. bie
ichtſchnur bilden. Univerfitäts-B-en find fah alle
auf ausfchlieglich wiffenjchaftliche Werte angemiefen,
Saats-Bsen meift auf Werke wiffenjchaftlihen u.
praftiihen (politiihen, abminiftrativen) Juhaltes,
Bolls- u. Leih-B-en pflegen die Unterhaltungs
literatur, Jugendſchriften. Die Verwaltung wird
geführt von Bibfiothefaren, an deren Spike in
großen B-en ein Director oder Oberbibliothelar
ſteht. Bei größerem Perfonal unterſcheidet man
neben den Bibliothefaren noch B.-Secretäre, Cu:
ftoden, Affiftenten; die untergeordneten Arbeiten
beforgen Bibliothefdiener. In Corporations-B-en
ift die Verwaltung oft getheilt, indem ein Ber-
waltungsrath oder eine B.Commiſſion über ben
Fonds u, die Ankäufe enticheidet, während ber
technifche Theil der Abminiftration den Bibliothe⸗
faren überlaffen bleibt. Wo keine befonderen Ber-
mögensvermwalter vorhanden find, da ift eine der⸗
artige Theilung von Nugen; nur ift e8 rathjam,
auch die Biücherfäufe in der Haud von liierariih
geihulten Bibliothefaren zu belaffen. In Bezug
auf die Univerfitäts-VB»en iſt neuerdings die Frage
eifrig verhandelt worden, ob die Verwaltung ber»
jelben mit einer Profeffur combinirt, ob eine aus
Profefforen beftehende Commiffion beigegeben, od.
ob ein jelbftändiger Director angeftellt merden
jolle. Obgleich der ‚öffentliche Meinungsaustauſch
über dieſe Frage noch nicht abgejchlofien iſt, fo
haben fih doch nicht nur Sächverſtändige zu
Gunften eines jelbftändigen Divectoriums ausge-
Iprochen, ſondern es haben aud) die Regierungen
Preußens (in Breslau, Königsberg, Straßburg),
Bayerns (in Würzburg), Badens (in Freiburg,
Heidelberg), Sadjen-Weimars (in Jena) felbftän-
dige O:berbibliothefare an Univerfitäten angeitellt.
Theils durch bibliothefwiffenjchaftliche Schriftftellerei,
theils durch praftiiche Verwaltung haben fi in
der neueften Zeit — Petzholdt, Förſte⸗
mann in Dresden, Naumann in Leipzig, Klette
in Jena (früher in Bonn), Halm in Münden,
Ritſchl (früher in Bonn Oberbibliothelar), Hafe,
Lenormant in Paris, Du Nieu in Legden, Panizzi
in London am Brit. Mufeum u. a.
U. Geſchichte u. Statiftil der®-en. A. Die
B-en waren urfprünglich identijch mit den Archiven,
wie deren ſchon früh im Alterthum bei den hei-
ligften Tempeln angelegt wurden. So mögen bie
Been im Tempel des Velos zu Babylon, fowie
die don Nehemia angelegte, von Judas Malta
bäos wiederbergeftellte B. in Tempel zu Jeru⸗
jalem beichaffen geweſen fein. Die ältefte mit
Abfiht angelegte B. foll König Ofymandyas zu
Memphis in Agypten begründet haben. Zahl
reich aufgefundene Papyrusrollen zeugen von dem
Beftande ägyptifcher Bren. Auch erzählen bie
Alten von einer Bibliothet der perfiihen Könige
ee Die mit Keilinjchriften befchriebenen
Zafeln, melde man zu Ninive gefunden hat,
ftellen ebenfalls eine B. dar. In Griechenland
legte angeblich zuerft Pififtratos eine Bibliothel
— nur ſehr wenige B⸗en, welche zu Athen an, die von Zerres nad Aſien geführt,
elbmittel befigen, daß alle mwiffen- von Seleufos Nilator jedoh an Athen zurildge
Bibliothek.
geben worden fein foll. Gleichzeitig wird Poly»
frates, Tyrann von Samos, als Gründer einer
B. genannt. Anfehnlihe Bücherfanmlungen fol-
len Euflides, Euripides, vor Allen Arıftoteles
befeffen haben. Das großartigfte Inſtitut der Art
war jedoch die von den Ptolemäern begründete Aler-
andriniſche B. (f. d.). Mit „diefer metteiferte
die von Attalos I. begründete B. zu Pergamon
in Kleinafien, welche fid bis auf Antonius erhielt,
der fie, 200,000 Rollen ftarl, an Kleopatra jchentte.
369
claſſiſcher Handfchriften der Zerftörung anheim-
fiel, indem die Schriften zur Gemwinnung von
Pergament für kirchliche Scripturen abgeſchabt
oder in anderer Weiſe vernichtet wurden. Im
Byzantiniſchen Weiche finden fi mährend des
Mittelalters faſt nur Privatbibliothelen erwähnt,
wie die des Photios, Michael Pſellos ꝛc. Doch
wurden durch Bafılios Maledon und die Kom—
nenen mehrere Bibliothefen angelegt, bejonders
auf den Inſeln des Archipelagos und auf dem
In Rom mögen größere Bücherfammlungen ſelbſt Berge Athos (f. d.). Die Araber Hingegen be⸗
von Privaten erft nach dem zweiten Puniſchen
Kriege angelegt worden fein. Dergleihen wurden
von Amilius Paulus aus Makedonien u, von
Lucullus aus Kleinafien nah Rom gebradt. Dit
dem Sinne für Wiſſenſchaft wuchs auch der Sinn
für B-en; Varro, Atticus, Cicero u. U. waren
eifrige Sammler, Unter Auguftus gehörte es
bereits zum guten Tone, eine B. im Haufe zu
haben. Die erfte öffentliche B. verdanfte Rom dem
Afınius Bollio, da Eäfar durch den Tod an der
Begründung einer großen B., mit deren Samm-
lung er Barro beauftragt hatte, verhindert worden
war. Diefer folgten die Palatina u. Octaviana
des Auguftus, ſowie mehrere andere, von denen
jedoch einige durch den Brand der Stadt unter
Nero zu Grunde gingen. Am berühmteften wurde
hierauf die Bibliotheca Ulpis, von Trajanus be-
gründet u. Später in die Thermen des Diocletianus
verlegt. Publius Bictor zählte im 4. Jahrh. zu
Rom 28 Ben, ungerechnet mehrere ſehr beden-
tende Privatſammlungen. Der Dichter Seremus
Samonicus vermadte feinem Schüler Gordianus
d. F. eine 62,000 Rollen ſtarke Sammlung.
Gegen Ende des 1. Jahrh. befaßen der Dichter
Eilins Italicus u, Plinius der Jüngere bedeu-
tende Privat-B-en. Alle dieſe Schatze fanden
dur die Stürme der Böllerwanderung oder den
fanatifhen Eifer der Ehriften u. die firdhlichen
Parteien ihren Untergang. So war namentlich
die berübmtefte B. der alten Welt, die von Aler-
andrien, ſchon fehr reducirt, ehe fie den Moham⸗
medanern in die Hände fiel. Die von Julianus
zu Gonftantinopel begründete öffentlihe B.
(von 120,000 Rollen) wurde unter Baſilislos
472 von den Bürgern angezündet. Der Bilder-
ſtürmer Leo der Iſaurier (726) zerftreute ver-
fhiedene Ben. Sonſt werden aus ben erften
chriſtlichen Jahrhunderten die B-en zu Cäſarea,
welche Eufebios jehr vermehrte, u. die zu Hippo
in Afrika, welcher Auguftinus feine Bücher ver-
machte, genannt. Im Occident waren es na-
menilich die Benedictiner, welche Been in ihren
Klöſtern ſammelten; berühmt waren die B⸗en zu
Monte Eaffino, zu Canterbury, York u. Bobbio.
Seit dem 8. Jahrhundert wurden in vielen Klö-
fiern B-en angelegt. Es entftanden größere
en. zu Hirſau, Reichenau,
egensburg, bejonders aber zu Korvey u. Fulda
in Deutſchland, zu Tours, zu Ferridres, zu St.
Germain de Prös und zu Parıs im Frankreich.
Seit der Mitte des 9. Jahrh. zeichnete fi vor
Allem St. Ballen aus. Anderſeits iſt es be-
kannt, daß in den Klöftern die Abichreiber von
Handſchriften fih zumeilen milltürlihe Underun-
gen in ihrem Sinne erlaubten, daß eine Menge
BVierers Univerfal-Eonverfationd:2eriton. II. Band. 6. Aufl.
faßen mehrere große B-eu, wie zu Bagdad,
Alerandria xc.; in Spanien allein zählte man int
12. Jahrhundert 70 öffentlihe B-en, von denen
die zu Cordova 250,000 Bände enthalten ha—
ben. fol. Mit dem Wiederaufleben der clajfi»
hen Studien ging auch die Bildung größerer
Bibliothefen Hand ın Hand; Petrarca, Boccaccio
u. A. waren eifrige Sammler. Dazu famen die
B-en der entftehenden Univerfitäten, die nebjt denen
der Fürſten bald den erften Hang einnahmen. Unter
den fürſtlichen Sammlern find bei. die Mediceer
zu Florenz, Matthias Corvinus von Ungarn u.
Papft Nilolaus V. hervorzuheben. Mit Erfind-
ung der Buchdruderkunft endlich beginnt eine neue
Epode für die Bren, da das Sammeln leichter
u. mit weniger Koſten von Statten ging. Durch
die Aufhebung vieler Klöfter, zunächſt infolge
der Heformation, wurden die verfchiedenen Heinen
Bücherſchätze derjelben zu größeren Sammlungen
bei den liniverfitäten, in den Städten u. den He»
gentenfigen vereinigt. Die meiften der jet in
Europa beftehenden B-en wurden bereits im 16.
u. 17. Jahrh. begründet, Bgl. Petit Nadel,
Becherches sur les bibliothöques anciennes et
modernes, Paris 1819; Bailly, Notes histori-
ques sur les bibliotheqnes anciennes et moder-
nes, ebd. 1823; Vogel, Literatur früherer u. noch
beftehender Bibliotheken, Lpz. 1840; E. Edwards,
Memoirs of libraries, with handbook, Lond.
1859; Libraries and founders of libraries, ebd.
1865; Free Town libraries, ebd. 1869; Pep-
holdt, Handbuh deutſcher Ben, Halle 1853;
Adreßbüch deuticher Ben, 3. A., Dresd. 1848,
neu berausgeg., ebd. 1874. B. Die bedeutendften
u. reichhaltigften B-en, welche gegenwärtig be-
ftehen, find folgende: a) Ju ——— vor
Allem die Bibliotheque nationale zu Paris, die
reichte B. Europas, in 4 Departements (Druds
werte, Handjriften u. Urkunden, Medaillen u.
Antiken, Kupferitihe, Karten u. Pläne) getheilt,
umfaßt nahezu 2,078,000 Bde,, darunter 441,836
Bde. über franzöf. Geſchichte, 199,499 Bde. Theo»
logie, ferner über 86,000 Bde. Handichriften,
darunter allein 19,800 lateinische, über 1 Mill,
Urkunden u. andere hiftorifche Documente, 100,000
Münzen u. Medaillen, 7000 geſchnittene Steine,
3000 Antiten, 1,200,000 Kupferftihe (in 6000
Portefenilles) u. 50,000 Landlarten. Seit 1854
erſcheint ein vollftändiger Katalog der gedrudten
Bücher. Sonft find nody bedeutend die Bibliothöque
Mazarine (150,000 Bbe., 4000 Handicriften), die
B. d’Arsenal (180,000 Bbe., 6300 Handſchriften);
die B. Sainte-Genevieve (250,000 Bde., 30,000
Handidhriften); die B. de l’Institut (über 80,000
Bbe.); die B. de la Ville (etwa 50,000 Bbe.).
24
370 Bibliothek,
Außerdem befiten ſämmtliche höhere Lehranftalten, ;Klöfter in Italien noch ſehr anſehnliche Been.
die Minifterien u. mehrere Gelehrte Geiellihaftenif) In Deutfhland und Deutich - Ofterreih
zum Theil ſehr anfehnliche Bsen. Die bedeutend» |finden fi verhältnigmäßig bie meiften Ben;
ften unter den Departementsbibliothefen find die]fie find Eigenthum theils der verſchiedenen Staa-
von Lyon (117,000 Bde., 1300 Handidhriften),
Bordeaur (110,000 Bde., 150 Handichriften), Air
(100,000 Bde., 1100 Hanbfchriften), Marjeille
(50,000 Bde., 1300 Handſchriften), Rouen(111,000
Bde., 1100 zum Theil höchſt werthvolle Hand-
fchriften), Grenoble (54,000 Bde., 1200 Hand⸗
orten) Aimiens (42,000 Bde., 1500 Handichriften),
Berfailles (42,000 Bde.), Cambray (30,000 Bbe,,
1000 Handſchriften), Bejangen (60,000 Bde., viele
ute Handidriften), fe Mans (41,000 Bde., 7000
Santihriften), Montpellier (Stadt-B. 40,000 Bde.,
Medicinifche Facultät 30,000 Bde., 600 Hand»
jchriften, Musde Fabre 25,000 Bde.), Zouloufe
(30,000 Bde., mehrere gute Handſchriften) zc.
Ein Theil derjelben Hat im neuefter Zeit gute
gedrudte Kataloge erhalten. b) In England
nähft dem Britiihen Mufeum (f. d.) die Biblio-
theca Bodleyana oder Univerfitäts-B, zu Orford
(gegen 300,000 Bde., 22,000 Handicriften).
Ebendafelbft finden ſich noch die Radcliffeſche (meift
mediciniſch u. naturwiſſeuſchaftlich) u. die Biblio-
thefen der 24 Collegien der Univerfität. Sonft
find noch hervorzuheben: die Univerfitäts-®. zu
Cambridge (über 170,000 Bde., 4000 Handſchrif-
ten), die Advocates Library zu Edinburgh (die
Univerfitäts-B. dafelbft zählt 100,000 Be.) u.
die B. des Trinity College zu Dublin. c) Zn
Spanien, wo die B-en fehr vernachläffigt find,
ten, theil® größerer Stabtgemeinden, theils der
verjhiedenen Univerſitäten und anderer höheren
Lehranftalten, theils Gelehrter Gefellichaften,
theils endlich einzelner Klöfter, Kirchen umd
Stiftungen. Die bänderreichſte ift die Königliche
B. zu Münden (800,000 Bde., über 24,000
Handſchriften); nach diefer find zu nennen die
Königliche B. zu Berlin (700,000 Bände, mehr
als 15,000 Handſchriften, unter denen werthvolle
orientalifhe), die Kaiferlihe B. zu Wien (400,000
Bde., außer 6461 Incunabein 20,000 Hand-
Ihriften), die Königlichen B-en zu Dresden (500,000
Drud-, über 4000 Handſchriften, 400,000 Differ-
tationen, 30,000 Karten), Stuttgart (300,000
Bode., 3700 Handfriften) u. Hannover (170,000
Bde., 3000 Handſchriften), die Großherzoglide B.
zu Weimar (170,000 Bde., 2000 Handichriften),
die Herzoglihden B-en zu Wolfenbüttel (250,000
Bde., 8000 Handfhriften) u. zu Gotha (238,000
Bde., darunter 6000 Handidriften), die Hof-B-en
zu Staffel (130,000 Bde., 1400 Handſchriften),
zu Karlsruhe (123,000 Bde., 2000 Handichriften),
zu Darmftadt (380,000 Bde., 3000 Handfchriften),
zu Bamberg die Könige. B. (120,000 Bbe.,
3200 Handſchriften). Unter den Univerfitäts-B»en
nimmt die Göttinger (400,000 Bde., 5000 Hand»
Schriften) die erfte Stelle ein; bedeutende Bücdher-
Ihäte enthalten aber auch die Univerfitäts.B-en
finden fih wur wenige größere Bücherfanmmlungen, |zu Heidelberg, die Palatina (300,000 Bde., 3000
darunter: die B. im Escurial (40,000 Bde., Handſchriften), zu Leipzig (350,000 Bde., über
5000 Handicriften); unter den 9 Ben Madrids)4000 Handigriften), Prag (148,200 Bde., 5800
die Königlihe B. (200,000 Bde.); unter den 5/Handicriften), Wien (211,200 Bde.), Erlangen
B⸗en Barcelonas dieB. zu S. Domingo (30,000
Bde.), die Univerfitäts-B. zu Salamanca, die
Golombina zu Sevilla (20,000 Bde.), die Erz.
(120,000 Bde., 500 Handichriften) u. Breslau
(340,000 Bde.), Bonn u. Jena (je 180,000 Bbe.).
Wichtig find die Stadt-B-en zu Hamburg (300,000
bifhöflihe B. (30,000 Be. u. 125 Manuifcripte)| Bde., 5000 Handfchriften), Frankfurt a. M. (150,000
u. die Dom-B. zu Toledo (200,000 Bde.) , end-
lich die B. zu Valencia (20,000 Bde., 211 Hand»
ſchriften). d) In Bortugal find nur die König-
liche B. zu Liffabon (80,000 Bde.) u, einige
Klofter-B-en dafelbft, fowie die Univerfitäts-B. zu
Coimbra beachtenswerth. e) In Ftalien find
bei. wegen ihrer koftbaren handſchriftlichen Schätse
bervorzubeben: zu Nom: die VBaticana (30,006
Bde., 25,000 Handſchriften), die Caſanatenſe (über
200,000 Bde., 3000 Handſchriften), die Aleffan-
drina in der Univerfität (etwa 78,000 Bde.), die
Angelica (150,000 Bde. 3000 Handihr.), Bar-
beriana im Palazzo Barberini (60,000 Bde.,
10,000 Handihriften); ferner die Ambrofiana zu
Mailand (140,000 Bde., 15,000 Handſchriften);
die Magliabecchiſche B. zu Florenz (100,000 Bde.,
7000 Handſchriften) wurde 1862 mit der Biblio-
teca Palatina zur B. Nazionale vereinigt u. die
Bändezahl auf 214,600 gebracht; die National-B,
zu Neapel (144,000 Bde., 5600 Handidriften),
die S.:-Marco-B. in Benedig (110,000 Bände,
10,000 Handichriften); ferner die Ben zu Bologna
(Univerfitäts-B. 132,000 Bde., 4100 Hanbicrif-
ten) u. zu Turin (Univerfitäts-B. 221,000 Bde., zu Utrecht.
4000 Handichriften). Außerdem haben die ver
Bde.), Leipzig (100,000 Bde., 1500 Handjchriften),
Nürnberg (60,000 Bde., 1000 Handfchriften) u.
Dlainz (110,000 Bde., 800 Handidriften). Bon
anderen B-en dürfte noch die B. des Germani-
ihen Muſeums (f. d.) zu Nirnberg zu nennen
fein. g) Auch die Schweiz zählt viele, wenn
auch weniger bändereiche B-en: am bedentenditen
ift die Stadt-B, zu Zürich (100,000 Bde., darun-
ter 3000 Handſchriften), zu Bern (75,300 Bde.
4200 Handichriften) u. zu Genf (81,000 Bbe.),
die Univerfitäts:B, zu Bajel (100,000 Bde., 1500
andicriften), die Stifts-B. zu St. Gallen (40,000
de,, 2000 Handjchriften), die Stabtbibliothel
ebendaielbft (gegen 38,000 Bde. und etwa 500
rer u ferner zu Luzern, Solothurn, Ein-
tedeln, Lauſanne, Schaffhaufen u. a. h) Ju
Belgien ift die erft feit 35 Jahren begründete
National-B,. zu Brüffel (über 205,000 Bde.,
19,700 Handſchriften), nächſt diefer die B. zu
Gent, Lüttich und Löwen hervorzuheben. i) In
den Niederlanden befinden fich größere B-en
im Haag (100,000 Bde.), zu enden (jehr werth⸗
voll, iiber 60,000 Bde., 10,000 Handſchriften) u.
k) In Dänemark gehört die Königl.
. zu Kopenhagen (über 410,000 Bde., 5000
ſchiedenen Fürftenfige, mehrere Univerfitäten u. Handſchriften), neben welcher die Univerfitäts-®.
Bibliothek.
371
(120,000 Bde. u. viele, bef. altnordifche u. werth- United States of North-America, Waſh. 1851;
volle orientalifhe Handſchriften) beftebt, zu den Norton, Library Begister, New-Yort 1852 f.
bedeutendſten Europas. Kleinere Ben befinden
fih auch zu Thorshaun auf dem Faröer (3000
Bde.) u. zu Reiljawil anf Jsland (7000 Bde.).
1) In Norwegen if die Univerfitäts-.B. zu
Ehriftiania (80,000 Bde.) die bedeutendfte. m) In
Schweden die Königl, B. (über 50,000 Bde.,
5000 Handichriften) u. die B. der Afademie (20,000
Boe.) zu Stocholm, die liniverfitäts-B-en zu
Lund (50,000 Bde.) u. Upfala (135,000 Bde.).
n) Rußland befigt im der Kaiferlichen B. zu
Petersburg (600,000 Bbde., 22,000 Handſchriften)
eine B. erften Ranges; neben derjelben beftehen
noch zu Petersburg die B. der Alademie (110,000
Bde.), die der Univerfität (30,000 Bde., mit einem
ungemein reihen Schage oftafiatiicher Handfchrif-
ten u. Drude), die in der Eremitage (90,000 Bde.)
u. die B. des Romanzowſchen Diufenms (35,000
Bre., 800 Haudſchriften). Sonft find noch die
Univerfität3-B-en zu Dorpat (65,000 Bde.), Hel-
fingford (60,000 Bde.), Kaſan (35,000 Bbe.),
Chartow (36,000 Bde.), Mostau (70,000 Bde.
im eigentlihen Rußland u. die Kaiferlihe B. zu
Warſchau (90,000 Bde., 1500 Handſchriften) in
Polen zu nennen. Hierzu fommen 0) in Gali—
zien, Ungarn u. Siebenbürgen die Been zu
Kralau (Üniv.B. 140,000 Be, 5550 Hand»
r) Zn Mittel- u. SAmerila finden ſich bie
bedeutendften B-en zu Havafia, Merico, Lima,
Santiago u.Rio de Faneiro (100,000 Bde.), man
hätt die Bändezahl in den Ben Brafiliens auf
340,000. In allen Gebieten Aliens, Afrikas
u. Yuftraliens, wo fi Europäer in größerer
Zahl angefiedelt haben, find aud Ben im Ent»
fteben begriffen. So in Algier u. in der Capftadt
in Afrika, zu Calcutta, Bombay, Madras, Bata»
via im Afien, zu Sidney, Hobarttown u. Melr
bourne (feit 1856) inAuftralien. DieChinejen be-
fipen außer der großen faijerlihen B. zu Peding
noch jehr viele bänderreihe Ben, bej. in ben
Tempeln und Möftern; ebenjo Japan und Tibet,
In Indien find mit den Hindutempeln meift B»en
verbunden; fehr reich ift die B. des ehemaligen
Königs von Audh zu Lucknow. Reiche B-en ſollen
ih zu Samarkand u. Bolhara befinden. Von
den verſchiedenen B⸗en Eonftantinopels zählt keine
mehr als 3000 Bde., wie fih auch in Vorder—
Aſien bändereihe Ben gar nicht zu finden
iheinen. Bgl. Edwards, Statistical view of
the prineipal public libraries of Europe and
America, Lond. 1848; Statistica del Regno
d’Italia, Biblioteche, anno 1863. In ber lett«
genannten Schrift ift folgende Berechnung aufe
Schriften), Lemberg (DOffolinsfifhe National-B. | geftellt (1863):
61,800 Drud-, 1900 Handſchriften, Univ.-B.
55,000 Bde. Drud., 370 Bde. gan
das Ungarifhe Nationalmufeum zu Peſt (200,000
Bde., 14,000 Handfdhriften), die Univ.B. daſelbſt
(120,000 Bbe., 1600 Handſchriften) u. das aus
dem Nachlaſſe des Grafen Kemeny zu begründende
Nationalmufenm zu Hermannftadt. p) In Grie-
henland ift die 1834 begründete Univerfitäts-B,
zu Athen (gegem 100,000 Bde.). q) Sehr groß
ıft bereits die Anzahl der B-en inNordamerifa,
Bänbezabl auf
Bande gahl
der Dibliothefen. je
100 Einwohner.
Stalin . . . 4,149,281 19,5
Frantreich. 4,389,000 ii,
— 2,408,000 6%
Preußen 2,040,450 11;
Bayern . . 1,268,500 26,
Großbritannien 1,771,493 6,
Rußland 852,090 la
Belgien 509,100 10,
da nicht nur jeder Staat eine B. anlegt, fondern| Die größte Büchermenge war damals ſchon in
auch jede höhere Lehranftalt u. viele, zum Theil
eigens zu diefem Zwecke zufammengetretene Ge-
fellichaften u. Vereine. Doch find es vorerfi
nur wenige, welche fi in Bezug auf Bändezahl
mit den europäiihen B-en zweiten Ranges mej-
fen fönnten. Dbenan fteht die B. der Frese
Univerfität zu Cambridge (über 140,000 Bbe.,
dazu noch die theologiſche mit 3600, die mebdici«
niſche mit 1600 u. die jurifliihe B. mit 14,000
Bden.). Die Stadt New-Hork befitt allein 19
größere B-en, darunter find die Astor Library
(140,000), dann die Society L. (36,000), die
Mercantile L. (64,000), die der Historical Society
(25,000 Bde.) die bedentenditen u. werthvollften.
Faſt ebenjo viele B-em befitt Philadelphia; darım«
ter die der Library Company (80,000), ber
Philosophical Society (20,000) u. der Academy
of Natural Sciences (15,000 Bde.) am bebeu-
tendftien. In Bofton ift die B. bes Athenäums
(80,000), in Providence die der Bromn-lniverfität
(32,000), zu Albany bie State Library (64,000),
zu Worcefter die der — Society (22,000),
zu New- Haven die des
Paris concentrirt,. Übrigens ift die Statiftif der
Ben jehr mangelhaft. Obige Berehnung kann
nur als ein unvollftändiger Schätzungsverſuch
gelten; außerdem haben ſich die Zahlen bis 1875
natürlich jehr gefleigert. Einen beachtenswerthen
Aufſchwung nehmen in der meueren Zeit bie
Boltsbibliothefen, welche für die Lectüre der mitt
leren u. unteren Stände, beſonders aud der Fur
gend, forgen. Vgl. Preuster, Über öffentliche,
Bereind- u. Privat-B-en u. SRATRINIGEN, Leipzig
1839 f. rambadı.*
Bibliothef (ar. Bibliotheks, fat. Bibliotheca,
ipan. u. ital, Biblioteca, fr. Bibliothöque), 1) Wert,
in weldem entweder a) von Schriftſtellern u.
deren Werfen, auch wol bloß von Schriften, aber
immer in einer eigenen Beziehung oder nad) ge»
gebenen Gefihtspunkten Nachricht ertheilt wird;
oder b) Schriften, die ihrem Urfprunge, ihrem In⸗
halte, oder ihrer Beſtimmung nad) einen Bezug
auf einander haben, zufammengeftellt find; oder
e) in welchem Sachlenntniſſe leritographiich ober
in foftematifcher Form, auch wol ohne Syftematif
ale College (25,000), |zufammengeftellt werden. Schen Apollodoros von
die B. des Gongrefies (83,000) u. der Smith-| Athen ſchrieb im erfterer Art eine Mythologiſche
sonian Institution (30,000 Bde.) zu BWafhington.|B. u. Diodoros dv. Sicilien eine Hiftorifhe B.;
Bgl. Jewett, Beport on the libraries in thelPhotios im 9. Jahrh. lieferte auf gleiche Weiſe
24°
372 Bibliothefar — Bibliſche Geſchichte.
einen Auszug von —— die er ſelbſt gelefenjbibl. Bücher handeln u. in denen fie geſchrieben
hatte (B. oder Myriobiblion). In neuerer Zeit|find, zur Kennmiß bringt. Duellen diefer Wiffen-
gab zuerft K. Gesner in einer B. universalis, ſchaft find vorzugsweiſe: die Bibel, Joſephos,
Zürich 1545, dazu Pandectae, 2 Thle., u. Appendix, |Philon, der Zalmud, die Nabbinen, die Beichreib-
1548—55, Yol., eine Überficht der bis dahin be- ungen neuerer Reifen in das Heilige Land u. im
tannten griechiſchen u. lateiniichen Werfe herous.Ineuerer Zeit auch die affyriichen und ägyptiſchen
Bon diefer Zeit an wurde B. in dem Sinne von| Denkmäler, Der zumähft auf Gottesdienft und
2) Bücherverzeihniß u. Notizen von älteren oder|Berfaffung der Hebräer (von Goodwin, Spencer,
neueren Büchern allgemein, u. es erichienen zahl-| Fund, Reland) beichränkten Behandlung dieſer
reihe Ben für die ganze Wiſſenſchaft u. für ein] Wiljenfhaft folgten umfichtigere Bearbeitungen der
* Zweige derſelben; vgl. Bibliographie. Auchhebräiſchen Alterthümer von Faber,
) mehrere Zeitſchriften
u. Zeitſchriften.
Bibliothekar, Beamter, welcher die Auſſicht
über eine Bibliothek (ſ. d.) führt. .
Bibliothekographie (gr., Bibliothelbeſchreib⸗
ung), fo v. w. Bibliothefenfunde; j. Biblwothel-
wiſſenſchaft.
Bibliothekwiſſenſchaft, der ſyſtematiſch ge—
ordnete Inbegriff aller unmittelbar auf die Biblto-
thet beziigliden Kenntniſſe. Sie zerfällt in die
Bibliorthefentunde u. Bibliothefenichre. a) Die
Bibliothekenkunde umfaßt die Geſchichte u.
Beſchreibung früherer oder noch beftehender Biblio-
theten (j. Bibliothet, bei. IL.), während b) die
Bibliothelenlehre (Bibliotheltechnil oderBiblio-
tbeföfonomie, vorzugsweife B. genannt) alle zur
bibliothefariichen Gejchäftsführung erforderlichen
Kenutniſſe im ſich begreift u. wiederum in 2 Thle.,
die Lehre von der Einrichtung u. die Lehre von
der Verwaltung der Bibliotheken, zerfällt. aa) Die
Einrihtungslehre ftellt die Grundfäge auf, nad)
welcher eine Bibliothek angelegt, ferner die Bücher
angeichafft, verzeichnet u. aufgeftellt werben müfjen
(j Bibliothek, bej.1.B.D.); bbydieBerwaltungs—
lehre handelt von der Unterhaltung
u. Benugung einer Bibliothek (j. Bibliothel, bei.
1.E.). Obgleich feit dem 16. Jahrh. verſchiedene
Gelehrte das Bibliothelweſen zum Gegenftande
von Schriften u. Borlefungen machten, jo wurde
doch die B. als ſolche zugleich mit ihrem Namen
zuerft durch Schrettinger, Verſuch eines vollftän-
digen Fehrbuches der B., 2 Bde., Mind. 1808—29,
geichaffen. Diefem folgten u. A. Ebert, Bildung
des Bibliothekars, 2. Aufl., Lpz. 1820; Molbech,
Über B., deutſch von Ratjen, Lpz. 1833; v. Schmid,
andbuh der B., Weim, 1840; P. Namur,
anuel du bibliothecaire, Brüſſel 1834; 2. 4.
Eonftantin, Bibliotheconomie, Par. 1839, 2.
A., 1841; Budik, Vorbereitungstudien f. den an—
gehenden Bibliothelar, Wien 1834; Vorſchule für
bibfiothelarifches Geichäftsieben, Münd. 1848;
olfer, die B. im Umriffe, Stuttg. 1846; J. ©.
Seizinger, Bibliotheftechnit, Lpz. 1855; Theorie
u. Vraxis der B., Dresd. 1863; Petzholdt, Kate-
chismus der Bibliothelenlehre, Lpz. 1856; 2. A.,
1871. Bon Zeitfchriften find der B. gemibınet:
Neumanns Serapeum, 1842—1870, u. Petzholdts
Anzeiger für Literatur der B., 1840—44; Anzeiger
der B., 1845—47; Anzeiger f. —— u.
B. 1850—55; Neuer Anzeiger für Bi ——
u. B., feit 1856 (Dresd.). Brambad.*
Biblifche Archäolögie (Bibliſche Altertfums-
funde), die Wiſſenſchaft, weile den Ratur- und
hren den Titel B.; f.
Brambach.*
alle 1773;
Jahn, B. 4, Wien 1796—1805, 5 Bde.; Roſen⸗
miüller, Handbuch der biblischen Alterthumslunde,
Lpz. 1823—28, 3 Bde; Derfelbe, Das alte u.
neue Morgenland, Lpz. 1818—20, 6 Thle.;
de Wette, Lehrbuch der bebrätich-jüdiichen Archäo -
logie, Lpz. 1814,4.4., 1864; Saalſchütz, Königs«
berg 1855, 56, 2 Bbe.; Nostoff, Wien 1857:
Keil, Frankf. 1858, 59,2 Thle.; Ewald, Alter»
tbümer, 3. A., Göttingen 1866. Monographien;
Bochart, Hierozoieon, Yond. 1663, Fol., beraus-
gegeben von NRoienmüller, Loz. 1793—95, 3 Bde. ;
Ol. Celſius, Hierobotanicon, Upf. 1745, 47,
2 Bde. ; Michaelis, Mojaisches Recht, Frauff.a.M.
1770— 75, 6 Bde.; Hartmann, Die Hebräerin am
Pustifche, Lpz. 1809 u. 10, 3 Bde., n. Realwörter-
bücher von Winer, Lpz. 1847, 3. Aufl., 2 Bpe.;
Schenkel, Bibel-Leriton, Lpz. 1869—75, 5 Thle.;
Riehm, Handwörterbuh des bibl. Alterthums,
Bielef. u. Lpz. 1875 ff.
Bibliſche Geographie, die Beihreibung der
in der Bibel vorfommenden Länder u. Orte nad
ihrer phyſiſchen u. politiſchen Beſchaffenheit. Mit
der bibliſchen Archäologie (ſ. d.) bat fie diejelben
Quellen gemein, denen fie noch Ptolemäos, Ste-
phanos von Byzanz, Eujebios von Gäfarea, die
mittelalterlichen tinerarien, die arabiichen Geo—
graphen u. Hiftorifer, die Geichichtichreiber der
Kreuzzüge und die neueren Reiſen dahin beifügt.
Einige Schriftſteller (Jahn, Roſenmüller) haben
ſie zur bibliſchen Archäologie gezogen. Die Be—
arbeitungen der b. G. beireffen theils Paläſtina
allein (Heland, Utrecht 1714; K. v. Raumer,
4. A. 1860; Sepp, Jeruſalem, Schaffh. 1863,
2 Bde.; Furrer, Wanderungen buch Paläſtina,
Zür. 1865), theils die bibliſchen Länder überhaupt
Moſenmüller, Lpz. 1823—28, 3 Bde.; Robinſon,
Paläftina 2c., Halle 1841 ff.; Neue Unterſuchungen,
an 1847; Phyſ. Geographie, Lpz. 1865;
itter, Erdfunde, 14.—16. Th. 2. A., Berl. 1848
bis 1852), theils diefe mit Ausschluß Paläftinas
(Bodhart, Fond. 1646; Michaelis, Gött. 1769,
1770, 2 Bde.). Bon Karten find die von de Bruyn
(Amfterd. 1844, 2. A., 1861), Robinfon (f. vorhin),
Kiepert (Berl. 1844), van der Belde (Gotha 1858)
bejonders zu empfeblen.
Biblifdye Geſchichte, die Darftellung der im
der Bibel erzählten Begebenheiten. Bon der Ge—
ſchichte des hebräifchen Volles unterſcheidet fie ſich
durch Ausdehnung rückwärts auf die Urgeſchichte
der Menſchheit, daneben auf die Geſchichte der
leichzeitigen Bölter u. zugleih auf die Geſchichte
Sefu u. des Urchriſtenthums, beichränft fi aber
bei den Alten auf die Berichte der BibeL Mit
Gulturzuftand der Hebräer u. anderer in der Bibel| Benutung der Profanfcribenten für die ſpätere
erwähnten Bölter in dem Zeiten, von denen die Zeit behandelten die B. G.: Prideaug, London
Bibliſches Chriſtenthum — Biceps.
1716— 18, 2 Bde., deutſch Dresden, 2. A., 1726;
373
Bibliſtik, Bibelklunde, Kenntniß deſſen, was
Shudford, London 1728—38, 3 Bde., deutichidie Bibel betrifft, z. B. ihrer verſchiedenen Aus-
Berl. 1731—38; Lardner, Lond. 1764—67, 4 Bde.,|gaben u. Überfegungen.
u. neuerdings Kurk, Berl. 1853, 2. ., 2 Bbe.,
Bibra, Stadt im Kreiſe Edartsberga des preu-
1858. Andere Bearbeiter find entweder durch aſte⸗ ßiſchen Regierungsbezirls Merjeburg, am Faul-
tijche, wie Heß, Zür. 1776—88, 12 Bde., pſycho⸗
logische, wie Niemeyer, Charalteriftif der Bibel,
Halle 1775—82, 5 Bde., n. A., 1831, u. päda-
gain Zmwede, wie die Berfaffer der zahlreichen
ibliſchen Hiftoriem für die Jugend, abgehalten
worden, reine Geſchichte zu jchreiben, oder zur
rivolität, wie Benturimi, herabgeſunken. An die
telle der B-n ©. ift in neuerer Het einerſeits die
Geihichte des Volles Israel (Bertheau, Götting.
1842; Emald, Götting., 3. A., ebd. 1864 fi., 7
Bde.; Hisig, Lpz. 1869, 70, 2 Bde.), anderjeits
die meuteftamentlihe Zeitgeſchichte (Hausrath, 3
Thle., Heidelb. 1868— 74), ſowie die Gejchichte
Jeſu u. des Urchriſtenthums getreten; Schürer,
Lpz. 1874). Die biblijhe Chronologie kämpft
für die ältere Zeit des Bolles Israel mit rumden
Zahlen (7. u. 40), denen Fleiß u. Scharffinn bibl.
Chronologen (Ufjer, Annales V. et N. T., Lond.
1650; Des Bignofes, Chron. de hist. sainte,
Berl. 1738, 2 Bde., Th. Nöfdele, Kiel 1869) für
den Zeitraum unter den Richtern noch Leine ganz
übereinftimmende Berechnung abgewinnen konnte,
für die Zeit von 900 v. Chr. ab aber mit den
snonumentalen Angaben der Aſſyrer n. theilweiſe
aud der Agypter, mit denen diejenigen der Bibel
mehrfach in Widerjprud ſtehen (G. Smith, 1868;
Eb. Schrader, 1872). Die neuftamentl. Chrono»
logie dreht ſich hauptſächlich um die Frage der Zeit
des Geburtd- u, Todesjahres Jeſu (Ideler, Wie:
jeler, Keim).
Bibliſches Chriftenthum, eine unmittelbar
auf die Bibel zuriidgehende chriſtliche Uberzeugung
u. Handlungsweie, welche die kirchen u. dogınen«
geſchichtliche Vermittelung des urſprünglichen
Thriſtenthums mit den heutigen, beſonders die
confeſſionell » theologiſchen Unterſchiede ignorirt
(Forderung einzelner Richtungen des modernen
Biblifcher Realismus, eine auf die württem⸗
bergijhen Theologen Bengel u. Otinger, auch
zum Theil auf Scelling zurüdgehende theolog.
Richtung, in neuerer Zeit hauptfächlich vertreten
von Rothe in Heidelberg, Auberlen in Bajel,
I. F. Bed in Tübingen, Hamberger in München
u. A., welche die Lehre von Gott u. dem Jenſeits
möglich realiftiich, ja materialiftiich auffaßt, in der
Yehre von Gott auf Annahme einer Natur in
Gott, in der Lehre vom Jenſeits und von den
legten Dingen auf bie Geiftleiblichleit ber voll»
endeten, auf eine endliche Erneuerung auch ber
materielsirdifchen Welt ein bejonderes —
er,
legt.
Wibliſche Theologie (Bibliſche Dogmatik),
bad; Papierfabrit; 1797 entdedte jalinische Eifen-
quelle; 1463 Em,
Bibra, alte, zu den reichsritterichaitlichen Kan
tonen in Franfen gehörende, mit dem Erbmar—
Ihallamte des Fürſtbisthums Würzburg belehnte
und 1698 in den Neichsfreiherrnftand erhobene,
in Bayern und Sadjien » Meiningen begüterte
Familie. Davon: Ernſt, Freiherr von, deuticher
Katurforjher u. Romanfcriftfteller, geb. 9. Juni
1806 zu Schmwebheim in Unter-Franten; ftudirte
in Würzburg Jura, trieb aber fpäter, theils auf
feinem Yandgute Schwebheim, theils in Nürnberg
wohnend, naturhiftorifche, vorzugsweiſe chemifche
Studien, machte 1849—50 eine Reife nah Bra-
filien, Chile und Peru und fehrte hierauf nad
Nürnberg zurüd, wo er feine wiffenjchaftlichen
Studien wieder aufnahm, fih dabei aber auch
mit belfetriftifchen, meift auf SAmerika bezüglichen
Arbeiten beichäftigte. Bon feinen naturmijjens
Ihaftlihen Schriften verdienen bef. die Beiträge
zur Naturgejhicdhte von Chile, Wien 1853, und
Die narkotifhen Genußmittel und der Menſch,
Wien 1855, hervorgehoben zu werden. Für die
Brofhüre über die Krankheiten der Arbeiter in
den Zindholzfabrifen, Erlang. 1847, erhielt er
vom König von Prenßen die goldene Medaille u.
in Paris den Montyonſchen Preis. In feinen
Romanen: Hoffnungen in Peru, Jena 1864,
3 Bde.; Die Abentener eines jungen Pernaners,
Lpz. 1870, 3 Bde. ꝛc., verwerthet er die auf
jeinen Reiſen gemachten Studien und Beobadıt-
ungen in anſprechender Weije; für die Romane:
Graf Ellern, Lpz. 1869, 3 Bde.; Die Kinder der
Gauner, Nürnb, 1872, 2 Bde.; Die erften Glie-
ber einer langen Kette, ebd. 1871, 3 DBbe., zc.,
nahm er die Stoffe aus dem modernen Leben.
Als bejonders mwohlgelungen u. originell ift der
legtgenannte, fi aus der Gejchichte zweier Dinge
entwidelnde Roman zu bezeichien.
Bibülus, Marc. Calpurnius, vermäblt
mit PBorcia, Tochter Catos von Utica; wurde mit
3. Cäjar, deſſen entjchiedener Gegner er war, zur
— Adil und 59 v. Chr. Conſul. Er ſtarb als
Befehlshaber der Flotte des Pompejus bei Korkyra,
50 v. Chr.
Bicapsuläris (Bot.), 2 Kapfeln tragend.
Bicarbonat, j. v. w.doppelt-Fohlenfaures Salz.
Mit demfelben Namen bezeichnet man mol aud
ausjchließlich das viel gebrauchte Natriumbicarbonat
(doppelt-fohlenjaures Natron); |. Kohlenjäurefalze,
Bicarinätae silicülae, doppelt » fahnförmige
Schötchen.
Bicaudatus (lat.), zweiſchwänzig; fo: Musculi
die Wiſſenſchaft, welche, unabhängig von der|bicaudati (M. bicornes), zweiſchwänzige Musteln,
Kirchenlehre, die Glaubenslehre der Bibel darftellt|jolhe, die einfach entipringend in ihrem Verlaufe
u. insbejondere den Entwidelungsgang der alt-|fich theilen u. mit 2 Theilen (Schwänzen) an dem
u. neuteftamentlichen religiöfen Vorftellungen auf- beweglichen Punfte fih anheften.
zeigt: de Wette, 3. A., 18315 Zub, 18475 9.| Bicephalus (v. Lat. u. Gr.), Mißgeburt mit
Schultz, 2 Bde., 1869; H. Ewald, 3 Bde., 1871,|doppeltem Kopfe.
74; Ohler, 2 Bde., 1873 fi.; Bauer, 1864;| Biceps (lat., zweilöpfig, mit 2 Gefidtern),
Schmid, 4. A., 1868; Weiß, 1868. 1) Beiname des Janus, j.d. 2) (Anat.) Mustel
374
mit 2 Köpfen; bef. B. brachii, zweilöpfiger Arm«
mustel; f, Armmusteln; B. femoris 8. cruris,
weilöpfiger Schentelmustel; ſ. Schentelmusteln.
b) (Bot.) Was in 2 kopfartige Theile ausgeht,
auch von einer Wurzel.
Bicktre, urſprünglich Karthäuferffofter, etwa
2 km von Paris; gelangte 1290 an Biſchof Jo—
hann von Wincefter (deffen Name in B. gerade»
brecht murde); 1632 als Räuberhöhle zerftört
u. von Ludwig XIII. erneuert u. zu einem In—
validen-, von Ludwig XIV. zu einem GEiviljpital
beftimmt, in welches 70jähr. Öreife aufgenommen
wurden. Seit der Revolution ift ein Irren- und
(bi8 1837) ein Zucht- u. Arbeitshaus damit ver-
bunden. Die Zahl der u Pe beträgt
3000. Dabei ein arteficher Brunnen u. ein zur
Befeftigung von Paris gehöriges Fort. Bon den
Hofpitaliten in B. werden allerhand Arbeiten von
Holz u. Knochen (Bicktrearbeiten) verfertigt.
Dicjat, Marie Franc. Xavier, verdienftvoller
Phyſiolog u. Anatom, geb. 11. Nov. 1771 in
Thoirette (in Breſſe); beſuchte die Schule in
Mantua, ging 1791 nad Lyon, um unter Petit
Medicin u. Chirurgie zu ftudiren, 1793 nad Paris,
mo er an Default einen Freund und Beichliger
fand. Nach beffen Tode (1795) trat er ſelbſt als
Lehrer auf, las über Knochen u. ihre Krankheiten
u. leitete anatomifche, mit phyſiologiſchen Unter
fuhungen verbundene, fowie Operationscunfe mit
großem Beifalle. Seinen Ruf, weit über Frank.
reih8 Grenzen hinaus, verbreitete er zumächit
durch feine Unterfuchungen über die Häute: Traite
des membranes en general et des diverses
membranes en particulier, Bar. 1800, 2, 16, 27,
deutich von Dörner, Tüb. 1802; dann folgten die
epohemachenden Recherches physiologiques sur
la vie et la mort. ebd. 1807, 12, 19, deutſch
von Beighans, Tüb. 1802, in denen er das
organische Leben vom animaliſchen ftreng ſcheidet
u. das lebenipendende Berhältniß des Herzens,
der Lungen und des Gehirnes auf die anderen
Organe nachweiſt und endlich feine Anatomie
generale appliqude à la physiologie et a la
medeeine, Bar. 1801, 12, 19, deutſch von Pfaff,
Lzp. 1802, welche die Gemebelehre gemwifjermaßen
erſt zur eracten Wiffenihaft macht u. begründet
u. der pathologiihen Anatomie den ihr zulommen⸗
den Pla einräumt. Seine bejchreibende Anatomie:
Traite d’anatomie *descriptive, Par. 1801—3,
ift leider nicht von ihm beendet, fondern von
Buiffon u. Rour; feine Unterfuchungen über die
Arzneimittel finden fih in zwei Differtationen
enthalten: Pairier: sur les &metiques, Gondret:
sur l'action des purgatifs, ebd. 1803. Die großen
Anftrengungen, denen ſich B. unterwarf, haben
leider feinem foftbaren Leben ein zu frühes Ende
bereitet, das am 22. Juli 1802 infolge eimes
‚saulfiebers eintrat. Der Hof der Medicinifchen
hule in Paris murde durch eine von David
d'Angers verfertigte Büſte B’-8 geziert. Thamhahn.
Bicho, fo v. w. Sandfloh.
Bichon (fr.), Schooßhündchen; bei. Bolognefer
Hündchen; daher bihonnirt, lodenhaarig.
Bidell, 1) Johann Wilhelm, Nechtsgelchrter,
geb. 2. Nov. 1799 in Marburg; ftudirte feit
Bicktre — Bickmore.
1820 Privatdocent u. 1824 Profeffor der Rechte
in Marburg, 1834 Oberappellationsrath in Kaflel,
1841 Director des oberheifiihen Obergerichtes im
Marburg und 1845 Bicepräfident des Ober-
appellationsgerichtes in Kaffel; er nahm 1846 für
Kurbefien theil an der proteftantifchen Generals
conferenz in Berlin u. wurde darauf Borftand
des Juftizminifteriums; er fl. 23. Jan. 1848 in
Kaffel. ©. ſchr.: Über die Entftehung u. den heu-
tigen Gebraud der beiden Ertravagantenjamm«-
{ungen des Corp. jur. canon., Marburg 1825;
Über die Reform der proteftantiihen Kirchenver-
faffung in befonderer Beziehung auf Kurbefien,
Marburg 1831; Uber die Berpflihtung der
evangel, Geiftlihen auf die ſymboliſchen Schriften,
ebd. 1839, 2. Aufl., 1840; Geſchichte des Kirchen-
rechtes, Gieß. 1843 (fortgefett von Nöftell); gab
heraus die Gefchichte für Recht u. Gefeggebung
in Kurheſſen, 1836 f., 2 Bde. 2) Guftav Wil.
heim Hugo, Drientalift, Sohn des Bor., geb.
7, Juli 1838 zu Kaffel; ftudirte feit 1857 im
Marburg u. Halle Theologie u. Philologie, Habi-
fitirte fih 1862 zu Marburg, 1863 aud zu Gießen
für jemitifche u. indogermaniſche Sprachwiſſenſchaft.
1865 legte er das fatholiihe Glaubensbelenntniß
ab, trat im folgenden Jahre in das Fuldaer
Priefterfeminar em, wurde 1867 zum Priefter
geweiht u. in demfelben Fahre als auferorbent-
licher Profeffor für orientaliihe Spraden u. Pi-
teratur an die Alademie Miünfter berufen. 1874
erbielt er eine ordentliche Profeffur für ſemitiſche
Sprachen u. hriftlihe Archäologie an der theolo-
giihen Facultät zu Funsbrud. Er reifte mehr-
mals nah Ronı u. London, um die noch unbekannten
Werfe der ſyriſchen Kirchenväter herauszugeben.
Er jchr.: De versione alexandrina libri Jobi,
Dlarb. 1862; S. Ephraemi carmina nisibena,
Lpz. 1866; Grundriß der hebräifchen Grammatil,
vpz. 1869— 70; Gründe für die Unfehlbarkeit des
Kirhenoberhauptes, Münſter 1870 (2 Aufl.); Con-
spectus rei Syrorum literariae, Münfter 1871;
Meffe ı. Pascha, Mainz 1872 (diefe Schrift weiſt
nad, daß die alte chriftliche Liturgie aus der Ein-
jetsungsfeier nad) dem legten Abendmahl Ehrifti
entftanden ift, diefe felbft aber aus dem 108. Hallel,
nämlih den Pjalmen 115—118 u. 136 beftand) ;
ausgewählte Gedichte der Kircheupäter Eyrillonas,
Baldus, Jſaal von Antiodien u. Jalob von Sarug,
aus dem Syrifchen überfegt, Kempten 1872; aus-
gewählte Schriften der Kirchenväter Aphraates,
Rabulas u. Iſaak von Ninive, aus dem Syriſchen
überſetzt, Kempten 1874; S, Isaaci Antiocheni
opera omnia, Gießen 1873 ff. Zu dem bei Brod-
haus joeben erjheinenden Werte über die alte
igriiche (aus den Pehlwi gefloffene) Überſetzung
des Kalila u. Dimma hat er Zert u. Überfegung
beigetragen.
Bidelhanbe (eigentlih Bedenhanbe), Heln:
ohne Bifir u. ohne Bededung des Halfes u. Kinnes;
fonft von den Knechten u. Reifigen, neuerdings
von den nad preuß. Fuß uniformirten Armeen
getragen,
Bidmore, Alb. Smith, amerifanifcher Natur-
forſcher u. Neiiender, geb. 1. März 1839 zu St.
Georges in Maine; widmete fi, nach zurid-
1815 in Marburg u. Göttingen die Rechte, mwurde|gelegten Studien 1860 den Naturwiſſenſchaften
Bickenbach — Biddle.
unter Profeſſor Agaſſiz zu Cambridge in Maſſa—
chuſetts u. ward im nächſten Jahre mit der Auf-
fiht der Mollusfenabtheilung des dortigen Muſeums
für vergleichende Zoologie beauftragt. B., ber
ſchon bei Beginn feiner wiffenfchaftlihen Laufbahn
den Gedanten gefaßt hatte, ein großes natur-
— Muſeum zu New-Mork anzulegen,
ereifte hauptfächlich zu diefem Zwecke 1865 Sn.
indien. Ein ganzes Yahr lang brachte ev mit
Sammlung von Schaal- und anderen feinen
Thieren im Indiſchen Archipel zu. Dann ging er
von Singapore durch Codindina über En
nah Hongkong, durdhwanderte einen großen Theil
Chinas, beiuchte und erforichte Japan, machte
Studien über die Gejchichte der Aino von Jeſſo,
309 duch die Mandichurei nad) der Mündung
des Amur, durchfreuzte Sibirien, Mittel- und
NRußland, hielt fi) in Europa auf und fehrte
nad 3jähriger Abweſenheit nach New-York zurid.
Er veröffentlichte ein Wert über feine Travels in
the East Indian Archipelago, Lond. u, New-
York 1869, deutih, Jena 1869. 1870 zum
Profeffor der Naturgefhichte au der Madiion-Uni-
verfität zu Hamilton im Staate New-Pork ernannt,
widmete er fih faft ausfchließlih der Schöpfung
feines Amerif. Mufeums für Naturgeſchichte. Das
American Journal of Science u. das engl. Journal
of the Royal Geographical Society enthalten viele
Auffäge aus feiner Feder; er fchrieb noch: The
Ainos or Hairy Men of Yesso, Saghalien, New-
Haven 1868; Sketch of a journey from Canton
to Hankow, ebd. 1868. Bartling.
Bidenbad, wär im Kreife Bensheim
der großherzoglich heſſiſchen Provinz Startenburg,
an der Bergftraße n. Station der Main-Nedar:
Eifenbahn; Schloß; 950 Em. B. ift Stammhaus
der Familie gleihen Namens,
Biclinium (röm. Ant.), Lager beim Speifen für
2 Berfonen; ameifötäfriges Bett.
Bicocca, Dorf u, Yuftihloß mit einem von
Gräben umgebenen Thiergarten, bei Mailand. Hier
Schlacht am 27. April 1522 zwiſchen den Kaifer-
fihen und Franzoſen unter Marſchall Lautrec,
welchen die des Krieges müden ſchweizeriſchen
Söldner der Franzoſen zum Angriffe zwangen u.
babei unterlagen.
Bicödlor (lat.), zweifarbig.
Bicornes (Bot.), bei Enbliher 39. Klaffe des
Pflanzenreihes; meift Holzgewächſe mit neben-
blattlojen Blättern, mit freiem oder verwachſenem
Kelche, einblätteriger, regelmäßiger, auf einem
Ringe eingefügter Blumenfrone, mit meift dop-
pelt jo vielen u. ebenfalls dem Ringe, feltener der
Krone eingefügten Staubblättern, deren Staub-
beutel einfach oder an der Spite zweitheilig, nicht
jelten zweihörnig find, und mit einem eın- bis
fünftheiligen Fruchtknoten, deffen randfländige Sa—
menleiften mehr oder weniger nad innen vor—
fpringen; der gerade Keimling innerhalb des Ei—
meißes. Diefe Klaſſe beftebt aus den Familien der
375
ſ.d. 2) (Anat.) Zweihörnig, 3. B. Uterus bie.,
zweih. Gebärmutter, wie bei den Wiederkäuern.
Bienhibabalfam (Bicuhibawachs, Bicuiba
redonda) fommt von Myristica officinalis Mart.,
in den Urwäldern Brafiliens; talgartige Subftanz,
an Farbe u. Eonfiftenz dem Muscatbalfam ähn«
ih, wird in ausgehöhlten Rohrftüden verfendet
u. zu Einreibungen bei gichtigen Gelenfgeihmil«
ften, chroniſchen Rheumatismen u. Hämorrhofden
gebraucht.
Bicuspidatus (Bicuspidälis, Tat.), zweiſpitzig
an beiden Enden eine Spige, od. an einem Eudr
zwei Spigen bildend; fo: Valvula b., bie aı
den Rändern des Tinten arteriellen Oftiums bes
Herzend fitende Klappe, die ein Zurüchſtrö—
men des Blutes aus der linken Herztammer in
den linfen Borbof verhindert.
Bida, Alerander, Zeichner u. Maler, geb.
1813 zu Zouloufe; Schüler von Eug. Delacroiz,
bereifte 1844—46 den Orient, dem er auch den
Stoff zu feinen meiften Arbeiten entrahm; auch
als Porträtimaler leiftete er in letzterer Zeit Tüch-
tigeö u. ift einer der Hauptmitarbeiter des Neife-
journal® Tour du Monde. Belannt von Werten:
Das Lager des Booz in Bethlehem (Staatseigen«
thum), Arabifches Cafe, Griechiicher Sänger, Der
Stlavenmarkt, Rüdtehr von Mella (Staatseigen-
thum), Niedermegelung der Mamlulen. NRegnet.
Bidaſſöa, Grenzfluß zwiſchen Fraukreich u.
Spanien; entſpringt in Navarra, mündet bei
Fuenterrabia in das Biscayiſche Meer, wird für
neutral gehalten, durch die Eifenbahn von Paris
nah Madrid überfchritten u. ift vom Dorfe Bi—
riaron an fchiffbar. In feiner Mündung die Fa«
ſanen- od. Eonferenz-Fnfel, wo der Porenätiche
Friede 1659 geichloffen ward. Im Spaniſch-Por—
tugiefifhen Befreiungskriege, 31. Aug. 1813,
trieben 8000 Spanier 16,000 Franzoſen, melde
die Pofition von St. Marcial auf dem linken
Ufer nehmen wollten, mit 2000 Mann Berluft
urüd.
Biddeford, ſ. Bideford.
Biddle, 1) Gidellus) John, Stifter der nad
ihm benannten unitarifhen Secte der Bibdlianer,
geb. 1615 zu Wotton in der Grafich. Gloucefter;
wurde Schullehrer in Gloucefter; fam auf Zmeifel
egen die Trinitätslehre, fchrieb barüber 1647
welve arguments against the deity of the Holy
Spirit u. a. betorodore Schriften u. ward deshalb
verhaftet; 1651 befreit, fammelte er in London
eine umitarishe Gemeinde. Seine Katechismen
wurden 1654 verbrannt u. er felbft 1655 auf die
Scilly⸗Inſeln verwieſen; aber feit 1658 wieder
an der Spige feiner Gemeinde in London fiehend,
befeftigte er deren Lehrbegriff, der von dem Soci⸗
nianishen nur dadurch abweicht, daß er den Hei«
ligen Geift fiir eine Perfon, doch nicht für gött«
lichen Weſens erflärt. 1662 wieder verhaftet,
farb B. im Gefängnig. 2) Nicholas, nord-
amerilan. Finanzmann, geb. 8. Jan. 1786 in
Epacrideen, Ericaceen, Rhodoraceen und Hypo-| Philadelphia; fludirte die Rechte u. trat 1804 als
pitpaceen.
Advocat auf, mit dem amerifanifchen Ge—
gin
Bicornis (lat., zweihörnig; ®ot.), 1) von Früch⸗ ſandten General — als Secretär nad
ten, auch Staubbeuteln mit 2 hornförmigen Aus- Frankreich u. mit Monroe nad England; nad
wüchſen an den Spiten; inne bildete danach feiner Rückkehr 1807 abvocirte er mieder u. trat
eine eigene natürliche Pflanzenfamilie: Bicornes,!1810 als Mitglied in das Repräfentantenhaus u.
376 Biddumah
1814 in ben Senat des Staates Pennſylvanien,
wurde 1819 Director der Vereinigten Staaten:
— Bidpai,
Bidlis, |. Bedlis.
Bidloo, Gottfried, holländ. Shirurg und
Bank, 1823 Präfident derfelben u. bekleidete dieje | Anatom, geb. 12. März 1649 zu Amſterdam;
Stelle, bis erin dem Baulſtreite mit dem General
Jachſon unterlag. Nah Aufhebung des Privile-
giums der Banf (1836) ſuchte er das Beſtehen
der Bank noch furze Zeit dadurch zu friften, daß
er einen Freibrief für diefelbe vom der Legislatur
für Pennſylvanien ermwirfte. Nachdem er beim
Zufammtenftürzen des amerifan, Credit 1837
durch unſolide Finanzoperationen das Übel nod
verihlimmert u. den Banlerott der Bank herbei-
geführt hatte, zog er fi 1839 auf feinen Yand-
ig Andalufia in Penniylvanien zurüd u. ftarb
bier 27. Febr. 1844. Er redigirte 1807 die Zeit:
ſchrift Portfolio; fein Commereial-Digest wurde
ur’ feinem Tode gedrudt. Löffler,
iddumah, Bewohner der ſüdweſtl. Inſel—
gruppe im Tſad⸗See im Innern NAfrilas; ein räu⸗
beriſches Bolt, welches Sklavenhandel treibt u. dem
Namen nad dem Meiche Bornu unterworfen ift.
Bideford (Biddeford), u Stadt im der engL
Grafſchaft Devonfhire, am Xorridge, der unweit
in die Barnftaple-Bucht des Briftol-anals mün-
det; Hafenplag für Heinere Schiffe; Handelsichule;
Schiffbau, Spigen-, Tuch⸗, Leder: u. a. Fabriken,
namentlich für Sciffsbedarf; Steinfohlen u. Ge—
treidehandel; 6969 Em. %) Stadt im County
Nork des nordamerif, Unionsftaates Maine, unter
43° 80° n. B. u. 70° 27° w. 2, am GSacofluß;
Hafen, Rhederei; Baummwollenmanufacturen, Säge-
müblen, Schiffbau; 10,282 Ew,
Bidellae jus (Rechtsmw.), jo v. w. Baulebung.
Bidens L. (Zweizahn), Pflanzengattung aus
der Fam. der Compoſiten (XIX. 1); Blüthentöpfchen
flach, gelb, mit abfallenden Spreublätthen; Hüll-
blätter zweireibig; Kelchſaum aus 2—6 rüdwärts
rauben Grannen beftehend; Blätter gegenftändig.
Arten: a) B. tripartitus L.; Blätter in einen
lurzen — — Stiel verſchmälert; Köpfe auf-
recht. b) B. cernuus L.; Blätter figend, etwas
verwachſen, Tanzettlih; Köpfe nidend. Beide fehr
verbreitet; in Silmpfen u. feuchten Orten und
durch die ſich an die Kleider hängenden Früchtchen
läftig. Seltener ift c) B. radiatus Thuill, Die
Strahfenblüthchen verlkümmern bisweilen bei deu
einzelnen Arten. Engler.
idental (lat.), Ort, wo der Blitz eingejchla-
gen hatte; dies gab zu mehreren abergläubiichen
Geremonien Anlaß. Er wurde nad etruskiſcher
Sitte auch in Rom von Prieftern gefühnt, ein
zweijährige® Schaf (Bidens) dafelbft geopfert u.
tag vom Ki ausgeworfene Erdreich neu ver»
graben. Der Ort durfte weder überdacht, noch be—
treten werden, Wurde ein Meuſch irgendwo vom
Blitz getroffen, fo wurde die Stätte auch B. u.
der Erichlagene ebenda beftattet. Vom Blitze ger
troffene Bäume wurden nach forgfältigen Sühnen
entfernt u. neue gepflanzt.
Bider, St. an dem Mandſchera in Hyderabad
(füdl. Border-Judien); einft die Nefidenz von Für.
fien, jest verfallen; bekannt dur die Bidari-
Waaren, Gefäßen, die aus einer Legirung von
Zinn mit Kupfer verfertigt find.
Bidet (fr.), Waſchwanne, Sitbad; f. u. Bad;
dann auch Klepper.
ſtudirte Medicin u. Chirurgie, wurde 1688 Pro—
feſſor der Anatomie im Haag, übernahm 1694
in Leyden die Profeſſur der Anatomie u. Ebirure«
gie, kam bald nachher als Yeibarzt Wilhelms’ III.
nad London, fehrte aber nach deſſen Tode nad
Leyden zurüd; er ft. im April 1713. B. iſt be-
tannt dur Herausgabe des mehr prachwollen
als immer nmaturgetreuen anatomiſchen Kupfer»
werfes, zudem der berühmte de Yaireife Die Stiche
lieferte: Anatomia corporis humani, CV tabulis
per G. de Lairesse ad virum delineatis demon-
strata ete. Amifterd. 1685, Leyden 1739, Utrecht
1750, Ihambayn.
Bidouze, Nebenfluß des Adour im franz.
Dep, Nieder-Pyrenden, 80 km lang, 17 km meıt
ſchiffbar.
Bidpai (Pilpai, wahrſcheinlich corrumpirt aus
einem indiſchen Worte), indiſcher Philoſoph, Vezier
des ind. Königs Dabiſchlim (Dabſchelim), Ber—
faſſer eines Fabelwerles, das im Morgenlande
als Sittenſpiegel galt u. faſt in alle Sprachen
überjegt u. umgearbeitet wurde. Zuerſt erſcheint
diefes Werk in der altind. Bearbeitung Bantida-
tantra, berausg. von Kofegarten u. mit liber-
fegung von Benfey, u. im öftl. Indien als Hito-
padeja (d. i. heilſamer Unterricht), herausg. von
Carey, Seramp. 1804, Lond. 1810, mit latein.
Überjegung von Schlegel u. Lafien, Bonn 1829
bis 1831, 2 Bde, engl. von Wilfins, 1787, ı.
deutih von M. Müller, Lpz. 1844. Als der
perfiiche König Nuſchirwan, der Sajjanide, von
der Eriftenz dieſes berühmten ind. Fabelwerkes
Kenutniß erhalten hatte, ſchickte er feinen Arzt
Barſujeh nad Indien, der fich dafjelbe zu ver«
haften wußte u. es dem König in einer Pehlwi—
Überjegung überreichte. Aus dieſer Überjegung,
die verloren gegangen ift, entftand unter dem
Khalifat des Abbafıden Manſur die arabiiche des
Abdallah ben Almolaffa nuter dem Titel Kalila
va Dimna, nad den beiden Schafalen Karatala
u. Damanafa jo benannt, welche im eriten Buche
fih unterhalten u. eine Menge von Fabelu dra«
matiſch zu einer einzigen verflechten; berausg. von
Silo. de Sacy, Par. 1816, Bulag 1836, deutich
von Halınboe, Chriſt. 1832, von Wolfi, Stuttg.
1837. Dieſer arab. UÜberjegung verdanten ibren
Urſprung: a) die in Verſen gejchriebene von dem
perj. Dichter Rudegi unter der Regierung des
Samaniden AbulHaflanNafr, welche aber verloren
gegangen ift; b) die perfiihe von Nafr Allah
unter der Regierung des Ghaznawiden BehramSchah
u. c) die unter dem Titel Anwari Sohaili (d. i.
die Lichter des Kanopus) befaunte perfiihe, ver»
faßt von Hoffain ben Ai Baez Caſchefi, dem
Bezier des Sultans Abul Ghazi Hofjain Behadur
Khan, eines Ablömmlings Tamerlans. Eine neue
Redaction der perj. Überjegungen von Nafr Allah
und Hoffain Vaez ift das Werk Abul Fazls, des
Bezierd des Großmoguls Atbar, betitelt Ayar
Danifh (d. i. Muſter der MWifjenfchaft), u. die im
16. Jahrh. von Alt Tſchalebi verfaßte türkiſche
Überfegung Humajın Nameh (d. i. das kaiſerliche
Buch) iſt aus der perſ. Auwari Sohaili gefloffen,
Bidihapur — Bicdenfeld.
berausg. Lond. 1828, Bulaq 1838, franz. von
David Sahid in Galland u. Earbonne.
wurde Kalila u. Dimna überjett ins Griechifche
von Simeon Sethos (Stephanites kai Ichn#lätes),
beraudg. von Starf, Berl. 1697; ins Hebrätiche
im 12, Yan von Rabbi Foll, daraus latein.
un 13. Jahrh. von Job. von Capua (Directo-
rium humanae vitae, f.d.); ins Deutfche im 14.
Jahrh. von Herzog Eberhard I. von Württem-
berg, beransg. als Beifpiele der Weifen, Ulm
1483 u. ö.; ins Spanifche 1251 u. daraus Jatein,
von Raymund v. Beziers um 1313. Aus dieſen
beiden latein. Überfegungen floffen die ſpaniſche
1498, italien. 1548, franz. 1556, engl. 1570,
holländ. 1623, dän. 1618, ſchwed. 1743, neueſte
deutiche von Werber, Nürnb. 1802, u. von Bol:
graf, Eiſ. 1803; außerdem gibt es aud noch
binduftanifche, malayiſche, mongolijche, afghanifche
u. andere Überfesungen.
Bidſchapur (Beejapore), 1) Reich in Border-
Indien, fübl. von Bombay; wurde angebl. von
Juſſuf, einem Bruder des türf, Groberers von
Eonftantinopel, Mohammeds II., im 15. Jahrh.
gegründet u, durch glüdliche Eroberungen (er ent-
Er den Portugiefen Goa) erweitert. Diefe Macht
bielt fein Sohn Ismael (1510—34) aufredt.
Rad längeren Palaftftreitigkeiten beftieg Adil Ai
Shah 1557 den Thron, einer der mächtigften
ge Judiens, von dem die prachtvollen
auten flammen. Im 17. Jahrh. begann das
Reih zu finfen durch Empörungen im Innern
u. Angriffe von außen u. verlor dur Aureng-
er 1686 feine Unabhängigleit. Mitte des 18.
abrh. entriffen die Mahratten dem Großmogul
das Land, welches endlich 1818 unter die Re—
gierung der Britiich-Oftindifhen Compagnie kam.
2) Hauptft. diefes Meiches; jett in Trümmern;
Reſte prächtiger Paläfte, Mofcheen, des Grabes von
mail u. des Maufoleums von Adil Ali Schab.
emerlenswerth das Malil--Meidan, eine der
rößten Kanonen der Welt, deren beabfichtigter
Transport nad England wegen zu hoher Kojten
aufgegeben if. Tbielemann.
idſchawur, in Bundelkund (Oftindien), Haupt-
ftadt eines Heinen Fürſtenthums von 90,000 Ew.,
welches ſeit 1811 unter Hoheit der Engländer
ftebt, denen es 1400 Soldaten zu ftellen ver-
pflichtet if.
idſchni, Prov. mit gleichn. Hauptft. im
tibetiihen Schutftaate Bhotan; durchfloffen vom
Brahmaputra u. feinen Nebenflüffen.
Bidſchnur (Bijnour), 1) Diftr. der nordweſtl.
Provinzen in Hindoftan, Commiſſionerſhip Ro—
bilfund, jübl, von Gurmbal, u. 23% 54° bis 29°
58° 5. Br. u. 78° 1, bis 78° 53° . L.; 4879 [Jkm
(88,41 IM); 737,152 Ew.; Boden für den
Zuderbau ganz vorzüglih geeignet; zahlreiche
Baummollenplantagen. Das Yand ftand vormals
unter den Nobilla-Afgbanen, lam 1774 an den
Nabob von Aude, 1802 an die Briten. 2) Hauptit.
darin; 12,566 Em.
erner|letten Tage vor
377
Biduäna (lat.), zweitägiges Faſten, bei. die 2
ftern.
Biduum (lat.), Zeit von 2 Tagen, 2tägige Friſt.
Biebrich nebſt Mosbach, Stadt im Main-
treife des preuß. Regierungsbezirt Wiesbaden, in
herrlicher Lage am Rhein, Erjenbahnftation; yabri«
fation von Gement, fünftlibem Dinger, Anilin«
farbe, Firniß, Tuch, Kunſtwolle; 6644 Einw.;
Ping Schloß, defjen Bau im neu-franzöft-
ſchen Geſchmade zu Anfang des 18. Jahrh. be-
gonnen u. von Karl v. Nafjau-Ufingen vollendet
wurde; Garten mit herrlichen Anlagen; an feinem
Ende die Burg Mosbah, melde der Herzog
Friedrich Auguſt erbauen u. mit Grabfteinen u,
gemalten Fenſtern aus der vormaligen Abtei Eber-
bad) verzieren ließ. Einen Hafen erbielt B. durch
einen Damm in den Rhein, worüber 1841 Streitig-
feiten zwiſchen Naffau u, Heſſen ftattfanden. Cä-
far foll bier zum zweiten Dial den Rhein über-
Ichritten haben. B. war 1744—1840 Reſidenz
des Herzogs von Naffan-Ufingen, ;
Biecz, Stadt im öjterreih. Bezirke Gorlice
(Salizien); große Kirde, Schloß, Armenhaus;
Handel mit Korn, Flachs u. Leinwand; 2450 Em.
Hier am 25. Yan. 1588 Sieg Zamoiskys, Feld-
marſchalls Siegmunds III. von Polen, iiber Maxi—
milian von Ofierreich, der ſich in der Stadt er-
geben mußte,
Biedenfeld, 1) Ferdinand Leopold Karl,
Freiherr von B,, belletriftiicher Schriftfteller, geb.
1788 in Karlsruhe; ftudirte in Heidelberg u. Fyrei-
burg die Rechte, wurde 1811 beim Landgerichte
zu Karlsruhe angeftellt u. fam 1813 in das Mi—
nifterium des Innern; er nabm 1814 feinen Ab»
ſchied u. verweilte in Nürnberg, Dresden u. 1818
bis 1824 in Wien; ging von da nah Berlin u.
wurde hier ein Jahr lang Director des Theaters
der Königſtadt, dann erhielt er die Direction des
Theaters in Magdeburg, fpäter vermeilte er in
Hannover, Hamburg, Berlin, Stettin zc. u. über—
nahm mit Piehl bis 1830 die Direction des Thea—
ters in Breslau; 1834 ging er nach Leipzig und
1835 nah Weimar, hielt fi zuletzt in Karlsruhe
auf u. ftarb dafelbit 9. März 1862. Er fchrieb
außer mehreren Unterhaltungsichriften u. Biühnen-
ftüden: Urſprung zc. der fämmtlihen Mönds- u.
Klofterfrauenorden im Orient u. Occident, Weimar
1837, 2 Bde.; Supplement dazu, ebd. 1839; Ge-
ſchichte u. Berfafjung aller geiftliben u. weltlichen
Ritterorden, nebft einer Überficht ſämmtlicher Mi-
litär⸗, Civil- u. Ehrenzeichen, Medaillen zc., Wei-
mar 1839, 2 Bde.; Das Buch der Roſen, ebd.
1840; Populäres Yefebuh der Wappenkunde, mit
530 Fig., ebd. 1846; Feldzug der Deflerreicher in
Italien von der Papftwahl Bing IX. bis zum
Waffenſtillſtande von Mailand, ebd. 1849; außerdem
vedigirte er die Beitichrift: Der Elegante; mit
Kuffner gab er heraus: FFeierftunden, Brünn
1821 f., 2Bde. 2) Ernft Guftav Benjamin,
Freiherr von B., geb. 2. Yan. 1792 zu Karls-
ruhe; diente in der badifchen Armee erft als
Bidſchow (Neu, Nowy-B.), Stadt in der Fähnrich, ſeit 1808 als Offizier, machte die Feld—
gleihnam. Bezirtsbauptinannihaft (v. 49,400 Em.) |züge von 1809—1815 unter den badiſchen Trup-
des ehemal. böhmischen Kreifes Gitſchin; Eifen-|pen mit, wurde 1843 als Major (mas er feit
babnft.; Hübenzuderfabril; 5855 (im Gemeinde-|1837 war) mit Penfion in Rubeftand verfegt ır.
bezirt 5957) Em.
1849 von der Provijorishen Hegierung gezwungen,
378
Biedentopf — Birgeleben.
eine Befehlshaberftelle im Vollsheere anzunehmen, | Batfe anihloß u. Hegelihe Philofophie ftubirte,
mit welchem er, zum Oberften ernannt, den Kampf u. knüpfte bei feiner Rüdtehr Beziehungen mit
gegen die preußiihen Truppen mitmachte,
aftatt eingefchloffen, wurde er nad libergabe
der Sefung. friegsrechtlih zum Tode verurtheilt
u. am 9. Auguſt 1849 erfeoffen.
Biedenkopf, 1) auch Hinterland, ehem.
Kreis der großherzogl. hefliihen Provinz Ober»
Heflen, 1866 an Preußen abgetreten u, jetzt Kreis
det Megbez. Wiesbaden, an der Lahn und Eder;
gebirgig; von 1,, km der Köln-Gießener-Bahn
erührt; 676, [km (12, [IM); 87,274 Em.
2) Gemwerbfame Stadt daielbft, an der Lahn;
Amtsgerichtsfip; Eiſenwerl u. Eifenfteinbergbau,
Eiſen⸗ u. Stablfabr., Wollenipinnerei; 2746 Ew.;
Y, Stunde davon das Eiſenwerk Ludwigshütte.
Biedermann, 1) Friedrih Karl, deuticher
Geſchichtſchreiber u. Politifer, geb. 25. Sept. 1812
in Leipzig; ftudirte 1830—34 in Leipzig u. Hei
delberg —8W habilitirte ſich 1835 als Pri⸗
vatdocent in Leipzig u. wurde 1838 außerordent⸗
licher Profeſſor —— daſelbſt. Seit 1830
tam er wegen feiner politiihen Richtung mehr:
mals in Conflict mit der Regierung. Er gründete
1842 die deutſche Monatsichrift für Fiteratur u.
Öffentliches Leben (an deren Stelle 1846 die Bier-
teljahrsichrift: Unfere Gegenwart u. Zukunft, trat)
u. 1844—47 den Herold, eine Wochenſchrift für
Politik, Piteratur und öffentlihes Gerichtsverfah-
ren; fam 1848 in das Vorparlament in Frank—
furt, aus dem er in den Funfzigerausichuß über-
ging, u, wurde nachmals Abgeordneter des Deutichen
Parlaments, aus dem er 1849 vor der Über-
fiedelung nad Stuttgart austrat, u. 1849—50
Mitglied der fähfiihen Ständeverfammlung; hielt
dann wieder feine Borlefungen in Leipzig, wurde
aber 1853 wegen freifiuniger Außerungen über
Napoleons III. Staatsftreih in den von ihm
redigirten Deutfhen Annalen feiner Profeifur ent-
jetst, worauf er 1855 die Redaction der Weimari-
hen Zeitung übernahm. Im Fahre 1863 kehrte
er nach Feipzig zurüd, übernahm die Redaction
der Deutſchen Allg. Zeitung, wurde 1865 im feine
Profeſſur wiedereingefegt, 1869 in den Sächſiſchen
Landtag u. 1871 im den Deutſchen Reichstag ge-
mählt. Er jhr.: Fundamentalphiloſophie, Lpz.
1837; Wiffenfchaft u. Univerfität, ebd. 1839; Die
deutiche Philofophie von Kant bis auf unfere Zeit,
ebd. 1842 f., 2 Bde.; Sachſens Landtag von 1845
bis 1846, ebd. 1846; Borlef. über Sorialismus
u. fociale Fragen, ebd. 1847; Erinnerungen aus
der Paulslirche, ebd. 1849; Deutichland im 18,
Jahrh., Lpz. 1854—75, 3 Bde.; Friedrich d. Gr.
u. feine Berhältniffe zur Entwidelung des deut-
jchen Geifteslebens, Braunſchw. 1859; Geichichts-
unterricht auf Schulen, feine Mängel ꝛc., ebd.
1860; Deutichlands trübfte Zeit od. der 80jährige
Krieg u. feine Folgen für das deutiche Eultur-
leben, Berlin 1862; er verfaßte auch drama-
tiſche Werke, wie: Kaifer Heinrih IV., Kaifer
Otto III., Der legte Bürgermeifter von Straßburg.
2) Aloys Emanuel, prot. Theolog, geb. 1819
u Winterthur; beſuchte das Gymmnafium zu
Baer, wo er auch unter de Wette feine theologi«
hen Studien begann, begab fi zu deren Boll-
endung nad Berlin, wo er fi vornehmlih an
In | David Strauß an. Auerft in Bafelland als Pfarrer
angeftellt, ward er bald als Ertraordinarius nad
Zürih berufen, wo er 1860 zum ordentlichen
rofeſſor der Theologie befördert ward, Sein
—— Die riftl, Dogmatik, Zür. 1869, be»
auptet durch die Schärfe der Kritif u. die Ge—
ſchloſſenheit des Denkens eine der erften Stellen
in der bogmatifchen Literatur der Gegenwart.
Außerdem jchrieb er: Die freie Theologie, Züb.
1844, fowie eine Reihe von Auffägen in den von
ihm mitbegründeten Zeitftimmen aus d. Ref. Kirche
der Schweiz. 2) Schrader,
Biefve, Edouard de B., berühmter nieder-
ländifcher — u. Porträtmaler, geb. 4. Dec.
1808 zu Brüffel; war erſt Kunſtdilettant, begei-
fterte ſich gelegentlich eines Ausfluges nah Paris
für die neu-romantiihe Schule, bildete fi auf
der Kunftalademie feiner Vaterftadt, arbeitete von
1828— 30 daheim im Atelier des Hiftorienmalers
Paelinf u. ging 1831 nah Paris, wo er für
10 Fahre jeinen Wohnfig nahm u. bei David
von Angers mobdellirte und malte, ſchließlich aber
fih für die Malerei entihied. Seine Kunftleift-
ungen fchlagen alle ins Geſchichtsfach. Sein be»
rühmteftes Wert ift das 3,, m hohe u. 8 m
breite Ölgemälde: Die Unterzeichnung des Com»
promifjes der Edlen von Burgund am 16. Febr.
1566, welches für das Belgiihe Nationalmuſeum
angelauft wurde. Außerdem malte er für den
verftorbenen König von Preußen, Friedr. Wil-
heim IV.: König Karl I. von England, Rubens
die goldene Ehrenkette umhängend; ferner für den
Sigungsjaal des Senats von Brüffel: Belgien,
das Königthum gründend; den Damenfrieden vom
5. Aug. 1529; Herzog Alba, der Enthauptung
Egmonts u. —— zuſchauend; Egmonts Gattin
nach der Verhaftung ihres Gemahls, u. Dieſelbe
nach der Hinrichtung ihres Gatten im Kerter,
u.a. m. Regnet.*
Biegeleben, Mar Ludwig Freiherr von,
öfterr. Diplomat, geb. 11. Yan. 1812 in Darın-
ftadt; war 1843—48 großbherzoglich heifiicher Ge-
Ihäfteträger in Wien u. fehrte dann nach Darm—
fadt zurüd; von bier wurde er im Aug. 1848
als Unterftaatsiecretär des Neihsminifteriums des
Außern unter dem Reichsverweſer nad Frankfurt
berufen u, blieb im dieſer Stellung bis zur Aufe
löfung der Heichsverweierfchaft; gegen Ende 1850
trat er in den öſterreichiſchen Staatsdienft u. wurde
Sectionsrath zum, außerordentlihen Dienft im
Minifterium des Außern, 1853 wirklicher Hof- u.
Minifterialrath u. mit dem Weferat für die deut»
Shen Bunbesangelegenheiten betraut. Bei Gele
genheit des Fürftencongreffes in Frankfurt 1863,
an deffen Zuftandelommen er hervorragenden An-
theil hatte, erhielt er den Titel als Geheimrath
u. 1868 die perſönliche Freiherrnwürde. Von
ausgeſprochen katholiſcher Gefinnung, zog er fich
ſchon ſeit 1866, bei der Haltung der Negierung
in der römifcheitalienifchen Frage, mehr u. mehr
von den öffentlichen Geſchäften zurüd, u. ftets
großdeutſch, füderaliftiih uw. confervativ u. daher
den preußiihen Beftrebungen abhold, nahm er,
als 1871 Oſterreich zu emem Berftändniß mit
Biegſame Körper — Bielbog.
379
Prenfen ſich anfchidte, erft einen längeren Urlaub, Kanton Bern. Bgl. Blöſch, Geſch. der Stadt B.,
trat 1872 in Rubeftand m. fi. 6.
ug. 1872 im|Biel 1856, 3 Bde.
Bad Rohitih in Steiermarl, Er war bei. ald| Biel, angeblich Waldgott der Sachſen am Harz;
diplomatifcher Stilift berühmt, u. die beften deutſch ſein Heiligtbum, beim Slofter feld auf einem
geihriebenen Depejhen in den Rothbüchern find|Berge (B-shöhe), foll von Bonifacius zerftört
aus feiner Feder.
Biegſame Körper, fefte, nad) einer od. zwei
Dimenfionen vorwiegend ausgedehnte Körper,
melde fih, ohne zu zerbrechen, biegen laſſen
(genauer: deren Theilhen fi ohne Aufhebun
ihres Zufammenhanges fo verjhieben laffen, dab
eine in den Körpern gedachte Längsachſe ihre Form,
nicht aber ihre Länge ändert u. die zu dieſer
Achſe ſenkrechten Querfchnitte ſich um die in ihnen
liegenden Punkte der Achſe ohne Änderung ihrer
Geftalt u. Größe drehen). Streben die Theilchen
in ihre urfprünglihe Lage zurüdzufehren, fo
beißen die Körper elaftiichebieglam, im anderen
Fall biegfam im engeren Sinne (gemein biegſam).
Alle feften Körper befigen einen gemiffen Grad
ven Biegfamkeit. Wenn b. K. nur in einzelnen
Punkten unterftügt find, fo werden die zwiſchen
diefen liegenden Theile durch ihr eigenes Gewicht
gebogen; ein Ballen, der nur in der Mitte oder
nur an beiden Enden unterſtützt ift, krümmt ſich
im erfteren Falle mit den Enden, im letteren
mit der Mitte nach unten. S, u, Elaſticität u.
u. Feſtigleit. Winumenauer M.
Biehler, Tobias, geb. um 1800 in Wien;
fam 1830 nad Italien, wo er im Neapel den
Grund zu feiner umfaffenden Kenntnig im Fache
der Gemmenkunde u. zu feiner Sammlung legte,
welche zu den bebeutenditen Privatfanımlungen
diefer Art gehört. Er privatifirt in feiner Vater-
ftadbt Wien u. gab 1871 einen bejchreibenden
Katalog über diefe mehr als 800 der werthvoll-
ften u. intereffanteften Gameen u, Intaglien ent:
haltende Sammlung heraus.
Diel (franz. Bienne), Stadt im ſchweizer
Kanton Bern, nahe am Bieler- See und au der
Suze (Scheuß), Eifenbahnfnotenpunft der Jura—
u. Gentralbahn; Gymnaſium, Bürgeripital, Hath-
haus (Burg); Baummollenjpinnerei, Färbereien,
Fertigung von Kattum, Leder, Draht, bed. Uhren:
fabrifation; Weinbau; 8113, meift reformirte Em,
Tberhalb der Stadt befindet ſich eine Felsgrotte
(Brunnftube) mit einem Wafferbaffin von großer
Ziefe. Die Stadt, am Fuße des Jura liegend,
hat herrliche Umgebungen, reizende Spaziergänge,
Dampfihiffahrtsverbindungen nach den Uferftädten
zu Urach (Württemberg), Rathgeber des
worden fein; aud die B-shöhle (f. d.) foll von
ihm den Namen haben.
Biel, Gabriel, der letzte Scholaftifer genannt,
geb. in Speyer, — — in Heidelberg; ſtudirte
u. lehrte ſeit 1442 zu Erfurt, war dann Prediger zu
St. Martin in Mainz, Propft der Eollegiatfirche
erzogs
Eberhard im Bart bei der Stiftung ber Univer-
fität Tübingen 1477, von da au Prof. der Philof.
u. Theol. zu Tübingen; er zog fich zuletzt zu ben
blauen Mönchen des Klofters Einfiedel (bei Tü-
bingen) zurüd; u. fl. 1495. B. war Nominalift,
behauptete mit den Basler Eoncil die Hoheit der
Kirche über den Papſt, erflärte die Abſolution für
einen nicht judicialen Act, war aber fonft ein eif-
tiger Vertheidiger des papalen Syſtems u. ma-
mentlih de$ Opus operatum. Er ſchr.: Collec-
torium ex Occamo in libb. IV Sententiarum,
Tüb. 1502 (unvoll.); Expositio Canonis Missae,
Tüb. 1499; Sermones de tempore, herausg. vd.
Wend. Steinbach, Tüb. 1500; Sermones de festi-
vitatibus glor. Virg. Mariae, 14989. ©. über ihn:
Linfemann, Theol. Quartaljchrift, 1868. Löffler.
Biela, 1) N. Fluß in Böhmen; entfpr. am
Erzgebirge u. mündet bei Auffig im die Eibe;
74 km lang. 2) (Auch Bielit) Keiner Fluß in
Sachſen; fließt vom Erzgebirge bei Königftein der
Elbe zu; ſchöne Partien bietet fein Thal (B—
grund) in der Sächſiſchen Schweiz.
Diela, Freiherr Wilhelm v. B., geb.
19. März 1782 in Roßla bei Stolberg am Harz;
widmete fi dem Militärftande u. warb nach
Beendigung der Kriege gegen Napoleon öfterr.
Hauptmann in Prag. Bon bier nad Joſephſtadt
verjegt, betrieb er in feinen freien Stunden praf-
tiſche Aftronomie, beftimmte die geographiiche Lage
feiner Garnifonftadt u. entbedte 1823 u. 1825
teleftopische Kometen. Der am 27. Febr. 1826 von
ihm entdedte derartige Komet wurde von ibm
berechnet u. als ein periodiſch wiederkehrender,
mit einer Umlaufszeit von 6% Jahren gefunden
u. erhielt den Namen Befher Komet. Im Ma-
jorsrange penfionirt, lebte er mehrere Jahre in
Benedig den Wiffenfchaften u. ft. dort am 18. Febr.
1856. Seine widtigjten wiffenihaftlichen Arbeiten
des Beer» u. Neuenburger» Sees u. wird durch ſind in Schumaders Aftronomischen Nachrichten
Eijenbahn mit Bafel, Genf, Zürich u. Bern verbun- |niedergele
den. — B. wird erft 1262 urfundlid genannt, wo es
an das Bisthum Baſel fam, danıı 1271, wo es mit
Bern ein Bündniß ſchloß, u. 1275, wo Rudolf
von Habsburg ihm Freiheiten ertheilte. Um fich
egen die Übergriffe des Biſchofs von Baſel zu
ern, ermeuerte B. 1352 den Bund mit Bern
u. ſchloß 1382 mit Solothurn u. 1407 mit Frei—
burg Bündniffe, in deren Folge das Schloß des
Bischofs zu B. geichleift wurde. Später war es
ein zugewandter Ort der Eidgenoffen. Noch zu
Anfange des 18. Jahrhunderts dauerten die
Streitigkeiten fort. Infolge der Revolution wurde
es mit Frankreich verbunden u. fam zum Depar-
tement des Mont» Terrible, 1814 aber an den
t.
Bieladı, f. Fluß in Öfterreih Ob der Enns,
112 km lang; miündet bei Mölt in die Donau.
Bielau, Langen⸗B.
Bielbog, d. i. der Fichte (weiße) Gott, wird
von ſlaviſchen Mythologen als Bezeichnung eines
jeden Lichtgottes erflärt, wobei die Annahme nicht
ausgeichloffen ift, daß ähnlich wie im Perſiſchen
Ahuramazdao der oberite Lichtgott vorzugsweiie
B. geheißen babe. Dieje Auffaffung beruht auf
einer Außerung Helmolds (Chron. Slav.I. Cap. 58)
von einem guten u. böjen Gott (Deorum boni
seilicet et mali), von deren letterem er ferner
jagt: die Siaven (d. h. die den Sachſen benad)-
barten Eibflaven) benennen ihn den „Schwarzen
380 Bielbrief — Bielshöhle,
Gott” (Diabol sive Zeernoboch). Den Namen des 12. Jahrh. unter dem Schute der Sparten»
des guten Gottes als Gegenfat zum finfteren Gott|burg gegründet, wurde bald Hauptſtadt der Graf»
(Czernobog) nennt er nicht, erwähnt nur als die ſchaft Ravensberg und 1270 Hanfeftabt; 1203
bervorragendfte unter den Fichtgottheiten (Numina) wurde die Stadt vom Biihof Hermann von Min
Zvantevith (Sviatovit). Spätere a. (Edeifter erobert; fiel 1346 mit der Grafſchaft au
hard, Ludewig u. %.) haben diefer Außerung | Jülich Kieve-Berg, 1609 an Brandenburg; 1623
Helmolſds noh das Wort Belbog gleichſam er-|murde die Sparrenburg von den Pfälzern erobert,
änzend Hinzugefügt, u. fo entftand die bei vielen|doch 1628 von den Brandenburgern wiedergewon«
Pryrhologen gangbare Borftellung von der Eriftenz |nen; 1637 nahmen es die Heflen, 1639 die Kai-
eines allgemein bei den Slaven verehrten, Belbog)jerlihen; bald darauf wurde es für neutral er-
benannten Gottes; der Name kommt aber weder /Märt; 1672 refidirte Kurfürft Friedrich Wilhelm
in älteren biftoriihen Nachrichten, noch in den
Boltsiiedern der Slaven vor. In gelehrten Eom-
binationen wird er auf Sviatovit oder auch Ra-
degast gedeutet. Rehring.
telbrief, jo v. mw. Beilbrief.
Bielefeld, 1) Kreis im — Regbez. Min-
den, zu beiden Seiten des Teutoburger Waldes;
273,2 [km (5 DM); 5915 Ew.; Hauptbe⸗
trieb: Getreide» u. Flachsbau, Spinnerei, Leinen-
weberei, Geidenfabrifation u. Bleihen, Gtein-
tohlen, Schwefelfies, Kaltöfen u. Cementmüblen;
wird von 20,,, km der Köln-Mindener Eifenbahn
durchſchnitten. 2) Hauptftadt daſelbſt (ehedem
auch der Grafſchaft Ravensberg), von dem Lutter-
bache in Alt- u. Neuftabt getheilt, am Fuße des
Sparreuberges, auf deffen Gipfel eine Burg»
ruine, welche, neu ausgebaut u. mit einer Thurm-
warte verjehen, zur Zeit als Gefängniß dient, in
anmutbiger Gegend mit in Spaziergänge umge-
wandelen Wällen u. Gräben, an der Köln—
Mindener Eifenbahn; Kreisgeriht; 4 Kirchen, 1
Synagoge; Rathhaus, Gymnafium, Neal, Ge-
werbe-, Töchter⸗, vereinigte Bürgerſchule, 1 Kin-
dergarten, Kleinktinderbewahranftalten; Freimaurer⸗
loge: Arminius zur dentfchen Treue, Gewerbe- u.
Landwirthichaftliher Verein, Handelstammer, Kö-
niglihe Banlcommandite, Uctiengefellihaft: Weſt—
fäliſche Bank, Krankenhaus u. Kaferne. B. ift
weltberühmt durch ſeinen Leinenhandel, der an 6
Zahrhunderte alt ift u. an dem in B. 130 Hand:
lungshäuſer betheiligt find. Weit ausgedehnte
Bleihen an der Jutter unterftügen die beiden
Uctienfpinnereien Ravensberg u. Vorwärts (mit
zufammen 35,000 Spindeln) und eine Actien-
weberei mit 500 Stühlen in der Herftellung der
Leinwand, von welder 1872 im Ganzen 130,000
Stüd producirt wurde. Die Bielefelder Yein-
wand hält hinfichtlih der Güte und Dauerhaftig-
feit die Concurrenz mit jedem anderen Gewebe
diefer Art aus u. iſt deshalb auch im Auslaude,
befonder8 in England, Spaiien und Amerila,
beliebt. Nicht unbedeutend ift ferner der Seiden-
bandel, die Cement-, Asphalt, Glas-, Sammet-
u. Plüſchfabrikation; außerdem finden ſich Ma—
ſchinenbau, Keſſelſchmiederei, Eifengießerei u. Fei—
lenhauerei; großartig iſt die Herſtellung fertiger
Wäſche, im welcher 2500 Näherinnen mit über
1200 Nähmaſchinen beſchäftigt werden und deren
Werth jährlich etwa 74 Dill. M beträgt. Die
Stadt befigt ſchöne Billen; in ihrer Nähe liegt
der der Schütengejellichaft gehörige Johannisberg,
mit herrlicher Ausfiht u, parfähnlihen Anlagen.
3, hat 21,834 Em., mit der Vorſtadt Gadder-
baum, im welcher eine Anftalt für Epileptifche ift,
24,521 Ew. — B., zu Ende des 11, oder Anfang
mit feiner Gemahlin längere Zeit auf der Burg;
1679 bejetten die Franzoſen die Stadt. Sie ge-
hörte von 1806—1813 zum Königreih Weftfalen
u, fam dann wieder an Preußen.
Bielenftein Auguft, Sprachforſcher u. Prä-
fidvent der im J. 1826 Wu Te Lettifch » lite»
rarifchen Gejellichaft, geb. 4. März (20. Febr.)
1826 in Mitau; feinem Berufe nah ev.-luth.
Pfarrer zu Neu⸗Autz in Kurland, wofür er feine
Studien 1846—50 in Dorpat machte; hat fih um
das Studium der lettiſchen Sprache bedeutende
Verdienfte erworben. Er ſchrieb: Handbuch der
lettiſchen Sprache (auch unt. d. Zit.: Lettiſche
Grammatik), I. Theil: Grammatik, Mitau 1863.
Gleichzeitig erſchien: Die lettiſche Sprache nach
ihren Lauten u. Formen, Berl. 1863, u. enthält
dieſe umfangreiche Arbeit, welche durch die Peters-
burger Akad. der Wiffenih. mit dem Demidow—
ſchen Preife ausgezeichnet wurde, eine Darftellung
des Baues der lettiſchen Sprade. Außerdem
förderte u. leitete er die Herausgabe des Lettiſchen
Wörterbuches (I. Theil, Lett.» Deutih) vom ver-
ftorbenen Biſchof Ullmann, Riga 1872. Nebring.
Bieler-See, See, größtentheils im ſchweizeri-
ihen Kanton Bern, die SWEde aber im Kanton
Neuenburg, 16,,, km lang, 3,5 breit, 46,, "km
groß, 434 m ü. d. M., größte Tiefe 78 m;
ichreih, von Weinbergen umgeben, durd die
Zihl (Thiele, urſprünglich Orbe) mit dem Neuen-
burger-See verbunden; Petersinfel (Weingärten,
Rouffeaus Aufenthalt) in der Mitte u. die Kleinere
Kanincheninſel. Merkwürdig find die Pfahlbauten
nicht weit von Nidau. Der See wurde bis zur
Inbetriebſetzung der Eifenbahn am Wufer von
Dampfern befahren u. tritt häufig aus.
Bielitz, Stadt in Ofterr.-Schlefien, an der
Weichjel u. Biala, gegenüber dem galiziſchen
Biala, Eifenbahnftation; Gymnaſium, Lehrerjemi-
nar; Schloß mit Part; bedeutende Tudfabrifation
u. Schönfärberei, Flahsgarnipinnereien u. Ma—
ihinenfabrifen; bedeutender Handel mit gefärbten
Ziihern, ungarifhem Wein u. galiziihem Salz;
10,720 Ew. — Im 13. Jahrh. gegründet, war B.
im 15. u. 16. Jahrh. feſt; es iſt Sit einer pro-
teftant. Superintendentur u. Hauptniederlage ga-
liziſchen Steinfalzes.
Biella, Hauptft. des gleihn. Diftricts der
ital, Prov. Novara (Piemont), am Gervo u. Au—⸗
rena, Eifenbahnft.; Biſchofsſitz; mehrere Kirchen
u. Klöfter, Seminar; Beug-, Leinwand⸗, Papier-
fabrifen; Handel mit Seide, Kaftanien u. Wein;
11,935 Ew.; 7 km von ber Stadt der Wallfahrts-
ort Madonna d'Oropa (Kirche auf einem Berge).
Bielmaus, jo v. w. Siebenfchläfer.
Bielshöhle, Höhle auf dem Harze bei Nübe-
Bielski — Biene, 381
land (Braunfchweig), in dem Bielftein an bderreinheimifch ift, während die 3 anderen Arten, die
rechten Bergwand des Bodethals; ward 1762 ent- indifche B. (A. indica Fab.), die fleine füd-
dedt u. 1788 von einem gemilfen Beder zum aſiatiſche B. (A. floren Fab.) u. die große
bequemen Beſuche eingerichtet; fie liegt 33 milüdafiatifhe B. (A. dorsata Fab.), alle drei
über der Sohle des Fluſſes, ift gegen 200 m SAfien angebören,
Bon den)Honig-B. nicht einheimiſch; in Mittel u. SAmerifa
lang u. zerfällt in 11 Abtheilungen.
Tropffteinbildungen find beſ. merfwürdig das
Orgelwerk u. das Wellenförmige Meer, jenes in
ber 8., dieſes in der 9. Abtheilung. Über u. neben
der Dede der 4., 5. u. 6. Abtheilung ziebt ſich
noch eine Höhle hin. Auf dem Bielftein foll der
Gott Biel (f. d.) verehrt worden fein.
Bielsti, Di? riin, polnischer Geichichtichreiber,
geb. um 1495 zu Biala bei Sieradz; verlebte,
nachdem er in feiner Jugend an manchem Kriege
theilgenommen und auf dem Hofe des SKrafauer
Woiwoden Kmita verweilt hatte, die meifte
Zeit auf feinem Erbgute Biala, wo er 1575
ftarb. Er war der Erfte, welcher die polnifche
Sprache nad einer langen Heirrſchaft des Lateini—
ſchen in die Gebiete der Literatur mit Erfolg ein»
führte. B. fchrieb poetiſche, philofophiiche u. ger
ſchichtl. Werte. Bei feinen Lebzeiten publicirte er:
Zywoty filozoföw (Lebensbejchreib. d. Bhilofophen),
1535; Sprawa rycerska (vom Kriegshandmwerf),
1569, u. fein wichtiges Werk, die erfte Weltge-
ſchichte in poln. Sprade, Kronika ’swiata, 1550,
dann 1554 u. 1564 in Krakau. Sein Gohn
Joachim veröffentlichte nach feinem Tode das Ge-
dicht Sen majowy (Maientraum), 1590, u. Seym
niewiesei (Weiberverjammlung), 1595. Wegen des
freifinnigen Geiftes, welcher jeine Werte bejeelte,
wurden fie mit dem biſchöflichen Verdict belegt.
2) B. Joachim, der Sohn Martins, verlebte
fein den Mufen gewidmetes Leben meift rubig in
Biala u. ſchrieb poetiihe u. geichichtl. Werte,
u. a.: Satira in quendam Dantiscanum, 1577;
Caxninum liber I, 1588; Pamiatka Strusiowi
(Andenten an Struß), 1589; Kronika Polska,
1597, Fol., welches ınnfafjende Werk er aus Pie-
tät unter dem Namen jeines Vaters herausgab,
Bielzi, ſ. Bielzy.
Bien (fr.) 1) gut, wohl, ſchön; 2) viel, ſehr;
8) But; 4) Glüd.
Bien, Bienenftaat, Bienenvoll, die Gefammt-
beit der Bienen eines Stodes,
Bienaimd, Luigi, Bildhauer aus Carrara;
bildete fih bei Thormwaldien und wurde 1844,
nachdem er vorher als Profeffor an der Kunft-
fchufe zu Florenz gewirkt hatte, als Mitglied in
die Akademie von S. Luca zu Rom aufgenom-
men, B. flieht mit Tenerani an der Spike der
neurömischen Bildhauer» Schule, u. find feine Ar-
beiten namentlich in England jehr geihägt. Werfe:
Der fih mwappnende Zelemahos; Die Unfchuld
(5 mal); Amor tränft die Tauben der Venus;
Eine truntene Bachantin. Durch Kupferftidh ver-
vielfältigt erfhienen feine Werke nebſt Tert 1838
zu Rom u, Leipzig. Regnet.
Biene (Honigbiene, Apis L.),
der
Beienfüßler.
Arten, von denen uniere Honig»,
Haus- B. (Apis mellifica L., A. cerifera
A. domestica Ra
Scop.,|}-
y) faft in der ganzen Alten Relt daß dann der Stachel Häufig abrei
In der Neuen Welt ift die
wird fie durch zahlreiche Arten von Melipona Illig.
u. Trigona Jur, vertreten. Von diefen liefert
. B. M. fasciata grüngelben Honig u. viel Wachs,
T. amalthea, von Stubenfliegen-Gröge, dagegen
rothen Honig u. verhältnigmäßig wenig Wachs.
Jet ift unfere Honig -B. au in Amerifa und
Auftralien weit verbreitet; Fliege des weißen
Mannes wird fie von den Judianern genannt, da
fie faft überall eingeführt wurde, wo Europäer
feften Fuß gefaßt hatten, und ſich jegt felbjtändig
in den noch nicht befiedelten Strichen ausbreitet.
Ein Staat, Stod oder Shwarm der Honig-®.
befteht aus einer Königin, einigen hundert Drob-
nen u. aus mehreren (bisweilen 80) taujend Ars
beitern, Die Königin od. Weijel ift das einzige
fruchtbare Weibchen der ganzen Geſellſchaſt; fie iſt
länger, als die übrigen (bei der Krainer B., einer
der beiten Varietäten, etwa 17 mm lang); ihr
Hinterleib erjcheint bef. verlängert; ihr rumdlicher
Kopf ift am vorderen Eude nahezu berzförmig
ausgerandet; er trägt zwei 1ägliederige Fühler
u, zu beiden Seiten die großen zufammengejegten
yacettenaugen, deren jedes etwa 3—4000 FFacetten
beſitzt; auf der zwiſchen dieſen Augen liegenden
breiten Stirn finden ſich 3 einfache Punktaugen.
In dem dritten Hinterleibsringe liegt icberfeitg
ein Eierftod, in welchem die Eier gebildet werben;
diefe gelangen durch einen jederſeits gelegenen (alfo
paarigen) Gileiter in die unpaarige Scheide, aus
weicher fie abgelegt werben, In die Scheide mün⸗
bet ein Meines Bläschen, welches gemäß feiner
Beftimmung, als Aufbewahrungsbehältnig des
männlihen Samens, Samentaſche oder Samen-
fapfel genannt wird. Hinter der Scheide mündet
ein Giftapparat, dahinter findet ſich der After.
Der Giftapparat zerfällt in Stachel u. Giftdrilfe.
Der Stachel befteht aus zwei fteifen, hornigen
Borften, deren Enden an der äußeren Seite 9—12
rüdwärts getrümmte Sägezähne befigen. Dieje
Borften liegen in einer halbrinnenföürmigen Schiene,
welche nod von zwei (jederſeits eine) rinnenför—
migen Hüllſchuppen, die zuſammen eine Art von
Scheide bilden, eingeſchloſſen u. umhüllt wird. Die
Vorften ftoßen mit ihren inneren, rechtwinlelig
nah außen gelrümmten Schenken an 2 hornige
Stügbeine, welde fo angebradht find, daß durch
fie bei jeder Stredung u. dadurch bedingten Zur
jammenziehung des SHinterleibes die Borften vor-
geihoben werden, fo aus der Spike der Schiene
heraustreten u. die Wunde verurſachen. In letztere
fließt gleichzeitig eim Tröpfchen Gift, welches in
zwei feinen Giftbrüfen bereitet, durch einen ge-
meinfamen langen Leiter in eine Giftblafe geführt,
dort aufbewahrt u. durch die Zufammenzichung
Gattung | des Hinterleibes Hervorgepreßt wurde. Es leuchtet
Fam. der Bienen, aus der Unterfamilie derjein, daß die rüdwärts gefriimmten —— das
Man kennt vier hierher gehörende Zurüchziehen des Stachels aus der
unde ver»
Wachs- oder|hindern, wenn die B. in einen elaſtiſchen Körper,
B. in die Haut eines Menſchen, er. bat,
en und der
382
Bicne,
Stich Urſache zum Tode der B. fein muß: Grund; Samenleiter zu deren Bereinigungsftelle, an den
genug, daß die Königin den Stachel freimilligiunpaaren Samenleiter, gelangt, wird er durch
nur gegen ihres leihen auwendet; vgl. Bienen-|einen in 2 Anbangsdrüfen gebildeten, au jener
Aud
die Arbeits-B-n (jogenannte ge|Stelle Hinzutretenden Schleim zu einer Maſſe,
ichlechtstofe B-n, Neutra) find ihrer Anlage nah| Samenpfropfen (Spermatophore), verklebt, welche
Weibchen, aber die Enge der Zelle, in welcher dort bis zur pe eventuell biß zum Tode
fie gebrütet wurden, fowie Mangel an paſſender des Thieres aufbema
Nahrung Tiefen ihre Geſchlechtstheile nicht zur
Entmwidelung gelangen. Die Bertümmerung der»
jelben hat mande plaftiihe Geftaltänderung zur
Folge. Zunächſt bleibt die Arbeits-B. Heiner, als
die Königin, und wird bei der Krainer B. nur
13 mm lang. Der Kopf ift am vorderen Ende
nur wenig ausgerandet. Die Mundtheile find
fehr entwidelt; Unterkiefer, namentlich aber bie
Unterlippe, find verlängert; letztere ift fünftheilig
u. durch die große, an der Spitze mit abwärts
gerichteten Haaren bejetste Zunge zu einem Led-
apparat eingerichtet. Fälſchlicherweiſe hält man
diejen oft für einen Saugapparat, was er aber
nicht fein Tann, da die Mundtheile feine durch—
bohrte Röhre bilden. Sehr eigenthümlich ift das
Ietste, dritte Beinpaar der Arbeits-B, geftaltet: das
Schienbein hat in feiner platten Außenflähe eine
fpindelförmige, mit dem breiteren Ende nad) unten
gerichtete, von längeren Haaren umrandete Ber
tiefung, welde Körbchen, Schaufel oder Löffel ge-
nannt wird ı. zur Aufnahme von Blüthenftaub
dient; “7 it das erfte Fuß ober Tarjenglied,
der ſog. Metararjus oder die Ferſe, —
breit u. an feiner Innenſeite mit 10 Querreihen
von braunen Haaren beiett, welche eine treffliche
Bürfte, auch Hechel genannt, bilden, um Blüthen-
ftanb zufammenzulebhren, damit er, im Körbchen
gefammelt, theilweife auch der Bürſte ſelbſt an-
baftend, eingeheimft werden fanı. Königin umd
Drohnen, denen die Aufgabe, Blüthenftaub zu
ſammeln, micht geftellt iſt, haben auch dieſen
Caınmelapparat nicht. Die Hinterleibsfchuppen
der Arbeitd-B. liegen dachziegelartig über einander;
bei den vier letzten Bauchſchuppen ift der von der
vorhergehenden Schuppe lberdedte Theil weich u.
zeigt zwei feitliche, durch eine mittelftändige Horn-
leifte von einander getrennte durchicheinende fog.
Spiegel, dies find die Wahshäutden, ein haut-
artiger Beleg auf den Bauchplatten des Haut—
ſtelels, welder bei mikroſtopiſcher Unterfuchung
zahlreihe cylindriihe Organe, die Wachsdrüſen,
erfennen läßt; Iettere haben die Aufgabe, das
Wachs in Geftalt dünner, weißer, ſich gleichſam
zwiſchen den Bauchringen erhebender halbfreis-
förmiger Wachsplättchen auszuſcheiden. Der Gift:
apparat der Arbeiter ift wie jener der Königin
eingerichtet; er fehlt den Drohnen. Dies find
die Männchen, Ihre Gejtalt iſt gedrungen; fie
erreichen zwar faft die Länge der Königin, find
aber breiter, plumper, als dieſe. Ihre yacetten-
augen ſtoßen in der Dlittezufammen; die Punktaugen
find infolge davon weiter auf die Stirne gerüdt;
die Mundorgane find theilweife verlümmert, die
Oberlippe beweglich u. zottig behaart; die Hinter:
beine find glatt u. ohne Sammelapparat. Die
Geichlehtsorgane find entwidelt; der Same bildet
ſich frilbzeitig, bereits während des Nymphenzu-
ftandes der Drohnen; wenn er aus den beiderſeits
belegenen, ihn bereitenden Hoden durch Die paarigen
rt wird, Das Ende bes
unpaaren Samenleiters dient als Begattungs-
organ (Penis). Krüppelhafte Arbeiter u. Drohnen
werben im Stode nicht geduldet, jondern verjagt.
Ubweihungen von der normalen Bildung kom—
men im Allgemeinen nur felten vor; am bäufig-
ften find noch ungewöhnlich Kleine oder die ge-
wöhnlihe Größe überragende Drohnen u. Köni-
ginnen, fodann ftart u. dunlel behaarte Arbeiter
u. Drobnen, unter letteren endlich Albinos (weiße
Drohnen mit rothen Augen). Zwitter, welche
männlichen u. weiblichen Habitus in ſich vereinen,
find feiten, Über die allgemeine fonftige Organi«
fation des Benleibes läßt fich nichts mwejentlich
Eigenthlimliches jagen, das für alle Inſecten (ſ. d.)
Giltige müßte denn wiederholt werden. Die Ben
erwerjen fich im ihrem Leben als vorzüglich Hoch
organifirte Thiere, dennoch ift es bis jegt nicht
mit Sicherheit gelungen, die Organe für die 5
Sinne, welche fie zweifelsohne befigen, nachzu—
weifen. Organ des Taſtſinnes find die Füh—
ler, vielleicht auch die Mundwertzeuge; dem Ge-
ihmadjinne dient wol die Zunge, wenigftens
ift Diefelbe vorzüglich reich mit Nerven verjeben ;
Sit des Geruchsorgans jollen die auch der
Athmung dienenden inneren Luftfanäle oder Tra-
een jein, während die Fühler nit nur Zajt-
organe, jondern auch Gehörorgane ſei jollen;
die Sehorgame, der zufammengejegten und die
einfachen Augen, wurden bereitö erwähnt. Die
B:n haben ın ihrem Stode (Staate) volllom—
mene Arbeitstheilung. Der Königin liegt es ob,
den Stod zu vermehren. Kurze Zeit, nachdem
fie volljtändig ausgebildet ift, wird ihre Brunft
rege, und fie erhebt fih an einem fchönen Tage,
begleitet von einem Drobnenihwarme, zum Hoch-
zeitsfluge in die Luft; fie kehrt von demſelben
mit dem Wahrzeichen der geſchehenen Befrucht-
ung, dem in der Scheidenöffnung ftedenden Pe—
nis einer Drohne, zurüd. Dann verläßt fie,
außer beim Schwärmen, den Gtod nicht wieder,
jelbft ihren Unrath jet fie im Stode ab. Zwei
Tage nad dem Hodyzeitäfluge beginnt fie Eier zu
legen; in dem erjten Jahre fallen nur Arbeiter-
eier, dann auch Drohmeneier, zulegt auch Eier,
aus denen Königinnen hervorgehen werden. Jedes
Ei wird im eine bejondere Zelle gelegt, und weil
Arbeiter, Drohnen- und Königinnenzellen ver«
ſchieden geftaltet find, fo muß die Königin es in ihrer
Gewalt haben u. nad Belieben Eier legen können,
aus denen bie eine oder die andere Brnform her-
vorgeben wird. Da zeigt fih denn Folgendes:
alle Eier, welche von der Königin gelegt werden,
find unter einander gleichgeftaltet u. haben alle an
einem Ende, u. zwar an der zuerft hervortretenden
Stelle einen an (Diyfropyle), eine
DurKbohrung der Schale, welche hier, wie bei
anderen Thieren, den allgemeinen Bmed bat,
den zur Befruchtung des Kies an dieſes herau—
tretenden männlihen Samen durd die Eijchale
Biene,
Hindurh zu dem Dotter gelangen zu laſſen;,
die Drohmen-, Arbeiter- und Königinneneier
383
genig u. Blütbenftaub, zu ſich. fammeln durch
erdauung deſſelben größere Mengen plaftiicher
find alfo ihrer erften Anlage nad nicht von Stoffe in ſich u. lafien diefelben, zu Wachs (f. d.)
einander verfhieden. Wenn nun eine Königin
dur befondere Umftände, durch Unfähigkeit zum
Fliegen, oder dur anhaltend fchlechtes Wetter,
weldes den Hochzeitsflug verhinderte, oder gar
durh den Umftand, daß ſich ihr feine Drohne
näherte, nicht begattet wurde; dann legt fie, wenn
ihre Brunft Bir dennoch Eier, aber aus dieſen
gehen nur Drobhnen hervor. Da darf man
nn annehmen, daß die Drobmeneier unbe-
fruchtet find, die Drobnen alfo durch eine Art
von Jungfernbrut (Parthenogenefis, ſ. d.) hervor-
geben, während die Königinnen- u. Arbeitsbienen-
eier, furz die weiblichen Eier von der Königin,
gleihfam willkürlich, u. zwar in der Weife be-
fruchtet werben, daß fie aus ihrer Samentafche
ein winziges Theilchen des dort aufbewahrten
Samens zu dem Eie hinzutreten ließ. Die Kö—
nigin erreicht ein Alter von —5 Jahren u. fann
während dieſer ganzen Zeit Eier legen; da fie
mitunter gegen 3000 Eier in Zeit von 24 Stun-
den ablegt, jo fann es nicht wundern, daß fi
ihre Nachlommenſchaft oft auf mehr als 1 Mil.
beläuft. Die ungeheure alljährlich abgelegte Eier-
zahl erflärt ſich einigermaßen aus der großen
Entwidelung der Eierftöde, deren jeder ſich aus etwa
160— 180 Eier bereitenden Eiröhren zufammen-
ſetzt. Zrog dieſer enormen Fruchtbarkeit findet
nur eine Begattung ftatt; hat die Königin, wie
es bei langlebigen Eremplaren wol vortommt,
ihren Vorrath an Samen verbraudt, dann wird
fie zumächft drohmenbrütig, bis fchließlih ihre
Zeugungskraft erliiht. Die Aufgabe der er
concentrirt fih auf das Eierlegen, fomit auf Die
Bergrößerung des Staates, daflir ift fie jeder
anderen Arbeit überhoben u. feitens der Arbeiter
Gegenftand größter Aufmerlfamkeit; von diefen
wird fie 2 ihren Gängen dur den Stod be»
leitet, man reicht ihr die befte Nahrung u. putzt
te. Überſlüſſige Gäfte in dem geregelten B-n-
ftode find die alfermeiften Drohnen, da fie nicht
arbeiten, vielmehr nur zur Befruchtung der Kö»
nigin dienen u. jeder Königin eine einzige genügt;
diefer einen aber koftet die Erfüllung ihres Dafeins-
zwedes das Leben, da fie beiderjelben dur Abreißen
des Penis zu Tode verwundet wird. So leben die
Drohnen faft ausnahmelos ohne Nuten für den
Staat, auf Kojten der Arbeiter, und man kann
daher jenen Kampf ums Dafein nicht genug be—
wundern, der fih in der Weife geltend madht,
dag in Stöden mit einjährigen Königinnen die
Drohnen nad) dem Hocyzeitäfluge aus dem Stode
umgewandelt, willtürtih aus ihren Wachsſpiegeln
hervortreten.. Welcher Art dabei die Vorgänge
in den Wachsdrüſen find, ift noch nicht aufgebellt;
wollen wir aber ein Abhnliches aufjuchen, dann
dürfen wir an unfere im Munde belegenen
Speichelbrüfen erinnern, aus denen wir willfürlich
wenigſtens eine Meinere Menge von Speichel
ausprefien oder ausfaugen können. Das Wachs
wird im Form äußerft feiner, Tänglich- runder
Blätthen abgejdhieden, dann von der B., oft
auch von einer Nahbar-®., mit dem Hinter
fügen aus den Bruftringen bervorgezogen, zer-
faut, beipeichelt und als Baumaterial zur An-
fertigung der Waben benugt. Die Waben ſetzen
ſich aus zwei aufeinanderliegenden Schichten jehr
regelmäßiger Zellen zufammen, deren innere, ab»
wechjelnd auf einander ftoßende, dreifeitige Pyra-
miden barftellende Böden die mittlere Wabenwand
bilden. Die normalen Zellen find von dreierlei
Form, je nachdem fie zur Ausbrütung von Ar-
beitern, Drohnen oder Königinnen beftimmt find,
Die Arbeiterzellen find die Meinften; fie find, wie
die bedeutend größeren Drobmenzellen, regelmäßig
ſechseckig. Die Königinnenzellen (Weijelzellen,
Weijehmiegen od. Schwarmzellen) find die größten;
fie find tonnenförmig, mit abwärts gerichteter
Mündung u. ftehen einzeln am Rande der Wabe,
welche deren im Ganzen etwa 5—20 trägt; haben
fie ihrem Bwede, der Erbrütung einer Königin,
gedient, dann werden fie meift abgenagt. An
denjenigen Stellen, an welchen Zellen derſchiedener
Art aneinanderftoßen, oder an welchen die Wabe
angebeftet ift, finden ſich fünfedige u. mehr oder
minder unregelmäßige Übergangszellen vor. Das
Baumaterial der Waben, das Wachs, ift anfangs
rein weiß, wird aber fpäter durch die Ausdünftung
der Ben u. des Honigs gelb, Der Zellenbau .
ſchreitet fo rajch voran, daß eine Wabe mit ungefähr
4000 Zellen in 24 Stunden vollendet fein kann,
Außer dem eigentlihen Wachſe wird von den Ben
noch Stopfr oder Vorwachs (Propolis, Metys)
verwendet; dies ifb Harz, welches die B-n von
Blattfnojpen fanımeln u. weldes von ihnen zum
Berfleben der Riten u. Löcher, fowie zum Glätten
der Innenſeite des Baues bemutt wird.
Höchſt intereffant ift die Entwidelung ber
Ben. Etwa 3 Tage nachdem das Ei abgelegt wurde,
entwidelt ſich aus demfelben eine Larve; dieſe
verwandelt fi nach einiger Zeit, bei den Köni-
ginnen in 54, bei den Drohnen u. Arbeitern in
6 Tagen in eine Nymphe, aus welder enblid)
getrieben (geritten), in allen aber etwa im Au-|das vollftändige Juſect hervorgeht. Die Larven
guft von den Arbeitern in der Drohnenfchlacht
etöbtet merden. Den Arbeits »- B-n liegt, wie
chon ihr Name andeutet, alle Arbeit im Benftaate
ob; fie müffen Wachs bereiten und daraus jene
zu Waben vereinigten Zellen bauen, in denen die
Eier abgelegt u. die Jungen erbrütet werden, u.
fie müffen Pifiehfich and noch Honig, Blüthen-
faub u. Waffer zur Nahrung, unter Umftänden
auch noch Kitt zu mancherlei Verwendung ein-
tragen. Wenn die B-n Wachs bereiten wollen,
nehmen fie vorher veihlih Nahrung, und zwar
find fußlos u. walzenförmig; ihr Magen enbigt
blind, ift jadförmig u. hängt mit dem Enddarm
nicht zufammen; allen wird von Arbeitern ein
Futterſaft gereicht, weichen jene in ihrem Magen
aus Blüthenftaub u. Honig bereiteten, der jehr
nahrhaft u. leicht verdaulich ift, jo daß ein Aus—
icheiven unverdauter Speijerefte micht ftattfindet.
Dies dauert einige Tage, mährend deren die
Larve gefrümmt am Boden ihrer Zelle liegt; dann
erhebt die Larve ihren Kopf. Die Königinlarve
erhält auch fernerhin jo viel des feinften Futter—
>84
Biene,
jaftes, als ihr beliebt, die Arbeiter- u. Drohnen- mögen; diefelbe ift indeifen nicht jo durchgreifender
larven werden aber von dba an mit
Honig|Art, daß man nicht aus dem Honig, u. zwar durch
und Biüthenftaub weniger reihlih als die den Geruch, noch jehr gut diejenigen Pflanzen er«
Königinlarve ernährt. In diefer unzureichenden
Ernährungsmweife u. dem geringen Raume, im
welchem fi} die Arbeiterlarve entwidelt, liegt ber
Grund, weshalb fie nicht ihre geſchlechtliche Reife
erlangt u. zur Königin heranwächſt, vielmehr zur
Arbeiterin verfümmert. Noch klarer geht dies
daraus hervor, daß, wenn ein Stod weiſellos ge«
worden iſt u. fich in demjelben feine Königinlarve
mehr vorfindet, fich die Arbeiter Königinnen in
der Weife beranziehen, daß fie die Wände von
Arbeiterzellen, im denen noch jugendliche Larven
find, einreißen, dieſe Zellen zu Königinnenzellen
fennen könnte, von melden die Bn den Nektar
entnahmen. Dies ift natürlih nur dann der Fall,
wenn man ungemifchten Honig vor fich hat, danu
vermag man aber noch fehr leicht den wenig aro-«
matiſchen, faft wafferhellen Zuderhonig von dem
tief goldgelben, ftark duftenden Eyanenhonig, dem
dunlelbraunen Heidefrauthonig, dem grünlichen
Rapshonig u. a. zu unterjheiden (f. Honig und
Bienengemädje).
Außer Honig wird auch Blüthenftaub eim-
etragen. Derjelbe wird mit der Zunge u. den
orderfüßen aus den Blüthen herausgebolt, mit
Machſchaffungszellen) umbauen u. deren Inſaſſen Hilfe des Speichel zu Meinen Ballen gefnetet,
reichlich mit bejtem Futterſafte verjehen, morauf
fih dann die urfprünglihen Wrbeiterlarven zu
Königinnen heranbilden. Iſt der Yarvenzuftaud
nah 54 bis 6 Tagen beendet, dann wird die
Zelle von den Ürbeitern von aufen mit einem
für die Arbeiter flachen, für die Drohnen gewölbten
Wachsdedel geihloffen (bededeit), Um diefe Zeit
wird ein geringer Reſt unverdauter Speife, weldyer
fi) im Grunde des Magens anſammelte, durch
den Mund entleert; bald darauf ftellt fih daun
auch der beim volllommenen Inſect vorhandene,
den ganzen Körper durchziehende Nahrungsſchlauch
ber. Die bebedelte Nymphe entwidelt ſich raſch
meiter; die Zeit vom Legen der Eier an gerechnet
bis zur völligen Ausbildung dauert bei der Köni«
in nur 16—17, bei den Arbeitern 21, bei den
rohnen 24 Tage. Während die Königin, wie
bereits früher erwähnt wurde, ihr Leben auf 4
bis 5 Jahre bringt u. die Drohnen im Spät.
jommer von den Arbeitern getöbtet werden, er-
reihen die Arbeiter während des Sommers nur
ein Alter von etwa Wochen, fie arbeiten fich zu
Tode, u, nur den Spätlingen des Herbftes, welche
überwintern, ift längeres Leben beſchieden. Die
Rartung der Larven ift ebenfalls Aufgabe der
Arbeiter, u. zwar der jüngeren, welchen währent
der erften Tage nach ihrer vollftändigen Ausbild-
ung nur häusliche Arbeit zufällt: Wachs bereiten,
Waben bauen, Futterfaft präpariren und Yarven
aufziehen. Ungefähr am adten Zage fliegt
die B. zuerft aus; erſt gegen den fechszehnten
Tag fammelt fie Honig u. Blirhenftaub u. trägt
Waffer ein, Lebteres dient den B-n zum Trante
u. zum Flüſſigmachen von in der Wabe Fryftalli-
firtem Honig, jedoch wird es nicht in die Waben
eingefült, jondern nah Bedarf herbeigeichleppt.
Den Honig leden die B-n in den Blüthen auf
u. fammeln ihn in ihrem Bormagen, eine vor dem
Magen, aber doch ſchon im Hinterleibe gelegene
Erweiterung der Speiferöhre, welche aud als
Honigblafe bezeichnet wird. Iſt diefe angefüllt,
dann wird der Honig durch einen Vorgang, ber
mit dem Erbrechen verglichen werben fünnte, in
eine Wabenzelle entleert. Es ift indeſſen nicht
ganz richtig, wenn man den Ben ein Honigjammeln
zufchreibt, fie fammeln eigentlich nur den honigarti»
gen Nektar der Blüthen, weldyer in dem Bormagen
erft in Honig umgewandelt wird. Diefe Umwand⸗
fung ift chemiſcher Natur, wie denn die B-n beis
jpielsweife Buder in Honig umzuwandeln ver⸗
dann dem mittleren Fußpaare übergeben u. in dem
Körbchen der Hinterfüße zu fog. Höschen En.
ſammelt. Aus ihm u. Honig wird Honigbrod be-
reitet, das zur Nahrung der Brut dient, aber auch
bon den Arbeitern genoffen wird, Blüthenftaub
(weldhen der Bienenzüchter nöthigenfalls durch
Getreidemehl erſetzen kann) ſcheiut zur Nahrung
der Ben im Allgemeinen unentbehrlich zu fein,
da er Stidftoff enthält, weicher dem Honig ab-
eht. Doch ift dies für Manchen noch eine offene
‚stage, da man beobachtete, daß Yarven auch
allein mit Honig aufgefüttert wurden u. aud)
Wachsausſchneidung bei reiner Honig« oder Zuder-
nahrung erfolgte. Die B-n tragen während der
guten Jahreszeit, mit Ausnahme der Negentage,
ein; ihre Ausflüge erftreden ſich bis zu einer
Bar ge Entfernung.
ie Arbeit der Ben ift von der Äußeren Tem-
peratur abhängig. Wenn die Schattenwärme im
‚zrübjahre ungefähr 74° beträgt, unternehmen die
Ben mitunter ſchon Ausflüge, doch nur um ihren
während des ganzen Winters zurüdgebaltenen
Unrath abzujegen, dies find die fog. Reinig-
ungsausflüge. Erft wenn die Wärme 15 bis
16° überfteigt, fliegen fie nad Tracht, d. 5. zum
Einfammeln von Nektar u, Blüthenftaub aus, u.
zwar um fo lebhafter, je höher die Temperatur
geftiegen. Doch kann e8 ihnen aud zu warım
werden, wie das fog. Borliegen beweift. Man ift
gewohnt, die niederen Thiere, von Reptilien,
Amphibien u. Fiſchen an, kurzweg als faltblütige
d. h. als ſolche zu bezeichnen, deren Blutwärme
fih nad der Temperatur des Waffer8 oder ber
Yuft, worin fie leben, richtet u. diefe nur wenig
übertrifft. Dies trifit indeffen für die Ben nicht
wohl zu ; felbft im Winter herrſcht in dem Stode
ganz behaglide Wärme, von 15 u. mehr Grad.
enn die Ben bauen oder brüten, dann ift es
in ihrem Stode ungefähr 32—33° 0. warm;
fteigt aber die Temperatur noch höher, dann ex—
liſcht alle andere Thätigleit, um einer eigenthünt«
lichen Bentilirung des Stodes zu weichen; zahl»
reihe Ben ſitzen vor dem Flugloche des Korbes
(Borliegen), andere ebenjo zahlreih an den Wän-
den, alle fächeln mit ihren ‚Flügeln u. erzeugen
jo eine deutlich wahrnehmbare Luftftrömung, durch
melde die übermäßig erhigte Luft ausgetrieben
wird, während frijche Luft einftrömt.
Diefes ganze fo rege Getriebe dauert indeſſen
nur fo lange, al$ der Staat in einer Königin ein
Biene — Bienen.
385
Oberhaupt hat; daher find die B-n wohl daraufıfach verwechſelt; erftere Krankheit ift indeffen nicht
bedacht, ſtets eine tüchtige Königin zu befigen.
Läßt die Fruchtbarleit einer Königin nah, dann
tritt ein Königinnenmwechjel ein; die alte Kö—
nigin wird von dem Arbeitern getödtet u. eine neue,
unterdeffen herangezogene nimmt ihre Stelle ein.
FA durch irgend welden Zufall ein Stod weifel-
108 geworden (emtweifelt) u. feine jugendliche
anftedend, wie bie letztere. Die früheren Angaben,
dag Faulbrut durch Erfältung der Brut, Faulpeft
aber duch Füttern mit Honig, der aus faul
brutigen Stöden ftamme, alfo giftig wirke, ent-
ftänden, find wenig wahrſcheinlich; mwenigftens hat
man die Parve von Phora incrassata Meig.,
einer echten Fliege, häufig in fanlbrutigen Stöden
Arbeiterlarve, melde noch zur Königin heran-|fhnarogend gefunden, während man in den an
wachſen könnte, mehr vorhanden, dann wird eine
kräftige Arbeiterin zur Königin erhoben; fie braucht
fortan nicht mehr zu arbeiten, wird aufs Befte
gepflegt u. gefüttert; endlich beginnt fie auch Eier
zu legen; da fie aber nicht begattet wurde, jo ift
fie ein Drohnenmütterhen, meldes nur
Drohneneier zu legen vermag; freilich läßt das
der erfahrene Bienenvater (Bienenziichter) nicht
zu, verfieht vielmehr den Stod mit einer neuen
Königin. Gelingt dem Stode fein Mittel, ein
Oberhaupt zu erhalten, dann geht er ein, die
Arbeit wird verlaffen, das Bolf zerftreut fi, wird
ſtechluſtig u. dringt räuberifch in andere Stöde,
um dort Nahrung zu rauben (Raub-Ben.).
Das Gift der B., welches beim B-nitiche
in die Wunde träufelt, ift feinem Hauptbeftand-
theil nach Ameifenfäure (ſ. d.); e8 ruft bei Men—
ſchen meift eıne etwas entzindete Geſchwulſt her-
vor; doch find verfchiedene Perſonen verichieden
ſtark empfindlich dagegen, u. fcheint 88, daß man
fih an daffelbe gewöhnen könne, wenigftens follen
Perſonen, welche oft geftochen wurden, jchließlich
nit mehr davon angegriffen werden. Ein jpeci-
fiſches Mittel zur Heilung des B-nfliches gibt es
nicht; man drüde vorAllem die Wunde rafch aus,
um noch nicht zur Wirfung gelangtes Gift möglichft
zu entfernen, dann befeitige man den in der Wunde
urüdgeblieben Stachel u. fuche die Wunde zu
fühlen: da das Gift indeffen eine Säure ift, fo
läßt es fich durch rafch zur Anwendung gebradıte
Baſen wenigftens theilmeife neutralifiren, wodurch
dann die üblen Seren bedeutend abgeſchwächt
werden. Zreffliche Mittel find 3. B. Ammonial-
flüffigfeit (jog. Salmialgeift), womit man den
Stich ein Mal ftark anfeuchtet, ferner mit Waffer,
oder, wenn feines zur Hand jein follte, mit
Speichel angemengte Cigarren- oder Tabalsafche,
auch das vom Speichel durchtränfte Dedblatt einer
Eigarre, angefeuchtete Soda, Pottafche oderBraufe-
pulver lafjen ſich mit Erfolg auf die Wunde legen;
mwenig zu empfehlen, freilich häufig beifer als
Nichts, ift das jo vielfach angemwendete Auflegen
von Lehm. In der Megel machen die B-n von
ihrem Stadel nur dann Gebraud, wenn fie ihren
Stod bebwoht glauben; nad) Tracht ausgeflogene
u. dabei von ıhrem Stode etwas entfernte B-n
find ſelten ftechluftig. Die Bon find mancherlei
Krankheiten unterworfen. Die hervorragendften
find: Benruhr, Faulbrut m. Brutpeft. Bei
der Benruhr haben die B-n einen röthlichen,
übelriechenden Auswurf; fie entfteht durch Unter-
drüdung des Neinigungsausfluges, vielleicht auch
durch Mangel an friiher Luft, oder an gutem
— Sie verliert ſich gewöhnlich, wenn den
n —— zum —— geboten wird.
Bei Faulbrut u. Brutpeſt ſtirbt die Brut im den
Zellen, u. beide Krankheiten wurden daher viel-
„ Biere? Univerfal:Eonverfations Leriſon. 6. Aufl.
Brutpeft zu Grunde gegangenen Stöden einen
Heinften, nur %/g, mm großen Pilz, Cryptococeus
alveolaris, entdedte, welder höchſt wahrſcheinlich
als Krankheitsurſache angejehen werden muß. Die
ganz unjhädlihe fog. Hörner- oder Büjchel-
rankheit, bei welcher auf den Köpfen der Ben
gelbe Büſchel anfigen, iſt gar feine Krankheit, da
fich diefe Büſchel als die Blilthenſtaubmaſſen von
Orchideen u. Asclepiadeen ergeben, welche leicht
abgeftreift werden fünmen. Die B-n haben zahl«
reihe Feinde. Unter den Säugethieren die Bären,
Wiefel, Marder u. Mäufe; umter den Bögeln:
den Weſpenbuſſard (ſ. d.) und die Bienenfreffer
(f. d.); unter den Immen die Raubmweipen (j. d.);
unter den Käfern den Immenkäfer (f. d.), der die
Larven frißt; unter den Schmetterlingen die Wacdhs«
motte (j. d.), deren Raupen Honig, u, die ihr ver—
wandte Motte Achroia alveuria Fubr., deren
Raupen Wachs verzehren, ferner den Todtenkopf
(. 8.) Auf ihrem Körper jchmarogen die Yars
ven des Maimurmes (f. d.) u. der Benlaus
(ſ. d.); im ihren Stöden die bereits erwähnte
‚jliegenlarve. Der Meinen Feinde erwehren fi
gut bevölferte Stöde durch Beißen u. Stechen,
fo der Raubwespen u. B-n anderer Stöde (Raub—
bienen); in den Bau eingedrungene Schneden
leben fie mit Wachs feft u. machen fie jo un—
ſchädlich. Hier wäre noch die Neubildung von
Benftaaten, mie fie dur das Schwärmen erfolgt,
zu erwähnen, doch ift diefelbe mit der Benzucht
jo eng verwachien, daß fie dort zu erwähnen ift;
hier findet ſich aud das Gejchichtliche über die B.
Vgl. Huber, Nouvelles observations sur les
abeilles, 2. A., Baris u. Genf 1814, 2 Bde.,
deutich von Kleine, 2. A. Einb. 1867 f.; Klaus,
Der Bienenftaat, Berl. 1873. Abbildungen fiche
Tafel zu Inſecten. home.
Biene (Aftron.), Meines Sternbild im jüdlichen
Polarkreife, jüdlid vom Kreuz; hat nad) Bode 34
Sterne.
Biene, Ritterorden von der B,, geftiftet
zu Sceaur 1703 von Louife Benedictine v. Bour⸗
bon, Gemahlin des Herzogs von Maine, für
Herren u. Damen als Hofehre. Zeichen: an gols
dener Kette eim goldenes Medatllon, auf einer
Seite ihr Bildniß, auf der anderen eine Biene
mit der Umſchrift: Je suis petit, mais mes pi-
ques sont profondes (d. h. ich bin Hein, aber
meine Stiche find tief). Er erlojh nach dem Tode
der Stifterin (1736),
Bienen (Apiaria, Blumenweſpen, Anthophila),
Jamilie der Inſcctenordnung Hautflügler oder
Immen, Unterordnung Giftſtachler; Schienen u.
erftes Fußglied der Hinterbeine in der Hegel ver-
breitert u. an der Innenſeite bürftenartig behaart;
Fühler geknickt; Flügel nicht faltbar; Giftftachel
Imit Widerhafen, beim Stiche abbrechend. Neben
UI. Band, 2
386
Männchen und Weibchen zumeilen noch Arbeiter,
Sie bauen ihre Zellen aus Wade, oder aus
Sandlörnhen, Blattftiiden u. dergl. durch einen
leimartigen Speichel verbundenen Dingen, in
hohlen Bäumen, unter der Erde, in Mauern zc.
Wenn nur Männden und Weibchen vorhanden
find, baut Tegteres die Zellen, legt Nahrung und
je ein Ei hinein, und verjchließt diefelben durch
einen Dedel. Eriftiren nebenbei Arbeiter, jo liegt
diefen der Bellenbau, das Eintragen der Nahrung
u, die Pflege der Yarven bis zu deren vollende-
tem Bachstlum ob. Geftalt u. Aufbau der Zellen
zu Waben ift verichieden: dieſelben find oft regel-
mäßig gebaut und liegen jchön geordnet, wie bei
der Honigbiene u. manchen Weipen, oft find fie
aber aud ei» oder tonnenförmig u. Mumpenweife
neben einander gelagert, wie bei der Hummel.
Die Thätigleit der Vienen ift an die Sonne u.
ihr Eriheinen an die Blüthenmonate gebunden,
Beim Fliegen lafien fie meiftens einen funmenden
oder pfeifenden Ton vernehmen. Man lennt be-
reit3 mehrere taufend Arten. Sie zerfallen in
2 Gruppen, in eigentlihe Bienen, mit langer,
mwurmförmiger Bu u. in Grabbienen, mit
furzer, breiter Zunge. Bon diejen zerfallen bie
eigentlichen Bienen in 3 Untergruppen, in Be»
jenfüßler, Bauchſammler und Kulnksbienen. a)
Bejenfüßler (Scopulipedes); die Weibchen oder
Arbeiter fammeln den Blüthenftaub an den be-
jenartig geftalteten umdb behaarten Hinterbeinen.
Dahin die Honigbiene, auch ſchlechtweg Biene
(f. d.) genannt; die Hummel (f. d.); die Holz-
biene (Xylocopa Latr.), nagt Zellen in altes
Holz; Arbeiter fehlen; Schnauzenbiene (Pelz-
biene, Antophora Latr.), baut in weiche Gejteine,
Lehm», Kallwände u. dal. b) Bauchſammler
(Dasygastrae) ; die Weibchen fammeln den Blüthen-
taub an der Unterjeite des Hinterleibes, defien
fette Ange mit dichten Querreihen von Borften
befetst find. Dahin: Blumenbiene (Anthidium
Fabr.); fliegt wild, mit fcharfem, pfeifendem Tone.
Blattfhneider (Megachile Latr.), niftet in Holz,
weichem Geftein oder in Mauern, indem er dort
eine Höhle herrichtet, diefe am Grunde und den
Seiten mit Blattftüden austapezirt, ein Ei, Blü-
thenftaub u. Honig als Nahrung für die Larven
hineinfegt u. das Ganze mit einem runden Blatt-
ftüde bebedelt; zuweilen liegen mehrere folcher
Zellen etagenmeife über einander; Entwidelung bis
zum nächſten Frühjahre; Roſenblattſchneider
(M. contuncularis Fabr.), baut jeine Zellen in
altem Holze aus Nofenblattftüden; Birfenblatt-
jchneider(M. betulina Latr.),legt ausStüden von
Birkenblättern in Erbe feine Zellen an. Mauer:
biene (Osmia); die zweifarbige Mauer-
biene (OÖ. bicolor), baut in leeren Schneden-
bäufern. c) Kufulsbienen (Cuculinae); fie
bauen feine eigene Bellen, ſondern legen ihre
Gier in die Zellen anderer Bienen, kurz bevor
diefe bededelt werden; weder Bauch noch Hinter-
beine befigen Sammelborften. Dahin: Waffen-
biene (Melecta Latr.); Nomade (Nomada
Fabr.);, Kegelbiene (Coelioxys Latr.). Zu den
Grabbienen gehören die Blutbiene (Dichroa
Illig.), ſchwarz u. roth gefärbt; Erdbiene (An-
drena Fabr.), niftet im Boden. bome.
Bienenameiſen — Bicnengewädje.
Bienenameifen (Mutillıdae, Heterogyna),
— der Inſectenordnung Hautflügler oder
Immen, Unterordnung Giftſtachler; Männchen u.
Weibchen in Form und Größe ſehr verſchieden;
letztere find flügellos, oder beſitzen doch nur ver-
fürzte Flügel; leben einzeln u. legen ihre Eier
an anderen Inſecten- oder in Bienenneftern ab,
ohne fih um Ernährung oder Pflege ihrer Brut
zu fümmern. Dahin: u.a. die Gattung Bienen-
ameife (Mutilla Z.); Weibchen ungeflügelt; M.
europaea L.), iberall in Europa, Larve in Hum-
melneftern ſchmarotzend. Tbome.
Bienenfalf, jo v. w. Weipenbuffard.
Bienenfalter, jo v. w. Bienenmotte.
Dienenfreffer, Bienenvögel (Meropidae),
Familie der fulufartigen Vögel; Heine, etwa 25,
an Größe, Geftalt und Färbung jehr ähnliche
Arten enthaltende Familie, welche ausichließlich
den warmen u. beißen Gegenden der Alten Welt
angehört. Sie haben etwa Drofielgröße; ihr Kör-
per ift jchlanf; das zerjchlitte Gefleder prangt im
lebhaften Farben, umter denen namentlih Grün,
doch auch tiefes Roſa vorherrih. Als wahre Yuft-
vögel jagen fie jhmalbenartig, fliegende Inſecten,
Immen, Heuſchrecken, Yibellen; fie leben geſellig,
niften im enger Gemeinihaft in jelbftgegrabenen
Uferböhlen und legen 6—7 porzellanweige Eier.
Die einzige in Europa vorkommende Art ijt der
gemeine Immenvogel (gem. Bienenfreffer,
Bienenfänger, Bienenvogel, Bienenwolf, See»
ſchwalm, Heuvogel, Merops apiaster L.). etwa
26 em lang, mit gefättigt braunem Hinterkopfe,
Oberrüden u. jFlügeldeden, bochgelber, ſchwarz-
begrenzter Kehle, blau-grüner Stirn u. Unterfeite,
grünen Flügeln u. grünem Schwanze; verfliegt
ih aus feiner Heimatb, dem füdlichen Europa u.
den Donanländern zuweilen auch nad Deutſch—
land; in Griechenland feines ſchmackhaften Flei—
ſches halber -gejagt. Tbome.
Bienengewächſe nennt man diejenigen Pflan—
zen, welche von den Bienen behufs Weftarent-
nahme befucht werden. Über diefelben find zahl-
reiche Irrthümer verbreitet; denn viele wohlrie—
chende Pflanzen werden fälichlicherweife für Bienen-
gewächſe gehalten, während andere, minder duf«
tende vorzüglih von den Bienen geſucht werben.
Es find daher bier alle beutichen Pflanzen, an
denen man bislang Bienen beobachtete nach dem
botanischen Syſtem zufammengeftellt u. die wich-
tigeren geſperrt gedrudt. Dieſe Zufammenftellung
ift von Wichtigleit, da die Honigcultur einen nar
tionalölonomischen Fund darftellt, defien Aus»
nutzung duch möglichjt Viele betrieben werben
follte. Dazu bedarf es aber vor Allem auch der
Schonung der Bienengewäce; diefe find: Gras-
lilie, Spargel, Maiblümden, Schneeglödden,
Knabenfraut, Hafelnuß, Fohannisbeere, Stadyels
beere, Mannstreu, Gierſch (Aegopodium), Bären-
Hau, Kerbel, Waldrebe, Wiefenraute, Wind-
röschen, zahlreiche Ranunfeln, Winterlein, Adelei,
Berberige, Herzblume, Lerchenſporn, Erdrauch,
Brumnentrefie, Gänſekreſſe, Wieſenſchaumkraut,
Hungerkraut, Nachtviole, Lauchhederich, Kohl—
arten, Nübjamenarten, Senf, Rettig, Reſe—
den, Beilhen, Sonnenröshen, Zaunrübe, Wei»
den, Kreuzdorn, Roßkaſtanie, Milchkraut (Po-
Bienenkönig — Bienenredt.
lygala), Berrüdenbaum, Eſſigbaum (Rhus typhina).
Raute, Wolfsmilcharten, Storchſchnabelarten, Lein,
Linde, Malven, Buchweizen, Knöterich, Stern-
miere, Hornkraut, Kutulslichnelle, Weiderich,
Meidenröschen, Jasmin (Philadelphus), Apfel
baum, Birnbaum, Eberefche, Weißdorn, Rofen,
—— Brombeere, Gänſerich, Fingerkraut,
ellenwurz, Spierkraut, Schwarzdorn, Kirſche,
Pflaume, Kronklee, Kleearten, Honigklee,
Luzer nerklee, Schneckenkleearten, Heuhechel,
Goldregen, Akazie (Robinia), Ginſterarten, Beſen—
pfrieme, Lupine, Platterbſen, Erdnuß, Wicke,
Vogelwicke, Zaunmwide, Saubohne, Kron-
wide, Esparfette, Winde, Natterkopf, Boretſch,
Ochſenzunge, Bergißmeinnicht, Teufelszwirn, Kö—
nigsferzenarten, Löwenmaul, Ehrenpreisarten,
Augentroft, Wachtel weizen, Günſel, Ballote,
Bienenſaugarten, Goldneſſel, Braunelle,
Gundelrebe, Salbeiarten, Thymian, Doſt,
Tauſendgüldenkraut Seidenpflanze [Asclepias
Syriaca]), Springe, Wegerich, Schlüffelblume,
Pe Heidelbeere, Waldmeifter, Schnee-
eere, Geisblatiarten, Scabiojenarten, Gloden-
blumenarten, Jaſione, lodenblumenarten, Blaue
Kornblume, Kratzdiſtelarten, Klette, Aderhunds-
famille, Rainfarn , Wohlverleih, Kreuzkraut,
Goldruthe, Masliebhen, Huflattih, Kunigunden-
fraut (Eupatorium), Habichtsfraut- und Grund»
feftearten (Crepis), Löwenzahn (Taraxacum ofß-
einale), Saubdiftel (Sonchus), Herbftlöwenzahn
(Leontodon), fyerfelfraut (Hypochoeris), Cichorie,
Baldrianarten. Diefen deutichen Bienengewächſen
reiben fih in anderen Ländern natürlich zahlreiche
andere an, Außerdem mag noch bemerkt fein, daß
Honig, welcher von Giftpflanzen entnommen wurde,
auch felbft giftig fein kann; wie denn bereits
Zenopbon giftigen Honigs erwähnt. Thome.
Bienenfönig (Edolius paradiseus Cur.), Art
der Bogelgattung Würgerſchnäpper, Familie ber
Fliegenſchnäpper, Ordnung der Sperlingsvögel:
taubengroß; ſchwarz, ftahlblau glänzend; Vorder—
fopf bebaubt; jagt abends u. morgens den In—
jecten nad u. ift daher als Bienenräuber gebaßt;
in Indien.
tenenläufe 1) (Braulina) Inſectenfamilie
aus der Ordnung der Hweiflügler, Unterordnung
der Lausfliegen; der große quer-ovale Kopf ohne
Augen, mit kurzen 2gliederigen Fühlern; Flügel
fehlen; Beine mit langen, bdichtgezähnten Fuß—
klauen; SHinterleib rundlich, fünfgliederig. Die
Bienenlans (Braula coeca Nitzsch), mit dem
Eharafter ber milie; bräumlicherotbfarben;
1,, mm lang; ſchmarotzt auf dem Körper der
Bienen, an deren Haaren fie fi) mit ihren famm-
förmigen Klauen feftbält. Sie ſoll vorzugsmeife
387
nigſchabe, Bienenfalter, Galleria mellianella
.), Schmetterlingsart aus der Familie der Züns—
ler, Gruppe der SKleinfchmetterlinge oder Mot-
ten; Flügelſpannung 20—35 mm; Borderflüigel aſch⸗
grau, Vorderrand purpurbraun, Innenrad gelb»
braun; Hinterfliigel des Heineren Nännchens braun»
grau, an der Wurzel gelblich; die des Weibchens
weißlich, nach der Spitze zu grau-braun. Die belle,
madenäbnliche, borftige, 16füßige Raupe lebt in 2
Generationen, im Fruhjahre u. im Juli in Bienen-
ftöden, namentlih in alten Brutwaben; dort zehrt
fie vom Wachje, welches fie gangartig wegfrift;
fie verpuppt fi in den Gängen in einem perga«
mentartigen Gehäuſe. Der Schmetterling erſcheint
jeltener im Friljahre, häufig im Juni, Wenn die
Zerftörung feitens der Raupe überhand nimmt,
ſchwärmen die Bienen aus, Mottenfhwarm;
man muß daber den argen Feind in allen feinen
Lebensſtadien wegzufangen fuchen Theme.
Bienenredht, der Inbegriff der fih auf das
Einfangen u. das Halten von Bienen beziehen-
den rechtlichen Grundſätze. Bisweilen wurde in
früheren Zeiten über deshalb entftandene Streitig-
feiten ein eigenes Bienengericht gehegt. Dieje
Grundfäge betreffen theils die Frage, wie das
Eigenthum an Bienenſchwärmen erworben, bezw.
wenn daffelbe an den eigenthümlich bejeffenen
verloren werde; .„theils enthalten fie polizeiliche
Vorſchriften in Betreff der Aufftellung von Bie-
nenftöden. Das Römiſche Recht ging davon aus,
daß die Natur der Bienen wild ſei, u. ſprach des.
halb das Eigenthum daran nur Demjenigen zu,
welcher fi) durch Occupation in den Beſitz der-
jelben geſetzt hatte. Die älteren deutichen Parti-
ceularrechte nahmen im Allgemeinen daffelbe an,
gingen aber zum Theil jo weit, den Berluft des
Eigenthums an einem Bienenſchwarme auszu-
ipredhen, wenn diefer iiber die Grenze des Grund-
jtüdes des Eigentbümers hinausgeflogen (3. 8.
Sächſiſches Werhbild 121 mit der Begründung:
denn die Biene ıft ein wilder Wırrm). Allgemein
aber waren die Ausipriiche der Rechtsauellen, daß
der Eigenthiimer eines Bienenfhwarmes dieſen jo
lange, als er in conspectu fei, verfolgen dürfe,
u, ward dann das in conspeetu esse nicht gar
zu wörtlid verftanden (Schmabenfpiegel Art. 301).
Die neueren Rechte untericheiden Dagegen zwiſchen
den wilden u. zahmen Bienenfchwärmen, u. find
mehr auf den Schuß des Eigenthums an dieien
letzteren bedacht. Das Preuß. Allgem. Landrecht
(Th. I. Tit. 9, $$ 118 f.) erlaubt einem Jeden,
auf feinem Eigenthum Bienen zu halten, gewährt
aber das Recht, Bienen in der Heide zu halten,
nur dem Gigenthiimer des Forſtes. Auf zabme
Bienenihwärme hat der Eigentbiimer des Wutter-
die Königin u. die Droßnen heimfuchen, was ſich ftodes ein ausichliegendes Hecht, u, kaun er die
vielleiht aus deren geringerer Beweglichfeit er· ſchwärmenden Bienen auch auf fremdem Grunt
flärt. 2) Pediculus apis L. wurde fonft für u. Boden verfolgen u. einfangen. Gibt derjelbe
eine befondere Art von Inſecten gehalten, ift aber|die Verfolgung gänzlich auf, jo ift der Eigenthii-
nur die an Bienen als Schmaroger lebende junge/mer des Grundes u, Bodens, auf welchem ver
Larve des Maimurmfäfers (Melod); fie ift walzen · Schwarm gefunden wird, berechtigt, ihm einzu-
rund, odergelb, mit rumdlichen Kopfe, fpigigen fangen. In polizeificher Hinficht pflegt die Ent-
frummen Kiefern, ſchwarzen Augen, 6 Beinen an fernung allgemein ig — zu fein, welche zwi—⸗
den 3 fehr großen Bruftringen u. 2 kurzen u. 2/fchen den aufgeftellten Bienenftöden u. öffentlichen
langen Schwanzfäden. Thome. * Wegen, oder auch wol von der Grenze des Nach—
Dienenmotte (Bienenihabe, Wachsſchabe, bars liegen müſſe. Das Preuß. Allg. Landredt
25*
388 Bienenfaug — Bienenwohnungen.
u a. D. & 126 berechtigt außerdem die Polizei-| vergrößert oder verlleinert werden fanı. Von
obrigkeit jedes Ortes, Berfügungen zu treffen, den verfciedenen äußeren Formen find hauptfäd-
mwodurd das Rauben der Bienen verhindert umd|lih die Ständerform, bei mweldher die B. eine
diejenigen Stöde, unter denen es eingeriffen, da-|ftehende Stellung u. ihre größte Ausdehnung nach
von wieder entwöhnt werden, Der früher injoben haben, u. die Yagerforın zu unterſcheiden,
einzelmen Gegenden vorkommende Bienenzehnt|deren größte Ausdehnung in wagerechter Yage
(10, Korb) wird heutzutage, wol allgemein abge-|bei liegender Stellung ift; zwiſchen beiden gibt es
löſt, od. thatjählid außer Übung gelommen fein.\aber auch Mittel- oder Miichformen, welde fich
Vgl. Biener, Dissertatio de apıbus, Lpz. 1773; nach oben uw. feitwärts gleihmäßig ausdehnen;
I. TH. North, Abhandlung vom Bieneurechte, dabei find fie theils rund, theils edig, oder beides
Weißenburg 1805; Buſch, Handbud des Bienen-'zugleih, aus einem Stüde beftehend, oder aus
rechtes, Arnſt. 1830, Grotefend,
einzelnen Theilen zufammengefegt u. dann theil
Bienenfaug, 1) fo v. w. Lamium, 2) Sta- bar. Nach der inneren Einrichtung untericheiden
chys silvatica L.
Bienenſchwärmer, Schmetterling, f. u. Glas»
ſchwärmer.
Bienenſtich, die ſchmerzhaſte Verwundung,
welche die Bienen mit ihrem Stachel verurſachen,
der zuweilen, jedoch nicht immer in der Wunde
fteden bleibt. Sie erregt eine Geſchwulſt, welche
von dem Gifte herrührt, das fih aus eier
Blaſe am Stachel in die Wunde ergießt. Solche
Stiche erregen oft heftige Erſcheinungen; es tritt
eine zuweilen ausgebreitete, jehr ſchmerzhafte Ent:
zündung der Haut mit ftarfer Rötbung u. Schwell-
ung ein, die jedeh gewöhnlich in Zertheilung
übergeht und dem Organisınus nicht gefährlich
wird, aber höchſt beläjtigend fin kaun. ine
große Anzahl ſolcher Stiche zu gleicher Zeit ift
wicht ganz ohne Bedenken und fann bei Kindern
fie fih als folhe mit unbeweglichen Waben (Sta-
bilftöde) u. foldhe mit beweglichen Waben (Mobil-
ftöde oder Dierzonftöde). Erftere find die älteſten
u. auch jetst noch am meiften verbreiteten, obgleich
die Behandlung der Bienen in ihnen nur unvoll⸗
fommen fein kann; zu den befannteften Formen
gehören: die Klotbeute, nur aus einem ausge-
böhlten Baumſtamme beftehend u. die ältefte vom
allen; ihr jchließt fih die Bohlenbeute an, welche
trogartig aus diden Brettern zufammengenagelt
it; beide gehören jedod zu dem unzwedmäßigiten
B. Beſſer u, jehr verbreitet find die verſchiede—
nen Strobförbe, welche nach ihrer Form u. Ein—
richtung als einfache Stülpfürbe oder Stülper,
als Bauch: oder Faßſtülper, als Traubenftülper,
Strobftänder, Walzentörbe, Ningförbe ꝛc. unter-
jhieden werben; fie werden meijt mit dem unte—
ernitlihe Gefahren herbeiführen. Stiche der Art|ren, offenen Ende auf ein Brett geftellt; das Flug«
auf die Zuuge, den Gaumen, die Augenlider kön-|locdh befindet fi im Bodenbrette, oder nahe über
nen durch ihre Ortlichleit gewijfe Gefahren durch |demfelben; der Dedel ift feft, oder abnehmbar u.
ſtarke Schwellung diefer Theile nach ſich ziehen. |da8 Wachsgebäude durch eingeftedte Stäbchen
Als Vollsmittel dient das Auflegen von naffem|(Spillen) geſtützt. Die Walzentörbe find auf bei-
Lehr, rohem Kartoffelbrei, Kohlblättern 2c.; Ein-|den Enden mit einem Dedel gefchlofien, in wel—
reibung von Honig foll jehr lindernd wirken, Beiſchem fich einerfeits das Flugloch befindet, u. wer«
ftarter Entzindung fünnen Umfchläge von kaltem den auf ein Pagerbrett gelegt; die Ringkörbe ber
Waſſer oder Bleiwaffer, ölige Einreibungen an-|ftehen aus einzelnen Strohlränzen, fo daß fie nach
gewandt werden, Der zuriüdgebliebene Stachel Bedürfuig vergrößert u. verkleinert werden kön—
der Bienen joll wo möglich gleich entfernt werden. |nen, und werden gleich anderen aus mehreren
Eind viele Stiche vorhanden und treten zugleich, Stöcken zufammengeiegten u. deshalb theilbaren
bejonders bei jungen Individuen, Fiebererſchein- B. auch Magazinftöde genannt. Der Mobilfted,
ungen auf, jo ift Dringend anzurathen, jofort ärzt-| welcher vor dem Stabiljlode viele VBortheile bietet,
fihe Hilfe in Auſpruch nehmen, war in unvollflommener Form ſchon feit längerer
Bienenwohnungen. Die natürlihen B. find| Zeit bekannt, ift aber erſt durch Dzierzon 1845
hohle Bäume, Felsſpalten u. andere geſchützte, zweckmäßig hergeftellt und jeitdem, vielfad ver»
trodene, warme Höhlungen; die fünftlichen müſſen befiert u. abgeändert, allgemeiner geworden. Wie
fo eingerichtet jein, daß fie bei entſprechendem verſchiedenartig auch die jonftige Einrichtung fein
innerem Raume troden, im Winter binreihend|mag, immer befinden fich dabei die Waben an
warm, im Sommer nicht zu heiß u. bis auf das| parallel neben einander gelegten ſchmalen Brett-
Ilngloch, durch welches die Bienen aus» u. ein-|chen (Wabenträgern),; oder nad v. Berlepfh im
fliegen, von allen Seiten gut gejchloffen find u. Rähmchen, mit welden fie beliebig aus dem Stode
dabei fich leicht handhaben Laffen. Durch die Art|genommen, oder hineingebradt, u. aljo in ver—
u. Weile des Betriebes u. die auf das Klima zu ſchiedenen Stöden benutt werden können, wenn
nehmenden Rüdfihten find eine große Menge ver-|nur deren innere Breite u. Höhe gleich ift. Diefe
jhiedenartiger B. entftanden, welche fich befonders|auf Leiften oder in Nuten ruhenden Wabenträger
in Bezug auf das Material, die Größe, die äußere|oder Rähmchen werden vor dem Einhängen an
Form, die innere Einrichtung u. die Art der Aufe|der unteren Seite mit fertigen Wahswaben oder
ftellung unterſcheiden. Stroh u. weiches leichtes ſchmalen Streifen derjelben beffebt, welche dann
Holz werden wegen ihrer Leichtigkeit, Trodenheit|von den Bienen in gleicher Richtung vollſtändig
u. geringen Wärmeleitungsfähigfeit am häufigften|ausgebaut werden. ie Mobilftöde find theils
u. zwedmäßigiten dazu benutzt; die Größe muß Ständer-, theils Lagerftöde, faft immer edig u.
mit der Stärke des Bienenvolfes in richtigem Ver- meift aus Brettern, aber auh aus Stroh u. an
häftniffe ftehen, weshalb diejenigen B. den Bor-|derem Material gefertigt. Dzierzon machte die
zug verdienen, deren Jnnenraum nah Bedürfniß Ständer anfangs aus 2 Etagen über einander,
Bienenwolf — Bienenzudt.
jede im Innern etwa 26 cm breit, 21 cm hoch
u. 35—40 cm tief, die untere als Brutraum,
die obere als Honigraum dienend, u. darüber noch
«inen’8 cm hohen Raum ohme Stäbchen, den jog.
Billtürbau; nah oben wurden die beiden unteren
Näume durh auf die Wabenträger gelegte dünne
Brettchen (Dedbrettchen) geichloffen, welche erfl ges
Öffnet werden, wenn die Bienen den oberen Raum
mit Honig füllen jollen. Neuerdings werden grö—
Bere, 35—40 cm hohe u. 26 cm breite Räume
vorgezogen, welche mit faft gleih großen Rähm—
en bis auf die nöthigen Durchgänge für die
Bienen ganz ausgefüllt werden, wobei der Will-
fürbau u. die Dedbretthen häufig wegfallen. Die
Yagerftöde find nur etwa 35—40 cm body, 24 cm
breit u. dagegen 60—65 cm tief; der hinten be-
findlihe Honigraum kann von dem vorderen Brut-
raume durch ein eingejchobenes, mit einem Schie—
ber verſehenes dünnes Brett (Schied) getrennt
werben. Meijelftöde, nur zur Anzucht junger
Königinnen dienend, find leicht gearbeitete, aus
mebreren Heinen Fächern bejtehende B. mit be-
meglihen Wabenbau. Die Aufenwände der Mo-
bilftöde find der nöthigen Wärme wegen oft Dop-
pelwände, oder mit Stroh u, dergl. überzogen u.
6—8 cın Did; das Flugloch befindet fi etwas
über dem Boden an einer Schmals oder einer
Langfeite; die andere Schmalfeite wird durch eine
Thür geichloffen, vor welder im innern Raume
gewöhnlich noch ein Glasfenfter ftebt, um durch
daffelbe die Bienen beobachten zu können, u. mit
welchem durch Hineinfchieben der innere Raum
beliebig verkleinert werden kann. Die nur für
ein Bienenvolf beftimmten B. heißen Einbeuten,
für 2 Völler Zweibenten oder Doppelftöde, u. jo
der Anzahl der Völler entiprechend Drei-, Vier-,
Sechs-, Achtbeuten zc., wobei die Mittelmände
dann mir aus binnen Brettern beftehen u. oft
einen verſchließbaren Durchgang haben (Zwillings-
ftöde). Gut gearbeitete Beuten haben den Borzug,
daß fie frei ohne Überdachung aufgeftellt werben
fönnen; in größerer Anzahl werden fie zu Bicnen-
bäufern oder Bienen» Pavillons vereinigt, deren
einzelne Fächer je ein Volk enthalten u. nad allen
Geiten in 2 Reihen über einander jo vertbeilt
find, daß fie einen freien Raum umſchließen, von
welchem aus ſämmtliche Stöde behandelt u. durch
Schließung deffelben mit einer Thür gefichert wer«
den können. Bienenhäufer zum Aufftelen der Sta—
„büftöde befommen je nah ihrer Einrihtung u.
mehr oder weniger dauerhaften Anlage die Be—
nennungen: Bienenhof, Bienenftand, Bienenfchauer,
Bienenlager, Bienenzaun ꝛc. Die Bienenhäufer
follen an warmen, nicht naffen, bejonders gegen
Wind geichügten Yagen in der Nähe von etwas
Waſſer n. fern von ftörendem Geräniche errichtet
erden; man gibt ihnen gern die Richtung gegen
SD., mas jedoh nicht jo nöthig it, als früher
vielfah angenommen wurde; fie müſſen jo geräu-
mig fein, daß man bei der Behandlung der Bie-
nen nicht beengt ift, auch einen freien Kaum vor
fi) zum ungehinderten Ausfluge der Bienen ha—
ben, u. werden am beften während des Winters
durch Läden oder Strohmatten geichleffen, um die
Kälte u. frühzeitige Sonne von den Bienenjtöden
abzuhalten, Hin u. wieder werden lettere auch
389
in trodenen Kellern, Erdgruben, oder auf ruhiger
Speiherräumen durchmwintert, was fich vorzugs-
weile für ältere Gegenden mit lang anhaltendem
gleihmäßigem Froftwetter zu empfehlen 8—
olde.
Bienenwolf, ſo v. w. Bienenfreſſer.
Bienenzucht, A) die Behandlung der Bienen
als Hausthiere, nicht allein der Yiebhaberei we—
gen, fondern aud um dadurch einem möglichſt
großen Nuten zu erzielen; fie fann nur richtig
betrieben werben, wenn ber Züchter neben der
erforderlihen Ubung in der Behandlung der Bie-
nen auch die nöthige Kenntnig über ihre Natur
u, die Bedingungen ihres Gedeihens befitt. Dieſe
Kenntniß bat fi ſehr vervollkommnet u. iſt erft
allgemeiner geworden, feiidem im J. 1845 durch
ben Pfarrer Dyierzon die Bienenwohnungen mir
beweglichem Wabenbau u. nah u. mad mehrere
fremde Bienenracen eingeführt find, durch weiche
es möglich geworden ift, die Bienen mn. ihre Ye-
bensmweije genauer zu beobadten. Die Bienen-
zlichter heißen Bienenväter oder Imker (Zeidler)
u, betreiben die B. im fehr verfchiedenartig ein
gerichteten Bienenwohnungen (ſ. d.), mit dem
beften Erfolge jedoh nur im ſolchen Gegenden,
in welchen bhonigtragende Pflanzen (ſ. Bienenge—⸗
mwächje) in großer Menge fich finden (Bienenge-
genden). Je nad der Gegend und dem Zwecke
wird die B. verichieden betrieben; in honigarmen
oder in Begenden ohne fpäte Honigtradht muß die
Vermehrung eingeſchränkt u. auf wenige, möglichft
ftarfe Bölfer gehalten werden, wogegen in den
Heidegegenden die Bermebrung durch fortgejegtes
‚züttern während des Sommers befördert wird,
damit die Späte Heideblüthe durch eine möglichſt
große Menge Bienen ausgenugt werden Tanıt;
duch die Wanderzucht, bei weicher die Bienen
aus einer Gegend in die andere während der
Blüthezeit der verſchiedenen honigtragenden Blu—
men, 3.8. Raps, Lindenblüthe, Kornblume, Buch—
mweizen u. befonders Heide, gebracht werden, laffen
fih die Vortheile der einzelnen Gegenden verbin-
den. Der Hauptzwed der B. pflegt die Gewinn
ung von Honig u. Wachs zu fein; aber auch der
Verkauf der Bienen felbft oder deren Königinnen
ift unter Umftänden gewinnbringend; auch wird
fie wol nur des Bergnügens wegen oder zu willen:
Ichaftlihen Zweden betrieben. Man bevient ſich
dabei verfchiedener Bienengeräthe: Die Bienen«
pfeifen u. Nauchmafchinen Dienen dazu, um die
Bienen während der Bebandlung zurüdzutreiben
und durch geringe Betäubung mit Tabals« oder
anderem Rauche weniger ſtechluſtig zu machen;
der Wabenbod oder Knecht ift ein einfaches Ge—
fell, um die aus dem Mobilftode genommenen
Waben fo lange darin unterzubringen, bis fie wie—
der eingehangen werden, muß deshalb die gleiche
Weite wie De Stöde haben; mit Wabengabel,
Zange u. Hafen laſſen fih die Waben leichter
als mit der Hand aus den Stöden nehmen und
einhängen; die Wabenmefjer werden zum Ab»
ſchneiden der Wachsdeckel auf den Honigwaben,
zum Losichneiden der an den Wänden der Wohns
ungen feitgearbeiteten Waben ꝛc. benutt; die Bie-
nenhaube oder »Kappe von Yeinwand, vorn mit
einem Drabtgitter u. mit einem Bande unter dem
390
Bienenzudt.
fe zufammengezogen, ſchützt das Geſicht, die ſchwachen Stöden muß die Wohnung nicht größer
ienenbrille mur die Augen des Züchters vor/gegeben werden, als fie befegen fünnen; bei wei—
Stihen. Zur Erkrnung der B. bieten die zahl«
reihen Bienenfhriften, 3. B. von Dzierzon, v. Ber-
lepſch, Kleine, Huber, v. Ehrenfels, Dathe u. 9.
gute Mittel; noch mehr aber bildet die Beimohn-
ung eines praftiihen B.»CEurfus, wie fie in den
Sommermonaten jett an vielen Orten unter Leit
ung von bewährten Bienenmeiftern abgehalten
werden; auch die B.-Bereine u. Bienen-Zeitfchrif-
ten haben viel zur Berbreitung einer rationellen
B. beigetragen.
Schon während des Winter8 muß der Züchter
die Bienen beobadten, daß ihnen die nöthige
Wärme, Nahrung uw. Ruhe nicht fehlt, fie an ein—
zelnen jchönen, 7—8° R. warmen Tagen aber
ausfliegen können, um dur einen Reinigungs-
Ausflug fi des in ihnen angefammelten Kotbes
außerhalb des Stodes zu entledigen; bei niedri-
erer Lufttemperatur find fie dagegen durch Ab»
tung der Sonnenftrahlen möglihft vom Aus-
fliegen zurüdzubalten. Beim Eintritte der wärme»
ren Jahreszeit werben die VBienenftöde auf ihren
Sommerftand gebracht u. zum ungehinderten Aus-
fliegen hergerichtet (ausgewintert), in Bezug auf
Gejundheit der Bienen, den Futtervorrath u. vor-
bandene Brut, als Beweis der Anmwejenheit einer
fruchtbaren Königin, unterfudht u. dabei die das
Bodenbrett etwa bededenden Unreinigfeiten (Ge
mülle) entfernt. Die Fütterung geſchieht bei Mo—
bilſtöden am beften durch eingehängte Honigwaben
und auch bei Stabilftöden durch Wabenftüde, jo
lange die Witterung einen regelmäßigen Ausflug
nicht geftattet; fpäter durch in etwas Waſſer auf-
elöften Honig, welcher während der Nacht in
Futternäpfen in die Stöde hineingeftellt, oder in
anderer zwedmäßiger Weife den Bienen gereicht
wird; als gute Erjat-zuttermittel empfehlen ſich
befonders der weiße Kryſtall- u. auch der braume
Kandiszuder, in Stücken angefeuchtet oder aufge-
föft gegeben; Tranbenzuder, Stärfefyrup, Malz—
ſyrup u. andere Erjagmittel dürfen dagegen nur
während der Flugzeit mit Borficht gereicht werden;
die ‚ziltterung zur Ergänzung des Honigvorrathes
muß rasch u. im großen Portionen geſchehen; zur
Beförderung des Brutunjages werden längere Zeit
täglich Meine Mengen gegeben, denen man, fo
lange die Bienen den zu ıhrer Ernährung nöthi-
en Blumenftaub (Bienenbrod) wicht eintragen
önnen, auch trodenes feines Getreidemehl beige-
ben kann. Der Züchter muß beftrebt jein, bis
zum Eintritt der Zeit, wo die Bienen die meiften
honiggebenden Blumen finden (Haupttracht), fie
möglihft vermehrt u. volfreih zu haben; er er
reicht diefes vorzugsweiſe durch die fpeculative
Fütterung und frühzeitige künſtliche Vermehrung
der Völker, wobei man Kunftihwärme, Ableger,
Trieblinge zc. erhält; letztere wird jedoch erft dann
borgenonmen, wenn die Mutterftöde ftarf mit
Bienen bejegt und Drobnen zum Befruchten der
jungen Königinnen vorhanden find; ſolche Kunft-
ſchwärme werden entweder von einem Stode ge-
nommen, oder aus Bienen von mehreren Stöden
zuſammengeſetzt, u. wird ihnen die alte oder eine
junge Königin, oder auch nur Weifelzellen oder
Brutwaben beigegeben. Den jungen und fonft
terer Entwidelung des Volles wird fie dann nad)
u, nach vergrößert durch Einhängen neuer Waben
u. Zurüchſchieben des Glasfenſters, bei Stabil»
ftöden durch Unter- oder Auffäge; hier lönnen
auch durch den Frühlingsichmitt die Waben ge-
fürzt werden, um Drohnenbau oder untauglid
Vai Wachs zu entfernen, dadurch die ſtarle
rohnenerzeugung zu verhindern u. die Bienen
zu vermehrter Thätigleit zu reizen, welches bei
den Mobilftöden ficherer durch Fernhaltung von
Drohnenwaben aus dem Brutraume u. Einhängen
ganzer fertiger Arbeitsbienenwaben erzielt wird.
Wenn die Bienen fi) fo vermehrt haben, daß
ihnen die Wohnung zu Hein wird, fo veranlaft
fie der Naturtrieb, fih zu theilen, zu ſchwärmen;
fie erbriten dann junge Königinnen, vor deren
völliger Ausbildung (don die alte Königin mit
einem großen Theil der Bienen bei heiterem,
warmen Wetter plöglich den. Stod zu verlaffen
pflegt; der Schwarm fliegt eine Zeit lang mit
ftarfem Gefumme in der Nähe des Bienenftandes
umber u. jammelt fi dann faft immer an einem
Baume oder anderen Gegenftande zu einem dich-
ten Haufen (ſchlägt an, legt fih an). Dieſer erfte
Schwarm mit der alten fruchtbaren Königin wird
Vorſchwarm, Erft- oder Hauptihmwarm genannt;
ein zweiter, gewöhnlich nad 9 Tagen nachfolgen⸗
der Schwarm mit einer jungen, noch unbefruchte-
ten Königin beißt erſter Nahihwarm, welchem
in 2—3 Tagen oft noch ein zweiter Rad.
ſchwarm ꝛc. folgt. Geht zur Schwarmzeit, etwa
von Ende Mai bis MitteJuli, eine alte Königin
verloren, ſo zieht auch wol der erfte Schwarm
mit einer jungen Königin aus und heißt dann
Eingervorfhwarm; wenn in demfelben Sommer
die Schmwärme wieder ſchwärmen, fo geben fie
Jungfernſchwärme, oder in den Heidegegenden
Heideſchwärme; verläßt ein ganzes Volt wegen
Honigmangels oder anderer Urjachen feine Mohn
ung, fo nennt man daſſelbe einen Hunger«, Bettel-
oder Nothſchwarm, welcher gewöhnlich ganz zu
Grunde geht, oder bei einem anderen Bolte ein»
zieht. Bei den Nachſchwärmen können ſich meh—
rere junge Königinnen befinden, welche dann
ihon bis zum nächſten Morgen von den Bienen
bis auf eine getödtet werden. Nah dem Auſchla-
gen des Schwarmes muß derjelbe eingefangen
(geihöpft) werben, ehe er wieder abfliegt (auf«
fteht) u. dann mit großer Eile feiner durch bie
Spürbienen fon jeıt mehreren Tagen aufgeſuch—
ten u, vorbereiteten neuen Wohnung zufliegt. Das
Einfangen geſchieht, je nachdem der Schwarm body
oder miedrig, frei unter den Zweigen, an dem
Stämmen, oder zwiſchen dichten Reiſern ange—
ſchlagen ift, mit dem leicht and Stroh gearbeite-
ten Fangkorbe, welder danad) mitteld des
Schwarmbalens an den Baum aufgehangen wer-
den fan, oder mit dem Schöpffäftchen oder
Schöpflöffel; hängt der Schwarm zu bed, um
bequem erreicht werden zu fönnen, jo nimmt man
die Schwarmgabel zum Hinanfreichen des Korbes
oder Käftchens zu Hilfe. Um das Einfangen oder
Zufammenfliegen mehrerer Schwärme zu vermei—
den, fann auch der Schwarmbeutel, aus leichter
Bienenzudt.
Gaze beftehend, beim Beginne des Schwärmens
fo vor dem Flugloche befeftigt werden, daß die
391
gen der Droßnen in vor den Fluglöchern ange-
raten Drohnenfallen fehr fürderlih; aud find
Bienen in denfelben hineinfliegen müſſen u. dann, |dieferhalb fchon beim Beginne der Haupttracht die
nachdem fie fi} berubigt haben, leicht in die neue ſchwachen Böller zu vereinigen oder zu verftärfen;
Wohnung gebracht werden können, welches mit|in dem nicht zur Überwinterung beftimmten Stöden
den eingefangenen Shwärmen dagegen erft gegen|(Honigftöden) ift der ſpäte Brutanfa durch völlige
Abend zu geichehen pflegt. Das
fingt nur, wenn die Königin mit einer größeren
Anzahl Bienen in den Fanglorb gelangt ift; in
der Nähe aufgeftellt, werden dann die übrigen
Bienen demjelben bald zufliegen; fehlt dagegen
die Königin, fo verlaffen aud die gejchöpften
Bienen den Korb nad kurzer Zeit wieder, fuchen
diefelbe am Anfchlage auf, u. falls fie etwa ver-
foren gegangen fein follte, zieht bald der ganze
Schwarm gemwöhnlih im die alte oder eine dane-
benftehende Wohnung zurid. Die natürlichen
Schwärme fünnen an jeder Stelle des Bienen-
ftandes aufgeftellt werden, Kunſtſchwärme dagegen
nur auf oder neben dem Plate des Mutterftodes,
oder fie müffen während einiger Wochen auf einen
mindeftens 4 Stunde entfernten Stand gebradıt
mwerden, weil die älteren Bienen berjelben ſonſt
auf den gewohnten Stand zurüdfliegen würden.
Außere Ahnlichkeit mit dem Schwärmen hat das
Borjpielen, wobei die Bienen an warmen Tagen,
wenn fie längere Zeit nicht ausfliegen konnten,
oder wenn fie auf eine andere Stelle geſetzt find,
oder wenn die jungen Bienen zum erften Mal
den Stod verlafien, eine Zeit lang vor der Wohn-
ung freudig umberfliegen, hauptſächlich wol, um
diejelbe genau fennen zu lernen. Bu häufiges
Schmwärmen ſchwächt die Mutterfiöde zu ſehr,
meshalb daffelbe zu befchränfen ift; durch das
Bereinigen ſchwacher Schwärme unter fi), ober
mit anderen Schwädlingen, Vorrichten des Baues
aus fertigen Wacstafeln u. Einhängen von ge-
dedelten Brutwaben fommt man rajcher zu voll-
reihen Stöden. Ohne eine befruchtete Königin
geht jeder Stod bald zu Grunde; fie muß geſund
n. nicht Älter als höchſtens 3 Jahre fein. Stöde
mit gefunder, fruchtbarer Königin find meifel-
richtig, ohme Königin weifellos; mit unbefruchteter
after Königin, oder einer eierlegenden Arbeits-
biene (Afterkönigin, Drohmenmutter) nennt man
fie drohmenbrütig, u. mit zu alter oder mangel-
haft befruchteter Königin werden fie gewöhnlich
budelbrütig. Alle Stöde, bejonders ſolche mit
jungen Königinnen, find zu unterfuchen, ob fie
meifelrichtig find, was ſich durch das rechtzeitige
BVBorhandenfein regelmäßig befetster Arbeitsbienen-
Bruttafeln ergibt; weifellofen Stöden muß durd
Beigeben einer Königin, einer Weifelzelle, oder
von ungededelter Arbeitsbienenbrut bald geholfen
werden, damit fie nicht drohuenbrittig werden;
alle mangelhaften Königinnen werden durch ge-
funde erfegt. Da die Bienen die ihnen fremden
Königinnen zu tödten pflegen, fo erfordert die
Beigabe einer folhen Vorſicht; man fperrt fie des-
halb einige Tage in ein Weilelhäuschen oder
Käfig, mit welchem fie zwifchen die Brutwaben
geftellt wird, bis die Bienen fih an ihre neue
Gebieterin gewöhnt u. fie angenommen haben,
wonach dieſelbe dann behutiam freigelaffen wird.
Zur Vermehrung des Honigertrages. ift eine Be-
ſchränkung der Drohnenerzengung u. das Abfan-
infangen ge- |Entweijelung oder durch Einfperren der Königin
in ein Weifelhäuschen oder durch Berkleinerung
des Brutraumes einzufhränten, u. dafür zu forgen,
daß die Bienen möglichft fertigen Wabenbau vor-
räthig haben, um ohne Aufenthalt den eingefam-
melten Honig ee. zu können; ungemein för—
dernd im diefer Beziehung ift die Anwendung
der 1865 von v. Hruichla erfundenen Schleu-
dermafchine oder Kreisichleuder, mit welcher die
friſch gefüllten Honigwaben ohne Zerftörung des
Wachsgebäudes raſch geleert und danach den
Bienen zum weiteren Gebrauche miedergegeben
werben können; den hierdurch erhaltenen ganz
reinen Honig nennt man Gchleuderbonig; der
Heibehonig läßt fi feiner Zähigkeit wegen nicht
ausjchleudern, ift auch nicht fo werthvoll, als
der aus anderen Gewächfen erhaltene Blumen-
honig, wovon die feinfte Qualität auh Jung—
fernhonig genannt wird; unter Blatthonig ver-
fteht man den grünlich gefärbten geringen Honig,
welchen die Bienen von mit Honigtbau befallenen
oder durch Inſecten befhmusten Blättern gefam-
melt haben. Das zur Entnahme des gerige
(Zeibeln) bei den Stabilftöden gewöhnliche Tödten
der Bienen durch Schwefeldampf (Abichwefeln)
fann bei den Mobilftöden faft ganz vermieden
werden. Alle zu überwinternden Stöde (Zucht:
ftöde) mifjen gefund u. volfreich fein, zur Win
ternabrung 10—12 kg Honig u. Blumenftaub
enthaltende, nicht zu alte Waben mit Arbeits
bienenzellen haben u. bei der Einwinterung fo
geftellt werden, daß fie, ungeftört und gegen die
Kälte geihütt, während des Winters nicht verſetzt
zu werden brauchen. Bon den Krankheiten der
Bienen ift unter Biene geiprecen worden. Bon
den bienenfeindlihen Thieren hat man beſonders
auf die Wachs» u. —— zu achten, deren
Larven (Rang- oder Randmaden) durch Zerfreſſen
der Honig- u. Bruttafeln viel Schaden anrichten
u. jhließlih den ganzen Stod gefährden fünnen,
wenn fie nicht forgfältig nebſt aller Unreinigkeit
auf dem Bodenbrette entfernt werden; gefunde,
ftarle Völler u. dichte, nicht zu große Wohnungen
find das befte Vorbeugun Smittel hiergegen ſo—
wol, als auch gegen die Raubbienen oder Räu—
ber, gewöhnliche Bienen aus anderen Stöden,
die, durch den Honiggeruch angelodt, in die Stöde
einzudringen fuchen u. im Falle des Welingens
bald in fo großer Menge eriheinen, daß fie den
ganzen Stod u. felbft die Nachbarſtöcke völlig aus-
vauben können, wenn das angegriffene Volt ſich
wegen Schwähe, Krankheit, Weifeitofigfeit, zu
großer Fluglöcher, zu geränmiger Wohnung. zc.
nicht Hinlänglich vertheidigen fanı. Es muß ihm
deshalb zeitig durch Verengung des Flugloches
oder Borfegen eines Brettchens (Blende) vor das-
jelbe geholfen werden; auch das Beigeben ftark
riechender Saden: Mofchus, Kampher, Asa foe-
tida u. dergl., pflegt günftig zu wirken, jo daß
man dann jelten genöthigt ift, den Stod einige
392
Tage ganz von feinem Stande zu entfernen. Je—
des Verſchütten von Honig beim Behandeln und
Füttern der Bienen ıft ebenfalld zu vermeiden,
um dadurch die Bienen nidit zum Nauben zu
reizen, u. befonders ift auf ſtarle, weifelrichtige
Völler u. gut verfchlofiene Wohnungen zu halten.
Bgl. dv. Berlepſch, die B. n. ihre Zucht zc., 3. A.,
Mannh. 1873; Dzierzen, Nationelle B., Brieg
1861; Huber, die neue nüglichite B., 5. A., Lahr
1873; Dathe, Lehrbuch der B., 2. Aufl., Bens-
heim 1871; Schmid, Die Bienenzeitung, Nördl.
jeit 1845; Vogel, Jahrb. der B., Mannh. jeit 1870.
B. Gefhidhtlidhes. In Paläftina gab es
ihon im Altertbum viele Bienen (Deborim),
welche in Felſenritzen u. hohlen Bäumen bauten;
aber die Hebräer zogen auch zahme Bienen, welche
die MWärter durch Bifehen u. Pfeifen aus ihren
Stöden u. in Diefelben zu loden verftanden. Be—
fonders follen ſich die Eſſener mit der B. beſchäf—
tigt haben. Die Griechen unterfchieden zwiſchen
wilden (Anthrenai) u. zahmen Bienen (Melissai);
lettere galten ihnen als Symbol der Segensfülle
(daher fie nebft Ziegen u. Uhren auf den Mün—
zen mehrerer Städte erfheinen), des ftillen Flei—
hes, der Ordnung, der Neinlichkeit, als Mufter
der bürgerlichen age Na oe Staatsverfaffung
u. Vaterlandsliebe; als Bild der Seelen, die aus
den Götterwohnungen auf die Erde fteigen; als
Vorbild im Sampfe der Seele gegen das Böſe,
überhaupt als ein lkönigliches, Heiliges Thier.
Darum biegen auch die Priefterinnen der Demeter
Birnen, al$ Dienerinnen der reinen Göttin, des—
bald waren Bienen die erjten Näbhrerinnen des
Zeus, ſowie in Epheſos die oberften Priefter am
Tempel der großen Göttin Bienenfönige genannt
wurden. Die Griechen wußten ſchon, daß in
jedem Bienenſtocke 3 Arten Bienen waren: Weiſel,
Arbeitsbienen u. Drohnen, aber der Weiſel galt
ihnen als männlich u. ſtachellos. In dem Stocke
glaubten ſie die Zellen vertheilt und beſetzt von
den Bienen nach dem Alter: in der Mitte hatte
der Baſileus ſeinen Sitz mit den Zellen für die
Larven; dann folgten nach außen zu die alten,
die jüngſten u. zuvorderſt die älteren. Als Bie—
nenzüchter wird beſonders Ariſtomachos aus Soli
genannt, u. vorzüglich wurde viel B. in Athen ge—
trieben, wo der Honig des Hymettos berühmt
war u. ſchon Solon Verordnungen in Betreff der
B. gab. Ju der römischen Olonomie fpielte die
B. eine wichtige Nolle und ftand bereits auf
einer den Hauptanforderungen entiprechenden
Stufe. Barro erzählt, daß ein einziger Bienen
vater jährlih 5000 Pd. Honig erzielte und daß
es Heine Villen gab, wo man nichts als Honig
baute, Außer Varro geben noch Golumella u.
Paladius Nachrichten u. Anweiſuugen zur B. bei
den Römern. Berühmt durh die B. war die
Stadt Apiarium in Spanien, beim jetigen Biar,
wo auch jest noch viel Honig gewonnen wird.
In Deutſchland gab es in alten Zeiten viele Bie-
nen, welche theils gezüchtet wurden, theild aber wild
lebten n. ihre Wohnungen in Bäumen hatten.
Über die Honiguugung der legteren gaben jchon
die Älteften deutichen Geſetze Beitimmungen. Nach
dent Weſtgothiſchen Geſetze jollte Jemand, der einen
Bienenbau fand, denjelben mit drei Zeichen ver-
Biener.
ſehen, zum Merkmal, daß derſelbe in Beſitz ge»
nommen ſei u. nicht von einem Anderen geſchnit—
ten werden dürfe, In Befig konnte jeder Bau,
von Jedem m. liberall genommen werden, nur
nicht in einem königlichen Gehege. Wie es Be—
figer von Bienen, wenn ein Stod ſchwärmte,
mit Denen zu halten hatten, bei denen ſich der
Schwarm niederiieß, dariiber gibt es genaue Vor—
hriften; vgl. Bienenrecht. Die Bereinigung der
Bienenväter zu Bienengeiellihaften ganzer Brovin-
zen, z. B. in Franlen, der Oberlaufit zc., lommt
ichon feit dem 18. Jahrh. vor. Ahnlich anderen
Wandergejellihaften wurde aud 1850 eine allge-
meine Verſammlung deutich-öfterreidhticher Bieuen-
wirthe in Arnftadt u. von da an jedes Jahr im
einer anderen Stadt abgehalten. Im Volks—
glauben spielt die Biene eine eigenthimliche
Holle. Es wird ihr eine gewilfe Berehrung ge—
zollt, weil man fie, wahriheinlih wegen ihrer
Intelligenz, ihrer Gefbidiichteit u. ihres köſtlichen
Products, aus dem Goldenen Zeitalter entftammt
gedacht Hat. Man läft den Bienen daher eine
Art menfhliher Behandlung zu theil werben;
man hütet feine Worte vor ihnen, da fie die
Sprache verftehen follen, wie ihnen ſelbſt eine
beiondere Sprache zugeichrieben wird. Bon einer
Biene fagt man nicht, fie crepire, fondern fie
fterbe. Die Bienen erjcheinen im Bollsglauben
ziemlich auſpruchsvoll u. wählerifh, auf der an«
deren Seite aber auch wieder gutmütbig. Wenn
der Hausherr ftirbt, jo muß es den Bienen ange:
fagt werden; geizige Yeute fünnen fie nicht leiden
und halten daher nicht bei ihnen aus; wenn fie
einmal träge geweſen find, jo laffen fie ſich durch
Ermahnungen des Bienenvaters zur Bejlerung
bewegen u. f. f. Bei der Honiggewinmmmg wer—
den eine Menge abergläubiihe Gebräuche beob-
achtet und ebenſolche Mittel in Anuwendung ges
bracht (vgl. Wuttle, Der deutfche Vollsglaube
der Gegenwart, 2. Bearbeitung, Berlin 1869).
Die B. als Wiſſenſchaft ift noch verhältuigmäßig
jung. Bahnbrechend waren in dieier Hinficht die
sorihungen, Berfuhe u. Einrichtungen des emer.
Pfarrers Diierzon (f. d.) in Karlsmarkt, dem
Männer wie Pfarrer Kleine in Lüerhorft, Seminar-
präfect a. D. A. Schmid in Eichitädt, Pfr. Schön
feld in ZTrentichel Baron v. Berlepfh in Koburg
u. 9. (j. d. A.), theils als Nachfolger, theils im
jelbftändigeren Bahnen erfolgreich nadpeiferten, fo
daß der deutichen B. der Ehrenplag unter allen
gebührt. Bienen finden fi in mehreren außer«
deutfhen, bejonders füdländiſchen Wappen; fie
jollen das Wappen der „Franken gewejen fein u.
ungeſchickte Maler die franzöfiihen Lilien daraus
gemacht haben. Napolcon befäete die Wappen
dede des Kaiferwappens u. die Krönungskleidung
damit, A. Wolde B. Schroot.*
Diener, 1) Chriftian Gottlieb, namhafter
Nechtögelehrter, geb. 10. Jan. 1745 in Zörbig;
trat 1776 zu Leipzig als alademiicher Lehrer auf,
wurde 1782 Profeſſor, Oberhofgerichtsafjefior,
jpäter Ordinarius der Juriftenfaculiät; er ftarb
13. Oct. 1828. B. jhr.: De natura et indole
dominii in territoriis Germaniae, Halle 1780;
De origine et progressu legum juriumque Ger-
maniae, Lpz. 1787—95, 2 Bde.; Systema pro-
Bienewitz — Bier. 393
<essus judieiarii communis et saxonici, ebd. ober- u. untergähriges B. unterfcheidet. Je nad).
1796, 2 Thle., 4. Ausg., ebd. 1835; Opuseula dem das B, früher oder fpäter nach dem eigent:
academica, ebd. 1830, 2 Thle. 2) Friedrich lihem Brauen trinfbar wird, unterfcheidet man
Auguf, ebenfall® namhafter Rechtsgelehrter,
Sohn des Bor., geb. 5. Febr. 1737 in Leipzig;
wurde 1810 Profeffor der Rechte in Berlin und
ing ſpäter nah Dresden, wo er 2. Mai 1861
* ; er fehr.: Historia authenticarum codiei
et inst. Justin. insertarum, £p3. 1807; Geſchichte
der Novellen Juftinians, Berl. 1824; Beiträge
zur Geihichte des Inquiſitionsproceſſes und der
Geſchwornengerichte, Lpz. 1827; De collectionibus
canonum ecclesiae graecae, Berlin 1827; mit
Heimbah: Beiträge zur Nepifion des Juftinianei-
ſchen Eoder, Berl. 1833; Das engliſche Geſchwore—
nengericht, Ypz. 1852—55, 3 Bde.; Wedhjelrecht-
liche Abhandlungen, Lpz. 18569.
Bienewitz, Peter, jo v. w. Apianus.
Bienne, Stadt, ſo v. w. Biel.
Biennis (lat.), 1) zweijährig. 2) (Bot.) Pflanze,
Die im 1. Zahre ihrer Entſtehung nur Wurzel
blätter treibt, im folgenden erft Blüthe u. Frucht
trägt, daun aber abjtirbt, 3) Blatt, das 2 ‚Jahre
——
ER ientina, See in den Provinzen Lucca umd
Fa des Königreihs Jtalien, bei dem gleichnam.
Orte von 2500 Ew., am Fuße des Monte Serra
im Val di Nievofa, der fruchtbarften Gegend
Zoscanas; hatte einen Umfang von 35, km (mit
Einſchluß der jumpfigen Umgebungen 56,9, km),
it aber durch die 1859 vollendete Ableitung auf
13 km Umfang eingefchränft und dadurch viel
fruchtbares Ader- u. Gartenland gewonnen worden.
Bienville, County im nordamerif. Unions-
ftaate Youifiana, unter 32° n. Br. u. 93° w. 4;
10,636 Ew.; Gountyfig: Sparta.
Dienwald, großer Wald im Rheinbayern,
zwiſchen dem Otterbach, der Lauter u. dem Rhein.
Dier nennt man ein gegobrenes Getränk,
deſſen Alkoholgehalt aus dem duch anfangende
Keimung im Buder verwandelten Stärfegehalte
verichiedener Setreidearten, dem Malze, herſiammt.
Dancben enthält das B. faft immer noch einen
ziemlih bedeutenden Kohlenſäuregehalt, der in
der Weitergährung, in dem fich fait alles B. be:
findet, bedingt ift, und einen relativ viel bedeuten
deren Gehalt von Protein u. Aichenbeftandtheilen,
als alle anderen gegohrenen Getränfe. Faſt alle
Bee enthalten außerdem noch einen Zuſatz, dev
viefelben mwohlihmedend und haltbar macht und
der meift auch markotifche Eigenschaften befitt.
Gewöhnlich verwendet man dazu den Hopien,
zumeilen werden dazu auch verwandt der Gunders
mann in England, Quaſſia, und auch wirklich
ſchädliche Eubftanzen, Kotkelstörner, der Sumpf:
porft in Schweden u. a. m. Hiernach unterſcheidet
nan die Bse zunächft nach Art des angewandten
setreides als Weizen- und Gerften-B., abgejehen
dm Mais-B,, der Ehica der SAmeritaner, dem
Hrfe-B., dem Bouza oder Murva der Tataren
inyer Krim u. anderen feltenen Ben; dann nad)
den verwendeten mehr od. minder ftark gedörrten
Ma als Braun- u. Weiß⸗B., nad der Menge
des ngewandten Malzes ale Einfach- u. Doppel-
B. er mefentlichfte Unterſchied aber liegt in
der Ltung der Gährung der B-e, wonach man
Schenf- u. Lager-B. u. nad feiner Aufbewahr-
ung Faß- und Flaſchen-B. Die Bereitung des
Bees war ſchon in dem älteften Zeiten befannt:
die Agppter lannten bereits ein von den Griechen
zythos genanntes, aus gemalzter Gerfte bereite
tes Getränf; ebenſo war es bei den alten Iberern
im jetzt weintrinfenden Spanien ein allgemein ver:
breitetes Genußmittel; nicht weniger waren die im
alten Thrafien, Illyrien, Pannonien wohnenden
Völker Liebhaber eines aus Gerfte bereiteten Tran-.
fes; in den unteren Klaffen der Kelten war es Volls-
getränk; auch die Griechen hatten ein Geriten- u. ein
Weizenbier; die Dentſchen Schon zu Tacitus' Zeiten
ihr Gerjtenbier, u. ift daffelbe bis in die neuefte Zeit
u. namentlich heute als das deutſche Nationalgetränf
zw bezeichnen, das der leider fo auswanderungs—
Iuftigen Nation au im Auslande die alte Hei-
math wieder herbeizaubert und heimisch macht.
3m 9, Jahrh. bereits beginnt die Verwendung
des Hopfens; in England nanitte man früher alles
ungehopfte B. Ale, während das Hopfen-⸗B. vor-
zugsweife B. genannt wurde. Doch war die An—
wendung des Hopfens anfänglich ftrenge verpönt,
u. wurde diejeibe erft im 15. Jahrhundert er-
faubt. Das befte B. lieferten im Mittelalter die
Klöfter, wo man auch zuerft den Unterichied zwi—
ihen Einfach» und Dorypelbier, oder Pater- und
Conventbier mahte. Das Wort B. (etymolog.
aus dem lat. bibere od, ſanskr. piv, trinken, ber»
geleitet) findet fih in allen germanischen Spra—
hen. In Frankreich ift daraus biere, in Italien
birra geworden, n. hat diefe Bezeichnung das ro—
maniſche cervoise, das noch im Languedoc vor-
fonımt, u. das italienische cervogia verdrängt, die
beide, wie das ſpaniſche cerveza, aus dem la—
teiniſchen cerevisia entitanden find, womit Pli—
nius ein Malzgetränt bezeichnet und das dem
Keltiihen entnommen fein jol. Die angeljächfifche
Bezeichnung war beor, die althochdeutiche u. alt-
nordiſche bior, die gäliihe beoir, die Normännifche
ber oder bier, fpäter mußte die uriprüngliche Be—
zeichnung des Bes dem Namen Ale weichen, bis
fie bei Auflommen des gehopften B-$ wieder Auf«
nahme fand. In Skandinavien ift öl die einzige
Bezeichnung fir B. Erft die letzten Jahrzehnte
haben die empiriſche Bereitungsweiſe des Bees der
früheren Zeit verſchwinden machen und einer auf
wiffenfchaftlihe Forſchung begründeten B-induftrie
Bahn gebrochen, wie daſſelbe bei allen wichtige:
ven die Nahrungsmittel betreffenden Gewerbeu
mehr od. minder der Fall iſt, 3. B. der Müllerei,
den Brodbaden ꝛc. Seitdem bat ſich aber auch
die Bereitung eines guten u, billigen B-es überall
eingebürgert, und hat die Wiffenjchaft wefentfich
mitgebolfen an der Eroberungsreife um die Erde,
auf der das B, momentan begriffen ift, indem fie
die Wichtigfeit der Verwendung ganz geeigneter
Materialien zur Erzeugung eines guten B-es flar-
ftellte u, den Brau« u. Mälzereiproceß, fowie das
Darren des Malzes mittel3 geeigneter Methoden
u, Apparate vervollkommnete.
Die Materialien zum B«brauen find bereitä
oben genannt, es werden davon heute vorzugsweife
394
die Gerfte benukt, zu mandem B. auch Weizen,
neuerdings aud Reis. Die Hilfe des Getreides
enthält außer dem Faferftoff einige leicht zerjetliche
Ertractivftoffe, die der Brauer durch das fogen.
Einmweihen zu entfernen trachtet, weil fie den
reinen Geruch u. Gefchmad des B⸗es beeinträchtigen
mwürden. Das mehlige Korn befteht aus Kleber
u. Stärfe; erfterer befindet fih am nächſten unter
der Hilfe, während nad innen Hin die Stärlke
vorwiegt; leßtere ift der wefentliche Beftandtheil
für den Brauer, indem fie fi durch die beim
Malzen oder Keimen eingeleitete Umbildung des
Klebers in Diaftafe in Zuder verwandelt, der wie-
der durch die fpätere Gährung in Altohol u. Koh.
lenſäure umgejegt wird. Das gegemjeitige Ber-
hältniß vom Kleber u. Stärke im Getreidelorn ift
mithin wefentlich für den Brauer und wechſelt
erfahrungsmäßig am wenigften bei der Gerfte,
die immer ca. 60 %, Stärlemehl und 15%,
Kleber enthält, während beim Weizen der Stärke—
meblgehalt 42— 66 %,, und der Kleber 12 bis
30°/, beträgt. Im Allgemeinen fhägt man den
Werth des Getreides für die Bierbrauerei nad)
dem Gewichte einer Maßeinheit und gibt dem
ſchweren den Vorzug, das allgemein reicher an
Stärfemehl if. Von den verfchiedenen Gerftearten
gibt man der zmweizeiligen oder Blattgerfte, bie
am fiherfien und gleihmäßigften gedeiht, den
Vorzug, meidet aber alle auf mit Schafmift ge-
düngten Feldern gezogene. Eine gute Gerfte,
die fih zum Brauen eignet, foll am ganzen
Korne gleiche hellgelbe Farbe haben, nament-
(ih feine rothe Spite zeigen, dann follen alle
Körner gleih groß, glatt und feinhülfig fein,
innen mehlig, aber nicht fpedig, oder hornartig
fid) zeigen; volllommen troden fein, reinlich und
friſch riechen, feine andere Getreidelörner oder gar
Rade enthalten und von einer Ernte herrübren.
Diefelben Anforderungen ftellt man an den Weizen.
Eine Unterfuhung auf den Ertractgehalt des aus
dem Getreide erhaltenen Malzes gibt die ficherfte
Handhabe, den Werth defjelben für die Brauerei
u erkennen, wird aber nur felten ausgeführt.
ächſt der Gerfte ift das mwichtigfte Material zum
Bierbrauen der Hopfen (ſ. d.), der aus den
mweiblihen Blüthendolden der Hopfenpflanze (Hu-
mulus lupulus) befteht, Die Dolden zeigen unter
den dünnen Blätthen oder Schuppen gelbe rund»
fie Körner, die das Lupulin, den werthvolliten
Beſtandtheil des Hopfens enthalten. Für die
Bierbrauerei verwendet man faft nur dem cultie
virten Hopfen, der mehr Lupulin enthält, als der
wild wachſende, u. verwendet nur die unbefruchte-
ten weiblihen Blüthen, weil die Samenkörner der
befruchteten dent B-e einen unangenehmen Ge—
ſchmack ertheilen. Der Hopien enthält als für
den Bierbrauer wichtig em flüchtiges narlotiſches
Öl, das Hopfenöl, einen bitteren Ertractivftoff,
ein bitteres Harz u. Gerbftoff, die alle mit auf
den Geihmad u. die Haltbarkeit des B⸗es wirken.
Auf die Aufbewahrung u. namentlich das Trodnen
des eingefammelten Hopfens muß bie größte Sorg-
falt verwandt werden, damit er nicht an Lupulin
u. damit Aroma und MWirkfamfeit verliert. Das
Trodnen geſchah früher nur durch Ausbreiten an
der Luft, im neuerer Zeit auf Darren mittels
Bier.
tünſtlicher VBentilation. Über die beim Branen
nöthige Hefe f. d. Artilel. Das beim Bierbrauen
verwandte Waffer übt ebenfalls großen Einfluß
auf deſſen Qualität: ein reines, weiches, wenig»
ftens nicht viel hartes Wafler eignet ſich am
beften; daß daffelbe von aufgeihwenmten Sub-
ftanzen ober gar organifchen Beimengungen frei
fein fol, verfteht fi von ſelbſt. Die B-brauerei
zerfällt nun in 4 Operationen, das Ma/zen oder
Mälzen (die Bereitung des Malzes aus dem Ge—
treide), das Auslaugen diefes Dalzes, das Mai—
ſchen, das Einleiten u. Leiten der Gährung der
B-würze u. die Aufbewahrung des B-es. Das
Malzen der Gerfte ift ein unterbrochener Keim-
ungsproceß und bezwedt zunächſt, aus den ftid-
ftoffhaltigen Beftandtheilen des Setreidefornes die
Diaftafe zu erzeugen, die ihrerſeits wieder das
Stärfemehl dejjelben in Traubenzuder umwandelt.
ierzu wird die Gerfte erft in großen Bottichen
den Quellbottihen) eingeweiht oder eingequellt;
indem das Waſſer nah und nah die Körner
durchdringt u. dieſe aufmweicht, erfolgt ein Auf-
löſen und Entiernen gewilfer Beftandtheile der
Hilfen, die leicht in Butterfäure- u. Milchläure-
gährung übergehen. Das Waffer wird dabei von
diefen Beftandtheilen braun und öfter abgelafien
und erneuert. Das Quellen dauert bei friicher
Gerfte 4—5 Tage, bei alter 6—7 Tage. Nadı-
dem die Duellreife eingetreten ift, die man
daran erlennt, daß das Korn mit dem Nagel
leiht umgebogen werben faun, die Hilfe ſich
leicht ablöft, wenn man das Korn der äuge nach
drüdt u. das durchgejchnittene Korn in der Mitte
no einen trodenen mehligen Kern zeigt, läßt
man die Gerfte noh 8—10 Stunden zum Ab—
laufen in der Weiche liegen u. breitet fie dann auf
dem Fußboden der Malztenne od. des Malztellers
zum Keimen aus. Die Gerfte gewinnt duch das
Einquellen durch Wafferaufnahıne von 40—50 ®/,
ca, 18—24 °/, an Volumen, erleidet aber in
Wirflichleit 1—2°/, Berluft durch Auslaugung. Das
Keimen der Gerfte wird dadurch eingeleitet, daß
man fie auf der Malztenne in 12—15 cm hohe
Haufen auffhaufelt u. alle 6—8 Stunden um—
ſücht, bis die Oberfläche getrodnet ericheint. Hierbei
beginnt bereits die Keimung, u. das Würzelchen
ericheint am Korne als weißer Punkt: das Korn
äugelt oder guzt, wie man jagt; alsdann fteigert
man die Temperatur im Haufen durch höheres
Aufthürmen bis 30 cm u, fticht feltener um. Die
Temperatur fteigt nun bald um 6°—10° iiber die
der Umgebung im Haufen u. bewirkt dadurch eine
ftarte Berdunftung der noch darin enthaltenen
Feuchtigleit: die Gerfte ſchwitzt; dabei entwideln
fih große Mengen von Kohlenfäure u. ein an«
genehmer obftartiger Gerudh. Nah 2—3maligem
Umfhaufeln, um die Keimung gleihmäßig z'
halten, find die Würzelhen 6—8 mm lang ur
alle Körner dadurch aneinanderhängend, gleichſen
verfilzt. Nun wird die Keimung dur Ern’de
rigung der Temperatur, die man durch Auflit»
anderziehen der Haufen erreicht, unterbrojen.
Das Keimen dauert durchgängig ca. 8 Zar, in
falter Jahreszeit etwas eg in warmer wuiger
fang. Da ſich dabei viele Wafferbünfte entndelu,
müſſen die betrefienden Focale, die Malzlarmerı,
Bier. 395
mit unverweilihen Fußböden, alfo aus Platten Keimen alle in Zuder verwandelt ift u. die erft
oder Cement, verjehen fein u. in denſelben für, beim daranf folgenden Maifhen, das den Zwed
guten Abzug der Feuchtigkeit u. der ſich entwideln-' hat, alles in Waffer Yöslihe aus dem Malze aus—
den Kohlenjäure durch Kanäle mit Lotten zc. gejorgt zuziehen, volllommen verſchwindet. Man hat ver-
werben, die aber alle jo anzulegen find, daß der jchiedene Maiſchmethoden, nad) der jog. Infuſions-
directe Zug u. die Luft micht die feimende Gerfte methode behandelt man das eingeteigte Malz-
treffen u. abkühlen. Wände u. Dede follen eben- ſchrot mehrere Male nach einander, meift 3mal
falls ohne Holz conftruirt u. fehr reinlih gehalten | mir Waffer von 75°, u. vereinigt die fo gewonnenen
fein, um allen Unla zu fauliger Gährung zu | Onantitäten Würze im
vermeiden. In neuerer Zeit wendet man nach Diruetienkweii
dem Borgange der Engländer häufig eine andere
Art des Keimend an (bei der man nah dem
Schwitzen des Haufens denfelben nicht erhöht,
fondern im Gegentheil auseinanberzieht, um die
Zemperatur zu erniedrigen und das Keinten zu
verlangjamen, mobei ſich ftatt der Wurzelfeime
die Blattleime des Kornes mehr entwideln u. das
Malz kräftiger wird), die fog. Wiener Methode,
die aber faft doppelt fo große Tennenräume er-
fordert, weil das Keimen hierbei 14 Tage Zeit
erfordert. Die gefeimte Gerfte ſchmedt ſüß, nicht
mebr mehlig, die Keime haben die 12 —2fache
Kornlänge, u. das Malz fühlt fich dadurch filzig
an; e3 fommt fofort auf den Trodenboden, den
Schmelg- oder Welhboden, einen dem Luftzuge
ansgefetten Raume, mo es ausgebreitet u. öfter
umgeftohen wird, täglih 5—7 mal. Nachdem
das Malz getrodnet ift, fallen die Würzelchen ab,
u. die noch heftenden werden durch Durchtreten
mit Holzfhuhen entfernt und durch eine Wurf-
maſchine abgefondert. Das jo gewonnene Malz
nennt man Luftmalz. Kür die meiften Bere
wird das Malz aber gedarrt, wodurd das Yuit-
mal; in Darrmalz iülbergeführt wird. SHierzu
wird das Grünmalz direct von der Malztenne
auf die Darre gebradt, dur häufiges Wenden
u. fehr mäßige Wärme getrodnet u, dann einer
dem Siedepunkte des Waffers naheliegenden Tem-
peratur ausgefett, wobei duch die Einwirkung
der Diaftafe u. der höheren Temperatur weiteres
Stärfemehl in Zuder verwandelt wird. Die
Darre befteht mwejentlih aus der Darrplatte umd
der Heizung. Früher leitete man durch gemanerte
Kanäle, auf deren Boden aus Platten Das Malz
lag, die Safe einer Feuerung der Brauerei und
gewann jo Rauchmalz, neuerdings leitet man er-
wärmte Luft über od, unter das auf durchlöcherten
Blechen oder Siebböden —— Malz her u.
ewinnt Darrmalz. Die Conſtructionen letzterer
rt find ſehr mannigfach, u. wird bei denſelben
oft auch mechaniſche Kraft angewandt, um ein
öfteres gleichmäßiges Wenden des Malzes be—
wirken zu können. Nach dem Darren werben
dann ebenfalls mechaniſch auf einer Malzputz—
maschine die Keime rein entfernt. 100 Bid. Gerfte
geben 92 Pfd. Luftmalz und 80 Pfd. Darrmalz.
Es folgt nun das eigentlihe Brauen des Bes,
das aus der Gewinnung der Würze aus dem
Malze, dem Kochen und Hopfen derfelben, dem
Abkühlen u. der Gährung befteht. Zur Würze
gewinnung wird das Malz geichrotet, zergueticht
auf einer Schrotmühle, u. das gewonnene Schrot
eingeteigt, mit etwas Waffer befeuchtet ae Auf:
weichen der löslihen Theile, u. zur Wiederein-
leitung der Wirkung der Diaftafe auf die noch
unveränderte Stärke, die keineswegs durd das
Braufeffel; nah der
ode wird ein Theil der Maiſche
im Braufeffel zum Sieden erhigt u. mit dem an—
deren Theil vermischt, jo daß alles zufammen auf die
richtige Maifchtemperatur lommt. Das Maifchen
geiieht in großen, meift runden Bottichen, mit
doppelten Böden, deren oberer durchlöchert ift u.
meift aus Kupfer beſteht. In großen Brauereien
befindet fi) im Bottich eime mechanifche Rühr—
borrichtung, um die Maifche ordentlich durdhzus
arbeiten, was früher mur mit der Hand gefchab.
Kleinere Abweichungen beim Decoctionsverfahren
begründen das bayerifhe, Augsburger zc. Ber»
ed die alle aus einer Zeit ſtammen, wo man
ih über die miffenfchaftlihen Principien der
Brauerei noch nicht Rechenſchaft gab, fondern nur
nach hergebradhten u. erprobten Zunftregeln ar«
beitete, ohne weiteres Nachdenlen. In den neuen
großen u. ratiomell betriebenen Brauereien wird
faft nur noch nach der Jnfufionsmethode gearbeitet,
u, nur die mehr oder minder große VBolllommen«
heit der mechanischen Apparate, Vormaiſch- und
Maiſchmaſchinen begründet äußerliche Unterfchiebe,
Die im Maifchbottih gewonnene Würze ſammelt
fih im fog. Grand, einem unter dem Maijchbottich
befindlichen Behälter, aus dem fie die Würzepumpe
in dem Braufefjel befördert, u. der zweite u. dritte
Aufguß wird gemacht. Die gefammelten Würzen
werden mittel$des Sacharometers auf ihren Zuder-
gehalt geprüft w., um immer mit gleicher Würze
zu arbeiten, durch Verdünnen auf gleihen Gehalt
gebradht u. dann verfotten, Die Würze enthält
Stärkezuder, theilweife unverändertes Stärke—
mehl, Dertrin u. eiweißartige Subflanzen, fowie
die Aichenbeftandtheile des B-e8, die aus dem Ge-
treide ertrahirten phosphorfauren Salze. Das
Kochen der Würze bezwedt, diefelbe zu concen-
triren, den dabei zugeiehten Hopfen zu ertrahiren,
die eiweißartigen Subftanzen gerinnen zu machen u.
diefelben nebft dem noch unveränderten Stärkemehl
durch die im Hopfen enthaltene Gerbfäure auszu—
fällen, alfo die Würze zu Hären. Hierzu wird die
Würze im Braufefjel, deſſen zweckmäßige Heizung
wichtig ift, zum Sieden gebradt u. der Hopfen ent-
weder lofe eingegeben, oder in einem Gefäße mit
durchbrochenem Boden nur eingehängt. Die Menge
dejfelben variirt von 1—3 kg pro hl angewandtes
Malz, je nach der Qualität des Hopfeus u. der
beabfichtigten Haltbarkeit des B-es. Fit das Ei-
weiß geronnen u. fegen ſich die Flocken deffelben
in einer genommtenen Probe ſchnell ab, jo fagt
man: bie — iſt gebrochen, u. man ſiedet ſo
fange weiter, bis dieſelbe die nöthige Concentra-
tion bat, die man wieder mit dem Saccharemeter
bejtimmt, und pumpt fie num auf das Kiüblichiff,
flache, jetst meift ans Eifen conſtruirte, 20—25 cm
tiefe, meift vieredige luftig aufgeftellte Gefäße, um
die Würze ſchnell auf die zur Einleitung der Gähr—
396
ung paffende Temperatur, 7—10°, berabzubringeit,
da fie bei 25 — 30° leicht in Michjäurengährung
Abergeht un, dann ſchlechtes B. liefert. Durch ver-
vollfommnete Kühlvorrichtungen, z. B. indem man
die Würze auf ihrem Wege zum Küblſchiffe durch
ein Nöhrenigftem leitet, das mit Eis umgeben ift,
oder indem man die Abkühlung auf dem Schiffe
durch mit Eis gefiillte Behälter, die man auf der
Würze fhwimmen läßt, befördert, u. auch mittels
Ventilatoren darüber geblafener falter Luftftröme
ift man dahin gefommten, jetst ſelbſt mitten im
Sommer brauen zu können u. haltbareres u. bej-
feres B. zum erzielen, als früher, wo man nur im
Winter allein brauen konnte. Die Concentration
der Würze beträgt in Bayern bei Schanfbier
10,, pEt., bei Yagerbier 12,, pCt., bei Bodbier
15,, pEt., bei Salvatorbier 17,, pCt. Aus dem
Kühlichifie wird die Würze in die Gäbrbottiche ge-
bracht und in ihnen meift durch Hefenzujat die
Gährung eingeleitet. Diefelbe tritt bei paſſender
Temperatur auch von jelbft durch die flets im
Gährlocal vorhandenen Hefenf poren ein, u. man
wendet diefe Selbftgährung 3. B. in Belgien bei
dem dort gebrauten Faro u. Yambil an, Biere, die
aber dadurch immer Milchläure enthalten, deren
Bildung fih dann mie vermeiden läßt und die
dadurch ſauer ſchmecken. Durch Hefenzufag wird
dieſe von ſelbſt eintretende Selbſtgährung um—
gangen, die in Bezug auf die Brauchbarkeit des
Bees immer etwas gefährlich ift, weil man ihre
Yeitung weniger in der Hand hat, die Gährung
wird regelmäßiger, und man laun fie nah Be»
lieben verlängern und leiten. Je nachdem man
Ober⸗ oder Unterbefe (f. Hefe) zuſetzt, befommt
man obergähriges oder umntergähriges B. Die
Obergährung wird bei folgen Würzen angewandt,
die ein fchnell trinfbares, kohlenſäurereiches B.
liefern follen; fie verläuft viel rafcher u. ſtürmiſcher,
als die Untergährung, die für die Bereitung des
bayerifhen B-es allein angewendet wird. In den
Sährbottichen, großen Gefäßen von 1000—2000 |
Inhalt, aus Eichenholz, oder in neuerer Zeit aus
Glas oder emaillirtem Gußeiſen, gibt man ent—
weder die Hefe fofort in die Würze, oder man
mischt einen Theil der Würze mit der Hefe u. ſetzt
diejes dann binnen 4—5 Stunden in Gährung
übergehende Gemisch der Würze in den Bottichen
zu. Erſtere Art nennt man das ——
letzteren das Herführen des B-es. Ju beiden
Fällen gibt ſich nach 10—12 Stunden die begin-
nende Berfegung des Zuders durch Kohlenſäure—
bläschen zu erfennen, welche einen weißen Kranz
am Rande des Bortiche bilden; nad) weiteren 12
Stunden ift die ganze Oberflähe mit Schaum:
maſſen bededt, die fih conſiſtent anfehen u. wie
zerllüftet ausjehen, man fagt: das B. fteht in den] d
Kräufen; dabei riecht man deutlich die Kohlenſäure.
Die Kräufen bleiben 2—4 Tage, fallen dann zu
fammen u, bilden zuletzt noch eine braune, dünne
Dede, aus harzigen u. öligen Hopfenbeftandtheilen
beitebend; Hefe zeigt fib nur wenig, od. gar nicht
an der Oberfläche, diefelbe tt alle am Grunde der
Bottihe. Während der Gährung, die 7—10 Tage
dauert, war die Temperatur der Flüſſigleit etwas
über die des umgebenden Yocals geftiegen, der
Bier.
das fo fertige B. Jungbier od. grünes B. Es
euthält nun weniger Zuder, als vorber, aber dafür
Allohol, u. die Zahl der vergohrenen Zuderprocente,
dividirt durch die Zahl der urjprünglih in der
unvergobrenen Würze enthaltenen, gibt den jchein«
baren Bergährungsgrad an. Das B. wird num
möglihft volltommen von der Hefe abgezogen u.
zur a le die man, wenn fie nicht eine
treten will, durch Zufag von etwas Kräufenbier
einleitet, in die Lagerkeller gebradt,. Wil man
das B. abfüllen zum Verſchänten, fe fehlieft man
etwa 14 Tage vorher die Fäſſer, damit die Koh»
lenfäure Drud befommt und das Bier fih damit
fättigt; auf den Schanffäffern muß dann das B.
an Ort u. Stelle wieder mehrere Tage liegen
bleiben, um fich zu erholen, damit die Kohlen
ſäure fih wieder fpannt u. das B. rahmt. Um
einen Begriff der Zufammenfegung der Würze u.
der ausgegobrenen Be zu geben, diene folgende
Zulammenftellung nah J. Gſchwändler aus 1868.
Es enthält Würze, die gewonnen wurde durch
Decoction. Infufion. 5. Bodkier,
Audr 0... 4,as d,26 ‘10
Dertrin. . » . 6 3 dıso
Stidftoff- Subftanz .- 0 — 1,ss
Aſchenbeſtandtheile —PE O,s3 V,10
Spe. Gm. . .. 1,08 lyor l,o5
Extract . . 11, 11 17,08
Dagegen das vergohrene ®. aus obigen Würzen:
Decoction. Infufion. F. Bodbier.
Altobol . Pe er 2,aı 3,15 3,08
Zucker 1,53 1 ,a3 2,38
Stidftoffb. Subitanz . o2 _ Op
Aſcheubeſtandtheile O,ng O,a5 O,40
Sp. ©. d. Ertractlöj. Is * Los
Ertractmenge . . 9,os
Um noch einen Begriff er Aitobaigehaftes der
verjchiedenen B-e zu geben, diene folgende Zuſam⸗
menftellung. Es enthalten in Gewichtäprocenten:
Würzburger Lagerbier . 4amdız
R Schentbier.. on Ba—da
Kulmbaher Lagerbier 00. Bd
Mündener r ee Abu
r Salvator . . R dus
z Bod. . 0 Ada
Porter (Barkley, Berkius & Co., Lond.) 5,,—7
Schwechater B. von Dreber 4,
Mainzer Actienbier . . . 9,5
Dresdener a yore : de
Straßburger B. ? Ay
Bilfener B. . B,s
Berliner Tivoli 4a
Böhmische Brauerei in Berlin 3%
Die Menge der freien Kohlenſäure im B. be»
trägt 0,,—0,, p&t, Die Menge des Ertracts,
"}. der Summe von Dertrin, Hopfenbeftand-
theilen und der durch die Gährung entjtandenen
Bernfteinfäure 2c., beträgt in verſchiedenen Ben
5—20 pCt. 5 in den gewöhnlichen B-en, 9—10
im Bodbier u. 15—20 im Burton Ale.
Das B. ift in der neueften Zeit ein wejentfiches
Genußmittel für weite Kreife geworden, u. der Um-
jag darin ift jo bedeutend, daß man längſt nach
einer Methode fuchte, um feinen Gehalt zu beftim«
men, Man betrachtet im Allgemeinen bie oben
Ausgleich findet nun wieder ftatt, u. man nenut|für einige B-e angeführten Beftandtbeile, nämlich
Bierbefteuerung.
397
den Altoholgebalt, den Gehalt an Ertract und] Surrogaten, zum Theil nach der Menge der Würze
Koblenfäure als Maßftab für feine Güte, außer
feinen phyſikaliſchen Eigenfchaften, dem Gefchmad,
Geruch, der Farbe, Eonfiftenz, Glanz zc., u. hat
mande Methode zur Beftimmung obiger Beftand-
theile ausgedacht, die ſich mehr oder minder alle
darauf gründen, das ſpec. Gew. des feiner Koh—
lenfäure beraubten B⸗es einmal mit feinem Allohol⸗
ehalte, das andere Mal nach Abdeftillation deſ—
in en zu beftimmen; aus beiden Daten läßt fich
der Alloholgehalt felbft und die Ertractmenge
beftimmen, zu melhem Zwecke Balling nod
befondere Zabellen berechnet bat. Bon den bei
der Brauerei fi) ergebenden Abfällen ftehen der
Maſſe nad) die ihres Zuder- u. Ertractgebaltes
beim Maiſchen beraubten Trebern obenan; fie ent«
halten noch unzerſetzte Gerfte u. ſtickſtoffhaltige
Subftanzen u, dienen als Viehfutter; Die abge»
tretenen oder auf den Mühlen entfernten Malz—
teime find ebenfalls ein ſehr gutes Futtermaterial.
Das Kühlgeläge, d. h. das, was fih aus ber
vor dem Berfieden, zum Theil nad der Menge
des fahricirten B-e8 erhoben wird. Über die
Zwedmäßigfeit der verichiedenen Erhebungsmethos
den ift man noch nicht einig, am einfachften und
die eigentlihe Brauerei am wenigften beengend
fcheint immer noch die im Deutfchen Reiche übliche
Methode, das zu verarbeitende Malz zu befteuern;
ein Centner Malzichrot bezahlte im früheren Nord»
deutichen Bunde 2,00 M, in Bayern 1 hl 4,00 M,
in Ofterreich wird die Steuer nach der Menge des
erzeugten B-e8 auf dem Kühlſchiffe gemeſſen bezahlt
u. gleichzeitig nach der Stärke des Gebräues. Eine
wie weſentliche Einnahmeanelle die B-fteuer bildet,
geht daraus hervor, daß diefelbe in Preußen
1,7 pEt., in Bayern 11,5 pEt., in Württemberg
14 pCt. u. in England, Frankreich u. Belgien 8
bis 9 pCt. ſämmtücher Staatseinnahmen beträgt,
u. daß in Preußen pro Kopf der Bevölkerung
394 1, in Bayern 209 1, in MWirttemberg 154 1,
in England 118 1, in Frankreich 194 1 Bier
zuderigen gejottenen Wirze auf dem Kühlfchiffe noch jährlich gebrant werden,
abjegt, wird meift in Branntweinbrennereien ber
Production n. Conſumtion. Diejelbe hat
nugt, während die fid) bildende Hefe wieder zur ſich in der Neuzeit in einer früher nicht geabnten
B-erzeugung, zum größeren Theil aber beim Baden) Weife vergrößert. Auf Grundlage der umfaffen-
verwandt wird. Faſt in allen Ländern ift das den Berechnungen des vorzugsweiſe fachlundigen
Brauereigewerbe mit einer Steuer belegt, die zum|Guftan Nobad vom %. 1873 hat Kolb (Handb.
Theil nad) dem verarbeiteten Malz und deſſen d. Statiftit) folgende Zufammenftellung geliefert:
Brauereien, Production. Pro Kopf. Stenerertrag.
Preußen (1871) . . . 11,053 972,190,300 Piter 394 Viter 3,234,000 Thlr.
Sadien (1871) . 2 2 2. 757 154,527,939 „ 04 514,000 .
Uebriges Norddeutſchland (1871) ca. 2,500 200,298,994 „ 44 „ 670,090
Bayern, rechtsrheinifches (1871) 5,177 920,703,230 „ 219 9617,000 fl. ſildd.
2,510 280,108,567 „ 154 „ 2,917,000 „
Württemberg 1370—71). ..
Baden (1871) 41,895,597 „ 6 „ 990,000
Elſaß⸗Lothringen — 2,636 83,631,200 „ 1 „° ?
Defterreih- Ungarn (1872) 1,221,199,953 „ 444 „ 24,258,000 fl. öfterr.
Großbritannien (1870 2,671 3,568,259,103 „ 118 „ 6,978,000 Bid. St.
Belgien . © 2 200. ca. 2,600 ca. 700,000,000 „145 „ 13,848,000 Francs.
Niederlande (1872) . - . 560 135,571,800 „ 21. .-, 730,000 n. holl.
N ca. 709,000,000 „ 19 . ?
hmweden und Norwegen (1870) 253 77,340,000 „ ib. 5 :
Rußland (1871) . . . 2 2. ca. 120,000,000 „ 1%. (%)
Bereinigte Staaten (1471). 2,785 998,199,800 „ 26 „ 7,800,000 Doll.
(Bg. Nobaf, Guft., Die B-production in Öfter- | mit Ausnahme von Böhmen. In Rußland ſank
reich · Ungarn, im Deutfchen Reiche, in Großbritan- die Confumtion im J. 1874 auf 3,094,020 Eimer,
nien, Belgien zc., herausgegeben bei Gelegenheit d. h. 614,734 Eimer weniger als im Borjahre.
der internationalen Brauerverfammlung in Wien
während der Weltausftellung, Wien 1873.)
Diefe Ziffern dürften in den meiften Ländern
während der jüngften Zeit feine wefentlihen Under»
ungen erfahren haben, nachdem das Daniederlie-
en der Induſtrie feit 1873 auch in der B-cons
ln fih bemerkbar machte u. einen weiteren
Es ergibt fih aus obiger
Bufammenftellung, daß die B-confumtion im rechts»
rheinifhen Bayern am größten ift, fogar weit
größer, als in England; nad) einer von der obigen
nur wenig abweichenden neueren Berghnung dort
204, hier nur 120 1 pro Kopf. Im J. 1874
verfteuerten die in der Stadt Minden ſammt Vor⸗
ſtädten beftehenden 18 Brauereien 574,465 hl
Malz, was auf eine Production von mindeftens
120, vielleiht 150 Millionen 1 fchließen läßt. In
Ofterreih-Ungarn zeigte fi 1874 ein Rüdgang,
Aufihwung hemmte.
Vgl. Otto, Lehrbuch der Tandwirthichaftlihen Ges
werbe, Braunſchw. 1865; Balling, Die B-brauerei.
Prag 1865; die betreffenden Artifel in Karmarſch
u, —— echniſchem Wörterbuch, Prag 1875, u.
in Muspratts Chemie in Anwendung auf Künfte
u. Gewerbe, deutich von Kerfu. Stohmann, Braun«
ſchweig 1873, fowie die betreffenden jährlichen Ber
richte in Wagners Fortſchritten der chemiſchen
Technologie, Leipzig, die fein Brauer ungelefen
laſſen ſollte.
Bierbeſteuerung. In den zum Weinbau
weniger geeigneten Ländern Mittel-Europas iſt die
Beſteuerung des Bieres infolge der Größe der
Bierproduction eine der ergiebigften u. daher aud)
wichtigſten PVerbrauchsiteuern. Bei Gelegenheit
der en Weltausftelung im J. 1873 ift con
ftatirt, daß auf den Kopf der Benölferung in
Bayern 240% 1, in Württemberg 1544 1, in Belr
398
gien 145 1, in Großbritannien u. Irland 118 |,
un Baden 63 |, in Sachſen 60% |, in Preußen
394 1, in Holland 37 1, in Öfterreich -Ungarn
344 |, in Frankreich 194 ], in Schweden u. Nor-
wegen 13 I n. in Rußland 1% 1 Bier kommen.
Die Bierfteuer, auch Bierauffchlag, ift von den
Bierproducenten zu entrichten u. wird gewöhnlich
entweder von dem zur Biererzeugung nötbigen
Malze (daher auch Braumalzfteuer), oder von der
in den Braupfannen erzeugten Bierwürze berech—
net u. eingeboben. Ju England ift die Erheb-
ung der Braumalzjtener dadurch ſehr erleichtert,
daß infolge der daſelbſt body entwidelten Arbeits-
theilung, fowie der Größe der beftehenden Bier-
brauereien bejondere Malzfabrilen für die Her
richtung des Malzes beſtehen. Der Aufichlag wird
dort auf die Malzerzengung gelegt, u. die Bier-
fteuer bei den Malzfabriten mit 1 Thlr. 14 Sgr. vom
preuß. Scheffel erhoben. Auf dem europärihen Eon-
tinent dagegen geichieht das Malzen meiſt von den
Brauereien felbit, u. es fann die Braumalzfteuer
daber erft bei der Berwendung des Malzes er-
hoben werden, was in Bayern u. Württemberg
beim Schroten, in Preufen u. Sachſen beim Ein-
maischen des Malzes für die Bierproduction ge>
ſchieht. Die Steuererhebimg beim Schroten des
Malzes jet voraus, da die Bierbrauer ſelbſt feine
Schrotmühlen befigen, oder im Gebrauche der-
felben ftreng überwacht werden; daher ift auch im
Bayern den Brauern verboten, cigene Schrot«
müblen neu anzulegen, u. dort, wie in Wirttem«
berg, werben die vorhandenen von den Steuer:
beamten unter Verſchluß gebalten. Die Brauer
haben, bevor fie ihr Malz auf die Schrotmüble
bringen, dafielbe zu verftenern, in Bayern mit
21 Sgr. 4 Pf., in Württemberg mit 13 Sur.
vom preuß. Scheffel, u. die Müller dirfen nur
jene Quantitäten jchroten, für welche ihnen die
Stenerquittungen ausgefolgt wurden, worüber
fie von den Gteuerbehörden controlirt werden.
In Belgien u. Holland geichieht die Erhebung
der Braumalzftener ftatt nah dem Gewichte des
Dialzichrotes nah dem Maßinhalte der Maiſch—
gefäße mit 18 Sgr. 84 Bi. pro preuß. Ohm.
Es ift dies eine Beranlaffung für den. Brauer,
in demfelben Gefäße möglichſt viel, alſo möglichft
rafch zu maifchen, was aber auf Koften eines ra-
tionellen Brauverfahrens u. der Bierqualität ge
ſchieht. Die Erhebung der Bierfteuer nach der
Ouantität u. Qualität der erzeugten Bierwürze
geichieht in yranfreih mit 27 Sur. 5 Pf., in
DOfterreih mit 1 Thlr. 6 Sgr. u. in Baden mit
13 Sgr.1 Pf. pro preuß. Ohm des Keffelinhaltes.
Es werden die in jeder Brauerei vorhandenen
Braukeſſel oder Braupfannen auf ihren Raum«
inhalt bebörblich geeicht, u. der Brauer hat, fo
oft er fieden will, die Anzeige bei der Steuerbe-
börde zu machen, in deren Gegenwart allein ge-
fotten werden darf. Die Steuerbeamten über-
wachen das ganze Verfahren vom Einmaifchen
des Schrotes bis zum Ablaffen des Bieres von
der Küble, u. haben bejonders darauf zu ſehen,
daf während des Ablaflens des Sudes nichts in
die Pfannen zugegofien, oder ein zweiter Sud in
der angemeldeten Zeit gemacht wird.
jhen Reiche, mit Nusnabme von Bayern u. Würt—
Bierbefteuerung.
temberg, Baden, Eliaß-Totbringen, des großherzogl.
ſächſ. Bordergerichtes Oſtheim und des berzoglich
fadhien-foburg»gothaiichen Aıntes Königsberg wird
jet die B. al& Braufteuer auf Grund bes Ge:
jeßes vom 31. Mai 1872 (R.G.Bl. ©. 153)
von den Stoffen, welche u. ſdiern fie zur Bereit-
tung des Bieres verwandt werben, nad folgen-
den Sägen erhoben von:
Tr. Ear.
1. Getreide (Malz, Schrot zc.) mit. — zu
2, Neis (gemahlen od. ungemahlen) mt — 26
3. grüner Stärke (d. 5. die mindeſtens
30 pCt. Waſſer enthält) mit — 20
+. Stärke, Stärtemehl (einſchließlich Kar-
tofielmehl) u. Stärfegummi (Der:
Bo ee. de
5. Buder aller Art und Buderauflöfun:
gen mit. a Er Tee Dr
6. Syrup aller Aıt mt . ». x... 1 —
7, allen anderen Malzfurrogaten mit . 1 10
für jeden Centner. Iſt mit der ſteuerpflichtigen
Bereitung des Bieres auch Ejfigbrauerei verbun—
deu, oder wird Eifig aus jenen Stoffen in eigens
dazu beſtimmten Anlagen zum Berlaufe oder zu
gewerblichen Zweden bereitet, jo muß die Brau-
ſteuer auch von dem zur Ejfigbereitung verwen—
deten Material entrichtet werden. Die Bereitung
von Vier ald Haustrunk obne befondere Bran-
anlagen ift ftenerfrei, wenn die Bereitung lediglich
zum eigenen Bedarfe in einem Haushalte von nicht
mehr als 10 Perſonen über 14 Jahren geichiebt.
Über die Brauereiräume, Brauftoffe u. Gefäße
wird fortwährend ſeitens der Steuerbehörde
ftrenge Controle geführt, u. müſſen derſelben alle
Aenderungen angezeigt werden. Wer brauen will,
ift verpflichtet, der Steuerhebeftelle jchriftlih are
zuzeigen, welche Gattung u. Menge der Brauftoffe
er zu jedem Gebräu nehmen, an welchem Tage
u. zu welcher Stunde er einmaiſchen u. wie viel
Bier er aus dem angegebenen VBraumaterial zie-
ben will, Das Einmaiſchen geichieht in Gegen-
wart des Steuerbeamten und ohne diefelbe nur,
wenn diefer nicht innerhalb einer Stunde nach der
angegebenen Zeit des Einmaiſchens erſchienen ift.
Die Bierfteuer fann aber auch vom fertiggeftellten
Bier erhoben werden, wie es früher in Hannover
der Fall war. Diefe Erbebungsart ift die ohne
Zweifel am —— läſtige u. loſtſpielige, und
wenn gegen dieſelbe hauptſächlich eingewendet wird,
daß dabei die verſchiedene Qualität des Bieres
unberüdjichtigt bleibt, ftarfes und ſchwaches gleich
body beſteuert ift, jo werden anderjeit$ auch Die
Brauer nicht, wie bei der Braumalzftener, fich
verfucht finden, den Gehalt ihres Bieres möglichft
gering zu machen. Inſofern das Vier nicht zu
unferen unentbehrlichſten Berbrauchsartifeln, wie
Mehl, Salz, Breunmaterialien u. dgl., gehört, mag
die B. weniger ungerecht ericheinen, als andere
Arten der bejtehenden Gonfunttionsfteuern. Das
Mißverhältniß, in welchem die B. Neih u. Arm
belaftet, wird durch das im umgefehrten Berbält-
niß beftehende Mifverhältnig der Weinftener, bezw.
des Weinzolles ausgegliben. Es kommt nur
darauf an, daß die B. im richtigen Berbältnif
Im Deut-|zu der auf anderen geiftigen Getränfen (Wein,
ranntwein) laftenden Steuer fteht. Infolge einer
Bierbrauen — Biermann. 399
übertriebenen Bierbeftenerung würde der Ber
brauch diefes für die arbeitende Bevöllerung vor⸗
züglich zuträglihen Getränfes vermindert und da-
A bei demfelben der Genuß des gefundheits-
hädlihen Branntweines zunehmen, wie joldyes
in Holland, Frankreich, England u. anderen Län-
dern beobadhtet wurde. Diaurus.
Dierbranen, ſ. u. Bier.
Diercomment, der Gebrauch, welcher bei
Studentenverbindungen auf der Kneipe und bei
wen Eommerfen im Trinken, bei. im
or- u. Nadhtrinfen, zu beobachten if.
Bierefel, Vogel, jo v. w. Pirol.
Dierejfig, aus Bier gemonnener Eifig, na-
mentlih aus dem Glattwafjer dargeftellt, einem
fehr verdünnten Malzauszuge, der aus der bereits
ertenfirten Maiſche durch nochmaliges Behandeln
mit Waſſer gemonnen wird,
Bierey, Öottlieb Benedict, Eomponift, geb.
25. Juli 1772 in Dresden; war erft Muſik—
director einer wandernden Schaufpielergeiellichaft;
ging 1788 zur Döbbelinfchen, 1794—1806 zur
econdafhen Gejellihaft, lebte bis 1808. in
Wien u, fam dann als Mufildirector nach Bres—
fau, mo er 1824 das Theater in Padıt nahm,
aber 1828 die PDirection an v. Biedenfeld und
Piehl abtrat u. 1829 fein Amt miederlegte; er
hielt fi hierauf abwechſelnd zu Mainz, Yeipzig,
Dresden u. Weimar auf u. kehrte ſchließlich nach
Breslau zurüd; er ft. dafelbit 5. Mai 1840. B.
componirte u. a. die Opern: Wladimir, Roſette,
Die Gemjenjäger, Phädon und Naide, L’asilo
d’amore, Der Mädchenmarkt, Jery u. Bätely, Die
EHeftandscandidaten, Das Donaumeibchen (3. Theil),
die ofiene Fhede u. a., Cantaten, Märiche, So—
naten u. Variationen für Klavier. Er fr. aud)
ein Werf über den Generalbaß. Brambadı. *
Bierhefe (Saccharomyces Cerevisiae Meyen,
Hefenpilz), Pilz aus der Fam. der Sacharompce-
ten, jehr niedere Pilzformen von noch nicht vollſtändig
belaunter Stellung im Syſtem; eiförmige, chloro-
phylloſe Zellen, welche bei Gegenwart von freiem
Sauerſtoff u. geeigneter Nährlöſung wachſen und
ſich durch ſogenannte Sproſſung vermehren, d. h.
an einer oder zwei Stellen Ausſtillpungen treiben,
welche bald die Größe der Dutterzelle erreichen
u, von diefer durch eine Wand gejchteden werden,
Auf diefe Weife entftehen rofenkranzförmige ein"
fache, oder auch verzweigte Ketten, deren Glieder
ſich leicht iſoliren können. Nach neueren Unter:
ſuchungen ſoll e8 die nicht wachlende, vom Zu—
tritte des freien Sauerftoffes abgeſchloſſene Hefe
fein, welche in Zuderlöjung altoboliihe Gährung
erregt, dadurch, daß fie den aufgenommenen Zuder
in Kohlenſäure u. Allohol zerſetzt. Brefelds Be-
obachtungen haben erwiejen, daß die Hefe dieſen
. abnormalen Yebensproceh unter langjamer Ab»
ſchwächung ihrer Lebenskraft wochenlang fortfegen
fann. Da amderjeits die Hefe den freien Sauer»
ftoff ihrer Nährlöfungen fehr raſch aufnimmt, fo
tritt in denjelben leicht Mangel an freiem Saner-
fioff ein u. damit die abnorme Lebensthätigfeit
der vorhandenen Hefezellen, deren Folge die Gähr-
ung if. Daber fünnen in einer und derjelben
Flüffigleit Gährung u. Wahsthum der Hefe zu—
gleih eintreten, wenn auch ihre Oberfläche mit
der freien Luft in directer Berührung ſteht. Es
darf übrigens nicht unermwähnt bleiben, daß die
ausgeiprochenen Sätze auch von mander Seite
angefochten werben. Außer der oben ermähnten
Vermehrung der Hefe durch Sproffung ift noch
eine andere Art der Vermehrung conftatirt wor«
den. Werden nämlich Hefepilze auf einer trode-,
neren Unterlage, 3. B. auf Scheiben der Mohr-
rübe cultivirt, fo entftehen in den Bellen 2—4
Tochterzellen durch freie Zellbildung, ſog. Gont-
dien, welche aus der Mutterzelle ausſchlüpfen u.
fo wie dieje fih dur Sproffung vermehren; auch
dies iſt ungeſchlechtliche Fortpflanzung, eine ges
ichlechtliche ıft bis jetzt nicht befannt. Der Hefe
pilz fann, wenn er bis zu einem gewiflen Grade
eintrodnet, feine Keimtraft lange Zeit bewahren;
die Temperatur, ber weicher er fortwächſt, liegt
zwiihen + 8° u. 35° C.; zum Wachsthum it
außer freiem Sauerftoff die Gegenwart von Koh—
lenjtoffverbindungen (Pflanzenichleim, Pflanzen-
eiweig) u. von Salzen (namentlih von phosphor—
ſaurem Kali) erforderlih; geht die Gährung bei
einer niederen Temperatur (4—10° C.) vor
ih, wie beim Brauen des Bayerischen Bieres,
jo jind die Zellen beinahe fugelförmig u. ſammeln
ſich am Grunde der Fzlüffigkeit (fog. Untergäbrung);
bet einer höheren Temperatur (14—18°), wie
beim Brauen des gewöhnlichen Bieres, bilden ſich
mebr rofentranzförmige Kitten, d. h. die in die
Hefe getretenen Pilze können bei Aufnahme von
Sauerſtoff wachjen und fich vermehren und ſam—
meln fih an der Oberflähe (Obergäbrung).
Aus der Oberhefe erhält man durch Answaſchen
mit kaltem Waffer, Ausprefien u. Trodnen eine
bräunlich- weiße, durchicheinende, brüchige Maſſe,
die man als Ferment zum Bierbrauen u. Brannt«
weinbrennen braucht. Die nicht bittere Weißbier-
befe wird auch zu mancherlei Hefenbadwert be—
nugt. Da aber die B. fehr bald ihre Wirkfan-
feit verliert u. nicht überall friich zu haben ift, fo
zieht man die fog. Preßhefe oder trodene Hefe
vor, welche in Fabriken in großen Bottichen auf
geeigneter Nährlöfung cuftivirt wird, Auch arz«
neilich wird die B. verwendet, befonders mit Bob
nenmebl, auf wunde Hautftellen, bei faulen Ger
ſchwüren zc. Als Berfälihungsmittel von B. lom⸗
men bor: Kreide, Satmehl und Weizenmehl; die
Beimifhung von Mehl gibt fih zu erkennen,
wenn fih im kochenden Waſſer Kleiſter bildet,
oder die B. von Jod blau gefärbt wird, Iſt
Kreide vorhanden, fo eriolgt bei einer fünf—
fahen Berbünnung der Bierhefe mit deſtillirtem
Waffer und Zujag von Salzſäure Aufbraujen
der Mifchung. Engler.
Biermann, Eduard, Landichaftsmaler, geb.
26. Juli 1803 zu Berlin; feit feinem 24. Jahre
Porzellan», dann Decorationsmaler, widmete ſich
jpäter unter Schinfels Leitung der Kunſt, bei. der
Landjchaftmalerei, bereifte Deutichland, Italien
u, die Schweiz u. wurde Profeffor der Kunſt—
alademie in Berlm. Seine zahlreihen Bilder
zierten mehrere Berliner Kunftausftellungen, jo
1834 die Husfiht auf Florenz, 1836 die Dar-
ftelung von Zajjos Eiche, 1842 ein Abend auf
der Hochalp, 1844 der Morgen in den Berner
Alpen; ferner fein Abend auf den Hodalpen, feine
400
Biermolfen — Biesfliegen.
Anfiht von Florenz, fein Mailänder-Dom zc.|Rüdtehr Tieg ſich B. in Nemw-Nork nieder, von
zeichnen fi durch große Auffaffung, friſche Un—
mittelbarfeit, freie, geiftvolle u. energiſche Behand-
lung u. fräftige Farbe rühmlihft aus. Geine
Hauptftärfe liegt in dem mit überrajchender Bir«
tuofität behandelten Aquarellen, befonders aus
Dalmatien. Er lieferte auch 1836 die 8 Litho—
graphien, Scenen aus Goethes Fauft, nah Ans
gabe des Fürſten Radzimwill zu deffen Eompofition
zum Fauſt. Reguet. *
Biermolken (engl. Posset), Getränf, bef. für
Krante, welches bereitet wird, indem man in
fochende Milch Bier gieft u. von der geronnenen
Kälemaffe die Molken abſondert.
Biernacki, Aloyjius Profper, polnischer
Staatsmann, geb. 1778 bei Kaliſch; ftudirte in
Frankfurt a. d. DO. die Landwirthihaft, gründete
eine Mufterwirthichaft zu Sulislawice u, verband
mit derjelben eine Landwirtbichaftsichule; zur Zeit
des Großherzogthums Warſchau war er furze Zeit
Intendant der Krondonänen u. 1820 Mitglied des
Generalconfeils im Palatinat Kaliih, in welcher
Eigenſchaft er bei der Krönung des Kaiſers Niko
laus gegen die Verlegung der polnischen Conſti—
tution proteftirte. 1829 ward er zum 2. Mal in
das Generalconfeil gewählt. Beim Ausbruche der
polniſchen Revolution übernahm er den Borfit
in der Rechnungslammer zu Warihau, war vom
29. Yan. bis 20. Apr. 1851 Finanzminifter u. diente
als jolcher auch nad) dem Falle von Warſchau in der
neuen Regierung in Zakroczym; nad) der Unter-
drüdung des Aufftandes als Mitglied der Regier-
ung von der Amneftie vom 20. Oct, ausgeſchloſſen,
flüchtete er nah Frankreich; er ft. im Aug. 1854
in Paris, Pagai, ®
Biernatzki, Joh. Chriftoph, Schriftiteller,
geb. 17. Oct. 1795 zu Elmshorn im Hoffteinifchen;
ftudirte feit 1816 im Kiel, Jena u. Halle Theo-
logie, wurde 1821 Prediger auf der Hallig Nord»
firandiihmoor an der WKüſte Schleswigs und
1825 Prediger der evangeliich-lutheriihen Gemeinde
in Friedrichſtadt; ft. hier 11. Mai 1840. Er ſchr.:
Der Glaube (religiöfes Lehrgedicht), 2 A., Schles-
mwig 1825; die Novellen: Wege zum Glauben
oder die Liebe aus der Kindheit, Alt. 1835; Die
Hallig oder die Schiffbrüdjigen auf dem Eilande
in der Nordfee, Alt. 1836, 3. Aufl., 1852; Der
braune Knabe oder die Gemeinden in der Ber
ftreuung, 1839, 2 Bde., 2. A., 1852; Predigten,
Kiel 1841; Gefammelte Schriften, Altona 1844,
8 Dde., 2. Aufl., 1850. Lebensbejchreibung von
jeinem Sohne, 2. A., Yap. 1852. Löffler. *
Bierftadt, Albert, deuticher Landſchaftsmaler,
eb. 1830 in Solingen bei Elberfeld ; fam 1832 mit
Finen@ttern nach Neu: Bedford (Maſſachuſetts); ging
1853 nah Düffeldorf, fandaber wegen ungenügender
Kenntniffe im Zeichnen an der Akademie nicht
Aufnahme, machte gleihwol unter Leifings, 4.
Achenbachs u. Lentes Leitun
fchritte, befuchte einen Theil Deutichlands, Ftalien
n. die Schweiz u, fehrte 1857 nad Amerila zur
wo er 1867 nah Irvington am Hudſon über-
fiedelte, u. befuchte 1867—68 Ftalien u. Paris, B.
ift der Maler des Großartigen in der Natur u.
zeigt in feinen großgedachten Bildern, in denen
fih ganze Gebirgsfetten und Thäler panorama-
artig ausdehnen, was er feinen Düffelborfer
Lehrern verdankt. Übrigens haſcht er zu ſehr
nad Effecten u. betont die dazu dienlichen Mittel
etwas zu ſtark. Hauptwerfe: Bogen des Octavius
(1858); Morgen im Felſengebirge (1861); Sonnen-
lit u. Schatten (1862); Jarve's pasture (1862,
vom Kinftler felbft als fein beftes Bild erflärt);
‚selfergebirg, Landers Pit (1863, in Stahl ge-
ftohen von Snulie, in Farbe lithogr. von Kell
Bros); ——————— in Californien (1864);
Sturm im Felfengebirge (1866, vielleiht das
— erk B-8); Anſicht der Sierra Nevada
1868); Der brennende Befun (1868). Regnet.
Bierftener, ſ. Bierbeftenerung.
Biertare, die früher befonders in SDeutih-
fand geſchehene amtliche Feſtſetzung des localen
Bierpreifeg behufs Berhinderung von lÜber-
vortheilung des Publicums feitens der Brauer
u. Schenfwirthe, Mit dem Geifte der heutigen
Gewerbegeſetzgebung war aud das Biertarwejen
unerträglich.
Biervliet, Scheldeinfel im Bezirfe Middelburg
der niederländifchen Provinz Seeland, mit gleichn.
Stadt; 1900 Ew.; Sterbeort Wilhelm Beufelſons,
weldem dafelbft ein Denkmal von Karl V. gefetst
wurde,
Biertvage, ein Ariometer, zur Ermittelung
des fpecifiihen Gewichtes einer Bierforte, um
danad den Alkohol» u. den Ertractgehalt zu
beftimmen; f. u. Bier,
Dierzwang, die ausfchließende Bierbrauge-
rechtigkeit innerhalb eines gewiſſen Bezirkes; fie
war nicht felten mit einem Eee verbunden,
weldhes innerhalb der fogen. Bann» od. Bier-
meile, eine Meile im Umkreiſe von dem Mittel»
punkte der Brauerei aus, zu ftehen pflegt u. von
einem Berbietungsrechte gegen neue Schenkflätten
zu unterfcheiden iſt. Der B. bildete fonft ein
befonderes Borzugsredht der Städte, von welchem
es jedoch in der Regel vielerlei Eremtionen,
befonderes für adelige und landesherrlihe Güter
u, dgl., gab. Neuerdings ift derfelbe aufgehoben
worden.
Biesbofch, mit dem Meere zufammenhängen-
der, 190 [_)km großer Moraft zwiichen den nieder-
ländifhen Provinzen SHolland und NBrabant;
entftand 19, November 1421 durch einen Deich-
bruch der Maas (St. Elifaberhsfluth), wodurch
72 Dörfer mit 100,000 Menihen untergingen;
jet zum Theil eingepoldert. In ihn mindert die
Merwede.
Bieſenthal, Stadt im Kreiſe Oberbarnim des
bald raſche Fortpreuß. Regbez. Potsdam, an der Finow u. Sta-
tion der Berlin-Stettiner Eifenb.; 1930 Em,
Bieöfliegen (Dafielfliegen, Bremen — nicht
rüd, nahm 1858 Antheil an der Entdedungsreife | Bremjen — Oestridae), Familie der zu den zmei-
des Generald Lander nah) dem Sübpaß, ging |flügeligen Inſecten gehörenden Gruppe der wahren
1863 an den Salziee, nah San Francisco und Fliegen; Fühler kurz, warzenföruig, in Stirm«
nah dem berühmten Cho-Semite-Thal, zum
öhlen entipringend; Mund geichloffen od. aus—
Oregon u. zurüd nad Californien. Nach feinerincehmend Mein, ohne fihtbaren Rüſſel, da die B.
Biesfliegen.
während ihrer — Lebensdauer als ausgebildete
Fliegen keiner Nahrung bedürfen; Hinterleib
haarig, 4. od. bringelig. Die Larven haben ge—
zaähnte Körperringel u. häuten ſich zweimal; fie
ſchmarotzen auf oder in Säugethieren. Ausge-
wachſen verlaffen fie ihren Aufenthalt u. verpuppen
fi in der Erde; der Puppenzuftand dauert 3
bis 7 Wochen. Die Puppen find fogen. Tönn-
&benpuppen, da die Körperhaut von den Larven
bei deren Berpuppung nicht abgeftreift wird, viel-
— * eine erhärtende oder zuſammenſchrumpfende
Hülle bildet, in deren Innern das Inſect bis zum
Ausihlüpfen vermweilt. Nach dem Wohnſitze der
Larde fann man Haute, Magen u. Najenbremen
unterfheiden. Die Weibchen der zen
(H erma Latr.) legen ihre Eier auf bie
Haut oder, Haare ihrer Wohnthiere. Die mit
einem eigenthilmlichen Bohrapparat ausgerüftete
Larve bohrt fih in die unteren Schichten der
Lederhaut ein; durch den Weiz, melden die—
felbe dort ausübt, verurſacht fie eine mach aufen
ofjene, eiternde Geſchwulſt, jog. Daffelbeule; ans»
ewachjen verläßt die Larve ihren Wirth, fällt zur
tde nieder u. verpuppt fi dort. Die Fliegen
felöft fuchen Hochgelegene Orte auf u. ſchwärmen
dort lebhaft umher. Hierher die Rindsbies-
fliege (Hautbreme des Rindes, H. bovis L.);
Fliege 9—11 mm lang, ſchwarz; Rüdenihiud mit
3 Furchen, vorm mit votbgelben, hinten mit
ſchwarzen Haaren; Hinterleib am Grunde gran,
in der Mitte ſchwarz, am Ende rothgelb behaart;
legt ihre Eier im Sommet; der Yarbenzuftand
dauert etwa 2 Fahr. Die von der etwa 25 mm
langen Larve erzeugte Beule ift etwa fo groß wie
ein Zaubenei; da fie die Haut durchlöchert, wird
dieſe, wenn das Rind mehrere, oft bis 100 Daffel-
beulen hatte, ſehr entwerthet; dazu geht das Thier
in feiner Ernährung ſtark zurüd. Als Vorbeuge-
mittel werden Ablochungen von bitteren Stoffen
(Walnufblätter, Wermuth, Guaffiaholz) empfoh-
len; als Heilmittel ift rafche Entfernung der Yarven
anzurathen. In ähnlicher Weife leben am Reh
die Larven von H. Diana Br., am Hirjche jene
von H. Actaeon Br., am Nenthiere die von H.
Tarandi L. Amerifanijche Formen bietet Cute-
rebra Clark. Ihre Larven leben an Nagetbieren
u. Beutelthieren, gelegentlich auh am Menichen
(in Brafilien Ura, in Cayenne Ver macaque, in
Eoparila Torcel, bei den Maynas- Indianern
Suglacuru, in Neu-Granada Gusano peludo oder
nuche), fo daß man früher von einer Cuterebra
hominis (Oestrus humanus Humboldt, Cuterebra
noxialis Gondot) jprad. Die Najenbremen
(Oestrus L.) legen theils Eier, theils gebären fie
lebendige Larven u. ſetzen diefelben in der Naſenhöhle
ihrer Wirthe ab. Die Larven wandern in der Najen-
höhle aufwärts, nähren ſich vom reichlich ab-
gefonberten Schleime u. entwideln fih am deren
oberem Ende, oft auch in den Stirnhöhlen, ja, fie
gelangen aud in die Rachenhöhle oder die Yunge
ihrer Wirthe u. find dann Urſache heftiger Ent»
Schafdafjelfliege
ündungen. Hierher die
(Rofenbreme des Schafes, O. ovis L.); Halsſchild
der 10—13 mm langen Fliege feidenartig gram,
mit vielen ſchwarzen Wärzcden, worauf je ein
401
regelmäßigen, ſchwarzen, ſchillernden Flecken und
Punkten u. davon faſt ganz überzogen; Flügel
rein glashell mit brauner, Heiner Querader; lebt
in der Nähe von Schafweideplägen, an Mauern
u. Rindenffämmen, meiſt ftill figend. Die Larven
(Grübler) leben in Nafen- und Stirnhöhle des
Schafes; dort findet man fie, Selten mehr als 7
bis 8, mit 2 vorderen Hornhalen feitgehalten;
wenn fie nad ungefähr 9 Monaten erwacjien
find, bilden fi die Hornbafen zurüd, die Larve
wird duch Nießen des Schafes ausgeftoßen und
berpuppt fidh in der Erde. Früher hielt man fie
fälſchlich für Erzeuger der Drehkraukheit bei den
Schafen, doch verurfachen fie bei diefen reichliche
Abjonderung des Nafenichleimes und, wenn im
Menge vorhanden, die fogenannte Schleuderkrante
heit, Bremenichwindel oder falſche Drehkrankheit.
Bewährte Heil- u. VBorbeugemittel find unbelannt.
In ähnlicher Weife werden Büffel u. Kamel von
O. maculatus heimgefucht, der Edelhirih von O.
auribarbis Wied., das Renthier von O. trompe
Fabr. Die Magenbremen fegen ihre Eier an
die Haare der Lippen, Bruft und Borberbeine
ihrer Wirthe ab; die jungen Yarven wandern nad
deren Mundhöhlen hin, werden auch wol von den
Wirthen abgeledt, weil fie einen gemiffen Reiz
auf deren Haut ausüben. So gelangen fie in
Magen und Darm, wo fie ſich mittels ihrer
Dornen feſthalen; nad erlangter Reife werben
fie mit den Ercrementen ausgeftoßen und ver»
puppen ſich dann in der Erde. Dahin die Ma-
genbreme des Pferdes (Gastrus od. Gastro-
philus equi Fabr.); Siege 11 mm lang, roſt⸗
braun, graugelbhaarig; Rückenſchild mit einer
mehr oder weniger deutlichen ſchwarzen Binde;
auf dem Schildchen 2 ſchwarzbraune Büſſchel;
Flügel weißlih, auf der Mitte eine breite Binde
u. 2 Flede, an der Spige bräunlich; Beine blaß-
gelblich ; Scheint Höhen aufzuſuchen, um dort
umberzufhwärmen. Die Larven, etwa 18 bis
19 mm lang, erft fleifchroth, dann gelblich⸗braun,
leben meiſt im Magen der Pferde, einzelne auch
im Schlunde; fie halten ſich dort feft; fie fommten
bei Meidethieren oft in großer Zahl, im fürme .
lichen Neſiten von 50—100 Stüd vor. Sie
jaugen an der Schleimhaut des Magens, erzeugen
jo eine ftärkere Schleimabfonderung u. veranlafien,
wenn fie in größerer Menge vorfommen, jelbit
böhlenartige Bertiefungen ın der Magenhant.
Nach 10 — ſind ſie ausgebildet und verlaſſen
dann ihre Wirthe, um ſich in etwa 6 Wochen im
Boden vollftändig auszubilden. Undere, in ähı«
licher Weiſe lebende Bremen find die Biehbreme
(G. pecorum Fab.), die Maftdarmbreme (G.
haemorrhoidalis L.) u. die Nafenbreme (G.
nasalis L.). Bon diefen lebt die Yarve der Vich-
breme in Pferden, jelten im Rinde, jene der Majt«
darmbreme ausichließlih im ‘Pferde, jene der
Nafenbreme dagegen im Pferde und Eifel, ſowie
in Biegen; alle gelangen durch den Mund im;
ihren Birih u. leben in deifen Darın (die Nafen-
breme aber aud in Nafe, Schlund und Magen)
namentlich diefe veranlaßt durch ihre größere Au-
zahl, ſowie dadurch, daß fie Magen- u. Darnı-
wand mitunter förmlich durchlöchert, Blutungen
Haar fteht; Hinterleib feidenartig mit vielen un«loder Entzündungen mit tödtlihem Ausgange.
Pierers Univerfal:Eonverfationd:2erilon. 6. Aufl. III. Band.
26
402
Die Fliegen finden fih im Allgemeinen ſelten.
Biefter — Bifilarınagnetometer.
Bifänge (Landw.) find ſchmale, body aufge
Wirffame Mittel gegen die Magenbremen bat|triebene Beete u. werben liberall da angelegt, wo
man bis jet noch nicht gefunden; bei Anwend- eine ſeichte Aderfrume bei naſſer Lage ein Zu-
ung jcharfer Mittel verkriechen fih die Yarven
noch tiefer in die ſchützende Magen- oder Darm—
wand; dagegen find jchleimige, einhüllende Mittel
ein wirkſames Linderungsmittel für das Vieh,
wenn auch fein Bertreibungsmittel des gefürchteten
Gaftes. Auch ift eine gute Pflege der Haut des
Thieres durch Bürften, Striegeln u. dgl. als
Borbeugungsmittel zu betrachten und namentlich
anzuwenden, wenn das Vieh bieft. Das Biejen
der Weidethiere ift noch zu erwähnen: Wenn dieje
fih von gewiſſen Inſecten, in denen fie ihre
fummenden Feinde erfennen, umfchwärmt wiſſen,
dann werden fie unrubig, erheben den Schwanz,
laufen furchtbar u. wild Durch einander u. ergreifen
häufig die Flucht (fie biefen). Unter den Inſecten,
weiche jold) gewaltigen Einfluß ausüben, finden
fih vielleiht, ja jogar wahrſcheinlich auch die
Bremen, meift dürften e8 aber die Bremien (f. d.)
fein, zumal da die ausgebildeten ‚liegen der
Bremen ziemlich jelten, jene der Bremjen dagegen
recht häufig find, Thomis.
Bieſter, Johanu Erich, deutſcher Popular—
ſchriftſteller, geb. 17. Nov. 1749 zu Lübeck; ſtu—
dirte in Göttingen Jurisprudenz, daneben Literatur⸗
geſchichte u. Philologie, wirkte ſeit 1773 an den
Yebranftalten zu Bützow, wurde 1777 dur Ni—
colais Bermittelung Privatfecretär bei dem Staats-
minifter von Zedlig, 1784 königl. Bibliothefar zu
Berlin; er ft. dajelbft 20. Febr. 1816. B. gründete
1783 mit Gedile die Berliner Monatsihrift und
war feit 1791 derem einziger Redacteur. Sie
verfolgte den Zwed, durch Unterhaltung zu ber
lehren u. Aufllärung zu verbreiten; viele bedeu-
tende Männer, auch Kant, gehörten zu ihren
Deitarbeitern. In der Abneigung gegen den Ka»
tholicismus- u. im Jeſuitenhaſſe ftimmte B. mit
Nicolai zufammen, beide gewiffenhaft nach ihrer
Überzeugung. B. veröffentlichte auch: Platonis
Dialogi IV, Berl. 1780, 2. Ausg., 1790; eine
Überfegung von Barthélemys Reiſe des jungen
Anacharſis, Berl, 1790—93, 7 Bde; zahlreiche
Auffäge in verſchiedenen literariſchen Organen.
Bietigheim, Stadt im Oberamte Befigheim
des württembergiſchen Nedarfreijes, an der Enz
u. der Abzweigung der unteren Nedarbahn von
der wiirttemb. Hauptbahn mit großartigem Bia-
duct über die Enz; Tuchmanufactur, große Kamm-
garnfpinnerei; Handel mit deven Producten n. mit
Wein, Holz, Getreide; 3457 Ew.
Bieiſchhorn (Neftborn, Baltiihiderborn oder
Lötſcherhorn), Alpenhöhe von 3820 m, auf dem
Yötichengrat des Kant. Wallis (Schweiz); 1859
zuerft erftiegen. i
Biewis, eine neue Olpflanze aus NAmerifa;
hat mit dem Rübſen volltommene Abnlichteit, nur
dag er etwas größere Samenförner, dunflere,
raubere, größere Blätter, fo lange er noch jung
it, gleihfam wie Difteln, u. höhere Stengel hat.
In derjelben Zeit wie der Rübſen gefäet, blüht
u. reift der B. 10 Tage früher. Er übermintert
ut, liefert einen ns guten Ertrag, wie der
übfen, ift aber noch ölreiher als diejer, mit
melden er im Anbau Alles gemein bat.
jammenbringen derſelben wünſchenswerth macht.
Biferae plantae (Bot.), Pflanzen, die zwei Mal
jährlich blühen.
Biferno, Fluß in der italien. Prov. Foggia,
90 km lang; er fommt vom gleichnam. Berge
u. mündet ind Adriatiſche Meer; fiichreih, aber
verbeerend.
Difertenftod, 3431 m, Gebirgäftod der Glar-
ner-Todi-Alpen (Schweiz), zum erften Mal am
7. Sept. 1863 erftiegen.
Biffrun, Giadem (Jalob Biveroni), geb.
1506 zu Samaden im Ober-Engadin; war Jurift
u. Theolog, einer der eifrigften Neformatoren u.
Freund Zwinglis; ft. 1572. Bon ihm rühren die
erjten gedrudten Werke in oberengadiniicher Mund»
art ber, fein Catechisem, Puſchlaf 1552 (liber«
jepung des deutichen von Stan Comander, 1537)
u. L'g nouf saine Testamaint, Puſchlaf 1560;
beide höchſt jelten.
Bifilardynamometer (v. lat. bini, je zwei, u.
filum, der ‚Faden, u. gr. dynamis, Kraft, u. ıne-
tres, ich mefje), ein von Weber erfundenes Iu—
ftrument zur Meſſung der Eimwirkung elektriicher
Ströme auf einander. Es ift im MWejentlichen
ähnlich dem früher von Gauß erfundenen Bifilar-
magnetometer (f. d.), nur mit dem linterichiede,
daß der mit dem Spiegel verbundene Torfions-
freis anftatt des Schifihens mit dem Magnetitabe
eine verticale, aus dünnem Meffing beftehende u.
mit feinen umjponnenem Kupferdrabt in zahl«
reichen (etwa 3000) Windungen ummidelte Drabt-
rolle (Bifilarrolle) trägt, dur deren Windungen
ein galvanifher Strom geführt wird, für welchen
die beiden Suspenftonsdrähte als Zuleitungs ·
drähte dienen. Die Achſe der Bifilarrolle wird
in den magnetiſchen Meridian gebracht. Eine
zweite, feſtſtehende Drahtrolle wird in verſchiedenen
Entfernungen u. nach verſchiedenen Richtungen
aufgeſtellt u. mittels des Ferurohres im Spiegel
die durch einen die feſte Rolle durchlaufenden
Strom hervorgebrachte Ablenkung der Bifilarrolle
abgeleſen. Mit dem B. beſtätigte Weber, daß
für die elektrodynamiſchen Wirkungen dieſelben
Geſetze gelten, wie für die gegenfeitige Eimwirhung
zweier Magnete.
Bifilarmagnetometer (v. Lat. u. Gr.), ein
von Gauß erfundener Apparat, welcher dazu dient,
die geringften Schwankungen in der Jutenfität des
Erdimagnetismus augenblicklich fihtbar u. meßbar
zu machen. Bon einer mit ihrer Sceere in der
Dede des Zimmers befeftigten Rolle hängen zmei
Drähte parallel herab, welche auf die aus der
Fig. erfichtliche Weiſe ein verticales Stäbchen tra-
gen, an dem ein gleichfalls verticaler Spiegel
befeftigt it. Das Stäbchen trägt an feinem un«
teren Ende den aus zwei horizontalen freisrunden
Scheiben beftehenden Torfionstreis. Die obere
diejer Scheiben ab ift in ihrer Mitte an dem
Stäbchen befeftigt, während die untere cd um
die Verlängerung des Stäbchens gedrebt u. im
jeder Lage durch eine unter ihr befindliche, in der Fig.
nicht fihtbare Schraube feftgehalten werden kann.
Mit diefer unteren Scheibe ift nun ein aus zwei
Bifistulosus
Hülfen beftehendes Schiffchen feft verbunden, im
welches der Magnetftab eingelegt wird. Den Spie-
gel gegenüber u.
etwa 2—5 m von
demjelben ent«
fernt befindet fich
ein Fernrohr,
durch weldesman
im Spiegel das
Bild eines Stückes
einer in Millime-
ter getbeilten,
über dem Fern—
rohr befeitigten
horizontalen
Scala fiebt.
Durch die Tor—
ſion der Drähte
fucht das Sciff-
hen eine ſolche
tage anzumneh-
ment, daß jene fich
parallel ftellen u.
der Schwerpunft
des angehängten
Körpers in die
Ebene der Drähte
fällt. Stellt man
nun mit Hilfe des
Torſions kreiſes
das Schiffchen ie,
daß feine Achſe
mit dem magne-
tiihen Meridian
einen großen
Winkel bilder, u.
fhiebt man dann
in daffelbe den
Magnetitab, je
wird derfelbe eine
zmwiichen der früheren Richtung des Schiffchens u.
dem magnetischen Meridian liegende mittlere
Richtung annehmen, jo nämlih, daß die Tor-
fionsfraft der Fäden u. die Richtkraft des Erd-
magnetisntus ſich das Gleichgewicht halten. Stellt
man nun den Torſionskreis jo, daß Gleihgemwicht
ftattfindet, wenn der Magnetitab gegen den mag»
netischen Meridian etwa rechtwinkelig ftebt, jo
äußert ſich die geringfte Anderung der Intenſität
des Erdbmagnetismus durch eine veränderte lage
des Magnetftabes, welche durch die im Fernrohre
fich zeigenden Scalentheile höchſt genan beobachtet
u. gemefjen werden kann. immenaner. M,
— Bigamie.
403
Bifistulösus (fat., Bot.), zweiröhrig.
Biflörus (lat., Bot.), zweiblumig.
Bifoliätus (lat., Bot.), zweiblätterig.
Bifolius (lat., Bot.), zwei Blätter treibend.
Biföra Hoffm., Bilanzengattung aus der Fam.
Umbelliferen (V. 2), jehr nahe mit Koriander
verwandt; ausgezeichnet durch die zmeilächerige
Commifinr der Theitfrüchtgen. Arten: 1) B. ra-
dians M. B.; 2) B. testiculata Spr., beide in
S@uropa; 3) B. Loureirii Kostel, in China u.
Cochinchina. Die Früchte befigen denjelben Ge—
ruch wie die des Koriander u, werden ebenfo
gebraudht. Engler.
Bitormis (v. Lat.), boppelgeftaltig; daher Bifor⸗
mität, Doppelgeitalt.
Bitrons (lat.), I} der Zweigefichtige, Beiname
des Gottes Janus (f. d.). 2) (Bot) Was auf
beiden Flächen eines Blattes wächſt, befond. von
Schmarogerpflanzen, im Gegenfage von Epi- ı,
H yspophyllus.
Biteöft (Bifrauft, nord. Myth.), buntiarbige
Brücke, welche die Aſen zur Verbindung der Erde
u. des Himmels bauten (Regenbogen von den
Menſchen genannt); auf ihr ritten die Ajen tägfich
zum Gericht nah dem Brunnen der Urd. Sie
bricht ein, wenn beim Weltuntergange Muspels
Söhne darüber reiten.
Difurcation (v. Lat.), Gabelung, d. b. Theil—
ung eines Ganzen in 2 unter einem Winkel ab«
gehende Afte: in der Anatomie die Gabeltheilung
der Luftröhre; in der Geogr. die Theilung eines
Aluffes in zwei Arme, die nach verichiedenen
Richtungen gehen, 3. B. des Caſſiquiare in Ss
Amerifa nah dem Drinoco u. Nio-Negro (Mes
benfl. des Amazonenftroms).
Dig (engl., groß), Name mehrerer Flüſſe,
z. B. B.-Blad-River ꝛc.
Bigae (lat.), Zweigeſpann; der Lenler deſſelben
Bigarius.
Bigado, die bei der Seidenzucht abfallenden
Puppen des Seidenſpinners, welche pulveriſirt
als Vogelfuttet in den Handel kommen.
Bigämie (v. Lat. u. Gr.), Doppelehe, das
Eingehen einer zweiten Ehe, während beide Theile
oder der eine wenigſtens wiſſen, daß die erſte Ehe
noch giltig iſt, oder, wie das D. StG.B.
Art. 171 beſagt, das Eingehen einer neuen Ehe
von Seiten eines Ehegatten, bevor feine Ehe aufs
gelöft, für umgiltig oder nichtig erflärt ift, ingleichen
das Eingehen einer Ehe von Seiten einer unvers
heiratheten Berfon mit einem Ehegatten, von dem
fie weiß, daß er verheirathet iſt. Das Verbrechen
der B. ift vollendet durch die eheliche Berbindung,
bezw. Trauung. Dagegen beginnt die Verjährung
der Strafverfolgung mit dem Tage, an welchem
eine der beiden Ehen aufgelöft, für ungiltig oder
nichtig erklärt worden if. Das Verbrechen der
B. liegt nicht vor, wenn der Beichuldigte die neue
Ehe in dem guten Glauben eingeht, daß die erfte
Ehe ungiltig geweſen oder bereit aufgehoben ſei.
Als Berfud des Verbrechens der B. kann e8
gelten, wenn der ehelihe Stand in liftiger Weife
verjchwiegen u, das Aufgebot beftellt wird. Beftraft
wird das Verbrechen im Deutſchen Reiche mit Zucht»
haus bis zu 5 Jahren, bei mildernden Umftänden
mit Gefängniß nicht unter 6 Monaten. Der franz,
26*
404
Code penal fett darauf die Strafe der Zwangs⸗
arbeiten von 5—20 Jahren. Jm Römiſchen Nedte
wurde die B. dem Ehebrud gleich beftraft; das
Kanoniihe Recht dagegen erkannte in der B, einen
Mißbrauch der Form des Sacraments der Ehe
mit Verlegung der Monogamie. In diefem Sinne
bat die Carolina die Doppelche als „auch eyn
ebebruch u. großer dann dasjelbig lafter“ bezeich—
net, u. wurde bis in die neuere Zeit herein die B.
als ein unter deren Form u. dem Schein einer
zweiten Ehe begangener, bejonders ſchwerer Ehe—
bruch gemeinrechtlih beurtheilt. Bon einer Bi-
gamia duplex ſpricht man, wenn beide Theile in
doppelter Ehe leben. Bigamiſch, auf eine Doppel-
ehe ſich beziehend; Bigamift, der in doppelter
Ehe lebt. rLagai.
Bigarre (fr.), bunt gefleckt, geiprenteit; daher
bigarriren, bunt bemalen; Bigarrure, buntes
Durdeinander von Farben oder Gegenftänden.
Big-Barren, f. u. Barren 2).
Big-Blad:Niver, 1) Fluß in den Staaten
Miffouri u. Artanfas (Nordamerifaniiche Union),
der bedentendfte Nebenfluß des WhiteKiver, 320
km lang; entipriugt im SO. des Staates Miſ—
fouri; ſehr Afhreic: ungefähr während 9 Diona-
ten von 75 km oberhalb feiner Mündung für
Dampfboote jchifibar. An feinen Ufern 7.—12.
Mai 1862 fiegreihe Gefechte der Bundestruppen
egen die Gonföderirten. 2) Fluß im Staate
tiftifippi, ungefähr 150 km lang; entipringt in
der Grafihaft Choctam und mündet bei Grand»
Gulf in den Miffifippiftrom; an feinen Ufern
reihe Baummollenplantagen.
Bigelovia, Name mehrerer Pflanzengatt., nah] Bignio, Louis v., Sänger,
af. Bigelop, Prof. der Medicin u. Botanik zu
Bofton, der eine medicin. Flora von Amerika
berausgab, benannt. 1) B. Spr., j. Borreria.
2) DB. Smiths, j. Forestera Poir.
Bigelow, John, namhafter amerikanifcher
Kournalift, Schriftfteller u. Diplomat, geb. 25.
November 1817 zu Malden in Maffachuietts;
ward nach vollendeten Schul» und Univerfitäts-
ftudien 1839 als Advocat an die Barre von New-
Norf berufen. Nah 10jähriger bedeutender Pra-
ris, während der er von 1845—48 Staatsge⸗
fängniß⸗Inſpector gewejen u. wichtige Reformen
im Gefängnißwefen von New⸗York durchgeführt
hatte, trat er mit W. Eullen Bryant an die von
ihnen Beiden angelaufte New-York Evening
Post. In demjelben Jahre befuchte er Jamaica
u. veröffentlichte nach feiner Riüdfehr: Jamaica
in 1850, or the effects of 16 years of free-
dom in a slave Colony. 1854 befuchte er aber-
mals Weftindien, u. die Frucht diefer Reife war
ein Werf über die Yage im Hayti; 1861 amerila-
niſcher Conſul zu Paris, 1864 Geſchäftsträger da-
ſelbſt, ftieg er 1866 zum Geſandten auf. Im
Dechr, nächſten Jahres legte er diefen Poſten
nieder u. fehrte nad längeren Reifen in Europa
1868 nach den Berein, Staaten zuriüd. Nachdem
er 1869 auf furze Zeit Herausgeber der New-York
Times geweien, ging er wieder nach Europa, mo
er fih meift in Berlin aufhält. In den lebten
10 Jahren hat er mehrere wichtige politische Ab-
bandlungen veröffentlicht, wie 3. ®.: Les Etats
Unis d’Amerique en 1863, leur histoire, poli-
Bigarrd — Bignon.
tique, leurs ressources mineralogiques, agri-
coles ete., Paris 1863; France and Hereditary
Monarchy, £ond. 1871, m. gang fürzlid eine
Schrift über die Freier des 100jähr. Beſtehens
der Nordamerif. Union. Bartling,
Bigeminatum folium (Bigeminum f., Bot.), dop⸗
pelt»zweizähliges, doppelt-gepaartes, zuſammen⸗
gejetstes Slatt, das am Eunde des Hauptftiels
zwei Paar Blätter trägt, wie Inga unguis cati.
Bigeneriſch (v. Lat.), mas zwei Geſchlechter
bat, zmwitterbaft.
Bahn, 1) (Troas) Lima des osmaniih-afle-
tiichen Vilajeis Dſcheſair (die Infeln), an der Dar⸗
danellenftraße; gebirgig (Gargaron, Ida u. a.);
Borgebirge: Fanitiharencap, Senifchehr (Sigenm);
ſchwach bevöltert; war einft die Stätte des alten
Troja, dann blühender griedhifcher Colonien.
2) (Bei den Byzantinern Pega) Stadt in demſelben,
am Bighaſu; Sit eines Statthalters; 6000 Em.
Hier 1288 Niederlage der Tataren durch Sultan Ali
Eddin III.; im 14. Jahrh. fiel es die Hände der
Zürten,
Big-Horn, 1) Berg im Felsgebirge (Nedy-
Mountains) der Nordamerif. Union, 4875 m.
2) Fluß; entfpringt im Territorium Wyoming
der Nordamerif. Unionsft., unter 42° m. Br. u.
109° w. $., im Wind-River-Gebirge, einem Theil
der Nody- Mountains, der ftärffte Zufluß des
NellowStone. 3) County des Territoriums Mom
tana im nordamerif. Unionsgebiete, unter 46° I.
Br. u. 105° bis 109° w. 2.; vom Nellom- Stone
Fluß durchſtrömt.
Bignette, ſ. Citrus. j
geb. 1839 in
Peſt; abfolvirte dajelbft das Gymnaäſium, unter
brach aber feine Univerfitätsftudien, um ſich zum
dramatifhen Sänger auszubilden. Nachdem ef
die mufitalifhe Ausbildung zu Peft u. Wien fih
angeeignet, trat er als Baritonif mit großen
Griolge in feiner Baterftadt, in Wien, mehreren
Städten Deutichlands u. in London auf. 1863
wurde er am Hofoperntheater zu Wien angeftellt.
Bignon, 1) Jerome, franz. Gelehrter, Sohn
des Barlamentsadbocaten Roland B., geb. 24. Aug-
1589 in Paris; war ein Wunderfind feiner Beit,
da er bereit$ im feinem 10. Jahre gelehrte Werke
verfaßte; ftarb 1656 als königlicher Bibliothelat;
gab heraus: Marculfi formulae ete., Bar. 1613,
u. Voyage de Franc. Pyrard de Laval aus
Indes orientales, ebd. 1615, 2 Thle. 2) Jean
Paul, Enkel des Vor., geb. 1662 in zen
wurde 1693 Abt zu St. Quentin, dann a
rath, Dechant von St. Germain "Aurerroiß, Fr —
ſident der Akademie, Bibliothekar des —
u, Antitencabinets; er legte auf feinem sh
zu Isle Belle eine griedäfche Bibliothel an
ft. daielbft 1743. 3. ſchr.: Medailles sur =
prineipaux &venemens du rögne de Louis- ,
Grand, Par. 1702, Fol. 1723; Les aventare
d’Abdalla, fils d’Hanif, ebd. 1713, 2 Bde, Ti.
1773 von Colſon herausgegeben. 8) en
Pierre Edouard, Baron de B., franz. * —
mat u. Geſchichtſchreiber, geb. 3. Jan. UT ns
Guerbaville in der Nähe von Rouen; murde An
Soldat, 1797 Legationsfecretär im der eier
1799 in Savoyen, 1800 in Berlin; ward
Bignonia — Bigorre,
1802 Chargs d’affaires, 1804 Gefandter in Kaffel,
verwaltete von 1806—8 mit Darı die occupirten
preußifchen u. öfterreihiichen Länder, wurde 1809
Gejandter in Karlsruhe u. regte die Idee des
Rheinbundes an; ging nad Warſchau, wo er bis
1813 als Refident mit großem Geſchicke die franzö-
fiihen Jnterefien zu vertreten wußte, bis ihn der
Abbe de Pradt ablöſte. Nach dem Rüdzuge der
Franzoſen ging er mit Poniatowsty aus Polen
nah Dresden, nahm theil am Eongreß zu Prag
u. wurde nad der Schlacht von Leipzig in Dres-
den gefangen gehalten. Während der 100 Tage
wurde er Director der politischen Eorrejpondenz
der ausmärtigen u. u. nad der
Schlacht von Waterloo Miniſter der auswärtigen
Angelegenheiten u. unterzeichnete als folder die
2. Capitulation von Paris; 1818 ſprach er als
Deputirter gegen die Ausnahmegejete u. für die
Zurfidberufung der Berbannten. Napoleon er-
nannte B. zu einem feiner Teftamentsvollitreder;
er vermadhte ihm 100,000 8, mit dem Auf—
trage, die Geſchichte der franzöſ. Diplomatie von
1792—1815 zu ſchreiben. Nach der Revolution
von 1830 wurde er unter der Proviforiihen Re-
ierung Minifter des Auswärtigen und umter
udwig Philipp vom Auguft bis November Mit—
glied des Minifterrathes; 1837 wurde er Pair. Er
fi. 5. Jan. 1841 in Paris. B. ichr.: Le systöme
adopte par le directoire relativement ä la
republ. cisalpine, Par. 1799; Expose compa-
ratif de l’ötat de la France et des prineipales
puissances de l'Europe, ebd. 1815; Precis de
la situation politique de la France 1814—15,
Bar. 1815; Coup d’ail sur les demeles des
Cours de Baviere et de Bade, ebd. 1818; Des
proseriptions, ebd. 1820, 3 ®de.; Du congres
de Troppau, 1821; Les cabinets et les peuples,
ebd. 1822; Hist. de France depuis le 18 Brum.
jusqu’a la paix de Tilsit, ebd. 1827—38, 7 Bde.,
deutſch von Hafe, 1830 fi, 6 Bbde., u. Hist. de
France depuis la paix de Tilsit jusqu’en 1812,
1838, 4 Bde., deutſch von Alvensleben, 1838 bis
1840, 6 Bde.
Bignonia Juss. (Trompetenblume), Pflanzengatt.
aus der Fam. der Bignoniaceen (XIV. 2), aus-
ezeichnet durch 2Happige, jchotenförmige Kapjel-
ruht, deren Scheidewand den Klappen parallel
verläuft u. welche fih an den Rändern derjelben
öffnet; iſt durch zahlreiche Arten in der tropifchen
u. fubtropifhen Zone beider Hemifphären ver-
treten. Arten: a) B. Chica Zumb., Hetternde,
mit Nanlen verjehene Pflanze, mit gefiederten
Blättern, länglid-eiförmigen, ganzrandigen Blätt-
en u. hängenden arillären Blüthenriipen, am
Orinoco einheimifch; aus den Blättern wird durch
Austochen eine zinmoberrothe Farbe, das Chica-
roth, erhalten, welches dem Drlean analog ift u.
zum Färben der Zeuge, ſowie aud den Indianern
zum Bemalen der Haut dient. b) B. Leucoxylon
L., auf Jamaica vorfommender Baum, mit btheili—
gen Blättern, lancettlihen Blätthen u. enditän-
Digen, einzelnen Blüthen; liefert ein jehr ſchweres
Holz, welches gern zur Befleidung der Scifis-
405
als Baftard-Guajal (Grün- oder Gelbebenholz der
Antillen) nah Europa u. wird von Dredslern
verarbeitet. c) B. longissima Swartz (B. Quer-
cus Lam., Antilleneiche) ; liefert Rinde, melde
als Gerbmaterial wichtig ift. d) B. spathacea L.,
von Malabar; gilt als Stammpflanze des Pferde-
bolzes oder Pferdefleiichholzes, weldyes im neuerer
Zeit häufig zur Berfertigung von Mafchinenbe-
ftandtheilen verwendet wird. Andere Arten, mie
B. aequinoctialis L., in Cayenne, B. chelonoides
L., in Öftindien, B. longifolia W. u. B. opthal-
mica Anders,, in Guiana, gelten in ihrer Hei-
math als Mittel gegen Unterleibsfranfheiten, de
ber ꝛc. u. liefern auch Salben, melde gegen Ge—
ſchwülſte u. Geſchwüre angewendet werden. Engler.
Bignoniaceae R. Br., natürliche Pflangenfant.;
enthält meift Holzpflanzen mit häufig Hetterndem
oder windendem Stamme, gegenftändigen, meift
ulammengeiegten, bismeilen in Ranlen endenden
Blättern ohne Nebenblätter; Blüthen mit dthei-
ligem Kelche, verwachſen⸗blätteriger, Stheiliger, ſym ·
metriſcher, oft prächtiger Blumenfrone, 2 langen
u, 2 kurzen, der Krone eingefiigten Staubblättern,
oberftändigen, 2» oder 1fächerigem Fruchtinoten,
welcher an den Samenleiften jederfeits zahlreiche
abjtehende, umgefehrte Samenknoſpen trägt; Frucht
eine 2flappige, oft jchotenförmige Kapfel, welche
zahlveihe zufammengedrüdte, breit u. dünn ge
flügelte Samen enthält; Keimling gerade, eiweiß-
los; Heimath: die tropische Region beider He
mipbären, vorzugsweife SAmerila, Engfer.
Binordl, Domenico di Tomafo Eurradi
di Doffo, Maler; ſ. Ghirlandajo,
Bigorit, ein vom Capitän Björkman im
Stodhelm 1874 erfundenes, ftärler als Dynamit
wirkendes u, minder gefährliches Sprengmittel.
Bigorre, Grafihaft in der Gascogne, ein
Hauptbeftandtbeil des franz. Dep. Ober-Byrenden,
faft ganz in den Pyrenäen liegend; 2040 [_ km (faft
44 |_ MR), hier die Bäder von Bagndres, Bardges
u. Cauterets, jowie der Bigorremein, der dem Blar«
noig gleichfommt (bejte Sorte von Peyrigudre,
Aubarede u. Mun). Die Graffhaft B., zwiſchen
Armagnac, den Pyrenäen, Nebouzan, Yitarac u.
Bearn, wurde in ältefter Zeit von dem aquitani«
ihen Belle der VBigerrionen (Begerri) bes
wohnt, welche Pelztieider trugen, mie nocd bie
Bewohner von B., die fie jet Marlota nen»
nen. Die Hauptitadt Turba (j. Tarbes) batte
ein Schloß, Bigorra, wober der Name der Graf—
haft fam. Unter den römischen Kaiſern gebörte
das Land zu Novempopulania, Bon den Römern
eroberten e8 die WGothen, dann die Franken;
feit Kaiſer Ludwig dem Frommen hatte ® eigene
Grafen. Bernbard I. von Earcaffonne, Graf
von B., unterwarf 1062 die Grafſchaft dem Schutze
der heil. Maria zu Buy. Graf Centull II. bul-
digte 1122 wegen B. dem König von Aragonien
u, erhielt Rode am Xalon u, die Hälfte von Tar—
racon. Sein Enkel Centull III. (Peter Eentull),
Graf von B. u. Vicomte von Marfan, erhielt von
feinem Schwiegervater, dem König Alfons von
Aragonien, noch das Thal Arran u. die Herrichaft
mwände verwendet wird, weil es wegen feiner|Borderas. Als nach langen Erbitreitigteiten von
ſcharfen, faft giftigen Eigenfhaften von den Wir- vielen Seiten ber Prätenfionen auf
. erhoben
mern nicht augefreffen wird; dafjelbe kommt auch wurden, nahm es 1292 Philipp der Schöne von
406
——— in Beſchlag u. ertheilte feinem dritten
ohne Karl den Titel als Graf von B. 1368
verlieh König Eduard III. von England, als
Herzog ven Guienne, B. an Johann Il. von
Grailli; diefem nahm es aber König Karl V. von
Frankreich wieder, gab es anfangs dem Grafen
von Armagnac, tauchte es jedoch 1374 gegen
anderes Land wieder von ihm ein, Karl VI. gab
e3 1389 Gafton Phöbus, Grafen von Foir, einem
Nahlommen Gaftons VII. von Bear; doch erſt
1425, wo Johanna von Grailli den Beſchlag auf
B. aufbob, fam der Graf von Foir in den Beſitz
Be⸗s, u. von nun an theilte B. die Schidfale von
Biarn. 1484 kamen beide Grafichaften durch
Heirath an das Haus Albret, u. 1607 wurden fie
mit der Krone Frankreich vereinigt.
— per Preamenen, Felir Julien Jean,
Graf B. de P., franz. Staatsmann, geb. um 1750
in der Bretagne; war beim Ausbruche der Revo—
Iution Parlamentsadvocat u. wurde 1790 Richter
des 4. Arrondiffements von Paris; zog ſich wäh-
rend der Schredensregierung ins Privatleben zu-
rid u. trat erft nach dem 18. Brumaire wieder
als Commiffar der Confularregierung beim Caffa-
tionstribunal auf, wurde Mitglied des Staatsrathes
u. jeit September 1802 Präfident der gejebgeben-
den Section deffelben. Später zum Neichsgrafen
ernanıt, fam er an Portalis’ Stelle ins Miniſte—
rium des Eultus u. folgte1814 der Kaiferin nad
Blois. Während der erften Reftauration war er
Generaldirector im Minifterium des Eultus u. wurde
von Napoleon in den 100 Tagen zum Pair er-
nannt. Erftarb, feitder eg ei obne
öffentliche Anftellung, 1826. Mit Trondet, Por:
talis u. Maleville redigirte er den Code Napoleon.
Bigotterie (franz. u. engl. bigotterie, bigo-
try, muß vom beutiben bei Gott herfommen),
Andäctelei, Frömmelei ohne fittlihe Grundlage;
wer fie äußert, wird bigott (bigot) genannt.
Big-Stone, 1) Sce an der WGrenze des
nordamerifan. Unionsitaates Minnejota, woraus
der gleichn. Fluß entipringt, welcher in der Näbe
der Hauptftadt St. Paul in den Miffiffippt fällt.
2) County im nordamerifan. Unionsftaate Minne⸗
fota, unter 45° nu. B. u. 96° w. & Nach dem
Genius von 1870 gab es nur 24 Ew., aber deren
Zahl bat jeitdem ftark zugenommen, vom frucht-
baren Boden herbeigezogen u. unterftütt durch
die nabe St.-Paul- u. Bacific-Eifenbahn.
Bihacz (Bihatſch, Bihaſchtſche, Bitſche, Biſch—
tie), Stadt im türk. Ejalet Bosnien, Hauptſtadt der
bosniihen Krajina; umfloffen von der Unna;
früher Schloß, dann Stadt, Feſtung; Sit eines
Mutaſcherifs; 4000 Em. B. wurde durch Bela IV.
1250 gegründet u. befeftigt u. war Sig der alten
froatiihen Könige; es wurde 1468 von den Kroas
ten den Magyaren entriffen. 19. Juni 1592 über-
gab Ehriftophlumberg die Feftung an Haffan Pei-
dojepiji, Statthalter v. Bosnien. Die Öfterreicher
belagerten B. 1690, 1717 u. 1739, aber allemal
ohne Erfolg. 1851 verfuchten die Bewohner, ver:
eint mit bosniſchen Fniurgenten, vergebens ſich
von der türliſchen Herrichaft frei zu machen.
Bihar, 1) Comitat in Ungarn, im ehem. Kreife
Bigot de Préameneu — Bijouterien.
Comitaten Zarand u. Arad, meftl. von Beles,
Szolnok, Szabolcs, den Diftricten Fazygien-Kuma-
nien u, der Haiduken, nördl. von Szabolcs, Szath⸗
mar und Mittel-Szolnol; 11,081 km, (201.
[M). Der öftt. Theil ift vom Reiy- u. Biha-
ria-Gebirge erfüllt, der weſtl. aber eben. Haupt-
flüffe find: der Schnelle u. der Schwarze Körös.
Das Klima ift in den Bergen gefunder, als in ber
Ebene; tiefe ift aber ſehr fruchtbar, namentl. an
Getreide, Hülfenfrüchten, Tabal, DER, Wein xc.;
der Boden enthält Gold, Silber, Eiſen, Blei,
Kupfer, Marmor, Aabafter, Steintohlen u. Steinöl,.
ſowie Mineralquellen. Die 555,340 Em. find im
SD. meift Rumänen, im NW. Magyaren, im
NO. theilweife auch Deutſche. Die Rumänen find
Griechen, die Übrigen Katholiten u. Proteftanten.
Bun ift Großwarbein in der Mitte, größter
rt Debreszin im NW. Den Namen bat das
Comitat von dem Heinen Fleden B., nördl. bei
Großwardein. 2) Provinz in Indien; ſ. Bahar.
ihe, Negerreih mit gleichn. Hauptftabt im
weſtl. SAfrika, öftl. von Benguela. Producte find:
Elfenbein, Nashornhörner, Vieh ıc. Es gibt noch
SMaveubandel. Die Em., etwas über 100,000,
ebören der Bantu-zamilie an. Das Land wurde
ejonders durch Ladislaus Magyar erforicht.
Bijouterien (v. franz. bijou), jo v. w.
Kleinod, Shmud u. Ziergegenftände Heinerer
Mafverhältniffe aus edlen u. unedlen Metallen,
wonach fie echte oder unechte heißen. Die Her-
ftellung von B, ift Sache des Kunfthandmwerfes u.
fällt in das Gebiet der fogenannten Kleinkunſt,
mwobei fie wiederum die verichiedenften Arten der
Technik in Mitleidenihaft zieht. Dabin gehören
der Gold-, Silber-, Broncer u. Eienguf, die
Bold- u. Silberſchmiedelunſt, das Anfertigen ge»
triebener Arbeiten, das Graviren, das Guillodyiren,
die Nielloarbeit, die Filigranarbeit, das Emaillie
ren, die Kunftichlofferei, der Eifen- u. Stahlſchnitt,
das Damasciren u. a. Auch die Technik des
Miniaturmalens u. der Moſail wird vielfach her»
eingezogen. In der Bibel u. in den Gefängen bes
Homeros haben fi Ichrreihe Schilderungen von
Schmud u. Zierrath für häusliche u, friegeriihe
Zmwede erbaltenn. gewähren uns intereffante Ein“
blide in die Eulturzuftände uraltvergangener Zeiten,
u. die Funde in ägyptiſchen, griechiſchen, etrus⸗
liſchen, römiſchen, keltiſchen, germaniſchen u. ſtan-
dinaviſchen Gräbern haben uns mehr od. minder
wohlerhaltene Proben alter Kunſtfertigleit geliefert,
u. noch heute muß der Schmuchk der einzelnen
Völker als ein bedeutendes Moment zur Feftftellung
der Eulturftufe, aufder fie ftehen, bezeichnet mwer-
den. Die prächtigen Schmudarbeiten der Japane-
jen mit Relieffiguren aus Gold, Silber, Platin,
oder auch wol Stahl, die chineſiſchen Vaſen aus
emaillirtem Metall, die bizarr geftalteten Armreife,
Ringe u. Haarnadeln der Cochinchineſen u. Inder,
die perſiſchen Sübergeichirre, Filigranarbeiten u,
Broncen mit feinfter Eifelirung, die prächti
damascirten Arbeiten der Türkei, die allſpaniſchen
u. altitalieniihen Taufcier-Arbeiten, die rufſſiſchen
Shmudjahen mit ihren aus der nationalen Holz-
architektur herübergenommenen durch nem
jenjeits der Theiß, umgeben öftl. vom Comitat, Ornamenten zc. charakterifiren die betreffenden
Kraszna u. von Siebenbürgen, füdl. von den Völker in überzeugendfter Weife,
Die Geſchichte
Bijst — Bilamellatus.
bat uns die Namen zahlreiher Kleinkünftler von
Bedeutung bewahrt; ihnen find feit dem früheften
Mittelalter viele Andere, gefolgt, deren Namen
nicht minder der Geſchichte angehören. So goffen
Alb. Dürer u. H. Sebald Beham Medaillen,
Mart. Hariher u. Hans Masliger in Nürnberg
Beer, Blattwert u. Würmchen in Silber für
Gold- u. Eilberichmiede; Drazio Fortezza im
Benedig ſchmiedete prächtige damascirte Käftchen;
Thom. Auder in Augsburg u. U. jchnitten reis»
zende Figuren u. Ornamente in Stahl; die Nürn-
berger Hans Frey u. Sab. Lindenaht trieben treff-
lich in Kupfer; Antonio da Bologna, Claudio
Fiamingo, Antonio Pollajuolo u. vor Allen Ben—
venuto Gellini, der bi. Biſchof Bernward von
Denen, Hans Aldegrever, David Anftetteter,
engel u. Albrecht Jamniger, 3. Melchior Ding-
linger u. 4. thaten ſich als Gold- u. Silberihmiede,
Gießer, Nielliften u. Emailmaler rühmlichft her—
vor; Gaddo Gaddi in Florenz, Mei. Kamolt in
Zürich, Vinc. Montpetit in Paris u. N. lieferten
zierliche Moſailen für Schmudwaaren ꝛc. Die meifte
Berwendung zu B. finden heute Gold u. Silber,
u. zwar theils in der Form von Blech oder von
Draht. Das Blech wird theils durch Bearbeiten
des Metalls mittels jchwerer Stahlhämmer, theils
durch Streden mittels fräftiger Walzen hergeftellt.
Letzteres gilt namentlih von den großen ‚yabriten.
Das gleihmäßig dide Blech erhält jeine geforderte
Form dur einen Prägeftod, der dafjelbe aus-
fchneidet u. prägt. Die jo gewonnenen einzelnen
Theile werden hierauf in entfprechender Weiſe an
einander gepaßt u. unter Anwendung des Yöth-
rohres zu einem Gauzen verbunden. Hierauf folgt
in den meiften Fällen noch eine Bearbeitung mit
der Feile u. in vielen, wo es fih um Decoration
handelt, auch noch eine ſolche mit dem Grabftichel,
einer Bürfte aus feinen Metalldrähten oder dem
Polirftahl. Außer diefen benutst man bei der er
ftellung von B. noch eine Menge anderer Werf-
zeuge u. Maichinen, deren ſich die einzelnen zur
Herftellung von B. herbeigezogenen Arten ber
Kunfttechnif zu bedienen pflegen. Die verwendeten
Metalle haben infolge der Bearbeitung ein mehr
oder minder umicheinbares Anfehen, das bei den
verschiedenen Metallen durch verichiedene Mittel
befeitigt wird. Dahin gehört namentlih das Fär-
ben des Goldes (ſ. Goldlegirungen). Wie in allen
anderen Zweigen der Kunſtinduſtrie, tritt auch in
den B. der Charakter der einzelnen Culturländer
mehr oder minder verichieden auf, ſoweit nicht
die Mode die Oberhand gewonnen hat. Theil
weile fallen Charakter u. Mode zujammen, mie
3.8. in Frankreich. Daneben ericheinen biftorifche
Zraditionen, geographiſche Bedingungen ꝛc. maß-
ebend. Nicht minder wichtig als das natiomale
fement erweift fih das internationale der Reform
des allgemeinen Geichmades durd den Unterricht
in Echulen u. Muſeen. So ift in den däniſchen
B. die Nachwirkung Thorwaldſens in den antifi-
firenden Syormen unverkeunbar; die Schweiz ar-
beitet nah dem Geſchmacke aller Länder, wohin
fie ausführt; Spanien pflegt die von den Mauren
407
arbeiten, wobei alien außerdem auch noch in
jeinem Mofail- u. Camdenihmud mit Glüd zur
Antife zurüdgreift; Rußland glänzt mit Emailar«
beiten in nationalem Stil, Ungarn folgt viekahdem
alten farbigen ZSchmude des 16. Jahrh. Im
Frankreich fcheint die antififirende Richtung die
Oberhand gewinnen zu wollen, wenn auch lang»
fam, da das Rococo noch jehr mächtig tft; wäh“
rend fih in England eine beftimmte Tendenz nod
nicht Mar ausgebildet hat u. Ofterreich u. Deutfch-
land fi) mebr u. mebr für die Renaiffance ent«
ſcheiden. Am ftärfften wird dermal die Fabrilation
von B. in Frankreich betrieben, u. zwar auch die
in Meffing u. Bronze: Paris allein zählt über
600 folder Fabriken; außerdem wird in Bordeaur,
Dearfeille u. Lyon im diefem Zweige viel geleiftet.
Die engliihen Fabriken in London u. Birming-
bam arbeiten zwar folider, aber auch theurer;
die vorzüglichften B. werden in Genf gefertigt
(jährlich für 9—10 Mill. Fc8.) u. find billiger,
als die Parifer, in Faſſung für Email »Malerei
diefen jogar überlegen; die bedeutenditen deutſchen
B-fabriten beftehen in Pforzheim, Hanau, Schwä—
biſch Gmünd, Augsburg, Nürnberg, Stuttgart u.
Offenbach. Sie beherrſchen mit ihren unftilifirten
Viodewaaren ganz Süddeutſchland u. einen großen
Theil von Deutſch⸗Oſterreich, während die Wiener
‚zabrifen den geläuterten Gefhmad ms Auge -
faffen. Auch Nordamerifa hat bedeutende Fabrilken
anfzumeiien, Außer Frankreich producirt nament-
ih auch Italien ſchätzbare B. in Meſſing, wicht
minder Berlin. Hier hat auch die Eijenbijoute-
vie Ausgang u, namhaften Aufihmwung genoms
men. In der neueſten Zeit verarbeitet man ins«
bejondere in Paris auch Stahl zu jehr gefälligen
B., u. werden da, wo die Formen der Renaiffance
neuerlich in Aufſchwung gelommen, außerdem
viele B. aus orydirtem Silber verfertigt.
Evelfteine, echte, wie nnechte, finden bei B. viel
fahe Verwendung. Reguet.
Bijsk, befeftigte Kreisſtadt im ruffiich-afiatifchen
Tomst, ander Bija; Kicche u. Kreisichule; 5000 Ew,
Bijügus (Bot.), zweipaarig. '
Bikanir (Beekanir), 1)ein Radichputen-Staat in
Wyindoftan, öftl. von Bhawalpur, zwiſchen 270 30*
bis 390 55'n, Br. 1.72% 30° bis 75° 40° 5.8. ; 46,000
km; 539,000 Ew. Ungemeinen Schwankungen
der Temperatur unterworfen, bringt das Yand Reis,
Hirfe, vorzügliche Melonen hervor. Die Hauptmaſſe
der Bevölkerung befteht aus Dſchat; die herr«
ſchende Klaffe, zu denen der Radſcha gehört, find
Nadihputen, unter ihnen die Tſcharun, mit ftren«
gen Brahmaniſchen Religionsvorſchriften; Wittwen«
verbrennung bis in die neue Zeit, Das Reich
wurde 1505 von einem jüngeren Sohne der Linie
von Dihodpur gegründet u. fteht feit 1818 unter
Hoheit der Engländer. 2) Hauptitadt diefes Lan⸗
des, gelegen in einer öden Wüſte; 60,000 Em.
Thielemann.
Bifhgift, von den Bewohnern des Himalaja
aus der Wurzel eines dort vorlommenden Gijen-
hutes (Aconitum ferox Wall.) gewonnen u. zur
Vergiftung der Pfeile verwendet; eines der ftärk-
überfommene Kunft des Tauſchirens; Portugallften befannten Gifte,
nebit Italien die aus dem Vollsſchmucke entitan«
denen u. zum Theil noch dahin gehörigen „iligrane
Bilabiatus (Bot.), zweilippig; f. Blüthe.
Bilamellatus (Bot.), aus 2 Platten beftchend,
408
Bilander, zweimaftiges Handelsichiff mit tra«
pezförmigen Segeln,
Bilanz (fr. Bilan, Balance), f. u. Buchhaltung.
Bilgteral, zweifeitig; nach zwei entgegenge-
fetsten Seiten, 3. B. nach rechts u. links hin, aus-
gedehnt. Der bilaterale oder feitlih ſymmetriſche
Bau ift den Wirbeitbieren, Mollusten, Glieder—
füßern u. Würmern gemeinfam u. dem radiären
od. ftrahlig-fpmmetriihen Bau der Stachelhäuter
u. GCölenteraten (Strabithiere), fowie dem aſym—
metriſchen der Urthiere emigegengejegt.
Bilbäo (Bilvao), Hauptftadt der Provinz
Biscaya (Bizcaya); tbeilt fih in die Altftadt,
mit engen Gaffen u. jchlechten Häufern, u. in die
Neuftadt, mit jchönen u. maffiven Gebäuden. Die
Stadt war ehemals ſtark befeftigt ; jetzt iſt fte
faft ofien, fie fol! jedoch wieder zu einem Waffen-
plate erften Ranges hergerichtet werden. Über den
ſchiffbaren Nervion führen 3 Brüden, deren eine
einen einzigen Bogen bat; 2 davon wurden 1874
bei der Belagerung zerftört; Eifenbahnverbindung
nah Süden (Miranda) ; Heiner Hafen; der grö-
here ift am der Ausmündung ins Meer bei Portu-
galete, einer Stadt mit Klofter u. 1440 Ew., u.
dem Dorfe Dlavijaja, von wo aus die Waaren
auf Heineren Schiffen nah B. gebracht werden.
B. hat 5 Kirchen, Arſenal, Scifffahrtsichule.
Die Jnduftrie ift namentlich durch Eijengiehereien,
Webereien u. Blasjabrifen vertreten, anch bereitet
man Scifisgeräth, Yeder u. Bier. Der Handel
ift nächſt Barcelona der wichtigſte in Spanien;
er brachte 1871 an Zöllen 5 Dill. M auf, u. be+
trug der Werth der Einfuhr 1871 etwa 45 Mill,
M. Die Ausfuhr beftebt größentheils aus Eifen-
erzen, deren Werth 1872 faft 40 Mill. M aus»
machte. Es liefen in diefem Fahre 1876 Schiffe
ein (die Küftenfahrer ungerechuet). Der Handel
beihäftigt 5—600 Schiffe u. 200 Handelshäufer;
man vertreibt Colonialwaaren, Wolle, Eijenerze,
Kaftanien, Bauholz, Stodfiihe (ins Jumere).
1860 17,649 Em. — B. wurde 1300 n. Chr. von
Diego Lopez de Haro an die Stelle des Amanus
portus od, Flaviobriga der Alten gebaut; der Name,
ursprünglich Belvao, bedeutet jhöne Furt. Die
Stadt erhob fi bald durch die günftige Yage u.
feine Berfaffung, da es an den Fueros als biscay-
iſche Stadt theilnahm, u. litt in den inneren Kriegen
Spaniens nur wenig, in denen mit Frankreich
mebr; fo wurde es nad) der Schlacht von Ormea
Juli 1795 und auch 26. Sept. und 1. Nov.
1808 von den Franzoſen beſetzt u. bis 1813 be-
hauptet. 5. Oct. 1833 erhob fih B. zu Gunften
Don Carlos’, wurde aber ſchon 24. Nov. von
den Ehriftinos unter Sarsfield wieder befegt.
Im Sommer 1835 wurde e& durch die Earliften
unter —— vergebens belagert, der hier
feinen Tod fand, u. am 23, Oct, 1836 von Neuem
umzingelt u, mit Kugeln überſchüttet. Trotzdem
ein Theil der Stadt in Trümmer gelegt wurde
u. die äußerſte Noth herrichte, vertheidigten fich die
Belagerten mit verzweifelter Hartnädigfeit, bis fie
am 24. Dec. von Espartero entiekt wurden. In
dem Garliftenaufftande der neueften Zeit wurde B.
8. Januar 1874 von den Carliften blotirt, u. dreb-
ten fi die Kämpfe der beiden friegfübrenden Theile
hauptſächlich um den Beſitz diefes Platzes; 25.—27.
Bilander — Bildende Kiünfte,
März entiegten die Megierungstuppen unter
Serrano B. zum Theil, doch behielten die Gars
liften die dominirenden Stellungen, bi® am 2. Mai
1874 die Negierungstruppen unter Conda in B.
einzogen, nachdem Tags zuvor die Carliften zum
völligen Rüdzuge gezwungen worden.
Blibilis (a. Geogr.), Stadt der Keltiberer im
Tarraconenfiihen Spanien, im SD. von Mu—-
mantia; auf einem Felſen am Bilbilis; jpäter
römiſches Municipium mit dem Beinamen Au-
gusta, berühmt durch Eiſenwerle, Waffen-
ſchmieden u. Goldarbeiten; Geburtsort des röm.
Dichters Martialis; jetzt Baubola bei Ealatayud,
In der Nähe waren Mineralguellen, Aquae Bil-
bitanorum; jetzt Albama.
Bilböque (fr.), 1) Werkzeug zum Vergolden.
2) Stehaufhen. 3) Kugeljangipielzeug.
Bild, (Biihmaus), jo v. w. Siebenſchläfer.
Bild, 1) im Allgemeinen: Die Dar- oder
auch nur Vorftellung eines dem — ————
freife des Auges angehörigen Gegenſtandes. Es
iſt dabei nicht erforderlich, daß dem dar- od, vor»
geftellten Gegenftande in der Wirklichkeit ein ſolcher
vollfommen entipricht; es lönnen ſogar in dem
Bee Formen combinirt fein, die zwar in ihrer
Einzelheit wirflihen Formen entiprechen, in ihrer
Verbindung aber unmöglich find, alfo im der
Wirklichkeit nicht gefehen werden. Solcher Art
Bser find entweder bloße Phantafieproducte, welche
dichteriich (3. B. im Märchen) verwerthet werden
fünnen, oder fie find wejentlih von ſymboliſcher
Bedeutung und in diefem Falle meift religiöfer
Tendenz. Hiermit im Zufammenbange fteht, daß
B. überhaupt jo viel bedeutet wie uneigentlide
Bezeihnung, d. h. Dar- oder Borftellung einer
Idee in der Form eines mit derjelben in Bezieh—
ung geftellten Gegenftandes (vgl. Allegorie). Dieje
Bedeutung haben Ausdrüde wie: in Bsern ſprechen
oder Etwas mur bildlich meinen u. dergl. 2) Im
Befonderen bezeichnet B. ſoviel als Abbild,
Neproduction eines fichtbaren Gegenftandes durch
die bildende Kunft; im diefem weiteren Sinne
fann e8 dann ſowol ein Merk der Plaſtik, wie
der Malerei oder der zeichnenden Kunſt fein. Im
engeren Simme bezeichnet es foviel als Gemälde;
wenigftens werden, wenn fchledtbin von B-ern
geſprochen wird, darunter zunächſt Werle der
Malerei verftanden. 8) Specielle Bedeutungen
von B. find a) in der Optif: die Reproduction
eines fihtbaren Gegenftandes durch Spiegelung
auf einer Fläche; u beim Kartenipiel: Die mit
figürlichen Darftellungen bezeichneten Blätter; c)
in der Heralbil: die Wappenfiguren; d) in der
Weberei, Teppich» u. Tapetenfabrifation, Kattun⸗-
druderei u. f. f. die figürlichen Darftellungen, im
Gegenjagezuderornamentalen Zeihnung. Ehasler.
ildende fünfte, A. Im weiteren Sinne:
die drei Künfte der räumlichen Darftellung,
welche entweder, wie die Plaftil u. Malereı,
Abbilder wirfliher oder als wirklich vorgeftellter
Segenftände jchaffen, oder, wie die Architektur,
folhe von nur ideell vorgeftellten Formen, beider«
feit8 aber in finnlih concretem Material. Die
br 8. fteben daher im Gegenfage zu den Künften
der zeitlihen Darftellung (Muſik u. Voefte),
deren Productionen zwar ebenfalls firirt werden
Bildende Künfte,
tönnen, aber nicht, wie die der b-n K., auf Fünft-; Maleriichen das ——
leriſchem, ſondern nur auf künſtlichem Wege, näm⸗
lich duch Noten- u. Buchſtabenſchrift, wäh—
rend fie in der realen Darſtellung, d. h. in der drei Künſte ſich daſſelbe Geſetz wirkſam
Form künſtleriſcher Aufführung, ſtets von Neuem
wiederholt werden müſſen, um für die äſthetiſche
Anſchauung vorhanden zu ſein. Man pflegt daher
auch die raͤumlichen Künſte, als die des Auges,
von den zeitlichen, als denen des Ohres, zu
unterſcheiden; doch iſt dies Kriterium nicht erſchöp⸗
fend. Im Drama, als der höchſten Gattung der
Poeſie u. ſomit der Kunſt überhaupt, verbinden
ſich alle Künſte — ſowol der räumlichen, wie zeit—
lichen rg für Auge u. Obr zum vollen
Totaleindrud, Ein
409
in der Gejammtent-
midelung der geſchichtlichen Kunftanfhanung bildet,
jondern daß in der Gonderentwidelung jeder der
äfigt. So
ift die ganze altorientalifche Kunft wejentlih ardi«
teltoniſchen, die helleniſche wefentlich plaſtiſchen,
die mittelalterliche weſentlich maleriſchen Charaf-
terö, u. zwar der Art, daß in der orientalischen
Kunft nicht nur die Architektur, in der hellenischen
die Plaftit, im der chriſtlichen die Malerei als
Hauptfünfte vorwalten, fondern daß auch die
anderen Künfte neben ihnen durch ihren Charakter
beftimmt werden. So ift im Orient alle Kunft,
auch die Plaſtik m. Malerei, architeltoniſch, d. b.
tiefer im Weſen der Kunft|ftarr, ſymmetriſch, bewegungslos; im der belle
jelbft begründetes Unterfheidungsprincip if der niſchen trägt auch die Architektur einen plaftiichen,
Gegenfag von Ruhe u. Bewegung. Die ganze
Stufenfolge der Künfte: Architeltur, Piaſtik,
Malerei, Mufit, Mimit, Boefte, ſowie die ideelle
u. geihichtlihe Entwidelung jeder einzelnen Kunſt
für fih zeigt den continnirlichen Fortgang von
Ruhe zu Bewegung. Zunächft find die Künſie der
räumlihen Anihauung (b. 8.) im Ganzen als
Künfte der Ruhe, d. b. der Darftellung eines im
Raumte rubenden, in feinen Theilen neben einander
u. gleichzeitig vorhandenen Anjhanungsbildes, zu
begreifen, während die Künfte der zeitlichen An—
Ihauung als Künfte der Bewegung, d. h. der
Darftellung eines in der Zeit ſich bewegenden, in
feinen Theilen nach einander entftehenden An-
ſchauungsobjects aufzufaffen find. Dies ift der
allgemeinfte Gegenfag, Aber auch auf der einen
Seite, in den bildenden Künften für fich, zeigt fich
daſſelbe Entwidelungsprincip wirfam, u. zwar
wird es bier beftimmt durch das wechſelnde Ber-
bältniß der beiden, im Wefen der bildenden Kunft
jelbft begründeten Factoren, der künſtleriſchen
Free u. des Materials. a) In der Ardi-
teftur, als der erften Stufe, ſteht das Gemicht
der fünftlerifchen Fdee zu der Schwere u. räum-
Iihen Ausdehnung des Materials in einem unter-
eordneten Verhältniß; bier zeigt fi das Vor—
—— des Elements der Ruhe in der impo—
fanten Maſſenhaftigleit, der mathematischen Regel—
mäßigfeit u. Starrheit der Formen. b) In der
Blaftil, als der zweiten Stufe, zieht fich das
Material, obſchon es mit dem der Architektur noch
die Schwere theilt, Schon auf einen kleineren Raum
zufammen, während dem Ausdrud der dee, aljo
der geiftigen Bewegung, eine größere Berechtig—
ung eingeräumt wird. Es herrſcht auf diefer mitt«
leren Stufe in der Reihenfolge der ben K. bereits
ein Gleichgewicht zwiihen Idee u. Material. c)
Auf der dritten, der Malerei, tritt das Material
(Leinwand, Farbe 2c.), fowie räumliche Ausdehn-
ung (Verwandlung der Körperhaftigfeit in die
Flähendarftellung) entfhieden zurüd gegen die
edeutung des Ideengehaltes. Faßt man die
Ausdrüde architeltoniſch, plaſtiſch, maleriich (ohne
bejondere Beziehung auf die gleichnamigen Künfte),
lediglich als allgemeine Bezeihnungen des den-
felben zu Grunde liegenden Charakters, fo daß
jeder der drei Ausprüde auf jede der drei Künſte
anwendbar ericheint, jo zeigt die Gejchichte der
ben 8., daß nicht nur der Fortgang vom Archi—
teftonischen zum Blaftifhen u. von diefem zum
in der chriſtlichen auch die Architektur u. Plaftit
einen maleriihen Charakter. Man vergleiche bei-
ſpielsweiſe einen griechiihen Tempel mit einem
gothifchen Dome, fo wird man erkennen, daß der
Unterſchied zwiichen ihnen darin beruht, daß der
erftere einen mehr plaftiichen, der letztere einen
mehr maleriihen Charakter zeigt. In der Reiben-
folge der drei ben K.: Architeltur, Plaſtik, Ma—
lerei, ift alfo einerſeits eine ftetige Abnahme der
materiellen Schwere der Darftellungsmittel, an-
derjeits eine ftetige Zunahme an concretem Dar-
tellungsinhalt zu conftatiren,
Im engeren Sinne: Bildhauerkunſt und
Malerei, nebjt den mit beiden verwandten Tech—
nifen (f. Bildnerei u. zeichnende Kunft), alfo die
Künfte der räumlichen Anſchauung, mit Ausschluß
der Baulunſt. Schon Uriftoteles ftellte als Krite
rium für die Kunft überhaupt die Mimesis (ge
wöhnlich als Naturnahahmung überſetzt, richtiger
aber im Ariſtoteliſchen Sinne: Geftaltung von
Ideen in Formen der Wirklichkeit) auf u. ſchloß
damit die Architeltur davon ganz aus. Die Plaſtit
u. Malerei unterfcheiden ſich von der Architektur
durch die beiden gemeinfame Aufgabe, einen ide»
ellen Inhalt in den Formen der Wirflichteit dar—
zuftellen,. Sie unterſcheiden fih von einander zu—
nächſt durch die Mittel der Darftellung, dann aber,
im Zufammenhange damit, durch die Natur des
ibeellen Darftellungsinhaltes. Die Plaſtik bedient
fih des jchweren u, förperbaften Materials von
Stein u. Metall, um vorzugsweife die menichliche
Geſtalt, als höchſte Schönheitsform , zum Aus-
druck künſtleriſcher Ideen zu verwerthen. Sie abs»
trabirt dabei aber gerade von dem, was für das
Auge zunächſt die Naturwirklichfeit der Erichein-
ung enthält, von der Farbe. Dieſe mun ift, mit
Abstraction von der körperlichen Geftaltung, das
ſpecifiſche Darftellungsmittel der Malerei. Es ift
ein Frrthum, zu meinen, daß für das Auge (u. die
ben 8. find nur für diefe Anſchauung) die Körper:
lichleit der runden Form eine größere Naturwirklich—
feit befige, als die Farbe. Aber was wir fehen,
find zunächſt Farben- u. erft, al$ Conſequenz da»
von, yormen-Unterihiede. Somit ift die Plaftik,
weil fie von der Farbe abstrahirt, abstracter u.
dadurch auch fiir Die Darftellung abstracter Ideen
geeigneter als die Malerei, welche mehr auf die
Darftellung des realen Lebens , ſowol der Men-
hen» wie der Naturwelt, angewiefen if. Das
Gebiet der Malerei ift mithin eim viel weiteres,
410
Bilderbibel — Bilderbuch.
al$ das der Plaftif, indem es das gefammte Ge-|den Niederlanden, Frankreich. Seit 1537 began⸗
biet des Sichtbaren, alſo auch die lebloſe Natur
(Landſchaftsmalerei, Marine) umfaßt; fie iſt auch
nicht vornehmlich auf die idealiftiiche Geftaltungs-
ſphäre befchränft, fondern hat vielmehr hier, wie
uingefehrt die Plaſtik auf der realiftiichen Seite,
eine engere Grenze. Wenn man fi die Darftell-
ungsgebiete ber Blaftil u. der Malerei als zwei
parallele Linien vorftellen will, die fi vom rein
Idealen zum rein Realen neben einander hinziehen,
jo ragt die Linie der Plaftit in ihrem Anfange
(nad dem Idealen zu), die der Malerei in ihrem
Ende (nah dem Healen bin) über die andere
hinaus. Die Darftellung des Symboliſchen, Alle
gorischen, überhaupt abstracter Ideen, welche die
edelite Gattung der Blaftif umfaßt, ift der Malerei,
wenigitens wenn fie damit ein naturwahres Co—
lorit verbindet, verjagt, während die reine Naturs
wirklichkeit, wie fie ſich 3. B. im Stillleben
(Blumen, Fruchtmalerei) offenbart, der Plaftif
ganz unadäquat ift. Bollends fehlerhaft u. geradezu
unfünitleriich ift jene barbariiche Verbindung von
Blaftit u. Malerei, welche ftatt des künſtleriſchen
Scheins der Naturmwirklichfeit eine Naturtäuſchung
bervorzubringen fucht, wie die in Wachsfiguren—
Cabineten aufgeftellten plaftiihen n. in Natur
farben bemalten, wohl gar in wirklichen Kleider-
ftoffen drappirten, mit natürlichen Haaren u. 1. f.
ausgeftatteten Figuren, Ein Beweis für das Un—
fünftleriihe folher Vermiſchung liegt ſchon darın,
daß die Wirkung derartiger Figuren (u. zwar je
natnrmwahrer, deito mehr) durchaus geipenftiger
Art ift, da nicht der fünftleriihe Schein des Yebens,
fondern eine Naturillufion, der aber das mirfliche
eben fehlt, hervorgebracht werden fol. Das Um—
gefehrte findet in jenen Gemälden ftatt, in denen
(3. B. auf alten Jagdftüden) aus der Fläche des
Gemäldes ein plaftiicher Hirfchlopf oder dergl.
heraustritt. Selbft ſchon das allzu paftofe Auf-
tragen der Farben zu dem Zwede, daß durch die
plajtiiche Wirkung derſelben die Licht- u. Schatten-
gegenſätze verjtärft werden, ift fehlerhaft u. un—
fünftleriich. Das Gefammtgebiet der Gefchichte der
ben K., mit Einſchluß der Architeftur, ift zuerft
in wiffenichaftliher Reife von Franz Kugler (Hand
buch der Kımftgeichichte, 2. A., mit Zufägen von
Jal. Yurdhardt, Stuttgart 1848) bearbeitet wor-
den. Umfangreicher ift Karl Schnaafe, Geſchichte
der ben K., 2, verbefferte u. vermehrte Auflage
(der 1874 erichienene Bd. VI. reiht bis zum
Ende des Mittelalters). . Schasler.
Bilderbibel, 1) Bibel mit Bildern in Holz—
Schnitt, Kupfer u. Stablftih od. Steindrud ver-
jehen. 2) Die Bibel in Bildern, biblische Sefchichten
in bildlichen Darftellungen mit u. ohne Erflär-
ungen. Schon in früher Zeit wurden bibliſche
Bücher mit Bildern illuftrirt, wovon die im Mittel-
alter von Flöfterlihen Künſtlern gefertigten zahl-
reihen Miniaturen Zeugniß geben; für dem lkirch—
then Gebrauch war die Biblia pauperum (f. d.),
eine Darftellung bibliicher Geihichten in Bildern;
nah Erfindung der Buchdruderfunft wurden auch
die gedrudten Bibeln mit Holzichnitten u, feit der
2. Hälfte des 16. Jahrh. mit Kupferftichen für den
allgem. Gebrauch verjehen, jo ſchon die Sorgefche eigene Kinder angefertigt.
nen auch aus > Behams Biblicae historiae
magna arte depietae ganze Reihen biblifcher
Bilder veröffentlicht zu werden. Im Deutichland
fanden die größte Verbreitung in Schule u,
milie Johann Hübners (f. d.) Bibliſche Hiftorten,
feit 1714 in zahlreichen er Größere Werke
neuerer Zeit find: Loſſius, Moraliſche B., Gotha
1805—13, 5 Bde., 2. Ausgabe, 1821—24; Bappe,
60 bildliche Vorftellungen aus der Bibel des U.
u. N. T. Wien 1820—26, 35 Hefte, n. Ausg.,
ebd. 1828, auch dgl. mit 163 illuminirten Kup»
fern, Lpz. 1811, 2 Bde; B. für die Jugend in 50
Bildern, Berlin 1819, in Gotha von Olivier,
1834, in Stuttgart 1835 ff., in Meißen 1835 ff.,
in Leipzig, für Katboliten, 1835 ff., in Düffeldorf
von Overbed, 1841; B. für das hriftliche Volk,
Berl, 1851 ff.; in Schnorrs von Carolsfeld Bibel
in Bildern, Lpz. 1852 fi; im Guft. Königs
u. Zul. Thäters Boltsbibel, Mind. 1863 ff.; in
Dorcs B., franz. u. deutich mit luth,, kath. u.
israel, Tert, Stuttg. 1874. 3) So v. w. Biblia
—3 1).
Bilderbogen, Holzſchnitte verſchiedener bilde
licher Gegenſtände, auf einem Bogen zufammen«
gebrudt; find meift ſchwarz u. dienen zum Illu⸗
miniven oder auch zum Nachzeichnen für Kinder.
In neuerer Zeit werden fürmlihe Sammlungen
u. Werte zu gleichem Behufe auch von Bud- u.
Kunfthändlern unternommen; dann find die Zeiche
nungen meiſt in Kupfer geſtochen oder lithogras
phirt. Des beiten Rufes erfreuen fich die Mün—
hener u. die deutichen Bilderbogen,, jene von
Braun u. Schneider, diefe von Guſt. Weife in
Stuttgart in meiſterhaftem Holzſchnitte beraus-
gegeben.
Bilderbuch, 1) eine in Buchform angelegte
Sammlung von bildlichen Darftelungen. 2) Eine
mit erläuteruden Abbildungen verjebene Schrift,
jofern deren Benutzung ſich bloß auf Betrachtung
diefer Bilder beichränft, 3) Beſonders ein arti»
ſtiſch⸗ literariſches Product, bei welchem die Anfertige
ung u. Zuſammenſtellung von jchwarzen oder
iluminirten Bildern die Hauptiache ift, zur beleh—
renden Unterhaltung für Kinder dienend, um ihnen
mittels Anfhauung Kenntniß von Äußeren Gegen«
ſtänden des Lebens zu verichafien. Bon diefer Art
ift der befannte Orbis pietus (f. d.). Ju neuerer
Zeit find Werfe diefer Art ein eigener Zweig des
Buchhandels geworden. Es gehören dahin für den
früheften Kinderunterricht: Bilder-A⸗b⸗c-bücher
u. Fibeln, ſodann, als Übungsleſebücher u. zur
Kinderunterhaltung, eine Menge, auch Bilderbücher
genaunter Kinderſchriften. Unter den älteren Er—
ſcheinungen dieſer Art find bei. Bertuchs Bilder«
bücher u. unter den neueren die bei Arnz u. Comp.
in Diüffeldorf, Winkelmann u. Söhnen in Berlin,
Chelius in Stuttgart, Schmidt u. Spring, ebb,,
Schreiber in Eflingen, Flemming in Glogau,
Opit in Leipzig, Braun u. Schneider in Münden,
3. Bagel in Wefel u. A. erichienenen bemerkens—
werth. Das verbreiterfte aller Bilderbiicher neuerer
Zeit ift der Ztrummelpeter, Frankf. 1847, von
Franz Hofmann, zunächſt für des Verfaſſers
Das an fidh treffliche
u. Zeinerſche, 1477, und ferner in Deutfchland, Buch hat nur im jo fern abfällige Beurtheitung
Bilderbuchftaben
gefunden , als die Pädagogik vom äſthetiſchen
Standpunfte aus den Grundſatz aufſtellt, den
Kindern müßte das Unfhöne auch im Bilde mög-
lichſt ferngebalten werden.
Bilderbucdhftaben, die Anfangsbuchftaben von
Capiteln in Handicriften des 7.—15. Jahrh. u.
felbit noch im alten Druden, melde, außer den
Buchſtaben, die fie bezeichnen, Geftalten von Men-
Ihen u. Thieren, Früchte, Laubwerk, Blumen,
Gitterwerf oder blos Schnörkel darftellen, die ſich
anfangs meift auf den Inhalt des Capitels, das
fie beginnen, bezogen, ſpäter aber bloß Schöpf-
ungen der Phantafie des Abjchreibers maren.
Sie find ſtets bumt ausgeführt, oft auch mit Gold
u. Silber verziert, oder auf folhem Grunde ge-
malt. Man kann an ihnen Alter u. Schreibart
der Handichriften erkennen, da faft jedes Zeitalter
u. jedes Voll die Anfangsbuchftaben auf andere
Art verzierte. Mit dem 15. Jahrhundert, bezieh:
ungsweiſe mit der Erfindung des Bücerdrudes
beginnt ein neuer Abichnitt der Geſchichte der B.,
indem nunmehr im Drude der zum Ausmalen ber-
felben nöthige Raum freigelaffen wurde. (S. aud
Mini ——
Bilderdienſt (Bilderverehrung, gr. Jlono—
latrie) ift eine ganz allgemeine religionsgeſchicht⸗
lihe Eriheinung, wo irgend der Menjch über die
Stufe der Thierheit fih erhebt. Sie ift in ihren
erften Anfängen ganz eins mit den erjten Ber-
fuhen des Menihen zum künftleriichen Bilden.
Wie des Menſchen Phantaſie überall im Anfange
die Naturdinge u. Naturerfheinungen perfonificirt,
animirt, fo auch die ihn nach Kiuderart mit Ent-
züden erflillenden Producte feiner eigenen erſten
Kunſtthätigkeit, u. wie der Anfang aller Religion
aus dem Beftreben des Menſchen fich erklärt,
feine Wünsche, fomweit er nicht durch Wiffen und
Arbeit die Natur beherricht, durch einen jenen Ge—
Ihöpfen jeiner Phantafie gewidmeten Dienft, Ge—
bet, Opfer, mit ihrer Hilfe zu erreichen, jo geht
aud aller B. ganz in diefem Beftreben auf, u.
zwar nicht bloß bei den rohen, jondern auch bei
den höchſt gebildeten Völlern des Heidenthums.
Dagegen bat die Mofaifche Religion als die rein
u. ausschließlich ethische von Anfang gegen allen
B. fi abweiſend verhalten (2. Moſ. 20, 4. 5),
u. im israelitiſchen Eult wurden urjprünglich heid⸗
nifche Götterbilder, wie die Eherubim, die Stier-
bilder unter dem ehernen Meere, zu Symbolen der
böciten, Gott dienenden Geichöpfe herabgeſetzt.
Doch nur ſchwer u. laugſam drang das Moſaiſche
Grundgelet gegen den auch im israelitiichen Volle
urjprünglih vorhandenen B. dur, den dieſes
Bolt von jeinen urfprünglihen Sigen in Chaldäa
ber batte, u. den fein Aufenthalt in Agypten,
Berührung u. Berwandtihaft mit den ummohnen-
den Völkern nährte. Die Stierbilder Aarons u.
ger die eherne Schlange Mofis, die An-
etung des Ephod in der Richterzeit, die geweihten
Steine, die Terafimbilder weiſen auf einen ur—
fprünglichen, mit äußerfter Zähigfeit fich behaup-
tenden B. Israels. Erft feit der Babylon. Ge-
fangenihaft gelangte das Moſaiſche Grundgebot
eines völlig bildlofen Cultus zu einer mie
mehr beftrittenen Geltung. Ebenio fremd blieben
Bilder von Gott der Chriſtlichen Kirche der
— Bilderdienft. 411
zwei erften Jahrh., u. dies war der Grumd, wa«
rum man die Ehriften des Atheismus bejchufbiate.
Als Ausnahme fanden fich Bilder von Chriſtus,
Paulus u. Philofophen bei den Gnoftifern, bei,
bei den Bafılidianern u. Karpolratianern. Bon
ihnen gingen die bildlihen Darftellungen bald im
den allgemeinen Gebrauch fiber, zumal da Sinu-
bilder, wie: Taube, Fiſch, Anker, Hirt, Weinftod
u. Yamm auf Siegelringen u. heiligen Gefäßen,
dann auch Gemälde von biblifchen Begebenheir
ten, Heiligen, Märtyrern, die in den Vorhöfen
der Kirchen aufgeftellt wurden, um das Volk zu
guten Eutſchlüſſen zu ermuntern, früber ichon üb»
lih waren u. der ſtets noch nachwirtenden heid-
niihen Dentweife entiprachen. Dieſe Sitte wurde
indeß noch im 4. Jahrh. von Synoden gemiß—
billigt. Als aber im 4. Jahrh. das Chriftenthum
Staatsreligion wurde, mehr Glanz u. Pracht in
den Sottesdienft fam u. viele angejebene Berfonen
zum Ehriftenthum übertraten, wurden im 5. Jahth.
die Bildiwerte, Malereien und Kunftverzierungen
auch in den Kirchen allgemein, u. es bildete ſich
eine chriftliche Symbolit, Dafür wirkte im Abend»
fande beſ. Paulinus von Nola, u. da man die
Bilder ald Bücher der Armen u. Laien betradı-
tete (ſ. Biblia pauperum), wodurd fie belehrt u.
erbaut werden follten, jo waren fie damals mehr
nütlich als ſchädlich. Allein als die Kirchenlehrer
fih dem Heidentbum immer mehr anbequemten,
um heidniiche Völfer zum Übergange zu bewegen,
als fie dem Libergetretenen immer mehr geftatteten,
frühere Gebräuche in äußerlich chriftlicher Form
beizubebalten, u. die Bilderverehrung riftlicher
Karfer immer üblicher wurde, ging im 6. Jahrh.,
bei. im Morgenlande, der Gebraud der Bilder
in einen Mißbrauch über. Dan erzeigte denjelben
nun bejondere Berehrung, küßte fie, zlindete Yampen
vor ihnen an, väucherte mit Weihrauch, jchrieb
ihnen Wunder zu, betete fie an, behandelte fie
alfo wie die Heiden ihre Gößenbilder. Dagegen
eiferten alle befjeren Kirchenlehrer, mährend fie
Andere aus Eigennuß begünftigten, u. aus diefem
Gegenfage entftand denn der langwierige Bilder-
ftreit, als der Kaifer Leo der Iſaurier zur Ab-
ftellung des Mißbrauches 726 den B. verbot u.
wegen Nichtbefolgung feiner Befehle 730 die Bilder
aus den Kirchen wegnehmen ließ. Er entfernte
den Patriarhen von Conftantinopel, Germanus,
u. bewirkte, ungeachtet des Tadels von Nom aus,
wo Papft Gregor II. fih gegen ihn erklärte u.
Gregor III. 732 fogar alle Bilderfeinde in den
Bann that, daß die Bilderverehrer (Bilder
aubeter, Ikonoduloi, Ikonolatrai) von den Bil»
derftürmern (Bilderfeinden, Ikonomachoi, Iko-
nokaustai, Ikonoklastai) unterdrüdt wurden Leos
Gelege gegen die Bilder hielt fein Nachfolger Con-
ftantinus Kopronymus aufrecht, ließ fie auf dem
Concil zu Eonftantinopel 754 gegen die Bilder»
verehrer beftätigen, viele Möndıe, weiche, nebſt
den Patriarchen von Alerandrien, Antiochien u.
Jeruſalem, für die Bilder eiferten, binrichten u.
alle Reihsbürger den B. abihmwören. Auch Kaifer
Leo IV. Chazaras handhabte die Geſetze gegen
fie mit Hilfe des Heeres fireng. Doc deſſen
Mittiwe Irene braudte die bei Bolfe u. Klerus
nod beliebte Bilderverehrung als Dlittel, ihrem un⸗
412
münd'gen Sohne Conjtantin den Thron zu fihern, |
verjammelte im Einverſtändniß mit dem neu er-jGejtalt fie darftellen, verehren.
nannten Batriarden Tarafios von Gonftantinopel
786 dafelbit u. 787 in Nicäa eine Synode, welche
die Verehrumg der Bilder durch Riederfallen, Kiffen,
Beräucern ꝛ⁊c. wiederherjtellte. Alle Bilderfeinde
wurden verdammt. So blieb es auch unter den
Kaifern Nilepboros u. Michael Ahangabe bis 813;
erst Leo V. Armenius verbot den B. dur ein
Edict (814) u. dann durch die Synode in Con—
ftantinopel (815) u. bejtrafte die Umgehorfamen,
meift Mönche, an deren Spite Theodoros Studita
ftand. Kaiſer Michael II. Piellus verbot den Streit
über den B. u. geftattete den privaten B., ohne
dadurch die Bilderfreunde zu befriedigen; feinSobn,
Kaifer Theophilos, jeit 829, ermeuerte gegen die-
felben die firengften Maßregeln. Gleich nad) feinem
Tode lie feine Wittwe Theodora (842) den B.
mwiederherftellen un. das Andenken dieſes B-fieges
dufh das Feſt der Orthodorie 19. Febr. 842
verewigen (F. u. Invocavit). Seitdem blieb auch
in der Morgenländiichen Kirche die Verehrung der
Bilder, namentlich Jeſu u. der Marıa, herrichend,
doch duldete fie nur gemalte u. ausgelegte (He
lief) Bilder. Bon den übrigen orientaliichen
Ehrifienparteien beobachten alle, außer den Neito-
rianern, Thomaschriften u. den ruſſiſchen Nostol-
niten, dieſe Bilderverehrung, womit der Glaube
an die wunderthätige Kraft gewiſſer Bilder, ıbr
Ummpertragen bei Proceffionen, um Schug u. Segen
zu erhalten, ihre Belleidung mit foftbaren Stoffen
u, Edelfteinen u. die Gewohnheit, fie zu beichenten,
bei allen Bilderdienern zufammenhängt. Im Abend-
lande war während des Bilderftreites die Anficht
den B-e günftiger, u. die Päpfte vermwarfen die
Beſchlüſſe des Concils zu Conftantinopel u. ver
dammten ferner die Vilderfeinde, nur follten die
Bilder nicht eigentlich verehrt werden. Nur die
Fränkiſche Kirche war gegen den B. auf der Sy—
node zu Gentiltacum (767), welche übrigens Die
Bilderftürmerei nicht billigte, u. Karl d. Gr. Tief
790 der 2, Synode zu Nikäa eime Wiederlegungs-
ſchrift: De impio imaginum cultu (Libri carolini)
entgegensegen, die den Gebrauch der Bilder nur
zur Verzierung zuließ, u. die Bverehrung auf
der Synode zu Frankfurt 794, mit Beiftimmung
der Engliihen Kirche verdammen, ebenjo 825 auf
der Synode zu Paris, Bom 9, Jahrh. an neigten
fih die Päpfte immer mehr zu der Beverehrung
hin, wodurd fie auch im Abendlande bald überall
Eingang fand. In der Römisdy- Katholischen Kirche
blieb der B., u. das Tridenter Concil hat fich
in den Beichlüffen der 25. Sejfton darüber, mit
Vermeidung des Ausdruckes Anbetung, dahin aus-
geiprochen, daß man die Bildnifie von Ehriftus,
der Heiligen Jungfrau u. den anderen Heiligen
aufbewahren u. denfelben die gebührende Ehre u.
Achtung erweifen jolle, nicht als wenn in denjelben
etwas Göttliches oder eine befondere Kraft, mes:
halb fie zu verehren wären, fi befände, od. als
ob man Etwas von denielben erbitten oder ein
Vertrauen auf fie feten follte, ſondern weil die
denjelben bewiefene Ehrenbezeugung auf die Ur-
bilder, welche fie bezeichnen, bezogen würde, jo
daß die Katholifhen durch die Bilder, melde fie
füffen, vor denen fie das Haupt entblößen u. ſich
—
Bilderdijk.
beugen, Chriſtum anbeten u. die Heifigen, deren
Eine Folge bes
Dres find die MWallfahrten zu den berühmten
Gnadenbildern. Die Reformation erflärte ſich
entjchieden gegen den B. Luther verftattete die
Duldung der Bilder zwar als Zierde u. zur er»
banlihen Erinnerung, wie er ſich denn aud gegen
Karlſtadts Zerftörung der Bilder u. Altäre im
Wittenberg (1522) entichieden ausſprach. Die ſchwei ⸗
zeriichen Reformatoren erflärten fih gegen alle
Bilder, Tiefen fie aus der Kirche wegnehmen, u.
in manchen Gegenden wurden fie zertört, fo bei.
in den Niederlanden, Noch jett werden fie nicht
in der Reformirten Kirche u. den von ihr ausge—
gangenen Particnlarfirhen der Presbpteriamer,
Methodiften, Quäter zc. geduldet. Im Islam ıft
aller B. ftreng verboten, ja, es wird fogar von
den Orthodoren für Sünde geachtet, ein lebendes
Wefen, wenn auch zu einem anderen Zwede als
dem der Anbetung, abzubilden. Vgl. Dalläus,
De imaginibus, Leyd. 1642; Weflenberg, Die
chriftlichen Bilder, ein Beförderungsmittel des chrift«
lichen Sinnes, Konftanz 1827, 2 Bde.; Maina-
bourg, Hist. de l'heresie des iconoclastes, Par.
1679; Spanbeim, Historia imaginum restit.,
Leyd. 1686; Schloffer, Geſchichte der bilderftir-
menden Kaifer de3 Oſtröm. Neiches, Frankfurt
a. M. 1812; Marr, Der Bilderftreit der Byzan-
tinifchen Kaiſer, Trier 1839; Grüneifen, Die
bildliche Darjtelung der Gottheit, Stuttg. 1828.
vöffler.*
Bilderdijf, 1) Willem, berühmter holländ.
Dichter, geb. 7. Sept. 1756 zu Amſterdam; ſtud.
in Leyden die Rechte u, wurde im Haag Advocat;
nah dem Einzuge der Franzoſen wanderte er
aus u. lebte erjt in Braunſchweig, dann in Yon-
don, wo er Borlefungen über Literatur u. Poeſie
bielt; 1806 kehrte er nah Amfterdam zurüd, u.
der König Ludwig zeichnete ihn bei feiner Thron«
befteigung ſehr aus, ernannte ibn zu jeinem Lehrer
im Holländishen u. zum Mitgliede des Holländiſchen
Nationalinftituts; bei Ludwigs Abdanfung verlor
er fein Amt, lebte dann in Leyden u. zulest im
Saarlem, wo er 18. Dec. 1831 ftarb. 8. ift
einer der begabteften u. fruchtbarften Dichter der
neueren niederländ, Yiteratur; feine Anregung
u, Belehrung ſuchte er bei den älteren vater-
ländiichen u. beiten ausländiſchen Dichtern aller
Seiten, obwol weniger bei den engliſchen u. deutſchen.
Er jehr.: Over den invloed dr dichtkunst op
het staatsbestuur (Preisgedicht), 1776; De ware
liefde van het vaderland, 1777; das cpiiche Ge—
dicht: De ondergang van den ersten wereld (Frag-
ment), Amfterd. 1820, n. A. von da Coſta, 1845
bis 1847; die didaktischen Gedichte: Buitenleven
(nach Delille), Amſterd. 1803, u. De ziekten der
geleerden, 1807, 2. A., 1829; das bejchreibende
Sedicht: De mensch (nad) Pope), 1808; die Ge—
dichte: Verlustiging, 1779; Odilde, 1784, n. A.,
1804; Bloempjens, 1785; Mengelpotzij, 1799,
2 Bde., n. W., 1823; Mengelingen, Amiterd,
1804—8, 4 Bde., 2. A. 1828; Poözij, 1803—7,
4 Bde,, 2.4., 1822; Nieuwe Mengelingen, 1806,
2 Bde., 2. A., 1817; Najaarsbladen, 1808,
2 Bde.; Verspreide Gedichten, 1809, 2 Bbe.;
Winterbloemen, 1811, 2 Bbe.; Aftodillen, 1814,
Bilderfirniß — Bildergalerie.
413
2 Bbe.; Nieuwe uitspruitsels, 1817; Wit enjfammler, die nad beftimmten Principien Gemälde
rood, 1819, 2 Bde.;
1819, 2 Bde.; Poözij, 1820; Sprokkelingen,
1821; Zedelijke gispingen, 1820; Vertellingen
en romances, 1821, 2 ®be.; Krekelzangen,
1822, 3 Bde.; — — 1824, 2 Bde.;
Navonkeling, 1826, 2 Bbe.; Oprakeling, 1826;
Nieuwe oprakeling, 1827; Naklankgedichten,
1828; Avondschemering, 1828; Vermaking,
1828; Nieuwe vermaking, 1829; Schemerschijn,
1829; Nieuwe Gedichten, 1829; Nasprokkeling,
1830; Nalezingen, 1833, 2 Bde.; De geester-
wereld en het waarachtig goed, 1843; Einiges
deutſch von Quad u. Duttenbofer, Stuttg. 1851 7.;
Hollands verlossing, 1813 f., 2 Bde., 2.4,
1833; Wapenkreet, 1815, u. Vaderlandsche
nitboezemingen, 1815; die Dramen: Floris de
Vijfde, 1808; Willem van Holland, Kormak,
Linna. Ausgabe jeiner Dichtwerken, Haarl.
1857—60, 16 Bbde.; die ſprachwiſſenſchaftlichen
Werke: Over de geslachten der naamwoorden,
1805; Taal- en dichtkundige verscheidenheden,
1820—23 u. 24f., 8 B®be.; Geslachtlijst der
nederduitsche naamwoorden, 1822, 2 Bde.,
n. A., 1832—34, 3 Bde.; Nederlandsche spraak-
leer, 1826; Beginsels der woordvorsching, 1831;
überfetste Offians Fingal (1805), den Kallimachos,
die Batrahomyomadhie (1821); die beiden Odipus
von Sopbofles (1779 u. 1789); er hr. aud:
Geschiedenis des Vaderlands, herausgeg. von
Tydemann, 1832 ff., 12 Bde. 2) Katharina
Wilhelmine, Gattin des Vor., geb. Schweid-
bardt, geb. 1777 im Haag; ft. 18305 fie ſchr.:
Rodrigo de Goth; Gedichten voor kinderen,
1813; Overstrooming van Gelderland, 1809; die
Zraueripiele: Elfriede, Fphigenie in Aulis, Ihre
u. ihres Mannes Treurspelen, Haag 1808 f.,
3 Bde, 2. A., 1836. Ihre Gedichte erjchienen
als Dichtwerken, Amft. 1859, 2 Bde. Ihre Yebens-
beichreib. von Da Eofta, Amft. 1844, u. ten Kate,
Amſt. 1862.
Bilderfirmnif, ein von Maftir oder einer an«
deren durchſichtigen mwafjerfeften Maſſe bereiteter
Überzug über Gemälde, der, im flüffigen Zu«
ftande aufgeftrihen, bald trodnet u. Bildern ein
friiheres Anſehen gibt, auch diejelben gegen Ein-
fluß der Luft ſchützt. Räthlich erjcheint es, den
B. erft längere Zeit nah Vollendung der Olbilder
aufzutragen, weil dadurch das Meißen berjelben
vermieden wird. Der Auftrag gefchieht mit
breiten, flachen Pinſeln und möglihft parallelen
Zügen. Durch Zemperatureinflüffe blättert ſich
der B. häufig zum großen Nachtheil der Olbilder.
Zur Bejeitigung dieſes Nachtheils dient Petten-
kofer8 Regenerationsverfahren (ſ. d.).
Bildergalerie, eine in eigens dazu beftimmten
Räumen (Galerien) aufgeftellte Sammlung von
Bildern, Gemälden, Handzeihnungen, Stiden :zc.
L Ihren Urfprung verdanken die Ben der
Prunkſucht von Fürften u. reihen Privatleuten,
melde die Wände ihrer Paläfte mit Bildern
ſchmückten, die vorwiegend auf die Wand aufge-
tragen wurden. Schon bei den Griechen und
Nömern gehörten Malereien neben Sculpturen
zu dem beliebten Schmude der Wohnungen reicher
u. angejebener Perjonen; aber eigentfiße Bilder»
ieuwe dichtschakeering, | zujammenbradten u. aufftellten, fannte man ba-
mals ebenfo wenig, als im Mittelalter. Erſt mit
der Periode der Renaiffance der antiten Kunft,
die von Ftalien ausging, begannen Freunde und
Gönner der Kunft größere Sammlungen von Ge-
mälden anzulegen, indent fie die Bilder theils von
den Malern felbit, theils — namentlich ältere —
von früheren Befigern anfauften. Das Verblühen
des italienischen Handels im 16. u. 17. Jahrh.
hatte eine Berarmımg vieler reichen Privatleute,
die im Beſitze oftbarer Gemälde waren, zur folge,
u, wie andere ihrer Kojtbarfeiten, jo famen auch
diefe in den Handel u. wanderten durch zweite u.
dritte Hand in die großen Kunftfammlungen,
welche nun als eine Art fürftlicher Liebhabereien
an den Höfen in Deutihland, Frankreich, Eng—
land zc. entjtanden. Erſt jpäter mit der allmäh-
lichen Läuterung des Kunſtgeſchmackes durch Windel-
mann, Leſſing u. A. begann man derartige, ohne
große Wahl zujammengebradte Sammlungen zu
fihten u. zu ordnen u. bei neuen Erwerbungen
auf dem fünftleriihen oder archäclogiihen Werth
der anzulanfenden Bilder Rüdfiht zu nehmen.
Zugleich forgte man auch für die Unterbringung
der Sammlungen in geeigneten Räumen, u. jo
entftanden in vielen Refidenzftätten Diufeen, welche
zur Aufnahme der vorhandenen Werke bildender
Kunſt dienten u. für die Malereien, Zeichnungen
u. Stiche befondere Säle u. Galerien enthielten.
Neben den fürftlichen entftanden auch ſtädtiſche
B. meiftentbeils durch Bermädhtniffe von Gemälde»
fammılern, welde ihre Sammlungen nach den
Zode erhalten wifjen wollten, u. endlich “Privat-
Ben, die vielfah mit Beihränfung auf eine ge»
wife Klaffe von Bildern (nah Schulen, nad
Berioden, nad der Art der Malerei, nad) dem
Charakter der Bilder zc.) angelegt zu fein pflegen.
II. Der Zwed der Ben ift zunächſt die Erhalt»
ung der Bilder als culturgeſchichtlicher Denkmäler
vergangener u. gegenmwärtiger Zeiten, ſodann aud)
die Berangeniheinlihung von vorzüglichen Kunft-
leiftungen, ſowol für Künftler, als das gefammte
Publicum. Ihr hauptiächlicher Werth befteht darin,
daß fie die Kenntmiß der Entwidelung der Kunft,
fowol was Gegenjtand u. Auffaſſung, als was
Darftellung u. Darftellungsmittel betrifft, ermög-
lichen, u. zwar einerfeitö den ausiibenden Kiinft-
lern, denen die Erzeugniffe früherer Kunftperioden
vielfach als Vorbilder dienen, anderfeit® auch den
Laien, welche fih des Schönen im Allgemeinen
und um feiner felbft willen freuen, oder aber in
den Kunftwerfen einer beftimmten Culturperiode
einen möglichen Behelf zur Beurtheilung der Eut-
turperiode finden. Aber auch Hiervon abgejehen,
wirkt der Beſuch von Ben wohlthuend auf die
Pflege des jedem Menihen angeborenen, mehr
od, minder entwidelten Schönheitsgefühls.
III. Bei der Anordnung u. Aufftiellung
der B-n pflegt fait überall das Hiftoriihe Princip
zunächſt berüdficstigt zu fein. Locale Verhältniffe
zwingen aber den Ordner bisweilen, davon
abzuweichen, wenn fi B. ganz große u. ganz
Heine Bilder nicht neben einander anbringen
laffen, oder eine Anzahl Bilder nicht ausreicht,
einen abgegrenzten, für eine Schule beftimmten
414
Raum zu füllen. In der Galerie des Berliner Mu’
ſeums ift das biftortiche Princip am ftrengften durch⸗
eführt, indem die Bilder nicht nur nach den großen
Berioden, fondern auch innerhalb diefer mieder
nad deren Unterabtheilungen geordnet erjcheinen.
Mitunter entfcheidet auch der hohe Kunftwertb
eines Bildes für das Verlaſſen des leitenben
Grundjages, indem man einent folhen gern einen
Platz anweiſt, wo die Beleuchtung am günftigften
wirft u. dafielbe mit Behaglichkeit in Augenschein
genommen werden fann. Ganz vorzägliche, große
Gemälde werden auch wol in befonderen Räumen
iſolirt aufgeftellt, damit die Wirkung des Bildes
nicht durch die Umgebung geitört werde. So ift
in Dresden der Sirtinishen Madonna von Rafael
eine eigene Zimmerabtheilung eingeräumt. Die
architeftoniihe Einrichtung der Galeriegebäude
Bildergalerie.
‚Heinere - Bilder dem Auge des Beihauers näber
gerüdt werden müffen, als große, bedarf faum der
Erwähnung. Als höchſt zwedmäßig empfiehlt.es fich
auch, jedes Bild mit dem Namen des Meifters
zu bezeichnen, dem defien Geburts- u. Todesjahr
beigefüigt werden mag, was einen nußgbringenden
Behuch der B=n meientlich fördert.
IV. Die bedeutenditen Ben find folgende:
A) Fürftlihe od. Staats-Ben: im Belvedere
zu Wten, mit einem großen Schage von Gemälden
aus allen Schulen; im Mufeum zu Berlin, mit
einer reihen Sammlung von Gemälden der ita-
lieniſchen Schulen, vielen mederlämdifchen u. alt-
deutihen, wenigen franzöfiichen, ſpaniſchen u. a.
Gemälden, u. einem Kupferftihcabinet; im Muſeum
zu Brüffel, mit Niederläudern, wenigen Ftalienern,
Franzoſen zc.; im Neuen Muſeum zu Dresden,
pflegt in neuerer Zeit der Hauptſache nad auf ſowol in numeriiher Beziehung, wie in Betreff
folgende Bedingungen begründet zu jein. Um
größere Sammlungen auf möglichft engem Raume
aufitellen zu können, theilt man dieſen meift in
fleinere Abjchnitte (Zimmer), die jedoch groß ge-
nug fein müfien, daß man von der nöthigen Ent»
fernung aus jedes einzelne Bild betrachten kann.
Größere Bilder erfordern alfo auch größere Räume,
— erreicht man damit eine Veringerung der
toͤrung, die bei größeren Sälen durch den An—
blick einer weitläufigen Bildermaſſe u. durch gleich
zeitige Beſucher hervorgerufen wird. Üüber die
Zmwedmäßigkeit der Seiten- oder Oberbeleuchtung
bat man fich viel geftritten, u. ift das Oberlicht
jegt in faft allen neueren Galerien vorgezogen
mworden, einestheild weil e8 dem Bilde nach viel-
fach vertretener Anſchauung die gleihmäßigfte Be—
leuchtung gibt, anderntheils, weil es den Plat
zum Aufbängen der Wilder nicht beeinträchtigt, wie
das Seitenlicht, welches die Wandfläche, durch die
es einfällt, um den Fenfterraum verringert und
der gegenüberjtehenden Wand eine grelle, unzmwed-
mäßige Beleuchtung gibt. Nur die Meineren Seiten»
cabinete, die man, um darin die fleineren Bilder
u. Bildchen aufzubängen, neben den großen Yım-
merabtheilungen anbringt, werden durch Seiten»
licht erhellt. So ift das Dresdener Mujeum von
Semper, das Leipziger Muſeum von Yange, das
Baſeler Mufeum von Berri u. die Pinatothef in
Münden von L. v. Klenze eingerichtet. Die lettere
gewährt noch eine große Annehmlichkeit durch den
längs der Säle hinlaufenden Corridor (Loggien),
ber den Bejuchern zur Erholung von langem Ber
traten der Bilder einen Spaziergang gewährt,
ohne daß fie fich deshalb aus der Galerie zu ent
fernen brauchen. Indeß haben fi in der aller-
jüngften Zeit, namentlih auf Grund der in der
Kunfthalle der Wiener Weltausftellung von 1873
emachten Erfahrungen, gemwichtige Stimmen für
Seitenliht ausgeſprochen, das in einem Winkel
von etwa 45 Grad auf die Bilder einfällt. Ein
fehr bedeutender, wenn auch keineswegs allein
maßgebender Factor für die Anordnung von Bildern
liegt darin, daß vermieden wird, Bilder neben
einander zu hängen, deren Golorit gegenjeitig
ihre Wirkung beeinträchtigt, indem eine nad)
diejer Seite glückliche Anordnung anderjeits jedes
einzelne Bild in feinem günftigften Lichte erfchei-
nen läßt, obne Nachbarbilder zu fchadigen; daß
des Werthes der vorhandenen Meifterwerte eine
der reichften B-n, mit der Sirtiniihen Madonna
von Rafael, der Madonna von Holbein, mit be—
deutenden Gemälden von faft allen berüßmten
Meiftern der italienischen, niederländischen u. alt-
deutihen Schulen u. einer Anzahl Bilder von
Künfttern des 18. u. 19. Jahrh; im Uffizien-
palafte in der Accademia delle belle arti u. im
Pittipalafte des ehemals großherzogl. Nefidenz«
ſchloſſes zu Florenz, mit vorzugsweije claſſiſchen
Italienern von großem Kunftwertbe; im füntgl.
Palais im Haag; im Reichsmuſeum zu Amfter«
dam, mit alten Niederländern; im Alademiege-
bäude zu Karlsruhe; zu Kopenhagen im Thör—
waldſenſchen Muſeum, mit modernen Gemälden u.
Cartons, u. im Schloffe Ehriftiansborg, mit nament«
lich vielen niederländischen u. einer Abtheilung für
dänische Malerei; die Nationalgalerie zu Yondon ;
die B. im Muſeum der Königl. Akademie dafelbft;
im Museo national und dem Museo del Rey zu
Madrid; im Königl. Palafte der Wiſſenſchaften u.
Kinfte (Brera) zu Mailand; in der Pinatothek zu
München, mit einer großen Anzahl vortreffliher
Werke der deutſchen u. miederländiihen Schulen
(Rubensfaal); in der Neuen Pinakothek dafelbit, mit
Werfen nenerer Meifter; im Louvre zu Paris,
mit vorzüglihen Meifterwerten aus allen bedeu-
tenderen älteren Schulen; im Palais Lurembourg
ebendajelbit; im Yateran zu Rom; im Mufeum der
Kunſtſchule zu Stuttgart; im Großberzogl. Schloß
zu Darımjtadt; in Turin, mit vielen werthvollen
Stüden Rafaels, Tizians, Holbeins, Rembrandts
u. A.; in der Accademia delle belle arti zu
Venedig; in Berfailles, mit Bildern u. Porträts
ans der Geſchichte Frankreichs von neueren franz.
Künftlern. B) Städtiſche Galerien: zu Antwer-
pen; zu Augsburg, reih an Werten der ſchwäbiſchen
Schule; zu Brügge, mit altfräntiichen Gemälden; im
Fitz · William⸗· Muſeum zu Cambridge; im Städelihen
Muſenm zu Frankfurt a. M., mit theils Älteren nie»
derländiſchen u. deutſchen, theils neueren deutſchen
Gemälden; im Städtiſchen Muſeum zu Köln; im
Städtiſchen Muſenm zu Leipzig (mit der Schletter⸗
ſchen Galerie), reich an Meiſterwerlen neuerer
franzöſiſcher Maler (Delaroche, Calame ⁊c.); im
Städtiſchen Muſeum zu Lyon; Stäudiſche Galerie
zu Prag; zu Sevilla; im Städtiſchen Muſeum zu
Straßburg; im Museo nazionale (vordem borbo-
Bildergediht — Bildgiekerkunft.
nico) zu Neapel, mit namentlich bedeutenden fpa-
niſchen Bildern; endlih im der Schweiz zu
Bajel, mit älteren Gemälden u. Handzeichnungen
der Holbein und ihrer Zeitgenoffen und neueren
Gemälden jhweiz. Maler; dann zu Genf, Bern ıc.
C) Brivatgalerien: Arenberg in Brüſſel,
Bedford zu Bath; Mariborougb zu Blenheim bei
Woodſtod; Borgheſe in Rom, eine der großar-
tigften Privatgalerien, mit vielen Meifterwerfen
ber Italiener; Gamuccini in Rom; Garlisie zu
Caſtle rag in Yorkſhire; das Dulwich College
bei London; Durazzo in Genua; Hirfcher zu Frei—
burg i. Br.; Leuchtenberg, ehemals in München,
jetst in Petersburg; Liechtenftein in Wien; Schad
in Münden; Schönborn zu Pommtersfelden bei
Bamberg; Duandt in. Dresden; Raczyuski im
Berlin; Kränner in Regensburg; Balentini zu
Rom; Manfrini zu Benedig; Wagener zu Berlin;
—— zu Wien. Regnet.*
Bildergedidht, jo v. Rebus.
Bilderreime, jo dv. w. Technopaignia,
et, f. u. Schrift.
Dilderftreit (Kirchengeich.), der Streit in der
Morgenländiihen Kirche wegen Verehrung der
Bilder (f. u. Bilderdienft) u. in der Lutheriſchen
Kirhe (ſ. u. Reformation u. Karlſtadt). Dieje-
nigen, welche den Bilderdienſt verwarfen und die
Bilder gewaltfam aus der Kirche entfernten, hießen
Bilderftürmer,
Bilderjtürmer, ſ. u. Bilderftreit.
Bilderverehrung, jo v. w. Bilderdienft,
Bildformfunft (Blaftit), die Kumft, organische
Formen irgend einer Art förperlic greifbar dar:
zuitellen. Je wach der Natur der dazu benutten
Stoffe it die B. Formlunft, wenn fie Thon,
Gips oder Wade, Schnigfunft, wenn fie Holz
oder Bein, Bildhauertunft, wenn fie Stein, und
endlih Bildgießerkunft, wenn fie Erz zur Ges
ftaltung verwendet. Um ein Bildwerk von weicher
Diafie, wie Thon, zu formen, rubt das Material
auf:der beweglichen Scheibe des Boifirftuhls, die
fi nicht nur drehen, jondern auch erhöhen und
„ermiedrigen läßt. Was die Formtunſt anlangt, jo
werden bie Formen aus freier Hand mittels der
Boſſirhölzer od. des Boffirgriffel$ gebildet, nad
bem die Theile aus dem Groben mit der Hand
ausgearbeitet find. Auch der naſſe Schwamm
wird angewendet u. die Flächen mit dem naſſen
Pinfel geebnet. Die fertigen Figuren werden an
der Luft getrodnet, oder, jollen fie länger halten,
nach Art der Töpfer gebrannt. Über das Bild»
formen in Wachs ſ. Wachsbildnerei. Auch die
Stuccaturarbeit gehört in das Bereich der B. —
Die B. jcheint ſchon 2000 Jahre v. Chr. a.
mworden zu fein. So erwähnt ſchon die Bibel,
daß dem Chaldäer Laban jeine Tochter Rahel
Gögenbilder von getrodneter od. gebrannter Erde
entwendete. Die Griechen leiten die B. von
Dibutades, einem Töpfer aus Sikyon, der auch
als Erfinder des Pro- u. Eftypon genannt wird,
je Deſſen Tochter Kallirrhoe ſoll das Schatten-
id ihres Geliebten an die Wand gezeichnet umd
der Bater diefe Zeichnung mit Thon ausgejegt u.
das jo entftandene erhabene Profil getrodnet und
im Ofen gebrannt haben. Als Ürfinder des
Gipsguſſes gilt Lpfiftratos, ein Zeitgenofje des
415
Großen Alerander, der auch zuerft Abgüſſe in
Wachs gemacht haben joll, die in Rom jehr be»
hebt waren. Den Gipsguß brachte Rafael Mengs
auf die Stufe feiner dermaligen Bolllommenheit,
Auch Papiermaché u. Guttapercha werden heute
vielfach als Gußmaterial vermenYet. Später ward
die B. eine Gebilfin der Bildhauerkunſt, da in
weihen Stoffen ausgeführte Modelle die dee
des Künſtlers zuerft ins Leben brachten u. er nad
diefen erft die Statuen im bärteren Stoffen aus—
führte. Indeſſen ward die B. allein auch fort
während zu wirklichen bleibenden Kunftwerfen, zu
Götterbildern für Ürmere, zu arditeftonischen
Bierratben, zu Vaſen xc., im neuefter ‚Zeit aber
zu Abgüffen u. Nahahmungen fteinerner u. mes
tallener Kunſtwerle angewendet. Ihre Gefchichte
zeichnet ſich indeſſen nicht aus, da alle geſchickte
Bildgießer und Bildhauer an u. für fih Bild
former fein mußten, u. was unter Bildgießer-
funft u. Bildhauerkuuſt gejagt ift, gilt alſo auch
für B. Rognet.*
Bildgieherkunft (Kunſtguß, uneigentlich Tor
reutif, da diejes, jtrenge genommen, auch Bear-
beitung des Metall mit jcharfen Juftcumenten
und Bunzen bezeichnet), die Kunst, aus weichen,
Ipäter durch Erkalten u. Austrodnen feite Form
annehmenden Stoffen, wie Wachs, Gips, bei.
aus geihmolzenen Metallen (Eiien, Kupfer, Bronze,
Zinf u. dgl.), Monumente, Statuen od. Bijouterie-
gegenftände herzuftellen. Die B. ſoll von den
Griechen Rhökos u. Theodoros von Samos er-
funden worden fein, welche zunachit einzelne Theile
eines Bildwerfes goflen, dann zuſammenſetzten u.
mit jog. Schwalbenfchwänzen unter einander ver-
Hammerten. Die Kunft, ganze Figuren zu gießen,
ift meit jlingeren Datums. Man goß in Bold u.
Silber, meift aber in Bronze aus Agina, Delos
u. Korinth, Der Erfinder des Eiſenguſſes endlich
ſoll Glaufos geweſen jein. In Betreff der Bronze
ſ. d Art. Das Gießen erfolgt auf doppelte
Weife, auf die Wachs-, oder auf die Thon—
manier. A) Wahsmanier. Hierbei wird
das vom Bildhauer oder Bildichniger verfertigte
Modell in eine weiche Maſſe, 3. B. Thon, Lehm,
oder eine Miihung von feinem Sande u. Aſche
ven Soll, wie bei Heineren Figuren, das
ud freiftehend, doch maſſiv werden, jo braucht
man nur eine Form, welche in zwei oder meh—
reren Stüden von dem Modell genommen: ift,
Größere Statuen hingegen muß man, um das
Metall u. Gewicht zu jparen, hobl gießen; es be-
darf aljo dazu eines Kernes, wie beim Glocken—
gießen. Die Figur, welche gegoffen werden joll,
muß daher erft in Gips geformt werden, über
welches Modell die Form oft in mehreren hundert
Stüden genommen wird. Da, wo die Statue
gegofien werden foll, baut man jodann eine aus—
gemauerte Dammgrube, auf deren Boden ſich ein
eiferner Roſt befindet. Auf diefem Boden wird
der Kern der Statue nah der Geftalt derjelben
errichtet; dieſer befteht mach innen aus eifernen
Stäben u, ftarfem Drahte, gleihjam das Knochen
gerippe der Figur; dieſes wird, gleihjam ftatt
des Fleiſches, mit einer Mafle von Werg, Haaren,
Lehm, Pferdemiſt belegt und fodanıı da, wo es
nöthig jcheint, mit Draht ummunden. Bon den
416
einzelnen Stiiden der Form merden nun dünne
Wahsabdrüde gemacht und dieſe ftatt der Haut
über den Kern gezogen. Jetzt fleht eine Figur da,
deren Außeres ganz der künftigen Statue gleicht,
n. glaubt der Künftler noch bier u. da etwas ver-
befjern zu müſſen, fo muß es jetzt gefhehen. So
ftart die Wachsabdrücke find, fo ſiark wird das
Metall der künftigen Figur, Die Theile der
Statue, welche viel zu tragen haben, müſſen da-
- ber Schon in dem Wachsabdrucke did fein. Auf
den Wachsüberzug des Kernes werden bie Röhren
gefegt, durch melde das Metall aus dem Dfen
in die Form laufen fol. Kleinere Röhren, welche
mit den Hauptröhren in Verbindung fteben, führen
zu den entfernteren Theilen; außerdem miiſſen
auch noch Röhren aufgefegt werden, durch welche
die Puft aus der Form weicht, wenn das Metall
hineinfließt. Die beichriebene Wachsfigur mind
nun mit einer Tünche aus feinem Thon (Form—
Kitt) fo oft überſtrichen, bis der Überzug einige
Zoll did ift, worauf er noch mit einigen dünnen
Thon» u. Lehmlagen überzogen wird. Iſt dieſe
Hülle getrocknet, jo wird fie mit eiſernen Bändern
u. Draht befeſtigt, u. der Mantel iſt fertig. Das
Ganze wird nun mit einer Mauer eingefaßt und
der leere Raum mit Erde ausgefüllt, jo daß man
nur no die Öffnungen der Höhren fieht. Jetzt
wird auf dem oben erwähnten Roſte im Boden
der Dammmgrube Feuer gemacht, wodurch Kern
u. Mantel feftgebrannt werden u. die Wachsab-
drüde zwischen beiden ſchmelzen u. herauslaufen.
Dadurch entfteht der leere Raum, in welchen das
geihmolzene Metall fließt. Bon dem Mundloche
des Ofens, worin das Metall geihmolzen wird,
führen Rinnen bis zu den Öffnungen der Röhren,
auf welden Zrichter von Thon angebradt find,
durch welche das Metall in die Form fließt. So—
bald der weiße Rauch anzeigt, daß das Metall
völlig im Fluſſe ift, wird mit der Stechftange der
Gußofen ausgeftohen. Anfangs werden die Off-
nungen der Trichter mit einem eifernen Stöpfel
zugehalten u. erft geöffnet, wenn die Rinnen u.
der obere Rand des Trichters voll Metall ge-
laufen ift. Iſt der Guß vollendet, fo läßt man
das Ganze erlalten, wirft die Erde aus der Grube
u. ſchlägt den Mantel von der Statue ab, melde
dann vorfihtig in die Höhe gewunden wird, Die
durch die Röhren entjtandenen Angüffe werden
abgejägt, der Kern u. die überflüffige Armatur
wird bejeitigt u. die Oberflähe des Guffes mit
Meigel, Feile und Schabeifen bearbeitet. Die
Übelftände der Wahsmanier beim Bildgieken,
daß 3. B. oft Wachs unaufgelöft zurüdbleibt zc.,
haben ſchon in alten Zeiten B) zu einer zweiten
Manier, der Tonmanier, geleitet, deren man
fih der größeren Sicherheit wegen jett fat all-
gemein bedient. In die von Sand u. Lehm über
das Gipsmodell gemachten Formftiide werden
weiche Thonplättden von der Stärle des beab-
fihtigten Erzguffes genau eingedrüdt; die Form—
ftüde mit diefem Inhalte fodann zufammengefett
und das Innere mit einer Erdmafle, die im
Brennen verbärtet, ausgefüllt. Nachdem alles
getrodnet ift, werden die Sormtbeite auseinander,
Bildgießerkunſt.
wieder über den Kern gepaßt wird, entſteht zwiſchen
beiden der leere Raum, den bisher die Thon—
platten anfüllten u. den das Erz einzunehmen
beftummt ift. Das übrige Berfahren gleicht dem
obigen. Handelt e8 ſich nicht um einen Rundguß,
fordern um den Guß eines Relieis, wird über
das Modell nur eine eimfeitige, natürlich fernlofe
Form, nah Umftänden aus einem oder mehreren
Stiiden beftehend, angefertigt u. zum Guffe bes
nugt. In neuerer Zeit hat C) der Metallguf
auf faltem Wege oder die Galvanoplaſtik große
Wichtigfeit für die Herftellung von Kunftgürfen
erlangt. Die Vorbereitung zu einem großen Guß-
bilde dauert bisweilen länger als ein Jahr. Zus
legt folgt num noch das Cifelir en, mo die lim
ebenheiten, Gußnähte u. Gußfehler weggenommen
u. bei feineren Partien, wie Haaren u. dgl., mit
dem Grabftihel und Meißel nachgeholfen wird.
Der Kunftguß hat feine Aufgabe um fo befjer ges
löft, je genauer u. vollftändiger er das Original
in allen feinen Theilen wiedergegeben hat, je
weniger dabei der Nachhilfe anderer Theile über
laffen ift u. je dider u. fefter das anzumendende
Metall war. (Siehe Eellinis Abhandlung über
die Goldichmiedelunft, überſetzt von Brinfmann,
S. 191 ff., u. Hartmann, Handbuch der Metalls
gießerei.)
Die B., unter welcher man aber nicht ſtets
das eigentliche Bildgießen, fondern auch Bearbeit-
ung des Metalls mit dem Meißel u. dem Hammer
(eigentlih Toreutik im ——— Sinne)per-
ftehen muß, entftand aus der Bildformlunft u. iſt
jehr alt, da beiden Juden Aarons Kalb u. die Me-
talfarbeiten Bezaleels an der Bundeslade u. ihrem
Zubehör ſchon eine bedeutende Volllommenbeit in
diefer Kunft —— Wahrſcheinlich lernten fie
diejelbe von den Ägyptern, doch fannten fie auch
andere orientalische Völler, ja, die Phöniter zei
neten ſich in derjefben aus, wie jhon Homeros ın
der Jlias (23, 740— 44) einen von ihnen ge
fertigten Becher preiiend erhebt, Salomon den
Hiram zur Anfertigung vieler Metallarbeiten (3. ®.
des Ehernen Meeres) beim Tempelbau nad) erw ,
jalem um Arbeiter bat. Auch den Babyloniern
war die B. eigen, da die älteſten Schrififteller
mehrere Metallbildjänlen u. Geräthe im Tempel
des Baal, einer von Semiramis ihrem Gemahl
geſetzten Statue, einer auf Nebukadnezars Befehl
gegoffenen, 60 Ellen hohen Bildſäule in der Ebene
von Duda u, ähnlicher Kunſtwerke erwähnen. Biel
leicht waren aber diefe Bildwerfe von getriebenem
Metall. Zeichen der B. in anderen Theilen Afiens
find der goldene Thron des Midas, die 6 Becher
des Gyges; auch die Bejchreibung des Schildes des
Achillens von Homeros beweift, daß man damals
doch mindeftens Ähnliches kannte, Alle ausge⸗
zeichnete Kunftwerfe diefer Art jhreibt Homeros dem
Hephäftos zu. Als älteftes griechiſches Denkmal
der B. nennt man ein 60 Fuß hohes, unter
Amyflas, König von Sparta, etwa 1500 v. Chr.
gefertigtes Standbild des Apollon, welchem loloſ⸗
falen Unternehmen früher ſchon kleinere voraus⸗
gegangen fein mußten. Doch war aud da mol
nur getriebene Arbeit. Ausgezeichnete Toreuten
die Thonplatten von dem inneren Kern ab» und unter den Griechen waren Mhöfos, Theodoros aut
ganz herausgenommen. Indem hierauf die Form Samos, Bupalos, Arhermos, Bathyfles, Kalli
Bildhauereijen — Bildhauerfunft.
417
machos, Ageladas. Die eigentlich glänzende Epoche | feingeftoßener, trodener Kies, der in heifem Maffer
diefer Kunft begann jedoh erſt mit Phidias, ſo lange gebrüht wird, bis er leimig erfcheint.
Alamenes, Agorafritos, Polyfletos, Prariteles,
Stopas u, Pufippos (Pferde an der Marcusfirche
zu Benedig), Ehares (Koloß zu Rhodos). Auch die
Erz-(Bronze-Jftatuen diefer Meifter mögenzum Theil
wenigftens getrieben gewefen fein, 3. B. die des
Diejer Maffe wird auf einem Brette ungelöjchter
Kalk beigemifht u. diefelbe dam in die gegebene
Form gedrückt. Regnet,*
Bildhanereifen, der Meifel des Bildhauers.
Bildhauerkitt, Kitt aus Gips, dem Staube
Legteren. Als man um 512 v. Chr. auch Privat-|des bearbeiteten Steines u. flüffigem Leime, mel«
perionen eherne Statuen zu fegen begann und
Regenten u. Vornehme ſich endlich felbft in den-
felben abbilden liegen, wurde die B. jehr ge»
wöhnlich; fie ſank indeffen nach u. nach wieder,
u. zu Plinius' Zeiten war fie ſchon fehr in Verfall
gelommen, ja, theilweiſe felbft verloren gegangen,
obgleich fie in Italien ebenfo wie in Griechenland
beliebt geweien war u. man ſchon 508 v. Chr.
verdienten Männern zu Nom metallene Bildfänlen
fetste, ja, fpäter eine große Menge gegofjener Bild»
fäulen von Griechenland nah Rom brachte und
neue durch griechische Künſtler anfertigen ließ.
Selten goß man (be. im früherer Zeit) ein Bild
zufammen, jondern meift nur gliedermeife u. ver-
einigte fodann das Ganze durch Klammern zc. Im
frühen Mittelalter wurde die B. bef. in Eonftan«
tinopel ausgeübt u. bronzene Kirchthüren zc. dort
jelbft für Nom gearbeitet. Vom 14. Jahıh. an
war Italien u. bef. Florenz der Mittelpunkt diefer
Kunf. Andrea di Eione (Orcagna), Pietro da
Firenze, Lor. Ghiberti u. Donatello wedten die B.
wieder; mit Glüd folgten A. VBerrochio, J. Tatti
(Sanfovino), della Porta, Benvenuto Gellini,
rt Andr. Riccio, Joh. von Bologna,
. Tacca, Bernini und unter der Franzofen P.
Biard, Mariys, Eoyfevor, Bouchardon, Couſtou,
Lemoyne. Baumgaerten (Desjarding) u. Girar-
din waren bier die Erften, welche bei Neiter-
bildfäulen Pferd u. Meiter aus einem Guffe ver-
fertigte, da diefe bisher getrennt gegoffen worden
waren. Außerdem zeichnete fih B. de Eofta in
Portugal, Lione Lioni u. Vergara in Spanien,
Biihof Bernward von Hildesheim, Peter Biſcher
(der in Nürnberg das Grabmal des St. Sebaldus
ach Mart. Freiy, Hubert Gerhard, Balth. Keller,
Johann Krumpter, Wolfg. Neidhard, Egid Seflel-
jhreiber, Adr. de Bries, G. Schweigger u. Joh.
Jacobi (der die Reiterftatue des Großen Kurfürften
nah Schlüter Entwurf goß) in Deutfchland, u.
der Franzoſe Falconet durd die folofjale Bronze-
fatue Peters d. Gr. zu Petersburg in Rußland
aus. Die mwichtigften monumentalen Giüfje der
Neu eit find Zauners Reiterbildſäule Joſephs II.
in Wien, Ludwig XIV. u. Heinrih IV. zu Pferde
u Paris, die in Berlin gegoffenen Statuen
lüchers zu Noftod u. Breslau, die deffelben zu
Berlin, die Öutenbergs zu Mainz, die A. Dürers
in Nürnberg, Arndts in Bonn, Goethes u. Scil-
lers in Weimar, Luthers in Worms u.a. Was
der Kunftguß der Gegenwart zu leiften vermag,
das haben die Werkftätten von Stiglmayr u. Miül-
ler in Münden, Burgihmiet in Nürnberg u. die
Berliner Gießerei in der Bavaria, in dem Dent-
mal Friedrihs des Großen, in dem Radetzky—
monument, in dem Zinkguß, den Arbeiten von
Geiß in Berlin (die Kißſche Amazone u. a.) zur
Genüge gezeigt. Schlieflih wäre auch noch
des Steingufjes zu erwähnen.
Pierers Univerfal:Eonverfations:terifon. 6. Aufl, IM. Band.
her an der Luft bald fteinhart wird und womit
die Bildhauer ausgefprungene Lücken ausbeffern.
Als andere Miſchung zu Steinfitt wird eunpfohlen:
4 Loth Leim in Eſſig deftillirt, dann im ſolchem
ejotten, dann hierzu Knoblauch, der mit 1 Loth
hiengalle zerrieben ift, u. durch ein Tuch in den
Leim gepreßt. Ferner 14 Duent. Maftir oder
Fiſchleim, 1 Quent. geriebener Gummi Sandrad)
u. ebenjo viel Terpentin mit ſtarlem Branntwein
3 Stunden auf gelind warmem Ofen, öfter ge-
fhüttelt u. mit dem Leime vermifcht u. —
bis das Ganze kalt u. hart wird. Beim Ge—
brauche wird die nöthige Quantität in Eifig er-
weicht u. auf Kohlen zerlaffen.
Bildhauerkunſt, in der Reihe der drei räum-
lichen Künfte die mittlere Stelle einnehmend (f.
Bildende Künſte). Der Umftand, daß in ihr Mas
terial u. Ideengehalt in einem gemiffen Gleichge—
wichte ftehen — während in der Architektur die
Schwere des Materials, in der Malerei das Ge
wicht des Fdeeninhaltes überwiegt — madıten fie
vorzugsweiie zur Hauptkunſt des Fünftlerifch ges
bildetften Bolfes, der Hellenen, in dem Maße, daß
die plaftiiche Anfhauung (auch abgejehen von der
Sculptur ſelbſt) das bejtimmende Princip der
helleniichen Kunft überhaupt, ja der autifehelleni-
hen Lebensgeftaltung felbft wurde,
I. Was den fpecifiihen Charakter der B. bes
trifft, fo ift im ihr, wie in jeder Kunft, eine
materielle (technische) Seite u. eine ideelle (fünft-
leriſche im engeren Sinne) zu untericheiden, fowie bie
Beziehung beider Seiten auf einander zu beflimmen.
A. Von der tehnifchen Seite betrachtet, ift die
B, mejentlih Sculptur, d. h. die Kunft, aus
jetem Material, wie Stein (namentliih Marmor),
Metall (befonders Bronze), Holz, Thon, Wachs,
Gips ꝛc. Menihen» u. Thiergeftalten in körper»
licher Form darzuftellen. Im weiteren Sinne
fünnen daher alle Techniken, welche nicht mie die
Malerei durch bloße Farbenunterſchiede auf der
Fläche, fondern durch räumliche Körperhaftigkeit
Formen der Wirklid;feit nachbilden, zur B. gerech-
net werden, alfo der Metallguß, das Treiben in
Metall, die Stempel» und Steinichneidefunft zc.
(vgl. Bildnerei). Im engeren Sinne verfteht man
darımter jedoch nur diejenige Art der Sculptur,
welche aus einem gegebenen feſten Stoffe durch Ver⸗
änderung der Oberfläche mitteld Ausmeißelns, Aus-
ſchnitzens oder Ausfeilens derjelben die beabfidy-
tigte Geftalt herausarbeitet. Das Verfahren ift
dabei im Wefentlihen folgendes: Nachdem der
Bildhauer, um feine fünftleriiche Idee nach ihren
anz allgemeinen Hauptformen zu firiren, eine
Skizze entworfen, indem er in einem weichen Ma⸗
terial, wie Thon, Wachs u. dgl., ein rohes Abbild
feiner Idee im Kleinen gemacht, u. diefe fo lange
geändert hat, bis fie diejenige Totalwirkung für
Hierzu dient!die Anfhauung hervorbringt, welche in dem voll»
27
418
Bildhauerkunft (Techniſch-Künſtleriſch).
endeten Werke beabfichtigt ift, wird die Skizze in,ftörung oder Berftiimmelung des danach gefertigten
Gips abgeformt und bleibt fo für alle weiteren; Werkes das lettere nur auf Grund des Borbildes
Stufen der Ausführun
allgemeine Regulativ, Der nächſte Schritt ift die
Herftellung eines Modells in der beabfichtigten
Größe des Werkes. Wenn die Skizze nur das all-
gemeine Borbild für die Ausführung barftellt, von
welchem in einzelnen Details noch abgemwichen wer-
den Tann, ohne indeffen die durch die küuſtleriſche
dee bedingte Totalwirfung zu beeinträchtigen
(denn in diefem Falle müßte eine neue Skizze ge-
madt werben), fo ift das Modell auch im den
Einzelheiten die genane Borlage für die gefammte
Detailausführung, alfo nach der künſtleriſchen Seite
hin das eigentlihe Original, da das danach aus-
geführte Wert — abgefehen davon, daß der Künſt—
ter dabei auch andere Hände beſchäftigt — in der
That nur die (allerdings in edlerem Material aus-
geführte) Eopie deffelben if. Das Modell wird
von dem Bildhauer, namentlich bei größeren Wer-
fen, in naffem Thone modellirt u. ganz mit ber-
jelben Sorgfalt, als jei e8 das (ipäter in hartem
Material auszuarbeitende) Werk ſelbſt, bis in die
Heinften Details u. in der beabfichtigten Größe des
tetsteren ausgeführt. Während derModellirung muß
der Thon durch fenchte Lappen u. Anfprigen mit
Waſſer gleihmäßig feucht erhalten werden, damit er
sticht ſchwindet (zuſammentrocknet) od. Riffebelommt,
was namentlic bei umfangreicheren Werfen das
gänzlihe Zufammenftürzen u. damit den Berluft
der Arbeit verurſachen kann. Zur größeren Sicher⸗
ung derſelben wird daher, bej. bei koloſſalen Mo—
dellen, auf dem Modellirftuhl ein Gerüft aus ftarken
Eiſenſtäben befeftigt, welche in der allgemeinen Richt-
ung der Ertremitäten der Figur, 3. B. der Arme u.
Beine, beſonders auch bei Heiteritatuen, fih aus-
jtreden; um diefe Stäbe wird dann der Thon ge-
formt, Iſt die Gefahr des Zerbrechens des Thon-
modell3 wegen der zahfreihen u. jchlanfen Glie—
derung fehr groß, jo werden an dem Eijengerüfte
noch eine Menge an Dräbten fehwebender Holz»
klötzchen befeftigt, welche fi rings um das Gerüft
in der Richtung nach der zu formenden Oberfläche
des Modelld ordneu und den Zweck haben, den
Thon in fefterer Verbindung mit dem Gerüfte zu
erhalten. Fit das Thonmodell vollendet, jo wird
davon zunächft, feiner geringen Haltbarkeit wegen,
ein Gipsabguß gemacht (Gipsmodell). Dies ge-
jchieht mittels einer entweder ebenfalls in Gips,
oder in Guttapercha, Leim ac. herzuftellenden Form.
Bei Heineren Werken wird das Thonmodell im
Ganzen abgeformt, bei größeren wird es in Theile
zerichnitten, diefe geformt u, die einzelnen Yyormen
dann behufs des Abguffes zufammengejegt. Die
Form ift echt, wenn fie wieder in Theile zerlegt
u. zum Zwede ernenerten Abgufjes zufammengejett
werden fann. Unechte Formen nennt man jolche,
welche nad erfolgtem Abguffe von dem Kern ab»
gefchlagen werden. Das auf lettere Weife ge-
tormte Gipsmodell ift, da dann fowol das ur-
iprünglihe Thonmodell, wie die über demfelben
gelert gie Form zerftört ift, nunmehr das eigent-
liche Original, nah welchem das Wert felbit in
Marmor oder anderem Material ausgeführt wird.
Sole Gipsmodelle werden von den Künftlern
des Merfes jelbit das genau wiederholt, bezw. reftaurirt zu werben ver-
mag. Die technijche Ausarbeitung des Werkes in
hartem Material ift je nach der Beſchaffenheit des
letteren eine verfchiedene, indem es entweder *
Stein od. Holz) ſculpirt, oder (in Metall) gegoſſen
wird. Bei Marmor u. anderen Cteinarten (Ala-
bafter, Spedftein, Granit, Porphyr, Sandftein)
wird der Blod, nachdem er nad) Länge u. Stärke
im Marimalumfange des Gipsmodells rob behauen
ift, punktirt, d. h. es werben mittels des Punftir-
zirfels, deflen Schenkel bedeutend nach einwärts
gekrümmt find, fo daß die Spiten gegen einander
gerichtet ericheinen, die Hauptpunfte der Oberfläche
des Modells auf den Blod übertragen, indem von
dem letzteren an den betreffenden Stellen fo viel
abgeichlagen wird, bis die übertragenen Punkte
enau mit denen bes Modells correfpondiren. Diefe
Bunfte, welche nad vollendeter Bunktirung Modell
wie Blod mit einem fternartigen Syſtem von
Merkzeihen bededen, bilden num die Regulative,
nach welden mittels des Meißels die Oberfläche
des Blodes bearbeitet wird, indem bie zwiſchen
ihnen liegenden Flächen, bei fortdauernder Ber-
gleihung mit dem Modell, zunäcft in roher Weife
behauen werden. Diejes Herausarbeiten aus dem
Roheſten, wodurd der Blod jedoch ſchon in der
Form eine annähernde Ahnlichleit mit dem Modell
erhält u. welches gewöhnlihd mit zum Punftiren
gerechnet wird, überläßt der Bildhauer meift unter-
geordneten Kräften u. legt erft, wenn die Bunktir-
ung vollendet it, felbit Hand an, um das Wert
zu vollenden. Beim Gießen in Metall findet feine
Punftwung ftatt, fondern es wird innerhalb der
echten Form ein Kern von Thon gemacht, welcher
von der inneren Oberfläche der Form jo weit ab»
jtebt, al$ die Dide des Metallguſſes betragen fol,
bei kleineren u. daher auch leichteren Werten 1/5
bis %/,*, bei umfangreicheren in größerer Stärke.
In dieſen Zwiichenraum zwiſchen Mantel u. Kern
wird das in Fluß gebrachte Metall hineingelaſſen,
bis es alle Lücken ausgefüllt hat, worauf nad
Erlaltung die Form abgeichlagen und der Kern
herausgenommen wird, (5. Erzguf.)
B. Bon der fünftlerifhen Seite betrachtet,
ift die B. wefentlih Plaftil, d. h. die Kunſt,
fünftlerifche Ideen, jofern fie iiberhaupt für ſolche
Darftellung geeignet find, in körperlicher yorm«
eftaltung zu verfinnlichen. B., Sculptur und
Plaſtik find fynoyme, aber nicht gleichbedeutende
Ausdrüde, die oft verwechielt werden. Der erite,
al8 der allgemeine Begriff, umfaßt die beiden
anderen, von denen Sculptur die technifche, Plaftit
die fünftleriiche Seite bezeichnet. Die Plaſtik ift
abstracter (idealiftiicher), als die Malerei, weil fie
des realiftiihen Darftellungsimittels des Colorits
entbehrt; fie ift deshalb nach der Seite der reali-
ftifhen Motive enger begrenzt, als die Malerei,
während fie auf der Seite der ibealiften Motive,
3. B. in der Anwendung der Allegorie (f. d.),
meiter geben fann, als diefe. (Bgl. Bildende Küufte,)
Ste ftellt entweder in völliger Körperhaftigteit
(Rundform), oder in Nelief dar, in welchem let-
teren die Geſtalten mehr oder weniger flah (Hod-
forgfältig aufbewahrt, weil bei vorfommender Zere;relief, Flachrelief) auf einer Fläche hervortreten.
Bildhauerfunft (Orient).
Aber damit 'nähert fie fih nicht nur micht der
Malerei, fondern entfernt ſich noch weiter von ihr
u. wird, je flacher das Nelief, defto mehr der
419
‚der dritten eine Hinmeigung zu lebhafterer Be-
mwegung der Formen u. damit zu einer mehr
malerischen Behandlung fih manifeftirt. Nach
Zeihnung verwandt. Als Rundform ftellt fie ent-|diefer ſummariſchen Überihau über die ideelle
weder einzelne, oder mehrere,
verbundene Geftalten auf einem
dar. Eharakteriftiich für die Plaftif, im Unterichiede
von der lebendigeren Malerei, ift das Gepräge
einer gewiſſen maßvollen Ruhe, welches ihre Ge—
falten bejeelt; Bemwegtheit der ‚Formen, nament ⸗
ih bei Gruppen, ift zwar nicht ansgefchloffen,
wird aber leichter zum Fehler, als bei der Malerei.
Außer der Darftellung der menſchlichen Geftalt, fei
e3 in directer Verſinnlichung ihrer Schönheit, oder
in ſymboliſcher Berwerthung derjelben zum Aus-
drud überfinnlicher Fdeen, umfaßt die Plaftil auch
die Vorträtirung von Yudividuen, und zwar
entweder in Form von Dentmälern (Statuen u.
Statuengruppen), od. in Form von Büſten, d. h.
Bruftbildfäulen auf Piedeftalen (Fußgeitellen). Auch
bier zeigt ſich die größere Angemefjenbeit der Plaſtil
für idealiftiiche Auffaffung, indem bei folden Por-
trätbüften oft vom Goftüm ganz abstrabirt u. Kopf,
Hals u. Bryft frei auf einen Heinen runden Fuß
geftellt wird, während dies der Malerei bei Brujt-
bildniffen nicht geftattet if. Auch das Genre u.
die Thierdarftellung bieten der Plaſtik daufbare
Motive dar, doch find dies ſchon untergeordnete
Gebiete derielben; das Stillleben dagegen, welches
die am meijten realiftiiche Gattung der Malerei
bildet, ift der Plaſtik verjchloffen; ebenio die Yand-
ſchaft, jedoch diefe aus dem anderen Grunde, weil
fih die Plaftif iiberhaupt nur mit den Geſtalten
des organiſchen Lebens zu befaſſen hat. Im wei—
teren Sinne allerdings, als Dienerin der Architektur,
kann fie dann auch, behufs ornamentaler Geftalt-
ung: Formen des vegetativen und unorganiſchen
Lebens verwerthen, jedoch nur im ftilifirter Weife,
ohne directe Naturnachahmung (Arabeste). Da-
mit ift fie aber bereits aus ihrer eigentlichen Sphäre
als jelbftändige Kunft heraus im das Gebiet der
Teltonik getreten.
II. Die Gefhichte der B. erftredt'fich in ihren
vg bis in die allerälteften Zeiten der menid-
Iihen Euftur. Das Geſetz ihrer ‚Fortbildung, und
zwar ſowol rüdfihtlich ihrer Gefammtenttwidelung,
wie in Betreff der einzelnen Hauptabjdmitte, ıjt
daſſelbe, welches fich in der Geneſis der bildenden
Künfte überhaupt erfennen läßt, nämlich der
Fortgang von Ruhe zu Bewegung. Daraus er:
Närt e8 fi, daß die drei Hauptperioden der B.
den Grundcharakter der drei bildenden Künfte tra-
gen, indem die eıfte (ovientalifche Plaftit) einen
weſentlich architeltoniſchen, die dritte (Plaſtik der
hriftlihen Zeit) einen vorherrſchend maleriichen
Charakter zeigt, während die zwifchen ihnen ſtehende
zweite Periode (claffiih-antife Plaſtil) den im
eigentlihen Sinne plaftiihen Charakter offenbart
u. daher als die höchſte Blüthezeit der B. über—
haupt zu betrachten ift. Ja, im jeder dieier drei
Entwidelungsphafen wiederbolt fich daſſelbe Ge-
jeg, wie 3. B. in der hellenifchen Blaftif die erſte
Epoche, als archaiſtiſche, noch in vieler Beziehung
an den ardhiteltontsch -fteifen Stil der ägyptiſchen
Plaſtik erinnert, während, nad dem Culminiren auf den heutigen Tag geblieben.
u einer Gruppe Geneſis der gefammten B. ergibt fich die jpecififche
odel (Jußplatte) Bedeutung fowol der Hauptphafen ihrer Geſchichte,
wie der innerhalb jeder derjelben wiederum zu
unterfcheidenden Entwidelungsperioden von jelbit.
A. Die altorientaliiche Blaftil wird haupt»
fählih durch die Inder, Babylonier, Aſſyrer,
Perſer, Phöniler u. Israeliten, ſowie die Agypter
repräſentirt. Ihr gemeinſames Kennzeichen ift
ihr architeltoniſcher Charalter überhaupt, der
ſich in dem Vorwalten ſymmetriſcher und dadurch
ſteiſer Formen, ſowie einer theils geheimnißvollen,
theils nüchternen Bewegungsloſigkeit ausſpricht.
Sie lehnt ſich daher auch meiſt an die Baukunſt
an, von welcher ſie ſich überhaupt noch nicht
völlig frei gemacht hat, derart, daß gewiſſe
loloſſale Schoͤpfungen, wie die ſtatt der Säulen
als Träger fungirenden Elephanten in den indiſchen
Felſentempeln, die Sphinxe der alten Ägypter ⁊c.
es ſogar zweifelhaft laſſen, ob ſie als Producte der
Baukunſt oder der B. zu betrachten ſind. a) Die
altindiſche Plaſtik, welche wol nach der in weit
frühere Zeit hinaufreichenden ägyptiſchen als die ger
ſchichtlich Ältefte B. betrachtetwerden darf, wenngleich
die meiften der befannten vorbandenen Denkmäler
nicht über das 4. Jahrh. vor unferer Zeitrechnung
datiren, lehnt ſich unbedingt an die Architeltur an
und trägt einen wejentlih dogmatiſch-religiöſen
Charakter. Sie beſteht emtweder in einzelnen
Göttergeftalten, Brahına, Wiſchnu, Siwa, oder —
u. zwar im iiberwiegender Mehrzahl — in Reliefs,
deren Inhalt der Göttergefchichte entnommen iſt.
Die Darftellungen zeigen faft durchgängig das
Gepräge einer Igmboliiirenden Phantaſtik, weiche
trog aller Überſchwenglichkeit ſich doch auf bloß
quantitative Combinationen beichräntt, d, h. jtatt
des Ausdrudes ideeller Größe werden entweder
folofjale Mafverhältniffe gewählt, oder Berviel»
jachung von Öliedern, oder auch Gombinationen
von Menjhen u. Thierformen. So gibt es auf
Ceylon u. a. DO. Statuen von Buddha, welde
über 30 m bob find; Wiſchnu wird entweder
mit vier Köpien, oder mit einem Löwen- oder
Ejelsfopfe, Ganeſa mit einem Elepbantenfopfe dar»
geitellt; acht- u. mehrarmige Götterfiguren fom-
men auf Welief3 jehr häufig vor. Außer den
religtöfen Darjtellungen finden ih and Kriegs»
icenen, 3. B. an den Portalen des großen Buddhi-
jtiichen Grabbügels zu Santſchi. Am reichiten mit
Bildhauerarbeit ausgejtattet find Die Felſentempel
von Ellora u. Mahamalaipur an der Kiüfte von
GCoromandel. In vieler Beziehung ähnlich ift der
Charalter der binefiihen und japanefifhen
Plaſtik, auf weiche vielleicht die altindiſche B. einen
beftimmenden Einfluß ausgeübt bat; aber der
profaifhe Sinn der Chineſen lenkte die Kunft
einerfeit8 auch auf Darftellungen aus dem ge—
wöhnlichen Leben, anderſeits ericheint der indiſche
Stilharalter, mamentlih in der Geftaltung von
Dämonengeftalten u. Idolen, bis zur Fratzenhaftig ·
feit verzerrt. Und fo ift die chinefiihe Kunſt bis
b) Die Blaftif
der claffiihen Plaftit in der zweiten Periode, iniBabyloniens u. Ajfyriens reicht ebenfalls in
27*
420
ſehr frühe Zeiten zurüd; ihre Werke liegen jedoch
zum größten Theil in den verſchütteten Paläften
von Nimtud, Khorſabad u. anderen uralten Städten
begraben. Im Gegenfage zu der mehr beichau-
liden, auf religiöfe Bertiefung angelegten Natur
der alten Hindu tritt bei diejen Völkern ein mehr
friegeriiher Sinn hervor; daher aud ihre Den»
mäler vormwaltend Herrihergeftalten u. kriegeriſche
Bildhauerkunſt (Orient).
auch die Sphinre zu rechten, welche zum Theil,
wie der Sphinrlolog im Gräberfelde von Mem-
phis, der 51 m mißt, von foloffaler Ausdehn-
ung find (ſ. Sphinx). Die zweite Periode der
ägyptiſchen Sculptur concentrirt fih in heben,
als der Hauptftadt des neuen Reiches. Obſchon
der urjprüngliche Typus ftarrer Unbemwegtheit u.
conventioneller Geftaltung feftgehalten wird, zeigen
Scenen darftellen, meift jedoch ebenfalls in aus-|die Werfe diefer Epoche, melde vom 16. bis
gedehnten Reliefs. Auch Fagdicenen, worin indeß
der Herricher ſtets die Hauptrolle fpielt, find häufig;
überhaupt tritt die Healität des wirklichen Lebens
in den Bordergrund. In der Auffaffung der
Figuren, wie aud in der Manier, die figiirlichen
Neliefdarftellungen mit Schriftzeichen (Keilichrift)
u bededen, haben die altaffgrjihen Denkmäler
Berwandtfchoft mit den Ägpptiihen Sculpturen.
Die altperfiiche Plaftif (Reliefs von Bafargadä u.
Berjepolis) ſchließt fih im Charakter der altafiy-
riihen an; in den fpäteren Denfmälern zeigt fich
jedoch ſchon einmildernder Einfluß, der auf auswär—
tige Einwirkung bindentet. e) Die bildende Kunſt der
Phöniker und der mit dieſen darin ſehr ver—
wandten Juden war vorzugsweiſe Kleinkunſt;
namentlich war ſie im Erzguſſe von Prachtgeräthen,
ſowie im Edelſteinſchnitte ſehr bewandert. Bon der
israelitiſchen Sculptur meldet die Bibel einige
Beiſpiele (das goldene Kalb [Apis] u. die eherne
Schlange); die Cherubim in der Stiftshütte ge-
hören im diefelbe Kategorie; alle waren mol
fünftlerisch ehr unbedentend. d) In der ügypti«
jhen B., mie in der ägyptifchen Euftur iiberhaupt
verbindet fi} der vormaltend myſtiſch- religiöje
Charakter der indischen Welt mit dem in der afiy-
riſchen Kunft überwiegend hervortretenden Streben
nad) realiftiicher Berherrlihung der Herrſchergewalt.
Aber es fommt zu diefen beiden Momenten, we—
nigftens in der fpäteren Zeit, noch ein drittes
hinzu: die Darftellung von Scenen des Privat-
u. Familienlebens. Die ägyptiſche Sculptur bietet,
da ihre erhaltenen Denkmäler viel weiter in die
Bergangenbeit hinanfreihen, als die der übrigen
orientalifhen Bölter — nämlich nahe an 3000
Fahre vor unferer Zeitrechnung — nicht nur einen
größeren Reichthum an Kunftwerfen dar, jondern
man kann au, trog der dem Orient überhaupt
anhaftenden Stabilität des geſchichtlichen Lebens,
eine beftimmte Fortbildung in ihnen nachweiſen.
Auch in der ägyptischen Plaſtil überwiegen, bei.
in der Älteften Zeit, die Reliefs bedeutend die
freiftehenden Werke; namentlih find die Wände
der Grablammern der — als die älteften befannten
— Gräbergrotten von Memphis mit zahlreichen
Flachreliefs bededt, deren Figuren außerdem ge»
färbt ericheinen. Die Köpfe find ftets im Profil
dargeftellt, welche Stellung aud die Körper zeigen
mögen. Der Inhalt der Darftellungen bezieht
ſich ſtets auf Schilderung des Privatlebens der
Berftorbenen: fo findet man Scenen der Jagd,
des Fiſchfanges, des Aderbaues, der Schifffahrt zc.,
die durch beigefeßte Hieroglyphenſchrift näher er-
Härt werden, Seltener finden jih in den Grab—
fammern fitende Statuen der Berftorbenen in
Granit oder Porphyr, dargeftellt in ftarrer, ſym⸗
metriich gegliederter Haltung. Zu dem eigenthün«
lichſten Öebiiben der älteften ägyptiſchen B. find
12. Jahrh. vor Chr. ſich erftredt, doch eine grö-
here Mannigfaltigkeit der Darftellungen. Nament-
lich find es die Tempelbauten u. Felſengräber von
Karnad, Luror, Medinet-Abır, ferner höher hinauf
die von Ipſambul u. Girfcheh, welche fi dur
großartige Maffenhaftigleit und Reichthum an
Sculpturen auszeichnen. Die Darftellungen find
entweder Reliefs, welche fi) auf das Leben der
Herricher, ihre Kriegszüge zc. beziehen, oder freie,
meift fiende Götter- u. Pharammenfiguren, endlich
Sphinre u, Apisfignren, welche zu den Eingängen
der Tempel zumeilen lange Alleen bilden, Auch
in der dritten Periode, unter der Herrichaft der
Ptofemäer, fowie zur Zeit der römiſchen Herr-
ſchaft bleibt der Charalter der ägyptichen Sculp-
tur ziemlich derfelbe, wenn fich aud in den Gegen-
ftänden der Darftellungen hin u. wieder ein euro»
päifcher Einfluß, namentlih von Hella ber, be-
merkbar madt. e) Eine Eharakterverwandicaft
mit der altorientaliihen B. zeigen auch einerſeits
die ihrem Urfprunge nach räthjelhafte altame-
ritanifche, anderjeits die (europäiih) altnor-
difhe Sculptur. Die altamerifanifhe B., in
engiter Verbindung mit der Baufunft, concentrirte
fi hanptfählih auf SAmerifa u. Mexico. Zur
Zeit der Entdedung von Amerika, infolge deren
— namentlich durch die Eroberung Perus — viel
zerftört wurde, befand ſich die altamerikaniſche
Kunſt bereits in der Periode des Berfalles, aber
die vorhandenen Denkmäler, zum Theil von ime
pofanter Großartigkeit, deuteten auf eine lange u.
bedeutende Entwidelung der Kunft u. der Cultur
überhaupt. In dem alten Inkareiche, welches
das heutige Peru, nebſt Quito und Bolivia um—
faßte, finden fi) zahlreihe Pyramidengruppen u.
andere Baumerfe, die zum Theil mit Nelief3 von
phantaftischer, aber jchon entwidelter Form (Tias
huanaco u. Titicaca in Bolivia) bededt find. Bon
höherer Bedeutung u. größerem Umfange find die
altmerifanifchen Denkmäler, die von einer hoben
Eulturftufe zeugen, deren Blüthe etwa in das 7.
bis 12. Zahrh. n. Ehr. fällt. Zur Zeit der Er-
oberung Mericos durch Cortez waren die Azteken
das herrfchende Boll. Der in manden Bunlten
an die altafiatifche Kunft erinnernde Charafter der
Denkmäler ift weſentlich religiöfer Urt; es find
riefige Opferaltäre (Teolalli), welche fih in Form
vierjeitiger Pyramiden, oft terrafienförmig bis zu
beträchtlicher Höhe erheben u. mit Relief und
Hierogiyphen gefhmüdt find. Die eine Pyramide
in der Nähe der Stadt Merico, genannt Tonatiuh
Pizaqual (Haus der Sonne) hat eine Bafıs von
645 Fuß im Quadrat u. eine Höhe von 171 Fuß.
Befonders reich mit Sculpturen geihmüdt waren
die Pyramiden von Xochicalco füdlih von Mexico,
von Palenque in der Provinz Chiapa, von Urmal
in der Provinz Yucatan, die Paläfte von Mitla
Bildhauerfunft (Elafj. Zeit).
421
in der Provinz Daraca, von La Quemada beilmol — in Parallele mit dem alten Stil der erften
Billanueva u.a. m. Im Allgemeinen berricht in
der Auffaffung der Figuren das Phantaftiiche, ja
Monftröfe vor, ohne daß indeß — u. hierin be-
Epoche — als großer, hober u. jchöner Stil der
helleniſchen Plaſtil bezeichnet zu werden pflegt.
Als Borläuferin der claffiich-antifen Plaftit über-
ruht ihre Originalität — weder, wie in Agypten, haupt fann die mit der altgriedifhen verwandte
Glieder verihiedenartiger Organismen combinirt, pelasgiſche,
noch, wie in Indien, einzelne Glieder vervielfacht
ericheinen. Auf einem runden Opferaltar in Mexico
ft in Basrelief eine zuſammenhängende hiſtoriſche
Scene, Krieger mit Befiegten daritellend, abge»
bildet. Bejonders zu erwähnen ift der koloſſalen
Bajaltftatue der aztefifchen Todesgöttin, einer mon—
firöjen Combination von Schlangen, Krallen, Ber-
len, Schädeln, Federputz u, anderen Ornamenten,
unter denen die Geſtalt der Göttin faft verichwin-
det. Noch weniger als in der altamerifaniichen
Kunft zeigt fi in der altnordijch-europäticdhen
die B. von der Architeltur abgelöft,; außerdem
aber ftebt fie auch anf einer viel niedrigeren Stufe
der Entwidelung, namentlid in ftatuarifcher Hin»
fiht. Die Gräber aus der heidnijchen Zeit, melde
faft die einzige Ausbeute für die Kenntniß ber
bildenden Kunſt des altgermanifchen u. Feltifchen
Nordens bilden, enthalten außer Wafien u. ver-
zierten Geräthen bejonders "Urmen von Thon,
Spätere Berichte aus der Zeit der Einführung des
Chriftenthums melden zwar von Götterbildern,
dod weiß man mit Beftiinmtheit nur bon ben
(laviſchen) Bildwerfen an dem Götzentempel zu
Stettin, mworunter ſich einzelne koloſſale Götter-
bilder von Holz befanden, die zum Theil mehr-
föpfig waren. Bon Metall finden fih nur Heine
bronzene Idole. Übrigens bat ſich zu wenig er—
halten, um über den eigentlichen Charalter der
alinordiſchen Kunft ein Urtheil zu gewähren,
B. Die claſſiſch-antike Plaftık ift fireng ge-
nommen mit der belleniichen identiih, da die
römiſche fih nit mur an fie als Vorbild an—
lehnte, jondern auch die in „alien, namentlich)
zur Kaiferzeit, gefertigten Denkmäler meift von
riechiſchen Bildhanern modellirt wurden. Bon
efichtspumfte der biftoriichen Entwidelung kann
man daher beide nicht trennen, fondern muß die
römiſche Sculptur als eine Fortfegung u. theil—
weile auch Entartung der bellemiichen betrachten.
Danach zerfällt die claffisch-antife Plaſtik in drei
Hauptentwidelungsepochen: 1) bie archaiſtiſche,
in welcher noch eine an die orientalifche, naments
lich ägyptiſche Sculptur erinnernde Steifheit u.
Bewegungsloſigkeit vorherrſcht; 2) die helleniſch—
claſſiſche im engeren Sinne, in welcher das
ſchöne Maß edelſter plaſtiſcher Ruhe bei höchſter
Idealſchönheit der Form erreicht wird; 3) die
griechiſch-römiſche, welche durch die mehr u.
mehr zur Beltung fommende Tendenz auf größere
Bemwegtheit der ‚Formen u. malerischen Fluß der
Linien allmählich die Grenzen der plaftiichen Schön—
beit überſchreitet u. fchließlich zur Entartung u.
zum Berfalle führt. Der auferordentlihe Reich.
fhum an künſtleriſcher Productivität, welcher dem
helleniſchen Bolte überhaupt eigenthilunfich ift, ſowie
die große Bielfeitigfeit der Anfchauung, die fi
in dem Auseinandergehen in bejtimmte Schulen
manifeftirt, macht eine weitere Gfiederung nament-
ih der zweiten Hauptentwidelungsepode nöthig,
fowie die von Norden ber in
Falten eingewanderte etruskiſche Kunft betrach«
tet werden. Bon der pelasgiſchen Sculptur ift
weder in Griechenland noch in Italien Bedeuten-
des erhalten (die Sculpturen am fogenannten
Löwenthore von Mykene find der einzige Reit von
der pelasgifchen B. in Griechenland). Die etrußs«
liſchen Denkmäler in Ftalien dagegen bilden eine
reihe Fundgrube für die Kunftarchäologie, obwol
fie fih zum größten Theil auf das Kunfthand«-
werkliche beſchränlen, hierin aber eine hohe Stufe
der techniſchen wie künſtleriſchen Entwickelung
offenbaren. Die eigentliche Blüthezeit der etrus-
liſchen Kunft fällt in die Zeit der Gründung Koms
u. fchließt mit dem fünften Jahrhundert, als die
helleniſche Sculptur ihren Eulminationspunft er»
reichte. Bon da bis in das erfte Jahrhundert
u. Chr. finft die etrusfiihe Kunſt allmählich, bis
fie fchließlih in der römiſchen verichwindet. Zu
dem Älteften plaftiihen Denfmälern Etruriens ge-
hören einige Neliefs an fteinerneu Örabpfeilern u.
Altären, tbeils Feſtzüge, theils Tänze darftellend,
in einem Stil, der an die altgriechiſchen Reliefs,
theilweiſe auch an die altperſiſchen Sculpturen er—
innert. Die größte Zahl der Werle gehört aber
der Keramik, viele auch dem Erzguß an. Außer
den großen Reliefs u. Gruppen in gebranntem
Tbon an den Giebeln der Tempel (3. B. das
Biergefpann auf dem Giebel des Capitolinifchen
Tempels zu Nom u. die thönerne Statue des
Jupiter in der Dittefcella deffeiben Tempels) find
es befonders die verfchiedenartigften Gefäße, Vaſen,
Acenkrüge zc., welche im großen Mengen
fabricirt wurden. Höhere Ausbildung in der Form
zeigt der etrustische Erzguß, welcher allmählich das
Thonrelief verbrängte. Eherne, beſonders bron⸗
zene Standbilder Ihmüdten alle Städte in großer
Denge. Als im Jahre 265 v. Chr. die Römer
Volfinii eroberten, fanden fie in diefer Stadt allein
gegen 2000 folder Standbilder. Etruskiſche
Bronzeftatuen finden fih in faft allen größeren
Diufeen. Anh in der Kunft des GSteinichnittes
waren die Etrusker bewandert; als eine Specia-
likät find die gravırten Zeichnungen auf der Rüd«
jeite der etrustichen Spiegel u. auf bronzenen
Schmudläfthen zu betrachten. In diefen zeigt
ih ſchon ein ſtarker Einfluß der griechiſchen Kunft.
1) Die friüheiten Spuren der helleniſchen
Sculptur geben bis auf die vorhomeriſche Zeit zurück;
wenigſtens lafien die bomeriichen Beſchreibungen
von Prachtgefäßen in Gold, Elfenbein u. Bern—
fein, fowie der als Fackelträger dienenden goldenen
Statuen u. der filbernen Hunde im Saal des Alli—
noos auf eine gewiſſe Ausbildung der Plaftif zur-
Zeit des Trojaniſchen Krieges fchließen. Doch ge:
hört dies alles noch der Mythe an. Erſt mit
der Einwanderung der Dorer, etwa 100 Jahre
nad dem Irojaniichen Kriege (1100 v. Chr.) be-
ginnt, wenn auch zuerſt dunkel, die hiſtoriſche Ent»
widelung Griechenlands, u, zwar in dem großen
welche als erfte, zweite u. Nachblüthe oder auch’Gegenfage der doriſchen u. der iontichen Cultur;
422
Bildhauerkunſt (Elaff. Zeit).
erftere im Peloponnes u. Groß-Griechenland, letztere ,Erhabenheit der Göttergeftalten, die attiiche mehr
in Attifa n. Kleinaſien. Obwol aus dem erften
halben Jahrtaujend feine bedeutende Refte der grie-
chiſchen Kunft erhalten find, fo läßt ſich doch aus
dem ber orientalischen u. namentlich der ägypti—
ichen fehr verwandten Charakter der älteften Leber-
bleibiel der altgriechiſchen Kunſt auf einen bejtim-
menden Einfluß der erfteren auf die legtere ſchließen.
Die Sculpturen vom Anfange des 6. Jahrhunderts
bis in das 5. hinein zeigen mehr oder weniger
jene oft bis zur Starrheit gehende Strenge der
Formen, welde man als ardaiftiihen Stil zu
bezeichnen pflegt. Als ältefte Kiünftlerfchule (um
600) gilt die von Samos, welcher die Erfindung
des Erzqufies zugejchrieben wird; genannt werden
die Bildhauer Rhölos, Theodoros- u. Glaulos
(aus Chios); als ältefte Denkmäler die fog. Lade
des Kypielos, ein Prachtiwerf aus Cedernholz, mit
Gold u. Elfenbein verziert u, mit mythiſchen
Nelieis bededt (Ende des 7. Jahrh.); ferner der
Thron des Amykleiſchen Apollen mit zahlreichen
Reliefs u. freiftehenden Figuren, in deſſen Mitte
eine fäulenartige Erzfigur des Gottes aufgeftellt
war. Im 6. Jahrh. kommt ſchon neben dem
Erzguffe der Marmor in Anwendung, Ebrenfta-
tuen der olympiichen Sieger, Statuengruppen der
Götter u. Heroen werden geihaffen; zu Agina,
Argos, Athen, Silyon bilden fi Schulen von
eigenthümlihem Gbarafter. Als bervorragende
Künſtler werden u. X. genannt: Kallon von Agina,
Ariftoffes von Sikyon, Ugeladas von Argos (der
Lehrer des Phidias, Polyfles u. Myron), Hegeſias,
von Athen. Erhalten ijt wenig u. nur aus der
ipäteren Zeit dieſer archaiſtiſchen Epoche: aufer
einigen Metopen an mehreren Tempeln von Se-
linus in Sicilien, welche mythiſche Scenen (Hera.
fle8 mit den Kerlopen, Perjeus mit der Meduia zc.)
darftellen, find befonders die berühmten Giebel:
felderfculpturen am Athenetempel zu Agina zu er-
wähnen (München). Bei vorwaltendem Naturalis-
mus der Körperformen, die bereits eine hohe Kunſt—
ftufe verrathen, zeigen die Gefichter der Kämpfenden
fowol im Schnitte, wie im Ausdrude einen lebhait
an die ägyptiſchen Bildwerfe erinnernden Typus.
Außerdem find noch zu nennen die Copie einer
Bronzefigur des Apollon (im Mufeum zu Paris),
eine Athletenftatue (Neapel), Atheneftatuen (Billa
Abani, Dresden, Neapel), figende Penelope (Ba-
tican), Apollon Kitharödos (München), das joge-
nannte Harpyienmonument von Xanthos (Fondon),
ein 23 Fuß hoher Pfeiler aus Kalkjtein, an mwel-
hem oben Reliefs von Marmor eingelaffen find,
welche den Raub der Töchter des Bandaros durd
die Harpyien darftellen (aus der zweiten Hälfte
des 6. Jahrh.).
2) In der erften Hälfte des 5. Jahrh. befreit
fi die griechifche Kunft von dem conventionellen
Einfluß des vrientaliſch-archaiſtiſchen Elements:
erfte Blüthezeit, großer Stil. Die Starrbeit der
Formen mildert ſich zur Großbeit u. Würde, das
Spmmetriiche der Haltung löft fi in harmoniſchen
Fluß der Linien auf. Aber das Gepräge der
Ruhe waltet doch, namentlich im geiftigen Aus«
drud, vor. Der Gegenfat des doriichen u. ioni—
Shen Charalters zeigt fih auch hier, indem von
die anmuthige Schönheit von Atbletenfiguren zur
Darftellung brachte. Den Übergang zu der durch
Phidias bezeichneten höchſten Kumitblüthe der
griechiſchen Plaftif bilden Kalamis ın Athen u.
befonders Myron aus Üleuthera. Bon dem
erjteren merden eine Menge Götterbilder, theils
in Marmor, theil® in Erz, theils ın Elfenbein u.
Gold, erwähnt. Myron, ſchon Zeitgenofie u.
Concurrent von Phidias, fchuf theils Goötterbilder,-
theils Heroen, Athleten, jelbft Genrebilder u. Thiere
(berühmt ift namentlich feine Kuh), ſämmtlich in
Erz; an ihnen wird bejonders die Yebenswahrbeit
gerühmt. Phidias, am Ende des 5. Jahrh.
geboren, nimmt im der helleniichen Plaſtik etwa
die Stellung ein wie Rafael im der italienischen
Malerei, wie denn überhaupt das Pereifleiiche
Zeitalter namentlih dur den gewaltigen Auf—
ſchwung des geſammten geiftigen u. beionders
fünftlerifchen Lebens viel Ahnlichleit mit der gror
gen Kunftblüthe am Ende des 15. u. Anfang des
16. Jahrh. in Italien bat. Die größte Zahl der
Phidiasichen Werte befteht in Götterbildern, deren
majeftätifche Erhabenheit u. ideale Großheit der
Erſcheinung nicht nur von feinen Zeitgenofien ber
wundert wurde, fondern die für alle Zeiten als die
unerreihbaren Borbilder plaftiicher Schönheitsge-
ftaltıng gelten. Dabei wußte er die feinen Cha—
rakterunterfchiede u. individuellen Bezüge der .ein-
zelnen Götter u. Göttinnen in lebendigfter Weife
zur Anſchauung zu bringen, Zu feinen Yieblings-
aufgaben gehört die Geftalt der Athene in ver»
ihiedenen Auffaffungen: als Promachos für die
Burg von Athen, ein in Erz gegoffenes Koloffal-
bild von 18 m Höhe, als Schutherrin des
Landes für das Partheuon zu Athen, aus Gold
und Elfenbein gearbeitete, 16 m hohe Statue,
gerüftet mit Schud u. Lanze, auf der einen Hand
die 2,, m hohe Statue der Pictoria tragend.
Der Schild zeigte auf der inneren Seite den Gi—
gantenfampf, auf der Äußeren eine Amazonen-
ihladht, während am Rande der Sandalen ein
Kentaurenlampf dargeftellt war. Sie wurde 438
v. Chr. aufgeftellt. Als ein noch bedeutenderes
Meifterwert des Phidias wird der gleichfalls aus
Geld u. Elfenbein gearbeitete Zeus im Tempel
zu Olympia betrachtet. Obgleih in figender
Stellung, maß die Figur doh 12 m Höhe;
die linfe Hand trug ebenfalls eine Siegesgöttin,
die rechte hielt das Scepter. Der Thron, worauf
Zeus ſaß, war im verfchwenderifcher Pracht mit
Hold, Elfenbein u. edlen Steinen geihmüdt. Es
mar Phidias’ letztes Werf, denn im folgenden Jahre
ftarb er, ein Opfer politiſcher Umtriebe, im Ker-
fer zu Athen. Als Nachbildung des Olympifchen
Zeus gilt der fogenamnte Zeus Berospi, aud
wird das Original zu einem der rofjebändigenden
Diosfuren (auf dem Monte Cavallo in Rom)
dem Phidias zugeſchrieben. Phidias bildete eine
große Schule, als deren Hauptvertreter Altamenes
u. Agorafritos — werden. Von dieſem rührt
die weſtliche Giebelgruppe des Zeustempels zur
Olympia ber (die öſtliche iſt von Päonios model-
lirt; jene ſtellt den Streit der Athene mit Pofei«
don um die Schugherrichaft der Stadt, dieſe die
den beiden Schulen die peloponnefiihe mehr die!Geburt der Athene aus dem Haupte des Beus
Bildhauerkunſt (Claſſ. Zeit).
dar), In den Metopen des Periſtyls find Ken-
taurenfämpfe, Amazonenihladhten u. a. m. dar»
geftellt, während ber innere Fries den großen pa—
natheneifchen Feſtzug verfinnbirbfichte, er größte!
Theil der erhaltenen Sculpturen des Parthenon
befindet fih im Britiihen Mufeum zu Yondon.
Aus derfelben Zeit u. Schule ftammen die Sculp-
turen des Ekechtheum, fowie viele Einzelwerte
(eine Kämpfergruppe, Reliefs an Grabmäfern :c.).
Gegenüber der rein idealen Richtung der atheni-
ſchen Schule neigten ſich die peloponnefiihen Schu-
len, namentlih die filgonifch » argiviiche, in der
Blütezeit mehr einer realiftiihen Auffaſſung zu;
insbefondere gingen aus ihr eine Menge Athle—
tenftatuen in Erz hervor. Zu ihren Hauptver-
tretern zählt zunächſt Pythagoras von Rhegium,
deffen bintender Philoftet fehr bewundert wurde,
fodann Polyklet, deffen Doryphoros als Kanon,
d. h. als Mufterbild für die ſchönen Verhältniſſe
des ingendlihen Körpers, betrachtet wurde. Im
BWeitlampfe mit Phidias ſchuf er das aus Gold
u. Elfenbein gefertigte Koloffalbild der Here im
Tempel zu Argos. Andere diefer Schule angehö-
tige bedentende Künftler find Ktefilaos u. Nau—
fodes. Als Hauptwerfe der ioniſchen Schulen der
Blütrbezeit, von melden noch mebr oder weniger
umfangreiche Fragmente erhalten find, gelten: die
Sculpturen am Thejeustempel zu Athen (Arbeiten
des Herafles, Theſeusmythe, Kampf zmwiichen Ya-
pitben u. Kentauren), am Tempel der Nile Apte-
ro3 (Kampf zwischen Griechen u. Perjern), am
Bartbenon (f. o.), am Erechtheum (Karyatiden);
aus der peloponnefifhen Schule: die Sculpturen
am Zeustempel von Olympia (die Statue des
Gottes ſelbſt von Phidias), am Apollontempel bei
Phigalia (Kämpfe zwiſchen Lapithen u. Kentauren,
Kämpfe zwifchen Griechen n. Amazonen).
Die zweite Blüthezeit der helleniſchen Plaftil
fällt in das 4. Jahrh. v. Chr, Der Gegenjat
zwifhen der attifhen u. peloponnefiihen Schule
erhält fi auch in diefer Epoche; ja, er tritt noch
ſtärker hervor, als in der vorigen. Denn während
in der peloponnefiihen Schule neben der Tendenz
auf realiftiiche Geftaltung ein Streben nach grö-
Gerer Würde in der Haltung u. im Ausdrucke fid)
fundgibt, tritt in der attifhen eine Vertiefung des
eiftigen Inhaltes, ein leidenfchaftlicheres ‘Pathos
Br was fich felbft in der Wahl der Motive
(der Mythenkreis der Gottheiten der Liebe, des
Weins zc.) ausſpricht. Das koftbarere Material
des Goldes u. Elfenbeins wird von dem farblos»
fen, aber plaftiih reineren Marmor verdrängt.
Als Hanptmeifter der neuattiſchen Schule gilt
Stopas, von welchem eine Menge von Statuen
der Aphrodite u. des Dionyfos erwähnt werben,
deren berühmteſte die fogenannte Aphrodite von
Melos (Drig. in Paris) ift; ebendaher ftammt
die berühmte Gruppe ber Niobiven (mahrichein-
lich für den Giebel eines Apollontempels be»
ftimmt). Ein zweiter Hauptmeifter iſt Prariteles
(um die Mitte des 4. Jahrh.), der ebenfalls eine
Reihe von Aphroditeftatuen (die berühmteſte ift
die Aphrodite von Knidos), Apollon-, Dionyfos-,
Satyr- umd Erosftatuen ſchuf (Apollon als Ci—
dechſentödter, Apollino, an einem Baumſtamme
lehnender Satyr). Ihnen fchliegen fi an Timo—
425
theos, Leochares, Bryariz, Polykles. Erhaltene
Sculpturen Ddiefer Zeit: Fries in Relief am
horagifhen Monument des Lyſikrates, die Rache
des Dionyios an den torrbeniihen Seeräubern
darftellend, koloffale Dionyſosſtatue am choragiſchen
Monument des Thraſyllos (London), die Reliefs
am Harpagosdentmal von Xanthos, Kämpfe und
Bachantinnentänze darftellend. In der ſilyoniſch-
argiviihen Schule diefer Epoche werden ftatt der
Athletengeftalten mehr Darftellungen von Heroen
geihaffen. Die Hauptmeijter find Eupbranor,
Lyſippos (Heraflesitatuen), Glytkon (forenfiicher
Hercules), Apollonios (Torjo des Batican). Bon
letzterem Küuftler rühren auch mehrere berühmte
Porträtftatuen Aleranders des Großen ber. Erhal-
tene Sculpturen: Betender Knabe, Bronzeftatire
(Berlin); figender Mercur, Bronze (N ıpel); Dorn-
auszieher, Bronze (Rom, Eapit. Muſ.); Statue
des Demofthenes (Batican).
Die Nachblüthe der helleniichen Plaſtik datixt
von dem Tode Mleranders des Großen u. dauert
bis in die Mitte des 2. Jahrh. v. Chr. Da
nicht nur der antife Ideenkreis in der künſtleri—
ihen Anſchauung erichöpft, fondern aud die Tech—
nit bis zur höchſten Meifterfchaft ausgebildet war,
fo war für die weitere Entwidelung der Sculp-
tur nur die Alternative gegeben, entweder die
bereits geftalteten Ideen im Stil der älteren
Meifter aufs Neue zu geftalten, ohne von der
einmal durch legteren feitgeftellten Norm mejent-
lich abzuweichen, oder durch folhe aus dem Stre-
ben nach Überbietung der Älteren Meifter hervor:
gehende Abweihung allmälig die Kunft in Verfall
zu bringen. Beides fand in der That ftatt:
neben den herrlichiten Schöpfungen einzelner Künft«
(er entftehen bereit ‘Productionen, die durch liber+
fchreiten der Grenzen plaftiiher Schönheit eine
Entartung documentiren, welche fpäter zum völli«
gen Berfalle der Plaſtik führte. Das locale Cen-
teum der fünjtleriihen Production wurde von
dem Feitlande Griechenlands nah den kleinaſia—
tiſchen Inſeln, namentlih nad Rhodos verlegt,
wo fi) eine bedeutende Schule bildete, weiche fich
an die Kunftweife des Lyſippos anſchloß. Bon
Chares, einem Schüler des Legteren, rührten (nach
der gewöhnlichen Annahme) u. a. das über 30 m
hohe erzene Koloffalbild des Sonnengottes ber,
das am Hafen der Stadt ſich erhebend, jhon nad)
einem halben Jahrhundert durch ein Erdbeben zer«
ftört wurde. Das bedeutendfte uns erhaltene
Werk der rhodiihen Schule ift die berühmte, von
Agefander, Polydoros und Athenodoros ausge»
führte Gruppe des Laofoon (Batican); ebenda«
her ſtammt die nicht minder bedeutende Gruppe
des farnefiihen Stiers (Neapel), von Apollonios
u. Taurisfos aus Lydien. Neben der rhodifchen
Schule find bei. die Schulen von Epheios u. Per-
gamon hervorzuheben. Aus der erfteren ftammt
u. a, der Borgheſiſche Fechter (Paris) von Aga-
ſias, aus der letzteren der Sterbende echter (Tapit.
Muf, zu Nom) u. die umter dem Namen Arria
u. Pätus befannte Gruppe (Billa Ludoviſi in
Rom), von Pyromadjos, Auf dem griechiichen
Feſtlande war bis zum Ende bes 2. Jahrh. v.
Ehr. die Kunft in Verfall gerathen, dann erhob
fie fih noch einmal, u. zwar durch ein Zurück—
424 Bildhauerkunſt (Chriſtliche Zeit).
geben auf die normalen Vorbilder der älteren ſletztere ſchon dem Zeitalter des Hadrianus ange»
Meifter; aber allen zum Theil berühmten Werken hörten. Nach dieſer Zeit verfällt auch die Fdeal-
diefer Nachblüthe mangelt, da fie die Producte des Plaftil, und es finden fi nur noch Reliefs an
Rachſchaffens n. des Studiums waren, die Ur-[Sarfophagen mit antifen u. fremdartigen, ſelbſt
ſprünglichteit der Empfindung u. die Wärme des orientaliſchen Motiven, 3. B. Darftellungen mut
Gefühis. Eines der befannteften u. früher ſogar Scenen ans dem perſiſchen Mithrasdienſte zc.
berühmteſten Werte dieſer Art iſt die —— 0) Die Plaſtik der chriſtlichen Zeit zer
Mediceiihe Benus vonKleomenes, dem Sohne n.|fällt wiederum in drei Perioden, „meicde a) die
Schüler des Apollodoros (Muf. zu Florenz), fer-| Plaftif des Mittelalters, b) die Plaftit der Ne»
ner die Statue des Germanicus von Kleomenes naiſſancezeit u. c) die moderne Plaſtik um⸗
dein Jüngeren (Paris), der Barberiniſche Faunfaffen. Die erſte lehnt ſich in entſchie dener Weile an
(München), Ariadne, Jaſon (Paris), Menelaos,|die Architektur an, ift mwejentlich religiöfen Inhaltes
den Batroflos aus dem Kampfe tragend (Rom), ſu. zeigt den rigoroſen, der Schönheitsgeſtaltung ent⸗
Benus Kallipygos (Neal) u. v. Büften; docd|freimdeten Charakter der mittelalterlihen Kunft
find die meiften diefer Werfe nicht befannt.
3) Ju der dritten Epoche der claffifh-antifen
Blaftit, welche vom 2. Jahrh. v. Ehr. bis zum
änzlichen Berfalle im 3. Jahrh. der chriſtlichen
Feitrechnung reicht, verlegt ſich die locale Pro-
duction von Griechenland nad) Italien u. mament-
lich nach Rom. Trotz der ungeheuren Menge
helleniſcher Denkmäler, welche von Feldherren der
römiſchen Republit und auf Befehl der Kaiſer
aus allen Ländern griechiſcher Bildung nach Rom
geſchleppt wurden, war das Bedürfniß nad pla—
ftiicher Ausihmidung der gewaltigen Baumerfe,
die in jener Zeit entftanden, doch noch jo mächtig,
daß zur Ausführung von Sculptuven griechiſche
Meifter berufen wurden. Als ſolche werden ge-
nannt Pafiteles, Artefilaos, Decius, Diogenes
unter Auguftus), Zenodoros (unter Nero). Der
Einfluß des römischen Lebens und der römiichen
Anſchauung machte fih auf die Bildhauerei in fo
fern geltend, als neben der Nachahmung der helle»
nischen Kunſtrichtung eine gewiſſe Gemefjenheit u.
Ernfthaftigkeit des Ausdrudes ſich entwidelte, welche
fih namentlih in den Kaijerftatuen bemerkbar
macht. Bedeutendere Werke laſſen fi erſt aus der
Zeit des Auguſtus aufweiſen; in dieſe Reit fällt
der eigentliche Aufſchwung der griechiſch-römiſchen
Plaftil, der bis zur Negierung des Hadrianus (117—
138 n. Ehr.) dauert. Zu den vorziiglichiten Dent-
mälern diefer Zeit gehören, außer den Bildniß-
Statuen u. -Büſten der Kaifer u. ihrer Berwand-
ten, die Sculpturen an öffentlihen Bauwerlen,
wie die Reliefs am Triumphbogen des Titus
(den Triumphzug des Kaifers nad der Eroberung
Jerufalems darftellend), die Heliefs am Forum
des Nerva, die an der Trajansſäule, welche ſich
bandartig von unten nad) oben um den Schaft
winden, die an den Säulen des Antoninus Pius
u. des Marcns Aurelius, welche den Sieg fiber
die Marlomannen verherrlichen, die am Triumph:
bogen des Septimius Severus (aus dem Anfange
des 3. Jahrh.), welche ſchon den Verfall der Kunſt
zeigen. Neben diejen officiellen Arbeiten haben
ſich viele felbftändige Werle, meift mit Motiven
aus der griechiichen Mythe, erhalten. Die berühm-
teften u. vollendetften Werke diefer Art find der ſog.
Apollo von Belvedere (VBatican), wabricheinlih aus
der Zeit des Mero, die Diana von Verſailles,
vermuthlih als Geitenftüd zum Apollo gedadıt
(Paris), die liegende Statue des Nilgottes (Vati—
can), die Venus von Arles (Paris), die Barbe-
rinishe Juno, der fog. Antinons von Belvedere
(Batican), die Pallas von Bellerri (Paris), welche
überhaupt; die zweite befreit fi von der Archi—
teftur, indem fie, auf die Antike zurüdgreifend, die
Ideale derjelben, aber in maleriich bewegterer
Geftaltung wiederzubeleben ſucht; die dritte, wejent«
lich elettifcher Art, betrachtet zwar die Antife
ebenfalls als die einmal feitgeftellte Norm der
Schönheitsgeftaltung, bemächtigt fih aber neben
den antifen u. chriftlichen Jdeen auch der Erſchei—
nungen der realen Welt, namentlich in der Nichte
ung der monumentalen Sculptur, Überhaupt aber
ift zu fagen, daß das eigentliche Leben der Plaftil,
als Ausdrud organischer Seftaltungstraft, mit dem
antifen Leben weſentlich abgeichlojien war, u. daß
die weitere Entwidelung der B. ſeit dem Berfalle
der antiken Plaftif einerjeitS nur durch eine Über—
tragung fremdartiger Ideen auf das plaftifche
Gebiet, anderſeits durch die aus der Begeifterung
für die antite Schönheitswelt entfprungenen Berfuche
einer Wiederbelebung derfelben ermöglicht wurde,
a) Die Plaftil des Mittelalters ift, wie die
althriftliche Kumft überhaupt, weſentlich ſymboli—
her Art, d. h. es wird die in der Antife erreichte
harmonische Ausgleihung zwiſchen ideellem Gehalte
u. ſinnlicher Geftaltung zu Gunften des erſteren
aufgehoben u. die Tetstere zum bloßen Zeichen,
zum bloß äußerlihen Beziebungsmertmal herab»
geſetzt. Nicht mehr das Schönheitsgefeg ift jet
maßgebend (tm Gegentheil: das Princip der Er—
tödtung des Fleiſches richtet fich gerade gegen die
Scönbeit), fondern lediglich die chriſtliche Idee.
Während in der Antife die religiöfen Fdeale zu
höchſter Kunſtſchönheit geftaltet wurden, werden
in der althriftlihen Kunft die plaftiichen Formen
zu untergeordneten Dienern des religiöfen Cultus
degradirt. Daß hiernach von einer wahrbaften
Kunftentwidelung im Mittelalter micht die Rede
fein fan, begreift fih. Rob, edig, ungeftaltig,
aber überladen mit Schmud, in prädtigen Ge—
wändern, fonft jedoch ohne alle Anmuth in der
Erſcheinung werden die Figuren geftaltet; mur
im Ausdrude, namentlich des Auges, zeigt fi) eine
Junigkeit, die aber mehr malerischer als plaſti—
jher Natur if. In der erften Zeit der altchrift-
lichen Kunft erlennt man allerdings noch einen Ein-
fluß der Antike, ja, ſelbſt antile Ideen wurden auf
den chriftlichen Borftellungstreis übertragen, wie
z. B. Ehrifti Höllenfahrt in der Form der Orpheus»
mythe dargeftellt wurde. Namentlih in einigen
Monumentaljculpturen beherrſcht nod einige Seit
hindurch die antife Tradition, gleihfam conven»
tionell, das Auge u. die Hand des Künſtlers. Als
eines der wichtigſten derjelben tft Die gegen Ende
Bildhauerkunft (Chriftliche Zeit).
425
des 4. Jahrh. errichtete Säule des Theodoſios, dielhofer zu Nürnberg, von welchem die Statuen
den Säulen des Trajanus u. Marcus Aurelius nach«
gebildet war. Zu den äfteften im eigentlichen
Sinne hriftlihen Denfmälern gehört die figende
Bronzeftatue des bi. Petrus (aus dem 5. Jahrh.,
in der Petersfiche zu Rom), fowie zwei Marınor-
ftatuen des guten Hirten (im Batican). Am zahl-
reichften find die Neliefs an Sarkophagen, deren
fih viele erhalten haben, an Grabfteinen und in
Elfenbein (jog. Diptychen, Buchdedel, Jagdhör—
ner, Becher, jelbft Thüren). Zu den interefjante-
ften Werfen diefer Art gehört der mit Elfenbein-
reliefs belegte Stuhl des Erzbiſchofs Maximian
im Dome zu Ravenna (Mitte des 6. Jahrh.).
Karl der Große erhielt im J. 803 zwei Elfen—
beinthüren mit reihem Schnigwerfe in Relief aus
Eonftantinopel zum Gejchenfe. Eine Hauptthätigleit
der mittelalterlihen Sculptur beftand in der Ge—
ftaltung u. Verzierung von Pradıtgefäßen für den
Hriftficen Cultus, namentlih von Kelden, Scha-
len, Kreuzen, Kronen, Relignienfchreinen, Weih—
rauchgefäßen, Altartafeln, Lampen, Yeuchtern, Eibo-
rien ꝛc. Am berühmteften in diefer Kumftgattung
war der Mönch Tutilo von St. Gallen in der
Schweiz (gef. 912). Hierin wurde eine ver-
ſchwenderiſche Pracht in edlen Metallen und koſt⸗
baren Steinen entfaltet. Durch völlige Befrei—
ung der althriftlihen Kunft von den Zraditio-
nen der Antife hatte ſich allmählich jener Stil ge-
bildet, den man den byzantiniich romanischen zur
nennen pflegt; in der Plaſtik beſchränkte fich der-
jelbe bis ins 12, Jahrh. hinein auf die Klein-
funft, nach welcher Zeit fich die Bildhauerei aus-
ſchließlich an die firchliche Architeltur anlehnte. In
zahlreichen alten Kicchen Deutichlands, Frankreichs
u. Italiens findet man Sculpturen, namentlich
Reliefs, womit die Füllungen der Altarmwände,
Portale zc. ausgeihmüdt find. Sie tragen mit
geringen Modificationen ſämmtlich denjelben Cha—
rafter von Unbehilflichkeit und einer oft bis zur
Verzerrung gehenden Rohheit der Formen. Zu den
befjeren u. befannteften Werlen der Art gehören
die Arbeiten des Biſchoſs Bernward von Hildes-
beim (ft. 1022; die bronzenen Thürflügel am
Dom, die eherne Säule), ſowie die des Nicola
Piſano (erfte Hälfte des 13, Jahrh.), der für die
Dome von Lucca, Siena, Bologna, Pila zc. ar-
beitete. Bom 12. Jahrh. ab entwidelte fi, unter
dem Einfluffe der durch die Krenzzüige bekannter
gewordenen orientaliihen Ornamentif, der foger
nannte gothiihe Stil, welcher die Strenge des
buzantimich-romanischen in Fluß brachte und die
Mafienhaftigleit des Materials, ſowol in der Ar—
chiteltur, wie in der Plaftik, durch malerifche Ber-
mannigfaltigung der ‘Formen durchgeiftigte. Aus—
drad und Haltung zeigen größeren Schwung u.
feelenhafte Empfindung. Die Motive bleiben je-
doch vorwiegend am die kirchliche Architektur ge»
bunden. Die Kathedralen u. Abteien von Eng-
land, Frankreich und den Niederlanden find ne«
ben großen Domen Deutfchlands verbältnigmäßig
am reichften an Werken des frübgothiichen Stils,
von Künſtlernamen ift jedoch nichts Sicheres be-
tannt. In Deutichlaud tritt erſt in der Mitte
des 14. Jahrhunderts ein ausgezeichneter Bilde | Thonrelief.
am Portal der dortigen Frauenkirche und die an
dem fogenannten Schönen Brunnen daſelbſt ber-
rühren. In Stalien werden aus der Zeit ber
Spätgothit mehrere Namen genannt: Giovanni
Pilano (Sohn des Nicola) u. feine Schüler Ago-
jtino u, Angelo von Siena, Giotto (1276—1336),
welcher neben der Malerei auch Baukunſt u. Sculp-
tur übten, einen großen Einfiuß auf die damalige
Kunſt überhaupt hatte. Unter feiner Leitung arbei-
teten Andrea und Nino Piſano. Ferner find zu
nennen GEinello, Alberto di Arnoldo (um 1360),
Orcagna (1329—1389) u. A. m. — Mit dem
Beginne des 15. Jahrh. verfiel die Gotbil; der
Umſchwung im veligiöien Bewußtſein, welcher in
der Reformation feinen culturhiftoriichen Ausdrud
fand, blieb auch auf die Kunft nicht ohne Einfluß,
Es begann ein Streben nah Befreiung von der
äußerlichen Herrichaft der kirchlichen Tradition ſich
zu regen, das hinſichtlich der Geftaltungsform zu—
nächſt zu einem Rückgreifen auf die Antife (Re—
naiffance) führte. b) Die mit der Renaiffance
beginnende zweite Beriode der nach-antifen Plaftik
erftrect fih vom Anfange des 15. bis zum Anfange
des 18. Jahrh., d. h. bis zum abermaligen Ber:
falle der Kumft. Ihr Charakter befteht theils in
der Loslöfung einerfeits, binfichtlich des Inhaltes,
von dem ritwalen Zwange, anderfeits, binfichtlich
der Form, von der Abhängigkeit von der Archi«
teftur, theils im dem ſtärkeren Hervortreten der
malerischen Behandlung in der Gompofition, der
Geftaltung der Formen, dem Arrangement des
Coftüms 2c.; wie denn überhaupt die Malerei als
eigentlihe Hauptkunſt diefer Zeit den beſtimmend—
ften Einfluf auf alle Künfte ausübte (j. Bildende
Künste). Die Stilunterfchiede, wie fie gewöhnlich
durch die Gliederung nah Nationen u. innerhalb
derfelben nah Schulen bezeichnet werden, find
deshalb für die Plaftif diefelben wie für die Ma«
levei, für welche fie zunächſt gelten. In Italien
find es namentlich die toscaniſche Schule, ſowie
die Schulen von Ober-Ftalien u. Neapel, in denen
ein bedeutender Aufihwung der Plaſtik ftattiand.
In der erſtgenannten bildet Jacopo della Fonte
(ft. 1424) den Übergang vom Mittelalter zur
Renaiſſance u. iſt als Bahnbrecher der letteren
zu betrachten. Seine bedeutendſten Arbeiten fin—
den ſich in Lucca und Siena. Ihm folgen
Niccolo dell’ Arca, Lorenzo di Pietro u, A.; ein
zweiter Hauptmeifter ift Yorenzo Gbiberti in Flo—
venz (1378—1455), weldyer nur in Bronze ar-
beitete. Am befannteften find feine mit maleri«
hen Reliefs geſchmückten Bronzerbüren für ein
Seitenportal des Baptifteriums zu Florenz. Ihm
ſchließt fih an Luca della Nobbia, deffen Arbeiten
in gebranntem u. farbig glafirtem Thon befann-
ter als feine Marmorarbeiten find, Ein dritter
Hauptmeifter ift Donatello (13386—1466), der
bereits völlig der Renaiſſance angehört, nament«
lich auch durch feine Annäherung an die Antike. Bon
jeinen ſehr zahlreihen Werfen ift das Melief
Verfündigung Mariä in S. Eroce zu Florenz das
früheſte; den Ausdrud leidenſchaftlichen Schmerzes
erreichte er in feiner Grablegung in S. Antonio,
Ihm schließen fih an Brunelleschi
bauer als biftorisch begründet auf, Sebald Schon: 1(1875— 1444), Giovanni di Piſa, Andrea Ver-
426
rocchio (1432— 1488), Orfino, Antonio Pollajuolo
(f. 1498), Nanni di Banco, Rofjelino, Mino da
iefofe, Benedetto da Majano u. A. m. In
ber-Ftalien concentrirte fich die Plaftit beſonders
in Benedig u. Pavia; in Neapel wird in dieſer
Zeit (Anfang des 15. Jahrh.) der Bildhauer
Ciccione als ausgezeichneter Meifter genaunt. Im
16. Jahrh. find aus der toscanifhen Schule an—
zuführen: Ruſtici, Contucci (gen. Sanfovino), be
fonders aber Michel Angelo Buonarotıi (1474 bis
1563), welcher, wie viele Kiünftler diefer Zeit
(3. B. Rafael, Leonardo da Binci) in allen drei
bildenden Künften thätig, außerdem noch Dichter
war.
Bildhauerkunſt (Chriftliche Zeit).
ih bei der Holzicufptur, an der Tagesordnung.
Erft mit dem —— Adam Krafft (fi. 1507)
entwidelt fih ein befferer, auf dem Strebeu nach
einfacher Lebenswahrheit berubender Stil, dem
jedoch eine gewiſſe Herbigfeit anhaftete, Die reich-
fien und bedeutendften feiner Arbeiten find die
großen Darftellungen der Paſſion an der St.
SebaldussKirche zu Nürnberg, wo von ihm noch
zahlreihe andere Werle vorhanden find, Ihm
Schließen fih an Tilman Riemenfchneider von
— (Marmorſarkophag Kaiſer Heinrichs IL.
u. ſeiner Gemahlin Kunigunde, im Dome zu Bam—
berg), L. Hering, Nil. Lerch (Grabdentinal Kai«
Bon feinen Sculpturen, welde jämmtlich|jers Friedrich III. im Stephansdome zu Wien)
das —— großer, oft bis zum Gewaltigenſu. A. m. Zahlreich entſtehen beſonders im dieſer
potenzirter
tragen, find die berühmteften: feine Statue des
Mojes, für das Grabmonument des Papftes Ju—
lius II., die Figuren des Tages u. der Nacht,
für das Grabmonnment Giulianos u. Lorenzos de’
Medici (in der Sacriftei von ©. Lorenzo in Flo—
renz), ſowie die dazu gehörigen figenden Statuen
der beiden Medici, von denen die des Lorenzo als
das Hauptwert Michel Angelos gilt. Neben ihm
arbeitete Baccio Bandinelli (1487—1559), der
ebenfalls in großartigem Stil eine Reihe von
Apoftelfiguren für die Choreinfaſſung des floren-
tiner Domes ſchuf; ferner Montorſoli, Rafael da
Montelupo, namentlih aber Benvennto Cellini
(1500—1572), der, uriprünglich Kleinmeifter, bei.
in Goldfchmiedearbeiten, aud größere Werle von
hoher Kunftihönbeit fchuf, wie die Statue des
Perjeus u. eine Bronzebüfte Cofimos I. In Ober-
Italien ift ebenfalls ein lebhaftes Vorwärtsſtreben
auf dem Gebiete der Sculptur zu bemerlen. Zu
den hervorragendften Künftlern des 16. Jahrh.
gehören Niccio, di Lombardi, Jacopo Tatti, Cam—
pagna, Begarelli u. 4. In Neapel arbeiteten
Giovanni da Nola, deflen Schiller Domenico
d'Auria und der noch bedeutendere Girolamo di
Santacroce. Im 17. Jahrh. beginnt bereits, ob-
ihon Michel Ungelos Einfluß noch längere Zeit
fihtbar blieb, der Berfall der Kunft, der ſich
namentlih in einer Öefuchtheit der Haltung u. in
decorativer Überladung, die oft ins Kleinliche fich
perirrte, fundgab. Man kann diefe Periode als
die des Manierismus bezeichnen, welcher bald in
das Ertrem des zopfigen Stils fih verrannte,
Am meiften vom Geifte Michel Angelo zeigen
noch della Porta, Danti, während Sondins und
Leoni ſchon mehr zierlich als großartig ericheinen.
Nur ein nach Italien eingemwanderter Niederländer,
Giovanni da Bologna (1524—1608) hielt die
Tradition des Etil$ von Michel Angelo durch
beffere Werte einige Zeit lebendig. Eine beſon—
dere Specialtät von plaftiichen Arbeiten bilden
die fogen. Majoliten, Geſchirre von
della Robbia zurüdgeführt werden, aber erft jekt,
namentlih in Urbino, 3.8. von Giorgio Andreoli,
Tanfranco, Piccolpaffo u. U. in großen Mengen
gefertigt und zu einem Lieblingsartifef des Kunft-
bandels wurden. — In Deutihland bleibt am
Anfang der Periode tro der Loslöſung der Sculp-
tur von der Baukunſt, längere Zeit die traditio»
nelle Berbindung von Blafit u. Dialerei, nament-
raft u. höchfter Energie des Ausdrudes| Zeit die großen Altarfchnigwerle, unter denen die
von Beit Stoß aus Krakau (1447—1542), der
für Michael Wohlgemuth im Nürnberg arbeitete,
fh durch eine gewiſſe naive Anmuth auszeichnen.
Auh in den Rheinlanden, Weftfalen u, Nieder:
deutſchland finden fich zahlreihe Arbeiten dieſer
Art. In Schleswig zeichnet fih Hans Brügge:
mann (1515—21) aus. Im Gebiete des Bronze:
gufjes nimmt deu erſten Nang die Familie Bi-
Iher, mamentlih Peter Bilder in Nürnberg,
(ft. 1529) ein. Das bedeutendfte feiner früheren
Arbeiten ift das Grabmonument des Erzbiſchoft
Ernft von Magdeburg (im Dome dafelbit); ſein
berübmteftes Wert ift das fog. Sebaldusgrab in
der Nürnberger Sebaldusfirhe, an deſſen Aus-
führung feine fünf Söhne mit thätig waren, Von
fpäteren Kiluſtlern diefer Zeit ift noch zu nenneir
ler. Eollin von Mecheln. Im Berlauf des 16.
Jahrh. zeigt fih auch in Deutfchland und den
Niederlanden bereits eine Abnahme an künftleri-
iher Kraft, um einem Streben nad Zierlichkeit
u, decorativer Pracht Play zu machen. Zu den
befferen Arbeiten diejer Art gehören die Bildwerte
an den beiden Façaden des Heidelberger Schlofles,
fowie zahlveihe Grabmonumente und öffentliche
Brunnen. As tüchtiger Bronzegießer tritt im
Sachſen Wolf Hilger von Freiburg auf. Als
eine Specialität u. charakteriftiich für die decorative
Tendenz diejer Zeit find die zum Theil pracht—
vollen u. fehr Aumftreichen Werte des Kunfthand-
werfes, namentlich Goldarbeiten, u. die fog. Kunft-
ſchränke zu bezeichnen. Als ein Hauptmeifter ir
diefem Fache gilt Wenzel Jamniger (1508—85).
Einer der jhönften u. berühmteften Kunſtſchränke
aus jener Zeit ift der für den Herzog Philipp II.
von Pommern gearbeitete Kunftihrant (im Berl.
Diufeum). Aber die eigentliche Kunſt jelbft verfiel
bei diejer Tendenz auf prachtvolle Künftelei immer
mehr. — Ju Frankreich entwidelte ſich die Plaftif,
u. zwar im Anfchluß an die italienische Kunft, ver»
bältnigmäßig ſpät; eine eigenthümlihe Schule,
gebranntem die von Fontainebleau, weil diejes Schloß durch
Thon mit bunten Schmelzmalereien, die auf Luca Franz I.
feit gema
um Centrum der künftlerifchen Thätig«
di wurde, entfteht erfi im Anfange des
16. Jahrh., und meift find es dorthin berufene
italienische Kinftler, welche den Grund zu der
weiteren Entwidelung der franzöſ. Kunft legen,
die bald in das ihr eigenthümliche Geleife von
eleganter Zierlichkeit und Effecthafcherei einlentt.
Bu den beſſeren SKünftlern diefer Art gehören
jean Gonjon (fl. 1572), Jean Eoufin, Barth.
Bildhauerfunft (Moderne).
427
Prieur u. A. m. Noch einmal, gleihfam in Bor- den Namen eines berühmten antifen Sculptur-
ahnung des drohenden Berfalles, raffte ſich die werkes, nämlich des Laofoon, wählte; wie er denn
Kunft im 17. Jahrh. zu einer Art Nachblüthe
auf, obſchon gerade im Gebiet der Sculptur die
Spuren davon am fpärlichften fich zeigen. In
Yralien find es Pietro Bernini (1562—1629) u.
fein berühmterer Sohn Lorenzo (1598—1680),
welche den gänzlihen Verfall der Blaftil aufhalten,
obſchon fie durch ihr Streben mach malerifcher
Behandlung diefer Kunft den ihr eigenthümlichen
Charakter rauben; ihnen fchliegen ſich an Algardi,
Bolgi, Rucconi u. A. Bon niederländiihen Bild»
hauern find zu nennen: Franz du Quesnoy in
Brügge (1594— 1644), Nebenbuhler des Bernini,
aber reiner u. edler im der Form als diefer, u.
Arthur Duellinus in Amfterdam. In Frankreich
find es befonders die künftferifchen Unternehmun-
gen Ludwigs XIV., welche eine umfangreiche, aber
—— erfreuliche Thätigkeit hervorrufen. Es iſt
dies die eigentliche Blüthezeit des Zopfſtils, natur«
widrig affectirt u. theatralifch geipreizt; in dieſem
Stil arbeiteten Pujet, Anguier, jpäter Bouchar—
don, Pigalle ꝛc. In Deutichland endlich fteht die
groBartige Einzelericheimung des als deutichen
chel Angelo anerkannten Andreas Schlüter am
Ausgang des 17. Jahrb. (fi. 1714). Er ent-
widelt nicht nur als Architelt (Berliner Schloß),
fondern mehr noch als Bildhauer eine Größe des
Stils u. ein Pathos des Ausdrudes, welches ihn
als den bedentendften Meifter feiner Zeit charaf-
terifirt. Zu jeinen befannteften Werfen gebört die
Reiterftatue des großen Kurfürften in Berlin u.
bef. die Masten fterbender Srieger im Hofe des
dortigen Zeughaufes. Sonft wandte fich die bild-
haueriihe ZThätigkeit in Deutſchland den Klein-
fünften, namentlich den Schnigereien in Elfenbein,
Bernftein u. dem Eifenfchnitt, zu. Im letteren
Fache war befonders Gottfried Leygebe in Berlin
(1630—83) thätig. Im 18. Jahrh. traten einige
ausgezeichnete Steinfchneider auf, unter denen
Lorenz Ratter u. die Glieder der Familie Pichler
die berühmteften find.
c. Die moderne Plaftif entwidelt fich, wie
die moderne Kunft überhaupt, aus der tiefen, zum
völligen Verlöſchen aller wahren Kunſtanſchauung
führenden Depravation des 18. Jahrhunderts in
der zweiten Hälfte deifelben durch eine zweite Re—
uaiffance, als deren Begründer der Hiftoriograph
Bindelmann, der Kritiker Leffing u. der Maler
Carſtens zu betrachten ſind. Aber während die
erſte Renaiſſance durch die der nach-antiken Kunſt
überhaupt beiwohnende Tendenz nach maleriſcher
Behandlung der plaſtiſchen Geſtaltung geleitet
wurde, ſtellte umgekehrt die zweite Renaiſſance,
indem fie, die veränderten Bedürfniſſe u. Eultur-
bedingungen des modernen Zeitgeiftes verlennend,
alles Heil nur in der ftricten Rückkehr zur Antike
zu finden glaubte, das Geſetz der plaftiichen Schön-
heit, d. 5, die Form als ſolche, für alle u. jede
Kunft, namentlih auch für die Malerei, als maß—
ebend auf. Es ift 3. B. fehr bezeichnend hin-
chtlich diefer Betrachtung der bildenden Kunft
als vornehmlich plaftifcher Geftaltungs- u. An-
Ihauungsweife, daß Leifing für fein nach diefer
Richtung hin epochemachendes Werk: Über die
Grenzen der Malerei u. Poefie, als Haupttitel
auch in der Borrede zu demielben ausdrüclich be-
merkt, daß überall, wo er von Malerei rede,
bildende Kunft iiberhaupt gemeint fei; bildende
Kunft aber war ihm gleichbedeutend mit plaftiicher
Kunft. Die Reaction gegen dieſe pofthume An—
tififirung aller Kunftanihauung konnte nicht aus—
bleiben, u. jo entwidelte fih in dem erften Viertel
des 19. Jahrh. eine zweite Epoche, die im Ge—
genfatse zu jener erften antikifirenden als die ro-
mantijhe Epoche bezeichnet werden kann. Die
Plaftit jelbft wurde zwar dadurch weniger als die
Malerei berührt, immerhin aber ift der Einfluß
diefer Reaction auch auf fie erfennbar. Endlich,
im zweiten Viertel d. Jahrh., gelangt die Plaftit
aus dem Zwieſpalte jener Einjeitigleiten heraus
zu einer gewiffen Berföhnung mit fich felbft, in-
dem fie zwar, was in der Natur der Sache liegt,
die Antike immerhin als die für alle Zeit allger
mein giltige Norm für alle plaftiihe Schönheits-
geftaltung betrachtete, aber zugleih den Bedürf—
niffen des modernen Geiftes durch das berechtigte
Streben nah einem gefunden Realismus Rech—
nung trug. Im Allgemeinen ift der Charakter
diefer neueften Epoche, welche ſich nach den ver-
ichiedenen Nationalitäten, in welchen die Plaftif
hauptſächlich vertreten ift, in beiondere Richtungen
gliedert, ein weſentlich eflettiicher. Mit Ausnahme
der in ganz modernem Sinne fich felbftändig ent-
widelnden Denkmalsplaſtik fehlt es an vollsthüm—
lichen Motiven, jo daß bei idealen Aufgaben doch
immer wieder auf die durch die Antike gegebenen
Ideen zurüdgegangen werden muß. Erſt in nenefter
Zeit bat man begonnen, Weftalten der nordijch-
germanischen Mythe für den Ideenkreis der Plaftit
zu verwerthen. Die drei hier im Allgemeinen
ffizzirten Epochen der modernen Plaſtik find mit-
hin kurz als die antififirende, die romantifche ır,
die ekleltiſche zu bezeichnen, Die antilifirende
Epoche der modernen Plaftit wird theils, wie
bemerft, durch die wiſſenſchaftlichen Forſchungen
der hiſtoriſchen Kritik, theil$ durch die von ihr ange:
regten, ihnen bald folgenden Unterfuhungen der
Monumente in Griechenland u. Herüberfübrung
derjelben nah Europa (namentlich durch Lord El—
gin) von Neuem auf die große Bedeutung u.
die unerreihbare Schönheit der antifen Dentmäler
bingeleitet. Der Italiener Canova (1757—1822)
ift der erfte Bildhauer der modernen Zeit, in
welhem fih das Streben nach antif-claffiicher
Behandlung der Plaftit im entichiedener Weile
offenbart, obfhon allerdings noch getrübt durch
einen Manterismus, in dem die Heminifcenzen
des zopfigen Geſchmackes des 18. Jahrh. zu er:
tennen find, Neben ihm ift der Schwede Sergel
(1740— 1814) als Nachahmer der Antike zu nennen,
Mehr Äußerlicher Art ift der Glafficismus des
Franzofen Chaudet (1763 — 1810); aud der
DeutiheiDanneder(1758— 1841) gehört, nament-
(ich in feinen weiblichen Geftalten (Ariadne), die von
einer großen Zartheit der Formen find, hierher;
vor Allem aber der Däne Thormwaldien (1770 bis
1844), welcher in feinen der griecbiihen Mythe
entnommenen Geftaltungen den antiken Geift am
reinften zur Erſcheinung bradte (Jaſon, Benus
428
Bildhauerkunſt (Moderne).
mit dem Apfel), während er im feinen chriftlichenfeldern zur Walhalla (Befreiimg Germanias und
Sculpturwerten (Segnender Chriftus) weniger |Hermannsichlacht) zeigt fich bereits eine Verflach-
glüdtich war, In England tritt John Jlarmann
(1755— 1826) als Negenerator des antifen Kunft-
geſchmackes, bejonders durch feine Heliefcompofitionen
Achillesſchild), auf. In Deutichland, namentlich in
Berlin, hatte fich die Tradition des fräftigen Schlüter»
ſchen Monumentalftils, obidyon etwas verflacht (Tefia-
niert) erhalten, bis Gottfried Schadom (geb. 1764)
denfelben, namentlich für ftatuarifche Porträtdar-
ftelung (Bieten u. Schwerin, auf dem Wilhelms.
plate) in ebenjo origineller wie glüdlicher Weiſe
verwerthete. Chriſtian Rauch dagegen, ver als
der eigentlihe Begründer der neueren Berliner
Bildhauerihule betrachtet werden kann, zeigte in
feinem erften Hauptwerfe, dem Grabdenkmal der
Königin Luife (im Manfoleum des Charlotten-
burger Schloßgartens) einen Zug edler Romantit,
mit claſſiſcher Idealität gepaart, eine Richtung,
welche er jedoch, vorzugsmeife für realiftiihe Mo-
numentalplaftit (Helden der Freiheitslriege, na-
mentlih Blicher) in Anſpruch genommen, wieder
verließ. An feinem legten großen Haupwwerke,
dem großen Friedrihsdenfmal (am Cingange der
Linden in Berlin) waren bereits die bedeutenderen
feiner zahlreihen Schüler mit thätig. In ent
jchiedener Weife romantifirend, ſelbſt bei der Wahl
antiter Motive, erjcheinen die Arbeiten von Fr.
Tied (1776—1851), Trofchel, Wichmann, Afinger,
Franz u. A., befonders aber in einigen feiner
ſchönſten Werfe (jo in den Reliefs um das Fried—
rih-Wilhelms- Denkmal im Berliner Thiergarten)
Friedrich Drake, Er ift Schüler Rauchs, ebenfo
wie der hauptjächlich für große Monumentalplaftif
thätige Guſtav Bläfer (ft. 1874), Albert Wolff,
Hagen, Ki, Wollgaft, von denen zahlreiche Mo—
numentalftatuen gejhaffen find. Mehr ifolirt u.
jtrenger antilifirend traten Heidel, Wredow u. der
tafentvolle Schievelbein auf, von welchem letteren
(nebſt Bläjer) die beiden ſchönſten Statuengrup«
pen auf der Berliner Scloßbride herrübren.
Aus der neueſten Berliner Schule find noch als
bervorragendere Künſtler zu bezeichnen Siemering,
Calandrelli, Schweinig, Ende, Büchting, Pfubl, Pohl-
mann u. A.; eine mehr ifolirte Stellung nehmen
ein Sußmann-Helborn mit einer idealen, der an—
tifen Form fi nähernden Richtung u, der ge
nialfte unter allen, Reinhold Begas, der, obſchon
ebenfalls mit Borliebe autile Motive wählend,
einen der Draftit Michel Angeles verwandten,
zuweilen ans Genrehafte ftreifenden St cultivirt
(Schillerdentmal in Berlin). In Dresden gründete
einer der älteren Schüler Rauchs, Ernſt Rietſchel
(1804— 1860) eine Bildhauerſchule, die in zahl«
reihen Werfen edeliten Stils vertveten iſt. Zu feinen
beiten Arbeiten gehört die Leflingftatıre für Braun»
ſchweig, jein umfangreichftes ift das Lutherdenkmal
in Worms. Zu feinen beſſeren Schiilern gehören die
noch lebenden G. Schilling, Ad. Donndorf u. Guft.
Kietz. Neben Rietſchel ſchuf Eruſt Hähnel eine
Reihe bedeutender Werfe (Künſtlerſtaluen für das
Dresdener Mujeum). In Mitnchen vertritt Ludw.
Schwanthaler (1802— 1848) die vomantifirende
Plaftit, die er namentlich in dem großen Fries:
Die Kreuzzüge fir den Zaalbau der neuen Re—
fivdenz zum Musdrud bradte. In den Giebel
ung in fentimentale Weichlichkeit, wohin jchließlich
die dem Charakter der Plaſtik im Grunde unad-
äquate Richtung aufs Romantiſche nothwendig
führt. Bu feinen Schülern gehörten Widnmaun
u. Brugger, ferner Zumbujh, der jpäter nach
Wien überfiedelte. Außer den Hauptichulen in den
eigentlihen Gentren der Kunftproduction find noch
in mehreren deutihen Städten tüchtige Bildhauer
thätig: fo Engelhardt in Hannover, der fid vor-
zugsweife durch Verwerthung der altmordifchen
Gottermythen für die Plaftit Berdienfte erworben,
Eduard Müller aus Koburg, fpäter in Rom,
einer der feinften u. gediegenften Plaſtiker in an»
tilifirender, aber durchaus originaler Nichtung,
Morig Schulz aus Deffau, fpäter in Berlin; Rö—
bert Sauer in Kreuznach, welcher namentlich in
der plaftifchen Geftaltung der deutfhen Märchen-
geftalten eine zarte u. hierfür durchaus paſſende
Romantik entwidelt, von der Launitz, Kundtmann
u. Kaupert in Frankfurt a. M.; Albert Küppers in
Bonn, Wittich in Düſſeldorf, Steinhäufer in Karls»
ruhe 2c. Ofterreich u. namentlich Wien ift erft feit
Kurzem in fruchtbarer Weiſe für die Plaftif thätig.
Zu den älteren Bildhauern gehören Fernkorn, ein
Schüler Schwanthalers, bejonder8 aber der be»
deutendere Halbig, dejjen Schüler eine erfolgreiche
Thätigfeit entioidein. — Aus Dänemart ift Jeri—
han zu erwähnen. — Frankreichs Plaftif trägt nach
Chaudets Borgang den doppelten Charakter einer
äußerlih antikifivenden Richtung in Verbindung
mit einer weſentlich auf theatralifches Pathos ge-
richteten Tendenz. Der Ausdrud leidenfchaftlicher
Bewegung bat daher meift einen froftigen Beige—
ſchmack von Reflerion auf den Effect: neben einer
oft bis zur Verzerrung gehenden Draftil findet
fih, als Ertrem, eine affectirte Simplicität, die
den romantiihen Inhalt zu gefühlsarmer Senti«
mentalität ernüchtert. Anfangs, d. h. Ende des
vorigen u. Anfangs diefes Jahrh., waltet die an-
tififirende Richtung, aber in pedantifcher, ja gopfiger
Auffaffung vor. In diefer Weife fchufen Fofepb
Bofio (1769— 1845), Pierre Cortot (1787— 1843)
u, A.; freier u. nach der Geite der finnlichen
Schönheit bin glüclicher ericheint J. Pradier
(1790—1852), dem feine Schüler Lequesne und
Guillaume, jowie Simart, Eter, Ottin, Courtet,
Cavelier u. A, nacheiferten, während der ebenfalls
diefer Schule angebörige Elefinger ſich ſchon zur
Frivolität u. Effecthafcherei neigte. Gegenüber
diefer mehr ibealiftifh-abstracten Tendenz ent»
widelt fib ein oft ins Genrehafte ſich verirrender
ibealifirender Naturalismus, angeregt zuerft durch
J. Duret, dem fi Fouffroy u. A. anjchlofien,
Eine dritte, als biltorifcher Realismus zu be-
zeichnende Richtung, melde uriprünglich ebenfalls
an die Antike anfnipfte, aber fi bald einem faft
roben Naturalismus zumandte, wird durch David
d'Angers vertreten, Bon ibm rühren eine Menge
von Büften berühmter Männer feiner Zeit, na—
mentlih aud die der großen dentichen Dichter,
ber. Die Davidihe Schule hat bis in die neueite
Zeit ihre Nachfolger gehabt. Einen typiichen Cha»
vafter befitt jedoch die nmeuefte moderne Plaſtik
nicht, fie zerjplittert fi, bei übrigens großer
Bildlich — Bildſchnitzerei.
techniſcher Geſchicklichleit und Formengewandt⸗
heit, in individuelle Geſchmacksrichtungen. — Eng»
land bat in der Plaftit nichts Bedeutendes, aber
viel Verfehltes geleiftet. Als der ftilvollfte if der
in Rom lebende Gibion zu bezeichnen. Außer-
dem find zu nennen Wyatt, Campbell, Weftmacott
u. Marſhall. — Ftalien hat von feiner Bergan-
genheit, deren große Reſte es vor Augen hat, am
menigfien gelernt; jelbft von feinem bedentendften
Plaftiler der modernen Renaiffance, Canova, hat
es nur die eine, u. zwar ſchwächſte Seite feines
Stus, die Weichlichkeit der Form, übernommen,
dagegen das Gıreben nad Weinheit antiler Ge-
faltung mehr w. mehr verloren geben laſſen.
Ras in Ftalien u, namentlich in Kom feit dem
vor. Jahrh. Bedeutendes gejchaffen wurde, ift von
fremden Bildhauern geihaffen: Thorwaldjen bat
fat fein ganzes Leben dort zugebracht, ebenjo
haben ſich der früh verftorbene R. Schadow
fowie der fruchtbare Emil Wolff aus Berlin, fer-
ner Martin Wagner aus Münden, Steinhäufer
aus Bremen, Eduard Meyer aus Trier, M. Kef-
jel$ aus Holland u. A. dort acclimatifirt. Bon
italienischen Bildhauern ift außer Tenerani, der
noch am reinften erjcheint, eine Reihe von Namen
zu nennen, welche fich in conventionellen Außer-
lihleiten u. unplaſtiſcher Gefchmadlofigfeit über—
bieten, indem ſie einem niedrigen Geſchmack an
lleinlichem Naturalismus huldigen. Anfangs zwar
hält fih noch die Canovaſche Tradition aufrecht;
dahin gehören: Monti in Mailand, Fraccaroli in
Rom, Bartolini in Florenz, Finelli in Carrara,
Magni u. U. Aber die Vertreter der nmeueften
italienischen Plaftit, wie Barzaghi, Calvi, Tan—
dardini, Biandi, Braga, Lombardi in Mont,
Soldini in Chiaſſo, Guarnerio, Pereda, Zan—
non u. A. in Diailand zc. fuchen, abgeieben von
der fabrifmäßigen Art der Ausführung, die Auf-
gabe der Plaftit in einer Berbindung rein geure—
bafter Motive mit eier aus Koletterie u. Sen—
timentalität gemifchten Auffaffung, verihmähen
auch nicht die Einmiſchung von der Plaſtik ganz
fremden Elementen, 3. B. Zufammenftellung ver»
Ihiedenfarbiger Bronze mit Marmor ꝛc. Hier
zeigt ſich alfo eine völlıge Entartung der plaftiichen
Kunſt. — Außer zahlreichen Specialwerken über
429
danfen durch entiprechende finnliche Geſtalten.
Unter den Begriff des bildlichen Ausdrudes in
Poefie u. Profa (dem der eigentliche entgegenge-
ſetzt ift) fällt eine Anzahl dichterifcher u. redneri-
iher ‚Figuren (f. d. Art. Figuren), 3. B. die
Metapher, die Berfonification.
Bildneret bezeichnet die technifche Seite der
Bildhauerkunſt, mit befonderer Beziehung auf das
zum lörperlihen Formen verwandte Material. Es
gehören ſomit zur B. ſehr verfchiedene, ſowol rein
fünftlerifche, wie funftinduftrielle Techniken, zunächſt
die Plaftit im engeren Sinne, welche in Stein
(Marmor, Sandftein, Gramit, Porphyr, Speditein,
Habafter), oder Thon, Wachs x. die Formen
ausmeißelt oder knetet, dann die Holz« u. Elien-
beinjchnigerei, der Metallguß, das Treiben in
Metall, die Steinichneidefunft u. Medailloplaftif,
die Goldſchmiedekuuſt, die Gipsgießerei zc. E.
Bildhauerkunſt). Vgl. Handbuch der Bildnerkunſt
in ihrem ganzen Umfange, mit einem Atlas, ent«
haltend 28 Onarttafeln, von Karl Stegmann,
Architelt, Weimar 1864, Schasler.
Bildfäule, ſynonym mit Statnue, monumen—
tal · plaſtiſche Darſtellung der menſchlichen Geſtalt,
im Beſonderen von göttlichen Weſen, Heroen ꝛc.,
namentlih als Gegenitand des religiöfen Cultus,
ſodann auch von ſolchen Perfonen, denen damit
als Anerkennung ihrer Berdienfte um den Staat,
die Wiffenihaft, Kunft 2c. ein Denkmal geſetzt
wird, Ihrer Form nach ftellt die B. die Perſon
entweder im ganzer Figur dar (Statue im enges
ren Sinne), oder als Bruftbild (Büfte), oder endlich
als Herme (Kopf auf einem nah unten koniſch
zulaufenden Geſtell). Als Statue ruht fie ent-
weder bloß auf einem Sodel (Unterfag von meift
fubifher Form), oder auf einem Piedeftal (ſ. d.);
als Büfte entweder ebenfalls auf einem Piedeftal,
auf einer Säule oder einer Conſole. In der
Herme bildet der Kopf mit dem Fuße ein untrenn⸗
bares Ganzes, während bei der Statue u. ber
Biüſte Piedeftal u. Sodel nur als Unterfat dies
nen. Als eine befondere Gattung von Ben kön-
nen aud die, jedoch nur in Berbindung mit der
Architeltonik zuläffigen Karyatiden betrachtet wer⸗
den, melde meift paarweiſe als männliche oder
weibliche Träger von Balconen zc. aus der Wand»
einzelne Schulen, Künſtler u. Werfe, namentlich |flähe heraustreten, oder auch zuweilen ftatt der
des Alterthums, ift die Geichichte der Plaſtik im
Zufammenhange nur wenig bearbeitet worden.
Hauptwerk fiir die Kenntniß der antifen Plaſtik
iſt J. Overbecks Geſchichte der griechiſchen Plaftit
für Künftler u. Kunſtfreunde, 2. umgearbeitete u.
vermehrte Auflage, 2 Bde. mit Ylluftrationen,
Lpz. 1869. Außerdem ift die Gefammtgeidichte
der Plaſtik bis auf die neuere Zeit (Anfang die.
YJahrh.) von Fr. Kugler in feinem Handbuch der
Kunftgefhichte (2, Aufl. mit Zufägen von Burd-
bardt, Stuttg. 1848) in, wenn auch aphoriftiicher,
doch zuverläffiger Weife berüdfichtigt; endlich von
W. Lübke in feiner Geſchichte der Plaftit von den
älteften Zeiten bis auf die Gegenwart, Lpz. 1863.
Doch ift darin die nur etwa bis in die 40er Jahre
reichende Geſchichte fiir die Kenntnig der moder-
Säulen fungiren. Die Karyatide ift eine ber
Form nad nicht freiftehende Herme, bei welcher
außer dem Kopfe der ganze Oberleib einſchließlich
der Arne dargeftellt iſt. Schasler.
Bildſchnitzerei, das Ausarbeiten von Bild⸗
werken aller Art u. Größe in Elfenbein u. Holz
mittels Schnitzer, Stecheiſen u. Meſſer. Elfen-
beinſchnitzarbeiten kommen ſchon im früheſten Alter⸗
thum vor, fo bei den Babyloniern, welche Heine
Zierrathen aus Elfenbein fertigten. Großartigere
Anwendung machten von diefem Material die
griechischen Bildhauer, indem fie nicht felten das
Nadte der Statuen aus Elfenbein berftellten. In
fpäterer Zeit fand das Elfenbeinſchnitzwerk im By—
zantinifchen Bieiche, wie auch in Deutfchland und
anderen Ländern zur Anfertigung von Gegenftän«
nen Gefchichte der Plaftit unverhältnigmäßig kurz den des kirchlichen u. weltlihen Gebrauches :c.
bebanbdelt. Schasler.
ausgedehnte Anwendung. Bon Holzſchnitzwerlen
Bildlich iſt die Veranſchaulichung unſerer Ger des Alterthums iſt außer den hölzernen Götter
430
jtatuen wenig befannt. Die Kunft, in Holz Fi—
guren zu fchnigen, blühte bei. im Mittelalter, u.
in alten Kirchen u. an alten Gebäuden finden fich
noch oft Werke diejer Art, welche echten Kunftfinn
verrathen. Als Meifter find zu nennen: Barth.
Ableitner, Chrift. Angermayr, Eg. Alam, Job.
Barile, Barth. Beham, G, Brüggemann, Alb.
Dürer, Peter Flötuer, Grasm. Graſſer, Friedr.
Hagenauer, Ad. Kraft, Tilm. Riemenſchneider,
Hans Schaufelin, Bert Stoß u. U. Viele der
felben fchnitten auch in Elfenbein. Jetzt wird B.
vielfach auch zur Formſchneidekunſt angewendet,
in anderer Hinficht aber bei. von den Drechslern
ausgeübt. Mauches minder Feine verfertigen auch
die Tijchler. Im füdlichen Deutihland (Berchtes⸗
gaben, Ober-Ammergau) u. bef. in Tirol (Gräd-
nerthal) wird die B. oft von ganzen Ortichaften
betrieben; ähnlich in einigen Gegenden der Schweiz
(Berner Oberland). Ganz befondere Pflege finder
fie in der berühmten Mayerfhen Kunftanftalt zu
Münden,
Bildfeite (Numism.), jo v. mw. Avers,
Bildjteine, jo v. w. Agalmatholit (f. d);
dann auch Steine, die die Geftalt irgend eines
Gegenftandes haben, oder ihm ähmeln, oft nur
entfernt; find Naturipiele ohne Werth, die oft
der Phantafie u. dem Nberglauben viel zu thun
gegeben haben,
Bildung, 1) als Thätigfeit, die Ausbild—
ung des Menfhen auf Grund feiner natürlichen
Anlagen u. Kräfte. Sie muß in der Jugend be»
wirft werben, weil dann der Menſch am bildungs»
fähigften ift u. der Zwed der Erziehung: har-⸗ſſt
monishe Ausbildung diefer Anlagen u. Kräfte,
nur im dieſer Zeit zu erreichen ıfl. Um dieſe
barmonifche Ausbildung zu erreichen, muß die
Thätigkeit der B. in gleihmäßiger Weife auf das
phyſiſche wie das geiftig-ethiidhe Element ge»
vichtet fein. Eine Behandlung des Kindes nad
den Regeln der Hygieine u. Gymnaſtik, fowie
weiterhin ein Yeben u. Verhalten nad diejen Re—
geln gehört daher zu den widtigften Borbeding-
ungen für die B. Die geiſtig-ethiſche 3. be-
zwedt zunächſt das Wiffen, während fie gleich—
zeitig u. mit Hüfe des Willens auf die richtige
Entwidelung der Urtheilsträfte einzuwirken bat,
damit die Möglichkeit einer entiprechenden Hand»
lungsweiſe vorbereitet werde. Denn gleichzeitig mit
dem Yernen muß das Gefühl der Berbindlichkeit in
Bezug auf das Wiffen, ſei e8 zum Handeln, oder
zum Unterlafien, gewedt u. genährt werden. Die
B. it jomit ſowol Sache der Pflege, wie des Un—
terrichtes, als auch der Erziehung. Neben der
phyſiſchen u. wiflenfchaftlich « ethifchen ift die ge—
jellichaftlihe B. von gleicher Wichtigleit. Die
gefellichaftliche B., die nur durch die Praris (fort-
gejetten Verfehr mit den Menſchen) erlangt wer«
den kann, gipfelt in der Eutwickelungu. Förderung der
höchſten Eigenſchaften des Menſchen. Sie wedt u.
erhält wach das Gefilhl der Gegenſeitigkeit, fie
lehrt kennen unjer Verhältniß zur Welt, führt aljo
zu Menſchenkenntniß u. Selbiterfenntniß. Eines
der wichtigiten B-smittel: die Er,ahrung, kann in
ausreichender Weife nur im gejellichaftlichen Ver—
tehre zur Geltung kommen, Daß die gejellichaft-
lichen Formen nicht vernadläjfigt werden dürfen,
Dildfeite — Bileam.
iſt felbftverftändlih. Bon hoher Wichtigkeit ift
endlich die politiihe B. die ſogar als Pflicht
des Staate bürgers bingeftellt werden muß. Bei
einem Bürgerthum ohne politiihe B. ift ein ge-
ordnetes Staatsweien nicht denkbar, Die politische
B. wird erlangt durh Studium u. Meinungs
austausch, u. ift daher ſowol wiflenfchaftliche, wie
gejellichaftliche B. dazu erforderlich, wie fie ander-
ſeits dieſe B-Sarten wieder fürdert. Die religiöje
B. ift in der geiftig-etbifchen u. focialen mit ein⸗
geichloffen. 2) Unter B. verfteht man auch den
Befit der vorftehend genannten Eigenschaften in
irgend einem Grade u. fpridt bemgemäß von
böheren oder niederen Besſtufen u. j. w. Bgl.
den Art. Aufflärung. Schroot.
Bildungsabweichung, auffallend veränderte
Form eines Organs; ſ. Mißbildungen.
Bildungsgenoſſenſchaften, ein Product der
in neueſter Zeit ſich mehr u. mehr geltend machen-
den Beitrebungen, die Bildung zu einem Gemein«
ute werden zu lafjen; Vereine, welche in erfter
eihe die geiftige u. fittlihe Bildung unter ihren
Mitgliedern bezweden, ſei es nun, daß fie fich,
unter Ausſchluß aller Politif u. Neligion, nur
auf das Allgemeine bejcdhränfen, oder auch bie
politiihe Bildung anitreben u. auf Pflege des
religiöfen Sinnes ihr Augenmerk richten, od. end«
lich nur als Fachvereine die möglichfte Ausbildung
in dem einen Fache bezweden. Solche B. find die
Arbeiter-, Handwerker, Gefellen-, Gewerbe- zc.
Vereine,
Bildungsgewebe, Theilungsgewebe, Meri«
em, |. Gemebe.
Bildungsfaft, die Gefammtheit der Flüffig«
feiten, weldhe aus dem Boden in die Pflanzen
aufgenommen werden. Man gebraucht diejen Aus-
drud auch wol für diejenigen mehr veredelten
‚zlüffigleiten mit organiſchen Subftanzen, melde,
in der Pflanze jelbft aus jenem rohen Nahrungs»
fafte erzeugt, weiterhin in ihr circuliren u. ver«
möge ihres Gehaltes an Dertrin (Stärfe-Gummt),
Eimeißftoffen ꝛc. im Stande find, das nötbige
Material fir die Neubildung von Zelten oder für
die Auffammlung von Wintervorräthen zu liefern,
S. Saftbewegung.
Bileam (a. Geogr.), gewöhnlich Jibleam ge«
nannt, 1) Yevitenjtadtt ım Stamme Manajje.
2) (Balaam) Beors Sohn, Wahrſager aus Pethor
in Mejopotamien; von Balaf, dem König der Moa-
biter, gezwungen, den Israeliten, welde auf dem
Zuge nad Paläftina in fein Yand gelommen waren,
zu fluchen, machte er fi mit Erlaubniß Jehovahs
auf den Weg; dann aber wollte Jehovah nicht,
daß B. hinzöge, u. ftellte ihm in einem Engpaß
einen Engel entgegen; vor diefem wich fein Keit«
tbier (Bileams Eſelin) aus, u. da B. fie ſchlug,
fing fie an zu reden u. fih über B-s Grauſam-—
feit zu beffagen. Jetzt erit jah DB. den Engel,
der ıhm erflärte, die Neife fei dem Jehovah mig-
fällig, ihn aber doch ziehen hieß. DB. fegnete num
drei Mal die Fsraeliten; deffenungeadhtet ward
er nachher von den Israeliten erichlagen, weil er
den mit den Moabitern verbündeten Midianitern
gerathen hatte, die Israeliten zum Dienfte des
Baal Peor zu verführen, um fie zu verderben.
Die Kabbiner madten den B. zum Minifter
Bilecha — Bilin.
431
Pharaos; verwechſeln ihn auh mit Baban und|bus rerum affectionibus, Tüb. 1725, n. N. 1740,
Elihu. Nah der arabiihen Sage war B. aus
dem Geichledhte der Enatim, hatte die Bücher des
Abraham gelefen, daraus den unausiprechlichen
Namen Fehovahs erlernt u. konnte nun die Er-
börung der Gebete von Jehovah erhalten. Sein
Weib verleitete ihm zur Verfluchung der Israeliten;
deswegen nahm ihm Jehovah die Kenntniß feines
Namens u. ließ ihn im Unglauben verfinken.
Bilecha (Biliha, a. Geogr.), Nebenfluß des
Eupbrat, in Mejopotamien; jest Belilh. Am B.
53 v. Ehr. die erſte Schlacht des Craſſus gegen
die Partber.
Diled (arab.), das Land; daher die folgenden
—
Biledſchit, Stadt im türkiſchen Vilajet Cho-
dawenditjar, im Innern von Anadoli, an einem
Nebenfluffe des Salaria; meift bewohnt von Ar-
meniern, welche Seidenzucht, Tuchweberei u, Wein-
bau treiben. Das alte Schloß B. (bei den By—
zantinern Belefoma) eroberte Osman 1299 durch
Liſt von den Griechen.
Biledulgerid (Biled al Dicherid), Landichaft
in Näfrila, im SO. von Algerien n. im füdlichen
Theil von Tunis u. Tripolis, mit berichiedenen
Salzieen (Schott el Garnis, Schott el Kebir, letz—
terer der Palus Tritonis der Alten), die wie ein
Theil des Landes unter dem Spiegel des Meeres
gelegen find u. alten Meeresboden darftellen, in
welches Stadium derfelbe binnen Kurzem auch
wieder zurüdtehren wird, da die franzöfiihe He
gierung mit dem Plan umgeht, die Salzſeen
mittelft eines Durcchitiches nördlich von Babes mit
dem Meere in Verbindung zu ſetzen, wodurd eine
weſtlich bis über den Meighigh- (Mel-Rhir-YSee
fih erftredende Bucht entjteht, tief genug, um
der Seeſchifffahrt Raum zu geben, u. groß genug
(etwa 20,000 [_|km Flähenraum), um auf das
Klima der umliegenden Landichaften einen umge»
ftaltend günftigen Einfluß auszuüben: ohne Zweifel
einer der größten civiliſatoriſchen Erfolge, welche
die Neuzeit aufzumweifen haben wird, Die Bewohner,
meift Araber u. Berbern, leben in zahlreichen
Daſen vom Ertrage der Dattelpalmen, die einen
bedeutenden Ausfuhrartifel bilden. Zur Römer-
zeit war das Land der Sit hoher Eultur, von der
noch viele Überbleibiel Zeuͤgniß geben.
Bilfinger, deutiche Familie, die angeblich ih»
ren Namen davon erhielt, daß ein 6. Finger als
Bildungsfebler in ihr erblih war. Am befann-
teften iſt Georg Berubard, deutſcher Philojoph,
geb. 23. Jan. 1693 in Kannftatt; wurde 1719
außerord., 1723 ord. Prof. d. Philof. zu Tübin—
gen, 1725 an die Alademie in St. Petersburg be»
rufen, 1731 Prof. der Theologie u. Superattendent
des Stiftes zu Tübingen, 1735 Confiftorialpräfident
u. Geheimrath in Stuttgart; ft. 18. Febr. 1750.
Als Deathematifer u. Erfinder im Befeftigungs-
weſen, auch wegen feiner Berdienfte um das
württembergifhe Schulmejen geichätst, in der Bhi-
Iofophie Schiller Wolfis, doch mehr Yeibnizianer
als Wolffianer, ftand B. in großem Anjehen, das
feine faft ausschließlich lateintich verfaßten Schriften,
auch die feiner Zeit berübmtefte u. auch im Aus—
lande, bei. in Frankreich, viel gelefene: Dilueidatio-
nes de Deo, anima hum., mundo et generali-
1743, 1746, längft verloren haben. Hartmann.
Bilgoray, Stadt im Kreiſe Zamosc des rufl.
Gouv. Yublin (Bolen); Siebmaderei aus Pferde-
haaren; 6168 Em.
Bilguer, Baul Rudolf v., berühmter Schadh«
fpieler, geb. 21. Septbr. 1815 in Ludwigsluſt;
nahm 1833 preuß. Militärdienfte u. fam 1837
als Lieutenant nach Berlin, um die Kriegsafade-
mie zu bejuchen, nahm aber 1839 feinen Abjchied
u, beichäftigte fih mit Piteraturftndien u. dem
Schachſpiel, in welchem er es zu großer Virtuofität
brachte. So fpielte er einmal drei Partien zıt-
glei, u. zwar zwei derfelben aus dem Gedächt—
niß mit zwei in einem Nebenzimmer befindlichen
Gegenfpielern, wobei er nur eine verlor. Er ft.
16. Sept. 1840. Sein Handbuh des Scadı-
ſpiels, Berl. 1843, 5. A., 1873, wurde von
v. d. Lafa vollendet u. herausgegeben. Außerdem
ihr. er noch: Das Zweiſpringerſpiel im Nachzuge,
Berl. 1839.
Bilha, Magd der Rahel u. Jakobs Nebenfrau,
mit welcher diefer den Dan u. Naphthali erzeugte,
Biliär (v. Yat.), was zur Galle, deren Be-
reitung, Aufnahme u. Fortleitung in Beziehung
ftebt; jo: B-gänge, die Gallengefäße, durch
melde im der Leber die Galle aus dem Blute
abgejondert, aufgenommen und fortgeleitet wird;
durh Zufammentritt aller bilder fi der Leber«
gallengang; be Eonftitution, gallige Körper-
beſchaffenheit; bei Älteren Arzten ein durch Übermaß
von Galle bedingter Zuftand.
Bilifulvin, ——— Bilipraſin, Bili—
rubin, Biliverdin, Biliphäſin find die Namen
für verſchiedene aus der Galle und den Gallen—
ſteinen dargeſtellte rothbraune, braune, rothgelbe
u. grüne Farbſtoffe, die aber wegen ihrer Un—
fähigleit, zu kryſtalliſiren, ſchwer von einander zu
trennen u. rein darzuftellen find (ſ. Galle). Elören.
Bilimbingbaum (Averrhoa Carambola L.);
gehört zur Familie der Oralideen (X. 5); Blätter
abwechjelnd, unpaarig geficdert; Blättchen eifürmig,
zugeipist, ganzrandıg, fabl; Blüthen in achſel—
ftändigen Riſpen; Kelch öblätterig; 5 obermwärts
abftehende Blumenblätter; 10 Staubblätter, Frucht
eine 5fantige, 5fächerige Beere. Der in Oftindien
heimifche Baum wird dort u, in Weftindien wegen
jeiner ſüß-ſäuerlichen Früchte cultivirt, welche theils
als Nahrungmittel, theils als Heilmittel bei ent-
zündlichen Fiebern Verwendung finden; auch be—
dienen ſich die Europäer der ſauren Früchte zum
Pöleln. Die noch mehr fauren, länglichen Früchte
einer anderen Art, des runden Bes (A. Bilimbi
L.), von DOftindien, dienen als Gewürz. Engler.
Bilin, Stadt im böhm, Bezirke Tepfis, an der
Biela, Eifenbahnftation; Badeort; Fabrik irdener
jagence-Äähnlicher Flaſchen, ebenfo von trefilicher
Magnefia u. Bitterfalz, Rübenzuderfabrif; 4286
Em.; dabei das fürftlihe (alte u. neue) Schloß
auf dem Hradiſch, mit unterirdifhen Gängen, über
welche, ſowie über die dort gefundenen Pfeilfpigen,
mande Sage gebt; Mineraliencabinet, Waffen-
fammlung. Der B-er Sauerbrunnen befteht
aus 4 Quellen, der Fojephs- u. Carolinenquelle,
der Duelle in dem Gemölbe u. der Gemeinde»
auele. Der Hauptbeftandtheil iſt kohlenſaures
432
Natron, nähftdem ſchwefelſaures Natrum u. eine
beträchtliche Quantität freies u. halbgebundenes
toblenfanres Gas. Das Waffer wird an Ort u,
Stelle wenig benugt (obgleich dazu ein Kurgebände
vorhanden ıfl); am bäufigfien zu Berjendungen,
die 80—100,000 Krüge, welde bier jabrıcirt
werben, betragen. Ebenſo findet ein ftarfer Ber-
fandt der fogen. B-er Paftillen, eines Abdampf-
ungsproductes des Säuerlings, ftatt. Bei Kranl-
heiten der Harnmwerlzeuge, Berichleimungen der
Bruft, des Unterleibes u. Fehler der Menftrnation
wird es innerlich angewandt. Hier noch der
Biliner Stein (Borczen), fchroffer Berg in der
Nähe der Stadt von Bafaltbildung u. mit merf-
würdigen Höhlen. Vgl. Neuß, Die Mineral-
quellen von B., Wien 1827.
Bilin (Taurodoljäure), in der menjchlichen
Galle vorwiegende Säure.
Bilinguiſch (v. Lat.), zweiſprachig, doppel-
züngig.
Bilinsti, Leon, Nitter v., geb. 1846 in Ga-
lizien; ftudirte in Lemberg, wo er 1868 als Pri«
vatdocent feine alademiſche Yehrthätigkeit beganın,
1871 zum außerordentlihen, 1874 zum ordent«
lihen Profeffor ernannt wurde. B. veröffentlichte
zahlreihe wnationalötonomishe Abhandlungen in
polnischen Zeitichriften, verfaßte ein Lehrbuch der
politiihen Olonomie in polnischer Spracde, wel»
ches auch von deutichen Gelehrten geichätt wird,
u. fchrieb in deutſcher Sprache: Die Lurusfteuer
als Eorrectiv der Einfommenfteuer, finanzwirth-
Ihaftliher Beitrag zur Löfung der foctalen Frage,
Lpz. 1875, u, Die Eiſenbahntarife (Schriften der
Geſellſchaft öſterr. Vollswirthe), Wien 1875; bei-
des ſehr geichägte Werte.
Biliös (v. Lat.), gallig;
Fieber, Gallenfieber.
Bilis (lat.), Galle; B. atra, ſchwarze Galle;
ſollte theoretifch die Urfache der fogen. atro-biliaren
Conſtitution fein; daher fo v. w. Melancholie;
B. bovina, Rindsgalle (f. d.).
Biliton (Billiton), Juſel Oftindiens, durch die
Karimata-Straße öftlih von Borneo, durch die
Straße Gafpar mweftl. von Banka getrennt; 6652
[km(119 | _M); 25,000 malaiiſche Ew.; früher
zur niederländ. Refidentichaft Banla gehörig, feit
1852 eigene Affiftent-Refidentfchaft; meift eben u.
uufruchtbar, doch rei an Eijen u. Zinn; die Aus—
beutung des letzteren ift am eine holländ. Gejell-
haft verpadtet u. ergab 1872/73 67,000 Eitr.
Der Handel weiſt eine Einfuhr im Werthe von
14 Mill. Gulden u. eine Ausfuhr von 4 Mill. ©.
auf; Chinefen treiben Handel mit Zinn, Eifen,
Eolonialwaaren, Nuthölzern u. Trepang. Wich—
tigfter Ort ift das Dorf Pandang.
Biliverdin (Gallengrün), grüner Farbftoff der
Galle, welcher durch längere Einwirkung von
foblenfauren Allalien an der Luft aus dem Bili-
phäin fih bildet; er ftellt eine dunkelgrüne
amorphe Maffe dar, melde fi) in Ather mit
grüner Farbe auflöft; Berzelius hielt das B. für
identifch mit dem Chlorophyll; ſ. u. Galle.
Bilk, Dorf bei Düffeldorf, Preuß. Rheinprov.;
Gemüſebau; auf der 1844 errichteten Sternwarte
daher biliöjes
Bilin — Billard.
BIN (engl.) bedeutet in England, in feiner all«
gemeinen Auffaffung, jede formelle Schrift oder
Ausfage. Urſprünglich ward diefer Ausdrud auf
jedes mit einem Siegel verjehene Document an-
gewendet, wie es auch vom lat. Bulla abftammt.
B. hat eine Menge technifcher Anwendungen, mie:
B. of adventure, d. h. im Engl. Handelsredhte
eine Speculation in Waaren, weldhe unter einem
Supercargo verjchifft werden, zum möglichft beften
Berfauf duch diefen auf Rechnung der Eigen-
thiimer. B. of attainder u. B. of Pains and Pena-
lities find im Parlament eingebradhte Gejegesvor-
lagen zur Überführung u. Beftrafung von Berfonen,
die ein Eriminalverbrechen gegen den Staat u. den
öffentlichen Frieden begangen haben. B. of com-
plaint ift die formelle, entweder jchriftlich, od. im
Plaidoyer gemachte Ausjage, durch melde ein
Kläger im engl. Kanzleigerichtshofe billigen Bei-
ftand oder Hilfe ſucht. Diefe B. wird ftets im
Form einer Petition an dem Lordb- Kanzler oder
Yord» Giegelbewahrer gerichtet. B. of credit, ein
Ereditbrief (Accreditiv). B. of divorce, der (jũdiſche)
Scheidebrief. B. 6f exchange ein Wedel. B.
of exchequer, Schatzkammerſchein. B. of health,
ein von den Conjular- u. anderen geeigneten Be-
börden einem Capitän der Handelsmarine aus-
geftelltes Document, zur Zeit des Löſchens feines
Schiffes, aus allen Häfen u. Plägen, wo gg
fih anftedende Krankheiten herrſchen, über den
Geiumdheitszuftand im Fahrzeuge zur Zeit, als es
abjegelte. B. of interpleader Ausmittelungsge-
fu. B. of lading, Connoſſement, Frachtbrief zur
See. B. of mortality, eine ftatiftiihe Angabe
über die Zu- oder Abnahme von Todesfällen, in
einem gewiſſen Diftric. B. of rights, die dem
Prinzen u. der Pringeffin von Oranien 13. (Febr.
1688 vom Parlament überreichte, von ihnen
als König u. Königin beftätigte Erllärung über
die wahren, alten u. unzweifelhaften Nechte des
Volles. B. in Parliament, eine im Parlament
von Großbritannien oder in den beiden Häufern
des Eongreffes der Vereinigten Staaten einge
brachte, aber nod nicht angenommene Gejeges-
borlage; die B. wird zur Parlaments-, veipect.
Congreßacte, wenn fie die Sauction beider Häufer
des Geſetzgebenden Körpers u. des Staatäober-
bauptes erhalten bat. B. of sale, der Beilbrief,
(Bielbrief); dann aber auch nach engl. Geſetze die
Berfhreibung beweglichen Eigenthums als Unter⸗
pfand für eine dargeliehene Geldfumme. B. of
store, der Proviantirungsichein. B. of sufferance,
der Freihandelsbrief, der Zollfreifchein,. Bartling.
Billa (arab., Fürft von Gottes Gnaden),
Beiname mehrerer arabifhen Fürften, nament⸗
fich mehrerer der fpäteren Khalifen.
Billard (fr.), Spiel mit Kugeln (Bällen) auf
einer horizontalen Tafel; dann auch diefe Tafel
felbft. I. Die Betafel ift meift halb fo breit als
lang, aus hartem Holze gefertigt, auf 6 ftarfen
Füßen ruhend, mit grünen, eigens dazu bereitetem
mittelfeinem Tuche (B-tuch) überzogen. In neuerer
Zeit werden auch dilnne Marimorplatten als Un
terlage angewandt (Marmor-B-$). Die Ränder
diefer Tafel (Banden), ca. 7— 10 cm. über bier
entdedte der Aftronom Luther 1852—73 zwanzig|felben erhöht, find gleihmäßig (am beiten wit
Aſtero iden.
Kautſchul) gepolſtert und mit dem B⸗tuche über-
Billard,
zogen. Die Oberfläche der Betafel muß genau
wagerecht geftellt u. nicht höher als 85 cm fein.
Im freie Bewegung des Spielers zu ermöglichen,
werden die B-3 meift in eigenen Zimmern (B-
zimmern), welche ringsum noch einen freien Blat
von wenigftens 2 m Breite übrig laffen, aufgeftellt.
Helles Tageslicht, au zur Beleuchtung beim Abend
ein Beleuchtungsapparat, welcher jo wenig mie
möglih Schatten auf das B. wirft u. ein rubiges,
gleihmäßiges Licht verbreitet, find für das Bezum-
mer umerläßlih. Die früher in Deutichland allein
gebräudhlihen jog. deutihen B-tafeln mit 6
(je eine in den 4 Eden u. den Mittelpunften der
2 Längsferten befindlichen) Beuteln find jest bei-
nahe gänzlich von den oben harakterifirten, fog.
franzöfifhen B-tafeln (ohne Löcher) verdrängt
u. finden ſich nur noch vereinzelt, 3.8. in Thü—
ringen, der Provinz u. dem Königreih Sadjen.
Auch gegen die in der Neuzeit aufgetauchten ſechs—
edigen, achtedigen, freisrunden u. eirunden B—
tafeln behauptete die franzöftiche B-tafel das Feld.
Drei Punkte, welche man erhält, indem man
von der Mitte der Bande der einen ſchmalen Seite
auf die Mitte der entgegengefetten eine gerade
Linie zieht u. diefe in 4 gleiche Theile theilt, find
mit runden Plätthen (Bflaftern) bezeichnet. Von
diefen 3 Punkten beißen der obere u, der nntere
Earambolepläge. Oft ift das untere Biertel des
B-tuches, der jchmalen Seite parallel, durch eine
in das Tuch eingenähte Linie abgetheilt u. bildet
fo die Kammer (Quartier). Der Keffel ift ein
ebenjo eingenähter — mit der halben Ent⸗
fernung des Carambolepunftes von der Bande ge
ihlagen. Bei einem guten B. muß die Tafel
völlig eben u. ganz horizontal, die Banden mög-
lichſt elaftiich fein.
II. Als Spielmittel dienen: a) Die B-bälle,
aus beften Elfenbein gedrehte Kugeln, 4—6 cm
did; diefelben follen von gleicher Größe, gleichem
Gewichte u, gleicher Elafticıtät fein. Das Material
der Bälle muß homogen fein, jo daß der Schwer:
punft Derjelben in den Mittelpunkt fällt. Zur
beffeven Unterfcheidung find fie gewöhnlich ver-
ſchieden gezeichnet, wumerirt oder gefärbt. Zur
Fortbewegung derfelben dienen b) die QDueues,
aus mehreren verichiedenfaferigen Stüden von
beftem hartem Holze zujammengeleimte Stöde,
ta. 130— 150 cm lang, am Griffe dider und
ſchwerer (oft mit Blei ausgegoffen) u. an ber
Spite mit einem Lederplättchen von kreisförmiger
Grundflähe u. rundlich abgefladhtem Profil ver-
ſehen, weldes, um an den glatten Bällen nicht
abzugleiten, mit Kreide eingerieben wird. Die
Dueue dient dazu, den Ball durh Stoß in Be-
wegung zu jegen. Bu dieſem Zwede nimmt man
die Queue an ihrem dideren Ende in die rechte
Hand, macht mit der linken einen Bod, d. 5. fett
fie jo auf, daß die Handmwurzel u. die (etwas von
einander entfernten) 4 Fingerſpitzen aufliegen, die
Mitte des Handrüdens aber möglichſt hoch fteht
u. zwifchen dem Knöchel des Zeigefingers u. dem
etwas emporgehaltenen Daumen eine jattelähnliche
Vertiefung entfteht, und legt in dieſe das vordere
Ende der Queue fo, daß diefelbe darin ruht und
während des Stoßes leicht darin läuft. Bei
weiterer Entfernung des Balles, mit welchem man
BPierers UniverfalsEonverfationd:teriton. 6. Aufl.
433
jpielt, bedient man fich ftatt des Bockes mit der
Hand aud eines befonderen hölzernen Bockes
(Krüde), eineslangen Stodes, der vorn ein Brett-
hen trägt, in welches eine Kerbe gejchnitten ift,
um die Queue bineinzulegen, oder einer etwa
2,5 m langen u. verhältnigmäßig flärferen Quene;
oder der Maſſe (Kutiche, Landkutihe, Biftoquet),
einer an einem langen Stabe befeftigten Schippe
Maſſenſchuh) mit einer jo großen Kerbe, daß der
Ball damit gefaßt u. fortgeihoben werden kann.
Diefe Inſtrumente nennt man auch Deafchinen.
Doch kommt die Statthaftigleit der Anwendung
der Mafchinen auf die Art des Spiels oder die
Übereinkunft der Spielenden au. Man flößt auch
mit dem dideren Theil der Queue (Tournöftoß),
oder mit der Queue, ohne mit der anderen Hand
einen Bod zu machen u. ohne die Queue aufzu«
legen, fondern aus freier Hand (Piftolet), oder
man treibt den Ball, ftatt mit der Spige der Queue
mit der breiten Seite deffelben fort (Beitjchen).
ce) Die B=tegel; diefelben find ca. 7—10 cm hoch,
dünn u. werden aus leichtem Holze angefertigt.
III. Die Bewegung der Bälle erfolgt nad)
den Geſetzen des elaftiichen Stoßes. In jedem
einzelnen Falle wird die Bewegung des Balles
beftimmt a) dur die Art des Stoßes und b)
dur die Wirkung der elaftiihen Banden, ſowie
der anderen Bälle, welche der geftoßene Ball be-
rührt und von welchen er zurüdpralit. Es kann
bier nicht unfere Aufgabe fein, alle die unendlich
verſchiedenen Modificationen des Stoßes und die
Bewegungen, welche durch diefelben dem Balle zu
Theil werden, eingehend nach allen dabei in Bes
tracht fommenden mechanischen Gejeten zu erörtern.
Wir müffen uns vielmehr auf die Hauptgejege u.
die Anwendung derjelben auf die einfachiten und
befaunteften Fälle beichränfen. Bor Allem ift hier
daran zu erinnern, daß die Bälle auf dem B. im
Allgemeinen nicht gleiten, jondern rollen, d. i. daß
ihr Schwerpunlt fi fortichreitend bewegt, während
die Kugel fih um eine durd jenen gehende Achie
dreht, u. daß dabei der Weg, den der Schwer-
punft bei einer Umdrehung zurüdlegt, dein Um—
fange des Balles gleih iſt. Die Bäite werden
duch Anftoßen mit der Queue in Bewegung ge-
ſetzt; die Richtung ihrer Bewegung ift dabei im
Allgemeinen die des Stoßes; aud wenn die Richt-
ung des lebteren nicht durch den Schwerpunft des
Balles gebt, fo bewegt ſich doch, ſobald die Spike
der Queue nicht am Balle hingleitet, der Schwer:
punft des letzteren in einer der Stoßridtung pa-
ralfelen Linie. Je länger die Spite der Queue,
die zwilchen dem Bode u. dem Cpielballe hervor:
ragt (Schnabel), if, defto ftärker fan man den
Ball fpielen, aber der Stoß wird dadurch uns
fiherer. Man vifirt mit der Dueue, wenn man
den Bunft, den man mit dem Spielballe an einem
anderen Balle treffen will, mit den Augen abmift,
Andert man während des Stoßes die Nichtung
der Queue u. gleitet mit diefer vom Balle ab, jo
daß dieſer ohne die nöthige Kraft auch noch einen
falfhen Gang nimmt u. die vifirte Stelle gar
nicht, oder nicht recht trifft, fo gibt dies einen
Kids. Eolleftöße find ſolche, bei welchen der zu
ftoßende Ball nahe an der Bande fteht, aber jo,
daß noch ein Zwiſchenraum zwifchen diefer u. dem
III Band. 28
434
Billard.
Ball iſt, u. Preßcolleſtöße, wo der Ball feſt an Je nach der Stärke u. Tiefe des Stoßes iſt num
der Bande anliegt. Das zweimalige Berühren der
Bälle beim Stop (B-iren) gilt ftreng genommen
nicht, oder nur beim Ausiegen; macht der Spieler
Miene, einen Nachſtoß zu thun, fo hindert dies
der Mitipieler, wenn er nicht damit einverftanden
ift, dadurch, daß er feine Queue vor den Tviel-
ball quer aufs B. legt. Ebenſo gilt, der fire. yen
Regel nach, das leifeite Berühren der Bälle (Tour
hiren für einen Stoß. Was nun die Art des
Stoßes betrifft, jo haben wir zunächſt zu unter-
ſcheiden, ob die Queue den Ball in der lothrechten
Mittellinie (genauer in dem lothrechten größten
Kreife, in deilen Ebene die Richtung des Stoßes
legt) trifft, oder nicht. Im erjteren alle können
wir wieder unterfcheiden: a) den centralen»ge-
raden Stoß, bei welhem die Queue den Ball
in der Mitte, d. i. in der Höhe feines Mittel-
punktes, trifft, deſſen Richtung alſo durch den
Mittelpunkt oder Schwerpunkt des Balles gebt;
b) den Hodftoß, bei weldem der Verührungs-
punft gerade über; und c) den Tiefftoß, bei
welchen derſelbe unter der Mitte Tiegt.
Durch jeden Stoß erhält der Ball ım Allgemei»
nen eine forticreitende u. zugleih eine drehende
Bewegung; beim Stoße auf die lothrechte Mittel-
!inie erfolgt die Drehung um eine querliegende
d. i. wageredhte, zur Stoßrichtung rechtwinfelige)
Achſe. Der centrafe gerade Stoß ertbeilt dem
Balle zunähft das Beſtreben, fih ohne Drehung
vorwärts zu bewegen; durch die Neibung an der
B-tafel oder am deren Überzug wird aber diefe
Bewegung in eine um eine querliegende Adhie
drehende u. eine fortfchreitende verwandelt. Jeder
nicht centrale Stoß ertheilt dem Balle das Be-
ftreben, ſich fortichreitend n. zugleich drehend zu
bewegen; e3 fommıt aljo zu der von der Reibung
erzeugten Drehung noch die durch den Stoß un-
mittelbar erzeugte hinzu. Beim Hochſtoße (auf die
Mittellinie) erfolgt dieſe legtere Drehung um dies
jelbe Achſe u. in demjelben Sinne wie die erflere;
der Ball rollt alſo, bei gleicher Stärke des Stoßes,
mit größerer Geihmindigleit, als bei centralem
Stoße. Der hohe Stoß wird deshalb ftets dann
angewandt, wenn der Ball eine größere Geſchwin—
digkeit, fomit auch größere lebendige Kraft erhalten,
alfo beim AZufammentrefien mit einem anderen
möglichft wenig von feiner Geſchwindigkeit verlieren
u. möglichft wenig aus feiner uriprünglichen Richt-
ung abgelenft werden fol. Man unterjtügt dies
wol noch dadurd, daß man die Queue den Ball
eine kurze Zeit nah dem Stoße begleiten läßt
(Nachlaufſtoß). Trifft der Ball nach einem folchen
Stoße einen zweiten Ball gerade, jo treibt er den
fetsteren vor fih her u. jet dabei feine eigene
Bewegung mit verminderter Geihwindigfeit fort
Nachlaufen); trifit er den zweiten dagegen jchief,
oder ftreift er denfelben faft nur, fo treibt er ihn
in der Richtung der Berbindungslinie ihrer Mittel-
punkte feitwärts, während er felbft von jenem
äbnfih wie von einer elaftiihen Wand abprallt
(Schneiden). Auch beim Tiefftoße erfolgt die durch
diefen ummittelbar erzeugte Drehung um diefelbe
Achſe, wie die durch Reibung erzeugte, aber in
entgegengefegtem Sinne, fo daß fie für ſich allein
den Ball veranlaffen würde, rüdwärts zu rollen.
das Drebungsmoment der letzteren Drehung ent-
weder Heiner, als das der eriteren, oder ibm gleich,
oder größer als daffelbe. Überwiegt noch die durch
Reibung erzeugte Drehung, fo vermindert der Tief-
ſtoß einfach die Gejchwindigfeit, mit weldyer ber
Ball rollt. Sind beide Drebungsmomente gleich,
jo heben die Drehungen einander auf, ber Ball
gleitet dann kurze Zeit, ohme zu ſich dreben, auf
dem B. fort, bis er durch die gleitende Reibung
am Tuche oder dur Berührung mit einem zweiten
Balle gezwungen wird, ftehen zu bleiben; er er
theilt dadurch zugleich dieſem zweiten Balle einen
centralen geraden Stoß. Überwiegt endlich Die
durch den Top unmittelbar erzeugte (rückwärts
gerichtete) Drehung, fo gleitet er ebenfalls zuerft
vorwärts, indem er dabei zugleich rückwärts rotirt;
jobald dann feine gleitende Bewegung durch die
Heibung am Tiche oder durch Berührung mit
einem zweiten Balle aufgehoben iſt, jo beginnt er
sg der nun alleın noch zur Geltung fommen-
den Drehung rüdwärts zu rollen — eine Ericein«
ung, die dem der Bewegungsgeſetze Unkundigen
im höchſten Grade auffallend u. uünerklärlich Scheint.
Der Tiefſtoß muß zu letzterem Zwede ſehr feft u.
furz ausgeführt u. die Queue nah der Berühr—
uug mit dem Balle fofort zurüdgezogen werben
(Zurüdzieher oder Klappftoß).
Trifft ein im feiner lothrechten Mittellinie ge
ftoßener Ball die Bande, fo prallt er vermöge der
Elafticität beider wieder ab, Trifft er diefelbe
unter einem rechten Winkel, fo gibt ihm die Bande
jeinen Stoß in nahezu gleicher Stärke u. entgegen-
geſetzter Richtung zuriüd, jo daß er ebenfalls recht-
wintelig u. mit fait unverminderter Geichwindig-
feit zurüdprallt. Trifft er die Bande unter einem
ſchieſen Wintel, fo fann man jeine Bewegung im
eine zur Bande rechtwinfelige u. in eine derjelben
parallele Seitenbewegung zerlegen; die erftere wird
in die entgegengeſetzt gerichtete verwandelt, Die
letztere bleibt unverändert. Deuft man fih nun
in dem Berührungspunfte des Balles mit der Bande
eine zw legterer vechtwinfelige Linie (Einfallstoth)
gezogen, jo wird der Ball nad) der anderen Seite
diefer Linie abprallen, u. der Winkel, welchen er
dabei mit ihr bildet, der Abprallwintel, ift ebenfo
groß, wie derjenige, den er beim Anprallen mit
derjelben eingeſchloſſen hatte, der Anprallwinkel.
Durch den ſchiefen Stoß, bei welchem die Quene
den Ball feitwärts von der oben bezeichneten Mirtel-
linie berührt, erhält der Ball außer der fortfchreiten-
den u. vermöge der Reibung drehenden Bewegung
noch eine Drehung um feine verticale Achſe (meiche
ſich allerdings mit jener zw einer Drehung um
eine fchiefitehende Achſe combinirt, welche wir aber,
als diejenige Componente dieſer Gejammtdrehung,
ans welcher die eigenthümlichen Erfheinungen des
ſchiefen Stoßes abzuleiten find, hier für fidy allein
betrachten müffen). Dieje Drebung kommt zur
Wirkung, fobald der Ball die Bande oder einen
anderen Ball trifft; fie ertheilt alddann dem Balle
einen Effet oder Effect, d. h. fie lenkt denjelben
um einen (je nach der Ercentrität des Stofes)
größeren od. Hleineren Winkel von derjenigen Richt-
ung ab, im welcher er beim Stoße auf die Mittel:
linie abgepraltt jein würde, u. zwar erfährt der
Billard.
435
Abprallwinkel eine Anderung in demfelben Sinne,|beider Bälle nach einander beißt Karambolage, u.
in welchem der Ball infolge des jchiefen Stoßes
um feine verticale Achſe rotirt; oder die Ablenf-
ung erfolgt nach derjenigen Seite bin, auf welcher,
vom Standpunkte des Spielers gejehen, die Queue
den Ball berührt hat. War dies alfo diejelbe
Seite, nach welcher der Ball bei einem die Mittel-
linie treffenden Stoße abprallen wiirde, fo wird
dadurd der Abprallwintel, ſowie die Geihmwindig-
feit des Balles vergrößert; war es die entgegen-
gejette Seite, fo wird der Ball aus feiner Ab-
prallrichtung im entgegengeletten Sinne abgelenkt,
der Abprallwinfel wird alſo verkleinert; ja, es kann
ſogar der Ball unter einen Heineren od. größeren
Winkel nach derſelben Seite (vom Loth aus) ab-
prallen, von welder er hergelommen ıf, Einen
jolhen Effet neunt man Gontre»Effet.
Durch geeignete Verbindung des ſchiefen Stoßes
mit dem Hoc- od. Tiefftoße hat nun der Spieler
die Richtung, welche der angeftoßene Ball nad
dent Zujammentreffer mit der Bande oder einem
anderen Balle, ſowie auch die Nichtung, die diejer
letstere einschlagen foll, fait vollkommen in feiner
Gewalt. Welche Stofart in jedem einzelnen Falle
anzumenden ift u. wie die verjchiedenen Modifica-
tionen des Stoßes zu verbinden find, um den ge—
ftoßenen od. den von dieſem getroffenen Ball nad
einem beſtimmten Punkte der Tafel hinzutreiben;
ob endlich diefer Punkt auf dem fürzejten Wege
(directer Ball) oder nad vorheriger einmaliger
(Doublet), zweimaliger (Triplet), dreimaliger
(Duadrupfet), oder noch öfterer Berührung mit
der Bande zu erreichen ift, das Alles lehrt weniger
die reine Berechnung, als vielmehr eine nur durch
fortgefette Berfuhe zu erlangende Übung. Wie
wir bei Bewegungen der Glieder unferes Körpers
beim Gehen, Laufen, Tanzen, Schlittſchuhlaufen,
Balanciren ꝛc. die Function jedes einzelnen dabei
mitwirfenden Muskels nach ftreng mechanijchen
Bejegen regeln, ohne uns diejer Gejete, die wir
empirisch in uns aufgenommen haben, u. ihre An-
wendung, in der wir doch eine fait abfolute Sicher-
heit erlangen, jemals deutlich bewußt zu werben:
ähnlich erfolgt auch beim B-fpiel die Handhabung
der Queue vorherrſchend injtinctiv, wenngleich eine
bewußte Berechnung dabei feinegwegs ganz aus»
geſchloſſen iſt.
IV. Arten des Befpiels. Das B. wird
immer mit mehreren Bällen gejpielt, wobei der-
jenige Ball, welcher mit der Queue unmittel-
bar angeftoßen wird, der Spielball heißt. Dan
beabfihtigt immer, mit dem Spielballe einen an-
deren Ball zu treffen. Bei den ſog. Lochpartien,
melde nur auf den jog. deutichen Bes gejpielt
werden können, ift Hauptzwed des Stoßes, den
vom Spielballe getroffenen Ball in ein Loch zu
treiben. Dann ift der legtere Ball „gemacht“; läuft
der Spielball ſelbſt in ein Loch, jo nennt man dies
einen Verlauf. gu einer Lochpartie find demnach
im einfachften Falle nur zwei Bälle nöthig. Spielt
man mit 3 Bällen, von welchen dann jeder Spieler
einen als Spielball hat u. der dritte, beſonders kennt⸗
lich gemachte, Caramboleball (Taramboline, Caro-
line beißt), jo faun der Stoß auch noch den Zwech
haben, mit dem Spielballe die beiden auderen
Bälle nah einander zu treffen. Das Treffen
eine foldhe ausführen heißt caramboliren. Auf den
franzöfiichen B-s (ohne Löcher) wird meift die
Sarambolage-Partie geipielt, bei welcher nur Ca—
rambolagen beabfichtigt werden. Bei jog. Kegel
partien endlich beabfichtigt man, die auf der B—
tafel anfgeftellten Kegel nicht durch den Spielball,
fondern dur den von diefem getroffenen Ball
umzuwerfen (zu „macen“).
Ein Haupterforderniß des feinen Spiels ift es,
mit Deffein zu fpielen, d. h. nicht allein einen
Ball zu machen oder zu carambolıren, jondern
durh Wahl des Stoßes, Modification der Stärfe
deffelben ıı. dal. es dabın zu bringen, daß man,
falls man nad gemachten Balfe weiter zu fpielen
bat, eine Prije bekommt (d. h. eine ſolche Stell—
ung der Bälle herbeifüihrt, in welcher beim näch—
ften Stoße leicht ein Ball zu machen ift), daß man
alfo, namentlich wenn man mehrere Bälle (mie
beim Carolinefpiel) oder eine Sarambolage auf
verichiedene Weifen (wie beim GCarambolageipiel)
machen kann, den Ball oder die Art defielben wählt,
welche für den folgenden Stoß den meiften Vortheil
verspricht, u. daß man wenigftens, wenn man auch
nicht weiter fpielen darf, dem Gegner feine Prife
ſetzt. Gelingt ein Ball durch Zufall, od. anders, als
er beabfichtigt war, fo nennt man ihn einen Fuchs.
Die Yochpartien, deren es eine jehr große Ans
zahl gibt, beginnen in der Regel damit, daß der
eine Spieler ſich ausſetzt oder acquit gibt, d. h.
daß er feinen Spielball am eine beliebige Stelle
des B-8 rollen läßt u. den Nachſpieler preisgibt.
Diefer fett feinen Ball dann gleichfalls aus, d. b.
er ftellt ihn auf eine ihm geeignet jcheinende Stelle
des B»S u. ſucht von da aus den erften Ball zu
nahen. Dabei muß der Nachipieler Bande halten,
d. b. er darf mit dem Körper micht fiber die Eden
des B-8 hinausragen; Boden halten, d. h. wenig»
ftens mit der Spite des einen Fußes den Boden
berühren; Quartier halten, d. h. feinen Spielball
nicht über die Grenzlinie des Quartiers (ſ. oben)
ſetzen. Nun fucht jeder Spieler abwechjelnd den
Ball des Gegners zu machen (d. h. jo zu treffen,
daß er in ein Loc läuft).
Die Partie blanche mird von 2 Spielern
mit 2 Bällen gejpielt; machen, fowie bismeilen
auch fprengen (d. h. den feindlichen Ball fo fräf-
tig treffen, daß er über das B. mweggefchleudert
wird, zählt 2 Points, dagegen Fehlen des Balles
1, Berlaufen oder Berjprengen (d. b. Sprengen
des eigenen Spielballes) zählt 2 Points für den
Gegner. Es wird fo lange geipielt, bis einer der
Spielenden eine beftimmte Anzahl Points hat.
Bei der vom einer beliebigen größeren Anzahl
Perſonen um einen Einfag zu fpielenden Partie
& la poule, die ebenfalls mit 2 Bällen geſpielt
wird, wird je ein Point von einer beftimmten
Hleineren Zahl (meift 3—5) abgezählt, u. zwar
wenn der Spielball fich verläuft oder vom Nach—
jpieler gemacht wird. Hat der Spieler einen Ball
gentacht, fo gibt der folgende Acquit, der mächft-
folgende fpielt ꝛc. Wer feinen Point mehr hat,
tritt ab (tft todt); der zuletzt übrig Bleibende ge-
winut den ganzen Einfly,
Das ebenfalls noch vielfach gebräuchliche Earo-
linejpiel wird mit 5 Bällen gejpielt. Zwei Ca—
28*
436 Billardiera — Billardiereae.
ramboles werden auf die Carambolepläte, der 3.,|werden fünf Kegel in der Mitte der B-tafel, die
die Caroline von rother Farbe, auf den Mittelplatz Caroline oberhalb der Kegel, der zweite Spielball
geftelit. Mit den 2 Spielbällen wird auf die übri- unterhalb auf die Carambolcpläge und der erfte,
gen gefpielt. Wer zuerft 48 Points zählt, hatiAcquit gebende (anjpielende) Ball nad Belichen,
die Hartie gewonnen. Der erfte Spieler ſetzt fih aber im Quartier aufgeftelt. Es lommt darani
aus, jebody ohne einen der Bälle zu berühren jan, die Kegel durch die im dielelben indirect j
(was für den Gegiter 1 Auge zählen würde). Der ſpielende Caroline umzumerfen, zu machen. Ale
Spieler, welcher nadhgebt, d. b. den Stoß nach durch andere Bälle, Queues, durch directes
dem Ausjate bat, ſowie der, deſſen Spielball ge- Hineinſpielen der Caroline (abgerechnet die unten
macht ift u. der damit von Neuem fich ausſetzt, aufgeführten Ausnahmefäle) umgeworfenen Kegel
darf nicht auf die in der Kammer befindlichen Bälle zählen als Berluft. Beim Anfange der Partie wırd
fpielen, muß alfo, wenn fie ſich ſämmtlich darin |die Anzahl der zu macenden Points (owie event.
befinden, entweder fie durch Rücſchlag von der der Einfa pro Point) feftgeftellt; gemachte Points
Bande zu treffen fuchen, oder ſich ausſetzen. Beide werden von der feitgejegten Zahl ab-, verlaufene
Gegner ftoßen wechſelsweiſe; derjenige, der einen| Points dagegen zugezählt. Die Caroline muß
Ball gemacht bat, jpielt fo lange fort, als er Bälle ſtets zuerft getroffen werden, Nichttreffen zählt als
macht. Das Machen der Caroline (die nur in die Berluft eines Points, ebenſo auch, wenn der audere
2 Mittellöher gemacht werden darf, während fie,/ Ball zuerft getroffen wird. Als Spielball kann,
in die 4 Edlüher gemacht, dent Gegner gut ge-|uahdem Acquit gefettt worden ift, ſowol ber 1.,
rechnet wird) wird für 6, das Machen jeder der als auch der 2. Ball gewählt werden. Jeder
beiden Caramboles für 3 u, des Spielballes für 2) Spieler darf nur je einmal ftoßen, gleichviel, ob
gezählt. Die Carambolage, u, zwar die der Ea-jer Points gemacht, oder nicht. Directes Spielen
roline u. einer Carambole, zählt 4, die der beiden der Caroline in die Kegel ift nur zuläffig, menu
Caramboles 3, die der Caroline 1. des gegnerifchen dadurch der König allein geworfen wird, oder zu—
Spielballes 3, die eines Carambole u. des Spiel-|vor eine Carambolage ftattgefunden bat. Gezäblt
balles 2. Sie wird an vielen Orten nur dann wird: Umwerfen eines Kegels ald 1 Point, des
ezählt, wenn zugleih ein Ball gemacht wird. Königs allein 3 Points, der 4 Kegel um den König
Sprengen ift nicht erlaubt u. wird von dem Geg-|6 Points, ſämmtlicher Kegel 5 Points u. Carambe-
ner gezählt; Fehler, Verläufer u. Berjprenger wie|lage allein 1 Point; Carambolage mit Kegel ver»
in Partie blanche. Die Carambole kann von 2,|doppelt die Points derjelben, ohne jedoch mitzuzäblen.
oder auch von mehreren Spielern gefpielt werden.| Außer den genannten find noch jehr zahlreiche
Ähnlich ift die Fuchspartie oder Berlaufspartie,|Spielarten hier u. da gebräudlich, die Spielregeln
nur daß Berläufer u. VBerfprenger nicht dem Geg« weichen dabei an den verſchiedenen Orten außer
ner, joudern dem Spieler zählen. ordentlih von einander ab, Diejelben find auf den
Auf dem heutzutage am meiſten gebraudten|in jedem B-zimmer befindlihen Brreglements
franzöfiihen B. ift das Earambolagefpiel das be- | verzeichnet.
fiebtefte u. verbreitetfie. Man fpielt daffelbe mit| V. Geſchichte u. Literatur. Das B-fpiel ift
2 Spielbällen, welche auf die Carambolepläge, u.jangeblih im 16. Jahrh. in Ftalien erfunden wor-
1 Earoline, welche auf den Mittelplat geſetzt wird, |den; doch verbreitete es ſich erit im 17. u. 18. Jahrh.
u. e8 fommt dabei nur darauf an, zu carambo-|von Frankreich aus, namentlich von Ludwig XIV.,
liren, d. h. mit dem Spielballe die beiden anderen der es befonders liebte, als noble jeu de billard
Bälle zu treffen. In der Regel ftößt man den in Mode gebracht, durch ganz Europa und die
Spielball fo, daß er den einen der beiden anderen |jonftige civilifirtere Welt. ett wird es als Ge—
Bälle auf dem Lürzeften Wege (direct) trifft; von/fundheit förderndes Spiel, das außerdem das Auge
dieſem prallt er dann je nad) Art u. Richtung des u. die Hand übt u. auf den äſthetiſchen Sinn nicht
Stoßes in verichiedener Weife ab u. foll num den ohne günftigen Einfluß ift, von allen Gejellichafts-
dritten Ball entweder ebenfalls auf dem Fürzeften | Hafien betrieben; B-8 find heutzutage in den meiften
Wege (directe Carambolage), oder nach vorheriger |Neftaurants u. Kaffehäufern, oft mehrfach, anzu—
ein» oder mehrmaliger Berührung mit der Bande treffen. Paris z. B. foll derzeit allein iiber mehr
(Doublet, Triplet, Quadrouplet xc.) treffen; jede als 25,000 B-$ verfügen. Bal.: Der feine B-fpier
Earambolage kann deshalb auf jehr verichiedene|ler, Berl. 1874; Thropos, Der elegante B-ipieler,
Weiſen gemacht werben, u. es ift daher das Spie-|Kolb. 1874; Achard, Das Carambolageipiel, Berl.
fen mit Deflein bier ganz beſonders angezeigt.|1874; The B. Book, von Kapitän Crawlay, Lond.
Jeder Spieler fpielt mit einem u. demfelben Spiel-| Billardiera Sm., Pflanzengattung aus der Fam.
balle fo lange weiter, als er Carambolagen macht; der Pittojporeen (V. 1), mit 5 Kelchblättern, 5
fehlt er einen der Bälle oder beide, oder fprengt|bis über die Mitte zufammenneigenden, oberwärts
er einen Ball über die Bande, oder billardirt er, Jabftehenden Blumenblättern, 5 aufrechten Staub-
d. 5. fegt er mit dem Spielball einen ganz nahe- |blättern, einem 2fächerigen Fruchttnoten u. einer
ftehenden durch denſelben Stoß gleichzeitig in Ber eiförmigen, nit aufipringenden beerenartigen
wegung (mobei eine etwa gemachte Garambolage| Frucht, in deren Mebriges Fleiſch die eiförmigen
nicht gilt), fo tritt der Gegner mit dem anderen) Samen eingebettet find. Bon den 10 in Auftra-
Spielballe ein. Das Spiel dauert fo lange, bis lien heimiſchen Arten find zu nennen: B. muta-
einer der beiden Spieler @eine vorher bejtimmte|bilis Salisb, und B. scandens Sm., deren an-
Anzahl Carambolagen (à 1 Point) gemacht hat; genehm fänerliche Früchte von den Eingeborenen
diefer hat danı das Spiel gewonnen. genoffen werden,
Bei der Kegelpartie auf dem franzöfiihen B.| Billardiereae, j. Pittosporeae,
Billaud-Varennes — Billigfeit.
Billaud-Barennes, Jean Nicolas, franz.
Revolutionsmaun, geb. 23. April 1756 in Rochelle;
wurde Mitglied der Eongregation des Oratoriums
u. Lehrer zu Juilly; wegen meltlihen Sinnes
abgejegt, trat er auch aus der Congregation und
ging 1785 nad Paris, zeichnete fi) beim Aus-
ruche der Revolution durch einige heftige Partei-
ſchriften aus u, jchloß fich der Partei der Jacobiner
an. Anfangs in feinen Gefinnungen gemäßigt,
huldigte er nach dem 10. Aug. 1792 dem Ter-
rorismus, Als die Bergpartei u. die Girondiften
fih bildeten, erflärte er ſich für erftere u. für
die biutigften Maßregeln. Er predigte den Königen
u. Monarhien den Untergang u. verlangte die
Hinrichtung Ludwigs XVI. binnen 24 Stunden.
Rad dem Departement Flle-et- Bilaine geichidt,
wüthete er gegen die Bendee. Zurückgekehrt, Hagte
er Biele, u. A. Euftine, Houchard, Lanjuinais, an
u. veranlaßte auch, daß die Girondiften vor Ge—
richt geftellt mwiirden. Selbft von Danton und
Robespierre trennte er fich, indem er Erfteren für
437
13. October 186; auf feinem Schloſſe Grefillidres
bei Nantes; im Sept. 1867 wurde fein Stand»
Bild im Nantes aufgeftelt. A. Huet gab feine
Werke mit Biogrspbie heraus, Bar, 1864, 2 Bde.
Billbergia Thunb., Pflanzengattung aus der
Familie der Bromeliaceen (VI. 1), uah dem
ſchwediſchen Botaniler J. ©. Billberg benannt;
Blüthen in den Achſeln buntgefärbter Tragblätter
eine Traube oder Aehre bildend u. beftebend aus
3 äußeren u. 3 viel größeren, oberwärts abſtehen⸗
der, inneren Berigonblättern, 6 Staubblättern u.
einem Sfäherigen Fruchtknoten mit fadenförmigem
Griffel; Frucht eine runde, Sfächerige Beere, deren
länglihe Samen am inneren Wintel der Fächer
eingefügt find. Arten: B. amoena Lindl., in
SAmerika; B. clavata Lindl., von Trinidad;
B. pyramidalis L. B. zebrina Lindl., B. iridi-
folia Lindl. u. andere brafilianijche Arten find
Zierden unjerer Warmbäufer. Engler.
Bille, 63 km langes Flüßchen; entfpringt im
Amte Steinhorft in Lauenburg, ſcheidet anfangs
einen Royaliften, Letteren für einen mach der Holſtein von Lauenburg, fließt an Steinbed uud
Dictatur Strebenden erffärte, und war einer der
Erften, die am 9, Thermidor gegen Robespierre
fpraden; 6 Tage darauf gab er feine Entlaſſung
aus dem Wohlfahrtsausihußg. Als Conventsmit-
eh hielt er fich bis 1795, wurde aber dann mit
ollot d'Herbois, Barrdre u. Badier zur Depor-
tation nach Guiana vernrtbeilt; 1816 war er kurze
Zeit in New-York, wendete ſich aber dann nad
Hayti, wo ihm der Präfident Perhion eine Penſion
anwies u, wo er 3. Juni 1819 ftarb,
Billauft, Augufte Adolphe, franzöfiicher
Staatsmann, geb. 12. Nov. 1805 zu Bannes;
war früher zu Nantes Advocat; wurde 1830
Mitglied des dortigen Mimicipalrathes, 1834
Mitglied des Generafrathes des Depart, Loire
Anferieure und wurde 1837 von diefem im die
Deputirtenfammer gewählt, wo er zur Oppofition
bielt und vorzüglich über die Wahlbeftehungen,
das Durchſuchungsrecht im Betreff des Sklaven-
handels und die Pritchardiche Entfhädigungsans
gelegenheit die Negierungsmaßregeln angriff.
Später wurde er Anwalt des Herzogs von Aumale
u. 1. März 1840 Unterftaatsfecretär im Handels»
u. Aderbauminifterium. Nach dem Sturze des
Minifteriums Thiers wurde er Advocat in Paris
u. hielt wieder zur Oppofition. An den Reform:
bewegungen der Fahre 1846 m. 1847 nahm er
en thätigften Antheil u. war am 24. Februar
1848 zum Marineminifter beftimmt. Im März
d. J. in die Nationalverfammlung gewählt, hielt
er fih anfangs zur Linken, trat jedoch feit 1850
zu den Bonapartiften über. Nah dem 2. Der,
1851 gehörte er zur Umgebung Ludwig Napoleons,
wurde durh Decret vom 25. Jan. 1853 zum
Präfidenten des Gefebgebenden Körpers, am
23. Juni 1854 zum Miniſter des Innern und
am 5. Dec. d. J. zugleich zum Senator ernannt,
trat jedod nach dem Attentat auf den Kaijer im
Februar 1858 von dem Minifterium des Innern
zurüd, übernahm dafielbe zwar am 1.Nov. 1859
wieder, übergab es aber Ende 1860 an Perfiguy
u. wurde Minifter ohne Portefeuille, als welcher
Bergedorf vorbei durch die Kurslaler Schleuße in
die Dove-Elbe, mit welder fie den Billwerder
(f. d.) bildet.
Billerbed, Stadt im Kreife Koesfeld des preuß.
Regbez. Münfter, Eifenbahnftation; Leinenmeberei
u. Bleiben; 1500 Ew.; dabei gute Steinbrüdhe,
B. gehört dem Nheingrafen von Salm.
Billet (fr.), 1) Zettel, Schein; 3. B. Kaſſenbillet,
Bantbillet, Entreebillet, Onartierbillet, 2) In
Frankreich der eigene, trodene Wechjel (j. d.). 3)
Kurzer, nichtaufeinen Bogenvon gewöhnlichemBriefs
format, ſondern von geringerer Größe geſchriebe—
ner, meift an eine Berfon tim Aufenthaltsorte des
Schreibers oder in deſſen Nähe gerichteter, oft
auch nicht zugefiegelter, fondern mur im einem
Knoten verfchlungener Brief; jo: B. d’amour, B.-
doux, Liebesbrieichen; B. de faveur, Einpfehlungs-
brief. 4) Schuldfchein über Waaren oder Geld,
das empfangen wurde; ec hat im manchen
Ländern Wechjelfraft, z. B. in Fraukreich, in
Preußen mit einigen Modificationen. Davon
Billeteur, der etwas, bef. Waaren, mit fleinen
numerirten Betteln verfieht (billetirt), worauf die
Anzahl der Ellen, Ein- u. Berlaufspreis 2. an—
gegeben ift; der die Duartierbiffets für die Sols
daten jchreibt; Perſon, die im Theater u. dgl, die
Entreebillets einnimmt, bei den Eijenbahnen die
Fahrbillets verkauft.
Billigfeit (Acquitas), ift im Allgemeinen die
Berüdfihtigung der bejonderen, vom ftrengen
Nechte nicht geſchützten Intereſſen einer Perſon.
Bon den Alten wurde die B. allegoriſch dargeftellt
als Meib, in der Linken eine Lanze, in der Rechten
eine Wage, zu den Füßen eine Schlange od. ein
Mad. In der Geſchichte des Rechtes tritt die B.
überall als ein höchſt bedeutſames Moment her—
vor, indem ſie die Ausbildung des in der Regel
urſprünglich in ſtarre Formen eingelleideten Rechtes
zu freieren Grundſätzen vorbereitet und ſo die
Harmonie zwischen dem äußeren Rechtsorganismus
u. der fortichreitenden Entwidelung der Gerechtig—
feitsidee vermittelt. In dieſer Beziehung ift bei.
er die Aufgabe hatte, die Politit des Kaifers in die Geſchichte des Römiſchen Nechtes, in welcher die
dem Gejeggebenden Körper zu vertreten,
Er ſt. Aequitas als Grundlage des Jus gentium und
38
Jus honorarium eine bedeutende Rolle fpielt, ſehr
lehrreich. Das Röm. Recht anerlannte zwar die,
alſo:
Rechtes über u. für Alle, aber zog doch die Con-|
fequenz diefes Princips nicht bis zu dem Punkte,
wo tie Megel des Rechtes zum Unrecht wird, |
wenn die individuellen Berbältniffe nach den Nild-
Nothmwendigkeit der gleihmäßigen Herricaft des
ſichten auf das Ganze n. Allgemeine rechtlich be-
handelt werben,
Neben dem strietum jus ent- 1000 Millionen) eine B. oder Milliarde,
Billingg — Billungen.
Billion (Matb.), die bdreizehnte Einheit des
defadischen Zablenigftems, eine Million Millionen,
1 000 000 000 000 oder 10%, Wer un
ausgefetst in jeder Secunde 8 zählte, würde, um
eine B. abzuzählen, gegen 3962 Jahre Zeit branchen,
Eine Mill, Ben (1 000 000 000 000 000 000
oder 10'*) heißt Trillion. Die Franzofen nennen
ſchon die zehnte Einheit des Zahlenſyſtems (alſo
ftand das jus aequum; dieſes durchbrach das ſchreiben fie alfo 1 000 000 000.
ftarre Syſtem jenes, aber nur weil das öffent
liche Wohl felbft e8 forderte. Eben deshalb mar
die Aequitas judieis nicht das je durch die Sadı-
fage oder die perfönlichen Verhältniſſe bedingte
—— Wohlwollen, ſondern die An-
wendung der auch wieder allgemeinen Regel des
aequum jus. Bei ber * Anwendung darf
die B. nur in ſo fern in Betracht gezogen werden,
als das Geſetz für beſondere Fälle ausdrücklich darauf
hinweiſt. Dies kann der Fall ſein, wenn es ſich
z. B. um Schätungen bandelt, bei welchen die
Aufitellung ftrenger Rechtsregeln oft auf Schwie⸗
rigkeiten ſtößt u. die zu bewirlende Ausmittelung
des Betrages mehr in das Arbitrium boni viri
zu ftellen ıft; bei Beftimmungen gemwiffer Friften;
bei Wiedereinfegungen in den vorigen Stand
wegen vorgefallener Verſäumniſſe zc. Bei diefem
Allem hat der Richter jedoch immer nicht ſowol
ſein inviduelles Gefühl, als vielmehr die objec-
tiven Grundſätze der Gerechtigfeitsibee walten zu
laffen. Es darf daher dabei das Nedt Dritter
nicht verlegt, ein auch hartes Geſetz nicht umgangen
oder mwillfürlid abgeändert u. nicht dem Gerfte der
Geſetzgebung zuwider geurtheilt werben. Aus—
gedehnter iſt die Anwendung dev B. bei criminal—
rechtlichen Entſcheidungen, was darauf beruht,
daß das Criminalrecht es mit der Abmeſſung der
fubjectiv-individuellen Schuldbarkeit zu thun bat,
Der Einfluß der Bsrüdfichten fommt bier be-
fonders bei Ausmefjung der Strafe zur Anwend—
ung, indem es dem Richter nad der Natur des
Strafgeſetzes in der Regel geftattet ift, die Höhe
der Strafe unter Berüdfihtigung aller einfchlagen-
den Momente, felbft folcher, welche bloß in den
Diotiven der That, der größeren oder geringeren
Berftandesihärfe des. Angeichuldigten, feinem bis-
herigen Wandel, der größeren od. geringeren Ver—
derbtheit des Willens beruben, zu bemeſſen. Das
neuere Strafverfahren hat diefen Riüdfichten noch
mehr Raum gegeben, indem es da, wo die Gründe
der B. fo ſehr hervortreten, daß eine Beftrafung
vorausfichtlich mit dem allgemeinen Rechtsgefühl
in Widerfpruch treten würde (was 3.8. bei fahr-
läffigen Handlungen vorlommen kann), dem Staats-
anmalte die Möglichfeit an die Hand gibt, durch
Unterlaffung der Anklage jedes criminelle Ein-
Ichreiten von vorn herein abzuſchneiden. Ganz
mejentlih fommen endlih die B⸗sgründe bei der
Frage der Begnadigung in Betracht, bei welcher
fie ſogar in der Regel die allein enticheidenden find. |
Blllings, Gammatt, ein vielfeitiger und
Billioray, Alfred Edouard, franz. Commu-
nard, geb. 1840 zu Neapel; widmete ſich der
Malerei u. ward 1871 eine der energiichiten u.
gewaltthätigften Mitglieder der Pariſer Commune,
der an der Ermordung der Geißeln hauptſächlichen
Antheil hatte u. bis zum Eintritte der Truppen
den Widerftand aufrechterbiel. Er wurde 24.
Decbr. 1871 nah Neu-Caledonien deportirt.
Billiton, |. Biliton.
Billom (Bilon), Stadt im Arr. Clermont
des franz. Dep. Puy de Döme; Handelsgericht ;
Zwirn-, Leinwand», Serges-, Muffelinfabrifation,
Stiderei, Zudere, Zöpferei, Ziegelei, Fayence⸗
fabrifation, Kaltöfen; Waiferheilanftalt; 4336 Ew.;
ehemals war zu B, eine Univerfität.
Billon (fr.), 1) Silberlegirung, welche mehr
Kupfer als Silber hält, alio weniger als Blöthig
ift u. zur Scheidemünze gebraudt wird (Scheide-
miünzfilber).
Billons (Landw.), hoch aufgepflügte Dämme,
Kämme von O,, m Breite; fie haben den Zweck,
durch Anhäufen der fruchtbaren Erde, Bearbeit-
ung der Bmwilchenfurden während der Wads-
thumsperiode der Bilanzen u. Düngung in den
Zwiſchenfurchen die Ackerkrume auf eine fchidliche
Art u. Weile zu vertiefen. Die Zwiſchenfurchen
wechleln ein Jahr um das andere mit der Mitte
der Dämme, fo daß der Untergrund unaufhörlich
bearbeitet wird, Rhode.
Billungen (Billing), ein altes dentjches Ge-
ſchlecht, welches uriprünglich aus Sachſen ſtammte;
ihr Ahnherr Amalung, zur Beit Karls d. Gr,
war Ebrift geworden u. ließ ſich erft in der Nähe
von Kaffel u. dann im Hefjengau zwifchen Werra
u. Fulda nieder, wo er einen Theil des Buchoni-
ihen Waldes cultivirte. Er hatte 3 Söhne: Ben-
nitb, Billung I. u. Rudhard; von Erſterem ſtammte
im 4. Geſchlechte — Sohn des 967 ver-
ftorbenen Grafen Billung II. u. der Hildiburg;
vertheidigte unter Otto d. Gr. die Oftmarf gegen
die Slaven u. erhielt 961 oder 966 das Herzog»
thum Sachſen; er ft. 27. März 973. Geine Nach»
fommen im Herzogthun Sachſen, Billunger,
waren: Sein ältefter Sohn Bernhard I.; ftarb
9. Febr. 1011; defien älterer Sohn Bernhard IL.
ft. 29. Juni 1059; deffen älterer Sohn Ordulf
ft. 28. März 1071; deſſen älterer Sohn Mag«-
nus ft. 23. Aug. 1106; da er nur zwei Töchter
bintertich, fo erloſch mit ihm das Haus der B.
im Mannesftamme; ſ. Sachſen. Die ausgebreiteten
Billungfhen Güter, welche zwiichen der Weſer
talentvoller amerifanifcher Künftler, geb. 1818 zu u. Elbe u. noch öftl. jenfeit der Iegteren, im heu—
Milton, geft. 18. Novbr. 1874 zu New-York; tigen Hannover u. Holftein lagen, erbte zunächft
lebte meift in Bofton; baute mehrere Kirchen u. Lothar v. Supplinburg, dann die Welfen u. Asla-
entwidelte als Aquarellmaler, Zeichner u. Illu- nier, welche durch Heirathen mit Frauen aus dem
ftrator eine erhebliche Wirffamteit. — der Billunger Anſprüche geltend machten;
Billroth —
Bimlipatam. 439
1. u. Sadjen-Anbalt u. Braunſchweig. Vgl. Wede- | genannt), Dafe der Tebu in der Sahara (NAfrita),
find, Hermann, Herzog v. Sadien, Lüneb. 1817.
Billroth, Theodor Ehriftian Albert, be-
rühmter Mediciner, geb, 26. April 1829 zu Ber:
jaft auf der Mitte zwifchen Fezzan u, Bornu ge-
legen; unter einem Sultan, der in Kalala refidirt;
auptort Aſchenumma, Dorf Kalala; das Gebiet
gen auf Rügen; zeigte früh ſchon lebhaften Sinn hat reihe Salzminen, in denen das Salz durd
u. reihe Begabung für Mufil, von deren aus-|VBerdunftung von Waffer gewonnen wird, das
ihlieglihem Betriebe ihn nur die Energie der ſeinen Urjprung in Steinfalzlagern zu haben
Mutter zurüdhielt; der Bater war früh geftorben. |fheint; die Daje verforgt damit einen großen
Er bezog 1848 die Univerfität, um Mebdicin zu) Theil von Eentral-Afrika,
ftudiren, folgte dann dem ihm befreundeten Prof.
Baum nah Göttingen 1849, wo diefer wie Rubd.
Wagner beftimmend auf die fernere Laufbahn des
ftrebiamen Mannes einmirkten, indem Wagner
ihn in die Geheimniffe des Mikroſtops einwelhte,
jener ihm zu einem wiſſenſchaftlich u. praftifch
tüchtigen Chirurgen machte, Im Vereine mit
Wagırer u. Meigner ging er behufs wiffenichaft-
licher Unterfuchungen nad) Trieft, von dort nach
Berlin, fchrieb Hier unter Traubes Leitung feine
Difjertation: De natura et causa pulmonum
affectionis, quae nervo introque vago dissecto
exoritur, Berl, 1852, gebörte zu Alb, v. Gräfes
erften Schülern, ging 1853 nad Wien u. Paris
u. batte dann nad jeiner Rücklehr die Freude,
Alfiftent bei Langenbed zu werden, welche Stell-
ung er bis 1859 innehatte; 1856 habilitirte er
fih, ſchlug 1858 einen Ruf als Profeffor der
patholog. Anatomie nad Greifswald aus, hei—
ratbete in demfelben Jahre u. folgte 1859 einem
Rufe nad Zürich als Prof, der Chirurgie. Einen
Ruf nad Roſtock (1862) u. Heidelberg (1864)
ablehnend, ging er 1867 an Schuhs Stelle nad)
Wien, von wo aus er neue Bernfungen nad
Straßburg u. Berlin ausſchlug. B⸗s großes
Berdienft befteht in der Heranbilbung tüchtiger
Schüler, deren einige bereits hervorragende Stell-
ungen einnehmen, u. in feiner fruchtbaren fchrift-
ftelleriichen Thätigkeit, durch die er nach außen
bin fein glänzendes Wiffen verbreitete. Zu den
beften hiſtologiſchen Arbeiten gehören außer zahl«
reichen Aufſätzen in Virchows Arhiv die Abhand-
lungen über den Bau der Schleimpolppen (1855),
Gefäßentwidelung (1856), Milz- ur Lymphdrüſen
(1856—61). Bon feinen dirurgiihen Urbeiten
find hervorzuheben: Wundfieber u. accidentelle
Wundfrantheiten 1864—72; Kliniſche Jahres:
berichte (1860— 70), die den Anftoß zur ſorgſamen
Verwerthung des ftatiftiihen Materials gaben;
Vorlefungen über allgemeine hirurg. Pathologie
u, Therapie (1863, bis jett 7 Aufl.). Großes
wiſſenſchaftliches Intereſſe hat die von ihm und
Pitha herausgegebene, bei Ente erſcheinende ency-
Hopädiihe Chirurgie. Epochemachend ift fein auf
5jähriger miühfamer Arbeit ruhendes Werk über
Eoccobafterien (1874). Auch als Kriegschirurg
hat fih B. einen ruhmvollen Namen gemacht;
jeine Gefchichte der Schußwunden (1859), chirur—
giſche Briefe aus den Kriegslazarethen von Wei—
ßenburg u. Mannheim (1871), Transport Ver—
wundeter u. Krauker auf Eiſenbahnen (1874) ge—
hören zu den beſten Arbeiten in dieſem Fache.
Thambann.
Billmerder, zu Hamburg gehörige Inſel (j.
u. Bille); fruchtbarer Marſchdiſtrict; ſechs Kirch—
piele; 10,400 Ew.
Bilma (Bilmaah, auch Kauar, Henderi Tege
Bijöbatus (lat.), zweilappig; f. u. Blatt.
Biloculäris, zweifädherig. Daher Bilocuflarität
der Gebärmutter (Uterus biloeularis), zwei»
fammerige Gebärmutter; dem Außern nad ift
die Gebärmutter normal gebildet, in ihrem n-
nern aber mehr od. weniger vollftändig in zwei
Fächer getrennt, Die Scheide ift einfach od. and
geipalten. Der Uterus bıloeularis entfteht, wein
die beiden Hörner des Uterus bicornis (j. Bicor-
nis) äußerlich verfchmelzen, mährend im Innern
die Trennung durch eine mehr oder weniger tief
binabreichende Scheidewand erhalten wird.
Bilfen, Dorf in der beigiichen Provinz Lim—
burg, am Demer u. an der Eifenbahn; eifenhaltige
eilguelle; 3660 Em.; dabei ehemalige Abtei
tünfter-B. fir fürftfihe u. gräflide Damen.
Bilfenfraut, j. Hyoscyamus,
Bilſton, Stadt in der engliihen Grafichaft
Stafford, am Birmingham- u. Stafford-Ranal;
Eifenwerfe, Mafhinenbaumerfftätten, Fabrikation
von ladirten Blech⸗ u. Cmailwaaren; 24,188 Ew.;
dabei Miühlenfteinbrüche, Eifen- u. Steinkohleu—
gruben.
Bilmisfchneider (Bilmesichneider), im Bolfs-
aberglauben vieler Gegenden Mitteldeutichlands
und einiger Süddeutſchlands geipenftiihe Manns-
perjonen, die an gewiſſen Tagen (Peter u. Baut,
St, Beit xc.) mährend des Gebetläutens mitten
durch Die Getreidefelder gehen, oder auf einem
ſchwarzen Bode reiten u. dabei etwa fußbreite
Gaſſen ziehen, wodurch fie den Eigenthümer um
den halben, zumeilen aud den ganzen Ertrag
bringen, der dann ihren Borräthen zu Gute fommt.
Der B. ift bei diefer Arbeit unfidhtbar, fanı aber
durch gewiffe Mittel fichtbar gemacht werden; ge
wöhnlih ift es ein Nahbar. Auch kann man
feine Felder durch Gegen-Zaubermittel vor ihm
hüten. Yeute, die eine hohe, ſpitz zulaufende fahle
Stirn haben, ftehen im Verdachte des Bilwis-
ſchnittes. Urfprünglich fcheint der Bilwis als ein
gutartiges Weſen gegolten zu haben. Schroot.
Bima, 1) früher der mächtigſte Staat im öſt—
lichen Theil der Sunda-Anfel Sumbawa; fteht jetst
größtentheil$ unter der Oberherrlichfeit der Nie-
derländer. 2) Stadt bier, von hohen Bergen ein
geichloffen u, am einer Bucht gelegen; Reſidenz
des Fürſten u, Sit des holländ. Agenten; Han-
dei mit Landeserzeugniffen.
Bimana (lat., Zweihänder), umfaßt als Ordnung
der Säugethiere, im Gegenfage zu den Quadru—
mana (Vierhändern) die Gattung: Menid.
Bim Baſchi (türk.), Oberft od. Commandeur
von 12 Compagnien, alfo eines Regiments; f. u.
Türkiſches Neich
Bimlipatam, emporblühende Handelsitadt in
der Präfidentihaft Madras, auf der Küſte von
Coromandel; trefflihe Rhede, wo monatlich jechs
440
Bimsſtein — Binden.
engliihe Dampier anlaufen; Telegrapbenverbind- | Balten oder ſchmaler Querbalken im Wappen.
ungen.
imsftein (lat. Pumex), ein vulcaniſches Pro-
duct, von ſchwammig⸗-ſchaumiger Textur, meift weiß
oder weiß-grau, die Bruchflächen von feidenartigem
Glanze; ift von jehr wechſelnder Zufammenfegung
und jcheint durch Waſſerdämpfe bei vulcaniſchen
Ausbrüchen aus verfbiedenen geichmolzenen Ger
birgsarten entftanden zu jein. Seine Hauptbe-
ftanttheite find Kieſelſäure u. Thonerde, faft immer
mit etwas Eiſenoxyd u. Alkalien. Er ſchwimmt
auf dem Wafler u. geht oft in mit ihm vorlom—
menden Obfidian, die glafige Varietät derfelben
geſchmolzenen Maſſen über. Er findet ſich faft in
allen Gegenden, wo noch thätige oder erlojchene
Bulcane find, 3. B. ſchön auf den Lipariichen
Inſeln, von wo der meifte in den Handel kommt
u. wo er ganze Berge bildet; am Laacher⸗See zc.
Er gibt gemablen mit Waffer u. Kalt einen gu—
ten Mörtel u. dient als Bolirmittel beim Schleifen
von Glas, Holz, Elfenbein, Pergament zc.; jein
Pulver wird ebenjo angewandt.
Binär (v. lat. bini, je zwei), wejentlich aus 2
beftehend; jo binäre Form (Marh.), eine homo»
gene algebraiihe Function von 2 Bariablen.
Binaseo, Stadt in der italienischen Provinz
Mailand, Bezivt Abbiategraffo, am Pavia-Kanal,
welcher die Adda mit dem Ticino verbindet;
Parmejantäjebereitung; 1340 Em. Wegen eines
Aufftandes wurde B. von den Franzojen 1796
eingeäfchert.
Binätus (Bot)., zu 2 am Ende des Stiels ftehend.
Binche, Stadt in der belgischen Prov. Heune-
gan; bedeutende Spiten- u. Tüllftiderei, Mützen⸗,
Schuhe, Leinwand», Mefier-, Fayence- u. Seifen
fabrifation, auch Gerbereien und Färbereien;
6700 Em.
Binck, Zalob, Maler u. Kupferftiecher, geb.
1490 od. 1504 in Nürnberg od. wahricheinlicher
Köln; Schüler von Albrecht Dürer, bildete ſich
vermuthlih im Italien weiter, war gegen 1545
Hofmaler des Königs EChriftian III. von Däne-
mark, von dem er nebſt der Königin Porträts
malte, welche noch in der Kopenhagener Galerie
befindlic find. Später lebte er eine Zeit lang zu
Königsberg, wo er für Herzog Albrecht von Preu—
Ben malte; von diefem wurde er in die Nieder-
(ande gejandt, um die Errichtung eines Epitas
phiums für die verftorbene Gemahlın des Herzogs
zu beforgen. 1550 bielt er ſich wieder eine Zeit
lang am dänischen Hofe auf u. trat 1551 in des
Herzogs Albrecht Dienfte; er ft. 1560 in Königs:
berg. Bon feinen Stihen, die dur fefte Eon-
turen u. gewandte Zeichnung hervorftrablen, find
zu erwähnen: 20 Gottheiten, nach Garaglio; der
Kindermord, nad Rafael; Adam und Eva, nad
Seh. Beham, und Judith, nad Barth. Beham.
Außerdem das Grabmal der Gemahlin Friedrichs 1.
von Dänemark im Dome zu Schleswig u. des
Minifters eigenes Porträt im Belvedere zu Wien.
Er fol aud Einiges in Holz gerguitten haben.
egnet.*
Binde, 1) womit ein Gegenftand gebunden) Hobelipan-
5) Der äußerfte Streifen an Einfafjungen.
Bindegewebe (Phyſiol.), theild ein Gewebe,
welches zwijchen den einzelnen Körperorganen die
Zwifchenräume ausfüllt u. ſomit die Berbindung
berftellt (Zellgewebe); theils ein dichteres, net:
fürmiges Gewebe, welches die Grundlage einer
großen Anzahl tbieriicher Häute u. Gebilde, 3. B.
Bänder, Sehnen, Fascien, fibröfer Häute, aus
macht. Es läßt fich nicht rein darftellen, jondern
enthält ftets noch Gefäße, Fettzellen, elaftiiche
Faſern (Kernfalern) u. Musfelfafern. In feinem
chemiſchen Berhalten fteht es der Knorpeljubftang
ſehr nahe. Es auillt in fohendem Wafjer gallert-
artig auf u. löſt fih endlich vollftändig (Yeim);
Ouedfilberdlorid, Alaun u. Gerbiäure fällen es
aus feiner Löfung; concentrirte Eifigfäure und
Alkalien bewirten ebenfalls ein Aufquellen des
B-8, erftere löft es aber ohne Zufag von Wafler
nicht auf, Teßtere dagegen nad) längerer Zeit voll-
fonımen. Das embryonale B. gibt nah Scherers
Unterfuchungen feinen Leim, fondern eine gallert-
artige, ſchleimige Subftanz, weshalb man diefe B.
Schleimgemwebe genannt hat. Das B. erjcheint
unter dem Mikroſkop als aus bellen, dünnen Fa—
fern zufammengejegt, welche alle jaft den gleichen
Durchmeſſer von 0,9007 bis O,u0;,, mm haben.
Ihre Geftalt ift eher platt als rumd. Die Faſern
lommen nur zu Bindeln vereinigt vor, die ſich
leicht jpalten lafien, entweder nebeneinanderlaufen,
oder ſich netförmig kreuzen.
Bindehant, j. Auge.
Binden (Fasciae, Ehir.), 2—16 Ellen lange,
2—4 Finger breite, am liebſten aus ſchon ge
brauchter, doch hinlänglich fefter, in Ermangelung
derjelben aus weich gemachter neuer, nicht ge»
ftärkter, weder zu feiner, noch zu grober, nad
der Yänge der Fäden gejchnittener, am Rande
umftochener Leinwand, feltener aus Barchent,
Flanell oder baummollenem Zeuge, Caltcot, Gaze,
noch jeltener aus Seide, Leder oder Gurt ver-
fertigte, bandartige, auch gleih wie Band ge—
webte Berbandftüde. In ihnen find alle drüden-
den Nähte zu meiden, u. wo dies nicht möglich
ift, müfjen fie jo gemadt u. muß die Binde fo
gelegt werben, daß diefelben außen liegen u. nicht
driiden fünnen. Man bat gemeinichaftliche u. be»
fondere B. A) Gemeinjhaftlide B.: a) Ein—
fache (Roll-) B., die in 2 Enden (Köpfe) mit
einem mittleren Theil (Grumd), als zweitöpfige
B., oder einfach als einföpfige (eigentliche Roll-)
B. aufgerollt werden; lettere werden mit ihrem
offenen Ende angelegt, jene mit ihrem Grunde,
u. nun werden dort beide Köpfe an beiden Seiten
zugleih um das Glied herumgeführt, indem fie
ummer aus einer Hand in die andere gehen, hier
der eine Kopf wiederholt um das Glied herum—
gezogen. Die Köpfe müſſen dabei immer nad
augen gewendet jein. Die Umziehungen (Touren)
find zirfelförmig, wenn eine anf die andere zu
liegen kommt (Zirfel-B.), oder jpiralfürmig, jo
daß ein 5—* Glied damit bededt wird (Spiral⸗B.,
.„, Hobel-B.). Das fejte Anliegen an
oder ummunden wird; fo chirurgiſche B.; f. Bin- dünner werdenden Stellen des Gliedes wird durch
den. 2) So v. w. Lehusbinde. 8) (Naturg.) Brei⸗ geſchickes Umſchlagen der B. daſelbſt bewirkt
ter Streifen über etwas. 4) (Herald.) So v. w.|(übergeihlagene B.), oder fie wird auch gekreuzt
Binder —
Bindraban. 441
gemacht, bei. wo getrennte Theile in Verbindung ſich hauptſächlich 1827—34 in Münden erſt als
gehalten werden follen; verwerflich find fchlangen-
förmige Zouren, welche Zwiſchenräume laſſen
(kriebende B. od. Schlangen-B.). Zuletzt wird
die Binde mit Stecknadeln, od., zumal eine große,
mit Nadelftichen befeftigt. Nach befonderen Zweden
der Anlage find obige B. zugleich Contentiv-B.,
zufammenbaltend in gewöhnlichen ri oder
Erpulfiv« B,, bei Hohlgeſchwüren, Stichwunden,
die nahe unter der Haut ihre Richtung nehmen,
über einfache od. graduirte Compreffen (ſ. d.) jo
angewendet, daß die Kanäle zufammengedrüdt u.
die Anfammlung von Flüffigleiten verhütet wird.
b) Zufammengejette, aus mehreren Stüden
beftehende B. find: die vereinigende Binde, durch
welche verwundete Theile zufammengebalten wer—
den follen; meift eine zweiföpfige Roll-Binde, mit
einem Spalte, durh den man den einen Kopf
durchſteckt, um fefteren Halt zu bewirken; Böttcher
bat eine verbefferte angegeben, ohne Spalt mit
angelegten Longuetten u. dann bloßes Umſchlagen
der Köpfe; die achtzehnföpfige Binde, aus 18
Köpfenbeftehend; blätterförmigeBritch od. Pialter-
Binde, für Beinbrüche, von der ſich die viellöpfige
B. bloß dadurch unterſcheidet, Daß es auf die Zahl
der einzelnen Köpfe, in welche ein Stüd Lein—
wand dur in daſſelbe gemachte Einfchnitte ge-
theilt wird, nicht anfommt; fie wird da gebraucht,
wo man ein Glied beim Abnehmen n. Wieder-
anlegen einer Binde nicht gern ftören will, mie
bei compficirten Knochenbruchen. auch Schenlel-
brüchen überhaupt. Bon T-Binden (in Form eines
T) gibt e8 einfache u. doppelte, Tegtere mit einem
verichiebbaren Stüd; fie werden beide bei, bei
Berlegungen des Beckens angewendet. B) Die
befonderen B. erhalten ihre Bezeichnung mach
den Theilen, an welche fie angelegt werden, und
bilden hiernach wieder eigene Klaſſen, jo: Kopf-,
Augen, Najen-, Hals-, Schulter-, Trag-, Joch⸗,
Scapulier-, Brufte, Leib-B.; oder nach ihren
Erfindern, wie die Müte des Hippofrates, Binde
des Galenos, Brasdorfiche u. a.; oder nach ihrer
befonderen Geftalt, wie Stern-Binde, Steigbügel,
Halfter od. Zaum, Schildkröte, Schleuder, Kahn,
Panzerhandſchuh u. a.; oder von dem bejonderen
Zwecke, wie Trage», aufbebende Binde (Suspen-
forium), einwidelnde Binde; oder fie haben auch
eigene Namen, wie Krebs, Sperber od. Habicht,
Habichts-B,, Kornähre; f. d. a.
. Binder, 1) Sebaftian, Mufifer, geb. 1800
im OÖfterreidhifchen; ging zum Theater an. der
Wien, ſpäter an das Kärnthnertbortbeater, als
eriter Tenorift an das Ständetheater zu Prag u.
wieder nah Wien zur Großen Oper, verlieh jpäter
das Theater u. errichtete 1845 eine Geſangſchule
in Wien. 2) Margaretbe, Schauipielerin, geb.
Diener, geb. 1801 zu Schleswig; folgte ihrer Diut-
ter, die Hofihaufptelerin war, nad) Dresden, betrat
ſehr jung die Bühne in Petersburg u. Reval ır. er
cellirte ın den erften jentimentalen Liebhaberinnen—
und fentimental-tragiihen Partien; heiratete erft
einen Herrn dv. d. Klogen, fand auf mehreren Kunſt⸗
reifen großen Beifall, ging nad Dresden u. 1824
nah Brag, wo fie den Tenoriften DB. heirathete.
Sie fl. 6. Juli 1870 in Pillnitz. 5) Joſeph,
Hiftorienmaler in Wien, geb. daſ. 1805; bildete
Porträtmaler, ward 1836 Lehrer am Städelichen
Inſtitut in Frankfurt, kehrte 1847 nah Wien
zurüd u. erbielt 1851 eine Lebritelle an der
dortigen Alademie. Seine Arbeiten zeichnen fich
durch Hohen Schönheitsfinn u. anmuthiges Colo-
rit aus. Hauptwerte: Der bl. Euftachius auf der
Jagd; Romulus u. Remus (beide im Wiener
Belvedere); Mar I. auf der Martinswand; Be—
fehrung des Näubers Julian. 4) Wilhelm,
deutjcher Schriftfteller, geb. 16. April 1810 in
Weinsberg; ftudirte feit 1828 in Tübingen Theo-
logie und Philologie, wurde 1831 Profefior der
deutſchen Literatur u. der Gefchichte zu Biel u.
1833 wifjenfchaftliher Arbeiter an der Staats-
fanzlei in Wien mit dem Xitel eines Vrofeſſors
der Staatswiffenfchaften; er verließ 1841 dieſe
Stellung und lebte in Ludwigsburg, wo er 1845
zur Katholiſchen Kirche übertrat. Er jchrieb: °
Der deutiche Horatius, Ludwigsb. 1831, 3. Anfl.,
18415 Geſchichte von Biel, Biel 1834, 3 Bde.;
Fürſt Metternich u. fein Zeitalter, Schaffb. 1836,
3. Aufl, 1845; Der Untergang des poln. Natio-
nalftaates, Stuttg. 1839, 2 Bde.; Peter der Große
u. fein Zeitalter, Reutl. 1841; Alemanuiſche Bolts-
fagen, Stuttg. 1844, 2 Bde,; Der Proteftantis-
mus in feiner Gelbftauflöfung, Schafih. 1843, 2
Boe., 2. Aufl., 1846; Geſchichte des philoſophi—
fchen u. revolutionären Jabrh., n. A., ebd. 1847 7.,
2 Bde; Karl Haas u. die Unredlichen unter jei«
nen Gegnern, Ypz. 1844; Friedrich Hurter, der
Wiedergeborene, Augsb. 1845; Meine Nechtfertige
ung u. mein Glaube, ebd. 1845; oh. Baptıt
von Keller, Regensb. 1848; Uber Zimon, den
Mifantbropen, Um m. Tüb. 1856; Lichtfunken
u, Biefferkörner, Stuttg. 1857, 2. Aufl., 18675
faınmelte Medulla proverbiorum lat., Stuttg. 1856;
Flores aenigmatum lat., ebd. 1857; Novus
Thesaurus elegiorum lat., ebd. 1861, u. redigirte
die Realencyklopädie für das fatholiihe Dentſch—
land, 1846—49, 10 Bde., nebft 2 Bon. Suppl,,
1849 f.
Bindfaden, aus Flachs od. Hanf, mit 2 oder
fach gedrehten Fäden gejponnene dünne Schnur.
Es gibt davon verjchtedene Sorten, als: Kanz—
leirB. (Spagat), feinen u. MittelB., Mit-
tel» u. Strangfäden, Hangriemdraht u.
Zuder-B. Den B. fertigt der Seiler. In
der Neuzeit werden auch durch Dampf getriebene
Maſchinen zur Fabrikation von B, verwendet.
Binding, Karl, Jurift u. Hiftorifer, geb. 4.
Juni 1841 zu Frankfurt a. M.; ftudirte in Göt—
tingen u. Heidelberg, habilitirte fih an lettge-
nannter Univerfität 1864, erbielt dann kurz nach
einander ordentlihe Profefjuren des Nechtes im
Bafel, Freiburg i. B., Straßburg, Leipzig 1873;
ichrieb Geſchichte des Burgundiſch-Romaniſchen
Königreiches J., Lpz. 1868 (vgl. A. Jahn, Geſch.
der Burgundionen, Halle 1874); Die Normen ı.
ihre Übertretung, eine Unterſuchung über die
rechtmäßige Handlung u. Die Arten des Delicts,
L. 1,293. 1872; Die Allgememen Deutihen Straf-
gejerbücher vom 15. Mai 1871 m. von 20. Juni
1872, aladem. Handausgabe mit Erläuterungen
u. Einleitung, Lpz. 1874.
Bindraban, Stadt
im Diſtr. Muttra der
2
442
NWprovinzen Oftindiens, am rechten Ufer des
Didamna, 140 km fildlih von Delhi; 21,500
Em. B.ift eine den Hindu heilige u. von Schaa⸗
ren von Wallfahrern beſuchte Stadt. Am Ufer)
des Fluſſes, in deſſen reinigendes Wafler auf
Treppen von rothem Sandftein die Pilger ſchrei⸗
ten, erftreden fich zablreihe Tempel. Au Ehren
der Schlangentödtung der Krifchna ift September;
u. October jährlih großes Feſt; zum Andenten
der wirffamen Unterftütung des Rama werden
Affen in den prächtigen Hainen infolge der Stift
ung eines Mabrattenfürften unterbalten. 1757
wurde die Stadt von den Afghanen erftürmt u.
vielfach zerftört.
Bindung — Bingham.
Bingen, 1) Kreis der großherzoglich heſſiſchen
Provinz Rheinhefjen, am Rhein u. an der Nabe;
von der heſſ. Ludwigsbahn in mehreren Linien
durchzogen; 195,, [km (8,, [IM); 31,800 Em.
2) Stadt u. Hauptort dafelbft, im einer romanti«
ihen Gegend, rechts am Einfluffe der Nahe in
den Rhein; Tabal- u. Stärlefabrif, Gerbereien;
Weinbau; Handel mit diefen Yabrikaten, ſowie
mit Holz u. Getreide; 5938 Ew. Über der Stadt
ftegt das alte Schloß Klopp, in welchem Heinrich
IV. 1105 gefangen faß, weldes 1689 von ben
Franzoſen zerftört, 1856 3. Th. wieberhergeftellt
wurde. Dftlih von der Stadt erhebt fi der
Rochusberg mit einer Wallfahrtsfapelle. Auf der
SSeite diefes Berges wächſt der Scharladhberger
Bindſalat (Bleih-, Spargel-, Sırunf-, roma- | 27 berge
niiher Salat od. Sommerendivien, Lactuca au- | Wein. Jenſeits der Nahe, über welche ‚eine flei-
gustana, acephala, longifolia u, a.) wahrfchein- |erne Brüde von 7 Bogen und eine Eifenbahn-
ich Spielart von dem gewöhnlichen Gartenfalar|brüde führen (die fogen. Druſusbrüde), liegt ber
(Lactuca sativa), von welchem er fi) beionders preuß. Ort Bingerbrüd, Station der Rheini⸗
dadurch unterfcheidet, daß mur einige Sorten des- nischen Eifenbahn u. der Rhein-Nahe-Bahn; ferner
elben fih von felbft ſchließen und dan lange) der Rupertsberg, nach dem Pfalzgrafen Ruprecht I.
Köpfe bilden, wogegen die meiften mit ihren lan⸗ benaunt. Er gehört zu der Preußiſchen Rhein
gen fchmalen Blättern vor dem Gebrauche zufam-|Provinz, wie auch der auf einer fleinen Inſel
mengebunden u. gebleicht werden müſſen u. da. im Rhein unterhalb B. befindlihe, mwahrjchein-
dur Ähnlichkeit mit dem Endivien befommen. Zn ih im Jahre 1000 behufs der Landesvertheidig-
Franfreih, England, Italien u. mehreren Sip.|ung vom Erzbiſchof Willigis erbaute Mäufe-
ländern cultivirt man von diefem ſehr beliebten thurm (Mauththurm). Nach der Sage entitand
Salate eine große Menge Abarten; in Deutichland der Mäufethurm fo: Hatto IL, Erzbiſchof von
fennt man fie weniger, jedoch hat der gelbe Kaſſeler Mainz, ließ eine mit Korn gefüllte Scheune, de⸗
Zonmerendivien in Hefien eine große Verbreitung [en fh die Armen eg 22 hatten, zugleich
u. Wichtigkeit, indem dort die Stengel, ehe fie Blu, mit diefen miederbrennen, wobei er vief: Hört,
meufnefpen zeigen, geſchält, in längi. Stüde ge. | Wie die Mäuſe freien! Seitdem mnabläflig von
ſchnitten, ähnlich wie Spargel zubereitet u. ge- Mäufen verfolgt, flüchtete ex ſich hierher, fie
nofien, oder au wie Bohnen mit Salz einge ſchwammen jedod über den Rhein u. fragen ihn
macht u. dann Strünfe genannt werden, während auf (969). Der Mäufethurm wurde 1856 reftau-
die Blätter wie Kohlgemüfe gelocht in diefer Be, kirt. Ju der Nähe defjelben Thurmes Tiegen
ziehung dem gewöhnlichen Garten-Salate vorzu- Felſen quer über u. unter dem Waſſer u. ließen
ziehen find. Die Cultur des B. bietet keine früher nur auf der rechten Seite des Stromes
Schwierigkeit, da die Samen im Freien gut auf- * bequeme Fahrt, das Bingerloch, ilbrig.
geben u. die Pflanzen auf gewöhnlichem gutem
Sartenboden leicht wachſen; wegen ihrer Größe
dürfen fie nicht fo dicht, wie der Kopffalat u. auch
nicht zwifchen andere Gemüfe gepflanzt werden.
Molde.
Bindung (Ligatura, Muf.), das unmittelbare
Aneinanderhängen zweier oder mehrerer anfein-
anderfolgenden Töne, fo daß fie im einem Zuge
vorgetragen (gefchleift) werben. Als Bindezei-
hen dient am häufigften ein Bogen (= od. ),|B. mit Sturm, In B. wurde 1621 ein —
9
od. das Wort Legato (abgekürzt Leg.). Steht
der Bogen über oder unter zwei Noten von glei«
her Tonhöhe, fo wird dadurch angezeigt, daß der
zweite Ton nicht befonders angegeben, fondern fein
Zeitwerth dem vorftehenden eingefügt werden fol.
Bindweide, Art der Weide, f. Salix.
Binervius (fat.), zweinervig; ſ. Blatt.
Binet, Jacques Philippe Marie, franz.
Mathematiker u. Aftronom, geb. 1786 in Rennes;
ftudirte anf der Polytechniſchen Schule zu Paris,
wurde an diefem Inſtitut Profeffor der Mechanit
u. Generalinipector der Studien u. nah Delam-
bres Tode Profeffor der Aftronomie im Collöge
de France, jeit 1843 Mitglied der Afademie. Seine
zahlreichen mathematiſchen u. aftronomischen Ab-
834 wurden dieſe Felſen geiprengt. — Das alte
Bingium war eine Stadt der Bangiones und
gehörte zum Belgiihen Gallien, Die Römer hat-
ten jchon eine fteinerne Brüde über die Nabe (die
jegige ift erft um das Jahr 1000 erbaut) u. leg-
ten ein Caſtell hier au, auf deifen Nuinen im
‚ Mittelalter die Burg Klopp erbaut wurde (f. o.).
1301 nahm Kaifer Albrecht I. in dem Kriege mit
dem Erzbiihof Gerhard II. von Mainz die Stadt
zwiſchen Kaifer yerdinand II. u, Landgraf Morit
von Heffen-Kaffel abgeichloffen, in welchem Letzte—
rer der Proteftantiichen Union u. bejonders dem
Bindniffe mir Kurfürſt Friedrich V. von der Pfalz
entjagte. 1639 wurde B. von den Weimarifchen,
1640 von den Kaiferlihen und 1644 von den
Franzofen eingenommen; 1689 wurde Stadt u.
Burg von den Lebteren zerftört. Am 3. Yan.
1814 bei B. Gefecht zwiſchen Preußen u. Fran«
zofen. Am 29. April 1850 wurde B. von einer
großen Feuersbrunſt heimgeſucht. B. wird aud
als der Ort genannt, wo der Nibelungenhort (j.
u. Nibelungen) im Rhein verborgen liegen ſoll.
Bingerbrüd, |. u. Bingen.
Binaham, 1) Joſeph, engl. Theolog, wichtig
handiungen find im Journal de l’&cole polytechn. durch feine Yeiitungen für Kirchliche Archäologie,
abgedrudt. B. ft. 12. Mai 1856 zu Paris.
geb. 1668 zu Batehetb in Morkihire; wurde 1691
Binghamton — Binomialcoefficient,
Prediger in Headbonrn-Worthy bei Winchefter,
1712 in Havart bei Portsmouth; er ft. 1723.
B. ihr.: Origines ecclesiasticae (Sammlung
von Materialien zu den chriftlichen Alterthümern
der 6 erften Jahrhunderte), Fond. 1708—22, 10
Doe., 1726, 2 Bde., Fol., lat. von Griichom,
alle 1724—38, 10 Bde., 2. A. 1754—61, 11
de., im Auszuge von Bladmore, engl., 2 Bde.,
Lond. 1722, deutih, Augsb. 1788—96, 4 Bde.
2) John A., amerifan, Staatsmann, geb. 1815
in Mercercounty, Penniylvanien; erhielt eine vor-
zügliche Erziehung, befuchte zeitweili
Collegium in Obi, ftudirte die N;
443
unmittelbar aus dem Auslande beziehen, über
den Handel mit denjelben Buch zu führen und
darin Tag u. Ort der Berzollung jedesmal beim
Empfange der Waaren anzumerken ift (Bereins«
— vom 1. Juli 1869, 8 126).
innenlinie tft die geographiſche Linie, welche
den zunächſt innerhalb der Zolllinie belegenen,
örtlich in ſeiner Breite beftimmten Raum (Greuz-
beziut) von dem übrigen Hollvereinsgebiete trennt.
S. Vereinszollgejeg vom 1. Juli 1869, $ 16.
Binnenzöfle find die im Innern des Staates
das Franklin- vom MWaarenverkehre erhobenen Abgaben. Sie find
echte u, wardjallenthalben als mit der orgamiichen Einheit des
Advocat in Ohio, 1854 in den Congreß gewählt, Staates unverträglih aufgehoben. Dagegen find
jaß er in demjelben bis auf die jüngfte Zeit. B.|diejenigen Abgaben, welche eine Vergütung für
belleidete verſchiedene hohe richterliche Amter; im die Benutzung von Verkehrsanſtalten bilden (Hafen-,
Mai 1865 war er öffentlicher Antläger der Mörder Wag-, Niederlage-, Krahn-, Schleußen-, Straßen,
des Präfidenten Lincoln; 1866 »Delegirter der) Brüden-, Bflaftergelder) beibehalten, fie dürfen
Philadelpbia-Eonvention u. 1868 einer der Leiter aber nur in der Höhe erhoben werden, mie fie
der jnanflageftellung des Präfidenten Johnſon.
B. genießt einen hoben Ruf als Juriſt in feinem |
Baterlande u. nimmt einen hervorragenden Pla
in den Comite des Congrefies ein. Er ſchrieb
eine gelehrte Einleitung zu Pettenger8 Oratory
sacred and secular, New-York 1868. 2) Partling.
. Binghamton, Countyfig des Broome County
un nordamerifan. Untonsftaate Nemw-Porl, am
Ehenogo-Kanal; Knotenpunkt einiger Eifenbabnen,
bedeutende Gewehr- u. Wagenfabriten ꝛc.; Mehl:
u. —— 12,692 Ew.
ingöl (Bingheul, d. i. taufend Seen), Berg
der Aſiatiſchen Türkei, 2000 m hoch; fruchtbar au
Fzutterfräutern,daher beliebte Weide; von Kurden
bewohnt,
Bini, Carlo, ital. Dichter, geb. 1806 zu Yi-
porno; ft. 1840; fchrieb während einer ibm!
wegen freifinniger Gefinnung zuerfannten Feitungs-
haft: Memorie d’un prigioniero und arbeitete
für den Indicatore Livornese. Sein reiches
Talent ift nicht zu voller Entwidelung gefommen. |
Seine Seritti, herausgegeben von Guerazzi, find
mehrfach aufgelegt.
Biniflürus (v. Yat.), mit 2 Blumen dicht neben
einander.
Binnen, urfprünglich ein niederdeutiches Wort,
Gegenjag zu Buten, bedeutet innerhalb, innen.
innenausfdyläge (Enanthemata, Schleim
hautenantheme), Ausichläge, die entweder nur auf
den Scleimhäuten, oder zugleih mit äußeren
Hautausichlägen auch innerlich auf jenen fich zeigen.
Binnencontrole ift der Inbegriff der zur
Verhinderung des Schleihhandels im Innern des
Bollvereinsgebietes beftehenden Auffichtsmaßregeln
über den Verlkehr zollpflichtiger Güter, Diejelbe
befteht darin, daß über den Grenzbezirt hinaus
im Innern des Bollgebietes nah Mafgabe der
von der oberjten Landes Finanzbehörde nach den
örtlichen Berbältniffen zu treffenden Anordnungen
ſolche Waaren, melde einen Gegenftand Des
Scleihhandels bilden, in fo weit einer Controle
unterworfen find, daß 1) die aus dem Auslande|
oder aus dem Örenzbezirle in das Innere des)
Landes übergehenden Waaren mit den im Grenz-
bezirfe empfangenen Bezettelungen bis zum Be«
flimmungsorte begleitet fein miüffen, u. 2) von
den Hanbdeltreibenden, welche dergleichen Waaren
durch die Unkoften der Anlagen u. Unterhaltung
der betr. Anftalten bedingt find.
Binnit, ein feltenes Mineral, das rhombiſch
fryftallifirt u. aus Schwefelblei u. Schwefelarjenif
beftebt; findet fih im Binnenthal in Wallis.
Binoeular (v. lat. bini, je zwei, u. oculus,
Auge), für zwei Augen beftimmt.
inoenlare Mikroffope beftehen aus je
zwei Mikroſkopen u. find entweder für die beiden
Augen deſſelben Beobachters (ftereoitopiiche Mi-
troſtope), oder für zwei (trioculare für drei, quadri«
oculare fiir vier) verfchiedene Beobachter beftummt;
davon: Binocle (franz.), doppelter, zum gleich—
zeitigen Sehen mit beiden Augen beftinmter
Opernguder. Wimmenauer M.
Binoenlares Schen, das normale Sehen
mit zwei Augen; ſ. Auge (Bewegungsapparat) ;
ferner Gefihtswahrnehmungen; Stereojlop.
Binoenlär-Teleftop , zwei derart mit ein-
ander verbundene Fernrohre, daß man gleid-
zeitig mit beiden Augen nad einem Gegenjtande
jehen kann. Obgleich diefen Inſtrumenten gewiſſe
Vorzüge nicht abgeiproden werden können, find
doch größere der Art im Allgemeinen nod nicht
in die Praris gelommen. Nur Heinere Theater-
ferngläfer werden nad diefer Eonftruction ange-
fertigt.
Binominleoefficient (Math.), in derentwidel«
ten Binomialformel (a + b)" — a" +n), —
4 (u), ap? +... bie Eotfficienten (n) ,‚(n),
u. f. f. der Producte aus den Potenzen der beiden
Theile des Binomiums. Sie find nur vom Ex—
ponenten n, nicht aber von den Gliedern des Bi-
nomiums a u. b abhängig. Der Cokfficient des
2. Gliedes jener Entwidelung, alſo (n),, iſt nad)
der gewöhnlichen Bezeichnung der erfte B.; (n),
’
der Coefficient des 3. Gliedes, der zweite u. ſ. f.
n
Der Werth des erjten B-en ift F der des zweiten
—
1. des dritten — 123 ‚des kten
—1 —2)...(n—k+1
* — rer), ein B. (n), ber
3— —
-
7
444 Binomijcher Lehrſatz — Binomium.
deutet alfo ein Product von kZahlen, die von n u.
anfangend je um 1 abfteigen, dipidirt durch ein ir (n), * (ng + (n); —— —
Product von eh ne anfangend je fürn > (—1)
um. auffteigen. Es erhellt, daß k ftets eine ganze = 7 >
pofitive Zahl jein muß, n eine beliebige fein fann. 1 (m; T (nm, (m); te. 0
Die Ben haben merkwürdige Eigenjchaften; die fir n > 0.
Die Bezeihnung der Been ift verſchieden ge-
einfachiten unter ihnen find: a) (n), = Mk) wefen; flherDejeißnetemanz, 8.den ®. (n). durch
danach find bei ganzen pofitivem nm biejenigen
Ben, die gleich weit vom Anfange u. vom Ende der
n
Neihe abfteben, gleich; wenn n ungerade ift, fritt/n k 4
jeder B. doppelt auf; wenn gerade, nur der mittelſte K oder B )) bei Euler zuerſt finder ſich
nicht. b) (N). a4 NK — — Ik — 1)’ ftatt defien - ; die obige mebft der noch ein-
danach laſſen fich die Bren jeder Potenz aus denen Tr f j ie 9,
der vorhergehenden bevedinen; denn die Summe ſacheren Dr ift jegt die gebräuchliche. Die Bren
von 2 benachbarten ift wieder ein B., der zum finden fich ſchon in Stifel® Arithmetica integra,
nächithöheren Erpomenten gehört. Auf diefe Weile) 1544. Ihre Bildung für einen beliebigen Erpo-
erhalt man für pofitive ganze Erponenten folgende |nenten unabhängig von den Ben der niedrigeren
Tafel der Bren:
nm do G)i () (u). lm) mds ma
2j1|2/)1/0j0,00
3i1l8s|83|1110010
#lılaisiglııelo
ST omslı 0
: ıle/ so nelı
u. ſ. mw. ce) ‚Ferner findet fich
+" =a'+ an⸗ lp 4
n(n—1)..(n—k+1) n—k;k
1.83.“ k
oder abgekürzt gejchrieben:
(+ = a" + (a), an + (nat?
+ (n),_ ja! En (nd
Für u — 535.2. findet fich
+..t
1 * 2 *
n(n—1)(n = a3 +
+..+ (n),a
Votenzen wurde jedoch erit von Briggs 1624 ge
funden; fie mußte noch öfter (von Pascal, Fermat)
erfunden werden, ehe fie fich einbürgerte.
Binomifcher Lehrſatz, Binomialtheorem
Math.), eine aualytiſche Formel, welche die Zur
ſammenſetzung einer Potenz des Binomiums aus den
beiden Gliedern deſſelben u. dem Erponenten der
Potenz darftellt. Seine Form iſt für ganze poſi—
tive Erponenten dieſe:
n{in—1){n—2) n—3, ,
ea Sl
n (n—1) 2,0—2 4 Appl, pn
1. 1
+ ...+
+..+ Ma
(a+b)° = ad + 5atb + 10296? + 10a%b° + Baht + 99,
Iſt b negativ, fo ift au b®, b®, b’.,.. ne⸗ Seite nicht eine endfiche,
fondern eine unendliche
gativ, u. damit wird das zweite, vierte 2c. Glied Reihe, wenn n feine ganze pofitive Zahl ift, und
der rechten Seite negativ. Der Sag gilt für jedes
beliebige a u. b. In diefer Form it er wahr-
fheinfih von Pascal erfunden worden.
jomit die Binomialcotfficienten (n), +V (n),, +92
Er gilt/rr., die den Werth O haben, nicht auftreten. Für
jedoch nicht bloß für ganze pofitive Erponenten, | beliebige Erponenten lautet der jog. allgemeine
jondern für alle beliebigen; nur wird die rechte binomiſche Yehrjag:
(a+b" — a" + (n), N b-+ (n),ary? +..+ (a), at KyK
+...
Für a — 1, — x, n— —4 3. 8 4
-44_ — —— HE. add,
(14x) U
we u
a 2.4 12.4.6
Man fieht, daß der obige Sag ein fpecieller Fall
von diefem it, herbeigeſührt durch das Verſchwin—
den aller Binomialcodificienten von einem ber
ftimmten Punkte au, Der allgemeine B. X. gilt,
wenn a? > b* it, für jedes endlihe n; wenn
a=b ift, für jedes endlide n, welches >— 1;
wenn a — —b für jedes pofitive endliche n. Die
Entwidelung von — — it alle nur richtig für
x
jedes x, welches zwiſchen —1 u. +1 liegt. Der
allgemeine B. 2, ift von Newton 1676 entdedt
worden u. eine feiner ſchönſten u. wichtigften Ent»
dedungen; er ziert fein Grabmal in der Weit
minfter-Abtei in Yondon. Des Erfinders Beweis
beruht auf Induction; fpäter find allgemeine Be-
weife mit u. ohne Hilfe der Analyfis des Unend-
lichen gegeben worden; fo von Colon, Käftner,
Euler, Yegrange, Candy. Vgl. die Unterfuchung
Abels in Erelle, Journal für Matb., Bd. 1.
Binomium (Binont, v. lat. bis, zweimal, u. gr.
J
445
nömos Geſetz; Math.) ift eine aus 2 ganz beliebigen, | Erforihung dieſes Yandes von bedeutender Wich—
pofitiven oder negativen, rationalen oder irratio- |tigfeit.
nalen, reellen oder imaginären Gliedern beftehende| Binz, Babeort an der öſtl. Küfte der Inſel
algebraifhe Summe, wie a + b; Ym—ryn. Rügen, zwiſch den Halbinſeln Jasmund n. Mönchgut.
Sie: f. Juncus. inzer, Aug. Daniel, Freiherr v., hervor-
Dinjenfänger (OREASSSERBEN Calamo- — Mitglied der Jenaiſchen Burſchenſchaft,
e aquatica Lath.), Art der Rohrſänger (ſ. d.) geb. 1793 zu Kiel; erlernte zunächſt die Kaufmann-
intang, Inſel im Sunda-Archipel, nordöſtl. ſchaft, reifte 1812—15 in commerciellen Zweden
von der SSpitze der Halbinfel Malacca; 1156 km |in Schweden, Preußen, NDeutichland, Dänemark,
(21 IM); etwa 18,000 Ew., Malaien u. Ehi-|den Niederlanden u. England u. ftudirte darauf
Bine — Biographie.
her
neſen; ift gut angebaut;
Zuderrodr, Indigo, Sago,
der Ein- u. Ausfuhr beträgt 6 Mill. Gulden, je
e Hälfte. B. fteht mit mehreren Heineren, im
B. u. ©. liegenden Inſeln unter dem Sultan von
Lingga, einer der füdlichen Inſeln, bildet aber
zugleich mit denfelben eine niederländ. Reſident—
Ihaft, welche nach Rio, der Hauptftadt von B.,
benannt ift.
Dinterim, Anton Joſeph, lathol. Theolog,
geb. 19. Sept. 1779 in Düffeldorf; ftubirte die
Humaniora dafelbft bei den Erjefuiten, trat 1796
in den Franciscanerorden, ftudirte nach beendigtem
Noviciat Philofophie u. Phyſik in Düren und
1798 Theologie in Nahen; 1805 wurde er Pfarrer
in Bilt bei Düffeldorf; 1838 zog ev ſich wegen
in feinen Predigten ausgefprochenen Tadels der
Yandesgejege über die gemifchten Ehen eine ſechs—
monatliche Feſtungsſtrafe zu, worauf er in fein
Amt zurüdtehrte; er ft. 17. Mai 1855. °B. ver-
öffentlichte: Collectio dissertationum elegantio-
rum de matrimoniü vinculo in casu adulterii ete.,
Düffeld. 1807; Über Ehe u. Eheſcheidung xc,,
ebd. 1819; Die vorzüiglichften Dentwürdigfeiten
der Ehriftlich-Katholifchen Kirche, Mainz 1825 bis
1838, 7 Bde; Die Katholische Kirche im Gegen-
faße des Nationalismus u. Aftermyfticismms, Köln
1827; Mit Mooren (Pfarrer in Wachtendonk bei
Kempen): Die alte u, neue Erzdiöcefe Köln ꝛc.,
Mainz 18238—31, 4 Thle.; Pragmatiſche Gefchichte
der deutfchen National-, Provinzial u. Diöcefan-
concilien, Mainz 1835—43, 12. A., 1852, 7 Bbe.;
Zeugniffe für die Echtheit des heil. Nodes zu
Trier, Diffeldorf 1844; Des Erzbiihofs von
Köln C. A. v. Drofte Schrift über den Frieden
unter der Kirche u. den Staaten erläutert u. ver—
theidigt, Mainz 1845, 2 Thle.; Die Wine u.
Vorſchläge der katholischen Geiftlichkeit Düffeldorfs,
Düffeld. 1848; Die geiftlihen Gerichte in der
Erzdiöceje u. Kirchenprovinz Köln vom 12.—19.
Jahrh., ebd. 1849; Wie können Diöcefanfynoden
durch andere fanonifche Mittel erſetzt werden, ebd.
1850; Hermann II, Erzbiſchof von Köln, ebd,
1851; Über Brauns Schrift: Die Sage von den
geborenen Cardinälen der Kölniſchen zc. Kirche,
Köln 1852,
Binue (d. i. Mutter der Gewäſſer), früher
Tſchadda, mächtiger Nebenfluß des Niger im Neger:
reiche Adamaua; Quelle unbefannt, Mündung an
der Grenze von Soloto; Nebenflüffe: Mayo»
Kebbi u. Faro. Diefer Fluß, welcher 1851 von
Barth auf dem Bereinigungspunfte mit feinem
Zufluffe, dem Faro, überfchritten u, 1854 von
einem engliihen Dampfer befahren wurde (vgl.
Br. 1. © 238), ift als die einzige Wafferftraße
„ Hanpterzeugnifle: Pfeffer, \in Kiel u. feit 1818 in Jena, wo er an den Be—
Neis. Der Werth ftrebungen der Burfchenichaft lebhaften Antheil
nahm u, neben verichiedenen frifchen, noch heute
viel gefungenen Studententiedern (Stoßt an, Jena
ſoll leben zc.) den berühmten Grabgejang der
Burihenihaft: Wir hatten gebauet ein ftattliches
Haus zc. dichtete. Nah der Auflöfung der Bur-
Ihenihaft (26. Nov. 1819) ging er nach Alten
burg u. vedigirte bier den 1. Bd. des Encyflos
pädiſchen Wörterbuches (Bierers Univerſal-Converſ.⸗
Lerifon, 1. Aufl), lebte dann, journaliſtiſch u.
mit Überjegungen befchäftigt, in den verſchiedenſten
Städten Deutichlands, gab unter dem Pjeudonym
A. T. Beer 3 Bände ſchlichte Erzählungen und
Novellen heraus, Yeipzig 1836; 1853 wurde er
in den ruffiichen SFreiherrnftand erhoben, ver-
brachte feine legten Lebensjahre in Alt-Auffee in
Ober-Steiermart u, ftarb während eines Beſuches
bei feiner Tochter 20. März 1868 zu Neiffe.
Bio... (v. gr. bios, Leben), Lebens ....
Biobio, Fluß in den Provinzen Araucania u.
Eonception der füdamerilanifchen Republif Chile;
entipringt auf den Anden, nimmt von rechts die
Flüſſe Yaja u. Duqueco, von lints die Flüſſe Yer-
gara u. Taboleo auf, fällt nach einem Laufe von
etwa 300 km bei der Stadt Eoncepcion im den
Großen Ocean; er ift nur für Heinere Fahrzeuge
ſchiffbar.
Biodynãmik (v. Gr.), Lehre von der Lebens—
kraft oder Auffaſſung des Lebens, vorzüglich von
der dynamiſchen Seite; daher biodynamiſch.
Biograd (Bjelgrad), 1) Stadt in Bosnien,
Sandſchak Bihatſch, ander Grenze zwiſchen Bosnien
u, Kroatien gelegen; befeftigt. 2) Kleines Dorf in
Dalmatien, füdöftlih von Zara; guter Hafen. Hier
ftand einft die römische Stadt Blandona, welche im
6. Jahrh. die Avaren zerftörten. Unter den Kroa-
ten blühte die Stadt wieder auf, erhielt den jetzigen
Namen u. war Krönungs- u. Rejidenzftadt Troat.
Könige. Hier 1278 Sieg des byzantiniſchen Kaifers
Michael über König Karl I. von Sicilien. Zum
zweiten Mal wurde die Stadt vermwüftet in den
verheerenden Kriegen, melde die Benetianer mit
den Ungarn-froaten führten, u. zwar durch den
Dogen Domenico Miciet. Nachher wurde B. der
Sammelplag von Räubern u. im 17. Jahrh.
zerftört; jett ift es nur von Fildern bewohnt.
Jovanovic.
Biogräphie (v. griech. bios, Leben, gräphein,
jchreiben, Lebensbeſchreibung), Erzählungdes Lebens
eines Menſchen. Die B. beſchränkt ſich nicht allein
auf die Erzählung äußerer Umftände u. Erleb—
niffe des Menſchen (das ift ein Curriculum vitae,
Lebenslauf), fondern ftellt feine geiftige Entwidel-
ung durch jene äußeren Umſtände u. Begegnifle
in das Innere des centralen NAfrifa für die dar; daher auch eigentlich jene äußeren Umftände
446
Biographie.
für die B. nur wichtig find, fofern fie auf den/1820—38, 13 Bde.; K. W. Böttiger, Die Weltge
geiftigen Menſchen einmirkten.
Der Biograph ſchichte in B-n, Berl. 1839 f.; Wurzbad, Bio:
muß es alſo verftehen, im lebendiger Darftellung |graphiiches Wörterbuch Oſterreichs, Peit 1856 fi.;
auch das Junere eines Menihen zur Schau zu Allg. Deutihe B., Lpz. 1875 f.; Männer bei
legen u. ihn feinen Gefinnungen u. feinem Cha—
ralter nach zu ſchildern, ſowie die Motive feines
Wirkens u. diefes felbft feinem eigentlichen Gehalte
nad in geböriges objectives Licht zu ftellen. Die
Kunſt, eine B. zu fchreiben, heißt Biograpbif;
fie bildet eine Unterabtheilung der Geſchichtſchreibe⸗
funft, deren allgemeine Regeln auch auf fie Ans
wendung finden. Ein Biograph muß entweder in
inniger Bertrautheit mit Dem geweſen fein, defien
Leben er ſchildert, oder e8 müfjen ihm Materialien
dazu von defjen Lebensvertrauten, oder durch das,
was ein Menſch ſelbſt leiftete umd dauernd in
feinen Schöpfungen, Schriften, Briefen, Tage-
büchern, jchriftlihen Anflägen, Kunftwerfen x.
binterfieß, zu Gebote ftehen. Bal. J. Wiggers,
Über die B., Mitau 1777; Jeniſch, Theorie der
Lebensbeichreibung, 1802. Lbergeht die B,, um
fih dem Kunftmerfe zu nähern, das Unbedeu—
tendere und läßt die innere Wahrheit unter
frei geichaffener Darftellungsform ungetrübt ev-
iheinen, fo entſtehen Lebensgeſchichten, der ähn-
lih, welche Goethe unter dem Namen Dicht
ung u. Wahrheit aus meinem Leben, gejchrie-
ben hat. Beſchreibt Jemand fein Leben felbft,
fo ift dies eine Auto-B. od. Selbft-B. Solde
Selbft-B-en haben wir von Thomas Plater, Götz
von Berlichingen, Hans v. Schweinichen, Geiz
tofler, Hieron, Cardanus, P. D. Huet, Vittorio
Alfter, Gibbon, Rouſſeau (Uonfessions), Mar-
montel, Bronner, Jeruſalem, Spalding, Ehr. F.
Weiße, Sulzer, Seume, Fr. Jacobs, Arndt u.
m. A., u. die zahlreichen Memoiren (f. d.). Bgl.
3. G. Müller, Beleuntniffe merfwürdiger Männer
von fich felbft, Winterth. 1791—95, 3 Bde. Ben
unter den Alten lieferten bei. Plutarchos, Philo—
ftratos, Diogenes Yaertios, Cornel. Nepos, Ta—
citus (B. des Agricola) u. Suetonins (die klei—⸗
neren griechiſchen Biographen gejammelt von We—
ſtermann, Braunſchweig 1845); von Neueren
Flechier, Fontauelle, Marzeaux, L. Racine, Bus
rigny, de Sades, Voltaire, Boiſſy d'Anglas,
Villemain, Couſin; Warburton, Middleton, Jortin,
Johnſon, Murphy, Roscoe, Robertſon, Monk,
Th. Moore, Marſhall, Southey, Waſhington Ir—
ving; Jeruſalem, Schröckh, Nicolai, Herder,
Sturz, Hirzel, Klein, Garve, Meißner, Niemeyer,
ra Dippold, Luden, Barnhagen v. Enfe,
Ziedge, Barthold, Döring, Perk, Perthes, Arneth,
Dane, D. Jahn, Chrylander, Löher, Kapp,
royſen, Nohl, Spitta, Springer, Thayer, D.
Strauß, u.v. A.; ſ. die einzelnen Nationallitera-
turen. Umfaſſende Werke: Das Wörterbuch von
Moreri, Bayle (f. d.); die biographiihen Werte
von Sam, Baur, Grohmann, Fuhrmann, Hirs
ding, Ladvocat, Leidenfroft (ſämmtlich Terifal);
Niemeyer, Schrödh u. A.; der Nefrolog von
Schlichtegroll, Gotha 1790—1800, 1802 ff.; der
neue Nekrolog der Dentihen, Weimar 1823—54,
30 Bde.; die Ben oder Darftellimgen merlwür—
diger Menſchen der 3 legten Jahrh., Halle 1802
bis 1809, 8 Bbe,, ı. die Zeitgenofjen, Lpz. 1816,
18 Bde.; Hemmings, Deutjcher Ehrentempel, Gotha
Zeit, Biogr. Lexikon der Gegenwart, mit Suppl:
rauen der Zeit, Lpz. 1858—62; Badiſche Bio:
graphien, herausg. v. Weed, Heidelb. 1875; von
ausländiichen größeren Werfen aber bejonders:
Dictionnaire universel historique, ceritique et
bibliographique, 9. Ausg., 1810 f., 20 Bbe.;
Nouveau dietionnaire historique, von Chan:
don u, Delandine, Paris 1821— 23; Mihauds
Biographie universelle ancienne et moderne,
Par. 1811—28, 52 Bde., und Suppl. zu derſ.,
1832—53, 31 Bde., 2. Ausg., 1843 fj., nene
Ausg. Par. 1842—64; Biogr. univers., Brüſſel
1843—47, in 21 Bdu.; Biographie moderne,
2. Ausg., Straßburg 1816, 3 Bbe., überf. von
Neihard, Yeipzig 1811, 6 Thle.; Biographie
des hommes vivants, Paris 1816 bis 1819,
5 Bde.; Biographie nouv. des contemporains,
ebd. 1820—25, 20 Bbe.; Propiac, Plutarque
des jeunes demoiselles, 4. Ausg., Paris 1825
(über den Titel fiche unten); Biogr. portative
des contemp., ebend. 1836, 4 Bde. (1 BD.
Supplem.); Hauvells biographie genürale, Bar.
1855 fi. (herausgegeben von Höfer); Vapereau,
Dietionnaire universel des contemporains, Par.
1854, 4 A., 1870; Biographia britanniea, Yon.
1747— 66, neue vermehrte Aufl,, bloß bis zum
5. Bde., 1778—93, Fol., deutjch, ältere Samm-
lung von S. Baumgarten, Halle 1754—79, 10
Bder; 3. Watlins, Universal biographical dieti-
onary, neue Aufl., London 1825; Longmaı,
Annual biography and obituary, ebd. 1817;
Lodge, Portrait of illustrious personages of
Great-Britain, Lond. 1821—34; Tipaldo, Biogr.
degli Italiani illustri, Ben. 1835 —45, 10 Bde.;
Duintana, Vidas de Espaßoles celebres, 1845,
2 Bde., u. ö., deutih von Wolf v. Baubdiffin,
Berlin 1857; Cardenas u. Diaz, Galerie de
Espaüoles cel. contempor., Madrid 1841—46;
Biografisk lexicon öfver namnkunnige Svenska
män, Upf. 1835 fi.; Thaarup, Fädrelansk Ne-
krolog, Kopenb. 1843 fi.; van der Wa, Biogra-,
phisch woordenboek der Nederlanden, Haarlem
1852—54, 4 Bde. Specielle Ben von Künſtlern
ftellten zufammen: Füßli, Allgemeines Künftler-
lerifon, 2. A., Züri) 1810—21, 13 Thle.;
Nagler, Neues allgem. Künftlerlerifon, Münch.
1835—52, 22 Bbe., 2. Aufl. von Jul. Meyer,
Lpz. 1870 ff.; Miller, Die Künftler aller Zeiten,
Stuttgart 1857 fi.; von Gelehrten u. Schrift-
ftellern: Jöcher, Allgem. Gelehrtenlerifon, Leipzig
1750 f., 4 Bde., fortgef. von Adelung, ebd. 1734
bis 1787, u. von Rotermund, Bremen 1810—21,
6 Bde.; Meufel, Gelehrtes Deutfchland, fortgei.
von Erich u, Lindner, Lemgo 1796—1834, 23
Bde,; Yerifon der von 1750—1800 verftorbenen
deutichen Schriftfteller, Lpz. 1802—16, 15 Bde.;
Wright, Biographia britannica literaria, London
1843—46, 2 Bde.; Allibone, Critical dietionary
of English literature, Phil. 1859; Kraft, Norsk
forfatter-lexicon, Chrift. 1863; Erslew, Almird-
eligt forfatter-lexicon for Danmark, Kopenh. 1845
bis 1848, 3 Bde, u. a. ©. unter den National»
Biologie — Biojophie.
447
fiteraturen. Noch jpecieller geben Andere B-fanım«!deib. 1808 u. 6. mit Theoktit. 2) B. Boryſthe—
lungen von Theologen u, anderen Gelehrten, Dich»
terinnen z2c. oder auch der Gelehrten einzelner
Länder oder Orte, wie Schröder, Leriton Ham—
burger Schriftfteller, Hamburg 1849 fi. u. |. w.
In die Biographif iſt der Name des griechischen
iftorifers Plutarchos typiich geworden, und man
nennt daher eine Sammlung von Lebensbejchrei«
bungen geradezu Pintarch; fo gibt es u. a. Plu-
tarque frangais, Bar. 1844—47, und feit 1874
erſcheint unter der Leitung R. Gottichalls ein
Neuer Plutacch, Leipzig, Brodhaus; ag. Biblio-
graphie, rambadı.*
Biolögie (v. gr. bios, Leben, lögos, Lehre),
Lebenstehre, 1) im meiteften Sinne des Wortes die
Wiſſenſchaft von Allem, was eriftirt, lebt. 2) Im
engeren Sinne die Lehre von den eigentlich Tebenden
Weſen, den Pflanzen u. Thieren. 3) Zumeilen als
die Lehre vom normalen menschlichen Daſein in phy—
fiiher Beziehung aufgefaßt. 4) Ju dem Sinne von
allgemeiner Phyfiologie u. weiter von Naturphilo-
fophie genommen. Die Bezeihnung B. ift fehr
ihwantend und follte darum gar nicht gebraudıt
werden. In neuefter Zeit hat Pettenfofer den
Namen B. als Titel für feine phyfiologiid-ätio-
logiſche Zeitfchrift angewandt. Vgl. G. R. Tre-
virauus, Biologie oder Philoſophie der lebenden
Natur, Berl. 1802—1805, 3 Bde; Schelling,
Uber das Leben u. feine Erfcheinungen, Yandsh,
1806; Ofen, Biologie, Gött. 1806; Sim. Ehr-
hardt, Das Leben u. feine Beihreibung, Nürnb.
1816; Fr. Kreiſchmar, Gründe einer Phyſik des
Lebens, Ypz. 1821, 2 Bde; F. X. Bichat, Re-
cherches physiologiques sur la vie et la mort,
Par. 18005 9. ©. Boafe, The Philosophy of
nature, Pond. 1860; J. F. U. Trorler, Elem.
der Viofophie, Augsb. 1808; F. Fredault, Phy-
siologie generale, Bar. 1863; E. Neid, Die all
gemeine Naturlehre des Menichen, Gießen 1865;
H. Levitonx, Philosophie de la nature, Barjovie
1871; Ch. Bernard, De la physiologie generale,
Par. 1872.
Biomagnetiämus (v. Gr.), Pebensmagnetis«
mus, jo v. w. Ihieriiher Magnetismus (j. d.);
daher biomagnetiſch.
Biomantie (Biomantif, v. Gr.), 1) Beftimm-
ung aus gewiſſen Zeichen, daß Yeben ftattgefunden
hat, 3. B. aus der Yungenprobe. 2) Borherbe⸗
flimmung der Lebensdauer; daher biomantiſch.
Biometrie (v. Gr.), 1) wahrſcheinliche Berech—
nung der Lebensdauer. 2) Die Berehuung der
Zeit zur weiſen Eintheilung und Benutung der»
felben. .
Bion, 1) griehiicher Dichter aus Smyrna;
febte in Sicilien nad) der Zeit des Theokritos
(260 v. hr.) u. farb an Gift. Er jchrieb im
dorischen Dialekt u. nad} dem Mufter des Theofritos
(daher als Buloliker bezeichnet) im dichteriſcher
Form erotifhe Dichtungen und epigrammatijche
Kleinigkeiten; übrig find 2 größere u. gegen 12
fleinere Gedichte, deren fchönftes der, wenn aud)
etwas weichlihe u. fhwillftige, Trauergefang um
Adonis ift. B. wird mit Theofrit vereint hevaus-
egeben, welchen er durchaus nicht ohme dichterijche |
————— aber doch ohne Die rechte Freiheit nach⸗
zuahmen pflegte; deutſch von J. H. Boß, Hei⸗
nites, Philoſoph, aus Boryſthenes in Skothien;
anfangs Akademiker, nah And. Kpnifer, dann
der (jüngeren) Kyrenätfchen Schule zugethan; lebte
im 3. Jahrh. n. Chr. am Hofe des" Antigonos
von Mafedonien; er war Gegner des Polytheis-
mus, daber Atheift genannt. Apophthegmen in
Drellis Opusc. graec. Vgl. Hoogvliet, Vita Bio-
nis, Leyd. 1821. 3) B., Mathematiker aus Ab-
dera, Anhänger Demokritos'; behauptete zuerft, daß
es Gegenden gäbe, wo es 6 Monate Tag u. eben«
jo lange Rat wäre,
Biondelli, Bernardino, ital. Archäolog, geb.
14. März 1804 in Verona; ftudirte in Padua
Spraden und Alterthumskunde, lehrte dann an
Schulen in Benedig, Badua und Mailand, wurde
1849 Director des Miünzcabinets in Mailand u.
1860 Profefjor der Archäologie und Numismatit
an der königl. Afademie, zugleih Director der
Muſeen daſelbſt. Er jchr.: Studj sulle lingue
furbesche, Mail. 1846; Saggio sui dialetti gallo-
italiei, ebd. 1853; Studj linguistiei, ebd. 1856;
Sull’ antica lingua azteca, ebd. 1860; Sulle
monete auree dei Goti in Italia, ebd. 1861;
auch entwarf er einen Atlante linguistico d'Eu-
ropa, ebd. 1841, u. gab heraus: Poesie Lom-
barde inedite del secolo XILL., ebd. 1856; Evan-
geliarium, epistolarium et lectionarium aztecum,
mit Überfegung u. Wörterbuch, ebd. 1860, und
Zanettis Lettere sulle monete et zecche d'Italia,
ebd. 1861.
Biondi, Luigi, ital. Kunſtlenner, geb. 1776
zu Nom; wurde Doctor beider Rechte, Präfident
der archäologischen Atademie, erhielt den Grafen-
titel durch König Karl Felix von Sardinien und
den Titel eines Marchefe v. Bardino durch Papft
Yeo XIL.; ft. zu Rom 8, Sept. 1839. Er jdır.:
Littera sulla pittura delle nozze Aldobrandine,
Rom 1815; Vita di Allessandro Tafioni, Pifaro
1822; liberjetste die Georgica des Virgilius ins Ita—
lieniſche; Imonumenti amaranziam illustrati dal
marchese L. B. erfchienen zu Nom 1849 u. werden
als Anhang (Bd. XI.) zu E. G. Bisconti$ Museo
Pio-Clement. (Chiamara) betrachtet. Brambach.
Biondo, Michael Angelo, geb. 4. Mai 1497
in Benedig, geft. ebenda 1565; zeichnet ſich vor
den Chirurgen feiner Zeit dadurch vortheilhaft aus,
daß er bei der Wumdbehandlung zunächſt Alles
entfernte, was zwiichen die Wundlippen üblicher
Weiſe gebracht wurde, daß er für guten Zuftand
des Magens u. Darmes forgte, vor Allem aber
auf den mwohlthätigen Einfluß des falten Waffers
hinwies: De partibus ietu seetis citissime sa-
nandis et medicamento aquae nuper invento,
Bened. 1542. Auch als ein früber Schriftfteller
über die Syphilis ift er jehr zu beachten, die er
nicht für eine neue, aus Indien ftammende Kraut»
beit anfiebt: De origine morbi gallici deque
ligni Indiei ancipite proprietate, Benedig 1542,
Rom 1559. Thamhayn.
Bionömle (v. Gr.), die Lehre von den Ge:
jeten des Yebens überhaupt.
Biophytum, Untergattung von Oxalis Z.
Biofföpie (v. Gr.), Unterfuchung ilber die
Lebensfähigkeit eines Wefens.
Bioföphie (v. Gr.), 1) Lebensweisheit; 2) Auf-
448
faffung bes Lebens von feiner dynamiſchen Seite;
jo v. w. Phyſiologie.
Bioſtatik (v. Ör.), die Lehre von der Gefund-
beit u. wahricheinlichen Lebensdauer des Menſchen
unter beftimmten Verhältniſſen.
Biot, 1) Jean Baptifte, berühmter franz.
Phyſiker, geb. 21. April 1774 in Paris; widmete
fi anfangs der Artillerie, fpäter den Naturwifjen-
ſchaften u. der Matbematif, wurde Profeffor an
der Centralichule zu Beauvais u. 1800 Profefior
der Phyſit am Collöge de France in Paris;
er wurde 1803 Mitglied des Inſtituts 1804 beim
Obiervatorium u. 1806 am Bureau des longi-
tudes angeftellt; ging in demſelben Jahre mit
Arago nad Spanien, um die Meflung des Meri-
dians von Paris fortzufegen, wurde 1808 in
die Akademie aufgenommen u. erhielt 1809 bie
Profeffur der phyſikaliſchen Aftronomie in der
Facults des sciences. Gr nahm an der erften
berühmten Ballonfahrt Gay⸗vLuſſacs theil u. machte
1817 behufs aftronomiiher Beobachtungen eine
Reiſe nach den Orkaden; der Heine Ausflug nad
Aigle 1803 war von faft noch größerer willen»
ſchaftlicher Bedeutung, weil dadurd das Thatjäch-
lihe der Meteoritentälle unzweifelhaft feitgeitellt
wurde, 8. ft. 3. Febr, 1862. Er hat fi be-
fonder8 um die Lehre von der Polarifation des
Bioftatit — Birago.
villes et arrondissements de l’empire chinois,
Par. 1842; Essai sur l’histoire de }'instrnetion
publique en Chine, 2 Bde., ebd. 1845 j.; Chino
et Indo-Chine, ebd. 1846, u, überjegte bie
Tscheon-li, ebd. 1851 f., 3 Bde.
Biow, Hermann, geb. um 1810 in Byetlan;
widmete fi) den zeichnenden Künften u. warf ſich
jchlieglich auf die Daquerreotypie, die er in Han!
burg betrieb u. bedeutend vervollfommmete, Er it.
in Dresden 1850. Seine Dagquerreotgpenfamn!»
fung berühmter Zeitgenoffen erſchien in Stichen
vervielfältigt in Leipzig 1850 fi.
Biöryd (Chem.), eine Sauerftoffverbindung,
welche zweimal fo viel Sauerftoff enthält, als das
DOrvd; f. u. Oxydation.
Bipartiren (v. Lat.), halbiren; daher Bipar-
tibel, halbirbar; Bipartition, Halbirung;
bipartitus, zmweitbeilig; Bipartiti (Halbirte), Bei«
name der Apollinariiten,
Bipartito-lobätus (Bot.), zweilappig; f. Blatt.
Bipeden, zweitüßige Thiere, Zweifüßler.
Biperforatus (Bot.), zweilöchertg.
Bipetälus (Bot.), zwei Blumenblätter habend.
Be (Bot.), doppeltfiederig, geichligt;z
f. Blatt.
Bipinnatus, doppelt gefiedert; ſ. Blatt.
Bipontium, lateinischer Name für Zweibrüden
Lichtes und um die Barometerbeobadhtungen ver⸗(ſ. %.); daher Bipontiniihe Ausgaben (Bi-
dient gemacht, u. jchr.: Traité analytique des
courbes et des surfaces du second degre, Par.
1802, erlebte 6 Aufl., deutſch von Ahrens, Nürnb,
1817; Traite &löm. d’astronomie physique etc.,
Par. 1805, 2 Bde., 3. A., 5Bde., 1851; Tables
barom. portatives, ebd. 1811; Becherches sur
les mouvements des molecules de la lumiere
autour de leur centre de gravite, ebd. 1814;
Traite de physique experim. et math@mat., ebd.
1816, 4 Bde., deutih von F. Wolf, Berl. 1818,
2 TIhle.; im Auszuge: Précis lömentaire de phy-
sique, ebd. 1818—21, 2 Bde., u. ö., deutſch von
Fechner, *3 1828 f., 5 Bde.; Recueil d'obser-
vations geodösiques, astron. et phys., ebd. 1821;
Astronomie egyptienne appl. aux monuments
astron., Bar. 1823; Sur quelques determinations
d’astronomie ancienne (Comptes-rendus, 1834,
30. Juni); Recherches sur plusieurs points de
Vastronomie egyptienne, Par. 1829; Recherches
sur l’ancienne astronomie chinoise, ebd. 1840;
Etudes sur l’astronomie indienne et sur l’astr.
chinoise, ebd. 1862, Zahlreiche ſehr werthvolle
Abhandlungen finden fi} auch in Annales de phys.
et de chim,, in den Me&m. d’Arcueil, im Journ.
des Savants u. a. wiſſenſchaftlichen Zeitjchriften.
2) Edouard Couſtant, Sinolog, Sohn d. Bor.,
geb. 2. Juli 1803 in Paris; machte jeine Studien
auf der Bolytehniichen Schule 1822—24, bereifte
dann mit feinem Bater Falten von 1824—25,
trat als Techniker in den Staatsdienft u. über-
nahın für eine Privatgejellichaft den Bau der Eijen-
bahn von yon nah St. Etienne. Nachdem er
die technische Praris aufgegeben, widmete er fich
ausshliehlih dem Studium der hinefiichen Sprache
u. wurde 1847 Mitglied der Academie des inscrip-
tions; er ft. 12. März 1850. B. ſchr. außer einer
Menge Abhandlungen im Journal des Savants n.
Journal asiatique: Dictionnaire des noms des
pontinen), zu Zweibrücken gedrudte Ausgaben der
griechiſchen u. römiſchen Claſſiler.
Bipp, zerſtörtes Bergſchloß im Bez. Wangen
des ſchweizer Kant. Bern, auf einem Felſen an der
Aar; foll das Castram Pipini gewejen fein; jett
nur noch ein Meierbof. die Herrſchaft B. kam
1463 an Bern. Dabei zwei Dörfer: a) Ober-
B., 860 Ew., mit den eingepfarrten Ortichaften
Wiedlisbach, Attiswyl u. einigen anderen zujan«-
men gegen 4000 Ew., die von Getreidebau, Bieh-
u. Obftzudt leben; b) Nieder-B., 2300 Em.;
treibt Landwirthſchaft.
Biquadrat (v. Lat., Math.), das Quadrat des
Quadrats, d. i. die 4. Potenz einer Größe; wie
16 von 2, denn 2.2.2.2 = 2* = 16; baber
biquadratiich; fo eine Parabel, wenn in der-
jelben y = ax* + bx? + cx? + de + e; oder
eine Wurzel, eine Zahl, die viermal als Factor
gefetst al$ Product die gegebene Zahl gibt, 3. 3.
4
v16=2; oder eine Gleihung, in welder der
höchſte Erponent der uubelannten Größe die
Zahl 4 ift.
Bir (arab.), jo v. w. Waffer, Brunnen; daher
B. el Ab u. B. el Suez in Unter-Agypten, B.
el Gabah, B. el Tabayet, B. Ghariam u.a.
in der Wifte Sahara.
Birägo, Karl, Freiherr v., ausgezeichneter
öfterr. Militär-Techniler, geb. 24. April 1792 in
Eafcina d'Olmo bei Mailand; ftudirte in Pavia
Mathematik u. trat 1812 in die Militärichule in
Pavia, 1813 wurde er zum Unterlieutenant u.
Adjutant an der Militärjchule ernannt, an welcher
er and Vorträge in der Geographie u. Geſchichte
hielt; 1816 wurde er zu einem nfanterie-Regi-
ment verjegt u. zur Dienftleiftung dein Militäriſch-
Geographiihen Anftitut zu Mailand überwieſen.
Seit 1821 zum Pionniercorps verjegt, recognos«
Birague — Birch Pfeiffer.
cirte B. die Operationslinie gegen Piemont und
449
‚lien unternommen hatte, trat er 1856 eine zweite
war 1822 bei den Aufnahmen in den Alpen be- Reife dorthin an, um die Gampana-Sammlung
ſchäftigt; 1823 wurde er Lehrer der Mathematik
an der Pionniercorpsichule zu Mailand. Schon
während biefer * wendete B. feine Aufmerkſam⸗
keit beſ. auf Verbeſſerung des Kriegsbrückeuweſens,
n. nachdem er 1826 zum Oberlieutenant befördert.
u. 1827 zum Öeneralftabe verſetzt worden war,
gelang es ihm, meientlihe Vortheile bei dem
chlagen der Yaufbrüden zu erzielen, mit denen
er 1825 die erften gelungenen Berfuche machte u.
welche 1828- für die Armee eingeführt wurden;
1830 rüdte er zum Hauptmann vor und wurde
bis 1835 bei dem Baue des feiten Lagers bei
Linz, dann durch den Herzog Franz IV. von Mo»
dena mit der Yeitung, ber Befeftigungsanlagen
um Schute des Po-llberganges bei Breicello
eauftragt. 1836 zum Major im Generalftabe be»
fördert, verfaßte er im höheren Auftrage eine An-
leitung zur Ausführung der im Felde am meiften
vortommenden Pionnierarbeiten u. Unterſuchungen
über die europäiihen Militär-Brüden- Terrains u.
Berjuche einer verbefferten, allen Forderungen ent-
ſprechenden Militärbrüdeneinrihtung, ging auf
Aufforderung zum zweiten Mal nad Modena u.
baute 1839 eine Brüde über den Bo bei Bre-
fcello; 1840 leitete er die Herftellung einer Brücden-
Eguipage nad) feinen Grundfägen u. fchlug eine
Brüde über die Donau bei Wien, worauf er zum
Dberftlieutenant u. Wachtmeifter bei der königlich
Iombardifch-venetianifhen adeligen Leibgarde er-
nannt wurde. Im nächften Jahre wurde das
Brüdenmaterial nah feinem Syjtem als einzige
Kriegsbrüde bei der Armee eingeführt u. B. zum
Oberſten befördert u. 1842 zum Unterlientenant der
adeligen Leibgarde, 1844 zum Commandeur der
vereinigten Pionnier- u. Pontonntercorps ernannt
n. im Mai 1845 in den Freiherrnſtand erhoben.
Er fl. 29. Dec. 1845 in Wien. Meinardus.*
Birague, Rene de B., geb. 1510 in Mais
land; trat in franzöftfche Dienjte, genoß die Gunft
Heinrich IL., der ihn zum Gouverneur von Lyon
u. zum Parlamentsrathe in Paris ernannte, wurde
dann Günftling Katharinens von Medici u. war
einer der Haupturheber der Bartholomäusnacht;
er wurde 1570 Siegelbewahrer, 1573 Kanzler von
——— u. zuletzt noch Prieſter; er ft. 1583 als
tichof von Lavaur u. Cardinal.
Birbhum (Beerbhoom), Diſtr. der Präfident-
ſchaft Bengalen in Vorder-Indien, füdlih von
Bhagulpore, u. 230 22° bis 24° 40' u. Br. u. 860 25
bis 88° 30' w. L.; 12,300 [_]km; 1,041,000 Ew.;
bewäffert von zahlreichen Gebirgsbächen, 3. B.
Hadidi, Barafa; vortrefflihe Kohlen u. Eijenerz;
1755 von Delhi an die Engländer abgetreten.
Bird, Samuel, der bedeutendfte engl. Ägypto⸗
fog der Gegenwart, geb. 3. Nov. 1813 zu Yon«
don, wo er auch feine erfte wiffenjchaftlihe Aus—
bildung erhielt; warb 1836 an dem Britijchen
Mufeum fir die Abtheilung der Antiquitäten an—
eftellt, deren Director er 1844 ward und deren
Borland er blieb, bis er 1861 zum Director der
orientaliichen Alterthümer befördert ward. Nad-
dem er ihon 1846 im Wuftrage des Britiichen
Muſeums zum Zwecke der Unterfuhung der ägup-
tiihen Sammlung Anaftafis eine Rei
in Rom für das Britiſche Muſenm anzufaufen.
Im Sept. 1874 eröffnete er als Präfident den
zweiten internationalen Orientaliften-Congreß zu
London. Seine Hauptthätigkeit erftredte fih auf
die Erflärung der Hieroglyphen u. die Erforich-
ung des ägyptiſchen Alterthums. Cine große
Anzahl bezüglicher Arbeiten erichien in den Ab»
banblungen der Royal Society of Literature zu
?ondon, der Revue archeologique zu Paris, der
Beitfchrift für ägpptifche Sprache zu Berlin. Außer-
dem ſchrieb er eine Introduction to the study of
Hieroglyphs, 1857, u. gab insbejondere mehrere
wichtige Papyrusterte (1863, 1865) heraus. Neben
dem Aegyptiſchen beichäftigte er fi auch mit dem
Chineſiſchen u. mit Numismatif u. ward einer der
Begründer der Society of Biblical Archeology
in Yondon, in deren Auftrag er die Records of
r nad) Ita⸗ dig fertig vor, u. ih
Vierers Univerfal-Converfations-Leriton. 6. Aufl. M. Band.
the Past (bis jetst 3 Thle.) herausgibt. B. war
nahe mit Bunjen befreundet, für den er bie
Iinquiftiihen Partien des Wertes: Agyptens Stelle
in der Weltgeichichte, Gotha 1845—57, bearbeitete.
Ganz menerdings ift er dur die Entdedung,
daß die Sprache der cypriſchen Inſchriften ein
griechiſcher Dialekt ift (1872), auch außerhalb des
Kreifesder Drientaliften befanntgervorden,. Schrader.
Birchigung, Paß im Himalaja-Geb., zwiichen
STibet u. dem Diftr. Kumaon, Border» ndien,
5400 m Höbe,
Birdy-Pfeiffer, 1) Charlotte, deutiche dra-
matiſche Schriftjtellerin, geb. 23. Juni 1800 in
Stuttgart; betrat, einer unbefiegbaren Neigung zur
Scaufpielfunft folgend, bereits ın ihrem 13. Jahre
die Hofbiibne zu München, wo fie bald als tragijche
Liebhaberin Hervorragendes leiſtete, u. machte von
1819— 23 größere Kunftreifen, fie verbeirathete
fi) 1825 mit dem Schriftfteller Dr, Birch (ft. 1868),
leitete von 1837—43 das Theater in Zürich und
folgte 1844 einem Rufe an die Hojbühne in Ber-
fin, wo fie dann bis zu ihrem am 25. Aug. 1868
erfolgten Tode engagirt war. Ihre zahlreichen
Dramen ftellte fie, da fie ſelbſt keine Erfindungs« *
gabe bejaf, aus Romanen u. Novellen von Victor
Hugo, Tied, Spindler, Storh, Auerbah u, U.
ber, ohne den Stoff erſt ſchöpferiſch umzugeſtalten;
denn fie wollte feine Kunftwerfe ſchaffen, jondern
nur ein effectvolles, entweder rührendes oder be»
luftigendes, vor Allem aber die ſchauluſtige Menge
befriedigendes Theaterftüd liefern. Dies gelang
ihr beſ. mit dem geſchickt eingerichteten Stüden:
Der Glödner von Notre-Dame, romant. Drama
in 6 Zableaur (1834); Hinfo, der Freilnecht,
Drama in 5 Acten u. 1 Borjpiel (1834); Die
Marquife von Billette, Schaufp. in 5 Acten (1845);
Dorf u. Stadt, Schaufp. in 2 Abth. u. 5 Acten
(1848); Die Waife von Lowood, Schaufp. in
5 Acten (1855); Die Grille, ländl. Charafterge-
mälde in 5 Acten (1857) u. A. Hauptjächlich mit
den drei leßtgenannten Dramen errang fie bedeu-
tende Erfolge, die fie freilich zum großen Theil
Auerbach, der EurrersBell u. der George Sand
zu verdanten hatte, denn die efjectvollen Partien
des naiven Porle, der ſpröden Jane Eyre u. der
wilden, trogigen Fanchon fand fie bereits vollitän-
r einziges Verdienft war ſchließ⸗
29
450
li die bühnengerechte Zuftugung des gegebe-
sen Stoffes, Ihre gelammelten dramatiſchen
Schriften erichienen in 13 Bon., Lpz. 1863—69.
2) Wilhelmine B., Tochter der Bor., geb. 1836
zu Münden; verlebte ihre Kindheit in Zürich, ihre
Jugend in Berlin, betrat 1856 die Bühne und
feiftete bereits in hochtragiſchen Rollen Bedeuten-
des, als fie dem Theater entjagte u. fich mit dem
Hofgeridhtsrath v. Hillern in Mannheim verbei-
rathete. Zur Zeit lebt fie, mit luerariſchen Ar-
beiten beichäftigt, in Freiburg i. Br., wo ihr Ge-
mahl die Stelle eines Director® des dortigen
Kreis⸗ u, Hofgerichtes befleidet. Ihr fiterariiches
Grftlingswert: Doppelleben, Berl. 1865, 2 Bde,
it unbedeutend, der dann folgende Roman; Ein
Arzt dir Seele, Berl. 1868, 4 Bde., welcher fi
gegen die faljch verftandene Geiftesemancipation derjung der Indianer auszeichnet.
Frauen richtet, bietet dagegen jcharfe Zeichnungen
u. geiftvolle Keflerionen; weniger gelungen, weil
zu breit u. oft umerquidlich, tft der Noman: Aus lung früher veröffentlichter Zeitungsartifel.
Bird — Sta. Birgitta.
romance of Mexico, eröffnet wurde, Prescott
(1. d,) rühmt das in diefem Werfe herportretende
Studium der Gitten der alten Einwohner des
Landes u. die treffenden Schilderungen der Natur«
ſchönheiten u, vergleicht ihn deshalb mit Cooper;
nur ift ihm bierin die Nahahmung der Redeweiſe
der ſpaniſchen Krieger weniger gelungen, wiewol
ionft der gewandte Dialog in jeinen Romanen
den geübten Dramatifer leicht erkennen läßt.
rip ſchloß fi im folgenden Jahre: The Infi-
del, or the Fall of Mexico, zwar ein eigenes
Ganzes bidend, aber 3. Th. mit den Perjonen des
vorangehenden Romans. Sein bedeutendites Werk
it das 1837 erichienene Nick of the Woods, wel-
bes fih in Keutudy nad dem Unabhängigfeits-
friege abipielt u. fi bei. dur getreue Schilder-
Unter feinen
‚übrigen Werfen nennen wir no: Peter Pilgrim,
or a Rambler’s Recolleetions, 1838, eine Samms
Bon
eigener Kraft, Lpz. 1873, 3 Bde., welcher die) 1839—47 midmete er fih dem Farmerleben und
Entwickelungsgeſchichte eines ſchwächlichen Knaben
ſchildert, der ſich durch energiſchen Willen zu einem
thatkräftigen Manne herausbildet. Salomon.
Bird, 1) William, Componiſt, Sohn eines
tüchtigen Orgelſpielers aus der Kapelle Eduards VI.
von England, geb. um 1543, Schüler von Tallis;
bildete fi zu einem guten Örgelfpieler und be:
rübmten Compomiften aus, B. wurde 1563 Or
ganift an der Kathedrale zu Lincoln; 1569 trat er
in die Kapelle der Königin u, wurde Organift in
derielben (vor 1575); er ft. 1623. Seine Werte find
meiftens Chorftüde, nad dem Geſchmacke der Zeit
polgphon mit fünftliher Stimmführung. Im J.
1575 erichienen von ıhm u. feinem Yebrer Can-
tiones saerae. Berzeihniffe feiner Werte geben
Burney und Hawfıns im ihrer Muſilgeſchichte.
2) John, geb. 1709 zu Durham, anfangs Yein-
weber dafelbit, dann Mechaniker; lieferte größere
aftronomishe Duadranten (Mauerquadranten),
3. B. für Greenwid, Paris, Göttingen, Peters—
burg. DB. war der Yebrer Ramsdens; er ft.
« 31. März 1776 zu London. Er ſchr.: "The method
ofdividing astronomical instruments, Yond. 1767,
u. The method of constructing mural quadrants,
ebd. 1768. B) Edward, engl. Genremaler, geb.
1774 in Wolverhampton, get. 2. Nov. 1819; anr
fangs Theebrettmaler, Vorſtand einer Zeichenſchule
in Briftol, trat er erſt 1799 als Künitler auf, ward
Hofmaler der Prinzeifin Charlotte u. Mitglied der
Akademie. In feinen Bildern zeigt ſich viel
Wahrheit u. Natürlichkeit, weniger Tiefe. Haupt»
gab dann mit Morton Michael die North-America
and United States Gazette in Philadelphia
heraus, in deren Spalten ihm Jener nad feinem
im Januar 1854 erfolgten Tode einen warmen,
beredten Nachruf widmete,
1) Brambach. 3) Regnet. 4) W. Körner.
Birdjän, Stadt in der perfiihen Prov. Kho—
raſſan; 20,000 Em. die bef. ſchöne Teppiche be-
reiten u. lebhaften Handel nad Jezd, Teheran,
Herat u. Kandahar treiben.
Biredſchik, Stadt im Liwa Urfa des aftatiich-
tür, Bilajets Haleb, linls am Euphrat, der bier
ichifjbar wird, 182 m üb, d. Meere; bedeutender
Zranfithandel,
Birsmis (lat.), Zweideder; f. u. Schiff (Ant.).
Birger, 1) Jarl, ausdem Haufe der Follunger,
Schwager des Königs Erid X. von Schme-
den; führte ſeit 1250 die Neichsregentihaft für
deffen unmündigen Sohn Waldemar, war im
Wirflichkeit aber jelbft König (j. Schweden); er
gründete Stodholm u. ft. 1266 zu Hialmbolund.
1854 wurde ihm in Stodholm ein Standbild er—
richtet. 2) B. IL, Urentel des Vor., Sohn u.
Nachfolger des Königs Magnus I. von. Schweden;
regierte don 1290—1303 unter Thortel Knudſons
Vormundſchaft, dann allen, wurde aber wegen
jeiner Grauſamkeit vertrieben; er fl. 1321 in
Dänemark (j. ebd.). »
Sta. Birgitta (Brigitta), ſchwediſche Edle
aus dem Geſchlechte Brahe, Tochter von Birger
| Beterfon, geb. um 1302, Gattin des fünigl. Rathes
werte; Die Einichiffung Ludwigs XVIII.; Das
Ulf Gudmarſon. Als Ulf Ciſtercienſer geworden
Schlachtfeld von Chevy-Chafe. 4, Robert Mont- war ur. kurz darauf (1344) ftarb, fing fie ein
gomery, amerikan. Dichter,
Newcaſtle (Delaware) u. in Philadelphia gebilder;
begann feine ſchriftſtelleriſche Laufbahn, abgejeben
von Meineren, in einer Zeitihrift von Philadelphia
gedrudten Erzählungen, als Tragifer ; von feinen
Zrauerjpielen wurden drei: The Gladiator, Ora-
loosa u. The roker of Bogota, mit großem
Erfolge auf die amerifaniihe Bühne gebracht, wo
fi das erjtere noch heutzutage behauptet. Be-
ſonders aber machten ibn belannt feine meift
biftoriihen Romane, deren Weihe 1834 mit
Calavar, or the Knight of the Conquest, a
geb. 1803 zu)
fiöjterliches Yeben an, lebte erft im Klofter Alvaltra
unter Mönchen, ftiftete dann das Frauenkloſter
Wadjtena u. gab ihm 1363 eine eigene Ordens⸗
regel (f. Birgittenorden); fpäter wallfabrtete fie nach
Rom u. Paläftina; fie ft. in Rom 1373. Ihre
Gebeine lieg ihre Tochter Sta. Katharina nach
Wadftena bringen. Sie wurde 1391 kanonifirt;
ihr Tag war jonft der 8., jegt der 7. Oct. Bon
ihr: Kevelationes Stae. Birgittae, Rom 1488 u. ö.
Vgl. Hammerich, ©. B. die nordiiche Propbetin
u. Orbdensftifterin, deutih von Michelien, Gotha
1872, Löffler.”
Birgittanernonnen — Birkenfeld,
Birgittanernonnen (Birgitterinnen) bon
der Recollecrtion, eine im 17. Fahrh. von Maria
v. Escobar zu Balladolid geftiftete Congregation
von Nonnen nah der Regel der Sta. Birgitta,
die im 18. Jahrh. 4 Klöſter in Spanien hatte u.
fih, wie die Benedictinerinnem, nur mit rothem
5 auf dem Kopfichleier Heidete,
Birgittenorden (Orden des Meltheilandes,
Erlöferorden), die von der Sta. Birgitta in dem
1344 von ihr erbauten Klofter zu Wadftena ger
ftiftete u. 1370 von Urban V. beftätigte Vereinig—
ung von Nonnen (Birgittinen) und Mönchen
(Birgittiner) unter einem Dache. In jedem
Kiofter ihres Ordens follten 60 Nonnen, 13 Priefter,
4 Diafonen u. 8 Laienbrüder leben, jo aber, daß
Mönche u. Nonnen einander nie fahen, von Al-
mojen lebten, fih niit Mariendienft und Todes-
erinnerungen beſchäftigten u. von der Abtiffin mit
Hilfe eines aus den ‘prieftern gewählten Beicht-
vaters regiert wurden. Beide Gejchlechter erhielten
graue Kutten, die Nonnen eine Krone von drei
mweißen Streifen mit fünf rothen Flecken, die
Mönche roth u. weiße Kreuze. In Dänemarf,
Norwegen, England, den Niederlanden, Deutichland,
Stalten, Portugal ꝛc. wurden diefen Orden Kiöjter
errichtet. Dem berühmteſten Kloſter des B-8 in
Deutihland, S. Salvator zu Augsburg, gehörte
Ocolampadius eine Zeit lang an. Duich die
Reformation um die meiften feiner Klöfter ge
bracht, hatte der Orden im 18. ZJahrh. nur noch
4 in Deutihland (Marienforft u. Sion im Köl-
nijchen, Marienbaum in Kleve u. Altmünfter in
Bayern), welche nun auch aufgehoben find, Xöffter.*
et. Birinus, einer der Apoftel Englands;
gründete das Bisthum zu Dorceſter u. ft. als
erfter Biſchof daſelbſt 640; Tag: 3. Dec.
Biriuſſen, Boll von türkiicher Abſtammung
in Sibirien, Gouv. Jeniffeist, in der Abaleniſchen
Steppe; Rußland tributpflidtig, aber im Aus-
fterben begriffen.
Birintjch, Kreisftadt im ruff. Gouvernement
Woröneib, an der Sofna, einem Nebenfluffe des
Don; Fabriken in Leder, Wolle, Yeinwand und
Seife; Handel; 3062 Ew.
Birkat (Birket, arabiſch), fo v. w. See; daher B.
ad Dewara, Seen im Natrumtbal in Unter
Ägypten; B. el Ballah, auf der Yandenge Suez;
B. el Hadfſchi (Pilgerfee), in Unter-Agypten;
B. el Kerun, See in Mittel-Agypten, der Möris—
See des Alterthums; B. Mariut, Sce in Dlittel
Ägypten, ſonſt Mareotis; B. Lut, jo v. w.
Todtes Meer.
Birke, j. Betula.
Birken, Siegmund v., deuticher Dichter,
geb. 5. Mat 1626 zu Widenftein bei Eger; flüd)-
tete mit jeinem Bater, dem evangel. Prediger
Daniel Betulins, vor confejfionellen Berfolgungen
nad Franken u. nah Jena, ftud. hier jeit 1643
anfangs Furisprudenz, dann Theologie, wurde
1645 in Nürnberg unter dem Namen Floridan
in den BPegnisichäferorden aufgenommen, 1646
Erzieher der Prinzen Anton Ulrich u. Ferdinand
Albrecht von Braunfchweig- Wolfenbüttel, beſuchte
Nieder-Sachſen, Hamburg und Holftein, kehrte
1648 nad Nürnberg zuräd, wurde 1655 geadelt
(worauf er feinen Namen ins Deutjhe zuride
451
überfetste), fpäter von Ferdinand III. zum Kaiſer—
lihen Dichter gekrönt; er ft. 12. Juni 1681.
B. war mit den Alten vertrauter, als Opig,
wußte in Überfegungen ihren Ton u. Sinn beffer
zu treffen und in würdiger, natürliher Sprache
wiederzugeben. In feinen eigenen Dichtungen
aber fehlt e8 ihm gerade befonders an der Natür«
lichleit und Einfachheit, nicht an Geift. Bon
dem berrfchenden framzöfiich «niederländiichen Ges
ihmade Ienkte er nod vor den Schleſiern zum
ſpaniſchen umd italienischen über. Sein ſchönes
projaiiches Talent verzettelte fih in haſtiger Biel«
jchreiberei. Schriften: Die friederfreute Teutonia,
eine Gelegenheitsihrift von dem Teutoniſchen
Friedensvergleih u. f. w., Nürnb. 1652; Oft
ländifcher Porberhayn, ein Ehrengedicht von dem
höchſtlöblichen Ertzhaus Öfterreich u. |. w., Nürub.
1657; Guelfis oder Niederfächfiiher Lorbeerhayn,
Rürnb. 1669; Teutſche Nede-, Bind- u. Dichte
kunſt, u.f.w,, Nürnb. 1679. B-8 Gedichte bilden
den 9, Band von W. Müllers Bibliothek deutſcher
Dichter des 17. Jahrh., Lpz. 1826, ꝛc.
Birkenfeld, 1) Fürftenthum, zum Großherzog.
thum Oldenburg gehörig, ganz von der preuß. Rheins
prowinz (Regbez. Trier n. Koblenz) umſchloſſen;
502,47 [km (9,15 [IM); 36,128 meift evangel.
Em.; größtentheils gebirgig durd das Schiefer
gebirg, einen Theil des Humdsrüd, waldreich;
ergiebiger Bergbau (Eifenftein, Achat). Die Eins
wohner find betriebfam im Achatjchleifen, unechten
Bijouterien u. Viehzucht; der Aderbau dedt micht
den Bedarf des Landes, die Wälder nehmen über
7, des Areals ein. Das Fürſtenthum ift von der
Nabe u. der Rhein-RNahe-Bahn durchſchnitten; es
theilt fich in die Amtsgerichtsbezirfe B., Oberitein
u. Nobfelden, mit 7 Bürgermeiftereien. Budget
für 1874: Einnahmen 471,000 M, Ausgaben
585,000 M, Schuld 19,878 M. Die Juftiz wird
von einem Obergerichte u. die Bermwaltung von einem
Negierungscollegium ausgeübt, welches vom olden«
burgiihen Minifterium reffortirt. Das proteftans
tiſche Kirchenweſen fteht unter einen Confiftorium.
Im Übrigen gelten für B. diefelben Gelege und
Beltimmungen, wie für das Großherzegthum
Oldenburg. 2) Hauptjtadt deſſ., Eifeubahnftation;
Schloß; Progymnaſium mit Neäfabtheilung; Frei—
maurerloge: Pflichttreue; Tabal- u. Eigarrenfabr,,
Gerberei, Bierbrauerei; jährlich 12 bedeutende Jahr»
märfte, Biehbandel; 2245 Ew. — B. war von frühe—
ter Zeit an eine Heine, unter pfälziiher Herrichaft
jteheude Stadt. 1569 wählte es Pialzgraf Karl,
jüngfter Sohn Wolfgangs, zu feiner Reſidenz u.
befam die umliegende Gegend zum Antheil. So
entftand die Linie Pfalz-B., die jedoch, als der
lettte Herzog von Pialz-Zweibrüden, Guſtav Sa⸗
muel, 1731 unbeerbt ftarb, erloſch; ihr folgte mit
Ehriftian III. die Linie in Zweibrücken, die fich
nun Zweibrücken-B. nannte, u. als auch die Kur—
linie mit Karl Theodor 1799 erloſch, folgte der
aus der Zweibrüden-B»er Linie entiproffene Herzog
Marimiltan als Kurfürft von Pfalz-Bayern und
nabın 1806 den Titel al8 König von Bayern an
(j. Balz). B. fam durch den Frieden von Lunedille
1801 an Frankreich, durch die Wiener Congreßacte
1815 an Preußen u, wurde von diefem 1817 an
‚Didenburg abgetreten. Bgl, Oldenburg (Geſch.).
29%
452
Birkenhend, neu erbaute Stadt in der eng-
liſchen Grafihaft Chefter, am Merſey, Liverpool
egenüber; Stadthalle; großartiger Hafen mit
Deds und Werften; großer Park; drei Dampf-
fähren nach Fiverpool, an deſſen Handel u. Schiff-
fahrt B. lebhaften Antheil nimmt; bedeutende
Eiſenwerle u. Maichinenfabrifen, denen Liverpools
ähnlich; 45,418 Em.
Birkenheher (Tannenheher, Corvus caryo-
catactes L.), rabenartiger Vogel; doblengroß,
dunkelbraun, mweißgetropft; Flügel und Schwanz
ihwarz, Schwanzipige u, untere Schwanzdedfedern
weiß; bewohnt Gebirgsnadelbolzwaldungen in
Europa u. Aſien; ftellt ſich zumeilen häufig in
Deutihland ein; er ift mitunter Ichädlich durch das
Berzehren der Nadelholzjamen, Eicheln, Buchnüffe
u. dal. Thome.
Birfenöl, ſ. Betula.
Birkenreizker (Bot.), ſ. Blätterſchwamm.
Birkenſchwamm (Bor.), ſ. Polyporus.
Birkenſpanner, ſ. Spanner,
Birkentheer, ſ. Betula.
Birkenwaſſer (Birkenſaſt, Birkenwein), ſ. u.
Betula.
Birkenzeiſig, ſo v. w. Flachsſink; ſ. u. Finken.
Birket (arab.), jo v. w. Birkat.
Birkhuhn (Baum-, Laub-, Moor«, Spiegel—⸗,
Schildhuhn, Tetrao tetrix L.), Bogelart aus der
Fam. der Waldhühner, Ordnung der Hühnervögel;
Schnabel ſchwarz; Flügel mit weißer Binde;
Lauf ganz befiedert; Zehen oben mit fchmalen
Quertafeln, an den Seiten Heinere Platten, nach
unten fammartige Hornfranfen; Borderzehen am
Grunde geheftet. Hahn: von Haushahngröße ;
ſchwarz, an Kopf, Hals u. Unterrüden mit blauem
Stahlglanze; eine nadte, zumoberrothe Stelle iiber
dem Auge fammartig erhöht ; die jeitlihen Federn
des Schwanzes (Spiel) find leierförmig nad
außen gekrümmt; am Bauche einzelne weiße Flecken;
Unterihiwangdedjedern weiß. Henne: von Haus-
huhngröße; roftbraun, mit einer Menge jhwarzer
Bänder u. Flecken; der wenig verlängerte, ſchwarz
quergebänderte Schwanz nur ſchwach gegabelt.
Die Jungen find vor der erften Herbſtmauſer der
Henne ähnlih. Das Birkwild bewohnt zahlreich
den höheren Norden, bei. Skandinavien; ım mitt
leren Europa findet e8 fih nur ftellenweife, im
SEuropa felten, u. zwar als Standvogel vor.
Es liebt Moore u. Flächen mit hohem Heidekraut,
einzelnen Büſchen u. Bäumen, nicht aber den ge»
ichloffenen Wald, wie auch die Birke nicht =
Birkenhead — Birma.
trau, trau, Golgolgolra hören läßt; erfleres heißt
Kudern, letteres rollen. In Gegenden, mo
Birkwild häufig if, verſammeln fich oft zahlreiche
Hähne zur Balze. Das Neft fteht auf freiem
Plage u. wird mit 6—16 bräunlich-gelben, ſtark
gelb gefledten Eiern belegt. Die Familie bleibt
bis Herbft zufammen, dann trennen fi die Hähne
davon ab, Das Stadel- oder Mittelhuhn,
ein Baftard von Auer- u. Birkwild, tft eine Mittel-
form feiner Eltern, aber an Hals u. Borderbruft
tiefviolett glänzend. Das B. gebört gewöhnlich
zur niederen, doch auch zumeilen zur mittleren u.
hoben Jagd. Die Jagd auf Birkgefliigel wird
gewöhnlich in der Balzzeit in verdedten Ständen
auf dem Balzplatze betrieben (Hüttenjagd); vor
dem Hübnerhuude wird dafjelbe feltener geihofien;
man fängt es auch in Schlingen, Dohnen nnd
Dednegen. Das Wildpret wird mehr als vom
Auerhahn geſchätzt. Das Spiel wird in Tirol v.
dem bayer. Hodjlande gern als Zier anf dem
Hute getragen, u. jein Tragen galt ned in den
vierziger Jahren unter Umftänden als Drohung
u. — Theme.
irlinger, Anton, Germanift, geb.14. Jan.
1834 zu Wurmlingen; ftudirte in Tübingen und
wurde 1859 fathol. “Sriefter. Er fette indeſſen
feine Studien zu Münden (feit 1861) fort und
babilitirte fi, nach einem vorübergehenden Aufent-
halte in Breslau u. Berlin, 1869 au der Uni—
verfität Bonn; hier wurde er 1872 auferordentlidher
Profeffor der deutſchen Sprache u. Piteratur, Er
gab heraus: J. Friſchlins Hohenzollerſche Hochzeit
1598, Beitrag zur ſchwäbiſchen Sittenfunde,
Freib. 1.Br. 1861; Volksthümliches aus Schwa—
ben, ebd. 1861 f.; Aus Schwaben, Sagen, Legen-
den u. f. w,, neue Sammlung, 2 Bde., Wiesb.
1873—74; Nimm mich mit! Kinderbüchlein, ebd.
1862, 2. W., 1870; Die Augsburger Mundart,
Augsb. 1862; Schwäbifh-Augsb. Wörterbuch,
1864; Bruder Felix Fabers gereimtes Pilger-
büchlein, Mind). 1864; verichiedene Schriften über
Ihmwäbifhe und alemanniſche Sprade u. Sitten,
bei. alem. Sprache rechts vom Rhein feit dem
13. Jahrh., I., Berl. 1868; gibt die Alemannia,
Zeitichr. für Sprache, Literatur u. Vollskunde des
Elſaß, Bonn jeit 1872, heraus; mit Erecelius
veröffentlichte er: Des Knaben Wunderhorn, Wiesb,
1873; Altdeutihe Neujahrsblätter f. 1874, ebd.;
Außerdem fr. derfelbe zahlreiche Auffäte, die in
Fachzeitſchriften (Germania, Zeitſchr. f. deutſches
Alterthum, für vergleichende Sprachforſchung) er«
ftimmend für fein Vorlommen ift. Es nährt fih|fchienen find.
von mancherlei Beeren u. Krautipigen, verihmäbt
Birma (Burma, Barma, Geogr. u. Statift.),
auh Würmer, ſowie Inſecten nit u. kratzt auch) bei den Europäern der Name eines einft mächti—
wol, nad Puppen fuchend, Ameifenhaufen auf;|gen Staates in Hinter-Indien, der in feiner größ-
doch ift es nicht forſt- oder culturſchädlich. Jınlten Ausdehnung in der zweiten Hälfte des 18.
srühjahre, von der zweiten Hälfte des März bis Jahrh. faft die ganze weftl. Hälfte Hinter-Fndiens
in den Mai hinein, findet feine Balzzeit ftatt.Jumfaßte u. aus zwei Haupttheilen, dem eigentli«
Während derfeiben if der Hahn niemals fo völligichen B. (Ava) und Pegu, beftand; feit 1825 ift
befinnungslos, wie der Auerhahn; auch folgen|jedod fein Gebiet durch Verlufte an die Englän-
die Heimen dem Hufe nicht immer, laffen fi) viel-|der um weit über die Hälfte feines Umfanges ge
mehr vom Hahn aufjuchen. Der Hahn balzt, ſchmälert werden u. erftredt ſich in feinem gegen-
auf der Erde figend, den Kopf gen Himmel ge-|wärtigen Umfange von 19° 25° bis 28° 15’ n. Br.
redt u. in fonderbaren Geberden um die — u. 110° 42° bis 1070 44 ö. L. (von Greenwich);
herumhüpfend, dabei ein Rad ſchlagend, wobei er grenzt gegen N. an Aſſam u. Tibet, von welchen
die Halsfedern fträubt und die Töne Schyruniri, es durch mächtige Ausläufer des Himalaja gejchteden
Birma. 453
if, gegen D. an Ehina u. Siam, gegen S. an] bildet der FJramaddi für den Verkehr mit Indien
die britiiche Provinz Pegu; gegen W, it es durch u. Europa; ein den Europäern nod nicht zugäng-
Gebirgszüge von den britiihen Provinzen Arra-|liher Weg führt von Bhamo nad dem füdlichen
can, Mupipore u. dem Lande Tipperab gejchieden. | China; der Kleinhandel ift fchon feit längerer Zeit
Die Größe wird auf ungefähr 250,000 [_]km be- in den Händen von Ghinejen u. Armeniern; der
rechnet, von welchen jedoch nur etwa zwei Dritt-| Verkehr, mit Euro pa tft noch unbedeutend. Die
theile auf das eigentlihe Birmanenland, der Reft| Ausfuhr betrug 1868—69 14 Mill, die Einfuhr
auf einige tributäre Völkerſchaften im N. u. D.
des Gebietes fommen. Im Ganzen ift das Land
dur vielfahe Erhebungen als ein bergiges zu
bezeichnen; der ©. ai durchzogen von flachen
Ebenen u. jehr fruchtbaren Flußthälern, während
nah N. die Erhebungen fih fteigern u. in dem
nördlihen Theil in ein rauhes Gebirgsland aus-
laufen. Bon N. aus entjenden das Patkoi⸗- u.
das Yangtamgebirg, die füdöftlichen Vorſprünge
des Himalajafyftems, meridiangeftredte Ketten
nah S., melde die Thäler des Irawaddi von
denen feiner Nebenflüffe jondern. Die Hauptlette
mit Gipfeln bis 4500 m, im N. noch unerforjct,
führt von 24° n, Br. den Namen Muin Mura,
gabelt fi unter 23° u. läuft von 22° an, ben
Arraan und den Jrawaddi fcheidend, unter dem
Namen FJumadong mit Paßhöhen von 1370 m
bei Gap Negrais zum Deere. Der Hauptfluß ift
der Jrawaddi (f. d.), von Bhamo ab jdifibar;
fein einziger bedeutender Nebenfluß der Thanla—
vaddi od, Kvendwen (Ningthi); den SO. bewäſſert
der Saluen, welcher aber jett, glei dem Jra-
waddi, auf brit, Gebiete fih ins Meer ergießt.
Die Ebenen, bejonders an den Hauptitrömen,
find ſehr fruchtbar u. die eigentlichen Eulturftätten.
Während der N., wie au in Border-Jndien, den
winterlichen Charalter der höheren Regionen trägt,
berrichen im ©. nur zwei Jahreszeiten, die unter
dem Gejete des Paſſats ftehen. Hauptproducte
find: Weizen, Reis, Zuderrohr, Tabak, Indigo
u. Baumwolle; Thee bauen die Berguölfer; der
Gartenbau ift ſehr vernachläſſigt. Die Wälder
liefern das herrliche Teafholz, jowie die Mimosa
Catechu. Der Viineralreihthum ift bedeutend,
doch noch wenig ausgebeuter; Gold führen die
aus Britiih-B. (j. d.) 900,000 Pd. St.; eritere
befteht aus Theer, Leder, Evdelfteinen, irdenen u.
Metallgeihirren; lettere aus Baummolle n. Sei-
denzengen, Stahl, Pulver, Waffen u. Reis, Die
Bepöllerung wird von Eramfurd auf 2 Mil.
geſchätzt u. ift meift an dem Ufern des Jrawaddi
u. feiner Zuflüffe zufammengedrängt, wo aud die
volfreichften Städte fih finden. Die Eimmohner,
der mongoliihen Race zugehörig, gehören ver-
ichiedenen Nationen an, welde phyſiſche Berwandt-
haft zeigen, die aber in ſprachlicher Beziehung
ganz verjchiedenen Stämmen angehören. Das
berrichende Boll, die Birmanen, nennen fic
ſelbſt Mramma (ipr. Myamma, dialeft. Bramma)
u. haben ihre Hauptfite im Gentrum des ehema—
ligen Birmanifchen Neiches zwiſchen Arracan u.
dem Ealuen (zwifchen 18° u. 22° u. Br). Im
nördlichften Theil des Yandes wohnen die faft
ganz unabhängigen Singpho mit einem birmani—
Ihen Dialekt u. die Khamti mit einer dem Sia—
mefischen verwandten Sprache; in dem Grenzge—
birge gegen Arracan figen die Khyeng; im jüd-
lihen Birma, in, den Thälern des Jrawaddi u,
Saluen, die Karen (ſ. d.), mit Pegquanern unter-
mischt, welche fiir fleigige Aderbaner gelten. Im
ſüdlichſten Theil u. in Britiſch-B. finden fich die
Von oder Talaing, mit ifolirt daftehender Sprache.
Im NW, fiten in großer Zahl die Shan oder
Thai, von welden 4 Stämme, die Yowa-Shan,
die Mrelap- Shan, die Cafi-Shan u. die Shan
am Kvendwen, dem birmaniichen Gebiete ange—
hören; den äußerften NW. endlich erfüllen zu den
Naga gehörende Bewohner, Die Birmanen fteben
in geiftiger wie techniſcher Cultur den Hindu wie
den Chineſen weit nach. Die Mänuer reißen ſich
Flüſſe, die vom Himalaja kommen, Silbergruben den Bart aus, tätowiren Bruſt, Schenkel, Arme
finden ſich in dem Grenzgebirge gegen Siam
— Eiſen, Zinn, Blei, Antimon u. andere
etalle bejonders in den Gebirgen gegen China
Hin; Marmorbrücde bei Amarapura; Steintohlen
bat man am Jrawaddi unmeit der Steinölquellen
von Henan-gyaong aufgefunden; lettere haben eine
jährl. Ausbeute von 25—30 Mill. Pid.; Rubine
u. Sapbire werden häufig angetroffen. Aus dem
Thierreiche findet man den Elepbanten, das Rhino—
ceros, den Tiger, Leopard u. mehrere Katenarten,
doch faft gar feine Species des Hundegejchlechtes;
Hausthiere find außer dem gezähmten Elephan—
ten der Ochſe, Büffel u. das etwas fleine, meiſt
nur ald Reitthier gebrauchte Pierd; das Kamel
dagegen ift unbekannt; außerdem fat alle Bögel
u. Fiſche Oftindiens, jowie die Biene u. die Sei—
denraupe. Der Bergbau wird meift von Chine—
fen betrieben. Die übrige Jnduftrie ift gering;
Papier aus Bambusfajern; baummollene u. jeidene
Stoffe werden zu Ava u. Amarapura gearbeitet;
Töpfer u. Schmiedewaaren, jowie nicht gerade feine
Meifing- u. Zinn, Gold» u. Silberarbeiten, Gloden
und Waffen. Handel: Die Haupthandelsitraße
mit Thierfiguren (die Unterlafjung gilt als Feig—
beit), tragen allerhand Gegenftänte ın dem durch»
bohrten Obrläppchen, färben Hand u. Nägel roth,
Augenlider u. Zähne ſchwarz. Die Nahrung ift
den Religionsvorjchriften gemäß vorherrſchend ve-
getabiliſch, hauptfächlih Weis; Thee trinfen nur
Bornehme; beide Geſchlechter rauen Tabaf u.
fauen Betel. Die Wohnungen find einftödig, von
Bambus u. mit Palmblättern bededt, im Flach—
lande auf Pfählen erbaut; größere Dimenfionen
u. prechtvollere Ausihmüdung zeigen die könig—
lichen Paläfte u. die zahlreihen Tempel u. Klöfter.
Die bedeutenderen Städte haben breite Straßen
u. Thore, find mit Paliffaden umgeben u. meijt
durch eim Fort geſchützt. Bon heiterem Tempera—
ment, vergnügungsfüchtig u. lebhaft, zeichnen fich
die Birmanen durch ihre Negjamleit vor ihren
Nachbarn aus; bei Höflichkeit u. Zuporfommen-
beit ift doch Treulofigleit u. Verlogenheit ein ber-
vorragender Zug ihres Charakters. Während die
Frauen größere Freiheit genießen, als in Hindo—
tan, ift Aufrechtbaltung der Ehe u. Keuſchheit
jehr felten. Unreinlichkeit ift allgemeines National»
454
Bırma.
laſter, ein Übelftand, der zu zahlreichen Epidemien geſchätzt; die Militärmacht beträgt 35,000 Mamı,
u. Hautkrankheiten führt. Zu den hauptfächlich-
fien Bergnügungen gehören rauſchende Theater—
porftellungen mit Muſik u. Feuerwerk; die Yeiden-
ſchaft des Spiels daneben durchdringt das Bolt;
auch das Schachſpiel ift nicht umbefannt. Der
Unterricht ift ganz in den Händen der Geiftlidh-
feit und eritredt fidy nicht über die elementaren
ächer; man fchreibt mit eifernen Griffeln auf
almblätter. Die Religion des Landes ift der
Buddhismus (ſ. d.), welcher in B. fih nur me
nig von dem Bubbhismus auf Ceylon und ben
übrigen Staaten Hinter⸗Indiens unterſcheidet. Chris
ftenthum u. Islam haben bei den Birmanen bis-
her nur geringe Erfolge erzielt. Die Priefter,
ausgezeichnet durch gelbe Kleidung, find Mönche,
welche in Klöftern ein ftreng geregeltes Leben füh—
ven u. wegen ihrer Frömmigleit u. Gelehrjamteit
in hoher Achtung ftehen. Der Oberpriefter heißt
Sireda, Die Klöfter (Kium) find überall offen,
werden fehr reinlich gehalten, u. jedes hat eine
Pibliothef. Das Kiofter, worin die einbalfamir-
ten Leichname der Sireda ausgeftellt find, heißt
Knebang-Kium u. zeichnet fih durch eine 150 Fuß
bobe Spite aus. Die Tempel (P'rah) werden
gewöhnlich auf Hügel gebaut, find adhtedig, haben
7 u. mehr Stedwerle, die in eine Spike aus-
laufen u. find prächtig, aber geihmadios verziert.
Gewöhnliche Feite find: der Ta
der Vollmond und die beiden Hiertel, das Ende
des Sonnenjahres, das Wafferfeft, welche ſehr
feierlich begangen werden. Die Leihen der Ar-
men werden begraben, od. im den Fluß geworfen,
Vornehme in Särgen feierlich verbrannt; bobe Per—
fonen werden vorher einbalfamirt und 6 Wochen
lang in Klöſtern zur Schau geftellt. Das Yand
fteht unter einem völlig despotifchen Monarchen
(mit dem Titel Boa), mit Erbfolge in männlider
Linie; ihm zur Seite ein Staatsrath u. anjehn-
liher Adel, ausgezeichnet durch goldene Ketten
(Tjalo). Es gibt von demfelben 3 Grade, die
fih durch die Zahl der Schnüre oder Heinen Ket—
ten unterfcheiden; 3 Schnüre bedeuten, wenn fie
durchbrochen find, den unterften Rang; aber aus
niedlich zufammengeflochtenem Drahte zufammen-
gejegt, einen höheren Grad; höhere Stufen wer-
den mit 6, 9 oder 12 Schnüren bezeichnet. Kein
Unterthan empfängt einen höheren Grad. Der
König allein trägt 24 Schnüre, Wie in Siam
u. in Cochinchina wird in der Hauptjtabt einem
weißen Elefanten Löniglicye Ehre erwieſen. Außer
den Prieſtern u. dem Adel bilden die reihen Kauf-
leute, die Yandbauer u, die Beamten noch eigene
Stände. Das Land ift in Provinzen unter Gon-
verneuren eingetheilt, von welchen die unteren
Beamten der Stände u, Yandichaften abhängen;
die tributären Völler in 12 Soboaſchaften, wo
der Soboa eine Art erbliher Statthalter ift. Die
Beamten haben zugleich richterliche u. adminiſtra—
tive Gewalt u. befigen meift Sand, von dem fie
eine Abgabe an den Monarchen entrichten; ba fie
fonft feine Befoldung empfangen, ift Erpreffung
und Bedrüdung des niederen Volles bei ihnen
allgemein u. zahlreihe Räubereien deifelben die
natürlihe Folge. Die meift aus Zöllen entiprin«
des Neumondes,
welche, obmwol tapfer, doch der modernen Technik
nicht gewachſen find. Übrigens ift jeder Birmane
zum Kriegsdienfte verpflichtet. Flagge: rotb, mit
einem weißen Elephanten in der Mitte. Die
Hauptftadt ift feit 1857 Maubdalay; die frübere
Hauptſtadt Amarapıra ift im Berfall; andere
Städte: Sagaing, Bhamo u. das in Trümmern
liegende Pagan. Vgl. Symes, Account of an
embassy to the kingdom of Ava, Lond. 1800;
Cramfurd, Journal of an embassy from the
Governor in India to the Court of Ava, ebd.
1829; Gahgermano, A description of the Bur-
mese, Rom 1830; Godwin, Burmah, Pond. 1854;
Mafon, Burmah, its people, Rangun 1860; Ynle,
A narrative of tho mission to the Court of
Ava, Fond. 1858; Bowes, Bhamo-Erpedition,
Berl. 1871.
Geihihte. Die ältefte Geſchichte B⸗s ift,
mie itberhaupt die Anfänge aller Bölfer, in Sa—
gen gehüllt, aus denen ſich als geſchichtliche That-
jache fo viel entnehmen läßt, daf die. Civiliſation
des Yandes von Judien aus zu Lande, dem Laufe
des Jrawaddi entlang, durch erobernde Regenten
bewerlftelligt wurde, und daß das Land in vor«
Hriftlicher Zeit der Sit Brahmanifcher Eufte ge=
weſen ift, die in der Folgezeit vom Buddhismus
unterdrüdt wurden. Die ältefte Dynaſtie foll in
Tagong am Jrawaddi ihren Sig gehabt haben;
nah der Zerftörung diefer Stadt (angeblih 494
vd, Ehr.) theilte fih das Boll, u. B. fam unter
die Regierung der Herriher der alten Stadt Prome.
Nachdem diefe Stadt aus unbelannten Urſachen
94 n. Chr. zerftört war, verlegte der König Sa-
mubra-Radiha 107 die Reſidenz nah Pagan,
welches dur die Chinefen im J. 1356 zeritört
wurde. Die Fürſten diefer Dynaftie führten zahl-
reihe Kämpfe mit den benachbarten Ländern: mit
China, das unter Kublai Khan Ende des 12. Jahr.
B. eine Zeit lang ſich unterworfen hielt, mit Pegu
u. namentlich mit Arracan, das fie für lange Zeit
fi} dauernd unterwarfen. Das wichtigſte innere
Ereiguiß war das Eindringen des Buddhismus
im 5. u. 6, Jahrh. 1313 wurde die Refidenz
nad Panja, 1332 nah Sagaing verlegt, 1364
endlich die men gegründete Stadt Ava zum Site
des Herrichers erhoben. 1546 befuchte der Por—
tugiefe yernando Mendez Pinto das Land, um Han—
deisverbindungen anzuknüpfen. Das 16. Jahrh.
erfüllen Kriege mit Pegu u. Siam, von deſſen
Oberherrſchaft das Land ſich 1595 wieder befreite;
Mitte des 18. Jahrh. gerieth es wieder im die
Gewalt der Peguaner, aus der es fi dur Ems
pörung befreite. Die Seele der Empörung war
ein Birmane niederer Herkunft, Alompra (Alaong
Bhura), Vorſteher einer kleinen Ortichaft, Mon«
tihabu, welcher 1754 die Peguaner aus Ava ver-
trieb u. fih zum Herrſcher des Landes machte,
In den folgenden Jahren unterwarf er die Ger
birgsftämme im N. u. NW., 1757 Pegu, Mar«
taban u, Tenafferim im ©, u. ft. 1760 auf einem
Zuge gegen Siam, deffen Eroberung ebenfo mie
die Begus nicht dauernd war. Er verdanlte feine
Erfolge mweientlih mit den Engländern, welche feit
1687 fih am Gap Negrais piedergelaffen hatten
genden Einkünfte des Kaifers werden auf 5 Mill. Mlu. die er durch Uberlafjung eines Landſtriches bei
Pirma,
459
Baflein u. Handelsbegünftigungen ſich verpflichtet |ftreitigfeiten fi auf den Thron erhoben hatte,
hatte. Ihm folgten jeine Söhne Namdodſchi Prau u. unter deffen Nachfolger Shaodange-men-tha,
und 1762 Shambuan, mwelder 1765 Pequ von einem üppigen u. finnlichen Menden (jeit 1847),
Neuem eroberte, 1766 feine fiegreihen Waffen in die alte Feindſeligkeit u. gegenfeitige Erbitter-
nah Siam trug u. daffelbe gegen die Chinejen
in fiegreihen Kämpfen 1771 behauptete, ohne es
jedoh gegen die fidh erhebenden Siameſen be-
haupten zu fünnen. Die Regierung feines Soh—
nes Dſchinguſa (Senkufa) feit 1776 erfüllten die
unvermeidlihen XThronjtreitigleiten, bis er 1781
von feinem Obeim, Alompras viertem Sohne,
Padunmang, abgefetst u. getödtet wurde. Unter
ihm, einem friegerifchen u. organifatorifchen, aber
äußerft gewaltthätigen u. graufamen Fürſten, der
1783 Amarapura zur Reſidenz erhob, fam 1783
Arracan, durch glüdlihe Kriege im S. Tenafle-
dm, im NW, Munipore wieder unter die bivma-
niſche Herrfchaft. In feine Regierung fallen die
Anfänge der Berwidelungen mit den Briten,
Shen 1794 hatte eine Anzahl Mugh aus Ar-
racan fih den unerhörten Quäfereien durch Flucht
auf britiiches Gebiet entzogen, wurden jedoch größ-
tentheils durch den dortigen General zur Rückehr
gezwungen, ein Verfahren, welches der Birmane
als Schwäde auslegte u. Durch beinüthigenbe Be:
handlung englifher Gejandten vergalt. Als 1811
ein neuer Aufftand der Mugh umter dem Häupt-
ling Khynberring ausbrad, verlangte der birma-
niihe Fürſt wieder, wiewol vergeblidh, die Aus»
lieferung derjelben, beanipruchte dann die Abtret-
ung von Tſchittagong u. Dalla als alte Theile
Birmas, reizte die Mahratten zum Aufftande ges
gen die Engländer an u. gefiel ſich in jabrelan-
gen Feindſeligkeiten; die Miffionen der engliichen
Offiziere Canning (1811) u. Cor (1821) waren
ohne Erfolg. Zugleich ſetzten fi unter ihm u.
feinem Nachfolger Madutichao (feit 1821) die Bir
manen in Affam feft und bedrohten die britische
Grenze zugleih von N, aus. Ein feindlicer Ein-
fall des birmanifchen Statthalters von Arracan
(1823) beichleunigte endlih den Ausbruch des
Krieges, der am 24. Febr. 1824 von dem briti-
jhen Gouverneur Lord Amherſt erklärt wurde.
Mit 11,000 Mann drang unter unfäglichen Schwie-
rigfeiten der General Campbell von S. aus vor,
eroberte die Kifte u. die Stadt Rangun, im fol
genden Jahre Stadt u. Feſtung Prome, jchlug
nad einem kurzen Waffenftillftande die Birmanen
unfern Prome u. erzwang am 30, Dec. den Frie—
den. Da der Hof von Ava, durch wiederholte
Niederlagen der Engländer u. die Nachgiebigkeit
des fein Durch das Klima decimirtes Heer berüd-
fihtigenden britifhen Generals übermüthig, die
Katification verweigerte, begann Campbell am
19. Febr. 1826 den Krieg mit glüdlihem Erfolge
von Neuem, worauf der Friede am 24. Febr. zu
Jandabo zu Stande kam, dem fih im November
ein Handelsvertrag anſchloß. Die Briten erhiel-
ten dadurd die Provinzen Arracan, Merguy, Ta-
voy u. Yea; ferner wurden Affam, Munipore, Ka—
tihar von B. unabhängig; Rangun wurde zum
reihafen erklärt. Bis zum Tode des Königs
landutichao (1832) dauerten die feindlichen Bes
iehungen, die ſich jedoch unter feinem Nachfolger
haramaddi, einem entichloffenen u. despotiichen
Fürften, der mach blutiger Beilegung der Throns
ung verwanbelten. Durch die unaufbörlichen Feind»
feligfeiten gereizt, bereitete fi) die britiſch-indiſche
Regierung zum Kriege vor, deffen directen Aus»
bruh die Mißhandlung britiiher Kaufleute in
Rangun (1852), die Beichimpfung des Commo-
bore Lambert u. Verweigerung jeder Genugthuung
veranlaßten., Da weitere Unterhandlungen nichts
fruchteten, eröffnete General Godwin auf Befehl
des Generalgouverneurs Lord Dalhoufie am 1. April
1852 mit 10,000 Soldaten den Krieg. Am 5. April
wurde Martaban angegriffen und genommen, am
14. April die Stadt Rangum erftürmt u. durch
die Einnahme der Hafenftadt Baſſein, am weit
Iihen Arme der Mündung des Jramaddi gelegen,
die Eroberung der Küfte verpollftändigt, In den
nächften Wochen beichränften fi die Engländer
darauf, den Hauptarım des Jramaddi durch Dampi-
ichiffe unterfuchen zu laffen, nahmen darauf am
4. Juni die Stadt Pegu, melde fie jedoch bald
wieder verließen, Die großartigen Rüftungen der
Birmanen führten erneu‘e Vorbereitungen der
Engländer u. eine Paufe des Krieges herbei, die ,
durch unbedeutende Geiechte ausgefüllt wurde.
Die Engländer befchränften ſich im diefer Zeit
darauf, die Verbindung zwiſchen Ava u. dem un—
teren Yande zu unterbrechen u. den Bewohnern
oberhalb Prome die Zufuhr abzufchneiden. Am
18. Sept. endlich fuhren fie den Irawaddi hin—
auf u, eroberten am 9, Oct. Prome. Da inzwi—
hen die Birmanen fi) Pegus wieder bemächtigt
u. dafjelbe befeftigt hatten, wandte fich General
Godwin dahin und eroberte am 21. Nov. diefe
Stadt zum zweiten Mal. Wiederholt machten
die Birmanen vergeblihe Berjuhe, Pegu wieder
zu nehmen. Nun drangen die Engländer aud)
auf dem Landwege vor u. gelangten am 6. Jau.
1853 in Beſitz des höchſt wichtigen Aeng ⸗Paſſes,
einer Offnung in dem Arracan von B. ſcheiden—
den Höhenzuge, welche den fürzeften Zugang nad
Prome bildet. Am 20, Dec. 1852 wurde die
Provinz Pegu den britiſchen Befigungen einver
leibt. Da fi) der König von Ava auch im Au«
gefihte der feinem Lande von ZW. durch die fieg«
reihen Engländer, von O. durch die Siamejen,
von NO. durch die Laos oder Shan drohenden
Gefahr weigerte, den Frieden anzunehmen u. Pegu
abzutreten, jo fam eine Palaftrevolution zum Aus»
bruche, welche ihn ftürzte u. einen fönigl. Prinzen an
feine Stelle erhob. Die mit ihm angefangenen Frie—⸗
densunterhandlungen führten jedoch auch nicht zum
Ziel; die Hartnädigkeit der Birmanen wuchs durch
einige geringe Erfolge bei Zufammenftößen. Na-
mentlih fügte der Parteigänger Mia- Tun, der
fid) im Jramwaddi-Delta feftgefett hatte, ihnen vie—
len Schaden zu; von dort vertrieben, fette er feine
Nänbereien ın den Sumpfdiftricten der Nebenflüffe
fort. Im Juni 1853 erſchien abermals der bir-
maniſche Gejandte u. bot im Namen des Königs
von Ava den Frieden unter den Bedingungen a,
daß die Grenze des britiichen Gebietes bei Mia-
day ſein, Die britiſchen Unterthanen, melde als
Gefangene nad) Ava gebracht worden waren, freie
456
gegeben werben u. daß es dem Volfe beider Par- |
Birmaniſche Sprache u. Literatur.
1857 nah Mandalay verlegt. Bol. Snodgroß,
teien geftattet werden follte, behufs des Handels|Narrative of the Burmese war, Lond. 1827,
den Ftawaddi auf u. niederzufabren. Dieje Ber |deutich, Jena 1830; Wilfon, Documents of the
dingungen nahm der Generalftatthalter im Rathe
an, u. es wurde, obgleich ein fürmlicher Bertrag
nicht abgefchlofien wurde, die Wiederberftellung
des Friedens proclamirt, die Flußblokade aufge:
hoben u. der Verfehr mit Ava wiederbergeftellt.
Auch die Armee wurde zwar verringert, in Pegu
aber blieb eine Streitmadt von 18—19,000 M.
mit 50 Kanonen fieben, um dieſe Provinz zu
hüten. Während nun die Briten die neu ermwor-
bene Provinz zu organifiren begammen, dauerten
troß des jog. Friedens die Unruhen fort, welche
von den zablreihen Parteigängern ausgingen.
Auch die Einfälle bewaflneter Banden über die
langgeftredte Grenze, melde 1854 durch Grenz.
fäufen näher feftgeftellt wurde, dauerten fort; der
König von B. (feit 1853 Mendung- Den) ver-
ſprach zwar Abhilfe, aber es konnte kaum be-
zweifelt werden, daß er dieſe Einfälle eher be
günftigte, al$ zu verhindern fuchte. In dem fol»
genden Jahre ging eine engliiche Gejandtichaft, mit
Major Phayre an der Spige, an den Hof des Kö—
nigs von B., tbeild um einen reundichafts- u.Han-
delsvertrag mut ihm zu ſchließen, theils um die
Hiljsquellen des Yandes kennen zu lernen. Die
Geſandtſchaft langte am 1. Sept. 1855 zu Ama-
rapıra an, wurde am 13. von dem König em-
pfangen u. unterhandelte aud mit den Miniſtern,
ohne daß ein Vertrag zu Stande kam. Seitdem
blieben die Beziehungen beider Länder längere
Zeit ohne meitere Störung, aber auch ohne daß
fih ein beionders reger Handelsverfchr entwidelt
hätte, Auch der 1862 von Major Phayre durch—
ejetste Vertrag, wodurd den Engländern freier
Bertehr im inneren Birma bis zur chineſiſchen
Grenze verfiattet wurde, hat feine Früchte ge-
tragen. In der neueſten Zeit bat fih das
gegenfeitige Verhältniß wieder feindjeliger geftaltet.
er König Hagt über den Hochmuth u. die Hin—
terlift der britiichen Agenten, welche die Karen zum
Abfalle von ihm angeſtachelt hätten; die britifche
Regierung über Bedrüdung des Handels und
Bereitelung der Erpedition des Majors Sladen
im Jahre 1872. Als Ende 1874 eine neue Er-
pedition unter Oberſt Browne zur Auffindung u.
Feſtſtellung der Handelsftraße von Bhamo nad
der jüdchinefiihen Provinz Jünnan durch Birma
zog, wurde fie beim Austritt aus diefem Yande
Febr. 1875 verrätheriib überfallen und mußte
unter Berluft mehrerer Menjchenleben refultatlos
zurüdfehren. Der dringende Verdacht, daß der
König Mendung-Men dabei feine Hand im Spiel
hatte, u. friegerifche Vorbereitungen, die er traf,
bejtimmten die indische Regierung zu energiſchem
Borgehen. Während die Truppentheile zum Ein:
marſch in Bırma bezeichnet wurden, liberreichte
Sir Douglas Foriyth ein Ultimatum, defien Be—
dingungen, die ftreitigen Grenzdiftriete abzutreten
u. den eventuellen Durchzug engliiher Truppen
nah SChina zu geftatten, der König annahın.
Somit ift der Friede vorläufig gewahrt. B. ift
vollftändig vom Meere abgeichnitten u. hat, von
engl. Befigungen umſponnen, bedentend von feiner
Burmese war in 1824—26, Lond. 1852; Do-
veton, Keminiscences of the Burmese war, ebd.
1852; Noberjon, Politieal ineidents of the first
Burmese war, ebd. 1853; Laurie, The second
Burmese war, ebd. 1853. Toielemann.”
Birmaniſche Spradye u. Piteratur. I. Die
birm, Sprache gehört zu den fog. indo⸗chineſiſchen
oder einfilbigen Sprachen, woraus jedoch nicht auf
eine Verwandtſchaft mit dem Ehinefiichen geichlofien
werden kann; über ihre Beziehung mit anderem:
binterindifchen Sprachen ift die Forſchung noch
im Rückſtande. Die freisförmige Schrift iſt dem
Bali entlehnt u. damit zugleich die dort beftebende
Glaffificirung der Laute. Die Ausſprache weicht
von der Schreibung jehr ab, indem man bie
Wörter duch BVerjchluden verkürzt, oder zuſam⸗
nentreffende harte Laute duch Bertanfhung er«
weicht. Zur Angabe der verjchiedenen Ausiprade
der auf gleihe Weiſe gefchriebenen Würter,
deren Bedeutung danach auch vericieden tft, ha⸗
ben die Birmanen 2 Zeichen (Accente), welche im
Punkten beftehen, die unter oder hinter die Wör«
ter geftellt werden; doch nehmen nicht alle Wur⸗
zeln beide Accente an, überhaupt aber ftehen fie
nur bei Wurzeln, die fich auf einen Vocal oder
nafalen Conjonanten endigen. Der Charalter der
b-n S. ift Einfilbigkeit der Wurzeln u. Mangel
an grammatifchen Formen; um daher Modifica«
tionen der Bedeutung oder der Form auszudrüden,
bedarf es der Zulammenjegung zweier Wurzeln,
wobei nad dem Geſetze diefer Sprache, entgegen-
geſetzt dem Siamefiihen, jede Wurzel, welche zur
Berpollitändigung des Sinnes der anderen dient,
diefer vorangehen muß. Zwiichen Nomen u. Ber-
bum iſt fein Unterfchied; erft in der Rede tritt
diefer Unterſchied durch an das Wort gefnüpfte
Partifeln hervor. Ebenfo gibt e8 feine Flexions-
bezeihnung. Subjtantiva u. Adjectiva werden
gebildet durch die oben bezeichneten Zuſammen—
jeßungen, u, mißbrauchsweije nennt man den lee
ten Theil der Zufammenfegung Affir. Jene Par«
tifeln ftehen dem Nomen nad, u. zwifchen diejem
u. ihnen ſteht die Bezeichnung des Gemus u. des
Pllurals (thau). Die Pluralbezeihnung dient aud
zur Bildung des Plurals der perjönliden Prono-
mina, welche übrigens immer nur in felbftändiger
Form erjheinen u. nie als Affire dienen. Auch
das Berbum ift ohne alle Flexion: die Perjonal«
bezeihnung geihieht durch das Perfonalpronomen,
welches vor dem Berbum fteht; Plural, Modus
und Tempus werden durch der Wurzel folgende
PBartifeln angezeigt. Das Pluralzeihen ift kra
(kya); die Modi werden gebildet, indem Wurzeln
von allgemeiner Bedeutung ſich an die Wurzel
des concreten Verbums aureihen; ihre Zahl ıft
daher unbeftimmt u. die Grammatifen zieben biere
her auch die Caufativa u. a.; der Tempuspartifeln
gibt Carey 5 fiir das Präfens, 3 für Präjens u.
Präteritum, 2 ausichließlih für das Präteritum
u. einige für das Futurum an, Bei der Zuſam—
menjegung diejer Partikeln mit der Wurzel zu
einer Verbalform gilt als das Gewöhnliche, daß
Selbſtändigkeit eingebüßt. Die Hauptftadt wurde die Moduszeihen an die Wurzel treten u, jenen
Birmensdorf — Birmingham.
457
fih die Tempuszeichen anreihen; das —— Bronzeſtatue Nelſons u. auf anderen Plätzen Sta-
richtet ſich nach der Syeftigleit, womit das Modus»
— als allgemeines Wort, an die Wurzel ge»
unden ift; in den meiften Fällen folgt es ihr
nad, in wenigen nur tritt e8 zwiichen beide, Um
das Baffivum auszudrüden, bedient man fich der
Hilfsverba prit oder schi, fein, werden. Die An«
ordnung der Wörter im Satze: zuerft das Sub-
ject, an der legten Stelle immer das Berbum u.
in der Mitte das Object; für die Nebenumftände
aber gilt die Regel, daß das Regierte dem Re—
gierenden ftet3 norausgeht, Grammatif von Ca—
rey, Seramp. 1814; von Schleiermacher in der
Schrift: De l'influence de l’&eriture sur le lan-
836 Darmſt. 1835; von Latter, Calc. 1845;
örterbücher: von Hough, Seramp. 1825; von
Indſon, Ealc. 1826; von Maulmain, 1842; von
Lane, Calc. 1841; von Leyden in‘ Asiat. Re-
searches X.
I. Die Piteratur der Birmanen ift fehr
veih, aber außerhalb ihrer Heimath noch jehr
wenig befannt. Sie ruht in der Hauptſache auf
dem Fundament der indischen, namentlih aber
der Buddhiftiichen Literatur. Die gelehrte Sprache
ift das Pali (f. d.), welches jedoch nur felten mit
dem Pali- Alphabet, fondern meift mit dem bir-
manijchen Alphabet geichrieben wird, Ein großer
Theil befteht aus Überſetzungen der heiligen Werke
der ſüdindiſchen Buddhiften, des Pratimoficha u. a.;
außer dieſen Überjegungen und Gloffen hat fid
auch nod eine ſelbſtändige bubdhiftiiche Literatur
in der Landesſprache entwidelt. Dahin gehört
das Ma-la-len-ga-ra Wottoo oder Leben des
Gautama. Ferner befigen die Birmanen eine
ausführlihe hiſtoriſche Literatur, die Geſchichte
ihres und der Nachbarländer behandelnd. Das
Hauptwerk (Mahajazavendogri), eine vollftän-
dige Geichichte des Landes enthaltend, ift Ende
des vorigen Jahrhunderts auf Befehl des Königs
neu bearbeitet worden, Im Munde des Bolfes
laufen zahlreiche Lieder, worunter auch SHelden-
fieder, um; Kunftgedichte, bejonders didaftischer
Art, jolen nicht wenige in den zahlreihen Bücher»
jammlungen des Landes, die ſich namentlich in den
Tempeln u. Klöftern befinden, vorhanden fein.
Die Bibel wurde vom amerifanifhen Miſſionär
Indſon vollftändig in das Birmaniſche überſetzt,
1835—37, 5 Bbe., 2. Aufl., 1840. Bgl. die
oben angeführten Schriften über Birma,
Birmensdorf, paritätiiches Pfarrdorf mit
980 Em. im aargauischen Bezirte Baden (Schweiz);
fteht auf römiſchem Boden (Münzen von Nero u,
Diocletianus) u. hat eine Bitterwafjerquelle, welche
an feiten Beftandtheilen die Waller von Saidſchütz
u. Sedlitz übertrifft.
Birmingham, 1) Stadt in der englifchen
Grafihaft Warwid, an der Rea u. 4 Kanälen, die
e3 mit Warwick, Piverpool, Coventry u. Worcefter
verbinden; Kilenbahmverbindungen nah allen
Seiten mit großartigem Gentralbahnhofe; enge,
frumme, von rothen, aber ſchwarzgeräucherten
Badjteinhäufern gebildete und nur in dem neue:
ren Stadttheilen einige ſchöne Straßen, welde
durch großartige Neubauten vielfach verbefiert u.
verihönert worden find; neuerdings find auch große
tuen Sir Robert Peels, James Watts, Sir Row:
laud Hill! u. Prinz Alberts; 140 Kirchen u. Bet-
bäufer; ein ſchönes, mit einer marmornen Säu-
lenhalle umgebenes Rathhaus, Sigungspalaft der
Grafichaft Bornid: das berühmte Birmingham-
u. Midland-Fnftitut, das eine Bibliothek, Lejezim-
mer, Borlefungsräume, Muſeum u. Jnduftriefchule
enthält; College für Medicin, für Mechanik, Po—
lytechniſches Inſtitut, 2 öffentliche Bibliotheken,
3 große allgemeine Hofpitäler und 4 Special«
anftalten, worunter namentlich das Augenbofpital
als das befte in England gilt; ferner Armen-
haus, mehrere wohlthätige Gejellfchaften und An»
ftalten, darunter das Taubftummen-Fnftitut, das
Ayl für infirme Fabrikarbeiter, ein Theater,
Duddeftons Garten (Baurhall), Zuchthaus, große
Dlünze, welche hauptſächlich Kupfermünzen prägt.
B. iſt nächſt Mancheſter der Hauptfabrifort
Englands und wird in feiner Fabrilthätigkeit
durch die in der Nähe liegenden Eijen- u. Stein»
tohlenbergmwerte, deren — etwa 15 pCt.
von der des. ganzen Verein. Königreiches aus—
macht, jehr begünftigt. Die wichtigfie Fabrikation
ift die der Metallmwaaren; Meſſer, Nägel, Knöpfe,
Stahlfedern u. andere Artikel aus Eifen u. Stahl,
feit einiger Zeit namentlih Maſchinen u. Eijen«
bahnmaterial, Waffen nebft Diunition, galvanifirtes
u. emaillirtes Eijen, ferner Meffing-, ladirte Blech»,
eleftro- plattirte Waaren, Glas, Peitſchen, Blafe-
bälge, Fingerhüte, Leuchter, überhaupt Quincail-
lerie- und Bijouteriewaaren, Bapiermadhe-Artitel,
?ederwaaren, Bier, alles im großartigiten Maß-
ftabe; im Ganzen zählt man über 200 verjchie-
dene Gejchäfts- u. Gemerbezweige; die Zahl der
Fabrilarbeiter überfteigt 25,000; die Mafchinen
werden vorzugsweife in dem nahen Soho in der
von James Watt errichteten Fabrik gebaut; im
der Umgebung der Stadt befinden ſich großartige
Hammerwerte und Hohofenwerle. Der Handel
hat entiprechende Dimenfionen, u. geben die Ziffern
der Ausfuhr gerne ein annäherndes Bild von
der riefigen Thätigkeit, die fih in B. entwidelt
hat. Im J. 1871 betrug der Werth der Aus»
fuhr 52 Mill. Pf. St. (gegen 37'/, pro 1864),
davon fommen 17,, auf Roh- und Halbfabrifate
in Eiſen u. Stahl, 8,, auf Eifenbahnfcienen, 6,5
auf Steintohlen, 5, auf Sattlerwaaren, außer-
dem 1,, auf Schuhwerk, 3,, auf chemiſche Pro-
ducte u. Allalien 1,,; auf Steingut u. Porzellan,
l,.; auf Bier, 1,, auf Teppiche x. Die Stahl«
federfabrifen produciren jett möchentlih 98,000
Groß (14,112,000 St.), und die Gemwehrfabriten
liefern fast die ganze Production des Verein. Kö—
nigreiches (während des Ameritanifchen Krieges nach
den Ver. Staaten allein 733,430 Gewehre). Nach
der Größe des Briefverfehres ift B. die vierte Stadt
des Königreiches. Unweit der Stadt liegt Oscott,
wo der Yord Shrewsbury eine prächtige Baſilica
von Puggins erbauen und von Ed. Haufer
mit Ölgemätden ſchmücken ließ. B:8 Bevöller-
ung Mitte 1875 wird vorläufig auf 366,325 Em,
geihägt. 1801 Hatte e8 70,670, 1831 147,000,
1841 183,000, 1851 232,541, 1861 96,076,
1871 343,787 Ew. Zu Zeiten Alfreds des Gr,
MWajjerleituugen angelegt worden; Marktplag mitl(9. Jahrh.) war B. nur noch ein unbedeutendes
458
Städthen; im 12. Jahrhundert zeichnete
Birmingham-Kanal — Birnbaum,
es Wurzeln fih hinlänglich entwideln können. Er
fi durd feine Gerbereien aus. 1666 richterelliebt ein gemäßigt warmes Klima, gedeiht im füds
die Peft hier große Verheerungen an. Bis zumjlicheren Gegenden als das mittäglihe Frankreich
15. Jahrh. zählte es 3000, zu Ende des 17.|miht mehr gut, wogegen anderſeits die kalten,
Jahrh. kaum 5000 Einw. Erſt feit der Mitte] beftändigen Nebel Englands u. das rauhe Klıma
des 18. Jahrh. begann bier ein reges Leben.|des nörblihen Europa ebenfalls Hinderniffe für
1745 bradten Boulton, Vater und Sohn, mit|das Gedeihen der edleren Sorten find; in heißen
einem bedeutenden Bermögen mehrere Entded-| Gegenden muß deshalb der B. an nörblide Ab»
ungen und Geheimniffe dahin; 1756 etablirtefhänge u. auf Hochebenen gebracht werden, mwäh-
Basterville feine berühmte Druderci in ®., besfrend er im fälteren Gegenden an jüblichen Ab—
fonders hob es fich aber, feit im nahen Soho
1764 Boulton und J. Watt ihre Mafchinenbau-
anftalt errichteten, Seitdem fteigerte fih die
Fabrifthätigfeit von Jahr zu Jahr. Hier am
15. Juli 1839 Chartiftenaufftand; |. Großbritan-
nien (Gefch.). 2) Anſehnlicher Manufacturplat
un New-Haven County, nordamerif, Unionsftaat
Connecticut; 2103 Em. 8) Ortichaft im Hun-
tington County, Staat Pennfglvania; bedeutende
Eijenwerke; 8603 Ew. 4) S. u. Pittsburg.'
Birmingham-Kanal, Kanal in der engliſchen
Srafihaft Warwid; geht von Webnesburg bei
hängen und in warmen Thälern, frei in der
Sonne ftehend, den geeignetften Platz findet. Der
B. wird vorzugsweile als Hochſtamm (f. d.) ger
zogen u. dann 8—10 m von einander gepflanzt,
wobei man ihm häufig eine pyramidenförmige
Krone gibt, weil bei jeiner vorherrichenden Neig-
ung zur Bildung einer jolhen es oft ſchwer ift,
die Krone glodenförmig hohl zu erziehen; die
meiften feinen Sorten des Bees eignen fih ganz
befonders für Pyramiden (f. d.), nicht ganz fo
ut zu Spalieren. Man gewinnt die milden
Stämme durch Ausfaat der Samen; die edlen
Birmingham vorbei bis Coventry u. verbindet) Sorten werden durch Veredlung (Pfropfen, Co»
den Sherburn mit dem Grandtrunk.
puliren u. Oculiren) vermehrt, wobei als Unter»
Birnäther (Birneflenz, Birnöl), altoholiihellagen für Hochſtämme die Kernwildfinge von ftart
Löſung von Eifigjäure-Arnyläther, die Geruch u.jwacfenden Birnjorten u. für Niederftämme vor-
Geihmad der Bergamottbirnen befitt, wird in der zugsweiſe Onitten, oder auch Birmwildlinge von
Parfümerie u. zum Aromatifiren von Gerften-Jihwach wachſenden Sorten u. Weifdorn verwen—
zuder (Pear drops) vermenbdet, det werden; letztere liefern übrigens nur Heine,
Birnam, Berg im der jchottifhen Grafſchaftſ wenig dauerhafte Bäume. Auf Duitten laffen
Perth, 480 m body; ſoll zu Macberhs Zeiten Ge- fi jedoch nicht alle Birnforten veredeln, weshalb
richtsplag geweſen fein,
Birnbaum (Pirus eommunis L.); gehört zu
der Fam. der Pomariae od. Pomaceae ar. 2);
befigt im wilden Zuſtande dornige Afte, melde
fih in der Eultur verlieren; die Knoſpen find
fahl, die Blätter rundlid oder eiförmig, furz
zugeipitst u. Hleingefägt, fo lang als ihr Ztiel;
die großen weißen Blüthen j.ehen auf kahlen od.
behaarten Blüthenftielen in großen, wenigblüthi-
gen Dolen; die Staubbeutel find roth und die
Griffel des Fruchtknotens frei; die durch Ver—
wachſung der Früchtchen mit der fleiichig merden-
den Keichröhre gebildete Scheinfrucht ift unten ver-
ihmälert oder abgerundet, aber nicht gemabelt;
die Fruchtfächer find außen abgerundet (vgl. Pirus).
Der Bauın ift in ganz Europa u. im Orient wild
u. wird feit alter Zeit cuftibirt, Die Friichte des
mild wachſenden Baumes (Holzbirnen, Knötelbir-
nen) fchineden anfangs fehr herb, werden aber,
vom Froſte angegriffen, mürbe u. teigig u. mer:
den von der armen Landbenölferung bisweilen
genofjen; auch bereiter man aus ihnen bortreff-
lihen Eifig; getrodnet u. gelocht werden fie ge-
gen Diarrhöen angewandt, während aus dem
Samen Ol gepreßt wird, Die Rinde dient zum
Gerben u. Gelbfärben.
Die durd Die langjährige Eultur und immer
—
joldye, die nicht darauf wachen wollen, auf einer
Zwifchenunterlage veredelt werden, indem man
zunächſt eine gut auf Quitten wachſende, fräftig
treibende Birnjorte auf dem Quittenſtamm u. auf
diefem dann die gewünschte Sorte veredelt; die
auf Duitten veredelten Birnbäume lieben einen
fräftigen, nicht zu trodenen Boden, Die Anzucht
der Birnbäume geſchieht in Baumschulen; ſpäter
werden fie in Obft- u. Gemüſegärten, an Wegen
u. in manchen Gegenden aud frei in Die Felder
gepflanzt; es müſſen dabei immer recht tiefe, weite
Pflanziocher ausgeworfen u. mit milder, fruchtba«
rer Erde angefüllt werden; die auf Birnen ver
edelten Stämme dürfen nicht tiefer in den Boden
fommen, als fie Wurzel haben, wachſen in feuch—
tem und nicht ſehr tiefgrundigem Boden beffer,
wenn fie auf flahe Hügel gepflanzt werden, wo—
gegen die auf Uuitten veredelten am beften bis
zur Beredlungsftelle in die Erde gebracht werden.
Mäßige Düngung mit verrottetem Mifte, ver»
dünntem Blute u. anderem flüfftgen Dünger be»
fördert bei nicht zu üppigem Wachsthum des
Dres feine Fruchtbarkeit u. Kraft; friiher Miſt
darf nicht angewendet werden, da er leicht Brand,
Krebs u. andere Krankheiten erzeugt. Die Früchte
(Birnen) der edlen Sorten gehören zu dem fein-
jten u. werthvollften Obfte der gemäßigten Zone;
wiederholte Ausjaat der Samen von edlen Sorten|fie werden auf die mannigſachſte Weiſe, rob u.
entitandenen jebr zahlreihen Abarten des B-esigefodht, getrodnet, als Syrup, Wein u. dgl., zur
weichen bezüglich ihrer Aniprüche an den Boden, menſchlichen Nahrung, die gewöhnlichen u, wilden
das Klima u. den Standort ziemlich von einan-| Sorten aud als Futter für Hausthiere u. Wild-
der ab. Im Allgemeinen pflegt eine etwas ge-jpret benugt. Das Holz des Bees, befonders der
ringere Güte des Bodens kein Hindernig feines |mwilden Stämme, ift wegen feiner Danerhaftigfeit,
Gedeihens zu fein, wenn nur die durchaus nöthige ſchönen Maferbildung u. Annahme einer feinen
Tieigründigfeit nicht fehlt, damit die tiefgehenden | Politur von den Schreinern u. Drechslern jehr
Birnbaum
— Birne. 459
geſchätzt u. wird, ſchwarz gebeizt, häufig als fal-;1858—63; Wie und womit ſoll man düngen?
ſches Ebenholz verarbeitet, dagegen als Bauholz) Mainz 1863;
jeltener verwendet; fein Brennmwerth wird auf etwa Reformator der Yanbmwirthichaftsiehre,
Friedrich Gottlob Schulze als
Nachruf,
$ des Buchenholzes angenommen, Engler. Wolde. |Franff. a. M. 1860; Die Univerfitäten u. bie
Birnbaum, 1) Kreis im preuß. Regierungs-
bezirte Poien, zu beiden Seiten der Warthe; ber
mwaldet u. hügelig, mit Heinen Landſeen; 1292,95
km (23, [M; 47,485 Ew, 2) (Mie
dzychod) Stadt dafelbfi, linls an der Warthe;
Schloß, BWaifenhaus, Synagoge; Schmupitabal-
fabrifation; 3207 Ew., wovon 650 Juden; im der
Umgehung Braunfoblengruben u. Biegeleien.
irnbaum, 1) Job. Mich. Franz, ausge
zeichneter deutfcher Jurift, geb. 19. Sept. 1792 zu
Bamberg; ftudirte feit 1811 in Erlangen u. Lands-
hut Rechtswiſſenſchaft, wurde Erzieher des Grafen
von Weftfalen, dann Profeſſor zu Löwen. Bei dem
Ausbruche der beig. Revolution bewog ihn feine
Treue gegen das holländifche Königshaus u. feine
Abneigung gegen die Jeſuiten, das Yand zu ver—
laffen. Er widerftand den Anerbietungen, die ihm
von der belgiſchen Regierung gemadt wurden,
fiedelte mit holländischen Wartegelde nah Bonn
über u. hielt an dortiger Univerfttät einige Jahre
lang Borlefungen. Nachdem er mehrere alade-
miſche Berufungen ausgeichlagen hatte, nahm er
1835 eine juriftiche Profeſſur in Utrecht an. 1840
folgte er, obgleich man ſich angelegentlichft bemühte,
ihn diefer Umiverfität zu erhalten, einem Rufe als
Profeffor u. Geh. Juftizrath nad Gießen. Hier
mwurde er 1847 Kanzler der Yandesuniverfität, in
der Folge Geheimrath, Nachdem er dem Staate
viele Jahre lang als alademiſcher Lehrer, Mitglied
der Erften Kammer, der Landftände u. hoher Be-
amter. eine unausgeſetzte, rühmliche Hingebung ger
widmet hatte, wurde er auf fein Nachſuchen 20. April
1875 ehrenvollit in den Ruheſtand verſetzt. Schrife
ten: Alberada, Erbgräfin von Banz, oder Macht
der Frauenwürde, dramatifches Spiel im 4 Acten,
Bamb. 1816; Adalbert von Bamberg, Markgraf
iu Oftfranten, ein dramatijches Gedicht, 2 Bde,
Bamb. u. Lpz. 1816 (Der Heerbann, in 1 Act;
Dann 1. Theil: Der Reichsverweſer, in 5 Acten;
2. Theil: Mdalberts Tod in 5 Acten). In Löwen
Begründung der Zeitichrift: Bibliothöque du juris-
consulte, die fpäter mit der Parifer Zeitichrift The-
mis vereinigt wurde. ‘Ferner ſchr. er: Die Rechte
des Herzogs von Looz-Corswaren auf das Fürften«
thum Rheina-Wolbed, Aachen 1830; Die rechtliche
Natur der Zehnten, Bonn 1831; Comm. de Hug.
Grotii in definiendo jure naturali vera mente,
Bonn 1835; Aufjäge in juriftifhe Zeitichriften.
2) Karl Joſeph Eugen, hervorragender Land—
wirth, Sohn des Bor., geb. 18. Mai 1829 zu
Löwen in Belgien; befuchte die Schulen in Frei—
burg, Utrecht u. Gießen, fludirte in Gießen u.
Jena, ging dann in die Praris als VBolontär, wurde
Unter-, jpäter Oberverwalter in Franken, Thü—
ringen, bei Frankfurt a. M., machte mehrere
Reifen u. fieß fih im %. 1857 als Privatdocent
an der Univerfität Gießen nieder; 1866 wurde]
er Director der nunmehr eingegangenen landwirth-
ſchaftlichen Lehranftalt Plagwitz bei Leipzig u. ein
Jahr darauf zum Profeffor in Leipzig ernannt.
Er ſchr.: Uber die Wıirtbihaftsigfteme, Gießen
1857; Lehrbuch der Landwirthſchaft, Frankf. a. M.
iſolirten landwirthſchaftlichen Lehranſtalten, Gießen
1863; Handbuch für angehende Landwirthe,
v. Kirchbach, neue (6.) Aufl., Lpz. 1864, ſpäter
in.
8. Aufl., Berl. 1874; die Kalidüngung
ihren Vortheilen u. Gefahren, Berlin; —
Georgila, Lpz.; Das Genoſſenſchaftsprincip in
Anwendung u. Anwendbarkeit in der Yandwirth-
ichaft, Lpz. 1870, u. mehrere andere Schriften,
2) Rhode.
Birnblattmwefpe, f. Blattweipen.
Birne, Frucht des Birnbaumes; gehört zu den
nützlichſten Objtarten der gemäßigten Zone und
wird im Frankreich geradezu für die werthvollſte
von allen gehalten, weshalb auch vorzugsmeife
bier eine jeher große Menge köſtlicher Sorten ent«
ftanden ift u. noch jährlich neue entitehben, Die
Ben unteriheiden fi nad) ihrer Größe, Farbe,
Seftalt, Reifezeit u. Haltbarkeit u. zeigen im Ge—
Shmad u. der Feinheit ihres Fleiſches die größten
Verichiedenbeiten; die Farbe ift meift gelb oder
grünlich, oft an der Sonnenfeite ſchön roth über-
laufen, oft auch roftig grau, nur jelten gejtreift;
die Geſtalt ift lang oder länglih, entweder am
Stiel nur mäßig verjüngt, oder aud lang u.
diinn in denjelben auslaufend, vund, oder mehr
oder weniger an Stiel u. Blume abgeplattet u.
eingedrüdt. Nach der Reifezeit u. Haltbarkeit
unterscheidet man: a) Sommer-B=-n, von Juli
bis September braudbar u. fi nur höchſtens
einige Wochen haltend; b) Herbft-B-n, im Oc«
tober u. November zeitig, u. c) Winter-B-n,
erft im December u. fpäter gut zu verwenden.
Der Geihmad ift vorherrfchend für u. dabei oit
gewürzhaft in mannigfaher Weife; das Fleiſch
theils ſaftig ſchmelzend u. beim Kauen ſich vou-
ftändig auflöfend (Tafel-B-n), theils trodener u.
bei den eigentlihen Koch-Ben oft hart oder rü—
benartig, herb u. zufammenziehend, deshalb roh
dann faum zu gemeßen, aber dennod durch das
Kochen meist ſehr ſchmachhaft und ſüß werdend.
Ber der großen Mannigfaltigkeit der Bn u. ben
oft unmerflihen Übergängen der einen Form in
die andere u, bei der Veränderlichkeit der einzel-
nen Sorten je nad dem Klima, Boden u. den
wechſelnden Witterungsverhältutifen der einzelnen
Fahre ift eine Eintheulung in fireng von einander
zu unterfcheidende Klaffen fehr ſchwierig u. bis
jetst noch nicht vollftändig gelungen. Diel theilte
die Ben künſtlich in 6 Klaſſen nad) der Gilte des
Fleiſches; feine 1. Klaffe enthält die feinſten Tafel-
Ben, die 2. Klaffe die etwas weniger guten u.
fo fort bis zur 6. Klaffe, welche nur noch die
ganz groben Kochbirnen mit rübenartigem Fleiſche
umfaßt; jede Klaffe beftcht aus 3 Ordnungen:
1) platte, 2) runde u. 3) länglihe B-n, u. jede
Ordnung wieder aus den 3 Geſchlechtern: Some
mer», Herbit- u. Winter-d>n. In den jpäteren
fünftlihen Syſtemen find diefe Eintheilungen meift
ziemlich beibehalten, gewöhnlich aber ftatt nur 6
Klaffen deren 12 gebildet. Beſſer, wenn auch
nicht fehr die Auffindung erleichternd, ift die Eins
theilung der Ben. nad) ihrer natürliden Verwandt»
460
Birnfnofpenfteher — Biron.
Schaft, wie 3. B. Lucas fie in 15 natürliche Far ziehenden Geihmad und von länglicher Geftalt,
milten zufammengeftellt hat: 1. Fam. Butter-|zum Robgenuß ganz ungeeignet, 3. B.
Knaus
Ben mit völlig jchmelzendem Fleiſche, wahrer B., gelbe Lang-B., Träubles B. u.a. 15. Fam,
Birnform oder abgeftumpfter Stegelform u. regel-Rundliche
mäßigem Bau, ohne Höder u. Erhabenheiten; fie
find länglich, ſelten rund, gegen den Stiel ver-
jüngt uw. meift ſtumpf zugeipigt, 3. B. Beurre
olane, B. gris, B. d’Amanlis, Regentin oder
Passe Colmar, Soldat laboureur, Diels Butter:
B., Winter:Nelis, Yiegels Winterbutter-B., Köft-
liche von Charneu u.a. 2. Fam. Halbbutter-
Ben, mit halbſchmelzendem Fleiſche, fonft mie
Butter- Ben, 3. B. Sommer-Magdalene, runde
Mundnet-B. u. a. 3. Fam. Bergamotten,
init völlig ſchmelzendem Fleiſche u. rumblicher od.
ylatter Form, am Stiel oft eingedrüdt, 3. B.
Rothe oder Herbft-, Sommer» u. Winter-Berga-
motte, Crafanne, Esperance, Herren-B. u. a.
4. Fam. Halbbergamotten, von derjelben Ge—
ftalt wie die Bergamotten, aber mit nicht völlig
ſchmelzendem Fleiſche, z. B. Julidehants-B. u. a.
5. Fam. Grüne Lang-Ben, mit faſt oder ganz
ſchmelzendem Fleiſche, länglicher Form u. grüner,
oder nur wenig beroſtet erſcheinender Schale, z. B.
Spar⸗B., Sommerdorn, Saint-Germain, Baftoren:
B., grüne Tafel-B., Schweizerhoſe u.a. 6. Fam.
Flaſchen-Ben, von fehr langer Geftalt, mit
ichınelzendem oder halbichmelzendem Fleiſche und
grünlich-gelber, oder gelber, ftark berofteter Farbe,
3. B. Marie Yuife, Gapiaumonts Butter-B.,
van Mons Butter-B., Calebaſſe, Cuisse-Madame
u.a. 7. Fam. Apotheler-B-n, von unregel-
mäßig böderiger oder beuliger Form, ohne Rück
ficht auf die fonftige Geftalt, u. mit jchmelzendem
oder halbjchmelzendem Fleiſche, z. B. Ehriften-B.,
Herzogin von Angouleme, Napoleons Butter-B.,
General Tottleben, Hardenponts Winter-B., Chau-
montel u.a. 8. Fam. Ronfjeletten, kleine od.
mittelgroße länglide B., mit braun gerötheter,
meift roftiger Schale u. jehmelzendem oder halb»
jchmelzendem Fleifche von zimımtartig gewürztem
Geihmade, 3. B. Gaishirten-B., gute graue od.
Sommer-Beurre-gris, Forellen⸗-B. u.a. 9. Fam.
Muscateller-B-n, kleine Sommer» oder frühe
Herbit-B., von meift länglicher Form u. mit eigen-
thimlihem Muscatgeſchmack. 10. Fam. Shmalz-
Ben, wozu alle noch zu den Tafel-Bn zu rech—
nenden großen u. mittelgroßen, länglihen B-n
mit halbſchmelzendem Fleiſche gerechnet werden,
welche in die erſten 9 Familien nicht paſſen, 3.8.
Windfor-B,, Andenken an den Congreß, König
Erz). a. 11. Fam. Gewürz-Ben, alle
kleineren rundlichen oder platten B-n u. von den
längligen nur ſolche, welche wegen ihrer Kleinheit
nicht zu den Schmalz-Ben gerechnet werden, libri-
gens mit dieſen gleihe Beſchaffenheit haben,
12. Jam. Längliche Koch-Ben, mit hartem,
ein-B-n, wie die borigen, aber
von rundlicher Form, 3. B. Katzenlopf, Moit-B.,
Brat-B, u.a. Die B-n verlangen zu ibrer voll-
fomntenen Ausbildung u. Reife vorzugsweiſe einen
warmen, fonnigen Stand, meshalb fie in den
füblihen Gegenden auch bejonders ſchön werden;
in rauhen Diftricten gedeihen die feinen Sorten
nur in dem beten Lagen u. erreiche hier wenig«
ftens annähernd ihre Vollkommenheit; alle jpäten
Sorten dürfen nicht zu früh abgenommen werden,
weil fie jonft leicht welfen u. nicht ordentlich weich
und faftig zu werden pflegen; die Sommer» B-n
nimmt man dagegen gern 8 Tage vor ihrer völ«
ligen Reife vom Baume, um fie etwas jaftiger
u, fir kurze Zeit haltbar zu befonmmen. Die Aufs
bewahrung geſchieht am beften in trodenen, froft«
freien Räumen, ohne zu ftarten Zutritt der Luft
u. des Lichtes, daher meijt in luftigen, trodenen
Ktellern, oder froftfreien Zimmern, Die Beuutz—
ung der Ben ift fehr manmnigfaltig: mäßig roh
genojien jowol, als auch in gelochtem Zuſtande,
ſind ſie eine geſunde, erquickende Speiſe, wenn
ſie auch für etwas weniger leicht verdaulich gel—
ten, als die Äpfel; auch getrocknet ſind ſie ſehr
beliebt u. nützlich, ſie werden dafür faſt immer
geſchält, ſehr große dann durchgeſchnitten u. das
Kernhaus ausgeſtochen, kleinere nur an der Blume
kreuzweis eingeſchnitten, ohne das Kernhaus zu
entfernen. Der durch Einkochen des ausgepreßten
Saftes gewonnene B.-Syrup (B.Kraut) iſt ſehr
ſüß, im Allgemeinen weniger beliebt, als der ſüße
Apfelſyrup; ähnlich iſt es mit dem B⸗wein oder
Berry, welcher füßer u. beraufchender, aber micht
jo fräftig und haltbar ift, als guter Apfelmein;
man nimmt dazu nur die berbfien Winter» Ben,
welche lange liegen müffen, ehe fie genießbar find;
weiter werden die Ben noch als Bemus, zu Eifig
und ſelbſt als gutes Viehfutter benugt; aus den
Kernen läßt fih ein ſchmachaftes Speileöl ges
winnen. Wolde.
Birnknoſpenſtecher, ſ. Blüthenbohrer.
Birnmoos, jo v. w. Knotenmoos.
Birmmotte, jo d. v. Apfelwidler (j. d.).
Birnguitte, Barietät von Cydonia vulgaris L.;
die am hänfigften vorlommende Form der Frucht
des Quittenbaumes, von der Gejtalt einer Birme,
als Gegenjag von Apfelanitte,
Birnjanger, |. Blattjlöbe.
Birnſpinner, ſ. v. w. WienerNachtpfauenauge;
ſ. Nachtpfauenauge.
Biron, Gemeinde im Bezirle Bergerac des
franz. Dep. Dordogne; ſchönes Schloß, Denkmal
des 1602 hingerichteten Marſchall Biron (ſ. d. 2);
1150 Ew. 8. war ſonſt Örafichaft, jpäter (1721)
rübenartigem, jedoch nicht herbem Fleiſche u. von —
länglicher Geftalt, z. B. ſchöne Angewine, Senf-
B. Ochſenherz-B., Kamper Venus, Martin sec.
u. a. 13. Jam. Rundliche Koch-B⸗n, wie
die vorigen, aber von nicht länglicher Form, z. B.
Scneider-B., Kubfuß, Gloden-B., Yöwentopf od.
Pfund-⸗B., Sped-B. u. a. 14. Fam. Längliche
Wein-Ben, mit rübenartigem od. halbichmelzen«
dem Fleiſche u. einem fehr herben, zujammen-
iron, 1) Armand de Gontaut, Baron
v. B., franz. Feldherr u. Staatsmann, aus einer
alten Familie aus Perigerd, geb. um 1524;
diente der Königin Margarethe von Navarra als
Page, dann am franzöfiichen Hofe; jpäter trat er
wieder in die Dienfte Heinrichs III. von Navarra,
welcher ihn zum Gonvernenr von Guienne und
1577 zum Marſchall ernannte. Bei deſſen Be—
461
fleigung des franzöfiihen Thrones folgte er und, Annas Befehl als den von König Auguft III. mit
that fich bei. bei Arques u. Jury hervor. Er dem Herzogthum belehnten Herzog anerkennen.
biieb bei der Belagerung von Epernay 1592. |Leidenfchaftlih im Haffe gegen feine Nebenbuhler,
2) Charles de Gontaut, Herzog von B.,|verbing er über die nad der Gunft der Kaiferin
Sohn des Bor., geb. 1562; war jhon 1576/|ftrebenden Dolgorudi ein jchredliches Strafgericht;
Dberft der Schweizergarbe, wurde 1589 Gene-| Taufende übergab er dem Henterbeil, u. noch mehr
ral, 1592 Admiral, 1594 Marihall und 1598 |jandte er nach Sibirien, jo daß felbft die Kaiferin
ER und Pair, Als Held beionders in denlihn fußfälig um Gnade für die armen feinem
ladhten bei Arques, Fury, Aumale u. vor Haſſe Verfallenen bat. Nach dem Tode der Hair
Paris ausgezeichnet, erhielt er den Beinamen Blig}jerin Anna (28. Oct, 1740) führte er ihrem Be-
ranfreihs. Als er, durch vermeintlihe Zurid-|fehl gemäß die Negentfchaft für den Prinzen
egung gefränft, fi mit Spanien u. Savoyen, Iwan, ihren Nachfolger: indeß nur kurze Zeit.
gegen das Verſprechen, eine ſavoyiſche Prinzeffin|Da er mehrere Berjonen zu feiner Sicherheit ent-
zur Gemahlin u. Burgund u. Franche-Comié zu|fernte u. durch Verheirathung feines Sohnes mit
erhalten, gegen Heinrich IV. derſchwor u. diefelder Prinzeffin Elifabetb u. feiner Tochter mit
Berihwörung, als er fon reumüthtg dem König|dem Herzog von Holftein, nachher Peter III., die
Biron.
fein Vergehen geftanden hatte, nochmals anipann,
murde er durch Laſin, feinen Bertrauten, verrathen
u. 21. Juli 1602 in der Baftille enthauptet.
8) Armand Louis de Öontaut, früher Herzog
v. Lauzun, feit 1788, nad dem Ausfterben der
älteren Linie B, mit feinem Onkel Louis Antoine,
Herzog v. B., geb. 1747; trat früh in Kriegsdienfte;
durch Ausſchweifungen in tiefe Schulden gerathen,
ging er mit den franzöfifchen zen nad
merifa; da er es aber mur bis zum Oberſten
bradte, jo ſchloß er ſich 1789 an die Volkspartei
u. bei. an den Herzog von Orleans an u. ward
deſſen Bertrauter u. Helfershelier; 1792 erhielt
er ein Commando, anfangs zu Lille, wo er bei«
nahe von den aufrühreriichen Soldaten ermordet
worden wäre, dann bei Nizza in Savoyen, Cor-
fica u. in der Bendee. Als er hier nicht glücklich
war, nahm er feinen Abjchied, ward aber gefan-
en u. 1. Jan. 1794 zu Paris hingerichtet. Seine
temoiren reichen nur bis zur Nevolution. 4) S.
u. Gontaut,
Biron (Biren), 1) Ernft Johann v. 8,,
Herzog von Kurland, geb. 1687, Sohn eines
turländishen Bauers, Biren oder Bühren, der
ein adeliges Gut im Erbpacht beſaß. Nachdem er
in Königsberg Theologie ftudirt, erreichte er,
wegen eines Duells flüchtig, durch einnehmendes
und feines Benehmen, nad einem vergeblichen
Berfuche in Petersburg, am Hofe der in Mitau
refidirenden verwittweten Herzogin Anna von Kur—
land, ‚der Nichte Peterd des Großen, eine An-
ftellung; bald erwarb er ſich die höchſte Gunſt
derjelben, was übrigens den Furländifchen Adel
nicht abhielt, ihm, auch nachdem er fi 1722
mit Fräulein von Trotta, genannt Treyden, ver-
mählt, die Aufnahme in die Adelsmatrifel zu ver«
meigern. AS die Herzogin 1730 den ruſſiſchen
Thron beftieg, begleitete er fie, obgleich fie in
der Wahlcapitulation verfproden hatte, B. nicht
mitbringen zu wollen, doch nah Rußland, ftieg
bier rafh empor, wurde Oberfammerherr u.
Neihsgraf, nahm als folder Wappen u. Namen
der franzöftichen Herzöge von B. an u. beherrichte
nun das Ruſſiſche Reich, da ihm Anna, ohne Nei«
gung zu den Staatsgejchäften, fi u. die Hegier-
ung völlig überließ. Der dirigirende Senat u.
ein Geheimer Cabinetsrath, in dem Oftermann als
Kanzler den Borfit führte, war feine Schöpfun
u. die Übergabe des Obercommandos an Minnic
fein Wert,
Abſicht errathen ließ, feine Familie auf den Thron
zu heben, beſchloß der in ſeinen Erwartungen ge»
täufchte Münnich im Einverftändnig mit der Mut—
ter des jungen Ezars, ihn zu ftürzen, ließ ihn
19./20. Nov. 1740 verbaften, ihm den Proceß
machen u, ihn zum Tode verurtheilen; aber das
Urtheil wurde nicht vollzogen, ſondern B. unter
Eonfiscirung feines Vermögens in die Berbann-
ung nah Pelym in Sibirien gefhidt. Die Kair
ſerin Eliſabeth rief ihm bei ihrer Thronbefteigung
20. Dec. 1741 zurüd, verwies dagegen feinen
Feind Münnich; jedoch durfte B. nicht an den Hof
fommen, fondern wurde in Jarosiam internirt, Die
Kaiferin Katharina Il. gab ihm, nachdem Peter III.
feine Verbannung aufgehoben, 1763 fein Herzog«
thum zurüd, das er weiſe u. mild regierte u.
1769 jeinem älteften Sohne Peter übergab; f. u.
Kurland (Geſch.) u. Rußland (Geſch.). Er ft. 28.
Dec. 1772 (Lebensbeihr., Bremen (1772); er
binterlich 2 Söhne, B. 2) u. B. 3). 2) Peter,
Herzog von Kurland u. Sagan, Sohn des Bor.,
geb. 15. Febr, 1724 in Mitau; theilte das Schid-
jal feines Vaters u. wurde, mit dieſem zurückge⸗
tehrt, 1762 ruſſiſcher Generalmajor der Cavalerie;
1769 übernahm er die Regierung von Kurland;
in fortwährendem Conflict mit den Ständen ı.
von diefen in Petersburg verklagt, mußte er 28.
März 1795 gegen ein Sahrgehalt von 500,000
Ducaten Entihädigung für feine Domänen in
Kurland das HerzogthHum an Rußland abtreten,
jedoch umter Vorbehalt aller herzoglihen Ehren-
rechte für fih u. fein Haus; f. u. Kurland (Geſch.).
Er hatte 1792 die Herrihaft Nachod u. ſchon
1786 von dem Firften Loblowitz das Fürften-
thum Sagan gelauft u. wurde fo Stifter A) der
Linie B.-Sagan. Er ft. 13. Jan. 1800 auf
feinem Gute Gellenan in Schlefien. In 3. Ehe
war er feit 1779 vermählt mit Anna Char»
fotte Dorothea, geb. Reihsgräfin von Medem,
geb. 3, Febr. 1761, eine durch Schönheit u. Gei—
jtesbildung ausgezeichnete Dame; fie lebte nad)
der Entfagung ihres Gemahls mit demfelben in
Schleſien u. nah deſſen Tode theils in Paris,.
theils in Löbihau im Altenburgiſchen, wo ſich ein
Kreis von Gelehrten, Schöngeiſtern u. Künſtlern
um fie bildete; fie ft. an letzterem Orte 20. Aug.
1821. Lebensbejhr. von Ziebge, Lpz. 1823.
Sie gebar ihrem Gemahl 4 Töchter, ne:
Johanna, geb. 1783; 1801 vermählt mit Franz
1737 mußten ihn die Kurländer aufiv. Pignatelli de Belmonte, Herzog von Acerenza.
2
462
Dorothea, geb. 1793, feit 22. April 1809
Gemahlin des Herzogs Edmund von Talleyrand-
Perigord, Herzogs von Dino (geft. 14. Mai 1872);
durch kgl. Inveſtitur vom 6. Jan. 1845 Her-
zogin von Sagan. Nach ihrem Tode (19. Sept.
1862) folgte ihr Ältefter Sohn Napoleon Yudwig,
Herzog Talleyrand-Perigord u. Herzog de Balengay,
geb, 12. März 1811, al$ Herzog von Sagan;
deifen ältefter Sohn Boſon, Prinz von Sagan,
geb. 7. Mai 1832. Der zweite Sohn Dorotheas,
Alerander Edmund, geb. 15. Dec. 1813, durch
Gejfion jeines Baterd Herzog von Dino, erbielt
nad der Mutter Tod die Herrihaft Deutih-War-
tenberg in Pr.-Schlefien. B) Linie B.-Warten«
berg, gegründet von 3) Karl Ernft, 2. Sohne
von B. 1), geb. 30. Sept. 1728; theilte ebenfalls
das Schidjal jeines Vaters, ward 1762 General:
major ber Infanterie u. ft. auf einem Landgute
in Preußen 16. Oct, 1801. 4) Guſtav Ealırt,
Fürſt B., Sohn des Vor., geb. 29. Jan. 1780;
war anfangs Gardeoffizier u. Kammerherr bei
Katharina II., nahm dann preußische Kriegsdienite,
erhielt von Rußland zur Entihädigung für Kur-
land 36,000 Thlr. jährlihe Einkünfte u. nannte
fh, nachdem er die Herrihaft Wartenberg 1802
erworben, Fürſt B.-Wartenberg,. Er nahm an
den Feldzügen 1813 u. 1814, wo er als Oberft
u. Generalmajor ein Streifcorps bei der Großen
Armee befehligte, theil; ft. als Generallieute-
nant u. Gouverneur von lag 20. Juni 1821
zu Ems, Er war vermählt mit Gräfin Fran—
cisca v. Maltzan. 5) Prinz Karl, ältefter Sohn
des Vor., geb. 13. Dec. 1811; war preußticher
Nittmeifter, folgte 1821 feinem Vater im Befite
der Standihaft Polniſch-Wartenberg u. ft. 21.
März 1848. Er ſchr.: Die neuen Gefängnißiy-
fteme, Brest. 1847. 6) Prinz Ealirt, Bruder
des Vor., geb. 3. Jan. 1817; fuccedirte feinem
Bruder 1848 u. ift vermählt jeit 6. Aug. 1845
mit Fürftin Helene Mestihersiy; er ift erbliches
Mitglied des Preuß. Herrenhanfes u. Königl.
Preuß. Oberftihent. Sohn: Prinz Guftav, geb.
17. Oct. 1859. Lagaı.*
Birostratus (Bot.), zmeiichnabelig.
Birr, 1) Dorf im Bezirte Brugg des ſchwei—
zer Kantons Nargau; 500 Ew.; dabeı (zu Neuhof)
errichtete Peftalozzi feine Erziehungsanftalt; auf
dem Kirchhofe dajelbft ift Peſtalozzis Grab, auch
ein Denlmal defjelben feit 1846; in der Nähe,
bei Birrfeld, Überreſte einer römischen Waffer-
feitung. 2) Stadt in der Grafichaft Kings in der
irifchen Prov. Leinfter; bedeutende Yeinenmweberei;
auf dem Markte eine Bildſäule des Herzogs von
Cumberland; 5200 Em.
Birostratus — Bijampappel.
len. In der Näbe ihrer Mündung ift das Schladht-
feld von St. Jalob.
Birfchen (Birfen) u, Zufammenjegungen, ſ.
Bürſchen.
Birſe (Birze), Stadt im Kreiſe Ponewjeſch
des ruſſiſchen Gouvernements Kowno; 3 Kirchen
verſchiedener Confeſſionen; ſchönes Schloß; 2300
Ew., meiſt Juden. Hier 9, März 1701 erneu—
ter Mllianzvertrag zwiſchen Beter dem Großen
von Rußland und König Auguft dem Starten
von Polen.
Birsf, Kreisftadt im ruf. Gouv. Ufa (jeit
1782), in bergiger Gegend, am rechten Ufer der
Bielaja, an beiden Seiten des Flüßchens Solyha;
unregelmäßig gebaut; 3 Kirden, 1 Kreis⸗, 1
Pfarrſchule; mehrere Fabriken; 3840 Em.
Birs Nimrud, die Ruinen des Baalstenıpels
zu Babylon; f. u. Babylonifcher Thurm.
Birftein, Marttfleten im Kreiſe Gelnbauien
des preuß. Regbez. Kafjel, an der Bracht; Reſi—
ba hie des ‚zürften von Iſenburg; 1100 Em,
irthelm (Birthalmen), Marttfieden im fie
benbürgiihen Stuhl Mediafh; Superintendent
Angsburgiiher Confeſſion für ganz Siebenbür-
gen; vorzüglicher Weinbau (Herrenkatze); 3383 €,
Biruptilis (Bot.), auf 2 Seiten beritend.
Birze (Bırzi), Stadt, fo v. w. Birfe,
Bis (fat.), zweimal; in Zulanmenjegungen
häufig bi; bei Muſikſtücken Wiederholung einer
nur einmal gejchriebenen Stelle.
Dis, Hippolpyt, franz. Dramatifer, geb. 29.
Aug. 1789 in Douai; fi. 7. März 1855 in Paris;
er ſchr.; Attila, Johanne von Flaudern u. a,
Dramen, auch mit Jouy den Text zu Roſſinis
Wilhelm Tel.
Biſacquino, Stadt im Bezirke Corleone der
italienifshen Provinz Palermo; Hoipital; Yeinen«
weberei; in der (bemeinde 9128 Ew.
Bifam, 1. Moſchus.
Bifambod, 1) Art ver Bodtäfer; ſ. d. 2) So
vd. w. Moichustbier,
Dijamente, j. u. Ente.
Biſamfelle, Felle der Biſamratte.
Biſamgünſel iſt Ajuga Iva Schreb.
Biſamhirſch, ſo v. w. Moſchusthier.
Biſamkatze, jo v. w. Zibethkatze.
Biſamkörner, ſ. Hibiscus Abelmoschus L.
Biſamkraut iſt Adoxa Moschatellina L.
Biſamochs (Ovibos Blainve), Gattung aus
der Familie der Rinder; Stirn flach; Schnau-
zenjpige bis auf eine Heine Stelle zwiſchen den
INajenlöhern behaart; Hörner mit der breiten
Baſis zujammenftehend, abwärts gefriimmt, mit
aufwärts gebogener Spige; Haut mit langem
Birresborn, Dorf im Kreiſe Prüm des; Haarkleide, in welchem der Schwanz verftedt bleibt.
preuß. Negbez. Trier, an der Eifelbahn; Mühl-| Der nordamerikaniſche B.
(0.
moschatus
jteinbrüche,; Tohlenfaures Natron als Hauptbe- Blainv.) hat einen Budel, bis auf die Erde hän—
kandtheil
Quelle; 990 Em.; dabei
enthaltende, an Kohleniäure jehr reiche gende Haare u. kurzen, haarigen Schwanz; wird
der Brubbeldries,)2 ın lang; lebt in den fälteften Gegenden NAme—
eine Art Mofette, aus der kohlenſaure Gaje ent-|rifas, in den Steppen der Hudjonsbai, von 60°
weichen.
n. Br. bis zur Melville-Inſel, aber nicht auf
Dirs, 66 km langer, linksſeitiger Nebenfluß| Grönland, dagegen auch wetl. vom Rochgebirge
bes Rheines in der Schweiz; entipringt im Kan»
ton Bern auf dem Jura, beim Paſſe Vierre
Pertuis, durchſtrömt das Münfter» u. Yaufenthal
u. mündet oberhalb Bafel; er ift reich an Forel⸗
‚häufig u. truppweiſe; Hettert gut, riecht ftarf
nah Biſam, wonach jein Fleiſch auch fchmedt.
Die Wolle ift feiner als beim Bifon, Thome.”
Bijampappel ift Hibiscus Abelmoschus L.
Bijamratte
Ha fo v. mw. Zibethratte; f. d.
Bifamroje, Rosa moschata Mill.
Biſamſchwein, ſ. Pelari.
Biſamſpitzmaus, |. Rüſſelmaus.
Biſamſirauch, Hibiscus Abelmoschus L.
Biſamthier, ſ. Moſchusthier.
Biſamziege, ſ. Moſchusthier.
Biſanagar, Stadt auf der Halbinſel Gu—
dſcherat; bedeutender Tranſithandel u. Baum—
wollen⸗Induſtrie; 18,000 Ew.
Biſazza, Felice, italieniſcher Dichter, geb. in
Meifina 29. Jan. 1808; wurde 1851 Profeſſor
ber Literatur an der Univerfität Meffina u. ftarb
daſelbſt 1867. Er verſchaffte den Anfichten Augquft
Wilhelm Schlegels in feiner Heimath Verbreitung
u, jchrieb ein Memoire iiber die Romantil, 1833;
Leggende e ispirazioni, 1841; Fede e dolore;
La notte u. L’acqua, 1863; Dante a Ravenna,
7 Auflagen, Sei dipinti, 1866; Trionfo di
Scipione, 1867; auch liberjegte er S. Geßners:
Der Tod Abels u. die Offenbarung Johannis in
italieniiche Verſe, 1837.
Biscaino, Bartolomeo, Hiftorienmaler n.
Nadirer in Genua, geb. dafelbft 1633, geft. 1657
_ ebenda, Sohn des Landicaftmalers Johann
Andreas B. An feinen Arbeiten wird namentlich
vie edle Erſcheinung der Geftalten, das mohl-
thuende Colorit u. die geiftvolle Behandlung ge-
rühmt. Hauptwerfe: Der Hl. Ferrand vor dem
Throne Mariä, in S. Spirit in Genua; eine
Beichneidung Chrifti, Anbetung der Könige und
Ehebrecherin, in der Dresdener Galerie. In fei-
nen Radirungen bewährt er ſich als ficherer Zeich"
ver u. tüchtiger Componift. Regnet.
Biseära, |. u. Biskra.
Biscayijches Meer (Biscayiiher oder Aqui—
tanischer Meerbuſen), Theil des Atlantifchen Diee-
res an der buchtenreihen Küfte der basischen
Provinzen Spaniens u. der füdmeftl, Küſte von
Frankreich; die Flüffe Bidaffoa, Bilbao, Adour zc.
ftrömen ihm von den Cantabriſchen Gebirgen u.
Pyrenäen, die Garonne von Frankreich zu.
Bifceglie (Biscegli), Stadt in der ital. Prov.
Bari, Bez. Barletta, am Adriatifhen Meere u, der
Eijenbahn nach Brindifi (lleberlandsroute); Bischof;
Hafen; Handel; in der Umgegend Dliven-, Getreide:
u. Weinbau; im Gemeindebezirfe 21,371 Ew.
Biſchariba (Biiharin), ein Stamm in Nus
bien, welder eine Abtheilung des Volleg der
Bediha (f. d.) bildet und, 200,000 Köpfe ftarf,
das ganze, von ihnen ſelbſt Edbat genannte wiifte
Land von 23—15° n. Br. ald Nomaden durch—
wandert. Ihre Farbe ift dunkelbraun, faft Schwarz,
ihre Gefihtszüge find durdaus nicht negerartig,
fondern fanft, angenehm, ſelbſt edel u. europäiſch,
ihr Gharafter mild u. gutmüthig, ihr Wuchs vor-
14. Der Hauptſitz der B. iſt der Dſchebel
Elba. Die Sprache der B., das Bedſchari, wird
vom Rothen Meere bis zum Nil u. bon der
SGrenze Agyptens bis Suafım gefproden u. ge»
hört zu den hamitifchen Spracden.
Bilceari, eine Kafte in den brit.-oftindifchen
— Biſchof. 463
zu den Schmelzfchuppern gehörenden Fiſchfamilie
der Flöſſelhechte; 50 cm lang; Kopf abgeplattet, mit
weiter, endjtändiger Mundfpalte, über deren oberem
Rande 2 Barteln fiten; Kiefer mit Hafen- od. Bor»
ſtenzähnchen bewaffnet; 2 von knöchernen Klap-
pen bededte Spritlödher find vorhanden; Neben-
tiemen fehlen; Schuppen hart, mit Schmelzdede
(Ganofdihuppen), glatt u. rhombiſch; eigenthüm—
ch ift die große Anzahl von 8 bis 16 getrennten
Niüdenfloffen, deren jede aus einem Stadel u.
aus einem am deſſen binterer Seite befeftigten
Flößchen von gegliederten Strahlen befteht; jehr
complicirt ift die imnere Höhlung der Nate, in
welcher fih ein Labyrinth von fünf bäutigen pa»
rallelen Nafengängen entwidelt; die Schwimme
blafe beitebt aus 2 feitlihen, ungleich großen
Säden u. mündet an der Bauchfeite des Schlun-
des; grün, jchwarzfledig; im Nil. Thome.
Biſchof, Getraͤut, durch einen Aufguß von
rothem Wein auf zerſchnittene friſche Pomeranzen
(nicht aus Treibhäuſern), oder auch nur die Schale
davon, mit Zufag von Be bereitet, Man trinkt
ihn meift falt, nahdem man von dem kalt auf:
gegoffenen Weine mehrere Stunden lang die
Pomeranzen hat ausziehen laffen. Schneller bereitet
man ihn aus Biſchofeſſenz, einem Auszuge der
kräftigſten Theile der bitteren Pomeranzen mit
votbem Wein, den man vorher bis zu einem ge-
wiſſen Maße einlochen läßt. Man rechnet 4 Effenz
auf eine Flaſche Wein, um guten B. berzuftellen.
Bifhofertract erhält man durch Ablochen der
Pomeranzen mit Waffer, durchgefeiht und mit
Zuder zu Syrupsdide eingeloht. Das Getränt
erregt im größerem Maße genoffen Kopfihmerz.
ifhhof (v. gr. episkopos, Aufſeher), 1) Vor-
jteher einer chriftlihen Gemeinde, im N. T. das»
jelbe mit den Presbptern, nur mit dem Unterjchiede,
daß dieſes diefelben Perfonen als Vertreter der
Gemeinden, jenes als Auffihtsperional über die
Gemeinden bezeichnet. Die monarchiſche Stellung
des Epiffopats im Unterfchiede vom Presbyterat
bildete ſich erſt allmählich im Gegenfage gegen die
Spaltung der. Gemeinden dur die guoftifchen
Irrlehren aus, u. iſt, wie die Ignatianiſchen Briefe
zeigen, erſt mit Ende des 2, Jahrh. fertig vor:
banden. IL An der Römiſch-Katholiſchen
Kirche ift der Bischof der geiftliche Vorfteher eines
Kichhenbezirfes, u. zwar gelten bier die Biſchöfe
nach der Yehre der Kirchenväter ald die Nachfolger
der Apoftel u. Erben ihrer von Ehrifto erhaltenen
Gewalt, gejegt von dem Heiligen Geifte, die Kirche
Gottes zu regieren. Der Epifkopat ift als Amt,
wie der Apoftolat, eine unmittelbare göttliche Eins
ſetzung. Paulus beftellte den Timotheos zu Ephe—
jo8, den Titus zu Kreta u. ertheilte ihnen die
Vollmacht, Presbyter oder Altefte zu weihen u.
die Gemeinde zu regieren, eine Vollmacht, weiche
eine höhere (indeß aus dem Teſtament nicht er-
weislihe) Gewalt von ihrer Seite vorausfekt,
Die Biſchöfe zufammengenommen, in Berbindung
mit dem Primat (Papit) nady dem fog. Epijto-
paljyftem, in der Unterordnung unter ihn nad)
NWProvinzen, melde ſowol brahmaniſche, als dem jeit der Unfehlbarfeitsertlärung 1870 herr—
mohammedaniihe Gebräudye beobachtet u. ſich des
Fleifches u. der geiftigen Getränte enthält.
Biſchir (Polypterus Bischir Geoffr.), Art derifie, foweit dies mit der feit 1870 feſtgeſtellten
ſchenden Papalſyſitem, machen das Subject der
Kirhengewalt aus. In ihren Diöcefen regieren
464
Biſchof.
abſolut · monarchiſchen Stellung des Papſtes ver-;tät bei der Biſchofswahl iſt folgende: nachdem
einbar iſt, die Kirchen als ſelbſtändige Hierarchen
(jure proprio) u. nicht als Stellvertreter des
Papſtes (jure vicario); ihre Amtsgewalt ift nicht
precär, fondern ftabil u. ordentlich mit ihrem Amte
verbunden, daher fie auch Ordinarii heißen. Die
Rechte u. Pflichten der Biſchöfe befteben in Fol—
gendem: Rückichtlich ihrer Rechte u. Pflichten ber
inneren Gerichtsbarfeit (Jura jurisdietionis), find
fie eigentlihe Seeliorger u. Yehrer der Diöcefe
(die Biarrer nur ihre Stellvertreter u. Gebilfen);
fie haben das Recht, allentbalben in derielben die
Geihäfte der Seelforge auszuüben, das Wort
Gottes zu verfündigen, u. find dazu, außer bei
einem rechtmäßigen Hinderniffe, nach Vorſchrift
des Tridentiner Goncils im eigener Berjonperbunden,
die Ordnung des Gottesdienſtes zu leiten, die
Sacramente anszufpenden, Abläffe zu ertheilen u.
gewiffe Sündenfälle (Casus reservati) zur Los—
ſprechung ihrem Forum vorzubehalten. Die Rechte
u. Pflichten in Bezug auf Geſetzgebung u. äußere
Gerichtsbarkeit beftehen in der Macht, Diöcejan-
verordnungen zu erlaſſen, Diöcefanconcilien aus—
zuſchreiben, kirchliche Vergehungen zu ſtrafen, von
der klirchlichen Gemeinſchaft auszuſchließen, zu ex—
commmmiciren, die Oberaufſicht über die Kirchen-
zucht, die Sitten des Klerus, die Beſetzung u.
Berwaltung der geiftlihen Amter u. Beneficien,
die Berwendung der Kirchengüter zu führen u.
die Diöceje zu vifitiren. Zu den Functionen der
biihöflihen Weihe (Jura ordinis) gehört das
Sacrament der Firmung u. der Priefterweibe, die
Weihe des heiligen Ols oder Ehrifams, der Kir:
hen, Altäre, beiigen Gefäße, Gottesäder, die
Benedicirung der Abte u, Abtiſſiunen. Der Wirf«
ungsfreis der Biſchöfe ift jetzt von den Staaten
jehr eingefchräntt; in vielen Ländern Europas ift
der Epilfopat auch um die ehemals reichlichen
Dotationen gelommen, u. der deutjche, der meijt
aus fouveränen Reichsiürften beftand, faft ganz
zertrümmert (vgl. Säcnlarijation), fein Einkom—
men u. Anjehen jehr gemindert. Es gibt aud)
Zitnlar- Bischöfe, Weih- Bischöfe (Biſchöfe in parti-
bus infidelium), welche zwar wirkliche Biſchöfe
find, aber feine Diöcefen haben, fondern nad
ehemaligen fatholifyen Bisthümern, die aber jetzt
in den Händen von Nicht-Ehriften oder anderen
Eonfeifionsverwandten fich befinden u. wo daher
feine Bilchofsfige mehr find, bemannt werden.
Suffragan-Bijhöfe werden die wirklichen
Didcefan-Bifhöfe in ihrem Verhältniſſe zu dem
Metropolitan genannt. Für den Fall dauernder
Krankheit od. Altersihwäcde erhält der B. einen
Coadjutor, welder, fo lange er die biichöfliche
Weihe noch nicht empfangen hat, Episcopus designa-
tus heißt. In der alten Kirche ftand die Wahl der
alle Wahlberechtigten eingeladen find, hält der
Propft oder Dechaut des Capitels die Mefie de
spiritu saneto vor den Berfammelten; hierauf
geichieht die Wahl entweder quasi inspiratione,
mern jofort alle Mitglieder übereinftimmen, oder
per compromissum, indem die Wähler ihr Wahl-
recht auf einen oder mehrere Eollegen übertragen,
od., was die jetst übliche Form ift, per scrutinium,
durch geheime Abftimmung. In beiden legteren
eg ift abjolute Stimmenmehrheit erforderlid.
Jetzt wird in einigen Ländern, wie in Bayern,
‚jzranfreih, der B. vom Pandesherrn ernannt
u, vom Bapjte beftätigt (Nominatio regia); nad
anderen Goncordaten, wie in Preußen, wählt das
Capitel, u. der Yandesherr hat das Beftätigungs-
oder Vermwerfungsreht. Die päpftlihe Beſtätig-
ung (Eonfirmation) erfolgt nur auf eine vor
ausgegangene Unterfuchung, Snfermativproceh,
am Orte des Gemählten, wobei es fih darum
handelt, ob derſelbe die nöthigen Dualificationen
befige, namentlich das gebörige Alter (jegt wenig»
ftens 30 Jahre) u. das Jndigenat, u. einen De
finitioproceß durch das Eardinalcollegium in Rom.
Nah erlangter Betätigung erhält der neue B.,
gefetslih fpäteftens 3 Monate nach erfolgter Be»
fätigung, von einem B., meift einem Erzbiichof,
in Gegenwart zweier anderen Biichöfe oder infus
lirten Abte, nah dem im römiſchen Pontificale
vorgefchriebenen Ritus die Conjecration; dabei
legt der zu Weihende zunähft dem Landesherrn
den Eid ab, verpflichtet fih dann gegen den Papft
u. unterfchreibt das Glaubensbekenntniß; nachdem
ihm hierauf die bifhöflihen Inſignien (f. unten)
überreicht worden find, folgt die Übergabe der
feine Einjegung betreffenden päpftlihen Bullen u.
Breven u. die Befigergreifung des biichöflichen
Stuhls (Inthroniſation). Den Schluß bildet ein
Umzug durch die Kirche u. die Ertbeilung bes
Segens dur den Eonfecrirten an die Berfam-
melten.
Im Allgemeinen hat aud die Altkatholiſche
Kirche die katholiſche Lehre vom Epillopat (und
Primat), vorläufig wenigſtens, beibehalten. Wie
die Katholische Kirche, hebt auch fie in dem B.
den Nachfolger der Apoftel u. hält ald weſeuntlich
daran feit, daß die Übertragung des Heil. Geiftes
von den Apofteln auf die Bifchöfe im einer un—
unterbrochenen, continuirlihen Reihe ftattgehabt
habe. Nur hat die Altlatholiſche Kirche darın den
Ausweg gefunden, daß fie die Biichöfe von Utrecht
noch heute als Stellvertreter der Apoftel erachtet
u. daß fie es als eine unumterbrochene Weiterüber-
tragung darin gefehen hat, daß ein B. ven
Utrecht den Heiligen Geift auf den erften altlatho»
liſchen Biſchof Dr. Reintens übertrug. Im Üübri—
Biſchöfe dem Klerus u. Boll gemeinſchaftlich zu, gen würden freilich nad altlatholiſcher Auffaſſung
ſeit dem 5. Jahrh. meiſt erſterem allein, zuletzt die Rechte des Epiſtopats durch vielfache Mitwir
nur durch das Capitel repräſentirt, während in kung ber Laien beſchränlt werden, u. eine Kir
den germanischen Reichen u. im Franlenreiche bie|chenverfaffung angebahnt, in meldher das Amt
Wahl u. Inveſtitur mit Ring u. Stab durch dieldes B⸗s fi wieder mehr den Zuftänden der frü-
Könige üblich, übrigens nah dem Inveſtiturſtreite heren Ehriftlichen Kirche näherte.
dur das Wormfer Eoncordat 1122 auf Erwähl- der Biichöfe od. das
mütze (Inful, Mitra), eine hohe, in 2 Theile ger
ung in Gegenwart des Kaifers oder feiner Ge—
fandten u. Belehnung mit den Regalien durch
das Scepter eingefhräntt wurde. Die Formali-
Die Fnfignien
iſchoſsornat find: die B-8-
jpaltene, oben fpitige, oft mit Edelfteinen- u. Per«
len bejette, hinten mit zwei über den Naden
Biſchof — Bildoff.
herabhängenden Bändern verjehene Mütze von
verjchiedener Farbe; der Bifchofsftab (Krummftab,
Pedum), ein etwa 5 Fuß langer, oben gefrümm-
ter u. mit Laubwerk u. dgl. verzierter Stab, von
Silber oder Gold, zumeilen mit Edelfteinen beſetzt.
Symbol der oberhirtlihen Gemalt; ein goldener
Fingerring (Paftoralring, Anulus pastoralis),
zum Beihen der Bermählung mit der Kirche,
wird am rechten Zeigefinger getragen; eim Kreuz
auf der Bruft (Pectorale); Handihuhe; Schuhe
(Sandalia); das Pallium, eine weiße mollene
Binde über dem Ornat u. um die Schultern ge-
tragen, mit einem etwas längeren Ende über der
Bruft, mit dem anderen iiber dem Rüden hängend
(f. u. Ballium). Wenn der B. während des Gottes»
dienftes auf dem B-sftuhl fitt, liegt auf feinem
Schoofe ein ſeidenes Tuch (Gremiale).
Unter den Proteftauten ift die Meinung
über die Nothwendigleit u. Gewalt der Biichöfe
etheilt. Einige, bef. die Anglicanijhe Kirche
die daher auch die Biſchöfliche oder Epijlopal-
Kirche genannt wird), behauptet gleich den Katho-
lilen, daß der Epiftopat ſchon von den Apofteln
eingejegt und daher die biihöflihe Gewalt gött«
fihen Urfprunges fei, insbeiondere Pie anglicani-
ſchen Biſchöfe kraft ordentliher Succeffion recht
mäßig die Kirchengemalt innehaben; Andere, wie
die Lutheraner u. Calviniften, glauben, daf
die Biichöfe erft nah der Zeit der Apoftel in
Hriftlihen Gemeinden angeordnet worden, da die
Epiffopen im N. T. zunächft nur Kirchenvorfteher
gemejen, denen jedoch bald das Lehramt, bald die
Aufficht übertragen worden fei, u. daß auch erft
in der 2. Hälfte des 1. Jahrh. Bifchöfe vorlämen.
Sie halten daher Biichöfe nur für eine menſch—
liche, wol aber für eine nützliche Einrichtung, bei
welcher die Kirche, wenn den Biſchöfen mur ge
hörige Schranken geitellt würden, wol beſtehen
könne. Sie fegen daher entweder, wie in Schmwe-
den, Norwegen u. Dänemark, wirkliche Bi—
ſchöfe ein, oder laffen die Gewalt des B-$ durch
den Landesherrn (Summepifcopus) ausüben, mwel-
her fie wieder ganz oder theilmerfe an Confifto-
rien, Generalfuperintendenten, Superintenden-
ten xc. überträgt (Biichöflihes Recht). Unter
riedrich Wilhelm III. war in Preußen der Name
. ein Titel für die erften proteftantiichen Pros
vinzialgeiftfichen od. Generaliuperintendenten. Sonft
gab e8 in Deutihland noh 2 Titular-Bijchöfe
anderer Art, nämlih den B. von Lübeck u. (mo
er jedoch mit einem fatholifhen B. abmwechielte)
den B. von Osnabrück. Sie waren wahre Reidhs-
fürften, ohne befondere geiftlihe Gewalt, die aus
den Domcapiteln jener Stifter gewählt wurden, Die
Kleidung der proteftantiihen Biihöfe pflegt die
anderer Geiftlichen ihrer Neligionspartei zu fein.
Die Biihöfe der Griechiſch-KatholiſchenKirche
werden jetst von den Erzbiichöfen ernannt u. aus den
Mönden gewählt. Sie müſſen daher ſtets unver-
heirathet fein. Ihre Sprengel find fehr Hein u.
ihr Anſehen geringer, als das der römifch-fatho-
liſchen Bilhöte, Früher wurden auch die Borger
festen nicht » hriftliher Religionsverwandter Bi-
ſchöfe genannt; jo hatten die englifhen Juden
unter den normänniſchen Königen einen B., und
in mehreren Urkunden tft von Anden-Bilhöfen
Vierers Univerfal:Gonverfations:feriten. 6. Aufl.
II. Band.
465
zu Mainz und Worms die Rebe. Bl. Schul
biſchof. Loffler.* Bezolb.*
Biſchof. 1) Karl Auguſt Leberecht, geb.
1762 in Neuhauſen im Sächſiſchen Erzgebirge;
war erſt Rector in Fürth er ſtarb in Münden
1814, wo er feit 1813 im Staatsihuldentilgungs-
burean gearbeitet hatte. Er jchr.: Lehrbegriff der
fosmologiihen u. anthropologiihen Wiſſenſchaften,
Franlf. 1791, n. W,, 1796; Unterhaltungen aus
der Naturgeſchichte, Fürth 1791, 3. A. 1808;
Phyſilkaliſch⸗technologiſches Handbuch, Nürnb. 1791,
2 Theile; Borlefungen über die mathematijhe u.
phyſilaliſche Erdbeſchreibung, Fürth 1796, 2 Bbde.,
n. A., 1814. 2) Karl Guſtav, berühmter Nas
turforiher, Sohn des Bor., geb. 18. Jan. 1792
in Wörd, einer Borftadt von Nürnberg; ftudirte
Naturwiſſenſchaften in Erlangen, wurde 1815 Pri-
vatdocent u. 1819 Brofeffor der Chemie zu Bonn,
auch Director des chem. Laboratoriums und des
technolog. Cabinets; er fi. 30. Nov. 1870 zu Bonn.
B. ift der Begründer einer wifienichaftlichen
Geologie und arbeitete, unterftügt durch Chemie
und Erperimentalphyfil, unermüdlih daran. Er
Ihrieb mit A. Goldfuß: Phyſilaliſch- ftatiftiiche
Beichreibung des FFichtelgebirges, Nürnb. 1817,
2 Bde.; Lehrbuch der Stöchiometrie, Erl. 1819;
mit Nees v. Efenbed u. Rotbe: Die Entwidelung
der Pilanzenfubitanz, 1. Theil, ebd. 1819; Lehr-
buch ver reinen Chemie, Bonn 1824, 1. Bd.;
Die vulcanifshen Mineralquellen Deutſchlands u.
Frankreichs, 1825; Die Mineralquellen von Rois-
dorf, 1826; Die Wärmelehre des Innern unſeres
Erdförpers, Lpz. 1837, daflelbe vermehrt u, ver-
beijert als Phys., chem, and geol, researches on
the internal heat of the globe, Yondon 1841;
Meömoire sur l’aörage des mines, von der Afade-
mie zu Brüffel gefrönte u. veröffentlichte Preis»
ſchrift, 1840; Lehrbuch der chemiſchen u. phyfila-
lichen Geologie, 1847 biß 1855, 2 Bde., 2. 4,
1863—66, 3 Bde, mit Supplementband 1871,
engl. von Paul u, Drummond, Fond. 1854—59;
Populäre Briefe über die Ayrren Gebiete der
Naturwifienichaften, 1848 bis 1849, 2 Bde.; be»
forgte auch mit Schweigger die Nedaction des
Journals für Chemie u. Phyfit vom 21. Bde.
an. Zahlreiche Aufiäge in Zeitſchriften.
Biſchoff, 1) Chriſtoph Heinrich Ernft,
Mediciner, geb. 14. Sept. 1781 in Hannover;
tudirte in Jena u. Berlin Medicin, wurde 1804
Profeffor der Medicin in Berlin am Collegium
med.-chirurgicum, 1808 Kreisphyſikus in Bar-
men und, nachdem er 1813 als Generalftabsarzt
den Feldzug gegen Frankreich mitgemacht, 1818
Profeffor der Staatsarzneilunde u. Heilmittellehre
in Bonn; erft.5. März 1861. B. jehr.: De usu
galvanismi in arte med. Jena 1801; Darftelung
der Gallihen Gehirn- und Schädellehre, Berlin
1805 f., 2 Thle.; Über das Heilmejen der deut-
ichen Heere, Eiberf. 1815; Die Lehre von den
chemiſchen Heilmitteln, 1825—31, 3 Bde, mit
Snpplementen 1834 u. 1840, 2. Aufl., 1838—40;
Einiges, was den deutſchen Umiverfitäten noth
thut, 1842—48, 2 Bde.; Randbemerlungen über
Medicinalreform, 1850; Das Bedürfniß und die
Grundzüge der Urzmeimittellehre, Bonn 1856;
Verhältmiß der Medicin zur Chirurgie, Bonn 1842.
30
466
2) Georg Friedrich, Mufiler, geb. 1780 in
Elrih am Harz; war feit 1803 Gantor in Franken⸗
haufen u. wurde dur die großen muſilaliſchen
Aufführungen zu Franfenhaufen (1804), Erfurt
(1808) zc., wozu eine Menge Tonkünftler u. Lieb»
baber fich einfanden, Urheber der deutichen Mufit-
fefte; er war feit 1816 Mufifdirector an ber
evangeliihen Schule in Hildesheim, befundete fort-
während eine rege Theilnahme an den Mufil-
feften, von denen eines für ihm verbängnißvoll
wurde. Auf der Reife zum 7. Elbmufiffefte in
Magdeburg wurde er dur Sturz des Wagens
ſchwer verletst, zog fi) eine dauernde Kränklich-
feit zu u. ft. 7. Sept. 1841. 3) Ludwig Fried»
rich Ehriftian, Philofopb und muſik. Kritiker,
geb. 27. Nov. 1794 zu Deffau, Sohn des Violon-
celliften Johann Karl B.; ftudirte Philologie in
Berlin 1812, machte die Freiheitskriege 1813 bis
1815 mit, wurde 1818 Profeſſor in Narau, 1819
Studieninfpector in Hofwyl, 1821 Profeflor am
Werderiben Gymnafium zu Berlin, 1823 Gym—
nafialdirector in Weiel u, trat 1849 ins Privat-
leben. Zunächſt zog er nah Bonn, 1853 nad
Köln, gründete 1850 die Rheiniſche Mufilzeitung
(Köln, bei Schloß), 1853 die Niederrheinifche
Mufifzeitung (dafeibft bei Dumont-Schauberg) u.
lieferte regelmäßig Mufitreferate in die Köln. Ztg.
Seine Arbeiten zeichnen fih durch Griümdlichkeit|i
u. ariftvolle Darftellungsweife aus; fein mufifa-
ws Urtheil batte in den Nhbeinlanden einen
bevertenden Einfluß. Er überjette Oulibicheff,
Beethoven, ses eritiques et ses glossateurs, Lpz.
1859, Er ft. 24. Febr. 1867. 4) Ignaz Ru-
dolf B., Edler v. Altenftern, Mediciner, geb.
1784 in Kremsmiünfter in Ober-Ofterreih, wurde
1812 Profeffor der Therapie u, 1816 erfter Arzt
am allgemeinen Krantenhaufe in Prag, 1825
Profeffor der Klinik, Pathologie u. Therapie in
Wien u. 1836 geadelt; er trat 1849 in Ruhe—
ftand u. fl. 1850. B. ſchr.: Beobachtungen über
den Typhus, Prag 1815; Die hroniihen Krank:
beiten, 1817; Antchten über das bisherige Heil-
verfahren zc, der homöopathiſchen Kranfheitslehre,
ebd. 1819; liber den Nuten der Kubpodenim-
pfung, 1821; Grundſätze der praftiichen Heiffunde,
ebd. 1823—25, 3 Bde, 2. Aufl, 1830; Grund»
fäge zur Erkenntniß und Behandlung der Fieber
u. Entzündungen, ebd. 1823, 2. A., Wien 1830;
Grundfäge zur Erkenntniß und Behandlung der
chroniſchen Krankheiten, ebd. 1830, 1 Bd.; Grund-
ziige der Naturlehre des Menjchen, ebd. 1837 bis
1839, 4 Abth.; Die häutige Bräune zc., 1837;
Über die Lungenſchwindſucht, 1843; Uber Bergift-
ungen, 1844 u. m. a. 5) Gottlieb Wilhelm,
berühmter Botaniter, geb. 1797 zu Dürkheim a.
d. Hardt, widmete ſich erft der Malerei, aber feit
1821 in Erlangen der Botanik. Nachdem er 1822
in Münden mit Martius an deffen Pflanzenmwer-
ten über Braftlien gearbeitet hatte, ging er 1823
nach Heidelberg, wo er fi 1825 als Privatdocent
habilitirte u. 1839 Profeſſor u. Director des Bo-
taniichen Gartens wurde; er ft. bier 1. Sept.
1854. Mit feinen botaniſchen Studien verband er
bef. mitroflopishe Beobachtungen. Er ſchr.: Die
botanische Kunſtſprache in Umriffen, Nürnb. 1822;
De plantarum praesertim eryptogamicarum trans-
Biſchoff.
itu et analogia, — — 1825; Die kryptoga⸗
miihen Gewächſe, Rürnb. 1828, 2 Lief.; Grund»
ri der mediciniſchen Botanik, Heibelb. 1831;
Lehrbuch der allgemeinen Botanik, Stuttg. 1834
bis 1839, 3 Bde.; Mediciniſch-pharmaceutiſche
Botanif, Erl. 1843, 2. Aufl., 1847; Handbuch
der botaniihen Terminologie und Syſtemkunde,
Nürnb, 1833—44, 3 Bde.; Wörterbuch der bes
jchreibenden Botanik, Stuttg. 1839; Die Botanif
in ihren Grundriffen und mad ihrer Biftorifchen
Entwidelung, Stuttg. 1848; er vollendete auch
die Bearbeitung von Guibourts Pharmacentifcher
Waarenkunde, Nürnb, 1823, 2 Thle. 6) Fried»
rich Wilhelm, Rechtsgelehrter, geb. 1804 in
Halberftadt; ftudirte Die Hechte in Halle u, Berlin,
wurde 1829 Referendar u. 1834 Kammergerichts-
affeffor in Berlin, 1835 Hilfsarbeiter im Mini-
jterium für Geſetzgebung u. die Juſtizverwaltung
der Rheinprovinz u. arbeitete feit 1840 aud im
Staatsrathe; 1838 ward er Landesgerichtsrath u.
1848 vortragender Rath im Juſtizminiſterium,
in welcher Stellung er die Entwürfe zum Strafe
gefegbuche von 1851 m. über das Concursverfab-
ven von 1855 vornehmlich bearbeitete u. fib um
Verbefjerung des Gefängnißweſens Verdienſte er-
warb; aud war er Referent bei der zur Beratb-
nn über ein deutiches Handelsgeſetzbuch 1857
in Nürnberg verfammelten Eonferenz, wo der von
ihm bearbeitete Entwurf zu Grunde gelegt wurde.
Er fl. 11. Juli 1857. 7) Theodor Yudmig
Wilhelm, verdienter Anatom u. Phyſiolog, Sobn
von B. 1), geb. 28. Oct. 1807 in Hannover;
ftudirte feit 1826 in Bonn u. — Medicin
u. Naturwiſſeuſchaften, übernahm 1832 die Aifi«
ſtentenſtelle am der Berliner Univerſitätsentbin⸗
dımgsanftalt u. wurde 1833 Privatbocent an der
Univerfität Bonn, wobei er fi mit der fpäter
unter dem Titel: Beiträge zur Lehre von den
Eihüllen des menſchlichen Fötus im Drude er
ſchienenen Habilitationsihrift ehrenvoll in die
wifjenichaftliche Welt einführte. 1835 als Docent
der vergleichenden u. pathologischen Anatomie nad
Heidelberg berufen, wurde er dort 1836 anfer-
ordentlicher Profeffor, ging als Ordinarius der
Vhnfiologie 1843 nah Gießen, übernahm im
nächſten Fahre auch den Lehrſtuhl der Anatomie u.
erhielt 1855 einen Ruf für beide Wiſſenſchaften nad
Münden, dem er folgte. B. hat namentlih im
die Entwidelungsaefhichte epochemahend einge»
griffen und bier Vieles Margeftellt, jo daß feine
Arbeiten noch auf lange hinaus muftergiltig bleiben
werden. Zu diefen gehören: Entwidelungsgeichichte
des Kanincheneies, Braunſchw. 1843, eine von der
Berliner Akademie gefrönte Preisichrift; Entwide-
Iungsgejhichte des Hundeeies, ebd. 1844; Beweis
der von der Begattung unabhängigen periodiihen
Reifung der Eier der Säugethiere u. Menfchen,
Gießen 1844, worin einer der Hauptſätze ber
Zeugung niedergelegt wird; Entwidelungsgeihichte
des Meerſchweinchens, Braunihm. 1852, und des
Rehes, Gießen 1854. Die Ergebnifje feiner durch
Liebig angeregten Forihungen über den Stoff
wechſel finden fih in der Schrift: Der Harnftoff
als Maß des Stoffwechſels, Gießen 1855, die
jeiner meiteren phyſiologiſchen Unterſuchungen,
melde er namentlich mit Boit anjtellte, in: Die
Biihöflihe Monate — Biſchofswerda.
467
Geſetze der Ernährung der Fleiſchfreſſer, Leipzigj@urialiyftem, Nah dem "erften, älteren, ver-
1859, niedergelegt. Für feine Arbeiten auf dem
Gebiete der vergleichenden Anatomie zeugen: liber
die Verſchiedenheit in der Schädelbildung des Go-
rilla, Schimpanfe und Orang⸗Utang, nebft einer
Bemerlung über die Darwiniche Theorie, Münd.
1867; Die Großhirnwindungen des Menſchen, ebd.
1368; Beiträge zur Anatomie des Hylobates
leueiscus und zu einer vergleichenden Anatomie
der Muskeln der Affen und der Menichen, ebd.
1870, Es fei ferner erinmert an das Gutachten:
Über die Selbftverbrennung, im Anſchluſſe an den
treten befonder3 durch die Neformconcilien des
15. Jahrh. u. den bentigen Altkatholicismus,
übrigens and) ſchon fehr entfchieden im vorigeu
— durch Juſtus Febronius (Pſeudonym, in
irklichleit den Trierer Weihbiſchof von Hont-
heim, De statu ecelesiae) u. die Emſer Puncta-
tionen (1786), hat der Papft die oberfte Kirchen-
gemalt nur, indem er fie mit der Geſammtheit
der Biſchöfe theilt u. den allgemeinen Kirchenver⸗
fanımlungen untergeordnet if. Auf dem Batica-
niſchen Concil 1870 ift endgültig das andere Sy-
1850 zu Darmftadt verbandelten Görlitzſchen Pro⸗ ſtem durchgedrungen, wonach urjprünglic der
ceß. As Schriften praftiihen Inhaltes find noch Papft einziger Inhaber aller Kirchengemalt ift,
anzuführen: Anleitung zum Geciren, München
1857; Führer bei Präparirübungen, ebd. 1873;
Einfluß des Norbdeutichen Gewerbegefetses auf bie
Medicin, ebd. 1871; Studium u. Ausübung der
Medicin durh Frauen, ebd, 1872. Außerdem hat
B. nod eine Menge Beiträge zur Magnusichen
u. Burdachſchen Phyfiologie u. zur Sömmering-
ihen Anatomie geliefert. 8) Joſeph Eduard
Konrad, Piendon. Konrad v. Bolanden, deut:
ſcher Romanfcriftfteller, geb. 9. Aug. 1828 zu
Riedergailbad in der bayer. Rheinpfalz; bejuchte
die Lateinichule zu Blieskaſtel, jpäter 8 Fahre lange
das Eonvict zu Speyer u. bezog 1849 die Iniverfität
Münden. Am 20. Aug. 1852 wurde erzu Speyer
zum Priefter geweiht u. als Domcaplan angeftellt.
Sein Shwähliher Körper konnte jedoch die An-
ftrengungen, welde das bejchwerlide Amt mit
fih brachte, nicht lange ertragen, er ließ fih daher
nach dem Städthen Kirchherimbolanden als Ad—
miniftrator verſetzen. Er fam hier in Berhält-
niffe, in denen fih Katholicismus u. Proteftans-
tismus Schroff gegenüberftanden, und dies ermedte
in ihm die Luſt, die Sache der Röm.-Katho-
liſchen Kirche außer in feinem Amte auch durch
Schriften zu verfechten. Er wählte hierzu die
Form des Romans u, ſchr.: Luthers Brautfahrt,
Regensburg 1857; Franz von Gidingen, ebd.
1859; Die Aufgellärten, Mainz 1864; Guftav
Adolf, ebd. 1867—71; Die Unfehlbaren, ebd.
1871; Canoffa, ebd, 1872; Die Reichsfeinde, ebd.
1874, und vieles Andere. Sämmtliche Romane
tragen ein lebhaftes Eolorit, feſſeln durch gewandte
Darftellung, find aber von einem tiefen Haſſe
— den Proteſtantismus durchdrungen u. er—
en ſich daher nicht über das Niveau der Ten—
denzſchriften. Sie brachten eine außerordentliche
Wirkung hervor u, erzeugten bald eine fo gereizte
Stimmung umter der katholiihen Bevölkerung
SWDeutihlands, daß der Biihof von Speyer
fi veranlaft fah, den Berfaffer ernft zu tadeln
und ihn aufzufordern, von weiteren Beröffent-
lichungen abzufehen. Darauf ging B. nicht ein,
fondern refignirte 1869 auf fein Amt u. lebt feit-
dem, mittlerweile vom Papfte zum Kammerberrn
ernannt, nur noch literarifchen Arbeiten obliegend, ee
in Speyer. 93) Brambach. 7) Thambayn. 8) Salomon. |Inechter B.,
Biſchöfliche Monnte, Monate, in melden
jo daß auch die Gewalt der Biſchöfe u. der Ton«
cilien nur eine von ihm aus übertragene ift, ins»
bef. die Eoncilien nur berathende Bedeutung ba«
ben. Die Partei in der Kathol. Kirche, die unter
oberfter Leitung des Jefuitenordens das Papal«
ſyſtem zur Geltung zu bringen fucht, heißt die
ultramontane. Löffler.
Biſchofsheim, 1) B. vor der Rhön, Stabt
um Bez.-Amte Neuftadt des bayer. Regbez. Unter«
franfen, an der Brent; Landgericht; Steingutfa«
brif, Leinenweberei, gessignigerei; dabei Braun«
fohlengruben; 1470 Em. 2) TZauber-B., Stadt
im badischen Kreiſe Mosbach, an der Tauber;
Amisſitz; quter Weinbau; 2833 Ew. Hier 24. Juli
1866 Treffen zwiichen den preußiichen u. ſüddeut⸗
hen Truppen. 8) Rhein-B. oder B. am hoben
Steeg), Markifl. im Amtsbez. Kork des bad,
Kreifes Offenburg, unfern vom Rhein; ehemalige
Refidenz der Grafen von Hanau-Fichtenberg; Hanfe
bau; 1600 Em. Sieg Moreaus 20. April 1797,
4) Nedar-B., Stadt am Nedar, im Amtsbez.
Sinsheim des bad. Kreifes Heidelberg; 2 Schlöfler;
Hanf: und Weinbau; Pulverfabrif; 1715 Em.
Bifchofsinfeln, die ſüdlichſte Gruppe ber
Hebriden, zu der ſchottiſchen Grafihaft Inverneß
oder Roß gehörig; 2000 Em.
Bifdyofsfoppe, Berg der Subeten bei Zud«
mantel in Ofterr. » Schlefien, mit ausgezeichneter
Fernficht, 835 m hoch.
Biſchofslack (auch bloß Lad), Stadt im Bez.
Krainburg des öfterr. Kronlandes Krain, nahe der
Save u. der Eifenb. Laibad- Billa; Bezirksgericht;
Kapırzinerflofter, altes Schloß; Leinenmweberei;
Zwirn-, Leinwand u. Pferbebandel; 2050 Em.
Biſchofsmütze (Inful, Mitra), Kopfbededung
des Biſchofs (ſ. d.) im Amte, auch der privilegir«
ten Abte. j
Biſchofsmütze, 1) (Bot.) fo v. w. Epime-
dium alpinum Z. 2) (Mitra episcopalis L.) Art
der Mutenfchneden (f. d.).
Biſchofsſtab (Krummftab, Pedum episco-
pale), Stab, den die Biſchöfe (f. Biſchof) ı.
Aebte tragen. —
Biſchofsſtab (Lituus Gmel.,Lituites Breyn.),
aus der Familie der Kopffüßler.
bei Livorno; L. convolvens u. a.
Biſchofsſtein, Stadt im Kreiſe Röflel des
die vacant gewordenen geiftlihen Stellen von den preuß. Negbez. Königsberg; ſchönſte Kirche der
Biſchöfen bejegt werden, im Gegenfage zu den Provinz; Aderbau u. Viehzucht; 3498 Em.
Päpſtlichen u. Fürftlihen Monaten.
Bifofswerda, Stadt im fünigl. ſachſiſchen
ischöfliches Syftem (j. u. Biihof), auch Negbez. Bauten, an der Weſenitz u. der Sädj.-
Epiflopalipftem, im Begenfage zum Papal- oder!
Schleſ. Eifenbahn; wichtige Tuchfabrifation, Töpfe
30*
468
reien, Cigarrenfabrifen; 3924 Em.; Geburts-
ort des Theologen K. * Bahrdt. — B. ſoll
ſchon 1076 vom Meißener Biſchof Benno zur Stadt
erhoben worden fein. Hier wurden 1706 die Prä-
liminarien zum Altranflädter Frieden gemacht.
Am 12. Mai 1813 Gefecht zwiſchen den Rufen
und Franzoſen, wobei die Stadt von Pegteren in
Brand geitedt wurde, weshalb Napoleon zum
diederaufban derjelben 100,000 758. anwies,
wovon jedoch nur 75,000 ausgezablt wurden.
Bol. Hedel, Biihofswerdaer Chronik, Dresd. 1713.
Biſchofswerder (Biscupiecz), Stadt im Kreiie
Roſenberg des preuß. Regbez. Marienwerder, an
der Oſſa, Eiſenbahnſt.; Shubh- u. Tuchmacherei;
2061 Ew.;
Biſchofswerder, Kobann Rudolf von B.,
preuß. General u, Miniſter, geb. 13. Nov. 1741
in Thüring; ftudirte in Halle, wurde 1772 Kam—
merbherr beim Herzog Karl von Kurland (Prinz
von Sadjien), trat aber nah dem Tode des
Herzogs Karl in preußiſche Dienfte, ward 1779
Major u. bald Günftling Friedrich Wilhelms II.,
der damals noch Prinz war. Als preußifcher Ge—
fandter wohnte er dem Congreß zu Sziftowa bei,
machte, General geworden, den Feldzug in der
Champagne mit u. war bis 1794 preußiicher Ge—
fandter in Paris. Er bejchäftigte fi mit Gei-
fterfeherei und Alchemie, war ein Anhänger
Schrepfers (f. d.) und verleitete Friedrich Wil
helm zu mandem Mißgriffe. Bei der Thronbe-
fteigung Friedrih Wilhelms III. 1797 erhielt er
den Abjchied u. ft. im Oct. 1803 auf feinem
Landaute bei Berlin,
Biſchof⸗Teinitz (Horſowsty, Dobrohoftew),
Haupiſt. der gleichn. Bezirtshauptmannfchaft, frü-
ber im reife Pilfen (Böhmen), an der Radbuza;
Schloß, Kapuzinerklofter, Bürgerverforgungsan-
ftalt; 2716 deutihe u. lathol. Einw.; Geburts-
ort des Aftronomen Pittrom.
Biſchofzell, Städtchen im gleihn. Bez. des
ſchweizer Kantons Thurgau, an der Sitter, die
bier in die Thur mündet; 1624 Em. Die Pela-
— fol aus dem 9. Jahrh. ſtammen. Ein
heil des Schloſſes fol im J. 910 vom Bilchof
Salomon IIL..von Konftanz als Zufluchtsort ge-
gen die Magyaren erbaut worden ſein. B. ift
Geburtsort von Theod. Bibliander u, von Melchior
Goldaft.
Bifchweiler, Stadt im Kreife Hagenau des
reihsländifchen Bezirkes Unter-Elfaß, an der Mo-
der u. der Eifenbahn Straßburg-Hagenau; bedeut.
Wollenipinnereien u. Fabriten in Tuch, Lein-
wand, Soden, Tabak, Handihuhen, Seife und
Lichten, Leder, Krapp, mechan. Werkftätten, Färberei,
Gerberei, Bierbrauerei; Mittelpuntt des eljäßiichen
Hopfenbaues; ftarter Hopfenmarft u. Handel;
9220 Em. 8. gehörte früher zur Pfalz u. fiel
erft durch die franzöf. Revolution an Frankreich.
Früher befeftigt, doch 1706 find die Werte ge-
ſchleift worden. Dabei Schloß Tiefenthal, einft
Refidenz der Herzöge von Pfalz-B., welche Linie
1670, nad der Theilung unter Karl Söhnen,
Ehriftian J. gründete u. die mit Chriſtian III.,
der 1732 ganz Zmweibrüden erhielt, endete; |. Pfalz.
Biscoe, engliiher Schifiscapitän, Befehlshaber
Biihofswerder — Biihop.
Enderby in London in das Südliche Eismeer auf
den Walfiihfang ausgeihidt ward; er entdedte
bis 1832 Enderbysland, die Adelaiden-Fniel u. Gra—
hamsland u. die nah ihm benannten B.⸗Inſeln,
welche er fir England in Befig nahm; f. u. Sid-
polarländer, 1839 wiederholte er feine Reife da—
bin, ohne jedoch weitere Entdedungen zu machen.
Biseuit, ſ. Bisquit.
Biscutella L. (Brillenſchote), Pflanzengatt. aus
der Fam. der Eruciferen (XV. 1), ausgezeichnet
durch Schötchen, welche über dem Kelhanfage ger
ftielt, quer breiter, unten u. oft auch oben aus-
gerandet find; die Klappen derielben find freis-
u, ſchildförmig u. Schließen nah dem Auffpringen
die Samen ein; Blüthen mittelgroß, gelb. Arten:
B.laevigata Z., mit Rofetten bildenden Stämmchen,
feilförmig-länglichen, ganzrandigen oder gezähnten
Grundblättern u. wenigen Stengel blättern; im der
ganzen Alpenkette verbreitet, aber auch im nörd-
lihen Deutſchland zerftreut auf dürren Sandhi-
geln u. in Kieferwäldern. Da die Pflanze, be
londers in den Früchten, Indigo entbäk, jo wer»
den diefelben beim Trocknen zumeilen violett.
Mehrere andere, der erwähnten ziemlih nahe
ftehenden Arten finden fih in SEuropa, Engter.
Bis dat, qui cito dat (lat.), Sprüdmort: Dop-
pelt gibt, wer ſchnell gibt.
Biſe (Biſewind), in faft der ganzen Schweiz
Bezeichnung des NW- u, N-Windes; in Genf
weht die ſog. Schwarze B. mit folder Heftigleit,
dag man ſich fcheut, auszugeben,
Bisellium (röm. Ant.), zweifigiger Stuhl, jedoch
für Einen (Bisellarius) beſtimmt, dem er zur
Auszeihnung zum Gebraud im Theater, auf dem
Forum, in der Curie vom Staate zuerfannt ward.
Bifenz, Stadt im öjterr. Bezirfe Ungarisch»
Hradiih (Mähren), nahe der Wien-Olmüger Ei«
jenb.; Schloß; hier der bejte Weinbau Mährens;
ftarfe Gänſezucht; 3874 Em.
Biseriälis (Bot.), doppelreibig.
Biserrätus (Bot.), doppelt gelägt.
Biferta, Stadt auf der Müſte von Afrika
(Tunis); bedeutende Fiſcherei; 5000 arab. Em.;
ehemals Hippo Zarytus, eine tyriiche, fpäter
römische Colonie.
Bisexuälis (Bot.), zweigeſchlechtig.
Bifhop, 1) Henry Rowley, Mufifer, geb.
1782 zu Yondon, Schüler Franc. Biandis; war
von 1809—24 Mufifdirector des Coventgarden⸗
Theaters zu London und als Componift gefeiert.
Er jhrieb eine Menge Heiner Opern, zuerſt The
Circassian Bride, 1809, bewies aber wenig Dri-
ginalität, indem er italienische u. deutiche Melo—
dien benutzte. Seine Compofitionen für Chorger
fang erhielten fi länger in der Gunft des Publi—
cums. B. wurde durch viele Ehrenerweilungen
ausgezeichnet, erhielt den alademiſchen Doctor» u.
Profefforgrad, in welcher Eigenſchaft er auch zu
Orford u. Edinburgh thätig war, wurde unter
die Directoren der Philharmoniſchen Concerte auf-
genommen, als Profeffor am K. Muftkinftitut an—
eftellt u. 1842 zum Baronet erhoben. Bei feinem
Zode, 30. Upril 1855, wurde der moderne Barde
Englands allgemein betrauert. 2) Seine Ge
mahlin, Anna B., geb. Rividre, trat als Con—
einer Brigg, die 1830 von dem SHandelshaufe| certfängerin mit großem Erfolge auf. Sie wurde
Biſhop-Rock — Bismard-Bohlen.
469
zu London 1814 geboren, wirkte ſeit 1837 in den Sachſen, Varzin, Wuſſow, Puddiger, Misdow,
Philharmoniſchen Toncerten u. bei den engl. Mu-⸗ Chomitz, Selitz, Rakel in Pommern u. Güter im
fitfeften mit, machte dann große Heifen in Eu» ſüdweſtlichen Theil des vormaligen
ropa, Amerika u, Auftralien u. lebt jetst in London. |Tauenburg. (©. u. B.-Boblen u.
Brambach.
Biſhop⸗Mock, die weſtlichſte der Scilly⸗Inſeln
(j. d.) an der Küſte von Cornwall (England);
Leuchtthurm.
Biſhops Auckland, Stadt in der engl. Grafſch.
Durham, am Wear; alter Palaſt des Biſchofs
von Durham mit Gemäldefammlung; lateinische
Schule; 8736 Em.
Dift, Giufeppe, italienischer Landſchaftsmaler,
geb. 1787 in Genua; war Freiwilliger in der
kaiſerlich franzöſ. Arınee u. Bedienjteter ın der vice—
tönigl. Kanzlei zu Mailand, midmete fi einer
ſchönen Malerin zu Liebe der Kunft u. wurde
1838 Profeffor an der Mailander Alademie; ft.
Ende Nov. 1869 in Mailand. Seine befannteften
Gemälde find: Die Lombarden auf dem eriten
— uge;die Schlachten von Parma u. Guaftalla.
Bifignano, Stadt in der italien. Provinz
Sojenza, im Innern des Landes; Biſchofsſitz;
Schloß, viele Kirchen; 4450 Ew.; fonft Befidiä.
Biskra (Bistära), Stadt im Dep. Eonftantine
des franzöfifchen Algerien, in einer Dafe der Sa-
bara, weldhe von dem Wadi-Bisfra bemäflert u.
von dem arabiihen Stamme der Biskri bemohnt
wird u. viele Datteln, Eifen, Kalfftein, Salpeter,
producirtt. Die Stadt hat einftödige Hänfer aus
Vadfteinen mit platten Dächern u, das ort
St. Germain; fie ift die wichtigſte franzöftfche
Militärftation der Sahara, fowie ein michtiger
Verkehrspunkt für den Karavanenhandel zwiichen
der Sahara u. dem Tell, auch ift fie berüchtigt
durch die dort herrfchende ausichweifende Genuß-
ſucht u. wird deshalb das Paris der Wülſte ge-
nannt; arab, Bureau, arab.-franz. Schule, Accli»
matifationsgarten, Hofpital; gegen 4000, als Ge—
meinde 7367 Em., welche bei. Burnuſſe u. Tep-
piche fabriciren. B. hieß unter den Römern u.
in hriftlicher Zeit, wo es Sit eines Biſchofs war,
Baba; fam 1844 in den Befit der Franzoſen.
Bisley, Marktfleden in der engliichen Grafſch.
Öloucefter, am Strondfanal; Yegenfhirmfabr.,
Seidenipinnerei, QTuchmeberei; 4985 Em.; Ger
burtsort von Francis Bacon.
Dismard, alte Familie in Pommern u. in
der Altmark, urſprünglich weder freiherrlich, noch
begütert; beſaß jeit 1345 das Schloß Burgftall
als Lehn des Markgrafen von Brandenburg,
welches Kurfürft Joachim II. 1562 von Friedrich
von B. gegen Schönhaufen, Fiſchbeck, Erevefe,
Brieft in der Ukermark eintaufchte, welche Befig-
ungen die Nachkommen Friedrichs vermehrten;
namentlih erwarb Auguft v. B. (geb. 1666, geft.
1732) Ünglingen in der Altmark, Kniephof, Jar«
celin, Kuͤlz in Pommern ꝛc. Durd 2 Urenfel
Augufts u. Söhne Karl Aleranders (geb: 1727,
geft. 1797) theilte fich das Haus B.-Schönhaufen in
2 ginien: A)B.-Boblen, feit 1818 in den Gra—
fenftand erhoben; befitt Karlsburg, Jaſedow,
Steinfurt u. Niederbof im Negbez. Stralfund.
B) B. Schönhauſen, 1865 in den Grafen- u.
1871 in den Fürſtenſtand erhoben; befittt die Nit«
tergüter Schönhaufen in der preußijhen Provinz
Herzogtbums
Schönhauſen.)
ER Wilhelm, Graf von B., württemb.
neral u. militärischer Schriftfteller, geb. 28. Juli
1783 in Windheim bei Minden; trat 1796 in
bannoverifhe, 1803 in naffauifche u. 1804 in enge
che Kriegsdienfte. 1807 verließ er England
wegen eines Duell$, wurde dann Oberlieutenant
bei den württembergiſchen Chevaurlegers, zeichnete
fih 1809 im Gefechte bei Riedau aus, machte die
Feldzüge 1812 u. 1813 mit u. gerieth bei Yeipzig
in die Gefangenfchaft der Allüirten; nach dem
Übertritte der Wirttemberger wurde B. 1814 Chef
des Generalftabes beim Herzog Adam vom Wirt
temberg u. 1815 Generalguartiermeifter der Rei—
terei des Kronprinzen. Zum Oberiten avancirt
u. Flügeladjutant des Königs, wurde er 1816 in
den Brafenftand erhoben u. Mitglied der Commilfion
zur Organijation der württembergiihen Armee;
1819 wurde er Generalmajor u. Brigadier, 1820
zum Mitgliede der Kammer der Standesherren er-
wählt u. Gefandter in Karlsruhe, 1825 auch in
Dresden, Hannover u. Berlin; 1826 reifte er nach
Kopenhagen, um bei Organifirung des dänifchen
Heeres thätig zu fein; 1830 wurde er General«
lientenant u. Commandeur der wirttembergiichen
Gavalerie; 1835 rief ihn Kaiſer Nikolaus von
Rußland nad Petersburg zur Befichtigung der
ruſſiſchen Cavalerie. Nachdem er ſchon 1845 ſei—
nen Geſandtſchaftspoſten in Berlin, Dresden und
Hannover u. 1847 den zu Karlsruhe aufgegeben
hatte, trat er 1848 ganz in den Ruheſtand, 1853
fiedelte er nach Baden iiber u. ft. 18. Juni 1860
in Konftanz. Er war feit 1848 in 2. Ehe ver-
mählt mit Amalie Julie, geb. von Gernsbad
(geb. 1824). Er ſchr.: Vorlefungen über die
Taftif der Neiterei, Karlsr. 1818, 3. Aufl., 1826;
Die Elemente der Bewegungskunſt eines Neiter-
regiments, Karlsr. 1819, 2. Aufl., 1826; Der
Feldherr nach Vorbildern der Alten, ebd. 1820;
‚selddienftinftruction für die Schützencavalerie,
Bert. 1820, 4. Aufl., 1835; Felddienſt der Reiterei,
ebd. 1820; Syſtem der Neiterei, Berl, 1822;
Schützenſyſtem der Neiterei, Stuttg. 1824; Weiters
bibliothef, Karlsr. 1825—31, 1.—6. Yahrg.;
Foeentaftif der Neiterei, ebd. 1829; Die Faijerl,
ruſſiſche Kriegsmadt im J. 1835, ebd. 1836;
Die preußifche Reiterei unter Friedrich d. Gr. zc.,
ebd. 1837; Aufzeichnungen, ebd. 1847.
Bismard + Bohlen, Friedrid, Graf von,
preuß. Generallientenant, geb. 25. Juni 1818;
trat 1835 im die preußifche Armee, bereifte mit
dem Prinzen Adalbert 1842 Brafilien u. bejuchte
1846—48 mit dem Prinzen Friedrich Karl die
Univerfität zu Bonn; er wurde 1849 Rittmeifter,
1853 Flügeladjutant des Königs u. avancirte bis
1864 zum Generalmajor, als welder er die
5. Gavaleriebrigade commandirte; 1866 machte
er im Stabe des Generalcommandos des Cava—
leriecorps der 2. Armee den Krieg in Böhmen
mit u. wurde dann Generallieutenant u, Goms
mandant bon —— im Jan. 1868 Com—
mandant von Berlin u. Chef der Landgensdar—
merie. Bon diefem Boften wurde er im Aug.
470
1870 abberufen u. mit dem Generalgoupernement
von Eliah-Lorhringen betraut, verſah dort auch
feit Ende Mai die Stelle des Civilgouverneurs,
bis 7. Sept. 1871 beide Poften aufgelöft u. durch
ein Oberpräfidium erfegt wurden.
in den fchwierigen Amtern in Hannover u. im
Elſaß als einen umfichtigen u. ausgezeichneten
Beamten gezeigt, deſſen Berbalten auf die Ein-
bürgerung der betr, Eimmohnerihaften im die
neuen Berhättniffe von großem Einfluß geweſen ift.
Bismard » Shönhaufen, Dtto Eduard
Leopold, Fürſt von, Kanzler des Deutichen
Neiches u. Präfident des Preufiihen Staats»
miniftertums, geb, 1. April 1815 auf dem elter⸗
lihen Gute Schönhauſen in der Altmark; ver-
lebte die erften Jahre feiner Kindheit, von der
durch Tiefe des Gemüthes ausgezeichneten Mutter
erzogen, auf dem gleichfall$ elterlichen Gute Kniep-
hof ın Pommern. Bon diefem ländlihen Schau-
plage feiner erjten Erziebung ift ibm der ftärlende
Hang zum Landleben geblieben. Frühzeitig lernte
er die herben Gegenfäge des Lebens lennen; denn
den erften Jahren einer natürlihen Entwidelung
folgten die einer ftrengen Erziehung in der Pla-
mannſchen Anftalt in Berlin. Aus diefer fam
B. auf das dortige Friedrich Wilhelms-Gymna-
fium, von wo PVrofeſſor Bonnell, dejjen humanere
Methode das Weſen des Knaben anzog, ihn nad
dem Gymnaſium zum Grauen Klojter binüber-
nahın. Er zeigte bereits bier die glänzendſte Be-
gabung, machte ernfte Studien in der Gejchichte
n. in den neueren Spraden u. bezog Oſtern
1832, noch nicht 17 Jahre alt, die Umiverfität
Göttingen. Dort u. in Berlin, wobin er im
darauftolgenden Jahre überfiedelte, ftudirte er be-
hufs Eintrittes in die diplomatiihe Yaufbahn, für
weiche die Mutter ihn frühzeitig bejtimmt hatte,
die Nedte, Was er durch die ungeftüme Weile
des damaligen Studentenlebens verfäumte, holte
er durch Selbitftudien nach, jo daß er ſchon Oftern
1835 feine Prüfung beftand u. Auscultator wurde,
Die erſte juriſtiſche Praxis erwarb er ſich am
Stadtgerichte zu Berlin, von wo er 1836 als
Nejerendar zu der Negierung nah Aachen ging,
deren WBräfident der confervative Graf Arnim—
Boirenburg war; 1837 ging er zu der Negierung
nah Porsdam u. trat 1838 behufs Ableiftung
feiner Mitttärpflict in das Garde- Fäger-Bataillon
daſelbſt ein. Familienverhältniſſe, welche die Ülber-
nahme der väterlihen Gilter in Pommern wün—
ſchenswerth machten, beitimmten ihn, fi noch in
demielben Jahre zu dem zweiten Fäger-Bataillon
nach Greifswald verfegen zu laffen, um gleich
zeitig an der landwirthſchaftlichen Alademie zu
Eldena ftudiren zu fünnen. Nachdem er von
1839 ab die Verwaltung eines Theils der väter»
lihen Güter angetreten u. vorübergehend Kreis.
deputirter u. ritterichaftlicher Abgeordneter in dem
pommerſchen Provinzial-Tandtage geworden mar,
verliebte er bis 1845, dem Zodesjahre feines Va—
ters, eine Zeit von Prüfungen, in melden ſich
zwiichen Selbjtftudien u. inneren Kämpfen die
künftige Reife feines Geiftes vielleicht am mirt-
famften vorbereitete. Durch den Tod des Waters
fiel ihm feine Geburtsftätte Schönhaufen zu, wo
er Deihhauptmann wurde. Auch ward er in den
Bismard- Schönhaufen,
ſächſiſchen Provinzial -Landtag als Abgeorbneter
der Ritterſchaft des Kreiſes Jerichow gewählt, in
welcher Eigenſchaft er 1847 auch in dem erſten
Vereinigten Landtage erſchien. Hier begann ſeine
B. hat ſich politiſche Rolle, die zunächſt in einer kräftigen
Vertheidigung des Königthums gegenüber den
andringenden Wogen der Revolution beftand.
Nachdem er ſich am 15. Juli 1847, kurz nad
dem Schluffe des Vereinigten Landtages, mit Jo—
banna v. Puttfammer vermäblt batte, traf er anf
feiner Hodhzeitöreife den König Friedrih Wil-
beim IV, in Venedig, u. dieſe Begegnung fcheint
nit ohne Einfluß auf feine Zukunft geblieben
zu fein. Auf dem zweiten Vereinigten Yandtage
feffelte B. aufs Neue die AnfmerBamteit durch
ſein kräftiges Auftreten für die Würde der Krone;
während u. nach der März-Revolution trat er für
fie mit männlihem Muthe in die Schranten, u.
am 26. Febr. 1849 erihien er als Abgeordneter
für Wefthavelland in der infolge der octroyirten
December-Berfaffung zufammtenberufenen Zweiten
Kammer. Er erhob fid bier u. in den folgenden
Parlamenten mehr u. mehr zu einem Führer der
Eonjervativen, ftimmte gegen die Annahme der
Frankfurter Reichsverfafjung, gegen die Union u.
gegen daß Drei-Königs-Biindnig. Auh war er
bei der Reviſion der Berfafjung jehr thätig, wirfte
im Erfurter Parlament u. vertheidigte die da-
malige, zwar nicht glänzende, aber durch die Ber-
hältniſſe gebotene Politif der Regierung, melde
zu dem Bertrage von Olmütz führte. Deito tiefer
aber erfannte B. ſchon während dieſer fchmerz-
lichen Epoche die Nothwendigkeit für Preußen, ſich
hehutſam gegen die unverſöhnliche deutſche Politik
Oſterreichs zu rüſten. An dieſen von Olmütz,
wenn auch nicht ohne Schwanlungen, ſich ber»
ſchreibenden Berjüngungs- Proceß Preußens knüpfen
ſich denn auch die Verhältniſſe, die Bes Eintritt
in die diplomatische Yaufbahn u. zunädft feine
im Mai 1851 erfolgte Ernennung zum erften
Gefandtichafts- Secretär in Frankfurt a. M., mit
dem Titel eine Geheimen Yegationsrathes, zur
Folge hatten. Schon am 18. Aug. deil. Jahres
wurde B. an General v. Rochows Stelle Ges
fandter am Bundestage.
Diefe ungewöhnliche u. lange unterihätte Wahl
hatte einen beftimmenden Einfluß auf die Ereig-
niffe der eben begonnenen zweiten Hälfte des
Jahrhunderts. Sämmtlihe Mitglieder des Bun—
destages u. die Verhältniſſe, die fie zu ſolchen ge—
macht hatten, weit überragend, lernend u. ent»
dedend, zerſetzte B., der uriprünglich ein Anbänger
der öfterr. Allianz gemejen war, die in Preußen
u. einem großen Theil Deutichlands noch herr-
ichenden Überlieferungen von der Haltbarfeit der
alten deutihen Bundesverfaffung u. wurde fo der
erfte praftiiche Staatsmann, der an den Mißer—
folgen der preußiihen Berjuche, fih mit Ofter-
reih zu verftändigen, die Unerläßlichkeit des
Kampfes gegen daflelbe nachmwies, Er erlebte in
‚yranffurt deshalb auch zahlloſe Anfeindungen.
Während der acht Jahre feiner Gelandtichaft da-
felbft u. der nächſt darauf folgenden Zeit änderte
fih der Zuftand Europas auch außerhalb der un-
mittelbaren preußiihen Machtſphäre. Die Er«
richtung des Kaiſerthums in Frankreich, der
Biemard- Schönhaufen.
Krimkrieg u. Später der Kampf Italiens u. Frank- zu erlangen.
reichs gegen Okterreich eröffnete Preußen neue Wege
zu einer felbftändigen Politik, an deren Durd
führung B. den weſentlichſten Antheil hat. Seine
Begegnung mit dem Kaifer Napoleon im Früh |mens mit dem großen norbiihen Reiche und zur
jahre 1857 in Paris trug nicht wenig zur Er- Abwendung defelben von Frankreich beitrug. Trotz
mweiterung feiner politischen Feruſicht bei. Nach ſolcher einzelnen wichtigen Vorbereitungen war fein
dem Sturze des Minifteriums Manteuffel u. der Widermwille gegen die damaligen zerfahrenen Zu-
Bildung einer liberalen Regierung in Berlin |ftände jedoch jo groß, daß er wünſchte, es möge
wurde B. feines Poftens in Frankfurt enthoben irgend einer Intrigue gelingen, ein anderes Mi-
u. ald Geiandter nah St. Petersburg geſchickt, niſterium durchzuſetzen, u. fo im Jedem, der ihn
wo er am 1. April 1859 das neue Amt über- zu ſtürzen fuchte, einen Wohlthäter fah. Im Aug.
nahm. Diefe urfprünglih nicht von ihm ge-/1863 wurde der ven Üfterreich berufene Frante
471
Am 8. Febr. defi. Jahres ſchloß
‚er mit Rußland eine Übereinkunft zur Unter-
drüdung des polnischen Aufftandes ab, welche
mweientlih zur Befeftigung des alten Einverneb-
mwünichte Beränderung trug weſentlich zur Aus»
dehnung feiner Kenntniffe, Erfahrungen u. feines
Einflufjes bei u. kam erft zur Geltung, als der!
unmittelbar nad) der Verjegung B-8 ausgebrochen |
Italieniſch⸗Franzöſiſche Krieg gegen Öfterreich, ganz |
ohne die Parteinahme
nah jeinen Abfichten,
Preußens für
Ihe Verlegung auf der Jagd verurjacht wurde,
bei melden der Ärger u, die Aufregungen von,
Frankfurt aber nachwirkten, ftörten während die—
fer Sendung die Thätigkeit Bes; aber feine riefen:
hafte Natur gewann wieder die Oberhand, und
faum mar er hergeftellt, als er ſich mit jugend-
lichem Eifer auf das Erlernen der ruiftichen
Sprade legte. Schen zu jener Zeit mehrfach
zum Dlinifter der auswärtigen Angelegenheiten
beſtimmt u. Gegenftand der Berechnungen für ans
dere diplomatiihe Poften, dur Berufungen und
Krankheiten abgezogen, verlebte B. die Jahre ſei—
ner Petersburger Geſandiſchaft in einer Art pein—
licher Ungewißheit, die durch feine Ernennung
zum Gejandten in Paris (23. Mai 1862)
wicht weientlih gehoben wurde, da er angefichts
der kritiſchen Entwidelung, der Preußen entgegen:
ging, auch diefe Stellung nur als eine vorlänfige
betrachten konnte. Die nahe Ausficht, der Lenker
der Politif Preußens zu werden, brachte B. wäh-
rend feines Aufenthaltes in Barıs kaum über ein
umfichtiges Studium der franzöfiichen Verhältniſſe
hinaus. B. ging nicht ohne eine gewiſſe Über—
windung auf den jchwierigen Boten in Berlin.
Am 24. Sept. 1862 wurde er Staatsminifter u.
vorläufiger Präfident des Staatsminiiteriums, aber
jhon am 9. Oct. Minifter der auswärtigen An-
gelegenheiten u. Minifterpräfident.
Selten hat ein Staatsmann die Yeitung der
Politit feines Baterlandes unter fchwierigeren
Berhältniffen übernommen. Bon der feindjeligen
Haltung der Zweiten Kammer ganz abgeiehen,
ftand zu jener Zeit faft die geſammte deutiche u.
liberate ausländische Preife gegen B., während
man in Frankreich, wohin er am 1, Novbr. zur
Übergabe feiner Abberufungsichreiben noch einmal
zurüdfehrte, feine deutichen Gedanken als leere
Träume betrachtete. Er hielt nun als Haupt des
preußifchen Minifteriums die Budgetforderungen
u. die mit diefer zufammenhängende Heeresreors
ganifation der Kammer gegenüber im Sinne ber
Krone aufredt u. machte ın der Bundesangele-
Oſterreich vorübergegangen war.
Zwei Krankheiten, derem eine durch eine körper: |
‚furter Fürftentag abgelehnt, im Yanie deſſelben
Jahres die Politit Öfterreihs u. der Mittelitaaten
weiter befämpft; währenddie Schleswig-Holſteiniſche
Angelegenheit ein Zufammengeben Preußens mit
Tfterreih ermöglichte, welche zur Bundes-Erecus
tion und bald darauf zum Kriege gegen Däne-
marf führte. Der riedensabihlug mir Dänemark
30. Oct. 1864, weicher Breußen u. Ofterreih in
‚den gemeinichaftlihen Befig Schleswig - Holfteins
jegte, die Hinfälligleits- Erflärung der Bundes»
Erecution u. die Abmweifung der Rechtsanſprüche
des Herzogs von Auguftenburg find in erfter Linie
das Wert Bes. Die Bedingungen nämlich, unter
‚welchen Preußen die Errichtung eines felbftändigen
Herzogihums Schleswig - Holftein zugeben wollte,
wurden in einer Depeiche vom 21. Febr. 1865
zufammengeftellt, aber von Oſterreich verworfen.
Nah längeren Schwankungen von Zeiten des
letteren, während deren B. einen ſchweren Kampf
gegen Einflüffe aller Art zu bejteben hatte, wurde
der Gafteiner Vertrag vom 14. Aug. abgeſchloſſen
u, von B. einerjeits u. dem Grafen Blome ander-
jeits unterzeichnet. Nah dieſem Übereinkommen
wurde, bis auf weitere Vereinbarung, Die Aus:
übung der für beide Theile aus dem Condominium
bervorgebenden Rechte in der Weiſe geograpbiich
getheilt, daß Ofterreich Holftein u. Preußen Schies-
wig erhielt, obne daß daraus die Fortdauer diejer
Rechte beider Mächte an dem Geſammttheil Ein-
trag geichehen ſollte. Lauenburg wurde rg
Seldentihädigung ausſchließlich preußiſcher Beſitz.
Für B. war dieſes Übereinfommen eine bloße Ver—
Hebung des Niffes. Der Berfaffungsftreit führte
ihn am 20, Mai u. 17. Juni zu heftigen Kämpfen.
Am 26. Juni traf er mit feiner Kanzlei in Karls»
bad bei dem König ein, u. am 5. Juli regelte
ein Erlaß des Königs das Budget für 1865, wel.
ches mit der Abgeorbnetenfammer nicht hatte ver»
eınbart werden fünnen. Am 15. Sept. deif. 38.
wurde B. vom König in den Grafenftand er
hoben. Augeſichts der verihlimmerten Beziehungen
zu Öfterreih brachte B. 8. April 1866 einen
Alltanz«Bertrag mit Jtalien zu Stande, obgleid -
ſich demſelben innerhalb des italieniſchen Minifteri«
ums große Schwierigteiten entgegengeftellt batten,
Am 7. Mai erfolgte auf B. das erfte Attentat,
i
indem der 22jährige Ferdinand Cohen (Blind)
mehrere Biftotenichüffe auf ihm abfeuerte, weil er
ihn, nach feiner Ausjage, für den Ärgften Feind der
deutihen Einheit u. Freiheit hielt. Am 14. Juni
genheit, wie dies in der Circulardepeihe dom erffärte Preußen in Frankfurt den Bundesvertrag filr
24. Jan. 1863 ausführlich dargeftellt ift, einen gebrochen, u. am 21. erfolgte die Kriegserllärung
fegten Berfuh, von Ofterreich Zugeftändniffelgegen Ofterreih. Bon diefem Augenblide an ift
472
die Lebensgefhichte B»s mit der Geſchichte ber
Ereiguiffe, melde die Umgeftaltung der Starte
Europas zur Folge hatten, jo verwachſen, daß man
die eine ohne die andere nicht darftellen kann.
Die erften Siegesnachrichten trafen ihm noch in
Berlin. Am 30. Juni begab er fih mit dem
König nach dem Kriegsihauplage, u. am 3. Juli
wohnte er in deſſen unmittelbarftem Gefolge der
Schlacht von Königgräg bei, wo er der Erfte war,
der die heranrüdenden Finien der von dem Kron-
prinzen befehligten Zweiten Armee erfannte. Der
Eindrud diefes Sieges war jo gewaltig, daß die
Gefahr übermäßiger forderungen von Seiten
Preußens nabe lag, u. ®. gebührt das Verdienſt,
in richtiger Erfenntniß der Umftände die für Öfter
reich verhältnißmäßig billigen Friedensbedingungen
von Nikolsburg (26. Juli) u. am 23. Aug. den
Prager Frieden abgejchloffen zu haben. Dieſer
Friede, jo überrafchend jchnell er auch zu Stande
efommen ift, muß als ein Rieſenwerk menjchlicyer
nftrengung betrachtet werden u. ift ohne Wür—
digung der damaligen franzöfiihen Machtſtellung
unmöglich richtig zu beurtheilen. Frankreich ftand
im Juli 1866 noch als die erfte Militärmacht
Europas da, u. jelbft al$ man im Hauptquartier
von ficherer Hand über feine augenblidlihe Uns
jhlagfertigleit unterrichtet war, mußte man nod)
ftarf mit ihm rechnen. Außerdem mahnten die im
Heere ausgebrodhenen Seuchen/ an Innehaltung
des richtigen Maßes. Am 4. Aug. in Berlin au-
gelangt, mußte B. jhon am 7. mit den Zumuth—
ungen der franzöfiihen Diplomatie, welche eine
Wiederherftellung der franzöſiſchen Greuze von
1814 beantragte, rechnen. Sie wurden ſelbſt auf
die Gefahr eines unmittelbaren Krieges gegen
Frankreich abgelehnt. Während die Nation ihn
wegen ſo großer Siege feierte, erlebte B. in dieſem
eitabſchnitte ſeiner Laufbahn den vollenderiten
Triumph dadurch, daß er die in der Eröffnungs—
rede des Landtages am 5. Aug. nachgeſuchte Ver—
willigung der bisher verweigerten Zinanzvorlagen
erbielt und mit dem äußeren Frieden gleichzeitig
den inneren beritellte. Es erfolgte darauf jene
Reihe von Verträgen mit den Nord» und Süd—
jtaaten, von parlamentarishen Borlagen u. Ein-
verleibungen, weldhe das Königreih Preußen um
Schleswig-Holſtein, Hannover, Kurbejien, Nafjau
u. Frankfurt a, M. vergrößerten und es am die
Spige des Norddeutihen Bundes ftelten. Der
Kampf hatte hiermit für B., der aufs Neue mehr:
fah von körperlichen Yeiden heimgeſucht wurde,
nicht jein Ende erreicht, jondern nur eine andere
Wendung genommen, Die friiberen deutichen Geg-
ner waren theils materiell, theils moraliſch befiegt;
aber in Frankreich, wo fih das Bemußtiein immer
mehr Luft machte, daß es mit deffen Übergewicht
in Europa vorbei fei u, daß die locale u. inter-
nationale Einigung Deutſchlands u. Ftaliens jeinen
Beftand bedrohen fünne, wurde B. nunmehr als
hauptſächlicher ‚Feind angeſehen u. angegriffen. Alle
mit dem neuen Zuftande der Dinge Unzufriedenen,
befondersaber Die ultramontanen Elemente, wandten
fih Frankreich zu. Im Innern trat die Gegner-
ſchaft B-3, ftatt in der Zweiten Kammer, im!
Herrenhaufe auf, wo man den mit feiner Zeit u.
deren Bedürfnifjen fortgeichrittenen Staatsmann]
Bismard-Schönhaufen.
als einen von den früheren confervativen Grund-
jägen Abgefallenen behandelte. So war das Jahr
1867 für B. nicht weniger veih an Mühen, als
das vorige. Die bisherigen Verträge waren gleich—
fam nur Vorarbeit zu dem Ausbau der neuen
Berfaflung, die am 4. März dem Reichstage des
Norddeutihen Bundes vorgelegt und bis zum
17, Upril durchberatben wurde. In feiner Ber-
theidigung des Berfafiungsentwurfes ſprach B.
das geflügelte Wort aus: Segen wir Deutihland
in den Gattel, reiten wird es jchon fünnen! Die
durh die Gelüfte Fraukreichs auf Yurembur
beraufbejhmworene Kriegsgefahr wurde gtidiih
durch den Vertrag vom 11. Mai bejeitigt; aber
hiermit war die Geduld Deutjchlands bis am ihre
äußerten Grenzen geführt worden. B. ging An-
fangs Juni im Gefolge des Königs zum Beſuche
des Kaijers Napoleon u. der Weltausftellung nad)
Paris, Am 14. Juli wurde er zum Kanzler des
Norddeutfhen Bundes ernannt. Die Haltung
Bayerns u. die welfiihen Umtriebe im Auslande,
beionders in Frankreich, bedurften einer energiichen
Begegnung. Das am 27, April 1868 eröffnete
Deutiche Zollparlament, deſſen Zuftandefommen im
Weſentlichen ebenfalls B-8 Verdienſt ift, warf die
Brüde über den Main, und jedem eimfichtigen
Deutſchen murde Har, daß die vollftändige Einig-
ung des Südens mit dem Norden nur noch eine
Frage der Zeit jei. B. vermied Alles, mas als
ein Drängen nach diefem Endziel eriheinen fonnte.
Nach abermaliger ſchwerer Krankheit febrte er im
Dec. 1868 von jeinem neu erworbenen Gute Barzin
nah Berlin zurüd, wo nad einander der Land⸗
tag, der NReihstag u. das Zollparlament feiner
harrten. Frantreich unterhandelte im Gebeimen
mit Öfterreih wegen der Mittel zu gemeinfamer
Belämpfung der deutſchen Einheit. Juzwiſchen
fam das Jahr 1870 heran, Im März gaben die
denfwürdigen parlamentarishen Berbandlungen
über die Todesſtrafe u. über die Gotthardbahn
B, aufs Neue Gelegenheit, die Macht jeines Geijtes
u. die Tiefe jeines Gedanfenlebens ftegreich gel»
tend zu machen. Bald aber follten für ihm wie-
der ernftere Proben, u. zwar die furchtbarſten ſei—
nes Yebens zu beftehen fein. Die an den Erb-
prinzen Yeopold von Hobenzollern von fpanifchen
Parteien ergangene Kinladung, den ſpauiſchen
Thron zu bejteigen, wurde von Preußen nicht als
Staatsangelegenheit behandelt; die Teidenichaftlid-
feit der franzöfiichen Regierung u. die Ungeſchid-
lichkeit ihrer Organe machten fic aber zu einer
Frage von europäifcher Bedeutung. Frankreichs
Forderung an Preußen, einen fchriftlihen u. fteten
Verzicht zu leiten, war eine übermüthige Heraus—
forderung u. jollte der Welt zeigen, daß Napoleons
Wille noch der mächtigfte in Europa ſei. In Paris
triumpbirte man jhon im Stillen darüber, einen
Kriegsfall gefunden zu haben, der abjeit® vom
Gebiete der Deutichen Frage liege u. Preußen vom
dentihen Nationalgefühl iſoliren werde; aber in
Deutfchland erwedte das Auftreten Benebettis in
Ems einen Sturm der tiefften Entrüftung, die fi
noch fteigerte, als durch die Veröffentlichung der
Einverleibungsentwürfe Frankreichs Far murde,
mit welcher Geduld die bisherigen Zumutbungen
zranfreichd ertragen worden waren, Die Näach—
Bismard-Schönhaujen.
473
riht von den Emfer Vorgängen traf B. in der den beiden Hauptrichtungen der Polttil, der inneren
Stille des Landlebens.
In richtiger Würdigung u. auswärtigen, fräftig weiter gewirft.
Die Ab
ihrer Tragweite reifte er ſchleunigſt nah Berlin|widelung der Friedensbedingungen mit Frankreich
ab, wo er mit dem König Wilhelm zujammentraf,
Nachdem Frankreich am 19. Juli den Krieg erllärt
batte, begleitete B. mit feinen fähigiten Näthen u.
einer vollſtändig organifirten Kanzlei das Haupt-
quartier des Königs in den Krieg, deilen groß»
artige Erfolge ihn bald zum Zeugen von weltge—
Ihichtlihen Momenten rufen follten, wie fie in
ihrer Bedeutung u. Tragweite nicht allen Zeitaltern
beihieden find. Die gefürchtetfte u. mit den jchred-
lichſten Waffen ausgerüftere Kriegsmacht der Welt
wird in einer Reibe von mörderiihen Schlachten
geihlagen, um dann zum Theil hinter die Werfe
einer Kiefenfeftung geworfen, zum Theil in offenem
de ſammt ihrem Jmperator, vor dem wenige
chen vorher noch Alles zitterte, gefangen ge»
nommen zu werden. B. mar es vorbehalten, die
erften Unterhandlungen mit dem behen Gefange-
nen zu pflegen, u. jeine Schilderung dieſer Scene
in dem befannten, vom ‚Feinde aufgefangenen Briefe
an feine Frau gehört zu den merkwürdigſten Denk—
malen diejer Kriegsgeihichte. Während der Be-
lagerung von Paris entwidelte B. eine ftaumens-
werthe diplomatiſche Thätigkeit im Hauptquartier
zu Verfailles. Er bradte hier, mitten in den
Mühen des Krieges u. weniger leicht, al$ die Zeit-
gejhichte bisher angegeben hat, das Deutſche Kai—
ſerthum zu Stande. Ein unter deutjcher Leitung
täglich im Hauptquartier erjchienener franzöfiicher
Moniteur verkündete den Franzoſen die deutjchen
Siege u. gab die erfte officielle Darftellung dei
am 18. Yan. im Schloffe zu Verſailles ftattge-
habten Proclamation des Königs Wilhelm zum
deutjchen Kaifer. In Berfailles wurde B. Generals
lieutenant. Am 23. Jan. begann Jules Favre
dajelbft die Waffenftillftands-Unterhandlungen, bei
welchen B. nad) dem Eingeftändniffe der frauzö—
fiihen Unterbändfer Feſtigleit und Schonung zu-
gleih entwidelte. Es galt ein Problem zu löfen,
wie der Diplomatie vorher wol noch feines gejtellt
worden war. Deutjchland war Sieger, aber die
geſetzliche Macht, mit welcher der Preis des Sieges
vereinbart u. der Friede geichloffen werden jollte,
mußte erft gejchaffen werden. Nachdem Jules
Fapre am 25. von der Regierung der nationalen
Vertheidigung zum Abſchluſſe eines allgemeinen
Waffenftillftandes, welcher die Übergabe von ‘Paris
zur Grundbedingung batte, förmlich ermächtigt
worden war, erfolgte am 28. deſſ. Mis. die Un—
terzeichnung der betreffenden Übereinkunft duch B.
u. ihn u. am 26. Febr. die der Friedenspräli—
minarien. Bis zu der Eröffnung der Frankfurter
Eonferenzen am 6. Juli wurden zwiſchen Deutſch—
land u. Frankreich nicht weniger ald 55 Überein—
fommen, Annexen u. Yutritts- Protofolle abge»
ichloffen, unter ihnen auch der Frankfurter Frie—
densvertrag vom 10. Mai, nad) welchem Dentich-
fand Eljaß-Yothringen und eine Kriegsfteuer von
5 Milliarden zufiel. Am 22, März 1871 wurde
dem zum Kanzler des Deutichen Reiches Ernannten
von Wilhelm I. die erbliche Fürſtenwürde verliehen.
Seit der Heritellung dieſes Friedens hat B. um
ausgejegt u. ſelbſt noch während feiner Krankheiten
die oberjte Leitung der Geſchäfte behaltend, nad)
erforderte abermals Energie u. Mäßigung zugleich.
In fteter Übereinftimmung mit dem Oberbefehls-
baber der Dccupations-Armee, General-Syeldmar-
ſchall v. Manteuffel, löfte B. nicht allein alle fich
darbietenden Schwierigleiten, fondern erreichte durch
jeine Thätigkeit, daß die Kriegsfteuer früher, als
im Friedensvertrage beftimmt war, erlegt wurde,
Nah diejem follte Franfreih am 2. März 1874
Deutihland noch 3 Neiliarden ihulden: ftatt deffen
aber verließ der letzte deutſche Soldat den fran-
zöfichen Boden bereit3 am 16. Sept. 1873. In—
folge einer anderen Reihe von Interhandlungen
wurden die Beziehungen Deutfchlands zu Öfter-
reich u. Rußland jo enge, daß den Franzoſen jede
Ausficht auf eine fie begünftigende Coalition be—
nommen wurde, Um 6. Sept. 1872 wohnte B.
der Zuſammenkunft der drei Kaifer von Rußland,
Oſterreich u. Deutichland in Berlin bei. Indeſſen
jollte B. die mwohlverdiente Ruhe nah jolden
Thaten noch nicht beichieden fein. Auf die Kämpfe
nad außen follten N Kimpfe im Innern des Neiches
folgen, die an Heftigicit die bereits früber beitan-
denen weit binter fich ließen. Es waren die
reactionären und namentlih die ultramontanen
Elemente, welche fih mit wachſend fanatiicher Er-
bitterung gegen das von B. aufgerichtete Wert
erhoben und den Schwerpunkt der Regierung im
den Parlamenten vollftändig veränderten. Somol
im Preußiſchen Yandtage, deſſen Herrenhaus einen
Nachſchub von 25 Mitgliedern erhielt, wie in dem
neuen Reihstage Gefammt-Deutichlands ſtützte ſich
B. auf die nationalen u. den Ausbau der Reichs—
verfaffung vertheidigenden Kräite u. ertrug, wenn
auch nicht ohne Schmerz, die Trennung der
früheren Meinungsgenofjen von feiner Politik,
Das liberale Element wurde im preuf. Staats—
miniſterium durch jüngere Nefjort-Dlinifter geftärkt
u. die Präfidentichaft defjelben, während des hier—
mit zufammenbängenden Kampfes, zum Theil auch
behufs Verminderung der Arbeitslaft, vom 16. Dec,
1872 bis 9. Dec. 1873 aufgegeben. Das Schul«
auffichts- Gefeg und der Wegfall der katholiſchen
Schulabtheilung im Minifterium für die geiftlichen
Unterrichts u. Medicinal» Angelegenbeiten riefen
im ‚Febr. 1872 im preußischen Abgeordnetenhaufe
den leidenfchaftlichiten Kampf hervor, der im März
auch im Herrenhaufe entbrannte. B. brachte bier
den Zujammenbang der klerilalen Beſtrebungen
mit den franzöfiihen Rachegedanken zur Sprache.
Die Annahme des Schulauffichts-Gejees ſetzte er
auch im Herrenhaufe durch. Dieje oratoriichen
Kampfe in drei Parlamenten, obgleich fie größten«
theils innere Angelegenbeiten betrafen, fanden weit
iiber die deutfchen Grenzen hinaus ihren Wider—
ball. Das Gefeg gegen den Jeſuitenorden umd
deffen Ausläufer wurde im Neichstage angenom-
men u, am 5. Juli erlaffen. An dem Zuftande-
fommen einer wichtigen Reihe anderer Geſetze u.
Maßregeln, wie der Givilehe am 9. März 1874,
des am 20, April deſſ. F. angenommenen Neichd-
Milttärgefebes u. des Keichö«Brefgefetes, welches
am 25. defj. Mts. durchging, muß B. gleichfalls
ein großer Untheil zugeichrieben werden, Wäh-
| —
474
rend er fih im Sommer 1874 zu einer Badekur u. kurze
Bismark — Biffayer.
Hörner; wird bis 22 Etr. ſchwer; lebt
in Kiſſingen befand, verübte der ultramontane Hand» heerdenweiſe (Männchen u. Weibchen abgejondert)
werksburſche Kullmann ein neues Attentat auf ihn. in den von den Flüſſen Arkanſas,
ebrasca
Bei dem. gegen Ende deſſelben Jahres gegen den Miffouri und den oberen Armen des Friedens
ehemaligen Botichafter des Deutichen
Paris, Grafen Harry dv. Arnim (j. d.), eingeleiteten
Procek (im Juni 1875 wieder aufgenommen u.
zu deffen Ungunften mit Berurtbeilung zu neun-
monatlicher Gefängnifftrafe entichieden) wurde eine
Anzahl von B. ausgegangener diplomatiicher
Actenftüde, das Berhältnig zu Franfreih u. zu
Rom betreffend, veröffentlicht, welche einen tiefen
Blid in den Geiftesihacht des Reichstanzlers thun
ließen. B. ift die zufammenfaflende Kraft der
deutichen Bejtrebungen in der zweiten Hälfte dies
ſes Jahrh. geworden. Seine Reden, die davon
fein minder lebendiges Zeugniß ablegen, als feine
Thaten, find in Berlin von 1867—71, in 3 Thei«
fen gefammelt, erihienen. Biographien von: Gör«
lach, Fürſt B., eine biogr. Stizze, Stuttg. 1875;
v. Köppen, DO. v. B. der deutſche Reichstanzler,
reich illuftirt, Leipzig 1875; Schlüter, Fürſt B.,
Bremen 1875; Hefeliel, Das Buch vom Grafen
B., Bielef. u. Lpz. 3. A. 1873; A. E. Brad
vogel, Fürſt B.; Ludw. Bamberger, Monsieur
de B., ın deutſcher liberfegung, Breslan 1868.
Die franzöfiihen Schriften über B. find mehr
Pamphlete, als biftoriich mwilrdige Darftellungen;
zu erwähnen: Vilbort, Lauvre de M. de B
Bar. 1869, deutſch, Berl. 1870. Seine Frau
(Johanna, geb. von Puttfammer, geb. 11. April
1824) hat ihm 3 Kinder geboren, u. zwar: Gräfin
Marie, geb. 21. Aug. 1848; Herbert, Graf
von B.⸗Schönhauſen, geb. 28. Dec. 1849, Attaché
der Gejandtihaft in Münden; Wilhelm, Graf
von B.-Schönhaufen, geb. 1. Yug. 1852, der fich
der juriftiichen Garritre gewidmet hat; beide jchon
während des Feldzuges zu Yieutenants des 1. Garde⸗
Dragoner-Regiments ernannt.
Bismarf, Stadt im Kreife Stendal des preuf.
Regbez. Magdeburg, an der Magdeburg-Halber-
ftädter Eifenbahn; Fonf Ballfahrtsort wegen eines
der Sage nad) 1350 bier vom Himmel gefallenen
Kreuzes; 2065 Ew. B. gehörte früher der gleich"
namigen Familie u. wurde von derjelben 1494
an Die v. Alvensleben verfanft.
Bismuthum, jo v. w. Wismuth. B. hydrico-
nitricum s. B. subnitricum, baſiſch falpeterfaures
Wismuthoryd, durch Auflöfen des Wismuthmetalls
in Salpeterfäure u. Fällung dieſer Löſung mit viel
Waſſer dargeftelltes, weißes kryſtalliniſches Pulver,
eiches in fluſſes bewäſſerten Savannen unter 53 bis 64°
nördlicher Breite u. wird als ein wildes, unbän-
diges Thier geichildert, das außerordentlich be-
barılih in Berfolgung feiner Race ift. Bei den
Jagden der Judianer werden nicht felten 300 u.
mehr Stüd erlegt. Man jagtfiewegen ihres Felles,
‚rleiihes u. Fettes. Der B. ift dem europäifchen
Wifent (Bison eurepaeus Ow.) verwandt und
ftammt mit jenem wahrſcheinlich von dem dilit-
vialen B. priscus Bej. ab, Thome, *
Bisquit (v. fr. Biscuit), 1) was zweimal
gebaden ift, Zwieback. 2) Beſonders ein bloß aus
Kraftmehl (Bisquitmehl), mit Zuder und zu
Schnee geichlägenen Eiern, in manderlei Formen
u. mit mancherlei Zujägen bereitetes Badwert.
Das B. gehört zu den verdaulichfien u., einfach
bereitet, zu den gefundeften Badwerten und ift
daher für zarte Kinder, für Kranfe u. Recon-
valejcenten eine angemefiene Nahrung, für legtere
beſonders mit Wen, 3) Unglafirtes Porzellan;
wird zu fleineren Statuetten ftatt Gips benutzt;
ſ. u. Porzellan. 4) (Bisquitgut) Gelbes Stein-
gut mit Glaſur u. Malerei; ſ. Steingut.
Bisquitfartoffel, Sorte Kartoffel; ſ. d.
Biß (Bißwunde), die Verlegung durch einen
Biß; verhält fih im Allgemeinen wie eine ge-
quetichte Wunde; ſ. Wunden; die vergifteren er-
fordern eine bejondere Behandlung; f. u. Waſſer-
hen, Giftſchlangen, Skorpion.
Biffägo (Bidſchuga), 1) Inielgruppe vulcaniſcher
Bildung an der Küfte von Senegambien (Afrila),
Portugal gehörig, nur 16 Davon bewohnt;
Schlammbänle u, Felſen, welche die Inſeln ums»
geben, machen das Landen beſchwerlich; bringen
Reis, Hirſe, Baumwolle, Indigo, Kaffe, Wein,
Holz; Elefanten, Büffel, Antilopen, Affen, Fluß—
pferde, Schlangen, Eidechſen, Termiten ꝛc. Die
Einwohner, ein Negerſtamm, ſind gute Schiffer u.
handeln mit Landesproducten u. Stlaven. Haupt-
inſeln: Ourango, Bulam (Bidama, gehörte ſeit
1792 der engliſchen Sierra-Leone-Geſellſchaft,
wurde von dieſer verlaſſen u. 1829 von den Vor—
tugiefen bejegt; 1838 machten die Engländer ihre
Anrechte geltend u. fetten fich 1842 in Befig der
Inſel, die eine wichtige Station zur Unterdrüdung
des Stlavenhandels wurde), Formoſa, letztere die
nördlichfte u. bevölfertite, u. a.; vorzüglich aber
weldes als Arzneimittel gegen Magenkrampf u. Biſſao, 1662 [_km, gebildet von den beiden
aud äußerlich als Schminkmittel angewandt wird Armen des Empernal bei der Einmündung in
(paniſch Weiß). B. valerianicum, baldrianfaures/den Geba; Sig des Gouverneurs; portugiefiiches
Wismuthoxyd, ein weißes, kryſtalliniſches, nach | Fort; Kirche; Hafen; 600 Em.
Baldrianfäure riechendes, in Waffer unlöslihes) Biffayer (Bilajas), Gruppe der Philippinen«
Pulver; wird in denfelben Fällen wie das vorige Inſeln im Indiſchen Archipel, zwiſchen Luzon u.
gebraucht. Magindanao, im Meere von Mindoro; zufammen
_ Bifon, 1) (Wifent) fo v. w. Auerochſe (j. d.).|55,835 km (1014 IM); bewohnt von angeblich
2) (Bison americanus Art der Gattung|2Y/, Mil. malaiiſchen Biffayern, welche einen
Büffel; hat eine fraushaarige Mähne auf Kopf, Dialekt der Tagalaiprade reden, u. Papua, die
Hals u. Bruft, einen gewölbten, dadurch einen unter ſpan. Herrichaft ftehen. Die B. bilden acht
Höder bildenden Widerrift, furzen Hals mit ges| Provinzen von denen drei auf die bebeutendfte
ſenltem Kopfe und einen Schwanz mit —* Inſel Panay kommen u. die fünf übrigen, die
Haarbüſchel, ſowie eine ſchmale, nur an der Mitte Inſeln Samar, Leyte, Bojol, Zebu u. Negros
u. den Rändern der Oberlippe fahle Schnauze umfaſſen, unter denen noch mehrere Heinere Jn-
Biſſen — Biftouri.
475
jeln inbegriffen find. S. u. Philippinen u. den Romane u, Erzählungen: — ————— 1840;
kr = Inſeln.
iſſen (Bolus), eine beſonders für Pferde
zwedmäßige Arzneiform, welche hinſichtlich der
Conſiſtenz zwiſchen Pille und Latwerge in der
Mitte fteht.
Biſſen, Bildhauer, geb. 1798 in Schleswig;
kam 18 Jahre alt nad Kopenhagen, entichied ſich
nad längerem Schwanken zwiihen Malerei und
Plaftif für legtere, ging 1823 mit einem Stipen-
dium der Akademie nah Rom u. ward dert ber
Lieblings - Schiller Thormwaldfens, bei dem er 10
Jahre arbeitete; er war feit 1830 Director der
Alademie in Kopenhagen; ftarb dafelbft 10. März
1866. In jpäteren Sabren verließ er die ideale
Richtung feines Meifters u. folgte der naturalifti-
jhen; jo im Denkmal für die dänischen Soldaten
bei Fridericia u. im Löwen von Idſtedt. Haupt.
werle: Moſes, in der Borhalle der Kopenhagener
Frauenkirche, u. mehrere Büften berühmter däniſcher
Beitgenoffen daran jchließen fi: die 4 Engel in
den 4 Eden der Schloßfapelle zu Ebriftiansburg;
die Statuen der Atalante u. des Kepbalos auf der
Jagd; die Entwidelung des Menſchengeſchlechtes
nah der griechiſchen Diythe, an dem Frieſe im
großen Schloßſaal zu Kopenhagen; eine Apollo-
ftatue (im Befige von Bernus du Fay zu rauf:
furt a. M.); Amor über einen Stein reitend, an
weichem er den Pfeil wet. Reznet. *
Biffing. Die alte Familie B. theilt fich in
3 Linien, von denen 2 gräflih u. die 3. freiherr—
lich ift. I. Die gräfliche, in Ungarn u, Wilrttem-
berg begüterte Familie, melde jeit 1646 infolge
der Berheirathung Johann Friedrichs v. B. mit
Kumigunde Kath. v. Nippenburg den Namen
Bilfingen-Nippenburg führt u, 1646 in den
Freiberrn- u. 1746 in den Grafenftand erhoben
wurde, zerfällt wieder in 2, non den Grafen Ernft
u, Cajetan, den Söhnen des 1831 verftorbenen
Grafen Ferdinand Ernft, geftifteten Linien: A)
Ungarijche Linie. Chef: 1) Graf Ernft, Sohn
des 1835 verftorbenen Grafen Eruft, geb 1809;
unvermäblt. Sein Bruder Ferdinand, geb. 1820,
ift vermählt mit Marie, geb. Gräfin Marapiglia-
Erivelli u. hat zwei Eöhne. B) Schwäbiſche
Linie. Chef: 2) Graf Cajetan, zweiter Sohn
des Grafen Ferdinand Ernit, geb. 1806, ift Be—
figer der Herrſchaften Schramberg, Nedarburg,
Ramftein u. Hohenftein im Königreih Wirttem-
berg; feit 1834 vermählt mit Ludovica, geb. von
Marsberg. Sein älterer Sohn Ferdinand ift geb.
1837. II. Die freiherrlihe Familie, Anhalt:
Deſſau⸗Meißniſche Linie, welche fih B. fchreibt
u. ihon im 11. Jahrh. einen Carolus v. B. als
entgrafen unter dem Landgrafen riedrich von
Ihüringen aufweift, wurde mit dem Oberften Hans
Urih von B. 1633 in den Neichsfreiberrnitand
erhoben und im neuerer Zeit vom König von
Preußen darin anerkannt u. beftätigt.
Biffing, Henriette v., deutihe Romanichrift-
ftellerin, Tochter des Arztes Krohn, geb. 31. Jan.
1798 in Worm (Medienburg- Schwerin); heirathete
1815 den Lieutenant v. B., lebte mit diefem in
verjchiedenen Garnifonftädten, von 1837 ab lange
Zeit in Nienburg a. d. Weſer und ſiedelte nach
befien Tode nad Anklam über. Sie jchrieb die
Bictorina, ebd. 1842, 2 Bde.; Waldheim, ebd.
1844, 2 Bde.; Minona, ebd. 1844; die hiftoris
ſchen Romane: Pucretia Tornabuoni, Brest. 1847,
2 Bde.; Raimer Widdrik, Hannov. 1848, 3 Bde.
u. a. In allen diefen Dichtungen waltet ein
feiner mweibliher Siun, eine erwärmende Liebens-
twirdigfeit. Die beiden lettgenannten Romane
find ihre beften Leiftungen; in Yucretia Tornabuoni
Ihildert fie fehr anſchaulich Leben u. Zuftände in
giorenz zur Zeit des Cosmo de’ Medici; in Raimer
iddrif führt fie im die Kämpfe der Dithmarſcheu
gegen König Johann u. bietet dabei vorzügliche
Schilderungen von Land u. Leuten. Salomon.
Biffon, Louis Auguften. Augufte Rofalie,
nambafte franz. Photographen, geb. 1. April 1814
u. 29. April 1826 in Paris; Iteferten namentlich
werthvolle Blätter aus den höchſten Alpenregionen
u. gaben heraus die Galerie des representants
à l’Assemvlee nationale constituante (1848 —50);
L’euvre de Rembrandt (1852); L’»uvre
d’Albert Dürer (1863); Reproduetions photegr.
des plus beaux types d’architecture et de sculp-
ture (1852—63), Regnei.
Biſter (Rußbraun), aus geſchlämmtem Holz-
ruße bereitete dunkelbraune, lafirende Malerfarbe.
Am beften ift zur Herftellung der Ruß des Buchen-
holzes zu verwenden, Der römiſche B. ijt der
bejte. Mineralifhen B. nennt man eine braune
Farbe die dur Fällen von einer Manganlöfung
mit Alkali erhalten wird, indem man den erhal-
teten Niederichlag an der Luft fih in brauner
Manganoxydhydrat verwandeln läßt.
Bischum, 1) Bezirk oder Sprengel, tiber den
fih die Amtsgewalt eines Biſchofs erftredi; j.
Diöcefe. 2) Das Land, welches ein Biſchof ver-
möge jeines Amtes mit weltlichen Fürftenrechten
bejaß und regierte, wie früher die Gebiete der
deutſchen Fürftbiihöfe, 3. B. Würzburg u. Hil-
desheim.
Biltönen (a. Geogr.), thraliſches Volk zwischen
dem Rhodopegebirge u. den Agätichen Deere. Hier
die Stadt Biſtonia (jegt Biſtogna), gegründet
von Bifton, Sohn des Ares u. der Kalirrhot
u. Stammhelden der B., u. der fiichreiche See
Biftönis bei Abdera (jegt Lagos Buru) mit Ab-
fluß ins Agäiſche Meer. Römische Dichter ge-
braudhen deu Namen hiſtoriſch oft für thrakiſch.
Biſtouri (fr.), das gewöhnlichſte jchneidende
Inſtrument für einfache chirurgiſche Operationen,
beſonders zur Eröffnung von Absceſſen und Er—
weiterung von Wunden und Geſchwilren. Seine
weientlihen Theile find: Die nur auf einer Seite
ſchneidende Klinge (jelten 2fchneidig, dadurch wird
es zur Yanzette) u. der meift bewegliche Stiel von 2
Blättern aus Horn. Die Klinge lann eutweder wie
bei gewöhnlihen Taſchenmeſſern, od. durch andere
Medhanismen feftgeftellt werden. Ein B. mit
unbeweglichen Heite nennt man auch Scalpeli.
Eingeſchlagen wird das B. in einem Beſteck auf—
bewahrt. Es ift ganz oder nur mit der Spike
ichneidend, breiter oder ſchmäler, gerade oder ge—
kümmt, u. zwar conver, gemwölbt, baudig oder
concav. Knopf-B-8 find ftatt der Spitze mit
einem Knopfe verjehen; Fiſtel⸗Ba⸗s find fichelförmig
mit Knopf zum Operiren von Maftdarmfifteln
476 Biltrig —
Bithynien.
(die beſten find die Pottſchen B-s, B. caché); ſetzte den Homer, 1780—85, 6 Bde., 1787—89,
Bruch-⸗B. find ebenfalls ſichelförmig u. geknopft,
mit concaver Schaeide, zur Operation einge—
MHemmter Brüche; das gewöhnlichſte iſt das Rich»
terihe 8. xc,
Biltrig 1) Neu-B., Stadt im Bezirke Neu-
haus des ehemaligen böhmischen Kreifes Budweis,
Bezirksgeridt; Schloß; Tuchmacherei; Flachsbau;
3430, im Gemeindebez. 3825 Em. 2) * unterm
Hohſtein, Stadt im mähriſchen Bezirke Holle
zſhau (ehemaliger Kreis Neutitſchein), an der
Fiitriza; VBezirlögeriht; Schloß; große Möbel-
fabrif; 2225 Emw.; auf dem Hohſtein eine Wall-
fahrtsfirche. 3) Beiztercze, DiftrictShanptftadt im
Lande der Sachſen, im N. von Siebenbürgen,
an der Biftriza; fatholiihes und evangeliiches
Gymnaſium, Dinoriten- u. Piariftenflofter, Spitä-
ler; Kornhaus; Weinbau; Pottafcheftederei; Holz-
u. Viehhandel; als Gemeinde 7212 vorwiegend
deutiche und proteftantiiche Emw.; dabei Trümmer
eines Schlofjes, ehemals der Hunyadis. Um 1500
war B. eine bedeutende Handelsftadt u. zählte über
20,000 Ew. Bei B. 19. Febr. 1849 Niederlage
der ungarischen Inſurgenten durch die Ofterreicher;
10. Juli 1849 Miederlage berjelben durch die
Ruſſen unter Grotenjbeim; 19. Aprıl 1857 große
Feuersbrunſt. 4) Nebenfluß der Elbe in Böhmen,
binter dem Benedel die Schladhtitellung von König-
gräg gemählt hatte; die am ibm gelegenen Orte
Sadowa u. Nechanitz waren Hauptpunlte dieſer
Schlacht.
Oifize, 300 km langer Nebenfluß des Gereth
in der Moldau; fommt aus der Bukowinag u. ift
goldführend.
Bisulca, Säugethiere mit 2 Hufen (Rind, Schaf,
Giraffe, Kamel xc.); fo v. w. Wiederläner.
Bisulphurätum carbonici, jo v. w. Schmefel-
fohlenftofi.
Biſutũn (Behiftun), Berg in Kurdiſtan, un—
weit Kermanfchah; das Bagiitanon (d. i. Aufent-
baltsort der Götter) der Alten, mit berühmten
Tempel. Dort die große Keilinfchrift, welche zu-
erit 1846 von Ramlinion copirt u. erflärt worden
iſt; fie enthält die Thaten des Darius Hyſtaſpis,
der mit 2 feiner Feldherren hinter fi, dem ge-
töbteten Pieudo-Smerdes u. den 9 von ihm be
fiegten Königen u. Satrapen vor fich, über der
Juſchrift felbft abgebildet if. Schon die Alten
kannten diefe Sculpturen, bielten fie aber für ein
Denkmal der Semiramis, welches fie auf ihrem
Zuge nad jenen Gegenden bätte bilden laſſen.
Bergl. Spiegel, Die altperfiihen Keilinfchriften,
Yp3. 1863.
Biſyllabiſch (v. Lat., beffer diſyllabiſch, v. Gr.),
zweiſilbig.
Bit, 1) Silbermünze auf Jamaica u. den Weſt⸗
indischen Inſeln = 7% Pence; 11 B. = 1 Piaſter
Oder Ayo, Sgr. 2) Name der engl. 6-Pence-
Stüde in Wejtindien.
Bitaube, Paul Jérémie, franz. Dichter,
geb. 24. Novbr. 1732 in Königsberg von refor»
mirten Eltern, die fih aus Frankreich geflüchtet
hatten; wurde Mitglied der Berliner Afademie,
lebte fpäter in Paris, mo er während der Revo—
lution verhaftet, aber am 9. Thermidor wieder
befreit wurde; er ft. 22. Nov. 1808. Er über-
12 Bde., 1819, u. Goethes Hermann u. Doro-
tbea ins Frauzöſiſche u. fchr. die Epopöen: Joseph,
1786, deutih von Heydenreih, Lpz. 1800, und
en Bataves, Paris 1797. Werfe, Paris 1804,
9 Bde.
Bitburg, 1) Kreis des preuß. Regbez. Trier,
von 34,4, km der Rheinischen Eiſenbahn durd-
ſchnitten; 779,, [km (14,1 IM); 44,440 Em,
2) Stadt ebd., zwiſchen der Nims und Koll,
Station der Eifelbahn; Lehrerſeminar, Forftbau«
ſchule; Papierfabril; 2360 Ew. B. war unter
dem Namen Bedonisburgum röm. Caftell, von
dem noch Überrefte vorhanden find.
Biterolf u. BDietlieb, mittelhochdeutſches
epiiches Gedicht, in feiner vorliegenden Geftalt aus
dem Ende des 12. Jahrh., wahrſcheinlich von
einem ſteieriſchen Spielmann. In diefem breiten
Gedichte herricht der Geift und die Manier der
britifhen Romane. Es ift eine ganz willfürliche
VBermengung der dem Berfaffer genau belannten
deutichen Heldenfage mit allen möglichen anderen
deutihen und ſlaviſchen Elementen. Inhalt: B.,
König von Zolet, u. fein Weib Dierlind haben
einen Sohn Dietlieb. Einft kommt ein Pilger
zum König u. erzählt ihm von Etzels Macht ı.
Helfens Milde u. Reichthum fo viel, daß er fi
entichließt, ins Hünenland zu zieben. Er fommt
zu Etzel, bleibt umter defjen Rittern, gibt fich aber
nicht zu erlennen, kämpft für ihn tapfer gegen
die Polen, wird gefangen in einen Thurm ges
iperrt, befreit ſich. Unterdeſſen macht ſich Dietlieb
auf, um ſeinen Vater zu ſuchen, zieht unter Etzel
gegen die Polen, verliert ſich dermaßen im Kampfe,
daß er von dem befreundeten Heere angegriffen
wird u. mit ſeinem eigenen, ihm fremden Vater
kämpft. Darauf erkennen fie ſich. Nun ziehen
Beide mit Etzels Kriegern gegen König Gunther,
Dietrich befiegt ihn vor Worms, Bater u. Sohn
erhalten von Ebel Steiermarf. Ausgabe von’
Ostar Yänide im Deutjhen Heldenbucde, Th. 1,
Berl. 1866,
Biteſch (Grof-B. od. Bittefh), St. im öfterr.
(mähriihen) Bezirke Trobith (ehemaliger Kreis
Iglau); alterthiimliche Kirche; Seilerei, Töpferei;
6 Jahrmärkte; mit Vorftadt Jauowitz 2059 Em.
Bithersmus (v. Lat. u. Gr.), Glaube an zwei
Götter; ſ. Dualismus.
Bithur (Bithoor), Stadt im Diſtr. Cawnpur,
NWPropinzen von Oſtindien, am rechten Ufer des
Ganges; 8322 Em. Zahlreihe Tempel, dem
Brahma geweiht, beweiſen das religiöfe Anichen
der Stadt, das auch durch Wallfahrten und ein
jährliches Feſt anerlannt if. -
Bithynien, alte Landſchaft im nördlichen Klein-
aftien, zwiichen dem Pontos Eurinos, Papbla-
gonien, Myſien, Phrygien u. Galatien; außer
den Flüſſen Parthenios u. Rhyndalos, welche die
öftliche u. weſtliche Grenze bildeten, wurde es von
dem Sangarios bemäffert, welcher es in das weſt—
liche u. öftlihe B. trennte; das vornehmſte Ge:
birg war der Olympos. Die Einwohner erwuchien
aus den thrafiihen Stämmen der Thyner und
Bithyner, welche die früheren Bewohner, Myſier
u. Bebryker, unterjohten; doch behaupteten fich
im N. von B. die Mariandyner. In B. waren
Bitjuga — Bittere Mittel.
anfehnlihe Städte:
Ehalfedon, Heraflea, Nilomedia u. a.
7
—⸗
47
Pruſa, Bithynion, Nikäa,Ende des 13. Jahrh. brachen die Osmanen in
Daß in B. ein und gründeten bier nach der Eroberung
B. auch einft die Kunſt geblüht hat, beweiſen die von Bruſa 1326 ihre erſte Niederlaſſung im By—
ſchönen — der Städte des Landes, bei. aus|zantinischen Reiche.
denen von Ehalledon u, Heraflea (j. d.). — 8.
fam 560 v. Ehr. an die Lyder u. 548 durd die
Beftegung des Kröſos mit Lydien an die Perſer;
diefe ftellten e8 unter die Satrapen von Phrygien.
Erft feit der Zeit Aleranders d. Gr. tritt es mit
Bas oder Bias, Sohn des Satrapen Boteiras,
einem einheimiichen Fürſten, der ſich gegen Aler«
anders Feldherrn erhielt, hiſtoriſch u. jelbftändig
auf. Sein Enfel Nilomedes I. rief 278 v. Ehr.,
da ihn Antiohos Soter angriff, die Thralien
durdjftreifenden Kelten zu Hufe, denen er
dafür Galatien abtrat. Er nahm den Königstitel
u. griehiihe Sitten an u. baute Nilomedia als
Nefidenz; er ft. 246 v. Chr, Prufias L., fein
Enkel, führte glüdlihe Kriege, erft verbündet mit
den Ahodiern, gegen Byzanz wegen der Zölle u.
dann 196 gegen Heraklea u. Oalatien. Gegen
die Römer war er mit den Mafedoniern verbun-
den. Ihm folgte 192 fein Sohn Prufias II.
Dieſer, obgleih mit den Römern befreundet, nabm
Bitjuga, öftl. Nebenfluß des Don im Gouv.
Woroneſh des Europäifhen Rußland; bekannt
durch die nach ihm benannte, an ſeinen Ufern
gezüchtete vorzügliche Pferderace.
Bitlis, ſ. u. Bedlis.
Biton, ſ. u. Kleobis.
Bitonto (Butuntum der Römer), Stadt in
der ital. Provinz u. im Bezirke Bari, 7 km vom
Adriat. Meere; Bisthum; ſchöne dreiſchiffige Ka-
thedrale, Seminar, großes Waifenhaus, Hofpital;
Weinbau (Zagarello); ald Gemeinde 24,978 Em.
Hier am 25. Mai 1734 Sieg der Spanier unter
Montemar über die Öfterreicher, wodurd Neapel
wieder an Spanien kam.
Bitſch (die fonft Kaltenhaufen), Stadt im
Kreife Saargemiünd des veichsländifchen Bezirkes
Lothringen, an der Schwalbe, Station der von
Hagenau nah Met führenden Eiſenbahn, an
einem Morafte und einem Berg, worauf eine
ftarfe Feſtung, mit bombenfeften, in Felſen ger
184 den aus Carthago verbannten Hannibal auf) hauenen Kajematten; Porzellan und FFayence-
u. befiegte durch defjen Rath u. Unterftügung den|fabrifation; einfchließlih 627 Mann Soldaten,
König Eumenes II. vo —— mußte aber
dem Hannibal zuletzt, auf das Drängen der Römer,
ſeinen Schutz entziehen (ſ. u. Hannibal). Auch
gegen den König Attalos II. von Pergamon
führte er einen glüclichen Krieg; aber die Römer
nöthigten ihn, alles Eroberte zurüdzugeben, 20
Schiffe auszuliefern u. 200 Talente Kriegstoften
zu zahlen. Da er feinem Sohne nach dem Leben
firebte, tödtete ihm diejer, 140 v. Chr., u. folgte
ihm als Nitomedes II. Epiphanes; diefer regierte
graufam und ward nad langer Regierung er-
mordet, man jagt von Nifomedes III. Philopator,
feinem natürlihen Sohne. Diefer war anfangs
Bundesgenofle des Mithridates gegen die Römer,
verließ ihn aber u. ward daher zweimal von ihm
vertrieben; doch Nilomedes ward von den Römern
auf den Thron zurüdgeführt u. vermachte den—
feiben bei feinem Tode 75 v. Chr. das Neid.
Den Mithridates vertrieb Lucullus 73 aus B.,
u. das Land wurde nun römische Provinz, Pontus
dazu gejchlagen u. durch einen Proconſul regiert;
fpäter zu Asia Pontica gezogen, hieß es Pontica
prima. Unter Trajanıs war der jüngere Plinius
bier Statthalter, über defien Verwaltung der mit
3047 Ew. — B. war anfangs Grafihaft und ge-
hörte den Grafen von Eljaß und Flandern,
welde diefe Grafihaft jüngeren Söhnen gaben.
1458 belchnte aber Kaifer Friedrich III. den
Herzog von Lothringen damit; dann den Grafen
von Zweibrüden gehörend, fam es 1571 wieder
an Yothringen. Ludwig XIV. bemädhtigte fich des
Plates und ließ ihn Durch Bauban im neuer Art
befeftigen; 1697 kam es wieder an den Herzog
von Lothringen, aber die Werke wurden geichleift;
endlich fam es 1738 mit Yothringen definitiv an
Frankreich und wurde wieder ftark befeftigt. In
der Nadıt vom 16. Nov, 1793 mißlungener lber-
fall der Preußen unter dem Grafen Wartens-
(eben; ſ. Franzöſiſcher Revolutionskrieg. Im
Deutſch⸗franzöſiſchen Kriege 1870 u. 71 wurde es
am 8. Auguſt 1870 cernirt, vom 11.—19. Sept.
erfolglos bejchloffen, am 4., 30. u. 31. Sept.
fanden Ausfälle ftatt, Nach abgeichloffenem Frieden
zog die Beſatzung, etwa 1000 Dann, mit friegeri-
chen Ehren ab,
Bitſchurin, ruffiiher Sinolog ſ. u, Hyacinth.
Bitter, 1) dur den Geihmadsfinn, einiger-
maßen auch durch den Geruchsſinn erfennbare
dem Kaifer geführte u. im 10. Buche der Briefe] Eigenihaft jhmedbarer Dinge, welche an u. für
des Plinius aufbewahrte Briefwechſel vielfach|fih unangenehm auf das Geihmadsorgan ein«
Auskunft gibt. Bei der Negierungstheilung des|wirkt, doch aber verbünnt, oder mit dem Gewürz—
Neiches unter Kaifer Diocletianus war Niläa deifen|haften oder Süßen verbunden, jelbft angenehm
gewöhnliche Reſidenz. Kaiſer Theopofios II. theilte empfunden werden fann. B. jhmeden jehr viele,
„in Honorias, den öftl., u. B. od. Pontica prima, ſowol organische als’ unorganifche, hinfichtlich ihres
den weftl. Theil. 258 u. 280 n. Chr. durchzogen die
Gothen verheerend das Land. 1074 beinächtigten
fih die Seldſchuken B-$, deren Sultane in Nıffa
refidirten; ihnen nahmen es 1097 die Kreuzfahrer
wieder ab. Als 1204 die byzantinischen Kaifer
chemiſchen u. ig Se Berhaltens höchſt verfchie-
dene Subftanzen. Aus bitteren Begetabilien hat
man die den bitteren Geichmad verurfachenden
Subftanzen als Bitterftofje oder bittere Ertractiv-
fofie (f. d.) ausgeſchieden u. für ſich dargeſtellt.
) (Med.) ©. Bittere Mittel.
itterbdiftel ift Cnicus benedietus Gaertn.
Bittere Ertractivftoffe, ſ. Bitterftoffe,
Bitteres Fluchwaſſer (B. Eiferwaffer), bei
Zu!den Juden Waifer, weldyes der Priefter aus dem
durch die Lateiner aus Byzanz vertrieben wurden,
feste fi ein Zweig derjelben in Nikäa feft und
riindete unter Theodor Yajfaris das Nikäiſche
aiſerthum; der letzte Kaiſer, Michael Paläologos, |
eroberte 1261 Byzanz wieder; f. u. Nikäa.
478
Bittere Mittel — Bittermandelöf.
Wafferbeden im Vorhofe des Tempels geſchöpft müllers Atelier, wo er in Bälde als Mintatırs
u. mit Staub vom Fußboden des —— maler Tiichtiges Jdeiftete.
irfung|müller und erbielt den Auftrag, die Meifterwerte
vermiſcht hatte,
ſ. u. Eiferopfer.
Seine Anwendung u.
Bittere Mittel, folhe Begetabilien, die ſich Oſterr. Floyd zu copiren.
1854 verließ er Wald»
der venetianifhen Galerien u. Kirchen für den
Nah zwei Jahren
durch möglihft rein bitteren Geſchmack u. durch |heimgefehrt, ward er 1856 Rahls Schüler, der
den Mangel an abführenden, narfotiichen, wurm⸗
treibenden Kräften auszeichnen. Man unterſcheidet:
rein bittere Mittel, 3.8. Quaſſia, Taufend-
güldenfraut, Enzian zc., u. gewürzhaft bittere,
adftringirend bittere, auflöjend bittere
Mittel 2c., die durh Antbeil von ätherifchen
len, von Salzen, Schleim zc. mehr od. minder
modificirtt werden. In der Bollsmedicin hält
man alle 6. M. für Appetit madend u. Wurm
treibend.
Bittererbe, ſ. u. Magnefia.
Bitterfeld, 1) Kreis im preuß. Regbez. Merje-
burg, von der Mulde u. der Magdeburg-Yeipziger
u, Ferlin- Anhalter Bahn (50,., km) durchſchnitten;
anz eben; 699,,, [_/km (12,5, M); 48,190 Em.
3) Kreisftadt daf., unmeit der Lober u. Mulde
(mit Neunaugen u. Lachſen), an der Berlin-Lpz.
Eifenbahn u. deren Berzweigungen nad -Halle u.
Deſſau-Zerbſt; chem. Fabr., Eifengießereien, Ma-
fchinenfabr., Zregeleien, Induſtrie in Tuch, Töpferei,
Schuhmwaaren; Tabak u. Küimmelbau; Pferde u.
Biehmärfte; 4972 €. ; dabei ein Braunfohlenlager;
Die Stadt murde im 12. Jahrh. von flamländ.
Coloniſten gegründet.
Bitterfiich (Bitterling, Rhodeus amarus Bl.),
eine nur 5—8 cm lange Karpfenart in Mittel
Deutichland ; grün-gelb, unten filberig, wegen feiner
geringen Giöhe nur —— geſucht; ausgezeichnet
dadurch, daß ſich beim Weibchen zur Zeit des
Eierlegens eine ungefähr 5 cm lange Legeröhre
entwidelt, mittel$ deren e3 feine Gier ın den
Kiemen von Flußmuſcheln abfest. Thome.
Bitterfalf, jo v. w. Dolomit.
Bitterkeit des Mundes, bitterer Gefhmad
auch nicht-bitterer Speifen, ſowie des Speichels u.
Mundichleimes ; Folge geftörter Berdauung oder
von Mundlatarrh.
Bitterflee (Herba trifolii fibrini), die drei«
zähligen, gerucdlojen, ſehr bitteren Blätter von
Menyanthes trifoliata L.; ſ. d. Als eines der
vorzüglichften bitteren Mittel wurde es fonft häufig
gegen Schwäche des Magens u. Darmlanals, auch
Stodungen im Unterleibe u. in der Yeber, Hppo-
chondrie, bei. auch Wechielfieber, im Abjud, häufiger
als Ertract, auch der ausgepreßte Saft mit anderen
Kränterfäften angewendet; auch äußerlich der
ausgepreßte Saft zur Heilung vou Geichwiren.
Viehärzte brauchen ihn häufig bei Krankheiten des
Nindviehes u. der Schafe.
Bitterfleefalz, faliche Bezeichnung des Sauer»
!eefalzes (j. Oraljäurejalze). Diejes jehr giftige
Salz ıft nicht mit dem als Arzneimittel gebräud-
chen Bitterfalz (ſchwefelſ. Magnefia) zu ver-
wechſeln.
Bitterlich, Eduard, Hiſtorienmaler, geb.
1839 zu Stupnida in Galizien, Sohn eines öſterr.
Hittmeifter-Auditenrs u. einer polnischen Mutter.
Als fein Vater nah Wien verſetzt ward, ftudirte
B. bei den Schotten vier Jahre lang, trat aber
dam gegen den Willen feiner Eltern in Wald»
ibm faft alle feine Skizzen u. Gartons zu zeichnen
übertrug. Unter Rabls Leitung erlangte B. als
Künftler erft feine Reife. Nah Rahls Tode 1865
fanden fi von feinen Entwürfen für das Opern-
haus erft einige Cartons u. eine Heine ‚zarben-
ffizze, u. wurde B. mit Griepenferl mit der Aus—
führung betraut. Infolge deflen zeichnete B.
die Gartons zu allen Profceniums- u. Deden-
bildern u. zum großen Vorhange für die tragiſche
Oper, während Griepenterl die Ausführung im
* beſorgte. B. war nicht bloß ein trefflicher
eichner u. Maler, ſondern auch ein bedeutendes
plaſtiſches Talent u. modellirte ſehr gut, ſo daß
er ſich ſelbſt an der Concurrenz für das Schiller⸗
denlmal in Wien mit einem ſehr originellen Ent⸗
wurfe betbeiligen fonnte. 8. ft. 20. Mai 1872
in Burfersdorf bei Wien. An dem Giege der
deutichen Waffen in Frankreich nahm er begeiiterten
Untheil. Bon feinen bervorragendften Arbeiten
find zu nennen: DieBompejaniihen Darftellungen
im Balafte Mpfilanti u. im feinem eigenen Pom—
pejanischen Salon, die 20 Lunetten im Speiſeſaal
des Grand Hötel am Ring in Wien, die Bilder
für das von Haufen reftaurirte Sommerſchloß des
Erzherzogs Yeopold in Görnftein, drei Figuren für
die Dede des Speifefaal® u. Darftellungen der
Zugenden des Habsburger Haufes, für die Dede
des Ahnenſaals; Die Künfte, für das Tietzſche
Haus; die Frescocompofitionen für das Treppen-
haus, die Bibliothef u. das Empfangszimmer, das
Frauenſchlafgemach u. Bonboir im Gutinannichen
use, Regnet.
Bitterling, ſ. w. Bitterfiſch.
Bittermandelöl (Oleum ainygdalarum ama-
rarum, Chem.), ein in den bitteren Mandeln nicht
fertig gebildet vorfonmendes, fondern daraus als
Zerjegungsproduct eines eigentbimlichen Körpers
entitandenes ätherifches Ol. Die bitteren Mandeln
enthalten nämlıh einen gäbrungsfäbigen Körper,
das Amygdalin (f. d.), der in den ſüßen Mandeln
nicht vorlommt, und zugleich ein Ferment, das
Emulfin oder die Synaptaje, einen eiweißartigen
Stoff, der aud in den jühen Mandeln enthalten
it, Letzterer Körper bewirkt, wenn er bein Zer-
quetihen der Mandeln bei Gegenwart von Wafler
mit dem Ammgdalin in Berührung kommt, eine
Gährung, wobei diejes fih in B. Blaufänre u,
Zraubenzuder fpaltet. Zur Daritellung des B⸗s
werden die bitteren Mandeln, nachdem fie durch
Preſſer von fettem Ol befreit find, mit Waffer zu
einem Brei angerührt u. nach 24ftündigem Steben
deftillir. Das mit dem Ol übergehende Wafler
wird abgehoben u. das rohe, blaufäurehaltige u.
deshalb höchſt giftig wirkende B. durch Schütteln
mit Kalilauge oder Kalfhydrat oder auch mit
Duedfilberoryd u. Waffer, ſowie durch nachheriges
Nectificiren gereinigt. Das reine Oi ift farblos,
diinnflühftg, ſtark Tichtbrechend, von aromatischen
Geruch u. brennendem Geihmad. Spec. Gew.
1,043; Siedepunkt 180%. Es it in Waſſer (30 Th.),
Bitterrinde
— Bihius. 479
Altohol u. Ätber löslich, brennt mit leuchtender Wurmfamens, u. a. m. (f. d. einzelnen Art.) Elören,
Flamme u. gebt an der Luft durch Orydation all-
mäblih in Benzotjäure über, deren Aldehyd es
ift (ſ. Benzaldehyd). In der Parfümerie ift es
jest meift durch das billigere Nitrobenzol (Fünft-
liches B.) erfetst, welches auch häufig zur Ver—
fälfhung des echten dient. Zur Erkennung des
Nitrobenzols, ſowie auch anderer beigemengten
ätherifchen Öle vermifcht man das DI mit einer
warmen concentrirten Yöfung von zweifach fehme-
feligiaurem Natron, wodurch das B gelöft wird,
während die Beimengungen ungelöft zurüdbleiben.
Zur Berfälfhung beigemengter Allohol gibt ſich
durch das ermiedrigte fpec. Gew. zu erfennen.
Das bei der Deftillation des roben B-8 mit über—
gehende Waſſer war früher als Aqua amygdalarum
amararum officinell u. befteht aus einer blauſäure—
baltigen, verdünnten Auflöfung des B-s, Ulören.
Bitterrinde, mericanifche, ſ. u. Croton.
Bitterjalz (Sal amarus, Min.), Mineral in
geraden, quadratiihen Säulen Eryitallifirt; Ge—
Ihmad jalzigebitter,; Längenbruch fajerig; Quer—
bruch kleinmuſchelig; it ſchwefelſaure Magnefia
mit 7 Mol. ——* Die zarten Kryſtalle
ſtehen biiihelig oder flockig. Fundort: auf thoni—
gen, Talt u. Schwefellies enthaltenden Felſen
ausgewittert (wo es gern vom Wilde geleckt wird),
in Mineralwaſſern in Böhmen, Ungarn u. ſonſt
noch häufig, nur ſelten in Menge. Es iſt ifo-
morph mit dem Zinlvitriol und ſchwefelſauren
Nickeloxydul. Man hat kryſtalliſirtes (künſtlich
aus Bitterwaſſern), haarfürmiges (Salitre) u. zer⸗
fallenes oder mebliges B. Dafielbe (Magnesia
sulphurica) ift ein gemöhnliches Abführungsmit-
tel, entweder als Engliihes Salz (Sal anglicus
8. epsomiensis). oder, bei uns, als das bejjere u.
molfeilere, das Seidſchützer oder Sedliger B. (Sal
seidschützensis, Sal sedlitzensis}, aus den Bitter-
waflern, wovon es den Namen führt, oder als
Nebenproduct bei der Bereitung künſtlicher Mi-
neralwafjer (aus Magnefit u. Schwefelfäure) ger
mwonnen; Gabe: von 15—45 g in Waſſer aufge:
löft; auch zu Stigftieren. Iſt es, wie häufig, nicht
rein, jo muß es im Mpotbefen durch mehrmaliges
Kryitallifiren gereinigt werden (Magmesia sulfu-
rica depurata).
Bitterjpath, fo dv. w. Dolomit od. Braunfpath,
kryſtalliſirte kohlenſaure Magneſia.
Bitterſtoffe (bittere Ertractivſtoffe, Chem.).
Aus vielen Pflanzen erhält man durch Austochen
mit Waſſer, Eindampfen des Extracts, Ausziehen
mit Allohol u. durch andere Operationen braune, ſehr
untryſtalliniſche Maſſen, deren Haupteigenichaft
Bitterfüß it Solanum duleamara L.
Bitterwaſſer, Bitterjalz als einen Hanptbe-
ſtandtheil enthaltende Mineralwaſſer, vorzugsweiie
das Seidſchützer, Pillnaer, Sedliger, Epjomer u.
Friedrichshaller Waffer, melde ſchwefelſaure
Magnefia, fchmwefeljaures Natron, Chlornatrium,
fohlenfauren Kalt u. Chlorcafcium, ſowie geringe
Mengen von Chlorkalium enthalten; wirken ab-
führend u. find bef. bei chroniihen Ausichlägen,
unterdrüdter Menftruation ꝛc. heilſam. Sie wer-
den meift in fteinernen Krügen verſendet.
Bitter, Welterfches, j. Pitrinſäure.
Bitterwurz ift Gentiana lutea L.
had jo v. w. Wallfahrt.
Bittſchrift (Bittichreiben, Supplik), fchrift-
liches, bei. an eine Behörde gerichtetes Gefuch,
durch welches entweder um eine Gnade, oder um
Gerechtigkeit gebeten wird. Zu der legteren Art von
Ben gehören: Klaglibelle, Erceptionsichriften,
Repliken, Duplifen, Appellations- und Nevifions-
libelle zc. Wird die B. zurüdgefendet, jo ift dem
Bittenden unverwehrt, wegen derjelben Sache bei
der nämlichen oder einer höheren Behörde, jedoch
mit Zuflgung neuer Gründe einzutommen, Bgl.
‘Betition.
Bitumen, allgemeine Bezeihmung für der Erde
entquellende tbeerartige Subftanzen, 3. B. Erdöl,
Apbalt ꝛc., die fi meift durch einen theer—
artigen, bituminöjfen Geruch auszeichnen. Bitu—
minöfe Schiefer od. Schichten nennt man die mit
Bitumen imprägnirte Schiefer u. Schichten, aus
denen derjelbe öfter gewonnen wird; ſ. u. Aſphalt
u. Stintitein.
Bituminit, fo v. w. Bogheadkohle (f. d.).
Bituricenſiſche Coneilien, j. u. Bourges.
Bituriger (a. Geogr.), mächtiges keltiſchee
Volk im Aquitaniſchen Gallien, füdl. vom Liger
(Loire); theilte fih in Cubiſche B., nördl. von
den Arvernern, längs des Yiger, im der Gegend
des jetsigen Bourges, welches ihre Hcuptitadt
war u. Biturigas oder Avaricum bieß; in ihrem
Lande waren Eifengruben, u. die B. machten gute
Metallarbeiten, die fie plattirten u. verzinnten;
auch Wein wurde gebaut, u. Biviscifche oder
Ubisciihe B., an beiden Geiten ber Ga—
rumna (Saronne), beim jesigen Bordeaur (Bur-
digafa). Sie ftanden unter eigenen Königen, u.
Beide zufammen waren e8, die durd ihre Heeres«
züge unter Belloveſus Jtalien und Germanien
überſchwemmten. Beide waren zu Cäſars Zeit
——
tz
Bitzius, Albert, pſeudonym: Jeremias
ein bitterer Geſchmack iſt und die man deshalb Gotthelf, ſchweiz. Vollsſchriftſteller, geb. 4. Oc—
früher allgemein mit dem Namen B. belegte.
Dieſelben find aber Gemenge mehrerer indifie-
renten Körper von oft höchſt verſchiedenen Eigen—
ſchaften, ſo daß fie in einer allgemeinen Beſchreib⸗
ung nidt zujammengefaßt werden können. Biele
derjelben finden mebdiciniihe Anwendung, andere
zeichnen fic durch giftige Eigenjchaften aus. Einige
der mwichtigften find: das Aloin, der bittere Be—
ftandtheil der Alod, das Abfinthiin aus dem Wer-
mutb, das Gentianin aus der Enzianmurzel, das
Pilrotorin, in den jog. Koffelsförnern enthalten,
das Santonin, der wirkſame Beftandtheil des
tober 1797 zu Murten in der Schweiz; ftudirte
in Bern u. Göttingen Theologie, wurde 1824
Pfarrvicar in Herzogenbuchſee, 1829 in Bern,
1832 Pfarrer im Emmenthalihen Dorfe Lützel-
flüh und ftarb hier 23. Det. 1854. B. fümpfte
zu Anfang gegen die im Kanton Bern obmalten-
den oligarhiihen Mißbräuche; feit der Anderung
der Berfaflung jedoch trat er als Gegner des
Radicalismus auf. Er ſah im dem politifchen
Parteiweſen an fi ein öffentliches Übel, eine
Schädigung des perſönlichen Werthes, ſowie des
jamilien- u. Gemeindelebend, So trat er mit
480
Biuret — Bixa.
praltiſch beftimmten Zmeden in die Iiterarifche löslich find. Die wäſſerige Löſung wird auf Zu-
Thätigkeit ein u. wurde ein vielgelejener Voltsichrift: [fa einiger Tropfen Kupferpitriollöjung u. Kali«
fteller, obwol er jet mehr u. mehr in Bergeffenheit [oder Natronlauge zmiebelroth gefärbt,
gerathen ift; er fchr.: Der Bauernipiegel, od. Geih. ſchuß von Kupferpitriol tiefviolett.
des Jeremias Gotthelf, Burgdorf 1837, 3. Aufl.,
bei liber-
Elören.
Bivalvis (lat.), zweillappig; daher Bivalven,
Bern 1850; Die Waflersnotd im Emmenthal,|jo v. w, ug Schaithiere.
ebd. 1838; Leiden u. Freuden eines Schulmeiſters,
Bivar, Don Rodrigo Diaz, Graf v. B.,
Bern 1838, hochdeutſch, Berl. 1848, 4 Thle.; ſo v. w. Cid.
Wie fünf Mädchen im Branntwein jämmerlih| Biveronius, Jakob, fo v. w. Biffrum.
umlommen, 1339, 2. A., Berl. 1851; Dursli,
der Branntweinfäufer, ebd. 1839, 4. U., hoch⸗
deutich, 1851; Die Armennotb, Zür. 1840, 2. A.,
Berl. 18515 Wie Uli der Knecht glüdlich wird,
ebd. 1841, hochdeutſch, Berl. 1846, 2. A. 1850;
Ein Spiveftertraum, ebd. 1842; Eines Schweiz.
ers Wort am die ſchweizeriſchen Schütenvereine,
Soloth. 1842; Bilder u. Sagen ans der Schweiz,
ebd. 1842—46, 6 Bdochn.; Wie Anne Bäbi Jo—
wäger hausbaltet u. wie es ihr mit dem Doftern
ebt, ebd. 1843 f., 2 Bde.; Wie Chriften eine
Frau gewinnt, Bafel 1845; Der Geldstag, Soloth.
1846; Der Knabe des Tell, Berl, 1846; Jatobs
des Handmwerlsgeiellen Wanderungen durch bie
Schweiz, Zwidau 1846 f.; Hans Joggeli ber
Erbvetter und Harzer Hans auch ein Erbvetter,
Berl. 1848; Käthi die Großmutter, 1847, 2 Bde,;
Doctor Dorbach der Wiühler u. die Bürglenheren
Anno 1847, L8pz. 1850; Uli der Pächter, 1848,
hochdeutſch, 2. A., Berl. 1850; Erzählungen und
Bilder aus dent Bolfsleben der Schweiz, 1852 ff.,
5 Bde; Die Käferei auf der Behfreude, Berl.
1850; Zeitgeift u. Bernergeift, ebd. 1851, 2 Bde.
Seine gefammelten Schriften erfchienen feit 1855
zu Berlin in 24 ®hn. Der Berner Kalender,
1840—46, war voll Wit u. fharfer Satire und
mirfte dadurch ſehr von der comjervativen Seite
auf das politifche Yeben des Volles. Obwol einer
— Volksbildung in feiner Weiſe zugethan,
efämpfte doch B. vielfach die Beftrebungen des
Lehrerftandes, dem er eine aus Halbwilfen umd
Eitelteit hervorgehente Unruhe zum Bormurfe
machte. Auf kirchlicher Seite ftehend, dedt er
leichwol die Schwächen einer vornehmthuenden
römmee auf. Sein ganzes fhriftftelleriiches
dirfen war darauf gerichtet, die niederen Volks:
fhichten in fittlicher w. materieller Hinficht zu heben,
doch haben die meiften feiner Schriften neben
diefem ethiſchen auch einen nicht geringen poetifchen
Werth. Seine kräftige, mitunter jedoch übertrie-
ben realiftiihe Darftellung, dazu volltommene
Kenntnig der Menihen und Berhältniffe in dem
Kreife, den er fi gezogen, machen ihn zum
Meifter in der Dorfgeſchichte; ja, er bezeichnet
neben dem von ihm im ganzen Weſen ver«
ihiedenen Berthold Auerbah die Höhe diefer
Gattung. Die mundartlihen Elemente treten
in feiner Screibart nicht allzu ftörend hervor;
von feinen Schriften wurden viele der leichteren
Verbreitung wegen ins Hochdeutſche umgearbeitet.
Ereigenah.*
Binret (Allophonamid, Chem.) C,H,N,O,,
ein Zerfegungsproduct des Harnftoffes, durch
Schmelzen deffelben bei 150— 160° entftauben ;
bildet lange, farbiofe, bei 190° ſchmelzende Kryftall-
nadeln mit 1 Mol. Kryſtallwaſſer, die in kaltem
Waſſer ſchwer, in heißem u. in Altohol leichter
Bivöna, Stadt in der ficilianiihen Brovinz
Girgenti, am Riforio; Steinölquelle; Getreide»
u. Weinbau; 4020 Em.
Bivouac (fr., vom deutichen Beiwacht), Lager
der Zruppen im Kriege umter freiem Himmel,
ohne Zelte oder Baraden. Die B-$ find ein Re
fultat der neueren Kriegführung und für ben
General höchſt bequem, der dadurch die Truppen
zur Hand hat; fie werden deshalb gern vor oder
nah einem Gefechte bezogen. Sie müfjen am
trodenen Orten gewählt fein, wo Holz, Wafler
u. Stroh in der Nähe find. Das B. wird durd
Borpoften gefihert und ftellt ſelbſt noch Lager»
wachen gegen Überrafgungen au. Man bir
vouafirt mie in der Stellung, in welcher man
fih ſchlagen will, fondern ſtets in paflender Ent-
fernung dahinter. Je größer die Heere werden,
defto häufiger wird bivoualirt werden müſſen,
weil die Truppen nicht unterzubringen find, ſobald
man irgend concentrirt marſchirt.
Bixa L., Pflanzengatt. aus der Pflanzenfam.
der Biraceen (XII. 1), mit 5 freisjörmigen, ge-
färbten und abfälligen Keihblättern, 5 Blumen»
blättern, vielen Staubblättern, einem langen, ein-
fahen Griffel u. einer zweiflappigen, augen bor⸗
figen Kapfel, deren 8—10 Samen mit einer
umen fruftigen, außen aber fleiihigen, mit rothem
Safte erfüllten Schale umgeben find; füdamerilan.
Bäume mit herzförmig-länglichen, ganzrandigen
Blättern u. zu Rifpen vereinigten Blüthen. Art:
B. Orellana Z., benannt nad) Francisco de Orellana,
dem Beichifier des Amagzonenftromes (Orleans
baum, Rucubaum), im tropiihen SAmerila ein-
heimiſch, aber auch in Eentral-Amerikta, im tros
piſchen Aften u. Afrika cuftivirt, mit eiförmigen,
an der Bafis herzfürmigen, lang zugefpitten
Blättern, 3—4 cm großen, röthlich gefärbten
Blüthen und einer 3—4 cm langen, eiförmigen
Kapfel, welche mit den em großen Samen er»
füllt ift, deren fleifchige, nach Beilchen riechende,
herbebittere Umhüllung einerjeitS zu erfriichenden,
fieber u. giftwidrigen Getränken, anderſeits zur
Bereitung eines vorzüglichen rothen FFarbftoffes,
Orlean, Urucu, Rucu, Arnotta, Terra orleana,
dienen. Dieſer Farbſtoff wird zum Orangegelb-
färben der Wollen- u. Seidenzeuge verwendet, in
England allgemein zum Färben des Käfes, wäh⸗
rend die ſpaniſchen Amerilaner mit demſelben
Ehocolade färben. Auch ift der Orlean heute
noch in Amerifa gegen Ruhr gebräudlih. Die
bitterlih-gemürzhaften Samenlerne dienen als
herz» u. magenftärtendes Mittel, aber auch als
Gewürz. Endlich ift der Baft der Rinde wie Flache
u. Hanf zur Anfertigung von Seilen, Schnüren
u,.dgL verwendbar. Die früher wegen der weißen
Schüpphen auf der Umterfeite der Pfätter als
andere Art angefehene B. urucurana W, ift nur
Biraceen
eine der vielen Formen, unter benen B. Orellana
vorfommt, Engler.
Biraceen, Pilanzenfam. aus der Klaffe der
Parietales; enthält Sträuder u. Bäume mit ab-
mwechleinden, meift ungetheilten Blättern, mit 1 Paar
ae, Nebenblättchen; Blüthen zmwitterig, od.
durch Abort eingefchlehtiih, in achjelftäudigen
Blürhenftänden vereinigt, mit freiem, 2—7theil.
Kelche, ohne Blumenfrone, oder mit 5 und mehr
Blumenblättern; Staubblätter Hypo» oder faft
perigyniſch; Fruchtknoten frei, mit 2 oder mehre-
ren wandftändigen Samenträgern, welche bisweilen
bis in die Mitte voripringen und viele Samen-
fnofpen. tragen; Frucht meift eine fachipaltige
Kapiel; Samenträger auf der Mitte der Klappen;
Samen häufig mit einem Samenmantel veriehen;
Keimling in der Achſe des Eiweißes orthotrop.
Gattungen: Bixa, Oncoba, Xylosma, Flacourtia,
Roumea, Casearia, Ryania, Prockia u. a. Engler.
Birin, Orleanrotb, der rothe, harzige Farb-
ftoffdes Orlean, eine zinnoberrothe, amorphe Diaffe,
die in Waffer nicht, im heißem Alkohol Leicht
löslich ift.
Birto, 1) Siacomo Aleffandro (Jacques
Alerandre), franz. Publicift, geb. 20. Nov. 1808
in Ehiavari; ftudirte im Collegium Ste. Barbe
zu Paris Medicin u. Chirurgie u. blieb in Paris;
er gründete 1837 das Journal d’agriculture pra-
tique, du jardinage ete., gab mit NYjabeau 1844
La maison rustique du XIX, siöcle, Almanach
du jardinier, Alusnsık du eultivateur et du
vigneron u, Annuaire de l’hortieulteur heraus,
ward in Verbindung mit anderen Häuptern ber
fiberalen Partei einer der Gründer des National
u. erflärte fih beim Ausbruche der Revolution
von 1848 gegen die Republik, wurde aber troß«
dem zum GabinetSchef ernannt u. mit einer
Miſſion nah Italien betraut. Vom Wahlkreife
Doubs zum Boltspräfidenten gewählt, faß er bei
den gemäßigten Demokraten. Am 15. Mai er-
Härte er noch vor der Eutſcheidung für den Fall
des Sieges der Socialiften feinen Rüdtritt aus
dem Staatsdienfte. In den Junitagen ftellte er
fih an die Spite einer Militärabtheilung u. wurde
darauf fünfmal zum Bicepräfidenten der National«
verſammlung gewählt. Napoleon machte ihn im
December 1848 zum Handels» u. Aderbauminifter,
doch führte er das Portefeuille nur wenige Tage.
Infolge feiner Haltung in der Kammer jchlug
er fih mit Thiers, unterzeichnete am 2. Dec.
1851 das Decret über die Abſetzung Napoleons
u. ftellte fih dann freiwillig zur Haft. Nach
einem Monat entlaffen, übernahm er die feit-
ung einer Druderei u. war auch bei dem Eredit-
Mobilier weſentlich beheiligt. Er ftarb 16. Dec.
1865 in Paris. 2) Girolamo, genannt Nino,
italienischer eg Bruder des Vor.,
geb. 2. Octbr. 1821 in Genua; diente zuerft in
der piemontefiihen Marine, trat 1844 aus und
ward Eapitän eines Handelsſchiffes, nahm 1847
an dem Aufftande von Genua theil, welcher Karl
Albert veranlafte, eine Gonftitution zu geben,
that fih 1848 u. 49 im Kriege gegen Oſterreich
hervor und half Venedig vertheidigen, wie fpäter|fubjectiv Willfürlichen,
Rom, wo er Dubdinot zuridwarf. Dann war
481
ribaldis Waffengefährte u. commandirte als Oberft
ein Bataillon (Alpenjäger, nahm hervorragenden
Antheil an den Ereigmifen in Sicilien 1860, wo
er al3 erfter Lieutenant Gartbaldis diente u. den
PBiemonte commandirte, der bei Marſala landete.
Garibaldi ernannte ihn 19. Juli zum General.
As folder focht er bei Calatafimi u. Palermo,
wo er verwundet ward, that fich ferner bei der
Einnahme von Reggio u. am Bolturno hergpr u.
ward zum Generallieutenant befördert. B. trug
durch jeinen Einfluß anf Garibaldi viel dazu bei,
deflen Zwifte mit Cavour beizulegen und Gari«
baldi zu einer gemäßigteren Politit zu bewegen.
Bon Genua ind Parlament gewählt, nahm er
als General feine Entlafjung, als er ſich durch
General Fanti beleidigt glaubte, doch wurde er
als General im Freiwilligencorps beftätigt und
1862 in die Armee übernommen; 1863 wurde er
Feſtungscommandant von Aleffandria; 1865 wählte
ihn Ancona ins Parlament, u. 1866 machte er
den Krieg gegen Öfterreih als Divifionsgeneral
mit, wo er den Rückzug von Cuſtozza dedte. Im
Jahre 1869 trat er an die Spike einer Gejell«
Ichaft für den Handel nah der Südſee, meldete
fi jedoch 1870 bei bevorftehender Erpedition nad)
Rom wieder zum Dienfte, nahm Eivita-vecchia u.
betheiligte fi am 20. Sept. beim Sturme auf
Rom, wonach er den Kriegsdienft verließ, um
fein früüheres Handelsunternchmen wieder aufzu«
nehmen. Später vermiethete er zu Singapore
fein Schiff Maddaloni der holländifhen Regierung,
um darauf Truppen nad Atfchin zu bringen, bes
gleitete diefe Erpedition jelbft, wurde aber glei
den meiften Mitfahrenden von der Cholera ergrifs
fen u. ftarb 16. Dec. 1873 bei der Inſel Pulo
Juan, Sein Grab wurde von unbefannter Hand
zerftört u. der Leichnam entwendet. Vgl. Val, La
vita di Nino Bixio, narrata da Gius. Guerzoni
con lettere e documenti, Florenz 1875. v
Bizarr (ital.), Ertrem von abfonderlich, mit
der Richtung anf das Phantaftifhe. Subjectiv
gefaßt bezeichnet es eine aus urſprünglich eine
feitiger Gemüthsanlage oder aus Verbildung ent-
ſprungene Verzerrung des Geſchmackes u. ift dann
ſynonym mit capricıös, launenhaft, wunderlich;
objectiv bezeichnet es die entſprechende Eigen-
ſchaft an Dingen, ſei es daß ſie zufällig, auf
natürlichem Wege ſich entwickelt hat, oder daß ſie
als Product menſchlichen Schaffens erſcheint. In
der Natur, namentlich bei den Pflanzen, findet
man oft Formen, welche ſcheinbar einer bizarren
Laune entiprungen find. In der Sphäre des
menfhlihen Schaffens, im Bejonderen in der
Kunft, drüdt B. im Allgemeinen jede mit dem
Schein der Willkür behaftete Abweihung von dem
durh Sitte u. Vernunft geheiligten Geihmad
aus. Aus foldem Grunde ericheint Daher oft eine
Mode b., felbft wenn fie, wie in den Ausdrücken
barod u. Rococo, einen beftimmten, duch den
——— eingeführten Stil bezeichnet. Wenn
. auf Anſichten u. Meinungen angewandt wird,
erhält es eine fynongme Bedeutung mit parador,
mit dem Nebenfinn des Ungereimten oder doch
Schasler.
Bize, Fleden im Arr. Narbonne des franz.
— Bize,
B. eine Zeit lang Handelscapitän, ward 1859 Ga-IDep. Aude, am Flüßchen Ceſſe; Tuchfabri—
Biererd Univerfal-Eonverfations:Periton. 6. Aufl,
11. Baud.
31
482 Bielaja — Björnfon.
tation, Naunfiederei: Steinfoblengruben; Weinbau; /toje-See führt der 76 km lange Herzog-von-
1250 Em.; dabei das Thal Las⸗Fons mit großen) Württemberg-Kanal, durch welchen die Verbindung
gühlen, in welchen fih Menſchenknochen u. » Zähne, mit dem Divina-Spftem bergeftellt ift.
Scherben u. Knochen von Thieren finden, welche Bjelopolje, Landftadt im Kreije Sſumy des
jegt nur in der tropifchen Zone leben. ruff. Goub. Charlow, Station der Eifenbahnlinie
Bielaja, 940 km langer Nebenfluß der Kama |Kurst-Kijew; Wranntweinbrennerei; Landwirth-
in Rußland (Goup. Orenburg); entipringt auf|jhaft; 4 Jahrmärkte; (1873) 12,178 Em.
dem Ural, nimmt rechts Inzar, Ufa u. Tanym, Bjeloſersk, Kreisftadt im ruff. Gouv. Now—
finf3 Urſcha u. Dema auf; ift faft 500 km ſchiff⸗ gorod, am füblichen Ufer des Bjelo Dfero; ver-
bar u fiichreich. Ichiedene alte Bauwerke, unter denen ein Kreml,
DBielbog, ſ. Bielbog. Klofter u. mehrere Kirchen; Handel mit Lichten,
Bleien® Kreisftadt im ruffiihen Gouv. Tula, Goldarbeiten, Heiligenbildern und Theer; Fiſch⸗
auf einem hohen Hügel am linfen Ufer der Ofa, fang; 4361 Em.; regelmäßige Dampfſchifffahrt
bedeutende Handelsſtadt; viele Kirchen, Klöſter, auf der Schelsna.
4 Schulen, wohlthätige Anftalten; ‚zabriten in) Bijelowodsk, Stadt im Kreiſe Starobjelsf des
Leder, Lichtern, Eiſen, Stahl, Kupfer u. ſ. w.;/ruffiihen Gouvernement3 Ehartow, an der Der-
8123 Em. Hier farb 1826 die Kaiſerin Eliſabeth knla; Talgfiedereien; Jahrmärkte; 8000 Em.
Alexiewna, Wittwe Aleranders I., Ahf der Rüd- Wielsf, Kreisftabt im ruſſ. Gouv. Grodno,
reife von Taganrog nad Petersburg begriffen. Jan der Bjelianfa, in fruchtbarer Gegend; mehrere
Bjelgorod (Belgorod, d. h. Weipftadt), Kreis: | Hofpitäler ; kaiſerl. Galzmagazin; Fabriken; große
ftadt im ruff. Gouv. Kursk, am nördl, Done u. Märkte in Kom, Vieh, Wolle, Leder, Hanf,
der Weſelta, Station der Kurst-Eharfower Eiſen- Flachs u. Leinwand; 3985 Em,
bahnlinie; gut gebaut; zerfällt in Alt- u. Neuſtadt; Bjelzy (Bielzi), Kreisftadt der ruf. Provinz
Seminar, Communalbant; viele Fabriten, Seifen- | Befjarabien, am Heut (Nebenfluß des Dnjeſtr);
fiedereien, Wajchanftalten, Gerbereien zc., berühmt ſchöne Kathedrale; Hoipital; Bazar; 6030 Em.;
fin® die Wachslichte von B.; lebbafter Handel;/im der Umgegend ftarter Obft- u. Gemüſebau.
(1873) 15,200 griech.-tath. Ew. Die Stadt bat| VBjerregaard, Henrik Anker, norweg. Dich-
ihren Namen von einem Kreideberge, im defien)ter, geb. 1792 in Gudbrandsdalen in Norwegen;
Nähe die uriprüngliche alte tatariſche Stadt lag,| verwaltete mebrere richterliche Aınter und ftarb
welche zerftört, aber 1593 von den Ruſſen an 1842 zu Ehriftiama als Affeffor am Stiftsgerichte.
jetiger Stelle neu angelegt ift. Da fie von den] Er gehörte zu den Norwegern, die eine nationale
Tataren aber oft bedrobt wurde, befeftigte man | Literatur ſchaffen wollten. Seine Gedichte find ge»
fie nicht mur, fondern benutte fie auch als Stütz- ſammelt al: Blandede Digtninger, Chrift. 1829
punkt für die vom Doneg ca. 300 km lange,|f., 2 Bbe.; er fchrieb auch das Singipiel: Das
im 17. Jabrh, angelegte B-er Linie, deren Abenteuer im Gebirge, u. das Traueripiel: Mag»
Überrefte noch jest zu erfennen ſiud. nus Barfods Söhne. Werte, Chriſt. 1848.
Bielinffi, Wiſſarion — ——— JBieſchezk, Kreisſtadt im ruſſ. Gouv. Twer, an
ruſſ. Schriftſteller, geb. 1812 in Moskau, wo er|der Mologa Nebenfl. der Wolga); großes Invaliden⸗
ſtudirte u, wo er 1834 feine literariſche Thätig- haus; Eiſenwaarenfabriken; Kornhandel; 4620 Em.
keit als Mitarbeiter am Moskauer Teleftop ber} Biörneborg, Seeftadt im Län Abo ˖ B. des
gun u. jeit 1838 Mitherausgeber des Moskauer) GroßfürftenthHums Finnland, am Ausflug - des
eobachter8 war; 1840 ging er nach Petersburg Kumo in den Bottniſchen Meerbufen; mehrere Fa—
u. betheifigte fi als Kritifer an den Vaterländi- briken; Schifffahrt; bedemtender Handel mit Bal—
jhen Memoiren, mußte aber wegen feiner Frei⸗ken, Brettern, Theer zc. (Gefammtausfubr fährl,
finnigkeit dieſe Thätigkeit einftellen; er ft. 7. Juni über 41 Mill. M); Hafen für, B. ıft Räfſo, 33
1848. Geine Schriften erjhienen gefammelt Mos-| km entfernt; 7270 Em.
fau, 1859—62, 12 Bde. Bijörnfon, Björnftjerne, norweg. Dichter,
Bjeloi, Kreisftadt im ruſſ. Gouv. Smolenst,|geb. 8. Dec. 1832; ift wiederholt als Jour—
an der Owſcha (Zufluß der Dina); 6 Kirchen, |nalift (ziemlich wilder Art) thätig geweſen, außer«
mwohlthätige Anftalt; zahlreiche yabrifen in Leder,|dem als Theaterdirector, 1857—59 in Bergen,
Tauwerk; lebhafter Handel mit Getreide u. Feld- 1865—67 in Chriftiania, Geit 1863 ift er als
früchten u. ihren Fabrilaten, mehrere Jahrmärkte;| Dichter aufgetreten; feine umſaſſendere literariiche
(1870) 6805 Em, Tätigkeit fing etwa 1857 an. Anfangs war er
Bjelo Dfero (Weißer See), fiichreicher Landſee in Norwegen unpopulär; in Kopenhagen aber,
im ruff. Gouv. Nowgorod; 1123 km (20,, [IM)|mo er fich viel aufhielt, gewann er durch feine
groß, ca. 43 km lang, 32 km breit, 1—5 m tief; | ffandinavifchen, nordischen Tendenzen ſogleich die
weißer Mergelboden; wird, durch Stürme auf) Fournaliften der fogenannten nationalen Partei
geregt weiß; erhält durch die Kowſcha Zufluß u. für fih, fo befonders den damals einflußreichen
gibt der Scheisna, die fih im Gouv. Jaroslaw Kritiker Clemens Peterſen; im ſtandinaviſchen
mit der Wolga vereinigt, den Urjprung. Er ift| Organ Faedrelandet wurde fo laut für B. Pro-
dur den 9,, km langen Marien-Stanal, welder|paganda gemacht, daß im Kopenhagen Begeifter-
von der Kowſcha zur Wytegra reiht, mit demjung fiir die neunorwegiſche Poeſie bald Mode
Dnega:See verbunden. Um die gefährliche Fahrt wurde, was B. dann ferner zur Anerfennung in
auf dem B. D. zu umgeben, bat man an dem| Norwegen verhalf. Sein bei aller Manierirtheit
ſüdweſtl. Ufer entlang Kowſcha u. Schelsna durch | unleugbares Talent hätte fih auch ohne die An«
den Bjelojerstifchen Kanal verbunden, Zum Kubins- | preifungen eiger leineswegs rejpectablen Coterie
Biörnftjerna
Bahn gebrochen. Eben in Kopenhagen trat feit
1872 eine Reaction in der öffentlichen Meinung
ein; jo lange B. bloß Standinave war, gefiel er
dafelbft; dag er die Albernheiten des Grumdtvigia«
nismus aboptirte, fonnte ihm nicht wejentlich fcha« |
ben, u. er gewann dieje Partei für fich; aber ba
trat er unerwartet als Pangermanift auf u. äußerte
vernünftige Worte über die Stellung Dänemarts
zu Deutfhland; diefes, nebft feiner immer flärker
bervortretenden Syinpathie für die in Kopenhagen
verhaßte Bauernpartei erwedte wüthenden In—
rimm gegen ihn, u. feine früheren Bewunderer in
openbagen bereuen es, feinen Ruhm geichaffen
zu haben. Die Kritik über ihn ift übrigens auch)
außerhalb Dänemarf® noch nicht ins Gleichgewicht
gekommen. Sein angeborenes Talent wird durch
ein angefünfteltes, vermeintlich” nordifches, oder
ar altnordijches Wefen, u. überhaupt durch eine
ffectation beeinträchtigt, worin ihn nur fein Gegner
* übertrifft. Am grellſten tritt die Manierirt«
eit u. Unnatürlichkeit Beider in der Sprade u.
dem Stil hervor, u. bier wird es in Deutjchland
Beiden zu Gute gelommen fein, daß ein Theil
ihrer Affectation, als ſpeciell finguiftiich, im der
deutſchen Überjegung theils wegfällt, theil wenig -
ftend gemildert wird. Bon zwei im Drud (als
diefer Artikel gefchrieben wurde) noch nicht erichie-
nenen Dramen B-8, Redacteuren ü. En Fallit,
beißt es indeſſen, daß fie den früheren Stü verlaffen
u. eine natürlichere Sprache angewandt haben
follen, 8-3 frühere Dramen find: Mellem Sla-
gene, Ehrift. 1858; Halte Hulda, Berg. 1858;
Koug Sverre, Kopenb. 1861; Sigurd Slembe,
Kopenh. 1862; Maria Stuart, Kopenh. 1864;
De Nygifte, $openh. 1865; Sigurd Jorsalafar,
ebd. 1872; das altnord. Gedicht Arnljot Gelline,
ebd. 1872, ift mißlungen. Größere Anerkennung
verdient Manches in den Iyriichen Digte og Sange,
ebd, 1870. Bes beite Werte find indefjen feine
Erzählungen aus dem norwegiſchen Vollsleben,
wie Synnöve Solbakken, Arne, en glad Gut,
Fiskerjenten, Brudeslaatten u. einige Heinere,
alle gefammelt unter dem Xitel Fortällinger,
Kopenhagen 1872 u. 1875, 2 Bbe.; aber die nie
fehlende Affectation nebft Gefühlsfchwelgerei macht
doch diefe Darftellungen weniger echt volfsthüm-
lich, als 3.8. die daͤniſchen von St. Blicher. Die
falſche Borftelung von dem Sagaftil, als dem
echt nordiihen Stil, hat, ſowie die altnordiichen
Studienüberhaupt, auf die neunorwegiſche Literatur,
fo auch auf B. einen weit mehr ſchädlichen alt
nützlichen Einfluß gelibt. Mehrere von B-3 Werten
find in deutjcher Überſetzung erfchienen, jo befonders
—— durch Holms, Berl. 1861; durch
Lobedanz in der Bibliothek der ausländ. Glaffifer,
Thl. 12—13, Hildburgh. 1865, u. durch Lübbert
(Arne), Berg. 1860 ıc.
Biörnitjerna, Magnus Friedrich Ferd.
Graf v., ſchwed. General, Diplomat u. Schriftiteller,
eb. 10. Dct. 1779 in Dresden, wo fein Vater
—88 Legationsſecretär war; fam erſt 1793
nah Schweden, um in die Armee einzutreten,
machte als Hauptmann den Finniſchen Krieg mit,
wurde Major, 1809 als geheimer Botichafter
an Napoleon geihidt, unterbandelte 1812 in
London wegen des Berfaufes der Inſel Guade-
— Blaas. 483
foupe, ging 1813 als Oberft mit der ſchwediſchen
Armee nah Deutichland, u. fämpfte dann im
Holftein u. in Norwegen, bis infolge der Con—
vention zu Moß, welde er mit dem Prinzen
Ehriftian von Dänemarf abichloß, die Vereinigung
Schwedens u. Norwegens erfolgte; er wurde 1815
Generaladjutant u. Freiherr, 1820 Generallieutes
nant u. 1826 Graf, war 1828—46 Gejandter in
London; er ft. 6. Oct. 1847 in Stockholm. B. ſchr.:
Om tillämpning af fond- eller stocksystemet pä
Srveriges, Stodholm 1829; Om beskattningens
grunder i Sverige, 1832, 2. A. 1833; Engelska
statsskulden, 1833; Grunder for representationen
möjliga ombyggnad of förenkling, 1835; Förslag
till jury i tryckfrihetsmäl, 1835; Det Brittiska
riket i Ostindien, 1839, deutjch 1839; Die Philos
fophie der Hindu, Stodholm, deutſch 1843; An-
teckningar, ebd. 1851, 2 Bd.
Blaarer (Blarer, Blaurer), eine adelige Far
milie in Schwaben; hatte vom 13. Jabrh. an
ihren Sitz zu Konftanz, erwarb fi mehrere
Schlöſſer u. Herrfchaften in der Schweiz u. jcheidet
fih in die Zweige der B. von Gyrfperg u. der
B. von Wartenfee. Merhvürdig find: 1) Am—
brofius, der ſchwäbiſche Reformator, geb. 4. (12.)
April 1492 in Konftanz; ftudirte jeit 1510 Phi—
fologie u. Theologie in Tübingen, wo er Melane
hthons Freund wurde, ging dann Ende 1514 in
das Klofter Alpirsbach, wo er bald zum Prior u.
Lefemeifter gewählt ward; hier als ein Anhänger
Luthers vielfach angefeinder, ging er nach Konſtanz
u. wurde 1525 Prediger dajelbit; mit Bucer u.
colampadins vereinigt führte er die Reformation
1531 in Ulm u. anderen Städten Ober-Schwabensg,
feit 1534 mit E. Schnepf in Württemberg ein u.
war 1537 mit in Echmallalden; beim Herzog
Urih in Ungnade gefallen, lebte er jeit 1548
wieder in der Schweiz, bei. in MWintertbur, und
wurde 1551 Prediger in Biel; er kehrte 1559
nach Winterthur zurüd, wo er als Prediger wirkte
u. von wo aus er auch 1562—64 dag Pfarramt
Grießenberg verſah; er ft. 6. Dec. 1564 in Winter«
thur. Bgl. Ib. Keim, U. B., Stuttg. 1860; Preſſel,
Leben u. Schriften U. B-8., ebd. 1861. Die He
formirte Kirche befitt von ihm mehrere Kirchen«
lieder, 3. B.: Wie's Gott gefällt, jo g’fällt mir's
auch. 2) Hans, aus dem Wartenjeer Zweige,
geb. 1685; ftudirte auf mehreren Iniverfitäten,
ward 1724 in das NRathscollegium des Kantons
Züri aufgenommen n. fpäter Mitglied des Ges
heimen Rathes, bejeitigte viele Streitigkeiten mit
der Geiftlichkeit in feinem Vaterlande u. befehligte
1743 die ſchweizeriſche Grenzbefegung im Oeſter⸗
reichiſchen Erbfolgefriege; er ft. 1757.
Blans, 1) Karl, deuticher Hiftorienmaler in
Wien, geb. 28. April 1815 zu Nauders im Ober.
innthal, Sohn eines armen Bauers, der künſtliche
aftronomifche Uhren conftruirte u. Büchſenſchäfte
mit prächtigen Neliefs verſah. B. fam ſchon mit
11 Jahren an das Innsbrucker Gymnaſium, um
fih nach des Vaters Willen für die Rechtswiſſen—
jchaft vorzubereiten. Jufolge des ſchlechten Bor«
unterrichtes konnte er aber nicht vorwärts fomımnen
ur fehrte bald wieder nach Nauders zurück, mo
er Schreiber beim Yandgerichte ward ir. Zeit genug
fand, fich feiner Neiguug zum Zeichnen hinzugeben.
31*
484
Sein Oheim, Frhr. v. Eichenberg, ſchickte ihn auf
die Akademie in Venedig, welche ihm im zweiten
Studienjahre den erften Preis zuſprach. Infolge
des Aufiehens, das fein Mofes u. Aaron während
der Schlacht der Fsracliten gegen die Amaleliter
machte, gab ihm die öfterreihiihe Regierung ein
Stipendium nah Kom, wohin er nad) fünfjähri«
gem Aufenthalte in Venedig ging. In Rom wirkte
namentlich der Umgang mit dem Landſchafter Joſ.
Koh u. Opverbed auf ihn ein. 15 Jahre
jpäter (1850) übernahm B. die Profeſſur der Hi-
ftorienmalerei an der Wiener Alademie, welche er
5 Jahre veriah. Dann fiedelte er aus Rückſicht
für feine frante Frau nach Benedig über, ward
jedoh nad Bollendung des Arſenals wieder nad
Wien berufen, um dafjelbe mit Freslen ſchmücken
zu helfen. B. gehört zu den vielfeitigiten Künſtlern
der Gegenwart. Zunächſt der kirchlichen Malerei
zugewendet, ward er durch Fieſole u. Overbed
mächtig angezogen, verlor fi aber doch nie ins
Nazarenerthum, u. in der profanen Kunft huldigte
er, feinem lebendigen Weſen folgend, dem freteften
Realismus in Eharakterijtil, Zormwollendung u.
Farbe. So Borzüglihes B. in der Ölmalerei
ſchuf, ſcheint e8 doch von feinen auferordentlichen
Leiftungen im Fresco übertroffen zu werden u.
ihn dieſes als Meifter in feiner ganzen fchöpferi-
jhen Kraft u. Bedeutung zu zeigen. Seine groß-
artige monumentale Aufjafjung mahnt an bas
Studium der Stanzen Rafaels. Seine bedeutendfte
Schöpfung find die Fresfen im Kuppeljaal bes
Arſenals: Die Schlachten bei Nördlingen, Zenta,
Turin u. St. Gotthard. Von feinen religiöfen
Bildern wären zu nennen: Die hi. Elifabeth (Ga-
lerie Metternih), Der Zug Jalobs durch die
Wiifte (Belvedere in Wien), Die bi. Katharina
von Engeln getragen (Eigenth. des Lords Shremws-
bury in England), 3 Altarblätter u. 21 Fresken
in der Kirche zu Foͤln in Ungarn. 2) Eugen,
Maler, geb. 24. Juli 1843 in Albano, ältefter
Sohn des Bor. u. einer Albanerin; erhielt feinen
erſten Unterricht in Wien, dann feit 1856 unter
feines Vaters Leitung in der Alademie zu Benedig,
ward Mitglied der letzteren, bereite Italien,
Deutichland, Belgien, England u. Frankreich umd
trat 1863 mit einem Ultarbilde für die Valentins—
fapelle von Obermais bei Meran vor das große
Publicum. Dann ging er nah Rom u. malte
dort zwei Scenen aus dem Decamerone, die Do«
garefja u. einen Abend auf Murano (Belvedere:
$alerie). Regnet.
Blacas D’Aulps, Pierre Louis, Graf von
B., franz. Diplomat, geb. 12. Jan. 1771 auf
Schloß Berignon bei Aulps, Ablömmling einer
Blacas d'Aulps — Blafband.
vermittelte dort die Heirath des Herzogs dv. Berry
mit der Prinzeffin von Neapel; er ward 1816
Gefandter in Rom, wo dur ihn 1817 das Eon»
cordat zu Stande fam, fehrte 1820 nad Paris
zurüd, ward bier premier gentilhomme de la
chambre du Roi, hatte beim Congreß von Pai«
bady beveutenden Antheil an den Unterhandlungen,
bef. mit dem König von Neapel, ging mit dieſem
wieder nad Neapel u. 1821—22 als Gefandter
nah Rom, doc) verwaltete er den Geſandtſchafts⸗
poften von Neapel zu gleicher Zeit. Auf Karl X,
hatte er großen Einfluß, aber 1830 keinen Theil
an den Fuliordonnanzen. Er folgte nad der Re»
volution Karl X. nad Holyrood, Prag u. Görz
u. lebte nad deilen Tode m dem Herzog u. der
Herzogin von Angouleme auf dem Schloſſe Kirch⸗
berg. Er fl. bier 17. Nov. 1839. B. war ſehr
a u. befaß jhöne Kunſtſammlungen, bef. orien-
taliiche Medaillen (beichrieben von Meinaud,
Par. 1828, 2 Bde). Seine Biographie ſchrieb
Yaboulaye, Par. 1840.
Bladymal (Bachmal) nannte man früher bei
der Scheidung des Goldes vom Silber durch
Schwefelantimon die auf dem gebildeten Antimon-
golde fich abjcheidenden Maffen von Schwefelfilber,
die durch die Niederichlagsarbeit, ein Zulammen-
ſchmelzen mit Eifen, weiter zu Gute gemacht
wurbeit.
Dlad... (engl), ſchwarz ...
Blad, mehrere Flüſſe in NAmerifa, darımter
1) ichiffbarer Nebenfluß des Jroquois in Nem-
York; 2) in News Feriey (f. Blad-River).
Blad, Zojepb, berühmter Chemifer u. Phy-
fifer, aus einer fchottiihen Familie, geb. 1728 in
oder bei Bordeaur; war 1756—66 Profeſſor der
Anatomie u, Chemie an der Univerfität Glasgow.
In diefe Zeit fallen feine bedeutendften Entded-
ungen, Er mies an feinen bejonders mit fog.
ägender u. milder Magnefta (Experiments upon
magnesia alba ete., Edinb. 1755) angeftellten der-
ſuchen nad, daß die ätenden Alfalien nicht, wie
man bis dahin glaubte, aus einer Verbindung
der milden mit Feuermaterie beftehen, ſondern
daß fie das Einfachere u. daß die milden vielmehr
umgelehrt Berbindungen jener mit fog. firer Luft
(Kohlenjänre) feien, deren Fdentität mit dem beim
Athmen, der Berbrennung u. Gährung fidh ent»
widelnden Gafe er erlannte. Daber ift B. einer
der Erften, welde zum Sturze der Phlogifton-
theorie beigetragen haben. Durd den Nachweis,
daß die fog. fire Luft eine beiondere Luftart u.
von der athmoſphäriſchen verſchieden ſei, begrün«
dete B. die Erkenntniß, daß die Luftform nicht
eine der legteren allein zulommende Eigenſchaft,
‚ der berühmteften Familien der Provence, wanderte |fondern ein Aggregatzuftand der Körper über»
beim Ausbruch der Revolution aus u. diente in|haupt if, u. regte damit die auf Erkenntniß der
der Eondeichen Armee; jpäter ging er nad; Verona Safe gemwendete chemifche Richtung der nächften
u Ludwig XVIIL, ward als Gejandter nad) Zeit an, welche als pneumatifche Chemie bezeichnet
— geſchickt u. folgte dem wir © 1800 wurde. Auch in phyfilaliicher Hinficht hat B. um
nach England; 1814 begleitete er Ludwig XVIII. die Kenntniß der Aggregatzuftände ein großes
nad Paris, wurde Haus» u. Staatsminifter, ver⸗ Verdienſt durch feine wichtige Entdedung der la-
darb e# aber, da er ſich für keine Partei beftimmt|tenten Wärme (um 1760). 1766 wurde B, Prof.
erklärte (obgleich im Herzen der ultraariftofratiihen|der Chemie in Edinburgh u. war Mitglied der
Partei angehörend), mit Allen u. warb deshalb|dortigen Royal Society. Er ftarb daielbft 16. Nov.
1815 nit wieder in das Minifterium gewählt, | 1799, Wimmenauer M.
jondern als Gejandter nah Neapel geihidt und] Bladband, die englifhe u. ins Deutſche ber-
Bladburn — Bladwell.
übergenommene Benennung für den in den Kohlen-|den, wenn die durch
485
Präfident Grant im Früh—
gebieten Englands, Schottlands u. Weftfalens ſich jahre 1875 eimgeleiteten Unterbandlungen über
findenden Kobleneifenftein, der aus einem durch | friedfiche Answanderung nicht zum Ziel führen.
mehr oder minder viele Kohlentheilhen ſchwarz
Bladmore, Richard, 1697 Leibarzt Wil-
—— lohlenſauren Eiſenoxydul, Spatheiſenſtein, helms III. von England, zu deſſen Gunften er
eftebt. Die befferen Sorten, die nad) ftattgejun-
denem Röften verhüttet werden, enthalten 60 bis
70%, tohlenfaures Eifenorybul u. 10 bis 20 %,,
beigemengte Kohlentheilchen und liefern ein gutes
Gießereieiſen.
Blackburn, Stadt in der engliſchen Grafſch.
Lancaſter, am Dervent u. am Leeds⸗Liverpool⸗Kanai;
bier münden 4 Eiſenbahnlinien; Lat. Schule, Thea-
ter, Bibliothel, Handwerkerinftitut, zahlreiche Wohl-
thätigfeitsanftalten; großartige Manufacturen in
Baummollenzeugen; 76,340 Ew. (1841 erft 86,000);
dabei bedeut. Kohlengruben.
Bladburn, Henry, engl. Meifefchriftfteller,
* 15. Febr. 1830 zu Portsmouth; ausge—⸗
ifdet am Kings College zu London, ward er 1853
Privatjecretär des liberalen Barlamentsmitgliedes
Horsman. Diefe Stellung brachte ihn im häu—
fie Berührung mit den liberalen Zeitungen u.
agazinen Londons, für die er vielfadhe Cor—
rejpondenzen über ausmwärtige Politit u. Kunft-
fritifen ſchrieb. 1855 und 1857 beſuchte er
Spanien u. Algerien u. bieft über diefe Reifen
illuſtrirte Borlehungen in London u. in den Pro-
vinzen, die fpäter unter dem Titel: Life in Al-
geria im Drud erſchienen. 1870 ward er Re—
Dacteur der Zeitichrift London Society, u. das
nähftfolgende Jahr bradte ihm eine Anftellung
im Minifterium des Innern. B. ſchrieb u. illu—
ftrirte auch theilweife die folgenden Werte: Tra-
velling in Spain, a record of adventure in that
country, Lond. 1866; The Pyrenees, illuftrirt
von Dore, daf. 1867; Normandy pieturesque,
daf. 1869; Artists and Arabs, daf. 1868; Art
in the mountains; The story _of the Passion-
Play in Bavaria, daf. 1870; The Harz Moun-
tains: & tour in the Toy Country, daf. 1873.
Bartling.
Bladfoot-Indianer (Bladfeet, d. i. Schwarz-
füßler), ein Stamm der Algontin-Familie der Ur-
einwohner NAmerikas; wohnen zwiſchen 46° u.
52° n. Br., an den Zuflüffen des Saskatſchewan
u. bis an den oberen Miffouri u. Nellowftone,
Sie beftehen aus den Kena- oder Blut Fndianern,
füdöftl. von Mount Hoofer, den Satfila u. Pielan,
welche weiter füdöftl. leben.
Bladford, County in dem oftnorböfll. Theil
des mordamerif. Unionsftaates Indiana, unter
40° n. Br. u. 85° w. U; 6272 Ew.; Countyfig:
Hartford.
BlackHawk, County im nordamerif. Unions-
Staate Jowa, unter 42° n. Br. u. 92° w. 9;
21,706 Em.
Blad-Hills, Bergkette in den Ber. St. NAmeri-
fa3; läuft ungefähr umter 40° n. Br. vom Felſen—
gebirge (Rocky ⸗Mountains) aus nuöſtl. bis zur
Südwendung des Miffouri unter 47’—48° n. Br.
iu den Territorien Wyoming u. Dakotah mit Lara-
mie Beat als höchſten Punkte 2600 m üi. d. M.
Sie find der Wohnſitz räuberifcher Indianerftämme,
deren Verdrängung die durch die Eiſenbahnen
berbeigeführten Anfiedelungeu mol bewirken wer-
die Revolution, welche diefen auf den Thron brachte,
batte bewirken helfen; er ftarb 1729. Außer
mediciniſchen Schriften ſchr. er: Creation (ein
philoſophiſches Gedicht, gegen Lucretius), 1712; die
Epopöen: King Arthur, 1697; Prince Arthur,
1695; die theologijhen Schriften: Just prejudices
against the Arıan hypothesis, 1725; Natural
theology, 1728, u. a,
DBlad-Mountaind werden die letten Aus—
läufer der Alleghanies im nordamerif. Unionsft.
NEarolina genannt, deren höchſte Spiten: Mount
Mitchel 1974 mu. Potato Top 1853 m ii. d,
M. in den Counties Yancey u. M'Dowell liegen.
Blad-River heißen über ein Dutzend Flüffe
im nordamerif, Unionsgebiete; davon: 1) im Staate
Nem- York; entipringt Am Herkimer County,
fließt durch die Counties Oneida u. Lewis nach dem
großen Bend u. ergieft fich durch die B.-R.-Bai in
den Ontario-See; 2) in Wisconfin; entipringt im
Marathon County, ergießt fi in den Mifftifippi
u, ift bis zu feinen Fällen für Mleinere Dampf-
boote ſchiffbar.
Blackſtone, Fabrikſtadt (Baummollenftoffe) im
Worcefter County des nordamerif. Unionsft. Maſ⸗
jadhufetts; 5421 Em.
Dladitone, Sir William, engl. Rechtsge—
lehrter, geb. 10. Juli 1723 in London; ftudirte
in Orford, mar jeit 1746 Mbvocat u. feit 1753
Lehrer der Rechtswiſſenſchaft in Orford, mo
er zuerjt über die Berfaffung u. Geſetzgebung
Englands Borlefungen hielt, u. 1758 Profeſſor
des Gemeinen Englischen Nechtes; er wurde 1761
Parlamentsmitglied u. 1763 Solicitor » General;
1766 gab er feine Profeſſur auf, trat 1768 mies
der ins Parlament u. wurde 1770 Richter am
Berichtshofe der Common-Plees; er ft. 14. Febr.
1780. 8. fchr. u. a.: Commentaries on the
laws ofEngland, Orf.1765—68, 4 Bbe., ein Wert,
das fiber 20 Aufl. erlebte, zuletzt herausg. von
Kerr, Lond. 1861, deutih: Handbuch des Engli-
ihen Rechtes von Colditz, Schleswig 1823, 2 Bde;
Analysis of the laws of England, Orf. 1754
u. ö.; Law tracts, Lond. 1762, 2 Bde., deutich,
Bremen 1779.
Blad-Warrior, Nebenfl. des Tombigbee, im
nordamerif, Unionsit. Alabama; von Tuscaloofa
an ſchiffbar; an feinen Ufern reichhaltige Steine
foblen- u. Eifenlager.
Blad-Water, mehrere Flüſſe: 1) in der enge
liſchen Grafih. Eſſer; entipringt bei Saffron«
Walden, bildet beim Ausflug in die Nordjee die
B.-B.-Bai (berühmt wegen der Auftern); 2) im
jüdl. Irland; entipringt in der Grafihaft Cork,
durchſtrömt diefe u. die Grafih. Waterford u.
mündet bei Youghal in den Atlantifchen Ocean;
er ift 27 km weit jchiffbar.
Bladwel, 1) Aler., geb. zu Aberdeen in
Schottland zu Anfang des 18. Jahrh.; war an—⸗
fangs Arzt in Yonden, trat als Corrector in eine
Buchdruderei, errichtete dann jelbft eine jolche,
machte aber 1734 Banterott u, fam in das
486
Schuldgefängniß, woraus er durch feine Frau be-
freit ward, indem diefelbe durch Zeichnung, Kupfer-
ſtechen u. Illuminiren der Kräuter des Mebicini-
ihen Gartens in Chelfea u. Herausgabe eines
Wertes: A curious herbal containing five hun-
dred euts of the most useful plants, which
are now used in the practice of physic, Lond.
1737, 2 Bde. Fol. (au als Herbarium Black-
wellianum [lat. u. deutſchj von ifenberger,
6 Bbe., Nürnb. 1757—73, Fol., herausgegeben),
wozu ihr Dann die Namen im verjchiedenen
Spraden u. Angabe des medicinifchen Gebrauches
beifügte, die dazu erforderlide Summe zuſam⸗
menbradte. Später fegte er fih auf die Yand-
wirthſchaft, kam als Leibarzt des Königs Fried«
rih nah Stodholm, wo er wegen Einmiihung
in die Politif 9. Aug. 1747 enthauptet wurde.
Er fhr.: Über die Urbarmahung unfruchtbarer
Felder u. die Austroduung der Moräſte, Yond.
1741. 2) Elifabeth, die erfte Frau, welche in
den Nordamerif. Unionsftaaten das ärztl. Doctor-
diplom erwarb, geb. um 1820 in Briftol; leitete
bis 1843 mit ihrer Schwefter Emily eine Mäd—
henbildungsanftalt, widmete fih aber dann ber
Arzneitunft, erhielt 1849 die mediciniidde Doctor:
wirde u. gewann, nachdem fie noch in Pariler
u. Fondoner Spitälern ftudirt, feit 1851 in New—
Dort eine ausgedehnte Praxis. Auf ihre An—
regung wurde 1856 eine mediciniiche Bildungs:
anſtalt für Frauen in New-York errichtet, welche
fie mit ihrer Schwefter Emily, die ebenfalls das
mediciniiche Doctordiplon: erworben, verwaltet.
Bladivood (Schwarzes Botanyholz), das Holz
ton Dalberga latifolia, das bärtefte Holz; wird
zu Meinen Drechslerarbeiten verwendet, ergibt
aber viel Abfall, da es frumm, voller Knorren
u. oft ausgeböhlt ift. Friſch fiebt es blaufchwarz
aus, bald wird es aber tief fohlichwarz.
Bladen, County im nordamerif. Unionsſt.
Nearolina, unter 40° u. Br, u. 78° w. V.,
von dem Cape Fear-⸗River durchſchnitten u. nord«
öftlih von dem South-River begrenzt; Producte:
Theer, Terpentin u. a.; 12,831 Emw.; Countyfig:
Eliſabethtown.
Bladensburg, Poftileden im County Prince
George im norbamerif, Unionsft. Maryland, am
öftlihen Arme des Potomac u. der Baltimore-
Wafhington-Eifenbahn. 24. Aug. 1814 Sieg
der Engländer unter Roß über die Amerikaner,
Blaes, Gerhard, lat. Blafius, einer der
regiten Beförderer der menjchlichen u, der ver-
gleihenden Anatomie, geb. 1617 zu Ooſtvliet
bei Brügge; ftudirte Medicin in Kopenhagen u.
feyden, promovirte 1646, prafticirte in Aınfter-
dam, wurde 1660 Profeffor dafelbft u. fpäter Arzt
am Hofpital u. Stabtbibliothelar; 1682, im fet«
nem Zodesjahre, wurde er Mitglied der Academia
naturae curiosorum u, trat als Podalirius II.
ein. Seine anatomischen Unterfahungen erftreden
ſich namentlid auf die Fungengefäße, den Chylus
und die Chylusgefäße, die Hirnhäute, das Nüden-
mark nebft jeiner Höhle u. auf pathologiiche Ver—
änderungen der Organe. Er war aud der erfte
Deutiche, der eine vergleichende Anatomie der Thiere
herausgab: Zootomia seu anatome variorum ani-
malium, Amfterd. 1676 u. 1681. Zhambann.
Blackwood — Blähungen.
Blagoweſchtſchensk, Hauptft. der Amur-Pro»
vinz im Afiat. Rußland, am Einfluß der Seja
in den Amur; 21. Mai 1858 gegründet, aber bis
jegt in ihrer Entwidelung den ruſſiſchen Hoffnun«
en nicht entiprechend; 1867: 3107 Em. Das
lima ſchwanlkt zwiichen Ertremen, u. bie Gegend
ift Überſchwemmungen ausgefett.
Blähſucht (Trommelfuht, Auflaufen, Aufe
bläben, Tympanitis oder Meteorismus), eine
übermäßige Anfammlung von Gafen in dem
Berdanungswerkzeugen der Hausthiere, bejon-
ders der Miederfäuer. Sie entmwidelt ſich nach
dem gierigen u. reichlihen Genuſſe von Futter-
ftoffen, melde raſch in Gährung übergehen, mo»
bei große Mengen von Gafen entwidelt mwer«
den, unter denen Koblenfäure, Schwefelmafferitoff
u. Kohlenwafferftoffe die Hauptrolle fpielen. Be-
ſonders gefährliche Futterſtoffe find: junge, üppige
Kleearten, faftreiche junge Gräfer u. das feiide
Kraut der Koblarten. ufolge der Gährung
diefer Futterſtoffe entfteht —* eine übermäßige
Ausdehnung u. Spannung des Bandes. Die
Thiere werden dabei unruhig u. Ängftlih, ihre
Augen bervorgetrieben; durch Drud des koloffal
ausgedehnten Magens auf das Zwerchfell entfteht
eine Beengung des Bruftraumes, Wird nicht
ichleunige Hilfe geleiftet, jo gehen die Thiere an
Berftung Des Magens oder an Erftidung zu
Grunde. Die Entiernung der Gafe ift auf ver«
ſchiedenem Wege zu erreichen: 1) Entfernung auf
natürlichem Wege, entweder durch Einführen
einer elaftifhen Röhre (Monroeiche Schlundröhre)
in den Dlagen, oder durch Manipulationen, weiche
Rülpfen erzeugen, Diud auf den Magen, Legen
eines Strohſeils durch das Maul zc.; 2) durch
Anwendung von Mitteln, welche das Gas abior-
biren: Kaltwaflfer, Kallmilch, kohlenſaures Natron,
Salmiafgeift ꝛc.; 3) durch Ausführung des Pan-
jenftibes. Befällt die B. ganze Heerden, wie
dies bei Schafen wol vorfommt, jo fuhe man
durch Äußere Anwendung der Kälte die Gährung
zu unterbrüden; kalte Begießungen, Zreiben der
Heerde in kaltes Wafjer zc. Eedinidt.
Blähungen (lat. Flatus), Luft od. gasförmige
Flüffigleiten im Wagen u. Darmfanal, Sie ent»
wideln fih zwar oft durch die als blähend be»
fannten Speiien, Speiferefte u. Getränfe, als:
Hülfenfrüchte, Kohl, Rettig, nicht ausgegohrenes
Bier u, natürlih oder krankhaft abgejonderte
Fzlüffigleiten des Magens u. Darmlanals, bei dem
als bejtehende Dispofition dazu bezeichneten Zur
ftande (Bläbfucht, Flatulentia), aber mejentlich
duch eine abnorme Abjonderung gasfürmiger
Flüſſigleiten an der inneren Oberfläche des Darın-
fanals, die durch ihre Menge nachtheilig, nament«
ih aufblähend wirken. Sn höhſten Grade er-
fcheint die Blähſucht als Windſucht (f. d.). Sie
ift oft eine Folge der Unmäßigkeit, Schwäche der
Verdauung, Hypochondrie, Hyfterie u. erzeugt
mannigfaltige Schmerzen des Unterleibes, vor«
züglich Kolik (Blähungstolit, Windkolik, Colica
flatulenta), Augft, Berftimmung des Gemüthes,
Magen- u. Brufttrampf, Kopfweh ꝛc. Aufftoßen
u. Abgang von B. bringen Erleichterung. Yettere
fan befördert werden durch blähungtreibende
Mittel (Carminativa), die durch ätheriiches Öl
Blain — Blake.
innerlich eine fräftigere Zufammenziehung des Ma-
gens u. Darmfanals bewirken. Dergl. And Kim-
mel, Anis, Fenchel, Koriander, beſ. Pfefferminz,
deren ätherifhes DI, mit Zuder zu Kügelden od.
Scheibchen gemacht (Pfefferminzkügelchen), ein ge-
wöhnlich gutes Hausmittel abgıbt.
Blain, Stadt im Ars. Saint-Nazaire des
franz Dep. Nieder-Loire, am Kanal Nantes-
Breft; Gerbereien, chem. Fabriken; Märkte;
6825 Ew.; dabei Auinen eines alten, ehemals
befeftigten Schloffes.
Blainville, Henri Marie Ducrotay de
487
‚reiboden-Partei von 1848, ward er 1852 in bie
Yegislative von Miffouri u. 1856 in den Congreß
gewählt, wo er 1857 in einer langen Rebe den
Vorſchlag machte, die Schwarzen der Vereinigten
Staaten in Gentral-Amerika anzufiedeln. 1861 ward
er Oberft eines Regiments Freiwilliger, 7. Aug.
1862 Brigadegeneral u. 29. Novbr. d. J. Ge-
neralmajor, A Feldzuge von Bidsburg befeh-
ligte er eine Divifion u. in dem Feldzuge Sher-
mans von Chatanooga bis Atalanta (1864) das
27. Corps der Tenneflee-Armee, In den 38. Con—
greß gewäblt, legte er jein Mandat nieder, um
3., franz. Zoolog, geb. 12. Sept. 1778 in Arques | jeine Stellung in der Armee zu behalten. 1866
bei Dieppe im franzöftfchen Dep. Nieder-Seine;|ernannte ihn Präfident Johnſon zum Steuer»
ftudirte in Paris Naturwiffenichaften, wurde beim
Jardin des plantes u. am Collöge de France
angeftellt, 1812 Profeſſor der Zoologie, ver-
gleihenden Anatomie u. Phyfiologie an der Uni—
verfität u. zugleich Profeffor der Naturgeichichte
am Athenäum; er fl. 1. Mat 1850. B. ſchr.:
Prodrome d'une nouvelle distribution systema-
tique du rögne animal, Par. 1816; Faune frang.,
1821—30, 90 Lieferungen; De l’organisation
des animaux, 1822; Manuel de malacologie et
de conchyliologie, 1825—27; Manuel d’actino-
logie, 1834 ff.; Cours de physiologie, 1833,
3 Bde.; Ostöographie, 1839 ff., u. v. a.; er re
digirte auch 1818—23 das Journal de Physique,
de Chimie, d’Histoire naturelle et des Arts,
Blair, County im nordamerik. Unionsſt. Benn-
fylvania, u. 40° n. Br. u. 78° w. L.; öſtlich be-
grenzt vom Taffeygebirge, im W. durch die Alle—
ghanies, durchzogen von den Dunnings- oder
Brufbgebirgen; reih an Steinkohlen u. Eifen-
lagern; hat verjchiedene Eifenbahn- u, Kanalver-
bindungen; 38,051 Ew.; Countyfig: Holidaysburg.
Blair, 1) Hugb, geb. 7. April 1718 in Edin-
burgb; wurde 1742 Prediger zu Eolleffie w. 1743
in Edinburgh, wojelbft er 1758 die erfte Bfarritelle
u. 1762 auch die neu geftiftete Profeffur der Be—
redtiamfeit u. Schönen Viteratur erhielt; er ftarb
27. Dechr. 1800. Befonderen Ruhm erwarben
ihm feine Predigten, welche von 1777 ab in
5 Bon. erfchienen, ihm eine königl. Penſion von
200 Pd. St. einbradhten u. faft in alle euro-
empfänger im Hafen St. Youis u. glei) darauf
zum Commiſſar der Bacific-Eiienbahn. Zwei
‚Jahre jpäter ftellte ihn die demokratische National»
Konvention mit Horatio Seymour als Gegen-
candidaten gegen General Grant u. Scuyler
Eolfar für die Präfidentichaft, reſp. Vicepräſident—
ihaft der Berein. Staaten auf, 1871 ward er in
Miſſouri durch eine Coalition von Demokraten ı.
Freihändlern zum Senator gewählt, 3) Mont»
gomery, amerif. Staatsmann, geb. um 1821
u, erzogen zu Weſtpoint im Staate New⸗York; ftudirte
die Rechte zu St. Louis u. folgte zuerft der Ad-
bocatenlaufbahn. Da er ein eifriger Anhänger
der demofratiihen Partei war, jo machte ihn
Präfident Pierce zum Anwalt am Court of Claims,
aus welchem einträglihen Poſten er jedoch durch
Präfident Buchanan entlaffen wurde, weil er zur
republik. Partei übergegangen war. 1861 ward
er von Lincoln zum Marineminifter u. fpäter zum
Generalpoftmeiftergemacht. 1) W. Körner, 2)3) Barıling,
Blaife, St., proteft. Piarrdorf im ſchweizer
Kanton Neuenburg, am nördl. Ufer des Neuen—
burger-Sees u. an der Eijenbahn von Neuenburg
nah Olten; Erziehungsanftalten; vortrefflicher
weißer Wein; 1280 Em,
Blake, 1) Robert, berühmter brit. Seeheld,
eb. 1599 in Bridgewater in Somerjetihire, wo
bein Vater Kaufmann war; ftudirte in Orford
u. Tieß fih 1640 in das Parlament wählen, wo
er die Sache der Nation vertheidigte,; warb ein
Corps Dragoner, an deren Spige er gegen die
päiſche Sprachen überſ. wurden, deutih von Sad|Royaliften fodht; von Cromwell erhielt er 1649,
u. Schleiermadher, 5 Bde., Lpz. 1781— 1802. Sie
zeichnen ſich durch eine milde Moral u. ſchönen Stil
aus, find aber jetst vergeflen. Der Stil, vereint mit
obgleih er vom Seeweſen nichts verftand, das
Commando eimer Flotte u. wußte ſich durch Ge—
wandtbeit bald fo in feinen neuen Beruf zu fin«
gutem Geihmad, ift der Hauptvorzug auch eines|den, daß er noch im dieſem Jahre die königliche
anderen®erfes: Lectures on Rhetorie and Belles-
Flotte unter dem Prinzen Ruprecht ſchlug u. die
Lettres, 2 Bde., Lond. 1783; endlich von ihm: Inſeln eroberte, welche es mit Karl II. bielten;
Critical dissertation on the poems of Os-
sian, worin er für die Echtheit eintrat, gedruckt
vor der Macpberfonshen Ausg., Edinb. 1763.
2) Francis Prefton der Jüngere, amerif, Ge-
neral, Politiker u. Staatsmann, geb. 19. Febr. 1821
zu Lerington in Kentudy; fam als Kind mit fei-
nem Bater nah Washington, wo diefer als Freund
er befiegte 1652 die holländische ‚Flotte, beſchoß
1655 Tunis u. befreite in Tripolis u. in Algier
alle engliihen Sklaven; dann ſchloß er mit Ve—
nedig u. Toscana vortheilhafte Tractate, be»
mächtigte ſich Jamaicas, befiegte 1656 die
Spanier vor Cadir, wo er ihnen einen Theil der
Silberflotte wegnabm, u. ſchlug 1657 wieder die
des Generals Jadjon den Globe herausgab. Nach- | Spanier vor Santa-Eruz; er fi. 17. Aug. 1657
dem B. feine Univerfitätsftudien vollendet hatte,|bei Plymouth u. wurde in der Weitminfter- Abtei
fieß er ſich als Advocat zu St. Louis in Miffourt|beigejegt. Vgl. W. G. Diron, K. B., Admira)
nieder. 1845 machte er eine Reife durch die Rody- an
General at sea, Lond. 1852, n. U., 1856
Mountains, diente als gemeiner Soldat im Mert- 2) William, Maler u. Kupferfteher, auch
caniihen Feldzuge u. nahm 1847 wieder feine) Dichter, geb, 28. Nov. 1757, geft. 12. Aug. 1828,
Advocatenpraris ın St. Louis auf. Anhänger der)Sohn eines Strumpfwirfers; jollte das Handiwerf
488
feines Vaters treiben, doch brach feine auffällige
Begabung durd. B. kam zum damals berühmten
Stecher Bazire in London in die Lehre, bildete
fih ferner unter Flaxmann u. Füßli u. ſchr. da—
zwifhen Oden, Yieder, Balladen u. Sonette.
Durch feine Verehelichung mit einem armen Mäd-
hen, Katharina Boutcer, kam B. in eine ruhigere
Bahn. Vifionär, wie er war, glaubte er die
2 des Heiden» u. des Chriſtenthums mit
ugen zu feben und bielt fie mit Stift und
Feder fe. So erhielten feine Arbeiten den Cha-
rafıer des Ungemwöhnlichen u. Dunklen. Werke:
The Grave (Zeihnungen für Blairs Grabmal),
zugleid fein Hauptwert, voll Kraft und Inven-
tion, aber ohne Geihmad und Grazie; youngs
Nachtgedanken (Fluftrationen zu dem befannten
Buche); Europa, eine Weiffagung, die Entdedung
der Bücher Hiobs; Die Wallfahrt nah Canter-
bury. Er verwarf Rubens, Titian u, Correggio
u, rejpectirte mur Mafael, Giulio Romano,
Michel Angelo u, Albrecht Dürer. Bgl. Gilchrift,
Life of W. B., Yond. 1863, 2. A., 1870. 8) Joa-
him, fpan. Offizier u. Staatsmann, geb. um
1760 in Malaga; trat 1773 als Cadet in ſpaniſche
Kriegsdienfte u. avancirte während des Krieges
mit ‚zrantreih zum Brigadier. Bei dem Ein-
falle der Franzoſen 1808 war er Chef des fpani-
ſchen Generalftabes, übernahm dann das Commando
der Armee von Eſtremadura, Galisien u. Xeon,
focht aber unglüdlid gegen die Franzoſen u. legte
das Commando nieder. Er wurde nun General«
capitän von Aragonien, Catalonien u. Navarra,
aber bei Beldite 18. Juni 1809 von Neuem be-
fiegt; dennoch wurde er als Rath der Negentichaft
zum Commandirenden der Armes, des Gentrums
ernannt, trug als folder viel zum Giege bei
Bläkulle — Blanc,
gallerte durch Kochen ausgezogen ift; 5) Bruft-
fleiih von gefochtem oder gebratenem Federvieh.
Blane (fr., weiß), ältere franz. Silbermünze,
zuerft unter Philipp v. Valois 1340 geprägt ; er»
jegte die damals ablommenden Gros Tournois.
Urſprünglich bieß das Stüd Gros blanc, Weiß-
game Anfangs von gutem Silber, wurden die
+3 allmäblich verfchlasbtert u. fanfen zum Billon
berab. Man unterjchied: 1) Grand bl., anfangs
= 10 deniers, unter Ludwig XIL = 12 d,;
2) Petit bl. = 5, ipäter = 6 d. Den Namen
B. führten noch mebrere franz. Silbermünzen, die
durch befondere Beinamen gelennzeichnet werden:
|a) B. ä la couronne, unter Johann I. feit 1354,
Billon, = 10d.; b) B. à l’etoile, unter demjelben
feit 1359, —= 2 sols 6 d., Sterngrofden; c) B.
& la fleur de Lis, unter Philipp vo. Valois feit
1340, = 8 d, —— Avers mit Kreuz
u. einer Lilie; B. au fleur de Lis, um 1359, auf
dem Avers ein rundes Feld voller Lilien, = 15 d.;
d) B. à la queue, unter Johann I, um 1355, von
gutem Silber in der Größe eines Zweigroſcheun ·
ſtückes; e) B. a la salamandre, unter Franz L.
um 1540, nad den aufgeprägten Salamandern
genannt, = 12d.; f) B.au soleil, unter Ludwig XI.
um 1475, = 12—13 d., Sonnengrojdhen. Louis
blanc ift gleih Ecu blanc oder Louis d’argent,
franz. Species unter den Königen Ludwig XIII.,
XIV. u. XV. 1641—1726 geprägt, — 1 Neid)»
thal. 10 Gr. Come. = 4 L 25 Pf. im Werth.
Blane (Le-B.-en-Berry), Hauptort des —
Arr. im franz. Dep. Indre, an der TCreuſe;
Töpfereien, Wollenfpinnerei, Gerberei; Weinbau,
Fiſchhandel; 5709 Em.
Blane, 1) Ludwig Gottfried, hervorragen-
der vomanifcher Philolog, geb. 19. Sept. 1781
Albnera am 16. Mat 1811 bei u, wurde daraufjin Berlin; wurde 1806 Prediger bei der franzö-
Gouverneur von Balencia; als er aber von da
ans gegen Madrid operiren wollte, ſchloß ihn
Suchet ın Valencia ein u, zwang ihn am 9, Yan,
1812, zu capitultven. Nachdem er bis 1814 in
Frankreich gefangen gemwejen, wurde er von Fer—
dinand VII zum Generaldirector des Genieweſens
ernannt. Nach der fpanifchen Revolution 1820
trat er in den Staatsrat, blieb nach der Reftauration
unangefochten und ftarb 1827 in Ballodolid.
2) Regnet.
Bläkulle (Jungfrun), Inſel weftlich von Öland
fifch-reformirten Gemeinde in Halle, aber 1811
der franzöfiichen Regierung verbädtig in Haft nach
Magdeburg u. von da nad Kaffel gebracht; 1813
durch die Ruſſen befreit, wurde er Feldprediger,
erhielt jedoch nach dem Frieden fein früheres Amt
in Halle wieder, wurde 1822 Profeffor der ro-
manishen Sprachen, 1838 zweiter Prediger an
der Domkirche u. legte 1860 feine Stelle nieder; er
ft. dort 18. April 1866. 8, ſchr.: Predigten,
Halle 18115 Die beiden erften Gejänge der Gött—
lichen Komödie erläutert, ebd. 1832; Handbuch des
(Schweden), mit ſchwarz bemooftem Felſen, von|Wiffenswürdigften aus der Natur u. Geſchichte der
dem die Sage geht, daß die Heren am Grün- Erde u. ihrer Bewohner, cbd. 1824, 3 DBbe,,
donnerſtag (mie auf dem Blodsberge im Harz zur 3. A., von Lange, Braunſchw. 1868—69; die
Walpurgisnacht) dorthin wallfahrten. noch jetzt beſte Italieniſche Grammatik, ebd. 1844;
Blame (fr.), Tadel, Vormurf, Mipbilligung; | Ein ausgezeichnetes Vocabolario Dantesco, Lpz.
daher blamiren, befchimpfen, in üblen Huf|ı852; Verſuch einer bloß philologiihen Erklärung
bringen; blamös, blamabel, ſchimpflich. der Göttlihen Komödie (Halle 1861—65 (gehört
Blamont (Blantenberg), Stadt im Arr. Lu⸗ zu den beiten Dantecommentaren); Die Göttliche
neville des franz. Dep. Meurthe u. Mofel, au Komödie des Dante, überj. u. erläutert, ebd, 1864
der OBahn und der Bezoufe; bedeutende Ber-| (zeichnet ſich durch treue Wiedergabe des Origi-
bereien, Calico-Webereien, Stidereien, Bijouterie-|nald aus). Außerdem war er Mitarbeiter an
u. Stahlwaarenfabrifation; 2272 Ew. B. war der Erjcd- u. Gruberihen Encyflopädie für franz.
ehem. Feſtung (geichleift 1639 vom Herzog Bern-|u. ital. Literatur. 2) Jean Fol. Youts, franz.
hard von Weimar), hatte den Titel einer Graf- Hiftorifer u. Socialiſt, geb. 28. Det. 1813 in
ſchaft u. gehörte bi8 zur franz. Revolution dem) Madrid, wo fein Bater damals als franzöfifcher
Herzog von Württemberg. Flüchtling lebte; er wurde bis in das 7. Jahr in
Inne (fr.), 1) weiß; 2) Mar, bel; 8) fo v. Torſica, dem Baterlande feiner Mutter (geb. Pozzo
w. Blanco; 4) (Kocht.) Brühe, wovon Fleiſch- di Borgo) erzogen, ging 1830 nach Paris, wo er
Blanca —
fh durd ee ven nährte u. 1831 Schreiber
bei dem Advocaten Sallot wurde. 1832—34 war
er Erzieher in Arras, wo er die Gedichte Mira-
beau u. das Hötel der Invaliden u. die Lobrede
auf Manuel ſchrieb. 1834 nah Paris N
fehrt, wurde er Mitarbeiter u. 1836 Redacteur
des bemofratiihen Bon Sens u. gründete 1837
die Revue du Progres. In beiden Blättern
erſchienen Artilel von ihm, welche focialiftifche
Theorien zur Verbeſſerung der Lage der arbeiten-
den Klaffen predigten; dieje liefen im Wefentlichen
darauf hinaus, dem Staate die Berpflichtung auf-
zubiirden, jedem Arbeitfucher Arbeit zu geben;
diefer Zwed follte durch Nationalwerkitätten er-
reiht werden, mit deren Erzeugniffen der Staat
alsdann Handel zu treiben hätte. Die Haltlofig-
keit diefer allen volfswirtbichaftlichen Erfahrungen
widerfprechenden Theorien erwies fich thatlächlich,
als B. nad) dem Ausbruche der Februarrevolution
1848 zu einem der 4 Regierungscommiffarien u.
zum Präfidenten der Arbeitercommijfion ernannt
murde, welche die fociale Frage löfen follte; doch
muß bemerft werden, daf die National: Werkftättten,
fo wie fie entftanden, abfihtlih ganz gegen Bes
Feen organifirt wurden, Mit feinem Berichte
genügte er der Nationalverfammlung am 6. Mai
fo wenig, daß er unter allen Gliedern der Provi«
foriihen Negierung am meiften Tadel erfuhr u.
in das Mimterium vom 11. Mai nicht gewählt
wurde. An den Mai- u. Jumiattentaten betheiligt,
entging er der Verhaftung durch die Flucht nad)
England, wo er Präfident des Vereins der ge-
flüchteten franzöfiihen Demokraten in London wurde
u. die Monatsichrift Le nouveau Monde heraus:
gab. Nach dem Sturze Napoleons ILL., Sept. 1870,
fehrte er nach Frankreich zurüd, beförderte während
des Deutſch⸗Franz. Krieges den MWiderftand von
Paris gegen die Belagerer, hielt 1871 im ber
Nationalverfammlung zur Äußerften Linken, ſprach
fi für die Berechtigung der Communebewegung
aus, ohne deren Ausartungen zu billigen, u. hielt
fih überhaupt in neuefter Zeit von ertremen Richt-
ungen fern, Er ſchr. no: Hist. de dix ans
1830—1840, Bar. 1841—44, 5 Bde., wovon
6 deutiche Ilberfegungen, u. A. von Buhl u. int,
erſchienen find; Hist. de la r&volution frang.,
ebd. 1847—62, 12 Bde. deutich, Leipz. 1847;
De l'organisation du travail, 1840 u. ö.; La
revolution de Fevrier au Luxembourg, 1849;
Appel aux honnötes gens, 1849; Pages d’hist.
de la revolution de Fevrier 1848, Par. 1850;
Histoire de la r&volution de 1848, Par. 1870,
2 Bbe.; Lettres sur l’Angleterre, Bar, 1866,
1867,4Bbe.; Questions d’aujourd’hui et de de-
main, ®ar. 1873. 3) Augufte Alerandre
Philippe Charles, Kunftichriftfteller, geb. 17.
Nov. 1815 im Caſtres (Tarn), Bruder Ludwig
Be⸗s; war zuerjt Kupferſtecher, ward dann Bericht»
erftatter iiber die Ausftellungen im Parijer Salon
zt., im Bon Sens u. in der Revue du Progrös,
die fein Bruder rebigirte; dann auch Mitarbeiter
am Courrier Frangais, dem Artiste, dem Journal
de Rouen; dann 1841 Hauptredacteur des Pro-
Blanchard. 489
Histoire des peintres frangais au XIX. siöcle,
Bar. 1845; * &eintres des fêtes galantes
— — Lancret, ater u. Bauchet), ebd. 1853;
‚auvre de Rembrandt, ebd. 1853—64; Grand-
ville, ebd. 1855; De Paris à Venise, notes ä
crayon, ebd. 1857, u. namentlich feine Fortſetz⸗
ung ber Hist. des peintres de toutes les &coles,
ebd. 1849—63. B. ıft Redacteur der Gazette des
Beaux-arts, 3) Regnet.
Blanca (franz. Blanche, ital. Bianca, die
Weiße), I. Kaiferin: 1) B. von Balois,
Tochter Karls von Balois, Schwefter des Königs
Philipp VI. von Frankreich, vermählt 1329 an
den nachmaligen Kaifer Karl IV. von Deutich-
land; fie fl. 1348. II. Königinnen: a) Bon
Caftilien: 2) B., Tochter des Herzogs Peter
b. Bourbon, feit 1353 mit Peter dem Graufamen
vermählt; wurde von diefem ſchon am Tage nad
der Hochzeit aus Eiferſucht ins Gefänguiß ge
Ihidt und 1361 in Medina Sidonia vergiftet.
b) Bon Frankreich: 8) B. von aflilien,
ihöne, geiftreihe und charakterfefte Tochter des
Königs Alfons IX. von Caftilien, geb. 1187;
wurde 1200 an Ludwig VIII von Frankreich
verheirathet, welchen fie ganz beherrſchte; nad)
dem Tode beffelben (1226) führte fie die Regent—
ihaft für ihren älteften Sohn, Ludwig IX., bis
1236; fie ftarb 1252 zu Melun. 4) 3, Tochter
des Grafen Dtto IV. von Burgund; 1307 ver
beirathet an Karl den Schönen, Grafen von la
Mardie, 3. Sohn des Königs Philipp des Schönen
von Frankreich, nahmals als Karl :V. König
von Frankreich; fie gab fi mit Margaretha,
Königin von Navarra, ihrer Schwägerin, dem
leichtfertigften Leben Hin, wurde deshalb 1315
eingeferfert und 1322 des Ehebruches gejtändig
von ihrem Gemahl gefchieden; fie ging in ein
Kloſter zu Maubuiffen u. ft. hier 1326. c) Bon
Navarra: 5) B., Tochter des Königs Jo—
bann v. Aragon; war vermählt 1440 mit Don
Heinrich von Afturien, fpäter König von Caſti—
hen, trennte fih aber bald von ihm und kehrte
zu ihrem Bater zurüd; nad dem Tode ihres
Bruders Karl (1462) erbte fie Navarra, murde
aber von ihrem Vaters gefangen, ihrer feindlich
geſiunten Schweſter, der Gräfin Eleonora von
Foix, ausgeliefert und ftarb nach zweijähriger
Haft 1464 auf dem Schloſſe zu Orthez.
Blanc de fard (aud Blanc d’Espagne) nennt
man als Schminke benuttes baftich ſalpeterſaures
Wismuthoryd.
Blanc fixe (Chem.), fo v. w. fünftlich dargeftellter
ſchwefelſaurer Barpt.
Blandjard, 1) Jacques, Hifterienmaler
geb. 1600 zu Paris, Sciiter von Bolleri und
Horace de Blauc; ging nach alien, wo er die
venetianifhe Malerei zum Muſter nahm, Tebte
eine Zeit lang in Tnrin, wo er für dem Herzog
von Sapoyen 3 große Bilder (die Liebe der Venus
u. des Adonis) malte u. ging dann nad Paris;
er ft. bier 1638, feines trefflihen Colorits halber
der franzöfifhe Titian genannt, als Mitglied der
Parifer Ulademie. Seine vorziglichften Werte
pagateur de l’Aube u. Herausgeber des Parifer|find außerdem: Ausgiegung des Heiligen Geiftes,
Almanach du mois u. von der Februar-Revolution | Fobannes auf Patınos, St. Andreas; im Louvre
bis 1852 Director der Schönen Künfte,
Werte: !befinden fih von ihm eine Charitas u. 2 Heilige
490
Blandıe.
Familien. 2) Jean Pierre, befannter Luft [feinem Bruder Nägel fchmiedete, eine Majchine,
ichiffer, geb. 1753 in Andelys im franz. Depart. welche deren 500 in einer Minute verfertigte.
Eure; fuchte die Kunft des Fliegens zu erfinden u.
beichäftigte ſich machher mit dem Aeroftaten. Erſt
durch Berka von Montgolfiers Entdedung
gelang ihm 1784 feine erfte Luftreiſe. 1785
machte er die erfte Luftfahrt (mit Fefferies) don
Dover über den Kanal nah Calais, zu deren
Andenken der Magiftrat von Calais in Guines,
dem Orte der Niederkunft, eine Marmorjäule er
richten ließ. B. ging 1796 nad Amerika; er ftarb
7. März 1809, nahdem er bis 1807 60 Luft-
reifen gemacht hatte. Seine Gattin (geb. 25. März
1778), ebenfalls Luftſchifferin, fam auf ihrer 67.
Fahrt, wo fie in ber Luft ein Feuerwerl los—
rennen wollte, durch Entzündung des Ballons
6. Zuli 1819 in Paris ums Leben, 3) Pierre,
franz. Iugendichriftfteller und Buchhändler, geb.
20. Dechr. 1772 zu Dammartin-fur-le-DMorin;
fl. 18. Dec. 1858. Er gab heraus: Les acci-
dents de l’enfance, 11. Aufl., Bar. 1826; Amours
de Daphnis et Chloö, amusements de l’ado-
lescence, ebd. 1812, 2 Bbe.; Les aventures les
plus curieuses des voyageurs etc., 3. Aufl.,
ebd. 1822, 4 Bde.; Beautes de l’histoire de
France, 11. Aufl., ebd. 1824; Petite biblio-
thöque des enfants, 12. Aufl., ebd. 1825; Le
Buffon de la jeunesse, 5. Aufl., ebd. 1817,
4 Bde.; Catechisme de la nature, 3. Aufl., ebd.
1796; Les delassements de l’enfance, 3. Aufl.,
ebd. 1816, 6 Bde.; Les enfants de la nature,
ebd. 1800; Felicie et Vilmard, 6, Aufl., ebd.
1824; Les jeunes enfants, Erzählumgen, 5. Aufl,,
ebd. 1824; Modeles des enfants, 11. Aufl., ebd.
1825; Modeles des jeunes personnes, ebd 1811;
La mythologie de la jeunesse, 12. Aufl., ebd.
1824; Mythologie @lementaire, 8. Aufl., ebd.
1823; Le petit Chaperon-rouge, Baubdeville, ebd.
1800; Philétas, Schäferroman, ebd, 1800; Plu-
tarque de la jeunesse, 7. Aufl., ebd. 1822,
4 Bbe.; Le röveur sentimental, ebd. 1796,
2 Bde.; Richardet, le jeunewventurier, Drama,
ebd. 1801; Rose, ou la bergöre des bords de
Morin, ebd. 1797, 2 Bde.; Rosebelle, ebd.
1800; Simplicie, ou les voluptes de l’amour,
ebd. 1800; Tableaux de la nature et des bien-
faits de la providence, par Fenelon ete.,
3. Aufl., ebd. 1824; Le tresor des enfants,
18. Aufl,, ebd. 1826; La verit6 à ceux, qui
ouvernent, ebd. 1799; Vies des honımes ce-
ebres, 3. Aufl., ebd. 1818; Petit voyage autour
du monde, 5. Aufl., ebd. 1826; Voyageur de
la jeunesse dans la quatre parties du monde,
5. Aufl., ebd. 1819, 6 Bde. Sein Todestag ift
nicht bekannt. 4) Henri Louis, franzöfticher
Componift, geb. 7. Febr. 1778 zu Borbeaur;
ftudirte in Paris Muſik unter R. Kreuker,
Reicha, Mehul, wirkte als Kapellmeifter am Theätre
des Varietes 1818 bis 1829, fpäter als Director
Er erfand gleichfalls eine Drehbant, um Gewehr⸗
läufe dur die Combination einer einzigen auto«
mtatiihen Operation von einem Ende bis zum
anderen zu breben. —— verdankt man ihm
die Erfindung einer Drehbank zu Verfertigun
aller nur möglihen unregelmäßigen Formen en
automatifhem Wege, welche heute in allen grüße
ren Zeughäufern Englands und NAmeritas ein-
geführt ift. Auch mit der Anlage von Eiienbahnen,
der Berfertigung von Locomotiven u. Boeten zum
Schiffen gegen die Strömung auf reißenden
Flüſſen — er ſich. Nicht minder war er
Erfinder einer Maſchine, genaunt der Compound
Bend, zum Biegen ſtarker Hölzer zur Möbel»
fabrifation u. der Herftellung der Briefcouverts
mittel$ einer einzigen Operation. Die Zahl feiner
Patente beläuft fih auf 25. Lange gegen Schwier
rigfeiten aller Art fämpfend, gelang e8 ihm end»
ih do, ein reiher Mann zu werden. Er ftarb
zu Boſton 16. April 1864. Bgl. Biſhops Ame-
rican Manufacturies. 6) Henri Pierre Leon
Pharamond, franz. Maler u. Illuſtrator, geb.
27. Febr. 1805 zu Guillotitre (Rhönebepart.);
ft. im Jan. 1874 in Paris, B. begann feine
Studien 1819 an der Ecole des Beaux-arts in
Paris, fam dann in die Atelier von Chaffelat
u. Gros, bereifte Spanien, Afrila, Merico, Deutid-
land u. Rußland, Auch die Stoffe jeiner zabl-
reihen Bilder u. Zeichnungen entnabm er den
von ihm bereiften Ländern. Hanptiädhlih aber
verdanft B. feinen Ruhm den vielen Jlluftrationen
in den verjchiedenften Werfen, namentlich in der
Pariſer Jluftration. 7) Augufte Thomas
Marie, franz. Kupferfteher der Gegenwart,
geb. 18. Mai 1819 zu Paris; ſtach die Flucht
nah Agypten, nad Bauchot, den Ebriftusfopf u.
Erzengel Gabriel, nah Paul Delaroche, Chriftus,
Fauſt und Margarethe, nah Ary Sceffer, Pas
Porträt Napoleons III., nah Dabufe, die Raucher
und Echadhipieler, nah Meiffonnier, Jupiter und
Antiope, nach Correggio, u. a.
1) 5) 6) Wegnet. 2) Gieſeler. 3) Laudharb,
Blanche, Auguft, populärer fchwediicher
Belletrift, geb. 1811; ftudirte in Upſala die Nechte,
wendete fih aber bald nad Vollendung jeiner
Studien der Literatur zu; in den Reichstagen
1859, 1862 u. 1865 war er Mitglied der Eurie
des Bürgerftandes u. nach Einführung der neuen
Landesverfaffung auf den Neichstagen von 1867
u. 1868 Mitglied der Zweiten Kammer; er ftarb
30. Novbr. 1868 in Stodholm. B. fchrieb jeit
1846 für die Stodholmer Bühne eine Menge
(gegen 40) Luft» u. Pingtyiele (3. B. Magister
Bläckstadins; Läkaren; Rika morbror; Engel-
brecht och hans dalkarlar), welche jehr beliebt
wurden u. fih durch Lebhaftigleit n. Leichtheit
auszeichnen; obſchon wol die beiten der ſchwediſchen
am Theätre Moliöre. Er ſchrieb zahlreiche por Literatur, nebmen fie doch feinen höheren litera-
pulär gewordene Vaudevilles und feit 1833 kri⸗ riſchen oder poetiihen Rang ein (das ſchwediſche
tiiche und mufil-Kiterariihe Abhandlungen. Auch Drama ift überhaupt von geringer Bedeutung).
als dramatiiher Schriftfteller hatte er Erfolg. B. ſchrieb aud Novellen, wie die Sammlung
5) Thomas, namhafter amerik. Mechaniker u.|Stockholmslifvet, taflor och berättelser, Stodh.
Erfinder, geb. 24. Juni 1788 zu Sutton in 1842 ff.; Taflor ur verkligheten, ebd. 1863 fi,
Maffahufetts; erfand no jung, während er mithu. größere Romane, wie Flickan i Stadsgärden,
Blanchinus — Blankaarts.
ebd. 1847; Välnaden, ebd. 1847; Banditen, ebd.
1848; Första älskarinnan, ebd. 1848 xc,
Blandinus, jo v. w. Biandini.
Blandenburg, Morig Karl Henning v.,
parlamentariicher 'Parteiführer, geb. 25. Mai 1815
in Zimmerhaufen bei Plathe in Pommern; wid-
mete fih 1834—38 in Berlin dem Studium der
Rechte u. Cameralia, ftand dann in Stettin im
Juftizdienfte und war zulegt bis 1843 Kammer-
erichtsrefendar in Berlin, worauf er feit 1844
ein Rittergut Zimmerhaufen verwaltete u. fpäter
Generallandichaftsrath wurde. Seit 1852 Mit-
glied des Preußiſchen Abgeordnnetenhaufes, gehörte
er zu den Häuptern der Confervativen, mie auch
feit 1867 im Norddeutſchen u. feit 1871 im Deut«
Ihen Reichstag. Das ihm 1874 angebotene
Minifterium der Landwirthichaft lehnte er ab.
Blanc-manger (jr., d. i. weißes Effen), Speife
aus geftoßenen füßen Mandeln, Orangemwaffer,
Eitronöl u. einem Gelde von Haufenblafe, Hirich-
born ac,
Blanco (Bianco, ital.), 1) weiß. 2) Auf
Schriften unbeichrieben, unausgefüllt; daher in
DB. laffen, 3. B. bei Wechſeln, die Summe nicht
ausichreiben, fondern fie von dem dazu Bevoll-
mädtigten erft hineinfegen laffen; in B. ftehen,
in der Buchhaltung, wenn in den Colonnen ge-
miffe Summen nicht ausgeworfen werden; in
Wechſelgeſchäften, den Wechſel eines Anderen
acceptirt oder ihm Promeffe gemacht haben, ohne
für die betreffende Summe gebedt zu fein. 3) Bei
Wechſeln, wenn beim mdofement der Name des
Indoffaten nicht angegeben u. der Pla dafür
leer ift (in B. giriren): Blancoaccept, ein
Accept, für den man die Dedung noch nicht hat;
in 8. ftellen, auf einem Wechjel oder fonftigem
Document. die Namen der Empfänger nicht aus—
füllen; Blancoftellen, in Affecuranzpolicen die
unausgefüllten Zwiſchenräume; Blancocrebdit,
Eredit, ohne borgängige Dedung gewöhnlich bis
zu einem gewiffen Betrage gewährt. 4) So
v. w. Blanket.
Blanco (Cap), 1) VBorgebirg an der afrika
nischen WEüfte, zur Sahara gehörig, u. 21° n. Br.;
wurde 1443 von einer portugiefiichen Erpedition
enivedt. 2) Vorgebirg an der Witüfte der cen-
tralamerit, Republif Eofta-Rica; bildet die äußerſte
Spike der Halbinfel Nicoya. 3) Vorgebirg an der
NWüfte der fildamerit. Republit Peru, nördlich
von der Bai von Segura. 4) Vorgebirg an
der DRüfte Patagoniens (SAmertfa), füdlih vom
Cap der drei Spigen. 5) Vorgebirg an der
Weüſte der Infel Magindanao (Philippinen, Dft-
indifcher Archipel). 6) B., County im nordamerif.
Unionsftaate Teras, u. 30% n. Br. u. 98° m, W;
1187 Ew.; Eountyfit: Coroailippa.
Blancos, die Weißen, jpan. politiiche Partei,
dem Abjolutismus huldigend; vgl. Negros.
Bland, County im nordamerif. Unionsftaate
Birginia, u. 37°. Br. u, 81° w. L.; 4000 Em.;
Eountyfig: Mechanicsbury.
Bland, Nathanael, ausgezeichneter engl.
Drientalift, geb. in der erften Hälfte des 19. Jahr:
bunderts; der einzige Sohn fehr reicher Eitern
in London, verlor aber als leidenichaftlicher Spieler
fein ungeheures Vermögen, u. es mußte zuletzt
491
auch feine meift aus werthvollen perfiihen und
arabiihen Handfhriften beftehende Sammlung
verkauft werden, wobei auch viele geliehene ver—
foren gingen. Infolge diefes Unglüdes verließ er
England u. zog fih nah Homburg u. Frankfurt
zurüd; er ft. 10. Aug. 1865. B. hatte fich im
Drford aus Borliebe dem orientaliiden Studium
zugewandt u. fih namentlih im Perfiihen anss
gezeichnete Kenntniffe erworben. Außer einigen
Auflägen in dem Journal of the Asiat. Soc,
gab er noch heraus: Preasury of secrets, a poöm
by Nizami, perſ., Yond. 1844; Atesh Kedah,
peri., ebd., u. A century of Pers, Ghazels from
unpubl. Divaus, ebd. 1851.
Blandiren (v. Lat.), ſchmeicheln; daher
Blanditien, Schmeicheleien, Flatterien; Blan«
diloguenz, Schmeicyelrede,
Blandräta (Biandrata), Giorgio, Arzt,
geb. um 1515 in Saluzzo (Piemont); als Pros
teftant verfolgt, floh er 1556 von Papia, wo er
prafticirte, nah Genf und von hier 1558 nad
Polen; feiner unitariſchen Auſichten wegen mußte
er 1563 nad Siebenbürgen fliehen, wurde bier
Leibarzt des Firften Fohanı Siegmund und
Stifter der Umitarier in Siebenbürgen. Er fol
hier 1690 von einem fath. Berwandten ermordet
worden fein. Er jchrieb u. a.: Confessio anti-
trinitaria, herausgegeben von Hente, 1794. Bol,
Malocarne, Commentario delle opere di G. B.,
PBadna 1814,
Blangini, Giufeppe Maria ale, ital.
Componift, geb. 18. Nov. 1781 in Zurin; lebte
jeit 1797 in SFrankreich und der Schweiz, jeit
1799 als Gefanglehrer in Paris, wurde 1805
Hoffapellmeifter in München, 1806 Mufifdirector
der Prinzeifin Borghefe und 1809 Kapellmeifter
des Königs von Weſtfalen in Kaſſel; er lebte ſeit
1814 in Paris; ftarb 18. Dec. 1841. Man hat
von ihm eine Menge Opern, 3. B.: La fausse
duögne, 1802; Chimöre et realite: Zelie et Ter-
ville; Encore un tour de Calife; Nephtali; Le
sacrifice d’Abraham; La fee Urgele, La prin-
cesse de Gachemire; L’amour philosophe etc.;
außerdem Romanzen, Notturnos u. Arien,
Blank, Joſeph Bonavita, geb. 23, März
1740 in Würzburg; war früher Prediger in Pas
radies bei Straßburg, wurde 1789 Oberer im
Diinoritenklofter zu Würzburg; ft. hier 26. Febr.
1827 als Profeffor der PHilofophie- und Naturs
geihichte u. Director des Naturalien- u. Kunſt⸗
cabinet8 der Univerfität. Er ift Erfinder der
Moosmofait; feine Sammlung von Naturpro-
ducten, unter dem Namen des Blanfifhen
Gabinets befannt, trat er der lniverfität ab.
Er jr. u. a.: Bericht vom Blankiſchen Na-
turaliencabinet im Würzburg, Wilrzb. 1795 bis
1803, 2 Theile; Mufiv-Gemälde, berausgeg. von
Köl, ebd. 1796; Handbud der Mineralogie, ebd,
1810; Handbuch der Zoologie, ebd. 1811; Ber
fchreibung feiner Kunftgemälde, herausgeg. von
Bentert, ebd. 1820, 2. 4.
Blanfaart3 (Blancardus), 1) Nikolaus,
holl. Gelehrter, geb. 11. Dec. 1625 in Leyden;
wurde Lehrer der Geichichte in Steinfurt, 1650
Profeffor der Geihichte u. Politif zu Middelburg
und Hifteriograph von Seeland; ging 1666 als
492
Arzt nah Heerenveen, 1669 als Profeffor der,ftarben, zog Braunfchweig als Lehnsherr defien
Geſchichte u. griehiihen Sprache nad Fraueker; Güter ein. 1690 erhielt Prinz Ludwig Rudolf,
ftarb 15. Mai 1703. Er gab heraus den Florus, —— Sohn Anton Ulrichs von Wolfenbüttel,
Eurtius, Arrianos, Epiftetes, Harpofration, Thomas|B. zur Apanage, weldes 1707 zum Fürftenthum
Magifter u.a. m. 2) Stephan, Anatom, Sohnlerhoben, aber, da Ludwig Rudolf 1731 als Herzo
des Vor., geb. im Middelburg, Arzt zu Amnfterdam | fuccedirte, mit Braunfhweig-Wolfenbittel vereinig
im 17. u. 18. Jahrh. Er zeigte in feiner Schrift wurde. Die Stadt B., feit dem 10. Jahrh. um-
De eirculatione sanguinis den Ubergang der klein⸗ manert, wurde 1625 von Wallenftein belagert, Im
ften Arterien in die Heinften Benen u. juchte in|Siebenjährigen Kriege war fie nentral u. Auf.
Blanfenberghe — Blantenftein.
der: Venus belegert en outzet (Amfterd. 1784,jenthalt des braunichweigiichen Hofes; vom Aug.
deutſch: Belagerte u. entfegte Venus, Lpz. 1698,|1796 bis Febr. 1798 hielt fi aud) Ludwig xvIl.
Augsb. 1710) das hohe Alter der Syphilis durch hier auf.
alte Belegftellen nachzımeifen. Außerdem ihr. er: | Weftfalen.
Anatoınia reform., Leyd. 1688 u. 1695, holl., Amft.,|dey Oberherrichaft des Fürſtenthums
1696, deutih von Peucer, Hannov. 1690 u, 1707;
Anatomia practica, Leyd. 1688, deutſch, Hannov.
1699; Lexieon medieum graeco-lat,, Amft. 1679
u. ö., zulegt von Iſenflamm, 2 Bde., Lpz. 1777,
deutih, Bern 1716, von Kühn, Lpz. 1832; Car-
tesianische academie en de institution der
medicynen, Amft. 1686, 1691, deutſch, Lpz. 1620|.
u. ö,, zulegt 1735; Opera medic. et chirurg.,
Leyd. 1701, 2 Bde. Thambapın. *
Blanfenberghe (Blantenberg), Marktfleden
im Bezirfe Brügge der belgijhen Prov. Wylan-
dern, an der Nordfee, Eifenbahnftation; Hafen u.
Fiſcherei; ſehr befuchte Seebäder (jährlih etwa
5000 Gäſte); 2400 Ew. Der Blantenbergher
Kanal führt bei = aus dem Oftender Kanal
durch die Dünen von B. in die Nordſee.
Blankenburg, 1) Kreis im Herzogthum
Braunfchweig, vom übrigen Gebiete deifelben ab:
gejondert, auf dem Harze, den öftlihen Theil
dejfelben umfaffend, beftehend aus dem alten
Fürſtenthum B. und dem Gtifte Walfenried;
474,0 [km (8,0: IM); durch den Harz gebirgig
u. waldig; Flüſſe: Bode, Zorge u. a.; 22,400
Emw.; liefert Eifen, Marmor, im N. Getreide.
2) Hauptſtadt dafelbft, am NFuße des Harz-
5 an der B.-Halberftadter Eiſenbahn, am
lanfenberger Bade u, unter dem füdl. von
dem Schloßberge fich erhebenden Blantenftein,
worauf ein Schloß mit einigen Kunftichägen;
Kreisgericht, Kreisdirection u. Amtsgericht; Gym—
naſium; SKiefernadelbad; 3853 Ew.; dabei im
©. der Ealvinusberg mit dem Luiſenhauſe. Die
Umgebungen von B, find romantiſch u. be. reich
an grotesten FFeljenpartien, fo die Teufelsmauer,
der Wegenftein mit den Ruinen der gleichnam,
preuß. Feſtung; eine fchöne Ausficht gewährt der
ußerfte Theil des Harzes, der BZiegenfopf mit
Gaftwirthihaft. — B. war früher Grafihaft und
gehörte zur Grafſchaft Noroheim. Graf Poppo,
vermählt mit Richenga von Nordheim, komnit
1130—1162 als Graf von B. vor. Bon feinen
Söhnen begründete Konrad die ältere Linie der
Grafen von Regenftein, der jüngfte, Siegfried L,
wurde Graf von B. bis 1173; ihm folgte 1173
jein älterer Sohn Heinrih, dann 1186 fein jün«
en Sohn Siegfried II., welcher um 1244 ftarb,
ie Grafſchaft umfaßte den Broden, die Rof-
trappe u. viele nah u. nad zu Halberſtadt ges
ſchlagene Orte. Auch gehörte eine Zeit lang die
Advocatie Hupyfeburg dazu, über welche es fort
während Streit mit Halberjtadt gab. Als bie
Grafen von B. 1599 mit Johanı Georg aus—
1807—13
ebörte B. zum Königreich
8) (Son
Blaufenberg) Stadt in
Kamansuie:
Audolftadt, an der Riune; Wollenipinnerei, Ba-
pier- und syarbenfabrifation, ſchöne Marmor:
mwaaren; Fichtennadelbad u, Kaltwaflerheilanftalt;
klimat. Kurort; ſtarker Obftbau; 1450 Ew. Da-
bei Trümmer der ſchon im 12. Jahrh. urkund-
ih vorlommenden Burg Greiffenftein, fpäter
ur Hu
jtadt 1820,
Blankenburg, Heinrich, Gefchichtichreiber,
geb, 7. Dctbr. 1820 im Kölnifhen; trat im die
preuß. Armee, in welcher er Offizier beim Genie
wurde und 185057 den Heitaurationsbau der
Burg Hohenzollern leitete, worauf er zur Armee
zurüdfebrte u. bald zum Major avancırte; nach—
ber nahm er als Oberftlieutenant feinen Abichied
und wendete fih nad Breslau, wo er für Zeit-
ſchriften ſchrieb. Außerdem verfaßte er: Der Dent-
he Krieg von 1866, Lpz. 1868, u. Die inneren
Kämpfe der Norbamerifanifhen Union bis zur
PVräfidentenwahl 1868, ebd. 1869. Seit 1870
ift er Mitglied des Preuß. Abgeordnnetenhaufes.
Blankeneſe, Dorf im Kreife Pinneberg der
preuß. Provinz Schleswig-Holftein, am nördlichen
hohen Geftade der Elbe, neben dem 90 m boben
Bauers- oder Sühlberg, 7 km von Altona, Eijen-
bahmverbindung mit Altona; Zollcontrole; 3331
Ew. Die Blankenefer Schiffer find als kühne
Seefahrer befannt. Der Ort befitt eine bebeu-
tende Anzahl eigener Seeſchiffe mit zufammen
34,000 Tonnen Gehalt.
Blanfenhain, Stadt im gleichnam. Juftiz«
amtedesI.Berwaltungsbezirkesim Großherzogthum
Sadhjen - Weimar, an der Schwarza; Yandes-
Hofpital; Badeanftalt, Porzellanfabrit, Töpferei u.
ierbranerei; Flimatifcher Kurort; 2241 Ew. 8.
war ehemals Sit der gleihnam. Grafichaft, welde
1803 an Preußen, 1815 aber an Weimar kam,
Blankenheim, Flechen im Kreiſe Schleiden
des preuß. Regbez. Aahen, an der Ahr u. Eifel-
bahn; altes Schloß; Eifenwerk; Eijenfteingruben;
620 Em. B. war fonft Reſidenz der Grafen
Mandericheid, die im Neichsdeputationshauptichluß
durch Schuffenried u, Weißenau entihädigt wurden.
Blanfenheimer Thee, j. u. Galeopsis.
Blankenſtein, Markt. im Kreiſe Bochum
des preuß. Regbez. Mrnsberg; in jchöner Yage
an der Ruhr u. der Berg.-Märk. Eiſenb.; Eiien-
und Gußdrabtieil-, Seifen» und Feilenfabrikation;
Eijenfteingruben; Ruine einer 1227 erbauten
Blänfer — Blaſche. 493
Burg, die der Große Kurfürft 1664 3. Th. nie; Verbindung in Paris am 12. Mai 1839; er wurde
derreißen ließ; jest reftaurirt, ftark bejuchter Ziel-|verhaftet u. 1840 von dem Pairshofe zum Tode
punft von Zouriften; 1400 Em.; in der Näbelverurtheilt, vom König Ludwig Philipp aber zur
das um 1008 erbaute Haus Kemnate. Deportation begnadigt. Er ſaß erft auf St. Michel
Blänfer (Pläntier), 1) (Flanqueurs) einzelne, in ſchwerer Haft gefangen, wurde aber, nachdem er
einer Truppe vorausgefchidte Reiter, um die Be-|feine Mitichuldigen denuncirt hatte, 1841 im leich«
megungen u. Abfichten des Feindes zu eripähen|teren Arreft nah Tours abgeführt. Durch die
n., mit ihm fcharmuzivend, das Andringen von) Februar-Mevolution 1848 befreit, wurde er Präfi«
einzelnen feindlichen Reitern auf eine Gavalerie-|dent des einflußreichften republifaniichen Central⸗
linie zu hindern. Der 4. Zug jeder Schwadron ſclubs; betheiligte fi beim Maiattentat 1848,
ift vorzugsmeife zum Bläntern (Flankiren) be- [wurde aber ergriffen u. im dem Staatsproceh zu
fimmt u. wird hierzu etwa 200 Schritt vor die] Bourges zu 10jähriger Haft verurtheilt, melde er
Schwadron geihidt, wo dann diefer Zug miederfin Belle-Fgle, fpäter ın Corte auf Eorfica verbüßte.
4—6 Motten als B. 100 Schritte verjendet.|1859 ammeftirt, ging er nach London u. kehrte 1861
Außerdem gehören die Spigen der Avantgarden,|nad Frankreich zurüd. Wegen fortgefetster demo—
bie Seitenpatrouilfen u. dgl. zu den B-n. Bumjfratifher Umtriebe mit Gefängnißftrafen belegt,
Blänkern gehört Gefchidlichkeit des Meiters und floh er 1865 nach Brüffel. Bon der Aınneftie
Pferdes, auch Übung im Schießen. 2) Die Zirail-| 1869 machte er feinen Gebraud. Er war es, der
leurs (f. d.) der Infanterie. den Uberfall der Bompiers von La Billette 14.
Blanfet (v. fr. Blanquet; Charta blanca,|Aug. 1870 zum Sturze der faiferlihen Regierung
Carte blanche), Art Vollmacht, wo der Bolls[anftiftete, u. befand fi während der Belagerung
machtgeber entweder nur feinen Namen mit bei-Jin Paris, wo er das radicale Blatt La patrie en
gefügtem Siegel auf einen leeren Bogen ſchreibt, danger herausgab. Nad der Wahl der National-
welche Unterfchrift die Kraft einer generellen Boll- | verfammlung confpirirte er gegen diefelbe, war bei
macht hat, oder bei der Unterfchreibung des Na-| dem Aufftande gegen die Provif. Regierung 31. Okt.
mens zugleich die Sache anzeigt, zu deren Filhr-⸗ 1870 u. 22. Jan. 1871 betheiligt u. ftand an der
ung das B. dienen foll, woraus lediglich eine) Spige des revolutionären Centralcomites in Paris.
jpecielle Vollmacht erwächſt. Vgl. Blanco. Vor dem Ausbruche der Revolution vom 18. März
Blanfe Waffe, Gegenſatz zur Feuerwaffe, das 1871 verließ er Paris, um in den großen Städten
Bayonnet des Fußvolfes, Säbel oder Lanze derſu. Eentren der Großinduftrie Bewegung hervor-
Reiter; f. u. Waffe, zurufen, wurde aber auf Befehl der —
Blank verses (engl., fr. Blancs vers, ital. Versi nach der Emeute von St. Etienne verhaftet u. im
sciotti; Poet.), reimlofe Berfe. April 1872 vom Kriegsgerichte in Verſailles zur
Blanpain, franz. Aftronom, geb. 1779, geft.| Deportation nah Neu» Ealedonien verurtheilt,
6. Aug. 1846 als Director der Sternwarte zulaber feiner leidenden Gefundheit halber einftweilen
Marſeille; entdedte den Kometen von 1819. in Feftungshaft genommen, WS Frucht feiner
Blanqui, 1) Zeröme Adolphe, berühmter|Gefängnißhaft gab er Febr. 1872 ein aftronom.
franz. Nationalötenom, geb. 20. Nov. 1798 in Werk: L’öternits dans les astres, heraus,
Nizza; ftudirte in Paris, wurde hier 1825 Profeffor] Blansfo,St.imöfterr.Bez.Bostowig (Mähren),
der Geſchichte u. induftriellen Ofonomie an derlan der Zwittama u. der Brünn-Pardımviger Eifen-
Handelsihule u. hielt Borlefungen im Athenäum;|bahn; fürftlih Salmſches Schloß ; anfehnliche Eijen-
nahdem er den größten Theil WEuropas bereiftiwerte, Eifengießerei, Maſchinenfabrik, Pulver» u,
batte, wurde er 1830 Director der Handelsichule|Papiermühlen, hemiihe u, Thonwaaren-Fabrikz
u. 1833 Brofeffor der induftriellen Olonomie am|2545 Ew.; in der Nähe ſchöne Anlagen und
Conservatoire des arts et metiers; 1839—1841|Kalfhöhlen, ſowie die Ruinen von den Burgen
machte er wiffenjchaftliche Reifen nach Eorfica, Algier] Baubrawig u, Holftein, auch eine von der Natur
und der Türkei; er ft. 28. Jan. 1854 zuu Paris. gebildete Felſenbrücke, Teufelsbrüde genannt.
Sein nationalölonomifches Syftem neigt z m Frei] Blappart (Plappart, Blappert, Blaffert),
handel. B. jhr.: Voyage en Angleterre et en|chemal. Heine Schweizer-Münze —=1 Schilling
Ecosse, 1824; Resume de l’'hist. du commerce|oder 6 Rappen. Davon der B. Kerieg, ein Feldzu
et de l’industrie, 1826; Pröeis &l&m, d’&conomie|der Schweiger nah dem Thurgau, 1458
politique, 1826, fpan,, 1840; Voyage à Madrid, |verächtlihe Bezeichnung eines B⸗s an einem Scie-
1826; Hist. de l’&conomie politique en Europejfen zu u © veranlaßt; die Stadt Kouftanz
depuis les anciens jusqu’a nos jours, Paris) mußte, um die Schweizer zur Rücklehr zu bewe⸗
1837 f., 2 Bde., 4. A., 1860, deutſch, Karlsr. 1840
bi8 1841 (fein Hauptwerk); Consid&rationssurl'etat
sociale des populations de la Turquie d’Europe,
deutſch von Horb, Magdeb.; ohne fein Willen
wurde fein Cours d’&con. pol. am Conservatoire
1836—37 in Marfeille, Bordeaur u. Paris her-
ausgegeben. 2) Louis Augufte, franz. Commu-
niſt, —* des Vor., geb. 1805 in Nizza; nahm
frühzeitig in Paris an den communiftiihen Ver—
bindungen theil, ftand mit Barbes u. Bernard an
der Spitze der Societe des Saisons u. war Mitan«
flifter des erften communiftiihen Aufruhres jener
gen, 3000 Gulden entrichten.
Blarer, fo v. w. Blaarer.
San Blas, Stadt im mericanifhen Staate
Zalisco, am Großen Ocean; Marinedepartentent;
Werft, Magazine; geringe bedeutender
andel; 3000 Ew.; unmeit der Stadt wichtiger
ra von December bis Juni gefund, in der
übrigen, naffen Jahreszeit ungefund (Fieber)
und öde,
Dias (Lit.), f. Gil Blas.
Dlafche, Bernhard Heinrich, deutfcher Pä-
dagog, geb. 2. April 1766 in Jena; flubirte. da”
494
Bläschen — Blafebalg.
felbft feit 1783 Philofophie u. Theologie, war Flüifigfeitsbäutchen; wie die Haut-B-n durch ibre
1796—1810 Lehrer an der Salzmannſchen Er-j@lafticität, fo üben auch diefe auf die von ihnen
ziehungsanftalt zu Schnepfenthal, ging dann nad
Unter-Wirbach bei Blanfenburg; lebte seit 1820
zu Waltershaufen als ſchwarzburgiſcher Educations-
ratb; fi. 26. Nov. 1832. Er jr. u. a.: Der
Bapparbeiter, Schnepfenth.1797,5.4., 1847 ; Wert»
ftätte für Kinder, Gotha 1800—1802, 4 Tble.;
Grundjäge der Jugendleitung zur Induſtrie, 1804;
Der technologiihe Jugendfreund u. unterhaltende
Wanderungen in die Werfftätten der Kinftler u.
gan Frantf. 1804—10, 5 Thle.; Ein
aar Worte an Eltern über bie Frage: wie
lönnen Handarbeiten bildend für die Jugend fein?
Gotha 1811; Der Papierformer, Lpz. 1819, u. a.
dal, Schriften; außerdem: Naturbildung, Lpz.
1815; Handbuch der Erziehungswiflenichaft, Gie-
gen 1822—24, 2 Bde; Das Böfe im Einflang
mit der Weltorbnung, Lpz. 1827; Philojophie der
Offenbarung, Gotha 1829; Kritik des modernen
Geiſterglaubens, ebd. 1830; Die göttlichen Eigen-
haften in ihrer Einheit, Erf. 1831; Philofophifche
“"Unfterblichkeitsiehre, ebd. 1831. taudhard.*
Bläschen (Vesicula), Anfammlung einer wäſ—
ferigen Fluͤſſigleit unter der auf einer kleinen Stelle
gehobenen Oberhaut: Graafiihe B. oder Graa—
fiſche Follikel (Eifapfeln, Eijädchen, Follieuli
ovarii s. Graafiani), geſchloſſene Säckchen, aus
Hülle u. Inhalt beftehend, find die in dem Eier-
ſtock (ſ. d.) enthaltenen B., aus welchen die Eier
austreten, deren Befruchtung mit dem männlichen
Samen der erfte Anfang der Entwidelung des
Fötus iſt; ſyphilitiſche B. (Vesiculae syphi-
liticae), an verjchiedenen Körperftellen erſcheinend,
einzeln oder in Gruppen, trodnen ein, fchuppen
fih ab, ftoßen fich jchorfartig ab, oder gehen in
Geſchwüre über.
Bläschenausſchlag (Herpes), ein Hervor-
brechen von Bläschen an Lippe, Nafe, im Mund,
an Wange u. Obr, be. das Wechielfieber beglei-
tend, jedoch auch bei anderen Krankheiten beob-
achtet, zumal bei Schnupfen u. Lungenkatarrh.
j Biale, 1) eine durch einen tropfbar-flüffigen
oder elaftiich-flüffigen (gasförmigen) Körper rund-
fih aufgeblähte San. Dahin gehören gewiſſe
normale Bildungen im menſchlichen u. thieriſchen
Körper, wie die Harn-B., die Gallen-B., die
Shwimm-B. der Fiſche u. die Gift-®. der Die
nen; ferner frankhafte Bildungen, meift halbkuge—
fige Erhebungen der Oberhaut, welche mit einer
hellen oder milchigen, eiterartigen Flüffigleit, auch
mit Blut, Jauche oder Yuft gefüllt find, von der
Größe eines Hirfenfornes bis zu der einer halben
Erbje (Bläschen, ſ. d.), u. darüber (Vesica) bis
zu der einer halben welihen Nuß (Bulla). Die
Entzündung, melche dieje B-n zumeilen umgibt,
heißt der Hof (Halos); wenn diejer groß, die 8.
jelbft aber Mein u. mit Eiter gefüllt ift, jo nennt
man diefelbe eine BPuftel. Die B-n bilden eigene
Klaſſen der Hautkrankheiten u. entftehen beim Ber-
breimen, oder von Äußerem Drud, wie bei. von
Schuhwerk an den Füßen, oder auch als Ausichlag,
oder fie find willfürlidy bewirkt; vgl. Blafenauss
Ihlag und Blafenziebende Mittel. Endlich find
Ben in diefem Sinne die Seifenblafen, iiberhaupt
‚ale elaftiihen, eine Luftmenge umichließenden
eingeſchloſſene Luft infolge ihrer Oberflähenipann-
ung einen von allen Seiten nach innen gerichteten
Drud (Eohäfionsdruf) aus; fie runden fich des-
halb an den freien Oberflädhentheilen u. nehmen,
wenn fie alljeitig frei find, Kugelform an. 2) Ein
rundliches, einer B. im eigentlichen Sinne gleich
oder ähnlich geftaltetes Gefäß, bei. von Metall
(Defillir-B., Branntwein-®.). 8) Eine von
einer Flüſſigkeit umſchloſſene kugelige Luftmenge,
z. B. eine im Waſſer aufſteigende Yuft-B.; auch
die ſolche Luftmengen einſchließenden Räume in
feften Körpern, die vorher flüfftg oder breiig waren,
wie 3. B. die Ben in gegoflenem Metall, im
Brode zc. 4) Die (getvodnete) Subftanz der Harn»
blaſe, fo die Schweins- u. Rinder-B., die zum
Berichluß der Gefäße dient; Subftanz der Shwimm-
blafe, jo die Haufen-B., der aus der Schwimm-
B. des Haufen (Acipenser Huso L.) gewonnene
Fiſchleim.
Blaſebalg, Werkzeug, mit welchem eine Luft⸗
ſtrömung herdorgebracht wird, gemeiniglich um
Feuer zu ſchüren. Die gewöhnlichen Blaſebälge
zerfallen in zwei Arten, einfache u. doppelte. Zur
eriten Art gehören die in Hausmirthichaften ger
bräuchlichen Hand-Blafebälge. Sie beftehen aus
zwei unter fpitem Winkel durch Leder verbunde-
nen Brettern (Baden, die dur zwei Handgrifie
zuiammengedrüdt u. auseinandergezogen werden.
Dabei wird durch ein mit dem inneren Raume
verbundenes koniſches Rohr (Dife) die Luft ab-
wechjelnd ausgeblajen u. eingefaugt. Die größeren,
1 bis 2 m langen Blafjebälge der Handwerker find faft
immer doppelte Blafebälge u. geben einen ununter-
brochenen Luftſtrom. ie beſtehen aus zwei durch
die feſtliegende Mittelwand verbundenen einfachen
Blaſebälgen. Von dieſen iſt nur der obere mit
einem Ausſtrömungsrohre für die Luft verſehen,
während nur der untere Luft von außen durch
ein im feiner unteren Wand liegendes Ventil auf—⸗
nimmt u. beim Zujammendrüden dur ein im
der Mittelwand liegendes Ventil an dem oberen
Balg abgibt. Die beweglihe Wand des oberen
Balges wird durch Gewichte belaftet, deren Größe
die Stärfe des ausftrömenden Yuftftromes regelt.
Auch die bewegliche Wand des unteren Balges
wird durch ein Gewicht berabgezogen, während
das Hinaufziehen mittels Hebels (B-fchiwengel)
durch einen Fußtritt oder einen Zug mit der Hand
beforgt wird. Früher wurden auch große Gebläfe
mit Blafebälgen in fogenannten Blaſemühlen
durh Maſchinen betrieben. In der Neuzeit find
fie indeffen durch Ventilatoren u. Gebläjemaichinen
verdrängt. ylirtransportableSchmiebeherde erhalten
die Blajebälge, um weniger Raum einzunehmen,
eine runde Seftalt. Gute doppelte Blafebälge find mit
einer Vorrichtung verjehen, wodurch der obere
Balg im jeder Lage feitgebalten werden kann,
damıt das Blafen plötzlich aufhört. Am Schluffe
der Arbeit wird der Balg zur Schonung in feiner
höchſten Lage feſtgeſtellt. Die Erfindungder Blajebälge
wird dem Stythen Anacharſis zugeihrieben. Ehe⸗
dem hatte man auf den Hüttenwerfen auch Biajebälge
mit ledernen Seitenwänden; doch ſeitdem Hanns
Yobfinger, ein Nürnberger, die hölzernen ums
Blafebalggeräufh — Blajenkrampf.
495
Jahr 1550 erfand, wurden fie durch diefelben[macht fich durch ihre Häufigfeit oft in Gemädhs-
Gieſeler.
verdrängt.
Blefebalngeräufg (Blafegeräufh, Med.), Palmen u. YWzalien ſchwer zu vertreiben; greift
fogen. Bintgeräufh, hörbar bei der Unterfuchung deren Blätter a u. macht fie ſchwindflichtig.
häuſern läftig, u. ift datelbit namentlich von Farn,
Ein
des Herzens mittel$ der Aufcultation, bei acuten anderer, namentlich Dracänen anfallender Blafenfuß
Blutkrankheiten (z. B. Typhus) u. Bleichſucht iſt Heliothrips Dracaenae Halid., gelbbraun.
anſtatt des erſten Herztones, gewöhnlich auch in Zahlreiche andere Arten finden ſich, meiſt ohne
den Arterien zu bören.
ſonderlichen Schaden anzurichten, in Blüthen von
Blaſenausſchlag (Pemphigus), Hautfrant-|Ampferarten, Stacelbeeren, Vrimeln ⁊c. Als
heit, die zumeilen beſ. zu
haupt geneigte Berjonen jedes Alters befältt. Un-
ter Juden u. Brennen bilden fih durch Erheb—
Hautkrankheiten über-]Gegenmittel für Gemähshausbewohner (denn für
die ‚freilebenden gibt es feine, welche angewen-
det werben könnten) empjeblen fih Räucerungen
ung des Oberhäuthens u. durch Abjonderung| mit Fmjectenpufver, Abwaihungen mit Wafler,
einer wäſſerigen Feuchtigkeit an irgend einem
Theil des Körper Blaſen von wechſelnder Ge-
ftalt, Größe u. Farbe, die ſich weiter verbreiten,
aud in den Mund, nur nicht in die Handflädhen
u. an die Fußſohlen.
Jede Blafe füllt fich, platst| melte
worin Tabak abgetocht wurde, endlich Wegichnei-
den u. Entfernen der zumeift befallenen Organe
u. Pflanzen. Thome,
Dlafengalle, die in der Gallenblafe angefam-
alle (zum Unterichiede von der in den
oft u. füllt fih dann von Neuem; nach u. nach Gallengängen der Leber befindlichen), welcher der
wird fie welt, die Oberhaut bieibt weiß u. runze—
fig, die Haut darumter zeigt fich entzündet n. in
manderlei Art verändert. Gie ift oft mit Fieber
verbunden, das entweder ein einfaches Reizfieber,
oder auch complicirt ift, wovon auch die Gefahr
abhängt. Der Hronijhe DB. kehrt zumeilen
periodiih wieder, Tann Monate, ja Jahre lang
dauern, auch mol zur Berzehrung führen. Der
B. Neugeborener berubt meift auf ererbter Syphilis.
Blajenfühe (Thripidae), Infectenfamilie auf
der Ordnung der Geradflügler, Unterordnung der
ftrgfliiglerartigen G.; Kopf cylindriſch mit nad
vorn gewandtem Scheitel u. fadenförmigen, 8-
bis 9gliederigen Fühlern, mit 3 Punktaugen zwi
ſchen den großen Facettenaugen; Mundtbeile zum
Saugen eingerichtet mit borftenförmigen Ober»
tiefern u. flachen, dreiedigen Unterkiefern, welche
mit dem Kinne verwacjen find u. einen Fühler
tragen; Flügel ſchmal, lanzettförmig, am ande
mit feinen Haaren bejetst; die zweigliederigen
Füße enden ftatt der Krallen mit einem jaugnapf-
ähnlichen Haftlappen (daher der Name), Einige
vermögen mittels des Hinterleibes zu ipringen. Sie
leben auf Pflanzen; die im Freien, u. dann meift
in den Blüthen lebenden verurjachen oft das
Fehlſchlagen der Frucht; die auf Blättern, bejon-
ders der Gewächshauspflanzen, lebenden verurfachen
durch Zerftörung der Oberhaut gelbe Flecken,
fogar das Abfterben der Blätter (Schwindſucht).
Getreideblafenfuß (Thrips cerealium Hali-
day), tuntelbraun, 2 mm lang; lebt in den Blü-
then. namentlich des Weizens; wird durch jeine
Menge oft jehr fhädlih, auch dem Menſchen oft
läftig, indem er ihn an beißen Sommertagen
verfolgt u. ducch fein Anfliegen gegen das Geficht
Juden verurjadt. Roggenblajenfuß (Th.
frumentarius Beling) wurde im Harz dem Ger
treide jhon mehrfach dadurch gefährlih, daß er
beim Roggen deffen eben aus der Blatticheibe
bervortretenden zarten Fruchtlnoten benagte u.
fo etwa die Hälfte des Ertrages vernichtete, daß
er jpäter beim Weizen namentlih die Spelzen
angrifj, enblih in der noch jpäter in die Ahren
tretenden Gerfte bejonders die Blüthenjpelzen be-
nagte u. jo den Ertrag minderte.
liege (Heliothrips
Schleim der Gallenblafe beigemiſcht ift. Der
Bngang (Ductus eysticus) ift derjenige häutige
Kanal, welcher die in der Peber bereitete Galle
in die Gallenbtafe führt; ſ. Gallenblaſe.
Dlafengries (Med.), Gries (ſ. d.) in der
Harnblaje.
Blafengrün nennt man das aus den Bee
ven des Kreuzdorns (Rhamnus cathariticus) ge
wonnene Saftgrün; hübſche Wafjerfarbe,
Blafenhämorrhoiden, gleichzeitig mit den
gewöhnlichen Hämorrhoiden des Maftdarmes;
finden fi bei älteren Männern u, bei rauf:
beiten der Harn⸗ u. Geſchlechtswerlzeuge. Die
B. beſtehen in Erweiterungen (Baricoſitäten) des
Blaſengeflechtes; bei Frauen erweitern ſich gleich—
zeitig die Venen des oberen Theils der Scheide
u. der breiten Mutterbänder. Die B, verurjachen
Beihwerden beim Harnlaflen, Schmerz in dem
Blajenhalfe u. der Harmöbre, Schleim-, Eiter«
u. Blutharnen, Auch die Gefchlechtötheile werden
gleichzeitig gereizt.
Bliaſenkäfer (Pflafterfäfer, Vesicantia, Me-
loidae, Cantharidae), Käferfamilie aus der Gruppe
der Ungleichfüßer (Heteromera), mit breitem,
balsförmig eingefhürtem Kopfe u. breiten, oft
Haffenden Flügeldecken, welche den Hinterleib nicht
ganz bededen. Die Käfer ernähren ſich meift
von Blättern; fie werden wegen der blafer !. sen«
den Eigenfhaft ihrer Säfte zur Bereitung von
blajenziebenden Mitteln (ſpaniſche Fliegen) benutzt.
Die Larven leben theils paraſitiſch an Inſecten,
theils unter Baumrinde; einige (z. B. beim Mai—
wurm, ſ. d.) durchlaufen einige complicirte, als
Hypermetamorphoſe (Uberverwandlung) bezeichnete
Verwandlung, indem ſie zuerſt 3 Fußpaare be—
ſitzen, dieſelben aber in ſpäteren Lebensſtadien
verlieren u, dann walzlich ericheinen. Dahin der
Maiwurm (f. d., Melod) u. die ſpaniſche Fliege
(j. 2.). Thome.
Blaſenkrampf (Cystospasmus od. Spasmus
vosicae, heftiger zufammenfchnürender Schmerz in
der Blafengegend, der nah Art der Krämpfe in
Anfällen auftritt umd entweder mit Harndrang,
oder Harnverhaltung einhergeht. Bisweilen gebt
Die ſchwarze der Schmerz auch auf Ruthe, Maſtdarm, Schentel
haemorrhoidalis Fb.), über. Selten ift die Urſache rein nervös;
1,., mm, ſchwarzbraun mit mweißlihen Flügeln; wöhnlich find Erkrankungen der Harn und
de
496
ſchlechtswerlzeuge, Blafenftein u. ſcharfer Urin die
Urſache.
Blaſenkrankheit, ſo v. w. Blaſenausſchlag.
—— jo v. w. Pimpernuß (Staphy-
lea L.).
Blafenpflafter (Emplastrum cantharidum
ordinarium) befteht aus zerftoßenen Ganthariden
(Lytta vesicatoria, Meloe ves.), welde mit Wachs
oder Fett verrieben auf Yeinwand, Leder oder
Wachstaffet geftrichen werden. Das Pflafter wird
in Stüden von Thalergröße auf ber an be»
feftigt u. bewirkt in 24 Stunden eine Blafe, die
man auffticht, ohne die Haut abzutrennen, u. dann
am beften mit einem Zrüdchen Watte oder einem
mit Fett beftrihenen Leinwandläppchen bebedt,
wenn man bloß eine porübergehende Wirkung erzie-
len will. Will man dagegen eine länger dauernde
Wirkung durch Eiterung bemirfen, jo ſchneidet man
die zur Biafe erhobene —** mit der Scheere ab
u. verbindet die entzündete Hautſtelle mit einer rei—
zenden Salbe. Man kann auch einen Mittelweg
einſchlagen, indem man die Oberhaut abſchneidet,
aber nachher mit einem einfachen Fett verbindet,
worunter fi im wenigen Tagen die Oberhaut
miederherftellt. Eine schnellere Wirkung als
durd das gewöhnliche Blafenpflafter erhält man
durch Anwendung des Collodium cantharidatum,
Blaſenkrankheit — Bläfer.
ung mit Bildung von mit MWaffer u. Eiter ger
fülten Blafen; höherer Grad der gewöhnlichen
Rofe (f. d.).
Binfenfalbe (Unguentum epispasticum s.
cantharidum, Gantharidenfalbe), Ganthariden in
Oliveuöl ausgezogen und diefer Lölung Wachs
beigemifcht. Ein Fetten vermiicht dient fie, um
Blafenpflafterwunden u. Fontanellen fließend zu
erhalten. ,
Blaſenſchnitt (Chir.), ſ. Steinichnitt.
Bla u lernen ſ. Drebkrantheit.
Blafenſtaähl nennt man den durch Cementation,
d. h. Glühen mit kohlehaltigen Subftanzen, erhals
tenen Cementftahl, weil er auf feiner Oberfläche
blafig ift. z
Dinjenfteine, fette Ablagerungen, die fih von
den Nieren ab in allen Theilen des Harnſyſtems
bilden u. feftiegen fünnen; gewöhnlich beftehen fie
aus Harnfäure; f. u. Harn u. Harnſäure.
Blnjenfteinfchnitt (Chir.), ſ. u. Steinſchuitt.
Blafenftraud, jo v. w. Colutea L.
Blajentang iit Fucus vesiculosus.
Blajenträger, jo v. w. Stengelblajenqualle.
Blajenwanze, 1) Glaſenfuß, Thrips) kleine,
fliegenäbnliche Geradjlügler, mit einem großen, bla-
jenartigen Haftlappen ftatt der Krallen an den
Füßen; vgl. Blajenfüße. 2) So v. wm. Rindenwanze,
das bloß in der beabfichtigten Ausdehnung aufge-/& u. Blutwanzen,
ftrihen zu werden braudt u. danı wie das ge-
wöhnlihe Collodium fefttlebt. Auh das durchſ Bla
Behandlung der Tanthariden mit Ather gewon—
nene Ol, jowie das reine Cantharidin kann
benuttt werben, aber ohne bejonderen Bortheil.
Das fog. ewige Blafenpflafter (Emplastrum can-
tharidum perpetuum) enthält eine geringere
Quantität von Ganthariden u. bedarf zu feiner
Befeftigung, da es jelbft klebt, feines Heftpflafters.
Es zieht gewöhnlich erft nad) längerer Zeit eine
Blafe. Manläßtes Wochen oder Monate fang liegen,
wobei die ausgeſchwitzte Flüffigleit allmählich durch
eine Heine ung am unteren Theil der Blafe
ausfließen kann. Bei derber Haut zieht es oft
gar feine Blaſe. Man bedient fih des B-s, um
einen Turzen oder dauernden Hautreiz oder Ab-
leitung zu appliciren bei allen chroniſchen Ent-
zündungen, zur Hebung der Lebenskräfte durch
äußeren Reiz, zur Ableitung durch Gegenveiz, bei
Rheumatismen, Neuralgien zc.
Blaſenpocken (Bafler-, Wind», Kryftallpoden),
leichteſte Form der Blattern, wo der Inhalt der
Bläschen wäſſerig bleibt, nicht eiterig wird,
en ſ. Medufen.
Dlajenräume nennt man in der Geologie
bohle oder machträglih ganz od. theilweiſe mit
verichiedenen Mineralien wieder ausgefüllte, meiftijzu Raub nad Berlin u. blieb dort
rundliche, blafenartige Höhlungen in plutonifchen
oder vulcanischen Gefteinen, deren Entftehung mol
meift durch auffteigende Gasarten oder Raffer-
dämpfe erflärt werden fann, wie beim Bimsftein,
der Lava, dem Bafalt, oft aber aud, wie beim
Mandelftein, den Geognoften ſchwieriger erflärbar
ſchwerwiegende Lob Thorwaldiens,
pn Bits ni ſ. Bandwürmer.
enziehende Mittel (Vesicantia), Mittel,
welche dazu dienen, um eine oberflächliche Haut⸗
entzündung zu erregen. Dahin gehören bei. Pulver,
Pflafter, Salben von ſpaniſchen Fliegen; minder
wirlſam Fodtinctur, Brechweinfteinjalbe, Erotonöl,
Blafenfalbe, Seidelbaftrinde, Senf; in ſchwächerem
Grade bewirken, bei reizbarer Haut, daffelbe wol
auch concentrirte Löſungen — ——————— früher
bediente man ſich auch des ſiedenden Waſſers zur
Blajenbildung, doch ift dieſes Verfahren jegt ver⸗
laffen. Alle diefe Mittel fpielen als fogenannte
ableitende Mittel bei Behandlung chroniſcher Ent-
zündungen eine große Rolle, fie follen den Ent«
zündungsproceß von feinem Site auf eine minder
ungen Stelle ableiten u. haben aud ihren
} “ nach den Erfahrungen guter Beobachter bes
mährt
läfer, Guftav, berühmter Bildhauer, geb.
in Düſſeldorf 9. Mai 1813, geft. 20. April 1874
in Kannftatt, Sohn eines Kaufmanns in Köln;
erhielt den erften Unterricht im Zeichnen vom
Porträtmafer Ag. Mengelberg, in der Plaſtik
vom Bildihniger Stefan, arbeitete dann beim
Bildhauer Schal in Mainz mit für die Reftau-
ration des dortigen Domes; fam, 21 Jahre alt,
is 1841,
Aus diefer Zeit ſtammt feine Reiterftatuette der
Kaiferin Alerandra Feodorowna, die elfmal in
Bronze
vergebli
gef: ward. 1843 betheiligte fih B.
an der Goncurrenz für das Beethoven⸗
Dentinal, doch erhielt er einen Preis u. das
Im nädhften
find. Bgl. Adat, Melaphyr u. Manbdelftein. Die] Jahre ging B. nad Rom, wurde aber ſchon 1845
ausfüllenden oder die Wände befteidenden Mines |zurüdberufen, um eine Gruppe: Minerva dedt
ralien find meift Kalffpath, Achat oder Gfliederjeinen gegen den Feind anftürmenden Jüngling,
der großen Familie der Zeolithe. für die Schloßbrüde auszuführen. Aus der
Dlajenrofe (Med.), rojenartige Hautentzünd-Inächften Zeit nach 1850 datiren das Modell für
Blaſerohr — Blafius, 497
die Bronze-Statue des Bürgermeifters Franke in Grafſchaft Bonndorf Reichsunmittelbarkeit u. Sit
Magdeburg, die Statue Albrechts von Branden- im Schwäbiſchen Grafencollegium; 1746 murde
burg in Marienburg u. das große Relief für die/der Abt Franciscus II. zum Weichsfürften u.
Beichjelbrüde bei Dirſchau. Dann folgten das |faiferlichen Erb-Erzhofcaplan erhoben u. zum Vor⸗
Grabmal Ravenes, der Entwurf eines Guten-|figenden der Breisgauer Prälaten ernannt. Be—
bergdenfmals, eine Statue des Königs Friedr. ſonders glänzend war die Regierung des Fürft-
Wilhelm IV. für die Burg Hohenzollern, des⸗ abts Martin Gerbert(17654—93), welcher werthvolle
felben koloſſale Reiterftatue für die Aheinbrüde | Schriften literarhiftoriichen, firhen- u. muſikge-
in Köln, das Neiterdenfmal Friedrichs TIL für ſchichtlichen Inhaltes verfaßte u. Mitglied vieler
diefelbe Stadt, die Statue Friedr. Wilhelms IV. |Afademien u. gelehrten Gejellihaften wurde. 1768
für Sansfouci, Hymen mit Fackel, eine Gaſt- brannte das Klofter ab u. wurde glänzender wie-
freundidaft, ein Ehriftusfind, der Neujahr-Gratu- |derhergeftellt; die Kirche wurde neu errichtet nach
lant u. der auf dem Falle tanzende ZTrinfer, das | dem Mufter des Bantheons (Maria della Rotonda)
Relief im Giebelfelde des Braunfhweiger Schlofjes zu Rom mit prächtiger Kuppe. Das Haus
u. zahlreiche Porträtbüften, fo die Hegels, U. v. Habsburg ließ fich hier eine Familiengruft anle—
umboldts, Lincolns u. des Kailers Wilhelm.
Ban intereffant ift feine Porträtftatue der deut-
fhen Kronprinzeffin, wegen der der Antike nad)-
gebildeten Behandlung der Gewänder, Regnet.
dene wohin die Gebeine der in der Abtei Königs»
elden u. der Kathedrale von Bajel beigejetten
absburger . 1770 übergeführt wurden, Das
lofter wurde Dec. 1805 mit dem Breisgau
Blajerohr, 1) bis 2 m langes hölzernes Rohr | Baden unterworfen u. von diefem Anfangs 1806
zum Schießen mit Thonfugeln oder leichten Bol- | aufgehoben.
Die Kloftergebäude wurden theilg
zen; 2) dünnes eifernes Rohr, womit in derizu Fabrikanlagen (Baummollenfpinnerei), theils
Glashütte etwas Maffe aus dem Hafen genom«!
zumSige landesherrlicher Behörden benutzt. Die
men und durch Blajen zu einem Gegenftande ge- Mönche (Blafianer) wanderten 1806 nad der
formt wird; ſ. u. Glas,
Slafewitz,
königlich ſächſ. Regbez. Dresden, an der Elbe; mit
Dresden durch Pferbebahn verbunden; Erziehungs-
anftalt f. Knaben; 1577 Ew. Während jeines Aufent-
Dorf im Gerichtsamte Dresden des nah St, Paul in Kärnthen aus.
Abtei von Pyrhn ob der Enns u. von da 1808
Die Kirche
brannte mit einem großen Theil des Klofterge-
bäudes 1874 ab. Über die gelehrten Beſchäftig—
ungen ber Blafianer Mönde ſ. Joſ. Bader im
te8 im dent B. gegenüberliegenden Loſchwitz Freiburg. Diöceſan-Archiv, 1874.
ei Körner (im Sommer 1785), lernte Schiller
die Stieftochter des dafigen Wirthes oder Guts-
befigers, geborene Juftine Segabin (geb. 5. Jan.
1773 bei Dresden) fennen u. verewigte fie als
Buftel von B. in Wallenfteins Lager. (Sie hei-
rathete 1787 den Advocaten, nachmaligen Sena-
tor Renner in Dresden, wurde 1821 Witwwe u.
fl. 24. Jau. 1856.)
St. Blafien, 1) Amtsbezirt im badiichen
Kreiſe Waldshut, in wilder Gebirgslandſchaft des
Schwarzwaldes; 261,.: [km (4, [IM); 10,300
Ew. 2) Gemeinde u. Flecken ebd., in eimem
tiefen Thal zwiichen großen Tannenwäldern, 772 m
ü.D. M., an der oberen Alb; Amtsgericht, Bezirks-
forftamt; 950 Ew.; ehemals berühmtes Benedic-
tinerflofter. Anfangs Ichten, angeblid feit dem
5. Jahrh., hier die Brüder an der Alb, Einfied-
lermönche, deren Behaufung Albzelle (Cella alba)
geheißen haben fol. Der eigentliche Stifter wurde
eginbert von Seldenbüren, der 945 dem Klofter
beitrat u. demfelben alle jeine Güter vermadhte.
Nach den im 8. Jahrh. Hierher gebrachten Aeli-
quien des heil. Blafius von Rheinau erhielt das
Klofter den Namen St. Blafien. Die Abtei wurde
reih an Länderbefig u. zählte berühmte Namen
unter ihren Abten u. Brüdern, fam aber durch
Iururiöfe Wirthichaft ihrem Uintergange nahe. Die
Schirmvogtei übten die Herren von Werra für
das Hochſtift Bafel, ſeit 1125 die Herzöge von
Bähringen, u. nach deren Ausfterben fiel dieſelbe
wahrſcheinlich fofort an Öfterreih. 1405 erhielt
Blasinftrumente, muſikaliſche Juſtrumente,
in welchen der tönende Körper eine Luftſäule iſt,
die durch Anblaſen mit dem Munde oder auch
mit einem Blaſebalge in Schwingungen verſetzt
wird, Sie zerfallen in ſolche, deren Schwinguns
gen dur das Anblafen unmittelbar erregt wer«
den (f. Lippenpfeifen), wie die Fippenpfeifen der
Orgel, die Flöte, das Flageolet u. die Pansflöte
der Alten, u. im ſolche, bei welden die Schwing-
ungen elaftiiher Platten fi auf eine Luftſäule
übertragen (f. Zungenpfeifer); dieſe Platten find
entweder von Detall, wie bei der Mundharmonifa,
dem Harmonium u. dem Zungenmwerfen der Orgel,
oder es find einfache oder doppelte dünne Blätt-
hen von italieniihem Rohr, wie bei der Oboe, dem
Fagott u. der Clarinette, oder die auf ein feffel-
oder trichterförmiges Mundſtück gepreßten Lippen
des Mufifers fungiren als ſchwingende Membran,
wie bei der Pofaune, dem Horn u. der Trompete,
Den legtgenannten Ben jchließt fih am möchten
der Kehltopf der Säugethiere u. des Menjchen
an, bei melden die Stummbänder als elaftiiche
Flächen wirlen; den Yippenpfeifen der untere
Kehitopf der Vögel. Liber die einzelnen B. foll
in bejonderen Artikeln, über ihre Anwendung in
den Artifein Befegung u. Juftrumentation Näheres
mit. etheilt werden. Wimmenauer M.
Blafirt (v. Fr.), durch ſinnliche Gemüffe aller
Art abgeftumpft, entnervt.
Blafius, 1) Heiliger, Bischof zu Sebafte in
Kappadotien, Märtyrer unter Diocletianus; Tag:
der Abt die Würde eines infulirten Prälaten. 3. Febr. Weil er durch Gebet einen Knaben, dem
Zur Bauernfriege niedergebrannt, wurde es durch |eine Gräte im Halfe fteden blieb, vom Tode gerettet
den Abt Kaspar Müller (Molitor) 1550 mieder| haben fol, wird er als Schutzpatron gegen gr
aufgebaut u. gelangte wieder zu hoher Blüthe. weh verehrt. Der Brfegen gegen Halsübel be-
1611 erwarb das Klofter nah Erkaufung der ſteht darin, daß am feinem Tage der Priefter
Vierers Univerjal-Eonverfations-Lerifen. 6. Aufl. 111. Band. 323
498
2 brennende Kerzen freuzweife den Gläubigen
unter den Hals hält. Nah ihm nennt fi aud
ein geiftliher Nitterorden, in Armenien mwabr»
ſcheinlich gleichzeitig mit den Templern geftiftet,
feit dem 13. Jahrh. erlofhen. 2) Ernit, aus-
gezeichneter Chirurg, geb. 20. Nov. 1802 in
Berlin; bildete fih auf dem FFrievrih-Wilhelms«
Inſtitut zum Milttärarzte aus, ging aber 1827
zur Givilpraris über, ließ ſich zunächſt in Berlin
nieder u. babilitirte fih dann als Privatdocent
an der Univerfität Halle 1829. Bereits 1830
wurde er auferorbentlicher Profeſſor der Chirur—
gie, übernahm 1831 zumäcit proviſoriſch Die
Yeirung der chirurgiichen Klinik, der er von 1834
bis 1867 als Director u. ordentliher Profeſſor
vorftand. Im Fahre 1873 feierte er fein 50jäh—
riges Amtsjubiläum und ftarb 11. Juli 1875 in
Halle als Geb. Medicinalrath. Außer durch feine
vielfache literariſche Thätigfeit hat er ſich nament«
lich durch mancherlei Berbefferungen von Ope—
rationsverfahren u. Inſtrumenten nah außen bin
befannt gemadt. Bon feinen Schriften jind be-
jonders hervorzuheben, abgeichen von Neineren
in Zeitſchriften — namentlich Ruſts Magazine
der Heillunde — zerftreuten Abhandlungen: Hand»
buch der Alturgie, Halle 1830—32, 3 Bde., 2.
Aufl., 1839—42, mit akiurgiſchen Abbildungen,
Berl. 1831—33, 2. Aufl, 1842—44, 6 Hefte;
Lehrbuh der Aliurgie, Berlin 1835, 2. Aufl.,
1846; Handmwörterbuch der gefammten Chirurgie
und Augenbeiltunde, Berlin 1836, 4. Bd.; Der
Schrägſchnitt, eine neue Amputationsmetbode,
Berl. 1838; Beiträge zur praktischen Chirurgie,
Berl. 1848; Neue Beiträge zur praftiichen Chi—
rurgie, Lpz. 1857; Schlußbericht über die hirur-
gifh-augenärztliche Klinik der Univerfität, Halle
1831 —1867, ebd. 1868. 8) Gerb., jo v. wie
Blaes. 4) Joh. Heinr., namhafter Zoolog,
geb. 7. Dctbr. 1809 zu Nymbrecht im Regbez.
Köln; von 1831 an Yehrer der Naturkunde und
Mathematit an der Nealichule in Krefeld, dann
feit 1836 Profeffor der Naturgejchichte am Colle-
gium Garolinum zu Braunfchweig, jowie Direc-
tor der naturhiftoriihen Sammlung u. des Bota-
niihen Gartens. Er ftarb 26. Mai 1870 in
Braunfchmweig. DB. beſchrieb in 2 Bon. die ge-
meinfam mit Meyendorfi, Keyierlingt, Murchiſon
w Verneuil unternommene Reife im Europätichen
Rußland, Braunſchweig 1844; Fauna der Wir:
beitiere Deutichlands 2c., 1. Band: Säugerbiere,
Suohimichweig 1857; Abhandlungen in Wieg-
upunsl! Archiv und in den Denkichriften der Ata-
deutinı vom Petersburg und Münden.
lol FE sn 1) Löffler. 2) Thambann.
iBlafaumfr.), 1) Wappen, Wappenſchild.
—— — — —— Wappenbeſchreibung, Wappen-
erlaci rungndaher 3) jo v. m, Wappenlunde, He⸗
rail. hlafomirte Münzen, deutſche Münzen,
bei. bal e Baten, auf denen in Nürnberg das
Wappen Bad; Dean Regeln der Heralbif mit Lad
quegemal varund die nach Indien oder China
verſtudet pardauis 29
„ASlasphemie (. ir, Ehrenverletzung), 1) Got⸗
teslaerunge Wi Echmhung gegen hohe Häupter.
34 Schuuiches Fiuchen; · daher blasphemi⸗
ronvirheſchinipfen Cines Ehre tränken; der dies
J
Blaſon — Blatt.
thut, heißt Blasphemiſt; blasphemiſch,
blasphemiſtiſch, ehrverletzend, läſterlich.
Bläſſe, die blaſſe Farbe des Geſichtes; beruht
auf einer eigenen Beſchaffenheit der Geſichtshaut,
bei der die zarten Blutgefäße weniger in das Ge—
webe derjelben verflochten find, jo daß fie nicht,
wie gewöhnlih, durch ihr Durchſchimmern dem
Geſichte fein Colorit geben, oder die Circulation
der Blutgefäße des Gefichtes ift gehemmt, u. es
tritt weniger Blut im die feinften Gefäße eim;
letzteres in Kranktbeitszuftänden, Die mit allgemei-
ner Schwäche verbunden find u. bei denen auch
der Blutumlauf, bei. das Strömen des Blutes
nah dem Kopfe, gehemmt ift (jo im Fieberfroſt).
Auch in noch geiundem Zuſtande bewirkt Alles,
was einen Schwäcezuitand herbeifübrt, B.; fo
beſ. Sram, Neid, unbefriedigte Liebesſehnſucht,
Studiren, Nachtwachen, Erjhöpfung durd förper-
liche Anftrengung, aber auch vorübergebender
Schreden, nerpöfe Aufregung durch Zurücktritt des
Blutes. Beiteichen ift fie harafteriftiich (Yeichen-B.).
Bläſſe, ein mehr oder weniger gleihmäßiger
weißer Streifen, der von der Stirn des Rindes
oder Pferdes über die Naje bis zur Öberlippe
ſich eritredt.
Bläßhuhn (Bläſſe, Bleßhuhn), fo v. w. ſchwar⸗
zes Waſſerhuhn (Fulica atra L.); ſ. Waſſerhuhn.
Bläßmoll (Georychus capensis Pall., Erd—
gräber vom Cap), Art aus der Säugethier-Fam.
der Maulwurfmäufe, mit kurzen Nägeln an den
Vorderpfoten, 4 Badenzähnen, jehr großen Bor-
derzähnen (die oberen obne Längsfurde), kurzem
Schwarze und ohne Badentafhen; an Bauch umd
Schnauze weiß, übrigens gelbbraun; Yänge 14
em; am Gap, wo er in Gärten durch Untergra—
ben u. Aufwerfen der Erde viel ſchadet.
Blajtema (gr., Keim, Sproß), 1) (Bot.) nad
Richard die Keimpflanze, d. b. das Pfläuzchen des
Keimes für fih ohne Samenlappen; nad Wallrotb
das Yager der Flechten, alfo fo v. w. Thallus;
daber blastematicus (Thallodes), zum Lager ge-
hörend oder von ihm gebildet; bei manden neue—
ren Botanifern jo v. w. Gewebegruppe. 2) B.
dentis, fo v. w. Zahnkeim. 3) (Bhyſ.) Der er-
näbrende Theil der thieriichen Säfte, welcher den Ge-
weben die zum Wachsthum nöthigen Stoffe zuführt.
Blatna (Blatno), 1) Bezirk im öjterr. ron»
lande Böhmen (ehemal. Kreis PifeN; 680,, [km
(12,36 IM); 50,960 iſchech. Em. 2) Stadt ebd.,
an einem Heimen See, nordw. von Piſek; Schloß;
Brauerei, Brennerei, Bottafcheftederei, Zuderfabrit;
2869 Ew.
Blatt (Folium, Bot.). Blätter find meiſt dicht
unter dem Begetationspunkte, feltener fcheinbar am
Ende deifelben entftehende appendiculäre Gebilde der
Stammpflanzen (Kormopbyten), im Allgemeinen
harakterifirt dadurch, daß fie 1) mit wenigen Aus«
nahmen in afropetaler Neihenfolge, d. b. von un»
ten nad oben entftehen; 2) immer erogene (dem
äußeren Gewebeſchichten der Achſe entipringende)
Bildungen find, u. 3) meift eine andere ‚Form
haben, als der fie erzeugende Stamm oder deſſen
Seitenzweige. Je nad) der Function, welche die
Blätter auszuüben haben, find fie in verfchiedener
Weife umgebildet; wir untericheiden demnach Keim-
blätter, Niederblätter, Laubblätter, Hochblätter,
Blatt.
Kelchblätter, Blumenblätter, Staubblätter uad
Fruchtblätter.
499
bei den Chlorophyll führenden Blättern iſt ſie
Das Verdienſt, die Homologie die- mit Spaltöffnungen verſehen, welche in die Inter—
ſer ſämmtlichen appendiculären Organe der Pflanze, cellularräume oder Luftgänge münden, und nur
die fog. B-metamorphofe, erkannt zu haben, die unmtergetauchten Blätter entbehren derfelben
gebührt Goethe.
I. Anatomie der Blätter. Die Verbindung
des Stammes mit dein B-e ift derart, daß die
gleihnamigen Gewebe beider continuirlich in ein-
ander übergeben. So jetzen fih Oberhaut u. Grund-
gewebe der Achſe auf das B. fort, es erjcheint ja
aud die Anlage des Baes nur als ein hervor:
tretender Wulft der Achſe; auch die Gefäßbündel
beider hängen zufammen, da fchon bei der erjten
Entftehing jedes einzelne Bündel aus einem tie-
feren Stengeltheil emporfteigend mit feinem oberen
Ende in das junge B. ausbiegt (dies find die
fogen. gemeinfamen Stränge, deren im Stengel
verlaufender Theil die innere Bejpur genannt
wird). Die Gefäßbündel entwideln ſich übrigens
almählib, u. zwar fo, daß, wenn man fich das
B. als horizontal von der Achſe ausgehend denkt,
die Älteften Theile nach oben, die jüngeren nad)
unten liegen. Auch zeigt ſich bei den Difotyle-
Donen unterhalb der Gefäße eine Cambialichicht
u. unterhalb diejer eine Baftihicht, was man fich
alles leicht vorftellen fann, wenn man fi das
Gefäßbündel des Stengel® nah aufen gebogen
denkt. Die äußerften Enden des Gefäßbündeliy-
ftems im B-e beſtehen nur als Spiralfaferzellen.
Gewöhnlich treten die im Be verlaufenden Gefäh-
bündel auf einer der beiden B>flächen deutlich
berbor u. werden dann ald Nerven bezeichnet;
man unterjcheidet nach der Anlage primäre, jer
cundäre, tertiäre Nerven zc., oder nach der Stärke
Hauptnerven, Nebennerven, Mern. Während die
Nerven oder Gefäßbündel bei flahen Blättern
meift in einer Ebene liegen, find fie bei verhält.
migmäßig diden Blättern, wie 3. B. denen von
Agave, Aloe, Mefembryanthemum und anderen
Fettgewächſen zerftreut oder im Kreife georbnet.
ie Nervatur ıft für große Pflanzengruppen cha—
rakteriftiih; denn während bei den meijten Mo—
nofotyledonen die Blätter parallelnervig u, dem—
zufolge auch meift ſchmal, linealiich find, find fie
bei den Dilotyledonen mit mannigfad verzweigten
Nerven verjehen u. demzufolge aud von größerer
Deannigfaltigkeitinder Geftalt. Je nach der Berzweig-
ung ift dann die Nervatur entweder fiederfürmig (F.
pennatinervium), wenn beiderſeits zahlreiche Seiten»
nerven vom Hauptnerv abgehen, oder handförmig
{F. palmatinervium), wenn der Hauptnerv ſich
fhon am Grunde des B-e3 in eine Anzahl etwa
gleich) ftarter, divergirender Nerven theilt; fuß-
nervig (F. pedatinervium) heißt das B. dann,
wenn der fehr kurze Mittelnerv 2 ſehr ftarfe Sei—
tennerven ausjendet, welche jelbit wieder, nad
vorn pin, Nerven Iter Ordnung ausjenden. Die
Nervel letster Ordnung, Adern (Venae), anafto-
mofiren u. find vergleihbar den Fäden eines
Netzes. Das Grundgewebe des Bes wird Me»
ſophyll genannt u. enthält mamentlih bei den
Saub- u. Hochblättern, ſowie aud in der Regel
bei Kelch m. Fruchtblättern ſehr viel Chlorophyll.
Die Oberbaut (Epidermis) ift entweder nur aus
vollftändig. Ebenjo wenig finden fich dieſelben
bei den Blättern der Paub- u. Lebermoofe, welche
auch in fo fern abweichen, als fie aus nur einer-
Zellihicht beftehen und feine Gefäße befiten if.
Moofe). Über die anatomifhen Eigenthümlich—
feiten der Biumen-, Staubs, Fruchtblätter ſ. Blüthe.
U. Blattftellung. Die Blätter entftehen ent—
weder zu mehreren in derjelben Höhe der Achfe
u. bilden im diefem Falle Quirle (Vertieillus),
fo beionders in der Blüthenformation, oder fie
entſtehen einzeln u. find von einander durch Sten-
gelglieder, Internodien, getrennt; diefelben find ent»
weder geftredt, jo daß die nfertionspunfte der
Blätter auf einer Schraubenlinie (Spirale) liegen,
oder geftaucdt, u. man fann auch den Duirl als
ein Stengelftüd mit im höchſten Grade geftauch-
ten Internodien auffaſſen. Die Stelle der Blatt-
bafis, an melde das mittlere Gefäßbündel aus
dem Stengel tritt, nennt man den Inſertions
punft u. die Ebene, welche wir uns durch diefen
Punkt, die Spitze des Bees u. die Achſe des Sten-
gels gelegt deufen, die Mediane; der Winfel, un-
ter dem fich die Medianen zweier in ihrer Ent«
ftehung aufeinanderfolgenden Blätter jchneiden, be-
zeichnet die Divergenz der Blätter, welche immer
einen Theil des Stengelumfanges ausmadt. Es
zeigt fi bei der Aufſuchung der Divergenzen an
irgend einem beblätterten Stengel, namentlih an
jolhen mit nicht allzu ſehr geftredten Internodien,
da innerhalb einer gewiſſen Region des Sten-
gels die bei Verfolgung der B-ipirale (nach der-
jelben Richtung) ſich ergebenden Divergenzen ein«
ander gleih find. Da nun die B-divergenzen
wirflihen Bruchtheilen des Stengelumfanges, ?/,,
Ya Yo da "aa "arr as 2. (Zähler u. Nenner
iedes folgenden Bruches werden gefunden, indem
man Die Zähler, reip. Nenner der beiden vorber-
— addirt), entſprechen, ſo müſſen einzelne
lätter über einander zu ſtehen kommen, u. zwar
bei conftanter ?/4-Divergenz das dritte über das
erfte u. das vierte über das zweite, bei conftanter
!/.:Divergenz das vierte über das erfte, bei cou—
ftanter ?/,-Divergenz das fechite fiber das erfte, bei
conftanter %/,-Divergenz das neunte über das erite
u. ſ. f. Diefe übereinanderftebenden Blätter bil-
den eine gerade Reihe oder Orthoſtiche; die Zahl
der Blätter, welche die genetiihe Spirale im fich
aufnimmt, bis fie wieder zu derfelben Ortboftiche
fommt, wird ein Eyflus genannt; fie entipricht
der Zahl der Orthoftihen oder dem Nenner des
Bruches, welcher die Divergenz angibt, während
der Zähler defielben Bruches die Rab der Um—
gänge bezeichnet, weldhe zu einem Cytlus gehören.
Aufeinanderfolgende B-quirle pflegen, wenn fie
nur Scheinguirie find, einander juperponirt zu
fein, d. h. ihre Blätter fallen über einander, hin—
gegen pflegen echte Quirle, wenn fie aufeinander:
folgen, meiſt mit einander zu alterniren, woraus
dann folgt, daß die Glieder des dritten Quirls
über die des erften fallen müſſen; fo bejonders
tafelförmigen Zellen gebildet, oder einzelne ihrer|bäufig im der Blüthe. Zmweigliederige alternirende
Zellen wachſen zu Haaren verſchiedenſter Art aus; | Quirle, wie fie namentlich bei ben
abiaten vor⸗
32*
500
fommen, heißen decuffirt u. die Blätter eines folchen
u Quirls opponirt — ).
II. Theile u. Geftalt des Bees. Durch
die Medianebene wird das B. in zwei einander
ähnliche Hälften getheilt, die meift einander gleichen
wie Object u. deffen Spiegelbild; dann heißt das
B. ſymmetriſch. Iſt dies nicht der Fall, wie bei
den Begonien oder Schiefblättern, jo beißt das B.
aſymmetriſch oder ſchief (obligquum). An dem voll«
ftändigen B-e unterjcheidet man die Bricheide
(Vagina), den Beftiel (Petiölus) u. die B-fläche
oder B-ipreite (Lamina s. Limbus), doch ift nicht
felten der eine oder andere dieſer Theile wenig
oder gar nicht emtwidelt, u. nur felten find alle
gleihmäßig ausgebildet. A) Die B-icheide ift ent-
weder eine B-ftieliheide (Vagina petiolaris), wenn
fie die Bafis eines Stiels ift, wie bei Angelica
silvestris, oder eine B-cheide im engeren Sinne
(Vagina foliaris), wenn fie unmittelbar mit der
Beflähe verbunden ift, wie bei deu Cypergräſern.
Sie kaun geichloffen fein u. eine vollitändige
Röhre bilden, wie bei Veratrum, oder geipalten
(V. fissa), wenn fie durch eine Yängsipalte mehr
oder weniger in 2 Theile getrennt if. B) Der
Beftiel (Petiolus) ift bald ftielrumd (teres), bald
balbftielrund (semiteres), fantig (angularis), zu»
fammengedrüdt (compressus), rinnenförmig (ca-
naliculatus), aufgeblaien (intlatus), od. verbreitert
(dilatatus). Häufig ift der Beftiel fcheidig (P.
vaginans), umfaflend (P. amplexicaulis), mern
er mit feiner Bafis den —— oder Zweig zum
Theil umſchließt, geflügelt (P. alatus), geöhrt
(aurieulatus), oder blattartig (foliaceus), wenn
er jederjeit8 einen blattartigen Anhang trägt. B—
ftielblätter (Phyllodia) endlih nennt man ver-
breiterte, blattartige Stiele, an denen gewöhnlich
bie eigentliche B-flähe fehlt, wie bei zahllofen
neubolländiihen Alazien (Acacia), C) Die B—
flähe (B-fpreite, Lamina, Limbus, B, im engeren
Sinne, Folium) ift der ausgebilderfte Theil des
Bees u. zugleich der für die Function defjelben
mejentlichfte, der jedoch dann gemöhnlich fehlt,
wenn die mehr oder weniger entwidelte B-fcheide,
oder der ausgebreitete Beſtiel, oder jelbft der faft
blattartige Stengel oder Zweig die Verrichtung
der Blätter übernehmen kann.
Will man die B-flächen genau ihrer Form nad)
beichreiben, jo hat man dabei den Geſammtumriß
der ganzen Fläche, die Beichaffenheit des Randes,
ber Bafıs u. der Spige insbefondere zu betrachten.
a) Seiner Fläche nad ift das B. freisrund (F.
orbiculare), nierenförmig (reniforme), wenn es
quer breiter u. dabei herzförmig ift, elliptiſch (el-
lipticum), wenn e8 etwa doppelt fo lang als breit
ift, eiförmig (ovatum), wenn es dabei nahe der Bafıs
am breitejten ift, verkehrt» eiförmig (obovatum),
wenn es nahe der Spite am breiteften ift, lan—
zettlih (lanceolatum), wenn es mindeftens vier-
mal jo lang als breit ift, linealifch, wenn die
Ränder ziemlich parallel laufen. b) Hat das B.
am Rande feine Einjchnitte, fo heit es ganz-
randig (F. integrum). Bei den eingefchnittenen
Blättern unterjheidet man die einwärtsgehenden
Winlel oder Bogen des Randes u. nennt diefe
Buchten (Sinus) u. die auswärts gehenden Win-
fel oder Bogen, Lappen oder Zipfel (Lobi, La-
Blatt.
einiae). Die bogigen Lappen oder Buchten nennt
man ftumpf, dagegen die mwinkeligen ſpitzig. Sind
die Lappen oder Borfprünge nur Hein, jo heißen
diefe Zähne (Dentes), wenn fie gerade u. ſpitz,
Kerben (Crenaturae), wenn fie bogig u. fiumpf,
Sägezähne (Serraturae), wenn fie vorwärts ge
richtet u. jpig find; das 8. ift daun ein gezähntes
(F. dentatum), geferbtes (crenatum), gejägtes
(serratum). fyerner kann der Rand des Bees fein:
wellig (F. undulatum), doppelt gelägt (duplicato-
serratum), wenn jeder Sägezahn wieder Fleinere
Zähne hat, doppelt geerbt, doppelt gezähnt zc.
Ein feiner Stadel, der zuweilen an der Spite
ftumpflicher Lappen fteht, heißt Stachelſpitze (Mu-
ero) u. das B. ſtachelſpitzig gezähnt, geferbt zc.
(F, mucronato-dentatum, crenatum) u. f. m.
Sind die Buchten oder Yappen tief, jo gibt man
mit Ausnahme der fiederipaltigen zugleich die
Zahl der Lappen an. Das B. heißt gelappt (F.
lobatum, 2-, 3-, 4-, 5-lobatum), wenn die Ein-
ſchnitte nicht bis zur Mitte, geipalten (fissum),
wenn fie etwa bis zur Mitte, getheilt (partitum),
wenn fie bis gegen den Grund gehen. Je nad) der
Nervatur ift das B. entweder hanbförmig ge⸗
ſpalten u. ſ. w. (F. palmatifidum), wie beun
Ahorn), oder fiederförmig-geſpalten (F. pinnatifi-
dum) zc. Wiederholen fi die Theilungen in der-
jelben Weife, fo nennt man das B. doppelt«, drei⸗
u. mehrfachefiederipaltig (F\, bi-, tri-, multi-pin-
natifidum),. Nehmen die Abichnitte eines fieder-
theiligen B-e8 von oben nad unten an Größe ab,
jo heißt es leierförmig (F. lyratum). Gebt die
Theilung der Spreite jo weit, daß diejelbe in eine
Anzahl einzelner Spreiten oder Blättchen (Foliola)
zerfällt, welche durch einzelne Stielchen (Petioluli)
mit dem gemeinfamen Brftiel verbunden find, jo
heißt das B. zufammengejegt (F. compositum);
daſſelbe ift num entweder handförmig-zui.-gef. (pal-
matim comp.), oder gefingert (digitatum), oder
fiederförmigszuf..gef. (pinnatim comp.). Je nach der
Zahl der Blättchen unterjcheidet man im erften
Fall 3«, 4+, 5rzählige Blätter (F. ternatum, qua-
ternatum, quinatum). Am gefiederten B-e (F.
pinnatum) bezeichnet mansdie Blätthen auch als
Fiedern (Pinnae) u. den gemeinſamen Beftiel als
Spindel (Rhachis); fchließt diefe mit einem End-
blättchen, jo it das B. unpaarig-gef. (impari-pin-
natum), im entgegengejegten ‘Falle paarig-gef.
(pari-pinnatum). „je nad) der Zahl der Blättchen
it das B. 2-, 3«, 4rpaarig (2-, 3-, 4-jugum);
wecjeln große u. Feine Fiedern ab, jo heit es
unterbrochen: gefiedert (interrupte-pinnatum). End»
lich gibt es auch doppelt-, dreifach » gefiederte
Blätter (F. 2-pinnatum, 3-pinnatum), ſowie Com»
binationen der handförmigen mit der fiederfürmi-
gen Form. c) Seiner Spite nad ift das B.
zugefpigt (acuminatum), mit beiderſeits concaver
Zufpigung, jpigig (acutum), mit converer Zu-
jpigung, abgerundet (obtusum), abgeftumpft (re-
tusum), abgeftugt (truncatum), ausgerandet
—— wenn es vorn eine ſtumpfe Aus-
uchtung bat, zweizähnig (bidentatum) u. ver
fehrt-herzförmig (obcordatum), wenn die Aus—
buchtung au der Spite tief ift. d) An der Bafıs
farın das B. auch fpigig, zugeipigt, abgerundet
u. ſ. w. fein, oft ift e8 aber auch herzförmig
Platt.
501
(cordatum), pfeilförmig (sagittatum), wenn die Ranke zu betrachten (F. eirrhiforme) u. ımter-
Spreite beiderjeits vom Ausſchnitt in ſpitze Yappen|icheiden fih von den Zweigranken (Capreoli) da«
ausgezogen ift, keilförmig (cuneatum), wenn die
Spreite allmählih in den B-ftiel übergeht. Wenn
der Stiel der Unterſeite der Spreite eingefügt if,
wie bei der Kapuzinerfreffe (Tropaeolum) u. vie-
fen Begonien, fo ift das B. ſchildförmig (pelta-
tum). Entfpringt die Spreite am Stengel obne
Scheide u. Stiel, fo heit das B. fitend (sessile);
greift es dabei am der Inſertion um dem ganzen
oder halben Stengelumfang herum, fo beißt es
ftengelumfaflend (amplexicaule) oder halbftengel»
umfaffend (semiamplexicaule); verwachſen die
Ränder der B-baſis an der der Inſertion gegenüber-
fiegenden Seite des Stengels, jo heißt das B.
durchwachſen (F. perfoliatum), nicht zu verwechſeln
mit den zuſammengewachſenen Blättern, wie fie
fih beim Geisblatt (Lonicera caprifolium) fin-
den. e) Auszweigungen des B-e8 an deſſen In—
fertion heißen Mebenblätter (Stipulae); fie find
ou paarweife zu beiden Seiten der B—
afis vorhanden, entweder frei, mie bei der Erbie,
oder mit dem Bee verwachien, mie bei der Roſe,
oder unter fih dem B-e gegenüber verwachſen, wie
bei Astragalus, oder es find bei gegenftändigen
Blättern je zwei einander gegenüberliegende Ne—
benblätthen verwachſen, wie beim Hopfen. Bis-
mweilen find auch die Blätter hohl, u. zwar ent-
weder röhrig (fistulosus), wie beim Schnittlauch,
oder fannenförmig (ascidiformis), wie bei Ne-
penthes und Sarracenia; aud find bisweilen
einzelne Theile blafenförmig (ampullacens), wie
bei Utricularia. Gewöhnlich ift das Ende dieſer
Blätter zu einer Art Dedel umgebildet, welcher
fih unter beftimmten Berhältmifien jchließt, den
im Schlau befindlichen Inſecten den Ausgang
verfchlieft u. fo deren Tod berbeiführt. Dies u.
ähnliche Erfcheinungen bei den Blättern von Al-
drovandia u. Dionaea haben zu der Bezeichnung
fleifchfreffender Pflanzen Beranlaffung gegeben. f)
Auswüchſe an der vorderen Fläche der Blätter
nennt man B-häutchen (Ligula), fo 3. B. das
bäutige Schüppchen an der Grenze von Scheide u.
Spreite der Grasblätter. Hierber gehören auch
die fog. Nebentronen an den Blumenblättern der
Narcite,
Nicht immer breitet fich das B. in einer Fläche
aus, fondern erjcheint vielmehr verdidt (F. cras-
sum) u. ift dann bald ftielrund (teres), bald
bafbitielrund (semiteres), fadenförmig (filiforme),
Siege subuliforme), borftenförmig (seti-
orme, setaceum), nadelförmig (acerosum, aci-
culare), zufammengedrüdt (compressum), zwei:
ſchneidig (anceps), dreiſchneidig (triquetrum), del-
toibiich (deltoideum), vierfantig (quadrangulare,
tetragonum), oder böderig (gibbosum) u. ſ. w.
B-dbornen find Blätter, melde fi zufpigen,
barten, verholzten Körpern umbilden, wie die
Blätter an den Hauptäften der Berberite od, die
Nebenblätter von Robinia Pseud-Acacia x, Die
dur, daß fie die Stelle eines Bes oder Neben-
blattes einnehmen (Bryonia).
IV. Urten der Blätter. Außer den Kelch,
Blumen», Staub- u. Fruchtblättern, welche den
Blüthenfproß oder die Blüthe zufammenfeten,
muß man 3 Formationen von Blättern unter-
fcheiden, nämlich: 1) die Paubblätter, Blätter im
engeren Sinne (Folia), gewöhnlich dur Größe
u, reichen Ehloropbyligebalt vor den anderen aus;
gezeichnet, bald Hein u. in großer Maffe vorban-
den, bald jehr groß u. im geringerer Anzahl (wie
3. B. bei den Bananen, Aroideen u. manden
Balmen. 2) Die Niederblätter oder Schuppen
(Squamae, Phyllades), mehr oder weniger jcheidig,
ohne Beftiel u. Spreite, meift obne Chlorophyü,
dagegen bäufig mit Reſerveſtoffen, namentlich
Stärfe reihlih erfüllt, an den umterirdiichen
Stammgebilden, aber auch an den oberirdiichen,
namentlich die Winterfnoipen unferer Holzgewächſe
bededend. Manche nicht grüne, ſaprophytiſche, d. i.
bumusbewohnende Pflanzen, wie die Orobandeen
u, Neottia, befiten gar feine Yaubblätter, ſondern
nur Niederblätter. Hierher dürften auch die Keim—
blätter, Kotyledonen, zu rechnen jein, welche bei
den Difotyledonen häufig Stiel u. Spreite deut«
ih ausgebildet zeigen u. fih ſchon im hoben
Grade den Yaubblättern nähern, während fie bei
anderen nur dide, fleifchige, mit Reſerveſtoffen er—
füllte Yappen vorftellen; eine Pflanze (Welwit-
schia mirabilis Hook.) entwidelt feine andere
Blätter als die beiden faft 1 m langen Keim»
blätter, welche nicht wie bei anderen Pflanzen
binwelfen, jondern fortdanernd der Aifimilation
dienen (j. u. Embryo). 3) Die Hochblätter oder
Dedblätter (Bracteae), meift Heiner als die Yaub-
blätter, meift figendu. bäufig anders gefärbt, der Re—
gion des Blüthenftandes angehörig (f. Blüthenitand).
V. Die Zuuctionen der Blätter find ver«
ichieden, je nachdem fie der Nieder, Laub⸗ und
Hocblattformation, oder der Blütbenformation an-
gehören, u. je nachdem fie Chlorophyll führen,
oder deffelben entbehren. Die wichtigſte Aufgabe
der chlorophyllhaltigen Blätter ift a) die Aufnahme
der Beftandtheile der Yuft. Namentlich wird das
Material, aus welchem die chlorophyllhaltige
Pflanze ihren. Kohlenſtoff bezieht, einzig u. alleın
aus der Koblenfänre der atmoſphäriſchen Luft
durch die grünen Pilanzentbeile u. bei. durch die
Blätter entnommen (Aifimilation). Was den Stid-
ftoff betrifft, jo find die Pflanzen gänzlich außer
Stande, das Stidgas der atmoſphäriſchen Luft zu
affimiliven, dagegen Fönnen fie Ammonial (als
fohlenjaure Berbindung) in Gasform aufnehmen
u, verarbeiten. b) Unter den gasjörmigen Aus-
jheidungen der blattartigen u. grünen Theile
überhaupt ift die unter Einwirkung des directen
Sonnenlidhtes erfolgende Abgabe von Saueritoff
die mwichtigfte. Ber der Ernährung werden be-
B-ranten (Cirrhi folii) find entweder faden- ſtändig große Mengen von Sauerftoffverbindungen
förmige, gemwundene BVerlängerungen des Mittel:
neros (F. cirrhosum), oder des gemeinfamen B-
ſtiels eines zujammengeiegten Bees (F. cirrhife-
rum), oder fie find auch als völlige Ummandel-
ungen eines B-es oder MNebenblattes in eine
in die Pflanze eingeführt, u. da die aus diejen
Berbindungen entftehenden afjimilirten Stoffefauer-
ftoffarm find, jo wird bei der Nifimilation ein
‚Nehr großer Theil dieſes in Berbindungen ent-
\haltenen Sanerftofjes abgejhieden u. aus ber
502
Pflanze entfernt. Im Waffer untergetaucte
grüne Pflanzentheile, getrennt oder in Berbindung
mit der Pilanze, zeigen eine Entwidelung von
Gasblaſen an ihrer Oberfläche u. bei Verlegung
der Yurtbebälter ein GEntftrömen derielben aus
diefen Organen. ec) Die Abgabe des Waflers
an die Furt durch Verdunſtung (Transipiration)
wird ebenfall® durch die Blätter verrichtet. Von
ihr hängt das Gedeihen ber ——— ganz vor-
züglih ab; denn die große Menge Waffers, welche
Die Pflanze wegen der geringen Löslichkeit ver-
fchiedener, ibr nothwendiger Subftanzen bedarf,
würde. durch die Anbäufung in ihrem Innern
mehr binderlich als förderlich fein, wenn fie die-
ſelbe nicht wieder auf eine leichte u. unmerfliche
Blatt — Blätterſchwamm.
ohne Zerreifung davon trennen laffen. 3) Die
einzelnen Blätter einer Hülle (Involucrum). 4)
(Lamellae, Zoot.) Im 3ellgewebe u. in den von
dieſem gebildeten Organen die kleinſten häutigen
Gebilde, infofern fie fi in der Wahrnehmung ein⸗
fach darftellen. j
Blättelfohle, fo v. w. Bogheadkohle, jpeciell
die von Pankrazzeche bei Pillen.
Blatten (Blätten), 1) (Jägerſpr.) die Stimme
des Nehlalbes nahahmen, um dadurch den Bed
berbeizuloden u. zum Schuß zu bringen. Die
Böde jpringen aufs Blatten während ber Brunft-
zeit, Ende Juli u. Auguft. Zum B. dient ein
zwiichen die Lippen genommenes fteifes Blatt, ein
Stüd Birkenrinde od. das Rehpfeifchen (Rehruf).
Weile abgeben fünnte, Der größte Theil des durch 2) So v. w. Abblatten.
die Wurzel aufgenommenen Waffers wird daher
Blatter bezeichnet in der Vollsſprache die Bode
aus der Pflanze wieder entfernt, u. alle oberfläh- |(Variola u. Variolis), m. zwar vorzugsmeiie die
lihen Theile, bei. aber die flähenförmig ausge- Jin Epidemien auftretende betannte Ausidhlagsfranfe
breiteten Blätter, eignen fih ganz vorzüglich zu|beit, feltener die Impfpocke.
diefer Function, das Waffer in Form von Dampf
auszuscheiden. Bei den Blättern erfolgt übrigens
die Transipiration aud da, wo ſich feine Spalt-
Öffnungen finden, wenn auch im geringerem Grade;
dagegen haben forgfältig ausgeführte Verſuche ge—
zeigt, daß die Pflanzen ſelbſt bei erhöhten Be—
dürfniffen durch ihre Yaubblätter durchaus fein
Waſſer aus der Atmofphäre aufnehmen u. eber
zu Grunde gehen, wenn ihnen dieſes nicht auf
andere Weife, nämlich durch die Wurzel zugeführt
wird. d) Ganz andere Functionen haben die
fhuppenartigen Niederblätter, welche meift häutig
u. lederartig find u. zum Schutze der von ihnen
bededten jungen Blätter oder Blüthen, fomwie als
Reierveftofibebälter (Zwiebelihuppen) dienen, wäh-
rend die buntgefärbten Blumenblätter theils als
Schub der Serualorgane dienen, theils die Inſec—
ten durch ihre lebhafte Färbung u. durch den von
ihnen abgejonderten Honig zum Bejuche der Blü—
then einladen (j. Blüthe). Engler.
Blatt (inand. Bedent.\, was einem Blatte ähn-
fd ift. So: 1) (Jagdw.), ſ. Blatten 1). 2) So
v. w. Nieth am Webſtuhl. 3) An mehreren Werk—
zeugen die Klinge, fo: B. der Säge, B. der Scheere,
B. des Waidmeſſers. 4) Ber Bierfürern, bejon-
ders Jagdthieren, der obere Theil des Vorderlanfes
bis zum Rüden; daher Blattſchuß, ein dem
Wilde an diefer Stelle beigebrachter Schuß. 5) Am
Kindslopfe, die vordere der Fontanellen (1.d.); hier-
von fagte man ehemals: das B. ift geichoffen (ge-
fallen), wenn in hitzigen Krankheiten von Kındern,
bei denen beionders das Gehirn entzündlich affi»
cirt war, dieſer Theil fih geſenkt u. eingebrüdt
zeigte, als ein meift töbtliches Zeichen (vgl. Siria-
ſis) Diefer Ausdrud hat ſich ſprüchwörtlich er-
halten als Bezeichnung der Ahnung von etwas
Schlimmem, Bedenklichem.
Blatta (Zool.), jo v. w. Schabe; ſ. d.
Blattachſel, der Winlel, welchen das Blatt
mit feinem Stengel oder Afte bildet; ſ. u. Blatt.
Blättchen, 1) (Foliolum, Bot.) die nur durch
ein befonderes Stielhen mit dem Hauptſtiel ver-
bundenen Theile eines zufammengeietten Blattes.
Blätterdurchgang (Min.), fo v. m. Spalte
ungsrihtung, nennt man die Richtung, in ber
fih ein Mineral mehr oder minder leicht ſpalten
läßt. Es liegen die Blätterdurdhgänge Immer
einer Kryitallfläche parallel u, bilden ale bei vier
fen nicht deutlich kryſtalliſirenden Mineralien ein
mweientlihes Mittel, das Kryſtallſyſtem zu erfennen
u, fie von anderen zu unteriheiden; j. Mineralogie.
Blättererz(Blärtertellur, Tellurblei, Nagyagit)
nennt man eine tetragonal fryftallifirende med.
jelnd zuſammengeſetzte Verbindung von Tellur,
Blei, Gold u. Schwefel, von bileigrauer ‚Farbe,
die bei Nagyag und Offenbanya in Siebenbürgen
borfommt,
Blätterig nennt man den Bruch eines Mi-
nerals, wenn die Bruchfläche deutlih vorhandene
Blätterdurchgänge zeigt.
Blätterfohle nennt man Stein- od. Braun«
foblen von dünnblätteriger Textur.
Blätterinagen, der dritte Magen der Wiederr
fäuer; |. u. Magen.
Blattern u. Zufammenfetungen, ſ. u. Poden.
Blätterpilz, jo v. wie Blätterihwamm.
Blätterjchiefer neunt man blätterige, fehr
bituminöfe Braunfohlen.
Blätterſchwamm (Agaricus L. Bot.), Pilz
gattung aus der Fam. der Hymenompceten. Die
zahlreichen Arten wachſen auf dem Boden, od. auf
Bäumen, befigen in der Hegel einen Stiel oder
Strunt (Stipes), ferner einen Hut (Pileus) u. auf
deifen Unterfläche in ftrabliger Anordnung eine
große Anzahl längerer u. kürzerer, ſenkrecht aufge»
ftellter Yeiften od. Plättchen (Laminae, Lamellen)
von der Form von Mefferklingen, welche auf ihrer
anzen Oberfläche mit dem Sporenlager überzogen
An, Daffelbe beiteht aus Sporen (einzelligen
Keimkörnern) von milroffopifcher Kleinheit, welche
bei der Heife von jelbit abfallen. Sie find zu je
vieren auf feulenförmigen Trägern (Bafidien)
mittel Heiner Stielhen (Sterigmata) befeitigt u.
beſitzen verjchiedene Farben, nad welchen man die
jehr große Zahl diefer Pilze eintheilt, nämlich in
die Untergattungen: Coprinus, Sporen ſchwarz;
2) (Fol. calicis, Sepala) Die Heinen Blätter, aus | Pratella, Sporen braunfhwarz; Derminus, Sporen
welchen der Kelch zufammengefegt ift, wenn fie fo |roftfarbig; Cortinarius, Sporen zimmtfarbig; Hy-
auf dem Blumenftiel eingelentt find, daß fie fid porrhodius, Sporen röthlich; Leucosporus, Sporen
Blätterſchwamm.
503
weiß. Mehrere laffen beim Anbrechen eine mweiße,fih häufig in dem Dünger der Miftbeete, welcher
oder gelbe Milch ausfließen: Mitchblätterpilz (Ga-|dann mit weißen Fäden durchzogen erjcheint; fie
lorrhoeus). Als weiteren Eintheilungsgrund be=
nust man das Vorhandenfein oder Fehlen einer
Hülle (Volva), melde, wie bei dem Fliegenpilze,
anfangs als eine weiße, briichige Schale den ganzen
Pilz einhüllt; ferner das Vorhandenfein od. Fehlen
eines Ringes (Annulus) am Strunfe, welcher, wie
beim Campignon, anfangs als eine häutige Man-
ſchette zwifchen Strumf u. Hutrand ausgefpannt ift,
weiterhin aber ringsum von legterem gleichmäßig
abreißt. Sie entftehen aus einer im Boden oder
Holze verftedten Grundlage feiner Fadengewirre
(Bilzmutter, Mycelium), und da dieſes radial im
Boden ſich ausbreitet, fo ftehen die im Umfange her-
vorlommenden Schwämme oft in Ringen (Heren-
ringe). Dan kann dies Mycelium zur fünftlichen
Fortpflanzung benugen, indem man etwas davon
in ein geeignetes Beet überträgt; auf diefe Weife
werben die Champignons maffenhaft in den Kellern
großer Hotels, in verlaffenen Bergwerfen u. na-
mentlih in den römischen Katakomben von Paris
cultivirt; fie bedürfen nämlich fein Tageslicht zu
ihrem Gedeihen. Mehrere find efbar, viele giftig,
worüber man Näheres (mit Abbildungen) in Yenz':
Die nüslihen u. fchädlihen Schwämme, findet;
auch gibt es colorirte Gipsmodelle, welche zur
erften Einführung jehr geeignet find, 3. ®. von
Büchner in Hildburghanfen: Nachbildungen eßbarer
‚u. ſchädlicher Pilze. Ein allgemeines Erfenmungs-
zeichen für die Giftigkeit oder Unfchädlichkeit gibt
es nicht; imsbefondere ift es irrig, die zu einer
Speije verwandten Pilze nur dann für giftig zu
halten, mwenn etwa ein in die warme Speife ge-
legter filberner Löffel ſchwarz anläuft, oder wenn
die friihen Pilze beim Anfchneiden fi) blau ver-
färben. Bielmehr kann bier nur die botanijche
Kenntniß der einzelnen Arten fiher führen, in
gleicher Weife, wie bei allen anderen Pflanzen.
Eßbar ift der Champignon (A. campester L.),
mit weißem Strumf, der einen hinabgeichlagenen
Ring trägt; die Lamellen find bleicherofa u. wer-
ben endlich faffebraun; der Hut ift weiß od, bräun-
lich, gewöhnlich ganz glatt. Diejer Pilz kommt
nah marmer Witterung bei ausgiebigem Regen
in Maffe aus der Erde, auf trodenen Wiefen, in
Wäldern, an Rainen, häufiger auf etwas ſchwerem,
als auf leichtem Boden, u. befonders da, wo Pferde
u, Rindvieh viel fi aufgehalten haben, wird aber
auch in großen Mengen fünftlich angezogen, wozu
jeder dunkle Raum, welcher eine gleihmäßige Tem-
peratur von 12—15° R hat, benußt werden fann.
Die Eufturmethoden find verichieden: gewöhnlich
macht man 40—70 cm hohe Haufen von frischem
Pferde-, Eiels - oder Maulthiermift ohne Strob,
welche gleihmäßig u. feft angelegt werden milffen,
hält fie durch heißes Waffer mäßig feucht u. be—
dedt dieſelben, wenn fie nach der Erbigung fich
auf 25° R. abgekühlt haben, mit Champignonbrut
u. nad) einiger Zeit, wenn letztere fih im Haufen
gleihmäßig verbreitet hat, 8 cm hoch mit durch»
gefiebter, mehr lehmiger, als fandiger Erde und
auch wol mit etwas Stroh, um das Austrodnen
zu verhindern, worauf nah 4—6 Wochen die Pilze
erjcheinen u. vorfihtig mit einem Meſſer ausges
ſtochen werden. Die hierfür geeignete Brut findet
wird meift fünftlih bereitet, indem man eine
Miihung von Pferde» oder Efelsmift und etwas
Rinder» oder Schafmift u. lehmiger Nafenerde bei
einer gleihmäßigen Tempetatur von 15° R. in
dunklem Raume auf feite Haufen bringt und mit
friſchem Pferdemifte bededt 4 Wochen liegen läßt;
die Maſſe erfcheint dann gewöhnlich mit dem aus
weißen Brutfäden beftehenden Mycelium erfüllt u.
fann nun als Brut benugt werden. Beiler noch find
die Brutziegel oder Brutfteine, welche aus Pferde-,
Rinder u. Schafmift ohne Strob, Iehmiger Hafen»
erde u. alter Gerberlohe geformt u. mäßig ange»
trodnet, mit der Brut, ähnlich wie vorhin ange-
geben, in Berührung gebradt u., wenn fie von
der Brut durchzogen find, völlig getrodnet werden
u. fo fi verjenden u. mehrete Jahre aufbewah—
ren laffen. Der Champignon wird leicht verwech-
jelt mit dem fehr gefährlihen A. phalloides Fr,
Amanita phalloides Fr. (A. bulbosus Bull., A.
vernus Fr.), durchaus meiß-gelblih, der Strunf
unten wulftig berdidt, der Hut anfangs mit weißen
Feten beflebt. Bei Vergiftungen, welche mit Darm⸗
entzündung verbunden find, benutt man zunächft
Bredmittel; alsdann werden große Mengen kaltes
Waffer getrunken, darauf ftarfer Kaffe. Eßbar it
ferner der im SO. von Deutſchland u. in Italien
nicht jeltene Kaiferling (A. [Amanita] caesareus
Schäff.), mit gelblihen Strunf, Ring u. Yamellen
u, intenfiv rothem Hut, welcher weißgelbe Warzen
trägt. Mit ihm wird leicht der Fliegenpilz
(Ag. [Am.] muscarius Z.) verwechjelt, welcher jehr
giftig ift, trotzdem aber in Meinen Duantitäten von
balbwilden Bölfern im nördlichen Sibirien als
Beraufhungsmittel verzehrt wird. Er hat rein
weißen Strunf, Ring u. Yamellen, während der
Hut prädtig farminrorh ift, mit dicken weißen
Warzen bejegt. Zu den eßbaren gehören ferner
noch folgende: der Paraſolſchwamm (Ag. pro-
cerus Fr.), im September auf Wieſen u. in Wäl—
dern, einer der größten, oft 23 em body; Grund»
farbe weißlih, überall mit braunen angebrüdten
Schuppen bejegt; der Ring lofe u. verſchiebbar;
Strunk unten verdidt; Lamellen weiß. Ferner der
ächte Reizker (Ag. delieiosus L.), auf Walde
ichmeißen, namentlih im Nadelholz, unrein roft»
gelb mit undentlihen grünfichen Ringen auf dem
Hute, niedrig (11 em), ohne Ring, mit prange«
gelber Milch. Ihm ähnelt der giftige od. wenig»
ſtens verdäcdhtige Birtenreizfer (Ag. torminosus
Schäff.); Hut röthlih, mit Ringen, am Rande
anfangs zottig, mit weißlichen Lamellen u. röth—
lihem Strunfe, der zulegt hohl wird; enthält eine
weiße, icharfe Mich; wächſt in Wäldern, zumal
unter Birken. Bezüglih des den Nabdelbölzern
gefährlichen Hallimaſch (Ag. melleus) ſ. Rhizo-
morpha. ferner find noch efbar: Ag. ostrea-
tus. Der Brätling oder Goldbrätling (Ag.
volomus Fr.), in Wäldern auf der Erde, 13 cm
body; Hut zimmtfarbig, zuletzt trichterförmig, mit
weißer, milder Milch, die beim Reiben zmwifchen
den Fingern nah Häringslake riecht; Lamellen
weiß, durch Drud bräunlih; Strunk zimmtfarbig,
oben weißlich, ohne Ring, folid. Der Elfenbein-
ſchwamm (Ag. ebumeus Bull.), ohne Milch,
904
ſchmierig, meiß; Hut 5 cm breit; Lamellen ent
Blätterftein — Blattflöhe.
emetica Fr.) it mindeſtens verdächtig, indeß wer—
fernt, etwas am Stamme herablaufend; Strunk den einzelne Abarten (mit gelblichen Lamellen) ge-
faum 1 cm did, mit Meinen Körnchen, vo bobl;
in Wäldern. Der Maifhwamm (Ag. Pomo-
nae Lenz, Ag. gambosus Fr.), meißgelb; Hut
fpannenbreit, wellig gebogen, kahl, gefledt, zuletzt
riifig, feinflodig; Yamellen ausgerandet, mit einem
Zahne am Strunfe angeheftet, dicht, Strunk ftarf,
cylindriſch; auf Grasplägen. Ag. pratensis Scop.
(Ag. arvensis Schäff.), wol nur Barietät des Ag.
campester, mit hohlem GStrumf u. doppeltem Ring,
der äußere au ftrahlig geſchlitzt; auf Wiefen.
Der Herbft-Mufferon (Ag. oreades Bolt.),
angenehm viechend, lederfarbig od. blaß rehbraun;
Hut 2—5 cm breit, fabl; Strunf bis 8 cm bod,
jolid, unten zottig; Lamellen blaß, entfernt von
einander; truppweile anf Grasplägen; eignet fich
jehr zur trodenen Aılfbewabrung. Der Jungfern«
ſchwamm (Ag. virgineus Jacg.), weiß, bei einer
Barietät ſchwefelgelbbraun (Ag. pratensis Pers.);
Hut oben zulett flach, nach unten Freifelförmig in
den Strunk verlaufend, Tabl; Yamellen etwas ber-
ablaufend, nicht Dicht ftebend; Strunk folid, glatt,
nah unten verdünnt; der ganze Schwamm wäſſe—
rig; auf Wiefen u, Heiden. Der Lauchſchwamm
(Ag. scorododonius Fr.); riecht ſtark nach Zwie—
bein, Hut über 1 cm breit; flach, runzelig, weißlich,
papierdünn; Yamellen ungleich, wellig gebogen, die
längften an den Strunk gebeftet, weißlich, nicht
dicht; Zirumf 1 mm did, 2—3 em hoch, walzlich,
fabl, glänzend, ſchwarzbraun, bobl; an jchattigen
Stellen im Walde u. in Gärten; dient als gewür-
ziger Zufat, wobei man die Lamellen nicht, mie
jonft, bejeitigt. Der Nagelidwamm (Ag. esen-
lentus Wulf); Hut jehr dünn u. durchſcheinend,
blaßgelbbräunlich, zulett flach mit einem Budel in
der Mitte, Fabl; Lamellen weißlich, nicht dicht, an
den Strumf unten angewachlen; Strumt 5 cm hoch,
2 mm did, blaß-gelblich; im Frühling u. Borfommer
in Wäldern. Der Stodfhwamm (Ag. mutabi-
lis Schäff.), büjchelweiie im Sommer an Laub-
bolzftämmen; Hut röthlich-braun, ziemlich flach,
meiſt kahl; jein Fleiſch mattweiß, von objtartigem
Geruch; Yamellen gelblich-weiß bis bräunlich ; Spo-
ven braun; Strunf 5 cm bob, 4—9 mm did,
krumm, braun, hohl, fhuppig, unten dunkler, ge—
mwöhnlich mit einem braunen Ringe. Der Muſſe—
ron (Ag. Prunulus Scop., Ag. albellus Schäff.);
Hut etwas ſchief auffigend, zuletzt flah, Rand hin⸗
abgebogen, im Umfange buchtia, werglich, waſch⸗
lederartig, bis 6 cm breit, fleiichig; das Fleiſch
geilen; Hut verfchiedenfarbig, meift trüb odergelb-
Ih od. farminroth, zuletzt flach, Tabl; Fleiſch Did,
weiß, nad oben röthlich; Lamellen weiß od. gelb»
lich, meift gleich lang, zuweilen gabelipaltig; Sporen
weiß oder blaß-gelb; Strunt Tabl, meift jolid,
weiß, gleich did, 6—8 cm body; fehr häufig in
Wäldern; jhmedt etwas ſcharf. Der Schwefel—
fopf, wegen des bitteren Gejhmades auch Bitter
ſchwamm (Ag. fascicularis Huds.), ähnelt dem
Stodihwamm (f. 0.); Grundfarbe fchmwefeigelb,
mit hellem Braunroth; Hut dünn, zäh, kahl, ins
Odergelbe gefärbt, 3—6 em-breit, gewölbt; Ya-
mellen blaß-grünlich-bräunlich; Sporen braun; der
Hutrand mit einem Schleier; an Strünfen von
alferlei Bäumen in Haufen; it mindeftens ber»
dächtig, wird aber auch von Manchen als eßbar
bezeichnet. Der riſſige Blätterſchwamm (Ag.
rimosus Bull.), deſſen Giftigkeit ebenfalls bezwei⸗
felt wird; Hut dünn, glodig, lederbraun; Ober-
haut mit meiit ſtrahlig geordneten Längsriſſen;
Yamellen nicht an den Strunk laufend, weißlich
bis braun; Sporen braun; Strunk hohl, faft kahl,
8 cm bob, 2—5 mm did, unten verbidt, folib,
weiß, oben weiß bejtäubt; auf Grasplägen u. ım
Wäldern. Näheres über die giftigen Pilze, na«
mentlih auch in medicinifcher Beziehung, ſ. bei
Phöbus, Deutichlands Fryptogamiiche Giftgewächſe,
Berl. 1838, mit colorirten Abbildungen.
(Bot.) Hoffmann. (Zucht) Wolde.
Blätterftein, Variolit od. variolitiihen Apha-
nit nennt man einen Aphanit, der zahlreiche Kleine,
im Junern zum Theil radial-faferige od. concen-
triſch⸗ ſchalige, grünlich· weiße Feldipatbconcretionen
enthält, die beim Verwittern des Geſteines ſtehen
bleiben u. ihm ein podenartiges Ausſehen geben,
daher der Name,
Blättertellur (Min.), fo v. w. Blättererz.
Blätterwerf (Baul.), die plaftifhen Zierrathen
für ausgehöblte Gefimfe, Säulencapitäle, Sparren-
töpfe zc., aus dem WPflanzenreiche, beſ. Bären.
Hau, Oliven, Eichen», Lorbeer-, Wein-, Palmen«
B.; vgl. Baulunſt, ©. 782. |
Blatterzeolith (Min.), fo v. w. Stilbit; |. d.
Blatifalter, Schmetterling, ſ. u. Blattwidler.
Blattfarbitoffe. Hierhin gehört vor Allem
der grüne Farbſtoff (f. Chlorophyll), der fi gegen
den Herbit hin gewöhnlich unter Umfegung braum,
roth oder gelb verfärbt. Doch fommen aud ſchon
im Sommer in mancden Fällen (z. B. bei der
weiß u. zart, Geruch mehlartig; Lamellen weißlih|rothen Rübe, Beta vulgaris var.) neben dem
bis blaß-rofa, hinablanfend, entfernt, ungleich lang; |Blattgrün, welches in feiter Form auftritt, andere
Sporen blaß-rofa; Strunt 4 cm lang, 7 mm did, |arbitoffe, u. zwar in Löſung vor, z. B. bier eim
oben dicker, ſchief auffteigend, weißlich, unten weiß rother. Die weißen Flecken oder Streifen der
filzig, didfleiichig; in Wäldern. (Der Name Mufje-|panadirten Blätter beruhen auf einem örtlichen
ron wird auch für den Ag. Pomonae Lenz. [f. o.]| Fehlen des Blattgrüns.
—— Giftig find u. a. noch: Der Panther- Blattflöhe (Blattjauger, Springläufe, Psplli-
chwamm (Ag. pantherinus DC.); Hut Sembreit,|dae s. Psyllodes), Familie der Inſecten aus ber
bräunlich, mit weißen concentriichen Fetzen warzen-| Ordnung der Schnabelferfe od. Hemipteren, Unter
artig bededt, am Rande geftreift; Lamellen weiß, ordnung der Pflanzenläufe (Phytophthires). Sie
ungleich lang; Strunt 8 cm body, 1 cm did, weiß, |find ausgezeichnet durch die langen, 10-, felten
zulegt hohl, mit weißem, ſchief ftehendem Ninge,|Sgliederigen Fühler, deren beide Grundglieder
unten mit einer dicht anliegenden Scheide befleidet;|ftark verdict find. Ihr Rüſſel ift weit nach binten
in Wäldern. Der Speiteufel oder Täubling gerückt. Die hinteren Beine dienen den Heinen
(Ag. emeticus Schäff., Ag. integer L., Russula'Thieren zum Springen, fo daß fie dadurch floh⸗
Blattfüßer — Blattgold u. Blattſilber.
artig ericheinen, obgleih fie im ausgebildeten
Buftande ſtets geflügelt find.
505
Blattgold u. Blattfilber nennt man äußerſt
Ahnlih den Blatt- dünne Gold», reip. Silberblätthen, die durch Schla—
läufen jondern fie einen zuderhaltigen Saft ab.\gen mit dem Hammer aus Gold, bezw. Silber
Durd ihren Stich geben fie häufig Veranlaſſung
zu Mißbildung von Blüthen u. Blättern. Man
kennt bis jet in Deutſchland ſchon fiber 75 Arten
diefer ſchädlichen u. Läftigen Thiere, u. damit ift
deren Zahl noch Tange nicht erſchöpft. Ihre Ent-
widelung ift noch wenig beachtet, doch befitt die
Larve meift fürzere Gliedmaßen u. ungegliederte
Fühler, ift flügellos u. mit einem weißen, mehl-
artigen Überzuge (zumeilen Wachs) verjehen. Die
bervorragendite Gattung, Psylla Geoffr., ift durch
ihre vorftehenden Augen u. die zweiäftige Rand«
ader des Flügels charakterifirt. Dahin der Birn-
blattfloh oder Birnfäuger (Psylla pyri
Schmidb., Ps. pyrisuga Förster). Derjelbe jtellt
fih an zahlreihen Orten Deutichlands alljährlich
im Frühling maffenhaft auf Birnbäumen ein,
fol jedoh auch einzeln auf Apfelbäumen ange-
troffen werden. Sie fiten dann gewöhnlih an
den jungen Blatt⸗ u. Blüthenſtielen, wo man fie
oft in Paarung findet. Das Weibchen legt feine
Gier in den SHaarfilz der jungen Triebe, der
jungen Früchte, oder auf der Blattunterfeite. Nach
der erjten Häutung ziehen fich die bräunlichen
Nymphen von Blütben u. Blättern abwärts, um
fib am Grunde eines ein- od. zweijährigen Schöß-
lings ein gemeinſemes Lager zu bilden. Hier
werden fie häufig von Ameifen u. anderen Dr
fecten beiucht, welche begierig ihre Hebrig-flüffigen
Ercremente, von denen Zweige u. Blattitiele ‚oft
ganz beihmutt find, aufſaugen. Erſt nad der
legten Häutung zerfirent fich die Gejellichaft, um
fich einzeln unter einem Blatte in die volllommenen
Inſecten zu verwandeln. Anfangs lieblih grün
mit rothen Augen, färben fich diefe den Sommer,
gt u. Winter hindurch allmählich braimroth.
ie Larven bohren ihren langen Rüſſel im die
von ihnen beſetzten Rindentheile ein, hemmen fo,
infolge ihrer Unzahl, das Wachsthum der Birn-
bäume und führen oft den Tod der jlingeren
Triebe, jowie der Blätter u. Blüthen herbei. Der
Apfelblattfloh (Apfeliauger, Ps. Mali Först.)
lebt im Spätſommer bäufig auf Apfelbäumen,
einzeln auh auf Weißdorn. Er paart fi im
September; die Eier überwintern. Die erften
Nymphen erſcheinen im April, fie find lichtgrün
u. von weißen, gefräufelten Haaren bededt. Das
volltommene Inſect eriheint Ende Mai, Anfangs
Juni; die Larven zerftören oft zahlreiche Blüthen,
an deren Stielen fie jangen. Die übrigen Arten
find alle mehr oder minder ſchädlich, je nach der
Zahl, in welcher fie grade auftreten; daher tft ihre
Schädlichleit oft jehr local, d. h. auf beftimmte
Orte beichräntt. Thoms.
Blattfüßer, ſ. Kruſtenthiere.
Blattgerippe Glattſtelet), Blatt, von dem
nur noch die Gefäßbündel (Adern u. Rippen) vor-
handen, die Oberhaut u. das jonftige Yellgewebe
aber mweggenommen find. Man bereitet ſolche,
indem man das Blatt in Waffer eimmeicht und,
wenn es zu faulen anfängt, die erweichten Theile
mit eimer feinen Bürſte wegnimmt, oder ſanft 5 Büchelchen & 50 Blatt beftebt.
zwiſchen den Fingern abreibt.
Blattgerite, Ar: der Gerfte; ſ. d.
verfertigt u. zum Berzieren der Bücherbände, des
Holzwerfes x. angewandt werden. Das Ber-
fahren der Golbichlägerei ift folgendes. Das Gold
wird meift rein u, ohne — angewendet; zu
blaßgelbem Blattgold (Pariſer⸗, Franzgold) verſetzt
man Gold mit */,, Silber, oder mit Y,, Silber
u. Y,, Kupfer. Dean giebt zuerft aus dem Golde
in einer eijernen Form einen Zain von 20— 40
Ducaten Gewicht u. ca. 20 mm Breite, ſchmiedet
diefen unter öfterem Anwärmen falt aus, bis zu
ca. 5 mm Dide, und malzt dann unter Heinen
Walzwerten noch weiter aus. Das jo dargeitellte
Blech zerfchneidet man mit der Scheere in Kleine
quadratiihe Stüde von ca. 25 mm |] (Quar-
tiere) u. beginnt dann das Schlagen im Formen,
d. h. man legt eine gewiſſe Anzahl lofe zwiſchen
einzelne Pergamentblätter, die man in ein dop—
peltes Futteral von Pergament (die Form) ſchiebt,
u. "bearbeitet diefelbe dann mit 3—8 kg ſchweren
Handhämmern mit converer Bahn. Als Amboß
dient dabei ein Marmor- oder Sranitblod. Das
Bearbeiten in der Form wird jedesmal jo lange
fortgefett, bis die Blätter die volle Größe der syorın
(100—130 mm im Quadrat) erreicht haben. Man
nimmt fie dann heraus, zerjchneidet fie über Kreuz
in 4 gleihe Theile u. legt fie von Neuem in eine
Form, in der man das Schlagen fortfegt. Die
Blätter der erften Form befteben aus Pergament,
die der lettangewandten aus Goldichlägerhaut, der
feinen Oberbaut vom Blinddarnıe des Ochſen,
welche gereinigt, aufgeipannt, getrodnet, darauf
noch mit Aamumaffer gewaſchen, mit einer Löſ—
ung von Haufenblafe in Wein beftrihen und
ihließlich noch mit Eiweiß überzogen wird. Die
erftangewandte Pergamentform nennt man die
Didanetiche, die zweite die Diinnquetfche, die erſte
Hautform Yothform, u. die zweite, aus ber das
Blattgold fertig hervorgeht, Dünnichlagform,. Der
Abfall beim Beichneiden u. der Bearbeitung, die
Kräge, beträgt faft die Hälfte Des angewandte
Goldes; dafjelbe wird entweder wieder einge-
ſchmolzen, oder, mit Honig angerieben, als echte
Goldbronze, Malerbronze oder Muſchelgold ver-
fauft. Die Dide des feinften Blattgoldes beträgt
höchſtens den zehntaufenditen Theil eines Mills
meterd. Zwiſchen zwei Glasplatten gelegt läßt
dafjelbe das Yicht mit grüner Farbe durch. Blatt
fiber wird ebenfo dargeftellt, aber weniger fein
geichlagen, nur ca. Ya. mm did. Zwiſchgold
it Blattfilber, das auf einer Seite einen dünnen
Goldüberzug hat. Man erhält es, indem man
vor Beendigung des Schlagens auf jedes Silber»
blatt ein Goldblatt legt; beide verbinden ſich dann
beim weiteren Bearbeiten innig. Die VBlättchen
des Dres, wie es im Handel vorfommt, find
Quadrate von 50—80 mm Seite; fie werden
einzeln zwischen die Blätter Heiner Büchelchen
von glattem, vothem, mit Bolus eingeriebenem
Papier gelegt. 250 Blätthen beißen 1 Bud,
welches aus 12 Büchelchen à 21 Blatt, od. aus
Das unedte
Blattgold (Metallgoid, Goldihaum) u. Blatt-
filber (Metalffiiber, Silberihaum) werden wie
506
Blattgrün — Blattkäfer.
die echten geichlagenen Metalle verfertigt, aber beij Thieren, bei ungemligenber Ernährung der Larven
meiten weniger fein geichlagen;
nur Yun mm did. Erfteres wird aus
Tombal, letteres aus einer Legirung von Zinn
mit etwas Zink bergeftellt. Die Legirumngen
werden ebenfalls in eiernen Formen in Zaine
gegoffen, unter öfterem Ausglühen bis etwa auf
Papierdide ausgemwalzt, dann mit Glaspulver blanf
erieben, zerichnitten u. im Formen gehämmert.
8 nad der Yegirung des angewandten Tombaks
ift das unechte Blanfilber mehr gelb oder röth-
Ih. In neuerer Zeit bedient man fich auch einer
Metallſchlagmaſchine, die das Schlagen, Wenden
u. Verſchieben der Form felbftthätig beiorgt. Die
Abfälle werden auf Metallbronze verarbeitet. Der
alte Sit der Metallichlägerei ift namentl, Nürnberg.
Blattgrün, ſ. Chlorophyll.
Blatthäntdien (Ligula), ein Meiner häutiger
Zipfel, welcher fih bei Gräſern u. einigen ande:
ren Bilanzen an derjenigen Stelle, u. zwar auf
der Innenſeite, findet, wo fi) das Blatt von der
Blattſcheide abiekt.
Blattheufchreden, I. Heuichreden.
Blatthörner (Blatthorntäfer, Lamellicornia).
An 6000, in mehr als 700 Gattungen vertheilte
Arten bilden diefe ausgezeichnete Inſectenfamilie
aus der Ordnung der Käfer, Unterorbnung der
Fünfgliederigen (Pentamera). Ihre Körperform
ift jehr mannigfaltig, meift gemölbt u. gedrungen,
doch bewahren die Fühlhörner ftets einen cdharal-
teriftiichen Typus, von welchem die Bezeichnung
der Familie eutlehnt wurde: diefelben find 7- bis
11gltederig, mit großem Gıundgliede und fächer-
fürmig verbreiterten (3—7) Endgliedern, wie dies
vom Maikäfer ber wol ziemlich befannt jein dürfte.
Bei vielen find die VBorderbeine zum Graben ein-
gerichtet. Die weihhäutigen, gefrümmten Yarven
berpuippen ſich nad) 2» bis 3jähriger Yebensdauer
in einem Cocon unter der Erde; fie nähren fich
theils von Blättern, theils von faulenden pflanz-
fihen oder tbieriihen Stoffen, von Nas u. Erere:
menten. Desgleihen die Käfer, von denen viele
an Dinger leben und durch die unglaubliche
Schnelligleit, womit fie denſelben hinwegräumen,
von Bedeutung werden, mwährend andere durch
Blätter» oder Wurzelfraß ſehr jhädlih find. Bei
den Ben find die Männden in der Regel nicht
nur viel größer als die Weibchen, fondern be
figen auch auffallende Abweichungen in der Bild»
ung der Fühler, Kiefer u. Beine, fowie in ber
Sculptur diefer Theile; bei zahlreichen haben die
Männchen endlih auch noch eigenthilmliche, oft
zangenartig gegen einander wirfende Hörner und
Auswüchſe an Kopf u. Vorderbruft, fo z. B. beim
Hirichfäfer. Diefe plaftiichen Unterſchiede zwiſchen
Männchen und Weibchen find aber von der Er-
nährung der Larve in hohem Grade abhängig
und bei jchlecht genährten Eremplaren oft faum
angedeutet, Sie zerfallen in 5 Gruppen, 1. Gruppe:
Rieſenkäfer (Dynastidae), riefige, faft aus—
ſchließlich tropiiche, namentlich amerilanische Käfer.
Die Männden find durch eigenthümliche Aus-
Ihmüdungen des Kopfes u. der Bruft von den
Weibchen fo verihieden, daß ihre Zufanımen-
ein Blatt iſt ſind Männden u.
Weibchen faft gleich geftaltet,
Dahin 3. B. der Herculestäfer (f. dd. Bei
uns nur der Nashornkäfer (f.d.). 2. Gruppe:
Blumentäfer (Cetoniariae); die Flügeldecken
umfaffen den Hinterleib nicht; farbenprächtige
Käfer, bei denen Männchen u. Weibchen ebenfalls
oft bedeutende Unterſchiede zeigen, obgleich erftere
keine Hörner u. dgl. befigen, wie die Riejentäfer.
Zie fliegen meift mit geichloffenen Flügeldecken
plöglih auf, juhen im Sonnenihein Blumen n.
nähren fih von Blüthenftaub, Honig, ſowie den
aus Bäumen u. Obft ausjtrömenden Zuderfäften.
Bei und der Blumenfäfer und der NRofen- oder
Goldkäfer. Rieſige Arten enthält die in Afrika
u. Neu-Guinea vorfommende Gattung Goliathus
(1. d.), fomwie die molulfiihe Euchirus. 3, Gruppe:
Yaubfäfer (Phyllophaga). Nur in Fühler u.
Beinbildung find Männden n. Weibchen oft nod
verfchieden. Die Käfer freffen Blätter u. Vlüthen-
theile, die Larven, ſoweit befannt, Wurzeln leben-
der Gemwädhle. Dabin der Maikäfer, Brachkäfer
Juni u. Julifäfer (ſ. d.). 4. Gruppe: Mift«
fäfer (Coprophaga); Fühlerkeule kurz, Enopfe
förmig; Fußtarſen ſchwach, oft ganz verfümmert,
Auffallende, plaftiiche Unterfchiede zwifhen Männ-
hen u. Weibchen meift vorhanden. Dahin die
Miftpilfenkäfer, Starabäen (j. Scarabaeus),
Mondhornläfer, Kotbläfer, Dungläfer,
Roßkäfer u. a. (f. Miftläfer).. 5. Gruppe:
K8ammbörner(Pectinicornia); Fühlerleule kamm-
förmig. Dahin der Hirſchkäfer(ſd.) RG Hräter.
bome.
Blattläfer (Chrysomelinae). Das daralte-
riftiiche Merkmal der fehr verichiedengeitaltigen,
über den ganzen Erdfreis zerftveuten, bereits im
10,000 Arten bekannten Familie ift die deutliche
Entwidelung der Beine und die Yebensweile der
Yarven, Diefe leben nämlich weitaus zum größten
Theil auf der Oberfläche von Pflanzen, find fo
dem Lichte ausgefegt u. von intenfiver Färbung;
fie ernähren fih von faftreichen, weichen Pflanzen
heilen, insbefondere von Blättern. Viele haben
die Eigenthümlichkeit, ihre Ereremente als Schutz—
deden auf ihrem Rüden anizuthürmen, wie 5.8.
die Schilbfäfer, oder dieſelben zur Anfertigung
von Gehäufen, die fie mit fi herumtragen, zu
verwenden, wie die Sägefäfer. Die Berpuppung
geichteht theils an der Nahrungspflanze felbit,
indem fi die Puppe (ähnlich wie bei Tage
ichmetterlingen) mit dem Yeibesende aufhängt,
ftärzt, theils in Cocons im Boden oder dem
Waſſer. Die wenig großen Käfer find im Als
gemeinen von lebhafter, oft metalliicher Färbung.
Der Fraß made die B, oft ſchädlich. Beſonders
wichtige, in fpeciellen Artifeln zu betrachtende
Sattungen und Arten find: die Rohrkäfer, die
Zirpfäfer oder Blatthähnchen, mit dem
Linienkäfer u. Spargelhähnden, der Wein-
todfallfäfer, bie Fallkäfer, die Erlentäfer,
die Erdflöhbe, mit Kohl», Naps- u. Eihen-
erdfloh, die Sägekäfer u. die eigentlihen
B. Die eigentlihen B. (Chrysomelini) bilden
eine ganze Öruppe der Familie der B. Sie find
gehörigfeit nah dem Außern nicht erkennbar iſt; ausgezeichnet durch dem bis zu den Augen in das
doch gilt dies nur von den fräftig entwidelten
turze, breite Halsihild eingefentten Kopf, die
Blattfiemer — Blattläufe.
507
ſchnur · ober fadenförmigen, an ten Seiten der Geſchlechtsapparats u. ber Eier, melde hier
Stirn, weit von einander eingelentten Fühler u. Keime oder Pſeudova (faljche Eier) genannt wer«
die durch eine
Borderbeine. ande Arten, zu denen unjere
—— ſchwarzen gehören, find flügellos (z. B.
imarcha tenebricosa L.) und kriechen nur am
Boden im Grafe oder unter Steinen; andere fin-
den fich beftändig auf beftimmten Krautpflanzen,
noch andere auf Gefträuh, Gebiüih u. Bäumen;
unter diefen find mehrere forſtlich Shädliche, indem
fie zeit u, ſtellenweiſe in außerorbentlicher Dienge
auftreten und als Käfer, weit mehr jedoch als
Larven die DBlattflähen benagen u. jo oftmals in
großer Ausdehnung alle Blätter der befallenen Pflan⸗
zen völlig fleletiven. Zeitiges Abklopfen u. Auf—⸗
fangen find das einzige, leider oft nicht ausführ-
bare Bertilgungsmittel. Dahin gehört 3. B. ber
Pappelblattfäfer (Chrysomela s. Lina populi
L.), 10—12 mm lang, ſchwarz mit bläulichem
Schein, Flügeldeden trüb ziegelroth, mit ſchwarzen
Spigen; Larven geftredt, ſchwarz, mit Reiben
vorftülpbarer Zapfen, aus denen fie, gereizt,
Tröpfchen weißes Saftes treten laffen. Die am
Borderrande kolbig verdidten Puppen hängen
er Käfer, wie Larven fleletiren Pappel«
jpen- und, Weibeblätter, namentlich an Wurzel—
brut. Ahnliche Lebensweie zeigt der Ajpen-
blattfäfer (Chr. s. L. tremulae Fr.), 8 bis
10 mm lang, ähnlich dem vorigen, doch lügel-
dedenipiten nicht fchwarz; ſowie der Weiden«
blattfäfer (Chr. vitellina L.), 4—5 mm lang,
erzfarben grünlih, an Weiden oft in ungebeurer
Menge. home.
Blattfiemer, fo v. w. Mufcheln.
Blattkohle (Papierkohle), eine in blattvünnen
Lagen vorfommende Braunkohle.
fattläufe (Aphidae), Inſectenfamilie aus
der Ordnung der Schnabelterfe (Hemiptera),
Unterordnung der Pflanzenläufe; Heine, felten mebr
als 6 mm lange Thiere, mit anſehnlichen, 5-
bis 7gliederigen Fühlern; Schnabel 3gliederig,
fang, bei beiden Geſchlechtern wohl entwidelt;
Beine lang mit 2gliederigen Tarſen. Beim völlig
ausgebildeten Thiere finden ſich 4 durchfichtige,
wenig geaderte Flügel; dieſe fehlen aber meift
dem Weibchen, jelten auch dem Männden; in der
Regel befiten fie auch auf ihrem Rücken (auf
dem drittletzten Hinterleibsringe) 2 jeitlih ange-
brachte Saftröhren, Honigröhren, dazu beftimmt,
einen hHonigartigen Saft auszufcheiden. Höchſt
bemerfenswerth find die Eigenthimlichleiten der
—— welche theilweiſe ſchon im vorigen
ahrhundert von Réaumur, Degeer und Bonnet
beobachtet wurden. Außer den in der Regel
flügelloſen Weibchen, welche meiſt erſt im Herbſte
zugleich mit geflügelten Weibchen auftreten und
nach der Begattung befruchtete Eier ablegen, gibt
es auch lebendig gebärende, meiſt geflügelte
Generationen, welche vorzugsweiſe im Frühjahre
u. Sommer verbreitet ſind u. ohne Zuthun von
Männchen ihre lebendige Brut erzeugen. Bonnet
— getrennten Hüften der den. Die echten Weibchen beſitzen nämlich eine
Samentafche (Receptaculum seminis), im melde
bei der Begattung der männliche Same eintritt,
um im gegebenen Moment zu den Eiern hinzuzu»
treten u. diefe zu befruchten, worauf die befruch-
teten Eier abgelegt werden, um fich außerhalb
des miütterlihen Organismus zu entwideln, Dies
alles iſt anders bei den lebendiggebärenden;
ihnen fehlt die Samentafche, und die Eier durch—
laufen bereit im den Sehr langen Eierröhren
(Keimröhren) mit fortichreitendem Wachsthum
die embryonale Entwidelung. Die lebendigge-
bärenden Individuen werden daher entweder als
eiaenthümlich gebildete, auf Jungfernbrut (j. Bar-
thenogeneje) berechnete Weibchen, wie es ſich ja
aud bei den Drohuenmütterchen der Bienen (j.d.)
findet, angeſehen, oder man betrachtet die ganze
Eutwidelungsreihe als einen Generationswechſel
(j. d.), bei welchem geichlechtliche eierlegeude
(ovipare) Generationen mit ungeſchlechtlichen,
lebendiggebärenden (viviparen) Generationen ab»
wecjeln. Die Entwidelung der Rindenläufe fpricht
indefien zu Gunften der erjteren Anficht. Yebendig«
gebärende und eierlegende Individuen folgen in
geſetzmäßigem Wechiel, indem aus den befruchteten
überwinterten Eiern des Weibchens im Frühjahre
lebendig gebärende B. hervorgehen, deren Nach—
fommenjcaft ebenfalls lebendiggebärend ift und
durch zahlreihe Generationen hindurch lebendige
gebärende Formen erzeugt, bis endlich im Herbite
Männchen u. eierlegende Weibchen geboren wer«
den, welche einander begatten. Die Fortpflanz—
ung der Rindenläufe weicht info fern nicht un—
weſentlich ab, als man bei ihnen feine Männchen,
aber 2 Arten von Weibchen, eierlegende und
lebendiggebärende, kennt. Die meibliche, fliigels
loſe Tannenlaus 3.9. überwintert unter weiß
lichem Wachskleide an der Bafis der bejchuppten
jungen Tannenknoſpe, wählt im Frilhjahre au
derjelben Stelle beträchtlich, häntet fih mehrmals
u. legt zahlveihe (an 200) Eier ab. Die etwa
im Mai ausichlüpfenden Yarven ftechen die ger
ihwollenen Nadeln des Triebes an u. erzeugen
fo die amanasähnlide Wucherung, eine Galle,
in deren ‚Zellen die Larven fiten, aus denen
ſchließlich gefliigelte, lebendiggebärende Individnen
hervorgehen. Die B, leben vom Pflanzenfäiten,
an Wurzeln, Blättern und Knoſpen meift ganz
beftimmter Pflanzen, häufig in den Räumen gallen«
artiger Anichwellungen oder Blattmigbildungen,
welche fie durch ihren Stich oder Reiz erzeugen.
Die abgeftreiften Yarvenbäute mit ihrem weißen,
ihimmelähnlichen Wachsflaum fleben durch den
aus den Honigröhren ausgeichiedenen Saft oft
an einander u. bilden das, was man im gewöhn—
lichen Yeben als Melthau bezeichnet. Dieier, for
wie der aus den Honigröhren abgejonderte Honig«
thau lockt vielfach Ameiſen an, welche jedoch den
Ben ſelbſt leineswegs gefährlih werden. Die B.
fah bereit8 9 Generationen lebendiggebärender find außerordentlich ſchädlich, indem fie ſowol
B. einander folgen.
Dieje untericheiden fih vonjzahlreihe Pflanzen ſchwächen, oder gar in Maſſe
den echten Weibchen nicht nur in Form u. Färb-|tödten, als aud indem der Honigthau gewiſſen
ung, jowie dur den Befis von Flügeln, ſondern Pilzen die Anfiedlung auf den Pflanzen erleichtert
auch durch mejentlihe Eigenthümtichteiten des'u. jo neue Pflanzenfeinde herbeizieht. Bei dem
508
außerordentlihen Schaden, den die B. anrichten,
bat man nad Abwehrmitteln gegen fie gejucht;
aber zahlreiche, bedentende Geldpreife, welche aufjdum
Mittel gegen die Wurzellans der Rebe, die Blut-
aus u. die Rojenblattlaus gejett wurden, harren
einftweilen noch vergeblich auf den glücklichen Auf-
finder von Gegengiften. Bon legteren wurden
wäbrend der letten beiden Fahre ungefähr 600
allein gegen die Wurzellaus der Rebe empfohlen.
In Gewähsbäufern räuchert man zur Abwehr
nit Tabak und empfiehlt, Pfd. Tabak auf je
1 cbm Rauminhalt des Hanfes zu verbrennen;
man räuchert abends, lieft morgens die abge»
fallenen B. weg und fährt jo fort, jo lange es
nöthig tft. Andere jprengen mit Ablochung von
Zabal, oder Pfeffer, oder mit Seifenmwaffer, mit
Theerwaſſer, mit petroleumbaltigem Wafler u. a.
Doch bat man bei Anwendung aller diejer Vor—
bengemittel wol darauf zu achten, daß man die
Pflanzen nicht durch fie zerftöre. ALS trefflichere
‚yeinde der B. ermeifen ſich Luft u. Licht, ſowie
die nmatürlihen Gegner derjelben, die Marien-
täferchen (Coccinellen), die ylorfliegen, die Schweb-
fliegen u. Jchneumoniden, deren Yarven auf B.
angewiefen find; das Sammeln von Marientäfer-
chen u. Verſetzen derjelben in Gewächshäuſer jol
auch bereits jehr gute Dienfte gethan haben. In
Europa fennt man gegen 400 Arten; von diejen
find beionder8 bemertenswerth u. an ihrer Stelle
nachzuſehen die Rofenblattlaus, die Apfel-
blattlaus, die Blutlaus, die TKannenblatt-
laus, die Wurzellaus der Rebe (Phylloxera).
Bon den zahlreichen anderen, vielfah nad ihren
NBohnpflanzen benannten ferien noch erwähnt: die
Bwetidhenblattlaus (Tetraneura pruni Atg.).
welche den Zwetichenbaum bewohnt, fidh dort auf
den Unterſeiten der Blätter anfiedelt u. bemirtt,
Daß diefe fi abwärts umbiegen, fraus u. hoch
mwölben; dadurch veranlaft fie oft Mißernten, doch
it fie micht, wie Einige annehmen, die Urfache
der Taſchen oder Warren ber Pilaumenbäume,
da diefe von einem Meinen Pilze (Exoascns pruni
Feke.) hervorgerufen werden. Die Pfirfihblatt-
laus (Aphis persicae Boj. de F.), eine dem
Pfirſichbaume höchſt nachtheilige Blattlaus, welche
die oberen Aſt- u. Zweigblätter befällt u. dieſe
durch ihr Saugen veranlaßt, ſich zuriidzubiegen,
u rollen u. zu kräuſeln u. raſch zu verkümmern.
ie Kirfhblattfaus (Aphis cerasi F.), die
Kohlblattlaus (A. brassicae Z.), die Nelfen-
blattlaus (A. dianthi Schrank), die Erbſen—
blattlaus (A. pisi Kalt.), die Belargonien-
blattlaus (A. pelargonii Kalt.), die Hafer-
blattlaus (A. avenae L.), die Getreide»
blattlaus (A. cerealis Kalt.) u. a. Bgl. Kal-
tenbab, Die Pilanzenfeinde aus der Klaffe der
Infecten, Stuttgart 1874; Tajchenberg, Entomo-
logie für Gärtner, Lpz. 1871. Thome,
Blattlausfliege, jo v. m. Florfliege; ſ. d. u.
Blattläuſe.
Blattlausküfer Aphidiphaga) ſind die Ma—
rienfäferchen (Coccinellidae), deren Larven ven
Dlattläufen eifrigit machitellen; ſ. Marienkäfer u.
Blattläuſe.
Blattlauslöwe, Larve der gemeinen Flor—
fliegen; ſ. d.
Blattlausfliege — Blattſchlauch.
Blattlausmücke, ſo v. w. Florfliege.
Blattlausſchlupfweſpe (Ichneumon aphi-
L., Cryptus aphid. Fabr.), Gattung der
Schlupfmweipen, Mein, ſchwarz, Vorderfüße u. Knie
der Hinterbeine gelb; legt ihre Eier in die Blatt»
länfe, melde von der Larve ausgefreſſen werden.
Blattnarbe, die Stelle, welhe nad dem Ab-
fallen des Blattes an dem Zweige fihtbar bleibt.
Blattnafen (Phyllorhina, Phyliostomata),
Gruppe der infectenfrefienden Fyledermäufe. Auf
u. über ihrer Naſe breiten ſich häutige Anſätze
aus, welche aus einem bufelfenförmigen Vorder»
blatte, einem mittleren Sattel u. einem binteren,
meift ſenkrechten Querblatte, Lanzette, befteben
tönnen, Einige ernähren ſich vom Blute warm—
blütiger Wirbelthiere, welche ſie während des
Schlafes überfallen (Vampyre). Dahin die Fami—
lien der Huſeiſennaſen (Khinolophidae), Zier-
oder Leiernaſen (Megadermidae) und eigent«-
ihen 3. (Phyllostomidae); zu legteren der
Vamppr (f. d., Vampyrus spectrum L.), tm
Gentraf-Amerifa, Thoms.
Blattpflanzen (Gärtn.), alle diejenigen Pflan«
zen, welche vorzugsweiie wegen der Schönheit ibrer
Blätter cultivirt werden, ſowol für das jreie Land,
als auch für Zimmer u. Gewächshaus, Die Lieb⸗
haberei für die B. hat im den legten Jahren ſehr
zugenommen, da der Genuß, welchen fie gewäbren,
weit andanernder ift, als der durch die ſchönblühen—
den Pflanzen erzielte; es ift deshalb auch in ver-
hältnigmäßig kurzer Zeit eine ganz erftaunliche
Dienge folder B. eingeführt und find durch die
Eultur neue Varietäten erzielt worden, die ſich
dur ihre anmutbige Geftalt, durch die Größe u.
Schönheit ihrer Blätter, deren oft brillante Färb⸗
ung u. auffallende Geſtalt ganz befonders zur Zu—
jammenftellung von prächtigen Pflanzengruppen
eignen u. dabei vielfah den Vorzug haben, daß
fie fih auch an etwas dunfleren Standorten umd
in Zimmern bäufig noch längere Zeit ſchön er»
halten, wo die meiften blühenden Pflanzen micht
gedeihen wollen. Empfeblenswertbe B. find na»
mentlih verichiedene Palmenarten, die ſich im
Allgemeinen durh Schönheit auszeichnen u. ver-
bältnigmäßig wentg Pflege erfordern, ferner
Aralia japonica, Aucuba japonica, Ficus
elastica (Gummibaum), ——— verſchie⸗
dene Arten der Gattungen Begonia (Schiefblatt),
Dracaena, Canna (Blumenrohr), Maranta, Colo-
casia, Caladium, Achyranthes, Coleus, Eche-
veria, Heracleum, Solanum; mande Gräjer, als
Arundo, Gynerium (Bampasgras), Zea (Mais)
u. v. a. Wolde.
Blattranke, an der Spitze eines Blattes ent-
jpringende Ranke.
Blattränber, fo v. mw. großer Froftipanner.
Blattrofette, eine dichtgebrängte Menge ipi-
ralig geftellter Blätter an einem Zweigende, mwel«
ches fich nicht ftredt (Sempervivum, Hausmwurz),
oder am oberen Ende einer Wurzel, alio dicht
über der Erde (Daucus Carota, Möhre, im
Herbfte des erften Jahres.
Blattſauger, fo v. w. Blattflöbe.
Blattfchlaud; (Ascidium), ſchlauchartig oder
becherartig veränderte Form des Blattes (3. B.
bei Nepenthes, Sarracenia).
Blattichnäbler — Blattweipen.
Blattſchnäbler (Keiftenihnäbler, Siebihnäb-
ler, Lamellirostres), Familie der Bögel aus der
Ordnung der Schwimmpögel, mit breitem, am
Grunde hohen Schnabel, welcher von einer mei-
en, nervenreichen Haut bekleidet ift, an den Nän-
dern durch Duerblättchen wie gezähnelt erfcheint
und mit einer nagelartigen Kuppe endet. Die
Blättchen ftellen eine Art Sieb dar, durch welches
beim Gründeln im Schlamme das Waffer abfliegt,
während die Nahrung zurücbleibt. Dahin die Fla—
mingo, Schwäne, Bänfe, Enten u. Säger. Tbome.
lattidyneider, 1) 8. oder Tapezirbienen
(Megachile Latr.), Gattung der Jnjecten, u. zwar
der bauchjammelnden Bienen (j. Bienen), mit
8—Azähnigen Kiefern, furzen, 2gliederigen Kiefer-
taftern, länglichem —— oben flach, unten
abgerundet, beim Weibchen aufwärts gebogen,
unten dicht zottig, bei dem Männchen die Vorder—
ſchenlel verdidt u. gebogen; zerichneiden mit ihrem
Gebiß Blätter u. tapeziren damit ihre Zellen aus;
graben fingerstiefe Löcher in die Erde und rollen
mehrere Blattftüce zufammen, fo daß fie eine Röhre
bilden, wodurd die Erdlöcher künſtliche Wände be-
fommen; in jede ſolche Röhre wird ein Ei mit
etwas Honig gelegt u. die Zelle verihloffen. Arten:
Zappenbiene oder Rofenjchneider (M. cen-
tuncularis F\), ſchwarz, aſchgrau, behaart; Weib-
hen mit weißgerandeten Leibesringen; Männchen
mit fugeligem Hinterleibe, gelblich-roth behaart.
Sie ſchließt ihre fingerhutförmigen Zellen von
Rofenblättern mit einem zirfelrund abgeichnittenen
Stüdchen eines Rofenblattes. 2) B. od. Blatt-
roller, Blattwidler, Steder (Rhynchitidae),
Unterfamilie der Familie der NRiffeltäfer (Cureu-
Honidae), Unterordnung der Berborgenfünfglie-
derigen (Cryptopentamera s. Tetramera). Sie
rollen friihe Blätter cigarrenförmig zufammen,
oder fie jchneiden eine Blattflädhe in der Nähe der
Baſis quer bis in die Mittelrippe ein, verjehen
auch die andere Seite mit einem Querſchnitte u.
wideln diefe Stüde tutenförmig auf, dann löfen
fie an einer Stelle der Windungen die Oberhaut
des Blattes ab u. legen in dieſe Taſche ein oder
einige Eier; einzelne Arten bohren auch junge
Triebe oder halbreifes Obft an, um dort ihre Eier
abzulegen. Die Larven nähren fih von den Blatt-
theilen ihrer Stelle, von dem Marle ihrer Triebe,
von der Obftirudt. Damit aber der Saftzufluß
ehemmt werde, nagt der Mutterfäfer die Stiele,
ezüglich den befetten Trieb halb durch, fo daß
die — Tuten, Triebſpitzen od. Obſtfrüchte
bald wel herabhängen u. über kurz oder lang zu
Boden fallen. Die ſchließlich erwachſene Larve
arbeitet fih in der Regel aus ihrer Umhüllung in
den Boden, befteht dort ihre VBerpuppung u. er-
fcheint im nächſten Frühjahre als Käfer. Zumeilen
lebt jedoch die Yarve beftändig in der nicht weiter
beihädigten Frucht, fo die von Rhynchites bae-
chus L., gleih dem befannten Apfelwurme (der
Raupe des Obftwidler8 (Carpocapsa pomonana
Sr.) im Apfel. Hierher die Gattungen Apoderus
Oliv., Attelabus L. u. Rhynchites Herbst. Bon
diefen hat der Zweigabftedher, Giebelfteher
od. Stengelbohrer (Rlynchites conicus Ill.),
3 mm lang, dunkelblau, ſchwach behaart) an
Pflaumen-, Kirfchen-, Aprilofen- u. Birnbäumen,
509
desgl. an Mifpeln, Weißdorn u. Eberefchen ſchon
oft außerordentlich geichadet, indem er feine Eier
in deren Triebe ablegte u. diefe dann abjchnitt.
Der Pflaumenbohrer (Rh. cupreus L.), 44 mm
lang, fupferfarben, grau behaart, findet fih an
Pflaumen, Kirſchen u. Schlehen. Der purpur-
rothe Apfelfteher (Rh. bacchus @yll.), mm
lang, purpurroth, Flügeldecden grün-goldig, Fühler
blau, löft an der Sonnenfeite von Kernobitfrüchten
ein Stückchen Scale ab, jentt fein Ei in das
Fleiih u. bededt die Wunde mieder mit der ab»
getrennten Haut; die Larve gräbt fi einen Gang
zum Kerngehäuje, da fie fih von Kernen, nicht
von dem Fleiſche nährt. Erwachen verläßt diefer
Wurm die Frucht u. läßt fich zur Erde nieder-
fallen, wo er fih verpuppt. Dem Weinjtode
wahrhaft verderblich wird oft der Zapfenwickler
oder Bolzenfteher (Rh. betuleti Fr.), 6 mm
lang, blau bis goldig, grün, unbehaart, indem er
meift aus jungen Blättern an der Spike ber
Triebe feine Gigarren dreht; doch kommt er auch
an Birken, Bappeln, Weiden, Alpen u. anderen
vor. Manche Arten find anch forſtſchädlich, fo der
Birfenwidier (Rh. betulae L.), 4 mn lang,
Ihwarz, glänzend, den Birken; Rh. pauxillus Gern.
(blau) den Eichen; Rh. populi Z., 5 mm lang,
grün-goldig, den Aipen u. Pappeln; Attelabus
eureulionoides L., 5 ımın lang, ſchwarz mit blut»
vothen Flügelveden u. Halsihild, den Eichen;
Apoderus eoryli L., 6 mın lang, ſchwarz mit
mennigrothen ‚zlügeldeden u. Halsihild, den Ha-
jeln, Erlen, Kreuzdorn, Eichen, Roth» u. Hain—
buchen, Als Mittel gegen diefe Feinde empfiehlt
ih das im Frühjahre vorzunehmende Abklopfen
der Käfer, jowie das Sammeln u. VBernichten der
abgefallenen oder abgewellten Blätter, Früchte u.
Zweigſpitzen. Siehe Altum, Forftzoologie IIL. 1,
Berl. 1874; Kaltenbah, Pflanzenfeinde aus ber
Kaffe der Inſecten, Stuttg. 1874. Theme.
Blattfilber, |. u. Blattgold.
Blattjkelet, jo v. w. Blattgerippe,
Blattipur, die Stelle, an welcher während der
erften Anlage u. Ausbildung eines Blattes deffen
Gefäßbündel mit demjenigen des tragenden Zwei-
ges in Berbindung fteht; dann auch das von
diejer Stelle abwärts verlaufende Gefäßbündel der
Dilotyledonen.
Blattſteckling (Gärtn.), Bermehrungsart eini-
ger Bilanzen, bei denen die Blätter die Eigenichaft
haben, Wurzeln u. neue Pflanzen zu bilden; ihre
Anzahl ift nicht groß u. ziemlich auf Pflanzen mit
etwas diden, faftigen Blättern oder Blattftielen
beihränft, 3. B. großblätterige Begonien, Glori-
nien, Gesnerien, Bryopbylien u. a. Die Be
werden entweder mit den gerade durchichnittenen
Blattftielen in die Erde geitedt, oder das Blatt
wird mit der Unterfeite, an welcher man die Mittel-
rippe oft an verfchiedenen Stellen etwas einfchnei«
det, auf die Erde gelegt, wo fih dann an den
Einſchnitten, oder auch ohne ſolche, Wurzeln bilden
u. junge Pflanzen erzeugen, Die B. faulen leicht,
müffen deshalb in Kohle, Ziegelmehl, Sägeipäne
u. dgl., mit Sand vermijcht, gelegt u. ent
warm gehalten werben. olde.
Blattijtiel (Petiolus, Bot.), ſ. u. Blatt.
Blattwefpen (Tenthredinidae), Inſectenfa-
510 Blattwickler — Blattzapfen.
milie aus der Ordnung der Hautflügler oder zerfrißt die Roſenblätter löcherig, verpuppt ſich
Immen; charakteriſirt durch die ungebrochenen, bald frei auf dem Boden liegend, bald aber auch
vielgliederigen, an der Spige verdidten, beim in dem Marke junger Nofentriebe, in welches fie
Männchen zumeilen gelämmten Fühler und den ſich hineinfrißt. Dem Steinobfte (Pflaumen, Kir-
figenden, achtringeligen Hinterleib, an defien Bauch- ſchen, Aprikojen u. Pfirfihen) ſchädlich find Cla-
fläche ein furzer Legebohrer entſpringt. Letzterer dius albipes Klg., welde namentlih an Kirihen-
beſteht aus einer zweillappigen Scheide und dem | wanbjpalieren oft in 4 Generationen im einem
eigentlihen Bohrer, welcher wieder aus einem; Fahre auftritt u. diefelben ganz zu tödten vermag;
rinnenförmigen Nüdenftiide u. zwei jageamig ge⸗ die Larve fitt immer an der Unterfeite der Blätter,
zäbnten, an der Bauchjeite gelegenen Borften zus welche fie jung durchlöchert, fpäter bis auf die
ſammengeſetzt if. Mit Hufe dieſes Apparats Rippen ffeletirt; ältere Larven find oben duntel-
riten die Weibchen die Haut von Blättern, nament- grün, matt bis fettglängend, mit vielen Querreiben
lih in der Nähe der Blattrippen, um in diefe|haartragender Wärzchen, wogegen ihr gelber Kopf
Wunden ihre Eier zu legen. Der Stich veranlaft| die weiglichen Seiten, Füße und der feinbaarige
einen Zufluß von Pflanzenfäften, durch deren Auf- | Bauch ftart abftehen. Die Yarve von Blennocampa
nahme (Fmbibition, Auffaugung) das Ei an Größe | aethiops Fb. ift grünlich-gelb mit dunllem Rüden-
zunimmt. Die ausjchlüpfenden Yarven nähren fich |ftreif u. ſchwarzem Kopfe; fie ift unbehaart und,
von Blättern, leben im der Jugend oft gemeinfam
in Gejellichaften u. verpuppen ſich in einem Cocon.
Sie ähneln einigermaßen gewifien Raupen und
werden daher Afterraupen genannt; doc unter-
fcheiden fie fih von echten Raupen durch zwei auf
dem runden, hornigen Kopfe liegende Punktaugen
u. die größere Zahl der Hinterleibsbeine, die bier
6—8 Paar, dort 2—5 Paar beträgt, Wo fie in
größerer Zahl auftreten, vichten fie mitunter be»
deutenden Schaden an. Die geflügelte Weipe be-
freit fi aus ihrer Hülle, indem fie das Ende dere
felben in Form eines Dedels abnagt, Von den
mehr als 1000 bekannten deutſchen Mrten find!
etwa folgende die wichtigſten: Auf Roſen Die
Rojenbürftweipe (Hylotoma rosarım F'b.);
die 18füßige Raupe erjcheint jährlich in 2 Genera-
tionen im Juli u. im October; fie ift grausgrün
mit gelben Ringeinſchnitten; Kopf gelb, ſehr kurz
fhwarz behaart; der Nüden über den Heinen
ſchwarzen Stigmen (Eingängen zu dem inneren
Athemröhren od. Tracheen) dunfelgelb mit 6 un«
regelmäßigen Reiben jhwarzer Wärzchen, wovon
jedes mit einem furzen Borjtenhaar gekrönt it;
fie ift etwa 19 mm lang; die Weipe ıft 10 mm
lang, gelb, mit jchwarzem Kopfe, Fühlern, Bruft,
Rüden uw. fhwarzen Ringen an den Beinen. Ab-
fhütteln u. Sammeln der Larven tit bier wie bei
den anderen faft das einzig anwendbare Gegen—
mittel. Eine andere Art ift H. pagana Pz. deren
Larve von Auguft bis October den Roſen verderb-
ich wird, indem fie die Mittelrippen von deren
Blättern abfrift. Jene ift 18—22 mm lang, oben
gelb, feitlid grün, fpäter ganz gelb mit vielen
Ihwarzen Wärzchen, welche zu 6 in Querreiben
fteben, der vorigen aljo jehr ähnlich. Die Ber:
wandlung gebt in der Erde vor ſich, die Ent-
‚da fie fih mit einem jchwarzen Schleime umgibt,
ſchneckenähnlich. Sie greift alle Steinobit- u. Kern
objtarten oft ſtark an, tit dann recht fchädlich und
efelerregend dazu. Ihre Verwandlung durchlebt
fie in der Erde. Da fie fich nicht abichütteln läßt,
bat man als Gegenmittel Beipritungen mit Kalt:
waſſer, Zabaklauge, Schwefelblüthe angewendet,
doch nur mit mäßigem Erfolge. Lyda nemoralis
L. wird namentlib Aprikoſen u. Kirſchen gefähr«
ih; ihre Yarve lebt jung einzeln in einem von
ihr gerollten Blatte, fpäter aber gejellig in einem
blättereinfchließenden Gewebe, doch auch dann noch
jede in einer befonderen Röhre. Die Stachelbeeren
u. Fobannisbeeren werden von Nematus ventri-
cosus Älg., N. ribis Scop., N. appendiculatus
Hof., Emphytus Grossulariae Älg. u. a. Larven
angegriffen u. total entblättert. Zahlreiche Blatt-
welpen finden fih an den Nadelhölzern; von ihnen
find mande dadurch charakteriftiich, dat die Yarven
ihre Geipinufte mit ihren Ercrementen bebeden,
ja, dieſe felbft in jene vermweben und fib dadurch
einen Kothſack bereiten, jo Lyda hypotrophica Hof.,
die Kothiadkiefernweipe (I. campestris L.), L.
erythrocephala L. u. a. Mitunter finden fie ſich
jo zahlreich, daß die von den einzelnen Thieren
bewohnten Röhren zu einem großen gemeinjamen
Geſpinnſte verbunden werden, u. da manche, 3.8.
die Kothſackkiefernweſpe u. die Kieferntammborn-
weipe (Lophyrus pini Z.) nur die jungen Nadeln
angreifen, jo werden fie recht ſchädlich. Thome.
Blattwidler, 1) überhaupt die Thiere, Die fi
in Blätter wideln, wie Arten von Blattweipen,
mehrere Arten von Eulchen, Spinnern und einige
Tagfalter (au der Gattung Hesperia); einige
leben einzeln, jede Raupe im einen beionderen
Blatte, andere geiellig; ſ. u. Blattichneider und
widelung der Weipe fällt in den Inni bis Auguft.| Blattweipen. 2) Schmetterlingsfamilie der Widler
Eine dritte Nofenverderberin ift Lyda inanita De|(Tortrieidae) ausder Gruppe der Motten; j. Wider.
Vill. deren Larven fih aus Stüden von Rojen-) Blattzapfen nennt man im Mafhinenbau u.
blättern eine jpivalige Nolle zufammendrehen, um namentlich in der Mühlenbauerei gußeiſerne Za-
in ihnen zu leben; im Juli findet man diefe Nollen|pfen, die in bölzernen Wellen befeftigt werden
oft durch 2—3 mm lange Seidenfäden in fent-|jollen u. zu diefem Zwecke mit einem flachen, 200 bis
rechter Hichtung, die Mündung nad oben, an der 300 mm langen und 20—30 mm diden Blatte
Unterjeite der Kofenblätter aufgehängt; dann ver-)von der Breite des ee verjeben
puppt fih in ihr das Thier, um fich im folgenden | find. Diefes Blatt wird in einen Borber einge
Frühjahre völlig zu entwideln, Ahnliche Rollen | ftemmten Schliv im Kopfende des Wellbaunies
bildet fih Blennocampa pusilla Älg., deren Lar-|eingeftedt, mit Holzleilen befeftigt und dann bie
ven nach nm. nach ihre Wohnungen verzehren, um Welle durch übergezogene ichmiedeeijerne Ringe
fid) dann neue zu forımiren. Emphytus einetus L. |vor einem Aufipalten und Löfen der Zapfen ge
Blattzinn — Blaubeuren.
fihert. Hat der Zapfen zwei unter einem rechten
Winkel fi freuzende Blätter, jo nenut man ihn
Kreuzzapfen.
Blattzinn, fo dv. w. Stanniol.
Blattzweig (Phyllocladium), Zweig von Blatt»
form, wie bei Ruscus u. Phyllocactus. Dan
umnterfcheidet die B-e von echten Blättern dadurch,
daß fie in der Achiel eines Blattes (oder eimer
blattartigen Schuppe) ftehen, u. daß fie ſelbſt wie-
der auf ihrer Oberfläche od. an der Seite ein oder
das andere Blatt, ſelbſt Blüthe u. Frucht tragen.
Blau, eine der 6 Grundfarben, in welche das
weiße Licht (3.8. der Sonne) zerlegt werden fann,
u. zwar die Sejammtheit der Farbnuͤancen zwiichen
dem Grin u. Biolett des Spectrums, in deren
Mitte die Fraunhoferſche Linie G liegt; f. u. Jar
ben u, Spectrum. Wunmenauer M.
Blau, Fluß im württemberg. Donantreiie; ent:
fpringt aus dem blau-grünen, nie zufrierenden u.
zu Friten anſchwellenden See Blautopf von
23 m Tiefe, 40—42 m Breite, bei Blaubeuren,
nimmt dort die Aach auf u. fällt bei Ulm in die
Donau.
Blau, I) Felir Anton, einer der kenntniß—
volliten u. edeliten unter den Mainzer Clubiften,
geb. 1754; war fathol. Priefter u. Prof. der Dog-
matif an der damals blühenden Mainzer Univer-
fität und einer der einflußreichiten Lehrer an der»
felben; vertrat, übereinftimmend mit feiner frübe-
ven entſchieden freifinnigen Weltanfhauung, be-
geiftert die Principien der franz. Revolution,
ward nad der Wiedereroberung von Mainz durd)
tie Deutichen mit zahlreihen Genofjen auf der
Feſtung Königftein ım Taunus im firenger Ge—
fangentchaft gebalten; ftarb 1798 als Griminal-
tichter des Donnersberger Depart. in Mainz, Er
ſchrieb: Uber Bilderverehrung, Mainz 1788; Kri-
tiihe Gejchichte der kirchlichen Unfehlbarfeit, ebd.
1791; Kritif der feit der Hevolution in Frank—
reih gemachten Religionsverordnungen, Straßb.
1798, u. verſch. a. Schriften. 2) Otto, bervor-
ragender Orientalift, geb. 21. April 1828 zu Nord»
haufen, Sohn eines dortigen Gymnaſiallehrers u.
fpäteren Superintendenten; widinete fi unter Rö—
diger in Halle, Fleiſcher u. Tuch im Leipzig den
orientalifchen, insbeſ. jemitiihen Studien. 1852
als Attached der preuß. Geſandſchaft in Conftanti-
nopel beigegeben, bereifte er 1854—55 einen
Theil von Kleinafien u. die grieh. Inſeln, 1857
BPerfien, nachdem er 1855 Bicefanzler der Gefandt-
Schaft geworden war. 1858 als ftellvertretender
Zegationsfecretär nach Conjtantinopel zurückgekehrt,
fiedelte er noch in demielben Jahre als Conſul
nah Zrapezunt über, um im J. 1864 diefe Stell:
ung mit derjenigen eines preuß., 1870 eines deut-
fhen Generalconful® für Bosnien in Serajemo
zu vertaufchen. Dermalen ift er deutfcher General-
conful in Odeſſa. Seine literariiche Thätigfeit er-
firedt fi theils auf das Gebiet der Handelspolitif
(Tommercielle Zuftände Perſiens, Berl. 1858),
theils auf das der orientaliichen Sprad- u. Alter-
thumstunde (Bosniſch⸗ türliſche Sprachdenfmäler,
Lpz. 1868, u. viele Auffäge u. Abhandlungen in
der Zeitfchrift der Deutihen Morgenländifchen Ge-
ſellſchaft). 1) Kolb.
Bläu (Cäſius), 1) Wilhelm Janszon, geb.
511
1571 in Alkmaar; verbrachte einige Zeit bei Tycho de
Brabe u. kehrte dann nach Holland zurüd; er ft.
21. Oct. 1538. B. verfertigte gute Erd» u. Him⸗
melsgloben und forgfältig gearbeitete Karten; er
war gleichzeitig einer der namhafteſten Buchdrucker
jeiner Zeit, verbefferte auch die Buchdruderprefie
u. jchr.: Zeespiegel, 1627, gel, u. ö.; Onder-
wijs van de hemelsche en aerdsche globen, 1634;
Novus Atlas, 1642—55, 6 Bde. Fol.; Theatrum
urbium et munimentorum, 1619, „ol. Bgl.
Bandet, Leven en werken van W. J. B., Utr.
1871. 2) Johann, Sohn des Vor.; errichtete
in Amfterdam eine eigene Buchdruderei, mit der
er fpäter die des Vaters verband; er ft. 29. Dec.
1673; gab heraus: Atlas major, 1662, 11 Bde.;
Topopraphiiche Kupfermwerfe u. Städteanfidhten von
Belgien, 1649, 2 Bde. Fol.; Italien, Neapel u.
Sicilien, Savoyen u. Piemont. Seine Söhne
Johann und Peter festen das Geſchäft bis zu
Anfang des 18. Jahrh. fort u. verlegten mehrere
claſſiſche Auctoren.
Blauamjel (Gebirgsamfel, Blaumerle, Blau-
droffel, Blauvogel, Einfiedler, einſame oder tief
finnige Drofiel zc,, Petrocinela eyanea L.), dem
Hausrothſchwänzchen an Geſtalt ähnlih, 23 bis
25 cm lang; fpannt 36 cm; Gefieder dunkel, mehr
oder weniger tief fchieferblau, mit blauen Feder—
fanten; bewohnt Siüd-Europa, kommt bis zur
Schweiz u. Tirol als Zugvogel; wird des vor-
trefflihen Gejanges halber gern in Gefangenichaft
gehalten u. theuer bezahlt. home.
Blauauge, Name einiger Schmetterlinge mit
blauen Augenfleden, 3. B. des Papilio Philocte-
tes.L., braun, auf den Hinterflügeln zwei blaue
Augen mit ſchwarzem Stern u. 3 weißen Fleden,
in SAmerika und Indien, und der Epinephele
Phaedra Herr-Sch., vordere Flügel braun mit
2 blauen Augen. Raupe auf Hafer.
Blauband, Schmetterling, ſ. Ordensband.
Blaubündchen, ein Prachrfint oder Aitrild
(ſ. d.), jo v. w. Schmetterlingsfint od. Bengelift.
Blaubart, in einem franzöfifhen Märchen
ein Ritter Raoul (Chevalier Barbe-bleue), der
jeiney Gemahlin bei einer Neife einen goldenen
Schlüffel mit dem Befehl übergibt, das Zimmer,
für das er beftimmt ift, nicht zu öffnen, Jene
öffnet das Zimmer dennoch, findet bier Mordipuren
u. läßt vor Schreden den Schlüffel in ein Gefäß
mit Blut fallen. Zurückgekehrt, verlangt B. den
Schlüſſel, erlennt an dem Flecken, daß die Frau
dem Befehl zuwidergehandelt hatte, u. tüdtet fie.
So madıt er es noch mit 5 anderen; als er die
7. aus demfelben Grunde ermorden will, erichei-
nen deren Brüder u. töbten ihn. Dies ift der
Stoff zu Gretrys Oper Raoul u. Offenbachs Bur—
testen-Oper B.; auch dramatifch ift die Sage be=
handelt von 2. Tieck im Bhantafus.
Blaubeuren, Stadt im gleichnamigen Ober-
amte des württembergiichen Donaukreiſes, am Blau⸗
topf (j. Blau), Eiienbabnftation; Amtsfig; tbeolo»
giiches Seminar im früheren Klofter; Bleiche, Lei—
nenmweberei u. Spinnerei, viele Müblen, Cement-
fabrifation; 2216 Ew. Das Benedictinerflojter
wurde 1085 gegründet; im der zu Ende des 15.
Jahrh. erbauten Klofterkirche vortrefflihe Chorſtühle
von Sürlin d. Jüng. u. ein Hochaltar mit herr«
512
fihem Ulmer Schnigwerte u. Malereien aus der
Zeitblomſchen Schule; auch in der Stadtlirche ein
gutes, wel Beitblomjches Gemälde. Die Stadt
fam mit mehreren Burgen 1447 von den Grafen
Helfenitein an Württemberg.
Blaubleierz nennt man Pjeudomorphofen von
Bleiglanz nah Pyromorphit.
Blaudrofiel, ſ. Blauamſel.
Blaue Bücher (Blue Books), in England die
dem Parlament von der Regierung vorgelegten
Bücher (Folianten in blauen Einbänden), in wel⸗
chen die von der Staatsregierung gepflogenen u.
zu ſolcher Veröffentlichung geeigneten diplomati—
ſchen Berhandlungen, Noten, Berichte ꝛc. abge—
druckt find. Solche Bücher gibt es auch in Frank⸗
reich (Gelbbuch), Italien (Grünbud) u. ſeit 1868
im Ofterreih u. in der Türkei (Roihbuch). Die
deutiche Reichsregierung bat diefe Einrichtung nicht
aboptirt, aber bei der Offenheit ihrer Politik aud)
nicht nöthig.
Blaue Farbſtoffe, diejelben find theils mine
raliſcher, theils organischer Natur. Unter den erfteren
find es namentlih Kobalt», Kupfer u. Molybdän-
verbindungen, 3. B. Smalte, Bergblau, echter u.
fünftliher Ultramarin, Molybdänblau, ſowie der
Lafurftein, die Verwendung finden. Von den or-
ganiſchen ben Fen ift der Indigo u. feine Ber-
bindungen, der fih in den Blättern vieler Pflanzen,
namentlich der Indigofera tinctoria L. u. Ind.
Anil. Z., findet, am widtigften. Andere indigo-
haltige oder indigähnlich -blaue Pflanzenpigmente
find 3. B. der Waid (Isatis tinctoria Z., dann
Polygonum tinetorium Lour. u. Asclepias tin-
gens R. Br.) u. Yadmus, ſowie andere jeltene;
dann Campecheholz oder Blauholz, jowie neuer-
dinas die blauen Anilinfarben,
Blauer Fluß, 1) fo v. w. ZJanstfe-fiang.
2) (Bahr el Azref) Der öftliche Quellitrom des Nil.
Blaues Gebir (Blaue Berge, Blue Mon-
tains), 1) (Blue Hidge) großer öjtlicher Zweig
der Alleghanies (f. d. A). 2) Gebirgszug im W.
der Vereinigten Staaten von NAmerita in dem
Territorinn Oregon. 3) Gebirg auf der An:
tillen Inſel Jamaica; Gipfel bis zu 2373 m hoch.
4) Gebirgszug im SO. von Auftralien die füd«
liche Fortiegung der Yiverpool-Kette bis zu 34°f.
Br. 5) Gebirg im Gapland in SAfrifa, mit
anderem Namen Maluti (f. d.).
Blaue Grotte (ital. Grotta azzurra), eine
mit Stalaftiten bededte Höhle an dem nördl. Felſen—
geftade der Inſel Capri, 1832 von zwei badenden
Engländern, nad Anderen ſchon einige Jahre frü-
ber von den deutſchen Malern Fries u. Kopiſch ent-
dedt, mit jo niedrigem Eingange, daß man nur
bei ruhigem Wetter ſchwimmend oder im Kahn in
diejelbe gelangen fann. Nur durch diefe Öffnung,
welche als Eingang in die mit klarem Waffer an-
gefüllte Grotte dient, erhält diefe Licht, welches
bei Sonnenfhein allen Gegenftänden in berjelben
einen lafurblauen Schimmer verleiht.
Blauer Karmin (Indiglarmin, lösliher Ins
dig, im Handel auch Judigotin genannt), indig»
fchweielfaures Kali oder Natron; man ftellt es
für den Handel dar, indem man die rohe Löſung
von Indigo in Schwefelfäure ftark verdünnt und!
filtrirt, dann mit Portafhe oder Soda fo lange
Blaubleierz — Blaufehlchen,
fättigt, als es noch aufbrauft. Das gebildete im
digihwefelfäure Salz ift in der vorhandenen Flüfe
figfeit unlösfih, aber löslich in reinem Waſſer;
man preft e8 aus u, bringt es fo noch feudht im
den Handel. Es löft fih in 140 Theilen kaltem
Waſſer, leichter in heißem; dient in der Färberei,
als Tinte, zur Bereitung von Wafchblau, welches
damit gefärbte Stärle ift ac.
Blaue Milch, |. Muh u. Bakterien.
Blauer Montag, jeder Montag, an welchem
die Handwerkögejellen den ganzen Tag oder nur
den Nachmittag nicht arbeiten. Er murbe als
Schadloshaltung für Handwerter eingeführt, welche
den Sonntag Bormittag noch arbeiten mußten, ift
aber jet im den meiften Ländern geſetzlich, doch
keineswegs gejellihaftlih abgeihaftt. Der Name
fol daher foımmen, weil fonft am arbeitsfreien
Faftnachtsmontag die Kirchen mit blauem Tuche
ausgeihlagen waren, od. von den blauen Flecken,
welche bei dem an folden Tagen verlommenden
Unfug u. Schlägereien davongetragen wurden.
Blaues Ordensband, Schmetterling, ſ. Or
densband.
Blaue Pillen, 1) (Pilulae coeruleae) Pillen
von jchwefellanrem Ammoniaklupfer, argen Epi-
lepfie u. Geſichtsſchmerz. 2) (engl. Blue pills)
Große Pillen von O,, g Gewicht, aus reinem me«
talliihen Quedfilber (O,, g), Rojenconjerve und
Lalrigeniaft beftehend, als Abführungsmittel (3 bis
10 Stüd) gebraudt. 3) Scherzhajt, jo v. m.
Gewehrlugeln.
Blanelfenerbe (Min.), erdige Varietäten des
Bivianit (ſ. d.); finder fih mit Hafeneifenftein zu-
jammen, mit dem fie bei vorhandener Phosphor«
ſäure aus thieriſchen Subftanzen, 3. B. Knochen
oder Muicheln, gleichzeitig entfteht,
Blaueifenerz, jo v. w. Bivianit (f. d.), nar
türliches phosphorfaures Eifenorypul.
Bläuel, 1) ein Theil des Feldgeſtänges; f. u.
Stangentunft. 2) Die Stange, welche den Krumms
zapfen der Kurbel mit dem nächſten Maſchinentheil
vebindet.
Blauen, Berg im Schwarzwald von 1178 m
Höhe, im badiichen Kreife Freiburg bei Baden-
weiler; bietet eine pracdhtvolle Ausficht.
** fo v. w. Wanderfalk.
Blaufarbenwerk, Schmelzhütte, in welcher
Smalte, ein durch Kobaltoxyd blau gefärbtes und
als Farbe dienendes Kaliglas, dargeſtellt wird.
Die hauptſächlichſten lagen früher in Sachſen und
Snarum in Norwegen, find aber augenblidiich
fehr eingeihränft, da das fünftlihe Ultramarim
dem Abjage der Smalte arge Concurrenz macht.
Im Übrigen f. Smalte.
Blaufelchen, Fiſch aus der Fam. der Lachie
f. Rente,
Blanfeuer, eine blaue farbige fylamme, erhält
man durch Abbrennen folgender Miſchung: 54,, Th.
hlorfaures Kali, 18,, Th. Holztoblen u. 27,, Th.
ſchwefelſaures Kupferorydul-Ammoniaf,
Blaufuchs, ſ. u. Fuchs.
Blaufehldyen (Lusciola cyanecula Autor),
Vogel aus der Ordnung der Sperlingspögel, Fa—
milte der Droffeln; etwa 16 cm lang; Schnabel
pfriemenförmig; Augen groß; Geftalt —* Flü ⸗
gel kurz, dritte Schwinge (Flügelfeder) die längſte;
Blaufrähe — Blauſäure.
Beine lang. Die Frage, ob alle B. eine Art
bilden, oder ob mehrere Arten zu unterfcheiden
513
3. B. aus Cyankalium, durch Einwirkung von
‚Säuren erhalten werden. Cyankalium mit Salz«
jeien, hat zu zahlreihen Streitigkeiten Beranlaſſ- ſäure übergoffei gibt Chlorfalium u. B.:
ung gegeben. Das alte Männchen befitt mämlich
eine dunfelsgraubraune Oberſeite; die Schwanz⸗
federn haben mit Ausnahme der beiden mittleren
KCN + HCI = KCl + HCN
Eyanfalium Salzfäure Chlorkalium B.
Auch ganz ſchwache Säuren, wie die Kohlenſäure
eine roſtrothe Wurzelhälfte; über dem Ange findet, der Luft, bei Gegenwart von Waſſerdampf, machen
ſich ein heller Strich; Kehle u. Vorderbruſt ſind aus Cyankalium B. frei, weshalb Cyankalium an
laſurblau, an der Unterſeite geht dieſes Blau in
ein ſchwarzes Band über, worauf ein roſtrothes
folgt. In diefem Bruftblau- findet fih nun oft
ein perimutterweißer led von der verichiedenften
Größe (weißfterniges B., Cyaneenla lenco-
cyana Br.); zuweilen fehlt diefer mol (O. Wolf
Br.); bei einer dritten Form, dem orientali«-
hen 8. (C. orientalis s. dichrosterna) befitt
diefer Bruftfled einen zimmtfarbenen Mittelfled;
bei den nörblichiten, in NEuropa und Sibirien
vorfommenden Formen endlich wird der ganze
Bruftfled zimmtfarben; dies ift das von Linne be-
Ihriebene u. Lusciola suecica genannte Thier.
Das Winterfleid des Männchens, das Kleid der
Weibchen u. Jungen zeigt noch größere Berfchie-
denheiten, doch fand Altum bei längerer Züchtung,
da die verfchiedenen Färbungen nicht nur im ein-
ander übergeben, ſondern fogar in kurzer Zeit an
einem u. demſelben Eremplar auftreten fönnen, In
Leben u. Bewegung fteht das B. der Nachtigall
fehr nahe, hält ſich jedoch meift unmittelbar an
feuchten Gräben und fumpfigen, dichtbewachſenen
Stellen auf, huſcht mauſeartig durchs Gebüſch u.
führt überhaupt ein verborgenes Leben, Sein Ge—
fang ift ein Nachzwitichern der Geſänge vieler
anderen Bögel, untermiicht mit Brummtönen umd
lautem Schreien. Das Neft wird auf dem Boden
— und mit 5 olivenfarbenen Eiern belegt.
as B. ift bei und Zugvogel, welcher etwa ım
April ericheint u. im September nah SEuropa
u, NAfrifa hinzieht. Theme.
Blanfrähe, io v. mie Mandelträhe.
Blaufüpe, eine Flüſſigleit, in welcher durch
desoxydirende Mittel der fein geriebene blaue In—
digo, auh Waid, zu Indigweiß rebucirt wird.
As folder verbindet er fich leicht mit der Faſer,
u, am ter Luft tritt dann die blaue Färbung ein,
indem fi das Indigweiß zu blauem Indigo ory-
dir. Die Färber unterjcheiden warme (Gähr-
ungsfüpen) für Wolfe u. kalte Küpen für Baum—
molle (nicht Seide). Die desorgdirenden Mittel
find Eiſenoxydulſalze (Vitriol), Kalt, Auripigment
(Dreifah-Schwefelarfen), Zinnfalz zc., die Gähr—
feuchter Luft nah B. riecht. Zur Darftellung
wajjerfreier B. zerfet man trodenes Eyangued-
filber mir concentrirter ——— u. trocknet den
eutſtehenden B⸗dampf durch Überleiten über Chlor»
calcium, oder man leitet Schwefelwaſſerſtoff über
Cyanqueckſilber. Im erſten Falle erhält man Chlor«
queckſilber, im zweiten Schwefelqueckſilber als Neben⸗
producte. Gewöhnlich aber handelt es ſich um Her«
ftellung einer mehr oder minder concentrirten wäje
ferigen Löſung der B., zu welchem Zwecke mau
das gelbe Biutlaugenjalz mit Schwefeläure zerjett.
Es entftchen B., ſchwefelſaures Kali u. ein weißer
Rückſtand von Ferrocyaneiſenkalium nad der Zer—
ſetzungsgleichung:
2K,FeCy, + 3H,SO, = 6HCy + 3K.80.
Blutlaugenſalz Schwefelſaure ». ſchweſelſ. Kali
+ K,F&,Cy,
Ferrocganeifentaliunt.
Eine concentrirte B. erhält man aus 10 Thln.
Bintlangenfalz, 6 Thlu. engliiher Schwefelſäure
u.14 Thin. Waffer, während man eine verdünnte
durch Anwendung von 30—40 Thin. Maffer dar-
ſtellt. Synthetiſch läßt fich die V. aus Acetylen
und Stidjtoff durch Einwirkung des elektriſchen
Funkens bilden: CH, + 2N = 2HCN
Aceinien Etidijtoff BD.
Die B. fommt in der Natur nicht fertig gebildet
vor; dagegen geben die Kerne der bitteren Mandeln,
Pirfihe, Pflaumen, Aprifofen, Kirichen, fowie die
Blätter des Kirfchlorbeers u, a. Pflanzen bei der
Deitillation mit Wafler B., deren Bildung fich
dur Gährung des Ampgdalins (f. d.) erklärt.
Auf diefe Weiſe werden die als Heilmittel ange
wandten Präparate, wie Aqua Amygdalarım
amararım (Bitternandelwafjer), Aq. Laurocerasi
(Kirſchlorbeerwaſſer) u. a., bereitet. Die B. bildet
in wafjerfreiem Zuftande eine farblofe, bewegliche
Flüſſigleit vom ſpec. Gew. O,07 bei 18°; fie fiedet
bei 26,,° u. erftarrt bei —15° fryitallinifch. Läßt
man einen Tropfen am Slasjtabe raſch verduniten,
fo erftarrt ein Theil. Mit Waffer, Ather und
Alkohol läßt fie ih in jedem Verhältniß miſchen.
Die conc. wäflerige Löſung, fowie die reine B.
breunen mit ſchwäch violetter Flamme. Reine B.
ungsmittel Waid (früher zum Blaufärben benugt), |ift wenig haltbar, eine wäſſerige Löſung um fo
Kleie x. Benifel.
Blaumeiſe, |. Meilen.
meniger, je concentrirter fie ift; es bilder ſich bei
der Zerſetzung ameiſenſaures Ammoniak unter Ab-
Blaumelken, das Blauwerden der Mil; f.|icheidung eines braunen Körpers. Jedoch verhindert
Mich u. Batterien.
Blaumerle, i. Blauamſel.
Blaunafe, Fiſch aus der Gattung der Braf-
fen; ſ. d.
Blaurabe, Blaurade, fo v. w. Mandelträhe.
Blaurer, f. v. w. Blaarer.
der Zufag weniger Tropfen Schwefel- od. Phos-
pborjäure diefe Zerfegung. Die B. befigt einen
eigenthümlichen, leicht zu erfennenden Geruch nad)
bitteren Mandeln; beim Einathmen wird fofort
ein betänbendes Gefühl u. zugleich ein Kragen im
Schlunde empfunden. Sie ift das am ſchnellſten
Blaufäure (Cyanwaſſerſtoffſäure, Acidum|mwirfende Gift, welches befannt it. Der Dampf
hydrocyanicum, A. borussicum; Chem.) HCN|der reinen Säure wirkt, eingeathmet, momentan
oder
Cy, höchſt giftige orgamiihe Säure, von|töbtlih, ebenfo die flüffige Säure, wenn fie mit
Scheele 1782 entdedt, von Gay-Luffac 1811 näher|den Schleimhäuten in Berührung kommt. Ber
unterfucht. Die B. kann leicht aus Cyanmetallen, dünnte Säure wirft je nad der Berbünnung u.
Biererd UniverfaleEonverfations:Lerifor. 6. Aufl TI. Band. 33
514
Größe der Doſis nach längerer Zeit tödtlich. Bei
der Bevergiftung laſſen ſich ganz beſtimmte Sym-
ptome u. drei Stadien unterſcheiden. Es tritt zuerſt
Schwindel, erfchwerte Reipiration und verftärkter
Herzihlag ein, worauf aber bald Krämpfe folgen,
verbunden mit einem Zurückwerfen des Kopfes,
Erflarrung der Ertremitäten u. Berluft der Em-
pfindung. Diefes zweite Stadium dauert länger
u. lann je nad) der Stärke der B. eine bis fünf
Minuten lang anbalten, wonach fi eine allge
meine Erichlaffung des Körpers u. große Un—
eımpfindlichkeit zeigt. Nur die Refpiration u. Herz.
thätigfeit dauern noch fort, werden aber allmählich
ſchwaͤcher, bis fchließlih der Tod erfolgt. Das
fette Stadium dauert am längften u. fann bei
verbünnter B. 10—20 Minuten anhalten. Diefe
Symptome laſſen fih leicht erfennen, wenn man
Thiere benugt, die fich einigermaßen widerftands»
fähig gegen B. zeigen, wie gel oder am beften
Ratten, Es gelingt dann fogar, ein Thier, wenn
e3 fich noch im zweiten Stadium der Vergiftung
befindet, dadurch wieder vollftändig zum Leben zu
bringen, daß man ihm einen Strahl kalten Waj-
fers auf den Kopf leitet; nach dem Eintritt in das
dritte Stadium gelingt dies nicht mehr. Eigent-
lihe Gegenmittel gegen B. außer diefem find
nicht belannt u. wären fchon wegen der ſchuellen
Wirkungsmeife des Giftes faum anwendbar. In
ganz verdünntem Zuftande kann die B. ohne Ge-
fahr in den Magen gebracht werden, und es ift
außer obengenannten Präparaten eine zmeipro-
centige mwäfjerige Löſung officinell. Zur Hadmeif-
ung der B. in einer Flüffigleit Tann man letztere
mit etwas Schwefelammontum verdampfen, mobei
ſich Schwefelcyanammonium bildet. Diejes gibt
mit Eifenchloriblöfung eine intenfiv rothe Färbung.
Zum Nachweife der B. bei gerichtlichen Unterſuch⸗
ungen bat man dieſelbe zuerft durch eine ftärkere
Säure (Weinfäure, Schwefeljäure) auszutreiben
und durch Deftillation zu trennen, worauf man
mit dem Deftillat die oben angegebene, ſowie
noh manche andere Reactionen anitellen Tann.
Die Berbindungen der B. mit den Metallen, j.
Eyanverbindungen. Elören.
Blaufäurejalze, ſ. Tyanverbindungen.
Blaufpath, o v. mw. Lazulith; ſ. d.
Blaufpecht, fo v. w. gemeiner Kleider.
Blauftrumpf, 1) Spion, Angeber, Berräther;
foll daher fommen, daß fonft in einigen Städten
die mit der geheimen Wolizei Beauftragten blaue
Strümpfe getragen hätten. 2) Die gelehrten u.
belletriftifchen Damen, die über ihrer gelehrten
Beihäftigung u. Schriftftellerei die eigentliche Be—
ftimmung des Weibes als Hausfrau, Gattin und
Mutter vergefien u. verfänmen. In der Mitte
des 18. Jahrh. hatten fi in London mehrere
gelehrte Damen u. Männer zu einem Club ver:
eint, aus welchem das Kartenjpiel verbannt, und
worin die Unterhaltung die Hauptſache fein follte,
Solche Gejellichaften hielten bef. die Damen Eliza,
Diontague, Ord u. A. An diefen Gejellichaften
zeigte ſich öfter der Geiftlihe Benjamin Gtilling-
jleet, welcher bei fonderbarer Kleidung aud blaue
(oder vielmehr graue) Strümpfe trug. Dieje
Strümpfe gaben dem Admiral Boscamwen die Ber-
Blaufäurefalze — Blaye.
Stocking-Soeieties zu nennen, Der Name 8.
entjtand nicht erft um 1781 (denn Stillingfleet ftarb
1771), jondern fon um 1757.
Blaufucht (Cyanoje; Adjectivum: cyanotifd;
Med.) nennt man einen Zuſtand, bei welchem die
äußere Haut, bej. die hervorragenden Theile des
Körpers (Nafe, Ohren Lippen, Wangen, Finger,
männlihes Glied), meift auch die fichtbaren
Schleimhäute (des Mundes, der Zunge, der Augen,
der weiblichen Gejchledhtsorgane) infolge von Blut»
anhäufung in den oberflädhlichften Benen u. ver-
mindertem Sauerftofigehalte des ftagnirenden Blu-
tes bläulich — erſcheinen. Der genannte Zu-
ftand erftredt fich entweder nur auf einen Körper-
theil, wenn der Blutabfluß aus demfelben gehin-
dert ift (jo entiteht 3. B. Eyanofe des Unterarmes
u.der Hand, wenn der Oberarım durch eine Binde
feft umſchnürt wird), oder auf dem ganzen Körper,
wenn die Strömungshinderniffe des Blutes in den
lungen oder im Herzen liegen, Je nachdem bie
Strömmngshinderniffe vorüibergehender Natur od.
bleibende find, befteht die Cyanoſe mur kurze Zeit,
oder die ganze Lebensdauer. Borlibergehender
Natur find eine Anzahl Kehllopfs-, Lungen- und
ai ii und gehören hierher ausgedehnte
ungenentzündungen, Blähungen der Yungen-
bläschen beim Keuchhuften, mafjenhafte Ausichwig-
ungen in dem Bruftjelljade, Krampf der Stimm-
rite, Bräune, Herzbeutelentzündung zc.; bleibender
Natur find Lungenemphyfem, Lungenſchwindſucht,
Klappenfehler des Herzens, Offenbleiben des ei-
runden Loches im Herzen ꝛc. Sehr häufig be-
obachtet man in den legten Lebensftunden infolge
von Herzſchwäche, Herzlähfmung allgemeine Eya-
noje, 3. B. bei Cholera, bei welder fi, außer
durch Berminderung der Aufnahme von Saueritoff
in den Lungen, durch eine vermehrte Abgabe von
Sauerftoff u. vermehrte Aufnahme von Kohlen-
fäure in den oberflächlichen Körpercapillaren die
Cyanoſe zu den bekannten hohen Graben fleigert.
Die Behandlung befteht in Entfernung der Urſache,
ſoweit dies möglich ift, alfo in Heilung des Keuch-
huftens, derfungenentzündung, der Herzihmwächezc,;
Wein, Branntwein u. andere Alkoholica find in»
folge ihrer aufregenden Wirkung im Allgemeinen
geeignet, die Herzlraft wenigftens eine huge Zeit
lang zu unterftügen.
Dlautopf, Landjee; ſ. u. Blau.
Blanvogel (Blauamjel), j. u. Weihe,
Blauweihe, ſ. u. Weihe.
Blavet, 133 km langer Kiüftenfluß in Franf-
reih; fommt aus dem Dep. der NKüfte, mündet
bei Port Louis im Dep. Morbihan ins Atlantifche
Meer; von Pontivy bis zum Meere ift er durch
17 Schleuſen ſchiffbar gemacht; er verichwindet
auf feinem Laufe 600 m lang unter Felſen.
Blaye, Hauptftabt des gleihnam. Arr. im
franz. Dep. Gironde, am rechten Ufer der bier
2 Stunden breiten Gironde; Feſtung 1688 von
Bauban angelegt, dedt Borbeaur; Gericht eriter
Inſtanz, Handelsgeriht; Seeſchule; beater;
Aderbaugejellihaft; Zellengefängniß, Eivil- und
Militärjpital; Leinwand» u, Fayencefabr.; Schiff-
bau u. Schifffahrt; Handel mit Wein (Blaye,
weißer" Franzwein), Öl, Rofinen; 4478 Ew. —
anlafjung zu dem Wige, dieſe Gejellichaften Blue-/B. hieß im Alterthum Blavia u. war eine fefte
Blaze — Blechfabrifation.
515
Stadt der Santonen im Aquitaniſchen Gallien. durch gut gewählte fomifhe Staffage. Namentlich
Hier ſoll nah Einigen 567 Charibert v. Neuftrien
(nad Anderen 631 Herzog Charibert od. Aribert
von Aquitanien) geftorben, auch 778 Roland mit
feinem Schwerte beigejeßt worden fein. Im
Mittelalter eroberte e3 Graf Wilhelm von Angou«
Ieıne u. wurde von dem Herzog von Aquitanien
ald Graf von B. damit beiehnt. Ihm folgte
fein Sohn Alduin; diefer, von feinem Bruder
Gottfried daraus vertrieben, nahm es wieder,
ſchenkte ihm aber einen großen Theil der Graf-
Schaft. Nach dem Ausſterben des Gottfriedjchen
Stammes fam B. an die Herzöge von Öuienne,
die es mit Bordelais veremigten. 1568 wurde
B. von den Protejtanten eingenommen; doch
murden biefe von der Ligue wieder vertrieben;
1593 wurbe 3. vergebens von dem Marſchall
von Mantiguon belagert. 1832—33 jaß die Her-
zogin von Berry in B. gefangen.
Blaze, Heury, f. Bury.
Blazuabatz, Milivoge Petrowitſch, fer-
biſcher Staatsmann, geb. 1826 in dem Dorfe
Blaznawa; trat früh ins vaterländifche Heer und
war bereit8 1849 Major; er ging 1850 nad
Wien, dann nad Frankreich, wo er ın der Kriegs»
ſchule ftudirte u. in Paris in der Staatsölonontie
fich unterrichten Tieß, u. bierauf nach Belgien, wo
er die Waffen u. Maſchinenfabriken befuchte. 1860
wurde er unter dem Fürſten Michael Kriegami-
nifter, richtete die ſerbiſchen Militäranftalten nach
franzöſiſchem Mufter ein u. brachte eine ſtarke
Nationalmiliz auf die Beine. Nach der Ermordung
des Fürſten Michael (1868) wurde er von der
Stuptidina zum Mitgliede der Megentfchaft für
den minorennen Fürften Milan ernannt, trat im
Auguft 1872, als der Fürſt mündig geworden
war, an die Spige des Minifteriums umd führte
au das Kriegsportefeuille. Er ft. 5. April 1873,
led; nennt man alle durh Hämmern oder
Walzen von Metallen erzeugten plattenförmigen
——— deren Dicke im Verhältniß zu Länge u.
reite unbedeutend iſt. Die nöthigen Eigenjchaften
find: volllommen ebene Oberfläche, ohne Beulen u.
Falten, Glätte, volllommen gleiche Dide an allen
Stellen einer Tafel, Zähigleit, um Biegen auszu«
halten, u. Reinheit, d. 5. Freiſein von Brichen u.
Riſſen oder Berboppelungen. Es werben faft alle
in der Induſtrie angewandten Metalle zu B-form
verarbeitet, u. zwar heute nur noch durch Walzen,
fo daß es aljo gibt: Eiſen-, Kupfer-, Meifing-,
Stahl-, Gold-, Silber⸗, Blei⸗, Neuftibere, —
u. ſ. w. In manchen Gegenden Deutjchlands
verſteht man unter B. auch wol nur das verzinnte
Eiſen-B., ſonſt auch Weiß-B. genannt. Das
Nähere ſ. u. den betr. Artikeln.
Blechen, Karl, bedeutender Landichaftsmaler,
geb. 1797; malte zuerft Decorationen, bereifte
dann, nachdem er fid) der höheren Kuuft gewidmet,
Italien u. wurde 1835 Mitglied u. Profeflor der
Berliner Akademie; er ft. 1840. Das Gharal:
teriftiiche feiner Kunſt ift, daß er die Natur nicht
in ihrer gemöhnlihen Erſcheinung wiedergab,
fondern das Beſondere, feltener u. nur unter be»
fonderen Bedingungen Hervortretende, u. zwar Hu
moriftiihe im ihr zur Darftellung wählte. Die
in feinen italieniihen Landichaften tritt das iro—
nische Element lebhaft hervor. Daneben pflegte
B. aber auch das Schauerliche, bleibt jedoch dort
wie bier geiſtreich und beſounen. Hauptwerle:
Gegend ber Narni; Golf von Spezzia; Neapoli-
taniſche Fiſcher; Römiſche Hirten; Anſicht von
Neapel; Kloſterhof von Viterbo; Winterlaudſchaft
aus der Schweiz. Weguet.
Bledyfabrifation. Die Metalle u. Metall
legirungen, welde zu Blech verarbeitet werden
jollen, fommen entweder in breiten Stäben, Pla-
tinen genannt, oder in dien gegofjenen Platten
zur Verwendung. Die Darfiellung der Bleche
geihieht entweder unter Hämmern, oder durch
Walzen. Erfteres Verfahren, das geichlagenes
Blech liefert, kann kaum jemals vollfommene,
namentlich gleich dide u. ganz glatte Bleche lie-
fern, ift alfo bei der heutigen Vollkommenheit
der Walzwerfe gänzlich verlafien. Die alten
Blehhämmer waren durch Waſſer betriebene
Schwanzhämmer, der Hammer u. Amboß waren
länglid vieredig u. beide etwas gemwölbt, um das
Metall beffer zu treiben. Ahnliche Couftructionen
findet man heute noch in den ——— wo
Schippen und andere flache Werkzeuge gemacht
werden. Seitdem in der Eiſenhüttenkunde das
Puddeln u. damit die Walzwerke erfunden wur—
den, wird auch ziemlich alles Biech durch Walzen
dargeftellt, ı. die heutigen Keffelbiehe, Rahmen-
bleche für Locomotiven od. Panzerplatten, in ihren
oft ganz riefigen Dimenfionen (von 2 m Breite
u. 5—6 m Länge, bei Diden von 10—25 mm
u. mehr) find nur mittels ebenjo riefiger Walz.
werfe darzuftellen. Ein Blechwalzwerf befteht wie
alle anderen Walzwerfe in der Hauptſache aus
den beiden Walzen, zwei genau und glatt abge»
drehten meijt eijernen, ſelten ftählernen Eylindern,
die jo lang, od. etwas länger find, als die größte
Breite der damit zu mwalzenden Bleche beträgt.
Diejelben find mittels angedrebter Zapfen horizon-
tal u. genau parallel über einander in einem
Gerüfte gelagert, welches von zwei mittel8 einer
gemeinfamen Grundplatte folide mit einander ver-
bundenen Walzenftändern gebildet wird. Die
Zapfenlager laſſen fih dur Stellihrauben in den
Ständern genau richten und fejtitellen. Gemöhn-
ih wird nur die unterfte Walze in Rotation ver«
fett, die obere dreht ſich danı durch Die beim
Paffiren der Bleche erzeugte Reibung von felbft.
An der oberen Walze befindet fich meift auch noch
eine Borrichtung, um vdiejelbe nach erfolgtem
Durchwalzen nicht plöglich auf die untere herab—
fallen zu lafjen, indem jene mittels Federn oder
Hebeln mit Gegengewichten, die von unten auf
ihre Zapfenlager wirken, gehoben wird; der nad)
jedem Durdywalzen zu verlleinernde Abjtand bei-
der Walzen wird durch von oben auf ihre Zapfen-
lager wirfende Drudihranben requlirt, die vei
großen Walzwerfen dur aufgeftedte Räderwerke
verbunden find, um beide vollfommen gleigmäßig
u. gleichzeitig anziehen zu können, ie Walzen
ftreden das Metall hauptſächlich nach der Yänge
(in der gegen die Yängenrihtung der Walzen
rehtwinfeligen Richtung), u, je dünner die Walzen
tomiſche Wirkung der Landichaft fteigerte B. noch ſind, alſo einen je größeren Winfel ihrer Peri—
33”
>16
jireden fie. Die Heinften, mit der Hand bewegten
Walzwerke findet man in den Goldarbeiter-Werf-
ftätten zum Streden der edlen Metalle, oder zum
Plätten von Drähten (daher auch Plättwerfe). Die
Walzen find nur200—300 mm lang und haben
70—150 mm Durchmeſſer; fie find meift aus ge-
härtetem Stahl hergeftellt und wohl polirt, um
möglichft glatte Bleche zu liefern. Größere Walz.
werte findet man in Münzen zum Darftellen von
Gold- u. Silberblehen, aus denen die Münzen
berausgefchnitten werben, od. in Neuftiberfabriten
zur Herftellung der Argentanbleche, die größten
aber in Eijenhütten für die ſchweren Keſſelbleche
oder die Banzerplatten der heutigen Kriegsmarine.
Da einzelne Metalle, um einen beftimmten Grad
von Dehnbarteit zu erhalten, der Erbitung be»
dürfen, jo find mit den Walzwerten auch Glüh—
vorrichrungen verbunden. Dieje beftehen gemöhn-
lich in Flammöfen, in denen die Metalle durch die
über diejelben hinftreichende Flamme zum Glüben
gebracht werden. Eijen und Stahl müfjen ftets
glühend fein, wenn fie in die Walzen fommen,
auch Kupfer pflegt man glühend zu verarbeiten.
Dieſes wird zuerſt in dide Platten gegoffen, welche
man warm zwiſchen die Walzen bringt. Ber:
oldetes u, verfilbertes Kupferbledh, wie es im der
opffabrifation Anwendung findet, wird fo her-
geftellt, daß man noch ziemlich ſtarke Bleche auf
der Oberfläche gut reinigt u. die ausgewalzten
Gold oder Silberblehe darauf legt, ftart glüht,
u, in ein Walzwerk mit fein polirten Stahlwalzen
bringt. Dagegen werden Meifing, Argentan und
Tombak, auch Gold u. Silber nur von Zeit zu
zu Zeit ausgeglüht, um ihm die durch das Wal.
zen hervorgerufene Sprödigfeit zu nehmen, wäh—
rend man die leicht fjchmelzbaren Metalle, mie
Zinn, Blei und Britanntametall, kalt verarbeitet;
Zink wird am beften auf 100—150* 0. erwärmt,
bei welcher Temperatur e8 am meiften dehnbar
if. Blei gießt man erft in 25—40 mm ftarfe
Platten u, walzt diefe aus, indem man mehrere
über einander legt u. die Berührungsflächen mit
Zalg beihmiert. Die rohen Blechplatten werben
ſchließlich in Tafeln zugerichtet, indem fie durch
Beſchneiden mitteld einer von Waffer- od. Dampf»
fraft getriebenen Scheere die erforderliche Größe
erhalten. Meffing- u. Zombakbiehe werden mit
verbünnter Schwefelfäure abgebeizt, um die duch
das Glühen entjtandene Oxydkruſte zu entfernen.
Über Berziunen des Eifenbleches (Schwarzblech);
zur Darftellung von Weißblech, fiehe den Artikel
Eiſenblech.
Blechhammer, ſ. Blechfabrilation.
Blechleere (Technol.), Inſtrument zur Er-
mittelung der Stärle von Metallblechen. Es be-
fieht aus einem flahen Stahlftüde mit Ein-
jhnitten von zunehmender befannter Weite. Die
Einſchnitte werden auf das Blech geichoben, bis
man deu der Bleditärke entiprecdhenden findet;
die dabei ftehende Nummer gibt die Stärke des
Bleches. Die Fabritanten find übereinge-
fommen, nur nach gewiſſen feftgeftellten Maßen,
beftimmt durch die Pormalleere, die Stärke der
Bleche abzuſtufen. Gieſeler.
Blechmüunzen (lechpfennige), 1) fo v. w.
Blechhammer — Bleek.
pherien an der Berührungsftelle bilden, deſto ſtärker Vracteaten.
2) Nur auf einer Seite geprägte
Scheidemünzen.
Blechnum L. Farnfrautgattung aus der am.
der Polypodiaceen; die zahlreichen, von einem
Schleier bededten Sporenbäufchen find meift Finea-
liſch u. fiehen auf der inneren Seite eines durch
die anaftomofirenden Secundärnervs gebildeten,
dem fruchtbaren Blatte eigenthümfihen Nerd,
dem Mittelnero parallel. Art: B. Spicant (L.)
Roth., mit jpivalig geftellten, einfach-fiedertheiligen
Blättern, von denen die unfrucdhtbaren, überwin⸗
ternden horizontal abftehen u. zahlreiche gemäherte,
Ihmale Abichnitte befiten, während die in ber
Mitte des Büſchels ftehenden fruchtbaren Blätter
viel länger u. aufrecht find u. entfernter ftehende
Abjhnitte haben. Die Pflanze findet fi fait im
ganz Europa in Bergwäldern, aber aud) in Kam-
tihatlfa u. NAmerika. Zahlreiche andere Arten
in der tropiichen u. fubtropiihen Zone. Engler.
Bleda, Bruder u, feit 433 mit Attila König
der Hunnen; wurde 445 von diefem ermordet;
j. u. Hunnen,
Bledow, Ludwig, vorzügliher Schachſpieler,
geb. 27. Juli 1795; ft. 6. Aug. 1846 als Yebrer
der Mathematif am Köllnifhen Realgymnafium
in Berlin. Er war Gründer der Berliner Schad-
ſchule u. der Schadhzeitung (1846).
Bledfoe, County im nordamerifan. Unions-
ftaate Tenueffee, u. 35° n. Br. u. 63° w. L.; 4870
Em.; Countyfit: Pickeville.
leek, 1) Friedrich, bedeutender Theolog,
geb. 4. Juli 1793 zu Arensböd in SHolftein;
jtudirte zu Kiel 1812, Berlin 1814— 17, ward 1818
Nepetent zu Berlin, 1823 dajelbft außerordentlicher
Profefjor u. lehrte feit 1829 zu Bonn; er ft. dort
27. Febr. 1859. Seine Leiftungen in bibfiicher
Eregeje u. Einleitung gehören zu den bedentend-
jten der Theologie diefes Jahrh. Er jchr.: Der
Brief an die Hebräer, erläutert durch Einleitung,
Überjetung uw. fortlaufenden Gontmentar, Berl.
1828—40, 3 Bde.; Beiträge zu der Evangelien-
fritif, ebd. 1846. Nach feinem Tode erichienen:
Einleitung in das U. T. von I. F. 2. und U.
Bomben, 2. A., Berl. 1865; Einleitung in
das N. T., 2. Aufl., ebd. 1866, 3. Aufl., 1875;
Spnopt. Erflärung der drei erften Evangelien,
herausg. von H. Holgmann, Leipz. 1862; Bor-
lefungen üb. die Briefe an die Koloffer, Philemon
u, die Ephejer, 1865; Über die Apofalypfe, Berl.
1862. 2) Wilhelm Heinrid Immannel,
Sohn des Bor,, namhafter Sprachforſcher, geb.
8. März 1827 in Berlin; widmete fich jeit 1845
in Bonn u. Berlin philologiſchen u. ſprachwiſſen⸗
Ihaftlihen Studien. Dur Erkrankung gezwungen,
jenen urſprünglichen Plan, an der Niger-Erpedi-
tion unter Bailie 1854 theilzunehmen, aufzugeben
und nah England zurüdzufehren, wandte er ſich
1855 nad dem Gaplande, wo er in Begleitung
des Biſchofs Colenſo Natal und das Fand der
Kaffern bereifte. 1856 wurde er von dem Gou—
verneur Grey in Gapftabt angeftellt u. verweilt
noch dajelbft als Bibliothelar von deſſen hinter-
lafjener berühmter Bibliothef. Schon in Europa
hatte er fi) der Aufbellung der füdafrifan. Spra-
hen zugewandt (De nominum generibus lingua-
rum Africae australis, Bonn 1851), weiches
Blegno — Blei.
Studium er mit Erfolg in Afrila fortfeßte (The
Languages of Mosambique, Lond. 1856; Hand-
book of African, Australian and Polynesian
philology, 3 Bbe., Capſt. 1858—63; Compara-
tive grammar of South-African languages, ebd.
1862—65; Reynard the Fox in South-Africa;
Hottentot fables and tales. 2ond. 1864; The
Library of His Excell. G. Grey, 2 Bde.,
Gapft. 1858). Auch an der Forſchung über den
Uriprung der Sprade (Weimar 1868) it er be+
theiligt. 1) Löffler. 2) Zhielemann.
Blegno (Bfenio), Bezirk u. Thal des Fluffes
Dlegno, auch Brenno, im ſchweiz. Kant. Zeifin;
7170 kath. Einw., in 18 Kirchgemeinden; er-
ftredt fih vom Fuße des Lulmanier im N, bis
zum BZufammenflufie des B. mit dem Teſſin
517
rotben Dämpfen leicht auf, indem ſich falpeter-
jaures B-oryd bildet. Schwächere Säuren, nament-
lich Eſſigſäure, beichleunigen bei Gegenwart von
Luft Die Orydation des B-c8 auferordentlich, daher
it beim Gebraude bleierner, bleihaltiger od. mit
bleihaltiger Glafur verjehener Gejchirre große Bor»
ſicht nöthig. Das B. des Handels enthält ge
wöhnlich Heine Mengen von Kupfer und Eifen,
auch wol Spuren von Silber. Zur Erkennung
des Bees kaun im vielen Fällen Schwefelwafler-
ſtoffwaſſer benutzt werden. Daſſelbe färbt bleihal-
tige Körper (Anftreichfarben zc.) intenfiv ſchwarz
u. gibt mit bleihaltigen Flüffigkeiten einen jchwar«
zen Niederichlag, od. bei ſtarker Verdünnung eine
braune Färbung.
B. Borfommen, B. findet fih in der Natur
im ©., als Thal etwa 2 km breit, umfaßt gegen |jelten gediegen und dann meift im dünnen Blätt-
495 km; Boden frudtbar an Wein (der jedoh|chen oder haar» u. drahtfürmig, 3. B. beim Al-
von geringer Qualität ift), Kaftanien und Ge—
treide. Die Eimvohner gehen im Winter als
Kaftanienbrater ind Ausland. Ein Felſenſturz
von 1512 warf einen Schutthaufen auf, der 1714
vom Brenno durhbroden wurde, was die ganze
Riviera (unterer Theil des Teſſinthals) ver-
müftete., rüber wurde B. von den Echmweizern
das Bollenzer- od. Polenzerthal genannt,
Blei (lat. Plumbum, em. Zeichen Pb, Atom-
gewicht 207). A. Eigenihaften Metall von
bläulich-weißer Farbe u. ftarfem Metallglanze, an
der Luft mit einem glanzlofen grauen Häutchen
von B-juboryd fich überziehend; fpec. Gem. 11,,.
Es ift in reinem Zuftande jehr weich (Härte = 2),
läßt fi) mit dem Meſſer ſchneiden u. färbt fhou
auf Papier ab; ein geringer Gchalt von Antimon
erhöht feine Härte bedeutend. Es faun zu dünnen
Blättern ausgewalzt, auch zu Drähten ausgezogen
werben, jedoch haben die legteren mur geringe Fe—
ftigleit, jo daß ein Drabt von 2 mm Durchmeffer
ihon bei 9 kg Belaftung reift. Es jchmilzt bei
334°, verdampft in der Weißglühhitze und kann
dur langſames Erfaltenlafjen in undeutlichen Kıy-
ftallen erhalten werden, Beim Erhigen an der Luft
orydirt es ſich rafch u. verwandelt ſich zunächſt in
ein gelblich-granes Gemisch von B-fjuboryd u. B—
oryd (B⸗aſche), bei fortgejegtem Erhitzen im gelbes
Beoxyd. In feuchter Lust, im Verührung mit
lufthaltigem Waffer od. bei abwechſeludem Zutritt
von Luft u. Waffer orydirt es fich rafch zu B-oryd»
bydrat, welches in Wajjer etwas löslich if. Ente
hält dag Waſſer aber, wie 3. B. Brunnen“ und
Flußwaſſer, etwas Kohlenjäure, fohlenfaure oder
ſchwefelſaure Salze, jo entftehen faft ganz unlös-
lihe Berbindungen (lohlenfaures u, ſchwefelſaures
B-oryd), die einen feft haftenden Überzug bilden
u. jo die weitere Oxydation des Bes hindern,
fton-Moor in Eumberland in Kallſtein, in Lava
auf Madeira u. mit Eijenglanz u. Magneteijen
bei Peisberg in Wermland; dagegen häufig im
Verbindung mit Schwefel, theild für fich allein
als Schwefelblei oder B-glanz (ſ. d.), theils in
Verbindnug mit anderen Schwefelmetallen. Mit
Schmefelantimon zujammen bildet Schmefelblei
den Zinfenit oder Bleiantimonglanz, der PbS +
Sb,S, ift, den Blagiomit der 4PbS + 3Sb,8,,
der Jamefonit der 2PbS + Sb,$S,, u. Bou«
langerit, der 3PbS + Sb,S, ift, ſowie mehrere
andere feltene Mineralien; mit Schwefelarienif
zujammen den Bleiarjenglanz oder Binnit
PbS + As,S,, den Dufrenoyfit 2PbS + Au,S,,
mit Schweiellupfer und Schwefelantimon den
Bournomit 3(Cu,Pb)S + Sb,S,; mit Selen
verbunden findet es ſich im Selenblei PbSe u.
Selentupferblei PbCu,Se, mit Tellur im
Zellurblei PbTe. Die Sanerftoffverbindungen
des Dres finden fih natürlich als Glätte PbO,
Mennig Pb,O, + PbO, jowie als Plattnerit
PbO,; tohlenſaure Verbindungen find der B-jpath
oder das Weißbleierz PbCO, u. der Plum—
bocalcit (CaPb)CO,; ihwefelfaure Verbindungen
find der Bpitriol PbSO,, fowie der Lanarkit
Pb,SO,; hromfjanre Verbindung ift der Phöni—
todroit Pb,Cr,O, u. das Rothbleierz PbCrO,;
die molybdänjaure Berbindung ift das Gelbblei—
erz oder der Wulfenit PbMoO,, die wolfram«-
jaure das Wolframbleierz PbWO,, die vana—
dinfanre der Dechenit PbV,O,; die arfenikjaure
Verbindung ift der Mimetefir oder das Grün—
bleierz, die phosphorfaure das Buntbleierz;
beide enthalten aber noch einen beftinnmten Autheil
der Ehlorverbindung PbCl, die ſich für ſich allein
als Eotumnit felten findet. u. y Verbindung mit
fohlenjaurem B⸗oxyd das Behörnerz und mit
Ehlormetalle umd falpeterfaure Salze, namentlih|B.oryd den Mendipit bildet. Meines B. läßt
aber fich zerjegende organische Subſtanzen erhöhen ſich auch, als B-baum (Arbor saturni), in Den-
die Löslichkeit de8 B-ed. Dies Verhalten des Bees |driten, d. i. baumähnlihen, aus kryſtalliniſchen
ift beſonders beachtenswertb, wenn es fi um die] Blättern beftehenden Maſſen, aus Bieifalzen aus—
Berwendung deffelben zu Wafferleitungsröhren han- |fheiden. Man erhält den VB-baum, wenn man
delt, da B-verbindungen ftarte Gifte find. Salz jeine Zinfftange in eine mit etwas Eſſigſäure ver»
fäure u. Schwefelfäure greifen B. auch beim Er= |jegte Löſung von effiggaurem Bletoryd (Bleizuder)
märmen nur wenig an, da ſich eine feit haftende eintaucht. Die Blättchen jegen fi zunächſt an das
Dede von unlöslihem Ghiorbrei, reſp. ſchwefel- Zink an u, ftellen nun mit dieſem u. der Blei»
faurem B-oryd bildet. Mäßig concentrirte Sals|zuderlöfung eine galvaniſche Kette dar; durch den
peterfäure löft das B. unter Entwideluug von gelb-I Strom diefer Kette wird das ejfigfaure Bleioryd
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in der Weife zerfett, daß das Blei fih an die be
reits ausgeichiedenen u. innerhalb der Flüſſigkeit
den negativen Bol darftellenden Bleiblättchen an-
etzt, während der Eijjigläurereft mit dem den po»
fittven Pol bildenden Zink fich zu eſſigſaurem Zink—
oryd verbindet. Dadurch wachſen die Blerblättchen
und breiten fich bald Durch die ganze Flüſſigkeit
us, bis diefe ſchließlich nur effigiaures Zinkoryd
entbält.
C, Darftellung. Chemifch reines B. ftellt
man durch Glühen von reinem B-oryd in einem
Kohlentiegel, oder durch Glühen eines innigen
Bemenges von reinem B-oryd und Koblenpulver
var. Das B. wird im Großen faft ausſchüeßlich
aus B-glanz dargeftellt, der, wenn nötbig, von
der ihm begleitenden Gangart durch Vochen und
Schlämmen getrennt wird, wobei fih das Erz
wegen feines hoben fpecifiihen Gewichtes raſch als
feines Pulver (Schlied) abfegt. Da der B-glanz
faft immer etwas Silber enthält, fo iſt die Silber—
u. B-gewinmung gewöhnlich eng verbunden, wie
an den alten Sitzen der B-gewinnung, am Harz,
in Freiberg u. im Siegenfchen. Andere bedeutende
Begewinnung findet ftatt bei Tarnowig in Ober-
Schlefien aus den Erzen des dortigen Muſchel⸗
kalkes, in Holzappel an der Lahn, in Ramsbed
in Weftfalen, in Stolberg bei Aachen, in Kom-
mern in der Eifel, in Billa in Krain, Przibram
in Böhmen u, in England zum Theil aus eigenen,
größtentheild aber aus Spanien importirten Erzen.
Die ältere n. früher allein befannte Methode der
Bsgewinnung, die Niederfhlagsarbeit, grün-
dete ſich auf die Eigenschaft des Schwefelbleies, beim
Zufammmenichmelzen mit Eifen (Waſcheiſen, Eijen-
friſchſchlacken) Schmwefeleifen u. metalliihes B. zu
liefern. Es wird diefer Proceß in Schadhtöfen mit
Gebläſe ausgeführt. Da jedoch der meifte Brglanz
Blet,
es bededende ſchwerflüſſige Bftein (hauptſächlich
B-fubfjulfurat) wird zurückgeſchoben u. das B. ab»
geftohen. Das auf die eine oder andere Art ge
wonnene B. — Werkblei — enthält feine Mengen
von Kupfer, Eifen, Arien, Antimon, aud Zink,
u. wenn der B-alanz filberhaltig war, alles Sil-
ber deſſelben. Gilberfreies od. filberarmes Wert:
blei, welches durch die genannten Dietalle jo jtarf
verunreinigt ift, daß es nicht direct in den Handel
gebracht werden kaun, wird raffinirt (geveinigt),
indem man es unter Luftzutritt im einem ylamı«
ofen ſchmilzt, wobei die fremden Metalle ſich orvdi«
ren und als Krätze abgenommen werden können.
Enthält das Werfblei eine genügende Menge Silber,
jo wird e8 dem Abtreiben unterworfen (j. Sil-
ber); die dabei entjtehende B-glätte wird entweder
als ſolche in den Handel gebracht, od. durch Ein—
ihmelzen mit Kohle in einem Flammofen zu
metalliſchem B. reducirt (Friſchblei). Unreine,
antimonhaltige Glätte liefert ein antimonhaltiges
B. (Hartblei). Eine Aufſtellung berechnet die ge—
ſammte B-production Europas für 1873 in rum«
den Ziffern folgendermaßen:
Spanien 61,600 Tonnen,
— 19,000 „
ngland 76,000 u
Deutihland 54,000 „
Ofterrid 8000 „
Belgien 11,20 „
Stalien 32,200 Pr
Rußland 1250
D. Unmwendung des B-es. Das B. findet
eine vielfache Verwendung. Es dient in Form
von Platten zur Bededung von Gebäuden, zu
Siedepfannen für Schwefeljäure u. Waun, zu B—
fammern für Schmefeljäurefabrifen; ferner zu
Röhren u. Retorten, zur Fabrikation des Schrotes,
noch erdige Beſiandtheile enthält, die ſich durch Hagels :c., zu Kugeln, die zweckmäßig aus Stangen
Boden und Waſchen, die fogenannte Aufbereitung
der Erze, nicht alle entfernen laffen, fo geftaltet
fich der Proceß in der praftiichen Ausführung nicht
io einfach, wie oben bemerkt; es entiteht eine ige
von Zwiſchen- u. Nebenproducten, B-fteine, B—
fhladen ꝛc., die alle noch mehr od. minder blei-,
fülber-, auch fupfer- u. eifenhaltig find u. immer
wieder mit in den Proceß eingeführt werben, um
den nugbaren Metallgebalt zu gewinnen, worüber
u. A. Kerls Beichreibung der Oberharzer Hütten
procejie, Klausthal 1852, intereffante Auskunft gibt.
Die Röftarbeit beruht darauf, daß beim Er-
bigen von B-glanz mit B-oryd od. jhwefelfaurem
Beoryd fih unter Entwidelung ſchwefeligſauren
Gaſes metallifches Blei abjcheider
2PbO + .PbS 3Pb + SO,;
Beoryd u. B:glanz geben B. u. fhwefel. @äure;
PbSO, + PS = 2Pb + 250,
Schwefeli. Beorud u. Beglanz geben B. u. ſchwefel. Eäure.
Der B-glanz wird gewöhnlid in einem Flamm—
ofen mit einer im der Mitte vertieften Sohle unter
beftändigen Umrühren bei Luftzutritt erhigt (ge
röftet), wobei ſich durch theilweiſe Orydation dei-
felben B-oryb und fchwefelfaures B-oryd bilden.
Darauf werden alle Arbeitsöffnungen geſchloſſen
u. ftärter erhigt. Es findet dann die oben be»
ſchriebene Zerjegung ftatt, während deren ſich das
B. in der Bertiefung des Herdes anfammelt. Der
gepreßt werden; in Form von dünnem Blech (Folie)
zum Einpaden von Schnupftabaf (der dadurch leicht
bleihaltig wird!) u. Thee; als Draht zum Anbinden
in feuchten Räumen. Man benugt e8 ferner zum
Vergießen von metallenen Klammern in Stein,
zum Einfaffen von Fenfterfcheiben, zur Herftellung
gewiffer Legirungen (ſ. Belegirungen); endlich ftelt
man daraus eine Reihe wichtiger B-präparate,
wie B-zuder, Mennig, B-glätte, B-weiß ꝛc. dar.
Bebleche u. Tafeln werden aus dideren gegoffenen
Platten ausgewalzt; Bsröhren fertigt man im
neuerer Zeit, indem man geichmolzenes B. in
einen Eylinder gießt, in deffen untere Offnung ein
Dorn hineinragt, u. mittel8 eines Stempels durch
die fo entftehende ringförmige Öffnung hindurch—
treibt, wobei man durch gehörige Abfühlung dafür
forgt, daß das B, im Augenblide des Austretens
erftarrt. Zur Fabrifation von B-jhrot ſchmilzt
man B. mit 0,,—0,, pEt. Arjenif, wodurch es
die Eigenfchaft erlangt, fich leichter fürnen zu laſſen,
u. bringt es im Blechleffel mit fiebartig durch-
löchertem Boden, die in einem ſehr hohen Raume
(Thurme od, Schachte) aufgeftellt find. Die herab-
fallenden Tropfen runden fih dann volllommen
ab, werben in einem Gefäße mit faltem Waffer
aufgefangen, dur Siebe fortirt u. in rotivenden
Tonnen mit Grapbitpulver polirt.
B. ift, unter welcher Form es auch in den Kör⸗
Bleiamalgam
per gelangt, ſchädlich, felbit das reine metallische
B., indem es fich im Magen ſtark oypdirt, dann
ſowol in Dämpfen, als aud in feften Verbindun—
gen (f. Bvergiftung). Daher erheifcht jein Ge-
rauch als inneres Arzneimittel die größte Vor—
fiht, Außerlich dagegen läßt ſich das B. vielfach
als Heilmittel verwenden, weniger metalliih, als
in B-präparaten befonders zur Mäßigung von
Entzündung, Beſchränkung von Eiterung, bei Ver—
brennungen, bei von Liegen oder Neibungen ent«
ftandener Hautercoriation, bei Erfrierungen, bei
Augenentzündungen u. in anderen Füllen. Bol.
B-präparate,
Bleiamalgam, f. Quedfilberlegirungen.
Bleiaſche (Chem.), die gelb-graue Maffe, in
welche ſich Blei beim Erhiten unter Luftzutritt
verwandelt; ift ein Gemiſch aus Bleifuboryd u.
Bleioryd und geht bei fortgefegtem Erhisen in
Bleioryd über. Heper.
Bleibadfen nennt man aus Bleibleih von ca.
10 mm Dide gefertigte Futter für die Baden eines
Schraubftodes, die man einlegt, um bereits be-
arbeitete Stüde, oder leicht verletzbare Theile ein«
zufpaunen, da man diejelben der Berührung mit
den hart verftählten u. gerippten Eijfenbaden des
Scraubftodes nicht ausjegen will.
Bleibaum (Chem.), f. Blei.
Bleiberg (Deutich-B.), Dorf (eigentlich 5 Dör-
fer) im öfterreich. Bezirke Billa) (Kärnthen), am
Abhange des Berges Dobracz, rechts von ber
Drau; Drabtfeilipinnerei; 4061 Ew., wovon 2463 Ah
in Kreuth; dabei feit länger als 300 Jahren be-
triebenes Bergwerk, das jährlih 35—40,000 Etr.
Blei u. Galmet ergibt.
Bleiblech (aud Walzblei genannt) nennt man
unter Walzen hergeftellte dünne Bleiplatten. Das
Ausmwalzen des B-es ift jehr einfach, da das Blei
weich ift u. während des Auswalzens nicht geglüht
zu werben braucht. Anfangs läßt man die Platten
einzeln die Walzen paffiren, fpäter legt man 10
bis 12 auf einander u. beftreicht die einzelnen mit
{, um das Aneinanderhaften zu hindern. B. wird
benukt zu Dachdeckungen, namentlih in Eden u.
Kehlen, zu Bitriolfanmern, die dünnen Sorten
wol ald Enveloppen für Schnupftabat, was aber
fchädlich u. verboten ift.
Bleiblüthe (Min.), 1) arſenilſaures Blei, ein
Bleiorydjalz. 2) Erdiges Blei, erbiges Fleden-
erz, gelb, erdig; in Frankreich. 3) (Flocliges Blei-
erz, Flodenerz, Grünbleierz) Abart des arjenit-
fauren Bleies oder Mimetefits, zarte, nadelförmige,
nfammengehäufte Kryftalle od. feidenartige Fäden;
F Gew. 5—5; in Cornwall und Frankreich.
Bleibromid (Bromblei, Chem.), Verbindung
von Blei mit Brom von der formel Pb Br,,
weißes, Irpftalliniiches, jchmelzbares, in Waſſer
ſchwer lösfiches Pulver, welches fid) bei Einwirkung
von Brommafjerftofffäure auf Bleioryd od. durch
Füllung der Löſung eines Bleiſalzes mit Broms
natrium od. Brommafjerftofffäure bildet. Heber.
Bleibtreu, Georg, Schlachtenmafer, geb. 1828
— Bleichen. 519
zu widmen. Seine erften Bilder aus dem Deutſch-
Däniſchen Kriege von 1848—49 fanden günftigite
Aufnahme, namentlich feine Schladht von Koldıng
u. feine Vernichtung der Kieler Turner bei Flens—
burg. Nun griff B. zu dem Befreiungsfriegen
zurüd; es folgten fi) die Schladhten von Groß»
beeren, der Sturm aufs Grimmaiſche Thor in
Leipzig, die Flucht Napoleons bei Waterloo u. die
Schlacht an der Katzbach. Dann wählte B. feine
Stoffe aus dem Öfterreichifch-Franzöfiichen Kriege
in feiner Schlacht von Wipern. Der Deuticd-
Dänische Krieg von 1864 gab ihm Anlaß zu ſei—
nen Bildern: Treffen am Königshügel und bei
Deverfee, namentl. aber zu feinem trefjlichen über:
gange nach Alfen. Der Krieg von 1866 begeifterte
ihn zu feiner Schlacht bei Sadowa u. der große
Nationalfrieg von 1870—71 zu mehreren Werfen,
darunter: General Hartmann mit den Bayern vor
Paris, Alle feine Werke find von echt nationaler
Begeifterung getragen. Regnet.
leiburg, Stadt im öfterreich. Bezirke Völker⸗
markt (Kärnthen), an der Freiſtritz, Eifenbahn-
ftation; Gerichtsort; Schloß; Eifenwerle; 960 Em.
Hier 917 Sieg des Herzogs Eberhard von Kärnthen
u. des Herzogs Gottfried won Meran über die
Ungarn.
leicarbonat, fo v. mw. kohlenſaures Dlei-
oryd; j. Kohlenjäurejalze,
Dleicerat, |. u. Bleipräparate,
Bleichart, fo v. w. Bleichert; ſ. Nhein- und
rweine.
Bleichen, das Verfahren, durch welches Ge—
ſpinnſte und Gewebe aus Baummolle, Flachs,
Hanf, Wolle u. Seide, ſowie auch andere Pflau—
zen- u. Thierfubftanzen von dem ihnen gewöhnlich
anhängenden Farbſtoffe befreit u. in vollfommen
weißem Zuftande hergeftellt werden. Die Zerftör-
ung diefer Farbſtoffe erfolgt entweder durch den
Einfluß des Lichtes und der Luft (Mafenbfeiche),
od. weit fchneller durch chemische Mittel (Schnell-
bleiche). Es gibt demnach die Luft» u. Sonnen-
bleihe (Rajenbleide, natürliche Bleidhe),
die ältefte u. auch vortheifhaftefte, aber Zeit und
Mühe erfordernde, weiche anf einem der Luft u.
Sonne ausgejegten, mit Raſen bejetten Plage an
fließenden Waffer geſchieht. Die ausgeipannte,
durch hölzerne Bleichnägel angepflödte Leinwand
wird immer von Neuem mieder mit weichen,
fliegendem oder Regenwaſſer feucht erhalten und
vom Schlichte u. anderem Schmute befreit (ent-
fchlichtet), auch nach einiger Zeit umgewendet.
Garn wird zu gleiher Behandlung auf dem
Bleihplan auf Stäben aufgehängt und durch
ſolche ftraff erhalten. Fe milder das MWaffer ift,
defto ſchöner weiß wird das Zeug; auch durch
Than u. Schnee bleihen die Zeuge. Um eine
blendende Weiße zu erhalten, wird nad been—
digter Luftbleihe od. während derjelben der Stoff
noch gebeucht, d. h. in den hölzernen, am Boden
mit einer Öffnung verfehenen Beuchfäffern mit
einer fiedenden Yauge aus Pottaſche od. Soda ı.
zu Xanten; bezog 1843 die Akademie zu Düffel- | Kat übergoffen. Nah 2—3 Stunden zieht man
dorf, jtieß dort auf mehrfache Hinderniffe, ſo daß die Lauge ab, gießt eine neue Portion kochende
er jie nach fünfjährigem Beſuche verließ, kehrte |Lauge auf und fährt jo fort, bis die Lauge trüb
aber bald wieder zurüd, um fich feinen Studien unter u. braun wird,
Baummollene Zeuge werden
Prof. Hildebrand, u. zwar mit befjerem Erfolgeletwa dreimal, leinene zehn- und niehrmal gebeucht.
20
fließendem Waſſer ausgewaihen u. durch Klopfen
von dem durch das B. aufgeweicdhten Farbeſtoffe
gereinigt. Für die Luftbleihe eignen ſich auch
audere Pflanzen- u. Thierſtofſe, wie Papier (ſ.
u. Papierfabrikation), Stroh, Knocheu (f. u.
Beinarbeiten), Wachs (ſ. Wachsbleiche), Talg.
Zr Schnellbleiche Ichemiſche- oder Kunſt—
Bleiche) verwendet man Chlor (gasförmig od. in
waäſſeriger Löſung), unterchlorigſaure Salze (in wäj-
ſeriger Löſung) und ſchwefelige Säure; die bei—
den erſteren Körper dienen zum B. von Pflan—
zenfafern (Leinen u. Baummolle), der legtere zum
B. von thierifchen Subftanzen, wie Wolle, Seide,
Federn, Badeihwänmen, ferner Holz- u. Strob-
geflechten zc. Da das Chlor ſowol gasförmig, als
geröf in Waffer nicht nur die Farbſtoffe, jondern
ei längerer Einwirkung auch die Faſern jelbft
zerftört, außerdem aber das Einathmen beffelben
die Gejundheit der Arbeiter in hohem Grade ge-
fährdet, jo ift feine Anwendung auf wenige In—
dujtriezweige (Bapierfabrifation) beſchränkt. Dian
bringt die zu bleihenden Stoffe angefeuchtet in
niedrige, aus Steinplatten gebildete Kammern u.
feitet durch eine an der Dede befindlihe Öffnung
das Chlorgas ein, welches man durch Erhitzen
von Braunftein mit Galzfäure entwidelt. GChlor«
waſſer (Bertholletihe Bleichflüſſigkeit) ift wegen
ſeiner leichten Zerſetzbarleit zum B. im Großen
ganz ungeeignet; man erſetzt es zwedmäßig durch
eine der im Folgenden genannten Flüſſigkeiten.
Über die Behandlung der mit Chlor gebleichten
Flüffigleiten fiehe unten. Die oben hervorgeho-
benen, mit der Anwendung von Chlor verbun-
denen Übelftände treten in weit geringerem Maße
hervor beim B. mit unterchlorigſauren Salzen,
welche ftets in wäſſeriger Löſung angewendet wer-
den. Unter ihnen fteht wegen — Billigkeit u.
kräftigen Wirkung obenan der Chlorfalt (Bleich—
falf); außerdem benugt man noch die Javelliſche
Bleichflüſſigkeit (Eau de Javelle, Chlortali,
eine Auflöfung von unterdlorigjaurem Kalk), die
Labarracqueihe Bleichjlüjfigleit) (Eau de Labar-
racque, Chlornatron, Bleihwafjer), eine Auflöjung
von unterchlorigiaurem Natron. Die Anwendung
der unterchlorigjauren Salze, die an und für fich gar
nicht bleichen, beruht darauf, daß fie außerordentlich
leicht dur Säuren, u. zwar fchon durch die Koh—
lenfäure der Luft zerjett werden u. dabei unter»
chlorige Säure abgeben, melde an Bleichkraft das
Ehlor ſelbſt noch übertrifft. Das Verfahren ift
demnach ein ehr einfaches. Man taucht die zu bleich-
enden Stoffe in die möglichſt frijch bereitete Bleich-
flüffigfeit (im Großen ftets ein wäjjeriger Auszug
von Chlorfalf) ein u. fett fie einige Zeit der Luft aus,
od. man gibt, wenn man eine vafhere Wirkung er-
zielen will, zu der Bleichflüſſigleit eine ftärlere
Säure (Salzjäure od. Schwefeljäure) u. zieht die
Stoffe einige Male durh die Flüſſigleit. Die
chemiſche Wirkung ſowol des Chlors, al$ der un-
terchlorigen Säure bejteht darin, daß beide Kör—
per zunächſt dem Farbſtoffe (erft fpäter der wi—
berftandsfähigeren Faſer) Wafferftoff entziehen u.
hierdurch, fowie durch dem gleichzeitig freimer-
denden u. in diefem Zujtande bejonders kräftig oxy-
dirend wirfenden Sauerjtoff die Zerftörung des Farb⸗
Bleichen.
Zwiſchendurch, bei. das erſte Mal, werden fie in;ftoffes bewirken.
Es entitebt aljo unter allen
Umftänden Chlorwaſſerſtoff, der in den feiniten
Poren der gebleichten Faſern fejthaftet und, wenn
er nicht entfernt wird, diejelbe allmählich zerfrißt.
Ale auf eine der oben angegebenen Arten ge-
bleihten Stoffe müſſen deshalb zunächſt fergfältig
mit Waffer gewaihen werden. Da aber bierburd
allein die vollftändige Entfernung des Chlorwaſſer-
ftoffes erfahrungsmäßig nicht möglich iſt, fo taucht
man die Stoffe noch in eine Flüſſigkeit ein, Die
den Chlorwaſſerſtoff zeriegt u. in unſchädliche
Berbindungen überführt, Die durch Wafchen entferut
werden können. Man benutt hierzu allgemein
eine Auflöfung von unterjchwefeligiaurem Natron
(Antichlor) in Wafler, in neuerer Zeit auch Löf-
ungen von ſchwefeligſaurem und doppelt jchmefelig-
jaurem Natron, Die oben genannten Subſtanzen
(Wolle, Seide xc.), welche durch Chlor u. unter»
hlorige Säure gelb gefärbt werden, bleiht man
mit ſchwefeliger Säure, indem man fie angefeuchtet
in hölzerne Käften od. in Kammern bringt, auf
deren Boden Schwefel verbrannt wird. Die Seide
muß vorher eutichält, d. h. durch Waſchen mit
warmem Geifenwajler von ihrem gummiartigem
Überzuge befreit werden; durch dafjelbe Mittel
entfernt man auch das der Wolle aubaftende Fett
(Schweiß). Bei dieiem Berfahren erfolgt die Yer-
ftörung des Farbſtoffes Dadurch, daß die ſchwefelige
Säure demjelben Sauerftoff entziebt u. ihn dadurch
in eine ungefärbte od. wenig gefärbte Verbindung
überführt, Da die jchwefelige Säure fih dabet in
Schweieljäure verwandelt, jo müffen die gebleicy-
ten Gegenftände behufs deren Entfernung mit
Waffer u. alfaliichen Langen (Seifenwafjer, Soda-»
nd forgfältig gr werden, Heger.
Bleichen (Etiolement, Bergeilen), eine Kranf>
beit des Getreides. Die Abren ſtehen zwar aufrecht,
jind aber weißlich u. jcheinen weit eher reif geworden
zu jein, als die übrigen, find jedoch förnerios. Die
Halme folder Pflanzen enthalten ein pulverför-
miges, gelbliches Dlart, u. die Knoten der Halme
im Jnuern find durchbohrt. Urſache iſt die ſchwarze
Sägeweſpe, die ſich mit ihrem Stachel in die
Pflanzen einbohrt u. ihre Eier in dieſelben legt.
Aehnliches kommt auch bei auderen Pflanzen vor,
u. beruht bier in der Regel auf unvollkommeuer
Ausbudung des Blattgrüns infolge von man«
gelhaftem Lichtzutritt (3. B. Kartoffeltriebe im
Keller, innere Blätter des Kopflohls u. Bind-Sa-
lats). Auch bei Ausihluß von Eiſen von den
Nahrungsmitteln der Pflanze bleibt die Pflanze
blaß m. kräukelt (Bleichſucht). Normale Ausbild«
ung bon Holz, Blüthen oder Frucht unterbleibt
in diefem Falle.
Das Bleihen der Küchengewächſe geſchieht,
indem man ihnen duch Zujammenbinden, Be-
deden mit Töpfen (Bleihtöpfen), Erbe, Stroh
u. dgl., od. dadurch, daß man fie in den dunkeln
Keller bringt, für längere Zeit den freien Zutritt
des Lichtes u. der Luft entzieht, wodurch fich die
grüne ‚zarbe in eine gelbe verwandelt u. mande
Gemüſe erſt genießbar u. wohlſchmeckend werden,
3. B. Endivien. Das B. wird an den ausge-
wacjenen Pflanzen u, erſt dann borgenommen,
menu fie bald benutzt werden follen, weil fie, da-
durch zarter gemacht, leicht faulen; es muß Deshalb
Bleicherode — Bleicrde.
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auch bei trockenem Wetter geſchehen u. der Negen|bleiche Geſichtsfarbe muß den Verdacht rege er—
möglicjt abgehalten werden.
Bisiherebe, Stadt im Kreije Nordhauſen des
preuß. Negierungsbez. Erfurt, Eiſenbahnſtation;
Baummolen-,, Drei-, Damaft«, Leinenweberei;
Bleichen; bedeutender Handel; 3112 Einw; in
der Nähe befindet ſich der Podenberg und bie
Knochenquelle.
Bleichert (Bleichart), blaßrothe Rhein- u. Ahr-
weine; ſ. d.
Sleichlorid (Chlorblei, Chem.), Verbindung
des Bleies mit Chlor nad der Formel PbCl,;
bildet eiu weißes frgitalliniiches Pulver oder Heine
nabelförmige Kryitalle, die in kaltem Waffer ſchwer,
in fochendem leicht löslich find. In der Glühhitze
ſchmitzt es w. erftarrt beim Grfalten zu einer
weißen, hornartigen Maſſe. Es findet ſich in der
Natur rein als Cotunnit, mit fohlenfaurem Blei»
oryd verbunden als Bleihornerz. Künftlich wird
es dargeftellt entweder durch Behandeln von Blei-
oryd mit Salzjäure, od. durch Fällen der Löſung
eines Bleiorydfalzes mit Salzjäure oder Kochjalz-
löfung. Es verbindet fih mit Bleioryd in meh—
reren Berbältniffen; j. Bleioxychloxid. Hexer.
Bleichfellerie (Staudeniellerie), eine in zranl«
reich umd England vielfahb, in Deutichland
aber jeltener benugte Art Sellerie ohne Knollen,
von welcher die ftarfen Blattftengel gegefien wer-
den. Die Eultur ift ähnlich wie beim Knollen»
Sellerie (f. d.), nur mmß er etwas weiter von ein-
ander gepflanzt u. jpäter gebleicht werden; legteres
geſchieht, wenn die Pflanzen im Herbſte ſtark ge-
nug geworben find, indem fie dann bei trodeuem
Wetter mit 3 Bändern zufammengebunden u, ent
weder did mit Stroh umgeben, od. nah u. nad
ganz mit Erde überdeckt werden, od. auch dadurch,
dog man über jede Pflanze ein weites Drainrohr
ftülpt u. dann die Zwijchenräume ganz mit Pfer-
dedünger od. Erde ausfült. Da der B. feinen
ftärferen Froſt verträgt, jo muß das Bleichen vor
Eintritt des Froſtwetlers vorgenommen, od. bie
Pflanze fann aud in einem Keller od. in Erd»
gruben eingejhlagen werden, wo danu das Blei»
den nad u. nach eintritt. Wolde.
Bleichſucht (Chlorosis) ift eine faſt nur beim
weiblihen Geſchlechte vortommende Krankheit,
bei welcher das Blut weniger rothe Blutkörperchen
befigt u. die Biutlörperchen weniger Blutfarbitofie
u. Eiſen enthalten, als geſundes Blut. Das
hlorotiiche Blut fieht heller als das normale aus,
Die Übrigen Biutbeftandtheile können in normaler
Menge vorhanden fein, od. das Blut iſt wäfjerig.
Die Krankheit hat ihren legten Grund darin, daß
zu wenig neue Blutkörperchen gebildet u, zu wer
uig weiße Blutförperhen in rothe umgewandelt
werden, iſt aljo wahrſcheinlich eine Krankheit der
blutbildenden Organe, der Diilz u. Lymphdrüſen.
Die bei manchen Sectionen Chlorotiiher gejun-
denen Veränderungen u. mangelhafte Bildung des
Herzens u. der großen Gejäßftämme, Berkümmer-
ung der Gierftöde u. ber Gebärmutter müſſen
als erfchwerende Nebenumftände (Gomplicationen)
der Chloroſe betrachtet werden.
Die Entwickelung der Bleihfucht lommt befon-
ders vom 12.—18. Lebensjahre zu Stande; eine
halten, dag man es mit einer anderen fchweren
u. noch verftedten Krankheit zu thun habe, u. ge»
hört namentlich fchlummernde Schwindjucht zu dies
ien Krankheiten. Sehr häufig ift die B. erblich,
u. häufig befommen alle Töchter folder Familien
mit Gintritt in ein bejtimmtes Lebensjahr bie
Bleihiuht. Zu den den Ausbruch u. die Ente
widelung der WBleichfucht fördernden Momenten
gebören alle ſchwächenden Cinflüffe: zu viele
Schulftunden, zu viele häusliche Schularbeiten
(eine Unfitte ſauler Lehrer!), zu wenig nahrhafte
Koft, der Genuß von vielem Zuckerwerk u. Kuchen,
während Fleiſch verihmäht wird, zu wenig Körper-
bewegung im freier, geiunder Luft ꝛc.; bisweilen
entwidelt fih die B. nah jchweren Krankheiten:
nad Typhus, fieberhaftem Gelenfrheumatismus xc.
Der fog. weiße Fluß (Fluor albus) ift ebenfo häufig
Urſache, wie Folge der B.
Die Erſcheinungen der B. beſtehen in wachs
bleicher Gefichtsfarbe bei hohen Graden, in Er-
blafiung der Schleimhaut der Lippen u. der Au—
gen in — Graden der Krankheit, in Mat-
tigkeit und Dlarodigleit, jo daß das Treppen
fteigen nur mit bejonderer Mühe gefchiebt, in
Herzklopfen bei den geringiten Veranlaſſungenen.
meit noch im nerböjen Störungen der mannig:
jachſten Urt.: Magenkrampf, Migräne, nervöfen
Schmerzen im Geſichte ꝛc. Setzt man das Hörrohr
anf die Fugularvenen, jo hört man ein vanichen:
des Geräufh (Nonnengeräuih, fo benannt nach
dent befannten Kinderſpielzeuge, ter Nonne,
Kreifel). Die weibliche Periode fehlt entweder
ganz od. beftebt in Abfonderung einer bellröth-
lichen, ſchleimigen FFlüffigkeit. Eine Schwanger:
haft lann bei Bleichſüchtigen ebenfo gut, wie bei
Nicht⸗Bleichſüchtigen eintreten, doch iit das Wochen:
bett der Erfteren häufig fehr fchwer. Die Be—
handlung bat faft immer ſehr gute Refultate, u.
werden Bleichſüchtige bis auf feltene Ausnahmen
leicht mit Eiſen, fräftiger Koft u. einem fonftigen
zwedmäßigen Verhalten geheilt. Nüdfälle find
aber häufig. Uber die anzumendenden Mittel u.
Heilmethoden f. Kunze, Lehrb. der prakt. Medicin,
Leipzig bei Beit u. Comp., 2. Aufl. 1373, Band
2, ©. 514. Kunze.
Bleichſucht der Schafe, eine Krankheit, die
in naffen Jahrgängen u. bei ftattgefundenen Über⸗
ſchwemmungen bisweilen eine feuchenartige Ber-
breitung erlangt. ine befondere Form der B.
ift der Anbruch (ſ. d.), mit deſſen Krankheitsbild das
der B. die größte Ähnlichkeit hat.
Dleide (Blide od. Blyde), f. u. Ballifte.
Bleidenftndt, Dorf im Unter-Taunustreis des
preuß. Regbez. Wiesbaden; Klofter, geitiftet 778,
Srabjtätte der Grafen des Gaues Königsjondern,
Ahnherren der Herzöge v. Naflau; wurde 1495
von Alerander VI. ur ein meltliches WRitterftift
verwandelt u. 1801 aufgehoben.
Bleierde, Mineral, weiches erdige, mehr oder
weniger dichte Mafjen, mitunter auch nur einen
Überzug oder Anflug von gelber, grauer, brauner,
röthliher oder grünlicher ;zarbe bilde. Sie be»
fteht hauptjählih aus fohlenjaurem Bleioryd mit
etwas Waſſer u. Heinen Mengen von Eifenoryd
vor od. nah diejem Alter auftretende auffallende'u. Thonerde und ijt überall nur durch Zerjegung
522 Dleierze — Bleikolik.
des Bleiglanzes entſtanden, mit welchem fie ſich Spanien (Sierra Nevada) u. NAmerila (Miſſouri,
auch immer zuſammen findet. Hetzer. Illinois, Jowa, Wisconfin), in Mexico und um
Bleierze, diejenigen Mineralien, welche Blei ſüdlichen Afrila. Er wird faſt ausſchließlich zur
als weſentlichen Beſtandtheil enthalten. Die wich- Darſtellnug des Bleies, der ſilberreichere auch zur
tigſten ſind der Bleiglanz, das Bleifahlerz, der Gewinnung von Silber benutzt, in geringen
Bleiſpath, das Grünbleierz, der Bleivitriol, das Mengen auch zur Töpferglaſur ———
ger.
Bleigelb, das Mothbleierz.
findet fi in jo großer Menge, daß er hütten ·
Nur der Bleiglanz four) u, als Streuſand.
Bleiglätte (Lithargyram, auch Silberglätte,
männiſch auf Blei (u. Silber) verarbeitet werden Goldglätte genannt; Chem.) wird als Nebenproduct
tann; auf die übrigen B., welche ihn fiets im
geringen Mengen begleiten und meift Zerſetzungs—
producte deffelben find, wird babei feine Rüdfiht
genommen, Hiper.
Bleief I, u. Bleiertract, ſ. u. Bleipräparate.
Bleifahlerz (Bournonit, Schwarzipießglanz,
Antimonbleierz), Mineral, welches fih in tafel-
fürmigen, dem rhombifchen Syftem angehörenden
Kryftallen, oder in derben, formlojen Maſſen von
bleigrauer Farbe u. ftarlem Metallglanze findet.
Es ift fpröde; feine Härte 2,,—3; jpec. Gew. 5,..
Bor dem Löthrohre ſchmilzt e8 unter Rauch und
Beichlag zu einer ſchlackigen Maffe; von Salpeter-
fäure wird es aufgelöt. Im Mittel enthält es
in 100 Theilen 19, Ih. Schwefel, 24,, Th. An-
beim Abtreiben des Bleies vom Silber (ſ. d.) ge-
wonnen. Das dabei fich bildende Bleioryd ſchmilzt,
fließt vom Xreibherde ab, erftarrt kryſtalliniſch
und liefert nad) dem Zerreiben die B. als ein
röthlichrgelbes, aus zarten Schüppchen beftehenbes
Pulver, defien fpec. Gew. 8,05 ift. Sie befteht
hauptſächlich ans Bfleioryd, enthält aber fait immer
geringe Mengen von kohlenſaurem Bieioryd,
jowie Spuren von Kupfer, von Eifen, aud mol
von Silber. Man bemutt fie zur Fabrilation
des Kryftallglafes, zur Heritellung von Glasflüffen
in der Porzellan- u. Ölasmalerei, zu Glafuren
für Zöpferwaaren, ſowie zur Darftellung von
Bleizuder, Bleieifig, Bleipflafter und Bleiweiß,
endlich zur Bereitung von Firniß. Neine B. löft
ttmon, 42,, Th. Blei u. 13 TH. Kupfer und iſt ſich ohne Brauſen in verbiinnter Salpeterjäure u.
eine Miihung von 1 Molecül Schwefelantimon-
fupfer mit 2 Moleciilen Schwefelantimonblei. Es
findet fid) auf Blei» u. Kupfererzgängen im Harz u.
Erzgebirge, in Siebenbürgen, in der Auvergne, den
Sevennen, in Cornwall, Sibirien u. Bolivien. Heber.
Dleigelb (Gelbbleierz, Wulfenit, Molybdän-
bleijpath) bildet undurchfichtige, tafelförmige, qua-
dratiiche Kryſtalle od. kryſtalliniſche Maſſen vongelber,
gelblich-grüner bis hyacinthrother Farbe, von muſche⸗
ligem Bruce u. ftarfem Glanze, die vor dem Löth—
robre unter Bildung von metalliichem Blei Teicht
ſchmelzen u. von Salpeterfäure langſam aufgelöft
werden. Härte = 3, fpec. Gew. — 6. Geiner
hemifchen Zufammenfegung nad ift es molybdän-
jaures Bleioryd mit 38,, Th. Molybdänfäure u.
61,, Th. Bleioryd. Die jhönften Kryftalle finden
ſich im Kalkftein zu Bfeiberg u. Windiſchkappel in
Kärutben, zu Rezbanya in Ungarn, in Merico
und Maſſachuſetts. Heper.
Bleiglanz (bei Plinius [ft. 79 n. Ehr.] Galena,
bei Agricola [1546] Glan u. Pleierg) ift ein
ihon längft befanntes Mineral. Es bildet oft
Ihön ausgebildete, reguläre, meift tafelförmige
Kryſtalle, die nach den vylächen des Würfel aufßer-
ordentlich Teicht fpaltbar find und eine geringe
Härte (2,,), aber ein hohes jpec. Gew. (7,,) be-
gen; ihre Farbe ift bleigrau, der Glanz voll:
tommener Metallglanz. Bor dem Löthrohre ſchmilzt
er jehr leicht unter Schmwefelgerud u. Abjcheidung
von Blei; Salpeterfäure löft ihn unter Entwidels
ung von Schwefelmafferftoff auf. Er ift faft reines
Scwefelblei (13%, Schwefel, 87 %/, Blei) u, ent»
Eſſigſäure volljtändig auf. Digerirt man fie mit
verbünnter Schwefeljäure u. filtrirt, jo darf das
Filtrat weder mit Schwefelwafjerftoffwafler (Kupfer),
no mit gelbem Blutlaugenfalze (Eiſen) Nieder-
Ichläge geben. Zur Entfernung von fohlenjauren:
Bleioryd erhigt man die Glätte auf einem Eiſen—
bleche. Kupferoxyd fann man duch Waſchen der
Glätte mit einer Auflöfung von Fohlenjaurem
Ammon entfernen, Heger.
Bleihornerz (Hornblei, Phosgenit), ein auf
Bleterzgängen felten vorlommendes Mineral, wel»
ches meift fäulenförmige Kryſtalle des vierglie-
derigen (quadratifchen) Syftems bildet; Härte = 3;
ipec. Gew. — 6; waſſerhell, meift gqrünlich oder
gelblich gefärbt, ftark glänzend; in Salpeterfäure
unter Braufen löslich. Es beiteht aus einer Ber-
bindung von Chlorblei u. kohlenjaurem Bleioryd
(mit 89%, Bleioryd). Heper.
Bleijodid (Jodblei, Chem.), eine Berbind-
ung von Blei mit Jod nad der Formel PhJ,;
entiteht in Form eines gelben, kryſtalliniſchen
Pulvers, wenn man eine Yölung von jalpeter-
jaurem oder effigiaurem Bleioryd mit einer Löſung
von Jodkalium verjegt; in heißem Waffer löft
es fih etwas auf u. fcheidet fich beim Erfalten
der Löfung in goldgelben, ftark glänzenden DBlätt-
hen aus; es iſt ſchmelzbar. Heer.
Dleifacherie, |. u. Bleivergiftung.
Bleilammern, ſ. u. Venedig.
Bleihydroryd, j. u. Bleioxydhydrat.
Bleihyperoryd, ſ. Bleifuperoryd.
Bleikolik (Bleivergiftung, Colica saturnina),
hält oft geringe Mengen von Silber (0,,—0,, %,).|Kolit durch in den Körper gelangtes Bleioryb;
Bleiſchweif ift dichter, ohne kryſtalliniſches Ge-
tüge, Bleimulm feinfhuppiger, leicht zerreib-
licher B. Der B. ift außerordentlich weit ver-
breitet u. findet fih auf Gängen u. Lagern na-
mentlih im Harz und Erzgebirge, in Sclefien,
Böhmen und Weitfalen, im niederrheiniichen Ge-
bivge, dem Schwarzwalde u. in der Eifel, in Kärn-
igen, Zirol, Ungarn zc., in großen Maffen in
ein Symptom der —— auch der Hlitten-
foge der Bergleute; auch Kolik von Poitou oder
Kolik von Devonjhire genannt, weil fie an beiden
Orten, von mit Blei verunreinigtem Cider ver»
anlaßt, häufig vorlam; auch Malerfolit (Colica
pietorum). meil Maler (aud Töpfer), die bei
Farbenbereitung Bleiweiß als Staub oder Dampf
einshluden, an jolher leicht erfranten, und Kolik
Bleilähmung — Bleipräparate,
von Madrid, dort fonft wegen der mit Blei aus—
gelegten öffentlichen Gifternen für Xrinfwaifer
endemish. Die Symptome der B. f. u. Bleiver-
giftung. Die der B. Ausgeſetzten ſollen fich vor
Säuren, bei. vegetabiliihen, wie Eſſig, hüten u.
viel Milch, Fett u. Ole genießen,
Bleilähmung, durch Bleivergiftung bedingte
Lähmungen der Glieder.
Bleilegirungen, Miihungen von Bfei mit
anderen Metallen. Die wichtigſten find: das
Schnellloth der Klempner, aus 1 Th. Blei und
1 Th. Zinn beftehend; das Letternmetall (f. Anti»
monlegirungen). Sie werden durch Zujammen-
ſchmelzen der betr. Metalle dargeftellt. Peter.
Bleimantel, ſ. u. Munition.
Bleimulm (Bleioder, Min.), ſ. u. Blei,
Bleinitrat, jo v. w. falpeterjaures Bleioryd;
f. Salpeterſäureſalze.
Bleioder (Mennige, Minium, Min.) fin-
det fich häufig auf Bleiglanzgängen in erbigen,
zerreiblichen, glanzlofen Maſſen, oder als feiner
Anflug von gelber oder rother Farbe. In jeiner
Zufammenfegung gleicht es wahrſcheinlich der
fünftlich dargeftellten Mennige (f. d.).
Bleiorydjlorid. Bleioryd und Bleichlorid
liefern mehrere Verbindungen, die den gemein«
ihaftlihen Namen Be führen. Eine derſelben
(PbC1,+2PbO) findet ſich als Mendipit im der
Natur; eine bleiorydreihe (PbCl,+7PbO) erhält
man durch Schmelzen von Bleioryd od. Mennige
mit Salmiat als goldgelbe kryſtalliniſche Maſſe.
Sie wurde früher, ehe man das Chromgelb kannte,
unter dem Namen Kaſſeler Gelb als Malerfarbe
benutst. Heper.
Bleiord, eine Verbindung von Blei mit
Sauerftoff von der Formel PbO mit 92, %
Dleigebalt ; bildet ein gelbes oder gelbrothes,
ſchweres (jpec. Gew. —= 8) Pulver, welches beim
Erhiten ſich dunkler färbt, in der Glühhitze ſchmilzt
und beim Erkalten kryſtalliniſch erſtarrt. Beim
Liegen an der Luft geht es durch Aufnahme von
—— allmählıh in kohlenſaures B. über;
in Waffer ift e8 unlöslih; Salziäure verwandelt
es in fchwerlösliches Bleichlorid, Schwefelfäure in
unlögliches, fchwefeljaures B.; verdiinnte Salpeter-
fäure u. Eifigjäure löfen es leicht unter Bildung
von falpeterfaurem, reip. eſſigſaurem B.; Kalilauge,
Natronlauge u. Kalkwafjer löjfen es namentlich
in der Siedehitze leicht auf u. lafjen es beim Er»
falten in gelblichen, glänzenden Schuppen fallen.
Geihmolzenes B. greift Glas u. Porzellan ziem-
lich ftart an. Dean ftellt e8 dar durch vorfidhtiges
Gtühen von falpeterfaurem oder Fohlenfaurem B.
oder durch anhaltendes Glühen von Blei bei Luft-
zutritt (j. auch Bleiglätte). In beiden Fällen erhält
man e3 in gorm eines gelben Bulvers, welches
beim Zerreiben röthlid wird. Auch beim Erhigen
von Bleioxydhydrat entſteht B. Das auf eine
dieſer Arten dargeftellte, aber nicht geſchmolzene,
durch Zerreiben und Abſchlämmen gereinigte B.
kam früher unter dem Namen Maſſicot als gelbe
Farbe in den Handel, ift aber jetzt durch Chrom-
gelb erſetzt. Sebver.
Bleiorydhydrat (Bleihydroxyd) iſt eine Ver—
bindung don Blei mit Waſſerſtoff u. Sauerſtoff,
deren Zuſammenſetzung durch die Formel PDH,O,:
523
ausgebrüdt wird; meißes, feines Pulver, welches
ich etwas in Waffer löſt (1 TH. erfordert 7000
TH. Waffer), aus diefer Föfung aber durch die
Kohlenfäure der Luft raſch wieder abgefchieden
wird. Gegen Säuren u. Alkalien verhält es fich
wie Bleioryd; beim Erhiten gibt es Waſſer
ab u. geht in Bleioxyd über; beim Liegen an der
Luft verwandelt es fich in fohlenfaures Bleioryd.
Es wird erhalten dur Füllung der Löfung eines
Bleioxydſalzes (man wählt effigfaures Bleioryd)
mit Kalilauge, Natronlauge od. Ammon. Heper.
‚ Bleiorydfalt (Chem.). Man erhält diefe Ber-
bindung von Bleioxyd mit Kalkin farblofen kleinen
Nadeln dur Kochen von Bleioryd mit Kaltınild u.
Eindampfen der filtrirten Löſung bei Luftabſchluß.
Seine Auflöfung färbt Wolle, Nägel, Horn uns
Haare ſchwarz, indem ſich durch den Schwefel-
gehalt der Hormfubftanz ſchwarzes Schwefelblei
bildet. Bor dem Gebrauche derjelben als kos—
metisches Mittel zum Schwarzfärben der Haare
ift bei der giftigen Wirkung aller Bleiverbindungen
zu warıen. Heper.
‚Dleiorydfalze (Bleifalze, Chem.), die Ber-
bindungen, welde durch Bereinigung des Blei—
oxyds mit Säuren entftehen; find farblos, wenn
die Säure farblos ift; die löslichen haben einen
ſüßlichen, zufammenziehenden Geſchmack und find
giftig; aber auch die unlöslichen find giftig, wenu
fie, wie das kohlenſaure Bleioxyd (Wleimeiß),
um Organismus in lösliche übergehen. Mehrere
von ihnen finden ſich in der Natur (f. u. Blei);
fünftlich ftellt man die meiften dar durch Ein»
wirfung der Säure auf Bleioryd oder Bleioryd«
hydrat. Ihre Löfungen geben mit Kali, Natron
u. Ammon einen weißen Niederichlag von Blei-
oryohydrat, der in den beiden erftgenamuten
Fzällungsmitteln löslich iſt; Schwefelwaflerftoff be-
wirkt einen ſchwarzen Niederichlag von Bleifulfuret;
Schwefelfäure u. deren Salze geben unlösliches
ſchwefelſaures Bleioryd, Salzſäure u. Chlormetalle
ſchwer lösliches Bleichlorid. Eiſen u. Zink, auch
Cadmium u. Zinn ſcheiden aus den Löſungen der
B. das Blei metalliſch ab (Bleibaum, ſ. Blei, B.).
Die einzelnen Salze f. u. den betr. Säuren. Heger.
Bleiphosphat, jo v. mw. phosphorfaures Blei»
oryd; ſ. Phosphorfäurefalze,
Bleipräparate (Pharm), a) Bleieifig
(Liquor plumbi subacetiei, Acetum plumbicun
s. saturninum), eine Löſung von bafiich-eifigiau-
rem Bleioryd (f. Eifigfäurefalze), welche durch Di-
geriren von 1Th. fein gemahlener Bleiglätte mit
einer Löfung von 3 Th. Bleizuder Ddargeftellt
wird; daffelbe wirb au als Bleiertract bezeid)-
net, welcher Name richtiger nur dem nad Gou-
lards Angabe durch Einkochen des Bleieſſigs bis
zur Ertractsdide bereiteten Präparat zulommt.
b) Bleiwaffer (Ag. plumbi, aud Aq. satur-
nina), Mihung von 1 TH. Bleieffig mit 49 Th.
deftillirtem Waffer; etwas trübe. c) Goulard-
ihes Waſſer (Ag. plumbi Goulardi, auch Aa.
vegeto-mineralis Goul., Aq. plumbi spirituosa).
aus 1 Th. Bleieffig, 4 Th. einfahem Weingeiſt
u. 45 Th. bdeftillirtem Waffer bereitet; milchig.
daher auch Bleimilch. Beide werden äußerlich
bäufig zu Umichlägen bei Entzündungen, um Ber-
thetlung zu bewirfen, auch verdünnt zu Augen-
524 Bleijalpeter
waſſer n. m geeigneten Fällen zu Einjprigungen
angewendet und müſſen vor dem Gebrauche umge
jchüttelt worden, d) Bleifalbe od. Bleicerat (Un-
guenturm plumbi), wird nad) Pharm. germanica
aus 8 Th.gelbem Wachs, 29 Th. Schweineihmalz u.
3 Th. Bleieſſig bereitet. d) Bleitannat (Plumbum
tannicum pultiforme, aud Cataplasma ad de-
enbitum), Verbindung des Bleies mit Gerbeitofi,
vorzüglich beim Aufliegen Schwertranter höchſt
ihägbar. f)Bleimeißfalbe(Unguentum cerussae,
U. album simplex) wird nad der Pharm. ger-
manica aus 2 Th. Schweineichmalz u. ı Th. hoͤchſt
fein abgeriebenem Bleiweiß bereitet. g) Blei—
pflafter. Alle Bleiorgde vereinigen fih mit
Oelen u. Fetten, mit denen fie gelocht werden u.
mit deren Säuren fie feifenartige Berbindungen
— Bleiftift.
Bleifalpeter, jov. m. falpeterfaures Bleioryp;
f. Salpeterjäurejalge,
Bleifalze, jo v. w. Bleiorydialze.
Bleifäure, fo v. w. Bleifuperorpd.
BDleijesquioryd (Bleifesauoryd, Chem.), Ber-
bindung von Blei u. Gauerftoff nach der Formel
Pb,O, mit 89,, % Bleigehalt, röthlichegeibes
Pulver, welches an der Luft Kohlenſäure anzieht
u. beim Erhitzen in Bleioryd u. Sauerftoff zer»
fällt, Bei zn... einer Säure liefert es
ein Bleioxydſalz und Bleifuperoryd, weshalb es
einige Chemifer für eine Verbindung von Blei»
oryd mit Bleifuperoryd (PbO + PbO,) Halten.
Es entjteht beim Miſchen einer Löſung von Blei»
oryd in Kalilauge mit einer Löſung von unter
hlorigjaurem Natron. Heger.
(vgl. Seife) eingehen, u. bilden Pflafter, die auh| Bleiſpath (Weißbleierz, Ceruffit), ein Mineral,
wieder zu Grundlagen für zufammengejettere
Pilafterdienen. Die gebräuchlichſten Bleipflafter find:
aa)Einfahes Bleiglättepjlafter(Emplastrum
lithargyri simplex oder E. plumbi simpl. oder
E. diachylon simpl.), aus gleichen Theilen
höchſt fein gepulverter Bleiglätte, Olivenöl und
Scyweinefett durch langjames Kochen unter bis-
weiligem Zugießen von wenig warmem Waſſer
bereitet; ift weiß, zähe und wird theils für fich,
mehr no als Grundlage anderer Pflajter be-
nut. bb) Zufammengejegtes Bleiglätte»,
Summi- oder Zugpflafter (Empl. lithargyri
eompositum); zu feiner Darftellung werden 24
Theile des Borigen mit 3 Th. Wachs zufammen-
geichmolgen u. gereinigtes Ammonialgummi, Gal«
bamım u. Xerpentin, von jedem 2 Th., zugeſetzt;
it braungelb, zähe, nah Galbauum riechend;
wirft fräftiger zertheilend, auch Absceſſe zeitigend.
ec) Heftpflafter (Empl. adhaesivum), aus 10
Theilen fein gepulverter WBleiglätte bereitet, dıe
zuerft mit 18 Ih. Olfäure erwärmt werden; der
Miihung werden dann entweder 8 Th. Colo—
phonium u. 1 Th. Talg (gewöhnt. Heftpflafter),
oder 3 Th. ſchwarzes Web (Edinburgher SHeit-
pflafter) zugejegt; erfteres ift gelbbräunlidh, letz—
teres jchwarzbraun; beide kleben ftart u. werden
jur Bereinigung von Wunden u. gg’ der
Berbandftide benugt, dd) Weißes utter»
pilafter (Empl. lithargyri molle, aud Empl.
ınatris album), aus 3 Th. einf. Bleiglättepflafter,
2 Th. Schweinefett u. je 1 Th. Talg u. gelbem
zachſe. ee) Bleimeißpflafter oder Froichlaich-
pflajter (Empl. cerussae s. album coctum); 10
Th. Bleiglätte werden mit 25 Th. Olivenöl unter
tropfeuweiſem Zufage von Waſſer bis zur völligen
Auflöſung gelodht, dann 18 Th. Bleiweiß zuge-
ſetzt und auch dieſes umter allmählichem Wafler-
zujage zu Pflafter gelocht. Es wirft austrodnend,
zertbeilend, kühlend u. wird auf verbrannte Stellen,
Geſchwülſte ze. gelegt. ſ) Schwarzes Mutter-
pflaiter (Empl. fuscum s. Empl. matris), durd
Zuſammenkochen von 2 Th. Mennige u. 4 Th. Dli-
venöl bis zum Gintritt brauner Färbung u. Zu-
fag von 1 Th. Wachs bereitet. gg) Braunes
Murterpjlafter (Nürnberger Pflafter, Empl.
fuseum camphoratum, Empl. fuscum s. nigrum
8. noricum a. universale), aus 100 Th. des
Borigen, durch Schmelzen u. Bermifchen mit 1 Th.
m etwas Dlivenöl gelöften Kamphers dargeftellt.
welches ſich gewöhnlich in wohl ausgebildeten, bald
jäulenförmigen, bald tafelartigen Kryftallen des
zweigliederigen (rhombiihen) Syſtems, feltener
in ftängeligen und faferigen Maſſen findet. Die
Kryſtalle find ſpröde u. weich (Härte 3—3,,); ihr
ipec. Gem. 4,,; fie befigen ftarfen Glanz (Dia-
mantglanz) u. find entweder waſſerhell, od. weiß,
gran oder gelblih gefärbt; vor dem Löthrohre
werden fie leicht zu Blei reducirt, in Salpeter-
fäure löfen fie fih unter Braufen auf. Der 8,
iſt faft reines foblenjaures Bleioryd (17 °/, Koblen»
fäure, 83 %, Bleioryd), mit Spuren von Silber,
u. fcheint fiy überall durch Zerjegung von Blei-
glanz unter dem Einfluffe kohlenjäurehaltiger
Waſſer gebildet zu haben, jedenfalls findet er fi
ftets mit Bleiglanz zufammen. Heger.
Bleiſtift (fr. Crayon), Säulchen aus reinem
oder gemijchtem Graphit, welche mit oder ohue
Faſſung zum Zeichnen und Schreiben dienen.
‚rüber benutte man zum gleichen Zwecke Stifte
aus Blei, deren Name auf das oben bezeidh-
nete Zeichen» und Screibmaterial übergegangen
ift. Unfer heutiger B. wurde erft im 16. 3434
erfunden; ob in England oder Italien, iſt unge—
wiß. Bis dahin bedienten ſich die Künſtler zum
Entwerfen von Zeichnungen neben der Schreib-
feder meiſt des Röthels u. der Kohle. Urſprüng—
ih wurde ungemijchter Graphit zur Beriertigung
von B»en verwendet; doch ift hierzu nur die aller-
reinfte Sorte brauchbar, wie ſolchen lange Beit
die berühmten, aber jetst beinahe erſchöpften Gra-
phitlager in Cumberland (England) geliefert haben
u. ſelbe noch aus den fibiriichen Gruben u. von
der Inſel Eeylon eingeführt wird. Zu diefem
Behufe werben entweder aus eiuem Grapbitblode
entfprechende Säulchen gejchnitten, oder aber, ba
ſolche B-e jehr body zu ſtehen lommen, der Gra-
phit zu Pulver geftampft, in einem eifernen &er
füge mit dem zweifachen Gewichte Schmwefeljäure
u, 7 %, chlorſaurem Kali gemiſcht umd in einem
Wofferbade fo lange erhittt, bis feine chlorige
Säure mehr entweiht. Dur dieje Behandlung
werden die im Graphit enthaltenen Eifen-, Kall-
u. Thonerdetheile zum größten Theil gelöft, u. durch
jpäteres Hinzufügen von Fluornatrium wird auch
die Kiefelerde als Fluor-Silicium entfernt, Die
fo gewonnene Mafje wird dann forgfältig aus-
gewaſchen, getrodnet u. bis zur Rothgluth erhigt,
wobei die Graphitlörner aufblättern, Die Maſſe
Dleifuboryd — Bleifuperorvd.
ſchwillt davon auffallend an u. bleibt fo in einem
525
(land jetst den erſten Rang ein, wie denn anch dem
höchſt fein vertheilten Zuftande zurüd. Sie wird deutſchen Fabrikate in allen Welttheilen der Borr
dann gefchlämmt u. iſt in diejer Form fo rein,
daß fie zum Preſſen in die Hillfen geeignet ift.
Sp erzeugte B»e find die feinften. Um weniger
feine zu erzeugen, erfanden Hartmuth in Wien
u. Eonte in Paris 1795 gleichzeitig u. unabhängig
das jetst allgemein übliche Verfahren, welches die
Berwerthung von leineren Grapbititüden wie im
vorigen Falle möglich macht u. zugleich den Ben den
erwünichten Härtegrad zu geben erlaubt. Man
Pet nämlich dem feinen Braphitpulver geichlämm-
ten Thon bei, u. zwar deſto mehr, je härter der
B. werden joll, madt daraus einen fteifen Teig
u. bringt diefen mittel8 einer Preffe in die Form
von Säulen, die dann getrodnet und in ver-
ſchloſſenen Tiegeln geglüht werden, mobei ge-
fteigerte Hite den B. härter macht. Zum Prefien
der Maſſe dienen Schraubenpreifen, welche dieie
durch die runden oder vieredigen Löcher einer
Metallmaffe treiben u. ihr die * von Fäden
eben, die dann in die entiprechende Länge ge—
— werden. Um dem B. einen tiefſchwarzen
Strich zu geben, ſetzt man der Maſſe eine ent-
jprechende Dienge Yampenruß bei. Da die Maife
ihrer Natur nach nur von geringer Härte ift u. die
Bee infolge defjen verhältnigmäßtg leicht abbrechen,
jo werden die weichen Säulhen vor dem Faſſen
mandmal mit heißem geichmolzenem Wachs ge
tränft; doch laſſen ſich Striche, die mit foldyen
Stiften gezogen wurden, nicht mehr völlig vom
Papier entfernen. Zum Fuffen der B-e dient
vorzugsmweile Holz. Feinere Sorten werden in
fogen. Cedernholz (von dem nordamerif, Wad-
holderbaum, Juniperus virginiana), weniger feine
in Linden», Erlen, Fichten- u. Tannenholz gefaßt,
das zu diefem Zmwede auf der Fournirichneide-
mühle in dünnen Bretten von der Länge ber
künftigen B-e geichnitten wird. In dieje ftößt
ein Hobel eine Anzahl paralleler, der Faſer
des Holzes nah laufende Nuthen von gleicher
Tieie u. Breite, während er zugleich zwiſchen je
er folcher Nuthen einen mehr tiefen als breiten
inichnitt macht. Hierauf werden die Nuthen mit
Leim ausgeftrichen, die Stifte eingelegt u. ichließ-
lich ein Holzitreiichen, gleihjam als Dede darüber
geleimt. it das geicheben, fo werden die Brett-
hen da, mo fih die Einfchnitte befinden, ausein-
ander gejchnitten u. die Holzftäbhen rund oder
fantig gehobelt. In einigen B-fabriken wer-
den runde Be erzeugt, deven Faſſung aus einem
einzigen Stüde Holz beftebt; doc ift das bezilg-
lihe Berfahren nicht allgemein befannt. Schilf-
rohrfaffung fommt nur bei ganz gemeinen Sorten
vor, deren Maffe eins jehr leicht flüffige. Die
Prüfung der Bre geichieht außer dur den Ge-
brauch am beften durch das Löthrohr. Die aus
ganzen Graphiritüden erzeugten entwideln babei
weder Ruß, noch Dampf, find nur fehr jchwer u.
auf eine Tleine Entfernung dem Hitzpunkte zum
Glühen zu bringen u. verglimmen ohne allen
Geruch langfam, aber gäuzlich. Nach dem Erkalten
hat die geglühte Spite nur den Glanz der Schnitt-
fläche verloren u. ift hell-ftahlgrau geworden, hat
aber die Reinheit u. Milde des Stridyes vollftändig
zug gegeben wird. Die renommirteften und be-
deutendjten deutihen Fabriken find tie von Faber
in Stein bei Nirnberg, Großberger und Kurz
in Nürnberg, Rehbach in Regensburg. (Erſtge-
nannte Fabrik kann wöchentlich 360,000 Bre lies
fern). Rothſtifte werden aus Rothſtein (Röthel)
gefertigt, der zu Pulver zerftoßen, fein geichlämmt
und mit Leim, arabiihen Gummi, Haufenblafe,
oder auch Seife verbunden und dann wie der
Graphit behandelt wird, wobei nur das Glühen
wegfält. Um ſchwarze Bee zu erzeugen, wird
eine Miihung von ausgeglühten Rußkohlen, vie
3 Stunde über gelindem Feuer bleiben, u. von Harz
u, Unjchlitt benutzt. Farbige Stifte werden aus
Thon hergeftellt, der mit farbigen Subftanzen zu
einem fteifen Teige bearbeitet worden. —*
Bleifuboryd (Chem.), Verbindung von Blei
mit Sauerſtoff nach der Formel Ph.O mit 96,07,
Bleigehalt, ſammetſchwärzes Pulver, welches
mit Waſſer zuſammengebracht unter ſtarker Er—
wärmung in Bleiorydhydrat übergeht. Säuren
zerlegen e8 in Blei u. Bleioryd, Man erhält es
durch vorfictiges Erhiten von oralfaurem Blei—
oryd bei Luftabihluß. Das graue Häutchen, mit
welchem fih Blei beim Liegen an der Luft,
namentlich aber wenn es geſchmolzen wird, über
ziebt, ift ebenfalls B. Heger,
—A88— ſo v. w. Schwefelſäureſalze.
Bleiſulfuret (Schwefelbiei, Chem.), Verbind⸗
ung von Blei u. Schwefel; chem. Formel: PbS,
Es findet fih in der Natur als Bleiglanz (ſ. d.)
u. wird künſtlich dargeftellt entweder durch Zur
fammenjchmelzen von Blei u. Schwefel, od. durch
Einwirkung von Schwefelwafferftoff auf die Löfung
eines Bleiorydialzes. Auf dem erfteren Were
erhält man es als dunkel⸗bleigraue kryſtalliniſche
Maſſe, auf dem letzteren als ſchwarzes Pulver,
Es verflüchtigt fih in der Weißglühhige u. finder
fh deshalb Häufig in ſchönen, mwürfelförmigen
Kryſtallen in den Ofenbrüchen von Öfen, in denen
Bleierze verarbeitet werden. Beim Erhigen an
der Luft verwandelt es fich theilweife in fchwefel«
faures Bleioryd; ebeufo wirft Behandlung mit
Salpeterfäure. Die Schwärzung bleihaltiger Far⸗
ben (Bleiweiß) an der Luft rührt ebenfalls von
der Bildung von B. ber, veranlaßt durch bie
Heinen "Mengen von Schwefelmafferftoff, welche
der Yuft häufig beigemengt find, Heyer.
Bleifunperoryd (Bleihyperoryd, Bleiſäure;
Chem.), eine aus Blei u. Sauerftoff mad der
‚Formel PbO, zuſammengeſetzte Verbindung, die
86,4%/, Blei enthält; es ftellt ein braum-fchrwarzes,
ichweres, an der Luft unveränderliches Pulver dar,
In der Glühhite gibt es unter Bildung von Blei«
oryd die Hälfte feines Sauerftoffes ab; gemifie
organische Subftanzen aber, ferner Schwefel und
Phosphor entziehen ihm ſchon bei gewöhnlicher
Temperatur emen Theil beffelben; ſchweflige
Säure bildet damit unter beträchtliher Wärne-
entwidelung ſchwefelſaures Bleioryd, man wendet
es deshalb zur Entfernung von jchwefliger Säure
aus Gasgemifhen an. Durch Salzfäure wird es
in Ehlorblei verwandelt, während Chlor frei wird,
behalten. In der Bieiftiftfabrifation nimmt Deutſch⸗ Da es fi mit ſtarken Bafen verbindet, hat mau
526
es auch Bleifäure genannt. Es findet ſich in ber
Natur nur fehr jelten als Schwerbleierz; künſt⸗
lich gewinnt man es am einfachiten durch Be—
handeln von Mennige mit verbünnter Salpeter-
fäure, wobei es als unlösliches Pulver zuriidbleibt,
das nur noch ausgewaſchen zu werben braucht,
oder auch durch Zuſatz einer Auflöfung von Chlor-
lalk zu einer —— von eſſigſaurem Bleioxyd
Bleizucker). Wegen der Leichtigkeit, mit der es
Sauerfioff an leicht orydirbare Körper abgibt,
benutt man e8 in meuerer Zeit in großer Menge
als Zuſatz für die Zündmaſſe der Reibzündhölzer;
eine hierzu ſehr braudbare Miihung von Blei—
fuperoryd mit falpeterfaurem Bleioxyd erhält man
durch Übergießen von Mennige mit Salpeterfäure
u. jorgfältiges Eintrodnen der Maffe. Heer.
Bleivergiftung. Rein metalliiches Blei ift fo-
wol an fich, als bejonders in jeder löslichen Ber-
bindung von äußerft nachtheiliger u. giftiger Wirkung
(auf den Körper); daher ift auch verjchluctes feſtes
Blei (3. B. Schrotförner) nicht ganz unſchädlich, da
durch die Wirkung des Magenfaftes lösliche Bleiver-
bindungen gebildet werden. Die Bleiverbindungen,
joweit fie ım Magenfafte löslich find, bilden eine
eigene Klaſſe von Ötften, die [hleihenden Gifte,
Am ftärkftien wirken Mennige u. Bleiglätte u. die
Dleifalze, unter diefen bei. das eſſigſaure (Blei
zuder) u. Bleiweiß. Yebteres bewirkt auch ſchon
im nicht jehr großen Gaben in Magen u, Därmen,
gleich ätzenden Giften, Entzündung, Brand und
Tod. Alle diefe Stoffe werden meift zufällig als
Dampf oder Staub bei Bereitung des Bleies (ſ.
Hüttenloge), des Bleioryds, oder bei Bejchäftig-
ungen damit in den Körper gebradit. Selbſt der
Genuß von fauren oder fäuernden Flüſſigkeiten,
die in zinnernen Gefäßen, deren Zinn viel Blei
enthält, od. in fchlecht mit Blei glafirten Geſchirren
bereitet oder verwahrt worden, jelbft das Trinfen
von weichem Waſſer aus bleiernen Gifternen,
häufiges Schminfen mit Stoffen, zu denen Blei—
weiß (bei weißer) oder Mennige (bei rotber
Schminke) fommt, u. a. m. ift nachtheilig. Wein:
händler mißbrauchten früher, jett nur noch felten,
Bleioryde, befonders Bleiglätte, um in faurem
ein die Säure abzuftumpfen u. demfelben einen
bieblihen Geſchmad zu geben. Man unterjcheidet
eine langfam verlaufende hronifhe B. (Lithar⸗
gyrismus, ſ. auch Bleikolik), die endlich unheilbar
wird u. dem ganzen Organismus untergräbt, fo
daß ein Zuftand eintritt, den man Bleiladerie
nennt u. der mit großer Abmagerung (Tabes satur-
Blewergiftung — Bleweiß.
od. häufiger Wiederkehr diefer Erſcheinungen tritt,
in höherem Grade des Leidens, bej. bei Fortdauer
der veranlaffenden Urfache, allgemeine Abzebrung
ein, mit Lähmung oder auch frampfhaften Leiden
entfernter Theile, u. endlich der Tod. Das Heilver-
fahren ift auf Entfernung des nod im Darınfanal
rüdftändigen Bleigiftes u. Bildung von in Magen-
faft unlöslihen und fomit unſchädlichen Bieiver-
bindungen gerichtet. Zur Nachweiſung des Bleies
in thieriſchen Organen, überhaupt in organiidyen
Maffen, behandelt man bdiefelben, zur Serftörung
der organischen Subftanz, mit Salzjäure u. dhlor«
ſaurem Kali nt, leitet einen Strom von Schweiel-
waſſerſtoffgas durch die Flüſſigleit. Das entftebende
Schwefelblei wird mit Salpeterfäure erwärmt u.
auf Zujag von Schwefelſäure verdampft, mobei
weißes jchwefelfaures Bleioryd in Rückſtande bleibt.
Tetered wird nach dem Auswaſchen mit Wafler
durch eine Löſung von kohlenfaurem Natron oder
Ammoniak in lohlenfaures Blei verwandelt u. dieſes
durch Zuſatz von Salpeterfäure in Löſung gebracht.
In diefer Löfung von falpeterfaurem DBleioryd
laffen fi die Reactionen auf Blei anftellen. Auf
Zuſatz von gelöftem chromſaurem Kali fett fich
nad einigem Stehen gelbes chromſaures Bleioryd
ab. Jodkalium bewirkt einen gelben Niederichlag
von Jodblei, das fi, nachdem es duch Kochen
gelöft ift, beim Erkalten in goldgelben FFlittern
abſcheidet. Auf Zuſatz von Schmwefeljäure und
Alkohol entftcht weißes fchwefelfaures Bleioxyd
als Niederſchlag. Zur Unterfuhung von Waffer
oder Wein auf Blei concentrirt man die Flüſſig ·
keiten nah Zuſatz von Salpeterſäure u. ftellt die
oben erwähnten Reactionen damit an, Nahrungs-
mittel werden zuerſt mit Salpeter u. ſalpeter⸗
faurem Ammoniak erhigt, dann mit Salpeterjäure
3335
leivitriol (Vitriolbleierz, Angleſit, von der
Inſel Angleſea), ein feltener vorfommendes Mi-
neral; es bildet Feine, fäulenförmige, flächen-
veiche, dem zweigliederigen (rhombiſchen) Syitem
angehörige Kroftalle, die entweder wajjerhell, oder
weiß, gelblich, grünlich oder bläulich u, durch ihren
ftarfen Glanz ausgezeichnet find; Härte — 3;
ipec. Gew. — 6,,. Bor dem Löthrohre ſchmilzt
er leicht u. wird zu metalliihem Blei reducirt;
Säuren wirken nicht darauf ein. Er beiteht aus
reinen fchwefellaurem Bleioryd (26, Schwe⸗
felfäure, 73,, % Bleioryd) u. findet fih nur mit
DBleiglanz zufammen, durch defien Zeriegung er
jedenfalls entitanden ift. vae.
nina) einhergebt, und eine acute B., bie duch] Bleiwaſſer, ſ. u. Bleipräparate.
große Mengen in den Organismus gebrachten
Bleiweif; (Cerussa, fr. Blanc de plomb, engl.
Bleies bedingt ift u. oft fchnell zum Tode führt.|Lead white), weiße, feit den älteften Zeiten be
Die gewöhnlichen Erfcheinnngen der B«en find: kannte MDalerfarbe, die fi) durch ihre außerordent-
fahle, ſchmutzige Gefichtsfarbe, Trodenheit desflihe Dedtraft, d. 5. durch die Fähigkeit aus
Diundes u. der Haut, mißfarbiger, bläuficher Nand|zeichnet, mit Ol oder Firniß angerieben, einen
des Zahnfleiſches, übelriechender Athem, Durſt auch in fehr binnen Schichten undurchfichtigen
ohne Fieber, bejonders aber Leiden, die ſich auf Überzug von rein weißer Farbe zu liefern. Seiner
ben Unterleib beziehen; unter diefen die auch chemiſchen Zufammenjegung nah, die übrigens
als eigene ſchmerzhafte Krankheitsart unterjhiedene [innerhalb gewiſſer enger Grenzen ſchwankt, ijt es
Bleilolik (f. d.), mit Efel, faurem, bitteren od. eine Verbindung von Lohlenfaurem Bleioxyd mit
füßem Aufftoßen, Würgen u. Erbrechen, ftark ein-
gejegenem lnterleibe, beſonders in der Nabel-
gegend, Berftopfung, oder Abgang von trodenen,
khwarzen, fugeligen Maſſen zc.
Bleioryphydrat, melde 83 — 86%, Bleioryd,
15 — 11°, Kohlenfäure u. 1— 2%, Waſſer em⸗
hält, Ale Darjtellungsmeihoden des B-es beruben
Unter Fortdauer auf der Erfahrung, daß baſiſch ejfigjaures Blei
Dleiweißpflafter — Blenden.
oxyd, durch Digeftion von DBleiglätte mit Effig oder
Bleizuderlöfung dargeftellt, durch Kohlenjäure jo
zerlegt wird, daß unlösliches B., neutrales ejfig-
faures Bleioryd u. freie Eſſigſäure entftehen. Die
von dem Niederichlage getrennte Flüffigkeit Tann
durch Digeftion mit Bleiglätte von Neuem in eine
Löſung des baſiſchen Salzes verwandelt u. mit
Kohlenfäure gefällt werden. Nach dem franzöft-
ihem Berfahren von Thenard u. Roard, zuerft
in Elihy bei Paris ausgeführt, wird Bleiglätte
mit Eſſig oder Bleizuderlöfung in einem hölzer—
nen Bottich unter öfterem Umrühren digerirt u.
die Löjung in einem anderen Behälter durch Koh»
lenfäure, die man duch Berbrennen von Holz-
tohlen oder Eoles erzeugt, zerlegt. Die Kohlen-
fänre tritt dur zahlreihe Offnungen in Heinen
Bläschen durch die Flüffigkeit u. fällt das B. aus.
Man läßt abjeten, zieht die ſaure Flüſſigkeit ab,
wäſcht das B. aus u, troduet es in Meinen Yor«
men aus Thon oder Gips, die das Wafler auf-
faugen. Dean benutt dabei auch wol die bei der
Gährung der Bierwürze oder der Brammtmwein-
maifche ſich entwidelnde oder (wie in Linz am
Rhein), die aus unterirdifchen Höhlen ausftrömende
Koblenfäure. Das englische Verfahren, von Ben-
fon —— unterſcheidet ſich von dem eben
beſchriebenen dadurch, daß nicht eine Löſung von
baſiſch eſſigſaurem Bleioxyd, ſondern eine teig—
artige Miſchung von fein zertheilter Bleiglätte mit
Bleizuderlöfung in langen Trögen unter fleißigem
Umfrüden mit Kohlenjäure behandelt wird. Die
bollänbifche (ältefte) Methode gründet fich darauf,
527
welches in Form von Fleinen Stängelden in den
ndel fommt, wird durch Anfeuchten von feinem
B. mit einem Bindemittel — Bleizuderlöfung oder
Gummi — u. Trodnen in thönernen Formen dar«
geitellt. Das Benetianiihe, Hamburger u. Hol«
ländiſche Weiß find Gemiiche von B. mit mebr
oder weniger fein gemahlenem Schwerſpath.
Schlechte B-forten werden auch wol durch
Kreide verfälicht. Meines B. löſt fih in ver-
dünnter Salpeterfäure u. Eſſigſäure unter Braufen
vollftändig auf u. wird, vor dem Löthrohre auf
Kohle erhitst, leicht zu metalliihem Blei reducirt,
ohne einen erdigen Rückſtand zu binterlaffen. B—
anftrih wird durch ſchwefelwaſſerſtoffhaltige Luft
langjam geſchwärzt; die gelbe Farbe, welche er
in manchen Fällen annimmt, rührt indeß von
einem Gelbwerden des DIS her, das namentlich
dann leicht eintritt, wenn Luft u. Licht nicht ger
nügenden Antritt haben. Als Erjagmittel für B.
werden in neuerer Zeit vielfach Zinfweiß u. Barpt-
weiß (Bermanent Weiß) gebraucht. Heher.
Bleiweißpflaſter u. Bleiweißfalbe, ſ. u.
Bleipräparate,
Bleiwurz, ſ. Plumbago.
Bleizinnober, ſo v. w. Mennige.
Bleizucker (Eifigfaures Bleioxyd, Plumbum
aceticum; Chem.) wird durch Auflöſung von
Bleioryd in Eſſig u. Abdampfung der röſung dar⸗
geſtellt. Baſilius Valentinus lehrte zuerſt die Be—
reitung deſſelben. Der B. wird —— be»
reitet, bei. in England, Holland u. der Schweiz,
auch im Frankreich u. Deutſchland. Man benugt
daß metalliiches Blei in Berührung mit Yuft,lihn häufig in der Färberei und Kattundruderei.
Kohblenfäure, Eſſigſäure u. Wafjerdampf allmählich‘ In Apotheken wird er durch Kryftallifation gerei-
in B. verwandelt wird. Man bringt dünne, ge-Inigt. Er dient bier als Heagens, zur Ausmittel«
goffene Bleiplatten (gewalzte find wegen ihrerjung freier u. gebundener Schwefel. u. Salzfäure,
größeren Dichtigkeit micht zu gebrauchen), fpiralig|des Schwefelwafjerftoffes, des Jodkaliums, der
zufammengerollt in irdene Töpfe, die wenige Zoll| Chromjäure, and zur Darftellung von Effigfäure,
über dem Boden einen Borfprung haben, auf dem jauch mol als äußerliches, jelten als immerliches
die Platte ruht, füllt den unteren Raum mit Effig Arzneimittel. (S. Eifigiaurefalze.)
u. bededt die Töpfe mit Bleiplatten. 1000—1500| Blefinge, füdöftliche, an die Oftfee grenzende
folder Töpfe werden ſodann in großen hölzernen Prov. Schwedens, wird wegen ihrer Naturjchön-
Berſchlägen — Loogen — in ein Bett von Mift|heiten das Paradies Schwedens genannt; bildet
oder gebrauchter Lohe oder einer Mifhung aus|das 2975 [_|km (54 [_M) große Län B. mit
beiden eingejetst und etwa 6 Wochen fich ſelbſtſden Städten Carlöfrona, Carlshamn u. Sölfvis-
überlaffen, nad melder Zeit die Platten mehriborg; 129,521 Ew.; Waldproducte u. Biehzucht
oder weniger vollftändig in B. verwandelt find. |find die Hauptnahrungszweige, der Aderbau dedt
Das beim Aufrollen der Platten in fchieferigen
Stüden losbrödelnde B. fommt ohme weitere Bor-
bereitung als Schieferweiß in den Handel. Die
aufgerollten Platten paffiren fodann zwei Walzen,
die, um das Abftäuben von B. zu verhüten, zum
Theil in Waffer liegen. Das hierdurch losgelöfte
u. zerfleinerte B. wird durch Wafchen u. Schläm-
wen gereinigt u. getrodnet, In Deutichland ift
das bolländiihe Berfahren dahin modificirt wor-
den, daß man die Anwendung des Miftes ganz
umgeht. Dan hängt die Bleiplatten au hölzer—
nicht den Bedarf; gehörte bis 1658 mit Schonen
u. Halland zu Dänemark.
lende (Min.), 1) Name für geichwefelte Me»
talferze; f. Blenden (Min.); 2) gewöhnlich jo
v. w. Binfblende.
Dlendebaum (Blindbaum) ift Excoecaria
agallocha L.
Blenden, 1) des Sehvermögens berauben, ala
Strafe u. zu politiihen Zweden, bejonders am
griechiihen Kaiferhofe, bei den Merowingern u.
jpäter von dem SHobenftaufen Heinrih VL in
nen Geftellen in gemauerten Kammern auf und|Ftalien geübt. Der Modus des B-8 beftand in
feitet durch eine Öffnung in diefelben ein Gemifh|dem Vorhalten eines glühenden Metalls, eines
von Wafjer- u. Eiftgiäuredampf, das man durch heißen Bleches oder Bedens (ital. bacino, daber
Erhiten von verdünntem Eifig gewinnt, durch eine|abbacinare, blenden), wodurch entweder die Horn-
andere Öffnung Kohlenfäure, durch eine dritte haut durch die firahlende Wärme verjengt, oder
Luft. Der Vorzug diejes Verfahrens befteht darin, |die Neghaut durch das intenfive Licht gelähmt
dag man den Verlauf des Procefjes gemau über⸗ wurde. 2) Den Gebraud der Augen beim Über-
wachen u. reguliren fan. Das Kremfer Weiß,'gang von greller Beleuchtung zu ſchwächerer u.
528
umgefehrt vorübergehend behindern. Durch län—
geren Aufenthalt in einem bell erleuchteten Raume
wird die Netzhaut fir ſchwächeres Yicht unempfäng-
ih. Tritt man daher unmittelbar darauf in
einen dunkeln, ſchwach beleuchteten Raum, jo fiebt
man anfangs gar nichts, nach einiger Zeit jedoch
iſt man im Stande, bei derjelben ſchwachen Be-
leuchtung, die anfangs abjolutes Dunkel ſchien,
Gegenftände zu erfennen. Tritt man mad) einiger
Zeit plöglih in die helle Beleuchtung zurüd, jo
wird man ebenfalls im erften Augenblide geblen-
det; es vergeht eine gewiſſe Bet, bis fi das
Auge an den ftärferen Lichtreiz gewöhnt hat.
Stammes haus.
Blenden oder Cinnabarite (Min.), Klaſſe der
Mineralien, welche die Schwefelmetalle von nicht—
metalliſchem oder nur halbmetalliſchem Habitus
(Ausſehen) umfaßt. Sie find meiſt durchſcheinend
u. mit Ausnahme der Zinfblende wenig ſpröde,
haben Diamant oder Perlmutterglanz, u. ihre
Härte überfteigt felten die des Kaltſpathes. Es
gehören dahin die Antimonblende, Ziukblende
(au ſchlechtweg Blende genannt), Manganblende,
Antimon- u. Arjenfilberbliende, Zinnober, Realgar,
Auripigment u. a.
Blendetritt (Blender), Art Hirichfährte (1. d.).
Blendglas, duntel gefärbtes Glas, welches,
vor das Ocular eines Fernrohres gebradt, es
möglich macht, die Sonne durch das letztere zu
beobachten.
Blendrahmen, Rahmen, auf welchen die
Leinwand zum Malen geipannt wird,
Diendung, 1) (Diaphragıma), Ming im In—
nern eines Mifroflops oder Fernrohres, um ftören-
des * abzuhalten; ſ. u. Mikroſtop u. Fern—
rohr. 2) B. des Auges, die als Diaphragma zur
Abhaltung der Randſtrahlen dienende Hegenbogen-
haut des Auges mit der centralen Ofinung der
Pupille; |. Auge. 8) So op. w. Blendglas. 4)
(jr. Blindes, Blendwert, Kriegsw.) Beweglicher
Schirm von ftarfen Dielen, bisweilen durch eijerne
Schienen, Blech, rohe Häute oder Haardeden ver-
ftärkt, duch 2 darunter befeftigte Räder und eine
Deichſel ſchiebbar. Er dient zur Decknug der Spipe
der Sappe gegen Flinten- und Kartätſchenkugeln
u. wird von dem vorderften Sappeur vor ſich ber»
eihoben., 5) Ein O5 —1, m hober deckender
egenftand vor einer Batterie, wie ein Rain, eine
Heime Erhebung des Bodens u. dgl, welcher den
Feind iiber die wahre Entfernung täufcht (blen-
det), oder ihn zum faljchen Zielen verleitet. 6) Bret-
ter, Schanzkörbe u. a. vor Schießſcharten mäh-
rend des Yadens geiegte Gegenftände, um die
Urtilleriften gegen Flintenkugeln zu fchügen; fie
werben erft, wenn das Geſchütz feuern ſoll, weg-
genommen; daher eine Schießfcharte blenden, foldye
Gegen ⸗ſtände vorlegen. 7) In Feltungen am In—
nern des eg in Batterien au die Bruft-
mehr angelchnte Balfen oder Gifenbahnfchienen,
die, gewöhnlich noch durch Faſchinen verftärft u.
mit Erbe bededt, den Bertheidigern Schug gegen
das feindliche Berticalfeuer- gewähren.
Blenheim, engliihe Gorruption von Blind»
beim (f. d.).
Blentleln, jo v. w. Bläntern; |. u. Blänfer,
Blenker, Lubwig, deutſcher Nerolutionär,
Blenden — Blcpharon.
dann nordamerifanisher General, geb. 1812 zu
Worms; ftand 1832—37 in griechiſchen Militär-
‚bienften, ftudirte nach feiner Rückkehr Medicin u.
etablirte fi nachher als Weinhäudler in Worms;
‚er wurde 1848 Oberſt bei der Wormfer Bürger-
garde, betheiligte ſich 1849 bei den pfälziich-bar
diihen Unruben u. führte als Oberſt eıne Ab»
theitung rheinheifiiher u. pfälziiher Freiſchaaren.
Seine Frau, aus dem Anhaltiſchen gebürtig, ber
gleitete ihn. Beſonders war der Butih in Worms
17. Mai u. der übel ausgeführte u. völlig miß-
glüdte Angriff auf Landau 19./20. Mai ſein
Werk, Nachdem der Juniaufitand in Baden miß—
fungen war, ging B. mit feiner Schaar in die
Schweiz und hielt fih im Bern und Bafel auf,
Bon bier im Sept. 1849 ausgewiefen, ging er
über Frankreich nach Nordamerifa. Hier lebte er
als Farmer u. Handelsinann im County Rode
land (New-Pork). Beim Ausbruche des Bürger»
frieges (1861) fammelte er ein deutiches Jäger»
regiment, welches er als Oberft ins Feld führte
u. mit welchem er den Nüdzug der Unionstrup-
pen nach der Schlacht bei Bull Run dedte; dann
zum General ernannt, ftand er 1862 mit feiner
Divifion unter Fremont in WVirginien u. zeidh-
nete fich in der Schlacht bei Erof Key aus. Radı-
dem M’Clellan im Juli 1862 wegen mangel«
bafter Verwaltung des Berpflegungsdepartements
verabfhhiedet worden war, erhielt auch B. feine
Entlaffung u. zog fih auf ſeine Farm zurüd, wo
er 81. Octbr. 1863 jtarb.
Bleun...,v. gt. Blenna, Schleim, daher
die folgenden Wortbildungen.
Diennophthtiis, 1) Schleimſchwindſucht; 2)
Schleimhuſten.
Blennopijra (Blennopyrie), Schleimfieber.
Blennorrhägie (Blennorrhöe), 1) ein ftarfer,
anch ein emzündlicher acuter Schleimfluß; 2) der
entzündliche Tripper; daher Blennorrhagiich.
Blennorrhöe, 1) io dv. mw. Blennorrhagie.
2) B. der Augen, f. Augenentzündung u. Augen-
pflege (beim Neugeborenen).
lennotorrhoe, Ohrenihleimfluß.
Bleunurethrie, jo v. w. Gonorrhöe.
Blennurie, fo v. w. Schleimharnen.
Blepharis Juss., Pflanzengatt. aus der Yan.
der Ucanthaceen (XIV. 2, fonft zu Acanthus
gerechnet); Blüthen ſymmetriſch, anfehnlich; Kelch
4fpaltig mit 2 größeren u, 2 fleineren Abjchnitten;
Bluntenfroneverwadjien-blätterig, lippenförmig, mit
fleinerer Mleinzähniger Oberlippe u. großer 3lap-
piger Unterlippe; 2 lange u. 2 furze Stanbblätter,
der duch Schüppchen geidloffenen Kronenröhre
eingefügt; Frucht eine eiförmige, 2fächerige Kapiel,
deren Fächer 1—2lamig find, Erwähnenswerth
B. edulis Pers., deren junge Triebe u. lineal«
lanzettliche, fcharf gezähnte Blätter in Arabien u.
Berfien als Gemüſe dienen. 2) So v. w. Spie-
gelfiſch. 1) Engler.
Dlepharon (gr.), Augenlid; daher Blepha⸗-
ritis, Augenlidentzündung; Blepbaroplaftif,
die Bildung neuer Augenlider aus ber Stirn- oder
BWangenhaut an Stelle der narbig gefhrumpften
oder durch ausgedehnten Subjtanzveriuft verloren
egangenen Augenlider; Blepharojpasmus,
ugenlidframpf, krampfhafter Berfchluß der Augen⸗
Bléré — Bley.
lidſpalte, Zeichen von ftarker Lichtſcheu, beionders
häufig bei Augenentzündungen im kindlichen Alter;
ſ. Augeupflege. Stammeshaus.
Blerd, Stadt im Arr. Tours des franz. Dep.
Indret-Loire, an der Orleans-Bahn u. am Cher;
3560 Emw.; in der Nähe
Dles, Henry de ®. (
ri u. Landſchaftsmaler, geb.
ovines; war einer der Erften, melde die Land⸗
ſchaft als ein felbftändiges Kumftobject betrachteten.
In der Hiftorienmalerei ward er von Yulas
von Leyden u. Mabufe beeinflußt, in der Land-
fhaftsmalerei ging er ganz felbftändige Wege.
Er hielt fih eine Zeit lang in Italien auf, malte
Landihaften zu Benedig u. eim Kirchenbild zu
Brescia; ft. zu Pütti 1550. Bilder von ihm in
den Galerien von Kopenhagen, Berlin, Wien,
Pommersielden, London u. Dresden, auch im
Diufeum zu Bafel u. in der Münchener Pinatothek.
Er hieß bei den Italienern Civetta, weil er feine
Bilder mit einem Käuzchen kennzeichnete. Regnet.*
Bleßberg, 1) Berg des Thüringer- Waldes
bei Eisfeld, an welchem Werra u. JB entitehen,
867 m ho. 2) Ein Berg des Vorder⸗Rhönge—
birges, bei Salzungen, 697 m bod).
Dieffington Marguerite, Gräfin von B.,
geb. Power,‘ engl. Schriftftellerin, geb. 1. Sept.
1790 zu ae in Irland. 1806 von ihrem
Bater zur Heirath mit einem Capitän Leger-zar-
mer gezwungen, führte fie eine jehr unglückliche
Ehe, trennte fih von ihrem Manne, welcher fpäter
im trumfenen Zuftande durch einen Fall 1817
ums Leben fam. Im folgenden Jahre beirathete
fie Charles John Gardiner, Graf von B. Mit
diefem machte fie Reifen in Stalien, wo fie mit
Byron befreundet wurde, u. Frankreich u. kehrte,
1829 wieder Wittwe geworden, 1831 mit dem
Grafen d'Orſay, dem gejchiedenen Manne ihrer
Stieftochter, nach England zurüd, wo fie in Gore»
houſe zu Kenfington ein anfangs äußerft ver-
ſchwenderiſches Yeben führte. Das Zuſammenleben
mit Jenem dauerte bis zu ihrem Tode u. erregte
vielen Anſtoß. Mit Schulden überladen, fonnte
fie fih in London nicht mehr halten u. floh 1849
nad Paris, wo fie 4. Juni deſſ. J. ftarb. Sie
fhr.: Kleine Erzählungen aus den Kreifen der falhio-
nablen Welt; ferner: Conversations with Lord
Byron, 1834; Grace Cassidy, or The Repealers,
1833, 3 Bbde.; The Confessions of an elderly
Gentleman, 1836, deutſch, Berl. 1837; The
Vietims of Society, Yond. 1836, 3 Bde; The
Confessions of an elderly Lady, 1838; The
Idler in France, 1839 f., 2 Bpe.; Desultory
Thoughts, ebd. 1839; The Idler in Italy, ebd.
1840, 3 Bde.; The Governess, deutſch, Braunic.
1840, 2 Bbe.; The Lottery of Life, 1842;
Meredith, 1843, 3 Bbe.; Strathern, 1846;
Memoirs of a Femme de chambre, 1847, 3 Bbe.;
Country Quarters, 1850.
Berlen find ihre Erinnerungen aus Italien und
e_ Rothwein.
De U bemerkenswerth ihr Sarkasmus; für
eutigen Geihmad find ihre Schriften veraltet. den
endrik met de Bles),
1480 zu
Das beite in ihren
529
Dleffon, Ludwig Johann Urban, Militärs
Ihriftfteller, geb. 27. Mai 1790 in Berlin; mid»
mete fih dem Bergbau, trat als Freiwilliger 1813
in preußiſche Militärdienfte, wurde bald Offizier
im Ingenieurcorps, war 1815 Adjutant beim Ges
neralcommando des die franzöfifchen Feſtungen des
Nordens befagernden Corps, wurde Hauptmann
u. nach dem Frieden Yehrer an der Allgemeinen
Kriegsihule zu Berlin u. Mitglied der Ober-Era-
minationscommiffion, nahın aber 1829 al3 Major
jeinen Abſchied. Er commandirte 1848 die Bür—
gergarde in Berlin, trat aber nad dem vergeb»
hen Berfuche, ven Sturm auf das Zeughaus zu
hindern, zurüd; fpäter wurde er Divector der
Preußifhen Rentenanftalt. Er ft. 20. Jan. 1861.
B. war Mitherausgeber der Militärkiteratur, Berl,
1820, u. der Zeitſchrift für Kunft, Wiſſenſchaft u.
Geſchichte des Krieges, ebd. feit 1824, u. fhr.:
Beitrag zur Geſchichte des Feſtungskrieges in
Frankreich 1815, Berl. 1818; Treldbefeftigungs-
tunft für alle Waffen, ebd. 1825; Überſicht der
Befeftigungstunft, ebd. 1827—34, 2 Hefte; Lehre
vom graphiichen Defilement, ebd. 1828; Geſchichte
der großen Befeſtigungslunſt, 1830— 35, 3 Bde.;
Große Befeftigungstunft für alle Waffen, Berl.
1830—35, 2 Be.
Bletia Ruiz & Pav., Pilanzengatt., benannt
nah L. Diet, ſpaniſchem Botaniler, zur Fam,
der Orchideen (XX. 1); die 3 äußeren Peri—
gonblätter länglidy » Tanzettlih, faft gleich groß,
2 innere etwas breiter, das lippenförmige unter-
wärts gefielt u, mit 3lappiger Unterlippe, deren
mittlerer Abſchnitt größer; die Anthere iſt dadurch
ausgezeichnet, daß ihre Fächer durch Quertheilung
4fächerig werden u. dem zufolge die ganze Anthere
8fächerig wird. Arten: 1) B. verecunda R. Br.,
aus Weitindien; liefert in der Wurzel ein gefchäg-
tes Dagenmittel. 2) B. florida R. Br,, durd
ihöne purpurrothe Blüthen ausgezeichnet, in un—
jeren Warmhäuſern. Engler.
Bleu (fr.), Blau; fo: B. de France, Kaliblan
(f. u. Blaufärben). B. mourant (das im Dentichen
verderbte Blümerant, mit der Nebenbed. ſchwäch—
ch, langweilig), blaßblau. B. Thenard (Kobalt-
ultramarin), eine aus Thonerde u. Kobaltorydul
beftehende Farbe, die man darftellt, inden man
eine Aaunlöfung mit foblenfaurem Natron fällt,
die niedergeſchlagene gallertartige Thonerde mit
phosphorjaurem oder arienfanrem Kobaltorydul
mengt, das Gemenge trocknet u. ſodann anhaltend
glüht. Sie kommt bei Tageslicht dein Ultrama-
rin faft ganz gleich, bei Kerzenlicht aber erſcheint
fie, wie alle Kobaltfarben, ſchmutzig violett. Das
B. Tb. ift, Inft- u. feuerbeftändig u. wird in der
Waffer-, Ole u. Porzellanmalerei benutt,
Bley (Abramis Brama L.), larpfenartiger
Fiſch aus der Gattung der Braffen (f. Abramis);
die Schlundzähne ftehen in 2 Neihen zu 2 m.
zu 5; 20 bis 30 cm fang u. $ kg ſchwer;
Leib ſtark zufammengedrüdt u. dafür verhältnig«
mäßig body; Oberkopf u. Rücken ſchwärzlich, an
eiten gelblich - weiß, filberglänzend, Kehle
Bol. Madden, The literary life and corresp. of|röthli, Floſſen jhwarz - blau; in der Afterfloffe,
the Countess of B., Fond. 1855, 3 Bde. Kürner.*
Bleffiren (v. Franz.), verwunden; Blefjur,
Berwundung.
vbierers Univerſal⸗Converſations⸗Lexilon. 6. Aufl. III. Band,
welde vor dem Ende der Nidenfloffe beginnt,
finden ſich 27 bis 29 Strahlen; häufiger, aber
wenig wohljehmedender Fiſch, welcher fich nament-
24
930
lich in der Teichwirtbichaft als Nährfiſch für an-
dere Fiſche mit Vortheil verwenden läßt. Thome.
u. Novellift, geb. 11. October 1782 zu Bium
im Stifte Biborg; wurde 1819 Pfarrer zu Thor—
ing, 1825 zu Spentrup in Jütland, wo er
26. März 1848 ftarb, Nachdem er 1807—9 eine
Brofa-lberfegung des Macpherfonihen Offian in
2 Bodn. geliefert, trat er jeit 1814 als Iygrifcher
Dichter auf, in welcher Eigenfchaft er nad) u. nad
vecht beliebt wurde, ohne doch einen bedeutenden
Nang einzunehmen. Seine dramatiichen Berjuche
(3. B. Johanna Gray, Trag., 1825) find miß-
lungen uw. gefielen nicht. Seine eigentliche Po-
pularität gewann er durch feine zahlveihen No—
vellen, mit denen er feit 1825, anfangs in Zeit—
fchriften (3. B. der von ihm herausgegebenen
Nordlyset), auftrat. Unter ihnen haben diejeni-
en, die das Leben jütifcher Bauern, Pächter,
J—— Gauner ſchildern, einen hohen u. bleiben—
den Werth (3. B. Hosekremmeren, Ak hvor
forandret, Röverstuen zc.); die übrigen find im
Ganzen kaum höher als gewöhnliche Leihbiblio-
thef-Yectüre zu ftellen. Einige Erzählungen und
Gedichte lieferte B. in jütifchem Dialelt, bei. die
Heine Sammlung Bindstouw (die Stridftube),
Nanders 1842, 3., Ausgabe 1854. Bon feinen
Schriften erſchienen nah u. nah Sammlungen,
die neuefte Gefammtausgabe der Novellen (nebft
Selbitbiographie), Kopenh. 1861—62, 8 Bbe., u.
der Gedichte, Kopenh. 1870, 2 Thle.; eine Aus-
wahl der Novellen, beforgt von P. Haufen, Ko-
penh. 1871, 3 Bde. Deutich bat man Novellen
überf. von Zeife, Altenb. 1846, 2 Bde, u. von
Diezmann, Lpz. 1849, 4 Bde. Die Nordjeebilder,
Kiel 1841, find Überf. der Neifebefhr.: Vestlig
profil af den Cimbriske Halvö, Kopenh. 1839.
Blide (Güſter, Abramis blicea L.), Fiſch aus
der Fam. der Karpfen; Yeib breit, dünn; Maul
Hein; Schuppen mittelgroß; Rücken bläulich, unten
filberig, Floſſen, Bauh u. Bruft vorb; im der
Aiterfloffe, welche unter dem Ende der Nüdenflofie
beginnt, finden fi 24 Strahlen; legt über 108,000
Eier; ſchmedt ſchlecht; geichätter ‚zutterfiich in der
Teihwirtbichaft; in fand. Seen Deutfchlands häufig.
Blickfeuer, Nachtſignale, durch ein wenig auf
einem Brett angezündetes Sciehpulver hervor:
gebracht; bej. zum Zufammenhalten der einzelnen
Schiffe einer Flotte; auf Leuchtthürmen das Dreh—
feuer,
Blidgold, feingebranntes Gold, welches noch
einiges Silber enthält. Blidjilber, das aus dem
Werlkblei nah dem Abtreiben erhaltene Silber,
welches zwar geblidt hat, aber noch nicht ganz
rein von Blei ift.
Blidah (Beliva), Stadt in dem algeriichen
Depart. Algier, 259 m über d. M., 49 km von
Algier u. mit diefem durch Eiſenbahn verbunden,
tiegt angenehm in der Ebene Metidicha; fchöne
Orangenhaine und eine Gitadelle; Gericht L In—
tanz; Kirchen aller Eonfeffionen; arab.»franzöftiche
Schule, Kupfer u. Bleigruben, Mineralguellen;
Kalköfen, Eſſenzenfabril; Märkte; 8113 Einw,,
die theilweife von den aus Spanien vertriebenen
Manren ftammen, B. war oft Schanplag von
rämpfen in dem Franzöſiſch-Arabiſchen Kriege in
Blicher — Bligny.
Algier. Am 23. Juli 1830 wurde es vom Mar—
ſchall Bourmont bejett, aber bereits am 24. infolge
Blicher, Sten Steenfen, dänischer Lyriker eines Überfalles durch die Araber wieder geräumt;
am 13. Nov. d. J. wurde es abermals durch bie
Franzoſen befeßt und der am 19. Nov, erfolgte
leberfalle der Araber zurüdgeihlagen, aber nad
einem zweiten Überfall, am 26., verließen die
Franzoſen die Stadt abermals, Am 15. Dechr.
1839 Zieg des Generald Rulhidre über die Ara»
ber, u. am 31. Dec. abermalige Affaire, wo B.
in den Händen der Franzoſen blieb.
Blies, 74 km langer rechter Nebenfluß der
Saar im preuß. Negbez. Trier, im bayerischen
Negbez. Pfalz u. im Reichslande Eljaß-Yothrin
gen; entipringt bei Blieshorn, nimmt die Wallab,
Eisbach, Erbad, Hornbach u. a, auf, fließt bei
St. Wendel, Ottweiler, Bliestaftel vorbei umd
mindert bei Saargemünd.
Bliesfaftel, Stadt im Bezirksamte Zweibrüden
des bayeriihen Regbez. Pfalz, an der Blies,
Eifenbahnftation; Landgericht; an der Stelle des
in der Mepolution zerfiörten Schloffes jest ein
Hospital, Waifenhaus, Wallfahrtsfapelle; Sand—
fteinbrüce; Bierbrauerei; 1542 meift fatbol. Ew.
er ftand zur Römerzeit das Castellum ad Blesam.
B. gab im Mittelalter einer Grafichaft den Namen,
melde Dtto d. Gr. dem Bisthum Met fchentte;
jeit 1654 gehörte fie den Herren von der Yeven,
welche 1715 im den Grafenftand erhoben wurden
u. 1781 die franzöfifihe Souveränetät über einen
Theil ihrer Befigungen anerlannten; wurde 1802
Frankreich einverleibt, aber 1814 wieder deutſch.
Hier im Franzöſiſchen Revolutionskriege 26. Sept.
1793 Sieg der Preußen über die Franzoien.
Bligh, Willtam, britiiher Seemann, geb.
1753; madhte unter Coof eine Reife um die Welt
mit; als er 1787 als Gapitän auf dem Schiffe
Bounty nah Dtaheiti ging, um von da ben
Brodbaum nah Weftindien zu verpflanzen, ber
handelte er die Manufchaft feines Schiffes Bounty
jo bart, daß fich diefelbe unter Fletcher Chriftian
u. John Adams empörte u. ihn mit 18 Mann
in einem Boote ausfegte, auf dem er nach Bata—
via gelangte. Nach England zurüdgelebrt, erhielt
er im Franzöſiſchen Nevolutionskriege das Com-
mando eines Schiffes, wo er durch feine Härte
wieder eine Meuterei bervorrief. Er wurde 1806
Gouverneur von Neu-Sid-Wales, wo ihn die
Goloniften 1808 wieder abjebten, u. jpäter Admi-
ral; er ft. 7. Dec. 1817. B. fchrieb: Narrative
of the mutiny on board H. M. ship Bounty,
London 17905 Voyage to the South - Sea,
ebd, 1792,
u. König, |. Cupania,
Bligny, Nicolas de B., anfangs Chirurg in
Paris; wurde 1678 Chirurg der Königin, ftieg
bis zum föniglichen Leibarzte empor u, errichtete
zu Pincourt ein Hofpital, das ibm zum Ded-
mantel feiner Ausjchweifungen diente; er ward
deshalb 8 Fahre eingefertert; ftarb 1722 als
Arzt in Avignon. Er ſchr.: L’art de guerir les
maladies veneriennes, Paris 1673; L’art de
guerir les hernies, Bar. 1676. Er ftiftete 167
die Akademie für nene Entdedungen in der Me-
dicin, die das Jeurnal Nouvelles decouvertes
dans la medeeine, Par. 1679—82 (überjegt von
Blind — Blindenanftalten.
531
Bonet, Zodiacus medico-gallieus, 4. Jahrgang, hatten. Schütz rettete ſich nach dieſer Kataſtrophe
deutſch, Hamb. 1680 u. Lpz. 1690—98) heraus⸗
gab; unterdrückt erſchien es als Mercure savant,
Amfterd. 1684, 1. Jahrg.
Blind, 1) des Schvermögens beraubt; ſiehe
Blindheit. 2) Seines Ganzes oder Rüchſcheines
beraubt; fo von Spiegeln. 8) Beim Schießen,
ohne Kugel oder Geihoß; fo blinde Patrone,
blinderSchuß. 4) Perjon, die, ohne gerechnet
oder vergütet zu werden, bei etwas mitzählt; fo
blinde Rotte, d. i. unvollftändige Motte, in
ber alfo nicht 3 ober bei der zweigliederigen Auf-
ftellung nit 2 Mann binter einander ftehen,
fondern in der der Dann des zweiten Gliedes,
oder and beide Leute des zweiten und dritten
Gliedes fehlen; blinde Pafjagiere, melde
auf der Poft oder Eiſenbahn mitfahren, ohne zu
bezahlen. 5) Bloß der Symmetrie wegen ange:
bracht; fo blinde (vermauerte) Fenſter und
Thüren. 6) Nur ſcheinbar, nicht wirklich, falich;
fo blinder Kauf, jo v. w. Scheintauf; blin-
der Angriff, ſo v. m. Falſcher Angriff. 7) (Anat.)
Ein Kanal, der feinen Ausgang hat, 3.8. Blind»
darm; blindes Loch (Foramen caecum), lodh-
artige, jcheinbar durchgehende, am Ende aber
geſchloſſene Vertiefung, beſ. am Stirnbein u. der
Zunge; bei Krankheiten, welche mit dem Ausfluf
von Kranfheitsftoffen verbunden find, die Erjchein-
ungen, wo jene Ausflüffe unterbleiben, jo blinde
Hämorrhoiden, diejenigen Hämorrhoiden, welche
den gewöhnlichen Bluterguß nicht zeigen (ſ. Hä-
morrhoiden); blinde Driüfe, f. u. Drüfe.
Blind, Karl, deutiher Schriftfteller, geb.
4. Sept. 1820 zu Mannheim; ftudirte in Heidel—
berg u. wurde im Aug. 1847, weil er im Bade
Dürkheim revolutionäre Pamphlete (Deuticher
Hunger u. deutſche Fürften) ausgetheilt hatte, im
Nenftadt a. d. Hardt verhaftet, im November
aber wieder freigegeben. Im Febr. 1848 gehörte
er zu den Deputationen, welche die Zweite Kam—
mer in Karlsruhe mit den Forderungen der
Bolkspartei beftürmten; im September d. J. be
theiligte er fih an dem Einfall, den Struwe von
der Schweiz aus nad Baden machte; nad dem
fchnellen Scheitern des Unternehmens von der
Birgerwehr in Wehr gefangen, wurde er Ende
März 1849 von den Gejchworenen zu Freiburg
zu 8 jahren Zuchthaus verurtheilt u. nach Naftatt
transportirt, Als bier im Mai d, J. die Militär-
revolution für die Durchführung der Frankfurter
Reihsverfafjung ausbrach, wurde er nah Bruchſal
ebracht, hier aber von den Aufſtändiſchen befreit.
oh in demfelben Monat wurde er von den
revolutionären Regierungen von Baden u. Rheiu—
bayern mit Friedrih Schüt, Mitglied der Frank-
furter Nationalverfammlung, nah Paris geichidt,
um die officiele Anerkennung jener Regierungen
von Seiten der Franz. Nepublil zu erwirten und
mit denjenigen Parteiführerın in Verbindung zu
treten, die mit der deutschen Nevoiution ſympa—
thifirten. Beide Bevollmächtigte übergaben zwar
dem damaligen Dinifter des Auswärtigen, Herru
von Tocqueville, ihre Greditive, wurden aber
von demfelben kalt aufgenommen; zugleich waren
fie Zeugen vom Sturze der Partei Ledru-Rollins
(13. Juni), auf deren Sympathie fie gerechnet’ ſunden Zinne, 3.
durch die Flucht mach Belgien, B. wurde jedoch
gefangen nad La Force abgeführt und erft nach
längeren Bedrohungen mit der Auslieferung au
die in Baden ftehende preuß. Armee unter der
Bedingung, nad London abzuveifen, in Freiheit
gejegt. (Siehe die 1860 in Hamburg erjchienene
Broſchüre: Franzöſiſche Aheingrenzgelüfte, 1849,
1858, 1860.) Seitdem lebt B zu Yondon als
Correſpondent deutjcher Blätter und Mitarbeiter
englifher Journale, Im Laufe des Franz. Krieges
1870 veröffentlidte er im October: A Defence
of the German Cause, 2) Ferdinand, der
Stieffohn des Bor., deſſen Namen er nad) der
Berheirathung feiner Mutter mit B. angenommen
hatte. Sein verftorbener Vater hieß Kohn. Er
hatte auf der Akademie zu Hohenheim Landwirth-
Ihaft ſtudirt und jeit den Ofterferien 1866 eine
landwirthſchaftliche Studienreife unternommen, als
er am 7. Mai jenes Jahres zu Berlin unter den
Linden in der nächften Nähe auf den Minifter-
präfidenten Bismard 5 Revolverſchüſſe abſchoß,
die wirfungslos abprallten. Im GriminalComs
miffariat, wo die erfte Vernehmung ftattfand,
durchichnitt er fih während einer Pauſe mit einem
Zafchenmeffer den Hals u. fl. am Morgen des
8, Mai, Bauer.
Blinddarm (Anat.), Aırfangstheil des Did-
darmes; ſ. Darm.
Blindenanftalten, 1) Blindeninftitute,
Blindenverjorgungsanftalten, Anftalten, wo
ſolche Blinde verforgt werden, deren Heiluug nicht
zu erwarten ift; fie find gewöhnlich mit den Bild-
ungsanftalten für Blinde verbunden. Die erfte
derartige Anftalt wurde von Ludwig IX. nad
feinem Kreuzzuge 1260 als Quinze-vingts in
Paris zunächſt für 300 in Agypten erblindete
Soldaten errichtet; in neuerer Yeit verband ber
Blindenlehrer F. W. Klein in Wien (geb. 1765)
mit feinem 1808 errichteten u. 1816 zur Staatd-
anftalt erhobenen Blindeninftitut eine Anftalt für
männliche und weibliche aus dem linterrichte ent»
laffene Blinde, und diefe war Mufter für ähnliche
Anftalten in Freiburg, Münden, Dresden, Han«
nover, Gmünd u. a. DO. 2) Blindenunter-
rihtsanftalten, in denen Blinde unterrichtet
u. gebildet werden, wobei e8 Erziehungsmarime
it, in der Regel eine höhere wiſſenſchaftliche oder
fünftlerifche Bildung nicht anzuftreben. Bereits
1667 lehrte J. Bernoulli in Genf ein blindes
Mädchen auf eine von ihm erfundene Art fchrei«
ben. Der blinde Saunderjon bezeichnete auf einem
von ihm erfundenen Rechenbrette durch Nadeln
die Zahlen und löſte durch gezogene Schnüre
mathematische Aufgaben. Ebenjo erfand der blinde
Weifenburg in Mannheim einen Apparat zum
Leſen, Schreiben, Rechnen u. Motenjegen. Ein
bejonderes Alphabet (Knotenalphabet, Blinden—
alphabet) fiir Blinde erfanden 1822 die blinden
Engländer Robert Milne und David Macbeath,
wodurch Blinde in den Stand gejegt werden
jollten, gegenjeitig zu correſpondiren. In neuerer
Zeit gibt e8 viel beflere Hilfsmittel. Bei dem
Unterricht der Blinden gelten die eriten Übungen
der Unterſcheidung der Segenftände durch die ges
B, Steine, Holz und Metalle
34?
532
durch das Gehör und Gefühl, Hanf, Seide und
Baummolle bloß durch das Gefühl. Beim Leſen
benutt man ftatt der Ddurchitochenen Schrift
(Stadelichrift), die viel Raum wegnimmt m. nicht
lange dauert, lieber die Preßichrift, bei welder
die Lettern durch eine ftarle Preſſe in Bapier,
welches durch Yeim erweicht ift, abgedrudt werden
jo daß es ein Melief gibt. Die von Lulas in
England erfundene Ehiffernfchrift hat in Deutich-
land nicht viel Beifall gefunden; befjer ift die von
den Engländer Moon erfundene Blindenfchrift,
die theilweiie im deutſchen Anftalten Eingang ge»
funden bat. Beim Schreiben wird entweder die
Braillefhe Punktirihrift, der Telegrapbenichrift
ähnlich, oder die Heboldihe Buchſtabenſchrift an-
gewendet, lettere namentlih im Verkehre mit
Sehenden, da diefe die Brailleihe Schrift micht ver-
fteben. Beim Rechnen gebraucht man ein mit vielen
Löchern veriehenes Brett, worin die Zahlen, Heine
Holzpfoften mit ebenfo vielen Spigen, als Einheiten
bezeichnet werden follen, geftedt werben. Bei der
Geographie wurden von Zeune ſtatt der geftidten
Karten die Nelieflarten eingeführt. Es ift eine
irrige Annabme, daß die Blinden ganz hervor»
ragend muſilaliſch befähigt feien; weil aber in
allen B. viel Muſik getrieben wird, fo ift e8 ganz
natürlich, daß Einzelne auf dieſem Gebiete ſich
auszeichnen u. fih als Birtuofen auf der Orgel
oder der Bioline, der Harfe 2c. einen Namen
gemacht haben. Der Unterricht in Handarbeiten
erfiredt fih auf Spinnen, Striden, Flechten,
Bandweben, Leder-, Papp⸗, Korb» und Stroh
arbeiten, u. felbit auf Stiden u, Drechsler u.
Tiſchlerlunſt. Durch diefe Beichäftigungen werden
den Blinden die Mittel zu ihrer weiteren Aus-
bildung bei Handwerkern, welche in manden
Fändern Prämien aus Staatskaſſen erhalten, und
zu ihrem künftigen Erwerbe an die Hand gegeben.
Die geeignetften Beichäftigungen bleiben immer
das Korbinahen, Rohrſtuhlbeziehen, Strohdeden-
fertigen u, Seilerei. Die Eoncurrenzfäbigkeit der
Blinden gegenüber den Sehenden wird jedoch
ftets eine beichräntte fein; fehr förderlich für das
bürgerliche Fortlommen der Blinden hat fich der
von — dem früheren Director der Blinden—
anftalt zu Dresden, aufgeftellte Grundfag bewiejen:
dem ausgebildeten Blinden and nad) der Ent-
laffung aus der Anftalt eime ftete Fürſorge an-
gedeihen zu laffen. Schon das Alterthum kannte
blinde Seher und Dichter. Hervorragend durch
wiffenfchaftlihe Bildung waren die Engländer
Saunderfon, der als Profeffor der Mathematik in
Cambridge wirkte; ferner Thom. Bladiod, Pre-
diger in Edinburgh, u. Zoh. Metcalf in Manche—
fer, welcher den Straßenbau beauffichtigte und
nad) felbftändigen Plänen u. Berechnungen meh—
rere neue Straßen anlegte. Die Anftalten zur
Bildung der Blinden entjtanden zuerft in Frank⸗
veih, wo Balentin Haug, angeregt durch die
blinde Pianiftin von Paradies, 1784 in Paris ein
Yehrinftitut für Blinde gründete. Aus Verdruß
darüber, daf feine Anftalt mit den Quinze-vingts
verbunden wurde, folgte er mit feinem Schüler
Fournier 1806 einem Rufe nah Rußland, wo
er 1807 in Petersburg auf Befehl des Kaifers
Blindenanftalten.
lin wurde er dem König Friedrich Wilhelm TIT.
vorgeftellt u. dadurch die Beranlaflung zur Erridt-
ung der erften Blindenanftalt in Preußen zu Berlin
gegeben, deren erfter Borfteher Aug. Zeune wurde.
Andere derartige Anftalten entftanden 1818 in
Breslau unter dem blinden Job. Knie, einem
Schüler von Zeune, der eine Beichreibung feiner
ohne einen Begleiter unternommenen Reife durch
Deutihland berausgab; 1829 in Halle durch die
Brüder Kraufe; 1846 in Königsberg durd den
blinden Flötenpirtuofen Friebe, bei. unterſtützt
dur Billow v. Dennewig u, den als Schriftfteller
belfannten Blinden Ludwig v. Barzlo. In Defter-
reih wurde das von Klein zu Wien errichtete
Inſtitut Borbild für ähnliche Anftalten im Kaifer-
ftaate, 3. B. in Prag, die v. Platzer 1807 be—
gründete, 1824 in Linz, durch Engelmann begründet
und feit 1836 Provinzial» Blindenanftalt; 1847
in Brünn, 1825 in Presburg, jeit 1827 in Be.
Während man fih nun in SDeutidland, 3. B.
in Baden, wo die 1826 von Müller in Mariahof
bei Donaueſchingen gegründete und 1828 zur
Staatsanftalt erhobene Blindenanftalt nach Bruch-
fal, 1837 nach Freiburg verlegt wurde und ſeit
1868 fih auf dem Scloffe von Ilvesheim be-
findet; in Bayern, wo die 1826 in Freifing ges
gründete Blindenanftalt jett in München fich be»
findet, und in Württemberg, wo die 1823 im
Gmünd gegründete Blindenftalt jegt mit der Taub⸗
ftummenbeilanftalt verbunden ift, die öfterreidhie
ihen Anftalten zum Mufter nahm; richtete man
fih dagegen in Sachſen mehr nah den Berliner
Einrichtungen, -fo in der B. zu Dresden, geitiftet
1809 von Flemming, zuerſt geleitet von Stedling
und feit 1829 mit der Blindenverforgungsanitalt
verbunden. Sonft gibt es in Deutjchland noch
B.: feit 1818 zu Breslau, 1829 zu Braunichweig,
Hamburg 1830, Frankfurt a. M. 1837, Weimar
1839, Friedberg in Hefien 1850, Hannover 1843,
Soeſt u. Paderborn 1847, Düren 1845, Wollitein
in Poſen 1853, Stettin 1850, Barby 1858, Wies-
baden 1861, Hubertusburg in Sadfen 1862,
Leipzig 1865 x. Deutichlaud hat etwa 30 9,
Auch im Auslande fehlt e8 nicht an dergleichen
Anftalten: Mailand 1837, Neapel 1818; Briftot,
Dublin, Edinburgh, Liverpool jhon aus dem vor,
Jahrh., York 1835, Mancheſter 1838; Bordeaux,
Caen zc. im Frankreich; Kopenhagen 1811; Stod-
holm »1808; Amfterdam 1808 u. a. Bol. Hauy,
Essai sur l’&ducation des aveugles, Par. 1786;
A. Beune, Belifar, Berl. 1808, 4. Aufl., 1834;
Klein, Lehrbud zum Unterrichte der Blinden, Wien
1819; Ludwig v. Baczlo, Über mid felbft und
meine Unglüdsgefährten, die Blinden, Lpz. 1807:
Derjelbe, Selbitbiographie, Königsb. 1824; Jä-
ger, Die Behandlung blinder Kinder, Stuttg., 2.
U, 1831; Klein, Geih. des Blindenunterrichtes
u. der B., Wien 1837; Matthias, Organ für
Taubftummen- u. Blindenunterricht, Friedb. 1855
fi.; Georgi, Anleitung zur zwedmäßigen Behand-
lung blinder Kinder im Kreife ihrer Familie bis
zu ıhrer Aufnahme in die Blindenanftalt, Dresd.
1857; St. Marie, Der Blinde u. feine Bildung
Lpz. 1869; Pablafel, Die Fürforge fiir die Blin—
den, Wien 1867. Schriften für Blinde, ſowol
Alerander eine gleiche Anftalt gründete. In Ber-I Schulbücher wie Unterhaltungslectüre, find zu be-
*
Blinder Fleck
ziehen aus dem Verlage der Blindeninftitute zu
Berlin, Wien, Breslau u. Philadelphia, außer-
dem: Die heil. Schrift für Blinde, zu Stuttgart
in der Bibelanftalt.
Blinder Fleck, die für Licht unempfindliche
Eintrittsftelle des Sehnerns ins Auge; ſ. Auge.
Blindheim (Bienheim), 1) Dorf im Bezirks-
amte Dillingen des bayer. Negbez. Schwaben, an
der Donau bei Höchſtädt; 710 Em. Hier u. bei
Höchftädt 13. Aug. 1704 Sieg der verblind. Öfter-
reicher, Engländer u. Holländer unter Marlborough
u. Prinz Eugen über die Franzoſen u. Bayern
unter Tallard, Marfin u. dem Kurfürſten v. Bayern.
Tallard wurde mit 15,000 Franzoſen gefangen, die
Übrigen flohen über den Rhein. (S. Spanijcher
Erbfolgelrieg.) Hiernach 2) B. Houfe, Marktfl. in
— Blindheit.
33
können. 2) B., welhe auf Störung des
nerpdjen, Hlihtempfindliden Apparats
(Negbaut, Sehnern, Gehirn) beruht u. im Al-
gemeinen als Schwarzer Staar (Amauroie)
bezeichnet wird. Diefelbe ift meiſt der Ausgang
von inneren Entzündungen des Augapfels (Ader«
haut», Netbantentzündungen) od, Sehnerven⸗, Ger
birn-, Rüdemmarkieiden. Der optiiche Theil des
Auges kann dabei ganz normal fein, in anderen
Fällen tritt zu Schwarzem Staar, bejonders dem-
jenigen, welcher durch innere Augapfelerkrankungen
bedingt ift, fpäter noch Grauer Staar hinzu. Die
äußere Form des Augapfels kann fowol bei dem
erjten, al$ zweiten Erblindungsmodus volitändig
erhalten jein, auderjeits ift es Har, daß ein in—
folge heftiger Entzündungen oder Verletzungen
der engl. Grafſch. Orford, mit prächtigem Schloß |zufammengeichrumpfter, atrophiicher Augapfel meiſt
u, Park, weicher dem Herzog von Marlborongh ohne jede Spur von Lichtempfindung fein wird.
vom britifhen Volle zu Ehren der Schlacht bei B. Die obige Eintheilung ift aud von Werth bin«
gejchentt wurde, In der Schloßfapelle Marlbo- |jichtlih der etwaigen Heilbarfeit der verjchiedenen
roughs Grabmal u. im Park deifen Standbild, | ötxten von B. Denn während der ärztlichen
lindheit (lat. Caecitas), Unvermögen, Licht Kunſt gegenüber dem eigentlichen Schwarzen
zu empfinden, u. demnach Unfähigkeit, mittels des | Staar nur wenige Hilfsmittel zu Gebote ftehen,
Gefichtsfinnes Objecte wahrzunehmen u. zu unter- feiert diefelbe oft Triumphe in Bejeitigung der
ſcheiden (abfolute B., Amauroje, Stodbiindheit). | mechanischen Ambiyopien; jo ift der Graue Staar
Der gewöhnliche Sprachgebraud (u. die Statiftit)|heilbar durch Operation; bei Verſchluß der Pu—
nennt jedod auch ſchon Denjenigen blind, deſſen pille oder bei Berdedung der normalen Pupille
Lichtempfindung fih auf Unterſcheidung von hell durch große ceutrale Hornbautfleden, wobei
und dunkel beſchränkt (fogen. quantitative Licht- |die Peripherie der Hornhaut noch durchſichtig ge»
empfindung), oder jelbft no zur Erkennung ganz |blieben iſt, kann durch Anlage einer neuen Pupille
grober Unterſchiede in allernäcdhiter Nähe (Beweg: dem Lichte wieder Zugang zur Netzhaut geſchaffen
ung der Hand, Zahl der Finger zc.) ausreicht. | werden (dur Wusjchneiden eines Stüdes der
Indem nämlich ſolche noch nicht völlig Blinde) Regenbogenhaut mittels der Operation der Jrid—
durh den noch vorhandenen Heft von GSeh-|eltomie),. Lange Dauer der Erblindung jchließt
vermögen nicht befähigt werden, an fremdenjan ſich die Heilbarfeit nicht aus. Wie es aber
Orten fih jelbjt zu führen und zurechtzufinden, |einerjeits Erblindungen gibt, die nach jahrzehnte—
nehmen fie theil an der mit Blindheit (beider laugem Beitande fih nod als beilbar erwiejen
Augen) verbundenen u. für das fociale Yeben|baben, jo gibt es anderjeits Augenerfranfungen,
fo jchwer in die Wagichale fallenden Hilflofig-|die innerhalb weniger Tage das Sehvermögen
keit und Abhängigkeit von Anderen. Entſprech- dauernd zerjtören.
end ben zwei Yanptbedingungen, welche beim) B. kommt ſchon als angeborenes Leiden vor
phyſiologiſchen Sehact erfüllt jein müſſen (nor u. iſt dann nicht felten mit angeborener Taubheit
males Berbalten des optifchen Apparats, mit-|u. Störungen der Intelligenz bis zu vollftändiger
bin jelbftverftändlich Durchfichtigleit der optifchen Idiotie vergejellichaftet. Außer den feltenen Fällen,
Medien des Auges, wm. zweitens Integrität der daß Kinder ganz ohne Augen geboren werden,
lihtempfindlichen nervöjfen Beftandtheile des Sch- |find es hauptiächlich angeborene Atropbien des
apparats), kann mandie B. nad ihrer anatomisch |Schnervs (Schwarzer Staar), oder Trübungen
phyfiologiichen Grundlage in zwei Gruppen theilen: |der Kryftalllinie, welche die DB. bedingen, Im
1) B. welde bedingt iſt durch Undurch- letzteren alle ift Heilung, reip. Befjerung möglich,
fihtigfeit der optifhen Theile des Auges|Bemerfenswerth iſt, dag nahe Berwandtichaft der
(Hornhaut, Linſe, Glaskörper). Undurdfichiige | Eltern bei den Kindern neben anderen Gebrechen
Hornhautfleden, welche den größten Theil od. die häufig Schwarzen Staur zur Folge hat, ſei es
ganze Hornhaut einnehmen, Berfchluß der Pupille daß derjelbe jhon augeboren vorlommt, oder ſich
infolge von Negenbogenhautentzündung, Trübung erſt in jpäteren Leben entwidelt. Häufiger als
der Kryſtalllinſe (Grauer Staar) find ein mecha- vor der Geburt tritt Erblindung unmittelbar nach
niſches Hindernig für Das Licht u. ſchneiden dem⸗ der Geburt ein in den erſten Tagen od. Wochen
jelben den Zugang zu der üchtempfindlichen Netz- des Lebens infolge der fogen. Augenentzündung
haut ab. Man mennt daher auch durch ſolche der Neugebornen (Blennorrhoea neonatorum, ſ.
Urfahen bedingte Aufhebung des Sehvermögens |Augenpflege). Im Kindesalter entſteht Erblind«
mechanische Ambigopien, Immerhin ift in den ung durch Bernachläffigung der jog. feropbulöien
meiften diefer Fälle das Hinderniß für den Licht
einfall nicht derartig, daß nicht wenigjtens Spuren
von Licht zur Netzhaut gelangen Fönnten, u. ſolche
Patienten werden daher, im Falle der licht:
empfindliche Theil des Sehapparats intact iſt,
zum mindeften Yicht und Duntelheit umterfcheiden
Hornhautentzändung, ferner infolge von Berlet-
ungen der Augen und nah Gehirnentzündungen.
In Ländern, wo die Poden noch epidemiſch auf-
treten, erblinder jährlih eine große Anzahl von
Perfonen durch totale Hornbauttrübungen. Ein
großes Gontingent zu Erblindungen liefert ferner
534 Blindholz — Blinzen.
and bei uns die fog. Agyptiſche Augenentzündung gattung aus der Familie der Maulwurfmäuſe;
oder Körnerkrankheit (pannöje Hornhauttrübung). | Schneidezähne lang, breitfchneidig, von der kurzen
Diele Augen erblinden durch die fortdauernd ein-| Oberlippe nicht bededt, die oberen mit ſchwacher
wirkenden Schädlichkeiten mancher Gewerbe, ferner Längsfurche; 3 Badenzähne; feine Badentafchen;
durch Berlegungen. Auch wenn uriprünglih bloß auch äußere Obren n. Schwanz fehlen; Augen ſehr
ein Auge verlegt war, geben doch häufig beide/Mein u. von der Oberhaut überzogen, fo daß man
zu Grunde, inden das zweite Auge auf demifie von anfen nicht fehen fann; fie leben unter
Wege der ſympathiſchen Entzündung erblindet (f.|der Erde u. graben u. nähren fi wie Maulmwürfe.
Augenverletzungen). Der Schwarze Staar tritt|Art: Gemeine B. ESlepetz, S. typhlus Pall.),
bejonders im Mannesalter u. höheren Alter auf;|in SRufland und Ungarn; Kopf groß, edig;
hochgradige Kurzfichtigfeit führt leider oft gend brännlih aſchgrau, weißer Rand um den Mund;
durch Ablöſung der Netzhaut zu völliger Erblind-|22 cm lang; wirft die Erde auf, wie der Manl-
ung. Borzugsweife dem Aiter eigenthümlich iſt wurf.
aud der Graue Staar, Überhaupt zeigt es fih,| Blindſack des Magens (Blinder Sad des
daß B. vorwiegend ein Leiden des höheren Alters] Magens), Magengrund, Fundus ventrieuli), halb»
ift. Während diefelbe in der Jugend relativ felten|kugelige Wölbung des Magens nad linfs bin;
it, wählt die Zahl der Blinden bis zum 70.]j. Magen.
Jahre in fteigender Progreifion, um im böchften
Alter wieder abzunehmen, Etwa die Hälfte aller
Blinden ift älter als 50 Jahre. Die Statiftik
hat ergeben, daß in Mittel-Europa durdichnittlich
1 Binder auf 1350 Ew, kommt. Ju manchen
Ländern ift das Verhältniß viel ungünftiger, fo
3. 2. in Agypten, wo man auf 100 Sehende ſchon
1 Blinden rechnet, Auch Finnland hat eine fehr
bobe Blindenziffer, die Blindenzahl nimmt über-
haupt mit dem Steigen der Breitengrade nicht
ab. Die Blinden erfreuen fi) durchſchnittlich
einer guten Gejundheit, fie fteben in Bezug auf
?ebensdauer ihren ſehenden Mitmenschen nicht
nad. Daß die Sterblichkeit unter ihnen groß ift,
lommt einfach daher, daß die meiften Blinden
den höheren Alter angehören. Obwol man ver»
mutben follte, daß der Verluft des Sehvermögens
von allen Leiden des Körpers am fchmwerften
enpfunden würde („Sterben ift nichts, doch leben
Blindfchleiche (Anguis Cur.), Gattung aus
der Ordnung der Eidechſen, Unterordnung ber
Kurzzüngler, Familie der Sandechſen (Scincoi-
deae). Der fchlangenähnliche, Tanggeftredte, nicht
mit Gliedmaßen verjehene Körper ıjt mit glatten
Kunochenſchuppen beſetzt, der Scheitel mit größeren
Schildern beffeidet; Schultergirtel, Bruftbein u.
Bedengürtel find rudimentär,; die Augen befigen
(u. daran ift das Thier fofort von einer Schlange
zu untericheiden) bewegliche Lider, von denen das
untere wie ein burchicheinender Vorhang empor-
gehoben werden kann; das Paukenfell if unter
der Haut verftedt. Dahin die gemeine B.
(Brudichleiche, Glasichlange, Hafelmurm, Anguis
fragilis L.), 40—45 em lang; Schuppen glänzend
fupferbraum, doch ſehr variirend, unten jchwärzlich,
über dem Rücken drei ſchwarze Streifen, die fid)
im Alter verlieren, ganz jung oben milchweiß,
mit ſchwarzem Längsſtriche, unten ſchwärzlich;
u. nicht ſehen, das iſt ein Unglück“), ſo wird doch Schwanz leicht abbrechend, aber nicht wieder
die Blindheit von den meiſten mit auffälligem|wachiend; ihre Haut ſtreift die B. jährlich fünfmal
Gleichmuthe ertragen.
allerdings die Hoffnung auf Beſſerung groß, und
fie tröften fich jo lange mit dem Gedanken an
Heilung, bis auch fie in das Alter der Entfagung
treten. Übrigens erlangen die Blinden bei gut
geleitetem Unterrichte (j. Blindenanftalten) durch
erhöhte Ausbildung des Gefühls- u. Gehörsfinnes
oft einen hoben Grad geiftiger u. technifcher Bild-
ung. B. bat im rechtlicher Beziehung nach den
abweichenden Beftimmungen der einzelnen Landes—
geſetze verfchiedene perfönliche Beſchränkungen zur
‚zolge, 3. B.: Ein Blinder ift der Lehnsſucceſſion
unfähig; das Teſtament eines Blinden bedarf
mehrerer Solemmitäten, als Teftamentszeuge fann
jeine Concurrenz wenigftens Teicht angefochten
werden; er bedarf für Bermögensübernahme, eines
Curators; erift zur Übernahme öffentlicher Amter,
einer Nichterftelle, einer Vormundſchaft u. a. une
fähig; er lann nach Kanoniſchem Rechte nicht Kleriker
werden (das linfe Auge ift das fanonijche Auge);
Blinde Perfonen find durch das Staatärecht meift
von der Regierung ausgeichloffen, doch kommen
Ausnahmen vor (f. Hannover). Über die Zurech—
nungsfäbigfeit der Blinden ſ. u. Zurech
nung. Stammes haus.
SBlindholz (Bloßholz, Weinb.), jo v. w. Steck⸗
ling.
Bei jüngeren Blinden ift|ftüdweile ab.
Dieies bübfche, durchaus unſchäd—
liche Thier lebt in faft gang Europa, ſowie in
Border-Afien; hält fi in Waldungen unter Moos
und Laub auf, mährt fih vorzüglich von Negen-
würmern, Schneden u. Inſecten u. wird daher
auch durch feine Nahrung mütlih. Sie bringt
etwa 12 lebendige Junge zur Welt. Im Spät«
herbfte verkriedht fie fi in die Erde und liegt
dafelbft, mitunter zu größeren Geſellſchaften ver-
eint, bis zum nächiten Frühjahre. Tbome.*
Blinzeln (lat. nieltijtare), das unwilllürlich
eintretende, abwechfelnde Schüeßen n. Öffnen ber
Augentidipalte, wodurch die Thränenfeuchtigkeit
über den Augapfel vertheilt u. der Augapfel jtets
feucht u. glänzend erhalten wird. Stammeshaus.
Blinzen, die Augenfidfpalte durch Zufammen-
ziehung der Augenlider verengern, mwodurd die
Pupille gleichſam in eine jchmale, horizontale
Spalte verwandelt wird. Berengerung der Pupille
ift aber bei jeder Art von Undentlichiehen, welches
auf optische Fehler des Auges zurüdzuführen ift,
ein Mittel, Die Sehfhärfe zu heben (f. d. Art. Brille).
Nur darf die Verengerung nicht zu weit geben,
weil font die Helligkeit der Nethautbilder zu fehr
abnehmen wiirde. Der Kurzfichtige (welcher feinen
griechtichen Namen Myops — Miyopie — dem B.
— gr. myein — verdanft), ficht durch B. fchärfer
Blindmans (Spalax Güldenst.), Nagethiers in dev Ferne, der UÜberfihtige und Weitfichtige
Blinzhaut — Blitz.
fhärfer in die Nähe. Sobald die Augen mit der
pafiende Brille bewaffnet werden, verichwindet die
Angemohnheit des B-8. Stammestaus.
Dlinzhaut (Membrana nictitans), jo v. mw.
Nidhaut; ſ. Auge (der Thiere).
Blittersdorf, eine katholiſche, urfprüng-
fih in Bliderftorp bei Horneburg ım Stifte Bre-
men, feit der Mitte des 13. Jahrh. im Erzjitifte
Köln auf dem Hofe Bliderinendorp, jetzt in Baden
und Pommern anfäjfige und 1664 in den Heichs-
freiherenftand erhobene Familie; blühte fonft im
3 Linien, von denen nur noch die Miühlendorfer
beſteht, Freiherr Friedrich, Sohn des 1798 ver-
ftorbenen Freiherrn Wilhelm Föjeph Friedrich,
geb. 10. Febr. 1792 in Mahlberg im Breisgau;
wurde 1813 Gejandtichaftsjecretär zu Stuttgart,
1814 mit dem badifchen Kriegsminifter v. Ber—
ftett im Hauptquartier der Berbiindeten accreditirt,
1816 Legationsrathb und Gefandtichaftsiecretär in
Frankfurt, 1817 im Geheimen Cabinet des Groß—
herzogs angeftellt, 1818 Geichäftsträger am rujj.
Hofe u. 1821 Bundestagsgejandter in Frankfurt;
1835 trat er als Minifter des Großherzoglichen
aufes u. der Auswärtigen Angelegenheit in das
adiſche Minifterium; 1843 gab er feine Entlaffung
u. ward im November wieder Bundestagsgejandter
in Frankfurt, im December auch Gejandter am
belgischen und niederländiſchen Hofe. Seit der
Märzrevolution 1848 privatifirte er meift in Frauk⸗
furt, wo er 16. Aug. 1861 ftarb. Er ſchrieb:
Einiges aus der Mappe eines alten Staatsmannes,
Franff. 1849.
Blitum, ſ. Chenopedium L.
Blitz, 1) feurige Luftericheinung, ftarker elef:
triſcher Funken, welder bei einem Gewitter ent-
mweder zwiſchen zwei eleltriihen Wolfen, oder
zwifchen einer ſolchen Wolfe u, der durch Bertheil-
ung gleichfalls elektrisch gewordenen Erdoberfläche
überjchlägt. Die Alten glaubten (nach Ariftoteles),
daß der B. eine Entzündung brennbarer Dünfte
in der Luft fei. Nach der Erfindung des Schieß—
pulvers erflärte man den B. aus einer vermeint-
lihen Entzündung von falpetrigem Salz umd
Schmefel, um für das Berfchmettern durch den
B. beim Einſchlagen u. für den Donner eine Er:
eg. zu erhalten. Wenn auch gegenwärtig
noch iiber viele einzelne den B, begleitende Umftände
Meinungsverihiedenheiten beftehen, jo ift doch
das Wefentlihe durch die Unterfuchungen neuerer
Phyſiler, namentlich Aragos u. in der neueften Zeit
Doves, feftgeftellt, u. bef. ſteht es feſt, daß der B.
eine eleftriihe Entladung zwiſchen entgegengefett
eleftriihen Wollen, od. auch zwifchen einer Wolfe
u. einem Punkte der Erdoberfläche iſt. Windler
in Leipzig ftellte zuerft (wenig beachtet) 1746 u.
Franklin 1747 die Eleltricttät als Urſache des
B:e8 auf; Letzterer bildete 1751 diefe Theorie mehr
aus. Berühmt find Franklins Berjuche mit einem
Papierdrachen. Diefer war mıt einer Spige ver:
fehen, welche die Eleftricität einer Gewitterwolle
anflaugte, oder durch welche vielmehr die Aus»
gleihuug dieſer u. der ungleihnamigen Elektricität
des Erdbodens bewirkt u. dadurd) die gleichnamige
Eleftricität frei wurde, jo daß die Schnur des
Diefe Verfuche gaben den unzweideutigen Beweis,
daß der B. ein eleltriſcher Funken im Großen ift,
welder, da er mit unberehenbarer Schnelligleit
fih fortbewegt, der Dauer des Lichteindrudes im
Auge zufolge (wie eine Rakete), langgezogen, als
Strahl (B-ftrahl) ericheint. Die Bildung der B-e
als eleltriſcher Funken geht im der Hegel von einer
Ihon gebildeten Wolfe aus und ftrömt meift zu
einer anderen Wolfe in geringerer oder weiterer
Strede, in einem od. in mehreren Strahlen, mit
weißem, röthlichem oder violettem Lichte über. Sie
erregen dort nene B-ausftrömungen, fo daß bis-
weilen die Erleudytung durch den B. als eine kurze
Zeit andauernd erjcheint. Durch Berſuche mit
den fich drehenden Farbenkreiſel, bei welchen die
Fzarben nicht zu Grau verſchwammen, jondern auf
der Scheibe umberjprangen, bat aber Dove dar»
gethban, daß folhe fladernde B-e aus einzelnen
getrennten Entladungen beftehen. Ihrem Aus—
jehen nad) find die Be jehr verfchieden. Arago
unterjcheidet drei Arten von Ben: a) Zickzach⸗Bee,
b) Flächen-B⸗e, c) Kugel-Bee. Die der erſten
Klaffe ericheinen als fehr ſchmale Yichtlinie mit
ſcharf begrenzten Rändern, welche in zidzadför-
miger Bahn von Wolfe zu Wolle, oder aus den
Wollen zur Erde fahren, in welch letsterem Falle
man fagt, daß der B. eingeichlagen habe. Ihre
‚Farbe it gewöhnlich weiß, felten purpurröthlich,
violett oder bläulih. Die Bee der zweiten Klaffe
find weit häufiger, als die der erften. Sie ver
breiten ihr meift röthlich gefärbtes Licht iiber grö-
Bere Flächen umd zeichnen fich durch eine etwas
längere Dauer der Lichterfheinung aus. Arago
jelbft jagt über diefe zweite Klaffe von Been: „Sie
iheinen manchmal nur die Umriffe der Wolken
zu erleuchten, aus denen fie hervorbrechen. Manch—
mal aud umfaßt ihr lebhaftes Licht die ganze
oberflählihe Ausdehnung diefer Wolfen u. fcheint
fogar aus ihrem Innern zu kommen, Alsdann
gehen die Wolfen auf, wie man zu jagen pflegt:
eine paffendere Bezeichnung als diefer Vollsaus-
drud dürfte für diefe Erjcheinung wol kaum ge
funden werden.” Beide Klaffen können mittels
unferer Elektrifirmafchine im Kleinen nahgeahmt
werden. Die erfte Stlaffe entipricht den gewöhn—
lichen eleltriſchen unten, die zweite ift den Büſchel—
u. Glimmentladungen der Maſchine analog. Diefe
Anſicht wird auch durch die fpectroftopifche Unter»
ſuchung des Lichtes der DB-e beftätigt. Nach Kundts
Beobadhtungen befteht das Spectrum der BZidzad-
Bee, gleich dem Spectrum des Funkens der Eleftrifir-
maschine, aus einzelnen ſchmalen, ſcharf begrenzten
Linien, während das Spectrum der Flächen: Be,
wie dasjenige des Bilfchel- u. Glimmlichtes, durch
breitere Lichtbänder gebildet wird. Die B>e der
dritten Klaſſe find kügelförmig. Sie werden viel
jeltener beobachtet, als die der "beiden erjten
Kaffen, obgleih fie während des Gewitters die
Atmoſphäre mit einer verhältnigmäßig fo geringen
Geſchwindigkeit durchlaufen, daß man fie oft mehrere
Secunden lang mitden Augenverfolgen kann. Ihre
Farbe ift verjchieden von mattem Wei bis zum
lebhaften Hochroth, u. ihr plögliches Verſchwinden
erfolgt manchmal ohne Geräuih, manchmal aber
Draden am unteren Ende bedeutende Funken iſt es mit einer dem Kanonendonner ähnlichen
gab, wenn er einer Gemitterwolte ſich näherte, | Detonation begleiter, wobei fie nah allen Richt⸗
936
ungen Zidzad-B-e ſchießen, welche furchtbare Zer—
ſtörungen anrichten. Liais beobachtete bei einem
Gewitter drei folder Kugel-B-e, die wie die me—
teoriihen Feuerlugeln einen Lichtſchweif hinter
fich zurüdtießen u. am Himmel 13 Grade in einer
halben Secunde durchliefen. Arago zählt eine
große Anzahl ſolcher Feuerkugeln auf, deren elef-
triſche Natur zweifellos ift, deren Entftehungsmeije
wir aber noch nicht erflären können. Auch über
die Bildungsart der beiden erften Klaſſen bericht
noch Meinungsverjhiedenheit. Das Zidzad der
Bee der erjten Klaffe entiteht wahricheinlich , in—
dem der B. wegen der Berdichtung der raſch ge
drängten Luft plöglih von feinen Wege abge:
leitet wird, vielleicht auch durch Einwirkung der
Geftaltung des unter der Wolfe befindlihen Bo-
dens. Auch ift es möglich, dag bisweilen der plötzlich
icharf beleuchtete Nand einer dunklen Wolke, binter
welcher der B. ausbridht, fir die Bahn des Bees
gehalten wird. Selten und nur bei ſehr ftarler
eleftriicher Spannung wendet fi der B. von der
Wolfe erdwärts, u. 08 erfolgt das als Einichlagen
des B-e8 befannte Phänomen, wobei der B. wie
ein anderer eleftrifcher Funken nad Umftänden
zündet, oder jchmelzend, oder mechaniſch durch
Riſſe oder Zeriplitterung zerftörend wirkt. . Zu:
weiten fahren Bse auch in die Höhe; jo murde
an 1. Mai 1700 in Steiermark auf dem Gipfel
eines von der Sonne beſchienenen Berges fieben
Perfonen durch einen B. erſchlagen aus einer
Wolfe, die auf der halben Höhe des Berges lag.
Dit einem B-ichlage zwiichen Wolfen ift mım häufig
ein Nüdichlag, d. h. ein plögliches Zuſammen—
ftrömen der vorher vertheilten Elektricitäteu im
den genäherten Punkten der Erde verbunden, der
Par nie zündend, oft aber für Menichen und
Thiere tödtlih gemweien if. Der B. leitet das
Phänomen des Donners ein, den man fi ge-
wöhnlich dadurch entftehend denkt, daß eine große
Zahl faft völlig gleichzeitiger Erplofionen, welche
auf einer Linie hinter einander und alfo in ver:
ihiedenen Entfernungen vom Beobachter liegen,
wegen der verbältnigmäßig langfamen ‚Fortpflanz»
ung des Schalles nach einander gehört werden;
doch berubt er wol aud noch auf auderen Be-
dingungen. In feltenen Fällen find fogar in
großer Höhe über dem Beobachter B-e ohue
Donner gejehen worden. Dagegen ijt das
Üetterleuchten am ſcheinbar hellen Horizont, bei
welchem man keinen Donner hört, nach zuverläffigen
Erfahrungen nur der Widerihein ſehr entiernter
Gewitter, was um fo wahrfcheinlicher ift, als man
noch nie einen Donner eines mehr als 30 km
entfernten B=e8 gehört, wol aber den Schein von
Gemittern bis auf 187,, km geſehen hat. Bei der
Entftehung des B-e8 wird die eleltriihe Spannung
u, die damit verbundene gegenfeitige Abſtoßung
der Wollentheilchen plöglich aufgehoben. Dieſelben
ftürzen zufammen u, verurſachen meist momentan
einen reihliheren Regen. Nah einer anderen
Erklärung ift das Zufammentreten der Beinen
Dunftlügelhen der Wolfe die Urfache des Bres;
daß der Regen erft nach dem B:e beobachtet wird,
bat einfah darin feinen Grund, daß die Ficht-
erſcheinung des B-s, um bis zur Erde fich fort
zupflanzen, eine verſchwindend Heine, die Negen«
Blitz.
tropfen aber, um von der Wolfe zur Erde herab«-
zufallen, eine weit größere Zeit gebrauden. Wenn
die mit Elektricität von geringer —— gela⸗
denen ſehr Heinen Dunftkügeichen zu größeren ——
tropfen zuſammentreten, ſo muß ſich die Elektri—
cität derſelben auf der Oberfläche des Tropfens
anfammeln, Nun ift aber diefe ſehr viel Feiner,
als die Summe der Oberflächen der einzelnen
Dunfttügelhen, woraus ſich ergibt, da die Spann
ung der Eleftricität auf dem NRegentropfen eine
ſehr viel größere fein u. fomit eine raſche Bildung
von Negentropfen auch eine ebenjo plögliche elek»
trifhe Entladung zur Folge haben muß. ft der
B. aber gebildet u. findet er einen elektriſchen
Leiter, jo nimmt er an ihm feinen Fortgang. Als
ſolche Yeiter find bef. Metalle u, Waſſer befannt.
Ob ein zu eimem brennbaren Körper gelangender
B. zündet, od, nicht (heißer oder kalter Schlag),
bängt nicht bloß von der Zündbarkeit der Körper,
fondern auch davon ab, ob die Leitung verfchieden«
artig u. zu mehreren Malen unterbrochen if. So
bat man Fälle, daß felbft an Schiegpulver ein B.,
ohne zu zünden, herabgefahren ift; Dagegen bildet
fi) in trodenen, mit eifernen Nägeln befeftigten
Brettern, wenn fie der B. trifft und von einem
Nagel zum anderen überſchlägt um jeden Nagel
eine Flamme, Bei Entzündung von Häufern
bricht oft die Zlamme an mehreren Orten zugleich,
oft aber auch mehrere Stunden fpäter aus; bis
dahin ift es nur ein glimmender Funke, weidhen
der B. entzündet hat. Metalle ſchmelzen gemwöhn«
ih vom B. nur da, wo die Leitung unterbroden
(wie durch Moften) oder wo der Baſtrahl der Leit»
ung übermädtig war, Der B. ſchlägt aus
Wolfen wegen größerer Nähe leichter auf hohe
Erdgegenjtände, al3 auf niedrige; Bäume find
duch ihren Saft gute Leiter für den B., na-
mentlich Eichen, Nadelhölzer (vielleicht wegen ihrer
barzigen Theile) weniger; Raud u. Waflerdampf,
alfo auch die dur das Athmen vieler Menſchen
oder Thiere feuchte Luft Teiten den B. ebenfalls
leicht, deshalb fchlägt er oft in Eſſen, Ställe, volle
Kirchen, felbft wenn zu einem anderen Erdgegen«-
ftande, 3. B. einer Berghöhe oder einer Thurme
jpige, fein Weg näher gewefen wäre. Sider-
ungsmaßregeln gegen den B.: man vermeide
während der Gewitter den Aufenthalt an höheren
Drten u. die unmittelbare Nähe von guten Yeitern,
itelle fih 3. B. nicht unter Bäume, bei. Eichen,
namentlich auch nicht unter größere herabhängende
Zweige, ferner nicht in die Nähe von Gemäner,
befond, wenn an jolhem metallene Stoffe (3. B.
Klingeldrähte) find; man vermeide das Zufammeit-
jein mit vielen Menichen oder Thieren; hüte fich,
während Gewittern an zugige Orte, unter Schorn«
fteine, im Zimmer, wo an zwei Seiten Fenſter
geöffnet find, zu gehen. Ganz befonders aber
vermeide man die Nähe metalliiher Leitungen,
3. B. der Gasröhren, ftelle fih nicht unter Die
von der Dede herabhängenden Gaslampen. Die
Wirkung des B-fchlages auf den menſchlichen
Organismus ift eine heftige Erichütterung der
Nerven, wodurch das Bewußtſein genommen,
wirklicher Tod oder auch Scheintod (Asphyxia
de fulmine tactorum, Sideratio) bedingt werden
fann. Nur auf der Haut des Getroffenen zeigen
Blitzableiter. 537
ſich gewöhnlich Brandfleden od. entzündete Streifen] Grube, deren Seiten ausgemauert waren, deren
mit ausgezadten Rändern oder ftrahlenförmigen | Boden aber frei blieb m. über melde ein fchhorn-
Ausläufern, während innere Organe ihrem Ane|Beinartiger, oben ofjenbleibender Schacht mit der
fammenbange nad unverlegt bleiben; felbft die | Inſchrift? Fulgur conditum errichtet wurde, Gin
Kleider bleiben bei vom Bee getroffenen Perſonen ſolches Grab, von feiner Ahnlichleit mit einem
oft völlıg unbeſchädigt; oft aber werden fie ftellen- Brunnen Puteal, oder von dem dabei von ben
weije verbrannt, zerriffen u,, was von Metall an) Harujpices gebradhten Opfer Bidental (j. d.) ge-
ihnen ift, zumeilen geſchmolzen. Manchmal erfolgt inannt, wurde zu dem Loca religiosa gerechnet,
auch nur eine Nervenlähmung. Der vom B. Ge-|
troffene empfindet während des B-jchlages leinerlei
Schmerz. Bei Rettungsverfuhen an vom
B. getroffenen Menſchen muß man die viel-
leicht nur unterdrücte, nicht vernichtete ebensthätig«
leit durch einen fchnellen Reiz wieder anfachen.
Liegt der Getroffene im Zimmer, fo muß zunächſt
durch Fenſter u. Thüren frische Yuft eingelafien,
das Geficht mit faltem Waſſer beiprigt, die Naſen—
löcher mit einigen Tropfen Salmiafgeift benett,
Stirn u, Wangen mit Branntwein od. Kölniſchem
welche Niemand betreten dınjte. Ein vom B. Er-
fchlagener wurde an der Stelle, wo er gefunden
wurde, begraben. In der nordiſchen u, deutichen
Mythologie ift der B-gott Thor od, Donar; als feine
berabgeworfenen und in die Erde gefandten Bre
galten die Domnerleite (ſ. d. u. vgl. Blitzröhren);
in der indiihen hat Siwa den B. als Attribut.
Eine Ableitung ſämmtlicher Mythologien aus
poetifcher Betrachtung des Bres und Donuers
verſuchte Schwart (Urfprung der Mythologie,
Berl. 1860). In Wappen foll der B. die blitz—
Waſſer eingerteben, Hände u. Füße kräftig mit
Tüchern gerieben werden. Bleibt dies Alles er-
folglos, jo drüde man mit beiden flach auf den)
ſchnell überfallenen yeinde bedeuten; man nannte
früher auch wol Pfeilſpitzen B+e. Auf dem
Theater wird der B. meift durch in ein Yicht ge-
Leib gelegten Händen denfelben längere Zeit (nöthi- |blafenen Bärlappenſamen oder Eolophonium nad)
genfalls eine halbe bis ganze Stunde lang) gleich- |geahmt,. 2) B. im Auge, f. u. Augentäufhungen,
mäßig auf und mieder, um auf diefe Weiſe das ESpedit.*
Athmen wieder in Gang zu bringen. Blitzableiter, Vorkchrung, den einichlagenden
Die Griechen betrachteten den B. (Astrape) als Blitz ohne Verlegung der Gebäude zur Erde hiyab-
unmittelbare Wirkung des Zeus, welchem die|zuleiten. Franklin, der Begründer einer umfaſſen—
Kyliopen die B=ftrablen (Keraunoi) verfertigten;)den Elektricitätslehre, ſuchte zuerſt (1749) durch
mit dieſen war feine Rechte bewehrt, und er|Aufitellen metallener Spigen auf die höchſten Theile
jhleuderte fie herab, um Frevler zu züchtigen) eines Gebäudes eine vorüberziehende eleftwiiche
und den Menihen Zeichen zu geben. In leg: |Wolfe, ohne daß es zu einem eleftriichen Funken
terer Beziehung wurden die B-e mantentlich bei komme, zu entladen; 1753 aber erklärte er fi
den Etrusfern von bejonderen Prieftern beobach- dahin, daß dergleihen Spigen den Ausbruch eines
tet u. gefühnt, umd im ihrer Religion hatte ſich eleltriſchen Lichtfuntens in der Nähe derielben ver-
dazu eine ganz bejondere B-theocie (Ars fulgu-|büteten u. auch einen durch die Wolfen bis in ihre
ratoria) ausgebildet, welde in beſond. — ————— geleiteten Blitz auffingen u, num fo weit lei—
(Libri fulgurales) aufgezeihnet war. Von den!teten, als die Gontinuität der metallischen Diafie
Etrusfern war diefe Lehre auch zu den Römern nicht unterbrochen würde, daß dDaber, wenn die
übergegangen. In alter Zeit war es bei den/metalliihe Yeitung, in einiger Entfernung von
Römern bloß Sitte, die Be zu fühnen; zurlanderen Gleftrictätsleitern, bis zum Erdboden
Kaiferzeit wurden fie auch befragt, abgehalten u. |veiche, auch der Blitz dahin gelangen werde, ohne
berabgezogen. Zunächſt unterſchied man die bei den Gebäuden Schaden zuzufügen, od. das Yeben
Zage erjheinenden u. die nächtlichen und fchrieb |der Bewohner derjelben zu bedrohen. Ju Deutich-
dieje dem Summanus, jene dem Jupiter zu; dielland wurden gleichzeitig (1753) von Windler in
eigentlichen B=e biegen Fulmina, das bloße Wetter-|Yeipzig VBorichläge zur Bligesableitung gemacht,
leuten aber Fulgura. Die Deutung der Bre,jaud 1754 von Proc. Diviſch in Mähren zur AUus-
welche in das Gebiet der Harufpices (ſ. u. Auguren) führung gebracht. Doch biürgerte fih der B.
gehörte, gab von jedem Bee an, ob er warnend, mit entſcheidendem Erfolge zuerſt in NAmerila
Gefahr verlündend, Erwartung täuſchend, Ver- ein. In England wurde der erſte B. 1762 zu
derben anzeigend ꝛc. ſei. Als glücklich galten die Payneshall von Walſon errichtet, in Hamburg erſt
von lints, als unglücklich die von rechts fommen-|1769 auf dem Jakobithurm. Judeſſen fehlte es
den. B-beobadhtungen wurden bejonders bei In⸗ auch nicht an Bedenklichkeiten, beſ. ſeitdem 1753
augurationen u. beim Amtsantritte der Magiſtrate, Richmann in Petersburg, als er mährend eines
nie bei Gomitien angejtellt. Bon den Mitteln, | Gewitters durch eine metallene Stange den Blitz
melde man zur Abhaltung des B-es ammendete, in fein Zimmer zu, alfo nicht ableitete, durch
ift wenig befannt; das Bepflanzen der zu ſchützen- einen ſeitwärts übergeihlagenen Funken getödtet
den Stellen mit weißen Weinjtöden ſollte dazu wurde. Selbft Phyſiker (mie Nollet 1764) er—
dienen. Aber das Herabzieben des B-es, welches klärten fih gegen die Nugbarteit der B. Beſon—
ſchon die Könige Numa u. Tullus Hoſtilius ver-|ders wurde geltend gemacht, daß metallene Spigen
jucht hatten, wollten die Prieſter noch zu Alarichs |elektrifhe Wolfen anzögen, zu ihrer Entladung
Zeiten verfiehen. Die Sühnung der B-e, welde) aber nicht hinreichten. Wilfon (1773) glaubte in
eingefchlagen hatten, geſchah durch Beftattung, in ſtmpf endenden metallenen Stangen auf der Höhe
alter Zeit nad der Anweifung der Pontifices, der Gebäude einen fiheren Schu für Gebäude
fpäter unter Zuziehung etrustifher Haruſpices gegen den Blig gefunden zu haben. Dod bat
(Fulguratores). Das B-grab beftand in einer|die Erfahrung gelehrt, daß über ein Gebäude ſich
5
38
Blitzableiter.
erhebende (zum Schutze gegen Roſt vergoldete) ſu. feuchter ein zweifelhafter Elektricitätsleiter iſt,
Metallſpitzen (Auffangeſtangen) den Vorzug be—
haupten u. ſicher leiten, wenn nur die metallene
Yeitung (Ableitungstette) ſelbſt völlig unumter»
brodhen ift u. keine zu Meine Oberfläche darbietet.
Nah einem Berichte der Franzöftihen Alademie
der Wiffenfchaften jollte die ſchützeude Kraft eines
B⸗s fih auf einen freisförmigen Raum erftreden,
deifen Durchmeſſer viermal jo groß, als die Höhe
des Bes jet, fo daß aljo ein Dach von 28m Yänge
eine Auffangeftange von 7 m Höhe, in der Mitte
deifelben errichtet, erhalten müſſe, um geſchützt zu
fein. Doch hat ſich dieſe Hegel keiuneswegs in
allen Fällen als fiihhaltig erwieſen. Damit der
B. feinen Zmwed vollitändig erfülle, muß er mit
großer Sorgfalt conftruirt werden. Nach einer
unter den Aufpicien der Franz. Akademie der Wifjen-
haften von Gay-Luſſac verfaßten Inſtruction
muß die Spitze des Bes folgendermaßen beſchaffen
fein: Auf einer 8—10 m langen Eiſenſtange wird
ein O,, cın langer, etwas Toniicher Meijingitab
eingeſchraubt u. dann noch mit einem Querſtifte
befestigt. Oben in diefem Mejfingitabe iſt eine
Platinnadel von 5 cm Länge mit Zilber einge
löthet und die Verbindungsftelle mit einer Hille
von Meifing umgeben, wodurch fie geihütt und
die Verbindung der beiden Stüde feſter wird.
Auch wird, namentlid in Deutichland, die Spite
ans Eiſen gemacht u., um zu verhindern, daß fie
roftet, oben vergoldet. Am Fuße der Stange ift
ein hervorragender Rand aus Dietall zum Schutze
des Holzes, in welches fie befeftigt wird, gegen
die aus herabrinnendem Waſſer entftehende Fäul—
niß angebradt. Die Stange des B-8 muß dann
nit dem Boden durch eine metalliihe Leitung
verbunden werden, Dieſe Leitung bejteht am beiten
aus Ztabeifen; weniger gut find dide Seile von
Meſſing- oder verzinttem Eifendrabte. Um das
Orydiren, welches ftörend aufdie eleltriſche Leitungs-
fähigfeit einwirken kann, zu verhindern, wird Die
Yeitftange mit einem Ölfarbenanftric oder Yad-
firniß überzogen. Statt des eifernen Yeiters bes
dient man fi im neuerer Zeit auch kupferner
Blechſtreifen, da Kupfer ein viel bejjerer Eleltri—
ertätsleiter iſt und fich außerdem durd geringere
Oxydationsfähigleit empfiehlt. Die durch eiferne
Klammern getragene Yeitung wird über das Dad)
u, längs der Mauern bis zum Boden herabge-
führt. Befinden ſich Schornfteine auf dem Ge-
bäude, fo thut man wohl, diejelben noch extra mit
einer Anffangeftange zu verjehen u. diefe mit der
Zeitung in Verbindung zu jegen; find Gebäude
ganz mit Kupfer gededt, jo hat man nur für eine
Verbindung des Daches mit der Erde durch eine
Kupferteitung zu jorgen. Sind in oder an einem
Gebäude beträchtliche Metallmafjen, z. B. bleierne
Möhren, Dachrinnen, jo jege man fie mit dem
B. in metallene Verbindung; daſſelbe thut man,
wo auf einem Gebäude mehrere B. errichtet wer-
den, Ber Pulvermagazinen werden zwei od. auch
mebrere hohe Auffangeftangen neben dem Gebäude
errichtet, das Magazin felber aber nur mit Ab»
leitern verjehen. Die Bodenleitung ift bei der
Errichtung eines B-8 von der höchſten Wichtig:
feit, da feine Wirfiamteit weientliih von ihr ab-
jo jollte man fters fo tief graben, bis man auf
Grundwafler fiößt und das Ende der Yeitung
1—2 m tief in daflelbe einfenfen, Ein in der
Nähe befindliher Teich, Bach od. Brunnen feiften
diefelben Dienjte. Um die Berührungspunfte zu
verinehren, führt man die Leitung durch Wind»
ungen, welche man mit Holzkohlen ausfüllt, zu
dem betreffenden Wafferbehälter. Dies ift injo-
fern vortheilhaft, als die Kohle nicht nur ein guter
Leiter der Eleltricität ift, jondern auch das Metall
vor Roſt jhüge Im Falle ſchlechterdings fein
Waffer zu erreichen ıft, muß man menigitens bis
zu einer feuchten Erdſchicht verdringen und der
größeren Sicherheit wegen die Yeitung noch in
Seitenfanäle verzweigen. Außer an hoben und
wichtigen Gebäuden werden B. auch an Maften
von Schiffen angebradt. Der von dem Engländer
William Harris für Seeſchiffe conftruirte B. hat
ih jo gut bewährt, daß die engliihe Marine
Millionen dadurh erjpart. Da die Alten be-
obachtet hatten, daß der Blig nie über 5 Fuß
tief in die Erde fährt, fo glaubten ſich Furchtſame
in Kellern u. tiefen Höblen vor Gemittern ficher,
oder gingen unter Zelte von Seelalbfellen, weil
diefe Thiere nicht vom Blitz getrofien werben
jollten. In Indien hatte man eine Art B., in-
dem man aus dem am Grunde einer Gold aus
ftrömenden Duelle gefundenen Eiſen Schwerter
machte, die, in die Erde geftedt, wie Wolfen uud
Hagel, jo auch Blitzſtrahlen abwenden jollten. Die
Berjer glaubten, der Dampf des Adats fünne
Blige abwenden. Die Sage, daf die etrustiichen
Aulguritoren Blige vom Himmel hätten leden
tönnen (j. Etrustiihe Religion), hat cs Einigen
wahrſcheinlich gewacht, daß die Emuster ſchon
B. gehabt u. die Kömer fie von dieſen kennen
gelernt hätten. Vgl. Yuz, Lehrbuch der Bligab-
teitungslehre, neu bearbeitet von J. 8. Gütte,
Nürnb. 1804, 2 Thle.; Eijenlohr, Anleitung zur
Ausführung u. Pifitarion der B., Karlsr. 1845;
Buchner, Die Construction u. Anlegung der B.,
Deimar 1867; Strider, Der B. u. feine Wirt
ungen, Berl. 1872. Epedt.*
ligableiter für eleftriiche Telegrapben
jollen vie Zelegraphenapparate u. Zelegraphen-
leitungen gegen die Beihädigungen durch die at»
moſphäriſche Elektricität ſchützen; fie werden theils
in den Apparatzimmern, theil$ an den Yeitungen
jelbit angebradt. Die B. im Apparatzimmer
bewirfen entweder, daß jeder in der Yeitung jort»
chende Strom atmoſphäriſcher Elektricität und
jeder durch die letztere in die Leitung inducirte
Strom, weicher jo kräftig ift, daß er den Appa—
raten oder jelbjt den Beamten jchaden könnte, fich
jelbjt den Weg nad den Apparaten abbricht, od.
fie verwerthen die Eigenichaft der atmoſphäriſchen
Elektricität, durch Heine iſolirende Zwiſcheuräume
auf andere mit der Erde verbundene Leiter leicht
überzuſpringen, während die galvaniſche Elektri—
cität wegen ihrer geringen Spannung eher einen
ununterbrochenen Stromkreis von hundert Meilen
durchläuft, als daß fie auf kurzem Wege eine im
der Yeitung befindliche, noch jo Feine Unterbrech-
ung überipringt. Im Jahre 1846 murden zwei
hängt; da nämlich tredener Boden ein ſchlechter B. der erften Art von Breguet in Frantreih m.
Blikplatten — Blod).
James D. Reid in Philadelphia, zwei der anderen| Sanblörner. Sie find oft 8—10 m lang;
Art von Steinheil in Münden u. von Highton äußerer Durchmeffer beträgt meift 5 cm, ihr
in London angegeben. Steinheil verband dielinnerer einige mm. Dft erſcheinen fie im zwei
Leitung zuerft vor u. hinter dem von der Leitung |faft gleiche Arme getheilt u. find noch mit Neben-
nad) den Apparaten geführten Drahte mit einer|äften verfehen. an findet fie bafd im verticaler,
Metallplatte; beide Platten waren nur durch einen bald im fchräger Richtung im Sande, nach dem
Heinen Zwiſchenraum getrennt, damit die atıno- | unteren Ende bin fich verzweigend u. enger u. ſpitzer
ſphäriſche Eleftricität, von einer auf die andere /zulaufend Die innere Fläche ift vollfommen ver«
939
ihr
überjpringend, aus einem Leitungszweige in den
anderen übergeführt werde; ſpäter wurden zwei
durh dünnes Seidenzeug von einander getrennte
Platten angewendet, von denen die eine mit der
Leitung, die andere mit der Erde in leitender
Verbindung fand, damit die atmoſphäriſche Elel-
tricität aus der Leitung unmittelbar zur Erde ge
führt werde. Highton umwidelte den Leitungs—
draht einige Zoll lang mit Seide u. Papier und
umgab diefe Hille mit mehreren nad) der Erde
führenden Metallprähten. Breguet ftellte den
Leitungsdratd in der Nähe der Stationen aus
ganz feinem Drahte her, damit diejer, falls ein
ftarter Strom atmofphärifcher Elektricität der Pinie
entlang kommen follte, durch denſelben abſchmelze
und der Strom nicht in die Apparate gelange.
Reid führte die Luftleitung nach dem einen Ende
der Ummidelung eines Eleftromagneten, verband
das andere Ende mit der Achſe des Anferhebels,
durch welchen im feiner Nubeftellung die Tele:
graphirftröme zu den Telegraphen gelangten, wäh—
rend die ftärferen atmoſphäriſchen Ströme den
Anfer anzogen, den Ankerhebel auf einen zur
Erde abgeleiteten Contact legten u. ſo ſich ſelbſt
den Weg zu den Apparaten abbrachen, zugleich
aber einen anderen zur Erde herftellten. Die jest
üblihen B. find entweder Bligplatten, d. h.
geriefte Eifenplatten, von demen die eine mit der
Erde, zwei aubere, diefer nahe gegenüberftehende
mit der TZelegraphenleitung, die eine vor, Die
andere hinter den Apparaten, verbunden find;
oder fie find Spiten- oder Schneiden-Ab-
leiter, in denen die eben erwähnten drei Platten
durch drei mit vorjtehenden Spiten od. Schneiden
veriehene Metallichienen erjett find, wobei jedoch
die nah den Apparaten führenden Drähte jo
diinn gewählt zu werden pflegen, daß fie durch
ftärtere Ströme abſchmelzen. Zu noch befierem
Scuge der Leitungen u. Apparate gegen die Wirk—
ungen ftarler atmoſphäriſcher Ströme werden auch
außerhalb der Stationen auf den Telegraphenfäulen
B. angebradıt. ES geichah dies zuerft 1849 auf
der Linie Wien-Lundenburg. Solche B. beftehen
aus Metallbändern oder Seifen, welche unten tief
in die Erde eingegraben find, während fie oben
in zwei gabelförmige Spiten enden u. mit diejen
zwei anderen Spigen einer mit der Leitung ver
bundenen eifernen Gabel ſehr nahe gegenüber-
ftehen; oder die Bänder werden mit den an bie
Säulen angeihraubten Eifenbügeln oder Eifen-
gloden verbunden. Zetſche.
Blitzplatten, ſ. Blltabfeiter für Telegraphen.
Blitzrad, ſ. Galvanismus.
Blitzröhren Glitzſinter) heißen die im den
ſandigen Ebenen von Weſtfalen, Schleſien, Oft-
preußen, Cumberland, Braſilien u. a. a. O. vors
fommıenden, durch Blitzſchläge erzeugten, vöhren»
fürmigen Maſſen halb zuiammengejchmolzener
glaft, die äußere rauh u. böderig u. fieht aus
wie eine mit zufanmengebadenen Sandlörnern
bededte Krufte. Die Maſſe ift jo hart, daß man
Glas damit rigen fanı. Ihre Entftehung durch
den Blitz wurde lange bezweifelt, bis man „bie
Natur auf der That ertappie“, indem man zu
wiederholten Malen folhe Nöhren da fand, wo
der Blitz eingefchlagen hatte. Fiedler, der viele
Beobadhtungen über dieſen Gegenftand machte,
betrachtet (Gilberts Annalen, Bd. LV. u. LXL)
die B. dadurch entſtanden, daß ſich in einer ge»
wiſſen Tiefe unter der Oberfläche der Sandebenen
Waſſermulden befinden, nach welchen der Blitz
durch den Sand hindurch ſchlägt. Auch künſtliche
Verſuche haben dargethan, daß die B. elektriſchen
Urſprunges find. Bol, Ribbentrop, Über B.,
Braunſchw. 1830. Specht.
Blitztafel, ſ. Elektriſirmaſchine.
Blitzvogel, ſ. Steißfuß.
Bloch, 1) Marcus Elieſar, bedeutender
Ichthyolog u. Arzt, jüdiſcher Ablunft, geb. 1723
in Ansbach; fam als armer Hauslehrer nad Hanıs
burg zu einem jüdifchen Chirurgen, durch den er
angeregt wurde, Medicin zur ſtudiren. Unter vielen
Sorgen, aber mit eifernem Fleiße lag er in Berlin
dem Studium der Anatomie u. der Naturwiſſen—
fchaften ob, promopirte in Frankfurt, ging als
praftiicher Arzt nach Berlin u. blieb hier bis zu
feinem Tode 6, Aug. 1799 (nad Anderen foll cr
in Karlsbad geftorben fein). Seine Okonomiſche
Naturgeichichte der Fiſche, bejonders in den preus
ßiſchen Staaten, Berl. 1781— 82; ber Fiſche
Deutſchlands, ebd. 1782—83, u. der ausländiichen
tjche, ebd. 1785—95, ift noch heute muftergiltig
u. reiht den Verfaſſer unter die vorzüglichiten
Naturforicher ein; ebenjo gediegen ift feine Ab-
handlung von der Erzeugung der Eingeweidewür—
mer u. den Mitteln wider diefelben, ebd. 1782,
von der Königl. Alademie in Kopenhagen preis-
gelrönt. Sein Systema Ichthyologiae blieb leider
unvollendet u. wurde von Schneider herausge—
geben, Berl. 1801. 2) Morik (ungar. Ballagi),
Sprachforſcher, geb. 17. April 1816 in Tarnoka
in Ungarn, jüdiſcher Abkunft; widmete ſich in
Presburg und Paris dem Studium der Sprachen
u., nachdem er 1840 zum Mitgliede der Ungar.
Afademie ernannt worden war, 1843 in Tübingen,
wo er zum Proteftantismus übertrat, der Theologie,
Nah Ungarn zurüdgelehrt, wurde er 1844 Lehrer
an dem evangeliihen Gyınnaflıum zu Szarvas;
mwährend der ungarischen Revolution von 1848 war
er Secretär des Kriegsminifteriums. 1851 fehrte
er nad Szarvas zurüd, wurde dann fpäter Leh—
rer an der Reformirten Anftalt in Peſt. Er ſchr.:
A Zsidökrol (über Fudenemancipation, weldye er
nur durh Magyarifirung der Juden für möglich
hielt), Bet 1840; Möses öt Könyve (Die Bücher
Mofes u. Joſna), ebd, 18140—43, 5 Bde.; Magyar
540
peldabesz6ödex gyüjtemenye (Sammlung ungar,
Sprüdwörter), Szarwas 1860; Uj teljes nemet-
magyar ds magyar-nemet szötar (Neues voll-
ftändiges ungartich-deutfches u. deutih-ungariiches
Wörterbuch), 3. Ausg. in 2 Bon., Peſt 1871— 72;
ein ungarisch» deutiches Tafhenbudh (Zsebszötär);
Deutſche Sprachlehre für Ungarn (Nemet nyelstan),
7. Aufl., Peſt 1868, ac, 3) Karl, dän. Maler,
geb. 1834; ſeit 1866 Profeſſor und Mitglied der
Kunftalademie in Kopenhagen, Ungewöhnlich pro-
ductiv u. von großer Beweglichkeit des Talents,
bewegt er fi in dem verichiedenften Gebieten u.
Werfen, bewahrt ſich aber dabei feine Eigenart u.
ein entichieden malerisches Gefühl. Werte: Niels
Ebbeſen überraſcht 1340 den bolfteiniichen Grafen
Geert in Randers; Graf Moltke Glorup in Fünen;
Befreiung des Prometheus, vielleicht das bedeu-
tendite Wert dänischer Dealer; bibl. Stoffe genre:
haft nach franz. Mufter. 1) Tbambayn. 3) Regnet.
Blochmann, 1) Rudolf, geb. 13. Dec. 1784
in Keichitadt bei Dippoldiswalde (Königr. Sachſen);
bildete fih in Dresden zum Mecaniter u. wurde,
nachdem er feit 1806 in München im Neichenbach-
chen u. jeit 1809 in Benedictbeuren im Utichneider-
Fraunhoferſchen Inſtitut gearbeitet hatte, 1818 In—
jpector des Mechanisch-phufifaliichen Salons u. der
Kunjtfammer in Dresden, wo er auch ein eigenes
mechaniſches Inſtitut begründete, Er machte ſich
um die Einführung u. Verbefferung der Gasbe:
leuchtung in Sachſen u. weiterhin in Deutichland
ſehr verdient, namentlich dadurch, daß er Gasbe-
reitung u. Beleuchtung, unabhängig vom Auslande,
mit deutichen Mitteln n. Kräften ausführte; auch
erfand u. verbefjerte er mehrere technifche Gegen
ftände, 3. B. eine Laterne, welche fait feinen
Schatten wirft. Im Mai 1969 trat er aus dem
Staatsdienfte u. ft. 21. Mai 1871 in Dresden,
2) Karl Juftus, Pädagog, Bruder des Vor.,
geb, 19, Febr. 1786 in Neihitadt bei Dippoldis-
walde (Königr. Sachſen); ftudirte in Leipzig Theo-
logie u. Pädagogif u, war 1809— 1816 an der
Peſtalozziſchen Erziehungsanftalt in Mperdon Leh—
rer; er durchreifte dann bis 1818 als ‚Führer eines
jungen Briten Italien, kam 1819 als Bicedirector
an Die neue Friedrich-Auguſt-Schule in Dresden u.
begründete 1824 mit lönigliher Unterftügung in
Dresden eine höhere Bildungsanftalt für Knaben
der bemittelten Stände, die als B-jches Inſtitut
noch befteht u. mit welchem 1828 das von Bit:
thum von Edftädt 1638 gegründete Bitzthumſche
Geſchlechts-Gymmaſium zu einem noch jet ve
nommirten Gymmafial-Erziehungshanfe verbunden
wurde. Im J. 1851 übergab B. die Direction des
Inſtituts feinem älteſten Schwiegerfohne Bezzen-
berger u. behielt fih nur die Ertbeilung des Re—
igionsunterrichtes vor; Oftern 1855 gab er aud
dieſe auf m. ging zu feinem dritten Schwiegerjohne,
Haccins, nah Chaͤteau-Lancy bei Geuf, Er ft. in
Senf 31. Mai deſſ. 38. Bal. B., Uber die Grund—
füge ꝛc. meiner Erziehungsanftalt, Dresd. 1826,
Er ſchr. u. a.: Heinrich Peſtalozzi, Ypz. 1846;
Ein Wort über die Bildung unferer Jugend zur
Blochmann — Blodsberg.
1805 das Gut Obermwittgendorf bei Haynan und
1811 Schierau, wo er eine landwirtbichaftliche An-
ftalt anlegte; feit 1835 war er Amtsrath, Director
des Schlefiichen Creditvereins u. Intendant der
Schleſiſchen Stammſchäferei in Liegnitz; er flarb
21. Nov. 1847 zu Karolath in Schlefien. 2.
führte 1812 die Sommerftallfütterung für Schafe
ein u. wendete zuerft die Erdftren in Ställen an.
Er ſchr. u. a.: Mittheilungen landwirtbichaftlicher
Erfahrungen zc., Brest. 1830, 3 Bde., 3. A. 1842.
2) Morig, franzöſiſcher Statiftifer, jüdischer Ab-
funft, geb. 18. Febr. 1816 in Berlin; wurde in
Paris erzogen u. ftudirte hier, in Bonn u. Gießen
Staatswifjenichaften; 1844 wurde er im Minifte-
rium des Aderbanes in Paris angeftellt u. 1852
Mitarbeiter im Statiftifhen Bureau, ward aber
1864 durch Zerwürfniß mit feinem Chef Legoyt
veranlaßt, dieje Stelle aufzugeben. Er überjegte
Roihers Buch fiber den Korubandel ins Frans
zöſiſche, Bar. 1854, u. fehr.: L’Espagne en 1550,
ebd. 1851; Des charges de l’agrieulture dans
les divers pays de l'Europe, ebd. 1850; Diction-
naire de l’administration fraugaise, ebd. 1856,
3.4., 1862; dazu Annuaire de l’administration
frangaise, 1858 fj.; Statistique de la France,
ebd. 1860, 2 Bde. (Preisihrift); Die Bevölkerung
des franzöſiſchen Kaijerreiches, Gotha 1861; Die
Bevölferung Spaniens u. Portugals, ebd. 1861;
Die Machtftellung der europäiſchen Staaten, ebd.
1862, franzöfiich, ebd. 1862; Die Finanzen des
franzöfiichen Kaiferreiches, ebd. 1869. Er .bear-
beitete Frankreich für das Handb. der Geogr. von
Stein u. Hirihelmann, u. gab heraus: Dietion-
naire general de la politique, Bar. 1863 f.,
2 Bpe., u. 1860—64 mit Guillaumin: Annuaire
d'économie politique et de statistique.
Blockdecke, 1) (Bauf.) Dede aus Ballen.
2) (Kriegsm.) Dede von Ballen, mit Erde oder
Dünger überlegt, um dadurch den Feſtungen
und Feldihanzen einen bombenfiheren Raum
für Munition, and wol für Mannjchaft zu ge
winnen.
Blockhaus, 1) ein ganz von über einander ge—
fegten Balfen duch Schränfwände ervichteres
Wohn. od. Wirthſchaftshaus. 2) (Kriegsw.) Ein
hölzernes, aus 1 oder 2 (dann der Zwiſchenraum
mit Erde ausgefüllt) Schränfwänden aufgefübrtes,
mit Balfen u, Erde bombenfeft bededtes u. rings
um mit Schießfcharten verjehenes, meift etwa 1m
tief in die Erde verjenftes, außen bis zu ben
Schießſcharten mit Erde befleidetes u, mit einem
Graben, aud wol mit dedendem Glacis ringsum
verjehenes Gebäude für 20 bis 100 Mann, Man
hält damit ifolirte, weit entfernte Poſten, Gebirgs-
päffe, detachirte Werke vor Feſtungen u. dgl. feit,
legt fie auch, von Stein gebaut, im die ein» und
ausipringenden Winfel des bededten Weges in
Feftungen zum Zufluchtsorte, oder als Reduit in
erponirten Außenwerken. Blodhäufer wurden zu—
erit bei den Ettlinger Linien 1743 angelcat;
häufiger aber feit dem Kriege von 1778, wo das
Schweblendorfer B. bei Glay von den Ofterreichern
Wohfredenheit u. öffentlichen Beredtfamkeit; Au- genommen wurde. Bgl. Maiborgbetto.
ſprachen an die Confirmanden.
Blod, 1) Albrecht, verdienftvoller deutſcher Brocken. 2)
1) (Blorberg), Berg, fo v. mw.
g in der Nähe von Ofen, aud
— —
er
Landwirth, geb. 5. März 1774 in Sagan; kaufte Gerhardsberg gen., 237 m hoch, mit einer Citadelle;
Blockſchiff — Blocmaert.
die heißen Schwefelquellen des Blodsbades,
Brüd- u. Raizenbades, f. u. Ofen.
Blockſchiff od. Huik (engl. Hulk) werden alte,
für den Seedienft untaugliche Schiffe genannt, welche
aber in den Häfen als Kaſerneuſchiffe oder zum
Wachtdienfte, als Kohlen» u. Vorrathsſchiffe jeder
Art od. als Krahnſchiffe (Schiffe mit großen Krah-
nen zum Hiffen ſchwerer Gewichte, bejonders zum
Ein- u. Ausfegen der Maften), ferner auf den
ausländifchen Stationen wol auch als Hofpitals,
bezw. Quarantäneſchiffe noch Berwendung finden.
In Frankreich wurden diefe Schiffe außerdem als
Gefängniß für die Gafeerenfträflinge (Bagno) bis-
her benugt; während ihre Verwendung als Ka-
fernenichiffe, wie vorzugsweife in England, ein
dem dortigen Klima ähnlich mildes zur Boraus-
ſetzung hat. In England wurden die B-e wäh.
rend der altnapoleonifchen Kriege bäufig zur Unter
bringung der (namentlih in Spanien) gefangenen
franz. Soldaten verwendet, '
Blodfinnalapparate, ſ. Blodiyftem.
Blo ultem, ein befonderes Syftem im Eifen-
bahnbetriebe, mittels defien man einen Zufammen-
ftoß zwifchen zwei Zügen hinter einander in der-
felben Richtung auf demjelben Geleife zu verhüten
beabfichtigt. Die Strede zwiſchen zwei Stationen
wird in eine paflende Anzahl Theilftationen ge
theilt u. vorgeichrieben, daß fein Zug in eine ſolche
Theilftrede einfahren darf, jo lange noch ein an:
derer Zug auf ihr fährt. Beim Zeit-B. läßt
der Bahnwärter am Anfange einer Xheilftrede
einen zweiten Zug erft nad Berlauf einer fo
langen Zeit einfahren, daß der vorausgegangene
Zug fahrplanmäßig die Theilftvede wieder ver-
laffen haben faun u. joll; bei dem allein zuver—
läffigen RAaum-B. dagegen erft daun, wer der
erjte Zug wirklich die Theilftrede verlafien hat, was
durch elektrische Signale gemeldet wird. Der Bahn—
wärter bliodirt die Theilitrede beim Einlaffen eines
Zuges in diejelbe dadurd für jeden nachfolgenden
Zug, daß er das für den Zugführer geltende op
tiihe Signal auf Halt ftellt; iſt der * an dem
Bahnwärter am Ende der Theilftrede vorüber—
gefahren, fo telegraphirt diefer Wärter dies nach
dem Stredenanfange, u. der dortige Wärter ent
blodirt nun die Strede wieder, d. h. er ftellt das
optifhe Signal wieder auf Bahn frei. Zu em-
pfehlen ift e8, daß der Wärter das eleltriſche Sig-
nal nicht früher geben fünne, als bis er das op»
tifche Haltſignal geftellt, u. daß er durch das dem
vorhergehenden Stredemmärter gegebene eleltriſche
Signal zugleich fein optifches blodire, d. h. im der
—— feſt mache, bis daſſelbe vom nächſten
zätter wieder entblodirt wird. Außerdem find
diefe eleftriihen Signale einer Störung oder
Fälſchung durd den Einfluß der atmosphärischen
u. tellurischen Eleftricität möglichft zu entziehen,
Deshalb reichen im Allgemeinen gewöhnliche Tele:
graphenapparate bier nicht aus, fondern es find
befondere Blodjignalapparate zu verwenden.
Den eben aufgeführten Anforderungen entiprechen
die Blodfignalapparate von Siemens u. Halsfe in
Berlin. In ähnlicher Weife laffen fi auch Weir
hen, Drehbrüden u. dgl. blockiren. Zetzſche.
541
ſſel, an der Aa; Hafen, Schleußen; 1700 Em.
B. wurde 1672 von den Franzoſen erobert, aber
dur Unterftügung friesländifher Truppen wie
der befreit.
Blödigfeit, 1) Schwäche des Berftandes, welche
eine Unklarbeit u. Verworrenheit der Borftellungen
veranlaßt. 2) Die aus Mangel an Selbftvertrauen
entſprungene Furchtſamleit im geſelligen Umgange,
Augſtlichteit, durch fein Benehmen gegen den Tact
oder die feine Sitte zu verftogen.
Blödfichtigkeit, jo v. w. Stumpffichtigfeit,
Schwachſichtigkeit; ſ. Amblyopie, Aſthenopie.
Blödſinn (Idiotismus) iſt eine Geiſteskrankheit
u, beſteht in völligem Berlufte der Verſtandeskräfte,
fo daß der Betroffene nicht mehr zu einem Urtheil
jelbft der Teichteften Art fähig ift. Die Borftufen
des Bees, refp. die geringeren Grade der Beein-
trächtigung des Verftandes bilden die Shwad-
finnigfeit (Dementia), die Dummheit. Bei
diefen geringeren Graden ift noch ein Urtheif über
einfache, alltägliche Dinge vorhanden. Solche ge
ringere Grade dürfen nicht mit Unwiſſenheit vers
wechjelt werden; der Ummiffende kann ſehr qute
Geiftesgaben haben, kann aber über gewiſſe eins
fadhe Dinge nicht urtheilen, weil er feine Kent»
niß von denfelben hat; der Schwachſinnige ift, jelbit
wenn er Kenntniß von diefen Dingen bat, nicht
mehr fähig, fie zu beurtheilen. So werden alte
Yeute öfter ſchwachſinnig u. unfähig zum Urtheil.
Dem Bee liegen immer organiihe Störungen im
Sehirne zu Grunde, doch ift unfere Kenntnig über
die fpecifiichen Hirnveränderungen noch zu dürftig,
um ein feites Urtheil ausfprechen zu können. Na»
mentlich häufig findet man bei Bfödfinnigen einen
Schwund der Hirmmindungen, die man befannt-
ih als eigentlihen Sig der Denkkraft betrachtet.
Häufig ift der B. angeboren, in anderen Fällen
entwidelt er fi nad einer Hirnentziindung, mad)
einem rheumatischen Fieber, im Berlaufe der
Epilepfie. Sehr oft gehen andere Beiftesfrantheiten
in B, über, und dann find diefelben, wie der B.
überhaupt, ſtets unheilbar. Schon äußerlich gibt
id der Blödfinnige leicht zu erkennen, Er ift in
feinen Bewegungen plump, ungeſchickt, weiß; nicht,
was er thun fol, und madıt Alles verkehrt.
Die Sprache ift erjchwert, in hobem Grade der
Krankheit fpricht der Kranke gar nicht; das Auge
ift nichtsfagend, ftier, gedanfenlos; eine Beichäftig:
ung übernimmt der Schwachſinnige entweder nie:
mals ſpontan, oder ift zu einer folchen gänzlich ım-
fähig. Nicht felten treten von Zeit zu Zeit Aufe
wallungen ein, der Kranfe wird erregt, withend,
Ihlägt finnlos um fih, befommt Morbluft, die
Wuth, Feuer anzulegen zc. Bor dem Geſetze ift
der Blödfinnige unzurehnungsfähig, der Shwad)-
finnige wird Kindern N geachtet. Kunze.
Bloemaert, 1) Abraham, miederländifcher
Maler, Kupferfteher u. Formſchneider, geb. um
1567 in Gorfum; lernte in Paris u. hielt fich
dann eine Zeit lang bei Hier. Frank in Herenthals
auf; lebte zulegt im Utrecht u. fl. bier 1657.
Autodidaft, wie er war, zeigte er ein gewiſſes
Streben nah kräftiger Au affung der Natur,
energiſchem Colorit u. faftigem Pinfel. Werte:
Blodzyl, Stadt u. 1581 angelegte Schanze im Anbetung der Hirten; Heilige Familie, tm Mufeum
Bezirke Zwolle der niederländifchen Provinz
ber-!zu Berlin; außerdem befinden fi Gemälde und
—
542
Kupferftihe von ihm in den Galerien vom Haag,
von Kopenhagen, München u. Paris. 2) Cornelis,
Cohn des Vor., geb. 1603 in Utrecht; widmete
fi der Malerei u. Kupferftechlunft, war eine Zeit
lang in Paris, dann in Rom, wo er 1680 ftarb.
Er ſtach vorzüglich nach italienischen Meiftern, u.
gehören feine Stide zu den beten feiner Heit.
Er hatte noh 3 Brüder, Hendrik, Adrian u.
Frederik, von deuen der Erjtere als Maler, die
beiden Letteren als Kupferſtecher befannt find.
Bloemen, 1) Zul. Franz van B., Land»
ihaftsmaler, geb. 1656 in Antwerpen; erhielt
wegen feiner Meifterjhaft in der Wiedergabe der
Lufttinten den Beinamen Orizonte; er jt. 1748
(1749) in Rom. Gemälde von ihm, meift in
Ponffins Manier gehaltene, durch getreue Wicder-
gabe der Natur werthvolle Anfichten von Zivoli
u. Umgegend, Berg- u. Waldpartien, Wafler-
fälle xc. Anden fi in faft allen größeren Galerien.
2) Peter van B., gen. Standaert, Maler,
Bruder des Bor., geb. 1649; wurde nad) feiner
Nüdtehr aus Rom, wo er lange bei feinem Bru-
der war, 1699 Director der Maleralademie in
Antwerpen; er ft. 1719. Nach feinen Gemälden,
meift Schlachten, Pierdemärfte, Karavanen und
römifche Feſte, ftachen T. Major, Guelard, Rott-
wpt, Aquila in Kupfer; einige hat er felbft geätt.
Bloemfontein, Hauptftadt der ſüdafrilaniſchen
Oranjefluß -Republit, unter 29° 8° jüdl. Br. und
43° 47° öjtl. L., lints am Modderfluß; Sit der
Regierung; holländische und anglicaniſche Kirche,
Methodiften- u. katholiiche Kapelle; Schule; Thea-
ter, Clubhaus; lebhafter Handel, bei. mit Wolle;
1000 —1200 Em,
Blois, Hauptftadt des gleihnam. Arr. u. des
franz. Dep. Yoir-et-Cher, an der Orleans-Eijen-
bahn u. an der Loire, über welche eine 305 m
fange Brüde nach der Borjtadı Vienne führt,
102 m ü. d. M.; Biſchofsſitz, Gericht 1. Inſtanz,
2 Friedensgerichte, Departementalbehörden, Han—
delsgericht; Kathedrale, Kirche S. Laumer (aus
dem Ende des 12. Jahrh., ein früh⸗gothiſcher Bau);
Schloß (worin Kömg Ludwig XII. geboren wurde;
Aderbaugejellihaft; geiftlihes Seminar, öffentliche
Bibliothet, Phyſikaliſches u. Naturbiftorisches Cabi—
net, Botauiſcher Garten; Hoipital; Getreidehalte,
Börie ; Handſchuh-, Meſſer⸗, Eifige, Fayence- u.
Zeppicdhfabrifation, Gerberei; Bich-. Korn-, Wein-,
Branntwein- u. Holzhandel; 19,860 Ew. Eine
in Felſen gehauene Wafferleitung (Arnon) iſt
Überbleibfel aus der Nömerzeit. In B. ſoll das
reinste Franzöſiſch geſprochen werden. — B. fommt
in alten Zeiten nicht vor. Im Gebiete des nach—
herigen B, ftießen die Völlerſchaften der Turoner
und Garnuter zufammen. Die Grafihaft B.
(Pagus Blesensis, ſeit dem 15. Jahrh. Blai—
ſois), mit dem Orte Bleza (fpäter Bleſis, jett
B.) am Liger, entftand unter den Karolingern.
Das alte Grafengeichlecht, mit dem Ahnherrn Thi-
baut I. (ftarb 843), welches in Stephan (1135
bis 1154) England einen König gab, ftarb mit
Thibaut VI. 1218 im Mannesftamme aus; B.
fiel 1230 an die Erbin jeiner Tante Margarethe,
Maria dv. Chätillon, deren Sohn Johann 1268
auch Chartres wieder hinzufügte. Ihm folgte
1279 feine einzige Tochter Johanna, vermählt an
Bloemen — Blofade.
den Grafen Peter v. Alençon; nah deſſen Tode,
1284, verfaufte Johanna 1286 die Grafichaft
Chartres an den König Philipp den Schönen (f.
u. Ehartres). Unter ihren Nachlommen in 8.
befand fih Guido II., Graf v. Seiffons, und fo
wurde durch ihn Soiffons mit B. verbunden, u.
als er ohne Nachlommen 1391 ftarb, lam B. durch
Kauf an Herzog Yudwig von Orleans, und nad
defien Ermordung 1407 an feinen Sohn Karl;
unter deffen Sohn, König Ludwig XII., wurde 8.
mit der Krone verbunden. In der Folge gab Lud-
wig XII. B. feiner Tochter Claudia als Heiratbe-
gut; ihr Sohn, König Heinrich IL., verleibte es
wieder der Krone ein, — In der Stadt B. wurde
das Schloß feit 1516 ganz neu gebaut. Am 15,
April 1499 wurde bier das Bündniß zwiſchen
sranfreid u. Benedig (f. d., Geſch.) u. wieder
14. März 1513 gegen den Papft u. den deutſchen
Kaifer eine Offenfiv- u. Defenfiv-Allianz (f. ebd.)
geichloffen. Hier 1, Dechr. 1513 Friede zwiſchen
Yudwig XII. von Franfreich u. Ferdinand d. Kath.
von Spanien. 1588 berief König Heinrich III.
bierher einen Reichstag, bei welchem Anlaß die
Ermordung des Herzogs Heinrid I. von Guiſe ı.
des Cardinals von Guife beichlofien u. 23. Dec.
auf dem bafigen Schloffe auch ausgeführt wurde.
1626 gab Ludwig XIII. 8. feinem Bruder Jobann
Gaſton u. 1661 mach deffen Tode Ludwig XIV.
feinem Bruder Philipp. 1697 errichtete Papft
Innocenz XII. das Bisthbum zu B. Bor Rapo-
leons Sturz ging die Kaiferin Marie Luiſe am
1. April 1814 mit der Regentſchaft nah B., u.
bier endete die faiferliche Regierung. Im Deutich-
Franzöſiſchen Kriege von 1870—71 wurde um B.
heftig gelämpft, u. fiegten heffiiche Truppen 28. an.
1871 dafjelbft. Den Namen Mademoifelle de 8,
führte Francisca Marie, eine der natürlichen
Töchter Ludwigs XIV. von der Montefpan, Ge—
mablin Philipps IL, Herzogs v. Orleans.
Blokade, das enge Einſchließen einer Feſtung,
um dieſelbe von jeder Verbindung mit außen ab-
zuiperren (f. Feſtungskrieg). Die B. ift nament—
lich im Seelriege von groger Wirkfamfeit, die Ab-
fperrung eines Hafens oder einer Küfte durch
Kriegsichiffe, um das Ein- oder Anlaufen wicht
nur neutraler Schiffe, fondern auch der des eigenen
Landes in u. an demfelben zu verbindern u. io
duch Schwächung des Handelsverfehres der feind»
lichen Macht zu ſchaden. Im Eugliſch-Franzöſiſchen
Kriege von 1806 u. 1807 erllärten die Engländer
zuerſt durch Bekanntmachung die Häfen u. Küjften
Frankreichs in B»zuftand, jedoch ohne dieſelbe auch
in der That aufrechterhalten zu lönnen. Dieje
Mafregel, al$ Blocus sur papier (Papier-B.) be-
zeichnet, wurde fofort von dem meiften ſchwächeren
Seeſtaaten als unzuläffig erflärt; er widerftreitet
auch jo ſehr den Grundfäten des Völlerrechtes,
daß in der Convention der eunropäifchen Groß—
mächte von 1856 bezüglich des Seekriegsrechtes
der Sat aufgeftellt wurde, daß eine B. auch
wirflih durchgeführt werden miüfle — .„.. pour
ötre obligatoires doivent ötre eflectifs — durch
Anfbietung einer für wirkliche Abiperrung der
in B-zuftand erflärten Objecte binreichenden Macht.
Eine zweite Bedingung der Wirkiamteit der B.
ift die Verkündigung der B. von Seiten der blo»
Dlomberg — Blondel.
543
tirenden Macht an die neutralen Regierungen ;|ichlesmwig-hoffteinifche Ritterfchaft begründeten, und
ſobald diefe Notificirung erfolgt it, tritt auch die iſt feit 1819 in den dänischen Lehnsgrafenſtand
B. in Kraft, u. bleibt in der Negel nach Ablauf
einer gewiffen Friſt eine Einrede der Unkenntniß
ausgeichlofien, es jei denn, daß die Nachricht von
der B:erflärung den Hafen, aus welchem das
Schiff ausgelaufen, im Moment des Auslaufens
noch nicht hatte erreichen können. In diefem
— lann das Schiff vom Einlaufen in den blo—
irten Hafen, reſp. Anlaufen an der betreffenden
blolirten Kiüfte nur zuridgewiefen werden. Schiffe
dagegen, welche die B. nicht achten, einen Bebruch
begeben, unterlegen der Eonfiscation, u. zwar fammt
der Ladung, es jei denn, daß bei einem neutralen
Schiffe der Eigenthümer der Ladung glaubhaft nad)
weiſen kann, daß der Bruch gegen feinen Willen,
obne fein Wiffen verfucht fer; in diejem Falle
trifft die Confiscation nur das Schiff. Der B-
En hört auf entweder durch officiell publicirte
ufbebung derjelben von Seiten der B-madıt, od.
durch Vertreibung der B-ichiffe von Seiten feind-
liher Gewalt — wo übrigens eine Erneuerung
eintreten kann — nie aber durch Wirfung einer
Force majeure, 3.8. infolge Verſchlagung der B»
Schiffe durh Sturm zc. Vgl. Heffter, Das euro-
pätiche Bölferredht der Gegenwart, 5. W., 1867;
Bluntſchli, Das moderne Völkerrecht xc., 2. A.,
1872; Wheaton, Elements of international law,
herausg. von William Beach Lawrence, tem. 1008.
agai.
Blomberg, Stadt im Fürſtenthum Lippe (Det-
moly), an der Diitel; Wollenmanufactur, Dampf:
byaunmveinbrennereien; 2104 Em.
Blomberg, alte deutfche Familie, die feit 1670
freiberrlich iſt; theilt ſich in die weftfäliiche u. kur—
ländische Linie; aus legterer: Hugo, reiberr von,
Hiftorienmaler u, Dichter in Weimar, geb. 26. Sept.
1820 zu Berlin; bejuchte erft ſpät die Berliner
Akademie u, ftudirte dort unter Wach, nebenbei
an der Univerfität Rechtswiffenfchaft, befuchte 1847
bis 1848 Paris und ward dort Schüler Yeon
Coignets. Werke: Dornröschen; Neptun und
Amymone; Eine mittelalterliche Stadt; Kaufmann
von Venedig; Benvenuto Cellini in dev Engels—
burg; König Wilhelm I. bei Sadowa; Compofitio-
nen zu Dante; Zeichnungen zu feinem humoriſti—
fchen Gedichte: Stimmen aus dem Kumftpublicum,
Berl. 1853. Er jhr.: Bilder und Romanzen
(Dichtungen), Brest. 1860; Die Fabel der Piyche
den Bildern Rafaels in der Farneſina nacherzählt,
Berl. 1862; Der Teufel u. feine Gejellen in der
bildenden Kunft (Studien zur Kunftgeichichte und
Afthetif), ebd. 1867; Pſyche, ebd. 1869; auch den
Tert zum Eorreggio-Album, ebd. 1861, u. zum Al—
bum der Niederländer, ebd. 1862, 2 Hefte, Regnet.
Blomberg, Barbara, die ſchöne Tochter eines
Regensburger PBatriciers, welche 24. Febr. 1545
vom Kaifer KarlV. Mutter des Don Juan d'Auſtria
wurde. Sie erhielt nach ihres Sohnes Tode von
deſſen Halbbruder, dem König Philipp II. von
Spanien, eine Penfion.
Blome, eine aus Braunſchweig ftamınende,
von da zu Anfang des 14. Jahrh. unter Ritter
Dietrih in Holftein eingewanderte u. dort, ſowie
jpäter auch in Ungarn anfälfig gewordene Familie;
erhoben. Aus ihr: Graf Guftap, geb. 18. Mai
1829; ftndirte zu Bonn, betbeiligte fih 1849 am
Kampfe der Schleswig-Holfteiner gegen Dänemart,
trat dann in den öfterreichiichen diplomatischen
Dienft, war 1851 als Gejandichaftsattahe in
Petersburg, 1856 in Paris, wo er zur Katholischen
Kirche übertrat; 1861 wurde er Gejandter bei
den Hanfeftädten in Hamburg, 1864 in Münden;
1865 unterzeichnete er die Convention von Gaftein,
bei deren Abſchluß er befonders thätig war. Bon
dem diplomatischen Dienfte zurlidgetreten, ift er
feit 1867 — des Oſterreichiſchen Herrenhauſes,
wo er einer der Hauptvertreter der ſog. feudalen
Partei iſt.
Blomfield, 1) Charles James, engliſcher
Theolog n. Philolog, geb. 26. Mai 1786 in Bury
St. Edmunds in Suffolt; ftubirte in Cambridge,
wurde 1810 Pfarrer in Warrington, 1819 Haus»
caplan des Biſchofs von London, 1824 Biſchof in
Chejter u. 1828 Biichof in London. Früher der
gr zum Puſeyismus verbädtig, hat er
ich doch jpäter gegen alle frypto-Tatholischen Sec-
tirer entfchieden ausgefprocden. Er trat 1856 in
den Ruheſtand u. ft. 5. Aug. 1857 in Fulham.
Er gab heraus den Kallimachos u. 5 Stüde des
AÄſchhlos; ferner Adversaria Porsoni, 1814; mit
T. Rennel Musae cantabrigienses; mit Monf die
Posthumous tracts of Porson, 1812, Bgl. Alired
B. (feines Sohnes) Memoir of Ch. J. Blomfield,
Lond. 1863, 2 Bde., n.., 1864. 2) Edward
Balentin, Bruder des Vor., geb. 14. Febr. 1788;
bereifte 1813 Deutfchland. Er jchr.: Museum criti-
cum; überſetzte Schneiders griech. Perifon u, Mat-
thiäs griech. Grammatik ins Englifche, war Univer—
ftätsprediger in Cambridge u. ft. 1816. 1) Brambad.*
Blommaert, Philipp Marie, flämifcher
Schriftfteller, geb. 1808 in Gent; ſtudirte in feiner
VBaterftadt die Nechte u. lebte dafelbft als Privat-
mann, bejchäftigt mit dem Studium der flämifchen
Sprade u. Literatur u. Nordiihen Mythologie;
gründete 1839 die Flämiſche Bibliographiſche Ge—
jellichaft in Gent, wo er 14. Aug. 1871 ftarb, Er
gab Sammlungen Älterer fläm. Dichtungen heraus,
jo: Tleeophilus, Gent 1836, 2. W., 1858; Oud-
vlaemische gedichten, ebd. 1838—51; der Grim-
bergiche Krieg, 1852—54, u. jhr.: Aloude ge-
schiedenis der Belgen of Nederduitscher, 1849;
Vermifchte Gedichte, 1853; De nederduitsche
schryvers van Gent, 1861; überfetste theilweife das
Nibelungenlied u. bearbeitete Beowulf u. die Edda.
Blond, mit lichtgelben Haaren u. hellblauen
Augen verfehen; daher Blondin u. Blondine.
londel, 1) (Blondiaus) aus Neele, altfran-
zöfifcher Liederdichter ‚des 12. Jahrh., Liebling des
Königs Richard J.; begleitete, ihn nach dem Heir
ligen Yande u. burchwanderte dann (nad) der Sage)
als Pilger Deutfhland, um feinen Herrn, welchen
der Herzog Leopold von Öfterreich gefangen hielt,
zu ſuchen; er entdeckte deſſen Aufenthalt auf Diirren-
jtein durch feinen Geſang, fehrte nach England zu»
riid und bewirkte die Yosfaufung feines Königs,
B-8 24 erhaltene Yieder find volftändig heraus»
gegeben von P. Trorbe, Oeuvres de B., Reims
fie gehört zu den 5 adeligen Familien, welche die! 1862, u. von Neuen in Brafelmanns Trouveres
344
frangais, S. 187—192 (bisher noch unveröffent«
licht). 2) David, gelehrter Theolog der franz.
Neformirten Kirche, geb. 1591 in Chalons im der
Champagne; wurde 1614 reformirter Prediger in
Houdan bei Paris u. 1650 Profeifor der Gejchichte
in Amfterdam, wo er, feit 1653 erblindet, 6. April
1655 ftarb, Er ichr.: De la primaute de l’eglise,
Senf 1641, 4 Bde., Fol.; Pseudo -Isidorius et
Turrianus vapulantes, ebd. 1628, 1635; Apolo-
zia pro sentent. Hieronymi de episcopis et pres-
byteris, ebd. 1646; De la question si une femme
a te assise an siöge papal de Rome entre
Leon IV, et Benoist IIl, (gegen die Annahme
einer Päpftin Johanna), ebd. 1647, n. A. 1649;
De jure plebis in regimine ecel., Par, 1648;
De Sybillis, Charent. 1649; Actes autbentiques
des eglises reformees, Amſt. 1651; Genealogiae
Francicae assertio, Amſt. 1655, 2 Bde., Fol
3) Marie Joſeph, franzöfifcher Hiftorienmaler,
geb. 1781 in Paris; Schiller Regnaults, war un—
gemein productiv; er ft. 1853 in Paris, Werfe:
Homer; Zenobia am Ufer des Nrares, 1812;
Der Sturz des Jfaros, an der Dede des Mu—
feums; Frankreich erhält die Berfafjung, im Saal
des Staatsrathes; Die Yulirevolution 1830,
Blonden, jeidene Spigen (f. d.), von ihrem
gelblihen Schein jo genannt.
Blood, Thomas, Irländer, leder Abenteurer;
diente unter Cromwell als Oberft, fam dann außer
Dienft u. ftellte fih an die Spike einer Bande
von Abenteuern, um eine Nebellion in Irland
anzuftiiten, was aber mißglüdte. Später trat er
in England wieder auf, wo er in Yondon den
Herzog von Ormond jpielte u. unter der Maske
eines Geiftlichen die Krone u. den Neichsapfel aus
dem Tower ranbte. Er ward endlich gefangen,
aber König Karl II. begnadigte ihn nicht nur,
jondern zog ihn auch an feinen Hof und braudte
ihn zu maucherlei Unternehmungen. Der Herzog
von Budingham war fein Beichiiger, mit dem er
ſich aber endlich entzweite. Er fl. 1680,
Bloomer⸗Coſtüm, eine der männlihen Tracht
fih annähernde weibliche, mit furzen Nöden und
Beinfleidern, welche 1850 im nordamerilanifchen
Staate New-Nork durch eine Miftreß Bloomer auf-
fam u, auch ın England, dody nur vorübergehend,
Beifall fand, während fi in Amerifa damit unter
dem Namen Bloomerismus eine Tendenz zur
Emancipation der rauen verband,
Bloomfield, Stadtbezirk im Eifer County des
nordamerifan. Unionsftaates News jerfey; Baum—
wollen- u. Bapierfabrifation; 4530 Ew.
Bloomfield, 1) Robert, engl. Naturdichter
von großer Begabung, geb. 3. Dec, 1766 in
Honington in Suffoll; verbradte als Kind nad
jeines Vaters Tode 2 Jahre bei einem Onfel, einem
Yandmanne, fam 1781 nad London u. erlernte
das Schuhmacherhandwert; ftarb erblindet und in
North 19. Aug. 1823 zu Shefford. Sein Haupt:
werf: The Farmers Boy, Yond. 1800; Rural
Tales, 1810; fpäter erfcyien: Hazlewood Hall,
ein ländliches Drama. Werke, Yond. 1814, 2 Bde. ;
Poems, zulegt Lond. 1866. Seine Eorreipondenz dem jchon 1290
herausgegeben von Hart, Lond. 1871. John
Blonden — Blüder.
wurde 1824 Attaché feines Vaters, des General-
lienutenants u. irischen Peers Benjamin B., wel⸗
her als englifher Gefandter nah Stodholm ging
u. nachher von bier als Legationsfecretär nad
Petersburg verfegt, wo er 1845 den Poſten als
Sefandter erhielt; 1851 wurde er englifcher Ges
fandter in Berlin u. war von 1861— 71 Botſchafter
in Wien.
Bloomington, 1) Stadt u. Hauptort des
County Dac Lean im nordamerifan. Unionsftaate
Illinois, an der Kreuzung der Central» Fllinois-
u. der Ehicago-St.-Fouts:Bahn; höhere Tehranftalt
(Wesleyan-University); 17 Kirchen (wovon drei
deutiche); 3 Banken; große Mafchinenwerfftätten;
15,000 Emw., darunter etwa 3000 Deutiche; im
der Nähe die State Normal University, mit 500
Studirenden. 2) Hauptort des County Monroe
im nordamerifan, Unionsftaate Indiana, zwiichen
dem Oft u. Work des White-River u. an der
Eiſenbahn; 7 Kirchen; höhere weibliche Lehranitalt;
1829 gegründete Staats-Univerfität (State Uni-
versity); 1 Bunl, 2 Wollenfabriten; 2900 Ew.
Bloomsburg, Sit des Blooms County im
nordamertlanifhen Unionsſtaate Penuſylvania;
3341 Ew.
Blöſch, Eduard, ſchweiz. Staatsmann, geb.
1. Febr. 1807 in Biel; ſtudirte ſeit 1823 in Bern
u. Heidelberg die Rechte, wurde 1832 Anwalt im
Burgdorf, 1839 Mitglied des Großen Rathes in
Bern, 1840 Landamman u. 1841 eidgenöjfiicher
Oberauditor; obgleich einer Reform der Berfafjung
der Eidgenofjenihaft zugethan, -war er doch ein
Gegner der radicalen Partei u. trat, als dieje die
Oberhand gewann, 1846 ins Privatleben zurüd;
er wurde 1850 Regierungspräfident in Bern u.
1855 Präfident des Nationalrathes, trat aber 1858
aus der Regierung u. fl. als Berwaltungsrath der
ſchweiz. Gentralbabn 7. Febr. 1866 zu Bern.
Vgl. Ed. Blöſch, Bern 1872.
Blount, 1) County im nordamerif. Unionsſt.
Alabama, unter 34° n. B. u, 86° w. L.; 9945 Em.;
Countyſitz: Blountville. 2) County im nordamerit.
Unionsft. Tenneffee, unter 35° 1.8. u. 63° w. %,;
14,237 Ew.; von mehreren Gebirgstetten durch—
zogen; Eifenerz, Marmor u. Kallſtein; Gounty-
fig: Marysville.
Bloufe, 1) weites, faltiges, meift blaues, hanf-
feinenes überhemd, mit bunten (rothen u. grünen)
Näbhtereien im Kragen, in Deutjchland von Fuhr—
leuten, in Franfreih von Bauern u. den Arbeitern
in den Städten, ſelbſt in Paris, getragen (daher
B-nmänner, die parifer Proletarier), jonft auch
auf Reifen als Übertieid gebraucht. In neuerer
Zeit häufig in Kriegen getragen, 3. B. in Merico,
dem amerilanifchen Secejfionsfriege, von den Ga—
ribaldianern, Freifhaaren zc. Ihre Bequemlich-
feit ift nicht zu verfennen, fo daß fie auch in re
ulären Armeen (Ofterreich 2c.) Eingang gefunden
Eat. 2) Damenlleid, um die Bruft u. den Leib
herum in Heine Falten gelegt.
Blorberg (Blodsberg), |. u. Broden.
Blücher, altes niederdeutfches Geſchlecht, ans
ermann dv. B. genannt wird;
es theilt fih jet in 3 Linien: B.-Wahlftadt, B.-
2
Arthur Douglas, Lord B. von ———— Altona u. B.⸗Finlen. A) B.-Wahlſtadt iſt evan-
u. Redwood, brit. Diplomat, geb, 12. Nov. 1802;!gelifch, 1814 in den Grafen⸗ u, Fürſtenſtand u. 1861
Blücher.
nach dem Rechte der Erſtgeburt in den Fürſtenſtand
erhoben u. in Preußiſch- u. Oſterreichiſch -Schle⸗
fien begütert; Wohnfige find die Schlöffer Radun
u. Krieblowig: 1) Gebhard Lebrecht v. B.,
Fürſt von Wahlſtadt, preußischer Generalfelomar-
ſchall, aus dem Haufe Groß-Ranzow in Medien:
burg ftammend, Sohn eines Turheffiichen Witt:
meifters, geb. 16. Dechr. 1742 zu Noftod. Als
14jähriger Knabe kam er nach der Inſel Rügen, wo
der Anblid ſchwediſcher Hufaren ihn fo begeijterte,
daß er gegen den Willen feines Baters u, feiner
Verwandten als Junker bei denfelben eintrat. Bei
den Streifzügen der Schweden in der Udermart
zu Beginn des Siebenjährigen Krieges gerieth er
in preußiſche Kriegsgefangenihaft deſſelben Hu-
farenregiments, welches er ſpäter commandirte.
Der Oberſt von Belling bewirkte ſeinen Austritt
aus ſchwediſchen Dienſten, worauf er 1760 bei
deſſen Regiment eintrat; er ward deſſen Adjutant u.
bald ältefter Stabsrittmeifter, nahm aber, da er
fi beim Avancement zurückgeſetzt glaubte, 1772
jeinen Abfchied, den ihm Friedrich IT. in fehr har-
ten Ausprüden ertheilte. Er widmete ſich darauf
mit Erfolg der Landwirthichaft, faufte das Gut
Groß · Raddow in Preußiſch Pommern u. ward Depu⸗
tirter der Landſchaftsdirection. Friedrich II. nahm
bei feinen Revilen in Pommern faſt jedesmal Ge-
legenheit, B. zu ſehen, lieh ihm auch zur Ber-
befierung feines Gutes 15,000 Thlr., die er ihm
fpäter ſchenlte. Doch erft deffen Nachfolger Friedrich
Wilhelm IT. ftellte ihn 1787 wieder an, u. zwar
als Major unmittelbar vor v. Jägersfeld, der
ihm einft vorgezogen worden war, in bemfelben
Regiment. 1790 deffen Commandeur geworden,
zeichnete er fih in den Nheinfeldziigen von 1793
u. 1794 namentlich bei Edesheim, Kirrweiler u.
Kaiferslautern als kühner Reiterführer allentbalben
aus, kehrte 1794 als Generalmajor zurüd u. erhielt
1795 ein Commando bei der Objervationsarmee,
wurde 1801 zum Generallieutenant befördert, nahm
1802 Erfurt u. Mühlhaufen für Preußen in Befit
u. ward alsdann Gouverneur von Münfter (1803).
In der unglücklichen Schlacht bei Auerſtädt 1806
führte er die Avantgarde; auf dem Rückzuge war
er der Einzige der preußischen Generale, der feine
Truppen in geichloffener Ordnung und unter
fiegreihen Gefechten zurüdführte, bis er in Lü—
bed, vollftändig umzingelt und aus Mangel an
Munition, Proviant und Fourage, welche Be-
mertung der Gapitulation zugeſetzt wurde, am
7. Nov. fi) ergeben mußte. Im Febr. 1807
gegen den franzöfifchen General Victor, der von
Schill gefangen genommen worden war, ausge:
wechſelt, befehligte B. das Corps Preußen, das
zu einer Diverfion in Pommern beitimmt war,
wurde aber dur den Waffenftillftand an weiteren
Unternehmungen gehindert. Nach dem Frieden von
Tilſit war er Generalkommandant in Pommern,
jedod auf Napoleons Begehr blieb er 1811 außer
Thätigfeit geſetzt, worauf er feinen Aufenthalt in
Breslau nahm. 1813 übernahm er, 70 Jahre alt,
den Befehl der preußiſchen Armee von 25,000
Dann in Schlefien, wozu noch 11,000 Ruſſen
945
Ruhmes zu erreichen, bot ihm nach dem Waffen-
ftilfftande der Oberbefehl über die aus dem preuß-
Eorps von York u. dem ruſſiſchen von Saden u.
Langeron zufammengefetste jchlefische Armee, mit
der er 26. Aug. Macdonald an der Kakbacı voll-
ftändig befiegte, am 3, October den Eibübergang
bei Wartenburg erzwang u. durch das Gefecht bei
Mödern 16. u. 18. Oct. mejentlih zur Enticheid-
ungsſchlacht bei Leipzig beitrug. Er wurde nach
der Schlacht zum Feldmarſchall ernannt, nachdem
ihm die unter feinem Commando ftehenden Ruffen
Ichon zu Anfang des Feldzuges den Namen Mar—
ihall Bormwärts beigelegt hatten, welcher von
den Dentfchen adoptirt wurde. Auch in dem Win-
terfeldguge 1814 war er das vorwärtsdrängende
Element; er überfchritt 1. Januar 1814 bei
Kaub u. Mannheim den Rhein, rüdte nah Nancy
und Brienne, wo er 29. Januar ülerfallen
u, bald jelbft gefangen wurde, fiegte 1. Febr. bei
(a Rothiere, ſchlug ſich, da er, zu iſolirt gegen Paris
vordringend, während Fürſt Schwarzenberg zu
langſam parallel folgte, abgefchnitten wurde, bei
Etoges u. Montmirail nit ohne große Verlufte
(32,000 Dann und 67 Kanonen) dur, ging bei
Sciffons über die Aisne, verband ſich mit Bülow,
fiegte 9. März bei Laon u, bildete 31. März den
rechten Flügel der Sturmcoloune auf Paris. Fiir
feine Berdienfte wurde er von feinem König
3. Juli 1814 in Paris zum Fürften von Wahl-
ſtadt (zur Erinnerung an jenen Sieg au der
Katzbach in der Nähe des im Mongolenfriege
1241 als Schlachtfeld berühmten Dorfes Wahl-
ftadt) ernannt und mit den Gtiftsgütern von
Trebnig in Schlefien bejchenft. Er begleitete num
Friedrich Wilhelm III. nad) England u. ward
dort mit Begeifterung empfangen; die Univerfität
Orford frönte ihm mit dem juriftifchen Doctore
hute. Bon London zuridgefehrt, ging er auf
feine Güter nah Schleſien. Nach der Rückkehr
Napoleons ans Elba 1815 befehligte er die
112,000 Mann ftarke preußifche Armee in Bel-
ag Er wurde von Napoleon am 16. Juni
ei Liguy befiegt, u. faft wäre er bier bei einem
Cavalerieangriffe mit dem Pferde ftürzend gefan-
gen worden. Seine Niederlage hielt ihn nicht ab,
den Franzofen unerwartet, zur Entſcheidungsſchlacht
einzutreffen: am 18. Juni erfocht er mit Welling«
ton den Sieg von Belle-Alliance und rückte ſchon
29. Juni wieder vor Paris, Friedrich Wilhelm ſchuf
einen befonderen Orden, das eiferne Kreuz ineinem
Stern mit goldenen Strahlen, für ihn. Nach
dem Frieden zog ſich B. auf feine Güter zurück
u. ft. 12. Sept. 1819 zu Krieblowitz in Schle—
fien, wo ihm Friedrich Wilhelm IV. ein Manſo—
feum errichten ließ, welches 28. Aug. 1853 ein-
geweiht wurde. Bei rauhen u. ſchroffen Manieren
war B. ein offener u, fefter Charakter, voll von
Humor, mit glühender Begeifterung u. vollton«
mener Gelbftlofigfeit feinem Baterlande dienend.
Dentmäler wurden ihm gejeßt 1819 in Roſlock
noch zu feinem Lebzeiten, 1826 in Berlin auf
dem DOpernplage und 1827 in Breslau, wo
der B-plag nad ihm genannt ift. An feinem
unter Wingingerode ftießen, focht mit derfelben bei} 100jährigen Geburtstage, 16. Dec. 1842, er-
Lügen, Bauten u. lieferte das fegreiche Rüdzugss hielt das 5. Hufarenregiment den Namen der B—
gefecht bei Hanna. Die Höhe
Pierers UniverjalsGenverjationd:Pgiten. 6. Aufl.
es kriegeriſchen ſchen Hufaren.
Ill. Vand.
Vgl. Borott, Leben des Feld—
35
346
marſchalls Fürſt B., Bittan 1819; Fr. Förfter,
Der Fürſt B. von Wahlftadbt, Lpz. 1821, Barn«
hagen von Eufe, im 3. Bd. der Biographien
Dentmale, n.A., Lpz. 1873; Biesle, B. v. Wahl-
ftabt, Berl. 1862; Keller, ©. 5. v. B., Glogau
1862; Schöning, Geichichte des fünften Hufaren-
regiments mit bejonderer Rückſicht auf B., Berl.
1843; J. Scerr, B., feine Zeit u. fein Leben,
Lpz. 1862, 3 Bbe., 2. A., 1865. Seine Nadı-
fommen wurden im den Grafenftand erhoben,
Seine Söhne waren: 2) Graf Franz, geb.
10. Febr. 1778; trat früh im die preußiſche Gas
valerie, war 1813 Stabsoffizier im 1. ſchleſiſchen
Hufarenregiment, ward bei Nollendorf verwundet u.
gefangen; fpäter befreit, wurde er Gommandenr
defjelben Regiments u. Generalmajor; er ft. an den
Folgen der 1813 erhaltenen Kopfwunden geiftes-
Trant 10. Oct. 1829 zu Köpenid, 8) Fürft
Gebhard, Sohn des Vor., Befiter der Majo—
vatsherrichaft Krieblowig u. Wahljtadt in Scle-
jien, erbliches Mitglied des Herrenhaufes, geb.
14. juli 1799, vermählt feit 1832 mit Marie,
geborener Gräfin von Lariſch-Moenich (geb. 3. Sept.
1801), geft. 8. März 1875 auf Schloß Radun
bei Troppau. Gein älterer Sohn Gebhard, jetst
Chef der Familie, ift geb. 18. März 1836 und
gleich jeinem Bruder Guſtav (geb. 11. Juli 1837)
fatholiich erzogen; vermählt feit 1860 mit Marie,
Prinzeifin v. Lobkowitz (geb. 18. Juli 1841, geft.
7. Oct. 1870). Sein ältefter Sohn Gebhard Yeb-
vecht ift 9. Juli 1865 geboren. 4) Friedrid
Gebhard, Graf B. von Wahlftadt, geb. 1780,
Sohn von B. 1); machte einen Theil der Feld—
züge 1813 —15 ald Adjutant feines Baters mit,
nahm den Abichied als Oberftlieutenant und ft.
14, Jan. 1834. B) B.-Altona, ftammt von
Karl vo. B., einem medlienburger Edelmann und
Better von B. 1), welder im dänische Dienfte
trat; Diefer Zweig wurde 1818 in deu Grafen-
ftand erhoben. 5) Graf Konrad Daniel, geb.
29. Febr. 1764; trat früh im dänische Dienfte,
wurde Hofmarſchall in Kopenhagen, 1801 Amt»
mann in Apenrade u. 1808 Oberpräfident von
Altona, um welche Stadt er fih durch Muth u.
Energie während ‚der Bejegung von Hamburg
durch die Franzoſen große Berdienfte erwarb,
weshalb ihm nach feinem Tode (1. Aug. 1845
bier ein Denkmal errichtet wurde, Eine dritte Linie:
©) B.⸗Finken, it lutheriſch, 1815 in den
preußischen Grafenftand erhoben u. in Medien-
burg begütert, wo B. und Finken ihre Wohnfik
find, Bol. Fr. Wigger, Geſch. der Familie von
B., Schwerin 1870, BR. 1.
Bludenz, betriebfane Stadt im gleichnam.
Bez. in Boralberg, Öfterreih (im früheren Wal-
gan), Eiienbahnftat.; Bezirkshauptmannſchaft, Be—
zirlsgericht, außer anderen Fabrikzweigen große
Weberei; 2166 Em,
Bludoff, Dimitri Nilolajewitich, ruſſi—
[her Staatsmann, geb. 1783; trat 1801 in den
ruf. Staatsdienft, wurde, nachdem er die unteren
Stufen der Diplomatie an verfchied. Höfen durch—
laufen hatte, Geſandter in London, dann Secretär
im Unterrichtsminifterium, 1832 Minifter des In⸗
—
Bludenz — Bluhme,
liberalen Partei angehörig, ging er 1825 in das
Lager der Militär-Abfolutiften über u. war als
geiftigebedeutender vertrauter Nathgeber des Kai-
jers Nikolaus u. auch unter feinem Nachfolger
(1858 Vorfigender des Comites für Aufhebung
der Yeibeigenichaft, die er 1863 geicklich zum Ab-
ihluß brachte, u. 1861 Präfident des Minifter-
rathes) bis zu feinem Tode, 2. März 1864, einer
der einflußreichiten Männer des Petersburger
Hofes. Sein Sohn Andreas hat fi Der Diplo
matiſchen Carridre gewidmet; feine einzige, unver⸗
mählt gebliebene Tochter Antoinette gilt für eine
Hauptvertreterin der altruffischen Partei.
- Kbielemann,
Blue-Carth, County im nordamerif. Unionsi.
Minnefota, unter 43° n. B. u. 94° w. L.; batte
ihon 1871 19,680 Ew.; Boden überaus frucht-
bar u, durch blaue Erde gelennzeichnet; ſehr qut be=
wäflert; reiche Kalfiteinlager; Countyfig: Manlato.
Blue⸗Fields (Blewfields), 1) (R. Lama) Fluß
in ‚dem ehemaligen Mosanito- Territorium im
Gentral-Amerifa, jest zu Nicaragua gehörig; er-
gießt fi) nad) einem Laufe von etwa 400 km in
eine Bucht des Caraibiihen Meeres. 2) Stadt
u. ehemal. Reſidenz des Königs von Mosquite,
an der Mündung des gleichnam. Fluſſes, auf
einer Anhöhe; guter Hafen; 18. Oct. 1865 dur
einen Orkan faft ganz zerftört.
BlueStodfings(engl.),jov. w.Blauftrumpf?2).
Bluette {fr.), Fünlchen; eine Heine wigige Schrift.
Bluhme, 1) Friedrich (auf dem Titel jeimer
eriten Schriften Blume), ausgezeichneter Rechts-
gelebrter u. Forſcher auf dem Gebiete des hiſto—
riſchen Rechtes, geb. 29. Juni 1797 zu Hamburg;
ftudirte in Göttingen, Berlin u. Jena, promovirte
1820 in Jena u. machte 1821 eine wiljenjchaft«
liche Reiſe nach Italien, deren Ergebnifie er im
feinem Iter italicum, 4 Bde., Berl. 1824—36,
u. der Bibliotheca librorum manuscriptorum
italica, Gött. 1834, darlegte. 1823 zu einer
Profefiur in Halle berufen, fiedelte er 1831 in
gleicher Eigenihaft nad Göttingen, 1833 als
Oberappellationsgerichtsratb nah Yibed über.
1843 vertaufchte er dieſe Stellung mit einer Pro-
feffur in Bonn, mo er 22. Nov. 1874 ftarb.
Seine wiffenichaftliche Thätigfeit erftredte ſich auf
Erforihung u. Herausgabe römiſcher u. deuticher
Rechtsdenkmäler (der Lex Dei im Corpus juris
Romani antejustinianei, Bonn 1834; der Lex
Burgundionum u. Lex Langobardorum in den
Monumenta Germaniae, Leges Bd. IV., Han-
nover 1868; Die weſtgoth. Antiqua, Halle 1847;
die Gens Langobardorum, 2 Hefte, Bonn 1865
u. 1874); theil$ auf ſyſtematiſche Darjtellung des
Rechtes (Kirchenrecht der Juden u. Ehrijten, 2. Q.,
Halle 1851; Grundriß des Pandektenrechtes, 2. A.,
Halle 18433 Gncpflopädie der in Deutſchland
geltenden echte, 3 Bde, in 4 Abth., Bonn
1847 —58 u. ö.). Yange „Jahre hervorragendes
Mitglied der Rheinischen Provinzialignode, bat er
fidh große Berdienfte um die rheiniiche Evangel.
Kirche erworben (Rhein.⸗Weſtphäl. Kirchenorduung,
3. A., Bonn 1867; Das Rheinpreuß. Gejet über
Pfarrwohnungen, ebd. 1859, Goder des Rheim.
nern, 1839, Präfident der Commiffton zur Co« | Evangel. Kirchenrechtes. Eiberf. 1870). Auch war
dification des Rechtes.
Unter Alerander I. der
er Diitheransgeber des Rhein. Muſeums für Juris—
Blum,
prudenz. 2) Chriftian Albert, dänifher Mi—
nifterpräfident, geb. 27. Dec. 1794 in Kopen-
bagen; ftubirte 1811—16 die Rechte u. wurde
zuerft 1822 Affeffor im Oberlands- n. Hofgericht
u, 1824 Secretär, Kaffırer u. Oberpormund im
Sonvernementsrath für das däniſche Oftindien;
1831 wurde er Hardesvogt, 1838 Stiftsamtmann
in Walborg u. 1843 Director der Generalzoll-
fammer u.des Commerzcollegiums. Bei der Neuge-
ftaltung der Hegierung im März 1848 ins Cabinet
Moltfe berufen, übernahm er das Zoll- u, Han-
delsminifterium, was er bis Novbr, d. J. ver-
waltete, blieb aber noch Cabinetsfecretär u. wurde
1850 Director der Sundzollangelegenheit, 1851
Minifter des Außern u. ım Yan. 1852 zugleich
Minifterpräfident. Im April 1853 behielt er fein
Bortefenille im Minifterium Orſtedt, wurde jedoch
wegen eigenmächtiger Überfchreitung des Finanz.
etats mit feinen Gollegen am 12. Dec. 1854 in
Anklageftand verfett, aber vom Reichsgerichte Br
geiprochen. 1855 wurde er Director der Ore—
jundzollfammer, 1856—57 bei den Sundzoll-
verhandlungen Borfigender und im Juli 1866
wieder Minifterpräfident. Er fl. 17. Dec. 1866
in Kopenhagen. B. gehörte während der Seit
feiner pofitiichen Thärigleit zu der Schule der
Gefammitftaatsmänner, welde ſich die Aufrecht-
haltung der dänischen Geſammtmonarchie zur Auf—⸗
gabe geftellt hatten, aber freilich ſchließlich ihren
Plan Vneltern fehen mußten.
Blum, 1) Karl Ludwig, deuticher Compo—
nift u. Bühnenfchriftiteller, geb. 1785 (nad Ans
deren 1790) in Berlin; widmete fih dem Stu—
dium der Mufik, trat auch als Sänger u. Schau«
fpieler auf u. componirte mehrere Opern, von
denen bejonder8 Das Nojenbütchen in Wien mäb-
rend des Eongrefies 1815 außerordentlihen Bei—
fall fand. Bon 1817 ab bereifte er Frankreich u.
Italien; 1820 kehrte er nach Berlin zurüd, wurde
tönigl. Hofcomponift, fpäter Regiſſeur der königl.
Oper dafelbft u. entmwidelte nun eine außerordent-
fihe Thätigleit. gmäat verpflanzte er das
frangzöfiihe Vaudeville nah Deutjchland u. errang
mit feinen Stüden diefer Gattung: Der Scifis-
capitän, Bär u. Baffa, Der Spiegel des Taufend-
ſchön u. a. große Erfolge. Außerdem verfuchte
er fid) auch in Yuftfpielen, die er mit vielem Ge-
ſchick nach franzöfiihen, englifhen u. italienischen
Stoffen bearbeitete u. jo umſchuf, daß fie den Ein-
drud deutſcher Originalftüde machen. Zu nen.
nen find: Der Fächer (1832), Das laute Ge-
heimniß, Der Ball zu Ellerbrunn (1839), Die
Herrin von der Elſe, Ich bleibe ledig (1840) ꝛc.
Endfich componirte er noch verfchiedene Ballete,
Goncertftüde, ſowol fiir das ganze Orcheſter, mie
für einzelne Juftrumente, Geſänge zc. Er ftarb
zu Berlin 2. Juli 1844. Im Buchhandel erſchieu
von ihm: Luftipiele für deutſche Bühnen, Berl.
1824; Neue Bühnenfpiele, Berl. 1828; Vaude—
villes für deutſche Bühnen u. gefellige Eirfel,
Berl. 1825; Neue Theaterjpiele, Berl. 1830;
Theater, Berl. 1839—44, 4 Be. 2) Karl
Ludwig, Dichter. Geichichtichreiber, geb. 25. Juli
1796 in Hanau; madte 1514 u. 1815 den Feld—
zug gegen Frankreich unter den bejfiichen Jägern
mit u. ſtudirte ſeit 1816 in Landshut, Heidelberg
047
u. Berlin die Rechte, arbeitete auch in letter Stadt
eine Zeit lang als Aufeultator am Stadtgerichte,
wendete ſich aber dann der Bhilologie zu u. wurde
1826 Profeffor der Gefchichte u. Geographie in
Dorpat; 1851 gab er diefe Stelle auf u. priva-
tifirte in Heidelberg, wo er 28. Juni 1869 ſtarb.
Er ſchr.: Heinrihs Dichten u. Trachten (Gedichte
mit Ullrich), Berl. 1819; Klagen Griechenlands
(Gedichte), 1822; Einleitung in Noms alte Ger
Ihichte, ebd. 1828; Herodotos u. Kteſias, die Älte-
ften Gejcyichtichreiber des Drients, Heidelb. 1836;
Andreas dv. Löwis of Menar, ein Bild aus den
Oftfeeprovinzen, Berl. 1846; Gedichte, Heidelb.
1853; Ein ruffiiher Staatsmann (des Grafen
Jakob Joh. von Sievers Dentwürdigfeiten zur
Geſchichte Rußlands), Lpz. 1857 f., 4 Bde, Aus⸗
zug, ebd. 1864; Fran; Lefort, Peters des Großen
Günftling, Heidelb. 1867; gab auch heraus: Dor-
pater Jahrbücher fiir Piteratur, Statiftit u. Kunſt,
Niga 1833. 8) Johann Reinhard, namhafter
Mineralog, geb. 28. Oct. 1802 zu Hanau; ftu-
dirte feit 1821 im Heidelberg Staatswifjenjchaften
u, nebenbei Mineralogie; babilitirte fih 1828 als
Privatdocent zu Heidelberg, wo er 1838 Profefior
der Mineralogie murde. Er hat bei. durch feine
Unterfuhungen über Pjendomorphofen fib Ver-
dienfte um die Mineralogie erworben. Er jchrieb:
Tafchenbuch der Edelfteinfunde, Stuttg. 1828,
2.4.,1834; Lehrbuch der Orpftognofie, ebd. 1833,
4. U., 1873; Lithurgik oder Mineralien u. Ge
birgsarten in ihrer techn. Anwendung, ebd. 1840;
Piendomorphofen des Mineralreiches, ebd. 1843,
Nachträge 1847, 1852 u. 1863; Grundriß der
Mineralogie u. Geognofte, ebd. 1850; außerdem
zablreihe Abhandlungen, namentl. in Leonhards
u. Bronns Jahrb. u. in Poggendorfis Annalen.
4) Robert, deutjcher Bolititer, Schriftiteller u.
Bolfsredner, geb. 10. Nov. 1807 in Köln; lernte
als Gürtler und fam in eine Laterıenfabrif,
1830 wurde er Theaterdiener in Köln u. ging
1831 mit Ningelhardt als Theaterfecretär und
Hufsfaffirer nach Leipzig. 1840 wurde er Mit-
ftifter des Schillervereins; ebenjo hatte er theil
an der Leitung des Yiteratenvereins. Der Bolitif
batte er fih ſchon 1830 in Köln zugemwendet; in
Leipzig gab ihm die Oppofition des Yandtages
1837 Gelegenheit, bef. in der Staatsbürgerzeitr
ung in deren Sinne zu ſprechen. Im Febr. 1845
wurde er Mitbegründer der deutich-Fatholiichen
Gemeinde in Yeipzig u. Gemeindevorftand, Bei
den Auguftereignifien 1845 in Leipzig war er für
Wiederberftellung der Ruhe tbätig. 1847 gab er
feine Stelle am Theater auf u. begründete eine
Buchbandlung. 1848 nad den Februarereigniffen
jpielte er eine große Rolle als das Haupt der
Demofraten u. gründete den Redelibungsverein ır.
den Baterlandsverein; dann ging er nah Frank—
furt, wo er Vicepräfident im Vorparlament, dann
Mitglied des Fünfzigerausſchuſſes u. von Leipzig
zum Mitgliede des Parlaments gemäblt wurde; er
ftand bier an der Spite der Finfen. Als der
Aufftand im Octbr. 1848 in Wien ausbrad,
brachte er mit Fröbel den Wienern eine Beifalld-
adrefie der Linken der Nationalverfammlung u.
betheiligte fih am 26. Oct. an der Spitze einer
Elitencompagnie am Kampfe gegen die Regierungs-
35*
*
548 Blumauer — Blumen.
truppen. Nah der Übergabe Wiens zog er fih| Dichteru.Redener wohl anftebt, aber in der twiffen-
am 29. Octbr. zuriid, wurde aber am 4. Rovbr. ſchaftlichen Rede nicht angebracht iſt; durch die B.
gefangen, am 8. Novbr. vor ein Kriegsgerichtiiprecdhen, d. b. den Sinn einer Rede unter Wor-
geftellt u. zum Strange verurtheilt, was jedoch in|ten verfteden, die durch die Beziehung auf einen
das Todesurtheil dur Pulver u. Blei winge-)beftimmten Gegenftand eine andere als die ger
wandelt u. am 9. NRopbr. auf der Brigittenau |wöhnlihe Bedeutung haben (verbliimte Phrayen).
vollzogen wurde. Diefe Hinrichtung, ald aneinem| Blume, Friedrich, fo v. w. Bluhme 1).
Barlamentsgliede vollzogen, bradhte große Auf-| Blumea DC., Pflanzengattung (benannt nad dem
regung hervor; noch bis in die neuefte Zeit wur- holländiſchen Botaniker Blume, dein Verfaſſer der
den au feinem Todestage Kränze auf fein Grab] ;zlora von Java), aus der Familie der Compofiten
gelegt, ebenfo in Frankfurt a. M. ſchwarze Fah- (XIX. 4), mit linealiichen, jpigen Hüllblätteru,
nen aufgeftedt. Für B-8 Hinterbliebene wurde | weiblichen Strahlenblüthen u. männlichen Scheiben-
durch Subfeription eine Summe von etwa 40,000 blüthen, geihwänzten Autheren u. runden Schließ-
Thlr. zufanmmengebradt. Seine Frau Eugenie, früchtchen, mit einfachem Haarlelche. Bon den
geb. Günther (geb. 13. Jan. 1810 in Penig, Sad» |zahlreichen (nahezu 100), meiſt in Oftindien, theil-
fen), ft. 15. März 1874 in Leipzig. Er for. u. a.:|werfe auch in Afrika einheimifchen Arten ift zu
das Schaufpiel: Die Befreiung von Candia, Lpz. erwähuen B. grandis Wall., mit eiförmigen,
1835; Der Weihnachtsbaum, Biographien frei-|ipiten, oberwärts fablen, unterſeits behaarten, ge-
finniger Dichter, 1847 zc.; gab mit Herloßlohn|jägten Blättern; diefelbe liefert eine Art Kampber
u. Marggraff das Theaterlerifon, Altenb. 1838 Jin veichliher Menge u. gilt als Fräftiges, ſchweiß
fi., 7 Bde.; mit Steger das politifhe Tafchenbuch |treibendes Mittel, auch bedienen fi ihrer die
Borwärts, 1843—47, 5 Bbe., und das Staats-| Birmanen bei Magenſchwäche. Engler.
lexikon für das deutiche Vol, 1847, berans. Sein) Blumen, fo v. w. Blüthen; dann auch ſchön
ältefter Sohn Hans, geb. 8. Juni 1841 zu LYeipr blühende Zierpflanzen. Die B., vorzugsweiſe die
zig, hat ſich als Publicift einen Namen gemadht.| Blumenfron- oder Gorollenblätter, zeichnen ſich
Er ftubirte in Leipzig u. Bern die Rechte, ſaß durch mannigfaltige Farben aus, bei denen blau,
1867— 70 im Norddeutſchen Neichstage, ſchloß ſich roth u. violett, gelb u. weiß die gemöhnlichften, grün,
der nationalliberafen Partei an, wohnte dem Kriege /grau, braun n. vornehmlich ſchwarz die feltenften
1870/71 als Eorreipondent des Daheim im Großen ſind; nur aus wenigen B. läßt ſich ein dauerhafter
— bei u. redigirt ſeit Anf. 1871 die] Farbſtoff gewinnen (vgl. blau, B-gelb, Carthamin
Grenzboten. Er ſchr. Commentar zum Deutichen |u. Pflanzenfarben). Der Geruch ift den B. mebr
Strafgefegbucdhe, Zür. 1870, u. Sächſiſcher Nechts- [als anderen Pflanzentbeilen eigen; verhälmigmäßig
freund, ebd. 1870, 1) Salomon. 4) Echroot.* befitgen jedoch nur wenige einen Geruch; von diefen
Blumauer, Aloys, deutiher Dichter, geb.)find einige wohlriehend (angenehm, licblich, ge-
21. Decbr. 1755 zu Steger im Lande ob der Ens;|mwürzbaft, zumeilen auch ſcharf oder betäubend),
ſtudirte in feiner Baterftadt, wurde 1772 in Wien andere find ftinfend, ſelbſt efelriehend. Der B-
Jefuit, mußte nad Aufhebung des Ordens meh-|gerud wird Durch ;Feuchtigfeit u. Erhöhung der
rere Jahre lang durch Unterricht fein Brod ver-| Temperatur vermehrt. Die Ausdünftung der B—
dienen, wurde dann unter dem Baron van Swieten überhaupt, B-duft, ift meift erregend und er-
als Hofcenfor angeftellt, legte beim Einbruche derjauidend, daher auch Kranfe ihn lieben; doch iſt
Neaction diefes Amt 1793 nieder u. übernahm die ſtarker B-duft, namentlich in verichloflenen Zim-
Rudolf Gräfferfche Buchhandlung ; er ft. 16. MärzImern, Berfonen mit ſchwachen Nerven häufig läftig,
1798. Eiferer gegen Aberglauben u. Pfaffenthum, indem er betäubt u. Kopfichmerz verurfadt; ja, er
der beliebtefte Dichter Wiens in jener Zeit; ma-|töbtet Infecten u. größere Thiere, u. Menſchen,
mentlih wurde feine traveftirte Äneis (Wien die in Zimmern fchlafen, wo ſtark riechende 8.
1784 f., 3 Bde. u. Ö., neueſte Ausgabe von E.|jteben, erleiden wol Ohnmachten, ſelbſt Schlag-
Grifebah, Lpz. 1872), ein von Wit u. Yame|flüffe. Aus den Blüthen des weißen Diptam ent-
überiprudelndes, aber auch die Rohheit u. Gemein |binden fich brennbare Diinfte, die fih an einem
beit nicht fcheuendes Werk, mit raufhendenm Wei» nahe gehaltenen Lichte entzlinden; auch geben
falle aufgenommen. Sämmtlide Werke, Lpz.|mande gelbe Garten-B. (indianifhe Krefle, Rin-
1800—1802, 8 Bbe., u. Ö., zulett 1871, 3 Bde. |gelblume, Feuerlilie, Sonnenblume, Lad u.mt, a.)
Blume, 1) iiberhaupt die farbige Blüthe einer|in heigen Sommermonaten, furz nah Sonnen—
Pflanze, bef. aber die Blumentrone; ſ. u. Blüthejuntergang, bei heiterer, trodener Luft, mitunter
und Blumen. 2) Das Feinſte und Befte einerjeinen blitzähnlichen Schein, oft 2—3mal hinter
Sade, daher 3) B. des Weines, Ausftich des einander: man nennt dies B-leucdten.
Weines; fo v. w. Bouquet. 4) Bei gemäftetem] In der Gärtnerei heißen B. vorzugsweiie alle
Federvieh Die Fettlappen inmwendig im Bauche. |diejenigen Pflanzen, welche uns durd die Schön-
5) (Chem.) Sublimate, die einen loderen Zu-|heit oder Annehmlichkeit ihrer Blüthen erfreuen:
jammenhang ihrer Theile u. wenig Gewicht haben, im meiteren Sinne bezeichnet man aber auch ſolche
3. B. Schwefel», Zint-, Ziun-Bn x. 6) Der in Pflanzen, befonders Krautpflanzen, als B., die
5 u. Textur vollendete Stapel furzgebrängter|bauptiächlich des Bergnügens wegen u. zur Zierde
Wolle. 7) Beim Hafen, auch beim Noth- u. Dam-Jin den Gärten, Zimmern u. Gewächshäufern ge-
wilde der Schwanz; beim Fuchſe u. Wolfe diejzogen werden; wogegen die nugbringenden Bflan-
Spige des Schwanzes. 8) (Rhet.) Bild, im Aus-|zem, auch wenn fie ſchöne Blüthen tragen, ebenjo
prud des Angenehmenu. Schönen; daher blumiger/mwenig, als die meiften bolzartigen Gewächſe bes
Stil, ein mit vielen Bildern geihmiüdter, der dvemifreien Landes, diefe Benennung erhalten. Die B—
Blumen.
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liebhaberei beſchränkte ſich anfaugs auf die Pflanzen, welche viel Waſſer verlangen, zum Be—
wildwachſenden, ſchönblühenden Pflanzen, dehnte gießen beuuntzt werden dürfen, während in der Regel
ſich aber bald auch auf ſolche Gewächſe aus, die das nöthige Waſſer oben auf die im B-topfe be—
in den betreffenden Gegenden nicht urſprünglich findliche Erde gegeben werden ſoll, u. zwar nur
heimiſch waren u. daher mit größerer Sorgfalt|fo oft, als fie ziemlich ausgetrodnet ift, dann aber
angezogen u. gepflegt werden mußten, wodurch
fib die Bzucht oder B-gärtnerei ausbildete,
welche jegt die Eultur der B. im meiteften Sinne
in ſich begreift u. wol als der am nteiften aus—
gebildete u. einträglichjte Zweig der Gärtnerei be-
zeichnet. werden fan. Sie beichäftigt ſich nicht
allein mit der Erziehung u. Ausbildung der B.
nach den befannten Erfahrungen, fondern fucht
durch genaue Beobachtung der Eigenthümlichkeiten
u, Bedirfniffe derjelben u. mit Anwendung der
verſchiedenartigſten Hilfsmittel fie zu einer immer
größeren Schönheit u. Vollkommenheit zu bringen
und aus ihnen weitere nene ‚Formen, bejonders
dur Auwendung der Fünftlihen Befruchtung, zu
erzielen; auch die weitere Verwendung u. Ver—
vielfältigung der B+producte (Blüthen, Blätter,
Samen x.) rechnet man mit dazu. Früher um-
faßte die Brzucht nur verhältwigmäßig wenige
Arten von B., befonders ſolche, deren Gultur
nicht jehr jchwierig war u. welche eine große Neig-
ung zur Bildung neuer Formen zeigten, 3. B.
Zulpen, Hyacinthen, Ranunkeln, Auritein, Nelten,
Leployen, Nofen u. a., und babei ſich im Freien
ziehen ließen, ſowie auch eine Anzahl ſolcher Bflan-
zen, die ohne Schwierigkeit im Zimmer gedeihen.
Bei der ungemein großen Mannigfaltigleit der
DB. in jetiger Zeit ift die Brzucht fünftlicher ge-
worden u. nicht mehr im der einfachen Weije wie
früher zu betreiben; allgemeine Regeln laffen fich
dafür jchwer aufjtellen, da der B-Züchter oder
Blumift die B. möglichft in diejenigen Berbält-
niſſe zu bringen ſuchen muß, welche jeder Eigene
art am meiften zufagen, wobei er jein Augenmerf
ganz bejonders auf die Beichaffenheit, Feuchtigkeit
u. Wärme des Bodens u. der Luft zur richten bat,
in welchen fie ſich entwideln jollen, m. forgen muß,
daß ihnen das erforderliche Licht nicht mangele,
in welchen Beziehungen fie durchaus verſchiedene
Anjprücde maden. Die B-zucht wird im Freien
in bejonderen Begärten betrieben, oder in Zim—
mern, welhe Braimmmer. genannt werden, wenn
fie faft ausschließlich diefem Zwede dienen, u. wo—
bei man aud vor dem Feuſter angebrachte B-
bretter zu Hilfe nimmt; oder in Gewächshäuſern,
die dann auch wol B-häuſer heißen; Kleinere, mit
Feuſtern bededte Räume, in denen vorzugsweife
die jungen B. angezogen werben, nennt man B—
fäften. Die nicht im Freien cultivirten B. wer-
den faft immer in die aus gebrauntem Thone,
weniger zwedmäßig aus Porzellan oder Steingut
gefertigten B-töpfe gepflanzt, denen eine Off-
nung im Boden zum Nbfinfje des überflüffigen
Waſſers nicht fehlen darf; fie müfjen im richtigen
Berhältyiffe zur Größe der Pflanzen fiehen, eine
runde, nad unten etwas verjüngte Form haben,
damit fih beim Berpflanzen die Erdballen leicht
herausnehmen laffen, und im dem weiten Fällen
ehwas tiefer als breit fein. In ſolchen Räumen,
welche durch das ablaufende Waſſer wicht
Unterjegnäpfcdyen, welche aber nur bei denjenigen
bes |
ſchmutzt werden jollen, fegt man uuter die Töpfe,
in geniügender Menge, damit fie biß zum Grunde
durchfeuchtet werden, wobei ja das etwa über—
flüſſige Waffer ımten abläuft. Die Erde, mit
weicher die Brtöpfe gefüllt werden (B⸗-erde)
muß für die einzelnen B. verſchiedenartig zufam«
mengeſetzt ſein; im Allgemeinen ſoll ſie mehr leicht
u. loder, als ſchwer und bindend ſein, weshalb
häufig Sand beigemifcht wird. Viele B., ſowol
im freien Yande, als auch in Töpfen, bindet man
an mehr oder — zierlich gearbeitete, häufig
angeſtrichene B-ftäbe, damit ſie nicht umfallen.
In den Gärten vereinigt man die B. gern auf
Bebeeten, welche ſo angelegt werden müſſen,
daß fie den Eigenthümlichleiten der betreffenden
B. entſprechen u. mit Leichtigkeit behandelt were
den können; ihre Form, Yage und Bepflanzung
bleibt dem Gejhmade des Züchters überlaffen,
jedoch find die einfachen Formen, befonders der
Kreis u. die Ellipfe, die durchgängig beliebteften;
bei der Bepflanzung iſt fowel auf die Blüthezeit
der betreffenden Pflanzen, als auf deren Höhe u.
die geſchmackvolle Zufammenftellung der Farben
gebührende Nüdficht zu nehmen. Die feit einiger
Zeit jehr in Aufnahme gekommenen Teppichbeete
ud in regelmäßige Abtheilungen eingetheilte B-
beete; jede Abtheilung derjelben wird nur mit
Pflanzen einer u. derjelben Farbe bejett, welche
gewöhnlid von der Farbe der anftoßenden Ab«
theilung ſtark abftiht, wodurh dann durchaus
regelmäßige Figuren, 3. B, Sterne, einander um—
ichliegende Kreife, Kreuze u.a. mit ſehr auffallen«
den Farben gebildet werden; zu ihrer Bepflanz-
ung werden vorzugsweife auch niedrig bleibende
Pflanzen mit lebhaft gefärbten, nicht grünen Blät-
ten verwendet, Wenn die Bebeete mit eingefted«
ten biegſamen Muthen, Drahtgeflehten, Thon—⸗
platten u. dgl. geſchmackvoll eingefaßt werden, fo
bezeichnet man jie als B-körbe; werden fie fehr
erhöht u. jelsartig duch Schladen oder Stein—
broden vorgerichtet, zwischen welche daun dazu
paffende Pflanzen zu ftehen fommen, fo haben
wir Beberge. Ju den Zimmern fett man die
B. vielfah auf Betifche, welche durch ihre mehr
oder weniger elegante Arbeit an fih jhon eine
Zierde derjelben ausmachen; fie müſſen mit einem
Einfage von Zinfbieh verjehen fein, damit beim
Begießen der B. fein Waffer auf den Fußboden
laufen fan. Pflanzen mit überhängenden Blättern
u. Zweigen eignen ſich vorzugsweiſe zur Bepflanz-
ung der B-ampeln, welde an Schnüren auf
gehängt werden. Die ald B+geftelle befannten
treppenartigen Gerüſte werden zur Aufftellung ver
B. bejonders gern verwendet, weil auf ihnen bie
einzelnen Pflanzen möglichſt frei zu ftehen kommen
u. beobachtet werden können. Durch die Bereinig-
ung einer großen Menge gleichzeitig blühender,
geihmadvoll geordneter B. bildet fi ein B-flor,
weshalb auch alle diejenigen B., welche bejonders
häufig u. in vielen ‚sormen u. Farben gezüchtet
werden, die Bezeichnung ylor-B, erhalten haben.
Noch größere Zufammenftellungen von B. hat man
950
Blumenau — Blumenbad.
in den B- ausftellungen, melde von Zeit zulichönen B-fträußen uw. B-fränzen vereinigt;
Zeit in vielen größeren Städten zur Hebung der
Bzucht veranftaltet zu werden pflegen, u. auf
weldyen hervorragende Leiſtungen der Ausjteller
in der B-cuftur Durch Preife- in Geld oder Me—
daillen ausgezeichnet werden; in manden Städten
finden auch vegelmäßig B-märkte flatt, auf wel-
den die zum Verkaufe beftimmten B. von den
B-bändlern feilgeboten werden. Die B»trei-
berei, durch welche unter Anwendung vermehrter
Wärme der Gintritt der Blüthe beichleunigt wer-
den fann, bietet ein Mittel, auch in den Winter:
monaten feinen Mangel an B. zu haben; es eig-
nen ſich dafür außer den Bezwiebeln bejonders
ſolche Pflanzen, welche leicht u. veichlih u. vecht
zeitig im Frühjahre zu blüben pflegen; zur Trei-
berer der Bezwiebeln bedient man jich häufig der
hoben, runden, oben etwas verengten u, mit einem
Haude um Die Offnung verichenen B-gläfer,
auf welchen die Zwiebeln, mit der unteren Seite
um Waffer ftehend, zum Blühen gebracht werden.
Unter B-zwiebeln verfteht man (im Gegenjate
zu anderen, theils mugbaren, theils unbenutzten)
die Zwiebeln folder Gewächſe, welche wegen ihrer
Ihönen Blüthen angezogen werden, vorzugsweiſe
derjenigen, Die fich im freien Yande erziehen laffen,
als Hyacinthen, Tulpen, Narciffen, Crocus u. a.
Die Cultur diefer legteren ift nur erfolgreich auf
leichtem, loderem, kräftigem Boden u. ſchon feit
Jahrhunderten vorzugsweife in Holland in der
Gegend von Haarlem im jehr großem Maßſtabe
betrieben worden, in neuerer Zeit aber auch auf
den Zandboden der Mark Brandenburg mit gün—
fiigem Erfolge eingeführt. Die Liebhaberei dafür
war früher ın Holland jo übertrieben, daß man
oft fiir einzelne jchöne u, feltene Zwiebeln unge—
heure Preife zahlte, wie 3. B. in den Jahren
1636 u. 1637 für einzelne Tulpen bis zu 18,000 fl.
das Stüchk, u. felbit für unerhörte Summen mit
ſolchen Zwiebeln, welche man felbft nicht einmal
beiaß, mit der Bedingung, fie zu einer feſtgeſetzten
Zeit abzuliefern, ſchwindelhaften Handel trieb ;-übere
baupt war e8 zur Modejucht bei reihen Kaufleu-
ten geworden, möglichit ſchöne u. werthvolle Zwie⸗
belſammlungen zu befigen, in fo hohem Grade,
daß viele vermögende Leute dadurch zu Grunde
gegangen find. Damals beichränkte ſich der bes
rühmte B- handel Hollands fait ausſchließlich auf
die Brzwiebein, u. wenn dieſe auch gegenwärtig
immer noch einen erheblichen Antheil an demiel-
ben nehmen, jo hat fich der Handel mit B. auf
die meiften anderen Länder Europas ausgedehnt
u, über alle Zweige der Bezucht verbreitet. Auch
die Anfertigung künftliher B. aus Zeugjtofien,
Federn, Papier xc., u. namentlich das Trodnen
natürlicher B. wird in neuerer Zeit großartig be—
trieben; zu letsterem Zwede benutzt man jet die
verfchiedenften Arten von B. u. anderen Pflanzen,
namentlich aud eine große Menge zierlicher Gras—
arten, u. weiß ihnen beim Trocknen ihre natür-
liche Geftalt u. oft auch die Farbe zu erhalten,
noch häufiger aber lettere durch die Kunft zu er-
jegen, wodurch fich das Vtrodnen n. Bsfär-
ben als ein eigener Induſtriezweig herausgebildet
hat. Dieje getrockneten B. werden wie die künft-
liden u, die abgeichnittenen lebenden B. zu jehr
die natürlichen behalten vor den anderen aber
ftets den Vorzug der Friſche, Natürlichleit u. des
Wohlgeruches, wenn fie ihnen auch hinfichtlich der
längeren Dauer nachftehen müſſen. Das Shmüden
der Zimmer u. Menſchen mit B. bei feitlihen Ge-
legenheiten ift eine alte, fehr verbreitete Sitte,
ebenio die Gräber der Dahingefchiedenen damit
u zieren; durch Beftreuen auf den Wegen u.
Ar im Theater u. a. O. ſucht man ge-
feierten Berfonen jeine befondere Verehrung zu
beweifen. Ju den B-fpielen (Jeux floraux)
der Stadt Toulouje werden die beiten Erzeugniffe
der Poeſie durch wertbvolle, aus Gold u. Silber
angefertigte B. belohnt. Bei der im Orient ſehr
ausgebildeten und beliebten Beſprache find Die
B., wovon einer jeden ein beionderer Sinn bei:
gelegt ift, die Vermittler der Gedanken, beſonders
der Yiebenden, B. im Wappen follen Hoffnung u.
Freude bedeuten. Wolde.
Blumenau, 1) Dorf im Comitat u, bei Pres-
burg in Umgarı, nahe der mährifchen Grenze u.
an der Eifenbahn Wien» Presburg. Hier am
22, Juli 1866 das legte Gefecht im Preußiſch—
Oſterreich. Kriege, das durch die Nachricht vom
Waffenſtillſtande von Nilolsburg abgebrochen wurde,
als der preußifche General von Boſe bereits im
Rücken der Ofterreicher fand. 2) Wichtige, nur
von Deutichen bewohnte Colonie in der brafil.
Prov. Santa Catarina; 12 Schulen; Botanifcher
Garten; (1869) 6000 Ew., meift Proteftanten;
in ftetem Wachſen begriffen.; ftarfe Eultur von
Knollengewächſen und Zuderrofr; 1852 von
Dr. Blumenan aus Kubdolftadt gegründet u. nach
ihm benannt; 1859 von der brafil, Regierung zur
Ztaatscolonie erhoben.
Blumenbady, Johann Friedrich, berühmter
Naturforfher, geb. 11. Mai 1752 in Gotba;
jtudirte in Jena u. Göttingen Medicin, wurde
1776 Profeſſor der Medicin und Aufſeher des
Naturaltencabinets in Göttingen; er gab 1835
feine afademifche Thätigfeit auf u. ftarb 22, Jan.
1840. 8. ftand als Magister Germaniae hoch
gefeiert unter den Lehrern der Naturwiſſenſchaften
da u. 309 durch feinen fejlelnden, belebenden Bor,
trag ans aller Herren Ländern die Zuhörer berbei.
Die größten VBerdienfte hat er fi vor Allen um
die vergleichende Anatomie erworben. Seine glän-
zenden Erfahrungen u. Beobachtungen find theils
in einzelnen Heineren Schriften, 3. B. feiner Differ-
tation: De generis hum, varietate nativa, Gött.
1775, theils in dem Handbuche der vergleichenden
Anatomie u. Phyfiologie, ebd. 1304, niedergelegt.
Der Zoplogie gab er durch Heranziehen der ver-
gleichenden Anatomie exit feiten Halt und wiſſen—
Ichaftliches Gepräge. Auch war er der Erſte, der
die bis vor Kurzem meift adoptirte Eintheilung,
von 5 Menjchenvacen aufftellte. Sonftige Werte:
Handb, der Naturgeidichte, Gött. 1779, 12. A.,
1830; die Phyfiologie bereicherte, er weſentlich
durch fein epochemachendes Werk: Über den Bild»
ungstrieb u. das Zeugungsgeihäft, ebd. 1781,
und durch die Institutiones physiologicae, ebd,
1787. Ferner werthvoll find: feine Medicinifche
Bibliothek, ebd. 1793— 95; Kleinere Schriften zur
vergleichenden Phnfiologie, Anatomie u. Natur-
Blumenbachia — Blumengelb.
geichichte, ülberf. v. Gruber, Lpz. 1804; Beiträge
zur Naturgeſchichte, 2 Bde., Gött. 1806— 11;
Geſchichte u. Beichreibung der Knochen des menſch—
lichen Körpers, ebd, 1786 u. 1807. Weltberühmt
war feine Schädelfammfung: Colleetionis eranior.
diversarım gentium decades VII, ebd. 1790
bis 1828, und: Nova pentas collectionis suae
craniorum, ebd. 1828, nen bejorgt 1873 von
Thöring, durch welche der Echädellchre ein feiter
Grund u. UÜberfichtlichleit gegeben murde,. Mit
Born gab er heraus: Preisichrift von der Nu—
tritionstraft, nebft Erläuterungen von Wolf, Petersb.
u. Lpz. 1789. Bgl. Marr, Andenten an B.,
Gött. 1840, Thamhayn.
Blumenbachia Schrad., Pflanzengatt. aus der
Familie der Yoafaceen (XIIL. 1), der Gatt. Loasa
verwandt, aber durch den zehnrippigen gedrehten
Fruchtlelch unterfchteden, der ſich in zehn Theile
trennt, nämlich in fünf vollfommene u. fünf un—
ausgebildete Theilfrüchte. In - unferen Gärten
findet man vorzüglich B. insignis Schrad., aus
Montevideo, Dieje;fowieauhB.latifolia Cambess.,
von Paraguay, haben Brennhaare, wie die Brenn-
neſſeln, u, werden, wie diefe, zur Urtication, d. i.
zum Schlagen gelähmter Glieder angewendet,
Blumenbalg (Bot.), jo v. w. die Blumen«
ſpelzen der Gräſer; ſ. Blüthe.
Blumenbarometer, die Zuſammenſtellung
von Blumen, deren Kelche ſich bei verſchiedenen
Witterungsverhältniſſen öffnen od. ſchließen. VBgl.
Blumenuhr.
Blumenbienen (Andrenetao Latr., Andre-
nidae Auct., Gruppe (Familie) der giftſtache—
hgen Hautflügler, welche zwifhen den eigent-
fihen Bienen und den Welpen die Mitte bält;
Zunge meift kurz u, breit; Glieder der Lippen—
tafter gleichgeftaltet. Sie find nur zweierlei Ger
ſchlechtes u. leben einſam; die Weibchen fammeln
Blumenſtaub u. legen ibn, mit Honig vermischt,
in ein oft in den fefteften Boden felbftgemadhtes
Erdloch, darauf ein Ei und verftopfen das Loch.
Zu den B. gehören die Gattungen: Forftbiene
(Waldbiene, Hylacus Fabr.); Oberkiefer ungezähnt
oder zweizähnig; Unterlippe dreillappig; Taſter
borftenförmig; Hinterleib ovalstugelförmig. Sehr
artenreih, Dahin die im Spätſommer häufige H.
arbustorum Panz.; Männchen mitweißen, Weibchen
mit gelblihen Querringen auf den glänzend
ſchwarzen Hinterleibe. Hü ge Ibiene (Seidenbiene,
Colletes Latr.), Körper behaart, drittes Fühler—
glied länger als das zweite. Röthliche Hügel—
biene(C. suceinetus), Schwarz, Bruftftiid weißlich,
röthlih behaart; das Weibchen überzieht ihr Erd-
loch mit gummiartiger, glänzender Maſſe u. baut
eine Anzahl Zellen hinein. Eigentliche B.
Sandbiene, Andrena Fabr.); Oberkiefer zmeis
zähnig; Lippen- u. Kiefertafter gleichförmig. Ge-
meine Sandbiene (A, flesae), ſchwarz, Füße
violett u. weißhaarig; in Gartenmauern; legt ein
Ei anf jchmierigen Honig. Wollfußbiene (Da-
sypoda Latr.); Kinmlade gebogen; ein Fußglied
der Hinterbeine mit langen Haaren. Ballen»
biene (Halietus Latr.); Mittellappen der Inter:
lippe nad unten gebogen und fait gerade; Ober-
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Latr., Diehroa Nlig.); der faſt gerade Mittel-
fappen der Lippe ift den Seitenlappeit gleich. Sph.
gibba L., in Seitenwänden von Gräben; Männ—
hen ftachellos; Weibchen mit Stachel. Schsgür-
teliger Halictus (H. sexcinetus, Hylaeus s,
H. grandis), in Auguft; baut in Sandwege; hat
in jedem Loche mehreren Hülfen, jede mit mehre-
ren Buppen. Thome.*
Blumenblau. Durch Berdunften des alfoho-
liſchen Auszuges der blauen, rothen u. violetien
Blüthen und meiteres Neinigen läßt fich eine
blaue, bygroffopifche, im feuchten Zuſtande nicht
beftändige Maffe erhalten, Anthocyan genannt,
die als der Farbſtoff diefer Blüthen angejehen
wird u. in den rothen Blüthen fih in Verbindung
mit ftärferen, im den violetten mit ſchwächeren
Säuren vorfindet. Ein auf ähnliche Weiſe aus
Kornblumen, Beilchen u. ſ. w. dargeftellter, mehr
gereinigter yarbftoff wird mit dem Namen Cyanin
bezeichnet. Elöven.
Blumendecke (Bot.), fo v. w. Perianthium;
j. u. Blüthe ce).
Blumeneck (Blumenegg), Herrichaft u. Schloß
im Bezirke Bregenz des öfterreich. Yandes Boral-
berg; 10 Dörfer, mit der Propftei St. Gerold.
B. gehörte ehemals dem Abte von Weingarten, fam
1802 an Naffau-Oranien, 1804 an Ofterreich,
1806 an Bayern, 1814 wieder an Oſterreich.
Blumeneſche ift Fraxinus ornus L.
Dlumenfliege (Anthomyia Meig.), Jnfectens
gattung ans der Ordnung der Zweiflügler, Unter
ordnung der ‚liegen, Gruppe der wahren ‚liegen;
ähneln in ihrer Geftalt den Stubenfliegen. Die
Larven, denen ein deutlich abgefetter Kopf fehlt,
leben vielfach im Dinger, andere finden ſich auf
beſtimmten Nährpflanzen, denen fie, wenn fie in
größerer Menge auftreten, oft fchädlich werden,
Die Wurzelfliege (A. radieum ZL.). Die Larve
diefer den ganzen Sommer bindurd häufigen
Fliege zerftiört Kohlraben, Nettige und Rüben;
jene der Kohlfliege (A.brassicae Bouche) lebt
den Sommer hindurch in den Wurzeln und
Strünfen der verichiedenen Kohl-, Rüben- und
Rettigarten, in welchen fie Gänge frißt u. Fäulniß
erzeugt. Die Yarve der Lattichfliege (A. lac-
tucarum Bouche) lebt an u. von den Früchten des
Kopfialates u. anderer Yatticharten u. verurlacht
deshalb in manchen Jahren Samenmißernte. Die
Yarve der Zwiebeltliege (A, ceparum Meig.)
findet fi in einer Frühlings- u. einer Sommer»
generation im Mai u. im September an den ver-
ſchiedenſten Zwiebelgewächſen und benagt gejellig
den Grund der Zwiebeln; jene von A. furcata
Bouche findet fi einzeln im Innern der Zwie—
bel; die von A. platura Meig. wird mitunter
dem Breiflauch u. der Schalotte gefährlich. Thome.
Biumengelb. Die meiften gelben Blüthen
verdanten ihre Farbe einem Anthoxanthin ge»
nannten gelben yarbftoffe, der auch wol in Kan-
thin und Kanthein unterjchieden wird. Erfteres
läßt fi aus den Blüthen von Helianthus annus
mit kochendem Weingeifte auszieben u. bildet nad)
dem Heinigen eine ſchöne gelbe, amorphe, harz—
artige Maſſe. Das Kanthein, meift aus Dahlien
tiefer der Weibchen einzähnig; das Männchen un⸗ (Seorginen) dargeftellt, bildet einen ähnlichen Farbe
gezähnt. Dazu die Budelbiene (Sphecödes
ſtoff.
Elören.
952
Blumenhagen, Philipp Wilhelm Georgj®emüfe belanut find.
Auguft, deutſcher Schriftfteller, geb. 15. Febr.
1781 in Hannover; ftudirte 1799 — 1803 in
Göttingen u. Erlangen u. war Arzt in Hannover;
ft. 6. Mai 1839. Er ſchrieb: Freia (romantifche
Ditungen), Erf. 1805, n. Aufl., 1810, 2 Bbe.;
Die Shladht ven Thermopylä (Tragödie), Hann.
1814; Simfon (dramatifches Bericht), ebd. 1816;
Gedichte, ebd. 1817, 2 Bde., 2. Aufl., 1826;
Alazienbläthen (Auffäge, Vorträge und Gedichte
für Freimaurer), ebd. 1815; Der Mann u. fein
Schupengel (Roman), Lpz. 1823; Novellen und
Erzählungen, Hannov. 1826 f., 4 Bde; Neuer
Novellentvanz, Braunfhw. 1829 f., 2 Bde. Ge-
fammelte Werte, Stuttg. 1836 —40, 25 Bbe,,
1843 f., 16 Bde.
Blumenholz (eugl. Flower wood), buntes,
ſchön geblümtes Holz; kommt aus Geram (Siram),
einer moluffiihen Inſel, u. wird zu Kunfttiichler-
arbeiten verwendet.
Blumenfäfer (Cetoniariae), Gruppe der In—
jectenfamilie der Blattborntäfer (Lamellicornia);
die Flügeldeden umfaffen den Hinterleib nich.
Es find farbenprädhtige Käfer, bei denen Männ:
hen u. Weibchen oft bedeutende Unterſchiede in
der plaftiihen Geftaltung von Kopf und Bruft
zeigen. Sie fliegen meift mit geſchloſſenen Fliigel-
deden plöglih auf u. geben während des Fliegens
einen ftart fummenden Ton von fih. Sie fuchen
im Sonnenjchein Blumen auf, ernähren fih von
Blüthenftaub u. Honig, fowie von den aus Bäumen
u. Obſt ausftrömenden Zuderfäften. In Deutſch—
land finden fi: die Schirm-B. (Trichius Fabr.);
der Unterkiefer endigt in ein Tinienförmiges, pinfel-
artiges Stüd; Kopfſchild ift ganz; das Kinn faft fo
lang als breit, das Halsſchild vieredig abgerundet;
Eremit (T. eremita Scop.), 3 cın groß, ſchwarz—
braun, mit 3 Furchen auf dem Halsſchilde; riecht
aprifofenartig, daher er auch wol Apritojenfäfer
enannt wird; im Mulm alter Buchen u. Eichen.
Bandfireif (T. faseiatus L.), ſchwarz, gelb»
haarig; auf Doldenblüthlern. T. nobilis F",
goldgrün, unten haarig; im Mulm von Pflaumen:
bäumen und Weiden, u. v. a. Metallfäfer
(Goldfäfer, Rofenfäfer, eigentlider B., Cetonia
Fabr.); Kinn Hein, Halsſchild dreiedig; Flügel—
deden eingebogen. Dahin der gemeine Roſen—
füfer oder Goldfäfer (C. aurata L.), gold»
grün; erfter Ring des SHinterleibes gezäbnt,
auf den FFlügeldeden einige weiße Striche; leckt
Blumenftaub, vorzüglih von Rojen u. Hollunder;
die Larve lebt wol vier Fahre unbefhädigt in
Ameifenhaufen und wird Ameifenfönig genannt
Seltener find der pracdtvolle ©. speciosissima, C.
marmorata u. a. Don ausländischen Arten find
befondersdie riefigen, in Afrika u. Neu-Guinea vor»
tommenden Soliathfäfer (ſ. d.) zuerwähnen, Thome.*
Blumentohl(Brassica oleracea var. botrytis),
eine Abart des Winter- od. Kransfobls (ſ. Brassica).
welche fi durch eine muchernde feitlihe Ausbreit-
ung der Blüthenftengel vor ihrer Entwidelung
auszeichnet, wodurch ſich eine weiße geſchloſſene
Maſſe dicht zufammengedrängter, verlürzter und
verdidter Biüthenftiele bildet, die oft 20 cm im
Durchmeſſer halten, Blumen, Köpfe oder Käfe
genannt werten und als feines, wohlichmedendes
Blumenhagen — Blumenmalerei.
Man verftebt unter B.
nicht allein den gewöhnlichen B. oder Carviol,
fondern au den in England, Italien und dem
ſüdlichen Franfreih viel gezogenen Broccoli oder
Spargelfohl. Von dem gewöhnlichen B. gibt es
mehrere Abarten, bie ſich durch die Zeit ihrer
Ausbildung u. ihre Größe, fonft aber wenig unter»
jheiden; nur der ſchwarze oder ficiliihe B.
weicht von den übrigen durch die dunfle Farbe
der Köpfe ab. Für die befte Sorte gilt jetzt der
feit 1855 befannte große Erfurter Jwerg-B.
Ale Arten von B. verlangen einen jehr guten,
Ioderen, tiefgründigen, reihgebüngten Boden und
Waffer in Menge, gedeihen deshalb eigentlich
nur in niedrig gelegenen, mit Wafler durdh-
zogenen Gegenden u. im Frühjahre oder Herbite
gut, dabei beffer auf freiem, etwas gegen Wind
geichlitstem Felde, als im geichloffenen Gärten,
Er verlangt viele Diingung, liebt befonders alten
Rindermift u. fräftigen flüſſigen Dünger, welcher
namentlich bei trodenem Wetter zum Gießen be»
nutzt jehr günftig wirkt, Die Ausfaat der Samen
geihhieht entweder Ende Auguft, oder im Septem-
er: die jungen Pflanzen werden dann dicht zite
fammengepflanzt in falten Miftbeeten u. dal. über-
mintert u. im Frühjahre ausgepflanzt (Winter-B.),
wodurh man den frübeften u. jchönften B. er-
zieht; oder die Samen werden im Frühjahre in
Miftbeete u. von April-bis Mitte Juni ins freie
Land gefäet u. dann die Pflanzen fpäter auf friich
und tief ummgearbeitetes Yand 60— 70 cm von
einander gepflanzt. Häufiges Behaden und Be-
gießen iſt notbwendig, and das Bebeden des
Bodens zwifhen den Pflanzen mit kurzem Mifte
u. dgl. deren Ausbildung jehr zuträglih. Um
das Nuseinandergeben der Köpfe zu verhindern,
werden, wem fie fichtbar werden, die inneren
Blätter über diefelben eingelnidt u. nach völliger
Ausbildung die ganzen Pflanzen abgefchnitten,
wonach fie fi) noch einige Zeit lang im Keller
aufbewahren laffen. Im Herbſte pflanzt man
den B. mit noch Meinen Köpfen in den Keller,
um ihm dort fich noch weiter entwideln zu laffen.
Die Anzucht des B»famens gelingt nur unter
befonders günjtigen Berhältniffen; fie wird im
Deutichland befonders bei Erfurt u. aud in Eng-
land im Großen betrieben u. liefert in günftigen
Jahren einen fehr hohen Ertrag. Es müjjen die
ihönften u. früheiten Köpfe verwendet werden;
am ficherften befommt man ihn von Übermwinterten,
im Miftbeete gezogenen Pflanzen, da fih ver 8,
überhaupt gut treiben läßt. Wolde.
Blumenkrone, ſ. u. Blüthe.
Blumenküſſer, Blumennymphen, ſ. Kolibri.
Blumenmalerei, untergeordnete Art von
Malerei, zu dem Stillleben gehörend. Nächſt einer
bis zur Täuſchung treuen Nachahmung der Natur,
welche durch correcte Zeichnung u. durch Wieder—
gabe der Farbe m. des Farbenſchmelzes in den
durh Beleuchtung u. Blätterlage hervorgebradten
Nüancen erreicht wird, gehört gute Auswahl der
darzuftellenden Blumen Ka in Bezug auf die
Farben, als auf die Formen u. eine harmoniſche
— — derſelben zu einem guten Blu—⸗
menftüde.. Im Alterthum, das fih gleich dein
Mittelalter auf täufchende Nahahmung der Natırr
Blumenorder der Schäfer an der Begnig — Blumenuhr.
bejchräufte u. die B. noch nicht als felbftändigen
Kumftzweig fannte, war Paufias durch das ber
rühmte Blumenmädcden Glycera als Blumenmaler!
553
ſchlößchen für den Tod u. ſ. w. Auch die Lage
der Blumen hat Beziehung: ſo kaun eine Blume,
durch welche man den Charakter einer Perſon aus—
bekannt; im 16. Jahrh. bildete ſich unter Rafael, drüdden will, rechts geneigt „ich“, linls geneigt
beſonders für deſſen Loggien im Vatican, Giop.
da Udine, als Blumenmaler aus. Im 17. Jahrh.
zeichneten ſich beſ. Niederläuder in dieſem Fache
aus, ſo: Jan van Huyſum, Verelſt, David und
Cornelis de Heem, Rachel Ruyſch, Verendael, van
Aelſt, Havermanns, Röpel, Seghers, van Royen
u. P. Faers; daneben die Deuiſchen Maria Me—
rian, Mignon, Tamna u. Bernetz, van Dael, van
gun) Senff, Knapp, Frz. Peiter, A. Peter,
uchdre, Danner, Redoute, E. Desportes, Looſchen,
Schult, van Spaendont, Ehazelles, Bonneval, die
Mureau, Waldmnüler, Wegmayer, Mayrhofer,
Nachtmann, Preyer, Blantenburg, Adelheid Diet:
ri, Elije Wogner, Saint-Juan u, A. m. vor:
züglich. Zur J werden ſehr oft Waſſerfarben
verwendet, und ſind als Blumenmaler in dieſer
Techmif namentlich die A, Dietſch, Heinrich Thomas
u. Katbar, Fiſcher, Magdal. Fürft, Jo. Harrath,
Fat. Hufnagel, Ramont Manzint, Giov, Neri,
Prevoft, K. Nobb und A. Jak. Röſel berihmt.
Mit Blumen noch andere Gegenftände auf ein
Gemälde zu bringen, kann nur zuläffig fein, wenn
diefe in einer gewiſſen Verwandiſchaft oder Be-
ziebung zu jenen ftehen, jo: Früchte, Schmetter-
linge, auch Heine farbige Vögel; verwerflich aber
ift 08, ganze Figuren gleichſam als Staffage zu
einen Blumenſtrauß zu malen, u. eine Berirrung
des Geichmades, aus Blumengeranfe menſchliche
Figuren zu formen, wie die Fleurs animdes ber
Franzoſen. Bei der fogen, orientaliihen B.
bedient man fich felbft erzeugter Schablonen aus
geöltem ftarfem Papier u. ftumpfer Borftenpinjel,
mit denen die Farbe halb troden von der Schablone
aus mittel Reibung auf Papier, Holz, Seide,
Marınor, Alabafter 2c. aufgetragen wird.
Blumenorden der Schäfer an der Pegnis,
j. Pegnitorden.
Blumenrohr, Pflanzengatt. aus der Familie
der Gannaceen; ſ. Canna; Blumenrohre,
Pflanzenfamilie aus der Klaffe der Scitamineen,
j. Cannaceae. E
Blumenfpelze (Glumella), Spelze der Gras:
blütbe; ſ. Blüthe.
Pte f. Jeux floraux.
Blumenjpradje (Selam), die Kunſt, Gedanken
u. bei. Empfindungen durch natürliche Blumen
auszudrüden. Sie entftand im Orient, wo fie
den Frauen des Harems zur Unterhaltung u. zur
Eorrejpondenz der Liebe dient. Die morgenlän-
difhen Blumennamen find meift ſehr bezeichnend
u. für den beabfihtigten Ausdrud genügend. Da—
egen find bei uns die Namen der Blumen häufig
A nichtsfagend, daß wir die Bedeutung noch ver:
fchiedenen, meift fehr zufälligen u. eingebildeten
Eigenschaften derfelben entlehnen müſſen. Daher
ift es zu einer durchgreifenden Verftändigung über
die. B. bei uns noch nicht gelommen. Doc haben
wir im biefer Hinſicht vieles Gemeinichaftliche:
das Vergißmeinnicht fir das Andenken, das
Tauſenſchön fir die Anmuth, das Veilhen für die
Beſcheidenheit, die Ringelblume für den Kummer,
den Rosmarin für die Thränen, das Himmel»
„du“ bezeichnen; eine Roſenknoſpe mit Dornen u.
Blättern beißtzgich fürchte, aber hoffe auch; die
Knoſpe nad unten gehalten aber: man muß nicht
fürchten, noch hoffen; dieſelbe nach Abftreifuug der
Dornen: es ıft Alles zu fürchten. Vgl. Bratvanet,
Beiträge zu einer Äſthetik der Pflanzenwelt, Lpz.
1853; Nathufius, Die Blumenwelt nah ihren
deutfhen Namen, Sinn u. Deutung, 2. A., Lpz.
1869, — Durd die Blume fpreden, einen
derben Ausdrud durch zarte Wendungen verhüllen.
Binmenftein, Pfarrdorf im Bezirke Nieder:
Simmenthal des fhweizer Kantons Bern, am
Fuße des Stodhorns und am Ausgange einer
Schlucht, in welche der Fallbach ſchäumend herab»
ſtürzt; 930 proteft. Ew.; nahebei Nefte der Burg
B., mit ſchöner Ausfiht; 1 km davon B-er Bad
mit foblenfaurer Quelle,
Blumenthal, 1) Joſeph v., Biolinfpieler u.
Componift, geb. 1. Nov. 1782 zu Brüffel; wid«
mete fih der Mufil, wurde im Theaterorchefter
in Wien angeftellt; fpäter wurde er Chordirigent
an der Kirche der Piariften dafelbit; er fl. 9. Mat
1850. B. componirten.a.: Gamma u. Menasto,
Elwira (Melodramen), Don Sylvio von NRofalva
(Oper); außerdem Ouverturen, Märjche, Ballete
u.f.w. 2) Leonhard v., preußiicher General,
geb. 30. Juli 1810 zu Schwedt a/D.; aus dem
Sabdetten-Corps hervorgegangen, wurde er 1827
Offizier, befuchte die Kriegsichule in Berlin und
fam 1846 in die topographiihe Abtheilung des
Generalftabes, wo er 1849 zum Hauptmann avan-
cirte. B. fungirte als Stabschef des Generals
v. Bonin bei der ſchleswig-holſteiniſchen Armee.
1850 ftand er al3 Generalftabsoffizier bei der gegen
Heſſen vorgefhobenen mobilen Divifion, ward
1853 Major, 1858 Oberftlieutenant u. perſön—
licher Adjutant des Prinzen Friedrih Karl. Am
Däniſchen Kriege 1864 hatte er als Chef des
Seneralftabes weientlihen Antheil, ward zum
Generalmajor befördert n. übernahm das Com—
mando der 7., fpäter der 30. Jnfanterie-Brigade,
Bei Ausbruch des Krieges 1866 ward er als
Seneralftabschef der I!. Armee dem Kronprinzen
beigegeben, deren geſchickte Operationen ımd die
daraus rejultirenden Siege von Nachod, Slalitz,
Soor, Königinhof u. zuletst Königgräg zum anten
Theil fein Wert find. Im October 1566 ward
er Generallieutenant u. Commandeur der 14. Di-
vifion; im Franz. Kriege 1870 aber trat er wieder
unter dem Kronprinzen an die Epite des General—
jtabes der III Armee, Es folgten die Siege
von Weißenburg u. Wörth, dann Zedan u. Cer—
nivung der SZeite von Paris. Zur Feititellung
des allgemeinen Kriegsplans wurde er wiederholt
ing große Hauptquartier berufen. Nach dem Frie—
den erhielt er das General-Gommando des 4. preuß.
Armeecorps in Magdeburg. 2) Dieinarous,
Blumenthierdjen, jo dv. w. Rorallentbiere.
Blumenuhr (Pflanzenuhr, Horologium florae),
Zufammenftelung von Pflanzen nach der Zeit, in
welcher fie nach einander aufblüben. Während
nämlich bei den meiften Pflanzen das Aufblühen
554
nicht an beftummte Tagesſtunden gebunden ift, fo
dag man zu jeder Stunde des Tages das Auf
brechen der einen oder anderen Knoſpe erwarten
tann, gibt es doch gewiſſe Pflanzen, die hiervon
eine Ausnahme machen u. ſich nicht nur zu ber
ftimmten Tagesftunden öffnen (Machen), fondern
fih auch zu einer beſtimmten Zeit wieder ſchließen
(Schlafen). Linné bradıre Die Pflanzen, je nad»
dem fie fih in Bezug auf das Öffuen nad) den
Witterumgsverhältmiiien oder nad) der Tageslänge
richten, oder von beiden nicht abhängig find, ın
3 Abtheilungen: a) meteoriiche, welche ſich beim
finen u. Schließen der Blütben weniger nad)
einer gewiffen Tageszeit, als nach den Witterungs-
verhäftniffen rigten; b) tropijche, deren Blüthen
fi täglid) des Morgens öffnen und des Abends
ſchließen, aber je nad der Tageslänge zu ver:
fchiedenen Stunden, u. e) Nauinoctial- (Nacht
gleihe-) Pflanzen, deren Blüchen ſich ftets zu
einer beftunmten Stunde auf u, zuthun. Hat
man uunn eine hinreichende Menge von Bilanzen
letter Art aufgefunden u. beobachtet, u. zwar jür
jede Stunde des Tages eine oder, mehrere u. ftellt
diefe nad den Stunden ihres Offnens an einen
paffenden Ort zufanmen, jo hat man eine B.
Schon Linné fam auf den Gedanfen, eine folche
in feinem Garten zu Upfala aufzuftellen. Um num
eine B. einzurichten, fei es nun in einem Zimmer,
anf einem Baifon oder im Garten, jo reicht für
jede Stunde eine diefer Pflanzen hin. Man ftellt
fie, der Sonne hinlänglih ausgefest, in Blumen-
töpfen auf, oder pflanzt fie auch ım Garten auf
einem freien, von der Sonne beichienenen ‘Plate,
geordnet nach deu Stunden, in denen fie auf
blühen, am bejten in einem Kreife, wie die Zahlen
auf dem Bifferblatte einer Uhr. Zu den Pflanzen,
die zu beftimmter Zeit ihre Blüthen öffnen, ges
böven: ayPfanzen, deren Blüthen ſich Bor:
ziehe öffnen, von 3—5 Uhr: Wiefenbods:
bar (Tragoprogon pratensis); von 4—5: der
otterföpfige Wurmlattich, (Helminthia s. Pieris
echioides), die gemeine Cichorie (Cichorium in-
tybus), die braunrothbe Taglilie (Hemerocallis
fulva) u. das feine od. Dahhabichtsfraut (Crepis
tectorum); 5—6 Uhr: die Kohlgänfediftel (Son-
chus oleraceus); der gemeine Löwenzahn (Taraxa-
cum oftieinale), der crorusblätterige Bodsbart
(Tragopogon cerocifolius), u. die Jaunwinde (Con-
volvulus sepium); 6—7 Uhr: Mauerhabichtsfraut
(Hieraciam murorum) die Ader- u. Sumpfgänie-
diftel (Sonchus arvensis u. palustris); 6—8 Uhr:
Vesicaria sinuata u. der Herbftlöwenzahn (Leon-
todon autumnalis); 7—8 Uhr: der Staudenfalat
(Laetuca sativa). die weiße Seerofe (Nymphaea
alba), die äftige Zaunlilie (Antherieum ramosum),
die Alpengänfediftel (Mulgedium alpinum); 8—9
Uhr: Hieracium Pilosella, Gauchheil (Anagallis
arvensis), Die jproffende Nelke (Dianthus prolifer);
9—10 Uhr: die Aderringeibliime (Calendula ar-
vensis), der gemeine Bortulat (Portulaca oleracea),
(nad) Anderen um 11 Uhr); 9—11 Uhr: der
rundblätterige Sonnenthau (Drosera rotundifolia) ;
10—11 Uhr: das rothe Sandkraut (Spergularia
rubra), die Eispflanze (Mesembryanthemum ery-
stallinum u. Mesembr. linguiforme), der nadtften-
gelige Mohn (Papaver nudicaule), die gelbe Tag:
Blumhardt — Bluntjdli.
lilie (Hemerocallis flava}; 11—12 Uhr: der gofvene
Milchſtern (Ornithogalum umbellatum) und die
Tigerlilie (Tigridia pavonia). b) Pfanzen, deren
Blüthen ſich abends öffnen, um 5 Uhr:
die gemeine Wunderblume (Mirabilis jalapa; Pe-
largonium tri:to); von 6—7 Uhr: der großblu—
mige Cactus (lereus grandiflorus); 7—8 Uhr:
Mesembr. noctiflorum (nad Anderen von 10—11
Uhr). Bon denjelben und anderen Pflanzen bat
man auch ermittelt, zu welcher Zeit fi ihre Blü—
then zu Schließen pflegen u. dieſe Berhältniffe eben-
falls zur ungefähren Zeitbeftimmung benutzt. So
fann man fi) alio aus einigen diefer Pflanzen
eine Art Zeitzeiger zufanımenftelleu, welcher in der
längiten Zagen die Stunden von früh 4 bis
Abends 8 Uhr angibt, aber freilich fehr unzuver⸗
läffig; denn die Dauer des Schlafens u. Wachens
richtet fich nad der Länge des Tages u. nach der
Witterung. Iſt die Nacht Kurz, jo iſt auch der
Schlaf von kürzerer Dauer; wenn daher eine ſolche
Blume im Sommer ſchon vor 4 Uhr Morgens
erwacht, fo wird fie nad einigen Wochen erft
egen 5 Uhr erwachen und weiterhin noch jpäter,
Andere beginnen zwar gewöhnlich ihr Schlafen u.
Wachen zur beftunmten Stunde, aber nur wenn
die Luft heiter u. fein Megenwetter zu bejorgen ift.
Den bervorragendften Einfluß auf das Offnen der
Blürhen bat das Licht, infofern die vom Lichte
nicht getroffene Seite der Blätter ftärfer wächlt,
als die andere; die einfache Folge davon ift, daß
die anfangs nad innen zufammengefalteten Blu—
menblätter fi) allmählich ausbreiten (. auch Helio—
tropismus).
Blumhardt, 1) Chriſt. Gottlieb, proteſt.
Theolog, geb. 29. April 1779 in Stuttgart; ſtu⸗
dirte in Tübingen, wurde 1803 Secretär der
Deutihen Chriftenthumsgeiellichaft in Baſel, 1809
Pfarrer in Bürg bei Heilbronn, 1816 Director
der Miffionsgejellihaft in Baſel, als welcher er
mehrere deutihe Miſſionsgeſellſchaften, bejonders
aber die Heidenmiffion, ins Leben rief. Er jtarb
19. Dechr. 1838, B. ſchrieb u. a.: Verfuch einer
allgemeinen Miſſionsgeſchichte der Kirche Chriſti,
Baſel 1828—1837, 4 Bde.; gab heraus: Miſ—⸗
ſionsmagazin, 23 Jahrgänge. 2) Johann Chri—
ſtoph, geb. 1805 in Stuttgart; wurde 1830
Lehrer an der Bajeler Miifionsanftalt, 1836 Pfar⸗
ver in Möttlingen bei Kalm u. 1852 Inhaber u.
Hausvater eines Aſyls insbeiondere für Gemüths-
leidende im Bade Boll bei Göppingen. Er ſchr.:
Pſalmlieder, Propbetenlieder zc. u. gibt heraus:
Blätter aus Bad Boll,
Blümlisalp, prachtvoller dreigipfeliger,3670m
hoher Gebirgsitod im Berner Oberland in der
Schweiz; 1860 zuerſt erftiegen,
Blümtlerche, jo v. w.
Braunelle,
Bluntſchli, Job. Kaspar, berühmter Staats
wifjenichaftlehrer, geb. 7. März 1808 in Zürich;
ſtudirte im feiner Baterjtadt, in Berlin u. Bonn
bis 1829 die Rechte, wurde 1830 beim Bezirks—
gerichte in Zürich angeftellt, habilitirte ſich dajſelbſt
und wurde 1833 außerordentliher, 1836 ordent
licher Profeffor der Rechte, 1837 Mitglied des.
Großen Rathes, betheiligte fih an den September
ereigniffen 1839 in Zürich u. trat in den Megier-
Alpenfliievogel; 1.
Bluſe — Blut. 555
ungsrath. Er wurde Gründer u. Haupt der liberal-
confervariven Partei, melde aus Proteftanten
beitand u. den Radicalismus befämpfte; er legte
1845, als die radicale Partei fiegte, feine Stelle
nieder. 1847 verließ er fein Baterland u. ging
nad) Miüuchen, wo er 1848 Profeffor des Staats-
u. Deutfhen Privatrechtes wurde; 1861 folgte er
einem Rufe als Profeſſor der Staatswiſſenſchaften
nad Heidelberg. Hier wirkte er thätig für das
Zuftandefommen des Deutſchen Abgeorbnetentages,
ſchloß ſich den nationalfiberalen Beftrebungen an
u, fteht feit 1864 an der Spite des Proteftanten-
vereins. Er fchrieb: Entwidelung der Erbfolge
A gegen den fetten Willen, Bonn 1829; Über die
erfaffung des Staates Zürich, ebd. 1830; Das
Bolf u. der Souverän, ebd. 1831; Staats- u.
Rechtsgeſchichte der Stadt und Landichaft Zürich,
1838, 2 Bde, 2. A. 1856; Die neueren Hedts-
ſchulen der deutſchen Juriften, 2, M, ebd. 1862;
Die Communiften in-der Schweiz, 1843; Pſycho—
logishe Studien über Staat und Kirche, 1844;
Erfter Entwurf des privatrechtlichen Geſetzbuches
für den Kanton Zürich, 18445 Geſchichte des
Schweizer Bundesrechtes von den erſten emigen
Bünden bis auf die Gegenwart, 1846—1852,
2 Bde.; Gefchichte der Republit Züri, 1847 f.,
2 Bde.; Allgemeines Staatsreht, Mind. 1852,
3. A., 1863; Deutſches Privatrecht, ebd. 1854,
2 Be, 3. A., 1864; Privatrechtliches Geſetzbuch
für den Kanton Zürich, Zür. 1854—56, 4 Bde.;
Das moderne Kriegsreht, Nördl. 1866, 2. A.,
1874; Altafiatiiche Gottes» und Weltideen, ebd.
1866; Das moderne Völterrecht, ebd. 1868, 2. A.,
1872, franzöfifh von Lardy, Bar. 1869, 2. U,
1873; Das moderne Böllerreht in dem Franuz.
Deutichen Kriege von 1870, Heidelb. 1871; Ge-
fchichte des Staatsrechtes u. der Bolitif, München
1864 (in der Gejchichte der Wiffenfchaften); zu—
leih war er mit Brater Redacteur von dem
Deutichen Staatswörterbuch, 1856— 70, 11 Be.
Bgl. jeine Autobiographiiche Skizze in der Gegen-
wart, 1874,
Bluſe, jo v. w. Blouſe.
Bluſſard, blauer u. weißer (Cibebe, blauer
Malvaſier), am Oberrhein u. Geufer⸗See häufig
cultivirte, ziemlich frühreife Tafeltraube von vor—
züglichem gewürzhaftem Geſchmack u, mittelmäßi—
gem Wuchſe.
Blut, I. (Phyſiol. und Pathol.) Blut bezeich-
einfachſten * (Amöben) in den noch aller ge—
fonderten Organe entbehrenden, aus formloier,
balbfefter, fchleimiger Sartode (Protoplasına) bes
ftehenden Körper an einer beliebigen Stelle; von
den die Körperfubftanz durchtränfenden Fliiſſig ·
feiten wird im letzteren Falle der lösliche u. ſomit
als Nahrung verwendbare Antheil der feften Nahr⸗
ungsmittel aus efogen, während diefe durch die
Körpermaffe fi eınen Weg bahnen, bis zulegt
die unbrauchbaren Refte an einer gleichfalls belie»
bigen Stelle aus dem Körper wieder austreten,
Die meiften Infuſorien befiten bereits Mund u.
After. Die Pflanzenthiere (Darmlojen, Cö—
fenteraten und Spongien) haben zwar einen zur
Aufnahme u. Verdauung (d. i. Löſung des los—
lichen Antheils) beftimmten Peibesraum, die Ab»
gabe der Nährftoffe aus der durch die Verdau—
ung vejultirenden Flüſſigkeit erfolgt aber gleichfalls
in diefem Yeibesraum, der demnach gleichzeitig
den Darmkanal u. das B-gefäßiyften der höheren
Thiere repräfentirt. Erſt bei den Würmern u.
Stadelhäutern, bei erfteren fogar erſt im den
höher entwidelten Formen (Eingeweidewürmer
3. B. find noch biutlos) tritt eine Differenzivung,
Sonderung des anfnehmenden uud verdauenden
Apparats (Darmfanals) von demjenigen Raume
ein, in welchem die Circulation und Äſſimilation
ıd. 5. Verwendung der gelöften Nährftoffe zum
Aufbau der Organe) ftattfindet. Die in dent
letzteren Naume circulirende Flüffigkeit ift das
B. Im einfachſten Falle (Würnter) dringt diejes
durch die Darmmwandung im den Leibesraum eur,
umſpült alfo einfady die Organe des Körpers,
u. jeine Circulation wird Da Zuſammenziehun—
gen der Haut, od. durch rhythmiſche Bewegungen
anderer Körperorgane bewirkt. Eine höhere Ent—
wickelungsſtufe charakterifirt ſich dadurch, daß
einzelne Theile der B-bahn fi) mit bejonderen
musculöfen Gefäßwänden umkleiden; die zuerit
einfachen, bei weiterer Ausbildung mehr oder
weniger verzweigten Begefüße * indem ſie
pulſiren, eine regelmäßige Strömung auch des
in der Leibeshöhle noch frei enthaltenen Bees;
jo bei den Gliederfüßlern und Mollusten,
Ein vollkommen geichloffenes Begefäßiyiten, d. i.
ein ſolches, weldyes die geſammte circulirende
Bemaife einfchließt und nirgends mehr mit der
Yeibesböhle in offener Verbindung fteht, findet
fh erit bei den Wirbelthieren. Während aber
net die im den Adern des lebenden Körpers civ- [bei den mwirbellofen TIhieren die Farbe des Bees
culivende und das Material für die gefammtelaud innerhalb einer u. derfelben Klaffe eine wech»
Ernährung des Körpers bildende Flüffigleit. Die- |feinde ift (fo findet fich grünliches, grün-gelbes,
felbe erzeugt ſich fortwährend von Neuem durch|gelb-röthliches u. anders gefärbtes B.), zeigt dag
Aufnahme von Nährbeftandtheilen ans den ge- B. der Wirbeithiere überall mit Nussnahme
noffenen Nahrungsmitteln, während fie im den einiger niedrigften weißblütigen Formen (Am-
einzelnen Geweben und Organen die durch den|phioxus, Leptocephalus, Helmichthys) vie
Berbraud verloren gegangenen Subjtanzen erfet. |allgemein befannte rothe, früher für das B. über
Gleichzeitig nimmt das Blut die verbrauchten] haupt als charakteriftifh angenommene Farbe;
Stoffe aus den Organen mit fort u. fondert fie|diefelbe hat ihren Grund in dem VBorhandenfein
durch Schweiß u. Urin nach außen ab, zahlreicher rother WBlutlörperchen. Überall wo,
A. Das B. zeigt bei den verfchiedenen Thier-jwie bei den Wirbelthieren (nur Amphioxus aus«
klaſſen große Berfchiedenheiten der Entwidelung, |genommen), die Circnlation der B-mafje durch
der Zufammenfegung und der Eigenfchaften. Die rhythmiſche Contractionen eines Herzens bewirkt
niedrigften Thiere, die Urthiere, nehmen ihrejwird, nach weichem das B. durch beftimmte Ge-
Nahrungsmittel theils in flüffiger Form — endos- |fäße auf der einen Seite hin-, und von weldent
motish — theils in fefter Form auf, u. zwar im es durch andere Gefäße nach der anderen Seite
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Gefäße als Venen von den letzteren, den Arte
rien. Ferner tritt dann in der Regel noch ein
beionderes, dem Be die Nährftoffe und gewiſſe
Abjonderungsproducte der Körperorgane zufilbhren-
des Lymphgefäßſyſtem hinzu. Außer der Zu-
fuhr von Näbrftoffen, welche die durd den Stoff-
wechlel verbrauchten Antheile der Körperfubftanz
zu erfegen beftimmt find, bedarf das B. aber
auch der durch die Athmungsorgane vermittelten
Zufuhr von Sanerftoff, defien chemiſche Ein—
wirkung jenen Berbrauch veranlaßt, u. es liefert
endlich Das B. auch die Orydationsproducte, ins-
beicudere die Kohlenſäure, an die eng =
organe, andere Immanblungsproducte an die Ab-
fonderungsorgane ab, welche dieſelbe dann aus
dem Körper ausfcheiden. Durch den Orydations-
procch des Stoffwechjels wird Wärme frei, und
Diefe Wärmezufuhr fteigert fih bei den beiden
höchſten Wirbelthierflafien, den Säugetbieren
n. Vögeln, derart, daß ihr B. eine hohe con—
ftante, d. h. von der Temperatur der Luft ober
des Maffers, in welchen fie leben, nahezu unab-
hängige Temperatur befigt: dieſe beiden Wirbel-
thierflaffen beißen deshalb Warmblüter. Bei
ihnen ift das die Nährftoffe und den Sauerftoff
enthaltende hellrothe, ſogen. arterielle, von dem
dunkelrothen, jog. venöfen B-e, welches die Nähr-
ftoffe u. den Sauerftoff abgegeben hat u. Kohlen-
ſäure führt, volltommen getrennt; dies, jowie die
die reichlichſte Sauerftoffzufuhr bedingende Form
ihrer Athmung, die Lungenathmung, find die Ur-
fachen der geiteigerten Wärmeproduction. Die
Fiſche entnehmen ihren Sauerftoffbedarf wicht
unmittelbar aus der Yuft, fondern aus der bom
Waſſer abforbirten Luft; ihre Sauerftoffquelle ift
bei weiten meniger ausgiebig, fo daß bei ihnen
aus dieſem Grunde eine conftante hohe Körper«
temperatur nicht zu Stande fommt. Einen ande—
ren Grund hat dies bei den Reptilien. Gie
befißen eine, wenn auch weniger intenfive, Lun—
genathmung; aber ihre beiden Herzkammern find
unvellftändig von einander geichieden, jo daß in
der Wentricularabtheilung des Herzens (bei den
Krofodilen erſt zwifchen der Aorta u. Lungenarterie
durch den bier offenen Ductus Botallii) das
arterielle u. venöfe B. fi vermifchen; die Folge
ift, daß weder den Lungen nur janerftoffarntes, noch
ach dem Körper nur mit Sauerftoff u. Nährftoffen
geihmwängertes B. zugeführt wird, daß alfo die
Oxydationsproceſſe, ſowie die geſammte Ernährungs
thätigleit eine minder energiiche iſt. Die zwiſchen
den legtgenannten beiden Thierklaſſen mitten inne
ftehenden Amphibien verhalten fich tm Jugend—
zuftande mie die Fiſche, machen dann meift eine
Metamorphofe durch u, verhalten ſich nach dieſer,
im gefchlechtsreifen Zuftande, den Neptilien ähnlich.
Die 3 niederen Wirbeithierflaffen werden demnad)
als Kaltblüter bezeichnet, Auch Die wirbellofen
Thiere find im der Regel Kaltbläter, doch nicht
ausuahmelos (vgl. den Art. Bienen),
B. Das B. des Menihen hat eime rothe
Farbe, allalifche Reaction, ein ſpec. Gewicht von
1,4; —lrors Und, jo fange e8 im gefunden Men-
fchen cireufirt, eine mittlere Tenrperatur von 37
bis 37,,°C,, bei Kranfen oftmals bedeutend mehr
Blut.
mweggetrieben wird, unterſcheidet man bie erſteren
oder weniger. Seine Menge beträgt beim Men—
Ihen Ya —Yı, des Körpergewichtes, bei einem
Erwachſenen alfo etwa 5—6 kg. Es enthält
weiße und rothe B-körperhen als Formbeſtand—
theile und befteht hemiih aus Wafjer, Hänıoglo-
bin, Eiweißftoffen, Fett, Salzen und Gajen. 1.
Die geformten Elemente des B-es. Bringt
man einen durch dünne Eiweißlöſung vertünnten
B⸗stropfen unter das Mikroſtop mit einer Ber
größerung von etwa 300, jo fieht man auf dem
Objectglaje ein lebhaftes * u. Herbewegen von
runden, gelblich-rothen Scheiben, zwiihen denen
fi einzelne größere Scheiben ohne diefe Färbung
ertennen laffen. Die legteren Scheiben find farb«.
loje, die erfteren rothe B-förperhen. a. Die
farblofen B-körperchen find im gefunden B-e
nur in geringer Zahl vorhanden, auf etwa 350
bi8 500 rothe B-törperchen kommt erft ein farb»
lofes, in manchen Kranfheitszuftänden (Leukämie)
nimmt ihre Zahl jedoch bedeutend zu, und man
bat Beijpiele, in denen ſchon auf 5, ja ſelbſt auf
2 rothe B-körperchen ein farblofes fam. Auch in der
Milz ift die Zahl der farblojen B-körperchen groß
u. beträgt nad Hirt Y/,,. Die Größe der farb-
lojen B-körperchen beträgt "/,. mm, ift etwas be—
deutender als die der rothen, die Geftalt ıft ſphä—
rifch, die Oberfläche meift granulirt. Eine farbige
Subftanz (Hämoglobin) befigen fie nicht. Sıe
beftehen aus einer feinkörnigen contractilen Maffe
(Protvplasma). von anferordentliher Weichheit u.
Elaſticität, u. können infolge diejer Eigenſchaft die
farblofen B-körperchen durch Hervorftreden und
Wiedereinziehen von gen die verichiedenften
Formen annehmen; fo erjcheinen fie bald rund,
bald oval, bald feulenförmig, bald in Form eines
Sterneß cc. Dur diefe Biegſamkeit in jo ver-
jchiedene Formen ift es ermöglicht, daß die farb»
ofen B⸗körperchen leicht dDurdy die Poren der eins
zelnen Gewebe bindurchichlüpfen fönnen, eine That»
ſache, die fir die Wanderung der farblojen B-lör-
perhen von der meittragendjten Bedeutung ift.
Da nämlich die neueren Unterfuchungen die re
tität der Eiter-, Iyınph- u. weißen B-körperchen
feftgeftellt haben, jo müſſen wir eine locale Ent:
ziindung, reſp. Eiterung im Wefentlichen als durch
Einwanderung farblofer B-körperchen an dieſen
Ort entftanden, jowie die Zertheilung localer Ent—
züundungsherde als die Wiederaufnahme der ange=
häuften farbloſen B-förperchen in die allgemeine
Bemaſſe betrachten. Bon großem Intereſſe war
von jeher die Frage, ob deu farblofen B-törper-
hen eine Zellmenbran zufäme; hierüber haben
neuere Beriiangen gleichfalls Auskunft gegeben.
Es gelang von Recklinghauſen u. Preyer, an den
farblofen B-körperhen des Froſches innerhalb n.
außerhalb des Körpers den Cintritt von Milcy«
fügelhen u. Farbftoffpartifeihen, u. M. Schulte,
den Eintritt von Zinnober u. Amifinblau in die
friechenden Körperhen des erwärmten Menichen-
biutes zu beobachten, Fa felbft in farbloje B—
lörperchen eingedrungene rothe B-körperden bat
man gefehen. Diefe Borkommmifje find felbftver-
ftändfih nur möglih, wenn eine Zellmembran
fehlt, u. e8 ift daher ausgemacht, daß die farblofen
B-förperchen des Menſchen wie der Wirbelthiere
hüllenlofe, maffive Protoplasmallumpen (Hädel)
Alut,
Die Entftiehungsftätten der farblofen B-!(einem Eiweißlörper), meldes mit fibrinogenen
bilden.
597
förperchen find die Milz, die Leber, die Lymph⸗ Subſtanzen zufammengebradht die Fibrinbildung
drüfen u. das Knochenmark. Wahrſcheinlich bilden |herbeiführt, u. dem Protagon, einer den Albumi«
die farblofen B-körperchen die Borftufe der rotben;
namentlich im der Milz u. im Knochenmarfe find
Ummandlungen der farblofen in farbige B-kürper-
hen beobachtet worden (Funke, Kölfiter, Neumann).
b. Die rothen B-körperchen bilden beim Men»
jhen runde, münzenförmige, in der Mitte ver«
dünnte (biconcave) Scheiben, von gleihmäßig gelb»
lich-rother Farbe, die eine mittlere Breite von "5,
mm u. eine mittlere Dice von ca. O,o017 mm haben.
Bei der mifroflopifhen Unterfuhung ficht man, daß
die auf ihrer breiten Fläche liegenden B-körperchen
einen balbmondförmigen Schatten im Centrum
befigen, der dadurch entfteht, daß diefe Stelle von
der Objectlinfe des Mikroſtops weiter entfernt ift,
ald der Wand des B-lörperchens. Gleichzeitig
bemerkt man, daß eine größere Auzahl der rothen
B-lörperhen fih mit ihrer Fläche an einander
legen u. geldrollen -ähnlide Konglomerate bilden,
während andere ih um ihre Kante umfchlagen,
Legt man ein dünnes Stüdden bluthaltiges Fleisch
unter das Mikroftop, jo gelingt es häufig, rothe
Belörperchen angehäuft zwifchen dem Gewebe des
Fleiſches zu entdeden u. wahrzunehmen, daß fie
ihre Figur geändert haben; es geht daraus ber-
vor, daß ihre Maffe elaftiich, weich und biegſam
ift. Läßt man ein Gefäß mieB, eine Zeit fang ruhig
ftehen, jo jenlen fich die rothen V-körperchen zu Bo—
den; fie find alſo ſchwerer als die B-flüfftgkeit. Läßt
man B. gefrieren, od. Elektricität auf daſſelbe ein—
wirfen, oder mifcht man Tannin, oder fiedendes
Waſſer, oder Sauerftoff, oder Schwefellohlenſtoff,
oder Ehloroformdämpfe demfelben bei, oder end:
lih pumpt man die Gafe aus dem B-e heraus,
fo tremmt fi die Maſſe des rotben B-körperchens
in 2 Eubftanzen: im eine farblofe Grundſubſtanz
(Stroma) u. im einen Farbſtoff (Hämoglobin);
der letztere diffundirt in die umgebende Flüſſigkeit,
u. zwar wird zuerft der im der Peripherie des B:
körperchens befindliche Farbftoff gelöft. Eine Zell
membran ift aber bei den rotben Bekörperchen des
Menſchen ebenfo wenig wahrnehmbar, wie bei den
weißen, das rothe Belörperchen bildet daher aleich-
falls eine folide, maffive Maſſe. Na, Wirtich,
Rollet, Neumann, Schmidt haben directe Beweiſe
ber Solidität der B-lörperchen beigebracht. Be-
handelt man nämlich rotbe Bslörperchen mit In—
Ductionsftrömen, fo nehmen fie eine ſphäriſche
Geftalt au und bilden wahre Hämoglobintropfen,
die in größere Tropfen zuſammenfließen. Bon
dieſen größeren Tropfen laſſen ſich beliebig Meine
Theile ablöfen. Anders verhalten ſich allein die
erften B-förperhen der Embryonen; Ddielelben
find bei allen Thierfiaffen kernhaltige, farbiofe
Zellen mit feinförnigem Juhalte; erjt fpäterh’n
färben ſich diefelben beim Säugethiere (aljo auch |feinförniges Protoplasna von
beim Menfhen), platten fih ab, verlieren ihren
Kern, und die Zellmembran verjchwindet, womit
die Ausbildung zum rothen B-körperchen beendet
it. Doc fehren wir zum Stroma zurüd. Unter—
ſucht man chemiſch das Stroma, welches übrigens
Diejelbe Elaſticität u. Biegſamkeit wie die intacten
rotben B-förperhen befist, jo ergibt fi, daß
naten nabeftebenden phosphorhaltigen Subftanz,
beſteht. Das Hämoglobin, der B-farbftoff, ıft
der färbende Beitandtheil des rothen B-körper-
chens; wird er gelöft, fo miſcht er fih dem B—
ſerum bei, u. num fieht die B»flüffigleit ladiarben,
d.h. dunkelrotb, u. auf ihrer Oberfläche glänzend
aus, In welcher Weife das Hämoglobin mit dem
Stroma verbunden ift, ob chemiſch oder biof
unprägnirt, d. b. mechanifch beigemengt, ift noch
unbefannt. Dagegen wiffen wir, daß das Hämo—
globin der Träger des Sauerftoffes des B-e8 und
daß namentlih das arterielle B. fehr faueritoff-
reich ift, daß es die Eigenfchaft befitt, Antozon in
Ozon zu verwandeln, ozonbaltigen Flüffigkeiten
das Ozon zu entziehen und aus gewöhnlichen
Sauerjtoffe Ozon zu bilden; ferner, daß es (u.
zwar meift im rhombiſchen Syſtem) kryſtalliſirt
u. endlich daß es eifenhaltig tft. In 100 Theilen
Hämoglobin find O,, Eifen enthalten. Hämoglo—
binfryftalle findet man bäufig im Magen von
Blutegeln, welhe 14 Tage zuvor gejogen hatten,
in großer Menge (Budge). Leitet man einen
Lichtſtrahl duch Hämoglobinkryſtalle, fo wird der-
jeibe in zwei Strahlen gejpalten, u. die Kryſtalle
zeigen drei verfchiedene Flächenfarben umd drei
verjchiedene Achſenfarben. Durhd Säuren und
Allalien zerfällt das Hämoglobin in Hämatin u.
eine Eiweißfubftanz. Das Hämatin ift ein kry—
ftallinifcher, blau-fchwarzer, metallglänzeuder Farb-
jtoff, der in Waffer u. Alkohol nicht löslich, mol
aber in wäfferigen Säure u. Alfalilöfungen lös—
ih ift. Setzt man einer Miihung von B. und
Eiseſſig Kochſalz zu, fo entjteben die ſog. Teich»
mannjhen Häminkryſtalle, gerſtenkornähnliche,
braume, rhombiſche Kryſtalle, die in gerichtlich-
mediciniſcher Beziehung den ſicheren Nachweis von
B. ergeben u. von um ſo größerer Wichtigkeit
ſind, als ſich dieſe Kryſtalle aus dem kleinſten
B⸗stropfen, ob friſch oder vertrocknet oder zerſetzt,
mit großer Deutlichkeit herſtellen laſſen (ſ. Kunze,
Über Häminkryſtalle in Caspers Vierteljahrsichrift
für gerichtliche Medicin). Was endlich die Ent-
widelungsgeichichte der rothen B-körperchen betrifft,
jo ift ſcon oben erwähnt, dag im Embryonalleben
die Entwidelung der farbigen B-törperchen aus
den farblofen geſchieht. Anch beim Erwachſenen
findet wabricheinlich derſelbe Modus jtatt, man
benutte namentlich leutämifches B., um dieſes
feftzuitellen. So konnten Klebs, Eberth u. Bött⸗
cher im B»e Leukämifcher feruhaltige ſchwachrothe
Beförperchen als Mittelglieder, veip. Übergangs»
formen zwiſchen farblofen u, völlig correct aus»
gebildeten rothen, B-körperchen nachweiſen. Bei
manchen Ddiefer LÜbergangsformen ſah man ein
eine ſchmalen
balbmondförmigen Saume von Hämoglobin um—
geben, bei anderen rüdte die Zone immer mehr
gegen das Centrum vor, bis fchließlich das ganze
Protoplasma, welches nun die körnige Beſchaffen—
heit verlor, von Härnoglobin gefärbt war, Wenn-
gleich hiermit bewieſen ift, daß alfo auch bein
erwachſenen Menfchen die rohen Bekörperchen
daffelbe aus zwei Subftanzen, dem Paraglobulin fi aus den farbiofen, u. zwar ganz in der Weife
598
wie im Embryonalleben, entwideln fönnen, fo iſt
damit jedoch noch nicht ermwielen, daß Dies der
alleinige Modus ift, u. wenn man z. B. au die
Theilungen der B-lörperhen bei Embryonen
denkt, iſt es wahrſcheinlich, daß es noch manche
andere Bildungsweiſen gibt. 2. Die chemiſchen
Beſtandtheile des B-es. Go fange das B.
in den Adern rollt, lebendes B. ift, ftellt es ein
inniges Gemenge von Flüſſigleit — Plasma san-
guinis — u. von Blörperchen dar; fobald es die
Adern verlaffen bat, gerinnt es, d. b. es jcheidet
fich der SFaferftoff oder das Fibrin aus, und das
zuvor flüffige B. verwandelt fih in eine loder
zufammenhängende, weiche, rothe Mafje (Cruor).
Nach einiger Zeit zieht fi das Gerinnjel immer
mehr zufammen u. preßt feinen wäflerigen Be—
ftandtheil, das B-ferum, aus. Die nun in der
Flüffigteit ſchwimmende, dichte, rothe Mafje be
zeichnet man mit dem Namen B-fuchen (Placenta
sanguinis); dieſe enthält den geronnenen Faſer—
ftoff und die Beförperchen, das Serum dagegen
die übrigen Beftandtheile des B-es. Berzögert
man die Gerinnung des Bres u. läßt das in ein
Gefäß gelaffene B. ruhig ftehen, jo ſenken ſich
die rothen B»körperchen etwas, u. die oberfte Schicht
des Befuchens befteht nur aus Falerftoff u. ſieht
weiß-gelbih aus (Spedhaut), Man betrachtete
früher die Speckhaut als eine Entzündungs-
ericheinung u, nahm an, je dider die Spedhaut
fei, um jo mehr Entzündung fei vorhanden (Crusta
phlogistica s. inlammatoria), Es iſt längſt erwieſen,
daß die Spechhaut um ſo marlirter angetroffen wird,
je mehr das B. an rothen B-körperchen eingebüßt
bat, und wir finden eine ſolche ſogar bei Krank—
heiten, die gar nichts mit Entzündung zu thun
haben, 3. B. bei Bleichjucht, bei Blutverfuften.
In anderen Fällen fcheint eine Bermebrung des
Faferftoffes im Be (Hyperinofe) bei gleichbleiben-
der Zahl der B-lörperchen vorzulommen. Schlägt
man frisch entleertes B. mit Beſenreiſern, jo
bängt fih der gerinnende Faſerſtoff an diejelben
an, während die B-körperchen im Serum bleiben
(defibrinirtes B.). Der dadurch gewonnene Fyafer-
ſtoff ift ziemlich rein, fieht weiß aus, ift elaftiich,
formlos u, befteht aus verwodrrenen Fäden. Er
iſt unlöslich in Waffer, Altohol, Ather; löslich in
Alfalien u. ift eine dem Eiweiß nabeftehende Sub-
ftanz. Seine Ausiheidung aus dem B-e geſchieht
nicht fpontan, jondern unter Einwirkung einer
anderen im DB-e vorhandenen Subſtanz, der
fibrinopfaftifchen Subftanz. Zum Unterjchiede
von dieſer letteren bezeichnet man den im Be
noch umgeronnenen Faſerſtoff als fibrinogene
Subftanz. Schon geringe Mengen der fibrino-
plaftiichen Subſtanz gemügen, größere Mengen
Fibrinogen in Fibrin, den geronnenen Faſerſtoff,
zu verwandeln. Die fibrinoplaftiihe Subftanz
(Sobulin, Paraglobulin) fommt außer im B-
plasma aud noch im Chylus, in der Lymphe, im
Kiter, im Speichel u. ın den Geweben vor ıı.
Icheint ein Product der Zellen der Gewebe zu
fein. Dan kann fie darftellen durch Verdünnung
des Beferums mit Waffer und Hineinleiten von
Koblenfäure, fie fällt dann als flodige Subjtanz
zu Boden. Sie befitt die Eigenthiimtichkeit, durch
sbieriihe Membranen fehr leicht zu einer fibrino-
Blut.
genen Flüſſigkeit überzutreten, während das
Fibrinogen dieſe Diffuſionsfähigkeit nicht beſitzt.
Es iſt nun eine intereſſante Frage, warum, obwol
beide Subſtanzen (die fibrinogene u. die fibrino-
plaftische) gleichzeitig im B-e vorbanden find, den»
noch im den Begefäßen des lebenden Menicen
feine Gerinnung eintritt, fondern erſt, nachdem
das B, die Adern verlafien hat, oder wenn ein
Begefäß unterbunden wird, oder wenn fremde
Körper (Heine Eitergerinnjel, Glasjtüde, Qued-
füberfügelden ꝛc.) in den B-ftrom gebracht wer-
den. Nah Brüde wird die Gerinnung des B-es
beim Lebenden durch einen Stoff verbindert,
der von der Gefäßwand abgejondert wird, oder
durch einen anderen, noch rätbjelhaften Einfluß
der lebenden Gefäßwand; nach Anderen bildet fich
die fibrinoplaftiihde Subftanz (das Globulin) erft
um todten B-e aus verwandten Subftanzen: Nach
Unterfuhungen von A. Schmidt geihieht die Ge⸗
rinnung erjt nach Hinzutritt eines dritten Körpers,
eines Ferments, weldyes ſich erft nach dem Tode
entwidelt. Befchleumgt wird die Gerinnung durch
Yuftzutritt (3. B. in offenen Gefäßen), durch eine
höhere Temperatur als die Körperwärme, durch
fremde Körper (durch Schlagen des B-es); ver-
zögert wird fie durch Zuſatz von Alfalieu, durch
Ehlornatrium, fohlenfaure und andere alkalische
Salze, durch Kohlenjäure, Zuderwafler, Gefrieren
des Bees x. Die Denge des im B-e enthaltenen
Fibrins beträgt mur etwa O,, %, des Gejammte
Bee. Außer dem Fibrin und dem etwa 16 ®%,
betragenden Hämoglobin enthält das B. etwa 78%,
Wafler, ferner 4%, Albumin, 2%, Fett n. 0, %,
Salze. Die Salze bejtehen hauptſächlich aus
Kochſalz — diejes ıjt bei. im Serum eutbalten —
u. aus GChlorfalium, welches beionders in den
B-lörperhen vorlommt. Ferner find im Bee
Gaſe enthalten; Sanerftofi, Kohlenſäure u. Stid-
ftofj. Der Sauerftoff ift im arteriellen Bee zu 15,,=
Bolumenproc,, im venöfen Bre zu 5,0, Bolumen-
procenten, und zwar zum größten Theil chemiſch
mit einem im Bekörperchen enthaltenen Stoffe
(Häimoglobin) verbunden vorhanden, Koblenjäure
zu 30—35 Volumenprocenten, Stidjtoff zu 1—2
Bolumenprocenten, Als Zerjebungs- od. als franl-
bafte Producte fommen ım Be vor: Harnitoff,
Harnfäure, Hippurfäure, Kreatin, Kreatinin, Milch»
jäure, Zuder,Gallenfarbitoff,Gallenfäuren. Wie ſchon
oben erwähnt, umtericheidet man ein arterielles
u. ein venöſes B. Das erjtere ift entbalten in den
Pulsadern, im linken Herzen u. in den Jungen»
venen, das legtere in den B-adern, alſo in den
Adern, welde das B. wieder von der Peripberie
zum Herzen führen, im rechten Herzen u. ın ben
Yungenarterien. Beide B-arten unterjcheiden fich
befonder8 durch den verichiedenen Gasgehalt —
arterielles B. ift fjauerftoffreih, venöfes foblen-
fäurereih — und durch die verichtedene Farbe:
arterielles fiebt_ hellroth aus und gerinnt rajch,
venöjes fieht blausroth aus und gerinnt langſam.
Die rothe Farbe des arteriellen Bies rübrt ber
vom Gauerjtoffe, u. man kann venöjes B. durch
Zuleitung von Gauerftoff hellroth machen. Es
erübrigt, noch Einiges über die Methoden zur
Beitimmung der Beftandtheile des B-es anzu—
führen. Die Beſtimmung des Faſerſtoffes ift
Blut,
hemifch äußerſt Schwierig, weil die Gerinmung
des Be⸗es nicht genügend verzögert u. dadurch die
Senkung der B-förperhen nicht vollftändig her—
beigeführt werden kann. Nur beim Pferde-B:»e,
welches ſich durch langſame Gerinnung auszeich-
net, ift es bisher gelungen, das Plasma
eract von den B-förperchen zu tremmen u. nun
im Plasma, welches allein das Fibrin enthält,
den Fibringehalt genau zu beftimmen. Es ergab
die in dieſer Hinfiht von Hoppe angeftellte Unter-
fuhung 35,, B-förperchen u. 64,, Plasma. Beſſer
ift es Vierordt u. Welfer gelungen, durch Zählung |fchen leiſten.
der Bekörperchen unter dem Mifroflop die Maffe
der B-förperchen in einer B-probe zu beftimmen,
Es ergab fih, daß auf 1 cbmm Menichenblut
nabe an 5 Millionen rothe und 14,000 farblofe
B-törperhen kommen. Intereſſant iſt der Nach—
weis, daß das Murmeltbier im Aufange des
Winterfchlafes 5,800,000, zu Ende nur 2,300,000
rotbe B-förperchen in 1 cbmm B. bat, was von
großer Bedeutung für das B-leben iſt.
C. Blutumlauf (Kreislauf des Bes, Cir-
enlatio sanguinis). Das in den Begefäßen ent-
baltene B. ift während des Yebens in bejtändiger
Bewegung, indem es vom ge ausftrömt, im
alle Theile des Körpers ſich vertheilt u. in das
Herz wieder zurüdfehrt. Es ift aber dieſer Kreis-
lauf, wie durch Harvey zuerft deutlich nachgewie⸗
jen worden ift, ein doppelter: a) Der kleine
Kreislauf. Aus der rechten od. vorderen Herz:
kammer (i. Herz), in deren Borhof die Hohlvenen
das aus dem Körper zurüdfommende Blut er—
gießen, wird es durch die Yungenarterien im die
Yımgen getrieben, vertheilt ſich dajelbft im den
feinjten Verzweigungen in der Subftanz dieſes
Organs, jammelt fih aus diefer durch feine, bei
ihrer Bereinigung immer ftärker werdende Venen-
äfte endlich in 4 große venöſe Stämme (Lungen-
venen), die dafjelbe in den linken od. hinteren Bor-
hof des Herzens ergießen. Diefer Heine Kreis:
Tauf bezwedt nur, das aus dem Körper durch die
Benen zurüdtehrende B. in den Lungen mit der
atmosphärischen Luft im Berührung zu bringen
(vgl. Ahnen). Zu ihrer eigenen Ernährung er:
halten die Lungen, wie jedes andere Organ, durch
eigene Arterien B. aus dem Aortenſyſtem. b) Aus
der linken Herzlammer geht das aus den Lungen
zurückkehrende arterielle B. in einen großen Ar—
terienftamm, die Norta, aus welcher unmittelbar
oder mittelbar alle übrigen Arterien entipringen,
Die Capillargefäße, melde die Fortſetzungen der
Enbverzweigungen der Arterien u. das Ilbergangs-
gelißforem vom arteriellen zum nervöſen Syftem
ilden, vertheilen fih Durch die ganze Maſſe des
Körpers u. führen das B. dahin, wo fih aus
ihm die durch den Lebensproceß conjumirten Or-
gane neu bilden u. die Producte der organiſchen
Rüdbildung abgejchieden werden (vgl. Capillar—
gefäße). Aus dem Parenchym der verichiedenen
rgane ſammelt fih das nad Abgabe nährender
Subftanzen mit Kohlenſäure gejättigte, daher
dunklere B. in feine, durch ihre Vereinigung im—
mer ftärfer werdende Benenzweige, Aiteu. Stämme,
u. endlich in die beiden Hobladern, ans denen e8
fih in die rechte Borfammer des Herzens ſ. oben)
ergießt und jo den großen Kreislauf voll
559
endet. Im noch nicht geborenen, nicht athmen—
den Kinde rubt, da daſſelbe jein B. bereits völlig
gebildet Durch die Nabelſchnur erhält, der Heine
Kreislauf, u. das in das rechte Herz gelangte B.
geht durch das eirunde Loch unmittelbar in das
linle u. aus der Lungenarterie durch den Botalliſchen
Gang ebenfo in die Aorta über; der zum Leben
nöthige Sauerftoff wird dem Kinde von dem Be
der Mutter durch den Nabelftrang zugeführt; der
letstere leiftet aljo für das neugeborene Kind das-
felbe, was die Lungen für den geborenen Men-
Damit das B. in geregeltem Laufe
aus einem Gefäßſyſtem in das andere übertreten
fünne, muß ein Organ vorhanden fein, welches
einen der Schnelligkeit der Bewegung entiprechen-
den Drud auf die ganze B-maffe ausübt; dieſes
Organ ift das Herz. Die Formveränderungen,
die es im lebenden Organismus erleidet u. welche
den regelmäßigen Drud auf das B. mit ſich füb-
ron, find a) Zuſammenziehen feiner Wände nad)
allen Dimenfionen, daher Verkleinerung feiner
Höhlen, und b) Vergrößerung feines Umfanges,
daher GErmeiterung feiner Höhlen; man nennt
den erfteren Zuftand Syftole, den anderen Dia—
ſtole. Der Grund diefer yormperänderung liegt
einestheil8 im der Verkürzung der Mustelfajern
bes Herzens, anderntbeild in dem Gegendrud,
welchen das in ihm enthaltene B. gegen die Herz«
wandungen ausübt. Diefe Ericheinungen find
ſchon von Harvey, dem eigentlihen Entdeder des
B-umlanfes, ftudirt worden. Die Thätigfeit des
Herzens gibt fih durch den Herzihlag (Spitzen—
ftoß) u. durch die Herztöne hund, Die Zahl der
in einer Minute fich wiederholenden Herzichläge
iit verfchieden nach dem Alter, fo bei Neugebore-
nen 130—140, bei Kindern in den erften Yebens-
jahren 100—120, in der Jugend 80—100, in
mittleren Yebensjahren 70—80 u, im Greifenalter
60-70. Die Herztöne fann man durd Auflegen
des Obres an die Bruftiwand, oder durch den Ge—
brauch des Stethoſtops (j. d.) wahrnehmen,
Dur die Bewegung des Herzens u, die daraus
refultivende Erihütterung der B-maffe in den
Arterien entjtcht eine Wellenbewegung des Arte:
vienblutes, der fog. Pulsſchlag oder — *
Die Länge dieſer B-wellen hängt ab von der
Syſtole u. von der Beſchaffenheit der Arterien—
wand, ob dieſelbe mehr oder weniger geſpannt iſt;
die Frequenz der Pulsſchläge ändert ſich propor—
tional der Zahl der Herzichläge. Als meientliche
Eigentbümlichkeit der Arterien iſt ihre Elafticität
u, der Drud hervorzuheben, den ihre Wände auf
die in ihnen befindliche B-menge ausüben, denn
das Herz allein n. feine Formveränderung find
nicht im Stande, den Lauf des Bees auf jo weite
Streden zu requliren; fomit fteht das B. im
Arterienipitem unter einem doppelten Drude: unter
dem des Herzens u. dem der elaftiichen Arterien»
wände. Durch den Sphygmographen läßt ſich
die Kraft des Herzens u. die Elaſticität der Ar—
terien bildlich darftellen, daber haben die ſehr deut-
lihen u. fihberen Nachweiſe diejes Inſtruments
eine große Wichtigkeit bei Beurtbeilung von be:
drohlichen Schwächezuſtänden in Kranfbeiten (ſ.
Spbygmograph). Die Venen find ähnlich mie
die Arterien gebaut; fie befigen, wenn auch in
560
Blutader — Blutalbuminate,
geringerem Grade, Elafticität u. Eontractilität, u. hier geben mit diefen Flüffigkeiten Veränderungen
nur der Brlanf in ihnen weicht von dem in den
Arterien ab; hier bemerft man nämlih feine
mellenförmige Fortbewegung des B-ftromes, das
B. aus einer geöffneten Bene fließt nicht ſtoßweiſe
bervor, wie aus den Arterien, fondern ruhig, in
einem continnirlihen Strahl. Die Schnelligkeit
des DB-laufes hat man theil® durch Berechnung,
theils durch Beobachtung ermittelt u. auf beide
Arten bedeutende Gefhmwindigfeiten gefunden. So
bedarf 3. B. eine B-menge von 15,293 g
bei 70 Bulsichlägen pro Minute nur 14 Minute,
um das Herz einmal zu paſſiren. Die Menge
des im lebenden Körper circulirenden Bees ıft
ziemlich fchmer zu ermitteln, weil das B. der
Capillargefäße bei Berblutungen niemals ganz
entfernt u. durch das Gewicht beftimmt werden kann.
D) B-bildung. Da das B. dazu beftimmt
ift, die durch den Vebensproceh confumirten Or—
gane mieder zu erzeugen, u. diefe Bildung neuer
Organe ftetig fortgebt, fo muß aud dem Dre,
wenn das Gleichgewicht des allgemeinen thierifchen
Stoffmechiels nicht geftört werden fell, fortmäh-
rend Nahrung zugeführt werden, u. dies geſchieht
dur die Speifen. Die Umbildung derfelben zu
dem fpäter in B. zu verwandelnden Speijebrei
erfolgt zum Theil ſchon in der Mundhöhle, indem
der Speichel die in der Nahrung enthaltene
Stärke in Dertrin u. Traubenzuder umzuwandeln
beginnt; demnächſt im Magen durch Bollendung
der Stärleummandlung, bauptfählich aber durch
Aufquelung der Eimeiflörper infolge der Be—
rührung mit der Magenfäure u. —— Um⸗nach der Zeit des Numa Pompilius.
dagen⸗ häufig als Erſatzopfer für das Leben. Auch beim
wandlung dieſer Eiweißlörper durch den
der Art vor ſich, daß ſie ſelbſt dem Blute ähnlich
werden. Ob nur gewiſſe Stoffe von den Lymph⸗
gefäßen aufgenommen, andere nur durch die
Darmzotten aufgeſogen werden können, iſt noch
nicht mit Beſtimmtheit ermittelt worden. Bgl.
Verdauung, Ernährung, Reſorption, Stoffwechſel.
II. Geſchichtliches. Der innige Bezug des
Bees zu dem Leben mwedte ſchon in frübefter Zeit
eine Art religiöfer Schen. Nah den Mojarichen
Urkunden wurde der Genuß des B-es u. des blu—⸗
tigen Fleiſches durch ein Noachitifches, ſpäter durch
das Moſaiſche Gefe verboten, da des Leibes Les
ben im Be u. das B. die Seele fei. Die ägup-
tiſchen Prieſter tranfen nicht einmal Milch, wäh—
nend, daß fie nur werges ®. fe. Bei den Brabma-
nen u. Buddhiften ift die Scheu vor B- u. Fleiſch-
genuß tief gewurzelt u. mit deren religiöfen An-
fibten auf das Innigſte verflochten. Unter den
Philoſophen Griehenlands glaubte Pythagoras,
es ſei des B⸗es Beſtimmung, ſelbſt die Seele,
ihrem ſinnlichen Theil nach, zu ernähren. Ho—
meros’ Götter hatten fein (dickes, rothgefärbtes) B.,
fondern einen (feinen, farblofen) Ichor. Die
Schatten in der Unterwelt der Griechen waren
blutlos u. daher ohne Erkennmißfähigleit. Um
diefe zu erlangen, mußten fie mit Opferblut ge-
tränft werden; fo beim Befuche des Odyſſeus in
der Unterwelt, Beim Opfercultus, beſ. bei Suühn⸗
opfern, hatte das B. im Altertbum allgemeine
Anwendung; bei den Hebräern, Griechen u. Ser-
manen feit der Älteften Zeit, bei den Römern erft
Es diente
faft in Peptone, u. endlih im Darme, wo der) Zuftandelommen von Bündnifien gehörte B. zur
faure Speifebrei (Chymus) mit Galle u. Pankreas:
ſaft m. Darmfaft in Berührung fommt. Ungelöft
bleiben ſolche Materien, welche nicht an der up.
ung neuer Organe u. Gefäße theilnehmen können,
In diefer Beziehung unterfcheidet fi die Magen-
verdanung der fleischfreffenden Thiere weſentlich
von der des Menichen u. der Pflanzenfrefler:
während 3. B. Knochen, Sehnen, Horngebilde ꝛc
im menfchlihen Magen nur in faft verſchwindend
Heinen Mengen aufgelöft werden, verbauen größere
Naubthiere Diefelben ziemlich ſchnell ſelbſt ohne
vorbergegangene Zerfieinerung; ebenfo werden die
ieften Pflanzentheile (Geltutole) vom menschlichen
Magenſafte nicht aufgelöft. Manche gelöft im den
Zpeifefanal gebrachten Stoffe verbreiten ſich ohne
Weiteres in die allgemeine Säftemafje des Kör-
pers, andere werden erft unlöslich u. dann wie—
der durch die VBerdaunngsfäfte gelöft; jo gerinnt
die Milch im Magen, indem die Säure des Ma-
genfaftes den Käſeſtoff in Flocken abjcheidet, ber
vor ihn das Pepfin wiederum auflöf. Sobald die
Nahrungsmittel theils auf phufifalifche, theils
chemische Weiſe genügend zur Auffaugung der im
Körper verwendbaren Stoffe vorbereitet find, ger
Geremonie, u. bei dem Abihluß von B-brüder-
haften tranten die Betheiligten wechlelfeitig von
ihrem Be. Goethe läßt den Fauſt durch Unter-
ichrift mit feinem Be fih dem Teufel opfern, weil
B. ein ganz befonderer Saft ſei. Ein alter Bolts-
glaube in Deutſchland legt dem Trinken frischen
Bees von Enthaupteten große Wirfung gegen
‚Fieber u. bejonders gegen Epilepfie bei. Ein Tud,
in das B. von Hingerichteten getaucht, wurde für
glüdbringend gehalten, daher das bis in die
nenefte Zeit (fo lange die Hinrichtungen öffent-
lid waren) beobachtete eifrige Beftreben, eines
ſolchen Mittels babhaft zu werden. Auch in Ruf-
land herrſcht ein äbnliher Glaube. Die alten
Römer hielten das B. gefallener Gladiatoren ge-
gen Epilepfie für beilfräftig. Zur Heilung des
Ausjages wurde in älterer Zeit das Baden in
friihem Menjchenblute angewendet. Die Sagen
des Alterthums berichten, daß Tyrannen fih im
B-e von Kindern badeten, um verlorene Körper»
fräfte wieder zu erlangen. Das Gleihe wird von
der Elifabeth Bathori if. d.) erzählt, melde da-
dur ihre Schönheit erhalten zu fünnen glaubte,
Gegen Yähmungen wurden früher Bäder ım B«e
ſchieht theils durd die Darmzotten, theils durch |frifch gefchlachteter Thiere empfohlen.
die Lymphgefäße des Darınes ihre Aufnahme in
den Säfteftrom, während die unbrauchbaren oder
1. A. Wimmenauer M. I. B—D. Sunze.* II. Ehroot.*
Blutader, jo v. mw. Hafeldama.
ungelöften Subftanzen der Nahrungsmittel durh| Blutadergeſchwulſt (Blutaderknoten, Med.),
die Stublentleerung aus dem Körper entfernt|jo v. w. Varix.
werden. Bon den Lymphgefäßen werden die res
forbirten Stoffe zu den Lymphdrüſen geführt, u.
Biutaderprefie, jo v. w. Tourniguet; f. d.
Blutalbuminate, im Blute enthaltene Eiweiß-
Blutandrang — Blutarmuth).
ftoffe. Diefelben find: Fibrinogen, reip. Fibrin
im Plasma; Slobulin im Serum u, im Plasma;
Serumcafein, durch Eſſigſäure aus dem Serum
fällbar; Serumalbumin zeigt eine ftärfere Dreh—
ung des polarifirten Lichtes nach Iinfs, als Eier-
albumin. Es trübt ſich beim Erhitzen, gibt aber
fein Coagulum u. wird durh CO, gefällt; Hä—
moglobin in den Blutkörperchen,
Intandrang (Biutanhäufung, Blutanfhopp-
ung), jo v. w. Gongeition,
Diutarmuth (Anämie, Jschämie) bezeichnet
die Verminderung der Blutmenge im Körper, u.
zwar ift das Blut entweder in feiner Geſammt—
menge n. im feinen fänmtlihen Beftandtheilen
(f. Blut), oder nur in feinen wejentlichen Beitand«
theilen (Blutlörperchen, Eiweiß) vermindert. Die
Berminderung der Gefammtmenge ift meift ſchnell
vorübergehend u. kommt bei Blutverluften vor;
durh Aufnahme von Flifigleit aus den Geweben
des Körpers werden die wäſſerigen Beftandtheile
fehr bald wieder erjegt. Die B. kann eine ört-
liche, fihb nur auf ein Organ des Körpers
erftredende, oder eine allgemeine, alle Körpertheile
umfaffende jein.
1) Die örtliche B. harafterifirt uh durch
Leere der Blutgefäße, fo daß aus Dunst. mitten
durch bfutleere Organe fein Blut ausfließt, durch
bleiche Farbe, vermindertes Gewicht u. vermin—
derten Umfang des betreffenden Organs. Die
Urſachen können liegen a) in mechanischen Drud
auf ein Organ, Widelt man mit einer aus
Gummiftoff beftehenden elaftiichen Binde 3. B.
einen Arm von unten nad oben eim u. nimmt
man nah furzer Zeit die Binde wieder ab, jo
fiebt man, daß der Arm ein leichenbaftes Anſehen
befommen bat, biutleer ift, u. kann nun tiefe
Einfchnitte in die Weichtheile deſſelben u. andere
blutige Operationen an demfelben auf eine faft
völlig unblutige Weife ausfiihren (Esmarchſche
unblutige Operationsmethode). In inneren Or-
ganen kommt es ſehr häufig zu localer B. durch
mechaniſchen Drud, 3. B. bet großen Ergüſſen in
den Bruftfelliad zu B. der anliegenden Yunge,
bei Ausihwisungen in die Hirmhöhlen oder im
die Hirmbäute zu B. des Gehirnes. Ya felbit in
den einzelnen Organen kann es durch mechanischen
Druchk zu umſchriebener B. kommen, 3. B. bei
Geſchwülſten, bei Blutergüffen in die Hirnfubftanz,
in die Lungen. b) Durch Berftopfung der zu«
führenden Schlagader. Solche Berftopfungen ent-
ftehen entweder durch Einfhwenmung von Pfröpfen
durch den Blutftrom aus entfernten Körpergegen-
den (Embolie), u. find namentlich die aus dem
Herzen ftammenden u. gewöhnlid in von er-
tranften Herzklappen abgeriffenen Stüden be—
ftehenden Piröpfe von großer Wichtigkeit, da fie
fehr häufig Berftopfungen int Gebirne u. in ber
Milz herbeiführen, oder durch Gerinnfelbildung
an Ort u. Stelle der Berftopfung infolge von
Berlangfamung uw. Behinderung des Blutitromes
dur Rauhigleiten auf der inneren Fläche der
Arterienhäute (Thrombofe). Der nächſte Erfolg
inner embolifchen Berftopfung ift jchnelle Unter:
drüdung des Blutzufluffes zu dem Diftrict ber
verftopften Arterien u. B. diefes Diftricts; die
meitere Folge Untergang u. Zerfall der blutarmen
Pierers Univerfal-Eonverfationd-Periton. 6. Aufl. II. Band.
561
Stelle, wenn die B. fortdanert. Gewöhnlich aber
übernehmen, jehr bald die benachbarten gefunden
Arterienäfte die Zufuhr zu der biutarmen Stelle,
erweitern fi, u. es lann durch einen jolchen feit-
lichen Blutzufluß zu völliger Ausgleihung der
Girculationsftörung fommen. Im Gehirne freilich
ift das feltener der Fall, daflelbe verträgt ſelbſt
Meine Embolien fchlecht; meist erfolgt bier Er—
weihung des Diftricts der urſprünglich verftopften
Arterie. In der Milz, in den Lungen, in den
Nieren hat man aber öfter Gelegenheit, Verſtopf⸗
ungen von Arterienzweigen durch eingeſchwemmte
Pfröpfe ohne diefen üblen Ausgang zu beobachte,
Die thrombotiiche Verſtopfung, die meift ihre Ur—
fahe im einer eigenthümlichen, bejonders dem
höheren Alter eigenen u. in fettiger Entartung
u. eh beitehenden Entzündung der Arterien-
häute hat, fan zwar auch eine plötliche Unter
bredung des Blutzufluſſes herbeiführen u. dann
völlig einer emboliſchen Verſtopfung gleichen, häu-
figer jedoch ift ihr Eintritt allmählich, zunächſt
öfter mit Ausgleihung der Strömung abwech—
jelnd uud erit fpäter zu einem definitiven und
bleibenden Berjchluffe führend. Dieſe throm—
botische Berftopfung kommt fehr häufig im Gehirne
alter Berfonen vor und hat ausnahmelos Er—
weihung des Gehirnes zur Folge, da die Gefäß—
erfranfung eine unbeilbare ift u. ſtets mehrere,
häufig alle Hirmarterien betrifft. e) Die dritte Ur—
ſache der örtlichen B. endlich beſteht in krampf—
haften Zufammenziehungen Heinerer Arterien u.
Gapillargefäße. Dieſe Urſache fommt jehr häufig
vor. Auf fie ift die plöglice Erbleichung des
Geſichtes beim Schred, die Bildung von Gäuſe—
baut beim Fieberfroſt ꝛc. zurüdzuführen. Dur:
bam beobachtete bei Thieren durch ein Trepanloch
den Blutgehalt des Gehirnes während des Chloro-
formſchlafes u. fand, daß während des Sclafes
das Gehirn biutarm war, fobald das Thier ges
wedt wurde, röthete ſich die Hirmoberfläche. Nach
Kußmaul u. Tenner treten fallfuchtartige Krämpfe
ein, jobald bei Verblutungen das Gehirn, u. zwar
der hinter den Sehhügeln liegende Hirnabjchnitt
plötlich blutarm u. dadurch in feiner Ernährung
geftört wird, während B. der vor den Großhirn-
ihenfeln liegenden Hirntheile Bewußtloſigleit, Un—
empfindiichkeit u. Lähmung zur Folge hat. Ge—
ringere Grade von plöglicher B. des Gehirnes
bewirten Ohnmacht; wir beobachten ſolche beim
Aufrichten im Bette bei Neuentbundenen u, Re—
convalejcenten von ſchweren Strankheiten. Bei
der befannten Krankheit Migräne hat man ermit-
telt, daß fie entweder durch einen auf einem Reiz—
zuftande des Halsiympathicus beruhenden Gefäp-
fvampfe, oder durch eine auf geftörter Function
defjelben Nervs beruhende Gefäßlähmung herbei»
geführt wird u. man im erfteren ‚zalle eine B.
der betreffenden Gefichtshälfte antrifft, eine That«
jache, welde für die Behandlung der Migräne
von größter Wichtigkeit if. Bei B. der äußeren
Haut entfteht Abjtumpfung des Gefühle; daher
benugt man Eiswafler u. andere ſtark durchlüh—
lende Flüſſigleiten (Ather zc.) bisweilen zur Un—
empfindlihmahung umjchriebener Hautftellen; bei
plöglider B. der ganzen Hautoberfläde tritt das
Blut in die inneren Organe zurüd u. lann da:
36
562
jelbft mehrfache Krankheitserſcheinungen hervorru«-
fen; daher die Schädlichfeit plöglicher Abkühlung
des Körpers, mamentlih wenn einzelne innere
Drgane (3.8. diefungen)durdeinevorangegangene
angeftrengtere Thätigfeit die Widerftandsfähigfeit
gegen einen größeren Blutreichthum zum Theil
eingebüßt haben. In Bezug auf die Folgen der
B. der einzelnen Organe des Körpers verweilen
wir auf die Arbeiten von Pelechin, Virch. Arch.,
1869, XLV,; Saviotti, Bird. Ard,, L.; Sas
muel, Virch Ar. LI.; Horvath, Med. Gentralbl,,
1873, XIV.; MNotbnagel, Arch. f. klin. Med.,
1866, II; Rofentbal, Wien. med. Jahrb., 1872;
Bezold, Gentralbl., 1867; Dfer u. Schlefinger,
Gentralbf., 1871, u. Öfterr. Jahrb., 1872; Kuß-
maul u. Tenner, Molejchotts Unter. z. Naturl.,
1857, III. Leyden, Virch. Arch., 1865, XXX VIIL;
Kußmaul, Berl. Hin. Wochenſchr., 1872; Bartels,
Arch. f. Hin. Med. IV,
2) Die allgemeine B. ift entweber eine
plößlih, oder allmählich ſich entwidelnde Die
plößlic entftebende (acute) B. iſt Folge von
Blutverluſten aus dem Gefäßſyſtem, bei denen
das Blut entweder nah außen abfließt, oder im
Körper verbfeibt. Nah außen fließt das Blut
ab beim Aderlaß, bei Blutungen aus der Gebär-
mutter bei Entbindungen, bei Lungenblutungen zc. ;
um Körper verbleibt das Blut, jedoch auperhalb
des Gefäßſyſtems bei Blutungen in den Bruft-
fellfad, in die Bauchhöhle x. Das Nefultat bei
beiden Arten Bintungen ift dafjelbe: es tritt bei
allen größeren Blutungen eine allgemeine B. ein,
der Kranfe wird plöglih blaß, ohnmächtig;
überfteigt der Blutverluft bei Erwachſenen die
Hälfte der gefammten Blutimenge (2 bis: 3 kg), fo
wird derfelbe tödlich. Bei Kindern u. Greifen
genügt oftmals ſchon ein geringer Blutverkuft zum
tödtlichen Ausgange; ebenfo vertragen Herzkranke
u. jehr fette Menſchen eine plöglich eintretende B.
chlecht, während für rauen bei der Geburt felbit
große Blutverlufte meift ohne Nachtbeil find. Ber
trachten wir die Folgen plötzlich eingetretener B.
für die einzelnen Organe des Körpers, fo ergibt
fid namentlich, daß durch die Blutverminderung
das Herz n. die Gefäße fich anf kurze Zeit ver-
engern, daß demnächſt aber ſchnell eine Aufſaug—
ung von Flüſſigkeit aus den Geweben des Kür:
pers u, dem genofjenen Getränle ftattfindet, mo»
durch die frühere Spannung im Gefäßſyſtem wie-
der herbeigeführt wird. Das Blut it jest dünn,
wäfferig, gerinnt leicht u. enthält eine größere
Anzahl Lymphlörperchen, die fhnell aus den
Lymphgefäßwurzeln in die Blutmaſſe aufgenom—
men werden; es iſt aber verarmt an rothen Blut—
körperchen u. Faſerſtoff (Blutwäſſrigkeit, Hydrä-
mie). Der Herzmuskel iſt in feiner Kraft ge—
ſchwächt, u. bei feinen Zuſammenziehungen wird
häufig ein ſauſendes, mit dem erſten Herztone
zufammenfallendes Geräuſch gehört (anämiſches
Herzgeräuſch). Ebenſo kommt es durch Schlaff-
heit u. geringere Füllung der großen Venen am
Halſe zu einem eigenthümlichen Geräuſche, welches
man wegen feiner Abnlichleit mit dem Geräuſche
des bekannten Kinderſpielzeugs, des Kreiſels oder,
Wegen |
der Nonne, Nonnengeränſch genannt hat.
Blutarmuth.
der geringeren Füllung des Gefäßſyſtems beob-
achtet man öfters eine Bermindernug der natür«
lihen Ausiheidungen, namentlih des Using und
der wäſſerigen Ausihwigungen in Körperhöblen,
während Krankheitsproceife ın inneren Organen,
welche mit einer größeren Blutanhäufung ver«
bunden find, z. B. Yungenentzündung, Unterleibs-
entzündung 2c. durch plötzlich eingetretene B. zur
Zertheilung angeregt werden. Der letztere Erfolg
it jedoch aus dem oben angegebenen Grunde nur
ein momentaner; fobald die Spannung im Ge-
räßipftem fich wieberbergeftellt hat, ift auch der
Erfolg einer künſtlich herbeigeführten piößlichen B.
vorbei. Man hat deshalb mit Medt in der letz
ten Zeit von ärztlicher Seite die früber jo be-
liebte wiederholten Aderläffe bei inneren Ent-
zündungen ſehr beſchränkt u. wendet fie nur noch
an, um eine augenblidliche, durch hochgefteigerten
Blutdrud bedingte Gefahr zu befeitigen. In—
tereffant find die Berjuhe an Thieren, denen man
durch wiederholte Blutentziehungen B. beibradhte,
Es ftellte fich heraus, daß die Thiere fetter wır«
den. Nach Bauer fommt die daher, daß fich
das Eiweiß in den Organen in vermehrter Weiſe
zerjett und im Fett wandelt (fettige Metamor-
phoſe) ıt. das lettere durch dem geringeren Ge—
halt des Blutes an Sauerftoff iniolge der Ber-
minderung der rothen Blutkörperchen nicht ver—
brannt wird, fondern fi aufipeichert. Diefe Auf-
faffung ſcheint fi) durch die Erfahrung zu be»
fätigen, daß es gelingt, bei der Mäftung von
Thieren. durch wiederholte Blutentziehungen einen
größeren Fettanſatz herbeizuführen, u. ferner, daß
Berjonen, die in ihrem Yeben viel zur Ader ger
fafien haben, häufig dennoch fehr did find. And
bleihfüchtige Mädchen find nicht ſelten ziemlich
fett. Über die Neubildung der Blutkörperchen ſ.
den Art. Blut; wir wollen bier nur hinzufügen,
daß die Zeit, die zur Hegeneration der Blut—
förperdhen bei einigermaßen erheblichen Blutver-
Inften nöthig ift, fih auf ca. 3—5 Woden er-
jtredt, daß dagegen die Reproduction des Faſer-
jtoffes mur etwa 48 Stunden erfordert (Banum).
Die fih allmählich entwidelnde (chroniſche) B.
entftehbt entweder dur Säfte, oder wiederholte
kleinere Blutveriufte (häufiges Najenbiuten, ftarfe
u. zu langdauernde Menftruation, Blutungen der _
Harnblafe bei Harnblajenpolypen u. Blafenfteinen,
chroñiſche Diarrhöe, weißen Fluß, raſch auf ein-
ander folgende Wocenbetten, zu langes Stillen
der Säuglinge, langwierige Eiterungen, Onanie)
oder durch Mangel an paſſendem u. genügendem
Ernährungsmaterial (häufig bei Säuglingen und
fleinen Kindern, die mit Mehliuppe, Kaffe, mit
grobemBrode, Kartoffeln anftatt mit Muttermilch
u, Kuhmilch aufgefüttert werden, ferner bei frei»
willigem oder unfrenpilligem Hungern, wıe es
bei Geiſtesktanken oder zu Zeiten von Hungers-
noth, Krieg zc. vorkommt [Nuanition]), oder end»
lich durch krankhafte Beichaffenheit der blutbilden-
den Organe, alfo der Milz, Lymphdrüſen Bleich—
jucht, Yeufämie, progreffive perniciöjfe Anämie]).
Nah Berfuhen von Ranke jet auch lange
Muskelruhe die Gefammtmenge des Blutes herab.
Die Ericheinungen dev allmablih ſich entwideln-
Blutauffriihung = Blutdrüſen.
563
den B. ſind im —— denen der acuten B.jderjelben gleichkommenden anderen reinen Race
gleich: bleiche Farbe der äußeren Haut und ber
Schleimhäute, Schwäche u. Mattigleit, Heine Puls-
mwelle u. ſchwacher Herzſtoß, doch gefteigerte Er»
regbarkeit des Herzens, jo daß es leicht zu Herz⸗
Hopfen u. zu Schamröthe im Geftchte fommt, ger
fteigerte Erregbarfeit der Empfindungsnerven; da⸗
ber bildet die hroniihe B. den günftigften Boden
für alle Arten von Nervenfrankheiten, Hyſterie,
Nervenſchmerzen, ferner Bruftbeflemmung infolge
—* Herzlraft u. von dieſer abhängigen
lutſtauung ın den Lungengefäßen; ebenjo ik die
Verdauung geftört, der Appetit fehlt, der Stuhl
ift verftopft, weil bei chronischer B. nur ein man«
gelhafter Magen- u. Darmſaft abgefondert u. die
der Regulirung der Verdauung vorftehenden Ner-
ven durch die anhaltende Ernährungsftörung ge-
ſchwächt u. functionsunfähig find. Da die chro-
nische B. weſentlich in einer erheblichen Bermin-
derung der rothen Blutkörperchen, des Eiweißes
u. Zunahme der wäfferigen Beftandtheile befteht,
fo ift es erflärlich, warum wir in der chron. B.
häufig mafferfüchtige Anfchwellungen an den
Knöcheln un, an den unteren Augenlidern finden
(mäfferige Blutbejchaffenheit, Hydrämie), die bei
der acuten B. zu fehlen pflegen. Endlich ift bie
Körpertemperatur bei der chron. B. herabgejekt,
eine Erſcheinung, die namentlich beim Hungern
bervortritt (Choſſat). Verſuche an Thieren er-
gaben, daß 3—4 des Körpergewichtes verloren
geht, ehe e8 zum Hungertode kommt. So ftarb
Bidders Kate am 18. Tage, nachdem ihr Kör-
pergewicht von 2464 g. auf 1267 g. herabgefunten
war; junge magere Tauben ftarben jchon nad)
3 Tagen, nad Berluft von 4 ihres Gewichtes, wäh-
rend fette u. ältere erft nach, 13 Tagen u. nad
einem Berlufte von fast Zihres Gewichtes zu Grunde
gingen. Über die nöthige Zufammenjegung un—
jerer Nahrungsmittel, wenn fie zur Ernährung
genügen jollen, u. tiber die Nachtheile der Ent-
ziehung der einzelnen Nährftoffe ſ. d. Art. Er»
nährung. Die Behandlung der chron. B. hat es
theils mit Befeitigung der Urſachen zu thun,
tbeil8 mit der Auswahl der pafjenden Nährſub—
tanzen, theils mit der Darreichung gewiffer Arz—
neiftoffe, die erfahrungsgemäß die Blntbildung
unterflügen. Wir wollen bier nur anführen, daf
der Menſch namentlich die Eiweißftoffe zu feiner
Ernährung gebraucht u. im Allgemeinen der Aus—
fpruch gilt: Fleiſch macht FFleiih. Inwieweit
eine Erjparung der Eiweißſtoffe durch gleichzeitige
Darreihung anderer Nährftoffe möglich it, ſ.
unter Ernährung. Als weſentlichſtes Beförder-
ungsmittel der Bildung der rothen Blutlörperchen
fennen wir das Eifen, u. diejes bildet daher das
Hauptmittel bei Befeitigung der chroniſchen B.
Natürlich muß diejenige Form defjelben gewählt
werden, welche dem Berdauungszuftande des
Kranfen angemefjen ift. Eine vortreffliche Unter-
ſtützung der Beftrebungen zur Blutverbeiferung
TIhiere -zur Züchtung vorübergehend zu verwen-
den. Eine möglichit häufige B. ift namentlich
bei der Schweinezucht nicht dringend genug an-
zuratbhen, wenn man glüdlidhe Rejultate bei ber-
jelben erzielen will.
Blutauge ift Comorum palustre L.
Blntbann, das Recht eines Fandesherrn- über
Leben u. Tod feiner Unterthanen; ſ. u. Eriminal«
gerichtsbarfeit u. Landeshoheit.
Bintbehälter, jedes Blutgefäß, beſonders B.
des Gehirnes (Sinus venosus); ſ. u. Gehirn; B.
des Herzens, jo v. mie Vorlammern; ſ. u. Herz,
Biutbeule, eine an der Peripherie harte, in
der Mitte etwas weichere Geſchwulſt, meift nach
Duetfhungen entftanden, Es handelt fich bierbei
um einen wirklichen, umſchriebenen Bluterguß in
die durch die Äußere Gewalt bewirkte Lücke der
Gewebe, welche eine beträchtliche Erhebung bewirkt.
Ben fünnen an allen Stellen des Körpers vor-
fommen, befonders Teicht aber da, wo Knochen
oberflädlicher liegen, 3. B. am Schienbein, am
Schädel, Am Kopfe gewinnen fie eine bejondere
Bedeutung u. erfordern befondere Aufmerlfamteit,
da fte jchon ung für Kopfeindrüde gehalten wor»
den find. Ihr Ausgang beftebt meift in Ber-
theilung, die man uoch durch fogen. zertheilende
Umjchläge und mäßige Compreffion beſchleunigen
fann. Tritt feine Zertheilung ein, jo muß man ſich
zur Eröffnung mit dem Meffer entjchließen.
aas M
Blutblajfe (Haematocystis), Erhebung der
Oberhaut in Form einer Blafe, unter welcher fich
ausgetretenes Blut befindet; meift Folge äußerer
Quetſchung.
Blutblume iſt Hämanthus T.
Blutbruch (Haematocele), Blutgeſchwulſt in
der Subſtanz des Hodens, od. zwiſchen den Häuten
deſſelben u. denen des Samenſtranges, oder auch
in den Höhlen des Hodenſackes od. in deſſen Wand;
meiſt Folge von Verletzung.
Blutbrüderſchaft, alte Sitte, ſich auf Leben
u. Tod ſo zu verbinden, daß die Verbundenen
für einander wegen erlittener Beleidigungen Blut⸗
rahe nahmen u. daß, wenn Einer ftarb oder fiel,
der Andere fich ſelbſt tödtete, Beim Schließen
einer B. Inieten die Blutbrüder auf die mit ihrem
Blute benette Erde, u., einander die Hände gebend,
ichmuren fie bei allen Göttern, fich einander wie
Brüder zu halten u. zu rächen. Diefe Sitte bes
ſtand bei den Germanen, Keltiberern u. Galliern
(vgl. Soldurier); bei den flavijchen Völkern u. in
Dalmatien wurden noh ähnliche Ben zu Ende
des vorigen Jahrh. an chriftlihen Altären ger
ſchloſſen. Noch bis weit in hiftorifche Zeiten bat
fi bei vielen Böltern das gegenfeitige Bluttrin
fen als das feftefte Band geheimer Gejellichaften
erhalten, ein Reſt der uralten Anſchauung von
der geheimnißvollen Kraft des Blutes.
Blutoralen j. u. Fagus,
Hiegt in der Benutzung guter, reiner (wo mögih| Blutdrüſen, die Drüſen, welche fih durch
Land» oder Sebirgs-JLuft. Kunze.
zahlreiche u. große Blutgefäße auszeichnen u. im
Blutauffrifchung, das Verfahren, von einem Innern Höhlungen haben, die mit Blut od. einer
Stamme oder einer Hace, die früher zur Bildung anderen Flüſſigkeit angefültt und volllommen ge—
einer Heerde oder Zucht mwejentlich beigetragen bat, |ichloffen find. Zu ihnen gehören die Milz, Schild-
wieder aus der Heimath derjelben oder aus eineridrüfe, Thymusdrüje u. die Nebennieren (j. d. a.).
36*
564
Blutdunft, die dem Blute den Geruch erthei-
fenden flüchtigen Beftandtheile deffelben,
Blutdünger, zum Dinger verwendetes Blut,
Die chemiſche Zufammenjegung des Blutes —
friihes Blut befteht in 100 Theilen aus 79 TH,
Waffer, 20 Th. organischer Subftanz, 1 TH.
er Subftanz — legt e8 nahe, daffelbe
al8 Dinger zu verwenden; der Stidftofigehalt,
(2, —3, pCt.) weiſt dem Blute fogar eine hervor«
ragende Stelle unter den Stidftoff liefernden Dilnge-
mitteln an. Die geringe Menge Blut, melde für
gewöhnlich in einer Wirthſchaft vorlommt, dient
zur Bereicherung des Stalldiingers od. als Bähr-
ungsmittel für Kompofte, Dit der 10fachen Menge
Wafier verdünnt, kann das Blut auch als Gup-
dünger für Blumen, Gemife u. junge Obftbäume
verwendet werden. Die fäuflihen B. find die
Bintabgänge großer Schlachthäuſer. Stehen dem
Fandwirthe folde größere Mengen zu Gebote, fo
können fie in flüffigem Zuftande verwendet, oder
aber durch entfprechende Zufäge (Bips, Kalk, Aſche,
Adererde) in feiten Dünger verwandelt werben.
Der fo refultirende Dünger ift natürlich nad den
Zuſatzmitteln mehr oder weniger werthvoll; im
Allgemeinen kaun man annehmen, daß 4 Etr. jo
viel Stidftoff enthalten als 1 Ctr. Guano, Parr.
Blutdunft — Blutegel.
nenden Abjchnitte finden fich meift 3 gezähnelte,
d. h. an ihrem Rande nach Art einer Säge aus
gejchnittene Yeiften, fogenannte Kieferplatten, jo bei
den Kieferegelu; jeltener find deren nur 2 vor
—— ſo bei einigen Fiſchegeln; die Rüſſelegel
aben ſtatt deſſen einen vorftülpbaren Rüſſel.
Magen u. Darm ſind nicht von einander getrennt,
das am Schlunde beginnende Verdauungsrohr wird
daher Magendarm genannt. Dieſer iſt entweder
ein bald gerades, bald durch Einſchnürungen in
hinter einander liegende Hohlräume zerfallendes,
die Leibesachſe einnehmendes Rohr, oder es ent-
ſpringen von ihm nach beiden Seiten hin Blind-
jädchen von verjchiedener Zahl; der mediciniſche
B. hat deren 11 Paare, welche es ihm ermöglichen,
34 bis 44mal fo viel Blut in fih aufzunebmen,
als fein ganzes Körpergewicht beträgt. Der Magen-
darın endet am hinteren Yeibesende, oberhalb der
—— In den mittleren Körperringeln finden
ich Harn ausſcheidende Organe, die ſog. ſchleifen -
förmigen Kanäle. Zu dieſen Ausiheidungsorga-
nen gejellen fih zahlreiche, unter der Haut liegende
Heine Drüfen, welche eine feinförnige, fchleimige,
die Haut überziehende u. ſchlüpfrig machende Flüj⸗
ſigleit abſcheiden; dazu fommen noch tiefere, umter
den Mustelihichten der Haut gelegene Drüfen-
Blutegel (Hiradinei, Discophori). A. (Zool.) ſchläuche, in welchen ein zäher, heller Saft bereitet
Die B. bilden eine Unterflaffe der Ringelmürmer
(Annelides), d. h. der cylindrifchen oder abge-
platteten Würmer, deven Leib aus hinter einander
liegenden Ringen beftebt. Die B, find im Allge-
meinen charakterifirt durch den furzgeringelten
Körper, dem ein befonderer Kopfabſchnitt u. Fuß—
ftummmel fehlen, der aber am feinem Ende eine
bauchjtändige — 2 beſitzt. Bei genauerer
Betrachtung fällt zunächſt die kurze Ringelung auf,
welche übrigens auch in verjchiedenem Grade un—
deutlich —* ſelbſt gauz wegfallen kann. Die
äußeren, kurzen Körperriugel entiprechen aber feines»
wegs den eigentlichen inneren Yeibesringeln (Leibes—
jegmenten), fondern find vielmehr gewifjermaßen
Theilftüde, von denen 3, 4 od. 5 auf ein inneres
Segment fommen. Als Hauptbefeftigungsorgan
fungirt eine große, am hinteren Veibesende und
zwar bauchſtändig gelegene Hafticheibe. Diefe hat
man auch wol Saugnapf genannt, aber mit Un—
recht, da ihre alleinige Aufgabe darin beftebt, das
Thier feftzuhalten; zu dem Ende wird fie feit an
die Unterlage angebrüdt, jo die Luft größtentheils
verdrängt, u. indem der Wurm darauf das mittlere
Stüd der Scheibe durch feine Mustelkraft etwas
emporzieht, entitcht ein luftverbünnter Raum, ver»
möge deifen das Thier ziemlich feft auf feiner Un—
terlage haftet. Zu dieſer Hafticheibe gefellt fich
meift noch eine zweite, Heinere, welche vor dem
Munde, oder, wie bei den medicin. Ben, um den—
jelben herum liegt. Fußſtummel fehlen durchaus, u.
die bei zahlreichen anderen Würmern auftretenden
Borften werden nur felten gefunden, Niemals
tommt e8 zur Bildung eines von dem Leibe ge—
fonderten Kopfes, da ſich die vorderen Leibesringel
von den folgenden nicht weſentlich verjchieden
zeigen, auch feine befonderen Fühler oder Fäden
tragen. Der Mund führt in einen musculöfen,
mit zahlreichen Drüſenſchläuchen beiegten Schlund.
In defjen vorderen, als Mundhöhle zu bezeich-
wird, welcher an der Luft raich erhärtet und von
den Würmern bei der Eierablage zur Bildung von
Cocons bemugt wird. Befondere Athmungsorgaue
fehlen in der Regel, dann muß die Haut dem
Athmungsbedürfniſſe genügen (Hautathmung),
jeltener, Fei einigen Fiſchegeln, finden ſich blatt-
fürmige Kiemenanhäuge. Das Blutgefägigftem
it jehr verichieden entmwidelt, aber, wie es jcheint,
niemals gänzlich von der Teibeshöhle getrennt, jo
daß das Blut im diefe eintritt. Das lektere ift
meift roth gefärbt, doch rührt diefe Färbung nicht
von rothen Bluttörpergen ber (wie 3.8. bei dem
Menſchen), gehört vielmehr der Blutflüfftgfeit an.
Das Nervenſyſtem erlangt durdweg eine hobe
Ausbildung, es befteht meift aus eimem Gehiru,
einem den Schlund umgebenden Nervenhalsbande
u. einer aus Nervenfäden u. Nervenknoten ftrid-
leiterartig zufammengefetten Bauchkette; daneben
fennt man noch ein Eingeweidenervenfyftem. Bon
Sinnesorganen fommen faft allen B-n Augen zu;
diefelben beftehen aus Farbſtoffanhäufungen mit
einem lichtbredienden Körper und binzutvetenden
Sehnerven, gewähren indeffen nur eine Unter
ſcheidung von Hell u. Dunkel, aber fein Bild eines
Gegenftandes, Außerdem finden fih auf den Kopfr
ringeln bederförmige Gruben, beim mediciniichen
B. eima 60, welde große belle Blafen enthalten
u. mit eigenthüimlichen, mit feinen Haaren enden-
den Nerven in Berbindung flehen; die Qualität
diefes Sinnesorgans ift bis jetzt noch nicht erforicht,
es ift unbefannt, ob es Geidhmads-, Gehör- oder
Gefühlsorgan if. Die B. find meift Bitter:
männliche u. weibliche Geſchlechtswerlzeuge min:
den in der Mittellinie des Vorberleibes hinter
einander; bei dem mediciniſchen B. liegt die männ-
liche Offnung zwiſchen dem 24. u. 25., die mweib-
lihe zwijchen dem 29. u. 30. Leibesjegment. Die
B. begatten ſich vielleicht vornehmlich wechſels—
weife; die männlichen Organe geben dabei einen
Blutegel.
von gemeinfamer Hülle umſchloſſenen Samenballen!
Spermatophore) ab. Die Vefruchtung der Eier
findet im Inneru des mütterlichen Körpers ftatt;
bald daranf fommt es zur Eierablage, welche mit
eigenthiimfichen Vorgängen verbunden ift. Yu die-
fem Zwede fuchen die Thiere geeignete Stellen an
Steinen u. Pflanzen auf, od, verlaffen das Waſſer
u. wählen fi, wie der mediciniſche B., in feuchte
Erde ein. Diejenigen Leibesringe, in melden die
Fortpflanzungsorgane liegen, die Geſchlechtsringe,
erſcheinen zu dieſer Zeit ſattelförmig aufgetrieben.
Während des Eierlegens haftet ſich der Leib des
B⸗s mit feiner Baudicheibe feft u. umbüllt feinen
Borderleib unter den mannichfachiten Drehungen
nu. Wendungen mit einer fchleimigen Maffe, welche
bejonders die Geſchlechtsringe gürtelförmig über-
dedt u. allmählich zu einer fefteren Hille erftarrt.
Daun treten eine Anzahl Heiner Eier nebſt einer
anfehnlihen Menge von Eiweiß aus, und der
Körper zieht fein Kopfende aus der nun gefüllten
tonnenförmigen Hülle, welche ſich nach ihrer Ab-
ſtreifung durch Berengerung der endftändigen Öff-
mung zu einem ziemlich vollftändig gejchloffenen
Cocon umgeftattet. rüber hielt mau irrthüm—
licher Weiſe die Eocons für die Eier, während fie
565
Die Unterllaffe der B. zerfällt in mehrere Fa⸗—
milien, von denen die Rifjelegel, Fiſchegel
u, Kieferegel bereits gelegentlich genannt wurs
den. Bon hervorragenden Intereſſe iſt die leßt-
—— Familie der Kieferegel (Gnatho-
dellidae). Sie iſt charalteriſirt durch dem mit 3,
bänfig gezähnten Kieferplatten bewaffneten, längs»
gefalteten Schlund, durch den vor der Mundöffuung
gelegenen geringelten, Löffelförmig vorfpringenden
Kopfihirm, mwelder eine Art von Mundfaugnapf
bildet, endlich durch die ſchwammige Beichaffenheit
ihrer Cocons. Dahin gehören die Pferdeegel
(Haemopis Sar.); ihr Darm ift mit Blindfädchen,
ihr Kiefer mit 30 gröberen, ſtumpfen Zähnchen ver
jeben, welche feine harte Haut, fondern nur weiche
Schleimhaut durchichneiden können, u. Aulaco-
stomum Moqg.-Tand., deren Darm ohne Blinde
jädchen iſt. Thiere beider Gattungen finden ſich
in unferen Teichen fehr bäufig; legtere werden mc
den Schneden gefährlich, erftere aber den Pferden
u, Rindern, ſelbſt badenden Menſchen, inden fie in
deren Naſenhöhlen, Schlund u. Yuftröhre eindrin-
gen, um dert Blut zu fangen. In der Medicin
verwendbare Egel Tiefert nım die Gattung der
eigentlihen ®. (Hirudo L., Sanguisuga Sar.).
doch in Wahrheit Eibehälter find, welche die ſich Ihr Leib zeigt meift 95 deutliche Ringel, von
bildenden Embryonen jchligen u. während ihrer
Entwidelnmg mit dem nöthigen Nabrungsmaterial
versorgen follen. So Hein auch die Eier ſind, die in
ehr verichiedener, niemals bedeutender Zahl in die
Cocons abgejegt werden, jo befißen doc) die jungen
B., menu fie den Cocon verlaffen, eine anſehn—
lihe Größe, Die Jungen des mebicinifhen B-s
3. B. eine Länge von ungefähr 17 mn, u, haben
bereits im Wejentlihen, bis auf die mangelnde
Geichlechtsreife, die Organifation der ausgewach—
jenen Thiere. Nur die eigentlichen Hüffelegel wer-
den ıumreifer geboren, leben längere Zeit an der
Bauchflähe des Mutterthieres angebeftet und er-
reichen erft unter fortwäbrender Aufnahme neu
abgeichiedener Ciweißmaſſen ihre volle, zum freien
Leben taugliche Organifation, Die B. leben großen-
theils im Waffer, aber auch zum Theil gelegent-
th im feuchter Erde, Gie bewegen fich theils
fpannerartig friechend mit Hilfe der Hafticheiben,
theils ſchwimmend unter lebhaften Schlängelungen
des meift abgeflachten Körpers. Viele halten fich
parafitiih an der Haut oder an den Kiemen bon
Wafferbewohnern, 3. B. von Fiſchen u. Fluß—
frebfen, auf; die meiften aber find gelegentliche
Schmaroter, welche mur zur Befriedigung ihres
Nahrungsbedürfniffes die innere oder äußere Haut
von Warmblütern auffuchen. In der Megel reicht
bei dem letzteren die im beträchtlicher Menge auf-
genommene Nahrung auf geranme Zeit hin aus,
Einzelne endlich find wirkliche Naubtbiere, welche,
wie 3. B. der Pferdeegel, Schnecken u. Regen-
würmer verzehren, od., wie die eigentlichen Ritffel-
egel, Schneden ausſaugen. Auch ſcheint die Nahr-
ung feineswegs überall auf eine beftimmte Thier-
art beichränft, auch nicht in jedem Lebensalter die—
jelbe zu fein. Der mebicinifche B. nährt ſich 3. B.
in der Fugendzeit von Inſecten⸗, dann von Froſch—
biut, u. erſt jpäter wird ihm zur vollen Beichlechts-
reife der Gem warmen Blutes nothwendig. (Nach
Clans, Grundz. d. Zool. Marb. u. Ypz. 1872.)'
denen 4 auf die löffelförmige Oberlippe kommen,
Die hafbrumden, jcheibenförmigen Kieferplatten find
mit zahlveihen, jehr feinen, jtumpfipitigen Zähn-
chen bejegt; fie find nach Art einer Kreisſäge bes
weglich u. jehr geeiguet, eine leicht vernarbende
Wunde in die Haut des Menjchen zur fchlagen.
‚Ihre Dreizahl bedingt die dreiedige Wunde. Der
Magen befitst jederfeits 11 Blindſäckchen, von denen
das letzte jehr lang u. rückwärts gebogen if. Vor
dem Saugen durchſägen die Kiefer die Haut; durch
Andrüden des um den Mund gelegenen Saug—
napfes an die Haut u. darauf folgende Erhebung
der inneren Partien wird ein Iuftleerer Naum ges
bildet, in welchen das Blut ftrömt, u. von wo es
in den Magen gleihjam gepumpt wird. Vollge—
jogene Thiere fallen von felbit ab. Junge nehmen
etwa das 45fache ihres Körpergewichtes, ım Ganzen
etwa 6, & Blut auf, u. es dauert dann 2 bis
3 Monate, bis der Berdauungsproceß vollendet
ift; alte faugen dagegen bis 9 g Blut, das 34-
fache ihres Körpergewichteß, u. find erfi nach 5 bis
y Monaten wieder im Staude, neue Nahrung
aufzunehmen, Die 10 Augen find wenig deutlich;
von ihnen ſtehen 6 vorn in einer krummen Yinie
beifammen, dazu gejellen fich jederjeits 2 davon
abgetrennte, im Naden befindlihe., Die walnu-
großen Cocons, deren jeder 10 bis 15 Eier ums»
jchliegt, werden im Mai bis Juli in feuchter Erde
abgelegt; jedes Thier bildet deren mehrere, größere
Würmer jelbft bis 10, u. zwar in Zwiichenräumen
von 6—12 Tagen. Die Jungen kriechen etwa in
6 Wochen aus dem Gi, verbleiben aber noch
längere Zeit im Gocon, der ihnen Schub u. Nahr:
ung gewährt, Es dauert 3 Fahre, bis fie zu
mediciniſcher Berwendung taugen, u. 5 Jahre, bis
fie ausgewachſen find; fe erreihen ein Alter von
18 bis 20 Fahren. Hierher der mediciniſche
B. (Hirudo medieinalis Z.), im ausgedehnten
Yuftande, wenn er fi) vollgefogen bat, etwa 10
bis 12 em lang; mac feiner Färbung hat mau
566
zahlreiche (64) Varietäten unterſchieden, deren
hervorragendere Glieder von Mauchen als beſondere
Arten angeſehen wurden; jo der deutſche B. (H.|
medieinalis Sar.), mit dunkelgrünem, ſchwarz
Blutegel.
Mundtbeile raſch abgenommen, diejenigen aber,
welche fich bereits angefogen haben (u. dieſer Fall
ift eben nicht allzu felten) find einftweilen untaug-
lich. Die beften Arten des Transports find die
gefledten u. olivengrünem Rüden, der mit 6 roft⸗ in feuchten leinenen Säckchen, oder in feuchten
rothen, ebenfalls ſchwarz gefledten Yängsitreifen be⸗
jegt ift; der ungarifhe B. (H. offieinalis Sar.),
mit olivengrünent, ungefledtem Bauche u. grün»
lichem, vierfach roftroth geftreiftem Rüden; der
Movie, welches in durchlöcherten Kifthen einge»
ſchloſſen it. Nah Deutichland kommen die meiften
Egel aus Polen, von den Grenzen Rußlands, aus
Ungarn u, der Türkei. Das Aufberahren zum
polnifche oder galiziſche B. (H. chlorogaster | Handgebrauche geichieht am beften in einem weiten
Sar.), mit hellgrünem, mitunter rothbraun gefled-
tem Bauche u, grünlich-grauem, gelblich-roth ge-
ftreiftem Rüden, u. a. Früher waren biefe medi-
einiichen B. in Seen, Teihen u: Bächen Mittel-
n.SEuropas häufig; jett find frei lebende infolge
des Starten Verbrauches im weftlihen Europa faſt
ganz verſchwunden; um fo wichtiger ift ihre Zucht
(f. unten). Außer den genannten, tim Wafler leben»
den Ben gibt e8 auch noch Land-B., weldye auf
Geylon, den Sunda-nieln, Philippinen u. in Süd—
Afien eine förmliche Yandplage bilden; fo 5.8.
die berüchtigte Hirndo ceylonica Mogq.- Tand.,
welche auf Genion lebt u., im Grafe, unter Blatt»
werf u. Steinen, jelbjt auf Bäumen u. Sträuchern
fisend, ihre Beute, Menjhen und warmblütige
Thiere, maſſenhaft anfällt. Die Eingeborenen be»
ftreihen die Sangftellen mit Kalt, den fie in ihrer
Betelbüchſe mitführen, oder mit dem durch das
Betellauen ſcharf gewordenen Speichel, Andere be-
trachten den Saft einer Citrone, welche fie zu
dem Ende bei fih tragen, als Hilfsmittel; doch
reizen beide Mittel die Wundftellen u. find gewiß
vielfach Urfache der tiefen Geichwüre, welche der
Biß hinterläßt.
Gewäſſer, im denen der B. gezüchtet werden
fol, müflen vor allem ruhig u. mit Bflanzen be-
wacien ſein, fie Dürfen keine Raubfiſche u. grö
ßeren Fröſche, welche der Brut gefährlich werden
fönnten, enthalten, endlich darf fih and kein
Erlengeſträuch, deſſen Rinde dem Waſſer einen
eigenthimlichen Geſchmack verleiht, am Ufer finden;
auch iſt es felbitverftändlich, daß Thiere, denen der
B. zur Beute fallen kann, wie dies bei Ratten,
Enten, Hühnern, Schnecken u. a, der Fall ift, von
Bsteihen fernzuhalten find. Sole Teiche
find nun nicht eben häufig, u. man legt daher in
.Sfrantreih zur B>zucht befondere B-colonien
an; dies find quadratiihe, 10—20 Im große,
ziemlich feichte Teiche, deren Ufer nach dem Boden
hin abgejchrägt u. mit Gras bepflanzt, deren Boden
mit Thon» u. Moorerde bededt ift u. im welche
man einzelne Weiden- u. Kalmusſträuche, den Ben
angenehme Gewächſe, pflanzt, Yangjam fließen;
des, weiches, nicht zu faltes Waffer iſt legte Haupt-
bedingung zur gedeiblihen Zucht. Feder joldye
Teich (deren zahlreihe durch jchmale Wege ge
trennt u. nach Art der Felder eines Schadbrettes
vereint find) wird mit 5—8000 Egeln beiett;
Froſchlaich, Heine Fröſche u. Fiſche, im Notbfalle
Blut dienen Diefen zur Nahrung. Die Egel wer»
den gefangen, indem Fänger mit nadten Beinen
in das Waſſer gehen, diefes möglichſt beunruhigen
u. fo die Egel aufſcheuchen; dann können die meijten
mittels eines feinmashigen Neges oder der Haud
gefangen werden, andere fallen aber den Fänger
an, fie werden mit möglichfter Schonung ihrer
Safe, welches etwa zu $ mit weichen Megen-
oder Flußwaſſer angefült und mit Leinwand zu—
gebunden ift. Beim Wechfeln des Waſſers, und
dies muß geichehen, jobald man Zeichen des Ber-
derbens bemerkt, ift darauf zu achten, daß das
frifche u. das alte Waffer gleiche Temperatur be»
fite; wenn man gut wachſende Pflanzen, 3. B.
die in Bächen gemeinen Yaih- und Hornfräuter,
oder die im letter Zeit fo verbreitete Waſſerpeſt,
in dem Aufbewahrungswaſſer cultivirt, alſo gleich"
ſam ein Heines Aquarium berftellt, braudt mau
das Waffer weniger, unter Umftänden mie zu
wechſeln u. erhält auch jeine Egel friiher u. ge»
funder. Größere Hitze oder Kälte ift dieſen ſchäd—
ich. Ein zu medicinifcher Berwendung zu kau—
fender B. muß, wenn er gut jein ſoll, einen
langen, zufanmengedrüdten Körper u. eine eigen-
thümlich ſammetartig glänzende Haut haben, ſich
in Waſſer lebhaft bewegen u. verlängern fünnen.
Im Handel werden oft ſchon gebrauchte, künſtlich
entleerte od. vollgeſogene B. unter friſche gemengt,
oder auch unechte Sorten, fogenannte Baftard-
B. mit echten vermiſcht. Die Haut bereits ge-
brauchter B. ift faltig u. fchlecht, das Sauglod
geihwollen u. weißlich, Die Körperbewegung lang»
jamer, Kranke B., deren Eudtheile aufgeſchwollen
find, während jie aus dem Saugloche eine rothe,
jeröje Flüſſigleit oder Schleim abjondern, müſſen
entfernt werden. Die erwähnte künftliche Entleer-
ung vollgefogener Egel geſchieht gewöhnlich durd
vorfihtiges Ausdrüden, wobei mau, da das Blut
am Munde wieder ausftrömen muß, von der grö—
ßeren Hafticheibe nach der Richtung des Kopfes,
der kleineren Hafticheibe, Hinftreihen muß, noch
weniger anzurathen als diejes oft tödtlidhe Ber:
fahren ift Beftreuen mit Salz oder Zuder; befier
ıft ſchon das Eintauchen der Egel in verdünnten
Wein oder in ziemlich verdünnten Eifig; das befte
Mittel ift das Aufichneiden der Egel an ihrer Unter-
feite mittel8 eines jcharfen Mefjers; der Schnitt
öffne den Magen u. jei etwa 2—3 mm lang, das
Blut tritt aus ihm aus, u. er heilt in wenigen
Zagen wieder zu.
B. In der Medicin werden die B. hauptſäch—
ih dann angewandt, wenn man einem bejtimmten
Bezirle oder einem Organ in kurzer Zeit eine
Quantität Blut entziehen will, bejonders wenn
dort entzündliche Procefie beitehen; jo nament-
th bei Gehirnentzündungen, bei gewiffen Fällen
von Lungenentzündung, befonders bei Heinen Kin-
dert, dann bei friichen Bruſtfell- und Nierenent-
zündungen ꝛc. Die Quantität des von einem B.
entleerten u. bei dem jog. Nachbluten noch aus—
fliegenden Blutes hängt jehr von der Größe des
Ihieres u. der Dauer des Nachblutens ab. Bei
größeren Ihieren fann man, alles zufanmen ger
1
Bluteigene — Bluterbrecdhen, 567
nommen, mindeftens auf 15—20 g, nach einigen
Autoren jelbft auf 30 g rechnen. Die Blutent-
derſelben mit Recht ſehr eingeſchränkt, da die Er—
fahrung lehrt, daß ſich ſehr ſchnell die entzogene
leerung durch den B. beruht darauf, daß das Blutmaäſſe wieder erfetzt, wenigſtens in Bezug auf
Thier nach dem ſog. Anbeißen durch abwechſeln—
des Zuſammenziehen uw. Ausdehnen feines mus-
eulöfen Schlundes einen Inftverbünnten Raum im ſich
Ihafft, im den das Blut aus den unter dem ge
mwöhnlichen Luftbrude ftehenden feinften Gefäßenden
(den Haarröhrhen, Eapillaren) infolge dieſes
Drudes fih ergieft. Da man im der neueren
Zeit aber nicht mehr fo häufig u. bei allen mög-
lichen Krankheiten zu Blutentziehungen feine Zu-
flucht nimmt, wie am Ende des vorigen und in
den erften Yahrzehnten unferes Jahrhunderts, fo
werden aud die B. jett verhältnigmäßig feltener
angewandt, In den legten Jahren hat man die
Beobachtung gemacht, daß bei gewiffen Krankheiten
der Gebärmutter u. ihrer Umgebung die Anwenv-
ung von Ben Äußerft günftig wirkt, fo daß dem
B. bei der Behandlung diefer Krankheiten im der
nächſten Zeit vielleicht noch eine große Rolle zu-
fallen wird. A) Zbome. B) Berns.
Bluteigene, eine Art Leibeigene; ſ. u. Leib-
eigenſchaft.
Bluten (Thränen) des Weinſtodes, Aus—
laufen des Saftes aus der Schnittfläche der Re—
ben, wenn der Weinſtock im Frühjahre zu ſpät
beſchnitten wird; es iſt dem Wachsthum u. der
Fruchtbarleit nachtheilig, muß deßhalb durch recht—
zeitiges Beſchneiden vermieden werden.
lutendes Brot, ſ. Blutwunder u. Balterien.
Blutentziehung. Sie ift entweder eine all-
emeine, wem man dur Berminderung der
efammtmenge des Blutes die Spannung der
Blutſäule in den Gefäßen herabiegen will, oder
eine örtliche, wenn man bloß in einem Körper»
theil die Blutmaffe zu vermindern beabfichtigt.
Die erſtere gefchieht duch Eröffnung einer Vene
(Aderlaß, Benäfection, Phlebotomie), vie lettere
durch Anfegen von Blutegeln, Einfchnitte od. Ein-
ftihe, Schröpftöpfe. Früher eröffnete man auch
Arterien (Arteriotomie), namentlich bei jchlimmen
Augenentzündungen die Schläfenfchlagader, beging
jedod damit einen großen Jrrthum, da die dar-
auf nöthige Unterbindung eine Überfüllung von
Blut in den benachbarten Blutbahnen zur Folge
bat. In nenerer Zeit wendet man bei örtlicher
Dlutentieerung öfters die Vdellotomie an, wenn
man eine mäßige Blutentleerung verlängern will,
3. B. bei Blutandrang nach dem Kopfe; man fett
nämlich mur einen oder ein Paar Blutegel an die
Nafenicheidewand u. ſchneidet diefelben, fobald fie
ſich feftgefogen haben, mit der Scheere quer durd).
Die Bintegel fallen trot diefer Verlegung nicht ab,
fondern faugen fo lange weiter, bis man durch
Aufftreuen von Salz fie zum Abfallen bringt.
Die örtlichen Blutentleerungen, namentlid Die
Schröpflöpfe, wirten außer dur die Verminder-
ung der örtlihen Blutanhäufung durch einen ftar-
fen Hautreiz, der durch die vielfahen Heinen
Verletzungen durch den Schröpfichnepper verur-
die Spannung der Blutfänle; man wendet fie
daher gegenwärtig faft mur als ein Mittel zur
Befeitigung einer augenblidlihen Gefahr au,
3. B. bei drohendem Schlaafluß, enormer Blut
überfüllung der Lungen u. j. w,, während man
mit Recht darauf Werth legt, die Kräfte der iranı
fen foweit wie möglich zu jparen. Die j. 3.
namentlich von Bonillaud beliebten Aderläffe Schlag
auf Schlag, ebenfo die Aderläffe bei Typhen u.
anderen jchweren confumirenden Krankheiten find
längft verurtheilt, ein jolher Mißbrauch ift heut»
zutage mur nocd bei ummifienden Menſchen u.
Böllern beliebt. Kunze.
Bluterbrechen (Haematemesis, Vomitus
eruentus, Morbus niger Hippocratis, Melaena)
nennt man die Entleerung einer mehr od. weniger
großen Blutmenge durch Erbreden, Das entleerte
Blut ftammt immer aus dem Magen. Es bildet
entweder nur rothe Streifen in erbrochenen Speifes
maffenod. Schleim, od, die Blutmenge iſt viel größer,
beträgt einen Taſſentopf voll und darüber. Es
ſteht faft immer dunkel, ſelbſt Schwarz aus und
reagirt ſauer von dem beigemiichten Magenſafte.
Bei den meiften Magenblutungen entleeren die
Kranfen nah ein Baar Stunden auch blutige
Maſſen durch den Stuhl, u. diefe ſehen theerartig
ihwarz aus. Bisweilen wird bei den Magen-
blutungen das Blut gar nicht nach oben durch
Erbrechen, jondern mur durch den Stuhlgang ent
feert (M, niger Hippoeratis), eine Erſcheinung
von großer diagnoftiicher Wichtigfeit, infofern man
daraus oftmals allein auf eine ftattgehabte Magen—
biutung ſchließen kann. Dem B. geht ftets ein
ohnmachtähnliches Gefühl voraus; daſſelbe iſt oft«
mals jo ftarf, als wenn das Yeben vergeben follte,
Immer bleibt nach copiöfen Magenblutungen eine
hohe Bläffe des Kranken zurück. Die Urſachen des
Bes liegen ftets in Verletzungen von Magengefäßen;
diefe können beitehen in Zerſtörungen von Ge»
fäßen durch den Genuß äßender Gifte, durd kreb—
fige oder runde Geſchwüre u. in Zerreißungen
von Magenggfäßen durch geiteigerten Blutdruck.
Das B. bei Magentrebs hat meift das Eigen-
thümliche, daß die Blutmaflen ein kaffeeſatz-ähn—
liches Ausiehen haben, während bei Magenger
ſchwür das Blunt etwas heller ausfieht u. meiit
in großen Mengen entleert wird. Das B. durd)
gefteigerten Blutdrud im den Magengefäßen be-
obachtet man beſonders bei Berjtopfungen der
Pfortader, bei Yeberverhärtungen u. bei den jog.
vicariirenden Blutungen, d. h. Blutungen, die an
Stelle von phufiologiihen oder gewohnten patho»
logifhen treten, 3. B. an Stelle der monatlichen
Blutung bei Frauen oder der Hämorrheidal-
bfutungen aus dem Majtdarme. Das B. iſt nad
dem Geſagten ſtets Symptom einer anderen Krank—
beit, niemals ein felbftändiges Leiden, u. feine
Wichtigkeit hängt ab von der Wichtigkeit der ur—
facht wird, und dieſelben werden deshalb Häufig ſächlichen Erkrankung. Zur Stillung des Bes ift
als Ableitungsmittel benutzt. Beranlaffung zu/abjolute körperliche u. geiftige Ruhe des Patienten
allgemeinen Bilutentziehungen geben namentlich
heftige Entzündungen febenswichtiger innerer Or—
erforderlich, der Patient muß möglichſt unbereg-
lich im Bette liegen u. fi zunächſt aller Nahr—
gane, doch hat man in letter Zeit den Gebraud) ungsmittel enthalten, um die Magenbewegung nicht
Öse
568
Bluterkrankheit — Blutfleckenkrankheit.
anzuregen. Außerdem läßt man zur Stillung des ſerblich zu fein, während die weiblichen nicht ſelten
Durftes u. der Blutung Eisſtückchen verſchlucken verſchont bleiben, Man fagt den Biutern mad,
(fein Selterswafjer!) u. verordnet Eiswaſſercom- daß fie jehr fruchtbar jeien, u. nah Wachsmuths
prefjen oder den Eisbeutel auf die Magengrube. | Zufammenftelung fjollen von 12 Biuterfamilien
Erſt nad 24—36 Stunden darf dem Kranken der
eßlöffelweiſe Genuß von ftarker, alter Fleiſchbrühe
gejtattet werden, u. hat jetst der Kranfe die in den
Darm berabgefloffenen Blutmaſſen noch nicht durch
den Stuhlgang entleert, fo mag man nun ein
Klyſtier von laumwarmen Seifenwaffer erlauben.
Außer Dielen Mitteln befigt der Arzt noch eine
Anzahl innerer blutftillender u. die Magenbeweg-
ung hemmender Mittel; ebenjo bat derfelbe die
bejondere Aufgabe, jpäterhin das urſächliche Lei—
den feiner Behandlung zu unterzieben u, dadurch
event. der Wicderfehr des B-8 vorzubeugen. Kunze.
Bluterfranfheit (Haemopbilie) bezeichnet
eine angeborene u. das ganze Yeben bejtehende, un:
heilbare Neigung zu Blutungen aus allen mög-
hen Geweben. Die Blutungen find meift jehr
maffenhaft u. äußerft Schwer zu ftillen. Die Kranl-
heit kommt in dev Hegel erft zur Cognition bei
Gelegenheit irgend einer Heinen Verlegung, nament:
lich häufig beim Ausziehen eines Zahnes, Ohne
Verlegung kommt e8 bei der Bluterkrankheit nicht
zu Blutungen u. unterjcheidet fi) hierdurch die-
jelbe von der Blutjledentvanfheit (Morb. macu-
losus Werlhofii) ; ebenſo kommt es nicht jpontan
zu Blutungen aus dem Zahnfleifche oder zu ge-
ſchwürigen Yerftörungen deffelben, wie beim Scor—
but. Außer bei Heinen Berlegungen irgendwo
am Körper (3. B. durch Blutegelfiiche, Aderlaß—
wunde, Stiche u. ſ. w.) beobachtet man bei der
Bluterkrankheit bejonders unftillbares Nafenbiuten,
doh kommen auch Blutungen in der Bauchhöhle,
in dem Darme u. anderen Organen vor; die
monatliche Reinigung pflegt überaus copiös zu
fein. Schon in den ſogen. Entwidelungsjahren
(vom 15. bis 20. Yebensjahre), noch mehr im
Biüthealter entftehen knollige Berdidungen der
(Selenfe, Die den rheumatischen Gelentaftectionen
ähnlich u. wie diefe mit Schmerzen bei umschlagender
Witterung verbunden find; diefelben beftchen vor-
zugsmweife in chroniſch entzündlichen Verdidungen
der jehnigen Theile der Gelenke; maygentlich leiden
tie. Gelenle der Interegtremitäten® Die Bluter
find im Übrigen gejund, haben meift eine gute
Verdauung u. gute geiftige Anlagen. Durch die
von Zeit zu Zeit eintretenden Blutungen kommen
fie zwar momentan fehr zuriid, werden hoch
gradigſt blutarm, u. es Tann theils durch die
Blutungen, theils durch die Gelentaffectionen ein
ſcheinbar höchſt bedrohliher Zuftand eintreten, in
den hänfigiten Fällen jedoch wendet ſich derjelbe
zum Bejjeren, u. jelbft copiöfe blutige Ergüfje in
die Umterleibshöhle kommen fchnell wieder zur
Aufaugung. So erlangt der Bluter meift ein
ziemlih hohes Alter, ı. die Krankheit gefährdet
an fi das Leben fehr wenig. Nur in den Kin-
derjahren, etwa bis zum 10.—12. Lebensjahre,
it fie bedenklicher und führt öfter zum Tode.
Die B. ift immer angeboren, häufig ererbt, und
es gibt fogen. Bluterfamilien, in denen alle Ge:
nerationen derjelben Vertreter der Bluterkrankheit
aufzumeifen haben; namentlich jcheint die Krank—
beit für die männlichen Glieder der Bluterfamilien
auf jede 9'/, Kinder kommen. Schreiber dieſes
lennt aber auch eine kinderloſe Bluterfamilie,
Das Weſen der Krankheit ift noch nicht gemau
befannt. Man nimmt eine leichte Zerreißlichkeit
der Blutgefäße als Urſache der Blutungen an,
doch kennt man nicht die genaueren Details der
Beichaffenheit der Gefäßwände, ebenjo nicht Die
Urfachen, welche der Entwidelung biejer leichten
Zerreißlichkeit zu Grunde liegen. Die Behandlung
bat e8 mit -Stillung der Kisten zu then.
Dieje wird verfucht durch Eiswaſſerumſchläge, Ein-
iprigungen von Eiswaſſer in die Naſe bei Najen-
bintungen oder Zuftopfen der vorderen u. hinteren
Nafenöffnung; durch feſt angedrüdte Comprefien von
gezupfter Leinwand, die mit ftarler Gerbjäurelöfung
od, ſalzſaurem Eifenliquor getränkt ift, auf Die bint-
ende Zahnfleiſchwunde oder auf blutende Blut-
egelftihe u. ſ. w. Iſt die Blutung geftilt, jo iſt
durch nahrhafte Koft u. Eifen auf Blutverbeffer-
ung hinzuwirken. Virchow, Handb. der Path. u.
Therapie, Bd. I., ©. 263; Reinert u. Amann,
Virch. Jahresber. 1869, IL, 268; Grandidier,
über Hämophilie, Hannov. An. 18395 Wachs—
muth, Die Binterfrankheit, Magdeb. 1849; Legg,
Wickham, Four cases of Haemophilia, St. Barthol
Hosp. Rep.V II; DMomberger, Beitrag zur Lehre von
der Hämophilie, Diff., Gießen, 1862. Kunze.
Blutfahne, 1) vothe Fahne, welche den Blut:
bann fymbolifirte m. mit welcher diefer ſonſt vorn
Kaifer zum Lehn gegeben ward. 2) Das in
dem ſächſiſchen, brandenburgiichen, anbaltidhen
us. mw. Wappen befindlide, den Blutbann be
zeichnende, leere oder mit einer Arabesle ver-
zierte vothe Feld.
Blutfajerftoff, der im Blute enthaltene Faſer⸗
off; ſ. u. Blut.
Blutfeld, 1) fo v. w. Haleldama. 2) So v. w.
Blutfahne 2).
Blutſink, jo v. w. Gimpel.
Blutfläſchchen (Blutampullen, Blutgefäße),
Glasfläſchchen an der Außenſeite von Gräbern
chriſtlicher Märtyrer angebracht, deren Blut man
in denſelben enthalten glaubte. Bgl. Kraus, Die
Blutampullen der römiſchen Katalomben, Fraukf.
1868; Derf., Über den Inhalt u. die Bedeutung
Ber röm. B., Freib. 1872,
Blutflecken, Bıiutaustritte in die oberflächlichfte,
gefäßreichſte Schicht der Lederhaut, feltener in das
Unterhautzellgewebe, gemwöhnlih glatt und nicht
über die Hautoberflähe erhaben, nicht wegzu-
drüden, von der Größe eines Nadellopfes bis zu
der einer Linſe, od, auch größer u. unregelmäßig
ftriemig, mit Fieber verbunden (f. Petechien), od.
ohne diefes, infolge von Scorbut, Milzleiven zc.,
gruppenweife u. ohne Ordnung auftretend, ohne
Schmerz u. ohne Abſchuppung. — Blutfleden auf
Dielen, Kleidungsftüden u. f. w. find oft von ger
richtlicher Wichtigkeit; ſ. Hämin.
Blutfleckenkrankheit (Werlhofſche Krankheit,
Purpura haemorrhagica), ein Kranfheitszujtand,
bei welchem infolge einer leichten Zerreißlichteit
der Blutgefäßwände oder infolge einer eigenthim«-
Blutfluß — Blutgeſchwulſt.
569
lichen Beſchaffenheit des Blutes maſſenhafte klei-des Herzens, od. das Blut tröpfelt nur ab (Stil-
uere u. größere- Blutaustritte in die äußere
ut|lieidium sanguinis), 3. B. beim Nafenbluten.
u. in alle möglihen Schleimhäute (alfo der Naſe, Die Urfachen der Biutflüffe find entweder phyſio—
der Puftröhren, des Magens u. Darmes, der Harn-
blafe, des Nierenbedens, der weiblichen Geichlechts-
organe) auftreten. Die Blutungen erfolgen aus
den Haargefäßchen; die auf der äußeren Haut
vorfommenden bilden Heine ftippcbenförmige oder
Iiniengroße ſchwarzrothe Flecke, die Durch Finger—
druc nicht verichwinden. Aus den Schleimhäuten
finden häufig ſehr copiöje u. gefahrnolle Blutungen
ftatt, namentlich find die Blutungen aus der Naſe
durch die Maflenhaftigleit des ergoffenen Blutes
in der Megel jehr bedenflih. Die Krankheit hat
Ahulichfeit mit dem Scorbut, doch fehlen ihr die
geihmürigen Zerftörungen am Zahnfleiſch, die für
letsteren daralteriftiich find, u. Die Blutergüſſe in
die tieferen Zellgewebsſchichten, in die Muskeln,
Kunochen, Gelenke 2c.; ebenfo mit Binterfrankheit
(Hämophilie), do kommen bei diejer feine ftipp-
den» oder Iinjengroße Blutaustritte in die Hant
(Betechien) vor, auch find die Urſachen und der
Berlauf der Krankheiten verjchieden. Als Urſachen
der B. kennt man confumirende, ſchwere Kranl-
heiten: Typhus, Wechielfieber, Boden, ferner den
Mangel an genügenden Nahrungsmitteln, man
beobachtet deshalb die Krankheit in Gefängniffen,
lange cermirten Feſtungen u. ſ. w., namentlich
wein jchlechte Koft im Berein mit dumpfiger, un—
gefunder Wohnung einwirken konnte, Der Ber
lauf iſt meift fo, daß fich zuerft auf der Haut der
Unterertremitäten, demnächſt am Rumpfe u. an
ten Oberertremitäten dunkelrothe, flohjtich- oder
erbjengroße Fleden im mehr oder weniger großer
Zahl einftellen, die jedoch meift das Geſicht ver-
fchont lafjen. Die Fleden entfärben ſich nad eini«
gen Tagen, werden grün, dann gelb. Auch in
der Mundhöhle finden ſich dieje Fleden. Demnächſt
fommen Blutungen aus der Naſe oder aus dem
Darme u. j. w., u. dieje erichöpfen den Kranken
jehr. Die Gefichtsfarbe wird nun bleich, der Puls
klein, es tritt eine waſſerſüchtige Anichwellung an
den Knöcheln ein, der Kranke ift jehr matt, hat
wegen Blutleere Herzklopfen, Schwindel u. Ohn⸗
machten u, ſ. w. Zrog diefer anſcheinenden Ge-
fährlichkeit des Zuftandes erfolgt gleihwol in den
meiften Fällen Heilung, doch dauert die Erholung
meift jehr lange. Die Behandlung hat es theus
mit angenblidlichen Gefahren der Blutung od. der
Erſchöpfung zu thun, u. paſſen in dieſer Hinficht
event. Eiswafferumichläge äußerlich u. falzjaure
Eifentinctur innerlich, tropfenweile dem Trintwaffer
zugejegt, Hofmanns Tropfen, Wein; theils mit
Berbejjerung der Ernährung u. der fonftigen
hygieiniſchen Berhältniffe duch Darreihung fräf-
tiger Fleiſchbrühe, Milch, weiche Eier u. f. w. u.
durch geſunde Wohnräume, Bäder. Kunze.
Blutfluf (Haemorrhagia), Austritt von Blut
aus feinen natürlichen Behältern, dem Herzen, den
Schlag: u. Blutadern u. Haargefäßen, Jeder grö-
Bere B. erfolgt durch Zerreißung der Gefäßwände,
Heinere Blutflüſſe entftehen öfter durch Austritt von
Blut durch die unverlegten Gefäßwände, durch die
logischer Natur, 3. B. der monatliche Blutfluß beim
weiblichen Geſchlechte, u. finden diefe immer aus
den Haurgefäßen ftatt (capilläre Blutungen), oder
fie find pathologifher Natur u. entiteben durch
Berlegungen von Gefäßen durch Schnitt, Stich
dur Anätungen mit concentrirten Säuren, Ber:
ften fettig entarteter Gefäßwände (befonders im
Sehirne), durch zu ſtarken Blutdrud infolge fehr
geReigerier Herzaction od, behinderten Abflufjes des
futes aus Gefäßbezirken, 3. B. bei heftigem Hu—
iten, Preffen beim Stuhlgange. Bismweilen beo-
bachtet man bei fehlender Menftruation od. ausge-
bliebener hämorrhoidaler Blutung Blutflüffe aus
dem Magen, aus den Luftwegen zur Zeit der
erwarteten Blutung (vicariirende Blutflüffe). Eine
befondere Dispofition zu Blutflüſſen (hämor—
rhagiſche Diathefe) haben die Kranken mit der
Blurfledentranfheit u. der Bluterkrankheit (ſ. d.).
Die Blutflüſſe find für die Geſundheit nachtheilig,
wenn durch diejelben eine bedrohliche Blutleere
(bfeihe Lippen, Ohnmacht, Herzklopfen) entiteht,
u. find in diefer Hinficht namentlih Blutungen
aus den Schlagadern mit ihrem ſpritzenden Strahl
gefährlih. Kleinere Blutungen aus den Haarge-
fäßen haben nur unter befonderen Umftänden eine
Gefahr, 3. B. bei Säuglingen. Nicht felten haben
Blutflüffe einen mwohlthätigen Einfluß auf Krank—
beitsverhältniffe, 3. B. Nafenbinten bei Biutanhäuf-
ung im Kopfe, u. muß man bei diefen die Blut—
ung nicht fo leicht hemmen. Die biutftillenden
Mittel find bei Verlegung von Schlagadern die
Unterbindung, die Umftechung, bei den übrigen Blut«
ungen Eiswaſſercompreſſen, ftraffe Umwickelung
des biutenden Theils ꝛc. Das im Bolfe übliche
Blutbeſprechen gehört dem Aberglauben an. Kunze.
Blutgefäfe, 1) (Vasa sanguinea) die röh-
venförmigen, Blit vom u. zum Herzen filhrenden
Organe (Arterien, Venen, Capillargefäge). Ihre
Sejammtheit mit Fnbegriff des Herzens wird als
Blutgefäßſyſtem bezeichnet. Die Heineren B.
gehen oft durch Seitenverbindungen (Anaftomo«
jen) in einander über, welche, wenn fie fi) netz—
artig vervielfältigen, Adernete (Rete vasculo-
sum, arteriosum, venosum), oder wenn die Ges
fäße gleihiam verflochten find, Adergeflechte
(Plexus) beißen. 2) So v. w. Blutfläſchchen.
Blutgeld, 1) jo v. mw. Wehrgeld. 2) Seid,
welches für Entdedung eines Verbrechers u. für
Zeugniß gegen ihn gezahlt wird. Dies ift bei. in
England gewöhnlich. Den Juden verbietet ein Ge—
ſetz, ſolches B. zu nehmen.
Blutgefchwulft (Hämatom), eine durch Blut-
austritt aus einen Gefäße in lares Bindegewebe
entjtandene, mehr oder weniger umfchriebene Ge»
ihmwulft, die meift nach traumatischen Einflüſſen,
Quetſchungen ꝛc. entjteht. Ob dabei fih die Haut
verfärbt, hängt davon ab, wie tief das Blur unter
derjelben liegt; bei tiefen Bintergüffen, den aus»
gebreiteten ſowol, als den umſchriebenen, findet
man oft, zumal glei nach der Verlegung, gar
jog. Stomata, d. bh. LYüden in den Gefäßmwänden. |feine Berfärbung der Haut, diejelbe trirt erſt nach
Die fi ergießende Blutmenge kann jo bedeutend einigen Tagen ein. Der umgrenzte Bluterguß
fein, daß ſchnell der Tod erfolgt, 3. B. bei Berftung | bietet das charakteriftifche Gefühl der Schwappung,
570 Blutgerüft — Blüthe,
polygamifche (Pl. polygamae)bezeichnet werden.
Ben, welche nur die weientlicherr Theile, die Ge—
ſchlechtsorgane, tragen, heißen nadteB-n, aud
dann, wenn die zu der Blüthenachſe gebörigen
Tragblätter u. Vorblätter blumenfronenartig ums»
gebüder find. Bei den meiften Pflanzen aber
find die Geichlechtsorgane noch von unmwejentlichen
Organen, die jedoch dem Laien vorzugsmweiie in
die Augen fallen, umgeben, nämlid von den Blät⸗
tern der Blütbenhülle (Integumentum florale).
Daffelbe beiteht entweder aus nur einem Cyklus
von Blättern u. ift dann eine einfahe Ben
hülle (Perigonium simplex), welche jedoch in ſehr
vielen Fällen dadurch zu Stande gelommen ift,
daß eine zweite B-n-hiülle abortirt ıft; Derartige
Ben pflegen als biumenblattlofe (Flores ape-
tali) bezeichnet zu werden. Ihnen gegenüber ftehen
diejenigen B-n, welche 2 Benhüllen oder 2 Cyllen
von Benhüllbiättern tragen; find Diefelben im
gleiher Weiſe ausgebildet, fo pflegt die Hülle
doppeltes Perigon (Perigonium duplex) ge
naunt u. ein Äußeres u. inneres Perigon
(Perigon. externum u. internum) unterichieden
zu werden (wie bei der Zulpe). In den meiften
‚Fällen jedoch find die äußere u. die innere Hülle auch
äußerlich verichieden, dann wird die innere, meift
bunt gefärbte Hülle als Blumentrone (Corolla),
die Äußere, meift grüne Hülle als Kelch (Calyx)
bezeichnet; den jelten vorlommenden, unterhalb
des Kelches ftebenden Kelh nennt man Außen-
feld (Calyeulus). Die fänmtlihen Blattorgane
der 8, werden mit dem gemeinjamen Namen B-n-
phyllome bezeichnet,
II. Die B-nadhje(Axisfloralis, Receptacnlum)
ift nach meiner Anficht ftetS nur der Träger der
B⸗nphyllome, jedoch find einige wenige Autoren
der Anficht, daß fih auch bisweilen ihr Ende an
der Bildung des männlichen u. weiblichen Zeug»
ungsapparats betheilige. In den meiften Fällen
it die Benachie verkürzt u. kaum ftärfer, als
der Benftiel, häufig iſt fie jedoch erweitert, jcheir
benförmig (discoideum), polfterfürmi g (pul-
vinatam), bisweilen auch geitvedt u. walzen»
förmig (cylindroideum). Während in den meiften
Füllen die B»nphyllome dicht auf einander folgen,
find doch häufig auch zwischen den einzelnen For—
mationen der B. größere Zwiſchenräume
den, namentlich zwifchen Staub» u. Fruchtblättern,
fo daß fettere von dem verlängerten Achſengliede,
dem Gynophorum, über die anderen Theile
der B. emporgeboben werden, fo namentlich bei
den Gapparideen. Bismweilen ragt auch das Ende
der B-nachfe iiber die Einfügungsitellen der Frucht»
blätter hinweg, oder diefelben lehnen fich an dafjeibe
an, wie bei den Zygophylleen u. Autaceeen. An-
derfeits ift die B-nachſe nicht felten aAusgehöhlt
(excavatum), od. beherförmig(ceupuliforme); die
Folge davon ift, daß die Adhienipige am Grunde
der Hödlung fiegt, während die Theile der Achſe,
welche ſich bei normaler Stredung derfelben unter
der Spitze befinden würden, ſich jett über die
Achſenſpitze erheben, wie man fich leicht vorftellen
fan, wenn man fi einen Handſchuhfinger ein»
geftäipt denkt. Demzufolge miülſſen auch die faft
immer am Ende ftehenden frudftblätter in die
Tiefe der Höhlung, dagegen die Staub-, Blumen-
(Fluctuation) dar. Je nad den Pocalitäten, an
denen fie vorkommt, hat fie befondere Namen er»
halten, 3. B. am Kopfe Cephalbämatom, an den
Schamlippen Epiſiohämatom. Sie endet meift
in Zertheilung.
lutgerüſt, ſ. Schaffot.
Blutharnen (Haematuria), Abgang von rei
nem oder mit Harn vermifchtem Bluie aus der
Harnröhre. Das B. ſtammt entweder: a) aus den
Nieren, tritt dann unter Schmerzen auf und
rührt ber von Berlegungen der Nieren, Blutan-
drang nad denjelben, Steinen darin zc.; das
abgehende Bint ift innig mit dem Harne gemischt;
b) ausden Harnleitern; e8 eutiteht dann vor-
züglih beim Durchgange von Nierenfteinen durd
diefelben u. ift mit Schmerzen die Harnleiter ent:
fang, oft auch Elel u, Erbreden verbunden; c) aus
der Harnblaje; das Blut ift hier weniger mit
dem Harne gemengt, als in den beiden vorigen
Fällen; der zuerft entleerte Harn ift ohne Blut, u.
erft die zulett entleerte Maſſe enthält daflelbe u,
befteht nicht felten aus reinem Blute; die Blaſe ift
ſchmerzhaft; die häufigſten Urſachen der Blafen-
biutungen find Blafenfteine; d) aus der Harn-
röhre, bei. beim männlichen Geſchlechte infolge
von Hämorrhoiden, Berlegungen,, Zripper; das
Blut gebt allein, feltener mit dem Harne ab. Das
B. ift in vielen Fällen bedenklich, weil es gemöbn-
lich Folge anderer ſchwere Leiden der Harnwerlzeuge
ift. Es herrſcht mitunter im Frühjahre bei Schafen u.
Rindern enzootiſch u. rührt in dieſem Falle von beim
Weidegange aufgenommenen Schädlichleiten her.
Dlüt e (Flos). I. Begriff u. Theile dei
Blüthe. Im weiteren Sinne gilt die Bezeidh-
nung Blüthe für die Organe, welche bei der ge-
ſchlechtlichen Zeugung zufammenmirfen und bie
Bildung eines neuen Individuums zur Folge
haben; daher fann man auch bei den anderen
Pflanzen, ben Algen, Pilzen u. Moofen, ſowie
bei den Gefäßfryptogamen, deren männliche und
mweiblihe Organe wir fennen, von Ben jprecen,
doch) begnügt man fich hier meift damit, von männ-
lihen (Bollinodien, Antberidien) und weiblichen
Organen (Oogonien u. Archegonien) zu jpreden,
während man den Begriff B. im engeren Zinne
fin die Phanerogamen vorbehält u. darunter eine
Achſe verjteht, weldhe entweder Staubblätter
(Stamina), d. i. die Träger der männlichen Zeug-
ungszellen (männliche B., Flos masculus), oder
Fruchtblätter (Carpidia), d. i. die Träger der
weiblichen Zeugungszellen (weibliche B., Flos fe-
mineus), oder endlich beide Arten von Blättern
(Zwitter-®., Flos hermaphroditus) trägt. Die:
jenigen Pflanzenindividuen oder Pflanzenftöde,
welche eingeſchlechtliche Ben tragen, heißen Di »
Hinifhe, zum Unterichiede von den monofli-
nifhen, weiche hermaphrodite Ben tragen, und
diejenigen Individuen oder Stöde, welche immer
nur Ben einerlei Gejchlechtes hervorbringen, heißen
diöciſche (Plantae dioicae), zum Unterichiede von
den mondcifchen (Pl. monoicae), welche einge-
fchlecht liche Ben beiderlei Geſchlechtes hervorbringen,
während endlich diejenigen Pflanzenftöde, welche
außer eingefchlechtlichen Ben auch noch Zwitter-B-n
tragen, aus denen ſich die erſteren durch Verlümmer—
ung des einen Geſchlechtes entwidelt haben, als
Blüthe, 571
u. Kelchblätter mehr an den Raud der Höhlung] einzelne angelegte Blüthenbhyllome nicht zur Ent-
zu ſtehen kommen. Hierbei kann nun die Jnnen-|widelung gelangen, jo wird dies als Abort be-
wand der ausgehöhlten Achſe von den Tzrucht-| zeichnet; jedoch kann fich derſelbe auch in der
blättern durch einen Zwiſchenraum getrennt fein, Weife vererben, daß fchließlich die Anlage diefer
n. dann ift die B. eine perigynifde (Fl. peri-| Organe gar nicht mehr erfolgt u. nur die dor»
gynus), oder die Innenwand der Achſe kaun an
die Garpelle angewacien fein, u. dann ift die B.
eine epigynifche (oberftändige, Fl. epigynus). Er-
ſteres ift 3. B. der Fall bei der Kirſche, letzteres
bei allen Doldenpfianzen. B-n mit normaler
Ausbildung der Achſe u. nicht verfchobener Stell:
ung der B-nphyllome heißen hypogyniſche
(unterftändige). Häufig fommt die Achfe zwiichen
den Einfüqgungsftellen der Blumen- und Staub-
blätter, ſowie auch diefer und der Fruchtblätter
in Form eines mehr oder weniger hervortretenden
Wulftes (Discus oder Torus) zum Vorſchein, wel
er zur Zeit des Auffpringens der Staubbeutel
von ausgefondertem Honig ftarf glänzend erfcheint
u. von Inſecten bejucht wird; derjelbe ift entweder
ringförmig (annulatus), oder frugförmig
(urceolatus), oder polfterfürmig (pulvinatus);
nicht felten dringt er mie eine weiche Maffe in
alle Zwifchenräume zwifchen den Stanbblättern u.
ift dann geferbt (crenulatus), od. gefurcht (ere-
natus); nicht felten wächſt er auch zu fadenförmi-
gen oder köpfchenförmigen, mit den Staubblättern
abmecjelnden Organen aus, die man als Drüfen
(Rektarien, Glandulae) bezeichnet; auch erfcheinen
fie als Schüppchen (Squamulae); bisweilen find
fie auch verfünnmerten Staubblättern ähnlich. Je
doch find nicht alle Neltarien ſolche Gebilde, es
fönnen auch Blumenblätter, jelbft Keldhblätter zu
foihen umgewandelt werden. Endlich kommt es
vor, daß der Discus zu einem mächtigen, becher-
förmigen Wall (D. cupulatus) anwächſt, welcher
die reife Frucht vollftändig oder theilweife um—
ſchließt, wie bei Tarus. Ebenio fann der B-nboden,
das Reveptaculum, zur Zeit der Fruchtreife fich
ftarf vergrößern, fleiichig werden u. eine Schein-
frucht bilden (ſ. Frucht).
I. Die Entwidelung der Blüthenphyl—
lome ift meift afro» oder centripetal, d. h.
allermeift entiteben die Enflen des Kelches, der
Binmentrone, der Staub- u. Fruchtblätter in der
angegebenen, ihrer Stellung von unten nach oben ent»
jprechenden Reihenfolge. Sie find bald frei (liber),
bald verwachſen (connatus); im letteren Falle
hat man zu untericheiden, ob die Berwadhfung
eine nachträgliche, oder ob fie eine congeni
tale ift, d. b. ob die Theile bei ihrer Entjtehung
nur mit einem einzigen gemeinfamen Wirfte in die
Erſcheinung treten, an dem erft jpäter die einzelnen
Theile fihtbar werden. Die Benphyllome zeigen
ebenfalls bisweilen Nebenblattbildiungen, wie
die Laubblätter, jo die Kelhblätter der Dryadeen,
. die Staubblätter der Yauraceen u. von Ornitho-
galum. Eme an den Be⸗nphyllomen, namentlich
den Staubblättern, nicht jelten vortommende Er:
jcheinung ift die Spaltung (Chorisis, Dedouble-
ment), die entweder eine einfache Halbirung der
betreffenden Bhyllome zur Felge hat (Staub-
blätter von Adoxa, Corylus, Betula x.), oder
vollftändige Berdoppelung oder Multiplicirung
der von der Ehorife betroffenen Organe bewirkt
handenen Yüden auf den Abort (in diefem Falle
auch Ablaft genannt) ſchließen laſſen.
IV. Stellungsverbältnifje der B-nphyl-
(ome. Um fi in den Bu zu orientiren, muß
man folgende technifche Ausdrüde merken: Me—
diane iſt die Ebene, welche wir uns durch die
Abſtammungsachſe u. die Benachſe gelegt denen,
die darauf ſenkrecht ftehende, durch die Benachie
gelegte Ebene ift die Transperjale; was der
Abſtammungsachſe zugelehrt ift, heißt oben oder
binten, was ihr abgefehrt ift, unten oder vorn.
Ben, welche ſich durch mindeftens eine Ebene in
gleihe Hälften zerlegen laffen, heißen jonmes»
trifch, im Gegenfate zu den ſelteneren aſymme—
triihen B-n. Die ſymmetriſchen Ben zerfallen
in zygo morphe, zweieitig-fymmetriiche, welche
nur durch eine Ebene im zwei gleiche Hälften zer-
legt werden können, und in aftinomerpbe,
ftrabfige, mehrfach ſymmetriſche, Die durch minde—
ſtens 2 Ebenen in gleiche Hälften zerlegt werden. Ye
achdem bei denzygomorphen B-ndie Theiluugsebene
mit der Mediane od. Transverjale zufammenfält,
zod. wiſchen diefe zu liegen kommt, heißen die Ben
median-, transverfal- oder ſchräg-zygo—
morph. Eine vollftändige Umkehrung der Ben
aus ihrer urſprünglichen Stellung in die entgegen⸗
geſetzte, wie fie bei den Orchideen vorkommt, wird
als Rejupinationm bezeichnet. In der Benknoſpe
haben die jungen B-nphyllome zu einander eine be»
jtinumte, oft für große natürliche Gruppen charaf-
teriftiiche Lage, De man Knofpendedung
(Aestivatio) nennt; dieſelbe ift reitend (eqni-
tativa), wenn fih die Blattränder gegenſeitig
deden, klappig (valvata), wenn fie ſich gegen«
jeitig berühren, eingefaltet (induplicativa), wein
die fi berührenden Ränder nad innen gebogen
find, dachig (imbricata), wenn beide Ränder
der äußeren Blätter über die inneren gededt find,
gedreht (contorta), wenn immer der rechte Hand
des einen Blattes den linfen des benachbarten
det od. umgekehrt, fünfſchichtig (quincuncialis),
wenn 5 Blätter fo liegen, daß zwiichen 2 äußeren
ganz unbededten u. 2 inneren ganz bededt liegen»
den Blättern ein fünftes (dev Entitehung nach
das dritte) fo eingefchoben tft, daß es mit dem
einen feiner beiden Ränder iiber eines der inneren
Blätter übergreift; liegen die Blätter unregelmäßig
zerfnittert in der Knoſpe, fo ift die Dedung eine
zerfnitterte (corrugativa).
In manden Fällen verhält ſich der Benſproß
wie ein Laubiproß mit fpiraliger Bflattjtellung,
d. h. ſämmtliche B-nphyllome der verſchiedenen
Formationen folgen auf einander in continnirlicher
Spirale mit conſtanter Divergenz, ſo bei Coni—
feren, Cycaceen, den Calycanthaceen u, einzelnen
Ranuncunlaceen; ſolche Ben heißen acykliſch; häu—
figer finden wir die Benbillle quirlich gebildet u.
die Spiralitelling nur in der Staubblatt- umd
Fructblattiormation erhalten; Dies find hemi—
eylliſche Ben, Die meiſten Ben dagegen zeigen
j
(Staubblätter der Eruciferen u. Auvantieen). Wenn ſowol bei ihrer Entwidelung, als im ausgebildeten
-
572
Auftande Onirle, welche mitt einander alterniren
(j. Blatt, Abſchnitt Blattſtellung); nur der Kelch
ift häufig jo, mamentlih der Bzählige, daß er
ebenio gut als jpiralig, wie als aus 2 Quirlen,
einem 2gliedrigen u. einem Ialiebrigen , gebildet |
angejehen werben kann. Diefe am häufigften vor-
lommenden B-n nennen wir insgeſammt cykliſche,
wobei es freiſteht, ſich die Quirle als zuſammen⸗
gezogene Spiralen zu denlen. Die Zahl der
Quirle in den cplliichen Bu ift eine jehr ver-
ſchiedene, fie ſchwanktt zwifhen ı (Carex) u. 16
(Aquilegia). Am bänfigften ſtimmen die Kelch-
u. Binmenblätter in der Zahl überein, während
die Staubbläner ans 1 oder 2 gleichzähligen
Quirlen befteben, die Fruchtblätter aber ın gerin—
ger Zahl vorhanden find, Es gibt aber aud
Blüthen mit Kelchen, welche ans 8 Quirlen be»
ftehen (Nandina) u. andere, bei denen die Staub
blattforwmation viele Quirle zählt (Yauraceen, Ro-
jaceen). Die Zahl der Glieder tmerhalb eines
einzelnen Benquirles varlirt von 2—30, abgejeben
von den durch Spaltung entftandenen Bermehr»
ungen, jo gibt es 9:—80zählige Duirle bei ein»
zeluen Graffulacen, namentlid Sempervivum.
Cytliſche Ben mit gleihzähligen oder ifomeren
Quirlen heißen encykliſch, mit ungleichzähligen
Quirlen beterocyllifch oder heteromer. Die
Heteromerie dann entweder durch nachträgliche
Verwachſung, Dedoublement, oder Abort veraulaßt,
oder urjprünglih, typiſch fein. Co tft z. 2.
tppiich fehr oft die geringere Zahl der Frucht:
blätter oder die jog. Oligomerie des Fruchtknotens.
Sehr viele große Pflanzenfamilien halten an ihren
typiſchen Zahlen feft, wie z. B. die Eruciferen,
Umbelliferen, Sompofiten, während wiederum an-
dere jehr variiren. Die gleihzähligen B-nquirle
pflegen zu alterıiren, u, wem fie fuperponirt
find, fo ift das gewöhnlih durch Abort eines
zwiſcheuliegenden zu erflären. Quirle mit fecums-
därer (nachträglicher) Heteromerie zeigen wenig
Störung in den normalen Berhältniffen, Hingegen
ftellen ſich typisch heteromere Quirle meiſt jo zu
einander, Daß cine möglichit annähernde Alter:
nation, ein möglichit vollftändiges Ausweichen der
Theile erzielt wird.
V, Der Kelch (Calyx) befteht zumeift aus grünen
Blättern, kommt jedoch aud gefärbt, froneus
artig (corollinus) vor, wie 3. B. bei vielen Ra—
uunculaceen u. den Monokotyledonen, denen ein
fog. doppeltes Perigon zugejchrieben wird, Bis—
weilen ift er nur wenig entwidelt (obsoletus),
wie bei den Umbelliferen, wo jeine von der aus-
gehöhlten Achſe emporgehobenen Zähne am Rande
des unterftändigen Fruchtknoteus kaum bemerf-
bar find. Die einzelnen Kelchblätter (Sepala)
Founen mit einander verwadjen, u. damı heit
der Kelch verwacdhfenblätterig (gamosepalus,
jdlechter monophyllus); jedoh iſt e3 manchmal
Schwer zu emticheidben, ob die Kelchabſchnitte
(Laciniae) am Rande eier ausgehöhlten Adhie
ſtehende, freie Kteichblätter, oder die Enden meh—
rerer mit einander verwachfenen Keichblätter find,
Der Form uach ift ber verwachſene Theil des
Kelches, die Röhre (Fubus), häufig glodeu«
förmig (campanulatus), röhrenförmig (tu-
bulosus), baudig (inflatus), trichterfürmig
Blüte.
(infundibuliformis), frugförmig (urceolatus)
u, ſ. w.; dagegen adhtet man beim Saume (Lim-
bus) darauf, ob derjelbe gezähnt, geipalten
od. getheilt ift; nicht jelten iſt derſelbe Iippen-
förmig (labiatus) u. läßt deutlich Ober- und
Unterfippe, eine obere u, untere —* erlennen.
Nicht gerade ſelten ſind einzelne Kelchblätter am
Grunde ſackig (saccatus), oder geſporut (calca-
ratus). Seiner Dauer nach iſt der Kelch ſchon
beim Aufblühen hinfällig (caducus), fpäter ab-
fallend (deciduus), oder bleibend (persistens).
retzterer wächſt bisweilen weiter, wie bei deu Ola—
cineen oder Physalis, wo er um die Frucht einen
häutigen Sad bildet; auch nimmt er bisweilen
an ber Fruchtbilſdung theil, Nachträglich entwidelt
fih auch aus den Saume des Keiches bei den
Compoſiten, Balerianeen, Dipfaceen ein ſogenaunter
Federkelch, Fede rkrönchen (Pappus) ; berfelbe
it entweder ein Kranz einfacher Haare (Pappus
pilosus), oder befteht aus federförmigen Haaren
(P. plumosus); er ift entweder figend (sessilis),
oder durch die röhrenförmige Verlängerung des
oberen Kelchtheil8 geftielt (stipitatus).
VI Die Blumentrone (Corolla) ift meift
aus zarteren Blättern zuſammengeſetzt, als der
Kelch, welche meift eine Oberhaut mit pas
pillenartigen Zellen u. ohne Spaltöffnungen be»
fiten; fie find entweder farblos (weiß), oder bunt,
nur felten grün; die gelbe Färbung wird bedingt
dur einen eigenthümlichen, dem Chlorophyll eini«
germaßen verwandten, an das Protoplasma ge»
bundenen Farbfteff, das Blumengelb oder
Authoranthin; die Farbſtoffe jedoch, welche die
blaue oder rothe Farbe der Blumen bedingen,
find mit wenigen Ausnahmen im wäfferigen Jell—
jafte gelöft, u. die verfchiedenften Nüancen, vom
Scharladyroth des Papaver Rhoeas bis zum Blau
der Gentiana, zeigen in ihrem Berhalien gegen
hemifche Heagentien eine fo große Übereinftumme
ung, daß die Annahme identischer Zufammenfegung
gerechtfertigter ift, als die übliche Unteriheidung
von Erythropbyli u. Anthocyan (Nägeli m.
Schwendener, Das Mikroſtop, S. 500). Bei den
nicht feltenen Bergrünungen nähern fi die
metamorphofirten Blumenblätter fowol in Geftalt,
als anatomifher Bejchaffenbeit den Laub- ober
Hochblättern u, laſſen danı häufig erft die Be—
deutung der einzelnen Theile erkennen; daſſelbe
giit von den Staub» u. Fruchtblättern (Antho—
Infe). Die Blumenblätter (Petala) bleiben ent»
wedergetrennt(Flores eleutheropetali, dialypetali,
polypetali), od.verwachſen zu einerfog. einblätterigen
Blumenfrone (Flores sympetali, gamopetali, mo-
nopetali),. Bei den gamopetalen Blumen-
fronen untericheidet man ebenfalls, wie bei dem
gamofepalen Kelche, die Nöhre (Tubus) u. die Ab»
ſchnitte (Laciniae) u. wendet diejelben Bezeich-
nungen an; uur fei noch bezüglich der lippen-
förmigen Blumenfrone(Fl. labiatus) bemerkt, daf
man unterſcheidet rahenförmige (Fl. labiatus
ringens) mit weit geöffneten Lippen und offenem
Schlunde (Faux) u. maslirte Blumentrone (Fl.
labiatus personatus), deren Schlund durch eine wulſt⸗
fürmige Ausbildung der Unterlippe, Gaumen
(Palatum) genannt, verichloffen ift. Wei den viel-
blätterigen Blumenfronen wird vorzugsweije
Blüthe. 573
Stellung, Zahl u. Geftalt berüdfichtigt; be-|zellen des Pollens od. Blüthenftaubes; fie pflegen
züglih der legteren unterfcheidet man dem brei-|fih meift im einige Tochterzellen, die Mutter-
teren, oberen Theil, die Platte (Lamina) u. den zellen des Pollens, zu theilen, u. diefe wiederum
unteren, ſchmäleren Theil, den Nagel (Unguis),|erzeugen durch Theilung je 4 Tochterzellen, die
welcher bejonders deutlich bei den Nellen hervor-| Bollenförner (Granula pollinis), weiche meift
tritt, bei vielen anderen Pflanzen nicht unter-|wie die Eden eines Tetraederg geordnet find
ſcheidbar if, Am Grunde der Platte finden ſich (. Zelle). Diefelben bleiben bei den fog. Angio-
bisweilen ne ap (j. Blatt), welche eine|ipermen oder Metajpermen einzellig, hingegen
Art Nebentrone (Paracorolla) zufammenjeten,|finden bei den fog. Gymnoſpermen od. Ärchi—
jo befonders bei den Fichtnelfen (Lychnis, Sapo-|ipermen, d. i, den Coniferen u. Eycadeen (f. d.),
naria) u. ber Narciſſe. Man bat veridhiedene|nod) weitere Theilungen ftatt, wie überhaupt die
Typen von vielblätterigen Blumenkronen aufge | Staubblätter diefer Familien auch andere Abweich—
fellt, fo die nellenartige, die malvenartige,jungen zeigen. Die Haut des Pollentornes diffe-
die Kreuzblume, die Sh Metterlingsblume,)renzirt fih in eine äußere, bderbere, oft mit
welche wir bei den betreffenden Pflanzenfamilien-|zierlihen VBerdidungen verſehene Schicht, die
erläutern (f. Caryophyllaceae, Malvaceae, Cruei|&rine, welche an einzelnen Stellen dünner ift,
ferae, Fumariaceae, Papilionaceae, ebenfo Lilia-|u. in eine innere, zartere Schicht, die Intine,
ceae, Orchideae, T,abiatae, Scrophnlariaceae :c.|welde mit ihrem Inhalte zur Zeit der Befrucht-
VI. Die Staubblätter (Stamina) findjung die Erine an den dünneren Stellen durch
Blätter, welche fih im folgender Weile zu männ-|bricht und zum Pollenſchlauche auswächſt (ſ. Pha⸗
lichen Gejchlechtsorganen umbilden: Sehr früh,|nerogamen). Während im dem meiften Füllen
wenn das Staubblatt noch als Feiner Höder auf-|die Pollenkörner frei find, fi abrumden und zur
tritt, treten im der unmittelbar unter der Epidermis |Feit der Reife ausftäuben, bleiben in anderen
liegenden Zellſchicht Theilungen ein, welche von|sällen die Tochterzelen der Mutterzelfen u. der
augen nad innen geradlinig fortichreiten; da mit Urmutterzellen mit einander verbunden, fo bei
fehr wenigen Ausmahmen dieſe Theilungen anjvielen Mimofeen, od. fie bilden eine compacte
den beiden Eden der Nüdfeite und den beiden|wacdsartige Maſſe, wie bei den Msclepiadeen u.
Eden der Vorderjeite erfolgen, fo treten an dem] Orcideen (j. d.). Diefe Bollenmaffen können nur
jungen Staubblatte bald 4 deutliche Wülſte hervor, |durch Inſecten auf die Narben anderer B-n ge»
Den Theil des Staubblattes, welcher diejelben [langen (ſ. Fortpflanzung). Noch fei bemerkt,
trägt, nennen wir die Antbere (Anthera), den daß die Antheren ſich binfichtli des Aufſprin—
darunter befindlichen, häufig fadenförmigen den gens (dehiscentia) verſchieden verhalten; wäh—
Staubfaden (Filamentum). Jeder der 4 Wülftelrend die meiften fi mit Längsfpalten öffnen
wird zu einem Fache der Anthere (Loculus), 2|(Antherae rimis lungitudinalibus dehiscentes),
find die hinteren (dorsales), 2 Die vorderenlöffnen ſich einzelne durch Duerfpalten, viele durch
(ventrales); je ein vorderes und ein hinteres]Töcer an der Spitse (Antherae biporosae), andere
bilden eine Antherenbälfte (Theca); der zwiſchen durch Klappen (Valrae). Was die Geftalt der
den beiden Hälften liegende Theil wird das Antheren betrifft, fo gelten für diefelben im All-
Mittelbaud (Connectivum) genannt. Bei man-|gemeinen die nämlichen Bezeichnungen, wie für
hen Pflanzenfamilien, 3. B. den Orchideen und|die Blätter; bervorgehoben follen bier nur were
einzelnen Arrideen ; fommt es vor, daf die beiden|den die zweihörnigen Antheren (Antherae bi-
Fächer einer Hälfte mit einander verſchmelzen (jog.|cornes), d. h. ſolche mit 2 hornförmigen Fortfägen
Antherae biloculares), anderfeit8 werden beil(Monotropeen, Rhododendron, Azalia), ſowie die
manchen auberen Pflanzen die Fächer quer getheikt, | gegrannten Antheren (Antherae aristatae), d. h.
jo daß jcheinbar vielfächerige Antheren (An-Jin einen borftenförmigen Fortſatz auslaufende
therae multilocellatae) entjtehen, wie bei vielen); Autheren; endlich die labyrinthförmigen A. (A.
Mimofen und Rhizophoren. Während häufig|maeandriformes), bei denen die Fächer jchlan-
die beiden hinteren Fächer nad außen, die beiden |genförmig gewunden find (Eucurbitaceen). Wichtig
vorderen Fächer nad) innen gekehrt find, erfolgtiſt die Anbeftung der Antberen an den Träger,
bisweilen eine folche Ausdehnung der Rücſeite, das Filament; fie heißen aufliegend (A. ineum-
daß beide Antherenhälften mit ihren Fächern ganz|bentes), wenn fie ſcheinbar mit einer Seite
nad) innen gelehrt werden (Antherae introrsae). |vem Ende des Trägers horizontal ‚aufliegen,
wie bei den Orchideen; umgefehrt werden andere|bemwegli (versatiles), wenn fie dabei mit faft
Antheren (3. B. die der Frideen u, vieler Or- nur einem Punkte ihrer Mitte der Spige des
chideen) durch ftarke Ausdehnung der Borderjeite | Filaments auffigen, angewachſen (adnatae), wenn
zu Antherae extroreae. In der dur Theilung|fie ſcheinbar mit einer Geite der Endfläche
der fubepidermoidalen Schicht entjtandenen Zell-|des Filaments angewachſen find. Sibende ein»
gruppe werden die Zellen der äußerften Schicht |zeinftehende Antheren jcheinen bisweilen Achſen—
zu Spiralfaferzellen, welche die Pollenfäde oder|gebilde zu fein, wie 3. B. bei Casuarina u, Najas,
das Gehäufe (Endotheeium), refp. die Wandung doch wideripridht dies vollftäudig einer einheitlichen
der Fächer bilden und zur Beit der Antheren- | morphologiihen Auffaffung. Der Staubträger (Fi-
reife anfreißen, um den Blüthenftaub zu entlaffen; |lamentum) ift feiner Geftalt nach meift fadenför«
die darauf folgende ein- oder mehrzellige Schicht mig (filiforme), oder pfriemenförmig (subulatum),
befteht aus fehr dünmmandigen, häufig mit SI) feltener verbreitert (dilatatum), miteinem Anhängſel
erfüllten Zellen u. wird Tapete genannt; bie |verjehen (appendieulatum), oder blattartig; ferner
von ihr eingejchlofjenen Zellen find die Urmutter- |entweder einfach (simplex), od. gefpalten (fissum),
-—-
Of
manchmal aucd verzweigt (ramosum), wie bei
Hibiseus u. Rieinus. Nach dem Berhältniß derjel-
ben zu einander hat mandie Länge zu berüdjichtigen;
wenn von vieren 2 länger find, als die beiden
anderen, jo heißen fie didynamiſch, wenn dagegen
von ſechſen 4 länger find, jo heißen fie tetradyna—
mifh. Häufig find die Staubträger mit der
Krone jo verwadien (adnata), daß fie entweder
gar nicht, oder nur durch einem leichten Wulſt
fihtbar werden, während die Antheren der Krone
eingefügt zu fein jcheinen. Wenn die Staub»
fäden unter einander in ein Bündel, richtiger eine
Röhre verwachſen find, fo beißen fie mona-
delphiſch, bilden fie 2 Bündel, fo heißen fie diadel-
phiſch. Die Polyadelphie der Staubfäden, d. h.
das Vorhandenfein mehrerer Bündel vn Staub»
blättern in einer B., ift wahrjcheinlih in den
meiften Fällen als das Nefultat der Verzweigung
einzelner Staubblätter zu erflären. Endlich fommt
es auch vor, daf die ganzen Staubblätter, Fila-
mente u. Antheren, mit einander verwachſen, dann
entjtehbt ein Synandrium, wie bei vielen Aroi—
deen. Hierbei können auch ſämmtliche Fächer
mit einander verfchmelzen, jo daß jcheinbar nur
eine einzige Anthere vorhanden ift, jo bei Cyclan-
thera. Gämmtlihe Staubblätter einer Blüthe
zuſammen können als Andröceum bezeichnet wer»
den, Die nicht felten verfümmernden, bisweilen
auch zu Mektarien umgebildeten Staubblätter
heißen Staminodien.
VII. Die Fruchtblätter (Carpella) und
ihre Theile werden am leichteften verftändlich, wenn
wir von einem Fruchtblatte oder Stempel (Pistil-
lum) irgend einer Schmetterlingsplume (Exbje,
Bohne) oder einer Päonie ausgeben; hierbei ftebt
man deutlich, daß Ddiefelben durch Verwachſung
der beiden Ränder eines Blattes zu Stande ge-
fommen find, die Verwachſungsſtelle wird durch
die der Achſe zugelehrte Naht, die Bauchnabt,
bezeichnet, während der Mittelnerv des Frucht—
blattes Nüdennaht genannt wird. Der oberfte,
die Spite des Früchtblattes einnehmende, mit
Heinen papillenförmigen Zellen bejegte, eine kle—
brige Flüſſigkeit ausjondernde Theil ift die Narbe
(Stigma), der darumter befindliche fadenförmige
der Griffel (Stilus), feine Höhlung der Griffelfanal
(Canalis stilaris), der unter dieſem befindliche an-
geihwollene baudige Thel der Fruchtknoten
(Germen); im Innern dejlelben verläuft längs
der Bauchnaht eine mehr oder weniger vorjprin«
gende Peifte, die Samenleifte (Placenta), an wel:
cher mittel® eines mehr oder weniger ausge
bildeten Stiels, des Nabelftranges (Funieulus),
das Eichen od. die Samenknoſpe (Ovulum) be-
feitigt ift, am welchem man ftetS einen Kern
(Rnofpentern, Nucleus), ein inneres Integument
(Integumentum internum) u. meift auch ein äu—
ßeres Intement (Integumentum externum) unter-
icheidet, liber welches bisweilen der mantelförmig
erweiterte Nabelſtrang als Samenmantel (Arillus)
hinwegwächſt. Die Stelle, wo die Jutegumente
ih an der Baſis mit dem Kern vereinigen, iſt
der Knoſpengrund oder Hagelfled (Chalaza). Die
Jutegumente find vorn nicht vollftändig geichloffen
u. laſſen einen furzen Gang, die Mikropyle, frei,
durch welche fpäter der Pollenſchlauch eindringt,
Blüthe.
um die Befruchtung zu bewirlen (ſ. Phanero—
gamen). Der Kern enthält eine ſich ſtark ver—
größerude Zelle, den Embryoſack (Saceus em-
bryonalis), äußerſt felten 2; in ihm entjteben
durch freie Zellbildung die Keimbläshen oder Ei»
zellen, melche beiruchtet werden und aus denen
der Keimling (Embryo) hervorgebt (j. Pha—
nerogamen). Was die morphologiihe Bedeutung
des Eichen betrifft, fo fteben ſich zwei Anfıchten
gegenüber, von denen die eine dafjelbe für eine
Knofpe erklärt, deren Achſe der Kern voritellt
und deren Blätter die Integumente jein follen,
während die andere alle Eichen als nmgebildete
Abjchnitte des Fruchtblattes deutet, die fi wie
die Yappen eines Blattes verhalten. Yebtere An-
ficht dürfte nach unjerer Meinung faun noch ums
zuftoßen fein; denn man bat wiederholt Meta-
morphojen der Fruchtblätter beobachtet, bei wel⸗
chen der Funieulus allmählih in einen Blattab-
jchmitt übergeht, an welchem das innere Integu—
ment ebenfalls als Blattabjchnitt figt, welcher eine
Emergenz, den Nucleus, trägt, „während das
mebr ummwejentliche und aud unter normalen
Verhältniſſen fih fpäter entwidelnde äußere Inte»
gument ganz ſchwindet. Der Umftand, dag an
denjelben Monftrofitäten auch neben dem Nu-
eleus fich Heine Sprößchen entwideln, zeigt, daß
diefe bisweilen für metamorphofirte Eichen ger
baltene Sprofie fi nebenber entwickeln können.
Auch ehrt Die Entwickelungsgeſchichte, Daß die
Embryofäde bei ihrer früheiten Entjtehung fich
analog den Urmutterzellen der Pollenförner ver-
halten. Wenn die Zahl der Eichen eine ge
ringe wird u. namentlih nur eim einziges am
Grunde der Fruchtinotenhöhle entfteht, jo hat es
häufig den Anfchein, als fei das Eichen das um—
gebildete Ende der Bade; in diefem Falle if
e8 aber nur als ein bafitärer Yappen des Frucht-
blattes anzufeben, ach werden bisweilen in dem
‚Fällen, wo mehrere Fruchtblätter mit einander ver»
wachſen, die uriprünglichen Verhältniſſe verwiſcht.
Nicht ſelten entwickeln fih an mehreren Stellen
der Innenſeite des Fruchtblattes wandftändige
Eichen (Ovula parietalia), die fi wie Blattab-
ſchnitte verhalten, welche auf der Blattfpreite fteben,
eine keineswegs feltene Ericheinung. Uber die
offenen Fzruchtblätter der Gymnoſpermen ſ. Co—
niferen u. Eycadeen. Die Stempel od. Carpelle
einer Blüthe fünnen als Gynäceum zuſammenge—
faßt werden. Wenn nur ein Fruchtblatt vorhan-
den ift, od. fämmtliche mit einander verwachien,
yo it die Blüthe monocarpiid (etwas Anderes als
monocarpiſche Pflanzen, d. i. ſolche, Die nur
einmal Frucht tragen); wenn Dagegen mebrere
zruchtblätter vorhanden find und jedes einzelne
‚sruchtblatt feinen Stempel bildet, fo ift die 8.
polycarpiih. Der Fruchtknoten (Germen) ift
entweder monomer, wenn er nur von einem
Fruchtblatte gebildet if, und dann meiſt ein-
fächerig (unilocularis), wenn nicht durch Wu—
cherung oder tiefes Einſpringen der Ränder
falſche Scheidewände (Septa falsa) entjtehen, oder
er ift polymer, wenn er von mehreren Frucht⸗
blättern gebilder tft. Wenn deren Ränder nicht,
od. nur wenig nad innen gebogen find, wie die
Blattränder einer Happigen oder eingefalteten
Blutheil — Blüthenftand.
Knoſpe, fo bleibt er auch einfächerig, u. dann
pflegen die Placenten woandftändig (parietales)
od. central (jcheinbar aril) zu fein, indem ſich dünnen, wenig gebogenen Rüſſel, vor defien
die Frruchtblattbafen in der Mitte auf der Achſen—
fpite mit ihren Eichen erheben, Wenn aber die
Ränder weit nach innen vorjpringen u. die Ver—
einigung aller in die Mitte der Achſe fällt, fo
wird der Fruchtknoten mehrfächerig (plurilocu-
laris), u. zwar richtet fi die Zahl der Fächer
nad) der Zahl der Garpelle; die Fächer find nun
durch Sceidewände (Septa) geſchieden und tragen
die Eichen entweder in dem arılen Winfel, od, an
den unngebogenen, bismweilen polfterförmig ver-
didten Nändern der einzelnen Fruchtblätter. Auch
in den polymeren Fruchtknoten fünnen durch
Wucherung falihe Scheidewände entjtehen. Die
. Eichen find in den Fächern entweder einzeln (ovula
solitaria), od. zu mehreren, 1*, 2-, mehrreibig (1+*,
2-, pluriseriata), nach ihrer Befeftigung entweder
aufrecht (erecta), od. auffteigend (ascendentia), od.
berizontal oder hängend (pendula). Dabei ift
noch Folgendes zu berüdfichtigen: Das Eichen ift
1) geradläufig (orthotropum), wenn der Keimmund
(Mieropyle) der Anheftungsitelle des Eichens ge-
rade gegemiber liegt; 2) umgewendet (anatropum),
wenn der Kern jammt den Hüllen von feiner
Bafis an umgewendet und die Hülle mit dem Na—
belitrange der Länge nad) an der ſog. Naht (Kaphe)
verwachſen ift, wobei die lettere dorjal od, ven»
tral jem kann, je nachdem diefeibe der Achſe des
Fruchtknotens zugekehrt od. abgefehrt ift; 3. fam-
pylotiop (campylotropum), wenn der Kern ſammt
jeinen Hüllen ſelbſt gekrümmt ift! Der Griffel
575
der verborgen-fünfgliederigen (oder fogen. vier«
gliederigen) Käfer; charafterifirt durch den langen,
i Dite
die Fühler eingefügt find; Die legteren haben an
ihrem Grunde eine Tgliederige Geißel, auf melde
5 jehr kurze Endglieder folgen. In Deutichland
beobachtete man bis jet etwa 10 pflanzenfeind-
liche Arten. Der Apfel-B. (A. pomorum L.) lebt
bauptiächlih auf Apfelbäumen, feltener auf Birnen,
Werfdorn und Ablfirihen. Das Weibchen fticht
ihon früh die Blüthenknoſpen an, um in jede
ein Ei zu legen. Die ausſchlüpfenden Lärvchen
zerftören raſch die Befrichtungsorgane und den
Blüthenboden. infolge davon gehen die Blüthen
ein, und die Wlumenblätter bertrodnen, ebe fie
fh entfalten können. Unter dieſer ſchützenden
Hülle entwidelt fih in etwa 4 Wochen die Yarve
voltändig. Mitte Mat findet man bereits Puppen,
welche nach acht Tagen dem Käfer liefern, der ſich
durh die Blumendecke ein Loch beißt u. das Weite
ſucht. Er bat häufig völlige locale Mißernten
herbeigeführt. Ahnlich wirkt der A. pedicularius
L. Der Kirſch-B. (A, druparum L.) greift
Kirſchen an, zerftört deren Kerne u. hindert dadurch
die Fyruchtreife. A. Ulmi de Geer. verzehrt die
Knoſpen von Ulmen. A. pubescens Pk. und
A. varians Pk. find den Kiefern gefährlich, Thome.
Blüthendede, 1) jo v. w. Blüthenhülle (In-
tegumentum florale), d. b. die Blüthentheile,
welche die Befruchtungswertzeuge umſchließen; |.
Blüuthe IT. 2) Die Blüthentheile, welche einen
ganzen Blitbenftand (ſ. d.umgeben (Perianthium).
Blüthenhülle, 1) (Bot., Tegmenta floralia),
(Stilus) ift beim monomeren Fruchtlnoten immer ſo v. w. Blumenfrone u. Kelch; ſ. u. Blilthe IL,
einfach (simplex), dagegen find beim polymeren]2) (Perigoninm) Ein einfacher, die Staubblätter
entweder fo viele, als Carpelle vorhanden find, u. Stengel umbiüllender Blattfreis, wie bei Daphne,
od. diejelben find bis zur Spike, od, zur Mitte, | Lilium, Iris u. f. w.
od. nur an der Baſis vereinigt, od. ganz frei;); Blüthenſtand GBlumenſtand, Inflorescentia)
in den meiften Fällen fteht der Griffel am der iſt das die Blüthen tragende Berzweiqungsigftem
Spitze (stapicalis), bisweilen feitlih (lateralis),|der Pflanzen. Dajfelbe ıft A) feinem Standorte
od. infolge noch ftärferer Verſchiebung fat an der nach entweder endſtändig (terminalis), oder achſel—
Baſis des Fruchtknotens (basilaris); jo fommt|ftändig (axillaris). B) Theile des B-es. Der
er bisweilen zwischen die einzelnen Carpelle in Theil der Achſe, an welcher die Blüthenzweige ent-
Die Verlängerung der Achſe zu liegen u. heißt stehen, wird als. Hauptachſe Rhachis)bezeichnet; von
dann central. Häufig bleibt er ſehr furz, fo daß ihr gehen die Nebenachſen (Peduneuli) ab; das Blatt
Die Narbe dem Fruchtknoten unmittelbar anfzı«
figen ſcheint. Selten iſt der Griffel innen hohl,
fondern meift von einen loderen Gewebe durch
zogen, durch welches die Pollenſchläuche leicht hin—
durchwachſen fünnen. Die Narbe (Stigma) macht
entweder nur das jpite, mit Papillen bededte Ende
des Griffel? aus (Stigma simplex), od. fie ift lappig
(lobatum), pinſelförmig (penieillatum). blumen-
blattartig ausgebreitet (petaloideum), fopfförmig
(capitatum), jchildförmig (peltatum). Engler.
Iutheil it Androsaemum offieinale All.
Blüthenblatt (Bot.) iſt I) ein Blatt, mel»
ches die Corolle, den blumenartigen Kelch, oder
Nebentheile der Blüthe bildet; 2) im engeren‘
Sinne das Blumenfronen« oder Corollenblatt. |
Val. Blüthe u. Blatt.
Blüthenboden (Thalamus, Receptaculum)
ift das oft verdidte Ende des Blüthenftield. Vgl.
Blütbhenftand.
Blüthenbohrer (Blütbenitecher, Antlionomus
Germ.), Öattung der Fam. der Hüffelläfer, Gruppe,
der Hauptachfe, aus defien Achjel ein Blüthenzweig
hervorgeht, wırd Zragblatt (Fractea) genannt;
die Blätter, mit denen die Blüthenzweige oder
Blüthenitiele (Perlicelli) anfangen und auf welche
entweder die Blüthen unmittelbar, oder nach Vor—
angehen einiger Hochblätter folgen, beißen Vor—
blätter (Prophylla, Bracteolae), Meift findet
fih bei den Monolotyledonen nur ein infolge von
Drud oft 2fieliges Borblatt, bei den Difotvledonen
dagegen meiſt deren zwei, die um Y, divergiven,
Bisweilen find auch die dem ganzen B-e voran
gehenden, alfo unter den Tragblättern ftehenden
Blätter eigenthünlich geftaltet; jo iſt namentlich
bei den Aroideen das letzte Blatt häufig zu einer
den ganzen Blütbenfolben einbüllenden, weiß od.
bunt gefärbten Scheide (Spatha) umgebildet.
C) Eiutbeilung der Blütbenftände Man
unterscheidet einfache u. zuſammengeſetzte Blüthen—
ſtände. Die erſteren laſſen ſich auf 2 Typen zu—
rückführen: den botrytiſchen und Den cymöſen
Typus. J. Botrytiſcher (d. i.tranbiger) Typus,
576 Blüthenſtaub — Blüthezeit.
charakterifirt dadurch, daß die Zahl der vom einer (Glomerulus), oder auch Ibauirfe (Semiverti-
relativen Hauptachſe gebildeten Nebenachſen un-'cillus) im den Achſeln der Zragblätter. Die zu-
beftimmt ift. Hierher gehören: 1) die Ahre fammengefegten Blürhenftände find der mannig-
(Spiea), mit geftredter Hauptachie und fitenden faltigften Art und laſſen ſich rn
Blüthen; aud der früher als befonderer B. an«'gruppiren: 1) Der botrytifhe Typus im
geiehene Zapfen (Conus) vieler eg und beiden Graden, d. b. traubenartige Blüthen-
Cycadeen ift eine Form der Ähre; 2)die Traube ftände, aus traubenartigen zufammengejegt: Köpfe
(Racemus, Botrys), mit geftredter Hauptachſe u. henähre,, wie bei manden Gompofiten, Abren-
geftielten Blüthen; 3) das Köpfchen (Capitulum), |traube, Abrentöpichen, Ahrendolde, Köpfchendolde,
mit verfürzter Hauptachſe u. fienden Blüthen; wobei das erfte Wort immer das zuſammenfetzende
4) die Dolde (Umbella), mit verfürzter Haupt-| Element bezeichnet; bierber gehören auch Ahren-
achſe u. etwa gleich lang geftielten Blütbhen. — Ahre oder zuſammengeſetzte Ahre (häufig bei den
gehören dahin: 5) der Kolben (Spadix), welcher Getreidearten), zuſammengeſetzte Traube, zu—
eine Ähre mit ſtark verdidter Hauptachſe vorftellt, | fammengefette Dolde (bei den meiften Dolden-
ſowie manche der früher als Kätzchen (Amentum)| pflanzen od, Umbelliferen), zufammengef. Köpfchen
bezeichneten Blüthenftände, Eine Form des Köpf-|(bei einzelnen Compofiten). 2) Der botrytiſche
chens ift auch der Blüthenkorb (Calathidium),| Typus im erften, der cymöje im zweiten
den man fich leicht als einen deprimirten Kolben Grade: Schraubeldolde, Schraubelföpfhen, Widel-
vorftelen kann und der ſich namentlich bei den köpfchen, Wideltraube, Dichafienähre (entipricht
Compofiten (ſ. d.) findet. Die deprimirte ſcheiben dem früheren Kätschen [Amentum] bei den Betu-
oder fegelförmige Achſe wird Blüthenboden (Re-|laceen). 3) Der cymöfe Typus im erjten,
eeptaculum) genannt. Bei einzelnen Pflanzen, der botrytifhe imzmweiten Grade: Köpfcden-
fo bei Dorstenia, ift die Hauptachfe vertieft dichaſien, Köpfhemwidel, Köpfchenſchraubel, Do!-
ſcheiben- oder becberförmig, bei anderen, wie beildenichraubel ꝛc. 4) Der cymöfe Typus in
Ficus, ſehr vertieft u. oben geſchleſſen, keulen⸗,
birn- oder fugelförmig; einen ſolchen B. nennt
man Hypanthodium. Bei den Blüthenftänden
mit verfürzter Hauptachſe, wie bei den Köpfchen
u. der Dolde, find häufig die Xragblätter der
Blüthenzweige mit einander zu einer Hülle (In-
voluerum) vereinigt, an deren Bildung bei dem
Köpfchen oder Blütbentorbe der Compofiten auch
die den Zragblättern vorangehenden Hochblätter
theilnchmen; ebenſo find die auf dem Blüthen-
boden der Compofiten häufig ſich befindenden
Spreuſchuppen (Paleae) nichts weiter, als die
Zragblätter der einzelnen Blüthen. II. Ey-
möjer Typus, charafterifirt dadurch, daß die
Zahl der von einer relativen Hauptachſe gebil
deten Nebenachjen beftimmt ift, meift mur eine
oder zwei. Hierher gebören: 1) Das Pleioda-
fium, mit mehr als zwei weiter verzmweigten
Nebenadjien; feltener, vorzugsweiſe bei Euphorbia
auftretender B,. 2) Das Dihafium, mit je zwei
gegenftändigen oder etwas von einander ent:
fernten Vorblättern an der relativen, dur eine
ausgebildete oder verkümmernde Terminalblüthe
abgefchloffenen Hauptachfe. Bei vollftändiger Unter-
driüdung der Terminalblüthe oder nach Abfallen
derjelben erjcheint das ganze Verzweigungsſyſtem
wiederholt gegabelt; feine legten Auszweigungen
gehen gewöhnlich in Monochafien über. Diefelben
find 3) Schraubel (Bostryx), mit Seitenachſen,
welche quer zur relativen Abftammungsachle und
immer auf diejelbe Seite derjelben fallen. 4) Widel
(Cieinnus), mit ebenfolhen Seitenachſen, welche
abwechſelnd auf entgegengejette Seiten der rela-
tiven Hauptachfe fallen. 5) Fächel (Rhipidium),
mit Seitenachſen, melde median zur relativen
Hauptachfe und immer auf die Rüdſeite der rela-
tiven Abſtammungsachſen fallen. 6) Sichel (Dre-
anium), mit ebenfolhen Seitenadhfen, welche
immer auf die Borderfeite der relativen Ab»
ftammungsadjfen fallen. Durch Berfürzung ber
primären Achſen achfelftändiger Blüthenftände ent-
ftiehen bisweilen Bilndel (Fasciculus), od. Knäuel
beiden Graden, 3.8.: Widelichranbel, Schrau-
beiwidel x. Einzelne ältere Bezeichnungen be—
ziehen fih mehr auf den Geſammthabitus zus
jammengejegter Blüthenftände; fo verftehbt man
unter Riſpe (Panicula) einen reich zuſammen—
geliebten B. von pyramidalem Wuchfe, unter Dol«
denriipe (Corymbus) einen folhen von fchirm-
förmigem Habitus (Schafgarbe), unter Spirre
(Anthela) einen folgen, bei welchen die Nebeit-
achſen die Hauptachſen überragen. Engler.
Blüthenftanb (Pollen), die Haubartigen ein-
zelnen u. meift freien Zellen, weile ber Staub«
beutel enthält; ſ. Blüthe.
Sa — ſ. Blüthenbohrer.
Blüthenſtengel (Blüthenſchaft, Scapus; Bot.),
ein aus der Achſel eines Blattes, meift eines Grund-
blattes, hervortretender, mehr oder weniger ge
firedter u. kräftiger Blüthenftand,
Blüthentange, fo v. w. Florideae.
Blüthenwidler (Cheimatobia brumata L.),
Froftipanner (f. d.), deſſen Raupe ben Knoſpen
u, Blättern der Roſen, Obitbäume aller Art,
Eichen, Buchen, Linden, Ulmen, Walnußbäume
u. Free ſehr ſchädlich ift.
lüthezeit (Anthesis), die jedem Gewächſe
eigenthümliche, jowol der Jahreszeit, als der
Wiederkehr, als der Dauer nach verſchiedene Zeit
der Blithe. Diefelbe ift abhängig a) von der
inneren Gntwidelung der betreffenden Theile;
b) von der Jahreszeit, genauer von der Wärme,
fo daß die Blüthen erjt bei einer beftimmten
Summe aufgefammelter Wärme fih entfalten
(3. B. Schlehen), oder, wo die Wärme in wär—
meren Klimaten ununterbrochen genügend ift, auch
wol fortwährend ſich entwideln, 3. B. die Eitrone
in Portugal, während wieder andere felbit bier
eine Rubepanfe haben. Der Einfluß der Wärmer
aufjpeicherung für die Blüthen zeigt fih nament-
ih darin, dag man diefelben (Hyacinthen, Aprir
fojenzmweige, Weidenzweige) im tiefiten Winter im
warmen Zimmer zur Entwidelung u. Entfaltung
bringen kann; ferner darin, daß ın ungewöhnlich
Bluthirfe — Blutlaugenfalz.
577
warmen Herbften manche Pflanzen zum zweiten; Karlsbader Inſectennadeln, Metallprähte,
Mai blühen, 3. B. Hollunder. D
Pflanzen mertwürdige Anpafjungsfähigteit, 3. B.
der Pfirfich, indem derfelbe am Gap der guten
i zeigen die den aus Seide, Zwirn od. Pferbehaaren rast)
Biutflee, jo v. w. Incarnatklee.
Blutkrankheiten (Med.), kranthafte Berän-
offuung im SHerbfie blüht, was eben dort der |derungen der Blutbefchaffenheit, entweder bezüglich
rübling ift, und die Silßlirſche ift auf ECeplon|der Menge, oder der Beftanbtheile,
u. Java ſogar immerblühend "geworben, wie die
Blutkraut, 1) Chenopodium rubrum L.;
Citrone. Man kann die Wärmefumme, die ver-|2) Scleranthus perennis L.; 3) Lythrum sali-
braucht wird, fogar mefjen, wenn man von der|caria L.; 4) Sanguisorba officinalis L.; 5) San-
Winterszeit an (3. B. vom 1. Januar) täglich|guinaria canadensis L.;
rothe oder biutftillende
die höchſten Temperaturftände (über 0°) an einem | Pflanzen.
der Sonne ansgeſetzten Thermometer ablieft und
bis zu dem Aufblübtage ſummirt; man erhält fo
in vielen Fällen Werthe, weiche von Jahr zu
3% identisch find. Hoffmann.
Inthirfe ift Panicum sanguinale L.
Blüthling, |. Braunelle.
Blutholz iſt Haematoxylon eampechianum ZL.
Diuthund, große englische Doagen, auf Men«
[chen dreffirt; wurden be von den Spaniern gegen
die Einwohner Amerifas nad) deſſen Entdedung
gebraucht.
Bluthuften (Haemoptisis), Auswurf von
Blut aus der Puftröhre u. ihren Berzweigungen
(Tracheorrhagia), oder aus den Lungen felbft
(Pneumorrhagia), in welche es gewöhnlich durch
Ausihwigung oder Abfonderung ſich ergoſſen bat.
Dafielbe it bald rein u. hellroih, feltener dunkel;
bisweilen ift es, vorzüglich zuletzt oder bei Lungen-
entzändung (blutiger Auswurf, Sputa cruenta),
mit Schleim vermisht. Das Blut wirb bald in
mäßiger, feltener im jehr großer Menge ausger
worfen (Blutfturz); es treten mit dem Huſten zu-
gleich Bruftbellemmung, Bruftihmerzen, Herz
lopfen, Wärmegefühl in der Bruft, Kitel in ber
Luftröhre u. im Kehllopfe, ſüßlicher Geſchmack,
oft gedämpfter Ton der Bruſt bei der Percuſſion,
wahrnehmbares, feuchtes Raſſeln bei der Auſcul⸗
tation, ſpäter Röhrenblaſen auf, anfallsweiſe wieder⸗
fehrend u. ſehr zu Rückfüllen geneigt. Die An—
lage zum DB. fällt häufig mit der der Lungen—
ſchwindſucht zufammen und trifft vorzüglich das
Jugendalter; die demnächſt häufigſten Urjachen
des B»8 find Herzfehler; in feltenen Fällen liegt
die Urſache in ftodender Menſtruation. Gelegent-
lihe Beranlaffungen geben bisweilen ftarfe An-
firengungen, Erſchütterungen u. Verletzungen des
Körpers und der Bruft, befonders Tanzen, Sin.
gen, Blafen von Fnftrumenten. Der B. töbtet
zwar feltener durch den Blutverfuft od. Erftidung
Blutkreislauf, |. u. Blut.
Blutkropf (Struma vasculosa, Med.), Ber-
größerung der Schilddrüſe mit oder durch Er»
meiterung ber Blutgefäße; f. u. Kropf.
Bluttrnftalle, a) Hämoglobinfryftalfe werden
als vierfeitige Prismen erhalten, wenn man ge
quirites Blut mit 1 Bol. Wafler u. ?/, Bol. Al⸗
kohol miſcht und 24 Stunden bei 0° ftehen läßt.
b) Häminfryftalle find dünne, rhombiſche Blätt⸗
hen: man reibt getrocknetes Blut mit etwas Koch⸗
jalz, fetst im Uhrglaſe etwas Eſſigſäure zu, erhitt
gelinde u. erhält fie in dem zum Vorſchein kom—
menden bautartigen Gebilben.
Blutlaugenſalz. 1) Gelbes B. (Ferrocyan-
falium, SKaliumferrocyanid, SKalinmeilencyanir)
K,FeCy,. Das Salz wird fabrifmäßig auf die
Weiſe dargeftellt, daß man thieriiche, ftidftoffhaltige
Kohle, die durch Berfohlung von Horn, Leder, ge-
trodnetem Blut u. |. w. entfteht, mit Pottafche
u. Eifentheilen in eifernen Tiegeln oder in fchalen«
fürmigen Flammöfen zufammenfchmilzt. Der hier»
bei ftattfindende chemiſche Proceß ift folgender:
Wenn Stidftoff und Kohlenftoff in der Glühhite
mit Allalien zuſammenkommen, fo bildet ſich
Eyankalium. Gleichzeitig entfteht aber hier durch
Reduction der ſchwefelſauren Salze, die der Pott-
afche immer beigemengt find, Scmwefelfalium,
welches fi mit dem Eifen zu Scmefeleifen ums
fett. Die Schmelze befteht daher hauptſächlich
aus Eyanfalium u. Schwefeleifen. Wird dieſe
mit Waffer ausgelocht, fo tritt eine Reaction
zwiichen den beiden Körpern ein, derart, daß fi
Ferrocyantalium u. Schwefelfalium bildet:
Fe8 + 6Kly = K;,FeCy, + K,s
oefel: u. Cyan⸗ geben Ferrochau⸗ u. Schwefel⸗
Talium kalium kaliun.
Nah dem Eindampfen der Lauge Irpitallifivt nun
das gelbe B. aus, während das Schwefelfalium
in der Mutterlange gelöft bleibt. Das Salz kry—
unmittelbar, ift aber deshalb bedenklich, weit fihlftallifiet in großen eitronengelben, weichen, gläns
nad) ihm meift ſchnell die Erfcheinungen der Lun-
irre entwideln u. fteigern. Blutſtillende
ittef find Kalte Umſchläge auf die Bruft, Ruhe,
Opinm.
Blutige Hand, 1) fo v. w. Eriminalgerichts-
barkeit. 2) Der einen Anderen getöbtet oder ver-
wundet hat; daher das Spridwort: B. H. nimmt
fein Erbe.
eat Naht (Satura vera, $. cruenta;
Ehir.), Bereinigung der Wundränder mit Nadel
u. Faden, im Gegenſatze zu der Bereinigung durch
rd era Man untericheidet:
1) die Blaufäure
zenden Kryftallen des quadratiihen Syftems, die
zugleich 3 Mofeciile Kryftallwafler enthalten. Letz⸗
tere fünnen durch Erhitzen ausgetricben werden,
wobei das Salz feine gelbe Farbe verliert, undurd
ſichtig u. weiß wird, Es löſt fi in 4 Th. falten,
in 2 Theile kochenden Waſſers und ift in Ailohol
unlöslich. Bein ftärkeren Erhitzen ſchmilzt es u.
zerfett fih in Cyaukalium, Koblenftoffeifen und
Stichſſtoff. Das Salz befittt die giftigen Eigen-
ſchaften der meiften übrigen Cyanverbindungen
nicht, entwidelt aber mit verdünnten Gäuren
(. d.). Mit comcentrirter Schwefel«
nopfnaht, 2) die umfchlungene oder Haſenſcharten⸗ ſäure erhitzt, entwidelt es Kohlenoryd; mit Schwefel
naht, 3) die Zapfennaht. Zur b-n M.
ver⸗ geſchmolzen, bildet es fulfocyanjaures Kali; Chlor
wendet man gewöhnliche Heftnadeln oder fogen.!führt es in rothes B. über (j.u.). Die wäſſerige
Pierers Univerſal⸗Converſations Lexilon. 6. Aufl, III. Baud.
37
578
Löſung gibt mit vielen Metallfalzen charakteriftiich
gefärbte Niederichläge, weshalb es als Reagens
namentlich auf@ifen (blauerRiederſchlag von Berliner |
Blau, ſ.d.) u. Kupfer (brauner Niederfchlag) An-
wendung findet. Das gelbe B. dient außerdem als
Ausgangspunkt für die Herftellung faft aller übrigen
Blutlaus — Blutradhe,
nah u. nach aus der Baumfchule los zu werden;
aud) bei vereingelten, ftarf damit behafteten älteren
Apfelbäumen ıft diefeg Mittel anzurathen u. da—
‚nad der Boden durch Kalkwaſſer u. dgl. zu des-
inficiren. Thoms.* elde.
Blutmelken, ein Fehler in der Beſchaffenheit
der Much, der beſonders häufig bei Milchfüben
errocganverbindungen, zur Darftellung des rotben
Dres, des Berliner Bons, des Cyanfaliums, der‘
Blaufäure, in der Färberei, Zeugdruderei u. zum,
Stählen des Eiſens. 2) Nothes B. (erricyan- |
falium,, Kaliumferricyanid, Kaliumeijenchanid) |
K, Fe, Cyn. Durch Einleiten von Chlorgas in die,
Löſung des gelben B-es werden je 2 Molecülen
deffelben 2 Atome Kalium unter Bildung von
Chlorkalium entzogen, und es enfteht eine grün.
braune Löſung, aus welder nad) dem Koncentriven
fih große Kryftalle von rothem B. abicheiden.
Dan hat dabei das Einleiten von Chlor fo lange
fortzufeßen, bis eine Probe der Löſung mit Eijen-
hlorid keine blaue Fällung mehr gibt. Die Kry
ftalle enthalten kein Waffer, löfen jich in 2,, Tb.
taltem u. in 1,. Th. kochendem Waſſer, in Allo—
hol nicht, Beim Erbigen verbrennen fie unter
Funkenſprühen. Die Löjung des rothen B-es gibt
nit Metallfalzlöfungen ebenfalls charakteriftiich ge—
färbte Niederſchläge von Ferricyganmetallen. Es
dient daher ebenfalls als Reagens, namentlich auf
Eiſenoxydul (ſ. Turnbulls Blau unter Berliner
Blau). Elören,
Blutlaus (Apfelrindenlaus, Wolllaus, Schizo-
neura lanigera Hausm.), eine der jhädlichiten
aller Blattläuſe (f. d.), honiggelb, mit weißlicher,
flodiger Wolle bededt, beim Serbrüden einen blut⸗
votben Fleck zurüdlaffend; Tebt an der Rinde der
Apfelbäume, zieht dabei feinere Obftarten den
Wildſtämmchen vor. Im Spätherbite legen die ge
flügelten Weibchen ihre Eier an die Wurzeln, von
wo aus die auslommenden Jungen dann immer
höher fteigen n. dadurch ſchädlich werden, daß fie,
zu zahlreichen Gejellichaften vereinigt, junge Rinde
n. Holz, namentlih in ben Wiffen u. Wunden
(da fie alte Rindentheile mit ihrem weichen Rüſſel
nicht durchbohren künnen), auftehen, wodurch die
Bäume unter Umftänden abfterben. Diejes ben
Apfelbäumen ungemein ſchädliche Inſect iſt feit
etwa 40 Fahren in Deutichland bekannt, hat fich
ſeitdem allgemein verbreitet u. ift beſonders in den
Baumfchuien ſehr verderblich geworden. Die Ber»
tilgung ift ſchwierig; vechtzeitiges Abbilrften mit
Seifenlauge, Tabahwafier, Kallkwaſſer, Holzeifig
u. anderen den Bäumen nicht jhädlichen Stoffen
Tann beim erflen Auftreten nützen, fette u. ägende
Saden dilrfen aber nicht dazu verwendet werben,
Bei ftärlerem Vorkommen, u, wenn fih an den
Stämmen jhon größere, mit Brut gefüllte An-
Ihwellungen der Haut gebildet haben, find ſolche
Waſchungen felten von dauernden Erfolge, treffen
auch die im Boden, vorzugsweie am Wurzelhalſe
fih aufhaltende Brut u. die Eier nicht, weshalb
außerdem ein Aufguß von Kalkbrei auf den Bo—
den um den ag di empfohlen wird. Da
noch fein ficheres Mittel befannt geworden, fo ift
fir die Baumſchule wol das gerathenfte, alle
ftärfer befallenen Stämmchen fogleih auszugraben
u. zu verbrennen, um dadurch wenigftens die an—
teren gefund zu erhalten u. das läftige UIngeziefer
borlonmt, u. zwar bei Entzündungen u. inneren
Verlebungen des Euters, nah rohem Mellen,
während des Rinderns, nach dem Genuſſe jcharfer
Pflanzen (in letterem ‚alle ijt es in der Hegel
mit Blutharnen complicırt). Die Behandlung ift
je nach den Urfacdhen eine verſchiedene: bei Con-
geftivzuftänden kühlende, fonft einhüllende Mittel,
janftes Ausmellen, bei großer Schmerzhaftigkeit Ent-
ferunng der Mitch durch Milchröhrchen ꝛc. Schmidt.
Blutnuß, 1) jo v. mw. Nothe Lambertsnuß
(Corylus tubulosa L.). 2) Art der Walnuf,
mit rother Schale.
Blutpfropf, Gerinnjelbildung in Blutgeſäßen.
Derjelbe bilder fidh infolge von Berlangjamung oder
Aufbören der Blutbewegung beim Übergange im
den Zod u. bei gewiffen Beranlaffungen im Leben.
Die bei Lebzeiten gebildeten Blutpfröpfe nennt
man Thromben, uud haben dieſelben eine bobe
Bedeutung in der Krankheitsiehre. Wird ein Blut-
efäß durchſchnitten u. das Blut gehindert, abzu-
Hieken, fo ftaut es vor der Schnittöffnung an, u.
infolge davon gerinnt es. Dieſe Gerinnung des Blu»
tes vor dem geöffneten Gefäße kann durch mechaniſche
Mittel (wie durch Auflegen von Spinneweben,
Schwamm u, anderen auflaugenden Körpern) und
durch chemiſche Mittel (die jogen. biutftillenden
Mittel (wie Eiſenchloridlöſung, Gerbfäure u. |. mw.)
befördert, bejchleunigt werden. Wird eine Schlag»
ader unterbunden, jo bört damit die Blutbewegung
oberhalb der Unterbindungsitelle bis zu dem näd)-
ften noch wegbaren Seitenafte auf, und es bildet
fih ein falerftoffiger Niederichlag aus dem Blute
in dieſer Strede der Schlagader, während das
unterhalb der Unterbindungsitelle liegende Schlag—
aderftüd duch Aufſaugung des Darin befind-
lichen Blutes in die Blutadern leer wird; durch
die Pfropfbildung wird die Unterbindung zu un—
ferem bejten blutſtillenden Mittel. Nicht ſelten
entftehen Gerintnfelbildungen in Schlagadern durch
vom Herzen oder anderwärts ber eingeſchwemmite
Pfröpfe u. veröden die hinter dem Pfropfe, liegende
Schlagaderjtrede durch Abichluß des Blutes ihres
Ernährungsmaterials. Diefes Vorkommniß iſt
beſonders im Gehirne wichtig, u. entſtehen Dadurch
ſchlagflußähnliche Zuſtände u. Gehirnerweichung.
In den Blutadern kommt es nicht ſelten zu ſponta—
ner Gerinnung des Blutes bei Strömungshinder-
niffen in der venöſen Blutbahn, oder durch Drud
von außen, oder durch Einwirkung von Stoffen,
die auf das Blut zerjegend wirken (autochthone
Thrombofe). Findet in thromboftrten Gefäßen
ein Zerfall des Pfropfes ftatt, jo wird die zerfallene
Mafie gewöhnlich in den Blutftrom aufgenommen,
u. haben die zerfallenen Maflen eine jaudige Be—
ichaffenheit, jo entiteht Blutvergiftung (f. d.) und
deren gefahrvoller Syniptomencompler. Kunze.
Blutrache, die Sitte, nah welcher die Fami—
lienangebörigen u. Anverwandten eines Erſchlage ⸗
nen das Hecht u, die Pflicht haben, am Mörder
Blutreinigung
blutige Rache zu nehmen, ein Gebot, welches, in
der Borzeit von faft allen Böllern befolgt, nicht
als ein Zeichen uncultivirten Lebens, fondern als
ein Verſuch zur Feſtſtellung rechtlicher Verhältniſſe
zu betrachten if. Obwol eine Sitte von äufer-
fter Barbarei, wurzelt fie doch in dem heiligiten aller
Gefühle, der Familienzubörigfeit, in der jedes ge-
ſellſchaftliche Weſen begründet u. aus der es ent-
ſproſſen ift. Die Berlegung diefer Zugehörigkeit
forderte deshalb die ſchwerſte Ahndung, u. jo konnte
fih die B. als ein Recht auf das Leben des
Mörders geftalten, wo u. fo lange Recht u. Geſetz
noch nicht die Strafgewalt des Staates anerkannt
u. geregelt hatten. Bei den Chinefen war fie
durch Confucius legalifirt, im Mofaifchen Rechte
als alte Sitte fanctionirt; wenn fein Anverwandter
fie üben konnte, jo trat das Gericht ein. Aber fie
ft mur für dem vorfäglichen Mord geftattet. Fiir
den unabfidhtlihen Mörder waren Freiſtätten (j.
Aſyl) beftimmt, wohin er fliehen fomute, dort
979
Körper wegzuführen. Diefelbe befteht zumeiſt ir
Darreihung von Abführe, od. harntreibenden Arz«
neien, Wir fennen jedoch bis jetst fein Mittel,
welches im Stande wäre, fremde im Blute freifende
Subftanzen (3. B. faulige Beimifhungen, Bats
terien u. f. mw.) aus dem Körper zu entfernen.
Bluiruhr (Med.), f. u. Ruhr.
Blutſchande (Incestus), in einen verbotenen
Grade eingegangene Ehe oder vollzogene fleifch-
liche —— ſ. Fleiſchliche Verbrechen.
Blutſchlag, 1) ij. Schlagfluß. 2(Thierarzneit.)
So v. w. Rüdenblut.
—A ſ. u. Blutwunder b).
Blutſchwamm, populäre Bezeichnung für eine
faſt in allen Geweben u. Theilen des Körpers
mögliche, umſchriebene, anfangs elaſtiſche, ſpäter
ſchwappende Geſchwulſt. Sie beſteht aus zahlrei—
chen, durch ſehr feines Zellgewebe verbundenen,
ſehr dünnwandigen Gefäßen u. erſcheint bald von
einer eigenthiimlichen Haut eingeſchloſſen, bald vom
— Blutjpath.
wurde die Sache gerichtlih unterfucht, u. hatte] Zellgewebe ver Theile umgeben oder in das Ges
er unvorfichtig getödtet, fo fonnte er ſich in der
Sreiftätte aufhalten bis zum Tode des Hohen—
priefters, wo der Blutbanı aufgehoben war; wo-
gegen abfichtlihe Mörder, welche eine Freiſtätte
aufgefucht hatten, dem nächſten Verwandten u.
Erben des Gemordeten zur B. aus geliefert wur-
den. Wie lange die B. bei den Juden beftaud,
it ungewiß, zu Davids Zeit bejtand fie noch. Bei
den Griechen war die B, fir vorfäglichen u. un—
vorfäglichen Mord geftatter; um ihr zu entrinnen,
mußte der Mörder ins Ausland geben u. fi) dort
ein Aſyl ſuchen, oder durch ein Löſegeld Sicherheit
erwerben. Mit der allmählichen gefeßlichen Geitalt-
ung der einzelnen Staaten fiel die B. weg, die
Mörder mußten durch religiöſe Weihungen ent
fühnt werden. Noch lange indeß verlangte das
Gefühl des Bolfes eine Sühne des vergoffenen
Blutes von den Verwandten u. verpflichtete fie, mit
Hilfe der Gerichte fie durchzuſetzen. Platon ver-
warf fie vollftändig. Bei den älteften Römern
wurde die B, duch ſtrenge Zalion (ſ. d.) voll»
zogen. Auch den Germanen war die B, eigen,
doch konnte diefelbe durd Geld (Biutgeld), oder
Geldeswerth abgewendet werden; ſ. Wehrgeld,
Bei den alten Standinaviern beftand die B. darin,
daf der Rächer dem zu Beftrafenden die Rippen
vom NRüdgrate losſchnitt u. die Yunge herausholte
(den Blutaar rigen). Wie tief bei den Deutjchen
die Erinnerung an die B. wurzelte, zeigen der
Juhalt der Nibelungenfage und einzelne in die
biftorifche Zeit fich erftredenden Fälle. Bei den
Arabern war fie in ein förmliches Rechtsſyſtem
ebradht, der Urſprung einer endlofen Kette von
Stammesfebden, bis Mohammed fie dahin milderte,
daß der Mörder fih durch ein Blutgeld löſen
konnte. Ebenjo kennen fie die Eingeborenen Bra—
filiens, die Ureinwohner Auftraliens, die Caraiben,
die Kaffern, die Tfcherkeffen; in Europa, wo bei
den Germanen, ren, Schotten, Rufien das Ge-
fühl jetzt vollftändig erloſchen ift, halten fie noch
bis in die jegige Zeit die Albanejen u. Czerna—
gorer u. (trog aller Beitrebungen der franz. Re-
gierung) die Corficaner aufrecht.
mwebe der Organe infiltrirt. Die Geſchwulſt iſt
röthlich, blau oder dunkelroth, felbit ſchwärzlich
oder ſchwarz (F. haomatodes). Der 8, entſteht
aus einer unbekannten Anlage, die vorzüglich nach
langem Beftehen des Übels leicht fo verbreiter
wird, daß ſich in mehreren Theilen nach einander
Geſchwülſte bilden, oder nah Wegnahme einer
einzelnen an anderen Stellen neue hervorlommen,
Kinder u. Alte find vorzüglih dazu geneigt. Die
Seihwulft dauert mehrere Monate, jelten Jahre
lang. Judem diefelbe fortwährend wächſt, wird
fie auf der Oberfläche böderig, weich, ſchwap⸗
pend; die Hautvenen werden varicös; die Haut
wird vojenartig oder bläulich geröthet, bricht auf
u. ſchwitzt eine jeröfe oder biutig-feröfe Flüſſigkeit
aus feinen Öffnungen aus. Bald flieft aus den
entjtandenen Geſchwüren ſchmutzigblutige Jauche,
oft auch reines Blut; bald entſtehen nach Zer—
ſtörung ſchnell wieder emporichießende, ſchmutzigrothe
Fleiſchauswüchſe. Der Erſchöpfung der Kräfte folgt
bald⸗der Tod. Der auf inneren Theilen haftende
B. tödtet gewöhnlich, ſchon ehe es zum Aufbrechen
fomımt, durch Störung der Berrichtung der Theile,
Abzehrung ꝛc. Der B. wird jelbft durch eine
zeitig horgenommene Ausrottung nicht getilgt;
Aetzmittel u. die Unterbindung können nur jchädr
li werden.
Blutſchwär, Entzündung einer od. mehrerer
Talgdrüjen der Haut, wodurch die betreffende
Stelle auſchwillt, ſich röthet, bremmend fchmerzt,
bis fih mad einigen Tagen unter Eiterung die
entzündeten Pfröpfe nah außen entleeren. Der
B. hinterläßt immer eine Narbe.
Blutſchweift, 1) (Sudor eruentus) Austritt
von Blut dur die Haut während eines heftigeit
Schmweißes; jedenfalls höchſt felten vortommend
infolge heftiger Angft, ungewöhnlicher körperlicher
Anftrengungen, oder von Krankheiten, als Scor-
but, Faulfieber, Blutfledentrantheitzc. 2) S. Stig-
matijation.
Blutſenkung (Hypostasis), Anfammlung des
Blutes an den tieferen Stellen des Körpers u. jeir
ner Organe, bei Leichen z. B. am Rüden (Todten-
Blutreinigung, eine von jeher als beftreitbar|flede, Leichenhypoſtaſe).
angenommene Methode, Krankheitgjtoffe aus dem;
Blutſpath (Biutichwelle), bei Pferden eine
37*
580 Blutfpuden —
varicöfe Ermeiterung desjenigen Theil der in-
neren Hautvene bes Unterſchenlels, welcher über
die innere Fläche des Sprunggelentes läuft.
Dieſes Leiden veranlaft feine Lahmheit.
Blutfpuden, 1) (Blutipeien) Blutauswurf
aus dem Munde infolge von Bluthuſten, Blut
erbredhen. 2) Durh Austritt von Blut in die
Mundhöhle aus Theilen derielben oder aus ber
nadhbarten, wie Nafenhöhle u. Speiferöhre, ver-
anlaftes biutiges Auswerfen durch den Mund
(Mundhöhlenblutung), ohne Huften u. Erbrechen.
Blutſtein, die faferigen Varietäten des Hä-
matits (was wörtlich B. bedeutet) oder Eiſen—
glanzes, die vielfach als Polirfteine benutt werben,
Blntftillende Mittel (Hacmostatica) wirlen
theils, indem fie die Gefäßöffnungen jelbft, oder
den Kanal derielben über diefen zulammendriiden,
Verwachſung derjelben oder Kräufelung u, Zurüch
ziehung der Gefäßwunden erzeugen, oder das Blut
darin im ihrer Nähe gerinuen machen, bald me-
chaniſch, bald dynamiſch, bald chemiſch, oder auf
mehrere diefer Arten zugleih. Die michtigften
find: die Ligatur oder Unterbindung des biuten-
den Gefäßes, indem entweder diejes allein, oder
das umliegende Gewebe mit unterbunden wird
(wird ein Gefäß entfernt von der Wunde unter-
bunden, jo nennt man dies Unterbindung in der
Coutinuität); die Torfion; die Gefäßdurchſchlingung;
die Zamponade; Compreffion, entweder digital,
wenn das Gefäß fortgefeit mit dem Finger zur
fammengedrüdt wird, oder inftrumentell, wenn
dies mit Hilfe eines Inſtruments, 3. B. Tour:
niquet, geihieht; zufammenziehende und ſtyp—
tiſche Mittel (v. gr. styphö, ich ziehe zufam«
men), wie faltes Waffer, Eis, Schnee, Eſſig,
Branntwein, Thedeus Schußwaſſer, Alaun, Mi—
neralſäuren, beſ. verdünnte Schwefelſäure, Eiſen—
chloridz aufſaugende u. aufklebende Mittel, als
Feuerſchwamm, Waſchſchwamm, Spinnengewebe,
geſchabte Charpie, Colophonium, Mehl, arabiſches
Gummi, Bolus, Kino, Drachenblut, Collodium.
Dieſe Mittel werden mittels Leinwaud, Com—
preſſen, Charpie, Waſchſchwamm oder unmittelbar
in Tropfen ꝛc. angewendet, u. ihre Wirfung wird
gewöhnlid durch Drud unterſtützt. Sie wirken
theil8 zuſammenziehend auf die Gewebe, theils
erzielen fie eine feſte Gerinnung des Blutes,
Abmittel u. das Glüheiſen (ſ. Kauterien) paffen
für befondere Fälle. Für innere Blutungen die-
nen vorzüglich das Hallerſche Sauer, Eifig, Myn-
fihts Elirir, Maun, Ipecacuanha in fleinen Ga—
ben, oder auch Opium, Eisftüdchen, Mutterforn ꝛc.
Bei großen Blutverluften hat man die Trans—
fufion verſucht.
Blutſtockung, Beihräntung oder Aufhebung
der Bewegung des Blutes, in höherem Grade zu
Schein» oder wirflihem Tode führend, in ge-
ringerem u. mehr als örtliches Übel (Entzündung)
bald durh Schwäche der Organe der Blutbeweg-
ung, Berdidung des Blutes, mechanische Hinder-
niffe der Blutbewegung zc, erzeugt u. daun vielerlei
franfhafte Zuflände bewirlend.
Blutstropfen (Blutströpfchen), Pflanze, ift
Sanguisorba offieinalis L.
Blutſtuhl (Blutiger Stuhl), Entleerung reinen
Blutes ftatt Koth oder einer Mifhung des Kothes
Blutüberfüllung.
= Blut aus dem After (fo bei Hämorrhoiden,
uhr).
Blutfturz, 1) ſ. u. Bluterbrechen, Bluthuſten.
2) Bei Pferden mitunter vorfommende Krankheits-
eriheinung, die man durch ftarfe Blutentzichung
oft bejeitigen kann.
Blutſücht, fo v. m. Bluterfrankheit.
Blutvergiftung, im meiteren Sinne die Auf-
nahme giftiger Stoffe in das Blut u. dadurch be»
dingtes gefährliches acutes Allgemeinleiden, im
engeren Sinne die Aufnahme von jaudigen u.
verwefenden Subftanzen in die Blutmaffe mit
ihren Folgen. Bu den B-en im weiteren Sinne
gehören die Bergiftungen durch Milzbrandgift, Rot
u. andere Krantheitsgifte; zu den B-en im enge-
ren Sinne die fog. ſeptikämiſchen Erkranfungen,
d.h. Diejenigen ſchweren Erfranfungen, bei denen
von außen eine jaudige Subſtanz in die Blut-
maſſe gelangt ift, a. die Jchorrhämie, wenn
die faulige, jauchige Subftauz im oder am Körper
jelbft entftanden ift u. von da fidh in die Blut—
mafje weiter verbreitet. Die beiden letzten Klaſſen
find nur ſchwer von einander zu halten u. von
einander zu umterfcheiden, da im Grunde genom«
men der wejentlihe Vorgang bei der B. derjelbe
ft. Wir wollen fie daher aud hier für gleich"
bedeutend nehmen. Der jauchige Stoff biltet ente
weder eine Flüffigteit, und foll diefelbe nach den
neueren Unterfuhungen der Träger fpecifiicher
pflanzlicher Gebilde (Sugelbakterien) fein, oder er
ft an Gerinnjel gebunden, die von dem Blut-
firome in alle möglihen Blutdiſtricte einge»
ſchwemmt werden u. mun an dieſen Stellen jau«-
chige Entzündungen veranlaffen. Die Urſachen
der Septifämie Tiegen theils in brandigen, jaudi«-
gen Herden des Körpers u. find namentlich Ge⸗
bärmutter- u. Maftdarmfrebs, Koth- und Harıs
infiltrationen, ausgebehnte Duetihungen von
Weichtheilen, wie Re nad fchweren Berlegungen
u, (an den Gebärorganen) nah ſchweren Entbind-
ungen vorlommen, Knochenvereiterungen in dieſer
Hinficht berüchtigt; theil$ in der Übertragung von
fauligen Stoffen auf den bisher gefunden Körper.
In letzterer Beziehung ift namentlich die Leichen«
vergiftung, das Eindringen von jandiger Flüjſig ·
feit aus einer verweſenden Leiche in Schnittwun⸗
den bei Leichenöffnungen, u. die nicht feltene Ent-
ftehung u. Weiterverbreitung des gefährlichen Kind-
bettfiebers durd Einführung umjauberer, mit jau⸗
digen Subftanzen verunreinigter Hände der Ge
burtshelfer und Hebammen in die Gebärorgane
Kreißender von großer Wichtigkeit. Die Ericyein-
ungen beftehen in Schüttelfroften, hohem continuir-
fihen Fieber, bald eintretender Betäubung, und
meiſt erfolgt jebr jchnell das tödtlihe Ende, Kunze.
Blntüberfüllung (Hyperämie) bezeichnet in der
Kranfheitsiehre das Vorhandenſein einer größeren
Menge Blut in einem Organ oder au einer Kör-
perftelle, als dem normalen Gehalte entiprict.
Diefelbe ift entweder Folge eines gefteigerten Zu—
fluſſes (Congeftion, active Hyperämie, Wallung),
oder eines erjchwerten Abfluffes (Stauung, Stod-
ung, paifive Hyperämie). a) Der gefteigerte
Zufluß (die Congeſtion) kann bedingt ſein durch
Steigerung des Blutdruckes oder durch Ericlaff-
ung oder Erweiterung der Gefäßwände; im let-
Blutung —
Blutwunder. 581
teren Falle genügt der gewöhnliche Blutdruck zur d. h. die bei manchen Perſonen häufig wieder-
goreu einer Blutüberflillung,
da berjfehrenden Blutwallungen nad dem Sopfe, der
tangel an Kfafticität der Gefäßmwände dem Ein-|Bruft u. f. w. b) Die Blutftauung, Blut-
frömen des Blutes fein Hinderniß entgegenjegt.|todung fann ihre Urſache haben in verminder:-
Die Steigerung des Blutdrudes in emer
Körperftelle, vejp. in einen Organ kann herbeige-
führt werden dur Strömungshinderung in benach-
barten Gefäßfyftemen (collaterale B.). Wird 3. B.
eine Arterie unterbunden, fo fteigert ſich in den
benachbarten der Blutdrud um fo viel, als der
Blutmaſſe entjpricht, die zuvor in der nunmehr
unwegſamen Arterie zum Abflug fam; ober wird
die äußere RAT durh ftarfe Abkühlung oder
frampfhafte Zuftände (Fieberfroft, Schred) blut⸗
leer, jo bildet fih B. in inneren Organen; oder
it bei Lungenentzündung ein Lungentheil durch
Ausihwigungen verdichtet u. für den Blutftrom
unwegjam, jo entwidelt fi eine häufig ſehr be-
drohlihe B. in dem noch Iufthaltigen, noch func-
tionivenden Lungentheil. In Krankheitszuftänden
benugt man öfter bie künſtliche Etablirung einer
collateraleu B. zur Ableitung, zu Gegenreizen;
fo legt man bei Zahnſchmerz infolge von B. des
Kiefers u. des Zahnfleiſches ein Span. Fliegenpflafter
ins Genid oder hinter die Ohren, läßt bei Kopf-
ſchmerz infolge von B. in der Schädelhöble heiße
Fußbäder nehmen, verordnet bei Mustelrheuma-
tismus heiße Bäder x. Die Erihlaffung oder
Erweiterung der Gefäßwände kann herbeige-
führt fein durch Erkranfungen der Gefähmände,
durch Lähmung der Gefäßnerven u. Durch Verluſt
des unterſtützenden äußeren Gegendruckes gegen die
Arterienwände. Auf Erkrankung der Gefäßwände
müſſen wir theil$ die vielfachen localen B-en ins
merer Organe mit nachfolgender Entzündung,
3. B. Lungenentzündung, Brufifell-, Unterleibgent-
zündung zc. zurüdführen, theils eine Anzahl von
Erſcheinungen im höheren Alter, wie Schwindel,
Ohnmacht, afthmatische Anfälle, bei denen man
eine fettige Entartung der Hirnaterien u. des
Herzens un der Leiche findet. Auf Nervenlähm:
ung u. zwar auf Lähmung von Faſern des Sym-
pathicus find jene Ben zu beziehen, die man bei
der jog. paralytiſchen Form der Migräne beobadh-
tet; mit Eintritt des halbfeitigen Kopfſchmerzes
röthet fich bei diefer Krankheit die betreffende Ge—
fihtshäffte, die Augengefäße füllen fi, u. man
fühlt u. fieht das vermehrte Eindringen von Blut
in die Gefihtsarterien. Auch die gefteigerte Er-
regung von Empfindungsnerven ift häufig mit
Iocaler B. verbunden; fo röthet fich das Auge der
betrefjenden Seite u. thränt beim Geſichtsſchmerz
(der Neuralgie des 5. Hirnnervs). Als charal-
teriftiiches Beifpiel der B. durch Erweiterung der
Gefäße infolge Berluftes des unterftügenden Gegen:
drudes gegen die Arterienwände kann dienen die
nicht felten tödtlihe B. in den Unterleibsgefäßen,
wenn auf zu fchnelle Weife bei Unterleibswaſſer—
ſucht das Waſſer abgezapft, oder wenn die Gebär-
mutterhöhle durch eine rapide verlaufende Geburt
zu ſchnell entleert wird. Jede Iocale B. mird
gefteigert duch vermehrte Herzaction, alfo in fie-
erbaften Zuftänden u. bei Vergrößerung oder
franfhafter Neizbarkeit des Herzens. Auf letterer
u. auf localen Ernährungsftörnngen beruhen haupt-
fählih die fog. habituellen Eongeftionen,
tem Blutdrude von Seiten des Herzens, oder in
Hinderniffen der Blutabftrömung aus den Benen
des Körpers, oder endlich in beiden Berhältniffen
zugleich. Den verminderten Blutdrud finden wir
bei Herzſchwäche infolge fettiger Entartung des
Herzens oder allgemeiner Erfhöpfung, alſo bei
allen fhweren, conſumirenden Krankheiten, na-
mentlich kurz vor dem Übergange in den Tod;
Beifpiele hierzu find die Bintfenfungen im deu
Lungen (die ſog. Lungenbypoftafen), der Decubi«
tus, das befannte Durchgelegenfein im Krenze bei
Typhus. Hinderniffe in der Blutabſtrömung bil-
ben vorzugsweiſe Leber, Herz» u. Lungenfrant-
heiten; Beiſpiele hierzu find die Hämorrhoidaltuo-
ten am After, die Krampfadern an den linter«
ihenfeln, die Blutanhäufungen in den Hirnger
fäßen bei Kropf u. f. w. Bei Klappenfehlern
des Herzens bildet ſich eine Blutſtauung im dem
vor dem Mappenfehler liegenden Gefäßſyſtem,
bei Fehlern der zweizipfeligen Klappe im linken
Herzen aljo Blutſtauung in den Lungen, in ben
Hohivenen u. allen fi in die Hohlvenen ergießen-
den Heineren Benen. Die Erſcheinungen der B.
beitehen in bläulicher Färbung der Haut, nament«
lid} der Lippen u. des Gefichtes (Tyanofe) beige
bindertem Blutabfluß aus den oberen Hohlvenen,
in Schwindel, Benommenbeit, u. es lanır, wie
wir Dies z. B. bei Neugeborenen, die bei der
Entbindung mit dem Kopfe zuletst die Geburts«
wege verlaffen, nicht felten beobachten, die Blut-
ſtauung im Gehirune ſelbſt zu tödtlichem Hirn—
ſchlagfluſſe führen. Starle Blutſtauungen im Un—
terleibe, z. B. bei Leberverhärtung, haben Au—
ſchwellungen der Milz u. der Darmvenen zur
Folge, u. es kommt dadurch häufig theils zu mwäjie-
tigen Darmentfeerungen, theils zu wäſſerigen
Durchſchwitzungen in die Bauchhöhle, zu Bauch.
waſſerſucht. Blutſtauungen in den Lungen haben
Bruſtbellemmung u., wenn es zu Zerreißungen
von Blutgefäßen komme, Bluthuſten u. Lungen⸗
ſchlagfluß zur Folge. Kunze.
Blutung, ſ. Blutfluß.
Blutwaſſer, ſo v. w. Serum; ſ. Blut. B.
dient ſtatt Eiweißes zur Bindung erdiger (nicht
metalliſcher) Pigmente, Buchbindern, Gold auf
Büchereinbände aufzutragen, in Zuckerraffinerien
(wie auch Blut) u. auf Salinen zum Abſchaumen.
Blutwunder. Schon feit den frübeiten zeiten
hat man verjchiedene roth gefärbte Nicderichläge
aus der Luft u, fehimmelähnliche Bildungen auf
Speijen, namentlic) auf Brod, gefochten Kartoffeln,
Hoftien zc., ſowie rothe Färbung des Meeres u.
ftebender Gewäſſer für Blut gehalten u, diefe Er-
fcheinungen meift als Vorbedeutungen jchrediidher
Ereigniffe oder als göttliche Strafen für begangene
Frevel angejehen. Es zeigte fih plöglih das Dieer
oder der ganze Erbboden wie mit Blut bededt;
an Kleidern u, Speifen beobadhtete man Bluts»
tropfen, welche größer wurden, nad u. nach alle
in der Nähe befindlichen Gegenſtäude voth fürb-
ten u. dann plötzlich wieder verihwanden; Regen
u. Schnee jchienen mit Blut vermiſcht zu ſein, u.
582
man glaubte allgemein, daß Blut als Zeichen
göttlichen Bornes vom Himmel gefallen ſei. Die
mifroffopifchen Forihungen der Gegenwart haben
die bereits früher subachredienen Bermuthungen
u. theilweifen Unterfuchungen betätigt, nach welchen
ein Theil jener blutigen Erfcheinungen unorga-
nifhen Urfprunges, u. zwar einem ſehr eijen-
reihen Staub zugeichrieben werden muß u. ein
anderer Theil fih durch das plögliche Entftehen
der Heinften Pflanzenformen erflären läßt. Hier—
ber gehört a) ber Blutregen, welden man
fhon im Alterthum erwähnt findet u, welchen
Cicero (de Divin. II. 27 sq.) zu erllären fuchte.
In neuerer Zeit beobachtete man 1813 in Cala—
brien, 1819 in Flandern Blutregen, Wo fie
größere Streden einnehmen, wie in Emden 1571,
oder wie in Calabrien 1646 den ganzen Himmel
röthen, müſſen fie von ftaubartigen meteorischen
Niederichlägen, in denen man Eifenoryd u. fal-
peterſaures Kobaltorydul antraf, abgeleitet werden.
b) Blutſchnee, der ſich in den Alpen vom März
bis Juni, häufig in Schweden, Rußland, am
Nordpol u. überhaupt nur da, wo der Schnee
nicht ſchmilzt, findet. Sauffure, der ihn 1760
zuerft unterfuchte, erflärte ihn durch einen vothen
Staub oder dur Kryptogamen (Lepraria ker-
mesina, Uredo nivalis), die man zumeilen auf
ihm fand. Es iſt eine Meine, einzellige, fugelige
roth gefärbte Alge (Protococcus nivalis Ag.),
weiche ſich fehr raſch Durch Zelltheilung vermehrt.
c) Blutteiche entjtchen von Anfammlungen mit
röthlichem Eifenoder gefärbten Negenwaflers; auch
füllt bisweilen eine dem Protococeus nivalis ver-
wandte Alge (P. pluvialis oder Haematococcus
pluv.) durch Regenwaffer ausgehöhlte Steinplatten
an; da die Alge vertroduen u, jederzeit nach ge-
nügender Befeuchtung fich mweiterentwideln kaun,
fo erflärt fich Teicht ıhr mitunter ſcheinbar plöß-
liches Auftreten. Eines der am meiften ange
ftaunten u. nicht weniger natürlichen B. ift d) das
Erfheinen von Blut anf Speifen u, Hoftien,
ein Phänomen, wie e8 Schon zur Zeit Aleranders
des Großen beobadhtet u. von den Prieftern als
Propbezeihung gedeutet wurde, Als im J. 1264
zu Bollena ein Wriefter, mwelder an der Ber-
wandlung des Brodes in den Yeib Ehrifti ge»
zweifelt hatte, das heilige Abendmahl hielt, fielen
Blutstropfen auf fein Kleid. Zahlreiche Beiipiele
werben auch vom Auftreten des Blutes an Hojtien
erzählt, welches immer als Anzeichen furchtbarer
Verbrechen augejehen wurde, So follten im
J. 1453 Breslauer Inden von einem Bauer
reg gefauft haben, welche derjelbe aus einer
Blutwurz
— Bmi.
n. anderen Speilen eine Thatfache, welche Ehren-
berg als von einer Bafterie (Monas prodigiosa
nach feiner Anfiht einem Infuſorium) berrübrend
erfannte (f. Bakterien). e) Meteorftaub (Pal-
jatftaub) ift ein mebelartig die Luft trübender
Stanbregen. Der Fall defielben findet ſich regel-
mäßig an der Wfüfte von Afrifa zwiſchen 8° u.
29° n. Br., bei. bei den Inſeln des Grünen Bore
ebirges vom Januar bis April bei herrſchendem
DPoflatwind. Am 16. Jan. u. 18, Febr. 1833
fiel im Atlantiſchen Meere ein rörhli-brauner,
vor dem Löthrohre leicht zu fehwarzer Koble
Ichmelzender Staub, der eine Menge milroſtopiſch
Meiner Kroftalle enthielt, wie fie ın Maſſen aus
den Bulcanen auffteigen, daher Ehrenberg aud
den Urfprung des Meteorftaubes von vulcanischen
Eruptionen berleiten zu können glaubt. Außer-
dem fand Ehrenberg 32 Species von Kiejelpanzern
von Thieren u. 35 Species Bilanzenftejel (Phy⸗
tolitbarien) darin. Doch auch anderwärts ereig-
nen fi Meteorftaubfälle. So bededte am 31. Jan.
1848 ein folder in der Gegend von Salzburg
bis Schlefien das Fand mit Staub, melden der
Sturm aus fernen Gegenden entführt haben mußte.
In einem bei Windftile nah Föhn am 17. Febr.
1850 auf den höchſten Gotthardbalpen gefundenen
rotben Schnee hat Ehrenberg 30 polygaftrifche
Infuforienshalen, 17 Phytolitharien, dazu fry-
ftallhelle Glimmertheilchen, chryſolithartige Split
ter u, Mineralien gefunden. Auf Gleiſchern er
fennt man oft ſolche Meteorftanbfälle an röthlid-
braunen Schichten wieder, die beim Wegſchmelzen
der Schneebede hervortreten. f) So v. w. Stig-
matifation (f. d.). 8—d) Engler.” e) Epedt.*
Blutwurz (Bot.), 1) jo v. w. Tormentilla.
2) Geranium sanguineum L. 8) Iris Pseuda-
corus L.
Blutzehnt (auch Fleiſchzehent) war die von
den umnterthänigen Bauern an die Herrfchaft zu
entrichtende Abgabe vom Schlachtvieh, wobei nad
dem Sadjenipiegel in Anbetracht der verichiede-
nen Größe der Thiere geftattet war, vor Hebung
des Ben von je ſechs Thieren zwei u. von je
neun Thieren drei bei Seite zu ftellen. Mit
Aufhebung des bäuerlichen Unterthänigkeitsver-
hältniffes wurde auch der B. dort, wo er nod
beftand, abgelöft, oder, wie in Frankreich u. durch
diefes in den Ländern auf dem linken Aheinufer,
ohne Entihädigung aufgehoben.
Blutzerſehung (Putride Blutkraſe, Disso-
lutio sanguinis, Haematosepsis), hypothetiſch
angenommene Zerſetzung des Blutes, wenn die
Frlüffigleit bräunlich war, nicht mehr gerinnt. Die
iche geftohlen hatte; fie follten die Hoftien auf) B. nahm man bei heftigem Typhus, Jaucheauf-
ein Tuch gelegt u. geichlagen haben, worauf Blut
aus ihnen gefloffen fei. 41 Juden wurden wegen
diefes Frevels verbrannt, die Anderen aus dem
Lande gewiefen. Kaifer Albrecht ließ 2000 Ju—
den, weiche eines Ähnlichen Verbrechens angellagt
waren, an einem Tage verbrennen. Noch 1510
wurden in Berlin 88 Juden hingerichtet, weil fie
Zen fo lange gemartert hätten, bis fie bluteten.
enn auch viele von dieſen Berichten als Un—
wahrheiten angejchen werden müſſen, welche der
Haß gegen diefe Juden erdichtet hatte, jo bleibt
nahme ins Blut, Säuferdyskraſie, bei Scharbed
u. Blutfledentrankheit u. ſ. w. an.
Bluzger (Blutger, Blozzero), Meine Kupfer»
miünze, ehedem in der Schweiz (Graubünden) ge»
bräuchlich; 70 B. gingen auf 1 Gulden.
Blyde (Blive, Kriegsw.), jo v. w. Bleide; f.
u. Balliſte.
B. m, —— 1) für beatae memoriae,
feligen Andentens; %) auf Recepten für bene mi-
sceatur, es werde gut gemiſcht.
B mi (Mufit), nad der Solmifation der Ton b
dod das Auftreten einer rothen Färbung an Brod|(unfer Eb = h) vom Heradord g.
B moll — Bobbinnet.
58
*n
B moll, Molltonart, deren Grundton b ift, Pa-! Schillers Werten, Stuttgart 1838—40, 3 Bde.;
ralleltonart zu Des-dur; hat 5
vorgezeichnet. | Schiller u. Goethe im Zenienkampfe, 1851, 2 Thle.;
Bnin, Stadt im Kreife Schriumm des preuß. Schillers Jugendjahre, heransgegeben von W. v.
Negbez. Polen, am gleihnam. See;
1304 Em., meift Polen.
Bo (Muf.), f. u. Solmifation.
Bö, in der Scifisipr. jede ſchnell eintretende
Störung von fürzerer Dauer des bisherigen Zu-
ftandes der Atmofphäre, welche fi) entweder allein
auf plötliches Auftreten von Wind, oder von
Niederſchlag beihränfen mag, oder wobei Beides
vereint ftattfindet. Wenn mit Niederfchlag oder
Weberei;
Malgahn, Hannov. 1856, 2 Bde.; Schillers und
Goethes Kenienmannfcript, herausgeg. von Demſ.,
Berl. 1856.
Boavifta, 1) (Bonavifta, Buenavifta) die öft-
lichſte und größte der Gap» Berbifchen Inſeln, an
der Weftküfte Afritas, mit dem gleichnam. Haupt«
u. Hafenorte; Indigo, Baumwolle, Ziegen, Schild⸗
kröten; 2650 Ew. 2) Ein Theil von Pernam-
buco (f. d.).
Gewitter verkumbden, werden die B-en danad) Bobbinnet (enal., von bobbin, Spule, u. net,
ald Hagel», Regen», Schnee- oder als Ge-
witter-B-en bezeichnet.
Boa (B. Constrietor), ſ. Riefenichlange.
Bonbab, jo v. w. Baobab; ſ. Adansonia.
Bonbdil, Abu Abullah, feit 1482 legter mau-
riiher König von Granada; 1492 von Ferdinand
dem Katholiihen, König von Aragonien, entthrout
(j. Spanien), floh er nad Afrifa u. blieb angeb-
lid als Anführer eines Heeres des Königs von
Fez gegen den Kaifer von Marofto,
Board (engl.), 1) Tiih, Tafel; daher Board-
inghouse, ein Speifehaus. 2) Collegium, Be-
börde; daher z. B. B. of control, Behörde, welche
1784, jeit der von Pitt durchgefegten veränderten
Berfafjung der Oſtindiſchen Compagnie, als oberfte
Inſtanz in politiichen, milttärifhen u. finanziellen
Angelegenheiten der britiihen Beſitzungen in Oft-
indien beftand, bis fie 1858 mit der Aufhebung
der Compagnie mit dem Minifterium fir Indien
verjhmolzen wurde; B. of visitors, in den nords
amerifanifchen Umniverfitäten der Senat. 3) So—
cietät, Gejellichaft, 3. ®. B. of agriculture, land»
wirtbichaftlihe, von John Sinclair 1793 geitiftete
Societät in London, die auf Aderbau, Viehzucht,
technifche Induſtrie u. Handel Bezug habende Ge-
fee vorbereitet.
Bond, eine der beiden ehernen Säulen, welche
Calomon vor den Tempel in Jerufalem ſetzen ließ.
Sie war auf der linken Seite; die andere, Jachin,
auf der rechten.
Bons, 1) (Boaz) wohlhabender Berhlehemit,
aus dem Gefchlechte Eli-Melechs; beirathete die
Wittwe Ruth, um nad) dem Yeviratsrechte das
Gut ihres erſten Gatten einzulöfen; er wurde ber
Stammvater Davids; ſ. Ruth. 2) Eduard,
Shhriftfteller, geb. 18. Jan. 1815 in Landsberg
an der Warthe; erlernte die Kaufmannjcaft, wen⸗
dete fich jedoch jpäter der Schriftftellerei zu und
lebte in Dresden, Berlin und Landsberg a. d. W.;
fiarb an leßterem Orte Juni 1853. Er ſchrieb:
Neifeblüthen aus der Oberwelt, Grimma 1834,
2 Bode; Reiſeblüthen aus der Sternenwelt und
Mondnovelle, Altenb. 1836; Reifeblürhen aus der
Unterwelt, ebd. 1836; Deutiche Dichter (Novellen),
Berl. 1837; Literaturftoffe, Yandsb. a. d. W, 1840,
1. Heft; Pepita (idylliſches Gedicht), 18445 Des
Kriegscommiffärs Pipig Reife nad) Italien (fomi-
cher Roman), 1841, 4 Bde; In Skandinavien,
1845; Sprüde u. Lieder eines nordiihen Brah-
minen, 1842; Franzöſiſche Thronfolger, eine Bi-
fion, 1844. Geſammelte Schriften, 1847—49, 5
Bde. Ferner:Nachträge zu Goethes ſämmtl. Werten,
Lpz. 1841, 3 Thle,, n. A., 1846; Nachträge zu
Netz), engliicher Tüll, zierliches Gewebe, ähnlich
dem gellöppelten Spigengrunde, aber mittel$ Ma—
ſchinen fabrifmäßig erzeugt; viel mohlfeiler als diefer.
Das Gewebe bildet jechsedige, durch Verſchling—
ung der Fäden hervorgebradhte Maſchen u. con—
ſtruirt ſich aus drei Fädenabtheilungen, von denen
die eine in geſchlängelten Linien in der Längen—
richtung des Stüdes läuft, die anderen beiden, die
eine von rechts, die andere von links, die Yängen-
fäden im jchräger Richtung fie umſchlingend durch—
frenzen. Dan verwendet z.B. zweifädig gezwirn-
tes, in Gasflamme glatt abgefengtes Baumwollen-
garn u. nimmt zum Einichuß etwas feineres Ge-
webe als zur Kette. Die Berfertigung des Ge—
webes auf dem B ⸗ſtuhl unterfcheidet fi vom
eigentlihen Weben weſentlich dadurch, daß nicht,
wie bei diefem, durch die getheilte Kette (Sprumg)
ein Schütze mit dem Schußfaden von einer Sahl-
feifte zur anderen, aljo iiber die ganze Breite des
Gewebes geworfen wird, fondern daß jeder Ketten«
faden auch einen ihm beigehörigen Schußfaden zur
Seite hat, welcher auf einem dünnen Scheiben
(Bobbin) gewidelt it. Diejes dreht fi in einer
feinen Platte (Schlitten, Carriage), gibt dadurch
den Faden ab u. läßt fich durch die Kette auf Heinen
bogenförmigen Eiienbahnen (Riegeln) ſchieben.
Jede der zwei Heihen von Riegeln nennt man
Kamm. Zu 4000 Kettenfäden (einer Breite von
5 Ellen Zeug) gehören auch 4000 Spubhlen mit
Schußfäden, melde die Kettenfäden umjchlingen,
fih kreuzen u. fomit das Gewebe bilden. Später
hat man den Petinet- u. Jacquard-Mehanisınus
mit dem des B. in Verbindung gebracht, wodurd
es möglich wird, verſchiedene Muſter in den Grund
zu wirken. Der Beftuhl wird theils durch Hand
u. Fuß des Arbeiters, theils rotirend durch Danıpf-
fraft bewegt. Er wurde von einigen Arbeitern
erfunden, aber erft 1809 von John Heathcoat
mechanisch ausgebildet. Bon ihm und Anderen,
Morlay, S.Mart, Turton, allmählich verbefiert,
erhielt er durch Heathcoat 1818 die drehende Be-
wegung, u. die Mafchinen konnten nun mit Dampf
getrieben werden. Die Einrichtung der B + ma-
ſchinen ift complicirrer, als die jeder anderen tech-
niihen Maſchine. Gute Mafchinen weben in einer
Stunde etwa 20 Racks, d. h. eine Yänge von
240 Duerreihen Mafchen, wenn man die größte
Schnelligleit anwendet. Da dies aber der rajchen
Abnugung wegen nicht geichiebt, jo fanır man 74
Rad (1 m oder bei mirtelbreitem 2 bis 2,, m)
Gewebe auf die Stunde rechnen. Aus der großen
Schnelligleit der Fabrifation erltärt fi der billige
Preis des Stoffes. Die B-manufactur wird vor»
584
Bobbio — Boccaccio.
nehmlich in England, dann auch in Frankreich u. 83) Ein Theil der aufrühreriihen Bendee in der
Belgien betrieben. Der Verfuch, diefelbe in Sach |franzöfiihen Revolution.
fen einzuführen, mißlang, da die Fabrikanten mit
der Maichinenverbeferung in England nicht glei-
en Schritt halten konnten und der Goncurrenz
unterlagen,
Bobbio (Bobium castrum), Stadt im gleich.
Bezirke der italienischen Provinz Pavia, in einem
Thal der Apenninen u. an der Trebbia; 4632
Ew. Das durch Eolumban 612 geftiftete Bene—
dietiner-Klofter zeichnete fich durch gelehrte Mönde
aus. Hier wurden u. a. die jet in Mailand bes
findfichen Palimpfefte, welche die gotbiiche Über:
fegung der Pauliniſchen Briefe enthalten, aufge-
funden. Im 3. 1014 (n. 4. 1015) wurde hier
ein Bisthum geftiftet.
Bober, 1) 255 km langer Iinfer Nebenfluß der
Oder in Schleſien; entjpringt auf dem Wiejen-
gebirge in 743 m Höhe, nimmt die Tſchirna (aus
Bunzlan), Sprotte, Haden und Queiß auf, fließt
an den Städten Hirihberg, Bunzlau, Sagan vor-
bei und minder bei Kroilen; hat einen ungleich
mäßigen Waflerftand. 2) (Bobra) Edifibarer
Nebenfluß der Narew in Polen.
Boberellen, jo v. w. Judenlirſchen; f. unter
Physalis.
Boberfeld, Martin Opitz von, ſ. Opitz.
Bobersberg, Stadt im Kreiſe Kroſſen des
preuß. Regbez. Frankfurt, am Bober; 1500 Em.
Böblingen, Stadt im gleihnamigen Oberamte
des württemberg. Nedartreijes, am Rande des
—— Schönbuch; gewerbliche Fortbildungsſchule;
ollenſpinnerei, Wollen-, Baummollen- u. Leinen⸗
weberei, Zuder-, Eſſig⸗, chemiſche Yabrif, Yad-
firniß, Kinderjpielmaaren; 3826 Ew. Bei ®. 12.
Mai 1525 Sieg der Bündifhen im Banernfriege.
Böblinger, 1) Hans, wahriceinfich aus Boͤb⸗
lingen gebürtig; baute jeit 1440 an der Frauen—
firhe zu Eßlingen und ftarb daſeldſt 1482, 2)
Matthäus, Som des Vor., arbeitete jeit 1474
am Münfter zu Um und wurde 1480 Sirchen-
meifter; baute feit 1485 zugleich die Katharinen-
firde zu Eplingen; am Ulmer Münfter führte er
den Thurm bis zu feiner jetzigen Höhe, mußte
aber, da derfelbe einzuftürzen drohte, aus Ulm
fliehen. Er baute dann in Eßlingen feit 1496
an der Frauenkirche; ftarb daſelbſt 1505.
Bobrinez, Kreisftabt des ruf. Gouv. Cherſon,
am Flufje gl. N.; bedeutender Handel mut Vieh,
Getreide u. Fleiſch; 6560 Em.
Bobrow, Kreisftadt im ruff. Gouv. Woroneib,
am rechten Ufer der Bitjuga; Steppenviehzudt;
Gartenbau; 3140 Em,
Bobrowitſchka, Wahholderbrantwein; f. Ju-
niperus.
Bobrujsk, Kreisftadt des ruff. Gouv. Minsk u.
ſtarle Feſtung, an der Berefina und Bobrujfa,
Eijenbahnftation; Gewerbe und Handel, bej. mit
Getreide u. Holz; 24,681 Ew. B. wurde im den
Jahren 1810—12 von den Ruſſen befetigt umd
1812 vergeblih von den Franzoſen belagert.
Boca (ipan., ital. Bocca), ſo v. w. Mindung,
Einfahrt, Bufen, ein Ausdrud, der vielen Meer-
engen u. Fliiſſen beigegeben ift.
Bocage (jt.), 1) &ebitjch, Gehölz. 2) (M. Geogr.) noch 4 Eremplare
Bornge, 1) j. Barbie du Bocage. 2) Ma-
noel Maria Barbofa de B., portugief. Dichter,
geb. 17. Sept. 1766 in Setubal; wurde Soldat
u. ging 1785 als Offizier mit den portugiefiichen
Truppen nad Oftindien; 1790 entlaffen, febrte er
nad) Liſſabon zurüd, wo er Mitglied des Dichter»
bundes Segunda Arcadia wurde. Wegen feiner
Pinmeigung zu den Principien ber franzöftichen
ebolution wurbe er 1797 verhaftet, aber 1798
freigelaffen u. als Revifor von Kupferftichproben
mit ber Verpflichtung angeftellt, gute ausländiſche
Schriftwerle ins Bortugiefiice zu überfegen. Er ft.
Dec. 1805 in Liſſabon. Seine Gedichte, Rhyth-
mas (meift maritime Idyllen, Fabeln, Epigramme,
Sonette, Gelegenheitsgedichte), erſchienen zuerſt
riſſabon 1791, 3. Aufl., 1806—14, 5 Bde. Nach
jeinem Didyternamen Elmano murden feine Rad
ahmer in dem Streben nad Bolksthümlichkeit El-
maniftos genannt (j. Bortugiefiihe Literatur); fie
bildeten den Übergang zu der nationalen Dichter
ihule Portugals. 3) Paul, franz. Schriftfteller,
geb. 1824 in Paris; findirte mit Octave Feuillet
am Collöge Louis le Grand, der fein literariicher
Mitarbeiter wurde, fehrieb mit ihm feit 1845 meh»
rere Romane u. Dramen, unter welchen letteren
La vieillesse de Richelieu (1849) bervorragt, ans»
dere dramatifche Werke feit 1866 mit Theodore
Eogniard u. A. Als Redacteur des Monsquetaire
veröffentlichte er eine große Anzahl Novellen und
Phantafie-Artifel u. in der Brefje den jechsbändi«
gen Roman Les Puritains de Paris (1862). An
mehreren Werken ift feine Autorfhaft ungewiß.
Borcaceio, Giovanni, der berühmtefte ita-
lien. Novellendidhter u. herporragender Humanift,
der natürliche Sohn eines Kaufmännes in Florenz,
geb. 1313 in Paris; widmete fi in Florenz,
Paris u, Neapel dem kaufmänniichen Berufe u.
jtudirte dann die Rechte. Nach dem Tode jeines
Vaters (1348) lebte er ganz poetiihen Studien,
ichloß enge Freundſchaft mit Petrarca u, hatte die
Prinzeffin Maria, natürliche Tochter König Ro-
berts von Neapel, ſowie die junge Königin Jo—
banna zu Gönnerinnen,. Erſtere feierte er umter
dem Namen Fiammetta. Bon Neapel kehrte er ſpäter
nach Florenz zurüd und wurde zu diplomatiichen
Sendungen nad Ravenna, 1351 zu Ludwig von
Brandenburg u. 1353 u. 1354 nad Avignon zum
Papfte'u, a. verwendet; 1363 bejuchte er auf kurze
Zeit Neapel u. lebte dann ganz den Studien auf
jeinem Yandgute zu Gertaldo (namentlich interej-
firte ihn die Yecrlive der Jliade u, Odyſſee), n. er
behielt, um fihim Griechischen zu vervolllommnen,
den Griechen Yeontios Gilatos 3 Fahre lang bei
fih; außerdem beſchäftigte er fih hauptſächlich mit
Dantes Divina Commedia u. erhielt 1373 den in
Florenz neu errichteten Lehrftuhl zur Erklärung
dieſes Werkes. Er ft. 21. Dec. 1375 in Certaldo.
B. gilt als Erfinder der belichtejten Stropben«
form der Ftaliener, der Ottave rime, welche in dem
romantischen Epo® La Tescide zum erften Maf
nachweislich begegnet. Sein Hauptwerk ift der
Decamerone, 1. me 5 Bened. 1471 (wovon nur
efaunt find), Es iſt eine
Waldiger Landftrih des franz. Dep. Calvados. Sammlung von 100 Erzählungen, welche an 10
Boccage — Bocconia.
985
Zagen von je 10 Perfonen, Männern u. rauen, Lucca, Schüler von Banucci; ging nach Rom,
die vor der Peft in Florenz geflohen u. anf einem| Paris u. zulett nach Madrid, wo er am Hofe au-
Landgute fih zufammengefunden haben, mritge
theilt werden. Sie find der Mehrzahl nad alt-
franz. Fabliaux u. den Cento novelle antiche,
zum Theil aber auch den Zeitereignifien des Dich-
ters entiehnt u. zum großen Theil höchſt unzüch—
tigen Inhalles. Bgl. Yandau, Quellen des De-
camerone, Wien 1870. Eine ÜÜberficht ber großen
Zahl von Ausgaben und Überſetzungen des De-
camerone gibt Dibdins Bibliographical Decame-
rone; beutjche Überſetzungen: von Steinhövel, 1471,
berausg. v. Keller, Stuttg., Literar. Berein., Tüb.
1860; Soltau, Berl. 1803; Witte, Lpz. 1859,3. A.;
Diezelu. ©. Kurz, Stuttg. 1855. Der Decamerone
ift für die fpäteren Dichter Italiens u. des Aus-
landes eine der hauptjählichften Quellen erzählen
der u. dramatifcher Stoffe geworden. Außer ihm
ſchr. B. noch: Amorosa visione, Gedicht; Il Filo-
strato; Nimfale Fiesolano; Rime; die Romane:
ID Filocopo und L’amorosa Fiammetta, deutſch
von Sophie Brentano; Nimfale d’Ameto, Schä-
fergedicht; II Corbaccio oder Labirinto d’amore;
Origine, vita e costumi di Dante Alighieri;
Commento sopra la commedia di Dante (bis
zum 17. Gejfang); De genealogia Deorum ; De
casibus virorum et feminarum illustrium; De
claris mulieribus; De montium, silvarım ete.
nominibus; Eelogae u. Epistolae. Seine Werte,
mit Ausnahme des Decamerone, der Teseide, des
Filostrato u. der Briefe, Neap. 1723—24, 6 Bbe.;
Jämmtlihe Werke, herausgeg. von Moutier, Flor.
1827 fi., 17 Bde. Eine Auswahl in deuticher
Überjegung von Schaum, Quedlinb, 1936, 6 Bde.
Lebensbeihreibung von Baldelli, Flor. 1806, welche
duch die von Ciampi aufgefundenen u. heraus»
gegebenen eigenhändigen Aufzeihuungen B-8: Mo-
numenti d'un manoseritto autografo di G. B.,
Florenz 1827, ergänzt wird,
Bocenge, Marie Anne, geb. le Page, franz.
Dicterin, geb. 22, Oct. 1710 in Rouen; erft an
Pierre Joſ. de B. verheirathet, fpäter Gat-
tin eines Steuereinnehmers in Dieppe; ft. in
Paris 8. Aug. 1802; fie jehr.: Paradis terrestre,
Bar. 1748, nah Milton; das Trauerſpiel: Les
Amazones; das Epos La Colombiade, 1756;
Voyage en Angleterre, Hollande et Italie, deutich,
Dresd. 1776; Oeuvres podtiques, yon 1762,
3 Bde., ins Engliihe, Deutiche, Ftalienifche und
Spanifche überjegt; Oeuvres politiques, Par.
1788, 2 Bde.
Boceäle, ehemaliges Weinmaß, meift in Ober-
u. Mittel-Ftalien; nah den Städten u. Gegenden
verschieden von 0,15 —1,, 1.
Docca - Tigris (im chinefiihen Humen, d. h.
ZTigerpforte), ein Theil des Mindungsgebietes des
Si⸗Kiang od. Perlenfluffes, der unterhalb Kanton
den Namen Tiger erhält, mit vielen kahlen und
hoben, der Schifffahrt gefährlichen Felſen u. Ei-
landen. Die Tigermündung wird durch zahlreiche
Befejtigungsanlagen auf den Inſeln und Felſen
beherrſcht.
Bocchereccia poesia (ital.), in der italieniſchen
Literatur eine Gattung von Gedichten, welche in
ironifshem Tone die falihe Gelehrſamleit geißeln.
Bochherini, Luigi, Componift, geb. 1740 zu
gejehen war u. 1805 ftarb. Er gab als Eomponift
dem Trio zuerft einen feften Charakter, ſchrieb
ferner Quartette, Duintette, Sertette, Sympbonien,
aber auch Duette, Soli und fette für die Kirche
ein Stabat mater. B. erfreute ſich eines großen
Rufes, war mit Joſeph Haydn befreundet u. be—
309 von König Friedrich Wilhelm II. von Preußen
eine Penfion unter der Bebingung, daß er jährlich
einige Quartette u. Quintette nach Berlin ſchicke.
Ein Ouartettverein im Florenz (feit 1856) nennt
fih B., u. eine Mufilzeitung daſelbſt heißt Il Boc-
eherini, Brambad.*
Bocrcheſen, Bezeihnung der Bewohner in ©:
Dalmatien um Cattaro, befannt durch ihren Hart:
nädigen Widerftand gegen Einführung des öfterr.
Landwehrgejetes im J. 1873 (f. Dalmatien).
Bockhhetta, Paß über die Apenninen, zwiſchen
Novi u. Genua, 780 m hoch, mit gepflaftertent,
nur für Maulthiere gangbarem Hohlmwege und 3
ihn dedenden Redouten vor Genua; fie it der
Schlüffel dieſer Stadt bei einem Angriffe von NO,
her und war daher oft Gegenftand des Kampfes;
jetst führt die Eiſenbahn von Alefjandria nach Ge—
nua dariiber,
Bockhus, 1) im 2. Jahrh. v. Chr. Köuig von
Mauretanien. In dem Kriege der Römer gegen
feinen Schwiegerjohn, den König Jugurtha von
Numidien, jpielte er eine zweideutige Rolle: ein-
mal den Nömern feine Hilfe anbietend, dann mit
Jugurtha verblindet, endlih von Sulla beredet,
ud er den Jugurtha 106 unter dem Vorwande,
den Frieden zwiichen demfelben u, den Römern
vermitteln zu wollen, zu ſich ein und lieferte ihn
dem Feinde aus. Zum Lohne wurde jein Meich
dur Theile Numidiens, ungefähr das heutige
Algier, vergrößert. 2) B., König von OMaure—
tanien, von 49 v. Ehr. an genannt, Anhänger
Cäfars und fpäter des Octavianus, weshalb jein
Neid) vergrößert wurde.
Boccöne, Baul, Botaniker, geb. 24. April 1633
in Palermo, machte viele botanishe Reiſen in
Europa, wurde nachher großherzoglich toscaniſcher
Botanifer, ging 1682 in Florenz unter dem Na—
men Sylvio in ein Ciſtercienſerkloſter u. ftarb
22, Dec. 1704 in einem Klofter nahe bei Balerıno.
Er hinterließ viele naturhiſtoriſche und botanifche
Werfe, worin er mehrere Arten neu aufftellte.
Bocconla L., nach B. Boccone benannte Bilanzen»
gatt. aus der Fam. der Bapaveraceen (XIIL.1); der
Stengel und die gelappten Blätter find grau-grün ;
Blüthen zahlreich, Hein, in endftändige, zuſammen—
geſetzte Riſpen geordnet, mit 2 Kelchblättern, ohne
Blumenblätter, mit vielen Staubblättern, einem
Fruchtknoten; Frucht eine geftielte, elliptifche, bis zur
Bafis auffpringende, ein- bis wenigfamige Kapjel.
Wichtig ift B. frutescens L. (Papageieufraut,
Schmwalbenbaum), 3—4 m hoher Strand) aus Wejt«
indienu,.Merico; enthält in den Blättern einengelben
Iharfen Muchfaft, welcher zur Vertreibung der
Warzen u. Augenfelle dient; die Wurzel dient zu
Umfchlägen bei Gefhwüren u. Wunden, im denen
fi) wildes Fleiſch gebildet; neuerdings ift auch die
Pflanze in Parkanlagen und Gärten beliebt ge-
worden, Engler.
586
Bodjära, Stadt, fo v. w. Bolhara.
Bodjari, Abu Abdallah Mohammed,
eb. 810 in Bolhara; fl. 870 zu Kharganf bei
Samarland; berühmt durch feine Sammlung von
Sentenzen Mohammeds, die faft daffelbe Anjehen
wie der Koran genießt.
Bocher u. Bocherim (bebr.), fo v. w. Bachur.
Bochnia, Stadt im gleichnamigen Bezirke des
Königreichs Galizien (Öfterreich), unweit der Haba,
öftl. von Krafau, an der Eifenbahbn von da
nach Lemberg; Kreisamt; Salinenadminiftration;
Symnafium; mit Podedworze 7480 Ew. Großes
Steinfalzbergwert, deffen Einfahrt auf dem Martte.
Daifelbe hat 4 Stodwerle u. gebt bis zu 324 m
Tiefe; jährliche Förderung etwa 300,000 Etr. im
Werthe von 13 Mil. M. Das Salzflög wurde
im 13. Jahrh. duch einen Schufter, der einen
Brunnen graben ließ, entdedt. B. wurde 1467
durch Feuersbrunſt vernichtet; 1702 von Karl XIT.
von Schweden eingenonmen.
Bocholt, 1) fürftlih Salm⸗Salmiſche Standes-
berrichaft, zum Theil im Kreiie Borken des preuß.
Regbz. Münfter; 1266 [_|km (23 [_ IM); 75,000 Ew.;
2) Stadt an der Aa dafelbit; Refidenz des Fürften;
Schloß, höhere Bürgerfhule, Synagoge, Armen-
haus, Wailenhaus; mehrere mechaniſche Baum—
wollenipinnereien, «Webereien u. »ärbereien, Ger—
berei; Bleicherei, Eichorien« u. Wattefabrit, Eifen-
gießerei u. Mafchinenfabrit; 6127 Em. Bei B.
7179 Sieg Karls des Großen ber die Sadien,
welcher deren Unterwerfung zur Folge hatte.
Bodjolt (Bocholt), Franz van B., aus dem
Herzogtbum Berg, einer der Älteften Kupferftecher;
lebte in der 2. Hälfte des 15. Jahrh. Bon feinen
‘Blatten find 838 belannt, darunter: Das Urtheil
Salomonis; Die Berfuhung des St. Antonius;
St. Yucas; Sta, Maria; fie find höchſt felten.
Bodum, 1) Kreis im preuß. Regbez. Arns-
berg in Weftfalen, zwiſchen Emſcher u. Ruhr, von
der Köln-Mindener, Bergiih-Märkiichen u, Rheini—
ſchen Bahn (162, kın, einfchließlich 45 km Neben-
bahnen) durchzogen, die 1873 einen Perfonenverfehr
von 3,772,000 Köpfen un. einen Güterverkehr von
166,873,000 Etr, aufwiejen. Der Kreis B. ift
einer der induftriellften u. bergmänniſch wichtig-
fien Kreiie des preußiichen Staates. Ende 1873
waren 100 Koblengruben in Betrieb, deren För—
derung nahezu 123 Mill, Ctr. (38 pEt. von der
Förderung des ganzen Oberbergamtsbezirfes Dort-
mund) erreichte. Die metallurgiihe Induſtrie
zählte 16 Werfe (davon 3 combinirte mit Hob-
Öfen, Walzwert u. Stahlwerl), welche 10 Cofes-
boböfen, 250 Puddel- u. Schweißöfen, 16 Con—
verter betrieben und einen Productionswertb von
etwa 70 Mill. M darftellten. Die Zahl der Ar-
beiter betrug einschließlich der Bergleute 41,000.
Außerdem mehrere Fabrilen feuerfefter Steine (23
Mill. kg Product.) u. 5 Kallbrennereien (300,000
hl Product.) :c., endlich 47 Bierbrauereien (87,110
hl Prod.) u. 52 Brennereien (15,581 hl Prod.).
359,5. ikın (6,5: IM); 148,938 Em. 2) Haupt-
ftadt dajelbit, an der Bergiſch-Märkiſchen u. der
Rhein. Eiſenbahn; Gymnaſium, Nectorat-, Pro:
vinzialgewerbe=, Handwerkerfortbildungs: u. Berg⸗
ſchule; Freimaurerloge zu den 3 Roſenknoſpen;
Bochara
Gußſtahlfabrikation, namentlich des Ber Vereins Jägers;
— Bock.
für Bergbau und Gußſtahlfabrikation, nächſt der
Kruppſchen die größte Gufftahlfabrif auf dem
Eontinent; e8 werden beiond. Kanonen, Gloden sc.
gefertigt (1873 für 21 Mill. M), Drabtzieherei,
Eifengießereien u. mehrere mechaniſche Werfftätten,
Fabrifation von Stahl u. Eifenwaaren, Tapeten,
Dahpappen, Aiphaltröhren, Firnig-, Yad-, Theer-
u. Harzdeftillation, Dampfmüble, Waſſerwert (1
Mill. cbm jährlihd. Güterverkehr auf der B.-M.
Station 1873 19,566,171 Ctr.; (1871) 21,192
Em.; 1840 etwa 4000; Anf. 1875 über 30,000).
— Die Gejhichte der Stadt B. reicht weit ins
Mittelalter zurüd. Ihr Uriprung wird auf einen
Grafen Cobbo zurüdgefübrt, nah dem der Ort
Villa Cobbonis u. Cobbonisbuchen bie; no im
14. Jahrh. kommt der Name Kopfbuchheim ur—
hındlih vor. Seit 1243 unter der Oberbobeit
der Grafen v. d. Mark, erbielt fie ihr Privile-
inm 1321 durd den Grafen Engelbert v. d.
art. Sie genoß viele Freiheiten und übte fac-
tiih Gelbjtverwaltung, die jedodh gegen das 18.
Jahrhundert hin wieder verloren ging. Im Drei—
Bigjährigen Kriege hatte die Stadt viel zu leiden.
In B. lebte von 1770—1824 Kortüm (}. d.), der
bier u. a. die Jobſiade jchrieb u. die Hermetische
Geſellſchaft ftiftete, Echrost.
Bock, 1) ein Geſtell, Etwas zu tragen, gemöhn«
lid; mit einem horizontalen Haupttheil ı. Füßen,
fo: Rilft-, Eis-, Säge-B., Brand- od. Feuer⸗B. ꝛc.
2) (Bauf.) Beim Lehrgerüfte das Gerüft, worauf
der Lehrbogen ruht. 8) (Bergb.) 2 in die Erde
gegrabene Ballen, oben mit einem Querbolze
(Bodholm) verbunden, welche die Stege der Feld»
fünfte tragen. 4) Eine Art Dachſtuhl; ſ. u. Dach.
5) (Mafchinenm.) Gerüfttheil, der nad unten bin
an Ausdehnung zunimmt, am Boden feine Stütze
findet u. meift dazu dient, Lager od. andere Ma—
jchinentheife zu tragen. 6) Spaniſcher B., eine
Art der Tortur (f. d.). 7) Polniſcher Bod, ein
Strafart (ſ. Polniſcher Pod). j
Bor, 1) (Zool.) das männliche Zuchtthier bet
Schafen, Ziegen, Kaninchen (bei legteren auch
Rammler); ebenfo das Männchen von Web,
Gemje x. Ungarifher B., ſo v. w. Saiga;
f. Antilope ©. 718. Auch ein Käfer führt den
Namen B.; |. u. Bodfäfer. 2) (Sittengeid.) Der
B. (Widder) war bei den Juden Opferthier und
daher heilig. Dieje Bedeutung ging im der chrift-
lichen Symbolik verloren; er wurde, im Gegenlage
zum Schafe, das Sinnbild der Siindhaftigkeit u.
Verdammniß. Wenn foldhe Bedeutung unzweifel
baft mit dem beiderfeitigen Weſen diefer Thiere
im Zufammenbange jteht, jo ift jedenfalls der Ilm«
ftand nicht ohne Wirkung geweſen, daß der B. im
Heidenthum eine Rolle jpielte. In Agypten wurde
dem Ziegenbode göttliche Verehrung zu Theil; auch
in der griech. Mythologie lommt er mehrfach vor;
in der nordiihen Mythologie ift er das Zugthier
vor dem Wagen Donars. Daß er in der chrift-
lichen Bedeutung in enger Beziehung zum Teufel
u. zu den Heren fteht, tft jelbftverftändlih. Der
Teufel hat vom B. jeine Hörner, oft erfcheint er
auch mit einem Bosfuße (ftatt des Pferdefußes),
der auch fein Siegel ift. Beim Herenjabbath feblt
nie der B.; er iſt ein Begleiter des Wilden
Kobolde nehmen oft B⸗sgeſtalt an;
Bock.
mediciniſchen Wiſſenſchaft ih damals geltend mach⸗
eine Bahexe erſcheint als Alp; B⸗sblut gilt als
Heilmittel gegen Epilepſie ꝛc. Viele aberglaͤubiſche
587
ten, kämpfte namentlich für die Einführung der
BVorftellungen kuüpfen fi außerdem an den B. phyſikaliſchen Diagnoftit, in welcher er Weltruf
Bol. Henne-Am Rhyn, Die deutſche Vollsſage, hatte, u. fette auch Oppolzers Berufung nad)
1874. 2) Schroot.
leipzig dur. B. ftrebte vor Allem danach, „wer
Leipz.
Bot, 1) Hieronymus (Tragus), Arzt und nigſtens als Lehrer, aber nicht bloß den Studi»
namhafter Botaniker, geb. 1498 in Heydesbach renden, fondern aud den Laien durch Wort und
(Unterpfalz); ftudirte auf mehreren Univerfitäten) Schrift nützlich zu fein, da in ihm die Ülberzeug-
Philofophie, Theologie, Medicin, interefjirte fich
namentlich für botaniſche Studien, wurde Schul«
lehrer in Zweibrüden u. Auffeher des herzogl.
Gartens, ging nad feinem lÜbertritte zur lutheri—
ſchen Gonfeffion als Paftor u, Arzt nach Hornbach,
mußte imdeß wieder flüchten, ging nach Zwei—
brüden, wurde Feibarzt des Grafen v. Naffau n.
fehrte jpäter nach Hornbach zurüd, wo er 1554
farb. Er machte weitere Sammelreifen u. fing
an, die Pflanzen wiffenschaftlich zu ordnen. Bon
ihm ein: New Kräuterbuch vom Unterſcheide,
Wirkung u. Namen der Kräuter, fo in Deutſchland
wachſen, Straßb. 1539, 12. Aufl., 1630. Die
vielen Auflagen SHezeugen den Werth, den man
diefem Buche beilegte; die befte Ausgabe ift die
von 1595. Die beigegebenen Abbildungen erichie-
nenauch für fi: Vivae atque ad vivum expres-
sae imagines omniaum herbarum in H. Bock
herbario depietarım, 2) Aug. Karl, geb. 25.
März 1782 in Magdeburg; wurde 1814 Pro»
fector des Anatomiſchen Theaters in Leipzig;
fl. 30. Jan. 1833. Er ſchr.: Beichr. des 5. Ner-
venpaares, Meißen 1817, Fol.; Nachtrag dazu,
ebd. 1821; Tabellar. Überfiht der Anatomie,
Lpz. 1817; Darftellung der Venen, ebd. 1823;
Darftellumg der weibl. Geburtsorgane, ebd. 1825;
Darftellung des Gchirnes, Nüdenmarles und der
Sinneswerfzeuge, ebd. 1824; Darftellung der
Organe der Reſpiration, des Kreislaufes des
Blutes, der Verdauung, des Harnes u. der Fort
pflanzung, ebd. 1825; Handbuch der praft. Ana»
tomie, Meißen 1819—22, 2 Bde., 2. A., 1831;
Nachtrag: Über gerichtliche Sectionen, ebd. 1831;
Katehismus der praktifchen Anatomie, 1826; Der
menihlihe Körper nad feinem äußeren Umfange,
1823; Die Rüdenmarksnerven, Lpz. 1827, Fol.,
lat. von Hänel, ebd. 1828; Darſt. der Saug-
adern, ebd. 1828; Der Profecter, Lpz. 1829;
Tabulae chirurgico-anatomicae, ebd. 1833, Fol.
(unvollendet). 3) Karl Ernit, berühmter Arzt
u. medicin. Schriftfteller, Sohn des Borigen,
geb. 21. Febr. 1809 in Leipzig; ſindirte dafelbft
von 1827—30 Medicin u. ging 1831 nach Aus»
bruch der polnischen evolution nah Warſchau,
wo er in einem der größten Hofpitäler als Stab$-
arzt angeftellt wurde u. auch nach Übergabe der
Stadt an die Ruffen in diefer Stellung noch einige
Zeit verblieb, Am Ende des Jahres 1831 kehrte
er nad) Leipzig zurüd, habilitirte fi als Privat»
docent u. ließ fich als praftiicher Arzt nieder.
Nah dem frübzeitigen Tode feines Baters mußte
er 24 Jahre alt die Sorge für Mutter u. Ge—
jhwifter übernehmen, eine Sorge, die ihn von
ftreng wiſſenſchaftlichen Arbeiten abbielt u. zum
Broderwerbe drängte. 1839 erhielt er eine Pro—
feffur fir Mebicin u. Chirurgie, 1847 die der
pathologiihen Anatomie, Mit Eifer widmete er
ung feftwurzelte, daß Krankheiten in der Zukunft
auch nicht befjer als jet und am allerwenigften
durch Arzmeimittel geheilt, wol aber recht gut durch
eine maturgemäße Lebensweife verhütet werden
fönnen u. daß durch Belehrung des Bolfes über
die Natur u. den menjchlichen Körper ein ver»
ftändigeres, willensträftigeres, weniger abergläubi«
ſches, moralifch befferes u. gejunderes, kurz ein
glücklicheres Menſchengeſchlecht als das jegige here
angezogen werden könne“. Sein innerer Trieb,
gegen Borurtbeil u. Aberglauben, gegen das Uns
weien der Gebheimmittel x. anzulänpfen, fand in
der Gartenfaube einen genügenden Zummelplag.
Hier hat er muthvoll w. treu feiner Überzeugung
einen vüdfichtslofen Kampf geführt u, vor Allem
betont, daß der Schwerpunft aller ärztlichen Thä-
tigfeit in das Beftreben gelegt werden müſſe,
dur geeiguete Maßregeln die Eutftehung der
Krankheiten möglichft zu verbüten; diefe Anſchau—
ungen find hauptfächlich im Buche vom gefunden
u, franlen Menſchen (Ypz. 1854, 10. Aufl. 1875)
niedergelegt. Bon feinen populären Schriften find
ferner zu erwähnen: DieHomöopathie, daf. 1853;
Der Bollsgeiundheitsiehrer, dai. 1865, der jechs
Auflagen erlebte; denen die ftreng mediciniſchen
anzufchpließen find: Handbuch der Anatomie des
Menſchen, daf. 1840, 6. Aufl., daf. 1871; Ana—
tomiſches Taſchenbuch, daf. 1839; Handatlas der
Anatomie, daſ. 1840; Gerichtliche Sectionen, daj.
1843; Lehrbuch der pathol, Anatomie u. Diagnoftik
u. der Atlas der patholog. Anatomie, daf. 1855.
Weiter hat fih B. dadurch fehr verdient gemadht,
daß er die Geſundheitslehre als Yehrgegenftand in
die Volksſchule einführte. Er ſchr. hierzu: Baur,
Leben u. Pflege des menfclichen Körpers, Lpz.
1868, 9. Aufl., 1874, das in vielen Schulen Ein-
gang fand. Ein anderes Schriften: Die Pflege
des Schullindes, vertbeilte ev in vielen tauſend
Eremplaren umentgeltlih an Deutichlands Lehrer.
Berühmt find feine plaftifchen, naturgetreuen u.
äußerft billigen Lehrmittel zum anthropologiſcheu
Unterridhte, die er aus Gips durch die Gebr,
Steger in Leipzig anfertigen ließ. Diejelben foll-
ten ın feiner Schule fehlen. Leipzig verdankt ihm
noch die Einführung des Turnens. In den legten
Jahren Fränfelte er infolge früherer Yırıgenleiden
u. fegte 1873 feine Profeffur nieder. Er itarb
19. Febr. 1874 in Wiesbaden, bis zum letzten
Augenblide fich feine geiftige Kraft wahrend. Im
hitzigen Kampfe zuweilen heftig und ſchroff, war
er ein von echter Wahrheitd- und Menſchen—
liebe durchdrungener Charakter, der auf idealen
Grundſätzen ftehend mit den Waffen der modernen
Naturwiſſenſchaft den Spiritualisinus unerbittlich
u. mit Freimuth befämpfte u. in der tüchtigen
BVBollserziehung u. Bollsaufllärumg das höchſte
Ziel ſah. Sein volles Mannesitreben ging nad
fih den reformatorischen Beftrebungen, die in der Erkenntniß, Humanität u. Wahrheit. Vgl. Garten-
588 Bockau —
laube 1874, ©. 479. 4) Cornelius Peter,
Kımftichriftfteller, geb. 8. Juni 1804 in Aachen;
ftudirte in Bonn u. Heidelberg Philofophie und
Philologie n. lebte dann drei Jahre in Italien;
nad jewer Rücklehr war er kurze Zeit Profeffor
in Marburg, worauf er in Aachen u. Brüffel
privatifirte u. an letzterem Orte 1846 Mitglied
der Königlichen Alademie wurde; ſpäter lebte er
in Stuttgart u. zuletst im Freiburg i. B., wo er
Brofefjor an der Univerfität war u, 18, Dt.
1870 ſtarb. Die Ergebniffe feiner antiquarifchen,
kunſtgeſchichtlichen u, literaturhiſtoriſchen Zorihun-
gen hat er zumeift in den Schriften gelehrter Ge-
jelljchaften niedergelegt. Er gab auch noch unedirte
Fragmente des Boethius (1856) heraus u. ſchrieb
unter dem Pſeudonyin Chriſtodor Gedichte in
Mufenalmanaden u. Zeitichriften, 5) Franz,
Schrijtfteller im Gebiete der kirchl. Wlterthums:
funde u. Kunftgefhichte, geb. 1823 zu Burtſcheid;
ftudirte in Bonn Theologie u. Geſchichte der chrift-
lichen Kunft; ward 1850 Priefter, dann Canonicus
in Aachen, veranftaltete 1852 im Krefeld die erfte
Ausftellung von alten Werfen der hriftlihen Kunft,
gründeteein Inſtitut für Anfertigung kirchlicher Stoffe
nach mittelalterlihen Muftern, bereifte Deutichland,
rankreich, Jtalien u. England zum Ywede des
Studiums der mittelalterlihen Paramentil und
Toreutit, gründete 1857 das erzbifhöfl. Mufeum
in Köln, den Diöcefantunftverein dafelbft, Mufter-
ſchulen für Anfertigung kirchl. Stidereien in Köln
u. Aachen, Krefeld u. Kempen, bereifte 1861
Stalien noch einmal, ging dann nah Rumänien
u. ward für feine Thätigleit vielfach ausgezeichnet.
Werle: Gefchichte der liturgischen Gewänder, Bonn
1859—66; das heil. Köln, Leipzig 1859—61;
Die Mufterzeichner des Mittelalters, Leipzig 1859
bis 1861; Der faroling. Münfter zu Wachen,
Bonn 1859; Der Reliqulenſchatz des Liebfrauen—
Minfters zu Aachen, daf, 1860; Der Kronleuchter
Friedrich Barbarofias im Miünfter zu Nacen,
Yp3. 1863; Die Kleinodien des Heil. Röm. Reiches
deutfcher Nation nebft den Kroninfignien Böhmens,
Ungarns u. der Yombardei, Wien u. Lpz. 1864;
Karls des Gr. Pfalzlapelle zu Aachen, daf. 1864;
Geſchichte der liturg. Gefäße und Geräthe des
Mittelalters, Lpz. 1864; Album mittelalterlicher
Ornamentftiderei, Lp3. 1866; Das monumentale
Rheinland, Lpz. 1866.
1) Thamhayn. 3) Thamhahn u. Etötner, 5) Regnet.
Bockau, Bergfleden im Gerichtsamte Schwar-
zenberg des Löniglich ſächſiſchen Regbez. Zwidan,
an der Mulde u. der Chemnitz-Adorfer Bahn;
Bergbau, Arzueifräuterbau; Stiderei, Handſchuh⸗
macherei, Korbflechterei, Olitätenbereitung, Bitriol«
brennerei;z 1854 Ew.; in der Nähe Silber u,
Kobalt- u. Schmirgelbrud).
Bockbier (Bol), ein vorzüglich in Bayern im
März gebrantes Bier mit Y/,—!/, mehr Malz-
zufag als das gewöhnliche Bayerische Bier (bei
100 Theilen T—8 Theile Malzertract); es wird
bei. gut in Minden gebraut, Das B. war ſchon
im 16. Jahrb. in Bayern befaunt; urſprünglich
war es aus Eimbed in Hannover dorthin gelom-
men u. wurde daher zuerjt Aimbodbier, jpäter ab»
Bet B. genannt.
Bödel (Bodelius), 1) Zoh., Mediciner, geb.
Bodenheim.
1. Nov. 1585 in Antwerpen; prafticirte erft im
amburg, wurde 1575 Profeffor der Medicin im
2 lehrte aber 1592 nad Hamburg zurüd,
wo er 21. Mai 1605 ftarb. Er ſchr.: Synopsis
novi morbi, quem plerique catarrhum febrilem
vocant, Helmft. 1680; Anatome, ebd. 1585, n.
Aufl., 1588; De philtris, Hamb. 1599, 1614;
De peste Hamburgensi anno 1565, Straßb.
1565 u. m. 2) Ernft Gottfried Adolf, Theo»
fog, geb. 1. April 1783 in Danzig; wurde 1804
Lehrer an der deuifchereformirten Schule u. 1805
am Fridericianum im Königsberg, 1808 Prediger
in Borchersdorf, 1809 Paſtor in Danzig, 18520
Profeffor der Theologie in Greifswald, 1826
Hauptpaftor an der Jalobslirche in Hamburg,
1833 an der Ansgariilirche zu Bremen u. 1836
Generaljuperintendent, Oberhojprediger u. Gehei—
mer Kirchenrath in Oldenburg; wurde 1852 in
Aubeftand verfegt u. ft. 5. Jan. 1854, Cr ſchr.:
Hofeas, überjegt und exrllärt, Königsb. 1807;
Religionsvorträge bei beionderen Gelegenheiten,
Berl, 1816; Nova elavis in graecos interpretes
vet. testamenti seriptoresque apocryph., Lpz.
1820; Feitpredigten, Berl. 1822; Epijtelpredigten,
Halle 1823; Predigtentwirfe iiber die Epifteln u.
Evangelien, Greifsw. 1824 f.. 2 Bde., neue Folge,
Hamb. 1827—33, 7 Bde.; Predigten zum Theil
bei bejonderen Beranlafjungen, Hamb. 1828—51,
3 Bder; Audachtsbuch für denkende Chriften,
Hanıb, 1833; Baffionspredigten, Hamb. 1829 —37,
6 Bde., 2. Ausg., Hamb. 1835—40; Biblische
Zittengemälbe, Bremen 1835 f., 2 Bde.; Das
Yeben Fein, ein Erbauungsbuch, Berl. 1838 —0,
2 Bde. Er gab aud die Zeitihrift Frenifon (für
die Union) 1822 f., 2 Bde, u. eine beutiche
Ausgabe der reformirt-fymboliihen Schrifien, Lpz.
1849, beraus, u
Boden, 1) die Äußerung des Geſchlechtstriebes
bei weiblichen Schafen u. Ziegen, welde ſich in
Zwiſchenräumen von 2—3 Wochen bis zur er-
folgten Befruchtung wiederholt u. bei gefunden
Thieren etwa 6—8 Wochen nach der Geburt des
Jungen gewöhnli wieder eintritt. 2) Eine
böje Angewohnheit der Pferde, bei welcher diejel-
ben wiederholt fi abwechſelnd heben u. binten-
ausfchlagen, den Rüden krümmen u. Kopf u. Hals
fteif nah unten fireden, wobei der Reiter ſehr
häufig abgeworfen wird. Iſt dies einem Pferde
einmal gelungen, jo wiederholt es den Verſuch
fehr gern, u. diefe Unart ift demfelben nur jehr
ſchwer u. durch vorfichtige Behandlung wieder
abzugewöhnen. Die Ejel verſuchen ebenfalls ſich
durch B. ihres Weiters zu eutledigen, u. faft
durhgängig mit Erfolg, weil e8 dem Neiter viel
ſchwerer fällt, fih auf einem Eſel, als auf einem
Pferde zu halten.
Bodenem, Stadt u. Amtsfig im Kreife Lies
benburg der preuß. Yanddroftei Hildesheim; 1860
Em.; bier am 9, April 1847 große Feuersbrunſt.
Bockenheim, früher Dorf, feit 1819 Stadt
im Amte gleihen Namens, im Kreife Hanau des
preuß. Regbez. Kaflel, 2 km von Franffurt a. M.,
mit dem e8 durch die Main-Weſerbahn u, eine
Pferdeeiſenbahn verbunden iſt; neue Cavalerie-
faferne; Fabrilen in Eiſenbahnwagen (450 Ar-
beiter), Nähmaschinen, Pianos, Bortefeuilles, Tabak
Bödh —
Bockkäfer. 589
u. Cigarren, Bijouterie, Bronze- u, Blehwaaren, bat in feinem Leben viele Anerlennung gefunden;
Hüten, Möbeln, Schriftgießerei, Branntweinbrens
nerei; Steinbrüche; Viehmärkte; ſchöne Yandfite;
Hauptvergnügungsort der Frankfurter; 1871:
8483, 1875: etwa 11,000 Ew.
Böckh, 1) Chriſtian Friedrid v. B. bad.
Finanzminiſter, geb. 13. Aug. 1777 in Karlsruhe;
wurde 1803 Gecretär bei der Befitergreifungs-
commiffion u. Hofratbsaffeffor, 1807 Kamnterrath
in Mannheim, 1810 Finanzrath in Karlsruhe, 1815
Geheimer Referendar, 1820 Director der Oberrech⸗
nungslammer, 1821 wirflider Staatsrathb und
Director des Finanzminifteriums, u. nachdem er
1825 geabelt worden, 1828 Finanzminiſter, als
dererdenStaatshaushalt im Großherzogth. Baden
ordnete u. fehr thätig bei dem Anſchluß Badeus
an den Zollverband war; 1844 wurde er Mini-
fterpräfident, zog fi} aber jchon 1846 von den
Geſchäften zurüd n. ft. 21. Dec. 1855 zu Karls—
rube. 2) Yuguft, Bruder des Bor., berühmter
Philolog, geb. 24. Nov. 1785 in Karlsruhe; ſtu⸗
dirte ſeit 1808 in Halle, wo er durch F. A. Wolf
zum Stubium der Alterthumswiſſenſchaft ..
wurde, ging 1806 nad Berlin, um eine Stelle
am Seminar für gelehrte Schulen einzunehmen,
febrte aber bald darauf nah Baden zurüd und
wurde jchon 1807 auferordentlicher, 1809 ordent-
liher Profeffor der Philologie in Heidelberg. Im
Jahre 1810 wurde er als Profeffor der Beredt-
ſamkeit u. alten Literatur nach Berlin berufen u.
wirfte hier zugleich als Director des philologischen
u. feit 1820 des pädagogischen Seminars jegens-
reich bis zu feinem Tode, 3. Aug. 1867. Er er
warb ſich großes Berbienft um die Alterthums—
wiſſenſchaften durch feine Specialforfchungen auf
dem jprachlichen u. biftorifchen Gebiete. Er ging
dabei von der Aufiht aus, daß die eigentliche
Philologie nit Zweck, fondern nur Mittel fei
zum Berftändniffe der ftaatlihen u. focialen Ber-
bäftniffe u. der übrigen Eulturmomente des Alter-
thums. Außer vielen zerjtreuten Abhandlungen
jhrieb er: In Platonis Minoem eiusdemque
libros priores de legibus, Halle 1806; Graecae
tragoediae principum num ea, quae supersunt,
enuina sint, Heidelb. 1808; Über die Versmaße
Bindars, Berl. 1809; Die Staatshanshaltung der
Atrhener, Berl. 1817, 2 Bde., 2. Aufl., 1851,
engl. von Lewis, Lond. 1828, franz. von Laligant,
Par. 1828; Philolaos des Pythagoreers Yehren,
ebd. 1819; Metrologifche Unterſ. über Gewichte zc.
des Alterthums, Berl. 1838; Urkunden über das
Seeweſen des attiihen Staates, Berl. 1840; Uber
das Verhältniß der Wiffenfchaft zum Leben, Berl.
1845; Manetho u. die Hundsfternperiode, ebd.
er wurde 1830 zum Geh. Reg.-Rathe ernannt,
zum Mitgliede der meiſten deutfchen u. europäiſchen
Akademien erwählt. Bgl. Unfere Zeit 1868,
3) Richard, namhafter Statiftifer, Sohn d. Vor.,
eb. 24. März 1824 in Berlin; ftudirte in feiner
aterftadt u. in Heidelberg bie Rechte u. Staats»
wiffenjchaften u. trat dann in den Staatsdienft;
er fand feit 1852 einige Jahre Berwendung im
Statiftiichen Bureau zu Berlin u. arbeitete darauf
bei der Regierung in Potsdam u. dem Ober-
präfidium der Prov. Brandenburg; 1861 erhielt
er wieder Anftellung beim Statiftifchen Bureau u,
wurde 1864 Negierungsrath u, in der Folge Lehrer
der Bevölferungsitatiftif am Statiftischen Seminar.
1875 wurde er an Schwabes Stelle Director des
Statiftiichen Bnreaus der Stadt Berlin. Er ſchr.,
außer gehaltreihen Auffägen in der Zeitihrift für
Erdkunde, im Arbeiterfreund, in der Zeitfchrift für
Völkerpſychologie, beſ. Ortfchafteftatiftif u. hiftoriich-
geographijc-nasinijce Überficht des Regierungsbez.
Potsdam, Berl. 18615 Geſchichtliche Entwidelung
der amtlichen Statiftif des preußiſchen Staates,
ebd. 1863; Der Deutichen Volfszahl n. Sprachge-
biet, ebd. 1869; auch entwarf er die Spradlarte
vom preuß. Staate, ebd, 1864. 2) Brambadı.*
Böding, Ednard, Nechtsgelehrter, geb. 20.
Mai 1802 in Trarbach; ftudirte feit 1818 im
Heidelberg, Bonn u. Berlin; wurde 1826 Privat-
docent der Rechte in Berlin, 1829 auferordent-
licher, 1835 ordentlicher Profeffor in Bonn; ft.
3. Mai 1870. Er widmete fi) vorzugsmweife der
Erforfchung römischer Rechtsquellen u. ift einer der
erften Vertreter der hiſtoriſchen Rechtsſchule. Er gab
heraus: des Aufonius Mosella fat. u. deutich, Berl.
1828, m. A., 1845, mit Benant. Fortunatus; mit
Klenze Gaji et Justiniani institutiones, ebd. 1829;
den Brachylogus, Bonn 1829; Maeciani assis dis-
tributio u, Balbi mensoris de asse lib., ebd, 1831;
das 3. Bud) des Dofitheus Mag., ebd. 1832; Gaji
institut. lib, II et fragm. Papiniani ex leg.
rom. Visig., ebd. 1834; Ulpiani fragm., 1851,
4.4. 1855; Gaji institut., ebd. 1837, 4. A.,
1855; die Notitia dignitatum utriusque imperii,
ebd. 1839—50, 2 Be; U. W. v. Schlegels
Werke, 1845 ff., 12 Bde.; die Epistolae obsen-
rorum virorum, Lpz. 1858; Huttens Werfe, ebd,
1859 —62, 5 Bde., dazu Zupplemente 1864— 70,
2 Bde. Er ſchr.: Über das Inſtitutionenſyſtem
des Gajus, ebd. 1841; Inſtitutionen des Röm.
Civilrechtes, ebd,, 2. A. 1862; Grundriß der Pan—
deften, 5. A. 1861; Röm. Privatrecht, Bonn u.
1843—52, 2 Bde., 2. A., 1862,
orfäfer (Longicornia, Cerambycidae), Käfer-
1845; Über Friedrichs d. Gr. claff. Studien, ebd. |fanriiie aus der Gruppe der Berborgenfünfgliede-
1846; Unterfuchungen iiber das tosmifhe Syſtem rigen (BViergliederigen); ihr Körper ift langge«
des Platon, ebd. 1852, Er gab heraus diejftredt; ihr Kopf vorgezogen, mit langen, fadenför-
Dialogi IV des Sofratiferd Simon, Heidelb. 1810; migen, gelägten oder gefänmten, elfgliederigen
den Pindaros, Lpz. 1811—22, Handausg., 1817, | Fühlern verfehen; Schienen mit Gnddörnen.
2, Ausg., 1825; Sophokles' Antigene mit Über- | Männden u. Weibchen find oft jehr verfchieden
ſetzung, Berl. 1843; im Auftrage der Berliner|geftaltet, nit mur, daß bei erfteren die Fühler
Atademie Corpus insceriptionum graecarum, oft außerordentlich verlängert erjcheinen, nicht jel«
1824—59, 3 Bde. (fortgejegt von Joh. Franz u. ten gejägt, gewedelt oder gefämmt, auch die Ober-
Kirchhoff). Seine atademiſchen Reden, Schriften, kiefer meiſt bedeutend länger find, ift oft die ganze
Krititen find herausgegeben von Aicherfon, Bratu- |Körperform, felbft die Färbung verſchieden. Mau
ſchel u. Eihholg in 7 Bon., Lpz. 1858— 72. DB, leunt an 7600 Arten, von denen die größten u.
590 Bodlamm —
farbenpräcdtigiten mwärmeren Gegenden angehören.
Während die Icbhaft gefärbten Tagetbiere find u.
fi gern fonnen, verlafien die meiſien der düfter
gefärbten erjt in der Dämmerung die Höhlen,
welche, von den Yarven bewohnt, auch ihnen als
Zufluchtsort dienen. Durch Reiben des Randes
der Borderbruft über die auergeriefte Oberfläche
der Mittelbruft fönnen die meiiten Arten ein zir-
pendes Geräuſch, das ſogenannte Geigen, bervor-
rufen. Manche werden durch Zerftören von Holz
ſchädlich, namentlid gilt Pics von den madenjör«
migen, langgeftredten, gelblih-weißen, durch ge-
ringe Entwidelnng der Beine aufjallenden Yarven,
welche ausfchließtih Pflanzenfrejier find u. fich der
Mehrzahl nach von Holz, feltener von Wurzeln oder
Krautftengeln ernähen. Bon den deutichen Arten
find die wichtigsten: Der große Eihenbodfäfer,
Spiefbod, Gerberbod (Cerambyx Heros
L), 4'/, em lang, dunfel gefärbt; ift auf alte,
ftarte Eichen angemiejen, deren Holz die Larven
nach allen Richtungen durchnagen. Der Moſchus—
oder Bifambod (Aromia moschata L.), 2—3
em lang, metalliih grün; riecht bereit$ auf meh-
rere Schritt ftarf nad Moichus; feine Larve durch—
fegt das Holz ftärterer Weiden, namentlich von
Kopfweiden. Der Ahornbock (Callidium in-
subricum Germ.), 2'/, bi$ 3 cm and ſchwarz,
mit tief metalliſch grünen Decken; wird dem Ahorn
ſehr geſährlich. Die Larve des Weberbockes
(Lamia textor L.) zernagt das Weidenholz,
namentlih in der Mitte der Stämme; bie des
ihönen Zimmerbodes (Astynomus aedilis L.)
ift Dagegen unſchädlich; bei diefem nur 12—17 mm
langen Käfer find die Fühler des Männchens oft
mebr als 5mal fo lang wie der Körper, die des
Weibchens dagegen höchſtens 2mal fo lang. Der
Große Pappelbod (Saperda Carcharias L.),
21/7, bis 3 cm lang, gelblich; ift ein fehr gefähr-
licher Feind der Pappeln. Der Ajpenbod (S.
populnea L.), 10 bis 12 mm lang, grünlidh- bis
gelblid)-grün; wird den Aſpen verderblih. Der
Schrotbod (Rhagium mordax F\), 18—22 mm
lang, odergelb, filzig, ſchwarz geiprenfelt; lebt umter
Eichenrinde, meift an feucht liegenden Stämmen.
Zu dieſen gejelen fih noch die minder fchädlichen
Sägebodfäfer (Prionus Groff.), Widderböde
(Clytus F\), Erdböde (Lamia F\), Kragen.
böde (Saperda F\.), Schmalböde (Leptura
F') un. a. Thome.
Bocklamm, ein unverſchnittenes männliches
Lamm; ein verſchnittenes heißt Hammellamm.
Bocklet (Bodelt), Dorf im Bezirfsamte Kiffin-
gen des bayerischen Regbez. Unterfranfen, an der
Saale; 362 Ew. Ju der Nähe 1727 entdedter
ſaliniſcher Eifenfäuerling, der für fich, in Berbind-
ung mit u. nah dem Kiſſinger Waſſer gegen
Bleichſucht, Schleimflitfie, Lähmungen zc. gebraucht
wird, mit guten Badeanftalten u. ſchönem Kurbaufe,
Es gibt 4 Quellen: die Ludwigs, Karls-, Fried-
richs u. Schmefelquelle ; Ietsteve enthält nur eine
Spur von Schwejelwafjerftofigas u. riecht nicht
nah Schwefel. Seit 1787 iſt auch ein kräftiges
Stahlbad angelegt, jowie man auch Gas-, Douche-
u. Schlammbäder daſelbſt finde, Rubach, das
Stablbad B., Wiürzb. 1867.
Böklin, Arnold, Hiftorien- u. Landſchafts—
Bockspeterſilie.
maler, geb. 1827 in Baſel; ſtudirte unter Schirmer
in Düſſeldorf, dann in München u. Rom, ward
1860 Profeſſor an der Kunftichule in Weimar,
legte aber fein Amt bald nieder, fehrte mad
München zurüd u. lebt ſeitdem abwechſelnd da,
in Baſel u. Italien. Hochpoetiſch, genial angelegı,
iſt er auch mit ungewöhnlich entwideltem colorı-
ftiihern Sinne begabt, aber nicht frei von ercen-
triſchem Weſen, das nicht bloß in der Farbe, ſon—
dern auch in der Eonception zu Tage tritt und
vielfadh verlegt. Zumächft widmete fih B. der
Landichaftsmalerei, Doch wurden die Figuren bald
vorwiegend. Hauptwerke; Villa am Meere mit
Corſaren; Faun im Schilf; Nubende Venus; Pan
u. Hirte; Antazonenjagd; Sich geigelnder Anachoret;
Wandgemälde im Muſeum zu Bajel; Fresfen in
der Villa Saratin dafelbft: Götter Griechenlands,
zu Schillers Gedicht; Pietd ; Selbftporträt; Ken-
tauren«Kampf. Regnet.
Bodold (Bodel, Bodelion), Joh., geb. um
1510 im Haag; ließ ſich als Schneider in Leyden
nieder (daber Arne von Leyden), wo er auch
eine Schenfe unterhielt u. als Theaterdichter und
Schaufpieler auftrat; feit 1533 befannte er fi
zu den Wiedertäufern u. ging 1584 nah Münfter,
wohin diefe Secte ſich geflüchtet hatte u. wo fich
B. nad Matthiefens Tode zu Oftern 1534 zum
Propheten der Secte aufwarf m. endlich als König
von Zion ausrufen Tieß; ſ. Münſter. Nachdem
Miünfter 1535 von dem Bifchof eingenommen
worden war, wurde B. am 23. Januar 1536
dort hingerichtet. Er ift der Gegenftand von
Meyerbeers Oper: Der Prophet.
Dodsbart, j. Tragopogon.
Bodäbeere, jo v. w. Rubus caesius Z.
Bodsbentel, kurze, breite, kurzhalſige Wein-
flafche, auf welche gemöhnlid Steinwein (f. d.)
abge en wird.
ockichnitt, eine Erziehungsart des Wein.
ftodes in den Weinbergen, wobei die niedrig über
dem Boden gehaltenen Rebeü ohne Pfahl fegel-
fürmig zufammengebunden u, theilweife nahe über
dem Boden feitwärts geleitet werden; wird nas
mentlich beim Rießling auf fruchtbarem Boden in
heißen Yagen als fehr zweckmäßig empfohlen.
Bodsdorn, ſ. Lycium.
Bockshorn (blauer Gänsfüher oder großer
blauer Ungar), eine mittelfrühe, ſehr großfrüchtige
und eintwäglihe Traubenart, melde fi vor
allen anderen Durch ihren außerordentlich kräftigen
Wuchs auszeichnet u. deshalb ganz bejonders zur
Belleidung von großen Wandflächen fur. Lauben-
gängen geeignet ift.
Bodshornbaum, fo v. w. Johannisbrodbaum
(Ceratonia Siliqua L.).
Bodshornflee, jo v. mw. Trigonella Foenum
graecum L
Bodsfnie, ein gebogenes, vorwärts gefrümm-
tes Knie, Fehler des Prerdes.
Bockskraut, Pflanze, it 1) Hypericum hirei-
num L.; 2) Chenopodium vulvaria L.; 8) Sal-
sola tragus L.
Bodsmelde, jo v. mw. Chenopodium rul-
varia L.
Bordspeterjilie, jo dv. w. Pimpinella saxi-
fraga L.
Bodum» Dolffis — Bode. 591
Bodum-Dolffs, Florenz Heinrich Gott-|furrection vom 1604—1606, geb. 1555, mütter⸗
fried v., preuß. Staatsmann, geb. 19. Febr. |liher Oheim des Fürſten Siegmund Bathory von
1802 in Weſtfalen; ftudirte in Heidelberg u. Berlin | Siebenbürgen. Als „Feitungscommandant von
"die Rechte u. Cameralia, wurde dann Referendar | Großwardein im VBerdachte eines Einperftändifies
in Goeft u. bei der Negierung in Miünfter; bier | mit den fiebenbürgifchen Aufrührern u. 1598 jeines
gebörte er zu dem Wejtfälifchen Landtage, nad) Poftens eutſetzt, vertheidigte er fi 1604 gegen
Verjeburg verfett, zum Landtäage der Provinz die faiferlichen Truppen, die ihn im feiner Burg
Sachſen; jpäter kehrte er als Landrath des Kreifes|gefangen nehmen wollten, bradte einen The
Sorft nah Weſtfalen zurüd u. war 1847 Mit- derjelben auf feine Seite u. nahm nun ſelbſt den
* des erſten Bereinigten Landtages. Unter dem
inifterium Manteuffel wurde er als überaler
zur Dispofition geftellt, blieb aber Mitglied der
Landesvertretung; 1858 wurde er Oberregierungs»
rath in Koblenz u. 1861 zweiter Vicepräfident
des Haufes der Abgeordneten. Er gebörte bier zu
dem linfen Centrum, ſtimmte mit fiir den befannten
Hagenfchen Antrag, welcher den Rücktritt des Mi-
nifteriums Auerswald-Schwerin zur Folge hatte,
u, bildete nad der Theilung der Fraction Binde
die Partei des linken Gentrums, welche gewöhn—
ih mit der Fortſchrittspartei ging. Als er 11.
Mai 1863 der Sikung präfidirte u. der Kriegs
minifter von Moon fi der Ordnung des Haufes
nicht fügen wollte, ſchloß B. die Sigung, worauf
der Yandtag aufgelöft u. B. nad Gumbinnen ver-
jegt wurde. Im Auguft 1865 trat er aus dem
Staatsdieuſte u. zog fich auf feine Güter zurüd.
Seit 1867 Mitglied des Norddeutjchen, dann des
Deutſchen Reichstages, Hielt er ſich zur Freien
Bereinigung.
Bocoholz, jehr dichtes u. ſchweres Holz, von
bräunlich-grauer Farbe; wird in der Kunfttiichlerei
ſehr geibägt, weil es eine ſchöne Politur annimmt.
Es ſtammt von der in Guiana heimiſchen Bocoa
prouacensis Aubl,, au$ der familie der Papilio-
naceen, ausgezeichnet durch Verwachſung der 5
linealiichen, gelben Blumenblätter unter einander
u. mit den 10 Staubblättern, ſowie durch eine
einfamige verfehrt-eiförmige Hülfenfrucht; Blätter
einfach, lederartig. Engler.
Bocquillon-Üilhelm, Louis (eigentlichLonis
Wilhelm B.), Mufiter, geb. 1781 in Paris; be-
fuchte ſeit 1795 die Nationalfchule zu Liancourt
u. erhielt im December 1799 die Erlaubniß, in
das Conſervatorium zu Paris einzutreten.
faiferlihen Befehlshaber gefangen. Unterftügt von
dem proteftantischen Adel Ungarns, der die Reli—
gionsfreiheit gegen den von den Jeſuiten gelei-
teten Kaifer Nudolf II. vertheidigte, fand er immer
größeren Anhang auch unter den Szellern und
wurde von denfelben auf dem Yandtage zu Szermefe
(Ungarn) zum Fürften ausgerufen, jo daß es Kaifer
Rudolf für geratben fand, 23. Jan. 1606 mit
ihm in Wien Frieden zu fchließen. Durch diefen
Frieden wurde B. als Erbfürſt von Siebenbürgen
u, einigen ungarifchen Comitaten beftätigt u. dem
Proteftanten Neligionsjveiheit gewährt. Er ftarb
29. Dec. 1606. - Gicalel.*
Bod (Bodihi), einheimische Bezeichnung für
Yaud u. Boll v. Tibet (i. d.).
Bodden heigen mehrere Meeresarme u. »Bufen
der Dftiee: der Jasmunder B., eine tiefe Bucht
in der Inſel Rügen, zwiſchen den Halbinfeln Jas—
mund u. Wittow; der Kubiter B., im pommer.
Kreife Franzburg, zwifhen der Inſel Rügen u.
dem Feſtlande; der Rügenſche B., zwifchen
der Juſel Nügen u. dem Feſtlande, im preuß.
Kreife Greifswald, an 450 [km groß, aber au
vielen Stellen nur 3 m tief, deshalb von größeren
Schiffen mit voller Ladung micht zu befahren;
der Camminſche ®., zwiüchen der Inſel Wollin
u. dem Feſtlande, bei der Stadt Cammin, von der
Divenowmündung gebildet.
Bode, 133 km langer linfer Nebenflußder Saale;
entipringt am Broden (Harz) bei Königshof, im
Kreife Wernigerode des preuß, Regbez. Magde-
burg, aus 4 Quellen (Kalte, Warıne, Yupps»,
Rapp-B.); macht bei Stadelberg einen Wajfer-
fall, durchfließt ein vaubes, oft wildromantifches
Thal, das in feinem unteren Theile Hocdgebirgs-
Ericharalter annimmt u. von Zouriften ſtark befucht
aber ftudirte weiter zu Gompitgne u. St. Cyr. wird, tritt zwifchen der Noßtrappe u. dem Herens
1806 wurde er in Paris zur Mitarbeit an dem
Verichte über die Agyptifche Erpedition herange-
zogen. Hier trat er mit mehreren jungen Schrift.
ſtellern, jo mit Beranger, Lebrun u. Jomard,
in Verbindung, componirte einige Boltslieder,
wurde 1810 Brofeffor der Muſik am Lyceum Na-
poleon u. 1819 Lehrer des Gefanges am einer
Parifer Volksſchule, 1826 Leiter des Muſikunter—⸗
richtes in den von der Gefellichaft zur Förderung
der Schulen gegründeten Schulen, u. 1835 Ge-
ueralinipector des Gejangunterrichtes in den Pa-
rifer Stadtſchulen. Privatim wirkte er für die
Hebung des Voltsgefanges in Handwerker» u. an«
deren Bereinen. Er ftarb in Chaillot bei Paris
1842. Schrieb: Guide de la methode elömentaire
et analytique de musique et de chant, Paris
1821—23; Tableaux de lecture musicale et
d’exdeution vocale, ebd. 1827—32, u. öfter be-
arbeitet; Manuel musical, ebd. 1836 u, a. Brambach.
Bocskai, Stephan, Haupt der ungar. In—
tanzplag aus dem Harz, nimmt die Selle, Holz—
emme u. a. auf u. mündet bei Nienburg im Au—
halt; ift reich an Forellen. R
Bode, 1) Zob. Joachim Chriſtoph, Über-
jeßer, geb. 16. Jan. 1730 in Brauufchweig;
lernte erjt die Muſik uw. wurde 1750 Hautborft
dafelbft u. 1752 im Celle; 1756 ging er nad)
Hamburg, wo er 1759 zuerſt als Überſetzer auf:
twat u. den Hamburger Gorveipoudenten 1762
bis 1763 herausgab. Dur eine reiche Heivath
in eine unabhängige Lage verfeßt, errichtete er
eine Buchdruderer und entwarf mit Lejfing deu
Plan zu einer Buchhandlung der Gelehrten, in
welcher die Werke des Genies u. Geichinades zum
Bortheil der Berfaffer gedrudt werden follten;
allein das Project mißlang. 1778 ging er als
Secretär der verwittweten Gräfin von Beruftorfi
nah Weimar uw. bejchäftigte fi viel mit der
Freimaurerei. Er ftarb dort 13. Dec. 1798.
Seine Schriften beftehen faft nur aus anonym
-
592
Vodegraven — Boden,
erfchienenen Überjegungen, in denen er zuerſt ſdes Krieges in bie Landwehr über; zugleich fette
glänzend zeigte, weflen bie beutihe Sprache in
diefev Hinficht fähig fei. Er überfegte Yorils em-
pfindfane Reife, Hamb. 1768, 5. Ausg., 1804;
Triftram Shandys Leben, Hamb. 1774, 9 Thle.;
Goldſmiths Dorfprediger von Walefield, Leipzig
1776; Fieldings Tom Jones, ebd. 178688, 6
Bde.; Montaigues Gedanken u, Meinungen, Berl,
1793— 97, 7 Bde. Bgl. Böttiger, B-8 literarisches
Leben, Berl. 1796. 2) Johann Elert, deutſcher
Aftronom, geb. 19. Jan. 1747 in Hamburg; flur
dirte Mathematif, wurde 1772 Aſtronom der
Alademie der Wiſſenſchaften zu Berlin; er fl. 23.
Non. 1826 als penfionirter Director der Gtern-
warte in Berlin. Er ſchr. u. a.: Über die Sonnen-
finfterniß im Jahre 1766, Berlin 1766; Anleit-
ung zur Keuntuiß des geftirnten —— Berl.
1768, 11. Aufl., herausgeg. von Bremiler, Berl.
1858; Erläuterung der Sternfunde, Berl. 1773,
3. Aufl., 1808, 2 Thle.; Aſtronomiſche Jahrbücher
für die Jahre 1776—1829, Berl. 1781—1828,
54 Bde., fortgef. von Ende, jpäter von Förfter ;
Reprösentation des astres auf 34 Kupfertafeln,
ebd. 1782, 2. Ausg., 1805; Anleitung zur allge
meinen Kenntniß der Erdfugel, ebd. 1786, 8.
Aufl. 1820; Entwurf der aftronomischen Wiffen-
ichaften, ebd. 1794; 2. Aufl., ebd. 1825; Urano-
graphia, ebd. 1801, Fol., n. Aufl., 1818, worin
17,240 Sterne, d. h. 12,000 mehr, als vorher
befannt waren, verzeichnet find; Allgemeine Be—
tradhtungen über das Weltgebäube, ebd. 1801,
3. Aufl., 1834; Bon den neu entdedten 8 Haupt-
planeten, ebd. 1802; Erläuterungen über die Ein-
richtungen u. den Gebrauch feiner aftronomijchen
Jahrbücher, ebd. 1812, 2. Aufl., 1817; Betradt-
ung ber Geftirne u. des Weltgebäudes, ebd. 1816,
2. Aufl., 1823, u. v. a. 3) ®. Körmer.* 2) Specht.
Bodegraven, Martifleden im Bezirte Leyden
der niederländischen Provinz Shollend, am Rhein;
Seilerei; i. d. Gem. 3030 Ew. B. ift hauptjäch-
ih befaunt durch die 1672 von den Franzoſen
dajelbft verübten Gräuel, Jm Fahre 1870 brannte
B. beinahe ganz ab.
Bödeli, Gegend im Bezirke Interlafen des
jchweiz. Kantons Bern, Centralpunft des Ober-
landes, zwiſchen Thuner- u. Brienzer-See, 560 m
ü. d. M.; von der Aare durchflofien, auf welchem
bef. die Kirchgemeinden: Aarmühle mit Juterlaten,
Unterfeen, Bönigen, Matten und Gfteigwyler zu
fammen mit 7030 Ew. leben; im Sommer von
Fremden überfüllt ; palaftartige Gafthöfe 1. Ran—
ges; eine der jhönften Stellen der Schweiz, mit
voller Anficht der Jungfrau; uralte Nußbaumallee;
Eifenbahn von Därligen über Juterlafen nad)
Bönigen (Bödeli-Bahn, melde als Brünig-Bahn
ſorg5 werden foll).
odelfdywingi-Belmede, 1) Eruft v. B.,
preuß. Staatsmann, geb. 26. Nov. 1794 zu Bel-
mede in der Grafihaft Mark; ftudirte feit 1812
Jurisprudenz u. Cameralwifjenfchaften zu Berlin,
machte den ‚Feldzug 1813 uuter den freiwilligen
Jägern mit, nahm 1814, gemöthigt durch eine
ſchwere Verwundung bei Freiburg a. d. Unftrut,
21. Oct. 1813, als Premierlieutenant feinen Ab- | Site einer Adererde.
er feine Studien in Berlin fort; 1817 in den
Cipildienſt getreten, wurde er erft Referendar in
Münfter, dann Affeffor bei den Regierungen in
Kleve u. Arnsberg, 1822 Landrath des eiſes
Zedienburg, 1831 Oberregierungsrath in Köln
u, bald darauf Regierungspräfideut in Trier, 1834
Oberpräfident der Rheinprovinz; 1842 —44 mar
er Finanzminifter, worauf er das Portefenille des
Innern übernahm, trat im März 1848 zurüd u.
lebte auf feinem Gute in Weftfalen, 1849 wurde
er in die preußische Zweite Kammer gewählt, im
Sept. deff. J. mit der Leitung der Gejchäfte des
Deutfhen Verwaltungsrathes betraut, 1850 Mit-
glied der Bollslammer beim Erfurter Barlament,
1852 Negierungspräfident in Arnsberg. Er ft.
18. Mai 1854 zu Medebach, auf einer Dienftreiie.
2) Karl, Frhr. von, geb. 16. Dec. 1800 in
Hamm; fiudirte in Berlin u. wurde, nachdem er
1837 —44 Yandrath in Hamm gemweien war, Ober-
vegierungsrath in Minden, 1845 Regierungswice-
präfident in Münfter u. 1849 Regierungspräftdent
in Arnsberg; vom Juli 1851 bis Nov. 1858 u.
vom Gept. 1862 bis Juni 1866 war er preußi-
Icher Finanzminifter; feit 1867 war er Mitglied
des Norbdeutihen u. 1871 des Deutſchen NHeichs-
tages, wo er zu den Confervativen gehörte. Er
ft. 10, Mai 1873 zu Berlin.
Boden it der durch Verwitterung von Ge—
fteinen entftandene, zu Tage gehende Theil der
feften Erdrinde, welder, eine mehr oder weniger
erdige, mit et Subſtanz durchſetzte Maſſe
bildend, die Wohnung u. die Nahrung für die
Pflanzenwelt liefert. Bisweilen läßt fih das Mut»
tergeftein noch deutlich im Boden erfennen u. mit
Sicherheit beſtimmen, aus welchem Gejtein der-
jelbe entſtand, oft ift es aber auch fchon fo weit
zerſetzt u. verichlämmt, daß fi} der Urſprung mur
noch vermutben läßt. Iſt der ®. vermöge jeiner
Beichaffenbeit u. Lage zum Ackerbau geeignet, fo
nennen wir ihn Aderboden. Die Beftandtbeile des
B⸗s zerfallen in Bezug auf Pflanzenproduction in
drei Gruppen: 1) bodenbildende Beftandtheile,
2) mineraliihe Pilanzennährftoffe, 3) Humus mit
feinen Beriegungsproducten. Die Beftandtbeile,
welche durch die unbewaffneten Sinne wahrnehm⸗
bar, in erheblicher Menge vorkommen, die wejent-
lichen Beftandtheife, find: Thon u. Sand, nächſt
den Kall, Humus, Berbindungen des Eiſens,
‚yelstriimmer u. Steine. Das relative Auftreten
diefer bodenbildenden Beftandtheile kann nur die
genaue Arbeit des Ehemifers feftitellen,, welcher
leichfallis den qual. u. quamt. Nachweis der
lanzennährftoffe durh die B-analyfe liefert.
Sie hat den Zwed, feftzuftellen, ob in chemiſcher
Hinfiht die zum Wachsthum der Culturgewächſe
nöthigen Bedingungen vorhanden. Es genügt wicht,
nachzuweiſen (qualitativ), daß die Mineralbeitand«
theile überhaupt vorhanden, denn dieſes ift im
jedem B., jelbit dem fterifen, der Fall, fondern
die Analyje muß quantitativ geführt werden.
Schon Wallerius (1778) betonte die Wichtigkeit
der chemiſchen Analyfe für die Beurtheilung der
Im Laufe der Zeit find
ſchied und ftudirte in Göttingen weiter, ging aber ſeitdem eine große Menge B-analyfen ausgeführt.
1815 wieder zur Armee u. trat nad Beeudigung|Die erwarteten Aufſchlüſſe über die Fruchtbarkeit
Boden.
593
der Erden ergaben fi aber nicht u. fonnten fihlstenntnig von der Entftehung des B-8; jeinen
nicht ergeben, weil man Durdjchnittsproben der
anzen Erde analyfirte u. die gefundenen Zahlen
$ geringe Unterjchiede zeigten, daß aus ihnen
feine Schlüffe auf die Fruchtbarkeit zu ziehen
waren. Um die Mitte diefes Jahrhunderts ver-
warf man daher die B-analyfe ganz u. legte ſich
auf das Studium der pbyfifaliihen Eigenfchaften.
Diefe find num aber offenbar bedingt durch die
Diineralbeftandtheile u. das Mengenverhältniß, in
welchem diefelben vorhanden find, Bei der Ab»
fhätung eines B⸗s ift fein derzeitiger, durch Be-
arbeitung u. Düngung bedingter Aufland allein
nicht maßgebend, auch auf feine zukünftige Taug«
lichkeit zur Pilanzenproduction muß unbedingt
Rüdfiht genommen werden. Auch hierüber fann
nur die chemiſche Prüfung Aufſchluß geben. Nach—
dem diefes mehr u, mehr erfannt war, wurde in
neuer Zeit der jegt richtiger angewandten B-ana-
Iyje wieder größeres Gewicht beigelegt. Zunächſt
wird auf mechanischen Wege (mechanische Analyſe)
die Adererde getrennt in Feinerde u. Beilelet.
Dies geſchieht befonders durch Schlämmen (f. d.),
oder aud, indem man ein Quantum Adererde
dur ein äußerſt feines Drahtfieb wäſcht. Die
auf dem Siebe verbleibenden Mineralfragmente
gelten als B-ffelet, u. über ihren Werth entjcheidet
die mineralogifche Prüfung, welche erfennen läßt,
ob durch Berwitterung derfelben die Feinerde an
Pflanzennährftoffen bereichert werden fan. Eine
‚ Zrennung in Fein-, Mittel- u. Grobkies wird
durch entiprechende Siebe leicht bewerkftelligt. Die
durch Schlämmen oder Sieben erhaltene Feinerde
wird der chemischen Analyſe unterworfen, welche
nachzuweiſen hat: a) das hygroſtopiſche Waffer,
b) das chemiſch gebundene Waſſer, c) den Hu-
musgehalt, d. b. die organiſchen Beſtandtheile
unter Berüdfichtigung des darin enthaltenen Stid-
ſtoffes, d) den Gehalt an Mineralbeftandtbeilen.
Diefer Nachweis muß fid) ſowol auf die Baſen:
Thonerde, Eifenoryd, Eijenorydul, Manganorydul,
Kalf, Magnefia, Natron u. Ammoniak, als auch
auf die Säuren, am welche dielelben gebunden:
Phosphor-, Schwefel-, Kiejel-, Koblen- u. Salpeter-
ſäure, u.endlich auf das Ehlor erfireden. Seltene®-
beftandtheile find: Strontian, Baryt, Kupfer, Bint,
Schwefel, Arfen. Die genannten Körper werden
qualitativ wie quantitativ nach den allgemeinen
Regeln der chemiſchen Analyſe nachgewieſen und
beſtimmt; nur wenn aus der größeren oder ge—
ringeren Löslichkeit einzelner oder aller auf die
Fruchtbarkeit gefchloffen werden foll, find fpecielle
Verfahren einzuſchlagen. Die üblichſten Methoden
find: Auszieben des B-s mit Waſſer oder Salz:
fäure oder Ejfigjäure oder Oralfäure von beftimmter
Eoncentration u. Unterfuchung des erhaltenen
Auszuges. Meift wird nur der quantitative Nach—
weis des Kalis, der Phosphorjäure, des Gtid-
ftoffe® u. des Kalfes verlangt. Wird ein Ader-
boden auf diefe Weiſe analyfırt, fo läßt fih aus
den gefundenen Refultaten oft mit größter Wahr-
fcheinlichfeit auf feine phufitafifhen Eigenſchaften,
die indeſſen auch direct vermittelt werden fünnen,
auf feine Abftammung, Ertragsfähigteit u. a.
ſchließen. Die B-änalyje ift fomit nur ein wich⸗
tiger Theil der Befunde, welche im Allgemeinen
, Pierers Univerfal-Eonverfations-?eriton. 6. Aufl. II Band.
Beftandtheiten, feinen chemiſchen u. phyfitalifchen
Eigenfhaften, feiner Eintheilung u. endlich feiner
rationellen Benutzung gibt. Die Gefteine, welche
den B. für unſere heutigen Eulturpflanzen ge«
liefert haben, find reich an Thonerde, Quarz u.
Kalf, Granit, Syenit, Granulit, Gneis, Porphyr,
Trachyt, Glimmerſchiefer, Schieferthon, Maun u.
Thonſchiefer, Graumade, Diorit, Diabas, Mela⸗
phyr, Gabbro, Hyperſthen, Baſalt, Sand, Sand-
fein. Die für den B. wichtigſten einfachen Mines
ralien, aus welchen diefe Gefteine befteben, find:
Feldſpath, Thon, Glimmer, Chlorit, Tall, Ser:
pentin, Augit, Hornblende, Ouarz, Kallſtein,
Gips, verfchiedene Eifenerze, Apatit, Wamellit,
Vivianit. Durch den Einfluß der Athmofphärilien
(des Waffers, Sauerftoffes, der Kohlenſäure),
ſowie durch mechaniſche u. phyſikaliſche Kräfte
(Schwere, Stoß, Wärme) werden diefe Gefteine
zertrümmert, verändert, fortgeführt u. liefern im
Lanfe der Zeit die Materialien des B⸗s (vgl.
Veritterung). Hierzu kommt nody die weiter
unten berührte B-bildung durch Verweſung tbieri-
ſcher oder pflanzlicher Organismen (Humus,
Torf- u. Moorboden). Die geognoftiihe Claffifi-
cation, d. h. die Eintheilung der Brarten nad
den Gefteinen, aus welchen der B. entftanden if,
unterſcheidet hiernach zunächſt: Granit, Syenit-,
Gneis⸗, Glimmerſchiefer-⸗, Thonmergelſchiefer-,
Thonjchiefer-,, Thonſtein-⸗, Quarzit-⸗, Quarzcon⸗
glomerat-, Kieſelſchiefer⸗, Grauwackeſchiefer⸗ Chlorit=
ſchiefer⸗ Grauwadeſandſtein⸗, Rothſandſtein⸗, Grün⸗
ſtein⸗, Serpentin⸗, Quaderfandftein-, Keuperiand-
ftein«, Granulit⸗, Felſitporphyr⸗, Trachyt⸗, Jura⸗
falf-, Juradolomit⸗, Bajalt-B,
Diejes find die unmittelbar aus ihren Grund«
gebirgen entftandenen, angeftammten B-arten oder
Srundfehuttformationen; mittelbar ans dem einen
oder anderen oder mehreren ®efteinen entftanden
die angefhwenmten B-arten oder Fluthſchuttfor⸗
mationen :
2. Thonmoor«
—— v Braafınoor«
en J Boden. | Sandinoor- ; Boden,
allmergel⸗ Sandmergel⸗
Thonmergel- Kaltmoor-
Loßmergel⸗
Welcher von dieſen Böden es auch immer ſei, feine
Hauptbeftandtheile, die bodenbildenden Beftand-
theile, find: Thon, Sand, Kalf und Humus,
1. Thon, das ſich fett anfühlende VBermitterungs-
product von Feldſpathgeſteinen, ift kieſelſaure
Thonerde in jo feiner Bertheilung, daß fie fi
durch Schlämmen vom gröberen Sande treunen
läßt. Der Thon nimmt vermöge feiner vielen
Heinen Zwifchenräume viel Wafjer auf (70 bis
80%, feines Gewichtes) u. wird zu einer plajti«
jhen Mafje; er hält dies Waſſer ſehr feft und
trodnet darım langfam aus, hat große Capillari«
tät u. Abforptionsfähigfeit; das jpec. Gew. 2,un2«
Der Thon ift in reinem Zuftande (als Porzellan—
thon od. Kaolin) von weißer Farbe; er wird dur
Eifenoryd gelb bis röthlich, durch Eifenorydul grau—⸗
bläufih, durch Bitumen u. Humus grau⸗ſchwärzlich
efärbt. 2. Sand, die Trimmerzerfallener Gefteine,
Befeht im Wefentlihen aus unlöslicher Kiefelfänre
38
594
— Duarzjand — von verjchiedener Farbe und
Größe, er hat wenig Flächen und Zwiichenräume,
nimmt deshalb nur 10—40 %, jenes Gewichtes
Waſſer auf und trodnet wieder raſch ab; jeine
Abjorptionsfähigfeit ift gleichfalls gering; das
fpec. Gewicht im Durchſchnitt 2,,.. Man nennt
Sand aus Kömern von
1,,—3 mm Durchmeſſer Kiesfand
Ol n [2 Grobfand,
0:5 m ine, Flugſand,
unter OO, „ z Staubfand.
3) Der Kall lommt im B. au mehrere Säu—
ren gebunden vor, namentlih an Kohlenfäure,
Die koblenfaure Kalkerde nennt der Yanbmwirth
ſchlechthin Kalfl. Diefer beftebt aus ſehr feinen
Theildien, welche häufig zu größeren Körnchen ver-
einigt find. Bon jeiner feinen Bertheilung ift die
Wafjeraufnabme (B0—90 %, ſeines Gemichtes),
Wafferabgabe, Capillarität u, Abforptionsvermögen
abhängig. Mit viel Waffer wird der Kall breug,
jhmierig. Sein fpec. Gew, ift im Durchſchnitt
2a 4 Humus. Mit diefem Namen werben
die organischen UÜberreſte früherer Begetationen
bezeichnet, welche fih im B. in allen Stadien des
Verweiungsprocefies vorfinden. Bon dem jemei-
ligen Zuftande der Zerſetzung find bie Eigenfchaften
abhängig. Wenig zeriegier Humus hat meite
Poren, nimmt wenig Waſſer auf u. trodnet raſch
ab; ftarf zerjegter ift im naſſen Zuſtande jpedig,
im trodenen pulverig, nimmt bis 200 %/, feines
Gewichtes Waffer auf und hält daffelbe jehr feit.
Das Abjorptionsvernögen , befonders für Gaſe,
ift ftark; humusreicher B. erwärmt ſich deshalb
jebr bo. Farbe ſchwarzbrann bis ſchwarz; das
fpec. Gewicht mechjelt mit dem Grade der Zer—
ſetzung. Chemiſch unterſcheidet man a) in Waſſer
lösliche, ſaure Humusſubſtanzen od. Humusſäuren:
Geinſäure, Quellſäure, Quellſatzſäure, Ulminſäure
und b) in Waſſer unlösliche: Ulmin, Humin und
Humuskohle. Ähnlich unterſcheidet der Landwirth
ſauren Humus, welcher feiner freien Säure wegen
der Negetation ſchädlich iſt (Moor- oder Bruch—
boden) u, milden Humus, in welchem die Säure
an Bafen gebunden’ift. Nächft dem Thon, Sand,
Kalt u. Humus fommen im größerer Menge nur
noch Bittererde u. Eifenoryd vor, jedoch rechnet
man fie nicht mehr zu den bodenbildenden Be-
ftandtheilen, wol aber gebört dazu der Pehm und
der Mergel. 5. Eine innige Miihung von Thon,
Sand u. Eifenoryd, bei welher die Eigenichaften
weder des Thons, noch des Sandeshervortreten, deren
Farbe abergleihmäßigrotbgelbift, heißt in der Land⸗
wirtbichaft Lehm. Derfelbe enthält 30—50°/, Thon,
20—30 Sand und 5—15 °,, Eijenverbindungen
u, unterfcheidet fi vom Thon durch höheren Kiejel-
fäuregehalt und meift höheres fpec. Gew., das
zwifchen 2,0 umd 2,5, ſchwankt. 6. Mergel ift
ein Gemenge von fohlenfaurem Kall, Thon und
Sand- von aufßerordentlicher Berfchiedenheit. Er
it durch Waſſer aus Gebirgsformationen ent-
itanden u. bildete fi als Abjat aus Waffer. Es
gibt weißen, grau-mweißen, grauen, blauen, gelben
u, röthlihen Mergel, und nach dem Borherrichen
des einen oder anderen Beſtandtheils untericheidet
man Kalt-, Thon-, Sand-Mergel ꝛc. (j. Mergel).
Durch das Vormalten des einen od. anderen dieſer
Boden.
bodenbildenden Beftandtbeile find die phyſikaliſchen
Eigenschaften des Bodens, insbejondere deſſen
Zufammenbang, in jo hohem Maße bedingt, daß
es nahe lag, diefelben bei der Gintheilung des
B-8 zu Grunde zu legen. Man untericheider hier»
nad, wie folgt (phyſitaliſche Elaffification).
| entbält Brocente:
Bodenart. Thon. Kalt. | Humus. Saud.
1. Thonboden. Dumm: bis 6bis dRetſt.
2. Sandboven . . bus 10 | Bid | bis 5 z
3. Kalfboden . . . | 10-0 | u.m.| bis 5 .
4. Humusboben . „. | WW | Epuren | du.m. *
d. Lebinboden .. 30 0 Bid bis 5 u
Diefe 5 Bodenarten zerfallen wieder in fol«
gende Unterabtheilungen ;
1. gemeiner Thonboben, 3. gemeiner Kaltboden.
anbiger = tboniger r
Kall⸗ fanbiger P
Wergel- r Bayer ”
bumsofer ” eide *
eifenbaltiger „ Dolomit r
fteiniger E Wergel: r
4. milder Humußboden,
2, gemeiner Saubboden, eibes 5
tboniger A orf:u. Mocr;.
Kalt: u b. gemeiner Lchmboben,
Mergel⸗ tboniger E
bunnofer — ſandiger
eifenbaltiger „ Fall: #
Papa: um pi Mergel: ji
Gimme „ bumofers Be
eifenbaltiger „
Je nachdem Thon od. Sand vorherrſcht, ift das
Gefüge mehr bündig od. körnig, der B. dicht od.
loder. Danach .ift auch das fpecifiiche Gewicht des
Bes verſchieden, doch ſchwankt es im Allgemeinen
zwiſchen 2 und 3. Jeder B. beſitzt ——
doch find nur bei lörnigem B. (Sand) die Zwifchen-
räume mit dem bloßen Auge wahrnehmbar. Von
der Poroſität ift der Zutritt der Atmofphärilien
und deren Einfluß auf den B. abhängig, ſowie
deſſen Durchdringlichleit (Penetrabilität) für Wafler,
auf welcher GEigenihaft der Feuchtigleitszuſtand
des B=- 8 beruht. Infolge diejer Eigenichaft
nimmt der B. ſowol atmoſphäriſches, als Grund-
waſſer bis zu einem beſtimmten Procentſatze auf
u. gibt den ſchädlichen Überſchuß an atmotpbärt-
ſchem Waffer an das Grundwaſſer ab. Der B.
wird alddann mehr od. wenig durchläffig genannt.
Je mehr ausfüllbare Zwifchenräume im B. vor»
banden, je mebr er aljo Waſſer aufnehmen kann,
defto größer ift eudlich die Solubilität, die Yöse
lichkeit einzelner Beitandtbeile des B-8. Je nad
dem größeren od. geringeren Gehalte des Bes an
Waſſer nennt man denjelben naß — wenn er mit
Waſſer überfättigt ift — troden — wenn er mur
bugroffopiiches Waffer enthält — u. in dein der
Begetation bauptiählih günftigen Mittelzuftande
feucht. Der Feuchtigkeitsgrad des B-8 ift abhängig
von der Menge des ihm zur Aufnahme dargebo-
tenen Waffers, von feiner Lage — ob horizontal,
ob geneigt — der Yufttemperatur, der Windridht-
ung, der Jahreszeit, bauptiächlich aber von feiner
größeren oder geringeren Fähigleit, Wafler in
flüſſigem oder dampfförmigem Zuftande aufzu-
nehmen und feitzubalten. Diefe von der Zuſam—
menſetzung des Bes weſentlich bedingten Eigen-
ſchaften — wafferfaffende Kraft oder Waſſerauf⸗
nabmefäbigfeit, woafferzuriidbaltende Kraft und
Wafferdampf » Abjorptionsfähiglet — find zuerft
Boden. 595
von Schübler eingehend gewürdigt und beftimmtjrajcer, als feuchter, weil das Waſſer eine größere
worden. Die Ergebniffe der hierüber angeftellten| jpecifiihe Wärme befitt, als die Erdarten, u. weil
Unterfuhungen find nachſtehend für die wichtigften ein Theil der aufgenommenen Wärme durch die
B-arten zufammengeftellt: Verdunftung des Waſſers verloren gebt; duntel
affermurid: —— B. leichter, als heller, weil letzterer die
Itendern —— ärmeſtrahlen mehr zurückwirft, erfterer fie auf«
Waſſerfafſende Kraft.
a
B. 100 z01. MN nimmt; ſüdlich geneigte 2 18 Eb
j . | "Fäbiafeit. ; fü eneigte Lagen mehr, a enen
100 Gewichtstheile Erde en — ab: [oder noͤrdliche Ybbän e, * jene von den Sonuen—
s dımften forbiren in 24 [ftrahlen annähernd oder-ganz im rechten Wintel,
nehmen auf: A | Stum . Pa Je )
bei 409 R, in Bofferbampf. dieje ſchiefwinkelig, oder gar nicht getroffen werden.
ri -— — [Shibler beftimmte die Erwärmungsfäbigfeit ver-
* — * Theile. °g ſchiedener Bsarten in feuchtem u. trodenem Zur
er ae d,, jffande bei natürlicher und künſtlich veränderter
Suarsfand (aßger. Körner) 25 3 0,0 —* ker den Refultaten feiner Verſuche läßt
nr DI Tin 1,5 ich für die 4 Hauptbeftandtheile folgende Reihen—
—— — a - ar 155 |folge von der größten bis zur geriugſten Ermärnts
. 4 —
—— —— n al. 210 ungsfäbigfeit aufitellen:
rehmari on d, ‚ 1, i
Sonbiger hen se 3 3 Tr ſchwarz gefärbter trodener —
Weiher Thon - . .. 74 _ _ W aut,
Geſchlammter Feldſpatz 54 — — 3. " — umus,
—— Torf 1200 20, 48,5 4, — hon,
— 8,0 5. ungefärbter trodener brauner Humus,
alf- und Talterde) . 5 _ — 6. ” „ bellgrauer Sand,
Strenger Weigenboden . 61 _ — 7. S ”„ gelblic-grauer Thon,
Bon den mebhrgenamnten Hauptbodenbeftandtheilen] 8. * a weißer Kal,
(Thon, Sand, Kalt u. Humus) ift hiernacdh der] 9. weiß gefärbter trodener Quarzſand,
g 3
Humus bei weitem am meiſten, der Sand am
wenigſten zur Aufnahme und zum Feſthalten des
Waſſers befähigt. Speciell für den Feuchtigkeits-
gehalt des Ader- oder fonftigen Eulturbodens tft
von größter Bedeutung die Beſchaffenheit des
Untergrundes, den man als untere Bſchicht von
der darüber gelagerten Aderfrume, in welcher die
Pflanzen wurzeln, unterjcheidet. Ein undurdläf-
1 ° ” ” 7 Kalk,
1 * ö Humus,
12. Thon,
2
naſſer brauner Humus, ungefärbt,
14. „ elblih-grauer Thon, „
1: „ Bellgraner Sand, —
16. „ weißer Kalk,
Die Differenz in dem unter fonft gleichen Ums
figer Untergrund (Thon, Humus) bewirkt Näffe,|ftänden erreichten Qemperaturmarimum betrug
ein durdläffiger (Sand) Trodenheit der Ader-|zwifhen Nr. 1 und 16 :
frume; beides kann, je nach der Lage, Beichaffen-
heit u, Tiefe der leteren, ſowol vertheilbaft, als
nachtheifig fein. Je flacher der Aderboden ift —
bis O,, m Tiefe nennt man ihn feicht; von O,,
— im mitteltief und tief; über 1 m mädtig —
defto mehr macht fih der Einfluß des linter-
grundes geltend. So kann beifpielsweife eine nicht
zu tiefe, fandige Aderfrume durch einen feiten
Untergrumd u. das von demſelben bis zur capil«
laren Erhebungszone auffteigende Wafler auch in
trodener Jahreszeit fortwährend feucht u. dadurch
fruchtbar erhalten, oder ein thoniger Aderboden
durch fandigen Untergrund entwäfjert und verbeſ—
fert; anderjeits kann bei fortwährend verhindertem
Abzuge des Waffers Verjumpfung, ım entgegen»
gejeten alle vollftändige Austrodnung u. biers
mit Unfruchtbarfeit bewirlt werden. Je nad
dem Grade feiner Durchläſſigkeit wird der Unter»
grund bezeichnet als: anhaltend, ftreng, verichloffen,
Talt, naßkalt, oder loder, faugend, warm, hitzig.
Durd Aufnahme von Wafjer vergrößern die meijten
B-arten ihr Bolumen, durch Austrodnung schwinden
fie, u. zwar nad Schübler der Humus am ftärf-
ften (um 20 %,), dann der Thon (um 18 ®/,),
Kalt (5 %/,), Sand gar nit. Weiter ift der
Feuchtigkeitsgehalt von großem Einfluß auf die
Kärme des B⸗s, melde außerdem noch von jeiner
jpeeifigen Wärme, die übrigens bei den einzelnen
15,,° R. Aus obiger
Zufammenftellung gebt hervor, daß der Sand an
fiıh die größte Erwärmuungsfähigkeit befitt, der
Thon die geringfte; umgefehrt nimmt nad wei—
teren Verſuchen deſſelben yorichers die Tempe—
ratur beim Sande am langjamjten, beim Humus
am jchnellften ab. Die Temperatur der Bsober-
flädhe ftimmt, wenn fie befchattet ift, mit derjenigen
der unteren Luftichichten im Wllgemeinen annä—
bernd überein. In der Tiefe verfchwinden die
Temperaturverfchiedenheiten immer mehr; jo in
unferen Gegenden die täglihen Schwanfungen des
Thermometer bereits bei 4 m, die wöchentlichen
bei 1, die monatlichen bei 2 m unter der Ober-
flähe. Bei 8m findet jährlich nur ein einmaliges
Fallen u. Steigen ftatt; das Maximum u. Mini
mum der Temperatur tritt bier jedoch etwa erit
ein halbes Jahr fpäter, als auf der Oberfläche
ein. Bei 20 bis 24 m Tiefe herricht fortwährend
gleihe Temperatur, und zwar eine etwas höhere
als die durdichnittliche Fahrestemperatur am be+
treffenden Orte. In den Tropengegenden iſt das—
ſelbe ſchon bei 43—} m Tiefe der all. ber
Abforptionsfähigteit des B-8 fr Safe, wie Saner-
ftoff u. Ammoniak, oder andere Stoffe ſ. u. Ab-
forption. Über den Einfluß der Eleltricität ift bis
jet wenig befannt.
Nach den Früchten, zu denen der B. bei. geeig-
net it (öfonomische Claſſification) untericheidet man:
‚arten nicht jehr verſchieden ift, von feiner jyarbeja. Weizen-B.: aa) ftarfen, der nad einmaliger
u. Lage abhängig if. Trockener B. erwärmt fih! Düngung innerhalb 6 Jahren 2 Weizenernten
38*
996
Bodenbah — Bodenbcarbeitung.
geben kann; er ift felten, meift nur an Strömen ſKettenbrücke führt; Zollamt; Steingutfabrifation;
und Flüſſen; bringt Raps, Weizen, Gerfte und
Bohnen u. ıft ſchwer zu bearbeiten; bb) ſchwachen,
der in diefem Zeitraume nur einmal Weizen trägt;
man trifft ihn ſowol in Flußniederungen, als auf
der Höhe; ein ſtarker Gehalt ven Humus u. Kalt
gibt ihm erft feinen Werth. b) Gerften-B,.: aa)
ftarten, welcher Thon u. Sand in richtigem Ber:
hältniſſe hat, fo daß er bindend gemug ift, aber
auch das Verhärten der Oberfläche —— u.
bb) ſchwachen, der gewöhnlich aus lehmigem Sand-
boden befteht, außer Gerfte auch für Had- und
Hülſenfrüchte u. weißen Klee geeignet ift u. fich gut
bearbeiten läßt. ec) Hafer-®., der nad Winter
früchten feine Gerfte, wol aber Hafer tragen
tann, meift aus lehmigem Sandboden befteht, in
der Düngung vernadlälfigt u. feiner trodenen Yage
wegen nicht für Gerfte geeignet ift, u. d) Rog-
gen-®,, der entweder fiher nad jeder Düngung,
oder erjt nah 3 oder mehr Jahren nur einmal
nothdürftig Hoggen trägt u. in legterem Falle aus
dürrem, lehmigem oder lofem Sandboden beftebt.
Nah der Kleefähigkeit: a) Ausgezeichneten Yur
zerneboden, der jährlich in 4 Schnitten bis 48 Etr.;
b) quten Yuzerneboden, der jährlich in 3 Schnit-
ten bis 36 Etr.; e) ausgezeichneten Kopfklee—
boden, der in 2—3 Schnitten bis 40 CEtr.; d) quten
Kopflleeboden, der bis 24 Etr.; e) guten Espar-
jetteboden, der in 2 Schnitten bis 26 Cir.;
f) geringen GEsparfetteboden, der in 1 Schmitt
bis 15 Etr. Heu vom Morgen liefert. Bon Wich—
tigfeit ift aud) die Geftalt u. Lage des B-s. Man
unterſcheidet gleihen oder ungleichen, ebenen oder
abhängigen, Höhe u. Niederungs-B., nad Often,
Weiten, Süden, Norden gerichteten B., mwage-
rechten, erböbten, vertieften, eingeichloffenen B.
Von diefen Yagen find die beften die gleiche, ebene,
Öftliche, wagerechte, umftellte, wenn er namentlich
auf der nördlichen und öftlihen Seite von hoben
Gegenftänden umgeben if. Den B. kann man
verbeffern; es geichieht dies theils durch Diüng-
ung, theils durch zweckmäßige B-bearbeitung (j. d.),
geeignete B-meliorationen, wie Drainage, Tief—
eultur (ſ. d.) u. a., theils durch Auffabren und
Vermiſchen derjenigen Erdarten, in deren Ber+
bindung er erjt zu einem fruchtbaren umgeichaffen
wird. Bei der Beurtheilung des B⸗s Bat man
auf die Tiefe der Adertrume, Beichaffenheit des
Untergrundes, Feuchtigkeit, Temperatur, Yage,
Klima, Reinheit, Beidyattung zc. zu jehen, nad ſecten vertilgen u.
dem fichtlih größeren oder Heineren Zufammen-
hange, wie er fi beim Pflügen und Eggen im
balbvertrodneten Zuſtande darftellt, u. nad) feiner
waflerbaltenden und auffangenden Kraft. Bol.
Krome, Der B. und fein Verhältniß zu den Ger
wäſſern, Hannov. 1812; Sprengel, Die Lehre vom
B., 2. 4, Lpz. 1844; Prog, Der B., Lpz. 1855;
Trommer, Befunde, Berl. 1857; Fallou, B-funde,
Dresd. 1862; Hager, Unterfuhungen, Ypz. 1871;
Knop, Bonitirung der Adererde, Ypz. 1872.
Bodenbach, Grenzdorf zwiihen Sadien u.
Bönmen, zur öſterreich. Bezirkshauptmannſchaft
Tetſchen gebörig, wichtiger Eiſenbahnknotenpunkt
Sächſ. Staatsb., Böhm. Nordb., Dur-Bodenbadh,
Oſterr. Nördl. Staarsbahn), liegt Tetichen gegen-
jiber, links an der Elbe, über welche feit 1855 eine
lebbafter Tranfitverfehr; i. d. Gem. 3742 Em.
Bodenbenrbeitung, geſchieht, a)um den Boden
zu lodern, damit die Atmoſphärilien beſſer ein-
dringen u. fi dort verdichten können, die Ver—
witterung leichter vor fi gehe, die Pflangen-
wurzeln leichter einzubringen vermögen u. die im
Übermaße vorhandene Feuchtigkeit ſchneller ver»
dunſte; b) um Unkraut zu vertilgen; c) den
Dünger mit der Aderkrume zu mifchen u. d) dem
Samen eine günſtige Wohnftätte zuzubereiten, die
Saat zu pflegen u. in ihrem Wachsthum zu unter«
ftüten. Zu den verſchiedenen Arbeiten, welche vor«
genommen werden müffen, um jene Zwede zu er»
rüllen, bedient man ſich verfchiedener Handgeräthe,
wie Spaten, Schaufel, Gabel, Hade, Haue x.,
noch mehr aber der Spanngeräthe, wie Pflug,
Haden, Egge, Walze, Eultivator ꝛc. Die wichtigſte
aller hierher gehörigen Arbeiten ift das Pflügen
(j. d.). Soll der Boden nur gelodert, nicht ge»
wendet werden, jo benußgt man ein dem Pfluge
ähnliches, jedoch unvolllommeneres Adergeräth,
den Haden (ſ. d.), oder auch im neuerer Zeit ver«
ihiedene Eultwatoren, wie Scarificator, Erftir-
pator oder Grubber u. a. Das Eagen (j. d.)
wird gewöhnlich einige Tage oder Wochen nad
der Pflugarbeit borgenommen, gleih nachher nur,
wenn der Boden ein fehr ftrenger tft u. eine Er—
bärtung befürdten läßt. Hat auch die Egge den
Zwed, den Boden zu zerfleimern, jo ift doch, mar
mentlih beim lnterbringen des Samens vor
Winter, ein feines Pulvern des Bodens zu ver-
meiden. Dean eggt der. Länge nach, d. b. längs
der Pflugfurchen, jchräg gegen diejelben, fchlangen-
fürmig u. rund. Auch jelbit nach der Aderbeitells
ung, wenn Die Saat bereits aufgelaufen, wird die
Egge, obwohl leider noch zu wenig, angewendet.
Es geichieht dies, um Unkraut zu vertilgen und
die Oberfläche der Atmojpbäre zugänglicher zu
machen, Für Wiefen hat man bejondere Eggen
conftruirt. Auch die Walze (f. d.) hat für die B.
einen höheren Werth, als ihr bis dahin von den
meiften Yandwirthen beigemefien wird. Sie fol
dem Boden die mechanische Bindung geben, da-
durch die Feuchtigkeit in demfelben erhalten, die
Erdflöße zertrümmern, den ausgeftreuten Samen
auf loderem Boden leicht bedecken, das Unkraut
zum Aufgehen bringen, die durch den Froſt ber»
ausgehobenen Wurzeln andrüden, ſchädliche In—
hi w. Um dieſe Zwede erfüllen
u. den Bodenverbältniffen Rechnung tragen zu
fünnen, bat man leichtere u. jchwerere hölzerne
u. eiferne Walzen der verjchiedenften Eonftruction.
Die einzelnen Arbeiten mit dem Pfluge werden
Furchen oder Fahren genannt, die der Egge Striche.
Eine Acderbeftellung beißt ein-, zwei⸗ 'drei- und
mebrfurdhig (fährig) je nach der Anzahl der anfe
einanderfolgenden Pflugarbeiten, die bei derjelben
ausgeführt wurden. Leider hält man gewöbnlich
noch an beftimmten Vorſchriften im diejer Bezich-
ung feft u. beftellt beifpielsmweife, weil es ortsüb-
lich, den Weizen drei- oder vierfährig. Nicht die
Zahl der Furchen, fondern der Zuſtand des Bo-
dens fichert die Erträge. Durch zu häufiges Be—
arbeiten, Rühren, wird der Ader in der Erlang-
ung jeiner Gahre (j. d.) geftört u. zeigt öfter
Bodenerfhöpfung — Bodenſchutzholz.
597
eine ſchlechtere Beſchaffenheit, als wenn er nichtj@iner endlichen B. beugen alle dieſe Mittel nicht
ſo oft bearbeitet worden wäre. Sämmtliche Ar—
beiten, welche mit dem Pfluge, der Egge, der
Walze u. f. mw. vorgenommen werden müſſen,
ſollen, wenn dies nicht vor Winter geſchieht, bei
jhweren Bodenarten im trodenen Zuftande der-
felben ausgeführt werben. Iſt ein Boden ſchwer,
undurdlaffend, naßtalt, jo wendet man die Beet-
enltur an u. pflügt bald breite, bald ſchmale,
hohe, gewölbte oder flache Beete. Bei durchlaffen-
dem Boden findet Ebencultur ftatt. Bar Drill- u.
Hadcultur (f. d.) kommen auch jelbit während
der Wachsthumperiode noch verjchiedene Arbeiten
vor, welde den Zwed haben, die Pflanzen in
ihrem Wachsthum zu unterftügen. hode.
Bodenerſchöpfung, der Zuſtand der Ertrags—
loſigleit des Aderbodens, in welchem derſelbe be—
ſonders durch fortgeſetzten Anbau derſelben Frucht
verſinkt. Wenn früher dieſe Erſcheinung eintrat,
daß trotz Düngung, die wol die erſie Abhilſe
geweſen fein mag, ein Ader Leinen Ertrag lieſerte,
jo hielt man ibn der Ruhe, Bradıe , ri d.) ber
dürftig, wie Menih u. Thier nach harter Arbeit.
Man wußte damals nicht, daß durch jede Ernte
dem Boden Mineralftofje entzogen werden, oder
bielt doch die Entnahme für zu unbedentend, als
daß Erfhöpfung des Bodens infolge derjelben ein—
treten könnte. Jetzt, wo wir wifien, daß einem
Heltar Boden durch eine Durchſchuittserute (in
runden Zahlen)
an Weizen etiva 33 kg Kali u.
„ Roggen „ 39, „
" Hafer ” 21 „. nn 9 " ”
„ Aunleln „290, „ „ 50 „ r
„ Kartoffeln, 130, „ „36 „ "
{u. die anderen Nährftoffe in ähnlichen Mengen)
entzogen werden, kann fein Zweifel darüber herr-
hen, daß eine Beraubung des Bodens von Jahr
zu Jahr ftattfindet, u. es wird erflärlich, daß die—
jelbe Frucht nicht ſehr oft Hinter einander angebaut
werden fann, weil fie dem Boden die nämlichen
nährenden Beftandtheile in gleiher Menge ent-
zieht. Es liegt amı nächiten, der B. durch den aus
der Ernte entſtandenen Dilnger vorzubeugen, da
diefer die dem Boden entzogenen Stoffe enthält,
So er ein Erportiren nicht ftattfindet, wird
diefer Erfag genügen. Nicht lange wird aber
Aderbau ohne Erport eriftirt haben, denn jchon
bei den alten Griechen, Römern, Israeliten zc.
finden wir ein zweites Gegenmittel der B. in
Anwendung, die Brade. Die während der (ein-
jährigen) Ruhe des Aders ungehindert fortſchrei—
tende Bermwitterung bringt neue. Dlineralftoffe in
die den Pflanzen zufagende Form. Es entjtand jo
anz natürlih ein Wechjel im Bebau der Ader,
Ferdwirthfhaft-Fruchtfolge, u. zwar zunächſt bie
Dreifelderwirtbichaft. Gleichzeitig findet eine Ver—
mehrung der Eulturpflanzen ftatt; man erfennt,
daß nicht alle Pflanzen den Ader glei angreifen,
und untericheidet die Pflanzen in a) bereichernde
(Klee, Luzerne, Esparfette), b) jchonende (Hiiljen-
früchte), e) erihöpfende (Halmfrücdte, Rüben,
Kartoffeln), d) ftark angreifende (Ol- u. Handels-
pflanzen); e8 finder Wechfel ftatt zwiſchen Bilanzen,
welhe ihre Nahrung aus dem Untergrunde, und
foldeu, die ihren Bedarf dem Oberboden entziehen.
21 kg Phosphorläure
4
" 23 ” "
ver, wenn Erport von Körnern, Fleiſch, Butter,
Käſe, Gefpinniten u. ſ. w. ftattfindet. Dieje Artikel
für den Markt u, in größter Menge zu produciren,
iſt aber das Ziel der modernen Landwirthichaft. Die
Phosphorjäure, der Stidftoff, das Kali der Markt
maaren ift dem Boden geraubt, wenn für Erfag
nicht geforgt wird; der Boden wird erihöpft, wenn
auch erft nad hundert u. mehr Jahren, wenn
die Berhältniffe befonders günftig find. In ſolchem
Zuftande der Erihöpfung ſehen wir ehemals bii-
hende Yänder u. Provinzen. Erjat des Entzogenen
muß daher die Hauptaufgabe jedes verftändigen
Landwirthes fein, u. je mehr Ausfuhr, deito grö—
Bere Einfuhr befonders von Stidjtoff, Phospbor«
fäure u, Kali muß ftattfinden. In den fpeciellen
Diüngern, den Hilfsdiiugern oder relativen Diüng«
mitteln (ſ. d.) find Bezugsquellen geboten, die
aud) bei jehr intenfiven Wirthſchaften der B. vor-
beugen. In Ivon Kirchbachs Handbud für Lands
wirthe, Berlin, Wiegandt u. Hempel, 1870, find
die Aufichten der namhafteſten laudw. Schriftteller
zufanumengeftellt. | Viarz.
Bodenheim, Dorf im Kreiſe Mainz der große
herzoglich heſſiſchen Provinz Rheinheilen; viel
Weinbau (Bodenheimer, fiehe unter Rheinweine);
1976 Em,
Bodenholde Pflanzen find jolche, welde vor-
zugsweiſe auf Boden von beftimmter Beidhafien-
beit vorlommen, 3. B. der rothe Fingerhut auf
fiefelljäurereihem Grunde, die zahıne Kaftanie auf
Kalfboden.
Bodenlüftung (Gärtn.), Einführung von at«
mojpbärifcher Zuft in den Boden, Dadurch, daß
man 60—100 em unter der Oberfläche deſſelben
ein fürmliches Neg von Thonröhren mit Luftöff-
nungen nach unten legt u. durch jenkrecht auf dies
jelben ‚geftellte Möhren mit der äußeren Luft in
Verbindung bringt; im den Röhren entjtebt eine
Luftftrömung,, Die dem Boden u, den darin bes
findlihen Pflauzenwurzeln beftändig neue Yuft zus
führt, was auf das Wachsthum der Pflanzen uns
gemein günftig wirkt. Wolde.
Bodenmals, Marktfl. im Bezirksamte Regen
des bayeriſchen Negbez. Nieder-Bayern; Berg: u.
Hüttenamt; Bitriolbau, Glashütten; 1792 Ew.;
dabei Wafferfälle des Riß- u. Moosbaches.
Bodenmelioration, jede auf eine Reihe von
Jahren dur einen größeren Aufwand von Gar
pital u. Arbeit berbeigeführte Verbeſſerung des
Bodens. Hierzu gehören: Drainage, Ziefcultur,
Erd» u. Dergelauffuhr u. j. w. Im Gegenſatze
zu diefen bezeihuet man mil Deteriorationen
Verſchlechterungen des Bodens, verurjacht durch
Kriege und fonftige Galamitäten; durch Ausſau—
gen der Bodenkraft, Nachläſſigleit und Trägbeit
des Wirthichafters oder Diangel an Betriebs:
capital. Rhobe.
Bodenrente, ſ. Örundrente.
Bodenrif, bei aufgefchütterem Getreide das,
was durch Eintrodnen, Verſchütten, Mäufe- und
Inſectenfraß abgeht; meiſt wird den Auffebern
des Getreidebodens etwas dafür gut gethan.
Bodenſchutzholz (Foritw.), das Unterbolz im
Hochwalde, das nicht genugt, jondern nur zur Ber
dedung des Bodens erhalten wird, um denſelben
598
gegen Austrodnung, Verwehen des Laubes, Gras—
wuchs u. dgl. zu jchligen.
Bodenfee, bedeutender Landſee, zwischen dem
Kaiſerthum Öfterreih ( Vorarlberg) füböftlich, deu
Königr. Bayern (Schwaben) u. Württemberg (Do-
naufreis) u. dem Großherz. Baden (Kreis Konftanz)
nördi. u. der Schweiz (Kant. St. Ballen u. Thurs
gau) jüdl.; 398 m ü,.d. M. Seinen Namen leitet
man von der am nordweſtl. Ende gelegenen alten
Pfalz Bodmann ab, welche ſchon zu der Karolinger
Zeiten eriftirte u. zuweilen den Kaiſern als Aufent-
F diente. Bei den Römern wurde der B. Lacus
rigantinus u, im Mittelafter auch das Schwä-
biſche Meer genannt; andere Bezeihuungen waren:
Lacus Rheni, L. Venetus, Konftanzer-See (Lac
de Constance franz.) u. f. w. Seme Ufer, an
denen Bfahlbauten gefunden wurden, waren jeden-
fals Stätten der früheften deutſchen Cultur; denn
von dort aus drangen die fchottifchen u. iriichen
Glaubensboten Gallus, Willimar, Columban, Otb-
mar u. Andere in die umgebenden Bergthäler ein,
Genährt wird er durch den aus dem Kanton Grau—
biinden fommenden Rhein, der ihn bei Stein am
Rhein wieder verläßt. Nad feinen Verzweigungen
unterfcheidet man wieder mehrere befondere Beden,
von denen das größte, zwischen Lindau, Friedrichs:
hafen, Konftanz u, Rorſchach gelegene, der Oberſee,
der nordweſtl. fih einbuchtende Theil der Überlin:
ger:See, der weſtl. von Konftanz abgetrenute Theil
der Unter-See u, der abermals gegen das ba»
diihe Städchen Radolfzell abzmweigende, der Zel!
ler- See geheigen wird. Die Oberfläche des Ge-
fammtipiegels mißt 539,,, [km (94 IM). Die
Uferlinie ıft 250 km lang; die größte Direct zus
fammenhängende Yängenausdehnung, zwifchen den
Ztädten Bregenz u. Ludwigshafen, mißt 63 km.
Die größte Breite im Winfel der größten Yängen-
achſe, zwiſchen Egnach im Kanton Thurgau u.
‚riedrichshafen in Württemberg, mißt 14,, km.
Der 8, ift demnach Heiner, als der Genfer: See,
Als größte Tiefe im Kreuzungspunfte feiner größ-
ten Breite werden 276 ın angegeben. Die Höbe
bes Waflerftandes differirt zwiſchen Spätberbit u.
Frühſommer (Zeit der allgemeinen Schneejchmelze
im Gebirge) bi$ 3 m. Der tiefite Wafferftand
zeigte fi) jeit 200 Jahren im Winter 1857 bis
1858, mo ein Theil feines Bettes bei Konitanz
jo troden gelegt war, daß man ein Freiſchießen
auf demfelben halten fonnte. Rings um den B.
herum ift das Klima jo mild, dag ein vollftändi«
ges Zufrieren innerhalb der legten 4 Jahrh. nur
5mal ftattfand, das legte Mal im Februar 1830,
Die Winde gehen ziemlic) regelmäßig. Das größte
Srundgemwelle erzeugt der Föhn, wenn berielbe
aus dem Mheinthal herporbricht; wilden Orlanen
zieht immer ein mwarnender Bote in Geftalt einer
wergen Webelwolfe vorauf, der eine dunklere,
ſchwerere folgt, von Fiichern die Brehme genannt.
Bisweilen zeigt fi aber auch bei fonft völlig
windftiller Yuft eine große, fteigende u. fallende
Schwantung des Haren, wellenlofen Seeipiegels,
welchen die Anwohner Ruhs nennen; man jchreibt
es den gleichen Factoren zu, welche auf den Meere
Ebbe u, Fluth bervorbringen. Jnfolge der jechs
am 8. mündenden Eijenbahnen (zu Konftanz,
Friedrichshafen, Lindau, Bregenz, Rorſchach u.
Bodenjee — Bodenftedt.
Romanshorn, fowie der Gürtelbahn um feine öft-
lichen, füdlihen u, weftlihen Geftade von Lindau
über Bregenz, Romanshoru bis Konftanz) ift der
Verlehr zwiſchen feinen Ufern außerordentlich leb⸗
baft. Derielbe wird dur 25 Dampfboote u. meh⸗
vere Trajectichiffe vermittelt. Außerdem befabren
den See 60—70 Segelſchiffe von 1000— 1490 Etr.
Tragfähigkeit. Die hauptſächlichſten Handelspläge
find: Yindau, Friedrichshafen und Konftanz deut⸗
icherjeits, Romanshorn und Rorſchach jchweiger-
feits; dann aber find noch Punkte von bedeu⸗
tendem Verkehr: Bregenz, Überlingen, Meersburg,
Rabolizell u. Ermatingen. Die Dampfidifffahrt
ift jehr zuwerläffitg u. bei hellem oder nicht gar
zu wüſtem Wetter ohme jede Unbequemlichkeit; nur
wenn das Grundgemwelle gebt, empfinden ſchwach
conftituirte Perſonen einen Anfall von Seefrant-
beit. Zwei Dampfer gingen bis jet erft unter:
der Ludwig am 10, März 1861 mit 14 Berio-
nen, welcher vom Marinetechnifer Wilh. Bauer
G. d., geil. 18, Juni 1875) 1867 wieder ge-
hoben wurde, u. der Jura, am 12. Februar 1864.
Die Telegraphenfabel zwiihen Friedrichshafen u.
Romanshorn u. zwiſchen Yindau u. Rorſchach
liegen ſeit 1856, reip. 1867. Man für ge-
mwöhnlih 26 Arten von Fiſchen an, die der B.
nährt, umter denen Welfe u. Lachſe bis zu 1 Eir.
Gewicht u. Hechte bis zur Schwere von 4 Etr.
gefangen wurden. Außerdem find Blaufelchen
(Coregonus Wartmanni), von denen im Sommer
mitunter 3000 Stüd an einem Tage gefangen
merden, die Grundforelle (Salmo lacustris), die
Lachsforelle (Salmo trutta) u. die Triihe (Lota
vulgaris) die befannteften. Dreijährige Blaut-
felhen werden Gangfiſche genannt u. kommen ge—
räuchert in den Handel. Der ſüdöſtl. Theil ift der
ihönfte, weil ihn die Vorberge der Appenzeller
u. Vorarlberger Alpen einschließen. Im See find
3 Inſeln, deren eine die Stadt Lindau trägt, die
andere Sommerfit des Großherzogs von Baden ift
u. Mainau beißt, u. die dritte, Keichenan (f. d.) im
Unter-See, ſchon feit dem 8. Jahrh. die drei Dörfer
Ober-, Mittel- u. Unterzell enthält. Der Verein
für Geichichte des B-8, 1868 gegründet, aus An«
gehörigen aller Uferftaaten beftehend, wirft ſowol
für die Kenntniß der Gefchichte der B-ufer, als
für Erforſchung der fimat. u. hydrograph. Berbält-
niffe des Sees. Vgl. G. Schwab, Der B., Stuttg.
1840, 2 Bde; C. W. Schnars, Der B. u. feine
Umgebung, 2. Aufl., ebd. 1859; Schriften des Ber-
eins für Geſchichte des B-8, Lindau 1869 ff.; W. A.
Grube, Vom Bodenjee xc., Stuttg. u. Lpz. 1875.
Bodenfpiegel (Treibipiegel), runde Scheiben
von Zink, welche die Kartätſchbüchſen an beiden
Enden fchließen und den Stoß der Pulvergaie
‚gleihmäßig auf die in der Büchſe befindlichen Ku
geln übertragen jollen,
Bodenitedt, Friedrich, deuticher Dichter,
geboren 22. April 1819 zu Peine in Hannover;
widmete fih erft dem Kaufmannsftande, verlieh
aber feine Lehrftelle und bezog die Göttinger Uni—
verjität, um Gejchichte u. Philofophie zu ſtudiren.
1840 ging er nah Moskau, wo er als Erzieher
in die Familie des Fürſten Galizin eintrat, blieb
bier 3 Jahre u, beichäftigte fich im feinen Frei—
jtunden mit dem Stubimm der ruſſiſchen Sprade
Bodenftein.
und ſlaviſchen Poefie; 1844 murde er Director
eines Lehrerinftituts in Tiflis. Er bereifte 1845
den Kaufafus, die Krim u. Kleinaſien u. kehrte
über die Europäifhe Türfei und Yie Joniſchen
njeln 1846 nach Deutſchland zurüd, wo er in
ünden und 1848 in Trieſt als Rebacteur des
Ofterreihiihen Floyd und dann längere Zeit in
Berlin lebte. 1849 war er im ntereffe der preu—
Bifchen FFreihandelspartei in Paris u, nahm 1850
theil am Frankfurter Friedenscongreß, um für die
deutſche Sade in Schleswig-Holftein zu ſprechen.
Am 10. Febr. 1850 vermählte er fih mit Mathilde
Dfterwald aus ‚Fulda, deren Borname unter dem
Anagramm Edlitam in feinen Werten vorkommt.
Ende 1850 übernahm er in Bremen die Redaction
der Weferzeitung, gab diefe Stellung jedoch bald
wieder auf und wandte ſich 1854 nah München,
wo er anfangs Collegien über flaviihe Sprachen
u. Literaturgeichichte, feit 1858 “aber über ältere
engliſche Literatur las und bis Ende April 1866
Dramaturg an der Hofbühne war, Bu Neujahr
1867 fiebelte er nach Meiningen über, um Die
Leitung der dortigen Hofbühne zu übernehmen, u.
wurde zugleih vom Herzog in den Adelftand er—
hoben; doch fand der Erreichung feiner künſt—
leriihen Ziele Manches entgegen, daß er nach
einigen Jahren zurücktrat; er behielt jedoch ſeinen
Wohnfitz in Meiningen. B. ſchr.: Die Völler des
Kanfafus u. ihre Freiheitslämpfe gegen die Ruſſen,
Frtf. 1848, 2. A. 1855; Taufend u. ein Tag im
Orient, Berl. 1850, 2 Bde., 4. A., 1864; Die
Lieder des Mirza Schaffy, die zuerft 1851 in
Berlin erfchienen u. lange Zeit für Überſetzungen
aus dem Perſiſchen galten; Die Einführung des
Chriſtenthums in Armenien, Berl. 1850; Ruſſiſche
Fragmente, Lpz. 1856; unter dem Pſeudonym
Martin Redenlob: Die neuen Nibelungen,
1851; ferner: Ada, die Lesghierin (Gedicht), Verl,
1853; Gedichte, 2. A., Bremen 1853; Aus der
Heimath, Berl. 1857; überſetzte mit feltener
Meifterichaft: Gedichte von Kaslow, Puſchlin u.
lermontow (aus dem Wuff.), Lpz. 1843; Die
poetifhe Ukraine (ruſſiſche Vollslieder), Stuttg.
1845; Michail Lermontows poetifcher Nachlaß (a.
d. Ruff.), Berl. 1852; Alex. Puſchlins poetische
Werle (a. d. Ruff.), Berl. 1854 f., 3 Bbe.;
Shafejpeares Sonette in deutjcher Nachbildung,
4. A., 1873, Berl., v. Deder. Theil aus Über:
fegungen, theils aus literariichen Erörterungen u.
Charafterifiifen befteht das dreibändige Wert:
Shafeipeares Borläufer und Zeitgenoffen, Berl.
1856—60. Für diefe Arbeiten wurde B. von der
Royal Society in London zum Ehrenmitgliede er:
nannt. Als dramatischer Dichter trat B. auf mit
der gefhichtlihen Tragödie Demetrius u. dem Luft-
ipiel Autharis Brautfahrt, das in der Yongo:
bardenzeit jpielt; beide famen in Münden, das
fetstere auch am anderen Orten zur Aufführung,
doch nahm fie der Berfaffer nicht in feine Geſam—
melten Schriften auf, von denen bei Deder in
Berlin 1865—69 eine Ausgabe in 12 Bon. er:
ſchien. Ferner übernahm er die Leitung der neuen
Shafeipeare-Überfegung, welche bei Brockhaus in
Yeipzig unter Mitwirkung von Otto Gildemeifter,
Paul Heyſe, G. Herwegh, Hermann Kurz, Wils
brandt u. A. erſchien und für welche B. jelbft den
99
Macheth bearbeitete. Eine reiche Thätigfeit ent-
widelte ev als Novellift u. Erzähler; hierher ge:
hören: Ernft Bleibtreu, Münch. 1863; Vom Hofe
Eifabeths u. Jakobs, Jena (bei Koftenoble) 1871,
2 Bde.; Aus deutfchen Gauen, 1871, 2 Bbe.;
Das Herrenhaus in Ejchenwalde, 1872, 3 Bde
Mirza Schaffy, bei welhem B. zu Tiflis Unter:
richt in perfiiber Sprade u. Literatur nahm u.
defjen originelle Perjönlihfeit er in 1001 Tag im
Orient mit freundlihen Humor fchildert, bot eine
willflommene Anlehnung, um diejenigen früherer
Gedichte B=8, welche in Form oder Anhalt einer
morgenländ. Anflug haben, zu vereinigen; die Lie,
derfammlung, die jeinen Namen trägt, enthält durch⸗
aus jelbftändige Schöpfungen des deutſchen Dichters
Sie ift bis jett (Juli 1875) in 50, theils pradıt-
voll ausgeftatteten, theils ſehr billigen Auflagen
erichienen, jo daß keine lyriſche Sammlung jeit
Uhlands Gedichten ihr an vwolfsthiimlicher Berbreit-
ung gleihfommt. Die Vorzüge des Dichters, die
ihn gegeniiber mancher verfehrten u. überſpannten
Zeitrichtung ferunzeichnen: Wohllant u. hohe Form
gewandtheit, Klarheit u. Wärme, ſchlichte männliche
Kraft u. freier Blick in die Welt, treten in diefem
Büchlein zumeift hervor. Ein neues Liederbud:
Aus dem Nachlaß des Mirza Schaffy, erfchien 1874
in Berlin. Die neuefte Arbeit B-3 ift Shakeſpeares
Frauencharaltere, Berl, 1874. Ereizenadh.*
Bodenftein (Hüttenw.), Quaderſtein von bes
trächtliher Größe, welcher zur Herftellung des Ge-
ſtellbodens an Schmelzichachtöfen gebraucht wird;
in neuerer Zeit vielfach erſetzt durch genaue Pflafter-
ung mit keilförmigen feuerfeften Steinen.
Bodenitein, I) Andreas Rudolf, gewöhn-
ih Karlſtadt, berühmter Theolog der Refor—
mationszeit, geb. um 1480 in Karlftadt in Fran—
fen; ftudirte ın Nom Theologie, ging 1504 nad)
Wittenberg u. wurde hier Yehrer an der Univerſität,
1513 Profeffor der Theologie u. Archidiaconus an
der Stiftskirche dafelbft; er war 1515—16 in Rom,
ichloß fich feit 1517 an Luther an und betheiligte
fi) 1519 an der Disputation gegen Ed zu Yeip-
zig. Nachdem er 1521 kurze Zeit in Kopenhagen
gewefen war, um dort in reformatoriichem Sinne
zu predigen, trieb er nad) feiner Rüdkehr u. wäh—
rend Luthers Aufenthalt auf. der Wartburg in
Wittenberg das Reformationswerk mit ſtürmiſchem
Eifer, kämpfte gegen den Eölibat, die Mönchsge-
lübde u. den alten Eultus, jpendete das Abend—
mahl unter beider Geftalt u. verheirathete fih im
Jan. 1522; darauf predigte er gegen die Bilder-
und Heiligenverehrung, wollte eine neue fociale
Stadtordnung einführen, wodurd eine große Gähr-
ung in der Stadt und Umgegend bervorgernien
wurde. DaB., wie Melanchthon, den neu auftreten-
den Zwickauer Propheten nicht gewachſen mar,
hielt Zuther für uörhig, von der Wartburg nach
MWittenbera zurüdzufehren. Obgleih nun Yuther
B. viel weniger bie Uberftürzung der Reform,
als feine Schwäche gegen die „Schwarmgeifter”
zum Vorwurfe machte, fühlte ſich doch B. perfönlich
gekränkt, erbitterte fich mehr u. mehr gegen Yuther,
trat mit Münzer in Verbindung, wollte Schulen
u. Gelehrſamkeit abgeichafft wiiten und gab ſich
ganz einer unllaren Myſtik hin. 1523 ging er nad
rlamünde, deffen Pfarrei zu jeinem Archidiakonat
600
gehörte, u. begann hier fein früheres leidenjchaft-
liches Reformiren mit Zerftören von Kirchenbildern,
Abſchaffung des alten Cultus u. der Beichte wieder,
u. als Luther in Jena öffentlich gegen ihm predigte,
fagte fih B. ganz von ihm los. Seine VBerbind-
ung mit Münzer, die fi jedod nicht auf deilen
politijche Beftrebungen erfiredte, namentlich aber
feine heftigen Angriffe auf Yuthers Abenbınabls-
lehre führten 1524 zu feiner Vertreibung aus
Sadjeu. Er trieb fih nun in Frauken unter den
rebellirenden Bauern umher, ſah ſich aber auch
von dieſen verlaſſen, u. ſuchte nun, in tiefes Elend
verſunken, Luther wieder auf und gab demſelben
befriedigende Erflärung über feine Meinungsänder:
ung; er erhielt Ende Sept. 1525 die Erlaubnif,
nah Sachſen zurüdzufehren, u. wohnte erjt zu
Segrena bei Wittenberg, wo er eine Heine Wirth:
jchaft betrieb, u. dann in Kemberg. 1528 wieder
rüdfälig geworden u. mit Schwärmern im Ber
bindung getreten, verließ er Sachſen, lebte erſt in
Holftein, dann in OFriesland u. ging 1530 über
Straßburg nah Zürich, wo er Diaconus am Spi—
tal wurde, 1531 nach Altftätten, wo er die Pfarrei
erhielt, fehrte 1532 nah Zürich zurüd u. wurde
endlich 1534 Profeffor der Theologie it. Prediger
an der Pererstirche in Bafel, wo er Ende 1541
ftarb. B. war cin Mann, dem es an Klarheit
und Maß fehlte, öfter auch umlanter und unver-
träglich. Luther, der gegenüber jeinen veforma-
toriſchen Ertravaganzen und feinem Myſticismus
im Rechte war, hat mur im Abendmahlsjtreite ihn
mit den übrigen Gegnern unbillig, allzu ſchroff u.
leidenschaftlich befämpft. Er ſchrieb u. a.: De
utraque specie coenae; De pontifice Romano u.
a. m. YVebensbeihreibung B⸗s v. Füßlin, 1776,
u. von Jäger, Etuttg. 1856. 2) Adam, Sohn
des Bor., geb. 1528 in Karlftadt (Franken), da-
ber auch Caroloftadius genannt; ftudirte Medicin
und war Einer der Erjten, der die Lehrſätze des
Paracelfus mit Mund u. Feder zu verbreiten juchte,
deifen Schriften in das Deutiche, rejp. das Yatei-
nische überlegte u. mit Borreden berausgab; aud
fhrieb er ein Wörterbuch der eigenen Ausdrüde
defielben: Onomastikon, Bafel 1547. Er batte ein
„untrügliches" Mittel gegen die Beft, ftarb aber
ſelbſt an Diefer Krankheit 1577 in Bajel, nady einem
wüſten, unrubigen Leben. 1) Löffler.‘ 2) Thamhayn.
Bodenitete Pflanzen find joldye, von welchen
man annimmt, daß fie ausschließlich auf Boden von
beſtimmtem chemiſchem od. phyſilaliſchem Charal-
ter vorlommen, 3. B. Bupleurum falcatum auf
Kalfboden, Huflartig auf Yehmboden, Plantago
maritima anf Salzboden, Armeria elongata u,
Herniaria glabra auf Sandboden. Es hat fi
indeß berausgeftellt, daß dieſe eigenfinnige Anhäng-»
lichkeit in den meiften Fällen nur localen Werth
hat u. auf phyſilaliſchen Borausjegungen beruht,
welche in der einen Gegend auf biefe, in der an-
deren auf andere Weiſe erfüllt werden fünnen,
Ja, es ift gelungen, ſehr veridhiedenartige Yand-
pflanzen vom Samen an in wäſſerigen Yöfungen
von geeigneten Mineralftoffen bis zu vellfommener
Ausbildung zu erziehen, Hoffmann.
Bodenitid, der hintere Theil der Kanonen- u.
Mörferrohre; ſ. u. Geſchütz.
Bodenwerder, Stadt im Kreije Hameln der
Bodenitete Pflanzen — Bodin.
preuß. Landdroftei u. Brov. nnover, lint3 «an
der Wefer, Enclave in Braunſchweig; Kunftwollen-
fabrifen; Sandfteinbrüde; Schifffahrt; 1307 Em.
B. wurde erbaut vom Biſchof Bodo von Hamı-
burg u, faım 1445 durch Heirath an Braunſchweig.
odenwöhr, Dorf in Bezirksamte Neunburg
des bayer. Regbez. Ober- Pfalz; Berg. u. Hütten-
amt; Bergbau auf Eijen; ein ſeit länger als 500
Jahren beftehendes Eifenwerf, Dampflägenrüblen;
600 Em.
Bodenzins (Grundzins), ift die von den Be—
ſitzern umterthäniger Güter an die Gutsherrſchaft
als Auerlennung ihres Obereigerthumsrecdtes zu
leiftende feite, jährliche Geldabgabe, im Unterichiede
von den ebenfalls jährlich wiederkehrenden unver»
änderliden Abgaben landmwirthichaftlier Erzeug-
niſſe, wie Obft, Federvieh, Eier, Butter :c., welche
Gülten genannt werden. Mit der Aufhebung
des Untertbansperhältuiffes der Bauerngüter find
in den meijten europätfchen Staaten auch die Bo»
denzinfe ı. Gülten von Seiten der Berpflichteten
bereits ablösbar erllärt worden u. bermalen gr
Bentheil$ wirklich abgelöft. Waurus.
Bodfeld, chemalige Burg im Kreife Zellerfeld
der preußifchen Landdroſtei Hildesheim, im Harz,
bei Elbingerode; gehörte den jächfiichen Kaijern;
jetzt ſpurios verihwunden. Hier ftarb Hein—
rich III. 1056.
Bodhiſattwa (db. h. Erlöfer, Beichüter der
Menſchen), Ehrenbenennung der Candidaten zur
Buddha-Wiürde, d. b. jeliger Geifter, welche aus
Erbarmen mit der Menſchheit wiedergeboren wer⸗
den, um fie ald Buddha (j. d. A.) zu erlöjen.
Bodin, Eonftantin, Sohn des Könige Mi—
chael von Serbien; wurde König von Serbien u.
regierte 1071—97; fein Sig war in Dioclea (j. d.).
Bergebens bemühte er fi um die Eroberung des
bulgarischen Kaiferreiches; e8 gelang ihm nur, die
abtrünnigen Gzupane von Bosnien u. Hascien unter
jeine Oberherrſchaft zu bringen. Durch jeine Ge»
mahlin Jaquinte, eine geb, Italienerin, ließ er
fih dazu bewegen, alle jeine Verwandten hinrich-
ten zu laffen. Er ft. in Sfutari.
Bodin, 1) (Bodinus) Jean, franz. Publicift,
ge, 1530 in Angers; ftudirte in Toulouje die
Rechte, befaßte fi außerdem mit der Philologie
u. Geſchichte u. ging dann nach Paris, wo er 1561
als Advocat fungirte. Seinen Ruf begründete er
mit einem Schriften über die Wechſelbeziehung
zwifchen dem Gefdwertbe und der Lebensmittel»
theuerung. 1571 trat er ald Kath in die Dienfte
des Herzogs von Mengon, dann ging. er nad
Yaon, wo er Procurator u. 1576 in die Stände.
verſammlung ig Blois gewählt wurde. Hier ſprach
er in der Adrefberathung mit Entichiedenheit für
Freiheit des Glaubens und zog fi dadurch viel
eindichaft zu. Als der König, der mehr u. mehr
zur gewaltjamen Unterdbrüdung der Proteftanten
gedrängt wurde, einen Theil der Domänen ver-
äußern wollte, war es B., welcher den Drüten
Stand vermochte, das Fönigliche Geſuch abzujchla-
gen, weil die Domänen Boltseigentbum ſeien. Er
fiel infolge defien in Ungnade u. bereifte num mit
dem Herzog England und die Niederlande. As
dieier 1583 ftarb, kehrte B. nach Yaon zuritd, mo
er Öeneralprocurator wurde u. ſich der Yigue an—
Bodinus — Bodmer.
ſchloß. Als Heinrich IV. ſich der proteſtantiſchen
Sache annahm, ging er zur Partei deſſelben über.
Er ſtarb 1596. Bon feinen Schriften find zu er—
mwähnen: Methodus ad faeilem historiae cogni-
tionem, Paris 1566; Röponse aux paradoxes de
Malestroit, Paris 1586; D&emonomanie, Paris
1579, lat.; De magorum daemonomania, Bafel
1581, worin er die Herenproceffe gegen Beier,
der fie angriff, zu feiner Schmach vertheibigte;
Universae naturae theatrum, Lyon 1596, franz.,
ebd. 1597; La republique, Par. 1577, $Fol., lat.,
Par. 1586, Fol. (das erfte Werk, worin die Staats»
kunſt wiffenfchaftlih behandelt ift); überſetzte Op-
pianos’ Cynegetica, Paris 1855. Seine deiftifche
Schrift: Colloquium heptaplomeres de abditis
rerum sublimium arcanis (erft 1857 zu Schwerin
von Noad vollftändig herausgegeben). Vgl. Guh—
rauer, Das Heptaplomeres Bes, Berlin 1841;
Colombet, Jean B., Nantes 1845; Baudrillen,
Bodin et son temps, Par. 1853. 2) Felir,
franzöfiiher Schriftiteller, geb. 1795 zu Saumur;
redigirte während der Reftauration den Mercure
du 19. siöcle, faß 1830 und 1834 in der Depu-
tirtenfammer u. ftarb 1837. Er fhr.: Resume de
V'histoire de France, Par. 1821 u. ö., deutich
v. Hermann, Dresd. 1827; Resume de l’histoire
d’Angleterre, Bar. 1824; Etudes-sur les assem-
blees reprösentatives, Par. 1823, und einen
Roman: Eveline, Bar. 1824.
Dodinus, Heinrich, deutiher Zoolog, geb.
1814 in Drewelomw bei Anklam; ftudirte in Greifs-
wald u. Berlin Medicin u. Naturwiſſenſchaften,
wurde in Bergen auf Rügen pcealtifcher Arzt,
fiedelte 1852 nad Greifswald über, wo er fi
jpeciell der Zoologie widmete, 1859 legte er den
Zoologiſchen Garten in Köln an u. leitete denjelben
mit jo viel Verftändnig u. Erfolg, daß er 1869
zur Reorganiſation des Zoologishen Gartens nad)
Berlin berufen wurde; es gelang ibm, denjelben
in furzer Zeit derart umzugeftalten, daß er den
erjten Anftalten diefer Art ebenbürtig wurde,
Bodley, Thomas, englücher Bibliophil, geb.
2. März 1544 zu Ereter in Devonjbire; verließ
1556 mit feinen Eltern wegen religiöfer Verfolg—
ungen fein Vaterland, ftudirte in Genf u, fehrte
unter der Negierung der Königin Elifabeth zunüd,
ftudirte weiter in Orford, machte 1576—80 eine
Reife durch Europa u. ging dann in diplomati-
fhen Sendungen an die Höfe von Frankreich,
Dänemark und Holland. Seit 1597 lebte er in
Oxford, widmete fih ganz den Wiffenfchaften
und vervollftäldigte die dortige, nach ihm Bod—
leyaniſche Bibliothek genannte Univerſitäts—
bibliothet. Er ſtarb 28. Jan. 1612. Zur Be—
reicherung dieſer Bibliothek ſoll B. gegen 200,000
Pf. St. geopfert haben. Die von ihm den In—
ftituten geſchenlten, zum größten Theil ſeltenen
u. wertbvollen Werke, welche er im Auslande von
Agenten auflaufen ließ, werden auf 24,000 ange-
geben. Für die Verwaltung der Bibliothek fette
er in feinem Zeftament ein Capital aus, u. nod)
alljährlich feiert die Univerfität am 8. Nov. das
Andenten des Stifters mit einer Öffentlichen Rede.
Den Grund zu der Bibliothek hatte Humphrey,
Herzog von Öloucefter, in der erjten Hälfte des
601
über 350,000 Drudwerfe u. 25,000 Handicriften.
B⸗s Briefe und andere Schriften als Reliquiae
Bodleyanae, Yond. 1703, von Thomas Hearne
herausgegeben, mit einer bis 1609 reichenden
Gelbftbiographie. Brambad.*
Bodbman (Bodmen), Marktfleden im Amtsbez.
Stodad des badischen Kreifes Konftanz, am Unter»
(Boden-)See; 900 Ew. Dabei altes Bergſchloß glei⸗
hen Namens, wovon der Bodenfee feinen Namen
führt. Das Schloß, zur Zeit der fränkischen Kai—
jer eine Pfalz, wurde um 917 zerftört; wieder
aufgebaut von den Herren von B., brannte es
1307 ab. Die Familie B. ift noch in Baden an
ſäſſig, u. der zu B. wohnbafte Freiherr Franz ift
Abgeordneter des grumdherrlihen Adels in der
1. Kammer der Stäudeverfammlung.
Bodmer, 1) Job. Jakob, literar-äfthetischer _
Theoretifer und. Kritifer, geb. 19. Juli 1698 zu
Greifenjee im Kanton Bilcie, Sohn eines dortigen
Predigers; findirte in Zürich Theologie, lernte in
Bergamo die Handlung, arbeitete fit 1719 auf
der Züricher Staatstanzlei u. fette daneben feine
literariſchen u. biftorifchen Studien fort, erhielt
1725 die Profeffur der eidgenöffishen Geſchichte u.
Politif am Züriher Gymnaſium u. etwa in der-
jelben Zeit das —— einer Buchhandlung
u. Buchdruderei, wurde 1737 in den Großen Rath
aufgenommten, betheiligte fich lebhaft an allen
vaterländiſchen Intereſſen, legte 1775 feine Pro—
fefjur nieder u. zog fich auf jein Gut im der Nähe
der Stadt zurüd; er ft. hier 2. Jan. 1783, Seine
äftbetifchefritifche Wirffamkeit ift von der feines
Freundes Johann Jakob Breitiuger (f. d.)
nicht zu trennen. Ihr erftes literariſches Hervors
treten fällt in Die Jahre 1721—22, wo fie u. a.
junge Gelehrte nah dem Muſter des englischen
Zufchauers eine Wochenſchrift: Die Discurje der
Maler, berausgaben, die durch neue äjthetiiche
Principien u. ſcharfe Urtheile über die berühmtejten
deutichen Dichter Aufjehen erregten, Die Zueig«
nung der Schrift: Bon dem Einfluß u. Gebrand
der Einbildungskraft zur Ausbeiferung des Ges
Ihmades oder genaue Unterfuhung aller Arten
Beichreibungen, worin die auserlefenften Stellen
der berühmteſten Poeten diefer Zeit mit gründ—
licher Freiheit beurtheilt werden, Frankf. u. Ypz.
1727, iſt mit den Anfangsbuchitaben beider ‚Freunde
unterzeichnet. 1732—37 veröffentlichte B. jeine
Überjegungen von Miltons Berlorenem Paradieſe
u. Butlers Hudibras. Es war von großer Ber
deutung, daß in einer Zeit, wo der Deutiche fich
in feinen geiftigen Beftrebungen an die Vorbilder
des Auslandes anlehnen zu müſſen glaubte, die
Schweizer den von Gottſched eingeichlagenen Weg
verließen, indem fie nicht den Franzoſen, fondern
den Engländern in ihrem Geichmade jolgten, ſowie
denn DB. im Gebiete der deutihen Sprache das erfte
Borgefühl von Shafeipeares Größe gebabt zu haben
fcheint. 1736 erſchien B⸗s Briefmechel von der
Natur des poetiichen Geſchmackes, 1740 feine Kri—
tiiche Abhandlung von dem Wunderbaren in der
Poeſie u. deffen Verbindung mit dem Wahrjchein-
lichen, in einer Bertheidigung des Gedichtes Joh.
Miltons von dem Berlorenen Paradiefe, u. Brei—
tingers Kritifche Abhandlung von der Natur, den
15. Jahrh. gelegt. Im J. 1867 umfaßte diejelbe |Abfichten und dem Gebraudye der Gleichniffe, und
602
Bodmer.
Kritiſche Dictfunft, 1741 B-8 Kritische Berracht- Lehre zu geben, fondern ein gewiſſes Gefübf,
ungen über die poetiihen Gemälde der Dichter,
1746—49 feine Kritiihen Briefe u.Neuen fritiichen
Briefe. Nachdem B. u. Breitinger mit Gottſched
Jahre lang im beiten Bernehmen geftanden hatten,
erwedten Gottichebs heftige Angriffe gegen Ende
des J. 1740 einen Federkrieg zwiſchen den Yeip-
zigern u. Schweizern, der länger als ein Jahr»
zehnt von beiden Seiten mit der höchſten Erbit-
terung geführt wurde u, allmählich die principiellen
Gegenjäge vor den perfünlihen verichwinden lieh.
Auf der Yeipziger Seite finden wir eine trodene
u. äußerlihe Berfiandesanffaflung; fie legt den
Hauptaccent auf die Hegel, für deren Befolgung
die deutiche Literatur wieder erzogen werden müßte;
fie thut es mit pedautiſcher Strenge und fchöpft
die Regel nur aus dem theoretiihen Herlommen
u. aus Reflerionen, die au den Gegenjiand nicht
hinanreihen. In den Schweizern dagegen ar»
beitet fi aus ſchulmeiſterlichen Borurtheilen, die
von ihnen nicht ganz überwunden werden, aus
altmodischen Beguifisbeftimmungen und Wortbild-
ungen, die wir abzuftreifen baben, eine lebendige
Gemüthsanſchauung heraus; fie erfennen die Rechte
des Genius u. der Begeifterung an u. zeigen ein
feines Verſtäudniß für die äfthetiihe Natur des
Menihen. B. und Breitinger waren unter den
deutschen Schriftftellern die erften, die auf dem
Wege der Kritit u. Speculation zur Einſicht in
die lebendige Quelle der Schönheit gelangten u.
die univerfelle Idee der Poeſie als einer Kunft er-
griffen, während Gottſched im Wejentlichen nur die
Cultur des poetiihen Stils beabfichtigte. Bei
Gottſched nahm die Poeſie ihre Stelle neben der
Beredtſamkeit ein; Die Schweizer verglichen fie mit
der Malerei, indem fie von dem Dichter die Eigen-
ſchaften des Malers verlangten, aber nur in jo
weit, als eine folhe Forderung fih mit den gegen-
jeitigen Unterfchieden beider Künſte vertrug. . Das
Malerifche, was die Schweizer dem Dichter em-
pfeblen, bedeutet gründliche Conception, Energie
der Auffaffung, wirkliche Prägnanz des Objects,
unmittelbare, lebendige Darftellung. Das Haupt
anliegen Gottfcheds, die Hegel, wurde von den
Schweizern auf ihren lebendigen Urjprung zurid:
geführt u. im ihren Anſprüchen durch die Hechte
des Genius eingeſchräukt. Nach ihrer Lehre bat
3. B. Baterlandsliebe, zu erweden; die ibeale Be—
wegung des Gemüthes durch die Phantafte ift
mit anderen Worten ihre Aufgabe. Breitinger jagt
„Ih nenne die Poefie eine —— Malerkunſt,
weil dieſes lebhafte und herzbewegende Schildern
das eigenthümliche Werk der Dichtfunft iſt.“ Die
Poeſie heilt mit der Malerei die Aufgabe der
Darftellung; aber fie löſt diefelbe mit größerer
Lebendigleit u. mit beftimmteren u. ftärferen Ein-
brüden auf das Herz. Der Umfang ihrer Thätig-
feit ift viel weiter, al® die Sphäre der Malerei,
u. ihre Wirkung ift höher. Dieſe Wirkung erreicht
fie aber nur, wenn fie für ihren Gegenftand (für
das von ihr ins Auge gefaßte Thema) begeiftert
iſt; die Grundbedingung dichteriſchen Schaffens ift
der Affect, ſei es eim wirklicher, jei es ein er—
träumter (f. d. A. Dichtlunft). Und an was ent»
flammt fi diefer Affect, dieſe Begeifterung am
erfien, u, wodurd wird die Phantafie, das Ger
mütbh des Leſers u. Hörers am leichteften ergriffen?
Durch das Neue; u. das Neue im firengften Sinne,
das immer u. für fih Nene iſt das Wunderbare.
Aber das Wunderbare fann und nur ergreifen,
infoweit es fih in die Grenzen des Mahrichein-
lihen einjchränft, imfoweit e$ ein „vermummtes
Wahrfcheinliches“ ift. — Sehr verdient machte fi
B. durch Herausgabe u. UÜberſetzung älterer deut-
ſcher Didtungen: ‘Proben der alten ſchwäbiſchen
Poeſie des 13. Jahrh., aus der Maneffiichen
Sammlung, Zür. 1748; Der Parcival, ein Ge—
dicht in Wolframs von Eſchinbach Denfart, eines
Poeten aus den Zeiten des Kaiſers Heinrih VL,
Zür. 1758—54; Fabeln aus den Zeiten der Minne⸗
länger, Zür. 1857; Chriembilden Rache und die
Klage, zwei Heldengedichte aus dem ſchwäbiſchen
Beitpunfte, fampt Fragmenten aus dem Gedichte
von den Nibelungen u. dem Joſaphat, Zür. 1757;
Zammlung von Minnefingern aus dem ſchwä—
biſchen YZeitpunfte, 140 Dichter enthaltend, durch
Nüdger Maneffen, Zürih 1758—59, 2 Theile;
Altenglifche u. aliſchwaͤbiſche Balladen, in Eſchinbachs
Versart; Zugabe von Fragmenten aus dem alt-
ſchwäbiſchen Zeitalter und Gedichten, Zür. 1781,
2 Bdchn., ꝛc. Be⸗s zahlreiche epiiche u. dramatiſche
Dichtungen (etwa mit Ausnahme, der Noachide,
Zür. 1753, Baf. 1781) u. feine Überſetzung des
ſich die ſchöpferiſche Thätigkeit allerdings der Ne- |Homeros, Zür. 1778, 2 Bve., hat die Nachwelt ver-
gel zu unterwerfen; aber fie hat die Negel nicht
von außen ber, fondern aus ihrer eigenen inneren
Gejegmäßigleit zu empfangen. Es tft dann aller-
dings die Sache der Kritik, dieſe dem jchaffenden
Geiſte einmohnende Regel aufzufaffen u. nadzucon-
ftruiren, Heißt es nun bei den Schweizern, der Jwed
der Dichtung fei fein anderer, als das finnliche Ergö-
en, u. fie nüße nur, infofern fie diefes als Erholung
befördere, fo liegt hierin der Gedanke, daß die Poeſie
zunädft unfere finnliche Natur ergreife, alfo durch
anschauliche Darftellung u. durch Belebung der Ger
fühle auf uns wirfe u. hierdurch unfer Inneres
in Freiheit fege. In diefer Befreiung erbliden
die Schweizer den eigentlichen Nutzen der Poeſie,
u. fie machen menigftens einen Anfang zur Be-
feitigung des Tehrzmedes, den ihr das Herlommen
aufgedrängt hatte. Bon der Tragödie jagt B.
ausprüdlih: ihr Zwed fer nicht, eine beftimmte
gefien. Bgl. Leonhard Meifter, über B., nebit
Fragmenten aus feinen Briefen, Bür. 1763;
Ih. W. Danzel, Gottiched u. feine Zeit, Auszüge
aus feinem Briefwechiel, Lpz. 1848, ©. 185 ff.,
Mörilofer, Die ſchweizer Literatur des 18. Jahrh.,
Yp3. 1861; Hettners Pıteraturgeich. des 18. Jahrh.,
II. 1., ©. 365 ff. Sehr ſchätzbare Auszüge aus
B⸗s u, Breitingers äfthetiich » fritiichen Schriften
enthalten die 4. u. 5. Aufl. von Koberfteins Grund»
riß der Gefchichte der deutſchen Nationalliteratur.
2) Georg, ausgezeichneter Mechaniker, geb. 1786
in Züri; fam in feinem 16. Jahre in Hauptweil
in Thurgau zu einem Mechaniler in die Lehre,
erfand bier jchon 1803 die Schrauben» od. Kreuz«
räder und verbeiferte 1805 die Baummollenipinn-
maſchinen. Zu Küßnacht im Kanton Zürich legte
er eine eigene mechaniſche Werfftätte an u. fertigte
hier 1808 eine gezogene einpfündige Kanone für
Bodmerei
Granaten (Hinterfader), deren Modell aber bei
einem Brande verloren ging. Seit 1809 nad
St. Plafien übergefiedelt, murde er 1816 Capitän
der Artillerie u. erhielt die technifche Leitung der
großherzoglichen Eiſenwerke u. der Gemwehrfabrif
in St. Blofien, während er auch einer Werfftätte
und Spinnerei vorjtand. 1822 fehrte er in bie
— Bodo. 603
der aänten richtete fih nach ber Länge der Zeit,
der Weite der, Fahrt, der Wefährlichleit der Ge—
wäſſer zc., auch je nachdem man auf Heteroplun
oder Amphoteroplun lieb, u. fo ftiegen die Zinſen
von 10—334 pCt. Waijengelder durften geſetzlich
nicht auf B. gegeben werden. Im Röm. Rechte ent:
ſprach das Foenus nauticum dem B»vertrage. Nach
Schweiz zurid, entwarf den Plan zum Bade heutigem Rechte ift die B. ein handelsrechtl. Ge-
Schinznad in Aargau u. war für bie Herzogicen|ichäft, u. zwar eine Art ber gemagten (Affecuranz.)
Spiunfabrifen in Aarau fehr thätig. 1824 ging Geſchäfte. Die darauf bezüglihen Beftimmungen
er nah Manchefter, errichtete hier eine Werkſtätte des D. Allg. H.“G.“B. (Art. 680—701) find
zum Bau von Mafchinen, brachte das ſogenannte im Wejentlihen: a) 8, it ein Darlehensge-
Banbvereinigungsigftem zur Ausführung, wodurd|fchäft, welches von dem Schiffer als ſolchem kraft
die Baummollenjpinnerei wejentlich vervollfommınet
wurde, baute das erfte größere Wafferrad zu Bol—
ton von 20 m Durchmeſſer, vervolllommmete die
Pocomotiven un. erwarb im Laufe von 20 Jahren
viele Patente über mehr als 80 Maichinen und
Werkzeuge zum Drehen, Bohren, Walzen zc., von
denen die meiften in Anwendung find; 1847 ging
er nach Öfterreich u. betheiligte ſich bei den dor«
tigen Eifenbahnbauten, bef. bei der Sömmering—
Bahr. B. ft. im Juni 1864 in Züri.
Bodmerei, 1) (Bobmereicontract, engl. Bot-
tomry, frz. Contrat de grosse-aventure od. C. a la
grosse, ital. Cambio Maritimo) Seecontract, nad)
welchem ein Schiffer (Bnehmer) in fremden Häfen
Geld zur Ausbefjerung feines Schiffes, od. zur Fort⸗
ſetzung der Fahrt (Brgelder) aufnimmt, fir deren
BWiederbezahlung er jeine Fracht u. fein Schiff
verpfändet. So lange alfo die Wiederbezahlung
nicht erfolgt, od. im Falle felbige verweigert wer-
den follte, kann fi) der Begeber (Bodmerift)
an das Schiff felbft haften; dagegen geht das Geld
verloren, wenn das Schiff untergeht, u. deshalb
ift der Darleiher berechtigt, hohe Intereſſen (B—
prämien), meift 10—12 pEt., zu nehmen. Die
B. wird auf ein digenes B-conto (Berechnung)
eingetragen. Der B-nehmer gibt einen B-brief
(Kielbrief, B⸗wechſel) zur Anerkenntniß der en-
pfangenen Summe, weicher Wechſelrecht Hat; tm
alle eines Concurſes geht ſtets der jüngere dem
älteren vor, um bei neuen, unterwegs vorkommen:
den Schwierigfeiten die Fahrt nicht zu hindern.
Der Schiffer fol jo lange wie möglich vermei-
den, B. einzugehen; u. vorher verjuchen, Geld
auf Wechjel zu gewöhnlihen pCt. durd Ber:
fauf der dem Schiffe gehörigen Waaren u, ſ. w.,
zu erhalten. 2) Darleihen gemwiffer Summen
gegen hohe Zinfen an einen Schiffer, um damit
eigenen Handel zu treiben, mit oder ohne Ber-
pfändung des Schiffes. Liber diefe Art B. ſpre—
en fi die Geſetze anders aus, als über die
vorige; jo geht hier meift der ältere Contract
dem jüngeren u. Havarie der B. vor, — Died.
war jchon im Altertfum gebräuhiih; man lieh
nad griehiihem Brauche gemeiniglicd auf die
Waaren, jeltener auf das Schiff u. das Fahr- u.
Frachtgeld. Über ſolche Verträge wurden Urkunden
niedergeichrieben u. dieſe bei einem Wechsler nieder:
gelegt. Die Summe murde auf bejtimmte Zeit
u. für die Fahrt nach einem beftimmten Orte ge:
lieben; Zahlung wurde geleiftet bei dem Hetero-
plun (Leihuug bloß für die Hinfahrt) an dem Orte
ihrer Beftimmung; bei den Amphoteroplun (für
der im Handelsgeſetzbuche ihm ertheilten Befug-
niffe, unter Zuſicherung einer Brämie und unter
Berpfändung von Schiff, Fracht u. Ladung oder
von einem oder mehreren diefer Gegeiftände in
der Art eingegangen wird, daß der Gläubiger
wegen feiner Auſprüche nur an die verpfändeten
(verbodmeten) Gegenftände nah Ankunft des
Schiffes an dem Orte ſich halten könne, wo die
Reife enden fol, für welche das Geſchäft einge,
gangen tft (Brreife). b) B. kann von dem Schiffer
nur eingegangen merden: während das Schiff
außerhalb des Heimathshafens ſich befindet, zum
Zwecke der Ausführung der Reiſe und während
der Reiſe im alleinigen Intereſſe der Ladungs—
betheiligten zum Zwecke der Erhaltung u. Weiter«
beförderung der Ladung. c) Die Höhe der B—
prämte ift ohne Beſchränkung dem Übereinkommen
der Parteien überlaffen. d) Iſt ein B-brief von
dem Schiffer nicht ausgeftellt, jo hat der Gläu—
biger diejenigen Rechte, welche ihm zuftehen wür—
den, wenn der Schiffer zur Befriedigung des Be—
dürfniſſes ein einfaches Srevitgeichäit eingegangen
wäre. e) Die B-fchuld iſt, ſofern nicht in dem
Bebriefe jelbft eine andere Beſtimmung getroffen
worden it, in dent Beftimmmmgshafen der Bereife
u. am 8. Tage nad der Ankunft des Schiffes in
diefem Hafen zu zahlen; von dem Zahlungstage
laufen faufmänntiche Zinfen von der ganzen B-
ihuld einfchließt. der Prämie, u. kann der Gläu—
biger im Falle der nicht rechtzeitigen Zahlung den
öffentlihen Berfauf. des verbodmeten Schiffes u.
der verbodmeten Ladung, fowie die Überweifung
der verbobmeten Fracht bei dem zuftändigen Ge-
richte beantragen. f) Die ſämmilichen verbod»
meten Gegenftände haften dent B-gläubiger ſoli—
dariſch. Grotefend
Bodmereiaſſecuranz, 1) das Berſichern des
einem Schiffer auf jein Schiff geliehenen Capitals
bei einer Affecuranz durch den Darleiher. 2) Die
ſes Berfihern durch den Schiffer, wo er dann
dem Bodmereigeber den Verſicherungsſchein ein-
händigt, damit derfelbe, im Falle das Schiff
verloren ginge, fich durch Die Aſſecuranz jchadlos
halten kann.
Bobmin, Wahlfleden (Borough) der engl.
Grafſchaft Cornwall; Sig der Sommeraifiien;
Hofpital, Irrenanſtalt; Wollenzeugmanufacturen;
Sarnhandel; 4672 E.; in der Nähe die Hurlers,
fteinerne Druidenmonumente.
Bodd, Hauptort des norweg. Stiftes Nordland,
auf einer Yandfpige, am Eingange des Galten-
Fiörd, wo 1875 großartige Eijenfteinlager aufger
Hin⸗ u. Rüdfahrt) nad) der Rüdtehr. Die Höhe: fchloffen wurden; 300 Em. Hier wohnte einige
604
za der landesflüchtige Prinz Ludwig Philipp von
Bodont — Boerhaave.
Bokdromion nah der Mythe Über die Amazonen
xleaus, nachmals König der ‚zrangofen. gewonnen hatte. (In Böotien ftand der Name
Bodöni, Giambattifta, berübmter Buch- des Apollon B. in Verbindung mit dem Kampfe
druder, geb. 16. Febr. 1740 zu Salnzgo; arbeitete|der Thebaner gegen die Orchomenier unter Er-
feit 1758 als Setzer in der Officin der Propa-|ginos.) Der Grund des Feſtes u. der Beiname
ganda u. wurde 1766 Director der Druderei indes Apollon jcheint in feiner Auffafiung als eines
Parına, aus welcher griechiiche, römiſche, italieniſche
u. franzöfiche Claſſiker, wie Homeros, Birgilius, Ho⸗
ratius, Dante ꝛc. hervorgingen, die fi aber mehr
durch prachtvolle Ausftattung, al® durch Correctheit
u. gute Texte auszeichnen. Er legte 1790 eime
eigene Druderei n. eine Schriftgiegerei an. B.
ft. 29. Nov. 1813 in Padua. Seine größte Kumft
war das Schriftfchneiden; Proben feiner Schriften
in Manuale tipografico del G.B., 1818, 2 Bde.
Lebensbeichreibungen von Giuſ. de Lama, 1816,
2 Bde., u. Bernardi, Saluzzo 1873.
Bodrog, 1) (Bodrogh) Fluß in dem ungar.
Comitat Zemplin, an der polnischen Grenze; ent-
fteht aus den Flüſſen Laborcza, Ondawa, Tapolcz,
u. mündet bei Today in die Theiß; ſehr fiſchreich.
2) B. Kereftur, Marlıfleden am B. in dem
ungariihen Comitat Zemplin; Synagoge; vor-
züglicher Wein; Biehhandel; 4600 Em. 3) Schloß
u. Dorf in dem Comitat Bacs, an der Donau;
gab dem Eomitat den Namen Bacs-B. (ſ. d.).
Bodt, Jean de B., Architelt, geb. 1670 zu
Paris; wurde 1700 branbenburgiiher Hofbau-
meifter, fpäter preußifcher Generalmajor u. Com:
mandant von Wefel; trat 1728 in ſächſiſche Dienfte
u. ftarb als Generaffeldzeugmeifter 1745 in Dres»
den. Er vollendete das Yengbaus zu Berlin,
baute das Schloß zu Potsdam, die Feitungswerte
von Wefel u. mehrere Baläfte in Berlin u. Dresden.
Boe, Franc. de le B. (Sylvius), medicin.
Schriftfteler, geb. 1614 in Hanau; ftudirte in
Leyden u, Paris Medicin, prafticirte jeit 1786 in
Hanau, Leyden u. Amfterdam und wurde 1658
Profefior der Medicin in Yeyden; er ft. 14. Nov.
1672. B. ift Begründer des cdhemiatriichen
Syſtems (f. d. u. Ehemiatrie), hielt in Holland
zuerit Hinifche Borlefungen u. nahm häufig Yeichen-
Öffnungen vor. Er ſchr.: Disputationum medie.
decas, Amfterd. 1663; Praxcos medicae idea
nova, 1667— 74, 3 Bücher. Werte, Aınfterd. 1679,
Genf 1731.
Boedromios (gr., d. i. der mit Geſchrei Yau-
fende), Beiname des Apollen, namentlich bei den
Böotern, wo er in Theben neben der Artemis
Eufleia verehrt wurde, u. zu Athen; hier war
neben anderen Erklärungen die Legende geläufig,
daß er den Athenern eingegeben babeu follte, bei
einem Kampfe mit den Gleufiniern die Schlacht
mit großem Gefchrei zu beginnen, was jenen den
Sieg verſchaffte. Daber hieß der 3., ihm geheiligte,
vom 13. Sept. bis 11. Oct. unferes Kalenders
reihende Monat des Attiſchen Kalenders Bok—
dromion. Ju diefen Monat wurden die großen
Eleufinien (ſ. d.) u. (nach dem Feſte der Artemis
Agrotera) am 7. Tage defielben Die Bokdromſta
gefeiert, Tetstere nach Einigen dem Apollon, nad
Anderen dem on oder jenem Water Xutbos,
welcher den Athenern in jenem Sampfe unter!
Erechtheus gegen die Eleufinier des Eumolpos beis
ftand, zu Ehren gefeiert, nad Anderen zum Ans
denlen des Sieges, welchen Theſeus im Monat
ſtreitbaren, kampfrüſtigen Gottes, reſp. in der
Erinnerung an die durch feine Oralel in Kriegs—
notb gefeifteten Hilfe zu ſuchen zu fein. Herpberg-
Boer, in Rußland ein aus Brettern zufammen-
geſetztes Schiff, anf eiſerne Schienen od. Schlitten»
fufen geftellt und mit einer Leulſchiene verieben;
dient zum Befahren zugefrorener Ströme od. Seen.
Boerhaave (Boerbaaven), Hermann, einer
der bedeutendften Arzte aller Zeiten, geb. 31. Der.
1668 in Voorhout, einer Vorſtadt Leydens; von
feinem Bater, einem Prediger, jehr forgfältig er—
zogen, ftudirte er von 1682 an in enden Theo—
logie, trieb namentlich orientaliihe Sprachen und
Kirchengeſchichte, wurde 1690 Doctor der Bbilo-
fopbie, ging nach Bandebergs Rath zur Medicin
über, eignete ſich die Ausgebreitetften Kenntniſſe
in allen Zweigen derjelben an, war aufererdentlich
beleſen in der Gejchichte der Medicin u. der Hilfs:
wiſſenſchaften u. jchöpfte vor Allem aus gemiifen-
bafter Beobachtung der Natur. 1693 promorirte
er in Harderwyck, prafticirte ein Jahr lang und
trat 1701 an Drelincourts Stelle als Profeffor
der theoretischen Medicin in Leyden. Einen Auf
nah Groningen abichnend, wurde er 1709 Pro-
feffor der Botanik u. Mediciu. In der damals ge»
baltenen Antrittsrede (Öratio qua repurgatae
mediciuae facilis asseritur simplieitas) zeigte
er, mit wie menig SHeilmitteln man ein guter
Arzt jein könne, wenn man fich frei halte von
alten Hypotheſen. Seinen Ruf nah außen be-
gründete er namentlich durch feine: Institutiones
medicae in usus exereitationis arinuae domesticos,
Leyden -1708, 18, 20, 27, 34, 46; außerdem
Frankf., Paris, Duisburg zc., u. die: Aphorismi
* cogmoscendis et curandis morbis, in usum
doetrinae medicae, Leyden 1709, 15, 22, 37
u. ſ. f., jene die Theorie der Medicin in meifter-
bafter Weife umfafiend, dieſe als ein Leitfaden
für feine Borlefungen. 1715 übernahm er an
Bidloos Stelle die Profeffur der praftiihen Me»
dicin u. die Leitung des Kranfenhanjes, 1718 die
Profeffur der Chemie; das Intereſſe fiir diefelbe
zeigte er durch feine: Elementa chemiae, quae
universario labore docuit in publieis privatisque
scholis, feyden 1732, u. in vielfadhen Ausgaben.
1714 war er zum erftien Mal Rector mammificus
geworden u. hatte dabei geiproden: De compa-
rando certo in physieis, 1730 zum legten Mal,
wobei er in feiner Nede: De honore medici, ser-
vitute, enden 1731, nachwies, daß die höchfte
Ehre des Arztes darin beftehe, daß er ein Diener
der Natur fei. 1727 befam er einen Rüdfall
einer gichtifchen Lähmung, vie fidh bereits 1712
einmal gezeigt hatte, gab infolge deffen 1729 den
Fehrftuhl der Botanif u. Chemie auf; Oratio cum
cathedrae chemiae et botanices valediceret, Ley—
den 1729. Erft. am 23, Sept. 1738. Das ihn von
der Stadt Yenden geſetzte Denkmal trägt feinen
Wahripruch: Simplex sigillum veri, und die De»
dication: Salutifero Boerhaavii genio sacrum«
Boerhavia — Bogaers.
DB. hatte, wie Haller fagt, ein faft göttliches Ge-
müth, auch dem Feinde wohlmollend zu jein, u.
eine folofjale Arbeitsfraft, als Arzt seinen Welt«
ruf, als Lehrer das Genie, „auf den geiftreich zu—
fammengefügten Grundlagen der rationellen Em—
pirie u. eines dem iatro-mathematifchen u. iatro«
hemifhen Dogmatismus wur vorfichtig zugemwen-
deten Synkretismus eine phyſiologiſch⸗mediciniſche
Theorie wiederherzuftellen”, u. einen wunderbaren,
überzeugenden Bortrag. Außer ben bereits ge-
nannten Werfen u. vielen Differtationen u. Reden
mären noch anzuführen: Libellus de materia
medica et remediorum formulis, Yondon 1718
u, ſ. f.; Epistola ad Ruyschium pro sententia
malpighiana de fabrica glandularum in cor-
pore humano, Amfterd. 1722. Die Gejamnit«
werfe: Opera omnia medica, erſchienen Venedig
1766. Ferner gab er, zum Theil auf eigene
Koften u. mit vielem Aufwande, eine Menge guter
Werke anderer Autoren heraus, 3.B.: Smanmer-
dams Historia inseetorum ete. Diele unter
feinem Namen herausgeg. Schriften find von ihm
nicht anerlannt worden. Zu jeiner Lebensgeſch.
vgl. außer der oben angeführten Rede: Cum
eathedrae „.. valediceret: Schultens oratio aca-
demica in memoriam H. B., Leyden 1738;
Maty, Essai surlecaractere du grand medeeinete.,
Köln 1747, deutſch, Lpz. 1748; Memoires de
Vacadémie, 1738, von Fontenelle; Encyklopädie
von d'Alembert u. Diderot, Artikel Voorhout von
Jancourt; Burton, An account of thelife of Boer-
haave, Lond. 1743; ebenjo von Johnſon, ebd.
1834, u. Kefteloot, Yeyden 1825. Thamhayn.
Boerhavia L., Pflanzengatt., nad H. Boerhaave
benannt, aus der Fam. der Noktagineen (L 1),
einjährige od. perennirende Kräuter, jelten Halb-
ſträucher, mit gegenftändigen Blättern und zahl-
reichen, in Rifpen vertheilten Blüthen, letztere mit
röhrenförmigen, gefärbtem Perigon, 5theiligen
Saume, 1—4 hypogyniſchen Staubblättern, ein»
fädherigem, verfehrt » fegelfürmigem Fruchknoten,
einem aufrechten Eichen, nicht aufipringender, von
dem'verhärteten Perigon eingeschloffener, einfamiger
Frucht. Arten: B. erecta L., in Mittel-Amerifa
u. an der WKüſte Afrifas; ihre Wurzeln wirken
brechenerregend, die Blätter dienen als Gemüſe.
B. procumbens Roxb., in Oftindien; B. hirsuta Z.,
in Brafilien; B. tuberosa L., in Peru, u. a.,
finden ähnliche Berwendung.
Boers (d. h. Bauer) werden die Coloniften
europäifchen (meift holländischen) Urfprunges auf
der DScite des füdlihen Afrifa genannt, denen
fi) auch eimmandernde franzöf. Hugenotten an—
ſchloſſen, welche die holländ. Sprache annahmen. Als
England das Capland eroberte, wohnten B. bereits
an der OKüſte des Landes; fie wurden von Eng—
land vielfach bedrüdt u. gegen die befiegten Kaflern
benachtheiligt, zogen nah N. u. gründeten nach
vielen blutigen Kämpfen die Oranjefluß- u. Trans-
vaalishe Republit, wo in neuefter Zeit Gold» u.
Diamantenfelder entdvedt wurden. Die B. leben
in Heinen Landftäbtchen, od. auf einzelnen Höfen,
meift von Viehzucht, weniger von Aderbau, da
die Hochflächen große Weiden bieten, dagegen
der Mangel an Regen u. Duellen den —
auf Heine Streden beipräntt, S. Capland.
605
Boẽthos, griechiſcher Erzgießer aus Carthago,
oder, wie Müller meint, aus Chalkedon; lebte
in der erften Hälfte des 2. Jahrh. v. Ehr. u. ar»
beitete in Griechenland. Plinius erwähnt von
ihm mehrerer Werte im Athenetempel zu Lindos.
Die Marmorcopie einer feiner Kinderftatuen (ein
Knabe, weldher eine Gans würgt) im Louvre.
Boetius, 1) Anicins Manlius Torgua:
tus Severinus, röm, Staatsmann u. Philofopb,
geb. um 470 n. Chr. in Kom; ftudirte in Athen
Philofophie, war unter dem Oſtgothenlönig Theo»
der.ch einflußreicher Staatsbeamter u. 508 od. 510
Eonjul; aber da er den eines Majeftätsverbrechens
angeflagten Senator Albinus vertheidigte, wurde
er jelbit dem König Theoderich verdächtigt und
von diefem feiner Würde entjegt u. in Pavia 524
oder 525 hingerichtet. Merkwürdiger Weife wird
B., der nie Ehrift war, als Bertheidiger u. Mär-
tyrer des Kathol. Glaubens gegenüber dem Aria-
nismus u. als Heiliger verehrt u. der 23. Oct. als
jein angeblider Todestag gefeiert, Einer der legten
Neuplatoniker, vermittelte hauptfächlich erdurch feine
Überjegungen und Grläuterungen der logifchen
Schriften des Ariftoteles u. durch jeine Schriften die
Belanntichaft des früheren Mittelalters mit der
grieh. Philoſophie. B. ſchrieb rhetoriiche (zuerſt
herausgeg. von A, Mai in den Classici aucto-
res, 1831, welche unecht find) und philofophiiche
Schriften, namentlih: De consolatione philoso-
phiae (vor feinem Tode im Kerfer), theils in Proſa,
theil8 in Verſen, herausgeg. Nürnb. 1473, von
Bertius, Leyden 1623, von Bulpius, Par. 1721,
von Helfrecht, Hof 1797, von Freitag, Riga 1794,
von Weingartuer, Linz 1827 (beide mit Überje-
ung), von Obbarius, Jena 1843, überjegt ins
Augelſächſiſche von Alfred, in althochdeuticher, im
Anfange des 11. Jahrh. verfaßter Überſetzung mit
lateinighem Text, herausgegeben von Graff, Berl.
1837; ein Fragment: De arithmetica, gab
Weber, Kaffel 1847, heraus, Werke, Ben. 1797 f.,
2 Bde., Bajel 1546, Fol., 1570, Leyden 1656;
im Patrologiae eursus compl., 63. u. 64. Bd., von
Migne, Par. 1847. Lebensbeichreibung von Ger-
vaife, Par. 1715; Baur, De Bo&thio, 1841;
Nigih, Das Syftem des B., Berl. 1860. 2) Se—
baftian, geb. 1515 zu Guben in der Yaufig;
war 1536— 43 Nector in Eiſenach, wurde 1544
Zuperintendent in Mühlhaufen, 1547 Diaconus
in Halle u. jpäter Superintendent ebd.; 1567—68
war er wieder Superintendent in Miüblhaufen, |
worauf er nah Halle zurüdtehrte; er ft. dafelbft
1574. B. trug viel bei zum Übertritte des Erz-
biſchofs Siegmund zur Luth. Kirche, beförberte
bejonders in Halle das Schulwefen u. gründete
dafelbjt die Marienbibliothel. Er jchr.: Index
Cinghanorum quorundam errorum in eatechesi
wittebergensi nova comprehensorum, 1571.
Bog (jlav. Myth.), allgemeiner Name für den
höchſten Gott; bei allen Slaven im Sing. ge:
bräuchlih u. int hohen Altertum wurzelnd; meil
mit altperj. baga u. altbaltr.. bagha identijch,
wird die Mittheilung Profops beftätigt, die Slaven
hätten an einen Gott geglaubt.
Bog, I. Bug.
Bogaers, Adriaan, reichbegabter holländ.
r. Körner. | Dichter, geb. 1795 im Haag; war zuerft Advocat
606 Bogaſi — Bogdo.
in Rotterdam; ſtarb 10. Auguſt 1870 in Spaa. Überſetzer bei dem Stabe des Grafen Panin,
Bekannt find ſeine Gedichte: Jochébed, u.: De 1765 im Auswärtigen Collegium und 1766 Ge—
tocht van Heemskerk naar Gibraltar, für wel · ſandtſchaftsſecretär am kurſächſiſchen Hofe, kehrte
ches leßtere er von der Holländiichen Gefellichaft/1768 nach Petersburg zurüd u. biieb im Givil-
für fhöne Künfte u. Wiffenfchaften gekrönt wurde dienſte; 1780 wurde er Mitglied u. 1788 Bor«
(1836). Hierauf folgte: Adams Erfigeborener ; jo. |figender des Neihsardivs, mahm aber 1795
dann ein Band Balladen u. Nomanzen; ferner: ſeine Entlaffung, ging nah Sumy und von da
Dichterblumen aus der rende (1852), An die|1798 nach Kurst; er ft. 18. Jan. 1803 auf feinem
Bertheidiger der Eitadelle von Antwerpen. Ebenjo
ausgezeichnet war B. als bolländ. Sprachforſcher.
ogafi, Gefammtname der Donaumündungen
(f. u. Donan).
Bogatzky, Kari Heinrich v., deutſcher Er—
bauungsichriftfteller in Bocfte u. Profa, geb. 7. Sept.
1690 zu Jankowo in Nieder-Schlefien; ſtud. in Jena
Rechtswiſſenſchaft, in Halle Theologie, lebte dann
in Glaucha (Sclefien), jeit 1740 am Hofe des
Herzogs von GSadjen- Saalfeld, privattfirte ſeit
1746 im Halliſchen Waiſenhauſe, wo er zur pie
tiftischen Richtung überging; er ft. 15. Juni 1774.
B. ihr. unter vielem a.: Gildnes Schaßläftlein
der Kinder Gottes, Halle 1718, häufig aufgelegt
u. überfegt; lÜbungen der Gottjeligteit in allerlei
geiftlihen Liedern, ebd. 1749, 75; Lieder, ebd.
1756, u. f. w. Bon ihm ift u. a. das Kirchen⸗
lied: Wach’ auf, du Geift der erften Zeugen. Bal.
8.9.0. 8-8 Lebenlauf, von ihm jelbft beichrieben,
berausg. von Knapp, Halle 1801, neue A., Berl.
1782; Ledderhoſe, Das Leben K. H. v. B⸗s,
Heideib. 1846.
Bogdan (ſav., Geſchent Gottes, jo v. mw.
Theodor), I) Name der alten chriſtlichen Fürſten
von Möfien. 2) Slav. Borname. 3) Name von
5 Domnus od. Fürften der Moldau (ſ. d. Geſch.).
Bogdanich, Emmerih Daniel, Aitronom
u, Mathematiker, geb. 1762 zu Veröcze oder Be-
rovitig in Slawonien; ſtudirte theils zu Ofen,
theils privatim Mathematik, wurde 1785 aufer-
ordentlicher Profeffor der Mathematif an der Kö—
niglihen Alademie zu Großmwardein u. nachdem
er fih no in Wien aftronomifhen Studien ger
widmet, wurde er 1796 als zweiter, 1798 als
erfter Adjunct der Königl. Sternwarte in Ofen
angeſtellt. In diefer Stellung unternahm er im
Auftrage des Kaifers eine aftronomiiche Reiſe
durch Ungarn, zur Beftimmnng der Yänge und
Breite vieler ungarischen Städte und Grenzorte,
durch welche er ſich großes Berdienft um Aus—
bildung der geographiſchen Kenutniß Ungarns er-
warb; feine Bejtimmungen find bei der Aus—
arbeitung der vortrefflihen Lipßlyſchen Starten
verwendet. Als Profeffor in Großwardein jchr.
er: Formulae pro spatiis rectilineis aut quae in
hac resolvi possunt, per lineas parallelas di-
videndis, Bert 1786; feine auf der Ofener Stern-
warte angejtellten aſtronomiſchen Beobachtungen
find in; Ephemerid. Vindebon. niedergelegt;
teine geographifchen Ortsbeftimmungen in: v. Zach,
Seograph. Ephemeriden III., u. deffen Monatl.
Gorrejpondenz I., III.,IV., VII. In jeinen Duße-
ſtunden verjuchte er fich mit Glück in der latein.
Poeſie. Er ft. 31. Jan. 1802 in Peſt.
Bogdanowitſch, Hippolyt Fedoromitic,
ruſſiſcher Schriftiteller, geb. 23. December 1743
in Perewolotichna in Klein-Rußland; wurde 1761
Klaffen-Anfjeber an der Univerfität Mostau, 1763
Dagh
Gute bei Kursk. Seine Neigung zur darftellen
der Kunft beichwichtigte Cherasfom, Director der
Theater in Moskau, u. lenkte jein Talent auf die
Gebiete der Poefie: er dichtete in feiner Iluiver-
ſitätszeit ſchon Bieles u. Mannigfaltiges, verfaßte
aber erft in Dresden das Gedicht Dujcbenla, ber-
ausgeg. 1775, welches feinen Ruhm begründete.
Es iſt eine poetifche Nahahmung von Yafontaines
Pipe, die jo viel Aufiehen erregte, Daß die
Kaiſerin Katharina II. u, das Publıcum ihn mit
den größten Gunſtbezeugungen überhäuften. Die
Ipäteren Dichtungen: Duſchenkas Freude und Die
Slaven (1782) jind ſchwach. Er verfaßteaußerdem:
Hiftorifhe Schilderung — (1777); überſetzte
Bertots Geſchichte der Veränderungen in Rom,
in 3 Theilen, u. gab ruſſ. Sprüchwörter heraus.
Sämmtliche Werke, 1809 in Moslau, 6 Bde.,
1818, 4 Bde. 2) Modeſt Jwanowitſch, Neffe
des Bor,, ruf. Generalmajor; jchrieb mehrere
Werte aus dem Gebiete der Kriegäkunft u. Kriegs-
geſchichte, darunter: Geichichte der Kriegstunft
(Jstorya vojennego is Kusstva etc.), Petersb.
1853; Der Krimer Feldzug der Franzoſen und
Engländer (Opisanye expedieii Anglo-Francezov
v Krim), 1856; Feldzüge Suwarows in Italien
und der Schweiz, 1846; Feldzug des Generals
Bonaparte vom Jahre 1796 nah alien, 1860,
2. A.; Geſchichte der Beirciungsfriege Deutich-
lands: Jstorya 1813 g. za nezavisimost Ger-
manii, 2 Bde., 1862—63. Sein angefchenftes
Bud iſt: Geſch. des vaterländiichen Krieges vom
jahre 1812: Jstorya otecestrennoj vojny 1812
&., 3 Bden Petersburg 1859—60, weldyes mit
dem Demidoffihen Preiſe ausgezeichnet u. ins
Deutiche von &. Baumgarten, Yeıpzig 1863, über—
jet worden if. Die meiften Arbeiten von B.
ftügen fi auf gutes, von Staat? wegen ihm zur
Benutung überlaffenes Material u. find oft auf
allerböchftes Geheiß unternommen. Viele Artikel
von ihm Friegsgeichichtlichen Juhaltes find in ruſſ.
Journalen erſchienen. Nebring.
Bogdo (mongoliih, d. i. herrlich, erbaben,
alleinherrichend), Ebrentitel mongoliicher Großen
und Helden, jo des Dſchaldſchimuni; daher B.
Lama, der geiftlihe Regent von STibet; j. u.
Lamaismus u. Tibet.
Bogdo- (Boldo-)Oola, 1) dreigipfeliger Berg
des Thian-Schan, im N. des Yop-Sreß, ca,
6100 m hoch, nah Pallas Gentralfnoten aller
Gebirge Inner-Aſiens. Auf feiner Weite liegt
die Solfatara don Urumtfci, die Schwefel u. Sal»
mial abſetzt. Dieſe gleticher- u. jchneereihe Maſſen⸗
erhebung liegt uördlich vom Bulcan von Ho-ticheu;
von ihr beginnt der OFlügel des Thbian- Scan,
den man früher Bogda oder Siari-Schan nannte.
Die Türken nennen ihn Cbatun-Bogdo od. Tengrie
D (Himmelsberg), Ihm entflteßen viele
Gletſcherflüſſe (Gol); im NW, fett ſich das nadel-
Bogen.
waldreiche Fren-Kbabirgan-Gebirg an, mit 2Kunft-]B. auf
firaßen, u. am SFuße meiden Mongolen des| gleich.
607
—— Centri⸗ od. Peripheriewinkeln find
Man bezeichnet den B. durch das Zeichen
Stammes Tſchakhar ihre Kamel-, Rinder- und are; fo daß arc ab z. B. den B. mit den End-
Pierdeheerden bis zum großen Salzjee Sairamful.|punften a und b; are w den auf deu Centri—
Ueber das Gebirg Fren-Khabirgan
des Zalfi eine gangbare Straße. 2) Gewöhnlich
Baskunſchatskiſche See genannt, einer der vielen
Salzfeen im rufj. Gouv. Aftrahan, Kreis eno-
tajewsl, an der DSeite der Wolga, der viel
trefiliches meißes Salz abfett, melches die Re—
gierung nad Aftraham abliefern läßt.
Bogen (lat. Arcus), 1) Borrichtung zum Ab-
fhießen von Pfeilen, beftehend aus einem bieg-
ſamen Stabe u. einer Sehne, melde, beide Enden
des Stabes verbindend, jo angezogen wird, daß die⸗
fer eine mehr od. weniger fihelfürmige Geftalt an:
nimmt, Der Stab ift aus Holz, Horn, Fiſchbein,
Stahl zc., die Sehne aus Pilanzenfafern od. Thier-
ſehnen. Der. ift eine nralte.u. bei den Natur-
völfern weit verbreitete Waffe; er kommt unter
den Hebräern chen zu Abrahams Zeit als
"Kafcheth vor, u. berühmt waren im Orient zu
allen Zeiten die Barther u. Stytben, jpäter die
Araber u. Saracenen als Bogenjhüten, daher
Plinins den Erfinder des B-8 Stythes nennt.
Unter den (Europäern galten die Germanen,
Tbrafer und Kreter, unter den Afrifanern die
Numider als gute B⸗ſchützen. In Griechenland
war der B. (Toxon) weniger Kriegs-, als Jagd⸗
wafje, daher die Jagdgoͤttin Artemis den B.
führt, Apollon trägt den B. als Todesgott. Wenn
fpäter Beſchützen (Töxotai) in griehiihen Heeren
austreten, jo find es ſtets Barbaren, wie auch die
Bolizeifoldaten in Athen. Auch bei den Römern
waren die B⸗ſchützen (Sagittarii) ſtets Ausländer,
bejonders Kreter u. Thrafer, u. gehörten zu den
Beliten. Im Mittelafter war der B, eine National-
waffe der Engländer, in deren Heeren fi die
Beihligen bis ind 16. Jahrh. erhielten; ebenfo
in Frankreich, wo diefe Schüten Archers hießen.
Die Armbruft und noch mehr das Feuergewehr
verbrängte jeit dem 15. Jahrh. im chriftlichen
Europa den B. Dagegen kommt der B. im
Orient, wo Mohammed den Gebrauch deffelben
im Koran oft als Zierde des Mannes anbefohlen
hatte, befonders bei Türken und Berfern in der
Neiterei u. bei den Völlern des Aftatiihen Ruß—
fand, 3. B. bei den Baſchkiren, u, Mittel-Afiens
vor; auch die Indianer Amerikas führen nod)
einen B. von 1—2 m Länge ımd treffen auf
150—200 Schritte gefchidt ihr Ziel; ebenſo find
die Papua auf Neu-Guinea u. den umliegenden
Inſeln geſchickte B-jchügen.
2) In der Mathematik ein begrenztes Stüd
einer krummen Linie, vorzugsmeile ein folches,
das in Beziehung auf einen Punkt außerhalb
deflelben nur concad, oder nur conver tft. Die
Gerade, welche feine Endpunfte verbindet, heißt
Sehne des B-8. Beim Kreife wird er gemefien
durch den Centriwinkel, den die nad feinen End-
— gezogenen Radien einſchließen. Da die
eripherie des Kreiſes m — Buuuısogr mal jo
ührt im Thal
winkel w; arc sin x den B. bebeutet, welcher
zu einem Winfel gehört, defien Sinus — x if.
Da einem Kreis ogen von beftimmter Größe
immer ein Centriwinkel von beftimmter Größe
entipricht, fo rechnet man in der Analyſis, anftatt
mit den durh Grade gemefjenen Winkeln, mit
den ihnen entiprechenden Bögen eines Kreifes vom
Radius 1. Die Peripherie diejes Kreifes ift Zr;
unter 2r verfteht man alfo einen Winkel von 360°;
rs bezeichnet einen Winkel von 180°, 5 einen von
180°
90°, 1 einen von — 57° 17' 45“, a einen
1808 Grad.
von —_—_
re
‚3) In der Mufif, a. Werkzeug, mit welchem
die Darmfaiteninftrumente geftrichen werden. Er
beſteht aus einem hölzernen, fich oben etwas ver-
jüngenden, geraden Stabe von hartem, elaftifchem
(Fernambuf- oder Schlangen») Holz, in deſſen
obereö Ende (Kopf) die Spigen von Pferdehaaren
eingeflemmt werden, während - man das andere
Ende jo in dem umteren Theif des B-8 (Froſch)
befeftigt, daß mittels einer Schraube die Haare
mehr oder minder angeipannt werden fönnen.
Gewöhnlich nimmt man weiße, nur bei dem Biolon
ſchwarze Pferdehaare zu dem B.; ihre Zahl ift
100-120. b) Die Art, diefen B. zu führen; fo
von einem Biolinjpieler: er bat einen quten
B.; bei Blechinftrumenten längere oder fürzere
Röhren, die eingefegt werden, um den Ton des
Inſtruments zu erhöhen oder zu erniedrigen ; vgl.
Krummbogen. e. Als Zeihen über Noten gejekt,
Andeutung, daß fie gebunden vorgetragen werden
folfen; ' fteben zwei dur einen B. verbundene
Roten auf der gleihen Stufe, jo wird die zweite
mit der vorhergehenden zu einer Zeitdauer ver—
einigt. d) S. Fermate. e), Über einem Tactftrich
Beichen, daß das Stüd hier ende. f) Über einzelne
Stellen mit darunter gejeßtem bis ( bis ). od.
_ an ER ——
über doppelte Schlußacte Ima, 2da (d. i. prima
volta, seconda volta, das 1., das 2. Mal), Zei-
hen, daß dieje Stelle wiederholt werden joll,
wozu aber jegt gewöhnlih Klammern jtatt B. an«
gewandt werden. g) In der Generalbaßichrift
über Ziffer 5, Zeichen des verminderten Drei-
Hanges, oder Zeichen eines unvollftändigen, oder
eines durchgehenden, od. Sftimmig zu nehmenden
Accords, od. eines Vorhaltes.
4) In der Baukunſt (lat. Arcus, franz. Arc,
engl. Arch, Bow), eine auf Miderlagern, aus
feilförmig geformten oder behauenen Steinen (B-
fteinen, Beftiiden), auf Lehrgerüften aufgeführte,
Zwiſchenräume (B-weite, Spannung, Sprengung)
überdefende Mauer, Der B. ift wol zu unter-
groß ijt als der doppelte Radius, aljo — . 2r, ſcheiden von dem Gewölbe, der maffiven Dede eines
jo ift eim B., welcher auf dem intel 1% ftebt von Manern eingeichloffenen Raumes. Die Bögen
zur und der auf dem Winkel ae — “T, dienen entweder zur —— der Communi—
60 180 Ication (Brüdenbögen, B-gänge), um Mauern zu
608
tragen (Erbbögen, Gurtbögen), zum Abfteifen ır.
Verſtreben (Strebebögen), oder um Mauertheile
zu entlaffen (Eutlaſſungsbögen). Man unter«
jcheidet in der Baufunft Rundbögen, Flahbögen,
Spigbögen u. a. Der Rundbogen, bejonders in
der römiſchen, altchriftlichen, romanischen und
Renaiſſance⸗ Architektur angewandt, bildet im der
Stirnanfiht die Hälfte eines Kreiſes. Iſt die
B-wölbung weniger als ein Halblreis, jo wird
der B. zum Flachbogen (bejonders in der goth.
Ziegelardhiteltur verwendet); iſt der Radius der-
jelben ſehr groß im Berbältnig zur B-weite, jo
ftellt er nahezu eine gerade Linie der (jcheitrechter
B.); lüberfcreitet dagegen der B. den Halbireis
in der Richtung der ‘Peripherie, fo entiteht der
mauriſche (arabiihe) oder Hufeifenbogen (orien-
taliihe Bauform); befteht dagegen -der B. aus
2 gegen einander gefehrten, oben unter einem
Winkel zufammentreffenden Beftüden mit ver
Ichtedenen, auf derſelben Grundlinie befindlichen
Mittelpunkten, fo entjtehbt der Spigbogen, eine
bervorftehende Kigenthümlichleit der gothiſchen
Baukunſt. Die Form der Beftüde weicht nicht
jelten von der Kreisbogenform ab und erfcheint
bisweilen gejchweift, geichweifte Bögen, Kielbögen.
Nach der Verſchiedenheit der Wölbungslinien find
die Bögen: flache (gebrüdte), deren Höhe weniger
als die Hälfte ihrer Weite, u. überbobene (auf
geftelzte) Bögen, deren Höhe mehr als die Hälfte der
Weite beträgt; fteigende Bögen, u. hohe ellip«
tiſche Bögen; Korbbogen (Kettenbögen), nad
einer Linie, die eine an Beiden Enden aufgehängte
Kette bilder. Gin halber B., der unten auf dem
Widerlager fteht u. fih oben an eine Mauer an-
lehnt, um dieſelbe im jenfrechten Stande zu er-
halten, beißt Strebebogen. Die Bögen heißen
verihoben, wenn die innere Fläche mit der äuße-
ren einen jchiefen Winkel macht, abihiüifig, wenn
die Widerlager von ungleicher Höhe find. Bgl.
Zriumpbbogen. Kreisbögen u. Flachbögen werden
im Bejcheitel vielfach mit einem Schlußitein (f. d.)
verichen, 1) Schroot.* 3) Brambach.“ 4) Emerbed.*
Dogen, Marktjleden mit ſtädtiſcher Verfaſſung
im gleichnam. Bez.⸗Amte des bayerifhen Regbez.
Nieder-Bayern, an der Donau; Bez.-Amt, Yand-
gericht; Bierbrauerei; 1300 Ew.; liegt am Fuße
des 432 m hohen B-berges (Pogenberg), auf wel-
chem ein gleihnam. Pfarrdorf mit befuchter Wall:
fahrtslirche fteht, jonft aber die Burg der Grafen
von B. fand. Die Grafihaft B. kam durch
Ausfterben der Grafen 1242 an Bayern.
Bogenbündel, Bogenwindung, Bogen-
wulſt, j. Gehirn.
women teuer, ſ. u. Fenſter.
Bogenführung, ſo v. w. Bogenſtrich; ſ. u.
Bogeninſtrumente.
ogengang, 1) ſo v. w. Arcade. 2) B-gänge
im Ohr (Canales semicirculares), drei im in⸗
neren Ohr gelegene Gänge; ſ. Gehörorgan
Bogen 4 (Baut.), ſo v. w. Lehrgerüſt.
Bogenhauſen, Pfarrdorf im Bez.Amte Mün—
hen, des bayer. Regierungsbez. Ober » Bayern,
knis an der Jar; jeit 1817 Sternwarte der Unis
— Münden; Kaltwaſſeranſtalt Brunnthal;
972 Em.
Bogeninftrumente (Geigen), Darmfaiten-
Bogen — Bogeninftrumente.
inftrumente, auf denen der Ton durch Streichen
mit einem Bogen hervorgebracht wird (dadurch
unterſchieden von Kruftiichen Inſtrumenten, ſ. d.),
jo: Bioline, Bratihe (Viola), Violoncello und
Bafgeige (Biolon); fonft auch das Barpten, die
Viola di Samba, Biola d'amore u, dgl. Die B.
befiehen aus: Boden (Rüden); Zargen als
Seitenwänden, beide meift von Ahorn; Dede
mit eingejchnittenen Schalllöchern, diefe (aus
Fichtenhol;) bilder die Hejonanz, Den jo ent
jtehenden Kaften ſtützen an beiden Enden an den
Eden Klögchen; an den Zargen find Holzftreifen
angeleimt ü. unter der tiefiten Saite der Ba
fteg; unter ber höchſten Gaite, in ber Gegend
des Steges, ein aufrechtfiebendes Stäbchen
(Stimmftod, Stimme). Am unteren Theil jedes
Inſtruments läuft ein jefter Zapfen duch ben
Zargen in den Klog, an welchem mittels eimer
ftarfen Schlinge das Zugblatt (der Saitenhalter)
befeftige ift. Au defien oberem Theil werden
die unteren Enden der Saiten befeftigt, u. dieſe
laufen über das anf 2 Füßen rubende dünne‘
Brettchen (Steg) nah dem in den oberen Theil
des Kaftens eingezapften Halfe, we fie mittels
Wirbel an dem oberen, gewöhnlich mit einer
Schnede verzierten Theil des Halſes (Wirbel-
faften) bejeftigt werden. Auf den Hals ift nahe
unter den Saiten das Griffbrett anfgeleimt,
Ein Heiner Wulſt (Sattel, Kiffen) hindert das
Aufliegen der Saiten auf dem Grifibrette,
das Inſtrument am Rande der Dede und des
Bodens noch eine Einlegung von ſchwarzem od.
anderem Holze, jo heißt es eine Meiftergeige;
wogegen die, denen dies fehlt, Schachteln oder
Schadtelgeigen beißen. Die Schönheit des
Klanges eines B-8 beruht auf einem Anjprechen
des Kefonanzbodens u. einem Brechen der Klang
ftrahlen im Innern des Corpus. Haupriache
ift, zu allen Beftandtheilen der Geigen möglichft
altes u. trodenes Holz zu nehmen, und dies ift
ein Hauptgrund, warum die Geigen von Amati,
Suarnerio, Stradivari, Stainer, Rauch u. Klotz
fo vortrefflih find. Das MWichtigfte beim Spielen
der B. ift der Bogenftrid, wobei die Saiten
mit dem Bogen am rechten Orte (bei Biolinen
meift etwa 2 Finger breit über dem Stege) zu
berühren, genau quer über die Saite zu ftreichen
u. der Bogen mit pafjender Schnelligkeit ;u. ge»
börigem Drude zu handhaben find, worauf be. der
Ausdrud, die Bebung, das Grejcendo 2. beruhen.
Meift führt ‚man die Töne mit der Mitte des
Bogens aus; doch braudt man zu ftarlen, Träfs
tigen Stellen die mehr nah unten zu liegende
Gegend, zu ſchwachen aber den oberen Xbeil.
Da dies in der Natur des Bogens liegt, jo muß
auch das Streihen von der Spite des Bogens,
der Hinaufftrich zu bderjelben Stärle, we der
Ton von Piano in Forte übergeht, eine andere
Wirkung thun, als der Herabftrich, wo der ent»
gegengejette Fall eintritt. Auch das Schleifen u.
Abftopen der Noten hängt von einem richtigen
Bogenftrih ab, u. zwar wird beim Schleifen od,
Binden (legato) eine beftimmte, ausdrücklich durch
Bogen bezeichnete Anzahl von Noten auf einen
u. denfelben Bogenzug genommen, wäbrend beim
Abjtoßen (staceate) nur ein Heiner Theil des
Bogenklavier — Bogheadkohle.
Bogens über die Saite je nach ber Dauer der
Staccato-Noten, geführt, wird. In der Mitte fteht
ber getragene od. gezogene Bogenſtrich (portamento),
wobei der Bogen in ganzer oder größtmöglicher
Ausdehnung verwendet und die einzelnen Töne
in ruhigem Anſchluß an einander hervorgebracht
werden. Die B. bilden jet die Grundlage der
Orcheſtermuſik, da fie minder raufhend, als bie
Blasinftrumente, von größerem Umfange u. voll-
fommtener in ihrer Einrichtung find, als jene,
auch dem Spieler eine längere Ausdauer ger
ftatten, Die oben genannten 4 Ynftrumente find
hierzu eingeführt, u. die Violinen führen ge-
wöhnlich die 1. und 2., die Bratſche die 3., das
Violoncello und Violon zufjammen die 4. oder
Baßſtimme. Brambad.*
Bogenklavier (Bogenflügel), Tafteninftrument
in Klavierform, mit Darmfaiten bezogen, die durch
den Niederdrud der Taften auf Heine hölzerne,
mit Pergament fberzogene u. mit Colophonium
beftrihene Rädchen gezogen wurden, die wieder
duch ein mit dem Fuße getretenes® Hauptrad
beliebig jchnell gedreht werden konnten, fo daß
der duch Reibung hervorgebradhte, geigenartige
Zon auch des Crescendo u. Deerescendo fähig
mar. So war 1610 das B. des Hans Haydn
in Nürnberg beichafien (Nürnbergſches Geigen-
oder Gambenwerf), Mancherlei Berbefferungen,
bejonder8 um das Geräufch zu vermindern, er»
folgten im 18. Jahrh. durch Gleihmann, Le Voirs,
Hohlfeld, Garbredt, Kunz, Rölling (der fein In—
ftrument Xänorphica nannte). Nach den Angaben
Chladnys fol Mayer 1795, in Görlig jeinen
Bogenflüigel gebaut haben. Ahnlich ift das Bo—
genhammerflapier, Klavier mit 2 Klaviaturen,
von denen die obere mittel Hämmer an Metall
faiten anjchlägt, die untere mittel3 eines künſtlich
angebradten Bogens Darınfaiten anftreidht. Beide
Klaviere können einzeln oder gefoppelt geipiei
werben. Daffelbe ift von Greiner in Weblar
oder von Schmidt in Noftod erfunden.
—— (Bauk.), jo dv. w. Gratbogen;
ſ. u. Gewölbe.
—— ſ. u. Schießen.
Bogenſe, Stadt an einer Bucht des Kattegats
auf der NWSeite der dän. Inſel Fünen; Boll»
ſtätte; Eifengießerei, viele Brennereien; ftarker
Kornhandel nah England und Holland; über-
fahrtsort nach den Städten Fridericia u. Beile in
Jütland; 1930 Ew.
Bogenftülper, eine aus Stroh gefertigte,
oben abgerundete Bienenwohnung mit beweglichen
Wabenbau, welche von allen Seiten geichloffen
u. wie die Stülpförbe nur am Boden offen ift,
deshalb bei der Behandlung der Bienen ftets
berumgenommen werden muß (j.Bienemvohnungen).
Bogentrepan (Ehir.), ein dem Windebohrer
der Tiſchler ähnliches Trepanationsinftrument; |.
Trepan.
Dogenzirkel, fo v. w. Stellzirkel; ſ. u. Zirkel.
Boggis, Pier Carlo, italien. Publicift und
Patriot, geb. 3. Febr. 1827 zu Zurin; machte
ſchon im jungen Jahren durch fein publiciftifches
Talent Auffehen, u. Cavour beionders war es,
welcher ihn hochhielt. Als die feiner Zeit von
Eavour, feit deifen Eintritt ing Minifterum von
Pierers Univerfal-Eonverfations-teriton. 6. Aufl. IT. Band.
609
Farini geleitete bahnbrechende Zeitung Tl Risor-
gimento im Jahre 1856 wegen Abgangs Farinis
aus der Hedaction einzugeben drohte, wurde 8.
ald Redacteur anserjehen (die Zeitung hatte
mittlerweile den Namen Il Piemonte angenom»
men, B. ftellte den altbewährten Titel Il Risor-
gimento wieder her). Als Mitarbeiter an der
Zeitung war er ſchon feit 1847 thätig geweſen.
Sleichzeitig hatte er auch politifche Broſchüren bef.
ſtaats⸗ u. firchenrechtlichen Inhaltes veröffentlicht.
Sein Hauptwerf ift: Stadio e chiesa in Piemonte,
Zurin 1354, 2 Bde. Hier m. auch als Lehrer
an der Hochichule zu Turin vertrat er die volle
Trennung des Staates von der Kirche. In dieſem
Sinne furhte er auch in einer vertraulichen Miſ—
fion 1865 in Nom zu wirten. Alle dafelbft von
ihm gepflogenen Berbandlungen find in der Storia
documentata von Bianchi zu diefem Jahre ent»
halten. Mit Unrecht bat man diefe Nachrichten
für unvollftändig erflärt. B. war, wie das fi
in der politiihen Geſchichte Ftaliens oft wieder
boft, zwar ſehr kirchlich gefinnt, a er gleichwol
im Grunde wahrhaft liberal, wenn er and, viel
feiht von feiner Anfangsthätigfeit als Advocat
her, etwas gewalttbätig u. überftiirzend zu Werle
ging. In jeder Beziehung zeichnet ihn ein uns
erfchüitterliher Muth aus. Geine warme italien.
Vaterlandsliebe ließ ihn bei dem Kriege von 1866
nicht unthätig zufehen. Er nahm bei der pie
montefiichen Marine Kriegsdienfte u. ftarb in der
Seeſchlacht bei Fiffa, 20. Juli 1866, den Tod
bes Helden. Bezold.
Böph, Erik, däniſcher Bühnenſchriftſteller u.
Journaliſt, geb. 1822; hat für die Kopenhagener
Secondtheater eine Menge Luft- u. Singſpiele ge⸗—
fiefert (meift Umtarbeitungen franzöftiher und
deutfcher); producirt auch Preder, gibt die Zeitung:
Folkels Avis (national u. flandinavifh) Heraus,
worin er felbft befonders die Feuilletons beforat.
Seine quantitativ umfängliche ſchriftſtelleriſche
Thätigkeit hat einen ziemlich induftriellen Charafter.
Boghari, Ort im algerijhen Depart. Algier,
in gebirgiger Gegend, waffer-, wald» und wild»
reich; wichtiger Militärpoften; wichtiger Handel
zwiichen dem Zell u. der Sahara; 1093 Em. (}
Eingeborene).
Bophaz, 1) (Bogbas) türk. Name für Meer«
enge; daher, heißt B. Hiffari (Schlöſſer der
Meerenge) der auf afiat. Seite liegende Theil der
Dardanellen; B. Itſchi, die Straße von Con—
ftantinopel. 2) B., die gefährliche Roſettemünd—
ung des Nil, welche man mittel des Mahmu—-
diehlanals umgeht. 3) Eine Yagune (EI Bas»
heira) bei der Stadt Tunis; 824 km im Umfang,
34 m tief, darin eine Inſel mit altem Schloß
(Yazareth). Ein Kanal führt zum Hafen und
Fort Goletta an einer Meeresbucht, deren OCap
Baffran beißt, auf deren WKap Carthago jtand.
S. Tunis.
Bogheadkohle (Bituminit), ein eigenthümlicher
braunſchwarzer, weicher Schiefer, vom ſpec. Gem.
1,g54, der infolge feines hohen Sehaltes an orga—
nischen Subftanzen (von 75 pEt.; der B. enthält
61—65 Kohlenftoff, 9,, Waflerftofi, 4,,—5,, Sauer«
ftoff, 18—24 Aſche u. Meine Mengen Stiditoff u.
Schwefel) ſich leicht entzünden läßt u. mit ftarf
39
610
Bogislaw — Bogota,
rußender Flamme fortbrennt. Durch trodene De-|fchen, deren Fall er auch bewirkte, u. regierte fie fa
ftillation defielben gewinnt man verſchiedene Leucht-
ftoffe (Paraffin), ferner eine farblofe, leichte, bei
143° fiedende B-naphtba. Die B. finder ſich als
berbes Material in Flöten von O, m u. mehr
Mächtigkeit bei Bathgate (Linlithgowſhire) in Schott-
land, auch auf den Hebriden.
Bogislaw, Fürften u. Herzöge von Pommern;
. d. A.
Bognar, Friederike, befannte Schauſpielerin,
geb. 6. März 1844 zu Gotha, die Tochter eines
daſigen Kammerjängers. Bon glänzenden muſi⸗
faliihen Anlagen unterſtützt, bildeten fie ihre
Eltern zur Sängerin und Klaviervirtuofie aus,
als welche fie fo lange ertolgreich wirkte, bis ihr
ein Gaftipiel der Mad. Grelinger den Gedanken
eingab, fi dem Scaufpiel zu widmen. Der
Unterricht der Eltern, wie einer anderen Ber:
wandten, der Münchener Hoflängerin Behrendt-
Brandt, reiften das bis dahin jchlummernde Ta-
Ient in einer Weife, daß ihr erites Auftreten in
Zürich zugleich ihr erfter Triumph anf der Bühne
wurde. Nah einem glüdlihen Gaftipiel in Frank⸗
furt u. halbjährigem Engagement am Hamburger
Stadttheater babnte ihr Laube den Weg auf die
bewährten Bretter des Wiener Hofburg-Theaters,
an dem fie bis 1873 thätig war, Geit jemer
Zeit gaftivend, hat fie fein feſtes Engagement
wieder geſchloſſen, aber überall, wo fie binge-
fonımen, durch die Mächtigkeit ihres Spiels, die
Gewalt ihres Organs, wie ihr beredtes Mienen-
fpiel fih die Anertenmung der Kunfttenner, wie
des großen Publicums erworben. Während fie
bis zum Ablaufe ihrer Wiener Periode in Rollen
wie Luiſe, Gretchen, Kriemhilde ercellirte, fpielt
fie jet die Sappbo, Judith, Hero, Marie Stuart,
Yady Zartuffe, Gräfin Stlotilde im Fernando,
Deborah u. a. Kürjdmer.
Bogoduchow, Kreisftabt im ruffiichen Gouver-
nement Chartow, am rechten Ufer des Merla;
Viehzucht; Gerberei; Lederhandel; faft 10,000 Ew.;
demnähft auch Eifenbabnftation.
Bogoljuboff, Alexis, ruffiiher Marinemaler,
geb. 1824; früher Marineoffizier, jpäter Schüler
der Petersburger Alademie und And. Achenbachs
in Düffeldorf, feit 1861 Alademieprofeffor in
Petersburg. Seine Bilder zeichnen ſich durch große
Yebhaftigkeit der Action, Friſche des Colorits und
gründliche Sachkenutniß aus,
Bogomilen (aud; Maffalianer und Eucheten,
wegen der Abnlichkeit mit dieſen), chriitfiche Secte,
die mit den Baulictanern im Zufammenhange, aber
auch gleichzeitig mit den Katharern in Berwandt-
ſchaft ſteht. hr Name ſtammt entweder von
einem ſlaviſchen Prieſter Bogomil (um 950), oder
von der Gebetsformel Bog-milui (ſſav., d. i. Gott
erbarme dich); ihr Sit war beſ. Thralien, ihr
Haupt der bulgarifche Arzt Bafılius, der zwölf
‚jünger (Apoftel) zur Geite hatte, Sie glaubten,
Bott habe eine menschliche Geftalt ohne Leib uud
zwei Söhne, Satanael u. Jeſus. Der Erſtere
erhielt die Regierung des Himmlifchen Reiches u.
die fchaffende Macht. Um fih gegen Gott Vater
zu empören, verführte er mehrere himmliſche
Seifter u. ward deshalb aus dem Himmel ver-
lange, bis Gott feinen zweiten Sobn, Jeſus,
jandte, weldher die Macht des Satauael brad u.
nur ſcheinbar ftarb u. auferftand. Satanael fonnte
nur noch ſchaden u. galt den B. als Jehevah;
daber vermwarfen fie das A. T., außer den Pial-
men u. Propheten, ebenjo das Kreuz, die Nelt-
auien, Bilder, bie Waſſertaufe (weil diefe nur eine
Fohannistaufe wäre), das Abendmahl u. die Kir-
chen als Tempel u. Opfer ber Dämonen, die Auf«
eritebung der Todten. Beſonders ſchätzten fie ein
apofrypbes Fohannis-Evangelium, das bei der
nfnahme dem zu Weihenden auf den Kopf ge-
legt wurde, fafteten dreimal in der Wochen. biel-
ten die Ehe für ımrein. Sie wurden vom Kailer
Alerios Kommenos verfolgt, welder den Bafılios
1118 verbrennen und feine Anhänger einterfern
ließ. Nach feinem Tode erhielten fi die B. bei.
bei Philippopolis bis ins 13. Jahrh. Bal. Eutby-
mius Zygadenus, Narratio de Bogomilis, grie-
chiſch herausgeg. von Giefeler, Gött. 1842; außer-
dem fchrieben ihre Gejchichte Wolf, Wittenb, 1712,
u. Oder, Gött. 1743,
Bogorodizk, Kreisftabt im ruſſiſchen Gouver⸗
nement Tula, am linfen Ufer bes Upat und ber
Wiaſowla; Eifenbahnftation der im Bau begrif-
fenen, von Tula nah SSO. laufenden Linie; ſchön
geisgen, regelmäßig gebaut; Commumalbant; Fa⸗
riten; Getreibehandel; (1870) 7982 Ew.
Bogorodsf, Kreisitadt im ruffiichen Gouper-
nement Mostau, an der Kliasma; Aderbau, vor-
züglich Hopfen u. Gemilfe; Gommunalbanf; Fa
brifen; 2200 Ew. (1873).
Bogos, Voll in OAfrifa, von der äthiopiichen
‚Familie des hamitischen Stammes; bewohnt neben
den Menja die metallreihen Alpenlandichaften
OAbeſſiniens zwifchen dem Hodhlande Hamajen im
S., Habab im. u. dem Dablat-Archipel im D. Sie
leben patriarchalifch in ihrem Yande voll frucht-
barer Thäler u. malerischer Ebenen. Munzinger
und Heuglin drangen zuerft in das Land ber B.
ein u. entdedten es wiſſenſchaftlich. Vgl. Mun-
jinger, Sitten u. Recht der B., Winterthur 1859.
Bogoslowsk, Stadt im ruffiihen Gouver-
nement Berm, am Turia; Sit der Bergbebörden;
3000 Ew.; bier die bedeutenden Schmelzwerle der
Turginstifchen Kupfergruben, welche das befte ura-
liſche Kupfer liefern; in der Nähe Goldwäſchereien.
Bogotä (jonft Santa⸗Féè de B.), Hauptſiadt u.
Sig der Regierung der Vereinigten Staaten von
Eolumbia und des Staates Cundinamarca, am
weſtl. Abhange der OUnden (Kette von Sıuna- Paz),
auf einer reichen, 375 km langen, 150 km breiten
u. ca. 2700 m hohen Ebene, am linken Ufer des Rio
de B., am Fuße der Berge Montſerrat u. Gua-
deloupe, von deren auf 700 m hoher Spige gele-
genen Klöftern man herrliche Ausfiht bat; ger
mäßigtes, geſundes Klima; ſchöne Hegierungsge-
bäude, prachtvolle Kathedrale, außerdem 29 Kirchen,
12 Klöfter; Univerfität, 3 Collegien u. Alademien,
Eolegio Nacional de ©. Bartolome (jonft Klofter)
mit Concertjaal, jet verlaffene Sternwarte, Mili»
tär · u. andere Schulen, ältefte höhere Töchterſchule
SAmeritas, öffentliche Bibliothek und Naturalien-
cabinet, Botaniſchen Garten, Münze, Schau-
ſtoßen; num ſchuf er die fihtbare Welt u. die Men-ljpielhaus, 4 Hofpitäler. B. ift eine der fhönften
Bogra — Bohemund.
*- Städte SAmerikas, größtentheils in ſpaniſchem Bühne zurlidzo
Geihmad gebaut, reich an Gärten u. Plägen, hat bedeutend als 2
Schöne, fi rechtwinkelig durchichmeidende, gut ge-
pflafterte (Calle de la Republica die ſchönſte),
theilmeife mit Bäumen bepflanzte Straßen, melche
nachts erleuchtet werben, 4 große öffentliche Plätze
mit Springbrunnen. Da B. öfters von Erdbeben
heimgefucht u. theilweiſe zerftört wurde, fo find die
Häufer größtentheils nur einftöcdig. In der Nähe
der Stadt ſchöne Landhäuſer. Berlihmt find die Fa-
briten von Gold» u. Silberwaaren, aber im Gan-
zen find Gewerbe, Wohlftand u. Vollszahl herimter-
gefommen. B. zählt mur noch etwa 40,000 Em.
Auf einem Pfade nah dem Magdalenenftrom liegt
die jchaurige Thalſchlucht von Icononzo od. Pandi,
die ein Wildbad) durchtobt, über den zwei Natur:
brücden aus Felsblöden geben. Handel u. Bergbau
find lebhaft; nach N. über Honda am — ——
ſtrom u, nah DO. über den Orinocozufluß Meta führt
eine Straße weitlich zum Südſeehafen Bunaventura,
wohin eine Eifenbahn gebaut werden fol. — B.
wurde 1537 von dem Spanier Gonzalo Ximenes
de Queſada gegründet u. Refidenz des jpantichen
Bicelönigg von Neu-Granada, wuchs raid an
Größe, Bollszahl u. Bedeutung, wurde 1811 Sit
des Congreffes, welcher die Republik proclamirte,
1816 von den Spaniern zurüd erobert, 1819
dur Bolivar wieder befreit, bald darauf Haupt«
611
u. 23. Juli 1829 ftarb. Hoch—
chauſpieler, bildete B. eine große
Anzahl junger Kräfte, unter denen auch fen Sohn
zu nennen if; ferner bradte er die itafienifche
Oper auf die polnifche Bühne und erwarb ſich
Berdienft um guten Gefhmad u. Reinheit in der
polnishen Sprade. Geine Theaterftide, 80 an
der Zahl, theild Originale, theils Überſetzungen,
erjhienen zum großen Theil gefammelt als Dziclä
dramat., Warſchau 1820, ın 10 Bon, deren
erfier eine Gefchichte des poln, Theaters enthält.
2) Palon Heinrih Ludwig von ®., deutfcher
Aftrenom, geb. 7 Sept. 1789 in Magdeburg; be»
ſchäftigte ſich beic mit der Aſtronomie, trat
1809 in preußiihe Militärdienfte, wurde 1811
Artillerie-Pientenant, nahm aber nach dem Kriege
von 18183—15 ben Abſchied als Hauptmann und
widmete fich feitdem der Landwirthſchaft. 1829
nahm er als Mitgfied der Generalcommiffion zur
Regulirung der —— u. bäuerlichen Ber-
hältmiffe feinen Wohnſitz in Breslau, wurde bier
1831 Gonfervator u. 1843 Director der Stern-
warte und war feit 1836 zugleich Profeſſor der
Aitronomie an der liniverfität daſelbſt. Er ft. 5.
Juni 1851. B. beobachtete 1833 die Berfinfterung
des 6. Saturmustrabanten, den Bielafhen, Ente»
ihen u. 1835 den Halleyichen Kometen u. entdecfte
auch 1834 den nad ihm genannten B-ſchen
ftadt der Vereinigten Republik Columbia, bis dieſe Kometen. Vorzüglich aber machte er fi um die
fih 1831 in drei felbftändige Republiken theilte, | Sternfhnuppen-Beobadhtungen verdient.
Er gab
2) Rio de B. (Papyti), 236 km langer Fluß heraus: Uranus, Glog. 1846—52, u. lieferte meh»
in der Prov. B.; eutfteht aus dem Sce von Gua—
tapita, durchbricht (vor feinem Falle 50 m breit,
aber durdy die Felfen bis auf 12 m Breite zu-
fammengedrängt) im einer wilden Felsgegend bie
Anden u. bildet, 190 m hoch ſenkrecht in einen
finfteren, mır in den Mättagsftunden von der
rere Abhandlungen in Bodes Aftronom, Jahr—
bücher u. in Gruithuifens Analekten. 3) Guftav v.,
Sohn des Bor., geb. 7. Dec. 1827 zu Groß-Rake
bei Breslau; war erft Yehrer an der Navigations»
ſchule bei Stettin u. Mitarbeiter an der Neuen
Stettiner Zeitung; wurde 1874 als Redacteur der
Sonne bejchienenen Keſſel herabftürzend, den be- | Hydrographiſchen Mittheilungen u. der Nachrichten
rühmten Kataraft bei der Hacienda Tequendama;
er fällt in den Magdalenenftrom. An dem Quell .
fee liegt Guatavita, früher die reichite u. fefteite
Stadt der Edelmetall fhmelzenden Indianer. Die
Schäte des Tempel3 am See verjenften fie bei
Ankunft der Spanier in denfelben. Br. Körner.
Bogra, Diftr. in Hindoften, Präfidentichaft
Bengalen, Dir, Nadſchſchahi, zwischen 24% 36° bis
25° 19° n. Br. u. 88° 45° bis 89% 48° 5. 2; ein
von zahfreihen Flüſſen —— Alluvialland,
welches Reis, Zucker, Indigo, Baumwolle, Opium
hervorbringt; 3887 )km; 689,467 Ew.; gleich-
nam. Hauptſtadt.
Boguslawski, 1) Adalbert, polu. Schau⸗
ſpieler und Schauſpieldichter, der Talma ſeines
Bolfes, geb. 1764 zu Glinna bei Poſen; trat
zuerſt in Kriegsdienſte, widmete ſich aber ſeit 1778
in Warſchau der dramatiſchen Kunſt, um deren
Verbreitung in Polen er große Verdienſte hat.
1780 brachte er die erſte Oper mit polniſchem
Tert zur Aufführung, wirkte als Theaterdirector
in den Städten Grodno, Wilna, Dubna u, Lem—
berg u. übernahm 1790 die Direction des War-
ſchauer Nationaltheater. Gezwungen durch Su-
warows Eroberung Warſchaus, wandte er ſich
nach Kralau, von da nad Lemberg, kehrte 1799
nad Warſchau zurück, wo er fich nach 14jähriger
Thätigfeit infolge ungünftiger Verhältniffe von der
für Seefahrer nach Berlin berufen. Er bat fi
bef. um die hronologiihe Zufammenftellung aller
beobachteten Dieteore, fowie um die Theorie der
Sternichnuppen verdient gemacht u. überſetzte das
Wert Schiaparellis über die Sternfhnuppen ins
Deutſche, Stettin 1871. 1) Kurſchner. 2)*3) Specht.
Bogutſchar, Kreisſtadt im ruſſiſchen Gouver—
nement Woronefch; mehrere Fabriken, bedeut.
Schlächtereien, Salzmagazin; 5150 Ew.
Bohain, Stadt im Arrond. St. Quentin des
franzöſ. Dep. Aisne; Fabrikation von Uhren u.
Kaſchmir ⸗Shawls; 5931 Em.
Boheafäure C,H,,O,, eine in den Theeblät—
tern vorfommende organiſche Säure.
Bohemia, lateinischer Name für Böhmen (f. d.).
Bohömiens (fr.), jo v. w. Zigeuner, :
Bohemund (Boemund), Fürften von An—
tiobien: 1) B. IL, Sohn Wobert Guiscards,
des Herzogs von Apulien, Calabrien u, Sicilien,
Entel des Grafen Tancred d'Hauteville aus der
Normandie, geb. um 1065; focht ſchon als Jüng—
ling tapfer gegen den byzantiniichen Kaifer Alerios
1081—85; nach des Vaters Tode machte ihm, dem
Älteften Sohme, die Stiefmutter zu ihres eigenen
Sohngs Roger Gunften das väterlihe Erbe jtrei«
tig, u. erft nach vierjährigem Streite gelang es
ibm, fi) wenigftens einen Theil defjelben zu
fihern, das Fürſteuthum Zaranto. Um fih ein
39
0
612
größeres Reich zu erobern, nahm er am erſten gleiche Schirrmacher, A. B. v. Poſſemünſter,
Kreuzzuge theil, ſiegte bei Doryläum in Kilikien, Weimar 1871.
führte den Vortrab des Kreuzheeres über den; Böhl von Faber, 1) Nicolas, geb. 9. Dec.
Taurus, eroberte 1098 duch Einverftändniß mit 1770 in Hamburg; wanderte mit feinem Bater
einem armenifchen Kenegaten Antiochien u. blieb, nach Spanten ans, wo diejer ein großes Haubels-
nachdem ihm daffelbe als Fürftenthbum übertragen haus in Gadiz gründete; er lebte feit 1803 zu
mar, dort, um fich im feinem ihm vielfach beftritte- - Görslow in Medtenburg umd fehrte 1813 nad
nen Beſitze zu befejtigen. Indeß gerietb er im Spanien zurüd, wo er das väterliche Handelshaus
Aug. 1100 im feindliche Gefangenjchaft, aus der|erbteu.9. Nov. 1836 flarb. Ergab heraus: Floresta
er fich erft im Mai 1104 losfaufen konnte, ging de rimas antignas castellanas, Hamb. 1821—25,
dann nad Europa, um neue Truppen zu ſam- 3 Bde., u. Teatro espanol anterior à Lope de
Bohemus — Bohlen.
meln, die Bertheidigung Antiochias dem Grafen
Tancred überlaffend, u. zog, nachden”er fich in
Fzrantreih mit König Philipps I. Tochter Con—
ftanze verheivathet, mit feinem Heere nah Grie-
henlaud, mußte aber infolge der unglüdlichen
Belagerung von Durazao 1108 mit Kaiſer Alexios
einen ungünftigen Frieben jchließen u. ohne jein
Heer Griechenland verlaflen. Um wieder Truppen
zu jammeln, ging er nach Italien, ft. aber 1111,
im Begriffe, nad) Antiochien zurädzufehren, in Gas
noſſa. 2) 8. IL, Sohn des Vor., geb, 1108;
folgte feinem Bater unter Vormundſchaft Tancreds
u, nad dejien Tode 1112 unter der Rogers von
Salerno. Nachdem das Fürſtenthum gegen die
Mohammedaner nur durch den Sieg König Bal-
duins II. von Jeruſalem am Berge Danim (14. Aug.
1120) gerettet war, trat B. ſelbſt 1126 die Hegier-
ung anu vermählte fih mit Baldums Tochter Eliſa
von Jerufalem, jenem vänle- u. herrſchſüchtigen
Weibe, das jo häufig Unruhen jtiftete. In der
Unterftügung feines Schwiegervaters fiel dieſer
edle Fürſt 1180 im Kampfe gegen den Sultan
von Aleppo. 3) B. III., Sohn der einzigen
Tochter des Bor., Conftanze, u. des Raimund von
Poitiers; folgte dieſem 1163 in der Regierung,
gerieth aber ſchon furz darauf in Gefangenschaft des
Atabet Nureddin von Syrien, gegen welchen König
Amalrih von Jeruſalem das Fürſtenthum Ans
tiochien vettete. Freigelaſſen gegen bedeutendes
Löſegeld, verftieß er feine Gemahlin Theodora,
Kater Manuels Tochter, um die böfe Sibylla,
feine Buhlerin, zur yürftin zu machen, weswegen
er von der Geiftlichleit in Bann gethan wurde.
Da aud die Bajallen fich gegen ihn erhoben, konnte
er nur durch einen jchimpflichen Frieden mit Sa—
ladin u. durch deffen Gnade fi in der Herrichaft
erhalten. Er ft. 1201. 4) B.IV., Entel d. Vor.,
Sohn des Fürften Raimund, Grafen von Tripo—
lis, u. Erbe defielben (1233—51); war ohue alle
u. jede Bedeutung, ebenjo 5) B. V., der feinen
Vater 1251 folgte, aber bald jchon feinem Sohne in
der Negierung Play machte u. 1275 ftarb. 6) B. VL;
ſah zwar 1262 ein ägyptiſches Kriegsheer unver:
richteter Dinge von der Belagerung von Antiochia
abziehen, verlor aber die Hanptitadt u, damit das
Fürſtenthum 17, Mai 1268 an den Mamelufen-
Sultan Seifeddin, worauf er fih nah Tripolis
zurüdzos, bis ihn 27. April 1259 der Sultan
Kelaun dort vermichtete, Lagai.
Bohemus, Albertus, Decan des Capitels
in Paſſau, ſeit 1239 päpſtlicher Legat in Deutich-
land und als ſolcher wüthender Geguer der
Hohenſtaufen, wie fein Diiifiv- und Notizenbuch,
herausgegeben in ber Bibliothel des Literariſchen
Vereins in Stuttgart, 1847, gezeigt hat. Ver—
Vega, ebd. 1832. Bgl. Lebensikizze von R. B.
nah feinen Briefen, Lpz. 1858. 2) Cecilia,
ſpan. Novelliftin, Tochter des Bor., geb. 1797 zu
Morges in der Schweiz u. in Deutſchland erzogen;
lehrte 1813 mit ihrem Bater nah Spanien zu«
rüd und heirathete zuerft 1814 den Hauptmann
Blanells, weicher nach eittigen Jahren in Amerika
ftarb, dann den Marauis * Arco⸗Hermoſo (ft.
1835) u. in 3, Ehe 1837 v. Arrom, welcher 1863
als ſpaniſcher Conſul in Auftralien farb. Sie
ſelbſt war nicht mit ihrem Gatten nad Auftralien
gegangen, ſondern in Sevilla geblieben, wo ihr
vom Herzog d. Montpenfier eine Wohnung im
fönigl. Schloffe eingeräumt wurde. Sie ijt die
Begründerin des Sittenromans in Spanien u.
jchrieb feit 1849 als Fernan Gaballero: La
gaviota (die Möve), Elia, Clemeneia, La familia
de Alvareda, Lagrimas, Cuadros du eostumbres
populares Andaluces (Erzählungen), Relaciones,
Cuatro novelas, La Farisea, Las dos Gracias y
otras novelas, Werke, Madrid 1860 fi., 13 Bbe.,
u. in der Leipziger Coleccion de autores espaho-
les, 1860 fi.; außerdem Coleceion de articulos
religiosos y morales, Cad. 1862. Die Romaue
und Erzählungen wurden deutſch von Lende, 9.
Wolf, Elarus u, Hoſäus, Paderb. 1859—64, 17
Bde., u. von A. Geyder, Bresl. 1860, die Reli—
giöfen Aufjäge von H. Wolf, Wien 1865, überſetzt.
Auch gab fie heraus: Cuentos y poesias popula-
res Andaluces (eine Sammlung jpanifcher Mär-
hen u. Bolfslieder), Sev. 1859. Ihre Schriften
zeichnen ſich dur naturwahre Schilderung des
ſpaniſchen Vollslebens und durch edle moralifche
Haltung aus, leiden aber durch ihre einfeitige fa-
tholiſche u. legitimiſtiſche Tendenz.
Bohlen, Beter v., verdienter Orientalift, geb.
13. März 1796 in Wippels im Oldenburgifcyen;
fam als Waije 1811 in das Gefolge eines fran-
zöfiichen Generals u, 1814 nad Hamburg; ftudirte
jeit 1821 in Halle u. Bonn, wurde an leßterem
Orte Privatdocent, 1825 Profeffor der orienta—
lichen Spraden in Königsberg, bereite 1831
England, erfranfte 1837 auf einer zweiten dahin
beabfichtigten Reife, begab ſich zur Herſtellung
jeiner Gejundheit ins füdlihe Fraukreich, kehrte
nach Halle zurüd u. ft. bier 6. Febr. 1840. Er
jchr.: Symbola ad interpretationem sacri codi-
cis ex lingua persica, Ypz3. 1822; Commentatio
de Motenabbio, Bonn 1824 (gefrönte Preis:
jchrift); Vermiſchte Gedichte und Lberjegungen,
Königsb. 1826; De Buddaismi origine et aetate,
ebd. 1827; Das alte Indien, ebd. 1830 f., 2
Bde.; De origine linguae Zendieae e Sanscrita
repetenda, ebd. 1831; gab heraus: Bhartrihari
sententiae, Berl. 1833, deutih, Hamb. 1835;
Bohlenbeute — Böhme.
Die Genefis, biftoriich-Fritiih erläutest, Königsb.
1835; Kalidafas Ritusanhära, Lpz. 1840. Selbit-
biograpbie, herausg. von Boigt, 1341, 2. A., 1843.
Bohlenbeute (Bienenz.), ſ. Bienenwohnung.
Bohlwerk (Wafjerb.), beitebt aus ſtarken, ein-
gerammten Pfählen, hinter welchen eine Holzwand
angebracht wird, u. dient zur Sicherung des Erd»
drudes namentlich bei Gemwällern. Zur größeren
Sicherheit werden die Piähle oben durch eimen
Holm mit einander verbunden und auch durch
feitlih in das Erdreich eingreifende Holzbalten u.
Querbäume veranfert,
Böhme, 1) Jakob, deuticher Myſtiker, geb.
1575 zu Altſeidenberg bei Görlig in der Ober—
Yanfig, ‚der Sohn armer VBauerslente; wurde
Schuhmacher, las auf der Manderichaft neben der
Bibel myftiiche Schriften von Paracelfus, Schwenk⸗
feld zc., wurde 1594 Meifter in Görlig u. ſchloß
in demjelben Fahre eine mufterhafte, glückliche
Ehe. Schon frühe glaubte er. göttliche Snfpiras
tionen zu erfahren. Die dritte (1612) gab ihm
die ‚jeder in die Hand: er jihrieb feines Morgen»
röthe im Aufgang (nachher Aurora genannt).
Der Oberpfarrer von Görlig, in deflen Hände
das Buch gerietd, verdammte e8 anf der Kanzel,
der Magijtrat confiscirte e8 und unterjagte dem
Verſaſſer das Bücherjchreiben. B. gehordite 7
„Jahre fang. Aber eine vierte Eingebung u. die
Zureden vieler gottesfürdhtigen Leute beivogen
ihn, 1619 die fchriftftellerische Enthüllung feiner
mächtigen Geifteswelt wieder aufzunehmen, ja,
dem Drude zu übergeben, Er kam im feinem
Handwerfe herunter, war viel auf Reifen und
murde von Gleichgeſinnten unterftügt. Vor neuen
Angriffen der Ortsgeiftlichfeit fand er 1624 Schub
duch eine Reiſe nad Dresden, Hier wurde er
von 4 Doctoren der Theologie eraminirt; fie er—
Härten, ihn nicht zu verjtehen u. nicht verdammen
zu wollen. Er ft. 7. (17.) Nov. 1624 in Frie⸗
den mit der Kirche; doch nur auf Befehl des
Magıftrats wurde ihm ein anftändiges Begräbniß
zu Thei. Ohne alle Gelehrjamfeit, neben der
Heiligen Schrift als der Hauptqnelle feiner Geiftes-
bildung nur auf die Werke einiger Myſtiker umd
auf den allerdings weitverzweigten Ideenaustauſch
mit Sleichgefinnten angewiefen, ſchuf B. aus eigener
Kraft feines Geiftes ein Syſtem, das in vielen
Gemüthern Eingang fand und von den ausge
zeichnetiten Dentern bewundert u. benutzt wurde,
Die eigenthümliche Stellung B-3 innerhalb der
Theojophie grümdet fi vorzugsweife auf den
Tieffinn, mit dem er den Gegenjat des Guten u.
des Böſen zu erflären und den Kampf beider zu
verfolgen fi anftrengte. Bet feinem janften u.
friedfertigen Charakter nahm er fih das im ber
Welt überwuchernde Böfe tief zu Herzen; feine
Zeit jchien ihm das Maß gefüllt zu haben; er
tröftete fih mit dem Gedanken, daß es bald über»
laufen werde, Das Böſe fteht ihm auf dem
Gipfel; aber ein Blig wird es herunterfchleudern,
u. das ewige Vichtreich wird von dem Höllenreiche
gefondert werden, DB. gibt al$ die Quelle feiner
Lehre die unmittelbare Offenbarung Gottes an.
Sort it nach B⸗s Lehre urjprünglic die ewige
Ruhe, Urgrund, gegenftandslofer Wille, ohne Eigen-
ſchaft u, Trieb, Nichts u. Alles, das ewig Eine,
613
nicht Weſen, fondern Urftand aller Wefen, nicht ein-
mal fich jeiber offenbar. Darm aber ſchaut Gott in
ſich jelber, macht fid) zum eigenen Spiegel, ſcheidet
ſich in Dreiheit des Willens, die zugleich Einheit
bleibt. Die Dreifaltigleit erlangt —* u. offen⸗
bart ſich, indem der ewige Wille in die Natur
eingeht. In der ftillen Luft der göttlichen Be-
Ihaulichkeit oder Weisheit, die fich mit den Bild-
niſſen (Ideen) beſchäftigt, erwacht die Begierde,
das euer, durch welches Gott fich offenbart und
überhaupt alles Leben erwacht; dieſes göttliche
Feuer theilt fi in zwei Principia, den Zorn oder
die Finjterniß u. die Liebe oder das Licht, damit
jedes an dem anderen offenbar werde. Der Zorn |
ift die ewige Natur, aus welder die Schöpfung
hervorgeht; der Zorn oder die Natur wird be»
jänftigt von der Liebe; in Gott ift die Herrichaft
der Liebe; das Licht ift Gott als A u. O. Durch
diefe Unterfcheidung wird die abftracte Dreifaltig-
feit zu drei Wejen, drei Perfonen. Der Menich
war nad B. urſprünglich dazu beftimmt, über die
vier Elemente zu herrſchen un von thieriicher Ge—
ichlechtlichkeit frei, mit der jungfräulihen Weis-
heit Nachtommen zu erzeugen. Er vergaffte fich
aber in die vier Elemente und ſetzte ſich auf die
Stufe des thierifchen Lebens herab. Da ihm nun
gelüftete, fiihrte Gott ihn das Weib zu, das fiir
den Menſchen fortan die Stelle der jungfräulichen
Weisheit einnimmt. Urſprünglich auf die Nabr-
ung aus dem Gottesworte angemwiejen, wird er
uam verſucht, irdiſche Frucht zu koſten. Er folgt
der Yodung, wird vom Erdgeiſte verhaftet. Aber
Sort läßt fein eigenes Herz, den Sohn, zum Mens
ſchen werden, damit er den Tod in der Menichen-
jeele tödte. Chriftus wird als Menih von der
nicht fündlofen, aber reinen menschlichen Jungfrau
geboren und, weil er den Berfuchungen Lucifers
widerfieht, Herr der Elemente. Was er it, das
wird jeder Menfch, der an ibm glaubt, d. b. ihm
nachlebt. Durch die Scheidung des Guten u. des
Böjen werben die in Gottes Natur verborgenen
Kräfte geoffenbart; fie führt uns zum Wiſſen.
Das nahe bevorftehende Ende aller Dinge joll unſere
Einheit in Gott u. mit Gott offenbaren, Erſte
Sammlung der Schriften B-s von Heinrich Belte,
Amfterdan 1675, voljtändiger bon Johann Georg
Gichtel, ebd. 1682—83, 10 Bre., und %. N.
Glüſing, ebd. 1715; darauf erſchien mit Benutzung
von Gichtels Randbemertungen: Theologia re-
velata, das ift Alle göttliche Schriften des Gottiel.
u. Hocerleuchteten Deutihen Theoſophi Jakob
Böhmeus, Hamburg 1715, verbeſſert, daſelbſt
1730; neueſte Ausgabe von K. W. Schiebler,
Leipz. 1831—47, 7 Bde. Vgl. Sillig, J. B., ein
biographiicher Berfuh, Pirna 18015 Fouquéè,
J. B., ein biographiſcher Deufftein, Graz 1831;
Wullen, Jakob B-8 Leben n. Lehre, Stuttgart
1836; Derjelbe, Bllithen aus Jalob B-8 Myſtik,
ebd. 1838; Hamberger, Die Lehre des deutichen
Philoſophen J. B., in einen foftematiichen Aus—
zuge, Münden 1844; Fechner, J. Bi, Görlitz
1857; Harleß, 3. B. n. die Alchemiſten, Berl.
1870; Erdmann, Grundriß der Geichichte der
Philofopbie, 1 Bd., S. 485—501. DB. beabſich⸗
tigte feine Trennung don der Landesfirche, dies
thaten erft feine Anhänger, Böhmiften, im 17. u.
614
Böhmen (Geogray hie).
18. Jahrhundert, namentlih Kuhlmann, Hoburg, glied zwifchen dem morböfl. und dem nordweſtl.
Bredling, ſowie dur Gichtel, den Stifter der
Secte der Engelsbrüder (f. d.), an B-8 Namen
viele ihm ſeibſt fremde Schwärmereien gefmüpft
wurden. Gegen fie fchrieben im den Böhmi-
ftiihen Streitigkeiten (1676 bis 1697) in erreg«
ter Weile die orthodoren Theologen Fabricius,
Tob. Wagner, 3. Müller, Calov, Holzhaufen,
Hintelmann, Frid zc. In England verbreitete feine
een Bromſey umd die von Johann Yeade ge-
ftiftete Gejellichaft der Philadelpbier. In neuerer
Zeit find B-$ Grundanfhauungen wiſſenſchaftlich
entwidelt worden, jo in Deutihland von Otinger,
Franz Baader u. Schelling, in Frankreich von Elaude
de St. Martin, ſowie Friedrich Schlegelauf die Fülle
des Gefühls, die Tiefe ver Phantafie u. die poetijchen
Schönheiten in feinen Schriften hingemwiejen bat.
2) Albert, ſ. Bohemus. 8) Johann Daniel,
Bildhauer, Medailleur und Steinfchneider, geb.
16. März 1794 in Wallendorf in Ungarn; war 6
Jahre lang Handlungslebrling in Iglo (Neudorfi),
dann Schiller des Malers Zaufig in Yeutichan u.
ging 1813 nach Wien an die Akademie, ward
Fiſchers Schüler, ſchnitzte ein Halsband mit
Köpfen, ganzen Figuren u. Emblemen aus Obit-
fernen u. lernte bei Strant Holzichnigen u. dann
Steinfchneiden; ftudirte 1821 u. 1822 in Italien,
ward dort Katholif u. Thorwaldfens Freund, lebte
von 1825—1829 wieder in alien, warb 1831
Kammermedailleur und giug 1844 zum 3, Mal
nach Italieu. Kelheimer Kallſtein wußte er Durch
Einlaſſen von Wachs eine jo angemefiene Farbe
zu geben, da folche Arbeiten jehr beliebt wurden,
B. ſchuitt in Stein, Holz u. Metall. Er lebt zur Zeit
als Director der Münzgraveur-Afademie zu Wien.
Böhmen, Geogr. u. Statift. (Hierbei eine
Karte.) B., ehedem jelbftändiges Königreich, jett
Krontand des öfterreichiichen Ratierftaates, liegt zwi⸗
{hen dem Königreih Sachſen im NW., der preu-
Biihen Provinz Schlefien ım NO., dem öfterreich.
sronlande Mähren im SO., den Erzherzogthü—
mern Ofterreich Unter u. Ob der Enns im SO. u.
S. u. dem Königreih Bayern im SW.; hat einen
Flächeninhalt von 51,955, [_jkm (943,,, geogr.
od, 902,, öſterr. M). B. bildet nach feinen natürl.
Grenzen, die mit den politifhen zujammenfallen,
die Geftalt eines verjchobenen Bieredes, deſſen
Seiten von Gebirgen rings umlagert werben.
Diefe Randgebirge find: im SW, der Böhmer:
wald, von der Eger nah SO. verlaufend; hier
der Dreifeifelberg 1490 m. Parallel mit dem
Böhmerwalde in NO. erftreden fi) das Glatzer
Gebirg (Spiegliger Schneeberg 1417 m); das
Adler-Gebirg oder die böhmiſchen Kämme (Deich:
naer-uppe 1111 m); das Falten» und Aders—
bacher ⸗Gebirg (Spigberg 766 m); das Nielen-
gebirg (Brunnberg 1555 m, Schneeloppe 1601
ın, Hohes Rad 1506 m); das Iſer-⸗(Tafelfichte
1124 m) und das Lauſitzer-Gebirg (Jeſchken
1013 m). Zwiſchen dieſen beiden paralletien Zü—
gen ftehen als Verbindung, von SW. nah RO.
jich eritvedend, an der mährifchen Grenze der flache
Rüden des böhm.-mähr. Höhenzuges u. au der
ſächſiſchen Grenze Das Fichtel- und Erzgebirg,
deijen weſtlichſter Theil Eiſter-Gebirg heißt (Keil—
berg bei Gottesgab 1275 m); das Berbindungs-
Handgebirge bildet das von der Elbe durchbrochene
Eibefandftein-Geb, (Tetſchner · Schneeberg 724 m).
Das Innere des Landes ift feine Keffellandichaft,
ſondern bejteht aus Tertafien, die fih von ©.
nah N. abjenfen, fehr ımeben find und meiſt
lade Kuppen haben. Am rechten Moldauuier,
an der Grenze von. Oſterreich liegt der Jäger-
hüttenberg 1127 m; nörblid davon der Stre-
mernif bei Pilgram 769 m und der Kellenberg
bei Policzla 769 m, am finfen Moldauufer, fild⸗
id von der Beraun die Brody- Berge (Trzemczin
822 m); zwifhen Beraun u. Eger der Kaiſerwald
(Slape 974 m), das Xepler - Gebirg (Czrbon
811 m) und der Czbanwald (528 m). An bie
Zerraffen ſchließt fih im N. das Efbebeden
zwilchen Leitmeritz und Königgrätz, an deflen
Nordrande jenjeits der Eger, zu beiden Seiten
der Elbe, fih das böhmiſche Mittelgebirg mit
dein Donnersberge (Millefhauer 835 m) und
dem Geltih 720 m erhebt. Bon den Ebenen
hat die von Frauenbergen. Wittingan im SW.
von B. 350 m Meereshöbe; das Flachland bei
Pilfen fiegt 65 m tiefer, und das Eibebeden
jenft fih von 242 m bis 150 m herab; Meeres-
böhe der Elbe bei Hermsfretihen 113 m. Die
Hauptmaffe der Gebirge befteht aus Urgebirge.
Die fat durchgängig vorfommende Felsart ıft
Gneis, durchbrochen von Kalkftein, Hornblende-
ſchiefer, Magneteiienftein, auch abwechſelnd mit
großen Streden Granit, welcher im Norden den
Gueis faft ganz verdrängt. In der Ebene von
Budweis u, Wittingau berrfchen mittlere Tertiär-
gebilde. Im Selten von Prag bededt Grau»
made, Thonfchiefer u. Ubergangstalt das Urge—
birg, mährend jtellenmeile auf diefer Felsſchicht
mieder Yager von Steinfoblen u. rothem Sand-
ftein vorfommen,. Die Steinfohlenformation findet
fih bei Pilſen u. Radnig, ferner norbweitl. von
Prag zwifhen der Berann u. Eibe, endlich bei
Schatlar zwiſchen dem Adersbader- u. Riejenge-
birge; die Braunfoblenformatioun an der Biela zwi—
hen dem Erz- u. dem Mittelgebirge. Das Ger
birg am Durchbruche der Elbe, jowie das Adersba>
cher⸗ u. das Faltengebirg beftehen aus Quaderſand⸗
ftein. Baſalt ift der Hauptbeſtandtheil des Mittel»
gebirges, welcher aud häufig den Sanditein durd-
bridt. Das Geſtein des Jeſchken it Thonichiefer,
die Vorkette des Rieſengebirges Glimmericiefer.
Sämnttlihe innerhalb B-8 entjpringende und
daffelbe durdhftrömende Flüſſe gehören mit Aus—
nahme der Neiße, welche nach kurzem Laufe aus
B. herausbridt, zum ÖStromgebiete der (Elbe,
welche, aus mehreren Quellen 1385 m hoch an
dem ſüdlichen Abhange des Rieſengebirges (Die
Siebengründe genannt) entipringend, bei Herrns-
fretichen nach Sachſen tritt, rechts mit Eydlina,
Jier, Bolzen, lints mit Aupa, Mettau, Adler,
Chrudimfa, Moldau, Eger, Biela. Die Neben»
flüffe der Moldau find linls Wattawa u. Beraun,
rechts Yucznig u. Sazawa. Kleine Seen finden
fih im Böhmerwalde; große Teiche im Gebiete
der oberen Lucznitz bei Frauenberg u. Wittingau,
zufammen 415 mit einer Größe von 75 [km
(Rofenberger T. 5, km). Der Schwarzen»
berg» Kanal von der oberen Moldau zur Mühl
Böhmen (Geogr. u. Statift.).
615
Fe wird nur zum Holzflößen benußt.]beftände des Böhmerwaldes find durch die Ber-
ahlrei find die Mineralquellen, bejond. in der
ente füdl. vom Erzgebirge. Das Klima ift bereits
continental, am mildeften am SFuße des Erzge-
birges u. an der Elbe abwärts von Leitmerig. Mit
dem Anfteigen des Bodens nah S. nimmt die mittlere
Jahrestemperatur ab, nur das tiefliegende Mol—
dau-Thal macht eine Ausnahme. Mittlere Fahres-
temperatur: Prag 7,,° R., Bubmweis 6,°, Stu-
benbah im Böhmerwalde 4,,°%, Eger 5,,°%, Senf-
tenberg 5,,° R. Die Broducıe des Minerals
reiches find mannigfaltig, u. der Bergbau wird
in feiner Provinz Oſterreichs fo vationell be—
trieben, wie bier. Productionszifiern von 1873:
Silber bei Pızibram, Tabor, Joahimsthal u.
a. O. 38,129 Pid.; Blei u. Glätte bei Przibram,
Joachimsthal u. Mies; Blei 18,789 Etr., Glätte
38,086 Ctr.; Zinn bei Graupen im Erzgebirge
u. bei Schlaggenwalde 471 Etr.; Schwefel 4090
Etr. aus Schwefeltiefen; Antimon vom Milleſchauer
1387 Etr.; Alaun 10,742 Ctr.; Eifenvitriol 45,644
Etr.; ferner im Heineren Mengen Gold, Nidel,
Wismuth, Arfenit u. Uran; Graphit in Süd-B.
bei Krumman nu. Schwarzbad 458,161 Etr.; an
Frifchroheifen wurden 842,716 Etr., an Gußroh-
eiien 567,546 Etr., zufammen 1,410,262 Ctr. er»
zeugt; das ptlager zu beiden Seiten der Be—
raum von Williſchen bis Prag; Hohöfen 1873
50, davon 37 im Betriebe; Steinfohlen 50,,, Etr.,
davon 28 Mill. Ctr. in dem Revier von Schlan,
Kladno u. Rakonitz nordmweitl. von Prag; werth—
vollfte Kohle bei Buſchtiehrad; 180 Coleöfen bei
Kladno; andere Lager find die von WPilfen,
Radnitz und die Fortiegung des Waldenburger
Bedens in Preußiſch⸗Schleſien bei Schatlar und
twilftungen des Borfenfäfers in manden Theilen
elichtet; mehr als 60%, des Bodens nehmen die
Kar er noch ein in der Gegend von Pirglig a. d.
Beraun, im Erzgebirge bei Platten, Sebaftians-
berg u. Kathartnaberg u. im Miefengebirge bei
Tannmwald, a In der Nindviehzudt
ift die befte einheimtiche Race die Egerländer, jonit
überwiegt der gewöhnliche Landfchlag (1869 wa—
ren 1,602,015 Gtüd Rindvieh vorhanden); die
Pfefdezucht ift am beften in der Gegend von Chru ·
dim u. Parbubig, im Hofgeftüte zu Kladrub Zucht
der fpan. Race (1869: 189,337 Stüd); Schafe
zur Hälfte veredelt, 1869 1,106,290 Gtüd; be—
deutend ift auch die Hühnerzucht (3 Stüd auf
jeden Bewohner) u. die der Gänſe. Die Jagd
ift wegen den vielen Fafanen- u. Thiergärten von
ziemlicher Bedeutung; in B. die größte Zahl der
Faſauen unter allen öfterr. ‘Ländern. Die Teich-
wirtbichaft, def, auf Karpfen, wird am umfang»
reichſten im fildweftfihen B. um Wittingau und
Frauenberg betrieben. Einwohnerzahl 1869:
5,140,544, alfo 5446 per geogr. [IM. Am dichte
ften wohnt die eg Ba den indnftriellen Ge⸗
enden des Nordens, in den Bezirken Rumburg,
hludenau u. Gablonz, am mwenigften dicht im
SW. im Bezirke von Krummau, Der Natio-
nalität nach find 38°, Deutiche, 60,5%, Tichechen
u. 1,4%, sraeliten (meift um Brag). Eine ans
dere Berechnung ergibt 36, %/, Deutiche, 61,2,
Tichechen, 1,,, Juden. Während die Tſchechen
die Mitte des Landes einnehmen, wohnen die
Deutihen an den Grenzen B-8 mit Ausnahme
der mährishen Seite; bei Heinrichsberg im Böh—
merwalde ift die Verbindung der Dentihen von
Schwadowitz; Braunkohle 71, Mill. Gtr., meift|N- u. SBöhmen faft unterbroden. Die größere
aus dem Lager, welches fi von Saatz längs| Menge wohnt im N. Die Tichehen find am mei-
der Biela über Komotau, Hoftanig, Dur und|ften vorwaltend in den Kreifen Tabor 96,5, °/,,
Teplitz nach Auffig erſtredt; kleinere Lager im N. Prag 96,,, (in der Stadt Prag jedoch nur 55,5.)
bei Zittau, Karisbad-Fallenau und im ©. bei
Budmweis-Wittingan; Porzellanerde findet fich bei
Karlsbad; Granaten, Topaſe, Jaspiſe, Achate xc.
in der Umgebung von Turnau. Der Werth der
Producte des Bergbaued u. Hüttenweſens wird auf
mehr als 30 Mill. Gulden angegeben. Der Ader-
bau u. die Forjtwirthichaft werden in Böhmen
meift gut betrieben, nur 3,04°/ des ganzen Yan
des gelten als unproductiv; 48,05%/, find Aderland,
12,00%/, Wiefen u. Gärten; 7,,,%/0 Weiden, 29,04
Waldungen, O,5%/, Weingärten. Die frühere Be-
ftellungsart der Dreifelder-Wirthichaft ift von dem
Fruchtwechſelſyſtem faft gänzlich verdrängt; die reine
Brache nahın 1873 mur 4,9%, des Uderlandes
ein. Weizen in den Ebenen an der Elbe, Eger
u. Beraun; im Hlgellande Roggen; Hafer bei.
im SD. an der mähriihen Grenze; Gerjte an
der unteren Eger u. in der Eibeebene; ebenda-
ſelbſt u. um Gitſchin Zuderrüben; Hülſenfrüchte
beſ. Erbſen; Flachs in den Sudeten bei Arnau u.
im unteren Egerlande; ann opfen bei Saat
an der Eger und am Goldbache (j. Stadthopfen),
eringere Sorten am rechten Elbeufer bei Aiſcha
8 u. Dauba (Grünb.) 1873 49,462 Ctr.;
Raps in demjelben Jahre 219,254 hi; Wein (j.
Böhmische Weine); Obſt, bei. Pflaumen, an der
u. Gzaslau 93,1, °/o5 die deutſche Bevölkerung ift
am reinften in den Kreifen Eger 98,,,, Leitmerig
37,00 u. Saat 87,55 %. Spradinfeln find um
Burmweis u. an 2 Stellen aus Mähren hereit-
reichend: 1) nördlih von DeutſchBroden. 2) von
Wildenſchwert bis Landsfron. Der Religion
nad find 4,943,897 (96°%/,) Tatholiih; 46,415
Lutheraner (meift in den Bezirken Aſch, Eger,
Friedland); 59,700 Neformirte zerftrent von der
Grenze Mährens u, der Grafihaft Glatz au längs
der Elbe bis Melnil. In der Induſtrie nimmt
B, neben der Stadt Wien den erjten Nang in
Öfterreich ein, u. der Hauptſitz ift in dem noͤrdl.
Bezirken, welche meift von den Deutichen be»
wohnt find. Die Banmmwolleninduftrie zählte 1871
in B. 705,729 Spindeln in 86 Fabrifen (wovon
62 im Reichenberg u. 15 in Eger); in der Weberei
berricht noch theilweife Handweberei; Drudereien
in Zofefsthal bei Kosmanos und Prag, dann in
Böhm.⸗Aicha u. Warnsdorf, Kattun der Haupt:
artitel. Die Schafwolleninduftrie liefert um Rei—
henberg Tuch; um diefe Stadt find auch die be-
deutenditen Rammgarn-Spinnereien u. «Webereien;
gemischte Gewebe werden im Aicer-Vezirke, in
Auffig und Warnsdorf, Teppiche in Maffersdorf
bei Neichenberg verfertigt; Trautenau im Rieſen⸗
Eibe abwärts von Jofefftadt. Die großen Wald |gebirge ift der Mittelpunkt der Flachsipinnerei,
616
240,000 Spindeln; bie. feinften Leinengemwebe
tommen uuter der Bezeichnung der Humburger
von Georgswalde und Schönlinde; Wirkwaaren⸗
Böhmen (Geogr. u. Statijt.).
im Prag, unter ihr 89 Bezirfshauptmannichaften
u. 2 Städte mit felbitändigem Statut, Prag u.
Neichenberg. Für die Nechtspflege beiteben
Induſtrie blüht im Micher-Bezirfe, um Teplitz 15 Gerichtshöfe 1. Inſtanz (1 Yandes- und 14
und bei Strafonig, Epitenflöppelet im Erzge-
birge bei Graßlig. Die Induſtrie in Metall-
waaren folgt nad ihrer Bedeutung zumädhit:
Eijengußmwaaren (nm Klabno), Beifemerhütten (um
Teplig), Eiſenbahnſchienen (um Nürſchan-Wil-
liſchen, Kladno, Teplis), eiſerne Kochgeſchirre o=
Piljen), die Nägelfabrifation (um Horzomis),
durch Kleingewerbe betrieben, gebt conftant zurüd;
Prag liefert Dampfmaſchinen u. Einrichtungen von
Zuderfabrifen und Bierbranereien. Die Glasin-
duftrie hat 2 Hauptgebiete: im Böhmerwalde um
Winterberg und im NR. um Haida; den Glanz-
punkt bildet die Erzeugung von Kryſtallglas;
um Haida und Gteinihonau Schleifereien; um
Gablonz Fabrifation von Perlen und Knöpfen;
Spiegel in Neuhurlenthal, VBürgftein u. Deffernit,
Die Porzellaninduftrie beſchäftigt bei Karlsbad
14 Fabrilen; chemiſche Fabrilen find die größten
in Auſſig und Kralup; ſolche in Leder, Schub-
waaren u. Handſchuhen zu Prag; bei. ausgezeich-
net die Gerberei und Färberei von Lammleder;
im Böhmerwalde werden Holzwaaren und bei
Schüttenhofen Zündhölzchen gefertigt. Bierbraue—
reien beftanden Ende 1873 939, davon 86 mit
Dampf betrieben, die größten im Pilfener, dann
im Prager u. Leitmeritzer Bezirke; die Production
betrug ſchon 1872 7,815,816 inter, mit einem
Steuererträgniß von 7,995,317 fl., u. tft ſeitdem bier
geftiegen, während fie im übrigen Reiche (namentl.
Nieder-Ofterreich) abnahın. 1872/3 waren in ®.
344 Spiritusbrennereien u. 164 AZuderfabriten,
die letsteren Überwiegend an der Elbe u. Beraun.
Die Straßen (15,403 km) find am bejten in
NBöhmen, im Gebiete des Bajaltes; die Eijen-
bahnen (1872: 2468 km) haben ihr Centrum
in Brag u. find: die der Ofterr. Staatseifenbahn-
gejelliaft; die Ofterr. NWbahn und die mit ihr
vereinigte Siid-Norddentiche Berbindungsbabn; die
range fofefs-Bahn; die Böhm, Weft-, Nordweit-
u, Nord-Bahn; Die Auifig-Tepliger Bahn; Die
Dur-Bodenbadher Bahn (die 2 legteren bis Komo—
tau); die Biclathal-Bahn; die Piljen- Priejner
Bahn mit der Fortſetzung nach Bayern; endlidy die
Dur- Prager, Turnau⸗Kraluper und die Elifabeth-
eift Ferner find für B, die
Kreisgeridhte), bei welchen Geichmorenen-Serichte
gebildet werden, ein bei, — —— in Prag
u. 208 Bezirksgerichte. Die 2. Inſtanz bildet
das Oberlandesgericht in Prag. An der Spite der
Finanzverwaltung ift die Finanz-Landesdirection
in Prag; unter ihr 13 Finanz-Bezirlsdirectionen.
oft- u. die Telegraphen«
direction in Prag, die Handelstammern in Prag,
Neichenberg, Eger, Pilfen u. Budweis; die —
hauptmaunſchaft u. der Landesculturrath für B.
in Prag. In militäriſcher Beziehung unterſteht
das Land dem General-Commando in Prag und
zerfällt in 10 Ergäuzumgsbezirte. Für das Kir»
henmwejen der Katholiken beftehen das Erzbisthum
Prag u. die 3 Bisthümer zu Königgrätz, Yeitmerig
u. Budweis; für die Evangelifhen Augsburgiiher
u. beivetticher Confeſſion befteht je eine Superinten»
benz. Für den Unterricht beftanden 1871/2:
4190 Bolfsichulen, darunter 24 Bürgerfchulen ; von
887,000 ſchulpflichtigen Kindern beſuchten 684,700
die Schule; die Schulpflicht dauert vom vollen-
deten 6. bis zum vollendeten 14. Lebensjahre;
1373/4- beftanden 6 deutſche und 5 tichedhiiche
Vehrerbildungsanftalten; an Mittelſchulen gibt es
13 deutiche u. 13 tichechiiche Gymnaſien, 6 deutiche
und 8 tſchechiſche Realgymnaſien, 5 beutiche, 8
tihechiihe und 2 fpradhlid gemiichte Realſchulen;
an Hochſchulen hat B. die Deutihe Univerfität,
das Deutſche u. das Böhmische Polytechniſche In—⸗
ftitut, alle in Prag; Specialſchulen find 5 tbeo-
logiſche Lehranſtalten, die Handelsafademie im
Prag, 2 Hanbelsihulen, die Gewerbeſchule im
Prag, die landbwirtbichaftlichen Lehranftalten von
Zetichen-Liebmwerd (deutih) u. Tabor (tichechiich) ;
die Forftichule zu Weißwaſſer; die Bergatademie
in Praibram; die Kunft-Alademie u. das Mufife
Conjervatorium in Prag. In letzterer Stadt, dem
Dittelpunfte des Geifteslebens B-8, beiteht das
1818 geftiftete Böhm. Nationalmufenm und die
Böhm, Gejellihaft der Wiffenfchaften. Wappen:
ein filbener Löwe mit goldener Krone u. Doppel»
tem Schweife im rothem Felde. Die nicht mebr
beftehende politiihe Eintheilung in 13 Kreiſe
wird noch ſehr häufig gebrauct; ihre Hauptorte
W Bahn; NBöhmen hat das Pdichtefte Bahnnek|find: Prag, Budweis, Pijel, Pillen, Eger, Saat,
in Ofterreih. Schifibar find die Elbe u. Moldau,
zuf. auf 353 km Länge; auf der erfteren gebt die
Dampf» u. die Kettenichleppichifffahrt bis Auffig.
Poftanftalten beftanden 1874 1111, welche 65 Dill.
Briefe u. 1,, Mill. Palete beförderten. Die Werth-
fendungen betrugen 1093 Dill. Fl. Telegrapheu—
Iimen 1872: 7544 km, 230 Stationen, Depe:
jhen 1873: 1,762,300, Bollsvertretung: B.
ſchict in das Abgeordnetenhaus des Eisleithani-
fhen Reichsrathes in Wien 92 Vertreter; der
Landtag bejteht aus 241 Mitgliedern, Darunter
5 Birilftimmen, 70 Abgeordnete des Großgrund-
befiges, 72 der Städte, Märkte u. Induſtrialorte,
15 der Handelslammern u. 79 der Landgemein-
den. Außerdem beitehen in den einzelnen Ge—
richtsbezirfen Bezirlsvertretungen. An der Spite
der politiichen Berwaltung fteht die Statthalterei
Yeitmerig, Jungbunzlau, Gitſchin, KHöntggräß,
Chrudim, Tſchaslauu. Tabor. Literatur: Schaller,
Topographie von B., Prag 1785—90, 16 Thle.;
Sommer, Das Königr. Böhmen, ftat.-topogr.,
Prag 1838—47, 16 Bde.; R. Andres, Nationalis
tätsverh. und Spradgrenze in B., 2. Aufl.,
Leipz. 1872; Mittheilungen des Gomites für
land» u, forjtwirthichaftlihe Stat. von B., Prag
jeit 1870; Archiv für Die natnrwifjenichaftliche
Landesdurchforſchung B-s, Prag 1869, 1. Bd.;
Harlader, Beiträge zur Hydrographie des König»
reichs B., Prag 1872; R. Andree, Tſchechiſche
Gänge, Bielef. 1872.
Geſchichte. J. Früheſte Zeit bis zur Ein—
führung des Chriſtenthums. Die erſten bei
fannten Bewohner B-$ waren die keltiſchen Bojer,
nad denen das Yand Bojehemum od. Bojohemum
%
Böhmen (Geſchichte). 617
(Bojenheun) hieß, Um Chriſti Geburt wurden die) Deutfchen Reiche zinspflichtig. Boleslaw I. ver
Bojer durch germaniſche Markomannen unter) Graufame, der aus Herrichlucht feinen älteren
Marbod aus B. vertrieben, der dajelbft ein Reich Bruder Wenzel, den Förderer des Chriftenthums
errichtete. Zu den Stürmen der Völtermander-|(28. Sept. 935), ermordet hatte, vertrieb die
ung verloren aber die Darkomannen ihre Bedeit- | deutfchen Priefter aus B., fagte fi vom Deutſchen
ung, und Thüringer und Franken nahmen nach Reiche los u. wurde erft nad) 14jährigen Kämpfen
‚einander B.; zulegt überließen die Letzteren ge-|(950) von Kaifer Otto I. zur Anerfennung der
gen einen jährlichen Tribut das arg geſchädigte Oberhoheit defjelben gezwungen. Sein Sohn ır,
a
and fremden Böllern. Unter diejen traten in der
Nachfolger, Boleslaw II. der Fromme (967 bis
weiten Hälfte des 6. Jahrh. die flavifhen Tſchechen 999), dehnte fein Reich über Ober- und Mittel-
— u. behaupteten ſich in B., mo fie auch jetzt Schlefien u, dem weſtlichen Theil von Mähren aus,
noch ſeßhaft find. Der Sage nad joll ihr erfter
Anführer Tiheh aus Groß+-Chrowatien (im N.
der Karpathen) gelomumen jein u, fich zuerft auf
dem Berge Rzip (Georgenberg bei Raudnitz) nie
dergelafien haben. Im Anfauge des 7. Jahrh.
eriheinen die Tichechen von den Avaren in Un.
garn abhängig, 623 machten fie fih unter Samo
wieder frei u, wählten denjelben zu ihrem Herzog. |Bater in der Regierung. Mißtrauif
ftiftete das Prager Bisthum (ca. 978) u, eroberte
Gro߻Chrowatien mit der Hauptitadt Krakau.
Nach feinem Tode zerfiel fein großes Meich durch
Bruderzwift, u. der Polentönig Boleslaw Chrobry
(d. 5. der Tapfere) vereinigte Schlefien, Krakau,
Mähren u. die Siowalei mit Polen. Boleslaws II.
Sohn, Boleslaw III, Rothhaar, folgte jeinem
u. hab»
Er vereinigte während feiner 35jährigen Hegier- |jüchtig, verjagte .er feine Brüder Jaromir und
ung B. u. gründete eine befonders den Frauken Udalrich, welche mit Meinen Befigungen unter
geläbrlighe Monarchie, welche jedoch nach ſeinem Oberhoheit des Herzogs abgefunden waren, ı.
ode (662) wieder zerfiel.
Einer feiner nächſtenließ den Erfteren
entmannen. Infolge feiner
Nachfolger war Krof, der weiſe Richter, u. nach|ichlechten und graufamen Regierung brach im
ihm defien jüngfte Tochter, die in der Sage be
kannte Seherin u. Zauberin Yibufja (j.d.). Diefe
vermählte fi mit Praemysl u. wurde die Ahn-
frau desjenigen Geſchlechts, welches B. bis zum
J. 1306 beherrichte. Praemysl u. Libuſſa jollen
die Hauptftadt Prag erbaut u. die alte böhmifche
Gejeggebung geregelt haben. Nad) Libuſſas Tode
ſoll unter der Anführung einer ihrer Freundin—
nen, Wlafta (ſ. d.), der fabelhafte Böhmifche
Mägdekrieg entitanden fein, eine blutige Empörung
der Frauen gegen die Männer (mol nur gegen
Przemysls Alleinherrihaft). Neben den Herzögen
gab es auch viele Heinere Fürften im Yande, Karl
d. Gr. führte 805 u. 806 gegen B. erfolglos Kriege.
Ludwig des Deutschen Heer wurde 849 faft gänz⸗
fich aufgerieben. Als bald darauf das benachbarte
3. 1002 eine Empörung gegen ibn aus: die Un—
zufriedenen riefen den polnischen Prinzen Wiadi-
moi, Boleslaw Chrobrys Bruder, in das Land
u. machten denjelben nach Boleslaws III. Ver—
treibung zum Herzog. Nach deſſen frühem Tode
bemädhtigte fid 1003 der Polentönig ganz B-8,
wurde aber 1004 von Yaromir u. Udalrich, mit
2 des Kaifers Heinrich II., wieder verdrängt.
Jaromir regierte nım vom 1004—1012, u. Udals
vih, nachdem er feinen Bruder verdrängt hatte,
1012— 1037 über das auf feine engiten Grenzen
beichränfte B. allein. Udalrich war der erfte böh—
miſche Fürſt, der fih an der deutfchen Kaiſerwahl
betheifigte. Sein Sohn, Brzetislaw I., der böh—
miſche Adilleus (1037—55), eroberte 1029 Mäh—
ven u. vereinigte e8 mit B. Bor feinem Tode
Mähren unter Raftiz u. Swatopluk (Zwentibold) |führte er noch in B. die Senioraterbfolge ein,
zu großer Macht ſich bob, trat 869 auch B, in
Verbindung mit demjelben gegen Deutjchland,
Ceit 871 ftand B. unter Swatopluls Gewalt, u.
zwar, wie e8 jcheint, bis zu defien Tode (894).
Die Folge davon war die jchnellere Verbreitung
des Chriftentbums in B., bejonders die Taufe
Borziwois, des erften Fürſten aus dem Haufe
Przemysls, deſſen Name hiſtoriſch beglaubigt iit,
894 durch den Erzbiihof Methodius am Hofe
Smwatopluls in Mähren. Borzimoi, der erfte chrift«
liche Herzog B⸗s, refignirte 902 u. ft. 910; deſſen
Gemahlin, die heilige Ludmilla, ft. 15. Sept. 927,
U. Böhmen als Herzogtbum unter dem
Einflujje Deutihlands, 895—1197. Nach
dem Tode Borziwois u. Swatopluks traten die
tſchechiſchen Häuptlinge unter dem Bortritte Spi—
tihnievs, des Sohnes Borziwois, u. Witizlaws im
Juli 895 zu Megensburg freiwillig unter den
Schutz des Deutichen Reiches. Auf Spitibniev
folgte fein Bruder Wratislaw. Nad feinem Tode
bemächtigte fich feine herrifhe Wittive, Drahomira,
um 920 der Regierung des Yandes u. der Vor—
mundichaft über ihre Söhne Wenzel u. Boleslaw;
aber 929 309 der beutihe König Heinrich J.
gegen fie, rüdte vor Prag und machte B. dem
ernannte Spitihniev zum Nachfolger in B., wies
beffen Brüder Wratislam, Konrad u. Otto Mäh-
ren an u, beftimmte den jüngften, Jaromir, zum
geiftlihen Stande. Spitihniev II. (1055—61) vers
trieb alle Deutiche, Jelbft feine Diutter, aus Böhmen,
nahm feinen Brüdern Mähren wieder u. fette Kon»
rad u. Otto als Hofbeamte ein. Wratislaw floh zum
König Andreas von Ungarn, wurde deſſen Schwier
gerjohn, erhielt dann Olmig zurüd, wurde nach
Spitihnievs Tode als Wratislaw II. (1061—92)
Herzog von B., trat 1075 im ein enges Bünd—
niß mit Kaifer Heinrih IV., nahm an den Käm—
pfen dejjelben gegen den Papſt u. die Reichsfürften
Antheil u. erbielt 1086 die Königswürde, die aber
der Papſt nicht anerkannte, Nach dem Tode des
Königs und feines Bruders Konrad, der nur 8
Donate regierte, brachen Thronftreitigleiten in
B. aus, indem Brzetislaw II. (1092—1100) die
Nachfolge im Meiche feinem Bruder Borzimoi,
mit Hintanfegung der nach dem Genoriatgejete
näher berechtigten Söhne Konvads, zu fichern fich
bemühte. Aus den nun folgenden Thronitreitig«
feiten ging W adislam I., Borzimois Bruder (1110
bi8 1117), als Sieger hervor, der 1117 freimillig die
Krone an den aus der Gefangenſchaft zurückgekehrten
618
Borzimoi abtrat, 1120 aber fi wieder derſelben
bemächtigte u. fie bis an feinen 1125 erfolgten Tod
behauptete. Hierauf wurde mit Übergehung Ottos,
von der böhmifchen Partei begünftigt, fein Bruder
Sobieslaw IL. (1125—40) Herzog. Dagegen hatte
Kaifer Lothar den Klagen des Herzogs Otto von
Dlmiüt Gehör geihenft u. zum Herzog von
B. befiimmt, wobei der — ———
wurde, daß die Herzogswahl in B. von dem
deutſchen König beſtätigt werden ſollte. Doch
wurde das deutjche Heer, welches zu dieſem Zwecke
nah B. entjandt wurde, bei Kulm geihlagen;
Dtto jelbft fiel, u. num wurde 1126 Sobieslam,
nachdem er fi von Lothar im feinem Herzog—
thum hatte bejtätigen laffen, aud von dieſem
anerfannt. Gegenüber der ftreng nationalen Par«
tei, melde dieler Borgänge wegen dem Herzog
nad dem Leben trachtere, fügte er fih auf das
dentiche Element in B., weiches er durch Herbei—
ziehung zahlreicher deuticher Goloniften verjtärkte.
Seımem Sohne Wladislaw, der von Konrad II.
zum Herzog beflimmt war, machte Wladislaws I.
Sohn, Wladisiam II, (1140— 73), den Thron
ftreitig, u. Jener mußte mit feinen Brüdern Udal—
rih u. Sobieslam aus dem Lande fliehen. Aber
der herrſchſüchtige Adel erhob fid) gegen das ftrafie
Regiment des neuen Herzogs. Die Auſſtändiſchen
erwählten Konrad von Znaim zum Herzog, der
in B. vordraug u. Wladislam am Berge Vyſola
bei Kuttenberg ſchlug; dieſer fonnte jedoch mit
Hilfe Konrads ILL. ın kurzer Zeit wieder B. u.
Mähren erobern, Im J. 1147 begleitete er den
Kaifer Konrad nad dem Gelobten Lande. Die
Regierung führte einftweilen fein Bruder Theo-
bald. Diejer nahm den Prinzen Sobieslam, bes
Herzogs Sobieslam I. Sohn, welcher nad B.
zurüdtebrte, um fich der Herrſchaft zu bemächti-
gen, gefangen. Dem Kaifer Friedrich I, mit
welchem Wladislaw II. auf geipanntem Fuße ge-
lebt hatte, leiftete er, nachdem er fi) 1156 mit
ihm verjöhnt hatte, gegen Mailand jo mejentlicye
Dienfte, daß derjeibe ihm, jedoch mur für feine
Perion, den Titel eines Königs verlieh. Als aber
der Kaifer mit dem Bapfte zerfiel, trat Wladis-
law auf die Seite des Papftes, weil fein Sohn
Adalbert Erzbifchof von Salzburg geworden war,
Um bei diefer politiihen Yage die Nachfolge zu
fihern, refignirte er 1173 zu Gunften feines Soh—
nes Friedrich. Der Kaifer berief hieranf Fried—
rih, ſowie den bereit® aus der Haft gegebenen
Sobieslam zu fih umd ernannte am Hoftage zu
Ermendorf Sobieslam zum Herzog. Sobieslaw 11.
(1173—78) hinderte die Magnaten in ihren Räu«
bereien u. jchütte die Bauern, weshalb ihn der
Adel den Bauernfürften nannte. Wegen eines
Krieges gegen Ofterreih wurde er vom Papſte
in den Bann gethan un. von dem Saifer der er
zogswürde beraubt. Dieje erhielt Friedrih, Wla—
dislaws II. Sohn. Sobieslaw II. floh nad) ver-
— Verſuchen, ſich in B. zu halten, nach Ottokar II. (1253—78) erlangte dur
Böhmen Geſchichte).
theilte fie Konrad Otto. Ein neuer Aufftand des
Adels 1184 gegen Friedrich wurde bald gläd-
lich unterdrüd.. Minder glüdiihd war Friedrichs
Zug gegen Konrad Dtto von Mähren. Als im
3. 1189 Friedrich farb, beiehnte der Kaiſer den
bisherigen Markgrafen von Mähren, Konrad, mit
B. Dieſer fl. 1191 im Italien, wohin er ben
Kaifer Heinrih VI. begleitet hatte. Der Kaifer
iibergab nun die Lehensfahne dem Biſchof Hein-
rih Brzetislamw für Ottofar Przemysl; da diejer
jedoch jeinen Geldverpflidtungen, nämlid 6000
Mark zu zahlen, nicht nacdlaın u. mit den Welfen
in Berbindung trat, fo entjette ihn der Kaifer
feiner Würde und ernannte den Biihof Heinrich
von Prag zum Herzog. Diefer unterbrüdte einen
von DOttofars Bruder, Wladislam, erregten Auf-
ftand in Mähren u. ft. 1197 in Eger, wohin er
vor Ottofars Anzuge gegen Prag, den jedoch Fürft
Spitihniew zurüdichlug, geflohen war. Die Böh-
men wählten nun Wladislaw III., Ottofars Bruder,
Dearfgrafen von Mähren, zum Herzog; doch er-
griffen nad Heinrihs VI. Tode Dttofars An-
hänger die Waffen, Wladislaw entfagte zu Gun—
ften feines Bruders u, begnügte fih mit Mähren
unter böhmiſcher Oberhoheit.
III. B. als erbliches Königreich bis zum
Erlöſchen des Hauſes Przemysl, 1198 bis
1306. SDttofar J. (1197 - 1230) erhielt im J.
1198 die Königswürde, die er durch ſchlaues Ver»
halten in den Kämpfen zwifchen Philipp u. Otto
zu behaupten wußte, Als Friedrich in Deutich-
land erſchien, eilte Ottolar ihm entgegen u. er⸗
bielt für feine Bereitwilligfeit 26. Sept. 1212
ein für B. bedeutendes Privileg, duch welches
ihm nebft vielen anderen Freiheiten die erbliche
Königswürde ertheilt u. B. von allen Abgaben
an das Reich befreit wurde. Ottolar führte nun
in B. die Primogeniturerbfolge jtatt des Senio—
rats eim u. ließ feinen älteften Sohn fogleich zum
Thronfolger wählen (1216). Das Beftreben des
Fe Biſchofs Andreas, eine reichsunmittelbare
Stellung zu gewinnen, führte zu einem vollitän«
digen Bruce zwiſchen der Regierung u. der Kirdye
in B. (1217—22), welchen Papſt Honorius IL.
nur mit Mühe zu heilen vermodte; der Biſchof
blieb des Königs Untertban, erhielt aber beſon—
dere Privilegien. Ottolars Sohu, Wenzel I. der
Einäugige (1230 —53), beförderte die ſchon von
feinem Borgänger begünftigte Niederlaffung deut-
her Eoloniften in B. u. die Einführung Deutſchen
Rechtes. In zahlreiche Kriege mit dem Kaiſer
u. feinen Nachbarn verwidelt, trug fein kriegeri⸗
jher Sinn im 3. 1241 zur Rettung von den in
dafjelbe einfallenden Mongolen das Meifte bei.
Nachdem er einen Aufjtand feiner unzufriedenen
Großen, an deren Spite fein Sohn Ottolar ftand,
aedämpft hatte, vermochte er 1251 die Stände
ſterreichs, feinen Sohn zum Herzog von Oſter⸗
reich zı wählen. Diefer als Kong Przemysl
feine Ver⸗
entichland, wo er 1180 ftarb. Die mit Fried» | mählung mit der alternden Margaretha von
rich unzufriedenen Großen beriefen ſchon im J.
Ofterreich ein Erbrecht auf Öfterreih u. Steier-
1182 Herzog Konrad Otto zur Regierung. Die-| mark, wußte diefe Länder gegen die Ungarn zu
fer verließ aber B. auf des Kaifers Befehl, und behaupten und blieb auch nad feiner Scheidung
Friedrich kehrte zurüd. Der Kaifer erklärte Mäh—
ren für eine reihsunmittelbare Grafſchaft u. er»
von Margarethe im Befige derſelben. Auf
einem 1255 gegen die Preußen unternommenen
Böhmen (Geichichte). 619
Kreuzzuge gründete er Königsberg u. errang die kennung der böhmifchen Oberhoheit und vertrug
Oberhoheit über Preußen u. einen Theil Polens. |fih mit Polen über die bisherigen Mechte auf
Den Bayern entriß er Eger u. Waldfaffen, er-/Schlefien. Kurz vor feinem Tode wurde fein
langte 1269 von dem erblofen Herzog Ulrich Kärn-| Sohn Karl (1346—1378) zum Römischen König
ten, Krain, Friaul u. Portenau u. dehnte durch | gewählt. Diefer mendete Feine meiſte Sorgfalt
diefe Eroberungen B. von der Oftfee bis zum ſeinen Erbftaaten zu, u. B. blühte unter feiner
Adriatiichen Meere ans. Dabei war er gegen|Regierung herrlich auf. Er ließ die Elbe m. die
Bürger u. Bauern mild u. begifnftigte ihre Ge- Moldau ſchiffbar machen, Wälder ausroden, forgte
werbe, gegen die Großen aber war er unerbittlich für die Sicherheit der Straßen, befürberte den
ftreng. Bu ftolz, um vom Grafen von Habsburg | Weinbau ı. ſchloß 1358 Handelsverbindungen mit
die öfterreichifchen Länder zu Lehn zu empfangen,
ward er mit Rudolf im Krieg verwidelt und in
der Schlacht auf dem Marchfelde (1278) um Thron
u. Leben gebradjt. Nach dem Tode des mächtigſten
böhmischen Königs Ottofar II. beginnt der all
mählige Berfall B-8. Wenzel IL. der Fromme
(1278— 1305) war bei dem Tode feines Vaters
minderjährig; fiber die vormundſchaftliche Regier-
ung fam es jedoch zwiſchen der Königin Mutter
u. dem Markgrafen Dtto von Brandenburg zu
Streitigfeiten, welche Duelle vieler Kriege u. in-
nerer Unruhen waren. Wenzel Bermählung mit
Jutta, Rudolfs von —— Tochter, brachte
ihm u. dem Lande manche Vortheile. So wurde
Wenzel 1290 von Rudolf in der Kurwürde be»
fätigt, erlangte das Erzmundichenfamt u. die Be-
ftätigung der Erbverbrüderung mit Breslau, Sein
Reich vergrößerte er noch durch Erbfchaft von tra-
fau u. Sandomir nnd erwarb durch feine zweite
Vermählung mit der polnischen Prinzeifin Mira
Polen, wo er jedod ſchon 1304 abgelegt wurde,
Sein Sohn Wenzel III. ſchloß mit dem Kaifer
Albrecht Frieden, in welchen dieſer ihm die meiß-
nischen Beſitzungen beftätigte. Als er aber mit
Heeresmadht nach Polen z0g, um Wladislaw Lo—
tietets Fortichritte dafelbit zu hemmen, wurde er
unterwegs zu Olmitg 4. Aug. 1306 meuchlings
erftochen, Dir Wenzel III. erloſch das Gejchlecht
der Przemysliden.
IV. 8. unter Regenten aus dentſchen
ürftenhäufern bis zum Ausbrude des
ujfitenfrieges, 1306-1419. Eine ſtrei—
tige Wahl nad) Wenzels III. Tode führte Herzog
Rudolf von Öfterreihh, den Sohn Albredts I.,
nach feiner Vermählung mit Wenzels II. Wittwe
auf den Thron. Diefer ſtarb aber ſchon 1307,
u. an feine Stelle wurde nun fein früherer Mit—
bewerber, Herzog Heinrich von Kärnthen, zum
König gewählt, der mit Anna, der Schwefter
Wenzels III., vermählt war und fi fogleich zu
Prag huldigen ließ. Durch feine willfürtihe Re—
gierung u. feine Schwäche verhaßt, mußte er bald
den Thron verlaffen, nadhdem auf Antrag des
größten Theils der böhmischen Stände König Hein-
rih VII. von Luxemburg feinen Sohn Johann,
der ſich mit Wenzels II. zweiter Tochter, Elifa-
beth, wermählt hatte, mit B. belehnt hatte. So
gelangte die luxemburgiſche Dynaftie zur Wegier-
ung über B. Johann (1310—46) murbe mit
feiner Gemahlin Elifabeth 1311 in Prag gelvönt,
brachte Mähren von den Herzögen von Ofterreid),
ferner Troppau von den Herzögen von Breslau
wieder an B. zurüd. Wenngleich feine Kämpfe
um Kärnthen u. Tirol für B. ohne Bortheil blie—
ben, jo brachte er dagegen die Lauſitz an B. zurüd,
nöthigte die meiſten jchlefiichen Herzöge zur Aner-
Benedig u. den Niederlanden. Breslau u. Prag
wurden Stapelftädte u. erreichten dadurch eine hohe
Blüthe. 1348 ftiftete er die Univerfität in Prag.
Alle Privilegien, die B. von den beutichen Kaiſern,
bejonders von ‚Friedrich II., erhalten hatte, wurden
von Karl duch die Böhmische Goldene Bulle ber
ftärtgt; e8 wurde den Ständen durch dieſes Neichs«
grundgefeg namentlich bie freie Wahl ihrer Fliriten
(u. zwar wicht bloß der Dynaſtie, fondern eines jeden
einzelnen) ausoridiich verbrieft. Mähren überließ
Karl feinem Bruder Johann als erbliches Lehn
(1349), dagegen ließ er fih 1353 von dem Marks
grafen Ludwig von Brandenburg das Einlöfungs-
recht auf die an Meißen —— Lauſitz ab⸗
treten ar; erhielt theils durch Kauf, theils durch
die Abtretung von feinem Schwiegervater, dem
Kurfürften Ruprecht von der Pfalz, die Ober-
pfalz, welche er 1355 mit B. vereinigte, m. fpäter
— er auch Brandenburg. Nach dem Tode
einer zweiten Gemahlin, Anna von der Pfalz,
vermählte er fih mit der Prinzeffin Anna von
Jauer, wodurch er Anſprüche auf die Fiirften«
thümer Jauer u. Schweidnig befam. 1355 ver-
einigte Karl die Lauſitz, Schlefien, Mafowien ı.
Plozt (lettere von Polen getrennt) mit B. 1376
beſtimmte Karl, daß nad) feinem Tode fein Ältefter
Schn Wenzel B. u. Schlefien, Siegmund Bran-
denburg und der dritte, Johann, Görlitz u. die
Niedersfanfit erben follten. Unter der Regierung
feines Sohnes Wenzel IV, (1378—1419 als Kaiſer
Wenzel 1.) gingen viele der vortrefflichen Einricht-
ungen Karls unter. B. wurde feit 1389 infolge
der Schwäche u, willlürlichen Herrſchaft Wenzels
Schauplatz der blutigſten inneren Kämpfe. Die
Böhmen ſelbſt nahmen ihn zweimal gefangen, das
dritte Mal fein eigener jüngerer Bruder Sieg-
mund. Im J. 1400 wurde er wegen feiner line
thätigfeit von den Kurfürften feiner Katferwiirde ent«
fest; gegen das Ende feiner Regierung entbrannte
in B. der Aufftand der Huffiten, durch welchen
B. u. die benachbarten Länder verheert wurden.
V. Bon den Huffitenunruben bis zur
Shladt am Weißen Berge, oder dem
änzlhichen Erlöſchen der böhmiſchen Wahls
————— 1419 — 1620, Auf Wenzel ſollte
ſein Bruder Siegmund, deutſcher Kaiſer u. König
von Ungarn, folgen; aber weil dieſer Huß (f. d.
Art.) in Konftanz hatte verbrennen laffen u. nicht
zugegen war, * ſich die Freunde der neuen
* gegen ihn, und nur mit Mühe gelang es
Sophien, der Wittwe Wenzels, einer eifrigen Hufe
ſitin, im November 1419 einen Waffenſtillſtand
zu Stande zu bringen. Durch Siegmunds
ihwantendes und fehlerhaftes Benehmen wurde
der Huffitenfrieg (ſ. Huffiten) genährt, und erft
nachdem 16 Jahre hindurch B. verwüſtet u. ver«
620
Böhmen (Gejchichte).
heert worden, gelang es ihm durd die Spaltung |religiöjem Hader, bis der Neligionsfriede von Kırt«
der Anhänger, nah langen Berbandlungen auf)
dem Iglauer Pandtage, der die Unterhaudlungen
mit der Beröffentlihung der Prager Compactate
endete, B. 1436 zu beruhigen. Unter feiner Re—
gierung trat Brandenbnrg aus dem Lehnsverband
der böhmiichen Krone, in dem 1417 Siegmund
fih genöthigt ſah, den Burggrafen Friedrich von
zen ınit dem an denſelben verpfändeten
randenburg zu beiehnen. Als mit Siegmund
das Iuremburgifche Haus in B. erlofh, jo folgte
ihm gemäß den Erbverträgen u. mit Zuſtimmung
der Fatholiihen Stände des Königreiches der Ge»
mahl feiner Tochter Elifabeth, Herzog Albrecht V.
von Öfterreih (1437—39) auf den Thron. Aber
fein frühzeitiger Tod führte zu neuen Unruhen.
Die Mehrzahl der Stände beichloß die Niederfunft
der Wittwe Albrechts II. abzuwarten und drang |binterließ, jo
nach der Geburt eines Sohnes, Yadislaus (Wlar
dislaw) Poſthumus (1440 — 57), auf die Wahl
diefes nachgeborenen Schnes Albrecht3 II. Aber
die Huffiten ſuchten die Wahl zu hindern. As
jedoch Herzog Albrecht von Bayern und Kaifer
Friedrich ILL. die ihnen bargebotene Krone ausge-
ſchlagen hatten, wurde Ladislaus als König aner—
fannt, u. Dis zu deſſen Bolljährigfeit die Regier—
ung einem Reichsgubernium, gebildet aus Ulrich
v. Nofenberg, Meinbatd v. Neuhaus u. Heinr. Ptaczet
(1444 ft. Ptaczeleu. an feiner Stelle wurde Georg
Podiebrad ermwählt) übertragen. Nah dem Ein»
tritte Bodiebrads in das Gubernium fam es zu
einem längeren inneren Kriege, der damit endete,
daß 1452 endlich Podiebrad von allen Ständen
als Gubermator des Reiches anerlannt wurde,
Hierauf wurde im October 1453 Ladislaus in
Prag gefrönt. Als er 1457 wieder nah Prag
fanı, mm dort feine Bermählung mit einer Toch—
ter des Königs Karl VII. von Franfreih zu voll
ziehen, jtarb er fon im November, bevor feine
Braut in Prag angelommen war. Auf die Krone
Bes machten num der Kaijer Friedrich III., jein
Bruder Albrecht, fein Vetter Siegmund von Dfter-
reich, der Herzog Wilhelm von Sachſen, der König
Kaſimir von Polen u, der König von Frankreich
für einen feiner Söhne Anfprud; aber feiner der-
felben erbielt fie, fondern aın 2. März 1458 brachte
es der Erzbiichof Rofyczana von Prag dahin, daß
Georg Podiebrad (1458— 71) einftimmig zum Kö—
nig gewählt wurde. Er behauptete ſich durch klu—
ges u. thatfräftiges Vorgehen gegen den püpit-
lihen Bannſpruch und gegen Matthias von Un—
gar, welcher, vom Kaifer zum Gegenlönig erbo-
en, 1469 den Titel eines Königs von B. an»
nahm, auf dem Throne bis an jein Lebensende,
Jedoch durch doppelziingige Bolitit nach außen,
ſowie Unentichloffenbeit in den religiöſen Partei-
fragen verhinderte er die Bildung einer nationa«
len Dynaſtie, jowie eine vadicale Heilung des all-
gemeinen Elendes. Nach feinem Zode wurde der
15jährige Prinz Wladislaw von Polen (1471 bis
u zum König gewählt. Darüber wurde er
mit Matthias in einen nachtheiligen Krieg ver-
mwidelt, der 1479 durch den Frieden von Olmütz
beendet wurde, nach welchem Wladislaw DB, be-
bielt, Mähren, Schleſien u. die Yaufits aber an
Matthias fielen. Hierauf Fam es in B. zu neuem
tenberg 1485 dem Kirchenftreite ein Ende machte.
Nach dem Tode des Matthias Eominus (1490)
wurden Sclefien, Mähren u. die Laufib wieder
mit B. vereinigt u. Wladislaw felbft zum König
von Ungarn gewählt. Er verlegte darauf zum
großen Schaden B-8 jene Reſidenz nah Dfen;
denn in jeiner Abwefenheit bemädhtigte ſich ber
Adel der Herrſchaft u. führte durch ſeine Willfür
einen 16jährigen inneren Krieg herbei. Ungeachtet
der Barteiungen erfannten dennoch die böhmiſchen
Stände die Nachfolge feines Sohnes Ludwig
(1516—26) au, der aber erft 1522 nach B. kam.
Unter feiner Regierung famı es im B. bereits zu
heftigen Streitigfeiten zwiichen den Yutheranern
u. Katboliten. Am 29. Aug. 1526 fiel er bei
Mobacs gegen die Türken, n. da er feinen Sobn
gebührte nah der Erbfolge dem
Erzherzog Ferdinand (1526 — 64), Bruder des
Kaifers Karl V., oder eigentlich deſſen Gemahlin
Anna, Schweſter des Königs Ludwig, die Nach-
folge. Da aber nicht das Grbfolge-, jondern das
Wahlreht Grumndgeie war, jo entidied diefes
letzte. Gegen eidliche Gelobung der Wahlverträge,
welche die ansgebehnteften Freiheitsrechte zufiber-
ten, wurde dann Ferdinand 4. October 1526
zum König von B. gewählt. Derielbe mußte
durch perjönlihe Energie das königliche Anſehen
im Lande wieder zur Geltung zu bringen und
religiöje nud andere Zwiſtigkeiten durch kluge
VBermittelung beizufegen. Im Schmallalbiichen
Kriege (1546) verlangte Ferdinand von B. die
Aufftellung eines Heeres gegen den Schmaltal-
diihen Bund. Er ftieß aber bei den böhmiſchen
Ständen auf Widerftand, welche die Sache des
Kurfürften von Sachſen nicht verlaffen wollten,
Sa, es batte jeit März 1547 den Anichein, als
ob die Stände mit den Sachfen gemeiniame Sache
machen wollten. Die Schlacht bei Miübhlberg än-
derte die Sachlage. Nah einem kurzen inneren
Kriege wurde auf dem fogen. Blutigen Landtage
(Auguft 1547) B. fir ein Erbreich erflärt u. dem
habsburgiichen Haufe zugeiproden. 1548 ftiftere
Ferdinand das Appellationstribunal in Prag u.
lam jeitdem jährlih nad B., aber nur um Geld
u. bejonders feit 1551 Truppen gegen die Türken
u, gegen Johann, feinen Gegenkönig in Ungarn,
zu erhalten. Inzwischen dachte er daran, die fa»
tholiiche Religion zur alleinherrfhenden in B. zu
machen, aber befonders die Utraquiſten waren ihm
noch zu mädtig u. nöthigten ihn 1554 auf dem
Landtage, ihrem Conſiſtorium bejondere Beichüter
aus dem Herren» u. Nitterftande zu geben; da—
gegen wurde 1556 auf Bitten der fatholifchen
Stände zur Erziehung ihrer Söhne ein Jeſuiten—
collegium zu Prag eröffnet. 1562 wurde auch
wieder ein. katholiſcher Erzbischof in Prag (jeit
1521 der erfte) angeftellt. Auf Ferdinand I. folgte
fen Sohn Marimilian (1564—76, als Kaifer
Maximilian IL), der ſchon 1563 gefrönt worden
war. Den Proteftanten geneigt, ftellte diejer die
Einigfeit unter feinen Untertbanen in B. wieder
ber. Unter ihm wurden die Compactater, zum
Schutze der Utraquiſten aufgeitellt, aufgehoben, da
der Papſt dieien den Genug des Kelches erlaubte,
wogegen fie die Priefterehe aufgaben; er ;:b
Böhmen (Geſchichte).
Lutheranern Superintendenten, die einen Theil
der biſchöflichen Rechte genoffen. Alle Jahre wurde
während feiner Negierung in Prag Yandtag ge:
halten. Auf dieſem Landtage vereinten ſich die
Lutheraner, Reformirten u. Böhmifchen Brüder
zu einer Confeſſion, da der König freie Religions-
ausitbung bewilligt. Sein ältefter Sohn, Ru—
dolf I. (als Kaifer Rudolf II.), jhon 1575 zum
König gewählt, folgte ihm 1576. Bon Natur
rubheltebend u, den Wiſſeuſchaften u. fchönen Kün—
ften zugethan, geftattete er vor 1602 feine Stör—
ung des durch Marimilian II. befeftigten Reli—
gionsfriedend. Die Proteftanten und Katholifen
lebten einträchtig unter einander, u. die Stände
hielten auf ihre Geredtiame. Dem Model u. den
Städten verlieh Rudolf große Privilegien. Die
Eibe wurde während jeiner Regierung noch weiter
aufwärts jchiffbar gemacht, die Polizei und der
Bergbau verbefiert, u. Prag, das er zu jeiner be-
ftändigen Reſidenz erwählte, blühte mächtig auf.
Der Vohlftand des übrigen Landes fing aber an
zu verfallen, da Rudolf fich immer mehr von allen
Negierungsgeihäften zurüdzog u. die Berwaltung
feinen Geheimräthen überließ. Die Thronfolge in
B. wollte er, mit Übergehung feiner Brüder, den
Erzherzog Ferdinand von Stetermarf zuwenden, u.
diejer, eim eifriger Katholik, bewog Rudolf, die
Proteftanten ſchon bei feinen Lebzeiten zu unter-
drüden, 1602 befahl ein Edict die Schließung
einiger proteftantiichen Kirchen, wurde aber nicht
ausgeführt, weil die Mehrzahl der Stände Pro-
teftanten waren. Ein Berfuh, 1605 eine Art
Inquiſition einzuführen, mißlang ebenfalls und
führte, zu einer Verbindung zwiihen den Ständen
von Öfterreih, B., Mähren, Schlefien u. der
Laufig zum gegenfeitigen Schutze (Sept. 1606).
Matthias benutzte diefe Unzufriedenheit u. trat
mit den proteftantiichen Ständen B-$, Ungarns
u. Oſterreichs in Verbindung. Er brachte ein
Heer von 20,000 Mann zufammen u. zog damit
graen Prag, um Rudolf vom Throne zu ftoßen.
udolf erhielt wol 1608 die von B. auf einem
Landtage in Prag erbetene Hilfe, doch erſt nad
dem er bie Beftätigung der Vorrechte B-8 zuge-
ftanden u. auf dem nächſten Yandtage Religions»
freiheit verfprochen hatte. In dem noch in dem—
jelben Jahre gejchlofienen Frieden verlor Rudolf
alle feine Länder bis auf B. u. einen Theil von
Tirol; ihm blieb nur der Königstitel u. ein klei—
nes Jahrgeld. Matthias aber wurde zum Nach»
folger Rudolfs beſtimmt. 1609 berief Rudolf
einen Landtag. Die Stände weigerten fich indeß,
eher irgend einen Act vorzunehmen, bis über die
veriprodene NReligionsfreiheit berathen und bes
fchloffen fei. Der König fuchte indeß die Berath-
ung binauszufchieben, aber die Protejtanten ber
ftanden auf Wiedereinräumung ihrer Kirchen u.
auf Wiederherftellung der WReligionsfreiheit, wie
fie unter Darimilian gemwejen war, Erjt nad)
einem neuen Aufftande der Proteftanten im Mai
u. dem Zuſammeuntritt einer Berjammlung der
epangeliihen Stände zu Neuſtadt unterichrieb Ru—
dolf 12. Juli 1609 den Majeftätsbrief, worin
den Evangeliihen volltommene NReligionsireiheit,
ein Unterconfiftorium u. das Recht, Defenforen
621
ftät eingeräumt wurde. Dem Rechte der Erbfolge
zuwider gedachte nun Rudolf feinem Better Leo»
pold, Ferdinands Sohn, Die Erbfolge in 8, zu
vecſchaffen. Audolf ließ zu dem Ende das jog.
Vaſſauer Kriegsvolt, ein Heer, welches Erzherzog
Leopold für ihn zur Bejegung der Jiluͤchſcheñ
Yande geworben Bette nicht, wie veriprochen,
auseinandergehen, fondern ertbeilte dem Com—
mandeur deffelben den Befehl, mit demielben ge—
gen B. vorzuriden, ohne fich genau über Zıved
u, Biel dieſes Zuges zu erflären, Derjelbe wandte
fih gegen B., plünderte Budweis, rückte gegen
Prag und nahm auch die Kleinfeite von Prag.
Aber die Altſtadt vertheidigte fich bartnädig u.
mit Glück, u. die Stände, da fie den Kaiſer nicht
zum Zurüdziehen der Truppen zu bewegen ver-
mochten, ernannten am 27, Febr. 1611 eine Re—
gentihaft von 30 Perjonen, welche in des Königs
Namen regieren follten. Als inzwiſchen auch Kö—
nig Matthias mit 18,000 Mann gegen das Heer
des Erzherzogs Leopold beranzog, fo brach das
Paſſauer Bol bei Nacht zum Nüdzuge auf und
ging, vom Erzherzog Leopold verlaflen, bei Bud
weis ans einander. Nun rückte König Matthias
24. März in Prag ein, und Rudolf ſah ſich
genötbigt, ihm auch B. abzutreten, ſich bloß den
Königstitel u. das Schloß zu Prag vorbehaltend
(11. April 1611). Rudolf ft. im Januar 1612,
u, Matthias (1612—18), der ſich kürz zuvor mit
der Prinzeffin Anna von Zirol vermählt hatte,
um wo möglich felbft nod Söhne zu erzeugen u,
jo den Erzherzog Ferdinand von der Erbfolge
auszuſchließen, war nun allein König von B. u.
römtch-denticher Ktaifer. Die Gemahlin des Kai—
jers veränderte deffen Sinn, fühnte ihn mit Fer—
dinand, meiden er au Sohnes Statt annahm,
aus und machte ihn den Protejtanten abgeneigt,
Die Jeſuiten befamen nun mehr u. mehr Eins
fluß, u. der Erzbifchof verfuhr mit offener Gewalt
gegen die Proteftanten, fo daß dieſe, wiewol ver»
geblich, über Verlegung des Majeftätsbriefes Klage
erhoben. Als Matthias im December 1617 fi
von Prag nah Wien begab u. eine Regeutſchaft
von 7 katholiſchen u. 3 proteſtantiſchen Statthal«
tern einfegte, hielten die evangelifchen Stände die
Neligionsfreigeit fir ernftlich bedroht u. traten im
März 1618 im Garolinum zu Prag zuſammen,
um dem Kaifer Borftellungen zu machen. Der
Kaiſer gebot den Ständen auseinanderzugehen
u. bedrohte die Häupter derfelben, die Religions»
defenforen, mit ftrenger Strafe. Die Stände ge-
bordhten nicht, u. am 23. Mai fam es zu beim
Auftritte in der Gtatthalterei, bei welchem die
proteftantischen Stände unter Führung des Grafen
von Thurn, welcher befonders dur die Abnahıne
der Krönungsinfignien beleidigt war, die Statt-
halter Slawata u. Martiniz und den Gecretär
Fabricius durch das Fenſter hinab warfen. Nach
diefer Selbithilfe fegten fich die böhmischen Stände
in Bertheidigumgszuftand u. ernannten eine Re—
gierung von 30 Perjonen u. den Grafen Thurn
zum Anführer des ftändiichen Heeres, Kaiſer
Matthias wollte es anfangs vermeiden, mit
Waffengewalt gegen die Empörer einzufchreiten,
und ftarb, ehe er zu einem Entichluffe kommen
für daffelbe zu ernennen, fowie aud die Univer-konnte. Nach feinem Tode verfuchte Ferdinand
622
(1619— 37) ebenfalls auf dem Wege der Milde,
den böhmischen Thron wieder zu erlangen; aber
die Stände würdigten feine Forderungen feiner
Antwort, und Graf von Thum zog mit feinem
Heere bis nah Wien. Graf Dampierre rettete
mit 500 Neitern die Stadt u. den bedrängten
Kaifer. Der böhmiſche Feldherr zog auf den
Ruf der Stände nah Prag zurüd, u. dieſe wähl-
ten 10, März 1619 den Kurfürften ‚Friedrich von
der Pfalz zum König. Bwei Tage jpäter erfolgte
in Frankfurt Ferbinands Wahl zum deutichen
Kater. Die nun folgenden Ereigniffe, der un—
glüdliche Krieg des jungen Königs Friedrih mit
‚zerdinand, fallen zufammen mit der Gejchichte
des Dreißigjährigen Krieges; |. d.
VI. Bom Ende der Selbftändigleit B-s
bis zur Gegenwart Mit der Schlacht am
Weißen Berge (1620) hörte B. auf ein jelbitän«
diges Königreich zu fein u. wurde nad u. nad)
ganz mit den öfterreichifchen Yanden verſchmolzen.
Zugleich vollzog fihb in B. eine vollſtändige Um—
wälzung. Die Jeſuiten kehrten wieder zurüd;
die Proteftanten, welche bis dahin 3 Biertheile
der Bevölferung ausgemacht hatten, murden ver»
trieben; das Land durch diefe Mafregeln, fowie
die Drangfale des verheerenden Krieges verödet.
Wol fuchte Ferdinand III. (1637—57) durch An-
fiedefung deutſcher Coloniften die Vevölferung zu
mebren, durch eine jortwäbhrende Thätigleit nach
Kräften die Schäden zu heilen; dod war er zu—
gleich bemüht, den deutſchen Geiſt in B. zu für«
dern u, allenthalben öfterreihiiche Formen einzu«
führen. Dies war auch die maßgebende Politit
feiner Nachfolger, Teopolds I. (1657— 1705), un«
ter welchem B. wieder infolge des Banernanfitan-
des im Yeitmeriger, Piliener u. Czaslauer Kreiſe
u. der verheerenden Peft zu leiden hatte, Joſefs 1.
(1705—11) u. Karls VI. (171140). Nach des
Letzteren Tode machte Karl Albert von Bayern
Anfpriüche auf B., aber Maria Therefia (1740
bis 1780) gelangte nah kurzem Kriege in den
Beſitz B-8 u. behauptete daffelbe. Freilich war
fie im Anfange ihrer Regierung nicht im Stande,
für das Yand Etwas zu thum. Im Öfterreichifchen
Erbfolgefriege (1740—45) litt B. viel; Preußen,
Sachſen, Bayern u. Franzoſen fielen dort ein (I.
Oſterreichiſcher Erbfolgelrieg) und belagerten u.
nahmen Prag mehrmals; auch im Siebenjäbrigen
Kriege (ſ. d.), 1756—63, wurde B. mehrmals
Schauplatz des Kampfes, u. Brag ward 1756
von den Preußen belagert, jedoch nicht genommen,
Die Friedensjahre aber zeigen die thätige Fürſtin
auch in ®. als wahre Yandesmutter, die jeden
nachtheiligen Einfluß abwehrt u. für die Gründ-
ung eines Wohlftandes bemüht war. Joſefs II.
Negierung (1780— 90) rief in B. diefelben Er-
ſcheinungen hervor, welche aud im den übrigen
öfterreichifchen Ländern Folge feines zu raſchen
Vorgehens waren. Er linderte zwar jeden Drud
u. ftenerte jedem Unfuge, erregte aber durch jein
raſches Borgeben Unzufriedenheit, melde dann
unter der Regierung feiner Nachfolger Leopold LI,
(1790—92) u. Franz II. (1792—1835) zur Ab—
fhaffung mander heilſamen Inſtitutionen führte.
Die lange Friedenszeit entwidelte jedoch B-s In—
duftrie, verpollfommete den Aderbau u. fürderte
Böhmen Geſchichte).
eine bisher nie vorhandene Regſamleit in allen
Zweigen der Ofonomie zu Tage, welche unter
der Regierung Ferdinands I. (1835 —48) noch
weitere ;yortjchritte machte. In der bewegten Zeit
des J. 1848 ergriff die Böhmen noch einmal das
Verlangen nad nationaler Selbftänbigfeit; die
Idee des Panſlavismus fand auch bei ihnen
lebhaften Anklang, und 2. Juni trat in Prag
der Slavencongreß zuſammen. Während des Gon-
grefied erhob ſich Die tichechifche Partei der Stadt
in offenem Aufruhr, welden der Fürſt Windiich«
gräs am 15, u. 16, Juni mit Waffengewalt un-
terdrüdte,. Während des erften Conftitwirenden
Reichsſstages OÖſterreichs bildeten die tichechiichen
Deputirten eine compacte Mafje u, unterftütsten
die Regierung in der Belämpfung der magyari«
ſchen Inſurrection. Sie übten auf den Gang der
Dinge insbejondere feit der Verlegung des Reichs—
tages nad Kremſier den größten Einfluß. Zu
gleiher Zeit fteigerte fih in dieſen Tagen die
‚Feindjeligleit zwiichen dem deutſchen u. flapiichen
Element in B. Zwar wurde dieſe jeit der
Schöpfung des öfterreichiichen Gefammmtjtaates unter
Franz Joſef I. (feit 1848) mieder gemindert; jer
doch im J. 1865 vollzog ſich infolge Belcredis
Scptembermanifeft das gegen die Deutich- Böh-
men gerichtete Bündniß der National» Kleritalen
u. Feudalen; doc führte diefer Bund zur Spalt
ung im eigenen Lager zwiſchen ben Alt- und dem
JungsZichehen. Während die Alt⸗Tſchechen (Rie-
ger u. Baladi) an der Verbindung mit der Heritals
teudalen Partei (Clam Martinicz) feftbielten, ſon—
derten fich die Jung-Zichehen (Zladfovsty), welde
die Einführung freiheitlicher Inſtitutiouen anſtre—
ben, immer mehr von den erſteren. Beſonders
als die Feudalen durch ihre überſpaunten Forder-
ungen das Miniſterium Hohenwart October 1871
zum Falle gebracht hatten u. die alt⸗tſchechüche
Partei wieder zur Abstinenzpolitit zurückkehrt,
wurde der Öegenjag immer größer, u. gegenwär—
tig nehmen die JungTſchechen, deshalb heftig an-
gefeinder, mit den Deutſchen wenigitens Antheil
an den Yandtagsfitiingen in B. Im J. 1866 war
B. wieder in bedeutendem Maße Kriegsichauplas,
indem auf feinem Boden die Schlachten von Kö-
niggräb u. a, ansgefodhten wurden. Das Aus-
führliche iiber die Geichichte des Yandes ſeit 1620
J. unt. Öjterreih (Geſch.).
Literatur. M. Boregk, Böhmiſche Chronik,
Wittenbeeg 1587, 2 Thle., Fol.; Marq. Freher,
Rerum bohemicarum antiqui seriptores, Hann,
1602, Fol.; W. Hagecius, Böpmifce Ehronit, aus
dem Böhmiſchen von J. Sandel, Nürnb. 1697, Fol;
G. Dobner, Monumenta historica bohemica, Brag
1764—68, 2 Thle,; Fr. Pubitichla, Chronologiſche
Geſchichte von B., ebd. 1770—84, 6 Bde.; Scrip-
tores rerum bohemicarum, 1. u. 2. Thl., ber-
ausgegeben von Pelzel u. Dobrowsty, Prag 1783
bis 1784, 3 Thle., herausgeg. von Palady, ebd.
1829; F. M. Belzel, Gejhichte von B., ebd. 1772,
4. Aufl., ebd. 1817, 2 Thle.; K. L. v. Woltmann,
Inbegriff der Geſchichte B-s, ebd. 1815, 2 Bde.
J. F. Schneller, Geichichte von B., Dresd. 1827,
3 Bohn; F. Palady, Gedichte von B., Prag
1836— 67, 5 Bde; Jordan, Gejcichte des böh—
miſchen Volles, Lpz. 1845—47, 3 Bde; Schmal-
Böhmer — Böhmert.
623
fuß, Die Deutſchen in B., Prag 1851; Schlefinger,|1869. 3) Georg Wilhelm Rudolf, nambafter
Geſchichte von B., Prag 1869. 1@eogr.) Eicalel.
Böhmer, 1) Georg Rudolf, berühmter Arzt|deburg; wurde 1824 Privatdocent der Theologie
n. Naturforjcher, geb. 1. Octbr. 1723 in Liegnitz; in Berlin, 1825 Profeffor der Theologie in rein
ing 1742 nach Leipzig, um Medicin u. Philo- wald, 1828 in Halle, 1829 wieder in Greifswald
* ie zu ſtüdiren, wurde 1749 Magiſter, promo-|und 1832 in Breslau; ft. 25. Nov. 1863.
Theolog, geb. 5. März 1800 in Burg bei Mag«
Er
virte 1750 als Doctor der Medicin u.verlegte fihlichr.: De Hypsistariis, Berl. 1824 (Bemerf.
num befonders auf Botanif, als deren würdigfter| dazu, 1826); Isagoge in epist. a Paulo apost.
Vertreter er bald galt. 1752
der Medicin n. Botanik nad Wittenberg, wo er
unter den traurigften Berhältniffen die Facultät
faft allein vertrat u. zu Ehren bradte — er las
auch die gänzlich vernachläffigte Chemie — fchlug
einen Auf nah Gießen u. Erlangen aus, unter»
hielt faft auf eigene Koften den Botanischen Garten
u. legte eine ziemlich bedeutende Inſtrumenten ·
famnmlung an, wurde 1766 Kreisarzt, 1783 Prof.
der Therapie, 1792 Phyſikus in Kemberg; er feierte
unter Berheifigung der Facultäten fein 60jähriges
Doctorjubiläum u. ftarb am 4. April 1793 als
Senior. Außer zahlreihen Programmen und
Differtationen botanischen u. medicinischen Inhaltes
bat er noch geichrieben: Spermatologia vegetalis
I.—VIL, £pz3. 1777—84, 1785 vereinigt umd mit
einer Differtat.: De contexta celluloso vegeta-
bilium, vermehrt, herausgeg.; Flora Lipsiae indi-
gena, ebend. 1750; Spftematiiches literarifches
Handbud der Naturgefhichte, Olonomie und ar»
derer damit verwandten Wiffenihaften u. Künfte,
ebend. 1785—89; Technische Gejchichte der Pilan-
zen, weldje bei Handwerken 2c, gebraucht werden,
ebend. 1794; Lexicon rei herbariae, ebend. 1802.
Außerdem betbeiligte er ſich an der deutſchen Be-
arbeitung dev Philoſoph. Transactionen und an
den Commentarii Lipsienses de rebus in historia
naturali et medieina gestis. 2) Joh. Friedr.,
deuticher Geichichtforfcher,, geb. 1795 in ‚Frankfurt
a. M.; ftudirte in Heidelberg und Göttingen Ju-
risprudenz, lebte feit 1818 einige eitin Non und
mwurde 1822 bei der Stabtbibliothef zu Frankfurt a.
M. u. als Mitadminiftrator des Städelichen Kunft-
inftituts, feit 1825 aud beim Archiv angeftellt
u. feit 1830 erfter Stabtbibliorhelar; ft. 22. Oct.
1863. Er fhr.: Die Urfunden der römischen Kö—
nige u. Kaifer von Konrad I. bis Heinrich VIL.,
911—1313, Frankf. 1831; Die Reichsgeſetze von
900—1400, ebd. 1832; Die Urkunden ſämmt—
liher Karolinger, ebd. 1833; Urkundenbuch der
Reichsſtadt Frankfurt, ebd. 1836; Die Urkunden
Lubwigs des Bayern ꝛc., 1889; dazu 2 Ergänz-
ungsbefte, 1841 u. 1846; Wegeften des Kaijer-
reiches von 1246—1313, 1844; dazu Er⸗
änzungsheft, ebd. 1849; die Regeſten des Kai—
——— von 1198— 1254, ebd. 1847—49, 2 Bde.;
Fontes rerum german., 1843—51, 3 Bde. Wit-
telsbachſche Regeſten von 1180 bis 1340, Stuttg.
1854; unvollendet Hinterließ er die Negeften des
Erzbisthums Mainz. Aus feinem Nachlaß gab
zu den Urkundenregeften Ludwigs von Baiern zc.
u. zu deren zwei Ergänzungsheften Ficker das 3,
Ergänzungsheft, Insbr. 1865, u. Acta imperii
selecta (Urtunden deutfcher Könige u. Kaifer mit
einem Anhang von Reichsſachen), ebd. 1866 ff.;
jein Leben, Briefe und Heinere Schriften Koh.
Janſſen, Freib. 1868, 3 Bde., heraus; der Vet-
tere ſchrie
ing er als Prof. ad Coloss. datam, ebd. 1829; Hermogenes Afri-
canus, Stralſ. 1832; Symbolae biblicae ad
dogmat. christ, Bresl. 1833; Auslegung des
Paulinifchen Sendichreibens an die Koloffer, ebd.
1835; Die chriftlich-Firdhlihe Alterthumswiſſen⸗
ichaft, ebd. 1836—39, 2 Bbde.; Die chriftliche
Dogmatif, ebd. 1840—43, 2 Bde.; Theologiſche
Erhif, Bresl. 1848; Syſtem des chriftlichen Le—
bens, Berl. 1853; Die Lehrunterſchiede der Ka—
tboliichen u. Evangeliihen Kirchen, ebd.r1857 bis
1863, 2 Bbe. . 1) Thampayn.
Boehmeria Jacgq., Pflanzengatt. aus der Fam.
der llrticaceen (XXII. 4), perennirende Kräuter,
mit gegenftändigen, ungleichjeitigeu, zugeipisten,
gejägten Blättern und eingejchlechtlichen, zweihäu—
figen, zu Köpfchen zufammengedbrängten Blüthen;
männl. Blüthen mit Atheiligem Kelche u. 4 Staub-
blättern; weibliche Blüthen ohne Kelch u, Blumen—
frone, nur aus einem Stempel mit 2 Griffen
beftehend; die bisweilen 1—1"/, m langeu Sten-
gel befiten mie alle Urticaceen einen jtarl ent»
widelten Baft, daher werden die Baftfajern diefer
Pflanzen vielfach wie Hanf u. Flachs verwendet;
vor Allem liefert B. tenacissima Rorb., (B.
utilis Bl.), von Sumatra, das Material (Ramie-
fajer, Rameh) zu jehr dauerhaften Seilen; aus
dem Bafte der in China u, Japan cultivirten B.
nivea Hook. et Arn. (Chinagras, chineſiſcher
Hanf) wird bie chinefiihe Leinwand verfertigt.
Auf den Sunda-mjeln wird jet auch vielfach B,
sanguinea Hank. angebaut; auch manche andere
Arten, wie B. frutescens Bb. u. B. clidemaides
Migq., werben in Oftindien verwendet, nah Eu—
ropa fommen aber nur die Faſern der beiden
erfigenannten Arten; namentlich jtellt man im
Englaud, Frankreich, in Deutjchland in Chemnig
u. Oldenburg ſchneeweiße, feidenartige Stoffe aus
dem Chinagras dar. Engler.
Böhmert, Karl Bictor, deutſcher Natio—
nalöfonom, geb. 23. Aug. 1829 zu Quefig bei
Leipzig; docirte nach vollbradten Studien in Hei:
deiberg, führte 1856—1860 die Nedaction des
Bremer Handelsblattes, war darauf Syndicus
der Bremer Handelsfanımer, wurde 1865 Pro-
feffor der Vollswirthſchaft an der Unwerfität u.
am Polgtechnicum zu Züri, bis er 1875 den
Ruf als Profefior derjelben Wiffenihaft am Poly«
technicum und Director des Statift. Bureaus nach
Dresden erhielt. Er iſt einer der eifrigften Ver—
treter der fog. Mauchefterpartei und wirkte viel
für Gemwerbefreibeit u. Freizügigkeit. Er ſchrieb:
‚Freiheit der Arbeit, Brem. 1858; Beitrag zur
Geſch. Des Aunftwejens, Lpz. 1861; Unterſuch.
über die Yage der yabrifarbeiter in der Schweiz,
Zürih 1872; Der Soctalismus u. die Arbeiter-
frage, ebd. 1872, u. m. a, Schriften; Arbeiter:
verhältniffe und Fabrifeinrihtungen der Schweiz,
D-8 Leben und Anfhauungen, ebd.!Bericht, erftattet im Auftrage der eidgen. Gene-
624
ralcommiffion für die Wiener Weltausftellung, 2]tin.
Seit 1873 redigirt B. in iſt der fog. Pfahl im Bayer. Walde, ein Quarz
Bde., Zürich 1873.
Böhmerwald — Böhmiſch-Brod.
Eine merfwürdige geognoftifhe Erſcheinung
Verbindung mit R. Gneift den Wrbeiterfreund, | felsiager, welches fi 112 km weit ziemlich par
Gentralorgan für
Klaffen, u. hat mit glüdlihem Erfolge die Me-
thode der eracten Unterfuhung und Bergleihung
von wirklichen Thatſachen eingeſchlagen. Bal.
noch beſ. ſeine Abhandlung: Über die Methoden
der focial-ftatiftifhen Unterfuchungen, mit befonde-
rer Berüdfihtigung auf die Statiftif der Löhne
u, Preife, Separatabdrud aus dem 3. Onartalbefte
der Zeitſchr. für ſchweiz. Statiſtik, 1874. Gongen.
Böhmerwald Böhmiſch-bayeriſches Waldge-
birg), Gebirgszug an der Grenze Deutichlands
u. Oeſterreichs; ſtreicht von der Eger in ſüdöſtl.
Richtung zum Mübifiuffe und zur Donau und
bildet dig Wafjerfcheide zwischen diefem Strome
u. der Möldau, ſowie die politiiche Grenze zwiſchen
Bayern u. Böhmen. „einer formation nach ift
der Gebirgszug vielfach veräftelt in mit einander
parallel laufende od. zu einem Gebirgsftode zujam-
menſchießende Zweige. Ein ununterbrocener Ger
birgsrüden ift mur bei dem mittleren Theil von
den Quellen der Moldau bis zu dem Einſchnitte,
der durch das Thal des Chambadhs zwiſchen
Eſchllam u. Neumarkt gebildet wird, wahrzuneh-
men, Diefer Theil trägt auch die höchſten Berg:
fuppen bes ganzen Gebirgszuges, nämlid den
Offer 1239 m, an der öfterr.-bayer. Grenze, den
Arber 1476 m, den Rachelberg 1448 m, beite auf
bayer. Boden, u. verzweigt fich gegen NOften in
das Wohl der arbeitenden rallel mit dem Regen von Schwarzenfeld bis nach
Klafferftraß am Dreifeffelberge hinzieht und eine
ftellenweife hoch über den Erdboden bervorra-
gende Felſenmauer bildet. Edle Metalle findet
man an feiner Stelle des Bees. Das ganze Ge—
birg trägt einen vauben Charafter, u. die Nieder-
ſchlagsmenge ift jehr bebeutend, Die Waldregion
reicht faft bis auf die Gipfel; Tannen, Fichten
u. Buchen Eilden den Hauptbeftand des Hodmal-
des, der durch irrationelle Entbolzung u. durch die
Verheerungen des Borkenkäfers ſtellenweiſe ſehr ge-
lichtet iſt. Die zahlreichen reißenden Berggewäſſer
erhalten einen großen Theil ihrer Waſſermaſſe
aus den fogenannten Filzen, weiten Moorgründen
in den hochgelegenen Thälern, welde von den im
Juni ſchmelzenden Schneemaffen getränft werden.
Diefe Filze find an einigen Stellen 4 bi$ 6 m
tief u. verdrängen, fich ausdehnend, die Baum-
vegetation. Die Bewohner des Bres find meift
deuticher Abftammung; an der böhm. Grenze
berricht theilweife das tſchechiſche Element. Eritere
reden einen eigenthiimlichen, von der bayer. Mund⸗
art abweichenden Dialelt u. fchließen fi, an Sitte
u. Brauch der Roreltern hangend, ftreng gegen
Fremde, ja, einzelne Dörfer auch gegen einander
ab. Ihren Hauptunterhalt ziehen fie aus den
Wäldern, deren Holz fie entweder roh od, verarbeitet
in den Handel bringen. Sie fertigen daraus Zünd-
mebrere allmählich gegen das Thal der Wattawa ab- |hölzchen, Refonanzböden, Schindeln, Schachtelholz,
fallende, von den Quellbächen diefes Fluſſes durch | Holzihube, Kiichengeräthe zc.; im Südoſten zabl-
furdte Gebirgszüge. In der füdöftl. Fortfegung|reihe Glasfabrifen. An den Abhängen finden
jenfeits der Straße von Winterberg nad Freiung ſich oft jchöne Bichweiden; Hafer, Flachs u. Obft
erheben ſich der Dreifefjelberg 1490 m und der
Plödenftein 1376 m. Auf der Fortiegung, dem
Thomasgebirge, liegt die Ruine Wittinghaufen
(1040 m). Jenſeits der oberen Moldau fteigt
über einem vom Windbruche zum Theil zerftörten
Urwalde der Kubani 1357 m auf u. bei Krum—
mau der Planster- Wald mit dem Schöninger
1080 m. Zn Ober-Öfterreich jenfeit$ des Schwar«
zenberg-ftanals (772 m) wird das Gebirg pla-
teauartig, erhebt fi) wieder im Sternwalde bis
1124 m und an der Donau im Greinerwalde.
Die ſüdweſtl. Borfette nördl, von der Donau
heißt zwiſchen Mühl u. Ilz Paffauer- u. zwifchen
I; u, Regen Bayeriſcher Wald. Der Theil des
Be⸗es nördli vom Neumarkter Sattel zertheilt ſich
gleichfalls in mehrere neben einander herlaufende
Bergrüden mit geringer Gıpfelbüdung. Diefelben
find meift durch flache Sättel mit einander ver-
bunden, haben eine burdhichnittlihe Höhe von
faum 700 m u. verflachen fi) gegen den Fuß des
‚sichtelgebirges bis auf 500 m. Die höchſten Er-
bebungen bier find der Czerkow 1069 m am
Sid» und der Dillenberg 915 m am NEnbe.
Getrennte öftl. Gruppen enthalten den Michels«
berg bei Plan 726 m. Die Hauptmaffe des gan-
zen Gebirgszuges befteht aus Gneis und Granit;
Glimmerſchiefer zeigt fih nur auf dem Gebirgsftode
des Kunischen Gebirges bei Eifenftein. Der Plans-
fer Wald ift ein Öramutitgebirg, umgeben von
einem Gürtel von Hornblendefchiefer u. Gneis, mit
Einlagerungen von Kalkftein, Graphit u. Serpen-
fommt an einzelnen Stellen, aber meift nur lüm—
merlih fort. Graphitbergwerfe find in der Ge—
end von Schwarzbah u. Paſſau angelegt. Die
Sagd if ergiebig. Die widtigften Päſſe find:
Der Kerihbaumer-Paß 772 m (früher ging über
denjelben die Pferdebahn von Linz nad Judweis):
der B. von Bhilippsreut oder Kufchwarta 812 m,
die Straße von Winterberg über Freiung nad
Paffau; der P. von Eifenftein, am Wege von Klat«
tau nach Zwieſel am Regen, an ber Fortſetzung der
Pilfen + Priefener Eifenbahn; hier der Spitberger
Zunnel, 2000 m lang, einer der längften in Ofter«
reich; der Neumarkter PB. von Klattau nah Furth
448 m; nördl. von ihm das Trace der Böhm.
WBahn; nördl. vom Cerkow der P. von Wald»
münden 670 m, der von Pfraumberg 975 m
u. endlich der von Eger nah Waldſaſſen (Bahn).
In hiſtoriſcher Beziehung ift der B. als Böller-
iheide merkwürdig, indem er dem Bordringen
der Slaven gegen das Innere von Deutichland
einen Damm entgegenjete. Seiner Unzugänglich-
feit wegen diente der B. oft zum Berftede für
Flüchtlinge in kriegeriſchen Zeiten, für Raubge-
findel u. dgl. Bergl. Rank, Aus dem B., Lpz. 1551,
3 Bde.; Stifter, Der Hochwald, Lpz. 1852; Hod-
ftetter, Bd. 6, 7 im Jahrbuche der 8. 8. Geol.
Reichsanftalt (Wien 1855—56); Frhr. v. Helfert,
Der vermüftete B., in den Mitth. der K. 8. Geogr.
Gef. XVIL, 529 ff. Eicalet.
Böhmiſch⸗Aicha, ſ. Aicha.
Böhmiſch⸗Brod (Ozesky Brod), Bezirks-
Böhmische Brüder — Böhmifches Gewölbe.
hauptftabt in Böhmen, an der Sembera ur. öfterr,
Staatsbahn; Sit eines Bezirfsgerichtes; Zuder-
fabrit; im Gemeinbebezirte 3141 Em. rei 30,
Mai 1434 Sieg der Ealirtiner u. Katholifen iiber
625
anderen Evangelifchen u. wurden in demfelben Jahre
mit ihnen vertrieben. Sie zerftreuten ſich in alle
proteftantifchen Länder u. verſchmolzen nach u. nad)
mit den daſelbſt herrſchenden Religionsparteien.
die Taboriten, in welcher die beiden Prokope fie- Amos Comenius ward 1632 auf der Synode zu Liſſa
len u. die Macht der Zaboriten gebrochen wurde)zum Biſchof der zerftreuten Brüder geweiht.
(f. Huffiten).
öhmifche Brüder (feit Zinzendorf, eigentt.
unberedtigt, auch Mährifhe Brüder genannt).
Ein Neffe des ntraguiftiichen Erzbifchofs Rofyczana,
Gregor, aus ritterlihem Gefchlechte, friiher Bar-
füßermönh in Prag, ſammelte die Reſte der
ZTaboriten, die ftrengeren Calirtiner u. die Ehel-
eziter Brüder zu einer gegenüber den freieren
Huffiten (Ealigtiner, Utraquiften) felbftäudigen
religiöfen Gemeinſchaft, die 1457 mit Erlaubnif
des Königs Georg von Podiebrad u. mit Begün-
figung Rokyczanas eine Eolonie im Dorfe Kun-
wald gründete und bald auch an dem Pfarrer
Mid. Bradacz einen kräftigen Förderer ihrer
Sache gewann. Sie nannte ſich Unitas fratrum,
Brüpdermmität, ihre Anhänger Fratres legis Christi,
Br. vom Geſetze Ehrifti, Fratres unitatis, Bril-
der von der Unität, auch Brüder ſchlechweg. Da
ihr Wachſen Furcht erregte u. fie in den Verdacht
lamen, den Zaboritenaufftand erneuern zu wollen,
verhängten Podiebrad u. Rokyczana Berfolgun-
gen über fie, welche die Brüder zwangen, ſich in
Einöden u. Höhlen zu verbergen, woher ihr Name
Yamnici od. Grubenheimer ſtammt. Dennoch
breiteten fie fi aus u. wählten jelbft 1467 zu
Ehota bei Reichenau 3 Obere, die ſich durch den
in Oſterreich lebenden Biſchof der Waldenfer,
Stephamus, zu Bilchöfen weihen Tiefen. Bei
jpäteren Berfolgungen (bef. 1499 u. 1503—8)
reichten die Ben B. VBertheidigungsichriften ein,
u. diefe Schriften, Kr ihr lobenswerther Wan-
del ſchafften ihnen biele Freunde; viele Galirtiner
und faft alle Waldenfer (weshalb fie jelbft auch
Waldenſer genannt wurden) gingen zu ihnen
über, u. bei Anfang der Reformation zählten fie
bereits 200 Bethäufer. Als fie ih im Schmal-
laldiſchen Kriege weigerten, gegen die Prote—
ftanten zu ftreiten, wurden fie von dem König
Ferdinand des Yandes verwieſen. An 1000 wants»
derten - daher 1548 nah Polen u. von da nad
Preußen aus und erhielten von Herzog Albrecht
Wohnfitze in Marienwerder angemiefen. Die Re—
formation zog ihre Aufmerkſamleit fehr auf ſich,
u. fie verhandelten viel mit Luther, Melanchthon,
Ealvin un. WU. Eine übrigens nur borüberge-
hende Einigung der Lutheraner, Reformirten u.
Ben Br. in Polen fam 1570 dur den Ber-
leih von Sendomir zu Stande, in welchem unter
rierfennung der mejentlihen TÜbereinftimmung
in den Sonderſymbolen die Abendmahlslehre
melanchthoniſch gefaßt war. Die evangelifchen
Kirchen in Böhmen vereinigten fi 1575 zu der
Confessio Bohemica, in welcher fiir die Contro-
verspunfte unbeftimmte, dem Streite ausweichende
Formeln gewählt waren. Auf Grund diejer Gon-
feifion erhielten fie in dem vom Kaiſer den ev.
Ständen bemilligten DMajeftätsbrief das Recht, in
"das allen Evangelifchen gemeinjame Confiftorium
einen Senior zu ſchicken. Nah der Schlacht am
eigen Berge 1620 theilten fie das Schickſal der
Pierers Univerfal-Eonverfatio ns-Periton. 6. Aufl.
IT Band.
Er
weihte 1662 feinen Eidam Petrus Figulus, ges
wöhnlih Jablonsky genannt, und dieſer feinen
Sohn Daniel Ernft Jablonsky 1699 zum Biſchof,
welcher die Weihe dan den 1722 aus Bühmen
u. Mähren nad Herrnhut gefommenen Brüdern
zurüdgab (f. Brüdergemeinde). Die Ben B. er-
lofhen als Gemeinde. Ihre Kirhenordnung ftellt
4 Stufen des geiftlichen Amtes feft, Episcopi od.
Seniores, Ministri, Diaconi, Acolutli. Die Zahl
Ser Biſchöfe, melden das Kirchenregiment zulam,
mar eine wechſelnde. Ihre Gebilfen waren die
Mitbifchöfe, die aus den Ministri gewählt wurden.
Die Ministri, auch Presbyter genannt, hatten
die Predigt u, die Sacramentsverwaltung. Die
Presbptergehilfen waren die Diafonen u, die Afo«
luthen, junge Lente, die zum Lehramte erzogen
wurden. Dieſe Lehrer bildeten feinen eigentlichen
eiftlihen Stand, fondern oft waren felbft bie
Presbuter Handwerker. Die Gemeinde war in
Anfänger (die Kinder und neu befehrte Katechu-
menen), Fortichreitende (die das Abendmahl ge-
noffen hatten) und Volllommene (die ſich Durch
fitttihen Wandel anszeichneten) getheilt; aus Lep-
teren wurden Witefte und Alteftinnen gewählt,
welche das Gemeinwohl beriethen, auf die Zitt«
lichfeit achteten, im jedem Bierteljahre die Fami—
lien einmal befuchten, Streitigkeiten fchlichteten zc.;
ihr Cultus bejtand in gemeinſchaftlichen Andachten
an Sonn u. Wochentagen mit Gebet u. Predigt;
das Abendmahl mit Brodbrecheu ward in beiden
Seftalten an einem mit weißem Tuche bevedten
Tiſche gereiht und knieend empfangen. Die
geiftlihen Yieder der B., die feit der Reforma-
tonszeit in der Evang. Kirche vielen Eingang
fanden, find zuerft von Lulas von Prag 1505 in
der Zahl von 400 in czechiſcher Sprache zufanı-
mengeftelt u. in den Verdeutſchungen von Mich.
Weiſſe Schon in die früheſten luth. Gefangbücher
aufgenommen. Sirchenzucht wurde ohne Anſehen
der Perfon geübt; Strafen waren Erinnerung
durch die ÜÄlteften oder die Pfarrer, Ausfchliep-
ung vom Abendmahl, öffentliche Abbitte der Sün-
den und Ausſchließung von der Gemeinde. Die
Biſchöfe oder ihre Gehilfen mußten die Gemeinde
jedes Jahr beſuchen; befondere Synoden berie⸗
then fi über das Wohl einzelner Kreiſe, allge«
meine über das der ganzen Umität. Bgl. Amos
Comenius, Historia fratrum Bohemorum, Halle
1702; ob. Gottl. Carpzov, Religionsunterſuchung
der Ben B. :c., Lpz. 1742; Lochner, Entftehung
der Brüdergemeinde in Böhmen u. Mähren, Nürnb.
1832; Gindely, Geſch. der Ben ®., 1857. Bezichwit,
die Katechismen der Waldenfer u. B-n B., 1863;
Köppern, Kirchenordnung u. -Disciplin der alten
B.-Brüder-flirhe 1844. Löoffler.
Böhmiſche Dörfer, jo v. w. unbekannte, um«
verſtändliche Dinge, weil die (laviſchen) Namen
der Dörfer in Böhmen den Deutichen fremd tönen
u. oft Schwer auszufprechen find.
Böhmifches Gewölbe (Kappe), ein gewöhn-
40
626
Böhmisch Kamnig — Bohnapfel.
liches, über einem quadratiihen Naume angebrad- Flachsbau, Flachsſpinnerei und Lohnmweberei in
tes flaches Kuppelgewölbe, welches an den Wider»
lagsmauern als Flachbogen anfängt; das Böhm.
G. maht den Eindrud eines an den 4 Zipfeln
aufgehängten Tuches.
Böhmifch- Kamnis, Stadt in NBöhmen,
Bezirlshauptmannſchaft Tetſchen, Station der böh-
miſchen NBahn; Bezirksgericht; großes Bräubaus,
in der Stadt und im Steuerbezirte 2000 Glas—
jchleifftühle; in der Gemeinde 3841, davon im der
eigentlihen Stadt 2970 Ew. Ju der Nähe die
beiden Dörfer Ober-K,; 738 Ew.; Maſchinen-
papierfabrif, und Nieder-K.; 591 Ew.; Baum—
wollenipinnerei.
Böhmifche Kappe (Baut.), jo v. w. Böhmi-
ſches Gewölbe.
Böhmiſch » Leipa, Bezirkshauptſtadt im ehe—
maligen Kreiſe Leitmeritz in Böhmen, am Polzen—
fluffe und an der Haupttheilungsſtelle der Böh—
miſchen Norbbahn; Kreisgericht, Bezirksgericht; 4
Kirchen; 8. K. Obergymnafium, die Yebrer vom
Auguitiserorden, Communal-Oberrealihule; Spar»
tajle; 9244 Em., wovon 8514 in der Stadt felbit,
weldye meift von der Induſtrie leben; Baum—
wollenipinnerei, 4 Gottondrudereien, 1 Flachs-
garnjpinnerei, 1 Zuderraffinerie. Die Stadt wurde
öfter von Bränden heimgeſucht.
Böhmische Literatur, j. unter Gzechiiche
Sprade u. Yiteratur. i
Böhmiſcher Mägdekrieg, ein fagenhafter
Aufſtand in Böhmen, den um 740 Wlafta, Ver—
traute der verftorbenen Königin Libuſſa, u. ihre
Senoifinnen erhoben haben jollen, um ſich von der
Herrichaft der Männer zu befreien. Es wird er
zählt, der beabfichtigte Zweck wäre erreicht und
eine Frauenherrſchaft errichtet worden, welder
aber nach einigen Jahren die Männer durch Yılt,
mittel® Eroberung der Mädchenburg (Dewin) ein
Ende gemacht hätten. Ban der Velde ſchrieb eine
Novelle, welche diefen Krieg zum Gegenjtande hat. | 19. |
lehrteſten Arzten feiner Zeit u. bat ſich durd die
Bol. Wiafta.
Böhmiſche Nordbahn (1873): Yänge 180,,
km. Anzahl der Yocomotiven 28; der Perſonen—
wagen 70; der Güterwagen 596. Einnahme
1,426,835 Fl. Benennung der Yinien: Bafov-
Ebersbah (98,, km), Bodenbad-Tannenberg
(40,, km), Kreibig-Warnsdorf (11,, km), Rum—
burg-Schludenau (9,, km), Benſen-Leipa (20,,
km); Schleppbahn O,, km. Zeit der Gründung
1865; der Jnberriebjegung 1867—1873. Unlage-
capital bei der Gründung 14,000,000 Fl.; heutiges
Anlagecapital 18, Mil. Privar Verwaltung; Die
rectionsſitz Prag.
Bohmi h.Etalis, ſ. u. Stalig.
Böhmische Sprache, ſ. u. Czechiſche Sprade
u. Yiteratur.
Böhmiſche Steine, Edelfteine, bei. die fehr
ſchönen diamantähnlichen Bergfryitalle, daun Gra-
naten, auch Rubine, Topaſe, Saphire und Jas—
piſe aus Böhmen.
Bohmiſch⸗Trübau (Trebovä Uzeskä), Stadt
in der Bezirlshauptmannſchaft Yandestron in
Böhmen, nahe der mähriſchen Grenze, Station an
der Bereinigung der Staatsbahnlinien Brünn-B.⸗
Tr. Prag u. Olmütz-B.“Tr.; bier wie in den
benadyvarten Gegenden von Böhmen u. Mähren
Yeinen; 5141 Em,
Böohmiſche Weine, rotbe u. weiße Weine
von mittlerer, aber mit Rückſicht auf Die geogr.
Breite fehr guter Qualität aus Burgunder Trauben;
fie wachen nördlih von Prag. Die beiten Sorte
find der rothe Melmder u. der weiße Czerno-
leder; erjterer hat große VBerwandtichaft mit dem
Burgunder, der zmeite mäbert fich den befferen
Frankenweinen. Auch bei Leitmeritz, Auſſig, Chru—
dim, Loboſitz, Schreckenſtein u. a. O. werden ver»
hältu ißmäßig gute Sorten gezogen, die aber des
hohen Zolles wegen faſt ſämmtlich im Lande cou-
ſumirt werden. Schroot.
Böhſmiſche Weſtbahn (1874): Länge 200,,,
km. Anzahl der Locomotiven 41; der Berionen»
wagen 80; der Güterwagen 1300, Ende 1874:
Netto-Einnabme 2,956,663 Fl. 714 Kr. Benenn-
ung der Linien: Prag-zurtb (190,, km), Chraſt·
Nadnig (9,, km); außerdem Privarınduftriebabnen
32,, km. ‚Zeit der Gründung 5. Sept. 1859; der
Inbetriebsſetzung: Sttede Sturniau⸗Furth 15. Oct.
1861, Prag⸗Furth 15. Juli 1862, Chraſt⸗Radnitz
2. April 1863. Anlagecapital bei der Gründung
24,000,000 51.; heut. Anlagecapital 28,500,000 Fl.
Privat- Verwaltung; Direcnonsfig Prag.
Böhmijten, Anhänger des Theoſophen Jak.
Böhm (j. d.).
Bohmte, Dorf im Kreiſe u. der preuß. Land⸗
droftei Osnabrüd, Station der VBerlin- Hamburger
Eiſenbahn; 1600 Emw.; in der Nähe Steinfoblen«
lager u. bedeutende Moore.
Bohn, Johann, Profefjer der Anatomie u.
Chirurgie, geb. 20. Juli 1640 in Yeipzig; ftubirte
bier u. in Jena, bejudhte dann die Hauptuniver«
jitäten Deutichlands, Dänemarks, Englands, yrant-
reichs u. der Schweiz, promovirte 1666, wurde
1668 Prof, der Anatomie in Yeipzig, 1691 Vrof.
der Iberapie, 1700 Decan der Univerſität; er jt.
Dee. 1718. B. gehört unftreitig zu den ge
Widerlegung der Grundfäge der Chemiatrides, vie
Bearbeitung einer werthvollen Phyſiologie, im der
namentlich des großen Harvey Entdedungen dar-
geftellt u. gerechtfertigt find (Circulus anatomico-
physiologieus, Yp3. 1680, 86, 97, 1710), endlich
durch zwei claſſiſche Schriften über die gerichtl.
Medicin (De reuniatione vulnerum letalium,
Yps. 1689, 1711, 1755, u. De officio mediei du-
pliei, Lpz. 1704) ein großes Verdienſt um die
Wiſſenſchaft erworben (Brüggemann, U. %-,
Biogr. ©. 500). Außer den genannten Werten,
vielen Difjertationen, Programmen u. Beobacht-
ungen gab er noch die Schriften des Fabricius
ab Aquapendente u. Bellines De pulsibus et
urinis heraus, Tham hayn.
Bohnapfel, zur Familie der Streiflinge ge»
börender, ſehr haltbarer Wirtbicafts-Apfel, von
länglicher Geftalt, mit glatter, geib-grüner, an der
Samenjeite geitreifter, ftarl punktirter Schale u.
feftem, weinſäuerlichem, jaftreihem Fleiſche. Der
Baum eignet fi wegen feines leichten Gedeihens
u. aufgebenden Wuchſes "befonders zur Bepflanz- »
ung dev Wege u. iſt am Rheine wegen feiner
‚großen Fruchtbarkeit u, wegen der Bortrefflichkeit
‚der Frucht für den Haushalt m, zur Mojtbereit-
Bohne — Bohnenbaum.
ung eine der am häufigften angepflanzten Apfel-
forten.
Bohne, 1) (Bot.) die Pflanzengatt. Phaseolns
627
Ende April, für die Hanpternte erft gegen Mitte
Mai, u. fpäter bis Ende Juni ausgelegt werden,
u, zwar fiets bei trodenem, warmem Metter, in
u. deren Samen (f. Bohnen); dann Vicia faba friſch gegrabenes, feuchtes Land. Die Stangen-B,
L.; ferner mehrere Arten der Gattungen Dolichos
u. Lupinus,. u. namentlih die Samen derjelben,
welche in Geftalt, Eigenſchaften u. Benutung als
Speife den Samen von Phaseolus gleichen; end-
fih wegen der Ahnlichkeit die Samen anderer
Pflanzen, fo Kaffer u. Cacaobohnen. 2) (Kunde,
Marke, Zeichen, Kern). Eine Vertiefung in der
Meibeflähe der Schneidezäbne bei Pferden. Die
B. ift bei Beurtheilung des Alters von bejon-
derer Bedeutung. Näheres hierüber f. Pferd.
Bohnen, Bot glätten, indem man es mit
einem Lappen reibt, der in eine Miſchung von
Terpentin u. Wachs getaucht iſt u. vom Zeit zu
Beit wieder erwärmt wird. Man fetst das Reiben
fort, bis die Maffe baften bleibt. und reibt dieje
erft mit emem wollenen Tucde oder auch der
Bohndürfte (Bohner, einer runden Bürfte von
Scmeinehaaren, mit einem Heinen Stiel) 1. dann
mit feinenen Lappen, oder auch einem Polirholze
glatt; ſ. Wichſen.
Bohnen GFiſolen, Biets-, Schminf-, grüne ®.;
Landw. u. Gärtn.), die Früchte u. Samen von
Phaseolus vulgaris L., welche in jehr vielen Ab-
arten allgemein gezogen werden; fie werden bpr-
zugsweiſe im unreifen Zuftande mit den grünen
(oft fälſchlich Schoten genannten) Hülfen als Ge—
müſe, aber auch 'reif ald weißt B. gegeflen;
ferner die Samen von Phaseolus multiflorus
u. Vieia Faba. Von Phaseolus vulgaris unter»
cheidet man: a) Stangen-B., mit Hettern-
en, 1—4 m hoben Stengeln, u. b) Straud-,
Buſch-, Zwerg», Krup- oder Stauden-B,,
ohne Ranten (Phaseolus vulgaris var. nanus),
Bon beiden gibt es viele Sorten, welche ſich durch
die Größe, Geftalt u. Farbe der Hülſen u. Samen,
durch ihre Tragbarkeit u. die Zeit ihrer Ausbild-
ung umterjcheiden u. von melden die gleichen
Sorten gemöhnlih bei den Stangen-B, wohl.
ſchmeckender zu fein pflegen, als bei den Straud-
B. Um bäufigften angebaut werden die breiten
Schwert-®., mit 2 cm breiten, oft 15 cm
langen, platten Hiülfen; die gleich langen, aber
ſchmaleren, dideren u. längere Zeit zart bteiben«
den Zuderbred- oderöped-B., die Wadhs-
B., mit fleiichigen, zarten, gelben Hülfen, die ver-
fchiedenen Heinen, volltragenden Prinzeh-,
Berl- oder Salat-®, u. v. a. Die große
türfifhe oder Feuer-B. (Phaseolus multi-
florus), mit ſehr großen, bunten oder meißen
Samen u. ſcharlachrothen oder weißen Blüthen,
ift weniger wohlichmedend u, zart, aber wegen
ihrer Einträglichkeit u. geringeren Empfindlichkeit
egen die Kälte für die Yandbevölferung u. vau«
En Gegenden febr zu empfehlen. Die wegen der
Zähigleit ihrer Hülfen nicht grün, jondern nur
als reife B. zu genießenden Sorten von Paal—
B. werden größtentheils al Feld-B. cnitivirt. |
Ale B. lieben loderen, warmen Boden ohne frische:
Düngung, gedeihen am befien ın einem an Alfali- |
falzen u. Phosphaten oder auch Kalk reichen, kräf-
tigen, humusreichen Boden ohne zu große Näſſe
u, verlangen große Wärme, weshalb fie nicht vor
werden um ihrer Höhe entiprehende B-ſtangen
gepflanzt; fie dürfen nicht zu dicht ftehen, um ein-
träglih zu fein; am beften ftedt man die Stangen
60—70 em von einander auf fchmalen Beeten
von nur 2 Reiben u. mit Beeten mit niedrigen
Gemüſen abwechſelnd, damit Luft u. Sonne überall
einwirken fönyen, kreuzweiſe einander gegenüber
ein u. befeftigt fie an dazwiſchen gelegte Quer—
ftangen, oder in anderer Weife, damit fie nicht
umfallen können; um jede Stange werden 8—12
B. 2 cm tief gelegt. Die Straud-B. gedeibeu
leichter, vertragen noch weniger Düngung, als die
Stangen-B., bei welchen dieſelbe in einzelnen
ſchweren Bedenarten nicht ganz zu verwerfen iſt,
u. werden in 35 cm entfernte Reihen, oder in
Stufen bei 45—50 em Üntfermung u. jede mit
3—6 B. belegt, gepflanzt. Lockern u. Anhäufeln
des Bodens ift nöthig, auch Begießen bei trodenem
Wetter, beſonders mährend der Blüthezeit jehr
zuträglih. Bon dem frühen niedrigen Sorten fiud
mehrere zur Frühtreiberei auf Miftbeeten u. ın
Treibhäufern (B-häufer) jehr geeignet. Die jungen,
noch zarten Hülfen der B. werden, nachdem: man
ihnen die Gefäßbündel an beiden Näbten (og.
Fafern) abgezogen u. die großen Sorten zerichnitten
bat, abgekocht u. dann auf verjchiedene Weile zu—
bereitet, aud mit DI u. Ejfig zu Salat angemacht
(B-falat), oder roh oder rasch abgequellt mit Salz
(Salz-B.) oder Eifig eingemadt; die Meinen
Sorten eignen ſich vorzüglih auch zum Trodnen,
nachdem man fie abgezogen u. abgequellt bat;
getrodnet find fie ſehr ſchmackhaft u. laſſen fidh
mehrere Jahre aufbewahren. Die reifen Samen
der B. find mohl etwas blähend u. Schwer ver-
daulih, aber fehr nahrhaft u. werden zu Br
fuppe und did gekocht verwendet; fie müſſen
etwas vor der vollftändigen Reife geerntet fein,
wenn fie beim Kochen raſch weich werden jollen;
von den Thieren werden fie nicht gern gefreiien,
weshalb B-mehl unter das Gerreidemehl gemiſcht
wird, um es bei längerer Aufbewahrung gegen
die Mäufe zu ſchützen. Die Puff-B. (dide oder
große B., Vicia Faba L.) find ein fehr einträge
liches, frübzeitiges un. nahrhaftes Gemüfe, weiches
in einzelnen Gegenden Deutſchlands ſehr viel, int
anderen gar nicht bemugt wird. Die wenig von
einander verichiedenen Sorten gedeihen gut im
faft jedem Boden, wenn er nicht zu leicht u. trocken
ift, jelbit in ganz ſchwerem Kleiboden, u. vertragen
etwas Düngung. Sie dürfen nicht zu Dicht ſtehen,
werden deshalb vielfah am Nande von Gemife-
feldern, zwiſchen Kartoffeln u. dgl. im einzelnen
Reihen ſchon im erften Frühjahre gepflanzt. Nah
faft vollendeter Blüthe iſt es gut, Die Spigen der
Pflanzen abzuſchneiden (köpfen), um die Hülfen
befier auszubilden u. zugleidy dem Überhandnehmen
der Blattläufe vorzubeugen. Über die Heineren
Feld» oder Pferde-B. f. Sau⸗B. Wolde.
Bohnenbaum, mehrere Bäume mit Schmet—
terlingsbtüthen u. Hülfenfrüchten oder jonft bohnen⸗
förmigen Früchten, a) bejonders die Pflanzengatt,
Cytisus; daher B-holz, Holz von Cytisus La-
" 40
2
—
628
burnum; b) Cajanus indieus indiſcher B.; e)
Gleditschia triacanthos.
Bohnenberger, 1) Gottl. Chriſtian, geb.
4. März 1732 zu Neuenbürg in Württemberg;
wurde Pfarrer in Meinen Schwargmaldorten ımd
beichäftigte fich viel mit Elektricität; ft. 29. Mat
1807 im Altburg bei Calw, Er beichrieb feine
nene Eieftrifirmaichine, Sruttg. 1784, mit 6 Nach—
trägen; gab heraus: Beitrag zur theorenfchen n.
praftiichen Elektricitätslehre, ebd, 5 St., 1793 bis
1795; Beitrag zur höheren Drebfunft, ebd. 1799;
ſchrieb auch Abhandlungen in Grens Journal.
2) Joh. Gottl. Friedr. v. B. deuticher Aftro:
nom und Mathematiker, Sohn des Bor., geb. 5.
um 1765 in Eimmopheim im Schmwarzwalde ;
ftudirte erft Theologie, wurde 1789 Prediger,
wandte fih aber fpäter der Aftronomie zu; er
lebte, um aftronomische Studien zu machen, jeit
1793 längere Zeit in Gotha n. Göttingen, wurde
1796 bei der Stermwarte in Tübingen angeftellt,
wo er 1803 eine Brofeflur der Mathematik und
Aftronomie an der Univerſität erhielt; er ft. daſelbſt
19. April 1831. B. legte den eriten Grund zu
tkigonometrischen Meſſungen in Württemberg (Karte
von Schwaben mit J. A. Amman in 60 Bt.).
In feiner Aftronomie (Tüb. 1811) beichrieb er
zuerft das Neverfionspendel u. flug die jpäter
von Kater ausgeführte Methode für Beftimmung
der Beſchleunigung der Schwere mittels deſſelben
vor. In den Tübinger Blättern für Naturmwifjen-
ichaften u. Arzueitunde (Tüb. 1815—17) beichrieb
er das von ıhm verbefierte Säulen-Elektrometer
(Beihr. u. Gebrauch eines jehr empfindl, Elektro»
meters ıc.) u. den nach ihm benannten Rotations-
apparat u. machte dabei zuerft auf die Erhaltung
der Wotationsebene aufmerfiam (Beſchr. einer
Maſchiue z. Erläut. d. Gef. d. Umdr. d. Erbe).
Auch in der Zeitichr. für Aftron, u. verwandte
Wiſſenſch. (Tüb. 1816—18), in Zachs Monatl.
Corr. u. in den Aſtronom. Nachrichten find zahl-
reiche Abhandlungen von ihm enthalten. 2 Spehit.*
Bohnenfeft, ſ. u. Bohnentönigsfeft.
ee ſ. Samentäfer.
Bohnenfönigäfeft. Am heiligen Dreilönigs»
tage wird unter die Glieder einer bei fröhlichen
Mahl verlammelten ‚Familie oder Gefellfchaft ein
Kuchen, in welchem eine einzige Bohne eingebaden
ift (GBohnenkuchen), ſtückweiſe unter die Anweſen—
den vertheilt, u. die Perjon, welche die Bohne in
ihrem Stüce findet, ift fir das nächte Jahr Boh-
nenlönig, beziehungsmweife Bohnenkönigin, wählt
fih im Scherze einen Hofftaat, erhält gewiſſe
ſcherzhafte Huldigungen zc. Für diefe Ehre ift er
Bohnenberger
— Bohnitedt.
Bohnenkraut (Pfefferkraut od. Kölle, Satureia
hortensis L.), einjährige, aromatiiche Pflanze, die
häufig als Gewürz an grünen Bohnen u. anderen
Hiüljenfrücten u. Saucen gebraudt wird; man
fäet es vom März bis Ende Mai an fonnige,
nicht feuchte Plätze, mo es leicht gedeiht u. zum
Bebrauche abgeichnitten wird,
Bohnenlied hieß ein altes deutiches Volls—
lied, das nebſt vielen Nahahmungen jo anzüg-
lihe Stellen enthielt, da davon das Sprüchwort
auffam: das geht über das B., d. h. das ift zu
arg. Es find nur nod wenige Proben vom Be
vorhanden.
Döhner, Johann Ludwig, talentvoller Kia-
vier-, Orgelfpieler u. Componift, geb. 8. Jan.
1787 zu Xöttelftädt im Herzogtb. Gorha; wurde
in Erfurt ausgebildet u. hatte fih der Anweiſungen
Spohrs zu erfreuen, als er fib in Gotha als
Muſillehrer niederließ. Er zog 1808 nad) Jena;
1810 begann er größere Kunftreifen zu machen,
zog ih 1820 in jeinen Geburtsort zurüd u. lebte
feitdem in ungeordneten Berhältniffen; er ft. 28.
März 1860 in Gotha. Schr.: 5 Klapiercomcerte,
Sonaten, Tänze, Variationen, 1 Streichquartett,
Selangftüde, 1 Ouvertüre u. Die Oper: Der Drei-
berrenjtein, welche nicht zur Aufführung gelangte.
Bohnerz, gemeinichaftlicher Name verichiedener,
in meift Meinen, concentriih-dünnidhaligen Kugeln
vorlommender gelbbrauner bis jhmugig- dunkel
grüner Eifenerze. Die grünen find wejentlich mafier-
enge Eifenorpdul: Thonerdefllicate, die brannen
mit Thon verumreinigter Braunneifenftein; einige
enthalten Chrom u. Banadin. Spec. Gew. 3,,
u. höher. Das grüne B. von Kandern enthält
62 9%/, Eiſenoxydul, 21,,%0 Kiejelläure, 8, %,
Thonerde u. 7,,%, Waſſer (Waldner). Be fin
den fih, außer dem ſchon genannten Fundorte
Kandern in Baden, im franzöfifchen, ſchweizer u.
deutihen Jura, in Böhmen, Mähren, Ungarn,
Rußland ꝛc.
ohnjtebt, Ludwig Franz Karl, deuticher
Architekt, geb. in Petersburg 27. Oct. 1822, Sobn
eines Kaufmannes aus Stralfund u. einer Bam-
bergerin; ging nad) erlangter er Schulbild⸗
ung 1839 nach Berlin, wo er bei Ranke, Ritter,
Steffens u. Mitſcherlich Vorleſungen hörte u. zu:
gleid an der damaligen Baufdhule u. der Ala—
demie ſich fortbildete u. Stier u. des Malers
Biermann Unterricht genoß. Nach beenbigten Stu-
dien ging B. 1841 nad Italien, blieb dort ein
Fahr u. wollte Bildhauer werden. Nachdem er
es zwei Monate gemwefen, führte ihn Hallmann
zur Architeftur zurüd. 1858 zum Profeffor der
gehalten, zum nächſten Dreilönigstage (6. Jan.) Architektur an der Petersburger Alademie, von
ein Feſt zu geben, wobei die Königswahl durch der Großfürftin Helene zu ihrem Hofarditelten
die Bohne von Neuem vor fih geht. Man leitetjernannt u. von der ruffiihen Regierung zum
dieje vorziiglih franzöfiiche, jogar fonft am bonr- |gleihen Grade erhoben, nahm er ihn nur unter
boniſchen Hofe gemößnliche, auch nach Deutſchland der Bedingung an, bayeriicher Staatsangeböriger
üibergegangene Sitte von den römischen Satur- zu bleiben. In Petersburg beſchäftigte ſich B.
nalien ab, wo u. a. die Kinder einen König unter neben vielen Staatd- u. Privatbauten bejonbers
ſich wählten, der gewiſſe fcherzhafte Rechte genoß. mit der Löſung von Concurrenzanfgaben , verlieh
In Frankreich nannte man das Feſt le Roi boit/aber 1863 den ruffiichen Staatsdienft u. ward
(der König trinkt), was die ganze Gefellichaft unter der Leitung von Em. Yalobs in Gotba
rufen mußte, wenn er trant. Im 17. Jahrh. Porträt- u. Figurenmaler, wie er früher Land—
eiferte die Geiftlichkeit in Frankreich, jedoch ohne ſchaften gemalt. Seine Hauptwerle find in ber
Erfolg, gegen die Bee. Arditeltur: Das neue Stadthaus, das Haus für
Bohol — Bohrer,
629
den Dinifter der Reihsdonlänen, das Palais der|deren Klinge mehr als halbrund gebogen ift und
Fürſtin Juffupow, ein wahrer Feenpalaſt, ſämmt-
nad der Schneide zu nicht ſchmäler wird; ift die
Ih in Petersburg, u. das Theater in Riga, in Klinge nicht ganz eine halbe Walze, fo nennt man
dem der Zufchauerraum durch Gasflammen über
dem mit mattem Glafe belegten Plafond ohne
Kronleuchter beleuchtet wird; dann das Rathhaus
in Hamburg, die Kathedrale der. Stadt Guima-
rang in Portugal u. das mit dem Bildhauer
Salomon gemeinjhaftlih ausgeführte Monument
zu Nowgorod für die Feier des taufendjährigen
Jubiläums des Ruſſiſchen Reiches, die Billa Frit
Reuters bei Eiſenach. Nad feinen Entwürfen wird
auch das Deutjche Neichstagshaus in Berlin aus-
geführt. Regnet.
Bohol (Bojol), Inſel der Biffayas-Gruppe im
Bhilippinen-Archipel, zwischen den Inſeln Gebu u.
Leyta; 3249 [ km (59 IM); Perlenfischerei;
wenig fruchtbar, nur die Bienen liefern viel Wache.
Bohraffel (Limnoria Leach.), Gattung der
Affeln, einer Unterordnung der Kruftenthierordnnung
der Hingelfrebje, mit Fühlern u. Augen, aber
ohne freibewegliche Geitenihuppen an dem vor-
deren*Beinpaar, L. terebrans Leach., 4 mm
lang, grau; vermehrt ſich ſehr ſtark u. wird durch
fie Hohleifen; hierher gehören auch die Schemel«
B., Die breit find u, mit demen Löcher zu den
Beinen der Bänke (Banf-B.) ꝛc. gebohrt werden;
die Löflel-B., deren ſchneidender Theil die Geftalt
eines eirunden Löffel, oder eines halben hohlen
Kegels hat; wenn derfelbe an der Spibe einen
bafenförmigen Einfchnitt hat, fo heißt er Hafen»
B.; zum Bohren von Löchern in Balken u. re
Gewinde-B.; die Zapfen-B, zum Bohren der
BZapfenlöcher in Fäfjern; ferner der englifche ge-
wundene B., der von den gewöhnlichen Hohlbohrern
eine abweichende Geftalt hat: er beiteht aus
einem fegelförmigen Schraubengewinde, welches
in einer jchraubenartig gewundenen Stahljchiene
endigt; die Windumgen der Stahlſchiene Taufen
hart über der Bohripige in vier Scharfe Schneiden
aus, von denen zwei mit der Bohrachſe parallel
find, zwei andere nach unten einfchneidend mit
ihr im rechten Winkel ftehen. Diejer B. gewährt
den Bortheil, daß er auch bei den tiefften Löchern
nicht zum Reinigen berausgezogen zu werden
Zerbohren des unter Wafjer befindlihen Ban-|braudt, da die Späne ſich durch das Geminde
bolzes an Englands Küften ſchädlich; bleibt noch |heraufichieben; emdlich der Centrum-B., läuft
8—14 Tage in dem aus dem Wafjer genomme-|in drei Theile aus.
sen Holze lebendig.
Bohrbrunnen, jo dv. mw. Artefiiher Brunnen.
Bohrer, im weiteren Sinne ein Inſtrument,
welches angewendet wird, um runde Löcher Durch
Drud u. Drehung in harten Körpern hervorzu—
bringen; befteht aus 2 mwejentlichen Theilen, näm«
lich der Bohripige (B. im engeren Sinne), welde
zum Ginfchneiden ‚dient, u, dem Schafte, durch
welchen es möglid wird, dem B. die drebende
ea u. den Drud zu geben. Je nad der
Härte u. der Structur des zu bohrenden Mate-
rials, nach der Größe der Löcher u. nach der Kraft,
die zur Ausübung des Drudes verwendet werden
kann, ift die Beichaffenbeit des B-8 eine vericie-
bene, Die gebräudhlichften u. befannteften B. find:
A) B. zum Gebraud'auf Holz, entweder
durch einfahen Handariff zur Umdrehung gebracht,
oder bei größeren Yöchern mittels einer Bohr-
winde, welde mit der Bruftleier der Metall-
arbeiter in Form u. Gebrauch übereinſtimmt.
Die Bohrwinde dreht fi mit dem Zapfen in
einem Knopfe, der gegen die Bruft geftemmt wird.
Das Mittelftüd ift nah 2 rechten Winteln aus-
gebogen u. bildet den Griff zum Drehen, während
die Bohrfpige in dem unteren Ende deifelben
befeftigt ıft. a) Nagel-B,, furzes, kegelförmiges
Schraubengewinde; endigt mit einer Nine, deren
fharfe Kanten zum Einjchneiden dienen, aber bei
der Breite des Gemwindes wenig zur Wirkung
fommen; arbeitet ſchwer u. jprengt leicht das Holz
aus einander; er ift zu größeren Löchern untaug«
fih. b) Shneden- B. in Heinerem Maßſtabe auch
als Nagel-B. zu gebrauchen, in größerem bis zu
16 cm zum Bohren von Wafjerröhren (Röbren-B.)
verwendbar; ganz kurzes Schraubengemwinde, mel«
ches fih ohne großen Drud in das Holz ziebt;
endigt in einer Aushöhlung, die in fteiler Schrau-
benlinie anfteigt u. eine geſchärfte Schneidelante
hat. e) Hohl⸗B., zumBohren cylindriicher Löcher,
Der längjte deſſelben ift die
dreifantige Gentrumfpige, an deren einer Seite
ein ſcharfſchneidiger Zahn angebracht ift, welcher
beim Dreben eine Kreisiurche ins Holz zieht. An
der anderen Seite befindet fid) eine fharfe Schaufel,
welche die Späne innerhalb des Kreijes heraus»
hebt. Das damit gearbeitete Loch wird volllommen
glatt u. befommt, wenn es nicht durchgeht, ebene
fall3 einen glatten Boden. B) Zum Gebraud
auf Metall; die Bohripigen haben gewöhnlich
die Geftalt einer Lanzenipige; der Winkel, unter
dem fie fi zujpigen, ijt im dem meiften Fällen
feiner als cin rechter u. bisweilen durch einen
Bogen erjett. Größere B. für genaue Arbeit er-
halten eine Gentrumfpige in der Mitte u. Schneiden
ſenkrecht zur Bohrare (Centrum⸗B.). B. find ent»
weder einſchneidig u. danı nur nad einer Seite
drehbar, oder zweiſchneidig. Die Drehung der
legteren wird mit Hilfe einer Bohrrolle, melde
gegen das obere Ende des Schaftes angebracht
ft, u. des Bohrbogens hervorgebradt. Diefer
ift einem Biolinbogen nicht unähnlich u, mit einer
Hanfſchnur oder Darınfaite beipannt, » weldhe um
die Bohrrolle geihlungen wird. Dan ftemmt das
Schaftende des B-8 entweder gegen ein Bruftbrett,
oder gegen einen Schraubjtod u. bringt alsdann
dur Hin- u. Herziehen des Bogens eine nad
inf u. rechts abwechſelnde Drehung des B⸗s
hervor. Einjchneidige B. werden mittels der, Kurbel,
der Bruftleier, oder auch in der Drehbank oder
Bohrmaschine in Thätigkeit geist. Die Bohrkurbel
hat ganz die Geftalt der Bohrwinde (j. oben),
wird wie dieſe mit den Händen gefaßt und im
Kreife herumgeführt. Der nöthige Drud wird
durch die Bohrichraubenpreffe (Bohrgeftell) hervor:
gebracht. Dieje befteht aus einer auf einem Ge—
ftell ruhenden oder am Fußboden befeftigten runden
Eijenftange mit einem darauf fchiebbaren und
drehbaren Seitenarme. Auf dem Seitenarme ift
eine bewegbare Hilfe angebracht, durch welche die
630
Bohrer — Bohrmaschinen.
Preßſchraube geht, in deren ausgehöhltes Enbe!heiratheten 1824 in München das als Klavier«
der obere Zapfen der Kurbel faßt. Die Bruftleier |
wird angewandt, wenn nur ein geringerer Kraft
anfmwand nöthig tft. In neuerer Zeit verwendet
virtuofinnen befammte Schmwefternpaar Yuife (geb.
1805) u. Fanny (geb. 1807) Dülten. Aud Au—
tons Tochter, 6) Sophie, geb. 1828 in Parıs,
man auch amerikanische Spiral-®B., welche ähnlich trat jhon als 10jähriges Kind in Wien als Kla-
den Schneden-B-n auf Holz mit fteilen doppelten | viervirtuofin auf; fie erregte auf ihren Kunftreifen
ZSchraubengewinden verjehen find, die von den ſich ſo viel Aufjehen, daß man fie den meiblichen
in einer NKegelflähe befindenden Schneidlanten
ausgehen u. den Bortbeil gewähren, daß die
Späne auch bei tiefen Löchern ausgeworfen wer:
den u. der B. auch bei ungleichem Material nicht
aus der Hichtung kommt (fich verläuft). Sie er-
jegen zum Theil die Kanonen-B., welche aus einem
ftählernen Halbeylinder mit faft rechtwinfelig zur
Achſe geneigter Schneide beftehen u. namentlich zur
Hervorbringung langer genauer Löcher Anmwend-
ung finden. Behufs Herftcllung jehr großer Löcher
wird zuerjt ein Meines Loch vorgebohrt, in dem
der folgende größere B. (Zapfen-B.) durch einen
angefegten Zapfen einen Stützpunkt findet. C) B.
auf Glas; Heine ftählerne B. arbeiten auch
Löcher in Glas, wenn die Bohrftelle fleißig mit
Terpentinöl benegt wird. Sonft wendet man
Diamant-B. an, melde von den beim Spalten
rober Diamanten abfallenden Splittern gebildet
werden. Auf der Drehbank der Glasichleifer wer»
den durch Anwendung des Schmirgels Locher in
Glas gebohrt. D) B. auf Stein; da Stahl-B.
auf Stein zu leicht abjtumpfen, jo treibt man Löcher
in die groben Steinforten faft nur mit Hilfe des
Meigels. Auch das Bohren der Wafferleitungslöcer
wird ähnlich wie das Bergbohren durch die Schwer-
fraft herabfallender Meigel bemwerkftelligt. Die B.
der Steinbohrmaichinen werden neuerlich oft aus
Diamanten zufammengejett. Giefeler. *
Bohrer, verdienftvolle Mufilerfamilie, deren
lieder fid) als Birtuofen u. Componiſten ausge-
zeichnet haben: 1) Kaspar, Kapellift, geb. 1744
in Mannh,; wirkte zuerft in feiner Baterftadt, dann
in Dlünchen, wo er 1809 ftarb. Er war bedeutender
Eontrabaffift und bildete feine 4 Söhne auf ver-
fchiedenen Inſtrumenten aus und vereinigte fie zu
einem Quartett. Bor ibm ftarben 2) Peter,
der Biolinift, u. 3) Franz, der Violift, geb. 1806
in Minden. 4) Anton, Biolinift, geb. 1783
in Münden; war früher fchon mit Vater und
Brüdern gereift, machte 1806—8 mit dem FFol-
genden eine Kunftreife durch Deutichland u. Polen,
1810—18 durd) das übrige Europa, wurde 1818
Eoncertmeifter in Berlin, nahın 1824 wegen Miß—
heiligfeiten mit Spontini feine Entlaffung u. wurde
in Baris erfter Solofpieler bei Karl X., ging aber
1830 nad Yondon, von da nad Deutichland ır.
Ipäter wieder nad) Paris u. wurde 1834 Goncert-
meifter in Hannover; ft. 1852; componirte Vieles
für jein Inſtrument u. für Orchefter, ſowie Streich—
guartette, Trios, Duos für Violine u. Cello.
5) Mar, Bruder des Vor., geb. 1785 in Miün-
hen, Cellift; begleitete feinen Bruder faft auf allen
Reifen, wurde gleichzeitig mit ihm als erfter Cellift
in Berlin, danı in Paris angeftellt u. 1832 Cou—
certmeifter in Stuttgart. Noch im Jahre 1842
unternahm er eine erfolgreiche Concertreife nad)
Amerika, Er ft. 1867. B. componirte Mehreres für
jein Inſtrument u. Duos für Klavier u. Violon-
Liſzt nannte; 1848 ließ fie fi in St. Petersburg
nieder, mo fie im folgenden Jahre farb. Brambad.
Bohrfliege (Trypeta Meig.), Injectengattung
aus der Gruppe der wahren fliegen; Flügel
meiſt auffallend bunt, gebändert u. gefledt. Die
Larven leben vorwiegend in den Samen, dem
Marf u. den Stengelnder wild wachjenden Köpfhen-
träger (Compofiten), einige in Früchten oder
Blättern. Bon den ungefähr 100 Arten, welche
bisfang in Deutihland gefunden murden, find
folgende die bemerfenswertheften: Die Spargel-
bobrfliege (Trypeta poeciloptera Schrank).
Die Fliege ift 44 bis 54 mm lang, mit großen,
glashellen, jhwarzbraun gezeichneten Flügeln. Die
darve wird bis 7 mm fang, ift glatt u. topflos;
fie lebt vom ‚Mai bis September in argel⸗
ſtengeln, welche ſie der ganzen Länge nach bis
zur Wurzel hin durchbohrt u. zum Abſterben bringt;
un diefer Höhlung befteht fie ihre Berwandlung,
aus welcher im folgenden re das vollfom-
mene Juſect hervorgeht. Zeitiges Ausreißen ab»
fterbender Spargelitengel u. im Frühjahre Sam—
mein der am Morgen ziemlich erftarrt u. träge
auf den Spargelpflanzen figenden Fliegen find
gute Mittel gegen diejen, einſtweilen nur nod
local, dort aber verderblih auftretenden Spargel
feind, Die Kirfhbohrfliege (T. cerasi Z.,
T. signata Meig). liege 34 bis 4 mm lang;
Flügel mit 4 braunen Binden u, braunem Rand»
ſtriche. Larve geiblih, kopflos; findet fih jehr
häufig im füßen Kirſchen (Wurm in der Kiriche) ;
verläßt diefe aber, um ſich in der Erde ‘zu ver-
puppen, worauf im nädjiten Mai bis Juni die
Fliege erfcheint. Da die Larve fich ſtets im unmittel-
barer Nähe des Kirihbaumes verpuppt, jo ift das
Umgraben des Bodens um den Baum herum ein
gutes Mittel, um die Puppen zu vernichten. Will
man wurmſtichige Kirfchen benuten, dann fann
man die Fyliegenlarven dadurch aus ihnen ber-
austreiben, da man fie einige Stunden in Waf-
fer legt. Die Yarven der Diftelbohrfliege (T.
eardui L.) leben in Diftelftengeln u. verurſachen
gallenartige Anſchwellungen derſelben. Theme.
Bohrfäfer, jo v. w. Klopfkäfer.
Bohrfolben, kupferner Eylinder, auf welchen
Aſeitige Stüde Stahl aufgeijhoben werden, vie
das Ausbohren des Rohres verridhten; j. u.
Stüdgieperei.
Bohrmafcinen, mechaniſche Vorrihtungen,
um die beim Bohren erforderliche drebeude u. m
der Richtung des zu bohrenden Loches fortichrei-
tende Bewegung des Bohrers hervorzubringen.
Es fan dabei der Bohrer ſowol die drebende,
als die fortichreitende Bewegung machen, oder eine,
fowie auch beide Bewegungen können durch das
Arbeitsſtück ausgeführt werden. Danad zerfallen
die Bohrmafchinen in vier Abtheilungen. Werben
die Bewegungen bis auf das Fngangjegen ohne
cell, jowie für Bioline u. Bioloncell. Beide Brüder |Hilfe eines Arbeiter ausgeführt, jo nennt man
Bohrmuſcheln.
die B. ſelbſtthätige oder automatiſche.
Die einfachſten B. werden mit der Hand in
Thätigleit geſetzt. Unter dieſen find Kurbel u.
Bruftleier unter d. Art. Bohrer bejchrieben. Zu er:
wähnen wären noc Kleine Bohrporridhtungen, bei
denen man ben Drud dur die Bruft ausübt,
die drehende Bewegung aber der Bohrfpindel
durh Kurbel u. koniſche Näder oder Univerſal—
gelenfe mittheilt, oder dadurd, daß man auf der
mit einem jehr fteilen pa ea verjebenen
Spindel eine paffende Schraubenmntter mit der
Hand hin= u. berziehbt. Eine von Mafchinen-
dauern, namentlich für fchwer zugänglihe Stellen
der Arbeitsjtüde viel benutte Bohrvorrichtung ift
die Bohrknarre oder die Bohrratiche. Der
Bohrer fitst dabei in einer kurzen Welle, welche
ein Sperrrad, einen dafielbe umgebenden Hebel mit
Sperrflinfe u. eine Schraube zur Hervorbringung
des Drudes trägt. Durch Hin- u. Herbemwegen
des Hebels wirft die Sperrflinfe auf das Sperr-
rad u. drebt den Bohrer in einer beſtimmten
Richtung, während man durch Anziehen der mit
einer Spite gegen einen widerftehenden Körper
eftügten Schraube den Drud regulirt. Bei
leineren B., die durch Mafchinenfraft bewegt wer-
den, wird der Bohrer in eine Spindel (Bohr:
Ipindel) geitedt, welche durch Zahnräder oder
Riemen ihre drehende Bewegung erhält, während
fie gleichzeitig Durdy einen Hebel, eine Zahnſtange
oder eine Schraube in der Richtung des Bohr-
Ioches bewegt werden kann. Bei ganz Heinen
Löchern ift Die Hebelbewegung mit Handgriff oder
Fußtritt deswegen vorzuziehen, weil man dadurch
den Bohrer in ganz kurzer Zeit heben u. fenfen
fan. Das NArbeitftüd Legt dabei auf einem
ſenkrecht zur Bohrſpindel ftehenden ebenen Tijche
(Bohrtiſch). Fe nah der Yage der Spindel
untericeidet man horizontale, verticale u.
geneigte B. Kommt e8 auf große Genanigkeit
an, jo läßt man nicht gern die Bohrfpindel die
hin- u. bergebende Bewegung maden, weil die
Yager dadurch ſchnell verichleigen, jondern über:
trägt diefe Bewegung auf das Arbeitsſtück, indem
man den VBohrtifh mit einer genauen Führung
verfieht und durch Hebel, Zahnverbindungen,
Schrauben, Wafjerdrud, oder dal. Mechanismen
beweglich macht. Bei fabrilmäßigem Betriebe hat
man dann über demfelben Tiſche häufig michrere
Bohrfpindeln mit Bohrern von verſchiedener Größe.
Das Arbeitsftüd wird dann in eiferne Käften ge-
fett, deren Wände an den Stellen, wo Yöcer
hinfommen follen, durchbohrt u. mit glashartem
Stahl eingefaßt find. Bohrt man durch dieje
Öffnungen, jo trifft man genau die beabfichtigten
Stellen des Urbeitöftüdes u. jpart das zeitrau:
bende BVorzeichnen der Löcher. Hohl-B. oder
Eylinder-B. für Eylinder zu Dampfmaſchinen,
Gebläſen, Pumpenftiefeln u. dgl., dienen nur zur
Glättung der ſchon vorhandenen Höhlung; man
unterjcheidet an ihnen die Bohrfpinvel, auf welcher
fi) der Bohrfopf, eine qufeiierne Scheibe, befin-
det, auf deren Rand 4—8 Meſſer vertbeilt find,
Kanonen-B. arbeiten die Höhlung in das maj-
five Metall. Die gebräuchlichſte Einrichtung dabei
ift die, den Eylinder in langjame Umdrehung zu
jepen; der Bohrer wird alsdann dur Drud vor»
631
wärts in das drehende Metall getrieben. Wie bei
dem Ausbohren der rohrförmig gejchmiedeten
Alintenläufe fommen aud bier eine Anzahl Boh—
rer von fteigenden Durchmeſſern nach u. nach zur
Anwendung. Der horizontalen Bohrung wird in
neuerer Zeit vor der verticalen, bei welcher der
Geſchützcylinder durch fein eigenes Gewicht auf den
drebenden Bohrer oder feldft drehend auf den ru—
benden Bohrer drüdt, der Vorzug gegeben, weil
die Erſchütterung des Metallcylinders geringer ift
u. die Bohrrichtung daher genauer beibehalten werben
fann. Eine Steinröhren-Bohrmaſchine ift zu—
erft in Prag zur Anwendung gelommen. Sie treibt
ein eijernes Rohr, deſſen unteres Ende mit ſchar—
fen Stahljchneiden beſetzt ift, in der Art drehend
durch den Stein, daß innerhalb ein Steincylinder
abgejondert wird, der fich zulett herausheben u.
wieder zu anderen Zweden benugen fäßt. Stein»
B. zum Tunnel-u. Bergbau, um Sprenglöcher
in fejtes Gejtein zu bohren, werden vielfach ver-
wendet, Es wirft dabei der Bohrer entweder durch
Schlag u. nachfolgende Drehung, oder continuirlich
drebend u. drüdend (Diamantbohrer). As Be-
triebsfraft verwendet man gern comprintivte Luft
ftatt Dampf oder Waifer, weıl fo die Arbeitsräume
ohne bejonderen Aufwand mit friiher Luft verjorgt
werden, Biefeler.*
Bohrmuſcheln (Pholadidar), Familie aus
der Klaſſe der Diufchelthiere, Schalen nach beiden
Seiten anseinanderftehend, ohne ineinandergreifende
Schloßzähne und ohne die Schalenftüde verbinden-
des Band, mie beides bei den meiſten Muſcheln
vorhanden if. Dafür finden fih tbeils am
Schloſſe 1 bis 3 (bei Pholas), theils an der
Athemröhre (bei Teredo) noch bejoudere feine
Kaltſtückchen. Der Mantel ift cylindriſch, wurm—
förmig geichlofjen, vorn mit einem feinen Schlige
zum Durchtritte des Heinen, ftempelartigen Fußes;
er verlängert fich nach hinten in eine lange Röhre
(Athemröhre , Sipho), Eine Kalfröhre kleidet
zuweilen die Gänge aus, melde ſich das Thier
un Schlamme, Holze, Felſen u. ſ. mw. gebohrt hat.
Hierher die beiden Gattungen eigentliche
Bobrmufhel und Bohrwurm. Bei den
eigentlichen 8. (Pholas L.) tt die Mufchel längs
lich, bauchig, Haffend, vorn an der Rückenſeite
auswärts umgeſchlagen, weil hier der Mantel über
den Wirbeln beraustritt u. fib auf ihnen ums
ihlägt ; innen, unter den Wirbein befindet fich ein
löffelförmiger, kalfiger Fortſatz; die beiden Athens
röhren find mit einander verwachſen. Cie bohren
in Felſen, Korallenriffe, Holz oder Schlamm.
Dabın der Steinbohrer, Dattelmujdel,
Steinfingermufjchel (Ph. dactylus L.); findet
fih in europäifchen Meeren, namentlich den Kalk—
feljen der italienischen u. frauzöſiſchen Küſten. Sie
wird gegeffen u. jtellenmweife den Auftern vorges
zogen. Die oft erwähnte Behauptung, dag fie jelbft
volllommen friih im Munde des Eifenden leuchte,
wird von den beiten Beobachtern durchaus nicht
beſtätigt. Es ift ebenfalls noch unentichieden, ob
ihr Bohren mittels der feilenförmigen Schale ge—
fchieht, oder durch einzelne Heine, ſcharfe Kieſel—
‚fplitterchen, welche ſich zerftreut auf der Fußfläche
vorfinden, bemwirft wird, oder ob gar ein von der
Muſchel ausgeichiedener Stoff den Stein auflöft
632
u. Rafpeln u. Reiben erleichtert; doch dürfte die
erftere Annahme die wahricheinlichere fein, zumal
die Heinen Nafpelzähne am vorderen Ende ber
Schale bei älteren Eremplaren ſtets deutlich ab-
genutzt erfcheinen. Der Bohrwurm (Teredo
.) befitst einen regenwurmartigen, langgeftredten,
cylindriichen Körper; die beiden Athemröhren find
an ihrem freien Eude auf eine furze Strede von
einander getrennt; an ihrem Grunde finden fich
ein paar hornig-fallige, jhaufelfürmige Anhänge;
die kurze, aber ſehr dide, weit Haffende, faft ring-
fürmige Muſchel umgibt nur das äußerſte Vorder»
ende des langen Thieres. Sie graben fih in
Holz vöhrenförmige, gefrümmte Gänge, welde
innen mit einer vom Mantel abgefonderten Kall—
röhre ausgelleidet find. Diefe Kalfröhre und die
vorhin erwähnten fchaufelförmigen Anhänge find
mit einander verwachien. Die 8 bis 10 befannten
Arten faßte Linne umter dem gemeinfamen Namen
Teredo navalis zufammen. Das Thier ift bis
35 cm lang u. foll etwa um die Mitte des 17.
Jahrh. durch Schiffe aus oft- u. weftinbiichen
Meeren in die europäiichen, im denen es jett
häufig ift, eingeichleppt worden fein, Es zerftört
das Pfahlwerl der Hafenarbeiten, das Bretterwert
der Schiffe un. hat ſchon zahlreiche Unglüdsfälle
herbeigeführt, jo 3. B. die großen holländiſchen
Deihbrüche im Jahre 1830. Imprägniren des
Holzes mit Kreofot leiſtet gute Dienfte gegen dieſes
Thier, weniger eımpfehlenswertb ift Theeren. Bei
ihrem Bohren zerihneiden die Thiere das Holz in
zahlloſe Stüdchen mit rechtediger Oberfläche, u. zwar
in der Weije, daß fie ihre mit zahlreichen, äußerſt
feinen Zähnchen beſetzten Schalenftüde über die
anzugreifende Stelle reiben, wobei die Richtungen,
in welcher die beiden Schalen bewegt werden,
rechtwinfelig aufeinanderſtehen. Ihre intereſſante
Fortpflanzungsweiſe iſt die der Seemuſcheln im
Allgemeinen (j. Muſcheln.) Thome.
Bohrwurm, ſ. u. Bohrmuſcheln.
Böhtlingk, Otto, geb. 11. Juni 1815 in
Petersburg, einer der ausgezeichnetſten Sanstrit-
phüologen der Gegenwart; ftudirte feit 1833 in
Petersburg, dann ın Berlin u. Bonn orientalische
Spraden; 1842 nah Rußland zurückgekehrt,
wurde er Mitglied der Akademie der Wiffenfchafr
ten, GCollegienrath u. jpäter wirfl. Staatsrath.
Seit 1868 hält er fi insbefondere zu dem Zwede
der Vollendung des Sanskritwörterbuches (ſ. u.)
mit Erlaubniß der rufjifshen Regierung in Jena
auf. Er ſchrieb viele Abhandlungen aus dem Ge-
biete der Sanstrit-Philologie, die in den M&moires
ber Petersburger Alademie erſchienen find, u. gab
heraus: Paninis Grammatifhe Negeln, Bonn
1840, 2 Bde.; Die Sakuntala (mit Ueberſetzung),
ebd. 1842; Sansfrit-Chreftomathie, Petersb. 1845;
Bopadevas Grammatik, ebd. 1846; Hematjchandras
Wörterbud, 1847; Die Sprade der Yakuten,
1849—51, 3 Bde.; Indiſche Sprüche, fanstr. u.
deutich, Petersb. u. Lpz. 1863—65, 3 Bde., 2. A.,
1870— 73; mit R. Roth zufammen: Wörterbuch
der Sanskritſprache, Petersb. 1853— 75, 7 Bbe,,
mit Nachträgen.
Bohtori al Walid, genannt al Bohteri von
dem Stamme gleichen Namens, einem Zmeige der
Bohrwurm — Boie,
bielt fih lange zu Bagdad auf u. fehrte danız
nah Syrien zurüd. Er war einer der berübm-
teften arabiihen Dichter, u. fein Divan übertrifft
an Umfang die Divane aller großen arab. Dich-
ter ber erften 3 Jahrh. d. H., denn er entbält über
6000 Diftihen u. 850 längere u. kürzere Ge—
dichte, aber weder nad den Enbreimen, noch nach
den Segenftänden, noch nach den Verjonen, an
welche fie gerichtet find, geordnet. B. bejang das
halbe Dutzend Khalifen, unter demen er lebte, kei—
nem aber find zablreichere Tobgedichte geweibt,
als dem Khalifen Motawalfil; er hinterließ auch
eine Hamafa, wie fein Vorgänger Abu Temman,
zum Unterjchiede die Kleine genannt. Sein Ted
fällt in d. %. 897, nachdem er 80 oder n. 4.
einige achtzig Jahre alt geworden war.
Bohs, Auguſt Wilhelm, deuticher Aftbetiker,
geb. 17. Juli 1799 in Stettin; findirte in Halle,
Berlin, Göttingen erft Theologie, dann Philologie
u. Philofopbie, habilitirte fi 1828u. wurde 1837
auferordentl., 1842 ordentl. Profeffor daſelbſt.
Schriften: De Aristophanis ranis, Hamb. 1828;
Borlefungen über die Gefichte der neueren dbeut-
ichen Poefie, Gött. 1882; Die dee des Tragi-
ihen, daf. 1836; Über das Komiſche u. die Komö-
die, daf. 1844; Leſſings Proteſtautismus u. Na—
than der Weiſe, daſ. 1854.
Bohuns (B.-Län [Lehn]), das ſchmale ſchwe⸗
diſche Kiüftengebiet, welches fich von der Götaelf
bis an die Grenze von Norwegen exftredt, zu
welchen Königreiche e8 lange gebörte; feit 1657
ſchwediſch u. jett dem Län Göteborg (Gotenburg)
zugetheilt. Darin das alte, 1303 gebaute Schloß
Bohuus auf einem von der Götaelf umflofienen
Felſen, das in der nordiihen Kriegsgeichichte oft
eine Rolle jpielte. Das ganze Län ift reich am
Seebhäfen des Kattegats u. zählt mehrere Städte
u. mehr als 30 Fiſcherdörfer.
Boichot, Jean, frangöfifher Bildhauer, geb.
1738 in &hälons-fur-Sadne; ward Mitglied der Ata-
demie der Plaſtik u. Malerei, dann des Jnftituts;
ftarb 9. Dec. 1814 in Baris. Berühmt iſt jeine
Gruppe des St. Michael, die Statue des St. Rod
u. jene des fitenden Hercules; von ihm find aud
die Basreliefs der Flüſſe am Zriumphbogen des
Carouſſel.
Boi, jo v. w. Boy.
Boie (Boje), Heinrich Chriſtian, deutſcher
Kritiker, geb. 19. Juli 1744 zu Meldorf im Holitei«
nischen, Eon eines Paftors; ftudirte feit 1763 in
Göttingen Rechtswiſſenſchaft, war dort 1771 Hof-
meijter,von jungen Engländern, wurde 1775 Stab
jecretär in Hannover, 1781 däniſcher Yandvogt in
Meldorf, 1790 dänischer Etatsrath; ft. in Meldorf
3. März 1806. Er nahm in Göttingen unter
den jungen Dichtern des ſog. Hainbundes (j. d.
Art. Göttinger Dichterbund) als Kritifer eine jehr
angejehene Stelle ein, rief 1770 mit Gotter den
Göttinger Muſenalmanach (j. d.) ins Leben, re
bigirte denfelben 1771 —75 allein, gründete
1776—77 mit Dohm das Deutihe Muſeum, gab
es 1778—88 allein heraus u, ſetzte e8 unter beim
Titel: Neues Deutsches Mufeum 1789 —91 fort.
Bol. Karl Weinhold, H. Chr. B., Beitrag zur
Gejchichte der deutſchen Literatur im 18. Jahrh.,
Zaij, geb. zu Menbedſch in Syrien; zoq nad Jrat, Halle 1868.
633
Doieldien, François Abrien, berühmter |fionsverhältniffe und pecumiäre Berlufte trübten
Dperncomponift, geb. 15. Dec. 1775 zu Rouen; feine fetten Jahre. Er ft. 8. Oct. 1834 auf ſei—
empfing jeinen eriten Unterricht vom Organiften/nem Landgute Jarci bei Grosbois. Die Stadt
der dortigen Kathedrale, Broche, einem Schüler) Rouen errichtete ihm 1839 eine Statue, u. der
P. Martini, ging mit 19 Jahren nad Paris, Parifer Stadtrath gab 1852 einem Plate jeinen
wo er anfangs jeinen Unterricht durch Klavier Namen. Sein Sohn Adrien B. hatte ebenfalls
ftimmen verdienen mußte. Im Haufe Erards ſah Talent zur Compofition; er jchrieb: Marguerite,
er Eherubini, Mehul u. den Sänger Garat, der L’aieule, Le bouquet de l’Infante für die Komiſche
B⸗s Lieder in Gejellichaften fang u. dadurdy auf Oper; La butte des moulins für das Theätre
das junge Talent aufmerffam machte. Im J. 1795 |1yrique. Brambach.
erzielte B. einen Erfolg durch die Dot de Su- Boileau, Nicolas B. Despreaur, geb.
zette, 1796 durch bie Famille Suisse, wogegen|1. Nov. 1686 in Paris (oder in Crosne bei
1797 Monbreuil et Merville durchfiel. Erjt 1798| Paris?) ; ftudirte anfangs die Rechte, dann Theo-
trat in Zoraime et Zulnare feine Fünftlerifche Be-|logie u. gab auch diefe auf, um fich der Poefie
gabung, befonders bie eigenthlimliche Anmuth u. zu widmen. Er’ machte fih früh durch jeine
larheit jeiner Melodienfhöpfung entjchieden zujSatires (die erfte: Les adieux & la ville de
Tage u. fand entiprechende Anerkennung. Doch Paris, erfchien 1660) befannt, wurde 1677 von
fanden die Möprises espagnoles u. anfangs auch Ludwig XIV., an defien Hofe er fehr beliebt war,
Beniowsky nur eine falte Aufnahme, dagegen zum Hofhiftoriographen ernannt, lebte feit 1687
war der Erfolg des Calife de Bagdad ein durch- meift auf feinem Gute Auteuil und fl. 13. März
ſchlagender u. außerordentliher. Wiederum fand/1711 an der Bruftwafferfucht im Klofter Notre-
1802 Ma tante Aurore anfangs wegen des Dame. Er jhrieb: (12) Satires, von denen die
ſchlechten Tertbuches feine günftige Aufnahme, trog |8. u. 9. die beften find, 16601705; (12) Epi-
Boieldien — Boileau.
der reizenden mufifalifhen Erfindung u. guten
Arbeit; nach Berbeflerung des Tertes ftellte fich
aber auch die verdiente Anerfennung ein. In—
zwiſchen war B. 1797 Profeffor des Klavierjpiels
am Confervatorium geworden; 1803 bewog ihn
das Unglüd in feiner Ehe mit der Tänzerin Elo-
tilde Malfleuroy einen Ruf als kaiſ. Kapellmeifter
nadı St. Petersburg anzunehmen. Hier jchrieb
er die Opern Rien de trop, ou Les deux para-
vents; La jeune femme colere; Amour et
mystöre; Abderkan; Calypso; Aline, reine de
Goleonde; Les voitures versdes; Un tour de
soubrette u. die Chöre zu Nacined Athalie. Im
3. 1810 nahm er Urlaub, fehrte aber infolge der
politifchen Ereigniffe nicht mehr nad Et. Peters-
burg zurüd. In Paris begann fein Glück wie—
der 1812 mit Jean de Paris; es folgte 1813 Le
nouveau Seigneur du village u. ein mit Che-
rubini, Catel u, Nicolo Iſouard gemeinfam ab-
gefaßtes Gelegenheitsftüd: Bayard à Mezieres;
1814 der mit Kreußer zuſammen componirte
Bearnais; 1815 Angela, ou l’atelier de Jean
Cousin, wozu Madame Gail ein Duett lieferte;
1816 in Gemeinfchaft mit Herold die Compofition
der Gelegenheitsoper Charles de France. Eben-
falls 1816 jchrieb B. La föte du village voisin, 1818
Le petit Chaperon-rouge, 1821 mit Cherubini u.
Berton Blanche de Provence, 1824 mit Berton
u. Keuter Pharamond, beides Gelegenheitsopern.
Am 10. Dec. 1825 wurde zum erjten Mal La
Daine blanche gegeben, die feinen Weltruf be-
gründete; 1829 erichien noch die Oper Les deux
nuits, ohne erfichtlihen Erfolg, B. war 1817
nah dem Tode Mehuls Mitglied der Alademie
eworden, 1821 wurde er zum Compositeur de
a musique de la duchesse de Berry u. zum
Ritter der Ehrenlegion ernannt.
tres, 1669—95; Odes, chansons, sonnets, &pi-
grammes ete.; R£flexions critiques sur Longin,
1693; eine Überjegung des Traité du sublime
von Longinus; De l’art postique, 1669— 1674;
die komiſche Epopöe: Le lutrin, 1672—83; Les
heros de roman, 1664—65; Lettres. Als Kri«
titer hatte B, ſowol durch feine Werke, wie dur
feinen Umgang mit Racine, Yafontaine u. Molidre
einen nicht hoch genug anzufchlagenden Einfluß
auf feine Zeitgenoffen u. die Nachwelt, Er be-
fimpfte mit Erfolg die falfchen Größen der das
maligen Literatur (Chapelain, Galprendde, Scu—⸗
dern, Cotin, Benjerade, Menage, Colletet), ver»
fpottete ſchonungslos ihre Manirtrtheit (Concetti),
Sentimentalität u. Schwülſtigkeit, empfahl die
Nahahmung der Alten, wies auf die beiten Bor-
bilder feiner Zeit hin (Macine, Molidre) u. ſchuf
in feiner Art podt. einen Coder des guten Ge—
ichmades, der lange Zeit für die franz. Fiteratur
maßgebend war (Le —— du Parnasse\.
Doch bat er auch derſelben fehr geſchadet durch
die Nüchteruheit jeiner weſentlich negativen, allen
Schmwunge der Phantafie feindlihen Kritik (Le
poete du bon sens) u. durch Beichränfung der
Poefie auf gewiffe Stoffe u, Formen (Mots nobles,
Cäfur, Enjambement, Geringſchätzung der altfr.
Literatur u. der chriftlichen Yegende). Auch tadelt
man feine Vorliebe für Boiture, Balzac, Segrais,
die Ungerechtigkeit oder Ungleichheit feines Ver—
haltens gegen Corneille, Brebeuf, Ouinault und
Lafontaine, deffen er in der Art poet. nicht einmal
erwähnt hat. Auch fehlt es ihm an jedem tieferen
Verſtändniß der Alten. Gegen B-8 faft unum—
Ihräntte Herricaft über die franz. Poeſie machte
fi in der 2. Hälfte des 18. Jahrh. eine ftarte
Reaction geltend, befeitigt wurde fie aber erft
Nah dem Tode durch die Romantifer des 19. Jahrh. (doc ift
feiner erften Frau (1826) verbeirathete er ſich die Art poet. noch heute Schulbuh in Frank—
wieder, fränfelte aber jeit 1829, legte die ihm reich). Als Dichter ift B. weniger bedeutend, u.
übertragene Profefiur der Gompofition am Con: |fein Borbild Horatius erreicht er nicht. Er tft zwar
fervatortum nieder u. fuchte Erholung auf eimer|geiftreih, fehr correct u. ein Meifter in der Ber
Reife nah Piſa. Die nah der politiiden Um-|bandlung der Form, aber es fehlt ihm an ge
mälzung 1830 eingetretene Unordnung feiner Pen-Inialer Ziefe, Phantafie, Anmuth u. Liebe zur
634
Natur.
Bois — Boifferde.
Seine Sonette, Oden u. Epigramme ſHaus Albret fam, bei dem es bis ins 18. Jahrh.
find faft m. ſchwach; am Lutrin lobt man zwar verblieb.
die Schönheit der Berfe u. die Beichreibungen,
Boijerie (fr.), jo v. w. Täfelwerl. Daher
tadelt aber die —— des Stoffes. Auch boiſeriren, mit Täfelwerk bekleiden.
ift er ungleich in feinen Productionen; der 6. Ge-
fang des Lutrin, die legten Satiren u. Epifteln
Bois-le-Due, jo v. w. Herzogenbuſch.
Boiffeau, 1) Schefiel, franzöfiihes Kornmaß,
ftehen den erften fehr nah. B⸗s Werte find in|früner in allen Provinzen verjchieden. Der Pa-
viele Sprachen überfegt worden u. in Hunderten
von Ausgaben mit oder ohne Gommentare er-
ſchienen. Die beften find: die Amfterbamer von
1772, mit Anmert. von Renaudot, Broffette, Du-
monteil, Souhay, Saint-Darc; Par. 1813—25;
von Deaunou, nu, namentlid die von Saint-Sor-
Iın, Par. 1821. Bolchert.
Bois, 1) Jacques de, lat. Sylvius, beliebter
Lehrer der Anatomie in Paris, geb. 1478 in
Louville bei Amiens; erwarb ſich bedeutende gen
tigfeit in den alten Spraden, ftudirte dann ®
dicin, laß über Galenos u. Hippofrates mit foldem
Erfolge, daß die Facultät es ihm unterfagte, an-
geblich weil er noch nicht promovirt fei; wurde
1525 Doctor in Montpellier, dann in Paris u.
las über Anatomie, Botanit u. Pharmafologie, u.
zwar in fo glängender Weile, daß er den be
rühmteſten älteren Brofefforen, z. B. Fernelius, Ab-
bruch that; 1550 wurde er Profeſſor am College
royal. Er ft. 13. Jan. 1555. B. war der Erite
in Frankreich, der die Zergliederungsfunft von
Menichen einfübrte, u. vielleiht auch der Erfinder
der Yeicheninjectionen (um die Gefäße fichtbarer
bervortreten zu laſſen), legte vielen Theilen des
Körpers eigene Namen bei, entdedte die Benen-
Happen u. würde vielleicht noch Größeres geleiftet
baben, wenn er nicht ein blinder Anhänger des
Galenos geweien wäre, Bei fieberhaften Krank—
heiten empfahl er bereits Spirituosa (De vini ex-
hibitione in febribus, Lyon 1535). Er war be-
rüchtigt durch feinen Geiz, weshalb am Tage der
Beerdigung an der Kirche folgendes Diftihon an-
geihlagen war:
Sylvius hie situs est, gratis qui nil dedit unquam,
Mortuus et gratis quod legis ista dolet.
Er hat eine Menge anatomifcher n. medicinifcher
Schriften hinterlaffen. Seine Geſammtwerke er-
ichienen in Genf 1630 u. 1635. 2) S. Dubois-
Reymond, Zhambayn.
Boifard, 1) Jean Jacques Franc. Mar
rie, geb. 1743 in Caen; war feit 1772 Secretär
bei des Königs Bruder u. zog fih dann ind Pri-
vatleben zurüd; er fl. 1831. Die erfte Samm-
fung feiner Fables, 1773 (im Mercure de France
u, a. Beitichriften); Fables et podsies diverses,
Gaen 1804; Nouveau recueil de fables, Caen
1805, neue Sammlung 1803; Mille et une
fables, 1806. Seine Kabeln find in einem hüb—
ſchen einfahen Stil geichrieben. 2) Jacques
Frang., Nefje des Vor., geb. 1762 in Gaen;
war erſt Maler, dann Dichter (Todesjahr unbe-
fannt); fchr.: Fables, 1817—22, 2 Bde.
Boisbelle (lat. Boscabellum), ehemaliges
Fürſtenthum mit der Hauptfiadt Henrichemont,
im jegigen Arrondiffement Sancerre des fran-
zöffchen Departements Cher, mit allen Hoheits—
riſer B. war — 13,,, 1, jest = 4 hl; man
teilte ihn in 4 Picotins u. 16 Litrons. 2) In
a it B. Benennung des niederl, Schepels
— bes Delaliter.
Boifferde, 2 Brüder, Sulpice, geb. 2. Aug.
1783 in Köln, u. Meldior, geb. 23. Aprıl
1786 ebenda; machten 1803 mit oh. Bapt.
Bertram eine Reife nah Paris, wo fie 9 Mo—
nate verweilten. Dort durch Fr. von Schlegels
Borlefungen zu Kunftitudien angeregt, wandten
fie ihre Aufınerfiamfeit der — Sammlung
namentlich altdeutſcher Gemälde zu, welche Na—
poleon damals in Paris zuſammengebracht hatte.
Sie faßten infolge deſſen die Idee, die zerſtreuten
Bilderſchätze aufgebobener Klöſter in Deutſchland
zu fammeln u. alles Werthvolle an altdeutſchen
Gemälden aus den Händen der Händler aufzu-
faufen. Dieſen Vorſatz führten fie bei ihrer Rüd-
kehr nah Deutſchland mit großem Eifer u. glüd-
lichem Erfolge durd u. unternahmen Reifen nad
den Niederlanden, Franken, Sachſen, Böhmen,
SDeutihland sc. So entjtand die Bıihe Ge—
mäldefammlung, die wertbvollite für Die deutiche
Schule, deren genauere Kenntniß ihren Beſtreb—
ungen zu danken if. 1814 gingen fie nach Hei—
delberg, um ihre Studien über Kunjt u. Alter«
thum dort fortzufegen, 1819 aber nah Stuttgart,
wo ihnen der König ein eigenes Gebäude zur
Anfftellung ihrer Sammlung fojtenfrei überließ.
Dort acquirirte 1827 der König Yudwig von
Bayern die Sammlung um 420,000 Gulden,
Dieje fam erft nad Schleigheim, dann in ihren
werthvollſten Zchäten 1836 in die Pinalothet in
Minden; 40 Gemälde wurden in der Morit-
fapelle zu Nürnberg anfgeftelt. Die Samınlung
beginnt mit Anfang des 13. Jahrh. u. zerfällt
in drei Abtheilungen, von denen die erſte die alt«
tölniſche Malerihule bis zum 15. Jahrh.; Die
zweite die Werte Jans van Eyd u. feiner Zeit-
genoffen H. v. der Goes, Hemling, Isr. v. Me—
fenen, Martin Schön, Mich. Wohlgemuth u. A. m.;
die dritte endlich Werke aus dem 15. u. 16. Jahrh.,
vorzüglich von Dürer, Lulas von Leyden, Holbein,
Heemstert, L. Cranach, Mabufe, Schoreel u. A. m.
enthält. Sulpice, der ſich hauptfächlid der Archi-
teftur zugewandt u. durch feine Forfhungen auf
dem Gebiete der altdeutihen Kirchenbaukunſt ſich
um die Kımftgefhichte großes Berdienft erwarb,
mwirfte mit lebhaften Jntereffe für den Weiterbau
des Kölner Domes, deſſen Originalplarn er auf»
fand, ging 1827 mit nah Münden u. wurde
1835 Gberbanrarh u. Generalconfervator ber
plaftiihen Denkmäler Bayerns, nahm aber ſchon
1836 jeinen Abichied u. hielt fi) eine Zeit lang
in SFrankreich u. Italien auf; 1845 murde er
preußifcher Geheimer Hofrath u. lebte in Bonn,
rechten; es gehörte lange den Sully, von denen |wo er 2, Mai 1854 ſtarb. Melchior, der jeine
e8 durch die re von Daria de Sully
mit dem Gonnetable Karl d
Albret 1400 an das
äfthetiichen Studien vorzugsweiſe der Dlalerei zu«
wandte, begleitete feinen Bruder nah Münden,
Boijfien — Boivin.
635
mo er bei. der Wiederbelebung der Glasmalerei|bei Einberufung der Etats-gendraux u. fpäter bei
Vorſchub feiftete, u. dann nach Bonn, wo er am der Nationalverfammlung Deputirter von Anno»
14. Mai 1851 ftarb. Seine Sammlung von Glas-
malereien vermadte er der Stadt Köln. Die
Brüder, beſ. Melchior, gaben mit dem Lithographen
Strirner vereint ihre Sammlung dur Steindrud-
copien, Stuttg.u. Münden 1821—40, 40 Lief. unter
dem Titel: Sammlung alt, nieder- u, oberbeut-
Iher Gemälde der Brüder B. umd Bertram,
lithogr. von 3. B. Strirner, mit Nachrichten über
die altdeutichen Maler von den Befitern, heraus.
Sulpice gab heraus: Geihichte u. Befchreibung
des Domes zu Köln, 1823—31, in 4 Pief., deutich
u. franz., von welchem Prachtwerke 1842 Aus-
aben in verfleinertem Maßſtabe der Kupfer er-
hienen; Die Dentmale der Baufunft am Nieder-
rhein vom 7.—13. Jahrh., 1831—33, 2. Aufl.,
1842, mit franzöfifcheın u. (1842—44) mit deut—
ſchem Text; er jchr.: Über den Tempel des beit,
Graals, 1834; Die Kaiferdalmatica in der. Pe—
tersfirche zu Rom, 1842. Vgl. Sulpiz B., Stuttg.
1862, 2 Bde,
Boiffien, Jean Jacques de B., Landichafts-
maler u. ausgezeichneter Kupferäger, geb. 1736 in
Yon; war zum Beamten beftimmt, bildete ſich
aber in Paris u. auf Reifen in Italien zum
Kiünftler; fl. 1810. Er lieferte gegen 120 Blätter,
die er größtentheil® nach eigenen Zeichnungen
ausführte. Seine Hauptftärte liegt im Stich.
Eine vollftändige Sammlung feiner Blätter befitt
Hr. Hertel in Nürnberg. B. zählt zu den be
deutendften Kiünftlern, die Frankreich je beſaß, u.
nimmt als Vorfämpfer der von David eingeleite-
ten Reformation der Kunft eine hervorragende
Stellung ein.
Boiljonäde, Jean Srancois, franz. Hel:
fenift, geb. 12. Aug. 1774 in Paris; war erft im
Eivilfache beichäftigt u. wurde 1809 adjumgirter
u. 1813 wirflicher Profeffor der griehiichen Sprache
an der Univerfität in Paris u. 1828 am Collöge
de France; ft. 8. Sept. 1857 in Pafiy. Er gab
berans des Whiloftratoes Hersika, Par. 1806,
vpz. 1814, u. deffen Briefe, Par. 1842; den Tis
berios Rhetor, 1815, Marinos, 2pz. 1814; des
Altos Herodianos Epimerismoi, Lond. 1819; Ni—
fetas Engenianos, 1819; 2 Bde.; Proflos’ Scholien
zu Platons Kratylos, 1820; Ariftänetos, Par. 1822;
Eunapios, Amft. 1822, 2 Bde; Sammlung der
griech. Dichter, 1823—32, 24 Bde.; Das Neue
Teftament, 1824, 2 Be; Syutipas, Par.
1828; Anecdota graeca, Par. 1829—40, 5 Bde.
Anecdota nova, 1844; Theophylacti quaestion.
phys. et epistolae, ebd. 1835; Dich. Pjellos,
De operatione daemonum, 1838; VBabrios, 18414;
Chorilios Gazäos Neben, 1846; Pachymeres De-
clamationen, 1848; Tzetzes' Allegorien der Jlias,
1851; Zacharias Mitylenenfis, De immortalitate
animae u. De mundi consummatione, Par. 1836.
Eine Auswahl feiner literaturhiftoriihen Aufjätze
gab F. Colincamp al$ Critique litteraire sous
ie premier empire, Par. 1863, 2 Bde., heraus,
oiſſy, 1 Frangois Antoine, Graf B.
d’Anglas, Anhänger der franz. evolution,
geb. 8. Dec. 1756 in St. Jean Chambre im
Departement Ardöche; wurde Maitre d’hötel bei
dem Grafen von Provence (Ludwig XVIIL) u.
nay; bier war er der Erſte, welcher erflärte, daß
der 3. Stand die wahre Nationalverfammlung
conftituire. Zum Generalprocurator des Depar-
tements Ardeche ernannt, milderte er manche
Gräuel der Revolution, flimmte gegen den Tod
des Königs u. wurde fpäter Secretär des Raths
der 500. 1797 zog er fih als Gegner des Di—
tectoriums zurid, wurde aber von Bonaparte zu-
rüdgernfen u. 1803 Mitglied des reformirten
Confiftoriums zu Paris u, 1805 Graf u. Senator;
1814 außerordentliher Commiffar in der 12, Mi—
(ttärdivifion, erkannte er dort die Bourbon an u.
ward nun Pair; er trat 1815 wieder auf Napoleons
Seite, wurde von dieſem in die ſüdlichen Departe-
ments gejchidt u. dann zur Kammer der Pairs
einberufen. Deshalb wurde er nah Yudwigs XVIII.
Rücklehr aus der Kammer geftoßen, bald aber
wieder aufgenommen, Er ft. 20. Dct. 1826 in
Paris. B. ſchrieb u. a.: Recherahes sur la vie
et les &crits de Malesherbes, Bar. 1819, 2 Bde;
Les ötudes lit. et poét. d’un vieillard, Bar.
1826, 6 Thle. 2) Hilaire Etienne Oct.
Rouilld, Marquis von B., geb. 4. März 1798
in Paris; wurde 1839 in die Pairstammer be»
rufen, wo er wegen feiner freimüthigen Reden
oft zur Ordnung gerufen wurde u. vergebens dem
JFulikönigthum jeinen nahen Sturz vorausfagte;
als Yegitimift fiel er unter dem Kaiferreiche bei den
Wahlen dur, wurde aber 1853 Senator ır, jette
jeine rüdfihtslofe Beurtheilung aller politiſchen u—
focialen Eriheinungen inner und auferbalb des
Yandes fort. Er ft. 26. Sept. 1866 auf feinem
Landgute Marly-fe-Roi. Seit 1851 war er mit
der Gräfin Guicctoli, der befaunten Freundin Lord
Byrons, vermählt.
Boite(fr.), 1) Schachtel, Käftchen, Büchſe. 2) Ge—
tränf aus ausgepreßten unreifen Weintrauben, durch
einen Aufguß mit Waſſer bereitet; hält fih von
einer Weinleje bis zur anderen, dem Kovent ähnlich,
Boitout (fr.), Becher ohne Fuß.
Boisenburg, 1) Stadt im Großherzogthum
Medlienburg-Schwerin (mwendifcher Kreis), am der
Boike u. Elbe, Station der Berlin-Hamburger
Eiſenb.; Amtsfig; Freimaurerloge: Veſta zu den
3 Thürmen; Eifengiegerei u. Maſchinenfabrik, Bier-
brauerei; lebhafter Handel mit Getreide, jährlich
Wollmarkt; Schifffahrt u. Fifcherei; 3635 Em. —
B. ift fehr alt. 1191 ſchlug hier Graf Beruhard der
Jüngere von Ratzeburg Heinrih den Löwen;
1207 wurde das Schloß von dem Dänenkönig
Maldemar zerfiört. Der Ort wurde in der Mitte
des 14. Jahrh. zur Stadt erhoben, 1628 wurde
B. mit den anderen medlenburgiihen Städten von
Wallenftein eingenommen, 1631 aber von Guftav
Adolf zurücerobert. 2) Marktfleden im Kreife
Templin des preuß. Regbez. Potsdam; gräflich
Arnimihes Schloß nebft Park, Thiergarten und
Fafanerie; ftarte Fischerei in den 22 umliegenden
Seen (Teichforellen); 1100 Ew. Im Schloffe
wurde der Feldmarſchall Georg Abraham v. Ar-
nim geboren.
Boivin, Marie Annettte Gillain, geb.
1793 in Berfailles, Oberbebamme an der Pariſer
mediciniichen Facultät; erhielt den Ehrendoctor-
636
titel von der Univerfitit Marburg. Sie fhr.:
M&morial de l’art des accouchements, 4. Ausg.,
Par. 1836, deutih von Nobert, Marb. 1830;
Sur l’origine etc. de la möle vesieulaire, Par.
1827, deutich, Weimar 1828, ꝛc.
Bojädor, Cap an der Küfte der Wüſte Sa-
hara (Afrifa); in der Näbe find 100—140 m
bobe Dünen, melde oft bis tief ins Land ſich
zieben; die Küften dabei find gefährlich zu befah—
ren wegen der geringen Geetiefe u. wegen ber
häufigen Trübung der Atmoſphäre.
Bojäna, Fluß in Albanien (Europ. Türkei);
entfteht in den Dinarifchen Alpen, durchfließt den
See von Sfutari u. mündet, nachdem er dem
Drin .den Arm des Neuen Drin zugefandt, in
das Adriat. Meer.
Bojäno, Stadt im Bez. Iſernia der italieni-
ſchen Provinz Campobaflo, am Biferno, in einer
tiefen Schludt am Fuße des Berges Matefe, der
4 Dionate lang den Sonnenftrahlen den Eingang
verwehrt; letzterer wurde beim Erdbeben 1783
verjchiüttet, wobei das Thal dur den Biferno
verjumpft ward; Suffragan-Bifchof von Benevent;
Geminar, Kathedrale, 5 Parochialkirchen, Klöfter;
6706 Ew. 8. ift die alte Stadt der Sammiter
Bovianum oder Bojanum, die aud durch Erd-
beben viel litt, zuletzt 1805.
Bojanowo, Stadt im Kreife Kröben der preuf.
Prov. Poſen, Station der Breslau-Pojener Eiien-
bahn; höhere Bürgerfihule; Vollsbank; Strumpf-
wirferei; 2017 Em.; Geburtsort von Guhrauer
u. Frauenſtädt. — B. wurde 1638 von Stephan
Bojanowski angelegt u. brannte 12. Aug. 1857
faft ganz ab.
Bojar, im alten Rufland u. in den füdjlavi-
jhen Yändern Bezeichnung für die erften Kriegs—
beiden des Volles, fpäter für freie Grumdbefiger,
Adelige. In Rußland, im Großfürftenthum Mos—
fau, waren bie B-en im Beſitze der höchften Mi-
Iitär- u. Givilämter, u. da fie noch dazu die
nächte Umgebung der Großfürften bildeten, übten
fie, namentlich wenn diefe ſchwach waren, bedeu—
tenden Einfluß vermöge ihrer politiichen Nechte,
fo daß, ohne ihr Gutheißen ausprüdlich zu beto-
nen, auch fein Ulas hinansging. Die Rangord—
nung unter den B-en felbjt richtete fich nach dem
Dienftalter u. wurde aufs Strengfte eingehalten,
ja fogar unter Peter Berüdfichtigung der von den
Borfahren eingenommenen Stellung. Durch dieje
Eigenthilmlichleiten, beſonders aber durch Die
Mactbefugniffe, welche fie ih nach u. nah an—
eigneten, wurden fie den Fürſten immer läftiger,
ohne daß es jedoch den letsteren gelungen wäre
fie in ihre Schranken zurüdzumeifen, ihre Macht
zu brechen, bis emblich Peter d. Gr. die B-ens
würde ihrer ſämmtlichen Vorrechte u. Befugniffe
entkleidete u. nur mehr als Titel beließ. Der
feste ruſſiſche B. war der am 16. Jan, 1750
verftorbene Fürſt Iwan Jurjewitſch Trubetzkoi.
Von den Ruſſen nahmen die Romanen in der
Moldau u. Walachei den Titel u. die Würde der
B-en an, u. bildeten die Ben bier den hohen Adel,
deſſen Machtbeftrebungen u. ſelbſtſüchtige Politik
indeß Fürſt Cuſa durch den Staatsſtreich v. 2. Mai
1864 brach u. die dort herrſchende demokratiſche
Berfaſſung auch nicht mehr auflommen läßt. *agai.
Bojador
— Boje.
Bojardo, Matteo Maria B., Graf von
Scandiano, ital. Dichter, geb. 1434 in Scandiane ;
murde unter — Hercules I, von Eſte Gou-
verneur von Reggio u. 1481 Capitano von Mo-
dena, fehrte aber fpäter auf feinen früheren Boften
nah Reggio zurüd; er ft. dort 21. Dec. 1494.
B. ſchr. das romantische Gedicht: Orlando in-
namorato, Scand. 1495, fortgejett von Niccolo
degli Agoftini im 16. Jahrh.; Bermi arbeitete
das Gedicht unter dem Titel: Orlando rifatto um,
u. erft von Panizzi wurde das urjprüngliche Ge»
dicht, Yond. 1830, 9 Bde., wieder herausgegeben;
ins Spaniſche ward er zweimal, ins Frauzöſiſche
viermal überſetzt, deutſch von Gries, Stuttg.
1835—37, 3 Bde., von Regis, Berl. 1840; er
ſchrieb außerdem Sonetti e Canzoni, Reggio 1499
u. ö.; Il Timone (Luftipiel), 1500, Ferrara 1809;
Carmen bucolicum, 1500; Cinque capitoli, Ben.
1523 u. ö.; L'Asino d’oro, nad Pufianos, 1518,
u. Apulejus, 1523, überſetzte auch den Herodotos,
Ben.1533. Auswahl feiner Gedichte, Modena 1820.
—8* alter Name für Bayern.
Boje, ſ. Seezeichen. Anler«B. iſt eine Meine
Boje, welche an dem im Grunde liegenden Anker
mittels eines ſtarken Taues, dem B-reep, befeſtigt
iſt und die Stelle, wo der Anker liegt, anzeigen,
jowie dag B»reep tragen fol, Falls der Anter
aus irgend welcher Urſache hat un Grunde zurüd-
gelaffen werden müſſen (beim Brechen od. Schlip-
pen der Anfertette, bezw. des Anfertaues) kann die
Stelle durch die Anfer-B. wiedergefunden u. der
Anfer mit dem B-reep gelichtet werden. Ret-
tungs⸗B., Körper von genügender Schwimm-
fähigfeit, um wenigftens zwei Mann im Wafler
zu tragen. Die Rettungs-B-n werden den über
Bord fallenden Perfonen vom Schiffe aus zuge-
worfen, damit fich diefelben an den Bu mit
Sicherheit jo lange über Waffer halten können, bis
das vom Schiffe entiandte Nettungsboot Mann
u. B. erreicht u. aufnimmt. Die Kettungs-Ben
find meift in der Form von breiten Ringen, mit
ungefähr 1-m äußerem Durchmefier, aus Korf-
ftücden bergeftellt, welche durch einen aus ſtarkem
Segeltuch gefertigten u. durch Anftreihen mit Ol—
farbe waſſerdicht gemachten Überzug in dieſe Form
gebracht find. An dem äußeren Rande des circa
O,, m breiten Ringes befeftigte Handhaben (Strog-
gen) aus dünner Yeine dienen zum leichteren Er»
faffen der Rettungs⸗B., durd welche man fib
für längere Zeit und im Seegange am beten auf
die Weife tragen läßt, dag man fich diefelbe über
Kopf u. Schulter wirft u. danach beide Arme jeit-
wärts darüber legt. Solche und andere ähnlich
bergeftellte Rettungsbojen, welde, der bejjeren
Sichtbarkeit im Wafjer wegen, am zwedmäßigften
mit hellrother Ölfarbe angeftrichen find, können ibren
Zwed allerdings vorzugsweife nur am Tage voll»
fommen erfüllen, ‘u. deshalb find Kriegsicifie u.
ebenjo gewöhnlih die größeren transatlantiichen
Poftdampfer, außerdem mit Nacht: Rettungs-Ben
ausgerüftet. In der Regel beftehen diefe Nacht»
Nettungs- Ben aus 2 hohlen Meifingkugeln von
ungefähr O,, m Durchmeſſer, die mitteld eines
breiten und gleichzeitig als Sit Dienendeu Holz-
ftüdes von ungefähr 1 m Länge mit einander ver:
bunden find u. genügende Schwimmlraft befigen,
Boje —
Bokhara. 637
um 2 Mann mit Sicherheit im Waſſer zu tragen. Mal Schillers Franz Moor u. Fiesco auf die
In der Mitte des die Kugeln verbindenden Sitbrettes | Bühne brachte; er ft. 18. Juli 1793. B, war ein
— eine ungefähr 1 m hohe Röhre einen eiſernen vorzüglicher Darſteller von Helden-Charakter- u.
Teller, ber ein circa $ Stunde brennendes Zünblicht |Tiebhaberrollen u. erhält noch dadurch ein gemiffes
in einer Blechröhre enthält, welches fich gleichzeitig | Intereffe, daß er der erfte gaftirende Schauspieler
mit dem Fallenlaſſen der B. entzündet, mwährend|(1777) in Deutſchland geweſen ift.
des Treibeus der B. im Waffer abbrennt, ohne den
etwa auf dem Sigbrette befindlichen Mann zu ver-
legen, u. durch die große Leuchtkraft den Ort der
Rettungs=B. in der Dunkelheit der Nacht erfennen
läßt. Als Gegengewicht gegen die Röhre mit
Bünderteller und zur Berhütung alſo eines jonft
vorfommenden Umſchlagens der B. im Waffer
dient eine beim Werfen der B. aus der Röhre
um deren Länge nach unten fallende u. unten bes
Schwerte Metallftange. Die Endzündung des Zünd-
lichtes geichieht mittels einer Percuffionsichlagröhre
u. eines Ähnlichen Hammerfchloffes, wie e8 bei den
mit Bercuffions-Schlagröhren abfenernden Sciffs-
geihügen in Anwendung kommt,
So re Ehr., j. Bote.
Bojeleiſchi, Dorf bei Krajoma in Bulgarien,
wo der ruffiiche General Geismar mit 4300 Mann
das mit 36,000 Türken befegte und verſchanzte
Lager des Beziers von Widdin in der Nacht zum
27. Septbr. 1828 überfiel; j. Türken (Geſch.).
Bojer, Feltiiches Volt, welches wahrſcheinlich
im jüblihen Belgien wohnte u. fih durch mehr-
fahe Wanderung an verſchiedenen Orten anfiedelte;
eine Abtheilung (evft um 500, ſpäter 390 v. Chr.)
mar in Italien bis nach Umbrien und Etrurien
vorgedrungen u. ließ fich zwijchen dem Po u. den
Apenninen nieder, woher ein Theil der jegigen
Emilia Bojus ager hieß. 222 wurden fie durch
Claudius Marcellus den Römern unterworfen;
219 jedoch ermuthigt durch die Rom angreifenden
Punier, errangen fie für kurze Zeit ihre Selbftän-
digfeit wieder, wurden aber 191 duch P. Cornelius
Scipio dauernd unterworfen. Theile von ihnenmwan-
derten feitden an die Donau aus, wo fie die dort
eindringenden Kimbern und Teutonen befiegten.
In einem Kriege, welchen fie 87 v. Chr. mit den
Dalern u. Stordisfern führten, wurden fie auf-
gerieben, oder zerftreuten ſich; ihre Wohnfite hier
zwischen Mur u. Donau blieben verlaſſen, daher
Bojorum deserta (Bojiſche Wüſte). Ein Haufen,
220,000 Köpfe ftarf, zog mit den Helvetiern nad
Gallien, warb aber von Cäſar geichlagen u. der
Überreft in das Land der Äduer verfekt, unter
welchen fie fi in ber ‘Folge verloren. Ein an—
derer Haufen ftiftete das Reich Bojohemum, wel⸗
es der Markomanne Marbod ftürzte u. die Na-
tion mit der jeinigen verband, doch blieb dem
Lande der von ihnen herrührende Name Bojoher
mum, das nachherige Böhmen (j. d.).
Böf, Johann Mid., berühmter denticher
Schaufpieler, geb. 1743 zu Wien; war anfangs
Barbier, betrat aber 1762 unter Adermann ın
Kürſchner.
Bökel, Willem, ſo v. w. Beulelſon.
Böfeln, ſ. Pöleln.
Bokelſon, jo v. m. Bockold.
Boker, George Henry, amerikanischer Dich—⸗
ter, geb. 1823 in Philadelphia; ftudirte im Prins
ceton College im Staate New Jerſey, machte
dann eine Reiſe nach Frankreich u. England und
lebt jeit feiner Müdtehr in Philadelphia, wo er
ihriftftellerifch thätig ift. Er fchr.: Gedichte und
Dramen, die meift von dunflem Colorit, aber aus
erfennenswerther Formengewandtheit find; von den
erfteren find zu nennen: The Lesson of Life,
1848; The Podestas Daughter, and other mis-
cellaneous poems, Bhilad. 1852; Plays and'
Poems, Bofton 1857, 2 Thle; Poems of the War,
Bofton 1864; Konigsmark, the legends of the
Hounds, and other poeıns, Philad.1869; von den
letzteren die Tragödien: Calaynos, 1848; Anne
Boleyn, 1850; The Bethrodal; Leonor de Gus-
man und die Komödie: All the World a Mask.
Die letteren beiden Dramen haben in den Ber-
einigten Staaten großen Beifall geerntei. Kurſchner.
Bofhara (Bodhara, Buchara), 1) Khanat oder
Emirat in Zurkeftan, jegt ruff. Bafallenftaat zwi»
ihen 37 u. 43° n. Br. u. 79—87 8. 8.; ca. 220,000
km (4000 [_M), hatte früher eine weit grö-
Bere Ausdehnung. Den nördlichen Theil mit
Dſchiſſak u. Utſch-Tübe, ſowie Samarland haben
jetst die Rufen genommen. Man nennt B. u, dar
mit ganz Turan aud die Große Bucharei oder
Usbeliſtan, im Gegenfage zu der Kleinen, der frü—
beren dinefiishen Prov. am Thian-Schan, Tarim
u. Lopſee, die bei den Chinejen Ginkiang, bei den
Ruſſen OTurfeftan genannt wird. Die Alten narın-
ten B. und deſſen Umgebung Sogdiana, die Mo»
bammedaner Mawar al Nahr, u. unter der Herr-
ſchaft Yegterer im Mittelalter war B. nebſt Balth
und Samarland Mittelpunkt der Wiffenfchaft u. der
Ihönften Bauwerke. Die Grenzen find faum ges
nau anzugeben. Im N. liegt die Sandwüſſte Kifftl-
Kum, zur ruſſ. Prov. Amu-Darja gehörend, im O.
das ruſſ. Gebiet von Samarkand, ſowie die Heinen
Staaten Karategin, Darwaz u. Badalh-Schan, wel-
ches nebft den ſüdl. Gren — Kunduz u. Balth
jetzt unter afghaniſcher Oberherrichaft ftebt, im W.
jenjeits des Aınu das Turfmanengebiet u. Khiwa,
Zopograpbie. Der größte Theil des Landes
ift Steppe u. wird von Nomaden durchzogen, die
bald Tribut zahlen, bald nit. Die Culturflächen
bilden fein gejchloffenes Ganzes, ſondern liegen
zerftreut an den Flüffen u. auf deren falzhaltigem
Lehmboden, geihieden duch Wüſten u. Bergreiben,
Mainz die Bühne, begleitete ſodann Seyler auf Das Land jenft ih nah W. u. it im N. u DO.
jeinen Wanderzügen, bis er in Gotha für das von Bergletten gejperrt. Ein weſtl. Ausläufer des
erfte deutſche Hoftheater engagirt u. nah Edhofs | Thian-Schan, der Kara-Dagh (Agalil-Dagh) in fei-
Tode ihm die Direction deſſelben übertragen |nen — ———— zwiſchen Seraf ⸗Schan u. Amu,
wurde. Nah Auflöſung dieſes Inſtituts, als auch Fon-u. Waſſan-Dagh genannt, füllt mit Schnee⸗
deren Urſache zum Theil fein efſectſuchendes Spiel bergen den Oſten, reicht im — Parallel⸗
angeſehen wird, ging B. nah Mannheim, wo er|fetten bis Samarkand u. ſinlt im W. zu Hügeln
auf dem neu errichteten Nationaltheater zum erſten herab. Bon der SSeite laufen die Hiffarer und
638
Bofhara.
Karſchiner Berge aus, ein nordweſtl. Zug feheidet | Hauptbandelspläte find B. und Karſchi, die den
Syr u. Seraf-Schan, bis er an der Amumündung
endigt. Karten nennen ihn Al-Dagb, Kufertly zc.
Den Lebmboden der Thäler bededt oft bemeg-
liher Sand, Flüſſe: an der ganzen © u. W—
Grenze der Aınu-Darja, im Innern aber der gold»
haltige Seraf-Schan (652 km lang); dieler ent—
fpringt im D. auf dem YFon-Dagb, durchſtrömt
Samarlands offene Ebenen, danı B⸗s Sant:
fteppen und ergießt fih in den See Denghiz.
Er wie Amu, Debas und Kafchla dienen zur
Bewäflerung, ſpeiſen viele Kanäle, und an ihnen
bin liegt Ortihaft an Ortſchaft, Obft-, Plaul-
beer-, A rc u. Felder mit Kürbis,
Melonen, Gerfte, Weizen u. Mais, Das Klima
des Landes ift troden u. gefund, im Sommer 26
bis 30° R. Hite, aber im Winter fo ftreng, daß
die Flüſſe zufrieren u. der Schnee 4—4 m bod
liegt; die Jahreszeiten verlaufen ſehr regelmäßig,
im Octbr. u. Febr. wehen heftige Nord» u. Nord-
weftwinte, die dadurch vielen Schaden anrichten,
daß fie den Wüſtenſand aufwirbeln u. in das an-
gebaute Land treiben. PBroducte: Baumwolle u.
Seide erzeugt man in Menge. Die Berge liefern
Gold, Salz, Schwefel, Alaun, Salmial; von den
Hausthieren geben die Ziegen vortrefilihde Sharl-
wolle, die Schafe mit Feitſchwänzen ſchwarze elle,
aus denen die Perſer ihre Mützen machen. Außer—
dem gibt es die Galeria africana, ein Wiüflenfrant,
von dem man u, a. Manna zur Nahrung fam-
melt, eine Indigopflanze, auf der aud) ein Code»
nille-Inſect lebt, Rhabarber; Reiher, Heufchreden,
Bären, Wölfe, Füchſe, Schatale, wilde Eſel, Hiriche,
Antilopen, Ejel, Kamele, Dromedare, vorziig-
lihe Pferde (def, um Samarkand). Angebaut
werden Weis, Roggen, Gerfte, Hirje, Mais, Se—
ſam, Melonen, Feigen, Baumwolle, Krapp, Tabat,
Jaulı Kohl, Hülſeufrüchte, Zwiebeln, Kürbiffe,
urken, feines Obſt, faure Kirihen, Maulbeeren,
Wein (man verarbeitet die Trauben größtentheils
zu Eifig, Rofinen, Syrup, zu Naſchwerk, Confect,
und gebraucht fie zum Berfüßen des Waffers.
einwohner find die aderbautreibenden Tadjchit
(Stammwerwandte der Perjer), geringer an Zahl
die türfischen Usbelen, die Eroberer, noch ge
ringer Kirgifen, Juden, Hindu 2c. Die Haupt«
fpraden find Türkisch u. Perfifch, der Islam bie
allein herrſchende Religion, feine Belenner ftrenge
Sunniten. Die Bollszahl des Yandes wird auf
2— 24 Dill. geſchätzt. Die Hälfte diefer Benölferung
lebt als Nomaden, die andere von Yandbau und
Gewerben, welche Gewebe aus Bauınwolle, Seide,
Kamel» u, Ziegenhaar, Yeder, vorzüglich Chagrin,
Säbel, Meſſer, Feuerwaffen, Wertzeuge u. Putz—
jachen fertigen. Der Handel mit diejen eigenen
Erzeugniffen nach dem Auslande ift beträchtlich;
dagegen wird eingeführt: von Rußland her Muſ—
jelmm, Leder, Metalle, Farben, Papier; aus Afgha-
niftan u. Indien engliihe Waaren, Kaſchmirſhawls,
Zuder; aus China Thee u. Porzellan; der Werth
Ur⸗zu 20 pCt.
Verkehr nach Kabul, Indien, OTurkeſtan u. Ruß
land vermitteln, und Kerfi am Orus, Grenzfefte
an der Karapanenftraße nah Herat, gilt für den
Schlüffel zum Khanat. Man braudt 3000 Ka-
mele für den Handel über Khima nah Aſtrachan
und Orenburg, 7—800 für den nad Kaſchgar,
ebenfo viel für den nah Kabul u. Indien. Jede
Karavane muß ihre Ankunft vorber anzeigen u. der
Behörde fo lange die Waare überliefern, bis diefe
die Steuer berechnet und eingezogen bat. Jeder
Rechtgläubige darf Handel treiben ohne Steuer;
die Anderen geben Steuern. Juden find redt-
los, wohnen in bejonderen Bierteln, dürfen nur
Pelzmütze und Strid als Gürtel tragen, find
aber reih. Münzen. Goldene Tilla — 13 M
25 Pig., filberne Tonga — 65 Pig, fupferne Pul
oder Puldſch — 2 Pig. Maß: Altihin = $ m,
Gäs — 14 m, Taſch oder Farſang oder Sſäng
== 99km. Gemidt: Batman od. Män — 160
bis 190 kg., 1 Batnıan Sir = 4 Batman oder =
64 Tihairit — 4 Nimtiha oder = 16 Sfäng,
1 Sſäng = 5 Miskal. Verfaſſung: despotiiche
Monarchie, beichränft durch die Macht der Priefter.
Der Herriher ift erbfih und nannte ſich früher
Khan, jett aber Emir el Mumenin (Beberricher
der Gläubigen), ſieht aber doch den Sultan von
Gonftantinopel als feinen geiftlihen Oberen an.
Er bat zu Berathern den Steuermmifter (Kuſch-
Begi), den Kriegsminiſter (Inal) u. Obergeiftlichen
Schäch el Islam), u. ein Geiftlicher forgt auch für
die öffentliche Sicherheit; Geiftliche find Richter n.
urtheilen nah dem Koran u. nad Willlür. Man
ftudirt auf der hoben Schule 15—30 Jahre. Das
neben gibt es 2000 Boltsjchnien mit 160,000
Schülern, u. 200 Medreffeb mit je 80 Schülern.
Die Polizei wird auf das Strengfte u. Graufamite
gehandhabt; die Stenereinfünfte belaufen fib auf
3—6 Millionen M aus den Böllen, aus der Kopf»
jteuer, welde die Nicht-Mohammedaner zn ent»
richten haben, u. aus dem Ertrage des Landes bis
Das Heer beiteht aus 20,000 Reis
tern u. nur 5000 Fußgängern u. etlichen 40 Ka-
nonen und ift Schlecht disciplinirt. Der Soldat
wird in Getreidelieferungen bezahlt (jährlich 1000
kg pro Mann); die Fußgänger führen Yunten«
flinten, die Reiter Säbel u. Yanze; die Kanonen
find von Bronze, in jchlechtem Stande u. gemöbn«
lich noch jchlechter bedient. he
Geſchichtliches. Bolbara (bei den Griechen zu
Sogdiana gehörig, von den Ehinejen Anſi genannt),
der Zielpunft perfiicher Eroberungszüge, ſtand bis
zum Sturze der Perfiichen Monarchie in Abhängig-
feit von diefer. In der Folgezeit ein Durchgangs—
punkt erſt mongoliſcher Herden, dann der Araber,
gelangte e8 jelten zu ruhiger politiicher Selbftän-
digkeit. 909 wurde es Hauptitadt der Samani«
den u. fam nad deren Sturz 993 an die Herr—
icher von Kathai; 1197 nahm es ihnen Moham—
med Khan von Kharesn wieder ab; 1219 ging
des gefammten Umfatses foll 30 Mil. M im!es an Dicingis Khan über, der die Stadt vers
Jahre überfteigen. Die Mefjer von Hiffar find
berühmt u. werden von Meflapilgern nach Per—
fien, Arabien u. der Türkei ausgeführt; auch die
Ihön damascirten Degenklingen haben Ruf, ebenfo
Gewebe (Shawis, Tiiher) u. Metallwaaren. Die
brenuen ließ. Bon Diehingis Khans Sohn, Dſchia—
gethi, wiederhergeftellt, wurde B. 1370 von Tas
‚merlau erobert u. blieb den Timuriden bis 1498,
wo Babur von Schaibel Khan vertrieben wurde,
Schaibel Khan regierte bis 1510, wo er in der
Bofharafelle — Bolan-Paß.
639
Schlacht bei Merw gegen die Timuriden fiel. Mit|fen u, enthält enge, Frumme u. ſchmutzige Straßen,
ibnen famen die Usbekiſchen Khane wieder auf den
Thron von B. Sein Nachfolger Kuſchandſchi ft.
1529; nad) dem Tode von deſſen Sohn Abu Said
folgte der Schebainide Abdullah Khan (f. d.), deflen
fegensreihe Regierung bis 1597 dauerte. Dieje
Dynaſtie endigte 1599 mit Abdul Mumin, deſſen
Mörder, Imam Kuli Khan, B. einnahm; diejer
regierte bis 1642, Nachher wurde das Khanat
in das von B. u. von Samarfand getheilt, jpäter
aber wieder vereinigt. 1770 mußte Abdul Feis
Khan die Oberherrſchaft Perſiens anerkennen,
wurde jedoch bald von Rahim ermordet, der fich
losmachte; in der Regierung folgte ihm Murad
Schah u, defien Sohn Haider Turah (1800— 25).
Die Khane von B. waren im ftetem Kriege mit
den Khanen von Khiwa u. von Kholand; auch die
ihm untergeordneten Fürften von Scher Schabaz
u. Hiffar erfannten ihre Oberherrlichfeit nicht an,
u. der von Khunduz plünderte das B, unterworfene
Balth. 1825 fam Naſſir Schah (Mefjer Ullab) an
die Negierung. Er regierte gufanglich mit jenem
Minister Kuſch Belt geredt u. gut, bob das ge-
ſunkene Anjeben feines Staates nad innen u. außen,
fiel aber nach deſſen Sturze in wüſte, fanatifche
Grauſamkeit. Die von der engl. Regierung in diplo-
matiſcher Miſſion, Freigebung von Gefangenen zu
erwirken, u. A. an ihn geſchickten Difiziere Stod-
dart u. Conolly, ließ er nach furchtbaren, jahre:
langen Quälereien in der Gefangenichaft 1842
hinrichten, ohne daß Drohungen und Bitten ver-
mocht hätten, ibn davon zurüdzubringen. Allein
dem Miſſionär Wolff gelang es, unverjehrt zurüd-
ufehren. 1853 wurde der Khan von einer Bande
— * meiſt aus Afghanen beſtehend, er—⸗
mordet, und Ildhirim, der bisherige Bezier, ein
Afgbanenrürft, zum Emir erhoben. Der Krieg
nut den Ruſſen 1868, durd den er die Provinz
GSamarland verlor, ſchwächte das Aufeben des
Emirs bedeutend; Empörungen in allen Thei—
len feines Heiches braden aus, deren er mur
mit Mühe Herr wurde. Da er fih in dem ruſ—
ſiſchen Feldzuge gegen Khiwa 1873 als zuperläj-
figer u. nügliher Bundesgenoffe bewies, wurde
ihm ein Theil des von dieſen eroberten Yandes
am rechten Ufer des Amu zur Belohnung über:
geben. Indeß ift das Yand durch Verträge und
Berhältnifie dermaßen von Rußland abhängig,
daß es kaum mehr als einen ruſſiſchen Vaſallen—
ftaat vorſtellt. S. Vambery, Gejhichte Trans-
oraniens, 2 Bde., Stuttg. 1873. Vgl. Örover,
The Bokhara vietims, Yonden 1845; Wolff, Tu
ascertain the fate of Col. Stoddart and Cap.
Conolly, ebd. 1845. Vgl. Mongolei u. Turfeftan.
2) Hauptitabt des Yandes, 400 m ü.d. M., in
einer fruchtbaren, an Gärten u. Obſt reichen Dafe
der MWiüfte, an dem in den Seraſſchan fliegenden
Waflan u, am Kanal Scheri-Huth, den 12 Brüden
überjchreiten u. der viel Seitentanäle u. an 90
Teiche fpeift; 66— 70,000 Ew.; 2500 einftödige
um ein Hofviered aus Badjteinen gebaute Häufer;
nur die Karavanferat und Hochſchulen find mehr»
fiödiqg, da in dem oberen Zimmern der legteren
Die Studenten wohnen,
Dreied von 12 km Umfang, it von 7 m bobem
Erdwall, runden Thürmen u. Baſtionen umfchtojr
über 360 Moſcheen, Bäder, 110 Schulen, reiche
Bazar und geräumige Karavanferai. Auf einem
pügel fteht der zweithürmige Palaft des Emirs.
As Wunder des Orients gilt die Moſchee Mir«
gharab, ein Bieret von 100 m, mit einer 34 m
hoben Kuppel von bimmelblau glafirten Biegeln
u. einem Minaret, defien Ziegel zu Arabesten zur
fammengejtellt find. Die Karavanenherberge Ab-
dallah Dſchanſerai foll die größte der Welt, die
hohe Schule Kokaltach die berühmtefte jeın, denn
in B. ftudiren 10,000 Jünglinge Medicin oder
Theologie. Auch it B. ein Wallfahrtsort wegen
der zahlreihen Heiligengräber,. einer der größten
Meppläge Inner-Aſiens, ſowie Sig vielartiger In—
duftrie. Man verjender nach China, Indien, lit
tel-Ajienu. Rußland Badobft, Früchte, Glas, Leder,
Metallwaaren, Reit: u. Zugthiere, Pelze, Läm—
merjelle, gefärbte und rohe Seide, Rhabarber,
Daummolle, Baumwollen- u. Seidenzeuge, In—
digo, Mojhus, Papier, türkiiche Juwelierarbeiten
u. j. w. und verkauft geraubte Berier auf den
Stlavenmärtten. In der Stadt ſelbſt wohnen viele
Tadſchik (Bucharen), aber auch Usbeken, Berier,
Türfen, Rufen, Afghanen, Kalmüden, Hindu
Juden ıc, (Geogr.) Fr. Körner.*
Bokharafelle find feine Felle ungeborener
jhmwarzer Lämmer, deren Wolle man künftlich glät-
tete u. fräufelte. Bofhara u. Khiwa verfenden die
beften, Schiras u. Rum in Perfien geringere. Aus
ihnen macht man die fußhohen, fegelartigen Pelz«
mützen der vornehmen Perſer.
Bokhari, Abu Abdallah Mohammed ben
JIsmail al B., geb. 810 in Bokhara und geit,
870 in Chartane bei Samarland; berühmt als
Sammler mohanmmedanifcher Traditionen, deren
Zahl fih auf 4000 beläuft; arabiſch herausgeg.
von Krebl, Leyd. 1862—64, 3 Bde.
Bokkeveld, drei Landſchaften im meitl. Cap-
land; das Kalte B. im Norden ift gebirgig und
vaub; das Warme B., mit fehr milden Klima
u, vorzüglihen Weideplägen, tft einer der ange—
nehmſten Diftricte u. läßt, rings von Bergen ums
ſchloſſen, enropätihe Garten» und Südfrüchte ger
deihben; das Onder-B,, an der Mündung des
Olifant-River, liegt hoch u, ift nur zur Viehzucht
geeignet.
Bol (Min.), jo v. w. Bolus.
Bol, Ferdinand, Geſchicht- und Porträt-
maler, aud Kupferäger, geb. 1611 in Dortredt;
einer der bedeutenditen Schiller Kembrandts, dem
er in Färbung, Yichtwirkung und Naturwährheit
zum Berwechſeln nahe kommt; er ft. zu Amſter—
dam 1681 (1686). Werke in den Galerien zu
Dresden: Jakob mit der Himmelsleiter, Alter in
einem Buche leiend; zu München Pinakothek):
Das Opfer Abrahams; zu Frankfurt (Städeliches
Inſtitut): zwei Porträts. 16 Radirungen find von
ihm belannt.
Bolaböla, Inſel des Geſellſchaftsarchipels (f.d.).
Bolanden, ſ. Kirchheim⸗Bolanden.
Bolanden, Konrad v,, ſo v. w. Biſchoff 8).
Bolanos, Stadt im mexican. Staate Jalisco;
Die Stadt bilder ein reiche Silberminen; 1500 Ew.
Bolan⸗Paß (Bholan), Paß des Brabut oder
Hala-Gebirges in Belutſchiſtan, über den die
640 Bolax —
Straße von Schiharpur in Sindh (Border - Jn-
dien) einerjeits nach Kandahar (Afghaniftan), uud
Kelat (Belutiiftan) anderjeits führt. Die Paßhöhe
Sir-Bolan) 1740 m. Der Paßweg von Dader
bis zu der fogen. unfrudtbaren Ebene, ungefähr
85 km lang, an beiden Seiten von fteilen Gipfeln
eingefaßt u. an manden Stellen nur 15—18 m
breit, läuft neben dem auf der Höhe des Berges
entipringenden B.Fluß. Bon 16. März 1839 an
durdzog die engliihe Armee in mühevollem
Maridy diefen Weg. As Handelsſtraße fteht er
hinter den Päſſen am Kabul zurüd.
Bolax Commers. (Azorella Lam., Chamitis
Banks), Pflanzengatt. aus der ‚Fam; der Dolden-
gewächſe oder Umbelliferen (V, 2), perennirende
Kräuter oder Halbjträucher, ungemein rei ver-
zweigt, mit dicht beblätterten Grundrojetten, jehr
compacte, fefte Polfter bildend, jeltener mit auf-
rechten und beblätterten Zweigen; Blätter unge
theilt, gezähnt gder handförmig eingejchnitten; bie
mit feinen Jnvolucralblättern verjehenen Dolden
find entweder figend, oder geftielt. Bon den 35,
die Anden SAmerilas, Neu-Seeland und Auftra-
lien bemohnenden Arten find bervorzubeben: a) B.
Gilliesii Hook., von den peruaniichen Anden,
mwelhe ein dem Opoponar ähnliches Harz aus-
ihmwist, das als ausmurfbefördernd bei WVerjchleim-
ungen, fowie gegen Kopfihmerzen, äußerlich bei
Dritfenverhärtungen gebraucht wird; b) der eben—
falls B-harz liefernde B. glebarius Commers.
(B. complicatus Spr.), aus dem ſüdlichen Chile,
von Patagonien u. der Magelhaensſtraße. Engler.
Bolbee, Stadt im Art. Ye Havre des franz.
Depart. Nieder- Seine, am gleihnam. Fluſſe, an
der Weftbahn; reformirte Kirche; Fabriken im
Baummolle, Judienne, Tafchentüchern, Leinwand;
BVieh- u. Kornhandel; 12,204 Em.
Boldyen (fr. Boulay), 1) Kreis im reiche»
ländiihen Regbez. Lothringen; 730 [km (13’/,
geogr. [_ JM), an der Nied, von der Eijaß-Lothrin-
ger Bahn durdzogen; 47,735 Em. %) Stadt
ebendaf,, Eifenbahnftation; Kreispdirection, Frie—⸗
densgeriht, Oberförfterei; chemiſche Stahlwaaren-,
Leder- und Lackirfabrik, Gerberei; 2376 Ew.
Bolchow, Kreisftadt im ruſſ. Gouv. Orel, an
der Nugra; bedeutende Strumpfwirlereien u. Hand»
ſchuhmachereien, Fabriten in Yeder u. Seide; Han-
del, 3 ftarf beſuchte Jahrmärkte; 18,491 Em,
Bole, 1) in Schlefien eine Aderhufe; 2) in
Schleswig Adermaß; die volle B. wird in halbe,
viertel u. achtel B. eingetheilt.
Bolero, jpanifcher Nationaltanz , von zärt-
lichem Charakter u. mit dem Bewegungen des
Menuets; beftehbt aus den drei Theilen: Pafeo
(Promenade), Traverfias (Zraverjs) u. Finale.
Er wird im ®%, Tact, mit Caftagnetten getanzt u.
begleitet von einer Either oder mehreren Inſtru—
menten, auch wol mit Geſang. Zu .3 ober 4
Paaren getanzt, heißt er Mandyetta, von der
Provinz Manda, wo er entitand. Geguibdillas
B. iſt ein von der Guitarre begleitetes Lieb, im
Tact u. der Anlage des gewöhnlichen B. Kürfäner.
Boleslaw (Boleslaus), jlav. Name, fo v. w.
Bogislam u. Boguslav. A. Könige von Po-
len: 1) 8. 1. Chrobry, d. i. der Tapfere, Sohn
Boleslaw.
behauptete fi 992 nad) feines Baters Tode gegen
deſſen Willen mit Übergebung feiner Brüder im
ungetheilten Befite des väterlihen Erbes, wurde,
nachdem er fein eich bereits wefentlich vergrößert,
von Kaifer Otto III. zum König gefrönt, jagte
fi aber, als der ſächſiſche Kaiferftamm erloſch, von
feinen mit diefer Krönung übernommenen Berbind»
lichkeiten gegen das Reich los. B., der Begründer ber
Macht Polens u. eifrige Verbreiter des Ehriften-
thums, ft. April 1025. 2) ®. II. der Kühne,
eb. 1042, Sohn Kafimirs I.; beftieg 1058 den
bron, ließ nah Niederlämpfung verjchiebener
Fehden ſich 1077 zum König frönen, mußte jedoch
ſchon 1079 wegen jeiner empörenden Gemaltthaten
— er erihlug den Biſchof Stanislaus v. Krafau
am Altar — flüchten uw. ft. im der Verbannung.
3) B. III. Krzywouſti (Krummmaul), Nefie
des Bor. u. Sohn des Wladislam Hermann, geb.
1085, ein heidenmüthiger Fürſt; theilte, 1102 zur
Regierung gekommen, erft mit feinem natürlichen
Bruder Shigniew, indem er ihm Majovien als
Lehn gab, verjagte ihn aber nachher, unterftüste
den Otto von Bamberg in Verbreitung des Chri-
jtenthbums, gelobte dem deutſchen Kalter Bins u.
huldigte ihm wegen Pommern u. Rügen; er ft.
1139, nachdem er 1138 das Neich unter feine 4
Söhne getheilt. 4) B. IV., Erifpus der
Braustopf, Sohn des Vor., geb. 1127; befam
bei der Theilung Mafovien, Eujavien, Kulm u.
Dobrgzin, erhob fi mit zwei Brüdern gegen den
4., Wladislam, dem das Hecht allgemeiner Ober-
berrichaft vom Vater verliehen war, vertrieb die⸗
fen u. ward 1146 ſelbſt König, mußte jpäter aber
deffen Söhne mit Schlefien abfinden; er ft.
1173. 5) 8. V. der Keuſche, Sohn Leiczels
des Weißen, geb. 1219; folgte, 9 Jahre alt, die⸗
jem unter Vormundſchaft Heinrichs des Bärtigen,
zeigte fi aber nachmals als ſchwacher Fürſt, un«
fähig, den andrängenden Mongolen zu mehren,
wie den fortwährenden Fehden im Innern u,
namentlich dem Emporftreben des Adels; er ft.
finderlo8 1279, da er die Ehe mit der 1237 ihm
angetrauten Kunigunde, Tochter Belas IV. von
Ungarn, nie volljog. B. Andere Fürſten: a)
Herzöge von Böhmen: 6) B. L der Gram
jame, Sohn des Herzogs Wratisiaw u, der Dra-
homira, die anfangs über ihn u. feinen Bruder,
den heiligen Wenceslam, die Vormundſchaft führte
u. ihn bewog, den Legteren zu ermorden, wegen
defien Ehrifteneifers. 8. folgte dem Bruder 936,
befannte fih dann jelbft zum Chriftenthum, mebrte
u. vergrößerte feine Macht gegen die andringenden
Hunnen; ft. 967. 7) 8. II. der yromme oder
Keuſche, Sohn u. 967 Nachfolger des Vor., ein
tapferer Heerführer u. Kämpferfürdas Ehriftenthbum;
ft. 999; j. Böhmen (Gefch.). Unter ihm wurde die
lateinische Schrift u, Yiturgie eingeführt. 8) 8. IIL.
Rothhaar, Sohn u. 999 Nadyfolger des Vor.,
ein mißtrauischer, habfüchtiger w. graufamer Herr-
jcher, der deshalb auch 1002 einer inneren Eunpör-
ung weichen mußte u. erft nad) einem Jahre wie-
der zur Herrichaft gelangte, durch Hufe des Polen-
fönigs, der ihn aber, nachdem fi aufs Neue die
Großen wegen feiner Grauſamkeiten empört, bien-
den u. in den Kerker werfen ließ; er ftarb 1037.
des Mieczyslaw I., aus dem Haufe der Piaſten; 9) B. I. der Lange, ältefter Sohn des Königs
Bolcetus —
Wladislaws II., u. Herzogs von Schlefien, Stamm-
vater der piaftiihen Herzöge in Nieder-Schlefien;
erbielt 1163 nebft feinen Brüdern von ihrem
Oheim, König Boleslaw IV., der ihren Vater
vertrieben hatte, Mittel-Schlefien mit Breslau u.
mwurde Stammmvater der Herzöge von Nieber-Schle-
fien; er fl. 1200. 10) 8. II. der Kahle oder
der Tolle, Sohn Heinrihs II. von Nieder-Schle-
fien; war 1241—43 Herzog v. Groß- Polen, erhielt
dann in der Theilung Liegnitz u. wurde 1251
Gründer der älteren Yinie Liegnitz; er ft. 1278.
11) 2. ILL, Hergog von Brieg-Fiegnig, ältefter
Sohn Heinrihs V., geb. 1291; folgte feinem
Bater 1296 zu Brieg unter Bormundfchaft bis
1311 u. 1331 nad) feines Bruders Yadislam Tode
zu Liegnit; Stifter der Linie Brieg; ft. 1353. Lagai.
Boletus Dill., Hutpilzgattung der fyam. Hyme-
nomycetes, Abth. Pileati-Polyporei Fr., mit
dichtitehenden, leicht abzufchabenden Röhrchen auf
der Unterfeite des Hutes, worin die Sporen —
wie auf ben Lamellen des Blätterſchwammes —
befeftigt find, u. mit centralem Strunke. Eßbar
find: a) Schmerling (B. granulatus L.), mit
diden, gelblihen, 8 cm hohem, oben mit Körnchen
befegtem Strunfe ohne Ring, anfangs braunem u.
ſchleimigem, dann gelbem Hute, weiß-gelbem, unver-
änderlihem Fleiſche; Porenſchicht hellgelb. b)
Steinpilz, Herren pilz, Bilzling (B. edulis
Bull.), mit halblugeligem, hellem oder dunfel-
braunem Hute, weißer, Später gelbliher Röhren-
ſchicht, eirund⸗kno —* Strunfe, der oben netzig
bezeichnet ift; in Wäldern. (Nah Lenz ift der
Steinpilz einer der wichtigften eßbaren Schwämme,
der ſelbſt roh genoffen werden fann.) c) Königs:
pilz (B. regius Krombh.); Hut blutroth mit gel-
bem, unten purpurnem Strunfe u. goldgelben Röhr-
hen. Giftig ift: d) Donnerpilz, Herenpilz
Saupilz (B. luridus Schäf.); Hut bräunlich,
Strunk roth; läuft angefchnitten blau an; Röhr-
hen mit mennigrother Mündung. Eine Barietät
davon ift der Satanpilz (B. satanas Lenz.),
mit hellem, bolzfarbigem 8—19 em breitem, ge»
wölbtem, didem Hute; 5—8 em hohem, 5—10 em
diem, dunlelrotbem Strunte,
Boleyn, Anna, j. Ana 9).
Bolgary (Bolgbar), Dorf im Kreife Spast
des ruſſ. Gouv. Kafan, an der Wolga; ftebt auf
den Trümmern der alten tatarifchen oder bulga-
rischen Stadt Bolghar, von welcher nod) Überbleib-
fel von Willen, einem merkwürdigen Thurme,
Bädern, arab. u, armeniihe Grabichriften ꝛc. vor«
handen find u. wo Waffen, Münzen, Geräthe
verſch. Art gefunden wurden.
Bolgrad, Stadt in der unteren Moldau (Ru-
mänien), am Nordende des Jalpul-Sees; ehemals
Hauptft. einer bulgariichen Colonie, bis 1856 im
rufjishen Nieder-Budjater Bezirke (Beflarabien),
feit dem Parifer Frieden aber mit dem gleichnam.
Kreife zu Rumänien (Moldau) gehörig; gut ge
baut; präctige Kathedrale, Friedhofskirche mit
dem Grabmal des ruſſ. General® Inſow, des
Gründers der Eolonie; jchöner öffentlicher Garten
u. viele Privatgärten; Thonwaaren; Talghandel‘
etwa 6100 Em, j
Bolt, Hauptft. des gleihnam Liwa im Bilajet
Kaftamuni der Aftat. Türkei, 750 km nordweſtl. von
Pierers Univerfal-Eonverfationseterifon. 6. Aufl.
III. Band.
641
Angora, am Fluſſe Filias; Feder u. Wollenfabrilen,
Goldſchmieden; 5000 Em,
Bolingbrofe, Dorf mit Schloß in der eng:
liſchen Grafichaft Lincoln; 800 Em. Das Schloß
wurde im 12. Jahrh. von Wilhelm von Romara,
Grafen von Lincoln, erbaut; der Ort felbft fam
von den Grafen von Lincoln an die von Lancafter;
aus diefer Familie war König Heinrich IV,
der von jeiner Geburt auf dem dafigen Echloffe
den Beinamen Bolingbrote erhielt. Seitdem mar
B. eine der Honours der Krone. Im J. 1624
wurde Pord Olivier St. John Graf v. B.
Bolingbrofe, 1) früherer Name des Königs
Heinrich IV. von England. 2) Henry, Baron
St. John, Biscount von B., geb. 1. Oct. 1678
zu Batterjea in Surreyſhire; ftudirte zu Oxford
u. filhrte ein ſehr loderes Leben; er wurde 1701
Parlamentsmitglied, 1704 Kriegsfecretär, erhielt
aber, weil er gegen Mariborough intriquirte, 1708
feine Entlaffung u. hielt e8 nun mit den Xories;
nachdem er durch Einfluß auf die Königin das Whig-
Minifterium geftürzt hatte, wırrde er 1710 Staats—
fecretär u. 1712 zum Baron St. John u. Bis-
count von B, ernannt. 1712 unterzeichnete er
in Frankreich die Convention wegen des Waffen-
fillftandes, welchem der Utrechter ‚Friede folgte.
AS das Haus Hannover, dein er entgegengear«
beitet hatte, 1714 den Thron beftieq, verlor er
fein Amt u. floh nach Frankreich, wurauf er 1715
des Hocdverrathes ſchuldig u. feiner Güter verluftig
erflärt wurde. Er trat nun bei dem Prätendens
ten Zalob III. als Minifter in Dienfte; diefer
entlieg ihn aber nach der verunglüdten Yandung
in Schottland. Später wandte er ſich durch Ber:
mittelung der Herzogin v. Kendal an Georg I.
u. erhielt die Erlaubniß, nah England zurüdzu«
fehren, befam aud 1725 feine Güter wieder.
Er hielt fih nun in England zu Dawley bei
Urbridge als Privatmann auf, eilte aber, als ſich
für die Oppofition günftige Ausfihten zeigten,
nad London, wo er, da ihm das Oberhaus die
Aufnahme beharrlih verfagte, durch Schriften,
die bei. gegen Walpole gerichtet waren, auf das
Volk wirkte. 1735 ging er von Neuem nad
Frankreich, febrteaber, um bie Erbichaftfeines Vaters
anzutreten, nad England zurüd, lebte nun im
Ruhe auf feinen Gütern u. ft. zu Batterſea 18.
Dec, 1751. Seine Bibliothef u. feine Werte
(darunter Dissertation on parties; Idea of a
patriot king; Letters on the study and use of
history, Lond. 1738 u. ö., deutfch von Betterlein,
1794) vermadte er dem Dichter Mallet, welcher
letgtere in Yond. 1754, 5 Bde., herausgab, m.
Ausg., ebd. 1769, 11 Bde., 1809, 8 Bde. Gie
enthalten außer den genannten: Betrachtungen
über das Eril; Geheime Memoiren über die Ans
gelegenheiten Englands, von 1710—16; Betradht-
ungen über ben jetzigen (nach dem Aachener Frie-
den) Zuftand der Nation. In jeinen philofophi«
ihen Schriften zeigte er fih als Freigeiſt und
Feind des Ehriftenthbums. Seine Correspondence
erichten London 1798. In Scribes Yuftipiel:
Le verre d'eau ift B. eine eig Dal.
Th. Mac Knight, The life of Henry St. John,
Viseount B,, Yondon 1863.
Bolintineanu, Demeter, rumäniicher Dichter,
41
Bolintincanu.
642
geb. 1826 zu Bolintina in der Walachei; ftudirte
in Bukareſt u. erhielt dann ein öffentliches Amt,
verlor daffelbe aber wegen feiner feindjeligen Richt-
ung gegen die Regierung. Er ging mum 1847
nah Paris, kehrte aber in der Hevolution 1848
in fein Baterland zurüd u. redigirte das national»
demotratiſche Blatt Populul suverano. 1849
mußte er unter Stirbey das Yand wieder verlaf-
fen u. lebte in Paris bis zum Ausbruche des
Ruſſiſch · Türkifchen Krieges, wo er fi nad der
Türtei wendete u. 1859 von da nad) der Walachei
zurüdtehrte. Er erhielt im Minifterium des Für-
ften Cuſa im Mai 1864 das Portefeuille des
Eultus, gab daffelbe aber nah 3 Monaten wie»
der ab u. wurde Mitglied des Staatsrathes, ft.
aber ſchon 1. Sept. 1872 zu Bukareſt. Er ſchr.:
Gedichte, 1852 u. Ö.; den Roman Manilu u.
VBeichreibung feiner Neife nah Paläftina.
Bolivear, 1) County im nordam. Unionsftaate
Miſſiſſippi, u. 33° n. Br. u. 91° w. L.; 9732 Ew.;
Countyſitz: Bolivia. 2) B., feit 1857 einer der
Staaten der Föderativrepublif Columbia; Flächen—
gehalt 46,000 [jkm (etwa 1000 M); 247,100
Ew., meift Miihlinge; zerfällt in den eigentlichen
Staat u. in das Territorium B.; Hauptft. ijt
Cartagena, bedeutenditer Handelsplat Barranquilla.
Bolivar, Simon, genannt El Libertador
(der Befreier), geb. 24. Juli 1783 in Caracas,
aus einer altipaniichen, reichen Familie; erbielt
feine Bildung in Madrid u. Frankreich, ſowie
durch Meifen im übrigen Europa und kehrte
um 1803 nad Garacas zurüd. 1804—1809
lebte er wieder in Paris u. focht beim Ausbruche
der evolution des ſpaniſchen Amerifa (1810)
u, nachdem er 1811 Waffen aus England erhal-
ten, ald Oberftlieutenant unter Miranda für die
Unabhängigkeit jeines Vaterlandes, mußte aber,
nahdem die Spanier Benezuela unterworfen bat-
ten, flüchten u. lebte auf Guragao. 1812 nabm
er wieder theil an dem Kampfe in Neu-Oranada
u. ward die Seele des Krieges, nahm 1813
Caracas u, wurde Präfident der Republik Vene—
zuela, Als die Spanier unter Morillo 1815 wie.
der anrüdten, enttam er nah Jamaica, wo er zu
Kingiton faft von einem Meuchelmörder, der feinen
Bertnachbar ftatt feiner erdolchte, ermordet worden
wäre; 1816 mit einer Heinen Schaar Abenteurer
urücklehrend, eroberte er Venezuela u. wurde zum
berdirector diejes Staates mit Ddictator, Gewalt
ernannt, als weicher er die Sklaverei als aufgehoben
erflärte. Morillo u, die Spanier ſchlug er 1818 u,
1819 mehrmals, zog nad einem kühnen Marſch
über die Gordilleren in Santa-Féè de Bogota ein,
fiegte 1821 bei Carababo, befreite 1824 Nieder- Peru
u. wurde, als er 1825 einen entſcheidenden Sieg über
die Spanier bei Tamasja erfochten hatte, 1825 zum
Dictator von Peru ernannt; 1826 wurde er von
Neuem (mie fchon 1819) zum Präfidenten der
von ihm aus Benezuela u. Neu-Öranada gebildeten
Republif Columbia erwählt; da fi aber bald
darauf Peru u. der nah ihm benannte Staat
Bolivia, endlih auch Venezuela von der Union
losfagten, weil man ihn wegen feines willfürlichen
Berfahrens monarchiſcher Gelüfte beichuldigte, jo
dankte er am 27. April 1829 ab. Er ftarb 10.
Dec. 1830 in Santa-Marta.
Seine Leiche wurde
PBolivar — Bolivia.
1832 nach Caracas gebradt und ihm bier
ein Denkmal errichtet; auch in Lima wurde feine
eberne Reiterſtatue aufgeftellt. Bgl. Tarrazabal,
B-8 Yeben, Nem-Port 1866, 2 Bde. ; Correspon-
deneia general de Libertador Simon B., ebd.
1865— 1871, 2 Bde.
Bolivia. I. Geogr. u. Statift. B., Republif
in SAmerifa; grenzt im N. u. O. an Brafilien, im
©. an Baragusy, die Argentiniiche Conföderation
u. Ehe, im W. an den Stillen Ocean u. Peru;
‚slächengebalt: ungef. 1,300,000 km (23,600
IM). Das Gebiet Bes beftebt naturgemäß aus
zwei ſehr verichiedenen Hälften, dem Gebirgslaude
der Eordilleren im SW. u. dem Flachlande längs ber
brafiliichen Grenze im NO. jede diefer beiden
Hälften ift etwa fo groß wie Deutichland. Die
erftere zerfällt wieder in die regen- u. pflanzenlofe
Wüſte Atacama am Stillen Meere u. in Das
Hodhplateau der Cordilleren. In Atacama tritt
die weftlihe Haupttette dieſes Niefengebirges aus
Argentina in das Yand ein u. verläßt es wıter
dem 20. Grade f. Br. wieder, um erft die Grenze
zwilchen Beru u. B. zu bezeichnen uw. danıı ganz
Peru anzugehören. Hier bilden die Gordilleren
bis zu dem 22. Grade ſ. Br. eigentlich feine Kette,
fondern einen 450 km breiten, gewölbten Rüden,
aus dem fich zerftreute, mei vulcaniſche Berge
erbeben, nehmen dann aber Kettenbildung an.
Die Höhe jenes Rückens beträgt zwiſchen 4000
u. 4500 m, die der Gipfel dieſes Gebirgstbeils
überhaupt bis zu 68310 m (im Sajama). Oftlich
daran fließt fih,"von Ketten der GCordilleren
umgeben, an der Grenze von Argentina Die
Hochſteppe El Despoblado (die unbewobnte), mit
großen Salzlahen, in denen die Flüſſe enden.
Nördlich von derjelben dehnt fi zwiſchen der
weſtl. u. der öftl. Hauptlette der Gordilleren, die
ſich im Gebirgsfnoten von Lipes trennen, Die
Hochebene von B. oder Oruro aus, welde bis
zum Titicaca-See an der Grenze von Peru reicht
u, durchichnittlih 4000 m über dem Meere erha-
ben u. von fleineren eig Ar durchzogen iſt.
Die öftlihe Hauptlette der Gordilleren fteigt zu
ihrer bedeutenditen Höhe öftl. vom Titicaca-See,
mo mit erwigem Schnee bededte Gipfel emporra-
gen, der Sorata 7566 m, der Illimani mit
6503 m xc. Im N. u. O. des Yandes gebt der
Abfall der Cordilleren nad) u. nach in unabſehbare
Tiefebenen (Llanos) über. Die geologiiche Be-
ihaffenbeit B-s ſ. u. Brafilien. Die Gewäſſer
Bes gehören verſchiedenen Syſtemen au. Dem
Großen Ocean fließen in Atacama nur Bäche zu.
Die Flüſſe der Hochebenen, an fih ohne Bedeut-
ung, enden in Salzlahen. Aus dem großen
Süßwafler-See Titicaca, welchen B. mit Peru
theilt, fließt der Desaguadero in den kleineren
Salzjee Aullagas ab. Der größte Theil B-8
aber ift dem Amazonenftrome u. dem Ya Plata tri«
butpflichtig, jenem durch den Beni u. den Rio
Grande oder Mamore, die, an der Grenze Bra-
ſiliens ſich vereinigend, den Namen Madeira
annehmen, diefem Durh den Pilcomayo, einen
Nebenfluß des Paraguay. Das Klima betref-
fend, zerfällt B. in drei Stufen: Die kalte bobe
Puna, wo das Athmen Beichwerde verurjadt,
über 3350 m body, unfruchtbar, troden, aber ge
Bolivia. 643
fund; die Thäfer (Valles), von 3350 bis 1620 m Peſos. B. wird in neun Departamientos einge
Höhe, warın, ge t u. fruchtbar, u. die NYungas theilt: 1. Atacama (Hauptort Cobija) am Großen
(tiefe Gegenden), mit iippiger Vegetation, wo Ca. Ocean, 2. Potofi, 3. Oruro, 4. Ya Paz, 5. Cocha-
cao, Zuder, Ananas, Coca ꝛc. gedeihen; reih an) bamba, 6. Sucre, 7. Tarija im Gebirgsiande,
Wäldern, aber ungefund, Fieber erzeugend und 8. Beni oder Beni (Hauptort Apolobanıba) u.
Überſchwemmungen ausgejegt. liber Flora und|9. Santa-Eruz de la Sierra in den öftlichen
Faund f. u. Amerifa, S. 548 u. 550. Die Ge-|Ebenen. Hanptfiadt u. Si der Regierung ift
famımntzahl der Bevölkerung belief fich im Jahre) Sucre, früher Chuquiſaca genannt. Die Bere
1858 angebl. auf 1,987,352 Menſchen, ungerechnet faſſung ift nach der Berfaffungsurfunde (Code
die nicht getauften Indianer. Davon find nur die|Boliviano) vom 25. Aug. 1826 repräfentativ.
geringere Hälfte ſpaniſche Ablömmlinge, die gqrö-) An der Spige der Regierung fteht ein auf 4 Jahre
Bere Hälfte Indianer, unter denen viele, nament- gewählter Präfident, welchem die Wahl eines
lih von den Stämmen der Chiriguanos (Firigua- | Bicepräfidenten, die vollziehende Gewalt, der Ober-
nos), Chiquitod u. Mojos (Moros) im O., noch
mehr aber der Aymara im W. zum Ehriftenthum
befehrt u. civilifirt find u. ſich durch geiftige
Fähigkeiten u. mechanische Fertigkeiten —
nen; andere leben noch unabhängig u. roh an den
N- u. OGrenzen. Sie ſprechen meiſt das Quichua
u. Aymara in vielen einzelnen Dialelten. Gin
nur jehr geringer Theil der Bevöfferung befteht
aus Negern, Mulatten, Meftizen u. Zambos. Der
Landbau, meift im O,, gebt beſ. auf Coca (Staats-
betrieb, jährlih etwa 5 Mill, kg im Werthe von
3 Mill. Bolivianos) u. Fieberrinde (jöhrlich etwa
15,000 Etr. zum Werthe von 14 Dill. Bol.), fer-
ner auf Kaffe, Cacao, Tabak, Baumwolle, Mais,
Indigo, Zuderrohr xx. Am Titicaca-See baut man
Kartoffeln, Bambus, Papiermaufbeerenbaum, deffen
innere Rinde man zn Hemden verarbeitet, perna»
niihen Balfamftraud, Chinchina ꝛc. Bon Thieren
werden Rinder, Ziegen, Schweine u. Lama (Bi-
cuña, Guanako u. Alpala) gezogen. Der Berg.
bau ift, obſchon feine Producte immer noch jehr
reichlich vorhanden, durch die Unſicherheit der öfjent-
lichen Zuftände ſehr heruntergelommen. Bor 300
Jahren Lieferte Potofi allein für 1 Mill. Pefos,
jetzt nur noch 150,000; Ende 1871 find jedoch bei
Eoracoles im Küftendepart. von Cobija neue La-
ger entbedt worden, bie 1872 bereits eine Aus»
beute ergaben, weldhe man auf 7—10 Mill, Bol.
Ihägen fann. Die Ausbeute an Gold ift gering,
bedeutend dagegen die an Kupfer (1873 Ausfuhr
befehl über die bewaffnete Macht, die Ernennung
der Djfiziere, der Minifter u. einiger Finanzbe⸗
amten zufteht. Präſident des Staatsrathes iſt der
jedesmalige Vicepräfident. Das Minifterium (de
Junern u. der auswärtigen Angelegeubeiten, der
Finanzen, des Krieges u. der Marine) ift den
Repräfentanten des Volles verantwortlich.* Die Re-
präjentanten find in drei Kammern getheilt: Tri»
bunen, mit der Aufficht über die Finanzen u. die
auswärtigen Angelegenheiten; Senatoren, mit der
Anffiht über den Eultus u. die Juftiz, u. Gen-
foren, die zugleich eine vermittelnde u. ſchieds
richterlihe Behörde bilden, die Aufrechterhaltung
der Berfaffung —— u. das Amt haben,
politiſchen oder ſittlichen Einfluß auf das Bolf zu
äußern, üben die eigentliche Gejeggebung. Die
Rechtspflege liegt jehr im Argen, u. es ift fein
Recht zu erhalten. Landesreligiom ift die fatho-
liſche; an der Spite fteht ein Erzbiichof, unter
ihm drei Biſchöfe. Der Unterricht ift jehr mans»
gelhaft u. nur von 8—10,000 Kindern beſucht;
von Bildungsanſtalten beſtehen 3 Univerſitäten für
Juriſten, 24 höhere, 6 Gewerbe» u. Real⸗, 4 höhere
Töchter u. 400 Elementarjchulen. Die Finan—
zen befinden fi in ſchlimmem Zuftande; Betrü«
gerei ift allgemein. Der Staat ift längft banfe»
rott u. verfchlechtert das Geld. Die Einnahmen
wurden im Budget für 1873/74 veranſchlagt zu
2,929,574 Bolivianos (zu 4 M), die Ausgaben
zu 4,505,504, die Staatsjhuld beträgt 16'/, Mil.
nad) England 88,750 Etr. Erze); Zinn ift auch Bolivianos. Militär, ausfchließlih der Miliz,
vorhanden (etwa 12,000 Etr. in Barren jährlich).
Kupfer fommt vor auf meterdiden Gängen, wird
auf Pochmwerten zerkleinert u. nad Europa ver-
fandt. Stein- u. Braunkohlen find in neueſter Zeit
entdedt worden, ebenjo reiche Galpeterlager an
der Grenze von Ehile. Guanolager find ebenfalls
vorhanden, u. zwar im der Nähe der Küſte. Die
Induſtrie entwidelt fi bloß in Branntwein-
brennereien u. einigen Wollen- u, VBaummollen-
webereien. Der Handel ift weniger wichtig, als
er nad dem Reichthum des Landes (f. o.), fein
könnte; er wird nur durch einen umbebeutenden
Hafen (Cobija) unterftütt, der aber vom Inunern
durch unmwegfame Gebirge abgefchnitten ift. Die
Aus- und Einfuhr geht daher meift über Arica
u. Arequipa in Peru. Die Straßen find jchlecht,
oder fehlen ganz; Eifenbahnen find zwar projec-
tirt, aber erft einige Meine Streden in Atacama
fertig; eröffnet ift bis jegt, foviel man weiß, noch
feine. Wusgeführt werden Silber, Kupfer, Bo»
rar, Salpeter, Guano, Apafa-Wolle, Ehindilla-
felle; eingeführt europ. Waaren für etwa 7 Mil.
gegen 2000 Mann, dazu 8 Generale, 359 Ober-
u. 654 Subaltern-Offiziere, welche eine jährliche
Ausgabe von 2 Mill. Peſos verfhlingen. Wap⸗
pen, in 4 Felder getheilt, oben: fünf Sterne in
himmelblau; ‘in der Mitte (rechts): der Brodbaum
u. (linls) das Pato (eine Art Lama); unten eine
Abbildung von Potofi; über dem Schilde halten
zwei Genien das Diplom der Freiheit mit dem
Namen der Republit. Flagge: dunfelroth mit zwei,
'/, m breiten, jenfrechten, grünen Streifen; in dem
rothen Grunde fünf von Ol⸗ u. Lorbeerzweigen um»
wundene Kronen. Orden der Ehrenlegion, geſtiftet
1836 von dem damaligen Präſidenten Santa Cruz.
Münzen: Man rechnet jetzt nach Bolivianos (zu
4M). Maße u. Gewichte find noch die alten
ipan.«caftilifchen. Vgl. Bach, Descripcion geogra-
fica, historica y estatistica de B., Par. 1845,
nebft Atlas; Boih-Spencer, Statistique commer-
eiale du Chile, de la Bolivie, du P£rou etc.,
Brüff. 1848; Pentland, The laguna de Titi-
eaca and the valleys of Yucay, Callao and
Desaguadero in Peru and B., Lond. 1848;
41*
644
Tſchudi, Neife durch die Anden von Cordova
nah Gobija, Gotha 1860; Menendez, Manual
de geografica y estatistica del Alto Peru ö
Bolivia, Par. 1860; Red, Geogr. u. Statift. der
Nepubtit B. in Petermanns Mittheil. 1865.
II. Geſchichtliches. B. bildete ehedem einen
Theil des alten Reiches der Inka von Euzco.
Die Spanier drangen 1538 bis in das Hochland
des jetsigen B., eroberten daſſelbe nad) verzmei-
felter Gegenwehr der Bewohner, vereinigten es
mit Peru zum Spanischen Bicelönigreich Peru,
1780 aber mit Buenos-Ayres zum Bicefönigreich
La Plata. Ein Aufftand der indianischen Bevöl—
ferumg, der um diefe Zeit ausbrach, lonnte nur
durch Die äußerſten Gewaltmaßregeln unterdrüdt
werden. Beim Ausbruche der ſüdamerilaniſchen
Revolution hatte ſich bereits im Juli 1809 zu
ta Paz eine Junta governativa gebildet, 1818
wurde indeß B. vou den Spaniern wieder in
Beſitz genommen, erklärte jih jedoch nad dem am
9. Decbr! 1824 durch den columbiichen General
Sucre erfochtenen Siege bei Ayacucho zu Anfang
1825 unabhängig u. brach in der Schlacht von
Tamasla (1. April 1825) unter Bolwar die
Macht der Spanier gänzlib. Im Aug. 1825
erflärten fih die 4 Provinzen Ober Berus:
Charcas (Potofi), La Paz, Cohabamba u. Santa-
Eruz, auf dem Eongreß von Ehuquifaca für unab-
hängig, vereinigten fich zu einem Föderativfrei—
ftaate u. nannten fidh au Ehren Bolivars Republik
Bolivia (11. Aug.). Chuquiſaca wurde zum Sige
der Hegierung u. des Congreſſes beftimmt u, am
25. Aug. 1826 die von Bolivar entworfene Ver:
faffungsurtunde (Code Boliviano) angenommen.
Nach derjelben wurde Sucre (bereits als Groß—
marichall von Ayacucho an die Spige der Provi-
ſoriſchen Regierung geftellt) zum lebenslänglichen
Präfidenten erwäblt, nahm aber die Präfidentichaft
nur für 2 Jahre an. Das Boll, mit der zu
wenig demokratischen Berfaffung nicht zufrieden,
erregte bald Aufjtände, durch welche 1828 Sucre,
mweihem man herrichiüchtige Abfichten Schuld gab,
ezwungen murde, feine Würde nicberzulegen u.
» mit feinen fremden Truppen zu verlaffen.
Ein neuer Congreß zu Chuquiſaca (1828) revi—
dirte die Berfafjung u. wählte den General Santa
Eruz zum Präfidenten, diefer lehnte ab; da maßie
fih General Belasco deffen Amt an, ward aber ab-
gelegt, fein Nachfolger, General Blanco, in der Neu-
jahrsnacht (1828—29) ermordet, worauf Santa-
Eruz auf Bitten der Proviſ. Negierung die Präſi—
dentichaft übernahm. Er gab 1831 ein neues Geſetz—
buch (Codigo Santa-Cruz), ordnete die Finanzen,
beförderte Aderbau, Gewerbefleiß, Wiffenichaften u.
Künfte, begünftigte die Einwanderung, ſchloß einen
Friedens- u, Handelsvertrag mit Peru, verwidelte
aber B. durch feinen Verſuch, e8 mit Peru gänzlich
zu conföderiren, in mehrjähr. Kämpfe. Er benutzte
Bolfenhain — Boll.
der mit feiner Niederlage 20. Yan. 1839 bei
Yungay u. feinem Sturze endete, worauf in B.
Velasco 16. Jumi 1839 zum proviſoriſchen Prä-
fidenten erwählt wurde. Dieſer ſchloß Frieden
mit Chile u. bob die Comföderation mit Peru auf,
fonnte fich jedoch nicht lange halten, da Santa-
Cruz, der fi unterdeß nah Ecuador begeben
batte, von feiner Partei wieder zum Präſidenten
ausgerufen wurde; u. als diejer nicht bald gemug
'zurüdfehrte, jo ergriff General Ballivian die Zügel
‚der Regierung. F Präſident von Peru, General
Gamarra, ſuchte dieſen Parteiſtreit zu benutzen,
um Ya Paz von B. loszureißen, beſetzte dieſes
Departamiento im Herbſte 1841 mit 5200 Perua-
nern, wurde aber am 18. Nov. 1841 von Ballı-
vian mit 3800 Bolivianern auf der Pampa von
Ingavi (Incague) geſchlagen u. fiel jelbit auf
dem Schlachtfelde. Ballivian rüdte nun in Beru
ein, u. erft im Juni 1842 fam es dur Ber-
mittelung Ehiles zum Frieden von Pasco (Puno)
wodurd der Stand vor dem Kriege wiederher-
geftellt wurde. Ballivian blieb nun nach einem
‚mißfungenen Berfuche Santa» Eruz’ (1844), fi
‚von Peru aus der Präfidentichaft zu bemächtigen,
‚bis 1847 Bräfident u. zog fih dann nah Chile
zurück, worauf Belasco proviforisch wieder gewählt
wurde, Die Regierung deffelben war nur von
furzer Dauer, da er gegen Ende 1848 durch eine
Milttärrevolution unter dem Kriegsminifter Belzu
\abgefetst u. diefer zum Präfidenten ernannt wurde.
Die Folge davon war eine allgemeine Berwirr-
ung u. ein Bürgerkrieg, bis Belzu 15. Aug. 1855
dur eine Emeute geftürzt u. General Jorge Eor-
dova zum Präfidenten gewählt wurde; diefer wich
im Nov. 1857 dem oje Maria Pinares, diefer
1861 dem Joſé Maria de Acha, diefer 1864 dem
General Mariano Melgarejo. Den Legteren fuchte
im März 1865 der aus Peru einfallende Belzu
zu ftürzen, wurde aber erſchoſſen, u. Melgarejo
wußte fih gegen noch mehrere Aufftände als Dic-
tator bis 1871 zu halten, wo es Morales gelang,
ihn zu ftürzen, der aber jchon 1872 von feinem
Neffen (m. in demjelben Jahre Melgarejo von
feinem Schwiegerfohne) ermordet wurde. Darauf
trat Tomas Frias als proviforifher, 1873 aber
Adolf Ballivian als definitiver Präftdent u. Febr.
1874 wieder Frias an die Spige des Staates,
welcher bei den fortwährenden Unruhen zu feiner
glücklichen Entwidelung fommen zu follen ſcheint.
(Beogr.) F. Körner. Geſch.) Henne-Am Rbyn.*
Bolkenhain, 1) Kreis im preußischen Regbez.
Liegnig, Prov. Schlefien; 358, [km (6,20 [IM);
32,680 Ew.; gebirgig u, zum Theil waldig, aber
fruchtbar; bewäffert dur Bober und wüthende
Neiße; Aderbau, Viehzucht; Schwefel, Bitriol,
‚Kalf,Öranit u. Bolus; Leinenweberei, Baummollen-
ipinnerei, Garnbleihen; von 14,0 km der jchle-
ſiſchen Gebirgsbahn durchichnitten. 2) Kreisitadt
innere Streitigfeiten im Peru dazu, mit einem darin, an der wüthenden Neiße; mechaniſche Webe-
Heere dort einzurüden, ſchlug den peruan. General fabrit, Cigarren- u. Lederfabrik; 2634 Ew. Die
Samarra 8. Auguft 1835 bei Euzco, vereinigte, Bolloburg erhebt ſich dicht über der Stadt, und
die beiden Provinzen N- u. SPeru u. mit ihnen in weiterer Ferne die alte Feſte Schweinhaus,
B. als Staaten zu einem Gefammtbundesftaate, beides Ruinen.
unter einer Gentralvegierung, welche ihm als Pro-) Bol, Marttileden im Oberamte Göppingen
tector auf 10 Jahre übertragen wurde, rief aber des württembergiſchen Donaufreifes; 1450 Em.;
einen Krieg mit dem eiferfüchtigen Chile hervor, viele Berfteinerungen; Schwefelquelle (Bollerbad)
Bolland — Bollwerf.
645
im oberen ſchwarzen Jura; das Bad jest Aſyl Cheſhire, unweit Macclesfield; ftarfe Seidenweberei;
für Gemütbstranfe (f. Blumbardt).
Bolland (Bollandus), Johann von, geb,
13. Aug. 1596 in Tirlemont, geft. 12. Dec. 1665.
Er war Jeſuit m. der erjte Bearbeiter der Acta
Sanctorum, daher feine Nachfolger in dieſer Ar-
beit Bollandiften genannt werden; ſ. u. Acta
sanctorum.
Bollati, Siufeppe, italien, Architeft, geb.
21. Juni 1819 in Trecate bei Novara; wurde
zuerft Affıitent an der Ingenieurſchule Brumatis,
dann an der liniverfität, und zwar zunädhit für
Architektur, 9 Jahre jpäter für Conſtruction und
praftiihe Geometrie und jchließlich Vorftand der
Zeihnungsabtbeilung des 3. Architelturcurſes; er
ft. 24. Aug. 1869. DB. ift der Erbauer des Pa-
lazzo San Giorgio in Turin, des Badeetabliffe-
ments in Valdieri, ferner des Teatro Seribe in
Zurin u. des Teatro sociale in Biella, fowie des
Bahnhofes der Eijenbahn Turin⸗Cirie.
Bollene, Stadt im Arr. Orange des franz.
Dep. Bauclufe, am Lez (Nebenflng der Rhöne);
Seidenſpinnerei, Ricinusöl-Bereitung, Ziegelei;
5703 Em,
Böller (auch Meertbier genannt) war im
Mittelalter die Bezeichnung für eine Art Meiner
Mörſer. Im Kriegsweien fommt diefe Benenn:
ung nicht mehr vor; noch gebräuchlich für fleine
Mörfer zum Salutſchießen bei bürgerlichen u. kirch—
lichen Feiten.
‚ Bolleta (ital.), Zollihein; daher Bolleten in
fterreih u. Bayern Begleitfcheine von Waaren,
welche nach den Zoll- oder Malzfteuergejegen ab-
gefertigt find.
Bolletricholz, Holz aus Surinam; gleicht frifch
rohem Fleiſche, wird aber an der Yuft bläſſer, ift
ſehr feſt u. dient zu Wollen u. anderen mecha»
niihen Werkzeugen.
Bolley, Bompejus, bedeutender deutſcher
Chemiler, geb. 7. Mai 1812 zu Heidelberg; wurde
in der Zeit der Demagogenverfolgung wegen Be-
theiligung an der Burſchenſchaft längere Beit in
Haft gehalten, ging dann nad der Schweiz und
wurde Profefior der Chemie zuerft an der Kan:
tonsichule zu Aarau, dann am Polytechnicum zu
Züri, wo er 3. Aug. 1870 ſtarb. Er ſchrieb
iiber den Farbſtoff des Mandelholzes, Aarau 1847,
und verſchiedene andere Abhandlungen aus dem
Gebiete der Farbenchemie, im der er Autorität war;
eine Überſicht über diejelbe gab er in: Altes und
Neues aus der Farbenchemie, Berl. 1868. Sein
Handbuch der hem.-techn. Unterfuchungen, 3. A.,
Lpz. 1866, fowie fein im Bereine mit anderen Ge-
lehrten heransgegebenes Handb. der chem. Tech—
nologie, 8 Bde., Braunſchw. 1862 ff., find aner-
fannt vortrefflich u. weit verbreitet. Zahlreiche Ab-
bandlungen finden ſich auch in Liebigs Annalen,
in dem 1841 —54 von B. herausgegebenen
Schweizeriſchen Gemwerbeblatt; 1856 trat an die
Stelle des letteren die von B. mit Kronauer ber-
ausgegebene Schweizer. Polytechnifche Zeitichrift.
ollgarn, jo v. wie Bremer Garı.
Bollinger, County im nordamerif. Unionsſtaate
3668 Em,
Bollmann, Erich, geb. 1769 in Hoya; ſtu—
dirte Medicin, lebte eine Zeit lang in Karlsrube u.
ging 1792 als Arzt nad) Paris; bier wurde er in
die Revolution gezogen u. führte den geächteten
Grafen Narbonne nah London. Wegen feines
Berfuches, Yafayette in Olmütz zu befreien, wurde
er mit Berweiſung beftraft u. ging nach Amerifa,
1814 fam er nah Europa zurüd, war beim
Congreß zu Wien und bei der neuen Eirrichtung
des öfterreichiihen Bapiergeldes mit feinem Rathe
betheiligt; er lebte dann zu London u. ft. 1821.
Bollweiler, Dorf im obereliähiichen Kreiie Geb—
weiler, an der Eljäffer-Bahn; Baummollenweberei;
Handelsgärtuerei, großart. Baumſchulen; 1231 Em.
Bollwerk, 1) eigentlich ein Pfahlwerk, d. h.
ein Werk aus eingerammten Pfählen, welches zur
Bertheidigung eines Ortes dienen foll. Jetzt 2) io
v. w. Baftion, welches Wort gebräuchliher, ein
vorjpringender Theil des Hauptmwalles einer Syeft-
ung, von dem FFrontal- u. Seitenfeuer (flanfıren«
des) ausgeht. Das B. befteht aus 2 Facen (Ge-
ſichts- od. Vorderlinien), deren Feuerwirkung nad
dem Außenterrain, u. 2 Flanken, deren Feuer—
wirkung nach dem Seitenterrain gerichtet ift. Der
Winfel, den die Facen eines Bees mit einander
bilden, heißt B-swinfel (Baftionsfaillant), die Spitze
defielben B-sipige (Baftionspunkt, Pünte), die
Halbirumgslinie des Beswinkels B-scapıtale. Der
Winfel, den die Facen und Flanken mit einander
bilden, heißt Schulterwinfel, die Spite deffelben
Schultewpunkt. Die Flanlen zweier mebenliegen«
den Bee find durch einen Mittelmall, die Courtine,
verbunden. Eourtine u. Flanken bilden die Flan—
fen- od. Courtinenwinfel, deren Spiten Eourtinene
punkte. Die Berbindungslinte der beiden Courtinen-
punfte eines umd deffelben B-es wird Kehle oder
Kehilinie genannt. Der Punkt, wo ſich die beiden
verlängerten Gourtinen ſchneiden, beißt Keblpunkt,
der Winfel dabei Kehlwinkel, die Entfernung des
Kehlpunktes vom Courtinenpuntte halbe Kebllinie.
Das Innere des Bes iſt der Hof deſſelben. Liegt
der Hof niedriger, als der Wallgang, fo iſt das
B. ein bobles, liegt er gleich boch od. höher, ein
volles.% Der Theil einer baftionirten Befeſtigung
(. Befeftigungsmanier ©), zwifchen zwei benach—
barten B»scapitalen beißt eine baftionirte Front.
Die Linien derjeiben liegen jo zu einander, daß
die Flanken jowol die Courtine, wie die Facen der
Neben-B»e beftreihen. Die wirkſame Gemehr-,
refp. Kartätichihußweite (270, reip. 450 m) ift
maßgebend für die Entfernung der Flanle des
einen Bres bis zur Spige der anderen, oder für
die Fänge der Defenslinie (VBerbindungslinie der
Spitze des einen Bed mit dem Courtinenpunfte des
nebenliegenden). Die Länge der legteren ift ge-
wöhnlich $ der Länge der Frontlinie, d. h. der
Verbindungslinie zweier B-sipigen. Die Front-
Iinien haben ſomit meiſt eine länge von 400,
reſp. 700 m. Die Facen find ungefähr # der
Frontlinie, alfo 100, rejp. 200 m lang, die Flanken
4—4 jo lang als die Facen. Die Flanken fteben
Miffouri, unter 37° n. Br. u. 90° w. Y.; 8162 in den meiften Fällen ſenkrecht zur Defenslinte,
Em. ; Eifenerz ı. Porzellanerde; Countpfig: Ballas. |
Bollington, Städtchen in der engl. Grafſchaft
oder bilden mit derjelben einen ftumpfen, bet
älteren Bejejtigungen auch wol, aber fehlerh ft,
646
einen ſpitzen Winfel. Um die Feuerwirkung der
Flanken zu vermehren, hat man mehrere, bıs zu
dreien, binter einander u, über einander angelegt
(bobe, mittlere u. niedere Flanke), und um Die
Bertheidigungsmittel derſelben beſſer zu ſchützen,
beſonders gegen Enſilade zu decken, die Flauken
zurüdgezogen, od. doppelt gehrümmt geführt. Das
ın legterem Falle nah außen gebogene, an die
Facen ftoßende Drittel der rlanfen heißt Orillon
(Bollwertsohr), von Bauban im feinem erjten
Spftem u. Eoehorn häufig angewendet. Die Cour-
fine ift geradlinig, oder nach vorn gebrochen ge
führt, jelten u. fehlerhaft gefrümmt. Durd die
felbe hindurch führen die Thorpaffagen. Trifft die
Verlängerung der B-sface über den Schulterpuntt
hinaus noch auf die Gourtine, fo heißt das Stüd
Courtine zwiſchen dem auftreffenden Punkte u. dem
Eourtinenpunfte Nebenflante (Seconde-zlante), in
der älteren italienischen ımd niederländischen Be—
feftigung vielfady angewendet. Später brad man
die Courtine in der Richtung diefer Berlängerung,
bis fie mit der Flanle zufammentraf. Das ge
brochene Stüd der Eourtine heißt Brifüre. Liegen
die B-e vor dem ununterbrochen um die Feſtung
berumlaufenden Walle, jo heißen fie abgejonderte
(detachirte) Be (Vaubans 2. u. & Syſtem); fie
find ſpitze oder ftumpfe nach der Form des Bes—
winkels u. abgeftumpite, wenn die Spige defjelben
abgeftumpft it. Liegt in der Mitte der Courtine
noch ein gewöhnlich Meineres B., fo heißt daſſelbe
Mittel-B. Iſt ein ®. Halbirt, fo daß es nur
1 Flanfe u. 1 Face hat, fo Heißt es Halb-B.
B-e wurden wahrſcheinlich zuerft von Micheli 1527
in Berona angewendet. Diejelben waren veränderte
Thürme (Rondele), deren Rundung zur befferen
lanfirung gebrochen wurde. Später madıte man
-e größer, die Courtinen Meiner. Weiter ausge-
bilder wurde die Befeftigung mit B-en im der Folge
duch Spedle, Pagan, Freitag, Coehorn, Bauban,
Gormentaigne un. A. Die Franzoſen haben fie bis
auf die neueſte Zeit mit Vorliebe angewandt.
Bol. Prittwis, Lehrbuch der Befeftigungstunft u.
des Feſtungskrieges, Berl. 1865; Wagner, Grund»
riß der Fortification, Berl. 1870,
Bollwerfäthurm (Tour bastionnde), ein von
Zauban vorgeichlagener baftionartiger, gemauerter
u. bombenficher eingewölbter, 5feitiger Thürm, aus
deilen Flankenkaſematten die Gräben der neben-
liegenden Courtine mit je 2 Geſchützen beftrichen
werden. Die Plattform des Bes ift auf den Facen
mit einem Banlet für Infanterie, auf den Flanken
mit je 2 Scharten fir Gefchüg-Bertheidigung ver-
ſehen. Eine Stufenpoterne führt in das Innere,
welches außer den Geſchützkaſematten hinter den
Flanken noh 5 bis 6 kaſemattirte Vorraths—
räume hinter den Facen enthält. Den Kern
bildet ein großer, 5ediger Pfeiler parallel mit den
Stirnmauern des Thurmes, in welchem 2 Bulver-
magazine und 1 Borrathsfammer liegen. Das
Mauerwerk des Thurmes wird durch einen porlie-
— detachirten Baſtion gededt. Bauban wandte
ie Bollwerfsthürme 1687 bei der Befeftigung
von Belfort, 1688 in Landau u. 1697 in Neu—
Breifah an.
Bolmen, See in den ſchwediſchen Läns Jön—
föping u. Kronoberg, 37 km lang u. 7 km breit;
Rollwerksthurm — Bologna.
fließt durch den Faga-H in das Kattegat ab; im
demfelben die lange Inſel Bolmesö, mit vielen
alten Grabhügeln.
Bologna, 1) Provinz des Königr. Jtalien, in
der Romagna u. Emilia, umgeben von den Pro-
vinzen Modena, Ferrara, Ravenna u. Florenz ;
3602,, km (65,, [M); 439,232 Ew.; im füd-
lichen Theil gebirgig dur die Apeninnen, im
N. in die Niederung der Yombarbei übergebend;
mehrere Heine Flüſſe (Reno, Pomaro, Silaro,
Quaderno u. a., die zum Bo abfließen), viele
Kanäle,, ſowie mehrere wichtige Eifenbahnlinien
(J. u. 2); eingetheilt in die Diftricte B. Imola
n. Bergato. Klima im Winter troden u. raub, im
Sommer heiß. Erzengnifie des fruchtbaren Bodens,
außer Marmor, Gips, Kreide, Farbenerde u. phos-
phoriidem Stein, find Reis, Getreide, Hanf,
Safran, Ol, geringer Wein; außerdem jehr be-
trädhtlihe Schweine- und Seidenwurmzucht (die
Bolognefer Seide, die befte im Abendlande); Ge-
werbthätigfeit befonders in Seidenzeugen, Lein-
wand und Seilerwaaren. 2) Hauptftadt darin,
am gleihnam. Kanal, zwifchen den Flüffen Reno
(über den eine große Brüde von 22 Bogen führt),
Opoſa u. Savena u. der nad Brindifi führenden
Überlandsroute, welche hier durch die von Benedig
nah Livorno führende Linie gefreuzt wird, im
einer fruchtbaren Ebene am Fuße der Apenninen.
B. ift eine der älteften, größten u. reichften Städte
Italiens; 12 Thore, frumme u. enge, aber rein-
Ihe Straßen; charalteriſtiſche u. originelle Bau-
art, die Häufer fait alle 3 Stod hoch, viele Stra-
Ben haben bededte Gänge (Yauben); der Haupt-
plat ift Piazza maggiore od. Piazza del Gigante,
jest Piazza Vittorio Emmanuele, verlängert durd
die Piazza Nettuno, mit dem Neptunsbrunnen,
zu melden Johann von Bologna die ehernen
Figuren goß; am demjelben ift das Rathhaus
(Palazzo pubblico, wo der Yegat wohnte) u. die
Hauptfirde St. Betronio, mit unvollendeter Bor-
derfeite (in ihr wurde Karl V. von Clemens VII.
gefrönt, u. von Caſſini 1653 die Mittagslinie auf
eine Kupferplatte eingegraben); fat alle Kirchen,
deren noch 75 find, enthalten jchöne Gemälde; im
Klofter ©. Stefano, einem Compler mehrerer Kir-
hen u. Kapellen, find unterirdijche Kapellen, und
in der Kirche S. Domenico liegt König Enzio be»
—— der im Palaſte des Podeſta 23 Jahre ge-
angen aß. Zu den Merkwürdigkeiten B-8 —
die nahe beiſammen ſtehenden ſchiefen Thürme
Torre degli Asinelli (67 m hoch, 1,, m abwei—
hend von der ſenkrechten Linie) und Garisenda
(52 m bod, 2,,; m abweichend u. abfidhtlich ſchief
gebaut), beide nach den Erbauern benannt. B. ift
der Sig eines Präfecten, Erzbiichofs, Appellations»
hofes, Generalcommandos, eines Handelstribunals,
einer Minze, einer Bank, Handelsbörje (1856 er-
öffnet) u. einer Univerfität, welche aus der 425
n. Chr. vom Kaifer Theodofios II. gegründeten
Hectsichule 1119 dadurch entftand, daß die an«
deren Facultäten fih mit derſelben verbanden;
ehedem zählte fie 5—6000, jest kaum 600 (1872
bis 1873 577) Studenten; Irnerius, Wo, Gras
tianus, Accurſius, Malpighi, Caffini, Mezzofanti
machten fie berühmt; fie war lange die bedeu⸗
tendjte Rechtsſchule in ganz Europa, aber der
Bologna.
647
fteife, pedantifche Bolognefer Doctor ift auf dem|Aftronomen Marfigfi, der Malerin Girani, des
italienischen Theater fiehende Maske; an ihr lehr- |fprachlundigen Meszofanti.
ten auch bis in die neuere Zeit mehrere Frauen
in verfchiedenen Wiffenfchaften, fo Laura Baffı
(j. d.); der Graf Marfigli wendete um 1712 fein
ganzes Vermögen an die Umiverfität u. das damit
verbundene Inſtitut der Wiffenfchaften, Accademia
od. Institutum artium et ecientiarum, 1690 von
Manfredi geftiftet u. von Jenem erweitert, wo in
einem Palafte die Sternwarte, das Anatomifche
Theater mit ſchönen Wachöpräparaten, das von
Aldrovandi errichtete Naturaliencabinet, phyfifali-
ches Eabinet, hemifches Laboratorium, Antiten-
fammlung, Modelllammer für Kriegs- u. Marine
wiſſenſchaft befindfich find. Die Univerfität befitst
außerdem noch eine Bibliothek von 150,000 Bäns
den u. 6000 Handichriften, die Bibliothef Mag-
nani mit 30,000 Bänden, ein Medaillencabinct u.
einen ber reichften Botanischen Gärten. In B.
find noch eine Ingenieur- u. Artilferiefchule für
30 Böglinge, auch eine Medicinifhe u. Aderbau-
gefellichaft, mebrere Akademien, außer der jchon
erwähnten die Philharmonishe Akademie (Mufik-
fchule) u. die Accademia delle #elle arti, die von
Bapft Clemens XIII. einen geborenen Bolognejer,
ihrem Stifter, den Namen Acvademia Clementina
bat, von ihm mit vielen Kunftfachen bereichert u.
mit jenen Institutum artium et seientiarum ver-
einigt wurde; enthält jetst in ihrer Pinacoteca die
aus Kirchen nah Paris u. Mailand geichafften u.
von da 1815 zurüdgeforderten Kunftgegenftände,
und fonft die fchönften Werte der Bolognefischen
Schule, ebenjo eine Wafjenfammtung; mit ihr ift
eine Unterrichtsanftalt fiir Maler verbunden. Andere
Gemäldegalerien in verfchiedenen Paläften. Auch
das Rathhaus enthält manche Kunftgegenftände u.
das Arciginnafio, eine Bibliothef von 100,000
Bänden, u, ein Museo Civico mit ägypt., etrusf. u.
urgefhichtlihen Sammlungen. B. hat fünf Theater,
Val. Gatti, Guida
delle piü rare cose di B., 1813; Bannoni, Sugli
scavi della Üertosa, Bol. 1871.
Geihichtlihes. B. war unter dem Namen
Felſina ſchon vor Roms Entftehung gegründet
worden u. fcheint eine Hanptitadt Etruriens ge-
weien zu fein. Nach der Einwanderung r Bojer
in Ober-talien nahmen diefe von Felfina Beſitz
und machten e8 zu ihrer Hauptſtadt. Nach dem
zweiten Puniſchen Kriege wurden die Bojer ver-
trieben, u. die Römer fchidten 189 v. Chr. eine
Eolonie nad Felfina, mwelhe den Namen Bononia
erhielt, von Auguftus vergrößert wurde u. oft die
Nefidenz von Kaiſern u. Ufurpatoren war. Nad)-
ber gehörte B. zum Bezirke des Exarchats u. kam
mit demfelben unter die Yongobarden, nad) deren
Untergang Karl d. Gr. e8 zu einer Freien Stadt
erhob, die nad u. nach ein bedeutendes Gebiet
gewann. Seit diefer Zeit fchreibt fich ihre Wich—
tigkeit durch den Handel u. ihre Berüihmtheit Durch
die 1119 geftiftete Univerfität (Nechtsichule) her;
fie wurde unter Leitung des Irnerius (geft. um
1140) die Hauptftätte des Studiums Römiichen
Rechtes u. erhielt von dem ihre Bedeutung ſchätzen—
den Kaifer Friedrich I. 1158 auf dem Roncaliſchen
Reichstage die erften Privilegien. In dem Streite
zwifchen den Guelfen u. Ghibellinen ſtand B. als
Glied des Lombardiihen Bundes meift auf Seiten
der erjteren u. wuchs dabei durch Eroberung der
Nahbarftädte zu folder Macht, daß es ftets
40,000 Dann in das Feld ftellen konnte, den
beften Theil der Romagna an fi riß u. in dem
13jährigen Kampfe des Kaijers Friedrich II. gegen
den Lombardiichen Städtebund nicht nur deſſen
Macht trotzte, jondern auch feinen Sohn Enzio ſchlug
u, gefangen nahm. Indeß führten Parteiungen
im Innern den Sturz der Republik herbei; mehrere
einflußreihe Familien befämpften einander heftig
darunter das Teatrg Comunale, eines der größten|u. vertrieben ſich gegenfeitig aus dem Beſitze der
in Italien; Muſik wird hier fehr cultivirt, m. audh| Gewalt, welche unter diefen Umftänden bald ein-
die Malerei hatte hier einen Hauptfig. Wohlthätig- |zeinen Dynaften, bald den Päpften anheimfiei.
feitsanftalten: mehrere Spitäler, Waifenhäufer, ‘fm 14. Jahrh. kämpften die Pepofi mit den
Findelhaus, Jrren- u. Taubftummenanftalt, Alter» | Päpften um die Herrichaft, u. feit 1401 war diefe
thiimer: Bäder des Marius, Tempel der Ffis, jett
eine Kirche; in der Nähe das Dlivetanerflofter ©.
Michele in Bosco u. auf einer Anhöhe die Wall-
fahrtstirhe Madonna di S. Luca, mit einem an—
geblih vom Evangeliften Lucas gemalten Bilde
der Madonna, wohin faft 1 Stunde von der Stadt
ein bededter Sänlengang von 635 Bogen führt.
Ein anderer Säulengang führt, fi) von diefem ab»
zweigend, zu dem auf Napoleons Befehl erbauten
Begräpnigplage (Campo Santo) in der Certosa
(ehemal. Karthäuſerkloſter, mo der alte Begräbniß-
plag von Felſina ausgegraben wurde) mit Schönen
Dentmälern an den Umfaſſungsmauern. yabrilation
von Salami, Maccaroni, Yilören, wohlriechenden
Seifen, kiinitliben Blumen, Papier, Tabat, Glas,
Strohhüten, Seidenjpinnerei u. Weberei; anfehn-
licher Handel mit diefen Erzeugniffen, 115,960 Ew.
in der Gemeinde, davon jedoch nur 89,104 in der
Stadt jelbft. B. ift der Geburtsort von 8 Päpften,
vielen Gardinälen, Gelehrten u. Künftlern, als des
Aldrovandi, Adillini, der Garraccı, des Guido
Neni, des Galvani, des Anatomen Malpighi, des
in den Händen des Haufes Bentivoglio, bis das—
felbe 1512 von den Päpftlihen vertrieben u. B.
unter dem Papſte Julius II. mit dem Kirchen»
ftaate vereinigt wurde, B. wurde nun zur päpft-
lichen Delegation gemacht und gemeiniglih von
einem Cardinal verwaltet, es hatte fich aber nur
gegen fürmliche Berbriefung feiner Freiheiten un-
terworfen. Hier wurde 22, u. 24. Febr. 1530
Karl V. durch Papft Clemens VII. gekrönt (letzte
in Ftalien ftattgefundene Kaiferfrönung). 1547
wurde das Concil von Trient hierher verlegt u. 2
Situngen dafelbft gehalten (ſ. Tridentiner Concil).
1796 fam B, durch die Franzoſen zur Cisalpini—
hen Republit (f. Franzöſiſcher Revolutionstrieg),
jpäter fanımt Gebiet al$ Departement Reno zum
Königreih Ftalien; 1815 wurde es wieder mit
dem Kirchenftaate vereint. Am 5. Februar 1831
brad in B., dem Mittelpunfte des Vereinigten
Italien, eine Revolution aus, infolge deren der
päpftl. Delegat floh u. von den Empörern eine pro-
viforifche Regierung eingejegt wurde. Durch Öfter-
reichs Fntervention wurden zwar bie empörten
648
Bologna — Boljena.
Städte umter bie päpftl. Regierung zurüdgebracht, | Reiterftatue Coſimos I. auf der Piazza del Gran⸗
da aber im Dec. 1831 neue Unruhen bier ausbra- |duca in Florenz; die Zeichnungen zu den Bronze-
chen rüdten am 28. Jan, 1832 die Öfterreicher
abermals unter Grabomsti in B. ein, ftellten das
frübere Regiment wieder ber u. räumten die Stadt
erit 30. November 1838 wieder; |. Rom GGeſch.).
Infolge neuer Unruhen 1843 wurde eine Mili-
tärxcommiffion in B. eingelegt, melde durch ihre
Strenge, durch die Berbaftung einer Menge von
Bürgern die Unzufriedenheit nur noch mebr fteigerte,
jo dag B. an dem italienischen Bewegungen der
folgenden Jahre nod Icbhaften Antheil nahm u.
zu dem Unabhängigfeitstampfe des Jahres 1848
eine ftarfe Anzahl Freiwilliger ftellte. Nachdem
Anfangs Mai neapolitaniihe Truppen die Stadt
bejetst, gab deren Abzug Ende Mai Anlaß zu neuen
Unruhen. 5. Auguft erichien der öſterreichiſche ‚Feld:
marſchalllieutenant Weiden vor B. u. ſandte Offiziere
in die Stadt, um wegen der Beſatzung zu unter—
handeln; da dieſe aber ermordet wurden, ließ
er die Stadt mehrere Stunden beſchießen u. be»
fegte fie am 7., um fie jedoeh ſchon am nächſten
Tage zu räumen unter großem Berlufte an Todten
u. Sefangenen. Am 8. Dat 1849 kam wieder ein
öfterreichiiches Corps unter Feldmarſchalllieutenant
Wimpfen vor B., das fi ihm 16. Mai nad
wiederboltem Bombardement ergeben mußte, von
5000 Oſterreichern neu bejett wurde u. von da
ab eine öfterreichiiche Garniſon behielt, bis zum
Ausbruch des Krieges von 1859, infolge deſſen
B. fih vom Kirchenſtaate trennte, der Emilia ſich
anichloß u. 11. März 1860 den Anſchluß an Sar—
dien erflärte. Vgl. Savioli, Annali della eittà
di B., Baſſano 1788— 95, 3 Bde.; Guidicini,
Cose notabili della eitta di B., Bol. 1869 — 74,
bish. 5 Bde. (Geogr.) Henne am Rhyn.“ EGeſch.) Lagai.“
Bologna, Giovanni da, berühmter Bild-
bauer, geb. 1524 zu Douat in Flandern, geit. 1608
zu ‚Florenz; Sohn eines Bildhauers, ward er ein
Schüler dejjelben u. des J. de Breuf, ging 1544
nad Rom, wo er 2 ‚Jahre lang unter Michel Angelo
arbeitete, In Florenz fand er einen bedeutenden
Wirkungskreis u. ſchuf feine bedeutendften Werte,
Im Leben von Fürſten hochgeehrt, fand er nad
feinem Tode im der von ihm reich ausgeftatteten
Kapelle in Sta. Annunciata zu Florenz feine Ruhe—
ftätte. B. zählt zu den bedeutendften Nachfolgern
Michel Angelos, den er an Harmonie der Geftalt-
ung u, an Vollendung der Technik fogar übertrifft,
wie er auch fi mehr von Manier u. Übertreib—
ung freizubalten wußte, als Bandinelli u. jeine
übrigen Zeitgenofien, Mit einem glüdlihen Talent
für Anordnung u. Gefammtwirkung begabt, zeigt
er überall eine tiefgebende Kenntuiß der Anatomie
des menſchlichen Körpers. Aber der Kühnheit u.
Schönheit der Anlage u. der meifterhaften Dar-
ftellung entfpricht der geiftige Inhalt nur felten;
die Form wiegt über das Weſen vor u. entbehrt
meiſt der Individualität. Hauptwerfe: der Neps
tunsbrunnen in Bologna ; der Raub der Sabinerin-
nen, in der Yoggia de Lanzi in Florenz; Mercur
u. Piyche, in Verfailles; der Ofeanos u. die drei
Stromgötter, im Garten Boboli zu Florenz; der
Niegende Mercur, in den Uffizien zu Florenz; die
Koloffalftatue des Apennin im Pratolino; Hercules
u. Nefjus, in ber Loggia de Yanzi zu Florenz; die
tbüren des Domes in Pija. Regnet.
Bologneſer Flaſche (Springfolben), Meine,
raſch (nicht im Kühlofen) gekühlte, kolbenförmige
Flaſche aus ſehr dickem Glaſe; der Bauch derſelben
widerſteht einem ziemlich ſtarken Stoße od. Schlage
mit dem Hammer oder einem abgerundeten Körper
von außen; läßt man aber einen harten u. edi«
gen Körper, 3. B. ein Stüdchen Quarz, Feuer
jtein u. dgl, in Die Höblung fallen, jo zeripringt die
Flaſche mit einem Knall in ganz Heine Bruchſtücke.
Bol. Hartalas,
— ade f. u. Hund.
Bolognejer Kreide (Bononiihe K.), eine
leichte, in Kuchen geformte, geſchlämmte Kreide,
die über Trieſt ausgeführt wird u. als Anftrich-
farbe dient.
Belognefer (Bononiiher) Leuchtſtein, pbos-
phorefcirendes Schwefelbargum, ‚aus gepulvertem
ſchwefelſaurem Baryt (Schweripath) mit Tragantbh-
ſchleim oder Eiweiß und Kohle durch Glühen dar-
geitellt; von dem Bolognejer Schuhmacher Bin-
cenzio Gascariofo erfunden.
Bolognejer Spath, eine bei Bologna vor«
fommende Barietät des Schwerjpatbs (ſ. Baryt);
bildet faferig-ftrablige, fugelige Concretionen.
Bologomwo, Station der Betersburg-Mostauer
Eiſeubahn u. der Yinie Rybinst-Bologowo, im
ruſſ. Gouvern. Nowgorod,
Bolor⸗Dagh, ſ. Bolur-Dagh.
Bolſchaja, ein im füdlichſten Theil Kam—
tichatfas entſpringender ſchiffbarer Fluß, der ſich
in das Ochotskiſche Meer ergießt; an feiner Münd—
ung ein Leuchtthurm. Die Stadt Boljherezf an
der B. (600 Em.) war früher Sit der Vermalt-
ung don Kamticatla.
oljee, Hieronymus, zuerft Karmeliter-
mönch; verließ Frankreich um der Religion willen
u. ftudirte in Genf Medici. Bon Calvin wegen
jeiner Bedenken gegen die Prädeftinationslebre zur
rechtgewiejen, begab er fih von da 1551 nad
Vevey, jpäter wieder in die Nähe von Genf. Als
er bier öffentlich in einer Kirche in den ftärfiten
Ausdrüden Calvins Prädeftinationslehre anarifi,
ließ fih Calvin, der ohne fein Wiflen zugebört
hatte, in eine öffentliche Disputation mit ihm ein
u, veranlaßte feine Ausweifung aus Genf unter
Androhung der Prügelftrafe. B. ließ ſich hierauf
in Thonon nieder, Aud von hier vertrieben
ging er nad Frankreich zuriid u. wurde wieder
fatholifh. Seine Histoire de la vie de Jean
Calvin (1577) ift ein Bamphlet. Seiner Präbe
ftinationslehre, die ungefähr die Tridentiniſche ıft,
jegte Calvin, da B. anderwärts in der Schweiz
Anklang fand, 1552 den jog. Consensus Gene-
vensis entgegen. Loffler.
Bolſena, 1) Marltflecken im Diſtr. Viterbo der
ital. Prov. Rom, am See gleichen Namens; 2692
Ew.; uralte, einft reiche Stadt der Etrusker, Vol:
finit oder Bulfinii genannt, 294 dv. Chr. von den
Römern erobert und zerftört, fpäter an jetiger
Stelle wieder erbaut. 2) See von B. (Lago di
Bolsena, fonft Lacus volsiniensis, L. tarquinius),
37 km in Umfange; fließt durch die Marta
in das Tyrrhen. Meer ab und war ſonſt wegen
Boljon de Mapimi — Bolzano.
feiner Male berühmt; von feinen 2 Infeln Bijen-
tina u, Martana hatte Bapft Leo X. feinen Herbit-
aufenthalt auf erfterer, u. auf legterer lebte Ama—
laſuintha, Theoderihs Tochter, in der Berbann-
ung und wurde 534 auf Befehl ihres Gatten
Theodatermordet. Die hübſche Umgegend ift ſehr un—
gejund u. hat mehrere Alterthümer des alten Volſinii.
Bolfonde Mapimi, ein wilder, felfiger Diftr. in
den Staaten Coahuila u.Chihuahua der mericanifchen
Republif; nur von Fndianerflämmen bewohnt.
Dolsward (Bolswerd), Stadt im Bezirke
Sneek der holl. Prov. Friesland, an der Bols-
warder Treefwaard, Seitentanal des Kanals Sneel;
Ihöne Kirche mit einer meifterhaft geichnitten
Kanzel; lateinische Schule; Fertigung von Wollen-
zeugen; Butter u. Käfehandel; Schifffahrt; 4630
Ew., wovon 3900 im Orte felbit; Geburtsort des
friefifchen Dichters Gysbert Jakobsz (ft. 1666). B.
war früher befeftigt u. gehörte zu den Hanjeftädten,
Bolswerd, 1) Boktius v. B., geb. 1580 in
Bolswerd, u. 2) Schelte, geb. um 1586 ebd.,
Bruder des Vor., beide treffliche Nupferftecher.
649
nen u. beichäftigte 1871 Schon an 900 Arbeiter. Die
Eifeninduftrie ift ebenfalls erheblich und beſchäftigte
1871 in 30 Gießereien u. Mafchinenfabriten über
4000 Arbeiter. Außerdem find noch Seifenfiedereien,
Papiermühlen und chemiſche Fabrifen vorhanden.
82,853 Ew.; in der Umgegend Gteinfohlenlager,
Die Tertilindnftrie (urfprünglih Wollenntanufactur
blühte ſchon im 14. Jahrh.), hier conftruirte Ark—
iwright eine Spinn- u. Water Frame-Mafhine u,
Erompton erfand die Mulemafchine. Hier wurde
1651 Graf Derby enthauptet. Schroot.
Bolur-Dagh (Belur-, Bolor-D.), ein unter
91° 5. L. u. zwiſchen 35° bis 40° n. Br. von
SO. nah NW, ſich erftredender, im Zaghalma
die Höhe von 6384 m erreichender Gebirgszug
des centralen Afiens, der die Berbindung zimi«
ihen dem Himalaja u. Thian-Schan bildet. Die
näheren Berbältniffe dieſes Gebirges find noch fehr
dunkel. (Bgl. Afien u. Centralaften.)
Bolus (lat., Biffen), Arzneiform für Menichen
u. Thiere, pillenartig u. von Pillen nur durch
Größe u. etwas weichere Gonfiftenz verichieden;
Der erftere, auch Romandichter, ſtach bei. nach] bis 2 Dradmen wiegend, um fie anf einmal
Rubens, u. a. defien Abendmahl u. Erwedung
des Lazarus, Kreuzigung u. Urtbeil des Salomon
u. veridiedene Bilder von Bloemaert; der zweite
ſtach ebeufall3 mehrere Platten nad jenen Mei-
ftern, auferdem aber nad van Dyd (Engelfönigin,
Ehriftus am Kreuze), nah Jordaens (‚Fzamilien-
concert) 2C.,
Bölte, Amely, deutſche Romanicriftitellerin,
geb. 6. Oct. 1811 zu Rehna in Medienburg«
Schwerin; erhielt eine forgfältige Erziehung, bil?
dete fi zur Lehrerin aus, ging als jolche 1839
nah England, kehrte 1851 nah Deuiſchland zu:
rüd, lebte längere Zeit in Dresden, jpäter im
Marburg, Stuttgart zc. u. jchrieb num eine Reihe
von Nomanen n, Erzählungen, in denen fie fich
jedoch jelten tiber die Mittelmäßigfeit erbebt. Die
Werke: Das Bifitenbuch eines deutihen Arztes in
London, Berl. 1852, 2 Bde.; Eine deutiche Pa-
lette in London, Berl. 1853, bieten nur oberfläch—
liche Schilderungen des Lebens in England; Die
biographiihen Romane: Frau von Stakl, Prag
1859, 3 Bde; Juliane von Krüdener u. Kaifer
Alerander, Berl. 1861, 6 Bde; Windelmann,
ebd. 1862, 4 Bde.; Vittorio Alfieri, ebd. 1862,
2 Bbe., u. a. find zwar mit vielen biftorifchen
Nachweifungen ausgeftattet, liefern aber dennoch
feine jcharfen, Iebenswahren Charakterzeichmungen,
eben auch kein anichanlıches Bild der betreffenden
Beit Neuerdings beichäftigt fih Amely B. an—
gelegentlich mit der Frauenfrage u. ſchrieb noch:
Wohin führt es? Wien, Peſt u. Lpz. 1874, 2 Bbe.
Salomon.
Bolton (B.-le-Moors), Stadt in der engl.
Grafſchaft Lancaſter, am Croach, in jumpfiger Gegend
am Manchefter-Bury- Kanal; einer der eriten Fabrik⸗
orte Englands; zahlreiche Eiienbahnverbindungen
(Brefton, Liverpool, Mancheſter, Leeds) u. Kanal
nach Manchefter; ift ſchön gebaut; großartige Martt-
halle ; bedeutende Baunwollenmannfacturen, welche
über 20,000 erwachſene Arbeiter beichäftigen und
hauptſächlich Muffelin, Calicot, Pigque, Barchent
u. ſ. w. berftellen; große Bleichereien dienen diefer
Induſtrie. Auch die Seidenmannfactur hat begon-
zu verihlingen u. übel jchmedende Ingredienzien
auf diefe Weiſe leichter beizubringen.
Bolus (Bol, vom gr. bölos, Scholle), erdiges
Mineral von ſchwachem Glanze u. mufcheligem Bruch,
welches ſich fettig anfühlt, an der Zunge klebt u.
in Waſſer, ohne zu erweichen, in edige riice zer⸗
ſpringt; jpec. Gem. — 2; e8 ift gelblich, röthlich,
rothbraun bis ſchwarzbraun gefärbt. Sein Vor—
fommen auf Klüften u. in Neftern, im Bafalt u.
ähnlichen Gefteinen, ſowie feine ſehr wechſelnde
Zuſammenjſetzung (durchſchnittlich 42 pCt. Kiefel-
erde, 24 pCt. Thonerde, 10 p&t. Eiſenoxyd und
24 pCt. Wafjer) machen es höchſt wahrſcheinlich,
daß er ein Zerſetzungsproduct eiienhaltiger Silicate
ft. Fundorte: Siena bei Toscana (Sienifche Erde,
Terra di Siena), Striegan in Schlefien (Striegauer,
Erde), auf der Inſel Lemnos (Lemniſche Erde)
Sinope in Klein-Ajien (Zinopiiher B.), Habichts-
wald u. Marburg in Heſſen, Dransfeld bei Göt-
tingen, Scheibenberg, Deiltiz u. Stolpen in Sachien,
Koſſalow bei Gabel in Böhmen, Futſchenrod a. d.
Rhön, Montaleger im Balais u. Berry in Frankreich,
Grafſchaft Antrim in Irland, Ungarn, Armenien
(armenicher B.), Norwegen zc, Wo er in großen
Mengen auftritt, wie bei Leimnitz, wird er gewöhn—
lich mit Lehm vermiſcht u. zu Ziegeln gebrannt, fonft
zur Anfertigung von Pfeifenföpfen u. Thonwaaren,
zum Grundiren vergoideter und verfilberter Holz=
waaren, in der Fresco-, Tapeten» u. Olmalerei,
auch als Manrerfarbe, als Kitt, zur Bertilgung
von Fettiflecken, die Terra di Siena als Farbe zu
brammen Kupferftiben angewendet; der aus Berry
in Frankreich bezogene B. wird durch Galciniren
in eine vothe Farbe verwandelt, die als Englifches
Noth in den Handel kommt, Früher fand der B,
als Arzneimittel unter dem Namen Siegelerde
(Terra sigillata) Verwendung; man formte Heine
Kuchen daraus u. verſah diefelben zum Zeichen der
Echtheit mit einem Siegel. Heger.*
Bolzano, Bernhard, Theofog, Philofoph,
Mathematiker, geb. 5. Oct. 1781 zu Prag; murde
1805 Profefior der Religionsphilofophie an der
dortigen Univerfität, aber 1820 auf die Weiger-
#
650
Bolzen — Bombax.
ung, 4 in feiner Lehre als ketzeriſch bezeichnete/guft 1854 mährend des Krieges von der Dftiee-
Punfte zu widerrufen, abgefegt; lebte jeitbem zurüd-
ezogen u. entridelte eine große fchriftftelleriiche
Thätigfeit, deren Früchte ihm durch die öſterrei—
chiſche Cenſur verfümmert wurden; er ft. 18. Dec.
1848. B. mar äls Theolog ratienaliftiich, in Fra—
gen der Kirchenverfaffung Weffenbergifh gefinnt,
in der Philofophie zumeift von Leibniz befriedigt.
Viele feiner Schriften find noch ungedrudt. Er-
fchienen find: Erbauungsreden, Prag 1815, 2.
A., Sulzbah 1839; Schreiben an Theiner 1827,
an Tzichirner 1828; Lehrbuch der Religionswiffen-
ſchaft, Sulzbach 1834, 4 Bde.; Athanaſia oder
Gründe für Die Unſterblichkeit der Seele, ebd.
1827, 2.4, 1838; Wiffenichaftslehre, Verſuch
einer neuen Darftellung der Logik, ebd. 1837, 4
Boe.; Krug u. B. ebd. 1837; B. u. feine Geg-
ner, ebd. 1839; Schreiben an Röhr, 1837; Prüf:
ung der Philoſophie von Hermes, 1840; ber
den Sat der Zufammeniegung der Kräfte, 1842;
Über den Begriff des Schönen, Denfichriften der
Königl. Böhmiſchen Gefellichaft der Wiffenichaften,
1843; Über die Perfectibilität des Katholicismus,
Lpz. 1845; Über die Emtheilung der Kiünfte,
Dentichriiten n. ſ. w, 1849; Ras iſt Philoſophie?
Wien 1849; Erbauungsreden, Prag 1849 fi., 4
Bde.n; Vgl. B⸗s Selbftbiographie, herausg. von
Tel, Sulzbah 1836; Wißhanpt, Skizzen aus
dem Yeben B»8, Lpz. 1849; Robert Zimmermann,
Über Bes mwiffenihaftlihen Charakter u. philoſo—
phiihe Bedeutung, Sigungsberichte der kaiſerl.
Alademie der Wiffenjchaften zu Wien, 1840; Ne-
frofog der Deutſchen, Weimar 1850,
Bolzen, ein 4ediges oder rundes, längliches
Stück Holz oder Eiſen, beffonders wenn es dazu
dient, 2 Sachen zufammenzubalten. Die B. find
häufig an einem Ende, wie Nägel, mit Köpfen
verieben, wonach man unterjcheidet: rundköpfige;
flachlöpfige; mit edigen Köpfen; Ring-®., mit
eiſernem Ringe am Kopfe; Augen-B., mit rum-
dem Loche ftatt des Ringes in dem Kopfe; Halen-
B,, mit Hafen ftatt des Kopfes; Spig-®. Am
anderen Ende haben die B. häufig Schrauben:
gewinde u. Mutter: Schrauben-®., oder fie ent»
halten eine runde oder längliche Öffuung, durch
welde ein Stift oder Splint geftedt wird: Splint-
B.; Klink⸗B. werden in Holz dur Umſchlagen
des ſpitzen Endes befeftigt; Anfer-B. find lange
Schrauben-B., welde Maſchinentheile mit Funda—
menten oder Wänden verbinden, auch B., die zum
Zufammenhalten (Berantern) von Wänden jelbft
dienen; Hänge-B. find tragende Stangen im Hänge-
werfe; Bodshörner haben oben einen Hafen und
unter demjelben einen Ring, um daran 2 ver«
ſchiedene Taue befeftigen zu können; in der Ar-
tilferie ftehende und liegende B., dann B.- oder
Spitgeichoffe für gezogene Geſchütze allgemein;| F
endlich Cylinder von Kupfer od. Eifen, als Kern
zu einer Form, um eine Röhre darüber au gießen.
efeler, *
Bolzenbüchfe, eine Art Windbüchfe mit Bol-
zen als Geſchoß.
Bomarſund, Meerenge in der Oſtſee, am
Eingange in den Bottniſchen Meerbuſen, zwiſchen
den Inſeln Aland u. Vardd. Die Feſtungswerle
an der DXüfte der Inſel
flotte der Alliirten unter Napter zerftört; ſ. unt.
Alandsinſeln.
Bombaceae, ſ. Malvaceae.
Bombarde, veraltete, namentlich in ſüdlichenLän⸗
dern gebräuchlich geweſene Bezeichnung für Geſchütz.
Bombarbement, j. u. 5* rieg.
Bombardier, veraltete Benennung derjenigen
Artilleriften, die vorzugsweile zur Bedienung ber
Dörfer u. Haubigen beftimmt u. in einigen Hee-
ren zu befonderen Bombarbier-GCorps formirt
waren. In der preußiichen Artillerie war der
B. eine dem Gefreiten entiprechende Charge.
Bombardirgaleote, ehemaliges zum Bom-
benmwerfen beitimmtes, mit 1—2 Mörſern beſetztes
Schiff von fehr ftarfem u. plättem Bau, wie die
Kanonenboote für ein Fahrwaſſer von geringer
Tiefe, aljo namentlich zum Angriffe u. zur Ber—
tbeidigung von Kiften beftimmt; führte meift 2
Maften u, Bugipriet; die vor dem großen Mafte
itebenden Dörfer warfen ihre Bomben nah porn,
bei den dreimaftigen B-n wurden die Bomben
von der Seite geworfen. Bernard Renaud erfand
fie gegen das Ende des 17. Jahrh.
Bombardirfäfer (Brachinus Web.), Gatt.
der Yaufkäfer, Abtheilung der Fünfgliederigen;
Lippe faft dedig, vorwagend, hornig ansgerandet;
Endglied der Kiefertaſter walzig « legelförmig;
Bruftftüd hinten und vorn abgeftumpft, breit
gerandet; Flügeldeden abgeftugt; Schienbeine vorn
ansgerandet. Sie leben geiellihaftlidh unter Stei«
nen; jcheiden zu ihrer Bertheidigung aus dem
After einigemal hinter einander cine Flüffigfeit ab,
welche an der Yuft mit einem börbaren Geräuſch
fofort erplodirt (woher der Name). In Deutich-
land findet fich häufig der gemeine B. (Brachinus
crepitans L.), 8 mm lang, gelbroth. Thome. *
Bombardon, großes Blech- Blasinftrument,
ähnlid der Baftuba, durch welche es übrigens
in neueſter Zeit faft gänzlich verdrängt ift; bat
drei Bentile und den Umfang von B bis g; dient
zur Verſtärkung des Baſſes.
Bombafin (Bombaifine), geföpertes Zeug.
Bombaſt (engl., vom mittellatein. —
Baumwolle), mit Baumwolle ausgeſtopftes und
durchnähtes Zeug; uneigentlich: Schmulft (f. d.);
daher: bombaſtiſch, fo v. mw. ſchwülſtig.
Bombax L. (Baummollenbaum), Pflanzengatt.
aus der Familie der Malvaceen (XVI, 6); —*
Bäume mit gefingerten, 3—Htheiligen Blättern,
einzelnen oder zahlreichen vereinigten, einblüthigen
Blüthenftielen; Blüthen öfters weiß, ziemlich groß
mit bedherförmigem Kelch, 5 ſchmalen od. verkehrt⸗
eiförmigen Blumenblättern, zahlreihen, zu einer
Röhre verwachſenen Staubblättern, einem 5fäche-
rigen, vieleiigen Fruchttnoten u. ötheiligen Griffel;
Frucht eine holzige oder lederartige, 5flappige,
innen ſehr wollige Kapfel mit verfehrt-eiförmigen,
dichtwolligen Samen. Bon den 10 befannten
Arten findet ſich eine im tropiſchen Afien, eine im
tropischen Afrifa, die übrigen im tropifchen Ame-
tifa; von letteren ift hervorzuheben: B. Ceiba
Mill. (Käjebaum), deffen Stamm eine Höhe von
40 m u. einen Durchmeſſer von 3—5 m erreicht;
bie jungen, 5fingerigen, jchleimigen Blätter, ſowie
land wurden im Au-|die mandelartig ſchmedenden Samen dienen den
651
Negern als Speife, während die feidenartige graue'von den Mohammedanern erobert, 1470 Concana,
Samenmwolle zum Polftern bemugt, aud mit Zu- 1556 das Brahmanifche Reich von Bidichnagar
fag von Baumwolle zu Stoffen verarbeitet wird; |zerftört, nachdem jhon im 14. Jahrh. Puna und
die Wurzelrinde dient äÄußerlih al Wundmittel. das alte Reich Gudſcherat untergegangen waren,
Aus den ausgehöblten großen Stämmen werden Im 16. Jahrh. beginnen die Anftedelungen der
Kähne verfertigt, melde bis 150 Menfchen fallen Europäer; der Portugiefen in Diu 1508, in B.
fünnen. Ahnliche Anwendung finden B. septena-|1509, in Baffein 1534, der Engländer in Surat
tum Jacq., B. globosum Aubl., aus Öuiana; B./1601. Die Gebiete waren größtentheil® unter die
Bombay,
villosum Mill., B. Mungaba Mart., in Brafilien, |
u. andere, Engler.
Bombay, 1) die weſtliche der drei Präfident-
haften des britiichen Border- Indien, nad) ihrer
Hauptftadt benannt, in der Hauptjadhe die Geftade-
landichaften der Wiifte von 14%—24° n. Br.,
wozu in den legten Jahren noch das bie zu 28°
fih erftredende Land um die Jndus-Mündung,
Sindh (f. d.), Hinzugefügt worden ift, begreifend;
umfaßt ein direct unter brit. Verwaltung ftehen-
des Arcal von 330,294 [km (5998 (JM);
14,042,596 Em. (meiſt Hindu, 24 Mil. Mo-
hammedaner, etwa 100,000 Ehriften, gegen 80,000
Parfen), welches fih, die unter brit. Oberhoheit
ftehenden Fürftenthümer (Banda u. f. mw.) hin—
zugerechnet, um 185,000 [km mit 63 Mill.
Em. vermehrt. Die Präfidentfchaft zerfällt jett
in 3 Divifionen (NR.-, S.- und Sindh - Divifion)
mit 24 Diftricten, zwifchen und inmitten deren
die Gebiete der tributären Fürften u. die portu-
giefihen Befigungen Diu und Goa liegen. Deu
ortheil der langgefiredten Küfte von 1500 km
vom S. bis zum Golfe von Cambay, wozu nod
das an diefem meftlich fich erftredende Geftade von
125 km fonımt, erhöhen zablreihe gute Häfen,
u. a. Carwar, Geriah, Radſchapur, Bombay,
Baffein, Damaun, Surat, Broadh, deren Verkehr
jedoch für Segelichiffe, mit Ausnahme Bombays,
dur die Weſtmonſune erheblich erfchwert wird.
Eine fteile, hohe Gebirgstette, die What, im N,
von den Eingeborenen die Sihadri-Berge genannt,
durchzieht die Präfidentfhaft von N. nah ©.;
von Flüſſen find in Sindh der untere Indus, in
der NDivifion die Mündungen des Nerbudda,
Tapti u. Godavery zu nennen, während im der
des S. mur unbedeutende Kiüftenflüffe u. erft in
ihrem meiteren Laufe werthvolle Quellftröme fi
finden. Das Klima ift mit Ausnahme der Berg-
gegenden drüdend heiß u. ungefund, vorzüglich ın
den nördlicheren Diftricten. Der noch nidt zur
älfte angebaute Boden, eine ſchwarze Erde, eignet
ch vorzüglich für den Baummollenbau; dieje nebit
Reis, Zuder, Kaffe, Indigo, Opium, find die Haupt:
producte. Die Flora u. Fauna ift im Ganzen mit
der indischen übereinftimmend; eigenthümlich find
eine Art Löwen in Gudfcherat u. die berühmten
Pferde von Kattiawar. Die Manufacturthätig-
feit ift gering; der Handel (ſ. u. 2) bedeutend; die
Ausfuhr befteht hHanpriählich aus Baummolle, Kafch-
mirſhawls, Opium, Kafie, Piefter, Salz. Die Be-
völkerung der ſüdl. Diftricte bilden aderbauende
Mahratten, in dem Gebirge Bhil, in Sindh
Mobammedaner, Eifenbahnen führen von B. nad)
Allahbabad u. weiter nah Calcııtta, von B. nad
Madras u. nah der Inſel Gudfcherat; in Sindh
ift eine Bahn längs des Indus projectirt. Die alte
Geſchichte der Präfidentichaft ſ. Indien (Geſch.).
Bon 1204 an wurden dieſe Gehbiete nach u. nad)
Herrichaft des Großmoguls von Delhi gefallen.
1661 wurde die Inſel B. als Brautſchatz der för
nigin den Engländern abgetreten, 1676 der Dftin«
diihen Compagnie zugetbeilt, welche 1683 den
Sit des Präfidenten aller Befigungen dorthin ver-
legte. In der 2, Hälfte des 17. Sahıh. dehnten
die Mahratten ihre Herrichaft über die Nachbar—
gegenden von B. aus; während der Kämpfe um
diejelben mit dem Großmogul Aureng-Zeyb kam
es 1688 zu einer Belagerung B-3. Die Befit-
ungen der Compagnie an der MWfüfte Indiens
blieben auf Bancoote u. Fort Victoria, die Inſel
B. u. die Factoreien zu Surat, Broach u. Ahma«
dabad beichränkt, bis fie 1775 von den Mabratten
die Infeln Salfette u. Karanja, im März 1776
duch den Vertrag von Purunder das Gebiet der
Stadt Broach, 1780 Ahmadabad, 1781 Bafjein
u. einige Gebiete in Gudjcherat u. 1799 die Stadt
Surat mit Territorium erwarben. Diejen folgten
größere Gebiete, melche der Guicowar, der Peiſchwa
(Tannah, Belgaum, Gandeiih, Sattwa 1818),
der Scindia, Holkar umd andere Fürften der
Mahratten abtreten mußten, endlich "nah Ver—
treibung der Zaipurfürften, die Gebiete an der
Indus-Mündung. 2) Hauptftadt der gleich
namigen Präfidentichaft in O'yndien, auf der S—
Seite der gleichnamigen, einen trefflihen groß-
artigen, Hafen nah dem Feſtlande zu bildenden
Juſel, ſchön aber ungelund gelegen, zerfällt in die
befeftigte Alte Stadt od. das Fort u. die Schwarze
Stadt, Die Alte Stadt hat zwar enge Straßen u. noch
viele hölzerne Häufer, jeit dem großen Brande von
1803 aber auch viele ſchöne Gebäude. Zu letzteren
gehören das Gouvernementsgebäude u. die Kirche
am Hanptplage (Green-place), mehrere Pagoden
u, Mojcheen, ſowie Privatwohnungen der reichen
Kaufleute. Die Schwarze Stadt (Black-town),
meift von Eingeborenen bewohnt, liegt jehr niedrig
u. fteht zur Pegenzeit öfter unter Wafjer. In
beiden Städten wohnen für die Dauer des Jahres
nur wenige Europäer, welche vielmehr auf der In—
jel zerftreut leben, wie es denn auch auf derſelben
noch zwei Wohnungen des Präfidenten zu Parell
und am Borgebirge Malabar Point gibt. Der
Genfus von 1873 ergab fir Stadt und Inſel
644,405 Em., darunter 408,680 Hindu, 137,644
Moslemin, 44,501 Barien, 23,534 Yndo-Portu«
giefen,. Außer der gewöhnlichen Induſtrie der
größeren indischen Städte wird in B. viel Sciff-
bau getrieben. Die Bedeutung des Plates liegt
jedod in feinem wichtigen Ein» u. Ausfuhrhan—
del, der fich vorzugsweife in den Händen der Parſi
befindet u. 96°, von dem der ganzen Präfident-
haft begreift; er wird jedoch in letter Zeit durch
den von Galcutta überflügelt. Im J. 3872 bes
trugen Ein- u. Ausfuhr 17,,, reſp. 2ö,, Mill. Pfd.
St. Bei der Einfuhr figurirten Zuder mit 6,,, Thee
mit 13, geiftige Getränfe mit 4, Droguen u. Farb⸗
Bombe —
ftoffe mit je 14 Mill. Pfd. St. ꝛc. Bei der Aus-
fuhr nimmt die Baummolle die erfte Stelle ein u.
erreichte 1 Dill. Ballen a 175 kg, wovon 75%,
nad England gingen. Es folgt Opium (43,909
Kiften für 6, Mill. Pfd. St. faſt ausschließlich
nach China u. Eingapere), Wolle mit $, Häute
u. Felle mit 4 Mill. Bid. St. Der Küftenhandel
repräfentirte nebenbei einen Werth von 4—5 Mill.
Pr. St. In 1872—73 famen im Hafen von ®.
3043 meift engliihe Schiffe an. Die Dampfer-
verbindung mit Europa bat feit Eröffnung des
Suezlanals einen großartigen Auffhwung genom-
men. Es beiteben 5 große Dampfidifffahrtsge-
fellichaften, welche den Berfehr ſowol direct mit
Europa (nach dem Mittelmeere in 24, nad Yondon
in 30 Tagen), als mit dem übrigen Jndien, O—
Aſien u. Afrifa vermitteln. Eifenbahnverbindungen
mit Madras, Benares, Baroda »xc.; eine Menge
Telegrapbenlinien u. Kabel nad Suez. Unter den
vielen reichen Parſikaufleuten hat fi vor Allen Sir
Dſchamſetſchi Dſchidſchibhoy durch feine unbegrenzte
Freigebigkeit für gemeinnügige Anlagen befannt ge
macht. Der Hafen ift ſehr gut u. hinreichend mit
großen Dods u. Werften verfehen. B. iſt der Sit
des anglicanischen Biichofs, fowie des höchſten Ge-
richtsbofes für die Präfidentichaft. Souft befinden
fih dafelbft eine Handelslammer, die B-bant, die
Drientaliihe Bank (Hauptburean in Yondon), ein
Zweig der Agra and United Service Bank, die
Savings Bauk, verichiedene Berficherungsgeiell-
haften, die B-er Dampfiifffahrtsgejellichaft. Un—
ter den verichiedenen Hofpitälern iſt das 1845 er»
öffnete große Kranfenhaus für Belenner aller Re-
ligionen hervorzuheben. Außer zahlreichen niederen
Schulen beftehen zu B. eine 1857 errichtete Uni—
verfirät, eine Afiatische Gefellichaft, eine Geogra»
phiſche u. eine Mediciniſche Gejellichaft, die Agri»
culturgefellichaft für das norbweftl. Indien, von
Bibliothefen die Bombay diecesan Library u. die
Native general Library, endlih ein Muſeum für
naturhiftorifche u, agrariſche Producte, Verſchiedene
Miffionsgefellichaften der Engländer u. Amerikaner
haben hier wichtige Stationen mit ſehr thätigen
Drudereien. In 3. erjcheinen mehrere politische
und literarifche Zeitichriften, u. a. die Bombay
Times. Die Stadt B. (vom portugief. bom bahia,
d. b. guter Hafen) wurde Anfang des 16. Jahrh.
von den Portugiefen gegründet; ihre weiteren
Schichſale f. o. 1) und unter Indien (Geſchichte).
In zahlreichen Beifebeichreibungen ift der über
wältigende Eindrud, den ihre jchöne Lage auf
den anlommenden Seefahrer macht, gefeiert.
Zbielemann.* (Handel u. Berk, Schroot.
Bombe, eiferne Hohlfugel, die aus glatten
Mörſern gefchoffen wird. Zum Einbringen ber
Sprengladung u. Zündung find die B»n mit einer
runden Öffnung, dem Mundloch, u. zur leichteren
— mit 2 eingegoffenen Oſen verſehen.
er innere hohle Raum der B. ift mit Pulver,
ber jog. Sprengladung, gefüllt, die, durch einen
ünder entzündet, das Zeripringen (Erepiren) der
. bewirtt. Der Zünder befteht aus einer mit
langjam brennendem Pulverjage gefüllten, hölzernen
Nöhre, die durch das Mundloch eingepreßt wird
652
Bombelles,
zündet, überträgt das Feuer auf den langfam
brennenden Zünderfat u. von dieſem auf Die
Sprengladung. Da die Ben ganz in der Nähe des
Ziels, oder kurz nachdem fie das Ziel getroffen
baben, zerjpringen follen, fo muß die Brennzeit
nach der Entfermung, auf welde man ſchießt, re-
gulivt werden; dies gejchieht durch das Tempiren
des Zünders, indem man denjelben vor dem Ein—
preflen auf eine für die betreffende Entiernuug
ermittelte Länge abichneidet. Brand-B«n find
ftatt mit Pulver mit einem leicht brennenden
Satze gefüllt u. haben den Zwed, Gebäude u. ſ. w.
in Brand zu fteden; in der preußiſchen Artillerie
nicht mebr verwendet, Ercentriihe Beu haben
an der einen Seite der Geſchoßwaund eine größere
Eiſenſtärke, als an der anderen, während die com
centrifhen B. überall gleiche Eiſenſtärken haben.
Bei dem erceutriichen B-n wird der Endpunkt des
Durchmefjers, in welchem der Schwerpunft Tiegt,
auf dem äußeren Sefchoßumfange u, zwar auf der
leichteren Zeite durch einen Pfeilftvich bezeichnet,
defien Spite den leichten Bol der Echweradie be-
ſtimmt. Die Ben werden nad dem zugebörigen
Deörjerfaliber benannt. In der preuß. Artiller.e
find 3. 3. noch 15>eme, 23:cm- u. 28:cm-B-n
vorhanden, von denen nur Die erfteren beim An»
griffe von Feſtungen gebraucht werden. Durch die
Varvolllommmung der gezogenen Geſchütze hat der
Benihuß oder Benwurf, wie er früher genannt
wurde, an feiner bisherigen Bedeutung weſentlich
verloren u. wird wol mit der Zeit ganz verihmin-
den. Über den Benſchuß u. deſſen Wirkung f. u
Schießen.
Bombelles, alte, eigentlich aus Portugal ftam-
mende, jet in Frankreich u. befonders Ofterreich
verbreitete Familie: 1) Henri Franc., Graf
v. B., geb. 1680; zuerft in der franzöftichen
Marie, jeit 1701 im Landheere angeftellt, machte
er den Spanifchen Erbfolgelrieg u. als Oberft den
Krieg gegen die Türken in Ungarn mit; fpäter
war er Inſtructor des Herzogs von Ehartres u.
Commandant in der Grafihaft Bitih; er ftarb
als Generallieutenant 1766. 2%) Mars Marie,
Marquis de B., Sohn des Vor., geb. 1744 in
Bitſch; mahın Kriegspdienfte u. ftieg bis zum Mas
rehal de camp; 1780 wurde er franzöfticher Ge»
fandter in Regensburg, jpäter in Liffabon u. Ver
nedig, emigrirte nach der Revolution u. diente im
Condeichen Corps; nad) deſſen Auflöfung ward er
Geiftliher, nah der Rücdlehr der Bachs
Aumdnier der Herzogin von Berry, und 1819
Biſchof von Amiens; er ftarb 5. März 1822.
3) Louis Philippe, Sohn des Bor., geb. 1. Juli
1780 in Regensburg u. wegen der Emigration
feines Baters in Neapel erzogen; er wurde bier
Dffizier; von da durch die Ankunft der Franzoſen
vertrieben, ging er nach Wien u. erhielt daſelbſt
eine diplomatiiche Anftellung. 1813 war er öfter
reihiicher Geſandter in Berlin u. wirkte zum
Beitritt Oſterreichs zur Allianz gegen Napoleon.
1814 wurde er öfterreichifcher Gejandter in Kopen«
hagen, 1816 in Dresden, 1819 beim Karlsbader
Congreß u. 1820 in Neapel, wo ibn die Revolu-
tion vertrieb, danı in Florenz, Lucca u. Modera,
u. in deren freiem Ende die Zündſchnur eingelegt iſt. hatte 1829 eine Miffion zur portugiefiihen Kr
Letztere, durch die Flamme der Geſchützladung ent«
nigin Maria in London, wurde dann 1834 Ger
Bombenfanonen — Bomilfar.
fandter in Turin u. 1837 in der Schweiz.
653
Er) Bomfim, Joe Lucio Travaffor Baldes,
ftarb 7. Juli 1843 in Wien, wo er eben auf Ur» | Graf v., portugieftfcher General u. Führer der Con-
laub u. zum Gefandten in Florenz ernannt war. |ftitutionellen, geb. 23. Febr. 1787 zu Beniche; ſtu—
4) Graf Karl, Bruder des Bor., geb. 6. Nov,
1785; war Oberjthofmeifter u. dritter Gatte der
Kaiferin Marie Luife, Herzogin v. Parma u. dann
Oberhofmeifter des Katjers Grin; er ft. 30.
Mai 1856 in Berfailles. 5) Graf Heinrich
Franz, Bruder des Vor., öfterreichifcher Geheim-
rath; geb. 26. Juni 1789 in Berjailles, leitete
die Erziehung der Söhne des Erzherzogs Franz
Karl, mit denen er 1848 vor der Hevolution nad
Innsbrud floh; er ftarb 31. März 1850 auf fei«
nem Schloffe Savenftein in Krain.
Bombenfanonen, glattes Geſchütz von fehr
roßem Kaliber, von dem franzöfifchen General
Bairbans 1819 confteuirt u. umter berichiedener
Bezeihnung faft bei allen Heeren eingeführt; wa-
ren vorzugsmeife beftimmt, Bomben auf größere
Entfernungen zu fchießen, al$ dies bis dahin ans
Mörfern möglid war; dabei hatten fie, wie die
Kanonen, noch den Bolllugel- u. Kartätſchſchuß.
Durch die gezogenen Gejchüte überholt, find die
B. jet wol in allen Artillerien ausgefchieden.
Boiurbenfiher (Bombenfeft), Beichaffenheit
eines zu Kriegszweden (zum Angriffe, zur Ver—
theidigung oder zur Aufbewahrung von VBorräthen)
errichteten Baumerfes (Blodhaus, Batterie u. dgl.),
der zufolge daffelbe gegen die Beihädigung dur)
Wurfgeſchoſſe gefichert ıft. Die Dede eines joldhen
Gebäudes ift entweder gemwölbt, wobei die Stärle
des Gewölbes J—4 der Spannung beträgt, oder
mit Eiſenbahnſchienen, reip. eifernen I-Trägern ein»
gededt, deren Zwiſchenräume mit Beton ausgefüllt
wird, oder befteht endlich aus einer Lage von
30—40 em ftarten Holzbalten; darüber wird in
jedem Falle eine 1,, bis 1,,, m ftarle Erddecke
angebradit.
Bombinator Meer. (linfe), Gattung ber froſch—
artigen Amphibien, mit vorn — hinten
freier Zunge, ohne Paukenfell u. Ohrdrüſen, Zäh—
nen wie bei den Fröſchen, langen Hinterbeinen
mit ganzen Schwimmfüßen. Art: die Feuer—
fröte (B. igneus), ſ. d.
Bombra, 1) Kleines Fürſtenthum an der ſüd—
weftl. Grenze der Präſidentſchaft Bengalen, un—
ter engliſcher Oberhoheit; 2330 [km ; 60,000
ziemlich uncivilifirte Ew. 2) Hauptort darin, an
der Brahmint (Wani).
Bombus (lat.), das Braufen vor den Ohren;
ſ. u. Obrtönen.
Bombus, Inſect, fo v. mw. Hummel,
Bombycidae, Fam. der Nachtſchmetterlinge; f.
Spinner.
Bombycilla, fo v. w. Seidenſchwanz.
Bombycinus (v. Gr.), atlas⸗, ſeidenartig anzu⸗
fühlen; daher Bombyeinae (röm. Aut.), feidene
Kleider.
Bombyx, 1) Gatt. der Spinner, die Seidenfpinner
(f. d.) begreifend, deren in der Ruhe dachförmige
dm ohne Augenflete u, deren nadte Raupen
inten mit einem Heinen Horne verjehen find.
Kennzeichen: Raupe 16füßig, oft haarig; Puppe
am Ende zugeipigt; Schmetterling mit aufliegenden
(fih dedenden) Flügeln u. fammartigen Fihlhör-
nern, 2) Seide u. jeidenartige Stoffe; ſ. Spinner. |fehrte nah Afrika zurü
dirte zu Coimbra, trat aber, als die franz. Armee
1807 in Portugal einrüdte, zur militärischen Car—
ridre über, wurde 1828 Oberft u. fämpfte für
Maria da Gloria gegen Dom Miguel, unterlag
aber endlich auf Madeira. Als Dom Pedro 1832
landete, jchloß fih ihm B. jofort an u. kämpfte
für ihn gegen den Ufurpator, jchlug, in den in—
neren Kämpfen auch ein Conjtinmtioneller auf Sei—
ten der Königin, 1837 auf Befehl der Cortes
den Septemberaufftand nieder u. übernahm im
Cabinet Bandeira das Kriegsminifterium. In—
folge der Madinationen der Abſolutiſten u. Ra—
dicalen legte er 1841 fein Bortefeuille nieder. Als
die Abjolutiften im Januar 1842 gefiegt, ftellte er
ſich gegen diefe an die Spite der Truppen in den
Provinzen, ließ fich jedoeh durch Coſta Cabrals
Verſprechungen, daß bei Anderung der Eharte den
Septembriften möglihft Rechnung getragen wer-
den folle, zur Niederlegung der Waffen bereden.
Da aber das Minifterium Cofta Cabral nicht Wort
hielt u. die Cortes auflöfte, ftellte fih B. an die
Spige der Kämpfer für die Verfaffung von 1837,
ja, 1844 felbft an die Spite einer dahin abzielen-
den Militärverfhmwörung, mußte jedoch am 28.
April, dur Hunger gezwungen, in Almeida capi—
tuliven u. flüchtete nad Spanien. 1846 zurüd-
getehrt, nahm er theil am Maiaufftand u. erhielt
unter dem Minifterium Palmella wieder eine Di-
vifion, wurde jedoch 4. October, als das Mi-
nifterium Saldanha berufen wurde, mit Balınella
im königlichen Palafte verhaftet, aber nur furze
Zeit gefangen gehalten, Nach feiner Entlaffung eilte
er in die Provinz u. ftellte ſich an die Spite der
Bewegung gegen das Minifterium Saldanba,
Ihlug die königlichen Truppen November 1846
bei Marcella, wurde aber am 22. December bei
Torresvedras von Saldauha geihtagen, gefangen
u. vor ein Kriegsgericht geftellt, das ihn zur Der
portation nad Afrila verurtheilte. Im Mai 1847
eben im Begriffe, auf einem britifhen Schiffe zu
entfliehen, traf ihn die Kunde von der Amneſtie,
infolge deren er nach Portugal zuriidtehrte. Eude
1848 betbeifigte er fich wieder an dem politifcheu
Aufftande, zog fi aber nachher vom öffentlichen
Leben zurüd u. fl. 15. Juli 1862, ein Mann voll
Kiühnheit u. Ehrgeiz, der bei feiner militärischen
Tüchtigkeit unter amderen Berhältniffen einer
größeren Aufgabe gewachſen war. Lagai.
Bomilkar, 1) Tarthager; war erſt Feldherr
im Kriege gegen Agathokles von Syrafus und
machte 308 v. Ehr. einen mißlungenen Verſuch,
fi der Oberherrſchaft in Carthago (ſ. d., Geld.)
zu bemächtigen. Mit feinem Anhange aus der
Stadt vertrieben, wurde er vor derjelben gefangen
und ans Kreuz geichlagen. 2) B., Befehlshaber
der carthagiſchen Flotte im 2, Puniſchen Kriege;
führte 215 v. Chr. Hannibal nad der Schlacht
von Cannä Berftärfungen zu. Da er im folgen-
den Jahre den durch Marcellus bedrängten Sy-
ratufanern Hilfe bringen jollte, lief er zwar in
den Hafen von Syrafus ein, verließ aber vor der
viel ftärferen römischen Flotte feine Station u.
& 3) B., Numidier,
654
Berwandter u. Anhänger des Yugurtba, auf deffen
Antrieb er 110 dv. Chr. zu Rom den Maifiva er-
morbdete. Darauf Feldherr des Jugurtha gegen
Metellus, ward er von dieſem beftochen, feinen
Herren den Römern zu verratben, Er verband
ih dazu mit Nabdalfa, wurde aber von Jugur—
tha verrathen u. 107 v. Chr. hingerichtet.
Bommel, Stadt im Bezirke Tiel der Provinz
Geldern (Niederlande), fonft jtarke Feſtung (jet ver-
fallen), Kinfs von der Waal, auf einer von der Waal
gebildeten Inſel (Bommelmaard, Bommelinfel),
4318 Emw.; dabei das Fort Andreas (Andries),
1599 von den Spaniern erbaut u. nach dem Garbinal
Andreas von fterreich genannt. B. wurde 999
vom Kaifer Otto III. der Martinslirche zu Ut—
recht gefchenkt; darauf erhielten es die Grafen u.
Herzöge von Brabant, welche die Grafen von
landern damit belebnten. Es wurde 1229 be-
feftigt ; 1572 dur Die von Gorkum eingenommen,
1599 von den Spaniern vergebens belagert; 1600 |d’un amico;
Bommel — Bona.
royaux, biegen in Frankreich die Schatanweiie
ungen.
on, Francesco Augufto (eigentlih Frau—
cesco Giorgio Maria), ital. Komödiendichter, geb.
7. Juni 1788 in Venedig; trat nah Vollendung
feiner philofophifhen Studien in die venetianiiche
Marine; widmete fi) aber bald der Bühne u. trat
in DMantua, Turin, Modena u. Neapel mit Bei-
fall auf, wurde auch Director einer Schauipteler-
truppe, u. die von ihm gegründete Truppe Bon,
Romagnoli u. Berlaffa regenerirte die italienische
Komödie. Er ftarb 16. Dez. 1858 in Padua.
B. jchrieb die Komödien: Cosa faceva mio padra;
L'importuno e l’astratto; Il vagabondo e la
sua famiglia; Dietro alle scene; L’anello della
nonna; Niente di male; S’io fosse riceo; Lu-
dro e la sua gran giornata; Il matrimonio di
Ludro; La vecchiaia di Ludro; Il testamento
di Figaro; I compagi di viaggio; Il dovere
Il ritorno del marinajo; L’addio
das Undreasfort von den Generalftaaten erobert;jalle scene :c.; auch feine Biographie in Roman
1672 von Turenne nad) langer Belagerung durch |zenform.
Capitulation genommen ; als die Franzoſen 1674
Bona (lat., Rechtsw.), Güter, d. h. Alles, was
abzogen, fprengten fie die Werke, doch ftellte Graflfih im Eigenthum des Menschen befinden fan,
orn diefelben wieder ber. 1794 bejetten bie
— die Bommelinſel, die Stadt aber ver:
theidigte fih damals nicht.
Bommel, 1) Cornelins Rihard Anton
van, beigiiher Theolog, geb. 5. April 1790 in
Herzogenbujh; war Director des Seminars von
—— bei Leyden, mußte aber infolge des
ecreis der niederländiſchen Regierung vom 14.
Juni 1825 feine Anftalt fließen. 1829 wurde
er Biſchof von Lüttich u. päpftliher Hausprälat
u. nahm anfangs eine vermittelnde Stellung ein,
wurde aber nad der belgischen Revolution Par-
teiführer der Ultramontanen, befonders in der
Drofte-Bifcheringihen Sache gegen Preußen. Er
begünftigte die Jejuitenmiffionen, dod trug er
zur Berbefferung des Ilnterrichtes im feinem
Sprengel mejentlih bei. B. ft. 7. April_1852.
2) Elias van, holländ. Arditeftur- u. Marine:
maler, geb. 1824 in Amfterdam; fudirte an der
dortigen Afademie, dann in Paris u. Brüſſel, be-
teifte Ungarn, arbeitete in Benedig u. Prag u.
lebte dann in Wien. Seine Stoffe entmimmt er
vorwiegend Holland u. Deutfchland. Man rühmt
an feinen Bildern, namentlich an feiner Anficht
von Dortrecht, Straße in Amfterdam (1866),
ge von Blieffingen (1867), Stilles Waffer von
miterdam (1868), Anficht am Rhein zc., reiche
Zeichnun 2) Regnet.
u. kräftige Farbe.
Bomit, 1) Kreis im preuß. Megbez. Poſen; Biſchof hier.
bei. das äußerlich wahrnehmbare Bermwgen.
Bona (Bone), befeftigte Stadt im Dep. Eon-
ftantine in Algerien (Afrita), an der Mündung
der Seybouſe ins Mittelmeer, feit 1832 neu u.
auf europäifche Weife gebaut; eine Eitadelle (feit
1850 Staatsgefängniß für Deportirte); Gericht
erfter Inſtanz, Handelsgericht; eine protejtantifche
u, zwei fatholiiche Kirchen, Synagoge, zwei Mo—
iheen; wiffenfchaftl. Gejellichaft, Hipponiſche Ata—
demie genannt, Militär und Civil» Hojpitäler;
afen; anfehnliher Handel mit Eifenerzen zur
Stahlfabrifation (Ausfuhr 7—8 Mill. Etr. in 1874),
Vieh, Fiſchen, Getreide, Wachs u. Leder; Werth
der Ein» u. Ausfuhr 1872 46 Mill Fes., je zur
gälte: Schiffsverkehr: 967 Schiffe mit 313,415 T.
. if dem Range nad) die vierte Handelsjtadt in
Algerien und durch Kabel mıt Marſeille u. Malta
verbunden; 16,196 Ew,, wovon $ Europäer. Die
anliegende Ebene von B., 100,000 ha groß, ift
jehr fruchtbar u. erzeugt Getreide, Hanf, Oliven u.
andere Südfrüchte, Tabak, Wein ꝛc. u. enthält eine
Baumschule. Reiche Eifen- u. Kupfergruben find in
der Umgebung vorhanden u. mit B. dur Eiſen—
bahn verbunden. — B. war die Refidenz numidijcher
Könige, gehörte feit 46 v. Chr. den Nömern u.
hieß Hippo regius oder, feit Auguftus mit einer
römischen Colonie beidhidt, Colonia Gemella Julia
Hipponensis Pia Augusta. St. Auguftin war
393 wurde bier eine Generaliyuode
1035, [km (18,4 [M); 55,100 Ew., #igegen die Manichäer gehalten; 430 wurde B. von
Deutihe, # Polen; eben u. jumpfig; von- 11
km der Märtifch-Bofener Bahn durchſchnitten;
Hopfen- u. etwas Weinbau. 2) Kreisftadt darin,
an der Faulen Obra, zwiſchen mehreren Scen,
Eijenbahnftation; 1 katholische und 1 evangeliſche
Kirche, Synagoge; Schubmacherei; Hopfen: und
Weinbau; 2273 Em.
Bon (ir.), 1) gut.
den Bandalen erobert u. verbrannt. Bier 11.
Februar 435 Friede zwifchen Geiferih u. dem Rö—
men; December 535 wurde die Stadt von
Belijar u. 647 von den Arabern genommen u.
von Letzteren gänzlich zerſtört. Etwas nördlicher
wurde Das jetige B. von Belad el Anab aufge»
baut. Die Spanier eroberten es nach Vertreibung
2) Schein für Waaren- der Mauren aus Europa, u. Karl V. errichtete
Tieferung oder Arbeitsleifiung, auch Geld; in!bier ein Fort, doch räumten es die Spanier wie-
Kriegszeiten für erzwungene unbezahlte Yiefer-|der. Hier 1816 Blutbad, wobei mehrere hundert
ungen und feiftungen. 3) Im Franzöfiichen
jeder Geldſchein; Bons du tresor, ehedem B-s
Ehriften umter den Dolchen fanatifher Mauren
fielen. 1830 beſetzte es der franzöfiihe Gene»
Bona — Bonaparte,
655
ral Damvemont, räumte es jedoch fpäter infolge/(4,, [_M.); (1867) 3816 Ew.; Hauptort glei«
der YJulicevolution ; erft im März 1832 wurde es
von den Franzoſen dauernd bejett. Bon dem al«
ten Hippo find mächtige Ruinen vorhanden, Scroot.
Bona (lat., die Gute), 1) Judith, Tochter
des Königs Johann von Böhmen; wurde 1332
mit König Johann von Frankreich vermählt u.
gebar 4 Söhne u, 7 Töchter u. wurde Stamm-
mutter der geist von Anjou u. Burgund; fie
ft. 1349. 2) B., Tochter des Herzogs Johann
Galeazzo Sforza von Mailand u. Iſabellas von
Aragonien; 1518 mit Siegmund I. von Polen ver-
mäblt u. Mutter von Siegmund Auguft; widerſetzte
fih, wiewol erfolglos, deſſen Berbindung mit Bar-
bara von Radziwill u. fteht in dem Berdachte, dieje
vergiftet zu haben; fie ft. 1558 in Apulien.
Bona Dea (lat., die gute Göttin), gebeimnißvolle
Göttin der Fruchtbarkeit in Rom, ſowol der weibl.,
als der des ‚zrühlings. Sie ward daher ſowol mit
zauna, der Geliebten oder Tochter des üppigen
Naturgottes Faunus, ald mit Ops, der Gemab-
in des Saturnus, mit Maia, der Geberin des
Wahsthums, u. a. identificirt; da fie der Zauberei
u. Weiffagung fundig war, auch mit Fatua. Sie
ward von deu römiſchen ‚rauen ald Hausmutter
verehrt u. ihr Feſt am 1. Mai in der fruchtbaren
Jahreszeit in allgemeiner Luft gefeiert. Außerdem
wurde ihr im December ein ausgelaffenes
Feſt in der Wohnung des oberjten Prätors oder
Gonfuls gefeiert. Da aber B. D. als keuſche
Göttin galt, war den Männern die Anweſenheit
dabei gewehrt, u. jelbit männliche Bildniffe in
dent Saal, wo die Feier Statt hatte, wurden
verdedt; daher wurde es dem Clodius, der die
Pompeja, die Gemahlin Cäjars, liebte, als Ber-
brechen gegen die Neligion vorgeworfen, daß er
in Frauenkleidern bei dem Feſte überraſcht worden
war. Die B. D. batte einen Tempel zu Rom
am Aventinus, einen bei Aricia, in deſſen Nähe
Elodius jpäter umlam, u. v. a, Riefe-*
Bona fides (lat.), die Handlungsweife, welche
aus der Überzeugung, innerhalb der Örenzen feines
Rechtes zu handeln, hervorgebt. Daher Bonae fidei
possessor, ein Befiter, der fi) in dem Glauben
befindet, daß der Käufer der von ihm bejeffenen
Sache der wirkliche Eigenthümer derjelben geweſen
u. überhaupt der Bejigtitel ein rechtmäßiger jei;
nur der B.-f.-Befit fann das Recht der Erfigung
ewähren. Feruer Bonae fidei emptor, ein Käu—
I auf Treu u. Glauben, u. Bonae fidei nego-
tium, ein ohne feierliche Formeln abgejchloffenes
Geſchäft. Daher b. fide, mit gutem Gewiſſen,
aus Überzeugung , auf Treu u. Glauben; in
England Bona-fide-bills, Wechlel über empfangene
MWaaren, u. Bona-fide-capital, Capital, welches
aus Waaren u. anderen verfäuflihen Saden be»
ftehbt. Der B. f. fteht die Mala fides u. Fraus
entgegen,
onafides (Biogr.), j. Buonafede.
Bona gratia (Röm. Recht, franz. de bonne
gräce), aus freiem Willen, bejonders bei Ehe—
jheidungen gewöhnlich.
Donaire, Antillen⸗Inſel in der Nähe von Cura—
ga0,
Sun: Cochenillezucht; producirt viel Bauholz,
Salz,
Sig eines niederländifhen Gouverneurs; ung
Zeit der Hundert Tage 22.
Kartoffeln und Hülſenfrüchte; 248 Jkm|der zweiten Reftauration wurden die B. von den
hen Namens,
Bonald, 1) Louis Gabriel Ambroife,
Vicomte de B., franzöfiiber Schriftiteller, ge—
boren 2. October 1754 in Monna bei Milhaud in
Suienne; ſchloß fih anfangs der Revolution an u.
wurde Präfect der Adminiftration des Devarte-
ment? Aveyron. 1791 als Gegner der meiteren
Entwidelung der Berbättniffe gezwungen, Frank—
veich zu verlaffen, kämpfte er unter dem Emigrans
tencorps u. lebte nachher im Heidelberg ; wurde,
unter Napoleon zurüdgelebrt, 1808 Rath bei der
Unwerfität, nad) der Reftauration Mitglied der
Deputirtenfammer, wo er zu den entichiedenen
Ultramontanen und Neactionären gehörte; 1816
wurde er Mitglied der Akademie, 1823 Pair von
Frankreich, 309 fi) aber nach der Julirevolution
1830 von den Staatsgejchäften auf fein Schloß
zu Monua zurüd, wo er 23. Novbr. 1840 ftarb.
B. jhrieb: Theorie du pouvoir polit. et rel,,
1796, 3 Bde.; Legislation primitive, 1802, 2,
Ausg. 1821, 3 Bde; Recherches philos. sur les
premiers objets des connaissances morales,
1818, 2 Bde.; Melanges litter., polit. et phi-
los,, 1819, 2 Be.; Sur la libert& de la presse,
1826; De la famille agrieole, 1826; Werte,
Paris 4817—19, 12 Bde. 2. war einer der
Hauptgegner der Yehren der franz. Revolutionäre
über Staat, Neligion u. Philofopbie. Bon jehr
willfürlihen Vorausfegungen ausgehend, in vielen
Einzelheiten aber durchaus geiftreich, erhebt er den
Papſt zur höchſten u. einzigen intellectuellen Macht
u. befürwortet einen gemäßigten Despotismus u.
Bevorzugung des Adels. 2) Tonis Jacques
Maurice de B., Sohn des Vor., geb. 1787 in
Milhaud; war früher Generalvicar von Chartres
u. Coadjutor des Cardinals Feſch im Erzbisthum
yon, wurde 1823 Bifhof von Buy, 1840 Feſchs
Nachfolger als Erzbiihof von yon u. Cardinal
uw. nad dem 2. December 1851 Senator. B.
war ein eifriger Anhänger der Jeſuiten u. heftiger
Gegner des öffentlichen Unterrichtswejens, Er jtarb
25. Februar 1870 zu Lyon.
Bonaparte, altes italienisches Gefchlecht, deſſen
Urfprung nicht mit Sicherheit nachweisbar ift; es
wohnte urjprünglich auf dem Feſtlande, und fein
Name lautete Buonaparte; die Anderung rührt
von Napoleon I. ber. Ein Zweig des Geſchlechtes,
der fi von dem Grafengefchlechte von Piftoja her—
leitete, fiedelte zu Ende des 15. Jahrh. von
Toscana nah Korfica über, wo es mit Sider-
beit auf Francesco B. zuridzuführen tft, der 1567
in Ajaccio ftarb. Es jpielte jedodh im der corfi«
ſchen Geſchichte feine Rolle, jo lange Ajaccio ge»
nuefish blieb; erſt mit Carlo B., dem Bater
Napoleons I., greift e8 in Die Geſchichte der Inſel
ein. Die Familie B., zu welcher auch die von
Napoleon adoptirten Beauharnais (ſ. d.) ger
rechnet werden, fam mit Napoleon (f. unten 5),
nach welchem die Glieder derjelben auch Was
poleoniden beißen, dur Senatsbejchluß vom
16. Mai 1804 auf den Thron von Frankreich,
verlor denielben aber durch Napoleons Abdanf-
11. April 1814 und abermals nad der‘
ung
Juni 1815. Nach
656
Bonrbonen dur Decret vom 12. Yan. 1816 u.
Bonaparte.
A) Joſephſche Pinie: 2) Joſeph B.,
nach der Yulirevolution von den Orleans durh'Grafv. Survilliers, ältefter Sobn von B
Decret vom 10, April 1832 aus
ba:nt u. lebten indeffen meift in
waren nah Norbamerifa ausgewandert, Die
Nationalverfammlung der Republik hob nad der
Februarrevolution durch Decret vom 11. Octbr.
1848 die Verbannung auf, worauf die männ-
lihen Glieder der Familie nach Frankreich *
rückkehrten u. faſt alle als Deputirte in die Ra:
ttonalverfammlung gewählt wurden. Bon Neuem
beftieg diefe Familie in der Perfon Ludwig Na-
poleons (f. unten 31) den franzöfifhen Thron
2. Dec. 1852, doch erreichte auch das zweite
Kaiferthum nah der Schlacht von Sedan u. Ra-
poleons Gefangennehmung fein Ende durch die
Revolution vom 4. Sept. 1870. Die kaiferliche
Familie begab fih nah England, und die Natio-
nalverfammlung in Bordeaur erflärte durch De-
cret vom 1. März 1871 die Abſetzung der B.
Außerdem faßen Napoleoniden auf den Thronen
von Neapel, von Spanien (Joſeph, ſ. u. 2), von
Holland (Ludwig, |. u. 28) und von Mejtfalen
(Jeröme, ſ. u. 35). Bon den von den 5 Söhnen
des Stammmpaters, Carlo B., gegründeten 5 Linien
B. ift die Joſephſche im Mannsftamme u. die Na-
poleoniihe ganz erloſchen; noch beftehen die Lu⸗
cianſche, Ludwigſche u. Ferdmeiche Linie. Mert-
würdig find: 1) Carlo, geb. 29. März 1746 zu
Ajaccio auf Eorfica; ftudirte in Padua die Rechte,
ging 1768 nach Corte, wo er Gecretär Paolis
wurde, mit ihm für die ilnabhängigfeit feines
BVaterlandes focht und ihm nad der Kataftrophe
von Ponte-nuovo nah England folgte. Bon
Ludwig XV. ammeftirt, kehrte er nad Corfica
zurüd, wurde durch den Gouverneur Graf Mar-
boeuf 1773 Beifiger des föniglichen Gerichtshofes
in Ajaccio, 1777 als Deputirter des Adels nach Invalidenhotels beigejegt.
rankreich ver-|1), geb, 7. Yan. 1768 in Corte; murbe 1806
talien, einige | König von Neapel, 1808—13 König von Spa»
nien, ging, fpäter nad Norbamerifa, wo er ben
Namen Graf von Survilliers annahm, 1832
nad) England u. 1841 nach Ftafien; er ft. 28. Juli
1844 in Florenz; j. Joſeph (König von Spanien).
Er war vermählt feit 1794 mit Julie Marie, geb.
Elary, geb. 26. Dec. 1777, Tochter eines Kauf-
manns zu Marfeille, Schweiter der 1860 geftor-
benen Königin von Schweden (Bernadotte). Dieſe
begleitete ihren Gemahl weder nad Spanien, noch
nah Amerika, jondern lebte in Frankfurt a. M.,
Brüffel u. feit 1823 in Florenz, wo fie 7. April
1845 ftarb, Sie gebar ihrem Gemahl 2 Töchter,
Zenaide u. Charlotte. 3) Zenaide Charlotte
Julie, geb. 8. Juli 1801, feit 1822 vermählt mit
Charles B. (f. u. 10), Fürſt von Canino; lebte
—— in Rom u, fl. am 8. Auguſt 1854 in
teapel. Sie überſetzte mehrere Dramen von Scil-
fer. 4) Charlotte Napoleone, Schmweiter der
Bor., geb. 31. Oct. 1802; war feit 1825 mit
Napoleon Louis B. (f. u. 30) vermählt, wurde
1831 Wittme u. ft. 3. März 1839 in Sarzana.
B) Napoleonjhe Linie: 5) Napoleon,
2. Sohn von B. 1), geb. 15. Auguſt 1769 in
Ajaccio; wurde 1799 Eonful, 1804 als Napoleon I.
Kaifer der Franzoſen, entfagte 11. April 1814
dem Throne u. ging nach Elba, fehrte am 1. März
1815 nach Frankreich zurüd, entfagte nach der
Niederlage bei Waterloo nochmals am 22. Juni
1815 zu Gunften feines Sohnes (f. B. 6), wurde
von den Engländern nah St. Helena gebradt u.
ftarb hier 5. Mai 1821; f. Napoleon 1). Am
15. Oct. 1840 wurden feine irdifhen Überreſte
nah Paris zurüdgebradht und in der Kirche des
Er war feit 9. März
Paris gefandt und trat mach feiner Rückkehr im 1796 vermählt mit Marie Franc. Joſephine
Jahre 1781 in den Rath der zwölf Edlen von (ſ. d.), geb. Zafcher de la Pagerie, verwittwete
Eorfica. Er ft. 24. Febr. 1785 in Montpellier,
wie fein Sohn Napoleon, am Magenkrebs. Er
war feit 1764 vermählt mit Maria Yätitia,
eb. Ramolino, geb. 24. Aug. 1750 in Ajaccio ;
e flüchtete 1793, nad der Einnahme Corficas
durd die Engländer, nach Marfeille, wo fie ver-
borgen lebte; 1799 begab fie fich zu ihrem Sohne/Rom u. 1817 denjenigen eines Herzogs von
Napoleon nah Paris, erhielt nad) Erhebung
deffelben auf den Kaiferthron 1804 den Titel
Kaiferin Mutter (Madame-Möere) und einen Hof»
ftaat u. wurde Beſchiltzerin aller milden Anftalten
des Reiches. Nah dem Sturze ihres Sohnes
1815 zog fie ih nah Rom zu ihrem Stiefbru-
der, dem Cardinal Feſch, zurüd u. ftarb daſelbſt,
feit mehreren Fahren erblindet, mit Hinterlaffung
eines großen Bermögens, 2. Februar 1836;
1857 wurde ihre Aſche nah Ajaccio gebradit.
Sie gebar ihrem Gemahl 13 Kinder, wovon 8 am
Leben blieben, nämlich 5 Söhne: Joſeph, Napoleon,
Yucian, Louis u. Zeröme, u. 3 Töchter: Marie
Anna (Eltfe), Carlotta (Marie Pauline) u. Annun-
ciata (Caroline). Vgl. Storia geneal. della fa-
miglia B., Flor. 1847; La famiglia B. 1183
bis 1834, Neap. 1840; Stefani, Origine des B.,
Zur. 1859. Giünther, Stammbaum der Napo—
leonifhen Familie, Jena 1840.
Beauharnais, u. nachdem er fih 16. Dec. 1809
von ihr hatte fcheiden Taffen, in 2. Ehe feit
2. April 1810 mit Erzberzogm Marie Luiſe (f. d.)
von fterreih. Einziger Sohn zweiter Ehe mar:
6) Napoleon Franz Joſeph Karl, geb. 20. März
1811, der bei der Geburt den Titel König von
eich-
ſtadt erhielt; ftarb zu Schönbrunn bei Wien 22.
Juli 1832 (f. Napoleon 2). Einer der vielen
natürlihen Söhne Napoleons I. war der Graf
Walewski; j. d.
C) Lucianiſche Linie: 7) Lucian B. Fürſt
von Canino, 3. Sohn von B. 1), geb. 21. Mai
1775 in Yjaccio; war 1793 bei der Armeevermalt«
ung —— mußte jedoch als eifriger Republi⸗
faner, Mitglied des Nevolutionsausichuffes zu Et.
Marimin im Depart. Bar, diefen Boten nach Ro-
bespierres Sturz verlaffen und lebte in Marſeille
in Dürftigleit; 1795 ward er durdy ſeinen Bruder
Napoleon Kriegscommifjär u. 1797 Abgeordneter
im Rathe der Fünfhundert, 1799 aber, furz ver
dem 18. Brumaire, Präfident deffelben. Zum 18.
Brumaire wirkte er bedeutend mit (j. Frauzöſiſche
Revolution) u. wurde nach demjelben Minifter des
Inmern u. 1800 Gefandter in Spanien, two er gro ·
ben Einfluß auf den König und beſ. die Königin
Bonaparte.
gewann.
657
1801 ſchloß er den Frieden von Ba— ſignand, ftudirte auf den beſten italien. Univerſi—
dajoz zwiſchen Portugal u. Spanien u. vermittelte täten Naturwiſſenſchaften, heirathete feine Cou-
das Concordat mit
ſtets gewogen blieb. Nah Paris zurüchgelehrt,
trat er 1802 in das Tribunat u. ward Senator,
Sein Widerftreben gegen die Schritte, welche Na-
poleon zur unumfdränften Herrſchaft tbat, und
feine Weigerung, ſich von feiner zweiten Frau (der
Wittwe eines auf St. Domingo geftorbenen Wech⸗
felagenten) zu trennen, entzweiten ihm mit dem—
felben, und Yucian zog fih 1804 nah Stalien
zurüd, Bergebens bot ihm Napoleon fpäter einen
Zhron unter der Bedingung der Trennung von
om, weshalb ihm der Bapft|fine, die Tochter des Königs Joſeph (j. Bona-
parte 3), die ihm 8 Kinder gebar (f. 8. 11—18),
lebte dann lange in Norbamerifa, wo er aufs
Eifrigfte Ornithologie trieb. 1825 begann er mit
der Herausgabe feiner Ergänzungen zu dem be-
rühmten ornitbologiihen Werte von Wilfon. 1828
nad Europa zurüdgelebrt, lebte er in Rom und
machte mehrere wifjenichaftliche Reifen dur Eu-
ropa, begann 1833 mit jeiner berühmten [cono-
grafia della fauna Italica, war 1887 u. 1838
logar in Paris, ohne von der Regierung Er-
feiner Gemahlin: Lucian ſchlug alle Anerbiet- laubniß zu haben, oder geftört zu werden, wurde
ungen aus u. ſchiffte ſich 1810 nah NAmerika
ein. Trotz engliſcher Päſſe warb er aber bei
Cagliari angehalten und gefangen nah England
gebracht u. lebte bier unter Auffiht eines Offi-
ziers bei Pondon. 1814 kehrte er nach Rom zu«
rüd auf das ſchon 1808 von ihm erlaufte u. vom
Papſte darauf zu einem Fürftentbum erhobene
Landgut Canino, 1815 begab er fi zu dem
vou Eiba zurüdgelehrten Napoleon u. ward von
ihm zum Pair u. franzöf. Bringen ernannt. Nach
Ludwigs XVII. zweiter Rüdtehr ging er nad
Italien, ward hier von dem öfterreichiichen General
Bubna angehalten u. auf die Eitadelle von Turin
eſetzt, jedoh auf Verwenden des Papftes losge-
affen, kehrte nach dem Kirchenftaate zurüd u. lebte
in und bei Rom. Lucian hatte fi in früheren
Zeiten, beſ. während feiner Gejandtichaft in Spa-
nien und als Minifter des Innern, ein großes
Bermögen erworben. Er ft. 29. Juni 1840 in
Viterbo ebenfalls am Magentrebs. Lucian jr.
einen Roman: La tribu indienne, on Edonard
et Stellina, Bar. 1799; die Heldengedichte: Char-
lemagne, ou l’Eglise delivree, Lond. 1814, und
La Cyrneide, ou la Corse sauree, Bar. 1819.
Seine Memoiren, deutich, Leipz. 1836, u. Möm.
secrets, von Alph. de Beauhamp, Fond. 1819,
2 Bde. Er war vermählt feit 1795 mit Chri-
fine Boyer aus St. Marimin u., von ihr 1801 ge
ſchieden, feit 1802 mit Alerandrine Laurence de
Bleshamp, verw. Jouberton (geb. 1781 in Ca—
lais); dieſe lebte als Wittwe vor der Februar—
revolution mit Erlaubnif des Königs Ludwig Phi«
fipp in Paris, wo fie die Celebritäten der fran-
zöftihen Yiteratur in ihren Salons verjanmelte,
dann in Rom u. fl. 12. Juli 1855 im Siniga«
glia. Yucian hatte aus 1. Ehe 2 Töchter, aus
2. Ehe 5 Söhne u. 4 Töchter. 8) Charlotte,
ältefte Tochter des Bor., von feiner erften Ge—
mablin, geb. 13. Mai 1796; vermählt jeit 1815
an den Fürſten Marco Gabrielli in Rom; 1841
Wittwe geworden, heirathete fie 1842 den römi—
Ihen Arzt Gentamori, verließ ihre Befitung
Dionte Giordano und mohnte in Rom, wo fie
6. Mai 1865 ftarb. 9) Chriftine Egypte,
Schwefter der Bor., geb, 19. Oct. 1798; ſeit
1818 mit dem ſchwed. Grafen Poffe, u. als dieſe
Ehe für nichtig erflärt wurde, 1826 mit Lord
Dudley Stuart vermäbhlt; fie ft. 18. Mai 1847
in Rom. 10) Charles Lucien Jules Lau—
rent, Fürſt von Canino, Sohn Yucians, aus
2. Ehe, geb. 24. Mai 1803 in Paris; führte bis
zu feines Vaters Tode den Titel Graf von Mu⸗ Cardinal ernannt. 18) Julie,
PVierers Univerfal-Converfationd-?eriton. 6. Aufl. III. Baud.
das letzte Mai felbft Ludwig Philipp vorgeftellt u.
folgte 1840 feinem Bater als Fürſt von Ganino.
Er machte ſich durch fein wiſſenſchaftliches Stre-
ben in Jtalien einen Namen und nahm an den
meiften wiljenfchaftlihen Congreſſen theil, präfi«
dirte fogar denfelben öfter; als er aber 1847 auf
dem in Venedig abgehaltenen Kongreß Politik in
jeine Reden einfließen ließ, wurde er von der
öfterreihiihen Regierung ausgemwiefen und fehrte
nah Rom zurüd. Hier betheiligte er ſich bei den
politifchen — — im Kirchenſtaate, ſtellte
ſich 1848 an die Spitze der Republikaner, unter-
ftügte durch Geldmittel die Bildung eines Corps
Freiwilliger zur Befreiung der Yombardei von
fterreich u. wurde jeit Februar 1849 abwechſelnd
Bicepräfident und Präfident der Eomftituirenden
Berfammlung in Rom. Nah der Einnahme
Roms durch die Frauzoſen Juli 1849 floh er
nach Frankreich, wo er in Rouen eine Protefta-
tion gegen die franzöſiſche Futervention in Rom
publicirte, aber in Orleans verhaftet und nad
Hapre gebracht wurde, von wo er fi nad Eng-
land eimfchiffte. Seit 1850 lebte er in Paris,
wurde 1854 Director des Jardin des plantes u.
ft. 29. Juli 1857. Er gab heraus: American
Ormithology, Philad. 1825—33, 3 Bde., Orni-
thology of North-America, New-Yort 1826;
Observations on the nomenclature of some
species, Philad. 1826; Specchio comparativo
dell’ ormithologia di Filadelfia e di Roma, Pifa
1827; Sulla seconda edizione del regno ani-
male di Cuvier, Bologna 1830; Saggio di una
distribuzione degli animali vertebrati, Rom
1831; Iconografia della fauna Italica, ebd.
1833—41, 3 Bbe,, Cheloniorum tabula analy-
tica, Rom 1836; Catalogo metodico dei mam-
miferi europei, Mail. 1845, und Cat. dei pesei
europ., Neap. 1846; (onspectus systematum
mastozoologiae, Leyden 1850; Conspectus gene-
rum avium, Leyd. 1850, u. a. zahlreihe Son-
derbearbeitungen einzelner Familien u. Gattungen,
namentlich von Vögeln. Seine 8 Kinder waren:
11) Joſeph, Prinz v. Mufignano, geb. 13.
Febr. 1824 in Philadelphia. Auf ihn, einen Gegner
der politifhen Anfichten jeines Vaters, wurde am
9. Febr. 1850 in Rom ein Attentat gemacht, dem er
unverlegt entging; er ft. 2. Sept. 1865 in Rom,
12) Zucian, geb. 15. Nov. 1828 in Rom; trat
1853 in den geiftlihen Stand, wurde 1855 zum
Geheimtämmerer des Papftes, 1865 von Napo-
leon III. zum faiferliden Prinzen u. 1868 zum
geb. 6. Juni
42
658
1830; feit 1847 mit Alefiandro del Gallo, Mar-
quis don Noccagiovine, vermäblt. 14) Char-
flotte, geb. 4. März 1832 in Rom; vermäblt
feit 1848 mit Graf Pietro Brimoli. 15) Marie,
geb. 18. März 1835; vermäblt feit 1851 mit
Graf Paul von Campello. 16) Augırfte, geb.
9. Nov. 1836; vermäblt feit 1856 mit dem Prin-
zen Gabrielli, Sohn der Prinzeffin Charlotte B.
8). 17) Napoleon Karl, geb. 5. Febr. 1839
in Rom; nahm als Offizier ın der franzöfiichen
Armee an verjchiedenen Kämpfen im Algier und
der mericanifhen‘ Erpebition tbeil, wurde 1870
im Kriege gegen Deutichland gefangen u. zuerft in
Braunſchweig internirt, nachdem er aber im
Jan. 1871 jein Berſprechen, im dieſem Kriege
nicht mehr gegen Deutſchland zu fechten, wiber-
rufen, bis zum Frieden im Fort Boyen ein-
eſperrt. Er ift feit 1868 vermählt mit einer
rinzeffin Ruspoli. Seine Tochter Marie ift 1870
geboren. 18) Mathilde, geb. 26. Nov. 1840;
vermäblt feit 1856 mit dem Grafen Gambacerds;
fl. 8. Juni 1861. 19) Lätitia, Schweſter von
8.10), ältefte Tochter von Lucian B., aus 2. Ebe,
eb. 1. Dec. 1804; feit 1821 an den Irländer
Thomas Wyſe, brit. Gefandten zu Athen, ver-
mäblt ; lebte, von diefem 1828 wieder getremmt,
nm mehreren Orten, bef. in Aachen, u. ftarb im
März 1871 in Florenz. Cie hatte von ihm 2
Söhne: William Charles, geb. 1826 in Wa-
terford, und den geiftestranten Alfred Napo-
leon Wyſe, geb. 1821 in Rom; f. u. Wyſe.
Später wurden von ihr noch zwei Töchter geboren:
Marie u. Adele Wyje-B,, von denen die er-
ftere, geb. 25. Aug. 1833, mit einem Fürſten
von Solms — wurde, aber ſich bald von
ihm trennte und 1862 den italien. Miniſter Ra—
tazzi beirathete, der 1873 ftarb, die zmeite mit
dem ungariſch⸗italien. General Türr (f. d.), einem
reunde Garibaldis, vermäblt it. 20) Jeanne,
wefter der Bor., geb. 22. Juli 1806 in Rom;
vermählt an Marcheſe Honorati; ft. 1829 in Jefi,
mit Hinterlaffung einer Tochter, Elelia. Ihre Ger
dichte wurden als Inspirazioni d’affetto di una
giovine Musa herausgegeben. 21) Paul Maria,
Bruder der Bor., geb. 1808 in Rom; diente un-
ter Lord Cochrane auf der Flotte im griechifchen
Befreiungstriege und tödtete fih unwilllürlich im
Hafen von Nauplia Dechr. 1827. 22) Lonis
Lucian, Bruder des Vor., geb. 4. Yan. 1813
zu Thorngrove in England; ftud. Chemie und
Mineralogie, zeichnete fih auch durch verichiedene
Werte ſprachvergleichender Wiſſenſchaft aus; trat
1849 für Corſica in die Nationalverfammlung u.
wurde 1852 Senator; er fl. 1857. B. verfaßte
Specimen lexiei comparativiomnium linguarum
europaearum, Flor. 1847 u. eine Überjegung der
Parabel vom Säemann in 72 europ. Spraden
u. Dialekte, Lond. 1857. 23) Pierre Napo—
leon B., Bruder des Vorig., geb. 12. Sept.
1815; lebte im Jtalien, betbeiligte fib 1831
bei dem Auffiande in der Nomagna, wurde er
griffen u. ſaß 6 Monate, in Fivorno; dann ging
er nad Amerika, wo er in Neu-Granada gegen
Ecuador diente; 1834 fehrte er nah Europa zus
rück umd lebte in Italien. Er murde in Gept.
1836 in Rom zum Tode verurtheilt, weil er‘
Bonaparte,
einen Gensdarmerieoffigier erichofien hatte, der ihn,
als der Theilnahme am Aufftande in der Romagna
verbädtig, gefangen nehmen wollte. Bon dem
Papfte begnadigt u. des Landes verwiefen, ging
er nah Nordamerika u. dann nad den Joniſchen
Inſeln. Auch von da wegen mehrerer Ercefie
verwiefen, lebte er feit 1838 in Belgien, wurde
bier aber, da er mit Mazzini in Pondon in brief-
lihe Verbindung getreten war, 1415 ebenfalls
ausgewiefen. 1847 erſchien er plöglih in ber
Schweiz, um gegen die Sonderbündler zu dienen,
aber General Dufour nahm feine Dienfte mich
an. 1848 febrte er nach Paris zurüd, hielt fich
zur republifanifchen Partei und murbe von der
Inſel Gorfica zum Mitgliede der Wationalver-
jammlung gewählt. Bon der Megierung der
Armee in Afrika als Bataillouschef zugetheitt,
verließ er 1849 plötzlich Algier ohne Urlaub und
fehrte nad Paris zurüd, weshalb er feines Gra-
des entjegt wurde. Nach der Thronbefteigung
feines Vetters wurde er durch das kaiſerliche Haus-
gejeg vom Sept. 1855 als franzöfiiher Prinz
amerfannt, vwertehrte aber wenig mit dem Hofe
u. heirathete 1869 feine bisherige Mätreſſe, die
Tochter eines Arbeiterd. Wegen einiger Artikel
in einem corfiichen Blatte ließ ihn Pascal Grouſſet
durch Ulric de Fondielle u. Bictor Noir fordern,
die am 10. Jan. 1870 zu dieſem Bmwede fih im
das Yandbaus des Prinzen zu Autenil begaben,
beide mit Mepolvern veriehen. Pierre gab auf
die Beſuchenden Feuer, und Noir wurde tödtlich
verwundet. Die Behauptung des Prinzen, dag der
Gerödtete ihm thätlich imfultirt habe, wurde durch
das freiſprechende Erfenntuiß des in Tours ver⸗
fammelten Staatsgerichtsbofes 27. März 1870
anerkannt, doch mußte er wegen der entftandenen
Aufregung auf den Wunſch des Kaifers Frankreich
verlafjen u. begab fich nach Belgien, 1871 nach Xon-
don. 24) Antoine, Bruder des Bor, geb. 31. Oct,
1816; lebte mit jenem Bruder Pierre in Italien
un. floh, politiich verdächtig, 1836 nad Amerika; er
lehrte 1838 nach Europa und 1848 nad Paris
zurüd, wo er 1849 ebenfalls in die Nationalver«
ſammlung gewählt wurde; vermäblt jeit 1839 mit
Marie Anna, geb. Cardinali aus Yucca. 25) Aler-
andrine Marie, Schwefter des Bor., geb.
12. Oct. 1818; vermäbhlt jeit 1836 mit Vincenzo
Balentin von Canino, Wittwe feit 1858. 26) Con-
ftanze, geb. 30. Jan. 1823; nahm den Schleier
u, ift Abtıffin des Klofters zum Heiligen Herzen
in Rom.
D) 27) Marie Anna (Elife), Schweiter des
Kaifers Napoleon I., ältefte Tochter von B. 1),
geb. 3. Januar 1777 in Ajaccio; vermäbft feit
1797 an Fel. Pasq. Bacciochi (f. d.), einen ade»
ligen Corjen; wurde 1805 dur ihren Bruder
Napoleon zu einer Frftin von Piombino erhoben,
dann auch von Pucca, fpäter zur Großberzogin
von Hetrurien (Toscana); fie führte unter man-
herlei Ercentritäten wirklich die Regierung. Rad
ihres Bruders Sturze 1814 verlor fte das ‚Fürften-
tbum, lebte erft in Bologna, dann als Gräfin von
Gompianiano in Trieft; ftarb 7. Aug. 1820 auf
der Billa Vicentina bei Trieft. Bon ibrer Toch—
ter Napoleone Elife und ihrem Enfel Napoleon
Graf Camerata j. Bacciochi.
Bonaparte.
E) Ludwigſche Linie: 28) Louis Graf
von St. Leu, 4. Sohn von B. 1) und Bruder
des Kaifers Napoleon I., geb. 2. Sept. 1778 zu
Ajaccio; wurde 1806 Kömg von Holland, legte
1810 die Regierung nieder u. lebte ald Graf von
St. Leu an mehreren Orten; er ſt. 25. Juli 1846
in Livorno; ſ. u. Ludwig (König von Holland).
Er war vermählt feit 1802 mit Hortenfie Eug.
Beauharnais (j. u. —— ſpäter von ihm ge⸗
tremmt, lebte fie in Augsburg u. Jialien u. zur
fett in Arenenberg in der Schweiz; fie ftarb 30.
Oct. 1837: 29) Napoleon Youis Charles,
officiell Sohn des Bor. (nad weit verbreiteter
Behauptung Napoleons 1.), geb, 10, Dct. 1802;
als ältefter Entel der Kaiferin Joſephine wurde
er von dem kinderloſen Kaifer adoptirt, ftarb aber
ſchon 5. Mai 1807. Sein frübgeitiger Tod war
eine der Beranlaffungen zu der fpäteren Scheid—
ang Napoleons von Joſephine. 80) Louis
Napoleon, Bruder des Bor, geb. 11. Det.
1804; war von dem Kailer 1808 an Murats
Stelle zum Großherzog von Berg beftimmt, fam
jedoch, da diejes Land 1813 von den Allürten er-
obert u. 1814 aufgelöft wurde, nicht zur Megier-
ung, ging nad Ftalien, wurde mit feinem Bru«
ber in Florenz erzogen, heirathete Charlotte B.
»(j. oben 4), nahm 1830 und 1831 an der Erheb—
ung im ig eg theil u. organifirte in ber
Mark Ancona die Fmjurrection; er ftarb aber
17. März 1831 in Forli. BI) Charles Fonis
Napoleon, gewöhnlich Lonis Napoleon, Bruder
des Bor. u. jüngſter Sohn Ludwigs u. Horten-
fiens, geb. 20. April 1808; 10. Dec. 1848 Prö-
fident der Franz. Republik, 1. Dec. 1852 Kaifer als
Napoleon III., 2. Sept. 1870, nad der Schlacht
bei Sedan, als ——— des Königs von
Preußen nach Schloß Wilhelmshöhe bei Kater ab:
geführt; ft. in Ehiflehurft (England) 9. Jan. 1873
:(f. Napoleon III.). Er vermählte fih 30. Januar
1853 mit Eugenie dv. Montijo, Gräfin v. Teba
(f. u. Eugenie). Sein Sohn ift 32) Napoleon
Eugen Lonis Jean Joſeph, geboren 16.
‚März 1356 (j. Napoleon IV.).
F) 88) Carlotta, fjpäter Marie Pauline,
2. Tochter von B. 1), geb. 20 Oct. 1780; hei-
rathete 1797 den General Leclerc, mit welchem fie
1801 nah S. Domingo ging, und nad) defien
Tode 1803 den Fürſten Camillo Borgheſe; 1806
erbielt fie von ihrem Bruder, dem Kaifer Napo-
leon, das Fürſtenthum Guaftalla und behielt es
bis zu deifen Sturze. Sie lebte dann, von ihrem
Gemahl getrennt, in Rom u. fl. 9. Juni 1825
in Florenz. Bon Leckere hatte fie einen Sohn,
der bad nah dem Vater ftarb. Sie war des
Kaiſers geliebtefte Schweſter.
G) sd) Annunctata, fpäter Caroline, 3.
Tochter von B. 1) u. jüngfte Schweiter des Kai—
ſers Napoleon I., geb. 26. März 1782; wurde
1800 an Joachim Murat verheirathet, den Na-
poleon jpäter zum Pet von Berg, dann
zum König von Neapelerhob. Nach der Flucht Diu-
rats im Mai 1815 lebte fie auf der Billa Campo
Marzo bei Trieft, zuletzt in Florenz, der Erzieh-
ung ihrer 4 Kinder (j. u. Murat), nah Murats
Hinrihtung als Gräfin Lipona; ft. 18. Mai 1839
in Florenz.
659
H) Jerdmeſche Linie: 85) Jerdme oder
Hieronymus, Fürſt von Montfort, 5. und
jüngjter der erwachjenen Söhne von B. 1), Bru⸗
ber- des Kaifers Napoleon I., geb. 15. Nov. 1784
in Ajaccio.. Er widmete fid) dem Seedienfte, war
1801—1805 in den Weſtindiſchen Gewäſſern, ging
dann nad Aigier, wo er die genuefiihen Gefan-
— befreite, u. commaudirte im Kriege gegen
reußen feit 1806 mit Vandamme ein Corps in
Schiefien; er wurde 1807 König von Weſtfalen.
1813 vertrieben, lebte er in Paris u. nach dem
Sturze feines Bruders Napoleon in der Schweiz.
In den Hundert Tagen fehrte er nad) Frankreich
zjurüd, wurde zum Pair ernannt u. focht an der
Spige eines Corps bei Waterloo; nad Napoleons
Abdanfung lebte er als Herzog von Montfort im
der Schweiz, SDeutichland u. Ftalien. Schon vor
der Februarrevolution hatte er die Erlaubniß zur
Rüdtehr .nah Frankreich erhalten, wurde 1848
kurze Zeit franzöfifcher Gejandter in Spanien, im
Dec. 1848 als franzöſiſcher Divifionsgeneral zum
Gouverneur der Invaliden, 1. Jan. 1850 zum
Marſchall von Frankreich, im Dec, 1851 zum
Präfidenten bes Staatsrathes und durch Decret
vom 24. Dec. 1852 zum eventuellen Thronfolger
ernannt; er ft. 24. Juni 1860.u. wurde neben
Napoleon I. im Dome der Invaliden beigefegt.
®gl. Memoires et correspondence du roi Jeröme
et de la reine Catherine, Paris 1861—1864,
5 Bde. Er war vermählt 1803 mit Elifabeth,
geb, Paterfon, aus Baltimore, von welder er
einen Sobu (f. B. 36) hatte; auf des Kaiſers
Napoleon I. Befehl ließ er fih 1805 von ihr
ſcheiden u. heirathete 1807 die Prinzeffin Kathas
rine von Württemberg, Tochter des Königs Fried»
rih I; fie folgte ihrem Gemahl nah dem Ber«
Infte des Königreichs Weftfalen überall bin u. ft.
28. Oct. 1836 in Lauſanne. 36) Jerdöme B.⸗
Paterjon, Sohn des Bor. aus 1. Ehe mit Elifa-
beth Baterjon, geb. 7. Juli 1805 in England;
beirathete 1829 eine Amerikanerin, Suſan Wils °
liams, lebte in Baltimore den Wiflenfchaften und
der Landwirthſchaft; ftarb dort 1. Juni 1870,
Sein älterer Sohn, Jeröme Napoleon B., ift. geb,
1832. Vater u. Sohn famen 1853 nad) Frank⸗
reich, wurden vom Kaifer empfangen, u. der Sohn
trat als Offizier in die franzöfiiche Armee und
nahm theil an den Feldzuge in der Krim.
37) Zeröme Napoleon, Prinz v. Mont
fort, Stiefbruber des Bor., Sohn Jerömes aus
2. Ehe mit Katharina, geb. 28. Aug. 1814 in
Graz; war württembergiſcher Oberft; ftarb 12,
Mai 1847 in Caftello bei Florenz. 38) Mathilde
Fätitia Wilhelmine, Prinzeſſin von Mont
fort, des Vor. Schwefter, geb. 27. Mai 1820;
1841 in Nom an den ruffifhen Grafen Anatole
Demidow vermäblt, aber 1845 gejchieden; fie
unterftügte ihren Better während jeiner Präfi-
dentichaft mit reichlichen Geldmitteln, wurde nad)
deffen Thronbefteigung zur Prinzeffin von Frank⸗
reich erflärt u. machte bis zu feiner Bermählung
die Homneurs am Hofe. Seit 1873 ift fie aber-
mals morgamatiich vermählt. 39) Napoleon Jo⸗
jepb Charles Paul, Prinz von Montfort,
gewöhnlich Prinz Napoleon oder mit feinem Spitz-
namen Plon-Plon’ genannt, Bruder der Bor. u.
42”
660
jüngfter Sohn Jerömes, geb. 9. Sept. 1822 in
Trieft. - Er wurde im Februar 1831 aus dem
Kirdenftaate verbannt, obgleih er noch ein Kind
war; trat 1837 in württembergifhe Militärdienfte,
bereifte feit 1840 Europa, hielt fih 1845 einige
Zeit in Paris auf, wurde aber ausgemwiejen, weil
er mit den NRepublilanern in Verbindung ftand;
fam 1847 wieder mit feinem Bater 274 Paris,
murde nach der fFebruarrevolution 1848 in Corfica
für die Gomftituante, dann für die Fegislative ge-
wählt u; geiellte fi zu der demokratiſchen Partei.
Er wurde im Jan. 1849 Oberft der Nationalgarde
in der 2, Legion u. ging im März 1849 als Ge-
fandter nad Madrid, verließ jedoch diefen Poſten
bald wieder u. lebte in Paris, wurde im Dechr.
1852 zum franz. Prinzen u. im Jan. 1853 zum
Divifionsgeneral ernannt. Er war 1855 Borfigen-
der des Directionscomites der Juduftrieausftellung,
nahın 1854 an der Erpedition nach der Krim theil,
tehrte aber Anfang 1855 zurüd und foll wejent-
lihen Antheil an der 1855 in Brüffel heransge-
tommenen Schrift haben, melde jene Erpedition
ſcharf beurtheilte; 1856 untermahın er eine See-
reife nach dem Norden u. beſuchte 1857 den Hof
in Berlin. 1858 war er kurze Zeit Minifter für
Algier und die Colonien. Während des Jtalie-
niſchen Feldzuges 1859 befehligte er ein abge-
fondertes Corps in Toscana, jedoch ohne Ruhm,
Schon vorher, 30. Jan. 1859, hatte er fich mit
der Prinzejfin Clotilde, Tochter Bictor Emanuels,
vermäblt. Seine Verbindungen mit der. demo-
fratischen Partei umterbielt er auch als Prinz fort
u. widerſetzte fih mebrfah dem klerikalen Ein-
fluffe der Kaiferin Eugenie, was ihm öfters die
wol nur jheinbare Ungnade feines Betters zu-
320g. Wenigftens wurde er von diefem auch fpä-
ter mit diplomatifhen Sendungen vertraulicher
Art beauftragt, jo 1868 nach Berlin, um dort
wegen der Stimmung betrefiß der franzöftlichen
Gelüſte nad der Annerion Belgiens zu fondiren,
1870 zu feinem Schwiegervater, um dieſen zum
Bündniffe gegen Deutichland zu bewegen — beides
ohne Erfolg. Der Sturz bes Raikers vertrieb
auch ihn aus Franfreih, aber in Eorfica wurde
er für die Nationalverfammlung gewählt, die
Wahl jedod von diefer caffirt. Erſt nah dem
Rüdtritte von Thiers, der ihn bei einem Beſuche
in der Nähe von Paris im Oct. 1872 hatte aus-
weiſen lafjen, Lehrte er auf längere Zeit nad
Frankreich zurüd u. nimmt dort lebhaft an ben
bonapartiftiihen Agitationen theil. Aus feiner
Ehe ftammen drei Kinder: 40) Bictor, geb.
18. Juli 1862; 41) Louis, geb. 16, Juli 1864,
u. 42) Marie, geb. 20. Dec. 1866,
Treuiler· (aufer B. 10).
Bonapartea R. & P.; umfaßt einige merica-
niihe Pflanzen, melde jegt zu Agave gerechnet
werben, wie 3. B. A. geminiflora Juss., u. welche
fi durch fehr ſchmale, prriemenförmige u. in eine
lange Spige endende Blätter auszeichnen. Engler.
Bonar, Horatius, namhafter und eifriger
Geiftlicher der Freien Schottiichen Presbyterialkirche,
geb. um 1808; erhielt feine Ausbildung zuerft in
Bonopartea — Bonaventura
byterialfirhe mit Keith, M’Cheyne ausgefanbt,
um eine Unterfuchungsreife in Europa u. Aſien
zu machen, den Stand der Juden zu erfunden u.
zu erforfhen, „was für ihr Seelenwohl künnte
ethban werden“. Der hauptfählih von B. ver-
aßte Bericht diefer Meife erſchien 1843 in London
unter dem Titel: The Jews of Europe and Pa-
lestina. Bereits kurz nach feiner Anftellung zu Kelio
hatte B. eine reiche luerariſche Thätigfeit begonnen:
zuerft gab er auf furze Zeit The Presbyterian
heraus u. begann feine befannten Kelso Traets zu
veröffentlichen; 1846 ſchrieb er: Truth and Error
u, murde von da ab ein bedeutender Hymmolog.
Bon feinen übrigen Schriften verdienen noch ge-
nannt zu werden: Hymns of Faith and Hope,
1857; The Night of Weeping, or words for the
suffering Family of God, 1853, aud ins Franz.
überjegt, wovon mehr als 60,000 Eremplare ver«
fauft wurden; Prophetic Landmarks, 1847;
The Morning of Joy, 1850; The Eternal Day,
1854; Light and Truth, or Bible Thoughts and
Themes, 1868— 72, 5 ®be.; The Song of the
New Creation, 1872; Life of J. Milne, 1872;
The everlasting Righteousness, 1873; The
Christ of God, 1874. B. überfegte auch Tholuds
Stunden Kriftficher Andacht. 1856 machte er eine
Reife durch Paläftina m. die Wilfte von Sinai,
über welche er The Desert of Sivai u. The Land
of Promise, 1857, veröffentlichte. 1859 folgte er
Cameron als Herausgeber des Christian Trea-
sury, ſowie er auch jeit länger als 20 Yabren,
von feinem Anfange an, das myſtiſche Quarterly
Journal of Prophecy beransgibt. Bartling.
Bonasia, jo v. mw. Haſelhuhn.
Bonaföne, Giukio, Maler u. Kupferftecher,
eb. in Bologna, geit. in Rom; blühte von 1521
i8 1574 u. muß als der Erfie genannt werden,
der danach firebfe, den Farbeneffect auch im Kupfer-
ſtich wiederzugeben. Bon ihm find über 350
Stiche befannt, die meift etwas manierirt find.
Bona venia (fat.), mit Grlaubniß, mit Ge—
nehmigung; vgl. Salva venia.
Bonaventura St. (eigentlih Johann von
Fidenz a), myſtiſcher Scholaftifer, genammt Doctor
seraphicus, geb. 1221 zu Bagnarea in Toscana;
trat 1248 in den Franciscanerorden, wurde 1253
Profeffor der Theologie in Paris, 1256 General
des Ordend, 1273 Gardinal u. Biſchof von Al—
bano; fi. als Legat für die Lyoner Kirdhenver-
ſammlung 15. Juli 1274 u. wurde 1482 fanoni»
firt. Die Theologie ift ihm Gebieterim aller welt»
lichen Wiffenichaften, die er unter dem Begriffe
der Philojophie zufammenfaßt. Alle find nur
——— auf das höhere Licht der Gnade.
ir empfangen e8 durch die Heilige Schrift, die
eigentlihe Grundlage alles wahren Wiſſens, die
neben dem hiſtoriſchen einen allegorijhen, mora-
liſchen oder tropologifhen und auagogifchen oder
myſtiſchen Sinn bat, alſo Geheimnijje des Glan-
bens, der Sittenlehre u. der Führung zur gänz-
lihen Einheit mit Gott aufbewahrt. Die Heils-
ordnung entwidelt B. nach der katholiihen Lehre
der High School u. jpäter auf der Univerfität in u. fegt ihre Nichtwidervernünftigfeit aus einander.
Edinburgh.
1837 zum Paſtor der Nord-Kirche In philoſophiſchen Dingen beruft er fih auf Ari»
zu Keljo ernannt, ward er 1839 von der Pres- |ftoteles u. folgt der peripatetifchen Lehre in ihrer
Bonbon — Bon-Compagni di Mombello,
uneuplatouiſch · arabiſchen Geftaltung, die er mit der
Heiligen Schrift nicht im Wideripruche ficht. Weit
über die Erleuntuiß der Dogmen
die Neligion als Affeetus. Er for
auf, ihr ganzes Verlangen fich und der Welt zu
entfremden und. auf Gott zu richten, fchildert die
9 Tagereifen der Seelen bis zum — und
zum Himmel, die Verdammniß und die Seligfeit,
führt den Geift auf 6 Borftufen religiöfen Er-
tennens hinau, die dem Sechstagewerle glei—
hen. Den Sabbath des Lebens, die Ruhe, den
Schlaf des Friedens genießt ber Menſch, wenn
er Gott erlebt, ihn ſchinedt, von ihm trunfen ift,
ihn anzieht, im Gott übergeht und verwandelt
wird. Erreichbar ift diefer — in Rangftufen ein-
geiheilte —
erichienene Gnade.
völligen Einswerden mit ihm ift bas Sichein
leben in: feine Gefchichte, namentlich im feine Lei«
661
u, darauf an der Turiner Univerfität feine juri«
fiihen Studien vollendet, 1826 in den Staats-
geht ihm aber dienſt und begann hier ſchon feine Studien und
ert die Seele Beſtrebungen für Gründung von Kinderaſylen u.
Kinderbewahranftalten u. für Hebung des Bolts-
unterrichtes, in meld, letsterer Beziebung er 1829
um die Genehmigung fiir Bildung eines desfall«-
figen Bereins nachfuchte, aber die von der Re—
gierung geforderte Überlafjung der Leitung an
einen geiftlihen Orden ablehnen mußte; feine
Ideen fiber Die ganze Sache legte er in der
Schrift Saggio di lezione per l’infanzia nieder.
Ein weiteres Feld für diefe Thärigleit eröffnete
fih ihm mit Übernahme der Stelle eines Arınen«
advocatsfubftituten in Savoyen, aus der er 1833
uftand nur durch die in Chriſtus zum Staatsanmwalte in PBallanza u. darauf 1834
Das wirkjamfte Mittel zum zum Gubftituten des Generalftaatsanmwaltes im
Zurin ernannt wurde, Seitdem begann auch
feine journaliſtiſche Thätigleit, neben welcher er
densgeichichte. Die Jungfrau Maria und Fran⸗ ſeine Storia della letteratura eristiana degli
ciscus, der Orbenzftifter, find die Beiſpiele ber
allerinnigften Gottvereinigung. Werte: Commen-
tare zu den Sententiae des Petrus Lombarbus ;
Diaetae salutis, Itinerarium mentis in Deum
(entworfen 1268) x. Gefammtausgaben: 1482,
Rom 1588, in 7 Folianten, Lyon 1668, ebenfalls
in 7 Folianten, leider mit vielen Drudjehlern,
Venedig 1751, in 13 Duartanten. Bgl. Bes
Leben von Fehler, Berlin 1807; Hollenberg, Stu:
dien zu B., Berlin 1862.
Bonbon (fr.), 1) Zuderplägchen, dadurch be
reitet, daß man zu Caramel eingelochten, auch wol
noch mit gefärbten u. wohlichinedenden Ingredien
zien (DOrangeblüthenwafler, Banille, Zimmt-
oder Nellenöl ꝛc.) verjetten Zuder auf ein mit
Mandelöl beftrihenes Blech gießt u. die noch
warme Mafje mittels eines ebenfalls mit Dans
delöl beftrichenen Mefiers in 4eclige Stüde jchneidet.
Diefe werden dann in meift buntes, zumeilen mit
Devijen verjehenes Papier gewidelt. 2) Zuder-
wert in Heinen, niedlichen Formen verſchiedener
Art, Färbung u. Miſchung. Knall-B-$ find mit
einem Papier umhüllie B.3, worin fich zwei
Heine Streifen Pergament oder Papier befinden,
Die mit einer erplofiven Maſſe, nah Art der Zünd-
bütchenmaffe, an einander geltebt find; zieht man
diefe B⸗s aus einander, fo erplodirt diefe Maſſe
und gibt einen Knall. Daher Bonbonnitre,
Behältniß zu Bonbons, in Dojen- oder anderer
orm,
———— Charles Melchior Arthur,
Marquis de B., vendéeiſcher Anführer, geb.
10. Mai 1760 zu Jouverteil in Anjou; diente
erft im NAmerilaniſchen Freiheitskriege gegen die
Engländer; wurde beim Anfange. der franzöfiichen
Revolution zum Anführer der Inſurgenten der
Provinz Anjou gewählt u. focht glüdlih für den
König in der Bendee, fonnte aber enblid den
Nepublifanern nicht Stand halten und blieb
17. Oct. 1793 beim Übergange über die Loire
bei Chollet. Ihm wurde zu St. Florentin eine
von David gefertigte Statue errichtet.
Bon-Compagni di Mombello (Buoncom-
pagni), Karlo, ital. Staatsmann, geb. 25. Juli
1804 zu Saluggia in Piemont; trat, nachdem er
in einem Collegium zu Florenz mit Antonelli zugleih | 11. Mai das Minifterium bildete.
undiei primi secoli und dann fein Hauptwerk:
Introduzione alla scienza del diritto, Zurin
1848, abfaßte und aud an den piemontefiihen
Annali di giurisprudenzia mitarbeitete. Nach
dem er 1845 Senator geworden u. unter Alfieri
di Softegno im Unterritsminifterium Generals
fecretär geweſen, erhielt er im erften conftitutio«
nellen Miniſterium das Portefenille des Unter»
vichtes; bier brach er nun volftändig mit dem
alten Syftem, indem er das organiſche Schulgejeg
vom 4, Oct. 1848 gab. Da indeß die Kammer
die Petition der Studenten um Aufhebung des
Verbotes der Theilnahme an, politiihen Bereinen
trog feiner Gegenvorftellungen annahm, trat er
3. Dechr. 1848 mit feinen ſämmtlichen Collegen
zurüd. Später übernahm er im Minifterium
Alfieri die öffentlichen Arbeiten u. dann nochmals
das Portefeuille des Unterrichtes u. erhielt bier die
wichtige Miſſion nach Rom, da diejes in Sachen
der italienischen Liga Schwierigkeiten machte, aller«
dings ohne einen Erfolg zu erzielen. Nah dem
Frieden zu Mailand 6. Aug. 1849, über den er
gemeinichaftlihd mit Dabormida mit OÖfterreich
unterhandelt hatte, trat er ins Parlament und
unterftügte hier das Minifterium, namentlich "bei
Berathung des Preßgeſetzes, Dechr. 1851. Im
Mai 1852 trat er für die YJuftiz in das Miıni«
fterium d’Azeglio u. brachte hier das Civilehegeſetz
ein, das er auch in einem Memoire glänzend
gegen die Angriffe Roms vertheidigte. Als
d’Azeglio im November mit feinen Collegen zu«
rüdtrat, ging B. allein in das Minifterium Ca—
vour über u, ward zugleich auch Kammerpräfident
bis 1857, wo er ald bevollmächtigter Miniſter
nach Florenz ging, um den Großherzog, für liberale
Reformen zu gewinnen, in der That aber, um
für Cavours Plane zu arbeiten, Am 27. April
1859 erklärte er dem Großherzog von Toscana,
dag nun alle Reformen zu jpät lämen, ba die
Revolution bereits fertig fei, fiherte demfelben
freien Abzug aus Florenz zu u. übernahm, nad)»
dem er den Eintritt in die Proviſoriſche Regier—
ung Toscanıs abgelehnt u. Victor Emanuel die
Dictatur Toscanas angenommen, von diefem die
Stelle eines Generalcommifjarius, als welcher er
Nah dem
662
Bond — Boner.
Frieden bon Allafranca abberufen, kam er ſchon Die 30,000 Ew., vorherrſchend mohammedaniſche
im November wieder, nachdem Prinz CarignanFulah, find fleißige Aderbauer, ſehr gewerbſam,
die Regentſchaft in der Emilia u. in Toscana et-
ereiten vortreffliche Baummollenftoffe u. treiben,
halten, als defien Stellvertreter mit dem Titel durch die Lage des Yandes begünftigt, Tebbaft
eines Generalgouverneurs des Bundes der mittel-| Handel.
Mi welchen Poften er bis fürſtenthum anter einem Almamy;
italieniſchen Provinzen,
2. März 1860 bekleidete, wo er ind Privatleben
urüdtrat. Indeß berief ihn Bictor Emanuel
ald an die Spige einer Commilfion für Reor»
anifation des Schulmejens und dann, als den
erfaffer des inzwiſchen erichienenen Buches Sulla
potenza temporale del Papa im October 1870
an die Spige einer Commiſſion zur Beratbung|gelungenen Ende führte.
der Garantien der geiftl. Herrichaft des Papftes;
im Zuſammenhange mit diefem Auftrage arbeitete
er den Gefegentwurf über die Beziehung zwi—
ſchen Kirche u. Staat aus, worauf er wieder ins
Privatleben zurüdtrat. Er ſchrieb aufer dem
Genannten noch L'Unita d'Italia e l’elezioni,
Zur. 1861; Il ministerio Ratazzi ed il parla-
mento, ebd, 1862; -La traduzione liberale pie-
montese, ebd. 1867, u. mehre Heinere politiiche
Schriften. ragai.
Bond, William Crauch, nordamerik. Aftro-
nom, geb. 1790 zu Portland in Maine; erlernte
die Uhrmacherkunſt, beichäftigte fi) aber auch mit
Aftronomie n. errichtete zu Dorcheſter eine Pri—
vatſternwarte. 1838 begleitete er die Willesiche
Erforfhungserpedition als Aftronom, um eine
Serie aftronomifcher u. meteorologiſcher Beobacht⸗
ungen zu machen. 1839 leitete er den Bau dei
Sternwarte des Harvard College, murde zum
Director derjelben erwählt und entdedte am
16. Sept. 1848 den adten Saturnsmond. Er
fi. 28. Jan, 1859, Seine wiſſenſchaftlichen Ab-
bandlungen u. Schriften finden ſich in wiſſenſchaft⸗
lichen Zeitſchriften ac. zerſtreut.
Bonde (Bauender, Bauer), in den 3 nord,
Neichen jeder Hofbefiger; im alten Standinanien,
bejonders in Norwegen, dem Adelftande gleihende
Erbfafien, Ddelsbönder; in Schweden jogar
ein Dpnaftengefhleht, das nod im Familien-
namen B. fortlebt nah dem König Karl Kuud-
fon,3. (1449). »
ondi, Elemente, ital. Dichter, geb. 1742
8 Mizzano in Parma, Jeſuit; wurde Lehrer der
eredtſamteit in Parma; verfolgt wegen eines
Gedichtes, worin er die Aufhebung des Jeſuiten—
ordens gefeiert, hielt er fich lange in Tirol ver-
borgen, wurde 1795 Bibliothefar des Erzherzogs
Ferdinand in Brünn und Erzieher der Söhne
deifelben u. fam 1816 nad’ Wien; er ftarb bier
20, Juli 1821. Seine poetifhen Werte ericie-
nen: Venedig 1798, 6 Bde.; Pija 1799; Wien
1808, 3 Bde. (vom denen der 1. feine längeren
Gedichte: La conversazione, La felieita, Il go-
verno pacifico, La moda u. La giornata ville-
reccia; der 2. u. 3, feine Sonette, Elegien, Can«
zonen ꝛc., nebft einer Überfegung von Virgilius'
Georgica enthalten). Außerdem tiberjegte er Meta—
morphofen des Ovidius u. die Anetde des Virgilius,
Bondu, afritanisher Staat in Senegambien,
von Kadidaga, Bambuk, Tenda und Futa-Toro
begrenzt; ſehr mafferreih, von mäßig hoben
Gebirgen erfüllt u. fruchtbar; Hauptproducte find
Das Land ift ein monarchiſches Wahl-
Hauptort ifi
Bullibanııy od. Buldband, 1800 Em. Zu Sam:
bafolo wohnen geichidte Eifen- u. Goldarbeiter.
Bond- u. Forfter-Majchine ift die Drud-
mafchine, bei meldher man das Prineip des end-
(ofen Papiers mit dem rotirenten Schriftſatz-
cylinder zuerft in Verbindung bradjte u, zu einem.
Le fand jedoch nicht
die Verbreitung, die ihre Erfinder porausiegten,
u. ift von den Rototionsmaichinen, welche von
Stereotypplatten druden, faft ganz verdrängt wor:
den. Bon ihren Erfindern zu Prefton in Yanca-
ihire in England auch Preftonian genannt,
Bone, Henry, engl. Emailmaler, geb. 1755,
geft. 1834, Sohn eines armen Tiſchlers in Corn-
wallis; arbeitetezuerftinden Porzellanfabrilen feiner
Heimath, trat 1780 zum erjten Mal als Künſtler
auf, ward 1800 Hofinaler des Prinzen von Wales
u. malte zahlreiche Porträts von Zeitgenoffen ır.
viele Bilder nah alten Meiftern. Werle: Amor
u, die Muſe; Tod der Dido; Venus; Bachus n.
Ariadne, nah Titian; Himmelfahrt Mariä, nad
Murillo ꝛc. Regnet.
Bonelli, Gaktano, italienischer Phyfifer, geb.
1815 in Mailand; wurde nad Bollendung feiner
Studien bei der Steuerdirection beichäftigt und
fam dann nad Turin, wo er vom linterricht in
der Benutzung des Morſeſchen Telegraphen lebte
u, eine Menge junger Leute für den Zelegraphen-
dienft vorbereitete, deſſen Vorftand er nachmals
murde. Bon feinen Erfindungen machte nament»
li 1853 die der Anwendung der Eleftricität zur
Bewegung der auf die Platinen wirfenden Nadeln
im Jacquard-Webſtuhl großes Aufichen, da fie
auch diejen legteren nambaft zu vereinfachen ver-
ſprach. Hierauf erfand B. 1855 feinen Yocomo-
tivtelegraphen, der e8 möglich macht, daß die Züge
auf den Bahnen in ununterbrohenem Berfehre
mit den Stationen bleiben (vgl. Eiienbahntelegra»
phen). Die erfte Probe ward auf einem Sepa-
ratzuge zwifchen Turin und Moncalieri gemacht.
Darauf bemühte fih B., einen Copirtelegraphen
($. d.) berzuftellen, und wollte dazu 50 Yeitungs-
drähte verwenden. Später beichränfte er fih auf
das eleltrochemiſche Copiren von erhabenen röm.
Metalltypen; mit einem folhen Telegraphen bes
ihidte er die Londoner Induftrieausftellung 1862;
in demſelben kamen 10 (fpäter nur 5) gegen ein-
ander tolirte Leitungsbrähte zur Bermendung,
unter deren 10 Enden auf ber telegrapbirenden
Station die Metalltypen, auf der Empfangsitation
chemiſch präparirtes Papier mit gleiher Geſchwin—
digkeit .hinbewegt wurden, wobei die eleltriſchen
Ströme die Typen auf dem Papier copirten. lm
ganz feinen Berjuhen fih widmen zu können,
legte B. fein Amt nieder. Er ft. 20. Sept. 1867
in Zurim. Zetzſche.
Boner (Bonerius), 1) Ulrich, deutſcher Fabel-
dichter, Predigermönch aus Bern. Er ſchrieb in
der erſten Hälfte des 14. Jahrh. unter dem Titel;
Baummolle, Tabak u. Indigo, Eifenerze u. Gold. Edelſtein 100 Fabeln (bispel, bischaft) wa dem
Bonefize — Bönhaſe.
663
Anonymus des Nevelet, dem Aoianus u. f. w. richs IV., als berjelbe noch König von Navarra
In einer Sprade, die fih unter Feſthaltung war, u. wurde von demfelben 30 Jahre lang als
vieler jhmäbiihen Eigenthümlichkeiten durch an«| Gefchäftsträger bei vielen deutſchen Höfen gebraucht;
ſpruchsloſe Naivetät auszeichnet, verfolgen dieſe
Gedichte ihr Hauptziel, die Einprägung allge-
meiner Sittenlehren, mit Beftimmtheit und heller
Einſicht. —* deutſche Bücher haben eine Ber-
breitung wie der Edelſtein gefunden. Die 1.
Ausg., Bamberg 1461, Hein Fol., ift wahrſchein⸗
ih unfer älteftes Druckwerk (mir noch in 2
Eremplaren vorhanden). Ausgaben von Bobmer
(Fabeln aus den Zeiten der Minnefänger), Zür.
1757; von ©. 5. Benede, mit Wörterbuch, Bert.
1816; von Franz Pfeiffer, in den Dichtungen des
deutihen Mittelalters, Bd. 4, Lpz. 1844. Val.
Oberlin, Bonerii gemma, Straßb. 1782. 2)Char-
les, engl. Dichter u. Neifender, geb. 29. April
1815 zu Bath (Somerjetihire); lebte lange im
Regensburg als Erzieher am Hofe des Fürſten
von Thurn u. Taris, mit defjen Kindern er die
Alpen beſuchte, u. fiedelte dann nah München über,
von wo aus er Reiſen nah England und 1863
nah Siebenbürgen machte. Nachdem er aud
einige Jahre in Wien fernen Aufenthalt genom-
men hatte, fehrte er nah München zurüd, wo er
7. April 1870 ftarb. Er fchrieb außer Boners
Book (ein Kinderbuh mit Sluftrationen von
Grafen Pocci) u. The little Tuck, noch Chamois
hunting in the mountains of Bavaria, London
1853, 2. W., 1861; Verses. 1834—1858, ebd.
1858; Dance of Death, and other poems, ebd,
1859; Forest Creatures, ebd. 1861 (deutich als
Theorie des Waldes, Yeipz. 1862); Transylvania
(feine Reife nach Siebenbürgen), deutſch, Lpz. 1868,
u. überfegte Anderjens Märchen u. Mafius’ Natur-
ſtudien ins Engliſche.
Boneſize, eine in der Tuchweberei angewen—
dete, aus Pferdefleiſch hergeſtellte neue Schlichte,
welche immer flüffig bleibt und nicht in Fäulniß
übergehen fol.
Bonet, 1) Joh. Paul, in der erften Hälfte
des 17. Jahrh. einer der erftien Taubftummen-
lehrer. 2) Theophil, geb. 1620 in Genf; Arzt
dafelbit; er farb 1689; ſchrieb: Sepulchretum
anatomicum, Genf 1679, 2 Bbe., Fol., vermehrt
von Mangel, ebd. 1700 (das erfte Hauptwerk der
pathologifhen Anatomie), u. m. a.
onfini, Antonio, geb. 1427 in Adcoli; war
Rector am Eollegium zu Pecanati u. wurde 1484
wegen feiner großen Kenntniß der claffiihen Spra-
hen, bei. der griedifchen, von Matthias Corvinus
nad) Ungarn berufen; er ft. dort 1502. Er ſchr.:
Res hungaricae (bi$ 1495), Bajel 1543, voll-
ftändiger, Bajel 1568, Köln 1690, 2pz. 1771,
Fol.; Symposion Beatrices, Bajel 1572 u. 1621;
In Horatium commentarii; überfegte den Heror
dianos ins Lateinische u.gab Heraus des Philoftratos
Vitae sophistarum, 1516, u. des Hermogenes
Ars rhetorica, yon 1538. Bol. Moller, De
Bonfinio, Altd. 1698.
Bonfol (Bumpfel), Pfarrdorf im ſchweizeriſchen
Kanton Bern, Amt Pruntrut; Fertigung von
fteinernem Küchengeſchirr, weldes weit verführt
wird; 1250 Em.
Bongars, Jacques, geb. 1554 in Orleans;
findirte die Rechte, trat dann in die Dienfte Hein
machte auch 1585 eine Reife nach Conftantinopel;
er ft. 1612 in Paris. B. gab heraus den Juſtinus,
Par. 1581; Seriptores rerim hungaricarum,
Franlf. 1600; Gesta Dei per Francos, Hanan
1611, 2 Bde.; feine Epistolae (theils politifchen,
theils literariſchen Inhaltes), herausg., Leyd. 1647,
Straßb. 1660, mit franzöſiſcher überſetzung von
Brianville, Par. 1668 u. vermehrt Haag 1695;
feine Extraits de quelques poésies (aus franzö⸗
fiihen Gedichten des 12.—14. Jahrh.) gab Sinner,
Yauf. 1759, heraus. Vgl. Lothholz, De Bongarsio,
Weim. 1857,
Bon genre (fr.), gute Art.
Bonghi, Ruggiero, geb. 1828 zu Neapel; hat
fi) als Gelehrter einen bedeutenden Namen er-
worben, wobei ihm jein Eritifher Kopf und eime
ebenfo vieljeitige als tiefe allgemeine Bildung vor
Allem zu Statten fam. Zuerſt claffiiher Philolog
(er hat fich als Überfeger befonders um die Kennt
niß der Werfe Platons in Italien bleibende Ber:
dienfte erworben), war er von der ftürmifchen Zeit
in den Strudel der Politik hineingezogen u. wirkte
nun als Fournalift. 1870 wurde er als Profefior
der alten Geſchichte an die Univerfität Rom berufen.
Aber auch jetst noch blieb er publiciftiich thätig.
Nachdem er jeit 1867 an der Spike der Redaction
ber Mailänder Perseveranza geftanden hatte, lei⸗
tete er jeit 1872 die Neapolitaner Unita nazio-
nale und fchrieb in die Nuova Antologia von
Florenz. Die von ihm 1873 zu Neapel. heraus:
gefommene Sammeljchrift Frati, papi e re ent
hält feine in der Nuov. Ant. erjchienenen Auffäge,
ſowie feine Parlamentsreden über religiöfe Körper»
haften, das Gonclave u. die Anwendung der
firhlichen Gefete von 1866 u. 1867 auf die
römische Provinz. Obwol fein Redner, wurde
er gleihwol bei dem Mangel an Staatsmännern
ein angejehenes Parlamentsmitglied der rechten
Seite des Haufe, Er wurde daher 1874 als
Cultusminiſter in das Minifterium berufen. Sein
Charakter gilt als nicht durchaus zuverläffig. In
feinem ausgeſprochenen Selbftgefühl läßt er feine
Überlegenheit überall fühlen, wodurch er fidy viele
Feinde zugezogen hat u. Schwierigfeiten finder,
fi als Minifter zu behaupten. In der Kirchen»
frage theilt er die Halbheit mit den meitaus
meiften ital, Staatsmännern. Bezold.
Bon gré (fr.), mit gutem Willen, entgegengeſetzt
dem mal gre. Bon gre, mal gré (mit Willen
u. wider Willen), dem beutjchen: mir nichts, dir
nichts, entiprechend.
Bönhafe (vom niederbeutihen beun, Bühne,
oberer Boden eines Haufes), 1) eigentlih Einer,
welcher, ohne ein zünftiger Meifter zu fein, auf
der Bühne, oder dem Boden heimlich zünftige
Arbeiten verfertigt, od. Einer, der ohne Bollmadıt
der Zunft im einer oberen Kammer arbeitet und
deshalb als Pfnfcher von dem Ober- od. Amts
meifter verfolgt wird; daher auch B. ſo v. w. Pfufcher.
2) In niederdentihen See- u. Handelsftätten ein
Mafter, welcher fein Geſchäft ohne obrigfeitliche
Erlaubniß betreibt. Auch 3) nichteangejefiene Ein-
wohner in Städten.
0604
Bonheur (fe) Süd, glückliches Ereignif.
Bonhenr, I)Roja, franzöfiihe Thiermalerin,
geb. 22. März 1822 zu Bordeaur; verlor früb-
zeitig ihre Mutter und fiedelte nad deren Tode
mit ihrem Bater, dem MalerRaymondB., 1830 nad
Paris über. Sie fam 1832 als Lehrinäbchen zu
einer Näberin, bei ber fie aber nur ein paar
Tage aushielt. In dem Penfionat, in dem fie
nun untergebracht wurde, litt fie es ebenfo wenig,
n. fie ergab fih num der Malerei, in welcher fie
zuerft der idealen Wichtung folgte und Tizian,
Rafael, Rubens u. a. copirte. Ihr einziger Leb-
rer war ihr Vater. Erft nad 6 Jahren (1841),
während welcher ihr Beifpiel auch ihre Geſchwiſter
Auguft, Iſidor u. Julie der Kunft zugeführt hatte,
ftellte fie aus, Bier Jahre malte fie hiſtoriſche
Bilder, dann wandie fie ſich entfchieden der Thier-
malerei in Berbindung mit der Landichafts- und
Genremalerei zu. on 1842 zählten ihre Ge-
mälde zu ben geſchätzteſten u. gefuchteften ihres
Faches, u. fie erhielt 1848 die Medaille erfter Klaſſe.
1849 ward ihr Bild: Die pflügenden Stiere, für
deu Luxembourg erworben. In ihren Arbeiten
it nichts gefucht, oder auf den Effect berechnet,
vielmehr alles u. jedes der Ausbrud der tiefften
Ertenntniß, derreinften Empfindung, der fiebevoliften
Sorgfalt un. Gemifienhaftigkeit. Ins Weſen der
Thiere aufs Tieffte eingeweiht, weiß fie mit ſiche⸗
rer Hand diefes bis auf den feinften Charafterzug
wiederzugeben. Menſchliche Figuren bringt fie
auf ihren Bildern nur im fo fern an, als fie zum
Ausdrud des ganzen Gedanfens nothwendig find.
Auch die Landichaft behandelt fie mur als Neben⸗
ſache, aber Menſchen u. Landichaft find auf das
‚Fleißigfte ftudirt und mit dem Thiere zu einem
armoniſchen Ganzen verarbeitet, deifen äftheti«
ſchen Gipfelpunft allerdings das Thier bildet.
DB. bereifte England u. Spanien. Ihre Farbe,
anfänglich etwas kalt u. troden, ward fpäter fatt
u. warm, "Bon ihren Werfen find zu nennen:
Der Morgen; Der Pferdemarkt; Die Heuernte;
Die — in der Auvergne u. Die pflügen-
den Stiere, befannt unter den Namen Labourage
dans le Nivernais, letstere beide im Lurembourg.
2) Angufte, franz. Landjchafts- u. Thiermaler,
Bruder der Rofa 8, geb. 4. Nopbr. 1824 zu
Bordeaur; lernte bei feinem Bater, bereifte die
Pyrenden u. die Auvergne; fehr fruchtbarer Künft«
ler; lebt in Paris und malt auch gute —
net,
Bon homme (fr.), aus Dummbeit guter, gut-
mütbiger Menſch; daher Bonhommie, natürliche
Gutberzigteit, Leutſeligkeit.
Boni, 1) einheimiiher Staat an der gleichn.
Bai im nördl. Theil der ſüdweſtl. Halbinjel von
Gelebes; ftart bevöltert; 200,000 Em. vom
Stamme der Bugi, welche ftarten Handel treiben;
ein Wahltönig, welcher unter niederländiicher Ho-
eit ftebt; gleihn. Hauptft., Verkehrsplatz Badſchoa.
) Fürftenthum im S. der Präfidentichaft Ben-
galen, unter britifher Oberhoheit; 2750 [_ km;
47,000 halbwilde Em,
Bonifacio, fefte Stadt im Arr. Sartöne des
franz. Dep. u. der Inſel Corfica, an der Meer-
enge gleihen Namens (Bonifaciusftraße), auf einer
Heinen Halbinfel Sardinien gegenüber; guter,
Bonheur — Bonifacius.
aber ſchwer zugänglicher Hafen; Hanbelsgericht ;
Wein u, Olbau; Korallenfiicherei; Handel mit
Dlivenöl, del) x; 3616 Ew.; an ber Küſte
mertwürdige Grotten, mur zu Hafer erreichbar,
aber rei an Gras u. Blumen, Süßwaflerquellen,
Stalaftiten u. Taubenneftern. — B. wurde 833
von dem Markgrafen Bonifacins von Toscana
gegen die Einfälle der Saracenen gegründet,
1195 don den Genuefen in Beſitz genommen
n. erhielt viele Freiheiten von ihnen eingeräumt.
Die Stadt wurde 1420 vergebens von Alfons V.
von Aragonien belagert u. 1553 vom den Frau—
zofen erobert, jedoch nicht behauptet.
Bonifacto, 1) Beneziano, Hiftorienmaler
der Benetianifchen Schule; blühte von 1530—63
in Venedig und ift zu wmterfcheiden von einem
anderen Maler gleihen Namens, der 1553 ftarb,
Er war vermuthlih ein Schüler Tizians, wenig.
fiens zeigen manche feiner Gemälde eine große
Ähnlichkeit mit diefem Meifter, deilen Beband-
lungsweife der Färbung mamentlih ihm eigen
ift, wenn er ihn auch am Energie u. Tiefe des
Geiftes nicht erreicht. Die Galerien zu Benedig
befigen die meiften feiner Werke, unter denen
mehrere Heiligenbifder u. Heilige Familien. Im
Mufeum zu Berlin befinden fi von ihm: Chri—
ſtus u. die Ehebredherin; im Lonbre: Maria mit
dem Kinde u. a., und eines feiner vorzüglichften
Bilder: Rückkehr des verlorenen Sohnes, im
Schlofie zu Alton Tower in England. 2) Bal-
dafjare, geb. 5. Jan. 1586 in Crema; jtudirte
die Rechte ın Padua u. hielt dajelbft Vorleſungen
über die Inſtitutionen; begleitete den päpftlichen
Nuntius Borgia als Secretär nah Deutjchland,
wurde dann Profeffor in Rovigo, 1620 in Bene-
dig, 1637 Director der Benetian. Afademie, 1653
Bıldof von Capo d'Iſtria; er ftarb hier 1659.
®. ihr. u. a.: Dell’ immortalitä dell’ anima,
Bened. 1621; Amata (Tragödie), ebd. 1622;
Lettere poetiche, ebd. 1622; Elogia Contarena,
ebd. 1823; Historia Indicra, ebd. 1652, Brüſſel
1656; Panegyriei sacri, Beneb. 1657 u. a.; gab
heraus Eontarini, De rebus et bello in Etruscos
et Senenses gesto, u. C. Gigonius, Judicium de
historicis, qui res Romanas scripserunt, ®ened.
1627, Helmft. 1647. Bon feinen 2 Drillings-
brüdern bat fih noch Kaspar als Dichter bekannt
gemadht. 1) Regnet.*
Bonifacius. I. Heiliger: I)B.,derApoftel der
Deutſchen, urſprünglich Winfried genannt, geb. zwi⸗
hen 675 u. 683 zu Kirton (Devonigire); erbielt
jeine Bildung in den Klöftern Ereter u. Nbutscelle,
In der Abficht, die Deutihen zu belehren u., was
ihm eins damit war, dem Römischen Stuhl zu unter«
werfen, machte B. zuerft 715 einen vergeblichen
Miffionsverfuc in Friesland, ging dann 718 nad
Rom, um fi zu feinem Werke die päpftliche VBol-
macht geben zu laffen. Es gelang ihm zuerft bei den
Seflen um Amöneburg 722, worauf er vom Bapfte
regor II. zum Biſchof geweiht wurde. Obmol
vom Papſte an Karl Martell empfohlen, erbielt er
von diefem feine Unterftügung für fein Vorhaben;
doh vollendete er mit Füllung der Donnereidye
bei Geismar fein Werk bei den Heflen u. fette
e3 in Thüringen fort, 732 von Papft Gregor II.
zum Erzbiihof und apoftoliihen Bicar ernaunt,
Bonifacius. 665
ordnete er nah einer 3. Romreiſe (738) dieıderd der neu aufblühenden Kirche Englands zu,
firhlien Berhältnifje Deutſchlands zuerft durch z. B. durch Verleihung des Palliums (f. d.) an
Eintheilung Bayerns in die 4 Diöcefen Salzburg, |den Erzbifchof von Canterbury. 7) B. VI., der
Freifing, Regensburg, Paſſau; dann nad Karl 116. Papft; regierte, von den Römern mit Gewalt
Martels Tode 741 von Pipin dem Kleinen, noch erhoben, nur 15 Tage, lange genug, um fich als
mebr von Karlmann unterjtütt durch Errichtung gänzlich unwürdig zu erweifen. 9 B. VII.,
von 4 Bisthümern für OFranken, Würzburg, Römer u. Cardinaldiafon, der 141. Papſt; wurde
Eihftädt, Buraburg (bei Friglar, 787 mit Mainz von dem Römern nah Benebictd VI. (f. d.) Er-
pereinigt), Erfurt. Auch errichtete er die Klöſter mordung 974 gewaltſam auf den Hl. Stuhl ge»
Ohrdruf, Friglar, Amöneburg, Fulda. Seit ſſetzt. Seine Zeitgenoffen nannten ihm ſpottweiſe
745 war B. Erzbiſchof von Mainz, übergab aber |Malifacius u. zeichneten ihm als abſcheuliches Un-
dieje Würde 753 feinem Schüler Yullus, um fih|gerhüm, alle Sterblihen an Bosheit übertreffend,
der Belehrung der Fzriefen zu widmen, u. fand/u. von dem Biute feines Vorgängers triefend. Er
bei diefem Unternehmen 5. Juni 755 den Mär-|floh bald vor feinen Gegnern nad Conftantinopel,
tyrertod in der Nähe von Dodum. Sein Kampflfehrte aber 984 nad Rom zurüd und ftie Jo—
gegen die beiden Ketzer Adelbert den Gallier u. hann XIV, (f. d.) von dem Stuhl Petri ın die
Clemens den Schotten läßt mit Grund ver-|Verließe der Engelsburg, wo er ihn bis zu deſſen
muthen, daß des B. Arbeit zum nicht geringen | Tode vr Hunger oder Gift 4 Monate lang
Theil in der Ausrottung des von den irifch-fchotti- |jchmachten ließ. Wegen diefer Unthaten wurde er
ſchen Miſſionären früher in Deutſchland gepflanzten|985 durch einen Aufftand der Römer geftürzt,
reineren, mehr evangeliich freien Chriſteuthums erſchlagen u. fein Leihnam vom Bolte mißhandelt
beftand u. daß fein Hauptintereffe die Ausbreit-|u. durch die Straßen geichleif. 9) B. VIIL,
ung der päpftlihen Macht liber eine nene Provinz |der 199. Papft, vorher Benedict Baktani aus Ana-
war. Gejammtausgabe feiner Briefe von Giles,|gni, päpftlicder Notar unter Ritolaus IV., Car»
Lond. 1842, 2 Bde. Seine Briefe, geſchichtlichſ dinal unter Martin IV. und mehrmals Legat;
fehr wichtig, von Serrarius, Mainz 1605, 1629; | zeichnete fih durch Beredrjamteit, Kenntniß beider
von Würdtwein, Mainz 1790, Altefte Biographie | Rechte, diplomatischen Geift, würdevolles Anſehen
von Willibald, in Perg’ Monumenta II,, ©. 833; bei ſchönſter Wohlgeftalt ebenfo wie durch Mangel
von Othlo im 11. Jahrh. in demſ. Werke; Letzner, jeder geiftlichen Tugend aus. Seine Zeitgenofjen
Hist. S. Bon., Hilvelsh. 1602; Löffler, Bonifacius, |nannten ihn den großherzigen Sünder, Nachdem
Gotha 1812; Geiter, B., der Apoftel der Deut-|er 13. Dec. 1294 durch Liſt u. Gewalt die Ab-
ihen, Mainz 1845; Ebrard, Die irifhfchottifche |danfung oder eigentlih Abſetzung Cöleſtins V,
Miſſionskirche, Giltersioh 1873. (j. d.) erzielt hatte, beftieg er felbit, mit Karls LI.
II. Bäpfte: 2) St. B. J., der 43. Papſt, ein|von Neapel Bewilligung mehrheitlich gewählt, 24.
Nömer, 418 als Nachfolger des Zofimus von der|Dec. 1294 den Stuhl Petri, melden er fofort
Mehrheit in Hom gewählt, ihm gegenüber Eula-jallen Einflüffen zu entziehen fuchte, denen er in
lius. Kaifer Honorius ſprach ſich, da Letzterer ihm letter Zeit ausgejegt wur. Daher ließ er zumächft,
nicht gehordhte, für B. aus, der feit 419 alleinjebenfalls mit Karls Einwilligung, feinen Bor«
regierte. Er war eifrig beftrebt, das Anfehen des gänger Eöleftin feſtnehmen u. bis zu deſſen Tode
Römischen Stuhls zu befeitigen, indem er zuerft|(1296)in ſtreugſtem Gewahrjam halten. Zu Anfang
den römischen Biſchof als Primas der Chriftenbeit| Januar 1295 ging B. von Neapel nah Anagni,
bezeichnete. Er fl. 422. Die Kirche verehrt ihn um von da am 23. Jan, mit unerhörtem Pomp
als Heiligen am 25. October. 3) B. II., der 56.|in St. Peter zu Rom einzuziehen, u. vereitelte
Barı Eohn eines Gothen, aber geb. zu Rom;|fo die Hoffnung Karls II, das Papftthum in
wurde 580 durch Einfluß des oſtgothiſchen Königs | Neapel feftzuhalten. B. wurde von Pifa zum
Bapft u. hatte kurze Zeit einen Gegenpapft in Rector, von — Communen zum Podeſta
Dioscurus. Auf Befehl des Königs Athalarich| gewählt u. bei Lebzeiten mit Bildſäulen beehrt,
mußte er auf das Recht, ſelbſt feinen Nachfolger | weshalb ihm feine Gegner vorwarfen, er laſſe fi)
zu ernennen, verzichten. Er ft. 582. 4) B. III., in Kirchen filberne Budfäulen aufrichten, um das
der 67. Papſt, ein Grieche, nah dem Tode Volk zum Götzendienſte zu verführen. Er gründete
des Sabinus. im Febuar 607 gemählt; ftarb|1303 die römiſche Univerfität (jet Sapienza).
10. November deſſ. Jahres, nachdem er vom|fndem er feine eigene Familie zu dem eriten
griechiſchen Kaifer Photas, dem Mörder des Mau-| Stellen im Kirche u. Staat zu erheben fuchte,
ritius, welchen er, wie Gregor I. ſchon als Ge-|fam er in Streit mit dem Haufe der Colonna,
fandter in Conftantinopel, durch Schmeicheleien zu deſſen Häupter flohen umd welches er 1297 mit
gewinnen wußte, ein Decret erlangt hatte, wodurch |dem Baune belegte u. durch Gewalt u, Lift 1298
der Biſchof von Nom den Titel: Allgemeiner |zur Huldigung zwang, worauf er den Zufluchts-
Bifchof der Chriftenheit erhielt. 5) B. IV., derjort der Colonna, Paleftrina, von Grund aus zer«
68. Bapft, ein Marfe, unmittelbarer Nachfolger |itören ließ. Nah einer zweiten Flucht der Go»
des Borigen; fi. 7. Mai 615. Das freundliche |lonna zog er deren Bermögen ein u. verbot allen
Berhältnig mit Phofas feste er fort u. erhieltvon | Städten u. Ländern, fie aufzunehmen. Hierauf
diefem das Pantheon gejchentt, welches hierauf |veröffentlihte B. 22. ‚zebr. 1300 das Jubel
zur Kicche der immerjungfräufien bl. Maria u. jahr mit vollem Ablaß für Alle, die während des
aller Märtyrer geweiht wurde. 6) B. V., Near Jahres die Bafiliten von St. Peter und Paul
politaner, der 70. Papft; regierte vom Dec. 619 |vorihriftsmäßig beiuchten, ausgenommen Die
bis Oct. 625. Er wandte jein Augenmerlk befon- Feinde der Kirche, darunter auch alle Chriſten,
666
welche mit Saracenen Handel trieben. Der Chro-
nift von Afti zählt für das ganze Fahr 2,000,000 |
Pilger; nur die Könige fehlten, außer Karl Mar-
tell, Titnlarfönig von Ungarn, Obwol die Könige
von Ungarn u. Sicilien ihm bei feinem Einzuge
in den Yateran die Yügel gehalten u. mit den
Kronen auf dem Hanpte ihn bei Tafel bedient,
war doch der Stern der päpftlihen Weltberrichaft
bereits im Erbleihen: es wurde ihm die Lehns—
herrlichkeit ilber Sicilien verweigert u. trotz feines |
Bannfluches Friedrich II. von Aragonien Köni
von Sicilien. Philipp der Schöne von ———
wies B⸗s Einmiſchung in den Streit zwiſchen
Frankreich u. England zurück, wie er ſich auch
vo die Bırlle auflehnte, in welcher der Papft
ehauptete, der König fei ıhm in mweltlihen Din-
gen ebenfo wie im geiftlihen unterworfen, u. die
Senerafftaaten von Frankreich erflärten, daß fie
in meltlihen Dingen ſich nädft Gott nur dem
König unterwerfen müßten. Der Papft antwortete
darauf mit der Bulle Unam sanctam v. 18,
Nov. 1302, nach welcher jede menſchliche Creatur
dem Papſte unterworfen fei, u. ſprach 13. April
1303 den Bann über Philipp aus u. bot Albrecht
von Öfterreicdh, welcher die Lehnsherrlichkeit des
Papftes anerkannt hatte, wenn auch vergeblich,
die franzöfiihe Krone an, Die Folge war, daß
diefer ihm vor die Generalftaaten lud, um ihm
den Proceß zu maden, und an ein allgemeines
Eoncil appellirte. Sich des Papftes zu bemäd)-
tigen, fandte Philipp feinen Bicefanzler Nogaret
nah Italien, der mit Sciarra Colonna vereint
den Bapft in der Naht vom 7. zum 8. Sept.
1303 in Anagni gefangen nahm, u. zwar unge:
achtet derfelbe in vollem päpftlihen Schmude, das
Krenz u. die Schlüffel in der Hand, auf dem päpft-
lihen Throne ſaß; nah 2 Tagen befreiten ihn
die Bewohner von Anagni, u. B. ging nun mwie-
der nad) Rom, ftarb aber ſchon nad einem Monat,
11. Oct. 1303. Bgl. Drumann, Geſch. B⸗s VIIL,
Königsb. 1852, 2 Bde. 10) B. IX., der 209,
Bapit, vorher Pietro Tomacelli, ein Neapolitaner,
Carbinal von S. Anaftafia; wurde 2. Nov. 1389
in Rom gewählt. Kaum 30 Yabre alt, verband
er bei höchft mangelhafter Bildung ſcharfen Ber-
ftand u. fefte Willenskraft mit grenzenlojer Yab-
fucht u. Gemiffenlofigteit. Ihm bingen Ftalien,
Deutihland, Ungarı, England u. Polen an, wäh—
rend Frankreich u. feine Serbündeten e8 mit den
ſchismatiſchen Gegenpäpften zu Avignon, Clemens
VII. u. Benedict XIII. (f. d.) hielten. B. trieb
in rüdfichtsiofefter Weife Handel mit geiftlichen
Ämtern u. Pfründen, führte die Annaten (f. d.)
als ſtehende Abgabe ein (1392), u. wie er wucher⸗
ten feine Verwandten u. Agenten; Alles war um
Geld oder Naturalien von ihm zu haben, u. wie
Urban VI, verpfändete, verfaufte ec römiſche
Kirdengüter u. Kircheuſchätze, ja, er ertheilte für
Anerkennung feiner Oberhoheit u, jährlichen Tri»
but Magiftraten n. Tyrannen Bicariate im Kir—
chenſtaate. Zweimal, 1392 u. 1394, wurde er von
den über feine Herrichaft erbitterten Römern ver«
trieben u. das legte Mal nur durch König Ladis—
laus von Neapel vor gewaltſamem Tode gerettet.
Derjelbe Ladislaus ſchützte den gefährdeten B.
auch miber die limtriebe Benebict# XIIL, der
Bonifaciusftraße — Bonifaciusverern.
Ina Glemens VII. in Avignon zum Gegenpapite
gewählt worden war. So mehr u. mehr Herr
‚Sampaniens, erhielt B. 1398 auch das volle
Dominium in Rom, deſſen Bürger im Hinbiid
auf das geminnreihe Jubeljahr 1400 zu Ber-
räthern ihrer Freiheit wurden, Eine neue Er-
bebung gegen den Papſt wurde von diefem durch
Hinrichtung der Hauptverihmworenen auf den Stu—
ſen des Capitols im Keime erftidt. Nun lieh B.
zur Befeftigung feiner Herrihaft die zertrümmerte
Engelsburg, den Batican u. den Senatorenpalaft
auf dem Gapitol in Zmwingburgen verwandeln.
Das Jubeljahr 1400 zeichnete ſich befonders durch
die Erfcheinung der Flagellanten (f. d.) od. Com⸗
pagnien der Beißen aus, die 30,000 Köpfe ftarf
in Rom erſchienen u. Unfug aller Art verübten,
fo daß B. fich gezwungen jab, dieſelben zu ver-
bieten, Alsdann befiegte er, den König Yadislaus
zur Eeite, durch Bann u. Blut die ihm feind—
lihen Barone u. beherrſchte die Römer mit eifer-
ner Strenge. Außerdem betrieb B. die Abjegung
des Königs Wenzel am 20. Aug. 1400, beftätigte
im ‘jan. 1401 den Pfalzgrafen — als römi«-
ihen König, gewann Perugia wieder u. ftarb jo
als Herr des ganzen Kirchenſtaates im Oct. 1404,
an einer ſchrecklichen Krantbeit. .
III. Andere Berfonen: 11) B., römischer Felb-
berr; wird zuerft als rubmeoller Vertheidiger von
Marfeille gegen die Gothen, dann als Feldherr
gegen ebendiefelben in) Spanien erwähut, dann
wurde er Befehlähaber der Provinz Afrika. Aetins
war fein geheimer Feind und verleitete ihm zur
Empörung gegen den Kaifer Balentinianus. Als
nun römiſche Heere gegen ihn vorrüdten, rief
B. die Bandalen aus Spanien nad Afrila, gegen
die er, über die Intrigue aufgellärt u. wieder ver:
jöhnt mit dem Kailer, die Provinz nicht balten
tonnte. 432 kehrte er an der Spite jenes
geichlagenen Heeres nach Italien zurüd und be-
jtegte jeine Nebenbuhler Aëtius, ftarb aber ſchon
wenige Tage nad der Schlacht an feinen Wunden.
12) 8. II, Sohn Wühelms III., Marlgraf
von Montferrat; folgte 1192 feinem Bruder
Konrad, nahm 1202 theil an dem Kreuzzuge, zeich-
nete fich bei der Eroberung Gonitantinopels (1204)
aus, erhielt dann das Königreich Theſſalonich u. fiel
1207 im Kriege gegen die Bulgaren, 1) Löffler.
Bonifaciusijtraffe (Bocche di Bonifacio),
die Meerenge zwiihen Gorfica u. Sardinien, von
den Römern Fretum Gallicum genannt; führt
ihren Namen von der Feſtung Bonifacio an
der SKüſte Corficas, ift zwiihen Cala Fiumara,
der Südſpitze diefer Jnfel, u. dem Cap Longoſardo,
dem Nordende von Sardinien, etwa 12 km breit.
Zahlreiche zerftreute Klippen machen die Schiff-
fahrt gefährlid, find aber der Korallenfiicherei
günftig. Außer diefer treiben die Anwohner der
beiden großen u. der großen Dienge Meiner Inſeln
Thunfi fang.
Bonifacinsverein, katholiiher Verein, Nach—
ahmung des protejtantiihen Guftan-Adolf-Bereins,
Derjelbe wurde bei der 3. Verſammlung des Pius-
vereins (j. d.), deſſen eigentliher Sprößling er
ift, hauptfächlich durch das Bemühen des Grafen
Joſeph von Stolberg 1849 zu Regensburg gegrün-
det u. mit ber Aufgabe betraut, die Röm.-Katbol.
Bonificiren —
[27
Bonin-Inſeln. 667
Kirche nach Lehre u. Verfaſſung, beſonders in den|dann das der Provinz Poſen, ward aber, als er
proteftantiihen Gegenden Deutfchlands und der die Ausführung der Minifterialrefcripte vom 18.
Schmeiz, aufrecht zu erhalten u. deren treue An⸗u.
Danger werkthätig zu unterſtützen.
onificiren (v. Lat.), entſchädigen, vergüten;
daher Bonification, 1) Vergütung, Entihädig-
ung; 2) Ausfubrprämie,
Boni homines (d. i. gute Männer), 1) Auguſti-
nerherren, 1259 dur Edmund in England ge
fiftet; fie trugen eim blaues Kleid. 2) (Fr. Les
bons hommes) So v. w.Grandmontaner. 8) So
v. w. Minimen. 4) Jm 12. u. 13. Jahrh. jo
v. mw. Albigenfer, Waldenfer u. andere Keger,
Bonin, ein urjprünglih Pommern und der
Neumark angehöriges, jet mit mehr als 15 Glie—
27. Mai 1851, melde die Provinzialftände
wieder einführten, mit feinen Grundfägen nicht
vereinbarlich fand, zur Dispofition geftellt. Unter
dem Miniftermm Auerswald übernahm er 1859
von Neuem dag Oberpräfidium- von Polen, welche
Stellung er bis zum Jahre 1864 bekleidete, Seit
1848 warer in mehreren Wahlperioden Mitglied des
preußischen Abgeordnetenhauſes (Aftliberaler), feit
1871 des Deutichen Reichstages (liberale Reiche -
partei), 8) Adolf v. B., preuß. General, geb.
11, Nov. 1803; 1821 in die prenß. Armee ge:
treten, war er längere Zeit zur Kriegsſchule com«
mandirt, bis er 1838 Flügeladjutant des Königs
dern in der preußiichen Monarchie angefeffenes|Friedrih Wilhelm IIL. wurde; bis 1858 avan-
Geflecht. 1) Eduard v. B., preußifcher General,
cirte er zum Generallieutenant u. wurde zugleid)
geb. 3. März 1793 zu Stolpe in Hinterpommern ;|Generafadjntant des Königs u. 1864 General der
trat 1806 in preußiiche Kriegsdienfte u. gerieth Infanterie, als mwelder er das Generalcommando
bei Lübel 5. November im Gefangenschaft; er
wurde 1809 Bortepeefähnrih im 1. Garderegi-
ment u. 1810 Lieutenant, machte als Apjutant
den Befreiungsfrieg mit u. abancirte bis 1842
zum Oberften; er commandirte 1848 als General«
major die preußifhe Brigade in Schleswig-Hol«
ftein gegen die Dänen u. focht bei Schleswig u.
Diüppel u. a. DO. Nah dem Malmöer Waffen-
ftillftande ernannte ihn die damalige deutſche Cen-
trafgewalt zum Commandanten der Reihstruppen
in den Herzogthümern, die Statthalterfchaft aber
zum General u. gab ihm den Auftrag, die Armee
der Herzogtbümer zu reorganifiren, welche er im
eldzuge 1849 commanbdirte, Nach dem auf den
Überfall bei Fridericia im Juli folgenden Waffen-
fillitande dankte er ab, trat im April 1850 in
preußiiche Dienfte zurüd u. wurde Commandant
von Berlin; er befehligte hierauf das Armeecorps,
welches fi im Octbr. 1850 bei Wetzlar an der
heſſiſchen Grenze zufammenzog, und erhielt nad
Auflöſung deffelben das Commando der 16. Divi-
fion in Trier. Im Jan. 1852 wurde er Kricgs-
minifter u. bald darauf Generallientenant, Das
Kriegsminifterium gab er Anfang Mai 1854 ab
u, erhielt das Divifionscommando in Neiße. Im
April 1856 murde er Feftungscommandant von
Mainz. Als der Prinz Wilhelm von Preußen
9. Octbr. 1858 wegen Krankheit des Königs
Friedrih Wilhelm IV, die Regierung felbftändig
übernahm, murde B. zum zweiten Mal zum
Kriegsminifter ernannt, jedoch ſchon 5. Deceniber
1859, weil er fih der Durchführung der Armee»
reorganiſation nicht gewachſen zeigte, durch den
General v. Roon erjett und commandirender
General des 8. Armeecorps in Koblenz, wo er
13. März 1865 ftarb. Er fehr.: Grundzüge fiir
das zerftrente Gefecht, Berl. 1839. 2) Guftan
v. B., preuß. Staatsmann, geb. 23. Nov. 1797
zu Heeren in Weftfalen; ftudirte in Berlin und
Göttingen die Nechte, bildete fih durch Reifen in
der Schweiz, Franfreih, England u. Jtalien wei:
ter aus, begann feine Carriere bei den Regier-
ungen zu Stettin, Köglin u. Magdeburg, ward
1845 Oberpräfident der Provinz Sachſen, ım Sept.
1848 im Cabinet Pfuel Finanzminifter, übernahm
im Nov. beim Eintritt des Cabinets Brandenburg
wieder das Oberpräfidium der Provinz Sacjfen,
des 1. Armeecorps in Königsberg führte. Mit
feinem Corps machte er 1866 den Krieg in Böh—
men mit u. wurde hernach bis Ende Mat 1867
bödhftcommandirender General in dem von deu
Preußen beſetzten Königreih Sachen u. Gouver+
neur von Dresden. BeimBeginne de Kriegs mir
Frankreich 1870 wurde er Gouverneur von Ber-
lin u. Commanbdant der beiden Eriagarmeecorps,
im Auguft d. J. nach der Beſetzung Yothringens
GSeneralgonverneur diefes Yandes in Nancy und
jpäter in Met u, trat, nachdem dieſes Gouvernement
im März 1871 aufgehoben worden war, im fein
früheres Verhältniß als dienftthuender Generale
adjutant des Königs u. Chef des reitenden Feld—
jägercorps zurüd, Er ft. 16. April 1872 zu Berlin.
Bonington (Bonnington), Rihard Parkes,
englischer Genre, Ardhitektur- u. Landihaftsmaler,
geb. 25. Octbr. 1801 zu Arnold (Nottingham),
geit. 23. Sept. 1828, Sohn eines Porträtmalers,
der nach Paris überfiedete, wo B, in das Atelier
von Gros trat, der ihn abeg wegſchickte. Nun
ſtudirte B. für ſich allein, befuchte 1821 Italien,
dann auh SFrankreich. Um zu leben, warf er
fih auf die Pithographie u. cultivirte die Aquarelle
mehr als die Olmalerei. Hauptwerfe: Ruhender
Türke; Heinrich IIL.; Das Grab Omars; Anfidy-
ten von Venedig u, Bologna; Reiſeſtizzen. Am
meiften gefucht find feine Aquarellen. Regnet.
Bonin-AInfeln, eine Infelgruppe des Stillen
Meeres, fitdöftl. von der Inſel Nipon, u. 26% 30°
bis 27° 45° n. Br. u. 160% ö. %,, 89 Inſeln ent«
haltend, von ſehr geringer, aber nicht genau bes
fannter Größe. Diejelben find gebirgig, vulcaniſch,
von milden Klima; Producte find Palmen, Fiſche,
Schildfröten, Geflügel. Die B.⸗J. werden in die
Gruppen getheilt, welche je zwanzig Gradminuten
von einander entfernt find. Die nördl. derjelben
ift die der Parry-fufeln, nebft der Fleineren Kater-
Inſel, füpdfiipöftl. davon, die mittlere die der
Beechey⸗Inſeln, worunter die bedeutendften Stap-
leton, Budland u. Peel, letztere die größte aller
B.⸗J., u. die füdl. die der Coffin-Inſeln, deren
größte Hillsborougb heißt. Der befte Hafen it
Yoyd, im W. der Inſel Peel, 1827 von Eng-
ländern in Befig genommen, aber von der engl.
Regierung nicht angeiproden. Die B.⸗J., ſonſt
unbewohnt, wurden zeitweile von Japan zu Ber-
668
breder-Golonien benutt uw. erbielten fpäter An-joder Pfähle abgeiondert, gemeſſen u. ge st.
fiedelungen verfchiedener Nationen, namentlich von | Das gefundene Reſultat der ciuzeluen Besab-
Hamaii aus, find aber thatſächlich herrenlos. ſchnitte wird von dem Feldmeſſer in das B»3-
Da indeflen die Vereinigten Staaten bort eimejjourmal eingetragen u. durch Nummern vi. Linsen
Koblenftation befigen, jo werden die B.J. wol auf der Karte vermerlt u. an jedem Abend zum
der Herrichaft der Union nicht entgehen. Brotokoll getragen, Fit das Abſchätzen geicheben,
Boni puöri (Kirchengeich.), jo v. w. m jo werben bie erhaltenen Abſchnitte geouretriſch
Bonis avibus (lat., mit guten Bögeln, d. b. in-|berechnet ꝛc. Die B. wird hauptfählid auch zur
dem die bei den Augurien befragten Bögel glück- Aufftelung der Grundſteuerlataſter vorgenommen.
Boni pueri — Bonitz.
lichen Erfolg verfündigen; vgl. Augurium), ſprüch⸗ Gewöhnli
wörtlich: mit Glüclk.
Bonitarium dominium (lat.), nah einer alt-
römischen Eintheilung das Eigenthum, welches
von einem Jeden ohne Unterſchied auf jede be—
liebige Art erworben werden konnte; ibm ent ⸗
gegengeſetzt iſt das Quiritarium do „inium; ſ. u.
Ligenthum.
Bonite (Bonito, Bonites), 1) geſtreifter
B. (Atlantiſcher B. Thynnus pelamys Cuv. Val.),
Art der Fiſchfamilie der Makrelen; hat am Bauche
7 lleine Floſſen, an den Seiten 4 Mwarze Siriche;
unterſcheidet man beim Aderlande
Thon-, Lehm⸗, Sand», Kall- u. Humusboden u.
theilt diefe Hauptflaffen wieder ın mehr oder
weniger Unterllaffen. Der franzöfiihe Katafter
z. B. beichräntt fi für Aderland auf 5, für anderes
Yand auf 3 Klaſſen; bei der neuen preußischen
Kataftrirung find 8 Bodenklaſſen angenommen, in
Sadjen werben 12 Klajien Aderland, im Baden
6, in Heſſen 5 unterfchieden. Auch in dem Ge:
meinheitstheilungs- oder Separationsverfahren,
fowie in dem Berloppelungs- (Zufammenlegungs-)
Berfahren ift die B, ein wichtiger, die Nichtigkeit
auf dem Rüden blau, fat jchuppenlos; im At-|der Uuseinanderjegungen, ſowie der Berfoppelung
lantishen Meere; treibt die fliegenden Fiſche auf;|der Grundftiide bedingender Act.
ift
2)
nitol, Thynnus Sarda Bloch), dem vorigen nahe»
ftehend; Rücken blau, mit dunklen, krummen
Querftreifen ; oben 7, unten 6 Heine Floſſen, 2
NRiüdenflofien; Zähne fpisig; Schuppen Hein; im
Mittel, Schwarzen u. im Atlantiſchen Meere‘;
wird wegen des Wohlgeichmades gefangen; hält
fih des Fettes wegen ungejalzen nicht lange;
wird 60 cm lang, 6 kg ſchwer. Zbome.*
Bonitirung (v. Lat.), Prüfung, Unterjuchung
n. Beitimmung der Güte einer Sade, bei. des
Bodens. Unter B. des Bodens verftebt man
die nähere Bezeichnung der Ertragsiäbigteit des-
jeiben und die Feiftellung des durchſchnittlichen
Nobertrages, welchen der betreffende Boden bei
der ftattfindenden Beuutzungsweiſe gewährt oder
gewähren kann. ie gründet fi darauf, daß
der Yandihäger (Boniteur), durch praftiiche Er-
fahrungen belehrt, im Stande it, Die verfche-
denen Bodengattungen nadı äußeren Mertimalen
u. Eigenſchaften zu erlennen. Dieje ergeben ſich
aus den verſchiedenen Erdarten, aus welchen der
Boden beſteht, deren Beſchaffenheit während und
nach der Bearbeitung, dem Geruche u. der Farbe,
der natürlichen Begetation u. j.w. Als beſondere
Umftände werden im Betracht gezogen: angren—
zende Wälder, Baugruppen, Gewäſſer, injofern
deren Höbezuftand oder Austreten auf die Grund»
ftüde eunmwirten tan, u, der augeublickliche Eultur-
zuftand, Der B. gebt gewöhnlidy eine Berimefl-
ung u. Kartirung voraus. Bei der fpeciellen B.
werden die Grundſtücke ſtrichweiſe nach allen Nicht:
ungen durch die Boniteure übergangen und etwa
alle 100— 150 Schritte mittels des Spatens O0,,m
tiefe Gräbchen gemacht, um den Boden in Bezug
auf Beſchaffenheit der Aderkrume u. des Unter:
grundes zu unterfuhen. Auch die Hade u. der
Handbohrer finden bier Verwendung. Die vor:
gefundenen u. anzunehmenden Bodenklaffen werden
namentlich beſtinnnt, ausgeiprochen u. aufnotirt.
Durd einen binzugezogenen Feldmeſſer werden
die gleidyartigen Flächen mittels Marguirfahnen
ejuchte, aber mitunter ungefunde Speife,
ter B. (Mitteländiiher B., Sarbe, Bo-|die zur Veranlagung der Grundſteuer.
Die Grundiäge
der B. find hier im Allgemeinen ——
gl.
Schmidt, Leitfaden zum Bouitiren u. Taxiren der
Grunditüde, Wien 1823; Schnalg, Berf. u. An-
leitung zum Bonitiren u. Glajfificiren des Bodens,
p3. 1833; Lange, Über B-en, Lpz. 1827; Bod,
Beiträge zur Landgüter- Schägungstunde, Brest.
1840; Khachl, Vlaterialien zum Gebrauche bei
Abihätung landw. Güter, Klagenf. 1850. Rdede
Bonit, Hermann, tüchtiger Philolog n. Schul:
mann, geb. 29. Juli 1814 zu Langenſalza; ſtu-
dirte auf der Pandesichule zu Piorta 1826 — 32,
dann auf dem Univerfitäten zu Leipzig u. Berlin,
wo er G. Hermann, A. Bödh u. Lachmaun börte.
Nachdem er am Blochmannſchen Juftitut 1836 bis
1838 als Lehrer thätig geweſen war, wurde er 1838
zu Berlin am Friedrichs - Wilhelms ⸗Gymnaſuum,
jpäter am Gymmafium zum Grauen Kloſter als
Oberlebrer u. 1842 am Gymmafium zu Stettin
als Profeſſor angeſtellt. Im J. 1849 nad Wien
berufen, lehrte er an der Univerſität, leitete das
Philologiihe Seminar u, wirkte ald Mitglied der
Brüfungscommijfion. Durch den mit Eyner 1849
verfaßten Organifationsentwurf für die öſterreich.
Symnafien, welder 1854 angenommen wurde,
übte er einen großen Einfluß auf bie gefehrten
Mittelſchulen, deren Lehrer er auch durch die 1850
gegründete Zeitjchrift für das öjterr, Gymmafial-
mwejen anzuregen ſuchte. Er wurde Mitglied der
K.K. Alademie (1354), deslinterrichtsrathes (1864),
fehrte aber 1867 nach Berlin zurüd, wo er als
Director des Gymnaſiums zum Grauen Kloſiet
u. Mitglied der K. Alademie thätig ift u. fich ſeit
1869 an der Leitung der Zeitichr. für das Gym—
nanalwejen betheiligt. 1875 wurde er zum vor:
tragenden Mathe für das Gymnaſialweſen im
Eultusminifterium (Nachfolger Wiejes) ernannt.
Seine Hauptarbeit ift Die Ausgabe der Metaphysica
des Ariftoteles, Bonn 1848 f., 2 Bde, u, des
dazu von Alerander Apbrodifienfis verfaßten Kom-
mentars (ſchon Berl. 1847). Außerdem verfante
er eine Reihe Heiner, gediegener Abhandlungen:
Über die Ariftotelifchen Kategorien, Wien 1553;
;&
Bonivard — Bonn. 669
Platonifhe Studien, ebd. 1858—60; Ariftotelifche| Cuſtos an der Bibliothek Sainte-Genevieve, Er
Studien, ebd. 1862 f.; Beiträge zur Erklärung ſt. 24. Juni 1856 zu Paris, Man hat von ihm
des Thufgdides, ebd. 1854, des Sophokles, ebd. |ziemlih gute Luftipiele: Le proteeteur et le
1855—57; liber den Urſprung der Homeriſchen mari, 1819; La möre rivale, 1821; Les deux
Gedichte, Bortrag, Wien 1860, 3, A., 1872; Zur cousines, 1823; Le mari à bonnes fortunes,
Erinnerung an F. A. Trenbelenburg, Berl. 1872;|1824 (fein beftes Werk); Le presbytere, 1833;
Zur Erflärung des Platon + Dialogs Phädrus,|Le bachelier de Segovie, 1844; Naissance, for-
ebd. 1874.
tune et merite, 1831 (in Profa), u. einen Sitten«
Bonivard (Bonnivard), Franz, eine Perfön-|roman: Le malheur du riche et le bonheur du
fiehfeit der Genfer Gefchichte; geb.1496 warſcheinlich pauvre, 1836.
zu Seiffel, aus einer alten Familie ſtammend, welche
Volchert.
Bon mot (fr.), Witzwort, launiger, ſinnreicher
am Genfer-See mehrere Güter unter ſavoyiſcher | Einfall,
Herrſchaft befaß; widmete ſich dem geiftlichen Stande
Donn, 1) Kreis im Negbez. Köln der Preuf.
u. ftudirte im Freiburg die Rechte; 1514 folgte) Rheinprovinz, meift. am ünken Rheinufer, den
‚er feinem Oheim als Prior von St. Bictor bei
Genf. In den Kämpfen Genfs gegen die An-
maßungen Savoyens hielt er, nachdem Herzog
Karl III. ihm mehrere Familienbeneficien ent-
zogen hatte, zur patriotifchen, nad Unabhängigkeit
von Savoyen ftrebenden Partei. Ald am 5. April
1519 der Herzog in Genf feinen Einzug hielt,
um das Sindaik zwiſchen diefer Stadt u. Frei«
burg zu löjen, entfloh B., wurde aber gefangen
u. dem Herzog ausgeliefert u. mußte auf ſeine
Priorei verzichten. Nach faft zwei Jahren frei.
gelaffen, lebte er am verfchiedenen Orten, bis er
1522, die Zeitumftände bemutend, ſich wieder in
den Beftt feiner Abtei fegte. Um ſich darin zu
erhalten, unterwarf er ſich dem Herzog, aber
dadurch verdarb er e8 mit den Genfern. Als er
fih 1530 den Genfern wieder nähern wollte, lieh
ihn der Herzog am 26. Mai aufheben u. nach dein
Scloffe Ehillon in harten Gewahrfam bringen.
Erft Ende März 1536 wurde er bei der Einnahme
des Schloffes durch die Berner befreit u. erhielt,
da inzwifchen jein Klofter fäcularifirt worden war,
eine Benfion von dem Genfer Rathe. Er verhei-
rathete fih mun u. lebte fortan in Ehezwiften u.
Geldverlegenheiten u. war ein eifriger Bertheidiger
der Willtürherrfhaft Calvins. Er fl. 16570. 8.
war Dichter, fette auch Amé Porrals Chro-
nique de Geneve fort, herausg. Genf‘ 1826, u.
ſchrieb: Advis et devis a l'etat ecclösiastique et
a ses mutations, zum Theil herausgegeben Genf
1856, u. v. a. ein Schidjal gab
Beranlaffung zu dem Gedichte:
Übergang von der Ebene zum Gebirge bildend;
um W. Die Boreifel u. die Bille, fruchtbar; von
37,4. km der Rheinischen Bahn durchſchnitten;
308,, [km (5,, [IM ); 69,630 Em.;, ſonſt zum
Erzfifte Köln gehörig. 2) Hauptftadt darin, Iınts
am Rhein u. der Rheinischen Eiſenbahn; der
Verkehr über den Rhein wird durch eine fliegende
Brüde vermittelt; Sig bes altfatholifchen Bifchofs;
Kreisbehörben, Landgericht, Oberbergamt, Hypo»
thefen- und Steueramt; 7 Ktirhen, darunter das
Münſter, mit eherner Bildſäule der St. Helena als
Mitftifterin, eines der prächtigften Werte romanischen
Bauftils, ſtammt zum Theil ans dem 11., zum Theil
aus’dem 12, u. 13. Jahrh., hat einen Haupt- u.
vier Edthiirme, erjterer 95 m hoch; die neue
proteft. Kirche, 1866— 70 nad} dem Plan von Diekhoff
im gothiſchen Stil erbaut, mit 80 m hohem Thurme.
B. hatte jchon 1777 eine Wlademie, die, 1786
zur Umiverfität umgewandelt, nuter der franzöl.
Herrihaft zu Grunde ging; am 18. Oct. 1818
wurde vom König Friedrich Wilhelm III. die
Preußiſche Rheinuniverſitat (mit 5 Facultäten,
darımter einer proteftantiichen u. Fatholiichen theo-
logiſchen) dafelbit geftiftet; das ehemalige fur»
fürjtlich» kölniſche Schloß wurde als eines der groß-
artigften Univerfitätsgebände in Deutſchland dazu
eingerichtet u. ausgebaut. In demjelben befinden
fih außer den Hörfälen u. der mit Freslen (unter
Cornelius’ Yeitung von Götzenberger, P. 9. Her-
mann u. E. Förſter) geſchmückten Aula viele Samm⸗
yron diellungen: die Bibliothef von 200,000 Bänden, das
e prisoner of| Afademifhe Kunſtmuſeum, das Mufeum vaterländ.
Chillon, das aber mit feiner Perfon nichts zu Alterthümer, die Münzfammlung (meift römiſche
thun hat.
Bonizo (Bonitho), Biihof von Sutri und
Piacenza, Zeitgenoffe u. Anhänger des Bapftes
Gregor VII; fhr.: Liber ad amicum de perse-
eutione ecclesiae (handſchriftlich in München),
berausg. von Jaffe in den Monumenta Grego-
riana, Berl. 1865. Bgl. Hermes, De fide Bo-
nizonis libro tribuenda, u. Krüger, Bonizonis
liber, Bonn 1865.
Bon jour (fr.), guten Tag.
Bonjour, Cafimir, franzöf. Dichter, geb.
15. März 1795 zu Clermont in den Argonnen;
wurde Pehrer (Maitre d’etudes) am Lyceum zu
Brügge u. jpäter zu Paris im Muironſchen In⸗
ftitut. Dann erhielt er eine Stelle im Finanz.
minifterium, die er aber bald verlor, da er fih| 1868 neu erbaute
Münzen), das phufitaliihe Gabinet ꝛc. Eine ſehr
reihe Naturalienfammlung befindet fih in dem
1 km entfernten, durch ſchöne Alleen mit B. ver«
bundenen Boppelsdorfer Schloffe; um daffelbe der
Botanische Garten mit einem der Vollendung nahen
Zropenhaufe. 1847 wurde eine landwirthicaft«
liche Lehranftalt errichtet u. feither die dazu ge»
hörigen Gebäude zu Poppelsdorf in der Nähe des
Sclofjes erbaut. An der Poppelsdorfer Allee
liegt die Sternwarte, u. in dem Univerfitätsgebäude,
hinter welchem ſich der Hofgarten ausbreitet, be»
findet fi die medicinifhe u. chirurgische Klinik,
während die gynälologiſche Klinik in einen geräu-
migen Neubau am Aheinwerfte u. die Anatomie
nad PBoppelsdorf verlegt worden ift, wo aud das
emifche Laboratorium liegt.
zu viel mit Verſemachen u, zu wenig mit ſeinem Die Hochſchule wird jährlih von 800—850 Stu-
Amte beichäftigte; 1830 wurde er Studienanffeher|denten beſucht u. Hat gegen 100 Lehrer. In B.
an der Militärfchule de la Fleche und fpäter|beftcht außerdem 1 Gymnaſium; Niederrheinifd;e
670
Geſellſchaft flir Natur- und Heiltunde, Berein der
Alterthumsfreunde und and; Theater, großartiger
Goncertjaal in der Beethovenballe; 3 Hoipitäler.
Auf dem Miünfterplage befindet fih das eherne
Denkmal von Beethoven, der hier (Bonngafie
20) geboren wurde; auf dem alten Zoll das
Arndt» Denkmal; auf dem Friedhofe der Stadt
find die Gräber vieler bedeutenden Männer und
viele prachtvolle Momumente, u. a. Niebuhrs
Dentmal, Bon der Gewerbethätigleit ift zu er-
wähnen: Weberei, Fabrifation von Gteingut,
Bitriof und Chemilalien, Mineralwafler, is,
Liqueur, Eifig, Firmiß, Seife u. Fichten, Tapeten
u. Fahnen, Goldleiften, Gement u. Bachkſteinen,
chirurgiſchen u. optifhen Inſtrumenten, Leder;
jerner: Porzellanmalerei, a ren Bie-
elöfen u. Halfbrennereien, Kunftgärtnereien zc. Die
Stadt bat 26,030 Em., außer der Garnifon. In
der Umgebung der Stadt Baumzucht, Wein- u. Berg-
bau (Braunfoblen). Die Stadt bat ſich in den lebten
Jahren namentlich nach der S-u.WSeiteausgedehnt,
wo die Koblenzerftraße, die Poppelsdorjer Allee u.
der Kaiſerplatz, mit prächtigen Hötels befett, den
elegantejten Gtadttheil bilden; nördl. von der Stadt
wird ein ausgedehnter Neubau für die Provinzial
Irrenanſtalt errichtet. Die reizende Lage ber
Stadt mit ber prachtvollen Ausficht auf das Sieben-
gebirg (vom alten Zoll aus) und das rege Tite-
rarifche Leben bat viele reiche Privatleute ver-
mocht, ſich hier niederzulaffen; von Fremden haben
fi) hier vorzugsmeife Engländer angefiedelt, ſowie
auch mehrere engliſche Grziehungsinftitute ent
ftanden find. — B., bei den Kömern Bonna,
mar eim fefter Ort im Lande der libier (Germania
secunda) ı. ein Stützpunlt der Römer gegen die
Bataver u. daher ſtets Standquartier einer rö-
miſchen Legion, die 66 n. Chr. nnter Gallus von
den Batavern geidjlagen wurde. Im 4. Jahrh.
wurde es bei der Wahl des Gegenlaifers Silvamıs
zerftört, jedoch von Julianus wieder erbaut u. be»
feftigt. Später litt es durch die Hunnen, Franlen,
Sadfen u. Normannen fehr. 926 u. 986 ſchloß
Heinvih I. mit Karl dem Eiufältigen u. Rudolf
hier einen Bertrag, wodurch Yothringen wieder an
Deutihland fam. 942 war bier eine große Sy—
node. 1240 erhielt es Stadtmianern; feit 1273 war
es Mefidenz des KHurfürften von Köln bis 1794.
B. litt viel im Truchſeßſchen Kriege im 16. Jahrh.;
1587 wurde e8 von Martin Schenk, dem nieder:
ländifchen Parteigänger, beſetzt, 1588 von den
Spaniern wiedergenommen und dem Kurfliriten
Bonn — PBonndorf
Wiesbaden, Aachen, Köln, Düffeldorf u. Arnsberg
mit Ausnahme der zum Oberbergamte Dortmund
(5. d.) gehörenden Theile; e$ murden im J. 1873
efördert: an Steintoblen 108,247,950 Etr. (48
if. M), an Braunfoblen 8,451,803 Etr. (752,000
M), u. probucirten feine Hüttenwerte: 12,057,626
Er. Robeifen u. Robftableiien, 849,610 Ctr. Blei
u. Glätte, 227,665 Ctr. Zint, 27,297 Cr. Kupfer
u. 585,,, CEtr. Silber.
Bonn, 1) Hermann, geb. um 1504 zu
Duadenbrüd in Weftfalen; ftndirte ſeit 1521 im
Wittenberg u. wurde 1525 in Greifswald Magister
legens; nachdem er darauf Lehrer in Stralfund
u, Juformator des Prinzen Johann von Däne»
marf gemwejen war, wurde er 1530 Rector und
1531 erfter evangel.»Iuther, Superintendent im
Yübed u. führte 1542 in Osnabrüd die Refor—
mation ein; er ft. 12. Febr. 1548. B. iſt der
Gründer des niederbeutichen Kirhengefanges, über»
feste lateiniſche Hymnen u. gab ein Gefangbud
heraus: Geiſtlike Geſange u, Yider, de nicht m
dem Wittembergejchen Sangböckeſchen ftan, Parchim
1547. Bgl. Spiegel, H. B., Lpz. 1864. ©) An
dreas, geb. 1738 in Amfterdam; promovirte in
Leyden 1763 auf Grumd feiner vorzügl. Jnangural-
difjertation: De continuationibus membranarum.
u. übernabm 1771 die Profeffur der Chirurgie
u. Anatomie in Amfterdam, bei weicher Gelegen-
beit er die intereffante Schrift berausgab: De
simplicitate naturae, anatomicorum admiratione,
chirurgorum imitatione dignissima. Die Yebre
von den Berrenfungen, der Heilungsmeife zer-
brochener Knochen u. des Blaſenſtiches oberhalb
der Schambeine erhielt durch ihn mejentliche Ber:
befierungen. Er ft. 1818. B. gab beraus:
Deseriptio thesauri ossium morbosorum Hoviani,
Umfterd. 1783; Thes. ossium morbosorum Ho-
vianus, Leyden 1785— 88, Fol., 3 Hefte; De
humero luxato, ebd. 1782, deutſch 1783; Be
merfungen über die Harnverhaltung und ven
Blafenftih, aus dem Holländiihen, Gött. 1792,
2) Thambann.*
Bonnaffienr, Jean Marie, franz. Bild-
bauer, geb. 19. Sept. 1810 in Panniffitres (Loire-
Depart.); (päter Schüler von Foyatier u. Dumont;
bejuchte 1841 Italien und folgte der idealiſtiſchen
Richtung. Werte: Der verwundete Hyacintb; Sos
frates trinkt den Giftbecher; Amor fchneider ſich
die Flügel; Die Meditatiog; aud gejhägte Büſten.
onnat, Florentin, franzöſiſcher Hiftorien-
maler ber Gegenwart; hatte im Salon 1866 den
Ernft von Bayern übergeben; 1673 hielten fih|Haupterfolg. Seine Bilder find in der Weiſe der
die Franzofen gegen die Holländer, Spanier und
Öfterreicher in B., das damals ftarfe Feſtung
war; 1689 entriß es der Kurfürft Friedrich III. von
Brandenburg nad viermonatlicher Belagerung den
Franzoſen; 1708 nahmen es die Holländer unter
Eoehorn; bis 1715 blieben die Holländer hier,
worauf es die Kölner wieder befeßten; 1717
wurden die Feſtungswerke zum Theil geichleift u.
dagegen das furfürftliche Schloß erbaut.
1801 durch den Yuneviller Frieden franzöfifch, 1814
fam e8 durch den Wiener Congreß an Preußen.
Bol. Würft, B. u, feine Umgebung, Bonn 1869.
3) Der Oberbergamtsbezirf B.; umfaßt die
Regierungsbezirte Sigmaringen, Trier, Koblenz,
italienischen Naturaliften gebalten, u. er weiß im
der Heftigleit der Darftielung, jowie im Gegen-
jage von Licht u. Schatten Maß zu halten. An-
muthig und von warmer, jchön durchgeführter
Stimmung find feine Genrebiider aus dem ita-
lieniſchen Vollsleben: in voller Natürlichleit, in
feinem träumerifchen Hinleben ift der jhöne Men-
ſchenſchlag erfaßt u. das Ganze in ein feines
B. wurde Helldunkel gehüllt.
Bonndorf, 1) ſonſt Graffchaft im Schwarz
walde, früher Befis mehrerer gräflihen Familien;
fam 1612 durch Kauf an das Stift St. Blafien,
2) Hauptort des gleihnam. Bez.-Amtes im bad.
Kreite Waldshut; Himatifher Kurort; Schloß;
Bonne — Bonnet,
671
Tandeshofpital (von Abt Gerbert 1765 gegründet);|bannes; Antiope; Daphnis u. Ehlod; Amor und
Aderbau; Muffelinweberei u. Stiderei; 1300 Ew. Pſyche u. f. w.
Bgl. Meyer-Ahrens, B. u. Steinamühle, zwei
Bonnemere, Jojeph Eugene, frangöf.
imatifhe Kurflationen auf dem Schwarzwalde, Literat, geb. 20. Febr. 1813 zu Saumur im Dep.
Freib. 1873.
Bonne (v. Franz., Die Gute), 1) Erzieherin,
Wärterin von Kindern; bejonderd 2) eine Wär-
terin, die franzöſiſch fpricht, um den Kindern dieſe
Sprade in früher Jugend beizubringen. Solche
Bonnen werden gemwöhnlih aus der franzöfifchen
Schweiz berufen. Da aber Bonnen fehr oft mehr
ſchaden, als nüten, jo ift man mit Recht in neu»
erer Zeit im diejer Beziehung etwas vorfichtiger
geworben.
Bonnedhofe, 1)
franz. Erzbiſchof u.
enri Marie Gafton de,
rdinal, geb. 30. Mai 1800
zu Paris; ftudirte zuerft die Rechte und erhielt
einige ſehr einträgfid)e öffentliche Amter; doch im
Alter von 30 Jahren befchloß er, fein Yeben der
Sade der Religion zu widmen; infolge deſſen
ftudirte er En Straßburg katholiſche Theologie u.
ward dafelbit 1834 zum Briefter ‚geweiht. Im
J. 1847 empfing er die Biſchofswürde und den
Sit von Carcafjonne, 1854 den von Evreug, und
1858 ward er zum Erzbiſchof von Rouen erhoben.
1863 verlich ihm der Papſt den Cardinalshut.
Unter dem zweiten franzöfiihen Kaijerreihe faß B.
als Cardinal im Senat und mar dort eine der
Hauptftügen der mweltlihen Macht des Papftes u.
fpäter einer der eifrigiten ‚Förderer der Unfehl-
barfeitserflärung des Papftes auf dem öfume-
nifhen Concil von 186970. DB. ift einer
der hervorragendften Kanzelredner Frankreichs.
2) Francais Paul Emile Boisnormand
de 8, franzöf. Literat, geb. 18. Aug. 1801 zu
Leyderdorp in Holland; war unter der Reſtau—
ration Stabsoffizier, wurde 1829 Bibliothelar des
Balaftes von Saint-Cloud, war 1850—53 Euftos
verjchiedener Bibliothelen, 3. B. der von Ber-
faille8 u. des Trianon. Er ft. Anfangs 1875,
Man hat von ihm das Traueripiel: Rosemonde,
ferner: La mort de Bailly, ein von der Alademie
mit dem Preiſe bedachtes Gedicht; eine populäre
Histoire de France, 2 Bbde., 1834, 16. A., 1874;
Christophe Saural ‚ ou la Soeiete en France
sous la Restauration, 1836, 2 Bde., 2. Aufl.,
1864; Histoire sacree, 1838; Les reformateurs
‘avant la reforme du XV. siecle, 1844, 2 Bde.;
Chances de salut et conditions d’existence de
la societ& actuelle, 1850; Histoire d’Angle-
terre, 1858—59, 4 Bde., ins Englifche überf., zc.
Auch hat B. Beiträge geliefert zum Complement
du Dictionnaire de l’Academie u. zur Revue
contemporaine. 1) Bartling. 2) Boldert.
zuen) Sean Claude, franzöf. Genre
maler u, jeit 1834 Director der Lyoner Kunft-
ſchule, geb. um 1790 zu Lyon, er fl. 1860. ®.
bildete fih daheim und in Italien, wo er bie
Richtung Roberts annahm. Bilder: Die Heinen
Savoyarden; Zimmer zu vermiethen; Schäfer in
der römischen Campagna; — x.
Bonnegrace, Adolphe Charles, franzöf.
Hiftorienmaler,geb.2.April 1812 zu Toulon; Schüler
von Gros, ſehr fruchtbarer Künftler, dem es in
feinem Baterlande niht an Anerkennung feblt.
Werle: Ehriftus im Grabe; Bifton des hi. Jo—
Dlaine-et-Foire, Man hat von ihm: Les pre-
miers fiacres, ein Baubeville; Micromegas, ein
Feenftüd; eine bemerkenswerthe Histoire des
paysans, 1857; La Vendde en 1793, 1866;
Le roman de l’avenir, 1867, u. mehrere preis-
ge Dentichriften: Paysans au XIX. siecle,
tantes 1847; Histoire de l’association agricole
et solntion pratique, ebd. 1849; Le morcelle-
ınent agricole et T’association. Auch war er
Mitarbeiter an der Democratie paeifique, der
Revue de Paris u. ſchr. 1868 für den Messager
russe eine Reihe von Lettres a la Russie sur
la situation actuelle des paysans et de l’agri-
eulture en France. Boldert.
Bonner, Edmund, Günftling des Cardinals
Wolfeyg; wurde 1538 Biſchof von Hereford und
1540 von London; verfocht Heinrichs VIII. Che»
Iheidung von Katharina von Aragonien u. ver«
trat jeinen König dem Papſte gegemüber als Ge—
jandter zu Rom, Wien, Kopenhagen u, Marfeille,
verließ nach Heinrihs Tode die Sade der Re—
formation u. trat plöglich als Verfechter der Ka—
tholifchen Kirche auf, wiithete unter der Königin
Maria gegen die Heformirten, wurde aber unter
Glifabetd, da er den Suprematseid verweigerte,
ins Gefängniß gebradt, wo er am 5. September
1569 ftarb,
Bonnet (franz.), 1) Mütze; daher: Bon«
netade, das Hutabnebmen, Höflichleitsverbeug-
ung; Bonnetier, Mützenmacher; Bonne»
tidre, Mützenmacherin; bonnetiren, ſich ver-
beugen. 2) Kriegsw.) Eine auf dem ausſpringen ·
den Winkel eines Befeſtigungswerkes angebrachte
Erhöhung der Bruftwehr gegen das Feuer nahe
liegender Anhöhen, die ſich entweder flach verläuft,
oder auf der eigentlihen Bruftwehr mit einer
Böſchung abjegt; davon: bonnetirte Linien,
Werke, deren ausjpringende Winkel mit folchen
Bes verjehen find.
Bonnet, I) Charles, Naturforfcher u. Phi-
(ofoph, geb. 13. März 1720 in Genf; urfprünglich
Juriſt, wurde er auf Grund feiner zoologiſchen Un—
terfuchungen jhon 1740 Gorrejpondent der Pa-
rifer Afademie der Wiſſenſchaften, 1742 Mitglied
der Londoner Societät, wandte fih aber, da ihm
Augenleiden den Gebrauh des Mikrojlops ver-
fagten, der Philofophie zu; war 1752—68 Mit.
glıed des Genfer Großen Rathes, 309 fih dann
auf fein Landgut am Genfer-See zurüd und ft.
hier 20. Mai 1793. Nach feiner Lehre gibt es
fein Wiffen, das nicht anf Beobachtung und Er»
fahrung —— iſt; die natürliche Quelle
unſerer abstracteſten Ideen (Vorſtellungen) find
Idées sensibles, Die Seele wohnt im Centrum
des Gehirnes, wo die jeinften Enden aller Sin-
nennerven einander am nächſten fommen u. ihre
Berbindungsglieder fich befinden. Auf dem Zur
jtande des Gehirnes beruht der ganze Mechanis«
mus des Denkens u. Wollens. Im Gebirne
wird die Seele durch die Oſcillation der Faſern
veranlaßt, fih Ideen zu bilden, m. ihr Wille jest
von bier aus die Gehirnfibern in Bewegung.
672
Ein in Bewegung geſetzter Nero neigt fortan zu |Baummollenmweberei, Siamoiſe u. Etaminefabri»
diefer Bewegung und fann fie anderen Nerven ten; 4637 Em.
mittbeilen. Erinnerung u. Jdeenaffoctation find | Bonnets-rouges (fr.), Rothmiüten, die Jacobiner.
ausichließlich eine Folge von materiellen Spuren,\ Bonneval, Stadt im Arr. Ehäteaudun des
welche die Borftellungen im Gehirne zurüdgelaffen franz. Dep. Eure-et-Loir, am Einfluß der Oyanne
haben. Die wichtigſte Form der Fdeenaffociationen in den Loir und an der WBahn; Druidenmonn-
u. die bedeutendfte Quelle ihrer Bermehrung ift mente; Baummollen- u. Wollenweberei, Gerberei;
die Sprache; erft in ihr kommen eigentlihe Be-Jam 1. Sept. anſehnlicher Markt (St. Gillesmartt),
riffe, d. b. Zeichen für eine Vielheit ähnlicher Korn: und Biehhandel; 3348 Em.
Ideen, zur Entwidelung. Der terialismus) Bonneval, Claude Alegandre, Graf von
u. der Spiritualisınus werden zugleih durch den B., einer der merlwürdigſten Abenteurer des 18.
Sat abgefchnitten, daß die Seele weſentlich und Jahrh., geb. 14. Juli 1675 in Paris (nah Ant.
ewig an einen ätherischen Leib gebunden ſei. in Couffac-®.), aus einem mit den Bourbonen
Im fittlichen Gebiete huldigt B. dem Deter-|verwandten Haufe; trat im 13. Jahre ſchon in
minismus (ſ. d.), den er mit dem chriftlichen|die Marine und nad einigen Jahren als Fiente-
Glauben in Verbindung bringt, fowie er denn nant in die Garde, focht in dem Niederländifchen
ausdrüdlih als Apologet deffelben auftritt. Auf Kriege Anfangs der 90er Jahre u. dann im Re
Deutihland bat er unter den Senjualiften den giment Latour im Spanifhen Erbfolgelriege unter
St.» Bonnet-le-Chatean — Bonneval.
bedeutendften Einfluß geübt. Schriften: Traite
d’insectologie, Par. 1745, 3 Bbe.; Recherches | jeiner glänzenden Kriegstalente u. bewieſener
sur l’usage des feuilles dans les plantes, Gött.
u. Leyden 1754; Essai de psychologie, ou con-
siderations sur les operations de l’äme, Yondon
1755; (anonym) Essai analytique sur les ſacultés
de l’äme, Kopenh. 1759, 3. Aufl., 1775; Considera-
tions sur les eorps organises, Genf 1762; Con-
templation de la nature, Amfterd. 1764, 2 Bde. ;
Idees sar l’etat futur des etres vivants, ou Pa-
lingenesie philosophique, Genf 1769, 2 Thle., n.
A., von Migne, Paris 1845; Oeuvres de l’histoire
naturelle et de philosophie, Neufchätel, 1779 ff.,
18 Bde. Uber B-3 Yeben und Werte jchrieb
Tremblay, Bern 1794. 2) Gisbert, Theolog,
geb. 1723 in Naarden; ftudirte in Utrecht, war
erſt Prediger in Amersfort, Rotterdam umd im
Haag und zulett feit 1761 Profeffor im Utrecht,
wo er 1805 ftarb. B. gehört zu den nambaf-
teften reformirten Theologen des 18. Jahrh. in
rg u, wirkte, jelbft ein berühmter Prediger,
ei. jehr wohlthätig auf die Verbeſſerung der Pre—
digtmethode in feinem Baterlande, Er ſchr.: Leber
die lirchliche Toleranz, ltr. 1770; Erklärung des
Predigers Salomon ; Commentar über den Brief
an die Hebräer; Leerredenen (Predigten), 4.
Samml., Utr. 1774—1792. 8) Youis, franzöl.
Kupferftecher, geb. 1743 zu Paris; bildete ſich da»
ſelbſt, ftah dann im Petersburg mehrere Por»
träts, kehrte 1768 nach Paris zurüd und ahmte
Paftell-, Tuſch u. Erayonzeihnungen nad, wo»
bei er theils nad eigenen, theild nad fremden
Blättern arbeitete, jo nah Boucher, C. Banloo,
La Grende. Bon feinen 800 Stihen find bie
befannteften: die Porträts Ludwigs XIV., Katha-
rinas II. und des Großfürften Paul Petrowitſch,
fowie einige Blätter aus der Mythe von Benus
u. Amor. Er jchrieb: Le pastel en gravure in-
vents et ex&cut@ par L. Bonnet, 1769. Seine
Todeszeit ift unbefannt. 2) Löfiler.* 3) Regmet.
&t.-Bonnet -le» Chätean, Stadt im Arr.
Montbrifon des franz. Dep. Loire; Spigen- und
Meſſerfabrilen; bedeutender Vieh- u. Holzhandel;
2237 Em.
Bonnetable (Bonneftable, früher Maleftabte,
von der dortigen jchledhten Herberge), Stadt am
Tripoufin u. an der WBahn im Arr. Mamers
tinat u. Bendöme in Italien. Indeß ungeadhter
pier-
feit wurde er wegen Erprefjungen im Apancement
übergangen, u. da er deshalb fi gegen den Kriegs
minifter Chamillard verging, fieß ihn diefer 1704
vor ein Kriegsgericht ftellen, welches das Todes
urtbeil über ihn ausiprad; indeß B. war vorher
nah Deutjhland entlommen, in öſterreichiſche
Dienfte getreten u. focht als Öfterreichiicher Geue
ralmajor unter Prinz Kar in Ftalien u. Flan-
dern gegen Frankreich. Durch GEugens Bermit-
telung wurde 1714 fein Proceß niedergeichlagen.
Von Karl VI. zum Generallieutenan: u. Mitgliede
des Reichshofrathes u. 1716 zum Feldmarſchall—
lientenant befördert, nahm er am Türkenkriege
tbeil, in welchem er bei Peterwarbein ſchwer ver-
minder wurde. Nach feiner Genefung ging er
nah Paris und nah dem Paſſarowitzer Frieden
wieder nach Wien, wo er 1718 in den ——
rath eintrat; aber bald wegen leichtſinnigen Ye-
bens u. unbefonnenen Benehinens gegen den Prin-
zen Eugen diefem unangenehm, wurde er 1723
als Generalfeldzeugmeifter nad den Niederlanden
geihicdt. Indeß gerietb er auch bier in Zwiſt
mit dem Gouverneur Marquis de Prie, infolge
deffen er zur Rechtfertigung nah Wien gernfen
wurde; da er aber diefem Befehl erft nach einem
Monat, während deifen er im Haag mit dem
franzöfiihen u. ſpaniſchen Gefandten in intimem
Berfehre geftanden, nadlam, wurde er unterwegs
verhaftet und auf den Spielberg bei Brünn ge-
bracht, wo er, nachdem der Kalle das über ihn
ausgefprohene Todesurtheil geändert, ein Jahr
faß u. dann des Landes vermiejen wurde. Run
ging er nad Conftantinopel, trat 1730 unter bem
tamen Ahmed Bajha zum Islam über und
wurde gleih danah vom Sultan zum Paſcha
mit 3 Roßſchweifen u. Chef der Bombardirer er-
nannt, in welcher Eigenfhaft er die türkiſche Ar-
tifferie auf europäifche Weife zu organifiren fuchte.
Nachdem er fiegreich gegen Rußland und Berfien
gefochten und dafür zum Statthalter von Chies
ernannt worden, fiel er durch Intriguen der
Großen in Ungnade, warb abgejegt und 1738 im
eine Provinz am Schwarzen Meere vermiejen. Nah
faft Hjährigen Aufenthalte dafelbft im Begriffe nad
Europa zurüdzutehren, fl. er 27. März 1747 zu
des franzöfiihen Depart. Sarthe; altes Schloß; |Conftantinopel. B-8 Memoiren, Lond. 1755, 5
Bonneville — Bonpland.
Dre,, u. U. von Desherbiers, Bar, 1806, 2 Bde.,
find unecht. Lebensbeichreibungen, Hamb. 1737
n. Frif. u. Lpz. 1738, 4 Be. Fagai.”
Donneville, Hauptft. des gleichnamigen Arr.
des franz. Dep. Hoch-Savoyen u. der früheren
Landichaft Fauciguy, an der Arve; Gericht erfter
Inſtanz; Fabrikation von Ubrenbeftandtheilen,
Eollöge; 2185 Em.
Bonneville, Nicolas de B., franz. Publicift
u. Viterat, geb. 13. März 1760 in Evreur; lebte
früher der Yiteratur u. machte fich be. als liber-
feer um bie Kenntniß der deutichen u. englifchen
Literatur in Frankreich verdient, indem er mit
riedel deutſche Theaterftüde in dem Nouveau
'heätre allemand, Par. 1782—85, 12 Bde., u.
mit Yetourneur den Shatejpeare überjegte. In
der Mevolution wendete er fich der Politik zu,
ftiftete mit Fauchet den Cercle social, gab Les
tribuns du penple u. La bouche de fer heraus;
er wurde Diftrictspräfident und joll als folder die
Bildung der Narionalgarde veranlaft haben. Da
er bei aller Freiſinnigkeit doch gegen alle Gewalt-
maßregeln der damaligen Wlachtaber ſprach,
z. B. in ben Poésies, 1793, jo wurde er bis zum
9. Thermidor eingeferfert. Er gehörte dann zu
den Gemäßigten; aber eine Bergleihung Napo»
leons mit Erommell bradte ihn wieder ins Ge-
fängniß u. nad) feiner SFreilaffung unter fortwäh-
rende re Aufſicht. Er fi. 9. Nov. 1828.
Schrieb: Hist. de l’Europe moderne, Genf 1789
bis 1792, 3 Bde; De esprit des religions,
Bar. 1791. Boldyert.*
Bonnier d'Arco, Ange, franz. Staatsmann;
war beim Ausbruche der Revolution Präſident
der Rechnungslammer in Montpellier, wurde De-
putirter, Mitglied des Corps legislatif und des
Gonvents, ftimmte für den Tod des Königs, war
einer der franz. Abgeordneten zur Schließung des
Friedens in Raftatt u. wurde dort 28. April 1799
mit Noberjot ermordet. Er ſchr.: Recherches
hist. et pol. sur Malte, 1798.
Bonnieur, Stadt im gleichnam. Arr. des franz.
Dep. Baucluſe; Seidenweberei; 2534 Em.
Bönnigheim, Stadt im DOberamte Befig-
heim des wilrttemb. Nedarfreiies; Schloß der
früheren Grafen von Stadion, worin jett Forſt-
amt; Seidenzwirnerei, Pottajchefiederei; Wein—
bau; 2447 Ew. B. hatte jehr früh (793) eine
hriftliche Eolonie.
Bonnington, Maler, ſ. Bonington,
Bonnivard, ſ. u. Bonivard.
Bonnivet, Guillelme Gouffier, Herr von
B., Admiral von Frankreich, Giünftling des Kö—
nigs Franz I.; wurde von diefem als Geſandter
an Heinrid VIII. nad England u. ſpäter nad)
Deutjchland gejendet, um dort den Cardinal
Wolſey zu ftürzen umd bier die Wahl feines Kö—
nigs zum Kaiſer zu vermitteln, Er olehtigte
1521 die in Navarra einfallende franzöfiiche Ars
mee, trug viel zum Abfall des Connetable von
Bourbon bei, befehligte 1523 die gegen Mailand
vorbringende Armee und fiel in der Schlacht bei
Bavia, 24. Febr. 1525.
Bonnot, 1)B. de Eondillac, ſ. Condillac. 2)
B. de Mably, f. Mabiy.
Bonny, Stadt im Reiche Benin, auf einer
Fierers Univerfal-Eonverfations:?eriton. 6. Aufl.
673
Inſel unmeit der Mündung des gleihnam. fidöftl.
Arms des Niger (j. d.); etwa 8000 Em,, welde
einen fehr lebhaften Handel mit Palmöl treiben
u. Seefalz bereiten; früber war B. ein Haupt-
play für den Sklavenhandel.
Bono modo (lat.), auf gute Weife,
Bononeini, ſ. Buononcini.
Bononia, alter Name für Bologna und für
Boulogne.
Bonsrum cessio, Abtretung des Bermögens,
Beginftigung der Schuldner, vermöge welcher
dieje, wenn fie ohne ihr Berichulden in Berfall
gerathen (zumeilen nach Abzug ihres nothdürftigen
Unterhaltes), den Gläubigern ihr Bermögen über-
laffen, damit fich diefe, ſoweit es zureicht, daraus
befriedigen mögen; fie find dann nicht eher, als
bis fie wieder zu günftigeren Bermögensverhält-
nijfen gelangt find, zur Dedung der noch übrig
gebliebenen Schulden verbunden (vgl. Yanferott
u. Concurs). B. collatio, die nah Röm, Rechte
dem die Erbichaft antretenden Defceudenten oblie-
gende Berbiudlichleit, Alles, was er entweder von
dem Ajcendenten bei Lebzeiten erhalten hat, od.
demjelben ſchuldig ift, in die Erbſchaftsmaſſe ein-
zumwerfen, welche dann ftattfindet, wenn mehrere
Defcendenten concumiren. B. distractio, die
Verwerthung der Concursmaſſe durch Einzelver-
fauf des Gütervertreters. DB, possessio, der
neben dem Erbrechte des Jus civile vom Prätor
verliehene Befiy der Erbichaftsmaffe, durch
welchen die Klagen für und wider den Erben
als utiles begründet wurden (B. p. edictalis,
jofern ſchon das allgemeine Edict, B. p. decre-
talis, fofern erft ein ausdrüdliches Decret des
Prätors fie verlieh); die Verbindlichkeit dazu
geht auch auf die Erben der Deicendenten
über, B. communio, fo v. w. Giütergemein«
ſchaft. B. venditio, bie Veräußerung des Ber-
mögen im Ganzen infolge einer vom Ma-
giftrat ertheilten Einweiſung in den Güter—
befig (Missio in bona), welde eine lniverjal-
fuccejfion des Käufers (B. emptor) begründete,
Es war das gewöhnliche Concursverfahren der
Römer, aber zu Inſtinianus' Zeiten bereits abge»
fommen, Bgl.Stieber, De bonorum emptione apud
vett. Rom., Lpz. 1827. roteſend.
Bonöfus, 1) Quintus, aus Spanien, röm.
Feldherr unter den Kaifern Aurelianus u. Probus,
der fih 280 n. Chr, in Gallien zum Kaifer auf-
warf, von —— 281 eſchlagen wurde und ſich
in Köln erhängte. 2) B., Biſchof von Sardica
in Illyrien (im 4. Jahrh. n. Chr.); wurde wegen
feiner Anficht, daß Maria nach Jeſu noch mehrere
Kinder geboren babe, 391 auf der Synode zu
Capua verflagt u. dann abgefegt, ftarb aber vor
dem Bollzuge des Urtheils. Die Secte der Bo-
nofjianer beftand noh im 6. Jahrh. Vgl. De Bo-
noso Haeretico, Gött. 1754,
Bonpland, Aimé, berühmter franz. Natur
forjher, geb. 22. Auguft 1773 in La Nochelle;
ftudirte in Paris Medicin u. Botanik, folgte 1799
Aler. dv. Humboldt nah SAmerifa, war bejonders
für die Botanif thätig u. lehrte mehr als 6200
neue Pilanzenarten fennen. Zurüdgelehrt, wurde
er 1804 Borftand des Gartens zu Navarre u. Mal-
maifon; 1816 ging er nad Buenos-Ayres, mo er
II. Band. 13
674
Profeffor der Naturgefhichte wurde, begann 1820
eine neue Unterfuchungsreife in das Innere von
Paraguay u, legte zu S.-Ana, am Dlfer bes
Parana, Pflanzungen von Paraguay « Thee und
eine ndianercolenie an, welche durch Truppen
von Francia zerftört wurden; er jelbft wurde ge-
fangen nad Ajuncion geführt und als Garnijon-
arzt in ein Fort geſchickt. Später leitete er die
Arbeiten am einer großen Heerftraße, wurde "nad
einer anderen Gegend, mo er über eine Handels»
verbindung zwiichen jenem Lande und Peru Auf-
ficht führte, abgejandt u. fette hier feine botani-
ihen Forſchungen fort. 1829 freigegeben, kehrte
er zumdchit nach Buenos⸗Ayres zurüd, ging ſpä—
ter nach Brafilien, wo er fich mit einer Indiane-
rin verheirathete, zog fi 1831 nah San- Borja
in Uruguay, dann nah S.-Ana in der argent.
Prov. Corrientes zurüd, Er ft. in Zurüdgezogen-
heit u. Dürftigleit 4. Mai 1858. B. jdhr.: Plan-
tes equinox. recueillies en Mexique, Cuba, An-
des de Quito, bords de l’Orönogne et des Ama-
zones, Fol. mit 140 Taf., Bar. 1808—16, 2 Bbe.;
Monographie des M&lastomacdes, 1806—1816,
2 Bde; Description des plantes que l'on eul-
tivea Navarre et a la Malmaison, Par. 1813
bis 1817, mit 64 Taf. Mit A. v. Humboldt arbeitete
er an deffen Voyage aux regions &quinoxiales
du nour, Continent, Paris 1815 ff., 12 Bbe.;
Vue des Cordilleres, Bar. 1816; mit Humboldt
u, Kunth: Mimosces et autres plantes lögumi-
neuses du nonveau Continent, Par. 1819, Yol.,
m. 60 Tat.; Nova genera et species plantarum,
7 Bde., m, 700 Taf., Bar. 1815 u. ff. Biographie
von Brunel, 3 W., ebd. 1872.
Bon sens (fr.), Dlutterwig, gefunder Menichen-
verftaud,
Bonftetten, Karl Bictor v. B., namhafter
Schriftfteller, geb. 3. Sept. 1745 in Bern; lernte
1763 Rouffeau kennen u. fpäter in Genf Voltaire
u. den Philofophen Ch. Bonnet, die einen entichei-
denden Einfluß auf ihn hatten. Er wurde 1775
Mitglied des Großen Rathes in Bern und 1787
Tandvogt in Nyon. Hier fchloß er einen im ber
Literaturgeihichte berühmten Freundſchaftsbund
mit Mattbiffon, Salis, Friederile Brun u. Jo—
hannes dv. Miller, Er wurde fpäter Oberrichter
von Lugano, ging 1796 nad talten und 1798
nach Dünemart, fehrte 1801 zurüd, lebte dann
mehrere Jahre in Italien u. ließ fich zulegt in Genf
nieder, wo er 3. Febr. 1832 ftarb. Seine Werte find
theils franz., theils deutſch abgefaßt: Briefe über ein
ſchweizeriſches Hirtenland, Balel 1782; Kleine
Schriften, Kopenh. 1799—1801, 4 Bde.; liber
Nationalbildung, Zürid 1802, 2 Bde.; Voyage
Bon sens — Bonvicino,
derile Brun, berausgeg. von Mattbiffon, Frankf.
1829, 2 ®de.; Souvenir de B., Bar. 1832. Ye
bensbeichreib. v. K. Morell, Winterthur 1861. B.
zeichnete fih aus durch eine jchwärmerifche Be-
geifterung für das Schöne, durch Geift u. Beob-
achtungsgabe; fein Stil ift elegant, energisch und
edel; aber man vermißt oft Ordnung und wiſſen⸗
ſchaftliche Methode bei ihm. Bolcheri.⸗
Bontekoe, Cornelis van B. (eigentlich Deder),
geb. 1647 in Altnaar; war Arzt in London und
Amſterdam, dann in Hamburg, zulett Leibarzt des
Großen Kurfüriten in Berlin; er ftarb dort 1685.
Anhänger des hemiatrifhen Syſtems, gab er dem-
jelben bef. dadurch eine neue Anwendung, daß er
(angeblih beftohen von holländischen Kaufleuten)
den Thee, Tabak, Kaffe u. die Ehocolade anpries.
Er jehr.: Tractat van het exellenste kruyd thee,
Haag 1672; Verhandeling van’t merschen le-
ven, gezondheit, ziekte en dood, ebd. 1634,
deutih, Bauten 1686, Amſt. 1689, 2 Bde,
Bonting, 1) Gehrhard, berühmter holländ.
Arzt, geb. 1538 in Ryßwijk. Selbft tüchtiger
Kenner der griechiſchen Sprache, wies er nad-
drüdiih auf das Studium der alten Autoren bin.
Die Pilulae tartareae (hydragogae) Bontingi find
entweder von ihm, oder von feinem Sohne Rei—
nerus erfunden. Er ftarb als Brofeffor der Me-
dicin 19. Sept. 1599 in Leyden. B. hatte ver-
jhiedene Schriften des Hippofrates commentirt,
verbot aber die Herausgabe, Allgemein befannt
ift fein Sohn, 2) Jakob, geb. zu Leyden (micht
Rotterdam); ging 1627 als Arzt der Oſtind.
Compagnie nah Java, wo er jeine Unterſuchun—
en namentlih auf Opium und Grocus richtete;
Ührieh eine Historia naturalis et medica Indiäe
orientalis, die wahrſcheinlich erft nach feinem
Tode in Amfterdam 1658 erichien, und ein Wert
De exoticis Indiae plantis, welches wol nidt
für fih erichien, jondern dem Buche des Piſo: De
Indiae utriusque re naturali et medica eingereibt
wurde, Sein Zodesjahr unbefannt. ZTamdayn.
Bon ton (fr.), guter Zon, feine Lebensart.
Bonum et aequum (lat.), vecht u. billig.
Bonum publicum (lat.), 1) ein Staatsqut; 2)
das Gemeinmwohl. .
Bonus (lat.), gut, wer in einer beſtimmten oder
aller Hinſicht tadellos ift.
| Bonus (lat.), beim engliihen Gtaatspapier-
bandel der Gewinn oder Überjhuß, welcher ſich
nach dem gleichzeitigen Cours für den Empfänger
der von der Kegierung gegen baare Einzahlung
‚verlangten Staatspapiere ergibt.
Bonus Eventus (lat., glüdliches Gedeiben), länd»
licher Gott der guten Ernte (gleich dem griechiichen
sur la seöne des six derniers livres de l’Eneide, | Triptolemos); hatte in Nom auf dem Marsfelde
Senf 1804; Recherches sur la nature et lesjeinen Tempel. Er wurde dargeftellt auf Münzen
lois de l’imagination, 1807, 2 Bde,, ins Deutſche u. Gemmen vor einem Altar, auf weihem Opfer
überjegt; Pensdes diverses sur divers objets du
bien publie, 1815, und Etudes de l’homme,
1821, 2 Bde,, deutich von Öfrörer, Stuttg. 1829,
2 Bde., (diefe Werke, in denen er feine efleftiichen
Philoſophie buldigt u. die fiir die Gebildeten bes
ſtimmt waren, wurden ſehr günftig aufgenommen);
L’homme du midi et du nord, 1824, deutih von
eich, Lpz. 1825; Briefe an Mattbiffon, beraus-
gegeben von Füßli, Zürich 1827; Briefe an Frie-
feuer bremmt, als ein jchöner Jüngling, nadt, in
‚der Nechten eine Opferichale, in der Linken Korn»
‚ähren u. Mohn. Sein Bild als das des glüdlichen
‚Erfolges wurde oft als Amulet getragen.
Bonus Genius, guter Genius, Schutsgeift.
Bonvicino, Aleijandro, genannt il Mo»
retto da Brescia, ital. Maler, geb. in Brescia
gegen Ende des 15. Jahrh.; Schüler Tiziant ;
‚ft. in Brescia gegen 1575. Er malte vorzüglich
Bonvivant — Boot.
Bilder zu refigiöfen Zwecken u. ging nie an feine
Arbeit, ohne En durch Gebet, Faften u. den Ge-
nuß des Abendmahls vorbereitet zu haben, wie
fih feine tiefe Religiofität denn auch in feinen
Werken zeigt. Seine Altarbilder (darımter eines
im Dome in Brescia) gehören zu dem vorzüglich.
ften feiner Zeit, doch malte er auch treffliche Bor.
träts. Gemälde von ihm in Brescia, das ihm 2
Dentmale fegte, in mehreren Galerien Ftaliens,
im Youpre u, in Deutichland, nämlih im Muſeum
zu Berlin fein berühmtes Bild: Maria u. die heil.
Anna mit dem Jeſuskinde (lithogr. von Schertie),
im Städelfhen Jnftitut zu Frankfurt a. M. zwei
Altarbilder u. im Belvedere zu Wien die heilige
Juſtina, angebetet vom Herzog Hercules von Fer—
rara (geftoden von Wahl). Regnet.*
Bonvivant (fr.), eim leichtfertig lebender (dem
finnlihen Genuß des Lebens ergebener) Menſch,
Zebemann,
Bonvin, Francçois, franz. Maler, geb. 22.
Nov. 1817 zn Baugirard; war Seber in einer
Buchdruderei, dann Bedienfteter der Bolizeipräfec-
tur; wandte fi) Erde der vierziger Jahre der Kunit
zu. Er zählt zu den ausgeſprochenſten Kealiften
u. behandelt mit Vorliebe Stoffe aus dem Yeben
der unteren Bollsihichten. Werke: Mädchenichute,
im Mufeum zu Yangres; die Stiderin; die
Köchin; eine Dame am Piano,
Bonzen (aus dem japaı Shen Buffo), eigent«
ih Name der Priefter des Fo in Japan, der jedoch
durch die Bortugiefen auch auf die Priefter anderer
Bölker, wie der Ehineien, Koreaner, Indochineſen
ausgedehnt wurde. Die B. bilden eine mächtige
Corporation in Japan u. ftiehen beim Bolle ın
roßem Anfehen, weil ihrem Gebete u. ihrer Für—
Br bei der Gottheit große Wirffamfeit bei.
gelegt wird. Ein großer Theil lebt in Conventen
nach einer ftrengen Ordensregel, Es gibt ſowol
männliche, als weibliche B.
Doom, Stadt am Rupel in der belgiſchen
Provinz Antwerpen; Gerberei, Salzfiederei, Schiff-
bau, Badjteinbrennereien; 10,065 Em.
Boone, 1) County im nordamerif. Unionsftaate
Arkanſas, u. 36° n.Br. u. 93° w. L.; 7032 Em,;
Countyſitz: Harrifon. 2) County im nordamerif.
Unionsftaate Indiana, u. 40° n. Br. u. 85° m. L.;
22,593 Ew.; Countyfig: Lebanon. 3) County im
nordamerif. Unionsftaate Jllinois, u. 42° n. Br.
u.88° w. L.; 12,942 Ew.; Countyſitz: Belpidere.
4) County im nordamerif. Unionsftaate Jowa,
u. 42° n. Br. u, 93° w. ©; 14,584 Emw.; vom
Moinesfluß durchſchnitten; Countyſitz: Boaneboro,
5) County im nordamerif. Unionsftaate Kentudy,
u.38°n,Br.u. 84° mw. L.; 10,696 Ew.; Countyfig:
Burlingten. 6) County im nordamerif. Unions-
ftaate Diiffouri, u. 39° n. Br. u.92 w. L.z 20,765
Ew.; Countyſitz: Columbia. 7) Countyfig im nord-
amerik. Unionsftaate WBirginta, u. 38° n. Br. u.
82° mw. L.; 4553 Em.
Boonsborough, Ort im County Mabdifon des
nordamerif, Unionsftaates Kentudy; angelegt um
1775 von dem 25. Zept. 1822 verftorbenen Daniel
Boone, der in diefer Gegend zahlreihe Kämpfe
gegen die Indianer beftand und als der Pionier
des Staates Kentudy zu betrachten ift.
Boonpille, Sitz des County Cooper im nord»
{
675
amerif. Unionsftaate Miffouri; durch Zweigbahn
mit der Pacificbahn verbunden; Handel; Wein«
u. Obftbau; 3506 Em,
Boos, M., geb. 24./25. Dec. 1762 zu Hurten-
ried (Bayern); ſeit 1806 evang. Pfarrer in Gallneu-
lirchen (bei Linz); er wurde wegen feines Dringens
auf praftiiches Chriftenthbum uw. Glauben an die
alleinige Verſöhnung mit Gott durch Chriftum
verfolgt und »öfters mit Einkerkerung beftraft;
1817 wurde er Profefior und Religionslehrer
in Diffeldorf, 1819 Pfarrer in Sayn; ftarb
29. Aug. 1825. Selbfibiographie, herausge eben
von %. Goßner, 1831. öfter.
Pot, Kleines, in Fyorm u. Bauart dem Schiffs«
rumpfe ähnliches Fahrzeug, welches den fleinen
Verkehr auf dem Waſſer vermittelt. Nach dem
befonderen Zwede u. der Bauart, ſowie nach der
Art ihrer bewegenden Kraft merden die De
verfchieden benannt; wie auch das Wort B. in
Verbindung mit einer zweiten Bezeichnung mit»
unter, u. zwar gewöhnlich für Fleinere Saifie-
Haffen gebraucht wird (Dampf, Fahr⸗, Kanonen«
B. u. f. w.). Vach Zweck u. Bauart unterfcheidet
man: Schiffs⸗, Schifisbei-, Ouarantäne-, Fiſcher⸗,
Lootſen⸗, Rettungs-, Bum-, Land» u. Vergnüg⸗
ungs · B⸗e jeder Art n. Größe. Land-Bee werden
diejenigen Be genannt, welche in den Häfen dent
Verfonenverfehr auf dem Waſſer, hauptjächlich
von n. nach den Schiffen, vermitteln u. als öffent«
liche Fahrzeuge zu diefem Zwecke gegen eine be«
ftimmte Taxe gemiethet werden, Bum-Bee wer»
den in der Schiffsfprache die B-e von Efmwaarens
bändlern genannt, melde täglich die im Hafen
liegenden Schiffe behufs Berlaufs ihrer Waare bes
ſuchen. OuarantänerB-e heißen die Fahrzeuge
der Duarantäne- Polizei, welche die Schiffe beim
Einjegeln in den Hafen Hinfichtlih des Gefund-
heitözuftandes unterfuchen u. danach den Verkehr
derjelben mit dem Lande beftimmen. siicher- u,
Tootien-B-e find nach den Ländern und den am
Orte für den Zweck vorhandenen verfchiedenen
Bedingungen von verfhiedenfter Größe, Form u.
Ausjeben. Rettungs-B-e werden im Allgemeinen
alle B»e genannt, welche die befondere Aufgabe
haben, zur Rettung von Menjchenleben zu dienen,
u. jo find auch auf jedem Schiffe dasjenige oder
diejenigen B-e beftimmt, weldhe zu diefem Zwecke
vorfommenden Falles verwendet werden. Im Ber
fonderen aber wendet man jene Bezeichnung auf
die Be der jet in den meiften civilifirten Kilftens
ländern beftehenden Rettungsgejellihaften an, deren
Banart, obwol unter ſich jehr mannigfaltig, vor
Allem eine Erhöhung der Schwimmfäbigfeit des
B-e8 durch die demfelben gegebene Form, wie
durch Anbringung von Luft» od. Korkfaften u. dal.
im Auge hat, u. deren bejondere Einrichtungen
bauptjächlich eim erleichtertes Rudern u. Steuern
des Bes, ſowie die Sicherung der Bemannung
gegen das Überbordfhlagen dur die Brandung
u. den hoben Seegang bezwmeden. Nach der Art
u. Fortbewegung werden Ruder-, Gegel- und
Dampf-Bse unterschieden, u. nad) der Größe und
der Talelage führen die meiften der genannten
Bee wiederum befondere Benennungen (f. Schiff).
Die B-e von Schiffen, deren Anzahl genügen joll,
um bei etwa vorfommenden Unglüdsfällen alle au
44*
676 Boote? — Böotien.
Bord befindfichen Berfonen aufnehmen zu lönnen, lieder diefer Gott aber wieder zufammenfügte
find mit jeltenen Ausnahmen ftets fowol zum/und unter die Sterne verſetzte. Er beißt auch
Rudern , wie zum Segeln eingerichtet. Öröhere Arktophylax, der Bärenhüter, weil er hinter dem
Kriegsichifie haben im neuerer Zeit außerdem ein
oder mehrere Schrauben-Dampf-B-e unter der Zahl
ihrer Be. Nach der Art der Unterbringung wer-
den die Schifis-B-e in Deds-B-e (ſolche, welche
während der Fahrt auf dem Oberbed in den B-8-
Hampen fteben) u. Seiten» u. Hed-B-e (melde
außerhalb an der Scifisjeite oder am Hintertheil
des Schiffes, am Hed in B⸗sdavids aufgehängt
werden) unterfchieden; während auf Kriegsichiffen
die vorhandene größere Anzahl, wie bejonders
auch die verfchiedene Art der fi nad Größe u.
Bauart richtenden Berwendung derſelben, eine
weitere Unterſcheidung n. Bezeichnung derſSchiffs⸗Be
bedingt. Die größten B-e der Kriegsſchiffe heißen
Barlafien u. find, mie mitunter auch die ihnen
folgenden, die Pinaffen, in der Regel zur Auf
nahme je eines B⸗sgeſchützes eingerichtet; fie wer—
den daber auch mit dem Ausdrude Geſchittz-B.ae
bezeichnet. Diefe B-e find in der Hegel Ded-B:e,
während die übrigen zu den Seiten-, bezw. Hed-
Ben gehören, Den Deds-B-en fällt infolge ihres
ftärteren Baues aller Arbeitsdienft, wobei es ſich
in erfter Linie um Fortſchaffung ſchwerer Gemichte
u. dgl. handelt, zu; während bie Alarm-B-e
bauptjädhlich den sche: zu vermitteln
haben, Dagegen werben ſämmtliche B»e gleich—
mäßig zu den militärischen Zmeden herangezogen.
Bon den SeitensB-en heißen die größten Kutter,
ihnen folgen die Hollen u, diefen auf den großen
Kriegsichifien die Dingys. Gigs emdlidh, melde
fih durch elegantere Formen u. Einrichtungen
auszeichnen, find gewöhnli nur zum Gebrauche
des commandirenden Offizier beftimmt, u. daher
ift meiftens auch nur eime folde an Bord vor-
handen, während die größeren Kriegsichiffe von
den fämmtlichen übrigen B-sgattungen je zwei
Eremplare befigen, die als 1. u. 2. Hartaffe, Pi⸗
naffe u. ſ. f. bezeichnet werden, Das Wort B.
Großen Bären ftebt. Epeäit.”
Booth, John, berühmter Gärtner u. Bota-
niter, geb. 19. Nov. 1800 in Flottbek bei Altona,
aus eimer fchottifhen Familie ftammend. Sein
Bater, James B., legte im Bereine mit dem
Freiherrn dv. Voght in Flottbel eine großartige
Baumſchule, verbunden mit Blumenzucht und
Pflanzentreibereien, an, welche der Sohn ermei-
terte u. zu einem der bebeutendften Etabliffements
diefer Art erhob. Die B-fchen Gärten bei Ham-
burg, in einer Ausdehnung von über 150 Mor-
gen, haben infolge deffen einen meitverbreiteten
Auf erlangt. Doc nicht bloß als praftifcher Gärt-
ner, jondern aud als Pflanzentenner u. Botamiter
erwarb fih B. einen Namen. 1829 erhielt er den
von der fjchottiichen Horticulturgejellihaft ausge-
ſchriebenen Preis für die Löſung einer Preisaufgabe,
betreffend die Cultur der Yaub- u. immergrünen
Sträuder. Er ft. 14. Sept. 1847. B. ichrieb
mehrere Streitihriften u. einige Heine Abhand—
lungen, darunter: Über die Anlegung des engli-
ihen Rafens, Hamb. 1837.
Boothbay, Hafenplat im Fincoln County des
nordamerifauischen Unionsftaates Maine; Fiſcherei;
3200 Em,
Boothin Felir, eine Halbinfel, die bis zu
72° nördl. Breite reicht u. den nördlichiten Theil
des amerikauiſchen Continents bildet. Entdedt vom
Gapitän James Roß, führt fie den Namen nad
Sir Felir Booth, welcher die Unternehmung
von Roß 1829—33 weſentlich unterftitt batte.
Im N. ift die Halbinfel dur die Bellot-Straße
vonRorth-Somerjet, im O. durch den Boothia-Woli
von Codburn-Pand getrennt.
Böotien (Böotia). I. U. Geographie. ®.,
Landſchaft im öftl. Mittel-Griehenland, von etwa
3300 [_)km Flächeninhalt; grenzte im N. an das
Opuntijche Lokris, im O. an die Meerenge Euripos,
fommt ferner in Berbindung mit den Benenn- im ©. an Attila, Megaris u. den Allyoniſchen Gotf,
ungen von allen zur Ausrüftung eines folhen im W. an Phofis. Das Land ift ein Keffeltbal zwi-
gehörigen Gegenftänden vor, deren Erklärung ſchen den Fortiegungen bes Parnafjos, nämlich
unter dem betreffenden Worte zu fuchen ift.
Boötes (gr., d. i. Hindertreiber), Sternbild
am nörblihen Himmel, zwiſchen 10° u. 55°
nördi. Abweihung u. 200° u. 232° gerader Auf-
fleigung. Das Bild ftelt eine männliche Figur
dar, die in der finfen einen Hirtenftab, in der
aufgehobenen Rechten die Yagdhunde an einem
Dande, oder auch eine Sichel hält. Zu ihm ge-
hören der röthliche Arktur als Stern 1. Große
am linken Fuße, den Mirach im Gürtel, den Al—
falaurops (Hirtenftab) über der linken Schulter,
u. die Eſelchen (Aselli). B. ift eines der glän-
zendften Sternbilder u. befonders dadurch kennt ·
lich, daß Arktur noch mit zwei anderen Sternen
des Bildes u. dem benachbarten Hauptftern der) Die Bewohner (Böoter) ftanden den anderen
Krone ein deutliches Y bilden. Auch ift e8 durch riechen, bej. den Arhenern, in Bildung nad;
einige glänzende u. Shönfarbige Doppelfterne aus« ſie galten, wol mehr als fie e8 verdienten, für
gezeichnet, die mehrfach gemeſſen wurden. Nach geiftig träg u. ſchwerfällig, trunkliebend u. hinter»
Einigen fol B. larios, Vater der Grigome|hiftig, plump, bäueriſch, handfeſt, aber im Gefechte
(Jungfrau im Xhierfreife), nad Anderen aber|ausdauernd u. tapfer; fie liebten Mufit, bei. die
Arlas fein, melden jein Bater Lylaon fchlachtete| Flöte; auch Dichter, wie Pindaros u. Hefiodes,
u. dem Jupiter als Mahlzeit vorfchte, deſſen ſelbſt Dichterinnen, wie Korinna, ftammten aus
dem Heliton, Kithäron und Parnes im S. unt
dem N. u. an der DOftüfte laufenden Fortietungen
der Opuntiſchen Gebirgsfette; im Innern find
mehrere Ebenen, wie die von Chäronea, Lebadea,
Orchomenos, Haliartos, Platää u. Tanagra, das
Aoniſche u. ZTenerifche Gefilde u. die Parafopia
am Aiopos. Fluſſe: Kephiffos u. Aſopos; See:
Kopais und die Meineren Hylite und Tropbia.
Klima: vaub, bänfige Nebel, der Winter falt.
Producte: Weizen, Gemitjfe, Früchte, Eiten,
Marmor, Thon. Städte waren namentlich: Ko-
ronea, Alallomenä, Yebadea, Orchomenos, Chäro-
nea, Aſpledon, Kopä, Anthedon, Aulis, Tanagra,
—— Theſpiä, Leultra, Platää, Thebä u. o.
Di
Böotien.
677
B. Die Sprache der Böoter war ein Idiom des Larymna erſetzt. In dem Kriege gegen Xerres
äoliſchen Dialekts (. u.
Hauptbeſchäftigung war Ackerbau; dazu kam an
den Seen u. Küſten ergiebige Fiſcherei; bei der
geringen Ausdehnung u. theiimerfen Abgelegenheit
der Seefüfte war der Handesverfehr nur gering.
Kiünfte blühten bier wenig, wiewol in Theben u.
in anderen Städten Bes Kunſtwerke aufgeftellt
waren. Aus ber Zeit des Epaminonbas gibt es
ihöne Münzen, welche, wie alle böotijche, mit
dem mehr oder weniger gewölbten, langrunden,
an beiden Seiten mit einem halbrunden Ausſchnitte
verjehenen böotiſchen Schilde bezeichnet find; die
Nidjeite zeigt bald ein zweihenteliges Gefäß, auf
den Bachusdienft anfpielend, oder das epheu-
befränzte Bachushaupt, od. den ſchlangenwürgen⸗
den Herakles x. Die Berfafjung der einzeluen
Städte war lange ariftolratiih; erft jeit dem Kor
rinthiſchen Kriege breiteten fi) auch in B. demo⸗
fratifche Ideen ftärker aus.
DO. (GGeſchichte). Die älteften Bewohner B-8,
die man mur aus der Sage kennt, waren die Kr
tenen, Aoner, Temmiler, Hyanten u. A. In Or
chomeuos jaßen theſſaliſche Minyer (f. d.). Thebens
Bedeutung wird in der Sage von einer ftarfen
pbönitishen Coloniſation (Kabmos) auf dieſem
Puntte abgeleitet. Nicht lange vor dem Trojani-
hen Kriege ereignete fich nad) Angabe der griedhi-
jhen Heldenfage der Zug der 7 Fürſten gegen
Theben (f. d.), welchen ihre Söhne, die Epigonen,
wiederholten (j. u. Theben). Zu dem Trojanischen
Kriege ſchickte B. viel Schiffe u. Mannſchaft. Auf
die alten Stämme ftürzten fihb 60 Jahre nad
dem Trojanischen Kriege die äolischen Böoter aus
Theffalien, welche jene Stämme theils vertrieben,
theils in fih aufnahmen. Die Vertriebenen ließen
ſich theilweife in Molis (Kleinafien) nieder. Die
Böoter, nad) denen nunmehr das Yand benannt
wurde, maren von Alters ber Mitglieder des
Theffaliiden Amphiftyonenbundes; in ihrem ei«
genen Kanton bildeten fie eine religiös»politifche
öderation von Stadtgebieten, an deren Spite
heben ftand (Böotiiher Bund). Der Bundes-
ftaaten waren vor Alters wahrſcheinlich 14: The-
ben, Orchomenos, Lebadea, Koronea, Kopä, Ha-
fiartos, Theſpiä, Tanagra, Authedon, Chalia,
Platää, Ehäronea, Ondeftos, Oropos; jpäter nur
10. Alle diefe Städte waren in ihrem Gebiete
anz frei, die anderen Heineren Orte waren von
ihnen abhängig. Zur Leitung feiner Angelegen-
beiten hatte der Bund an feiner Spige euten
Archon, der wol ftets aus Theben war, u. diejer
einen Kath zur Geite, deſſen Hauptfig fih in
Theben befand. Die ausführende Behörde waren
die Böotarden, deren jeder Staat 1, Theben 2
wählte, u. deren Amt 1 Jahr dauerte, doch konnten
die alten wieder gewählt werden. Obgleich die
Städte B⸗s in diefer Weije verbindet waren, jo
blieb ihr Zufammenhang doch lange jehr loder.
An inneren Streitigfeiten fehlte e8 nicht. Nament«
fh Orhomenos, Thejpiä u. Platää widerjtrebten
ftets der Tendenz der Thebaner, aus ihrer Bor-
ortichaft eine fidere Hegemonie zu machen. Platää
trat endlich nicht lange vor Ausbruch der Griechiſch⸗
Griechiſche Sprache). hielten nur Theſpiä u. Platää zu der helleuniſchen
nationalen Sache, während die übrigen Böoter
unter Thebens Leitung die perſiſche “Partei er-
griffen. Infolge deſſen u. noch mehr feit dem ges
maltigen Machtaufſchwunge Athens jant die böo«
tiſche Ariftofratie fo zufanımen, daß die Athener
zur Beit ihres erften großen Krieges mit Pelo—
ponnefiern u. Böotern im Jahre 456 nad dem
Siege bei Onophyta den Böotifhen Bund aufs
löjen und deſſen Städte außer Theben zu ihrer
Symmadie zwingen konnten. Als aber bei einem
roßen Aufftande des böotifchen Adels Athen im
F 447 die Schlacht bei Koronea u. damit ganz
B. verloren hatte, erhielten die böotifchen Städte
ihre alte Berfaffung wieder, u. Theben trat von
Neuem an die Spike des Bundes. Während des
großen Peloponnefiihen Krieges bielt (das attiich
gefinnte Platää ausgenommen) B. feit zu Sparta.
Als aber nad der Niederwerfung der athenrichen
Macht die Spartaner ihre neue Herrenftellung in
Griechenland im der roheften Geſtalt ausnutzten,
trat jehr bald, nun duch bereits von demokratischen
Feen ftart berührt, Theben an die Spite der
Gegner Spartas, längere Zeit ohne bejonderen
Erfolg. Der Verrat der thebaniſchen Akropolis
Kadmeia an die Spartaner durch die thebanifche
Dligarhie im J. 382 gab jogar Theben für mehr
rere Jahre völlig in die Hand der Spartaner u.
iprengte thatfächlich den Böotifchen Bund. Aber
die fiegreiche Erhebung der thebanischen Demokratie
im J. 379 gegen die Spartaner, die Größe der
neuen Führer Pelopidas u. Epaminondas ver«
änderte die Yage bald vollftändig. Der Sieg bei
Leuktra (im J. 371) über die Spartaner machte
die Thebaner u. Böoter zu Herreninganz Mittel- u.
Nord-Griechenland (Attifa ausgenommen). Theben,
jegt energifh bemüht, den Böotishen Bund zu
einem durch Theben geleiteten Staate umzujchnels
zen, batte inzwifchen fich nicht geichent, die ihm
jeindlichen böotifchen Städte zu zerftören, Theipiä,
Platää u. Orchomenos, die erit in der mafedoni-
hen Zeit wiederemportamen. Beiden Beftrebungen,
auh im Peloponnes die böotiiche Hegemonie zu
fihern, fand der große Epaminondas im J. 362
in der Schlacht bei Diantinea feinen Tod. Damit
brach die böotifhe Übermacht in Griechenland zu⸗
fammen. Böllig erjchüttert durch den Phokiihen
Krieg (355—346), wurde Theben nachher mit
Athen im J. 338 in der Schladht bei Ehäronea
durh König Philipp von Mafedonien niederge-
worfen, jein Bund aufgelöft u. die Stadt Theben
jelbit im Jahre 335 nach einer blutigen Erhebung
dur Alexander d. Gr. zerftört. Theben ift jpäter
(im %. 315) durch den maledoniſchen Machthaber
Kaffander wiederhergeftelt worden. In der Zeit
der fogen. Diadochen u. Epigonen jammelte fich
auch der Böotiſche Bund wieder, ohne jedoch zu
höherer politiiher Bedeutung zu gelaugen. In
jeinem Innern durd eine wilde Demokratie weni
glüctich geleitet, nad außen ſchwach, ſchloß fi
der Böotifhe Bund jeit 221 v. Chr. eng an
Makedonien, eine Haltung, die in dem Kriege
der Römer gegen den mafedonijhen König
Perfiihen Kriege fürmlih zu Athen über umd| Philipp zuerft die bittere Abneigung der Erfteren
wurde im Böotifhen Bunde anfheinend durch |gegen die trogige böotifhe Art hervorrief.
Die
678
Booismann — Boppard.
Barteinahme der Böoter für Antiochos d. Gr./fins u. Colebroole feine Kenntniffe der Sanstrit-
in dem Syriſchen Kriege gegen Rom brachte ihnen
noch feinen größeren Nachtheil. Als aber in dem
Kriege der Römer gegen Perſeus ſich die böotiiche
Demokratie an Yetteren anichloß, löfte fih im J.
171 unter dem Eingreifen der römischen Truppen
der Böotiſche Bund thatfählih auf, die Oligarchie
fam überall and Ruder, die Stadt Haliartos
wurde zerftört u. Rachethaten an der Demokratie
in Menge verübt. Nachher jcheint fid) der Bund
wieder zufammengefunden zu haben, um dann
wegen ber Theilnahme der Thebaner u. anderer
Böoter an dem letten Kriege der Achäer gegen
Rom (146) nah der Zerftörung Korinths aber:
mals anfgelöft zu werden. Später durfte er wieder
erneuert werden u. fette fein Scheinleben bis tief
in die Kaiferzeit hinein fort. B. aber litt, als ein
Hauptihauplag des Mithridatischen Krieges, in
den Jahren 88—85 v. Chr. wieder furdtbar.
Strabon kennt nur noch die mittelmäßigen Orte
Zanagra n. Theipiä; alle übrigen Städte lagen
in Runen, oder waren Flecken — Nachher
erholte ſich das Land wieder. heben, Tanagra,
Platää, Lebadea, Chäronea, Koronea fommen (in
der chriftlihen Zeit zum Theil als Biichofsfite)
felbft noch nah Alarıhs (396 nm. Chr.) Verbeer-
ungen oft vor, u. Theben blühte bis tief hinein
ſprache erweiterte u, vervolllommmete. Nah Bayern
zurüdgefehrt, wurde er 1821 Profeffor der orient.
Spraden in Berlin u. 1822 Mitglied der Ala-
demie der Wiffenfchaften. Ein Jahr vor feinem
Tode, 23. Oct. 1867, wurde ber 5Ojährige Jahr
restag des Ericheinens (16. Mai 1816) feiner im
Gebiete der vergleihenden Sprachwiſſenſchaft bahn ·
bredenden Schrift: Über das Conjugationsigitem
der Sanskritſprache durch eine bejondere, ihre
Zwede fördernde, jog. B-ftiftung gefeiert. B. hat
auf dem Grunde des Sanskrit die neuere Sprach—
wiſſenſchaft geichaffen u. bis zu einem Hoben
Grade entwidelt; er ift nicht allein Begründer der
vergleichenden Sprahmiffenichaft, ſondern auch
der größte Sprachvergleicher, den e8 bis jetzt ge—
geben bat. Er fchrieb außer dem eben erwähnten
Conjugationsſyſtem: Ausführliches Lehrgebäude
der Sanskritſprache, Berl. 1827; Grammatica
crit. linguae sanscr., ebd. 1832; Kritifhe Gram-
matif der Sanskritſprache, ebd. 1834, 2. Aufl.,
1845, 3. Aufl. 1861, 4. Aufl. 1868; Glossarium
sanser,., ebd. 1830, neue Aufl., 1847 u. 1867,
worin die Bergleihung der verwandten Sprachen
in den Bordergrund getreten ift ; Vergleichende
Grammatik des Sanskrit, Zend, Griediichen,
Lateinischen, Lithauiſchen, Altilavifhen, Gothiſchen
in die byzantiniſche Zeit. Später theilte B. meift/w. Deutichen, ebd. 1852, 2. Aufl., 1861, in 3
die Schidjale Attifas (f. u. Athen) u. bildet jetzt Bon., wozu ein Sach- u. Wortregifter von E.
mit dieſem eine Nomardie des Königr. Griechen: | Arendt; Bocalismus, ebd. 1836; Die feltiichen
land (j. Attita). Val. Klütz, De foedere boeotieo, | Spraden in ihrem Verhalten zum Sansfrit, Zend
Berl. 1821; Zen Breujel, De foedere boeot.,|zc., ebd. 1839, 2. Aufl., 1853; ber die Ver—
Grön. 1834; Kopp, Historia Boeotorum, Grön. wandtſchaft der malaiiſch-polyneſiſchen Spraden
1836; 9. Frande, Der Böotiihe Bund, Wismar mit den indio-europätihen, ebd. 1841; Die fau-
1843; Grote, George, History of Greece, Lond. kaſiſchen Glieder des indo-europäifhen Sprad-
1846—56, 12 Bde. Hergberg.” ſyſtems, ebd. 1847; Über die Sprache der alten
Bootsmann ift eine in den Organifationen Preußen, ebd. 1853 ; Bergleihendes Accentua-
der Kriegsflotten vorhandene Ranaftufe des fee- tionsſyſtem, ebd. 1854; Über das Albanefiiche,
männifchen Unter » Berfonais (lnteroffizier mit|ebd. 1855. Er gab aus dem Mahabharata ber-
Portepee), deren Ddienftliher Wirkungstreis ſich aus: Nalas, jansfr. u. fat, mit Anmerf., Lond.
auf den rein ſeemänniſchen Theil der Schiffsaus-| 1819, 2. Aufl., Berl. 1832, 3. Aufl., ebd. 1868;
rüftung (Tafelage, Anfergeichirr, Staunng, Boots- Ardſchunas Reife zu Indras Himmel, ebd. 1824,
ausrüftung u. Ähnliches) erftredt (f. Kriegsmarine). |2. Aufl, 1868; Dilaviam cum III aliis Mahabh-
Die mitunter auh auf Handelsfahrzeugen iüb-jarati episodiis, ebd. 1829, in deutſcher Über—
liche gleiche Bezeichnung einer Perfon der Beſatz- |jegung; Die Sindfluth u. ſ. w., ebd. 1826, und
ung wird im dieſen Fällen gewöhnlich dem er-|Nalas u. Damajanti, metriich überjett, ebd. 1838.
fahrenften, bezw. älteften der an Bord vorhandenen] Boppard, Stadt in Kreife St. Goar des preuß.
Matrofen beigelegt. Negbez. Koblenz, in reizender Gebirgslandichaft
Bopaul, i. Bhopal. am Rhein, Dampficifisitation u. Station der
Bopfingen, Stadt im Oberamte Neresheim Rheiniſchen Eifenbahn; (1871) 2610 Ew.; freund-
des württembergiſchen Jartkreiſes, an dem frei» |lich gebaut; 3 fathol. u. 2 evangel. Kirchen, Sy—
ftehenden Bergtefiel Nipf, am Einfluß der Sechta |nagoge; Progymnafium, kath, Lehrerſeminar, 2 böb.
in die Eger u. an der Stuttgart-Nördlinger Eifen« | Töchterichulen, Befferungsanftalt für Kinder; reiches
bahn; Gerberei, Teppich- u. Wollenmeberei; 1550 Hoſpital u. jhönes Warenhaus; Holz- u. Frucht:
Em. B. war ſchon im 13, Jahrh. Reichsſtadt, kam handel; bedeutender Weinbau. Die 1123 ge—
1802 an Bayern u. 1810 an Württemberg. gründete ehemalige Benedictinerabtei Marienberg
Bopp, Franz, deuticher Sprachforſcher, geb.
14. Sept. 1791 in Mainz; ſiedelte mit ſeinen Eltern |
nad) Achaffenburg über; zeigte ſchon beim Be—
ſuche der dortigen Lehranſtalten eine beſondere Neig—
ung zu Sprachſtudien, ging 1812 nach Paris, um
ſich daſelbſt mit den oriental. Sprachen, insbeſondere
iſt ſeit 1838 in eine Waſſerheilanſtalt umgewan—
delt, worin zugleich alle neueren Kurmittel zur
Anwendung fommen,. Cine zweite Wafferheilan-
ftalt, Mühlbad, liegt unterhalb der Stadt. Die
Zahl der Badegäfte beträgt jährl. 7- 800. — B.
führt feinen Urjprung in die römifche Zeit zurüd
dem Sanskrit, zu beichäftigen, u. von dba 1817 nad) Später, zur fräntifchen Zeit, mar ein Königshof
London, wo er die reihen Handſchriftenſammlungen hier, von dem ans zahlreihe Urkunden deuticher
der indifchen Literatur näher kennen lernte u. an Könige datirt find. Unter den Hobenftaufen Freie
ber Hand der berühmten Sangtritphilologen Wil ;Neihsjtadt geworden, ward die Stadt 1312 vom
Bor — Borassus, 679
Kaifer Heinrih VI. dem Rurfürften Balduin von
Trier verpfändet, u. die fpäter mehrfach gegen die
turfürftliche Macht erhobenen Aufjtände, zumal in
den Jahren 1319 u. 1497, endeten ungliüdlich.
Bor (lat. Boron; chem. Zeichen B; Atomge-
wicht — 11), hemifches Element, welches fih in
der Natur nirgends frei, fondern nur mit anderen
Elementen verbunden findet. Borfäurehaltiger
Wafferdampf entftrömt an einigen Stellen dem
Erdinnern (f. Borfäure), außerdem enthalten die
feltneren Mineralien Saflolin, Tinfal oder Borar,
Boracit, Staßfurtit, Tiza od. Borouatrocalcit u. a.
ebenfall3 Borjäure, Man kennt es in zwei verjcdhie-
denen Zuftänden. Das amorphe B. bildet ein
grünlih-braumes, unichmelzbares Pulver, welches
in Waffer etwas löslich ift u. an der Luft erhitt
mit ftarfem Glanze zu Bsfäure verbrennt. Es
verbindet fi jehr leicht direct mit anderen Ele-
menten, felbft mit Stidftoff (ſ. B-flidftofj). Man
ftellt e8 dar durch Glühen eines Gemifches von
wafferfreier B-fäure u. Natrium unter einer Dede
von Kodjalz u. Auswaſchen der geichmolzenen
Maffe mit falzjäurehaltigem Waffe. Das Iry-
fallifirte B. (Diamant-B.) bildet Heine, ftark-
—— ſchwarze, braune, gelbe oder farbloſe
ryſtalle, die ſtels etwas Kohlenſtoff (bis 4°/,)
enthalten, u. zwar um fo mehr, je heller fie find.
In Glanz, — — und Härte
gleichen dieſe Kryſtalle volllommen dem Diamant;
ihr ſpec. Gew. iſt aber 2, (Diamant = 3,,).
Sie find in Waffer umlöslih, verbrennen beim
Erhigen nicht u. zeigen überhaupt ein viel paf-
fiveres Berhalten, ald das amorphe B. Man er-
hart das kryſtalliſirte B. durch Glühen von vor dem Yöthrohre unter Aufblähen u. färbt dabei
amorphem B. oder von mafferfreier B-fäure mit|die Flamme grün — beides Heactionen der Bor»
Auminium u. Behandeln mit Salzfäure; dadurd) |fäurefalze, Er ift aus borjaurer Maguefia u. Chlor«
löſt fih das Aluminium auf, während die lürnigen | magnefium nad der Formel 2Mg,B,O,,+MgCl
B⸗kryſtalle zurüdbleiben. Die graphitartigen, gläns |zufammengefegt, Er findet fi bei Lüneburg
zenden Blätthen, welche man zugleich erhält u.|u. Segeberg, in Gips u. Anhydrit eingewachſen;
die man früher für eine dritte Form, Graphit-®.,jeine dichte u. derbe Barietät, welche reichlich bei
hielt, find eime Yegirung von B. u, Aluminium. | Staßfurt vorfommt u. auf Borar verarbeitet wird,
Das B. wurde 1807 von Davy in England u. führt den Namen Staffurtit.
von Gay» Luffac u. Thenard in Frankreich fait] Borago, ſ. Borrago,
gleichzeitig entbedt. Wöhler u. inte - Claire|' Boranen, germaniiher Vollsſtamm, der von
Deville lehrten 1857 die Darftellung der fryftal-|Norden fommend im 3. Jahrh. nad Chr. die
liſirten Modification. Das B. ift dreimerthig. Yeber- | Küftenländer des Schwarzen Meeres in Europa u.
Bor, Pieter Chriftianszoon, hell. Ge-|Afien durch Plünderungszüge verheerte.
fhichtforjcher in Utrecht, geb. 1559 in Utreht;] Boräs, Stadt im ſchwed. Län Wenerborg, am
ward 1615 von den Staaten von Holland und Viska-Elf, Eifenbahnftation; von Bergen u. Wald»
MWriesiand zu ihrem Hifteriographen ernannt|ungen umgeben; Leinwandfabrifation; Handel;
u. zugleich Rentmeifter von NHolland. Er verjuchte) 3200 Ew.; nahe dabei ein Gejundbrunnen mit
fid) auch in der Poeſie; ft. 16. März 1635. B. ſchr.: ſchönen Anlagen.
Oorsprong, beginende vervolg der nederlandsche| Borassus L. (Fächerpalme, Palmyrapalme),
oorlogen, 1556—1619, befte Ausg., Amfterd. 1679; | Pflanzengatt. aus der Fam. der Palmac-Boras-
Gelegentheyt van's Hertogenbosch, Haag 1630, |sinae (XXII. 6), mit 2häufigen Blüthen; männl.
u.a. Bes Werke haben heute noch einen hohen mit 3theiligem Äußeren und 3blätterigem innerem
Werth wegen der zahlreichen Documente u. Briefe,| Perigon u. 6 Staubblättern, weibliche mit 3fäche-
die darin aufgenommen find, Wenzelburger.* |rigem Fruchtfnoten, figender Narbe u. mit großen,
Bora, trodener, äußerft heftiger NOWind, der |3jfamigen Steinfrüchten; große u. Schöne Palmen,
im Winter von den Juliichen Alpen durch das mit großen Handförnig » vielfpaltigen Blättern,
Litorale u. Iſtrien bis Trieſt weht. Arten: B. flabelliformis Z., von DOftindien u.
Bora, Katharina von B., Gattin Luthers, Ceylon, 8-10 m body, nächft der Cocospalme die
er 29. Jan, 1499 wahrfcheinli in Lippendorf|nüglichfte Art dieſer Familie. Die jungen Pflanzen
ei Leisnig. Ihre Mutter war Anna, geb. von|find in Geylon eine jehr beliebte Speiſe n. werden
Haugwitz; der Name ihres Vaters ift nicht zuvere zu dem Zwede im Großen gebaut; man ißt fie
läffig befannt. Sie wurde Nonne im Eiftercienfer- [entweder frijch, oder bereitet aus den getrodneten
Hofter Nimptichen bei Grimma. Mit Luthers An-
fihten hier befannt geworden, bat jie ihre Berwand-
ten um Wegnahme aus dem Klofter; da dies ver-
gebens war, jo wendete fie fich an Luther, der fie in
der Eharfreitagnadht 1523 durch Bermittelung des
Zorgauer Bürgers Leonhard Koppe mit noch 8
unzufriedenen Nonnen aus Nimptichen nad) Tor»
gau u. von da alsbald nad Wittenberg bringen
ließ, wo fie in Bürgerhäufer aufgenommen wür—
den. Einen Antrag zur BVerheirathung mit dem
Vicar Glatz in Orlamünda flug fie aus; dage-
en heirathete fie Luther 13. Juni 1525, dem
de 3 Söhne u. 3 Töchter gebar; f. u. Luther.
Nach Luthers Tode lebte fie in Wittenberg, 1547
in Magdeburg u. - Braunschweig u. kehrte dann
nach Wittenberg zurüd; fie begab fi) 1552 wegen
der ausgebrocenen Peft nah Torgau u. fi. dort
20. December deff. Jahres. Yebensbeihreibung
von Walch, Halle 1752— 1755, 2 Bde., beite Ausg.,
Halle 1843; Hofihann, Lpz. 1845, u. Weidinger,
Greiz 1854.
Boracit, Mineral, welches, obwol im regulären
Syftem (mit hemiedriſchen Formen) kryftallifirend,
dod die optischen Eigenſchaften zweiahfiger Kry—
ftalle zeigt. Die Kryſtalle, meift Würfel oder
Rhombendodelatver mit (oft zweierlei) Tetraeder⸗
flächen, find fein, aber meift alljeitig wohl ausge-
bildet; fie werden beim Erwärmen oder Ablilhlen
polarifcheeleftriich, u. zwar treten dabei die mit
Tetrakderflächen abgeſtutzten Eden als Pole auf.
Der B. ijt farblos, weiß oder gelblich oder grün—
Ih, jpröde, von muſcheligem Bruch, der Härte
des Quarzes u. 2, bis 3 jpec. Gew. Er Schmizzt
680
Rorate — Borda.
Pilanzen das Caol, die fogenannte ſinghaleſiſche ſchlecht in Bommern, welches bis zum 16. Jabrb.
Grüge oder das Ralingamehl; aus den ange
fchnittenen Blüthenkolben fließt der Toddy, eine
weinartige Flüſſigkeit, welche friih u. im gegoh—
renen Zuſtande getrunfen wird u. ferner zur Be
reitung von eineffig u. des Jaggeryzuckers
dient, welcher den —— an Güte übertrifft
u. in großer Menge ausgeführt wird. Die Früchte
ſich ſelbſtändig erhielt, jetzt in den Grafenſtaud erbo-
ben u. auch am Niederrhein angeſeſſen iſt. Zu
demſelben gehörte: Sidonie von B., geb. um
1540, ausgezeichnet durch Verftand u. Schönheit;
batte unter ihren zahlreichen Rebhabern auch deu
jungen Herzog Ernft von Pommern-Wolgaft; Du
fie demfelben aber nicht heiratben jollte, jo zog ft:
bilden rob, geröftet oder eingemadt (PBanatao)|fih in das Fräuleinſtift Marienftift zurück, mo
die Hauptnahrung der Inder; früher wurden diefe|fie, von dem übrigen Stiftödamen angefeindet u.
eingemachten Früchte auch mafjenhaft nad Hol-
land u. den bolländifchen Beſitzungen ausgeführt.
Die Blätter dienen zum Dachdeden, zur Bereit-
ung von allerlei lechtwert u. Papier (Ollah);
das dumfelfarbige Holz älterer Bänme wird von
Dredslern u. Tiſchlern auch in Europa verar-
beitet. Engler.*
Borate, |. v. wie Borjänrefalze.
Borar, |. Borſäureſalze.
Borarjäure, ſ. Borläure,
Borarweinjtein (Kali tartaricum boraxa-
tum, Tartarus boraxatus, Cremor tartari solu-
bilis), Verbindung des Weinfteins mit Borar, beſ.
um erjteren in Wafler auflöslicher zu machen; er
wurde von Lefevre 1732 zuerft befchrieben.
Borbed, Dorf im Kreife Eſſen des preuß.
Regbez. Düſſeldorf; 3251 Em. (im Gemeindebe;.
16,902); große Koblenzehen; Bahnhof Berge-®.
an der Köln-Mindener Eifenbahn, welcher 1871
586,680,000 kg Kohlen verfandte; dabei Hohöfen
u. Zinkhütte.
Borbetomägus (a. Geogr.), Stadt der Ban-
gionen im Belgiſchen Gallien, am Rhein; jept
Worms (j. d.).
Borboriten (Borborianer, d. i. Dredimänner),
Schimpfname, melden die Orthodoren mehreren
gnoftiichen Parteien, bei. den Balentianern und
Karpofratianern, wegen ihrer ſchmutzigen u. um-
züchtigen Gebräuche beilegten,
Borbörus Meig., Dingerfliege.
Borborygmos (gr.), hörbares Geräufch von
in den Gedärmen bewegten Blähungen.
Borby, 1) befuchtes Seebad mit kräftigem
BWellenfhlage am Meerbuſen von Edernförde u.
unmittelbar an der Stadt. Hier das See- und
Küftengefecht vom 5. April 1849, wo das däniſche
Linienſchiff Ehriftian VIII. in die Luft geiprengt
u. die Fregatte Gefion von den Schleswig-Hol-
fteinern erobert wurde. 2) Große, faft nur von
Schiffern une Fiſchern bewohnte Borftadt von
Flensburg; vielbejuchtes Seebad an der Flens-
burger Föhrde.
orchlorid ( Chlorbor, Borſuperchlorid, Chem.),
Verbindung des Chlors mit Bor, deren Formel
BCl,; farbloſes, ſtechend riechendes, an feuchter
Luft dicke, weiße Nebel bildendes Gas, ungefähr
4mal ſchwerer als Luft, welches ſich in Berübrung
mit Waſſer in Borſäure u. Chlorwaſſerſtoffſäure
zerſetzt. Durch ſtarke Abkühlung verwandelt es
ſich in eine Flüſſigkleit, die bei 17° ſiedet. Es
entfteht, wenn man trodenes Chlor oder Chlor»
waflerftofigas über glühendes amorphes Bor leitet,
oder aud dur Einwirkung von trodenem Chlor—
a3 auf ein glühendes Gemiſch von waſſerfreier
orfäure u. Koble. Heger.
Borde (Borle), altes wendiſches Dynaftenge-
von ihren Verwandten verhöhnt, Bergnügen im
Umgange mit Weibern niederen Standes fan.
Bon einer derfelben der Zanberei anugellagt, wurde
fie zu Stettin gefoltert u. trog der Berwendung
der benachbarten Höfe 1620 in Stettin enthauptet
u. verbrannt. Jetzt blüht das Geſchlecht im zmei
Linien: a) der Stargardter Linie u, b) der Linie
zu Hueth am Niederrhein, welche ſeit 1740 umd
1790 die Grafenwilrde befiten.
Bord bezeichnet eigentlich die Wände oder
Seiten des Schiffsrumpfes, die B- oder Schiffs
wände, wie unter der Bezeichnung: hochbordiges
Schiff, ein Schiff mit über der Wafferlinie hoben
Wänden verfianden wird u. die Verbindung des
Wortes in Bad-B. u. Steuer-B. (f. d.) andentet.
Im Allgemeinen wird in der Schifisiprache aber
mit dem Worte B. der Begriff des Schiffes ſelbſt,
als Ort, verbunden, wie die Ausdrüde: an 8.
fein, von B. gehen, über B. werfen: auf dem
Schiffe fein, das Schiff verlaffen, vom Schiffe
aus in das Waffer werfen, bedeuten. Der wol
urfprüngliche Begriff des Wortes B. als Ramd
fommt nur in der Berbindung Dollbord bei
Booten vor, wo der obere Rand der Bootsiwände
damit bezeichnet wird,
Borda (arab.), das in dem kaiſerl. Schate
zu Eonftantinopel aufbewahrte Kleid Mohammeds;
I. Hirfa i Scherif.
orda, Jean Charles de B. franz. Ma-
thematifer u. Seemann, geb. 4. Mai 17383 in
Dar (Dep. des Landes); trat in das franzöftiche
Militäringenieurcorps u, fpäter in das Corps der
Chevanr-legers; machte als Adjutant des Mar-
ihalls Mallebois den Feldzug von 1757 mit umd
trat 1758 in den Seedienft; er madte 1771 u.
1772 eine Reiſe nah Amerifa, 1774 nah Weſt—
Afrika, murde 1775 Sciffslteutenant u. 1776 mit
der Beftimmung der geographiihen Yänge u.
Breite der Canariſchen Anfen beauftragt. Nad-
dem er 1777 u.1778 als Generalmajor der Ser-
truppen wmejentlih zu den Erfolgen der franz.
Waffen im Amerilaniſchen Kriege beigetragen,
wurde er 1782 auf der Rüdfahrt von Martimgue
von den Engländern gefangen genommen, aber
auf fein Ehrenwort wieder nad Frankreich ent:
lafien, wo er als Divifionschef im Marinemini-
fterium u. Mitglied des Nationalinftituts für die
Wiffenichaften 28. Febr. 1799 zu Paris ftarb.
Bei der Gradmeſſung von Dünkirchen bis zu den
Baleariihen Jufeln, mit Mechain u. Delambre,
erdachte er die Platinameßftäbe, erfand bie zur
Angabe der Heinften Ausdehnungen erforderlichen
Metallthermometer u. gab einen Apparat an, um
mit größter Bräcifion die Bendellängen meflen zu
können. Nad ihm genannt ift ver B-jhe Reflec—
tionstreis, welder nit nur die Meffung von
Bordage — Bordeaur. .
Horizontal- u. Berticahwinfeln, fondern auch die
Beſtimmung ſchief geneigter Winkel geftatter, u. die
B-ihe Nepetitionsmethode, bei der die Ber-
volllommmung darin beftebt, daß diejelbe doppelt
it, während die Meyerſche eine einfache war.
Außerdem beichäftigte fih B. auch noch mit der
Regulirung des nenen franz. Maß- u. Gewichts-
ſyſtems. Er fchr.: Voyage fait par ordre du
Roi en 1771 et 1772 en diverses parties de
l’Europe et de l’Amerique, Par. 1778, 2 Bbe.;
Description et usage du cercle à reflexion,
ebd. 1787, 2 Bde.; Tables trigonomötriques
decimales, herausgegeben von Delambre, eb.
1804. Auch gab er Karten von den Canariſchen
Inſeln u. der afrifanifhen Kiüfte heraus, Specht.“
Bordage (fr.), Schifisverkleidung.
Bordagium (mittellat.), bei den Normannen
die Frohne; die fie Leiftenden Bordarii:
Borbe, jo v. w. Borte.
Börde, fruchtbarer Landſtrich, ſo Magdeburger
B., Warburger B., Soefter 8.
Borbeaur, Hauptft. des gleichnam. Arr, u. des
franzöſ. Depart. Gironde, nach Größe und Be-
deutung die vierte Stabt Franfreihs; wird von
der Dileans- u. der SEifenbahn berührt und er-
bebt fi halbmondförmig am linken Ufer der Ga-
ronne; bejteht aus Altftadbt u. den neuen Stadt:
vierten, jene eng u. unregelmäßig, diefe regel»
mäßig u. ſchön gebaut, fo bei. der Königsplag,
die jehr jchöne Aue du Chapeau-Rouge, le grand
ecours, die Allee von Tourny, die öffentlichen
Bäder, der Begräbnißplag u. mehrere Spazier-
gänge; 2 „Forts (Citadelle Trompette u. Fort
St. Louis); römische Alterthümer (ein Thor,
Amphitheater, Brunnen); zu den merkwürdigen
u. ſchönſten Baumwerfen gehören: die 1821 erbaute,
487 ın lange, über die Garonne führende Brücke
von 17 Bogen, mit prachtvollem Blid auf Stadt
u. ni der erzbiichöfliche Palaft, die gothiſche
Kathedrale St. Andreas (aus dem 11. Jahrh.), die
St.-Seurim, St.⸗Michael-⸗, St.-Eroir- Kirche,
die Notre-Dame- u. College⸗Kirche (mit dem Grabe
Montaignes), Eonfulatlapelle der Engliſchen Kirche,
im Ganzen 50 fathol. und 3 protejt. Kirchen;
Stadthaus, Münze, Börfe, Fuftizpalaft, Hofpital
und Schloß, das grofe Theater des Varietes,
das ſchönſte in Frankreih außer Paris. B. hat
Departementsbehörden, Erzbiichof, proteftantisches
Gonfiftorium, Gericht I. Inſtanz, Handeisgericht,
— ——— u. Handelstammer, Appellhof für die
epartements Gironde, Gharente u. Dordogne,
eine Handelsbanf; die künigl. Academie des sci-
ences (1712 nad der Pariſer gegründet) Facul«
täten für Theologie, Wilfenfchaften u. Literatur,
Theologifhes Seminar, Collöge, pharmaceutifche
u. medicinische Borbereitungsichuie, Normal-, Taub-
ftummen», Handels» u. Schiffahrtsihule, Schulen
für Malerei, Muſil u. Geſang, Baukunſt, Mechanik,
Induſtrie, Bibliothel von 140,000 Bänden,
Botanischen Garten; naturhiſtoriſches u. Antiten-
cabinet, Gemäldegalerie u. Sternwarte; mehrere
elehrte Gejellichaften: die des Aderbaues, Garten-
u der Kunftfreunde, Yinnejche, Mediciniſche u,
Medicinifh-hirurgiihe u. Philomathiſche, Gejell-
Schaft zur Ermunterung der Nationalimbuitrie;
681
tentiarcolonie, Correctionsanftalt für Mädchen;
Militärhoſpital, 2 Civilhoſpitäler, Irrenauſialt,
Greiſenaſyl ꝛc. B. bat anſehnliche Induſtrie im
Bau von Seeſchiffen (auf 10 Werften), in
Zabaf-, Zucker- u. Salpeterraffinerie, Braunt-
mein und Liqueurdeftillation (Anijetteligueur),
Veineffigfabrif, Wollen- u. Baumwollenſpinuerei,
Fabr. von Deden, Teppichen, Fayeuce, Porzellan,
hocolade, Eonjerven, Cartonnage, Seilen, hemi«
hen Erzeugniffen; Maſchinenbau, Schriftgießes
veien u. Buchdrudereien. Der durch die Fluth im
der Garonne begünftigte u. durch Loloffale Arbeie
ten zugänglid gemachte Hafen, einen prachtvollen
Halbtreis von 6 km Entwidelung bildend, ift
der dritte im Franz. Reiche, faßt 1200 Schiffe, u.
es liefen 1874 außer etwa 10,000 Küſtenfahrern
von zufammen 350,000 Tonnen ein: 1530 Schiffe
(668,650 Z,), aus: 1645 Schiffe (733,551 T.),
zur Hälfte engliicher, nur 4 franzöfifcher Flagge.
Die Aheder von B. befaßen Ende 1874 373 Schiffe
von 128,686 Tonnen. Der Handel ift ſeit 1860
in einem großen Auffhwunge begriffen:
1860 .
1873
in DIN. Fes.
Einfuhr. . . 115 235,5
Ausfuhr .„ . 205 357,5.
Bei der Ausfuhr nehmen die Weine die erfte
Stelle ein. Diefelbe betrug (1874) 1,219,000 hl,
wovon far 4 auf Europa, 3 auf Amerika :c,
fommen; anderewichtige Artifel find: 10,675,083 kg
Harzproducte, raff. Zuder 7,841,751 kg, Getreide
u, Mehl 61,242 Etr., Früchte (eingemadt, ge+
trodnet 2c.) 16,495,609 kg, Krapp u. Probucte
davon 4,624,636 kg, Gemüſe 2,764,014 kg x.
Bei der Einfuhr: Steintohlen 2,010,293 Gtr,,
Roheiſen 5,194,517 kg, Eifenftein 4,147,776 kg,
elle 13,675,837 kg, Reis 11,349,698 kg, Rob»
en 8,679,187 kg, Syrup 8,291,749 kg,
Tabak 5,424,762 kg, Cacao 3,409,117 kg,
Kaffe 8,448,983 kg, Olfrlichte 11,232,346 kg,
Zalg 3,381,546 kg, Wolle 4,368,507 kg x.
Negelmäßige Dampferverbindungen (außer näher
gelegenen Punkten) beftehen mit Brafilien, Buenos»
Ayres, Montevideo, Chile, Peru, Weftindien, Gen-
tral-Amerila u. WAfrila. Der Handel wird neben
den anderen Verkehrswegen befördert durch den
Yanquedoc-Kanal, der die Stadt mit dem Mittel—
ländiichen Deere in Berbindung jest. Jährlich
finden zwei Meffen (März u. Oct.) ftatt. Zahl der
Ew. 194,055.
Geſchichtliches. B. bie zur Nömerzeit Bur-
digala, war die Hauptftadt der Bivisfiihen Bitu—
riger im Aquitanifchen Gallienn. lag auf der Wöeite
des Garumna, nicht weit von der Mündung die»
jes Fluſſes. Nah der Beichreibung des Dichters
Aufonius (deffen u. des Hiftorilers Eutropius
Vaterſtadt fie war), bildete fie ein längliches
Biered, hatte lange, gerade Straßen, ein Amphi—
theater, viele Paläfte (darunter den prächtigen
des Gallienus), Tempel xc., u. wurde von einer
betburmten u. von 14 Thoren durchbrochenen
Mauer umfchlofien. Der Hafen hieß Portus lunae;
berühmt war B. als Hanbdelsftabt u, durch feine
bobe Schule. In der Nähe die von den Galliern
verehrte Duelle Divona. B. wurde dann die Haupt«
‚Spartaffe u. Findelhaus; Zellengefängniß, Pöni«|ftadt von Aquitanien, u. 272 fand die Errichtung
682
des Bisthums ftatt. 412 wurde B, von den Go—
then, 507 von den Franfen, 732 von den Sara-
cenen, aber ſchon 735 wieder von den Franken
erobert; im 9. Jahrh. wurde es von den Nor-
mannen wiederholt geplündert u. vermliftet. Um
900 wurde B, unter Karl dem Einfältigen mie-
der aufgebaut und der Sig einer Grafidaft.
Auf Graf Raimund folgte fein Sohn Wilhelm
der Gültige; diefer von dem Herzog Sando von
Gascogne aus der Gefangenſchaft befreit, ſchenkte
deifen Sohne, Wilhelm, aus Dankbarkeit B. Mit
Gascogne fam B. beim Ausfterben diefer Linie
durch die Grafen von Poitiers an das Herzog-
thum Aquitanien, mit Aquitanien (Öuienne) 1154
an Anjou u. durd die Erhebung Anjous auf den
engliihen Thron an England, u. nun begann
feine Blüthe. Als der Schwarze Prinz 1362 mit
Guienne bejhentt ward, wurde B. deſſen Refidenz.
1441 wurde die Univerfität gegründet. Den An-
griffen der Franzoſen ausgejegt, hatte fih B. jeit
1379 dur Berbindung mit anderen Städten zu
hüten geſucht, fam aber 1451 in franzöfiiche
Gewalt; 1452 eroberten e8 zwar die Engländer
wieder, aber nur auf kurze Zeit. Das Parlament
in ®. wurde 1462 von Ludwig XI, eingerichtet.
1548. Empörung wegen Einführung der Saljtare
u. Ermordung des Gouverneurs de Morems. Im
Oct. 1572 wurde hier eine Nachfeier der Parifer
Bluthochzeit gehalten, wobei über 2000 Prote-
ftanten ermordet wurden. In der Revolution
wurde B. als Sit der Girondiften von dem Eon-
vent ſchwer heimgefuht. Am 12. März 1813
wurde die Stadt von 4000 Engländern bejett;
1845 brannte ein Theil der Stadt ab. Im
Deutſch-Franzöſiſchen Kriege 1870— 71 verlegte
die Provif. Regierung Frankreichs Dec. 1870
ihren Sig von Tours nah B.; Mitte Febr.
1871 trat bier die Nationalverfammlung zu-
fammen. Bier Goncilien (Burdigalensia con-
eilia) wurden bier gehalten: 384 gegen bie
Priscillianiften, 670 zur Wiederherftellung des
Friedens im Weide u. zur Berbefferung der
Kirchenzucht, 1080, wo Berengar von Tours jei-
nen Glauben abihwor, das letzte 1255.
(Handel u. Berk.) Schroot.
Bordenur-Weine, rothe, zum Heineren Theil
auch weiße Weine, die im franz. Dep. Gironde
wachen, oder auch nur über Bordeaur (f. d.) zur
Ausfuhr fommen. Sie gehen bei. nah Holland,
Bremen, damburg, überhaupt den öftlichen Yändern
und NAmerifa. Topographiſch unterſcheidet man
die BMW, in Medocs, aus der Landſchaft Medoc
am linken Ufer der Garonne u. Gironde vom Flüß-
hen Yale bis zur Küſte; Graves, bei Borbeaur,
zwischen Jale u. Caftres auf fiefigem Boden (Terrain
graveleux); Balus, vondemangeihwenmten Erd»
reich der Dordogne u. Garonne; Edtes, auf Hilgeln
von Yangon bis Blaye, an der Garonne u. Gironde;
Terres-fortes, bei Medoc auf Weinbergen, welche
ftatt fiefigen Bodens ſchwere Erde haben; Entre-
deur-mers, aus dem Landftriche zwiſchen Garonne
u. Dordogne. Jm Handel unterfcheidet man 12
Kategorien: rothe Medocs, vothe Graves; weiße
Graves, Palus, Blaye, Yibourne, Terresforteg,
Queyries, Entres-deur-mers, St. Foy, Cötes u.
Travaillds à l’Anglaise. Qualitativ behaupten
Bordeaur- Weine — Bordell.
unter den rothen B-W-n die Medocs den erften
Rang mit den berühmten drei Sorten Chäteau-
Margaur, Eh.-Lafitte u. Ch.-Latour; es folgen
die Graves mit dem den vorgenannten ebenbür-
tigen Ch.-Haut-Brion, dann die Palus mit dem
Queyries, die Zerre-forte u. endlih die Entre-
beur-merd. Die B.⸗W. merben den fogen. voll-
lommenen Weinen zugerechnet. Sie zeichnen ſich
durch jchöne Farbe, Feinheit, Würze, Blume,
Kraft u. Körper aus u. find dabei von großer
Haltbarkeit. Die zufammenziehende Wirkung ver-
danfen die rothen B.eW. einem Gehalte an Tan-
nin (Gerbjäure), das fie bei der Gährung zu-
glei mit dem Farbftoffe aus den Hülfen aufneh-
men. Die weißen B.-W. befiteu ähnliche Eigen-
ihaften wie die rothen, nur haben fie mebr
Würze u. zum Theil mehr Geiſt. Am beften find
die Gewächſe von Barſac (Haut-Barsac de Ma-
dame Saluce) u. Sauternes (Glos Nauen). Die
Geſammtproduction an B.-Wen pro Jahr ift Durdh-
ſchnittlich 23 Millionen bi, von denen etwa $ er-
portirt werden. Der Preis der oben genannten
vier beften rothen Sorten fteigt oft über 3000 Fr.
pr. Tonneau von 912 1; eingelellert u. verjanbt
werden die B.“W. in Barriquen von 220—228 L
Die B.-W. erreichen ihre volle Güte nicht vor 18
Monaten; die meiften Sorten läßt man felbft 5 bis
7 Jahre liegen. Die befferen nehmen mit den
Jahren an Güte zur. Sqroot.
ordelais (Bourdelais), ſonſt Landſchaft in
der franz. Prov. Guienne, ſüdlich von der Stadt
Bordeaux; 8546 Ikm (155 [IM); bildet jetzt
den größten Theil des Dep. Gironde und einen
nicht unbedeutenden des Dep. Landes.
Bordell (vom goth. baürd, Brett, woraus
proveng. borda u. altfranz. borde [Bretter-]
Hütte u. weiter mittellat. bordellum, itaf. bor-
ello, engl. brothel), Haus, worin täufliche
Mädchen (Freudenmädchen) als Untergebene einer
Kupplerin od. eines Kupplers, wohnen, In man—
hen Staaten find ſolche Häufer, wenigftens in gro»
Ben Städten oder Geeftädten, unter genauer poli«
zeiliher Aufſicht conceffionirt, in anderen (mie
in Öfterreich) fait durdgängig verboten, in mod)
anderen (Sachſen zc.) ſtillſchweigend geduldet.
Dur das Geſtatten derjelben will man der fie-
derlichkeit u. der Verführung von Frauenzimmern
der niederen Bolfsflaffen vorbeugen, aud an
Orten, wo viele Tauſende lediger Männer (mie
Matroſen oder Soldaten großer Garnifonen) fi
vereint aufhalten, Erceffen vorbeugen u. jo, in
dem man dem Xafter einen Abzugsfanal öffnet,
die Neinheit der Sitten unter dem übrigen, grö⸗
ßeren Theil des Volles erhalten. Wirklich ſcheinen
daher auch Be in Seeftädten u. anderen großen
Städten unvermeidliche Übel zu fein. Die Sitte,
Bee zu halten, it feine neue; in allen cipilifirten
Staaten von der älteften Zeit an wurden u. wer
den ähnliche Vorrichtungen gefunden. In Athen
wurden B⸗e (Porneion, Pormetoskeire) von Män-
nern wie von Weibern gehalten, welche dafür an
den Rath eine Steuer (Pornikön telos) zablten,
Ebenjo war es in Nom, wo das B. Lupanar,
die Perſon, welche e8 hielt Leno u. Lena hieß;
ein Ädil hatte die Aufficht darüber. In den deut
Ihen Städten fommen Be unter dem Namen
Bordelumer Rotte — Börding.
Frauenhäuſer fhon im 14. Jahrh. vor; fie wur—
den von den Stabdträthen in öffentlichen, mit bes
fonderen Aushängeichildern verjehenen Häufern
gehalten, u. von den Wirthen oder Wirthinnen
nad dem Ertrage ein Zins bezahlt; dagegen
ftanden fie auch unter Auffiht u. Schub‘ der
Polizei. Erft feit der Reformation, namentlich
durd Luthers Eifern dagegen, wurden fie allmäh-
lich formell aufgehoben, um in neuefter Zeit, bef.
feit der franz. evolution, auf dem europätfchen
Contineut, mebr od. minder offen, überall wieder
Eingang zu finden. In England wurden B-e
feit der Regierung Heinrichs VIII. (1510) geſetz;
ich nicht mehr geduldet u. die Eigenthümer von
dergleichen Anftalten mit Geld» u. Gefängnißitrafen
belegt, was aber längft nicht mehr beobachtet wird.
Ebenſo wuchern in NAmerita die B-e ſchrankenlos.
In Berlin wurden 1. Jan. 1846 die B-e durch
königl. Befehl geichloffen; aber bald verſchlimmer—
ten fi die jamtätariichen Zuftände der Stadt fo,
daß fi ſchon 1849 die Polizei u. das Sanitäts-
collegium für die Wiedereinführung der Be aus
ſprachen, die 1851 ftattfand, welcher aber 1854 eine
abermalige Schließung folgte, die erſt 1861 ihr
Ende fand, um fchrantenlofer Proftitution Platz
zu machen. Bgl. d. Art. Proftitution,
Bordelumer Rotte(BordelumerSecte), Heiner
Berein von Separatiften zu Bordelum im jchles-
wigſchen Amte Flensburg, welche 1739 Conventifel
zu halten begannen, Kirche, Predigtamt u. Sacra-
mente verachteten u. unter dem Borwande, dem
Neinen fei alles rein, unzüchtigen Verkehr der
Gefellihafter unter fi für erlaubt hielten, auch
eine Art von Gütergemeinſchaft einführten. hr
Haupt war der ſächſiſche Candidat Dav. Bär
(Bähr), der fi für den Meſſias ausgab. Sein
Genoſſe Borjenius reifte auf den Anfetn der
Nordjee umher u. lebte zulegt in Bargum. Seit
1739 wurde gerichtlih gegen ihn eingeichritten.
Bär, welcher geflohen war, wurde ergriffen und
in Glückſtadt ins Zuchthaus u. von da nad) Bor-
delum gebradit; er ft. 1743, u. ſeitdem verlor
ſich die Secte, Föffler.*
DBordenave, Touffaint, franz. Chirurg u.
Phyfiolog, geb. 10. April 1728; lernte bei feinem
Bater Chirurgie, deren Magifter er 1748 wurde,
nachdem er den Feldzug in Flandern mitgemacht
hatte. Am Collegium der Chirurgie lehrte er
Phyſiologie u. wurde Director der Alademie der
Chirurgie; er ftarb 12. März 1782. Ju meh-
reren Aufjägen, die in den Memoires de l’Aca-
demie de chirurgie enthalten find, bearbeitete er
in ausgezeichneter Weiſe verfchiedene Gegenftände
feiner Wiffenichaft, 3. B. die Thränenfiiteln, das
Entropium, die Krankheiten der Wangenbeinhöhle
u. die Behandlung der Darmbrüche durch Atze
mittel, die er mit Recht vermwirft. Thamhahn.
Bordentown, Marttileden im County Bur—
fington des nordamerif. Unionsft. New-Jerſey,
am Delaware; Eijengießereien; lebhafter Handel;
Kanal u. mehrere Eifenbahuverbindungen, Dampf»
ſchiffverbindung mit Philadelphia; 6041 Em.; in
der Nähe der frühere Landfig von Joſeph Bona-
parte, Erfünig von Spanien.
Bordereau (fr.), Berzeihniß von Banteffecten,
Wechſeln u. Münzſorten.
683
Bordesholm, Dorf im Kreiſe Kiel der preuß.
Prov. Schleswig⸗Holſtein, am Bordesholmer⸗See;
Eiſenbahnſtation; 550 Ew.; Amtshaus, das im
Mittelalter ein Mönchskloſter, dann ein Gym—
naſium war, aber 1665 wieder aufgegeben ward,
während die Einkünfte deſſelben der Univerſität
Kiel zufielenz- jet Sitz des Amtsgerichtes u. des
Yandrathes. In der hübfchen Kirche fürftl, Be—
gräbniſſe u. die lebensgroßen bronzenen Bilder
u. Epitapben König Friedrichs I. u. der Königin
Anna von Dänemark, Hier der B-er Vergleich von:
13. Aug. 1522 zwiichen KönigChriftian II. u. Herzog
Friedrich v. Holftein-Gottorp, worin der König das
bisherige Belehnungsrecht mit Holjtein aufgab,
Bordeu, Theophile de, franzöfiicher Arzt
und Ehemiter, geb, 22. Febr. 1722 in Siefte
(Bearn); ftudirte in Montpellier Medicin, wurd:
1742 Baccalareus, promovirte 1743 u. ging 1744
als Docent der Anatomie nah Pau, kehrte aber
nah Montpellier zurüd und fiedelte 1746 nad
Paris iiber, wo er ſich befonders mit Chemie be»
Ihäftigte, 1749 als Intendaut der Mineralwaffer
von Aquitanien nach Bau berufen, unterfuchte er
diefe Waffer u. ihre Wirkungen genau (Lettres
sur les eaux minerales du Bearn et de quel-
ques-unes de provincesvoisines, Amſterd. 1746 bis
1748) u. ging 1752 wieder nad Paris, wo er
feine Schrift: Recherches anatomiques sur les
difförentes positions des glandes et sur leur
action, Par. 1752, veröffentlichte, in der er den
Drüfen ein Eigenleben zufchreibt. 1754 promopirte
er in Paris, um dort prafticiren zu können, und
hatte zu dieſem Bwede: An omnes organicae
corporis partes digestioni opitulentur, Par.
1753; An venatio caeteris exercitationibus
salubrior, ebd. 1753; Utrum Aquitaniae mine-
rales aquae morbis chronieisete., ebd. 1754, ger
ichrieben, nachdem bereits 1753 feine Schrift über
die Scropheln: Dissertation sur les ecrouelles,
von ber Afademie der Chirurgie preisgefrönt war,
Die num folgende Abhandlung über den Puls:
Recherches sur le pouls par rapport aux crises,
ebd. 1756, erregte ein bedeutendes Aufjehen. In
die unangenehmften Berhältniffe dur den Neid
feiner Collegen gebradt, aber glänzend durch
Parlamentsbefehl 1764 freigeſprochen, erfreute
er ſich eines aufßerordentlihen Zuſpruches auch
aus den höchſten Kreifen, ließ 1767 feine Schrift
über das Zellgewebe 1775 und eine Abhandlung
über chronische Krankheiten erfcheinen. Er ftarb
23. Nov. 1776, Seine ganze Anjhauungsweije
beruht auf der Stahlihen Theorie: das Leben
felbft müſſe man unterfuchen; dies gehe aber aus
dem harmonischen Zufammenwirten aller Organe
hervor, von denen jedes wiederum fein eigen»
thümfiches Leben habe. Der Chemie u. Phyſil
räumt er feinen Einfluß auf die Medicin ein.
Jedenfalls ift in feiner Lehre viel Willkürlichkeit
euthalten. Thambayn.
Bordiamant, kryſtalliſirtes, diamantartiges
Bor; ſ. Bor.
Bordighera, Flecken in der ital. Prov. Porto
Maurizio (Piemont), am Meere, Eiſenbahnſtat.;
Dattelpalmenhain; 1688 Ew.
Börding, an den Öftfeeküften Bezeichnung
für Lichterichiff.
684
Bordogni, Marco, Sänger u. berühmter|(al® Generalftabschef erlafien) mit Verleumdungen
Gefanglehrer, geb. 1788 zu Bergamo; bildete ſich gegen die deutichen Truppen u. Großprablereien
Bordogni — Borelli.
in feiner Baterftabt bei Simon Mayr, fang erft| über fein Corps verbrämt waren, 1) Regnet.* 2) Lagai.
in den Kirchen, trat dann als erfter Tenoriſt in
den Theatern Del RL u. Garcano in Mailand u.
anderwärt® auf; 1819 wurde er bei der tal.
Bordoni, Fauftina, f. u. Haſſe.
Boreal (v. Lat.), nördlich, nordiſch.
Borẽkas (gr.), der Norbwind, eigentlich genaner
Oper zu Paris engagirt, ging ſpäter nah Spa-jder NNOWind, der über die Thrafiichen Gebirge
nien, wo er zu Barcelona eine Opet: La mascara
fortunata, jchrieb, nahm 1824 die ihm fon
früher angebotene Profeſſur am Parifer Eonier-
nad Hellas wehte u. heiteren Himmel u. reine
er Luft, aber aud Kälte, Schnee u. Hagel
rate. Die Mythe nennt den B., welcher ſtets
varorium als Gefanglehrer an v. befleidete die-|heftig u. gewaltfam erjcheint, einen Sohn des
selbe 32 Jahre lang mit feltenen Erfolgen. Unter |Ajträos und der Eos und den Bruder der Wind-
feinen Schülerinnen find die Damoreau, Sontag-|götter Notos, Zephyros u. Euros. Er wohnte in
Roſſi, Caccia, Dobre, Falcon u. A. Er ſchrieb
zahlreiche Geſangſtudien, unter denen 36 Sing-
übungen fir Sopran oder Tenor viel gebraucht
find. Eine große Gefangihule, die viele Jahre
vorbereitet war, fonnte er nicht mehr vollenden,
Er ft. 31. Juli 1856, Brambad.
Bordone, 1) Paris, geb. 1500 in Trevifo,
Maler der Benetianifhen Schule u. Schüler von
Tizian, der ihn, auf fein Talent eiferfüchtig, weg
geichiett haben ſoll, dann von Giorgone; bildete
jih dann einen eigenen Stil voll Grazie, ging
1538 nach Franfreih, wo er in die Dienfte des
Königs Franz I. trat; er ft. 1570 in Paris. B.
war bei, als Wolorift bedeutend. Gemälde in den
Galerien zu Wien (Venus u. Adonis, ein Frauen-
zimmer am Putztiſch u. a.) u. München; der Fiſcher
u. der Doge; der todte Chriſtus u, ein Abendmahl,
in der Afademie zu Benedig; die Sibylle von
Zibur, im Palafte Pitti zu Florenz; eine Heilige
Familie u. das Urtheil des Mariyas in Dresden;
die Schachfpieler, eine Maria, eine Venus u. a,,
im Muſeum zu Berlin. 2) Philipp Toufjaint
Joſeph, franz. Abenteurer, geb. 1. Nov. 1821
in Avignon, von Abftammung Premontefe; trat nad | Winde in Athen,
jeiner Ausbildung zum Dlediciner als Schiffs-
einer Höhle des Rhipäiſchen Gebirges, oder im
Thralien, oder im Kaufafos, Nah Thralien ent-
führte er ans Athen die Oreithyia, Tochter des
atheniſchen Königs Erechtheus, u. zeugte mit ihr
Zetes, Kalais (die Boreaden) u. 3 Töchter. Er
entführte auch Chloris, Tochter des Arkturos.
Die Nymphe Pitys erhörte ihn nicht; als fie den
Ban vorzog, fchleuderte B. fie an einen Felſen,
morauf fie in eine Fichte verwandelt wurde. Mit
den Stuten des Troers Erichthonios erzeugte er
als jchnelles Roß 12 Füllen; mit Erinnys das
Biergejpann des Ures; mit der Harpyie Adlo-
pus den Hengft Zanthos und die Stute Podarge.
Verehrt wurde er in Athen, weil er die Flotte des
Zerres, in Thurii, weil er eine gegen diefe Stadt
Er Flotte des Dionyfios zerftört, und im
Megalopolis, weil er bei einer Belagerung der
Stadt durch die Spartaner die Belagerungswert-
zeuge der legteren zertrümmert hatte. Sem Feſt
ın Athen: Boreasmi. Zu Trözene wurden ihm
Hähne geopfert. Er wurde dargeftellt mit ftarfem
Haare u. Barte, mit dichtem Kleide, weiten Mantel
u. der Tritonsmuſchel: jo auf dem Thurm der
Riefe.*
Boreel (Borel), Adam, geb. um 1603 in
chirurg in die franzöfifche Marine, nahm aber 1848) Zeeland; war Prediger, legte aber feine Stelle
feine Entlaffung, um der Politit zu leben. Seit
dem Gtaatsftreih 1851 widmete er fich wieder
mebicinischen Studien in Paris. Während des
Krimfrieges 1855 wieder als Chirurg in der fran—
zöſiſchen Marine thätig, beichäftigte er fih nad
Beendigung defjelben mit fortificatoriihen Stu⸗
dien und fchloß fi 1860 der Garibaldiihen Er-
pedition nah Sicilien u. Neapel an u. blieb von
da ab mit demfelben in engfter Verbindung, ließ
fi indeß grobe Betrügereien d Schulden kom—
men, die ihm eine dreimalige Berurtheilung durch
die Gerichte zuzogen. Nach dem Sturze des Kai—
jerreiches beftimmte er Garibaldi, der franzöftichen
Nepublit im Kriege gegen Deutichland feinen Degen
anzubieten, u. wurde, obwol nicht dazu befähigt,
deſſen Generafftabschef bei der nen zu organifiren«
den Bogefenarmee, dann jelbit General, Nach
dem Miplingen diefer Erpedition ins Privatleben
zurüdgetehrt, wurde er in Marfeille verhaftet we—
en angeblicher Betrligereien, aber bald wieder
ler a um im Juni 1872 wegen einer Ber-
leumbdung des Oberften Chanet vor den Geſchwo—
rennen zu erjcheinen, um ſchließlich doch freigeipro-
hen zu werben. Bon ihm erſchien: Garibaldi
et l’armde des Vosges, 4. A., Bar. 1874, 3 Bde.,
ein Buch, das ebenjo von Ülbertreibungen der Ber-
dienfte diefer Armee ftrotst, als feine Proclamationen
nieder, verließ die Kirche und fammelte 1645 in
Amfterdam einen Kreis zu religiöfen Privatan-
dachten. Er hielt die beftehende Kirche für eine
von Gott abgefallene u. ſprach den Geiftlichen das
Recht, die Kirchenzucht zu üben, ab; das geichrie-
bene Wort Gottes hielt er ohne Auslegung für ein
Mittel, den Glauben im Herzen zu entzünden. 8.
ft. 1668. Er jcr.: Ad legem et ad testimonium,
1645; Concatenatio aurea christiania, 1677; De
fraterna religione, 1664; Scripts postuma,
herausgeg. Cosmop. 1683, Löffler.*
Borel, Stadt im Kreife Krotofhin des preuß
Regbez. Pofen, nahe an der Obra; Schloß; Ger-
berei, Pottaſcheſiederei; 2020 Em,
Borelli, Giovanni Ulfonfo, geb. 28. Zan.
1608 bei Neapel; ward Profeffor der Mathematit
in Pifa, ging von da 1668 erft nach Mejfina, dann
nad Rom, wo er die Gunft der Königin Ehriftine
von Schweden erwarb u. 31. Dec. 1679 ftarb.
B. iſt Stifter der iatromathematiſchen Schule,
da er die Geſetze des Hebels auf die thierifchen
Bewegungen anwendete, Er fdhr.: Delle cause
delle febri maligne, Berona 1647 u. ö.; De wi
percussionis, Bologna 1667; De motionibus na-
turalibus a gravitate pendentibus, Reggio 16790,
Leyden 1686; Meteorologia aetnea, cbd. 1670;
De motu animalium (Hauptwerk), Rom 1680 f,,
Borenow — Borgheſe.
2 Bde., zulest Haag 1743;
Euclides restitutus, Piſa 1658; 183. Ausg., mit
Elementa conica Apollonii Perg. et Archimedis
opera nova, Rom 1659, u. überſetzte die 3 lebten
ücher der Konifa des Apollonios aus dem Nra-
biſchen ins Yateinifche, Flor. 1661. Spedit.*
Borenomw, Dorf im Kreife Lublinitz des preuß-
iſchen Regbez. Oppeln; bedeutende Eifenwerfe u.
Deraban; 1760 Em,
Doretius, Alfred, deutſcher Nechtsforicher,
geb. 1836 in Poſen; habilitirte fi nach abjol-
virten Gymmafial- u. Univerfitätsftudien. 1864 in
der juriftifchen Facultät der Univerſität Berlin,
1868 als ordentl,. Profefior des Staatsrechtes u.
ber deutichen Rechtsgeſchichte nach Zürich berufen,
ab er 1872 biefe Stellung freiwillig auf und
ehrte nach Berlin zurück, wo er, an der Redaction
der National» Zeitung betheiligt, eifrig an den
politiihen Kämpfen ver Gegenwart theilnahm.
1874 wurde er zu erneuter Lehrthätigkeit an die
Univerfität Halle berufen. Seine wiffenichaftlichen
——— erftreden ſich hauptſächlich auf das
ebiet der deutfchen Mechtsgeichichte: Die Capi—
tularien im Longobardenreiche, er 1864; Aus»
gabe des Liber Papiensis in Berg’ Monument.
germ. leg. Bd. IV., nebſt einer Vorrede fiber
die longobardiſche Nechtsichule, Hannov, 1868;
Beiträge zur Gapitularienfritil, Berl. 1874.
Borfluorid(Fluorbor, Borſuperfluorid; Chem.),
chemiſche Verbindung von Bor u, Flnor; chemiſche
Formel BFI,; farbloſes, erſtickend riechendes, an
feuchter Luft ſtarle weiße Nebel bildendes Gas;
löſt fh im Waffer aufßerordentliih leicht auf,
die Löſung zeriett fih aber allmählich, indem fich
Borjänre u. Borfluorwafferftoffiäure bildet. Es
entfteht, wenn man wafjerfreie Borfäure mit ge:
pulvertenm Flußſpath in einem Flintenlaufe zur
Weißgluth erhitzt, oder durh Einwirkung von
concentrirter Schwefelfäure auf ein Gemiſch von
geihmolzener Borfäure (oder Borar) u. Fluß-
ſpath. Hehzer.
orfluorwaſſerftoffſäure (Chem.), eine noch
wenig befanunte Verbindung von Bor, Fluor und
Waſſerſtoff (BFl, + HFI oder HBFI,). Ihre
wäfjerige Yöfung erhält man durch Abkühlung einer
verdünnten Auflöſung von Borfluoridgas in Waffer, franzöſiſche Prinzen.
indem ſich gleichzeitig Borfäure abſcheidet (4BFl,
+ 3H,0 = H,BO,-+3HBFl,). Hexer.
Borg (Bor), verichnittenes Schwein; das männ⸗
liche heißt Bierborg, das weibliche Sauborg.
Borgä, Stadt im finnländifchen Gouv. Nyland,
an einer Bucht des Finniſchen Meerbufens; Sit
eines lutheriſchen Bifchofs; Kathedrale; Gymnaſium
mit Bibliothel, Bädagodium; Rathhaus; lebbaite
Induſtrie; ziemlich bedeutender Handel; 3300 Ew.
Borgas, ſ. u. Burgas.
Borgentreich (Borgentryf), Stadt im Kreiſe
Warburg des preuß. Regbez. Minden; 1550 Em.
Borger, Elias Annes, holländ. Gelehrter,
geb. 26, Febr. 1784 zu Joure in Friesland; wurde
1807 Lehrer der bibliichen Eregefe in Yeyden, 1811
Profeffor der Theologie u. 1817 der griechiſchen
riteratur u. Geſchichte; fl. 20. Oct. 1820. Er
Ichr.: De mysticismo, 2. A., Haag 1818, deutſch
von Stange, Altona 1826; Evangelium Joannis
cum Matthaei, Marci et Lucao evangeliis com-
685
er gab heraus:|paratum, Leyd. 1816; De historia pragmatica,
* 1819; Leerredenen, 4. 4., 1825, 2 Bde.;
eine nachgelaffenen Gedichte herausgeg. Leyd. 1826.
Seine Biographie jchrieb van der Palm u. Tollens,
ebd. 1821.
Borgerhout, Marktfleden im Arr. u. der Prov.
Antwerpen (Belgien); fhöne Landhäuſer; Bleichen
u. Wollenzeugfabriten; 10,787 Em.
Borghefe, Name zweier berühmten Baumerfe
in u. bei Kom. Das ältere, der Palazzo B.,
führt jeinen Namen vom Papſt Paul V. (Borgbefe),
der ihn, nachdem der Bau gegen Ende des 16.
yeah. von Lunghi dem Alteren fiir den Cardinal
ezza begonnen, um 1610 von dem Mailänder
Flaminio Ponzio beendigen ließ. Nach der Form
des Baumerles erhielt es im VBollsmunde die Be-
zeihmung il Cembalo. Bon vorzüglicher Schön-
heit ift der dem inneren Hof umſchließende Borti«
cus, welcher von 96 gedoppelten Granitſäulen ge»
tragen wird. Im Erbgeichoffe befindet ſich eine
vorziiglihe Gemäldefammlung mit meift aus
der Blütheperiode der italienischen Malerei ftam-
menden Werten. Die Billa B., vor der Porta
del popolo gelegen, ließ Scipione Cafarelli, Neffe
Pauls V. (Borgheſe) u. nach diefem B. genannt,
zu Anfang des 17. Jahrh. erbauen u. mit präch—
tigen Barlanlagen, 3 Meilen im Umfang, umgeben.
Der Grund u. Boden gehörte ehedem der Familie
Genci, deren Gitter eingezogen wurden. Ihre Ber
rühmtheit erlangte die Billa B. durch die in ihr
aufgehäuften Kunftichäge, unter denen die Statue
eines Fechters nach ihr benannt wurde (ſ. Borghe-
ſiſcher Fechter). Die koftbare Sammlung dieſer
Meifterwerte entführte Napoleon nah Paris, in»
dent er den Befiger, Camillo B. (j. d.), feinen
Schwager, nöthigte, ibm diefelbe für 8 Dill. Fes.
zu überlafjen. Nur einen Theil derfeiben erhielt
8. 1815 zurüd, da die Kaufjumme nicht abge»
tragen worden war.
orgheje, fürftlihe römifhe Familie, aus
Siena ftammend; befigt die neapolitanifchen Für—
ſtenthümer Noffano u. Sulmona u. große Güter
in der Campagna di Roma. Die B. wurden
1605 Fürſten von Sulmona und Granden von
Spanien, 1684 Fürſten von Roffano und 1805
Bon Bedeutung ift, außer
Camillo, welcher als Paul V. Papft wurde (i.
Paul): Camillo Filippo Ludovico, geb.
19. Juli 1775 in Rom; trat 1796 in franzöftfche
Dienfte, wandte ſich nad Frankreich, zeigte viel
Anbänglichleit an Napoleon, heirathete 1803 deſſen
Schwefter Pauline, Wittwe des Generals Leclerc,
wurde 1804 frauzöſiſcher Prinz, 1805 Chef einer
Escadron der Kaijergarde u. Divifionsgeneral, er⸗
hielt 1806 das Herzogthum Guaftalla, das er je-
doch bald wieder gegen 4,800,000 Fes. abtreten
mußte, wurde 1808 Beneralgouvernenr jenjeits der
Alpen, al8 welcher er feinen Aufentbalt in Turin
nahm, u. 1809 Obercommandant der 27. u. 28.
Militärdivifion. Nach der Abdankung Napoleons
trennte er fich vom feiner Gemahlin u. iiberbaupt
von jeder Berbindung mit den Bonaparte. 1815
befam er bie Kunftwerfe der Billa Borgheſe, welche
er halb gezwungen an Frankreich für 3 Millionen
Fes. in Retionalgiitern in Piemont verkauft hatte,
wieder, ſoweit er den Preis dafür nicht empfangen
686
hatte, da ihm Sardinien jene Güter wieder nahm. |
Er lebte feit 1818 in Florenz, wo er 10. April‘
1832 ftarb. Sein Bruder Francesco, Fürſt
Adobrandini, geb. 9. Juni 1776 in Rom; trat
1808 in franzöfiiche Dienfte, wurde 1809 Oberft
eines Güraffier-Regiments, bei Wagram vermun-
det, General u. franzöfiiher Prinz. Nah 1814
ging er nach Florenz u, lebte abwechſelnd in Jta«
lien u. Frankreich; er beerbte feinen Bruder und
ftarb 29. Mai 1839 in Rom. Er war jeit 1309
mit der Gräfin Adele v. Rochefoucauld vermäblt.
Bon jeinen Söhnen folgte ihm Marco Antonto,
geb. 23. Febr. 1814 in Paris; der zweite Sohn,
Samillo, Fürft Aldobrandini, geb. 16. Nov. 1816,
war vom 10. März bis 3. Mai 1848 Kriegs—
minifter in Nom; der dritte, Scipio, Herzog
v. Salviati, geb. 23. Juni 1823.
Borghefi, Bartolomeo, Graf, italieniſcher
Alterthumsforicher, geb. 11. Juli 1781 in avi»
gnano; ftudirte die Alterthumswiſſenſchaften, grün«
dete im feiner Vaterſtadt die Accademia Savigna-
nese, orbnete Münzjammlungen in Mailand und
im Vatican und lebte feit 1821 in der Hepublif
San Marino, wo er Podeita wurde u. 10. April
1860 ftarb. Sein Hauptjeld war die Epigraphif,
Er ſchr. u. a.: Nuovi frammenti dci fasti con-
solari capitolini, Mail, 1818—20, 28be,; Delle
gente Arria romana, ebd. 1817; Sulla notizia
di aleuni diplomi imperiali di congedo militare,
ebd. 1817. Auch ee er Beiträge zu Forcellinis
Lateiniſchem Feriton und war Mitbegründer des
Giornale arcadico. Seine fämmtlihen Werte
ließ Napoleon III. herausgeben, 8 Bde., Par.
1862 — 73,
Borghefischer Fechter, griechiiches Bildiwert
des Agafias von Epbejos, im Louvre ⸗Muſeum zu
Paris; der linfe Fuß wie zum Sprunge vorge»
jet, der linke Arm zur Bertheidigung vorgeftredt,
das Auge nach dem Gegner erhoben; alle Mus-
teln find kräftig u. zeigen Leben u. Bewegung.
Es ftellt am wahrfceinlichiten einen Krieger dar,
der fi gegen einen Neiter vertheidigt. Der B.
wurde in Antium aufgefunden, u. fein Name rührt
davon her, daß er ehedem in der Billa Borgbeie
aufgeftellt war, von mo er mit anderen Kunſt—
ihäßen nah Paris fam. Er ift faum vor der
römischen Kaiferzeit entftanden u. ſomit zur glei:
chen Zeit mit dem Laokoon u. Farneſiſchen Stier.
Doc zeigt fich hier nichts von dramatischen Pathos,
fondern nur das Streben, durdy Überwindung der
großen technischen Schwierigkeiten zu glänzen, wes—
balb der B. F. mehr als eine Frucht der Berechnung
u, des techniihen Wifjens, als freier künſtleriſcher
Schöpfungskraft erſcheint. Reguei.*
Borghi, Giuſeppe, ital. Dichter u. Gefchicht:
fhreiber, geb. 1790 zu Bibbiena in Toscana;
jchrieb Hymnen u. Gefänge nad der Art Manzo-
nis, Commentare zu Dante u. Petrarca u, eine
allgemeine Geſchichte Jtaliens, deren Vollendung
dur feinen Tod zu Nom 1847 unterbrocden
wurde. Poesie complete, Palermo 1867.
Borghi-Wamo, Adelaide, Opernjängerin,
geb. 9. Aug. 1830 in Bologna; Schülerin der be»
rühmten Altiftin Maria Feſta; debütirte Dec.
1846 in ZI Giuramento u. errang in Urbino u.
verjchiedenen anderen italienischen Städten großen!
Borghefi — Borgia.
Beifall. 1849 verbeiratbete fie fihb in Malta mit
Mamo, trat 1851 auf dem San-Garlo- Theater zu
Neapel, 1853 in Wien auf u. wurde fodann ım
Paris von 1854—56 für die italienische, bierauf
für die Große Oper engagirt. Ihr prächtiger
Gontraalt hat mehrere Componiften, jo Mercadante
u. Pacini, veranlaft, eigene Partien für fie zu
ſchreiben. Das jehr reichhaltige Repertoire Der B.
umfaßt: Don Pasquale, Sonnambule, Generentola,
Königin von Cypern, Barbier von Sevilla, Fa—
voritin, die Jtalienerin in Algier, Trovatore, Maria
de Rohan; Gabriela de Veray xc. Kürichner.
Borgholm, befeftigtes altes Schloß auf der
friiher dänischen, feit 1645 ſchwediſchen Küfteninfel
Dland, das in der Kriegsgeichichte früherer Jabr-
hunderte oft genannt wird. Seitdem umgebaut,
wurde B. 1817 zur Stadt erhoben, die einen guten
Hafen hat, aber faum 800 Em. zählt.
Borgholzhauſen, Stadt im Kreife Halle des
prenß. Regbez. Diinden; Zabaf- und Leinwand-
fabrilation; bedeutender Handel mit Yandespro-
ducten: Butter, Schinfen zc.; 1085 Em. Hier ſoll
der Tempel der heidniſchen Göttin Tanfana ge-
ftanden haben; ein Theil der Stadt heißt noch
TZanfana. Dabei die Huinen des Stammichlofies
der Grafen von Havensberg.
Borgia, edles, uriprünglich fpaniiches, im 15.
Jahrh. nah Italien übergefiedeltes Geſchlecht, wo
es zu großem Anfehen gelangte, Aus ibm:
1) Alfonfo, Mitglied des Geheimen Rathes des
Königs Alfons von Aragonien, dann Biſchof von
Balencia; ward 1455 zum Papfte gewählt und
nannte fi Calirtus III.; diefer veranlafte feine Fa»
milie zur Überfiedelung nah Jtalien. 2) Rodrigo
Tenzuoli B., Schwefterfohn des Vor.; wurde 1492
als Alerander VI. (j. d.) Papft. 3) Giovanni,
Sohn des Bor. u. der Vanozza (Giutia Farneſe);
erhielt von König Ferdinand von Spanien das
Herzogthum Gandia in Balencia u. von jeinem
Bater 1497 das Herzogthum Benevent und die
Srafichaften Terracina u. Bontecorvo. Deshalb,
wie auch wegen der Yiebs feiner Schweiter Yucrezia
zu ihm, wurde fein Bruder Ceſare eiferfüchtig auf
ibn, ließ ihn 1497 ermorden u in die Tiber wer»
jen. 4) Gefare, Herzog von Balentinois, Bru—
der des Bor. u. 2. Sohn von B., 2) ebenjo groß
durch jeine trefflihen Anlagen, wie durch Later;
wurde Biihof von Pamplona, 1493 Gardinal,
erhielt aber nad der Ermordung feines Bruders
Biovanni die Erlaubniß, aus dem geiftlihen Stande
zu treten. Seine Bewerbung um die Tochter des
Königs Friedrih von Neapel, um dadurch ein
Erbrecht auf Neapel zu erhalten, wurde zurüdge«
wiefen; dagegen erhielt er bei einer Gefandtichaft
nah Paris an Ludwig XIL. 1498, um diefem den
Scheidungsbrief von feiner Gemahlin zu bringen,
die Stadt Valence, unter dem Titel eines Herzog-
thums Balentinoi, u. 1499 die Hand der Charlotte
von Albret, aus dem Haufe Navarra; er begleitete
nun Ludwig XII. zur Eroberung von Mailand,
u. diefer gab ihm Truppen, mit denen er fich der
Romagna bemädhtigte, worauf er von feinem Bater
1501 zum Herzog der Romagna erhoben murde
u, das Fürſtenthum Piombine, das Herzogtbum
Urbino u. Camerino an ſich ri. Als er felbft feine
Anhänger unter den italien. Fürſten nicht fchonte,
Borgis — Borgnet.
vereinten ſich dieſe gegen ihn; er aber wußte ſie zu
trennen u. die meiſten in ſeinen Dienſt zu locken,
worauf er die anderen Ende 1502 nach der Schlacht
bei Sinigaglia verbaften u. hinrichten ließ u. ſich
ihrer Länder bemächtigte. Kurz darauf ftarb fein
Bater, Papſt Alerander VI., 1503, und zugleich
wurde B. der gleichzeitig mit feinem Bater Gift
genofjen hatte, gefährlich frank; er war daher nicht
im Stande, gehörige Maßregeln wider feine von
allen Seiten fich gegen ihm erhebenden Feinde zu
treffen, wurde vom Papft Julius II. gefangen
genommen u. nach Spanien in das Schloß Medina
del Campo gebracht, von wo er jedoch nach zwei
Jahren ai. Navarra entlam. Hierauf z0g er
gegen die Gaftilianer u. wurde 12. März 1507
vor dem Scloffe Biana erfchoffen. Bei aller fitt-
lihen Berderbtheit liebte er die Wiffenfchaften u.
war fehr beredt. Ein Bild von ihm gab Ma—
hiavelli in feinem Principe. Lebensbeihreibung
von Tomaffi, Montechiaro 1670, franzöfifch, Amft.
1739, aud Berl, 1782, Bol. Artand de Montor,
Macchiavel, son génie et ses erreurs, Par. 1832.
5) Yucrezia, Schweiter der beiden Vor., zuerft
1493 mir Giovanni Sforza, Fürſten von Pelaro,
vermäblt, der fich von ihr mußte fcheiden laffen,
weil ihr Vater u. Bruder Verſchwägerung mit dem
neapolitanischen Königshauſe anftrebten; fo wurde
fie 1498 an Alfons von PBiscaglia, natürlichen
Sohn des Königs Alfons II. von Neapel, u., als
diefer 1501 von ihrem Bruder Gefare ermordet
worden war, an Alfons von Eſte, jpäter Herzog
von Ferrara, verheiratbet; fie ft. 1520. Sie war
eine ſchöne u. wie man früher glaubte, die aus-
ſchweiſendſte Frau ihrer Zeit, doch beförderte fie
Künſte u. Wiſſenſchaften. Neuere, jo Roscoe, Noyer
Collard, Gilbert, Gregoropius u, A., bezweifeln
ihre Nuchlofigleit u. die von ihr erzählten Gräuel.
Victor Hugo hat den Stoff zum Sujet eines
Trauerfpiel® (1832) benutzt. Das befte über fie
ſchrieb Öregorovius, Lucrezia B., 1. u. 2. Aufl.,
Stuttg. 1874. 6) St. Francesco, Sohn von
B. 3), Herzog von Gandia u. Grand von Spa-
nien, geb. 1310 in Gandia; wurde 1540 Bicelönig
von Gatalonien, nad dem Tode feiner Gemahlin
1548 Jeſuit u. 1565 dritter General des Ordens,
als welcher er das Miſſionsweſen verbefferte und
viel für Hebung des Unterrichtes that; er ft. 12. Oct.
1572 in Rom und wurde 1625 fanonifirt. Er
fchrieb mehrere aftetiihe Bücher in fpanifcher
Sprache, welche der Jeſuit U. Deza ins Lateinifche
überjette, herausgegeben Antw, 1598. Yebensbe-
fchreibungen von A. Schottus, Nom 1596; von
Gepari, Rom 1624; Abrege de la vie de St.
Franc. de Borgia, Bar. 1671. 7) (Borja) Fran-
cesco, Fürft von Squillace, Eufel des Vor. u.
Sohn des Grafen Giovanni B. von Ficalho;
wurde 1614 Bicelönig in ‘Peru, kehrte aber nad
Philipps III. Tode 1621 nah Spanien zurid,
lebte den Wiffenfchaften u. der Poeſie u. ft. dafelbft
1658. Er fhr.: Obras en verso, Madr. 1639,
Antw. 1654 u. 1664; das Epos: Napoles recu-
perada por el rey Don Alonso, Sarag. 1651;
Oraciones y meditaciones de la vida de Jesu
Christo, Brüff. 1661. 8) Aleſſandro, Nach—
fomme des Vor., geb. 1682 im Belletri; wurde
687
in Köln, fehrte 1713 nah Rom zürüid u. wurde
Gouverneur von Aſſiſi, 1716 Bifchof von Nocera u.
1724 Erzbiihof von Fermo; fl. 1764. Er ſchr.:
Istoria della chiesa e eitta di Villetri, Nocera
1723; Vita Benedicti XILL., Rom 1741; Omelie,
Fermo 1749—59, 3 Bde. 9) Stefano, Neffe
des Vor., geb. 3. Dec, 1731 in Belletri; wurde
1759 Gouverneur von Benevento, 1770 Secretär
der Propaganda, 1789 Eardinal u, Oberaufjeher
der Findelhäuſer; ward bei dem Ausbruche der
Revolution im Kirchenſtaate 1797 mit der Leitung
der Regierung betraut, verließ aber 1798 Rom
u. lebte in Padua, mit gelehrten Studien beicäf-
tigt; fehrte dann mit Pius VII. nah Rom zurüd
u, tarb 23. Nov. 1804 in yon, im Begriffe, mit
dem Papfte nad Paris zu reifen. B. war ein auf«
geflärter u. gelehrter Mann; er gründete durch die
Ihon von feinem Oheim begonnenen Sammlungen
von Alterthümern das berühmte Mujenm B.
in Belletri, welches er allen Gelehrten zur Ber
nußung öffnete. Schriften: Monumento di Papa
Giovanni XVL, Rom 1750; Breve istoria dell’
antica cità di Tadino nell’ Umbria, ebd. 1751;
Memorie istoriche della eittä di Benevento, ebd.
1763—69, 3 Bde.; Breve istoria del domino
temporale della sede apostolica nelle due Sieilie,
ebd. 1788. Seine Lebensbeichreibung von Pao-
lino von S. Bartolomeo, ebd. 1805. Die Fa—
milie B. befteht jetst noch im Velletri. *agai.*
Borgis ift die Schrift, welche genau auf neum
Punkte gegoffen ift. Namentlich findet diefe Drud-
Ichrift Verwendung bei Zeitungen. Sie fteht im
Grade zwiihen Petit u. Garmond u. wird vielfach,
je nach Wunjch des Auftraggebers, aud auf Petit-
u. Garmondkegel gegoffen. Die Etymologie des
Wortes it zweifelhaft: B., Burgis, Borgois,
Bourgeois ift die Schreibart in Deutjchland,
In Frankreich ift der Ausdrud in der Druderei
als ſolcher unbekannt.
Borgnet, 1) Charles Joſ. Adolphe, bel—
—* Geſchichtſchreiber, geb. 28. März 1804 in
Namur; widmete ſich in Löwen dem Studium der
Rechte u. pralticirte ſeit 1826 in feiner Vaterſtadt
als Advocat; nachdem er hier ſeit 1830 Inſtruc⸗
tionsridhter am Gerichtshofe geweſen war, erhielt
er 1837 einen Ruf als Brofeffor der Geſchichte
nad Lüttih. Er fchr.: Lettres sur la r&volution
brabansonne, Brüff. 1834, 2 Bde.; Histoire des
Belges ä la fin du 18, siecle (während der fran-
zöſtſchen Beſetzung), ebd. 1844, 2 Bde., 2. Aufl.,
1861; Guide de voyageur en Ardennes (unter
dem Pſeudonym Jerdme Pimpurniaur), ebd. 1856
fi., 2 Bde., 2. A. 1858; Hist. de la revolution
liögoise de 1789, Lütt. 1865, 2 Bde., u. gab in
der Sammlung der Chroniques nationales die
Suite de Chevalier au cygne u. Godefroy de
Bouillon, 1859, die Chronique de Jehan de
Stavelot, 1861, und die Chronique de Jehan
d’Outremeuse, 1864—1869, 3 Bde., beraus.
2) Jules, Bruder des Vor., Staatsarchivar in
Namur u. Profeffor am Athenäum dafelbit, geb.
um 1810; er jcdhrieb: Histoire du comte de
Namur, Briüff. 1848; Promenades daus Na-
mur, Nam. 1859, und gab in der Sammlung
der Urkunden zur Geſchichte der Provinz Namur
1706 Generalanditor bei der päpitlihen Nuntiaturiden Cartulaire de Bouvignes, Nam. 1863, 2 Bde,,
688
Borgo — Borja.
u. Cart. de la commune de Fosse, ebd. 1867, |hafte ponyartige Pferde. In den dichten Wäldern
heraus.
Borgo (Bozzo di B.), Graf, ſ. Pozzo.
Borgo di Bal Eugana, Flecken im gleich
namigen Bezirke (Tirol); Bezirtshauptmannichaft,
Bezirksgericht; Schloß; 4843 Em. Erftürmung
der öfterreihiihen Schanzen durch die Italiener
22. Juli 1866.
Borgoforte, Heine befeftigte Stadt im der ital.
Prov. Mantua (Lombardei), am Po, Eifenbabn-
ftation; Paß dabei; Eitadelle; 3900 Ew. 1212 ge»
„baut, wurde B. Ende 1702 von den —
den Oſterreichern abgenommen; 25. Oct. 1796
fiegten bier die Franzofen über die Ofterreicher,
u. 17. Juli 1866 wurde die öfterreichiiche Bejat:
ung von den Italienern beſchoſſen u. mußte fi
nah Mantua zurüdziehen.
BDorgognöne (eigentlich Ambrogio Fofjane),
Hiftorienmaler der Mailändiihen Schule, um 1482
bis 1535. B. hing noch an der alten Weiſe; feine
Fiquren find mager, jein Faltenwurf fteif, wäh—
rend fih dagegen feine Köpfe durch Schönheit,
Grazie u. Wahrheit auszeichnen. Bon ihm 2 Fres⸗
cobilder in der Kirche S. Ambrofio: ein auferftan-
dener Chriftus zwiſchen 2 Engeln u. Ehrifti Streit
im Tempel mit den Kirchenlehrem; Maria auf
dem Threne zwiſchen 2 Engeln, im Berliner Diu-
ſeum, u. a.
Borgomanero, Fleden im Diftr. u. im der
ital. Prov, Novara (Piemont), an der Agogna u.
der Eifenbahn Arona-Novara; Weinbau; yabrifen;
8731 Em.
Borgoprumd, Fleden im ehemal. Kreife Biſtritz
in Siebenbürgen, am gleichnamigen, 1200 m hohen
Paſſe iiber die Karpatben in die Bulowina; 1700 Ew.
Borgo San Dalmazzo, Stadt im Diftr. u.
in der ital, Prov. Cuneo (Piemont), am Geffo u.
an der Paßſtraße des Eol di Tenda; ehem. Bene-
Dictiner-Abtei ; Kupfer» u, Eifenhämmer; 4122 Ew.
Sieg der Ofterreicher über die Franzofen 10. No-
vember 1794.
Borgo San Donnino, Hauptftadt des gleich.
namigen Diftr. in der ital. Prov. Parma, am
Sturone u. an der Eifenbahn der Emilia; Biſchof;
Seidenipinnerei; 10,855 Em.
Borgo San Rorenzo, Gemeinde in der Prov.
u. dem Bezirke Ylovenz; 12,086 Em.
Borgu, 1) Diftrict der öftl. Tibbo der Sa-
bara, zwischen Fezzan u. Wadai; ift voll Felſen⸗
berge, unwegſam, wafferarm, zum Theil jandig.
Die heidnifhen Bew., die auch in den größeren
Orten Meno u. Butar el Omjan wohnen, treiben
Handel u. einige Jnduftrie in Eifen, Kupfer, Leder
und Thon. 2) Ausgedehnte Landichaft auf der
WSeite des Niger, Nuffy gegenüber; grenzt im
N, an Gurma, im S. an den Mufjafluß und
die Reihe Egga und Jorriba, im SW. an Da-
bomeb, im DO. an den Niger, im W. an das Neid
der Fellata zwifhen Kong u. Niger. Der Boden
ift theilweife gebirgig, in den Flußthälern von
anferordentliher Fruchtbarkeit u. parlartig. Der
Niger ift feenartig breit, voll Waldinfeln, hat am
Ufer viele Ortichaften, aber au Silmpfe; Korn:
u. Durrabfelder umſäumen ihn.
Korn, Indigo, Baummolle, Pamsmurzeln, Bananen,
Citronen, Geflügel, Bienen, Rindvieh u. dauer-
am Niger u. Kiama leben Elefanten von unger
beurer Größe u. Raubtbiere; im Fluſſe Krofodile,
Flußpferde u. viele Fiiche. Die Bewohner waren
uriprünglic die Gambries, die in die Wälder zu-
rücgedrängt find, dann wanderten Fellata und
jpäter die jetst herrichenden Neger vom Yarribas
ftamme ein, deren Eigenfhaften von Europäern
gelobt werden. Die Fandichaft zerfällt in eine
enge größerer u. Heinerer Staaten (Nili, Buffa,
Kiama, Wamwa, Lugu u. a.), weldye ſämmtlich zum
Buffa in einer Art Feudalverhältnig ftehen. Die
Verfaſſungen find erbliche Monarchien, die Ober-
häupter u. die Jorribas find mohammedaniſch,
Cambriès u, Fellata heidniſch. Die bedeutenderen
Städte find Kıama, Bumbum, Kiſchi (auf fteilem
Felſen) Niki, Buffa, Comie, Uaua, der ichönfte
Ort in Inner-Afrifa u. a. Hamdeläftraßen geben
von Fezzan nah B. durch die weftl. Tibbo, mie
die füdöftlihe Straße nah Bornu führt; ſ. u.
Sudan. Bgl. Nahtigals Reifeberichte in der Zeit-
ſchrift für Erdkunde. Fr. Körner.*
Borinage, Name eines hauptjächlich dur
Steinfohlenerzeugung ſich auszeichnenden Lanb-
ftriches in der belgischen Provinz Hennegan, füdl.
von Mons.
Boris, I. Ruſſiſche Fürften: I) B. ältefter
Schn Wladimirs I.; war bei dem Tode feines
Baterd 1015 auf einem Zuge gegen die Petiche-
negen abmwejend, daher fette fih Smwätopolf auf
den Thron u. ließ B. in demfelben Jahre er-
morden. 2) B. Goͤdunow, Schwager des Ezars
— J.; der gewaltigſte unter den 5 Machtha—
ern, welche für den ſchwachen Czar die Regierung
führten, ſchwang er ſich zum Reichsverweſer auf,
führte vollftändig die Regierung und beftieg nad
Feodors Tode, da der Stamm Rurils mit diefem
u. feinem ſchon 1591 von B. durd Gift bejeitigten
Bruder Demetrius ausgeftorben war, 1. Septbr.
1598 den ruffiihen Thron. B. ein höchſt laumen-
bafter Fürſt, bald äußerit herablaſſend, bald unge-
mein jtolz u, hart u, fpäter in feinem Mißtranen
u. Argwohn überaus graufam, ft. 23. (13.) April
1605 zu Moskau; über ibn ſ. Ruffiihes Neid.
II. Prätendent von Ungarn: 8) B., angeb-
ih ein Sohn des Königs Coloman von Ungarn;
juchte vergebens den König Geifa II. 1145 umd
1147. vom Thron zu ftoßen; f. Ungarn (Geich.).
Er ftarb in Conftantinopel. Lagai.*
Boriffoglebäf, Kreisftadt im ruſſ. Som.
Tambow, am Einfluß der Worona in den Scho—
per, in frudhtbarer Gegend; Getreide: u. Wieh-
handel; Stat. der Eifenbahntinie Orel · garizyn
el m yon der projectirten, durch die obere
Schoper-Niederung über Balaſchow zur Linie
Tambom-Sfaratomw fiihrenden Eifenbahn; 12,254
Em. Nicht zu verwechſeln mit Romanom-Borifjo-
glebaf im Show. Farofflam.
Boriſſow, SKreisftadt im ruf. Gouv. Minst,
an der Berefina, Station der Eifenbahn Smo—
lenst-Minst; (1872) 6954 Ew. In der Näbe,
beim Dorfe Studienfa, fand 26. und 27. Nor.
1812 der Übergang der franzöfiihen Armee über
Producte: Neis,|die Berefina ftatt.
Borja, Stadt in der jpan. Prov. Saragofla,
am Huelcha; Schloß; Flahsbau; Fundert vor-
Börjeffion — Borfenfäfer.
züglicher Feuerſteine; 5500 Ew.; Stammort der
milte Borgia, daher fich auch bef. Francesco
3* Borja nannte,
örjeflon, Johan, ſchwed. Dichter, geb.
22. März 1790 in einem Dorfe in Bohuslän;
ftudirte feit 1808 in Upfala Theologie u. wurde,
nachdem er andere untergeordnete geiftliche Amter
verwaltet hatte, 1828 Harrer zu Wedholm in
Upfalalän; er ft. 5. Mai 1866 in Upſala. B. ge»
hörte als Dichter zur Schule der Phospboriften
u. fchrieb außer lyriſchen Gedichten (Karläk och
poesie) u. dem Iyrifch » didaltiſchen Gedichte Ska-
pelsen: die Dramen Erik XIV., 1846, deutich
von Winterfeld, Berl. 1855, u. Ur Carl XII.
ungdom, 1858, u. die Trauerfpiele Erik XIV,
son, 1847; Solens junker, Gustav I. sista dagar,
1856; Brödra skulden, 1861; En statshälfning
i Rom, 1866,
Borf, ſ. Borde.
Borfe, j. Gewebe.
Borfelo, Stadt im Bezirfe Zütphen der nie-
derländ. Prov. Geldern; 1300 Ew. B. ift Haupt-
ort einer Herrichaft, die 1385 durch Heirath in
Befit der Herren v. Brondorft fam u. nad) deren
Aussterben Anlaß zum Streite zwifchen den Gra-
fen von Styrum u, Limburg u. dem Bifchof von
Geldern gab; deshalb fam es 1665 zum Kriege
zwiichen den Holländern un. dem Bifchof, u. im
trieben 1666 zu Kleve wurde den Holländern die
berberrichaft zugeſprochen. 1672 eroberten es
Die Franzofen, mußten e8 aber im Frieden 1674
wieder räumen,
Borken, 1) Kreis im preuf. Regbez. Münſter
(Weftialen); 649, [km (11, t): 40,335
Em.; von 9,,, km der Paris-Hamburger Bahn
durchſchnitten; gemellter, zum Theil mooriger
Boden, zum Anbau von Flachs u. Getreide ge-
eignet, wenig Wald; bedeutende mechan. Weberei.
2) Kreisitadt darin, an der Ha; bedeutende Lei-
nenmeberei, mehrere mechaniſche Fabriken, 2
Eichorienjabrifen; 3066 Ew. 3) Stadt im Kreife
—— des preuß. Regbez. Kafſel, an der Olms-
ab u, der Main-Wefer-Bahn; 1200 Em.
Borfenfledyte (Hernes crustaceus), Haut»
krankheit, bei welcher fich fleine Blafen bilden,
welche Feuchtigfeit aus der Haut anziehen. Cie
verbärten zu feften Kruften, unter denen ſich eine
ſcharfe Materie abfondert, u. binterlaffen, wenn
die Borken nicht von Zeit zu Zeit abgeweicht wer«
den, häßliche Narben.
Borfenfäfer, I. Bostrychidae, Inſectenfami-
fie aus der Ordnung der Käfer, Unterordnung
der Berborgenfünfgliederigen; Heine, unanfehnliche
Käfer, melde in 70 Gattungen und etwa 750
Arten befannt find; Geftalt gedrungen walzen-
förmig; Kopf fugelig did, auf der Stirn flach,
tief in das Halsſchild eingefentt; von den Mund—
werfzeugen äußerlich nur die fräftigen, hornigen
Oberkieſer fichtbar; Augen flah, nierenförmig,
in deren Ausbuchtung die kurzen, getnieten Füh—
fer, an denen Schaft, Geißel u. Endknopf zu un—
terfcheiden ift; Halsſchild gemölbt, meijt länger
als der halbe Körper; Flügeldeden den fünf
- ringeligen Hinterleib vollftänbig bededend; Larven
weiblich, geftredt, walzenförmig, ſchwach behaart.
Die Käfer fliegen bei warmem Wetter an ihnen Lothgang, einfach fenfrecht verlaufend, 3.
Bierers Univerlal:Eonverfations:?erifon. 6. Aufl. II. Band,
689
zufagende Baumfiellen, nagen einen etwas nad
oben gehenden Gang in die Rinde, ermeitern
häufig, im Bafte angelommen oder auch auf dem
Splint, den Gang zu einer Meinen Kammer (Ram-
melfammer), in welcher die Begattung vor ſich
gebt. Bei vielen Arten wird jedoch das mit dem
Vorberförper in dem Bohrloche ftedende Weibchen
vom Äußerlih auf der Rinde figenden Männchen
befruchtet. Alsdaun nagt das Weibchen vom Boden
des Eingangsloches, beziiglih von jener Kammer
aus, einen horizontalen oder verticalen Gang,
oder mehrere dergleichen, bald mehr im Bafte,
bald mehr im Splinte liegende Gänge u. belegt
diefe (Muttergänge) in abwechſelnd rechts u. links
in deren Wände genagten Grübchen mit Eiern.
Bei erheblicher Länge des Mutterganges nagt der
Mutterfäfer noch einige wenige Suftlöcher, die
bom Gange —— zur Außenwelt führen.
In ſeltenen Fällen legt er die Eier ungeordnet
haufenweiſe ab. Bald darauf ſtirbt der Käfer.
Sein Fraß u. Schaden iſt verhältnißmäßig gering
anzuſchlagen gegen den ſeiner Brut. Die aus den
Eiern geſchlüpften Larven freſſen nämlich in der
Regel jede für ſich einen beſonderen, von dem
Muttergange ſich mehr u. mehr entfernenden u.
an Weite zunehmenden Gang (Larvengänge) wo—
bei fie jeder Berührung mit benachbarten Gängen
jorgfältigft ausweichen. Wenn die Larven erwäch—
fen find, nagen fie fih am Ende ihres Ganges
eine längliche Höhle (Wiege) aus, im welcher die
Verpuppung vor fi) geht. Die gehörig erftarkten
Käfer bohren fih dann fpäter durch die Rinde
zur Außenwelt, jo 3. B. der achtzähnige Fichten-
bortenfäfer. Waren die Eier haufenweife zuſam—
men abgelegt, dann bleiben auch die Parven in
einem gemeinfamen Fraßraume zuſammen und
verpuppen fich auch in diefem. Die ausgefallenen
Käfer durchwühlen den Raum u. nagen ſich ins
Freie (jo 3. B. der gemeine Fichtenbaftfäfer).
Zahlreiche Arten weichen von dieſer Lebensweiſe
ab; bei ihnen (3. ®. bei den Holzborfenfäfern)
nagt fi der Mutterfäfer in einem gerade ver«
laufenden Gange mehr oder weniger tief in das
Holz hinein; feine Eier legt er einzeln in Heine,
mit einander abwechſelnde Grübchen, od. gruppen«
weiſe in Heineren Häufchen. Die Larven freffen
dann nur jehr kurze Holzgänge. Alle diefe Gänge
zeigen fi fehr bald mit dem Gewebe eines
ſchwarzen Pilzes überzogen, welcher in den Saft«
ausiheidungen der Käfer u. ihrer Wohnpflanzen
die Bedingungen zu einer fräftigen Entwidelung
findet u. ſich Daher dort mit Leichtigfeit anfiedeln
fann, Diejenigen Holzborfenfäfer, welche in ſchwä—
cheren Stämmen leben, tödten die von ihnen
befallenen Pflanzen. In ftärferem Holze find fie
aber nicht jo ſehr phyſiologiſch, als technisch jchäd-
(ih: fie tödten ihre Wohnpflanzen zwar nicht
mehr, aber fie durchlöchern das Holz * daß es
für techniſche Zwede oft gänzlich entwerthet iſt
und nur als Brennmaterial Verwendung finden
fann. Geſtalt, Länge, Anzahl und Verlauf der
Gänge ift für die einzelnen Arten äußerft aral«
teriſtiſch. Nach Richtung u. Anzahl der zujam«
mengehörenden Miuttergänge bat man zu ihrer
Eharafterifirung folgende Bezeichnungen Je
. beim
44
690
Borfenfäfer.
Waldgärtner u. beim fechszähnigen Fichtenborfen-) Stehenlaffen von paffenden Stämmen, yangbäu-
läfer;
fach, |
nen bunten Erlenbaftläfer, jeltener doppelarmig,
z. 8. bei manden Holzbortenläfern; Sterngang,
bat von der Rammelkammer ausgehend mehrere
nach verjdiedenen Hichtungen verlaufende Mut⸗
tergänge, ſo beim achtzähnigen u. beim zweizäh—
nigen Fichtenborleutkäfer; Leitergang, Holzgang
mit kurzen, ſenkrechten Nebengängen, z. B. beim
geſtreiften Holzbortentäfer; Familtengang gemein»
ſchaftlicher Fraßgang für alle Yarven, 3. B. beim
größten Fichtenbaſtkäfer; Gabelgang, gabelige
Zheilung eines Holzganges, 3. B. beim ungler
chen Holzborfenfäfer; endlich unregelmäßige Gänge,
welche fich nicht näher kennzeichnen laffen, z. B.
beim krummzähnigen Tannenborkenkäfer. Auch
die Yarvengänge bieten ihre eigenthümlichen Dierk:
male: bald find fie fein, bald weit, gedrängt, zahl»
veich, ſehr lang oder grob, kurz, weitſtändig,
lüdig u. f. w. Nadelhoiz wird von den B-n
weit mehr befallen und bewohnt als Yaubholz,
Sträucher od. gar Kräuter bleiben faft von ihnen
verſchont; einige find ausichließlih auf altes Holz,
Wagegang, borizontal, und zwar meift ein-|men, welche zum Anfluge der Käfer geeignet find,
z. 9 beim Heinen Kiefernbaftläfer u. klei-, in denen ſich die Brut alſo gleichſam concentrirt
und welche dann im Frühjahre, bevor ſich bie
erjien Puppen zeigen, gefällt, entrindet u. weg⸗
geichafft werden. 4. Fanggräben für ſolche, welche,
wie der jchwarze, der holzverderbende u. a. Baft-
fäfer, ihre Wohnpflanzen in der Nähe des Wur-
zelfnotens befallen u. zu ihrer Fortpflanzung zu
Fuß nach benachbarten Pflanzen, namentlih nad
jungen Gulturen, binmwandern. In Deutichlaud
fennt man 80 Arten, welche in 4 Gruppen zer»
fallen, die ıhrerjeit8 23 Gattungen umfaflen. Die
4 Gruppen entiprechen den foritlih allbefannten
4 alten Gattungen und mögen daher bier beibe-
halten werden. Es find: 1. Erftes Fußglied jo
lang als die 3 folgenden zufammen: Kerntäfer,
j. d. (Platypus). 2. Erftes Fußglied nicht jo
lang als die 3 folgenden zufammen: a) Hinter-
leibjchief abgeftugt: Splintläfer, f.d. (Eccopto-
gaster); b) Hinterleib nicht ſchief abgeftugt:
aa) Kopf vorgeftredt: Baftfäfer, ſ. d. (Hylesi-
nus); bb) Kopf nicht vorgeftredt, von oben ber
nicht, oder faum fihtbar: Eigentlihde 8.
auf die Stämme, bald auf das untere, bald auf ——
das obere Ende derſelben angewieſen, andere auf
junge Pflanzen, Stangen, Atte, ſchwache Zweige;
mauche gehen nur eine Gattung an und zehren
bei diefer auch nur an ganz beftimmten Stellen,
andere find weniger wähleriſch, leben in verſchie—
denen Laub- oder Nabdelhölzern u, |. w. Die oft
veutilirte Frage, ob die B. bereits Franles, we⸗
nigftens kränkelndes Holz angreifen, oder ob fie
gejundes Holz befallen, beantwortet fih im Als
gemeinen dahin, daß fie diejenigen Pflanzen ver-
meiden, welche für fie zu vollfaftig fein, mithin
fie oder ihre Brut erftiden würden; alles übrige
Material greifen fie an. Die Frühſchwärmer,
welche im erjten Frühjahre ericheinen, geben meijt
nur kränkelnde oder bejhädigte Hölzer an; Rau—
penfraß, amderweitiger Inſectenfraß, Berpilzung,
Schneedrud, Windbruch, Blitzſchaden, Brand u.a.
find für fie gewiffermaßen Borbedingung, gleich
wie fie Ri maſſenhaft friſch gefältes Holz be-
jallen. Sind fie gezwungen, gejunde Bäume ans
zugreifen, dann gehen die erjten Pioniere zwar zu
runde, machen aber den Baum krank u. bereiten
ihn jo für Die folgenden vor. Die Spätſchwär—
mer aber, weldye von Mitte Mai bis Ende Juni,
aljo zu einer Zeit fliegen, in welcher die erjte
ſtrotzende Saftfülle der Bäume beendet ift, fallen
ohne Weiteres jeden Baum an. Todtes, gänzlicd)
abgeftorbenes, trodenes Holz nimmt fein B. an.
So werden die B. von allen Käferfamilien für
den Forſtmann die ſchädlichſten. Als Schutsmittel
gegen fie wendet man am meiften folgende an:
1. Entfernung ihres Brutmaterials, wenigitens
Entrinden der Schnee u. Windbrüche. 2. Raſches
Entfernen alles bereits befallenen Materials, das
ih als ſolches durch Austreten von Harztröpf-
hen, tridterfürmige Vertiefungen in der Rinde,
durch Bohrmehl, ſowie Durch kraͤnkelndes, vielleicht
abjterbendes Ausjehen verräth. Fällen und Ent:
rinden bei Stangenhölzern u. ftärleren Bäumen,
Abbauen, Ausreißen u. Verbrennen ſchwächerer
Pflanzen ift bier ſtreng geboten. 3. Abfichtliches
IL. Bostrychus (v. gr. böstrychos od. böstryx,
Tode, alter Name des Männdens vom Leucht-
fäfer): Gruppe, alte Gattung aus der Familie
der B.; Körper walzenförmig; Kopf kugelig, nicht
vorgejtredt, von dem Halsidilde fapuzenförmig
überragt; dieſes ſtark gewölbt, jelten nach vorn
etwas verjchmälert, auf der vorderen Fläche meift
ftark gelörnt, auch gehödert; Abfturz der Flügel ·
deden oft eingedrüdt und danı am Rande bes
Eindrudes gezähnt; drittes Fußglied einfach; Farbe
meift braun, junge Käfer meift jehr bell, alte
ihwarzbraun, Die Größe der wichtigften beut-
ſchen Arten variirt zwifchen 1 mm beim fh ma-
len Fichten-B. (Bostrychus pusillus G@yil.)
und 6, mm beim großen Kiefern-®. (B.
stenographus Dftsch.). Der ſchädlichſte unter
den deutichen Ben ift wol der Budhdruder
oder ahtzähnige Fichten -B. (B. typogra-
phus L.), 5 mm lang, 2, mm breit, ganz
gelb, gelbbraun bis tiefbraun, fogar ſchwarz mit
braunen Deden u. Beinen, Flügeldeden mit ein»
fachen Punftftreifen, gegen die Spite jedoch im
den Zwiſchenräumen mit einfachen Reiben feiner
Punkte, Seine Hauptholzart ift die Fichte, im
deren Beftänden er von Alters ber als der ge
fürchtetfte Feind berüchtigtift. Er greift am liebiten
80—100jährige Stämme an, an folde unter 50
‚Jahren gebt er nur notbgedrungen. An warmen
Frühlingstagen bat man ihn ſchon in ungebeurer
Menge, wie ein Bienenſchwarm, felbft wolfenäbnlich
Ihwärnıen jehen; ein weiter Flug wird aber freimil»
lig nur bei warmem Wetter u. dann unternommen,
wenn fich fein paflendes Brutmaterial in der Näbe
findet. Das Kränteln u. endliche Abfterben der von
ihm befallenen Stämme wird Wurmtrodnig ge
naunt. Der Lärchen-B. od. vielzähnige B
(B. larieis F.), 3’, mm lang, bald jchmwarz.,
bald hellbraun; Abjturz der Flügeldecken ſcharf—
randig, tief, fait freisrund, mit 3—6 Zähnden;
findet fi) an stiefern, Fichten, Pärchen u. Tannen,
u. zwar an älteren u. jüngeren Stämmen. Der
Borfenthier
frummzähnige Tannen-B. (B. curvidens
Grm.), 2 mm lang, meijt ſchwarz mit braunen
— Bormio. 691
Amerika; fraß Seetang, wurde gegeffen und die
Haut zu fejtem Lederwerf gebraudt. Diejes von
Deden u. hellbraunen Beinen; bewohnt die Tanne, |Steller 1751 beichriebene Thier wurde in der
jelten Lärche, Fichte u. fremde Nabelhölzer; fliegt )2. Hälfte des 18. Jahrh. durch Verfolgung der
* einzelſtehende Stämme und Randbäume an. Kamtſchadalen, Seehundsjäger ꝛc. ganz ausge—
er ſechszähnige Fichten-B. (B. chalcogra-|rottet, oder in andere, ung unbelannt gebliebene
phus L.), 2'/,;, mm lang, braun, ftarf glänzend;
in Fichten, namentlih an einzelnftehenden außer-
ordentlich häufig; in den Alpenländern auch dem
Knieholze jehr ſchädlich Der zweizähnige Kie-
Gegenden getrieben. Thome.*
Borfhaufen, Morit Balthafar, geb. 1760
in Gießen; wurde 1792 Aſſeſſor bei der Landes—
öfonomie in Darmftadt, 1796 des Oberforftcolle-
fern-®. (B. bidens F\), 2, mm fang, meiftigiums; ft. 1806. Er ſchre: Naturgeſchichte der
ſchwarz; an Kiefern, Meerftrandstiefern, Fichten,
Lärchen, vorzüglich aber an Weymouthskiefern;
ruinirt oft jehr bedeutende Streden. Als Holz-B.
find namentlich jchädlih der hHöderige Eichen:
bol3-3. (B. monographus F\.), 2—3 mm lag,
röthlich-braun, ftark behaart; lebt in ftarfen Eichen
u. ift dort als kleiner od. ſchwarzer Wurm
(dem großen Wurm oder großen Eichenbodfäfer,
[j. Bodtäfer] gegenüber) jehr gefürchtet. Der un-
ar 5014-8. (B. dispar F\); Männden 2,
eibhen 3 mm lang; eriteres ftarf fugelig, letz
tere did mwalzenförmig; tiefihwarz; wird Apfel-,
Pflaumen, Birnen- u. Sranatbäumen, Erle,
Buchen, Kaftanien, Ahorn, Hainbuchen u, Eichen
oft ſehr gefährlih; befiel und tödtete z. B.
1872 ungefähr 5 ha Eichenheiftern. Der ge
jtreifte Dun. (B. lineatus Ol.), 3, mm
fang, gelbbraun mit breiten, dunklen Längsitreifen
auf deu Flügeldecken; befällt ſämmtliche Nadel-
bölzer, Birke u. Linde u, durchlöchert deren Holz
oft fiebartig. Für werthvolle, von Holz-B⸗n ge
fährdete Stämme empfiehlt ſich folgender Auftrich:
Man übergießt 5 Pfund ordinären Tabak mit
einem halben Eimer warmen Waflers, drückt
nah 24 Stunden ftarf aus, mengt einen halben
Eimer Rindsblut, 1 gleiches Maß gelöfchten Kalfes
und 16 Maß friihen Kuhmift hinzu; läßt diefe
Miihung unter mebhrmaligem tägfigem Umrübren
einige Zeit in einer offenen Tonne ftehen u. be-
ftreiht dann 3 Tage nad) einander die bedrohten
Stämme, auch den entblößten Wurzelfnoten und
die zum Theil freigelegten Wurzeln damit. Es
bildet fi fo eine Krufte, welche vor Angriff, auch
dem des größten Fichtenbaftfäfers u. a. Baum-
u. —— ſchützt. Der Buchenholz-B.
(B. domesticus L.), 3,, mm lang; ſchmutziggelb⸗
braun mit fchwarzemt —— greift Buchen
an, Zahlreiche andere B. find weniger ſchädlich.
ar Ag jehr zu empfeblenden ng > von
Dr. 8. Altum, III, Berl., 1874.) bome.
Borfenthier (Borkenwal, Rytina Illig.),
Gattung aus der Säugetbier- Unterordnung 9
Sirenen (Ordnung der Walfiſche); Border» und
Edzähne fehlen, in jedem Kiefer auf jeder Seite
ein aus Platten zufammengefegter, flachlroniger,
röhrig-faferiger Backenzahn; Schnauze ftumpf; Yıp-
pen doppelt, die obere äußere mit Borften beſetzt;
Kcpf verhältnißmäßig Hein; Augen mit Nidhaut;
feine Ohrmuſchel; Haut hart, rindenartig, mit
fteifen Haaren bewachſen; an den Floſſen find
feine Spuren von Fingern und Nägeln; Hinter
beine in einen horizontalen, geipaltenen Schwanz
verwadien. Art: R. Stelleri Cur., ſchwärzlich,
gegen 7 m lang; lebte im vorigen Jahrhundert
gejellichaftlih im Meere von Kamtichatfa u. NW:
europäischen Schmetterlinge, Frankf. 1788—94, 5
Thle.; Tentamen dispositionis plantarum Germa-
niae seminiferarum, Darmft. 1792, Frankf. 1811;
Botanisches Wörterbuh, Gießen 1797, 2 Bde.,
2. Aufl., 1816; Deutihe Fauna, Frankf. 1797,
1. Thl.; Handbuch der Forftbotanil u. Forſttech—
wologie, Gießen 1800, 2 Thle.; gab die Deutſche
Ornithologie, Darmft. 1800—9, 21 Hefte Fol.,
heraus. .
Borkum, Inſel in der Nordfee, an der Küſte
der preußischen Landdroſtei Aurih (Oſtfriesland),
25—30 km im Umfange; befteht aus Oftland u.
Weftland, welche durch eine breite Watt getrennt
find; 1576 gebauter, 65 m hoher Leuchtthurm;
400 Ew.; feit 1856 Seebad, von etwa 1000 Gäften
jährlich befucht.
Bormida, Fluß in Ntalien, in zwei Armen
von öftlichften Ende der Seealpen fommend; mün—
det bei Aleſſandria. R
Bormio (Worms), 1) (Wormſer Landſchaft)
Landſchaft u, ehemalige Grafſchaft im der italieni«
ihen Provinz Sondrio (Lombardei), im oberften
Thal der Adda, von hohen Gebirgsitöden der
Rhätiſchen Alpen umgeben. 2) Marktfleden dar
jelbft; 1686 Ew.; dabei die fihon im Alterthum
bekannten heißen SHeilquellen von S. Martino
(27—32° R., gegen Rheumatismen, Haut«, Le—
ber-, Geſchlechts- u. a, Krankheiten) und 2 ftark
befuchte Badeanftalten, 1224 m ü. d. Meere,
am Fuße der Alpe Braglio (Umbrail) und des
MWormferjoches, darüber die Strafe aus Tirol nad
Ftalien (f, u. Stüffer Joch) und daran die Quelle
der Ada. B. war im Mittelalter Hauptort der
gleihnamigen Grafihaft, gehörte dann dem Bis
jhof von Chur, fam 1530 an Graubinden,
1797 an die Eisalpiniiche Republik, 1814 an Dfters
reih u. 1859 an Italien (vgl. Veltlin (Geſch.).
Born, 1) Bertrand de B., f. Bertrand 1).
2) Ignaz, Edler v. B., berühmter Mineralog
u. Geolog, geb. 26. Dec, 1742 zu Karlsburg in
Siebenbürgen; nur 16 Donate lang Mitglied des
Jefuitenordens, dann nach einer Reiſe ins Aus-
land 1770 Beifiter in dem oberften Münz» und
Bergmeifteramte zu Prag, 1772 Bergratb; ging
1776 nah Wien, um das kaiſerliche Naturalien-
cabinet zu ordnen u. wurde hier Hofrath in Münze
u. Bergwerksſachen; er ft. dafelbit 24. Juli 1791.
Befonders berühmt machte er fih durh Anmwend-
ung der Amalgamation zur Gewinnung edler Me»
talle aus Erzen. Er ſchr.: Briefe über eine mi—
neralogifhe Reife nah Ungarn u. Siebenbürgen,
Wien 1771, engl., franz. u. ital. überjett; Litho-
phylacium Bornianum seu Index fossilium, Prag
1772— 75; Über einen ansgebrannten Bulcan bet
Ser, 1773; Index rerum nat. musei caesarei
44*
692
Vindob., pars I. Testacea, ®ien 1778, als
Testacea musei caes. Vind. ®ien 1780; lber
das Anquiden der gold» u, füberhaltigen Erze :c.,
Wien 1786, franz. 1789; die laumige Schrift:
Die Staatsperrüde, Wien 1771; umter dem
Pleudongm Johannes Bhnfiophilus: Speci-
men monachologiae methodo Linnaea (Satire
auf die Mönchsorden), Wien 1783, deutſch: Ignaz
Loyola Kuttenpeitiher, Mind. 1784, auch engl.
nu. franz.; mit Trebra: Bergbanfunde, Lpz. 1789,
2 Bde. B. war aud eifriger Freimaurer, grün-
dete 1780 eine Loge in Wien, gab das Wiener
Journal für Freimaurer heraus u. fandte, als
die Freimaurer in Bavern unterdrüdt wurden,
feine Diplome bayerischer gelchrter Gejellichaften
zurüch.
Borna, Kreis u. Garniſonſtadt in der gleich—
namigen Amtshanptmannichaft des fühl. Meg.
Dez. Yeipzig, an der Wyhra u, der Leipzig-Chem-
niger Eifenbahn; Bezirtscommande; ſpätgothiſche
Kirhe mit Schönen Flügelaltar und Freslken;
Schullehrerieminar, Realſchule; Ziegel- u. Kall—
brennereien, Dampfſchneidemühlen, Filz- und
Schuhmanufactur; Braunkohlenwerle; Feldgärtnerei
(Zwiebelbau); 5751, mit Altftadt-B. 6643 Ew. Die
früh fchon befeftigte Stadt wurde 1295 von Kaijer
Adolf erſtürmt u. niedergebrannt; jein Heer aber
murde im folgenden Jahre bei B. von den meiß—
nischen Markgrafen geiclagen; 1307 wurde B.
vom Kaiſer Albrecht, 1430 von den Huffiten verheert.
1484 lam B. bei der Theilung Sachſens an bie
Erneftiniiche, 1547 aber an die Albertinifche Linie.
Val. R. Wolfram, Chronik von B., Borna 1859.
Börne, Ludwi 3 (eigentlich ?ömw [Lion] Barud),
deutſcher Schriftfteller, einer der herporragendften
Pubticiften, geb. 6. (nicht 18. od. 22.) Mai 1786
in Frankfurt a. M. von jüdifchen Eltern; erhielt
feine erfte Bildung durch Privatunterricht, dann
(feit 1800) zu Gießen, ergriff dort das Studium
der Medicin u. fetste daffelbe feit November 1803
in Berlin fort. Hier lebte er im Haufe der fchö-
nen u, geiftvollen Henriette Herz u. nahm lebhaf-
ten Antheil an dem geiftigen Leben, welches ſich
unter FFichtes, Schleiermadbers u. der Rahel Ein-
fluß entfaltete. Später (Juli 1803) ſich nad Halle
wendend, wo er Hausgenoffe des berühmten Keil
war, hörte er F. A. Wolf, Schleiermader und
Steffens u. wurde jo zu philofophifchen Studien
angeregt. 1807 bezog er die Univerfität Heidel-
berg, gab die Medicin auf u. ftudirte 1 Fahr lang
in Gießen Staatswifjenichaften. 1811 wurde er
Polizetactuar in feiner Baterftadt, verlor aber dieſe
Stelle nad dem Wiedererftehen der Stadt als jelb-
ftändiger Staat, in welchem er feines Glaubens—
befenntnifjes wegen fein Amt befleiden Tonnte.
Im April 1818 vertaufchte er feinen früheren
Namen mit Ludwig B., u. im Juni deffelben Jah—
res trat er in Rödelheim zur Evangelien Kirche
über. Er hatte fi) bereits als Mitarbeiter an
verjchiedenen Zeitſchriften betheiligt u. gab 1818
ein eigenes Journal, Die Wage, heraus, welches
bis 1821 beftand, Außer Theaterkritifen, die von
den Echaufpielern in Frankfurt gefürchtet, aber in
äfthetiichen Kreifen, beionders zu Berlin, mit Ieb-
Borna — Börne,
Negierungsioftem in Deutichland mit bitterer Ire—
wie beurtheilte. Neben der Herausgabe der Wage
redigirte er von Neujahr 1819 an vier Monate
lang das Staatsriftretio u. verwidelte ſich dadurch
in einen Meinen Krieg gegen die Genjur, dem er
mit Hartnädigleit, aber mit trefflidem Humor
führte, Dann begründete er, während die Wage
in zwangloſen Heften fort erſchien, die Wochenſchrift
Zeitſchwlugen bis März 1822), die zu Offenbach
gedrudt wurde, Im Verdachte, demagogiſche Schrif-
ten verbreitet zu haben, warb er im März 1822
auf gelanbtichaftliche Requiſition verhaftet, aber
bald wieder entlaffen. 1822 ging er nach Paris,
fehrte jedoch ſchon 1824 nad Deutfchland zumüd.
Um dieſe Zeit veröffentlichte er im Morgenblatte
Berichte aus Frankfurt u. einige jeiner meifterbaft
novelliftiih abgerundeten Humoreslen, bis ihn die
Julirevolution 1830 wieder nad Paris zog, wo
er fi in jeinen Freiheitshoffnungen bald getäufcht
ſah. Im 5. 1832 wohnte er dem Hambader
ehe bei u, empfing bier, wie nachher in Frei—
burg, lebhafte Huldigungen. (Er gründete 1835
die Yeitichrift Balance, in der er Hr feine Yieb-
lingsidee, die Verführung der beiden Nationen im
gemeinjamem Streben nad politischer Freiheit, zu
wirfen ſuchte. Bon der eingreifendften Wirkung
jedoch waren feine Briefe aus Paris, die feit 1831
in 6 Bänden erſchienen n. bejonders bei der Ingend
ein glühendes Freiheitsgefübl u, eine heftige Unzu—
friedenheit mit den fchleppenben deutichen Verhält⸗
wffen anregten. In den zwanziger Jahren war B.
entjchieben der patriotischen Bartei zugezählt worden
u. hatte mit Männern wie Görres in freundichaft-
licher Beziehung geftanden; nunmehr erhob man
egen ihn dem ungerechten Vorwurf der Feind»
—2** gegen fein Vaterland. B. war, wie heut—
zutage jelbft jeine Gegner eingeftcehen, durchaus
reblich, wahrhaft umd frei von jedem Eigennutze;
aber in hohem Grade reizbar, fannte er in den
Ausbrüchen feines Haſſes kein Maß, war im feinen
Angriffen, 3. B. gegen Goethe, oft ungeredht u.
ließ fih zu falſchen Schlußfolgerungen verleiten.
Ein eigenthümlihes Syſtem der Politif hat er
nicht aufgeftellt, und feinen Raifonnements fehlte
mitunter der fefte Boden biftoriicher Forſchungen
u. ftrenger Deduction; fein Stil ift rein u. forg-
fältig, in den früheren Schriften nicht ganz um-
gefünftelt, ſpäter freier u. ſchwungvoller. B. war
un den legten Jahren kränklich u. harthörig; er
ft. 13, Febr. 1837. 1843 wurde ihm auf dem
Kirchhofe Pere-Lachaise ein Denfmal gejest, das
jeine von David aus Angers gearbeitete Reliefs
büfte in Bronze trägt. Eine Denttafel ſchmüdt
jein Geburtshaus in der Judengaffe zn Frankfurt,
welchem übrigens die Zerftörung bevorfteht. Sein
bejtes Sinus ift von M. Oppenheim gefertigt.
Er ſchr.: Denkrede auf Jean Paul (vorgetragen
1826 im Frankfurter Muſeum durh Anton Kirch«
ner, dann als Heft gebrudt), Erl. u. Hamb. 1826;
Briefe aus der Schweiz, 1830—33; Briefe aus
Paris 1831—33, Par. 1832—34, 6 Bde.; Dien-
zel, der Franzoſenfreſſer, Par. 1837 (ftiliftifch ſein
Meifterwerk). Gejammelte Schriften, Hamb. 1829
bis 1831, 8 Bde., 2. Aufl., ebd. 1835, 8 Bde,
baftem Beifalle begrüßt wurden, ſchrieb er vorzugs · 3. Aufl., Stutt. 1840, 5 Thle.; n. A. feiner Ge
weiſe politifche Artikel, in denen er das herricyendeijammelten Schriften, Hamb. 1862—63 u. 1868;
Borneil — Borneo.
693
Nachgelaſſene Schriften, Mannh. 1847-50, 6 Bde. |nbelanntschaft mit den Verhältniffen derſelben.
Bgl. Heine über Börne, Hamb. 1840; Gutzkow, | Die einzige Möglichkeit des Beſuchens gewähren
Bes Leben, ebd. 1840, 2. Aufl. aus B⸗s unge,
drucktem Nachlaffe reich vermehrt (im 6. Bde. von
Gutzkows Werken), Frankf. 1845; ferner: Briefe
des jungen Börne an Henriette Herz, Lpz. 1861.
Ereizenad.*
Borneil, Giraud de, einer der berühmteften
Zroubadours des 13. Jahrh., geb. in Ercidenil
bei Yimoges; wurbe Maitre des. troubadours ge
naunt; fl. 1278. Man bat noch von ihm 82
meift in dunklem Stil gefchriebene Minnelieder im
Manufcript zu Paris, u. außerdem werden ihm
noch in Handichriften etwa 12 Gedichte zugeichrieben.
Er ſoll zuerft das Wort chansons in die Sprache
der Troubadours eingeführt haben. Bolchert.
Bornemann, Friedr. Wilh. Ferd., deut-
ſcher WRechtsgelehrter, geb. 28. März 1798 Fi
Derlin ; diente im Feldzuge von 1815 als freimilli-
ger Jäger, ftudirte dann zu Berlin, wurde 1819
Aufcultator u. 1823 Affefior beim Oberlandesger
richte zu Stettin u. 1825 beim Oberappellations-
gerichte zu Greifswald, 1827 Oberlandbesgerichts-
rath, 1831 Kammergeridht3-, 1837 Geh. Finanz-
u. 1841 Geh. Oberfinanzrath, 1842 Staatsfecre-
tär und Seh, Oberjuftizratb, 1843 Präfident des
Obercenjurgerichtes, legte 1844 diefe Stellen nie-
der u. wurde als Dirigent einer Abtheilung im
das Minifterium der Juſtiz berufen; er wurde
den 20. März 1848 Juftizminifter, trat aber
25. Juni aus nm. wurbe im Juli zweiter Präfi-
dent des Dbertribunals. Seit 1849 Mitglied
des Herrenhaufes, ftimmte er mit dem Tinten
Eentrum u. wurde 1861 Präfident der Commif-
fion zur Revifion des Eivil- u. Strafprocefies. Er
ft. 28. Jan. 1864 zu Berlin. Sein mwefentlichites
Berbienft befteht darin, daß er zuerft das preuf.
Particularrecht mit dem Gemeinen Rechte in Ber-
bindung fette. Er fchr.: Bon Rechtsgeſchäften u.
Verträgen, Berl. 1825, 2. Aufl., 1833; Nechts-
fälle u. Rechtsbeſtimmungen aus den Mcten des
Uppellationsgerichtes zu Greifswald, Berl, 1832;
Syſtematiſche Darftellung des preuß. Eivilrechtes,
Berlin 1834—39, 6 Bde., 2. Aufl., 1837 — 45;
Erörterungen im Gebiete des Preußiſchen Rechtes,
ebd. 1855. Henne-Am Rhon.*
Borndo (europäische Form des einheimifchen
Stammes Bruni), die größte der 4 großen Sunda-
Inſeln im ſüdaſiatiſchen Archipel u. abgejehen von
Auſtralien, das größte Eiland der Erde, umfloſſen
im N. von dem Chineſiſchen Meere, im S. von
der Sundaſee, getrennt im W. durch die Karimata-
ftraße von Banka (Sumatra), im S. durch die
Sundafee von Java, im O. durch die Sulufee
u. Mankaſſarſtraße von Gelebes, im NO. durd
die Dindorofee von den Philippinen; 748,690 Ikm
(13,597 [_M), wovon 5000 km Küfte; obne be-
fondere Buchtenentwidelung; bietet das Bild einer
Gebirgsmafie, die, uriprünglich in einzelne Glieder
u. Halbinjeln zerriffen, im Laufe der Zeit durch
Meeresanihwenmungen abgerundet if. Dieſer
jumpfige, ungefunde Alluvialboden, der Bis zu 75
kın Breite die Inſel umgibt, erfchwert das Ein-
dringen in das Innere bis zur Unmöglichkeit u.
ift daher Grund der verbäfnigmäßig großen u.,
was das Innere der Inſel anbelangt, vollftändigen
die in reicher Anzahl ftrömenden Flüffe: au der
NWekifte allein 23 zur Schifffahrt geeignete, dar-
unter der Saramal, Bedſchang, Brunai, an der
DOfüfte der Berau u. Koti; nah S. fließen der
Barito u. Kajan, nach W, der Kapuas u. Pontianal,
der am weiteſten erforicht ift; außerdem erreichen
unzählige Heinere, nod nicht mit dem Namen be»
fannte das Meer. Bon Seen, deren mehrere die
Inſel enthäft, ift der Sumba als der größte betannt,
fonft no der Kiniballı im NO. zu nennen. Bon
Gebirgen verlegt man im die Mitte der Jufel die
Kette, der man den Namen Anga-Anga beilegt;
befannter find ein Zweig im äußerjten NO. mit
dem höchſten Berge B-8, Kiniballu 4100 m; das
Krimbanggebirg im NW,, das nah O. laufende
Safurugebirg u, die im ©. u. SW, ſich finden«
den Katam« u. Lajang- Gruppen. Die Gebirge
beftehen aus Granit, Glimmerſchiefer, Syenit u.
Kalt. Das Klima ift an den Kiüften wol heiß,
doch gemäßigter, al$ man nach der geographiichen
Lage erwarten follte, u, mit Ausnahme einiger
Küftenftrihe (f. 0.) nicht ungefund, die Nächte
tühl u. Regen nicht ſelten. Bon unbeichreibiicher
Uppigfeit ift, unter diefen Verhältniſſen leicht ber
geeifich, die Vegetation der nel, die, joweit
elfannt, den pradtvollitien Urwald und Feine
Spur von Wüfte zeigt. Ungeheure Bäume, welche
die verichiedenartigften Nughölzer darbieten, fin«
den fih im emormer Anzahl auf dere ganzen
Oberfläche; nicht geringer ift der Reichthum an
nugbringenden Kräutern und Sträuchern. Für
Eultivirung des Bodens ift vorläufig noch fait
ar nichts geicheben; es bejchränfen ſich da—
* die Handelsproducte der Inſel auf Gutta⸗—
Percha, Kampher, Benzokharz, Sago, Palmzucker
u. Rotangpalm-Stengel (das ſog. Kattan-Rohr).
Die Einfuhr überftieg 1871 noch die Ausfuhr u.
hatte einen Werth von etwa 8 Mill, M, während
letztere 5 Mill. M betrug. Die Thiermwelt wird
in reicher Anzahl vor Allem vertreten durch zahl«
reihe Affenarten (Orang-ltang), Stachelſchwein,
Dtter- u. Eihhörndhen-Arten u. zahlreiche Vögel;
dagegen fehlen Löwe und Tiger, nur der Heine
Yeopard vertritt das größere Katengeichlecht; Ele—
fanten find feltener, zablreih dagegen Nashörner
u. Büffel, ebenſo Krofodile, während die großen
giftigen Schlangen fehlen; in großen Maſſen end»
lich vertreten Bienen, deren Honig ftarf ausge-
führt wird, u. ſchön gefärbte, eigenthümliche In—
jectenarten. Ungemein reih auch ift B. an Mi—
neralihägen u. theilmeife noch ganz unerichöpft.
Fat alle Sröme fiihren Gold mit fih, Diaman-
ten birgt der Diftrict von Yaudaf und Banjer-
Mafing, Antimon die NWKüſte in Lagern von
unerreichter Mächtigleit, Steinfoblenfelder durch—
ziehen die Inſel von N. nah S.; außerdem fin«
den fich vorzüglihes Eifen, Schwefel, Petroleum
u. Steinfal. Die Bevölferung, auf 14 Dil.
gejchätst, befteht aus mohammedaniſchen Malaien
als berrichendem Volke, in eine Reihe von Staa—
ten zeripalten, unter eigenen Fürſten (Sultan,
Pangheran, Nadia), Dajak, wahriheinlih die
Urbewohner, in mehrere Stämme, darunter bie
Bart und Biadſchu, getheilt, und eingewanderten
694 Borncofampbher
Chineſen. Während die Letzteren hauptſächlich
den Bergbau betreiben, nähren ſich die Dajal
von Jagd u. Fiſcherei, theilweiſe au von Ader-
bau; außerdem find fie als Seeräuber befannt u.
gefürchtet. (Näb. ſ. Dajal.) Bon den einheimi«
chen Reihen find die befannteften das Eultanat
von Bruni, das von Seramal, die Halbinjel Ujang
unter dem Sultan der Sulu⸗Inſein; die Englän-
ber befisen die im N. von B. liegende Inſel Ya-
buan (115 [ Jkm = wenig über 2 M, mit 4898
Em.) u. eimen Theil von Seramwal; der weitaus
größte Theil fteht unter der Herrſchaft der Nieder-
länder. Dieſer, 516,156 [_/km umfallend, zer
fällt in eine weftliche Abtheilung mit 365,798 Ew.
u. eine öftliche mit 889,620 Em. (in beiden dar«
unter gegen 1100 Europäer); in der meftlichen
mit dem Hauptorte Pontianal u. der Stadt Sam
bas find die Staaten Sambas, Mambawa, Sut-
fadana, Matan, Panda, Sintang Blitang, Mon»
trabo; im der öftlihen mit der Hauptftadt Banjer-
Mafing das Reich dieſes Ramens, die Staaten
Koti, Pafır, Bulongang, Sampit, Kutaringin,
Tanablaut u. a. incorporirt. Das Ganze wird
von zwei efidenten verwaltet, Denen mehrere
Alfiftent-Mefidenten untergeben find.
Geſchichte. Die erften Spuren von Gejchichte
B-8 bietet das Eindringen der Malaien auf die
Inſel im 15. Jahrh., welche, nachdem die N-
u. Wüfte eine Zeit lang den mächtigen Fürften
Javas untertbänig geweien war, ſich dort jelb-
fländige Reiche gründeten u, die mohammedaniſche
Neligion einführen. Im J. 1521 wurde die
er von den Portugiejen, die nach Magelhaens'
Tode von den Philippinen nah den Molukken
fegelten, entdedt, blieb aber, da die Verſuche, u.
0. von Vasco Yaurenz im J. 1527, Handelsver-
bindungen anzufmipfen, jcheiterten, in der folgen-
deu Zeit unberüdfichtigt. Im J. 1598 gründeten
die Niederländer zu Banjer-Mafing eine Fac«
torei, blieben aber auf den Handel beſchränkt; alle
VBerfuche, ins innere zu dringen, wie des Mönches
Aut. VBentimiglia 1687, mißlangen, Erſt 1785
dehnten fie ihre Herrichaft über einen Theil des
dortigen Zultanats aus, weldes fie dann in die-
ſem Jahrhundert Durch Eroberungen u. freiwillige
Berzichtleiftung der Sultane zu der jegigen Aus-
dehnung gebracht haben. Die Herrſchaft ift theil-
weiſe nur nominell, theilweife mittelbar durch die
Oberherrichaft über die einheimiſchen Fürſten;
zahlreiche kleine Expeditionen u. kriegeriſche Un—
ternehmungen haben dabei nicht gefehlt. Die
Engländer ſuchten mehrmals, jedoch ohne Erfolg,
ſich feſtzuſetzen, bis ihnen der Sultan von Bruni
1846 die Inſel Labuan (ſ. d.) im N. abtrat.
Eigenthümlich iſt die Beſitzergreiſung eines eng-
liſchen Privatmannes, James Brooke, der von dem
Sultan von Serawal zum Dante für geleifteten
Beiftand einen Yanditrih am Gap Datu an, der
NKüfte erhielt, welchen er durch zweckmäßige Ber-
mwaltung u, Bertreibung der Seeräuber in geord»
nete Berhältniffe brachte u. bis zu feinem Tode
als jouveräner Fürſt (Nadia), bei den Einge—
borenen unbedingten Gehorjam u. Verehrung fin-
dend, regierte. (Näheres j. Serawal u. Broofe.)
Über B. vgl. außer den Werten über den Indi—
ihen Archipel: Belcher, Narrative of the voyage
— Bornholm.
of the Samarang employed surveying the is-
lands of the Eastern Hemisphere, Yond. 1847;
Broofe, The expedition of Borneo ete., Lond.
1847; Mundy, Brooke-Narrative etc., 2 Bde.,
Fond. 1848, und die Auffäge von Spencer St.
John u. Eramfurd in dem Londoner Geographi-
ihen Journal, Bd. 31 u. 28. Tbielemann.
Borneofampher (Borneol, Barostampher),
j. Kampher.
Bornhaufer, Thomas, ſchweiz. Patriot, geb.
26. Mai 1799 zu Weinfelden im Kant. Thurgau;
war erft Lehrer in Weinfelden, feit 1824 protejtan-
tiiher Pfarrer in Masingen, feit 1831 in Arbon
am Bodenſee; nebft Keller wurde er der eigentliche
Schöpfer der neuen Berfaffung in Thurgau vom
3%. 1831; als Mitglied des Großen Rathes ſetzte
er es 1835 durch, daß die Kloftergüter unter die
Verwaltung des Staates kamen; er fi. 9. März
1856 als Sfarrer zu Mühlheim. Er fchr.: Über
Thurgans bürgerliche Verfaſſung n. Schulweſen;
Sammlımg der Berfafiungen der Kantone ber
ſchweizeriſchen Eidgenofjenichaft, Thurgau 1833;
Schweizerbart u. Treuberz (zur ſchweiz. Bundes-
revifion), St. Ballen 1834; die Trauerjpiele: Hans
Waldmann u. Gemma von Art, ebd. 1829; Lieder,
ebd. 1832; die hiftoriihen Romane: Ida v. Tog-
genburg, Schwäb.-Hall 1840, u. Herzog Johann,
St. Gallen 1846; die epiichen Gedichte: Heinz
p. Stein, Zürich 1836, u. Rudolf v. Werdenberg,
Frauenfeld 1853. Henne-Am Rhyn.*
Bornheim, 1) Dorf im preuß. Regbez.
Wiesbaden, Kreis u. bei Frankfurt a. M., Eifen-
babnftation; Fabrilation in Strobhüten, Bürjten,
Gartonarbeuten, Zuder; Obft- u. Gartenbau; Ber-
art wel für Frankfurt; 6397 Ew. Auf der
.er Heide 18. Sept. 1848 Ermordung ber
Neichstagsabgeorbneten von Auerswald u. Fürſt
Lichnowsti. 2) (Bornbem) Dorf n. Schloß im
Bezirte Mecheln der belgiſchen Provinz Antwerpen,
ummeit ber Schelde, Fayencefabril, Baummollen-
weberei, Seife, Branntwein; 4800 Ew. B. wurde
1658 vom König Philipp IV. von Spanien zur
Grafſchaft erhoben.
Bornholm, däniſches Amt und 583 [Ikm
(108 IM) große Oſtſee-Inſel im Stifte Seeland;
1870: 81,894 Ew., welde die dän. Sprade mit
ſchwediſchem Accent reden. Die Juſel befteht aus
Granitgneis, einer fryftalliniich-lörnigen, dem fkan«
dinaviſchen Norden eigenthümlichen Bergart u. hat
ichroffe Ufer, die in NO, ſenkrecht abfallen. Die
größte Länge der Inſel von N. nah ©. beträgt
37 km, die größte Breite von O. nah W. 28, km.
Längs der Mitte der Inſel läuft ein wellenförmt-
ger, von Waldwuchs u. Pflanzungen unterbroche-
ner, 84 m hoher Heiberüden, Höilyngen (Hod-
beide) genannt, der von tiefen Klüften durchichnit-
ten if. Der höchſte Punkt deffelben ift der über
155 m bobe Wytterfnägten. An der wejtlichen
Seite diefes Heiderlidens bietet das Domänenge-
hölz Almindingen einen reizenden Bergnügungs-
ort der Bornholmer. Die N Seite von B, bildet
ein 97,, m hoher Granitfelfen mit dem Yeucht»
thurm in den Ruinen des Schloffes Hammershuus,
wo Graf Ulfeld u. feine fönigl. Gemahlin Ehriftine
Eleonore lange gefangen gehalten wurden. Stein-
brüche an der WSeite u, Kohlenbrüche beſchäftigen
Bornhöved
viele Arbeiter, während ftets abmwechlelnde Boden»
beihaffenheit überall woblhabende Landbewohner
ernährt. Hauptftabt der Inſel ift Rönne. Nord»
wärts u. 15 km von B. liegen drei Heine Inſeln:
Ehriftiansde mit Hafen, Leuchtthurm u. Schloß,
das als Staatsgefängnig dient, Frederilsöe und
Grasholm, letztere unbewohnt. ®. heißt bei Saro
Grammaticus Berongia, jpäter auch Burgundar-
olm. Bon 870— 900 hatte B. einen eigenen
ürften; dann gehörte e3 den Dänen. Es war im
ittelalter u, neuerer Zeit ein von Schweden ır.
dem Hanfebunde eifrig begehrter Befig, der den
Lübeckern fogar einmal auf 50 Jahre fiberlaffen
werden u. 1658 an ben @roberer Karl X. von
Schweden abgetreten werden mußte; allein die
tapferen a unter ihren Anführern Jens
Kofod u. dem Prediger Baul Anter tödteten die
ſchwediſche Beſatzung u. erflärten ſich als anf ewig
zu Dänemark gehörend. Wegen diefes muthigen
Benehmens ift die Inſel mit ungewöhnlichen Com-
munalfreiheiten belehnt, die bis auf den heutigen
— Bornu. 695
Borniren (v. Fr.), beicränten, begrenzen;
daher bornirt, beichränft, albern.
Bornitedt, Adalbert v. B., Publicift u. Re—
dolutionär, geb. um 1808; betheiligte fih als
preußifcher Offizier an der politifhen Bewegung
1831 u. mußte deshalb Preußen verlafen, ging
nah Algier, diente dafelbft eine Zeit lang in der
Fremdenlegion u. wendete fi dann nach Paris,
wo er die politiichen n. literariſchen Salons fre-
quentirte, Infolge der Amneftie kehrte er 1840
nah Berlin zurid, ging aber bald wieder nad)
Paris. Im Februar 1845 ausgewiefen, lebte er
als Redacteur der Brüffeler Deutihen Zeitung bis
zur Februarrevolution 1848 in Brüffel, worauf
er nah Paris zurücklehrte. Hier bildete er die
Deutſche Demokratiſche Legion zur Republifanifir
ung Deutfhlands u, führte diefelbe mit Herwegh
24. April 1848 über den Rhein nah Baden,
wurde am 27. April bei Doffenbah von den
Württembergern gefchlagen, gefangen u. 1849 zu
1 Fahre Einzelhaft verurtheilt; kurz darauf beim
Tag fortbeftehen. Dahin gehört auch die Befrei-|Ausbruche des Maiaufftandes in Baden befreit,
ung von der allgemeinen Wehrpflicht, während die/fonnte er fich aber wegen eingetretener Geiſtes—
Bornholmer die Bertheidigung ihrer Inſel felbft/ftörung nit an den Ereigniffen betheiligen und
übernommen haben u, eine Bewaffnung von allen
Truppenarten unter felbftgewäblten Offizieren bil-
den, deren Übungen nur von einem königl. Com»
mandanten überwacht werden. In neueſter Zeit
iſt die Inſel B. mit den nördl. davorliegenden
drei Felſeninſelchen, Ertholmene genannt, ein eife
riges Begehren Rußlands gemwefen, das zu diplo-
matiſchen Negociationen führte, die aber von Eng—
laud bintertrieben wurden, Jenſfen⸗ Tuſch.
Bornhöved, d. i. der Brunnen Haupt, in älte-
rer Zeit Suentinefeld, uraltes Dorf im Kreife Se-
geberg der prenß. Provinz Schleswig-Holftein, mit
einer der äftejten Kirchen des Landes; 600 Em.
gie hielten ebedem die holfteiniihen Stände ihre
erfjammlungen unter freiem Himmel. Auf der
fübl, von B. ſich erftredenden Segeberger Heide
22. Zuli 1227 Sieg des Grafen Adolf IV. von
Schaumburg über den Dänentönig Waldemar II.,
wodurch Lebterer alles Land ſüdl. von der Eider ver-
lor. Am 10. Dec. 1813 war in B. ein beftiges Treffen
zwiihe dem 15,000 M, ftarfen däniſchen Hilfs-
corps Napoleons I. u. den alliirten ruff.-deutich-
ſchwed. Truppen unter dem Marichall Bernadotte.
Bornier, Henri Bicomte de, franz. Dichter,
geb. 25. Dec. 1825 zu Yunel (Herauft); ftudirte
1845 die Rechte in Paris. Seine erjten Gedichte,
Les premieres feuilles, 1845, u. ein Schaujpiel:
Le mariage de Luther, gefielen dem Publicum,
u. der Uinterrichtsminifter Salvandy ernannte ihn
zum Supernumerar an der Bibliothef des Arſe—
nals; fpäter wurde er dajelbft Bibliothelar. Dan
bat von ihm verjchiedene Dramen: Dante et Bea-
trice; Le monde renverse, Luftipiel; die preisge-
frönten Gedichte: L’Isthme de Suez, 1861; La
France dans l’extröme Orient, 1863, u. ein
Eloge de Chateaubriand, 1864; die Gedichte:
La guerre d’Orient, 1858, u. La Seur de cha-
rite au dix-neuri&me sieele, 1859; das Luftfpiel:
La cage du lion; den Roman: Le fils de la
terre, 1864; die Tragödie: Agamemnon, 1868;
nebjt vielen Novellen, literarifchen Artikeln u. Ge—
dichten. Volchert.
wurde nad Illenau gebracht, wo er 21. Sept.
1851 ftarb. Er ſchr.: Reife von London in die
Schweiz, Berl. 1834; Parifer Silhouetten, Peipz.
1836, 2 Bde. f.; Hautreliefs der Gegenwart, ebd.
1838; Basreliefs, 2 Thle., Frantf. 1838; auch
war er Herausgeber der Pariſer Deutichen Zeitung.
Bornu (Burnu, Bernu, Barnu), Weich im
Innern Arilas, in OSudan; 133,250 (km
(2420 [ IM); grenzt im D. an den Tiad-
See u. mit dem Fluſſe Schari an Baghirmi, im
S. an Mandora u. Adamaua, im ® an die
kleineren yellata- Reihe u. an Hauffa, im N. an
die Sahara, im NO. an Kanem. Manche Länder
find von B. mehr oder weniger abhängig, wie
Baghirmi, Mandara u. a. Das Land ıft meift
eben. Seine Gewäſſer find der Tſad-See u.
defien Hauptzufluß Komäbugu oder Yeou. Das
Klima ift fehr heiß, die Hige felbft nachts drückend
(35°); die Terhperatur im Winter 12°; die We:
witter fehr heftig. Am Komädugu liegen fruchte
bare u. Schöne Waldlandichaften; das ilbrige Yand
ift Savanne mit fpärlich verftreuten dornigen Bäu—
men, In der trodenen Jahreszeit fteht Alles
diler. Die füdlichen Landichaften find hügelig,
reih an Wald u. Nutbäumen. Man baut Mais,
Hirſe, Baummolle, Indigo, Reis, Melonen xc.;
außerdem findet man Alazien, Palmen, Tamarin-
den, Kautſchuk liefernde Fıcus, an Thieren
Rinder, beſ. Büffel, Antilopen, Giraffen, Elefan-
ten, Löwen. Die Mostitos find eine arge Plage.
Die Bevölkerung, etwa 5 Mill., gehört größ-
tentheils der Negerrace an; fo bef. das Berrichende
Volk der Kanuri od. Kanori, —— u. ſchön
gewachſen, aber im Geſichte abjchredend häßlich,
träge u. unreinlich. Die Religion iſt der Is—
lam, dem die Bewohner fanatiih ergeben find.
Außer den Negern wohnen auch zahlreiche noma-
dische Araber (Schua) im Lande. Die Nahrung
der Bevölkerung befteht aus Mid, Erbnüffen,
Bohnen, einer Art Pflaumen und Palmfrüchten.
Der Gemwerbfleiß ift gering; in den Handel
tommen Hemden (Toben), Rohrmatten, Getreide,
696
Leder, Perlen, Vieh, Sflaven u. ſ. w. 8, bildet
mit der Hauptftadt Kufa od. Kufaua (j. d.) einen
despotiihen Staat. Das Bolt ijt kriegeriſch, ftellt
30,000 Neiter, von denen ein Theil wattirte Pan—
Bornu-Spradie — Borowéek.
Boronatrocaleit (Tiza), Mineral, welches
jeine blütbig gruppirte Nadeln von weiß-grauer
‚Farbe u. ſtarkem Seidenglange bildet; Härte — 2;
ipec. Gewicht — 1,,; 'hmilzt vor dem Löthrohre
zerbemden, Keitenpanzer und Helme mit Federn ſehr leicht umd wird durh Säuren unter Yer-
trägt, halbgepanzerte Pferde reitet, die leichten
Reiter drei bunte Hemden und eine Müte, die
auf hageren Pferden reitenden Schua leichte Klei-
der u. eine Hand voll Speere tragen. — Fri«
ber gehörte B. zum großen Reiche Kanem, erft
K. Alı Dunamami (1472—1505) gründete bier
ein Selbftändiges, großes Reich, das ſeit 1506
Kanen wieder umfaßte, Durch den energiiden K.
Edris Alaoma (1571—1603) weit nad) S. u. NW.
ausgedehnt wurde, aber 1808 ben Fellata erlag.
Mohammed el Amin el Kanemi befreite es, u. fein
Sohn Omar gründete 1846 die regierende Dy-
najtie und nahm die fein Land erforichenden
Reiſenden Bartb, Vogel, Beurmann, Rohlfs und
A. gut auf, daher ihm Kaiſer Wilhelm durch den
Reiienden Nachtigal 1870 Geſchenke fandte, Die
nördl, Provinzen werden oft von den Tuareg
verwüſtet, die nordweſtlichen machten fich zum
Theil frei, ebenjo wie im ©. die fchmubig-
ſchwarzen Mußgu, die ſchönen Zuburi, die nadten
Morgbi u. A &. Körner.
Bornu-Spradse, |. Kanıri.
Borny, Dorf, öftlih von Metz. Hier 14. Aug.
1870 Schlacht (von den Franzoſen Schladht von
Eourcelleg genannt, Das 1. und 7. preuß.
Armeecorps, Theile der 18. Divifion und die
1. u. 3. Gavalerie-Divifion lämpften gegen die
franzöf. Corps Decaen u. Yadmirault. Die Schadt
begann zwiſchen Coincy u. Colombey, blieb im
Ganzen unentſchieden, hatte aber für die Deutichen
den großen Erfolg, daß der Abmarſch der franz.
Rhein-⸗Armee nah Ehalons durch diejelbe um
jegung aufgelöft. Der B. beftebt aus Borfäure,
Kalk, Natron u, Wafler (etwa 44 pCt. Borjäure).
Bis jet fennt man ihm nur aus Thonlagern von
Jquique (Wüſte Atacama) u. von Windſor (Schott-
land). Wahrſcheinlich identisch mit ihm ift der
Borocalcit, dem nad einer älteren Analyſe
das Natron fehlen fol. Seine Anwendung ſ. u.
Borjäurejfalze.
Boros Jenö, jleden im ungar. Comitat
Arad, am Weißen Körös; chemals befejtigte Stadt;
Heilquelle; Weinbau; 4430 Em.
Boröta, ſ. u. Dolichos.
Borough, 1) uriprünglich gleichbedeutend mit
dem deutfhen Worte Burg, einen gegen feindliche
Angriffe geihügten Ort bezeichnend; wurde in
England fpäter 2) die Benennung eines jeben
Gemeimdeweiens, welches dur Kauf, Schenkung
u. ſ. mw. ftäbtifche Geredtiame vom König er»
halten hatte. Gleich den Cities (größeren Städten)
fanden die B⸗s unmittelbar unter der Ober
boheit der Krone u. hatten diefer allein Abgaben
u, fonftige Unterthanenpflichten zu leiften. Zu
den Rechten u. Pflichten eines B. gehörte auch
die Sendung von Abgeordneten zu den vom Kö—
nig berufenen Ständeverfammlungen, jpäter zum
Parlament. Im Laufe der Zeit entjtand daraus
ein großer Mißftand, indem viele der alten B=$
veröbeten (Rotten boroughs), während andere Orte
zu volfreihen Städten wurden, ohne des Rechtes,
einen Deputirten zu wählen, theilhaftig zu jeim,
jo Birmingham, Mancheſter u. a. Dur die
Neformbill von 1832 wurde das Übel dadurch
2 Tage verzögert wurde, infolge deffen es durch/gemildert, daß man menigitens den am ärgſten
die Schladten bei Mars-la-Tour u. Gravelotie
gelang, die Armee Bazaines in Met zu cerniren,
(S. Deutſch⸗Franz. Krieg von 1870,71.)
Boro:-Budor, Nuinen eines Ortes in der
Provinz Kadu im Innern Javas; darunter bei.
die Huinen eines buddhiftifchen Tempels in
Poramidenforin, etwa 34m hoch. Diejer Tempel
fteigt in 6 Abfägen terraffenförmig empor; jede
verfommenen B-$ das Wahlrecht nahm u. es den
aufgeblühten größeren Städten übertrug. ne
defien behielten die alten Wahlorte ihre ebemalige
Diunicipalverfaffung bei, weshalb fie zum Unter«
ſchiede von den mwahlberechtigten B-$ (Parlamen-
tary boroughs) Munieipal boroughs genannt
wurden, Jın Allgemeinen ijt jett B. 3) jeder
Ort, abgefehen von feiner Größe u. Einmohner-
Zerraffe ift mit Nifchen verfehen, welche, ſowie zahl, welcher einen oder mehrere Abgeordnete ins
das obere Plateau, mit Dageps u. anderen fon»
bolijhen Figuren des Buddhismus verjeben find.
Über 2000 zierlihe und vortreiflich gearbeitete
Basreliefs bededen die Wände. Bgl. Eramford,
On the ruins of B. in den Transactions of the
Society of Bombay, Yond. 1823.
Borodino, Wiarrdorf des Kreifes Moshäist
im ruf. Gouv. Mostwa (Mostau); bekannt durch
die blutige Schlaht am 7. und 8. Sept. 1812
zwiihen den Auffen (129,000 Mann unter Kur
tufow u. den Franzoſen (128,000 Mann ımter
Napoleon), welche nach zehnftündigem hartnädigem
Kampfe mit dem Rüdzuge der erfteren endete u.
den Verluſt von Moskau zur Folge hatte; von
den Ruſſen als der Anfangspuntt der großen
franzöfiihen Niederlage von 1812 betrachtet, wes⸗
halb der Kaiſer Nikolaus I. auf dem Schlacht-
felde ein Denkmal errichten lieh.
Böron, jo v, w. Bor.
“
Unterhaus fende. 4) (Royal boroughs) Im
bentigen Schottland eine Corporation, welcher
durch Königlichen Freibrief (Royal Charter) be-
jondere Handelsprivilegien u. das Recht verlieben
worden ift, Beauftragte (Commissioners) vor das
Parlament zu jchiden.
Boromiticdi, Kreisftadt im ruf. Gouv. Noms
gorod, an der durch Ktalfiteinlager bier bindurd
brechenden u, viele Stromjchnellen bildenden Mſta
u, einer Zweigbahn der St.- Petersburg Moskauer
Linie; mehrere Fabriken; lebhafter Handel, 3 Jahr⸗
märfte, Kallſteinbrüche; 8648 Em.
Borowsk, Kreisftabt des ruf. Gouv. Kaluga,
an beiden Ufern der Protwa; 12 (darumter jehr
alte) Kirchen u. Kapellen; viele Fabriken (na»
mentlich für Seeuß); viele Gemuͤſe u. Frucht⸗
gärten; 9491 Em. 2 km von bier liegt das
Klofter Pawnutijew, gegründet 1444, mit 5 Kirchen
u. bedeutenden Schäten.
Borowsfi — Borrichius, 697
Borowski, Ludwig Ernft v., geb. 1740 zu|wie diefe angewendet werden; außerdem werden
Königsberg; wurde 1762 Feldprediger, dann Pfarrer ſie gegen Scleimflüffe der Geichlechtstheile ge—
in Schaafen, jpäter in Königsberg, 1793 Kirchen: rühmt, wie auch die Wurzel. von B. Perottetii DC.,
u. Schulvath dajelbit, 1809 Oberconfiftorialrath, aus Guiana. B. verticillata Meyer (Sperma-
1812 Generalfuperintendent, 1816 Biſchof von|coce vertieillata L., Bigelovia vert. Spr.), in
Preußen, 1829 proteftantifcher Bischof; er ſtarb Jamaica; ift die Stammpflanze der innerlich veil-
1831.
riedrih Wilhelm III. ertheilt. Er
vom König
doſes Mendelsjohn u, Kypfes Aufe
fhr. u. a:
] Der Titel Bischof wurde ihm u, Sad|henblauen, fcharfen u. bitteren, gegen Schlein-
in Berlin zuerft als befondere Auszeihnung und|flüffe mit Nugen angemwendeten
zur Erhöhung des Anfehens der Evangel. Kirche |mwurzel von Jamaica.
pecacuanha⸗
Engler,
orretidj, j. Borrago,
Borri (Borro, Burrhus, Burrhi), berüchtigter
fäte über jüdiſche Gebete, Königsb. 1791; Über) Abenteurer u. Schwindler, geb. zu Mailand 1627;
Geift u. Stil Luthers, ebd. 1798; liber Kant,
ebd. 1804; Reden u. Predigten, ebd. 1833.
Borragineae (Bot.), nah Eindl., Rehb. u. A.
Unterfamilie der Ajperifolien (Asperifoliaceae, f.d.),
Scharf- oder Rauhblätterigen,
Borrago L., Pflanzengattung aus der Familie
der Afperifolien u. der Unterfam. der Borragineen
(V.1); Blumenfrone radförmig, mit 5ipaltigem
Saume, am Schlunde mit kurzen, ftumpfen, aus—
gerandeten, kahlen Hohlſchuppen, mit fünf unter
der Spite mit einem länglihen Anhängſel ver-
jehenen Staubblättern, tegelförmigen, zuſammen—
neigenden Staubbeuteln u. einer im vier ungleich
feitige Klaufen getheilten Frucht. Art: Borretich,
Gurkenkraut (B. offieinalis ZL.), mit didem,
aufrechtem, fteifhaarigem Stengel, länglich-langett-
lichen, in den Blattjtiel verfchmälerten, runzeligen
Blättern, melde gurfenartig jchmeden und als
Salat genoffen werden, mit großen, hinmmeiblauen,
jeltener rofafarbenen, in lodere Widel geftellten
Blüthen, deren linealiſche Kelchabſchnitte bei der
Fructreife zufammenneigen und deren Blumen-
fronenzipfel eiförmig, zugefpigt u. flach find; in
SDEuropa einbeimmich, öfters in Gärten cultivirt
u. nicht felten in denjelben oder deren Nähe ver-
wildernd. Die Pilanze gedeiht leicht in gemwühn-
lihem Gartenboden, wird zeitig im Frühjahre ge-
fäet, geht gewöhnlih auch von felbft auf, wo fie
einmal geftanden. Anfangs benutt man die Dicht-
ftehenden kleinen Pflanzen, fpäter die ausgewach—
jenen Blätter wegen ihres erfriichenden, gurfen-
artigen Geſchmackes als Zuthat zum Salat. We-
gen ihres reichen Gehaltes an falpeterfaurem Kalı
wurde die Pflanze früher zur Bereitung eines
fchleimig füblenden, erweihenden Heilmittel gegen
Entzündungen verwendet. Die Blumen färben
Eifig Hlau und geben mit Weingeift eine jchöne
blaue Ladfarbe. Die früher zu B. gerechneten
Arten werden jegt meift in andere Gattungen ver
theilt. gler.
Borreria Meyer, Pflanzengatt. aus der Fam.
der Rubiaceae-Spermacoceae, Kräuter oder Sarh-
ſträucher aus S- u. Lentral-Amerila, mit gegen:
ftändigen Blättern u. feheidenartigen, vielfach ge-
franzten Nebenblättern, zahlreichen feinen, weißen
oder bläulihen, zujammengedrängten Blüthen,
deren Kelch eine eifürmige Röhre beſitzt, u. deren
Blumenkrone frug- oder trichterförmig ift, mit
vierfpaltigem Saumte; die Frucht ift eine 2fäche-
tige, vom Kelchſaume gefrönte, wandfpaltig aufe
fpringende Kapjel mit einfamigen Fächern. Ars
ten: B. poaya DC. und B. ferruginea DC., in
Brafilien; befigen dünne, roftfarbige Wurzeln,
welde der Fpecacuanhamurzel ähnlih find u.
ftudirte im Jeſuitencollegium zu Rom. Er trieb
Alchemie u. gab vor, Offenbarungen zuhaben, durch
die er berufen fei, eine einige Kirche herzuitellen.
Den Papjt müfje man tödten, mwernı er ſich dem
widerſetze. Bon der Inquiſition verjagt, trieb ſich
B. in mehreren Yändern als Geldmader und
Wunderdoctor herum u. lodte u. a. dem König
Friedrich III. von Dänemark viel Geld ab. Auf
einer Reiſe in die Türkei 1670 ließ ihn Kaifer
Leopold I. verhaften und lieferte ihn dem Papfte
aus, unter der Bedingung, daß er nicht am Peben
geftraft werde. Er ft. 1695 im Gefängniffe auf
der Engelsburg in Rom. Löffler.
Borrichius, Olaus (eigentl, Olaf Claudius),
einer der am vielfeitigften gebildeten Männer, die
je gelebt haben, fo daß ihn feine Zeitgenoſſen im
Beige des Gteines der Weifen glaubten, geb.
7. April 1626 zu Synder-Bordh in Jütland; ftu-
dirte jeit 1644 im Kopenhagen Philologie, Philo-
fophie, Mebdicin u. Chemie, übernahm 1650 eine
Lehrerftelle an der Schule zu Kopenhagen, erhielt
als Anerfennung für feine trefflihe Verwaltung
derſelben eine Chorherrnitelle in Yunden, jchlug
aber das Nectorat in Herlomw 1654 aus, um be»
jonders Medicin ftudiren und eine große Weife
machen zu können, Aber der Ausbruch der Peſt
in Kopenhagen, jowie eine Berufung als Erzier
her im Haufe des Minifters Gerftorf hielten ihn
von letzterer zurüd. In den SKriegsjahren 1658
bis 1659 zeigte er ſich auch als treiflicher Soldat
u. wurde zum Anführer der Alademifer gewäblt.
1660 erhielt er die Profeſſur für Philojopbie,
Chemie und Botanif, die er jedoch erft 1666 an—
trat, nachdem er England, Holland, Frankreich,
Italien u. Deutfchland bereift u, in Angers pro»
movirt hatte. Nach feiner Rückkunft befam er die
Profeffur für Medicin u. die Stelle als Königl.
Yeibarzt, 1689 die eines Aſſeſſors des höchſten
Gerichtes, des Confiftoriums u. der Kanzlei. Er
ftarb 3. Oct. 1690 au den Folgen einer Blaſen—
jteinoperation. B. war al$ Arzt den Chemia—
trifern zugehörig, voll praftiicher Kenntniſſe, Ein—
führer des Isländiſchen Mooſes in den Heilſchatz;
als Chemiker tüchtig im Yaboratorium u. wohl
bewandert in der Geichichte der Chemie (Diss.
de ortu et progressu chemiae, Kopenh. 1666;
Conspectus scriptorum chemicorum ete., mit
eigener Lebensgeſchichte, ebd. 1697), natürlich der
Zeit gemäß auch Alchemiſt (Cabala characteralis,
Kopenhagen 1649); als Philolog befannt durch
feine: Diss. de causis diversitatis linguarum,
ebd. 1675; Cogitationes de variis latinae lin-
uae aetatibus, ebd. 1675; Diss. philologica
e quantitate penultimae denominativorum in
698
inus et verbalium in icus, ebd. 1682; De anti-/vom König zum Präfidenten des Stabtratbes er-
quae urbis Romae facie diss. compend., u. De nanut, welcher Stellung das Jahr 1866 ein Ende
urbis Romae primordiis, ebd. 1675; Brevis con- madte. Seit 1867 ift B. Mitglied des Preuß
spectus scriptorum latinae linguae praestantio- | Herrenhaufes auf Yebenszeit, wo er die Provinz
rum, ebd. 1678. Auch als Sihten bat er ſich annover möglichſt vor der Einführung preußiiche
mehrfach bervorgetban: Parnassus in nuce, ebd. Einrichtungen zu bewahren bemüht if. Bauer.
1654; Arctos pullata ete. u. respirans, ebd. 1670) Borromeifche Inſeln, Gruppe von 6 felfigen
u. 1671; feine Gedichte find gefammelt in: Roſt- Inſeln im Yago-Maggiore, zur italien. Provin
aards Deliciae quorundam po&tarum danorum, Pallanza gehörig. Bon Natur kahl u. umfrudh:
'enden 1693. Ebenſo find feine meift medici-|bar, wurden fie 1671 durch Renato u. Pitaliano
nischen Differtationen und Reden, geſammelt in!Borromeo, nad denen fie auch benannt find, zu
2 Bon., in Kopenhagen 1715 erſchienen, zugleich einem Inſelparadieſe wmgeichaffen, inden fie
feine Febensbeichreibung enthalteud. Bon feinen‘ zruchterde herbeiſchaffen umd bie Terraſſen auf
grögeren Werten ſeien noch erwähnt: Deusingius führen ließen. Die 2 größten heißen Iſola bella
heautontimorumenos, Kopenhagen 1661; Linguae (oder Pitaliana), mit Palaft, ſchönen Gärten,
pharmacopdorum , Kopenb. 1670; Docimastice|Grotten, Fiſcherhütten u. Hötel, u. Jfola madre
Borrie8 — Borromeo,
metallica, ebd. 1677.
mögen (75,000 Thlr. baar) beſtimmte er theil-
weile zu eimer noch beftehenden milden Stiftung,
dem oltegium medieum in Kopenhagen, aus
der 16 Studenten frei erhalten werden, Thamhaym.
Borries, Wilhelm Friedrih Otto, Graf
von B., hannop. Staatsmann, aus einer alten
Batricierfamilie der Stadt Minden ftammend, die
fih im Anfange des 18. Jahrh. auf Hormaburg tm
Hannoveriihen anfälftg machte u. 1733 vom Kaijer
Karl VI. den Adelstitel erhielt, geb. 30. Juli
1802 zu Dorum, wo fein Vater Bogt war; ftu-
dirte in Göttingen die Rechte und ward zulett
Mitglied des Hofgerichtes in Stade. Wegen jeines
Talents zur Berwaltung ward ihm die Land»
droftei Stade übertragen, u. er jaß 1848 in der
Erften Kammer, Nah dem Tode des Königs
Auguft ward er als Minifter des Innern in das
neue Gabinet Schele vom 22. Nov. 1851 berufen
u. leitete im demfelben die MNeaction gegen die
Neform des Jahres 1848, die jedoch durch feine
Entlaffung am 10. April 1852 noch gerettet wurde.
Nachdem aber der Bundesbeihlug vom 10. April
1855 die Einmiſchung des Bundestages in die
inneren Yandesangelegenbeiten begonnen hatte,
verkündete B., zum Minifter der Fufiz und des
Innern ernannt, die Kammerauflöjung 31. Juli
u, ftellte durch die Octroyirung vom 1. Aug. 1855
die alte Adelstammter wieder A Sein bureau-
tratiiches Regiment war aber durch die deutiche
Nationalbewegung, gegen die er nad einer un—
bedachten Außerung jogar auswärtige Hilfe nicht
verſchmäht baben würde, gemaltig erjchüttert.
Nachdem er vom König 1861 in den Grafenftand
erhoben war, fiel er endlich durch die Octroyirung
eines neuen Katechismus, durch welchen die Re—
gierung, zum Theil gesen feine Warnung, das
tirhlihe Leben mit Gewalt wieder in alte For—
men zurüdfübhren wollte, u. durch die lebhafte Er»
bebung der Bürgerichaft für den Archidiaconus
Baurſchmidt in Lüchow, der gegen das neue Lehr⸗
buch eine Brojchüre veröffentlicht hatte. Er ſelbſt
meigerte fi), in der brennend gewordenen Kirchen-
frage einen Rath abzugeben, und ward mit den
Zeichen der Ungnade Auguft 1862 entlafjen und
zugleih von der Hegierung die zwangsweiſe Ein-
führung des Katechismus aufgegeben. Er lebte
dann zunächſt auf feinem Gute Hedendorf, wurde
1863 wieder in die Erfte Kammer gewählt und! geiprocyen.
1865 iſt feine Bildſäule aufgeftellt.
bei der Minifterveränderung Ocitober
Sein anjehnliches Ver⸗
(oder Renata), mit Palaſt u. üppigen Bauman-
lagen. Auf der Iſola dei Piscatorr wohnt eine
‚siihergemeinde von 350 Berjonen; die übrigen
find: Jſola fuperiore, Iſola di S. Giovanni und
©. Michele. Sie find mit Morten, Lorbeeren,
Kaftanien u. Orangerie bepflanzt und gewähren
einen reizenden Aufenthalt u. ſchöne Ausficht anf
die Alpen, find jedod zum Theil, wie Iſola bella,
um franzöfiihen Gartengefhmad überladen.
Borromeo (Borromäus), alte (feit 1370) gräf-
liche Familie im Herzogthum Mailand; befigt
Yändereien um den Yago-Maggiore u. viele andere
Güter in Ntalien. 1) Carlo, der Heilige, Sobn
von Gilbert B. n. der Margaretha v. Medici,
geb. 2. Oct. 1538 zu Arona; wurde 1550 Gom-
mendatuvabt, ftudirte 1554—59 in Bavia u. wurde
1560 unter Papſt Pius IV., feinem mütterlichen
Obeim, apoftoliicher Protonotar, dann Neierendar
beider Signaturen, jpäter Gardinal u. Erzbiichof
von Mailand, Legat, über die Homagna, Marl
Ancona u. Bologna, Protector von Portugal, den
Niederlanden u. der Schweiz, ſowie der Francis—
caner, Karmeliter, Humiliaten u. Malteier und
päpſtlicher Großpönitentiar. Er betrieb den Schiuf
des Concils zu Trient und deren heilſame Re—
forımationsdecrete, betheiligte fib 1564 an ber
Nedaction des C'atechismus romanus und hielt
zur Vollziehung der Trienter Beichlüfle 1565 feine
erfte Synode in Mailand. Nah Pius’ IV. Tode
1566 feiner römifhen Amter entledigt, blieb er
auf feinem Erzbisthum Mailand, verbefferte die
Klöfter u. Schulen, übergab den Barnabiten und
den von ihm gejtifteten Dblaten des St. Am-
brofius den Unterricht, übte zur Hebung der
Sitten unter Laien u, Geiftlihen ftrenge Kirchen-
zucht u. Gerichtsbarfeit, a8 fi dadurch aber den
Haß gar Maucher, namentlih der Humiliaten zu,
deren Orden er reformiren wollte und bie dafür
1569 einen glüdlicherweife vergeblihen Morbver-
ſuch auf ihn madten. 1570 ftiftete er für die
Schweiz das Helvetiſche Collegium in Mailand,
eine Art geiftlihes Seminar, und den Goldenen
oder Borromeiihen Bund der 7 katholiſchen
Kantone zur Bertheidigung des fathol. Glaubens
gegen die Proteftanten. In der Hungersnmorb
1570 u. während der Peſt 1576 wirkte er jehr
jegensreich, wie er überhaupt viel für die Armen
that. Er ft. 3. Nov. 1584 u, wurde 1610 beilig
Gedächtnißtag: 4. Nov. Bei Aroma
Seine theol. Werte,
Borromcus-Berein — Borfäure.
699
herausg. Mailand 1747, 5 Bde., Fol. Lebensbe- | Bibelgefellibaft den größten Theil Europas und
hreibung von Godeau, Brüff. 1684; Touron,
Par. 1761; Stolz, Zür. 1781; Sailer, Augsb.
1823; Giuffano, deutich von Klitſche, Augsb. 1836;
Dieringer, Köln 1846. Bgl. Documenti circa la
vita e la gesta di B., 4 Bde., Mail. 1857—59,
von Sala veröffentlicht. 2) Federigo, Nefie
des Bor., geb. 1564; war Cardinal u. 1595—1631
Erzbiihof von Mailand; gründere die Ambrofia-
niihe Bibliothek (j. u. Mailand). 8) Vitalian,
fpanifher Geheimrath u. Großmeifter der Artillerie;
ft. 1690. Ihm und jeinem Bruder Renatus
(f.1685) verdanken die Borromeiſchen Inſen ihre
Anlagen. 1) Löfiler,
Borromens »Berein, 1) (Schmweitern des
St. Borromeo) Gongregation, geftiftet 1652 nad
dem Borbilde der Congregation der Barmherzigen
Schweitern des heiligen Vincenz von Paula
vom Abbe Epiphane Louis von Efsval für Er-
richtung von Freiſchulen, Hofpitaldienft u. Armen-
pflege. Derjelbe erhob fih bald u. namentlich
1807 wieder zu großem Anjeben. Sein jeiger
Hauptfig ift Nancy; doch aud in Deutichland hat
er noch Mutterhäujer, fo zu Zrier und Trebnitz
(ehemals Neiße) mit zufammen 95 Niederlaffungen
in der Aheinprovinz, Weftfalen, —— Preu⸗
Ben, Brandenburg, Schleſien u. Pommern, deren
ſämmtliche Mitglieder zu Anfang - des Jahres
1873 auf 795 fich bezifferten. Blinder Gehorſam
gegen die Oberin ift auch für fie Grundgejeg. Bei
der Kranfenpflege, beſonders Andersgläubiger,
follen die Schwejtern alle Dispute über Glaubens-
ſachen beſcheiden ablehnen, doch die Kranken, welche
um religiöjen Zuſpruch bitten, ermahnen, den
Hl. Geift um Erleuchtung im Glauben demüthig
anflehen zu wollen. Auch follen fie den Kranken, auf
Verlangen, nie anders als aus katholiſchen Gebet—
und GErbaummgsbücern vorlefen. Auch in der
Leitung u. Ertheilung des Unterrichtes an öffent:
fihen Schulen fowol, als an Privat-Fnftituten
find fie zum Gehorfam gegen die Oberin ver-
pflichtet; dabei muß auf Ertheilung des Religions—
unterridhtes, u. zwar im Sinne der Katholischen
Kirche, d. h. im Sinne der jett in derielben herr»
jchenden Richtung, das Hauptgewicht gelegt werben.
Vgl. Hinihius, Die Orden u. Congregationen der
Katholifhen Kirche. 2) Verein, geftiftet 1844 zu
Koblenz von katholiſchen Wdeligen zur Verbreitung
ultramontaner Schriften. Huber,
Borromini, Francesco, ital. Bildhauer u.
Baumeifter, geb. 1599 in Biffone; war nah G.
Madernas Tode unter Berninis Leitung am Bau
der Petersfirhe in Rom beichäftigt, baute mehrere
Kirchen für den Papft u. genoß bei feinen Zeit-
enofjen großen Künftlerruf; er erſtach ſich aus
Neid gegen Bernini, den er an Bizarrerie und
Geihmadiofigkeit übertraf, 1667. Charakteriftifch
für die verwerflide Stilrichtung diefer Bauten
ift, daß er nirgends gerade Linien duldete und
alle Formen in ein wildes verworrenes Spiel
auflöfte (gebrochene Giebeldächer, concave Faça—
den, —— gewundene Thurmſpitzen u. dgl.).
Sein Opus architeetonicum wurde herausg. von
Seh. Giannini, Rom 1727, Fol.
Borrow, Georg, engl. Schriftiteller, geb.
1803 in Norfoll; durcpreifte als Agent der Engl.
NAfrilas. Einen Hauptgegenftand feines Studiums
bildeten die Zigeuner, unter denen er in feiner
Jugend eine Zeit lang lebte. Er jhr.: The
Zineali (über die Zigeuner in Spanien), London
1841, 2 Bde., 3. U, 1873, deutich: Fünf Jahre
in Spanien, Brest. 1844, 3 Bde.; The bible
in Spain, 1843, 2 Bbe., 3. W., 1873; Lavengro,
the scholar, the gipsy and the priest, 1850,
3 Bde., 3. A. 1873; Romany Rye, ®ond. 1857,
3. W., 1873; Wild Wales, its people, language
and scenery, ebd. 1863, 3 Bde, n. A., 1874;
Romano Lavo-Lill, wordbook of te Romany or
English gipsy language, ebd. 1875.
orrowdale, Dorf in der engl. Grafichaft
Cumberland; berühmt durch feine Graphitgruben,
Die aber jetzt faft abgebaut find.
Borfa, Dorf im ungar. Comitat Marmaros;
(1869) 5053 rumänische und magyariihe Ew.;
in der Nähe Kupfer, Blei u. Zilberwerfe u.
Mineralquellen, worunter die Alexanderquelle
durch ihren überreihen Inhalt an kohlenjaurem
Eifenorydul die vorzüglichite iſt.
Borjatto, Giujeppe, ital. Architefturmaler
u. Profeffjor an der Akademie in Venedig, geb.
1771 zu Benedig, geft. um 1850 dajelbft. Seine
Bilder find mit ftaunenswerther Sorgfalt aus«
geführt u. zum großen Theil in Privatgalerien,
Werfe: Das Innere von S. Marco in Venedig,
im Belvedere zu Wien; Nacht in Benedig; Die
Piazzetta mit der Ausficht nah S. Giorgio; Die
Piazzetta mit Schnee bededt; Die Fiazzetta mit
Sasbeleuchtung; Der Rialto mit Umgebung ꝛc.
Er verfaßte: Opera ornamentale publ. per cura
dell’ Accadem. di belle arti di Venezia, 1831.
Borfäure (Borarfäure, Chem.), aus Bor,
Waſſerſtoff u. Sauerftoff nad der Formel H,BO,
zulammengefegte Verbindung. Sie bildet weiße,
perlmutterglänzende Kroftallblättchen, die in kaltem
Waſſer ſchwer, in heißem leicht 1öslich find, Die
Löſung ſchmeckt ſchwach fäuerlih und färbt Cur—
cumapapier braun. Beim Erhitzen verliert fie
unter Aufbläben Waffer, indem fih B-anbudrid
(wafjerfreie B.) B,O, bildet, weiche in der Glüh—
bite ſchmilzt u. beim Erfalten zu einer jpröden,
glasartigen Maſſe erftarrt. Sie tft feuerbeftändig,
verflüchtigt fi aber jchon mit den Wajjerdämpfen
beim Erhitzen ihrer wäfferigen Löfung, noch reich«
licher aus ihrer alkoholiſchen Löſung; daher brennt
borfäurehaltiger Altohol mit grüner Farbe. In
der Natur findet fie fich theils frei (Saffolin, Da»
tofith), theils mit Baſen verbunden (Borar,
Boracıt, Staßfurtit), endlich auch gelöft in einigen
Diineralwaffern. Man gewinnt fie feit 1818 im
Großen aus den borhaltigen (!/,, °/) Wafler-
dämpfen (Fumarolen, Suffionen), welche an einigen
Stellen des ehemaligen Großherzogthums Toscana
(am Monte Cerboli u. Monte Rotondo) aus der
Erde ftrömen. Diefe Dämpfe werden in gemauerte
Wafjerbehälter geleitet, u. die jo erhaltene ver-
dünnte Löſung von B. wird in einem Syſtem
von terraffenartig angelegten Bleipfannen, die durch
Fumarolendämpfe geheizt werden, zur Kryſtalliſa—
tion eingedampft. Die jährliche Production be—
läuft ſich auf 1%/, Millionen kg. Reine B. ſtellt
man entweder durch miederholtes Unkryſtalliſiren
700
der roben B. (die etwa 74 reine Säure ent-
hält), oder aus dem Borar dar, indem man den—
felben ind Theilen beißen Waſſers löft u. '/, Theil
Salzjäure zuſetzt; beim Erkalten kryſtalliſirt die
B. heraus. Sie dient hauptjächlich zur Fabrifa-
tion des Borar, außerdem zur — von
Glaſuren u. als Zuſatz zu gewiſſen Glasſorten;
auch tränkt man wol bie Dochte der Stearinlerzen
mit einer verdünnten Löſung derſelben, wodurch
fie die Fähigkeit erlangen, ſich beim Verbrennen
zu krümmen u, feitwärts aus der Flamme ber-
auszuneigen. Heher.
orſãureanhydrit (waſſerfreie Borſäure), ſ.
Borfäure.
Borjäureanhydrit — Börſe.
wendung zum Löthen beruht darauf, daß er ge—
ſchmolzen die Fähigkeit beſitzt, Metalloryde auf
zulöfen. Er reinigt fo die Oberfläche Der zu
vereinigenden Stüde, ſchützt fie, indem er fie mit
einer firnißähnlichen Dede überzieht, wor der
weiteren Oxydation u. bewirft dadurch eis feites
Anheften des Lothes. Aus ähnlichen Gründen
ift er auch beim Gießen mander Metalle ein
umentbehrlihes Hilfsmittel.” Er war ſchon im
Mittelalter als Flußmittel befannt, feine eigent
liche Zuſammenſetzung wurde erft um 1800 er
mittelt, Deger.
Borsdorfer Apfel, nah Diel zu dem rotben
Reinetten gebörender, nad Lucas die 9. Familie
Borſüureüther, zufammengefeste Äther, welche | bildender, Heiner, regelmäßiger, plattrunder od. fegei«
entfteben, indem die Wafferftoffatome der Borfäure | förmiger Apfel mit meift glatter, oft ınıt Warzen ver:
(H,BO,) durch Alfoholradicale (Methyl, Athyl ꝛc.) ſehener Schale u. feftem, etwas trodenem, füßlichen
erſetzt werden. Der Borfäureäthyläther (C. H.) BO, | Fleiſche. Der befammntefte ift ver Edelborspdorfer
wid durch Einwirkung von Ghlorbor auf abjo-
luten Alfohol als farbiofe, bei 119° fiedende Flüf-
figfeit dargeftellt, die mit grüner Flamme bremnt.
Borfänrefalze (Borate, Chem.), die Ver—
bindungen, welde dadurch entjtehen, daß die
Wafferitoffatome der Borjäure durch eleftropofitive
Nadicale (Metalle) erjegt werden; fie bilden fich
u. a, beſonders durch Bereinigung der Borſäure
mit Bafen. Die Allalifalze find in Waſſer leicht
lösiih, alle werden durch Säuren zerjegt und
ſchmelzen in der Glühhitze zu durchſichtigen Gläſern,
die oft eine charalteriſtiſche Farbe haben. Sie
befördern aud die Schmelzung anderer mit ihnen
gemischten Körper u. dienen deshalb als Fluß-
mittel. Man ertennt fie leicht daran, daß Alkohol
über das mit Schwefelläure fein zerriebene Salz
mit gelber, ſehr glatter, an der Sonnenfeite jchön
gerötheter, etwas berofteter Schale, ſehr baltbar
u. fein von Geihmad, ausgezeichnet für Die Küche
u. den beften, haltbarften Apfelmein liefernd. Die
Bäume Tieben tiefgründigen fruchtbaren Boden,
tragen aber erft im böheren Alter reihlih. Auer
er anderen gebört dazu au der ZJwichbel-
apfel, Hein, jehr platt, mit ftarf gerötheter Schale
u, fejtem, trodenem Fleiſche, weicher zum Aus
bobren u, ZTrodnen ganz bejonders beliebt if
u. einen ausgezeichneten Apfelmein liefert. Die
Bäume lieben fruchtbaren, etwas fendhten Boden,
tragen reichlich u. werben nicht jehr groß. Wolde
Börfe, 1) in großen Handelsftädten der Ort
(auch ein Gebäude od. freier Plag), an welchem
ih bandeltreibende Perſonen meift täglich,
gegofien mit grüner Flamme bremnt, eine Färb- | Feiertage ausgenommen, in beftimmten Stunden
ung, die namentlich beim Umrühren deutlich ber- |(W-nzeit) verfammeln, um Werthpapiere (Effecten
portritt. Das rg Salz ift das ſaure u. Wechjel), oder auh Waaren eimer beſtimuten
borjaure Natron, belannt unter dem Namen Gattung zu laufen od, zu verkaufen, Der locale
Borar(Na,B,0,+10aq). Es findet fich gelöft in) Begriff wird auch übertragen auf 2) die Ber
einigen Seen von Tibet u. Nepal u. wurde früher) fammlung der Seichäftsleute ſelbſt, u. im weiteſten
in umreinem Zuſtande als Tinfalnad Europa ge-| Sinne umfaßt das Wort 3) den Seld- u. Waaren-
bradıt, um bier gereinigt zu werden, Jetzt ftellt man | markt eines Yandes überhaupt, weil das Börſen⸗
den Borar allgemein durch Sättigung einer verdiiun: geſchäft der Regulator für die Preiie der Waaren
ten Auflöjung von foblenjaurem Natron (Soda) auch im Heinen Geſchäftsverkehre ift.
mit Borjäure u. vorfichtiges Ausfryftallifiren der
erhaltenen Lölung dar. In neuefter Zeit ver-
arbeitet man aud den in Bolivia vorlommendben
Boronatrocalcit (borfamre Kalferde) od. Tiza
durch Kochen mit Sodalöfung auf Borax. Er bildet
farbloje, fänlenförmige Kryſtalle, die wahrſchein—
lich infolge eines geringen Gehaltes an fohlen-
ſaurem Natron oberflächlich verwittern. In kaltem
Waſſer löft er ſich ſchwer, in fodyenden leicht auf;
die Yöfung ſchmeckt u. reagirt ſchwach alkaliſch.
Beim Erbigen gibt er unter ftarfem Aufbläben
Waſſer ab u. fchmilzt endlich zu einem farblojen
Glaſe (Borarglas). Ans einer heißgefättigten
Auflöfung ſcheiden fih anfangs oltaedriſche Kıy-
ftalle von der Yormel Na,B,O, + baq, ofta-
edriiher Borar, aus, der in feinem Berbalten
dem gewöhnlichen (prismatifchen) Borar gleicht u.
beim Liegen an der Luft durch Wafleraufnahme
in folhen übergeht. Man benutt den Borar als
Zuſatz zu gewifien Emails u. Glasſorten, als Fluß—
mittel in der Glas- und Porzellanmalerei, ſowie
zur Glaſur feinerer Thonmaaren. Seine An—
I. Zwed u, Urſprung. Der Zwed u. Nutzen
der B. ift, den faufmännichen Verkehr zu er-
leichtern, indem der Verkäufer einer Waare, ftatt
Ichriftlih oder perfönlid die Kaufluftigen aufzu-
fjuchen, auf der B. fein Angebot milndlich an-
bringen, zugleih aber auch erfahren fann, mie
groß die Nachfrage u. das Angebot ift u. mie
demgemäß der Preis fi ſtellt. In äbmlichem
Falle befinder fi der Käufer. Den Urfprung
des Namens B. leitet man von einem Haufe in
Brügge ab, wo die Kaufleute zuſammenzukommen
pflegten u. welches nad dem Namen des Beſitzers
van der Beurſe genannt wurde; nach Anderen
fommt die Benennung von einem zu ähnlichen
Sweden benutten Baufe in Amſterdam, an
welchem über der Thür drei in Stein gehauen?
Geldbeutel (Bourses) angebradt waren, od, über:
haupt von dem mittellateinichen Bursa, meldes
auch eine jede Zuſammenkunft bedeutet, beionders
wenn fie auf gemeinfchaftlihe Koſten gefcbiebt.
Zufammenfünfte von Kaufleuten fanden jchen
unter den Römern, befonder® bei einem der
701
Thorbogen auf dem Markte (Janus medius), dann) Platz Corbeille), von mo aus die Mäller
mehr ausgebildet im Mittelalter an großen See- laut ausbieten, was ihnen zum Berfaufe an die
plägen zum Behufe des Waareneinfaufes ftatt.| Hand gegeben ift. Die Gegengebote erfolgen
Geregelt u. georbnet erfcheint diefe Art des faufs[ebenfalis laut, wie bei einer Auction, und das
männiſchen Berfehres erft im 16. Jahrh., wo zu-|böcdjfte dient zur Normirung des Gurfes, Wo
erft der Name B. in Holland und Frankreich das private Angebot gebräuchlich ift, wird am
(Bovrse) zur Bezeichnung derielben gebräuchlich | Ende der B. als Cours der verſchiedenen Waaren,
wird u, Die regelmäßigen Berfammlungen des|Effecten ꝛc. der Mittelpreis angenommen, zu
Handelsftandes in bef. dazu eingerichteten Gebäu-|mwelhem die Mäfler ge» od. verkauft haben. Der
den ftattfanden. Eines der Älteften diefer Gebäude! B-nvorftand oder ein Mäklerſyndicat veröffentlicht
war die Antwerpener B. Bon Holland kam die danach die officielfen Bencourje (f. Coursbericht),
Beneeinrihtung nah England. Die erfte B. in/mobei allerdings nicht jelten Unterjchleife ftattfinden.
London, welche 1666 abbrannte, wurde Royal-jDie täglichen Befucher der B. haben in der Regel
Exchange u. nad ihr alle englifchen B-n Exchanges |einen beftimmten B«nftand, zu deſſen genauerer
genannt. Ahnliche Inſtitute entftanden nun nach Abmeffung auf einigen B-n eine Abtheilung des
Börſe.
u. nach an allen Knotenpunkten des Handels u.
Verkehres auf dem Continent, ſo in Hamburg,
Paris, Frankfurt a. M., Berlin, Wien, Leipzig ıc.,
u, mit dem Aufblüben der Bereinigten Staaten
in New-York, Philadelphia ꝛc., und den Stapel-
plägen des oftindiihen Handels. Je bedeutender
die Handelsbewegung überhaupt, dann insbel.
durch den überfeeischen Berfehr wurde, defto größer
wurden auch die Schwankungen der Öreife
namentlih von Producten, die einem fchneilen
Berbraude unterworfen find. Das Gejchäftsleben
an der B. mußte in demfelben Maße zunchmen.
Während nun aber die B, urfprünglich einzig u.
allein dem Waarengeichäfte diente, entjtand im ber
neueren Zeit, bejonder8 mit der Ausbildung des
Banfwejens (ſ. d.), ein neuer Zweig des Ben—
wejens, ber raſch alle anderen an Umfang und
innerer Bedeutung liberflügelte: jener des Effecten-
u. Wechfelverfehres. Infolge deffen trat an den
roßen Handelsplägen, zuerft im London, eine
rennung der B⸗ngeſchäfte ein. Das Waarengejchäft
erhielt ebenfo wie das Fondsgeſchäft (Stock Ex-
change) feine bejondere B. Später fonderten
fih an einzelnen Handelsplägen, deren Handel in
gewiffen Waarengattungen von bormwiegender Be—
deutung wurde, bon den erjteren noch fpecielle
Geichäftszweige, als Getreide-, Kohlen-, Ol- und
Buchhändler⸗B. xc., ab. An Seeplägen bildeten
fih außerdem Ben für das Verſicherungsweſen
(Lloyds, ſ. d.).
II. Der B-nverfehr wird durch Benord-
nungen regulirt u. von Staats wegen überwacht.
Das Net, auf der B. Gejchäfte zu machen, ift
in einigen Städten auf die Kaufmannſchaft, oder
auch nur auf einen Theil derjelben (Bsnmitglieder)
beihränft, an anderen, wie z. B. in Hamburg,
ift es Jedem, Banlerottirer ausgenommen, ge
ftattet, die B®. zu beiuchen. In der Negel wird,
zunächſt der Koftendedung wegen, eine Gebühr
entrichtet, meift jährlich. Die Auffiht wird
von B»nvorftehern (in Hamburg B>nalte) ges
führt, melde von der Kaufmannſchaft zu dieſem
Amte erwählt werden. Die Kanzleigeichäfte wer-
den von B-ucommiffarien, Buchhaltern, Boten
u. Beanſchließern beforgt. Die Berfäufe finden
entweder durch öffentliches, oder durch privates
Angebot ftatt. Das erftere (Cride) ift nament-
lich in Paris gebräudlih, wo ein Theil des
B-uraumes zu dieſem Zwecke als Parfet abge:
grenzt ift. Innerhalb des Parkets befindet fich
wieder ein von einem Gitter umzogener runder
Fußbodens im numerirte Felder vorgenommen iit.
Auch gruppiren fih die Benbefuher nad ihren
Seichäftszweigen zufammen, jo daß der Verkehr
dadurch fehr erleichtert wird. Was die Maaren«
B. betrifft, jo werden die betreffenden Producte
nicht felbit an die B. gebracht, wol aber Proben,
nad denen gefauft wird. In einzelnen Handels-
ftäbten werden auch Bengeſchäfte unerlaubter oder
gedufdeter Weife an Orten abgeichlofien, die nicht
eigentlich dazu beftimmt find (Winfelbörjen),nament»
id an Feiertagen, wo die Bnlocale geſetzlich ger
Ihloffen find. Die dort gemachten Eourfe finden
aud wol Aufnahme im die (nicht-officiellen) Cours»
berichte. Berfuche, namentlih zu Paris, die
Winfelbörfen zu unterdrüden, waren ſtets erfolg—
108. Die B-n Heinerer Handelsftädte find im
Allgemeinen von denen der großen abhängig und
haben nur für gewiffe Waaren u. Wertbpapiere
localer Art, die an den großen Ben weniger od.
gar nicht gun werden, ein felbftändiges Leben.
Seit die Telegraphenverbindungen zur Mittheil-
ung fremder Coursberichte dienen, ift die wechfel«
feitige Beziehung der großen Bm zu einander fo
innig geworden, daß eg ae nur um
ein Geringes differiren. Zugleich haben die B-n
als die Vermittler aller großen Finanzoperationen
für den Staat an Bedeutung gewonnen, und die
Stimmung ber B., flau oder animirt, gilt als
Mafftab für den Staatscredit u. fiir die Sicher-
heit der politischen Zuftände,
III. Die B-ngeſchäfte ſelbſt find entweder
Tagesgeſchäfte, bet denen an demfelben Tage, an
welchem das Geſchäft gefchloifen wird, Waare
gegen Geld geliefert wird (Operations au comp-
tant), oder es find Zeitgefchäfte (A terme), bei
denen die Waare zu einem beftimmten Xermin
von dem Berfänfer geliefert u. von dem Käufer
abgenommen werden muß. Der über ein der»
artiges Lieferungsgefchäft abgefchloffene Bertrag,
Schluß: od. Engagementsbrief, kann dur Eeffion
in zweite u, dritte Hand übergeben. Der Termin
der Realifirung ift gemeiniglih medio od. ultime
eines Monats geftellt, fo daß zu dieſen Zeit—
punkten infolge der abzuwickelnden Engagements
das Bengefchäft bewegter als jonft ift u. die Courſe
größeren Schwankungen ausgejegt find. Die
Zeit» oder Specnlationsgefhäfte find theils reelle
(wirkliche), theils imaginäre Geſchäfte. Im erfteren
‚alle (Kauf auf Lieferung fir) haben Käufer u—
Berfäufer die wirkliche Abficht, zu einem beftimm-
ten Zeitpunfte Waare gegen Geld zu tauſchen, ı.
702
Börſe.
jeder rechnet darauf, dadurch zu gewinnen, daß Lieferungsgeſchäften, deren Gegenſtand Waaren,
zur Zeit der Realiſirung des Geſchäftes (Fin, meiſt aber Werthpapiere auf den Inhaber
Schlußtag, Settling day), der Tagescours zu ſeinen ſind. Die Concentrirung gleichartiger B. an einem
beftimmten B:nplage bewirkt den B-n-Eours,
d. b. eine mebr oder weniger fefte Beftimmung
des Kaufwerthes der B-npapiere an dem beftimmts-
ten B⸗ntage, unter mandherlei, namentlich polt«
taufen muß). Im letzteren Falle ift es von vorn tiſchen Einflüffen ſchwankt derfelbe beftändig ; dieſes
herein die Abficht weder des Käufers, noch des Schwanken des Courſes ift eben der Weiz des
Verkäufers, die Waare in natura zu liefern, reſp. B⸗nſpiels u. Grund u. Ziel der in der Hauffe u.
abzunehmen, jondern am Tage, wo der Kauf zur Baiſſe fih bewegenden Beuſpeculation.
Liquidation kommen ſoll, macht ſich der Käufer| IV. Das B-nipiel, An die großartige Ente
oder Verkäufer, welchem das Geichäft zum Nach: |mwidelung der Neuzeit, insbe. auf dem Gebiete
theil geworden, durch Zahlung einer Prämie|der Fnduftrie, bat fi eine im das fociale und
(Prämengeihäft), od. durch Zahlung der Cours- | wirtbichaftliche Leben der Völker tief eingreifende
differenz ( Differenzgeichäft) von der übernommenen eigenthümliche Eriheinung geknüpft: die Bnipe-
Zeiftung frei (Marches a primes oder Marches |culation, das B- nfpiel. Neben der natür«
libres). Das Prämiengeihäft kann unter ver-|lihen und mohlthätigen Entwidelung tritt eine
fchiedenen Bedingungen abgeichloffen werden umd |unnatürliche, vielfach jchädliche hervor, verderblich,
fiihrt dann je nach der Art derfelben einen be |mweil fie nicht jelten die mühſam erworbenen Ber-
jonderen Namen. Hat der Käufer fih das Recht mögen, bei. der Mittelbürger verjchlingt, mod
vorbehalten, die gekauften Wertbe jeden Tag weit mehr aber, weil fie durch Vorfpiegeln des
innerhalb eines beſtimmten Zeitraumes verlangen |Neihmwerdens ohne Mühe von nützlicher Arbeit
zu können, jo nennt man dies ein Wandelgeichäft; abwendet u. durch ſyſtematiſche Antendung une
find beide Contrahenten übereingelommen, einen |lauterer Mittel, der Täufhung, des Truges, der
Theil der Werthe gegen eine Coursvergütung | Beftehung, Gorruption in weiteften Kreifen ver-
(Prämie) nicht liefern, refp. nicht abyehmen zu| breitet. E iſt nur zu gewiß, daß viele der wichtigſten
brauchen, fo nennt man es Schluß auf fir und u. nützlichſten Unternehmungen der Neuzeit nicht zu
offen; dem entgegengejett ift das Noch- od. Nach- Stande gebracht worden wären, ohne die kühne
geſchäft, bei welchem es dem Gontrahenten frei- oder waghalſige Speculanten lodende Ausficht auf
jteht, eine Anzahl Werthe mehr zu verlangen, |Agiogewinn an Actien u. ſ. f. Der mitunter un—
rejp. zu liefern, als ausbedungen war, Compli⸗ geheure Erfolg reizte: was urſprünglich Mittel
cirter iſt das Stellgeſchäſt, bei welchem ein Gon- zum Zwecke war, ward zum Selbſtzwecke gemacht.
trahent (Mäbler) die Wahl bat, an eimem be-| Während man anfangs Actien creirt batte, um
ftimmten Tage die ausbedungenen Werthe dem|das Geld zur Ausführung großer, gemeinnüßiger,
Anderen (Steller) zu liefern, oder fie von ihm zu|die Kräfte Einzelner weit überfteigender Unter
beziehen. Für die freigeftellte Wahl vergütet der/nehmungen zu erlangen, wurden nun Projecte,
Wähler dem Steller einen gemwilfen Procentfat | mitunter der abentenerlichiten Art, ausgebedt,
vom Cours (Prämie). Berpflichtet fih der Käufer nicht weil man fie nützlich oder nothwendig bielt,
Gunften böher, reſp. miebriger ſtehen werde.
Dabei fragt es fi, ob man die verfauften Effec-
ten wirklich befitt, oder nicht (Berfauf a décou-
vert, mobei man verfauft, was man jelbft erft
eines Papiers, dajjelbe an einem bejtimmten Tage!
dem Verkäufer zu einem verhältnißmäßig höhe—
ren Preiſe zurüdzuliefern, jo entſteht das Prolon—
gattonsgefchäft (March@ a reports), weldes genau
genommen der Beleihung eines Wertbes gleicht,
welchen der Befiger als Unterpfand gibt, um fich
jondern einzig u. allen um Gelegenheit zu Actiens
ereirumgen, zu Emiſſionen, zur Agiotage zu er—
halten. So entitand das Gründertbum in Der
bäßlichiten u. verächtlichiten Bedeutung des Wortes,
dem es nicht auf die Güte eines geplanten Unter«-
nehmeng, fondern weit mebr auf die Bortrefflich-
Held zu anderen Speculationen zu verichaffen. |teit eines Profpectus und am allermeijten auf
Ereignet es fih, daß der Kauf gegen Baar am
Lieferungstage theuerer fich geftalter, al$ auf jpätere
Yieferung, jo entftehen Gefchäfte a deport. Die
bandelsredhtlihen Beftimmungen über den Begriff
u. allgemeinen Jnbalt, iiber Abi a 3 eg
füllung der Handelsgejhäfte (AU
Art. 271 fi.) lommenaud auf ch. zur —
ung. Nur wenige beſondere Vorſchriften ſind für
dieſe darin enthalten. So beſtimmt Art. 331
daß Be-nordnungen die allgemeinen handelsrecht-
lichen Zeitrechnungen (Art. 328—330), ſoweit fie
Liquidationsterminen der B. betreffen, abändern
können. Ebenſo gelten bezüglich der gewerblichen
Thätigfeit der B-m-Mäfler oder Senſale die all-
gemeinen handelsrechtlichen Beltimmungen über
die Mäfler (Allg. D. H..G.-B. Art. 66— 84), u.
fofern Commiſſionsgeſchäfte dorlommen, die all—
— geſetzlichen Beſtimmungen über das
ommiſſionsgeſchäft (daſ. Art. 360—378). Ma—
teriell gehören die B-n- in der Megel zu den
Präparirung des Bodens für die Agiotage nad
allen Richtungen ankommt. An fie reiben ſich
an jene bloßen B-njpieler, welche Käufe oder
Verkäufe, bejonders in Effecten, weit über ihre
Mittel wagen, in England Stockjobbers od. auch
B. bloß Jobbers genannt. Das Treiben folder Leute
ift nicht ganz neu; zwei der befannteften Beiſpiele
waren: 1) Der Schwindel mit Zulpenzwiebeln
in Holland im ber Mitte des 17. Jahrhunderts
(man förderte eine wahre Manie; fteigerte die
Breife der Tulpenzwiebeln ins Ungebenerliche ;
verfaufte, was man nicht befaß, u. faufte, ohne
auch nur entfernt den Preis zu befigen), u. 2
Yaws Papierwirthſchaft in Frankreich um 1720
(1. Banken u. Lam). Die Yeichtgläubigfeit eines
nicht geringen Theis des Publicums fommt den
Projectemachern gewöhnlih auf balbem Wege
entgegen, Je abenteuerficher ein Plan, deito beſſer
gefällt er mitunter. Es ift faum glaublih u.
dennoh Thatſache, dag noch zu Anfang des
Börſe.
jetzigen Jahrhunderts in dem ſonſt ſo praktiſchen
England eine Actiengeſellſchaft, um Gold zu fa—
briciren, gebildet werden konnte, wie J. Francke
in feiner Schrift iiber die Londoner B. des Nä-
beren erzählt. Seit dem Beginne der Eifenbabır-
bauten durch Actiengejellichaften u. noch mehr Seit
Gründung des Parifer Credit mobilier ift der
Gründungsunfug und der Befchwindel zu einer
früher nicht aloe Pie Ausdehnung gebracht wor-
den. Zu den Hauptmitteln der Gründer gehört
das Erfaufen der Preffe u. das Gemwinnen des
Namens von Männern aus der hohen Ariftofratie
oder fonjt von hervorragender Stellung, um
durch beides auf das Publicum zu wirken, diejes
zu täufchen u. zu blenden. Zu Ende der 1850er
Sabre batte jeder der Hauptgründer in Paris
eines oder mehrere öffentlihe Blätter erfauft:
Mires war Haupteigenthümer bes Pays, des
Constitutionnel u. des Journal des chemins de
fer; Millaud beſaß La Presse u. das damit ver«
bundene Jonrnal des Actionnaires; Wereire u.
Rothſchild geboten über L’Industrie u. La Semaine
finaneiere; Proß hatte fih den Courrier de Paris
gefihert, Bouffineau den Moniteur de la Bourse
gegründet. Noch fchlimmer gejtaltete ſich das
Berhälmig zu Ende, der 1860er u. anfangs der
1870er Fahre in Oſterreich. Kaum irgend ein
neues Unternehmen, das nicht an Blätter aller
Farben Betheiligungen gegeben hätte, Leider gab
es im Proceh Ofenheim nur Andeutungen, keine
volle Entbüllungen; allein auch jene Andeutungen
laffen feinen Zweifel an der Ausdehnung der Cor—
ruption. Seitdem der im Mai 1873 ausgebrochene
große Krah meue mafjenhafte Gründungen un-
möglich gemacht, zeigt fih der Finanzzuſtand faft
aller größeren Wiener Blätter gewaltig erjchüt-
tert; Die meiiten find überſchuldet, bei wenigen
703
gebildet war, mit hohem Agto bezahlt wurden.
Die Speculation ſtürzt fih am liebjten auf neue
Papiere, einerjeits infolge des Neizes der Neubeit,
anderjeit8 u. bauptfjählihb, weil man bei bloß
geringer partieller Einzahlung mit den unbe»
deutendften Mitteln die größten Gefchäfte aus«
führen fann. Die Sucht, jchnell u. ohne Mühe
veih zu werden, verbiendet die Maſſe der Leute
volljtändig. Sie ahnen nicht, daß fie fich in ein
Hazardfpiel ftürzen unter den für fie ungünftigiten
Chancen. Ehe ein Papier bis zu ihnen gelangt,
haben die Gründer, die Syndicatstheilnebmer u.
dritte Bankiers bereit$ den Hauptgewinn von
vorn herein an ſich gebracht. Nun bejiten fie die
Effecten, wiffen aber nichts von der inneren Ent—
widelung des Unternehmens ſelbſt. Andere er»
fahren ftetS vor ihnen, ob Verkaufen oder Bes
balten ratbiam iſt. Sie ahnen nichts von den
Eombinationen od. Machinationen der Privilegirten,
find der Spielball in deren Händen. Aller
dings können fie in den Generalverfammlungen
ihre Intereſſen geltendmachen. Aber die Erfahr-
ung bemeift, daß dieſe Generalverfammlungen im
der Hegel nur meitere Täuſchungen find. Das
Ericheinen in denfelben ift mit formellen Schwie»
rigfeiten und meift auch mit einigen finanziellen
Koften verknüpft. Da dringt denn im der Regel
die Marime duch: Auf meine Stimme kommt es
ja doch nicht an. Zudem find die einfachen
Actionäre viel zu wenig befannt mit den Einzel-
beiten der maßgebenden Berhältnifje, um dent
Yeitern mit genügender Sachkenntniß entgegen«
treten zu könnuen; fie würden erjcheinen als Wehr—
lofe gegen vollitändig Bewaffnete. So kommt
es, daß jelbit bei Entfcheidung der michtigiten
Fragen nur ein Heiner Bruchtheil der Actionäre
in jenen Berfammlungen erfcheint, u. daß in den-
werden die Ausgaben durch ihre Einnahmen ge- |jelben felbft die den gemöhnlihen Betheiligten
dedt.
wurden unter die Gründer und dann ımter die
Berwaltungsräthe aufgenommen, auch wenn die-
jelben von der Sache, um die e8 fich handelte,
nicht das Geringfte veritanden; ihr Name, nicht
ihre Thätigfeit im Gejchäfte ward erfauft und
mit Zehntanfenden und Hunderttaufenden bezahlt
u, iiberhaupt eine geradezu maßlofe Corruption
geſchaffen. Wol feines der Eulturländer blieb frei
von diejer Pet. In Deutichland hat namentlich
Lasker im preußischen Abgeorbnetenhaufe haar-
fträubende Enthüllungen geliefert. Iſt die Zeit
ftrömung günftig, find namentlih die Berheer-
ungen etwas vergefien, welche die leiste der immer
periodiſch wiederkehrenden Bo⸗nkriſen hervor-
gebracht, ſo läßt die Maſſe des Publicums ſich
immer aufs Neue täuſchen. Es kauft ohne Aus—
wahl, ohne einen Begriff zu haben vom vollen
Werthe od. Unwerthe der ihm empfohlenen Papiere.
Auch die große Mehrzahl der gewöhnlich befragten
Wechſelſtubenbeſitzer (ſog. Bankiers) ermangeln in
der Regel jeder näheren Einſicht bezüglich des
wahren Werthes eines (bei. neuen) Papiers, abge»
feben davon, daß der unmittelbare Gewinn folder
Leute, der am Verkaufe fchlechter Effecten in der Re—
gelam größten, für Biele am meiften maßgabend tft.
Dan fab, wie Actien einer Gejellichaft, die jelbit
erft im Project beftand, formell noch nicht einmal
Leute von altem Adel oder hoher Stellung ſchädlichſten Beichlüffe mit relativ großer Mehr»
heit durchgeſetzt werden fünnen. Unterdeſſen geht
das Treiben an der B. ununterbrochen fort; tır
ruhigen Zeiten allerdings am meiften in reellen
Umjägen, in bewegten Perioden aber meift int
Spielgefchäfte. Papiere werden gelauft u. ver-
fauft, um die Courſe zu treiben od. zu drüden, Faſt
beitändig ftehen fich zahlreiche Parteien gegenüber,
deren eine auf Steigen, die anderen auf Sinken
der Eourfe jpeculiren u. zu dieſem Behufe alle ihnen
verfügbaren Mittel zur Anwendung bringen. Die
Erjten find die Hauffiers (Speculanten a la
hausse, in England die Bulls, jo v. w. Ochſen,
genannt), die Yegten die Baiffiers (Specnlanten
a la baisse, in England Bears, fo v. w. Bären,
geheißen). Die Erjten bilden die Mine, die Festen
die Contremine. Der Einfluß der gewöhnlichen
Effectenbefiger ift dabei in der Regel ziemlich
Null, Es läßt fih kaum verfennen, daß Die be—
jtehende Geſetzgebung in der vorwürfigen Materie
unzureichend it, daß fie der Geftaltung, wie fich
diejelbe in der jüngiten Zeit entwidelt, nicht mebr
zur Geniige entipricht. Selbftverftändfich wird es
feiner Geſetzgebung gelingen, aie Übervortheil—
ungen u. Vetrügereien abzuwenden, oder deren
Erreihung durch das Strafgefe zu fihern. Es
wird dies um jo weniger gelingen, als das Pu—
blicum jelbit durch blinde Yeichtgläubigkeit im
704
Hafchen nah mühelofem u. ſchnellem Reichwerben |
Börſenſpiel — Borfig.
Borjieri von Annilfeld, Siovanni Bat-
das unreelle Treiben nur allzu ſehr fördert und tifta, vorzüglicher Arzt und Gelehrter, geb. 18.
unterftütst, fomit einen nicht geringen Theil feiner)
Bertufte ſich ſelbſt beizumeſſen hat. Allein immer:
hin kann u. fol der Staat offenen Berrügereien
entgegentreten u. bie Lüden in der Yegislation
möglichft zu bejeitigen fuchen, welche in der Neu-
zeit zur Vollbringung des geſchilderten verderb-
lichen Treibens vorzugsweile benugt zu werben
pflegen. Als Hauptmoment wird dabei hervor-
treten eine möglichit ausgedehnte Haftpflicht der
Gründer u. ihrer Agenten, ſowie der Directoren
und Berwaltungs- oder Auffichtsräthe nicht nur
für die abfolute Richtigkeit ihrer Angaben, ſondern
auch für deren Vollftäudigkeit, im Gegenjage zu
den fo oft porfommenden Berbeimlihungen von
Dingen, deren Kenntniß zur richtigen Beurtheil-
ung des Werthes der Papiere ꝛc. nothwendig ift;
dann offene Angabe aller Vortheile, melde die
Unternehmer u. Yeiter ſich bedungen haben; end-
lich Borjorge, daß die vom Staate unentgeltlich)
ertbeilten Conceſſionen nicht als Ausbeutungs:
objecte mißbraucht werden. Die bisherigen Er—
Febr. 1725 in Trident; wuchs unter den bürftig-
ften Berbältniffen auf, fonute uur mit der äußerten
Anftrengung, noch dazır bei Berluft eines Auges,
feinem inneren Drange, Medicin zu ftudiren,
folgen, ging nad anatomifhen und allgemein
medicinifhen Vorbereitungen nah Padua und
Bologna, wo fein Lehrer Beccari, fein Genie er-
fennend, ihm die günftigfte Zukunft vorausjagte,
u. erlangte in voller Anerlennung jeiner Tiüchrig«
feit vorzeitig die medicinishe und philoſophiſche
Doctorwirde. In Faenza hatte er das Glüd,
eine dort herrſchende Epidemie richtig als eine
durh Würmer erzeugte zu erkennen u. mit Er«
folg zu behandeln, jo daß ſich fein Ruf als Arzt
weithin verbreitete (De authelmintica argenti
vivi facultate, Faenza 1753), u. ging daun 1769
als Lehrer der Chemie u. Pharmacie u. Director
der medicinifchen Klinit nad Pavia, fpäter als
Leibarzt des Erzherzogs Ferdinand nah Mailand,
wo er 22. Dec. 1785 ftarb. Seine Institutiones
medieinae practicae, Mailand 1785—89, deren
ſcheinungen, diefe Ausbentungen des Publicums,)erfte 3 Theile nur von ihm felbit geichrieben
diefe bis in die höchſten Kreife der Gejellichaft| find (der 4. ift von feinem Sohne herausgegeben)
gedrungenen Gorruptionen find scharfe Waffen ge
worden in den Händen der Anhänger des Com-
munismus u, des weiteftgehenden Socialismus; fie
haben im Übrigen dahin geführt, das Berlangen
zu erweden u. auszubreiten, daß beinahe alle grö-
Beren Anftalten u. Unternehmungen durch den Staat
bergeftellt u. betrieben werden ſollen. Zum Schluſſe
haben wir uur noch ergänzend die Notiz anzufügen,
daß die Zahl der maßgebenden Effecten-Bsn gering
ift: Yondon, Paris u. Berlin vor allen, dann Wien,
Petersburg u. Frankfurt in Europa, New-ort
in Amerifa. Die übrigen B-n haben in der Kegel
nur für Localpapiere eine Bedeutung. Wejent-
lich verjchieden von den Effecten find, wie oben
bereit angedeutet, die Waaren-Bn. Yiteratur.
Ale befieren Werte über Nationalölonontie
(Bollswirtbihaft), dann die am Schluſſe des
Art, Banken angegebenen Schriften; ferner fpe-
ciell: B. 3. Proudhon, Manuel du Speculateur
de la Bourse, Paris 1853 (anfangs anonym),
5. Aufl., 1857, deutſch, Hannov. 1857; Die B.,
die Bnoperationen u. -Täufchungen, die Stellung
der Actionäre und des Gefammtpublicums, auf
Grundlage von Proudhons Manuel für deutſche
Lejer frei bearbeitet (anonym, von G. Fr. Kolb),
Zürich 1857; Die Geld- und Ereditfrije, volfs-
wirthſchaftliche Unterfuchungen für Gejchäftsleute,
Actienbefiger u. Staatsmänner, von demjelben
Verf., ebd. 1858; Hecht, Das Bn- u. Actien-
wejen der Gegenwart, Mannh. 1874; A. Schäffle,
Der große Benkrach des Jahres 1873, in der
Tübinger Zeitichrift für Staatswiſſenſchaft, 1874;
Gareis, Karl, Die B. u. die Gründungen, in der
Sammelfchrift: Deutiche Zeit und Streitfragen,
von Holgendorf u. Onden. Kolb.*
Barleuibich ſ. u. Börfe IV.
Börjenverein, Verein von Geſchäftsleuten,
auf deren Koften eine Börfe errichtet ift, u. welche
infolge deifen allein berechtigt find, auf derjelben
Geſchäfte zu machen; fo der B. der deutſchen
Buchhändler.
haben einen hoben Werth und find gleich aus
gezeichnet durch Form, wie durch Inhalt. Sie find
verichiedentlih herausgegeben u. überjegt worden:
in das Deutſche von Hinderer, Yeipz. 1789, Die
Opera postuma erjchienen in Berona 1819—21,
von Berti beforgt. Thambayın
Borfig, Johann Friedrih Karl Augufi,
geb. 23. Juni 1804 in Breslau, wo fein Bater
Zimmermann war; bildete fih im Baufache aus,
ging zur Vollendung feiner Borbildung 1823
nad dem königlichen Gewerbeinftitut in Berlin u.
trat darauf in die Maſchinenwerkſtätte von F. 4.
Egells. 1837 gründete er in Berlin eine eigene
Maſchinenfabrik, die fih der yabrilation von
Eiſenbahnbedarfs-Maſchinen immer mehr zumandte
u. 1841 die erfte Locomotive herftelte. Seitdem
wurde der Yocomotivenbau eine Specialität, im
der die Fabrit bis heute eines ausgezeichneten
Nufes fich erfreut u. inländischen, wie ausländifchen
Bahnen Focomotiven liefert. Schon 1846 war die
Sa derjelben 100, im Jahre 1854 500, im
‚jahre 1873 auf 3000 angewadien, fo daß jest
jährlich 200—250 Locomotiven gefertigt werden
fönnen. Außerdem gründete B. 1847—50 ein
Eiſenwerk in Moabit u. erwarb die in der Nähe
liegende Majchinenfabrif der Seehandlung; dann
faufte ev 1854 Koblenfelder in Ober - Schlefien,
denen fpäter ein Eiſenwerk mit 4 Hohöfen ange-
ſchloſſen wurde, um NRohmaterial fiir die Fabri»
fation zu liefern. So wurde B. aus unſchein—
baren Anfängen einer der erfien Induſtriellen.
Er ftarb 1854 in Moabit. Sein einziger Sohn
Auguft Julius Albert, geb. 7. März 1829,
leitet gegenwärtig die B-fchen Werke, beftehend aus
der Eijengießerer u. Majchinenbauanftalt von X.
B. in Berlin, Chauſſéeſtraße 1, fpeciell für Loco—
motiven, mit 1500 Wrbeitern u. 11 Dampf-
maſchinen von zufammen 250 Pferbefräften, und
dem A. B⸗ſchen Eifenwerfe in Moabit; diejes ent-
hält — Schmiede u. Keſſelſchmiede zum
erſtgenannten Werle und Schmiede für große
705
Schmiedeftüde, mährend das frühere Pubdlings-| werdenden, hornartigen Subftang, die fih wie
werk 1870 nad) Schlefien verlegt ift; 800 Arbeiter)anderes Horn von Thieren verhält. Schmweins-
und 12 Dampfmafdhinen von zufammen 1600 Ben fommen fortirt u. unfortirt aus Rußland,
Pierdefräften find dafelbft in Thätigfei. Das in Preußen, Polen, Ungarn zc. in den Handel; man
B.Werlk in Ober-Schlefien befindliche Hüttenwerk|theilt fie in zahme u. wilde, u. diefe wieder in
beſchäftigt 1300 Arbeiter mit —— vonjalte u. junge, außerdem in Winter- u. Sommer-
Eifenerz u. Kohlen, 400 mit der Production von Ben, ſowie in lebendige u. todte, d. h. von ge
Roheiſen u. Gußmwaaren, 1000 mit der Production |jchlachteten oder von gefallenen Schweinen, Die
von Schmiedeifen u. Stahl u. im Ganzen 45|Falt antzerauften B-n find viel beffer, als die
Dampfmafhinen ınit 4400 Pferdekräften. Giefeler. |abgebrübten, u. diefe wieder beſſer, als die KHalf-
Borfini, Lorenzo, ital. Satirendichter, geb. |B-n, die durch Behandlung mit Kalt abgelöft
1800 in Siena; ftudirte nach abgelaufener Militär- | werden. Die B-n zerfallen ferner in robe uw.
dienftzeit in feiner VBaterftadt, promovirte 1819 als ſortirte, d. h. nad Stärke, Güte, Farbe zc. abge-
Doctor der Theologie u, ward Profeffor der Ere- |fonderte u. ausgefuchte B-n; erftere find entweder,
geſe am dortigen Seminar; aber feine Riflessioni|wie fie von Thieren kommen, oder auf einem
sulla scienza sacra (1821) nöthigten ihn, die Theo-|Ramme gefämmt (geraubt) u. in Bündel gebun—
logie aufzugeben, u. er ging 5 Nom, wo er die den (Rauh-B-n, Rauhhaare); letztere werden
Rechte ſtudirte u. 1823 Advocat wurde. Als er theils nach dem. Gebrauche in Bürftenbinder-B-n,
auch Rom verlaren mußte, war er nach einander) Pinfel-B-n, Schufter-B-n ꝛc., oder nach der Art
Schaufpieler, Mufiter, Journalift u. Schriftfteller. |de8 Berpadens in Balct-Bn, Schadtel-B-n x.
In einem Gefängniß ſchrieb er feine Satire La unterſchieden. Die fortirten B-n gehen im Han-
Bibajocheide (1831). 1835 gründete er in|del gemöhnlid unter prima u, secunda Ben.
Borjini — Borftenfäule.
Neapel mit M. 4. Fiorentino zwei literarijche
BZeitjchriften, den Vesuvio u. den Globo, melde
von der Polizei unterdrückt wurden; auch ſchrieb
er dort 1837 den Viaggio sentimentale.. Nach
einem kurzen Aufenthalte in Paris gründete er
mit Fiorentino den Bravo ı. gab in Patta 1841
Pocche parole, prose e versi, den Predicatore
muto, Le mie prigioni in Sicilia u. 1842 La
spia (die Spionin), dann den Asino (1844) u.
1851 den neueften Galateo heraus. In demjel-
ben Jahre trat er eine Reiſe durch den Orient an
u. ließ fih in Agypten nieder.
Borfippa (a. Geogr.), Stadt in Babylonien,
wo die Chaldäer eine Schule der Aftronomie hat»
ten, am linken Ufer des Euphrat; Tempel des
Apollon u. der Artemis; vielleicht jo v. w. Bar-
fita bei Btolemäos.
Börsfohl, jo v. w. Wirfing,
Borsna, Kreisftadt des ruſſ. Goudernements
Zichernigew, am gleihnam. Fluß; Fabrikation
von Tuh, Wolle, Kattıım, Leder, Seide, Hilten,
Strümpfen, Seife, Talg u. Stearin; 8130 Em,
Borfod, I) (Borfodsta) Komitat im ungar.
Kreife dieffeits der THeiß, umgeben von Gömör,
Torna, Abanjvar, Zemplin, Szabolcs, Außer:
Szolnof u. Heves; 3545 [km (64,, [_M); ge
birgig durch die Farhater u. Neutraer Gebirgs-
fetten; bewäſſert durch die Theiß', Sajo, Hernad,
Bodva, Szinyva; zum Theil _fumpfig (Heleteto-
fumpf); einige ſchwefelige Sauerquellen; viel
Wald; Klima gemäßigt; ift reih an Weizen,
Bein, Obft, Tabak, Hanf, Kufurug; die Gebirge
geben Marmor, Schiefer, Steinlohlen, gutes Eiſen,
etwas Kupfer; 195,000 Em., Magyaren, im
N. zum Theil Ruthenen; Hauptfiadbt Miskolcz.
2) Dorf darın, am Fluſſe Bolva ; altes Schloß.
Börſſum, Dorf im braunſchweig. Kreife u. Ämte
Man bat ferner weiße (die theuerften), ſchwarze,
graue, rothe, braune u. melirte Ben. _
Borftel, Karl Heinrih Ludwig v. ®,,
preuß. General, geb. 30. Dec. 1773 zu Tanger-
minde in ber Altmark; trat 1788 in die preuß.
Cavalerie ein, zeichnete fih 1793 bei Pirmafens
aus, war dann Adjutant des Königs u. focht als
Major im Regiment Garde du Corps 1806 bei
Jena; er wurde nad dem Tilfiter Frieden Mit-
glied der Commiſſion für die Neubildung des
Heeres, 1810 Generaladjutant des Königs, führte
1813 als Generalmajor die Brigade, welche Magde-
burg auf dem rechten Elbeufer einſchloß, lieferte
ben Franzoſen das erfte Treffen bei Mödern, ftand
dann unter Bülow u. wohnte den Gefechten bei
Hoyerswerda u, Ludau, den Schlachten von Groß-
beeren, Dennewig (mo er die Enticheidung des Sie-
ges herbeiführte) u. Yeipzig bei, blofirte Weſel,
rüdte Anfang 1814 in Belgien ein, befehligte bie
dort zurrüdbleibende Hälfte des Billowichen Korps,
dedte die Blolade von Antwerpen u. focht dann
unter dem Herzog von Weimar bei Courtray zc.;
zum Generallieutenant avancirt, organifirte er
1815 das ihm übertragene 2. Armeecorps zu
Namur, Hier erhielt er von Blücher den Auf-
trag, die ahnen der ſächſiſchen Bataillone, die
fih im Lüttich gegen den fie befehligenden Feld—
marſchall empört hatten, zu verbrennen u. 7 Rä-
delsführer erſchießen zu lafien; als er den Befehl
als ungerecht nicht vollzog, wurde er von feinem
Tommando fuspendirt u. von einem Kriegsgerichte
zu vierjähriger Feftungsftrafe verurtheilt, die er
in Magdeburg antrat; der König —— ihn
Ende 1815, gab ihm Anfang 1816 die Magde-
burger Divifion u. übertrug ihm dann das Gene»
ralcommando von Preußen; 1825 wurde er com«
mandirender General der Rheinprovinzen und
Wolfenbüttel, Kreuzungsftation der Eifenbahnlinien) General der Cavalerie; er nahm 1840 den Ab-
nr u. Braunfchweig - Harz-|fchied und farb 9. Mai 1844 zu Berlin.
816 Em.
Sein
Bruder Karl Heinrih Emil Albredt mar
urg;
Borfte, in der Zoologie fteifes Haar mancher |Feftungscommandeant von Straljund u. General
Thierarten, wie der Rüdenhaare bei Schweinen, der Cavalerie; er ft. dafelbft 11. Juli 1856.
der Igel u. a. m. Ihre Steifigkeit haben fie
Borftenfäule (TIhierarzneik.), eine jcorbutars
von einer ihnen eigenen, in der Wärme weiditige Krankheit der Schweine, bei der es zu blutigen
Vierers Univerial-Eonverjations-Prrifon. 6. Aufl.
II. Band.
45
706
Infiltrationen u. Blutertr avafaten, befonders an
dem Zahnfleifche, u. zum Ausjallen der an ihren
Wurzeln biutigen Borften fommt. Als Urſachen
der B. gelten ungefunde Ställe u. ſchlechtes Fut-
ter, befonders faule thierifhe Nahrung.
Den ras, ſ. Panicum.
Borſten gel (Centetes Illig.), Gattung aus
der Säugethterordnung der Inſectenfreſſer; bat
zwifchen den Borften-dünne Stacheln u. fan ſich
nit ganz fo zufammenrollen,
Borftengra® — Bory de St. Vincent.
fofi (Ulraine); bildete fi in Moslau u. bef. im
Venedig bei Galuppi; 1782 wurde er Director
der tat ruff. Kapelle, fpäter erhielt er den Rang
eines Staatsrathes; fl. 9. Oct. 1825 in Gt.
Petersburg. Geine Eompofitionen: 35 vierftim-
mige geiftl, Eoncerte, 10 Coucerte für Doppel»
böre, eine dreiftimmige Meſſe, befunden eine
Anlehnung an den italtenischen Kirchengefang mit
Benutzung des Nitualgefanges, wie er in ber Grie-
wie der Igel: chiſchen Kirche üblich iſt; fie find würdig gehalten,
Schnauze fehr lang u. rüflelförmig; die Füße un. man bat den Componiften mit dem Beinamen
kurz, bze hig; ein mächtliches Thier, lebt im felbit-
gegrabenen Höhlen, ſchläft im Winter, Arten:
Ungefhwänzter B. (Tanref, C. ecaudatus
Wagn.), 30 em lang, nır am Halfe, Naden u.
Hinterfopfe mit Stadyeln, auf Madagascar; wird
nebft einigen anderen gegefien.
Borftenwürmer, |. Ringelwürmer.
Borſtickſtoff (Stiditoffbor, Chem.), nach der
— BN zuſammengeſetzte Verbindung von
or und GStidftofi; bildet ein weißes, leichtes,
amorpbes, in Wafjer unlösliches Pulver, welches
weder durch Glühen, noch durd Säuren u. Alla-
ttien verändert wird. Beim Glüben leuchtet er
fehr ftarl. Durch Kalihydrat wird er erft beim
Schmelzen unter Bildung von Ammonial zerſetzt,
auch durch Waſſerdampf wird er bei ſchwacher
Rothgluth zerlegt, indem fi Borſäure u. Am—
moniat bilden. Dan erhält den B. entweder
direct, indem man trodenen Stiditoff oder trodene
Luft über glühendes amorphes Bor leitet, oder
indirect, indem man trodenes Ammoniak oder
Etidorydgas in der Glühhige auf amorphes Bor
wirten läßt.
ftartes Glühen eines Gemiſches von 1 Th. ge-
ſchmolzenem Borar mit 2 Th. getrodnetem Gal«
miat u, Auswaſchen der geglühten Maſſe mit
lochendem, falzjäurehaltigen Wafler. Heper.
Borſzek, großes, zerſtreut liegendes Dorf im
Szefler Stuhl Efit (Siebenbürgen), an der mols
dauischen Grenze, in einem romantischen Gebirgs-
des „ruſſiſchen Paleftrina“ geebrt. Brambad.
Borum, Andreas, ansgezeichneter Lithograph,
geb. 1799 inHamburg, geft. in Münden 29. April
1853; anfangs Zimmermaler, ging er von Yeip-
a nah München u, bejuchte dafelbft die Akademie.
„errang ſich namentlich durch feine ardhiteftonifchen
Darftellungen einen hocdhgeadhteten Namen,
Borverbindungen, organiſche. Das Bor
bat die Gigenfchaft, fih mie Stidftoff, Arjen,
Phosphor u. ſ. w. mit den Alloholradicalen zu
verbinden. So entfteht das Boräthyl Bo (C,H,),
durh Zujammenbringen von Borjäureäthplätbher
mit Zinfäthyl. Es bildet eine farblofe, bei 95°
fiedende Flüffigleit, deren Dämpfe die Schleim-
bäuteftarlangreifenn. mit grüner Flamme brennen.
Bory de St. Bincent, Jean Baptifte
Marcellin, Naturforfcher u. Reijender, geb. 1780
in Agen; begleitete 1798 den Capitän Baudin auf
jeiner Fahrt um Neu-Holland, blieb aber auf der
Inſel Bourbon zurüd, trat in den Generalftab des
Souvernements diefer Inſel, unterfucdhte die wenig
gefannten Partien derjelben u. lehrte über St.
Endlich erhält man ihn auch durch Helena u. andere afritanifche Inſeln, die er auch
unterfuchte, nad Europa zurüd. Hier wurde er
Capitän im Generalftabe Davoufts, machte den
Krieg 1806 u. 1807 ald Dragonercapitän mit u. trat
1808 in den Generalitab Neys unter Jomini,
ward bier Major, kam als Fntendant in den
Generalftab Soults u. ftieg bis zum Oberften. Er
fam nun 1814 mit Sonlt ins Kriegsminiftertum
thal; Sauerbrunnen, welcher neben topfenfausem u. fpielte in den 100 Tagen eine bedeutende Rolle
Natron, Fohlen). Magnefia u, kohlenſ. Eifenory- | beı der Nepräfentantenfammer. Nach der 2. Rüd-
dul viel freie Kohlenfäure enthält, u. deffen Waj- |kehr der Bourbonen mußte er Frankreich verlaffen
fer audy weit verfandt wird; 1564 Em.; in der u. bielt fih in Deutichland u. dann in Brüffel
Nähe das ausgedehntefte Moor Siebenbürgens./auf, fchrte aber 1820 zurüd; 1829 begleitete er
Bol. Cſeh, B. vom therapeutischen u. nmational-|die Erpedition nah Morea als wiffenichaftliches
ölonomiſchen Standpunkte, Bet 1873. Mitglied u. wurde 1830 Chef der biftorischen
Bort, Stadt im Arr. Uffel des franz. Dep. / Section im Krtegäminifterium. 1840 ftand er
Corrdze, an der Dordogne; Fabrilation von Hüten, an der Spike der willenichaftlihen Commiſſion,
Handihuben, Leinwand, Käje; Färbereien, Gerbe- |die nad Wigier ging, u. ft. als Oberft im Gene-
reien, Mühlen, Schneivemühlen; Handel mit Bieb, ralſtabe 22. December 1846 in Paris. Er ſchr.:
Getreide, Brettern, Wachs; 2693 Em.; Geburts-|Guide du voyageur en Espagne, Bar. 1823;
ort von Marmontel, dem ein Denkmal gejegt ift.|Essai sur les iles fortunees de l'antique Atlan-
Borte (Borde), ftarkes u. Dicht gewebtes Band, 'tide, Par. 1803; Voyage dans les IV prineipa-
bei. zur Beſetzung der Kleider, zum Beilagen der les iles des mers d’Afrique, ebd. 1804, 3 Bbe.,
Kutſchen ꝛc.; man bat glatte u. gemufterte, deutich, Lpz. 1805; Voyage souterrain (über bie
leinene, wollene, feidene, raubhe od. Sam.) Steinbrühe in den Kalfgebirgen bei Maaftricht),
met-Be⸗n, Silber- u. Gold-Be⸗n (vgl. Treffen,
Gallonen); die feidenen, goldenen u. filbernen Ben,
die bei. in Mailand (doch auch in deutichen Städten)
als venetianiiche Ben verfertigt werden, heißen
Bindelli. Die Berfertiger der Ben find Borten-
macher oder Bortenmwirfer; f, Bolamentirer.
Bortniansky, Dimitri (Bortnansky), ruff.
Kirhencomponift, geb. 1752 in dem Dorfe Glou-
Par. 1821; L’homme, 2. Aufl., 1827, 2 Bbe.;
Hist. des hydrophytes, 1829; mit Chaubarb:
Nouvelle flore du Peloponnöse et des Cyelades,
1838; redigirte auch mit Birlet u. Boblaye Er-
pedition seientifique de Morde, 1832 f.; mit van
Mons u. Drapiez gab er während feines Aufent-
haltes in Brüffel Annales générales des sciences
|physiques (8. Bde, 1819—21) heraus; aud re-
J
Boryſthenes — Böſchung.
digirte er das Dictionnaire elassique d'histoire
naturelle.
3 enes (a. Geogr.), Fluß im Europäi-
ſchen ien; jetzt Dnjepr.
Bos (lat.), Ochs, auch Kuh; überhaupt das
Rindergeſchlecht.
Bos, ſo v. w. Boſch 1). 2) Lambertus
(Bosius), holländ. Philolog, geb. 23. Nov. 1670
u Workum in Friesland, geit. 6. Jan, 1717 als
Grofeffor der griehifhen Sprache zu Franeler.
Er jr. u. a.: Antiquitatum graec. descriptio,
ran, 1714, neuefte Ausg. von Zeune, Lpz. 1781;
‚llipses graecae, Leyd. 1700 u. ö., zulegt von
Schäfer, Lpz. 1808, u. mit Abhandlungen von
Weiäfe und Hermann, Glasg. 1813; gab die
Septuaginta heraus, Fran. 1709, Orf. 1805, 5
Bde, u. zum Neuen Teflament: Exereitationes
philologieae, Franet. 1700; Observationes mis-
cellaneae, ebd. 1707, Bneuward 1731, Brambad.*
Bofa, Stadt im BezirfeDriftano der ital. Prov.
Safjarı auf Sardinien, an der Mündung des
Boja in den Golf von Boſa, im fehr ungelunder
Gegend; befeftigt; Hafen; Biſchof; Kathedrale;
Korallenficherei; Handel mit Getreide u. Wein;
6706 Ew.
Bosboom - Tonffaint (geborene Touffaint;
Bosboom ift der Name ihres Mannes, eines ver-
dienftlihen Malers), ausgezeichnete bolländifche
biftorifhe Romanjchriftftellerin, geb. 1826 in Alt
maar, Ihre Hauptwerke find: Leicefter in den
Niederlanden und das Haus Lauernejie. B.-T.
zeichnet fih aus duch Fräftige Charakterzeichnung
u, reinen, fließenden Stil. In Arnheim erjcheint
feit 1870 eine Gefammtansgabe ihrer Schriften.
Wenzelburger.
Bose, Louis Auguftin Guillaume, franz.
Naturforscher, geb. 29. Jan. 1759 in Paris; ftu-
dirte die Naturmwiffenfchaften, war von 1784—88
Redacteur des Journal des Savants u. flüchtete
zu Anfang der Revolution nah dem Walde von
Montmorency, kehrte nad abenteuerlichem Leben
dajelbft nach Hobespierres Tode zurüd; 1796 vom
Directorium als Conful nah NAmerifa gefendet,
wurde er von deu Ber. Staaten nicht augenom-
men; er kehrte 1799 mit reichen botanischen und
zoologischen Sammlungen nah Frankreich zurüd,
warb Administrateur beim Jardin des Plantes
u. fpäter Inſpector der franzöfiichen Stammſchäfe—
reien, auch war er Mitglied des Inſtituis u. des
Königl. Aderbauconfeils; ft. 10. Juli 1828 als
Profefjor im Jardin du Roi in Paris, Er ſchr.:
Hist. natur. des erustacees, 2. Aufl., 1829, 2
3®de.; Hist. nat. des coquilles, 2. Aufl, 1824,
5 Bde. u. a.
Boscän Almogaver, Juan, jpaniiher Dich-
ter, geb. um 1500 in Barcelona; diente anfangs
im Heere Karls V., unternahm Reifen ins Aus-
land u. war ſpäter Erzieher des Herzogs von Alba;
. 1540. Er verfuchte fih im mehreren ita—
lienifchen Bersmaßen, bildete daraus neue ſpani—
ſche (Hendelafyllaben) u. ward jo Schöpfer des
ſpaniſchen Sonetts; auch war er@iner der Erfien,
Die fi zu poetiihen Epifteln, Elegien ꝛc. der
Terzinen bedienten, Gedichte, Liſſab. 1543 u. ö.
Bofdh, 1) Gos u. Bosco) Hieronymus,
genannt der Luſtige, miederländiiher Maler,
707
Bildhauer und Kupferftecher, geb. um 1450 zu
Bois-Ie-Duc, geft. um 1530; gehörte zu den Erften,
die mit Olfarben malten, u. buldigte einer durch⸗
weg phantaftiihen Richtung, die nicht felten zur
Caricatur ausartete. Seine zahlreihen Bilder
im Escurial lafjen glauben, daß er längere Zeit
in Spanien lebte. Außerdem Bilder von B. im
Berliner Mufeum u. im Belvedere zu Wien, dann
im Mufeum zu Madrid. Sie leiden aber alle
daran, daß er mit den ernfteften Stoffen die tolls
ften Bizarrerien zufammenwarf. 2) Jeronymo
de, Philolog u. Verfaſſer von geihägten lat.
Gedichten, geb. 23. März 1740 in Amſterdam;
war anfangs Apotheker, wurde 1773, nachdem
er durch Veröffentlihung der Gedichte G. Hoofts
die Aufinerffamfeit auf ſich gelenft hatte, Stadt»
fecretär in Amſterdam u. 1798 Gurator der
Univerfität Leyden. Er fchr.: Poümata, Leyden
1803, 2 A., Utr. 1808; gab heraus Anthologia
graeca, Utrecht 1795—1810, 4 Bde.; den 5. Bo.
lieferte van Lennep, 1822. B. mar Mitglied des
K. Inſtituts für Wiffenihaft u. Künfte (unter K.
Ludwig); als großer Bibliophile legte er eine
Sammlung foftbarer Ausgaben der Glaffiter an,
weiche er bejchrieb (Brevis descriptio bihliothecae
H. de B., ltr. 1809). Er ft. 1. Juni 1811 zu
Leyden. Vgl. Lennep, Memoria Hieronymi de B,,
teyd. 1817. 8) Jan van den B., niederläud,
Staatsmann, geb. 2. Februar 1780 in rg
bei Bommel; trat 1797 in holländische Dienfte u.
ging bald als Lieutenant nah Indien; er ftieg bier
ſchnell zum Oberjten, mußte aber wegen eines
Streites mit General Daendels 1810 feinen Ab»
fchied nehmen u. fehrte 1813 nach Holland zurüd,
Er trat nun entſchieden für das Haus Oranien
auf u. wurde 1815 General u. Commandant von
Maaftriht. 1818 organifirte er eine Gejellichaft
zur Anlegung von Armencolonien und gründete
jelbjt eine folhe zu ?yrederilsoord; wurde 1827
Generalcommiflar in Jndien, 1830 Gouverneur
von Batavia, fehrte 1835 nach Europa zurid u,
wurde Minifter der Colonien; als er 1839 das
Minifterium aufgab, wurde er in den Grafen«
ftand erhoben. Er ft. 28. Jan. 1844 zu Bois
de fa Haye, 4) Ernſt, deuticher Genre» u. Land-
ichaftsmaler, geb. 1834 in Krefeld; begann feine
Kunftftudien bei J. Scher in Weſel u. fette fie
von 1851 bis 1857 an der Diüfjeldorfer Akade—
mie unter Sohn, Hildebrandt u. Schadow fort.
Er lebt in Düffeldorf u. zeigt in feinen zahlreis
hen, vielfach durch den Holzſchnitt vervielfältigten
Bildern friiches Yeben, jcharfe Charakteriftif, tüch—
tige Zeichnung u. energiiche Farbe u. eine glüde
liche Bereinigung von Gemütbstiefe u. Humor,
Hauptwerte: Fähre beim Eisgang, 1853; Schmugg«*
ler, 1854; Der fliegende Holländer; Bertheidig-
ung eined Blodhaujes gegen Indianer, 1866;
Soldatenftändchen; Zigennerbande, Der erfte Hafe;
Die franfe Kub; Gaunerichule, 1866; Keffelflider;
Fernfihtig u. Kurzfichtig; Herbſtabend, 1867;
Hermann u. Dorothea am Brunnen; Fern der
Heimath; Rothkäppchen; Ajchenbrödel, Tette 3
geftochen von Dinger. N) 4) Regnet. 2) Bramdach.
Böſchung, 1) die ſchräge Abdahung einer
von Natur iiber die Ebene erhabenen oder aufe
geſchütteten Erbmaffe, oder aucd eines Grabens,
45*
708
deren Neigung durch die größere oder geringere
Feſtigleit der Erde beftimmt wird; davon Böſch-
ungsmwintel,d.i.der Winfel, welden die Abdad-
ung mit einer horizontalen Ebene bildet. 2) Ab-
a Ba von Feitungsmwerten. Sie ift nad ben
verſchiedenen Flächen, welche bei Befeftigungen
vorfommen, u. nach dem Material, mit dem man
bant, ſehr verjchieden. Man benennt fie nad
dem Berhältniß der Höhe der Aufſchüttung zu der
B,sgrundlinie und jagt, fie babe ganze
Anlage, wenn Höhe u. Grundlinie gleich, dop-
pelte Anlage, wenn die Höhe der Grundlinie
ft, u. halbe Anlage, wenn die Höhe das Dop-
pelte der Grundlinie beträgt zc. Bei geringerer
als halber Anlage fteht die B. nicht mehr fet,
fondern muß durch eine Belleidung mit Brettern,
Faſchinen, Raſen oder Plackwerk gehalten werben,
3. B. die innere Wand ber Bruftivehren, die
wegen des nahen Hervortretens der Bertheidiger
gern fo fteil als möglidy angelegt wird. Zu
önßerer B. der Bruftwehr u. zu unbelleideten
Ballflähen nimmt man meift ganze Ben. Den
Futtermauern der Feitungswälle gibt man nur
io Oder Y/,, ihrer Höhe zur Anlage, um das
Eindringen des Negenwaffers u. das dadurch ver-
urfachte Bermittern der Backſteine zu verhindern,
Die Krone der Bruftwehren u. Wälle (Plongee)
erhält meift 6—12jadhe Anlage.
Böſchungsdreieck, enifteht, wenn man fich| hier
durch eine ftetige Böſchung eine Bertical-Ebene
gelegt, im diefer Ebene von einem Punkte der
Böſchung ein Perpendilel gefällt u., gleichfalls in
diefer Ebene, durch den Fuß der Boͤſchung eine
horizontale Linie gezogen, ſowie bie beiden Pinien
verlängert denkt, bis fie ſich ſchneiden. Geine
Hypotenufe ift die Böfhungslinie, während die
horizontale Kathete die Anlage der Böſchung
heißt, die verticale Kathete die Höhe des gewähl-
ten Punktes der Böihung über deren Fußpunkt
en
———— ſo v. w. Futtermauer.
Böſchungsquadraut, Inſtrument, um den
Grad der Abdachung an Bergen zu meſſen. Man
zieht auf einem viereckigen Brettchen von circa
1 m Seitenlänge einen Bogen — eines Kreis
jes u. theilt diefen in 18 Xheile, deifen 9. man
mit 45°, die äußerften Punfte mit O u. fo bie
übrigen Theile nach jeder Seite hin, von der
Mitte aus, mit 40, 39, 30 ⁊c. bis 5° bezeichnet.
zudem Punkte, von dem aus man den Kreis 309,
befeftigt man einen beweglichen PBerpenditel, der
bis am oder etwas über den Gradebogen reicht
u, durch einen quer in der Diagonale über das
Brett gezogenen ftarfen Draht gehindert wird,
nad vorn zu fallen. Man tritt num in der Ber-
längerung einer Böjhung auf den Berg u. viſirt
längs der Seitenflähe des Quadranten, doch fo,
daß der Punkt, von welchem der Bogen aus ger
zogen ift, ſtets obem ift, nach der Böſchung hin;
dann gibt der Perpendifel auf dem Gradebogen
den Grad der Böihung am. Ebenjo fann man
einen fih im Profil darftellenden Abhang bejtim-
men, wenn man den B, fo hält, daß deſſen Sei-
tenfläche die —— des Abhanges dedt.
Böſchungswinkel, j. u. Böihung 1) u, Berg.
Bosco, Bartolomeo, berühmter Tafchen-
Böfchungsdreiedt — Böſe.
ſpieler, geb, in Turin; diente im franz. Heere u.
machte dem yeldzug nah Rußland mit; gefangen,
wurde er nad Sibirien gebracht, wo er bereits
durch feine Zauberfünfte Auffehen erreäte; 1814
wurde er ausgewechielt, erhielt den Abichied u.
durchreiſte 18 ‚Jahre lang als Zauberfünftler faft
alle Staaten Europas u. einen Theil des Orients
Er ft. 6. März 1863 auf feiner Befigung bei
Dresden. Sein Sohn Earlo war ebenfalls ein
bedeutender Taſchenſpieler, hatte aber 1857 in
Weimar das Unglüd, bei einer Borftellung ſich die
Hand zu zerichmettern,
Boscorenle, Gemeinde im Bezirke Eaftellamare
der ital. Prov. Neapel; 9225 Em.
Boscotrecaſe, Stadt im Bez. Eaftellamare der
ital. Prov, Neapel, zwiſchen großen Lapaftrömen am
Veſuv; Minerlquellen, Badeanftalt; 9449 Enm.
Boscovich, Ruggiero Giuſeppe, italieni⸗
ſcher Mathematiler u. Aftronom, geb. 18. Mai
1711 in Raguſa; trat in den Jeſuitenorden,
wurde 1740 Brofeffor der Mathematit am Colle-
gio romano zu Ron, vollzog 1750—53 mit dem
Pater Maire die Grademefjung im Kirchenflaate,
ging 1760 auf Reifen, wurde 1764 Profeſſor der
Mathematif in Pavia, fpäter Profeffor der Aftro-
nomie u. O:ptil in Mailand, wo er die Stern-
warte ber Jeſuiten gründete, er ging nad Auf-
u der Jeſuiten 1774 nad) Frankreich u. ward
irector der optijchen Arbeiten bei der Ma-
rine, tehrte aber 1783 nad Italien zurüd; er ft.
12. Febr. 1787 in Mailand, wo ihm ein Monu-
ment errichtet wurde. B. jchr.: Nova methodus
adhibendi phasium observationes in eclipsibus
lunar., Rom 1744; De lumine, daſ. 1749, jpätere
Ausg., Wien 1766; De lunae atmosphaera, Rom
1753; Elementa universae matheseos, Rom 1754,
3 Bde.; De expeditione ad dimetiendos secundi
Meridiani gradus, Rom 1755, franz., Par. 1770;
Philosophiae natur. theoria redacta ad unicam
legem virium in natura existentem, ®ien 1758
u. ö.; De solis ac lunae defectibus (Gedicht),
Lond. 1764, franz. von Barruel, 1779; Journal
d’un voyage de Constantinople en Pologne,
Par. 1772, Baffano 1784, deutjch, Leipz. 1779;
Opera pertinentia al opticam et astronomiamn,
Baffano 1785, 5 Bde.
Boſe, Julius v., preuß. General, geb. 12.
Sept. 1809; war früher Page am Hofe zu Weir
mar u, trat 1826 in die preußiiche Armee, wurde
1829 Offizier u. abancirte bis 1864 zum Gene»
ralmajor; 1866 focht er ald Commandeur der 15.
Infanterie-Brigade mit Auszeichnung bei Podol
H. Königgräg u. leitete die Umgehung bei Pres-
burg; er wurde nad dem Frieden Generallieute-
nant und Commandenr der 20. Divifion (10.
Armeecorps) zu Hannover. Im Kriege gegen
Frankreich 1870 f. commandirte er das 11. Armee»
corps, mit weldem er 6. Aug. au dem Siege
bei Wörth Antheil hatte, aber ſchwer verwundet
wurde u. erſt Ende Februar 1871 fein Commando
wieder übernehmen fonnte,
Böfe, der, j. Teufel.
Böſe. Der Begriff des Ben gebört der
philoſophiſchen Moral an und dient in ihr
zur Bulammenfaffung aller dem Sittengeſetze
widerftreitenden Erjcheinungen auf dem Gebiete
Bojer — Böfing.
des Menihlih-Geifligen. Die griechiſche Philo-
fophie und die neuere Philofophie feit Carteſius
haben dem Begriffe des Böſen die gründlichiten Un—
terfuhungen gewidmet, am meijten mit Marem
Bemußtjein der Probleme, um die es fi) dabei han-
delt, die Philofophie feit Spinoza. Es fragt fi
nämlih: 1) Iſt das ein bloß Negatives,
bloße PBrivation, Unvolltommenheit, Mangel des
Guten, oder das pofitive Gegentheil des Guten,
directer Gegenfat gegen das Sittengefeg? Zu er-
fterer Anficht neigen die griehifhen Philofophen,
unter den Neueren Spinoza, Yeibniz. 2) Damit
hängt die Frage zujammen: Beſteht das Böje im
Uebergemwichte der Einnlichkeit, der materiellen Seite
der menjchlichen Natur, oder ift Urjprung, Sie,
Grundcharakter des Ben rein in der geiftigen Seite
des Menjchen zu fuchen, das B. aljo wejentlich
Egrisinus? Kant, Schleiermader neigten erfterer) (Altarblatt in der Kirche zu Halbau).
Auſicht zu, Schelling, bejonders in der Freiheits-
709
Bofer, Friedrich, deutiher Genre-Maler
in Diffeldorf, geb. 1811 zu Halbau in Schleften;
bildete fih 1831 — 1834 an der Dresdener,
dann bis 1836 an der Berliner Akademie, endlich
bis 1843 an jenerzu Düffeldorf. In feinen meift
Heineren Genrebildern behandelt er heitere u. ge—
fällige Stoffe aus dem modernen Leben mit Ele—
anz u. verichaffte ſich dadurch einen genchteten
Namen. Sehr viele feiner trefflich colorirten Bil«
der find dur Stich u. Lithographie vervielfältigt.
Außerdem ift B. ein beliebter Porträtmaler und
verſuchte fich auch in der lirchl. Malerei mit gutem
Erfolge. Hauptwerke: Die befchenkte Braut; Fauft
u. Grethen; Egmont u. Klärchen; Das VBogel«
hießen der Düffeldorfer Künftier in der Wolis-
ſchlucht; Der Opferftod (Eigenth. der Großfürftin
Marie); Wendifche Mädchen in der Kirche; —E—
egnet.
Böſer Blick (Böſes Auge, gr. Baskanion,
lehre, ſuchte letzteres zur Geltung zu bringen. 3) lat. Fascinum, Fascination), die vom Aberglauben
Es fragt ſich: Hit das B. ein bewußtfreies, oder
nothwendiges, unvermeidliches? Je nach dem de—
terminiſtiſchen od. indeterminiſtiſchen Freiheitsbegriffe
wird dieſe Frage verſchieden beantwortet. Der
Prädeterminismus Kants u. Schellings ſucht das
Wahre beider Momente in eines zujammenzufaj-
fen, ähnlich Schopenhauer. Im Ganzen werden
von der neueren Phüojophie dieſe Fragen nicht
mit einem runden Entweder — Oder beantwortet,
jondern die tiefere Erklärung fucht den verſchiede—
nen, ſcheinbar entgegengeſetzten Seitenim Begriffedes
Ben gerecht zu werben. Für die religionsphilo-
ſophiſche u. religionsgefhidhtlidhe Forſch—
ung ijt von großem Intereſſe die Auffafjung
des Ben in den verfchiedenen Religionen, In
den heidniſchen Religionen, wie man nun ihr Un—
terjcheidendes näher bezeichne, heftet fich der Be-
griff bes Ben immer noch erft dem bes natür—
lichen Übels an uw. ift von ihm ungefchieden, fo
im ägyptiſchen Typhon⸗, im phönikiſchen Moloch-⸗,
im germaniſchen Loki-⸗Mythus, auch im Gegenſatze
von Ahriman u. Ormuzd in der Zendreligion;
denn der Gegefffag von Gut und B. fällt hier
ang mit dem von Licht u. Finſterniß zufammen.
Ext die ethiſchen Religionen, namentlid die alt-
u. nenteftamentl. Religion, faffen den Begriff des
Ben als den eines pofitiven, bewußtjeinfreien,
geiftigen Gegenfages gegen das Gute. it auch
die Vorftellung vom Satan im Judenthum ı.
EhriftenthHum um Zufammenhange mit der Zend—
religion entftanden, jo liegt ihr doc) diejer höhere,
reinere Begriff vom Bun zu Grunde. In der
Hriftlihen Theologie wird das Problem des Ben
in der Lehre von der Glinde behandelt, und
berührt fi, wie die Dogmengeſchichte zu allen
Zeiten zeigt, hierbei meift bis zum Ununterjcheid-
baren mit der philofophiihen Entwidelung des
Begriffes (f. den Art. Sünde). Die bedeutendften
neueren Monographien: Daub, Judas Ficharioth
oder das Böje, im Berhältniß zum Guten. Hei—
delberg 1816—18, 2 Bde.; Herbart, Gejpr. über
das Böſe Königsb. 1816; Blaſche, das Böje im
Einklang mit der Weltorbnung, Ypz. 1827; das
claffiiche Werk für die philofoph., wie theol. Yehre
vom Böjen ift: Zul. Miller, Lehre von der Sünde,
6. Aufl. 1867. Löffler,
von Alters ber gewiffen Perſonen zugeichriebene
Zauberfraft, mit ihrem Blide Menſchen, befonders
Kindern, Glücdbegabten, dem Vieh, Garten- und
Feldfrüchten ſchaden zu können; in neuerer Zeit
wird beſonders noch in Italien u. Rußland daran
geglaubt. Als vermeintliches Mittel dagegen trägt
man in der Form von Höruchen phallusartige
Amulete, oder macht wenigſtens, wenn man bo»
jen Blick fürchtet, das Zeichen eines Hornes (od.
aucd des Kreuzes) von ſich weg mit den Fingern.
Vgl. Beichreien.
Böſer Friede, der Friede, welcher 1386 zwi—
ſchen den Schweizern u. Öfterreichern geſchloſſen
wurde; ſ. Schweiz (Geſch.).
Böſe Geiſter |. u. Dämon.
Böjer Glaube, j. Mala fides.
Böſer Hals, voltsthümliche Bezeichnung aller
Arten von Affectionen des Haljes, bejonders ber
Entzündung innerer Theile.
öfer Vorſatz, jo v. w. Dolus.
Böſes Weſen, jo v. w. Teufel.
Böje Wetter, jo v. w. Schwaben.
Bosheit, die Sucht, Böjes zu thun u, Anderen
zu jchaden, der höchſte Grad des Böfen, das
Böſe in der vollen, feinem Wejen entiprechenden
Erſcheinung, als praftiiher Gegenfag gegen das
Gute, ohme ein egoiftiiches Intereſſe, als Freude
am Böſen an fidh jelber, um feiner ſelbſt willen,
Da diejer Grad des Böſen erfahrungsgemäß nie
in einem Menſchen vorlommt, ift bie eigentliche
B. etwas Teufliiches, Sataniihes. Die hriftliche
Moral unterfcheidet Schwachheits- u. Bosheits-
fünde, Iettere das mit vollem Bewußtſein ges
wollte Böfe, erfteres das Böſe, das aus Unwiſſen⸗
beit u. Übereilung begangen wird. In Mothes
Ethik gehört die B. in das Syſtem der auf dem
Gebiete der Nächftenliebe fich bethätigenden Untu—
genden u. bildet hier einerjeitS den Gegenſatz der
Liebe auf der Stufe des Hafjes neben Miftrauen,
Rachſucht, Härte; anderjeit3 den Gegenjag der in
Wohlthun fih äußernden Liebe neben der Unbils
ligkeit, Büde, Rachſucht. Löffler.
Bofin, Stadt, jo v, w. ——
Böſing (Bazin, Baſinium, Bezinel), königl.
Freiſtadt im ungarischen Comitat Presburg, Eifens
bahnſtation; fürjtt. Palffyſches Schloß; Kapuziner«
710 Bofio — Bosnien.
Hofter, Synagoge, Armenhaus, Erziehungsanftaft/u. Choham-bafha (Oberrabiner). Seit 1850 haben
für arme Kinder; Ader- u. Weinbau (der Böſin- hier die Großmächte ihre Conſulate. — Im 8.
ger weiße Tiſchwein ift berühmt); 4300 Ew.; in Jahrh. gründeten in der Umgebung des heutigen
der Nähe Bergbau auf Schwefellies mit Hütten-B. ©. die ferbiihen Einwanderer einen feinen
werken.
Boſio, Franc. Joſ., Baron, namhafter fran-
zöfiſcher Bildhauer, geb. 19. März 1769 in Mo—
Freiftaat, der aber bald von dem Kroatenfürften
Sewjogod unterjodht wurde; 1180—90 verlieh
Banus Kulin den Ragufaniihen Kaufleuten das
naco; war eine Zeitlang Schüler Pajous, wurde Recht der Erzgewinnung in den Gebirgen: Jalo-
unter Ludwig XVIII., der ihn zum Baron erhob,
ie u. war einer der Erſten, welche für|die Colonie Dubrovnik gegründet, deren Refte noch
iederbelebung des Geihmades an der Antike
wirkten; er ft. 29 Juli 1845 als Director der
Alademie der ſchönen Künfte zu Paris. Werte:
Die Reliefs an der VBendömefäule; —— und
Achelous (Bronzeguß), in dem Tuilleriengarten;
die Statue des Herzogs von Enghien, 1817;
yacınth, 1817; die Meiterftatue auf der Place
es Victoires, 1822; das Monument des Grafen
Demibom, 1830, und viele Bitften (Napoleons,
Ludwigs XVIII., Karls X. :c.). Regnet.*
Bosket, Gartenanlage, fo v. w. Bosquet.
Bosköwig, Hauptftadt einer Bezirtshaupt-
mannjhaft im öfterreichiichen Kronlande Mähren,
an der Biela, Eijenbahnftation; ſchönes fürſtlich
Dietrichſteinſches Schloß, prachtvoller Park; goth.
Pfarrkirche; altes Rathhaus; Liqueurfabrikation,
Tuchweberei; Braunkohlenbergbau; mit der Juden-
ſtadt B. 5575 Em.
Bosna, der Hauptfluß Bosniens, welcher dieſer
Provinz auch den Namen gab; entſpringt 15 km
weftl. von Sarajemo aus dem Gebirge Jgman,
fließt zuerft nordweſtl. u. von Genita nordöftl,
bis Dobola; bei Schamatz mündet die B. in die
Save und hat da eine Breite von 24 m.; von
Maglaj an wird fie jhiffbar. Rechts fließen der
DB. zu: Schelesniga, Miljagla, Krivaja und
Spretiha; linls nimmt fie auf: die Lepenita,
Laſchwa u. Ufora.
Bosna Seraj (ſav. Serajewo), an beiden
Ufern des Miljatfafluffes, der 10 km meiter in
die Bosna milndet; Hauptftabt des europ.stürf,
Vilajets Bosnien, in einem fchönen Thal, von
hohen ®ebirgen umgeben, u. zwar gegen %. find
Chum u. Mrwina, im DO. Borja, im S. u W.
ber 1700 m hohe Trebowitſch u. Igman. Die
Stadt hat in 4500 Häufern 45,000 Ew., davon
4500 griedh., 500 röm.-fath. Ehriften, 3000 Juden
u. 1000 Zigeuner, den Neft machen die Mohamme-
daner aus. (Die Bevölferungsangaben ſchwanken
übrigens zwiſchen 35 u. 90,000, welche letste Zahl
jedenfalls viel zu hoch ift). B. hat 100 Moſcheen,
darunter zeichnen ſich durd ihren Bau die Kaiier-
mojchee und die Mofchee des Usrem Beg aus,
letztere mit prachtvollen Marmorpfeilern, zwei
griech. u. eine röm.kath. Kirche (1850 erbaut) u.
eine Synagoge; große, 1857 aus Stein ausgeführte
Kaferne, Konak des Gouverneurs 2c.; Handel u.
Fabrilation von Waffen, Kupfergeichirr, am mei-
ften von Baummollengewebe u, Stoffen. Der große
Handel befindet fi ausfchließlih in den Händen
der hriftlihen Kaufleute, die fehr unternehmend
u. mwohlhabend find; die Türken befaffen ſich mit
dem Kleinhandel u. dem Gewerbe; die Juden, von
tina, Jaurina (Jaworina), u. von diefen wurde
heute nordöſtl. von Wareſch zu ſehen find. Erſt
1235 wurde an der Quelle des Bosnafluſſes die
Stadt Bosna gegründet u. im ſelben Jahre vom
Papſt Gregor IX. zum Sitze eines Biſchofs er—
hoben. 1270 wurde die Stadt von Kotroman,
einem Großmwürdenträger des Königs Bela IV.,
erweitert u. Bosna War genannt. 1415 zerjtörte
fie Sultan Mohammed I. 1416 verloren bier die
Magyaren gegen die Türen eine Schladt. 1463
eroberten die Türken B. S., u. 1465 legten den
erften Grundftein zum Entftehen der Stabt an ber
Stelle, mo fie heute fteht, zwei adelige Renegaten,
Sotolowitih u. Slatarowitſch; der erfte bosniſche
Vezier, Kosrew Paſcha, erbaute an der Stelle, wo
die heutigen Befeftigungen liegen, eine Burg,
nannte die Statt B. S. und bevöllerte fie
mit den Einwohnern der Nahbarjtadt Bosna,
1668 kamen zum erften Mal die Oſterreicher nad
B. ©.; doch erft 1697 murde die Stabt vom
Prinzen Eugen erobert; bei dieſer Gelegenheit
wurde diejelbe in Brand geftedt. Zur Zeit des
ferbiichen Aufftandes lam 1807 eine Abtheilung
der ferbifchen Bemwaffneten bis vor B. S., mußte
aber der türfifchen Übermacht weidhen. Bis 1850
behaupteten die in der Stadt dominirenden Ab-
fümmlinge der alten Adeligen eine Unabhängigkeit
von den Yandesverweier u. hatten ein jelbitge-
mwäbltes Oberhaupt, u. deshalb auch durfte der
jedesmalige Bezier nicht in B. ©. refidiren, fon»
dern hatte feinen Sit in Trawnik. Erft Omer
Pafcha gelang e8 1850, die Machtder adeligen Ariftos
fratie zu brechen, u. ſeitdem vefidirt der Gouverneur
in B. ©.,u. die adeligen Ablömmlinge müſſen jo
ut wie die Rajah dem Geſetze Folge Teiften.
er Sandſchak Bosna Seraj zerfällt in 7 Kreije
(Kadilif) u. diefe wieder in Nabi; er hat 126,400
Em., davon 66,800 Mobammedaner, 32,00 Grie-
hen u. 19,780 xöm.slath. Chriſten. Das griedh.-
fath. Serajewaer Bisthum umfaßt die Sandſchak:
Serajemo, Trawnik, Banja-Fufa u. Bihatſch, bat
5 Klöfter, 8 Kirchen, 270 Pfarreien und 300,700
Confeiftonsgenoffen. Jodanovic.
Bosnien (ſtav. Bosna), die nordweſtlichſte
Provinz oder Vilajet des Türkiſchen Reiches in
Europa; mit Einrechnung der ee 62,463
km (1134 [_M); hat im DO. das Fürftentbum
Serbien, von welchem es durd das Gebirg Ja—
wor u. die Flüffe Uwatz, Lim u. Drina getremmt
wird; im N. bilden die Save u. Una die Grenze
gegen das Kroat.»jlawoniihe Königreih, im ©.
liegen Albanien u. Montenegro u. im W. Dal»
matien. Das Land iſt fehr gebirgig u. wird im
O. der Dinartihen Alpen von einem zufammen-
—— Abkunft, find ſehr arm. B. iſt Sitz des gehörigen Syſtem paralleler von NW. nah SO.
ouveruneurs, des Chalim (oberſt. Richter), des Mufti
u. vieler adeligen Türlenfamilien, eines Metropoliten
ſtreichender Gebirgszüge erfüllt. Bon den zahl-
reihen Ketten find als die bedeutendſten zu er«
Bosnien
(Geogr.). 711
wähnen im NW. die Koſaratz-Planina u. die Ger- |fuhrartitel. Wein gedeiht im eigentlichen B. nicht,
met:Pl. ; öftlih am unteren Wrbas die Ljubatſch—
Planina; weiter nah S. allmählich abfallend die
Witorga-Pl., Radowan-PI. 660 m, Wlachitſch 1340
m. teil erhebt fich wieder bei Foinitza in 1260
ım Höhe die Scetz-Pl., welcher ſich ſüdlich der ebenfo
hohe Wrabag, der Borim 1360 m und Weleich
(bei Moftar) 1060 m anjchließen. Das bei Mo-
ftar eingeſenkte Land erhebt fi” wieder nah SO.
in der 2000 m hoben Preskawatz- u. Sutidinsfa-
Planina, ferner Wolujat 16560 m, Dumoſch
1000 m, endbli an der Grenze Montenegros die
gigantilehe Dolomitmaffe des Durmitor 2673 m.
Nördlih von diefem liegen die waldigen Rüden
des Ljubiſchnier 1600 m, bei Serajewo das wel«
lige Romanja-Plateau, dem im NO. ſich ähnliche,
mie die Majewitza⸗Pl., anfügen. Zwiſchen diejen
Gebirgshöhen ziehen fich ziemlich ausgedehnte, hoch
gelegene Thäler, von der Bevöllerung Polja (Feld)
enanıt; als die anſehnlichſten gelten die von
umno, Liwno, Glamotih, Kupreih u. a. Ebe
nen hat B. nur unbedeutende längd ber Save,
Drina u. Bosna. An Gemwäffern ift B. außer-
ordentlich reich: außer der Save, welde 'nur als
Grenzfluß in Betracht gezogen werben faun, find
die folgenden Flüffe die namhafteften: Bosna (f.
d.); Drina, entipringt dem Komgebirge an ber
montenegrinifchen Grenze, hat viele Zuflüſſe, bil-
det die Grenze zwiſchen B. und Serbien u. mins
bet bei dem Flecken Ratiha in die Save; Una,
fommt aus der ficca, bildet von Nowi bis Jaſſe—
nowat, wo fie in die Save einmündet, die Örenze
zwiichen B. u. Kroatien; Narenta (Neretwa), ent-
jpringt dem MWolujat-Gebirge und tritt bei Metlo—
witſch in Dalmatien ein, um bier in das Adria-
tiihe Meer einzuminden; Wrbas, entjpringt zmi:
jhen den Seetz u. Rabufha-Gebirge u. mündet
bei Svinjarewo in die Save. Auch einige Seen
bat B., einer der bedeutenditen ift der von Jeſero,
welcher von dem Fluſſe Plima gebildet wird. Das
Klima ift der Lage des Landes nad) ein fübliches,
jevod wegen der vielen Gebirge, Gewäſſer und
Waldungen ift e8 bedeutend rauber, als in anderen
Gegenden, die in gleichen Breitegraden mit B.
liegen. In den Gebirgen bleibt der Schnee von
October bis Mai, an höher gelegenen Stellen noch
länger. In einigen Gegenden withen alljährlich
große Stürme, die größten in der Kupreſcher Hod-
ebene, und richten viel Schaden unter den Schaf-
beerden an. Sümpfe find befonders an der Save
und Narenta zu finden. Die Production des
Landes ift eine vielfeitige, u. B. könnte bei einiger«
maßen vernünftigerer Berwaltung einer der blühende
en Landftrihe fein. Ein großer Theil des Landes
I mit Waldungen bededt, die meift zum Mittel-
walde u. jelten zum Hochwalde gehören; jetzt wer« | Kleinhandel.
den diefe Waldungen von ausländiihen Speculan-
aber in der Herzegomina gibt es vorzüglide Sor—
ten, befonders in der Gegend von Moftar. Zu
den fildlih gelegenen Landestheilen gedeiht auch
das Obft des Südens. Den eigentlihen Reich
ihum des Landbewohners bilden die Hausthiere,
welde in großen Heerden ausgeführt werdtn. B.
befigt 124,562 Pferde, je etwa 4 Dill. Rindvieh,
Ziegen n.Schweine u. über 1 Mill. Schafe. Mehr
aus- als eingeführt werden 90,000 Schweine,
53,000 Schafe und Ziegen und 34,000 Rinder.
Die Wälder find reih am Wild jeder Gattung.
Bon Metallen ift am reichiten das Eiſen vorhans
den; doch gibt e8 auch Gold, Silber, Kupfer, Blei
u. andere Erze, fowie Steinfalz. Der Bergbau
muß in alten Zeiten fehr fhmwungbaft betrieben
worden fein u. ift erft nad dem Cindringen der
Türken in Berfall gelommen. Das Steinfalz wird
nicht gefördert, das Sudſalz wird in Gornjau. Doluja
Tusla und bei Drentjched gewonnen, Auch viele
Mineralquellen hat B. Die anjehnlichften Warnı-
bäder find in Slatina, 3 Stunden von Banja-Yırfa
entfernt, dam in Ilidſcha bei Bosna Seraj, bei
Konjitza, Gratihaniza und Banjsfa. Die beften
Sauerquellen find bei Lepenita (Nabija Foiniga),
in Kifeljat bei Bosna Seraj u. m. a. Die Jr
duftrie ift fehr vernachläffigt, da die Regierung
nie etwas zur Hebung geihan hat, noch thut; es
ift aber in dieſer Beziehung in B. doch befier be-
ftellt, als in den übrigen türkischen Provinzen.
Die meiften Vertreter hat das Schmiedehandwert,
u. werden deffen Erzeugniffe in die benachbarten
Länder ausgeführt, Serbien bezieht den größten
Bedarf an Schmiedeifen aus B. Der vorzilgliche
Stahl wird zu guten Meſſern (Handſcharen und
Jatagan) verarbeitet, u, wird diefer Artilel an
einigen Orten fabrifmäßig in großen Quantitäten
gefertigt u. weit verführt. In Forza, Yoiniga u.
Moftar werden Gewehre u. alle übrigen Waffen«
gattungen gefertigt. Das bedeutendfte Hittenwert
ift in Starı-Maidan, mit 125 fogen. Wolfsöfen,
Das befte Schiegpulver wird in Tſchelin erzeugt.
Das Gerber- und Kiürfchnerhandwert hat jeinen
Sig in Wiſoli und Bosna-Seraj. Der Feldbau
wird in primitiver Art betrieben, jo auch die Vieh—
zucht, u. doch ift der Ertrag bedeutend, was am
beiten die bedeutende Ausfuhr beweiſt. Neben
Bosna Seraj find die anfebnlichiten Handelspläge:
Banja-Lufa, Tramnif, Tusla, Teſchanj, Nowi Paſar
u. Pridor. Wegen Mangels an befahrbaren We—
gen muß jeder Waarentransport auf Saumpferden
geihehen. Dies vertheuert ungemein die Waaren
u. ift einem lebhaften Umfage binderlid. Der
Großhandel ift in den Händen riftlicher Kaufleute,
und die Türken befaffen fich faft nur mit dem
Als Einfuhrartitel können erwähnt
werden: Salz (aus Rumänien), Zuder, Kaffe,
ten großartig ausgebeutet. Jedes Getreide gedeiht |
Stahl u. Blei (aus Trieft), Wein u. Öle (aus
—— am meiſten werden jedoch Mais, Gerſte Dalmatien), Baumwolle und Tuche (aus Trieſt),
u. Weizen gebaut, weniger ſäet man Roggen, Hafer, | Seidenwaaren (aus Gonftantinopel). Ausgeführt
Hirfe u. Heidelorn; die mittlere Getreideproduction |
in der Ljubuſchkaer Hoc
beträgt 3 Mill. hl;
ebene wird auch Reis gebaut. Mußerordentlich viel
werden: Eifen, roh u. verarbeitet, Obft, Getreide,
Bieh, Wolle, Häute u, elle, Waffen. Die gro-
ben Zölle (13 pCt. vom Waarenmwerthe), der
Dbftgärten find im Lande vorhanden; das Obft, Mangel an Communicationsmitteln bedrüden jehr
befonders die Zwetichen, und zwar in gedörrtem|das Heben des Handels. Bon Bedeutung für den
Zuftande, find ein anfehnlicher u. gefuchter Aus- Handel it die
ampfidhifiiahrt auf der Save u.
712 Bosnien Geſch.).
auch die unlängft fertig gewordene Eifenbahn Nowi-|heiten, dem Finanzdirector u. 6 Mitgliedern, von
Banja-Fula, deren Verlängerung bis Bosna Seraj|denen 3 Mohammedaner u. 3 Ehriften od. andere
zwar in Angriff genommen wurde, nun aber gänz- |Nicht-Mohammedaner fein jollen. Der Gouver-
lich eingeftellt it. Die Benöllerung Bes be
trägt 1,337,393 Seelen (einfchließlih etwa 300,000
in der Herzegowina). Die Bosnier gehören zum
ſerbiſchen Boltsftamme u. theilen fi der Religion
nah in Mohammedaner (469,184), griech. Ka»
tholiten (659,041) u. röm. Katholiken (191,384),
den Reſt machen 11,412 Zigeuner u. 6873 Juden
aus. Der Grund und Boden ift meift in den
Händen der Mostemin, die Dorfbewohner, Kmet,
find durchgängig befitlos u. den Beg (Nadlom-
men des ſlaviſchen, zum Islam übergetretenen
Adels) und Spahi (eingewanderten Türken) erb-
untertbänig. Die griech.-kathol. Ehriften haben
einen Metropoliten u. zwei Biſchöfe; die geiftlichen
Angelegenheiten der röm. Katboliten verwalten die
Franciscaner, der Provincial dieſes Ordens wohnt
im Klofter Sutjesla. Die chriftlidhe Bevölferung
wird einerfeits von den Spahi u. anderſeits von
den türkischen Beamten hart bedrüdt, die gried.
Katholiten werden außerdem auch von ihren Bi-
ſchöfen, die meift Griehen — Fanarioten — find,
— ſie können in ihren Drangſalen bei
dieſen Würdenträgern feine Hilfe finden, denn die⸗
jelben nehmen gemeinihaftlid mit den Türken
gegen das arme Voll Partei. Mit den römischen
Katholifen ift e8 in diefer Beziehung beifer be»
jteflt, dieſelben haben in den Franciscanern eifrige
Fürbitter u. Vertheidiger. Zu bedauern ift, daß
eben diefe Ordensbrüder den Zwieſpalt zwiichen
den Ehriften nähren. Sie eröfinen Schulen, aber
mit dem Ginführen der lateinischen Schrift wird
auch die einheitliche Literatur geipalten. Auch ar-
beiten die Franciscaner allzu eifrig an der Ab-
ihaffung der alten Gebräuche. Aud die griech.
Katholiten haben einige Schulen, u. die Regierung
des Fürſtenthums Serbien unterftügt eifrig, durch
neur bat den Borfig im Senat u. kann fi einen
Stellvertreter felbft wählen u. ernennen. Ihm
find die Verwalter der Sandſchalate (Muteſarif)
in Allem untergeben, jo aud die Kreis umd
Bezirtsvermwalter (Kaimalam). Jeder Sandichat,
Kreis u. Bezirk, au jede Gemeinde hat ihren
Rath (Medſchlis). Der oberfte Nichter, zugleich
Chef des Gerichtswejens (Mufetiih hilijam) wird
vom Gultan auf Antrag des Scheif ul Islam er-
nannt; ihm find die jämmtlichen Richter (Kadi)
untergeben. Er fungirt zugleih als Borfigender
de3 oberſten Civilgerichtes — bufuf) u. des
Erimimalgerichtes (Tahtit medſchlis celiri cinajet)
u. hat einen faiferlihen Beamten zur Aushilfe, der
zugleich das Amt des Secretärs beim oberften Ge»
richtshofe belleidet. In Bosna Seraj befteht auch
‚ein Ober-Handelsgericht, welches zugleich die zweite
Inſtanz der in den Sandſchakaten beftehenden Han-
deisgerichte it. Alljährlic wird eine Berjamm-
lung zur Berathung einberufen, im melde jeber
Saudſchal 4 Vertreter (2 Mohammedaner, 2 Ehri-
ſten) zu jenden hat. Der Walt ift Vorſitzender der
Berfammlung. Die oberfte Leitung des finanziellen
und Rechnungs- Departements ift einem Director
Muhaſebedjija) überwiefen; er ift zwar dem Wali
unterordnet, jedoh nur dem Finanzminiſterium im
Eonftantinopel verantwortlid. Die officielle Cor⸗
refpondenz der Provinz führt der oberite Kanzler
(Mubtubticht effendija), u. feiner Obhut ift auch
das Arhiv der Provinz überwiejen. Auch für die
öffentlichen Arbeiten befteht eine Abtheilung. In
Allem ähnlich diefer oberften Landesverwaltung ift
die Verwaltung der Sandichalate. Alle Beamten
werden in Conftantinopel ernannt und find wahre
Osmanli, welche der Landesiprache nicht mächtig
find. Die Amtsſprache ift die sürfiiche, bei der
Schenkungen von Büchern u, Geldmitteln das Her | Heinften Amtshandlung find Dolmetſcher nöthig, u.
ben der Bildung, aber die türk. Behörden ſehen das Bolf hat unter folder Handhabung des Ge»
in den fyrilliichen (ruffiichen) Yettern etwas Staats- fees viel zu leiden. Die Beamten vom oderiten
gefährliches u. geftatten nur jelten das Gröffnen|bis zum unterften haben eine ſehr ungewijle Exi—
einer Schule in den Städten, auf dem Lande eri-|ftenz, u, darum find fie darauf bedacht, das Volt
ftirt feine einzige. Im freien Serbien gibt es bei jeder fi bietenden Gelegenheit gehörig aus«
512 Schulen mit etwa 25,000 Schülern. In po-|zufaugen. Die militäriiche Gewalt ıft von der
litiſch · adminiſtrativer Hinfiht wird B. in fieben)adminiftrativen getrennt, u. an ihrer Spige fteht
Sandihafate oder Muieſariflik getheilt; es find: ein Commandirender in Bosna Seraj, unter deſſen
Bosna Seraj (157,455 Em.), Trawnik (149,613) Befehl die Paſcha ftehen.
Em.), Banjartula (221,046 Ew.), Bihatih (176,428| Geſchichte. Die Geſchichte B-8 zerfällt in drei
Ew.), Smwornil (291,849 Ew.), Nowi-Paſar Hauptperioden, und zwar bezieht fich die erfte auf
(156,041 Em.) u. Moftar (Herzegowina im en-|die Zeit vor der Einwanderung der Slaven in B.,
geren Siune, 185,421 Em.). Die Sandſchakate | daher bis zum 7. Jahrhundert; die zweite, hriftl.=
zerfallen in 52 Kreife (Kadilik) u. Bezirke (Nahi). ſlaviſche Periode umfaßt die Zeit bis 1463, als
Verwaltung: Bevor die Herzegowina mit B. das Bosnifche Reich zerftört wurde; die dritte BE
zu einem Bilajet vereinigt war (1865), verwalteten riode ift die der türf, Herrichaft in B. In der
das Fand 2 Beziere, der eine hatte feinen Sit; in vorſlaviſchen Zeit war B. ein Theil von Ilyrieum
Trawnif u. der zweite in Moftar. Jetzt verwaltet
die Provinz ein Gouverneur (Wali), welcher die
oberfte Yeitung ſowol der adminiftrativen, als auch
der politijchen, finanziellen u. polizeilichen Ange»
legenheiten in feiner Hand hat. Er wird vom
Sultan ernannt, u. zur Ausübung der oberjten
Gewalt ift ihm ein Senat (Idare medichlis) bei.
gegeben; diefer Math beiteht aus dem (Chef des
‚magnum, ı. während ber Nömerberrichait gehörte
'e8 zur Provinz Dalmatia bis 337. Mach der
Theilung des Römisches Neiches fiel B. an das
Oftreih. Um das Fahr 630 bejegten die Slaven
B. u. ließen fi zwiſchen 633—640 taufen. Bei
Conſt. Borphyrogenetos erfcheint zuerit der Name
B., er legte ihn der Gegend zwiſchen der Drina,
‚Save, Una u. dem Adriatifchen Deere bei. Die
Gerichtsweſens, dem Leiter der Äußeren Angelegen- | eingewanderten Slaven maren abhängig vom
Bosnien
Byzantiniſchen Meiche, u. erft im Jahre 641 ge»
langten fie zu einer gewiffen Unabhängigfeit; das
Sand wurde in Geſpanſchaften (Zupa) getheilt
u. von einem Großjhupan regiert, u. Budimir
(874) wurde der eigentlihe Organijator des füde-
rativen Serbenreiches. Als erfter jelbftändiger
Banus von B. wird Schelimir (940) genannt; er
ging darauf aus, B⸗s Unabhängigkeit zu befeftigen,
u. nachdem er in der Schlacht bei Fajtze gefallen,
fiel 3. an König Teſchimir, der als Regenten
feinen Sohn Krefhimir Teſchimirovitſch einjegte, u.
B. verblieb bis zum Jahre 1120 unter ferbiicher
Oberherrſchaft; zu diefer Zeit fiel B. unter die
Botmäßigfeit der ungarischen Könige, welche die
Banuswürde verliehen. Bon 1168—1204 ver-
waltete B. Banus Kulin, der fih um das Land
bochverdient machte und bejonders den Bergbau
zur großen Blüthe erhob. Seine Nachkommenſchaft
gehört noch heute zu den angejehenjten u. reichiten
adeligen Geſchlechtern B⸗s. Unter jeinen Nach—
folgern brachen religiöſe Wirren in B. aus, u. erſt
der jerbifche König, Miljutin, ftellte Die Ruhe wieder
ber und gab die Regierung an Paul Schubitſch
1302 ab. Defien Sohn Miladin wurde durch eine
Revolution vertrieben, u. B. fiel wieder an die
ungarischen Könige, aber nicht auf lange, denn
ihon 1335 warf Banus Twarko II. die Bot-
mäßigteit ab u. nannte fih König von B. mit
dem Namen Stephan Twarfo J. Er machte große
Anftrengungen in Bezug auf die Hebung des
Handels u. des Aderbaues, gründete neue Städte
und unterwarf einige Städte in Dalmatien, Fu
die Schlacht am Amjelfelde fandte er dem Ser-
benczar ein Hilfscorps von 20,000 Mann, u. als
die Türken verſuchten, B. zu erobern, hatte Twarto
Kraft genug, um fie zurückzuweiſen. Mit Hecht
wird Twarlo als einer der erlauchtejten Herrſcher
B-8 betrachtet. Ihm folgte fein Neffe Stephan
Dabifha, u. 1396 nach deſſen Tode der unche-
the Sohn feines Vorgängers Stephan Twarto II.
Twarkowitſch, der aber jhon nah Fahresfrift von
feinen Feinden vertrieben wurde. Der Anführer
der Unzufriedenen, Stephan Oftoja, riß die Ober-
ewalt an fi), mußte aber bald weicyen, u. jein
Sohn Stephan Oſtojitſch wurde 1418 zum König
erwählt. Ihm folgte jein Sohn Stephan Thomas
Dftoja 1445. Bon den Türken hart bedrängt,
mußte er 1444 in die Entrichtung eines Tributs
von jährlich 25,000 Ducaten willigen, Im Jahre
1446 berief er nad) Konjiga die fänmtliche höhere
GBeiftlichkeit u. den Adel zu einer Berathung, u.
bier wurden die Gejege über die Vertreibung der
religiöfen Secten u. über die Entrichtung von
Abgaben feftgeftellt. 1462 wurde diejer König,
während er fih zu einen Kriege mit Ungaru ri
ftete, von feinem Sohne erdrojjelt, u. den Thron
beitieg Stephan Tomaſchewitſch. Wegen feiner
fhwarzen That und meil er nicht der redht-
mäßige Sohn war, wurde er von dem Volke
gebakt, u. jo war es dem Sultan Mohammed II.
leicht, al® er 15. Juni 1462 mit 150,000 Mann in
B. eingefallen, die Nefidenzitadt Bobowatz einzu⸗
nehmen. Der König rettete fih im die Feftung
Kljutih, wurde hier gefangen genommen u. troß
der gegebenen Berfiherung, dat jein Leben ver
jhont bleiben werde, 30. Juni 1462 hingerichtet,
Geſch.). 713
u. zugleich mit ihm alle jene Großen des Reiches,
welche ihren Glauben nicht lafjen wollten.
nachher fiel auch die Herzegowina (1483) uuter
das
beiderlei Gejchlechtes wurden in die Sfaverei nad
Afıen abgeführt, u. das größte Elend brach über
das verwüſtete Land herein.
juchten die Ungarn B. den Türken zu entreißen.
Bald
türfihe Joch. An 200,000 Einmohner
1465 u. 1471 ver«
Die Verſuche wurden öfter wiederholt, bis endlich
1526 in der Schlacht bei Mohacz die Türken
die ungarische Macht gänzlich brachen und dann
arg in B. u. den Nachbarländern au haufen be⸗
annen, Als endlih nad der Niederlage bei
Wien 1683 die Türken zu weichen begaunen u,
immer meiter zuriidgedrängt wurden, wurde 1688
ein großer Theil B-3 vom öfterreichiichen Heere
unter Ludwig von Baden beiekt; 1697 drang
Prinz Eugen bis gegen Bosna Seraj vor. Faft ein
ganzes Jahrhundert wurde zwiſchen Öfterreih u.
den Türken um den Befit —* gelämpft u. viel
Blut umſonſt vergoſſen; denn nah dem im-
Siſtowa 1791 geihlofjenen Frieden behielt bie
Türkei B. im Befig. Als im Jahre 1804 in
Serbien der Aufftand des Volkes gegen die tilr-
fiihe Tyrannei ausbrah u, das ferbiidhe Heer
in Kara Georg einen umfichtigen und energiſchen
Führer erhalten hatte, wurde auch B. nicht ver«
geflen, u. Kara Georg umternahu es, eine Ver—
indung mit Montenegro berzuftellen, B. von der
Türkei abzufchneiden u. die Bosnjalen mit Waffen
verjehen mit in den Krieg gegen den gemein«
ichaftlihen Feind zu führen. Yeider miglang diejer
Berſuch, u, als 1813 die Türken auch den jerbi-
Shen Aufitand unterbrüdten, wurde B. ein noch
bärteres Joch aufgelegt, jo daß jelbjt die Moham«
medaner unzufrieden wurden und die VBedriider
abzuwerfen verſuchten. 1831 brach ein allgemeiner
Aufftand in B. aus; Capitän Huffein von Gra—
datihag übernahm die Führung; anfangs be
günftigte ihn das Glüd, er flug in einigen
Gefechten die türkischen Truppen u. bewies ein
energiiches Auftreten u. Handeln, das der Maſſe
imponirte und ihm das Prädicat Smajbojanskt
(Drade von B.) einbrachte. Erſt als Kara Mah—
mud mit 60,000 Mann gejchulter Truppen antaın,
Ihlug er bei Banjsfa die Aufitändiichen aufs
Haupt, Huffein flüchtete fih nach Ofterreich, und
Kara Mahmud züchtigte Hart den Adel wie das
Voll. Die natürlichen Folgen dieſer Bedriidung
waren erneuerte Aujftände, jo im J. 1836, 1837
u. 1840, doch wurden diefelben wieder bald be»
wältigt. Als aber zu Aufang des Jahres 1847
Zahir Paſcha zum ir von B. ernaunt wurde
u. zur Durchführung des ſchon 26. Novbr, 1839
erlaffenen Tanſimats ſchritt, womit die Leibeigen-
haft aufgehoben und das directe Bejteuerungs-
ſyſtem eingeführt werden follte, brach abermals
ein Aufftand aus, den erft Omer Paſcha nad
längerer Zeit unterdrüdte u. der dhriftlihen Be—
völferung die Waffen abnahın. Omer Paſcha
hat ſich in mancher Beziehung nicht nur um das
Land, jondern auch um die chriftliche Bevöllerung
verdient gemacht, indem er den Übermuth des
Adel brach u. Straßen bauen ließ. Er ließ auch
die erfte vollftändige Volkszählung in B. vor-
nehmen, und das Land würde unter jeiner
714
Regierung gewiß zur Blüthe gelangt fein, mwenn|feit der Mitte des jechften Jahrh. v. Chr. hatten
er nicht verdächtigt worden wäre, was anch feine die Hellenen, namentlich kleinaſiatiſche Jonier, auch
Abberufung aus B. zur Folge hatte. Als i. J. die Küften an der Mündung ber in das Ajomwiche
1859 in Gerbien die Dynaftıe der Obrenowitih | Meer fliegenden Gewäſſer colonifirt. Zur Zeit ber
auf den Fürftenthron berufen wurde, leuchtete au [großen griechiſchen Perjerkriege gründete von Ban-
den bosniſchen Chriften ein Hoffnungsftrahl auf, |tifapäon aus das Haus der aus Mytilene ftamm-
und al$ 1862 Belgrad von den Türken aus derjenden Ardäanaftiden das Bosporaniſche Reich. Sie
Feſtung befchoffen wurde, war auch gute Gelegen-| erweiterten ihr Gebiet nad den nächſten Damals
beit zu einem Conflict mit der Türkei da, man ſtythiſchen Steppen hin u. machten es dur Han-
Hieß Ddiejelbe aber unbenutt vorübergeben, nur del, Ader- u. Weinbau, Fiſchfang zc. blühenp;
fo viel gewann man, daß ſämmtliche Türken (aus: |e8 war lange eine Kornkammer Griechenlands,
genommen das Militär, welches die Feſtungen befonders Athens, u. lieferte außerdem Sflaven,
noch bis zum Jahre 1867 bejegt hielt) Serbien | Pelze, Häute, Wachs zc. dahin, Nach den Archä-
verlaffen mußten; diefe zogen nun nah B. u. halfen |analtiven begann 438 mit Spartalos I. eine neue
dort das Volk unterdrüden. Der ferbifhe Fürft | Dynaftie, u. diefer folgten wieder andere joldhe, welche
Michael Obrenowitich ging mit dem Gedanken um, |die Freundſchaft mit den Athenern aufrecht erhielten
DB. der Türk. Pforte abzulaufen, u. gewiß würde er|u. unter deren Königen mander vou den Legteren
Boſo — Bosporus,
fein Ziel erreicht haben, wenn ihm nicht Mörder-
band getöbter hätte. Die Yage der bosniſchen
Bevölterung, beionders der chriſtlichen, ift eine
entfetsliche, das beweift am beften die große Hahl
der Flüchtigen welde im Jahre 1873 das Yand
verließen. Der Conflict, der damals zwiſchen
Oſterreich u. der Türkei ausbrach, legte ſich bald,
und die Bevölkerung leidet nad wie vor. Im
Zuli 1875 find neue Unruhen in der Herzegomina
ausgebroden. Ein Theil der Bevölferung, roh,
raubſüchtig u. gegen die Türken fanatifirt (fowol
durch die eigenen Priefter, al8 von Serbien und
Montenegro aus, vielleicht nicht ohne Eimmirfung
von auswärts) verweigert unter frivolen Vorwän—
den jede Steuerzahlung. Blutige Kämpfe haben
bereit8 begonnen. Der Zwed der — ſcheint
Vereinigung der Slaven Bes mit jenen Ungarns
u. Dalmatiens zu fein. Die beiten Werfe über
Ehrenbezeugungen empfing. Die Könige des Bos-
por. R»e3 hatten indeffen fortwährend Kriege mit den
Stothen zu führen, an welche fie viel Land verloren,
Da trat endlih Pärifades II. das Reih an Mi-
thridates d. Gr., König von Pontos, ab (regierte
nominell jeit 120, felbftändig feit 113 v. Chr.),
welcher num die Skythen aus der Gegend ver»
drängte. Mithridates übergab jpäter das B. R.
feinem Sohne Machares; als diefer fi aber gegen
das Intereſſe feines Vaters mit den Römern ver»
band, warb er von feinem Vater befriegt u. töd-
tete fich felbft (64 v. Chr.). Sein Bruder und
Nachfolger Pharnakes ſchloß ſich ebenfalls an die
Römer an, half denjelben feinen Vater befiegen
u. wurde deshalb in feinem Beſitze beftätigt, nur
Phanagoria behielten die Römer (63 v. Ehr.).
Unter ihm u. feinem Schwiegerfohne Afander, der
ihn im Jahre 47 v. Chr, ermordete u. nach mehr»
B. find: Hilferding, Bosnija, Hercegovine i Sta-|fahem Glückswechſel jpäter von Auguftus zum
reja Srbija, St. Petersburg 1859; IThoemmel,
Beihreibung der Vilajets B., Wien 1867; Ros—
fiewicz, Studien über B. u. die Herzegowina, Lpz.
1868; Maurer, Reife durch B., die Gaveländer
u, Ungarn, Berl. 1870. Jovanovic.
Boſo, 1,8. von Provence, Sohn des Grafen
Theoderid von Autumn. Karl der Kahle ernannte
ihn 860 zum Grafen von Vienne u., da er 876
des Kaiſers Ludwig II. nachgelaſſene Tochter
Irmgard geheirathet, zum Statthalter in Italien.
Im Jahre 879 gründete er das neuburgundiiche
oder cisjuranishe Königreich, welches das ſüdöſtl.
Franfreih mit Savoyen begriff. Er ft. 11. Jan.
887. 2) Röm. Cardinal, geb. in England; wurde
1149 Schreiber der römiſchen Curie, beförderte
die Wahl Aleranders III. zum Papfte, jammelte
in deſſen Auftrage die Vebensbejchreibungen der
Päpfte u. fchrieb die Gefchichte der Zeit von Bapft
Eugen IV. bis zum Benetianischen Frieden.
osporaniſches Reich, ein hellenischer Staat
an beiden Küjten des Kimmerifchen Bosporus (jett
die Straße von Jenikale zwiihen dem Aſowſchen
und Schwarzen Meere); dehute ſich zur Zeit feiner
größten Ausdehnung bis nad Tahais am unteren
Don aus u. umfaßte die OHälfte der Taurifchen |1
Halbinjel (Krim). Städte waren Pantikapäon (Bos-
König ernannnt ward, blieb das Reich unter rö—
mifcher Oberhoheit. 259 ft. der Stamm der Mithrida-
tiden aus, u. nun bemächtigten fich die Sarmaten bes
Bosporanishen R-es. Ihr König Sauromates IV,
unternahm einen Zug gegen die Römer, drang nad)
Kolchis u. verwilftete Pontos. Diocletianus jchidte
den Eonftantius Chlorus gegen ihn u. reizte die
kräftigen, den Römern treu ergebenen Bewohner des
Zaurischen Cherſones zum Einfall in das Gebiet
des Sauromates. Ihr Anführer, Chreftos, nö—
thigte den Sauromates zum Frieden. Sein Em
tel, Sauromates VI., wollte die Cherjoniten dafiir
ftrafen u. kündigte ihnen während jeiner Feldzüge
in Kleinaftien den Krieg an. Aber befiegt mußte
er ihnen 344 das ganze Sand bis Kapha abtreten.
Das Ende des Bospor. R-es fest man gegen das
Ende des 4. oder an den Anfang des 5. Jahrh.
unter Gauromate8 VIII; dieſer verjuchte das
feinen Borfahren von den Cherſoniten abgenom-
mene Land wieder zu erobern, verlor aber im
Zweikampfe mit ihrem König Pharnafes jein Le—
ben, worauf fi die Eherjoniten das ganze Neich
unterwarfen. Hergberg.*
Bospörus (v. Gr., d. i. Ochjenfurt; a. Geogr.),
) B. Cimmerius, die Meerenge zwiichen Cherſo—
nejos Zaurifa u. Sindile; jest Straße von Kafja
poros, jetzt Kertich) und gegenüber Phanagoria, od. Feodofia, Kertic od. Jenilale. Die Anwohner
auf der Inſel Taman, nah denen bald fi) meh—
rere erhoben, wie Myrmelion, Barthenion, Achil-
leion, Seit der Mitte des fiebenten, nod mehr,
ac Bosporanier. Aufder NOKüſte deſſelben lag
) die Stadt B. (Miletiiche Colonie), nah Ein. jo
v. w. Pantifapäon; jegt wol Kertid oder Bospor.
Bosque — Bofiak- Haufe. 715
Hier wurde das Bosporanifhe Reich -(f. d.) ge-
gründet. 3) (B.thracieus, B, mysieus, B. Chal-
cedoniae) Die jetige Straße von Conftantinopel
(Boghaz⸗Itſchi, Jitambul-Boghazi), welche Europa
von Afien trennend das Schwarze Meer mit dem
Marmarameere verbindet, bei Poiras beginnt und
nach vielfältigen Schlangenwindungen bei Con—
ftantinopel mündet; 27 km lang, die größte
Breite, unterhalb Böjufdere, beträgt 1950 m, die
Heinfte Breite, bei Balta Liman, 1170 m. Die
Waſſertiefe ift durchſchnittlich 30 Faden, in den
rögten Weitungen des Kanals finkt fie bis zur
älfte herab, ift aber immer ausreichend felbft für
die größten Schiffe. Den größten Theil des Jahr
res hindurch rollen die Fluthen des Schwarzen
Meeres der Mündung des B. zu u. erzeugen in
demfelben eine ftarfe Strömung nad ©,,
welche durchſchnittlich die Gefhmwindigfeit von 7,,
km in der Stunde befitt. Die Einfahrt in die
Waſſerſtraße vom Schwarzen Meere ber ift ſchmal,
u, der Wind zu einer folhen muß günftig fein.
Diefer Umftand fowol, als der häufig eintretende
löglihe Wechiel des Windes auf dem Schwarzen
eere, an deffen Küſten fich mweithi fein Anker—
plat findet, ſowie auch die oft aus dem Schwar-
zen Meere auffteigenden dichten Nebel bringen
den Schiffen große Gefahren, befonders im Herbfte
u. Winter, wenn der NWind aus den ruffiichen
Steppen über das Schwarze Meer hinfegt. Die
etwa 500 m hoben Bergmwände beider Ufer des
B. fallen oft ſchroff ab, bald treten fie zurüd, um
den reizenbiten Gegenden Plat zu machen. Faſt
ununterbrochen, —— am europäiſchen Ufer,
reihen ſich Ortſchaften an einander, über denen ſich
Landhäuſer, Kiosle u. Gärten erheben, während
von den Gipfeln Burgen, Schlöſſer und Ruinen
aus der byzantiniſchen u. genueſiſchen Vorzeit her—
abblicken. Zum Schutze Conſtantinopels gegen
einen von N, her kommenden Feind find längs
des Kanals und zu beiden Seiten deſſelben
zablreihe Vertheidigungswerke angelegt. An der
Mündung des B. ins Schwarze Meer ftegen die
beiden Batterien Anadoli Fanar in Aſien u. Ru—
milt Fanar in Europa, mit Leuchtthürmen. Durch
eine ſchmale Wafferlinie vom Felfenufer getrennt
u. 50 Schritte davon entfernt ragen bier die
Symplegaden oder Kyaneen aus dem Waffer her-
vor, Bajaltfelfen, welche nah der Sage hin- und
herwankten u. alle Schiffe zertrümmerten, bis fie
nad der glüdiihen Durhfahrt der Argonauten
nad einem alten Orakelſpruche feftitanden. Etwa
in der Mitte des B. liegt auf europätfchem Ufer The—
rapta, Sommerfiß des brit. u. des franz. Gejandten.
Zwiichen den beiden Schlöffern Rumili-Hiffar in
Europa und Anadoli-Hiffar in Afıen hat der ©,
feine jhmalfte Stelle. Weiter gegen Conftantinopel
hin liegen auf europäifcher Seite die herrlichen
Luftihlöffer des Sultans, Tſchiwaghan, Beſchik—
taſch u. Dolmabagdſche; dann folgen die Vorftädte
Pera u. Galata, der Bujen des Goldenen Horns
und endlich die Hauptftabt des Türkischen Reiches
jelbit; ihr gegenüber in Afien Stutari, Am Ein—
gange des B. in das Schwarze Meer ftand im
Alterthum ein Tempel, am Ausfluffe in die Pro—
pontis die Stadt Byzanz. Der thratiihe B. war
in der griech. Mythe der Durchgangspunlt der
in eine Kuh verwandelten Jo; fpätere Geitalt-
ungen ließen auch den Kimmeriſchen 8. (j. ®. 1)
turhihwimmen. Über den B. führte Darius
auf einer Schiffbrücke fein 700,000 Dann ftartes
Heer. Im 8. 1352 Seeſchlacht zwiſchen Genua
u. Benedig. Bgl. Tihihatchef, Le Bosphure et
Constantinople avec perspectives des pays limi-
trophes, Par. 1864; Dethier, Der B. u. Con—
ftantinopel, Wien 1873.
Bosgque, County im nordamerif. Unionsftaate
Teras, unter 37° n. Br. und 97° m. %;
4901 Ew.; Countyfig: Meridiana. :
Bosquet (Bostet, fr.), in Gärten angelegtes
Heines Gehölz von dichten Gebüſch mit wenigen
oder feinen hoben Bäumen, gewöhnlich mit gewun⸗
denen Wegen u. fehattigen Sigen.
Bosquet, Pierre Frauçois Jo ſeph, franz.
Marſchall, geb. 8. Nov. 1810 in Pau; beſuchte
feit 1829 die Polytechniſche Schule in Paris und
1831—33 die Militärfchule in Meg u. wurde
dann Unterlieutenant; 1834 ging er mit dem 10.
Artillerieregiment nach Algier, rückte daſelbſt 1848
zum Brigadier auf u. wurde zur Dispofition des
Generalgouverneurs von Algier geftellt. Während
feines fat 20jährigen Aufenthaltes in Algier nahm
er beinahe an allen größeren Unternehmungen u.
Gefechten theil; 1851 erzwang er an der Spige
einer Brigade den Übergang über den Menagal,
womit der Feldzug gegen Kabylien eröffıtet wurde.
Aus feiner Stellung in Algier ſchied er 1853 als
Divifionsgeneral, um ſich dem Kriegsminifter St.
Arnaud zur Verfügung zu ftellen. Bei Ausrüft-
ung der Erpeditionsarmee nach dem Drient 1854
erbielt er das Commando der 2. Divifion u. jpä-
ter das des 2, Armeecorps. An der Alma trug
er weſentlich zur fiegreichen Entjheidung der
Schladt bei; bei Inkerman rettete er die ſchon
geichlagenen Engländer vom Untergange, bei der
Erftirmung von Sebaftopol nahm er die Mala»
fowwerfe. B. wurde 1856 Senator u. Marjchall.
Er ftarb 5. Febr. 1861 nach langer Krankheit zu
Toulouſe, wo er jeit 1858 Obercommandant war.
Boffage, fo v. w. Bäueriſch Werk.
Boſſak-Hauke, von Haufe aus Joſeph von
Haufe, geb. 1834 in Warihau; Sohn des
ruſſiſchen Generals Grafen dv. Haufe, war erft Page
des KHaifers von Rußland, trat dann in die Armee
u. fämpfte mit Auszeichnung im Kaufafıs. Bei
Ausbruch des polnischen Aurftandes von 1863 de»
fertirte er aus jder Armee nah Polen u, erbielt
von der Nationalregierung das Commando über
die Inſurgentencorps aus den Provinzen Krafau
u. Sandomir; von diefer Zeit datirt aud der Bei—
name Boffaf, d. i. der Barfüßige. Nah Miß—
lingen der Inſurrection flüchtete ev nach Italien,
ging dann in die Schweiz u, widmete feine Thä-
thigkeit ganz der Sache der Friedens- u. Freie
heitsliga als Mitglied des Gentralcomites der»
jelben. As Garibaldi 1870 feine Dienfte der
franzöfiichen Nepublif anbot, folgte er dem Auf-
rufe diejes ihm befreundeten FFreifchaarenführers
u. übernahm das Commando der erften Brigade
der Bogefen-Armee, fiel aber jhon 21. Fan. 1871
bei einem Recognoscirungsgefechte gegen eine Ab»
theilung der preußischen Srigare Kettler vom 2,
Armeecorps bei Dijon. Lagai.
716
Boffange — Bofii.
Boffange, Martin, hervorragender franz. Buch⸗ | ftarb dafelbft 1678. Seine zahlreichen Blätter find
händler, geb. jyebruar 1766 in Bordeaur; etablirte
1785 in Paris eine Buchhandlung, welche dajelbft
noch befteht; ftarb Ende October 1865.
errichtete Zmweiggefchäfte in London, Neapel, ©.
Domingo, Montreal, Merico, Rio de Janeiro u.
1833 in Yeipzig ; in legterem führte er die ſchon
vorher in England u. Fraukreich in Aufnahme
gelommene Benugung der — —
F die populäre periodiſche Preſſe in größerem
aßſtabe in Deutſchland in dem von ihm heraus—
gegebenenen Pfennigmagazin ein.
Bosſcha, 1) Hermann, niederländ. Philolog,
eb. 18. März 1755 in Leeuwarden; fludirte in
‚sranefer, wurde 1775 Rector der lateinischen
Ehufe dafelbft u. 1780 im Deventer; 1787 bei
den Parteilämpfen in Holland entlaffen, fam er
1789 als Prorector des Gymnaſiums nad Harder-
wyt, wurde 1795 Profeſſor der Geichichte daſelbſt,
1798 Bureauchef der 1. Abtheilung des Minifte-
riums für den öffentlithen Unterricht, 1804 Pro-
feffor der Geſchichte in Groningen, 1806 Wector
der lateiniſchen Schule in Umfterdam u. Profeffor
der Geichichte am Athenäum daſelbſt; er ftarb hier
12. Auguft 1819. B. ſchr. die lateiniichen Ge—
dichte: Musa Daventriaca, Deventer 1786; Pax
Ambianensis, 1802; Belgica libertas, 1814;
Po&mata (herausgeg. von feinem Sohne Peter
B.), Deventer 1820; außerdem: Bibliotheca clas-
sica (Handbuch der claffiihen Mythologie, Alter
tbümer u. Gejchichte), 1794; Geschiedenis der
Staatsomwenteling der Nederlanden in het
jaar 1813, Amfterd. 1817; überjegte Blairs Vor-
lefungen über die Redekunſt und jchönen Wiffen-
fchaften, Denons Voyage en Egypte, Schillers Ab-
fall der Niederlande, Plutarchos' Biographien u. v.a.
2) Johannes, holländiiher Staatsmann und
Shhriftfteller, geb. 19. März 1797; beichäftigte
fich zuerft mit claffifhen Studien, wurde 1828 Tech»
rer der Gejchichte u. Yiteratur an der neu errich—
teten Militäralademie in Breda. Hier jchrieb er
eine allgemeine u. eine vaterländiihe Gejchichte,
fowie Niederlande Heldenthaten zu Laud. Bon
bier ging er als Profeffor an das Athenäum nad
AUmfterdam. Bon Wilhelm IIL wurde er 1849
beauftragt, eine Lebensbeichreibung Wilhelms II.
zufammenzuftellen, trat als Abgeordneter von Am—
jterdam in die Zweite Kammer u. verwaltete von
1858 bis 1861 das Minifterium für protejtanti«
ſchen Eultus. Später 309 er fih von den Ge:
ſchäften zurück, lebte nur der Wiffenichaft im Haag
u. ftarb dafelbit zu Anfang 1875, 2) Wengelburger,
Boſſe, aus weichem Stoffe durch Kneten ge»
formte, aus dem Wunden gearbeitete elaftijche Ge—
ftaltungen zum jelbftäudigen Gebraude, oder zu
dem als Modell. Sie werden entweder ganz aus
dem betr. Stoffe hergeftellt, oder erhalten einen
Ken aus Holz.
Bofie, Abraham, franzöfifiher Kupferftecher
u. Radirer, geb. 1611 in Tours; war zum Ad—
Er Atze
von hohem Intereſſe für die Culturgeſchichte.
Auch fchrieb er über die Technik des Stechens u.
us. Regnet.
Boſſen (Boſſeln), ſo v. w. Boſſiren.
Boſſi (Boſfius), 1) Matteo, Theolog, geb.
1428 in Verona; war Beichtvater des Lorenzo v.
Medici; ſt. 1502 in Padua; er war einer der
berühinteften Kanzelredner feiner Zeit u. ſchr.:
De veris animi gaudiis, Flor. 1491; De institu-
endo sapientia animo, VBologua 1495 zc.; feine
Epistolae erſchienen Mant. 1498 u. Ben. 1502,
Werke, Bolog. 1627. 2) Carlo Aurelio, Baron
v. B., ital. Dichter, geb. 15. Nov. 1758 in Turin;
war 1796 fardinischer Charge d’affaires in Pe-
tersburg, erhielt dann die Adminiftration des an
Fraukreich abgetretenen Piemont, wurde ſpäter
franzöfiiher Couſul in Jaſſy u. nachher Präfect des
"Ain- u. des Manchedepartements; er verlor 1815
jeine Stellen, lebte in Paris u. ft. 20. Jan. 1823
daſelbſt. B. hat fich bei. um die Toleranz Sar-
diniens gegen die Waldenfer verdient gemadt. Er
ihr. die Dramen: Die Circaffierinnen und Rhea
Sylvia; Oden u. Gedicht über die Franzöſiſche
Revolution (Oromasia); ſämmtl. Gedichte, Lond.
1816. 8) Giufeppe, berühmter ital, Maler,
Didter u. Schriftjteller, geb. 11. Aug. 1777 zu
Bufto-Arfizio im Mailändiſchen, geft. 15. Dec. 1815
zu Mailand; erbielt in Monza eine umfafiende
literariihe Bildung, widmete ih danı in Mai«
land der Kunſt, bildete fih in Rom unter Ganova
weiter u. ward nad feiner Rückkehr Secretär der
Kunftafademie in Mailand, 1805 Präfident der
dortigen u. der Alademien in Venedig u. Mailand,
Im Auftrage des Vicekönigs Eugen copirte er
Leonardos Abendmahl, nad) welcher Arbeit Raffaelli
in Rom eine Mofailcopie ausführte,. Großes Ber-
dienft erwarb fih B. als Gründer des Diufenms
der Brera, der Bibliothek berfeiben u. der Moſaik—
ſchule. Werle: Aurora u. die Nacht; Odipus u.
Kreon; Parnasso italiano, in Mailand. Auch fchr.
er Libri quattro sul Cenacolo di Lionardo da
Vinci. 4) Yuigi, Graf, ital, Altertbums- u. Ge-
ichichtforfcher, geb. 28. Febr. 1758 in Mailand;
war früher Canonicus beim Dom in Mailand,
wurde von Bonaparte als Agent der franzöftichen
Regierung in Turin angeftellt und nad der Ber-
einigung Piemonts mit Frankreich Präfect der
Archive des Königreichs Ftalien; B. ft. 10. Aprif
1835 in Mailand. Er jr. u. v. a.: Eine Ab»
handlung über das Sacro Catino, Turin 1807;
Unterfuhungen über Criftoforo Colombo, 1818;
Istoria d'Italia, Mail, 1819— 23, 19 Bde.; meh⸗
rere Trauerfpiele (1805) u. Luſtſpiele. Seine In-
troduzione allo studio delle arti del disegno
enthalten reiches Material zur Kunftgeihichte. Er
bearbeitete auch neu Moscoes Leben Leos X,,
Mail. 1816 f., 2 Bde. 5) Benigno, ital. Po-
litifer, geb. 1784 in Mailand; ftreute im Con-
ceiliatore, als einer der Erften, ben Samen ber
vocaten bejtimmt, ftudirte aber in Paris Stechkunft | Freiheit unter feinen Landsleuten aus, ward 1821
u. arbeitete in der Art Callots, Seine Kenntniß | wegen Theilnahme an der Revolution in Abwejen-
ber Perfpective trug ibm die Stelle eines Pro-|beit zum Tode verurtheilt, fliichtete nah Frank⸗
fefiors derfelben an der Afademie ein, die er aberjreih u. England u. ging dann nah Genf; ward
wegen feiner Satiren auf feine Collegen wieder|1848 von der Provijoriihen Regierung in Mair
verlor, worauf er fih nah Tours zuridzog; erlland als Gefandter nad London geſchickt, lebte
Boſſhardt — Bolton.
dann wieder in Genf u. beſuchte von dort jährlich
die Parlamentsfigungen in Turin. Im J. 1859
trat er an die Spike der Unterſtützungsvereine
für die Vermundeten. Er ft. 1870, 3) Regnet.
717
einigungsverſuch der Proteftantiihen u. Katholis
ſchen Kirche ſ. u. Union. B. fchr.: Refutation du
catechisme de Paul Ferry, Met 1655, Par. 1729;
Exposition de la doctrine de l’eglise cathol. sur
Bofihardt, Kaspar, Hiftorienmaler ber Mün- |les matiöres de controverse, Par. 1671, Antw,
hener Schule, geb. zu Bafel 1823; verräth ein-|1680; Traite de la communion sous les deux
— hiſtoriſches Verſtändniß und bedeutende |espöces, Par. 1682; Discours sur I'histoire univ.,
egabung für Charakteriftit. Werfe: Schultheiß Par. 1681 u. ö., neuefte A., 1874, deutſch von
Wengi von Solothurn wendet von feiner Heimath J. A. Cramer, Lpz. 1757—86; Hist. des varia-
den Bürgerkrieg ab, geft. von G. Merz; Schlacht
bei Murten (in Bajel); Tod Sidingens.
Boſſier, County im nordamerilan. Unions-
ftaate Youifiana, u. 32° n. Br.u. 93° w. L.; 12,675
Em.; Countyfig: Bellevue,
Boſſiren (Boſſen, Boffeln, von boss, altdeutich),
aus weichem Material, meift Wachs od. Thon, halb
od. ganz erhabene Bilder verfertigen. Wachs zum
B. geihmeidig zu machen, dient Terpentin, Talg,
Scweinefett oder Baumöl, das, mit irgend einem
Tarbftoffe verſetzt, mit jenem zuſammengeſchmolzen
wird. Will man Reliefs b., jo dient eine Schiefer-
oder Holztafel oder eine andere Fläche als Unter:
lage. Das B. geſchieht bei der erften Anlage mit
den Fingern, dann unter Anwendung der Boffir-
hölzer, Boffirgriffel aus Holz, Metall oder
Bein, mit fpigem, runden oder ſchaufelförmigem
Ende. Die zu boffirenden Gegenftände werden
auf dem Boſſirſtuhl befeftigt oder aufgebaut,
d. b. auf einer Drebicheibe, die anf einem feiten
Geſtell ruht. Das B. tft Die erfte Manipulation,
deren fi der Bildhauer zu feinen Arbeiten be-
dient, injofern er in den allermeiften Fällen zuerit
ein Modell herftellt. Wer ſich hauptſächlich mit
B. beichäftigt, heißt Boffirer, 3. B. Wachs—
boſſirer. Thonmodelle verändern, wenn fie ge—
brannt werden, faſt immer ihre Maßverhältniſſe
wenn ſie nicht gar Verzerrungen erleiden. Regnet.
at er u. Bofftrjtuhl, j. u. Boffiren.
Bofjuet, Jacques Beͤnigne, berühmterfranz.
Kanzelreduer u. Schriftfteller, geb. 27. Sept. 1627
in Dijon; ſtudirte in Paris Theologie u. Philo-
fophie, wurde 1652 Ganonicus in Met, 1661
Hofprediger in Paris, befehrte Turenne zur fa-
tholiſchen Confeſſion u. wurde 1668 Biſchof von
Condom, legte aber dies Amt nieder, als er 1670
Lehrer des Dauphins wurde; 1672 wurde er Mit-
—* der Alademie, erhielt 1681 das Bisthum von
Meaur u. betrieb bei der Berfammlung des franzö-
fiichen Klerus 1682 die Abfafjung u. Annahme der
4 Artikel, welche die Freiheit der Gallicaniſchen
Kirhe und bei. das Hecht des Königs tiber fie
gegen päpftliche Eingriffe ficherftellten, und ver—
theidigte fie in der Defensio declarationis, quam
de potestate ecclesiastica sanxit clerus gallica-
nus a, 1682, Luxemb. 1730, 2 Bbe., franz., Par.
1735; 1697 hatte er Streitigkeiten gegen ben
Duietismus der Guyon zu beftehen, wurde fünigl.
Staatsrath u. 1698 Beichtvater der Herzogin von
Burgund. Er ft. 12. April 1704 in Paris. Viele
feiner Reden, von denen 1874 eine Auswahl in
Paris erjchien, werden noch jett als rhetoriſche
Meifterwerte geihägt. Feind der Proteftanten,
widerfegte er de zwar den Berfolgungen der Re—
formirten, aber verfegerte doc) Feͤnelon wegen feines
tions des &glises protest., Par. 1688, 2 Bde.;
Trait& de la connaissance de Dien et de soi-
möme, Par. 1722; Politique tiree de l’eri-
ture s., Par. 1709; Catöchisme de Meaux, Par.
1687; Introduction à la philosophie, Par. 1722;
Sermons et oraisons funebres, in vielen Ausg.,
zulegt Bar. 1772—1808, 19 Bbe., deutih von
Wurz, Speier 1784, 15 Theile; Trauerreden,
Wien 1763, Züllich. 1764. Vollſtändige Ausgabe
jeiner Werke, von Baufjet, Berfailles 1814—19,
46 Bde., m. A., Par. 1859—65, 30 Bde. Bio»
grapbie, von Banffet, Par. 1814, 4 Bde,, deutich
von Feder, Sulzb. 1820 f., u. von Reaume, Par.
1869— 70, 3 Bde. zöffler.*
Bofjut, Charles, franzöſ. Mathematiker,
geb. 11. Aug. 1730 in Tartaras, ftudirte in Paris
Mathematik u. wurde 1752 Profeffor an der In—
genieurfchule in Mezieres. Durch die Revolution
verlor er feine Stelle, wurde aber unter dem
Katjerreiche Brofeffor an der Polytechniſchen Schule
zu Paris. 1808 legte er fein Amt nieder ıu ft.
14. Yan. 1814. Außer Abhandlung über die befte
Form der Auder (1761) u. über die Bewegung
der Flüffigkeiten in Röhren fchr. er: Cours complet
des mathematiques, 7 ®be., 1795—1801; Hy-
drodynamique, deutſch von Langsborf, Franff.
1792, 2 Bde.; mit Biallet Recherches sur la
construction la plus avantageuse des digues,
Par. 1764 u. 1798, deutſch von Krönde, Frankf.
1798; Rech. sur les altörations que la resistance
de l’ether peut produire dans le monvement
moyen des planötes, Par. 1766; Essai sur l’hi-
stoire gen. des math&matiques, ebd. 1802, 2,
Aufl., 1810, 2 Bde., deutih von Neimer, Hamb.
1804; Mömoires de mathematiques, concernant
la navigation, l’astronomie, la physique et l'hi-
stoire, Bar. 1812; Discours’ sur la vie et les
ouvrages de Pascal in der von ihm beforgten
Ausgabe von deſſen Schriften, ebd. 1779, 15 Bde.
Boitan (arab.), Garten; daher Boſtandſchi
(Gartenwädhter), im Serail zu Conftantinopel Be-
diente u. Wachen des Sultans, etwa 600 an der
Zahl; fie verrichten die Arbeiten als Gartenknechte
im Serail, dienen als Ruderer, wenn der Sultan
auf dem Meere Luftfahrten macht, u. haben die
äußerften Wachen im Serail; außerdem vollziehen
fie an Berurtheilten die Strafe. Ihr Vorfteher
beit Boſtandſchi Baſchi, ift Oberaufjeher der
fatferlichen Gärten in u. um Conftantinopel, Ober»
richter a. Polizeidivector dafelbft u. hat ftetS Zu-
tritt zum Sultan.
Bojton, 1) Parlamentsfleden in der engliihen
Grafſch. Lincoln, an der Mündung des Witham,
über den eine eiferne Brücke führt, durch Kanäle
und 4 Eifenbahnlinien mit dem Innern in Ber-
Antheils an dem Quietismus und ſchwaͤrzte ihn |bindung; Hafen, Handel mit Getreide, Vieh, Hanf,
beim König an. liber fein Wirken in dem Ber-| Bauholz (größtenteils Einfuhr), Schiffbau, Far
718
brifation von Eifen- und Meffingwaaren. 10
Kirchen, darunter St. Botolphs mit 85 m hohem
Thurme (Zeichen für die Schiffer); mehrere Frei—
ihulen; Theater; Hofpital zc.; 14,526 Ew. An
der Stelle von B. (Bostonium, Fanum St. Bo-
tolphi) hatten die Römer ein Caftrum, und war
die Stadt ſchon im Mittelalter ein lebbafter Han-
belsplag. 2) Nähft New-York der bedeutendfte
Handelsplag und eine der erften Induſtrieſtädte
im nordamerifan. Unionsgebiete (der Bollszahl
nach jedoch erft die 7. Stadt in der Union). Haupt-
ftabt des Staates Maſſachuſetts, ſowie des Suffolf
County, an der weſtl. Spite einer Halbinſel der
Maflachufettsbai, beftehend aus Alt-, O-u.SBofton;
verbunden durch Brüden u. Dampffähren mit den
als Vorftädte zu betrachtenden Ortichaften: Chel-
fea, Somerville, Cambridge, Brighton, Rorbury
u. Dorcheſter. E8 werben jährlich um Durchſchnitte
beim Jnlandshandel etwa 300,000,000 Dollars
umgejegt. Den Verkehr zur See begünftigt ein
treffliher Hafen, der an zwei, ungefähr 4 kın
von einander entfernten Punkten (Alterton und
Shirley, auf Inſeln gelegen) liegt u. durch Sand—
bänfe, wie mehrere Heine Inſeln geſchützt ift u. felten
zufriert. Gegen Angriffe von der Seefeite fihern
drei auf Inſeln gelegene ftarfe Forts, Indepen⸗
dence, Warren u. Winſhrop. Dahinter liegt der
innere Hafen, welcher 500 der größten Schiffe
faßt. Regelmäßige Dampffchifffahrtsverbindungen
bejtehen mit dem Mutterlande jowol, als mit Eu—
ropa, (Fiverpool, mwöchentlihd einmal dur die
Eunard-Yinie). Großhandel u. Commiſſionsgeſchäft
find fehr bedeutend durch das vorhandene Capital,
u. diefes übt ſtarlen Einfluß auf Handel u. In—
duftrie im Innern destandes aus, Ilber 200 Werfte
geben Zeugniß von der Bedeutung des Schifisver-
fehres, u. ın B. zufammentrefjende Eifenbahnlinien
gleihen dem Netze einer Spinne, Der Werth der
Einfuhr belief fih 1873 auf 61} Mill. Dollars,
während die Ausfuhr 32 Mill. Doll, überftieg. Ne-
ben der durch Raſtloſigkeit ausgezeichneten Ge-
ſchäftsſeite machen fi unter der Einwohnerichaft
(1870 250,526 Seelen, wovon etwa + aus Ir—
ländern beftebt; 1810 erſt 32,250 Ew., 1830
61,392, 1850 136,881, 1860 177,902) noch zwei
andere Richtungen geltend, wovon die firhliche am
bervorragendften iſt; Sabbatbheiligung übt die
rigorojefte Polizei. Diefem entgegengefegt zeigt fich
eine energiiche, dem Fortichritte u.der Reform ge—
neigte, wenn auch wenig zahlreiche Partei. Dort
lebte u. von da aus wirkte 3. B. der einzige ameri»
faniihe Philofoph, Theodor Parker, neben den
rodicalen Bolitifern Wendell Philipps u. Charles
Summer. Mebrere deutiche politiihe Flüchtlinge,
darunter namentlich K. Follen u. neuerlich K. Hein«
zen, fanden dort Unterkunft. Alt-B, hat frumme,
gemwundene u. enge Gaffen, während die anderen
Stabdttheile breite u. gerade aufweifen. Zur Ber»
Ihönerung der Stadt dienen mehrere Parkanlagen,
und eine großartige Wafferleitung vermehrt ihre
Annehmlichkeit. Die im Ganzen eintönige Bauart
der Stadt wird durch viele ftattliche öffentliche Ge-
bäude unterbroden: das Staatshaus auf der Spige
Boftra.
halle, mehrere großartige Hoteld u. a. Bon den
Kirchen, deren e8 bei der großen Anzahl von Secten
mehr als 100 gibt, läßt ſich, die neue kath. Kather
drale ausgenommen, ardhiteltonisch wenig rühmen.
B. hat 4 höhere Schulen, über 300 Klementar-
ihulen u. eine Menge Privatunterrichtsanftalten,
ein medicinisches College für Damen, eine Ala-
demie der Künfte und Wiffenfehaften. ein Muſil⸗
confervatorium, auch bat die medicinische Facultät
der Harvarduniverfität von Cambridge bier ihren
Sit. Es befiehen 6 Bibliothelen mit über 350,000
Bden., davon die Stabtbibliothelf mit 155,000
und die Bibliotbef des Athenäums mit 100,000
Bden.; 6 Theater. Die in B. ericheinende Zabl
von Zeitjchriften beträgt 195. Die Stadt ift reich
an Wopithätigkeitsanftalten aller Art. Neben dem
——— verdanft B. fein Aufblühen und feinen
Keichthum der Induſtrie, die in allen möglichen
Fächern vertreten ift u. wovon die Eijenmanufac«
turen die erfte Stelle einnehmen. B. ift-der Ge—
burtsort Benjamin Franflins, dem ein Standbild
errichtet wurde. — Die Indianer nannten den
Punkt, worauf B. liegt, Shawmut (lebender Spring-
quell); von den eriten weißen Anfiedlern wurde
derſelbe Zremont oder Threemount (Dreigebirg)
getauft. John Bladitone, ein Prediger, nahm
zuerft feinen Sig darauf, mit einer Heinen Zabl
von Einwanderern, 309 aber 1635 nad Rhode-
Fsland u. verfaufte jeinen Befitstitel auf die an
infel für 30 Pr. St. 1673 wurde das erfte Werft
erbaut. Als die Streitigkeiten zwiſchen England
und den Colonien am 1. Oct. 1768 begannen,
landeten in B. zwei britifche Regimenter. Am 5.
März 1770 feuerten die Soldaten in den Straßen auf
Bürger, u. am 31. März wurde der Hafen durch
Parlamentsacte geſchloſſen; am 13. Mar 1774
landete General Gage mit vier Regimentern eng-
liſcher Truppen, übernahm die Uberftatthalter«
ftelle u. jperrte am 1. Juni den Hafen von B.
Die Schlacht bei Bunkfers-Hil fand am 17. Juni
1775 ftatt. Die Provinzialen begannen unter
Wafhington am 5. März 1776 das Bombarde-
ment der Stadt u. zogen am 17. deffelben Monats
als Sieger ein. Bor dem Hafen fand am 1.
Juni ein Geegefeht mit den Briten ſtatt. In
den Jahren 1844, 1847, 1855 u. 1873 wurde
die Stadt von großen Bränden heimgeſucht. 8.
u. Cheljea bilden zufammen das Zuffolf County,
wovon B. auch Countyſitz ift.
Boftra (im A. T. Bozra, a. Geogr.), große,
volfreiche, befeftigte Stadt in der jyr. Landichatt
Auranitis; Sig des Eultus der Aftarte, daher Bet-
Aftera, Judas der Makkabäer eroberte fie (150 v.
Chr.) und Mich alle Männer wiederhauen; dangach
ließen ſich Sabäer bier nieder, welche vorzüglich
den Dufares, eine dem Bachus ähnliche Gottbeit,
verehrten u. unter der Oberherrſchaft der Römer
ftanden. Kaifer Zrajanıs madie B. zur Haupt>
jtadt der Provinz Arabia u. zum Standguartter
der Legio III. Cyrenaica u. gab ihr den Namen
Nova Trajana B.; daher beginnt die Boſtreniſche
Ara mit dem Jahre 106 n, Chr. Unter Kaifer
Alerander Severus wurde fie römiiche Eolonie
von Bealon Hill, die fogen. Wiege der Freiheit, (Rova Trajana Alexandrina Colonia B.), unter
Faneuilhall, das ſchöne Faneuilhall-Markthaus, die Philipps Arabs Biſchofs- u. darauf Erzbiichofs-
Raufmannsbörfe u. das Zollhaus, die greimaurersifig. Hier wurde 244 (247) das Boftremifche
Boſtröm — Bosworth.
(Arabiſche) Concil gegen die Beryllianer gehalten.
635 gerietb B. in die Gewalt der mohamme-
dauifhen Araber, melde die hier herrſchende
Dynaftie der Ghaffaniden ftürzten. Die Ejubiten
bauten die ftarfe Eitadelle. DB. heißt jet Boßra,
feden der Landſchaft Hauran im Ejalet Damask;
aft ganz inTriimmern, mit Ausnahme der Citadelle.
oftröm, Kriftofer Jakob, ſchwediſcher Phi-
loſoph, Profeffor in Upfala, geb. 1797, geit. 1866;
war Lehrer der Söhne Oskars J.; hat jehr wenig
gejchrieben u. wird dennod von den Schweden als
ihr vornehmfter Bhilofoph betrachtet. Der Boitrö-
mianismus wurzelt in vor-hegelihen Syſtemen.
Demjelben entftamımt zum Theil der ſchwediſche
Neurationalismus (Nydberg u. A.), der zugleich
ebenfo wohl auf der neueren deutichen theologischen
Kritik fußt.
Bostryx, j. Blüthenſtand.
Bofuf, Lima im Bilajet Angora (Aſiatiſche
Türkei), am rechten Ufer des Kifil-Jrmal; gebirgig;
fruchtbar; gute Biehweiden u. Gemüſebau; frübe«
rer Hauptfits des Tihapan Oglu. Hauptſt. Josgad
(befeftigt, fürftl. Palaſt; 25,000 Ew.). B. ift ein
Theil des ehemaligen Galatien u. Kappadolien.
Boswell, 1) James, englifher Schriftiteller,
geb. 29. Oct. 1740 in Edinburgh; ftudirte in Glas»
gow u. in Holland, durchreifte 1764 Deutichland,
die Schweiz u. Stalien, ließ fih dann in London
nieder, begleitete Johnſon auf feiner jchottiichen
Neife; ftarb 19. Mai 1795 in Lonton; fhr.:
Account of Corsica, Glasg. 1768, 3. A., Yond.
1769, deutich, Lpz. 1769; Journal of a tour to
the Hebrides (die er mit Johnfon machte), Yond.
1774, Dubl. 1785, deutich, üb. 1785; Life ofS.
Johnson, Lond. 1791, 2 Bbe., eine der bejten
Ausg. von Crofer 1831, 5 Bde., neuefte A., 1874,
von Murray, 1835, 8 Bde., Yond. 1848, 1864,
5 Bde, deutich, Königsb. 1797. 2) SirAleran-
der, engl. Schriftfteller, ältefter Sohn des Bor.,
eb, 1775; wurde 1821 zum Baroner erhoben.
r erwarb ſich durch Herausgabe poetiicher Erzeug-
niffe der älteren englifhen Yiteratur, zu welchem
Eude er eine Privatdruderer auf feinem Landſitze
einrichtete, ein Berdienft um die Literaturgejchichte
feines Baterlandes n. fchrieb felbft Gedichte in fchot-
tiſcher Mundart. Er ft. 26. März 1822, in einem
Duell verwundet, zu welchem er durch beifende
Pamphlete Beranlafjung gegeben hatte. Außer
den Songs, chiefly in the Scottish dialeet, Edinb,
1803, ſchr. er noch: Edinb., or the ancient roya-
lity, ebd. 1810.
Boswellia Colehbr., Pfianzengatt., benannt nad
oh. Boswell (jcyr.: Deambra, Leyd. 1735), aus
der zamilie der Burjeraceen (X. 1); enthält harz-
reihe Bäume mit abwechjelnden, unpaarig gefie-
derten Blättern und gelägten VBlattabichnitten;
Blüthen Hein u. weiß, in achjelftändigen Trauben
oder Nifpen, mit 5zähnigem Kelche, 5 abftehen-
den Blumenblättern, 10 Staubblättern, fitendem,
Sfächerigem Fruchtfmeten, deſſen Fächer je zwei
"Eichen enthalten; Frucht eine Sflappige Stein-
frucht mit 3 einſamigen Sıeinfernen, Bon den
3—4 im tropifchen Afrika u. Oftindien vortom-
menden Arten iſt die wichtigfte 1) B. serrata
719
Bıätthen beftehenden Blättern, achielftändigen
Blüthentrauben und oval-3feitigen Früchten; Hei⸗
math Perfien u. Coromandel. Schon die Agypter
brauchten das aus den verwundeten Bäumen aus—
fließende Gummiharz zum Ginbaljamiren; die
Griehen mendeten dafjelbe (Fibanos des Hippos
frates u. Diosforides) in vielen Krankheiten an:
egen veraltete Katarıhe, Blut- u. Schleimflüffe
aller Art, gegen Hautausfhläge zc.; jett findet
das Harz, welches als Olibanum, Gummi Oliba-
num, Thus, Koondur, Luban, indifcher Weihrauch
in den Handel kommt, vor Allem Anwendung zu
Räuderungen in den Kirchen; dann aber auch
zur Bereitung von Räucherpulvern, Räucherlerzen,
reizenden Salben x. 2) B. glabra Rorb. (Cana-
rium balsamiferum W.), auf der Küfte von Coro—
mandel u. den Moluften einheimifch, durch Table
u. ftumpfe Blättchen verjchieden; liefert auch Weih-
raud, in Haren, hellen und reinen Körnern, die
mit bellem Lichtglanze verbrennen. 3) B. papyri-
fera Hochst., in Abeffinien (daſelbſt Malter ges
nannt) heimisch und ausgezeichnet durch die mit
zahlreichen, papierdiden Lamellen ringsherum ab»
blätternde Rinde; liefert ein wohlviechendes, durch-
fichtiges, odergelbes Harz, den afritanifchen Weih-
rauch oder das abeſſiniſche Olibanum. Weniger
wichtig ift B. hirsuta Sm., von Amboina. Engler. _
Bosworth (Market), Marktſtadt im der eng«
lichen Grafichaft Peicefter; 1000 Ew. Nahe dabei
die Ebene B,« Feld (Redmoor), wo König Ri«
hard III. gegen den Grafen von Richmond (nad-
herigen König Heinrich VIL) in der Schlacht am
22. Aug. 1485 Krone u, Yeben verlor.
Bosworth, Joſeph, hervorragender englifcher
Sprachforſcher, geb. 1788 in der Grafichaft Derby;
fludirte in Aberdeen u. Leyden u, erwarb fi an
beiden Univerfitäten den Doctorgrad. 1815 ward
er Hilfsgeiftlicher u. zwei Jahre fpäter Pfarrer
zu Horwood Parva in der Grafihaft Budingham.
Während feiner Mußeftunden warf er fih von jetst
ab mit großem Eifer auf die fiteratur, bef. auf
Forihungen im Angelähftihen und in dem ver»
wandten Dialeften. Das Refultat feiner Arbeiten
erihien 1823 in einem Werke unter dem Xitel:
Elements of Anglo-Saxon Grammar (London).
15 Jahre fpäter veröffentlichte er das Werk, das
vornebmlich feinen Ruf begründete: A Dictionary
ofthe Anglo-Saxon language, Lond. 1838. Das»
jelbe ift äußerft beinerfenswerth wegen feiner hoben
Gelehrtheit, weiten Geſichtspunkte, Vollſtändigkeit
und Genauigfeit. B. verauſtaltete von dieſem
Werle auch eine abgekürzte Ausgabe. Neun Jahre
vor dem Erſcheinen deſſelben, 1829, war er nach
— übergeſiedelt, wo er bis 1841 als eng—
iſcher Caplan theils in Amſterdam, theils in
Rotterdam lebte und das englische Gebetbuch ins
Holländifche überſetzte. Nah England zurückgekehrt,
erhielt er die Pfarre zu Waithe in der Grafſchaft
Lincoln, B. jchrieb noch folgende werthvolle Werte:
A compendious Grammar of the primitiv Eng-
lish or Anglo-Saxon, Pond. 1838; The origin of
the Danish language; The origin of Scan-
dinavian literature; The origin of the English,
'Germanic and Scandinavian languages and na-
Stackh. (B. thurifera Colebr., Weihrandbaum), tions; The essentials of Anglo-Saxon grammar,
init weichhaarigen, aus 12—14 Paaren von ſpitzen daſſ. 1848, u, ſ. w. Er veröffentlichte außerdem
720
noch: King Alfreds Anglo-Saxon version of the
historian Orosius, mit einer engliſch. überſetzung,
daf. 1855, u. deſſ. Königl. Autors Description of
Europe and the voyages of Ohthere and Wulf-
stan, mit var Überfeung, daf. 1855; The
ıe Lauderdale Mt. of Orosius, daſ.
1858; The Gospels in Gothic of 360 and in
Anglo-Saxon of 995, das find die Evangelien
gothiſch u. vn mit Wiclefs u. Tyndales
„ History of t
u = Überſetz. 1865, 2. A., 1873. Bartling.
öszörmenn (Hajdu-B.), Hauptort des Hai«
dukendiſtricts in Ungarn, fübmeftl. bei Debreczin,
grober Flecken; 19,208 Ew., welde ſtarken Land-
au treiben.
Bota (port., ſpan. u. ital. Botta, deutich Both),
Weinmaß in SEuropa u. daher für fildl. Weine
auch im. gewöhnlich, im Durchſchnitt = 4 hl.
Botäln ſ. Potala.
Botalli, Leonhard, geb. in Afti (Piemont)
im 16. Jahrh.; ftudirte in Pavia, wurde um das
Böszörmenyg — Botanif.
theoretische) B. zerfällt in folgende fpecielle Zweige,
melde jedoch im innigften Eufaurmuenbange unter
einander ftehen und nicht ohne einander befteben
fönnen: a) Pflanzenbefhreibung (Pbytolo-
gie), welche die äußeren Formen der Pflanzen u,
die Eigenthümlichkeiten ihres inneren Baues auf
wifjenjchaftliche, möglichſt genaue Weile, mit Hilfe
der bei den Gelehrten aller modernen Eulturwöl-
fer gebräuchlichen botanischen Kunftiprade (Ter-
minologie od. Gloffologie) fo beichreibt, daß ein
Wiederertennen der Pflanze aus der Beichreibung
möglid iſt. Sie ift das Hilfsmittel für alle übri—
gen Zweige der B., vor allen für b) Syfiema-
tif, welde die Aufgabe hat, die Pflanzen nad
ihren natürlichen verwandtichaftlichen Beziehungen
zu einander zu claffificiren, fjowie für e) bie
Pflanzengeograpbie, melde zunächſt die ge
genmwärtige Verbreitung der einzelnen Pflanzen⸗
formen u. größerer BP ilanzengruppen feitzuftellen,
alsdann aber auch die in klimatiſchen u. geologi«
Jahr 1582 Leibarzt Heinrichs III., nady Anderen |fchen Berbältniffen liegenden Urfadhen für die be»
"bei Karl IX., u. gewann einen folden Einfluß |ftehende Verbreitung aufzufuchen hat. Mit diejen
auf die franzöfiichen Arzte, daß er die damals
ftarf mißbrauchten Abfiihrmittel verbrängte, dafür
aber die im Frankreich zur Zeit noch wenig ge.
übten Aderläffe einführte, die er bei den verſchie—
denften Krankheiten in oft nnfinniger Weife in
Anwendung bradıte (De curatione per sanguinis
missionem liber, Lyon 1577 u. ö.). Dagegen
erwarb er ſich ein Berdienft um Behandlung der
Schußwunden, die er nicht als vergiftete, fondern
als gequetichte behandelt wiſſen wollte (De ouran-
dis vulneribus silopetorum libellus, Franff. 1575,
yon 1560, 65 u. 6.). Der von ihm angegebene
Amputationsapparat, eine Art Guillotine, ift un—
zwedmäßig. Er zeigte in Frankreich zuerit den
nad) ihmbenannten Gefäßgang, Ductus arteriosus
Botallii, zwifchen der Aorta u. der Lungenarterie,
der beim Fötus, wegen mangelnden Heinen Kreig-
lanfes zwifchen Herz u. Lungen, den zur Ernähr-
ung der letzteren nothwendigen Blutantheil her—
überführt u. nach der Geburt verwächſt; in glei-
her Weife führt das ebenfalls nur im Fötusleben
vorhandene Loch der Scheidemand der beiden
Herzhälften, Foramen ovale, das, wie noch bei
den Amphibien, die Blutcirculation ermöglicht,
feinen Namen, obwol Galenos bereits jenen Gang
u. diefes Loch recht wohl kannte, Er fchrieb außer
den bereits angeführten: Ratio incidendae venae,
eutis scarificandae et hiradinum applicandarum
modus, Antwerpen 1583, yon 1655; De Iue
venerea, Paris 1563, deutjch, Nürnb. 1678, Die
Gejammtwerte (Opera omnia) bejorgte van Hoorn
1660 in Leyden. Thamhayn.
Botanik (v. Gr., d. i. Pflanzenkunde). I. Be
griff u. Eintheilung. B. iſt die Wiſſenſchaft,
welche es ſich zur Aufgabe ſtellt, Zufammen-
ſetzung, Geſtaltung, Entwicelungsgeſchichte u. das
Leben des pflanzlichen Organismus zu ermitteln,
die verſchiedenen Formen, unter welchen derſelbe
auf der Erde gegenwärtig auftritt u. ehedem auf«
getreten ift, zu bejchreiben, zu unterfcheiden und
nach ihren ——— Beziehungen zu
claſſificiren, ſowie auch die
gegenwärtigen Vegetation unſeres Planeten
drei Zweigen ſteht auch in engſter Verbindung
d) die Phytopaläontologie, welche ſich mit
den ausgeſtorbenen Pilanzenformen beſchäftigt, u.
die Beziehungen, in denen die vorgefundenen Refte
zu den gegenwärtig noch eriftirenden Formen
jtehen, zu ermitteln ſucht. Die Methode, welche
in biefen Zweigen der B. vorzugsweife die Ab-
fammmungsverhältniffe, die Dejcendenz berüdficd-
tigt, ift vie phytogenetifche. Den inneren Bau
der Pflanze zu umterfuchen, die Entftehung der
einzelnen Gewebe und Organe zu erforichen, ift
Aufgabe der e) Pflanzenanatomie (auch Phy-
totomie und Morphologie der Gewebe genannt),
während die f) Morphologie der äußeren
Gliederung (Geftaltiehre) es verſucht, die oft
im Laufe der Entwidelung verftedte urjprüngliche
Bedeutung eines Organs ober einzelner Theile
zu ermitteln, und danach ftrebt, die den mannig-
faltigen Pflanzenformen zu Grunde liegenden ge-
meinfamen Geftaltungsgejege aufzufinden. Bon ıhr
ungertrennlih ift die Xeratologie, welde bie
nicht feltenen, durch verſchiedene Urſachen hervor-
gerufenen Umbildungen der einzelnen Organe in
ihren Beziehungen zu der normalen Geftalt be»
tradhtet. Die g) Phyfiologie unterfucht die phy-
ſilaliſchen und chemiſchen Borgäuge, welche das
Leben der Pflanze bedingen, u. kann demnad im
Phytophyſit u. Phytochemie gejdieden wer-
den, während der Theil, weldyer vorzugsweiſe die
Zeugung und andere Berridhtungen der Pflanze
behandelt, Biologie genannt wird. Auch die
Nofologie oder Phytopathologie, welde Die
Krankheitserfheinungen der Pflanzen u. ihre Ur—
ſachen unterjucht, ift zur Pflanzenphyfiologie F
börig. B) Die praftifche od. angewandte B.,
welde die Pflanzen in Beziehung auf den Ein-
fluß kennen lehrt, den fie auf die Übrigen organi«
jchen Gejchöpfe haben, alfo mit dem Nuten oder
Schaden der Pflanzen befannt macht, heißt je
nach ihren verſchiedenen Beziehungen: a) tech
nologijhe B. od. die Lehre von den für Künft-
ufammenfegung der ler u. Handmwerler nugbaren Pflanzen; b) ölo-
zulnomifche od. landwirthſchaftliche B., welche
erflären. A) Die wiſſenſchäftliche (reine od. |die für Öfonomen wichtigen Pflanzen kennen lehrt;
„ Botanif.
721
e) Garten» od. äfthetifhe-B., die Lehre von (Buch XIL—XVIL) zufammentrug. B) Im
den Pflanzen, die namentlich wegen ihrer Schöm| Mittelalter. Die arabiichen Ärzte Rhazes und
beit u. ihres Wohlgeruches (Bierpflanzeit) culti-· Avicenna waren tichtige Pflanzenfenner, u. durch
birt werden; d) Forſt-B., d. i. die Lehre von die im 12,
den Gewächſen, die fiir den Forſtmann von Jane
tereffe find; e) faufmänniiche oder mercan-
tiliſche B., die mit den Handelspflanzen befannt
macht, d. 5. denjenigen Pflanzen, von denen ein-
zeine Theile od. aus ihnen gewonnene Stoffe im
+ Handel vorfommen; f) medicinifhe od. phar—
maceutiihe (pharmakologiſche) B., melde die
officinelfen, d. 5. in der Officin (Apothele) ge
— Pflanzen oder Pflanzenprobucte be
reibt.
II. Geſchichte der B. A) Im Altertum
war die Benutzung der Pflanzen als Nahrnngs-
u. Heilmittel das Hauptmotiv, welches den Men»
ſchen zuerſt zur Betrachtung der Pflanzenmelt
führte. Man unterfchied daher in frühefter Zeit
aud nur bie zum eben unentbehrlichften Pflan—
zen. Sprengel- zählt aus den heiligen Schriften
der Hebräer nur etwa 17 Arten auf, die fich jetzt
noch mit einiger Wahrfcheinlichteit beftimmen laj-
fen. Eine noch geringere Ausbeute ergibt ſich aus
Homeros; dagegen finden fi in den dem Hippo—
frate8 oder den SHippofratiden ‚zugeichriebenen
Schriften bon 150 Heilpflanzen aufgeführt. Ari—
ftoteles, defien zwei echte Bücher über die Pflanzen
verloren gegangen find, ſoll zuerft die Pflanzen als
belebte Weſen erfannt und ihre Stellung zwifchen
Thieren u. Mineralien beftimmt, auch mit feinem
Schüler Theophraftog einen botanischen Gartey in
Athen angelegt haben. Theophraftos der Erefier
beichrieb in feinen Werten über die Geſchichte der
Pflanzen u. über deren Kräfte etwa 300 gried).
Pllanzen, bemühte fi, im Gewebe der Pflanzen
Nerven u. Gefäße zu erfennen,. wie fie Ariftoteles
bei deu Thieren gefunden hatte, und jah, wie es
jcheint, für erftere die Spiralgefäße, für lettere
die Intercellulargänge an. Das Zellgewebe n. die
Blätter betrachtete er als Ernährungsorgane, vom
Geſchlechte der Pflanzen hatte er aber nur ver—
worrene Anſichten. Mit dem Berfalle Griechen-
lands mar dieſe Periode als abgeichloffen zu be-
trachten; fein Schriftfteller theilte mehr eigene
Beobachtungen mit. Bei dem zu wenig philo-
ſophiſchen Geiſte und zu praftijchen Sinne der
Römer jener Zeit war auch von diefen nichts För—
derndes in Beziehung auf die reine B. zu ermarten;
. Dagegen waren ihre Berdienfte um die angewandte
DB. anerfennengmwerth. Cato jchrieb ein Buch De
re rustica; Birgilius zeigte in dem Gedichte von
dem Yandbbau (Georgica) pofitive Kenntmiß der öfo-
momifchen Pflanzen u. fchilderte die Wunder des
- Pfropfens; Golumella wußte, daß ſich unähnliche
nicht auf einander pfropfen laffen; Diostorides,
Zeitgenofje des Vorigen, war der erfte Schrift-
fteller, der nad) Thesphraftos wieder Bedeutung
erhielt, went er aud die zahlreihen Pflanzen
(1200) nur unvollfonmen beſchrieb; ihm mar der
Arzneigebraud das Wichtigfte, und daher hatten
auch feine Schriften für Arzte u. Apotheker be—
fondere Bedeutung; bis zum Schluffe des Mittel-
alters bildeten dieſe Schriftfteller ihre Hauptquelle.
Plinius war bloß ein fleigiger Compilator, der
in der Historia naturalis nur wenig. Botaniſches
Bierers Univerfal-:Eonverfations-?eriton. 6. Aufl. II. Band.
ahrh. blühende Schule von Salerno
famen ihre Schriften auf ung. Arabifche u. per-
ſiſche Ärzte fügten- den Pflanzen des Diostorides
etwa 200 hinzu, u. noch zu Ende des 15. Jahrh.
betrug die Zahl der bekannten Pflanzen nicht
mehr als 1400, (Fett kann man mindeftens
150,000 annehmen.) Erſt im 15. Jahrh. begann
einiges Leben in der B, Emilius Macer gab
1480 fogar ſchon ein Heines Buch mit Abbild»
ungen heraus, ebenjo Peter de Erescentiiß von
Bologna, Theodor Gaza, Balla, Barbarus, Toni«
cerus u, Monardus. Schon begannen auch Reifen
in ferne Yänder ihren Einfluß auf die B. zu
üben und die Gelehrten, vom Bicherftudium auf
Die Natur Hinzumweifen; 3. B. Simon de Cordo
erntete reiche Früchte für dieB. anf feinen Reifen
im Orient und lernte zahlreihe den Alten unbe-
fannte Pflanzen kennen. Auch Eutopa jelbft murde
bereift, u. Otto Brunfels (geft. 1534) bildete ſchon
die Pflanzen Deutfhlands, der Schweiz u. Frank
reich, obwol noch roh und ohne Ordnung, ab.
C. Fuchfius, Hieronymus Tragus (Bod), Pona
u. Thalius Teifteten ſchon Beſſeres. Belon und
Rauwolf durchreiſten als Botaniler Griechenland
u. die Levante, und Alpinus beſchrieb um 1580
die. Pflanzen Ägyptens, Dviedo de Valdes die
der Tierra firma, Cabeca de Bacca jene der bei-
den Florida, Lopez de Gamara die mertcanifchen
u. unter diejen 3. B. die Agave americana, den
Cocenillecactus u. den Cacaobaum, Garate die
Pflanzen Berus, befonders die Kartoffel, Thevet
Leri u. Benzoni die Brafiliens, u. auch die Nei-
ſenden Monardues u, Acofta machten fih um die
damalige Kenntniß der amerifanijchen Flora ver-
dient. C) Bon Geßner bi Tournefort.
Konrad Gefner war wol der Erfte, der im 16. .
Jahrh. einen Verſuch in der Syftematif machte,
indem er. die Pflanzen nah Samen u. Blumen
in Ürten, - Gattungen u. Klaffen theilte. Mit ihm
zeichneten ſich zugleich die Niederländer R. Dodo-
näus, M. Lobelius, mamentlih aber Charles de
l'Ecluſe (Karl Elnfius) ans, der zugleich auch
große botaniſche Reifen machte u. feinen güten
Beihreibungen auch fehr fenntlihe und faubere
— beigab. überhaupt ſchien nun die
lüthezeit der B. zu beginnen, denn neben und
bald nach ihm ſind manche gefeierte Namen zu
nennen, fo Dalechamp, Camerarius, ZTabernä-
montanus, Columma, Johann u. Kaspar Bauhin,
Ray, Magnol m Morifon. U. Eäjalpin, der
Einzige, welcher jeit Theophraftos Bauu. Leben der
Pflanzen ftudirte, hatte ſchon eine dunkle An—
ſchauung von einem auf phyfiologiihen Grund»
fätsert beruhenden Pflanzenſyſtem; in feinem Pflan-
zenwerte (De plantis, Flor. 1583) befolgte er
nämlich, zur Beftimmung der Gattung ſchon fichere
Principien, indem er primäre (Samen u. Wurzel)
und jecundäre (Blüthe u. Frucht) Pflanzentheile
unterschied. Noch bejfer, wenn auch nicht ganz
feft, beftimmten den Gattungsbegriff Moriſon
(Historia plant. univ., 1715), Herrmann u. Rir
vinns, wierwol fie ihn meit umfafjender nahmen,
als man ihm jetst nimmt; denn Cäjalpın u. Mo-
46
722 Botanik. .
riſon verftanden unter Gattung faft daſſelbe, was ızugelandten Pflanzen zu benuten verfiand. Die
man jegt umter Klaſſe, u. Herrmann u. Rivinus Idee feines Sexualſyſtems jaßte er ſchon im feir
das, was man jett unter Ordnung u. Familie nem 24. Jahre, und in feiner Flora lapponica
verſteht. In dieſe Zeit, die erſte Hälfte des 17.001732 find die Pflanzen ſchon nad) den Staub-
Jahrh., "fiel auch die Erfintung des Mitkroftops, |füden geordnet. 1785 erſchien die erfte Ausgabe
die file die Fortichritte der anatomijchen u. pby-|jeine$ Systema naturae, seu regna tria naturas
fiofogischen B. micht ohme Bedeutung war. Die/systematice proposita per classes, ordines, ge-
Erften, welde die Anwendung des Mifroffops zur nera, species, Leyd., Fol., welcher noch bei Leb⸗
Beobachtung des Pflanzenbaues folgenreidy zu be- zeiten Liunes allen 11 neue Auflagen folgten.
nutzen wußten, waren der italien. Arzt Malpighi me. Linnes Syftem anfangs beftige —*
(in ſeinem Werke: Anatome plantarum, Lond. (z. B. Siegesbech) fand, jo brach es ſich doch bald
1675) u. Grew, welche man daher auch gewöhn⸗ Bahn u. erräng endlich bie allgemeinfte Aner-
lih als Gründer der Hiftofogie, Morphologie u.
Phyfiolegie-der Pilanzen betrachtet. Der ſcheinbar
geringe Erfolg der erſten Anwendung des freilich
auch noch ſehr umvolltommenen Mikroſtops war
übrigens jo wenig verlodend zu ähnlichen Studien,
daß im ganzen 18. Jahrh. fo gut mie Nichts fiir
die Pflanzenanatomie geſchah. Mehr verlodte die
bejchreibende B., zumal die immer zahlreicher
werdenden Reiſen nah Often u. Weiten den Bo-
tanifern immer wieder neues Material von Pflan⸗
zen zuführten, die and im dem ſich mehrenden
Botaniihen Gärten cultivirt-wurden. Je mehr
fennung, die ihm felbft jetst noch zu Theil wird.
As Anhänger der Linneſchen Schule find zu be
traten: Öronovins, die beiden Gmelin, HU,
Allioni, Oder, Burmann, Scopoli, Schreber,
Schranf, Jacquin, Schäffer, Gleditſch, Bergins,
Pallas, König, Commerſon, Aublet, orfter,
Rotthöll, Mönch, Bulliard, Retzius, Thunberg,
Bauls, Hedwig, Hoffmann, Eavauilles, Gärtner,
Olaf Swartz, J. E. Smith, Aiton, Loureiro, La
Billardiere, Römer, Uſteri, Schultes, Bahl, Schra-
der, Roxburgh, Perſoon, Maſſon, Andrews, Ben-
tenat, Desfontaines, Waldſtein, Ch. C. Sprengel,
ſich aber das Material an neu entdedten Pflanzen X. Sprengel, Bridel, Esper, Acharius, Ruiz,
häufte, deſto fühlbarer wurde auch das Bedürfniß Pavon, Michaud, Palifot de Beauvois, v. Hoff
einer verbeſſerten Pflanzenbeſchreibung u. Pflanzen-
eisttbeilung. D) Bon Zournefort bis Yinne,
Dieiem juchte jhon Tournefort (Institutiones
rei herbar., Bar. 1700) abzubelfem Er beftimmte
noch. richtiger die Begriffe Gattung u. Art, grün-
deie feine Rlafjen anf den Bau der Blumentrone
u. Frucht u. feine Gattungen auf minder wichtige
Theile dieſer Organe, oder auch auf vegetative
Organe; er zählte etwa 10,000 Pflanzen auf, u.
jein Spitem herrſchte bis in die erfte Hälfte des
18. Jahrh. faft in ganz Europa, Fehlerhaft war
feine Eintheilang in Bäume, Sträuder u. Kräu-
ter, auch legte er auf die Befruchtungsorgane
wenig Gewicht u. glaubte nicht an die befruchtende
Kraft des Blüthenſtaubes. Deutlich erlannte die
Serwalität fein Schüler Baillant, welder das
Spitem feines Lehrers verbefierte, In derjelben
Periode förderten vorzüglih die Kenntniß aus-
ländiiher Gewähle W. Piſa, G. Marcgraf, F.
A. van Rheede, E. Rumph, H. Sloane u. A.
Tüchtige Borläufer Linnes waren auch H. Burl-
hard, die beiden Scheuchzer, M. S. Merian,
Boerhave, Sherard, Rudbeck und in Bezug auf
Kryptogamen beſ. Dillenius u. P. A. Micheli.
Ebenſo waren die naturhiſtoriſchen Reiſen von C.
Plumier, L. Feuillee, E. Kämpfer, J. Ch. Bur-
baum u. J. G. Gmelin u. A. für Linné von
nicht geringer Bedeutung. E) Künftlidhes
Spftem Yinnds. Durch Karl v. inne (geb.
23. Mai 1707 im Dorfe Räshult in der Prov,
Smhland, geft. 10. Jan. 1778 als Profeflor zu
Upſala) erhielt eigentlich erft die B. ihre wiſſen⸗
haftlihe Begründung. Er erfannte die große
Bedeutung der Geihlehtsorgane, die in zahlrei-
hen Pilanzengruppen herrichende Conſtanz inZahl|giejen :
u, Ausbildung derjelben u. gründete daher darauf
mannsdegg, Flörle, Fröhlich, Röhling, Willdenom,
William Hooler, v. Biberftein, Kohn. A. Während
Linnes Syftem im R. u. O. von Europa zur Gett-
ung kam, erwachte die Richtung der natürl. Methode
im W. Bwar hatten ſchon in früherer Zeit Beter
Magnol, Adrian v. Royen, Albert v. Haller u.
Lorenz Heißer verjucht, ein natürlihes Pflam-
zenfvyftem aufzuftellen, aber ihre Verſuche waren
jo unvolllommen, daß fie noch weniger Anklang
fanden, als die fpäteren, ſchon beadhtensmwertberen
von dem Dänen Oder u. dem Deutichen Batich.
Auch Linne hatte eine Reihe natürlicher Familien
aufgeitellt, aber ebenjalls mit wenig Glüd. F)
Natürliche Syiteme ſeit Juſſien. Erſt An-
toine Laurent de Juſſieu war es vorbehalten,
wenige Jahre nach Batſch das erſte wirklich auf
natürlichen Principien beruhende Syſtem aufzu—
ſtellen u. ſo als zweiter Reformator der Syſtema—
til und als Begründer der natürlichen Methode
aufzutreten. Ihm hatte bereits ſein Oheim Beru—
hard de Juſſien vorgearbeitet. Er brachte die
ſämmtlichen Gewächſe nah dem Borbhandenjein
u, der Anzahl der Koryledonen oder Keimblätter
des Embryo in 3 große Abtheilungen, die er nach
Gärtner VBorgange Acotyledones, Monocotyle-
dones u. Dicotyledones nannte. Klafien nabım
er im Gauzen 15 an (j. u. Pflanzenſyſteme).
Von nun an machte die Syftematit bedeutende
Fortfchritte, aber nicht minder aud die Phuto-
raphie, letztere namentlih durch die deutichen
otanifer Hurt Sprengel, Nik. Joſ. v. Jacquin.
Ehriftian Schtuhr u. v. A.; duch den Dänen
Martin Bahl, den Schweden Göran Wabhlenberg,
den Engläuder James Edw. Stuith, den Bortu-
ir de Avellar Brotero, den Spamier
nt. Joſ. Cavanilles, die Italiener Carlo Allioni,
feine Eintheilung der Pflanzen; ferner ftellte er) Ant. Bertolom u. A., durch die Franzoſen' Jean
eine botaniſche Kunſtſprache ber, die er in unver-|Baptifte de Qamarl, Rene Desfontaines, Philippe
gleichlicher Weife zur Charakterifirung der vor ihm Picot, de la Peyroufe 2e., bei. aber durch ven
jhon befannten u. ihm zuerft von allen Seiten] Schweizer Augufte Pyrame Decandolle, der auch
Botanif. 23
Das natürfiche Syſtem im eine neue, um Rieles|Kielmann u. Decandolle der Ältere (in feiner Eins
vollfommenere Phafe (ſ. u. Decandolle n. Pflan« leitung zur 3. Auflage der Flore frangaise) füg«
zenſyſteme) brachte u. deſſen Verbreitung nament-|ten bald Neues hinzu; andere Naturforfcher, wie '
lich durch fein die Befchreibungen aller Difotyle-|Pabillardidre, Desiontaines u. Dupetit Thouars,
donen umfaflendes, von feinem Sohne Alph. Des|ftellten Beobachtungen in fremden Deittheilen an;
«andolle u. vieten Mitarbeiteru fortgefegtes Werl:|Stromeyer (Historiae vegetabilium geographi-
Prodromus systematis naturalis regni vegeta-|cae specimen) wußte jogar im diefe noch junge
bilis, fiherte. Jedoch verfuchten ſich noch andere) Wiffenihaft ſchon einen beftimmteren Plan zu
ausgezeichnete Botaniker im der Aufftellung von|bringen, während ſich Treviranus (Biologie od.
Pflanzenſyſtemen, jo Achille Richard, Agardh, 3.1 Bhilofophie der lebenden .Natur) bemühte, die
. ©. Boigt, Elias Fries, Perleb, Link, Olen, Lud⸗llimatiſchen Bertheilungen der Gattungen m. Fa⸗
wig Reichenbach, Schultz⸗Schultzenſtein, v. Mar⸗milien zu beſtimmen, nu. über diefelben feine Ver—
tius, dor Allem aber Lindley (The vegetable|mmthungen mittheilte. Den vollen wiſſenſchaft-
Kingdom), Bartling (Ordines plantarum) und lichen Werth gab jedoch erft Aler. v. Humboldt
Enblicher (theilmeife im Bereim mit Unger). End»|der Pilanzenaeographie, indent er jeinen Essai
lichers vorzügliches Werk: Genera plantarım und|sur la göographie des plantes veröffentlichte, eiu
das theilmeije einen Auszug derieiben bildende) Werk, weiches. die Vegetation in ihren Beziehun-
Enchiridion botanicum fanden bald dieallgemeinfie|gen zur mittleren Temperatur der Standorte,
Verbreitung n. galten bis in die Gegenwart als zum Yuftbrude, zur Feuchtigkeit, Durchfichtigkeit
die beiten Handbücher fir die fuftematifhe B. und eleftriihen Spannung der uns umgebenden
Bei den Fortfchritten jedoch, welche auch die ſpe⸗Luft betrachtete u. dieſe VBerkältniffe nah unmit-
cielle Pflanzentenntniß, namentlich durch die. mehr | telbaren Dieffungen beftimmte, Sowol dieſes Wert,
darauf gerichtete Thätigkeit der Engländer, machte, als die Geographie der Pflanzen in den Tropen-
reichten diefe Werte nicht mehr aus, u. der neueftelländern, ein Naturgemälde der Auden, und De
Standpunkt: der Pflanzenbejchreibung wird durch |distributione geographica plantarum(Par, 1817,
Bentham u. J. D. Hookers (des Jüngeren) Ge-[deutich von Beilſchmidt, Bresl. 1831) -x. trugen
nera plantarum, fomwie durch Baillons Histoire] wejentlich dazu bei, der Pflanzengeographie Freunde
des plantes repräfentirt. Beide noch nicht voll-|zu gewinnen. Namentlich ftrebten jett Floriſten
endete Werte ſchließen fi im Wejentlichen an die u. Reiſende danach, nicht bloß die Pflanzenformen
älteren Syfteme an, mur ift man infolge berleines Gebietes fennen zu lernen, jondern auch
erweiterten Kenntniffe zu einer Beſchränkung derjdie Urſachen der Verbreitung zu ermitteln u. die
zahlreichen unterfchiedenen natürlichen Familien |einzelnen-Begetationsgebiete mit einander zu ver
g . Andere Forſcher verfuchten es mehr, diejgleihen. Derartige Zwede verfolgten Wablenberg,
morp iſchen Studien im Intereſſe der Syfte-|der vorzüglich die Floren von Lappland, der Kar
matif zu vermwerthen, u. unter diefen ift vor Allem|pathen und Schweizer Alpen erforichte, v. Bud),
zu nennen %. Braun, der ein Syſtem der Pflan-| Chriftian Smith, Ph. v. Martins, der in dem
zenfamilien aufgeſtellt hat, welches fi) mehr als/großen von ibm begründeten, von Gichler und
alle anderen den natürlichen Berhältniffen nähert, | zahlreichen Diitarbeitern fortgejetsten Werte: Flora
da in demfelben die apetalen Pflanzenfamilien|brasiliensis die Flora Südamerifas, namentlich
nicht von den übrigen getrennt, feudern zwifipen|Brafiliens, in umfaſſendſter Weife behandelte,
denjelben an geeigneter Stelle untergebracht ſind. Schoum (Grundzüge einer allgemeinen Pflanzens
Diejes mehr in rein wiſſenſchaftlichen iſen be-|geographie, mit Atlas, 1831), E, A. Meyer, 5.
fannte Syfiem findet ſich in Aſcherſons Flora won|linger, E. Boiffier, Heer, J. Thurmann, M,
Brandenburg (f. u. Pflanzenfyfteme); ebenſo iſt Willklomm beſ. in Beziehung auf Spanien, J.
es in dem neueften, die Gefammtrefultate der mor-|D. Hooker u. 3. A. Kerner (Alpenflora) u: viele
phologiihen Umnterfuhungen zufanmenfafienden| Andere. Die Abhängigteit der Vegetation von dem '
Werte von Eichler (Blüthendiagramme, Lpz. 1874) | Mimatifchen Berhältmifen ſtudirte in meuejter Zeit
zu Grunde gelegt. Was die Bllan engeogra.|vorzugsweife Griſebach, der eine jehr umfafiende
pbie betrift, jo gebraudte den Namen diefer| Pflanzengeographie herausgab (Die Vegetation '
Disciplin zuerft Menzel 3 faſt gleichzeitig (um der Erde nad ihrer Mimatiichen Anordnung, Lpz.
1783) Giraud Soulavie und der Verfaſſer der|1872). Bor diefem Werte erihien bereits ein an—
Etudes de la nature. Schon Linné legte den|deres von Alph. Decandolle (Geographie botani-
Grund zu diefer MWiffenichaft in feiner Denkichriftique, Par. 1855), welches neben den Mimatijchen
De telluris habitabilis ineremento und in den|Berhältniffen auch den — toren ar und
Colonise plantarum, Mit ihm brachen Haller,|geologiihen Verhältnifien, die bei der VBerbseitung
Gmelin, Pallas, Reinhold und Georg Forſter, der — mitwirkten,. eingehende Beachtung
Adamfon m, U. die Bahn; doch gewann dieſe ſchenkte. Um die Syſtematik der foſſilen
Wiſſenſchaft erft einen größeren Aufſchwung, als Pflanzen machten fih beſ. A. Brongniart, F.
man die Mimatischen Berhältniffe u. die Abhangig-| Unger, Heint. Rob. Göppert, Schimper, v. Ct»
keit der Begetafion von den mittleren Temperatur |tinghaufen u. Oswald Heer verdient, Namentlich
merthen u. Temperaturgrenzen erfannte. Außer Letzterer ftellte fi die Aufgabe, den Zufammen-
Sauſſure, der nur in zerftreuten Bemerfungen| bang der gegenwärtigen Flora mit der der frü-
pflanzengeographiiche Verhaͤltniſſe berührte, war heren Begetation zu erforichen, u. fam dabei zu
es namentlih Ramond, welcher vortrefilihe Daten ſehr jhönen Refultaten. Überhaupt vereinigen ſich
über die Geographie der Pflanzen von Europa jetzt die bisher genannten Zweige der B. noch
„wiſchen den Parallelen von 424° u. 45°.gab.imehrals früher, wiewol die Zahl der Specialiften
. 46*
«
724
Botanische Excurſionen.
für die einzelnen Gebiete eine ſehr große ift; auch die niederen Pilgformen das Jnterefie der Bota-
die längere Zeit bei der großen Menge anatomi-
ſcher u. phyſiologiſcher Entdedungen vernadläffigte
Epftematit wird in der Gegenwart wieder mehr
cultivirt; mur richtet man infolge der durch Dar-
min gegebenen Anregung fein Angenmert mehr
auf die Abftammungsverbältniffe u. auf den in-
neren Zufammenbang der Erfheinungen, mit deren
bloßer Beichreibung man ſich früher beguügte.
Mit dem Intereſſe an der Syftematif gewann
auch feit Ende des 18. Jahrh. der Sinn für all:
gemeine B., namentlih für Terminologie, Hifto-
logie, Morphologie u. Phyſiologie Eingang. Zu
den Botanifern, melde bier vorzüglich wirkten,
gehören Heine, Fr. Link, Joh. Wolfg. v. Goethe,
der Gründer der Metamorpboienlehre der Pflau—
zen (zu welcher er 1790 in einer Heinen Schrift:
Ueber die Metarmopbofe der Pflanzen, die erfte
Idee entmwidelte); ferner Chriftian Treviranus,
Ehr. Gottfr,. Nees v. Ejenbed, G. Wilh. Biſchoff,
Charles Bonuet, Duhamel, Dumoncean, Sean
François Turpin, Desfontaines, Joachim Du—
trochet, Dupetit Thouars, Briſſeau⸗Mirbel, Achille
Richard, Decandolle, Stephan Hales, George
Adams (Bater und Sohn) und vor Allen Rob.
Brown, Durch dieſe u. mauche andere ebenſo
eifrige wie fcharffinnige Botaniker ſteigerte ſich das
Autereffe für diefe, ‚namentlich fiir die drei Tetzt-
—— Theile der B. ſo, daß der Sinn für
ie Syſtematik allmählich immer mehr in den Hin—
tergrund trat. Ja, die zahlreichen Eutdedungen,
welche mit Hilfe des verbeſſerten Mitroflops ge—
macht wurden, viele von außerordentliher Wid-
tigkeit m. manchen Lehren der B. eine ganz neue
Richtung gebend, feuerten immer wieder zu neuen
Unterfuhungen an; u. fo erblühte mit Anfang der
dreißiger Jahre unferes Jahrh. die Pflanzen-
pbyjiologie u. Pflanzenanatomie fo üppig,
daß man wol die Periode von 1830 bis 1870
G) die der Pflanzenpbyfiologie u. Pflan-
zenanatomie nennen lönnte. In den genannten
Dis:iplinen zeichneten fih aus: Fr. Jul.
Meyen, Giov. Amici, Schwann, Hugo vd.
nifer, zumal diefelben auch wegen der durd fi
erzeugten Krankheiten u. Fäulnißproceſſe bei dem
Laien u. bei.den Landwirthen Beachtung finden;
als fördernde und eracte Beobachter auf dieſem
Gebiete der Myfologie find namentlich zu nennen:
Tulasne, Ant. de Bary, Kühn, Need, Brefeld,
Cohn, während allerdings auch nicht wenige Ei
vade auf diefem Gebiete der wiffenjchaftlihen Me—
thode den Rüden kehrten. Auch die Flechten fan-
den zahlreiche Beobachter, fo find namentlich zu
nennen: Maffalongo, v. Flotow, Körber, v. Krem-
pelhuber und Schwendener, der namentlich die
AZugebörigfeit der Flechten zu den Pilzen nachwies.
‚su neuefter Zeit pflegen die verjchiedeneyg Gebiete
der B, wieder gleihmäßiger verarbeitet zu mer-
den, u. ftrebt man, wie ſchon oben angedeutet wor-
den, mehr danach, die durch Specialforſchungen
befannt gemachten Thatfahen von einheitlichen
Sefichtspunften aus zu betrachten u. zu gruppiren.
Es ift Mar, daß die botanifche Piteratur eine
fehr ausgedehnte fein muß; jo gibt es botamiiche
Bibliothefen, welche 16—20,000 Bände zählen;
und der von Pritzel herausgegebene Thesaurus
literaturae botanicae ift ein jehr umfangreiches
Wert. Es ift unmöglich, bier auch nur die haupt⸗
ſächlichſten Werte alle anzuführen, nur follen noch
außer den ſchon oben genannten Werken einige
der widtigeren Handbücher genannt werden, Te
für allgemeine B.: Sachs, Lehrbuch der B., 4.
Aufl., Seubert, Lehrbuch der Pflanzentunde, Ma-
ont et Decaisım, Trait6 general de botanique,
Thome, Lehrbuch der B. (für Schulen); ‚für Phy
fiologie: Sachs, Erperimentalpbyfiologie; für
deutihe Phanerogamen: Koh, Synopfi$ und
Taſchenbuch der deutichen und jchweizer „Flora,
Garde, Flora don Nord- u, Mittel-Deutichland;
für die Gefäßkryptogamen Deutihlands: Milde,
Die Sporenpflanzen Deutſchlands u. der Schweiz;
für Laubmoofe: Karl Miller, Synopsis Muscorum,
Schimper, Synopsis Muscorum europ,; für Leber-
moofe: Gottjche, Lindenberg u. Nees v. Eſenbech,
erd.
de. Synopsis Hepaticorum; für Pilze: de Bary;
gran Unger, Zurpin, Briffean- Mirbel, Adolf Morphologie und Phnfiologie der Pilze; Fries,
rongniart, Matth. J. Schleiden, Karl Nägelt,
Wilh. Hoimeifter, Hermann Schadt, Jul. Sachs
u. Joh. Hanftein. Während viele der genannten
Botanifer die dem Vegetationsproceß u. dem Aufs
bau der gefammten Pflanzenwelt zu Grunde lie-
enden Erſcheinungen eingehend unterſuchten, be:
— ſich auch viele vorzügliche Beobachter mit
dem Studium der Entwickelungsgeſchichte einzelner
niederer pflanzlicher Organismen.
wierigleit derartiger Unterſuchungen, melde fort⸗
dauernde Hingabe an einen u. denſelben Gegen—
ftand erfordern, hatte zur Folge, daß eine Anzahl
Botaniker fi ausfchließlih mit einzelnen Gruppen
drr Krpptogamen befaßte. Beſonders deren Fort⸗
pflanzungsverhältniffe wurden auf das Sorgfäl-
tigfte ermittelt. So find als fürdernde Special:
forjher zu nennen, auf dem Gebiete der Gefäß—
Iryptogamen: Hoimeifter, Sachs, Milde, Mette-
nius; auf dem Gebiete der Moofe: Schimper,
—— Leitgeb; auf dem Gebiete der Algen;
ägeli, Pringsheim, a (Species algarumn),
Die Yang-|boruss. aufgef. officinellen Pflanzen.
Epicrisis systematis mycologiei, Gonnermann n.
Nabenhorft, Mycologia europaea; fir Flechten:
Koerber, Systema lichenum Germaniae und
Parerga lichenologica; für Algen: Rabenborft,
Flora europaea algarım; fir Pharmafoguofie:
Flückiger, Lehrbuch der Pharmaloguofie; für offi-
cinelle Pflanzen: Berg u. Schmidt, Beihreibung
und Darftellung fämmtl. in der Pharmacopoea
Außerdem
eriftiren noch eine große Anzahl don periodifchen
botanischen Bereinsfchriften, Jahrbüchern der ver»
ſchiedenen botanischen Fnftitute u. botanischen Zeit« -
ungen, von denen in Deutfchland am verbreitetſten
find: Botanifhe Zeitung, unter NRedaction von
De Bary u. Kraus in Halle (früher Mohl u.
Schlechtendal); Flora od. Hegensburger Botantiche
Zeitung, red. von Singer, u. Ofterreichiiche Bo-
tauiſche Zeitung, red. vou Al, Stofig- in Wien,
u. Jahrbücher f. wiſſenſch. Bot., berausg. von
Pringsheim. j Engler.”
Botaniſche Ereurfionen, Auffuhen von
de Bary, Eohn. Ganz befonders erregten aber| Pflanzen an ihren natürlihen Standorten, zur
Botanische Gärten,
120
Zeit ihrer volltommenften Entwidelung (in Blütbe Niederlanden war der zu Leyden 1577 auf Pon-
u. Frucht), mit oder ohne Einfanmeln berieiben,
zum Studium der Botanik, als ein Hauptförder-
ungsmittel, ja felbft weſentlicher Theil deſſelben.
Sie find nothwendig, um die Flora eines Ortes
od. einer Gegend kennen, zu lernen u. aufzunch«
men, Nicht allein der hohe Sommer bietet Aus-
beute dar, fondern auch die Frühlings. u. Herbft-
zeit, ja ſelbſt der Winter Hinfichtlich der Fiechten
und Moofe. Al wiſſenſchaftliche Hufsmittel be—
nut man dabei die Ercurfions-Floren, deren zahl-
fofe iiber einzelne Landftrihe od. Städte erjchie-
nen find, namentfih in Deutfhlend. Sehr ver-
verbreitet ift Kochs Taſchenbuch der deutichen u.
ſchweizer Flora, und neuerdings Garde, Flora
ttus Betrieb entftandene der erfte; fpäter die zu
Amfterdam, Haarlem, Rotterdam, Utrecht. Dort u.
in England war die Beibringung oft- u, weſt—
indischer Pflanzen befonders wichtig, machte Bflan«
zengärten zur Modeſache u. erregte dem Geihmad
für Botanik ungemein; der Ältefte war zu daup-
toncourt, jpätere zu Chelſea, Orford, Cambridge,
Dublin, Edinburgh; der gegenwärtig größte Bota-
miche Garten Englands iſt in Kew bei London.
In Deutſchland Iegten Private, namentlich Came—
rarius in Nürnberg, B. G. an, ſpäter errichtete
der Biſchof v. Gemmingen einen Bm Garten,
worauf bis zum 18, Jahrh. nach u. nad) in allen
Univerfitätsftädten und auch in anderen Städten
von Nord» u, Mittel-Deutihland. Nützlich iſt auch B. G. entitanden. Im Norden erceilirten die zu
ein Pflanzenfalender in Bezug auf die Gegend,
wohin die Ercurfion gerichtet iſt; endlich ift zu
ben E. unentbehrlich ein portativer Apparat zur
Unterfuchung n. —— als: Kapſeln (Bo-
tanifirbüchfen), Schachteln, Mappen mit Papier
zur Aufnahme von Pflanzen, ein langer Stod
mit anzufhraubendem Haken, Mefier, Scheere, Na»
dein, Heiner Handipaten, Meißel u. Hammer, bei.
eine gute Loupt ꝛc.
otaniſche Gärten wurden ſchon frühzeitig
eingerichtet u. waren je nah dem jedesmaligen
Standpuntte der Wiſſenſchaft fehr verfchiedenartig
eingerichtet. So lange die Botanik nur als eine
Hilfswiffenschaft der Medicin galt umd nicht um
ihrer jelbft willen getrieben wurde, verftand man
unter Ben G. vorzugsweife folhe Gärten,
in denen einheimishe und fremde Medicinal-
pflanzen cultivirt wurden. Unter den Griechen
unterbieft ſchon Theophraftos einen Pflanzengarten
und vermachte denjelben jeiner Schule, Antonius
Caſtor einen anderen, welchen Plinius der Altere
benutzte. Karl der Große ließ Gärten in den
taiſerlichen Pfalzen anlegen, in welchen gewiſſe
von ihm bezeichnete Pflanzen cultivirt werden
mußten. Unter den Italienern cultivirte bereits
1310 Matth. Sylvaticus in Salerno u. m. N.
morgenländiihe Pflanzen. Venedig ließ 1333 den
erften mediciniſchen Garten anlegen, von deſſen
Pflanzen Andreas Amadei fehr treue, noch in
Venedig aufbewahrte Abbildungen fieferte. Im
16. Jahrh. legte Alphons v. Efte, von Leonicenus
Mufa, Braffavola, Monardus angeregt, mehrere
G., bejonders einen auf einer Inſel des Bo
(Belvedere), welchem Pamei vorftand, an. Fer—
rara hatte mehrere ©. mit ausländiichen Ge-
wächſen, %0f. Braffavola daſelbſt ein Gewächs—
haus; Padua 1533 einen Profeffor der Botanit
u. mie Pia 1544 einen Bn Garten, deſſen
erfter Aufjeher Al. Mondella war, fo aud 1568
auf Aldrovandis Betrieb Bologna, In Florenz
waren deren mehrere u. in Neapel bei. der Pi-
nelftfche berühmt; in Rom aber unterftütten Car-
dinäle, namentlih Ad. Farneſe, Aldini u. Trium—
fettis, im Sicilien Fürſten, beſ. Della Catolica,
deren Aulegung; fpäter war der zu Turin be
rühmt. In Frankreich war der Botanische Garten
zu Montpellier, von Belleval zu Ende des 16.
Jahrh. angelegt, u. der zu Paris 1597 unter
Robin entftandere der ältefte; letterer wurde 1635
Kopenhagen, Upfala, Abo, Warſchau, Petersburg,
Pamwlowst; in Spanien der zu Madıid um 1754
von Ortega cultivirte; in Portugal der zu Eoimbra;
in der Schweiz der von Gefner angelegte, fpäter
ganz verwilderte, von Römer retablirte zu Zürich.
Von außereuropäifhen G. find hervorzuheben
in Afrika; Capſtadt, Natal, Bort Fouis auf St.
Mauritius, Orotava, Kairo; in Afien: Bombay,
Ealcutta, Madras, Saharampore, Buitenzorg auf
Java; in NAmerika: Boften, Amferft, New⸗
Hort, St. Louis, Wafhingtön, Kingfton in Ober-
anada; in Centraf-Amerita: Havana, Trinidad;
in SAmerifa: Bahia, Rio de Janeiro, St. Jago;
in Auftralien: Mdelaide, Melbourne u, Sidney.
Seit der Entdedung Amerifas und feit der Zur
nahme der Reifen wurden die B. ©. in Europa
immer mehr zu Sammelplätzen fremder, einge»
führter Pflanzen, man berüdfichtigte jetzt wicht
mehr ausſchließlich die mediciniſch u. techniſch
wichtigen Pflanzen, fondern nahm alle nur erreidh»
baren veuen Pflanzenformen in Eultur,' u. fo
wurden die B. G. eine reiche Quelle für ver-
ſchiedene Zweige des botaniſchen Studiums, na—
mentlich für Syſtematik, Morphologie u. Ana—
tomie. In neuerer Zeit macht ſich aber vielfach
die Anſicht geltend, daß die B. G. nicht bloß die
Aufgabe haben, eine möglichſt große Menge frem—
der Pflanzenformen in Cultur zu nehmen u. das
dem Studirenden der Botamif u. Medicin nöthige
Material zu liefern, jondern dafjelbe auch in einer
Meife anzuordnen, melde von felbft jomol den
Studirenden, als das größere Publicum zu eimer
eingehenden Betrachtung einladet und belehrend
wirft. Es ift vor Allem nothwendig, auf den Eti-
quetten alles Bemerlenswerthe der einzelnen Pflan-
zen, ihre fyftematifhe Stelluug, ihr Baterland,
ihre Producte u. deren Verwendung zu notiren;
e3 handelt fich ferner darıım, pflanzengeographiide
Gruppen zujammenzuftellen, durch welche auch dem
ößeren Publicum eine Vorftellung von der BHy-
tognomif ausländiſcher Floren gegeben werben
fann, ferner muß mit dem Garten eine möglichft
vollftändige Sammlung der für die Medicin,
Pharmacte u. Technik wichtigen Probucte verbun⸗
den jein, melde am beften in Gläſern bei den
Stammpflanzen jelbft aufgeftellt werden; auch die
Wachsthumsverhältniſſe der Holzpflanzen, die Be-
ziehungen der vorweltlichen ;ylora zu ber gegen»
wärtigen laſſen fih im mannigfader Weiſe illu⸗
in den Jardin des Plantes umgewandelt. In den!ftriren. Wo diefe Principien durchgeführt find,
*
726
wie in Deutichland am beten in Breslau (Dir
rector Göppert) u. in England in Kew, werden
die B. ©. auch vom größeren Publicum in aus-
gedehntefter Weife bemugt: jo wurde im Jahre
1873 ber 8. Garten in Sem von 683,870
Berfonen befucht. Doch find auch die ftreng wifien-
ſchaftlichen —— der B. G. noch vermehrt
worden; fie fo
Botanische Gejellichaften — Botin.
|
Bote, Perfon, die irgendwohin geſchidt wird,
bei. zur Überbringung von mündlihen Nach-
richten, Briefen oder Paketen. Ein B, wird ent-
weder in fpecieller Angelegenheit mit einem Auf-
trage an einen Einzelnen als erprefier B. ge-
ihidt, wofür er ein Botenlohn empfängt, oder
gebt zu beftimmten Zeiten von einem Orte zu
en auch Berfuhsgärten fein: die dem anderen u. nimmt gegen Gefdvergütung von
einen dienen mehr. landiwirtbichaftlihen. Zmweden | Jedermann Briefe u. Palete mit.
Das Boten-
u. baben bie Bortheile oder Nachtheile der ver ⸗weſen iſt älter als die Poſt. Nicht nur die mä-
ſchiedenen Culturmethoden feftzuftellen, fowie auch heren Ortichaften ftanden ehedem durch ein meiht
die Eigenichaften der zahlreichen Varieläten un» der ſtädtiſchen Kämmerei untergeordnete Boten-
ferer Culturpflanzen genau zu ermitteln, andere,
wie namentlich bie außereuropäiſchen, laſſen ſich
die Acclimatilation neuer Eulturpflanzen angelegen
fein; eine bis jeft nur noch wenig beadhtete Auf-
gabe der B-n G. iſt eben die, wiſſenſchaftlich durch
enaue Eontrole feitzuftellen, inwieweit diefelben
Sflänzenformen variiren, wie ans Barietäten
Arten entftehen, wie Baftarde fich in der Fort-
pflanzung verhalten, u. a. m.; ebenjo follen bie
B:n ©. das Material zu phyſiologiſchen u. entwide-
lungsgeſchichtlichen Unterſuchungen liefern u. daher
derartige intereſſante Pflanzen in möglichſt großer
Anzahl cultiviren. Wo die B-n ©. derartige mifjen-
jchaftlihe Aufgaben erfüllen ſollen, müflen mit
denjelben auch Arbeitsfäle, Herbarien n. Saınm-
hungen von Früchten, Samen ꝛc. verbunden jein,
wie dies auch ſchon in einzelnen größeren Ben
G. Deutichlands, Frantreihs u. Englands einge
führt ift. (Eingler.*
Botanische Geſellſchaften, Vereine zur För-
derung der Botanik, zu gemeinfhaftlihem Stu⸗
dium derfelben nm. zur gemeinfhaftlihen Cultur
von Pflanzen; e8 befteben deren in Cordova, Flo—
renz, London, Paris, Brüffel, Gent, Regensburg,
Berlin, Per vsburg ꝛc. ‘
Botaniju,e Zeitungen, f. u. Botanif.
Botanijiren (v. Gr.), fih mit Unterfuhung
von Bilanzen befchäftigen, bei. auf botanischen
Ercurfionen (ſ. d.); daher Botanift, jo v. wie
Botaniker.
Botanölog (v. Gr.), Pflanzentundiger.
Botanophilus (ar.), Pflanzenliebhaber, der
Botanif nur oberflächlich treibt. i
Botany-Bai, Bai in der Grafihaft Cumber-
land in Neu-SWales (Auftralien); mimmt Die
Flüffe Coof u. St. Georg auf; Borgebirge Banks
a. Solander. Entdedt von Eoof 1770, follte fie
Verbrechercolonie für England werden; da fi
aber die fandige u. zum Theil moraftige Umgeb-
ung nicht dazu eignete, fo wurde dieſe nördlicher,
nah Vort Jachſon, verlegt. ’
Botanybaiharz, jo v. mw. Acaroidharz.
Botarga (Botargo, Boutargue), aus dem
Rogen der Meeräfche u. des Sanders, in der
Provence, Sardinien, Dalmatien u. Alerandrien
znbereitete, in SEuropa u. der Yevante fehr be-
liebte, dem Caviar ähnliche Speife, welche zur
Anfreizung des Appetits mit Of u, Eifig oder
Eitronenfaft genoſſen wird.
Botas (fpan.), in Spanien bockslederne Wein-
ſchläuche, die, da fie die wäſſerigen Feuchtigkeiten
verdunften laſſen, den Wein verbefiern.
Botaurus Steph. (Rohrbommel), Gattung der
Familie der Reihervögel (j. d.).
amt, welches von einem Botenmeifter geleitet
wurde, mit einander in Berbindung, jonbern ſelbſt
nad ferneren Ortichaften bejorgten reitende Bu
Handelsbriefe u. Briefichaften des Gemeinweſens,
ohne daß jedoch die Bürger gemöthigt waren,
ihre Briefe auf diefem Wege beiorgen zu laflen.
Bal. Bolt.
Botetourt, auch Potetourt, County im nord
anterif, Unionsftaate Birginia, umter 37° n. Br.
u. 80° w. %.; 11,329 Ew.; Hauptfig: Fincaſile.
Both, 1) Zan, Landichaftsmaler, geb. um
1610 in Utrecht; bildete fih unter Abr. Bio
maerts u. in Italien nach den Werfen von Claude
Forrain; er ft. 1651 in Utrecht. Befonders gelangen
ihm Gonnenuntergänge. Seine Compofitionen
find reih u. prädtig, tief u. fein empfunden,
geiftooll ausgeführt. Man bat auch Radirungen
von ihm. Er malte vorzugsmeife italienische Land⸗
ſchaften, von denen fich einige in den Diufeen zu
Berlin u. Dresden finden. 2) Andreas, Bruder
des Vor., geb. 1609 in Utrecht; lernte wie diefer
zuerft bei Bloemaerts, ging mit ihm nad) Jtalien,
nahm fi vorzugsweiſe die Werte P. van Yaars
zum Diufter, malte Borträts, Genrebilder u. Thier⸗
jtüde u. ftaffirte häufig die Werke feines Bruders.
Er ertranf 1650 in Venedig. Seine Radirungen
zeigen eine breite, aber feihte Nadel. WRegnet.*
Bothriocephalidae, Bothriocepalus, fiebe Band-
mwürmer. -
Bothiwell, Dorf u. Kirchſpiel in der Grafichaft
Lanart (SSchottland), am Clyde, unweit Glasgom;
5800 Ew.; Ruinen des Schloſſes B., wohin Maria
Stmart vom Grafen Bothwell entführt wurde.
Bothwell, James Hephurn, Graf» 2,
Sünftling von Maria Stuart; , Mitihuldiger am
Morde ihres Gemabls Heinrich Darnley, wurde
aber Iosgeiprochen u. vermäblte fi 1567 mit ber
Königin, Der Adel nöthigte ihn jedoch, zu fliehen,
u, fette die Königin zu Lochleven gefangen; |.
Schottland (Geſch.). B. flüchtete nad den Orkney⸗
Injeln, trieb Seeräuberei u. ging nad Dänemark,
wo er verhaftet wurde u. 1577 im Elende itarb.
- Bothwell Bridge, Brüde über den Elyde in
der Grafſchaft Lanark (Brov. SSchottland), um-
weit Hamilton. Hier am 21. Juni 1679 Schlacht
zwiſchen den königlich engliſchen Truppen unter
dem Herzog von Monmouth u. den jcottifchen
Puritanern; Letztere murden nad tapferer Gegen-
wehr geichlagen u. ber Krieg beenbet.
Botin, Anders af, ſchwediſcher Hiftorifer,
geb. 1724, geft. 1790; von feinen vielen Arbeiten
(find befonders zu nennen: Utkast till Svenska
‚folkets historia, 1757—64 (gebt bis Guftav I.),
u. die ſtatiſtiſche Beskrifning om Svenska hem-
Botofuden — Bott.
727
man och jordagods, 1750—54, doch nur-zum|verfehenen B, cutaceum Willd. u..B. matricari-
Theil gebrudt,
Botofüden, ein ganz rohes Volk der amerit.
Menfchenrace, welches die Urwälber zwifchen dem
oides W. find viel jeltener. Engler.
Botryölith (Min.), Traubenftein.
Botrytis Fl. dan., ältere Bilggatt., meift Formen
Rio Pardo u. Rio Doce mit Ausſchluß der Küften- | mit aufrechtem, äftigem Stämmen u. geitielten,
firie in der Prov. Minas Gerães Brafiliens be-| Trauben oder Widel bildenden Sporen umfaſſend,
wohnt. Sie gehen nadt u. durchbohren Unterlippeu. |die jedoch infolge neuerer Unterjuhungen ih als
Ohren, um darin große Holzpflöde (portugiefiich |ungeichlechtfihe Fortpflanzungsiormen von Pilzen
Botoque, daher. der Name) zu befeftigen, find geichichte |der verſchiedenſten ioffen Derausgefellt haben.
Bogenſchützen, bedienen ſich geichlifiener, «aber un-| Man ſehe daher über 1) B. Baniana unter Mus-
durchbohrter Steingeräthe, bauen Hütten, verehren
den Mond u. ertragen alle Unftrengungen, jelbfi
Hunger u. Durft, mit Ausdauer, fie leben faft
ausichlieglih von dem Wilde, das fie erlegen, u.
jollen auch Menſchenfleiſch effen; find treulos, aber
fühn u. werben noch gegenwärtig gefürchtet. Früher
‚wohnten fie biß zu den Küften herab, mo bie
-portugiefiihen Anſiedler öfter bintige Kämpfe mit
ihnen zu beftehen hatten, Sie leben in Banden
unter Anflihrern (Capitan), die jedoch nur dem
Feinde. gegenüber Einfluß üben. Die B. nennen
fih jelbit Engferälmung; bei den älteren portu-
gieſiſchen Scyrüftftellern führen fie den Namen
Aymores. Bon den B. am Fluffe Ilheos war zu
Anfang bes 19. Jahrh. nur noch ein Meiner Reſt
unter dem Namen Guerens übrig, ift aber jetst
ausgeſtorben. In der neueren Zeit ift e8 der bra»
filianifhen Regierung gelungen, einen Heinen Theil
des Volles anzufiedeln. Die erften näheren Nach—
richten über das Bolt u. feine ganz eigenthüm-
liche Sprache lieferte der Prinz Maximilian von
Neuwied in feiner Reiſe nad Braſilien, Frkf.
1819—21, 2 Bde.
Botoſchan (Botuchani, Botuihan), Hauptft. des
gleihn. Kreiies in Rumänien, im N, der Moldau,
auf einem Plateau zwiſchen Sereth u. Pruth, an
einer Ziweigbahn der Ezernowig-Fafiyer Eiſenb.;
ſchmutzige, jehr unregelmäßige Straßen; 15 Kirchen,
10 Synagogen; Gpital; befuchtefte Jahrmärtte
in der Moldau, nicht unbedeutender Handel ;
1859 37,594 Ew.
Botrychium Sw. (Mondraute), Bflanzengatt.
aus der Familie der Ophioglofjeen, mit unterirdie
ſchem Borfeim (PBrothallium), auf welchem ſich
zwilchen Antheridien u. Archegonien die geichlecht-
lihe Befruchtung vollzieht. Das Neiultat der Be-
fruchtung, die aus dem Archegonium hervorgehende
zweite Generation, beſitzt eine furze Grundachſe
mit ſpiralig geſtellten Blättern, von denen nur
eines in jedem Jahre ſich volllommen entwidelt;
daſſelbe umhüllt mit feinem jcheidenartigen Bajal-
theil die übrigen, noch unentwidelten Blätter der
nächſten Jahre; der obere Theil des Blattes theilt
fi} in 2 Theile, von denen der eine, nicht ſporen—
erzeugende kutweder einfady”-fiedertheilig. mit halb»
mondjörmigen Abſchnitten, oder vielfach getheilt ift,
während der andere in feinen Thelungen dem
erften entiprechende jchmälere Abſchnitte befitt,
welche auf der Unterfeite in 2 Reihen geftellte, 2-
Happige Sporenbebälter tragen, Bon den 4 in
Deuffhland vorfommenden Arten ift am häufig»
ſten B. Lunaria Sw., welde trodene Wiejen,
grafige, lichte Waldſtellen u. Hügel in der Ebene
liebt, vorzugsweife aber auf Lehnen int Hochge⸗
birge verbreitet ift. Das Heine B. simplex Hitch-
cock, jowie die mit doppelt-fiebertheifigen Blättern
cardine, über 2) B. einerea unter Peziza, ilber
3) B. infestans unter Peronospora,
Botryum, ſ. Staphylonia.
Botjchaft, in parlamentariſchem Sinte eine
vom Staatsoberhaupte direct an die Laudesvertret⸗
ung gerichtete —— oder Eröffnung, im
Gegenſatze zu den gewöhnüchen Vorlagen, Eröff-
nungen 2c., welde im Namen des Staatsober⸗
hauptes vom Miniſterium an die Landesvertret-
ung gemacht werden. Die B. muß nad) der im
conftitutionellen Staate, wie jeder andere Regier—
ungsact des Staatsoberhauptes, von den Miniftern
— ſein. Solche immer mit einer beſon -
deren Wichtigkeit u. gewiſſen Feierlichleit verbun-
bene B⸗en erfolgen nur in außerordentlichen Fällen,
bei Rüdnahıme von bereits vorgelegten Gejetent-
würfen, bei Kammerauflöfungen oder Conflicten
zwiſchen Regierung u. Landesvertretung, bei be»
jonderen Borgängen im Haufe des Staatsober-
bauptes, in der äußeren Politik, namentlich Kriegs»
fällen. In Republiken, namentlih in den Ver—
einigten. Staaten u. in der Republik Frankreich,
ergehen ſolche Ben von Seiten des Präfidenten
an den Cougreß bei deffen Eröffnung; im ihnen
wird ‚der "Gejammtzuftand des Yandes in allen
feinen Gebieten nad innen u. außen dargelegt. B.
in biplomatifhem Sinne f. Geſandtſchaft. Lagai.
Botjchafter, ſ. Geſandter.
Bott, deutſche Muſilerfamilie, aus der ſich
rühmlich belannt gemacht haben: Anton B.
(1795—1869), Miüttärmufifdirector in den Frei—
heitsfriegen; jpäter widmete er fih auf Unrequng
Spohrs dem Biolinfpiel u. wurde erjter Violiniſt
in der furfürftl. Kapelle zu Kaſſel. Sein älterer
Bruder, Johann Joſeph B., war großberzogl.
beificher Hofmuſikus, u. deſſen Tochter, Katha-
rine Luiſe, erwarb ſich als Klavierſpielerin 'u.
Lehrerin einen guten Namen; -fie lebt in New—
Hort. Sohn des erjtgenannten U. B. ift der be»
rühmte Biolinvirtuofe Jean Joſeph B., geb.
9. März 1826 zu Kafiel, Schüler Spohrs und
Moris Hauptmanns; machte ſchon 1840 eine grör
Bere Goncertreife, bildete fi aber aud zum Com⸗
poniſten aus u. war 1841—45 erſter Stipendiat
der Mozartftiftung zu Frankfurt a. M. Nachdem
er 1846 GSolofpieler in der Kaffeler Kapelle, 1849
HofrEoncertmeifter u. 1851 neben Spohr Kapell»
meifter am Hoftheater geworden war, nahm er
1856 die Hof-Kapellmeifterftelle in. Meiningen an
u. wurde 1865 erjter Hof-Kapellmeiiter in Han—
nover. Er ſchrieb 2 Symphonien, 2 Bjolinconcerte,
Ouvertüren, Klavier- u, Biolinftüde, Lieder u. die
Opern: Der Unbelannte, 1854; Actäa, das Mäd«
hen von Korinth, 1862. Auch ein Bruder J. J.
B⸗s widmete fi erfolgreich dem Violinjpiel, und
wurde in der Hoftapele zu Kaffel angeftellt,
728
Botta, Hohlmaß, ſ. Bora.
Botta — Böttcher.
Böttcher, Handwerker, welche als Grof-
Botta, 1) Carlo Giufeppe Guglielmo, ————— (Küfer) große Bottiche u. Fäſſer,
ital. Gefchichtfchreiber ,
S. Giorgio del Canaveſe in Piemont; ſtudirte
Medicin, ward 1792 wegen revolutionärer Be
finnung arretirt, aber durch die Franzoſen befreit;
wurde 1794 Feldarzt bei der franzöfiichen Armee,
erhielt 1799 eine Anftellung bei der Proviſoriſchen
Regierung in Pientont u. hieß fih.nach mehreren
Reifen durch die Schweiz u. Jtalien 1804 in
Paris nieder. 1814 ward er Mitglied des Gefep-
ebenden Körpers, 1815 Rector der Akademie ın
Kancy u. nad der Reftauration Rector des Col:
legiums zu Rouen, Seinen ärztlihen Beruf gab
er auf, als ihm biftoriiche Forſchungen auf die
ſchriftſtelleriſche Laufbahn führten; er ft. 10. Aug.
1837 in Paris. 8. fchr.: Description de l’ile de
Corfou, Bar. 1799, 2 Bde.; Souwrhirs d'un vo-
yage en Dalmatie, Turin 1802; Preeis bist. de
la maison de Savoie, Par. 1803; Storia della
guerra dell’ independenza degli Stati uniti
d’Ameriea, Mailand 1844, 2Bde.; Storia d'Italia
dal 1789 al 1814, Par. 1824, 2. Aufl. 1826,
deutich von Förfter, Onedlinb. 1827—31, 8 Bde.;
dies Werk, nebit Guicciardinis Geſchichte u. feiner
skin. derjelben von 1535—1789 bildet zu⸗
ammen jeine Storia d'Italia dal 1490 al 1814,
Par. 1832, 20 Bde.; Hist. des peuples d’Italie,
Par. 1824, 3 Bde. Ohne Glüd verfuchte er fich als
Dichter in dem Epos Camillo, Bar. 1810. 2) Baul
Emile, berühmter franzöfiicher Alterthumsforfcher,
Sohn des Vor., geb. 1803 zu Paris; ſtudirte
Medicin u. Naturwiffenschaften, machte früh eine
Reife um die Welt mit, ging, nachdem er an den
Weüſten Amerilas naturhiſtoriſche Schäte geſam⸗
melt hatte, 1830 nach Agypten, wo er Arzt bei
Mehemed Ali wurde, den Zug nad Sennaar mit-
machte u. bedeutende zoologifhe Sammlungen an-
legte. 1833 murde er franzöfiicher Conſul in
Werandrien u. machte 1837 für das naturbiftorifche
Mufeum in Paris eine Reile in Jemen; er wurde
dann Confularagent in Mofful, wo er ſeit 1840,
beſ. aber feit 1843 die Auigrabung der Ruinen
von Ninive mit Eifer u. Glück betrieb; f. u. Ni,
nive. Erſchr.: Relationd’'un voyagedans l’Y&men,
Par. 1844, u. leitete die Herausgabe der Dent-
mäler von Ninive: Monument de Ninive, decon-
vert et decrit par P. E. B., mesuré et dessiné
par M. E. Flandin, otvrage publj6 par ordre du
gouvernement, sons la direction d’une commis-
siom de l’Institut, Par. 1846—50, 5 Bde., Fol.,
von denen zwei die Architektur u. Sculptur, zwei
die Inſchriften u, der letste den Tert enthält. Seine
Berihte über die Entdedung veröffentlichte J.
Mohl; Lettres de B, sur ses decouvertes à Khor-
sabad, pres Ninive, Bar. 1845. . Die erhaltenen
transportablen Monumente wurden nad Paris
ebradit u. im Muſeum des Louvre (Aſſyriſche
btheilung) aufgeftellt. Die Ausgrabungen wırrdeu
bon dem Engländer Layard mit außerordentlichem
Erfolge fortgefegt. B. wurde 1846 franz. General:
conful zu Jeruſalem, wo er im römifch-tathofiichen
Intereſſe wirkte, u. erbieft 1867 das gleiche Amt
in Tripolis. 1868 kehrte er nad) Frankreich zurüd
u. ft. 29. Fan. 1871 in Acheres bei Poilin.
2) Brambad.* »
geb. 6. Nov. 1766 in als Faß
nder (Weiß⸗, Klein-, Rothbinder, Bütt-
ner, Kübler, Hiper, Fäßler oder Schäffner) klei⸗
nere Gefäße fertigen u. eine Yehrzeit von 3—5
Jahren zu beftehen haben. Borerwäbnte Trennung
ift jedoch feine -nothmwendige oder factiſche; man
findet beide Arten vielmehr häufig vereinigt. An
Material gebraucht der B. zu feinen Arbeiten das
Beoholz;z ‚dazu gehört das Reif- oder Bandholz
u. das Dauben-, Faß⸗, Stab» u. Bodenholz; die
beften Faßſtäbe werden ans Eichenbolz, geringere
aus Eichen», noch geringere aus Buchen», Tannen»,
Fichten- u. Lärchenholz gefertigt; Eichenholz wird
nah dem Spalten mit dein Beil u. dem Schnit-
mefjer bearbeitet. Um ein Faß zu verfertigen, er-
folgt zumächft das Bebauen der rohen Stäbe oder
Dauben mit dem Breitbeil aus dem Groben. Die
Dauben find die einzelnen Stüde, aus welchen die
Seitenwand zufammengejegt if. Das Holz wird
erſt von dem Kleinklieber mit dem Kliebeifen, einen:
großen, ftarten Mefjer, zu Dauben gefpalten, und
der B, bearbeitet die Dauben dann mit dem Raub»
u. Glatthobel; die innere Fläche wird durch -Be-
fchneiden mit dem Krummerien (Dächſel), einem
frummgebogenen Schnitsmeffer, auf der Schneide-
banf ausgehöhlt, diefe Aushöhlung aber mit dem
Hafen, einem runden Brettchen, abgemefien. Wenn
die Dauben auf der äußeren Seite conver, auf der
anderen concav gejchnitten werben, jo nennt man
das Radſchneiden. Die Fugen oder Seitentanten
der Dauben werben auf der Bottichbank durch Ab-
hobeln berichtigt u. fpäter mit dem Glatthobel ge»
glättet. Iſt dies gefchehen, fo beginnt das Er—
richten (Aufſetzen, Aufihlagen). Dabei werden zu-
nächſt 4 Dauben gleich weıt von einander fenkrecht
im einen Kreis geftellt u. dieje mit dem Bandhaken,
einem aufeiner Seite halenförmig gebogenen Eijen-
ftabe, an welchem ein entgegengefrümmter Hafen
(Läufer) hin» und hergejchoben werden lann, zu-
Jammengehalten. Nun werden von außen die
Feuerbänder befeftigt, u. zwar von oben das Haupt-
band, mittels gabelfürmiger, hölzerner Aufſetzlloben
(Klampen); dann werden die anderen Dauben noch
eingefegt ut. der Reif mit einem hölzernen Schlä»
gel, dem B⸗ſchlägel Gachhain), od. mit einem
eineren, den Treibhammer, heruntergetrieben,
damit die Köpfe, d. h. die Enden derjelben, dicht
zufammenlommen. Dann wird ein zweiter, weiterer
Reif (Halsband) mehr gegen die Mitte aufgetrie-
ben, auch vielleicht noch ein dritter (Bauchband);
hierdurch biegen fidh die Dauben der Länge mad,
und jo entfteht der Baud des Fafles. Zur Er-
leichterung dieſes ag befeuchtet man bie
Dauben äufßerlid) mit Wafler u. macht ein euer
mit Hobeljpänen im Innern des Faſſes an (Aus
feneru). Kommt vielleiht bet diefem Binden eine
oder die andere der Dauben aus der gehörigen
Richtung, jo wird diejelbe mit dem Binko, einem
Heinen hölzernen Hammer mit langem Stiel,
wieder hineingetrieben. Nachdem jo der obere Theil
bes Faſſes gebunden ift, wird an die unteren Enden
der Dauben die Schraubenwinde angebracht. Dieie
bejteht aus einem ftarfen hölzernen Rahmen, in
welchem ein Duerriegel mittel einer Schranbe
nerfchiebbar iſt; am dieſem Riegel ift ein ftarfes
Böttcher.
129
Seil befeftigt, welches um die Dauben des Faſſes ſtreckt fich befonders auf Tonnen zum Berpaden
geihlungen wird; indem man nun den Duerriegel
mittels der Schraube zurücdzieht, wird das Geil
ftraffer angezogen, u. die Dauben werden zuſam—
mengepreßt; oder man gebraucht auch ftatt der
Schrauben» die Halbmond- (Hond)-winde, welche
aus einem halbmondförmigen Stüd Holz beftebt,
an defien beiden Enden ein Strid angebracht if,
welcher um die Dauben geſchlungen wird m. deſſen
eines Ende mittels einer.an dem Holze angebrad)-
ten Schraube oder Walze ftrafi angezogen werden
kann. Das Faß wird nun mit der Winde zugleich
' umgedrebt, u. die nun obere Hälfte ebenfalls mit
Reifen verfehen. Fett beginnt das Enden, d. h.
die Dauben werden oben und unten gleich ge
ſchnitten; dabei wird das Faß in dem Endſtuhl,
eine Art Schraubeftod, gelegt. Das Behauen im
Innern geichieht mit dem Beil, das Bejchneiden
mit dem Krummeiſen u. das Abhobeln u. Glätten
mit dem Gerbebobel, womit die Stelle, mo die
Barge eingefchnitten werden foll, rund gehobelt
wird, u. mit dem Schabeeifen, einem dem Dächſel
ähnlichen Schneidemeffer, ſowie mit der Stodjchabe,
einer Art trummgebogenem Mefjer. Der Boden
wird nur bei Heinen Gefäßen, 3. B. bei Eimern,
aus 1 Stüd gemadt, bei größeren zufammenge-
jest u. dann eingefegt. Dazu find die Enden des
Bodenfreifes von beiden Seiten etwas ſchräg ge-
Schnitten, oder glatt u. düun gehobelt, doch weniger
von außen, al$ von innen; diejer dünnere Rand
fonımt dann in die auf der inneren Geite der
Dauben befindliche Fyurche (bei großen Gefäßen
Kimme, bei Heineren Gefäßen Kröfe od. Gargel).
Um die Dauben in ihrer runden Geftalt zu er«
halten, bis der Boden eingefügt if, dient ein Reif
Spannreif), est beginnt das Streifen, d. 5.
Reife werden abgenommen, u. das Faß wird nun
von außen mit dem geraden Streifhobel geglättet;
daun folgt das Beichlagen, d. h. die nöthige Zahl
Reife wird mittels des Treibers, eines keilförmigen
Stüdes Holz, wieder darauf getrieben. Sind bie
Reife etwas eng, fo werden fie mit dem Kloben-
oder Bandhaken, einem auf einem Gtüd Holz be-
weglihen Hafen, auf das Faß gezogen. Die Reifen
find aus Metall, oder werden aus Stangen und
Shößlingen von Birken, Weiden, Eſchen zc. ge
macht; das Wusfchneiden geſchieht mit einem
Schneidemeffer, dem Grateifen. Die untere Geite
der Reife wird mit dem Neifmeffer, einem Schneibe-
mefjer mit gerader. oder auch etwas gebogener
Klinge, glattgefchnitten; der Einfchnitt an beiden
Enden eines Reifes, mit welchem diejelben zuſam—
mengehängt werden, heißt Kerbe (Schloß). Dft
geſchieht mit dem Befchlagen mit Reifen zugleich
das Verrohren (Scilfen), d. b. in die Bodenfimme
oder auch zwilhen die Dauben der zuſammenge—
döbelten Gefäße wird Rohr, Schilf oder Werg
eingelegt, damit fie durch das Zufammentrodnen
nicht jo leicht das Waſſer durchlaufen laffen. Hier-
auf erfolgt das Zapfen »(Spund)-lohbohren mit
einem großen Centrum- oder Löffelbohrer, oder
baffelbe wird auch bei großen Fäſſern mit einer
Lochſäge ansgeichnitten. Manche Gefäße werden
trodener Waaren, als Zuder, Tabak u. dgl.
Unter Karl d. Gr. fheinen hölzerne Fäſſer zuerft
anfgefommen zu fein; vorher bemahrte man Wein
und Bier in irdenen Gefäßen von mannigfacher
Form auf; zum Berfenden von Flüffigleiten be»
diente man ſich lederner Schläude, die ſchon in
den älteften Zeiten dazu verwendet wurden. Unter
dem Namen Kufner treten die B. 982 zum eriten
Mal in Straßburg auf; fpäter findet man- fie als
Büttner (1146) und Küfler (Operarii vasorum)
aufgeführt. Nach einem Berichte von 1271 wur—
den die Küfer damals in Wanner u. Faßbinder
eingetheilt, im 14. Jahrh. führten fie aud den
allgemeinen Namen Binder. Jm 16, Jahrh. ges
langte das B-handwerk zu einer hohen Volllom—
menbeit, u. aus dieſer Seit ſtammt das große
Heidelberger Faß; ein Ähnliches ließ 1589 Pfalz-
graf Friedrich IV. bauen, weldes über 132 Fuder
faßte u. das Kurfürfi Karl Ludwig 1664 micder-
berftellen u. vergrößern ließ. Ein anderes, noch
größeres Faß wurde unter der Regierung des Kur—
fürften Karl Theodor 1761 gebaut; feine Länge be»
trug 30 Schub 5 Boll u. die Tiefe über 23 Schub;
es etwa 2500 hi faſſen. Andere Rieſenfäſſer
find das im Keller zu Tübingen, 1546, das zu
Groningen, 1678, u, das auf dem Königftein (mel«
ches 3709 Eimer bielt), 1725 erbaut. Im Ber«
hältniß der Bergrößerung der Wein und Bier»
production wurde auch das B-handwerk immer
ansgebehnter, insbej. hat man im ben engliſchen
Brauereien Rieſenfäſſer Hergeftellt, weiche jelbit
das Heidelberger entichieden übertreffen. An eini-
gen Orten halten die B. bei Feſtlichkeiten noch einen
bejond: Aufzug (Bigeltanz), wöbei fie mit Reifen
Kunfftüde aufführen; fo in München alle 7 Jahre
von Oberneujahr den ganzen Faſching hindurd), wo
die Tänzer rothe Faden u. grüne Schlägelhauben
u. laubummundene Reife tragen (nach Einigen ſeit
1517, nach Anderen feit 1463 nad einem großen
Sterben, wonach ſich alle noch Lebenden verftedt
hätten, bis fie durch dieſen Tanz der Schäffler
wieder aus ihren Verfteden berbeigelodt worden
wären). Vgl. Otto, Hand» u. Hilfsbud für B.,
Quedlinb. 1858, 2. Aufl; Rösling, Der wohl⸗
erfahrene Kiüfer oder Büttner z2c., Ulm 1838;
Derf., Die Schule des Küfers od, Büttners, Tuttl.
1858, 2. A.; Barfuß, Die Kunſt des B⸗s ‘oder
Küfers, Weim. 1860, 4. A.; Hellenthal, Der voll-
tommene Weintellermeifter, 7. A., Wien 1859.
(Ted) Gieſeler.“ (Geſch.) Schroot.*
Böttcher, Chriſtian, befannter deutjcher
Genremaler, geb. 9. Dec. 1818 zu Jugenbroich
bei Aachen; beſuchte die Düffeldorfer Akademie,
widmete fich zuerft der Firhographie, dann der
Malerei. Seine erften Bilder behandelten das
idylliſche Vollsleben; er verfuchte fih auch an einem
politiihen Stoffe: die Befreiung eines politiich Ge-
fangenen, ‚verließ aber dies Gebiet jofort wieder,
um eine Meihe Kinderfcenen zu malen, fo: Die
rheiniſche Dorfjugend, Die Ridtehr vom Schulfefte,
Ein Abend im Schwarzwalde. Dazwiſchen brachte
er einen: Abend nad der Schlacht, u. neuerlich
auch noch mit Pech ausgegojien (ausgepicht). Die hat fih B. faft ausſchließend der Schilderung des
nn Anfertigung von Fäffern, welche in heiteren Lebens am Rhein hingegeben, welde ihn
großen Fa
rifen u. Seeftäbten betrieben wird, er-Izu einem Lieblingsmaler des deutſchen Bolles ge-
730 Botte — Botticelli.
macht bat, Dahin gehören: Sommernaht am ſich dem Trunke, ließ fi aud in Unterhandlungen
Rhein; Sommermorgen am Rhein; Auszug zur wegen Entdedung feines Geheimniffes mit ben
Weinleſe; Auf der Wanderſchaft; Heuernte am Sölen von Berlin, Petersburg u. Wien ein; des-
Rhein; Glücliche Menfhen zc. Regnet. halb Tamm er in Unterjuhung, ftarb aber vor Ende
Botte (auch Butte), Weinmaß, fo v. w. Lota. des Proceffes in Dresden 13. März 1719. Bgl.
Bottelier wird auf Schiffen die mit der be- Engelhardt, B., der Erfinder des ſächſ. Borzellans,
jonderen Beauffichtigung, ſowie mit der täglichen |%pz. 1837. 2) Adolf, deuticher Dichter u. Über-
Berausgabung der-Proviantvorräthe u. Spirituofen ſetzer, geb. 21. Mai 1815 zu Leipzig; ftudirte daſelbſt
„betraute Perfon genannt, jeit 1838 Philologie u. widmete fih dann fıte-
Botten, d. b. Boden, Uferland des nördlichen rariſchen Arbeiten. Er fl. 16. Novbr, 1870 zu
Theils des Bottmifchen Meerbufens; feit Abtret-|Gohlis bei Yeipzig. Zunächſt trat er mit Gedichten,
ung Fiunlands an Rußland ift die frühere Be⸗Lpz. 1846, n.Y., 1868, hervor, die ſich durch ſchöne
zeihnung von Oſter-, Norr- u. Weſter-B. Form u. freundliche Anmuth auszeichnen, aber einer
ganz megfällig geworden, ſowol in Schweden, als | beftimmten harakteriftiichen Eigenartigfeit entbehr-
in Hußland- Finnland. ten. Diefelben Vorzüge u. dieſelben Mängel haben
Bottefini, Giovanni, berühmter Virtuoſe auch die ferneren Werke: Yohannisfieder, Leipz.
auf dem Gontrabaß u. tüchtiger Componiſt, geb.|1847; Auf der Wartburg, Lpz. 1848; Till Eulen-
24. Dec. 1823 zu Crema im der Lombardei; Schüler |fpiegel, modernes Heldengedicht, Lpz. 1850; Die
von Roſſi u. Vaccaj, machte feit 1840 Concert-| Bilgerfahrt der — vpz. 1851; Düuſtere
reifen, wurde 1846 Muſildirector in der Hapaña, Sterne, Lpz. 1852; Habaña, lyriſch-epiſche Dicht -
bereiſte NAmerila, ſeit 1854 wieder Europa, und ung, Jena 1853; Der Fall von Babylon, Lpz.
zwar. England, Frankreich, Deutfhland. Man 1855; Die Tochter des Kain, Wien 1865, u. a.
nannte ihn megen feiner bewunderungswertben Auch bier erfreuen glatte, glänzende Berfe, aber
Geläufigfeit den Paganint des Contrabafjes, wie)es fehlt der geniale Gedankenflug, bie Gewalt der
er denn auch den Garnevaf von DBenedig in Leidenſchaft. Neben diefen Igriich-epiihen Dict-
Pagininiiher Art auf dem Contrabaß jpielt.
wurde 1861 Mufifdirector am Theater zu Palermo,
1863 bei der Italieniſchen Oper zu Barcelona,
. wechjelte aber bald wieder feinen Aufenthalt und
lebt zeitweije in Florenz u. London, B. ſchr. mehrere
Opern (Cristoforo Colombo, L’assedio di Firenze,
Ali Baba u. a.), Symphonien, Quartette, Stüde
für Gefang u. fiir Contrebaß.
Böttger (Böttiger, Böttcher), 1) Johann
Friedrih, Erfinder des Porzellans in Deutich-
land, geb. 4. Febr. 1682 (n. A. 5, Febr. 1685)
in Schleiz; wurde in Berlig Apothefer, mußte
aber von da 1699 wegen aldhemiftifcher Prahlereien
u. Taſchenſpielerkunſtſtücke fliehen. Bon feinem Lehr-
herrn Zorn 1700 wieder aufgenommen, ließ er
feine Aldemifterei doch nicht, u. von Neuem 1701
entflohen, wurde er in Wittenberg erlannt u. ver»
haftet, von Kurſachſen aber reguirirt und nad
Dresden gebradit, wo er fein Geheimniß zu offen«
baren — u. 3 Jahre von dem Fürſten Egon
von Fürſtenberg auf das Beſte, jedoch ohne aus-
geben zu dürfen, verpflegt ward. Nach vielen
dinkelzügen u. Fügen entfloh er 1704 auch hier,
ward jedoch in Ems in Öfterreich eingeholt u. ver-
haftet u., da der Fürſt feine Verheißung, Gold zu
machen, als nichtig erfannt hatte, von dem Grafen
von Tſchirnhaujen zu den von diefem veranlaßten
Verſuchen, Porzellan u. Borar zu machen, gebraucht.
Wirklich gelang erfteres 1705, aber B. wurde unter
fteter militäriſcher Bewachung gehalten, da man
das Geheimniß nicht in fremde Hände kommen
lafjen mollte, Da die Schweden 1706 in Sachen
einbraden, ward B. mit 3 Gehilfen nad dem
Königftein gebracht, wo fie zu arbeiten fortfuhren.
1707 fam er wieder nad Dresden u. libernahm
Erjungen fhuf B. auch noch Dramen, von denen
befonders Agnes Bernauer, Lpz. 1845, u. Das
Galgenmännlein, Lpz. 1870, zu erwähnen find;
body auch bei diejen jehlt die zündende Begeiiter-
ung, die bramatifche Energie, fo daß fie, trotz
mancher finnigen, reizvollen, mit feinem Hırımor
gewäürzten Scenen, auf der Bühne fein Glück
machten. Hervorragende Berdienfte erwarb fid
B. durch meifterhafte Überfegungen von Byron,
Lpz. 1840; Pope, Ypz. 1842; Goldimiths Gedichten,
Lpz. 1843; Müton, Lpz. 1846; Dfften, Ypz.
1847 ⁊c. Seine gefammelten Were erjchienen in
6 Bon., Lpz. 1864—66. 2) Saloon.
Bottlän (a. Geogr.), Landſchaft in SWakedo—⸗
nien, auf der Wüfte des Thermaiihen Meerbufens,
mit den Städten Jchnä u. Bella, Aus ihren Stegen
an der WKüſte des Thermaifhen Meerbuiens ipäter
von den Maledoniern vertrieben, ftedelten die
Bottiäer fih auf der Challidiſchen Halbiniel neben
den Chalfidifern u. in Samothrafe an; hier hatten
fie die Städte Stolos, Spartolos u. bis zur Zeit
des Darius Hyftafpis auch Olynthos. Zu den
Heeren des XZerrges ftellten fie Landtruppen, dann
verbanden fie fih mit den Athenern, fielen aber
fpäter zu den Mafedoniern ab,
Botticelli, Sandro, eigentlich Wlefiandro
ilipepi, ital, Maler, geb. 1537 in Florenz; lernte
ei einem Goldſchmiede B. (daher fein Beiname) u.
widmete ſich fpäter der Dialerei. Seine Ausbildung
feitete Filippo Lippi, deifen Lieblingsihüler er war.
Ein Frescobild in der Allerheiligenfirhe zu Florenz:
Der bi. Auguftin in Ekſtaſe, begründete jenen
Künſtlerruf. Um 1475 berief ihn Papſt Stirtus IV.
nad Rom, wo er die Sirtinische Kapelle im Batican
mit Fresken ſchmückte. Obwol reich belohnt, brachte
1708, nach dem Tode Tihirnhaufens, die Leitung B. doh all fein Bermögen durch u. kehrte ärıner
der Fabrik. Bis dahin hatte fein Porzellan eine|denn zuvor nad Florenz zurüd, um die Malerei
braunrothe Farbe gehabt; 1709 erfand er durch ganz aufzugeben u. einer ber leidenſchaftlichſten
Anwendung des Thons bei Aue das weiße. 1710 Anhänger Savonarolas zu werden u. 1515 in
ward die Fabril nah Meißen verlegt u. B. um tieffter Armuth zu fterben. Seine Hauptſtärke liegt
Adminiftrator derfelben ernannt. Dort ergab er nicht in der hiſtoriſchen Kunft, fondern im Genre.
Bottich — Böttiger.
u. nad; Dresden, war 1814—21 Studiendirector bei
eben u. der Königl. Nitterafademie u. Oberauffeber über
malte er noch die Antifen u, die ———
u. al fresco, ſt. 17. Nov. 1835, B. ſchr.
Außer den drei Hauptbifdern in ber
Kapelle, Scenen aus Mojes’ u. Aarons
die Berfuhung Ehrifti —
eine große Menge Bilder in Ol
731
ipsabdrüde. Er
7 Griechiſche
theils religiöſen, theils profanen Inhaltes, zeichnete Vaſengemälde, Weim. 1797—1800, 3 Hefte;
die 20 Vignetten zu der vom Niccolo di Lorenzo Furienmaske, ebd. 1801; Sabina oder
orgen⸗
della Magna beſorgten Ausgabe Dantes und ſcenen einer reihen Römerin, Lpz. 1803, 2. U.,
au
ufeum zu
ftah vermuthli
- finden fih im
in Kupfer. Werfe von ihm 2 Bve., 1806; Andeutungen zu 24 Vorlefungen
erlin: zwei Marien: über die Archäologie, 1. Abthei
bilder, eine Venus (nad der Mediceiihen Benus Über Muſeen u.
gemalt), das Bildniß der Lucrezia Tornabuoni; in Die Aldobrandinifche Hochzeit,
der Galerie des Grafen Raczyusfi eine Maria; in|zur Archäologie der
9, Dresd, 1806;
esd. 1810; Ideen
dem. Muſeum zu Dresden ein Heiland mit dermythologie, ebd, 1811; F. V. Reinhard, literariſch
Dornenfrone u. ein Johannes; in der Pinakothek] gezeichnet, ebd. 1813, 2. A. 1816;. Vorträge fiber
zu Münden ein Leichnam Chrifti; mehrere Ge-
mälde in den Galerien zu Florenz u. im Louvre
zu Paris. a Regnet.*
Bottich, großes, rundes od. ovales, hölzernes,
oben offenes, gewöhnlich mit eifernen Reifen ver
ſehenes Gefäß, welches vorzüglid in Brauereien,
aber auch in Wafferfünften, Gerbereien zc. gebraucht
wird. Es ift fait immer von Eichenholz, die Dan-
ben 2 Zoll ftarf; einige Dauben find länger als
die. anderen u. bilden die Füße des B-8; die ein-
zelnen Dauben u. Vodenjtüde werben gedöbelt,
d. h. mit hölzernen Nägeln zufammengefügt.
Bötticher, 1) Kärl, Architeft u. Archäolog,
geb. 1806; Profefior an der Bau» Afademie zn
erlin, einer der bedeutenditen Kunftforicher auf
dem Gebiete des claſſiſchen Alterthums. Sein bes|Hefte, Arhäclog. Muſeum 2c., denen feine ;
rühmtes Wert: Tektonik der Hellenen, bilder eine
. Hauptquelle unferer heutigen Anſchauungen über
das Weſen der antifen Bauglieder u. deren De-
coration, Ganz bejonders hernorragend iſt B. in
der Compoſition von Ornamenten im Geiſte der
Antile; bekannt iſt fein Ornamentenbuch zum prakt.
Gebrauche für Architekten, Decorations- u. Stuben»
maler n. Zapetenfabritanten, ferner feine Holzr
die Dresdener Antifengalerie, 1814; Vorlefungen
u. Auffäge zur Alterrhamstunde, Altenb. 1817;
Amalthea, Lpz. 1820—25, 3 Bde., fortgeſetzt als
Archäologie u. Kunft, Berl. 1828, 1, Stüd; Ideen
a 1826—36, 2 Bde.; Opus- -
zur Kun
cula et carınina lat,, herausgegeben von Sillig,
1837; Kleine Schriften archäologifhen u. antı-
quariſchen Inhaltes, 1837 f., 3 Bde.; Fiterariiche
Zuſtände u. Zeitgenoffen, 1838 f., 2 Bde., heraus-
gegeben von dem Folgenden. Bon 1795—1803
redigirte B, das Journal für Luxus u. Mode, die
Zeitichrift London u. Paris, das artiftiiche Notizen«
blatt zur Abendzeitung u. von 1797—1809 den
Deutihen Mercur, u. begann feit 1801 mehrere
archäologische Veröffentlihungen, wie tie
orte
jegungen u Biographie von dem Folgenden,
?p3. 1837. 2) Karl Wilhelm, Geſchichtſchreiber,
Sohn des Vor., geb. 15. Aug. 1790 in Baugen;
ſtudirte feit 1808 in Leipzig Theologie, wurde
1812 Hauslehrer bei dem jächftihen Gefandten,
Grafen von Schönfeld, in Wien, kehrte 1815
nad) Leipzig zurüd, privatifirte 1816 in Göttingen,
wurde 1817 Privatdocent u. 1819 Profeffor der
architektur des Mittelalters. 2) Joh. Friedrich Geſchichte in Leipzig u. 1821 im Erlangen, wo er
Wilhelm, Philolog, geb. 6. Fuli 1798 zu Wornts-
dorf im Magdeburgifchen; ftudirte au den Unis
verfitäten ‚zu Berlin u. Halle Philologie u. Theo-
logie, wurde 1820 Lehrer am Halliſchen Päda-
ogium, 1824 Oberlehrer. u. 1828 Profefior am
riedrich » Wilhelms - Gymnaſium zu Berlin; er ft.
6. April 1850. B. fchr.: Lexicon Taeiteum, sive
de stilo C. Cornelüi Taciti, Berl. 1830; De vita,
26. Nov. 1862 ftarb. Er ſchr.: Heinrich der Löwe,
Lpz. 1819; Allgemeine Geſchichte für Schule und
Haus, Erf. 1824, 12. A., 1856; Deuitiche Ges
jchichte, ebd. 1823, 5. A., 1855; Geſchichte Bayerns,
ebd. 1832, 2. A., 1837; Geſchichte des Kurftaates
u. des Königreichs Sachſen, Hamb. 1830 f., 2 Bde,
Auszug, 1836; Geſchichte des deutichen Bolfes u.
des deutſchen Landes, Stuttg. 1835 f., 2 Bde.,
scriptis ac stilo Cornelii Taeiti, ebd. 1834. Das|3. A. 1845; Biographie feines Vaters, !pz. 1837;
Reich Gottes, oder zufammenhängende Darftellung | Die Weltgefhichte in Biographien, Berl. 1839—44,
des hriftlihen Glaubens u. Lebens, ebd. 1830;|8 Bde.; Die allgemeine Geſchichte von 1815 bis
Historiae antiquae epitome, ebd. 1836; Pro-)1850, Fılj. 1854, u.a. 3) Karl Wilhelm,
phetiihde Stimme aus Rom, oder das Chriſtliche ſchwed. Dichter,
im Tacitus u. der typiſch-prophetiſche Charalter von deutjchen Großeltern ftanımend; gebört zur
feiner Werte in Beziehung auf Roms Verhältnig |phosphoriftiichen, d. i. romantifchen Richtung; feit
zu Deutihland, Hamb. u. Gotha 1840; überſetzte 1845 Profeffor der Literafur in Upfala u. ſchwed.
den Tacitus, ebd. 1831—34. 1) Ewerbed. 2) Braubach. Ordenshiſtoriograph; bereifte Deutſchland, Holland,
Böttiger, 1) Karl Auguft, Archäolog, geb. Frankreich u. Italien, erhielt mehrmals von der
8. Juni 1760 in Reichenbach im Boigtlande; ſtu⸗ Schwedifhen Afademie einen Preis als Dichter; er
dirte in Leipzig Philologie, wurde dann Hausleh- ſchr.: Ungdoms minnen fran sängens stunder,
rer in Dresden, 1784 Rector in Guben, 1790 Upſ. 1830, 3. W., 1834; Nyare sänger, 1833;
Director des Gymnafiums in Bauten und 1791)Lyriska stykken, 1837 f., 2 ®be.; Religiösa‘
durch Herders BVermittelung Conſiſtorialrath und|sänger, Upf. 18415 Foglarn, 1852 zc., u. außer
Director des Gymnaſiums ın Weimar, Bon nun dem verſchiedene Dentichriften u. Abhandlungen,
an begann feine fruchtbare literariiche Thätigfeit, | meift in der Händlingar der Schwed. Akademie,
die ſich zuletzt der Archäologie zumwandte. 1804 ſo iiber Tegner, Kellgren, Stagnelius. Auswahl,
ging er als Studiendirector der Furfürftl. Pagen deuiſch überjegt, Stodh. 1847; Samlade skrifter,
ntitenfammlungen, Lpz. 1808; '
alerei, ebd. 1811; Kunft-
eb. 15. Mai 1807 in Weiters,
732 Bottniſcher Meerbujen — Boucher.
Stodh. u. Orebro 1856—69, biöher 4 Bde.;|demie; er ft. in Paris 27. Juli 1762. B. nimmt
Eſaias Tegner, deutih von Wilten, Berl. 1848. unter den gleichzeitigen Vildhauern den erſten
Bottnilder Meerbufen, Theil der Oſtſee Play ein u. übte auf feine Kumftgenoffen den groß-
zwiſchen Schweden u. Ruffifch- Finnland, nördl. ven|ten Einfing aus. Werte: Die Reiterftatue Yud-
den Älands -Inſeln. An feinen Ufern zerfirent lie- wigs XV., welche 1792 zerftört wurde; Amor,
gen eine Menge Heiner Inſeln, ſowie auch viele|der fi) aus der Keule des Hercules einen Bogen
Klippen (Scheeren, ſchwed. Stären), welche die ſchnitzt; eine Eopie des Barberiniſchen Faun be—
Schifffahrt unſicher machen. Tiefe 20—50 Faden; findet ſich in der Glyptothek in München; die Fon-
Länge: 668 km; Breite: zwiſchen 150 u. 240 km. |taine de Grenelle. Er zeichnete auch zu Trait« des
Ihm fließen die Gewäſſer aus dem größten Theil] pierres gravdes von Mariette, Par. 1750, u. zur
Schwedens von N. nad ©. (Raneh, Luled, Piteh, | Anatomie nöcessaire à l’art du dessin, v. Huguit,
Sildut, Umed, Indals, Angerman, eg u. Par. 1741, werthvolle Platten. Regner.*
WFinnlands (Kumo, Uleh, Jjojoli, Kemijoi, TZor-]| Bouchardy, Joſ., franz. Theaterdichter, geb.
neh u. a.) zu. Sein Wafier ift nicht ſehr ſalzig im März 1810 zu Paris; war erft Kupferjtecher,
u. friert faft jährlich zu. Der ſildl. Theil heißt widmete fi dann dem Theater u. gab 1836 im
auch Botten-Hafvet, der nördl. Botten-Bilen, der|Berein mit Eug. Deligny das Baudeville Le fils
Theil von den Älands-Inſeln wett. Mands-Haf,|du bravo- u. :Hermann Firrogne heraus, denen
ver öſtl. Ofter-Sjön, der engfte Theil des ganzen
Buſeus Guarten-Gtraße.
Bottiwar (Botwar), 1) Flüßchen im wlrttem-
bergiihen Nedarkreife; fällt bei Steinheim in bie
Mur. 2) Groß⸗B., Stadt im Oberamte
Marbad am vor.; Schloß; Ader u. Weinbau;
2217 Ew. 8) Klein-B., Pfarrborf dabei; guter
Bein; 770 Ew.; in der Nähe die alten Schlöffer
Lichtenberg u. Schaubed.
Botuſchan (Botufhani), Stadt; ſ. Botoſchan.
Botaris, ſ. Bozzaris.
Bötzberg, Berg des Jura im Schweizerkauton
Aargau (Mons Vocetius), 648 m hoch; an der
SSeite Weingelände, an der NSeite Wald und
Wieſen. Hier Niederlage der Helvetier durch ſind Efject- u. Speciatelftüde.
Über den Berglihm Bühnengewandtheit, die geſchickte Anlage jei-
Alienus Gäcina, 79 n. Chr.
führte eine römifche Heerftraße, 1780 wurde eine|ner Stüde u. die Schlichtheit des Dialogs.
neue Straße hinüber geführt; ‚feit Auguft 1875
bald eine große Menge anderer Schaujpiele für
die Theater de la Porte-Saint-Martin, de la
Gaite u. de l’Ambigu folgten: Gaspardo le
tcheur, 1837 (wird nod heute gegeben);
ngue-Epee le Normand, 1837; Le sonneur .
de Saint- Paul, 1838; Christophe le Suedois,
1839; Lazare le Pätre, 1840; Päris le Bohe-
mien, 1842; Les enfants trouves, 1843; Les
orphelines d’Anvers, 1844; La s&ur du mu-
letier, 1845; Bertram le matelot, 1847; La
eroix de Saint-Jacques, 1850; Jean le cocher,
1852; Le secret des cavaliers, 1857; Mica2]
V’esclave, 1859; Philidor, 1869; L’'armurier de
Santiago, 1868. B⸗s Stücke, bei. feine erjten,
Dean. rühmt an
lchert.
Bouche (fr.), I) Mund; B. elose, d. i. ger
iſt eine Eiſenbahn (Bösbergbahn) eröffnet, durch ſchloſſener Mund, reinen Mund gehalten. 2) Ge
welche eine directe Verbindung zwiſchen Zürich u. |jchmad; daher bomne bouche, angenehmer Nady-
Baſel hergeftellt ift.
geihmad. .
Bosheim, Johannes von, auch Abfte-| Boucher, Frangois, franz. Malern. Kupfer
mins, aus einer elſäſſiſchen Adelsfamilie; Doms-|ftecher, geb. 29. Sept. 1703 in Paris, geft. ebenda
herr in Konftanz, Freund des Erasmus, zuerft
Beförderer, fpäter Gegner der Reformation; ft.
1535 zu Freiburg im Br. Biogr. von Walchner,
san 1836.
öhig, der gebraunte Gipsabgang bei Gali-
nen; er enthält außer Gips noch Zohlenfauren
Kalf u. Eifenoryd.
Boucanier (fr.), amerilanifher Raubjäger;
j. Flibuftier.
Bouc 6missaire (fr.,
Sühnbod.
Bouchain, Städtchen im Arr. Baleuciennes
des franz. Dep. Nord, an der Schelde, Station
der NBahn, Feſtung 4. Ranges; kann water
Waſſer gefegt werden; WNübenzuderjabrikation,
Färberei, Gerberei; Hafen; 1607 Ew. — 2. foll
von Pipin gegründet worden fein u. gehörte
nachher zu den Spanijchen Niederlanden; 1676
eroberten e3 die Franzoſen, behielten es im Nim-
mweger Frieden, verloren es 1711 an die Alliirten
im GSpanifhen Erbfolgekriege, eroberten es
aber 1712 wieder u. haben es ſeitdem behalten.
Bouchardon, Edme, franz. Bildhauer, geb.
29. Mai 1698 in Ehaumont; bildete fich unter dem
jüngeren Coufton, dann in Italien nady den An-
Sittengeſch.), ſo v. w.
80. Mai 1770. Zuerſt Schüler von Le Moine,
fand er bei diefem die Überlieferungen des Ru—
bens, verließ Le Moine aber bad, um beim
Stecher Cars dem Alteren zu arbeiten, wobei er
auch nad Watteau ſtach. Geine-Heife nah Fta-
lien (1725) brachte ihm feinen Gewinn, denn er
war nicht im Stande, die großen Dleifter zu
verftehen. Heimgelehrt, bewegte er fi in ben
Kreiſen von ‚Finanzleuten u. Damen des Theaters,
Ihrem Einfluffe verdanfte er bald einen gläuzen-
den Namen u. 1754 fogar feine Aufnahme im
die Atademie. Nach Vanloos Tode (1765) mard
er zum Dialer des Königs ernannt. Man nannte
B. den Maler der Grazien; aber feine Grazien
waren manierirt, wie Grimm jagt, der feine
Bilder als für die Jugend überaus gefährlich be-
zeichnet. B. führte ſelbſt ein jo ausichweifendes
Veben, daß er an dem Folgen farb, Bei fei-
nen Lebzeiten ward er von Baron Grimm, Di-
derot, Watelet u. fpäter von Reynolds jehr ver-
ſchieden beurtheilt; aber fielt man fih einmal
auf feinen Standpunkt, jo kann man ihm gleid-
wol Anmuth nicht abſprechen; feine Compofitionen
find voll Leben und trefilihd angeoronet, wenn
auch nicht ohne Affectation. Seine Madonnen
tilen, ward Mitglied u. Profeſſor der Franz. Aka-⸗u. Heilige freilich find nichts als Nymphen und
. Besucher de Erevecveur de Perthes — Boudin. 733
Schäferinnen. Die Zahl feiner Zeichnungen geht| Entdedungen B-8 überzeugt hatten, brach auch das
an 10,000; Bilber von ıhm finden fich im Lonpre| Eis in der Parijer Alademie. B. ft. 5. Aug.
u. in vielen englischen Galerien. Nach ihm ftahen|1868. Seine übrigen zahlreihen Schriften beile-
die erfien frauzöſiſchen u. fremder Künftler, auch triſtiſchen Juhaltes, Dramen u. Reifebeichreibungen
Deme. Pompadour. Er felber ſtach auch, aber nur
in ſtizzenhafter Weife, dagegen find jeine Radir-
ungen von Werth. 2) Alerandre zen Bio-
finvirtuofe, geb. 11. April 1770 in Paris, fpielte
ſchon als Kind mit
erwarb fih u. den €
Zanzböden den täglichen Unterhalt.
Orcheſter des Theaters Feydeau angeftellt, ging er
1796 nach Spanien, wo er in der Kapelle Karls IV.
1. Soloipieler wurde. Deffenungeachtet kehrte er
1806 nad Frankreich zurüd. Er verheirathete
fih in Paris mit der Harfenjpielerin Céleſte Gal-
Igot. Im Bereine mit ihr gab er num Concerte,
bereifte zu diefem Bwede 1821 faft ganz Europa,
wendete fich 1831 wieder. nad Spanien, lebte ſpä⸗
ter in Orleans, zulegt wieder in Paris, wo er
27. Dec. 1861 ftarb. Die hohe techniſche Fyertig-
keit, welhe an. B. bewundert wurde, hatte ihn
leider von der einfach⸗edlen Behandlung des Spiels
n. der Mufit abgezogen, ein Umftand, der auch in
feinen beiden Biolinconcerten zu erkennen if. B.
hatte eine frappante —— mit Napoleon IL
1) Stegnet. 2) Kürſchner.
Boucher de Erevecoeur be Perthes,
Jacques, einer der bedentenditen Forſcher für
die Urgeichichte des Menfchengeichlechtes, geb.
10. Sept. 1788 zu Rethel. Nach ausgedehnten
diplomatischen Reiſen unter Napoleon ließ er fid)
nad deffen Sturze in Abbeville nieder u. lebte
ganz den Studien. Schon 1826 trat er der Au—
fiht Cuviers entgegen, daß menſchl. Reſte oder
Zeugniffe menjchl. Gewerbfleißes nur in Alluvial-
fchichten gefunden würden. Als B. in den Gru—
ben von Aobevilfe eine größere Anzahl künftlicher
Steingebilde, Steinmeffer, ſowie uralte Werkzeuge
aus Knochen auffand, wurde feine Entdedung mit
allgemeinem Unglauben aufgenommen. Trotzdem
jete er feine Forſchungen unansgejegt fort umd
dehnte fie auf andere Departements aus. (Er
benugte die Reichthümer feiner ausgezeichneten
Sammlung zur Abjafjung des erften Bandes fei-
nes großen Werkes: Antiquites celtiques et
find von geringerem Werthe.
Bouches du Ahöne, Departement in Frank⸗
reich, fo v. w, Rhönemündimgen.
Bouchet, Fred. Jules, franz. Architelt, geb.
roßem Gejchide Violine u. 1799 im Paris; machte antiquarische Neifen in
einen mit Muficiren auf Italien, lebte dann als Architeft in Paris, wo er
Später im|die Bauten des Bibliothefgebäudes u. die Arbeiten
des Kaiferdentmals im Dome der Juvaliden Teir
tete; er fl. 22. "jan. 1260. B. gab heraus bie
Kupferwerfe: Maison du po&te tragique à Pom-
päi, Par.. 1828; Pompei (Darftellung von Ge-
äuden), 1842; La ville de Pline, 1850; Le
forum et la basiligue de Fano, 1853.
Doueicault, Dion, engliſcher Dramatiker,
geb. 26. Dec. 1822 in Dublin; ſtudirte in Lons
don, wurde aber dann Schauſpieler u. trat zu-
erft auf dem Eoventgardentheater, 1853—60; in
den Bereinigten Staaten von NAmerika u. dann
wieder in England auf. Unter feinen zahlreichen
Theaterftüden find das Luſtſpiel London Assurance
(1841) das erfte u. The Corsican Brothers und
Janet Pride die befiebteften; unter die neueren
gehören das Schaufpiel Colleen Bawn (1860) u.
das Drama The Octoroon (1861); er ſchr. auch
den Zert zu der von Benedict componirten Oper
The Lily of Killasney (die Roſe von Erin).
Boucle (fr.), Schnalle; Lode; daher bou-
cliren, kräuſeln.
Bouderie (fr.), das Schmollen; daher Bou-»
deur, Durrfopf, Daulaushänger.
Boudet, Jean, Graf, franz. Divifions-
general, geb.-19. Febr. 1769 in Bordeaur; trat
1785 in Militärdienfte, machte. ald Hauptmann
den Vendeekrieg mit, entriß den Engländern 1794
Guadeloupe u. wurde Brigade» u. 1796 Divifions-
general; er kehrte 1798 nad) Frankreich zurüd,
zeichnete ſich mit feiner Divifion unter Berthier
in Italien ans, kämpfte ſeit 1801 auf S. Do»
mingo u. jeit 1804 in Deutjchland, erhielt 1807
den Örafentitelu. nahm ruhmpollen Antheil an der
Schladt von Aſpern; er fl. 14. Sept. 1809, «
Bondieca (Boudicea, Boadicea), Gemahlin
antediluviennes, dag mit 1600 Abbild. für alle|des Prajutagus, Königs der Icener in Britannien,
Zeiten die wichtigfte "Duelle des Studiums der
Urgeſchichte bleiben wird, obgleid die zur Prif-
ung des Werkes von der Parifer Afademie ernannte
im 1. Jahrh. n. Ehr. Da die Römer nad ihres
Gatten Tode ihre Töchter entehrt, fie ſelbſt miß-
handelt u. ihr Volk beraubt hatten, erregte fie 62
Eommiffion (Cordier, Dufresnoy, Elie de Beau-In. Chr. einen Aufruhr u. drang nah Vernichtung
mont, Jomard u. Raoul Rochette) ſich ablehnend
verhielt. Brongniart war der Erfte, welcher die
Entdedungen mwirdigte, doch ftarb er bald darauf.
Nigollot, einer der heitigften Gegner Bes, be»
fehrte fih 1854 zu deſſen — u. ſchr. in
dieſem Sinne eine Abhandlung über Feuerſtein—
einer römifchen Legion bis Londinium vor. Darauf
von Suetonius Tranquillus, dem römischen Feld»
bern in Britaunien, befiegt, nahm fie Gift, um
nicht in die Hände der Römer zu fallen.
Bondin, J. Ch. Marc, franz. Arzt u. ande .
gezeichneter Gtatiftifer, Sohn eines franz. Offie
inftrumente zc.; aber die Pariſer Alademie ſchwieg, ziers, geb. um 1803. Nachdem er in Frankreich
während zahlreihe ausländishe Akademien fih|u. Deutfhland fludirt, machte er 1823 als ärztl.
beeilten, den unermüdlichen Foriher unter ihre | Prakticant den Feldzug nad Spanien mit, 1828
Ehrenmitglieder aufzunehmen. Der 2. Bd. feinerjals Unterarzt die Erpedition nach Morea; warb
Antiquites celtiques erjhien 1857, aber audy|ipäter Oberarzt des Militärjpitals in Algier, dann
diefer fonnte die VBorurtheile der franz. Gelehrtenjin Zoulon, hierauf in Berjailles, zulegt in Paris
nicht überwinden, u. erft nachdem 1859 zahfreiche|(Höpital militaire du Roule); war in dem tal.
englifhe Gelehrte an Ortu. Stelle fich ſelbſt von Feldzuge 1859 erft Oberarzt des 2, Armeecorps,
der Echtheit der Funde uw; der Wichtigkeit derizulegt des Reftes der gejanmten Erpeditiondarmee,
734 Boudoir — Boufflers.
In Algier brachte B. mit großem Erfolge den Boufarick, Stadt im algeriſchen Dep. Algier,
Arfenif gegen die bartnädigen Wechſelfieber in 68 m ii.d.M., an der Metidicha, Station der Eiſenb.
Er überzeugte fi dort aber auch, von Algier (35 km vou da), in entfumpfter Ge»
daß Algier zur Eolonifation für Mittel-Europäer gend ıı. anf vorzüglibem Boden; lanbwirthicaftt.
feines Klimas megen nit tauge, u. hatte den Schule; Effenzenfabrit; michtiger Markt, Birh-
Muth, den berrichenden Wünfchen entgegen, dieſes handel; 2588 Ew. B. wurde 1836 von Mar-
offen auszuſprechen. Ebenſo lieferte er den Nach- ſchall Elauzel gegründet.
weiß von der das gemöhnliche Maß weit über] Bonffe, Marie, bedeittender franz. Schau—
. fteigenden Sterblichfett unser den Truppen auch ſpieler, geb. 4. Sept. 1800 in Paris; war erfi
im Frieden, u, zeigte, wie man diefes furdhtbare
Mißverhältniß in verfchiedenen Heeren jcheinbar
herabdrüdt dur Entlaffung der Siehgemwordenen
oder bereits dem Tode Verfallenen aus den Trup-
penliften. Praftiihe Wahrnehmung u. ftatiftiiche
Forſchungen führten ihn zu der Erkenntniß, daß
die Nechimatifationstbeorie unbaltbar fei, indem
der menjchliche Körper, je länger derjelbe einem
ſchädlichen Einfluffe ausgefegt ift, um defto bin«
fälliger wird. 8. fl 1865 zu Paris, Bon feinen
zahlreichen Schriften nennen wir vor allen:
Traitö de geographie et de statistique médi-
cales, Baris 1857, 2 Bde.;dann Statistiquedel'etat
sanitaire ef de la mertalit& des armées de
Bijoutier, ging dann zur Bühne u. machte auf dem
Panorame dramatique feinen erften tbeatraliichen
Berſuch, worauf er zum Theätre des Nouveautss,
1831 zum Dram. Gymnase u. 1844 zum The-
ätre des Varietes übertrat. Später lebte B.
zurüdgezogen vom Theater u. »jpielte ımr ans
nahmsmeije noch einige Mal, doch immer mit dem
alten Beifall. Er fi, im October 1858. B. war der
Liebling der Parifer, eine Zeit lang der Stol;
feiner Nation; jede feiner Charakterrollen, ob
ernft oder komiſch, trug deh Stempel der Boll.
fohmenbeit u. war das Refultat tiefften Stu—
diums. Bon der Natur in feinen äußeren An-
lagen eher wernachläffigt, als begünftigt, Danfır
terre et de mer, considerdes dans des condi-|B. nädft feinem glücküchen, richtig empfindenden
tions varices de temps et de lieux, d’äge, de|Auffaffungspermögen feine Triumphe baupriählic
race et de nationalite, memoire qui a vbtenu le[feinem Fleiße u. jeiner Energie.
prix d’hygiene publigue, Paris 1846; Histoire
statistique de la colonisation et de la population
en Algerie, Paris 1853; Traite des fiövres
intermittentes, r@mittentes et continues des
» pays chauds et des contröes mardcageuses, suivi
de recherches sur l’emploi therapeutique des
preparations arsenicales, Paris 1842; Systeme
des ambulances des armées fransaise et
anglaise, Paris 1865; Rösumd des dispositions
legales et reglömentaires qui prösident aux
operations medicales du reerutement, Paris
1854; Du non-cosmopolitisme des races hu-
maines, Paris 1860; Etudes ethnologiques sur
la taille et le poids de I’homme chez divers
peuples et sur l’accroissement de la taille et de
Vaptitude militaire en France, Paris 1863. Kolb.
Bondoir (fr.), 1) eigentih Schmollwintel,
2) Kleines, bef. elegant ausgeftattetes Cabinet
zum Alleinfein, oder zum Empfange intimer Be:
fannter, bef. für Damen,
Bondry, Bezirtsſtadt im ſchweizer Kanton
Neuenburg,.am Jura, an der Reuſe, unmeit des
Neuenburger » Sees, Eijenbahnftation; Weinbau
(Boudry, vortrefflichen Rothwein), Bienenzucht,
Getreidebau, Viehzucht; 1700 Em. Geburtsort
Marats; in dem nahen Weiler Trois-Rods ein
umfangreihe Tropffteinhöhle.
ond, Ami, berühmter Geognoft, geb. 16. März
1794 zu Hamburg; ftudirte im Senf, Paris,
Edinburgh u. Berlin, bereifte Mittel- u. S@uropa,
lebte lange in ‘Paris als Präfident der Geolog.
Geſellſch. Später in Wien als Mitglied der Alademie.
Er ſchrieb u. a.: Essai geol. sur l’Ecosse, Bar,
1820; Geognoft. Gemälde von Deutichland, her-
ausg. von Yeonhard, Frankf. 1829; La Turquie
de l’Europe, Par. 1840, 4 Bde., u. zahlr. geol.
Auffäge in den verſchiedenſten Zeitichriften u.
Alademieberichten.
Bouet⸗Willaumez, Louis Edouard, Graf,
franzöſiſcher Admiral, ’ Billaumez.
‚Zu feinen Haupt:
rollen werden beſonders Once Baptifte m. der
Gamin von Paris gezählt. Lirichner.
. Boufflers (Bouflers), 1) Louis Framgcis,
Herzogv. B., franz. Fyeldderr, geb. 10. Jan. 16%
nahın früh Kriegsdienften. zeichnete fich umter Gone,
Crequi, Zurenne, Yurembourg u. Catinat aus,
wurde 1677 Generallieutenant u. commandtrte
1681 eine Heine Armee in Ftalien; 1693 Mar—
ſchall geworben, vertheibigte er 1695 Namur ge
en Wilhelm von Oranien und fchloß mit dem
Grafen von Portland 1697 den Ryswijcker Frie-
den; er erbielt 1702 den Sberbeiehl über das,
franzöfiicde Heer in den Niederlanden gegen Mari-
borough, vertheidigte 1708 Pille gegen Prinz
Eugen, ward Pair u. Herzog, ftellte fi 1709
freiwillig unter dem jüngeren Billars u. befebfigte
bei Malplaquet den ——— el; er ſt. 20. Aug.
1711 in Fontainebleau. %) Soteph Marie,
Herzog v. B., des Bor. Sohn, geb. 1706; erbielt
an der Stelle feines verftorbenen Bruders das
Gouvernenient Flandern, zeichnete ſich als Gene-
ralmajor beim Rückzuge von Prag, als General.
lieutenant bei Fontenoi u. Dettingen aus, unter
filitste 1746 die Genueſer gegen die Öfterreicher
u. ft. einige eg dem Ritdzuge der Letsteren,
2. Juli 1747, in Öenua. 3) Stauislaus, Mar-
quis de B., Maltejer Ritter, geb. 1737 in Lune-
ville; wurde Militär, machte einen Feldzug im
—— mit, wurde wegen eines Liedes auf
darie Antoinette als. Gouverneur nach Senegam-
bien geſchickt, das er ſehr gut verwaltete; dann
beſchäftigte er ſich mit der Literatur, trat 1789 in
die Nationalvderfammlung , emigrirte 1792 nad
Berlin, wo er fi die Gunft des Prinzen Heinrich
von Preußen erwarb, kehrte 1800 E Paris
urid u. wurde 1804 Mitglied der Afademie; er ft.
—* 18. Jan. 1815. Seine Werke (geſammel
in 2 Bbn., Bar. 1818) befteben aus zahlreichen
anmutbhigen, aber oft frivolen Ehanfons, Fabeln
u. Erzählungen, die fid> heute nicht mehr der-
735
felben Beliebtheit erfreuen, wie früher. B-3]fäden oder zufammengerolite Stücke alter Leinwand
Mutter war die bekannte Marquife B. (Marteioder Fflafterftreifen in geihmolzenes Wachs taucht
Françoiſe Catherine, geb. de Beauvau-Craon), und fie nach dem Erkalten des Wachſes rolle und
eine jehr geiſtreiche Frau, welche am Hofe des glättet; 3) Buttaperha-B-8, namentlich für didere
Königs "Stanislaug fehr beliebt war u. 1787 in;Kaliber (durch Eintauchen in heiges Waffer fan
Paris ftarb, 3) Boldert,” mau fie ermweichen, um fie in verengte Stellen
Bougainville, 1) vulcaniihe Inſel des. Sa- ſchonend einzuführen; nah dem Erkalten werden
fomons-Ardipels im Auftral-Ocean; die Küfte ift|fie wieder hart u. nehmen ihre uriprüngliche Ge»
ftart bewaldet, das Innere, beſ. der ſüdl. Theil, |ftalt wieder an); 4) yirniß-B-3, beftehen aus
ebiygig, ‚mit über 3000 m hohen Bergen. |Seiden- oder Baummollengemwebe, das mit einer
3 ) Straße ebendaf., im Salomons-Archipel, zwischen | Kautjchuf- oder Firnißlöſung durchtränkt oder über»
den Inſeln B. u. Choijeul, durch viele Klippen zogen if. Die fogenannten franzöfifhen (die
gefährlich. ſchlechtere Sorte) find fhwarz, weich u. fehr bieg-
Bougainville, Louis Antoine de, be-/jam, die fogenannten engtifchen (die beſſere Sorte)
rühmter franz. Seefahrer, geb, 11. Nov. 172Y|lichtbraun, härter u, "viel dauerhafter, aber auch
in Paris; war Barlamentsadvocat in Paris, dannviel theurer. Durch diefe Arten von B. erzielt
Soldat, ging 1754 als Adjutant Cheners in eineriman eine Ermeiterung eines verengten Kanals
Miſſion nah London, 1756 als Aojutant des (z. B. der männlichen Harnröhre), indem man
Marquis von Montcalm nah Canada; von hierjmit einem dünneren B. anfangend nad) u, nad zu
fehrte er 1759 mad Frankreich zurüd, machte dideren übergeht. Außerdem gehören noch hierhin
1761 den Krieg in Deutſchland mit u. trat nach die ſogenannten Darmfaiten-B., aus den im Handel
dem Frieden in die Marine, unternahm aber 1766 |vortommenden Schafdarmfaiten durch Glätten mit
von St. Malo aus eine Reife um die Welt, von) Bimsſtein u. Beftreichen mit OL dargeftellt. Diefe
Bougainville — Bouguer.
der er März 1769 zurückkehrte, diente 1779 als
Contreadmiral im Nordamerik. Kriege u. wurde
1780 Generalmajor der Landarmee. Er zog ih
beim Ausbruche der franz. Revolution ins Pri—
vatleben zurüd u. ft. 31. Aug. 1811. Geine
Reiſe um die Welt erſchien in Paris 1771 f.,
2 Bde., n. A., 1861, deutſch Lpz. 1783.
Bougercau, Adolf William, franz. Hi-
ftorienmaler, geb. 30. Nov. 1825 zu Rocelle ;
war von 1843 bis 1850 Schüler der Ecole des
Beaux-Arts in Paris u. Picots, erhielt für fein
Bid: Zenobia an den Ufern des Arares, den
großen römischen Preis, kehrte 1850 von Rom
zurüd, fhmicdte viele Barifer Palais mit Bildern,
ftellte 1855 den Triumph der Märtyrerod, die Über-
führung der Leiche der heil. Cäcilia in die Kata—
fomben aus, nun Eigenthum des Staates, malte
un aus dem Leben des bi. Ludwig in der
ubwigsfapelle der Kirche Sainte-Elotilde und
wurde namentlih durch die mitteld der Pitho-
graphie verbreitete Gompofition: Triumph der
enus (1856) im weiteiten Kreifen befannt. B.
firebt insbefondere in der Darftellung nadter my-
thologifher Geftalten oder idealer Figuren, welche
allgemein menjhlihe Beziehungen - veranihau-
lichen, nad ftilvoller Breite u. Höhe der Form,
fowie nad rhythmiſcher Unordnung, ohne indeß
"auf eine gewiſſe Üppigfeit des Körpers u. ein
zwar tiefes, aber doch lebhaftes Colorit zu ver-
zihten. Im Ganzen leidet B. noch an der feelen-
lojen Geziertheit des Alademiſchen, obwol ihm
Naturanlage, Stilgefühl u. eine gewifje Kenntuiß
a find. Reguet.
wendet man beſonders dann an, wenn die Ver—
engerungen ſehr hochgradige find, da fie durch
Aufſaugen von Waſſer faſt um das Doppelte ihrer
Dicke anſchwellen u. dadurch die verengten Stellen
fo erweitern, daß fie das Einführen anderer Bes,
das vor ihr Anwendung nicht möglih war, ge»
ſtatten. Hauptiählich werden die B-s angewandt
zur Erweiterung der Speijeröhre, des Maſtdarmes,
vorzüglich aber der männlichen Harnröbre, wenn
einer dieſer Theile durch chronische Entzündungen,
durch Narbenbildungen nad Geſchwüren oder Ver«
fegungen oder durch Neubildungen verengert iſt.
Durch Beitreihen der Bes mit Salben, die einen
reizenden oder ätenden Stoff enthalten, hat man
in der neueren Zeit bef. chroniſche Entzlindungen
der Harnröhre (veralteten Tripper, Nadıtripper)
mit Erfolg zu behandeln verſucht. Armirte Bes
find ſolche, die an einer Stelle mit einem kleinen
Stüd Höllenftein verjehen find u, beſonders zum
Üsen dienen. Berns.
Bongie, Stadt, f. u. Bugia.
Bongival, Dorf unweit der Seine, weft.
von Paris u. nördl. von Verſailles; dabei Höhle
mit mehreren Nebenzweigen - von pittorestem
Geftein,. welche von den Parifern bef. des Sonn-
tags bejucht wird. ‚
Bougrams (Bugrams), Gemebe aus Leinen:
garn u. Hanf zu Unterfuttern; in England, Frant«
reih u. Deutſchland verfertigt.
Bougre (fr.), Schimpfwort, fo v. wie Bube
(ehem. Keber).
Bouguer, Pierre, namhafter franz. Mathe-
matifer u. Phyſiker, geb. 16. Febr. 1698 in
nicht
Bonsie (Cereolus, Chir.) cylindrifche, loniſche Croiſic in der Bretagne; ftudirte im SJefuiten-
oder geluöpfte Stäbe von verfchiedener Dide und |collegium zu Bannes, ging 1735—42 mit Godin
Länge; werden in Offnungen oder Kanäleu. Condamine nah Peru, um einen Meridiangrad
des menfhlihen Körpers eingeführt, theils um|zu meſſen, machte Beobachtungen u. Berfuche über
eine Vereugerung derjelben zu verhindern, theild!die Ausdehnung der Metalle duch Wärme, über
um eine ſchon befteheude allmählich wieder zu er-|die Intenſität des Yichtes (wodurch er die Photo-
weitern. Dieje B«3 werden aus den verichiedenften | metrie begründete), die Geſetze von der Abuahme der
Stoffendargefiellt. Man unterſcheidet: 1) MetallrB-8, | Dichtigkeit der Luft bei verjchiedenen Höhen, ver-
aus Blei- od. aus Zinncompofition; 2) Wachs, B⸗s, ſuchte die, Attraction des Chimboraffo, ſoweit fie
dargeftellt, indem man zufammengedrehte Charpier/fih im der Ablenkung des Lothes bemerklich
736
madt,.zu meſſen, erfand das Heliometer u. einen ſchule.
Windmeffer. Er ft. 15. Aug. 1758 zu Paris,
B. ſchr.: Theorie de la figure de la terre, Par.
1740; Essai d’optique, ebd. 1729; De la na-
ture des vaisseaux, ebd. 1727; Methode d’ob-
server sur mer la hauteur des astres, ebd.
1729; Maniere d’observer en mer la declinai-
son de la boussole, ebd. 1731; Traite d’optique
sur la gradation de la lumiere, berausg. von
Lacaille, 1760; Entretiens sur Ja cause de l'in-
elinaison des erbites des planttes, ebd. 1748;
Traite Je navigation, 1753, 3. Aufl, 1792,. von
de la Lande. ESpecht.*
Bonilhet, Louis, franz. Dichter, geb. 1824 zu
Cany (im Dep. Seine Jnferieure); ftudirte Medicin
in Rouen, gab aber daun Privatunterricht, um
feiner Neigung für die Boefie ungeftört nachgehen
zu können; 1854 309 er nad) Paris, kehrte 1868
nah Rouen zurüd u. ft. dort als Biliothelar der
Stadt 15. Aug. 1869. Man hat von ihm: Me-
loenis, conte romain, 1856, ein langes Gedicht
über die Zeit des Gommodus; Les Fossiles, eine
Reihe von Scenen aus der vorfintfluthlichen
Natur; eine Gedichtiammlung Astragales, festons
et poesies, 1859; außerdem mehrere Dramen
in Berfen: Madame de Montarey, 1856; Helene
Peyron, 1858; L’Onele Million, ein Luſtſpiel,
1861; Dolores, 1862; La conjuration d’Amboise,
1866, das von allen jeinen Dramen die meifte An-
erfennumg gefunden hat. Fauſtine ift das einzige
Stüd, das er in Proja abgefaßt hat. Boldert.
Bouille, Frangois Claude Amonr, Mar-
quis de, franz. General, geb. 19. Nov. 1739
auf Schloß Cluzel in der Anvergne; trat jung in
franz. Militärdienfte, machte als Hauptmann den
Siebenjährigen Krieg mit, wurde Oberſt, 1768
Gouverneur von Guadeloupe u. dann General
gouverneur von Martinique u. Ste. Lucie; er
zeichnete fi in dem Kriege 1778—82 gegen die
Engländer ans, nahm Dominique, Tabago,
St. Euftache, Seba, St. Martin, St. Chriſtoph,
Newis ꝛc. u. wurde Generallieutenant. Als Gou—
verneur von Lothringen ſtillte er 1790 die Mili—
tär-Aufftände zu Metz u. Nancy. Er wurde dann
auserjeben, die Flucht Ludwigs XVI. aus Paris
Bouilhet — Bonillon de Grange.
Werke: Histoire de la philosophie car-
tesienne, Par. u. yon 1854, 2 Bde,, eine Er»
meiterung der 1843 eridhienenen gekrönten Breis-
fhrift: Histoire et eritique de la revolution
eartesienne; De l'unit# pensante et de principe
vital, 1858; Du prineipe vital et 24 Täme
examen des diverses doctrines
speciales et psychologiques, ebd. 1862; Du
plaisir et de la douleur, ebd. 1865. Aus dem
Deutfchen überfegte er Kants Religion innerbalb
der Grenzen der bloßen Vernunft u. Fichtes Au-
weilung zum feligen Yeben.
Bouillon (fe3, eigentlich jede kochende Flüffig-
teit, bei. aber die Fleiſchbrühe (ſ. d.).
Bonillon, Stadt im Arrond. St. Hubert der
belgiihen Prov. Luremburg, an der Semoy, in
einer tiefen Schlucht der Ardennen; Tuch- und
Wollenzeugweberei; 2765 Ew.; bas fefte Schloß
auf einem fteilen Felſen, mitten in umliegenden
Bergen, it Stammbaus der berühmten Familie
diefes Namens. — B. war anfangs eine Herr-
Ihaft in der Grafſchaft Nieder-Vothringen. da,
Tochter Gottfrieds des Bärtigen v. B. u. Gemahlin
des Grafen Euftach IL. von Boulogne vererbte es
auf ihren Sohn Gottfried (ſ. d.) v. B., und als
diefer Herzog von Nieder-Fothringen ward, erhielt
B.den Namen eines Herzogthums. Als Gottfried
1097 nad Paläftina 309, verpfändete er ®. an
das Hochſtift Lüttich, u. von Lüttich Fam es 1433
an die Grafen von der Mark; doch gab es Karl V.
1529, nachdem er Robert von der Mark vertrieben
hatte, an das Hochftife Lüttich zurück, welches die
Schutzherrſchaften an die Dynaſten von der Mark
ertheilte (ſ. u. Sedan). Als Friedrich Moritz von
La Tour d'Auvergne Sedan 1642 an Frankreich ab»
trat, blieb B. bei der Familie, warb 1793 aber mit
Frankreich vereinigt. Die Familie ftarb 1802
aus, u. ihre Hechte gingen auf die Nohan-Gue-
mende über, 1815 wurde das Herzogtbum B.
von Frankreich an die Niederlande abgetreten u.
vom Wiener Gongreß 1816 dem Fürften von
Roban-Guemende umter niederländ. Oberhoheit
zuerfannt ; diefer verkaufte e8 1821 an die Rie-
derlande. Es gehörte jeitdem zu Yuremburg, fiel
mit diefem 1830 ab u. verblieb 1837, bei bem
pensante ou
(19. Juni 1791) zu leiten u. zu deden; doch da|definitiven Arrangement der Niederlande mit Bel-
der König bei Barennes gefangen wurde u. B.|gien, dem letteren Staate.
ihn mit un Dragdnerregiment Royal Allemand| Bonillon, 1) Gottfried von B., f. Gott
von Stenay aus befreien wollte, erhielt er vom|fried. 2) Robert von der Markt, Marjchall
König Befehl zum Rückmarſch, u. fonnte, von feinen |v. B., ſ. Mark (Grafen’ von).
Truppen verlaffen, feloft mur noch mit Mühe nah| Bonillon de Grange, Edme Jean Bap-
Luremburg entlommien. Bon derNationalvderfamms|tifte, franz. Pharmacent u. Chemifer, geb. 12.
lung zum Tode vernribeilt, ging er nad, Kolberg|juli 1764 in Paris; war hier Profetfor. der
u. zur Eonferenz nad) Pillnis; trat dann in ſchwe⸗ Chemie u. Director der Ecole de Pharmacie,
diſche Dienfte u. focht feit 1792 unter den Trup- ſowie Mitglied der Akademie der Medicin u. ber
pen Condés, z0g fi) aber 1793 nad London zu⸗ Bharmacentifchen Geſellſchaft; ftarb daſelbſt 24.
rück u. fi. bier 14. Nov. 1800. Er jchr.: M&-|Auguft 1844. Er war Mitherausgeber der An-
moires sur la revolution frangaise, engl., Lond. nales de chimie n. des Journal de pharmacie,
1797, deutfch, Hamb. 1798, frz., Par.1801, 2 Bde. |in melden Zeitfchriften ſich zahlreiche Auffäge
Bouilli (fr.), gefochtes Fleiſch. chemiſchen u. pharmaceutifchen Inhaltes vorfinden,
Bouillier, Francisque, franz. Philoſoph, Von ſeinen ſelbſtändig erſchienenen Schriften ſeien
geb. 12. Juli 1813 zu Won; ſtudirte in Paris, erwähnt: Manuel d'un cours de chimie, 3 Bde.,
wurde 1837 Profeſſor der Philofophie in Orleans, | Bar. 1799, 6. Aufl., 1812; Manuel de pharma-
1839 in yon, 1856 Präfident der Afademie daricie, ebd. 1803; L'art de composer facilement et
jelbit, 1866 Mitglied des Nathes für öffentliche à peu de frais des liquews de table, des eaux
Erziehung u. 1867 Director der höheren Normal-Ide senteur etc., 3, A., Par. 1825.
737
Bouillontafeln — Boulay.
Bonillontafeln, |. u. Fleiſchbrühe. > Bict. Hugo herab, mit dem er eng befreundet
Bouilly, Jean Nicolas, franz. Theaterdih- war. Zur Erreichung feines Ziels ſchien ihm
ter, geb. 1763 in Coudraye bei Tours; war Ad-|vor Allem ein kräftiges Colorit geeignet; wenig
vocat beim Parlament in Paris, verließ diefe Stelle, |aber kümmerte ihn die Reinheit u. Sicherheit der
als das Parlament nad) Troyes kam, ward in feiner | Zeichnung, ſowie der Rhythmus der Compofition.
Baterftadt als Adminiftrator u. fpäter als Richter Sein Vortrag ift ſtark u. paftos. Sein erftes der-
angeftellt u, trat jpäter wieder in den Privatftand;|artiges Werk war: Mazeppa aufs Pferd gebim-
er ft. 14. April 1842 zu Paris. B. machte fich
um die Einführung der Primärſchulen in Franf-
reich verdient. Er dichtete die Luftipiele u. Ope-
retten: Pierre le Grand (Mufit von Gretry);
L’abb& de l’epee, deutſch von Kogebue, Lpz. 1800;
Madame de
1809; Une folie, dentjch von Griesheim, Magdeb.
1806; Les deux peres, deutſch von TH. Hell, Lpz.
1808; das Vaudeville: Fanchon, 1803, deutſch
den, nach Byron; dann folgten Ungfüdsfcenen aus
verjchiedenen Dichtern. Hierauf tracdhtete er eine
Weile dem ſtrengen Stu der Älteren Italiener
nachzugehen; fo in feinem: Triumph des Petrarca.
Dann fehrte er aber bald in feine eigentliche
un:
—— deutſch von Iffland, Berl. Heimath, das Spuk⸗ u. Zauberland der alten ro—
mantiſchen Zeit, zurück; ſo in der: Sabbathrunde,
nach Bict. Hugo, u. in der: Träumerei der Belleda,
nah Chateaubriand. Auch Weiber malte er.
von Kogebue, Lpz. 1805, u.a. Für die Jugend 2) Guſtave Rodolphe Elarence, franz. Hiito-
Ihrieb er feine weitverbreiteten, oft aufgelegten:
Contes oflerts aux enfants de France, Par. 1844,
2 Bbe., u.: Contes ü ma fille, ebd. 1809, 1843,
oft in Deutſchland herausgegeben u. ins Deutiche
überfegt; Conseils a ma fille, 1844; Les jeunes
femmes, deutſch, Lpz. 1829, 2 Bde.; Contes po-
pulaires, 1830; Causerie d'un vieillard, 1843.
B. hat eine anmuthige u. fruchtbare Phantafie
u. einen corvecten, lebendigen Stil; doch ift er
nicht immer frei von Geziertheit u. Beitichmeifig-
keit. Bon feinen Werten find die für das Bolt u.die
ba beftimmten am meiften gefchägt. Boldert.*
onin, 1) Inſel im Arr. Les⸗Sables des
franz. Dep. Bendee, an der Bai von Noirmutier,
nahe der Küfte WFrankreichs; urfprünglich ein
Kalkfelfen, hat es fih durch Burildtreten des
Meeres zu 55,0, [km vergrößert; von vier Ka-
nälen (darumter Grandchamp) von O. nah W.
durchſchnitten; Salz, Getreide, Vieh; lebhafte
Schifffahrt u. Aufternfifcherei; 2900 Ew. 2) Martt-
fleden darauf; Salzbereitung; Viehhandel; 2850 €,
Bonlainvilliers, Henri, Graf von, franzöf.
Geſchichtſchreiber, geb. 11. Oct. 1658 zu St. Saire;
befchäftigte ſich viel mit der Geſchichte des franz.
Adels, dem Islam u. geheimen Wiffenfchaften;
er fi. 23. Jan. 1722. B. jhr.: La vie et l’esprit
de Spinoza, Amfterd. 1719; Essai de metaphy-
sique dans les prineipes de Spinoza, Britff. 1731
u.ö.; La vie de Mahomet, Amſterd. 1730; Hist.
des Arabes,e6d.1731; Mömoire pour la noblesse
de France, contre les Ducs et Pairs, ebd. 1732;
Hist. de l’ancien gouvernement de France, Haag
1727, 3 Bde; Abrégé chronol. de l’hist. de
France, ebd. 1733, 3 Bde.; Hist. de la pairie
de France et du parlament de Paris, Fond.
1753, 2 Bde,
_Bonlanger, 1) Louis, franz. Hiftorienmaler,
Sohn franzöf. Eltern, geb. 11. März 1806 zu
Bercelli in Piemont; Schüler Guillon-Fethiers u.
Ad. Deverias; fl. 7. März 1867. 8. nahm
feinen Ausgang aus der claſſiſchen Schule, ded)
ging er ſchon um die Mitte der zwanziger Jahre
ins Lager der jungen Romantifer über, zu deren
Führern er um 1830 zählte, u. firebte, wie fie,
nach ungewöhnlichen, frappanten u. erjchütternden
Wirkungen, die er durch bewegte Darftellung eines
leidenſchaftlichen oder unheilſchweren Jnbaltes zu
erreichen ſuchte. So entnahm er feine Stoffe am
liebften den neueren Dichtern, von Shafeipeare
Vierers Univerfal:Eonverjations:? eriton. 6. Aufl.
rıenmaler, geb. 25. April 1824 zu Paris; war
Schiller Delaroches u. Jollivets u. bildete ſich in
Rom meiter. Er behandelt vorwiegend antile
Stoffe, daneben and jolhe aus dem Orient. Be-
fanntefte Bilder: Cäſar am Rubicon; Yucretia;
Lesbia; Hercules und Omphäle; Weiter in der
Sahara. Regnet.
Boulangerit, die bereits beim Blei erwähnte
Berbindung von Schwefelblei mit Schwefelantimon
3PbS+Sb,S,; befigt ſchwachen feidenartigen Me⸗
tallglanz, bleigraue Farbe u. lommt im fajerigen
u. jtengeligen Aggregaten bei Wolfsberg am Harz,
bei Sczibram in Böhmen u. a. a. O. nidt gerade
häufig vor.
Bonlay, 1) jo v. Boldhen. 2) Dorf, 10 km
nördl. von Orleans. Hier Schladht am 11. Oct.
1870: General von der Tann drängt die franz.
Armee (General de la Motterouge) gegen Or—
leans zurüd.
Boulay de la Meurihe, 1) Antoine
Jacques Claude Joſeph, Graf, franzöf.
Staatsmann, geb. 19. Febr. 1761 zu Chau-
moufey bei Epinal, Sohn eines Bauers; ftudirte
die Hechte, wurde 1783 Advocat in Nancy, nahm
mit Eifer die Bartei der Revolution, machte 1792
einen Feldzug an der Sambre mit, wurde 1794,
nad Berfolgungen unter Robespierre, Präfident
des Civiltribunals und öffentliber Ankläger zu
Nancy u. 1797 Mitglied des Mathes der Fünf
hundert; hier wurde er der Hauptführer der jog.
Eonftitutionellen Partei, wirkte fiir die Ummälz-
ung am 18. Fructidor u. 18. Brumaire. Er ſchr. zu
Gunſten der leteren: Essai sur les causes qui
1649 amenerent en Angleterre l'etablissement
de la republique, u. wurde Präfident der legis-
fativen Section im Staatsrathe, wo er an der
Abfafjung des Code eivil großen Antheil Hatte.
1801 erhielt er die Leitung der Angelegenheit der
Nationalgüter, trat aber 1810 in den Staatsrath
zurüd, wurde 1813 zum Grafen erhoben u. in
den Regentichaftsrath gewählt u. drang vor der
Einnahme von Paris 1814, wiewol vergebens,
auf das BVerbleiben der Kaiferin mit dem König
von Rom im der Hauptitadt. Bei Rückkehr der
Bourbonen zog er fih zurüd; während der Hun—
dert Tage war er Mitglied des Minifteriums, er-
ichien in der Kammer und ſprach eifrig für die
Anerkennung Napoloons II. als Kaiſer, ward
deshalb erilirt u. dann in Nancy arretirt u, von
iIL. Baub.
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#4
738
den Kuflen nad Saarlouis gebracht, von wo er
nah Halberftadt u. dann nah Frankfurt a. M.
Boulbon — Boulogne.
Seine Erfindung bat in der Gegenwart mit dem
wieder auftaudenden Rococogeihmade ernenerte
Schroot
ging; doch kehrte er 1819 nad Frankreich zurück. Aufnahme gefunden.
Er ft. 4. Febr. 1840. B. ſchr.: Tableau des
regnes de Charles H. et JaequesII,, Brüff. 1818
a 1822; Bourrienne et ses erreurs, Bar. 1830,
2Bde., deurfch, Ypz. 1830, 2 Be. 2) Henri, franz.
Staatsmann, Sohn desBor.,geb. 15. Juli 1797 zu
Paris; ſtud. Die Rechte u. war, obgleich er 1830 ſich
als Gegner der Bourbonen zeigte, doch auch fein
Verehrer der meuen Dymaftie, daher er in der
Kamıner, wo er 1837—39 für die Meurtbe u. feit
1842 für die Bogejen faß, zur Pinten gebörte, aber
an der Reformagitation wenig theilnahm. 1848
in die Nationalverfammlung gewählt, hielt er ſich
zu den gemäßigten Republitauern, wurde im Jan.
1849 zum Bicepräftdenten der Republik gemäblt
und zugleih Präſident des Staatsrathes; aus
beiden Stellungen ſchied er bei der Veränderung
der Berfaffung durch den Staatäftreih von 1851.
Er it. 24. Nov. 1858 zu Paris,
Boulbon, Graf Raouffet de, amerilan.
Abenteurer, geb. um 1810 in Avignon; diente
erft m Algerien, ging bierauf nah Californien,
ſammelte bier eine Schaar Goldfuchher und Aben-
teurer um fih u. 309 1852 mit ihnen nach So—
nora, um die Goldminen von Arizona auszu—
beuten, vergrößerte darauf fein Corps auf 500
Dann, rüdte nach Arispe u. proclamirte Sonora
zur Republit, wurde aber bereit? am 4. Januar
1853 bei Hermofillo von den mericanifchen Re-
gierungstruppen zur Capitulation genötbigt. Nach
Boullee, Aime Augufte, franz. Gejchicht-
ichreiber, geb. 4. Nov. 1795 zu Bourg im Dep.
Ain; findirte die Hechte, wurde Gerichtsbeamter
u. Staatsanwalt, aber durd die Julirenointion
1830 bejfeitigt, woranf er fich in Lyon u. feit 1850
in Baris jchriftftellertichen Arbeiten widmete.
Er ſchr.: Histoire de la vie et des ouvrages du
chevalier d’Aguesseau, !yon u. Par., n. Aufl.,
1849; Histoire de France pendant la dern.
annde de la Restauration, ebd. 1839; Histoire
complete des Etats generaux et autres asserm-
blees ete., ebd. 1845; Biographies eontempe-
raines, ebd. 1863; Vie de Demosthene, ebd.
1867, u. m. a., fowie mehrere Aufläge in Zeit-
Schriften. Die Akademie ehrte ihn für feine gründ-
lichen Leiſtungen durch ihre Anerkennung.
Boulliau, Jsmael, franz. Mathematiter ır.
Aftronom, geb. 28. Sept. 1605 zu Loudun; ftir
dirte erft Jurisprudenz, dann Theologie u. jchließ-
ih Mathematik und Aftronomie, machte große
Neifen, ließ fihb dann in Paris nieder, wo er
25. Nov. 1694 ftarb. Er beftimnte die Berioden
des Lichtwechiels von O im Walfiſche gemaner,
beobachtete verfchiedene Kometen und Finſterniſſe
u. veröffentlichte einige mathem. Schriften: Spethr.
Bonlogne, 1) B.-fur-Mer, Hauptitadt des
gleichnam. Arr. im franz. Dep. Pas de Valais,
am Ausfluffe der Liane ın den Canal, Station
der Nordbahn; Feſtung 2. Wanges, auf deren
wieder erhaltener Freiheit begab er fich zurid|Wällen man Englands Küften fiebt; theilt fich in
nah Californien und unternahm im April 1854|die Ober- u. Unterftabt; in der bübfchen Ober-
mit einer Scaar von 500 Mann einen neuen ſtadt 2 öffentliche Pläge mit a Handels«
Einfall in Sonora, wurde aber 13. Inli von gericht; alte Kathedrale; biſchöflicher u. Juſtiz-
den mericamıfhen Truppen gefchlagen, gefangen) Palaft; Schifffahrtsſchule; üöffentlihe Bibliothet;
u. im Auguft deff. Jahres hingerichtet.
Boule (fr.), Kugel.
Bonle, ſ. u. Boule.
Boulenger, Jules Ekfar, f. Bulengerus.
Boulevard (fr.), 1) Bollwerk, Wall. 2) Straße
auf dem Walle oder auf der Stelle, wo Wall u.
Graben ehemals befindlich waren, angelegt; be-
fonders in Paris, fo der B. des Italiens, wo die
feine Welt promenirt, u. B. du Temple, wo die
fleinen, von den Bewohnern der Borftädte be-
fuchten Theater find; daher Betheater, jo viel
wie Boltstheater.
Bonleverfement (fr.), Umſturz, Zerftörung.
Bouline (fr.), ein zum Spannen der Gegel
dienendes Tau; daber bonliniren, 1) feit«
wärts jegeln; 2) figürlich: hintergehen, betrligen,
berauben.
Boulle (Boufe), Andre Charles, berühmter
Kunfttiichler, geb. 11. Nov. 1642 zu Paris; er-
lernte das Tifchlerhandwert, verlegte ſich aber bei.
auf Kunftfahen, indem er mit farbigen auslän-
diihen Holzarten, Metall und Schildpatt feine
Möbel und alleryand Geräthe auslegte, melde
ihönes Hoipital; Handelsfammer; Gefellichaften
für Künfte, Wiffenfchaften, Handel und Aderbau;
Fabrifen für Segeltuh, Taue, Stahlfedern, Ces
ment, Seife, Fayence- u. Töpferwaaren, ——
Gießereien, Leinenſpinnereien, Salzraffinerien;
Schiffswerſte; 2 Meſſen; bedeutende Fiſcherei (auf
Häringe) u. Handel; Seebad u. in der Näbe ija-
laͤniſches Stablwafler; dabei Monument zum Au»
denfen des großen Lagers 1803—1805 (eine 51
m hohe Säule in Form der Trajanslänle); der
Hafen ift von Napoleon vergrößert u. verbeflert
u. bat lebhaften Verkehr mit England, Hauptver-
bindungspunft zwiichen Paris und London (Folk
ftone , Überfahrt bei günftiger Witterung in 2
Stunden); 39,700 Ew., darumter jehr viele Eng-
länder; die Unterftabt, Sig des Handels u. der
Gewerbe, bat halb engl, Anſtrich. — B. bie zur
Römerzeit Gejoriacum oder Gefforiacımn u. war
ein Hafenplag im Morinerlande, von wo aus man
gewöhnlich nach Britannien überfuhr. Unter Kaijer
Conſtantinus befam es den Namen Bononia (auf
Münzen auch B. oceanensis), feit der Karoliugerzeit
Bolonia. B. gehörte früher zu Ponthieu; im
nad ibm Meubles de B. genannt wurden und! 9. Jahrh. ward es Grafichaft (Comitatus bono-
große Verbreitung fanden. Ludwig XIV. errich- niensis, Boulonois), begrenzt von Ponthieu, Ar-
tete für ihn ein Atelier im Louvre u. ermannte/tois u. dem Meere. 965 bemächtigte fib Graf
ihn zum Oberauſſeher des Mobiliars der Kron- | Wilhelm von Flandern B«8, das dann durch Erb-
fammer. Nah feinem Zode, 19. Febr. 1732, ſchaft nach einander an die Häufer Bouillon,
jegten feine 4 Söhne die väterlichen Arbeiten fort. /Blois, Dammartin, Balois, Braganga, Brabant,
Boulogne — Bouquet.
Auvergne, Berri u. Burgund fam. Nah dem
Tode des Herzogs Karl des Kühnen 1477 nahm
Ludwig XI. Marien von Burgund B. u. verband
es mit der Krone. In der Stabt B. murbe.1264
das Bononienfishe Concil gehalten, wo die eng-
liſchen Barone, weil fie fich nicht mit ihrem Kö—
nig Heinrich III. ausjöhnen wollten, in den Bann
— wurden. 1544 eroberten die Engländer
.‚ gaben es aber im Frieden 1550 an Frank⸗
reich zurüd. 1559 wurde das Bisthum von Te-
rouaue nah B. verlegt. 1801 murde B. zmei-
mal ı. 1803 noch einmal, wiewol vergeblich,
von engliihen Schiffen beichofien. Bon B. aus
find die wmeiften franzöf. Kriegsunternehmuugen
gegen England ausgegangen; die legte unter Na-
poleon 1803—1805 follte ebenfalls bier beginnen;
es mard daher ein zahlreiches Corps im Yager
von B. verfammelt u. auf eigens erbauten Schiffen
im Ein- u. Ausihiffen geübt. Der neu begin-
nende Krieg mit DOfterreih unterbrach das Umer⸗
nehmen. Am 6. Auguft 1840 murde in B. die
mißlungene Erpedition Louis Napoleons unter
nommen. 2) Flecken im Arr. St, Denis des
franz. Dep. Seine, rechts an der Seine, weitlich
von Paris, Station der WBahn; Laudhäuſer;
Leinwandbleihen; 18,965 Em.; liegt am Eingange
des Gehölzes von B. (Bois de B.), welches mit jchor
nen Bartanlagen u. fünftlihen Seen, einem Zoo—⸗
logiihen und Wcclimatifationsgarten, Hippedrom
u.mehrerenBillen, Kaffehäufern u. Reftanratioreu
verjehen u. der Ort der meiften Duelle u. Ziel—
punft der Spazierritte und ⸗Fahrten der Parifer
Herren u. Damen ifl. Bei der Belagerung von
Paris 1870/71 wurde es ſtark bejchädigt.
Boulogne, Etienne Antoine, franz. Theo-
739
blühen als eine der erften Szabrifftädte der Welt
u. die Maſchinenkunde eine große Anzahl von Er»
findungen u. Berbefferungen. Bgl. Biographie
von Smiles, Lond. 1865. '
Boumann, Johannes, Architekt, geb. 1716
zu Amfterdam; murde 1732 nah Preußen be-
rufen, erbante in Potsdam das Berliner Thor,
die franzöfiiche Kirche, das Rathhaus u. die Häufer
der holläud. Colonie, dann in Berlin die Dom-
firhe, das Palais des Prinzen Heinrich (gegen«
wärtig Univerfitätsgebände, die Münze u. andere
Gebäude; er ft. 1776 als Oberbaudirector zu
Potsdam
Bounth. Gruppe von 13 Eilanden im Auftral-
Drean, öjtlih von Neu-Seeland, 1788 von Bligh
entdedt; ziemlich hoch, felfig u. waflerarm, da—
gegen jehr reih an Pelzrobben.
Bouquet (fr., Blume) nennt man den ange-
nehmen Geruch des feineren Weines, welder für
jede Sorte verichieden u. für manche geradezu ein
harakteriftiiches Kennzeichen if. Ohne Zweifel
wird es durch Rebſorten, Bodenbeichaffenbeit u.
Düngungsmeife erzeugt, wodurch gewiſſe, bei der
Gährung und Lagerung des Weines entftehende
Atherarten hervorgebracht werben, die aber in jo
geringer Menge fih bilden, daß ihre qualitative
u. quantitative Bejtimmung bis jetst moch richt
gelungen ift. Geringere Weine entbehren jedes
B⸗s, ebenſo mande ſonſt ſehr gejchägte Arten;
weitaus am ausgezeichnetſten iſt daſſelbe bei den
Phein- (d. h. Rheingauer) Weinen ans vorzügf.
Lagen u. guten Jahrgängen. Bei der Bildung diejer
Ütherarten find jedenfalls betbeiligt, außer dem
gewöhnlihen Alkohol, der Butyl- u. Propylalkohol,
welche nachweislich bei der Gährung ſich bilden,
10g, geb.26. Dec. 1747 zu Avignon; entwidelte früh |forwie die ſchon im Mofte enthaltenen Säuren
roßes Predigertalent; war beim Ausbruch derj(Weinfteinfäure, Traubenjänre, Apfelfäure) u. die
Sevolution Bıcar des Bischofs von Chalons, jpäter|bei der Gährung ſich bildenden (Eiftgfäure, Bern-
Cauonicus zu Berjailles, 1807 Caplan Napoleons I. |fteinfäure, Propionfäure u. Butterfäure, auch mol
u. 1808 Biſchof von Troyes; er wurde auf der
geiftlihen Synode vom Jahre 1811 zu einem der
4 Secretäre dur die Verſammlung ernannt, wo
er entſchieden gegen die Einjegung der Biſchöfe
durh die mweltlihde Gewalt ohne päpſtliche Be-
ftätigung fprah und mit zwei anderen Biſchöfen
beauftragt wurde, dem Kaifer die Adreſſe des
Concils zu überbringen; doch diejer ließ die Über—
bringer als Gefangene nah Bincennes bringen.
Nah der Reftauration befreit, wurde B. 1822
Erzbifchof u. 1823 Pair; er ft. 13. Mai 1825. B.
gebörte zu den vorzüglichiten Kanzelrednern Frank—
reihs. Werte: Paris 1826 f., 8 Bbe.; ſeine
Predigten deutih von Räß u. Weiß, Franff. 1830
bis 1836, 4 Bde.
Bonlogner Gehölz, f. u. Bonlogne 2).
Boulton, Matthew, berühmter engl. Tech-
nifer, geb. 3. Sept. 1728 zu Birmingham; üiber-
nahm nad) jeines Vaters Tode deſſen Stahlfabrif,
vergrößerte diejelbe durh Ankauf von Yand in
Soho, legte 1769 in Berbindung mit James
Watt eine Dampfmafchinenfabrif, jpäter eine
Münze, auf welcher Jahre fang der ganze Be-
darf Englands u. feiner Colonien an Kupfergeld
geprägt wurde, u. die Gießerei zu Emetwid an;
er ft. 17. Aug. 1809 zu Soho. Seiner Thätigfeit
verdankt die Stadt Birmingham ihr jchnelles Auf-
lſäure u. Palmitinfäure). Unter dem Namen
B. ftellt man jett Siitifgteiten dar, melde un—
echten, ſchlechten Weinen in Heiner Menge zu-
gejetst, denjelben den Geruch u. Geſchmad edier
Sorten geben ſollen. Gie find im MWejent-
lichen verſchieden zuſammengeſetzte Gemiſche der
oben erwähnten Ätherarten. Über ihren Werth
fagt Neubauer (Chemie des Weines, S. 97)-
„Alles, was die Kunjt zur Nachahmung der Wein»
blume bis jetzt geliefert bat, ift tro der befichen-
den Namen, wie: Perle des Weines, Mojel-B.
u. ſ. w., mit welchen diefe Präparate angeprieſen
werden, elendes Machwert. Unſer chemiſches
Wiſſen über das B. iſt äußerſt gering, und die
Wiſſenſchaft ſteht mit den ihr bis jetzt zu Gebote
ſtehenden Mitteln dieſen Geiſtern des Weines
machtlos gegenüber.“ detzer.
Bouquet, Don Martin, berühmter Hiſtoriker,
geb. 6. Aug. 1685 zu Amiens; trat jung in Sen
Benebictinerorden (1706), wurde Bibliothefa: in
der Abtei Saint-Germain»des- Preis, Nach den
Tode Lelongs wurde ihm die von Colbert 1676 an—
geregte Sammlung der franz. Geſchichtsquellen über
tragen (1721), u. er hatte jhon 1729 zwei Bände
drudfertig gemacht, Leider verzögerte ſich die Aus-
gabe durch eine Ordensmiffion, u. erſt 1738, nad»
dem er im Parifer Stlofter des Blanes-Manteaux
47*
740
dauernden Aufenthalt genommen, begann die Ber-
Öffentlihung der befannten: Rerum Gallicaram
et Francicarum scriptores, ou recueil des histo-
riens des Gaules et de la France par Dom M.B.
et autres religieux de St. Maur. Bis 1752 er
jchienen 8 Bände; während der Ausarbeitung des
neunten ftarb B., 6. April 1754. Die Arbeit
wurde von Benebictinern, jpäter von der Parifer
Alademie fortgefegt u. fieht bei dem 22. Bande.
B.war audhanÄrbeitendes Dom Bernard de Mont-
faucon beteiligt. Seine Vorarbeiten zu einer Aus
gabe des Flavius Joſephus bat er mit feltener Un-
eigennügigfeit an Havercamp abgetreten. Brambach.
Bourbali, Charles Denis Söter, franz.
General griechiſcher Abkunit, geb. 22, April 1816
zu Paris; trat nah Bollendung feiner mili—
tärifhen Ausbildung in der Schule von St. Eyr
1836 als linterlieutenant in das 59. Finieninfan-
terieregiment u, von da 1837 umter die Zuaven,
wo er bis 1838 diente. Zum Oberfieutenant im
1. Fremdenregiment ernannt, ftieg er um Juni
1842 zum Gapitän im Auavencorp auf. Er
wurde Major und Ordonnanzoffizier des Königs
Ludwig Philipp im Auguft 1846, Oberſtlieutenant
im Yan. 1850, zuerft in einem Vinienregiment u.
dann bei den Zuaven, Oberft im Dechr. 1851,
Brigadegeneral 14. Octbr. 1854 und Dipvifions-
general 12, Auguft 1847. DB. zeichnete ſich wäh-
rend des Krimkrieges (1855) namentlih im den
Schlachten an der Alma u. bei Inlerman und
dann beim Sturme auf Sebaftopol, fpeciell auf
den Malalow aus, An dem Feldzuge in Ftalien
Bourbafi — Bourbon.
riſchen Operationen gänzlich untanglich, was ihm fo
ſehr zu Herzen ging, daß er am 27. Jan. veriuchte,
ſich das Leben zu nehmen, was jedoch mißlang
Während jein noch 80,000 Maum ftarfes Heer
unter General Glinchant, der den Oberbefehl über-
nommen hatte, über die jchmeizer Grenze getrieben
murde, ſchwebte B. in Zodesgefahr, ward jedoch
nach längeren Leiden wieberbergeftellt. Bei der
Reorganijation der franzöf. Armee erhielt er im
Juli 1871 zuerft das Commando des 6. Armee⸗
corps, Später aber, bei der neuen Eintheilung der-
felben in 18 Armeecorps, gemäß des neuen Or-
gantifationsgefeges vom 24. Juli 1873, das Com-
manbdo des 14. Armeecorps, mit dem Hauptgmartier
in yon. B. gilt für einen unerſchütterlichen An-
bänger des gefallenen zweiten Kaijerreihes, was
er offen durd einen Anfang 1875 veröffentlichten
Brief, worin er die ihm angetragene Wahl im die
Nationalverfammlung ausſchlug, befundete, Bartlinz.
Bourbon, 1) B-Tancy (B. l’Ancien, bei den
Römern Aquae Nisineji, in der Revolution Bellc-
vue=-les-Bains), Stadt im Arr. Charolles dis
jvanz. Dep. Sadne-et-Foire, an der Borne, Ste—
tion der Lyoner Bahn; nach dem gallifchen Got:r
Borbon, vom dem man hier Statuen u, Juſchriften
fand, benannt; römijche Alterthümer; berübmte,
ſchon den Römern befannte, erdige Kochſalzthermen,
movon 7 unterfchieden werben, darunter La Lymbe
die —— (Temperatur: 41—48° R.):
3208 Em. 2) B.-V’ Arhambanlt, (während bei
erften Revolution u. auch nad 1848 Bourges-ties
Bains), Stadt im Arr. Moulins des frauz. Dep.
1859 nahm er gleichfalls hervorragenden Antheil. Allier, in einem tiefen Thal an der Barge, Station
Im Mai 1869 commandirte er das zweite Lager
von Chalons u. ward im Juni db, J. zum Flügel⸗
adjutanten des Kaifers ernannt. Beim Ausbruche
des Deutjch- Franzöſ. Krieges im Juli 1870 in«
terimiftiich mit dem Gommando ber Garde be—
traut, nahm er hervorragenden Antheil an den
Schladten um Meg (16. und 18. Auguft), ward
mit eingefchloffen u. leitete 31. Aug. u. 1. Sept.
die fruchtloſen Operationen des Durchbruches der
franz. Armee durch die deutichen Linien, Anfang
Oct. entfam er mit Hilfe eines in London leben«
den Franzoſen, Namens Negnier, aus Met, ging
unächſt zu der nah England geflüchteten Kaiſerin
genie u. dann nadı Tours, wo ihm die dort be-
findliche Delegation der Proviſoriſchen Regierung
den Befehl über die fogen. Nordarmee, mit dem
Hauptquartier zu Lille, aufdrang. B. legte das—
jelbe jedoch wegen Zwiftigleiten mit dem Kriegs-
minifter Gambetta bald wieder nieder, trat aber
Anfang Dec. an die Spitze der bei Befangon ger
bildeten 150,000 Mann ftarlen OArmee, welde
dazır beftimmt war, Velfort zu entfegen u. in das
Eljaß vorzndringen. Der glänzende u, geſchickte
Angriff des Generals Werder auf die feindliche
Flanke bei Billersjerel (9. Jan. 1871) und ber
heldenmüthige Widerftand von defjen Corps in der
Defenſiv-Schlacht an der Liſaine (15.—17. Yan.)
hießen den ganzen Plan Häglich jcheitern. Zum Rück—
zuge auf Ben gezwungen, verfolgt von bei
fiegreihen Deutſchen unter Werder u. einer frifch
anrüdenden Armee unter dem General Manteuffel,
fah er fein fchlecht verpflegtes ır. zudem noch von
ihm umgeichicdt geführtes Heer zu ferneren kriege—
der Drleansbahn; Ruine des alten Schlofies, des
Stammhaufes der Bourbonen; jchon den Römern
ald Aquae Bormonis befannte, berühmte Mineral.
quellen (zwei falte u. eine eiſeuhaltige Schmweiel-
therme von 48° R.); vortreffllihe Anftalten; jchöne
Promenade; Nägelfabrifation, Leinwand; großer
Biehhandel; 3724 Ew.; in der Nähe Fundort un-
echter Diamanten, 3) Son. w. B.-Bendee; ſ.
Rode-fur-Non, La. 4)(Reunion) Franz. Inſel
im Indiſchen Ocean, 1330 km öſtlich von Afrika;
2511, [km (45, UM); 1870 291,433 Em.,
darumter 754 Angeftellte, 1084 Soldaten, 70,059
indische Kuli. Die Fufel ift mit Hohen Bergen er-
füllt, hat Bulcane, wie den größten Krater auf der
Erde, den Piton des Neiges 3200 m, jet erlofchen,
u. den erft jeit 1785 thätigen, immer raudyenden
Piton de Fournaiſe; fie befteht größtentheils aus
wechſelnden Schichten von Bafalt, Tuff n. Lava,
von legterer eine große unfruchtbare Strede im
SD., das Grand pays brüls; fruchtbar find die
Küften bis Iandwärts an die mittleren Höhen. Sie
ift bewäſſert von reich fließenden, tief eingeichnit-
teen Gießbächen; der größte Fluß heißt Mat. Die
Inſel gehört zu den gefumdeften Orten der Erde;
Klima ſehr mild; allgemein berrichende Kranthei-
ten unbefannt; 2 Yahreszeiten: die des Negens
u. der Hige, von Novbr. bis Mai, u. die gemä—
Figte ohne Negen in den Übrigen Monaten, Die
Temperatur bewegt fid zwiſchen 12 u. 36° C.
Producte: Kartoffeln, Hülſenfrilchte, Zucer,
Maniof, Gewürznelten, Cacao, Zimmt, Kaffe u.
Tabaf, von Enropäern angepflanzt, ferner Eiien-
baum, Bananen, Palmen, Kampher, Ambra, grün
Bourbon,
1
her Honig, Schiſdkröten, Korallen, Fiſche zc.|Honorins war B. zum größten Theil zu Aquita-
N
Ungebaut 1870 80,499 ha, wovon 43,368 wit
Zuderrobr. Ausfuhr 1870 28,904,748, Ein-
fuhr 25,377,353 Fes., beiond, für Bieh aus Ma—
dagascar, das wegen Mangels an Weide fehlt, u.
fir Reis aus Bengalen u. Artikel der Induſtrie,
die es nicht gibt. Verwaltung: Gonverneur mit
einem gewählten Conſeil aus 30. Mitgliedern;
hoher Gerichtshof, 2 Gerichte 1. Inſtanz, 9 Frie-
densgerichte; Befagung, anfer 1084 Linienfoldaten,
mehrere Bataillone Nationalgarde; eingetheilt in
2 Arrond. (A. du Vent u, A. sous le Vent), mit
12 Gememden u. Kirchſpielen, welche in kirchlicher
Beziehung das Bisthum Saint-Denis bilden.
Unterridtsanftalten: 1 Lyceum, 3 geiftliche
Collöges u. 99 Schulen. 7 Zeitungen, darunter
2 illuſtrirte, erjcheinen auf der Inſel. Finanz-
inftitut: Bank von Reunion mit 3 Mil. Fes.
Capital. Straßen: eine ſchöne durch die Inſel u.
eine ſolche rund um dieſelbe. Die Bewegung der
Schifffahrt beträgt 582 Fahrzeuge jährlih. Häfen
fehlen, nur einige unſichere Rheden. Hauptſtadt:
St. Denis. Die Juſel ift bie Heimath Paruys,
Bertins, Delilles u. des gelehrten Mulatten Lisiet
Geoffroh. — Dieſe Inſel wurde 1605 von den
Portugiefen entdedt u. nad) ihrem Entdeder Mas-
carenhas (Mascaraigne) genannt; die Franzoſen,
welche fie 1649 bejegten, gaben ihr den Namen
B. Die 1654 bier etablirte Colonie fing bei. feit
dem Anbau des Kaffes und von Gewürzen im
18. Jahrh. am zu blühen, daher die franzöfijche
Regierung die Fufel, welche ſeit 1664 der Oſtin—
741
nia prima geſchlagen, der Reſt gehörte zu Yyon-
nais. Dann kam es an die WGothen u. von
diejen, nad) Chlodwigs Sieg über Alarih IL, 507
an die Franken u. machte wieder einen Theil von
Aquitanien aus; im 10. Jahrh. kam e8 unter die
unmittelbare Lehusbarkeit der Krone u. ward eine
der 3 Hauptbaronien des Reiches. Als Stamm-
vater der Herren (Sires) von B. (Altere Linie B.)
gilt Adhemar, Verwandter Karl Martells, weicher
diefe Herrichaft aus großen Gittern, welche jeine
Borfahren in Auvergne, Charolois u, Autunois
gehabt hatten, erlangte. Unter feinen Nachlont-
men nannte fi Arhambault I. zuerft mit dem
Namen B. Die Letzte des Geſchlechtes, Beatrir,
war vermählt mit Robert Grafen von Kiermont,
Sohn Yudwigs IX., mwodurh das Haus B. in
directe Verwandtſchaft mit deu Gapetingern trat
u. die Erben von B. den Titel als Grafen von
Elermont annahmen. Nah Beatrir’ Tode folgte
1310 ihr ältefter Sohn Ludwig I. der Lahnie,
wurde 1327 von Karl IV, zum Herzog von B.
ernannt und ftarb 1854. Seine Söhne bildeten
2 Linien, nämlih: a) Die ältere herzoglide
Linie, geftiftet von Peter I., Ludwigs Sohn,
welcher 1356 bei Poitiers fiel; fein Sohn Lud—
wig II, der Gute, war mit König Johann als
Geigel in England u, kehrte 1360 nah B. zuück;
er wurde nad Karls V. Tode (1380) einer ver
4 Vormünder Karls VL, unternahm 1390 eine
Erpedition gegen die afrilanischen Naubjtaaten,
erbte 1401 Beanjolais u. fl. 1410. Sein Sobn
digen Compagnie überlaſſen worden war, 1774| Johann I. wurde 1415 bei Azincourt von
wieder in Befig nahm. Während der Revolution
erhielt fie den Namen Reunion u. feit 1809 Bo-
naparte; 1810 nahm fie der Admiral Abercromby
fiir die Engländer in Beſitz; infolge des Pariſer
‚sriedens fan fie 1814 wieder an Frankreich und
erhielt ihren alten Namen B. wieder. Nach der
Februarrepolution 1848 wurde der Inſel wieder
den Engländern gefangen und ſtarb 1434 in der
Gefangenschaft; fein Sohn Karl I., ein Kriegs-
held, welcher die Befizabtretung eines Theils jei-
nes Landes zur Befreiung feines Baters verweis
gerte, war in die damalıge Affaire mit England
u. in die Berfhwörung gegen König Karl VIL
verwidelt umd fl. 1456. Da Johann II. der
der republitaniihe Name Isle de la Reunion bei- Gute, welcher 1450 die Engländer bei Formigny
gelegt. Da durch Decret der VBroviforifchen Re-
gierung die Siaverei im allen franz. Befigungen
ihlug, 1487 ohne Erben ftarb, fo folgte ihm jein
Bruder Karl IL, Erzbifchof von Laon. Wit die
aufgehoben war, jo machten die Negerfllaven auf ſem erlofch 1488 dieje Linie, u. das Herzogthum B,
B. (1847 106,308 an der Zahl) ım November
1849 einen Aufftand, durchzogen plündernd und
brennend die Inſel u. nahmen den Regierungs-
commiffar, Sor da Garriga, gefangen. infolge
der ftrengen abfolutiftijhen Regierung brach 2. Dec.
1868 eine Empörung der Bevöllerung aus, welche
durch die Negierungstruppen blutig unterbrüdt
wurde, Bgl. Bory de St. Vincent, Voyage aux
quatre iles d’Afrique, Par. 1804, 2 Bde.; Tho-
ınas, Essai statistique sur lile de B., ebd. 1828,
2Bde. Maillard, Notes sur l’ile de la Reunion,
ebd. 1863, 5) Eounty im nordamerik. Umonsftaate
Kanjas, unter 37° n. Br. u.94° w. %,; 15,076 E.;
Countyſitz: Fort Scott. 6) Commty im nordam.
Unionsftaate Kentudy, unter 38° m. Br. u. 84°
w. L.; 14,863 Ew.; Countyſitz: Paris.
Bourbon, franzöfiiche Landſchaft u. ehemalige
Provinz, welche jpäter Beurbonnois bieß u. von
Nivernois, Berry, Auvergne, Bourgogue begrenzt
war; war zur Römerzeit von den Aduern, Ar-
vernern u. Biturigern beſetzt; zu Erfteren kamen
zu Cäſars Zeit noch die Bojer. Unter Kaijer
fam an Peter Grafen von B.-Beaujolais, einer
von Ludwigs II. Nachlommen gegründeten Seiten-
linie. Er war vermählt mit Anna, Tochter des
Königs Ludwigs XL, u. während der Diinderjäh-
rigteit Karla VIII. einer der Reichsregenten. Da
er bei feinem Tode (1503) nur eine Tochter,
Sufanne, hinterließ, fo machte diefer der Conne-
table Karl von B. das Erbe ftreitig, aber durch
des Königs Ludwig XII. Vermittelung heiratheten
fi Beide, u. jo wurde der Eonnetable als Karl Ill.
Herzog von B. (ſ. Bourbon 1). Mit ihm erloſch
1527 das Herzogthum, nachdem dieje —
ſchon 1523 an die Krone gelommen waren. b) Die
jüngere berzoglide Yinie, B,-Bendöme,
zu weldyer alle jetzt noch beftehenden Zweige des
Haufes gehören, gründete Jacques, Graf de
la Marche (ft. 1362); fie ſpaltete ſich mir feinen
Nahlommen im 6. Grade mieder in das Fönigl.
Haus B., welhes mit Anton auf den Thron
von Navarra u. mit defien Sohy Heinrih IV.
1539 auf den von Frankreich gelangte. Mit Phi«
lipp von Anjou, jüngeren Entel Ludwigs XIV.,
742 Bourbon —
Borbonnais,
erlangte es aud den Thron von Spanien, mit rih \I!I. von England überzuiveten. Er ver—
deſſen zmweitem Sohne Philipp den von Parma,
trieb nun an der Spike der Kailerlichen -1524
mit.dem zweiten Sohne Karls TIL von Spanien, | Bonnivet aus Italien u. wollte nad Lyon ver-
Ferdinand IV. (1.), denjenigen beider Zitilien. dringen, um fo in die Nähe feiner Anhänger zu
Philipp, jüngerer Bruder Ludwigs XIV. pi ge u. ein eigenes Heer zu bilden, . mut Dem
veich, fliftete. das Haus Orleans, welches mit jeinem
er die ihm von Karl V, als Königreih zugejagten
5. Nachtommen Ludwig Philipp 1850 auf den! Provinzen Daupbine u. Provence behaupten fonnte;
franzöfiichen Thron fam, von welchem die ältere
Sinie B. zuerft mit Ludwig XVI. 1792 u. wieder
mit Karl X. 1830 vertrieben ward, welches aber
1848 das nämliche Schidfal erfitt, Karls X. Eutel
Heinrib, Graf von Chambord, betrachtet fih als
rechtmäßigen König von Frankreich unter dem Na-
men Heinrih V. Prätendent der Linie Orleans
auf den franzöfifhen Thron ift Ludwig Philipp,
Graf von Paris, Enlel König Ludwig Philipps,
erkannte jedoh 1873 nad langen Verhandlungen
ſcheinbar die Rechte Chambords an. Die franz.
Nationalverfammlung bob 8. Juni 1871 die Ber
bannungsdecrete gegen das Haus B. auf. In
Parma wurde das Haus B. 1859 mit dem min—
derjährigen Herzog Robert, in Neapel 1860 mit
Franz II. des Thrones verluftig u. dieſe Länder
mit dem Königreih Italien vereinigt. In Spa-
nien verlor es 1868 mit Jſabella IT. (der jeit
1833 regierenden Tochter König Ferdinands VII.)
den Thron, gewann ihn aber wieder Ende 1874
mit ihrem Sohne Alfons (f. d. 28) XII., während
Karl, der Enfel von Ferdinands VII. Bınder,
fih durch Bürgerkrieg die Krone zu erringen
iucht. Eine Nebenlinie des Haufes B., Conde,
durch Antons Bruder Ludwig gegründet, fpaltete
fih im 17. Jahrh. in die Linien Eonde u. Conti,
ron denen erftere 1830, letztere jhon 1814 aus—
farb. Näheres ſ. u. Franfreih, Spanien, Ita—
lien, Sicihien, Parma ꝛc. Bgl. Eoiffier-Demoret,
Hist. du Bourbonnais et des Bourbons, War.
1828, 2 Bde.; Duffieur, Genealogie de la mai-
son de Bourbon, ebd. 1869.
Bourbon, beionders merkwürdige Perſonuen
ans diejer Familie: 1) Karl, Herzog von B.,
gewöhnlihd der Connetable B. benannt, geb.
14. Febr. 1490, zweiter Sohn Gilberts von Bour-
ben, Bicelöntgs von Neapel. Er ward, da jein
älterer Bruder ftarb u. er feine Baje Sufaune,
weicher die Herzogthümer Bourbon, Auvergne ı.
Chatellerault von Ludwig XII. zugeſprochen wor-
den waren, heiratbete, der reihfte Mann in Frank⸗
reih. 1507 zeichnete er fi > Genua, 1509
gegen Benedig, 1512 gegen Spanien aus u. be-
bauptete 1514 Burgund gegen die Schweizer.
Er begleitete, 1515 zum Connetable ernannt, den
König nah Ftalien, erfocht den Sieg bei Ma—
rignano u, ward Gouberneur von Mailand. Hier
widerftand er mit geringen Kräften dem Kaifer
Marimiltan, ward aber auf Betrieb der Königin
Mutter, Lniſe von Savoyen, verw. Herzogin von
Angouleme, die ihn liebte, deren Hand er jedoch
nah dem Tode feiner Gemahlin ausihlug, von
feinem Gonvernement abberufen. Nach dem Tode
jeiner Kinder machte Luiſe ihm die Erbichaft fei-
ner Gemahlin ftreitig, u. das Parlament ſprach
dem Gonnetable die Grafichaft de la Marche ab,
welche Luiſe erhielt, u. ließ ihm nicht einmal jei-
nen Sold auszahlen. Hierdurch verlegt, ließ er
fid 1523 verleiten, zu Kaifer Karl V. u. Hein-
allein des Kaifers Befehl zwang ihn, nach War-
jeille zu gehen. Der Zug mißlang, u. Zranz L
fam gleichzeitig mit ben fih Zurüdziebenden in
Mailand an. Er jchlug 24. Febr, 1525 den K-
nig Franz bei Pavia, nahm ihn gefangen u. führte
ihn nah Madrid, um dort in feinem Fnterejie
zu wirlen; aber Karl V. ſchickte ihn in Die Yom-
barbei zurüd. Bei jeiner Freilaſſung (1526) wer-
ſprach zwar Franz I., dem Gonnetable alle Güter
zurüdzugeben, bielt aber nit Wort. B. war
daher bloß auf Mailand beichräntt, u, dies fand
er völlig ausgeplündert u. von einem ziägelloien
Heere befegt. Um das Berlangen des Heeres nad
Sold zu befriedigen, unternabm er 1527 einen Zug
gegen Rom, wo er 5. Diai eridhien, die Stadt
jtürmen ließ, dabei aber am folgenden Tage durch
eine Flintenkugel getödtetn. zu Bakta beerdigt wurde.
2) Karl von B., gen. der ältere Gardimal
B., geb. 22. Dec, 1520, Sohn Karla von Ben-
döme, Herzog von Vendöme, Gardinal, Erzbiicher
zu Rouen u. päpftlicher Yegat von Avignon; ward
auf Befehl Heinrichs III. zu Tours gefangen ge-
jet, weil man ihn nad der Ermordung des Her-
zogs von Guiſe fürdhtete. 1589, nach der Er-
mordung Heinrichs ILI., ward er vom Herzog von
Mayenne als Gegenlönig Heinrihs IV. unter dem
Namen Karl X. zum König proclamirt nm. vom
Parlament anerkannt; er jelbft wollte Die Krone
nicht annehmen, ward jedoeh aus Vorſicht ven
Heinrih IV. gefangen gehalten u. fl. 9. Mai 1590
zu ontenaisle-Comte. 3) Karl von B., nen.
der jüngere Cardinal ®. oder der Cardinal
von Bendöme, geb. 1562, Sohn Ludwigs von
B.⸗Condé; trat nach Heinrichs III. Tode an vie
Spige der Partei, welche Heinvih IV. nur, wenn
er der proteftantifchen Lehre entfagte, anerkennen
wollte, u. behauptete, ebenfalis ein näheres Necht
auf den Thron zu haben, als Heinrih IV.; er
ft. 30. Juli 1594. 4) Yudwig Marie von 8,
geb. 22. Mai 1777, Sohn des Infanten Louis,
des Bruders Karls III. von Spanien, Cardinal
u. Erzbiſchof von Toledo; trat nach Ferdinands VII.
Berbaftung zu Valençay an die Spige der Tors
tes u. verlor, weil er die Konftitution der Cotres
1814 dem König zur Unterjchrift vorgelegt batte,
fein Bisthum; nach der Reftauration 1820 wurde
er in den Staatsrarh berufen u. fi. 19, März1823,
Bourbonifdje Höfe, die aus dem Hauje Bour-
bon ſtammenden Regentenhäujer; es waren j. 3.
die Höfe von Franfreih, Spanien, Neapel (Sic
lien) u. Barma (j. Bourbon); fie waren durch den
a Arne ig (Bourboniihen Haus-
vertrag) 15. Aug. 1761 verbunden (j. Spanien,
Geih., u. Frankreich, Geſch.).
Bourbonnais, Landſchaft faft im Mittelpuntte
Hranfreihs, zwiſchen Bourgogne, Auvergne, Berry
u. Nivernois; bildete das Herzogtbum Bourbon;
war vor der Revolution eigenes Goupernement;
unifaßte 7890 ) km (143,, [M), deren Haupt-
Bourbonne-les-Bains — Bourée.
743
theil dermalen das Dep. Allier bildet, während|geln, Violons x. 2) Bei Mufifftüden der ſteté
andere anfehnfiche Theile dem Dep. Puy-le-Döme, den nämlichen Ton angebende Baf.
Heinere den Dep. Ereufe u. Eher zugetheilt find;
Hauptftadt: Moulins.
Bourbonne-led-Bains, Stadt im Arrond.
Langres des franzöfifhen Dep. Ober- Marne, an
der Apamce, Station der OBahn; 4274 Em,;
berübmte ſaliniſche Schwefelquellen von 40° bis
46° R., ſehr reich an feften Beftandtbeilen, vor:
züglich ſalzſaurem Kalk, Kochfalz, kohlenſaurem u.
ſchwefelſaurem Kalt; man benutt fie meiſt äußer-
ich, auch al8 Tropfbad u. Schlammbad; die be-
rübmtefte Quelle ift La fontaine chaude; großes
Militärhofpital; Fabrilen von Mützen u. feinen
Meffern, Gerberei; Ruine eines alten Caftell u.
einer römischen Wafferleitung.
Bourbon-Palme, j. Latania.
Bourbon-Bendee, ſ. Roce-fur-Non, 2a.
Bourboule, Dorf im Arrond. Elermont des
franz. Dep. Puy de Döme, an der Dorbogne;
allalifche Kochfalztherme (254° R.).
Bourbonrg (Bourbourg-Bille), Stabt im Arr.
Dünkirchen des franz. Dep. Nord, am gleihnami-
gen Kanal, Station der Norbbahn; Färberei,
rauerei, Fabriken von Seife, DI, chemiſchen Bro-
ducten, Rübenzuder, Leinwandbleichen, Gerberei,
Ziegelei; Handel mit Bieh, Butter, Getreide;
2574 Em. Bourbourg-Campagne, Gemeinde
mit 2493 Em,
Bourdaloue, Lonis, berühmter franzöfiicher
Kanzeirebner, geb. 20. Aug. 1632 in Bourges;
wurde Jeſuit u. Lehrer der Moral an der Ala-
demie zu Bourges u. 1668 an den Hof berufen,
mo er jeit 1670 die Advents- u. Faſtenpredigten
hielt. Nah Widerrufung des Edicts von Nantes
fandte ihn Ludwig XIV. 1686 nad Yanguedor,
um die Protefianten zur fatholiichen Lehre zu be-
fehren. Er bemies dabei eine jeltene Mäßigung.
In feinen legten Jahren widmete er fih der Krau—
ten«, Armen» u. Gejangenenpflege. Er ft. 13. Mai
1704. Als Kanzelredner wird er von Boifuet an
Pracht der Rede, von Maifillon an Tiefe u, In—
nigfeit übertroffen, fteht aber über ibnen im der
Klarheit der Darjtellung u. der logiſchen Kraft
feiner Beweiſe. In feiner Vaterftadt wurde ihm
ein Denkmal errichtet. Seine Werke geſammelt
von P. Bretonneau, Par. 1704, 14 Bde, Sein
Leben von Yabouderie, Par. 1825; St. Amand,
Bourges 1842. Löffler.”
Bourdelais, in jpäterer Zeit Bordelais; ſ. d.
Bourdigne, Charles de B., Priefter in An-
jeu; lebte ın der erften Hälfte des 16. Jabrhun-
derts; fchrieb: La legende de maistre Pierre
Falseu (franzöſiſcher Eulenfpiegel), Angers 1532,
Par. 1723.
Bonrdin, Maurice, aus Limouſin; wurde
Biſchof von Coimbra u. 1110 Erzbiichof von Braga;
vom Papfte Pascal II. zum Katjer Heinrich V. ge-
fendet, fam er mit dieſem bald in ſolches Einver—
ftändniß, daß ihn der Bapft ercommunicirte. 1118
ließ ihn Heinrih V. als Gregor VIII. zum Ge—
genpapft von Gelaſius II. wählen, aber er floh
Bourdon, Sebaftien, Maler u. Rupferftecher
eb. 1616 in Montpellier; lebte jeit feinem 14.
abre in Borbeaur, dann in Touloufe, ging pä-
ter nah Rom, mo er Bilder älterer Meifter co«
pirte, dann nach Paris, wo er die jetst im Louvre
befindliche Kreuzigung Petri fir die Kirche Notres
Dame malte, Beim Nusbruche des Bürgerkrieges
begab er fih nah Schweden, wurde unter der
Königin Chriftine erſter Hofmaler, kehrte nad
Paris zurid, als die Königin abdanfte, u. ft. 8.
Mai 1671 als Nector an der Malerafademie in
Paris. Er verfolgte die Richtung Pouffins, ar
beitete in allen Genres der Malerei u. war zu
feiner Zeit als Maler jehr geſchätzt, fo daß viele
feiner Gemälde in Kupfer geftochen wurden. Seine
Arbeiten find voll Feuer u. von bezaubernder Frei-
heit. Er ägte ſelbſt 120 Blätter nach eigenen Zeich—
mungen, unter denen die 7 Werte der Barnıber-
zigteit die befannteften find, Der tiichtige Yand-
ichafter Guillerot, Monier u, Friquet de Yaurofe .
find feine Schüler. 2) Franc. Louis B. de
’Dife, geb. um 1750 zu Remy, Sohn eines
Bauerd; war Parlamenisprocurator zu Paris,
dann Mitglied der Nationalverſammlung u. einer
der eifrigften Republitaner. Nach feiner Nüd-
fehr aus der Vendée änderte er fein Syitem,
trug diel zum Sturze Dantons, Heberts u. No-
bespierres bei, nahm Lebteren gefangen, wurde
dann Mitglied des Nathes der Fünfhundert u.
entfchiedener Gegner der Nepublilaner u. Genojie
der Royaliſten; jpäter vom Directorium 4. Sept.
1797 auf die Broferiptionslifte geſetzt, ward er
nad Cayenne verbannt, wo er in Sinnamary ftarb.
3) Leonard B. de fa Erosniere, geb. 17:%
in der Nähe von Orleans; war Director einer
Erziebungsanftalt in Paris, trat 1789 als befti-
ger Agitator der revolutionären Partei auf und
wußte feine Wahl zum Eonvent durchzuſetzen; als
Regierungscommiffar nad) Orleans geichidt, ver
fuhr er terroriftiih gegen die monarchiſch Gefinn-
ten u. ließ gegen die Ordre die unfchuldig Ber-
bafteten nach Berfailles abfübren, wo fie vom
Pöbel mit feinem Vorwiſſen niedergemegelt wur-
den. Im Convent gehörte er zu den Wüthenden,
u. wegen feiner erfolglofen Vertheidigung Vincents
u. Ronſins (1794) wurde er Robespierres Feind
u. hatte großen Antheil an den Ereigniſſen des
9. Thermidor, Am 1. April 1795 murde er als
Theilnehmer an der Jacobinifhen Verſchwörung
verhaftet, jedoch am 25. Oct. ammeftirt. Obgleich
in Berruf, wurde er doch in den Rath der yünf-
bundert gewählt u. von dem Directorium zur
Übermwadung der Emigranten nah Hamburg
gefhicdt. Von dort zurücdgelehrt, übernahm er
wieder die Feitung einer Elementarjhule Er ft.
1805 in Paris, 1) Regnet.*
Bonrdonnet (fr., Charpiewidel, Charpierolle,
Ehir.), geordnete Eharpiefäden, ‚zu Rollen von
verſchiedener Dide u. Yänge zufammengelegt, zur
weilen plattgedrüdt. Man legt fie zwiichen ‘Theile,
nad) Sutri, wurde an des Gelaſius Nachfolgerderen Berührung man verhüten will, 5. DB. zwi⸗
Ealirt II. ausgeliefert n. ft. 1122 im Gefängniß ſchen die Ränder einer eiternden Amputationg«
zu Fumone bei Alatri; f. u. Päpfte,
ourdon (fr.), 1) die tieffte Stimme bei Or-
wunde.
Bourde, Nicolas Proſper, franz. Diple-
744 Bourg — Bourges.
mat, geb. 1811 zu VBonlogne-fur-Der; trat 1836 mühle, Biegeleien; Holzbandel; 3591 Emw.; dabei
beim Minifterinm des Auswärtigen in den Staats- | bedeutende eo. Aufenthaltsort des tür
dienft, wurde 1840 Conſul zu Beirut, 1846 Ge⸗ kiſchen Prinzen Diem (1482).
neralconful, als welcher er bei der neuen Orga-| Bonrg de Peage, Stadt im Arr. Balence
nifatton der Libanonvöfter mitwirfte, wohnte 1851|de# franz. Dep. Dröme, links an der Iſere, Sta-
ale Gefchäftsträger in Marolfo der Beſchießung tion der Yyoner Bahn; Seidenraupenzuct, Seiden-
von Saleh bei, wurde 1852 Gefandter in China, ſpinnerei u, Seidenweberei, @erberei; 4920 (Em.
erhielt 1853 und 1854 Aufträge, die Türkei zu) Bonrgelat, Claudius, Begründer der Thier-
erforjchen, ging 1855 als Gejandter nach Teberan, heillunde in Frankreich, geb. 1712; war urſprünglich
wo er einen Handelsvertrag mit Perfien ſchloß, Juriſt, verließ dann diefe Laufbahn, weil er eınen
mußte 1859 mährend des talieniichen Krieges |von ihm felbft für ungeredht gehaltenen Proceß
die Stimmung in Deuticland auslundſchaften, gewonnen hatte, trat unter das Corps des Mous-
ſah als Gefandter in Griechenland (1860—63)|quetaires, zeichnete fi) bald als Reiter aus, fam
den Sturz des Königs Otto, wurde 1864 Ge-jals Reitlehrer an die Lyoner Alademie, fiudirte
ſandter in Portugal, wo er wieder einen Handeld-|nebenbei Medicin und gründete 1762 die erfte
vertrag zu Stande bradte, 1866 aber in Con-| Schule für Thierärzte in Frankreich, die ſich ba
ftantinopel, wo er den Sultan bewog, die Welt-leines europäiſchen Rufes erfrente. Der erſte Plan
ausftellung in Frankreich zu befuchen, u. 1868 einen|zur Errichtung einer ſolchen gebt eigentlich von
einen Bertrag bewirkte, der den Franzoſen basjtafoffe dem Füngeren aus, m. er verbanft feine
Recht verlieh, ın der Türkei Eigenthum zu erwerben. | Entjiehung höchſt wabricheinfih den anregenben
Dourg, I) Bourgsen-Breife, Hauptftadt des Ideen des deutihen Arztes Cothenius, General-
geichn. Arr. u. des franz. Dep. Ain, ander Reyſſouſe, ſtabsmedicus zu Berlin. B. wurde im J. 1768
Station der Linie Paris-Lyon-Mittelmeer; ſchöne zur Direction der neu errichteten fönigl. Beteri⸗
Hauptkirche u, die merhwürbige Brousfirche mit den närſchule zu Charenton bei Paris, die ſpäter nad
reihen Maufoleen des Hanjes Savoyen; Präfec- | Alfort verlegt wurde, berufen, zu deren Erricht⸗
tur, Gericht 1. Inſtanz; Lyceum, Normalichule,jumg wieder Lafofie den meiften Anlaß gegeben
Zaubftummenanftalt, Zrrenanftalt; Societe d’emu-|batte. B. war ein vieljeitig, aber teineswegs
lation u. Mediciniſche Gejellichaft; Bibliothel von gründlich wiſſenſchaftlich gebildeter Mann; feine
25,000 Bon., Muſeum, Botanischer Garten; außer: Wirfjamfeit als Lehrer u. Schriftfteller trifft der
balb der Stadt ein Hofpital, umgeben von Gär-|große Vorwurf, daß fie fi zu wenig auf Beob»
ten; ſchöner Spaziergang, Dental des Generals | ahtungen an Thieren ftügte u. fat ausſchließlich
Foubert, Bronzeftatue von Bichat; Töpferei, Mi- auf Übertragung der damaligen menichenärztlichen
neralwafjerfabrifation, Bijouterie; bedeutender |Anfichten in die Thierheillunde ohne alle wirklich
er mit Getreide, Vieh u. Geflügel; 14,280 thatſächliche Begründung befchräntte, was der
w. — B. wurde im 12. Jahrh. von den Herren|eben werdenden Thiermedicin einen gelehrten An-
von Beauge angelegt; Guido von Beauge gab ſtrich, aber kein folides Fundament verlich. Er ft.
ihr zu Ende des 13. Jahrh. die Rechte einer|3. Jan. 1779. Wichtigſte Werke: Elöments d’kip-
reiftadt; 1515 wurde hier ein Bisthum errichtet, | piatrique, yon 1750—583, 3 Bde.; Maticre
das 1535 wieder mit Pyon vereinigt wurde; 1535 medicale ou preeis des medicaments ete., ebend.
tam die Stadt von Savoyen an Frankreich und 1765; L’art veterinaire, ou medecine des ani-
erft wieder am Herzog Emanuel Philibert von/maux, Par, 1767. Shuibt.
Savoyen zurüd, als diefer Margarethe von Ba-}| Bourgeois (fr.), Bürger, zum Unterfchiede von
lois heiratbete; diefer ließ 1569 die Eitadelle an-|Eitoyen, weldes jeden Staatsangebörigen bezeich⸗
legen. Deflen Sohn, Herzog Karl Emanuel, net, ift B. jede nicht-adelige, gemwerbtreibende n.
mußte 1601 B. an König Heinrih IV. abtreten; |vermögende Perfon, welche das Ortsbürgerredht
1611 wurde es gejchleift; 1815 wurde bie Stadt von u. die damit verbundenen Nugungen befittt; daber
den Ofterreichern beſetzt. 2) B.:jur-Giromde,/Bourgeoijie, Biürgerichaft, Sürgerftand, tm
Stadt im Arr. Blaye des franz. Dep. Gironde,| Gegenſatze einerjeits vom Adel (Ariftofratie), an
rechts am Einfluß der Dordogne in die Gironde, berfeits von den bloßen Ortseinwohuern (ebimals
Station der Drleans- Bahn; Weinbau; Stein- Nachſaſſen od. dgl.), die von den Ortsnutzungen
brüche; Heiner Flußhafen; ftarte Weinausfuhr; ausgeſchloſſen waren, dann in der Neuzeit be-
2735 Em, jonders vom Arbeiterftande, den Arbeituehmeru
Bourg, Anne du, geb. 1521, von edler Her-|(Ouvriers, Profetariat).
funft, aus der Auvergne gebürtig, Neffe des Kanz-| Bourgeois, Anicet, franz. Schaufpieldichter,
ler von Frankreich, berühmter Jurift, königl. geb. 25. Dec. 1806 in Paris; geft. 18. Jan. 1871
Parlamentsrath; wurde wegen freimlüthiger Au- in Pau, Er war lange Zeit Mitarbeiter. Aler.
Berungen gegen den König Heinrih II. im Par- Dumas’ des Alteren an deſſen Dramen, jo an
lament 1559 eingelerfert u. nach deflen plößlichem|Angele, Catherine Howard u. Caligula, welch
Tode in demfelben Jahre auf Betreiben des Car- letztere Tragödie er zum größeren Theil allein
dinals von Guiſe wegen feines Belenntnifjes zum ſchrieb.
reformirten Glauben 21. Dec. auf dem Gröveplage! Bourgeoidmwein, die mittleren Sorten von
zu Baris erdroffelt u. verbrannt. zöffler. Bordeaugf- u. anderen franzöfiichen Weinen, wahr⸗
Bourganenf, Hauptitadt des gleichnamigen ſcheinlich uriprünglic Weine, welde die Bourgeois
Arrondiffements im franz. Dep. Ereuje, am Tho⸗ als Ortsbürger vom Gemeinbeeigentfum zu be
rion, Station der Orleans-Bahn, im ſchöner Lage; ziehen hatten.
Porzellanfabrit, Hanfleimmandmwebereien, Papier-| Bonrged, Hauptftadt des gleichnamigen Ar-
t
|
Bourges⸗les⸗Bains — Borgoing. 745
rondiſſements im franz Dep. Gher, fowie des ſteht mit ber Rhöne in Berbindung; Hafen bei
Departements, am Zujammenfluffe des Auron u. obigem. 8) Ce B., Dorf im franz. Dep. Seine
der More u. an der Orleand-Bahn, 155 m über|bei Paris; war während der Eernirung von Paris
dem Meere, fait genau im Mittelpunfte von yrant- | (1870/71) durch die VBorpoften des preuß. Garde⸗
reich; batte fonft ftarte, mit 80 hohen Thürmen
verjehene Mauern (wol Römerwerl); Schloß (fonft
Nefidenz der Herzöge von Berry); Erzbiichofsfig;
Präfectur, Gericht 1. u. 2. Inſtanz, Handelöge-
richt; großes u. kleines geiftliches Seminar, Uni-
verfitätsatademie, College, gothiſche Kathedrale, die
St.Bonnet⸗Kirche mit prachtvollen Glasgemälden,
das gothiſche Stadthaus u. das Hotel Yallemant,
ein Kunſtwerk der Renaiffance; Irrenanſtalt, gro-
Bes Hojpital; Minz-, Gemälde- u. Alterthümer⸗
fammlung, öffentliche Bibliothef von 28,000 Bon. ;
Geſellſchaft für Alterthümer, Geſchichte u, Statiftif,
für Aderbau; Theater (brannte-im März 1856
ab); Bank; 5 Eifenguellen (Fontaine de St. Firmin
od. Fer);
Zud- u.
corps bejett, welche durch einen Ausfall 28, Oct,
1870 zurüdgebrängt wurden. Am 30. Oct, wurde
das von den Frauzoſen ſehr ſtarl bejegte Dorf
in äußerft biutigent Gefechte: durch die 2. preuß.
Gardedivifion (General v. Bubrigfi) wieder ge:
nommen, Bei dem Ausfalle 21. December 1870
nahmen die Franzoſen Le B., wurden aber bald
wieder daraus vertrieben. Vgl. Bellemare, Les
trois journses de B., Par. 1872. _
Bourgfontaine (Gejellihaft von B.), Kloſter
in der Normandie, Zur Zeit der Fanfeniftischen
Streitigkeiten wurden von dem Jeſuiten obne allen
Beweis 7 nicht genannte, aber deutlich bezeichnete
u. als Janſeniſten belannte Männer beichuldigt,
oße Kanonengießerei, Salpeterfiederei, ſich in B. ſchon 20 Jahre vor Anfang des Jan—
fierfabrilen, Gerberei; Handel mit e- ſeniſtiſchen Streites zur Ausrottung des Chriften-
treide, Wein, Wolle, Hanf, Holz, Eifen zc. Geburts |thums verbunden zu haben. Noch 1764 erſchien
ort von Bourbalone, Bonder u. Ludwig XL, welder|zu Augsburg: Veritas coneilii Bourgfontanii.
1464 die Univerfität gründete; 31,312 Ew. B. ift
Bourg-la-Neine (in der Revolution Bourg
das alte Avaricum, welches die größte u. durch die/d’Egalite), Marktfleden im Are, Sceaur des franz.
Umgebung
vom Fluſſe Avara m. von Sümpfen|Dep. Seine; Fayencefabrik; 2186 Ew.; Sterbe⸗
feſteſte Stabt der Cubiſchen Bitnriger (daher auch ort Florians.
Biturigum, Bituricum, ſpäter Bituricä) im Aquita-
Bourg⸗les⸗⸗Balence, Stadt im Arr. Valence
niſchen Gallien war. Cäſar eroberte es 52 v. Chr. des franz. Dep. Dröme; 3536 Ew.
u, ließ faft alle Bewohner niederbauen, Inter
Dourgnenf, Stadt und Hafen im Arrond.
Auguftus wurde es Hanptftadt der Aquitania | Paimboeuf des franz. Dep. Nieder-Loire, an der
prima; fam mad der Eroberung Aquitaniens Bai Bourgneuf (mit mehreren Inſeln); Salz-
duch die Franken an Neuftrien, dann an Aqui—
tanien; 585 wurde B. von Chilperichs I. Feld⸗
beren, Defiderins, eingenommen. Unter den Ka—
rolingern befam es eigene Bicomtes dur König
Rudolf von Burgund. Als diefe gegen das Ende
des 11. Jahrhunderts mit Stephan im Diannes-
ftamme ausftarben, fam die Grafichaft an die
erren von Dun, welche diefelbe 1100 au König
bilipp I. verlauften. Bon den 7 bier gehaltenen
Biturigenfiihen Concilien war das wichtigſte das
1438 unter dem Borfige des Königs Karl VII.
abgehaltene, wo das Eoncil zu Bajel, mit Ber-
—— des von Ferrara, von der Gallicaniſchen
Kirche beſtätigt wurde. Zugleich wurde durch die
Pragmatiſche Sanction das königliche Hecht gegen
den Papſt ſichergeſtellt. 1412 hier Bergleich
zwiſchen Karl VI. u. dem Herzog von Burgund.
Karl VII. reſidirte hier im Anſange ſeiner Re—
gierung. 1562 eroberte Montgomery B. für
bie Hugenotten, mußte es aber dem Herzog von
&uife wieder räumen; dann hielt es B. mut ber
Lique, bis es fih 1594 an Heinrich IV. ergab.
Hier bielt ih Don Carlos nad jeiner Flucht aus
panien vom September 1839 bis Augufi 1845
auf u. unterzeichnete 18. Ma; 1845 die Abdant-
ungsacte zu Gunften feines Sohnes Carlos, Prin-
zen von Aſturien.
Bourges⸗les ⸗Bains, jo v. w. Bourbon lArs Latour du Pin des franz. Dep,
&hambault.
bereitung; Handel mit Branntwein; Aufternfiiche»
rei; großer Cromlech; 2837 Em.
Bonrgegne, fo v. w. Burgund,
Bourgogne, ein« u. zweifarbiges, berfanartiges
Zeug von Abbeville.
Bor ogne, Louis Herzog dv. B., geb. 6. Aug.
1682 in Berjailles, Sohn des ogen. großen Dau⸗
phins Ludwig, Eulel Ludwigs XIV., Bater Yud»
wigs XV.; wurde von Fenklon erzogen, der feine
frühere Unbändigfeit zügelte, aber auch jeinen
Sharafter verdarb. Er vermählte ſich 1697 mit
Übdelheid von Savoyen, in deren Gefellichaft er
ganz weibiih und bigott wurde; gleichwol erhielt
er 1702 unter bem Herzog von Vendöme das
Obercommando der Armee in Flandern; 1703
nahm er Alt-Breifadh, aber mit dem Herzog von
Bendöme entzweit, verlor er das Bertrauen der
Armeen. dieje das Kriegsglüd, wie denn die Fran—
zojen 1708 bei Oudengarde gejhlagen wurden u.
rille verloren. 1711 wurde er, da fein Bater ger
ftorben war, Dauphin u. nahm fich der Negier-
ung an. Am 18, Febr. 1712 ft. er plötzlich, und
man gab dem Herzog von Orleans, nachmaligem
Regenten, Schild, diefen Todesfall, ſowie den faft
gleichzeitigen feiner Gemahlin Adelheid von Sa—
poyen durch Gift verurſacht zu haben.
Bourgoin, (jonft Bergufia), Stadt im Arr.
Iſere, an der
Bourbre, Station der Lyoner⸗Bahn, in fruchtbarer
Bourget, 1) Marktfleden im Arr. Chambery Ebene; Gericht 1. Inſtanz; Baumwollenipinne-
des franz. Dep. Sapoyen; 1710 Ew.; Geburtsort |reien, viele Mühlen, Fabrikation von ftarker Lein⸗
bes Grafen Amadeus V. von Savoyen u. Begräb: |mand, Galicot, Indienne, Rübenzucker; lebhafter
nißort mehrerer Herzöge von Savoyen. 2) See Handel mit Mehl, Wolle u. Hanf; 4954 Em.
bei diefem Orte, 227 m ü. M., 16 km lang u.| Bonrgoing, i) Jean François, Baron d,
5 km breit, 80. m tief; ſehr fiichreich (Lavarets);|B., franz. Diplomat, geb. 20. Nov. 1748 im
746
Nevers; nahm 1767 als Offizier Militärdienite
u. wurde nachher im diplomatischen Fache ver»
mendet; er war erft Gejanbter bei den Rieder-
ſachfiſchen Ständen in Hamburg, 1792 bis zum
Ausbruch des Krieges ın Spanien, 1799 in Ko-
penbagen, 1801 in Stodholm u. 1807 in Dres
den; er ft. 20. Juli 1811 in Karlsbad. B. ſchr.:
Voyage en Espagne, Par. 1789, 3 Bde., 4. A.,
1807, deutich, Jena 1789—1808, 4 Bde; Coup
d’eil politique sur PEurope & 1a fin du 18, sieele,
ebd. 1801, 2 Bbe.; Mémoires sur Pie VL, ebd.
1798— 1800, 2 Bde.; Tableau de 1’Espagne mo-
derne. ‘1805, 3 Bde. 2) Paul Charles Am.,
Baron von, Sohn des Vor., geb, 19. Decbr.
1791 zu Hamburg; machte die Feldzüge 1812 bie
1815 als Offizier in der Raifergarde u. Adjutant
Mortierd mit, war erjt Gefandtichaftsjecretär in
Berlin, Münden u. Kopenhagen, feit 1832 Ge-
fandter in Dresden und feit 1834 in Münden,
von imo er im März 1848 von der Proviforischen
Regierung in Frankreich abberufen u. außer Ac-
tivität gejetst wurde. Bom Dec. 1849—51 beflei-
dete er den Geſandtſchaftspoſten am fpan. Hofe
u. wurde 1853 Senator, Er ftarb 16. —* 1864
in Paris. 8. fchr.: Le prisonnier en Russie,
(Moman, fchildert die Erlebniffe feines älteren
Bruders, Armand v. B., melder Soldat war
u. 1839 flarb), Par. 1816; Sur les chemins de
fer en Allemagne, 1841; Memoires, Par. 1864,
u. m. a.
Bourgraves, d. i. Burggrafen, hießen im
Frankreich ſeit der Wahl Louis Napoleons zum
Präſidenten der Franz. Republik, im Dec. 1848,
die namhaften Leiter der Partei der Legitimiſten
u. Orleaniſten, welche als die politiſchen Großen
u. gleichſam die Leibherren dem leibeigenen Volle
gegenüber, neben dem Vräſidenten eine unſicht—
bare Regierung bilden wollten, um alle Eimricht-
ungen zu hindern, welche den Bräfidenten populär
machen fönnten, weshalb fie namentlich für Durch—
—— des ſtrengen Preßgeſetzes wirlten. Der
Name B. war ein Spottname, nach Victor Hugos
gleichnamiger Tragödie gegeben; ihre Zahl, An-
fange 8: Thiers, Mole, Berryer, Montalembert,
Falloux, Larochejacquelin u. A., war jpäter auf
30 gefteigert.
Bourg-St.-Andeol, Stadt im Arr. Privas
des franz. Dep. Ardöche, rechts an der Rhöne, Stat.
der Lyoner-Bahn; Wein⸗, Dliven-, Obftbau u.
Seidenzudt; Flußichififahrt; Marmorbrud; 4524 €,
Bourg-Et.Maurice, Marttfleden im Arr.
Moutiers des franz. Dep. Savoyen, am Heinen
St. Bernhard u. an der Fire; Saline, Blei u.
Eifengruben; bedeutender Handel, bei. mit Rind-
vieh; 2522 Em.
Bourgneil, Stadt im Arr. Chinon des franz.
Dep. Jndreset-Yoire, am Doit, Stat, der Orleand-
Bahn; guter Rothwein, Koriander, Anis, Hanf,
Seidenzucht, Nuß- u. Hanföl; Handel damit; hatte
fonft eine Benebictinerabtei; 3304 Em,
Bourguignon, 1) Jacques Courtois, f.
Gourtois 1). 2) Jean Baptiſte B. d'Anville,
J. Anville.
Bourgraves — Bourmont.
einen regen Geift n. fleigerte Durch muftiiche Leo-
türe u. Kafteiungen ibre Schwärmerei bis zu be:
Einbildung, inipirirt zufein. Sie entlief 1636, a 3
fie eben getraut werden jollte, aus ihrer Heimath,
um Ginfteblerin zu werden. Der Erzbiichof nen
Sambray nahm fie in ein Klofter auf, wo fie
einige Nonnen für ihre Schwärmereien gewann
u, den Plan machte, mit denſelben zu entflieben;
fie wurde aber verwieſen. Sie murde nach ihres
Baters Tode, welder ihr ein großes Bermögen
binterlaffen hatte, 1662 Vorſteherin eines Spitals
in ihrem Geburtsorte; da fie wieder in ihr ercent-
riſches Weſen verfiel, wurde fie aub bier ausagr-
wiefen u. ſchweifte mit einem Sanfeniftiichen
Priefter, de Cordt, in Flandern u. Brabant um-
ber u. fam nad) Amfterdam, um bier ibre Bifionen
druden zu laffen. Hier entiagte fie dem katholischer
Eultus, verfehrte viel mit den Yabadiften u. an-
deren Sectirern, fonnte aber, da fie ſelbſt als bie
Mutter der Gläubigen an der Spike ber neuen
Kirche ftehen wollte, feine Einigung erzielen. Um
der polizeilichen Verhaftung zu entgehen, wender⸗
fie fi) nad der Inſel Nordftrand bei Schleswig;
de Gordt ftarb hier 1669 u. feste fie zur Erbin
ein. Auch von Nordſtrand vertrieben, lebte fie im
Haarlem, Schleswig, Hufum, Hamburg u. in Oü-
friesiand. Überall gewann fie fi) einige Anhänger
(Bourignoniften), von denen la Cofte, ein Offizier,
u. Poiret die eifrigften waren. Sie fl. 30. Dkt.
1680 in Franeler. Ihre jeit 1678 zu Amſterdam
einzeln erfchienenen u. ihrer Zeit viel geleienen v.
einflußreihen Schriften wurden gelammelt den
Poiret, Amſt. 1676—84, 25 Be, 2. A., 1770,
20 Bde. töfrler.*
Bourfe, Jean Raimond Charles, Gr.
bon B., franz. General, geb. 1773 in Porient,
aus einer engliſchen Familie ſtammend; trat ſchen
1787 als Lieutenant in franz. Dienſte, nahm an
der Erpedition nah Cochinchina u. 1792 nah
St. Domingo theil, wurde 1794 Capitän und
machte eine Erpedition nad Jrland mit, murde
aber dort gefangen; fpäter begleitete er als
Adjutant dem General Leclerc 1802 wieder nad
St. Domingo, fehrte 1803 als Oberſt zurück,
wurde Adjutant Davonſts u. machte Die Tyeld-
züge von- 1805, 1806, 1807 und 1809 mut;
bei Wagram Brigadegeneral geworden, führte er
eine Brigade gegen die Engländer auf Blieffing.u
u. focht jeit 1810 in Spanien; bier wurde er
Gouverneur von Lerida, 1813 Divifionsgenerai
u. Gouverneur von Wefel, 1815 von Givet, dann
Generalinfpector der Infanterie u. Mitglied der
Commiſſion zur Durchſicht des Reglements; 1823
führte er wieder eine Diviſion in Spanien. Er ft.
30. Aug. 1847 als Generallieutenant u. Pair
von FFranfrei auf feinem Landfige bei Lorient.
Bonrlamaqui, Jean Jacques, Rechtsge-
fehrter, geb. 1694 in Genf; war Profeffor der
Rechte u. Mitglied des Inneren Rathes dajelbft;
fl. 1748. Seine Principes da droit de la na-
ture et des gens, berausgeg. von Felice, Yverd.
1766—68, 3 Bbe., Par. 1791, von Dupin, ebd.
1820 fi., 5 Boe., behandeln diefe Materie zum
Bourignon, Antoinette, religiöfe Schwärs erſten Mal ſyſtematiſch.
merin, geb. 13. Kan. 1616 in Pille, Tochter eines
Bourmont, Louis Ang. Victor deGaisne,
Kaufmannes; von Geburt häßlich, zeigte aber früh Graf von ®., franz. Marſchall, geb. 2. Sept.1773
Bournonit — Bourqueney,
auf Schloß Bourmont in Anjon; mar fon vor
der Revolution Offizier, wanderte aus und focht
unter Condé u. 1794 unter den Inſurgenten ber
Vendée, wo er Generalmadhtmeifter war. 1796
ging er nah England, fehrte aber 1799 beim
Ausbruch neuer Unruhen in SFrankreich zurüd;
er eroberte mit feiner Schaar Chouans Mons,
mußte fih aber unterwerfen, ging nad Paris u,
geivann die Gnnft des erften Conſuls; indefjen
bei dem Mordverfuh anf Bonaparte mit der
öllenmaſchine durch die Angabe, daß die Jaco—
iner die Anftifter wären, verbädtig gemorden,
wurde er 1803 verhaftet u. auf die Eitadelle von
Bejangon gebradjt. Bon da entlam er 1805 nad)
Portugal, erhielt fpäter, als er fi gegen Junot
1808 gerechtfertigt hatte, die Erlaubnig zur Nüd-
fehr, wurde Eolonel-Adjutant bei der Armee von
Neapel u. bald darauf Brigadegeneral, zeichnete
fi 1813 bei Dresden u. 1814 bei Nogent ans,
wurde Divifionsgeneral, erflärte fich jedoch nad
Napoleons Sturz, ‚fir die Bourbonen n. erhielt
den Oberbefehl der 6. Militärdivifion in Befangon.
Nah Napoleons Nüdtehr bot er dieſem jeine
Dienfte wieder an u. befehligte eine Divifion, ver-
ließ jedoch noch vor Ausbruch der Feindſeligleiten
14. Jumi das Heer u. ‚meldete fi} bei den preuß.
Borpoften für die Bourbonen. Inter der 2. Reftau-
ration erhielt er eine Gardedivifion, machte den
Feldzug in Spanien 1823 mit, wo er eine Divifion
des Reſervecorps führte, ſchlug Lopez Baños bei ©.
Lucar la Major, bejegte Sevilla, wurde, nachdem
747
wird, wo er häufig vorfommt, anf Blei und:
Kupfer verarbeitet.
. Bournonville, 1) Alexander Hippolyt
Balthafar, Herzog v., berühmter. Militär, ‚geb,
1620; nahm 1638 bei den meitfälifchen Kreis-
truppen Dienfte u, zeichnete ſich bef. als Com⸗
mandeur derjelben 1645 bei Nördlingen aus, focht
bis 1648 mit Ölid gegen die Schweden u. wurde
1648 Generalmajor. Er trat 1649 in jpanifche
Dienfte unter Conde, jocht vor Chätel, Rocro
u. Arras, vertheidigte 1655 Eonde 4 Monate fan
u. Balenciennes bis zum anlangenden Erſatz,
mwurde 1658 zum Herzog von ®., 1666 zum Ger
neralcapitän von Artois ernanut, befehligte 1672
nebft dem Großen Kurfürften als Generalfeld-
marfhall die, Reichsarmee in Weitfalen, nahm
dann am beit Feldzügen bis 1675 am heine
egen Turenne theil, wurde 1676 Feldmarſchall
in Catalonien u. eroberte 1677 Sicilien den Spa»
niern miederz er fl. 1690 als Generalcapitän u.
Vicekönig von Eatalonien u. Navarra. 2) An-
toine de, geb. 19. Mai 1760 in you; bildete
fi) unter Navarre zum Tänzer u. war 1792 bis
1830 Solotänzer inKopenbagen; er ft. hier 11. Jar.
1843. 3) Auguft, Sohndes Bor., ebenfalls Tänzer,
eb. 21. Aug. 1805 in Kopenhagen; trat 1823 in
Baris auf, wurde 1830 als Balletmeifter nach
Kopenhagen berufen, wo er ein Corps de Ballet
ausbildete u. felbft mehrere Ballets für die fünig-
liche Bühne componirte. Er legte 1855 feine Stelle
nieder ıt. lebte bi8 1856 in Wien, 1861—63 in
Cadiz fich ergeben hatte, erbliher Pair u. nad |Stodholm, worauf er in Kopenhagen wieder das
des Herzogs von — Rüdtehr aus Spanien
Oberbefehlshaber aller franz. Truppen in Andas
Iufien. Strenge Bolizeimaßregeln madıten ihn aber
in Madrid u. Spanien verhaßt, weshalb er 1824
Ballet dirigirte. Bon feinen Schülerinnen find die
befannteflen Lucile Grahn u. Augufte Nielfen. Er
fhr.: Mit Theaterliv, Kopenh. 1848.
Bourgueney, François Adolphe, Graf,
abberufen wurde. Er wurde 1829 Kriegsminifter |franz. Staatsmann, geb. 7. Jan. 1799 (1800) zu
u. befehligte 1830 die Erpedition nach Algerien;
nachdem er Aga Ibrahim geſchlagen u. die Stadt
Algier erobert hatte, erhielt er die Marfchalls-
würde, legte jedoch nad der Julirevolution das
Commando nieder u. ging nah England. Da er
der neuen franzöfiihen Regierung den Eid nicht
leiften wollte, wurde er 1832 aus den Liſten der
Armee u. der Pairs geftrichen. Er ging nun 1833
nach Portugal, wo er in Don Miguels Dienften
egen Don Pedro focht, u. begab fih 1837 nad
om, bon wo aus er den Kampf der Earliften
in Spanien dur feinen Einfluß unterſtützte.
Er kehrte im Juli 1840 nah Frankreich zurüd,
lebte auf feinem Gute in Anjou und ftarb hier
27. Oct. 1846.
Bournonit (Schwarzipießglanzerz, Spieß.
glanzbleierz, Bleifahlerz), ein im meift tafelför«-
migen, oft vielfadh zwillingsartig verwachſenen
(Rädelerz) Kryſtallen des rhombüchen Syſtems
Irgftallifirendes, Doch auch derb, im körnigen Aggre-
gaten vorlommendes granes, glänzendes Mineral
von unebenem oder muſcheligem Bruch; Härte
ri Gips u. Kalkſpath; jpec. Gem. 5, —5,06;
eſteht aus Schwefelblei, Schmefelfupfer u.
Schwefelantimon mit 19,, Schwefel, 41,, Blei,
12,, Kupfer u. 26,, Antimon; findet fi in Corn⸗
wall, bei Oberlahr in Rheinpreugen, Bräuns—
dorf bei Freiberg, Wolfsberg, Harzgerode, Neu—
Paris; wurde 1819 Gefandtichaftsattadhe in Waf-
hington, 1820 Botichaftsiecretär in London und
1822 in Bern; 1823 verließ er die diplomatiſche
Lanfbahn u. wurde Mitarbeiter am Journal des
Debats; 1834 wurde er ins Minifterium des
Außern berufen uw. war 1835 unter Sebajtiani
eriter Gefandtichaftsfecretär u. bis zu Guizots
Ankunft (Febr. 1840) franz. Geichäftsträger am
englifhen Hofe; im Dct. 1841 ging er als be—
vollmächtigter Minifter Frankreichs nach Couftanti-
nopel, wo er in der Libanonfrage gegenüber der
Pforte, England u. Rußland die re ran»
reihs wahrzunehmen mußte, uw. wurde int März
1848 von der Proviforifchen Regierung abberufen.
Unter Lonis Napoleon trat er wieder im jeine di-
plomatiſchen Functionen, ging Febr. 1853 als
franzöfiiher Bevollmädtigter nah Wien, um an
den Eonferenzen in Betreff der ruſſiſch-türliſchen
Angelegenheit theilzunehmen, war Mitunterzeich-
neter der Wiener Protofolle vom 9. April und
23. Mai u. der Tripel-Allianz zwiſchen Frank⸗-
reich, England u. Öfterreidh vom 2. Dec. 1854.
Nachdem er an den Friedensverhandlungen zu
Wien 1855 theilgenommen hatte, wurde er zu den
Friedenscouferenzen nad Paris berufen, unter«
zeichnete als zweiter Bevollmächtigter Frankreichs
den Friedensvertrag vom 30. März u. den Se—
paratvertrag zwifchen Frankreich, England und
borf, Klausthal, Andreasberg, u. a. a. D. und Öfterreich 15. April 1856 u. begab fi 18. Juni
748 Bourrieune —
auf feinen Boften als franzöfiiher Gelandter
in Wien, melden er, nachdem er den Friedens-
verhandlungen in Zürich beigewohnt, im Nov.
1859 aufgab, Im den Grafenjtand erhoben,
ftarb er 27. Dec. 1869 auf einem feiner Güter.
Henne⸗ Am Rhpn.*
Bourrienne, Louis Antoine Fauvelet de,
franz. Staatsmann, geb. 9. Juli 1769 in Sens;
wurde mit Napoleon auf der Militärſchule in
Brienne erzogen u. Freund deſſelben, ſtudirte ſeit
1788 in Leipzig die Rechte, machte dann eine
Reife nach Polen u. wurde 1792 Legationsſecretär
in Stuttgart. Als der Krieg ausbrach, ging er
wieder nach Leipzig, wurde aber, des Spionirens
verdächtig, aus Sachſen verwieſen. Er kehrte nad)
Franfreih zurid, ward aus der Emigrantenlifte
geftrichen u. lebte vergeifen bis 1797 im Departe-
ment Nonne, two er fih Napoleon in Erinnerung
bradte u. von demfelben nach Graz in Gteier-
mark berufen u. deffen geheimer Secretär wurde.
Er begleitete Napoleon auf feinen Feldzügen, wurde
1801 Staatsratb, fiel aber, beim Banferott des
Bankhauſes Eoulon, mit dem er Geldgeichäfte ge-
trieben, in Ungnade. Als Gejchäftsträger beim
Nieberfächfiihen Kreiſe 1804 nach Hamburg ge:
fendet, blieb er bier bis 1811; er warf ſich dann
der Neftauration in die Arme, wurde 1814 pro-
viforifch Generaldireetor der Poften bis zur An-
funft Yubwigs XVIII. u. im März 1815 Polizei«
präfect. Er folgte dann den Bourbonen nach Gent
u. wurde nad der Rückkehr Staatsrath u. Depu-
tirter des Yonnedepartements. Durch Börfen-
ipiel hatte er fi 1831 eine Überſchuldung von
iaft 4 Mill. Franken zugezogen, wurde beshalb
zur Einfperrung verurtheilt, kam aber 1832 als
wahnfinnig ins Kranfenhaus zu Caen u. ftarb
dort 7. Febr. 1834. Er jhr.: Mömoires sur Na-
voleon xc., Bar. 1829, 10 Bde; das Drama
L’ineonnu; aud fchreibt man ihm die Hist. de
Bonaparte par un homme qui ne l’a pas quitte
depuis quinze ans, ebd. 1823, u. das Manuscrit
de St. Helene zu.
Bourjault, Edme, franz. Dichter, geb. Oct.
1638 zu Muci-("Evdque in Burgund. Bon feinem
Vater wurde feine Erziehung ganz u. gar vernad-
läffigt; aber als er 1651 nad) Paris fan, erwarb
er fich durch Ausdauer u. Fleiß eine tüchtige Bildung.
Durch Herausgabe eined humoriftifcden Journals
in Berjen gewann er die Gunft Ludwigs XIV,,
welcher ihm eine Penfion pen 2000 Fr. ausſetzte,
n. er erlangte als Schrüftfteller einen ſolchen Ruf
daß man ihn beauftragte, ein Buch für die Er-
ziehung des Danphins zu fchreiben: De la veri-
table etude des souverains, Paris 1671. Er
ftarb 15. Sept. 1701 als Steuereinnehmer zu
Montlugon. B. fhr.: Theätre, 1725, 3 Bde., u. ö.
(Schauipiele, unter denen Esope & la -ville, Esope
a la Cour u. Le Mercure galant die beften find;
letzteres wird noch jetst gegeben); Le Prince de
Bouteillenftein.
Eltern ſchickten fie deshalb ins Klofter, wo fie vor
Sram ftarb, Boldert.”
Bourſe (fr.), Börje, Geldbeutel; daher Bour»
fier, Sädelzahlineifter.
Bourtanger-Wloor (Bourtanger« Heide), ein
ehemals fumpfiger m. undurchdringlicher Laudſtrich
auf der Grenze zwijchen der nieberländ. Provinz
Groningen u. der hannov., jekt preuß. Landdrefiei
Aurich (OFriesland), feit neuerer Zeit entwäflert
u. zu Weideland gemacht. Im niederländ. Theil
das Darf Bourtange mit Fort.
Bouſſac, Hauptft. des gleichnam. Arc, im
franz. Depart. Greufe, am Börong und an der
Ereuje, Station der Orleans⸗Bahn, auf einem
Felſen mit bejchwerlicher Auffahrt; Senfbereitung,
bedeutende Gerbereien; Handel mit Leder, Wolle
u. Vieh; 1011 Ew.; das Schloß mit merfmürdig
hohem Manertburme ift vor dem Marihall Jean
de Broffe erbaut.
Bonffingault, Jean Baptifte Joſeph
Dieudonne, berühmter Chemiler n. Landwirth,
geb. 2. Febr. 1802; fiudirte in St. Etienne die
Bergwiffenfhaften u. ging im Auftrage der Eng
liſchen Bergbaugeſellſchaft nah Columbia, we er
ſich mit naturwiſſenſchaftlichen Forſchungen be-
ſchäftigte. In dem Südamerilaniſchen Befreiungs-
kriege begleitete er den General Bolivar als Oberfi
u, bereifte als ſolcher Venezuela bis zum Orinoco,
Ecuador u, Pern, um die naturhiſtoriſchen Ber:
hältniſſe diefer Länder kennen zu lernen. Nach
‚rantreich zuridgefehrt, wurde er Profeſſor der
Chemie in yon m. 1839 in Paris; dann lebte
er viel auf feinem Landgute Bechelbronn im Unter-
Elſaß u. befchäftigte fi vorzugsmeiie mit land»
wirtbichaftliher Chemie, um die er fih große 2er-
dienfie erworben hat. Sein Hauptwerk ift: Eco-
nomie rurale, Par. 1844, 2 Bde., nene Bearbeit-
ung al® Agronomie, ehimie agricole et physio-
logie, 1860—74, 5 Bbe., engl. von Law, Yond.
1845, deutſch von Gräger, Halle 1844 f., 2 Bde. ;
mit Dumas ſchrieb er: Essai de statistique chi-
mique des ötres organises, Par. 1841, 3. Aufl.,
1844; ferner Memoires de chimie agricole et de
physiologie, Bar. 1854.
Boussingaultia 47. B. Kunth, Pflanzengatt. aus
der Zen der EChenopodiaceen (V.1). Art: B.
baselloides H. B. Kunth, aus SAmerifa, ein
Knollengewächs; gedeiht zwar gut, liefert ein gro-
bes Bolumen an Kraut u. wurd von dem Rind—
vieh gern gefreffen, aber die Knollen haben mur
geringe Nabrhaftigkeit, enthalten viel Schleim u.
Ichmeden fad, weshalb ſich die Pflanze nicht als
Kartoffeljurrogat eignet, wozu fie empfohlen mwor-
den war.
Bonflole, ſ. u. Buffole.
Boufju, Marktflecken im Arr. Mons der
beig. Prov. Henmegau an der Haine; Schloß, in
welchem fat an allen Wänden die räthielbaften
Worte: Tu y sera bossu, il sera bossu gejchrieben
Conde, Par. 1675 u. 1691, 2 Bde., neue Ausg., ſind; Kirche; Kalt- u. Steinfohlengruben; 7300
1792; Le Marquis de Chavigny, 1670; den Ew. Kaifer Karl V. erhob B. zur Grafſchaft;
Roman Artömise et Poliante, 1670, u. a. m.; die Grafen kamen durch Heirath zum Fürſten⸗
Lettres de respect, d'obligation et d'amour, thum Chimay. Bei B. 4. Nov. 1792 fiegreiches
Bar. 1666, befannt unter dem Titel: Lettres &| Gefecht der Franzoſen mit ben Ofterreichern.
Babet. Dieje Babet war ein geiſtreiches Mädchen, Bonteillenftein (Min.), dem Obfidian ähn-
1640 in Paris geboren u. B-s Geliebte. Ihre liches amorphes Mineral, grün, durchſichtig wie
Bouterwet — Bouvines, 749
Bouteillenglas von Moldautein in Böhmen, For-|ration war bis zu den Zeiten Deffaults in Ge
dansmühl in Schlefien, Iglau. brauch umd erhielt den Namen Boutonnidre,
Bouterwek, Friedrich, deutſcher Philoſoph, welcher die vom Damm aus geipaltene Harnröhre
ÄftHetiter u. iterarhiftorifer, geb. 15. April 1766| bedeutet, weil diefe eine entfernte Ähnlichkeit mit
auf dem Hüttenwerfe Dfer bei Goslar; ftudirtejeinem Knopfloh haben fol. In neuefter Zeit hat
in Göttingen 2 Jahre — erregen warf) Syme und Scharlan diefe Operation wieder 'em-
fih dann auf befletriftiiche Schriftftellerei, machte
aber endlich die oben genannten Fächer zu feiner
Lebensaufgabe. Seit 1791 las er in Göttingen
über die Kantiche Philofophie. In feinen erjten
pbilofophifchen Beröffentlihungen fteht er weſent⸗
lich auf dein Boden derfelben; er wich zuerft im
Gebiete der praktischen Fdeen von ihr ab, dann
führte ihm auch im theoretifchen Gebiete die in
Göttingen herrichende Richtung, die Beſchäftigung
mit den Steptifern alter u. neuer Zeit, mit F. H.
Jacobi u. mit Spinoga u. die Oppofition gegen
Fichte zur Bildung eines halb⸗Kantiſchen, wi er
Bervolltommnung des Kriticismus duch, Aufnahme
realiftiiher Elemente frebenden Syftems, Das er
im Abriffe feiner philoſophiſchen Borleſungen zum
Gebrauche feiner Zuhörer, Göttingen 1799, u. m
feiner philofophifhen Hanptfhrift: Ideen einer
Apodittif, ein Beitrag zur menichlihen Selbftver-
ftändigung u. zur Entſcheidung des Streites über
Metaphyſik, kritiſche Philofophie u. Skepticismus,
Halle 1799, 2 Bde., niederlegte. Mehr u. mehr
von Jacobis Weltanſchauung gefeſſelt, ſuchte B.
ſeine eigene Lehre noch eine Zeit lang feſtzuhalten
u. zu modificiren, erklärte aber endlich dieſen
Standpunkt für verfehlt. Bon feinen ſpäteren rein
philoſophiſchen Schriften fand nur die Religion
der Vernunft, Gött. 1824, eine nennenswerthe
Beadhtung; dagegen wurde feine mebr empiriſch
verfahrende Afthetil, Ypz. 1806, 2 Bde, u. ö.,
viel gelefen. (Vgl. aud feine Ideen zur Meta-
phyſik des Schönen, Lpz. 1807.) B⸗s Name lebt
hauptſächlich durch feine verdienftvolle Geſchichte
der neueren Poeſie u. Beredtſamkeit, Gött. 1801
bis 1819, 12 Bbe., fort. Als afademifcher Lehrer
(Seit 1797 auferordentlicher, feit 1802 ordentlicher
Profeffor der Philoſophie in Göttingen, feit 1806
Hofrath) fteht er im beften Andenfen. Er ft. 9.
Aug. 1828. Seine Autobiographie befindet fich
um erſten Bande feiner Meinen Schriften, Gött.
1818. Bat. über feine Philofophie Erdmanns
Verſuch einer wiffenfchaftlihen Darftellung der
Geichichte der neueren Philofophie, 3. Bd., 1. Abth.,
©. 348—368. 2) Friedrich, geb. um 1800 zu
Tarnowitz in Schlefien; widmete fih der Malerei
pfoblen, u. es ift jegt wol fein Zweifel, daß fie
gerade zur Bejeitigung der engften Stricturen. ein
wichtiges Mittel ift,
Boutrolle (Bonterolle, fr.), Endbeſchlag der
Degenfceide, Knaufſtempel, Einſchnitt am Schlüffels
bart, Bayonnetſcheide; beſond. auch Name für ein
neues Schlachtverfahren, welches vor den bis—
herigen Schlachtmethoden wegen der größeren
Sicherheit u. Schnelligleit den Vorzug verdient,
Der Kopf des Thieres wird mit einer Maske von
Leder verſehen, welche die Augen vollftändig bes
dedt; in der Mitte der Maste auf der Stirn bes
findet ſich eine Platte von Eiſenblech u, in dieier,
etwa dier Finger breit über den Augen, eine Öffnung,
durch welche ein ftarler Stablbolzen Hindurchgebt.
Letzterer, welcher ſtets fenfrecht in die Stirn ein—
getrieben werden muß, ift auf dem dem Kopfe
zugefehrten Ende ausgehöhlt u. mit einer fcharfen
Schneide verjehen, damit er um fo leichter u. glatter
durch den Knochen der Stirn getrieben werden
kann; an dem entgegengeſetzten Ende befindet ſich
ein breiter Knopf; ein einziger Schlag auf diefen
legsteren reicht Hin, den Bolzen in das Gehirn
einzutreiben, jo daß das Thier augenblidlich todt
zu Boden ſtürzt. Dieje rafhe Wirkung wird we—
jentlich dadurch beſchleunigt, daß die in der Höhl-
ung des Bolzens befindliche Yuft mit demjelben
zugleich in das Gehirn eindringt.
Boutwell, Georg, nordamerif. Staatsmanır,
geb. 28. Fan. 1818 zu Boſton; war jeit 1840
Advocat, feit 1842 Mitglied der gefetsgeb. Behörde
von Maffachufetts, ſeits 1851 Gouverneur diejes
Staates, dem er fpäter noch im anderen Stellen
diente. Seit 1862 im Gongreß der Union, be—
fämpfte er zugleich die Sklaverei u. den Freihan—
del u. wurde 1869 yinanzminifter des Präfidenten
Grant, weldhen Poften er 1873 aufgab, um bloß
noch Senator für feinen Staat zu bleiben,
Boubard, Aleris, verdienter franz. Ajtronom
u. Phnfiter, geb. 27. Juni 1767 bei Chamouny ;
arbeitete fi vom armen Scafhirten zu einem
der bedeutendften Gelehrten Frankreichs empor;
er wurde 1793 Aftronom auf der Sternwarte zu
Paris, 1803 Mitglied der Akademie der Mijfen-
unter Kolbe in Berlin, erhielt den großen Preis|ichaften und 1804 des Fängenbureaus; ftarb 7.
der Alademie u. begab fi dann nah Paris u. Juni 1843 zu Paris,
B. entdedte mehrere Ko—
1834 nad Italien, wo er fih für die Hiftorien-|meten u. führte für Laplaces Mechanik des Him-
malerei entichied. Nach zwei Jahren kehrte er nach mels ſämmtliche Berechnungen aus,
Paris zurid, bereifte während feines 2öjährigen
Bonvignes, Stadt in der beig. Provinz Na-
Aufenthaltes von da aus Spanien, Schottland n.|mur, an der Maas; Steinfohlen, Marmorbrüce:
den Orient und ftarb 11. Nov. 1867 in Paris. Eiſenwerke, Häfnerei; 1050 Ew. B. wurde 1173
Sein erftes größeres Gemälde war Dreftes von/vom Grafen Heinrich dem Blinden von Namur
den Eumeniden verfolgt, 1833; dann folgten Romeo | mit Mauern umgeben u. erhielt fpäter von der
u, Julie, 1836; Iſaak u. Nebeffa, 1840, Stich | Gräfin Folantha Stadtrechte ; 1554 wurde es von
von Allais; Jalob u. Rahel, 1844.
2) Regnet,” den Franzoſen erobert. B. mar dann Feſtung,
Bontejelle, (fr.), bei der Cavalerie das Trom-|die Werte wurden aber 1703 mit Dinant zugleic
peterfignal zum Auffigen, auch zum Auffatteht.
Boutonniere (Operation de la Urethrotomia
geichleift. i
Bonvines, Dorf im Arr. Lille des franz. Der.
externa; Ehir.), Spaltimg der Harnröhre ſammt Nordz Sieg Philipp Augufts von Frankreich 27.
ihren Bededungen von außen her.
Diefe DOpe-IJufi 1214 über Kaifer Otto IV.; 17. Mai 1794
750
Bova — Bowieknife.
‚Geiecht zwiſchen Ofterreihern n. Franzoſen, für den Augen in anderer Weile ſchädlich fei, als
Letztere günftig.
ova, Stadt im der ital. Provinz Reggio, Ca»
labr. (Calabria ufteriore I.), am Joniſchen Meere;
Biichofsfits; Kathedrale u. mehrere andere Kirchen;
geiftl. Sentinar; Seidenzudt; 3438 Ew. Dorı
u. in der Umgegend wird ein Dialeft geiprocden,
welhen man unrichtig verborbenes Griechiich
nennt, e8 ift albanefifch oder epirotiſch. Die Ein-
wohner find Nahlommen von bierber geflohenen
Albanefen (bloß in der: Terra b’Otranto finden
ſich wirkliche Nachkommen von Griechen). B.
wurde durch das Erdbebeu von 1783 fat ganz
zerſtört.
Bova (Pombova, Banillon); fo v. m. Aufge-
blafene Banille (f. d.).
Bovadilla, 1) Francesco de B., 1500 jpa-
niſcher Abgejandter nah Hifpaniola zur Unter»
ſuchung der gegen Columbus (f. d. A.) vorge
brachten Klagen; er fam auf der Rückehr 1502
im Sciffbruhd ums Leben. 2) Micolas, geb.
um 1511 zu Bovadilla in Leon; war einer der
erften Anhänger Loyolas u. ſtarb 1590 in Loretto.
Er ſchrieb u. a.: Speculum christianae conscien-
tiae x.
Bovaglium (Bovaticum), im Mittelalter Abgabe
an die Krone von den Pflügochſen; dayer Bovata
terra, ein Kubgut.
Bones, Gemeinde im gleichnam. Vezirte der
ital. Provinz Cuneo; 9549 Em,
Boviänum (a. Geogr.), Stadt der Pentrer in
Samnium, im Süden der Apenninen. Bei 8,
305 dv. Chr. Sieg der Römer über die Samniter.
Die Stadt wurde von Sulla 90 ». Chr. erobert
u. unter Auguftus Colonie, 853 nad Chr. durch
ein Erdbeben im einen See verwandelt. Das jetige
Bojano, ſeit 1221 erbaut, liegt 4 km von B.,
am Bez. Iſerina der Prov. Eampobafje (im Ge—
meindebej. 5706 Ew.).
Bovino, Stadt u. Bezirlshauptort in der ital.
Provinz Foggia (Capitanata), am Gervajo; Bi-
ſchofsſitz; 7088 Em. ; jonft Herzogtum. Hier Sieg
der Ofterreicher über die Spanier 1734 (f. Pol-
niiher Königsmwahlkrieg.)
Bopift, i. Bovista.
Bovista Pers. (Bovift), Bilzgattung aus der Fam.
der Gafterompceten (Bauchpilze), Unterfam. Ly-
coperdei, mit doppelbäutiger, meift fugeliger, ftiel-
fofer Hülle, deren Äußere, anfangs weiße Schicht
fih in Lappen loslöft, während die innere zur
Zeit der Sporemeife aufplagt, um die Sporen
austreten zu laffen. Lebtere entftehen zu mehre⸗
ren auf feinen Stielhen am Scheitel feulenförmi-
ger Träger (Bafıdien), weiche frübzeitig wieder
wöbnliher Staub, ift eine Fabel. Enzta.
Bovy, Jean Frangoig Antoine, Medai
leur, geb. 1808 in Genf; ftudirte bei Bradier «-
Paris Plaftit u. wendete ſich dann der Granir- |
fimft zu, wobei er zu bisher unbelannten große
Maßverhältnifſen arifi, die eine eigene vom ıbr
erfundene Prägemechanik nötbig madten. Wert:
Reformationsjubiläum; Porträt des Kaifers Na
poleon III. u. der Kaiferin Eugenie, Pagauinis
rifzts, Chopins, Goethes, Cuviers, Dufours
Calvins ꝛc., alle von eigenthümlicher geiſtiget
Schönheit. egnc
Bowdich, Afrikareiſender, geb. 1773 im Briſtel
Sohn eines Fabrikanten; nahm an den Geſchäfter
feines Baters theil, ward Secretär der Afrikar:-
ſchen Geſellſchaft in Coaft-Caftle, führte eine Ge—
ſandtſchaft ins Aichantiland u. machte fpäter ein:
neue Reife ins Innere von Attila; er ftarb 18%4
am Ufer des Gambia. B. jhr.: Mission from
Cape Coast-Castle to Ashantee, Yond. 181%,
deutich, Jena 1819.
Bowditch, Natbaniel, verdienter amert!
Aftronom, geb. 26. Nov. 1773 zu Salem in
Maffachufetts; ftudirte als Autodidalt Mathemant,
ging auf einem Kauffabrteiihiffe als Factor mir
Ei Indien, wurde nach der Rüdtebr Bräfiden
einer ringe: ——— a des Bollzich-
ungsrathes von Mafjachujetts, !päter Director der
Maflachujetts-Lebensverfiherungsgefellibaft, orge
nifirte das Boſtoner Athenäum, welches ihn zum
Vorſteher wählte, u. wurde dann Präfident der Atı-
demie der Künſte un. Wilfenihaften in Boſton; e
farb 16. März 1838. B. jchr.: The new Ame-
rican practical navigator, Bolt. 1800, 25. Aufl,
NewPork 1855, u. überſetzte Laplaces Mechauil
des Himmels, ebd. 1829—39, 4 Bde., ſowie eine
große Anzahl aftronom. verbergen Sr in den Me:
moiren der Amerilan, Akademie zu Bofton. Epetr*
Bomwen, Francis, nordamerif, Philofopb ı.
Pubiı.tt, geb. um 1814 zu Charlestomn in Mafia:
Aufetts; war 1835—39 Nepetent der Rational:
öfonomie ander Univerſität zu Cambridge, beichäf-
tigte fih dann mit literarifchen Arbeiten, feitete
1843—53 die North- American Review, murde
hierauf Profeffor der Nationalölonomie in Cam:
bridge. Er fchr.: Critical essays on the history
and present condition of speculatire philosophy,
Boft. 1842; Lectures on the application of
metaphysical and ethical science to the eri-
dence of religion, 1849.
Bower, Archibald, Geſchichtſchreiber, geb.
1686 zu Dundee in Schottland ; ſtudirte m Douad,
ging nah Rom, wurde Jefuit u. jpäter Lehrer der
verjhwinden, jo daß dann, die geftielten Sporen Geſchichte, Rhetorik u. Philoſophie u. Beifiger der
ganz frei zwiſchen den haarfürmigen Zellfäden | Jnquifition zu Macerata; 1726 gin
er nad
des Capillitiums aufgehäuft liegen. Die Arten) England u. tratdort zur Proteftantiichen Kirche über;
finden ſich meift auf trodenen Wieſen u. Brachen; er arbeitete mit an der Historia literaria u. feit
in der Jugend find fie alle efbar. 1) B. plum-'1730 an der großen Weltgefchihte m. wurde
bea Pers., im reifen AZuftaude von Form und 1747 bei der Bibliothek der Königin angeftellt; er
Farbe einer großen ‚zlintentugel, mit ſchmaler ftarb 6. Sept. 1766. DB. gab eine Lebensbeichreib-
Pründung. 2) Bi nigrescens Pers., länglih u./ung der Bäpfte, engl., heraus, 1750, 7 Bbe.,
walnußgroß, zuletzt ſchwarz mit dunlelrotbbraunen | deutih von Rambach, Magdeb. 1751—80, 10 Be.
Sporen. Beide Pilze wurden, fowie die Arten; Bowie, County im norbamerit. Unionsftaate
von Lycoperdon, al$ Fungus chirurgorum a u = unter 41° n. Br. u. 112 w. L.; 4684 Em,
Blutftilen angewender. Daß das Sporenpulver| Bomielnife (amerik.), cine Art großes Jagd»
Bowle —
mefjer, von James Bowie, der bei ‚Fort Alamo
fiel, erfunden; bejonders geſchickt willen es die
Bewohner der ſüdweſtl. Staaten zu,gebrauden.
Botvle (engl.), 1) Triulgeſchirr, Napf, Ter-
5
Bowring. 751
ſeltenen Sprachtalent die meiſten Sprachen Die.
ſes Continents aneignete u. poetiſche Anthologien
der ruſſ., holl., jerb., ipan., magyar. u, poln. Li -
teratur in eugliiher Überſetzung herausgab. B.
rine. 2) Der Inhalt eines jolhen Trintgefäßes. erlernte jpäter noch eine Anzabl außereuropäticher
Das Bowletrinken ſtammt aus England, wo der
Punſch, die Stelle des Weines vertretend, in einer
B. zubereitet, auf etragen wird. Später lam es
erit ın Gebrauch, Wein in einer B, mit Gewürzen,
wie Pomeranzenichalen, Neltenpfeffer zc., oder mit
Kräutern, wie Waldmeifter (Maitranf) u. Früch-⸗
ten, wie Erdbeeren, Ananas, Apfelfinen zc., unter
Zugabe von Zuder zu verjegen.
Bowles, William Lisle, engl. Dichter, geb.
24. Sept. 1762 in Kings Sutton in Northamp-
tonſhire; ftudirte. zw Drford, wurde Geiſt
licher u. 1803 Präbendar an der Kathedrale von
Salisbury; er farb 7. April 1850 dajelbit
als Oberpfarrer in Bremhill. Seine Schriften
find ungemein zahlreich ; als Dichter hat er Words-
worth, Southey u. Goleridge begeiftert u. gebildet.
Sein erftes Wert: Fourteen Sonnets, 1789, die
wiederholt vermehrt wurden. Sie gehören zu den
Erftlingsfrüchten des bereinbrechenden neuen poe-
tiſchen —** Eine Ausgabe der Werke Popes
verwidelte ihn in einen Streit mit Gamp-
bell u. Byron. Unter feinen dichterifchen Schriften
heben wir bervor: Coombe Ellen and St. Mi-
chael's Mount; Battle of the Nile; Sorrows
of Switzerland; Spirit of Discovery, or the
Conquest of the Ocean; St. John in Patmos,
or the last Apostle. Beſonders jchön tft fein
letztes Werk: Poems of South, and some other
Poems of Melancholy and Fancy xc., ——
Bowlinggreen (engl.), 1) mit Raſen bewach⸗
jener Kegelplag; 2) jeder ſorgſam erhaltene grüne
Najenplag in einem Garten ; fie müflen, um ein
gleihmäßiges Schönes Grün zu erbalten, oft kurz
abgemäht u. bei anhaltender Irodenheit bewäflert
werden,
Bowlinggreen, Hauptitabt des Warren County
im nordamertlaniichen Unionsjtaate Kentudy, am
Barrenriver, welcher von hier aus fiir Dampfboote
ſchiffbar ift,; bedeutender Handelsplag, bejonders
für Schweinefleiih u. Tabat; Fabriken; 4600 Ew.
Bowmannſche Drüjen (Anat.), einfach
fblauchjörmige, öfter mit folbig angeſchwolleuem,
Didem Ende verjehene u. leicht gefchlängelte Drü—
jen in der Schleimhaut des zur Geruchsempfindung
dienenden Theis der Naſe. )
Bomwnie (Baonne), Heines Fürſteuthum in
Border- Zudien (Bundelcund); 320 [ jkm; 18,000
Ew.; jet ungefähr 1750 unter einer mobammte-
daniſchen Radſcha-Familie, infolge Schenkung des
Peiſchwa, was von den Engländern 1802 beftätigt
wurde; unter dritiſcher Oberaufficht.
Bowring, Sir John, hervorragender engl.
Staatsntann, Heifender u. Schriftfteller, geb. 17.
Ocitbr. 1792 zu Exeter in der Grafichaft Devon, |
der Sohn eines Zuchfabrifanten; trat, kaum
14 Jahre alt, in das Geſchäft feines Baters und
widmete jeine Mußeftunden fait ausichließlich dem
Studium neuerer Sprachen, der Naturgeichichte u.
Chemie.
Er machte dann Geſchäftsreiſen für ſei⸗
nen Bater in Europa, auf denen er ſich bei ſeinem
Sprachen, jo daß er etwa 40 Sprachen beherrſchte
u. von etwa 200 Kenntniffe bejeilen haben joll,
Seine enge Verbindung mit „Jeremy Bentham
(j. d.), Englands Reformator in ber Öejeggebung
u. Begründer der Niütlichkeitstheorie, führte ihn
ferner dem Studium politischer u. vollswirthichaft-
licher Fragen zu. 1825 wurde er Nedacteur der
turz zuvor gegründeten Westminster Review.
eines damals hoͤchſt wichtigen Organs für. philo-
ſophiſchen Radicalisınus. Gier ftritt er fünf Jahre
lang, noch ehe an die Gründung der Freihaudels⸗
partei in England gedacht ward, für die Princi-
pien des Freihandels, und bier fürderte er unter
der Führung Benthams, deſſen ZTeftamentsuoll«
ftreder er jpäter wurde, die Sache der Parlaments
reform, der Emancipation der Katholifen, religiö-
fer Zoleranz u, öffentlichen Unterrihtes, Im J.
1828 erbielt er, nachdem er jein ‚zabrifgeichäft
aufgegeben, eine Miffion nah den Niederlanden,
um über die Finanzlage diefes Landes zu berich—
ten. Seine im Morning Herald bierüber ver:
öffentlichten Briefe erwarben ihm den juriftiichen
Doctorgrad von der Univerfität Groningen, Die
befondere Aufmerkiamteit, die B. den Handels:
verbindungen Englands u. den feſtläudiſchen Re—
gierungen widmete, liegen ihn dem liberalen Di»
nifterium von 1834 als die geeignete. Perſönlich-
feit ericheinen, die au der Spige einer Gontntij-
fion nad Frankreich gejandt wurde, um über den
Stand des Handels zwiſchen beiden Ländern zu
berichten, u. die von ihm u. Villiers verfaßten
Reports on the commereial relations between
France and Great-Britain, Pond. 1835—36, 2
Bde., gelten durch ihre Fülle genauer Thatſachen
als Meifterftüde ihrer Art. In feinem Beport
on the commerce and manufactures of Switzer-
land, Lond. 1836, deutich von Henne, Zür. 1837,
entwidelte er die Vortheile der Handelsfreiheit dem
Prohibitivfgftem gegenüber. Weitere Miſſionen
in Bertehrs« u. Handelsfragen erhielt er nah Bel-
gien, talien, insbeiondere nah Toscana 1836,
dann nach Agypten u. Syrien u, vertrat England
bei der großen Zollvereinsverjammlung zu Berlin
1838. Sein Bericht über den dentichen Zollverein
(deutfh, Berlin 1340) erregte in Deutichland
er Anftoß. Nachdem B. von 1834—48 als
! tirglied im Unterbaufe geſeſſen, erhielt er, der
bereits im der Bermwaltung Lord Melbournes
Commifjar beim öffentlihen Rechnungsweſen ge-
weſen war, im Januar 1849 die einträgliche
Stelle eines Confuls in Hongtong, wo er fpäter
auch als bevollmächtigter Miniſter fungirte. Hier
erwarb er fich durch die Feſtigleit, mit der er den
Ränken der Hineftihen Behörden entgegentrat,
das Bertrauen des Vlinifteriums in jolcheın Grade,
daß er, auf Urlaub in England anmejend, am 9.
Februar 1854 zum Ritter u. zum Gouverneur
von Hongkong u. Oberaufjeher des engl. Handels
in China ernannt wurde. Um dieſe Zeit veröf-
fentlichte ev auch fein Werft über das Decimal-
igitem: The Desimal System is numbers, coins
752
and accounts, Pond. 1854. Das von ihm Okt.
1856 ohne Kriegserflärung über Kanton verhängte
Bombardement hatte jeine Abbernfung zur Folge.
- Auf feiner Ridreife bejuchte er die Philippinen-
Inieln, über die er ein anziehendes Buch ſchrieb:
Visit to the Philippine Islands, Lond. 1859; in
gleicher Weife hatte er früher fhon Siam geſchil⸗
dert in: The kingdom and people of Siam, daj.
1857, 2. Bde. Obwol er 1859 mit Benfion aus
dem Staatsdienfte getreten, erhielt er doch ſchon
1861 wieder den Auftrag, über einen Hanbelövertrag
Bowyer —
Boyaca,
tholie Hierarehy in England, daf. 1868 ; Intro-
duction to the study and use of the Civil
Law, daf. 1874. 8. ward 1852 für ben Flecken
Dundall ins Parlament gewählt u. vertrat demiel-
ben bis 1868. Bartling.
Borall, William, befannter engl. Borträt-
mafer, geb. 1801 zu London; beſuchte vom 1819
die dortige Ainnftalademie und trat, nachdem er
einge Zeit vorwiegend Allegorien gemalt, zur Por⸗
trätmalerei über, in welcher er lebendige Eharal-
teriftif, gute Farbe u. viel Geihmad entmidelt.
mit dem —— Jialien zu unterhandeln. In Er iſt ſeit 1867 Director der engliſchen National.
egnet.
den fetten Fahren feines Lebens vertrat er die
Regierung in Hawait m. ſchloß Freundichafts- u.
galerie. *
Borberg, Stadt im Amtsbez. Tauberbiichois-
Handelsverträge mit Belgien, Holland, Spanien, heim des badiſchen Kreifes Mosbach, an der Umpfer,
Italien u. der Schweiz. Nicht minder war
mit Eifer für die Verbeſſerung des Gefängniß-
weſens thätig u. gehörte 1872 zu dem bedeutend»
ften Mitgliedern des internationalen Gefängnißcon-
greifes zu London. Unter feinen noch nicht ge
nannten literariihen Schöpfungen find ferner zu
erwähnen die Bamphlete über Renumerative Prison
Labour u, The Restrietive and Prohibitary Sy-
stem; Geſchichten für die Jugend unter dem Ti—
tel: Minor Morals; On the Repeal of the Corpo-
ration and Tests Acts; eine Überfegung von
Ehamifjos Peter Schlemihl und ein Werk in fpa-
niſcher Sprache über die Sklaverei in Afrika. 8.
ftarb 23. November 1872 auf feinem Yandfite
Mount Radford bei Ereter. Nah feinem Tode
erihien: A memorial volume of sacred poetry,
with a memoir of the author, herausgegeben von
feiner Wittwe, Lond. 1873. Ein jüngerer Sohn
Bes, Ed g° r Ulfred, geb. 1826, längere Jahre
hindurch Regiftrator n. Bibliothefar des Handels-
amtes, hat ſich in der literarifchen Welt durch feine
Überjetsungen der Gedichte Schillers, 2. Auft.,
Drford 1873, Goethes, daj. 1853, u. Heines, 3.
Aufl., Lond. 1866, fowie der Pialmen, Orford|jehen.
B. und am der Heibelberg-Würzburger Eijenbabn;
Amtsgericht; 666 Em. DB. hatte früher eigen:
—— lam im 13. Jahrh. an Hohenlohe u. dem
eutjchorden, im 14. an Die von Roſenberg.
1468 nahmen es Mainz, Pfalz u. Würzburg, aber
ihon 1480 bauten es wieder die vorigen Befiger;
1523 wurde es durch den ſchwäbiſchen Bund zer
ftört und war von da an mit furzer Unterbrei-
ung furpfälziich bis 1803,
oren, der Faufttampf der Engländer, wobei
die Kämpfer am Oberleibe umbelleidvet find und
nach eigenen feftftiehenden Gebräucden dem Gegner
Fauftftöße, bejonders auf den Unterleib, beizubrin-
gen, fi ſelbſt aber dagegen zu decken juchen.
Sobald ein Boxer auf der Erde liegt, darf ihe
der andere nicht jchlagen, ebenjo nicht, mwenm er
aufhören zu dürfen bittet, wodurch er fich für
überwunden erllärt. Oft koftet das B. denn Käm-
pfern die Gefundheit, zumeilen ſelbſt das Leben.
Das B. war fonft eine Art Ducl, um Privat:
fireitigfeiten abzumachen, oder eigene Boxer fod-
ten entweder gegen Bezahlung ſolche Privatfehden
aus, oder lieben fi mit ihrer Kunft für Gew
Jetzt ift das B. geiegli verboten, doch
1858, befannt gemadt. Bgl. Bartling, Netrolog|hat das Berbot nur die Theilnahme der vornch-
Sir John B⸗s in Deutihe Warte IV, 701. Bartling.|men Welt an diefen Kümpferſpielen befeitigt. In
Bomwyer, Sir George, namhafter engliicher
Nechtsgelehrter u. Vorkämpfer des Iltramonta-
nismus in England, geb. 1811 auf dem Laudfitze
feines Vaters zu Radley in Berkſhire; ſtudirte die
Rechte, ward 1839 als Advocat an die Barre der
Rechtsſchule des Middle Temple gerufen, hielt
längere Zeit Vorleſungen in derſelben, iſt Frie—
densrichter u. Deputy Lieutenant der Grafichaft
Berls. Im 3.1850 trat er zur Römiſch-Katho⸗
liſchen Kirche über, Als Pius IX. im Herbfte
den Vereinigten Staaten von Rorbamerila ift das
B. neuerdings zur Leidenſchaft geworden, beion-
ders im W. Bgl. Pierce Egan, Boxiana, Lond.
1824, 4 Bbe,
Dortel, Fleden im Arr. Herzogenbufch der
niederl. Provinz NBrabant, an der hier fchiffba-
ren Dommel; Bapiermühle,. Leinenweberei; 4802
Ew. 8. kam 1430 von ben Herren v. Merbem
durch die Heirath an die d. Ranſt u. fpäter an
die Grafen von Hier 14. September 179
1850 England in katholische Diöcefen theilte, ward | Sieg der Franzoſen über die vereinigten Hollän-
B., der kurze Zeit zuvor zum Ehrendoctor von|der u. Engländer.
Orford gemadt worden war, dazu erfehen, diefen
Act zu vertheidigen, u. veröffentlichte zu diefem
Behufe ein Pamphlet, unter dem Titel: The Car-
dinal Archbishop of Westminster and the new
Hierarchy, das mehrere Auflagen erlebte. B. hat
au mehrere mwerthvolle jurifttiiche Schriften ver-
öffentlicht, von denen zu nennen find: A disser-
tation on the statutes of the Italian cities,
tond. 1848; Commentaries on the modern Civillin NW.
Boy (Boi, fr.), leichtes, tuchartiges Gewebe,
ähnlich dem gepreßten Flanell, bejonders in Eng-
land, doch auch in Deutichland u. Frankreich geier-
tigt. 2) (Seem,) So v. w. Anterboje; f. u. Anter.
Bohaca, 1) Staat der füdamerif. Föderativ—
republit Columbia, zwifhen dem Magdalenenfinf
u, dem Drinoco; grenzt im NO. u. O. an Bene:
zuela, im SO. und SB. an Cundinamarca und
an Santander; ungefähr 44,000
Law, daſ. 1848; Readings delivered in the/[_Jkm (800 [[Meiten); 483,000 Ew., dar
Middle Temple Hall, daf. 1851; Commentaries |unter 100,000 Weiße, 250,000 Mifchlinge, geringe
on universal Public Law, daſ. 1854; The Pri-
vate History of the Creation of the Roman Ca-
ahl von Negern u. Jndianern (Salivas, Cabres,
ttomafen). Das Land ift fruchtbar u. gefund,
Boyd — Boper.
Der ®. wirb von den Eorbilleren durchzogen. Zuns-|des
dama u. Tunja find
Gebirge, Eafanare
zum
ochthäler an der
753
erzogs von Braunfhmweig mit, wurde nad
Seite ber bem ; rieden in Tilſit Major, lam 1809 in das
bene auf der OSeite, bis Kriegsdepartement, reorganirfirte unter Scharuhorft
rinoco reihend u. flußreich, Velez im O. das Heer, wurde 1810 vortragender Adjutant des
des Magdaleuenfluſſes theil® bergig; reih an Königs, erhielt aber 1812 wegen Feindſchaft ge-
Kupferminen, Smaragden beiDinzo u. Somondoco,|gen die Franzoſen den Abſchied u. ging mad
ungehenre Steinfalzlager und conchylienreicher
Kalk mit wichtigen Verjteinerungen von Ur-Riefen-
thieren. Eintheilung: in die Provinzen Tunja,
Belez, Fundama u. — Penn Hanptftadt: Tunja.
2) Kleines Dorf, fild!. von Tunja an der Straße
nah Bogota. Hier Befreiungsihlaht Bolivars
gegen die Spanier 7. Aug. 1819; zum Andenken
daran erhielt der ganze jegige Staat den Namen B.
Fr. Korner.
Boyd, County im mordamerif. Unionsftaate
Kentudy, unter 38° n. Br. u. 82° mw. 8; 8573
Em.; Hauptfig: Canterbury.
Bondell, John, engl. Kupferfteher u. Kunft-
händler, geb. 1719 in Dorrington (Shropibhire);
wendete fih erſt mit 21 Jahren der Kuuft zu,
ftach viele Blätter nach alten Meiftern u. feit 1745
Anfihten von London u. der Umgegend, erwarb
fi durh den Kupferftich- u. Antiquitätenhandel
ein bedeutendes Vermögen u. wurde Alderman u,
Lord-Mayor von London, wo er 1805 ftarb, Er
gab heraus: Die Galerie Honghtons ; Collection
of prints, engraved after the most capital pain-
tings in England, ?ond. 1769 ff., 19 Bbe., ar.
—86 Liber veritatis, 1777, 2 Bde. Nach ſeinem
ode wurden die 80 Platten der unvollendeten
Shafefpearegalerie, die‘ von den beriihmteften
Künftlern nach den bereits angefauften Gemälden
geftohen waren, als: A collection of print from
pietures painted for the propose of illustrating
the dramatic works of Shakespeare, 2 Bbe.,
herausgegeben. Regnet.*
Boye, Kaspar Johann, dänifcher Dichter,
geb. 1791 zu Kongsberg in Norwegen, jedoch
Sohn eines däniſchen Beamten; war erft Lehrer
am onftrupichen Lehrerfeminar, 1826 Pfarrer
zu Sölleröd, 1835 zu Helfingör, 1847 zu Kopen-
bagen; ftarb 1853 an der Cholera, 1823 ff.
fieferte er fiir die Kopenhagener Bühne Tragö-
dien, Nahahmungen der Ohlenſchlägerſchen, fo:
Juta Swend, Grathe Kong Sigurd, Erik VIL,
u. das romantiihe Schauspiel Will. Shafefpeare,
welche damals geftelen, jet aber faft gänzlich
vergeffen find; gefammelt: Poetiske Skrifter, 4
Bde., Kopenh. 1850—51. Seitdem er Pfarrer
' geworden, wibmete er ſich der religiöjfen Lyrik u.
Iteferte Kirchenlieder, welche ſehr geihätt werden
(gefammelt: Psalmer, 3 Bde., Kopenh., 1847—54;
im Dänifchen bedeutet Psalme: Kirchenlied).
Boyen, Feſtung 4. Kaffe im Kreiie Löten
des preuß. u umbinnen, am Lewentin⸗See
und Lötzener Kanal; nah General B. benannt;
vielfach als Detentionsort für politifhe Gefangene
benugt,; 591 Em.
Bogen, Hermann v., preuß. General, geb. fett von Spangenberg, 1804.
ßland. Nah dem Waffenjtillftande 1813 wurde
er als Oberft wieder im Generalftabe angeftellt
u. machte als Ehef defjelben beim 3. Armeecorps
die yeldzüge von 1813—14 mit, wurde nach dem
eriten Pariſer Frieden Kriegsminifter u. ging mit
dem König 1815 nah Paris; 1818 wurde er
Generallientenant und wohnte dem Gongreß zu
Aachen bei, legte jedoch Eude 1819 bei der da—
maligen Frage über die Landwehr feine Mini-
fterftelle nieder u. lebte in OPreußen. 1840
wurde er von Friedrich Wilhelm IV. wieder in
den activen Dienft berufen u. General der In—
fanterie, 1841 an Rauchs Stelle Kriegsminifter,
trat im October 1847 aus dem Minifterium und
wurde Feldmarſchall u. Gouverneur des Berliner
Invalidenhauſes. Er ft. 15. Februar 1848 als
General» Feldmarfhall. B. ſchr.: Beiträge zur
Kenntniß des Generald v. Scharnhorft, Berl.
1833; Erinnerungen aus dem Yeben Gilnthers,
ebd. 1834.
Boyer, 1) Baron Alerisv., einer der größten
Wundärzte Europas, geb. 29. März 1760 (micht
1. März 1757) in Uzerches (Limonfin), Sohn
armer Eltern; arbeitete anfänglih um fargen
Sohn bei einem Notar, wurde dann Barbier-
ehilfe u. machte es unter den größten Schwierig«
eiten möglich, feit 1779 als Deffaults Schüler ſich
der Chirurgie widmen zu können. 1787 trat er
«ls Chirurg im die Charite ein, hielt Borlefungen
über Anatomie, Phyfiologie u. Chirurgie, wurde
bei der Einrihtung der Ecole de Sante, der
jpäteren medicinifhen Facultät, 1794 Profefior
der chirurgiſchen Operationen, dann der praftifchen
Ehirurgie, 1804 erfter Wundarzt Napoleons, nad)
dem erjten Polnischen yeldzuge zum Baron er-
hoben, nad) der Reftauration Profeffor der dir-
urgishen Klinik an der mediciniſchen Facultät,
Oberwundarzt am Höpital de la Charite, Mit«
lied der Ehrenlegion, 1823 aud confultirender
Wundarzt des Königs und 1825 Mitglied des
Inſtituts. Er ftarb 25. Nov. 1833. Bei feinem
Begräbniffe ipannten feine Schüler die Pferde
aus u. trugen die Leiche zu ihrer Ruheſtätte.
Bon feinen Werten feien befonders erwähnt: Die
preißgefrönte Abhandlung: Determiner la meil-
leure forme des aiguilles, destindes à la réunion
des plaies et à la ligature des vaisseaux et la
maniere de s’en servir; Traité complet d'ana-
tomie ete., Bar. 1797—99; Traite des maladies
chirurgicales et des operations etc., ebd. 1814
bis 1825, überjett von Textor, Würzburg 1817
bi$ 1826; Legons sur les maladies des os,
redigees par Anth. Richeraud, ebd. 1803, über-
Das Journal de
18. Juli 1771 * Kreuzburg in OPreußen; trat|medeeine, chirurgie et pharmacie redigirte er
1784 zu Königs
erg in preußische Dienfte, befuchte mit Eorvifart u. Hour don 1798—1817; zahle
dajelbft 3 Jahre die Militärſchule, wurde 1788 reiche Artikel
von ihm finden fih aud im
Lieutenant, wohnte dem Feldzuge in Polen 1794| Dictionnaire des sciences medicales. 2) Jean
als Adjutant v. Günthers bei, wurde 1799 Haupt-| Pierre, Präfivent der Republik Hapti, ein
mann, madte den Krieg 1806 im Generalftabe! Mulatte, geb. 28. Febr. 1776 in Port-au-Prince
Pierers Univerjal:Eonverjations:teriton, 6. Aufl. LIL Band. 48
75
4
auf Hayti; war jhon vor dem Revolutionskriege
Batarllonschef u. nahm uuter Beauvau u. Rigaud
thätigen Antheil an dem GColonialfriege gegen die
Engländer. As Haupt der Mulatten kämpfte er
gegen Touſſaint, jedoch ohne Erjolg, mußte des-
halb die Inſel verlaffen u. ging nad Frankreich.
Mit Yecderc kehrte er 1802 zurüd, trennte fich
von diefem, zog im dem füblichen Theil der Juſel
zu Petbion, während Chriſtoph (. Hayti) den
nördlichen beherrſchte, u. behauptete fich un dem:
jelben mir Pethion glüdlih gegen Chriſtoph.
Unter Pethions Präſidentſchaft wurde er Com—
mandant von Port-au-Prince und machte ſich um
die Organifation der Truppen nad europäticher
Art verdient. Nach Pethions Tode (1818) wurde
B. Präfident der Republik u. verband, nachdem
Ehriftopb 1520 umgelommen war und er aud)
den ſpauiſchen Theil der Inſel erobert hatte, ganz
Hayti zu einer Republik, welde er in Frieden
regierte. Infolge des Aufftandes vom 17. Jan.
1543 wurde er abgefegt, verließ nach feiner Wieder-
fage durch Wiviere das Yand und ging über
„statten nad Paris, wo er 9. Juli 1850 jtarb,
3) Yonis, franz. Baudevilledichter, geb. 1810 in
Barıs; widmete fih bejonders der dramatiichen
u, Dramaturgiichen Literatur u. war 1851—04
im Staatsminifterium als Inſpector u. als Gen-
jor der Theater angeftellt; darauf war er bis
1856 Director des Baudevilletheaters; ft. 22. April
1866. B. ſchrieb mehrere Bauderilles, bejonders
mit Anderen, unter dem Geſammtuamen La
Roque, war auch 1848 Mitbegründer des „Journals
Le Lampion ou Eelaireur politique, !) Zbamhayn.
Boyle, 1) Stadt in der iriichen Grafichaft
Roscommon (Provinz Connaught), au der Münd-
ung des gleichnamigen Fluſſes in den Key-See,
Station der Eifenbahn von Sligo nah Dublin;
Gavaleriefajerne; Yeinenmeberei; Handel mit Ge—
tweide, Butter u. Flachs; 3000 Ew. 2) County
im nordamerif. Unionsftaate Hentudy, u, 37°. Br.
u. 86° w. Y.; 9515 Ew.; Gountyfig: Danville.
Boyle, 1) Richard, der große Graf von
Cort, geb. 1566 in Canterbury; ftudirte die
Rechte, ging nach London u. von da nach Irland,
wo er ſich mit Johanne Aspley v. Limerik vermählte.
Nach deren Tode fiel ihm ein großes Vermögen
zu; er wurde Secretär des Gouvernements der
Grafſchaft Munfter, unter Jakob 1. Geheimrath
u. 1616 Peer des Neiches u, erhielt den Titel
Lord B.; Karl I. ernannte ihn zum Lord-Richter
u. 1631 zum Zchatmeifter von Irland. In der
Nevolntion zeigte er fi) als Royaliſt und bielt
jeine Provinz am längjten im Zaume. Er ftarb
1643. 2) Roger B., Graf von Orrery und
Baron v. Broghill, 5. Zohn des Borigen, geb.
26. April 1621 in Yismore; war Anhänger
Karls 1. und vertheidigte Irland bis zu defien
Zode. Beim Sturze deffelben ging er nah Eng-
land u. war im Begriffe, Irland von Neuem für
Karl II. zu infurgiren, als ihn Grommell, der
feine Briefe aufgefangen hatte, überraichte und
ihm die Wahl stellte, angellagt zu werden, oder
Bone.
weis Tode wieder zumandte, den Thron beftiegen
batte, wurde er Lord⸗Richter in Irland, legte aber
wegen Streitigfeiten mit dem Herzog von Ormond
feinen Pojten nieder. Er ftarb 16. Octbr. 1679.
B. ſchrieb: Parthenissa (Roman), Yond. 1665,
3 Bde; Geſchichte Heinrihs V. u. VL; Schau—
jpiele (Der ſchwarze Prinz, Muſtapha, Altemira,
Heinrich V., Guzman u. Herodes d. Ör.). 3) Ro-
bert, Bruder des Vor., fiebenter Sohn von B. 1,
berühmter Naturforſcher, geb. 25. Febr. 1627 zu
Yısmore in Jrland; wurde zuerft im Eton College
bei Windfor, dann in Genf erzogen u. ſtudirꝛe
bejonders Naturwiſſenſchaften. Er bereite ale
Jüngling Frankreich, die Schweiz u. Italien u.
ging nach dem Tode feines Vaters 1643 nad
jeinem Baterlande zurüd, wo er als unabhängigert
reicher Privatmaun zuerft auf jenem Erbgute
Stallbridge in Jrland, dann in Orford u. Cam-
bridge u. zuiegt als Präfident der Königlichen
Gejellichait in Yondon Iebte. Er machte zuerit
auf die Elajticität der Luft aufmerkſam u. ımter:
juchte, gleichzeitig mit dem Franzoſen Mariotte,
deren Abhängigkeit vom Drud, ift aljo mit Letzte⸗
rem Gutdeder des nad dieſem benammten atro-
jtatifchen Geſetzes (New experiments physico-
mechanical, touching the spring of the air and
its effects, Orf. 1660, 2. Aufl., Lond. 1662,
3. Aufl., 1682); unteriuchte die Veränderung der
Luft beim Arhmen, überhaupt beim Übergange in
organiſche Körper, u. entdedte die > dünner
Blätthen (Experiments and considerations upon
colours, 1663). Mit Bacon von Berulam, deiien
PBrincipien er huldigte, erflärie er die Wärme
durch Schwingungen der Atome, In feinen zabi-
reihen anderen naturwiſſenſchafilichen u. natur
philoſophiſchen Schriften (3.3. Sceptical chymist,
1662, 2.Aufl., 1679; Considerations touching the
usefulness of experimental natural philosophy,
1663; Tracts about the eosmical qualities ete.,
1670 u.a.) ift er beftrebt, im Sinne Bacons die
Naturwijjenichaft von jpeculativen Glementen zu
reinigen, Er iſt namentlich der Erjte, der den alten
Ariftoteliihen 4 Elementen ebenjo entgegentritt, wie
den 3 der Aldyemijten, u. erwartet, daß eine Zeit
foınme, wo eine große Dienge von Elementen
befanut jein wirden. Er umterjcheidet ſcharf
Miſchung u. hemiihe Berbindung. Er hatte mi:
dem Elbinger Samuel Hartlieb theil an der
Gründung der unfichtbaren Geiellichaft, deren
Zwed war, im gemiütbtichen Zujammenleben obne
alles Anſehen des Standes wiſſenſchaftlich zu
arbeiten, u. aus der nad der Thronbejteigung
Karls II. die Royal Society hervorging, u. war
ein eifriger Befürderer des Chriſtenthums, wes-
halb er jogar in das Directorium der Oſtindiſchen
Compagnie trat u. auf feine Koften eine malaii:
jche Ülberjegung der Evangelien u. der Apojtel-
geichichte dDruden ließ. B. war ein außerordentlich
jruchtbarer Schriftiteller, defjen Themata zuweilen
boshafte Nachahmungen bervorriefen. Er ftarb
30. Dechr. 1691 in London und wurde in der
Wejtminfterabtei begraben, 4) Charles, Enteı
zur republifanifchen Partei überzutveten. Er thativon Roger B., geb. 1676 zu Chelſea; ſtudirte
das letztere, kam im großes Anſehen bei Erommell
u. trug viel dazu bei, Irland dem Protector zu
gewinnen. Als Karl IL, dem er ſich nach Crom—
|
in Orford, machte den Spaniihen Erbfolgekrieg
unter Marlborougb mit, wurde Gebeimrarb, Ge—
fandter in Brüffel u. Beer; er ft. 28. Aug. 1731.
Boyles Geſetz — Bohton.
755
Er gab heraus Phalaridis epistolae, 1695. Das 4) Philipp Wilhelm, Graf v. B., Sohn des
nad) ihm genannte B-fhe Planetarinm ift von
dem Mechaniler G. Graham verfertigt.
Bohles Gefes, jo v. wm. Mariottejches Geſetz;
j. u. Gas.
Bonne, 104 km langer, jchiffbarer Fluß in
Irland; entipringt im N, der Grafichaft Kildare,
Provinz Yeinfter, nimmt in Eaſt-Meath den
Bladwater auf, hat einen Kanal bis Trim und
mündet ins Jrifche Meer unweit Drogheda. An
feinen Ufern befiegte 11. Juli 1690 Wilhelm III.
"von Oranien feinen Schwiegervater Jakob II.
Boyneburg (Boimeneburg, Bömelburg), ur-
alte, ın Trümmern liegende Burg im Kreiſe
Rothenburg des preuß. Regbez. Kaffel, Stamm—
haus der Familie B. (VBoineburgf), eines der
älteften und verbreitetften deutichen Geichlechter;
theilte fich fhon im 18. Jahrh. in den Weißen
u. Shwarzeu Stamm u, mehrere Linien u. wurde
1554, 1571 u. 1653 in den verjchiedenen Stäm-
men in den Freiherrnſtand, eine Linie des
Schwarzen Stammes in den Grafenjtand erhoben.
L Weißer Stamm, gegründet von Bodo I.;
zu demfelben gehört: 1) Kurt v. B., der Feine
Heffe, geb. 1487 in Heflen, von Heiner Figur;
trat früh erft in beifiiche, damı in Tailerliche
Dienfte, focht bei Pavia, übernahm den Befehl
der von Frundsberg dem Connetable von Bour«
bon zugeführten Truppen u. eroberte mit ihnen
1527 Rom, Mit Dranien ſchützte er 1528 Neapel
gegen die Franzoſen, nahm 1532 theil an der
Belagerung von Florenz u, wurde im Türfen-
Iriege 1532 Anführer des deutjchen Fußvolles.
1533 zum Geheimen Kriegsrathe Karls V. u. des
Königs Ferdinand ernannt, belagerte er Pet, wo
ihn Karl V. zum Ritter ſchlug u. zum Feldherrn
ernannte. 1544 eroberte er St. Dizier an der
Dame für den Kaifer; von dem Herzog von
Bayern mit Bertheidigung des Städtchens Rain
beauftragt, wurde er dort zur Gapitulation ge
nöthigt, deshalb verhaftet, aber als unichuldig
freigelaffen. Er wohnte der Schlacht bei Mühlberg
bei u. war 1557 bei St. Quentin. B. it. aui
feinen Gütern in Schwaben 1567, 2) Hermann
Friedrich v., aus dem erlofhenen Zweige zu
Hohenſtein, geb. 26, März 1665; focht mit den
däuiſchen Hilfstruppen 1690 in Irland an der
Boyne un. unter den Kailerlichen als Brigadier
im Spanischen Erbfolgelriege, feir 1701 in Ober-
Stalien u. wurde zum Generalfeldwachtmeifter er-
nannt; er jtarb 27, Septbr. 1703 in Hoveredo.
I. Schwarzer Stamm (Boineburg-Lenasfeld),
an Thüringen u. Heflen; zu ihn gehören: 3) Jo:
haun Ehriftian v. B,, Herr zu Breitenbad u.
Dippach, geb. 12, April 1622 in Eiſenach; war
Gejandter an mehreren Höfen, bef. in Stodholm,
trat 1656 zum Katholicismus über u. in Mainzifche
Dienfte, wurde Geheimrath des Kurfürſten u.
unterhandelte beim Pyrenäiſchen Frieden. Er zog
Yeibniz (der nachher fein Privatjecretär war),
Pufendorf u. U. in Mainziſche Dienjte, gerieth
indeß bei feinem Herrn in Ungnade, wurde 1665
gefangen gejetst, aber losgeſprochen. Er ft. 8. Dec.
1672 auf jeinem Gute bei Frankfurt.
Seine
or., geb. 21. Nov. 1656 in Mainz; war erjt Geift-
licher, befaß viele Präbenden u. hatte Ausfichten
auf dem erzbifchöflihen Stuhl, wandte diejen aber
dem Bruder ſeines Schwagers, Franz Lothar
v. Schönborn, zu, wurde 1697 in den Grafen-
ftand erhoben u. 1702 Gtatthalter in Erfurt; er
ftarb 23, ehr. 1717. 5) Moritz Heinrich,
Freiherr B. v. Yengsfeld, geb. 2. Dctbr. 1788;
trat 16 Jahre alt in preußifche Militärdienfte,
1807 aber in die weftfälifche Armee über und
rüdte nah uw. nad) während der Napoleoniſchen
Kriege, an denen faft allen er theilnahm, zum
Oberitlieutenant u. Regimentscommandeur auf,
Im October 1813 ging er mit feinem Regiment
zu den Öfterreihern über, ward 1832 zum Ges
neralmajor befördert u. erhielt 1842 mit der Er-
nennung zum Feldmarſchalllieutenant das Comes
mando der Armeedivifion in Ofen. An Lederers
Stelle wurde er 11. Mai 1848 zur Übernahme
des ungariichen Geueralcommandog berufen, jedoch
im Juli nach Galizien verjegt, wo er unter
Hammerftein Antheil an der Unterbrüdung des
Aufruhrs zu Yemberg nahm. Anfang 1849 wurde
er Militärcommandant in Öſterreichiſch-Schlefien
zu Troppau. Seitdem in den Ruheſtand getreten,
erhielt er bei der Verabjchiedung den Charakter
eines General® der Cavalerie u. lebte in Wien,
wo er 20. Sept. 1868 ftarb.
Boyſalz, aus Meerwafler durch Verbunften
defjelben an der Sonne in flahen Gruben ger
mwonnenes Salz. Es enthält außer Chlornatrium
(etwa 90 pCt.) Chlormagnefium, ſchwefelſaure
Magnefia, ſchweſelſauren Kalt u. Waſſer. Durch
erdige Subftanzen ift es häufig grau oder braun
gefärbt. Man verbraudt es theil® noch zum
Einfalzen namentlich von Fiſchen, theils remigt
man es entweder duch Auswaſchen mit Salz»
waſſer, od, durch Auflöjen in Waffer, Filtriren u,
Berdampfen der Yöfung.
Boyton, Paul, amerilk. Sciffscapitän, geb.
um 1848 in Pittsburg; verbefferte und vervoll
Händigte den von Merriman in Nem-V)ork er-
fundenen Schwimmanzug u. durchſchwamm mit
demfelben, ohne mwefentlichen Berluft au Kraft u.
Körperwärme zu erleiden, 28, u. 29, Mai 1875
den Canal la Manche vom Cap Grisnez bi8 Do—
ver in etwa 24 Stunden Zeit, nachdem er am
20, Oct, 1874 bereits einen vergeblichen Verſuch
gemadt. Bon dem ihn begleitenden Fahrzeuge
nahm er, abgejehen von einigen Erfrifchungen, Bei«
bilfe nicht in Anſpruch. Der aus Kauiſchuk ber
jtehende Schwimmanzug läßt nur Augen, Nafe
u. Mund frei u. enthält Luftbehälter zum Auf-
blafen. Außerdem gehören dazu verjchiedene
Utenfifien, wie ein Ruder, ein Heines Segel, ein
Proviantbehälter, Gegenftände zum Abgeben von
Signalen ꝛc. Beſchreibungen in der Fluftr. Ztg.
Nr. 1661 u. 1664 (Mai 1875). Capitän B, bat
mit diefem Apparat bereits über 7U Menſchen das
Leben gerettet; derjelbe ift alfo wol geeignet, eine
neue Epoche im Seerettungswejen zu eröfinen u,
ſchließlich die Verluſte an Menſchenleben bei den
jedes Jahr ſich wiederholenden ſchrecklichen Kata—
Brieſe, herausgeg. von Meelführer, Nürnb. 1703, ſtrophen zur See mehr und mehr zu reduciren.
Struve, Jena 1706, u. Gruber, Hannover 1715. Einen Ähnlihen Shwimmapparat hat neuerdings
45*
756 Bo; —
auch der Amerikaner Stoner conftmirt. ©. d. Art.
Scqhroot. 2) Chriitos (Kito), Sohn des Bor.; nad dem
Schwimmen u. Seerettungsiwejen.
Boz, Pſeudonym für Charles Didens.
Bozen (ital. Bolzano), Hauptort der gleihuami«
gen Bezirtshauptmannichaft im ©. des öſterreichi⸗
ſchen Kronlandes Zirol, in einem Thalfefjel am
Einfluffe der Talfer in den Eifat, welcher 4 kın
weitlid) von da in die Etich mündet, 262 m ü.d. M.,
an einer Hauptftation der Brennerbahn; 9355 Em.
Der mitten Durch die Stadt führenden Gaffe entlang
laufen zu beiden Seiten geräumige Arcaden mit
Kaufläden, Comptoirs u. reichhaltigen Magazinen
für den bier befonders concentrirten Handel n. Wan-
del; unter den Häufern diejer Gaſſe findet ſich das
der Municipalität u. das palaftartige Gebäude ber
Handels- und Gewerbefammer für das deutjche
STirol. Für den gleichen Landestheil beiteht in
B. Kreisgericht, Bezirlspauptinann u. Bezirksges
richt, Miltärcommando, deutiches Eoniulat; Ober:
Staats- u. Privatgymnaftum, Lehrerbildungs-An«
ftalt, Real» u. Bürgerfchuten; viele Wohithätigleits-
anftalten u. Vereine; Sig des infulirten Propites
u. Decans; zwei Mönchs- u. 1 Frauenkloſter, ſchöne
Eollegiatitifts- (erfte Pfarr⸗ lirche im goty. Stil
(im 12. Jahrh. begonnen, 1519 vollendet). An
rößeren Fabriken befitt B. bloß eine mechaniſche
eberei, Baummollen- und Filoſelleſpinnerei auf
Actten. Die Märkte u. Meilen in B., die im
Mittelalter eine europäiiche Berühmtheit erlangten,
indem B. den Hauptitapelplag zwiſchen Augsburg
u. Venedig bildete, find jet nicht mehr bedeutend.
Nur die reihe Production an Weinen u. vorzüg-
lihen Obftgattungen und die erhöhte Gewerbs-
thätigfeit bietet Erſatz. In neuerer Zeit wird B.
wegen jeines milden, meist ſchneeloſen Winters von
Fremden zum Winteraufenthalte gewählt, doch if
dieſer Huf, was die Stadt betrifft, nicht ganz ver-
dient, fondern lommt mehr dem nahen Dorfe Gries
zu. — Über die erjte Anlage von B. haben wir
um fo weniger eine Spur, als die Sohle des römi—
Bozzelli.
das Capitanat Tſchumarka, wo er um 1793 ftarb.
Tode feines Vaters, ebenfo wie feine 3 jüngeren
Brüder, Bertheidiger von Suli wider Ali Vaſcha;
entlaı bei dem Falle Sulis 1804 nach den Joni—
chen Juſeln, diente dort als Major in einem franz.
Albaneferregiment u. fiel 1809 in die Gemal:
Al Paihas, der ihm tödten lief. 3) Marko,
Sohn des Bor., geb. um 1788; lebte nad dem
Falle Sulis auf den Joniſchen Inſeln, von wo
aus er einen Verſuch zur Befreiung feines Bater-
landes machte. Nach deflen Miflingen nahm er
in einem albanefiihen Regiment franz. Dienite
u, fehrte, nachdem er 1813 Mitglied der Hetäne
(f. d.) geworden war, im Jahre 1820, als bie
Pforte den Ali Paſcha befriegte u. Letzterer bei
den vertriebenen Sulioten Hilfe geſucht hatte,
nah Epirus zurid. Ber Ausbrudy des Griechiſchen
Freiheitslampfes in der Gegend von Miffolungbi
gegen Kurſchid Paſcha operirend, nabhın er ım
‚sanuar 1822 an dem Congreß der griechiichen
Deputirten in Epidauros theil u. leijtete von da
ab der griehiihen Sache die trefflichften Dienite.
1822 nabm er ai dem Feldzuge in WGriechen—
land tbeil u. zeichnete ſich beſonders 1822 — 1823
bei der Bertheidigung Mifjolunghis (f. d.) ans.
m Sommer 1823, wo er den Oberbefehl in
WGriehenland führte, eroberte er Yepanto und
wußte durch glüdlihe Operationen die türkiſche
Macht zu theilen, wurde aber bei einem nächtlichen
Überfalle auf das Lager des Paſcha von Sfutari ba
Karpeniffi 19. u. 20. Aug., wobei er den Palo
jelbft niederbieb und mit feinen 250 Mann ea
furdhtbares Blutbad unter den Türken amrichtetz,
gefährlich verwundet u. ftarb bald dazkuf im
Miffolungbi. 4) Kofta (Conftantin), Bruder des
VBor.; übernahm nach deifen Tode die Führung
der Gulioten u. die Bertheidigung von Mifjolungke,
war 1825 unter Denen, die im meftlihen Morea
wider Ibrahim Paſcha Fämpften und die 1826
ihen Bodens, infolge von Anſchwemmungen wenig- |nadh mehrmonatliher Belagerung in Miffolungbi
ftend 8 m unter der Oberfläche des Bodens liegt. |fih glüdlih durchſchlugen.
Er jtarb 13. Rovor.
B. wird urfprünglich zuerſt 379 unter Kaiſer Gra-|1853 als General u. Senator in Athen. 5) Noti
tianus Baufcare genannt; in der longobardijchen
Zeit bie e8 Bauzanum, fpäter Bolzanım u.
war Sitz eines unter longobardifcher Hoheit ftehenden
Grafen, nachher eines bayeriihen Grenzgrafen,
Kaijer Konrad fchenkte es 1027 dem Etifte Trient,
u. e8 wurde fortan ein Gegenftand des Streites
zwiichen diefem und deu Grafen von Tirol, an
welche Letztere es 1466 fiel; ſeitdem theilt es die
Schidjale dieſes Landes. Bgl. Amthor, B. und
ſeine Umgebung, Gera 1872. x in Bozen.
Bozra, ehem. Hauptſtadt der Nabatäer in der
(Notos), Bruder von B. 2); hatte früber ebeu-
fall® an den Kämpfen der Sulioten wider Añ
Paſcha theilgenommen, nah dem alle Suls
anf den Joniſchen Inſeln eine Zuflucht gefunden
u. dort mit Bruder u. Neffen in einem franz.
Albanejerregiment Kriegsdienfte genommen, mo
er als Major angeftellt wurde. Auch er trat
nah dem Ausbrucde der griechiſchen Revolution
1821 auf Seite der Griehen u. nahm an bem
Kampfe derjelben Antheil, namentlih bei der Be—
lagerung u. Bertheidigung Miffolungbis 1826.
Landſchaft Edom, ſüdöſtl. von Baläftina; jet unter B. ſelbſt war unter Denen, die ſich damals durch—
dem Namen Boſſeira nur noch durch ihre Ruinen
bedeutend,
Bozzaris (auch Botzaris u. Botjaris), aus-
gezeichnete Familie in der epirotiſchen Landſchaft
Suli (j.d.), die namentlich ſeit den letzten Jahr⸗
zehnt des 18. Jahrh. in. den Kämpfen der
Eulioten gegen die Türken unter Ali Paſcha von
„Janina u, jpäter in der griechiſchen Revolution
fih hervorthat. 1) Georg (Wiorgo), der Schreden
der Albanejen, der Sieger über At Paſcha, von
dem er jedoch nahmals ſich beftechen ließ durch
ſchlugen. Er fl. 1831. 6) Dimitri, der einzige
Sohn Markos, geb. 1813, einer der befähigtiien
Offiziere; ward Oberft in der Armee, jeit 22. Juni
1859 mehrmals Kriegsminifter, danı auch Wit
glied der Nationalverjammlung; er fl. 30. Aug.
1870 in Athen. Lagai.*
Bozzelli, Francesco Baolo, italienischer
Politiker, geb. 22. April 1786 in Manfredonia;
ging nach vollendeten Studien nah Neapel, um
fih der Rechtswiflenichaft zu widmen; ward 1813
‚Staatsraths-Auditor, 1815 Generalinjpector der
Bozzolo — Brabant.
757
Dberfanitätscommiffton u. wegen feiner Berdienftel2eopold zum Director der kgl. Kapelle ernannte,
zur Zeit der Seuche von 1816 zum Generalfecretär) während er der Mutter des Dichters ein Jahre
ernannt, vier Jahre fpäter Staatsrath; gleich gehalt von 2400 Fes. ausjekte,
darauf aber verhaftet u. verbannt, ging er nah) Brabancons, Bezeichnung der im 12. Jahrh.
Paris u. 1828 nad London u. 1837 nach Neapel
zurüd; er ward 1844 wieder verhaftet u. nad
feiner Freilaſſung Mitglied der Alademie der
Wiſſenſchaften. Er erbielt 1848 das Miniſterium
des Innern, redigirte die — 10. Febr.,
gab bald darauf feine Demiſſion Und ward zum
jtändigen Präfidenten der Afademie ernannt, 1848
noch einmal Chef des genannten Minifteriums u.
dann des Interrichtsminifteriums, was er bis
Auguft 1849 blieb, Er ft. 2. Febr. 1864. B.
ichrieb: Essai sur les rapports primitifs qui
lient ensemble la philosophie et la morale, 1825;
Esquisse politique sur l’action des forces so-
<iales dans les differents especes des gouver-
nements; De l’esprit de la comedie et de l'in-
suffisance du ridieule pour corriger les travers
des caractöres, 1832; Dell’ imitazione tragica
presso gli antichi e presso i moderni, 1835;
Filosofia dell’ estetica, 1838; Cenni estetiei
sulla pubblica mostra degli oggetti di belle
arti nell’ autunno nel 1851, 1856.
Bozzölo, 1) fonft Fürſtenthum, dem Haufe
Gonzaga gehörig; nah Ausjterben deffelben 1703
mit Johann Franz Gonzaga, gab es der Kaiſer
1708 dem Herzog von Guaftalla in Lehn; es fiel
dann mit dem Ausfterben der Herzöge 1748 an
das Haus Ofterreih. 2) Hauptort des jetigen
gleichnamigen Bezirkes der ital. Provinz Mantua ;
am Oglio; Seidenzucht, Yayencefabrifation und
Weberei; 4292 Em.
B. P. D. Abbreviatur für bono publico datum
(zum Staatsnutzen geichenft).
B. Q., auf Grabfteinen Abbreviatur für bene
quiescat (er rube fanft).
B. R., Abbreviatur für bene requiescat (er
ruhe fanft).
Br, hemifches Zeichen für Brom.
Bra, Stadt im Bez. Alba der ital, Provinz
Cuneo (Piemont), an der Stura; Seidenipinnerei,
Dretallgießerei; großer Handel mit Vieh, Yeinwand,
Gar, bei. mit Trüffeln; 13,500 Ew.; Eijenbahn-
nad Turin u. Coni. B. iſt ſehr alt, hieß im Mittel-
alter Braida. 1552 wurde es vom Herzog Ema-
nuel Philibert erobert; das feſte Schloß wurde
1628 in ein Kapuzinerflofter verwandelt.
Bra, Theophile, franz. Bildhauer, geb.
29. Juni 1797 in Douai; bildete fih unter
Story u. Bridan u. führte ın Paris eine Menge
Sculpturen aus, darımter: Ariftodemos am Grabe
feiner Tochter; Peter u. Paul, in der Kirche St.
Louis; Bronzeftandbild des Herzogs von Berry zu
Lille; Statue des Regenten in der hiſtoriſchen
Galerie zu Berfailles; Odyſſeus auf der Inſel
Ogygia; das Monument des Marihallg Mortier
zu Gotean u. die Nelief3 am Triumphbogen de
Vétoile. Alle bedeutenderen Mufeen befiten Werte
von B⸗s Hand. Regnet.
Brabangonne, die Marfeillaife der belgiſchen
Stevolution u. Nationallied der Belgier; der Tert
it von dem franzöfiihen Schaufpieler Jenneval,
d:r 1830 bei Berhem blieb, die Mufif von dem
in den franzöf. und engl. Kämpfen verwendeten
Söldnertruppen, die wegen ihrer Plünderungen
allgemein gefürchtet waren,
rabant, Landichaft in der Mitte des nieder-
ländiich-beigifhen Zieflandes; urſprünglich ein
deutfches Herzogthum, jchon bei Begründung der
holl. Republik getheilt, 1815 Beſtandtheil des Kö.
nigreichs der Niederlande, feit der Entitehung Bel-
giens neuerdings auch ftaatlich getrennt in: Nord«
B. in Holland u. Süd-B. in Belgien. 1) Nord»
B, grenzt nördl. an Sholland n. Gelderland, öſtl.
an das Herzogthum Pimburg, füdl. an Belgiſch—
Yimburg u. Antwerpen u. wefll. an Seeland; es
ift die größte Provinz der Niederlande; 5162 [_]km
(933 IM); 1869 (legte Zählung) 428,872, für
Ende 1873 geichätt auf 443,045 Ew. Flüffe:
Maas, Mermwede, Biesboſch, Amer, das holländische
Diep, Aa, Dommel, Dieze, Dintel, Mark ıc.; Kanal
von Zuid-Willemsvaart u. von Eindhoven. Viele
Sifenbahnverbindungen: Benlo-Breda mit 81 km,
Breda-Kotterdam 24 km, Rozendaal-Blifjingen 20
kın, Bortel-Utreht 25 kın, Antwerpen-Rotterdam
30 km, Bortel-Goch 55 km, Lüttich Limburg 20
kın, Herichot-Tilburg mit 21 km, zuf. 276 km.
Den zlüffen entlang Thon-, fonft Sandboden;
} des Bodens noch unangebaut u, aus Heiden u.
Moräften beitebend. Landbau, Viehzucht u. Torfe
gewimmung find die Erwerbsquellen der Bevölfer«
ung. Die Provinz zerfällt in die Bezirke Herzogen-
bush, Eindhoven, Breda und bat 19 Kantone,
Gymnaſien in Herzogenbufh u. Bormeer, höbere
Bürgerjchulen in Herzogenbufh, Breda, Helmond
u. Zilburg, ferner je 1 katholiiches Seminar in
Haaren und in Hoeven; in Breda (f. d.) ift die
Mitlitär-Alademie. Die Katbolifen (377,130) baben
2 Bisthümer {Herzogenbufh u. Breda) mit 245
Parodien. Die Hauptitadt der Provinz iſt Her
zogenbufh. 2) Süd-B., belg. Provinz; grenzt
an Antwerpen, Yimburg, Lüttich, Namur, Henne—
gan und OFlandern; 3282 |_jkm (59,, IM);
1866 819,132 Emw., für Ende 1873 geihätt auf
922,168 Ew.; zerfällt in 3 Bezirke. Im Süden
u. Oſten ift das Land etwas bigelig, der Boden
ſehr fruchtbar u.' dicht bevölfert. Flüſſe: Dyle,
Senne ꝛc.; Kanal von der Senne zur Nethe;
Eifenbabnverbindungen: Brüffel-Herbesthal mit 58
km, Briüffel-Antwerpen 15 km, Brüffel-Dftende
24 km, Brüffel-Quevrain 24 km, Brüffel-Puttre
35 km, Brüfjel-Arlor 33 km, Brüffel-?ille 29 km,
Brüffeler Gärtelbahn 12,, km, Mecheln-Löwen 23
km, Medeln-Schellebede 10 km, Danage-Wavre
36 km, Nahen-Antwerpen 22 km, Archot-Charle—
roi 70 km, zufammen 391 km. Die Bewohner,
faft ausjchließlich latholiſch, ſprechen im N. flämiſch,
im ©. franzöſiſch. Große Fabrikinduſtrie, beſon—
ders in Leinwand, Baumwolle, Tuch, Tapeten,
Hüten, Papier, Stärlemehl, Seife, Spiritus, Bier,
hauptſächlich Spitzeninduſtrie. Die Hauptſtadt der
Provinz iſt Brüffel (ſ. d. Art.). — Zur Zeit Cäſars
trafen die Römer in B. eine mit Germanen ge—
miſchte keltiſche Bevöllerung, u. unter den verjchie-
Kapellmeiſter van Campenhout, den der Königldenen Stämmen ragen beſonders die Menapier
758
hervor. Das Pand murde theils .mit Germania
inferior, theils mit Gallia Belgiea verbunden u.
im 4. und 5. Jahrh. von den Franken erobert.
Im Anfange des 10. fam e8 zu Lothringen u. fomit
zu Deutfchland. Im Anfange des 11. wurde es
davon getrennt, u. Kater Heinrich V. belehnte da-
mit den Grafen Gottfried von Löwen; feine Nach»
fonmen regierten als Herzöge bis zum 14. Jahrh.
Mit Johanna, Tochter von Herzog Jan IM.
(geft. 1355) fam das Herzogthum an das Haus
Yuremburg, nad ihrem Tode durch Erbſchaft an
Burgund, deſſen Herzog Philipp der Gute es 1430
feinem mit Reiche vereinigte. Durch die Heirath
Marias von Burgund mit Marimilian fiel B. an
das Haus Habsburg u. fam jo an Karl V. u.
Philipp II. von Spanien. Unter dem Yetsteren em—
pörte fih auch B., aber nur der nördl. Theil wurde
1648 als Generalitätslande den vereinigten Nie
derlanden gelaffen, während SB. bis 1714 bei
Spanien verblieb, Alsdann lfam e3 mit den üb-
rigen füdlichen Provinzen unter Öfterreih. Bel«
dien, Geſch.). 1746 wurde es von dem Franzoſen
genommen, 1748 (Friede von Aachen) zurüdgeger
ben, 1789 war es im Aufſtande, da die Privi—
legien des Yandes vom Herrſcher verlegt waren;
1794 wurde es wieder von den Franzoſen erobert
u, im Frieden von Campo Formid (1797) mit
Frankreich vereinigt. infolge des Partfer Frie—
dens (1814) bildete B. drei Provinzen des König»
reiches der Niederlande (NB., SB. u. Antwerpen);
infolge des Wufftandes von 1830 blieb erfteres
hei Holland, die zwei letteren famen an Belgien,
Der Kronprinz von Belgien führt den Titel Her-
zog von B. Wenzelburger.
Brebanter Huhn, Hühnerrace mit jchmaler,
helmartig nad vorn geneigter Haube, welche bei
den Hübnern ftärker ift, als bei den Hähnen. Es
gibt hauptjächlicd 2 Varietäten, die weißen u. die
gelben (Siberlad u. Goldlad), von denen nament-
lich die weißen mit fchwarzen Endtupfen an den
Schwanzfedern u. mit ſchwarzen Duerftreifen über
den ‚Flügeln jehr Schön find, Das B. H. ift ein
ftarfes Huhn, legt gut, ift aber fein guter Brüter,
Brabanter Pferd, ein in den fruchtbaren
Niederungen an der Nordiee in Frankreich u. den
Niederlanden heimifche jchwere WPferderace mit
ſanftem, rubigem Temperament, ſchwerem Kopfe,
fleinen Augen, kräftigem, mit ſtarker Mähne ber
fettem Halfe, breiter, musculöfer Bruft u. vollem,
gut gewölbtem Leibe. Die Ertremitäten find fräftig,
der Schmweif tief angefegt. Die Thiere werden
meift nur zum fchwere Zuge benutzt.
Brabanter Thaler, 1) fo v. wm. Albertus-
thaler. An die Stelle derjelben traten 2) die
öfterreichifchen (Brabanter) Kronenthaler, eine in
Deutichland früher allgemein verbreitete Rech—
n.ngsd- u. Handelsminze, = 4 M 60-70 Bf.
Bracça (port., ſpan. braza, ital, braceio, deutſch
Brage, vom lat. brachium, der Arm), Yängenmaß;
in Liſſabon — 2, m; in Spanien — 1,gr M;
in Italien verjchieden, 60—70 em; auf den Joni⸗
ſchen Jnfel die große B. — 0,408 m, die Feine
B. — 0,94 m; in Bajel die B. od. Heine Elle =
0,544 m; in Zeffin — 0,5 m; in Bozen die
B. = Op IM.
Braccae (lat.),
Beinkleider; daher Gallia
Brabanter Huhn — Brade. |
braccata, fo vd. w. Gallia Narbonensis, weil dir
Bewohner Hofen trugen.
Braceiäno, Hauptftabt eines ehemal. Herzog |
thums im Diftr. Viterbo der ital. Provinz Kom;
Schloß (von dem 1480 verftorbenen Napoleon 8.
erbaut), warme Quellen, Bad; Hohöfen; 2807 Em.;
Die Stadt liegt am See von B. (Lacus Sabatinus),
deffen Waffer in die Stadt geleitet u. von Baul V.
mit Aqua Alsea verbunden ward (Aqua Paula);
derfelbe ift 50 [_Jkm groß, ein alter Krater, kreis
rumd, 140 m über dem Meere u. hat zum Abfluß
in das Mittelmeer den Arrone. Am See lieg
Anguillara, einft Sitz der 1548 ausgeftorbeuen Gra⸗
fen v. Anguiflara, einem Seitenzweige der Orfim.
Braccio (ital.), 1) Längenmaß, ſ. Brazı
2) So v. w. Bratiche.
Braceiolini, 1) Francesco B. dalle Ari,
ital. Dichter, geb. 1566 in Piltoja ; wurde Geiftliher,
erhielt von Papft Urban VIII. für L’elezione di
Papa Urbano VIII. (Rom 1628) den Beinamen
dalle Api (von den Bienen) und das Recht, de
3 Vienen des Haujes Barberini, aus welchem der
Papft ſtammte, im Wappen zu führen. Nad
Urbans VIII. Tode kehrte er nah Piſtoja zuräd,
wo er 1645 ftarb. Er ſchr. noch die Epopeen:
La eroce racquisteta (1605); Lo scherno degli
Dei (1618); La Bugheria convertita (1637);
auch einige Trauerſpiele, Luftjpiele und Idylen
2) Boggio, f. Poggius. .
Brace, Charles Yoving, amerifan. Shui
feller, geb. 1826 zum Litchfield in Connecticut; ftı-
dirte Theologie, machte von 1850 am Reiſen u
verjchiedenen enropäiichen Fändern, deren Eindrüd
er in verſchiedenen Werten niederlegte. So: Hungar
in 1851, 1851; Home Life in Germany, 1803;
The Norse Folk, 1857, Reiſeberichte aus Schwe—
den u. Norwegen. B. zeichnet ſich außerdem aus
durch feine fortgefegten Bemühungen um das Wobl
elternlojer Kinder in New ort. DB. Kim
Bracelet (fr.), Armband,
Bradje, 1) der Zuftand eines Aders, in wel
hem er fi längere Zeit umbeftellt befindet; em
folder Ader heißt Brachacker od. Brachland;
Brachfeld ift der Theil der Feldflur, in welchet
alles Land Brache zu halten bat, d. h. weder
mit Sommer, noch mit Winterfrucht beftellt wer:
den darf. Der auf das Brachfeld geführte Dünger
heißt Brahmift. Der Anfang der Bearbeitung
der ganzen B. gefchieht gewöhnlich im Juni, daber
diefer der Brahmonat heißt. Jetzt werden 9°
wöhnlic in der B. Futtergewächſe, Brachfrüchte
gebaut (j. über dies alles unter Feldwirthſchaft.
Die an gewifien Adern haftende Verpflichtung, dit
jelben zur Trift für die Heerden der Berechtigten
brachliegen zu lafien, heizt Brachpflicht. Han
mag ſchon früh zu der Anficht gefommen fein, dab
der Aderboden (ähnlich mie der menſchliche Koͤrpet
nad) gethaner Arbeit) von Zeit zu Heit der Ruhe
bedirfe; den Beweis lieferte ſchon die Erfahrung,
daß der einige Jahre bebaute Boden immer 9°
ringere u. endlich gar feine Ernte mehr gab, DB
derjelbe aber durch die B. gefräftigt wurde. S
fange man nur wenige Pflanzen anbante, Mat
eine raſche Anfeinanderfolge nicht zu vermeider.
Die Folge war eine raſche Erjchöpfung der wich.
tigiten Nährftofje des Bodens. Während der UN
Brachelli — Brachlerche.
759
beſtellte Ader ſcheinbar ruht, find die Bermitter-] Staatsbeamten; ſtudirte an der juriſtiſchen Facultät
ungsproceſſe thätig, mineraliſche Nährſtoffe für die in Wien u. veröffentlichte noch während dieſer Zeit
Pflauzen aſſimilirbar zu machen.
Wirkung der B. hatte deshalb ſehr bald geſetzli
Regelung derſelben zur Folge. Nach 3. Moſes 25
mußten die Israeliten in jedem 7. Jahre ihr Land
bradliegen laſſen (Bradjahr), u. waren 7 joldher
Bradjahre gehalten, fo wurde im 50. Jahre das
große Brach- u; Erlaß- oder Jubeljahr gefeiert
(j.u. Jubeljahr). In einem Bradjahre wurden feine
Schulden eingetrieben; was non jelbft wuchs, wurde
von den Bewohnern gemeinichaftlid genoffen. Die
Armen, Fremdlinge und Sklaven, Wittwen und
Waifen hatten gleichen Antheil daran. Schon
Homerog fennt die B., u. Birgil bittet:
Gib auch Friſt ums andere Jahr ben geihorenen Braden,
Daf die ermlbdete Flur durch Ausruhn Stärke gewinne.
Es entwidelte fih fo das belannte Dreifelder-
ſyſtem (Winterfrucht, Sommerfrucht, Bradhe), wel-
ches Jahrhunderte lang feine Herrichaft behaup-
tete, bis zu Ende des 17. Jahrhunderts gar micht
angefochten u. erft um die Mitte des 18. Jahrh.
ein Object des Streites wurde, Thaers Verdienft
ift es, die B. beichränft zu haben. Man hat zu
unterjcheiden: reine, ſchwarze und Johannis-B.
1) Bei reiner B. enthält das ein, refp. zwei
Jahre mit Klee beftandene Feld im Herbſte eine
Furche, wird im Frühjahre wieder als Weide be-
nutzt, bis es zu Anfang Juni umgerifjen wird.
Bis zur Wiederbeftellung folgen noch zwei, auch
wol drei Furchen. Die Zeit der Nichtbenutsung
beträgt aljo 4—5 Monate, während fie bei der
2) ſchwarzen B. fat ein Jahr beträgt. Nach
der Getreideernte erhält das Feld vom ‚zrühjahre
bis zur Herbftbeftellung 2—3 Furchen. Da unter
dem Getreide fein Klee war, jo kann von Weide»
nugen nicht die Rede fein, wenn man nicht etiwa
das Abmweiden des Unfrautes jo benennen will,
3) Bei der Johannis-B. wird der Ader nicht
umgerifien u! dient bis Johanni als Weide. Bon
da ab bis zur Herbfibeftellung folgen 3—4 ur:
hen. Dieſe Brache ift die kürzefte, fie Dauert nur
2—3 Monate. Die B. hat zur Folge a) eine
chemiſche Veränderung des Bodens, u. zwar Ber:
fegung der organischen Bodenbeftandtheile, welche
Bildung von Ammoniaku. Salpeterfänre zur Folge
bat, u. der anorganischen, mineraliihen Beftand-
theile. Hierdurch wird b) der Boden phyſilaliſch
verbefjert; er wird loderer, mirber, wärmer; es
wird aber auch c) Neinigung des Aders von Un—
hräutern durch die B. bewirkt. Alles diefes zu
Gunften der B. Angeführte läßt fih aber auch
durch forgfältige Bearbeitung u. richtig gewählte
Fruchtfolge ohne B. erreihen, allenfalls könnte
man gezwungen fein, bei ftarfem Überhandnehmen
des Unfrautes zur B. zu greifen. Entſchieden zu
verwerfen ift die B. vom nationalöfonomijchen
Standpunkte, da jährlih Tauſende von Morgen
durch Brachliegen verhindert find, zur Bermebrung
des Nationalvermögens beizutragen. Es muß fidy
beim Fortfalle der B. auch der Wohljtand des ein-
zelnen Beſitzers erhöhen u, darum jedes Yand-
wirthes Bejtreben jein,. die B. möglichſt zu be»
ſchränken. Diarr.*
Brachelli, Hugo Franz, Statiſtiler, geb.
11. Febr. 1834 zu Brünn, Sohn eines höheren
Die 5 (1858): Die Staaten — vergleichende Sta⸗
tiſtik (35. A., Brünn 1875), worauf er 1855 im
Öfterr. Statift. Bureau angeftellt wurde. Im Aug.
1860 wurde B. außerordentliher, 1863 ordent-
licher Profeffor an der 8.8. Technischen Hochſchule
in Wien u. im letzteren Fahre auch Mitglied der
K. K. Statiftiihen Eentralcommiffion. 1869 wurde
ihm dazu die Lehrfanzel der Statiſtik und des
Staatsrechtes am Militärintendanz« u. am höheren
Artillerie» u. Geniecurs verlichen u. er im Febr.
1872 zum Leiter des neu errichteten ftatifttichen
Departements im öfterr. Handelsminifterium er-
nannt. Wegen feiner erfolgreichen Thätigkeit in
letsterer Stellung wurde B. ım Juni 1873 8. K.
Hofrath. B. bat ferner veröffentlicht: Deutfche
Staatenlunde, Wien 1856, 2 Bde; darans bei.
Abdrud, ebd, 1857; Statiftif der öfterr. Mouar-
hie; in der 7. Aufl. des Handbuches der Geo»
graphie u. Statiftit von Stein-Hörfhelmann die
Partien: Osmaniſches Reich u. Griechenland (1858),
Defterreich (1861), Preußen u. die deutfchen Mittels
u. Kleinftaaten (1861 —64), Schweiz (1870) und
Italien (1871); Statiftiiche Skizze der europäiſchen
Staaten, 1874 (die legteren alle in Leipzig). Cicalet.
Bradher, jo v. wie Großer Brachvogel; ſ. d.
Bracherium (lat.), Bruchband.
Brachhuhn, 1) fo v. wie Großer Brachvogel.
2) So v. mw. Negenpfeifer.
Bradjial(brachialis), ven Oberarm (Brachium)
betreffend; 3. B. B-arterie (Arteria brachialis),
Oberarm⸗ (oder furz) Armfchlagader zc.
Brachiopöda, jo v. w. Armfüßler, eine Ordnung
der Weichthiere,
Brachiſtochrone (v. gr. brächistos, der für-
zefte, chrönos, die Zeit), diejenige Yinie zwischen
zwei nicht lothrecht übereinanderliegenden Punkten,
in weldjfer ein Körper in der fürzeften Zeit von
dem einen diefer Punkte nach dem anderen berab-
fällt (rollt). Die analytiihe Mechanik lehrt, da
die B. nicht, wie man vielleicht erwarten jollte,
die gerade Berbindungslinie beider Punkte, fon-
dern eine Frumme Lime von eigenthümlicher Ger
ftalt, die Eyfloide (f. d.) it. Dieſe Eigenſchaft
der Eyfloide heit Bradiftohronismus,
Wimmenauer M.
Brachium (fat.), der Oberarm.
Bradjfäfer (Rhizotrogus Latr.), Inſecten-
gattung aus der Ordnung der Käfer, Unterordnung
der Fünfgliederigen, Familie der Blatthornfäfer,
Unterfamilie der Yaubfäfer; Fühler 9—10gliederig;
Fühlerkeule Iblätterig. Der Sonnenwendläfer
(R. solstitialis L.) ıft langbehaart; Halsſchild u.
Bauch mehr od, weniger ſchwärzlich; Flügeldecken
gelbbraum mit 3—4 weißlichen Längsleiften; 16 bis
18 em lang; er erjcheint erft im Juni, u. zwar
oft in großer Menge u. ift auf Wiefen u. yeldern
jebr jhädlih, dem Getreide namentlich zur Blüthe-
zeit, weil er fi gern an die Ühren fett, die
Blüthentheile zernagt u. jo die Körnerbildung be—
einträchtigt. Die Yarve lebt unterirdiich von Gras—
wurzeln. Gr it weniger ſchädlich, als jein Ver—
wandter, der Maikäfer. Thome.*
Bradhklee, j. Trifolium.
Bradjlerdhe, 1) (Brachläufer) jo v. w. Brach—
760
Brachmann — Brachvogel.
pieper; f. u. Pieper. 2) So vd. m. Feldlerche, geſäet, in Deutfchland als Stoppelrübe mehr nat
J. u. Lerche.
Brachmann, Caroline Luise, deutſche Dich—
terin, geb. 9. Februar 1777 zu Rochlitz am der
Mulde, Tochter eines geiftig u. fittlih ausgezeich-
neten Ehepaares; verlebte in Rochlig, Döbeln, Köl«
leda, Weißenfels eine glüdliche Kindheit u. Jugend.
In Weißenfels wurde fie mit Novalis befannt;
er regte fie zum Dichten an, theilte ihre Berfuche
Schiller mit; es folgten jchöne Tage in Weimar
und Jena. Sie zählte 23 Jahre, als die Tragö—
die ihres Lebens begann. In einem Anfalle der
Verzweiflung ftürzte fie fih von einem 2 Stod
hoben Gange in den Hof hinab, wurde aber ge-
rettet. Nun raubte ihr der Tod fchnell nach ein-
ander den Dichter des Ofterdingen, dejien Schwe-
fter Sidonie, ihre eigene Schwefter Amalie, ihre
Eltern. Zur Herzensverwaifung fam die Armuth;
jie mußte um das liebe Brod jchreiben. Die in-
jernale Größe Napoleons gab ihr einen wider:
lichen Entbufiasmus ein, u. ihr Herz entbrannte
von unglüdlicher Yeidenfchaft fiir einen verheirathe-
ten jungen Wundarzt der franzöſiſchen Armee.
Sie verzweifelte dann über den Tod eines fran-
zöſiſchen Offizier in der Leipziger Schlacht, weihte
den Lazarethen in Weißenfels ihre Thätigkeit,
wurde von einem beftigen Nervenfieber ergriffen,
genas, trug fi aber mit dem Gedanken, wie
Ottilierin den Wahlverwandtichaften zu enden.
Es famen wieder glüdlihe Tage in Dresden, auf
einer Reiſe nad) Berlin, bei der Dichterin Bene-
dictine Naubert, geb. Hebeftreit, in Naumburg.
Da verblendete fie das liebebedürftige Herz, im
43. Jahre fih mit einem 20 Jahre jlingeren
preußiſchen Offizier, der nad Weißenfels fam, zu
verloben. Die grilleubafte Prüfung feiner Liebe
hatte eine verlegende Erwiderung des Abwejenden
zur Folge; fie wollte das zerriffene Band auf feine
Weiſe wieder anzufmipfen fuchen. Anfang Sept.
1822 fam fie nah Halle in bedenflihenm Gemüths—
zuitande. Am 24. abends wurde ihr zerftürter
Yerchnam in der Saale gefunden. F. A. Piſchon
(Dentmäler der deutihen Sprade von den frübe-
jten Zeiten bis jeßt, 5. Th. ©. 655) rechnet fie
zu unjeren zarteften u, innigften Dichterinnen, u,
die Auswahl, die er aus ibren Gelängen bietet,
rechtfertigt ſein Urtheil. In dieſen Geſängen Spricht
ein großes, mächtiges, fturmbemwegtes u. doch weib-
lich-mildes Herz, u. die Form tft, wenn jie nicht
ſchulmeiſterlich bemäkelt wird, fein mwirdiger Aus-
drud. Auserlefene Dichtungen von Luiſe B., ber-
ausg. von Schüg u. Metbufalem Müller, nebft
einem Auffage über das eben u. die Werfe der
Dichterin, von Schüß, und VBorerinnerungen und
Beiträgen zu ihrem Leben, von Caroline v. Pichler
u. Panje, 6 Bde., Halle 1824—26,.
Bradymonat, deutiher Name des Monats
Junius (j. u. Brade 1); daher Brachſchein
(Novilunium Juni), der Neumond im Monat
Junius.
Brachpieper, Vogel, ſ. Pieper.
Brachrübe (Stoppelrübe, Waſſerrübe, Turnips)
iſt Brassiea rapa, welche dieſe verſchiedenen Be—
Aberntung des Roggens oder der Wintergeritz,
Ende Juli, Anfang Auguft in die Stoppeln, nad-
dem diefelben umgebroden find. Sie liefert eır
gutes Futter für Rindvieh u. Schafe, wird aber
auch von Menſchen genoffen. Als B. liefert fr
einen Ertrag von 30—60,000 kg per ha, a:
Stoppelrübe um die Hälfte weniger. Uber ihrer
Anbau, Nährmwerth ac. f. u. Turnips. Rhode.
Brachſchnepfe, ſ. Brachvogel.
Brachſe, Fiſch, ſ. Braſſe.
Brachſtelze, Vogel, ſ. Pieper.
Bradjvogel (Bradichnepfe, Numenius L.),
Bogelgattung aus der Familie der Schnepfenvöge,,
Ordnung der Sumpfoögel; Körper jchlanf, ſcher
gebaut, mit langem Salke, Heinem Kopfe, langem,
bornigem, bogig abwärts gekrümmtem Schuabet,
deffen Spitze hornig ift; die hoben Beine fin
Watbeine, d. h. mweıt über die Ferſe hinaus nadt;
die Zehen find ganz geheftet, d. h. die 3 Border.
zeben an ihrem Grunde durd eine kurze Spanz-
haut verbunden. Dahin der große Brachvogel
(Brader, Brachhuhn, Bradichnepfe, Doppel
Ihnepfe, Feldmöcher, Feldſchnepfe, Geisvogel,
Gewittervogel, Himmelsgeis, Kronſchnepfe, Kei-
baden, Regenvogel, Tütewelle, Windvogel, N.
arcuata L.), 70—75 cm lang; Oberkopf au?
lehmgelblichem Grunde gleihmäßig lerchenfledig;
Befiederung des Unterſchnabels bis unter du
Nafenlöcherbafis reichend; Weichen weiß, mit we
nigen dunfelbraunen Schaftftrihen, Schwanz weis,
mit ſcharf begrenzten, auf den Mittelfedern ver-
loſchenen jchwarzen Querbinden, fonft braun mit
roftgelben zyederrändern; lebt in NEuropa als
Brutvogel, in der Brutzeit paarweiſe, ſchaart ſich
im Frühling u. Spätberbfte zufammen u. hält fid
an offenen, namentlich fandigen Orten; ſehr jchen;
brütet in Heiden u. trodenen Mooren in der Nähe
von Sümpfen, am Seeftrande, in Dünentbälern;
Eier birnförmig, auf olivengrünem Grunde gefledt;
nährt fid) von Negenwürmern, Inſecten, Schneden,
jeltener von Beeren; übermwintert im fernen Süden;
gehört zur niederen Jagd. Der Regenbrad-
vogel (N. phaeobus L.), krähengroß; niſtet ın
hochnördlichen Gegenden, in Grönland, Island,
den Faröer u. Sibirien, zieht aber im Winter zum
fernen Süden u. wird dann fogar auf den auftra-
liſchen Inſeln gefunden; in Deutfchland fehr jelten.
Thome.
Bradjvogel, Albert Emil, deutiher Dra—
matifer u. Romanjcriftiteller, geb. 29. April 1824
in Breslau; follte Kupferftecher werben, hatte in-
dep eine große Neigung zum Theater, fam aber nad
einem mißlungenen Berjuche auf der Bübne zu Wien
davon zurüd u. bejuchte philoſophiſche, literariſche
und gejchichtliche Collegien an der Univerſität in
Breslau; er ging 1847 nach Berlin, um fein Drama,
Jean Fevart, zur Aufführung zu bringen; das
Stüd fand jedoh keinen Anklang. B. zog fi
darauf in Schlefien auf ein Heine Dorf zurüd,
wo er nod mehrere dramatiihe Stücke ſchrieb,
ohne mehr Glüd mit diefen zu haben, als mit dem
erſten. 1853 lehrte er nach Berlin zuräüd un. wurde
nennungen nad) ihrem Anbau erhält. Beſonders | Secretär des Krollſchen Theaters. Hier ſchrieb er
in England wird diefelbe Ende Juni, Anfang das Trauerſpiel Narciß,
Lpz. 1857, welches
Juli in die gedüngte u, mehrmals gepflügte Brache März 1856 auf der fgl. Bühne zur Aufführung
Brachweide —
Brachycephalen. 761
fan u. ſeitdem oft wiederholt an allen größeren knochen eine jehr ſchwankende, fie variirt von 2
Theatern Deutihlands mit jeltenem ‚Erfolge ge-
geben wurde. Bon den ferneren Dramen B>»8:
Adalbert vom Babanberge, Lpz. 1858; Der Uſur—
pator, 1860; Der Sohn des Wucherers, 1864;
Die Harfenfchule, 1869; Alte Schweden, 1874,
2c., errang feines wieder ben Erfolg des Narcif.
Die Romane B-8: Fzriedemann Bad, Berl. 1858,
3 Bbe.; Benoni, Lpz. 1860, 3 Bde.; Der Tröd-
ler, Lpz. 1861, 2 Bde.; Eim neuer Falſtaff, Lpz.
1863, 3 Bde.; Beaumardhais, Jena 1865, 4
DBde.; Die Grafen Barfuß, Lpz. 1869, 8 Bde.,
Ritter Lupold v. Wedels Abenteuer, Berl. 1874,
3 Bde. xc., haben diejelben Vorzüge u. Mängel,
wie die Dramen, fie find originell, gedanleureich,
effectvoll, aber e8 fehlt ihren die Kunft der Com—
pofition. Seit 1872 (Hannover) gibt er Die
Männer der neuen deutihen Zeit (Biographien,
4 Bde.) umd feit 1873 (Berlin) feine Ausgemähl-
ten Werke (40 Lief.) heraus. B. lebt feit 1870 in
Weißenfels. Ealomon.*
Bradjweide, das Betreiben der Brachfelder
mit einigen unjerer Hausthiere. Die B. hat je
nad der Dualität oder Quantität der Pflanzen
u. je nad) der Thierart, welche aufgetrieben wird,
einen wejentlich verjchiedenen Werth. Für Rind:
vieh, namentlih Milchvieh, bietet B. meift zu ger
ringe Futtermengen; dagegen gewähren trodene
Brachfelder im Herbfte, Frühjahre u. Sommer ein
gutes u, nahrhaftes Schaffutter; es dürfen dieje
Weiden aber nur bei trodenem Wetter betrieben
werden, einmal, um das Zertreten der Weide zu
verhindern, u. ferner, weil das mit Sand und
Schlid —— Futter den Schafen, nament-
th den feinen Wollſchafen, nicht zuträglich ift.
Die B. wird in ihrem Werthe wejentlih erböht,
wenn diefelbe angejät u. die Benarbung derjelben
nicht der Natur überlaffen wird. Für Fafelichweine,
wenn diejelben fpäter zur Zucht verwendet, oder
erſt mit 14—2 Fahren gemäftet werden follen, ift
das Betreiben der Brache von ſehr großem Nuten;
vorzüglich ift die förperlihe Bewegung und An—
ftrengung beim Wühlen u. die Aufnahme der dabei
gefundenen Wurzeln, Inſecten u. Larven für das
Gedeihen der Schweine jehr vortheilhaft, abgeſehen
davon, daß diefelben durch Aufwühlen der Brache
viel zur Bertilgung der Unfräuter und der dem
Gedeihen der Pflanzen jhädlihen Inſecten und
Wilrmer beitragen.
Brachycephalen (Kurzſchädel, Breitihäden,
nennt man diejenigen Menſchen, deren Schä—
del bei entſprechender Breite verhältnißmäßig
kurz iſt. Den Gegenſatz dazu bilden die Doli—
chocephalen (Langſchädel oder Schmalſchädel);
in der Mitte ſtehen die Meſocephalen (Mit-
telichädel), auh mol Orthocephalen (Redt-
jhädel. — Es ift Mar, daß dieſe Unterſcheid—
ungen, namentlih wenn es fih um Racenunter—
fhiede handelt, von höchfter Bedeutung find. Der
beftimmte, wol jedenfalls eriftirende Zufammen-
bang zwiſchen Schädelform, Geſichtsbildung u.
Gehirnbau iſt freilich noch nicht — um ſo
wichtiger iſt es, einſtweilen die Raumverhältniſſe
des Kopfes zu ſtudiren. Leider gibt es kein ein-
fahes u. auch kein überall angewendetes Mefver-
fahren. Zunächſt ift die Dide der Hirnſchädel-
bi8 5 mm, u. gerade da, wo mir die größte
Achſe des Schädels zu ſuchen haben, Hafıt das
Stirnbein in eine doppelte, eine innere u. eine
äußere Knochentafel, welche beträchtliche Hohlräume
einfchließen. Am Hinterhaupte wiederum mird
die innere u, äußere Knochenſchicht in der Mitte
durh ſchwammartige Blafenräume anseinanders
getrieben, fo daß die Schädelmwandungen zuſam—
men allein eine Dide von 15 mm u. darüber
erreihen können. Da diefe Aufblähungen des
Schädels aber ficherlih in feiner Beziehung zur
Gehirnbildung ftehen, fo müßte man eigentlich,
um genau zu verfahren, jeden Schädel auseinan«
derfägen u. deffen Innenräume meſſen; das gebt
nun nicht an. Barnard Davis, einer der beiten
Scädelleuner, mißt daher mit einem Tafterzirfel
von der Stirmglage nad dem am meiften bor-
ipringenden Punkte des Hinterhauptes. Hermann
Weller aber jegt die eine Spite des Zirkel auf
die Stirnglage, die andere dagegen einen Zoll
über den Hinterhauptftachel. Beide vermeiden jo
die Stellen, wo fih die Knochen der Hirnichale
am meilten verdiden. Ihnen folgend find die
Schädelkenner (Kraniologen), in 2 Lager gejpalten,
Bielleiht wäre das jcheinbar rohejte Verfahren,
nämlich die größte Achſe des Schädels da zu
juchen, wo man fie gerade findet, das richtigfte
geweien, denn die Entwidelung der Stirmböhlen,
jo unmefentlih fie auch für die Gehirnbildung
jein mag, trägt jedenfalls dazu bei, den Schädel
zu verlängern. Die Breite des Schädels wird
jetst nahezu übereinftimmend an feiner anatomiſch
beitimmten Stelle gemeffen, jondern überhaupt
die Stelle aufgeſucht, wo der Schädel am brei-
teften ift. — Man pflegt nun den Längendurch—
mejler des Schädels gleih 100 zu fegen u. dem
Breitendurchmefler in Procenten des Längendurd-
meflers auszudrücken. Der Procentjat ſelbſt wird
Breiteninder genannt. Böllig runde Schädel,
aljo jolche, bei denen der Breiteninder 100, ſelbſt
über 100 beträgt, fommen theils in WAmerila,
theil8 bei den Biden u. den Chibcha in Neu-
Granada vor, verdanken jedoch ihre Geftalt einer
fünftlihen Zufammenprefiung des Schädels u,
müffen daher von allen Bergleihen ausgeichloffen
bleiben. Die höchſte bis jett beobachtete Rund»
ung zeigt ein Tatarenſchädel mit einem Breiten«
inder von 97, dagegen beſitzt der ſchmalſte befannte
Schädel, angeblich ein Keltenſchädel, einen Breiten-
inder von nur 58. Zwiſchen 97 u. 58 bewegen
fih alfo die Schädel, mit ihnen das Gehirn, aber
nicht die PVerftandesfräfte der Menichen, da man
fand, daß die Schädelforınen mol NRacenunter-
ſchiede, aber feine intellectuellen Differenzen be»
— die Schädel mit den Breitenindices 58
is 74 find nun die langen oder bolichocephalen;
jene von 74 bis 78, u. dies ift der Zahl nad)
ungefähr die Hälfte der Menfchheit, find die mitt-
leren oder mejocephalen; endlich jene von 78 bis
97 die kurzen oder brachycephalen. Bei deut-
ihen Schädeln fand man 3. B. folgende Ziffern:
in. Hannover, 76,,; in der Umgegend von „Jena,
76,5; in Holftein, 77,3; bei Bonn u. Köln, 77,
in Heſſen, 79,,; in Schwaben, 79,5; in Bayern
79,9; im Unterfranfen, 80,.; im Breisaau, 80,
762
Brachycephalie — Bradenheim.
Zur Erklärung diefer Unterfchiede könnte man|den Inſtinianiſchen Inſtitutionen beigefügt; einzeln
zunächft auf den Gedanken fommen, den madjen-
den Breiteniuder in SDeutichland einer Miſchung
mit. Kelten zuzuichreiben, allein die Kelten neigen
nicht fehr ftark zur Brachycephalie (Kurzköpfigleit);
die Franzoſen werden 3. B. nur mit 79,, u. bie
Irländer fogar nur mit 73,, aufgeführt. Eine
Miihung von Germanen nn. Kelten jollten wir in
Schottland finden, der dortige Inder aber beträgt
nur 75,4. Müffen wir die Kelten als Miichvolt
der Germanen aufgeben, dann deufen wir zumächit
au die Slaven. Sie find durchweg Kınzlöpfe,
u. eine Miihung mit ihnen würde wol die Bra—
chncepbalie erflären, nicht aber im ſüdweſtlichen
Deutſchland u. vor Allem gar nicht bei den deut«
fhen Schweizern, wo fih der Breiteninder auf
81,, emporhebt. Außerdem müjjen die Deutjch-
jterreicher, welche doch mitten unter Slaven
figen, furzlöpfiger fein, als die Deutſchen, mas
bis jett nicht mit Sicherheit conftatirt werben
fonnte. Wir gelangen alio zu dem GErgebniffe,
daß der Germanenſchädel jehr beträchtlich ſchwanlt,
u. daß er in Deutichland von N. nad S. und
namentiih nah SW. merklich nad Bradycepba-
lie ftrebt. Vgl. Böllerlunde von DOslar Peſchel,
Leipzig 1874. Thome.
Brachycephalie, Kurzlöpfigleit; ſ. u. Brachy—
cephalen.
Brachyeẽra, Gattung der Rüſſelfliegen; ſ. u.
Zweiflügler.
Brachydiagonale nennt Naumann im rhom-
biſchen Kryftalligitem die fürzere Nebenachſe der
Grundppramide; Die längere nennt er Makro»
Diagonale, beides entſpricht der 1. u. 2. Neben»
achſe bei G. Roſe.
Brachygraphie, fo v. m. Stenographie.
Brachykatalektiſch (Metr.), um einen Vers—
fuß zu furz (f. u. Katalexis); auch: mit furzer
Silbe endigend,
Brachyllas, Böoter; diente im dem Heere,
welches jeine Landsleute dem König Philippos
von Mafedonien gegen die Römer zu Hilfe ſchickten,
u, wurde durch die Intriguen der mafedonifchen
Partei 196 v. Chr. zum Böotardhen gewählt mit
Übergebung des Zeurippos u. Pififtvatos, der
Begünftiger der Römer; da diefe nun nach dem
Abzuge der Römer Unbilden von der anderen
Partei befürchteten, fo ließen fie den B. er-
morden.
Bradjtjlogie (v. Ör., lat. Breviloquentia), die
furze Rede, der fnappe, gedrängte Sprachſtil
(au wol der Taciteiſche Stu, nad) dem großen
römischen Gefchichtichreiber Tacitus (f. d.) genannt;
im Lapidarftil (f. d.) gipfelmd).
zum Zadel affectirter, unverftändlicher Kürze ge>
braucht. Endlich ift B. eine rhetorifche Figur,
darin beftehend, daß ein zum vollftändigen Aus-
drude eines Gedankens erforderlihes Moment
nicht durch befondere Worte bezeichnet, aber doch
in den Sat gelegt wird.
Bradiylögus (Brachylog, gr.), 1) der kurz
n. nahdrudsvoll zu reden verfteht. 2) (B. juris
civilis),. Das von einem Späteren fo benannte
Corpus legum; ift ein lateinifcher Auszug aus dem
Juſtinianeiſchen Rechte, von unbekanntem Berfafler
aus der Lombardei um 1100 berrührend. Sonft
von Pratejus, Leyd. 1562, Fol.; von Kenäner,
Frankf. 15905 von Sentenberg, ebd. 1743;
bon Nelis, Löwen 1761; von Biding, Berl. 1829.
Bgl. Fider, Zeit u. Ort der Entjtchung der 8.,
Wien 1871.
Bradınmetropie, ein von Donders in Utrecht
vorgeihlagener Ausdrud für Myopie (Kurzfichrig-
feit), imjofern das Maß des deutlichen Schens
bei Kurzficktigleit zu kurz ift; vgl. Emmetropie.
Bradmpneuma (ar.), 1) kurzer Athem;
2) (Brahppnöe) Engbrüftigkeit; daher brach y⸗
pneumatifch, kurzathmig.
Brachypöda, jo v. w. Armfüßler, eine Ordnung
der Weichthiere.
Brachypodiſch (v. Gr.), kurzfüßig.
Brachypodium P. B., Pflanzengattung aus der
‚Familie der Gramineen, Unterfam, ucaceen,
der Gattung Tritieum Tourn, (Weizen) nabe-
ſtehend u. von, derjelben durch die furzgeftielten,
nicht figenden Ahrchen, ſowie durch die ungleich
fangen Hilblätter verichieden, ift in Deutſchland
durch 2 ziemlich Häufige Arten vertreten. 1) B.
pinnatum P. B., mit fkurz« oder mweitfriechender
Grundachſe u. 8—24blüthigen, zu einer Traube
zufammengeftellten Abrchen, innerhalb welcher die
länglichelanzeitlihen Dedblätter meift an den Sei-
ten finzefteifbaarig find u. die fteife Granne über-
ragen. 2) B. silvaticam P. B., dit oder foder-
rajenförmig mit 6—15blüthigen Ahrchen, tmmer-
halb welcher die Grannen der oberen Dedblätter
jo lang oder länger als diefelben find. Eugler.
Brachjptera (gr.), Kurzflügfer, furzflügelige
Thiere, 3.8. die hühnerartigen Bögel u. verjchiedene
Inſecten, 3. B. Staphylinen, Obrmurm u. a.
Bradıyfeii (v. Ör.), Kurzihattige; Bemohner
der heißen Zone, die zur Mittagszeit um Sommer
nur kurze Schatten werfen.
Bradyiyfläbos (v. Gr.), aus kurzen Silben
beftehender Vers oder Versfuf.
Brachzehnt (auch Heiner Zehnt od. Schmalz)
war die von den Brachfrüchten, wie Kice, Kartoffeln,
u. dal., an die Gutsherrichaft zu entrichtende Na—
turalabgabe, zum Unterichtede von dem jogenauns
ten großen Zehnten, welcher vom angebauten Ge«
treide gegeben werden mußte,
Brad (Braf), 1) das Untauglihe von jeder
Sache, welches von dem Guten abgejondert wird;
daher: Be⸗gut, B-häring, B-käſe; auch B-ichafe
u, Bradvieh, Schafe u. Rindvieh, welches den
Anforderungen der Züchter wicht mehr genügt u.
daher ausgejondert (ausgebradt) werden muß.
2) Schlechtes Belzwert. 3) Das Loch in einem
B, wid auch durchbrochenen Deiche, dieſer jelbft B⸗deich; ır.
B:mann, Eigenthiimer des Grundftädes, in mel-
hem ein DB. entitanden if. 4) Etwas burd
Vermiſchung mit Seewafier ſalzig u. bitter u. un«
genießbar Gewordenes; vgl. Wrad.
Brade, jo v. w. Jagdhund, überhaupt jeder
anf der Jagd Laut gebende Hund; daher Brad-
jagd, die Jagd, wo die Hunde bellend den Hafen
vor den Jäger zum Schuß treiben.
Braden, County im nordamerif. Unionsftaate
$Kentudy, u. 38° n. Br. u. 84° w. L.; 11,409 Em.;
Countyſitz: Brookvile.
Bradenheim, Hauptort un gleihnam. Ober-
Bradenridge — Braddon.
763
amte des mwürttemberg. Nedarkreifes, an der Zaber;|feite prägte. Bol. Mader, Über die B., Prag
Amtsſitz; reiches Hofpital; Weinbau; 1580 Emw.|1797 u. 1808;
h. Stenzel, Der Bracteatenfund
Bradenridge, County im weſtl. Theil des|von Freckleben im Herzogth. Anhalt, biftoriich
nordamerif. Unionsſtaates Kentudy, am Ohio; kritiſch bearb, Berl. 1862; Schlumberger, Des
11,000 Em,
Brackiſche Schichten (Brafifche Bildungen)
nennt man ſedimentäre Geſteine, die ſich im Brad-
bracteates d'Allemagne, Par. 1873. Brambad.*
Bracteola, jo dv. w. Borbfatt; ſ. Blüthenftand.
Bradãnus (a. Geogr.), Fluß Lucaniens; bil-
waſſer, d. h. einer Miihung von füßem u. fal-|dete die Grenze von Lucanien u. Apulien, u. müns«
zigem Wajjer, alfo 3. B. in der Mündung von
Flüſſen, ins Meer abgejetst haben. Fhre Berr
fteinerungen laffen fie als ſolche erlennen, da
namentlich gewiſſe Muſcheln nur in brackiſchem
Waſſer leben.
Bradvieh, ſ. u. Brad 1).
Brackwaſſer, j. u. Bradiihe Schichten.
Bradwede, großes Dorf im Kreife Bielefeld
des preuß. Regbez. Minden, am Urfprunge der
füdl, Lutter; Station der Kölm-Mindener Bahn;
Flachs- u. Wergipinnerei, Hohlglasfabrit., große
Bleihen, Dampfziegelei, chemiſche Fabr., Eifen-
gießerer u. Majchinenfabril zu Kupferhammer an
der Lutter; 3158 Em,
Braconidae, ſ. Brafmefpen.
Braconnier (fr., von bracon. Buſchholz),
Wilddieb; daher braconniren, Wilddieberei trei-
ben; Braconnage, 1) Witdieberei; 2) jo v. w.
Jus primae noctis.
Braconnot, Henri, Botaniker, geb. 28. Mai
1781 in Commercy; wurde Militärpharmaceut
u. 1807 Brofeffor der Naturgeſchichte u. Director
des Botanischen Gartens in Nancy; ft. 23. Yan.
1855. Er zeichnete fi vorzüglich durch feine
Forihungen und Entdedungen ın der Pflanzen-
chemie aus.
Bractea, jo v. mw. Dedblatt; ſ. Blatt.
Bracteäten (v. lat. Bractea, Schlaggold od.
Schlagfilber, welches vom Bracteator, Goldſchlä⸗
ger, zubereitet wurde u, durch einen mit dem
Hammer getriebenen Stempel jeine Prägung
erhielt), Münzen des Mittelalters in germanischen
Ländern, bei. in NDeutſchland u. Bolen, aus jehr
dünnen Blech (daher Blechmünzen) geichlagen,
meift nur auf einer Seite geprägt, indem auf der
Rückſeite die Figuren vertieft erſcheinen (daher
Hohlmünzen). Sie find meift aus Süber, jelten
aus Gold (wie man deren in Dänemark gefunden
hat), nur jüngere, wie es fcheint, aus Kupfer.
Der Größe nah find fie verichieden, gewöhnlich
von der Größe eines Zweigrojchenftüdes bis eines
Guldenftücdes, noch größer fommen fie felten vor,
fpäter aber zuch Heiner, bis zur Größe eines
Sechſers, Pfennigs u. noch Heiner. Das Gepräge
ift oft ſehr Schlecht, das der rheinischen am bejten.
Unter Dtto I. wurden fie angeblich zuerſt aus
dem Silber des Harzes. gepragt; nad Anderen
hat fie Schweden ſchon im 9. Jahrh. gefanut.
Im 15. Jahrh. wurden fie wegen ihrer Zerbrech—
lichkeit durch die Didpfennige verdrängt, mur die
Heineren erbielten fih bis in das 16., ja in
einigen Landſchaften bis in das 17. Jahrh. Jetzt
werden B. noch oft bei Ausgrabungen gefunden.
Man bezahlte mit den B. nah dem . Gewichte
(Bund); man trug fie in vindsledernen Beuteln.
Die Yoppelten (wiewol feltmeren) B. find auf
beiden Seiten geprägt, indem man die Stellen,
det in den Tarentin, Meerbufen; jest Brandano,
Fluß in der Italteniihen Provinz Foggia, 130
km lang.
Braddon, Marie Elifabeth, Schriftftellerin
im Face des Senfationsromans, geb. 1837 in
London; fie jhr.: Trail of the Serpent, Lond.
1860; Lady Lisle, ebd. 1861; Lady Audleys
secret. ebd. 1862, 3 Bde., franz. von B. Derosne,
Raumb. 1863, u. Frl. Judith, ebd. 1863, deutich,
Lpz. 1868; The Dnetors Wife, deutſch von Bals
duan, Berl. 1865; Aurora Floyd, ebd. 1862,
3 Bde., deutſch von Seybold, %pz. 1868; Eleanors
Vietory, ebd. 1863, 3 DBbe., deutsch von Marie
Scott, Lpz. 1863 f.; 4 Boe.; John Marchmonts
Legaci, ebd, 1364, 3 Bde., d. von 9. v. Wald»
beim, Berl. 1865; Henry Dunbar, ebd. 1864, 3
Bde., deutſch ebd. 1865; The Ladys Mile, ebd.
1865; Rupert Godwin, Sir Jaspers Tenant,
Only a Clod, Ralph the Bailiff, Lucius Davore
ete., alles im Ganzen unbedeutende, aber wegen
Ipannender Darftellung gern gelejene Productio-
nen, die größtentheils ın Tauchnitz Collection of
British classical Authors entbalten find.
Bradford, 1) Stadt im WRiding der eng-
liſchen Grafichaft York, am gleichnamigen Kanal
(Verbindung mit dem Liverpool⸗Leeds⸗Kanal), in
einem veizenden Thal gelegen, jchön gebaut;
ihöne Kirchen, im Ganzen über 50, darumter
die Peters» oder die St.» James « Kirche;
Free Grammar School; prachtvolle Mufttyalle;
Börje, Hospital, große Kaufhalle, Spartafie;
Eiſenbahnverbindung mit Leeds, Yancajter und
Mancheiter. B. ift in England der Hauptſitz der
Kammgarn-Spinnereien u. Webereien u. der
groge Markt für feine lange Wolle, auch Kattun
wird fabricirtt. Es enthält an 200 Yyabrifen
nit 40,000 Arbeitern. Die in der Nähe gele-
genen, von Sir Titus Calt erbauten Saltaire
Alpaca Mohair Mills bededen eine Fläche von
2'/,ha u. find das glänzendfte yabril-Etabliffement
in England. Nahe dabei ift aud die größte
Seidenjpinnerei des Landes. In der Umgegend
Steinfohlengruben u. Schieferbrüche, 145,380 Ew.,
darımter viele Deutſche (1801 erſt 13,264, 1851
103,778 Ew., nad) vorläufigen Schätzungen für die
Mitte 1875 168,305 Em.). Hier öftere Urbeiter-
unruhen u. große Arbeitseinitellungen, namentlich
1812 der Audditen (Gegner des Maſchinenweſens).
2) Stadt in der engliihen Grafſchaft Wilts
(angelſächſiſch Brandanfora, d. h. die breit Furt),
zu beiden Ufern des Avon: nördliche Seite Alt-B,,
ſüdliche Seite Neu-B.; Handel und Tyabrifen,
namentlich in feinen Tuchen; Avon⸗Keunet-Kanal;
4871 Em. Hier 959 Synode, wo St. Dum
ftan zum Biſchof von Worcefter gewählt wurde,
3) Stadt in Yaneafter; 7168 Em. 4) County
im nordamerif. Untonsitaate Florida, u. 30° n. Br.
welche der erſte Stempel frei ließ, auf der Rüd- |u. 82° w. %.; 3671 Em.; Countyjig: St. Youis.
764
Bradford — Braedeler.
5) County im nordam. Unionsftaate PBennfylva-|übertriebenes, aber heiteres Gemälde des Orfor-
na, u. 41° n, ®r. u. 76° w. %.; reiche Koblen-|der Umiverfitätsiebens, dann Medley, prose and
u. Eifenlager; 53,204 Ew.; Countyfig: Towanda. verse, 1855; Motley grave and Gay, 1855;
Bradford, William, Buchdruder, geb. 1658
zu Leicefter in England; fam mit William Penn
u. a. Quälern nah NAmerika, errichtete in New-
Vort 1693 die erſte Buchdruderprefie, nachdem
bereits feit 1673 eine in Bofton u. jeit 1674 eine
in Philadelphia beftanden, u. wurde zum Regier-
ungsbudhdruder ernannt. 1725 gäb er bie erfte
in dieſer Colonie gedrudte Zeitung unter dem
Titel The New-York Gazette heraus u. ftarb in
Newe-HYort 23, Mai 1752. Gein Sohn An-
drem, geb. 1686, gab in Philadelphia 1719 den
American Weekly Mercury, heraus; ft. 1742.
Bradlenfa, 83 km langer Fluß in Böhmen;
entipringt füdlih von Klatta u. auf dem Böhmer:
Walde; vereinigt fi mit der Radbuſa und fließt
bei Pilfen in die Beraun,
Bradley, 1) Hüttenort in der engliihen Graf-
ihaft Stafford, am Kanal von Birmingham u.
Stafford; große Eifenwerte (Wilkinſons Eiſen—
werte), melde 5000 Menſchen beicäftigen.
2) County im nordamerif, Unionsftaate Artanjas,
u. 33° u, Br. u. 92° w. L.; 8646 Ew. Gountyfig:
Barren. 8) County im nordamerif, Unionsftaate
Tenneffe, u. 35° n. Br. u. 84° w. L.; 652 Em.
Couutyſitz: Cleveland.
Bradley, 1) James, berühmter engl. Aſtro—
nom, geb. 1692 in Shireborn in Glouceſter; ftud.
anfangs Theologie u. war feit 1719 Pfarrer in
Wanjtead in der Grafichaft Eifer, wendete fich
aber der Aftronomie zu, wurde 1721 Profefjor
‚ ber Ajtronomie in Orford u. 1741 Nachfolger Hal-
leys auf der Sternwarte in Greenwich; er ft. 13.
Juli 1862 zu Chelford in Glouceſter. B. war
der größte aftronomische Beobachter feiner Zeit.
Seine wichtigſten Entdedungen find die der Aber-
vation des Yıchtes u. der Nutation der Erdachſe.
Aus feinem Nachlaß erichien: Astronomical ob-
servations made at the observatory at Green-
wich from 1750 to 1762, Orf. 1798—1805, 2
Bde., Fol. (Haft alle neue aftronomishe Tafeln
— ſich auf B-3 Biobachtungen.) Seine
iscellaneous works and Correspondence gab
Nigaud, Orf. 1832, heraus, 2) William, engl.
Porträtmaler, geb. 1801 zu Mancheiter; ſchwang
fih vom Laufburfhen eines Kaufmannes jchon
mit 16 Fahren zu einem tüchtigen Kiünftler auf,
deifen Arbeiten ſich durch feines Verſtändniß der
Natur, feſte Zeichnung u. qutes Colorit auszeich-
nen; ft. 1857. 3) Edward, engl. Geiftlicher u.
unter dem Pſeudonym Gutbbert Bede befanns
ter Schriftfteller, Dichter u. Zeichner, geb. 1827
zu Kidderminfter; fiubirte in Durham und ward
1850 Pfarrer von Bobington in der Grafichaft
Stafford und 1859 Rector von Dentow in der
Srafihaft Hunts. Nah Rabelais’ Vorbilde ſchrieb
er Iuftige u, unterhaltende Bücher, zeichnete Stiz«
zen für Wigblätter u. lieferte vielfache Beiträge
zu Zeitichriften, mie Punch, London News, Gent-
lemen’s Magazine, Cruisbanks Magazine u. a.;
außerdem Romane, die einen großen buchhändle—
riihen Erfolg hatten: The Adventures of Mr.
Verdant
reen, 9. Aufl., 1871, u. The further! Die Liebeserflärung,
Adventures of Mr. Verdant Green, ein etwas|jchenfe (in der N
Loves provocations, 1855; Photographic Plea-
sures, 1855 u. ö.; Tales of College Life, 1856;
Fairy Fables, 1857; die Novelletten: Nearer and |
Dearer, 1857; Mr. Verdant Green murried and
done for, 1857; The Shilling Book of Beauty,
1858; Funny Figures, 1858; Happy Hours at
Winford Grange, 1858 und 1872. Ferner ent
warf er ein pittoresfes Gemälde der Geſchichte,
Alterthümer u. Legenden der fchottiihen Halbıniel
Gantire, der Wiege der älten ſchottiſchen Könige,
unter dem bizarren Titel: Glencreggan, or a
highland home in Cantire (1861). Hieran jchließen
fih: Our new Rector or the Village of Norton,
1861; The Curate of Cranston, 18615 A Tour
in Tartan-land, 1863 u. ö.; The visitors hand-
book to Rasslyn and Hawthornden u. The white
Wife, 1864 u. ö.; The Rooks Garden, 1865 u. ö,,
u. die Novelle Mattins and Muttons, or the
Beauty of Brighton, 1866, 2 Bde., u. Little Mr.
Bouneer and his Friend, Verdant Green . ..
(mit Jluftrationen vom Autor), 1873.
1) Specht.“ 2) Regnet. 3 Bartlımy.
Bradſch (Bruj, Brij, d. i. Weideplat) heißt
die Landſchaft um Mathura u. Brindaban ir
Hindoſtan; berühmt in der indiſchen Sagenwel
als der Aufenthalt des Kriſchna u. der Schauplag
von deffen Spielen u. Liebesabenteuern mit den
Gopas oder Hirtenmädchen. Davon Bradic-
bhakha (Brajbhakha), die Spracde der Yanbichaft
Bradich, ein Dialelt der Hindiiprache, geiprochen
in der Gegend bei Agra.
Bradwardine, Thomas v., gen. Doctor
profundus, berühmter Scholaftifer, geb. um 1290
inHartfield; ftudirtein Orford, war erſt Profeffor
der Theologie in Orford, dann Kanzler der Kathe⸗
drale in Yondon, Beichtvater Eduards III. u. wurde
1348 Erzbischof von Canterbury; er ft. 22. Aug.
1349. B. fhr.: De causa Dei contra Pelagium,
Yond.1618, Fol.; Arithmetica speculativa, Bar.
1495, 1530; Geometria speculativa, Par. 1515,
1516; De proportionibus, ebd. 1495, Vened.
1505; De quadratura eirenli, Par. 1495, Rom
1530, Fol., u. m. a. Er war ber einzige unter
den Scholaftilern, der von determiniftiichen An-
ihauungen aus den herrſchenden Pelagianismus
befämpfte und die Lehre von einer den freien
Willen mit Nothwendigteit beftimmenden Präde—
ftination in der härteften Form aufjtellte. Löffler.
Bradeleer (Bradelaer), Ferd. de ®., belg.
Genremaler, geb. 1792 in Antwerpen; bildete ſich
auf der Alademie feiner Vaterſtadt, dann unter
J. M. van Bree, bielt fi 3 Jahre in Italien
auf u, kehrte daun nah Antwerpen zurüd, mo
er Mitglied des Regierungsrathes wurde. Er
malte vorzugsweife hiſtoriſche Bilder, theils bibti-
ſchen, theils profanen Inhaltes, auch Genreſtücke
u. Landſchaften mit hiſtoriſchen Anklängen. Man
lobt an ihnen poetiſche Auffaſſung, bewegtes Leben
u. friſches Colorit; u. a.: Die Heilung des Tobias
durch feinen Sohn, Die Vertheidigung Antwerpens
1576 (im Antwerpener Mufeum), Häusliche Piebe,
Ein Muſilant in der Dorf-
Pinafothel zu Münden); Die
Braga —
Eitadelle von Antwerpen am Tage nach der Über»
gabe. Reguet.*
Braga, 1) (nord. Myth.) ſ. u. Bragi. 2)
Bierähnlihes Getränk der Kofaten u. ZTataren.
Braga, 1) Diftrictshauptftadt in der ehemal.
portugiej. Prov. Minho, nicht weit von den Fzlüj-
fen Defte u. Cavado; feftes Eaftell; reiche Kathe-
drale, jonft 8 Klöſter; Erzbiſchof u. Domcapitel;
Wachsbleihen, Wollen- u. Leinenmweberei; Hut-,
Meſſer⸗, Schlofferwaarenfabrifation; röm, Alter«
thiimer (Wafjerleitung, Amphitheater); talte ſchwe⸗
felige Quellen; 1864 19,514 Ew. — B. ift das
Bracara (B. Augufta) der Römer; e8 war Haupt»
ftadt der Bracarifchen Gallacier, Calläfer u. wurde
unter römischer Herrichaft Sit der Verwaltung. Die
Könige der dort einwandernden Sueven wählten es
zu ihrer Nefidenz. Bald wurde hier auch ein Bis-
thum errichtet, welches fpäter in ein Erzbisthum
verwandelt wurde; die Erzbiſchöfe fchrieben fich
Primates Hispaniae. Hier wurden die 3 Braca-
renſiſchen Concilien gehalten: 563 gegen die
Priscillianiften u. Arianer, u. bier wurde die Be-
fehrung der Sueven vom Arianismus zum Ka»
tholicismus vollendet; 572 über die Kirhendisci-
plin u. 675 über den gleichen Gegenftand, 584 fam
B. an die Weitgothen, wurde nah dem Sturze
des Weſtgothiſchen Reiches von den Mauren er:
obert und fam erft 1040 wieder an König Al:
fous I. von Caftilien u. nach der Errichtung des
Königreihs Portugal an dieſes.
Bragadins, Marco Antonio, . venetiani-
jcher Held, geb. um 1525; vertheidigte 1570 u.
1571 Famaguſta auf Cypern tapfer gegen die Tür-
ten, ward nad) der Übergabe gegen freien Abzug
15. Aug. 1571 von den Türken ſchrecklich ver-
ſtümmelt u. bei lebendigem Leibe geſchunden. Mu—
ftapha ließ die Haut ausftopfen, welche ſpäter von
den Söhnen Bes zuridgetauft wurde.
Braganza (Braganga), 1) Hauptftadt des
gleichnam. Diftrict® der portug. Prov. Tras 08
Montes, am Fuße der Sierra de Nogueira u.
nahe dem Fluſſe Sabar; befeftigt; Biſchofsſitz;
Seidenzudt u. Seidenmweberei; 5110 Em.; Stamm-
ort der jetigen königlichen Familie. 2) Stadt in
der Prov. Para in Brafilien, an der Mündung
des Caite in die gleichn. Bai des Atlantiſchen
Oceans; verichiedene Kirchen; Gefängniß; Bevöl—
ferung der Stadt u. des Diftricts 6000. 3) Kanal
von B,, der hauptjächlichfte Abjluß der Gewäſſer
des Amazonenitromes in den Atlant, Ocean und
Haupteinfahrt im dieſen.
Braganza, das gegenwärtig in Portugal und
Brafilien regierende Haus; hat feinen Namen von
der Stadt B. u. ift geftiftet von dem natürl. Sohne
des Königs Johann des Unechten von Portugal
u. feiner Geliebten Agnes Perez, Alfons, der
bon jeinem Vater zum Herzog von B. gemacht
wurde u. 1461 ſtarb. Seine Nachkommen hoben
fi rajch dur die nahe Verwandiſchaft mit dem
Herriherhaufe und bedeutende Reichthiimer zu
großem Anſehen, erregten aber dadurch aud das
Mißtrauen des Hofes, zumal der von Johann II.
von Portugal in jeinen Nechten ſich gefräuft fühl-
ende Üdel feine Hofinung auf den Herzo —
dinand II. v. B., Alfonſos Enkel, ſetzte. % ann
ließ ihn deshalb des Hochverrathes ſchuldig er-
765
Mären u, ohne Beweis u. Geftändniß zum Tode
verurtheilen (1483); die iibrigen Glieder des Haufes
B. flüchteten infolge defien, kehrten aber jchon unter
König Emanuel wieder zurüd, nahmen ihre alte
Stellung bei Hofe wieder ein umd traten durch
Heirathen in noch nähere Berwandtichaft zu dein:
jelben; fo heirathete die Enkelin jenes Ferdinand,
Jlabella v.B., die Tochter des Herzogs Jakob,
einen Sohn Emanuel, Odoard, Herzog von
Öuimaraens, und deſſen Tochter, Katharina,
Ferdinands Urenfel, Johann I, den Sohn
Theodofius’ I. v. B., Markgrafen v. Billavicioja
u.j.w., u, erhielten damit die ®. nach dem Tode
des Königs Sebaftian u. des Regenten, dann des
Königs Heinrich 1580 Anipruchsrehte auf die
Krone Portugal. Indeß gegen König Philipp IL.
von Spanien, der feinerjeits mit Wafjengemwalt
auch Anfprüce auf Portugal geltend machte, ver»
mochte der ſchwache Johann ſich nicht zu behaup-
ten, u. jo fam erft, nachdem die Spanier 60 Fahre
in Portugal geherrfcht, fein Entel Johann infolge
des portugiefifhen Aufftandes als Johann IV.
u. damit das Haus B. auf den Thron von Por-
tugal (f. Portugal, Geſch.). König Johann VI.,
der ſchon als Kronprinz dem Titel Prinz von
Brafilien geführt und vor Napoleon 1807 nad
Brafilien flüchtete, erhob 16. Dechr. 1815 dieſes
zu einem befonderen, jedoch mit Portugal muter
einer Krone vereinigten Königreiche und ließ bei
feiner Rückkehr nad Portugal jeinen älteften Sohn
Pedro als Prinz-Regenten in Brafilien zurüd
(1816). Judeß ſchon 12. Oct. 1822 wurde diejer
zum Kaijer von Brafilien erflärt und damit der
Stifter des Haufes B. in Brafilien. Da ihm die
Brafilianifche Berfaffung die Übernahme der por
tugiefiihen Krone verbot, fo entfagte er nach des
Vaters Tode diefer zu Gunften feiner Tochter
Maria da Gloria, 2. Mai 1826, die aber erft
nah dem Sturze Miguels, Pedros Bruder, 23.
Sept. 1833, den Thron beftieg, 1835 mit dem
Herzog Auguft von Leuchtenberg fi vermäblte,
u,, da diefer nach wenigen Monaten ftarb, 1836
mit dem Prinzen Ferdinand von Sahjen-Koburg-
Gotha. 1853 folgte ihr Sohn Pedro V. u. diefem
1861 fein Bruder Ludwig I, geb. 31. Oct. 1838,
jeit 1862 mit Maria Pia, Tochter Königs Victor
Emanuel von Italien, vermählt. Der oben ge-
nannte Prinz Miguel, welcher durch Decret vom
30. Juni 1828 fi zum König erklärt hatte, aber
durch die Übereinkunft zu Evora-Monte vom 26,
u. durch eigenhändige Erflärung vom 29. Mai
1834 fi verpflichtete, Portugal zu verlafjen, bat
bei feinem Tode (14. Nov. 1866) einen Sohn,
Miguel (geb. 1853), u. mehrere Töchter hinter»
laffen. In Brafilien folgte auf Pedro I. bei deſſen
Entjagung auf den Thron 7. April 1831 fein Sohn
Pedro II., geb. 2. Dec. 1825, jeit 23. Juli 1840
zur perfönlichen Negierumg gelangt (f. Brafilien).
Nebenzmweige der dergöge v. B. find die Grafen
von Zantugal u. Olivenza, jeit 1510, ge
ftiftet von Alvar, Bruder Ferdinands IL, mit
Jakob de Mello 23. Dec. 1732 erlojchen, dann
die Markgrafen v. Ferreira, die Grafen v. Bi»
miojo zc. Außer den regierenden Perjonen find
merkwürdig: 1) Conftantın, Sohn Theodoſius' I.
von B.; war 1549 Gefandter in Frankreich und
Braganza.
766
1557 Vicelönig in Oftindien, wo er von Goa
Bragi — Brahe.
Brahe, altes Geichleht in Schweden u. Dürr:
aus bebdeutente Unternehmungen machte, 3. B.|marf, das von Mobammer, einem Anverwand-
gegen Ceylon; er kehrte 1561 nach Europa zurüd)ten König Smwerlers des Alteren, um 1138 feinen
u. ft. bald darauf. 2) Johann von B., Herzog Urſprung berleiter u. deren Stammhaus (Brake:
von Pajokus, geb. 1719 in Liſſabon, Sohn des
Prinzen Miguel, Bruders des Königs Johanıı V.;
wurde zum geiftlihen Stande beſtimmt, erllärte
fih aber, als er die Weihen erhalten follte, ent-
ſchieden dagegen, fam dadurh u. durch einige
Liebichaften ber feinem Hofe in Umgnade, verließ
deshalb Bortugal, durdreifte Europa und ben
Orient, hielt fi aber die meifte Zeit in Wien
auf u. diente als Bolomtär während des Sieben-
jährigen Krieges unter öſterreichiſchen Fahnen.
Geift, Witz u. Ditergabe machten ihn überal
beliebt. In Portugal verweigerte man ibm die
Erbſchaft feines Bruders, und erit die Königin
Maria J. jegte ihn im diefe ein, ernannte ihn zum
General en Chef der portugiefiichen Armee und
ertbeilte ihm andere Würden. Er ftiftete die Tal.
Atademie in Liffabon u. ft. 1806, Der Kronprinz
von Portugal führt den Titel: derzog, von B.
agal.®
Bragi (bei Neueren aud Bragur u. Braga,
nord. Myth.), einer der Aſen, Odins Sohn, ber
rübmt durch Beredtſamkeit u. Staldentuuftl, die
nad ihm bragr heißt, wie aud ein beredter Mann
bragr karla genannt wird (angelſächſ. bregen,
engl. brain, Gehirn). Auf B.s Becher (bragafull
od, bragarfull) wurden namentliid am Yulabend
die feierlichſten Gelübde geleiftet. B. ift mit Idun,
die Dichtfunft mit der ewigen Jugend, vermäblt
u. harrt aud in der Verbannung (im Winter)
bei ihr aus, Nah Uhland ift B. der zum Gott
erhobene, geſchichtliche König u. Stalde B., der Alte
(8. Jahrh.), welcher greis u. langbärtig gedacht u.
einmal auch Ddins Sohn genannt wird. Better
Braham, John Abraham, berühmter eng-
liſcher Tenorift, geb. 1774 in London von jldt:
ſchen Altern, die ſchon im feiner Kindheit ftarben,
Der Italiener Leoni nahm fi bierauf feiner
an, gab ihm Gefangsunterricht, und kaum 10
Jahre alt, verfuchte ſich B. auf dem Königlichen
Theater, trat 1794 zu Bath im Goncerten mit
Beifall auf, der ihm auch zu Theil wurde, als er
1796 im Drurylane- u. Italieniſchen Theater zu
London fang. In der Folge ging er nach Italien
u. lehrte erft 1801 nah England zurüd, wo er,
am Coventgarden-,, dann am Königl. Theater
engagirt, für den eriten Tenoriften Englands galt.
Ein großes Theater, welches er aus eigenen
Diitteln in feiner Baterjtadt errichtete, bot meh-
teren deutichen Operngejellichaften einen willtoms»
menen Schauplag. B. ft. 15. Febr. 1856. Seine
Stimmmittel waren glänzend u. tadellos, feine
Kunftbildung aber nicht gediegen. Belannter als
feine Singfpiele: The Cabinet, Family Quarrels,
False Alarms u. The Devils Bridge find die von
ihm gejegten Lieder, vor allen die Arie: Death
of Nelson. Kürjner.
Brahnspati, j. Bribhaspati.
Brahe, 163 km langer Fluß in Preußen;
entipringt bei Rummelsburg in Bommern, flieht
füdwärts, wird bei Bromberg, wo er mit der
Nee durch einen Kanal verbunden ift, ſchiffbar
u. fällt bei Fordon in die Weichjel.
bus) noch in Ruinen auf einem Berge bei Örenns,
am Düfer des Wetter-Zces, vorhanden it. Mert-
wirdig find: 1) Brigitta B., f. Birgitta. 2
Tychso od. däniſch Tyge B., einer der berübm-
teften Aftronomen aller Zeiten, geb. 14. Deckr.
1546 zu Knudſtrup in Echonen, ans einem al!
ten däniſchen Geſchlechte ftammend; warb wide
Willen feines Waters, Otto B., von deſſen Kin
derlofem Bruder Jürgen B. beimlih für bu
Wiſſenſchaft erzogen. Zu Kopenbagen machte die
Beobadtung einer Sonnenfinſterniß 1560 einen
fo tiefen Eindrud auf ihn, dah er das Studium
der Aftronomie zu feiner Lebensaufgabe macht
u. fi) von jett au bier u. fpäter in Yeipzig, we-
hin er als 14jähriger Knabe geihidt wurde, um
dh dort die damals zur Erlangung Öffentlicher
Amter ausreichende oberflächlie Bildung zu ver-
ichaffen, faft ausjchlieglih u. heimlich dieſer Wii-
jenichaft widmete. Nach längeren Reifen durch
Deutſchland, die Schweiz u. Italien fehrte er nad
Kopenhagen zurüd, Zu Roftod, Wittenberg und
ar gear verband er mit jeinem eriten Studium
das der Chemie. Sein mütterlider Obeim, Stees
Bilde, ließ ihm zu Heerigwalde, unweit Kmubditrup,
eine Sternwarte einrichten, wo er inder Kaſſiopeia
1572 einen neuen, 1574 wieder verſchwundenen
Stern entbedte (De nova stella anni 1572,
Kopenb. 1573). Erjt 1574 begamn er aſtronomiſche
Borleiungen zu halten. Gr hatte fih damals mu
einer Bauerstochter verbeirathet; dieſe Berbiud—
ung, in der er ſehr glücklich lebte, zog ihm den
Haß jeiner Verwandten u. des däniſchen Adels zu,
der auf feine ſpätere Schidjale von nachtheiligem
Einfluffe war. König Friedrich II. ließ ihn reifen
und gab ihm ein Jahrgehalt, ſchenlte ihm au
1576 die Inſel Hpeen im Sud u, vermilligte
ihm anſehnliche Summen zur Grbauung eines
mit Gterumwarte und Yaboratorıum berjebenen
Schloſſes, Uranienburg, das 1580 vollendet wurde,
u, eines Wohnbanjes für Studirende (Sternbarg).
Auch erhielt er vom König ein Lehn in Norwegen
u. eine Stiftsberrnpfründe, aus deren Einkünften
die Anlagen auf Hoeen erhalten wurden, welche
beide noch in Huinen vorhanden find. Die Stern«
warte rüftete B. mit einer großen Samımlung
jehr werthvoller, nad jeinen eigenen Angaben
conftruirter Juftrumente aus u. ftellte mit den⸗
jelben 17 Jahre hindurch aftronomische Beobadıt-
ungen an. Auch ein chemijches Yaboratorium be-
fand fi) in Uvanienburg, ſowie eine eigene Drude-
rei, aus der aufer aftronomischen auch chemiſche,
mediciniſche u. jelbft poetiiche Arbeiten von B.
bervorgingen. Bon erfteren find zu erwähnen:
Apologetica responsio ad cujusdam Peripatetiei
in Scotia dubia, sivi de parallaxi cometarum
opposita, Uranienburg 1591; Epistolarum astro-
nomiearum libri ete., ebd. 1596. Hier auch be-
gann er feine berühmten Werte Astronomicae
instauratae progyinnasmata, quorum haec prima
pars de restitutione motuum solis et lunae
stellarumque inerrantium tractat, 1603, und
De mundi aetherei recentioribus phacnomenis
Braheftad
liber secundus, qui est de illustri stella caudata
anno 1517 conspeeta, gedrudt in Frankfurt 1610.
Befonders im letzten Werke, das in Uranienburg
1588 begonnen u. in Prag beendigt wurde, ſowie
in einem an Rothmann 1587 gejchriebenen Briefe
entwidelte er jein Weltigftem, doch ift diefes jo
verkehrt u. jeder praftiihen Verwendung in der
Aftronomie unfähig, daß lebhafte Zweifel ſich er-
hoben, ob es wirflih von dem größten Aftronomen
feiner Zeit, dem fcharffinnigften Denker und ger
naueften Beobachter herrühren lönne. Nach diejem
Syſtem ſoll die Sonne in Schraubengäugen von
ungleiher Weite um die ruhende Erde fich be»
wegen u. die Planeten bei ihrer Drehung um die
Sonne alle dieje Schraubengänge mit ———
Der Zweifel an der Echtheit dieſes Tychonifchen
Syitenıs wird um jo begründeter, als B. ein
aufrichtiger Berehrer u. eifriger Anhänger des
Kopernifus (f. daf.) war u. bald erfannte, wie
defien Spitem mit den Erfcheinungen am Himmel
übereinftimmte. Auch haben feine Schiller Longo—
montanus und Urfus Anſpruch auf die Urheber»
ſchaft deffelben erhoben. B-3 größtes u. für alle
767
befonders viele Schulen; 1641 wurde er Mitglied
der vormundichaftlichen Regierun u. Reichsrath,
widerjegte fih dann Chriftinens Abdanfung, wies
wol vergebens, bejehligte 1657 die Schweden
gegen Dänemark u. ward bei der Minderjährig-
feit Karls XI. von Neuem: Mitglied der. Bor-
mundjchaft; er ft. 1680 in Bogefund. 5) Erid,
Graf v. B., geb. 1722 in Stodholm; ließ fi
als Oberft der Yeibgarde 1755 in eine Verſchwör—
ung ein, wodurch der König die Souveränetät
unbeſchränkt erhalten jollte, ward jedoch emtdedt
und 23, Juli 1756 enthauptet. 6) Magnus,
Graf von B., geb. 1790, Entel des Bor.; war
Generaladjutant der fchwediichen Armee, General-
lieutenant, Reichsmarſchall, Oberbofjtallmeijter,
Chef des Generalftabes, Kanzler und vertrauter
Freund und Rathgeber des Königs Karl XIV.
Johann; er ft. 16. Sept. 1844.
Braheftad, Stadt im finnl. Gonv. Ulehborg,
an einer Bucht des Bottniſchen Meerbujens; ge-
nannt nach ihrem Erbauer, dem Grafen Pehr
Brahe, der fie 1649 anlegte; 2960 Ew. Cs
mwurde im Mai 1854 von den Engländern be»
— Brahma.
Beiten bleibendes Berdienft beruht indefien keines- ſchoſſen, das Werft. zerftört und die Schiffe meg-
wegs auf diefem Syſtem, fondern auf feinen
überaus genauen aftronomishen Beobachtungen
u. Unterfuhungen, welde bejonders in feinen
Progynınasmata wiedergegeben find. B. bat zirerft
dei Sonnenbeobadhtungen Rückſicht auf aftronom.
Refraction genommen, er machte die (übrigens
von Einigen dem Abul Wefa zugeichriebene) Ent-
dedung der Bariationen der Mondbahn, ftellte
Unterfuhungen über die periodischen Anderungen
der Neigung der Mondbahn gegen die Ekliptik an
u.gab eine für jene Zeit jebr genaue Bejtimmung
der Monbparallare. Seine Beitimmungen von
Sternörtern ermöglichten ihm die Aufftellung fei-
nes berühmten, allerdings nur 777 Sterne ent«
baltenden irfternfatalogs. Aus den Sonnen» u.
Planetenbeobachtungen Bes leitete fpäter ſein Schü-
ler Kepler die Grundgeſetze dev Blanetenbewegung,
die beriimten Keplerichen Gefege ab. Nach König
Friedrichs II. Tode wurden B. auf Betrieb des
Adels feine Pfründen u. Penfionen entzogen, Er
verließdeshalb Dänemark, ging 1597 nad) Deutfch-
land, lebte eine Zeit lang beim Grafen Ranzau
u Wandsbedu.trat 1599 ın Die Dieufte des Kaiſers
udolf II., der ihm bei Prag eine Sternwarte
errichten ließ, wo er mit dem berechtigten Ausrufe:
„3% babe nicht umjonjt gelebt“, 24. Oct. 1601
Rarb, Seine fämmtlihen Werke find in Prag
geuoimmen.
Drahma (Brahm), Nominativ v. Subft. Brah-
man, von der Wurzel barh, anfirengen od. mit
Anftrengung bewegen, fo daß brahman für barh-
man mit dem Suſſir man urjprünglich bedeuten
würde Auftrengung, Erſchütterung, und da das
Gebet in den vediihen Hymnen die gewaltige
geiftige Erregung ift, die innere Anftrengung, mit
welcher der Menſch fih u. fein Anliegen vor den
Gott bringt u. Erhörung verlangt; fo bezeichnet
e8 in der Vedaſprache die al$ Drang und Fülle
des Gemüthes auftretende u. den Göttern zuftreb-
ende Andacht u. iiberhaupt jede Fromme Äußerung
beim Gottesdienfte. Diefer urjprüngliche Begrifi
Gebet, Andacht ift zuerft zu dem einer religiöjen
Handlung überhaupt u. danıı zu dem des höchſten
Söttlihen entwidelt worden. Daher ift B. der
Name des unperfönlich gedachten Gottes, des
höchſten reingeiftigen Gottesweiens, das Abfolute,
der höchſte Gegenftand der Theofophie. Daran
fnüpfen fi die anderen Bedeutungen: a) heiliger
Spruch, Zauberſpruch; b) heiliges Wort neben
vatsch, dem profanen; c) heilige Weisheit, Theo»
logie, Theojophie, die theoretiihe Seite, neben
tapas, Faſien, der praftifchen; d) heiliges Leben,
insbefondere Keuſchheit, gleich tapas, Kafteiung;
e) der Stand, welder Inhaber u. Pfleger des
1611, jpäter in Fraulfurt 1648 heransgegeben. hl. Wiffens ift, die Theologie, fo dv. w. die Theo-
Bol. die Lebensbeſchreibung von Helfrecht, Hofllogen, Kleriſei, Brahmanenſchaft u. ein Mitglied
1798, Pederſen, Kopend. 1838, u. Friis, ebd. |derjelben, ein Brabınane.
1871. 83) Ebba, Gräfin v. B., geb. 1596;| Brahmä, Nominativ vom Masc.Brahman, 1)
flögte durch ihre Schönheit dem König Guſtav Beter, Andächtiger u. dann Beter von Beruf, d. 1.
II. Adolf jo große Liebe ein, daß er fie heirathen | Priefter, Brahınane, auch Kemer der hi. Sprüche
wollte, was jedoch durch die Königin-Mutter hin-⸗ (Zauberſprüche), des bi. Wiffens überhaupt. 2)
tertrieben wurde. Ebba heirathete einen Herrn de Kenner des hl. Wiffens im engeren Sinne und
fa Gardie u. ft. 1654. Sie ift das Sujet eines derjenige Hauptpriefter, welcher die Leitung des
Schaufpield des Königs Guftav II. 4) Behr, Opfers bat u. die 3 Beda kennen fol. 3) Das
jhwed. Staatsmann, Better der Vor., geb. 18. perſönlich gedachte B. mit feiner geheimnißvollen
Febr. 1602 in Ridbohohn; ftudirte Philologie, Kraft, der Heilige, der Urvater, Schöpfer, der
dathematik u. Rechtswiſſenſchaften u. begleitete Allwiffende u. Bejchiiger des menſchlichen Wiſſens
Guſtav II. Adolf auf feinen Feldzügen; er wurde.u. Denkens. B. ift fomit das Product der Abs—
1637 Gouverneur von Finnland u. errichtete hier traction, das künſtliche Erzeugniß des Dentens
768
über das Göttlihe, ift deshalb auch fein Bolts-
gott u. hat feinen Gult; in den alten Büchern ift
er nicht belfannt. Als Gattin ift ihm Sarasvati
od. Vatſch, das Wort, gegeben, als die vollendet-
fte Erjcheinungsform der geiftigen Thätigfeit. Die
Philoſophie bedurfte diefer höchſten Geiftigleit,
diefes letzten u. ſchaffenden Principe, n. fie iſt es,
welche den Gott B. hervorgebradit hat. Beinamen
find Atmabhu, durch fich jelbft werdend, Ka—
malafana, der im Yotus Sitende; Vidhatä,
der Ordner, Schöpfer. Abgebildet wird B. mit
4 Köpfen u. ebenio vielen Armen, welde ver-
ſchiedene Symbole tragen, die feine Unfterblichkeit,
Allmacht u. geſetzgebende Gewalt bezeichnen. Sein
Paradies oder Himmel heißt Brahmaloka, d. i.
Brahmas Welt, u. Brahmanda, d.i. Brahmas
Ei, bedeutet das Univerſum, die Welt. Verehrt
wurde B. in der älteften Zeit, und die Meligion
Indiens mit B-8 Verehrung beißt Brabmais-
mus, welhem der Schiwaismus u. Wiſchnuismus
folgten; j. Indiſche Religion.
Brahmädifas, jo v. w. Riſchi.
Brahmaismus (Brahmanisınus), die Reli—
gion Indiens mit Brabmas Verehrung; ſ. Brahmä.
Brahmana 1) Adjectiv von Brahınan, brah-
maniid), 2) Subft. m.; a) Gottesgelehrter, Theo»
log, Priefter, Brahmane; b) jo v. w. das Brah—
man, das Göttliche, d. h. güttlihe Kraft; e) das
B., d. i. die religiöfe Erläuterung, der Ausipruch
eines Theologen über Gegenitände des Glaubens
u. Cultus, durch welde Gehalt u. Bedeutung
defieiben beftimmt werden foll; daher d) Bezeich-
nung einer befamuten Kaffe vediiher Schriften,
welche ſolche Erläuterungen enthalten, 3. B. Ai—
tareja B., Taittirija B. Satapatha B.
Brahmanaspati, jo v. w. Brihaspati.
Brahmanen (Brahmen, Brabminen, Brami-
nen) find die Erſtgeborenen Brahmas u, bilden
die vornehmſte der 4 Kaften Indiens. Der
Brahmane ift heilig u. unverletzlich u, der Prie—
fierwürde "allein fähig. Bor Allem liegt ihm ob,
die Neligion zu bewahren, die Cpferceremonien
zu verrichten u. die religiöfen Urkunden, die Veda,
eifrig zu ftudiren u. zu erlläven; er fol ein
firenges u. tadellofes Leben führen, oft faſten u.
beten, nichts Lebendes, mit Ausnahme des Opfer-
thieres, tödten, vor Allem aber fid) der Reinig—
feit befleigigen u. das dafür vorgejchriebene Cere—
moniell pünftlih beobachten. Im Leben des B.
gibt es 4 Stufen. Frühe Schon tritt er als
Brahmaticharin oder Brahmas Schüler in die
Klaſſe der Lernenden u. erhält einen Lehrer (Guru),
der ihn in den Veden unterrichtet u. den er zeit-
lebens wie einen Bater ehren muß. In diefe
Zeit fällt die Brahmameihe, die ihm vom 8. bis
15. Jahre ertheilt werden lann u. wobei ihm
als äußeres Abzeichen eine Schnur umgehängt
wird. Wis Geweihter erhält er den Namen
Dvidscha, d. i. zweimal geboren, weil diefe Weihe
als eine zweite Geburt angefehen wird. Mit den
Jahren der Reife hat der B. die Verpflichtung,
zu beirathen, u. er wird dann ein Grihasthana
oder einen eigenen Haushalt Führender. Als
folder fann ex, aud der Prieftermirde entfagen
u. in beftimmte Amter eintreten. Auf der 3. Stufe
muß er fein Familienhaus verlaffen u. im Walde
Brahmadifae — Brahmaputra- Huhn.
als Einfiedier (Vanaprastha) leben; er nimmt
nur das bi, Feuer mit fih, um die 5 täglichen
Opfer zu verrichten, Meidet fi in ein Gewand von
Baummolle oder in ein ſchwarzes Antilopenfel,
entjagt allen Bequemlicleiten u. finnlihen Ge—
nüffen u. ſucht durch ſchwere Kafteiungen u.
Bilßungen die vollendete Herrſchaft der Seele über
den Körper zu erringen. So gelangt er zu ber
legten Stufe u. wird ein Sanjasi. ala welcher er
verjucht, fih ganz im die Weltfeele zu verſenken
u. jo feine Seele zu ihrem Urquell zurüdzuführen
u. fih mit Brahma zu vereinigen.
Brahmapütra, Name des Zwillingsſtromes
des Ganges in VBorder-Fndien für jeinen Yanf von
Ober-Afjam bis zur Mündung. Diefe Bezeichmung
Sohn des Brahına) bat der Fluß von dem Yobit
(. u.), der, nachdem er den gleihnam. Abfluß
des heiligen Sees Brahmakunda erhalten, von
den Indern mit diefem Namen geehrt wurde. Liber
Oberlauf u. Duelle it man noch ftreitig. Nah
der Anfiht englifher Geographen, wie Turner
u. Montgomery, die der uralten indtichen Anjchau-
ung entijpricht, würde der in Tibet, unter 30° 15°
n. Br. u. 82° 5° öfll. L., an der NSeite des
Himalaja, unmeit des Manajarowar- Sees, tibetiih
Z faru-tjang-po-tfin genannte Strom der Quellfluß
fein, der, nachdem er ganz Tibet in öftl. Richtung
durhftrömt, in Affam umter dem Namen Diheaz
eintritt u. fih mit dem Dibong u. Lohit vereinigt.
Nach von Schlagintweit dagegen ift der Yohit, aus
den Fl. Taluding u. Taluka im NRamlio-Gebirge
um OTibet zufaumenfließend, der fih bei Sodija
in Aſſam mit dem Dihong vereinigt, wegen
größerer Waſſermenge für den Hauptitvom zu
erflären, Der vereinigte Strom, welcher fidy je
doch bald in zwei fih nad 35 km langem Yaufe
wieder vereinigenden Arme, den Buri-Yobit und
Dihing, ſpaltet, durchfließt nun ganz Affam gegen
130 kın bis zur Stadt Goalpara, wo er in Beu-
galen eintritt. Sich bei Rangmat nah S. wen-
dend, durchſtrömt er im feinem unteren Laufe dieies
Land etwa 215 kn, worauf er ſich in drei mäch—
tigen Mündungen, dein Hattia in O., dem Eicha-
baspur im der Mitte u. dem Ganges im W., in
den Bengaliihen Meerbuſen ergießt. In feinem
Unterlaufe führt er den Namen Meghna. Shen
bei Schirpur, nachdem der B. um die Garroberge
herum in das Bengaliihe Tiefland eingetreten,
beginnt die Spaltung des Stromes, welche ſich
weiter abwärts vervielfältigt u. ein Deltaland er-
zeugt, das mit dem des Ganges mehrfach verknüpft
u. fiir die Binnenihifjahrt günftig ift, die bis zur
Grenze von Affam regelmäßig betrieben wird.
Unter den Nebeuftüffen find rechts der Manaia
u. Gadadhara, links der Kopili, Baraf u. Gumti
die bedeutenditen. Der B. ift ein heiliger Strom
für den Hindu, dem die Sage die Herabführung
diefes Fluſſes durch den göttlichen Helden Paraſu
Rama gefhehen läßt; wo Ganges und B. ihre
Fluthen miſchen, liegt eine der heiligften Pagoden
auf der Inſel Ganga-Sagar. Zhielemanr.”
Brahmaputra-Huhn, eine von Amerifa nad
England eingeführte Kreuzung des Cochinchina—
Huhns. Man fhätt die mit einem Erbjentamme,
der aus drei nmebeneinanderftehenden Kämmen
befteht, von welchen der mittlere der am meijten
Brahmaſche Preſſe — Brahui.
ausgebildete ift, höher, als diejenigen mit einem ſammenſucht.
fe mehrfarbig; Richtung des B.-S. auf ihre Übereinftimmung
einfahen Kamme; gewöhnlich find
man unterjcheidet hell- u. dunlelfarbige. Die letz⸗
teren find gewöhnlich ſchwarz mit weißen ober
elblihen Federn. Die helleren haben weiße
bern, welde an der Bafis blau-grau jcheinen;
am Halje find die meiften Federn in der Mitte
ſchwarz geftreift; die Flügel find weiß mit ſchwarzen
Flugfedern; der Schwanz ift Schwarz, Füße gelb
u. befiedert, Die B. legen u. brüten gut.
Brahmafche Preffe, j. u. Hydroftatiiche Prefie.
Brahmatjchari, die erfte Lebensſtufe der Brah-
manen.
Brahmavarta, das heiligfte aller altindiichen
Gebiete, das Mufterland der indischen Berfaflung,
das Land der wahren Lehre, zwiichen den Flüſſen
Sarasvati u. Driſchadvati; jet zu einem Zribu-
tärftaate des Pendichab gehörig.
Brahmen, ——— jo v. w. Brahmanen.
Brahmo-Samaj, d. h. die Kirche Brahmas,
eine Partei innerhalb der Vedareligion oder des
Brahmanismus in Oſtindien, welche dieſe Reli—
gion aus ſich ſelbſt heraus reformirend zu läu—
tern u. zu vergeiſtigen ſtrebt. Schon Anf. des
12. Jahrh. ſtiftete unter Anregung des Moham-
medanismus Raͤmamudſcha eine reformirte Kirche
der Wiſchnu-Verehrer, der im 14. Jahrh. fein
5. Nachfolger, Rimänanda, eine noch freifinnigere
Richtung gab. Der Schüler des Legteren, Kabir,
Avadhuta (d. h. der Abgeſchüttelte) genannt, ging
noch weiter, verfündigte den reinften Monotheis-
mus u. verwarf alle Braßmanifchen Mythen und
Eeremonien. Von demfelben Geifte befeelt ift die
viel einflußreicher gewordene Reform von Nänat,
dem Gründer der Sikhreligion. Ahnliche Reform-
beftrebungen erwachten in Dftindien zu Anfang
diefes Jahrh. unter dem Einfluß des Chriften:
thums, noch zu der Zeit, als die alte oftindiiche
Gefellichaft feine Miffionäre in ihren Befigungen
zuließ. Ram-Mohun-Roy, geb. 1772, gejt. 1833
zu Briftol, trat als Gründer des B.-©. auf, in«
dem er zu bemweifen juchte, daß die urſprüngliche
Religion der Veda viel reiner fei, als die gegen-
wärtige indiiche Volfsreligion. Er hielt dabei am
DOffenbarungscaralter der Beda feſt; nicht jo
fein Nachfolger, Debendranäth Tagore, der fich
nur auf die Offenbarung Gottes in allen Herzen
der Menſchen berief u. deshalb auch außer den
Beda aus den Werken alter indiſcher Weifen
Ausiprühe zur Darftellung des Glaubens des
B.S. jammelte, Diefer älteren conjervativen
Richtung im B. S., die fih Adi B.-©., die
erfte Kirche Brahmas, nennt, ftellt fi) neuer-
dings eine mehr fortfchrittlich geſinnte entgegen,
unter dem Namen: B..S. von Indien. Ihr
Stifter ift Keshab Tihander Sen. Diefe Ridht-
ung will nicht ‚nur wie die ältere alles, Götzen—
dieneriihe, Abergläubiihe aus dem Brahmanis-
mus austhun, unter Beibehaltung des Reineren
oder einer Verbeſſerung Fähigen, ſondern fie
bricht völlig mit der Kafte, legt die heil, Schnur
ber Brahmanen ab u. ftellt einen rein ethijchen
Monotheismus auf, für den fie den Ausdrud|Katicha - Gandawa, bie in
769
Befonderes Gewicht legt dieſe
mit der urfprünglichen Lehre Chrifti ſelbſt, im
Unterfchiede von den Dogmen der verjhiedenen
chriſtlichen Eonfeffionen u. Secten. Ein Katehis-
mus des Adi B.-S. faßt feine Lehre kurz jo zu—
fammen: Die Gottheit der Brahmos jet der eine
wahre Gott, ihr Gottesdienft, Gott zu lieben und
die Werte zu thun, die er liebt, ihr Tempel das
reine Herz, ihre Geremonien gure-Werfe, ihre
Opfer Aufgeben der Selbſtſucht, ihre Büßungen,
feine Sünden begehen, ihr Wallfahrtsort die Ge-
jellichaft der Guten, ihr Beda Gotteserfenntniß,
ihre heiligfte Formel: Sei gut u. thue Gutes, der
echte Brahmane Jeder, der Brahma femnt. a
Mar Müller, über Miffionen, Straßb.1874. Löffler.
Brahms, Zobannes, bedeutender beutjcher
Eomponift u. Klavierjpieler, geb. 7. März 1833 zu
amburg, Sohn eines Contrabaffiften im dortigen
Stadttheater-Orchefter. Nach gründlichen Studien,
feit 1845 bei Ed. Marxſen in Altona, trat er 1847
als Klavierfpieler mit Erfolg auf. Im J. 1853
lernte er in Düffedorf R. Schumann fennen,
welcher feine Begabung zu ſchätzen mußte u. durch
einen begeifterten Artikel v. 28. Oct. 1853 in der
Neuen Zeitjchrift fiir Mufit die allgemeine Auf—
merffamfeit auf B. lenkte. Diefer fand jedoch
bei feinem Auftreten in Leipzig getheilten Beifall,
volle Anerkennung widmeten ihm mur die Ans
hänger der neudeutfchen Schule. Aber B. ſchlug
bald eine Richtung ein, welche ihn von der lett«
genannten Schule treunen mußte. Nachdem er
1862 ſchon einmal in Wien erfolgreich als Pianift
aufgetreten war, fiedelte er 1863 dahin über,
dirigirte im Winter 1863—64 die Singalademie,
veränderte aber in den nädhjitfolgenden Jahren
mehrfach feinen Aufenthalt (Hamburg, Baden-
Baden, Schweiz, Wien zc.), übernahm 1872 die
Direction der Concerte, welche die Gefellichaft der
Mufilfreunde in Wien veranftaltet; 1874 wurde
er Mitglied der Berliner Akademie der Künfte.
Unter feinen zahlreihen Compofitionen (gegen
60 Op.) befumden die erften (Klavierftüde, ein
Trio, Gefänge) lebhafte, ungezügelte Phantafie,
während er in den folgenden Srcheſter⸗ u. Gefang-
werfen nad größerer Klarheit un ftrebte
u. nach u. nach zu einem individuell entwidelten,
abgeichloffenen Stil gelangte. Hervorzuheben
find 2 Klavierguartette, 1 Quintett, 1 Klavier-
concert, 2 Sertette, 2 Serenaden für Orcheſter,
ein- u. mebrftimmige Gefänge, darunter das
Schichalslied von Hölderlin, Rhapiodie von Goethe,
u. die größeren Ehorftüde: Rinaldo, fir Männer-
dor u. Solo, ein deutiches Requiem, Triumpblied.
Brahni, 1) Gebirg in Belutjchiftan, die Grenze
zwiichen Indien u. Fran bildend; geht als ort:
jegung der SuleimansKette in zwei Gebirgszügen,
von R. nah S. bis zum Meere am Ras Maarı
(Cap Monza, Finis Gedrosiae),. In feinem
ſüdl. Theil führt es and den Namen Hala-Geb.
Die Höhe fteigt bis zu 3000 m. 2) (Brahuif)
Boll in Belutihiften, hauptiählih im Kelat,
das Indusgebiet
niht nur aus den Beda u, ben alten imdifchen hinein wohnend, von kurzem, gedrungenem Kör-
Beifen, fondern aus allen heiligen Büchern der|perbau, platten, den Mongolen ähnlichen Gefichts
Menichheit, namentlih auch aus der Bibel zu-|zügen, braunen Haaren u. Bärten, mit niedrig
Vierers Univerfal-Eonverfations-teriton. 6. Aufl. III. Band, 49
779
Bildung u. rohen Sitten, vorzügl. von Viehzucht
lebend. Die B. zerfallen in mehr als 70 Stämme
Auffaſſung,
für Farbe.
Braila — Bralin.
gute Zeihnung u. lebendigen Sinn
ie meiften Sammlungen mewerer
u, follen mehr als 100,000 Krieger ftellen kön- | Bilder enthalten Arbeiten von ihm, fo die Ham-
nen. Ihre Religion ift der ſchiitiſche Islam. Ihre
Sprade, welche mit den jid-indiihen Dravida-
Spraden Berwandtichaft zeigt, leitet zu der Ber-
mutbung, daß fie urijprünglih aus Indien ein-⸗ Miüuchen zc,
Bgl. Pottinger, Travels in Be- Braf u. Brafe, fo v. w. Brad u.
gewandert find,
loochistan, Yond. 1857; ferner Wörterverzeichnifle
ihrer Sprade in: Hunter, Comparative Dietionary
of the non- Arian languages of India, Yond.
1868; Bellew, From Indus to Tigris, Yond. 1872.
Tbielemann.
Braila (Brailow, Jbratla, türt, Ibrahil),
Kreisftadt in Rumänien (Walachei), an der Do-
nau u. an der Eiſenbahn von Bukareſt nach Ga
lacz; früher Feſtung; Kreisbehörden, Gericht erfter
Inſtanz; Normalſchulen; Duarantäne-Anftalt; Frei
hafen am Einfluß des Sereth in die Donau, die
ſich von bier ab in 6 Arme theilt; bedeutende
Flußſchifffahrt und Fiicherei; am Ufer ziehen fich
lange Reihen von Diagazinen bin; Hauptverfehr
mit WEuropa, da von bier u. dem nahen Ga-
lacz viel Weizen, Mais, Noggen, Gerfte, Hafer,
Oljamen, Talg, confervirtes Fleiſch, ungewaſchene
Wolle (für 27 Mit. M) nach Darfeille, England x.
geben; Einfuhr geringer; 1859 25,767 Ew., darım-
ter viele Öriehen u. Bulgaren. — In den Krie-
gen zwiichen Rußland u. der Türfei litt B. viel u.
wechſelte oft den Herrn. Romanzow flug 1770
bier die Türken u, verbrannte die Stadt, die Let
teren im Frieden zurüdgegeben, aufgebaut, be—
feftigt u. bejetst wurde, ſich 1808 den Yduffen ergab
u. 1828 von Soliman Paſcha tapfer vertheidigt
wurde; doch erjtritt er nur freien Abzug. Die
Stadt blieb der Walachei, u. bei ihr fegten 1854
die Ruffen über die Donau, räumten aber die
Stadt wieder. Als Feſtung ift fie jetst unbedeutend.
Brainard, John ©. C., amerikanischer Dichter,
geb. 1796 zu New⸗London in Connecticut; ergrifi
die juriftiihe Carridre, vertaufchte fie 1822 mit
der Nedaction des Connecticut Mirror zu Hart-
ford. Hier veröffentlichte er feine meilten Ge—
dichte, unter denen bejond. ſchöne Balladen (er
ſchienen gejammelt 1825 zu New-Yort). Er ftarb
1823 an der Auszehrung. Bermebrte Ausgabe
feiner Gedichte 1832; Literary Remains, mit einer
Biographie von Whittier, 3. Ausg., 1842, von
Hopfing, Hartf. 2, Körner.
Braine-le-Comte (Brennia Comitis), Stadt
im Arr. Soignies der belg. Prov. Hennegau, an
der Brainette, Eifenbahnfnotenpuntt zwiſchen Brüjr
ſel, Gent, Mons u. Charleroi; Fabrikation von
Spitenzwirn; 6464 Emw.
Bralniree, Stadtbezirf im County Norfoll
des nordameril. Unionsftaates Maffachujetts, an der
South-Shore- u. Old⸗Colony⸗Eiſenbahn; Schub-
u. Stiefelfabrilation, Mafchinenbau u. Wollen-
manufactur; 3948 Em.
Braith, Anton, namhafter denticher Thier-
maler in München, geb. 2. Sept. 1836 zu Bi.
berah (Württemberg); erhielt den erjten Zeichen-
unterricht an der dortigen Nealjchule, befuchte von
1852 die Kunſtſchule in Stuttgart, fam 1860
burger Galerie, die Sammlung des Barons Yıe-
big in Neichenberg, des Hrn. Megler in Franf-
furt, des Prinzen Luitpold von Bayern im
Regnet.
rade.
Brafe, jo v. w. Flachsbreche.
Brafe, Stadt im gleichn. Amte u. im Ober-
gerichtsbezirte Varel des Großherzogthbums Olden-
burg, am linten Ufer der Unterwejer, Station der
Oldenburg. Eifenbahn; Amt u. Amtsgericht, Ser-
mannsdamt, Hauptzollamt; Schifffahrt, doch nicht
jo ftarf wie vor dem Baue von Bremerhaven u.
Geeſtemünde; mit Schleufe verjehener Hafen jeit
1861 (1874 befuchten 713 Seeſchiffe mit 92,000
Tonnen denfelben); Schiffbau in u. nahe der Stadt,
Hhederei; man fichtet hier die größeren Schiffe,
die nicht weiter ſtromaufwärts gelangen können;
Reepichlägereien (Zaufabrifen), Dampfiägemübten;
Spevditionshandel. Einfuhr von engl. Steintohlen
u. Holz; Freihafen jeit 1834; 3800 Em.
rafel, Stadt im Kreiſe Hörter des preuß.
Regbez. Minden, an der Brudt, Station der
Köln-Mindener Eifenbahn; 2706 Em.; dabei un-
befuchter Dineralbrunnen. — B. wurde 1223
von der Abtei Heeres dem Stifte Paderborn über-
laffen u. ftritt fpäter mit dem Biſchof über ibre
der
Schiff, mit welchem er die Themjelette jprengte
u. eine Fregatte nahm, verbrannte in der See
ſchlacht bei Solbay 1672 gegen die Engländer u.
Frauzoſen das Admiraliciff Montaiges; er blieb
1690 in der Seeſchlacht von Beachy-Head der
Holländer u. Engländer gegen die Franzoſen.
Brafenburg, Regnier Richard, niederl.
Maler, geb. 1650 in Haarlem, geft. 28. Dec. 1702;
Schüler Adrians van Dftade, nad Anderen Mom-
mers oder auch Schendels. Er malte Genrebilder
aus dem Familienleben, in denen Wein u. Liebe
eine große Holle jpielen. Regnet.
Brafna, ein barbariihes Boll am rechten
Ufer des unteren Senegal, mit arabifher Sprade
u, Religion; untermifcht mit Arabern u. zu Skla⸗
ven gemachten Negern. Hauptbeſchäftigung dieſer
noch jehr rohen Nomaden ift die Viehzucht.
Brafweipen (Schtupfweipenverwandte, Bra-
conidae), Juſectenfamilie aus der Orbnung der
Hautflügler; Fühler fang, meift vielgliederig ;
Flügel mit einem zurüdlaufenden Nerv; Kiefer-
tafter 5» bis Ggliederig; Yippentafter 3- u. 4glie⸗
derig; nützlich dadurch, daß fie die in Holz le
benden Käferlarven verfolgen, in diefe ihre Eier
ablegen und jo tödten; doch greifen fie auch frei:
lebende Inſecten an; fo ftellt 3. B. Microgaster
glomeratus L. den gemeinen Koblraupen nad
u. bat ojt deren allzu große Bermehrung ver
hindert. Thome.
Bralin, Marttfleden im Kreiſe Wartenberg
nah Minden u. machte ſich noch vor Jahresfriſt des preuß. Negbez. Breslau, Eifenbahnftation;
jelbftändig. In feinen Bildern zeigt er große Weberei; ftarfer Viebhandel; 1800 Ew.
Brama — Bran.
Brama, jo dv. w. Brahma.
771
Brambach, Karl Joſeph, tüchtiger Dirigent
Bramante, Francesco, eigentlich Donato und treffliher Componiſt, geb. 1833 zu Bonn;
Lazzari, berühmter Architekt und Maler, geb. ſtudirte 1851—54 an der Kölniſchen Muſikſchule,
1444 in Caſtel Durante oder in Monte Asdrualdo war der vierte preisgekrönte Bewerber um das
bei Urbino (daher B. d'Urbino); lebte in Mailand
al8 Maler und Baumeifter, jpäter in Pavia, wo
er, 1490 vom Gardinal Arcanio Sjorza berufen,
den Plan der Kirche La Incoronata entwarf, ar«
beitete dann am Dome zu Mailand bis 1499,
sing darauf nah Nom, wo er 1506 den Bau
der Peterslirche begann u. noch viele andere Bracht-
bauten tbeilmeife oder ganz ausführte u. mit Fres⸗
ten ſchmückte; außerdem war er in Bologna und
Neapel thätig. Er ft. 1515 in Rom, umd feine
Teiche wurde feierlih in der Grotta Baticana bei-
gejegt. Dem Mantegua im Allgemeinen verwandt,
it er wiſſenſchaftlicher Maler ohne große Phan-
Stipendium der Mozartitiftung in Frankfurt a. M.
Er bildete fi unter F. Hillers Peitung aus, wurde
1859 Profefior am Gonjervatorium in Köln, über:
nahm 1861 die ftädtiihe Mufifdirectoritelle zu
Bonn u. dirigirte dafelbft die vom gemiichten Ge—
fangverein veranftalteten Concerte, ſowie den Beet«
boven-Berein. Im J. 1868 legte er die Direc—
torjtelle nieder und leitet nur noch den inzwiſchen
in feine Direction übergegangenen Männergejang«
verein Concordia. Seine Compofitionen zeichnen
fi) durch Klarheit der Form, rhythmiſche Kraft
u. Vermeidung von unkünſtleriſchen Effectmitteln
ans. Es find Klapierftüde, einftimmige Lieder, ,
tafie; als Baumeifter entwidelte er, geftütt auf) Duette, ein Klavierquartett, ein Sertett für Klavier
die Grundgeſetze der Architektur bei den Griechen
u. Römern u. geleitet von einem hoben Schön-
heitsfinn, einen eigenthümlich italienischen Stil, mit
vorherrſchenden Rundbögen u, toscanifcher Säulen«
ordnung. An feinen älteren Werfen fieht man
bei durchaus freier yormenentjaltung den Einfluß
des lombardiſchen Ziegelbaues. Er übte einen
großen u. günftigen Einfluß auf die Entwidelung
der bildenden Kunft in Italien aus, nicht mur
durch feine Schöpfungen, fondern auch durch fein
Bemühen, Talente zu weden und zur Entfaltung
zu bringen. Dit Michel Angelo, Rafael u. vielen
anderen Künftlern feiner Zeit ftand er in enger
freundfchaftliher Beziehung. Bon feinen Male-
reien find: ©. Sebaftian, in S. GSebaftiano in
Mailand, eine Kapelle in der Gertoja von Pavia
zu erwähnen; von feinen Bauten: die Jncoro-
nata zu Yodi, der Ehorbau der Kirche S. Maria
delle Örazie und San Satiro zu Mailand, ©.
Maria della Eonjolatione zu Zodi, das Bel.
vedere im Batican, die Log ien im Cortile di ©.
Damaſo im Batican, ber — der Cancelleria,
der Palazzo Giraud (Torlonia), die runde Kapelle
im Kloſterhofe von S. Pietro in Montorio. Seine
Schriften (Aufſätze über Architeltur u. Kunſt im
Allgemeinen u. Sonette) erſchienen Mail. 1756.
Faldo u. Ferrario ſtachen ſeine Bauwerke in Kupfer
für ihr Werk: Nuovi disegni dell’ architettura
e pianti de’ palazzi di Roma. Ewerbed,*
Bramantino, Bartolomeo Suardi, Bau-
meifter u. Maler der Mailändiſchen Schule, Schii-
ler Bramantes, woher fein Beiname B.; lebte
nod 1529. Werfe: in Mailand Wandgemälde in
der Brera Madonna in trono, in ©. GSepolcro
eine Pietä u. im Mufeum zu Berlin zwei Ma»
donnenbilder.
Bramarbas, ein in einem Holbergichen Luft-
fpiel vortommender feiger Prahler; daher: Groß-
ſprecher; daher bramarbafiren, großſprechen,
mit Eigenſchaften großthun, die man nicht beſitzt,
od. mit Thaten prahlen, die man nie vollbracht hat,
noch zu vollbringen Willens oder im Stande iſt.
Brambach, Marktfleden im Gerihtsamte Adorf
des königl. ſächſ. Regbez. Zwidau, Station der
Eijenbahn Herlasgrün-Eger; Schloß; Sauerbrum-
nen; Eifenhammer, Weberei; 1502 Ew.; im der
Nähe zwei gefaßte eifenhaltige Mineralquellen.
Hier 11. Sept. 1842 großer Brand.
und 5 Streichinftrumente, eine Symphonie, die
Dupvertüre Tafjo, Männerguartette, 3 größere
Deännerhor-Gantaten: die. Macht des Geſanges,
Belleda, Alceftis, ferner Mäunerhöre u. Compo»
fitionen für gemifchten Chor mit Inſtrumental-
begleitung.
Brambanam, verfallener Ort auf der Inſel
Java, am Bulcan Merapi; in der Rähe mäch—
tige buddhiftiiche Tempelbauten, angebli aus dem «
10. oder 11. Jahrh., äbnlih dem Tempel von
Bolo-Budor. F
Brame, Jules Louis Joſeph, franz. Po—
lititer, geb. 9. Jan. 1808 zu Lille; wurde 1833
Advocat, 1836 MWuditor im Staatsrathe, 1840
Requbtenmeifter, 309 ſich 1848 auf feine Güter
zurüd und lebte der Landwirthichaft. Bei der
Theuerung von 1853 u. 1854 wurde er von der
Regierung zum Berichterftatter ernannt, trat 1857
als Negierungscandidat in ben Geſetzgebenden
Körper u. 1870 nad den erften Niederlagen im
Deutſchen Kriege als Minifter des Unterrichtes in
die Regierung, nad dem Sturze des Kaiſerreiches
aber in das Frivatleben zurüd. Doch fit er feit
dem Febr. 1871 wieder in der Nationalverfanme
lung u. gehört dem rechten Centrum an.
Beamer, Leonhard, niederländ. Profpect-
und Gejchichtsmaler, geb. zu Delft 1596; bildete
fih von feinem 18. Jahre an in Paris u. Italien,
nah Baffansumd Gorreggio. Vorzüglich gelangen
ihm Feuersbrünſte, unterirbifche Gewölbe, Grotten
u. dgl. bei Mondſchein oder Facelbeleuchtung.
Eine gewiſſe Ähnlichkeit feiner Bilder mit denen
Hembrandts gab Anlaß daß man ihn für deſſen
Schüler hielt. Er ft. 1660. Hauptwerle: Die Er-
wedung des Lazarus; Die Verleugnung Chriftt
durch Petrus; Ehrifti Dornenfrönung (Dresdener
Galerie). Regnet.
Braminen (ind. Rel.), ſo v. w. Brahmanen.
Bramſtedt, Flecken im Kreiſe Segeberg des
preuß. Regbez. Schleswig, am ſchiffbaren Stör
u. an der Bramau, mit dem ritterlichen Herren—
hauſe gleichen Namens; 1774 Ew.; Geburtsort
F. L. Stolbergs. Die einſt rennommirten DMineral-
quellen find jetzt verſiecht.
Bram-Stenge, «Reaa, ⸗Segel, ſ. Tafelage,
Bran, Friedrich Alexander, deutſch. Schrift-
fteller, geb. 1767 in Ribnitz; ließ ſich, nachdem
er ſich in verichiedenen Ländern Europas aufge⸗
. 49*
772
Branca — Brand,
halten hatte, um 1800 in Hamburg nieder, mwo]biten (ſ. d.), doch ift derem Unterfeite noch immer
er feine Miscellen und jeit 1804 die Nordiſchen umbelannt, mithin ihre joftematiihe Stellung
Miscellen berausgab; 1809 übernahm er auch ſicher.
unter Arhenholz’ Namen die Herausgabe der
Minerva. Wegen Überjegung u. Verbreitung der
Schrift des Eevallos fiber die ſpaniſchen Angelegen-
heiten wurde er von dem Franzoſen verfolgt und
floh nad) Leipzig u. dann nad Prag, wo er die
Zeitſchrift Kronos berausgab; er kehrte nach ber
chlacht bei Leipzig nach Peipzig zurüd, wo nun
die Minerva unter jeinem eigenen Namen in Ber
bindung mit den Miscellen aus der neueſten aus-
ländifhen Yiteratur erſchien; 1816 ging er nad
Jena, wo er eine Buchhandlung errichtete u. feit
1817 das Ethnographiihe Archiv (1817—1826,
831 Bde.) herausgab, Er ft. 15. Sept. 1831.
Branca, Gaktano, ital. Geograph, geb. 1834
zu Mailand; war anfangs Buchhändler, wurde
1869 Profefior der Geſchichte und Geographie zu
Brescia und 1860 zu Mailand; ft. bier 15. April
1871. Er verfaßte mehrere geograpbiiche Hand-
bücher u. Yerita.
Brancaleöne, Dandolo, aus Bologna, der
erfte Podefta von Rom, welchen das römijche Volt
1253 zur Stenerung der inneren Unruhen er-
nannte. Er ließ mehrere Baudenkmäler abbrechen,
* Damit fie den Empörern nicht zu Bollwerlen dien»
ten, u. zwang jelbft-den Bapft Innocenz IV., die
Macht des Bolfes anzuerfermen, Seine Strenge
bewirkte jedody eine Empörung, die ihn nöthigte,
nah Bologna zu fliehen, — ihn die Römer
nah 2 Jahren zurückberiefen (ſ, Rom, Geſch.)
Er ſt. 1268.
Brancard (fr.), 1) Tragſeſſel. 2) Trage zum
Sortichaffen von Werkſtücken 2c. 3) Fuhrwerk mit
einer folhen (B.-Ehaife). 4) So v. w. Tragbahre;
daher Brancadier-Compagnien, von Napo»
leon.1813 auf Larrys Vorſchlag errichtete Truppe,
mit Stangen verjehen, wovon 2 eine Bahre bilden
lonnten, um Berwundete an geſchützte Orte (Ber-
bandpläge) außerhalb des Schlachtfeldes zu trans
portiven; der Anfang der jetzigen Ambulance.
Brand), County im nordamerifan. Unionsftaate
Michigan u. 42°. Br. u. 85° w. L.; 26,226 Ew.;
Countyſitz: Coldwater,
Brandıe (fr.), Zweig, Aft, bei. die Pinie eines
Geſchlechtes; Fach einer Wilfenfchaft; Zweig einer
Hanbelsunternehmung.
Brandyen, jo v. w. Rameaux, die aus den
Hauptminengalerien nach beiden Zeiten ungefähr
umter 60° abgebenden fleineren Deinengalerien,
welche zu den Ecouten (Horchgängen), d. b. den
am weiteften nach dem Feinde zu liegenden Gale-
rien führen,
Branchien (ar.), Fiſchliemen.
Branchiopoda, Kiemenfüßer, Unterordnung ber
Kruftenthiere, Ordnung der Blattfüßer; von an-
jehnlicher Größe und deutlich im Peibesabjchnitten
getheiltem Körper; meiſt von einer flachen, jchild-
fürmigen oder von einer jeitlih zufammengedrüd-
ten, zweillappigen Schale umſchloſſen: fie befiten
10 bi8 60 Paare blattförmiger Schwinimfüße
und an denjelben wohl entwidelte Kiemenanhänge.
ierher der Kientenfuß (Branchipus) und der
lattfuß (Apus).
un-
Zbome.
Brandıos, Sohn des Mileſiers Smikres
Apollon beichentte ihn mit der Babe der Weiflag-
ung. B. ftiftete bei Miletos das berühmte Ditn-
mäifche Oratel (ſ. u. Didyme), u. nah ihm bießen
die Priefter dieſes Oralels, weil von ihm fich ber-
leitend, Brandhiben. Beidem Yuge des Zerres
gegen Griechenland übergaben bie Branchiden dem
König die Tempelihäge und wurden jpäter, um
vor der Rache der Griechen ficher zu jein, von
ihm nad Baltrien verjegt, wo Alerander db. Gr.
ihre. Niederlaffung zerftört haben fol.
Brand (Jagdw.), die mit Schweiß unterlaufene
rotb-blaue, blau-fhwarze, grün-gelbliche Stelle am
Wildpret, wo der Schuß first. Nicht alle Gemehrr
vernrfachen in gleihem Grade B,, manche gar
nicht. Am ftärfiten ift der B. bei Büchſen, ge
ringer bei Flintenſchüſſen u. aud da bedeutender,
wenn man mit Rollkugeln, al$ wenn man mt
Paßlugeln fchießt. Auch mande Schrotflinten ver⸗
urfahen B. Je mehr ein Gewehr B. bat, defto
ſchneller ftirbt das getroffene Wild. Der durch
Kugeln verurfadhte B. muß ausgeichnitten merden,
da das von ihm ergriffene Fleiſch nicht zu ge
nießen ift u. der üble Geihmad deffelben fich aus
den übrigen Theilen mittbeilt.
Brand (Med.), 1) Das Aufhören aller Lebent-
ericheinungen an einem Körpertheil.. Ein bram-
diger Körpertheil fühlt fi kalt an, hat feine Em-
pfindung mehr ac. Beim trodenen B-e ( Mumifica⸗
tion) bilden die brandigen Theile eine ſchwarze,
trodene Maffe; beim feudhten B-e (Gangraena.
Sphacelus) erweichen die Theile jauchig u.verbreiten
einen üblen, penetranten Gerub. Im Allgemeinen
laffen fi) die Urfahen bes Bes entweder auf
Unterbrechung des Blut- und Säftezufluffes, oder
Zerftörung der Gemebselemente zurüdfübren.
Eine Blutunterbredung entitceht durch derbe
Abſchnürung eines Körpertheils, durch Berftopi-
ung einer Schlagader mit einem Geriunſel: in
beiden Fällen erhält der betreffende Theil mid
mehr genügenden Blutzufluß u. ftirbt deshalb ab:
Beifpiele hierzu liefert der eingellemmte Bruch, dei
Altersbrand an der große Hehe, der Drudbrand
beim Durchliegen während fchwerer Krankheiten,
die nach Art eines Schlagfluffes erfolgenden Todes»
art, wenn von der inneren Herzausfleidung bei
Herzliappenfehlern Stüde in eine Hirmichlagader
eingeſchwemmt werden. Die Berftörung von Ge-
webselementen beobachten wir bei Erjrierungen
u, Verbrennungen, bei Duetihungen, bei Einwirt»
ung von ätenden Gubftanzen (Schmwefel-, Sal-
peter», Salzjäure, Atzlali zc.), ferner nach dem
Eindringen von Leichengift, Milgbrandjaude xc.
in Schnittwunden ⁊c.; in einzelnen Fällen fcheinen
Pie die Träger des brandigmadenden Agens zu
fein. So wiſſen wir vom Milz-B-e u. von ber
Diphtheritis, ferner vom Hofpital-B-e, daß
Mitrofoften und Bafterien die Krankheit im ihrer
Bösartigfeit zu vermitteln vermögen. Die Er-
Theinungen bes Bes find theils örtliche,
theils allgemeine. Die örtlihen beftehen darın,
Zn ihnen zählt man auch die daß die betreffende Stelle zumeift anſchwillt, ver-
der älteften Periode der Erde angehörigen Zrilo- ſchiedene Farbennüancen zeigt, dann zunächit weiß,
Brand,
bald aber hochroth, blau-rorth wird, blafige Er«
hebungen zeigt u. jhließlich eine ſchwarze Farbe
annimmt; ſticht man nun in eine ſolche Stelle
ein, ſo wird es nicht gefühlt, und iſt die Stelle
lederartig hart, jo fliegt fein Blut heraus, iſt fie
gangränds, fo entleert fih eine rothbraume, jau—⸗
ige, übelriehende Flüſſigkeit. Bei der Heilung
des Brandes bildet fich eine ſcharfe Grenzlinie
zwifchen dem Gefunden u. Kranken (Demarcations-
linie), u. unter Eintritt einer guten Eiterung wird
Ihließlih die ganze brandige Maffe abgeftoßen.
Die 3. derer Erſcheinungen befteben in
Fieber, Abgeichlagenheit, Kräfteverfall, beichleunig-
ter Athmumg, feinem, frequentem Pulje; nicht
jelten find wiederholte Schüttelfröfte. Bei jehr um—
jchriebenem, nur auf einen Heinen Körpertbeil be»
ſchränktem B»e können die Allgemeineriheinungen
fehlen; meift ift beim feuchten Bse die Temperatur
ſehr hoch, u. es befteht große Gefahr, daß Theile
von dem brandigen Herde in die Gefammtblut-
mafle aufgenommen werden, eine Eventualität,
die faft ausmahmelos unter typhöjen Erjcheinungen
tödtlih wird (Septicaemie). B) Fliegender B,, jo
dv. w. Antoniusfeuer. 3) Raufchender B., ſ. Milz-
brand. Kunze.
Brand, 1) eine nicht feltene Krankheit der Ger
treidearten und anderer Pflanzen. Die Producte
diefer Krankheiten find ſich auf verichiedenen Pflan«
zen u. verjchiedenen Pflanzentheilen der Form u.
dem ganzen Habitus nach fehr ähnlich, aber bei
773
Fruchtknoten der weiblichen Blüthen zumeilen bis
zur Größe einer Orange anjchwellen und durch
gegenfeitigen Drud die fonderbarfte Form anneh-
men. Dft fommen infolge diefes Bees aud an
anderen Theilen des Maijes große ſphäriſche Aus—
wüchſe vor. Dan fieht anfangs in den Saftzellen
Heine jchleimtige Fadengewirre an der Innenſeite
der Zellenwände; aus dieſem Schleime gehen
fabenförmige, ungegliederte, veräftelte Gebilde her-
vor, welche bereits die Pilzmatur zeigen, anfangs
ungefärbt, faft durchfichtig u. mur bei ftarter Ber-
größerung ein feinkörniges Weſen zeigend; endlich)
fangen bie Afthen an, fich zu verzweigen, u. nun
beginnt an ihnen eine rojenkranzförmige Abjchnür-
ung, wobei die einzelnen, noch zuſammenhängenden
Kigelhen erft gelblich, dann immer brauner und
größer werden, bis fie ſich endlich von -einander - -
trennen u. alle Fäden gänzlich in folche Kügelchen
zerfallen, die eigentlich Meine Bläschen find. Die
Unftedung geichieht bereits in dem erften Lebens-
fadium, während der Keimung, indem die zufällig
anhaftende B-fpore einen Keimſchlauch in die Wur-
zeliheide u. den Wurzelfnoten treibt, der weiterhin
quex durch die erften Blattanlagen bis in die jchon
jetzt angelegte Halm- und Ahrenanlage einbringt -
u. mit u, in ihnen hinaufwächſt, auch in die Seiten»
zweige gelangt u. jo es verftändfich macht, warum
in der Hegel ſämmtliche Halme und Ahren eines
Stodes (auch die noch in Blätter eingewidelten)
brandig inficirt find. Andere. Pflanzen, die von
genauerer Unterfuchung zeigt e8 fi, daß fie aufldenn Flugbrande heimgefucht werden, find yer—
verſchiedene Weiſe hervorgeben und danach aud
verſchiedene Charaktere an fih tragen. Die Pro-
ducte diefer ganzen Klafje von Krankheiten beftehen
in der Bildung von Körperchen, die eine rotbe,
braun⸗ ſchwärzliche und in großer Menge oft tief-
ſchwarze Farbe zeigen; fie treten als parafitiiche
Gewächſe im Innern der Bellen der vom. ihm
befallenen Pilanzentheile auf, treten allmählich an
die Oberfläche hervor und gehören der Klafie der
Pilze (B>pilze) an. Gewöhnlich wird der damit
befallene Pflanzentheil mehr od. weniger zerjtört,
u.da diefe Krankheiten jo häufig unſere Nutzpflanzen,
bei. die Getreidearten, befallen und zumal deren
gig zerftören, fo verdienen fie ganz befondere
eachtung. Folgende find bie befannteften Arten:
a) Der Flug», Staub-, Nagel oder Ruß—
brand (Uredo segetum Pers., Ustilago carbo
— dieſer befällt gewöhnlich nur die Organe
der Blüthen u. Früchte, u, zwar namentlich der
angebauten Gräfer, bej. der Getreidearten, als des
Hafers, Weizens, der Hirſe u. Gerfte, lommt aber
auch auf den Befruchtungsiwerkzeugen u. Früchten
mehrerer Dilotyledonen vor. Er zeigt ſich als ein.
braun · ſchwarzes, ftaubartiges Pulver, zerftört die
von ihm befallene Subſtanz der Pflanzenorgane,
u. nad vollfommener Ausbildung des Pulvers
brechen die Hillen der Organe, in denen er fi
bildete, auf, das Pulver fällt heraus und ver-
fliegt allmählid. Befonders find Hafer, Weizen u.
Gerſte davon heimgefucht, feltener der Roggen.
Bei manchen Pflanzen tritt der Flugbrand mit
mehr oder weniger großen Anjhwellungen der ba-
von befallenen Theile auf, jo z. B. beim Mais,
bei denen dann nicht nur die männlichen Blütben
trankhaft angejhmwollen find, jondern auch die
jhiedene Epperaceen, GCompofiten, Bolygoneen,
Cargophylleen und die Uderwinde (Convolvyulus
arvensis). b) Der Shmier-, Stein-, Faul
oder Kornbrand, Kornfänle, Faulweizen,
geſchloſſener B. (Ustilago sitophila Ditim.,
Uredo sitophila Pers, Tilletia Tul., Caries
DC.) ıft bis jest nur an dem. Samen des Wei-
zens und Dinfels (Triticum Spelta) beobachtet‘
worden. Diefer B. zeigt fih in Form von runden,
in Maſſe violettejchrwarz gefärbten Sporen, die drei-
bis viermalgrößer find, als die des Flugbrandes,
u. unangenehm wie fauler Harn od. faule Häringe
riechen. Einzeln ericheinen fie anfangs faft unge
färbt, fpäter werden fie gelb⸗bräunlich, endlich
ihwarz, ihr Inhalt wird gleihmäßig u. ſcheint
fi größtentheils in ein fettes DI umzumandeln,
u. endlich verdickt fich die Zellhaut, wird feft, und
auf ihrer Oberfläche zeigt fi eine netartige Zeich-
nung. Der Schmierbrand ift fchon vorhanden,
wenn die Ahren noch in. der Blattſcheide fteden,
u. die Eichen im Fruchtfnoten find dann ſchon von
ihm gänzlich zerjtört, die Blüthen jchwellen fo
an, daf der Fruchtknoten ſchon faft die Größe des
reifen Samens hat, u. reift diejer endlich, mas
eher als an den gefunden Körnern geſchieht, fo
ericheint er dicker und kürzer als fie, auch ift er
leichter, u. zerdrückt man ihn, fotritt das ftinfende
B-pulver hervor. Endlich berftet das Korn und
läßt den pulverigen, etwas zufammenhängenden
Inhalt austreten. Die Bildung diefes Bees ift
übrigens der des vorigen Ähnlih. Die Urjachen,
welche diefe beiden und ähnliche B-arten hervor»
rufen, find theils prädisponirende, theils gelegent-
liche. Als prädisponirende Urſache ift der unvoll»
fommene Zuftand des Samens anzufehen, wenn
774
die Saat noch unvolllommen reif geerntet werden
mußte, od. während anhaltenden Hegenmetters u.
alfo nicht troden eingebracht werden konnte, Solche
Samen haben eine Zerjegung der im ihnen auf-
geipeicherten Nahrungsftoffe erlitten, u. diefe ab-
normen Diiihungsverhältniffe ſcheinen die Inficir-
barkeit zu begünftigen. Die gelegentlichen Urfachen
beſchränken ſich meiſt auf den Zuſtand der Erde
u. die Beſchaffenheit des Bodens u. find unbe⸗
fämpibar. In naflalten, feuchten Jahren berricht
der B. mebr als im 'trodenen; doch tft ein ganz
conftantes Verhältniß nicht feflgeftellt. Ebenfo
foınmt er an jchattigen Stellen, an Waldrändern
oder in engen Thälern, überhaupt auf Feldern
von naffer u. kalter Yage vor. Auch falte u. ſtarke
Thaue mögen den B. begünftigen, ebenſo ein
Boden, der ftart mit friihem, bei. aber mit fehr
nabrhaften u. ſcharfem Dünger, 3. B. mit Men-
ſchenkoth, Schafvünger, Schmweinedünger, gedüngt
worden ift. Auch ſehr hitziger und magerer Kalf-
u. Thonboden ſoll den B. begünftigen. Sicher ift
eine unmittelbare Anftedung durch den Beftanb
„bie weſentliche Bedingung. Fit die Krankheit ein-
mal aufgetreten, fo läßt ſich nichts mehr dagegen
thun, die ganze Kur kann fi alfo nur auf Vor—
bauungsmittel beziehen. Bor Allen jehe man auf
die Qualität der Samen. Man nehme wo mög-
lich alte, gute Saat. Man hat auch das Beizen
des Samens empfohlen, doch kam aud mitunter
nad) gebeiztem Samen der B. zum Vorſchein.
Zum Beizen bedient man fih der Laugen von
Kochſalz, Salz u. Kall, namentlih Kupfervitriol,
in defien mwäfleriger Löſung (150 g auf 1hl Sa—
men) man die Samen durh 16 Stunden ein-
weicht. Als Borbanungsmittel möchte eine gute
Beitelung des Aders dienen; ein guter, nicht zu
friiher, gleichmäßig zertheilter Dünger u. gehörige
Entwäfferung des Bodens find hier vorzüglich zu
erſtreben. Seltener ift c) der Stengelbrand im
Noggen; der Beftaub diefer Art erjcheint als
dumfelbraune Häufchen; Wallroth, nenüt ihn Ery-
sibe oceulta (jet Uroeystis oceulta Schlechtd.),
mitgrößerer, ſchwarzbrauner Spore, welche mit bläs-
chenartigen Anwüchſen befegt ift, am Halme, bei,
innerhalb der Blattjcheiden. d) Der Stengel-
ftaubbramd einiger großen Grasarten (Ustilago
hypodites Fries), bej. am Elymus arenarius, von
tiefihwarzbraumer Farbe, auf der Oberfläche des
Halmes unter der Blattiheide; befteht aus feinen
fugeligen, fchwarzegrünen Sporen. Ahnliche
Krankheiten erzeugen der Roft (Uredo Pers.) u.
die Pilzgattungen Puceinia, Rubigo, Phragmi-
dium (j. da.) u.a. m. Näheres in dem Unter—
fuchungen von Tulasſsne in Paris und Kühn in
Halle, Krankheiten der Culturgewächſe, Berlin
1858. 2) (Weinb.) Eine Krankheit des Wein:
ftodes, j. Weinbau u. Samenbrud der Weinbeere
(vgl. Eryriphe). 3) Gewöhnlihe Baumkranlheit;
Säfte treten aus den Bellen des Holzes, ver-
derben, oder werden fauer, und dadurch zerjtören
fie die gefunden Säfte n. Theile. Bei manchen
Bäumen zeigt fi der B. als fchwarzer led, bei
anderen als Harzfluß. Urſachen find: zu viele
Säfte, zu nafjer u. zu gebüngter Boden, große it.
vorzeitige Kälte, partielles Erfrieren, Abbrechen
der Äfte ftatt des Beichneidens, oder auch wenn
Brand — St. Brandanus.
man unterläßt, die Stellen, an mwelden Afte ab»
genommen worden find, mit Baumfitt zu über—
ziehen; endlich Baumpilze. Durch Aufrigen der
äußeren Rinde am Baumftamme, durch Drainir:
ungsfanäle in zu feuchtem Boden u. durch Ent-
Ziehung des Düngers fann man dem Be vorbeu-
gen; ift er eingetreten, jo muß die ihadhafte Stel:
rein ausgeichnitten und mit Baumlitt überzogen
werden.
Brand, Hauptft. des gleihnam. Gerichtsamtes
in der Amtshauptmannicaft Freiberg des königl.
ſächſ. Regbez. Dresden; Pfarrlirche; Spigen-
Höppelei; bed. Silberbergbau; 2512 Em. B. iſt
feit 1515 eine Stadt.
Brand, 1) Adam, Reiſender, geb. in Lübed;
fam jung in Handelsgefchäften nah Moskau, be-
gleitete 1692 den Holländer Ides nab China u. trieb
nad feiner Rückkehr in Lübeck Handelsgeihäfte; er
ft. in Königsberg als Hof- u, Commerzienrath. Er
ichr.: Beichreibung der großen dhinefiichen Weite,
Franff. 1697, letste Ausg, Lüb. 1734. 2) Emwalr,
der Günſtling Struenjees, Sohn eines däuiſchen
Conferenzratbes; trat früh in däniſche Staate—
dienfte und ftieg durch feinen Freund Struenfer,
der ihn zu Beichäftigung u. Zerftveuung des geiſtes—
franten Königs brauchte, zum Kammerberrn und
Oberaufieber der Schauſpiele u. 1771 zum Grafen
und Gcheimrath. Mit Struenfee fiel er, weil
er im einer vom geiftesfranfen König felbft be-
gehrten Balgerei, um die Kräfte zu prüfen, den-
ſelben am Halfe biutrünftig gefniffen hatte, was die
jeile Unterjuhimgscommiffion als Urimen laesae
majestatis auslegte, u. wurde 28, April 1772,
nachdem ihm vorher die rechte Hand abgebauen
war, enthauptet und geviertbeilt u. fo aufs Rad
geflodhten. 3) Hamburger Kaufmann (Vorname,
Geburts- u. Todesjahr unbekannt), der unter dem
Bemühen, feinen Bermögensumftänden durch alde»
miſtiſche Arbeiten aufzuhelfen, zufällig beim Er—
perimentiren mit menſchlichem Harne den Phosphor
entdedte. Er verfaufte das Geheimniß an ob.
Dan. Kraft, Dr. med., aus Miltenberg am Maiu,
durch den e8 an Rob. Boyle in England fam,
auch Kunkel erfuhr fo viel davon, daß er die
Entdedung zum zweiten Dal machen fonnte. B.
famı fpäter durch Leibniz' Bermittelung nach Han-
nover und erhielt vom Herzog Joh. jFriedrich ein
Fahrgehalt bis zu feinem Tode, 2) Fenſſen-Tuſch.
Brandader, die Schentelvene (Vena crura-
lis), fo genannt bei Pferden und dem. Rindvich,
indem Tierärzte dieſelbe fonft gewöhnlich bei
Brandihäden, od. um Brand vorzußengen, üffne-
ten; auch bei aufgebrochenen Wild, das geöffnet
wird, um dem Schweiß herauszulafien; das Wild
gewinnt dadurd an Geſchmack u. hält ſich länger.
Brandaltar, in der Stiftshütte u. dem Tempe!
zu Jeruſalem Altar, worauf die Brandopfer ge—
bradıt wurden (f. w. Altar).
St. Brandanns, irländiicher Heiliger; war
Abt des Klofters Eluain Fuerta in der Grafjchaft
Galloway; ft. um 577. Nach der Sage machte
er wunderbare Seefahrten, von einem Engel ge
führt, fam in die Unterwelt, jah dort die Qualen
der Teufel u. Berdanmten, gelangte dann nad
der Inſel der Seligen u. endlich ins Paradies:
nach 9 Jahren kehrte er nach Haufe zurüd und
Brandajjecuranz — Brandenburg (Geogr. u. Statift.).
Ichrieb feine Abenteuer nieder, Die Legenden u.
Sagen, die. fih an B. fnüpfen, feinen zuerft im
9. Jahrh. zufammengeftellt u. niedergefhrieben u.
im 11. Jahrh. bekannt geworden zu fein. Die
Sagen fanden in Frankreich im 12. Jahrh. einen
Bearbeiter od. Sammler, ebenfo am Niederrhein.
Erhalten find eine niederländiſche (abgedrudt in
Blommaert® Oude vlamische Gedichten, Gent
1838—41, u. herausgeg. von Brill, Gron. 1871)
und eine niederdeutſche Bearbeitung aus dem
14. Jahrh. (in Burns altplattdeutſchen Gedichten,
Berl. 1798), eine engliſche Überfegung aus dem
13. oder 14. Jahrh., herausgeg. von Wright xc.
Brandafjecnranz, f. Feuerverfiherung.
Brandbegnadigung, 1) der Abgebrannten
bewilligte Erlaß von Yandesabgaben. 2) Der
aus einer landesherrlichen Kaffe den Abgebrannten
zum Wiederaufbau abgebrannter Gebäude, oder
Anihaffung von verlorenen Mobilien, oder zum
momentanen Unterhalte gewährte Zuſchuß.
Brandbettler, ehemals Bettler, der wegen
erlittenen Berluftes durch Brand auf Grund einer
ihm von der Obrigkeit ausgeftellten Beiheinigung
(Brandbrief) um Gaben bat.
Brandbrief, 1) die obrigkeitliche Beicheinigung
über einen erlittenen Brandſchaden. 2) Drobbricf,
daß da, wo derjelbe eingeworfen wird, Feuer an—
gelegt werden wird; f. u. Landzwang.
Brandeis (Branny Hrad), 1) Stadt im Bezirke
Karolinenthal des ehem. böhmischen Kreifes Prag,
an der Eibe, Eifenbahuftation; Bezirksgericht;
Dechanteilirche, Synagoge; Schloß; Piariftencolle-
gium mit Hauptichule; Liqueurfabrit; 3647 E. —
8. war anfangs nur ein Schloß, von Boleslaw J.
941 erbaut. Aue Stadt geworden, erhielt B. von
Kaifer Rudolf II., der fih öfter bier aufbielt,
mehrere Gerechtjame; auch Yeopold I. u. Karl VI.
hielten fih bier mitunter auf. Hier 30. Mai
1639 Gefecht zwiſchen den Echweden u. Kaiſer—
lichen, wo der kaiſerliche General Hofkirchen be-
fiegt u. gefangen wurde (j. Dreißigjäbriger Krieg).
2) (Brandusium eis Aquilam) Stadt im Bezirke
Hohenmauth des ehemals böhm. Kreifes Chrudim,
an dem Stillen Adler; Obft- u. Gemüfebau, Leinen-
weberei, Brauerei; 1300 Em.; ehemals Hauptfit
der Böhmischen Brüder. 3) Borftadt von Teſchen.
Brandenburg, Provinz des Königr. Preußen.
(Hierzu eine Karte.) I. Geographie. B. um-
faßt die chem, Uder:, Mittel: u, Neumark, ferner
die Priegnitz u. einen Theil der Altmark (das übrige
zur Prod. Sachſen); grenzt an Poſen, WPreußen,
Bommern, Medienburg, Hannover, Anhalt, Prov.
Sadjen und Schleſien; 39,893,,, km (730,95
[IM); (1871) 2,863,229 Em. (alfo 71, auf
1 [Jkm; in ganz Preußen 70 auf 1 [Jkm); 1817
betrug die Boltszählung erft 1,277,518, 1843
1,935,107, 1855 2,254,305, 1867 2,716,022;
die Zunahme ift weſentliche Folge des Wachſens
der Stadt Berlin. Bodengeftaltung. Der
SNand der Provinz liegt zum Theil auf den
Fortſetzungen des uraliich-farpath. Landrüdens, wel-
her im Fläming zu einer breiten, wafferarmen, uns
wohnlihen Terrainjchwiele anwächſt; der NRand
fteigt zu der medienburg. Seenplatte, einem Theil
des uraliih-baltischen Yandrüdens, an. Das zwi—
jhen den beiden Höhenzügen gelegene Land ift
775
meift fandig, doch nicht unfruchtbar, mit meiten
Binnengeräffern u. welligen Ufern geziert u. oft
mit ea rg Schönheiten ausgeftatte. Co
die Gegend bei Potsdam, die Dahme-Seen füdlic
von Königs-Wufterhaufen, der Spree-Wald, die
Höhen am Miüggel-See u. bei Fürftenwalde, ſo—
wie die Kalfberge bei Rödersdorf (die Märtifche
Schweiz) und die Hügel bei Freienwalde. Auch
fonft ift die Beichaffenheit nicht uͤberall gleich, daher
auch nicht überall gleich ergiebig. Im Gegenfatse
zu der auffallend unfruchtbaren Gegend des Flä—
ming heben fi als hervorragend fruchtbar ab:
die Wiſche in der Priegnig, Theile der Uder-
mark u, die cultivirten Striche des Nete-, Warthe⸗
u. Oberbrucdes. ?/, des gefammten Areals ift
uncultivirt und Waſſer; fo das Rhin- u. havel-
ländiiche Luc, der Spree⸗-Wald zwiichen Kottbus
u. Lübben und Theile des Flämings. Yu zwei
Hauptjenten gibt die Provinz ihre Gemwäfjer, zur
der u. Elbe. Zur erfteren fließen die Faule
Obra, der Bober, die Neiße n. die Warthe mit
der Netze, zur legteren die Havel mit der Spree
(Schwielung-See, Dahme mit den Dubrow-Geen,
Miüggel-Geeu. Pranfe), den Havel-Seen, derNtuthe,
dem Rhin u. der Dofie. Dan zählt ca. 700
Seen. Die Wafferverbindung ift durch viele Ka-
näle (Friedrih- Wilhelms- Graben, Finowlanal,
Plauefher, Ruppiner Kanal u. a.) zmwifchen der
Elbe u. Oder bergeftellt. Das Klima ift im All-
gemeinen mild u. gefund, Sommer gewöhnlich
jehr heiß, ſcharſe Winde in den älteren Jahres:
zeiten häufig. Durchſchnittlich hat Berlin etwas
milderes Klima, als Breslau, troß der nördlicheren
Fage. Die Bevölkerung befteht aus Deutſchen u.
ca. 40,000 Wenden (Sorben) im Regbez. Frant:
furt (Spreewald), ferner aus den Nachkommen
der im vorigen Jahrhundert eingewanderten Fran-
zofen, Niederländer u. Schweizer. Der Proteit.
Kirche gehören 2,732,040, der Röm.Katholiſchen
86,123, der Griech.Kath. Kirche 256 und dem
Judenthum 44,810 Em. an. Unter der Gejammt-
bevölferung befinden fih 9491 Blinde, Taubftumme,
Blöd- u. Irrſinnige. Nicht-Preußen leben in der
Provinz 18,254 Deutihe u. 6656 Nicht-Deutiche.
Weitere Details bieten die 1875 erjchienenen: De-
finitiv fejtgeftellten Ergebnifje der Bolfszäblung
im preuß. Staate am 1. Dec. 1871, vom Königl.
Preuß. Statift. Bureau herausgegeben. Die Pror
vinz bat 135 Städte, 18 Flecken, 2852 Dörfer ur,
5897 Colonien x. Producte: im Mineralreich
Torf, Braunfohlen, Maun, Kalt, Kaltjtein, Gips,
Steinfalz. Der Landbau bringt Getreide, je
doch nicht ausreichend, fo daß für Berlin einge-
führt werden muß, ferner Gemüſe (Teltower Rüb-
Ken), viel Kartoffeln zur Nahrung und Brannt-
weinbrennerei, Futterfräuter, Flachs, Hanf und
Tabat. Viehzucht nicht bedeutend. Gemäß der
Zählung vom 10. Jan. 1873 waren vorhanden:
250,463 Pierde (davon 156,346 für den land»
wirtbichaftlichen u. 44,137 für den gewerblichen
Betrieb), 388 Ejel, 689,080 Stüd Rindvieh
(409,768 Kühe), 2,451,971 Schafe (1,151,944
Merinos), 448,463 Schweine, 196,053 Ziegen zc.;
die Schafwolle der Provinz fteht in qutem Rufe
u. ift ein ftarfer Ausfuhrartifel. Ferner iſt noch
zu erwähnen: ftarfe Bienenzucdt (113,019 GStöde
776
. 17,236 mit bemweglihen Waben), Seidenraupen
(1873 3243 Pfd. Cocons, 61°/, der Production des
ganzen Staates), Fiſche, Krebie, viel Holz u. etwas
Wein. Induſtrie: Ber u, Verarbeitung der
Wolle (Tuch, Kaſchmir, Merino), Seide u. Baum-
wolle, Leder, Zuder, Tabakl, Eiſen, Glas und
Spiegel, Borzellan, Steingut, Meifing u. a.; der
Hauptfig der Juduſtrie ift in Berlin, in viel ge
ringerem Maße Frankfurt a. d. O. Der Han»
del wird durch die vielen Gewäſſer und Kanäle,
ein ausgedehntes Kunftitraßen- u. ein Eiſenbahnnetz
erleichtert; letzteres mißt 1985,24 km und beitcht
aus Streden der folgenden Linien: Preußiſche Oſt⸗
Bahn (220,,, km), Berlin» Stettin (229,,, km),
Niederfchlefiich - Märliihe (237, km), Berlin-
Hamburg (186,,, km), Berlin» Potsdam -Magde-
burg (82,96 km), Magdeburg - Halberftadt (75,,,
km), Berlin-Anhalt (80,4, km), Berlin - Görlit
(186,35 km), Berlin-Dresven (107,,, km), Mär-
tiſch⸗Poſen (152,06 km), Breslau · Schweiduitz⸗ Frei⸗
burg (115,05 km), Kottbus-Großenhain (49,2,
km), Niederſchleſ. Zweigbahn (10,,, km), Halle-
Sorau-Guben (167 ,, km), Kottbus-Goyag(Bferde-
Bahn, 31, km). Die Provinz nimmt unter den
12 preuß. Provinzen in diefer Hinficht die 8, Stelle
ein. Verfaſſung ift in der Hauptſache die des
preußischen Staates. Die Landtage der Provinzialr
landftände, aus Deputirten der Nitterichaft, der
Städte u. der Bauern beftebend, find vom 1824
an berufen worden. Mit dem 1. „Jan. 1874 ift
das Geſetz über die Kreisordnung vom 13, Dec,
1872 für die 6 öſtl. preuß. Provinzen in Kraft ge
treten, wodurch die Vertretung der Stände nadı dem
Princip der Selbitverwaltung weſentlich verändert
worden ift. Berwaltung. jeder Kreis bildet nun—
mehr einen Communalverband zur eigenen Berwalt-
ung jeiner Angelegenheiten mit den Rechten einer
Corporation, zerfällt in Amtsbezirke u. beichidt den
Kreistag. Dieje Verſammlung beiteht bei 25,000
Seelen aus 25 Kreistagsabgeordneten, Bei jeder
überjchiegenden Vollzahl von 5000 tritt bis zu
100,000 Em, 1 und dann bei jedem Mehr von
10,000 Em. wieder je 1 Abgeordneter hinzu. Die
Mitglieder ergänzen fih aus den Wablverbänden
der a) größeren Grundbeſitzer, b) Yandgemeinden,
c) Städte nach dem Verhältniß der Seelenzahl u.
find auf 6 Jahre gewäblt. Der Yandrath des
Kreifes präfidirt u. leitet mit einem von der Kreis-
verfammlung gewählten u. aus 6 Mitgliedern be-
ſtehenden Kreisausichuffe die Berwaltung des
Kreiſes. (Vgl. Gefegfammlung für die königl.
preuß. Staaten pro 1872, Nr. 41.) Im Übrigen
ift binfichtlich der Verwaltung die Provinz in den
Stadtbezirt Berlin, in den Megierungsbezirk
Potsdam mit 15 Kreifen u. den Regierungsbezirk
ranffurt a.d. DO. mit 18 Kreifen getheilt. Die
teuerfraft der Provinz wird durch folgende
Angaben veranfhaulidt. Auf je 100 der ge
fammten Klaffenfteuerbevölterung find für 1875
27,99 zur Klaffenftener veranfchlagt (in ganz Preu-
Ben 20,95), davon 11,,, mit einem Einkommen
von 140—220 Thlr., O0, von 450—500 Thlr,,
0,4 don 900—1000 Thlr.
17,55 (im ganzen Staate 27,4).
niffe zeigen ſich jo günftig Durch die Einwirkung
der Stadt Berlin, wo 44,,, von 100 veranichlagt
Brandenburg (Geogr., Statijt. u. Geſch.).
waren, davon 12,, mit einem Einfommen von
140— 220 Thlr., 1,,, von 450—500 u. O,.; DON
900—1000 Thlr.; fteuerfrei 17,55 6. Der Sig
des Ober-PBräfidiums ift Potsdam; von dieſem
reffortiren Die beiden Regierungen zu Potsdam u.
Frankfurt a. d. O., das Provinzial⸗Schulcollegium
(unter dieſem 28 Gymuafien, 2 Progymnaſien,
1 Pädagogium, 1 Ritter-Akademie, 12 Realſchulen
I. Ordnung, 10 Scullehrer-Seminarien u, v. a.
Unterrichts» u. Erziebungsanftalten), das Medi—
einalcollegium, die Generalcommiſſion zu Franf-
furt a. d. O. (behufs Regulirung der gutsberrlichen
u, bürgerlihen Berhältniffe, der Ablöjungen und
der Gemeinheitstheilungen in der Prov. B.; feit
dem 1. Oct. 1873 in Frankfurt a. d. O.; vgl.
Geſetz vom 30. April 1373), die Provinz.-Steuer-
Vermaltung, die Nentenbanf, die Berwaltungs-
Serichte für die Provinz (mit dem 1. Jan. 1874
auf Grund des $ 187 der Kreisorbnung v. 13. Dec.
1872 ins Leben getreten), die Credit-JInſtitute,
Provinz. » Feuer « Societäten, Ständiihen Yand-
Armen» Divectionen, Landesdeputation des Marks
grafthums Nieder-Yaufig in Lübben u. die Direc-
tionen der Provinz.Hilfsfaffe. Die evang.-geiftl.
Behörden fteben unter dem Conſiſtorium der Bro-
vinz zu Berlin; die kathol. Geiftlichkeit ſteht unter
dem „Fürftbifhof von Breslau, als Apoftolifchem
Delegaten. Durch Erlaß vom 10. Sept. 1873
it eime neue Evangel. Kirchengemeinde u. Sp-
nodalordnung für die 6 öſtlichen Provinzen Preu—
Bens eingeführt. Hiernach verwaltet jede Kirchen»
gemeinde ihre Angelegenheiten ſelbſt. Als Organ
dient ein Gemeinde-Kirchenrath u. die Gemeinde»
vertretung. Die zu einer Diöceſe vereinigten Ges
meinden bilden einen Kreis» Synodalverband,
deſſen Bertretung, die Kreisiyuode, jährlich zu—
jammentritt. Die Kreisignoden der Provinz bilden
zujammen den Berband u. die Berſammlung der
Provinzialfonode, welche fi alle 3 Jahre auf
Berufung des Conſiſtoriums im einer Stadt der
Provinz verfammelt. (Bgl. Gejeg- Sammlung für
die königl. preuß. Staaten pro 1873, Nr. 29.)
Weitere Provinz,«Bebörden find: Univerfität in
Berlin, Prüfungs» Commiffionen, Vliniftertal-,
Militär- u. Bau⸗Commiſſion der Reſidenz Berlin,
Eichungs-Inſpection für die Prov., die Kaif. Poft-,
Telegrapben-, Kgl. Eijenbahn-, Berg- u. YJuftiz-
Behörden (Kammergericht zu Berlin u. Appell.
Ser. zu Franffurt a.d.O. mit Reſſorts). Uber die
Rechtsverhältnifſe j.u. Preugen. Wappen:
ein rother Adler im filbernen — Bal. Th.
Fontane, Wanderungen dur die Dart B., 3 Thle,,
Berl. 1973.
U. Geſchichte. Die Ebenen zwiichen der
Mittel» Elbe und Mittel- Oder, die heutige Pro—
vinz B., bewohnten bis zur Böllerwanderung
Sueven, u. zwar Semnonen in der Mittel» und
Longobarden in der Altmarf, Nach der Bölter-
wanderung erjchienen in dieſer 2 ſlaviſche
Völlerſchaften: Wilzen, Obotriten u. Sie lagen
faſt fortwährend im Kampfe mit den germaniſchen
Nachbarvölkern, den Sachſen und Franken, bis
Steuerfrei waren Karl d. Gr. fie 789 unter feine Botmäßigkeit
Dieſe Verhält- | brachte.
Später warfen ſie das fränkiſche Joch
ab u. beunruhigten durch räuberiſche Einfälle von
Neuem das deutſche Grenzgebiet. Um ſie zu bän-
Brandenburg (Geichichte).
digen, ging gen. Heinrid L 927.über die Elbe,
ſchiug fie 928, eroberte ihre Hauptftadt B. (Brani-
bor, Brennabur), fing ihren Fürften Tugumir,
zwang fie zur Unterwerfung und ernannte den
Grafen Siegfried pon —— zum Markgrafen,
932 eroberte er die Feſtung Lebus. An der Elbe
in der Altmark und Priegnitz feste Heinrich I.
Bernhard I., Markgrafen von Nordjachien, ein.
Noch lange dauerten die Kämpfe zwiſchen Deutjchen
u. Slaven, bis Kaifer Otto I. Letztere an der
Doffe gänzlich ſchlug. Zugleich wurde das Ehriften-
thum verbreitet, 946 tas Bisthum Havelberg u.
048 das Bisthum B. errichtet. Die Gründung
der Oftmark durch Markgraf Gero (fl. 965) er-
weiterte -die deutjchen Grenzen. Eine neue Er-
hebung der Slaven war eine Zeit lang (1003 bis
1005) fiegreih, u. fie unterlagen erft nad neuem
langem Kriege, nachdem bie Markgrafſchaft, welche
1143 von der Oberherrſchaft der Herzöge von
Sadjen frei wurde u, den Namen B. erhielt, 1133
an Albredt den Bären von Aslanien gefallen
war. Diejer vollendete 1157 die Eroberung der
Mark B. zwiſchen Elbe u. Oder u, ließ in das
von den Wenden vermiüjtete Land Anfiebler aus
Seeland, Holland u. Flandern, vom Rhein und
aus Sadhfen fommen, die durch Faiferliche Frei—
briefe von allen Abgaben befreit wurden. Durch
fie wurden nach u. nach die Neuftadt B., Bernau,
Spandau, Berlin nebft Köln gegründet, der Dom
in Havelberg gebaut, Klöjter errichtet und bei
Albrechts Wallfahrt nach Jeruſalem der FJohanniter-
orden ins Yand gerufen u. mit einer Commende
zu Werben beichentt. Die Wenden des eroberten
Gebietes wurden theils zu Leibeigenen gemacht,
theil® in eigene Dörfer zufammengedrängt u. zum
Chriſtenthum gezwungen. Auf dem Weichstage
in Mainz 1182 verrichtete Otto J., Albrechts
Sohn u. Nachfolger, zum erften Mal das ſchon
feinem Bater übertragene Amt eines Erzlämmerers.
Er ft. 1184. Otto IL, ſein Sohn, hatte mit
Heinrih dem Löwen u. mit den Dänen Kriege
zu führen, fein Bruder Albrecht II. (jeit 1206)
aber einen jolden mit dem Erzbiſchof von Mag-
deburg, dem Otto II. die Altmark als Lehngut
eſchenkt, worüber Albrecht unwillig wırrde. Albrecht
chlug die Magdeburger 1212; aber 1214 wurde er
wieder in einen däniſchen Krieg vermwidelt. Er ſt.
1221, und feine Söhne Johann I. u. Ötto III.
folgten ihm u. führten die Regierung gemeinjam.
Unter ihnen fam der Titel Kurfürft allmählich
auf. Nach langer neuer Fehde mit Magdeburg
fam 1244 ein Friede zu Stande, in welchem ber
Erzbifchof die Lehnsherrſchaft über die Altmark u.
Theile der Mittelmark verlor u. die Markgrafen
wieder in vollen Befits des ganzen Yandes kamen.
Um 1250 erfauften fie die Landſchaften Lebus u.
Sternberg vom Herzog Boleslaw von Nieder
Schiefien u. gründeten Frankfurt a. d. DO. Zu
gleicher Zeit zwangen fie den Herzog Barnim I.
von Stettin, ihnen die Udermarf abzutreten, und
den Herzog Miftevin in OPommern, ihre Lehns—
boheit über ihn anzuerfennen, nachdem fie ſchon
1236 dem Herzog von Demmin das Land ge
nommen batten. Auch in Preußen, der Ober—
Lauſitz und jenfeit3 der Oder vergrößerten bie
Brüder ihr Gebiet, indem fie 1257 die Yandjtriche
7177
an der Warthe, Nege u. Drage den Polen et»
riffen, Landsberg a. d. W. u. fpäter Bärmwalde,
Neudamm, Arnswalde u. Königsberg in der Neu-
marf gründeten. Nah ihrem Tode (1266 und
1267) regierten die Söhne Beider, in die Linien
von Stendal (von Johann) und von Salzwedel’
(von Otto), getheilt, zufammen ihrer vier, von
denen der Altefte den Titel eines Kurfürſten v. B.
führte, gemeinfam u. hatten 1268—79 mit Polen
einen hartnädigen .. zu beftehen, Erſt 1309
endete die gemeinfame Regierung, da alle Linien
bis auf eine ausftarben, u. war Waldemar allei-
niger Markgraf n. Kurfürft v. B. Er mar einer
der mächtigften Fürſten Deutichlands, denn er be»
ſaß die 5 Marken, die Marfgrafihaft Landsberg
u. die Pfalz Sachſen u. hatte Anſprüche auf die
an B. verpfändete Nieder-Laufis.u. auf Pome—
relfen. Nah einem glüͤcklichen Sriegszuge in
Pomerellen, wo er Danzig nahm, feine Erobers
ungen aber außer Rügenwalde, Stolpe u. Schlame,
dem Deutichen Orden gegen 10,000 Mart Silber
1310 abtrat, befriegte er 1310 den Kurfürften
Rudolf von Sadhfen-Wittenberg und fchlug 1313
Friedrich den Gebiffenen von Meißen bei Großen
bain. Ein Krieg im Bunde mit Pommern gegen
Dänemark u. defien Verbündete (darunter Medien-
burg u. Magdeburg) endete 25. Nov. 1817 im Frieden
von Templin, Waldemar ft. 1319 u. im folgenden
Jahre fein Neffe Heinrich, womit die Askanier in
B. erloihen. Sofort fielen die Nachbarn iiber
das berrenlofe Yand ber u. riffen Stüde davon
ab. Diefe Verwirrung noch zu mehren, belehnte
Kaifer Yudwig der Bayer 1323 feinen Sohn
Ludwig den Brandenburger, einen 12jährigen
Knaben, mit B., nicht beachtend, da er dem
König von Böhmen, um feine Stimme zur Kaifer-
wahl zu gewinnen, Hoffnung auf den Befig der
Mark gemadt Hatte. Ludwig bemächtigte fich
ungeachtet aller Einreden Frankreichs und des
Papfte® Johann XXIL, der deshalb fogar den
Bann über Ludwig u. ſpäter auch gegen den neuen
Kurfürften von B. u. feine Anhänger ausſprach,
der Marten mit Hilfe Berthold von Henneberg
u. trat 1324 als Kurfürft u. Erzlämmerer bes
Neiches auf. Da verzichteten die meiften Nach—
barn auf ihre Eroberungen, u. die meiften Städte
unterwarjen ſich dem neuen Fürſten. Nur die
vom Papfte aufgeregte Geiftlichkeit Teiftete längeren
Widerftand. Der Erzbiichof von Magdeburg drang
in die Marken ein, u. Polen, Ruffen u. Yithauer
überſchwemmten B. u. vermwiüfteten die Neumark,
wurden aber gejhlagen. Durd einen Krieg mit
Pommern verlor Yubwig 1331 einen Theil der
Udermard u: Stolpe, erhielt aber dafür die An—
wartichaft auf Pommern, im Falle das berzogl. Haus
daſelbſt erlöichen follte. Magdeburg, welches auf
die Altmark Anſprüche machte, riß mehrere Städte
derjelben an fih. Um dieſe Zeit gerieth Ludwig
in ſolche Bedrängniß, daß er mit den Adeligen
feines Landes einen Vertrag ſchloß, worin diefe
ihm im Falle der Noth ihre Schlöffer zu öffnen,
er aber ihnen verſprach, ihre Unbilden gegen
jeine eigenen Unterthanen nicht zu hindern. Dieſer
Ihmählihe Vertrag hemmte Handel u. Berlehr,
verödete ganze Gegenden und zwang bie Städte,
Bindniffe zu gegenjeitigem Schutze unter fi zu
178
errichten, Während B. durch den Kampf zwiſchen
den beiden Häufern Bayern u. Yuremburg, von
welchem letteres nach Kaifer Ludwigs Tode 1347
mit Karl IV. die Kaiferfrone errang, arg ver-
wirrt wurde, trat ein Mann im der Mark auf,
welcher fich für den Markgrafen Waldemar aus-
gab (der falihe Waldemar). Er fand bei Vielen
Sauben; die Altınark fiel ihm zu, dann die Mittel»
markt u. die übrigen Theile von B.; die aubal-
tiſchen u. ſächſiſchen Höfe anerlannten ihn fogar.
Ja, der Kaijer war im Begriffe, daffelbe zu thun,
als ſich 1349 Ludwig ihm unterwarf und ſammt
feinen Brüdern, Ludwig dem Römer u. Otto, mit
B. belehnt wurde. Der falihe Waldemar mußte
fliehen, u. feine Anhänger wurden bewogen, ihn
aufzugeben. Ludwig, der jhon 1349 einen Tbeil-
ungsvertrag mit feinen Brüdern geichloffen hatte,
trat 1352 die Marlen an fie ab u. zog fih nad
Bayern zurück. Ludwig der Römer (ft. 1365) u.
Dtto (der Faule genannt) batten fein Glüd in
der Regierung, u, unter ihnen verfiel die Dart
immer mehr. Der Adel zog raubend dur das
Yand, machte die Heerftraßen unficher, drang jelbit
in die Städte plündernd ein u. vernichtete den
Rohiftand, welchen die Aslanier begründet hatten.
Namentlih die Familie Quitzow zeichnete fih in
diefem Treiben aus, u. die öffentliche Sicherheit
wurde vollftändig vernichtet. Kaifer Karl benugte
diefe Übelftände, rückte 1373 in die Mark ein u.
zwang den Kurfürften Otto, die Regierung der
Darf gegen ein geringes Gnadeugehalt 15. Aug.
1373 an Wenzel, Karls IV. Sohn, abzutreten,. Aber
derlibergang der Regierung vom Haufe Bayernandie
Iuremburg. Dynaftie führte keine Verbeſſerung in der
Berwaltung des Landes herbei. Karls Sohn Wenzel
u. nach ihm Siegmund führten in dem fortwährend
von feindlichen Einfällen der Nachbarn heimge-
ſuchten Yande nur dem Namen nad die Negier-
ung u. ſahen daſſelbe felten, welches Siegmund
aus Geldnoth 1388 an den Markgrafen Jodocus
(‚Zobit) von Mähren verpfändete; ja, die Neumart
verkaufte er an den Deutihen Orden in Preußen,
Auch Jobſt verpfändete wieder mehrere Städte
an die Johanniter u. führte bis zu feinem Tode
1411 eine traurige Negierung. Doch erreichte
damit die Herrichaft derYuremburgerin B. überhaupt
ihr Ende, indem der Kaifer Siegmund, welchem
das Yand wieder zugefallen war, den Burggrafen
von Nürnberg, Friedrich von Hohenzollern, wel«
cher ihn bei feiner Bewerbung um die Kaiſerwürde
unterftütst hatte, als Statthalter in der Marf ein-
fegte. Es murde dabei bedungen, Daß Wenzels
Erben oder Stegmunds Nachlommen, wenn fie
die Marl B. von Friedrich zurüdnehmen, diefem
100,000 (nad jpäterer Beſtimmung 150,000)
Gulden für feine Auslagen, Mühe u. Arbeit, die
er auf die Mark gewender hätte, auszahlen jollten.
Friedrich erichien 1412 in Neuftadt-B., wohin er
die Stände berufen hatte. Die Städte erkannten
willig den neuen Herrn an; aber der Adel ver- floh nah Sachſen.
Brandenburg (eſchichte).
nun nah Konftanz zur Allgemeinen Kirchenver—
fammlung, u. bier erlangte er vom Kaijer, umter
Einwilligung der Kurfürften, die gänzliche Ab—
tretung der Marl au das Haus Hohenzollern.
Kurfürft Friedrich I. zwang zweimal (1418 um)
1425) die in B. einfallenden Pommern u. Med:
lenburger zum Frieden u. fiherte B. die Ucker⸗
mark. Die Huifiten flug er 1432 bei Bermau
und nmötbigte fie zum Wbzuge aus dem Lande.
Er fl. 21. Sept. 1440 zu Kadolzburg in Franken
Schon 1437 hatte er fein Yand unter jeine vier
Söhne getheilt, u. zwar erhielt der zweite, Fried⸗
rih II., die Kurmark B., der ältere, Johann,
befam Bayreuth und der dritte, Albrecht Adhill,
Ansbach, u. Fegtere wurden fo Stifter dieſer Linien;
der vierte, Friedrich der Dide, befam die Altmart
u, die Priegnig, ft. aber ſchon 1463, ohne Kinder
zu binterlaffen. Friedrich II. brachte 1444 durch
einen Vertrag mit dem Deutſchen Orden die Nen-
mart pfandweiſe an fi), melde 1455 gegen
100,000 Gulden völlig abgetreten wurde. 1449
verglich er fid) auch mıt Magdeburg, welches ent-
ih feine Anſprüche auf die Altmark aufgab.
Mehrere Fehden, welche folgten, hatten fein gün-
ftiges Ergebniß. Hierdurch, wozu noch der Tod feines
Sohnes Johann kam, tief gebeugt, entfagte er Ente
1470 zu Gunſten feines Bruders, des Markgrafen
Albrecht Adhill von Ansbach - Bayreuth, der Re—
gierung, zog fi nad Franken zurüd u. ft. dort
1471. Albrecht, Achilles (wegen jeiner Tapierfeır)
u. Uiyſſes (megen feiner Klugbeit im Rath), gen.,
war bei Kaifer Friedrich III. fo beliebt, dag er
ihm fogleich nicht nur die Nachfolge in Medien
burg, ſondern auch die Belehnung mit Pommern
zufiherte. Nachdem Albrecht Durch einen Krieg
mit dem Herzog von Sagan um die Erbichaft von
Slogan, die Abtretung von Kroffen, Züllichau
u. ſ. w. B. erlangt, ft. er 11. März 1487 zu
Frankfurt a. M. Seine Staaten wurden nad
jeiner Berfügung unter feine 3 Söhne vertbeilt.
Der ältefte, Khan, wurde Kurfürft von B., ber
zweite, Friedrich, erbielt Ansbach und der dritte,
Siegmund, Bayreuth, da beide Länder nach dem
Ausfterben ihrer Linien wieder an B. gefallen
waren. ‘Johann, wegen feiner Körpergröße ber
Große, oder, wegen feiner Beredtſamkeit Gicero
genannt, demüthigte einige ungehorſame Bajallen
u. bemübte fih, den neu auflebenden Wiffenichaften
in der Marf Eingang zu verfchaffen. Eben war
er mit Gründung der Univerfität Frankfurt a. d. O.
beihäftigt, als ihn 9. Jan. 1499 der Tod abrief.
Joachim I. Neftor, fein Sohn, ließ fich u. feinem
Bruder Albrecht un. Er bändigte die Raub»
ritter vollends, war aber ein heftiger Gegner der
Reformation, in welhem Sinne auch feine 1506
gegründete Univerfität zu Frankfurt a. d. O. dem
reformatoriijhen Wittenberg gegemüber wirfte.
Aber jogar die Kurfüirftin war der neuen Lehre
zugewandt, welche große Fortſchritte machte, und
Unter. diejen Wirren ftarb
mwarf ihn und fchloß gegen ihn einen Bund mit Joachim 1525, u. das Yand zerfiel unter feinen
Pommern, u. erft nah hartem Kampfe eroberte beiden Söhnen Joachim II. u. Johaun in zwei
Friedrich eine Raubburg nach der anderen, jo daß bis | Theile: B., bei welchem die Kurwürde blieb, u.
Anfang 1414 eine leidlihe Ordnung u. Sicherheit B.- Küftrin, welches aber ſchon 1571 am bie
im Lande wiederhergeftellt war u. der Landfrieden |Hauptlinie zurüdfiel. Joachim II., Joachims 1.
verlündigt werden fonnte.
Friedrich begab ſich älterer Sohn u. Nachfolger in der Kur u. in der
Brandenburg (Stadt). 779
Alte, Mittel- und Udermarf nebft der Priegnit|bloß den privilegirten Ständen) einen Vertrag
wandte fi) 1539 öffentlich der Iutherifchen Lehrejüber eine feftftehende jährliche Bede (Abgabe), mo-
‚zu, was fein Bruder Johann in Küftrin jchon|bei die Fürften dem Bolfe das Recht förmlich ver
1537 gethan, u. feinem Beifpiel folgte bald dasjbrieften, fih dem Markgrafen, der den Vertrag
ganze Land. Ungeachtet dieſes entjcheidenden verletzen würde, mit Gewalt zu widerſetzen. Eine
Schrittes behielt er in den brandenburg. Kirchen|wenigftens einigermaßen ähnliche Berechtigung
alle Ceremonien des katholiſchen Cultus bei und ward den Ständen noh im J. 1513 verbrieft;
erflärte im Schmallaldiſchen Kriege, von dem er Sollte der Kurfürft die Bedingungen nicht erfüllen,
feinen Bruder abzulaffen bemog, feine Neutra- unter denen ihm die Stände eine Auflage auf das
lität. Während der Neformation waren eine/Bier bemilfigten, „fo follen fie volle Macht haben,
Menge Klöfter verlaffen u. eingezogen worden, |mit dem Biergelde ftille zu ftehen, u. das Weitere
die Güter derjelben wurden theils dem Schulfonds zu geben nicht fchuldig fein“.
zugewiefen, theils im furfürftlide Domänen, die| Literatur. Küſter, Bibliotheca hist. bran-
Klöfter felbft in Schulen, Predigerwohnungen, Ar-|denb., Breslau 1743; dazu: Accessiones, Berl,
men- u. Krantenhäufer verwandelt. Fa den Hoch- 1768, 2 Bde; Derf., Collectioö opusculorum
ftiftern Havelberg, Lebus u. B. befannte ſich Alles|historiam march. illustrantium, ebd. 1731—33,
zur evangelifchen Lehre, u. —— diefer |? Bde.; Buchholz, Verſuch einer Geſchichte der
Stifter wurde beichloffen. Im Erzftifte Magde- Mark B., ebd. 1765—75, 6 Thle.; Gallus, Ger
burg hatte der Erzbiihof Siegmund, Joachims II. |fchichte der Mark B., 2. Aufl., Zilllih..1792—95,
Sohn, ebenfalls die Reformation vollendet, u. 8/6 Thle.; Bratring, Beichreibung der gefammten
war Ausficht vorhanden, den Theil defielben, welhen | Markt B., Berl. 1804 f., 2 Bbe.; v. Raumer,
Kurfürft Morig von Sachen nicht beſetzt hielt, einftan|Codex diplomaticus brandenburgensis , ebd.
B. zu bringen. Gleiches war von Preußen zu hoffen, ]18831—33, 2 Thle.; dazu: Regesta historiae
wo Sohn. 19. Juli 1569 die Mitbelehnung B-8,|brandenburg., ebd. 1836, 1 Bd., u.: Hiftorifche
der fräntifhen wie der Kurlinie, mit Preußen zu Charten und Stammtafeln, ebd. 1837, 1. Heft;
Stande brachte. Kurz darauf ft. er (3. Jan. 1571)|Derf., Über die ältefte Gefchichte der Kurmark B,,
und hinterließ dem Lande eine Schuldenlaft von
2,600,000 Thlr. Ihm folgte fein ältefter Sohn
Johann Georg, megen feiner Sparjamfeit im
Haushalt der Olonom genannt, Im Frühjahre
1572 berief er die Stände feines Landes nad)
Köln an der Spree, und es gelang jeinen Mini—
ftern, die Stände des alten Landes und der Neu—
mark, welche aus Treue und gutem Willen, nicht
aus Pflicht, Steuern bemilligten, zur Übernahme
von 2,100,000 Thir. zu bewegen; 500,000 Thlr.
blieben auf dem Privatichate des Kurfürften haften.
Zur Abtragung der Schuld wurde eine neue Bier
fteuer u. ein jchwerer Kornzell aufgelegt. Eine
von ihm beabfichtigte neue Theilung des Landes
vereitelte nad feinem Tode 1598 jein Sohn und
Nachfolger Joachim Friedrih, indem er fie nicht
anerfannte, jondern das ganze Land bebielt und
feinen Bruder Chriftian ftatt der Neumarf mit
Bayreuth entihädigte. Er ft. 18. Juli 1608, u.
ihm folgte fein Sohn Johann Siegmund, weicher
zwar in dem Streite um die Erbfolge im Herzog:
thum JFülich bloß Kleve erhielt, aber 1618 Nach—
folger im erledigten Herzogthbum Preußen wurde u.
dieſes fo mit B. vereinigte. Am 23. Dec. 1613 trat
er von der Iutherifchen zur reformirten Confeffion
über, weil ihm erftere noch zu jehr in fatholiichen
Dogmen befangen war, u. um fi) die Niederlande
zum Bunde gegen die Katholiken geneigt zu machen,
erklärte aber die Freiheit aller Glaubensbefennt-
1830; Riedel, Novus codex diplomaticus bran-
denb., 1839 ff.; Derf., Diplomatifche Beiträge
zur Gefchichte der Mark B., 1833; Baffewig, Die
Kurmark B. vor u. nad 1806, Lpz. 1847 und
1851; Friedrich II., Denfwürdigfeiten der Mark
B., aus dem Franz., ebd. 1795; Liber die Ein»
führung der Reformation in der Dart B, fchrieben :
A. Müller, Berl. 1839, u, Spieler, ebd. 183%;
Ohneſorge, Gefchichte des Entwidelnngsganges
der brandendurgifcd"preußiihen Monarchie, Yeipz.
1841; Niedel, Cod, dipl. brandenb., 36 Bde. Text
u. 5 Bde. Negifter, Berl. 1843 — 69; Moerner,
Kurbrandenburgiihe Staatsverträge 1601—1709,
1868; Fidicin, Die Territorien der Mark B,,
4 Bde., Berl. 1857 — 64; Wohlbrüd, Geichichte
der Altmark, ebd. 1856; MWedelind, Geſchichte der
Neumarkt B., ebd. 1848—51; Ausführliche Geſch.
der Udermark, Prenzl. 1845.
Brandenburg, Hauptjtadt des Kreifes Weft-
Havelland im preuß. Regbez. Potsdam, Station der
von Berlin nah Magdeburg führenden Bahn, von
der Havel im die Alt- u. Neuftadt gerheilt, anf einer
Haveliniel nordöftl. von diefen beiden Theilen die
Burg B., der ältefte Theil des Ortes, mit der
Domfirhe (zum Theil im Aundbogenftil, mit
vielen Ornamenten aus Sandjtein, mit ſchönem
Schnigkwerf am Altar u. guten Gemälden von
unbefanntem Meifter, 1170—1318 erbaut und
1836 renopirt u. mit gemalten Glasfenſtern ver-
niffe, u. in der That hat die Geſchichte von B.|fehen) u. dem Nittercollegium; zwifchen beiden
feine Berfolgungen um des Glaubens willen auf-
zuweifen. Schon Ende 1619 ft. Johann Sieg-
mund, u. bon da an gebt die Geſchichte B-8 in
derjenigen von Preußen (j. d. A.) auf.
Ebenjo, wie alle andere deutiche Yänder, hatte
Städten auf der Imfen Seite der Havel ein Di—
ftrict auf Pfählen gebaut (deshalb Benedig ge-
nannt); katholiſche Kirche; Gymnaſium, höhere
Bürgerſchule, Ritterakademie; ferner Landarmen—
anftalt, Strafanſtalt; Freimaurerloge (Friedrich zur
B. im Mittelalter mächtige Stände, welche die ge-Tugend'; auf dem Markte eine 5,, m hohe Ro—
ſammte Bevölkerung umfaßten.
So ſchloſſen die landsſäule (aus dem Fahre 1454); Buchhand—
Markgrafen auf einem Landtage zu Berlin 1280 lungen,
Buchdruckereien; Fabriken in Wolle,
mit ihren Minifterialien, Rittern, Knappen, allen Tuch, Leinen, Yeder; Bierbrauerei (früher der jog.
Bajallen u. jämmtlichen Unterthauen (aljo nicht'Alte Klaus); Fiſcherei, Schifffahrt: Ende 1871:
780
25,822 Ew. Jm NW. ein Sandberg, in den Oberſt ı. 1816 Kommandeur der Garde de Corps,
älteften Zeiten der Harlunger--Berg benannt,]1819 Gommandeur der erjten Garbecapalerte-
einft der Sit des Triglaffsdienftes, u. dann mit|brigade, . 1823 Generalmajor, 1837 Generallien-
einer im byzantinischen Stil 1136—42 von dem tenant u. Divifionär. Seit 1839 wurde er com-
legten Wendentönig Pribislav (Heinrich) gebauten |mandirender General u. führte als folder das
Kirche oder Kapelle beſetzt, welche der Jungfrau |6. (ſchleſiſche) Armeecorps, am 6. Novbr. 1848
Maria geheiligt war n. dem Berge den noch heute ward er General der Eavalerie. Die Ereigniffe
gewöhnlihen Namen Marienberg gegeben bat,|des Jahres 1848 führten ihn auch auf dem po-
aber 1722 abgeriffen worden ift. Auf demjelben litiſchen Schauplag; nah der Entlaffung des
betreibt man Weinbau, u. wird ein großartiges) Minifteriums v. Pfuel wurde er Präfident bes
Kriegerdentmal von Sties, 30 m bo, in Form | Minifteriums vom 8. Nov, ; über jeine Bermwak-
eines Thurmes, mit hiſtor. Reliefs aus der Ger (ung ſ. Preußen (Gefch.). Er ging Mitte Oct. 1850
{chichte der Marl B., errichtet. — B. ſoll nad Eini- zum Congreß nah Warſchau, wo die Differenzen
gen von den angeblich ehemals bier haufenden Kel-|zwifhen Preußen u. Öfterreih durch ruſſiſche Ver—
ten an der Havel gegründet worden u, von braine|mittelung beigelegt werden jollten, u. jtarb kurz
Fürſt, Herr) u. bwr, bwrg (feftes Haus, Burg), nach feiner Rückkehr 6. Nov. 1850 in Berlin.
alfo Fürftenburg, benannt worden fein; nad der Er war vermäblt feit 1818 mit Mathilde von
eihichtlihen Angabe wurde die Burg von den Maſſenbach (ft. 1855). Sein älterer Sobn, Graf
Wilzen unter dem Namen Branibor (Brenuabor)|;zriedrich, geb. 30. März 1819, iſt fönigl. preuß.
‚gegründet u. war Bis zum Jahre 928 in den) enerallieutenant u. Commandeur der Garde-Ca-
Händen der Slaven, worauf fie vom Kaifer Hein- |valerie-Divifion; deifen Bruder, Alerander Fet—
rih I. erobert wurde. Vom 10.—12. Jahrh.|dinand Wilhelm, geb. 31. März 1819, gleichfalls
murde fie öfter von den Slaven wiedererobert |Generallieutenant u. Gommandeur der 11. Div
Brandenburg — Brandes.
(f. Brandenburg, Geſch.). Albrecht der Bär ftellte
das ſchon 948 von Kaijer Otto d. Gr. gegründete
Bisthum wieder her u. gründete 1161 das Dom-
capitel. Aus dem Dorfe Parduin erwuchs nun
die nachmalige Altjtadbt, aus dem (von Deutichen
angelegten) deutjchen Dorfe die Neuftadt, u. beide
Städte erhielten von der Burg den Namen B.,
beftanden aber bis 1715 getrennt von einander.
1412 hielt Friedrih von Hohenzollern in Neu-
ftadt-B. einen Landtag, um fich huldigen zu laſſen.
1563 wurde das Bisthum, nachdem der Bijchof
Matthias v. Jagow ſchon 1539 lutherifh geworden
war, aufgehoben, nur das Domcapitel blieb bes
ftehen, u. die Domberrenftellenwurben als Einecuren
an den Landadel, Staatsbeamte u. hohe Militärs
vergeben. Im Dreißigjährigen Kriege wurde B.
1626 von den Dänen, 1627 von den Kaiferlichen,
1631 von den Schweden, 1636 von den Sachſen
u. 1639 u. 1641 wieder von den Schweden ein»
genommen; erft infolge des Friedensſchluſſes durch
Kurfürft Friedrich Wilhelm wurde e8 befreit. Im
Nov. 1849 wurde der Sit der Nationalverfamm-
fung von Berlin bierber verlegt (ſ. Preußen,
Geſch.). VBgl. M. W. Hefiter, Geichichte der Kurs
u. Hauptftadt ®. zc., Potsdam 1839; Derf., Weg-
weiſer durch B., Brandenb. 1850, Schillmann,
Geſchichte der Kur- u. Hauptftadt B., ebd. 1874.
fion, u. Friedrich Wilhelm Guftav, geb. 1820,
deutiher Gelandter in Yiffabon, ſämmtlich unver-
mäblt. Dauer.”
Brandenburgiſches Ecepter, Feines Stern-
bild am jüdlichen Himmel, ungefähr 65° AR. u.
15° füdlicher Abweichung, weitlih vom Orion,
zwiſchen der Krümmung des Eridanus. Es ent-
hält nur Sterne 4. Groͤße u. wurde von G. Kirch,
als erſtem Berliner Aftronomen, 1688 eingeführt
u. nah Bode B. S. genannt.
Brandente (Brandenten), ſ. Ente.
Brander, 1) ehemals Heinere, mit leicht ent-
zündbaren Brennftoffen angefüllte Fabrzeuge, welche
in früheren Seeichlachten mitunter verwendet wur-
den, um die verankerten feindlichen Schiffe im
Brand zu fteden. Die B. find infolge der jegigen
vorzugsweilen Verwendung von Eifen zum Bau
oder zur Panzerung von Kriegsidiffen u. der vor»
bandenen anderweitigen verbefferten miaritimen
Angrifis- u. Vertheidigungswaffen in den heutigen
Kriegsflotten verſchwunden; wichtig waren fie na»
mentlih im Befreiungsfriege der Holländer u. zu⸗
legst än dem der Griechen. 2) Kleine Hülſen von
Kupferbleh, die mit Brandiag gefüllt find; kom⸗
men bei den Vrandgranaten der gezogenen Ger
jhüte zur Verwendung.
Brandes, 1) Johann Chriſtoph, drama»
Brandenburg, Friedrid Wilhelm, Grafjtifher Schriftiteller, geb. 15. Nov. 1735 in Stets
v. B., preuß. General u. Staatsmann, Sohn
tin; widmete fih nad einer traurigen Jugend
des Königs Friedrich Wilhelm IL. von Preußen|der Handlung, mußte wegen einer Beruntren-
und der ibm morganatiih angetrauten Gräfinjung fliehen und debiltirte, nachdem er in Polen
Sophie Juliane Friederife von Dönhoff, geb.
24. Jan. 1792; mwurde am 28. April 1794 in
den Grafenftand erboben, trat im Nov, 1807 in
Dienfte beim erften Garderegiment, wurde 1808
Secondelieutenant, 1809 Premierlieutenant und
die verichiedenften Geſchäfte betrieben batte, 1757
ohne Beifall bei der Schönemannjhen Gejell-
ſchaft. Nach Auflöfung der legteren erſt Schreiber,
dann Bedienter, nahm ihn fpäter eine wandernde
Schaufpielergejellihaft auf, als deren Mitglied er
1811 NRittmeifter bei der Garde du Corps und|den Roman: Folgen der Großmuth u. Redlichkeit
machte 1812 in Morks Generalftab den Ruſſiſchen
Feldzug mit, avancirte 1813 zum Major u, nahm
in dem nun folgenden Feldzuge als Yorks Adjutant
verfaftte. 1760 endlich in Stettin der Schuchſchen
Gejellichaft beigetreten, faın er mit biejer nad
Berlin, Breslau, Königsberg, Leipzig, Hamburg xc.,
an den Hauptgefechten Antheil. 1814 wurde er wurde fodann Director des Dresdener, hierauf
Dberftlieutenant, u, nachdem er als fölcher eine | Mitglied des Mannheimer u. endlich Mitdirector
Zeit lang dem König attadhirt gewefen war, 18151de3 Hamburger Theaters, bei dem er noch unter
Brandeum — Brandfieber.
Schröders Leitung eine Zeit verblieb. Er ft. 10.|Salz-Uffeln.
Tel
B. fhr.: Elemente der Pharmacie,
Nov. 1799 in traurigen Berhältniffen zu Berlin. |Hann. 1841; gab heraus: Arhiv der Pharmacie
Ein brauchbarer, aber unbedeutender Schaufpieler, |des Apothelervereins im nördlichen Deutſchland,
war B. feiner Zeit ein beliebter, jelbft von Leſſing Lemgo 1822—42, 82 Bde., feit 1838 mit B. u.
geidägter Schaufpieldichter, deflen Dramen, wie: nach deſſen Tode allein heransgeg. von Waden-
Miß Fanny, Der geabelte Kaufmann, Trau, ſchau,
wen, Graf Olsbach, oft u. mit Beifall gegeben
wurden. Aucd bat B. den Tert zu dein erften deut:
fchen, von Benda u. Reichardt componirten Mes
lodrama: Ariadne auf Naros, geichrieben. Wichtig
ift feine Lebensgeihichte, Berl. 1799, f., 3 Bbe.,
2. Aufl.; 1802—1805. Seine Luftipiele erſchienen
— Lpz. 1774— 76; ſämmtl. dramat. Werte
pz. 1790 f., 8 Bde. 2) Eſther Charlotte,
geb. Koch, geb.1746 in Groß-Rofinsty(OPreußen),
in Breslau 1764 mit Bor. vermählt; war eine
nad der Geilerin u. durch Leſſing gebildete Schau-
jpielerin,, die den Ruf großer Borzüglichleit ge»
noß. Sie folgte ihrem Gatten überall bin u. 6
13. Mai 1786 zu Hamburg. Ihre Tochter 3)
Charl. Wilh. Francisca, zu Ehren ihres Pathen
Leſfing meiſt Minna genannt, geb. 1765 in
Berlin, glänzte als Sängerin u. Klavierfpielerin;
fie ft. 13. Juni 1788 in Hamburg. Ihr mufifali-
Iher Nachlaß wurde von Hönife noch in ihrem
Todesjahre herausgegeben. 4) Heinrich Wilh.,
Mathematiker, Aftronom u. Phyſiler, geb. 27, Juli
1777 in Groden bei Ritebüttel; erlernte unter
Woltmann den Wafferbau praktiſch, führte feit
1794 die Aufficht über die Wafferbauten auf Neu-
werf, ftudirte 1796—98 in Göttingen Mathematif
u. Phyſik, war ſchon als Student namentlich in
Bezug auf die Natur der Sternichnuppen jelbft-
forjchend thätig, lebte feit 1799 in Hamburg als
Privatlehrer der Mathematik, wurde 1801 Deidy-
conducteur zu Edwarden im Oldenburgiſchen, 1811
Profeffor der Matbematil in Breslau u. 1826
der Bhnfif in Leipzig, wo er 17. Mai 1834 ftarb.
Epochemachend mar feine erfte Schrift über die
Verſuche, die Entfernung, Geſchwindigkeit und die
Bahnen der Sternfhnuppen zu beftimmen (mit
Benzenberg), Hamburg 1800. Bon feinen zahl«
reihen Schriften feien noch erwähnt: Anmerkung
zu Euler über die Gejetse des Gleichgemwichtes. Lpz.
1806; Beobachtung u. Unterfuchung iiber Strahlen-
bredung, Oldenb. 1807; Lehrbuch der Arithmetif,
Geometrie u. Trigonometrie, ebd. 1808—1810,
2 Boe.; Die vornehmften Lehren der Ajtronomie,
in Briefen, Lpz. 1812, 2 Thle., n. A. als Vor—
lefungen über die Aftronomie, ebd. 1827; Lehr—
buch der Geſetze des Gleichgewichtes u. der Beweg-
ung feſter u, flüffiger Körper, ebd. 1817, 2 Bde,;
Beitrag zur Witterungstunde, ebd. 1820; Lehr:
buch der höheren Geometrie, ebd. 1822—24, 2
Bde.; Vorlefungen über die Naturfehre, ebd. 1830
bis 1832, 8 Dbe.; ferner viele mathematifche,
aftronomifche u. phyfttaliiche Arbeiten in Hinden-
burgs Archiv der reinen u. angew. Math., Boigts
Matb., Hilberts u. Poggendorffs Annalen, Schweig-
ger Journal u. a, m. 5) Rudolf, namhafter
Pharmacent, geb. 18. Oct. 1795 in Salz-Uffeln
in Lippe-Detmold; ftudirte in Halle u. Erfurt
Chemie, übernahm 1819 die Apothete feines Baters
in feinem Geburtsorte, ftiftete 1821 den Apothefer-
verein inNDeutichland u. wurde deſſen Oberbirector;
er fl. 3. Dec. 1842 als Hof- u. Medicinalrath in
roder; Pharmac, Ztg., 11 Jahrgänge, 1827—37;
Nepertorium für die Chemie, Hannov. 1827 bis
1833, 4 Bde.; zahlreiche pharmaceut. u. chem.
Auffäge in diefen u. a. Zeitjchriften. 6) Heinrich,
Landfhaftsmaler u. Galerie-jufpector in Braun«
ſchweig, geb. 1803 in Bortfeld (Braunfchmweig);
Schüler von Barthels in Braunfchweig, 1823 bis
1825 an der Münchener Akademie, lebte bis 1830
dafelbft u. galt als einer der erften dortigen Yand«
ſchaftsmaler, war 1830—31 in Ftalien u. ward
1835 Galerie fnipector am Herzogl. Muſeum im
Braunſchweig, rejtaurirte 1845 die im Dome da-
jelbft entdedten alten Wandgemälde. 7) Karl
Wild. Hermann, Sohn von B. 4), geb. 16.
Dec. 1816 (n. U. 1815) in Breslau; wurde 1840
Lehrer an der Nicolaifchufe u. 1841 Privatdocent
der Phyſil in Leipzig; er ft. 25. Jan. 1943. Er
gab u. a. feines Baters Aufläge iiber Gegenjtände
der Aftronomie u. Phyſik, Lpz. 1835, heraus u.
ſetzte deſſen Unterfuchungen über Sternſchnuppen
fort. 8) Heinr. Bernh. Chriſtian, Geſchicht—
ſchreiber, Bruder des Bor., geb. 10. April 1819
in Breslau; ftudirte feit 1839 in Göttingen u.
Leipzig u. wurde 1850 an letterer Univerfität Do»
cent der Gejchichte u, 1858 Profeffor; er fchrieb;
Beiträge zur Charakteriftit des Kurfürften Morig,
Lpz. 1853; Das ethnographifche Berhältnig der
Kelten u. Germanen, ebd. 1857; Grumdriß der
ſächſiſchen Geſchichte, ebd. 1860; Die Yauen-
burgiche Erbfolgeirage, ebd. 1864; Über das Zeit-
alter des Geographen Eudoros u. des Aftronomen
Geminos, ebd. 1867; Zur mafedoniich-hellenishen
Beitrehnung, ebd. 1868; Die Königsreihen von
Juda u. Fsrael nah den biblifchen Berichten u.
den Keilinfchriften, ebd. 1873. 9) Georg Morris
Cohen, dänischer Afthetifer, geb. 4. Febr. 1842
in Kopenhagen; lieferte 1866 eine Kritik über
N. Nielfens dualiftiihe Anfiht über Glauben u.
Wiffen: Dualismen i vor nyeste Philosophie;
ewann Popularität durch eine Anzahl äftbetiicher
Monographien, gefammelt als: Aesthetiske Studier,
Kopenb. 1868, u. Kritiker og Portraiter, Kopenh.
1870; Hieferte in demjelben Fahre eine größere
Abhandlung über die franzöftfche Kritik, befonders
Taines: Den franske Aesthetik i vore Dage;
darauf erregte er aber gewaltige Feindſchaft gegen
fih durch feine (noch undollendeten) Hovedström-
inger i det 19 Aarhundredes Literatur, open»
hagen 1872; auch deutſch: — —
1) 2) urſchner. 6) Regnet.
Brand&um (riftl. Ant.), 1) Tuch, worein bie
Ehriften Reliquien widelten. 2) Tuch, womit man
Reliquien berührte u. welches dann jelbit Reli—
quien gleich geachtet wurde,
Brandfieber, Fieber, welches Brand äußerer
oder immerer Theile erzeugt, oder durch den ſchon
entftandenen Brand von Auffaugung der Jauche
erzeugt wird; ſ. Brand (Med.). Das B. triit
auch bei Hausthieren als eigene Krankheit auf u.
äußert fi bef. durch Brandigwerden äußerer u.
innerer Theile (vgl. Milzbrand).
782
ftärtere Röthe n. jonft die Spur erlittener Be—
ſchädigung durch Verbrennung an fich trägt. 2)
(Pierdew.) Ein brandig gewordener Sattelorud.
3) Fleden an Bäumen, welche den Brand (j. d.)
andeuten,
Brandgefchofie, allgemeine Bezeihnung der-
jenigen Gejcoffe, mit denen man Brand zu
iegen ſucht. Die Verwendung von Ben zu
Kriegszwecken ift ſehr alt; Brandpfeite u, Brad»
lanzen wurden mittels Natapulten geworfen,
oder wie Wurfipieße geichleudert, das Feuer be-
fand fih in einer re Vertiefung hinter
der Spitze des Pfeils. Als Brandgejchoffe waren
aus den glatten Kanonen glühende Kugeln im
Gebrauche; aus glatten Mörjern werden theilmeife
noch Brandbomben, aus den gezogenen Geſchützen
Brandgranaten (f. d.) verwendet; Brandrafeten
(j. u. Hafeten) kommen nicht mebr zur Berwendung.
Brandgiebel, j. u. Brandmauer.
Brandgranate, gewöhnliche Granate für ge-
zogene Geſchütze, die außer mit Sprengladung
noch mit einer Anzahl Brander gefüllt ift (f. u.
Granate). Die preußiſche Feldartillerie iſt micht
mehr mit Ben ausgerüftet,
randhof, Baronin von B., Gemahlin des
Ergherzo 8 Johann (f. d.).
Brandhorn, Gattung der Stachelſchnecke (ſ. d.).
Brandhügel (germ. Ant.), ſ. u. Grab,
Brandige Braume, j. Bräune,
Brandis, Hauptft. des gleihnam. Gerichtsamtes
in der Amtshauptmannſch. Grimma des lkönigl.
ſächſ. Regbez. Leipzig, im einer Ebene; großes
Rittergut mit ſchönem Schloß; Braunfohlengruben;
1974 Ew. Hauptbrände: 1476, 1637, 1696. Die
ſächſ. freiherrl. Familie B. wurde 1856 in den
hannoveriſchen Freiherenftand erhoben. 2) Ehemal.
Schloß im Emmenthal des Schweizerkantons Bern,
einer der Stammfige der Grafen von B.; fam von
denen von B. 1459 dur Kauf an die Stadt Bern.
Das Schloß wurde 1798 zerftört u. die Ruine
jpäter abgetragen. Das gleihnam. Geſchlecht ftarb
1509 mir Johann aus. 3) Ehemaliges Schloß
in Zirol, bei Lana. Die gleihnam. Familie, feit
1654 im Reichsgrafenſtande, biliht noch in Tirol.
Brandis, 1) Joachim Dietrich, Mediciner,
geb. 18, März 1762 in Hildesheim; wurde 1786
Arzt in feiner Vaterftadt, 1791 in Braunſchweig,
1795 Phyficus in Holzminden, 1803 Profeſſor in
Stiel u. 1809 königl, Yeibarzt in Kopenhagen; er ft.
dajelbft 28. April 1846. In Kopenhagen hatte
er feiner Yehrthätigfeit, weldyer eine Reihe ausge-
zeichneter holſteiniſcher Ärzte ihre Bildung ver
danken, vollitändig entiagt, dafür aber einen aus-
gedehnten ärztlichen Wirkungstreis übernommen,
Er jhr.: Technologifches Taſchenbuch für Künftler
:c. auf 1786, Gött. 1786; Anleitung zum Ge—
brauche des Driburger Bades, Münft. 1792; Über
die Metaftafen,, ebd, 1798; Über die Wirkungen
der Eifenmittel des Driburger Waflers, ebd. 1803;
Pathologie, Hamb. 1815; Über pfychiſche Heil-
mittel u. Magnetismus, Kopenh. 1818; Liber
humanes Leben, Schlesw. 1823; Über die Cholera,
Kopenh. 1831; Der Unterfchied zwiſchen epidemi—
fhen u. anftedenden Krantheiten, 1833; Die An-
wendung der Kälte in Krankheiten, 1833; Noſo—
Brandfleck — Branbdlitt.
Brandfled, 1) Ort auf der Haut, der durchlogie u, Therapie der Kachexien, 1834—39, 2
Bde.; Über Peben u. Bolarität, 1836. 2) Chri—
fian Auguſt, Sohn des Vor, Philolog und
Philofopb, geb. 13. yebr. 1790 in Hildesheim ;
ftudirte in Kiel u. Götriugen, habilitirte ſich 1813
in der pbilofophiichen. Facultät in Kopenhagen,
1815 in Berlin, ging 1816 als Secretär ber
preußiichen Gejandtichaft mit Niebuhr nah Rom,
durchforjchte jeit 1819 mit 3. Beller die wichtig—
ten Bibliothelen Italiens, Frankreichs u. Eng-
lands zur Sammlung von Materialien für die
große Ausgabe des Arıftoteles, wurde 1831 Pro-
feffor der Bhilofophie in Bonn, nahm 1837 bis
1839 Urlaub, um dem König von Griechenland
wiſſenſchaftliche Borträge zu halten, wurde mon
demjelben zum Gabinetsrath eruannt u. fehrte
1840 auf die Profeffur nah Bonn zurüd; er ft.
24. Juli 1867. Schrieb: Xenophontis, Parıne-
nidis et Melissi doetrine, Wit. 1813; Vou bem
Begriffe der Geſchichte der Thilofopbie, Kopenb.
1815; De perditis Aristotelis libris, Bonn 1823;
Ausgabe der Ariftoteliihen Metapbyfil, Berl. 1823;
Anmerkungen und erläuternde Abhandlungen zu
Hengitenbergs Ariftoteliicher Metaphyſil, ebd. 1824;
Handbuch der Geſchichte der griedhiicd-römtichen
Philofophie, Berl. 1835—60, 3 Thle.; Scholia
in Aristotelem, 1836; Scholia Graeea in Aristo-
telis metaphysica, 1837; WMittheilungen über
Griechenland, Lpz. 1842, 3 Bde.; Geſchichte der
Entwickelungen der griechiſchen Philoſophie u. ihrer
Nachwirlungen im Römiſchen Reiche, ebd. 1862
bis 1864, 2 Thle., u. ſ. w. Über ihn vgl. Eur
tius in der Augsb. Allg. Ztg. vom 7. Juni 1868
u. Zrendelenburg in den Abhandlungen der Königl.
Alademie der Wiſſenſchaften zu Berlin, 1868.
3) Johannes, Archäolog, Chronolog u, Numis-
matilfer, geb. 14. Dec 1830 zu Bonn, dritter
Sohn des dortigen Profeſſors B.; gewann bereits
als Student einen Preis durd eine Arbeit: Assy-
riarım rerum tempora emendata (1852), ging
Oftern 1854 zu Bunfen nad) Yondon u, benutzte dieje
Gelegenheit zu Studien über Das Aſſyriſche, als deren
Frucht jeine Schrift: Liber den hiſtor. Gewinn aus
der Entzifferung der aſſyr. Inſchriften, Berl. 1856,
entftand. Nachdem er noch eine weitere, chrono-
log. Unterfudung: De temporum graecorum anti-
quissimorum rationibus, Bonn 1857, veröffentlicht
hatte, trat er noch in demielben Jahre als Cabinets-
jecretär im den Dienft der damaligen Prinzeſſin,
Ipäteren Königin-Kaiferin Augufta, u. widmete in
diefer neuen Stellung feine Muße hauptſächlich
numismatiichen Studien. Sein Hauptwerk: Das
Map-, Münz- u. Gewichtsſyſtem in Border-Afien
bis auf Alerander d. Gr., Berlin 1866. Kurz
vor jeinem Tode, 8. Juli 1873, vollendete er
noch jeinen Verſuch zur Entzifferung der cypriſchen
Inſchriften, Septemberbeft der Dionatsberichte der
preuß. Akad. der Wiffenich., 1873,
1) Thamhayn.“ 3) Schraber.
Brandfitt, 1) Stoff, mit welchem das Holy
wer! an Gebäuden aegen das Anbrennen gefichert
wird; befieht aus Ziegelmehl, Aſche, Feilſpänen
u. Yeimmwaffer, oder gefhlämmten Lehm, geſchlämm⸗
tem Thon u. Mebikleifter aus Roggenmehl; dieier
Kitt darf nicht auf einmal aufgetragen werben.
2) Kitt, womit einige Ernftfeuerwertlörper bes
Brandfugeln — Brandjonntag.
ftriden werden, um fie gegen Feuchtigkeit zu
ihügen; befteht aus aufgelöftem Leim, gefiebter
Kohle u. rothem Bolus.
783
Brandfalbe, |. u. Verbrennung.
Brandjag, zum Fllen der Brandbomben
5) Bei Luftfeuerwert- und Brander; beftehbt aus einem Gemenge von
förpern Miſchung von Hammerſchlag, Feilfpänen, | Salpeter, Schwefel, Meblpulver u. Colophonium.
Ziegelmehl, ungelöichtem Kalt u. Roggenmehl, um
Brandſchatzung, Geidſumme, die bef. jonft
diefelben gegen augenblidliches Verbrennen zu|dem Feinde im Kriege gezahlt wurde, damit die
fihern.
Brandfugeln, ſ. Brandgeſchoß.
Brandlanze, ſ. u. Brandgeſchoß.
urger einer eroberten Stadt od. die Einwohner
eines beſetzten Landſtriches im ungeſtörten Beſitze
ihrer Güter blieben. War fie nicht gleich auf-
Brandmarkung, das Einbrennen von Buch |zutreiben, jo wurden Geigeln mitgenommen, ‚oder
ftaben, Wörtern oder Figuren, 3. B. eines Galgens | Erecutionstruppen gefhidt. Der frühere Charalter
auf den Arm, die Stirn oder den Rüden eines der Kriege als
Verbrechers. Die B. war als infamirende Strafe
ihon bei den Griehen u. Römern üblih, u. es
wurden jolde Zeihen (Stigmata) den Kalummia-
toren, entlaufenen u. wieder gefangenen Sklaven
eingebrannt, Ein fo Gezeichneter hieß Stigmattas.
Durch das ganze Mittelalter gewöhnlich, it die
DB. in neuerer Zeit in allen cultivirten Staaten
außer Gebrauch,
Brandmaner, 1) jede ohne Holzverband auf-
eführte Dauer am Feuerungen im Küchen, an
fen zc., gewöhnlich von gebrammten Steinen,
2-4 m ſtark. 2) Die Mauer, welche ein maffives
aus von einem anderen fcheidet u. bei Feuers—
rünſten der Verbreitung der Flamme Einhalt
thun ſoll. Auf einer ſolchen B. fteht der Brand»
giebel, gewöhnlich 4-4 m ftark, in welchem Fenſter⸗
u. Thiröfinungen mit eifernen Laden (Brand-
läden, Brandthilren) zu verichließgen find.
Brandmaufe, bei Pferden eine begrenzte
—— an der Feſſel, bei der es zum
eritörungsfriege, bei denen Rache,
Mordluft und Raubluſt die Hauptrolle fpielten,
brachte das Sengen u. Brennen u. Beritören mit
fih. Bei den Juden wurden nach dem von Moſes
gegebenen Geſetze nicht bloß die eroberten Ländereien
niedergebrannt, fondern aud die Einwohner ver-
tilgt; num in den Örenzländern konnte B. erhoben
werben u. die Benölferung mit Ausnahme bes
männlichen Geichlechtes am Leben bleiben. Bei
ven Römern fiel das eroberte Land dem Staate
anheim, der Senat gab den Einwohnern einen
Theil ihres Eigenthums zurüd, legte ihnen aber
dafiir B. u. Steuern auf. Auch in Deutichland
galt es bis in das 15. Jahrh. für Recht, das
Gebiet des Feindes mit Feuer zu verwüſten (dem
rothen Hahn auf das Dach ſetzen). Aber im
Mittelalter fam diejes Verfahren mehr u. mehr
ab. Dan fing an, fih die Berfchonung mit Geld
ablaufen zu laſſen, u. fengte nur da, wo bie
Stürmenden nicht zu bändigen waren, ober die
Zahlung des Löſegeldes nicht erfolgte, zu welchem
randigen Abfterben eines mehr oder weniger | Ende eigene Offiziere, Brandmeifter, mit Brand»
großen Stüdes Haut fommt.
randmans, j. Maus.
Brandöl, j. u. Brenzlihe Öle.
knechten zum Anzünden der Orte beftellt waren,
Die kaiſerl. Heerordnung von 1570 verordnete,
feindlihe Orte nicht mehr in Brand zu fteden,
Brandon, 1) Stadt in der engl. Grafſchaft u. obgleich dies oft wicht befolgt u. noch öfter B.
Suffelf, am linken Ufer der Little Ouſe; Getreides, | gefordert wurde — man dente an die Bren des
Holzlohlen- u. Baubolzbandel; 2116 Em.; in der
Nähe Brüche von ſchwarzen Feuerfteinen. 2) Ort
im nordamerif. Unionsjtaate Vermont u. 43° 45‘
n, Br. u. 73° w. L.; Wollen» u. Ledermanufac-
turen; 3571 Em.
Brandon, Charles, eur, von Suffolf,
Günftling des Königs Heinkich VLII. von England;
wurde von diefem zum Herzog von Suffolt er-
naunt, vermäblte ſich 1515 heimlich mit Heinrichs
Schwerter, Maria, nad) dem Tode ihres Gemahls,
Ludwigs XII. von Frankreich,
ihm und das. Paar kehrte nad
30jährigen Krieges — fo fam es doch nah und
nah dahin, daß man das abfichtliche Niederbrennen
von Ortſchaften, ohne daß e8 ein Kriegszwed ge»
bietet, für einen Völkerrechtsbruch bielt, jo 3. B.
die Verbrennung vieler Orte der Pfalz unter Lud—
mig AIV, Dieſe Anfichten haben ſich ſeit dem
Tiährigen Kriege noch mehr befeftigt, u. die B.
bat im neuerer Zeit den Namen Gontribution an«
genommen. Bgl. Contribution.
Brandidjieler, ein aſchgrau bis ſchwarz ge-
zum verziehjfärbter, mit Bitumen mehr oder weniger ftarf
gland zuritch, durchdrungener Kohlenſchiefer,
zwiſchen deſſen
u. B. befehligte 1522 u. 23 die engl. Armee Schichten die Kohlenflöße lagern. Er breunt je
gegen Frankreich u. wieder 1544 einen Theil der-|nach feinem Gehalte an Bitumen mehr od. weniger
jelben. Er ft. 1545.
Brandjnum dominica, jo v. w. Brandſonntag.
leicht, zerfällt in Wafler u. hat einen ſchwarzen
Strich. Durch Grpbrände oder die Erhebung
Brandopfer, jolhe Opfer, bei welchen die plutoniſcher Gebirgsmaffen in der Nähe des B-8
dargebrachten Gegenftände, 3. B. Fleiſch u. Fett, iſt derjelbe oft rorh gebrannt und theilweije ge-
verbrannt wurden; ſ. u. Opfer.
er Altar, aufljchmolzen, u. es find auf diefe Weife das Eiſen—
welchem fie geopfert wurden, hieß bei den Juden |fteinmarf od. die ſächſiſche Wundererde u. der Por—
der B-altar;.f. u. Altar.
Brandp eil, j. u. Brandgeſchoß.
Brandpilze, j. u. Brand u. Roſtpilze.
zellanjaspis von Planig bei Zwidau und vom
breimenden Berge bei Duttweiler entftanden. Faſt
immer enthält der B. mehr od. weniger deutliche
Brandprobe, 1) Stiidchen Siber, aus einem |Überrefte von Pflanzen der Kohlenformation.
Brandſtücke geſchlagen, um zu unterſuchen, ob es
gehörig gebrannt und gereinigt iſt. 2) Dieſes
Unterſuchen ſelbſt; ſ. Silberprobe.
Brandrakete, ſ. u. Ralete.
Brandfilber, durch Feinbrennen gereinigtes
Süber, mweldes nur noch jehr Heine Mengen
(obngefähr 1°/,) fremder Metalle enthält.
Brandfonntag (ververbt Bratenfonntag, vom
784 | Brandipigen — Branditiftung.
lat. Brandonum döminica), im Mittelalter und /ordinem gu ftrafen; insbefondere geihah dies für
zum Theil noch jegt in Frankreich der dem den Fall eines vorjäglichen Anzündens von Wohn-
1. Sonntag der vierzigtägigen Faſten vorher-|gebäuben, wenn auch der Umfang, in welchem
gehende Sonntag, der Sonntag Invocavit. In man biernah die B. als eigenes
erbrechen be»
der Nacht vorher lief man mit Fackeln n. Brän-|trachtete, bei der Mangelbaftigleit ver Redhts-
den (Brandones) umber; daher: Brandwoche quellen in diefer Beziehung —* ſchwer zu be⸗
(Brandonum hebdomas, die mit dieſem Sonntag ſtimmen iſt.
beginnende Woche. Diefer Gebrauch dürfte mit
der altgermaniihen Frühlingsfeier zufammen-
hängen, da im füdlihen Deutichland und in der
Deutihen Schweiz ganz berjelbe Gebrauch als
Funkenſonntag fi finder; ohne Zweifel ein Reit
des alten Feuer u. Sonnencultus.
Brandipisen, weiße Schafwolle mit braunen
Spigen, rauber u. bärter als andere Wolle, oft
vergibt; fitt am den Füßen der Schafe und ift
nur zu ordbinären Wollitoffen verwendbar,
——— ſ. u. Feuerverſicherung.
Brandſtiftung (Crimen incendii), die An—
zündung einer fremden oder auch eigenen Sache,
unter Umſtänden, daß der Brand für Leben, Ge—
ſundheit oder Eigenthum eines Anderen ſchädlich,
oder doch gefährlich wird. Der Grund, welcher
ſeit der Peinlichen Halsgerichtsordnung die B. mit
immer größerer Beſtimmtheit als ein eigenes Ver—
brechen bat aufſtellen laſſen, iſt hauptſächlich in
der Unberechenbarkeit des Schadens zu ſuchen,
welcher durch die Anzündung einer Sache hervor—
gerufen werden kann. Bei Normirung der ſub—
jectiven Strafbarlkeit des Brandſtifters fiel dagegen
die Niederträchtigleit der bei Begehung dieſes
Verbrechens betundeten Geſinnung, die Boshaftig—
keit der That, zu welcher in feindlicher u. feiger
Weiſe das verderbliche, ſo leicht aller menſchlichen
Auſtrengung ſpottende Element benutzt ward, ſchwer
ins Gewicht. Die B. wird deshalb auch in den
neueren Criminalgeſetzbüchern überall den ſchwer—
ſten Verbrechen beigezäblt; in der Aufftellung des
Begriffes, der Borausjegungen, der dafür ange-
drobhten Strafen waltet aber eine große Berichie-
deuheit ob. Allgemein ift die Eintheilung in
doloje (au Brandlegung genannt) u. culpofe
B., je nachdem das Feuer entweder mit dem
Vorjage, einen Brand zu erregen, angelegt, oder
nur durch Unvorfichtigfeit, Leichtſinn oder Unadht-
jamfeit veranlaßt wurde. Außerdem wird gewöhn—
lih einfadhe u. qualificirte B. unterjchieden,
u. legtere dann angenommen, wenn das verur«
Ebenfo ſchwankeud ermweilen ſich
die Ausſprüche der deutichen Nechtsbücher (3. 8.
Sadjenfpiegel, Bd. II. Art. 13; Schwabenfpiegel,
Cap. 114). Auch bier wurde die B. urfprünglich
(namentlih in den fogen. Leges barbarorum)
nicht als eigenes, ſelbſtändiges Verbrechen, jondern
mehr als eine Unterart der widerrechtlichen
Schadenszufiigung aufgefaßt und befirafi. Doch
zeichneten * Rechtsſatzungen ſchon frühzeitig
einzelne Arten der B,, ar rn Die ®. zur
Nachtzeit (Nachtbrand) und den Mordbrand,
morunter man im Allgemeinen jedes heimliche,
hinterliftige Anzünden einer fremden Sache mit
Gefahr für Menfchen verftand, aus u. bedrobten
dieje boshaften Brenner, wie fie gewöhnlich
enannt werden, gleih den Mördern mit dem
ode, bejonders dem Feuertode. Die Beinfiche
Halsgerihtsordnung Karls V. enthält im Art. 125
nur den kurzen Sag: die boshaftigen überwunde-
nen Brenner follen mit dem jener vom eben
zum Tode gerichtet werden, u. hat der Austrud
boshaftige Brenner einen Streit der Eriminaliften
darüber hervorgerufen, ob zum Wefen der 2. ein
ausnehmend bosbaftes u. unmenſchliches Berbalten
des Brandftifters erforderlih, oder ob damit mır
das Erforderniß des böfen Vorſatzes bezeichnet
jet. Unterſchieden wurden 3 Arten der B.: a) der
Stadtbrand, gewöhnlicher als qualificirte 8.
bezeichnet. Wer böslih innerhalb der Stadt
(intra oppidum) Feuer anlegt, hat den Feuertod
zu erwarten, Eine etwas gelindere Strafe, jedoch
auch Todes- od. Capitalſtrafe, tritt b) bei der B.
an einzelnen Gebäuden (einfahe B.) ein;
geringere Strafe erfolgt c) bei B. an auderen
Saden. Als allgemeines Erforderni für den
Thatbeftand aller Sen galt eine Handlung, durch
welde an irgend einem brennbaren Gegenftande
eine Feuerflamme hervorgebradt wird, deren Ber-
breitung für Leben, Gefundheit oder Eigenthum
Anderer ſchädlich od. gefährlich if. Daß die an-
gezündete Sache gerade eine fremde fei, ward
nicht erfordert. bit e8 an dem Moment der
fachte Feuer wegen befonderer, durch das Geſetz Gemeingefährlichteit, d.h. der Gefahr für frendes
ausgezeichneter Umftände, 3. B. weil das Gebäude
ein bewohntes war, oder mit anderen bewohnten
zuſammenhing, oder weil e8 zur Nachtzeit ange»
legt war, in erhöhtem Grade gefährlid erſcheinen
muß; doch find diefe Umftände felbft in den ver-
ſchiedenen Gejetsbüchern keineswegs übereinftims«
mend feftgeftellt. A) Nach Römifchem Rechte wurde
die Brandlegung uriprünglih als widerrechtliche
Deihädigung fremder Saden (Damnum injuria
datum) unter die Beftimmungen der Lex Aquilia
geftellt; wurde aber das Feueranlegen ald Mittel
ur Begehung anderer Verbrechen, 3. B. einer
is publica, angeweudet, jo wurde e8 nad den
über diefe Berbrechen geltenden Strafbeftimm-
ungen der Lex Julia de vi publica, od. der Lex
Cornelia de sicariis geftraft. Später gelangte
Eigenthum u. Leben, jo konnte die Auzündung
der eigenen Sache allerdings ftraflos fein, wenn
nicht etwa jonft eine verbrecheriſche Abficht des
Brandftifterd obwaltete, wie 3. B. wenn die
Brandlegung in betrügeriiher Abfiht, um bie
Affecuranzjumme zu gewinnen, ftattfand, in mel-
hem alle dann die Strafen des Betruges zur
Anwendung fommen. Zur qualificirten B. (j.oben)
ward außerdem erfordert, daß die Gefahr der Art
en jei, daß der ganze Drt, od. doch einzelne
Theile defielben in Brand aufgehen konnten; da»
egen machte es feinen Unterſchied, ob der Braud-
off an ein Gebäude unmittelbar, oder nur an
einen ſolchen Gegenftand gelegt wurde, welcher,
wie 3. B. ein daneben liegender Strobhaufen,
das Feuer mittelbar dahin verbreiten konnte, Zur
man indeffen dazu, das Incendium aud extra |Bollendung des Verbrechens der B. gehörte nur,
Brandftiftung. 785
daß der anzuzündende Gegenftand ſchon wirklich | Löfchgeräthichaften entfernt oder unbrauchbar *
Feuer gefangen u. alſo gebrannt hatte; daß aber| madıt bat ($ 307). Wegen B. wird mit Zucht
auch jhon eine wirkliche Feuersbrunſt daraus haus bis zu 10 Jahren beftraft, wer vorſätzlich
entftanden jei, mar fein mejentliches Erforberniß | Gebäude, Schiffe, Hütten, Bergwerke, Magazine,
des Thatbeftandes. Ebenjo wenig galt es als Waarenvorräthe, melde auf dazu beftunmten
Mangel an diefem, wenn das entftandene
ſpäter etwa von felbft wieder erlofchen, ‚oder durch
u Hilfe bald gelöfcht worden war. Eulpofe
randverurfahungen wurden nad Römiſchem
Rechte nur dann beftraft, wenn ihnen ein grobes
Berjehen zu Grunde lag; nad dem Syſtem der
Peinlihen Halsgerihtsordnung traten die allge-
meinen Grundſätze von Beftrafung der Culpa ein. ſi
Immer ward dabei indeflen erfordert, daß wirt-
Ih eine Feuersbruft entftanden ſei. War dies
nicht der Fall, u. lag nur ein unvorfichtiges Ge-
bahren mit feuergefährlichen Gegenftänden an
leicht Feuer fangenden Orten vor, jo fonnten mol
polizeilihe Ahndungen, nicht aber criminelle Be-
ftrafung eintreten. B) Die neueren Eriminal«
gejegbiicher haben menigeran dem Begriffe der B.
geändert, als vielmehr die verjchiedenen Arten
derfelben genauer unterfchieden u. die dafür zu—
zuerfennenden Strafen, von denen insbejondere
die gemeinrechtlih angedrohte FFeuerftrafe in ber
Praris ſchon längere Zeit nicht mehr angewandt
wurde, beftimmter feitgeftellt. Die jchwerften Fälle
der DB. waren indeß in der Negel noch immer
mit der Gtrafe des Todes bedroht; mur das
Braunſchweigiſche Geſetzbuch hatte, abgefehen von
dem Falle, wo die Concurrenz anderer Delicte
diefelbe rechtfertige, die Todesſtrafe ganz aus-
geichloffen. Nah dem Preufifchen Strafgefetsbuche
vom 14. April 1851 war die Todesftrafe dann
angedroht, wenn durch den Brand ein Menſch das
Jeuer öffentlihen Pläten lagern, Vorräthe von land«
wirthſchaftlichen Erzeugniffen oder von Bau- od.
Brennmaterialien, ;srüchte auf dem Felde, Wald»
ungen u. Zorfmoore in Brand fett, wenn dieſe
Gegenftände entweder fremdes Eigenthum find,
od. zwar dem Brandftifter eigenthümlich gehören,
jedoch ihrer Beſchaffenheit u. Yage nah geeignet
ind, das Feuer einer der im $& 306 Nr. 1—3
bezeichneten Räumlichkeiten od. einem der vorftehend
bezeichneten fremden Gegenftände mitzutheilen. Sind
mildernde Umftände vorhanden, jo tritt Gefüng-
nißftrafe nicht unter 6 Monaten ein (8 308). Wer
durh Fahrläffigkeit einen Brand der in ben
8$ 306—308 bezeichneten Arten herbeiftihrt, wird
mit Gefängniß bis zu 1 Fahre, oder mit Geld»
ftrafe bis zu 300 Thlr. umd, wenn durch den
Brand der Tod eines Menſchen verurfadht worden
ift, mit Gefängnig von 1 Monat bis zu 3 Jahren
beftraft ($ 309). Hat der Thäter den Brand,
bevor derjelbe entdedt und ein weiterer als der
durch die bloße Inbrandſetzung bewirkte Schaden
entftanden war, wieder gelöjcht, fo tritt Straf-
lofigleit ein ($ 310). Der B. gleich geachtet wird
die gänzliche od. theilweiſe Zerftörung einer Sache
durch Gebrauch von erplodirenden Stoffen ($ 311).
Strafihärfungsgründe find alfo, wenn durch
die B. der Tod eines Menichen, der fich zur Zeit
der That in einer der in Brand gejegten Räum—
lichkeiten befand, mittel$ der B. ein Mord oder
Raub begangen, oder ein Aufruhr erregt werden
Leben verloren hatte u. der Branditifter vorfätslich |follte, oder der Brandftifter ſelbſt das Loͤſchen des
ein Gebäude, ein Schiff od. eine Hütte, welche zur) Brandes durch Befeitigung od. Unbrauhbarmad-
Wohnung dienen, oder ein zum ottesdienfte be-
jtimmtes Gebäude, od. auch andere, nur zeitweilig
zum Aufenthalte von Menſchen dienende Räumlich—
feiten (3. B. Eiſenbahnwagen, Bergmwerfe) zu einer
Zeit in Brand fegte, zu welcher fih Menfchen
darin aufzuhalten pflegen; hatte aber fein Menſch
das Leben verloren, jo trat wenigftens 10jährige
bis lebenslängliche Zuchthausftrafe ein. Das
Strafgejegbud für das Deutſche Reich han-
delt von der B. unter der Rubrit: Gemeingefähr-
lihe Berbreden und Bergehen ($$ 306—311).
Demnah wird wegen B. mit Zuchthaus beftraft:
mer vorfäglih in Brand fett 1) ein zu gottes-
dienftlihen Berfammlungen beftimmtes Gebäude:
2) ein Gebäude, ein Schiff od. eine Hütte, welche
zur Wohnung von Menſchen dienen, od, 3) eine
Räumlichkeit, welche zeitweije zum Aufenthalte von
Menſchen dient, u. zwar zu einer Zeit, während
welcher Menſchen in derfelben ſich aufzuhalten
pflegen ($ 306). Mit Zuchthaus nicht unter 10
Jahren, od. mit lebenslänglihem Zuchthaus wird
die B. beftraft, wenn 1) der Brand den Tod eines
Menſchen dadurch verurfaht bat, daß dieſer zur
Zeit der That in einer der in Brand gejegten Räum⸗
Iichleiten fih befand; 2) die B. in der Abficht
begangen worden ift, um unter Begünftigung ber«
jelben Mord oder Raub zu begeben, oder einen
Aufruhr zu erregen, od. 3) der Brandftifter, um
das Löſchen zu verbindern oder zu erjchmeren,
Piererd Univerjal-Eonverjationd:Feriton. 6. Aufl.
Int. Banb,
ung der Löichgeräthichaften verhindert od. erſchwert
bat. Die Strafmilderungsgründe find nicht näher
definirt. In der Theorie u. Praris figurirte u.
figurirt noch darunter die Pyromanie (frankhafter
Trieb, Feuer anzulegen). Beſonders ift eine foldhe
Pyromanie bei in der Entwidelung der Pubertät
begriffenen Kindern wahrgenommen u. theils aus
phyſiſchen, theils aus pigchifchen Verhältniffen er-
Härt. In der That rebucirt fi aber auch hier
die Pyromanie auf die Unzulänglichleit der fub-
jectiven Urtheilsfähigteit in Betreff der Folgen
einer Handlung; jo ift oft Feuer von bei fremden
Leuten befindlihen Kindern angelegt, in der
Erwartung nad dem Brande des Haufes wieder
zu den Eltern zurüdtehren zu fönnen. Im All
gemeinen fann von ber ftrafrechtlihen Begünftig«
ung berfelben feine Rede fein; in jedem einzelnen
* iſt ärztlich zu conſtatiren, inwiefern die
Ausführung einer B. aus einer die Willensfrei-
heit des Branbdftifters beichräntenden (franthaften)
Manie bervorgegangen und der das fubjective
Moment dieſes Verbrechens bedingende Dolus
(Vorſatz) ausgefhloffen ift. Val. Richter, Über
jugendlihe Brandftifter, Dresd. 1844; Caspar,
Das Gejpenft des ſog. Brandftiftungstriebes, in
feinen Denfwürbigfeiten, Berl. 1846, In Frank—
reich beftrafte der Code pcenal vom Jahre 1810
ohne Unterfchied Jeden, der abfihtlih an Ge»
bäuden, Schiffen, Magazinen, Werften, gefälltem
50
786
Brandt.
Holze, Ernten u. für folhe Gegenftände gefähr-|bevarjtehende Beränderungen in der Taktik (mit
Iihem Material
euer anlegte, mit dem Tode, B⸗s Nefrolog), ebd. 1868, u. fein Sohn gab (aus
indem das Geſetzbuch davon ausging, daß die B. |jeinen Tagebüdern und Aufzeihnungen) heraus:
Moyen d’assassinat fei; die im Jahre 1832 er-/ Aus dem Yeben des Generals B., ebd. 1869, 2
folgte Nevifion verließ dieien Standpunkt, indem fie
dabei Bewohnung der Gebäude durch Menichen
oder wenigftens die Beſtimmung dazu vorausjegte.
In England berubt der Begriff der B. (Arson)
auf dem boshaften u. vorjäglihen, auch wirklich
erfolgten Anzünden von jederlei Art fremder Ge-
bäude u. wird an Urbebern u. Gehilfen als Felonie
(vgl. Arrest of judgement), alfo mit dem Strange
beitraft. Ein bloßer Verſuch ohne Erfolg unterfält
bier ebenfo wenig dem Begriffe der B., als die
Feuerverwahrloſung, welche nur als Eigenthbumsver-
letung, an Dienftboten mit Geldbuße bis 100
Pfund oder 18 Monaten Correctionghaus beftraft
wird. Abſichtliche Anzündung des eigenen Hauses
ift Schweres Polizeivergeben (Misdemeanour). wird
aber, wenn dabei die Gebäude Anderer mit ent-
zündet werden, aud ald B. beſtraft. Vgl. Ev.
Dfenbriüggen, Die B. in den Strafgefegbücern
Deutihlands u. der Deutichen Schweiz, Leipz. 1554.
Grotefend.*
Brandt, 1) Sebaftian, deuticher Dichter;
ſ. Braut. 2) Heinrich v. B., preuß. General
u. Mittärfchriftiteller, geb. 1759 im WPreußen;
verließ 1806 feine Studien in Königsberg u. nahm
Kriegsdienfte gegen die Frauzoſen; nah dem Til
fiter ‚jrieden verabichieder, trat er fpäter in das
2. polnische Weichjelregiment u. ging mit nad
Spanien; 1812 machte er den Feldzug in Ruß—
land als Hauptmaun mit, fehrte unter Boniatoswfi
turh Böhmen zurid und nahm theil an der
Schlacht bei eipzig; 1815 trat er wieder in preuß.
Dienfte, ward 1829 als Yehrer an die Cadetten—
ſchule nah Berlin berufen, bald darauf Major
u, Lehrer an der allgemeinen Kriegsichule, ging
Bde, 2. U, 1870. 8) Heinrih Franz, Hof-
medailleur u, Brofeffor in Berlin, geb. 13. Jan.
1759 in La Chaur de fonds; bildete ſich bei Droz
in Paris, ging 1814—1816 nad Rom u. wurde
1817 Medailleur der königlihden Münze in Berlin,
wo er 9. Mat 1845 ftarb. B, fertigte Denkmünzen
auf alle bedeutende Ereigniffe u. Perjonen jeiner
Zeit, 3. B. Medaillen auf Luther u. Calvin zur
Feier des Neformationsfeites, auf Pius VII. zu
tejien Rückkehr nah Rom. 4) Joſeph, Schlachten -
maler in München, .ein veichbegabter Schüler
Franz Adams dafelbit; behandelt meiſt biftortiche
und Genreſtoffe aus feiner Heimarh mit großer
Vebendigkeit. Am geſchätzteſten find jeine Kriegs
bilder aus dem 17, Jahrhundert. Sein umfang-
reichte Bild iſt fein Entjag von Wien durch
Johann Sobiesi. 5) Job. Friedrih v. 8,
ausgezeichnet als Lehrer u. Schriftfteller, befonders
im Gebiete der Botanik u. Zoologie, geb. 25. Mai
1802 zu Jüterbogk; bezog 1821 die Hochſchule
zu Berlin zum Studium der Medicin u. Natur
wiſſenſchaft, veröffentlichte 1825 jeine Flora Bero-
linensis (Berlin) u. 1826 als Differtation feine
Observationes anatomicae de mammalium quo-
rundam vocis instrumento, 4° m. Taf. In die
medicinishe Praris übergegangen, wandte er ſich,
veranlagt durch die mit Hageburg (. d.) begonnene
Derausgabe der Medic. Zoologie, dem genaueren
Studium der vergl. Anatomie u. der angewandten
Botanik zu. Nachdem er 1828 Brivardocent in
Berlin geworden war, erichienen von ibm Tabellen
zum Bejtimmen der Pflanzen, einige SHefte- der
Arzneigewäcie der preuß. VBharmalopöe u. der
deutihen Giftgewächſe. 1830 als Director des
1831 zu Gneifenau nach Pofen, der ihn zu meh- | Zool. Muſennis nad Petersburg berufen, fiedelte
reren Sendungen an Diebitih, Paskewitſch und
Bahlen, fowie an die polniihe Behörde in Kaliſch
brauchte; 4. October ſchloß er mit Wroniedi die
Übereinkunft ab, nach welcher der polnischen Armee
der Übertritt auf preuß. Boden gejtattet ward, |
u. leitete dann die Auswanderung der polnischen
Offiziere nach Frankreich; 1840 wurde er Oberft-
lientenant und Chef des Generalftabes des
2. Armeecorps, 1842 Oberft u. 1848 General«
major, 1850 GCommandant von Pojen u. nahm
neral der Infanterie in Berlin u, wurde 1862
Präſes der Generalordenscommiffion. Er ft. dort
23. Jan, 1868. B. ſchr.: Über Spanien, mit
befenderer Rüdfiht auf einen etwaigen Krieg,
Berl. 1823; Über die Dragoner als Doppeltämpfer, |
ebd. 1823; Anfichten über die Kriegführung im
1857 feinen Abſchied. Seitdem lebte er als Ger |
er 1831 dabin über, JInnerhalb der 43 Jahre,
die er dafelbjt lebte, erichienen von demielben weit
über 200 Abhandlungen aus den verihiedeniten
Zweigen der Zoologie, der vergleichenden Anato-
mie u. Paläontologie. Dabei war er 25 Jahre
hindurch ald Profefjor der Zoologie bejonders an
der Mediciniichen Akademie in Petersburg thätig.
Die Schriften finden fid, verzeichnet im Catalogue
of scientifie papers, 1800—63 herausgeg. von
der Königlichen Gefellichaft in London, 1867, ©.
570—577, u. im Tabl. general de matieres con-
tenues dans les publications de l’Ac. Jmp. de
St. Petersbourg, 1. Bd., 1872, ©. 191—93, zu
welchen als jpäter erjdienen noch fommten:
Unterfuchungen über die fojjillen und ſubfoſſilen
Getaceen Europas, St, Petersb. 1873, 4° mit
34 Taf, und Ergänzungen dazu 1874, 5 Taf,
Geifte der Zeit, ebd. 1824; Handbuch für den jomwie die Cetaceen des Wiener Bedens (Sitzungs-
erſten Unterricht in der höheren Kriegsfunit, ebd. | bericht der Wiener Afademie, 1872 und 1874).
1829; Geſchichte des Kriegsweiens des Mittel-
alters, ebd. 1830; Taltik der drei Waffen, ebd.
1833,'3. Aufl., 1859; Der Heine Krieg, 1837,
2. A., Berlin 1850. Vou den Grundzügen der
Zaltit der drei Waffen fam 1859 die 3, Aufl. ber-
aus; dieſes Buch wurde auch ins Holländifche,
Spaniſche u. (1860) ins Japaniiche
6) Alerander Julius, Sohn des Bor., Privat»
docent an der Petersburger Univerfttät u. Confer»
vator am HZoolog. Mujeum der Kaiferl. Akademie
der Wifjenichaften, geb. 28. Februar 1844 zu
St. Petersburg; ftudirte dajelbft an der Medico—
chirurg. Akademie, promovirte 1867, trieb zoolo—
überjegt. | giſche Studien an deutichen Univerfitäten, befonders
Nach jeinem Tode erfchienen Aphorismen über unter der Leitung Rud. Yendarts. Seine Arbeiten
Brandung — Branntwein.
787
—— 20) find meiſt in den Schriften der Peters-| polnischen Thron zu erlangen, was jedoch Rußland
urger Akademie der Wiffenihaften gedrudt und
beziehen fi) auf mannigfache Gebiete der Zoologie
im weiteren Sinne: Erperimentalphufiologte (Her-
zen niederer Thiere), allgemeine Morphologie u.
zn (Hirngewicht, Eierftöde und Eibildung,
hizostoma), Hiftologie(Sipunculus, Periplaneta),
Embryologie (Inſecten), Spftematif (Cyamiden),
Paläontologie (foffile Meduien). 3) 4) Regnet.
Brandung, der Wellenichlag, welcher dadurch
entfteht, daß die Wellen in ihrer Vorwärisbeweg⸗
ung an einer Erhöhung des Meeresbodens Wider-
ftand finden, wie dies an der Küfte u. an, iiber od.
unter Waffer liegenden Klippen oder Sandbänten
der Fall ift. Die Stärke der B. richtet fi nad
der Kraft der Wellen, dem Product aus ihrer
Maſſe u. Geſchwindigleit, bedingt durch vorhandene
Windſtärke u. Seeraum; dagegen hängt die Höhe
u. Fänge der B. von der Steigung u. Höhe des
Widerftandes ab, d. h. je fteiler umd höher die
Küfte, defto höher aber kürzer, u. je flacher u.
niedriger jene, defto niedriger aber länger iſt
die B. Flache Kiüften find daher and aus dem
Grunde, daß die B. weiter in die Sce hinein
reicht, der Schifffahrt gefährlicher, als fteile. In
der Schiffsſprache fagt man, das Waſſer brandet,
wo 8. durch umter der Oberfläche liegende Untiefen
erzeugt wird.
Brandwache, 1) j.u. Feuerwehr. 2)(Kriegsm.)
Wache hinter dem Lager, um auf die Wachtreuer,
Arreftanten u. Gefangenen Acht zu haben, aud)
etwaige Berfuhe des Feindes zu UÜberfällen zu
ſignaliſiren.
Brandwunde, durch Verbrennung (ſ. d.) ent-
ftandene Zerſtörung der Haut; bei den leichteren
(1. u. 2.) Graden der Verbrennung gewöhnlich
nur eine Zerftörung des Oberhäutchens (der Epi—
dermis), in den jchweren Fällen (Berbrennungen
3. Grades) eine Zerftörung eines Theil der
ganzen Hant, zumeilen felbjt noch der darunter
liegenden Weichtheile od. fogar eines ganzen (Ar:
mes oder Beines). Berns.
Brandy (engl.), Branntwein,
Brandywyne, 1) (Brandywpne-Hundred) Ort
im County Newcaftle des nordamerit. Unions-
ftaates Delaware; Mabhl- u. Pulvermüblen; 5000
Em. 2) (Brandywyne Greet) Fluß daſeibſt, in
den Staaten Penniylvanien u. Delaware; ergieht
fih bei Wilmington in die Ehrijtiana Ereet. An
ihm im NAmertlanischen Freiheitskriege 11. Sept.
1777 fiegreihe Schlacht der Briten gegen die
Amerikaner, wodurd dieſe Philadelphia verloren.
Brane Mouton, Sorte rother Bordeaux.
Branford, Poftitation u. Seehafen im New:
Haven County des mordamerif. Unionsftaates
Connecticut; bejuchter Badeort; 3571 Em.
Branidi, 1) Jan Clemens, Graf, polniicher
General, geb. 1688, aus einem alten Adels»
geichiechte Polens jtammend; ftand erft unter den
franz. Mousquetaires, fehrte 1715 nach Polen
zurüd u. war thätiges Haupt der Gonföderation,
welche den Kömg Auguſt II. nöthigte, die fächſ.
Truppen zurüdzufenden. Dennoch jtand er bei
Auguit IT. in Gunſt u. ward unter Auguſt III.
Großfronfeldherr. Nach dem Tode Auguſts III.
(1764) hoffte er durch franzöfiihen Einfluß den
vereitelte. Bon den Ruſſen u. Polen mehrmals
a flüchtete er nad Zips, erkannte aber
einen Schwager Poniatowsfi, Stanislaus Auguft,
als König an. Er ft. 9. Oct. 1771 auf feinem
Schloſſe Bialyftod. 2) Xamwery, aus einer dem
vorigen verwandten Geitenlinie ftammend; war
1769 Kronfeldherr u. befehligte das königl. pn
gegen die Barer Gonföderation; 1792 ſchloß er
fih der von Rußland gegen die Eonftitution von
1791 ins Leben gerufenen Gonföderation von
Targowice an und lebte nad -der 3. Theilung
Polens als ruffischer Unterthan auf feinen Gute
Bialocerkiew,
Branif, Chriftl. Julius, Philofoph, geb.
18. Sept. 1792 in Breslau; murde bier 1825
Privatdocent, 1826 auferordentlicher, 1833 ordent-
licher Profeſſor der Philofophie. Er ft. 2. Juli
1873. B. jhr.: Die Logik im ihrem Verhältniß
zur Philoſophie, gefchichtlich betrachtet (gefrönte
Preisihrift), Berl. 1823; Über Schleiermaders
Glaubenslehre, ebd. 1824; De notione philoso-
phiae christ., Bresl. 1826; Grundriß der Logit,
ebd. 1830; De nmumero Platönis, ebd. 1830;
Spftem der Metaphyſik, ebd. 1834; Geſchichte der
Philoſophie, 1842; Die wiffenfchaftlihen Aufgaben
der Gegenwart, ebd. 1848; Geſchichte der Philo-
jopbie feit Kant, 1. Bd., ebd. 1852; Üüber die
Winde der Philojopbie und ihr Recht im Leben
der Zeit, Mede beim Nectoratsantritt, Berl. 1854;
Über atomiftiihe u. dynamiſche Naturauffaſſung,
un den Abhandlungen der Hift.-Phu. Gejellichaft
zu Breslau, Bd. 1,1857,
Branntwein. A) Eine durch Deitillation
(Brennen) gegohrener Flüſſigkeiten erhaltene Miſch—
ung von Waſſer u. 40—50 pCt. Weingeiſt, welde
gewöhnlich infolge eines Gehaltes an gewiſſen,
bet .der Gährung entftandenen Nebenproducten
(Fufelöle) einen eigenthümlichen Geruch u. Ge»
ſchmack befigt. Er brennt mit blauer Flamme u,
binterläßt daber je nad feinem Waffergebalte eine
größere oder geringere Menge Waffer von Fuſel—
geihmad u. Geruch. Seine Stärke, d.h. feinen
Gehalt an Weingeift, beftimmt man mittel® des
Atoholometers, der Br oder Spirituswage. In—
nerbalb des Zollvereins ift das Alkoholometer von
Tralles gejeglich eingeführt; daffelbe gibt Durch die
Zahl, bis zu welcher es bei 14,,°R, einfintt, an,
wieviel Raumtbeile reiner Weingeift in 100 Thei«
len B. enthalten find. In Ofterreich ift daffelbe
Inſtrument, aber eine Temperatur von 12° R,
vorgejchrieben. Außerdem benutt man auch noch
das Alfoholometer von Nichter, welches angibt,
wieviel Gemwichtstbeile reiner Weingeift auf 100
Theile des wafjerhaltigen kommen. Das Inſtru—
ment von Stopponi ftimmt mit dem von Richter
überein. Zur Ermittelung des Weingeiftgehaltes
wendet man ferner, wenn auch jeltener, an das
Baporimeter (ſ. d.) und das Ebulfioffop (f. d.).
Je nach dem Material, aus dem er gewonnen ift,
führt der B. verichiedene Namen. Franz-B. ift
B., der dur Deitillation von jchlechteren Wein-
jorten u. Weintreftern, hauptjächlih in Frankreich,
aber auch in Spanien und Portugal gewonnen
wird, Seine Güte ift mamentlih durch die grö—
Bere oder geringere Gorgfalt bei jeiner Daritelle
50*
788 Branntıvein.
ung bedingt. Die beiten Sorten, Cognac, fom-| B. Gebraud u. Wirkungen des Bes u
men aus dein Eharente- Departement. Korn-B.|der altoholiihen Getränke im Allgemei-
wird ans Noggen u. Weizen gewonnen, Kar- nen. Genießen wir einen Schluck B., jo entfteht
toffel«B. aus Kartoffeln, Rüben-B. aus Zucker- ein Brennen im Munde, Schlunde und in der
rüben ober ben Abfällen der Hübenzuderjabrita- | Speileröhre, während wir im Magen die Ent
tion, In Oſtindien u. auf den Aurillen ſtellt man widelung. eines Wärmegefühls beobachten. Es
ans den Abfällen der Zuderfabrifation aus Zuder- berufen diefe Empfindungen auf der örtlichen
rohr dur Gäbrenlafien und Abdeftilliren einen) Heizung, weldye die Berührung des B-3 mit ber
weingeiftreichen ®., den Rum, bar; geringere) Schleunbant zur Folge hat. Wird nur ausnahms-
Sorten deflelben werden auf ähnliche Weiſe in weiſe, dann u. wann einmal von dieſer Wirkung
Dentichland aus den Abgängen der Nübenzuder- des Bes Gebrauch gemacht, fo fünnen wir damit
fabrifen gewonnen. Aur Bereitung des Arrals,|den Magen zur reihligeren Abjonderung bes
der namntlich von Goa (Border fnbien) u. Java
aus in den Handel lommt, dient ber zucerreiche
Saft aus den Blüthenkolben der Dattelpaime u.
Gocospalme, dem man Zuder, ers ıc. zuſetzt.
Kirihwaffer ift®., der namentlich im Schwarz—
walde aus Kirihen gewonnen wird. Einen wich—
tigen Fabrilationszweig bildet die Beredelung bes
Bes, welde den Zwedi bat, dem fujelireien B.
oder Spiritus durch Zuſatz von füh ſchmeckeuden
Subftangen (Juder, Glycerin, Fruchtſäfte) u. aro-
matishen Olen einen angenehmen Geihmad zu ge-
Dagenjafted anregen, u. indem der B, Fette aufr
löſt und fie in Emulſionen verwandelt, ift jene
Wirkung für den Körper eine heilſame. Dieſe
günſtige Wirlung des Bes, reſp. der Liqueure fin»
den wir beſtätigt, wenn wir nach reichlicher und
ietter Mahlzeit ein Gläschen Maraschiuo zu uns
nehmen — e8 hilft der letztere auf die angegebene
Weiſe perdauen u. mäßige Die unangenehmen Em—⸗
pfindungen des Berdauungsacted. Auf das Ner
‚venipitem wirken Heine Dojen B. erregeud,
‚große Dofen betäubend, ohne daß wir bis jest
ben. Bee, die mir aromatuche Körper entbalten, |un Stande find, anzugeben, worauf dieje Wirt«
nennt man Fiaueure (j d.); die Ertmes (ſ. d.) ungen beruhen. Werden viele Heinere Doſen in
enthalten außerdem noh Zuder; Ratafia (fi. d.)/furzer Zeit hinter einander genofjen, fo entiteht
nennt man B., der mit Zucker u. Fruchtſäften der Haujch, jener allbefannte Zuftand der Aufs
veriegt ift. Hierher fann man and die manmig- |regung, in weldhem der Eine in ausgelajlenfter
fahen Nahabmungen von Franz-B., Gognac,| Heiterteit feinen Unfug macht, der Andere zormig,
Hunt x. rednen, die man dadurch erhält, daß wüthend, zankſüchtig wird u. Erceſſe begeht, die
man in fuſelfreiem Spiritus gewiſſe Körper auf- mit der Veranlaſſung im feinem vernünftigen Ber-
löſt. So erhält man ein dem Frauz-B. u. Cognac | bälmifje ſtehen. Immer fieht man bei im Kaufe
ahnliches Getränt, wenn man Spiritus wit etwas Befindlichen, daß fie mehr od. weniger ihre Macht
Kiftigärber u. Eichenrindentincrur verjett und mit|über ihre Bewegungsorgane verloren haben, jte
gebranutem Zucker färbt, Künſtlicher Rum wird |taumeln, geben unſicher. Iſt der Rauſch vorüber,
aus Kartoffelſpiritus fabricirt, indem man ihn mit ſo kehrt das volle Bewußtſein u. die Bewegungs⸗
etwas Ameilenäther, Zimmt⸗u. Nußtinctur verſetzt fähigkeit zurüd, doch ſteis unter den befannten
u. mit gebranntem Zuder färbt. Die Prüfung von unangenehmen Eriheinungen des Katzenjammers,
B. aller Art auf die in ihm auigelöften riechen- einer Verbindung von Verdauungsftörungen (lbele
den u, ichmedenden Subitanzen geſchieht am zweck- keit, Erbrechen, WUppetitiofigfeit 2c.) u. auomalen
mäßigiten nach dem Berfahren von Otto (Yehr- | Empfindungen um Rervenſyſtem (Wüſtheit im Kopfe,
buch ver rationellen Braris der landwirtbichaftlihen | Schlaffheit des Nerveniyitems, Kopfdhinerz). Bon
Gewerbe), Dan jegt zu der zu prüfenden FZlüffig- |der erregenden Wirkung Heiner Dojen B. wird im
feit (je nach dem Weingeiftgebatte 5—10 cbem)|praftiihen Yeben häufig Gebrauch gemacht bei mo»
ein gleiches Volumen Ather, jchüttelt um u. fügt | mentaner Erihlaffung des Körpers, z. B. bei Sol-
ein dieſem Gemiſch gleiches Volumen Waſſer hinzu.
Den fih dadurd abicheidenden Ather bringt man
mittels einer Pipette in ein Porzellanſchälchen un.
läßt ibn bier verdunften. Der Küditand enthält
vanıı das Fuſelöl u. die anderen jdmedenden u.
riebenden Stoffe. Auf dieſe Art laſſen fi auch
die Berfälihungen des VS durch Pfeffer u. ähn-
daten auf Märſchen, bei ohumädtigen Zuftän-
den 2c. In neuerer Zeit hat man durch die Un-
terſuchungen Niegels, Binz’ u. Anderer den Ein-
fluß des Bis auf Puls u. Temperaturverhältniffe
fennen gelernt, namentlih ergaben die Unter-
fuhungen Riegels, daß bei jugendlichen u. nicht
an Altoholgenug gewöhnten gejunden Individuen
1
liche Körper, die ihm einen brennenden Geihinad|u. Hecompalefcenten nad geringen Mengen alto-
geben jollen, erfennen. Bon Berunreinigums|bofiiher Getränte felten beirächtliche Temperatur-
gen des B:8 ift namentlich das Kupfer zu er-|veränderungen u; nur in einzelnen Füllen, bejon-
wähnen, Ein etwaiger Gehalt daran, aus ſchlecht ders bei ganz jugendlichen Judividuen, ein bemer-
gereinigten Gefäßen ftammend, wird dadurch mach- |fenswerther Abfall von einigen Decigkaden, noch
gewiejen, dag man den B. mit einigen Tropfen |jeltener eine Steigerung eintrat. Je mehr aber
Schwefelſäure veriegt u. eine blante Diefjerklinge
bineinftellt, diefeibe überzieht ſich fofort mit einer
rothen Schicht von Kupfer. Schüttelt man fupfer-
baltigen B. mit etwas reinem Baumöl, jo nimmt
dafjelbe eine grünliche Färbung an. Übrigens wird
den umnabfichtlichen u. abfichtlichen, der Gejundheit
ſchädlichen Verunreinigungen des B⸗s durd) ftrenge
polizeiliche Maßregeln (B.- Polizei) gefteuert.
Riegel die Dofis jteigerte, um jo mehr trat eine
temperaturermiedrigende Wirkung, u. zwar ſchon in
jehr kurzer Zeit auf — bei an Allohol Gewöhnten
ward dieſe Wirkung faft ftetS vermißt. Dieje Wirt-
ung der alloholiſchen Flüffigfeiten beruht darauf,
daß der in das Blut aufgenommene Altobol die
Berbrennung vermindert, was daraus ſich ergib:,
daß der Harnftofi, die Harmjäure u. andere fefle
PBranntwein,
Beftandtheile des Urins nach dem Genuffe von al-
toholiihen Flüffigkeiten in verminderter Menge
durch den Harn ausgefchieden werden, während
die Harnmenge vermehrt if. Infolge diejer ver-
minderten Verbrennung häufen ſich in den inneren
Organen die Fette an, u. findet man daher bei
Gewohnbeitstrinfern die Leber, das Herz, die Nie-
ren 2c. verfettet, während anderſeils Die örtlich
irritirende Eigenſchaft des Alkohols, der als fol-
her im Körper circufirt m. in den Geweben des
789
aber dur die Erfindung des Deftilfirens gegen
Anfang des 9. Jahrh. mehrere Jahrhunderte auf
die Bereitung von deftillirtem Waffer zum Ylrz-
neigebrauche bejchränft haben und jpäter erft auf
die B»bereitung geleitet worden fein. Erſt Abul
Kafem (zu Anfang des 12. Jahrh.) erwähnt der
Deftillation des Weines, u. zwar durch eine Ge—
räthſchaft, wodurch aufwärts deftillirt wurde.
Durh die Araber murde der — Wein
auch den europäiſchen Chemilern bekannt, ſo u. a.
Körpers fi aufhält u. als ſolcher durch die Harn-|dem Arnold de Villanova u. deſſen Schiller Rai—
wege, Lungen u, die Mitch wenigftens zum Theil
aus dem Körper wieder ausgeichieden wird, ent-
zündliche Berhärtungen der Yeber (Cirrhofe, Gin
drinkers liver der Engländer, B.-Leber), Katarrbe
mund Lullus, welchen wol aud) die Erfindung des
B-8 zugefchrieben wird, obwol fie bloß zu bejferer
Bereitung, auch zur Bekanntmachung deſſelben bei«
teugen. Bald wurde nun der DB. Gegenftand des
des Rachens, des Magens u. des Darmes erzeugt. | Handels; bejonders wurde in Modena zu Anfang
Als fernere Wirkung der alkoholiſchen Flüſſigkeiten
haben wir deren bintftillende u. fäulnißhemmende
anzuführen. Bringt man anf biutende Flächen
eine in B. getränfte Comprefje, oder fpritt man
beim Nafenbluten B. ein, jo coaqulirt das Eiweiß,
u. dadurch, ſowie durch die kühlende Eigenichaft
der alloholiſchen Flüffigkeiten fteht die Blutung.
Die fäulnighemmende Wirfung benutzen wir nicht
jelten zur Aufbewahrung von Fleiſch (in anatomi-
ſchen Mufeen), von Früchten . Die B-Eonfum-
tion als Getränk ift befonders ftarf bei den nordi-
ihen Völkern, infolge des Klimas u. der fonjtigen
Lebensweiſe. In Schweden war der Ertrag der B-
fteuer, in den 1830er Jahren nur 680,000 ſchw.
Rihlr. 1855 bereits anf 3 Mill. geftiegen u. bat
fih ſeitdem bis über 12 Mill. gehoben. Ju Ruß—
land betrug die verftenerte Conſumtion 1874
2,263,463 Eimer; die Getränke», vorzugsmweile B-
fteuer, liefert jeit 36 Jahren gewöhnlich ein Drit-
theil aller Staatseinnahmen; tm Budget für 1874
ift diefer Ertrag felbft zu 179,098,500 Rubel ver-
anſchlagt, bei einer ordentl. Gefammteinnahme
des 14. Jahrh. der B. für ſich, oder auh im
liquenrform (jehr zeitig als Nosmaringeift) be—
reitet. Er fam als Berlängerungsmittel der Fur
gend u. des Lebens (Lebenswafler, Aqua vitae)
in hohen Auf, anfangs jedoch mehr nur als Arz«
neimittel, bejonders gegen die Peſt u. anftedende
Krankheiten, doch allmählich immer mehr als Ge»
nußmitte. Auch von Benedig aus wurde ein
ftarfer Handel damit, befonder® aud nad der
Zürfei getrieben. Doch war die Bereitung lange
noch ein Gebeimnig der Chemiker. Bald reichte
indeß der Wein umd auch die Weinhefen, weiche
man bejonders für die Anfertigung deſſelben bes
nugte, nicht mehr hin, das Bedürfniß zu deden,
u, man fing zu Anfang des 15. Jahrh. an, Bier
befen u. etwas fpäter im meinige Gährung vers
jetste meblige Subftanzen dazu zu verwenden,
Damals waren mit dem Verkaufe des B-8 nur
noch die Apothefen privilegirt. Später wurde der
B. vielfah als Anfenerungsmittel des Kriegs-
muthes im Felde angewandt, Mit der zunch-
menden Berbreitung des Brgenufjes lernte man
von 514,367,915. Vgl. Bouvier, Pharmakoiog. aber feinen Nachtheil bei zu ftartem, rüdfichts«
Studien, Berl. 1872; Marvand, L’Alcool, son
action physiologique ete,, mem. de med. milit.,
Janv.-Juin 1872; Rabow, Über die Wirkung des
Altohols, Straßb. Diff. 1872; Binz, Verjuche,
welche den Gründen der temperaturerniedrigenden
Wirkung des Allohols näher treten, Verband. d.
Niederrh. Geſellſch. f. Natur- u. Heiltunde, 1872;
Riegel, Über den Einfluß des Alkohols auf die Kör-
erwärme, Arch. f. flin. Med. XII.; de Ridder,
e l’aleool en general: effets physiologiques
et therapeut., hygiene pathologie, medecine l&-
gale, traitement, falsifications, Ann. de la Soeiet.
de med. d'Anvers, 1872 (Preisihrift); Straßburg,
Erperimenteller Beitrag zur Wirkung des Altohols
im Fieber, Virch. Arhiv, Bd. 60, 3. u. 4. Heft;
en Zeitſchr. f. praft. Medicin, Jahrg. 1874,
. 320,
C. Geſchichtliches. Die Erfindung des Bes ift
lofem und anhaltendem Gebraude fennen. Im
15. Jahrh. erichienen jhon Schriften dagegen, u,
mehrere Regierungen fanden fi beſonders im
16. Zahrh. veranlaft, polizeiliche Maßregeln ge-
gen den Mifbrauh des B-8 zu treffen. Im
17. Jahrh. erlangte das technische Verfahren bei
der Bereitung des B-s immer höhere Grade von
Volltommenheit, und man benutte in diefem u.
dem folgenden nun eine Menge Begetabilien mit
Deehl» und Zuderftoffen zu defien Anfertigung.
Der Mifbrauh des B⸗s als Genußmittel rief
fpäter wieder B-verbote hervor, fo in Preußen
unter Friedrih Wilhelm I. für Potsdam; ebenfo
bei Theuerungen, um Roggen, Kartoffeln ꝛc.
durch B-brennen nicht dem eigentlichen Gebrauche
zu Speifen zu entzieben. Aber die Berbote er-
wieſen fi als unausführbar u. ungenügend, na—
mentlich da ſich die Getreidepreiie ungeachtet der-
uralt; in Enropa wurde jedoch der B., durch Deftil- |felben nicht minderten; "jetst, befonders bei ‚beim
lation des Weines erhalten (daher auch gebrann-|B. aus Kartoffeln, wiirde daſſelbe noch erfolglofer
ter Wein, lat. Vinum ustum, genannt), erft durch fein. Außerdem greift die B-brennerei fo tief in
die Araber bekannt. In Indien u. China mur« den größeren landwirthſchaftlichen Betrieb ein, daß
den jeit undenklihen Zeiten aus Palmen n. Dat: |fie fi ohne bedeutende Störungen u. Nachtheile
teln branntweinartige Flüſſigkeiten bereitet, u. der'nicht mehr davon lostrennen läßt, ſowie auch das
Wein der Inder, deffen Strabon gedentt, ift wol Intereſſe vieler Regierungen der Bebefteuerung
fein anderer, als der aus Reis noch jetst daſelbſt wegen mit der Production des B-8 eng verbun«
bereitete Arrak. Die arabijchen Ärzte mögen ſich den ift. A. Beyer. B. Runge.
790
Branntweinblafe — Branntweinbrennen.
Branntweinblafe (Brennblafe),deransKupfer gleihjörmigen Brei durchgearbeitet (das Vormai—
od. Eifenblech beftehende Keffel, in welchen die ge- ſchen), dem man durd einjtrömenden Waſſerdampf
gohreue Maiſche behufs ihrer Deftillation gebracht
wird. Der Boden derjelben ift entweder ebeu, od.
nach oben gewölbt; die obere, 0,5, —0,, m weite
finung iſt mit einem ftarten Rande verjehen, auf
weichen der gewöhnlich halbkugelige Helm aufge:
jhraubt wird, Nahe über dent Boden befindet
fih ein Rohr zum Ablaſſen der Deftillattonsrid-
fände. Durch den oberen Theil geht ein Rohr,
durch welches die B. mit Maiſche gefült wird,
u. wenigitens bei den Älteren Apparaten mit di—
recter Feuerung ein Ruhrer, bejtchend aus einer
verticalen Welle mit einer am unteren Ende au—
gebrachten Kette, welche beim Umdrehen der Welle
über den Boden der B. Hinfchleift u. dadurch ein
Anbrennen der Marche verbütet. Da die Rüben—
maifche nicht unbedeutende Mengen Eifigjäure ent-
hält, welche die metallenen Gefäße augreift, jo hat
man in neuerer Zeit verfuchsweife Bn aus Stein-
platten zufammengejegt. Heyer.
Branntweinbrennen umfaßt alle diejenigen
Operationen, welche —— von Branntwein
zum Zwecke haben. Es bildet einen Hauptzweig der
landwirthſchaftl. Gewerbe, deun durch daſſelbe wird
ein Beſtandtheil (die Stärke) der Erzeugniſſe der
Landwirthſchaft in einen werthvollen, haltbaren u.
leicht transportablen Körper (Weingeiſt) verwan-
deit, während die ftidjtoffhaltigen Nährftoffe unver-
ändert in der Schlempe wiedergemwonnen und zur
Biehiütterung verwendet werden können, Werben
aljo durch den höheren Preis des einen Products
(Spiritus od, Brauntwein) die Productionsfoften
ganz oder zum größeren Theil gededt, jo wer:
den die Futterſtoffe der Brennereirüditände foften-
frei oder doch ſehr billig erhalten, wodurch eine
Bergrößerung des Viehſtaudes u. erhöhte Dinger-
oder durch fochendes Waſſer jchlieflih eine Tem—
peratur von 50—60° gibt. Man rechnet im
Sanzen auf 1 Theil Schrot 4—5 Theile Wafler.
Um eine zu raſche Abkühlung u. VBerdampfung zu
vermeiden, werden die Maiichbottiche bededt und
ihr Inhalt einige Stunden der Ruhe überlaſſen.
Durch die Wirkung der Diaftafe des Malzes ift
nah etwa 2—3 Stunden alle Stärke in Zucker
verwandelt und die Maiſche zur Gährung reif.
Dan kühlt fie nun möglichſt rafh auf Die zur
Gährung geeignete Temperatur von etwa 23° ab,
entweder durch kaltes Waffer u. Eis, oder Dadurch,
dag man fie in große, flache Bortihe (Kühlichifte)
bringt, u. führt fie dann in die am beften aus
Holz conftruirten Gährungsbottiche, die eineu durch—
ihnutlihen Inhalt von 3000 1 baben. Dur
Zuſatz der erforderlihen Menge Hefe (das Stellen
der Maiſche) wird nun die Gährung eingeleitet,
nach deren Beendigung (3—4 Tage) die wein-
gare oder reife Mariche jofort gebrammt wird. In
neuerer Zeit bat man verfucht, die Anwendung
von Malz ganz zu umgeben u. unter Abänder-
ung des Maiihverfahrens die Berwandelung der
Stärke in Zuder durch gewiſſe Beftanbtbeile des
Schrotes jelbit zu bemirten. Die Herftellung der
Maiſche ans Kartoffeln bedingt ein etwas anderes
Verfahren, da diejelben jhon 72 pCt. Wafler ent»
halten, Die Kartoffeln werden zunächſt in Trem-
meln gewajchen, in großen hölzernen Kübeln mit-
tel8 Dampfes gekocht u. jofert zwiſchen hölzernen
oder eilernen Walzen möglichft fein zerqueticht.
In neueſter Zeit bat man das Kochen der Kar»
toffeln in gefchloffenen Keffeln mit geipannien
Waſſerdämpfen (14—1$ Atmoiphären) vorgenom-
men, Ste werden dadurd fo vollftändig erweicht,
production ermöglicht wird. Das B. wurde früher daß ein Quetſchen derielben nicht nöthig if. Dem
nur im Kleinen betrieben; ſeitdem aber der alfo= | heißen Brei jet man nun in den Matjchbottichen
holreihere Spiritus (mit 60— 80 pCt. Allohol) Gerſtengrünmalz (5 Theile auf 100 Theile Kar-
in den Gewerben eine mannigjahe Berwendung toffeln) u., wenn nöthig, jo viel heißes Waſſer zu,
finder, ift das B. mehr u. mehr dur die Maſſen- daß im Ganzen auf 1 Theil Trodenfubllanz 4
fabrifation verdrängt worden, bei melcher unter) Theile Waſſer vorhanden find, u. überläät das
Anwendung der neueren, zwedmäßiger conftrutr- Gemiſch bei einer Temperatur von 40—50° einige
ten Brenmapparate fofort Die au Alkohol reicheren Stunden fih ſelbſt. Iſt die VBerzuderung beendet
Flüſſigleiten (Spiritus, Sprit, Weingeift) gewon- ſo wird die Maifche möglichft raſch gekühlt ı1. Durch
nen werden. In Deutjchland beugt man als Zufag von Hefe in Gahrung verfegt. Bei nor»
Rohmaterialien zum B. hauptſächlich Getreide u. malem Berlaufe derfelben ift die Maiſche in 23
Kartoffeln. Das B. zerfällt im 3 verſchiedene bis 3 Tagen zur Deftillation reif. Das Leplay-
‚ Operationen: 1) die Herftellung einer zuderhaltis ſche Verfahren, nach welchem die Überführung der
gen Flüffigfeit (Maiſche), 2) die Gährung derſel- Stärke in Zuder durch Kochen der roh geriebenen
ben, wodurd der Zuder in Weingeift übergeht, | Kartoffeln mit verdünnter Schwefelſäure erfolgt,
3) die Abſcheidung des Weingeiftes durch Deſtil- hat ſich in der Praris als wenig vortheilbaft be-
lation, das eigentlihe Brennen. Zur Herftellung währt. Die mweingare Maiſche befteht aus nicht-
von Maiſche aus Getreide benutzt man im der flüchtigen Körpern Hülfen, Faſern, Hefe ıc.) u.
Regel zwei. Getreidearten (Roggen, Weizen, aus flüchtigen (Waſſer, Alkohol, Fuſelöle), die
Gerfte), die erfahrungsmäßig eine größere Aus- durch Deitillation von den erfteren getrennt wer⸗
beute geben, als eine. Die Überführung des in den. Der Deftilfirapparat befteht in feiner ein-
den Getreibelörnern enthaltenen Stärtemehls in fachften Form aus der Deftillirblafe (f. d.) mit
Zucker (das Berzudern) bewirkt man durch Öerften- dem Helme und aus der Kühlvorrichtung, einem
malz, welches genau wie bei der Bierbrauerei (j.d.) ſchraubenförmig gewundenen Rohre aus Zinn od.
dargeftellt wird. Auf 2 Theile ungemalztes Ges Kupfer, welches fi in einem mit falten Waſſer
treide ninmt man gewöhnlich 1 Theil gemalztes. gefüllten Faſſe befindet und aus deſſen unteren
Beide werden zunächſt auf Schrotmühlen möglichft | Ende das Deitilfationsproduct (Lutter, Läuter, Lauer)
fein gefchrotet, mit einander gemischt u. dann mit abläuft. Der Lutter enthält nur 15—20 püt.
etwas Waſſer von etwa 40% zu einem möglichſt Alkohol u. muß zur Erhöhung feines Altöholge-
Branntweinmonopol — PBranntweinftener.
baltes aus einem äbnlichen Apparat wiederholt!
Das bei:
deſtillirt (reetificirt, gemeint) werden.
der Nectification des Lutters zuerft übergebende
Deitillat, welches jehr alkoholreich ift, heißt der
Borlauf, das zufetst übergehende Nachlauf. Bei
den neueren Brennapparaten (von Piftorius, Gall,
Siemens u. N.) umgeht man diefe wiederholten
Deftillationen dadurd, dag man Die aus ber
Brennblaje tommenden Dämpfe, bevor fie in den
Kühlapparat eintreten, duch Verbichtung eines
Theils der Waſſerdämpfe alkoholreicher mad.
Zu dieſem Behufe ſchaltet man zwiſchen die durch
Dampf geheizte Blaſe u. den Kühlapparat zunächſt
einen beſonderen Apparat (Rectificator) ein, in
welchem ſich anfangs das aus der Blaſe foms»
mende Dampfgemiich verdichtet (Lutter), ſpäter
aber, wenn die Temperatur hoch genug geftiegen
iſt, eine neue Deftillation beginnt, die jchon alfo-
holreihere Dämpfe liefert. Diejelben treten nun
in den Depblegmator, wo fie durch wiederholte
Berührung mit falten Metallflächen jo weit abge
fühlt werden, daß der größere Theil der Waſſer—
dämpfe u. wenig Allohol fich verdichtet und in
die Blafe zurüdläuft, während die altoholreichen
Dämpfe nun erft im der Kühffchlange verdichtet
werden. Dergleihen Apparate liejewn je nad)
ihrer Leitung Vroducte von jeder beliebigen Con—
centration mit 80, ja jelbit 90 pCt. Alloholgehalt;
ihre ausfithrliche Veichreibung f. u. Spiritusbren«
nerei. Auf ähnliche Weile werden auch andere
tärfemeblhaltige Subitanzen auf Branntwein ver-
arbeitet, wie Zopinambur (Erdbirnen), Mais u.
Reis. Bei Verarbeitung zuderhaltiger Materia-
lien fällt wmatürlich der Proceß des Einmaiſchens
fort. So hat man in neuerer Zeit in Frankreich,
jpäter auch im Deutichland die Zuderrüben zum
B. verwendet. Man benutt entweder den durch
Preſſen der Nüben gewonnenen Saft, ‚oder den
wäſſerigen Auszug von Rübenſchnitzeln u. verjegt
791
nah dem angewandten Maiſch- u. Gährungsper-
fabren verſchieden: durchſchnittlich rechnet man
209 kg Kartoffelſchlempe gleih 50 kg Heu. Der
flüſſige Theil der Schlempe (das Spiticht) wird
wegen feiner fauren Beſchaffenheit wol auch zum
Scheuern von Metall benutzt. Der fertige Brannt-
wein wird auf möglichit große Fäſſer abgezogen
u. in fühlen Näumen aufbewahrt. Da durch die
Poren des Holzes fortwährend Waffer u, Wein«
geift verdunſten, jo müſſen die Fäſſer von Zeit
zu Zeit aufgefüllt werden. Bei langem Lagern
geht jedenfalls eine Zerſetzung des Fuſelöls ‚vor
fih, wodurch der Geihmad des Branntweins
verbeffert wird; hierin liegt der Vorzug des alten
Branntweins, wie er namentlich von Nordhauſen
u. aus dem Miinfterlande in den Handel kommt.
Bl. Guß, Praktiſche Unterweiſung im Breunerei—
betriebe, Berl. 1875; Körte, Branntweinbrennerei,
2. Aufl., Brest! 18705 Kreplin, Fortichritte der
Branntweinbrennerei, Lpz. 1868; Wehmers, Sri«
ritusbrennereibetrieb, Aſchersl. 1869; Gumbinner,
Wegweiſer zur Spiritusfabrikation, 2. Aufl., Ypz.
1872; Hamilton, Brennerei-Erfahrungen; 5. Auft.,
7p3. 1873; Schwarzwäller, Lehrbuch der Spirits»
fabrifation, 4. Aufl, Hann. 1874. Six.
Branntweinmonopol ift das der Hegierung
oder einzelnen dazu privilegirten Perionen zulom⸗
mende Recht der ausſchließlichen Branntweinerzeug«
ung im Ztaate oder in einem beftinmnten Bezirke,
Das B. beftand bis 1862 in Rußland, wo dass
jelbe an Generalpächter verpachtet u. der Brannt-
weinverfauf nur in beftimmten, der Krone achö-
rigen Schenken geftattet war, die Banern aber
auch 3. B. unter Kaifer Nikolaus gegemüber den
Beitrebungen der Mäßigleitsvereine, gegen welche
Verbote ergingen, mit Gewaltanmendung zum
Branntweintrinken gezwungen wurden. In Schwe—
den war die Branntweinbrennerei bis 1857 Prie
vilegium der herrſchaftlichen Grumdeigenthümer,
denjelben durch Hefe fofort in Gährung. Nach Heute it das B. in Europa mol tiberall aufge
dem Berfahren von Leplay werden ‚bie Rüben: |hoben; fiir das Deutfche Reich geichab es durch
ihnigel felbit in Gährung veriegt u. in befonde- 5 7 der Gem.-Drdn, vom 21. Juni 1869.
ven Apparaten ber entitandene Alkohol duch) Branntweiniteuer, die von der Branntwein«
Waſſerdämpfe abgetrieben. Weingeijtbaltige Flüſ—
figteiten (Bein, Bier, Objtwein) werden ohne
jede weitere Vorbereitung in Apparaten, die ähn-
li, wie oben angegeben, conftruirt find, gebrannt.
Die bei der Gährung des Zuders, namentlich in
concentrirteren Löſungen u. bei höherer Tempe—
ratur fich bildenden Fuſelöle (Getreidefujelöl, Kar-
toffelfujelöl, Nübenfwielöt) find alle weniger flüch—
tig, als Weingeift u. Waſſer, u. zeigten ſich des—
halb bei den - älteren einfachen Brennapparaten
erft gegen Ende der Operation, während fie bei
den neneren großentheild in den Mectificatoren u,
Dephlegmatoren zurjidbleiben. Die vollitindige
Entfernung derjelben (Entfufeln des Branutmeins)
gericht durch Knochenlohle. Man leitet Die
ämpfe vor ihrer Verdichtung durch Cylinder,
die geobgepulverte Koble enthalten Fallmaunſcher
Apparat), oder man filtrirt Dem fertigen Brannt-|1862 beſteht fie auch im
erzeugung durch die Regierung eingehobene Ab-
gabe. Die B. gehört mit zu den für die enro-
paiſchen Staaten wichtigſten, fogen. indirecten
Steuern; fie beiteht fait überall u. fiefert in den
Rordftaaten, insbefondere in Großbritannien u.
Aland, Rußland, Schweden, Norddeutſchland, u.
in Oefterreih das größte Erträgniß miter den ber
jtehenden Getränteftenern. Die B. wird entweder
von den zur Branntweinbreimerei beſtimmten
Rohftoffen, der Maiiche (daher auch Maiichftener),
nad dem Bottichraume, in welchem dieſelben den
Gährungsproceß durchzumachen baben, erhoben
(Matihraumftener), oder es mird die Steuer von
der Menge des erzeugten Deftillats ſelbſt u. nach
feinem Alloholgehalte berechnet (Spiritusitener).
Letztere Methode ift zuerft in England, fpäter in
Frankreich u. Holland üblich geworden; feit 1. Nov.
Dfterreih. Die Haupt
wein in bejonderen Filtrirapparaten Durch Knochen⸗ hope für dieſe ohne Zweifel befte Art der Steuer-
lohle. Der in der Blaje bleibende Rückſtand (die |
einhebung bleibt aber die Herſtellung entfprechen-
Schlempe) enthält namentlich die jtiditoffreichen; der Meßapparate, melde in vollfommener Weile
Beftandtheile des angewandten Diaterial® u. dient biß jetst noch nicht gelungen ift. In Preußen wird
als Viehfutter; fein Futterwerth iſt natürlich jeider Branntwein nad dem Geſetze vom 8. Febr,
792
1819 auf Grund des allgemeinen Steuerfages von
1 9. Ör. 3 Pf. von 4 Quart Blajeninhalt u. in
Branntweinwage — Brant.
bier fcholaftiiche Philoſophie, wurde 1477 Bacca-
laureus, ging dann zur juriftiichen Facultät über,
fteigenden Sägen von 4 zu 4 Quart Blafeninhalt/wurde 1484 Yicentiat des Kanoniſchen echtes,
bejieuert. Es fünnen aber auch Brenmereibefiger
zu einem erhöhten oder geringeren Blajenzins ver
pflichtet jein, fowie die Steuer auch durch einen Ber:
trag mit der Steuerverwaltung firirt werden kann.
Nach den für die neuen Provinzen u. die anderen
zum Norddeutſchen Bunde gehörigen Gebietsthei-
len erlafjenen Gejegen beträgt Die Steuer von dem
um Inlande erzeugten Brauntwein fir das preuß.
Duart zu 50 p&t. Wlfoholftärte nach dem Allo-
holometer von Tralles Sgr., u. wird fie er-
boben: a) bei der Bereitung des Branntweins aus
Getreide oder anderen mehligen Stofien nach dem
Rauminhalte der zur Einmaiſchung oder Gäbrung
der Maiſche bemutten Gefäße (Maiſchbottichſteuer);
b) bei der Bereitung des Branntweins aus nict-
mehligen Stoffen nah der Menge der dazu zu
verwendenden Materialien (Brauntweinmaterial-
fteuer). Dies iſt in fo fern von Einfluß auf den
Fruchtbau, als die ſtärkemehlreichſten Stoffe, alſo
Getreide und Kartofieln, Die wichtigiten Nabe»
ungsmittel, zur Braumtmweinerzeugung verwendet
werden und deren Anbau befonders rentabel ift.
Die B. ift überall im Verhältniſſe zu den an«
deren indivecten Steuerarten jehr hoch bemeſſen,
in Großbritannien am höchſten, u, zwar mit 8 Sh.
per Galloue od. 25 Sgr. 5} Pf. pr. preuß. Quart.
In Frankreich berechnet ſich die Steuer auf 9 Sgr.
2Pf. u. in Holland auf 4 Sgr. 44 Pf. pr. preuß.
Quart. Um die kleinen mit dem Yanbwirtbichafts-
betriebe verbundenen Brennereien vor der Concur—
renz der fjabrifmäßig betriebenen großen Bremer
reien etwas zu ichiigen, bejtebt in Preußen, Sachſen
u. Thüringen für ſolche, weiche nur vom Nov. bis
womit die Befugniß zu lehren u. zu advociren
verbunden war, promapirte 1489 ald Doctor
beider Rechte u. zog 1500 nah Straßburg. Sein
Wirken in diefen beiden Städten fiel in die Blüthe⸗
jet des deutichen Humanismus, deſſen bervor-
rageudfte Korppbäen, wie Agricola, Wimpheling,
Tritheim, Reucdlin, Weflel u. A., zugleich mit B.
in Bajel waren. Der Kampf zwiichen dem beiden
Iiholaftiihen Parteien der Nominaliiten u. Reali«
ften jah den übrigens gauz orthodor u. päpjtlich
gefinnten B. anf der letteren Seite. Im Streite
zwiichen Reuchlin u. den Kölner Obſcuranten
(1513 ff.) vermieden B. u. die Seinigen jede
Außerumg. Bei dem Auftreten Yuthers gegen Die
römifche Hierarchie blieben fie neutral. Aber aus
dem Bajel-Straßburger Kreiſe ging ein Geſchlecht
hervor, das für den neuen Geift der Geſchichte
eintrat. B⸗s Andenken fmüpft ſich heute fat mar
noch an fein Narrenichiff; er war aber fruchtbar
an lateiniichen wie an deutichen Gedichten u.
fuchte durch fie für Religiofität u; praftiiche Le⸗
beusweisheit, auch für die Verbreitung feiner po-
litiſchen Ideen zu wirfen; er that es auf illu»
itrirten fliegenden Blättern. In vielen von bie»
ſen Gedichten drüdte er fein Verlangen nad
Wiederherſtellung der chriftlihen Weltherrichaft
unter Kaifer u, Reich durch den römiſchen König
u. nachherigen Kaifer Marimilian L aus; er
geißelte die inneren Schäden des Reiches, die
Zwietracht unter den Ständen, ihren Ungehorſam
gegen das Neihsoberhaupt, die dadurch herbei»
gerührte Bloßftellung gegen die Türken, die Bünd«
niſſe mit dem Auslande, Die Kraft diefer Ge—
Mitte Mar u. pr. Tag nicht mehr als 1100 Kannen dichte erlahınte aber an der kirchlich- politischen
brennen, die ermäßigte Steuer von 23 Sgr. für 20
Quart Maiihraum. In Oſterreich wird feit 1868
die B. bei allen Brennereien, welche zur Bergäbrung
der Maifche beſtimmte Gefäße von mindeitens 30
Eimer Rauminhalt verwenden, von der Quantität
der Erzeugumg mit 5 &r. für jeden Grad Allkohol
erhoben. “ine Beiteuerung ‚de Branutweins,
durch weldye derſelbe jo jehr vertbeuert wiirde,
Kurzfichtigfeit B-8 u. feiner „zreunde. Nachdem
B. jih durch Berbeurihung lateinifher Dichtun-
‚gen für die nationale Dichterſprache geichult hatte,
‚begann er die Ausarbeitung feines Narrenſchiffes.
Die erſte, höchſt elegante, mit Holzſchnitten ver-
ichene Ausgabe, von der fi ein trefflich erbalte-
nes Eremplar in der Königlichen Bibliothel zu
Berlin befindet, veranftaltete B-8 Freund Jobann
daß fein Preis für die ärmeren Vollsklaſſen un- Bergmann von Olpe in Baſel 1494. Das Bud
erihmwinglih wäre, jcheint durch den bejtchenden wurde mit ſtürmiſchem Beifall aufgenommen u.
Mißbrauch moraliſch geboten zu fein, und diejejverbreitere fi mir wunderbarer Schnelligkeit im
Anſchauung wird zur Veriheidigung der beftehen:
den hohen B. auch vielfady gebraudt. Allem that-
jählih läßt ſich troß der hoben u. ſteigenden Be—
fteuerung nirgends eine Abnahme des Brannt-
weingenuffes, wegen der gleichzeitigen Preisſtei—
gerung auch aller anderen Arten geiftiger Ge»
tränte, wahrnehmen. Eine derart hohe B., welche die
“bnahme der Brennereien zur Folge hätte, wäre
aber auch voltswirtbichaftlich nicht zu vechtiertigen,
Bgl. Engel, Die B., Dresd. 1853; Salviati, Zur
Fabrikfteuerfrage in Betreff der Spiritus u, Rü—
benzuderfabritation, Berl. 1860; Janle, Die divecte
Beiteuerung des Spiritus, Berl. 1864.
Branntweinwage, jo v. w. Altoholometer;
f. u. Altoholometrie.
Brant( Brandt), Sebaftian,beutfcherGelebrter
u. Dichter, geb. 1458 in Straßburg, Sohn ariner
Eltern; bezog 1475 die Univerſität Bajel, jiudirte
Deutſchland u. anderwärts. Tritheim nannte es
eine göttliche Satire; Winpbeling wollte es in
den Schulen einführen; Locher u. feine Freunde
erflärten es für den Anfang der deutichen Boefie
u, ftellten feinen Berfaffer mit Dante zulammen;
Hutten urtheilte ähnlich. B. jchildert hier in einer
oberflählihen ſymboliſchen Einfleidung die plane
Iofe Fahrt der Menſchen u, ihren emigen Unter-
gang. Mit der dem Geſchmacke des Zeitalters
entiprechenden Auffaflung der menfchlichen Fehler
als Narrheiten vereinigt er den fittlihen, bis
zur Aſkeſe gefteigerten Ingrimm über diefe ge»
meine Berfehrung Des menkälichen Weſens. Sein
chriſtlicher Standpunkt hindert ibn nicht, in zahl»
reihen Beiipielen auf die fittlihe Weisheit der
Griechen binzudeuten. Der Kern jeiner Lehre
zielt auf Gelbjterfenntnig, den Mittelpunkt der
jalten Erhif. (Bgl. Gervinus, Geſchichte der deut-
Brantome — Brafilien (Geogr. u. Statiftif).
793
ſchen Dichtung, 5. Aufl. IL, 619 ff). B⸗s lite- anmuthig u. lebhaft plandernder Schriftfteller, ein
rariiche Thätigleit ſchloß im Wejentlihen mit ſei- ſcharffinniger Beobachter, aber ohne Tiefe in ber
ner lberfiedelung nach Straßburg.
er auf bie eg Geilerd von Kaifersberg
das Syndicat u. die Abvocatur von Straßburg,
1503 das Amt eines Stadtichreibers. Um das
ftäbtifche Archiv erwarb er ſich große Berbienfte.
Marimilian ernannte ihn zum Kaiſerl. Rath u.
beſchied ihn als foldhen wiederholt an fein Hof-
lager. Der Rath betraute ihn mehrmals mit
Sendungen in wichtigen ftädtiichen Angelegenbei-
ten. B. ft. 10. Mai 1521 in Straßburg. Seine
Schriften find am vollftändigften verzeichnet in
A. W. Strobels Beiträgen zur deutſchen Literatur,
Bar. u. Straßb. 1827, ©. 17 ff.; Ausgabe des
Narrenihiffes non Demjelben mit Biographie,
Quedlinb. u. Lpz. 1839; Fr. Zarnde, Sebaftian
B⸗s Narrenſchiff, Lpz. 1854; Einleitung, das
Narrenschiff, Text nebft den Barianten u. dem
Anhängen (lateiniſche u. deutiche Gedichte B⸗s,
Proben von feinem projaifhen Stil, Proben aus
den verſchiedenen Überjegungen des Narrenſchiffes,
aus %. Geiler von Kaifersbergs Predigten fiber das
Narrenſchiff); Commentar, AusgabedesNarvenichif-
fe3, von 8. Gödede, in den deutſchen Dichtern des
17. Jahrh., mit Einfeitungen u. Wortertlärungen,
berausg. von 8. Göbede u. J. Tittmann, Bd. 7,
vpz. 1872; neuhochdeutſche Überfegung, mit B⸗s
Bıldniß u. den Nahbildungen der Holzfchnitte u.
Randleiften, von 8. Simrod, Berl. 1872. Bal,
Zarnde, Vorgeſchichte des Narrenſchiffs, %pz.
1868— 71, 2 Hefte.
Brantöme (Branthome), Stadt im Arr. Peri-
ueur des franzöfiihen Depart. Dorbogne, an der
röme; Statiof der Orleans + Eifenb.; prächtige
Stiftsfirche; guter Rothwein; Wollenzeugweberet;
Handel mit vorzügliden Zrüffeln; 2591 Ew.;
dabei Steinbrüde.
Brantöme, Pierrede Bourdeilles, Seig-
neur de, nad einer ihm von König Heinrich IL
ertheilten gleichnamigen Abtei, franz. Sihriftfteller,
ge: um 1540 in Berigord; war Kammerherr der
önige Karl IX. u. Heinrich III., begleitete Franz
von Yotbringen nah Italien, Schottland u, Eng-
land, zog 1662 mit gegen die Hugenotten, wohnte
1564 dem Angriffe auf Belis in der Berberei
bei, vertheidigte 1566 Malta gegen die Türken,
1567 u. 1568 Peronne gegen die ——
nahm an der Belagerung von Röchelle theil,
fehrte um 1574 on den
nad dem Tode Heinrichs III. auf fein Gut zurüd,
wo er 15. Juli 1614 ftarb. Die bejten Ausgaben
feiner 1666 zu Leyden zuerft veröffentlichten
Oeuvres find erjchienen: Haag 1740, 15 Bde., Par.
1787, 8 Bbe., 1823 (von Monmerque, 8 Bde., die
befte), 1858—59 (von Lacour), 1865—71 (von
2alanne). Sie enthalten: Mömoires de Pierre de
Bourdeilles, deutjch von Alvensleben, Grimme;
Vies des hommes illustres et grands capitaines
ötrangers, 1851; Vies des hommes illust. et
grands capit. frang.; Vies des Dames illustres,
Vies des Dames galantes, Rodomontades espag-
noles u, f. w., worin auch einige Abhandlungen
jeines älteren Bruder Andre de Bourdeilles,
eines Diplomaten unter Heinrich II. u. Karl IX.,
enthalten find. B. ift ein naiver, geiftreicher,
1501 erhielt | Beurteilung der Ereigniffe und Charaktere und
ohne fittlihen Gehalt. Seine Werke find eine
Hanptquelle fiir die Geſchichte des 16. Jahrh., da
er an faft allen damaligen Kriegen theilnahm und
faft allebedentenden Berlönlichkeiten fannte, Boldert.*
Braouezec, 3. E., franz. Reijender, geb.
28. Oct. 1828 zu Morlair in der Bretagne;
diente erft im der franz. Marine, erforichte als
Schiffscommandant die Gegenden am Gabım u.
Senegal in Afrifa, war feit 1863 franz. Conful
in Sierra Leone, wo er fi aber durch feine
Forſchungen eine Mimatishe Krankheit zuzog, an
welder er 3, April 1870 in Frankreich ftarb,
Seine Schriften find im Bulletin der Parifer
Geogr. Gejellih. a. in der Revue maritime et
coloniale enthalten.
Brasdii, Giovanni Angelo, eigentficher
Name des Papftes Pius VI.
Brafidas, einer der tüchtigften Spartaner, .
melde die Geſchichte kennt, Sohn des Tellis; ge
hört mit feinen Thaten dem erften Drittel des
Peloponnefifhen Krieges an. Geine raiche Ent»
fchloffenheit rettete i. {}. 431 das meſſeniſche Me-
thone vor einem Angriffe der Athener. Seitdem
durch manche neue Probe feiner Kühnheit und
Tapferkeit beriifmt geworben, entwarf er bem
Plan, zur Zeit als Sparta durch die Niederlage
von Pylos u. Sphafteria tief gedemiltbigt war,
Athens Macht zu erichüttern, indem man jeine
Symmachie zertrümmere. Mit nur 1700 Hopli«
ten 30g er i. J. 424 in Ellmärſchen nad Male⸗
donien, wo er binnen kurzer Zeit eine Menge bel«
leniſche Seeftädte, vor Allem das hochwichtige
Amphipolis, durch feine Gewandheit u. Energie
zum Abfall von Athen bradte. Es war ein
ſchwerer Berluft für Sparta, daß er ſchon im
%. 422 in einem Treffen bei Amphipolis fiel,
©. Beloponnefiiher Krieg. Amphipolis ehrte ihn
als Heroen, u. ihm wurden dort u. in Sparta
die Brasideia gefeiert. Hergburg.,
Braiilian, jo v. w. Edler Topas.
Brafilianer - Hühner, aus Brafilien nad
Deutfchland importirte Hühner. Ihr Kopf iſt
lang u. flach, mit Meinem, niedrigem u. flachen
Kamme, die Gurgel unbefiedert; fie haben einen
ven Schnabel, gelbe, fahle u. hohe Füße; der
chwanz iſt ziemlich kurz, Flügel ſehr kräftig,
of zurüd u. zog ſich Geſicht fahl u. faltig; ihr Ausdrud ift wild und
fampfluftig; fie legen fleißig, aber nicht fehr große,
gelblihe Eier u. brüten ſehr gut. Sie ziehen
fih, namentlich wenn fie micht im Freien ſich bes
wegen können, gern gegenfeitig die Federn aus;
man thut deshalb gut, fie auf einem freien Gras»
plage fi bewegen zu laſſen, oder ihnen reichlich
Salat u. anderes Grünfutter zu geben.
Brafilianifche Piteratur, j. u. Portugiefi-
ſche Piteratur.
Brafilianifcdyer Thee, j. Stachytarpha.
Braſilien, Kaiferreih in SAmerita (Hierzu
eine Karte). Geographie u. Statiftil. Das
Land (44 von Europa) reicht, objchon die Grenzen
noch nicht überall feftgeftellt find, von 4° 17' n. Br.
bis 33° füdl. Br. u. vom 16% 50° bis 54% 19°
weſtl. Länge (von. Ferro) u, grenzt im NW. an
794 Brafilien (Geogr. u. Statiftik).
Columbia, im N. an Benezuela, Britiih-, Hol-!B-8 (2700 od. 3140 m), nad San Paulo hinein,
ländiſch⸗ und Franzöſiſch-Guiana, im DO. und S. | während im N. bis nah Bahia fi) erftredende
an den Atlantiichen Ocean, im SW. an Uruguay, | Bergfetten, Serra de Chapada u. als öftlichfier
die Argentiniſche Conföderation u. Paraguah, im Zweig Serra de Sincorä fih anichließen. Weit
W. an Bolivia, Peru u. Ecuador. Flächenraum lich von diefem erfüllen zahlreiche Gebirgszüge die
u. Bevölferung vertheilen fib auf die zwanzig Provinzen Goyaz u. Matto Grofjo, jo die Serra
Provinzen des Kaiferreiches folgendermaßen: Geral in Maranhio nah S. unter zahlreichen
— — — — — nn Namen in vielfachen Krümmungen ftreihend und
Provinzen. | km. | IM. Yeoelterung [unter 20/,° |. Br. an die Serra dos Bertentes
— — — —aanſcchließend, die Waſſerſcheide zwifhen S. yran-
1901,07 86,439) cisco u. Parana. Sie ah jandigen Hügel»
1,068,237 19,400 350,000 2 : —
lande der Campos dos Parecis, welches aus pa—
Alto-Amazonas
ug |
Sräo Para
i ã 366,862 ;62 500 - 4 A =
— | J— * en vallelen Rüden lofen Sandes beſteht. Auf dieſes
Gearä | 130174 2864 550.000 Gebirgsdreied folgt im NO. iu ben Provinzen
NiograndedoNorte 52,134 M7 240.000| Bahia. Pernambuco u. meiter nördl. ein Hügel»
Parabyba | 526981 957) 300,00ojland vom ehe verkhiedenem Gharaler, iheiB
Bernambuco | 119.800| 2,175 1,2 20.000 fruchtbare Höhenzüge, theils vegetationslofe Wüfte,
Alagoas 30.159] 547 300.000 allmählich im die große Ebene des Amazonen»-
Sergipe 31177 566! 320.000 ſtromes u. ‚jener Nebenflüſſe abſallend, welche den
Babıa 630.416 9.632 1.450.000 nördl, Theil Bes bilden. Im SW, ſchließt ſich
Eſpirito Santo 44,105 80 1! 100.000 dus Hügelland des unteren Parana, im S. bie
Nio de Yarerro 47,888 870! 1,850,000 Ebene des Barana, die im die benachbarten Staa-
São Paulo 234.491 4,2581 900,00ojten weiter fich erfiredt, an. Die Thäler zwiſchen
Barand 281.151) 5.106 120.000 den Bergen erzeugen nur Sträuder u. niebrige
Santa Catarina | 49.012 890| 200.000 Bäume, die Ziejebenen deckt Urwald, u. die Höhen⸗
Rio grande do Sul 286,130 5,184, 580,000|"üden beitehen zum Theil in Grasſlachen wogegen
Minas Gerats 615.053! 11.1701 1,660.000 dichter Wald die Flüſſe umfäumt, In den flachen
Sonaz 682.108 12 —* 250.000 Gegeuden erſcheint das Fettgras u. verzehrt die
Matto Groſſo 1,731.740 81,450. 100,000 übrige Vegetation. Der Bauer düngt u. pflügt
daher nicht, joudern brennt Wald. nieder, macht 2
Ernten u. läßt wieder Bäume wachſen, un fie nach
7 Jahren abzubrennen u. neue Ernten zu haben.
Dieje Geftrüppvegetation beißt Capotiras. Iſt der
Boden erichöpft, fo ericheint Farnkraut u, dann
das Alles ertödtende Hlebrige Gkas Capim gor-
dura (Tristegis glutinosa) oder Feittraut, und
ſ. Br; 35 km; unbewohnt, Die Bildung einer nun ift Anbau unmöglich. Man muß neuen Wald
neuen Provinz San Francisco aus Theilen von roden. Waldgegenden beißen, Matos, offene umd
Babia u. Minas Gerads ift projectirt, die Gren- |unbemwaldete Stribe Campos, mit Schluchten u.
zen aber noch nicht genau bejtimmt, jeuchten Niederungen Brejvs. Unträftigen Pflan—
B., bis zum Anfang diefes Jahrh. total abge- zenwuchs findet man in den Catingas, dichtes
ſchloſſen u. auch jetzt noch bis über die Hälfte uner- | Seftrüpp erzeugt Zwergwälder (Canıascos oder
forſcht, zerfällt feiner Bodenbejhaffenheit nad) | Carrasqueinvs), u. Urwaldinjelu der Ziefebenen
in ein Gebirgs- u. Hügelland im Innern u. SO., heißen Capo&s. (Bgl. Amerika, ©. 549.)
in die großen ebenen Flächen am Amazonas u. Die geologiihe Beſchaffeuheit B-5 muß
Madeira im NW, u, die Niederungen am Parana| mit derjenigen der anftogenden Theile SAmeritas
im SW. Die Kilftenlänge beträgt an 4000 km;|betrachtet werden. Granit, Gneis, Glimmer« u.
in.42, aber nicht durchweg guten Häfen eröffnet | Horublendeihiefer ftreihen 350 km breit von der
fih der Zugang vom Meere, wovon die bedeu-|Ya- Plata-Mündung bis über Bahia hinaus, da«
tendften die von Alegre, Rio de Janeiro, Bahia, gegen berriht in Goyaz und Para Gneis vor.
Recife in Pernambuco find, Bon den 20 Provinzen) Stredenmweije ericheinen jene Gebilde auf der OSeite
berühren nur 4 das Meer nicht: Alto-Amazonas, der Anden, auf der WSeite vom Cap Horn bis
Matto Groſſo, Govaz und Minas Geraës; die 16| Panama, Thonichiefer, vermengt mit Talkichiefer u.
übrigen liegen an dey Küfte des Atlant, Oceaus. Itabirit als feinlörnjger Eiſenglimmerſchiefer er
Das Hochland B⸗s wird durch die Wafjeradern ſcheint in Maffe in der Serra dos Vertented u.
des Dladeira u. des Paraguay vom Gebirgsigftem bei Cayıba m. füllt in 6—10 m mächtigen gold-
der Gordilleren geichieden.. Au feinem DNande führenden Schichten die Serra do Ejpinhago der
erhebt ſich das Finengebirg Serra do Mar, das Prov. Diinas Geraes. Ausgedehnte Gebirge Diefer
von der Provinz 5. Catarina au nah N. nicht | Serra u, der dos Bertente® von ©. Joao bel
weit dom Geftade dieſem parallel gebt, die Prov. Rey bis Billa da Rainha bildet der diamanten-
Rio füllt u. bis zum Parahyba reiht. Ihm pas führende Ftalolumit, ein Lörnigichieferiges Geftein
ralfel, vielfach verbunden, in einer Entfernung von /aus Quarz u. Talk od. Chlorit. Graumade ift
300— 8360 km dehnt ih das Riidgratgebirg (Serra |vft gemengt oder unterlagert von Thonjciefer,
do Ejpinhago) aus. Es durchſtreicht von N. nad) enthält Übergangskall und rothen Saubjtein im
S. Minas Gerats, reiht als Serra do Manti- ganzen Franciscothal u. bildet Höhlen mit Säuge
queira mit dem Ftatiatoffu, dem böchften Berge jthier-Uberreften. Im W. u. N. B⸗s hat ber
Dazu Indianer | 500,000
Summe |8,515,848/155,048|11,780,000
Dazu fommen noch zwei Inſeln im Allantiſchen
Ocean: 1) Fernando do Noronba, zur Brop. Rio
Grande gerechnet; 74 [_ km, mit einer Strafcolo«
nie von 1530 Seelen. 2) Trimidade, unter 20°
nr nn — — — — — — — ——
Brafilien (Geogr. u. Statiftif). 795
rothe Sandſtein weite Verbreitung, ericheint audh in den Provinzen Säo Paulo, Goyaz u. Matto
Quaderſandſtein. Er bildet die Bergzüge vom Cap —5— ohne ſich jedoch zu vermehren, da die Ber-
Roque bis zum Madeira, die Miüfte von B, und bindung der Kite mit den Golbdiftricten jehr
die jandigen Campos dos Parecis u. wird vom ſchwierig ift. Der jährliche Gewinn wird jet auf
Urgebirgsivftem am oberen Araguay in eine öftl. 90,000 Karat geſchätzt, u. 20 p&t. deſſelben fallen
u. wejtl, Platte geſchieden. Der Tapanhoalanga an ben Staat, das übrige geht meiſt über Meer.
lagert 2—3 m mächtig auf Hängen u. Bergriden Nächftvem werden Platina, Eifenerze, Kochſalz,
bei Congenbas do Campo, bei Bıllarica sc, Bul-/Stein- u. Braunfohlen u. j. w. gewonnen. Cine
caniſche Gebilde find auf der OSeite der Anden]
jelten (Rio grande do Sul). Tertiärgebifde füllen die
ungebeuren Streden zwiihen den Anden ı. den
reiche Thierwelt durchftreift Die weiten Flächen des
menjchenarmen Yandes; zahlreihe Bertreter des
Katzengeſchlechtes, Affen in zahlreichen Arten, Sta-
Gebirgen OB⸗s von der Diagelhaensitrage den La chelſchweine, biutjangende Fledermäuſe u. a.; an
Plata u. Amazonas entlang bis zu den Mlanos von Vögeln die zahllofe Maffe von Papageien u. Ko»
Venezuela u. enthalten Braunkohlen, Schotter, |libris, die Heerden der Emun. ſ. w. Amphibien
Sand u. Pampasiehm. Letzterer gehört ſchon find vertreten durch Schlangen der verichiedenften
zum Diluvium, melches alle Gebirge als Tanga Arten, Boa, Klapperſchlange, Allıgatoren u. Schild-
bededt u. zu dem vielleicht der Tapanhoafanga kröten; ein erft neuerdings mehr erforfchter Neich-
gehört. Alluvium, al$ Cascalho diamantführen- thum an Fiſchen erjült die. Ströme. Befonders
des Gebild, überdedt die Serra do Frio u. do groß ift auch der Reichthum am Inſecten, nüglichen
Grao Mayor u. die Sertao des S. Francisco, ſowol, wie Bienen, Seidenraupen, als aud) ver-
B. gehört zu den an Strömen reichften Yändern
der Erde. Der unermeßliche Wafferreihtium u.
die durch das ganze Land ziehenden Verzweig—
ungen der Stromfyfieme find, wie einerſeits ein
Grund der üppigften Vegetation, anderjeits ber
befte Weg zur erweiterten Erforſchung des Landes
u. Nutzbarmachung feiner Product. Den N. er
füllt der bei Tabatınga eintretende, ſchon ſchiffbare
Amazonenitrom mit jeinen Nebenflüſſen, auf dem
linfen Ufer Rio Negro, durch den die Verbindung
mit dem Orinoco hergeftellt wird; auf dent ved)-
ten Madeira, Tapajos, Zingu (f. d.). Diefe, jo-
wie der mit ihm an der Mündung zuſammentreffende
Tocantins erſchließen den Weg in die inneren Bros
pinzen Matto Groſſo, Goyaz. Bon ©, bieten die
dem Ya-PBlata-Spyftem zueilenden ‘Parana u. Uru—
guay die Gelegenheit zum Eindringen in das In—
nere. Daneben jtrömen zahlreiche Flüſſe direct
dem Atlant, Ocean zu, der S. Francisco in Bahia,
der Doce aus Minas Gerads, der Parahyba bei Rio
de Janeiro, der Yacuy in Rio Grande do Sul u. a.
Das Klima B»s tft im Allgemeinen ſehr mild
u. geſund. Im N. gibt es gleihmäßig zwei
Jahreszeiten, eine trodene u. eine naſſe, welche
ungefäbr am 1. Juli w. 1. an, beginnen. In
den Waldgegenden des DO. herrſcht oft guoe
Dürre. Rio empfängt 900—1300 mm Wegen.
In der trodenen Jahreszeit find die Morgen u.
Abende fühl; während des Hegens herrſcht Wind-
file. Im Paranagebiete regnet es manchmal in
Jahren nicht, im beißen Paraguaygebiete fallen
tropische Regen. Die Tafelländer (Campos) haben
kurzen, feichten Winter. Weltberühmt ıft B. durch
feine edlen Mineralſchätze; namentlih Dia-
manten (zuevft 1728 gejunden), Topaſe, Berylle,
Amerhyfte, Achate. Der Erfteren Hauptfundorte,
deren ungefundes Klima vielen daber befhäftigten
Arbeitern das Leben fofter, find in den Provinzen
Säo Paulo, Goyaz, Minas Geradg mit einen be-
fonders reihen Bezirke Diamantina, Matto Groſſo,
welche Hein, aber von reinſtem Waſſer find, und
Bahıa bei Eimcora, die für bie geringfter gelten.
Die jährliche Ausbeute wurde auf ungefähr 12,000
derblichen u. läftigen, Ameijen, Mostkitos u. pracht-
vollen Arten von Schmetterlingen. Nicht weniger
üppig entwidelt iſt die Flora B-8: Cedern,
Palmen, u. a. (Näheres über die Thier- u, die
Pflanzenwelt j. Arnerifa (Bd. I., 5. 547 u. 550).
Belonders charakteriſtiſch für B. jind die jog. Wald»
producte. Hiermit bezeichnet man in’ Para die
um Urmwalde gejammelten Nutzwaaren. Indianer
jammeln am jandigen Strende des fischreichen Ama-
zonas an 48 Mill. Schildfröteneier u, verkaufen
25,000 Etr, Schitdfrötendl. Andere ſammeln von
den großen Sapucayasbäumen die Brafiluuf, nod)
Andere zapfen aus der Siphonia elastica, einer
Enphorbiscee, den Milchſaft des mit einer Muſchel
angefchnittenen Baumes, diden ihn ein, gießen ihn
ber Holzformen (Seringa) und bringen ihn als
Kautſchuk (400,000 Arroben) nah Para. Noch
Andere jammeln Sarfaparille (9000 Arroben), die
Neben einer 6--7 m langen Schlingpflanze, Tonta-
bohnen (Cumari), Guarand (Samen einer Nuß, die
gemahlen eine beiebende Limonade liefern), Bal-
menfalern als Piassava zu Tauwerk, Puxiri od,
brafil. Musfatnuß ꝛc. Regatoes (Händler) fahren
daher anf den Flüſſen auf u. ab, um folde
Waaren von den Garimpeiros (Sammlern) ein«
zutauſchen. Yebtere find abgehärtete Dienichen,
die den Urwald durchſtreifen, ſich verkommene
Indianer (Morankigaras) als Wegweifer mietben,
mit ihren Familien im Trupps (Maltas) den
Wald durchziehen, an jedem beliebigen Orte
raften, eine Hütte aus Palmblättern bauen, die
Hängematte aufipannen u. dann wohnlich einge:
richtet find. Mit Ende der Sammelzeit (Safra)
ſchlagen fie irgendwo ihre Hütten für länger auf,
bis das Wandern wieder beginnt.
Bon den Einwohnern, wie diefelben oben
nad Provinzen aufgeführt find, werben 10,580,01.
als Freie, 1,400,000 als Sflaven u. 500,000 als
Indianer angenommen; feitdem die Einfuhr der Ne—
ger durch Unterdrückung der Sclaverei verhindert ift,
beginne man chineſ. Kulis als Arbeiter zu verwen—
den. Creolen jind die von europ. Eltern legitim
in Amerifa geborenen Kinder; civilifirte Jndianer
Ditavas (4 Unge—55,, Grän) geihägt. Beträdt- |Caboclos od. Tapuyos, Mifchlinge von Weißen u.
fih, wenn aud gegen das vorige Jahrhundert ſehr Indianern Mamelueos, die von Weißen u, Negern
gejallen, ift auch die Ausbeute an Gold, beſonders Mulatten, die von Judianern u. Negern Cafusos,
796
die von Yndianern u. Cafasos, Caribocos die von
Negern u. Cafusos Xicaros. Die Ureinwohner ge
hören der kupferfarbigen (amerif.) Race an, fpalten
fih aber in zahlreiche durch Sitten u. Dialeft ver-
jchiedene Stämme, von denen die bedeutenditen die
Tupi, deren Sprache die verbreitetite ift, Daher auch
Lingoa geral (allgemeine Sprache) genannt. Sie
nehmen den NO. des Landes ein. Die ihnen am
nächſten ftebenden Guarani wohnen im SD.
Im W. berrichen Die Omagua vor. Außer die
ien drei größeren Stämmen gibt es noch eine
Menge zwiſchen ihnen zerftreute Kleinere, von de—
nen die Aymores, meift Botofuden genannt, die
befannteften find. Die Zahl aller Stämme fchägt
man auf 250, u. die der Spracden u. Dialefte der
Eingeborenen ift noch bedeutender. Die unab-
hängigen Stämme baben fih aus den Kiften-
provinzen faft gänzlich in das Innere, nad dent
N. u, W., zurüdgezogen; die befebrten, halb ci»
vilifirten Stämme leben theilmeile in Dörfern des
Hochlandes u. am Amazonenftrom zerftreut und
baben, Aderbau u. Biehzucht treibend, einige
Berbindung mit den Weißen. Die Neger waren einft
die Hälfte der Gejammtbenöfferung u. größtentheils
SHaven, aber die Einführung neuer Sflaven ift
durch einen mit England Nov. 1831 abgeichloffenen
Vertrag u. ein ftrenges Anti-Stlavenhandel-Gefet
vom 4. Sept. 1850 verboten, was zwar wenig
Erjolg hatte; doch ift die Aufhebung der Sklaverei
duch kaiſerl. Decret v. Mai 1867 u. durch Gefet
v. 28. Sept. 1371 beichloffen worden u. joll bis
Ende dieſes Jahrhunderts durchgeführt fein. Die
Staatsſtlaven find freigegeben; Niemand wird
mebr als Sklave geboren, u. jährlih kauft der
Staat aus einem befonderen Fonds eine Anzahl
SMaven los. Die Weißen bilden die eigent-
liche Ariftofratie des Yandes, doch findet fi im
DB. keineswegs der jchroffe Gegenſatz der Racen
mie in NAmerifa, u. einzelne Neger u. Indianer
betleiden, da die Verfaſſung allen freien Bürgern
gleiche Hechte gewährleiftet, hobe Amter u. Ehren—
ftellen, u. in der Gejegebenden Berfammlung fiten
Miihlinge von allen Schattirungen. Neichthum
ift fiir perſönliche Stellung enticheidender, als
a Das Leben u. die Sitten der wohl-
abenden Einwohner find die portugiefiichen, nach
dem Klima gemodelt, do hat im neuerer Zeit
die Einwanderung von Engländern, Deutiden u.
Franzoſen viel davon geändert. Nur 2—3 Stun-
den des Tages find der Arbeit gewidmet, die
übrige Zeit wird im Nichtsthun auf der Strob-
matte zugebracht, alle Handarbeiten den Neger-
Haven überlaffen. Gajtlichfeit u. Geſelligkeit find
felten; Hauptvergnügen ift der Tanz (die üppige
Batucca u. leichte Contretänze). Die Frauen
reifen jehr früh, find Mein u. zierlich, von jchlan«
tem Wuchs, dunklem Teint, ſchwarzen Haaren u.
fenrigen Augen; werden im 20. Jahre corpulent u.
find im 30. gänzlich verblüht; fie jpielen faft ſämmtl.
die Mandoline. Steine den höheren Ständen ange-
börige Frau zeigt fich öffentlich. Die Männer find
jehr eiferfüchtig, die Einrichtung des Hausweſens
Brafilien (Geogr. u, Statiftik).
Berfa fung. B. ift eine conftitutionelle füdera-
tive Erbmonarchie; die Staatsgrundgefege derjelben
find die Berfaffungs-Urkunde vom 11. Dec. 1823 u.
die Additional-Acte vom 12. Aug. 1834 u. beruben
auf dem Princip der Nationalfouveränerät: Alle
Staatsgemalten beſtehen in Bollmacht des Bolles;
der Kaiſer u, der Reichstag find ſeine Repräfen-
tanten, Es werden vier Staatsgemwalten untere
fchieden. Die vollziehende u. die vermittelnde Ge-
malt, die tbatfächlih zufammenfallen, find in ber
Hand des Kaiſers vereinigt; fein Titel ift conſti—
tutioneller Kaifer u. beftändiger Vertheidiger von
B. Die Thronfolge verbleibt nah dem Rechte
der Erftgeburt, in männliher u. weiblicher Linie
erblich, bei den Nachtommen des Kaifers Pedro I.
aus dem Haufe Braganza. Sieben verantwort-
fihe Miniſter (des Junern u. Unterrichts, der Ju—
ftiz, des Auswärtigen, der Marine, des Aderbaues,
Handel u. der öffentl. Arbeiten, des Krieges, der
Finanzen) ftehen ihm zur Seite; in beionders
wichtigen Fragen ift das Gutachten des Staats-
rathes (12 Mitglieder auf Lebenszeit ernannt) ein«
zubolen. Die geietgebende Gemalt bat der
Heichstag; er zerfällt ın den Senat (vom Kaiſer
auf Yebenszeit aus den vom Volle gewählten Gan-
didaten ernannt) u. die Deputirtenfammer (dur
indirecte Wahl auf 4 Fahre gewählt). Sie üben
die Gefepgebung gemeinihaftlih u, haben außer»
ordentlich weitgehende Befugniffe; ihren Beſchlüfſen
gegenüber bat der Kailer mur ein zmeimaliges
Sufpenfiv-Bete. Die Wahlen find indirect; zum
activen Wablrecht find 21 Jahre, Jndigenat (oder
Naturalifation), perjünlihe Freiheit u. 100 Dil»
reis jährlihe Einkünfte, zum paifiven 25 Jabre
u. ein noch höheres Einfommen erforderlich. Die
active Miliz bat kein Wahlrecht; Naturalifirte,
‚reigelaffene u. Alatboliten find nicht wählbar.
Außerdem hat noch jede Provinz ihre auf 2 Jabre
gemwäblte Fegislatur für innere Sraanifation, Bro»
vinzialbeftenerung, Wegebau, Eolonijation u. dgl.
Die richterlihe Gemalt ift volllommen unab-
bängig; die Richter haben bei Eriminalfällen Ge-
jhmworene an der Seite, werden auf Lebenszeit
ernannt, find nur nad den geſetzlichen Beftim-
mungen verjegbar u, fünnen nur fraft vichter«
lihen Erkenntniſſes abgejegt werden. In Nach—
ahmung der nordamerif, Unionsverfaflung ift im
IB. den Provinzen eine gewiffe Selbftändigteit
gewährt. Jede derjelben hat eine geſetzgebende
Verſammlung, deren Beichlüffe der Sanction des
von der Regierung ernannten Präfidenten bedür-
fen. Leider ift aber in dem Wirlen der brafi»
lianifhen Behörden ftetS vor Allem das Intereſſe
der herrichenden Partei das leitende Princip. Die
Prefie ift frei. Finanzen: Einnahmen, faft ans-
ihlieglih auf den Ein- n. Ausfuhrzöllen berubend
(Finanzjahr 1874—75: Einnahme 108 Mill,
Ausgabe 101,,, Mil. Milreis. Civilliſte des
Kaifers 800,000 Milreis. Die Staatsichuld be—
ftebt aus einer ſchwebenden Schuld (1494 Mill.
Mitreis Papiergeld) u. aus garantirten Banf-
‚scheinen (ca. 34 Mill, Milreis, dann aus Anleihen
gleicht faft einem türkiichen Harem. Bei Beſuchen im In- u. Auslande). Die ganze Staatsjchuld
von Fremden find die Frauen nie gegenwärtig. Auch belief fih 1871 auf 648,, Dill. Mireis. Die ber»
unter den farbigen Miichlingen gibt es fchöne Ge- waffnete Macht enthält auf Friedensfuß 16,536,
ftalten, befonders Frauen von reizendem Wuchs. | (umgerechnet die in Paraguay ftehende Divifion von
Brafilien (Geogr. u. Statiſtik).
24,000 Mann), auf Kriegsfuß 32,600 Mann, die
Gensdarmerie 6476 Mann. Hinfichtlic) der Truppen»
bildung ift jeit 1865 die Confcription eingeführt.
Die Nationalgarde ift zur Zeit aufgelöft u. foll
nen orgamifirt werden. Seemadt: 17 Panzer-
Schiffe, 9 Dampfcorvetten, 24 Kanonenboote,
6 Zransporidampfer, 1Segelcorvette, 3Briggsu.a.,
zuf. 60 Fabrzeuge mit 4526 Mann, 215 Kauo—
nen u. 7217 Pferdekräften. Wappen: In grü—
nem Felde die Himmelslugel Heinrichs des Ser.
fahrers, durch das filberne, mit einem breiten
rothen Rande eingefaßte Kreuz des Ehriftusordens
in 4 Theile getheilt u. von einem blauen runden
Reife umgeben, welcher mit 18 filbernen Ster-
nen belegt ift u. auf beiden Seiten eine filberne
Einfafjung hat: Das Schild bedt eine Kaijer-
frone, zur Rechten umgibt e8 ein Zweig des
Kafjebaumes, zur Linken der Zweig einer Tabals-
pflanze, beide im natürlicher Farbe, unten fich
frenzend u. mit einem grün u. goldenen Bande
gebunden. Flagge: griüm mit eingeihobener gol-
dener Haute, in diefer bag Wappen. National
farben: grün u. gold. Orden: Orden vom Süd—⸗
kreuz, geitiftet 1822, in 4 Klaſſen (auch für Da-
men); Orden Dom Pedros I., aeftiftet 1826, in
3 Klaffen; Orden der Roſe (Militär⸗- u. Civil
orden, mit dem Motto: Liebe u. Treue), nah
1829. Nur noch für Civil u. Militär gebraucht
man jeit 1848 in 3 Klaſſen die ehemals gräf-
lihen Orden de Ehrifto, S. Bendo de Avis und
Santiago de Espada. Hauptſtadt des Reiches,
Nefidenz ‚des Kaiſers u. Eit der Gentralbehörben
tft Rio de Janeiro, weldye in der gleihnam. Provinz
als Municipio neutro, mit etwa 400,000 Ew.,
eine beiondere Abtheilung bildet, Religion u.
Kirche. Staatsreligion ıft die römiſch-katholiſche
unter eimem Erzbiihof (in Bahia) u. 11 Suffra-
ganbifhöfen. Sämmtlihe Prieſter find Staats-
beanmte, werben von der Negierung ernannt und
bejoldet. Die Kirche hat fein eigenes Bermögen
u. ift dem Staate gäuzlih untergeordnet; die
niedere Geiftlichfeit ift ſowol wifjenfchaftlich, wie
moralisch ungebildet u. deshalb ohne allen Ein:
fluß auf die Sittlichleit des Bolfes. Mönds- u.
Nonnenklöfter find in großer Anzahl vorhanden.
Nur Katholiken find wahlberechtigt, doch herrſcht
ber Einwanderer wegen ziemlihe Toleranz. Bro-
teftanten haben in großen Städten freie Religions- Roſenholz, Granadilla, Fuſtikholz, brafil.
797
eine Schule, in jeder größeren Stabt ein Lyceum
errichtet werben; aber es fehlt überall an Schu-
len. Der Unterricht ift frei. Bon höheren Lehr-
anftalten befigt B. zwei juriftiihe Facultäten (im
Recife u. ©, Paulo) u. zwei mediciniſche (in Rio
de Janeiro u. Bahia), elf Priefterfeminare und
theologische Facultäten. Ferner beftehen in Rio
de Janeiro eine philof. Tpacultät, eine Polytech⸗
nische Schule, eine jolche der ſchönen Künſte, eine
der Künfte u, Handwerle, eine Militär- u. eine
Marineſchule. Außerdem. 22 Lyceen, 2 Handels-
ihulen, 150 Secundärjchulen mit 4000 n. (1873)
4653 Primärichulen mit 155,000 Schülern (1866
erft 2460 Schulen mit 82,500 Schülern). Gegen
24,000. Schüler genießen Privatunterridt. Die
größere Hälfte der geſammten (freien) Bevölkerung
wächſt ohne allen Unterricht heran. Gelehrte Ge»
jellichaften find in Rio de Janeiro: die Kaiferliche
Hiſtoriſch⸗Geographiſche Gejellihaft mit 54 wirk⸗
lichen, 100 Ehrenmitgliedern u. 488 Correipon-
denten, die Afademie der ſchönen Künjte mit
60 Mitgliedern u. bie Zoolog. Gejellichaft. Biblio-
tbefen in Rio de Janeiro: die Kaiferl, Bibliothek
(theilmeis aus Liſſabon ſtammend), die Nationalr
bibliothef (120,000 Bde.), die Bibliothef der Be-
nebictiner, ferner in Bahia u. San Paulo, Herr-
ihende Landesſprache ift die portugiefiihe. Die
Literatur, namentlich die naturwiſſenſchaftliche,
beginnt ſich in neuerer Zeit zu Heben, die belle
trijtifche folgt englischen u. franzöfifchen, weniger
portugiefiihen Borbildern. Zeitungen u. Foure
nale (politische, wifjenfchaftlihe u. Unterhaltungs-
blätter) haben fih in den letten Jahren eben-
fall3 jehr vermehrt; es erjcheinen über 100 nn
ungen u. Zeitſchriften. Landwirthſchaft, Ju—
duſtrie m. Handel, Die Cultur des Bodens ift
noch eine fehr —— der faſt nur in großen
Complexen vertheilte Grundbeſitz, die Sklavenar-
beit u. der Gebrauch, nur ein Heines Stück Land
urbar zu machen, feine Tragkraft zu erfchöpfen, es
dann unbenutt liegen zu laffen u. ein neues Stild
zu bebauen, find nicht geeignet, die Laudwirthſchaft
zu heben. Kaum 45 des Bodens wird ange
aut, objchon ihn fruchtbarer Lehm bededt.. Die
Wälder an den Flüffen u. im Jnnern firogen
von Uppigfeit und Pradt, liefern Kautichuf,
Brafildolz, Bertholetia- u. Cocosnüffe, me rg:
Ifen-
fbung, dürfen Berhäufer u. Gottesäder befigen,|bein, Sarfaparille, Banile, Ipecacuanha, Kopal,
erhalten zuweilen auch Staatsunterftügung. Die Gewürznelken, Zimmt, Tamarinden, Cacao, Ehin-
Rechtspflege ift jeher mangelhaft, die Richter chona zc. In Gärten u. auf Feldern zieht man:
beftechlih; die unterfte Inftanz (FFriedensrichter) | Ananas, Bananen, Orangen, Maracnja der Paj-
ohne Macht, die über ihnen ftehenden Bezirks |fionsblumenfrudht, Mongo, Cußardäpfel, Rojen-
gerichte unzuverläffig, die eilf Appellationsgerichteläpfel, Bohnen, Melonen in Plantagen, Mais,
unzureichend; höchſte Inſtanz ift der Cafjationshof| Kaffe (von den 1873 producirten 8,491,653 Etr.
in Rio de Janeiro; bei Eriminalfällen werden von allein 4,210,214 Etr., alſo faſt 50%,), Zuder-
den Diftrictsgerichten Geſchworene zugezogen. Diejrohr, Baummolle, Tabat, Thee, Reis, in höher
Strafgejeggebung (Codigo criminal vom 8. Yan,|gelegenen Gegenden Weizen u. Gerfte. Die Bieh-
1831) zeichnet ſich durch große Milde aus. Bgl. zucht wird von eigenen VBiehzüchtern (Criadores
Code criminel de !’Empire du Bresil, traduit|delgado) auf den großen flachen Oden (Facendas
par M. V. Foucher et précédé d’observations |de criar) weniger der Milch (Butter), als des
comparatives, Par. 1834, u. Kritiihe Zeitfchrift |7Fleifches, der Hörner, der Häute, der Wolle und
fir Rechtswiſſenſchaft u. Gejeggebung des Aus-|des Talges wegen betrieben; die Wolle ift grob.
landes VIL. ©. 297. Für Unterricht u. Bild-|Auf den Landgütern werben faft nur Schweine u.
ung, Wiſſenſchaft und Kunft it im Ganzen | Hühner gehalten, Pferde werden nur zum Reiten
noch wenig gejorgt. Es foll in jedem Kirchipiel|gebraudt u. mit Mais u. Palmblättern gefüttert;
798 Brafilien (Geogr. u. Statiftif).
als Lafttbier dient das Maulthier. Jagd und|brasiliensis; Monterias oder Boote zimmert man
nee find einträglich, legtere bejonders auf aus verſchiedenen Stämmen. Sie find Mein, größer
Balfiihe, namentlih an der Küfte von Babia die Gariteas, die ein Steuerruder, auf dem Ber-
(jedod Regal, jährlich fängt man gegen 500 Wall»|def ein Dad aus Palmblättern u. einen freien
fie). Die Induſt rie ift noch ganz in der Kind- | mittieren Raum haben. Doch bat jeder Fluß u. jede
heit u. befchränft fi anf etwas grobe Bauın-|Strede befondere Arten von Fahrzeugen. Aus
wollenweberei, Gerberei u. Töpferei; größere Fa- | fubrartifel find namentlih: Kaffe (10 Mil, Ar
brifen beginnen erft zu entftehen, u. noch wird|roben & 16 kg), Zuder (120,000 Tonnen & 20 Etr.),
der meifte Bedarf vom Auslande bezogen. Hand- | Baumwolle (für 334 Mill. Milreis od. 23 Dil,
werfer finden fich faft nur in den Städten u. find) Arroben), Tabat (Bahia, Borba am Madeira für
beinahe ausschließlich Ausländer, Der Bergbau,/3 Mil. Milreis) u. Waldproducte, Nug- u. Farbe⸗
der, wenn er nur mittelmäßig betrieben würde, hölzer, Gewlirze, Häute, Hörner, Talg, Gold u.
bei dem Reichthum an edlen Metallen u. Dia-| Diamanten (dieſe beiden lepteren im jährl. Durch⸗
manten eine höchſt ergiebige Finanzquelle ſein ſchnitt 60 Mill. M). Einfubrartifel: Baum-
würde, ift in neuerer Zeit vernachläſſigt worden |mwollen«, Yeinen- u. Wollſtoffe, Kleider, Schuh—
u. gibt bei weiten nicht mehr die Ausbeute wielwert, Eiſenwaaren, Papier, Möbel, Steingut,
früher. Der Handel erlag vor der Trennung von| Pulver, Mebt, Wein, Bier, Branntwein, Schin-
Portugal ganz dem Colontalzwange, mur portu- |fen, Käfe, Butter. Der ganze Handel hat fi in
giefiihe Schiffe wurden in B. zugelafien, doch neueſter Zeit jehr gehoben: 1844—45 betrug die
trieben die Engländer bedeutenden Schleichhandel. Einfuhr 57 Mil., die Ansiuhbr 47 Mill:
Erft 1808, nachdem fi der Hof nah Rio dei1853—54 die Einfuhr 84 Mill,, die Ausfuhr
Janeiro übergefiedelt hatte, wurde der Handel] 76 Mill.; 1864—65 die Einfuhr 1313 Mill,
allen Nationen freigegeben. 1827 ſchloß England|die Ausſuhr 141 Mill; 1872—73 die Einfubr
einen (1844 abgelaufenen) Handelsvertrag mut B./1514 Mill, die Ausfuhr 2143 Mil Miüreis,
ab, wonach die Einfuhr aller britiſchen Erzeugniſſe 1871—72 find eingelaufen 8987 u. ausgelaufen
nur mit 15 pCt. ihres Wertbes Zoll belegt murde;| 7734, 1872— 73 aber eingelaufen 29,803 und
ähnliche Verträge ſchloſſen dann aud die Hanſe- ausgelaufen 28,496 Schiffe. Seit 1809 bejtebt
ftädte, Preußen, Oſterreich zc. Der Einfuhrzolliin Rio de Janeiro eine Bank u. feit 1816 ein
auf die meiften Artifel beträgt durchſchnittlich Handelsgeriht. Einwanderung u. Colonijar
20 pCt. ihres Werthes. Am 1. Juli 1857 iſt tion. Noch Anfang des 19. Jahrh. war B. der
ein neuer Zolltarıf erichienen, der, wenn ſchon Einwanderung fait gänzlich verichlojfen, und erft
eimige Zölle höher geftellt find, als früher, do im|16. März 1820 ericien ein Geieg, welches eu-
Allgemeinen namentlih auch den Zollverbandser-|ropätiche, nanrentlich deutihe Auswanderer unter
zeugniffen günftiger iſt, als der ſeitherige. Auch der Zuſage einer Landſchenkung aufferderte, ſich
ſchloß B. mit den meiſten europ. Staaten Han- in B. anzuſiedeln. Mit dem Gelege vom 23. Oct.
delsverträge u. gab 1867 die Schiffahrt auf dem) 1832 wurde dann die Friſt der Naturalijation
Amazonas und feinen Nebenflüfien frei, ebenſo auf 4 Jahre u. dem vom 30. Aug. 1843 auf
die Küftenichiffiahrt, die über 45 Dil. Markt um-|2 Jahre berabgefegt; deſſenungeachtet wollte es
fest. Der Großhandel ift fat gänzlib im den/nicht gelingen, den Ztron der Auswanderung
Händen Englands, Frankreichs, der Vereinigten nach B. zu leiten, Auch bezwedte man, das Sy—
taaten, der Hanjejtädte, Hollands und Belgiens, jtem der Parceria (Halbpacht) berzuftellen u. Dem
der Kleinbandel in denen der Brafilianer u, Bor: |infolge des Sfllavenhandelverbotes fih heraus-
tugiefen. Der Handelsbetrieb im Innern ift fol-|itellenden Mangel an Arbeitsträften durch euro»
gendermaßen eingerichtet: meift ſchaffen Maul-|päiiche Auslöslinge (Redemptioners, weiße Sfla-
tbierfaramanen. die Waaren an die Küfte, wozu ven) abzubelfen. 1847 ließ der Senator Pereira
fie oft 5 Monate Zeit gebrauden. Im Innern de Campos Vergueiro in der Provinz ©. Paulo
tragen Menfchen die Ballen von einen Stapelorte| Arbeiter auf jene Koften aus Deutſchland fom«
zum anderen. Boote u. Kähne brauchen 2 bis men, denen er einzelne Barcellen in feinen Kaffe-
5 Monate, ehe fie ſtromaufwärts den Stapelplag| plantagen übergab, ihnen die Hälfte des Ertrages
erreichen. Als Tauſchwerthe fennt man im W. zuſicherte u. fie als Leibeigene annabın, bis jeine
u. N. nicht Geld, ſondern Näbnadein, Knäule Auslagen für Transport n. dgl. durch ihre Arbeit
baummollenen Zwirnes, Wachs, Strohhüte, Fiſch- gedeckt waren. Dies Spitem fand Nachahmung,
angeln, Haumeſſer, Tocago (Baummollenzeng).)ward anfangs von der, deutichen Reichsregierung
An den Flüſſen beftebt der Hafeuplatz oft nur unterſtützt, bald aber, als von der europ. Preſſe
aus einigen Schuppen auf einer Anhöhe wegen|die traurige Lage der Auslösiinge geichildert, die
der Überſchwemmung, u. der Handelsort ſelbſt Hinterliſten. Treuloſigkeit der Plantagenbefiger
liegt viele Meilen entfernt. Die Bewohner mancher enthüllt wurde, aus Mangel an neuem Zufluß
Dörfer ernähren fih als Träger oder Schiffer! wieder aufgegeben. 1852 verfuchte man in Deutſch—
(Bogas). Frachtlähne find 14 m lang, 1 m breit/land für die Provinz Rio Grande do Eul zu
und beftehen aus einem Baumſtamme. Der/werben, um dort eine Milittärgrenze gegen die
Puntero, flußtundige Bootsmann, befehligt, der unabhängigen Indianer zu errichten, fan aber zu
Popero lentt, die Bogas rudern. Balsas find/feinem Reſultat. In neuefter Zeit haben einige
Flöße aus leichtem Baljaholze (Öchroma pisca-|deutihe Gejellibaften u, Privatmänner das Co—
toria), wo auf niedrigem Gerüfte in der Mitte loniſationsunternehmen in Die Hand genommen,
die Waare lagert. Kähne, ausgehöblte, vorn zu-| Dennoch muß man auf Grund trauriger Erfabr-
geipitste Baumjtämme, macht man aus der Cedrela [ungen die Deutichen davor warnen, ih an brafil.
— — mm 0000 — —
799
Tandbefiter u. deren Agenten in Hamburg zc. zu ung von 19,000 km von Liffabon über WAfrifa,
verlaufen. So ift den Einwanderern, im Wider- | Madeira zc. nah Cap Roque, von da aus nad
ſpruch zu Berichten, die ans B. ftammen (wozu) Guiana, den Antillen, Merico u. New-Drleans u.
aud) der ſchönfärberiſche Bericht: Das Kaifertfum|nad den La-Plata-Staaten, Chile, Peru ꝛc. zu le—
B. auf der Wiener Weltausftellung von 1873,|gen. Die Länge der Telegraphenlinien in B. be-
Rio de Faneiso 1874, gebört), die Nationalifirung| trug, 1874: 5311 km, die Zahl der Telegraphen-
Brafilien (Geogr. u. Statiſtik).
unendlich erſchwert, fie haben. wenig Einfluß auf) tationen 71.
g ihrer Gemeinde u. Kreife, auch (ſeit 1852) befährt mit 20 Dampfern den Ama—
Proteftanten verfprochene Toleranz |zonenftrom bis Zabatinga, den Tocantins bis Ca»
die Verwaltun
wird die den
noch nit durchweg beobadtet. Die Anzahl
mag fih auf 50,000 Geelen belaufen. Die be-
deutendften deutihen Eofonien find gegenwärtig
in San feopoldo (Rio Grande do Sul) mit
12,000 Em., Donna Francisca u. Blumenau
(3. Catarina), Porto Alegre (Mio Grande do
Sul), Caravellas (Eipirito Santo) u. Petropolis
(Rio de Janeiro). B. hat 3 Münzwährungen:
die Gold-, Silber- u. Papierwährung; man rechnet
wie in Portugal (f. d.) nad Milreis (auch Peſos,
Piafter oder Duros genannt = 5 Francs 25 Gens»
times oder 4 M 20 Pf.; in Papierwährung aber
fhwanfend zwiſchen 2 M 27 Pf. u. 2 M 51 Pi.
Der Milreis zerfällt in 1000 Neis; bei großen
Eummen zähle man auch nad Gontos de Reis
(1000 Milreis). Wirkliche braſilianiſche National»
münzen find: in Gold (zu 44 fein ausgeprägt)
Pegas Brazil, auch Joaos genannt, zu 6400 Reis
Nennwerth in Golvwährung (16,000 Reis Papier:
währung) u. Mokdas, zu 4000 Reis Nennwerth
in Goldwährung (9000 Reis Papierwährung); in
Eilber: (zu 14% Loth fein) Patacoes (9% eine
feine Mart oder 4 M 43 Pf.) zu 1920 Meis
Papierwährung; Duas Patacas (144 eine feine
Marf oder 2 M 96 Pf.) zu 1280 Reis Papier-
währung; WBatacas (284 eine feine Marl oder
1 M 49 9.) zu 640 Reis Papierwäbhrung;
Meias Patacas zu 320 Weis Papierwährung;
Duartas 160 Reis Papierwährung; in Kupfer:
Stüde zu 4 VBintems, 2 Bintems und 1 Bin-
tems à 20 Meis), ferner zu 10 u. 5 Meis.
Deu Zahlwerth des Papiergeides kann man un—
gefähr 19 Milreis auf die Vereinsmark anneh-
men. Im Maße u. Gewichte ift laut Gefeg von
1862 jeit 1872 das Meterigftem eingeführt.
1853 wurde die Brafiliihe Banf mit einem Ca«
pital von 30 Mil. Mitreis gegründet, Was
die Verkehrswege betrifit, fo find die Straßen
im Lande nod gering an Ausdehnung und
ſchlecht. Eifenbahnen find in neuefter Zeit mehrere
gebaut worden: 1874 waren 1206 km im Be
triebe. Darunter find die wichtigjten, theilweiſe
aber noch nicht ausgebauten Streden: 1) Per—
nambuco-Bahn, vom Hafen Recife (Bernambuco)
zum ©. Francisco; 2) Bahia-Bahı, von Bahia
nah N. zum S. Francisco (Alagonbas); 3) Bahn
Dom Pedro II., joll von Rio durch die Provinz
Rio de Janeiro u. Minas Gerads zum S. Fran»
cisco, von da durch Goyaz u. das Flußthal des
Tocantins bis Parä geben (jtredenmweife in Ber
trieb); 4) Cantagallo-Bahn, von Billa-Nova am
ſchiffbaren Macacu bis NovoFriburgo; 5) San
Paulo-Babn, vom Kaffehafen Santos bis Jun—
diahby u. Sampinas; 6) Daud-Bahn, vom Hafen
Mana in der Bai Rio bis Petropolis, am Fuße
de3 Sebirges. Im J. 1869 ſchloß B. mit Frank—
reich 2c. einen Bertrag, um eine Telegraphenleit-
Eine Dampſſchifffahrts-Geſellſchaft
meta, den Tapajoz bi8 Santarem, den Madeira
bis Borba, Rio-Negro bis Manaos, den Huallaga
bis Yurimaguas. Auch der San Francisco wird
mit Dampfern befahren. Außer den transatlant.
Dampferlinien beftehen feit 1838 aud 2 größere
Küftendampficifflinien: von Rio de Janeiro nad)
Para, u. nad) Rio Grande do Sul. Endlich geht
eine neue Dampfichifflinie von Rio de Janeiro aus
nah Montevideo u. Buenos-Ayres u. dann den
Parana und Paraguay hinauf nah der Provinz
Matto Groffo. Von Linien find u. a. noch zu
erwähnen: 1) Companhia brasileira dos Pal-
puetes & vapor (zweimal monatlid von Para nach
Montevideo); 2) Comp. de Navegacao (von Eipi-
rito Santo nad Campos); 3) Linie Rio de Ja-
neiro-Santos; 4) Comp. Ferry für die Bat von
Rio de Janeiro; 5) Bahla-Comp. von Bahia bis
Mageid u. den Francisco hinauf, von Penedo ın
Aagoas bis Piranhas in Sergipe; 6) Franzöſ.
Messageries bon Bordeaur über Portugal und
Senegambien bis Rio Ya Plata (244 Tag); 7)
Liverpool-Brazil and La Plata Comp.; 8) So-
eiete generale des transports maritimes à vapeur
(von Genua über Marjeille); 9) Union des char-
geurs (Havre u, Rio); 10) Hamburg-Santos (feit
1871); 11) Unit. States and Brazil Mail Steam-
ship Comp. (in 28 Tagen von New-Morf bis
Rio) x. Die brafilianiiche Poft befürderte 1871
bis 1872: 16,206,952 Briefe. Eine directe Poit-
verbindung Bes mit Deutichland ift, nach der
Berordnung des Preuß. Generalpoftamtes vom
13. Aug. 1857, durd die Hambarg-Brafilianifche
Dampfcifffahrtsgejellihaft zu Hamburg angelnüpft
worden. Die Schiffe gehen monatlıh zweimal
bin u. ber; auch mit Antwerpen beſteht eine
Boftdampferverbindung von mehreren Schiffen.
Literatur: Manoel Ayres.de Cazal, Corografia
Brazilica, Rio de Janeiro 1817, 2 Bde., 2. Aufl.,
1833; William L. Herndon u. Lardner Gibbon, Ex-
ploration of the valley ofthe Amazon, Bafhingt.
1853, 2 Bde.; ferner die Heifebefchreibungen von
Lindley (1805), Kofter (1817), Marimilian Prinz
v. Wied-Nemmied (1820), Spir u. Martius (1823),
Pohl, Reife im Innern von B. (1832), Burmeijter,
Reife nah B. (1852), Pöppig, Neife in Chile,
Peru u. auf dem Amazonenftrom, Yeipz. 1835, 2
Bde; Augufte de St. Hilaire, Voyages dans
linterieur du Br6sil, Par. 1830—51, 8 Bde.;
Tſchudi, Reifen in SAmerita, 5 Bde, 1866 ff.;
Agalfiz, A journey in Brazil,‘ Bojton 1866;
Kletle, Reife des Prinzen Adalbert, Verl. 1857;
Burton, Exploration of the highlands of B.,
Yond. 1868; Almanac da Corte e Provincia do
Rio de Janeiro, von Lämmert herausg. u. jedes
Jahr neu ericheinend, Rio de Jan.; de Abrantes,
Memoria sobre meios de promover a colonisacao,
Berl. 1846; Gottfried Kerft, Über brafilianijche
800
Zuftände, Berl. 1853; Wiedemann, Die deutjche
Colonie Petropolis, Freifing 1856; Hatfield und
Tihudi, Minas Geraes, Ertraheft zu Petermanns
Mittheilungen; Hartt, Scientific resultats of a
journey in Brazil, Boſton 1870; Tſchudi, Reifen
in SAmerila, Ave-Lallemant, Reifen in N- n.
SB., 4 Bde., Lpz. 1859—60; Kidder u, Fletcher,
Brazil and the Brazilians, Philadelphia 1857;
Mouchez, L’empire du Bresil, Rio 1867; Mo-
rats, Navigagao interior do Bresil, Rio 1864;
Pezein, Zur Ornithologie Brafiliens, Wien 1870;
Helwald, Das Kaiſerthum Brafilien und feine
jüngfte Entwidelung in der Zeitichrift: Unfere
Beit, 1875, 2. Heft.
Geſchichte. Die Älteften Bewohner B-8 waren,
foviel man weiß, die Tapayos, die eine alte Eul-
tur befaßen, aber mit der Zeit von den Tupi
verdrängt wurden, Unter den Europäern fam zu«
erft 21. April 1500 der Portugiefe Pedro Alvarez
Cabral, der auf feiner Fahrt nah Dftindien nad
der Bucht von Puerto Seguro verſchlagen murde,
nah B. und nannte anfangs das entdedte Yand
Terra da vera Cruz (Yand vom wahren Kreuz);
den Namen B. erhielt das Yand von dem dort ſich
findenden rotben Holze (Pao do Brazil). Die Por-
tugiefen ſchickten anfangs bloß Verbrecher, öffent-
liche Buhlerinnen, Juden u. von der Jnquifition
Berurtbeilte nah B., welche Papageien u. Farbe—
hölzer einfammeln mußten. As B. 1531 in 9
Capitanias getheilt war, gingen auch Edelleute
nach B., melde große Striche als Erbftatthalter
u, Lehnsleute (Pobladores) in Lehn erhielten und
diele wieder als Afterlehu vergaben. Unter ihnen
führte Martin Alfonfo de Souza den Bau des
BZuderrohres u. des Getreides u. Viehzucht ein,
u, Diego Aldez Correa trat mit den Tupinamba
in Bahia im ein patriarchaliiches Verhältniß. Als
1549 B, den Portugiefen durch päpftlihe Ent-
ſcheidung zugefallen war gab König Johann III.
der Kolonie den eriten Gouverneur, Thomas
de Souza, der S. Salvador (Babia) gründete,
die Rechte der Pobladores bejhräntte, die Neger-
fllaven einführte u. die meiften Indianerſtämme
unterwarf. 1584 ließen fih auch Franzoſen in B.
nieder, die jedoch 1601 wieder vertrieben wurden.
Durch den Übergang der Krone Portugals an Spa-
nien fam auch B. unter fpanifche Hoheit. Da nun die
Spanier die Niederländer, welche ſich dort niederge»
laſſen hatten, jehr bedrängten, fo rächten fich diefe an
denjelben u. nahmen 1624 die Stadt Bahia. Zwar
vertrieben die Spanier unter Frederico die Nieder-
länder wieder, doch eroberte der holländische Ad-
miral Jak. Willelees 1630 die ganze Provinz Bahia
u. die Stadt Pernambuco, von wo aus die Nie-
derländer den nördlichen Theil u. unter Morit
von Naffau 1637 die Küftenprovinzen befetten.
Die Niederländer erhielten auch nad der Thron»
befteigung des Hauſes Braganza in Portugal (1640)
Unerfennung ihrer Befigungen, aber wegen ihrer
Bedrüdungen brad durch die Umtriebe der Plan—
tagenbefiger Bes 1645 eine von England u. Por«
tugal unterftügte Empörung aus, und fie mußten
Brafilien (Geichichte).
Anfprüce auf daffelbe ganz auf. Die Entdedung
der Goldininen zu Minas Geradd 1698 und ber
Diamantgruben 1729 erhöhten die Wichtigfeit des
Yandes, welches außerdem viele tropifche Grodacıe
von vorzüglicher Güte lieferte. Indeſſen vermwal-
teten Die Foringiefen das Land ſchlecht; kein frem-
des Schiff wurde zugelajien, hohe Zölle angeord-
net, Induſtrie u. Handel zu Gunften der portu—
giefiihen Producte unterdrüdt, nur Die Bergwerle
u. Diamantgruben ausgebeutet u. das fruchtbare
Yand den jüngeren Söhnen des Adels n. deu Jar
juiten gejhenft (Donatarios), oder an Abenteurer
zur weiteren Eroberung verhandelt (Conquista-
dores), die es dur Negerſtlaven anbauen ließen
u, die mit Gewalt untennvorfenen Ureimmohner zu
SMavendieniten zwangen. Januar 1808 verlegte
die portugiefiiche Regierung ihren Sit von Liſſa—
ben, welches die Franzoſen beiegt hatten, mad
Rio de Janeiro u. gab 1815 B. den Titel eines
Königreiches. Da die mit der Königsfamilie ein-
gewanderten Bortugiefen (etwa 15,000 an der Zahl)
vom Hofe vor den von Conquistadores Abjtammen-
den auffallend begünftigt wurden, fo griff der Geift
der Unzufriedenheit immer mehr um fih. Indeſſen
hatte der Aufenthalt des Königs in B. mande
weſentliche Verbefferung in der inneren Bermalt-
ung des Landes zur Folge. Die Zölle wurden
erleichtert u. die Verbindung B-$ mit Europa n.
auch mit Deutichland eröffnet. Viele fremde Kaufe
leute fiedelten ſich in Rio, Kolonisten auf dem Yande
an, u. das Geheimniß, mit dem font das Innere
fremden Augen verjhloffen gehalten wurde, hörte
auf. Durch Einverleibung von Wanda Oriental
wurde B. mwejentlih vergrößert. Ein Aufitand in
Pernambuco (1817), weiches fich ala Republik los—
reißen wollte, wurde zwar von portugiefiihen Trup-
pen unterbrüdt, als aber die neue Berfaffung,
melde fi Portugal 1820 gab, den Hof 1821 nah
Portugal zurückrief, gab es revolutionäre Erheb-
ungen, weshalb der König die Wahlverfammlungen
mit Truppen fprengen hieß. Er trat darauf am
26. April die Rückehr nah Liſſabon an u. Tief
feinen Sohn, den Kronprinzen Pedro, als Prinz-
Negenten zurüd. Als das Mutterland nun beſchleß,
dag B. nicht als Nation durch Deputirte vertre-
ten, fondern ferner dur; Gouverneurs als Colonie
von Portugal aus regiert werden jolle, entftanden
Dec. 1321 ın Rio de (Janeiro heitige Bewegungen:
man drohte, wenn der Prinz» Regent abreije, bie
Republit zu proclamiren; diefer erflärte daher
9. Jan. 1822, bleiben zu wollen, entfernte die
portugiefiihen Zruppen, nahm im Mai den Titel
eines beftändigen Vertheidigers von B. an u. be
rief eine Nationalverfammlung von 100 Abgeord-
neten zur Entwerfung einer Verfaſſung, melde
1. Aug. die Trennung B⸗s von Portugal aus
ſprach u. Pedro am 12. Oct. 1822 zum Kaiſer
von B. ernannte, welche Würde er auch 18. Dec.
unter dem Namen Pedro I. annahm. Die Brü-
der Foze Borifazio u. Martin Francesco Andrada
waren Minifter des Kaifers u. ftrebten anfangs
vergebens, dem neuen Kaiferreiche Anerkennung bei
nad wechſelndem Kriegsglüde, von Galvalcante,| Portugal u. den europäiihen Großmächten zu ver-
einem fühnen Abenteurer, mehrere Male gefchla« |fchaffen, fowie das Innere zu beruhigen. Dechr.
en, 1654 B. räumen u. gaben 1661
egen eine/1822 eroberten die Brafilianer Montevideo, wel⸗
bfindungsfumme von 350,000 Bid. Sterl. ihre ches fie als Cisplatina mit B. vereinigten. 3. Mai
Brafilien (Geſchichte). 801
wurden jedoch jehr bedenklich, als der Kaifer er«
Härte, die Ansprüche feiner Tochter Donna Maria
da Gloria auf den portugiefiihen Thron, welchen
fein Bruder Don Miguel beanfpruchte, ver-
theidigen zu wollen, u. dazu die Beihilfe der
Cortes verlangte. Die Truppen empörten fich u.
mußten durch englifche u, franzöfiihen Seeſoldaten
von den anmejenden Flotten zur Ordnung gebracht
werben. 1829 traten bie Cortes eutjchieden gegen
den Kaifer auf. Das Budget u. eine vom Kater
borgeidhlagene Reichsbank ward verweigert, die
Entlaffung der fremden Dffiziere verlangt, und
da man endlich den Kaiſer perfönlich beleidigte,
föfte diefer die Kammer 3. Sept. auf. Um indeß
fi} der revolutionären Partei geneigt zu machen,
berief der Kaifer Ende 1829 ein neues Minifterium,
das außer dem Kriegsminifter nur aus geborenen
Braſiliauern beftand; allein auch dies vermochte
die Stimmung des Bolles nicht zu beffern. In
den neuen Eortes, die 3. Mai 1830 zufammen-
zufammentraten, verwarfen die Demofraten alle
Vorfchläge der Regierung, ja, fie ſetzten den Kriegs⸗
minifter ın Anklageftand. Immer höher ftieg der
Widermille gegen den Kaifer, u. als er ftatt der
bisherigen Milde mit — einzuſchreiten ver»
ſuchte, brach 6. April eine Empörung aus, die
Truppen fielen ab, u. Pedro ſah ſich genöthigt,
am nächſten Tage zu Gunſten feines ſiebenjährigen
Sohnes, Pedro IT., abzudanfen. Der neue Karjer
blieb, unter einer von den Kammern ernannten
Regentichaft, beftehend aus Carcarellas, Vergueiro
u. Francisco de Lima, in Rio, mährend der ab»
getretene Kaifer ſich am 17. April mit feiner Fa⸗
milie nah Europa einſchiffte. Es hatten fich in-
zwifhen in B. folgende Hauptparteien gebildet:
Unitarier, die einer Central-Monarchie anhingen;
matiihen Verbindungen wurden nun wieder an-|zu ihnen gehörten anfangs die Caramuros (Mo-
gelmüpft. Ende 1825 begann aud ein Krieg mit narchiften), welche die Rücklehr Dom Pedros I.
der Republit La Plata wegen der Banda-Driental, wünſchten (hauptiächlic die großen Städte, bejon-
welche die La Plata-Staaten in ihre Union auf-/ders Rio); die Föderaliſten, welche getrennte Bro»
genommen uud bejett hatten. Zwar blofirte B. |vinzialverwaltungen, nur durch eine. Ceutral-Mo—
den Pa» Plata-Strom und hielt Montevideo ber narchie verbunden, verlangten, und Republikaner
fest, aber da Montevideo ſich entichieden gegen ea rei befonders die freien Neger, Mulatten
3, erflärte, fo ſchloß der Kaiſer 27. Aug. 1828 /und Meſtizen, eine rohe, politifh völlig unreife
Frieden, im welchem er die Banda- Oriental als Menſchenklaſſe. Gegen Letztere verbanden ſich faft
eigenen Staat (Uruguay) anerfannte. 1826 ftarb alle Grundbefiger zu Bürgergarden, um ihr Eigen-
der König von Portugal, Johann VI, Pedros thum bei der Machtlofigkeit der Polizei gegen
Bater, u. ber Kaifer erbte Portugal. Da er aber|räuberifche Angriffe zu ſchützen. Die Unordnungen
nad der Berfaffung von B. das Land ohne Er-Inahmen immer mehr überhand, u. der Staat drohte
laubniß der Cortes nicht verlaffen durfte, ver-|bei der Ohnmacht der unter den Einjlüffen bald
ichtete er auf den Thron Portugals zu Gunften|diefer, bald jener Partei u. einzelner Perjönliche
— älteſten Tochter, Maria da Gloria (f. Por⸗ keiten ſchwankenden Regierung völlig auseinander»
tugal, Geſch.), 2. Mai 1826, u. fuhr fort, ſich der/zufallen. Mit Mühe gelang es der interimiftijchen
Regierung Bes mit dem beften Willen u. uner-|Regenfhaft, die Aufftände zu Bahia, Pernambuco,
miüdfichem Eifer anzunehmen. Aber die Ruhe des Rio, Ceark u. in anderen Städten des Reiches zu
Landes wurde fortwährend durch republikaniſche |unterbrüden. Sie jah fi mehrere Male genöthigt,
Aufftände, durch Widerwillen gegen ein 1824 von|die Hilfe der bewaffneten Bürger u. der englifchen
der Regierung organifirtes, zügellojes Fremden-⸗ u. franzöſiſchen Flotte gegen die Aufrührer ın An«
corps, das 1830 aufgelöft werden mußte, u. a.|fpruch zu nehmen. Um diefen heillofen Zuftänden
Unruhen geftört. Defjenungeachtet fanden zahl- ein Ende zu machen, ermwählten die Kammern
reihe Einwanderungen ftatt, u. wurden Colonien 17. Juni 1831 eine permanente Regierung, die
gegründet, Im J. 1828 beſchäftigten fich Die Cortes aus Fraucisco de Lima, Coſta Carvalho u. Bra-
nit Gejegen über die Gemeindeverfafjung, Orga-|filio Muniz beftand; aber auch diefe hatte kurz
nijation der Nationalgarde u. Emancipation der nach ihrer Errichtung mit Aufftänden zu fämpfen,
Sttaven; fie befchloffen, allen Nationen gegen eine) welche mit Hilfe der Nationalgarden eftillt wer⸗
Abgabe von 15 pCt. freien Handel zu bewilligen, ‚den mußten, da das Militär fi den nfurgenten
Fıerer? Univerfal:Gonverfationdstefiton. 6. Aufl. IH. Band. 51
1823 wurde die erfte Cortesverfammlung von B.
eröffnet, die Verhaftung der Ultraliberalen u. das
Berbot geheimer Geſellſchaften fanden aber im ihr,
beionders durch Aranjo Lima, jolhen Widerftand,
daß der Kaifer das Minifterrum Andrada 11. Juli
entließ und ein republifanifsches Minifterium ar-
nahm. Indeß bfieb der Widermille der Brafilianer
gegen die Portugiefen, welche viele hohe Stellen
im Givil u. in der Armee innebatten u, für Be-
günftiger des Abſolutismus galten; ja, es fam,
nachdem der Kaifer die ihm vorgelegte neue ultra»
i;berale Berfaffung vom 10. Aug. Bar
batte, felbft in den Cortes zu Kämpfen und
10, Nov. zu einem Aufftande in Rio, worauf der
Kaifer 12. Nov, die Corte mit Gewalt auflöfte.
Die Andrada, welche fih zur Oppoſition geichla-
gen hatten, wurden verhaftet ut. deportirt. Ahn—
che Unruhen hatten in den Provinzen ftattgefun«
den, Einer zweiten, durch neue Wahlen jhon Ende
Stop. 1823 berufenen Gortesverfammlung legte der
Kater num 11. Dec. den Entwurf einer neuen
Berfaffung vor, melde aud angenommen und
9. Jan. 1824 von dem Bolle A. 25. März von
dem Kaiſer befchmworen wurde, Neue Unruhen
brachen in Pernambuco aus, welches unter Fuhr—⸗
ung des Präfidenten Garvalho Parz d’Andrada
fih zur Republik der Union des Üguators erflä-
ren wollte, aber, 17. Sept. 1824 vom Admiral
Cochrane u. General Lima geftürmt, mittels des
Martialgejeges im Zaume gehalten wurde. Unter-
handlungen zu London u, Yiffabon, bei denen der
englifche Geſandte in Liffabon Stuart u. der por»
tugieſiſche Minifter Billareal befonders thätig waren,
führten 29. Aug. 1825 zur Anerfennung der Un»
abhängigkeit Bs von Seite Portugals, worauf
die der anderen Großmächte bald folgte, die Diplo»
802
Brafilien (Geſchichte).
angefchloffen hatte. Auch die folgenden Jahre waren]|balten. Die Regierung, anfangs im Nadtkei
von argen Unruhen geftört. Der neue Congreß
von 1834 änderte, um dieſem Unheil ein Ende zu
egen die Aufrührer, brachte denjelben dann im
ai 1849 eine ſchwere Niederlage bei. Die erniten
machen, eigenmächtig die Berfaffung von 1824 u. Zwiſtigkeiten, welche inzwijchen mit England wegen
näherte fie ehr der nordamerilaniſchen Föderativ-
verfaffung. Nach diefer Berfaffung traten geje-
gebende Provinzialverfammlungen (bei einigen Pro⸗
binzen von 36, bei anderen von 28 und bei noch
anderen von 20 Mitgliedern) ins Leben, u. jede
Provinz erhielt eine — — welcher,
unabhängig von der Centralregierung, die innere
Verwaltung oblag. Oct. 1835 wurde die bisherige
Regentihaft entlafen, u. Diego Antonio Feijo trat
als alleiniger Regent fein Amt an. Der revolutio-
nären Elemente vermochte er indeß nicht Herr zu
werden. Abermals waren im Jan. 1835 in Para
Unruhen ausgebrochen, weitere jolche folgten, und
die Provinz Rio Grande erllärte fih April 1837
zur unabhängigen Republit. Da Diego Ant. Feijo
einſah, daß er mit feinen reblichen Beftrebungen
nicht durchdringen konnte, jo legte er Sept. 1837
die Regenſchaft nieder, u. Pedro Araujo de Lima
wurde zum Negenten gewählt. Aber au unter
diefem ging es wicht beffer.
des von diefem in Anfjprucy genommenen Durd-
—— braſilianiſcher Schiffe nach Sklaven
ausgebrochen u. zu ſtarken Zollerhöhungen auf
engliſche Waaren geführt hatten, wurden endlich
1850 beigelegt; die Deputirtenlammer exflärte in
der Situng vom 17. Juli 1850 den Sflavenhandel
für Seeraub (j. u. SHaverei), u. während noch
1850 23,000 Sklaven eingebradht worden wareır,
hatte fi 1851 die Zahl auf 3287 verminkert.
Im Innern des Landes war eine leibliche Rude
eingetreten, weshalb die Negierung ihre ganze
Aufmerkfamfeit den friegeriihen Berwidelungen
an der SGrenze des Neiches zumenden Tomte,
wo ein Krieg mit dem Dictator der Argentiniſchen
Republik, Rofas, der das B. verbindete Paraguay
u, Uruguay in fortwährenden Einfällen plünderte,
in Ausfiht fand. Es wurde in Deutichland aus
den Trümmern der jhleswig-holfteinifchen Armee
im Frühjahre 1851 ein Corps von etwa 2000
Bahia erllärte ſich Mann angeworben und nad B. übergeführt, u.
Nov. 1837 zur Republil u, vertrieb die Portugieien|B. ſchloß mit der Republik Uruguay u. mit Urguiza,
u. alle Anhänger der Regierung, u. erft März 1838 |dem Statthalter der argentin. Prov. Entre-Rios
‚gelang es dem Marichall Eollado, die Stadt zu
ezwingen u. das Haupt des Aufftandes, Sabino,
gefangen zu nehmen. Aber infolge der hierbei an-
gewandten Strenge hörten die Aufftände nad u.
nah auf. Als Juli 1840 der Regent die Kam—
mern auflöfte, ſchritten diefe, ftatt zu gehorchen,
zu einem völlig revolutionären Act, indem fie den
noch nicht 15jährigen Kaifer Pedro IL. für voll
jährig erflärten. Der Kaifer berief die Brüder
Andrada, die Beranftalter jener Revolution, in das
Minifterium. 18. Juli 1841 wurde er gekrönt.
Das alte Parteitreiben begann aber alsbald von
Neuem. Die republitanische oder braſilianiſche
Partei, obgleich vie zahlreihere, unterlag der
ariftofratifchen od. portugiefiihen, welche über die
materiellen Mittel im Lande gebot. Mit der Nie—
derlage der republilaniſchen Partei traten auch die
Andrada aus dem Minifterium u. kehrten im die
Provinz S. Paulo, ihr Geburtsland, zurüd, mo
fie im Mai 1842 einen Aufftand anzettelten, der
aber Aug. deſſ. 78. durch den General Carias
unterdrüdt wurde. Gleichzeitig brach aud ein
Aufitand in der Provinz Minas Gerads aus, der
mit Mühe unterdriüdt wurde. In Nio Grande,
wo David Canabarro an der Spige der Inſur-
enten ftand, wurde der Aufftand erjt nad) vier
abren, März 1845, gedämpft; die Inſurgenten
erhielten Amneftie u. unterwarfen fih. Die fran-
zöſiſche Revolution Februar 1848 übte auf den
Handel u. Verkehr in Rio de Janeiro lähmenden
Einfluß aus u. wedte von Neuem die fhlummern-
den Beftrebungen der repolutionären Köpfe. Nach—
dem zu Anfang des Jahres 1848 erft ein Sflaven-
einen geheimen Bertrag.. Erft Juli 1851 wurde
der brafilianifche Gefandte aus Buenos-Ayres ab-
berufen, u. der Krieg gegen Buenos-Ayres damiı
eröffnet, daß Urguiza an der Spite von 6000
Mann 20. Juli den Uruguay überſchritt. Durch
geichidte Bewegungen gelang les ihm bald Mor-
tevideo zu entjegen u. die argentin. Armee zur
Capitulation zu zwingen. Neue Rüſtungen des
Dictators führten zu einem Schuß- u. Trußbünd-
niß zwiihen B, u. Paraguay, Corrientes, Entro
Rios u. Uruguay, von deren vereinigten Arıneen
unter Urguiza Roſas 3. Febr. 1852 bei Monte
Eajeros geichlagen und geftürzt wurde, womit der
Krieg entjchieden war, Der Handel B-8 nahm wäh-
rend u. nach dem Kriege einen großen Aufſchwung,
u. das Budget, welches der vom 3. Mai bis 4. Sept.
tagenden Kammer vorgelegt wurde, erwies eine
bedeutende Mehreinnahme, fo daß die Finanzlage
des Kaiferreiches ſich günftiger geftaltete. Mit der
Republik Peru wurde ein Schifffahrts- u. Grenz
berihtigungs »Bertrag abgeſchloſſen. Die deutic-
brafiliihe Yegion wurde 1853 aufgelöft, da ber
urfprüngliche Plan, mit derfelben eine Art Mih-
tärgrenze zur etabliren, an der ſchlechten Haltung
der Truppen u. anderen Umſtänden jcheiterte, Die
Kammern, welche 3. Mai 1853 zujammentraten,
waren zwar fr die Regierung günftig geftimmt,
aber umter der berrichenden Partei war eine Spalt
ung eingetreten, welde den Rüdtritt des Mun-
fteriums zur Folge hatte; das neue Miniftertum,
mit Carneiro Leao Visconde da Parana am der
Spite, fuchte eine Bereinigung der Parteien zu
Stande zu bringen, indem es die höheren Staats-
aufftand in der Provinz Rio Grande unterdrüdt)ftellen an Gonjervative wie Fiberale vergab, Ein
worden war, machte Juni die republifanische oder) Hauptpunft im Programm des Minifteriums war
Sta,» Lucia Partei in Pernambuco eimen neuen die Förderung der materiellen Intereſſen, welde
Aufſtand. Diejelbe wollte die Portugiefen aus demjin der großen Ausdehnung des Gebietes ohne
Lande vertrieben, od. wenigitens aller Stellen ent- Straßen u, mit fehr fpärlier Bevölkerung, im
fett wiffen u. forderte die ‚zreilaffung der Sklaven | Mangel einer fiheren u. geordneten Rechtspflege
in der Abficht, durch diefelben Verftärfung zu er- u. in der Unduldjamfeit der römiſch-katholiſchen
92
803
Braſilien Geſchichte).
Geiſtlichen gegen nicht römiſch-katholiſche Einwan-
ein Schiff der letzteren ein ſeceſſioniſtiſches im Ha-
derer faft unüberſteigliche — fand. In fen von Bahia wegnahm, wofür aber von Seite
der That beicäftigten die Regierung die ausmär- der Union Genugthuung erfolgte. Wichtiger wurde
tigen Fragen am meiften; darunter ‚die Berhält-|der Kampf, der bald darauf jämmtliche üpörttichen
niffe zu den fübamerifaniichen Nepublifen, über| Staaten SAmerifas in Mitleidenſchaft zog. Die
welche B. eine Art Schut- u. Aufſichtsrecht aus: heftigen Parteifämpfe in Uruguay — die
zuüben trachtete, die Grenzſtreite mit Paraguay u. Regierung Bes zur Intervention in jenem Staate,
den europäiſchen Colonien in Guiana u. die Frei- um die daſelbſt wohnenden Braſilianer zu ſchützen.
heit der Schifffahrt auf dem Amazonenſtrom und Die herrſchende Partei in Uruguay, die der Blancos
den Fa Plata. Über die bewaffnete Einmiſchung (Conſervatiden), rief die Hilfe von Paraguay an
in Uruguay, welche von den europäischen Staaten (ſ. u. Argentinifhe Eonföderation u. Paraguay),
als Beweis der Eroberungsfuht B-8 gedeutetiu. der Dictator letteren Staates, Lopez, erklärte
wurde, gab die Regierung in einer vom Miniter eine Fntervention B-s in Uruguay als einen
des Außern, Limpo de Abreu, verfaßten Denlſchrift Kriegsfall für Paraguay. B. beichleunigte um fo
vom 19. jan. 1854 beruhigende Aufichlüffe, denen
bald darauf die Zurüdziehung des größten Theils
der brafilianiiden Truppen aus Uruguay folgte.
Infolge eines Berbotes, welches der Präfident
von perl 3. Oct. 1854 erließ u. nach wel-
chem das Einlaufen fremder Kriegsfhiffe in die
Flüſſe der Republit Paraguay verboten wurde,
entitand eine Differenz zwifchen B. u. Paraguay,
die aber ohne Rejultat verlief. Rückſichtlich der
Einwanderung gab die Regierung an, daß im J.
1853 in 31 Colonien 20,747 Einwanderer u. im
J. 1854 in 34 Colonien 21,840 Einwanderer fi
niebergelafien hätten. Ende 1854 wurden Gold-
lager von großem Reichthum im nördfichiten Theil
Bes entdedt u. zogen viele Speculanten u. Eofo-
nijten an. Bei der Eröffnung der jährlih im Früh—
jahre fih verjammelnden Kammern im Mai 1855
trat der Minifter Parana mit dem Entwurfe einer
ſehr wichtigen Wahlgefetsveränderung vor die Kam-
mer, melde die Wahlen auf Angehörige der betr.
Wahlbezirte beſchränkte. Der Entwurf wurde in
beiden Kammern mit Hilfe der liberalen Partei,
für welche er günftig war, angenommen, Bei dem
Frühjahr 1856 erfolgten Tode des Minifterprä-
fidenten, Viscomte da Parana, übertrug der Kaifer
den Borfis im Minifterium dem Kriegsminiſter
Garias, jedoch trat zu Anfang des Jahres 1857
ein Eoalitionsmimiftertum, mit dem Marquis von
Olinda an der Spite, and Ruder, welches in den
Kammern erklärte, daß die Förderung der Volks—
mohlfahrt feine Aufgabe fein jollte, zu deren Löſung
eine zahlreiche u. kräftige Einwanderung weſentlich
beitragen müßte. Den Niht-Römich-Ktatholiichen
follten die gleichen bürgerlihen Rechte u. Freiheit
mehr fein Unternehmen gegen Uruguay, u. e8 ge-
lang ihm 1865, die dortige Regierung durch deren
Gegner, die Colorados (Radicalen) unter Flores,
zu ſtürzen. Die Folge war ein dreifaches Bünd—
niß zwifchen B., der neuen Regierung von Uru—
guay u. der Argentinifchen Nepublit gegen Para-
guay (1. Mai 1865), welcher Iettere Staat in«
zwiſchen bereit die Feindſeligkeiten gegen B. er-
öffnet hatte. Der lange Krieg (f. u. Paraguay)
endete erit 1870 mit dem Tode des Pictators
Lopez, nadhdem er B. 600 Mil. M getoitet
hatte. Inzwiſchen hatte der Kaifer Pedro II., der
ohne Sohn ift, feine beiden Töchter verheiratbet,
u. zwar die ältere, die Thronerbin Fjabella, mit
Louis von Orleans, Graf von Eu, Sohn des
Herzogs von Nemours (die jüngere ift 1871 ge
ftorben). Mai 1865 wurde in der Armee ftatt des
bisherigen Werbeſyſteins die Confcriptioneinge-
führt. Mehreren abermals raſch fih ablöfenden
Minifterfrifen folgte 15. Juli 1868 unerwartet
eine neue, welche merkwürdiger Weife, troß libe-
raler Kammermehrheit, die conjervative Partei an
die Spite der Negierung bradte. Die Kammer
beichloß ein Miftranenspotum gegen letztere und
wurde aufgelöft. Man jprach bereits von Seceffion
einzelner Provinzen u. von Erklärung der Kepublit.
Die neuen Wahlen fielen aber 1869 günftig fir
die Regierung aus, u. diefe war jomit befeftigt.
Defto — ſchaarte ſich aber die liberale
Oppoſition zuſammen u. verlangte nun u. a. auch
Religionsfreiheit u. Begünftigung der Einwander⸗
ung. Ihr gegenüber wuchs nun aber auch der
Fanatismus der katholiſchen Geiſtlichkeit gegen den
durch die Einwanderung Platz greifenden Pro-
ihrer Religionsübung gewährt werden, was jedoch teſtantismus. Während im Übrigen trotz des Krie—
vor der Hand thatjächlih noch wenig Ausführung ges mit Paraguay der Wohlftand B-8 zunahm,
fand. In den nächſten Jahren fanden infolge der|entwidelte ſich ein religiöfer Conflict, welcher
Barteiverhältniffe mehrere Erneuerungen des Mi⸗ noch heute fortdauert. Der Biihof von Pernam—
niſteriums ftatt, jeweilen im Sinne der Mehrheit
der gejeggebenden Verſammlung. Eine größere
Bedeutung erlangte ımter den fich folgenden Re—
gterungen erft 1862 jene unter dem Vorſitze des
Marquis von Dlinda, melde fi indefien bald
genöthigt ſah, trog ihrer confervativen Parteifarbe
den Liberalen Zugeftändniffe zu mahen. Da fie
jedoch hierbei feine von beiden Parteien befriedigte
und zugleih in einem Streithandel mit England
wegen eines geftrandeten engliihen Schiffes, ſowie
wegen der Verhaftung ftreitfüchtiger englischer
Offiziere allzu große Nachgiebigfeit zeigte, mußte
auch fie abtreten, Auf diefen Streit folgte 1864
ein jolcher mit der Nordamerifaniichen Union, als
buco, Dom Pital d'Olinda, ein in Frankreich er-
zogener Kapuziner, belegte 1873 jene Firchlichen
Brüderſchaften, welche unter ihren Mitgliedern
Freimaurer zählten, mit dem Interdict, und die
Biihöfe von Para u. Säo Paulo folgten feinem
Beiſpiel. Die Freimaurer klagten bei der Re—
gierung, namentlich da es fi) herausſtellte, daß
der Erzbifchof von Bahia u. a. Bifchöfe ebenfalls
'thatfählich die Freimaurer von der kirchlichen Ges
meinſchaft ausichloffen. Die Regierung, unter dem
Borfige des Visconde do Rio Branco, erflärte das
Interdict für ungitig w. verlangte deſſen Zurüd«
nahme. Der Biihof von Pernambuco widerfegte
ſich, indem er fih auf die päpftlichen Decrete be-
*
Di
804
rief. Er murde daher nad} Rio de Janeiro gebradt,
ihm der Proceß gemadt, u. März 1874 erfolgte
feine Berurtheilung zu 4 Jahren Gefängniß, mwel-
ces indefien eine jehr milde Geftalt erbielt In
Pernambuco wurden aud die Jeſuiten ausgemwie-
fen, denen man die Schuld an dem Auftreten des
Biihois beimaf. An mehreren Orten erregten
die Priefter Unruhen, die aber bald beigelegt wur»
den, Neuejtens erflärte ein Laijerliches Decret die
proteftantiihen Eben, melde die frühere brafi-
lianifhe Praris nur ald Goncubinate betrachtet
hatte, für unauflöslich.
Brafilien (Geſchichte)
polit. do imperio do B., Rio 1826 bis 1830,
20 Bde; Münd, Geſchichte von B., Dresd. 1829,
3 Bde.; Eonftancio, Historia do B., Par. 1839,
2 Bbe.; Mansfield, Paraguay, Brazil and th>
Plate (Letters written in 1852—1853), Cambr.
1856; Wiedemann, Die deutiche Eolonte Petropolis
in der Provinz Rio de Janeiro, Freifing 1856;
Reybaud, Le Bresil, Par. 1856, deutſch, mit Zu-
jägen, Hamburg; Handelmaun, Gedichte von B.,
Berl. 1860; v. Barnhagen, Historia general do
Brazil, Rio 1855; Erpilly, La traite, l'’ömigration
et la eolonisation au Bresil, Par. 1864; W.
Literatur: Grant, History of Brazil, Lond. Schulz, Studien über Süd-B. im Hinblid auf die
1808, deutſch, Weim. 1814; Southey, History of|Eolonifation, 2pz. 1865; Hellmald, Das Katier-
Brazil, Lond. 1810—19, 3 Bde.; De Souza, thum 8. u. feine jüngfte Entwidelung, in Uniere
Memorias hist. de Rio de Janeiro, Rio 1820—22,| Zeit, 1875, 5. Heft.
9 Bde; Da Silva, Hist. dos principaes successos
(Geſch.) Henne-Am Rbyn.*
Verzeichniß der Illufrationen
zum dritten Band.
Karten: Edit.
BEE anna Be re Se ae a Fe a 19
Plan von Berlin . . » 2. e 229
Böhmen. . ». . .» . . R ie 614
Provinz Brandenburg . . 775
Braſilien . 798
Beſchäftigungsweiſe.
Im Tert:
Beugung des Lichtes. Fig. 1, 2, 8,4. 56 818
Bifilarmagnetometer » » 200m. . — .. 408
I
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sEARALTE
Fr, ver