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Full text of "Pierers Universal-Conversations-Lexikon. Neuestes encycklopädisches Wörterbuch aller Wisssenschaften, Künste und Gewerbe"

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PIERERS UNIVERSAL- 
CONVERSATIONS- 
LEXIKON: NEUESTES 
ENCYCKLOPADISCHES 


WÖRTERBUCH 
ALLER... 





als 


—— 


BOUCHT WITH 
THE INCOME PROM 
THE BEQUEST OF 
ICHABOD TUCKER, 
OF SALEM, MASS. 
(Class of 1791.) 





Rierers 


Univerjal-Gonverjationg- Lexikon, 


Sechste, vollſtändig umgearbeitete Auflage. 





Dritter Rand. 


Baumpfähle — Brafilien. 


\ 
—2 


Digitized by Google 


Pierers Univerfal- 


Lonverlations-Lexikon. 


— — — 


Aeuestes encyklopädisches Wörterbuch 


aller Wiſſenſchaften, Künſte und Gewerbe. 


— ——— — 


Sehste, vollſtändig umgearbeitete Auflage. 


Mit zahlreichen Karten, Plänen und SZlluſtrationen. 


— — 


Dritter Band. 


Baumpfühle — Braſilien. 
> | 
Oberhaufen und Teipzig. 


Serlagsbudhandlung von Ad. Spaarmann. 


1875 


SIT TH 
Ir A d eat. 


Ale Rechte vorbehalten. 


Drud von Ad. Spaarmann in Oberhaufen. 


„BA-. 


2. 


Baumpfähle, Biähle, woran junge Bäume] 


bunden werden, win dielelben gerade zu ziehen 
gegen den Sturm zu ftügen. Die Spite der 
. wird, damit fie länger dauern, gebramnt, ge- 
ert oder imprägnirt. Die beiten B. find die 
n Radelhölzern, Afazien, Eichen u. Kaftanien, 
n wenigiten haltbar die von Buchen, Bisweilen 
nd der Baum auch zwiſchen 2 etwas entfernt 
bende Pfähle mit Stroh» oder Baftieilen be- 
hat (Anlegen ins Gehänge). 

Baumpflanzungen, j. u. Obitbäume. 
Baumpilze (Bot.), Schwämme verichiedener 
rt, weldhe aus kranfen Bäumen bervortommen. 
ı gehören ſehr verichiedenen Gattungen an, 
ımentfih aber den Gattungen Agarieus, Poly- 
rus, Trametes, Daedalea, Thelephora, Exidia. 
ecidium u. a. In manchen ‚Fällen it es zmweifel- 
aft, ob der betr. Pilz geiunde Bäume frank macht, 
d. ob der Pilz nur auf bereits Franken Bäumen fich 
ut Erfolg entwideln kann. Dies gilt 3. B. von dem 
‚underpilze (Polyporus formentarius Fr.), auf 
Suhen, u.dem verwandten unechten Feuerſchwamm 
P, igniarius Fr.), auf Beiden- u. Obftbäumen. 
rär gewiffe Fälle aber iſt nachgewieſen, daß der 
N; das Krankmachende ift, daß er ſelbſt ganz 
lunde Bäume angreift u. allmählich tödtet. 
2. d. betr. Artikel. 

Baumreife (Obitb.), der Zeitpuntt, an welchem 
as Obſt von den Bäumen zu nehmen ift, u. 
r daran erfannt wird, menn viele geſunde 
früdte abfallen u. die anderen fich leicht mit dent 
Stel vom Baume löfen laffen; bei dem Winter- 


bſte pflegt im mitt. u. nördl. Deutichland die) 


8. jelten vor Anfang October vollftändig zu fein. 
Baumroden, eine Art der Holziällung; f. d. 
m I — f. u. Baumſchniit? 

Baumſatz od. ſetzen, die Kunft, Bäume ver- 

hiedener Art u. verfchiedenen Alters in fremden 

Boden zu verpflanzen, Erfte Bedingung zum 

zuten Gelingen ift die möglichfte Erhaltung der 

Surzel, welche dabei micht länger als irgend 

nothtg ans dem Boden gelaflen werden darf ır, 

ın den Spiten glatt bejchnitten werden muß. 

An der Pflanzftele wird, am beften ſchon einige 

Zeit vorher, der Boden tief gelodert, gewöhnlich 

ane Baumgrube ausgeworfen, deren Größe ſich 

nad der Baumart, der Stärke des Stammes u, 

ver Beſchaffenheit des Bodens zu richten bat, 

mindeſtens follte fie 1m weit u. 60cm tief fein; 
ie ſchwerer, fefter u. unfruchtbarer der Boben, 
deſd weiter, tiefer u. forgfältiger muß fie vorger 
ihtet werden; fie wird mit loderer, fruchtbarer 

Erde, welche in der Qualität von der der Um— 
gebung nicht zu fehr abweicht, angefüllt; die Ber- 
wendung von Dünger, 





Wenn der junge Baum angebunden werden foll, 
jo wird zunächſt der Baumpfahl seit einge 
Ihlagen, der an Wurzeln u. Krone beichnittene 
Baum jo an denjelben geiegt, daß die Wurzeln 
mar eben unter den Boden zu liegen fommen u, 
der oberfte Theil derjelben auch ſpäter, wenn fich 
die Baumgrube völlig geienft bat, nicht tiefer als 
der umgebende Boden fih befindet; dann wird 
gute lodere Erde zwiichen die Wurzeln gebracht, 
welche dabei zugleich forgfältig auseinanderge- 
zogen u. ausgebreitet werden; nah Bedürfniß 
wird begoffen u. fchließlih der Boden janft an- 
gedrüdt oder angetreten. Die Oberfläche der 
geebneten Baumgruppe bildet die Baumicdeibe, 
welche nad der Mitte etwas muldenförmig ver— 
tieft wird; das Anbinden an den Baumpfahl darf 
anfangs nur loder geicheben, damit ji der Baum 
mit dem fich ſetzenden Boden jenfen fan. Die 
beite Zeit zum B. ift vom Herbite bis zum Früh— 
jahre, bei ichwerem, feuchtem Boden ift das Früh— 
jahr vorzuziehen; immergrüne Bäume werden 
mit günftigem Erfolge erft im Mai oder auch im 
Auguft verpflanzt. Schwächere, geiunde Stämme 
ertragen in der Regel das Berjegen am leichteiten 
uw. holen oft in wenigen Jahren jtärfere verfette 
ein; doch Hat man im neuerer Zeit auch ganze 
Parfanlagen mit großen u. Heinen Bäumen bin— 
nen furzer Zeit an Orte gezaubert, wo vorber 
fein Baum zu ſehen war; als Beifpiel find der 
berühmte Park des Fürften Pückler zu Muskau 
in Schleſien u. aus der allerjüngften Zeit der 
Bart des Commerzienraths Krupp zu Bredenen 
ber Eifen in Rheinpreußen anzuführen. An let 
terem Orte find ca. 500 ftarfe Bäume bis zu 
1,,0 m Umfang gepflanzt u. mit ſehr wenigen 
Ausnabmen gewachlen, obgleich fie zum Theil aus 
beträchtlicher Entfernung herbeigebolt wurden. Es 
werden dafür befonders conftruirte Transport. 
wagen benutt, deren größter jhon mehrfach Bäume 
mit 20,000 kg ſchweren Erbballen befördert hat. 
Beim Berfegen der ftarfen Bäume über 1 m 
Umfang miffen die zu lafjenden Erdballen ſchon 
ein Jahr vorher umgegraben u. die Wurzeln bier 
abgeftoßen werden, damit fih am Imfange des 
Erpballens neue Saugwurzeln bilden, ohne welche 
das Anwachſen ſchwierig jein wiirde, Wolde. 
Baumfdjeere, ſ. u. Baumichnitt. 
Saum! Ati ſ. u. Baumfat. 
Baumpfchlüpfer, jo v. w. Zaunkönig. 
Baumjchnitt, 1) die Kunft, den Bäumen durch 
Beichneiden eine beftunmte Form zu geben, deren 
Wahsthum oder Fruchtbarkeit zu befördern, ihre 
Sefundheit zu erhalten u. die Lebensdauer zu 
verlängern. Der B. zerfällt in Winter- oder 


Holzabfällen u. anderen Frühſahrsſchnitt, welcher während der Winter- 


(oderen Gegenftänden wirkt meift nachtheilig. "ruhe der Bäume, am beiten im Febr. u. März, 


bierers Univerfals@onverjationd:?eriton. 6. Aufl. 


IN. Bant. 1 


5) 
— 


vorgenommen wird u. die eigentliche Formbildung 
des Baumes bezweckt u. in den Sommerſchnitt 
der Monate Juni, Juli u. Auguft, vorzugsmeife 
zur Vermehrung der ee der Bäume 
dienend. Durb den Winterſchnitt wird im All- 
gemeinen das Wachsthum des Baumes befördert; 
je ſtärler dann beichnitten wird, deſto kräftiger 
wird der darauf erfolgende Trieb fein; es werden 
daher vorzugsweife diejenigen jungen Triebe ein- 
gekürzt, an melden fi neue Triebe erzeugen 
jollen, wogegen überflüfiige Zweige ganz wegge— 
(hnitten u. ſolche, an welchen Früchte gewünscht 
iwerden, entweder gar nicht, oder Dicht über einem 
Fruchtauge, oder über nicht völlig ausgebildeten 
Holzaugen bejchnitten werden. Der Sommerjchnitt 
befördert dagegen vorzugsweile die volllommenere 
Ausbildung der übrig gelaflenen Pflanzentheile, 
ganz bejonders der Augen, welche fib dann mehr 
ag aid auszubilden u. in den nächſten 
‚Jahren Blüthen u. Früchte zu bringen pflegen, 
Es werden durch ihn deshalb ebenfalls alle über- 
flüſſigen Zweige bejeitigt u. diejenigen eingekürzt, 
welche zur Fruchterzeugung dienen follen, wogegen 
alle joihe Zweige, die zur Vergrößerung des 
Baumes nöthig find, im Sommer nicht bejchnitten 
werden dürfen. Der B. ift nad Art u. Zwech 
der Bäume jehr verichieden; am ſchwierigſten, aber 
auch amı meiften ausgebildet bei den Obftbäumen, 
namentlich bei den jog. Formbäumen, zu beren 
regelmäßiger Erziehung tlichtig vorgebildete Baunı- 
züchter erforderlich find; die franzofifchen Gärtner 
baben im diefer Beziehung den größten Ruf. Zum 
Beichneiden bedient man fid des Baummefjerg 
von verfhiedener Form, fräftig gearbeitet u. mit 
nah vorn gebogener Klinge, oder der Baum: 
eder Aſtſcheere (Secateur) verichiedener Gon- 
ſtruction, womit fi raſcher u. bequemer arbeiten 
läßt, welde aber felten einen fo glatten Schnitt 
als das Mefjer erzeugt. Mit der Baumjäge, 
entweder nur aus einem ftarten, vorn zugejpigten 
Sägenblatte mit Handgriff, od. aus einem foldyen, 
mit Büge! darüber, beftebend, werden die ftärkeren 
Alte vorfichtig abgenommen u, die Schnittflächen 
mit dem Meſſer glatt geichnitten; die Baum- 
frage oder Scharre dient zum Abfragen bes 
Mooſes u. der abgeftorbenen Rinde an den Stäm- 
men. 2) (Weinb.) Eine bejondere Zuchtimethode 
des Meinftodes; f. u. Weinbau. Wolde. 
Baumſchule, Grundſtüch, auf welchem junge 
Bäume u. Geſträuche in größerer Menge zum 
jpäteren Berpflanzen angezogen werden. Nach 
der Verfchiedenheit der PBflänzlinge unterjcheidet 
man Samenſchulen, Pflanzſchulen, Rebenichuien, 
Obſtbaumſchulen, Waldbaumſchulen u. Zierbaum- 
ihulen. Durch richtige Behandlung in der B. 
werden die jungen Bäume fräftiger u. gedeihen 
jpäter beffer, als wenn fie gleih auf ihrem 
dauernden Standorte gezogen werden; ertragen 
namentlich wegen befferer Ausbildung ihrer Wurzel 
durch öfteres Umpflanzen fpäter leichter das Ber- 
teten. 


Baumjchule — Baumftarf. 


wöhnt werden, um fpäter unter allen nicht zu un« 
günftigen Verhältnifien gedeihen zu fönnen, Wolke. 
Baumfeelen (Pflanzenjeeien). Der Glaube 
an unfichtbare Weſen, welche Bäumen u. a. 
Pflanzen innewohnen, ift über die ganze Erde 
verbreitet u. ohne Zweifel eine der erften ‚zormen 
des Animismus, ſowie eine derjenigen, welche 
das Intereſſe des Eulturforfchers ganz beſonders 
in Auſpruch nimmt. Man findet dieſen Glauben 
nicht nur bei wilden Völlerſchaften, fondern auch 
inmitten der Mittelpunfte der Gultur. Wenn man 
bier bei Frucht · u. Giftbäumen aud gerade wicht 
nothwendig an gute u. böje Weſen denkt, die iu 
diefer Weiſe ihre Wirkſamkeit offenbaren, jo wird 
doch 3. B. das Rauſchen des Baumes als eine 
Art geheimmißvoller Stimme angefehen, von der 
namentlich die Dichter zu erzählen willen: eine 
Stimme, die je nach Umjtänden von einem lieb- 
lichen oder einem ſchrecklichen Eindrude begleitet 
jein kann. „Der Wind im Wald, das Paub am 
Baum fauft ihm Entjegen zu.“ Es kommt baber 
bei allen älteren Religionen u. beute noch bei 
wilden Bölterfchaften vor, daß Bäumen in irgend 
einer Weife geopfert wird; f. Baum (heiliger). 
Am gewöhnlichſten finder fi das Behängen der 
Bäume mit allerlei Gegenftänden, oder das 
Spenden von Speiien u. Getränken; erfteres faft 
allgemein, letsteres bej. im äquatorialen Afrika 
gebräudhlih. Wo der Glaube an die Seelen- 
mwanderung bericht, find die Bäume u. Pflanzen 
jelbftverftändlih mit in deren Kreis gezogen. 
Bgl. Tylor, die Anfänge der Eultur, Lpz. 1873, 
Unzweifelhaft hängt mit dem Glauben an B. auch 
zujammen der Glaube an die Zauberfraft, die 
vielen Bäumen u. Pflanzen vom Bolfe beigelegt 
wird; vgl. Zauberei, Schroot. 
Baumſpecht, ſo v. w. Baumllette. 
Baumfesen, ſ. Baumſatz. 
Baumſtark, 1) Anton, namhafter Phi— 
lolog, geb. 14. April 1800 zu Sinzheim in Ba— 
den; ſtudirte Philologie, wurde 1826 Lehrer am 
Gymnaſium zu Freiburg, 1829 Profeflor an der , 
Univerfität, 1836 Director des Philologiſchen Se- 
minars daſelbſt. Außer einzelnen Heineren phi— 
lologiſchen Abhandlungen gab er den Julius 
Cäſar mit Anmerkungen, Freib. 1832, u. eine 
Überfegung deffeiben, Stuttg. 1837, heraus; er 
ichr.: Blüthen der griechiſchen Dichtkunft, in deut- 
jher Nachbildung, Karlsr. 1840, 6 Bbe.; Blüthen 
römischer Dichtkunft, ebd. 1841, 4 Bde.; Gom- 
mentar zu den Gedichten des Horatius; ebd. 1841, 
2 Bde.; Bilder des Altertbums zur Erläuterung 
der Gedichte des Horatius, ebd. 1841. Urdeutſche 
Staatsaltertbüimer, zur ſchützenden Erläuterung 
ber Germania des Tacitus, Lpz. 1873, in welcher 
Schrift die von B. ſchon früher verfochtene Au— 
fiht von dem romanbhaften Charakter der Ger- 
mania durchgeführt, zugleih aber eine große 
Menge erllärenden Material$ u. gelehrter Erör— 
terungen beigebracht ift. Außer den phil. Abhand⸗ 


Die B. foll eine freie, aber gegen ftarfellungen lieferte B. pädagogiſche (über das badiſche 


u. rauhe Winde etwas geſchützte Lage u. einen tiefe] Schulmwefen, über F. A. Wolf) u. ftaatswifjen- 
gründigen, kräftigen, loderen, jedoch nicht zu ſtark ſchaftlich⸗politiſche, lettere unter dem Pſeudouym 


‚ebüngten Boden baben, damit fi die jungen 
entwideln klärung, Darmft. 1846; Friedrich Karl Freib. v. 
nicht zu ſehr ver-/Mofer, Stuttg. 1846; Populäres Staatslerifon, 


Vflanzen einestheils kräfti 
‚ömmen, anderſeits aber au 


genug 


ermann vom Buſche: Die freie religiöje Aufs 


Baunwads — Baumwolle. 


3 


harsınfenichaftliches Haudbuch der politifchen|1839, proteflantifher Pfarrer in Haag (Großb. 


infllärung, Stuttg. 1846. Im J. 1871 if B. 
n den heſtand getreten u. lebt in Freiburg. 
2) Eduard, Bolkswirtbichafter u. Pia 
druder des Bor., geb. 28. März 1807 zu 
Zngbeim; wibmete fich jeit 1825 in Seibelberg 
m Stubium der Rechts- u. Gameralmwifien- 
haften u. habilitirte fi 1828 als Privatdocent 
daſelbſt. 1838 erbielt er einen Ruf als Brofeflor 
nah Greifswald, wo er die landwirthichaftliche 
‘chranftalt zu Eldena reorganifirte, deren Director 
er auch 1843 wurde. 1848 trat er in die preufiiche 
unonalverjammiung u. ſchloß fich der gemägigt- 
überalen Partei an; 1849 für die Erfte Kammer 
wählt, fungirte er als BVicepräfident derfelben 
s iuchte für das Zuftandelommen der Preußiſch— 
Deutichen Union zu wirfen, al$ er 1860 von ber 
Lammer zum Staatenbaufe nah Erfurt gejandt 
wurde; dann wieder in die erjte Kammer gewählt, 
fand er am ber Spitze der Oppofition gegen das 
Rinifterium Manteuffel; 1859 trat er wieder in 
das Herrenhaus u. gebörte bier zur liberalen 
Anten. B. ſchr.: Über Staatscrebit, Heidelb. 
1843; Gameraliftiihe Eucyllopädie, ebd. 1835; 
über ftaats- u. landwirthſchaftliche Alademien, 
Srefsw. 1839; Zur Einfommenfteuerfrage, ebd. 
1845; Zur Geſchichte der arbeitenden Klafjen, 
5°. 1853; Über die Mittel zur Verbeſſerung der 
Jutände der arbeitenden Klafjen, ebd. 1860; An- 
tung zum wiſſenſchaftl. Studium ber Landwirth- 
‘Saft, ebd. 1360; begründete die Jahrbücher der 
Staatd- u. Sandreirthfaftlihen Alademie zu El. 
na, ebd, 1848 ff.; gab mit Gervinus die Deutſchen 
Jahrbücher heraus u. Überſetzte u. commentirte 
Ruardos Grundgeſetze der Vollswirthſchaft, Lpz. 
1837 f., 2 Bde. 3) Reinhold Ludwig, Sohn 
von B. 1), Kreisgerihtsrath in Konftanz, geb. 
1831, erg a welcher ſich indeffen mit 
Sorftebe culturhiſtoriſchen Studien über Spanien 
u. politifcher Schriftftellerei zugemwendet bat. Die 
Srofhüre zum Baticanifhen Concil: Gedanken 
eues Proteftanten (1868) erregte bei den Ka- 
Belilen großes Aufjehen; der Verfaſſer trat aber 
bald zum Katholicismus über u. wurde Mitglied 
der uitramontanen Partei in der badiihen Stände» 
derſammlung, aus welder er nach Begründung 
3 Deutjichen Heiches wieder ausjchied. Seitdem 
A er politiih nur im engeren Kreife u. durch 


Baden); fchr.: Chriftliche Apologetit auf anthro- 
pologiſcher Grundlage, I., Frantf. a. M. 1872. 

aumwachs, eine Art Pflafter, welches bei 
der Baumzucht, befonders beim Beredeln, zum Be 
legen Heinerer Wunden dient, um das Verwachſen 
u. Heilen derfelben zu befördern. Bon den zahl» 
reihen Miihungen des Baummachjes find folgende 
einige der gebräuchlichſten: 250 g Wade, 1%5 g 
Harz, 125 g diden Terpentin u. etwas Baumöl; 
oder 500 g Wachs, 500 g diden Terpentin, 
250 g weißes Pech u. 100 & Talg; oder 80 g 
Wachs, 180 g da 40 g diden Terpentin, 10 g 
Baumöl u. 10 g Talg; oder 100 g weißes Pech, 
100 gHarz, 75 g Wachs u.50g Talg. Jede diejer 
Miſchungen wird auf gelindem Feuer geſchmolzen, 
gut durcheinandergerübrt, beim Gebrauche erwärmt 
oder geihmolzen mit einem Pinfel aufgetragen. 
In neuerer Zeit ift das Faltfläffige B. oder 
Baumbarz ſehr in Gebrauch gelommen, da es 
das mohlfeilfte u, bequemfte ift: 500 g gelbes 
Faßpech (Küblerharz) werden bei gelinder Hitze 
geihmolzen u. laugſam unter fletem Umrühren 
30 bis 100 g vom ſtärkſten Spiritus zugegofien; 
ed wird dann verfchloffen u. kühl aufbewahrt u. 
fann nah Bedürfniß durch Spiritus verdüunt, 
oder durch Stehenlaſſen an der Luft verbidt wer- 
den. Beim Gebrauhe wird es kalt wit einem 
Pinjel aufgetragen u. erhärtet raſch. Ein anderes 
daltflüſſiges B. ift unter dem Namen Mastic 
’Homme-Lefort oder Mastic liquide befanıt; 
e8 wird aus Pech u, Fiſchthran bereitet, trodnet 
langfamer, ift empfehlenswerth, wird aber zu 
theuer verkauft. Wolde. 

Baumwanzen, j. Wanzen. 
Baummweichſel oder große Sauerlirſche, ſ. u. 

Kirſche. 
Baumweide, gemeinſchaftliche Bezeichnung 
derjenigen Weidenarten, welche zu hochſtämmigen 
Bäumen erwachſen, im Gegenſatze zu Buſchweide. 
Zu dem wichtigeren gehören die Sahl-, Knad-, 
weiße u. Dottermweibe. 

aummeißling (Weißdornfalter, Piöris Cra- 
taegi L.), Tagfchınetterling aus der Fam. der 
Weißlinge. Schmetterling gelbl.-mwei mit ſchwarzen 
Adern; 50—60 mm. Acayen unten gran, oben 
gelblih mit hochorangefarbigen Bändern; Kopf u. 
einige Streifen über den Leib ſchwarz; 40 mm. Die 


me Schriften thätig. Er jchr.: Ausflug nach B⸗e leben aufallen Obſtbäumen, Schiehen u. Weiß- 


Spanien, Hegensb. 1868, 2. A. 1869; Cervantes’ 
Rufternovellen, ebd. 1868, 2 Bde.; Calderons 
Same Kobold, Wien 1869; Meine Wege, Freib. 
18705 Francisco de Quevedo, ebd. 1871; Da- 
zei D’Connell, ebd. 1873; Columbus, ebd. 1873; 
Die fathol. Vollspartei in Baden, ebd. 1870; 
der erſte Deutihe Reichstag u. die Intereffen der 
Sat, Kirche, ebd. ah Ani eſpräche, eb». 
71. Biele jeiner rıften And überfett. 


dorn; anfangs gejellihaftlih, umgeben fie fi mit 
einem gemeinfamen Geipinnfte; ſpäter zerſtreuen 
ſie ſich u. richten dann ſehr bedeutenden Schaden 
an. Die 100—200 Eier überwintern, fie werben 
auf Blätter abgelegt u. diefe mit Geipinnftfäden 
jo umzogen, daß fie nicht abfallen können; fic 
entwideln fih im Mai; Stugpeit des Schmetter- 
lings im Juni oder Juli. Winterlihes Abraupen 
ift das einzige, aber auch ein ficheres ar 
ute. 


4; Hermann Michael, Bruder des Bor., geb. |diefen Eulturverderber. 


136; ftudirte proteftantiihe Theologie, trat aus 
“ badischen Tandesfirde aus, ging 1860 nad 
inerifa, wo er Brofeffor am Lutheriſchen Eon« 
rdia Eollege zu St. Louis wurde; ſchr.: Ge. 
Sichte der Shrt. Kirche, St. Louis 1867. Er 


wat jpäter ebenfalls zum SKatholicismus über.|der Gattung Gossypium L. (j. d.). 


Baumtolle (altind. Kärpäsa, daher gr. Kar- 
basos, lat. Carbasum, arab. Kutun, ——F engl. 
Cotton, Cottonwool, franz. Coton. ital. Cotone, 
jpan. Algodon, holl. Katoen), im engeren 

inne die Samenwolle verſchiedener — F 
. Die 


5) Eprifian Eduard, Bruder des Bor., geb.'B-pflanze, von welcher es viele Arten gibt: 


1* 


R | Baumwolle, 


Baum- oder ftandenartige B-nftaude (G.! 
arboreum L.), perennirend, mit firaudartigem 
Stamme, 5lappigen Blättern mit ftumpfelanzett- 


lichen, am Ende Heinen ftachelipigigen Yappen; in Baum Grossimpinos 
gupten, in der Namens fi die Bewohner der Jnfel Tylos im 


Ditindien wild, in Amerifa, in 


Früdte Wolle trügen, welche an Schönheit u. an» 
deren Borzügen die Schafwolle überträfe u. woraus 
die Indier Kleider machten. Plinius nennt den 
(Gossampinos), weldes 


fevante und anf Eypern angebaut. Gemeine) Perfiihen Deerbufen bedienten; die Früchte wären 


od, frautartige B-njtaude (G. herbaceum L.), 
mit frautartigem Stengel, 5lappigen Blättern, mit 
abgermndeten Abichnitten u. mit gefägten Hüll- 
blättern; in Oftindien wild, in Spanien, auf Malta, 
Eicilien, in Apulien, Ungarn, Griechenland und 
im Orient, namentlich aber in Amerifa im Gro— 
ben angebaut. Weftindiiche Bnftaade (G. bar- 
badense Sw.), hober Strauch mit 3lappigen oberen 
Blättern, vorzugsweiſe in Wejtindien, aber auch 
in Dftindien, Afrila u. a. ©. gebaut. Gelbe 
B»nftaude (G. religiosum L.), Halbjtraud mit 
ſchwarz punttirten Zweigen n. Blattftielen, 3blätt 

riger, zerſchlitzter, mwolliger Blüthenhülle u. beil- 
orangefarbener Samenmwolle; in Oſtindien u, China 
heimiſch und viel cultivivt. G. hirsutum L., 
mit berzförmigen, ungetheilten oberen Blättern 
u. 3—5lappigen unteren Blättern, — 
Zweigen u. Blattſtielen u. 3zähnigen Hüllblättern; 
in Weſtindien befonders als French Cotton gebaut, 
auch in Neapel als Upland- Georgia» Baummolle 
gezogen. G. vitifolium Lem., mit zerichligten 
Hüllblättern u. fahlem, puuftirtein Stengel; vor- 
zugsweife in Brafilien gebaut. Außer den ge- 
nannten werben mod eine Menge Arten uud 
Formen gebaut, melde nur menig von den er- 
wähnten verschieden find. Die B-npflan- 
zen lommen ın der nörblichen gemäßigten Zone 
nur bis 40 u. 41°, in der ſüdlichen gemäßigten 
nur bis 30° fort, fie werden daher zwiichen den 
angegebenen Grenzen in faft ganz Oftindien, Per- 
fien, Syrien, Klemaftien, Cypern, Agypten, an 
den afrifanishen Küften, in Macedonien, Zicilien, 
SItalien, Malta, SSpanien, Brafilien, Guiana, 
auf den Weſtindiſchen Inſeln, einem Theil von 
NAmerika, auf den Philippinen, Isle de France xc. 
gebaut. Sie lieben fteinigen, trodenen, doch ſchon 
angebauten Boden und verlangen einigen Regen. 
Die Samen werden im Mair u. Juni zu 5—6 
in 14 m von einander entfernte Löcher geftedt; 
im Auguft u. September werden die aufgezogenen 
Pflanzen befchnitten, jo daß ſie nicht höher als 
1 bis 14 m wachſen. Im October blüht die 
Blanze ftarl. Die Kapfeln werden im März u. 
April jeden Morgen, ſobald fie plagen, abge 

nommen, bevor die aus der Kapiel heraustretende 
Wolle von der Sonne beicienen und grau, 
oder vom Winde verweht wird. Die Staude wird 
hierauf dicht über der Erde abgeſchnitten, treibt 
neue Schoffe u. trägt jährlih bis 3 Mal Früchte. 
Die B. wird mit der Hand (mie in Oftindien 
geſchieht, bef. zu jehr feinen Geweben), od. durch 
eine Maſchine, die aus 2 übereinanderliegeu- 
den, durch Räder verbundeygen u. durch eine 
Kurbel getriebenen Eylindern befteht, von den 
Samen losgelöft, in großen, 100—200 u. mehr 
Kilogramm ſchweren Ballen zufanmengepreft, die 
man dann mit Striden umſchnürt. Die erfte 
Nachricht von der Gewinnung u. Benugung der 
B. gibt Herodotos, u. zwar aus Djtindien. Er 
jagt, e8 wüchſen dort Bäume wild, die ftatt der! 


von der Größe eines Ouittenapfels; reif geworden 
platten fie auf, u. daraus läme die Wolle, woraus 
fie Kleider machten, welche bei. vqu deu ägyptiichen 
Prieftern getragen würden. Die ägyptiſche B. nennt 
Fe Byſſos (j. d.); fie kommt fchon in den 

iihern Mofis als Schech vor (was Yutber mit 
weiße Seide überjeßt); in den ipäteren Büchern 
des A. T. ericheint der Name Buz. Die Byffos 
des N. T. überſetzt Luther durch köſtliche Lein— 
wand. Früher erhielt man die B. in Europa 
von Indien meiſt verarbeitet, während jetzt 
die Hauptfabrilation der Benzeuge in Europa iſt, 
io daß jest fogar von hier aud nach Indien u. 
China viele Zeuge geführt werden, Died. bildet als 
Rohſtoff einen bedeutenden Handelsartifel ıt. wird 
bier nad) ihrer Farbe u. nach Länge, Stärke n. 
Feinheit ihrer Faſern unterfchieden. Die geringfte 
Yänge unverjehrter Faſern klaun man zu 13 mm, 
die größte zu 45 mm annehmen. Die Faſer ift 
wicht rund, ſondern plattgedrüdt; von feinem 
anderen Material können fo gleihförmige Ge- 
ipinnftfäden al$ von ihr gewonnen werden. Die 
gelbe od. vielmehr gülbende Farbe gilt als Zeichen 
größerer Feinheit, dagegen die weiße Farbe ge= 
wöhnlid als Merkmal geringerer Qualität. Die 
vericiedenen B-njorten haben ihren Namen meift 
von den Orten, wo fie erzeugt werben: die längſte, 
jeinfte und gleihförmigfte ıft die Sea-Ysland 
(Lange Georgia, Long staple, Blackseed-Cotton), 
welche gelblich⸗ weiß u, feidenartig glänzend ift; die 
kurze Georgia, im Innern der Provinz angebaut, 
it furzhaarıqg, weiß und’ nicht fo zähe und daher 
aud von geringerem Werthe. Nach dem Yande 
ihrer Erzeugung fann man die B-njorten in fol 
gende Hauptklafjen bringen: nord-, mittel» u. füb« 
amerikanische, oftindiiche, levantiſche, afrikaniſche, 
italieniſche u. ſpaniſche. Vgl. Robert L. de Coin, 
History and Cultivation of Cotton, Lond. 1864. 

Il. Die B. producirenden Länder find folgende: 
A) In der Neuen Belt: die Bereinigten 
Staaten von NAmerifa, u. zwar bei, Miſſiſ— 
ſippi, Georgia, Youifiana, Alabama u. SCarolina. 
Warn eigentlich der Benbau hier begonnen babe, 
iſt Schwer zu beftimmen, indeſſen jcheint doch gewiß, 
daß 1736 an dem öftlihen Ufer der Ehejapcate- 
Bai u. 40 Jahre jpäter in Maryland, New⸗Jer— 
jey, Delaware u. Süd-Carolina Meine Quanti— 
täten gewonnen wurden. Erſt gegen Ende des 
18. Jahıh. wurde Anbau u. Erport einigermaßen 
bedeutend u. fteigerte fih von Fahr zu Jahr. 
Als 1784 71 Side B. aus Süd-Earolina in 
Eugland importirt wurden, belegte die Zollbehörde 
die Señdung mit Beichlag wegen falfher Config» 
nation, weil, wie fie meinte, ganz Amerila nicht 
im Stande fet, fo viel zu produciren. Die vor- 
züglichften bier gebauten Sorten find: Sea- 
Ysland-B,, welche nur auf gewiffen Stellen in 
der Nähe der Küfte von Süd-Carolina u. Geor— 
gia gedeiht; die New-Orleans- (die feinfte), 
Alabama», Florida- u. Upland-B. (unter 


Baumwolle. 5 


“gerer berfteht man das Product der nördlicher von der Neapolitaniſchen B. find die beſten 
xlegenen Staaten); die peruaniiche und boli-|Gattungen Caftellamare u. Dellatorre; die 
dianiſche B., von denen erftere um jo beffer|Bugliejer, in der Gegend von Bari u. Yecce 
wird, je ſüdlicher fie gebaut wird; die brafi-jerbaut, ift geringer. 
lianiſchen B-njorten zeichnen ſich bei. durch die| III. Die Baummolleninduftrie begreift die 
jabenartige Feinheit ihres Flaumes aus, die ſie durch Spinnerei u. Weberei erzeugten Manufactur- 
ter höhiten Ausdehnung beim Spinnen fähig|waaren, Die erfte Reinigung der B. von den 
maht, jedoch find fie häufig unrein; die wet-|Bruchtüden der Samenfapfeln u. a. Unreinig— 
indiſchen Benſorten haben ein langes, zartes,|feiten geichieht dur die Egrenirmafchine an 
äftiges u. finnenfreies Haar (die von Barthe-|den Probuctionsorten vor der Berpadung in 
emp ift Die befte). Außer diefer find die be- Ballen. Ar den Fabrikorten wird die B. zunächit 
Iamnteften Sorten: Domingo, Portorico,jaufgelodert u. weiter gereinigt u. gelangt zu die 
aba, St. Martin, Enragao, Jamaica,|iem Zwecke zuerft in die Wölfe (Bansler, Devils, 
darbadoes, Grenada, Trinidad, Tortola,{Willows, Whippers), welche die Wolle zerrupfen, 
Rontjerrat, Garriacou, St. Bincent, Ba-ju. dann in die erfte Schlag- (Flad-)maidine 
dama. B) In der Alten Welt, u. zwar zu-|(Batteur eplucher), welche die zerrupfte Wolle 
aächſt a) in Ajien: Dftindien, das Baterland|durh Flügelwellen jchlägt und durch Ventilatoren 
der B., liefert nächſt NAmerifa die meifte B.|den Staub berausbläft; die jo gereinigte Wolle 
für den europätihen Bedarf, doch fteht die geht in die 2. Schlagmaſchine Battenmaidiine, 
oſtindiſche Der amerifanifhen an Güte nadh.|Batteur etaleur), welche die Wolle durch Druck— 
In China ift zwar die Production von B. be-[mwalzen in eine dünne Watte vereinigt und auf 
teutend, indeß reicht fie doch nicht zum Verbrauche Cylinder aufmwidelt. Diefe Widel kommen nun 
m Zande bin, jondern es werden jährlih 350,000|auf Krempeln (Kard- od. Kratzmaſchinen, Carding 
Kentner von Galcutta, Madras, Manila und|Engines), u. zwar erft auf eine Grob- u. dann 
RAmerifa nah Canton eingeführt. DieNanfing-jauf eine Feinkratze, worauf die Benfaſern parallel 
od. Mang-tje-Ffiang-B. wird in China jelbft ver- [gelegt werden, daß man fie zwiſchen einem ſich 
braucht. Man bat fowol weiße, als gelbe, u. derfdrebenden Gylinder u. einem feſten Dedel durch: 
befannte Ranking wird fowol aus letzterer, als auch gehen läßt, deren zugefehrte flächen mit Kragen- 
aus Der weißen fabricirt. Aſiatiſche u. Euro-|ledern (mit feinen Drahthäkchen beſetzten Leder— 
päifche Türkei. Im weiteren Sinne begreift|ftreifen) belegt find. Bon dem Kratzencylinder 
man umter levantiſcher B. alle die, welche in werden die Watten durch eine Art Kamm abgelöft 
der Europäishen und Aftatiihen Türkei producirt[u. danı an der lebten Feinkratze ſogleich durch 
wird, u. es gehört dazu die macedoniiche, diejeinen Trichter u. Walzen zu einem Bande zur 
Smöornifche u. die eigentlich levantiſche. Mace- ſammengezogen. Diefe Bänder werden bierauf 
doniſche B. find die von Gossypium herbaceum|zu dünneren ausgeftredt u. dabei auf den fogen. 
erzeugten Sorten; die beiten darunter find die Strecken und Duplirfüblen häufig duplirt, 
Tichesma, die Uxur (Uſchur) u. die Salonichi.|d. h. mehrere Bänder werden in ein einziges 
Smyrnijidhe heißen alle in der Aftatifchen Türkei) zufammengeleitet, welches nach dem Austritt aus 
erzeugten u. über Smyrna verfandten B-nforten;|der Maſchine eine bedeutend größere Länge hat, 
die belannteften hiervon find Kirkagaz, Eaffa-Jals die der darin vereinigten Bänder zufammen 
bau, Arar, Levantiſche B. (im engeren Sinne) genommen. Um den eigentlihen Faden ſpinnen 
it Die von mehreren Juſeln Griechenlands u. der zu können, bedarf es noch der Operation des Vor: 
Aſtatiſchen Türfei, mit Inbegriff einiger Küften- |fpinnens. Das erfte Vorſpinnen gibt das grobe 
gegenden Kleinafiens und Syriens; die bejten|Borgeiptunft (Yunte), einen gedrebten Faden non 
Sorten find die Subuge u. Kinif, weniger qut|der Dide eines Federkiels; das zweite Borjpinnen 
it Die Cypriſche. Die in Perfien erzeugte B.|reducirt den Faden auf die Dide eines mäßigen 
iſt ſehr fein, glänzend weiß u. weich u. fonımt der) Bindfadens Borgarp). 
‘angen Georgia (j. o.) am nächſten; fie wird meift| Unter Baummollengarn verfleht man ben 
im Pande felbft verbraudt, u. nur Rußland erhält|entweder mit der Hand (auf Spindeln od. Spinn- 
erwas Weniges fiber Aftrahan u. Orenburg. b)[rädern) oder mittels Spinnmaihinen aus B. 
Afrika. In Agypten gibt e8 2 fehr verichiedene|gefponnenen Faden. Die Feinheit, Gleichförmig- 
Sattungen: die Alerandria (ordinäre ägyp-jfeit u. Güte defelben ift ſowol nach der größeren 
tiiche), welche meiſt nah Trieſt ausgeführt und|oder geringeren Güte der dazu bermwendeten 
deren Anbau von Jahr zu Jahr beichränft wird, B-nforten verichieden, als auch nad der Art des 
u. die Maco (Jumel), von dem Franzoſen Jumel Spinnens. Die Handjpinnerei auf dem Baum- 
um Jahre 1820 angebaut, bildet einen bedeuten-|wollenrade bildete ſonſt in vielen Theilen 
den GErportartifel; auf der OKüſte Afrikas liefern) Afiens einen ſehr bedeutenden Induſtriezweig. 
die Inſeln Bourbon u. Mauritius eine ſehr Unter dem von Dftindien erportirten Handgarn 
(eine weiße, feidenartige B., die aber umrein und war das aus Bengalen u. Surate das geringite; 
gemischt ift. c) In Europa haben außer in den|fein war das von Geylon und Tutucorei; mod 
unter türtiſcher Botmäßigteit ftehenden Yändern|feiner das aus Java, und das feinfte lieferte 
die Berſuche der Bencultur nur in Spanien u.|die Küite Goromandel. Das aus der Levante 
Neapel dauernden Erfolg gehabt; die von derjfommende Handgarn ward in Gebirgsgarır u. 
ſpaniſchen B. im Handel vortommenden Sorten in Garn von den Inſeln unterſchieden; das 
And: Motril, Sevilla, Granada, welche erſtere war beſſer, als das letztere. Für das beite 
ämmtlich fein, ſchmutziggeib, weich u. lang find; galt das von Mazli u. Naſſely. Die vorzüglich. 


6 Baummolle. 


ften Garngattungen von Damascus, Smyrna, Maulthier, Baftard aus 2 Mafchinen, daher 
Aleppo zc. führten im Franzöfiihen den Namen) Mule-Twift, f. unten). Dur die Einführung 
DOncegarn (Unzengarn). Im größerer Mengeder Selfactors (ſelbſtwirlende Mulemaſchinen 
no als das weiße Garn ward aus der Levante)wurben diefe Maſchinen fo weit verbeffert, daß eine 
das fogen. türkiſche Rothgarn bezogen. Aber] Spindel in 6 Zagen etwa 21 Schneller von 
die Handipinnerei iR mit der Zeit der Concurrenz Nr. 20 Tiefert u. zu 2 doppelten Mafchinen (240 
der Mafchinenjpinnerei gewichen, da das ſeil Spindeln) nur ein Spinner angeftellt zu werben 
1770 von den Engländern fabricirte Majchinen-|braudt. Das Mafhinengarn ift entweder zur 
garn fich allerdings fowol durch feine Gleichheit| Weberei beftimmt, u. zwar die ftärferen Sorten 
u. Glätte, als auch durch feine Wohlfeilheit gegen|zur Kette, die weicheren zum Schuß; ober es 
das Handgarn bedeutet auszeichnet. Diejes Spin-|dient zur Strumpfiwirferei, zur Berzwirnung als 
nen gejchiebt mit der Spinumafgine. Schon im|Strid-, Stid- u. Nähgarn oder auch zur Dodt- 
‚Jahre 1767 murde die fogenannte Spinn» Jenny fabrifation.. Das engliihe Maſchinengarn heißt 
von Hargraeves, einem Yimmermann zu Blad-| Twist, u. zwar das ftärffte,-feitefte Water-twist 
burn in Lancaſhire, erfunden, und man lonntel(Watergarn), das meniger gedrehte Mule-twist 
gleich anfangs 8 Fäden wie einen einzigen jpin«|(Mulegarn), Das BWatergarn wird in England 
nen, u. fpäter wurde diefe Majchine jo vervoll-Jauf Droffelmafchinen (Throstles), das Mulegarn 
fommnet, dag Mädchen 80—120 Spindeln injaber auf Mulemajchinen gejponnen; erfteres, von 
Bewegung fegen konnten. Da jedoch diefe Ma- |ftarker Drehung, wird meift zur Kette, letzteres, 
ſchine nur dazu diente, die B. für den Einfhlag|von allen Graden der Drehung, ift zum Schuß 
zu fpinnen, ohne dem Garne die für die Fäden beſtimmt; auch unterſcheidet man eine Mitteljorte, 
des Aufzuges nöthige Feſtigkeit u. Dichtheit zujMedio oder Halbkette. Zu den höheren Num— 
geben, jo warb dieſem Mangel bald durch die mern des Watergarnes wird beſ. langhaarige B. 
Einführung des Spinnftuhls abgeholfen. Diefejgebraudt; doch wird aud eine bedeutende Duan- 
Maſchine, welche aus 2 Paar Walzen beftebt, die|tität von Watergaru aus der fürzeren B. (ans 
durch eine mechaniſche Kraft bewegt werden, fpinnt|Surate) gefponnen. Droſſelmaſchinen findet man 
eine große Anzahl Fäden von beliebiger Feinheit in Deutſchland nur felten, da das Zettel» oder 
u. Diehtheit u. verlangt Menichenhände nur zurjKettengarn faft nur auf Mules gejponnen wird. 
Zuführung von B. u. Anfnüpfung der etwa ab⸗ Dieſe Geipinnfte bezeichnet man in England mit 
geriffenen Fäden. Nach dem Grundfage, mittels] Medio oder Mock Water, weshalb eine Ber- 
Malzen zu ſpinnen, erbaute Richard Arkwrightigleihung zwiſchen dem deutichen Kettengarn und 
(1796) feine Spinnmaſchine (Wafferfpinn-|dem englifhen Water-twist nicht ftatthaft ift. 
maſchine, jo genannt, meil fie die erfte durch Die Garne werden in Strähne oder fogenannte 
Waſſer getriebene Spinnmaſchine war). Hargrae- [Schneller gehafpelt, melde aus 7 Gebinden be- 
ves ging von der oſtindiſchen Spindel, Arkwright|ftehen, in jedem Gebinde 80 Fäden von 14 Nards, 
von dem deutihen Flahsipinnrade mit Spule n.|im Ganzen alfo 840 Yards (980 Wiener Ellen). 
‚liege aus. Daher mußte Hargraeves, den Faden Die Anzahl folder Schuefler, welche auf ein Pfund 
fpinnend, ausziehen u. aufwideln; Arktwright fonnte|geht, gibt die Nummer des Garns, d. b. die Fein— 
dies aber nicht, da jeine Spulen wie im Hand- heit deffelben an. Im Handel fommen Garne von 
vade ſich nur um fich felbft, nicht aber fortbeweg- | Nr. 8—240 vor. 
ten; die Spulen mußten daher fpinnen u. auf-| IV. Baummollenftoffe od. Baummollen- 
wideln, ohne auszuziehen (Droffelmafchine). Die zeuge werben auf dem Stuhl od, auf eigenen Ma- 
Erfindung Artwrights beftand nun darin, daß er ſchinen (f. Webſtuhl) gefertigt. Dieſe Zeuge jelbft 
die Locke (Lunte, den erft leicht zufammengedrebten|geben, als Waare betrachtet, einen weit ausgedehn- 
Benfaden), durh 2 Cylinderpaare auseinander» ten Handelsgegenftand ab, find einem großen 
zog ober firedte, welde dicht hinter einander) Theil nad der Mode unterworfen und zeigen 
lagen, u. von denen das vordere Paar geichmin- |jomol ihrem Außern nah oder in Bezug auf 
der umlief, als das hintere. Dabei ift der Abftand | Onalität, Breite, Appretur xc., als aud in Be- 
der Walzenpaare fo gewählt, daß er größer ijt als|treff ihrer Namen die größte Mannigfaltigleit. 
die Fänge der einzelnen Faſer; alſo werden die ein-|Sie laflen ſich in folgende Klaſſen bringen: ein» 
zelnen Faſern nicht zerriffen, fondern an einander fache, glatte u. dichte Stoffe, wie Shirtings, 
verihoben u. dadurch parallel gelegt, wodurdy das |Ealicoes (Kattume), Nanfıngs, Sarfenets (Futter- 
Band oder die Lunte geftredt wird. Die Bemweg-|fattune), Ginghams, Cambrics ꝛc.; ferner Halb- 
ung der Mafchine geht von der Achſe einer langen|dichte, wie Jaconnets, Muffeline; endlih klare 
Walze aus, melche mittels endlofer Schnüre dieloder loder gemwebte, wie Mull, Gaze, Bobbinet 
Spindeln u. mittel verzahnter Räder die Stred«lzc.; ſchwere glatte, gefüperte oder . 
walzen in Umdrehung jett. Berbeffert wurdejmufterte Stoffe, mie Quiltings (Biguds), 
dieje Mafchine von Danforty (Danforths Ameri-| Domeftich, Sateens (Engliſches Leder), Drells, 
taniſche Patentjpindel), die eine fchnellere Beweg-| Rips, Dimity ꝛc.; durchbrochene, brodirte, 
ung geftattet u. zugleih zum Spinnen jhwad-|geftidte Stoffe, wie gemabelte u. brochirte Gage, 
— Garnſorten verwendet werden kann. — brochirte Gardinenzeuge ꝛc.; ſammet⸗ 
ine derartige Spindel liefert in 12 Stunden artige Stoffe, wie Velveteens (Mancheſter), 
74 Schneller (Mr. 30) oder 18,900 engl. Fuß Velvets (Sammetmancheſter), Fuſtians, Pillows; 
Faden, Crampton verband die Cylinder Arkwrights gemiſchte Stoffe, die theit mit Schafwolle od. 
mit der ausziebenden drehenden Spindel Har- deinen, theils mit Seide untermengt find u. unter 
graeves u. nannte feine Mafchine Mule (d. h. ſehr verfhiedenen Benennungen vorlommen. Unter 




















Paunmmolle, 


- 
4 


allen Ländern ſteht England in der Baummollen-|Bardente u. ſchwere B-ngemwebe in Mittweida, 


induftrie ſowol in Berreff der technischen Ausbild⸗ 
ung u. Bollkommenheit, als auch binfichtlich der 
Froductionsmenge oben an. Indeſſen ift es 
mehreren anderen Ländern doch gelungen, ſich von 
der früberen Abhängigkeit von der britifchen In— 
buftrie mehr oder weniger zu befreien, u. srant- 
reich, Deutichland, die Schweiz, auch Belgien 
nebmen nicht nur lebhaft theil daran, andere 
Böller mit ihren B-nwaaren zu verforgen, jondern 
im einzelnen Artifeln übertreffen auch Deutichland 
u. Fraufreih die Engländer (in bumtgemwebten u. 
vielen gemufterten Modewaaren), ſowie es diejen 
auch NAmerifa in jeinen Domeftics zuvorthut. 
Rur in Twiftfabrifation, bef. in den feineren Num— 
mern, behauptet England nod feine Überlegenheit 
u. Unentbebrlichkeit. 

Fabrilation. Stammt auch die Baummolle 
aus Aften, wo fie jeit uralten Zeiten der Mehrzahl 
der Menihen zur Belleidung dient, fo gewann 
ihre Benutung in Europa nidt bloß langſam 
Boden, fondern die Berbreitung des Rohſtoffes 
erfolgte auch im Großen vom Weiten, von Amerita, 
alfo der Neuen Wett, ber. Die erften Anfänge 
der Baummollenfabrifation fallen in Großbri— 
tannien in die erfte Hälfte des 17. Jahr— 
bunderts, wo die Stadt Manchefter in Yondon 
B., die aus Smyrna u, Cypern fam, auffanfte, 
foiche zu Barchent, rohen Tüchern, geföperten und 
anderen Zeugen verarbeitete und dann wieder 
nach London zum Abſatze jchidte. Zwar wird 
ihen früher des Kattuns, des baummollenen 
Sammets, Barcheuts zc. in Manchefter erwähnt; 
jedocd wurden dieſe ganz aus Schafmwolle fabri 
cirten Stoffe wahricheınlih baummollene deshalb 
genannt, weil die aus Indien u. Italien impor— 
tirten Benftofie dabei zum Muſter gedient hatten. 
Bis um 1773 war nur der Einfhlag aus B., 
aber der Aufzug ganz aus flählenem Garne, das 
bei. aus Irland u. Deutichland eingeführt ward. 
Infolge der Anwendung der Maſchinen u. der mafjen- 
haften Einfuhr von Roh-B. aus Amerifa find die 
Breife des Bengarns u. der Bnzeuge immer billiger 
geworden, mit Ausnahme der Periode des Amerilk. 
Bürgerfrieges u. der neueſten Zeit. Der älteite 
u. wichtigfte Sig der B⸗ufabrilation ift Lancaſhire 
Mancheſter, Oldham, Rochdale, Bolton xc.), 
dann Cheſhire, Yorkſhire x. In Frankreich 
bat fih die B-ninduſtrie immer mehr entwickelt, 
jedoch nicht ohne Kriien u. Erichütterungen. In 
Öfterreich find Böhmen u. Nieder-Ofterreich die 
mwichtigften Theile bezüglih der Baummollenindu 
firie. Im Dentfhen Zollverein hat ſich die 
B-ninduftrie - jehr bedeutend entwidelt. Rückſicht— 
lich der einzelnen Staaten ift in Preußen die 
B:nipinnerei am bedeutendften in den Hegierungs- 
bezirten Düffeldorf, Köln ı. Koblenz; die Weberei 
m den Regierungsbezirfen Breslau, Dülſſeldorf 
(mit Ausnahme der Kreife Rees u. Kleve), Sadı- 
ien, Brandenburg, Weitfalen; in Bayern find 
die wichtigſten Sitze der Beninduftrie Augsburg, 
Hof, Bayreutb, Kempten; im Königreih Sachſen 
Opberlaufig, Boigtland u. Erzgebirg. Größere Fabrif- 
geichäfte befteben für Kattune u. leichte baum 
mwollene Zeuge in Aue, Ebersbach, Auerbach, 
Faltenfiein, Yengefeld, Plauen ꝛc., für Piqués, 


Waldheim, Hobenftein, Hallenberg x., und für 
baummollene Buntweberei in Chemnitz, Franten- 
berg, Sebnig, Ölsnig, Lößnitz, Zittau, Ebersbad, 
Seifbennersdorf u. mehreren anderen Orten der 
Ober-Yaufig; ungemein ausgebildet ift die Ben⸗In— 
duftrie im Elſaß, mamentlih in Mülhauſen. 
Belgien hat feine Hauptipinnereien in und bei 
Gent, dann folgt OFlandern, Hennegau, Lüttich, 
Berviers, Ardenne, Brüffel mit Umgebungen ꝛc. 
In der Schweiz find die Hauptfige der Ben— 
manufactur die Kantone Zürich, St. Gallen, 
Appenzell Außer-Rhoden, Thurgau und Aargan. 
Spanien bezieht ungeachtet feiner bedeutenden 
Fabriken in Gatalonien, auf den Balearen uud 
einem Heinen Theil von Valencia doch über 
4 feines Berbraudes an B-nmwaaren vom Aus- 
lande. In Italien find im Weapolitaniichen 
die Benwebereien jetst nicht unbedeutend; beden» 
tende Spinnereien befinden fih zu Scafati und 
Piedimonte; das eigentlihe Piemont bejitt grö— 
Bere B-umanufacturen zu Senna, Napalle, Sta. 
Margherita zc., führt jedoch noch viel baum— 
wollene Waaren ein. Im übrigen Italien ift die 
Beninduftrie ebenfalls nicht von Bedeutung, und 
nur Toscana u. Yırcca befigen einige größere 
Etabliifements hierfür, 

V. Statiftifches. Nächſt dem Getreide ift die 
Baumwolle das wichtigſte Broduct der Landwirth— 
ichaft auf der Erde. Man begreift dies, wenn 
man erwägt, daß die Vevölferung jener beiden 
Yänder, welche zuſammen über die Hälfte aller 
Erdbewohner umfaſſen — China u. Indien — 
ih größtentheils ausichließlih in B. kleidet, wozu 
dann noch in der Neuzeit die ungemein große 
Verbreitung baummollener Ztoffe in den Cultur— 
ländern kommt. Selbſtverſtändlich fann eine Be- 
rechnung des Umfanges der B-en-Production nur 
ein höchſtens annähernd richtiges Refultat liefern. 
Am wahriheinlichiten dürfte die Annabme eines 
mittleren Jahreserträgniffes von 45 Dill. Zoll: 
centner fein, wovon gegen 20 Dill. durch die 
einheimiſche Bevölferung der Productionsländer, 
namentlich in Afien, mit der Hand veriponnen, 
25 Mill. aber an die europätfchen u. nordameri— 
fanifchen Maſchinenſpinnereien abgeführt werden. 
Der Verbrauch für Hand» u. Mafchinenipinnerei 
in Nordamerifa dürfte zu 5 Mill. Ceutner anzu 
uchmen sein. Bor dem Amerik. Bürgerkriege 
ſtammten mehr als zwei Drittheile der nad) Europa 
gebrachten Rohbaumwolle-Ballen aus den Ber 
einigten Staaten. Die durch die bezeichneten 
Wirren herbeigeführte Störung bradte die dortige 
Production auf ein Minimum herab; die Schä- 
diqung traf keineswegs die Productionsländer 
allein: die Gebiete, in denen die Bepölferung von 
Verarbeitung der B. lebt, litten darunter mich 
minder. Nun wurde der Benbau raſch und in 
großer Ausdehnung im verichiedenen Yändern culti— 
pirt, aus denen bis dahın von dieſem Product 
wenig oder nichts nah Europa gefommen war. 
In Öftindien, Aaypten, anderen Theilen der Le— 
vante und Brafilien entftand durch den infolge 
deſſen plötlich berbeigeführten Geldznfluß vielfach 
eine Art jocialer Revolution; es beiferte fih um 
erwartet u. jtarf die finanzielle Yage eines großen 


8 
Theils der Bevölkerung. Die in den Handel] Quantität nad) von dem vorzugsmeile fahkundi- 
gebrachte Baummolle wird, nad Perioden und gen Alex. Perez folgendermaßen beredhnet (im 


Baumwollenbaum — Baumwollenjamenfuchen. 





nah den Grzeugungsländern geſchieden, derj Millionen engl. Pfd.): n 
1846/50 1851/55 1856/60 1861/65 1866/70 1871 1372 1873 
Ber. Staaten 749,4 1003,, 1254, 347, 7240 1363, 891, 1080, 
Oftindien 83,5 126,, 194,, 496,4 576, 553, 6105 558. 
Brafilien 1, 23,0 24,5 3. 80 108% 16 121 
Agypten, Yevante 60,5 106, 76,, 196,5 205,4 209, 241, 263, 
Weſtindien 6,5 6,5 Ma 15, 36,4 50 I 5 
AZujammen 920, 1265,, 1557,5 1088, 1641, 2286, 1954, 2073,, 


Die Preife der in England eingeführten Roh- Je feiner die Gejpinnfte, deito geringer ber 
baummolle variirten folgendermaßen (per engl.|Berbraudh per Spindel. Es liegt nahe, daß bie 
Pfund, in Deniers): Conſumtion der Fabrilate, insbejondere ber feineren, 
mit dem Wohlftande eines Volles fteigt. Während 


Bor dem Während des Nad dem der Verbrauch in England nicht geringer als 24 
Kriege. Krieges. Kriege. dis 26 Bid. per Kopf ift, beträgt derjelbe in der 
Jahr Preis Jahr Preis Jahr Preis | Türkei u. anderen wenig cultivirten Ländern nur 
1856 5,75 D. 1862 13,,, D. 1866 13,,, D.|2 3 Pfd. Im Jahre 1874 hat die Benver- 
1857 6,50 m 1863 20,06 m 1867 9,5 Jarbeitung weiter zugenommen. ine von der 
1858 6,50 m 1864 21, m 1868 9,35» Jobigen allerdings etwas abweichende Berechnung 
1859 6,90 » 1865 15,10 m 1869 10,,, » |tiefert für diejes Jahr im Vergleiche zum vorigen 
1860 du: m 1870 8,40” bezüglich der "wicrigiten Bnfabrifationgländer 
1861 7,10 m 1871 Tao m \folgende Ergebnifie: In England wurden 
1872 8,,5 » |1,277,464,890 Pfd. verfponnen, geg. 1,244,833,710 

1873 T,rs » Jim Borjahre. Die Quantität erzeugter B-ngarne 


Ungeachtet der den Amerilanern erwachjenen|betrug 1022 Mil. Pfd., gegen 996, wovon 220 
ſtarken Goncurrenz iſt fomit der frühere niedrige gegen 215 Mill. ausgeführt wurden. Die Aus— 
Preis nicht mehr eingetreten. Bon der auf Spinn- fuhr an Baummollentücyern ftieg von 3,, Mil. 
maschinen verarbeiteten B. verbraudt England|Nards auf 3,,,, u. zwar überwiegend in feineren 
mindejtens fo viel, wie alle übrigen Länder zu-| Sorten. In Deutſchland hob ſich der Verbrauch 


fammengenonmen. Während die Berarbeitung 
dortjelbft noch in den Jahren 1735—49 ſich jährs 
ih auf etwa 1 Dill. Pfund beichräntte, war die 
Menge im Sabre 1860 bereit$ auf mehr als 
10009 Mil. Pd. geftiegen und betrug jomit cn 
einem Tage mehr, als zuvor in 3 Jahren. Die 
Zahl der ın den Bnfabrifen Europas u. Nord» 
amerifas bejchäftigter Arbeiter wird, Frauen und 
Ninder eingeredynet, zu 14 Mill. angenommen; 
ihre Yöhne, im Durchſchnitt zu 150 Thlr. gerech— 
net, betragen jährlich etwa 188 Mill. Thir. Eine 
vielleicht viermal jo große Menihenmenge ift 
mittelbar im "ihrem Yebensunterbalte von der 
Stabilität der bezeichneten Juduſtrie abhängig. 
Die Zahl der Spindeln, im Jahre 1852 zu 
32,600,000, u. 1870 zu 56,584,000 angenommen, 
ward für 1873 von Ott-Trümpler in Zürich 
folgendermaßen berechnet: 


Berbraud in engl. Pfd. 


Länder Spindeln. per Spindel. im Ganzen. 
England 39,500,000 32 1264 Mill. 
Ber. Staaten 8,350,000 57 476 
‚Frankreich 5,200,000 38 197,s 
Deutichland  5,100,000 45 28 
Schweiz 2,060,000 27 56, 
Rußland 2,000,000 60 120 
Öfterreich 1,600,000 67 106, 
Spanien 1,400,000 48 67,3 
Belgien 650,000 43 27% 
Italien 500,000 48 2 
Die 3 Slandin. 

Staaten 300,000 60 18 
Holland 230,000 43 9 

Zufammen: 66,890,000 40 2596 


rober B. von 2,412,700 Etr. auf circa 24 Mill., 
u. die Menge des daraus erzeugten Bengarnes 
von 1,930,100 auf 2 Mill. Etr.; auf eine Spin- 
del treffen 47 Zollpfund, was Mangel an Fein— 
jpinnerei andentet; auch betrug die Garneinfubr 
noch 15,, % des Bedarfes. Die Schweiz batte 
einen von 381,267 auf 423,356 Etr. gejtiegenen 
Import rober B., überdies bezog fie noch 22,898 
Er. Bengarne ıı. 56,130 Etr. B-nwaaren, erpor« 
tirte aber nicht weniger als 77,621 Etr. Garne 
u. 243,126 Etr. Waaren; dabei handelt es ſich 
weſentlich um Feinſpinnerei, jo daß eine Spindel 
duchichnittfiih nur 27—28 engl. Pfd. Robmaterial 
verbraucht. Vgl. die Abhandlungen von ler. Peez 
über die Pariſer Induſtrie-Ausſtellung von 1867 
u. bei. iiber die Wiener von 1873 im officiellen 
Ausstellungsberichte, I. Engler.* IL—IV. Benffel.* V. Kolb. 
Daumtmwollenbaum, j. Bombax. 
Baummollenfamenöl, das fette ÖL, welches 
aus den Samen des Baumwollenſtrauches (Gossy- 
pium herbaceum L.) gepreßt wird; es ıft 
braun gefärbt, hat das jpec. Gew. 0,95, ſchmeckt 
mild u. fol in gereinigtem Zuftande ftatt Olivenöl 
gebraudt werden können, 
Baummwollenfamenkuchen, die Rückſtände der 
Igewinnung aus Baummollenjamen, im neuerer 
Zeit vielfach als Beifutter, namentlich für Rind— 
vieh u. Schafe, verwendet. Derjelbe ift aber micht 
fo gedeihlih, wie Leinkuchen u. Rapsluchen; er 
enthält im Mittel mit Hülfen: 11,,, Wafler, 
23,0; ſtickſtoffhaltige Subftanzen, 6,,, Fett, 
30,4; ſtickſtofffreie Ertractjtoffe, 22%,,, Holzfaſer, 
6,35 Aſche; ohne Hülfen: 11,,, Wafler, 33,,. 
ftitjtoffhaltige Subftanzen, 18,,, Fett, 19,,, 
ftidjtofffreie Ertractftoffe, 9,55 Holzfaſer, 7,50 


Baumwollenfammet — Baur. 


Aſche. Bal. Zuſammenſetzung u. Berdaulichkeit 
der Futterſtoffe von Dietrich u. König, Berl. 1874. 
Baumwollenſammet, ſ. u. Sammet. 
Baumzucht, Zweig der angewandten Botanik, 
der die ganze Behandlung der Holzgewächfe im freien 
Yande von ihrer Entſtehung an bis zur vollftändi« 
gen Abmugung umfaßt. Man unterjcheidet Obft- 
B. u. Zucht wilder Bäume; von letterer wieder 
Forſt⸗B. od. Holzzucht u. Anzucht der Bier» 
Bäume u. Gehölze. Zweige derjelben find: die 
Erziebung der Holzpflanzen aus Samen, Ablegern, 
Stedlingen x., großentheils in der Baumſchule 
(1. d.), die Veredelung, der Baumfchnitt (j. d.), 
der Baumſatz (f. d.), die Baumpflege zur Ber: 
bütung u. Heilung der Krankheiten, der Schuts 
gegen Feinde u, pädtiche Einflüſſe des Klimas 
u. der Witterung, die Ernte u. Aufbewahrung der 
Samen ꝛc. Wolde. 
Baunach, rechtſeitiger Nebenfluß des Main; 
nimmt die Weiſſach u. Lauter auf u. mündet beim 
Marktfleden B., Yandgericht gl. N., im bayer. 
Regbez. Unterfranten; Wallfahrtskapelle; Hopfen- 
bau; 1123 Ew.; dabei die Trümmer des Schlofies 
Stufenberg, welches urſprünglich den Herzögen v. 
Mexran gebörte u> 1552 zeritört wurde. 
Baunſcheidtismus, das beachtenswertbe Ber: 
fahren des Mechanikers Karl Bauuſcheidt zu En» 
denih bei Bonn, mitteld eines aus zabireichen, 
ſpitzigen Nadeln (welche durch Federkraft fo in die 
Haut ‘getrieben werden, daß Blutung micht ent 
ebt) beſtehenden Inſtruments die Haut in größerer 
oder Heinerer Ausdehnung zu bearbeiten, alsdann 
uf dem gereizten Stellen durch eine vorgeblich 
seheime ſcharfe Flüſſigkeit Ausichlag hervorzurufen, 
um jo eine größere Wirkung auf das Nerven» 
igftem zc. auszuüben, Baunfceidt nannte fein In— 
rument Lebensweder. Die Wirkung diejes Mittels 
iſt jedoch eine begrenzte, nur für gewiſſe Fälle 
beiljame. Bgl.: Der B., Bonn 1851, 11. A. 1372; 
8. Bauuſcheidt, Das Auge, ebd. 1859, 4. Aufl., 
1873; Derf., Der wiſſenſchaftliche Standpunkt des 
B., ebd. 1862; Schauenburg, Baunjcheidts Yebens- 
weder u. die eranthematiiche Heilmethode, Yeipz. 
1863—64, 2 Thle. Bgl. Acupunctur. 
Bauordnung, die polizeilichen Vorſchriften, 
welche bei der Ausführung von Bauten zu beachten 
find. Die B. darf feine privatrechl. Beſchränk— 
ungen des Eigenthums enthalten, fofern nicht das 
Geſetz fie dazu ausdrücklich ermächtigt (j. Baurecht); 
fe bezwedt nur die Sicherftellung des öffentlichen 
Intereſſes an den einzelnen Bauausführungen, 
mögen diefe Neu- oder nur Reparaturbauten fein, 
u. beitimmt deshalb im Allgemeinen die Breite, 
Richtung u. Art der öffentlihen Straßen, die 
Baulinie, welche die zu errichtenden Gebäude ein- 
halten müſſen (Alignement), die Conftruction der 
iegteren in feuer-, janitäts- u. fonft polizeilicher 
Hinficht u. ftellt nicht jelten auch gewiſſe Anfor- 
derungen an die änßeren Formen u. Farben der 
Façaden. Zu jedem Neubau u, jeder Veränder— 
ung der Frontſeite, fowie jeder baulichen Ber- 
änderung im Innern des Gebäudes ift Erlaubniß 
der Bolizeibebörde erforderlich u. deshalb derielben 
vor Beginn der Ausführung Einfiht von den bes 
treffenden Bauzeichnungen zu geben. Nach dem 
Reichs » Straf» Gejet - Bu 


vom 15. Mai 1871 


9 


8 367 wird mit Geldftvafe bis zu 150 M 
oder mit Haft beftraft, wer trots der polizeilichen 
Aufforderung es unterläßt, Gebäude, welche deu 
Einfturz droben, auszubeflern oder niederzureißen; 
wer an Orten, an welchen Menichen v.rtehren, 
Brunnen, Keller, Gruben ꝛc. dergeftalt unverdedt 
oder unverwahrt läßt, daß daraus Gefahr für 
Andere entftehen fan; wer Bauten oder Nuss» 
bejferungen von Gebäuden, Brunnen, Brüden, 
Scleujen oder anderen Bauwerken vornimmt, 
ohne die von der Polizei angeordneten oder ſonſt 
erforderlichen Sicherungsmaßregelu zu treffen; 
wer als Bauherr, Baumeiiter oder Bauband- 
werfer einen Bau oder eine Ausbeflerung, wozu 
polizeilihe Genehmigung erforderlid it, ubne 
dieje Genehmigung oder mit eigenmächtiger Ab- 
weihung von dem durch die Behörde genehmigten 
Baupları ausführt, oder ausführen läßt. Bon 
beionderer Bedeutung find Die bau- und feuer», 
bezw. janttätspolizeilihen Vorſchriften, weldye für 
gewerblide Anlagen im Wilgemeinen, oder für 
einzelne Arten derſelben befonders gegeben find. 
S. d. A. Gewerbliche Anlagen. Zu erinnern üt 
auch an die polizeilihen Borichriften über die 
Entfernung, welche zwiichen Gebäuden u. Eiſen— 
bahnen liegen muß. Die baupolizeilihen Bor- 
Ihriften find allgemein u. ausnahmelos zu bis 
achten, aljo auch bei denjenigen gewerblichen An- 
lagen, zu melden es einer befonderen Erlaubniß 
nicht bedarf, Grotefend 

Bauplan, Plan zu einene zu errichtenden Bau 
werte; beftebt in Grumdrifien u. Anfichten des 
Baues von allen Seiten, Yängen: u. Querprofilen 
u. Situationsplau—. 

Baupolizei, j. Bauordnung. 

Baur, Friedrich Wilbelm v. B. ruff. 
Ingieuneur, geb. 24. Dec. 1731 zu Biber bei Hanau; 
trat in das kurheſſiſche Militär u. ging 1761 in 
preußtiche Dienfte; er wurde bier geadelt u. Oberit 
d, privatifirte feit 1764 auf jeinem Landgute bei 
Frantfurt a. M. 1769 trat er als Generalmajor ır. 
Geueralquartiermeiſter in ruſſiſche Dienfte, kämpfte 
1770— 72 gegen die Türken, wurde 1773 General— 
lieutenant u. 1780 Generalingeniene. Er legte 
Kanäle, Häfen, Straßen u. Salzwerfe an. Zuletzt 
war er Director des deutichen Theaters in Peters— 
burg, das er größtentheils durch feinen Secretär 
v. Kotzebue leiten ließ. Er ft. 1783. Er ſchre: 
Memoires historiques et geograph. sur la Wa- 
lachie ete., Frantf. 1778, 2) Ferdinand 
Chriſtian, berühinter proteftant. Theolog, geb. 
21. Juni 1792 in Schmiden bei Cannftatt; wurde 
1817 Profejlor am theologischen Seminar in Blau- 
beuren und 1826 Profefior der Theologie zu 
Tübingen; ft. 2. Dec. 1860. Er ſchr. u. a.: 
Symbolit u. Mythologie oder die Naturreligion 
des Alterthums, 1824 f., 3 Thle.; Das Mani- 
hätfche Neligionsigftem, Tüb. 1831; Apollonios 
von Iyana u. Chriftus, oder das Berhältui des 
Pothagoreismus zum Chriftenthum, ebd. 1832; 
Der Gegenjag des Katholicisinus u, Proteftantis- 
mus, ebd. 1854, 2. Aufl., 1536 (gegen Möblers 
Angriffe auf die proteftantiiche Lehre); Die chrift- 
lihe Gnoſis od. die chriſtliche Religionsphiloſophie, 
ebd. 1835; Die fjogenannten Paftoralbriefe des 
Paulus, ebd, 1835; Das Chriſtliche des Platonis- 


10 Baurecht. 


mus oder Sokrates u. Chriftus, ebd. 1837; Über] Prattifchen als bemwegendes Moment hervorgehoben 
den Urfprung des Epiffopats in der chriftlichen|habe, fo ift er doch durch Reichthum des Wiffens, 
Kirche, ebd. 1838; Die chriftlihe Lehre von der) Scharffinn u. Combinationsgabe eine der erften 
Berföhnung, ebd. 1839; Die hriftlihe Lehre von wiſſenſchaftlichen Größen des Jahrhunderts u. ragt 
der Dreieinigfeit u. Menihwerbung Gottes, ebd. namentlich auch durch geichmadvolle, elegante Be- 
1841—43, 3 Bde; Paulus, der Apoftel Chriſti, handlung felbft der trodenften Wiffenfchaften, wie der 
Stuttg. 1845, 2.4., Lpz. 1866—67; Die Epochen | Dogmengeſchichte, hervor. Auch jeine wiſſenſchaft - 
der firaptichen Geicidtihreibung, 1852; Anllibe Darftellung erhebt fi oft „zu blühender 
Dr. 8. Hofe, Tüb. 1855; Theolog. Jahrbücher, Schönheit, zu einer bis zur Leidenichaft erregten 
ebd. 1842—57; Lehrb. der chriftlihen Dogmen- | Wärme und einem Schwunge der Begeifterung, 
geich., ebd. 1858, 3. A., 2p3. 1867; Kritifche Unter- |die nicht verfehlen konnte, empfängliche Leſer und 
juchungen über die fanoniichen Evangelien, ebd.1847;| Hörer zu feſſeln“ (Yanderer). 3) Guftav Ad. 
Das Marcus-Evangelium nad) jeinem Uriprung u. |Yudw., ein der Schleiermacherichen Richtung fol- 
Charakter, ebd. 1851. Nach feinem Tode famen|gender Theolog, geb. 14. Juni 1816 zu Hämmel- 
folgende Vorlefungen beraus: Geſch. der Chriftl.|bad im Odenwalde; ftudirte in Gießen Xheo- 
Kirche (1.—2. Bd. noch von B. herausg.), 5 Bde.,|logie, wurde bier 1841 Privatbocent und 1847 
Züb., 3. Th. in 3. Aufl., 1863; Borlef. über die) Profeffor; er ging 1861 als Hauptpaftor von 
Geſch. der chriftl. Dogmengeih., Lpz. 1865—66;| St. Jakob nah Hamburg u. 1870 als Profeffor 
Borlef. über neuteftamentl. Theologie, 1864. B.,|der Theologie u. Univerfitätsprediger nad) Leipzig. 
von Schleiermader ausgehend, dann mit ſeinem Er fchr.: Der Prophet Amos, erflärt, Gieß. 1847; 
berühmteften Schüler Strauß zu Hegel weiter- Grundzüge der Homiletit, ebd. 1848; Geſchichte 
fchreitend, ift al8 das Haupt der ſog. Zübinger!der altteftament. Weiffagung, ebd. 1861, 1. Thl.; 
fritiihen Schule berühmt, welche die Entwidelung | Predigten, ebd. 1858; Predigten, 1861 in Hame 
des älteften Ghriftenthums uw. die Berhältniffe,jburg gehalten, ebd. 1862; Predigten über die 
unter melden die meuteftamentlihen Schriften [epiftoltiihen Perilopen, Hamb. 1862, 2 Bbe.; 
entftanden find, rein gefchichtlich, ohne dogmatiiche | Desal., im Jahre 1869—70 gehalten, ebd. 1870, 
Porausfegungen, unterfucht. „Nahdem Strauß dieſ? Bde.; Die Thatfahen des Heils (Predigten), 
berfömmtiche Anfiht von jenen Schriften umge jebd. 1864; Kampf, Sieg u. Frieden (Epiftel- 
ftürzt hatte, unternahm B. e8, den von diejem|predigten), ebd. 1864; Predigten fiber die evan- 
feer gelaſſenen Raum durch neue, tiefgreifende |geliichen Perilopen, ebd. 1865; Desgl., im Jahre 
Forſchungen auszufüllen, in den Schriften des|1868—69 gehalten, ebd. 1869. 4) Albert, 
N. T., deren geſchichtlicher Charakter großentheils |Hiftorienmaler, geb. 1835. in Aachen; abfolvirte 
aufgegeben wurde, Urkunden der dogmatifchen das Gymnaſium dafelbft u. widmete fi dann in 
Bewegung, aus welder gegen das Ende des Düffeldorf unter Sohn u. Kehren der Kunſt, ward 
2. Jahrh. der Begriff u. die dere der Kathol, Kirche|bierauf in München ein Schüler Schwinds und 
fehrte 1861 nad Düffeldorf zurüd. Er malte für 
den Berein für biftorifche Kunft die Zurüdbring- 
ung der Leiche Ottos III. über die Alpen un. für 
den Schwurgerichtsfaal in Elberfeld eine Scene 
aus dem Jüngſten Gerichte, in beiden Fällen als 
Sieger in ausgeichriebener Concurrenz. 
. 2) Hartmann u. Löffler. 4) Regnet. 

Bauredt, im weiteren Sinne der Inbegriff 
aller privat- u. polizeirechtlihen Grundiäge und 
Vorschriften, welche bei Ausfübrungen von Bauten 
zu beachten find; im engeren Sinne nur die 
privatrechtlihen Beichräntungen der individuellen 
Baufreiheit. Solche Beſchränkungen fünnen auf 
Vertrag beruhen u. find dann aus dem Inhalte 
des Vertrages zu beftimmen, oder auch auf all- 
gemeinen gefeglihen Vorſchriſten. Diefe bezweden 
theilg, den bereits beſtehenden Bau des Nachbars 
vor Schädigungen zu fihern, theils foll dadurd) 
dem Bauherrn die Ausführung jenes Baues 
möglich gemacht oder — ohne Schädigung des Nach- 
bare — erleichtert werden. So kann der Nachbar 
fordern, daß die durch ihren üblen Geruch läftigen 
Theile eines Gebäudes nur in gewiſſer Entfernung 
bon der Grenze angelegt werden; daß der Nachbar 
in feine angrenzende Mauer feine Fenſter, oder 
doch nur Licht-, feine Ausfichtsfenfter baue; daß 
der Nachbar nicht durch zu nahes u. zu hohes 
Bauen das nöthige Licht verbaue. Vielfach greifen 
bei den diesfallfigen Rechtsverhältniffen Servituten 
(Baufervituten) ein, wovon das Recht, in die 
Mauer des Nachbars Ballen einzulegen (Tramm-« 


hervorging, Erzeugniffe der theol. u. kirchl. Partei- 
ftandpunfte, Kämpfe u. Bermittelungen nachzu 
weiſen n. aus diefem Material mittels großartiger 
Eombination eine Entwickelungsgeſchichte des Ur— 
chriſtenthums berzuftellen* (Seller, Bortr. u. Ab: 
hanol., Ypz. 1865). Ebenſo bedeutend als durd 
Diele Yeiftung iſt B. durch feine firdhen- u. dog: 
mengeichichtlichen Werke. Auf dem Grumde aus: 
gedehnter Einzelforichungen, deren Ergebniſſe er 
in zahlreihen Monographien niederlegte, baute er 
ein großartiges geichichtliches Gefammtbild der Ent: 
mwidelung der Chriftlihen Kirche u. ihrer Lehre auf. 
Er will in diefer Gefchichtichreibung die hiftorifch- 
fritifche mit der fpeculativen Behandlung verbinden, 
insbejondere in der Dogmengeſchichte „die ewigen 
Gedanken des ewigen Weiftes, fo wie fie in ber 
dogmen-biftor. Bewegung fih abmwideln, begreifen, 
u. zeigen, wie das, was auf der einen Seite in 
der Offenbarung als abfolute Wahrheit gegeben 
ſei, im Geiſte als erfennendem zur abfoluten Ge— 
mißheit werde und die in der Mitte liegende ger 
Ihichtlihe Bewegung nur die nothmendige Ver— 
mittelung des einen mit dem anderen fei, als das 
fortgehende Streben, die abſolute Wahrheit mit dem 
abjoluten Wiffen auszugleichen“ (Landerer, akadem. 
Gedächtnißrede, Tüb. 1861). Tadelt man auch 
an ihm, daß bei feiner Verbindung des Specu- 
lativen u. ee in der Geſchichte oft 
eines die Schrante des anderen wurde, daß er 
überhaupt einfeitig intellectualiftifich in chriſtlichen 
Dogmen zu fehr nur das Speculative ftatt des 


Baurente — Bautain. 


recht), oder auf deffien Mauer einen Theil des 
Gebäudes ruhen zu laffen, Fenſter in eine ge- 
meinfchaftliche Mauer einzulafien, das Recht, zum 
Behufe des Baues oder der Ausbefferung das 
nachbarliche Grundftüd betreten, oder gar Bau⸗ 
gerüſte aufftellen zu biürfen (Hammeridhlags- n. 
Yeiterrecht), das Recht, die Traufe auf das fremde 


17 


darüber gebreitetem Papier. Zu den Umriffen- 
tritt unter Umftänden eine leife Schattenangabe 
mittel$ Schraffirung. Das Gelingen einer quten 
B. fett, menigftens mo es fih um Kunftmerte 
als Driginale Handelt, jeitens des Bauſenden 
Kenntniffe im Zeichnen voraus, Man bedient fich- 
zum Banjen eines Stiftes oder einer Feder. Ein 


Grundſtück fallen lafien, Kloalen u. Ausgüſſe aufljehr brauchbares Bauspapier erhält man durch 


des Nachbars Grundftüd leiten zu dürfen, Beifpiele 
bieten. Wichtig ift noch die gemeinrechtlihe Bor- 
ihrift, monad Ballen u. anderes Material, wel« 
bes in ein fremdes Gebäude eingebaut worden 
in, von dem früheren Eigenthümer jo lange nicht 
vindicirt werden kann, als es mit dem Gebäude 
teibft im ummittelbarer Berbindung ſteht. Der 
Eigenthümer muß fih mit dem Doppelten des 
Werthes (worauf er die Actio de tigno juneto 
bat) begnügen, oder die künftige Trennung ab- 
mwarten. ©. aud Bauordnnng. Grotefend.* 

Baurente ift der Zins von dem auf die Aus» 
führung eines Baues verwandten Capital, welder 
unter Sinzurehnung des Zinfes von dem Preiie 
des bebauten Grundes u.Bodens (Bau- od. Haus- 
grundrente) den Zinswerth des bebauten Grund- 
ſtückes darftellt. Der Miethwerth deffelben kann 
demielben entipredhen, oder aud geringer, oder 
höher fein. Letzteres muß als Hegel gelten, weil 
in demjelben außer jenen Zinsbeträgen auch noch 
ein Unternehmergewinn (bed Eigenthümers ober 
After-Bermiethers) fteden darf. Die B. u. Bau- 
Srundrente find da befonders zu unterfcheiden, 
mo das Gebäude auf fremdem Eigenthum aufge 
tübrt iſt, wie dies namentlih in England oft vor- 
femmt (xömiſch- rechtliches Inſtitut der Super: 
ficies), Der wirthichaftl. Grund diefes Berhält- 
niffes ift, daß dadurd dem Grundeigenthümer der 
Bortheil der im Laufe der Zeit eintretenden Er— 
böbungen des Werthes des Grundes u. Bodens ge⸗ 
fichert bleibt, Grotefend. 

Baurif, geometriihe Zeichnung eines Ge— 
bäubes oder auch nur einzelnen Theils deſſelben 
nad verjüngteem Maßſtabe. Bal. Grundriß, 
Aufreißen. 

Daufand, Sand, zur Mörtelbereitung unter 
den Kall gemiſcht. Der tauglichfte ift der aus 
Gruben oder Flüffen, von Erde u. Thontheilen 
freie (ſcharfer B.); der gröbere dient zur Anfertig- 
— Mauerwerl, der feinere zum Abputz. 

auſchmuskel (Splenius), Deustel, zwiſchen 
dem oberen Theil des Rückens u. dem Schädel 
im Naden ſich binziehend. 

Baufh u. Bogen. Bauſch beift bei den 
Grenzen das herauswärts Gehende, ſich gewifier- 
maßen Baujchende, Bogen aber das hineinmwärts 
Gehende; daher belam der Ausdrud in B. u. B. 


Beftreichen eines dünnen Papiers mit reinem Per 
troleum, das man vor dem Gebrauche mit einem 
Lappen abreibt, bis e8 denſelben nicht mehr fettig 
macht. Nach der bald eintretenden Berflüchtigung 
des Petroleums wird das Papier wieder undurd« 
fihtig, ein Borzug, der die damit hergeſtellten 
Ben im hoben Grate auszeichnet. Regnet. 

Banfe, Johann Friedrich, namhafter Kupfer 
ftedher, geb. 5. Jan. 1738 zu Halle; bildete ſich 
bauptiählich obne Lehrer, arbeitete zuerſt bloß für 
Buchhändler, ging. 1759 nah Augsburg, trat mit 
dem berühmten Steher Wille im fchriftlichen ber 
lehrenden Berfehr u. entwidelte von 1785 an 
in Yeipzig eine umfangreiche Thätigkeit u. war zu— 
letzt Profeſſor der Kupferitechertunft an der Kunſt- 
alademie daſelbſt; er ft. 3. Jan. 1814 zu Weimar, 
Er ſtach bei. hiſtoriſche Blätter u. Porträts, da- 
runter eine Folge von Bildniffen deuticher Ge— 
Ichrter nah Gemalden von Graff, im Ganzen über 
200, die fih durch Sauberkeit u. Sicherbeit im 
der Führung des Stichels auszeichnen. Auch 
lieferte er jhone Radirungen, Aquatinta · u, Schwarz» 
kunftblätter, Regnet.* 

Bauske, Landftadt im ruf. Kreiſe Mitau 
(Rurland), an der Ya; (1878) 5710 Cm. 
(Deutiche, Fetten, einige Ruſſen u. viele Juden); 
Stadtkrankenhaus; Handel mit Korn, Flachs, Salz, 
Branntwein u, Häringen; in der Nähe Schloß— 
ruine, Es hieß früber Baufchtenburg u. ward 
1456 von dem Ordensmeifter Jobann dv. Mengden, 
gen. v. Oſthof, erbaut, erhielt 1609 vom Herzog 
‚Friedrich das Stadtfiegel, wurde 1625 von den 

hweden mit Sturm genommen, 1659 von einem 
vereinigten polnisch-braudenburgiichen Heere be» 
lagert u. 1705 nebjt der Stadt von den Ruſſen 
eingenommen, welche i. J. 1706 die Feſtungs— 
werte und das Schloß ſprengten. Im Jahre 
1812, namentlich am 30. Sept., bier mehrere 
Gefechte zwiihen den Ruſſen und den Preußen 
unter Norf, 

Banjteine, alle zum Bauen tanglihen Steine; 
man untericheidet natürliche, als: Sand-, Kalle, 
Zuff-, Kiejel- u. Bruchfteine, uw. fünftlihe, als: 
Lehm», Ziegel-, Chamotte- u. Pifefteine. 

Bauſioffe der Pflanzen nennt man dieje- 
nigen Producte des Stoffwechſels, welche zur 
Bildung der organifirten Bflanzengebilde, der Zell- 


den Sinn: Eines ins Andere gerechnet, ohne ſich haut und des Protoplasma, verwendet werden. 
um das Einzelne zu kümmern. So auch im B. der Zellhant find Stärke, Zuder, Inulin umb 


Handel in B. u. B. laufen, ital. comperare alsgette, fowie der Zellftoff (Celluloſe); 


staglio, fr. acheter en bloc, u. der Bauſchkauf, 
itaf. compra fatta a staglio, fr. achat en bloc. 


B. des 
lasmas find die Eiweißlörper. j 
Bantain, Louis Eugene Marie, franzöf. 


Bon dem deutihen Bauſch find aud mit der lat. | Philofoph, geb. 17. Febr. 1796 zu Paris; ftudirte 
Endung -ale die Ungeheuer der Kanzleiſprache in der Normalichule, machte ſich mit den Werten 
Bauſchal · oder Banfhal-Summe u. das Paufchale}der engliichen u. deutſchen Philofophen, bef. Kants, 


abgeleitet. 


Jacobis, Schellings u. Hegels, belannt u. wurde 


aufe, die Aufnahme der Umriffe eines Ge-|1816 Profeſſor der Philojophie am Gymnaſtum 
mäldes oder einer Zeihnung auf durdfichtigem!zu Straßburg u. 1817 an der dortigen Facultät 


12 


2 Bautare — Bauten. 

u, wurde kathol. Geiftliher. Er glaubte die ab»-jEintheilung: in 4 Bermwaltungsbezirfe (B., 
jolute Bedeutung des Katholicismus dadurch zu Zittau, Kamenz u. Löbau) u. nächſtdem in das 
heben, daß er lehrte, die ganze Wahrheit jei nur Bezirtsgericht B. mit den Gerichtsämtern B., Bi- 
in der fatholiihen Kirchenlehre gegebeu; die fich|jchofswerda, Königswartha u. Schirgiswalde, in 
jelbft überlaſſene Vernunft führe von Gott ab; das Bezirksgericht Kamenz mit den Gerichtsämtern 
denn Bernunftfchlüffe allein könnten feine Gewiß-| Kamenz, Konigsbrüd u. Pulsnig, in das Bezirks— 


heit von Gott geben; erſt durch den Glauben 
fönne die Vernunft zum Wiffen gelangen. Der 
Straßburger Bijchof verwarf 1834 diefe Sätze u. 
ftellte ihnen 6 andere entgegen, die den Bernunft- 
glauben als Ergänzung des Offenbarungsglaubens 
binftellten u. legteren für undemonftrirbar erflärten. 
Der Papft betätigte 1834 diefen Ausſpruch; B. 
widerrief 1835, wurde aber erft 1841 nad Ab» 
legung eines vollftändig befriedigenden Glaubens» 
betenntniffes wider in alle lanoniſchen Befugniſſe 
eingefett und 1848 zum Obervicar der Barifer 
Diöcefe ernannt. Er fehr.: La morale de l'Evan- 
xile comparce ä la morale des philosophes 


geriht Löbau mit den Gerichtsämtern Lobau, 
Bernftadt, Ebersbach, Herruhut, Neujalza u. Wei- 
Benberg, u. in das Bezirksgericht Zittau mit den Ge- 
rihtsämtern Zittau, Großihönau, Oftris u. Reis 
henau; Unterridtsanftalten: in B. n. Zittau 
beftehen Gymnaſien, in den übrigen Städten u. 
Dörfern ift das Vollsſchulweſen gut geordnet, 
2) (Wendiih Budiſchyn) Hauptftadt der königl. 
ſächſiſchen (früheren Marlgrafſchaft) Oberlaufig, 
die 1. der Bierftädte, rechts an der Spree u. der 
Dresden - Görliter Eiſenbahn; Sit der Streis- 
hauptmannihaft, des Appellationsgerichtes, einer 
Amtshauptmannichhaft, eines Gerichtes u. eines 


(Preisihrift), 1827, deutich von Geiger, Altdorfl Rentamtes; katholiſches Domftift (mit Schule 
1880, u. Comparde aux diverses systemes de|u. 40 Dörfern), 2 Yandjcaftshäufer, Dechanei 
morale, Bar. 1855; De l’enseignement de laj(Capitelhaus), Rathhaus, die (getrennt, halb den 


philosophie en France au XIX, siöcle, Straßb. 
1833; Philosophie du Christianisme, ebd. 1835, 
2 Bde.; Psychologie experimentale, ebd. 1839, 
2 Bder; Philosophie morale, 1842, 2 Bde; La 
religion et la liberte, Bar. 1848; La chretiente 
de nos jours, 1859; La conscience, 1860, 2.4., 
1861; Meditations sur les epitres et les evan- 
giles du car&me, 1865; Manuel de philosophie 
morale, 1866. Er überjette auch Krummachers 
Parabeln, Bar. 1821, 3.4., 1840, Löffler.* 

Bautare, j. Bauanſchlag. 

Bautſch (Budiſſow), Stadt im öfterr. Bezirke 
Sternberg (Mähren); Flahsbau und Weberei; 
3100 Ew. 

Bautjdji, etwa 11,000 Tjkm große Provinz 
der Fulbe im weſtlichen Gentral-Afrita, zwiichen den 
Fzlüffen Kadunag, Gongola, Benue u. Quorra; 
gebirgig, reih an Blei, Zink u. Eijen; Haupt— 
ſtadt: Jakoba oder Garon Bautfci. 

Bautz, Cappler v. Odheim, genannt von 
B.; ſ. Cappler. 

Bautzen, 1) Regierungsbezirl im Königreich 
Sachſen; 2457,, [km (44,56 M); 330,945 Em. 
(mworunter 24,000 Katholiten u. 49,506 Wenden) 
in 13 Städten, 22 Marktfleden u. 505 Dörfern; 
grenzt an die preußiichen Provinzen Sadien u. 
Schleſien, Böhmen u. den ſächſiſchen Regbez. Dies- 
den; gebirgig ſüdlich durch Die Fortſetzung des 
Elbſandſtein- u. Laufiger Gebirges, nördlid eben 
u. niedrig; bemäfjert durch die Schwarze Elſter 
(mit dem Schwarzwaffer), Spree, Pulsnig, Neiße 
u. Löbauer Waſſer; von 6 verfchiedenen Linien der 
Sähfiihen Staatsbahnen u. der Yinte Görlig- 
Bittau u. von der Berlin-Göriiter Bahn durd- 
ſchnitten; Boden qut (nördlich jandig, jitdlich ſtei— 
nig, das Innere Weizenboden); Producte: Be— 
treide (nicht ganz ausreichend), Flachs, Buchweizen, 
Holz, Hausthiere (Rindvieh, Pferde, Gänje), fehr 
wenig edle Mineralien; Induſtrke: Berfertig- 
ung von Leinwand (jährlich für 2—3 Mitt. Thir. 
Ausfuhr, zum Theil überjeeiih), Damaftweberet 


Yutheranern, halb den Katholifen gehörige) Petri- 
firche, wendiich-Iutberiiche und wendiſch-katholiſche 
Kirche, 2 Hoſpitalkirchen, Waiſen-, Arbeits und 
Kranlenhäuſer, Predigercollegium, Gymnaſium, 
2 Schullehrerſeminare, ein evangel. u, ein kathol., 
legteres das einzige im Königreich, eine Realfchule 
II. Ordnung, eine fehr gut eingerichtete Bürger- 
ichule, eine Stifts- u. Waiſenhausſchule, Induſtrie⸗ 
ichule, Handelsiehranitalt, 2 Bibliotheten; Gewand- 
baus, Schaufpielhaus, Kaſerne, Schloß Ortenburg; 
Pulver-, Bapierfabriten (die eine Actiengejellichaft 
bilden), Kupfer-, Stahl- u. Drabthammer, Walz- 
merk, Eijengießerei, Mafchinenbaufabrif u. Dampf- 
ziegelei, Streihgarnfpinnerei, Yederfabrifation, Lei- 
nen u. Strumpfweberei; Handel, befonders mit 
Yeinwand, Flachs-, Garn- u. Wollmärkte; Frei— 
maurerloge zur goldenen Dauer; ohne die Bor- 
ſtadt Seidau (mit 2507 Einw.) 13,165 Ew., 
worunter etwa 1200 Katholiken. B. iſt Geburtsort 
des Belletriſten A. G. Meißner u. des Hiſtorikers 
K. W. Böttiger. — B. beſtand ſchon zu Heinrichs J. 
Zeit 931, wurde aber erſt unter Otto I. Stadt. 
Markgraf Sobieslaw J. befeſtigte es. Hier am 
30. Jan. 1018 Friede zwiſchen dem Polenkönig 
Boleslaw u. Kaiſer Heinrich II. u. 1350 zwiſchen 
Karl IV. u. Ludwig dem Brandenburger, wodurch 
Ludwig feinen Anſprüchen auf die Wieder-Laufit 
entjagte, dagegen Brandenburg verbürgt erhielt, 
(f. Brandenburg.) B. trat am 21. Aug. 1346 zu 
dem Lauſitzer Schs-Städte-Bunde (ſ. u. Lauſitz). 1405 
bis 1410 rebellirten die Bürger gegen den Rath, 
deshalb ließ König Wenzel 14 der Schuldigen 
binridten. Im lege litt B. viel, ſchlug 
aber 1431 einen Sturm ab. 1620 nabm es Kur- 
fürft Johann Georg I. von Sadjen nah vier- 
wöcentlicher Belagerung ein. 1633 wurde B. von 
Wallenftein u. 1634 von dem Kurfürften von 
Sadjen erobert. Im Frieden zu Prag (1635) er- 
bielt Sachſen die Stadt B. mit den Yaufiten als 
Kriegsentihädigung. Im Giebenjährigen Kriege 
litt B. bedeutend, Hier den 20. u. 21. Mai 1813 


(zu Großſchönau u. Zittau), Band (in Pulsnig u. Schlacht zwiichen der ruffifch » preußischen Armee 
Sroßröhrsdorf), Tuch (Biihofswerda u. Kamenz),\unter Wittgenftein u. den Franzojen unter Napo- 
and andere Strumpf-, Wollen- und Holzwaaren;|leon; Lettere Sieger; f. u. Ruſſiſch- Deutſcher Krieg 


Bauwürdig 


ven 1812—15. Den bier Gefallenen wurde 1853 
auf dem Tauchaer Kirchhofe ein Denkmal errichtet. 
Bal. Böhland, Ber Chronik, Budiſſin 1831. 

Bauwürdig, von Lageritätten, jo beichaffen, 
daß diejelben mit Nuten gebaut werden können. 

Banrit, j. Beaurit. | 

Bauzänım (a. Geogr.), Stadt in Rhätien; 
jest Bogen. 

Bava, Eufebio Baron v., piemont. General, 
geb. 1790 in Bercelli; erhielt feine milttärifche Erzieh⸗ 
ung in der Militärichule von St. Eyr, machte alle 
Feldzüge bis zur Einnahme von Paris 1814 mit 
«trat dann als Capitän in piemontefifche Dienfte, 
ward von Karl Albert 1840 zum Baron u. Ge- 
nerallientenant ernannt u. 1847 Gouvernenr von 
Heffandria, In dem Feldzuge gegen die Dfter- 
reicher von 1848 war er Bejehlähaber des erften 
Armeecorps und thatjächlich, ſoweit e8 die Eitel- 
feit des eiferfüchtigen Königs Karl Albert, der 
den Oberbefehl führen wollte, zuließ, der wirkliche 
!eiter der Operationen, jedod in den Dispofitio- 
nen jeden Augenblid durchkreuzt durch den launen- 
haften u. keuntnißloſen Willen des Königs. Der 
allerdings mit großer Übermadt errungene Sieg 
bei Goito war fein Werk, wofür er zum General 
der Armee befördert ward. 1849 erbielt er das 
Lortefeuille des Krieges, gab aber bald feine De- 
mifton u. leiftete der Armee als Generalinjpector 
der Infanterie durch feine umfichtigen Vorbereit- 
angen für den Krimfrieg erſprießliche Dienite. 
Schrieb: Relazione delle operazioni militari nel 
1848, Turin 1848. 

Bavard (fr.), Schwäter; daher Bavardage 
(Barardife), Geſchwätz; Bavarderie, unnützes 
Shwagen; Bavardiren, ſchwatzen. 

Bavaria, 1) neulateiniicher Name fiir Bayern. 
2) Roloffale Erzftatue vor der Ruhmeshalle auf der 
Zherefienmwieje bei Münden, Perjonification von 
Bayern: eine weibliche Geftalt, in der Nechten ein 
Schwert, inder Linken einen eınporgehobenen Eichen- 
franz haltend, neben ihr ein Löwe. Die Statue ift 
von der Sohle bis zur Spige des Kranzes 20,, m 
hoch; fie ſteht auf einem 9,, m hohen Poftament 
von Granit, zu welchem 49 Stufen hinanführen. 
Eine gußeiferne Treppe führt bis in den Kopf, 
in dem 6 Perfonen Raum haben u, von welchem 
aus man mittels Öffnungen die Ausſicht auf Stadt 
u. Umgegend genießen fann. Die dee zu dieſer 
Statue wurde vom König Ludwig ſchon 1832 ge- 
taft; das Modell formte Schwanthaler; den Guß 
führte Fd. Miller in der Königlichen Erzgießerei 
zu Münden aus; enthüllt wurde fie am 7. Aug. 
1850. Das Erz dazu, gegen 1560 Etr., befteht 
meift aus den türkifchen Kanonen, welche bei Na- 
darin verſentt u. von griechiſchen Tauchern zu 
Tage gebracht wurden. 

avah. Stadt im Arr. Avesnes des franz. 
Depart. Rord; Zuderfabrif; otägiger Kornmarit 
m Auguft; 1777 Ew. — B., das alte Bagacumı 
(Baganum), war die bebeutendfte Stadt der Ner— 
ver. Sie erhob fih nach ihrer Zerftörung im 6. 
Jahrh. nie wieder zu ihrer alten Blüthe. Unter 





13 


Baveno, Dorf in Piemont (Prov. Novara, 
Diftr. Pallanza), am weitlichen Ufer des Lago— 
Maggiore, von welhem aus man die Borromei— 
ſchen Inſeln (j. d.) zu befuchen pflegt; 1760 Em. 

Bavifo, ajrifan. Bollsftanım nordweftl. vom 
Ngami See; taufhen nach W. Elfenbein u. Sklaven 
aus; fie bewohnen ein schönes, bügeliges Yand. 

Bavilliers, Dorf in Frantreih, Diftr. Belfort; 
850 Ew. Hier fanden während der Belagerung 
von Belfort im Deutſch-Franz. Kriege (jo bei. 
9. Jan. 1871) mehrfache Gefechte ftatt. 

abispe (Presidio de B.), befeftigte Stadt 
in DMerico, Staat Chihuahua, in einem gebirgigen 
Diftriet, nahe den Duellen des gleihnamigen 
Fluſſes; Gerberei, Aderban, Viehzucht. Dergleichn. 
Fluß, Rio-Grande de B., fließt am Weſtabhange 
der Sierra Madre aus einem See u. mündet in 
Sonora in den Californ. Meerbuſen. 

Bavius, 1) B. u. Mävius, zwei Dichter: 
linge, anmaßende fchlechte Krititer des Bergilius, 
von diefem u. Horatius verjpottet. Daher 2) (Bav) 
jo v. w. ſchlechter Dichter u. Kritifafter,. 

Bavoche (fr.) od. Banodjure, 1) unreiner 
Abriß oder Kupferftih; 2) unjauber abgezogener 
Drudbogen; daher bavodirt, unrein, undeutlich. 

St. Bavon, der Schußpatron von Gent, von 
Geburt vornehmer Niederländer; lebte in feiner 
Jugend ausichweifend, befleigigte fi) aber, von 
St. Amandus belehrt, eines frommen Wandels, 
madte viele milde Stiftungen u. ft. 665; Tag: 
1. October, an welbem Tage ihm das seit 
Bavonmeſſe (Bamefje, Bämiß) in den Nieder» 
landen gefeiert wird, 

Bawean, Inſel zwischen Borneo u. Java, den 
Niederländern gehörig, von den Eingeborenen 
Lubod, von den Engländern Bavian-Island ge- 
nannt; fruchtbar an Reis, Indigo, Baummolle, 
Tabat; Steintohlen u, heiße Quellen; 33,500 Ew.; 
eingetheilt in drei Diftricte; Hauptort Sanglapura. 

atwtry, Stadt in der engl. Grafſch. York, am 
Idle; Mühlſtein- u. Eifenwaarenhandel; 1500 Em. 

Ba-Wulima, Nebenfluß des Senegal in Afrita. 

Barmann, Rudolf, geb. 21. Febr. 1832 in 
Stendal; ftudirte feit 1850 im Halle u. Berlin 
Theologie u. war dann mehrere Jahre Prediger 
bei der preuß. Gefandtichaft in Liſſabon; er habi- 
litirte fi 1863 in Bonn als Privatdocent, u. wurde 
Inſpector des dortigen evangelifchstheol. Stiftes; 
er ft. «2. Juli 1869. Er ſchr.: Scleiermaders 
Anfänge im Schriftftellern, Bonn 1864; Über die 
Grenzen proteftantifcher Lehrfreiheit, ebd. 1365; 
Fr. Schleiermacder, Elberf. 1868; Die Politil 
der Päpfte von Gregor I. bis Gregor VII., eb. 
1868 f., 2 Bde. 

Barter, 1) Richard, geb. 12. Nov. 1615 zu 
Rowdon in Shropihire; murde 1640 Geiftlicher 
zu Kidderminfter, 1642 ;Feldprediger unter Crom 
well u. nad) einigen Jahren wieder Geiftlicher in 
Kidderminfter; er war 1661 bei der Berfammlunc 
zur Bereinigung der Epiflopalen u. Presbyterianer 
zu London jehr thätig u. verlor infolge davon 
1662 feine Stelle; feit 1663 lebte er in Acton u. 


— Barter. 


den Ruinen römischer Bauten ift die wichtigfte der|jeit 1672 in London, wo er unter den Verfolgun— 


ingang 


ld von Malplaquet. 


einer unter der Sambre weggehenden|gen der Nonconformiften zu leiden hatte u. 1685 
römiſchen Wafferleitung. Unmweit davon das Schlacht» Jeingeferfert wurde. 


Erft jeit 1688, unter Wil 
heim III, trat Toleranz ein; er fuhr fort, nad 


14 Bay — 
jeinen Grundſätzen zu predigen, u. ft. 8. Dechr. 
1691. Der nach ihm genannte Barterianismus 
ift der mildere Galvinismus der englifchen u. jchot- 
tischen Theologen, welcher namentlich in der Prä- 
deftinationsiehre die Beſtimmung einer gewiſſen 
Anzahl von Menſchen zur Seligkeit annimmt, 
vüdjichtlibh der anderen aber feine Verwerfung, 
ſeudern die Möglichkeit der Rettung der Seelen 
Aller lehrt, denen das Evangelium gepredigt wird. 
Dieje Anficht bat jpäter an Watts u. Dodridge 
ihre Hauptvertreter gefunden. Er jhr.: Reasons 
for the C'hrist. Rel., Yond. 1672 (gegen den Deis- 
mus Cberburgs); Tihe Saints everlasting Rest 
‚(Die ewige Ruhe der Heiligen); A Call to the 
Unconverted (Huf an die Nichtbefebrten), in viele 
Spraden überfegt; Reformed Pastor, deutſch, Berl. 
1834 (Barapbraje des Neuen Teftaments); Die 
heilige Republik. Werke, heransgeg. von Orme, 
Lond. 1830; jeine Gelbjtbiograpbie (Narrative uf 
the most remarcable passage of his life and 
times), herausgeg. von Matth. Syivefter als Re- 
liquiae Baxterianae, Yond. 1696, 2. A., 1713, 
2 Bde., Fortſetzung 1727; ſeine Lebensbeichreib- 
ung von X. Gerlady, Berl. 1836, u. von Schmidt, 
2p3.1843. 2) William, Neffe des Borigen, geb. 
um 1650 zu Mlomiugauy; war Rector der Kauf. 
mannsichule in Yondon u. ft. 31. Mai 1723; er 
fchr.: De arte latinae linguae, 1679; Glossarium 
antiquitatum britannic., 1719, 1733, u. gab den 
Anakreon u. Horatius heraus, Lond. 1701 u. ö. 
3) George, engl. Miniaturmaler, geb. 1804 od. 
1805 zu Lewes; fam 1827 nad London; ift der 
Erfinder des Ölfarbendrudes in feiner beutigen 
Geftalt; fl. 1867 in Sydenham. 1) köffler.* 3) Reguet. 

Bay, 1) County im nordamerif. Unionsftaate 
Michigan, unter 44° m. B. u. 83% w. %,, an der 
Saginambar; verihiedene Eifenbahnlinten; 15,900 
Em. 2) Countyſitz darin; 7064 Em. 

Bayamo, Stadt im öftlihen Theil der Juſel 
Cuba, nordweſtl. von St. Jago, am gleihnam. 
Kanal; Eifenbahn nad dem Hafenorte Manzanilla; 
7400 Em. 

Bayano, Fluß im Staate Iſthmo der für- 
amerik. Hepublit Columbia; mindet in die Bai 
von PBananıa, 

Bayard, 1) Pierre du Terrail, Geigneur 
de B., genannt le Chevalier sans peur et sans 
reproche (der Ritter ohne Furcht u. Tadel), geb. 
1475 auf dem Schloſſe B. bei Grenoble; wurde 
von feinem Cheim, George du Terrail, Bijchof 
von Grenoble, erzogen u. zu den Rittertugenden, 
die ihn zu dem gröpten u. liebenswürdigſten Hel- 
den des Mittelalters machten, angeleitet. Als Page 
in Dienften des Herzogs von Sapoyen erregte er 
die Aufmerfjamleit Karis VIII. von Frankreich, 
der, erjtaunt über die Gewandtheit des Jünglings 
beim Bändigen eines wilden Pferdes, ihn zur 
weiteren Ausbildung dem Grafen von Ligny über- 
gab. Nachdem er bereits in mehreren Turnieren 
Yorbeeren errungen batte, trat er 1494 unter das 
Gefolge Karls VIII. u. begleitete denfelben nad 
Stalien. In der Schlacht bei Verona eroberte er 
eine Fahne. Unter Ludwigs XII. Regierung focht 
er 1499 bei Mailand u. verfolgte den fliehenden 


Bayard. 


dringend, gefangen wurde. Ludwig Sforza ſchenkte 
ihm jedoch großmüthiger Weiſe die Freiheit. Nach 
der Schlacht bei Novara führte er einen kleinen 
Krieg gegen die Spanier, denen er empfindliche 
Verluſte beibrachte. Den Rückzug der Franzoſen 
nad der Schlacht bei Ceriguola (1503) deckte er 
mit raſch zufammengerafften er zeriprengter 
Mannschaften u. vertheidigte allein die Briide über 
den Garigliano gegen 200 Genuejen u. Benetia- 
ner, An der Schladt bei Padua (1509) nahm er 
rubmvollen Antheil, 309g dann dem Herzog von 
Ferrara gegen den Papft Julius IL zu Hufe u. 
wurde bei der Beitiirmung von Brescia ſchwer ver- * 
wundet. Kaum genejen, begab er ſich wieder in das 
franz. Lager zu Ravenna, dedte den Kiidzug von 
Pavia nah Alerandria u. empfing abermaß eine 
Wunde, nad deren Heilung im Schooße feiner Fa— 
milie er fich nach dem Kriegsichauplage in Spamten 
begab. Der Einfall der länder in die Picardie 
1513 verfchaffte ihm neue Thätigleit; er warf bei 
Teronane den Nachtrab der Feinde u. verrichtete 
eine feiner größten Heldenthaten, indem er, als 
nad der unglüdtihen Schlacht auf den Höhen von 
Guinegate die franz. Armee ſich in wilder Flucht 
auflöfte, mit 15 Reitern eine Zeit lang dem An- 
drang der Feinde trogte. Als er ſah, daß feine 
Nettung war, ftürzte er auf einen englischen Offt- 
zier zu u. forderte ihn auf, fich zu ergeben. Der 
überrafchte Offizier reichte wirklich dem Ritter 
jeinen Degen, erhielt aber dafür den des Nitters 
mit deſſen Berficherung, nun fein Gefangener zu 
fein. B. wurde infolge deſſen, nad Ausiprud) 
des Kaifers Marimilian u. des Königs Heinrich, 
da er der Gefangene jeines eigenen Gefangenen 
geworden, ohneYöjegeldfveigegeben, 1514 ernannte 
ibn Franz I. zum Generallientenant der Dauphine. 
B, drang von dort gegen Piemont vor, nahm 
Projper Colonna gefangen u. trug weſentlich zu 
der fir Frankreich günjtigen Entſcheidung ber 
Schlacht bei Marignane (1515) bei, nach welder 
fih der König von ihm zum Ritter fchlagen ließ. 
Als das Heer Karls V. 1520 in Frankreich ein- 
drang, warf er ſich deinjelben in der Champagne 
entgegen u. vertheidigte 6 Wochen lang bie Taf 
offene Stadt Dieziöres, worauf der Feind ımver- 
richteter Sache abzog. Als Retter des Baterlandes 
wurde er bei feinem Einzuge in Baris mit Fönigl. 
Ehren empfangen. Kurze Zeit darauf fandte iöm 
der König nach dem rebellirenden Genua, wo er 
dem Aufſtande bald ein Ende machte. 1524, als 
Franz den General Bounivet zur Wiedereroberung 
atlands nad Italien fandte, traf B. wieder das 
Loos, den Ridzug des bei Lodi geſchlagenen Heeres 
zu deden. Am 30. April deſſ. J. gegen die von 
‚Feinden bejette Brüde über die Sefia vordringend, 
zerjchmetterte ihn eine Musketenfugel das Rüdgrat. 
Seine Leiche wurde in der Kirche des Minoriten- 
Hofters in der Nähe von Örenoble beigejegt. Vgl. 
Gayard de Berpille, Histoire de Pierre Terrail; 
u. A., Par. 1824; Delandine de St. Ejprit, Hi- 
stoire de B., Bar. 1842. 2) Jean Frangois 
Alfred, nähft Scribe der bebdeuteudfte franz. 
Luftjpieldichter, geb. 17. März 1796 zu Charol- 
les; Ddichtete jhon als Student der Rechte Cou- 


Feind mit ſolchem Ungeftüm, daß er von feinen|plets u. Heine Theaterftüde, ward Advocat, wandte 
Truppen abgejchnitten u., allein in die Stabtlfih aber jeiner Lieblingsbefhäftigung, der dra- 


Bayer — Bayer-Bürf, 15 


zatihen Dichthunft, zu u. verfaßte mit mebreren 
ınderen befannten Theaterdichtern nahezu TU Dra⸗ 
zen, Komödien u. Vaudevilles, worunter der 
darijer Zangenichts, die Königin von ſechszehn 
Jahren, Judith, der Bater der Debütantin u. a., 
die zum Theil auch über die deutiche Bühne ge- 
angen find; gejammelt al$ Theätre, Bar. 1855 
31860, 12 Bde, Erft. 19. Febr. 1858 in Paris, 
3) B., Rainalts Pferd; f. u. Haimonsfinder. 
Bayer, 1) Zobann, Aftronom u. proteftan- 
aiher Prediger, geb. 1572 zu Rain in Bayern, 
zer eim muthiger Vertheidiger feiner Glaubensge- 
zoffen (daher Us protestantium, d. h. Mund der 
Troteftanten, genannt) u. wurde vom Kaijer Yeopold 
L in den Adelsſtand erhoben; er ft. 1626. B. 
führte in der Aftronomie die Bezeichnung der 
Geftirne mit griechifchen u. römishen Buchſtaben 
am u. machte fich vornehmlich verdient durch feine 
Uranometria (eine Darftellung des geftirnten 
Sımmels), Augsburg 1603, Hal neue Aufl., Ulm, 
1648, 1661, 1723, mebft Erllärung in der Expli- 
atio characterum aeneis tabulis insculptorum, 
Augsb. 1654. 2) HieronymusFohann Paut, 
zb. 21. Sept. 1792 zu Rauris im Galzbur- 
züchen; war erſt Rechtsprakticant in Landshut, 
nudırte machträglih 1817—18 no in Göttingen, 
wurde 1819 Vrivatdocent der Rechte u. 1822 
drofeffor im Landshut; er ging 1826 mit nad 
Ründhen u. wurde 1853 zum Heichsrath ernannt. 
ir fchr.: Über die Anderung des Klaglibells, 
“andsh. 1819; Theorie der ſummariſchen Bro» 
eſſe, Münch. 1829, 6. Ausg., ebd. 1846; Theorie 
2er ſummar. Procefordnung, ebd. 1834; Bor- 
träge über die ordentlichen Ginilprocefie, ebd. 
1828, 8.4, 1853; Theorie des Concursproceſſes, 
vd. 1836, 4. Ausg., 1850. 3) Joſeph Auguft, 
bervorragender Theilhaber an der ungar. Hevo- 
Intiom, geb. 1821 zu Pet; trat 1839 als Lieute- 
aant im die öfterr, Arınee, wurde Profeſſor ber 
Tadettenſchule zu Neuhaus u. erhielt 1843 feinen 
Abſchied. Die folgenden Fabte bereifte B. 
Deutihland u. die Schweiz, wo er 1847 im 
Herbfie an dem FFreifhaarenzuge theilnahm; 1848 
nah Per zurüdgelehrt, wurde er 1849 Oberft 
der ar. njurgentenarmee, entwarf für Gör- 
gey —28 u. — leitete die Be— 
lagerung von Ofen u. den Durchbruch an der 
Baag, gerieth nah der Waffenſtreclung der In⸗ 
furgenten in Gefangenfchaft und wurde zu 18jäh— 
iger Feftungsftrafe verurtheilt, aber 1850 am- 
neftirt.. Er ſchrieb: Oſterreichiſche Flüchtlinge, 
Manuh. 1847. 4) Auguſt von, berühmter 
Arditelturmaler, geb. 1808 zu Rorſchach am 
Bodenfee ; erhielt eine jorgfältige wifjenichaftliche 
Bildung, ftudirte unter Weinbrenner in Karls» 
ruhe Architeltur, fette diefe Studien in Zürich, 
Straßburg, Freiburg im Breisgau u, Münden 
fort u. wendete fich jchlieglih auf Anregung Win- 
terhalters der Arditelturmalerei zu; er ftarb 2. 
Februar 1872 in Karlsruhe. B. malte meift 
Junenanſichten von Kirchen u, Klofterhallen, mit 
reizenden Lichtwirkungen u. anfpredenden Stafja- 
gen, voll Poefie bei trefflichiter Zeichnung und 
outer Farbe. Er war Mitgründer des Badischen 
Tterthumspereins, ſeit 1853 Conjervator der 


werte: Straßburger Münfter; Freiburger Mün— 
fter; Münchener Frauenkirche; Franciscanerlirche 
in Salzburg (Neue Pinakothek in München); Ko- 
jter Maulbronn, Mittag im Klofter; Botanifirende 
Trinitarier (Leipziger Muſeum); ;zeierftunde im 
Klofter (Schloß Babelsberg); Toggenburgſage, 
Triptychon (Schloß Stolzenfels); Beichte im Klofter 
u. Klofterhof (im Befige der Großfürftin Maria von 
2enchtenberg); Media in vita sumus, u. der Tod 
des bi. Bruno, mit Doppelbeleuchtung. 5) Kart 
Emmerid Robert, pfeud. Robert Byr, deut» 
iher Romanicriftiteller, geb. 1835 in Bregenz; 
befuchte die Militäralademie zu Wien, trai 1852 
in das Hujarenregiment Graf Nadeyty ein, rüdte 
1859 zum Wittmeiiter auf u. verließ 1862 den 
activen Dienft, um fich fortan in feiner Bater- 
ſtadt literarifhen Wrbeiten zu widmen. Er machte 
fi) zuerſt duch eine Sammlung vom Skizzen: 
Gantonnirungs-Bilder, Prag 1860, 2 Bpe., be» 
fannt u. entiwidelte dann eine große Fruchtbar; 
feit: bis jett (1875) bat er bereit$ über ein 
Dugend meift mehrbändige Romane u. daneben 
noh 2 Dramen gefchrieben. Seine Romane jdil- 
dern das Familienleben u. die Geſellſchaftskreiſe 
der Gegenwart, zeichnen fi durch gejunde Nea- 
liſtil, lebensträftige Friſche u. fcharfe Gharatter- 
— aus. In glänzender Weiſe tritt das 
Talent des Dichters in dem Zeitroman Noma— 
den, Lpz. 1871, 5 Bde., zu Tage, in welchem 
das moderne, unruhige Welt- u. Reijeleben in 
der Schweiz, bejonders in Montreur und der 
Spielhölle Saron, meiſterhaft geſchildert wird, 
Nicht minder bedeutend it der Roman: Auf ab- 
ihüffiger Bahn, Berl. 1872, 4 Bde., der eine 
unglüdlihe Ehe in der öfterr. Ariftofratie zum 
Vorwurfe hat u. im weiten Hintergrunde zeigt, 
wie fi) das gejammte gährende u. ringende Böls- 
ferconglomerat Dejterreihs auf abſchüſſiger Bahn 
bewegt. 6) Philipp Anton, berühmter Ge- 
burtshelfer, geb. 1792 in Bamberg; ftudirte Me—⸗ 
dicin in Erlangen, promopirte 1816 daſelbſt und 
ging als Augenarzt nah Nürnberg, übernahm 
dann in Erlangen eine Aififtentenftelle, wurde 
1821 zweiter Arzt am flinijhen Inſtitut und 
1826 außerordentlicher age lin der Geburtshilfe, 
übernahm fpäter auch die Directorftelle der Ent- 
bindungsanftalt; er ft. 11. Juni 1832. Er fahr.: 
Über Tridiafis u. Entropium, nebft Beichreibung 
einer verbeflerten Augenlidzange, Nürnb. 1816; 
Erfte Nachricht von der Entbindungsanftalt in Er» 
langen, ne 1829; Fortgeſetzte Beobachtun⸗ 
en über die Wirkſamkeit der Belladonna bei Ge— 
re falessehfrinern (Horns Archiv, Bd. 1., 
1821), über die Anwendung der Wandfledhte (Lo- 
baria parietina L.) in intermittivenden Fiebern. 
Er betheiligte fich ferner an B. Schregers Grund- 
riß der chirurg. Operat., Nürnberg 1821 u. ſchrieb 
verſchiedene Artikel für Horns Archiv für medicin. 
Erfahrungen über Arſenik, Quedfilber u. Bella- 
donnavergiftungen ꝛc.). 
1) Spedt. 4) Negnet. 5) Salomon. 6) Thamhayn. 

Bayer-Bürf, Marie, namhafte Schaufpie- 
ferin der Gegenwart, Tochter des Schaujpielers 
F Rud. Bayer, geb. 31. Oct. 1820 zu Prag. 
Mit 16 Jahren betrat fie als Dorothea in Her- 


badischen Kunftdentmäler u. Alterthümer,. Haupt-Imann u. Dorothea die dortige Bühne, ber fie 


16 


bis Michaeli 1839 angehörte, 
Hunnover engagirt, wirkte fie dafelbft bis 1. Mai 
1841 u. zählt fit Sept. 1841 zu den hervorra- 
gendften Kräften der Dresdener Hofbühne. Ihre 
Ehe, mit dem Schriftfteller Auguft Bürk ge 
ichloffen, löfte frühzeitig der Tod, u. fie verheira- 
there fich 1863 zum zweiten Dal mit dem Oberſt- 
lieutenant von Falkenſtein. Geminnendes Hußere, 
wohllautendes Organ unterftügen die Wahrheit, 
Einfachheit u. Anmuth ihres Spiels. Ihre Gaft- 
ipiele an den Hoftheatern zu Berlin, Stuttgart, 
Darmftadt, Wien (von 1850—1856 alle Frühjahre 
6 Wochen), wie an den Stadttheatern zu Breslau, 
Leipzig, Stettin, haben au dem größeren Publi— 
cum den Genuß ihrer meift vollendeten Leiſtungen 
verihafft. Jetzt tritt fie im älteren Partien auf, 
aber jrüber erglänzte fie als Maria Stuart, 
Iphigenia, Grethen, Klärhen, Donna Diana, 
Bortia, Antigone; Emilie Galotti u. a, Küurſchner. 

Bayerifhe Alpen, Theil der Oſtalpen, 
zwiſchen Lech, Inn u. den Salzburger Alpen, auf 
der Grenze zwiſchen Bayern u. Firot. Man 
unterſcheidet vorzüglich zwei Hauptregionen, die 
wieder in Parallelzüge ſich theilen. Diefe Haupt- 
regionen find dur ein Yängenthal getrennt, das 
fih aus dem Beden von Yermoos gen ONDO 
bis Kufſtein erftredt, aber an —— Stellen 
nicht leicht als Thal zu erkennen if. Die ſüd— 
lie Hauptregion wird durch die Iſar u. den 
Achenſee in drei Gruppen getheilt: 1) Das Wet- 
terfteingebirg mit der Zugſpitze 2962 m, dem 
höchſten Gipfel im Deutſchen Reiche, dem Wet— 
terſchroffen 2872 m, der Scharnigipige 2682 m 
und der Dreithornipige 2692 m, Südlih vom 
Wetterfteingebirge läuft parallel mit ihm in 
Tirol eine Kette unter dem Namen Mieminger: 
Berge, mit dem Grünftein 2711 m. 2) Die 
mittlere Gruppe umfaßt 4 Parallelfetten, von de» 
nen nur die nördlichite zum Theil zu Bayern 
gehört. Auf der füdlichften, weihe in der Mar— 
tinswand gegen das Innthal abjällt, erhebt ſich 
der Große Sollftein 2970 m, als der höchſte 
Gipfel der auf öfterreichiihem Gebiete gelegenen 
fog. B. A.; auf der zweiten der Hohe Gleirſch 
2555 m; auf der dritten bie Edkarſpitze 2748 
m, und die Birkarsipite 2634 m, ſowie das 
Grabenfahr 2557 m; das vierte endlich heißt das 
Karwendelgebirg mit ber Karwendelſpitze 2530 
m und dem Sonnjoh 2452 m. Die öftliche 
Gruppe, von voriger dur das wildromantiſche 
Achenthal getrennt, culminirt im Sonnenwendioch 
2307 m. Die nörblide Hauptregion der 
B:n U. wird wiederum durd die goifad u. Iſar 
in drei Gruppen getheilt, deren weitl. in ihrem 
Haupttheil das Ampergebirg heißt u. deren 
höchſter Gipfel der Blattberg if. Die mittlere 
Sruppe, ganz bayerifch, lagert fih um den Wal- 
chen⸗ u. Kochelſee u. gipfelt in der Benedicten- 
wand 2075 m. Die öftlihe Gruppe endlich, 
das Gebiet um den Tegern- u. Schlierfee um— 
faffend, wird auch das Vangfall ebirg genannt, 
und das Hintere Sonnenwendjod 1973 m bilder 
die höchſte Spike. Die wicdtigften Straßen 
(vor S. gen N.) find die Fernſtraße, auf der 
weftl. Grenze über Lermos und Garmiſch, die 


Bayerische Alpen — Bayerischer Erbfolgefrieg. 
Hieranf nah, Walchenfee, u. öftl. die Straße durch das Aden- 


thal, von Jeubach im Innthal nah ZTegerniee. 
Geologiih gehören die B-n U. größtentheils 
den Lias an, unter welchem in der Umgebung 
von Partenfirchen, der Scharnig, u, im Karwen- 
deigebirge Keuper vorfommt. Auf der Grenze 
zwiichen Bayern und Ofterreih, den Adyenpaß 
freuzend, läuft eine nicht breite Zone von Gault 
u. Neocomien. Die vorliegenden Ausläufer ge» 
Zn wie der ganze NRand der Alpen, dem 
ocen u. Miocen an, Der Mineralienreichthum ift 
nicht beſonders groß: ſehr gute Brauntohle bei 
Venzberg, Peiffenberg u. Miesbach, aud etwas 
Eifenerz im Achthal. Größer ift der Reichthum 
an Mineralquellen: Kreuth, Krankenheil und 
Heilbrunn, Anfänge von Gletſcherbildungen zei- 
gen fi hin u. wieder. Das Gebirg iſt meit 
hinauf fräftig bewaldet, u. e8 werden die Staats- 
forften ungleich beffer als anderwärts in Hochge— 
birgsländern gepflegt; auch befteht ein bedeutender 
Wildftand an Gemien, Hirihen u. Reben. Zu 
den größten Reizen der B.-n A. gehören ihre 
Seen, von denen die bebeutendften folgende 
find: der Chiemſee, ganz im Flachlande gelegen, 
der Würm- oder Starnbergerjee, 22km ſüdweſtl. 


‚jvon Münden, mit einer bedeutenden Anzah! 


mitunter ſehr jchöner Villen bejetst; der Ammerfee, 
im gehügelten Borlande, der Schlier-, Tegern-, 
Kodel- u. Walchenſee, ihon im Gebirge gelegen; 
der Achenſee (einer der wenigen Seen in Tirol), 
im Gebirge, und der hochromantiſche Eibſee, am 
Fuße des Wetterſteines. Die Bewohner find 
ein kräftiger Menſchenſchlag, der jedoch an Bild- 
ung, geiftigen Fähigleiten u. induftriellem Erwerbs: 
betriebe den benachbarten Schwaben nachſteht. 
Bayerifcdyer Erbfolgefrieg, 1) (Lauds- 
buter Erbfolgelrieg, 1503—1507) nad dem 
Tode Herzog Georgs des Reichen von Bayern, 
zwifchen den Herzögen von Bayern u, dem Pfalz- 
grafen Ruprecht geführt. Durch einen Bergleich 
ward das Fürſtenthum Neuburg an Pfalz abger 
treten und fo der Krieg beendet. Bergleiche 
Bayern (Geihichte). 2) (Einjähriger Krieg 
oder Kartoffelfrieg) Krieg zwiſchen Preußen, 
Sachſen und Oſterreich, 1778—79. Am 30, Dec, 
1777 ftarb Kurfürft Marimilian III. Joſeph von 
Bayern, ohne Erben jeiner Linie zu binterlaffen; 
Kurfürft Karl Theodor von der Pfalz war jein 
nächſter Agnat, weil 1329, wo ſich der Wirtels- 
bachſche Stamm in Ludwig von Bayern u. Ru— 
bolf von der Pfalz geichieden hatte, beide Häuſer 
zu Pavia den Bertrag geichloffen hatten, dag ihre 
Befitungen nah dem Ausfterben eines Zweiges 
ganz an den anderen fallen sollten, was jpäter 
mehrmals von den Kaifern anerkannt u. beftätigt 
worden war. fterreih machte ındeffen auf das 
größere Drittheil der Erbſchaft (das ſonſtige Her- 
zogthum Straubing in Nieder-Bayern, viele Yehen 
in der Ober-Pfalz, auf die Herrichaft Mindelheim, 
die Herrſchaften Leuchtenberg, Wolfsftein, Haag, 
Hals, Hohenfhwangau u. m. a.), unter dem Titel 
von böhmischen, öfterreihifhen u. Reichslehen, 
Anfprud u. bejegte die prätendirten Diftricte bis 
nah der Thronbefteigung Karl Theodor mit 
60,000 Mann, Weitere Aniprüde an die bayeri- 


mittlere über die Scharnig, von Zirl nad dem ſche Erbicaft erhoben Sachen u. Medlenburg- 


H; 





Bayeriſcher Hiefel — 


Schwerin. Karl Theodor handelte über die An— 
iprüche Öfterreichs im Einverftändniß mit diefem; 
deun er hatte nur uneheliche Kinder, die ihn ganz be- 
berichten u. deren einflußreichitem der Kaiſer 
Ausficht auf die Erhebung in den Reichsfürften- 
Hand (mas unter dem Zitel Fürſt von Breben- 
deim wirllich geichah) u. auf reiche Dotationen 
mahte. Am 3. Jan. 1778, wo Karl Theoder 
in Münden einzog, unterzeichnete der pfälziiche 
Gefaudte im Wien einen Vertrag, der alle Un- 
iprüde des Kaiſers anerlamıte, und die bayeri- 
hen Minifter, welche das ganze Land für den 
xurfürſten in Befig genommen hatten, befamen 
hatt Dant Vorwürfe darüber. Herzog Karl 
von Zweibrüden, der nächte Agnat Karl Theo» 
ders, wurde nach Münden geiodt, u. faft wäre 
6, trog der Proteftationen der Stände u. der 
Erbitterung gegen Ofterreich, gelungen, ihn einzu« 
chüchtern. König Friedrich II. von Preußen, 
von der Prinzeifin Elemens, der Schweiter Karl 
Theodors, angeregt, wollte indeſſen dieſe Ber- 
größerung Ofterreichs wicht dulden; er bewog die 
Kaiferin Katharina von Rußland, fi gegen die 
Anſprüche Ofterreihs zu erflären, u. vermochte 
den Herzog Karl von YZweibrüden, fih anfangs 
an Frankreich zu wenden, fpäter aber München 
zu verlaffen u. beim Reichstage eine Proteftation 
gegen die Abtretungsurfunde einzureichen. Auf 
dem Heichstage ließ Friedrich II. die Gefahr 
childern, welche auf ſolche Weile allen Fürſten 
drobe. Joſeph II. wollte ſich anfangs in feine 
Auseinanderiegung einlafjen, ſpäter berief er fich 
auf ſeine Anſprüche als Kaiſer auf das Herzog: 
thum Straubing, mit dem erit Kaifer Stegmund 
1425 feinen Schwiegerjohn Albrecht, als Enkel 
des legten Herzogs von Bayern-Straubing, 
sicht aber die vier anderen bayerischen Herzöge 
beiehnt habe; da nun die Linie Albrechts er- 
ieihen ſei, müſſe Ofterreih als Mitbelehnter 
erben (j. Bayern, Geih.). Preußen zog nun 
auch Sahjen, das 47 Mill. fl. als Allodialerb- 
ihaft forderte, im fein Intereſſe. Da fein Theil 
uachgeben wollte u. der König von Preußen den 
Vermittelungsvorjchlag Maria Therefias, er folle 
ſich gegen die Berzichtleiftung Ofterreihs auf die 
beanjpruchten bayerifchen Landestheile verpflichten, 
die Burggraffhaft Nürnberg nicht mit dem preu- 
Biihen Konigreiche zu vereinigen, entjchieden ab- 
lehute, brach endlich Oſterreich die Unterhandlun: 
gen ab. Als eine nochmalige, in den beftimmte- 
sen Ausdrüden abgejaßte Aufforderung Preußens 
an Dfterreich zur Häumung der beſetzten Lande 
aichts fruchtete, vüdte Friedrich der Große mit 
80,000 Daun am 5. Juli 1778 tiber Nachod, 
fein Bruder Heinrich, dem die 20,000 Sachſen 
mit untergeben waren, am 17. von Dresden aus 
m Böhmen ein. Joſeph II. ftand mit 100,000 
Mann in einer jejten Stellung bei Königgräg, 
Feldmarſchall Laudon mit 50,000 an der jädi. 
Greuze. Erſterem rückte Friedrich entgegen, ohne 
od einen Angriff zu wagen, Letzteren drängte 
Prinz Heinrid bis Hinter die Iſer bei München⸗ 
gräg zurück, wo ſich Laudon mit der —— 
in Berbindung ſetzte u. eine feſte Stellung nahm. 


Bayerische Oſtbahnen. 17 
nah Schlefien u. Sachen in die Winterquartiere 
zuriüc, weil Friedrich wie Maria Therefia den 
Frieden aufrecht zu erhalten wünjchten. Der Herzog 
Karl Theodor nahın im dem feinetwillen geführ- 
ten Streite feine Partei, jondern begnügte ſich 
damit, als Ojterreih noch mehrere Amter außer 
dein ihm zugeitandenen Gebiete bejegte, gegen 
diefen Act Proteſt einzulegen. Jm Winter knüpfte 
Maria Therefta zu ‚jaromierz neue Unterhand- 
lungen an, die fih aber durch das Entgegenwir— 
ten Joſephs II. wiederum zerichlugen. Erſt als di: 
Kaiſerin Katharina Miene machte, ihre Drohung, am 
Kriege gegen Öjterreich theil zu nehmen, zur Aus: 
führung zu bringen, fam den 7. März 1779 ein 
Waffenftillftand, u. nachdem SDiterreih ı. 
Preußen die VBermittelung Rußlands u. Frant- 
veich8 angenommen, den 13. Mai dejfeiben Jab- 
res der Friede von Teſchen zu Stande, 
Oſterreich entjagte im demfelben der bayeriſchen 
Erbichaft mit Ausnahme des Innviertels u. 
Braunaus, die es erhielt; Preußen befam die 
Berfiherung, daß Oſterreich feine Erbfolge in 
Ansbah u. Bayreuth nicht hindern wolle; Suchen 
erhielt für feine Allodialerbſchaft 6 Mid. Thir, u. 
die Hoheit fiber die Schönburgiſchen Herrichaften, 
die friiher der Krone Böhmen zugeftanden hatte; 
Medtenburg endlich wegen eines Auſpruches auf 
die Srafichaft Leuchtenberg das Jus de non ap- 
pellando; Rußland aber garantirte den Frieden, 

Baheriſcher Hieſel, einberüchtigter Räuberan« 
führer; hieß eigentlich Mattbias Kloftermeyer (f. d.). 

Bayeriſcher Kreis, jeit 1500 einer der 6, 
jeit 1512 der 10 Kreife, in welche Kaiſer Maris 
milian I. Deutſchland eintheilte, zwischen Böhmen, 
dem Öfterreichiichen, Fräntiihen u. Schwäbiichen 
Kreife, zu verichiedenen Zeiten von verſchiedener 
Größe; 1805 noch 44,166 |_|km u. beftehend aus 
dem Erzitifte Salzburg, dem Herzogthum Bayerı 
nebft der oberen Pfalz, dem Hochitifte Freiſing, den 
Fürſtenthümern Neuburg u. Sulzbad, dem Hoch— 
jtifte Megensburg, der gefürfzten Yandgrafichart 
Veuchtenberg, dem Hochſtifte Paſſau, der gefürſteten 
Sraffhaft Sternftein, der gefürfteten Bropitei 
Berchtesgaden, der Graffchaft Haag, den gefürfte- 
ten Abteien Emmeran, Niederminfter und Ober« 
münster in Negensburg der Srafihaft Ortenburg, 
den Grafſchaften Ehrenfeld, Salzburg u. Pyr— 
baum, Hohen-Walded, Breitened und der Freien 
Reichsſtadt Regensburg; jetzt größtentheils zu 
Bayern, zum geringeren Theil zu Oſterreich gehörig. 

Bayerifdre Oſtbahnen. (1874) Länge 732 
km; im Bau 205, km. Auzahl der Locomotiven 
162; der Perfonenwagen 496; der Güterwagen 
3514. Einnahme 10,407,500 fl. Benennung 
der Linien: Müncden-Regensburg-&ger (233 km), 
Nürnberg-Regensburg- Paffau (218 km), Niüru« 
berg-Schwandorf- Fürth (161 km), Neufahrn-Gei« 
jelhöring-Stranbing (34 km), Geifelhöring-Sin- 
hing (9 km), Weiden-Bapreuth (58 km), Wies 
ſau⸗Tirſchenreuth (11 km), BPlattling-Deggendborf 
(8 km). Zeit der Gründung: 12. April 1856; der 
nbetriebjegung 3. Nov. 1858. Anlagecapital 
bei der Gründung 60,000,000 fl., beutiges Au—⸗ 
lagecap. 82,893,800 fl. in Actien; Prioritäten 


Beide Parteien unternahmen feinen wichtigen|tönnen bis zum Betrage von 40 Dill. fl. ausge 
Schritt, vielmehr zogen fi die Preußen im Sept. geben werden, wovon 15,720,250 fl. bereits be» 
Pierers Univerfal-Eonverfationd-Pesiton. $. Aufl. IH. Band. 2 


18 Bayeriſch⸗Pfälziſche Eiſenbahnen — Baherle. 

geben find. Laut Vertrag der bayeriſchen Staats- aufgericht. 1510 ward eine neue Landesordnung, 
regierung u. bem Verwaltungsrathe der Ben ©. welcher jedod die von 1346 zu Grunde liegt, pur 
vom 1. März 1875 (mit riidwirfender Kraft vomblicirt, an welche fi 1518 die Neformation des 
1. Jan. 1875 an) find diefe vom Staate ange- Bayer. Landrechtes u. 1520 eine neue Gerichts— 
fauft um circa 176 Mill. M, zahlbar größtentheils ordnung anſchloß. 1553 erjchien die alte Lau— 


in Aproc. bayer. Staatsobligationen. 

Bayerifch-Pfälzifche Eifenbahnen. (1874) 
Länge 435,95 km; im Bau 158, km. Anzahl 
der Locomotiven 134; der Perſonenwagen 475; 
ber Güterwagen 3804. Einnahme fl. 7,112,295. 
Benennung der Linien, im Betrieb: Ludwigsbahn 
(gewöhnlich von der weitl. Endftation Berbadyerbahn 
— 196,,, km), Maximiliansbahn (87 ,,, km); 
torbbahnen (150,73 km); b) im Bau: Ludwigsbahn 
(80,,, km), Marimiliansbahn (42,,,km), Nordbah⸗- 
nen (35,,, km). Öefammtlänge ım Berriebeu. Baue 
pro 1874 — 593,,, km. Zeit der Gründung 19, 
April 1838; der Jubetriebjegung 11. Juni 1847 
bis 12. Sept. 1874. Es find 3, von 1870 au 
auf 35 Jahre, jedoch nur für den Betrieb fufio- 
nirte Eijenbahngejellihaften unter Privatvermwalt- 
ung, mit einer für die Actien auf dirje Zeit ge- 
währten Ertrags- Garantie des Staates, welche 
(incl. der Präcıpuen) bei der Ludwigsbahn 9, bei 
der Maxbahn 53 u. bei den Nordbahnen 4 pCt. 
beträgt. Das Actiencapital der 3 Gejellihaften ber 
läuft fich auf 11,659,000, 6,775,000 u. 10,890,000, 
zufammen 29,324,000 fl., wozu bis Ende 1874 an 
Prioritäten fommen: 24,520,000 + 4,002,000 + 
9,452,000 — 37,974,000 fl. 


Bahyeriſches Recht. Das ältefte Geſetzbuch |ihweres Gewicht. 


desorduung umgearbeitet, zu welcher jpäter Nach» 
träge famen u, die durch currente Berordunungen 
(Generalien) mancherlei Modificationen erlitt. 
1622 erſchien wieder ein vom Landtage anerlann— 
te8 Landrecht, in welchem das Römiſche echt 
mit beviidfichtigt ward. Uber die Beränderungen 
der Gefeßgebung um die Mitte des 18. Jahrh. 
durch den Freiherrn von Kreitmayer u. über die 
jpätere Zeit f. u. Bayern (Geogr.). Senftenberg, 
Comm, de legibus gent. Barv., Gießen 1742; 
Yori, Comm. de orig. jur. boic. ant., Ingolſt. 
1748; Klem, Geſch. der bayer. Geſetzgeb., Landsh. 
1801; Rudhart, Geſch. der bayer. Gejeßgeb., 
Münd. 1820; Bayerns Gejetgeb. von Mujfinan, 
Münd. 1835; außerdem Mittermaier, Deutiches 
Privatrecht, Hegensb., 7. Aufl., 1847. Sagai.* 
Bayerifdjes Schwein. eine in Bayern in 
großer Ausdehnung gezogene große Schweine» 
race, mit langem Kopfe, ſchmalen, fpigen, über- 
hängenden Ohren, hohen Beinen, abſchüſſigem 
Kreuze, geftredtem Leibe, der mit einer ziemlich 
dichten, gelblich weißen, am Hintertheil braun- 
rothen Borftendede bejegt if. Die Thiere find 
dauerhaft u. gefräßig; fie erreichen eine Länge von 
2 m u. darüber u, gut ausgemäftet ein vedht 
Degen ihrer guten Eigen- 


ber Bayern ıft das zuerft unter dem auftrafiichen |ichaften werden diefelben vielfach zur Verbeſſerung 
König Theoderih (zwiſchen 511—534) gleichzeitig |der Schweinezucht benugt u. find fogar in ein» 


mit der Lex Alamannorum u. 


Lex Ripuariorum |zelnen Fällen zu dieſem Zwede nad Norddeutſch- 


auf eine von vechtögelehrten Männern eingefor- land erportivt worden. 


derte Rechtsweiſung aufgezeichnete u. dann unter 


Baheriſche Stanatäbahnen. (Ende 1873) 


Ehildebert I., Ehlotar I., Dagobert I. (624—638)|Tänge 1833 km. Anzahl der Locomotiven 555 ; 


u. bis herab auf Herzog Thaffilo vermehrte 
und verbefferte, in lateinifher Sprache abge- 
faßte Rechtsbuch, Bayerifhes Geſetz, Leges 
Bajuvariörum (Ausg. v. Mederer, Ingolſt. 1793; 
Ei Wittmann, Die Bajuvarier u. ihre Vollsrechte, 

ünd. 1837). Später, als das Römiſche Hecht 
mehr anitam, gab Kaifer Ludwig der Bayer 
feinem Stammlande ein eigenes Nehtsbud, 
das, wenn auch einzelne Stellen aus dem Schwa- 
benjpiegel entnommen find, im Allgemeinen jelbft« 
ftändig bearbeitet ift u. feinen Stoff aus den Ge- 
wohnheiten der Bayeriſchen echte zufammenge- 
tragen bat; 
rechte, nur nebenbei Strafrechtliches, politisches 
Net gar nit, Sein Borhandenfein im Fahre 
1330 iſt urkundlih erwieſen. Lubmwigs Söhne 
beröffentlihten e8 1346 wieder. (Ausgaben: 
Augsburg 1484, 1495, Münd. 1516.) 1346 
gab er aud eine Gerichtsordnung für Nieder- 

ayern u, außerdem eine Reihe von Stadtredhten 
(in Heumann, Opuse,, Nürnberg 1747, v. Frei- 
berg, Samml. Dior. Schriften, Stuttg. 1834). 
Karjer Ludwig gab auch 1340 eine Gerichtsord- 
nung. Aus den Berathungen der Landftände 
gingen die Landesordnung von 1471, das Land— 
gebot von 1491 u. Landpot von 1516 hervor, 
da8 Bud der Gemeinen Iandpot. Landsordnung, 
Sapung vnd Gebrauh des Fürſtenthums in 
Ober» und Nieder » Bayern; im 1516ten Jar 


es behandelt vornehmlich Private] 


der Perfonenwagen 1307; ber Güterwagen 9728. 
Einnahme 38,061,892 fl. Benennung der Linien: 
Sid-Rord-Bahn (563,, km), Weſtbahn (205,, km), 
Marimiliansbahn (300,, km), Ansbach-Würzburg 
(88, km), Nirnberg-Würzburg (102,, km), Mün- 
hen: Ingolſtadt · Treuchlingen (136, km), Mün- 
hen-Grafing-Rojenheim (64,, km), München⸗Neu⸗ 
ötting- Braunau (125,3 km), Pafing- Kaufering 
(48,, km); kleinere Linien (197, km). ug 
Anlagecapital 236,395,066 fl. Mit den B-n St. 
find die Bayer. Oſtbahnen (f. d.) jest vereinigt. 
Baperifcher Wald, jo v. w. Böhmerwald, 
Bayerle, Julius, Bildhauer in Diüffeldorf, 
dafelbft 1826 geb., geft. ebenda 8. Aug. 1873; 
bildete fi an der Diüffeldorfer Alademie u. fpäter 
bei Profeffor Geerg in Löwen; zurüdgelehrt, er 
richtete er 1849 unter W. v. Schadows Leitung 
das erfte Atelier für Plaftil in Düjfeldorf u. be— 
reifte Deutichland u, Italien. Bon feinen Werten, 
die in der erften Zeit vorzugsweife der chriftlichen 
Richtung, dann aber auch der Allegorie, der hiſto- 
riſchen Kunft u. dem Porträt angehörteit, find viele 
Statuen für rheinishe Kirchen zu nennen, ferner 
7 Statuen für das Rathhaus in Weſel, das Ko» 
loffal-Standbild des bi. Suitbert für Eiberfeld, die 
Statuen des Generals v. Geidlig für Galcar, der 
Königin Stephanie von Portugal, im Votanifchen 
Garten zu Düfjeldorf, des Kurfürften Joh. Sieg⸗ 
muund von Brandenburg für Kleve, Madonua für 


Bayern (Geographie). 


die Burg Hohenzollern u. das Schloß Sigmaringen, 
die großen Sculpturen für das Poftgebäude in 
Elberfeld u. den Juftizpalaft in Düffeldorf u. das 
Denfmal für die 1870—71 Gefallenen in Mül— 
kam a. d. Ruhr, fomwie die Koloffalbüfte Min- 
trops in Düfjelporf. In feinem Nachlaſſe -fand fich 
auch eine treffliche Stigge zu einem Denkmal für 
Cornelius. Regnet. 

Bayern, Pfalzgrafenthum Geſch.), ein 
von ter Herzogwürde von B. ganz getreuntes 
Amt, weldyes die Vogtei über die föniglichen oder 
tasterlihen Güter im Herzogthum hatte. Ar 
nelf, der 3. Sohn Arnulfs des Böſen, erhielt 
von Kaifer Otto I. 948 das Pfalzgrafenthum in 
B. u. blieb diefe Würde feit Berthold, dem Sohne 
Arnulfs, erblih in diefem Haufe der Grafen von 
Scheyern, welche fpäter von Wittelsbach, wohin 
fie ihren Sitz verlegt hatten, Grafen von Witteld- 
bad; hießen; aus dem Haufe erhielt 1180 Graf 
Otto d. Hltere das Herzogthum B., u. vom ihm 
ſtammt das ganze bayeriihe Gejchlecht (I. u. 
Wittelsbach). Das Pfalzgrafenthum B. fam 1209 
an das Haus Ortenburg, ſank aber fchnell zum 
leeren Namen herab, da die Herzöge bajd alle 
laiſerlichen Güter fi zu erwerben mußten, 

Bayern (officielle Schreibweije jeit 1846, fonft 
Baiern), Königreich, der zweitgrößte Staat des 
Deutſchen Reiches u. der bedeutendfte in SDeutſch— 
land. (Hiebei eine Karte). I. Geographifd- 
Statiftifches. B. befteht feit 1816 aus zwei 
obgejonderten Theilen. Der öftlihe, rechts vom 
Rhein, grenzt im N. an Preußen (Prov. Heffen- 
Naffan), die thüringiichen Staaten u. das König- 
reich Sachſen, im DO. an Ofterreih (Böhmen, 
Erzherzogebum Ofterreich umd Salzburg), im S. 
ebenjo (Salzburg, Tirol u. Vorarlberg), im W. 
an den Bodenfee, Württemberg, Baden u. Groß: 
berzogthum Heſſen. Der weſtliche Theil, fints 
vom Wbein, auch Rheinbayern oder die Pfalz ge- 
naunt, grenzt im N. an Preußen (Rheinprovinz) u. 
Heffen, im D. dur den Rhein an Baden, im 
©. an Eljaß-Fothringen, im W. wieder an die 
Rheinprovinz. Yläheninhalt u. Bevöllerung ver- 
theifen fich folgendermaßen: 


Regierungsbegirke | IM. | Ükm, | an 
1. Oberbayern 309,58 841,707 
2. Niederbayern 195,55 603,789 
3. Pfalz(Rheinb.)| 107,55 615,035 
4. Oberpfalz 175,59 497,861 
5. Oberfranten 197... 541,063 
6 Mittelfranfen 137,44 583,666 
7. Unterfranfen 152,55 586,132 
8. Schwaben 172,40 582,773 





1377,45 | 75,863,, |4,852,026 

Dazu Truppen aus Frankreich zurüdgelehrt 11,424 
4,863,450. 

Bodengeftaltung. Den öftlihen Theil von B. 
umichließen auf 3 Seiten faft ununterbroden Ge- 
birge von zum Theil bedeutender Höhe. Im ©. 
die Bayerijhen Alpen mit der Zugipite (2962 m), 
der höchſten Erhebung im Deutichen Reiche; im 
D. der Böhmerwald mit dem Arber (1476 m); 
im N. das Fichtelgebirg mit dein Schneeberg 


19 


(1016 m) u, Theile des Frankenwaldes, der Rhön 
und des Speffart. Das Innere beiteht größten» 
theil8 aus SHochebenen und geringeren Gebirgs 
erhebungen. Bon den Alpen bis zur Donau 
breitet fih die Schwäbiſch-bayeriſche Hoch— 
ebene aus, welche im Durchichnitte 600 mi über 
dem Meere liegt u. ſich allmählid von ©. nad 
N, abdacht, auh von W. nah O. an Meereshöhe 
abnimmt. Sie wird von zahlreihen Zuflüffen der 
Donau durchſtrömt, welche meift am Fuße ber 
Alpen Seen bilden, die mit ihren Thälern durch— 
Ihnittlih 700—1000 m über dem Dieere liegen. 
Zwiſchen ihnen erheben ſich zahlreiche geringere 
Hügelletten u. einzelne Berghöhen von 1100 m 
u. höher. Umnbedeutendere Höhen ragen im N. 
der Hochebene empor; im D. gegen deu Inu fund 
fie. durch tiefer gefurchte Thäler getrennt. Der 
ebenfte Theil der Hochebene ift das Lechfeld. Nördl. 
vou der Donau wird die Hochebene von dem länge 
erfterer binlaufenden Jura begrenzt, der bier den 
Namen des Fränkiſchen Jura annimmt, zwi— 
Shen Mittel-Franten u. der Ober- Pfalz aber plöglich 
nördliche Richtung einfchlägt, diefe bis zu jeinem 
Ende, dem Dluggendorfer Gebirge, am oberen 
Main behält u. namentlich bier reih an Höhlen 
ift; feine höchſte Erhebung ift der Kalvariberg 
bei Thurndorf (645 m).” Das Thal der Waab, 
das fi öftfih vom Fränfifchen Jura einfentt, hat 
im SO., links längs der Donau, den Bayeri- 
ſchen Wald mit dem Klingenberg (1177 m); 
derjelbe ift eine füdliche VBorftufe des höheren, die 
Landesgrenze bildenden Böhmermwaldes. In ber 
Pfalz ftreicht das Haarbtgebirg, die nördl, 
Fortfegung der Bogejen von S. nah N. (höchiter 
Punkt: Kalmit 659 m). Einen zweiten, von SW, 
nah NO. ziehenden Gebirgszug bildet das Saar- 
brüder Steinfohlengebirg. Zwiſchen ihm u. ber 
Haardt erhebt ſich ein Zug kegelförmiger Borphyr- 
u. Mandelfteinberge (höchfter derjelben: Donners- 
berg 670 m). Im W. der Haardt breitet fi) 
das Hiigelland des Weftrich ans, öftl. Mittelland u. 
unmittelbar am Rhein ein Theil der oberrheinis 
jchen Tiefebene. Unter den Gewäffern B-$ ift 
die Donan das bedeutendfte. Sie tritt bei Ulm 
in das Land, fließt norböftl. bis — dann 
ſüdöſtl. u. verläßt es bei Paffau. Bon S. ſtrömen 
ihr zu: Iller, Lech, Iſar, welche linls die Amper 
aufnimmt, die wieder aus der Ammer u. der Wilrm, 
beide gleihnamige Seen bildend, entfteht, Vils u. 
im DO. der Jun, deſſen rechter Nebenfluß, die 
Alz, Abfluß des Chiemfees ift. Kleinere Seen im 
Alpenlande find: der Staffel, Kocdel- u. Walden- 
fee, im Iſargebiete der Tegernſee, der durch bie 
Mangfall, u. der Königsfee, der dur ein Neben- 
flüßchen der Salzah in den Inn abflieft. Der 
Würmſee ift befannter unter dem Namen Starn- 
bergerfee. Nördliche Zuflüffe der Donau find: die ge 
Mörnig von der Frankenhöhe, die Altmühl aus dem 
Fränkiſchen Jura, die Naab vom Fyichtelgebirge 
u. der Regen aus dem Böhmerwalde. Im N. 
des bayer. Oftlandes, dem alten Franken, ift der 
vielgewundene Main Hauptfluß. Im ©. nimmt 
er die Regnig auf, die bei Nürnberg aus der 
Nebnit u. Begnit entfteht, die Rednitz wieder aus 
der ſchwäb. u. fränf. Rezat. Die Regnitz fteht 
mit der Altmühl duch den Ludwigslanal in Ber- 


2* 


20 


bindung, welcher den Fränk. Jura überfchreitet. 
Rechts fließen noch in den Main die Fränk. Saale 
u. Kinzig u. links die Tauber. Abgejehen vom 
Maingebiete berührt B. das Gebiet des Aheins mit 
der SWEde des Oftlandes am Bodenfee, wo in 
dieſem die Inſel Lindau nahe am Ufer liegt, u. 
mit dem ganzen Weftlande (Rheinbayern oder 
Pfalz), welches den Rhein an der OGrenze hat, 
der bier die Lauter u. Queich empfängt u. im 
NW. an die Nahe ſtößt. Die malerifchiten u. an 
Naturſchönheiten reichften Gegenden B-$ find die des 
Alpenlandes vom Bodenfee bis zur Salzach. Bul- 
canijchen Urfprunges die Hohe Rhön, reih an 
Bafalt u. Porphyrſchiefer; Gneis u. Granit bilden 
dein Kern des Böhmermwaldes; der bunte Sand— 
ſtein herrjcht im Speffart vor, ebenfo im Haardt, 
Lias im Naabthal, Mufchellalt in den Thälern 
Untere srantens. Die Bayer. Hochebene gehört der 
Tertiärformation an, enthält aber zwiſchen dem 
Molafjefandftein auch Thon-, Nagelfiue- u. Kalt- 
bildungen u. ausgedehnte Sumpfflähen (Moore u. 
Mooſeſ. Das Klima Bas ift im Allgemeinen 
gemäßigt u. geſund; das raubefte haben jelbftver- 
jtändlich die Alpengegenden, des mildefien erfreut 
fi) die Pfalz; das Donaugebiet hat häufig bededten 
— Die wichtigſten Producte des Landes 
ind vor Allem landwirthichaftlihe, u. zwar be— 
trug die Ernte nad möglichſt genauer Aufnahme 
1863 in Dill, Scheffel: Weizen 1,,,, Roggen 3,59, 
Spelz 2,00, Gerste 2,40, Hafer 4,,,, an Korn— 
früchten überhaupt 15,,,; ferner Kartoffeln 10,45; 
in Mill. Etr.: Heu 5l,,., Rüben 13,,,, Klee 
15,57, Flachs u. Hanf O,,,, Hopfen (Mittel ⸗Fran— 
fen) 0,59, Zabaf O,,, (pro 1872: O,,,, davon 
O,,g allein in der Pfalz); der Weinbau lieferte 
954,023 Eimer (davon % allein in der Pfalz, 
Neft Unter zranfen); endlich viel Holz, da 4 des 
Sejammtareals von B. Wald if. Bon Miuera- 
fien finden fih Stein» u. Onellfalz zu Berchtes- 
gaden, Traunſtein, Reihenhall, Rojenheim, Dürk— 
beim und SKiffingen (1873 959,486 Etr.), Eijen 
(1873 2,303,383 Etr.), Marmor und Kalfiteine 
(zum Lühographiren), Serpentin, Alaun, Stein- 
toblen (1873 8,651,566 Gtr., im Werthe von 
5,581,056 M), Braunfohlen, Graphit, Oder und 
Furbeuerde, Porzellanerde, Thonerde, Schiefer ıc. 
Im J. 1873 waren 330 Bergwerfe u. 7 Salinen 
un Betriebe, deren Producte einen Werth von 
8,199,968M repräfentirten. Unter den Mineralquel⸗ 
len find die von Kiffingen die bedeutendften. Die ge- 
nannten Salinenorte haben Kochſalzquellen; außer- 
dem gibt es zahlreiche Schwefel-, Jod: u. Eijen- 
quellen in Abbady, Hailbronn, Tölz, Aleranderbad, 
Brüdenan 2c. Das Thierreich liefert Wild, das 
jedoh in Abnahme begriffen ift, u. Vieh. Die 
Einwohner gehören im eigentlichen B. (Ober- u. 
Nieder-B, u. Ober-Pfalz größtentheils) dem bayer., 
m SW, zwiſchen Bodenſee, Iller u. Lech dem 
ſchwäb., im N. des Landes, mit Einfchluß der 
Pfalz, dem fräuf, Stamme an, u. ift der Contraſt 
zwijgen benjelben ein fofort in die Augen fallen- 
der: der Altbayer, naturwüchſig, kräftig, offen u. 
zuverläffig, aber ſtreitſüchtig u. geiſtig langſam, 
unterſcheidet fich damit wejentlih vom Schwaben, 
der, ſchon geiftig beweglicher, einfach u. genügjan, 
das Diöglicyjie auf Gemüthlichteit halt, noch mehr 


Bayern (Statiftifch). 


aber vom Franken u. Pfälzer, der voll Rührigkeit 
u. Unternehmungsgeift, geiftig gemwedt u. heiter, 
immer Neuerungen zugänglid, u. namentlich ift der 
Pfälzer höchſt mwanderluftig. Die Zunahme der 
Bevollerung geftaltet fi) folgendermaßen: 1818 
betrug die Boltszahl 3,707,966, 1827: 4,044,569, 
1837: 4,315,469, 1846: 4,504,874, 1852: 
4,559,452, 1855: 4,441,456 (Abnahme) u. 1871 u. 
1874 4,863,450. Bon 1818—58 betrugbdie jährliche 
Zunahme O,,, pCt. 1858—71 zufammen 5 p&t. 
oder jährlih O,, pEt. Die Dictigfeit der Bevöl- 
ferung ift am ftärkjten in der Pfalz (104 Seelen 
auf den | km), dann in Ober- u, Mittel-Franten 
(je 77), Unter⸗Frauken (70), Schwaben (61), Nieder- 
Bayern (56), Ober-Pfalz (51) u. am ſchwächſten in 
Ober-Bayern (49); die mittlere Zahl für ganz B. 
it 64 Seelen auf den [)km. Die Geſchlechter 
beziffern fih in der Bevölferung B⸗s jo, daß 
1871 neben 2,357,281 männliden Berjonen 
(48,,, 0) 2,494,745 weibliche (51,,, %) gezählt 
wurden, wozu jedoch noch 11,257 männl, u. 147 
weibl. Judividuen bei der Occupationsarmee in 
raufreih famen. Im J. 1872 wurden 201,476 
Geburten u, 159,364 Todesfälle neben 52,045 
Eheſchließungen belannt. Die Zahl der unehelich 
Geborenen, die 1860/68 noch 22,, % betrug, hat 
fih bis 1872 auf 14,,°/, vermindert. Bon 1861/62 
bis 1872 find aus B. 64,822 Perfonen aus-, da- 
gegen 21,190 eingewanbdert. Die Auswanderung 
hat gegen die früheren Perioden ab», die Ein— 
wanderung bedeutend zugenommen. Ortichaften 
(wobei jedody jedes einzeln ftehende Haus mit 
eigenem Namen befonders . gerechnet) zählt B. 
45,574, welche 8042 Gemeinden bilden, darumter 
237 Städte, die meijten in Unter-Franken (41), die 
wenigften in Nieder-Bayern (13). Städte über 
40,000 Em. gibt es nur vier (Münden, Nürn- 
berg, Augsburg und Würzburg); weitere über 
20,000 Ew. nur drei (Hegensburg, Bamberg u. 
Fürth), über 10,000: 13, über 5000: 25; über 
3000: 37. Nach der Religion zählt man in B. 
3,464,364 Katholilen, 1,342,592 Proteftanten, 
5453 Sectenglieder u. 50,662 Juden. Die Pros 
teftanten zählen O,, p&t. in Nieder-, 8,, in Ober- 
Bayern, 8,, in der Ober-Pfalz, 13,, in Schwaben, 
17,, in Unter-Franken; die Mehrheit bilden fie in 
der Pfalz mit 54,,, in Ober⸗Franken mit 56,,, 
u, in Mittel⸗Franlen mit 76,, pCt. Nad der Be» 
ſchäftigung lebten 1852 von je 1000 Ew. 679 
von der Yandwirtbichaft, 227 von Induſtrie und 
Handel, 55 von Renten, Amtern, Kunfl, 39 Mir 
Itär 20. Die Haupterwerbszweige find Land» 
wirthſchaft u. Viehzucht. Auf das Gefammt- 
areal lommen 40,, p&t. Aderlaud, 32 pCt. Wald- 
ungen, 16,, p&t. Wiejen, 3,, PCt. Weiden u, 
2,, pCt. Gärten, Am fruchtbarften find die Pfalz 
u. Schwaben, Die bedeutenditen Wieſen bejigen 
Ober-Bayern u. Schwaben. In der Pfalz u. Unter- 
Franken ift der Grundbefig ftarf zeriplittert, wäh- 
rend in Ober- u. Nieder-Bayern und Schwaben 
Vroßgrundbefig vorherrſcht. Der Obftbau wird 
hauptfählich in Franken, in der Pfalz, in Nieder- 
Bayern (an der Donau) u. am Bodenjee betrieben. 
Tabafbau in der Pfalz u. Mittel- zranten, Hopfen« 
bau in der fogen. Holledau, einem hauptfächlich 
Nieder-Bayern angehörenden, aber aud noch nach 


Bayern (Berfaffung). 21 


OferBayern und der Ober-Bfalz hineinreihenden | Staat, u. fein Umfang bildet eine einzige untheil- 
Hägeland, dann in Mittel- u. Ober- Franken. Weins|bare, unveräußerliche Gefammtmaffe. ie Krone 
bau (Production ſ. o.) in der Pfalz u. im Unter-Jiit erblich in dem Mannesftamme des königlichen 
granlen. Die fehr ausgedehnten Waldungen Hauſes nah dem Rechte der Erfigeburt und der 
unfafjen zu drei Biertel Nadelholz, beionders|agnatifch-linealifhen Erbfolge in Vorausſetzung 
Shen u. Kiefern (Föhren), auch Tannen; diejrechtmäßiger Geburt u. Ebenbürtigfeit der Ge- 
Fichte herrſcht mamentlid in den Alpe vor, diejmahlin des Negenten; nad gänzlicher Erlöſchung 
une auf dem Franlkenwalde; die Eiche iſt amſdes Mannesſtammes aber und in Ermangelung 
binfigiten im Spefjart. Was die Viehzucht be-Jeiner mit einem anderen Regentenhaufe aus dem 
trifft, jo zählte B. (1873) 3,066,263 Rinder, | Deutjhen Bunde (reſp. Deutichen Reiche) geihlofie- 
1,342,190 Schafe, 193,887 Biegen, 872,098 |nen Erbverbrüderung geht die Thronfolge auf 
Schweine u. 350,867 Pferde. Bienenftöde find|die weibliche Nachlommenſchaft nach gleicher Erb- 
233,139 vorhanden. Induſtrie: Im J. 1878 [folge über, doch foll die Regierung Bes feinen 
waren 85 Eijen- und Stahlwerke in Betrieb, Herrſcher treffen, der ein anderes Land befitst, 
deren Producte einen Werth von 45 Mill. Miwelcdes die beftändige Verlegung feiner Reſidenz 
repräjentirten. Die Tertilinduftrie beſchäftigte außer B. nöthig machen könnte. Der König ift 
1872 48,000 infpindeln für Wolle, 3257 |(innerhalb der Schranfen der deutfchen Reichsver— 
BWebſtühle für Wollen» u. Halbwollenwaaren, 33 |faffjung vom 16. April 1871, jedoch unter den 
Baummollenjpinnereien mit 537,000 Spindeln,|durdy den Berjailler Vertrag vom 23. Nov. 1870, 
davon die bedeutendften in Augsburg, Kempten,|vefp. Schlußprototoll feftgeftellten Vorbehalten) 
Bamberg, Bayreuth, Rumbad u. Hof, 25,000 ſouveränes Oberhaupt des Staates u. des König- 
Baummwollen-Webeftühle, 143 Tucfabrifen, 22,000 lichen Haufes (bezüglih des Ietteren Familien— 
Leinenwebſtühle, 8 Jlachsipinnereien, Lederwaaren⸗ geſetz vom 18. Jaı. 1816 u. Familienftatut- vom 
jahrifen von Ruf in Münden und Nürnberg, |6. Jan. 1821), darf aber über Gegenftände, die 
Drebslereien in Nürnberg, Tabak u. Eigarren-|zum Staats. u. Fideicommißvermögen gehören, 
fabrifen in der Pfalz. In der Bierbrauerei nimmt|leine Privatverfügungen treffen u. ift verpflichtet, 
8. die erfte Stelle unter allen Staaten ein; es|das Königreich in feiner untheilbaren, unveräußer- 
bat, ungerechnet die Pfalz, 5300 Brauereien mit)lihen Gefammtmaffe u. vorzüglich alle Rechte der 
emer Broduction von über 11 Mill. hl (1873);| Sonveränetät bei der Erftgeburt oder in der vom 
die größten find in Münden, ſodaunn in MAugs-|Grundgefege beftimmten Erbfolgeordnung zu erhals 
burg, Nürnberg, Bamberg, Erlangen, Kulınbad). [ten. Die Civilfifte ift durch —* vom 1. Juli 
Branntweindrennereien gibt e8 7763, Schaum-[1834 für immer auf 2,350,580 fl. (4,029,566 M) 
weinfabriten in Würzburg u. Neuftadt a. d. Haardt;|ieftgefegt u. auf ſämmtliche Staatsbomänen radi— 
chemiſche Fabrifen in Nürnberg u. Ludwigshafen; |cirt; die Apanage foll nie 171,400 M, das Witthum 
50 Zündmwaarenfabrifen; die beften Bleiftifte der|der Königin nie 342,800 M aus der Staatslaffe 
Belt u. die berübmteften Spielmaaren fertigtüberfteigen. Der Landtag des Königreiches beftebt 
Nürnberg. Endlih hat B. 15 Porzellanfabrifen, Jaus 2 Kammern, der Kammer der Reichsräthe I.) 
11 von den 19 deutihen Spiegelglasfabrifen, 50|u. der Kammer der Abgeordneten (IL.). Die Erſte 
Rajhinenfabrifen, bedeutende Papierfabrilen zc.|Kammer befteht aus den volljährigen Prinzen des 
Der Handel ift Iebhaft u. bedeutend: Haupt-|Königl. Haufes (gegenwärtig 11), ſodann aus den 
eusfubhrartifel find Getreide, Holz, Salz, Rindvieh,|4 Kronbeamten, den beiden Erzbifhöfen, den 
Bein, Bier, Hopfen; Ein- u. Ausfuhr fiehen fih]Häuptern der ehemal. reihsftändiichen fürſtlichen 
ungefähr gleih. Berfehrsmittel: Außer den|u. gräflihen Häufer (gegemmärtig 18), dem Präfi- 
kHiffbaren Flüffen, dem Donau-Dain-(Ludwigs-)|denten des proteftant. Oberconfiftoriums, einem 
Kanal u. über 18,000 km Straßen beftehen (Endelvom König auf Lebenszeit ernannten Biichof, den 
1874) 3278 km Gifenbahnen (davon 2094 kmferbiihen Reichsräthen, fo lange fie im Beſihe 
[mit Einrehnung der Oftbahnen 2876 km] Staats-|ihrer vormals reichsitändischen Beſitzungen in B. 
dahnen) u. 6865 km Telegraphen (755 Stationen, |verbleiben (21), endlich lebenslänglich beionders 
jährlih 1,300,000 Depeihen). 1872 wurden durd [ernannten Reichsräthen, deren Zahl jedoch den 
die Poften des Königeihes an Briefen u. Drud- [dritten Theil der Zahl der erblichen uud dieſen 
ſachen 57 Mill. Stiid befördert, ſowie 2,371,218 | gleich zu achtenden wicht überfteigen darf (jett 13), 
Geldanmweifungen (110 Mil. M). In Bezug auflım Ganzen aus 71 Mitgliedern. Die Zweite 
die Länge der Eifenbahnen im Berhältnig zur Kammer geht nad dem Wahlgejege von 1818 aus 
Einwohnerzahl u. dem Areal nimmt B. die fünftelallgemeinen u. indirecten Wahlen hervor u. wird 
Stelle unter den größeren deutſchen Staaten einjalle 6 Jahre neu gewählt. Wählbar zum Wahl— 
(die erfte behauptet Baden), Ende 1869 be-|manı ift jeder unbefcholtene Staatsbuirger, wähl« 
fanden 260 Sparlaffen mit 46 Mill. M Eapital.|bar zum Abgeordneten ift jeder Staatsbürger u. 
Die Berfafjung ift eine conftitutionell mo-| Staatsangehörige, welcher dem Staate eine directe 
uardische, gegeben duch Urkunde vom 26. Mail Steuer bezahlt u. über 30 Jahre alt iſt. Es wer» 
1818, in 10 Ziteln und mit 10 Edicten als den nad dem Berhältnig von 1 Abgeordneten auf 
erläuternden Beilagen, die aber einen inte-|31,500 Seelen 154 Abgeordnete gewählt. Für 
grirenden Beftandtheil der Berfaffung bilden. |jeden Abgeordneten wird zugleich ein Erjotmann 
Für die Pfalz ift die Berfafjung nur mit einigen)gewählt, der im alle des Todes oder Abganges 
durch Refcripte vom 22. bis 24. Mai u. 17. Oct.|des Erfteren eintritt, jo daß eine Neuwahl nicht 
1818 feftgeftellten Beihränfungen giltig. Das} ftattzufinden hat. Der Landtag wird alle 2 Jahre 
Königreich ift danach ein fouveräner monarchijcer !wenigftens berufen, u. kann der König denſelben 


09 


— — 


Bayern (Verfaſſung). 


vertagen oder auflöſen, in welch letzterem Falle der Adminiftrativjuftiz der Staatsrath die höchſte 


binnen 3 Monaten Neuwählen vorzunehmen find, 
Die Verhandlungen find öffentlich. Ohne Zuſtimm— 
ung des Yandtages, d. h. beider Kammern, kann 
fein neues Geſetz über die Freiheit der Perfon od. 
das Eigenthum der Staatsangehörigen erlaffeı, od. 
abgeändert, erläutert, od. aufgehoben werden; an 
feine Zuftimmung tft die Erhebung der directen n. 
indirecten Steuern u. deren Veränderung — außer 
foweit die Beftimmung dem Reiche zufteht — ge: 
bunden, fowie die Aufnahme nener Anfehen. Alle 
2 (früber alle 6) Jahre wird dem Landtage ber 
vollftändige Etat zur Berathung u. Genehmigung 
vorgelegt. Berfaffungsänderungen können nur nad) 
Genehmiguug des Landtages vorgenommen werden, 
u, ift hierzu eine 4 Majorität bei Anmejenheit 
von mindeftens 2 der Mitglieder erforderlih. Der 
Landtag hat das Recht der Beihwerde u. Anklage 
wegen verlegter Berfaffung, ſowie wegen Nidht- 
vollziehung der Berfaflung von Seiten der Mi— 
nifter u. Beamten. Als oberfte berathende Stelle 
fteht dem König der Staatsrath zur Geite, ge- 
bildet aus dazu berufenen Prinzen, Miniftern mit 
Portefenilles, dem Feldmarſchall u, 6 vom König 
ernannten Staatsräthen im ordentlichen Dienfte, 
im Ganzen 13 Mitgliedern unter Borfit des 
Königs oder des Kronprinzen oder eines dazu be» 
rufenen Brinzen; daneben beftehen noch 19 Staats- 
räthe fm auferordentlihen Dienfte. Die oberfte 
volziehende Stelle ift das Staatsminifterium, 
gebildet aus den 7 Gtaatsminifterien: 1) des 
Königl. Haufes u. des Außern, ihm find das Geh. 
I u. Staatsarchiv, die Gejaudtichaften und 

oninlate umtergeordnet; 2) der Juſtiz; 3) des 
Innern; 4) des Handels u. der öffentlichen Ar— 
beiten; 5 des Innern, für Kirchen» und Schulan- 
elegenheiten; 6) der Finanzen mit dem oberften 

echnungshofe, der General-Bergmwerks-: und Sa— 


erkeunende Juſtiz bilde. Dem Finanzminifte 
rium find namentlich unterftellt: die Oberzoll-, 
Oberberg. und Oberforftbehörde, dann bei dei 
Kreisregierungen die Finanzkammern, unter 
diefen 217 Rent und 73 Forſtämter u. f. w. 
Die Bermwaltung der Katholifchen Kirche fteht den 
Erzbifchöfen zu Rüngen u. Bamberg und den 
Biihöfen zu Negensburg, Augsbura, Palau, Eicy« 
ſtädt, Wirzburg u. Speier zu; die der Evangeli« 
Shen Kirche einem Oberconfiftorium in München 
mit den Eonfiftorien zu Ansbach u. Bayreuth u. da 
neben einem felbftändigen Eonfiftorium für die Pfalz 
zu Speyer, dann den Synodalverſammlungen. Die 
Gemeinden find durch die Gemeindeordnung von 
1869 organifirt, u. zwar im öftlihen Landestheil 
mit mwejentliher Unterfcheidung zwiſchen Stabt- 
u, Landgemeinden. In jenen führen Magiftrate 
(beftehend aus einem oder zwei Bürgermeiitern 
— in den unmittelbaren Städten rechtslundige —, 
einem oder mehreren rechtäfundigen u. bürgerlichen 
Magiftratsiäthen u. endiih aus den nöthigen 
Bau- ꝛc. «Beamten; daneben die Eollegien der Ge— 
meindebevollmächtigten), im diefen Gemeindeaus» 
ſchüſſe die Verwaltung. In der Pfalz befteht eine 
eigene Gemeindeordnung vom 29. April 1869, 
beruhend auf dem Grundſatze der rechtlichen Gleich- 
heit aller Gemeinden, deren es 712 gibt; mur 
richtet fi die Zahl der Mitglieder des Ger 
meinderathe8 nad der Größe der Gemeinden. 
Bilrgermeifter ift indeffen im ganzen Staate der 
Titel der Gemeindevorfteher. Die Heineren Ge— 
meinden von Amts- oder Landgerichtsbezirken 
find außerdem gemäß dem Gejege von 1852 
zu Diftricet3gemeinden vereinigt, um im öffent« 
lichen Intereſſe Einrichtungen zu treffen u. An— 
ftalten zu errichten, denen die einzelnen Gemeinden 
nicht gewachfen find. An der Spige einer Diftricts- 


Iinenverwaltung u. der General-Bollabminiftration; [gemeinde fteht ein Diftrictsrath mit einem geſchäfts⸗ 


7) des Krieges. 
in 8 Negierungsbezixte (Kreife) getheilt: Ober- 
Bayern (Münden), Nieder-Bayern (Landshut), 
DOber-Pfalz und Regensburg (Hegensburg), Ober- 
Franfen (Bayreuth), Mittel-Franken (Ansbach), 
Unter « Franfen und Aichaffenburg (Würzburg), 
Schwabenu. Neuburg (Augsburg)u. Pfalz (Speyer). 
Jede Kreisregierung, die fich in zwei Kammern, die 
des Innern u. die der Finanzen, teilt, fteht un- 
ter der leitung eines Regierungspräfidenten. Unter 
den Regierungen ftehen 34 unmittelbare Städte u, 
153 Bezirksämter (die Pfalz hat nur letztere). 
Unter dem Minifterium ver JFuftiz ftehen das Ober» 
appellationsgericht in München, zugleich Caſſatious⸗ 
hof für die Pfalz, und 6 Appellationsgerichte in 
Münden, Pafiau, Nürnberg, Bamberg, Augs- 
burg u. Zweibrüden, nebft Schwurgerichten Hr 
die 8 Regierungsbezirke, dann 38 Bezirksgerichte, 
15 Stadgerichte, -17 Stadt und Landgeridhte und 
267 Landgerichte, je 1—4 (meift 2) in einem Be- 
zirfsamte. Über den Handelsgerichten (2—4 in 


ür die Verwaltung ift das Reich | führenden Ausſchuſſe. Die Diftrictsgemeinden eines 


Negierungsbezirtes fammt den unmittelbaren 
Städten deffelben bilden zufammen eine Kreisge- 
meinde, deren Angelegenheiten ein aus Abgeorb« 
neten der Diſtricts- u. größeren Ortsgemeinde 
beftehender Landrath leitet, Auch die Städte, die 
größeren Grundbefiger, die jelbftändigen Pfarreien 
u., wo folde beftehen, die Univerfitäten, find im 
Landrathe vertreten, deſſen Amtsdauer 6 Jahre 
beträgt u. deffen ſelbſtgewählter Ausſchuß von dei 
Kreisregierung zufammenberufen wird, oder auf 
eigenes Gutfinden fich verfammelt, Das Armen« 
weſen ift Sade ber Gemeinden, u. maßgebend da= 
für it das Geſetz von 1869; Armenverjorgungs« 
anftalten beftehen, theils fir einzelne Gemeinden, 
theils für Diftricte, 445, dazu 185 Waifen-, Fin⸗ 
del» u. Armenerziehungsanftalten, 403 Kranken: 
häufer u. 458 Hilfstaffen. Sol Päl, Lehrb. des 
bayer. Berfafjungsrechtes, 4. Aufl., Mind. 1870, 
Suppl. 1872. Derf, Lehrb. des bayer. Berwalt« 
re 3. Aufl., daf. 1871. Eine allgemeine 


jedem Regierungabegicke) Reben Handelsappella-| Gejeggebung findet erſt feit B⸗s Vereinigung ftatt 
tionsgerichte in Minden, Augsburg, Nürnberg/u. außer dein Gemeinen Römiſchen, Kanonifchen 


und Zweibrüden. Durch Gefeg vom 30. Märziu, Deutfchen Rechte gelten auch fehr zahlreiche 
1850 wird endlich noch ein Staatsgerichtshof zur) Provinzial- u. Locafrechte, mamentli die Geſetze 
Aburtheilung der gegen Minifter erhobenen Anc| frühererRei hsunmittelbarer. Die Rechtspflege 
Hagen berufen, während für einige beftimmte Fälle! betr. üben die Stadtgerichte, Stadt- u. Landgerichte 


Bayern (Rechtspflege, Finanzen, öffentliche Anftalten ꝛc.). 23 


owie Landgerichte die Acte der ſogen. freiwilligen] 18,739,123 (11,438,323 Grundſteuer), die indirec⸗ 
Gerihtsbarteit (Bormundicaft, Pileafcaft, Ver⸗ſten mit 33,246,343 (Malzaufichlag 17,727,137), 
ufenihaften, Hppothefen- u. Depofitenwejen) neben|die Staatsregalien u. Anjtalten mit 76,911,240 
Aburtheilung über Streitigfeiten geringerer Art u.) (Salinen u. Bergwerle 8,788,245, Eifenbahnen 
geringerer Straffachen. Die übrigen Geſchäfte der)58,281,257, Poſt 7,705,261 ıc.), die Staatsdomä- 
freiwilligen Rechtspflege werden durch die Notare)nen mit 36,212,277, der Betrag aus der Reichs: 
vorgenommen (Notariatsgeſetz vom 1. Nov. 1861). |Taffe fiir das Militärcontingent mit 34,580,760 M. 
za Eivilverfahren bildet die Grundlage die Eivil-|Unter den Ausgaben: Staatsihuld 27,581,400, 
procegordnung bon 1869, welde an die Stelle des] Civillifte u. Ypanagen5,415,470, Juſtiz 11,764,618, 
ten Codex juris bavarici judiciarii von 1753) Minifterium des Innern 18,209,522, Cultus 
tt. Das Hypothelenweſen ift für die rechts-|18,476,318, Militär-Etat 34,580,760, Bermalt- 
theiniihen Landestheile geordnet durch Gejeg vom/ungstoften 75,205,274 M. Die Staatsfhuld be 
1. Juni 1822 nad einem Entwurfe Gönners|trug 1873 793,147,216 M (allgem. Staatsſchuld 
(val. Zeichner, Lehrb. des Hypothefenrechtes, Sulzb. | 232,399,043, Eiſenbahnſchuld 398,345,143, Grund- 
1838); für die Pfalz gelten noch die Beftimmuns- |ventenablöfungsihuld 162,403,029). — Im Bun— 
gen des franzöf. Code eivil. Das Civilrecht in desrathe des Reiches ift B. durch 6 Mitglieder, im 
den 7 rechtsrheiniſchen Kreifen beruht auf deu ver- | Reichstage durch 48 Abgeordnete vertreten. Im 
hiedenartigften Unterlagen der Provinzen und|Ausichuffe des Bundesrarhes für das Landheer u. die 
Orte; Ober» mn. Nieder-Bayern, der Ober- Pfalz u. Feſtungen hat B. einen ftändigen Sig u. führt im 
Regensburg gemeinfhaftlih ift das alte Landrecht | Ausichuffe für auswärtige Angelegenheiten den Bor- 
von 1616 (Commentar von B. Schmidt, ebd. 1695, | fit. gi geiftige Bildung forgen: die Akademie 
Fol., 3 Bode.) mit dem verbefferten od. Codex|der Wiffenichaften, zahlreiche wiſſenſchaftliche Ber- 
Maximilianeus juris bav. eivilis von 1756 (abge- eine im allen Hauptftädten der Provinzen (bei. 
faft u. berausgeg. von Kreitmayr, Münd. 1788, | Hiftorifche Gefellihaften, u. unter ihnen das Ger» 
Fol. u. 8°, deffen Anmerkungen, ebd. 1758, Fol. maniſche Mufeum zu Nürnberg, mit dem das 
n. 8°, 5 Bde., faft geſetzl. Anjehen genießen) nebft|bayer, Nationalmufeum in Münden concurrirt) ; 
den neueren Novellen (berausgeg. von Morig, |Gemwerbevereine, Jnduftrieausftellungen, landwirth · 
Memming. 1820). Im Bambergiihen gilt das ſchaftl. Vereine; zweckmäßige Unterrichtsanftalten : 
Bamberger Recht, in den ehemals Brandenburgi-|3 Univerfitäten (Münden, Würzburg, Erlangen), 
ihen Theilen, refp. Ansbah u. Bayreuth, dasjerftere 2 mit fathol., letztere mit evang. theolog. 
Preußische Landrecht, in der Pfalz der franzöſiſche zacuftät), 9 Priefterfeminarien, 8 Lyceen u. 28 
Code civil. Dem Gemeinen Rechte fidy meift an⸗Gymnaſien, 96 vorbereitende lateiniſche Schulen, 
chließend, ift das Bayeriſche Recht eigenthümlich in]10 Schullehrerfeminarien und 35 Präparandeıı- 
den Beitimmungen über Adel, Stegelmäßigkeit, ſchulen, 3 Polytechniſche Schulen (Münden, Augs- 
Familienfideicommiffe und das Hypothelenredt. burg, Nürnberg), 6 Realgymuafien, 4 Induſtrie—⸗ 
Schriften über Bayer. Eivilreht: Kreitmayr, Ein-|fchulen, 36 Gewerbefchulen, davon 3 mit land— 
leit., Münch. 1768; v. Krüll, Handb. des Bayer. |wirthichaftliher und 22 mit Haudelsabtheilung, 3 
Bürgerl. Rechtes, Landsh. 1808; Gründler, Einleit., | Baugewerlichnlen, 2 Kunftgewerbichulen in DMüns- 
Erlang. 1817. In allen 7 öftlichen Provinzen ſchen u. Nitrnberg, 2 ſtädtiſche Handelsſchulen in 
gift das Lehnedict vom 5. Juli 1808, mit Nevifion deuſelben Städten, 1 lanbwirthichaftlihe Gentral- 
von 1828, jedody mit dem tief eingreifenden Mo» Janftalt in Weihenftephan, 1 Gentralforftlehranftalt 
dificationen der Gefeggebung von 1848 (vgl. Mos- Jin Ajchaffenburg, 1 Central» Thierarzneifchule in 
hammer, Grundf. des Fehnrechtes, Landsh. 1814; | Münden, 3 Hebammenjchulen, 3 Blinden«, 20 
Mayr, Handb. des Lehnrechtes, ebd. 1831). Für] Taubſtummen-JJuſtitute, berühmtes Irrenhaus in 
das Wechſel · u. Handelsrecht gilt das Gefeg, betr. | Würzburg, 7113 Volls- und Sountagsſchulen, 
die Einführung der Allg. Deutichen Wechfelordnung, die Mititärbildungsanftalten (das Cadettencorps, 
der Nürnberger Wechſelnovellen u. des Allgem. Kriegsſchule, Artileriefhule in Münden) zc. Im 
Deutſchen Handelsgefetsbuches, fowie das Geſetz, Zeitraume von 1860 hatten unter den Conſcribirtes 
betr. die Errichtung eines oberften Gerichtshofes |9,, %/, eine mangelhafte Schulbildung; 1875 ftellm 
für Handelsſachen laut Gefeg vom 22. April 1871.|fic diefes Berhältnig in den einzelnen Regierungs- 
Die Grundlage des Criminalrechtes bildete früher | bezirfen, wie folgt: Ober-Bayern3,,, Nieder-Bayerı 
das von Feuerbach verabfaßte ———— von|5,s, Pfalz 13,,, Ober- Pfalz 10,, Ober⸗Franken 7,,, 
1813 (geſetzl. Anmerk. zu demf., Münch. 1813, | Mittels zvanten 2,,, Unter⸗Franken 4,,, Schwaben 
3 Bde.) nmebft den dazu erſchienenen zahlreihen]2,,. Bildungsvereine beftanden in B. (1873) 1914. 
Rovellen, dann ein ſehr humanes Strafgefegbuc | Bedeutend wird aud die Kunft unterftügt: Mün— 
von 1861, bis zu der 26, Dec. 1871 verordneten)chen hat eine Alademie der bildenden Künfte (jeit 
Einführung des Deutihen Reichsſtrafgeſetzbuches 1808); die Glyptothel u. die beiden Pinaforheten 
von 1870. Das Berfahren in Strafjahen ift enthalten die trefilichften Sammlungen, fo aud) die 
öffentlich u. mündlich, für Verbrechen u. Preßver- |Gemäldegalerien von Schleigheim, Augsburg und 
gehen mit Schwurgerichten. Die Polizei wird auf) Nürnberg; zweckmäßige Schulen find für jeden 
dem flachen Lande u. in den Meineren Städten] Zweig der bildenden Kunft vorhanden. Neben dev 
von den Bezirksämtern, in den wumittelbaren | Staatsbibliothek in Miinchen, mit welcher an Um- 
Städten von den Magiftraten gehandhabt. fang im Deutjchen Reiche nur diejenige von Berlin 
Finanzen: Die satten und Yus- | wetteifert, gibt es 28 öffentliche Bibliothelen in B. 
aben betragen 1875 212,51,868 M. Unter den Übung der Religion ift frei. Seit dem Regierungs- 
innahmen figuriren Die divecten Steuern mitlantritte des Königs Ludwigs I. find nad einer bis 


24 


dahin wenig beachteten Stipulation im Concordat 
ungemein viele Klöfter wiederbergeftellt; ihre Zahl 
betrug 1847 161, Ende 1563 441, Ende 1872 
595 mit 1233 männlichen u. 5031 weiblichen Au— 
gehörigen, Haupt: u. Nefidenzftadt des Königreichs 
it Münden. Militärweſen. Nah dem Ber- 
faillev Bertrage vom 23. Nov. 1870 ftelt B. 2 
Urmeecorps zum deutſchen Reichsheere, die in Be— 
zug auf Organiſation, Formation, Ausbildung, 
Gradabzeichen, Bewaffnung (mit Ausnahme des 
Werdergewehres, das B. beibehält) wie die übrige 
deutſche Armee einzurichten find, jedoch wurde die 
Beibehaltung der alten bayeriſchen Uniform, blaue 
Waffenröcke und Raupenhelm, zugeftanden. Dem 
deutichen Kaifer fteht der Oberbefehl im Kriege u. 
das Hecht der Jufpicirung im Frieden zu. (S. u. 
Deutichland.) Orden find: Hubertusorden, Orden 
des St. Georg, Militär-Max-Joſephs -Orden, Lud- 
wigsorden, Civilverdienſtorden, Berdienftorden des 
St. Michael, goldene u. filberne Berdienftmedaillen 
des Mar-Jojephs-Ordens, Marimiliansorden für 
Wiffenfchaft und Kunft (feit 1853); Frauenorden: 
der Heil, Elifabeth» u. Therefienorden u, 2 Damen: 
jtiftsorden. Wappen: längliches vierediges Schilp, 
un 4 Theile getheilt, mit einem Herzſchilde. Letz— 
teres hat die bayerifhen Nauten. In dem oberen 
rechten Felde der pfälziſche goldene rothgefrönte 
Löwe in Schwarz; in dem unteren linken Felde 
der blaue goldgefrönte Löwe (wegen Beldenz) in 
Weiß, in dem oberen Tinten Felde 3 filberne Spiten 
in Roth (wegen Franken), in dem unteren rechten 
Felde ein goldener Pfahl auf voth u. weiß ge 
itreiftem Grunde (wegen Burgau » Schwaben). 
Schildhalter: 2 goldene Löwen mit gejpaltenem 
Schweife, von denen jeder eine in filberne u. azurne 
Rauten getheilte Fahne hält. Das Ganze umgibt 
ein mit Hermelin ausgeſchmücktes Zelt, oben mit 
der Königskrone. Die Yandesfarbeu find hellblau 
u. weiß. Münzen, Maße u. Gewichte find 
die allgemeinen deutihen. Vgl. Grübel, Geogr.- 
ftatift. Haudlerifon über das Königr. B., Würzb,, 
2. Ausg., 1867; Bavaria, Yandes- u. Volkskunde 
des Königr. B., Mind. 1860—68, 5 Bde. 

I. Geſchichte. A. Bis zum Aufkommen 
der Wittelsbacher, 1130. Die älteften befanuten 
Bewohner des altbayerifchen Yandes waren Kelten, 
vom Stamıne der Bojer, welde zuvor in Böhmen, 
das von ihnen den Namen hat, u. Mähren wohn: 
ten, im N. u. der Taurisfer oder Noriter im ©. 
Kurz nad dem unglüdlihen Zuge der Kimbern 
u. Zeutonen drangen andere germanijche Völker— 
Ichaften, wie die Marlomannen, Narister, Hermuns 
duren u. a. in das Land u. vertrieben die Bojer, 


Bayern (Geſchichte). 


Franken kam zum Neiche der Thüringer, u. mit 
diefem fpäter zum Fränkischen, B, ſüdl. der Donau 
aber zum DOitgothiihen u. dann ebenfall3 zum 
Fränkiſchen Weihe. Unter dieſem bildeten die 
Bajuvarier, wie die nunmehrigen, aus verichiede- 
nen Stämmen verjchmolzenen Bewohner hießen, 
einen Bafallenftaat, an deſſen Spige feit Mitte 
des 6. Jahrh. Herzoge aus dem Geſchlechte der 
Agilolfinger ftanden. Die Grenzen des Herzog- 
thums Bajuvarien, Bojoarien od. B, waren Donau, 
Lech, Hochalpen, Enns u. Mur. Der erfte dev 
Herzöge, deſſen die Geſchichte “erwähnt, war 
Saribald I., welder um 554 zu Regensburg re— 
fidirte, Mit den Yongobarden verbündet, wurde 
er von den Franken gefchlagen u. zum Frieden 
gezwungen. Garibald I. ft. um 595, u. auf Be- 
treiben der Fraulen wurde nicht deſſen Sohn 
Grimoald, fondern fein Anverwandter Thaſſilo I. 
Herzog u. vertrieb Grimoald aus B. Er führte 
Krieg mit den Avaren u. ft. 609; ihm folgte fein 
Sobn Garibald II., unter welchem, nachdem vor- 
ber ſchon fräntifche Könige die Geſetze der Bojoaren 
berichtigt hatten, König Dagobert (zwiſchen 628 
bis 638) die erfte ſchriftliche Faſſung derfelben 
durch Staatsmänner an feinem Hofe abfaflen u. 
in B. einführen ließ. Auf feine Beranlaffung jollen 
auch St. Euftafius u. Agilus nah B. gelommen 
fein, um das Ghriftenthum dort auszubreiten, 
Garibald II. ft. 640 auf einem Zuge gegen die 
Kärnthuer, u. ihm folgte fein Sohn Theodo I,, 
welcher den Glaubensboten St. Emeran auffor- 
derte, das Chriftenthum zu predigen, u. 680 ftarb, 
Theodo II., weldyer felbjt Chrift wurde, nahm 702 
feine 3 Söhne als Mitregenten an, deren einer 
jedoch ſchon 712 ftarb; nach Theodos Tode (717) 
folgten Theodebert bis 724 u. Grimoald bis 725, 
die beide viel für Verbreitung des Chriftenthuns 
thaten, u. darauf des erjteren Sohn Hugibert, ber 
das ganze Land wieder vereinte, aber die Ober- 
boheit der Franlen anerfennen u. 728 den ber» 
weigerten Gehorſam mit einem Stück Land büßen 
mußte. Ihm folgte 737 ſein Sohn Odilo oder 
Utilo, unter dem der Glaubensbote Bonifacius 
B. in 4 Bisthümer theilte: Salzburg, Regens— 
burg, Freiſing u. Paſſau (739). Odilo, welcher 
mit Chiltrude, Karl Martells Tochter, ſeit 741 
vermählt war, gevieth mit deren Brüdern Pipin 
u, Karlmann wegen des Schußes, den er ihr u. 
ihrem 3. Bruder Gripho bot, in Streit u. wurde, 
obwol mit den Alemannen u. a. verbunden, auf 
dem Lechfelde 743 gejchlagen u. gefangen u. erſt 744 
wieder freigegeben; er jt. 748. Ihm folgte fein 
bjähriger Sohn Thaffilo IL unter der Bormund« 


welche zum Theil nach Gallien auswanderten. Als|ichaft feiner Mutter Chiltrude, der 757 dem 
die Römer Rhäcien eroberten, wurde B. füdlich|Frankenkönig den Eid der Treue ſchwören mußte 
der Donau al$ Vindelicia, fpäter lEhaetia secunda,|u. dagegen fein väterlihes Erbe als Lehn er- 
römifche Provinz, ald welche es mit feiner Haupt-|hielt. Auf Beranlafjung feiner Gemahliu (jeit 763) 
ftadt Augusta Vindelicorum (Augsburg) großer|Luitberga, Tochter des Longobardentönigs Defide- 
Blüthe- theilhaft wurde; die Bewohner wurden|rius, ſchloß er mit diefem u. dem Herzog von 
volljtändig vomanifirt. Franken war zu derfelben| Aquitanien gegen die Franfen einen Bund, er 
Zeit von den Hermunduren bewohnt, die Pfalz, zur wurde aber von Karl d. Gr., nachdem diejer den 
röm. Provinz Germania prima gehörig, von den|Defiderius vom Throne geftoßen, 781 wieder zur 
Nemetern. Seit den Eroberungszügen der Aleman-|Ablegung des Bafalleneides gezwungen. Da Thaf- 
nen begann für B. eine unruhige Zeit: im 5. Jahrh. ſilo denjelben nicht hielt, ward er 787 wieder 
brachen erjt die Hunnen, dann die Rugier, Styreu, bezwungen, fmüpfte nun aber feindjelige Unter 
Heruler und die ſueviſcheu Marktomannen ein, !pandlungen gegen Karl d. Gr, mit den Uvaren 


Bayern (Geſch. bis 1056). 25 


u, ſo daß ihn Diefer auf dem Neichstage zunun das Herzogthum B., wurde aber 939, da er 
Ingelhein 788 feines Landes verluftig erflären u.|den Lehenseid verweigerte, von Otto I. verbannt, 
n ca Klofter bringen ließ. 794 verzichtete Thaf-| Die Verwaltung B-8 erhielt mun als königliches 
Ko zu grauffurt feierlich auf B., welhes num zur Amt mit dem bloßen Titel eines Herzogs der 
häniihen Provinz wurde. Karl d. Gr. theilte das| Bruder Arnulfs, Berthold von Kärnten. Diefer 
tand ın Graffchaften unter Grafen, über welche ſſchlug 943 u. 944 an der Drau in Kärnthen die 


ker gegen die Avaren u. Slaven in Böhmen be-|Ungarı u, ft. 948. 


kölgende Markgraf meift die Aufficht führte. Die 
Araren wurden bis an Die Raab zurüdgedrängt u. 
ren Gebiet, anfangs öftliche Mark, jpäter Ölter- 
tab, bayeriihen Grafen anvertraut, aud größten» 
teils mit Anfiedlern aus B. bevölkert. 798 erhielt 
8, aud einen eigenen Erzbiichof dur Erhebung des 
Biethums Salzburg zum Erzbisthum. Nach Karls 
d. Gr. Tode (814) gab deſſen Sohn u. Nachfolger, 
lubeig der Fromme, anfangs die Berwaltung B-8, 
das auger B. Salzburg, Tirol bis Bozen, Oſterreich 
sb der Enns, ſowie Steiermarf, Kärnthen u. Krain 
misßte, feinem älteren Sohn Lothar, im einer 
\päteren Theilung (817) dem drittgeborenen, Ludwig, 
als ein zur fränkischen Monarchie gehöriges König- 
mich, Dieier erhielt durch den Vertrag von Ber- 
un (843) noch einen großen Theil von Deutich- 
amd; doch war B. nod das Hauptland Ddiejes 
nenen, Dftfranten genannten Reiches, mit der 
dauptſtadt Regensburg. Während Ludwigs fort- 
dauernden Kriegen mit flapiihen Stämmen be- 
nähtigte fi fein ältefter Sohn Karlmann des 
Landes zwifchen der Donau u. dem Jun, das ihm 
der Bater auch, jedoch unter feiner Obergewalt, 
überließ (861). Nach Ludwigs Tode (876) erhielt 
Karlmann ganz B. mit der Hoheit über Böhmen, 
Mähren, Kärsnthen u. einen Theil von Ungarn, 
ipäter auch noch Stalien mit der Kaiſerwürde. 
Ihm folgte 879 fein jüngerer Bruder Ludwig, der 
alles Land außer Kärnthen für fich behielt, aber 
ſchon 882*inderlos ftarb. Ganz Deutichland fiel nun 
an Karl den Diden, feit 881 König von Ktalien, 
jeit 884 von Franfreih, der aber 887 abgejegt 
wurde. An feiner Stelle ward Arnulf, der natür- 
ide Sohn Karlmanns,. Herzog von Kärnthen, 
zamı deutfchen König gewählt, der den den B. 
feimbjeligen Mährenlönig Swätopluk od. Zwenti- 
old mit Hilfe der Ungarn befiegte. Arnulf fi. 
399 im Regensburg, w. ihm folgte fein Sohn 
Zudwig das Kind, unter welchem Yuitpold, Neffe 
Arnulfs, als Markgraf von B., Führer (Dux) des 
bayerischen Heerbannes war; derjelbe flug mehr- 


Dtto I. ernannte wun fei- 
neu Stiefbruder, Heinrich L, zum Herzog von 
B., den noch lebenden Sohn Arnulis aber, Ar- 
nulf, zum Pfalzgrafen in B. Unter diejer Res 
gierung wurde die Markgrafihaft Berona u, 
Aquileja mit B. vereinigt. Arnulf benugte Hein« 
richs Abweſenheit, um ſein väterliches Herzogthum 
B. wieder an fidy zu bringen, u. rief die Ungarn 
herbei, die, nachdem Arnulf nah einjährigem 
Kampfe gegen Heinrich u. den Kaifer 954 erlegen 
war, 955 ın B. einfielen, aber in der Schladht 
auf dem Lechfelde 10. Aug. 955 von Otto geſchla— 
gen wurden. 3 Monate danach ftarb Heinrich I,, 
u. ihm folgte fein Sohn Heinrich II, der 
Zänter, in B. u. Kärnthen, der, von Kaifer 
Otto II. verlegt, 975 ſich gegen denfelben aufs 
iehnte, fogar nad der Königswürde ftrebte. Uns 
vermutbet gefangen genommen, gelang es ihm, 
nah Böhmen zu entfommen, worauf das erledigte 
Herzogthum B. dem Herzog Dtto von Schwa«- 
ben verliehen wurde. Nachdem Heinrich denjelben 
976 bei Pilfen geſchlagen u. in B. felbft einge: 
fallen war, wurde er eudlih durch deu Kaiſer 
jelbft in Baffau gefangen u. nach Utrecht abge⸗ 
führt (977). Herzog Otto fiel 982 in Calabrien 
gegen die Saracenen, u, es folgte Heinrich II. 
der Jüngere (Hezilo) von Kärnthen, Sohn 
des Herzogs Berthold, jedoch nur für kurze Seit; 
denn nach Kaifer Ottos II. Tode entwiſchte Hein» 
vih II. aus der Gefangenſchaft in Utredht, be» 
mächtigte fi in Köln des unmlndigen Kaiſers 
Dtto III. u. nahm 984 den Königstitel an, dem 
er erſt entjagte, als man ihn gegen Herausgabe 
Ottos III. wieder im fein Herzogthum einfetste, 
das ihm Hegilo oder Heinrich TIL. gegen Ber- 
leihung Kärnthens, als eine von B. unab» 
hängigen Herzogthums, 986 abtrat; doch kam 
Kärnthen mit der Mark Friaul fon 989 oder 
990 wieder au B. Heinrich II. ft. 995. Ihm 
folgte fein Sohu Heinrich IV., der, als Otto III. 
1002 in Italien ohne männliche Erben ftarb, als 
Heinri II. zum König von Deutjchland gewählt 


mals die Ungarn, bis er 907 mit dem größten|mwurde; 1004 verlieh er das Herzogthum B. fei- 
Theil feines Heeres bei Presburg gegen fie auf|nem Schwager, dem Grafen Heinrich von Luxem— 
dem Schlachtfelde blieb. Als 911 auch noch Lud-|burg, als Heinrich V., entſehzte ihn jedoch 1008, 
wig dar Kind farb u. damit die Herrſchaft der|da der Herzog ſich mit ihm verfeindete, u. ver- 
Karolinger aud in B. erlofh, wählten die B. ſwaltete das Herzogthum ſelbſt bis 1017, wo er 
Arnulf den Böjen, Luitpolds Sohn, der als ſelb⸗ Heinrich V. wieder im fein Herzogthum eiuſetzte. 
Kändiger Herzog in B. u. Kärnthen die Regier-| Nach Heinrichs V. Tode (1027) gab Kaiſer Kon- 
ung führte, ohne die Oberhoheit des a rad II. B. an feinen eigenen Sohn Heinrich VL, 
Königs Konrad J. anzuerkennen. Diefer überzog|der, 1039 ſelbſt Kaifer geworden, 1040 den Neffen 
ihu deshalb mit Krieg, u. Arnulf mußte nach |Heinrihs V. von Luremburg ald Heinrich VII. 
Ungare fliehen, von wo er erjt zurüdfehrte, als|über B. fette, nach deſſen Tode 1047 aber das 
Heinrich J. zur Regierung kam, dem er auch 920 |Herzogthum 2 Fahre unbejegt ließ, bis er e8 1049 
Lehnshuſdigung leiftete u., mit größerer Macht be-jan Konrad I. von Zütphen verlieh. Da diejer 
zägfih der inneren Landesverwaltung ausgeftattet, aber ſich widerfpenftig erwies, wurde er 1053 des 
bis zu deifen Tode (936) treu anhing. Nachdem |Herzogthums entjegt u. dafjelbe dem erſt Zjährigen 
Arnulf bei der Krönung u. Wahl Ottos I. zum deut- Kaiſerſohne Heinrich, als dem VIIL in B., ver 
fhen König in Aachen das Amt eines Marſchalls ver- |liehen, u. als diefer 1056 als Kaifer Heinrich IV. 
ſeheu, ft. er 937. Sein Sohu Eberhard übernahm jeinem Vater folgte, erhielt es der jüngere Bruder 


26 


Bayern (Geſch. bis 1231). 


Konrad II, der aber noch im felben Jahre, dann mit Welfu. deſſen Anhängernu. mit dem Pfalz. 


4 5. alt, ft., worauf die Kaiferin-Wittwe Agnes 
B. mit dem Reiche als Neichöverweierin ver« 
waltete, bis 1061 daffelbe dem Grafen Otto von 
Noroheim übergeben wurde. Diejer, als Herzog 
Dtto II., wurde 1070 auf die falfche Anklage, 
als habe er dem Kaiſer nach dem Leben geftvebt, 
des Herzogthbums B. entjegt u. daffelbe am dei 
ſchwäbiſchen Grafen Welf gegeben, deſſen Bater, 
der Markgraf Azzo II. v. Efte, dur feine Ehe 
mit Knuigunde, dev Erbtochter des Grafen Welf IV., 
einen großen Theil der Güter diefes Geſchlechtes 
in Echwaben u. B. an fein Haus gebracht hatte, 
das den Welfiihen Namen beibehielt. Herzog 
Welf I, der 1075 zu bem Siege des Kaiſers 
über die von Dtto von Nordheim geführten 
Sachſen an der Unftrut beitrug, ftellte ſich in dem 
Streite zwiſchen Heinvih IV. u. dem Papfte auf 
des Letsteren Seite, weshaib er 1077 fein Herzog- 
thum verlor; erft nach manderlei Kämpfen u. 
nachdem fein Sohn Welf feine Gemahlin Ma- 
thilde von Tufcien, die reiche Erbin, die Papſt 
Gregor VII. anhing und ihre Güter ſchon vor 
ihrer Verbeirathung dem römischen Stuhl vermadht 
hatte, deshalb verlaffen, fam eine Ausſöhnung 
zwiſchen dem Herzog Welf u. dem Kaifer zu 
Stande, der mun 1096 Welf I. u. feine Nach- 
fommen wieder mit B. belehnte (1096). Als 
Greis unternahm Welf, nahdem Jeruſalem von 
Gottfried von Bouillon erobert war, mit dem 
Herzog von Aguitanien an der Spite eines Heeres 
von 16,000 Mann einen Kreuzzug (1100), ft. aber 
auf der Rückreiſe 1101 zu Paphos auf der Jufel 
Enpern. Ihm folgte fein Sohn Welf IL, unter 
dejien Regierung Kaifer Heinrich V. einen Theil 
der bayerijhen Martgrafſchaft Nordgau (auch 
obere Pjalz genannt) mit der Burggrafichaft Nürn— 
berg u. deu Bogteien über die Hochſtifte Wiürz- 
burg u. Bamberg zu einem neuen Herzogthum 
Ditfranfen machte, mit dem Sitze Rottenburg 
a. d. Tauber, u. dem Konrad von Staufen ver- 
ieh. Welf II. ft. 1120, u. es folgte ihm fein 
Bruder Heinrich IX. der Schwarze, der, ein 
ihwader Fürſt, aus Unmuth über die Fehden 
des Adels im Lande das Herzogthum feinem 
Sohne Heinrihd X. dem Gtolzen übergab 
(1126) u. ins Klofter ging, wo er im felben Fahre 
ftarb. Heinrich X. begaun feine Regierung mit 
Errichtung eines Landfriedens, eines Hofgerichtes 
u. Zerftörung der Raubjchlöffer des Adels. 1127 
von feinem Schwiegervater, dem Kaiſer Lothar II., 
mit Sachſen belehnt, erhielt er von diefem nach 
einem langwierigen, mit wechſelndem Glide ge- 
führten Kriege gegen die Staufen u. nachdem er 
fih beim zweiten Römerzuge des Kaifers ausge» 
zeichnet, die Markgrafſchaft Tuſcien (Toscana) u. 
vom Bapjte Innocenz II. die Privatgüter der 
Markgräfin Mathilde zu Lehen. Als mit Kon- 
rad II. die Staufen die Kaiferfrone erhielten, 
wurbe Heinrich, weil er fich weigerte, Toscana u. 
das von feinem Bater ererbte Herzogthum Sachſen 
abzutreten, im die Acht u. feiner Reichslehen für 
verluftig erflärt (1138). DB. erhielt der Baben- 
berger 7 


grafen Otto von Wittelsbah. Als Leopold 1141 
ftarb, wurde fein Bruder Heinrid XI Fajo- 
mirgott mit ®. beiehnt u. mit Gertrud, ber 
Wittwe Heinrichs X., vermählt, während deren 
13jähriger Schn Heinri der Löwe gegen die 
Anweifing auf Sachen auf B. Verzicht Teiften 
mußte, As aber Heinrih der Löwe mündig 
geworden u. von Kaifer Konrad III. fein Her- 
zogthum zurüdverlangte, welche Auſprüche Katfer 
Friedrich I. 1152 anerlannte, ließ ſich erſt nad) 
jährigen Berhandlungen Heinrich XI. bewegen, 
das Herzogthum herauszugeben, wogegen die 
frühere Marlgrafihaft Ofterreih von B. abge» 
riffen u. auf dem NHeichstage zu Negensburg 1156 
zu einem eigenen Erzherzogthum erheben wurde. 
Heinrih XHU., der Gründer Mündens, u 
ein treuer Anhänger des Kaifeıs Friedrich J., 
überwarf ſich mit ihm wegen einer Erbidafts- 
augelegenbeit, betr. die welfiſchen Allode in Deutjch- 
land u, die Mathildiſchen Güter in Italien, u. 
verweigerte ihm förmlich die weitere Mitwirfun 
zum Zuge nad) Ftalien, worauf Friedrich L. * 
der Niederlage bei Legnano 1176 den Herzog auf 
mehrere Reichſstage zur Verantwortuug lud u., 
da derfelbe nicht erfchien, ihn 1179 zu Würzburg 
in die Acht u, feiner Herzogthümer verluftig er— 
klären ließ; e8 blieben ihm nur die Hausgüter. 
B. wurde im Dct. 1180 dem Pfalzgrafen 
Otte VI. von Wittelsbadh dem Älteren aus 
dem 200 %. von der Herrichaft ausgeſchloſſen ge» 
wejenen Haufe Scheyern verliehen, feinem Bruder 
DttoVII., dem Füngerenaberdie Pfalzgrafenwürde, 
B. 28. unter den Wittelsbadern bis 
ur Wiedervereinigung nach feiner erften 
Theilung 1180—1508. Dito I., der feine Güter 
ander Donau, Paar u, Iſar, im Nordgau ꝛc. mit B. 
vereinte u. die Grafihaften Dadau u. Raingan 
erwarb, den Grund zu Landshut u. Kelheim legte 
u. Ruhe u. Ordnung wiederberftellte, ftarb ſchou 
1183, u. ihm folgte fein Yyähriger Sohn Lud- 
wig I. der Kelheimer, unter Vormundſchaft bis 
1192, während mwelder der Befit bedeutend ver- 
größert wurde. Bon dem Welfiſchen Kaiſer Otto IV. 
erbielt er aus befonderer Gunft Alles, was einft 
fein Bater, Heinrih der Löwe, in B. beſeſſen 
(1208), dann 309 er die durch Todesfall erledigte 
Markgrafihaft Chamein (1210) ein, erwarb die 
Grafichaften Kirchenberg u. Liebenau u. namentlich 
Stadt u. Saline Reichenhall (1219). Nah Ot- 
to8 IV. Niederlage ſchloß er fi dem Kaifer 
Friedrich II. an, der ihm dafür die Pfalzgraf- 
ſchaft am Rhein verlieh u. damit den Befit bes 
größeren Theiles des Kraichgaues mit Heidelberg, 
den Herrſchaften Zweibrüden, Bacharach x. am 
Rhein. Unter ihm wurden München u. Landshut 
erweitert, Straubing, Landau zc, zu Städten er« 
hoben. 1222 von Friedrich II. zum Verweſer 
des Neiches für deffen unmündigen Sohn König 


Heinrich VII. ernannt, zerfiel er mit dieſem, was 
verhängnißvoll für ihn u. feinen Sohn wurde, Lud⸗ 
wig verlor 1231 durch den Dolch eines wahrſcheinlich 
vom Heinrih VII. geworbenen Unbefannten das 
opold, der 5. öfterr. Markgraf dieſes Leben, u. ihm folgte fein Sohn Otto IL, der 
Namens, der aber viel zu kämpfen hatte mit|Erlauchte, der ’ 

Heinrih dem Stolzen, bis zu deſſen Tode 1139, |legen mußte, da Heinrich 


einen Sy nad Landshut ver- 
II. B. mit Regens- 


Bayern (Geſch. big 1429), 27 
fung überfiel u. verwüſtete. In den Kämpfenines Ludwig, des Markgrafen von Brandenburg, mit 
miden Ftiedrich II. u. dem Papfte ftand er auf Margaretha Maultaich, Gräfin v. Tirol, vereinigte 
Zete des Erfteren, wofür er 1247 vom Papfteler dies Land wieder mit B. (1342), zog die Pro» 
m dem Bann u. B. mit dem Interdict beiegt|vinzen Holland, Seeland, Friesland u. Hennegau 
vu, Otto ftarb 1253. Seine Söhne Lud-nach dem Tode des Grafen Wilhelm IV. vou 
zig (IL, der Strenge) u. Heinrich (XIII.) Holland (1345) als erledigte Neichsiehen ein u. 
!helten 1255 das Land, nachdem fie anfangs ger|beichute 1346 feine Gemahlin u. Beider Söhne 
meinibaftiih regiert. Ludwig erhielt Ober-B,|damit; jein vierter Sohn, Wilhelm, übernahm 
Dingen, Ingolftadt, die jpätere Ober-Pfalz mit |fpäter die Regentichaft des Landes. Ludwig, der 
Neuburg u. Sulzbach) u. die Pfalz am Rhein; vielen bayeriihen Städten eigene Berfafjungen, 
Heamih Nieder-B., deſſen Linie jedoch ſchon mitlein großes Gefegbuch in der Landesipradhe für 
dem Tode feines Entfels Johann 1340 erlojh.|Ober-B. u. eine Gerichtsordnung für Nieder-B, 
duveig verlegte feine Mefidenz nah München. gegeben, auch theilweiſe die Leibeigenſchaft aufge» 
Achdem beide Regenten ihr Beſitzthum bedeutend)hoben hatte, ftarb 11. Oct. 1347 und hinterließ 


vergrößert, theilten fie fih 1268 u. 1269 no in]6 Söhne, die nad 2jähriger gemeinfamer Re— 


tie Beſtzungen des letzten Hohenftaufen, Konradin; 
Lurg u. Stadt Nürnberg, die Städte Lauingen 
1. Kördfingen u. Die Bogteirehte über Augsburg 
übernahmen fie gemeinſchaftlich. Nah einer für 
&, ſegensreichen Regierung ft. Ludwig 1294, u. 
um folgte fein Älterer Sohn Rudolf, der, gegen 
König Albrecht feindlich gefinnt, von dieſem ge- 
ihlagen, 1301 die Bogteien über Nürnberg und 
Augsburg u. mehrere Staufifhe Güter verlor u. 
auf defien Befehl feinen jüngeren Bruder Lud 
zig IV. zum Mitregenten annehmen mußte. 
Sur deifen Beranlafjung wurde das Yand 1310 
getheilt, wodurch Rudolf den öjtl. Theil von 
Ober-B,., Ludwig aber den weftl. Theil, das Land 
zwischen Lech u. Iſar, erhielt, während die Pfalz 
am Rhein beiden gemein blieb. Gleichwol kam 
es zu 2jährigem Kampfe zwifhen den Brüdern, 
dis Ludwig die Hand zur Berfühnung reichte u. 
1313 Beide eine gemeinfchaftliche Negierung wieder 
begannen. Indeß als Ludwig IV. (20 Oct. 1314), 
zum deutschen Könige erwählt war, ftellte Rudolf 
Ah auf die Geile der Gegner feines Bruders, 
überließ aber im einem neuen Bertrage von 1317 
demjelben die gefammte Landesverwaltung in B., 
io daß Ludwig bis 1329 einziger Herr in Ober- 
2. und der Rheinpfalz war, Nachdem Ludwig 
der Bayer durch den Sieg bei Mühldorf alleiniger 
Herr auch in Deutſchland geworden, belehnte er 
1323 feinen erften Sohn Yudwig mit der Mart 
Brandenburg u. vermählte fi in 2. Ehe mit 
Margaretha, der Zodter u. Erbin des Grafen 
Bilhelm ILI. von Holland. Mit den Söhnen 
feines 1319 in Wien geftorben Bruders Rudolf, 
Rupert 1. u. Rudolf II., Schloß er am 4. Aug. 1329 
den Hausvertrag von Pavia ab, dur den die 
pfälziichen Lande von B. für immer an Ru— 
dolfs I. Nachtommen überlafjen wurden, dazu ein 
Theil der oberbayeriſchen Befitzungen im Nordgau, 
ton da an Oberpfalz genannt, fodann Wechjel in 
Führung der Kurmürde, Verbot der Veräußerung, 
Ausihliegung der weibliden Nachfolge von der 
Regierumg 2c. beftiimmt wurde, Damit entftanden 
die 2 Hauptlinien des Wittelbachiſchen Haufes, die 
Pfälzifhe u. die Bayerifche. Durch den Tod 
des Herzogs Johann von Nieder-B. (1340) erloſch 
defien Linie u. fiel 1341, nachdem Ludwig den 
Rıeder-B. die Freiheiten der Ottoniſchen Hand- 
vefte von 1311 (das Recht der mittleren Gerichts- 
barkeit fiber die Grundholden) beftätigt hatte, mit 
Zuftimmung der Landftände ganz Nieder-B. wieder 
an Ludwig zurüd. Durch die Bermählung ſeines Soh⸗ 


gierung, troß der Weifung ihres Baters, unter 
20 Fahre ihre Erblande nicht zu theilen, 1349 zur 
Theilung jchritten: Ludwig der Brandenburger 
erhielt, außer Brandenburg, Ober-B. u. behielt 
nebenbei Tirol; ihm zur Geite ftanden jeine 
Brüder Ludwig der Römer u. Otto (damals erft 
2 Jahre alt), mit denen er wieder zu theilen hatte; 
Stephan mit der Haft erhielt Nieder-B, u. die 
niederl. Provinzen, u. an ihn fchloffen fich in der- 
jelben Weiſe die Prinzen Wilhelm u. Albrecht an, 
welche jedod durch Theilung mit Stephan (1353) 
die Linie B.- Straubing gründeten u. darauf wieder 
unter fi) fo theilten, daß Wilhelm die nieder- 
ländiſchen Befigungen, Albrecht Straubing erhielt. 
Yudwig V. der Brandenburger trat 1351 
Brandenburg an feine Brüder Ludwig den Römer 
u, Otto ab u. behielt dafür ganz Ober-B., verlor 
aber dur die Goldene Bulle das Recht auf die 
Kurwürde im Alternat, die nun der Pfalz zuge- 
ſprochen wurde. Als Ludwig V., der vorzüglich für 
die bayerischen Städte viel Gutes gethan, 1361 ftarb, 
folgte ihm fein Sohn Meinhard, der, obmwol 
ſchon 19 %. alt, unter Vormundſchaft geftellt 
werden follte. In dem darüber entjtandenen 
Kriege wurde Meinhard gefangen, entſloh jedoch 
nad) Tirol, wo er 1363 kinderlos ftarb. Stephan II, 
von Nieder-B. (B.-Landshut) erhielt Ober-B.; 
Margarethe Maultaſch aber trat Tirol an Öfter- 
veih ab; nur einige Grenzftriche am Inn u. Led) 
blieben bei B. Ebenſo ging bald darauf and) 
die Mark Brandenburg Hr das Haus B. ver- 
loren, indem Kaifer Karl IV. diefelbe wegnahm 
(f. Brandenburg u. Preußen). Stephan II. fi. 
1375 mit Hinterlaffung dreier Söhne, StephanlIl,, 
Friedrich u. Johann, die gemeinschaftlich regieren 
jollten, jedodh 1392 zur Theilung fchritten, wobei 
Stephan (IIL.) B.-jngolftadt mit Striden au 
der Donau u. im Nordgau, Friedrich B.-Landshur 
u. Johann B.München mit den Gauen zwiſchen 
Lech u. Iſar erhielt. (Die Linie B.Ingolſtadt 
erlofh 1447, die Linie B-Landshut 1505). Seit 
Friedrichs Tode (1393) lebten die beiden anderen 
Brüder, da Feder ſich liberwortheilt glaubte, in 
beftändiger, oft blutiger Fehde, namentlich um den 
Befig von Münden, ebenjo war e8 unter ihren 
Söhnen u. Enteln, u. ging während dieſer Kämpfe 
1433 Holland für B. an Burgund verloren. Es 
fam ftetS wieder zu neuen Theilungen, jo 1429 
in vier Theile, deren Geſchichte nur ein trauriges 
Bild des Bruderzwiftes u. der Berheerung dar- 
bietet. Ludwig der Reiche v. B.-Landshut, 


28 
der ſich zuerft a! 


nannte, ftiftete 26. 
Ingolftadt u. pflegte Künfte und Wiſſenſchaften. 
Albrecht III. von B.-Münden gab Berordnungen 
für MNechtspflege u. Verwaltung, für bürgerliche 
Zucht, führte gleihes Maß und Gewicht ein und 
fiherte den Landmann vor dem Übermuth der 
Nitter. Endlich im Jahre 1505, nach Beendigung 
des für B. fo verderblidhen Landshuter Erbfolge: 
frieges u. nachdem an bie <pfalzbayerifche Linie 
noch die fog. junge Pfalz (Neuburg, Sulzbach, 
Burglengenfeld ꝛc.) ausgeſchieden war, fiel ganz 
B, nach dem Ausfterben der übrigen Linien wie- 
der in eine Hand, nämlich in diejenige Albrechts IV. 
von B.München. 

C. B. von der Wiedervereinigung bis 
zum Ausfterben der bayerifhen Yinie, 
1505— 1777. Albrecht IV. der Weife, der 1467 
feinem Bruder Siegmund in B.München gefolgt 
war, ließ, jobald er alleiniger Herr in B. gewor— 
ten, am 8. Juli 1506 vor den verjammelten 
Ständen mit Einwilligung des Kaifers u. feines 
Bruders Wolfgang das Hausgeſetz ausfertigen, 
welches auf ewige Zeit die Uutheilbarfeit B-8 u. 
das Recht der Eritgeburt von Sohn zu Sohn 
feftjegte. Die jüngeren Brüder jollten mur den 
Grafentitel führen. Albrecht IV. ft. 1508. Ihm 
. folgte fein ältefter Sohn Wilhelm IV. der 
Standhafte, anfangs unter Bormundichaft, jeit 
1511 jelbftändig regierend. Durch feine Pradht- 
liebe machte er ſich mißliebig, u. die Stände ver- 
banden fi mit feinem Bruder Ludwig, der mit 
dem Grafentitel u. der Apanage von 4000 Gulden 
unzufrieden war, zur Umgehung der Primogenitur. 
Die beiden Brüder verftändigten ſich 1514 dahin, daß 
fie vorerft 3 Jahre lang in Gemeinjchaft regieren 
wollten, doc) follte Ludwig feinen Sit in Landshut 
nehmen. Die Hegierung Beider war friedfertig: 
fie vergrößerten das Gebiet, verbefjerten die Salz— 
fiedereien in Reichenhall, die Polizei», Civil- u. 
GEriminal-Gejege, befhränften aber Die Rechte der 
Landftände, die durch die ſog. Landſteuer (ftändigen 
Ausschuß) das ganze Steuerwejen des Yandes von 
Alters her in Händen hatten. Ludwig ft. 1545, 
unverheirathet. Wilhelm, anfangs der auch in 
DB. Raum gemwinnenden Reformation nicht abge- 
neigt, wurde nach der Achterklärung Luthers auf 
dem Neihstage zu Worms deren entichiedenfter 
Gegner, verllagte ſogar die bayerischen Biſchöfe 
wegen allzu großer Nachſicht in Rom, ergriff ftrenge 
Maßregeln gegen die Stadt Hegensburg, die 1542 die 
neue Lehre angenommen, u. rief die Jeſuiten ins 
Yand, die 1549 die Leitung der theologiichen Stu- 
dien in Ingolſtadt übernahmen, hier ein Collegium 
bauten u. in ganz B. bald mächtig walteteı, 
Wilhelm IV. ft. 1550, u. ihm folgte fein kuuſt⸗, 
aber auch practliebender u. verjchwenderiicher 
Sohn Albredt V., der 1552 bei dem Paflauer 
Vertrage u. 1555 bei dem Reichstage zu Augs⸗ 
burg, wo der Religionsfriede zu Stande kam, 
als Bermittler auftrat. Er bewilligte 1557 für 
B. die Austheilung des Abendmahls unter bei- 
derlei Geftalt u. trug 1562 bei dem Concil zu 
Trient auf Genehmigung der Priefterehe an; 
als der Papft Pius IV. jedoch beides vermwarf, 
ſchlug er eine andere Richtung ein, legte den 


in Ober- und Nieder-B. | 
uni 1472 die Univerfität| Verbannung ein öffentlihes Glaubensbelenntnig 


Bayern Geſch. bis 1651). 


Lehrern der Univerfität Ingolftadt bei Strafe der 


auf, vermehrte die Zahl der Jeſuiten u. verfolgte 
den Proteftantismus aufs Außerftie. Er ft. 1579. 
Ihm folgte fein ältefter Schu Wilhelm V., der, 
Höfterlich erzogen, in die Fußſtapfen feiner Vor— 
gänger trat und die Jefuitencollegien zu Alt ⸗Ot · 
ting, Landsberg, Regensburg u. München errich- 
ten ließ. Durch ſeine Verſchwendung für Kirchen 
u. Klöſter, neben Freigiebigfeit für Arme u. Krauke, 
häufte er neue Schulden auf das Yard, jo daß 
er, unfähig, fih ans den nicht endenden Finanz- 
verlegenbeiten zu helfen, 1597 die Regierung an 
feinen älteften Sohn Marimilian abtrat; in Ab— 
geichiedenheit von der Welt lebte er noch bis 1626. 
Marimilian L, der Große Kurfürft, führte 
eine ftrenge Ordnung u. Controle ein, lebte felbft 
einfach, tilgte bald die laufende Schuld u. legte 
den Grund zu einem Staatsjchage, indem er neue 
Finanzquellen fand im Fleiſchaufſchlag, im Auf- 
a ar) Gold- u. Silbermwaaren, im Monopol 
des Weißbierbrauens u. der Salzbereitung. Nach 
dem Vorbilde Oſterreichs wurde eine allgemeine 
Vollsbewaffnung eingeführt u. anfangs der 30., 
jpäter der 10. Dann zum Felddienſte ausgehoben 
u. Braunau, ſowie Ingolſtadt ſtark befeftigt. Er 
ließ ein neues Geſetzbuch ausarbeiten, das 1616 
unter dem Titel: Yandrechts-, Polizeis, Gerichts-, 
Malefiz- u. a. Ordnung für B. erlaffen wurde; 
bildete die Zünfte um u. verordnete das Wandern 
der Handwerker. Die Erecution der Reichsacht 
gegen die proteftantiiche Reichsſtadt Donauwörth 
veranlaßte im Mai 1608 die Bildung der Evanı- 
geliihen Union zu Aubaufen, gegen welche Mari— 
milian, vom Papfte anufgemuntert, den meift aus 
Biſchöſen beftebenden (ion 1538 geichlofienen) 
Bund, nun Liga genannt, 1609 organifirte, 
Mit dem Erzbischof Wolf Dietrich von Salzburg 
geriethb er 1611 über den 1594 von Wilhelm V, 
abgefchlofjenen Salzvertrag in Krieg, dev mit der 
Gefangennehmung des Erzbischofs endete. Die 
böhmtihen Unruhen bewogen Maximiliau 1619, 
die 1617 aufgelöfte fatholiiche Liga wieder herzu— 
ftellen, als deren oberfter Director er am 8, Oct. 
1619 mit dem Staifer yerdinand ein Bündnig zu 
gegenfeitiger Unterftügung abſchloß. Der Sieg 
auf dem Weißen Berge war bef. Marimilians 
Werl. Der Kaifer ertheilte ihm nad der Adht- 
ung des Kurfürſten Friedrich V. von der Pfalz 
1623 deffen Kurmwirde auf Lebenszeit mit dent 
Erztruchießamte 1628 erblih und überließ ihm 
für Die Striegsfoften die (bisher zur Rheinpfalz 
gehörende) DOber- Pjalz. Bei Erlafjung des Reſti— 
tutiongedict8 1629 rieth Maximilian vergebens 
zur Mäßigung; 1630 erwirkte er auf dem Reichs— 
tage zu Regensburg die Entlafjung Wallenfteins, 
deſſen Wiedereinjeung jedoch 2 Jahre fpäter, nach- 
dem Guſtav Adolf von Schweden die Siege bei 
Breitenfeld u. am Lech errungen, auf feinen Rath 
wieder erfolgte. DB. biieb jedody Kriegsſchauplatz 
u. wurde von Schweden u. Franzoſen, die fich 
dort mit den Kaiferlihen u. Bayern fhlugen, arg 
verheert u, durch Gontributionen, Blünderung u. 
Brand in jchwere Noth gebradt. Im Weftfäliichen 
Frieden behielt Marimilian die Kur, die Ober- 
Pfalz, die aber die Schweden bis 1651 bejetst 


Bayern GGeſch. bis 1744). 


heiten, u, die Graffchaft Cham. Er fuchte nun 
em jo arg derwũſteten Lande nah Kräften auf 
zielifen u. fie feinem Sohne Ferdinand Maria 
uch bei Lebzeiten Huldigen; er fl. 1651. Fer— 
drand Maria murde 1654 volljährig; er ft. 
1673; ihm folgte fein äftefter Sohn Marımilian 
Emannel, der fich entjchieden auf die Seite 
Ofterreichs neigte, für das er 6000 Dann Hifs- 
trappen gegen die Türlken ftellte, 1683 mit 
10,000 M. zum Entſatze nah Wien zog, mwieder- 
olten Türlenkriegen beimohnte u. Belgrad 1688 
eſtürmte. Hierauf zum Faiferlihen Feldmarfchall- 
heutenant ernannt, befehligte er 1690 das Reichs» 
beer gegen Frankreich als Obergeneral. Im Der, 
1691 von Konig Karl II. von Spanien zum General- 
artän der Spanischen Niederlande ernannt, be» 
sah er fih fogleich dahin, da er in biefer Stelle 
de erſte Stufe zur ſpaniſchen Herrfchaft erblidte, 
Zeine erfte Gattin, Maria Antonia, Tochter des 
Sailers Leopold I., war nämlich die nächſte Erbin 
»3 fpaniichen Thrones, m. ihr Recht ging nad) 
brem Tode auf ihren Sohn, den Kurprinzen 
Jeſeph Ferdinand, über, den auch König Karl IL. 
im Nov. 1698 zum Erben feiner ganzen Mo- 
sırhie beftimmte. Der Kurprinz ftarb aber im 
Febr. 1699. Ein neuer Theilungsvertrag der 
daniſchen Monardie zwiſchen Frankreich, Eng- 
land u. Holland u. das Teſtament, in welchem 
Sarl II. kurz vor feinem Tode den Prinzen 
Ebilipp von Anjou, Sohn Ludwigs XIV., zum 
Erben einjette, ermähnte des Kurfürften Anfprüche 
anf die Miederlande nicht, an deren Befiß, reip. 
der erblichen Statthalterſchaft ihm ſehr viel Tag. 
Nu dem nun zwiſchen Ojfterreih u. Frankreich 
ausbrehenden Spaniſchen Erbfolgefriege jtellte fich 
Mar Emanuel, da von Ofterreih Nichts zu er» 
langen war, Frankreich dagegen ihm die Nieder- 
iaude veriprad, auf des Lepteren Seite. Obwol 
chne Geldmittel (er hatte ſelbſt die Kleinodien des 
tayeriichen Kronihages in Amſterdam verſetzt), 
begaun er den Krieg im Eept. 1702 (f. u. Spa- 
zicher Erbfolgelrieg). Nah der Schlacht von 
Hshfädt (15. Aug. 1704) wurde ganz B. von 
den Dfterreichern befett n. als erobertes Land 
debandelt. Der Gemahlin des Kurfürften blieb 
sur das Mentanıt Münden; aber fie verlor auch 
dieſes, als die Berihmwörung der Bayern wider die 
erdtbar haufende öfterr. Bejatung entdedt wurde, 
Zıog der ſchweren Beftrafung diefer Verſchworenen 
totteten fich, als im Winter 1705 12,000 Bayern 
awsgehoben wurden, erft die Bauern am Walde u, in 
der Oberpfalz, dann am Inn un. an der far in 
Berbindung mit den Bürgern, von folhen u. Stu- 
deuten geführt, zuſammen, u. binnen Kurzem 
fanden 30,000 Bayern als Landesvertheidiger in 
Saffen; fein Ofterreiher mar mehr fiher; Burg- 
banfen, Braunau u. Schärding wurden im Ein- 
verkändnig mit den Bürgern genommen, u. nun 
brach der Aufruhr auch an der Donau los u, er- 
boben fich die Ober- Bayern, um die in München feft- 
shaltenen kurfürſtlichen Prinzen zu befreien. 


29 


von Raftatt (14. Mai 1714) u. den Frieden von 
Baden (7. Sept. 1714) wurde Mar Emanuel, der 
inzwifchen in den Niederlanden gelebt hatte, im 
alle feine Rechte wieder eingeiett, die er vor dem 
Kriege befefien, außer in die Statthalterfchaft in 
den Niederlanden, welhe an Ofterreich fam. Am 
8. April 1715 betrat er wieder den Boden des 
furchtbar ausgefogenen B-landes, u. am 10. April 
zog die ganze Familie in München wieder ein, 
Mar Emannel führte ftatt des Tabakmonopols 
1717 eine Umlage auf die Feuerherde ein, er— 
leihterte die Einquartierungslaften, führte das 
Stempelpapier ein, erueuerte das 1701 erlaffene 
Amortifationsgeiet, wodurch der Todten Hand die 
Erwerbung liegender Güter verboten wurde, und 
verbot, 1717 die künftige Stiftung von Klöftern, 
Mit Öfterreih trat er wieder in gute Veziehun« 
gen, ftellte ihm 1717 Hilfstruppen fir den Tür 
tenfrieg u. Schloß 15. Mat 1724 mit den pfälzi- 
Shen Gliedern des Haufes Wittelsbach den Haus- 
vertrag, in welchem fi) die Wittelsbacher gegen- 
feitigen Beiftand zufagten u. das Recht der gegen» 
feitigen Erbfolge neuerdings beftätigten. Mar 
Emanuel hinterließ bei feinem Tode (26. Febr. 
1726) das Land feinem Sohne Karl Albrecht mit 
einer Schuldentaft von 30 Mill. der gegenüber die 
Stände 3 Mill. jährlih an Steuern bemilligten 
u. außerdem 1728, 1731 u. 1735 außerordentliche 
Anlehen. Nah einem knrzen Berfuche, durch 
Sparjanfeit dem Lande aufzubhelfen, verfiel er in 
die verfchwenderifche Art jeiner Vorgänger und 
führte zur Mebrung der Einnahmen eine neue 
Tar- u. Sportelordnung u. das verderbliche Lotto» 
fpiel ein. Mehr als durch Abgaben litt das Land 
aber durch einen neuen Krieg. Als 1740 mit 
Kaiſer Karl VI. das Haus Habsburg im Mannes- 
ftamme ausftarb, erhob Karl Albrecht Anfprüche 
anf die gefammten öfterreichtiichen Erblande, indem 
er fih auf den Ehevertrag zwischen Herzog Alb» 
recht V. u. deſſen Gattin Anna, Kaifer Ferdi— 
nands I. Tochter, berief (f. u. OÖfterreih, Erb- 
folgelrieg\, Er eroberte Oſterreich ob der Enns, 
nahm 1741 den Titel eines Eraberzogs v. Oſter⸗ 
reich an, ließ fich in Prag als König dv. Böhmen 
huldigen u. wurde 24. Yan. 1742 zu FFranf- 
furt a. M. als Karl VII. zum Kaifer gewählt. 
Sein Glück hatte jedoh feine Dauer: am Tage 
feiner Erwählung fielen die Ofterreicher in B. ein, 
u. er mußte nicht nur feine Eroberungen, fondern 
auh B. ſelbſt den fterreichern preisgeben. 
Indeß lächelte ihm nochmals das Glück: in den 
erften Tagen des Octobers 1742 hatte der aus 
öfterreichiichen in bayerifche Dienfte übergetretene 
Feldmarſchall Sedendorf B. wieder erobert, u. im 
April 1743 Ffehrte Karl im feine Hauptftadt 
München zurüd, aber nad) der Niederlage Mi- 
nuz3i8 bei Simbach (9. Mai 1743) mußte er am 
8. juni wieder aus Miinchen fliehen, u.nabhınen nun 
die Oſterreicher ganz B. mit allen feſten Plätzen, 
festen zu Münden aud eine eigene Landes-Yld« 
miniftration ein u, fießen der Maria Therefia deu 


Ser aber mißglüdte der Aufftand (Blutbad bei! Fnterims-Huldigungseid Teiften. In diefem Un— 


Sendling 25. Dec. 1705) u. bald auch ander» 


wärts, u, die 


lid wandte ſich der Kaifer au Friedrich If. von 


Öfterreicher wurden nun noch firenger. | Preußen, u. dur den Einmarſch defielben in 


Am 29. April 1706 ſprach der Kaifer über Max Böhmen (Aug. 1744) wurde B, bald wieder frei, 
Emanuel die Reichsacht aus. Durch die Bunctation ſo daß Karl VII. im Oct. 1744 nah München 


30 


zurüdtehren fonrte; aber noch vor Ende des, 
Jahres gewannen die Dfterreicher wieder feſten 
Fuß in B,, u. der Nothwendigleit, nochmals zu 
fliehen, euthob den Kaifer der Tod, 20. Yan. 
1745. Ihm folgte als Kurfürft fein Sohn Maxi— 
milian III. Joſeph, der am 22. April 1745 den 
GSeparatfrieden zu Füßen Schloß, in welchem Oſter⸗ 
reih alles von B. Eroberte herausgab, B. dage- 
en die Pragmatiiche Sanction anerfannte u. dem 
geraog Franz von Lothringen feine Stimme zur 
aiſerwahl verſprach. Marimilian. Joſeph bot 
nun Alles auf, die inneren Zuſtände zu beſſern, 
das Land, das unter einer Staatsſchuld von 
40 Mill. ſeufzte, zu heben durch Beförderung der 
Induſtrie (Porzellanfabrik, Münz- u. Bergwerks— 
Collegium), des Handels, Straßenbau ꝛc. Sodann 
führte er zuerft eine Wechſelordnung u. ein Wechfel- 
gericht ein, 1751 ein neues Peinliches Geſetzbuch, 
1753 eine mufterhafte Gerichtsorduung, 1756 das 
Bayer. Landrecht, alle 3 die Arbeiten Kreitmayıs 
u. zum Theil bis in die neuefte Zeit hinein in 
Gebrauch. Weiter errichtete er eine Bettelordnung, 
Leihhäuſer u. ftiftete 28. März 1759 die Alademie 
der Wiffenfchaften, deren Drudicriften der Kur 
fürft der Genfur der Jeſuiten entzog. Dabei 
wurden an der Umiverfität neue Lehrſtühle für 
Rechtslehre u. Arzneitunde errichtet, ebenjo eine 
chirurgiſche Schule, die höheren Tehranftalten wie 
die niederen Schulen verbeflert, eine Muſterſchule 
für Schullehrer gegründet, die Klöfter reformirt, 
‚Feiertage abgeſchafft un. eine mildere Büchercenfur 
eingeführt, zur Förderung der Künfte eine Maler 
u. Zeichnungs-Akademie geftiftet ꝛac. Marimiltan 
Zofeph ft. 30. Dec. 1777 Einderlos, u. mit ihm 
erlojh die Ludwigihe Linie. Ihm folgte ver- 
tragsgemäß der Kurfürft Karl Theodor von der 
Pfalz, von der Sulzbacher Linie, während mit 
Nüdfiht auf deſſen Kinberlofigkeit der Herzog 
Karl von Zweibrüden, aus der Linie Birkenfeld, 
als eventueller Thronfolger beftinmt war. 

. 8. unter der pfälzifhen Linie 
bis zur Annahme der Königswürde, 1777 
bis 1806. Durch Karl Theodor wurden B. u. 
Pfalz nad 448jähriger Trennung wieder ver- 
eint. Gleichzeitig mit dem Einzuge Karl Theo- 
dors in Münden am 2. Jan. 1778 rüdten öfter 
reichifhe Truppen in Nieder-B. u, der Oberpfalz 
ein, um dieje Lande für ſterreich in Beſitz zu 
nehmen. Damit begann der Bayerijhe Erbfolge 
frieg (f. d.), der durch Vermittelung von Rußland 


Bayern (Geſch. bis 1803). 


der Herzöge Karl u. Mar Joſeph von Zwei— 
brüden, unterftügt von Friedrich IL. von Preußen, 
die Borftellungen der bayeriichen Landſchaft, Ma— 
giftrate u. Behörden vereitelt, Karl Theodor 
ründete eine Lanbmwirthichaftsjchule begann eine 
Zrodenfegung des Donaumoofes, that viel für 
Künfte, namentlich für die Muſik, verwendete aber 
die von Max III. Joſeph für Bildung u. Unter- 
vicht bejtimmten Güter der Jeſuiten zur Erridht» 
ung einer Maltefer-Zunge (der 9. oder bayeri» 
ihen), um feinen unehelichen Sohn, den Fürſten 
von Bregenbeim, als Großprior zu berjorgen, 
übertrug den höheren Unterricht wieder den 
Kloftergeiftlihen u. wurde durch Entdedung des 
Illuminatenordens (ſ. d.) u. die Einflüjterungen 
feines Beichtvaters, eines Jeſuiten, gegen Auf— 
Härımg u. Wifjenichaft jo argwöhniih, daß er 
alle geheimen Gejellichaften mit Einfluß der 
Freimaurer unterdrüdte u. ftrenge Cenſur der 
Bücher, namentlih der aus dem Auslande kom— 
menden, einführte, Ohnedem bei den B. nicht 
beliebt, machte er fih durch diefe Mafregeln noch 
mehr Feinde, wurde aber eben darum noch miß— 
trauifcher u. ftrenger, zumal nah Ausbrucd der 
franzöfifchen Revolution. Die furpfälziihen Länder 
(Rheinpjalz, Jülich u, BZweibrüden) kamen zuerft 
in die Gewalt der Franzoſen (1792—95), Düſſel- 
dorf u. Mannheim 1795, u. 1796 drangen Joure 
dan u, Moreau in der Oberpfalz u. dem Herzog- 
thum B. ein, Der Kurfürft flüchtete nah Sadjen, 
u, fein Miniſterium ſchloß 7. Sept. 1796 mit 
Moreau einen Waffenftillftand u. zog das bayeri— 
ie Contingent von der Reichsarmee zurüd; auch 
wurde eine Contribution von 10 Dill. Frauken 
veriprochen, aber nicht gezahlt, da kurz darauf die 

fterreicher wieder fiegreih vordrangen. Der 
Friede von Campo Formio gereihte B. zum 
großen Nachtheil, da durch denfelben . Salzburg 
u, ber Theil B⸗s, welchen der Inn von Tirol 
bis zum öfterreihifchen Junviertel begrenzt, Ofter- 
reich zugeiprohen wurde. Den Wiederausbruch 
des Krieges erlebte Karl Theodor nicht mehr: er 
ft. 16. Febr. 1799 (Erlöfchen der Pfalz-Sulz- 
bacher Linie), u. da Herzog Karl v. Zweibrügfen 
finderlos 1795 geftorben, jo folgte deſſen Bruder 
Marimilian Joſeph in B. Mit ihm begann 
eine neue Zeit: die ftrengen Mafregelu feines 
Borgängers u. viele den Einwohnern läjtige Miß« 
bräude in der Verwaltung wurden aufgehoben, 
u, trog des feit 1798 wieder ausgebrodhenen 


u. Frankreich jedoch ſchon 13. Mai 1779 durch Krieges zeigte fi überall neues Leben, ja, jelbft 
den Frieden zu Teſchen fein Ende fand, B.jauf der Flucht in Amberg erließ Mar Joſeph 
biieb, abgejehen von dem Innviertel, das mit/10. Nov. 1800 die Verordnung, welche den Nicht« 
64,000 Ew. an Oſterreich abgetreten wurde, un-|Katholiten die fejte Niederlaffung in B. geftattete, 
getheilt, u. die eventuelle Erbfolge wurde nicht Durch den Frieden von Luneville, reip. Reichs. 
nur der Bweibrüdener Linie als nmächfter Erbin, deputatioushauptſchluß vom 25. Febr. 1803 ver— 
fondern auch der Birkenfeld-Gelnhaufer Seiten-|for B. zwar alle Länder jenjeit des Rheins 
linie zugefihert. An Sachſen mußten 6 Mill,,|(220 mit 753,000 Ew.), befam aber dafiir 
an Salzburg megen der Galinen 430,000 u.|die Bisthümer Bamberg, Augsburg, Freiſing, 
an den Schwäbiſchen Kreis wegen Donaumörth|dann Theile von Würzburg, Paffau und Eich» 
10,000 Gulden bezahlt werden. Ein neuer, vom|ftädt, die Propftei Be 12 Neidhsprä- 
Kaifer Jeſeph II. 1785 vorgeichlagener u. von|laturen und 15 Meichsftädte, mworunter Ulm, 
den Garanten des Teſchener Friedens gebilfigter | Memmingen, Nördlingen, Schweinfurt (324[_ Dt 
Umtaufch von B. gegen die Ofterreichiichen Nieder-|u. 898,000 Em.). Die begonnenen inneren les 
laude, wobei Karl Theodor den Titel König von|formen wurden jetst, nachdem der Kurfürft feinen 
Burgund annehmen jollte, wurde durch den Beoteft bisherigen Dinifter des Auswärtigen, den reis 


Bayern (ältere Verfafjung u. Pandjtände). 


31 


berm von Montgelas, an die Spite des Minie) Auf dem Landtage zu Karpheim beſchwor Heinrich 


kerums geftellt hatte, fortgejett u. nad) einander 
5Ruiferien, 1 Generallandesdirection mit 4 Pro- 
til» Yandesdirectionen, 4 Hofgeridhte, neue 
landgerihte m. Mentämter errichtet, für die Be- 
amten die Staatsprüfung eingeführt, Ablöfung 
der gundberrlichen Laſten, Bertheilung der Ges 
mendegründe gejtatter, Brandaſſecuranz 2c., dann 
1 General - Schul⸗ u. Studien» Directorium er» 
tichtet, beſſere Schuleinridhtungen getroffen, bie 
Umverfttät Jugolſtadt 1800 nad Landshut ver- 
legt, gleichzeitig Die Aufhebung der Klöfter, gegen 
200 an der Zahl, begonnen, ihre Sammlungen zc. 
ten Staatsinftituten u. höheren Lehranftalten zu» 
gewieſen u. bei. Die Gultur des Bodens verbeffert 
(ven 1799— 1803 maren in B. 111,566 Tag— 
werte Landes urbar gemacht worden, u. an ber 
doppelten Zahl wurde nod gearbeitet); 1803 er- 
felgten noch Edicte, betr. die Berbefjerung der 
magiftratiichen Berfaffungen, über die Preſſe u. 
den Buchhandel. Beim Ausbruche de3 Krieges 
zwischen Ofterreich u. Frankreich (1805) ftellte ſich 
der Kurfürft auf die Seite Frankreichs u. ließ am 
2. Det. bei Würzburg feine Armee zu den franzö- 
fihen Corps von Marmont u. Bernadotte foßen, 
mit Denen fie in Zirol u. Böhmen foht. In 
dem den Vertrag zwiſchen Napoleon u. dem Kur ⸗ 
fürften v. 8, Oct. 1805 bejtätigenden Frieden zu 
Bretzburg erhielt B. gegen BVerzichtleiftung auf 
das Bischum Würzburg (97 [IM mit 200,000 Ew.) 
anz Tirol, Vorarlberg, Burgau, die fehlenden 
Theile von Pafjau, Eihftädt u. Bezirke des jlid- 
õſtlichen Schwaben mit den Neichsftäbten Augs— 
burg m. Lindau (583 [JM mit 1,028,000 Em.). 
Am 1 Jan. 1806 nahm der Kurfürft dem Königs» 
titel an m. frat aus dem deutjchen Neichsverbande 
zum Rheinbunde über. 

E. B⸗s ältere Berfaffung u. Pandftände 
Bis zu deren Erlöſchen. Zur richtigen 
Beurtheilung der älteren bayerifhen Verhältniſſe 
und Zuſtände ift die Kenntniß der Geſchichte 
Diefes Factors unerläßlich, wie diejelbe außerdem 
an fih für die Rechte- u. Berfaffungsgeichichte 
der Deutjchen Völker überhaupt eine hohe Bedeut- 
ung befigt. Schon in den älteften befannten baye- 
riſchen Geſetzen, welde aus der gleichen Periode 
wie die Saliſchen Gejege ftammen, findet fich aus- 
drädiih conftatirt, daß diejelben unter Mitwirk- 
ung des geſammten Bolfes erlafien wurden. Bei 
wichtigen Verhandlungen tiber das Gemeinweſen 
traten alle Freien zur Entjcheidung zufammen. 
Bor u. nad Karl d. Gr. gelangten die Herzöge 
sur Durch die Vollswahl zur Regierung, u. jelbft 
der genannte Kaifer fand es notwendig, auch die 
Berurtheilung des Herzogs Thaffilo durch ein 
Bolksgericht formell ausiprehen zu laffen. Noch 
Kaifer Nudolf von Habsburg mußte die Vollks— 
verjammlung der mit B. verbundenen Landestheile 
Oſterreich u. Steiermark zu gewinnen fuchen, um 
Lie Wahl feiner Söhne Albredt und Rudolf zu 
erlangen. Es entwidelte fi die Periode des 
Eehnöwefens. Die Zahl der Freien ſchmolz mehr 
m. mehr zufammen Was früher Gemeinvecht 
Aller geweſen, verwandelte fih allmählich in ein 
Borredyt Einzelner. Aber der Übergang erfolgte 


der Löwe im J. 1127 die Landesfreibeiten; auf 
einem anderen Landtage (1161), auf welchem der 
Fürſt Gericht hielt, erſchienen neben ihm wicht 
nur die Bornehmen, ſondern auch die Yeute des 
Volles. Verkaufte der Herzog eine Domäne, fo 
geihah es unter Auftimmung dev Geſammtheit. 
Ganz allgemein beftaud das alte Verhältniß fort, 
daß fein Freier eine Steuer zu entrichten ſchuldig 
war; was er gewährte, galt als freiwillige Gabe, 
zur Erreichung eines gemeinfamen Zwedes. Die 
bayerische Yandichaft als ſolche u. in ihren mittel- 
alterlihen Formen entftand aus Verbindungen, 
Föderationen, die man, ohne üble Bedeutung des 
Wortes, Gonipirationen, Verſchwörungen nannte, 
im Sinne von Zufammenjchwören Gleichgefinnter 
u. Gleihbetheiligter (wie aus Aventinus erjichtlich). 
In ihrer Geldverlegeuheit riefen die Herzöge Die 
Boruehmen u. Geringen (darunter and die Dienft- 
mannen) auf, fie jollten vathen, wie zu helfen 
ſei aus der Noth. Dieie verjammelten fich 1302 
zu Schnaitpach. Die Bitte um Gewährung einer 
Viehſteuer ward für diesmal bewilligt, aber unter 
Verwahrung für die Zukunft; Alle verbanden ſich 
dagegen mut einem Eide. Die Herzöge Nudolf 
und Ludwig (der nachmalige Kaifer Yudwig der 
Bayer) mußten fir ſich u. ihre Erben beſchwören 
u. befiegein, fürbaß keine Steuer zu nehmen an 
deren Leuten oder Gut, oder an ihren Erben. 
Es war dies die erfte befannte Einigung ſolcher 
Art. ALS die Herzöge Nudolf und Ludwig nad) 
ihres Vaters Tode in Zwiſt gerietheu, forderte 
fie die Landichaft zur Söhnung auf (1310). Die 
verfammelten Stände waren es, welche die Theil» 
ung des Landes befchlofien, indem die Ober-Bayeru 
Ludwig, die Nieder- Bayern Rudolf zum Herzog 
wählten. Herzog Otto erlangte die Bewilligung 
einer freiwilligen Abgabe; er bedurfte der aus» 
drüdlihen Genehmigung der Stäude, um ein fol 
des Gratum subsidium auch nur von feinen 
eigenen Grundholden erheben zu dürfen. Ebeuſo, 
wie die Fürſten von Aragonien ihren Cortes, 
mußten die bayerifhen Herzöge ihren Ständen 
die Befugniß zu bewafjnetem Widerſtande gegen 
Willkür als förmliches Recht anerlennen u. ver- 
briefen. Auch in Ober-B. ſiellten die dorligen 
beiden Herzöge 1315 zu Münden eine ähnliche 
Anerfennung des Nechtes bewaffneter Verſamm— 
fung u. bewaffneten Widerftandes gegen fürftliche 
Übergriffe aus. Auch Krieg beginnen oder Frieden 
fliegen durften die Fürſten nur unter Zuftimm« 
ung der Stände. Beranlaßt durch die Aus- 
jchweifungen u. Verſchwendungen der niederbaye- 
riſchen Herzöge traten Ritter u. Städte ohne Zur 
mult vertragsmäßig um Michaelis 1324 zu Mer 
geusburg zujammen u. gelangten zu dem Be- 
Ihluffe, den Herzögen, die ſich felbft zu zügeln 
nicht verftünden, dem Bigel der Regierung nicht 
mehr allein zu belaffen, jondern ihnen zwölf aus 
der Zahl der aumejenden Geſchworenen beizuord- 
nen, an deren Buftimmung jene Fürſten in allen 
widtigen Angelegenheiten gebunden jeien; alle 
Bünde, welde diefelben in oder aufer Yandes 
geihloffen, müßten fie binnen zwei Monaten auf 
löfen; die Beamten feien auf die Große Handfejte 


gleichwol viel langfamer, al3 man meiſtens glaubt. ]zu vereidigen; gegen Willtür ftehe das Land auf, 


32 


u. gefhieht alsdann nicht gegen die Treue, Wenn 
die Herzöge Dagegen thun, find Land und Yeute 
ihres Eides ledig und mögen fidh jelber helfen. 
Ritter nahmen von Landeß wegen die Feſte im 
Befig. Als 1340 der junge Herzog Johann ge» 
ftorben war, traten Witter u. Städte zu Lands» 
but zuſammen, um einen neuen Herzog zu wäh- 
ion, Die Wahl fiel auf Ludwig den Bayer (von 
Ober-B.), der jedoch eine förmliche Wahlcapitu— 
lation eingeben u. namentlich beſchwören mußte, 
dag Ober» u. Nieder-B. politifh nicht mehr ge» 
trennt werden dürften, obwol beide ihre eigene 
Verwaltung und ihre eigenen Binde behielten. 
Wie ſich aus den vorftehenden Thatjachen ergibt, 
varen es nicht Klerus u. Model, welche zuerft als 
Stände auftraten, fondern Ritter u. Städte; erſt 
jpäter ſchloß fich Die Geiftlichkeit an, u. zwar nicht 
friiher, als im letten Decennium des 14. Jahr: 
bunderts. Die Bünde waren lange Zeit vor- 
übergehender Art, nah den jeweiligen Bedürf— 
uiffen; erjt jpäter wurden fie dauernd. Im J. 
1347 bejchlojjen Nitter u. Städte zu Landshut, 
die Söhne Ludwigs des Bayern als Herzöge an- 
zuerfennen; fie ſchloſſen aber gleichzeitig, u. zwar 


Bayern (ältere Verfaſſung u. Landftände.) 


lafien. Die Beichwerden wurden abgeftellt, die 
Rechte des Landtages anerfannt, u. ſelbſt als die 
Stände des Deutichen Reiches 1492 dem Kaifer 
eine Reichshilfe bemilligt hatten, fchrieb der Her- 
zog dem Kaifer, Zug u. Macht nicht zu befigen, 
jolhen Anſchlag u. Steuer ohne Verwilligung der 
gemeinen Landichaft zu erheben. Das Streber 
des Fürften während der zmeiten Hälfte feine 
Hegierung, die Nechte des Landes zu achten, fand 
lohnende Anerfennung. Als die Landshut: Fngol« 
ftadter Dynaftie 1503 ausgeftorben war, ernannte 
der Landtag eine aus 8 Kittern, 4 Präfaten und 
4 Städtern gebildete Regeutſchaft. Im J. 150% 
traten die Bertreter der verſchiedenen bayeriſchen 
Tandbichaften zum erften Mal wieder in einer 
Berjammlung zufammen. Da Thronprätendenter 
mit einem bewaffneten Einfalle drohten u. e8 a: 
Geld für die Truppen fehlte, ward ein Anleher 
bewilligt; die Schuldbriefe wurden von der Land— 
ſchaft ausgeftellt. Es mar dies die Zeit der höch— 
fien Blüthe des bayerifchen Berfaffungswejens, 
zugleih die des größten u. glänzendften Volks— 
wohljtandes. Der glüdliche Zuftand währte in- 
dei nur furze Zeit. Schon unter der Bormund- 


unter der Fürſten Zuſtimmung, eine ewige Eid- ſchaft Wilhelms IV. Tießen die einzelnen Stände 


enofjenfchaft zur Aufrechthaltung ihrer Freiheiten. |fidd gegen einander hetzen. 


beilungen des Yandes fonnten mur unter Zu— 
flimmung der Stände erfolgen; diefelben verftan- 
den ſich aber wiederholt dazu, weil der eine Prinz 
diefem, der andere jenem Landestheil mehr zu- 
fagte. Dabei wurden jedoch die Rechte des Lau 
des ftetS forgfam gewahrt, und zwar nicht bloß 
theoretisch, jondern noch mehr praftiih. Als Her: 
zog Meinhard eine leichtfertige Wirthichaft führte, 
traten die Stände zufammen u. zwangen ibn, zu 
Münden unter Aufficht zu leben, um der Regier— 
ung fähig zu werden. Ungeachtet der Trennung 
des Landes vereinigten fi 1404 die Stände aller 
Landihaften, In Ober⸗B. wählten 1429 die bei- 
den Laudſchaften Zwölf aus ihrer Mitte, je zur 
Hälfte Ritter u. Städter (feine Geiftlichen), welche 
in Abmwefenheit der Landſchaften die Rechte jedes 
Mannes, der verlegt würde, zu wahren hatten. 
Dabei erfolgte die —— einer Steuer, aus- 
ſchließlich zum Behufe der Wahrung diefer Rechte 
u. Freiheiten. Die Fürſten mußten ſtets vor der 
Huldigung diefe Rechte u. Freiheiten beftätigen; 
jögerte ein Dergon ‚ jo ward die Huldigung ver« 
weigert. Die Rechte aber betrafen nicht bloß die 
eines einzelnen Standes, fondern aller Klafjen 
des Volles; fie wurden verheißen allen Prälaten, 
Pfarrern, Grafen, Freien, Dienſtmannen, Rittern, 
Knechten, Städten, Märkten, Bürgern, Bauern, 
arın und reih. Wurden Steuern genehmigt, fo 
erfolgte die Erhebung derſelben u. die Aufbemwahr- 
ung der Gelder nicht durch fürftlihe Beamte, 
fondern durch Beauftragte der Stände; nicht ein« 
mal bei ihren eigenen Grundholden durften die 
Herzöge die bereits bemilligten Abgaben erheben. 
Albrecht IV. erpreßte eigenmächtig Steuern und 
fuchte eine Schredensherrichaft zu begründen. Da 
bildete fi gegen ihn der Lömenbund, der feine 


Dadurh ward ihre 
Krait gebroden; an anderweiten Corruptions« 
mitteln fehlte e8 ebenfalls nicht. Nachdem der 
Herzog volljährig geworden, regierte er bis ins 
dritte Jahr ohne Freiheitsbeſtätigung, wie ohne 
Yandtag, aber au ohne Huldigung. Es entjtand 
eine vollftändige Gewaltherrſchaft. Endlich nöthigte 
ihn die Finanzzerrüttung 1514 zur Berufung der 
Stände. Diefe erhoben gewaltige Klagen über 
das Willfürregiment, das fie dem Fürften ohne 
Umſchweife vorwarfen. Sie ernenerten aber auch 
die alten Bünde, durch welche Adel, Prälaten u. 
Bürger fi) gegenfeitig verpflichteten, künftige Ein— 
griffe in ihre gemeinjamen Rechte, jowie in die 
eines einzelnen Standes mir allem Nahdrude zu- 
rüdzuweifen. Gleichzeitig erhob Ludwig, der zweite 
Sohn des verftorbenen Herzogs, Auſprüche auf die 
Regierung. Kaifer Marimilian I. felbft wies, dei 
alten Rechten gemäß, die Entſcheidung den Stän- 
den zu. Diefe, an deren Spite der Ritter Diet- 
rich don Plieningen ftand, entjcieden: das Land 
milfje zwar veremigt bleiben, beide Prinzen joll« 
ten aber gemeinfam regieren, mit einem Hofe, 
einem Rathe u. einer Kanzlei; die Beſetzung der 
Amter folle, bis Beide das 24. Fahr zurüdgelegt 
hätten, durch die Landſchaft geſchehen; ſonſt gäbe 
es fein Mittel, den Hader zum allgemeinen Beften 
beizulegen. Die Prinzen nahmen diefe Enticheid« 
ung an, u. die Anordnung ward in voller Ruhe 
vollzogen. Da verfagte auf einmal der Kaifer, 
welcher die Fortdauer bes inneren Bwiftes im 
Nachbarlande wünſchte, die Beftätigung, umter dem 
Borwande, er könne nidht dulden, daß die landes«- 
herrliche Gewalt von den Ständen fo jehr herab» 
gewilrdigt werde; er felbft wolle die Brüder eini- 
gen. Solder Stüge ſicher, verhöhnte Wilhelm 
die Stände. Die Brüder, erfennend, daß ihre 


Sache nicht bloß mit dem Schwerte, fondern auch |Uneinigkeit fie Beide unter der Macht des Pand- 
auf dem Rechtswege vor dem Kaifer fo trefflich tages halten werde, verfländigten fih zu einer 
führte, daß der Herzog nachgeben mußte u. nun dem Namen nach gemeinfamen Regierung, wobei 
auch fo Hug war, weitere Gewaltthaten zu unter-!jedoh Wilhelm die Macht in fich vereinigte. Der 


Bavern 


Hof mußte einzelne Adelige zu gewinnen, u, nun 
degann ein ſyſtematiſcher Kampf gegen die Stände. 
jwar mußten die Herzöge 1516 endlich die alten 
sräibeiten derfeiben anerfennen, worauf die Hul- 
zung erfolgte; allein e8 war dies nur ein Nach— 
geben zum Scheine. Der Landtag beging in die 
jer Zeit dem ?yebler, die Wahrung feiner Rechte 
meit bloßen Ausihüffen, den Verordneten, an« 
vertrauen. Je weniger zablreid eine foldhe 
Corpotation, deſto leichter wurde e8 den Fürſten, 
ne einzelnen Mitglieder wanfend zu machen u. 
a gewinnen. Dann nahmen die Fürſten das 
Recht in Anfpruch, ihre Kammerbauern (Grund- 
beiden) eigenmächtig zu befteuern; endlich aber 
apregten fie 1536 ich bemilligte Steuern, und 
von nun an brachten fie e8 dahin, daß der Aus- 
ug, angeblich unter dem Drange der Umftände, 
iünen ftets zu Gefallen war; überdies fchufen fie 
men neue, indirecte Auflagen, wobei fie ftändifcher 
yuftimmung nicht zu bedürfen behaupteten. Al- 
dreht V, leß fih fogar von feinem Schwager 
Kaler Rarimilian II. 1566 ein Privilegium aus- 
tilen, den von den Ständen zur Schuldentilgung 
pitweilig bewilligten Auffchlag nicht nur zu ver- 
doppeln u. auf ewige Zeiten zu erheben, jondern 
uch die Erträgnifje defjelben für Hofausgaben zu 
verwenden. Und doch hatte der nämliche Kaiſer 
at wenige Monate zuvor die Mechte der Stände 
eusdtuctlich beſtätigt. Maximilian I. (der nach— 
mals ſogen. Große Kurfürſt) beſtätigte zwar un— 
—& die Freibriefe der Landſchaft, wogegen 
er die Huldigung erlangte, achtete auch die Rechte 
*r Stande ın Dingen, die ihn in feinen Plänen 
act dinderten, — jo ift das Landrecht von 1616 
eme ſchöne Frucht langjähriger Berathungen mit 
er Yandihaft, — dagegen jchrieb er 1620, ohne 
die Stände zu berufen, nur anf Vergleich mit 
ten Berorbnneten u. kraft feiner fürftlihen Macht 
Sienen aus. Als der Ausſchuß endlih im J. 
1634 Anftand nahm, eine Erhöhung des Aufe 
Sage qutzubeißen, verwies der Fürſt den 
Serordneten ihre Lauheit u. Ungeichidlichkeit in 
Herten orten u. verfügte aus eigener Macht. 
ze ganze Landſchaft vernichtete er eigentlich da— 
derch, daß er diefelbe während der letzten 39 Jahre 
mer Regierung nicht mehr berief, fondern ftets 
euhorder bloß mit dem Ausichuffe verhandelte, 
oder kurzweg eigenmächtig verfügte. Im J. 1669 
wad der leiste allgemeine Landtag ftatt. Vergeb- 
ich machten die Stände einen Berfuh, fi auf: 
meafen, Ihre Beſchwerden über Willlür des 
»oied, Corruption des Gerichtsweſens ıc. verhall- 
u wirkungslos. Die allgemeine Strömung ber 
set führte zum Abſolutismus. Nur der Aus- 
duß blieb beftehen. Diefer ergänzte fich ſelbſt; 
ser Kurfürft konnte bei Erledigung von Stellen 
me Günftlinge mit Erfolg empfehlen; die Ber: 
daeten hatten felbft ein Intereſſe daran, bie 
Berufung des Landtages zu verhindern; ſchon auf 
“m legten Landtage hatten fie der Landichaft das 
a Rechnungsweſen vorenthalten, u. die Stände 
hauen diefes Berfahren jchlieglih gebilligt. Die 
Sehäfte mwinden min von den Verordneten mit 
*t größten Heimlichteit behandelt. Sie follten 
"4 jährlich zweimal, u. zwar je am Hanptorte 
er Provinz verfammeln; thatſächlich erfolgte 
Piererd Univerfal-Eonverfations:teriton. 6. Aufl. 


— 


o 
o 


Geſch.). 3 
der Zuſammentritt nur einmal, u. zwar für alle 
Landestheile in Münden. Der gewaltthätige Mar 
Emanuel führte, ſelbſt ohne nur die Verordneten 
vernommen zu haben, neue indirecte Auflagen 
ein u. verwandelte nur vorübergehend bewilligte 
Steuern im beſtändige. Das nannte man Höf— 
anlagen, Unter Karl Albredt fam es dahin, daR 
die Alles bewilligenden Verordneten fi von dem 
Fürſten Reverſe ausftellen ließen, daß er fie we» 
gen der ihre Befugniß überfteigenden Bewillig- 
ungen gegen die Landſtände vertreten wolle. Der 
Kurfürft befannte mit Bereitwilligkeit urkundlich, 
daß dies u. das gegen die Landesfreiheiten fei, 
u. die Verordneten bielten damit ihr Gewiſſen 
beruhigt. Marimilian III. Joſeph ließ die Ver— 
ordneten zwar mitwirken bei Abfaffung der neuen 
Geſetzbücher, vermehrte aber eigenmächtig feine 
Gefälle. Auch der Dynaftiewechiel brachte feine 
Anderung. Somwol Kari Theodor, als Marimi 
tan IV. Joſeph beftätigten beim Negierungsan- 
tritte die alten Freiheiten, befümmterten fich aber 
tbatfächlih nicht um diefelben. Die franzöfiiche 
Revolution hatte zwar die Gemüther auch in B. 
nicht unbedeutend erregt. Anfangs des J. 1800 
erflärten die zu Poftulatshandlungen einberufenen 
Berordneten, ihre Vollmadıten jeren beichränft u. 
längft erlojhen, fie bäten um Berufung eines 
allgemeinen Landtages. Allein nun konnte die 
Negierung ihnen entgegenhalten, daß die Aus- 
ſchuſſe auf den Grund der nämlichen Bollmachten 
130 Jahre lang —— u. mehr als 100 Mil- 
lionen auf des Landes Koften bemilligt hätten. 
Die alten Zuftände konnten in Wirflichfeit nicht 
nur feine Sympathie erweden, fondern überhaupt 
jetst nicht mehr befriedigen. Darum vernahm es 
das Bol mit Gleichgiltigfeit, als die alte Laud— 
ſchaft im 3.1807 befeitigt wurde, indem die Re— 
gierung den ftändifchen Kaffen das bis dahin noch 
immer von dieſen geübte Steuererhebungsredt 
förmlich abnahın. Bgl. Sammlung bayerifcher land» 
ſtändiſcher Freiheitsbriefe u, fogenannter Handfeften, 
Münch. 1779 (diefe Urkunden beginnen mit dem 
J. 1311); Panzer, Verſuch über den Uriprung 
und Umfang der lanbftändifhen Rechte in B., 
Münd. 1798; Krenner, Die Landtagsverhand- 
lungen in den J. 1489—1513, 18 Bde, Münch. 
1808—5; Derf., Anleitung zur näheren Kenntniß 
der bayerischen Landtage im Mittelalter, Münch. 
1805; Rudhart, Die Geichichte der Yandftände in 
B,., 2 DBde., Heidelb. 1816, 2. Aufl., 1819. 
F)®B. als Königreich, bis 1848. Als Mari- 
milian Joſeph 1806 die Königswürde annahm, 
umfaßte B. ungefähr 1600 [_M mit etwa 3 Mill, Ew. 
Es erhielt im demfelben “Jahre gegen das Her- 
zogthum Berg die Markgrafichaft Ansbach (68[_ML 
nut 245,000 Em.), gegen Abtretungen an Wiürt« 
temberg die Reichsſtadt Nürnberg ſammt Gebiet 
(20 [IR mit 80,000 Em.), im Ganzen einen 
Zuwadhs von 37 [MR mit 240,000 Ew. Wei— 
tere Meformen eröffneten die neue Ara. Die 
Berhältniffe der Mediatifirten u. des Adels wur— 
den nun geordnet, Gleichheit der Abgaben u. zu 
dem Behufe ein genauer Steuerfatafter eingeführt, 
Städteordnungen erlaffen, die Leibeigenichaft de- 
finitiv aufgehoben, die Armee im einen Achtung 
gebietenden Stand gefegt zc. Die Alademie der 
Il. Band. 3 


34 


BWiffenichaften erhielt 1807 eine neue, zweckmäßige 
DOrganifation; 1808 wurde das Mauth-, Boit-, 
Salinen-, Forft- und Bergweſen neu organifirt, 
eine neue Gerichtsordnung und ftädtifche Polizei— 
ordnung eingeführt, eine Akademie der bildenden 
Künfte errichtet, eine eigene Section des Miniſte— 
riums des Innern für das Kirchenweſen aus fa- 
tholischen u. proteftantifchen Räthen gebildet, das 
Gemeindeweſen georonet u. am 1. Mai eine ber 
für das Königreich Weftfalen erlaffenen nachge— 
büdete neue Verfaffung nah dem Hepräfentativ- 
foftem veröffentlicht, obwol diefelbe in dem Drauge 
der Zeit nicht ins Leben trat. Gegen ſolche Grund» 
reformen fehlte es nicht an Widerftand, am auf 
falleuditen in Tirol. In dem Kriege gegen Preu- 
ben u. Rußland von 1806 u. 1807 ftellte B. als 
Glied des Yiheinbundes zur franzöftihen Armee 
30,000 M., die theils in Schlefien, theils in Po- 
jen u, Preußen fämpften; im Öfterreichifchen Kriege 
gegen Frankreich von 1809 wurde B. Kriegsichau- 
plag; aber die Dfterreicher wurden durch die 
Schlacht bei Abensberg u. Eckmühl und die Ge— 
fechte bei Rohr, Landshut u. Regensburg bald 
vertrieben, wobei die bayerische Armee tapfer fodht. 
Doch wurde B. durch den Aufftand der Tiroler fort- 
während beummbigt, Im Frieden zu Wien 
(14. Oct. 1809) mußte B. das jildliche Tirol an 
Italien, Ulm u. mehrere andere Landichaften an 
Württemberg, Schweinfurt u. einige Theile des 
Maintreifes an Würzburg (491,000 Em.) abtre- 
ten, erhielt aber dafür Salzburg mit Berchtes- 
gaden, das Inn- u. Hausrudviertel, das Fürften- 
thum Regensburg, die Marfgrafihaft Bayreuth u. 
einige württenibergiiche Landftrihe (565,000 Ew.), 
fo daß es nun etwa 3,700,006 Seelen zählte. 
1812 marſchirten 30,000 M. mit ben Franzoſen 
nah Rußland u. fanden dort ihr Grab; die im 
November nachgeſandten Erfagmannfchaften(10,000 
M.) erhielten in den Oder- und Weichjelfeftungen 
Berwendung. Eine neue Armee wurde 1813 ge- 
bildet, von welcher eine Divifion zum franzöftichen 
Heere ftieß, während der übrige Theil unter dem 
Feldmarſchall Wrede am Inn eine Stellung ge- 
gen Dfterreih einnahm. Indeß der Napoleoni- 
ſchen Bafallenfchaft u. des franzöfiihen Drudes 
müde, jchloß Mayimilian Joſeph am 8. Dct. 1813 
mit Öfterreich den Vertrag zu Ried, wobei ihm im 
Allgemeinen der freie Beſitz feiner Staaten ge 
fichert, zwar Abtretungen an Oſterreich bedungen, 
dafiir aber Entihädigungen verheißen wurden. 
Unter der Führung Wiedes fochten dann die 
Bayern bei Hanau u. 1814 bei Brienne, Arcis- 
ſur⸗Aube x. Am 4. Juni 1814, 5 Tage nad) 
Abſchluß des erſten Parijer —— lam zwi« 
ſchen Öfterreih u. B. zur Bo 

Tractats ein näherer 
welchen B. an Oſterreich Tirol u. Vorarlberg, das 
un» u. Hausrudviertel abtrat u. dafür Würz- 
burg u. Aldhaffenburg u. das Amt Hedwig er« 
hielt. Für die hierdurch entftehende Einbuße B-3 
wurde ihm die Bermittelung dafür verfprocen, 
daß es die Rheinpfalz mit einem das Gebiet am 
Rhein u. das am Main verbindenden Landftriche 
erhalten folle. Durch nenen — vom 14. April 
1816 erhielt dann B. für die Einbuße einen von 
Oſt⸗ B. getrennten Landſtrich am linken Rheinufer, 


ertrag zu Stande, durch hebung der 


Bayern (Geſch. bis 1819). 


die jetzige Pfalz; der verſprochene verbindende 
Landſtrich wurde nicht gewährt, ſondern nach dem 
Abſchiede der Territorialcommiſſion vom 20. Juli 
1819 von Baden ein Theil des Amtes Wertheim 
und von Oſterreich eine jährliche Rente von 
100,000 fl. B. wurde damit von 1700 [JM 
mit 3,700,000 Em. auf 1388 [_JM mit 3,560,000 
Ew. verkleinert. Dem neuen Deutihen Bunde 
(8. Juni 1815) trat B. nur unter Wahrung jei- 
ner Souvderänetätsrechte bei, Auch mwährend der 
bewegten Zeit von 1809—16 ruhten die Reforn- 
arbeiten im Innern nicht: 1809 wurde die Städte- 
ordnung vervollftändigt, gleiches Maß, Gewicht u. 
Münze eingeführt, das Rechtsverhältniß der Ein- 
wehner in Bezug auf Religion u. firchlihe Ge— 
ſellſchaften geordnet, Specialgeridte, Schuliehrer- 
jeminarien und eine Gonfiftorialerdnung für Die 
Proteftanten eingeführt, die Univerfität Altorf auf- 
gehoben, 1810 der Yandwirtbichaftliche Berein ge- 
gründet, 1811 die Schulentilgungscommiffion er- 
richtet, das Fideicommiß- u. Majoratswejen ge» 
ordnet; 1812 erfolgte das Edict über Indigenat, 
Staatsbürgerrecht, die Rechte der Fremden ın B,, 
1813 die Errichtung des Reichsarchivs, die Ber- 
fündung des Allg. Strafgeſetzbuches, das Edict 
über die Berhältniffe der Juden, 1815 Errichtung 
einer ftändigen Gommijfion für Civil- und 
Eriminaigejeggebung im Juftizminifterium, 1816 
die Organtjation der Regierung in der Rhein— 
pfalz. Am 2. Febr. 1817 erhielt der Premier- 
miniſter Montgelas, bauptjählih auf Betreiben 
Öfterreichs, feine Entlajjung; es wurde ein neues 
Minifterium gebildet u. der Staatsrath organiftrt; 
das Land erhielt eine neue Eintheilung in 8 Kreije 
(Flar-, Unterdonau⸗, Regen⸗, Oberdonau-, Rezat⸗, 
Obermain-, Untermain- und Rheinkreis), jedem 
Kreiſe eine Regierung mit je einer Kammer für 
innere u. je einer Kammer für Finanzangelegen— 
heiten vorgejeßt; dur Edict vom 17. Mai 1818 
erhielten die Städte u. Gemeinden ihre Selbft- 
verwaltung wieder, die ihnen früher entzogen 
worden war, u. wenige Tage danach gab Mari- 
milian Jofeph eine Berfafjung (26. Mai 1818), 
durch welche B. ein conftitutioneller Staat wurde, 
der erjte größere in Deutfchland und die heute, 
allerdings unter weſentlichen Modificationen, nod) 
giltig ift; zugleich wurden durch bejonderes Edict 
die proteftantiichen Kirchenangelegenheiten neu ge- 
ordnet und durch Abichluß des Concordats am 
5. Juni 1817 aud die der Katholiten regulirt. 
Dem zufolge follten künftig in B. 2 Erzbisthümer 
(Münden u. Bamberg) u. 6 Bisthiimer (Paſſau, 
Regensburg, Augsburg, Eihitädt, Würzburg u. 
Speyer) beftehen. Beide Edicte wurden der Bere 


ziehung bes Rieder |faffung einverleibt. Außerdem hatten nad Auf: 


Hochſchulen zu Dillingen u. Bamberg 
die Landesuniverfitäten Landshut, Wirzburg u. Er» 
langen neue Sagungen erhalten, und waren die 
wiſſenſchaftlichen Sammlungen u. Inſtitute beden- 
tend vermehrt worden, In der am 4. Febr, 1819 
eröffneten Ständeverfammlung wurde die Offent⸗ 
lichkeit der Verhandlungen beſchloſſen. Aber über 
das Budget, befonders die Schuld von 105 Mitt, 
u. das jährliche Deficit von 700,000 fl., fam es 
zu gereizten Auftritten, fo daß die Regierung, jo» 
bald das Budget, rejp. das Gjährige Finanzgeſetz 


Bayern Geſch. bis 1837). 


bewilligt war, die Kammern am 16. Juli fchlof. |felben. 


Der Landtag hatte außerdem eine neue Zollord- 
mung u. Geſetze für eine beffere Gerichtsordmung zc. 
jeigehellt. Der 2. Yandtag von 1822 hatte zum 
eriten Mal die Rechnungen über die öffentlichen 
innahmen u. Ausgaben zu prüfen u. fand dabei 
namentlich im Milttäretat folhe Überſchreitungen, 
daß er fi veranlagt ſah, auf Vereinfachung der 
Ditärverwaltung zu dringen; dann aber berieth 
er das Hppothelen» und Prioritätsgejep. Der 
3. fandtag von 1825 befchäftigte fich wieder haupt- 
Khüh mu Zinanzangelegenheiten, genehmigte die 
Gründung der jogenannten Amortifationstafje, die 
mit der Staatsſchuldentilgungslaſſe verbunden 
wurde. Durch die 3 Yandtage ward menigftens 
eine neue Belaftung der Unterthanen umgangen 
— ein jedenfalls günftiges Rejultat. Am 13. Oct. 
1825 ftarb Marunilian I. Joſeph, im ganzen 
Lande aufrichtig betranert. Ihm folgte fein Sohn 
Ludwig L., der ſogleich durchgreifende Reformen 
zur Ordnung der ae und Sicherung des 
Staatshaushaltsetats traf, überflüffige Behörden 
aufbob, die Foftipielige Garde zu Fuß u. zu Pferd 
in Xinientruppen verwandelte u. die Streisregier- 
ungen vereinfachte, außerdem wurde jeder Mi— 
nfter verantwortlich gemacht, mit den für fin 
Nuiferium bemilligten Fonds auszulommen. Die 
Cenſur für alle nicht-politifhen Blätter wurde auf« 
gebeben u. dem Minifterium des Innern eine neue 
Sechon, der oberfte Kirchen- u. Schulrath, bei- 
gegeben, in welcher auch die Proteftanten vertre- 
em waren. Beim Militäretat wurde jährlich 
mehr als ı Million erjpart u. dem Schuldentilg- 
ungsfonds zugewieſen. Auderſeits wurden bebeu- 
tende Summen für die Berfhönerung der Haupt: 
Radt aufgewendet; es wurden nach u. nach unter 
udewig die Prachtbauten aufgeführt, welche Miinchen 
zu einem Lieblingsſitze der Kunſt ftempelten. Auch 
in den Provinzen wurden großartige Bauten unter- 
aomnıen, jo (jpäter)die Walhalla bei Regensburg u. 
die Befreiungshalle bei Kelheim; auch nahm Kö— 
ng Ludwig den Plan eincs Kanals, der den Main 
mit der Donau verbinden jollte, wieder auf; das 


35 


Auf dem 5. Landtage von 1831 fam, 
uachdem die Zweite Kammer entfchieden gegen Be- 
willigungen für die Prachtbauten fich erflärt ır. in 
der That bedeutende Erjparnifje Duurchgefegt, das 
infolge der Ereigniffe von 1830 erlaffene Genfuv« 
edict vom 28. Juni 1831 als eine Verlegung der 
Berfaffung zur Sprade, u. mußte die Negierung 
nah Beihluß der Kammer daſſelbe zurlüdzieben. 
Diefe Niederlage der Regierung führte zum Nüd- 
tritte des bisherigen Miniſteriums, das nun durch 
ein anderes erfegt wurde (Fürſt Ludwig von Ot— 
tingen-Wallerftein für das Innere), deshalb aber 
die Bewegung in der Pfalz nicht bintertreibeu 
fonnte, wo gegenüber den Preßmafregeln der 
Regierung fich ein Verein zur Unterftügung der 
freien Preffe gebildet hatte, u. endlich die Unzu— 
friedeuheit am Hambader Feſte (27. Mai 1882), 


das im Gonftitutionsfefte zu Gaibach bei Würz— 
burg für die rechtsrheiniſche Zeite einen Wider: 


ball fand u. dem im verjchiedenen Städten Auf- 
läufe folgten, zum Ausdrude kam. Die Kegier- 
ung jandte den Feldmarſchall Fürften Wrede mit 
einem Ziruppencorps in die Pfalz, der ohne 
Scwertftreih die Provinz zur Ruhe brachte, ı. 
verfolgte mit aller Strenge die Hauptiprecher bei 
diejen Feſten, ſowie die Hauptführer der radicalen 
Partei (Wirth, Siebenpfeiffer, Behr zc.), jchritt 
auch gegen die Univerfitäten ein, nachdem baye— 
rifhe Studenten fih am Frankfurter Attentat ber 
theiligt; namentlich aber wurde überall die Preffe 
der ftrengiten Überwachung unterzogen. Während 
diefer Proceduren hatte König Ludwig feinen Lieb— 
lingsplan durchgejegt, feinen zweiten Sohn Otto 
zum König von Griechenland erwählt zu ſehen, 
wodurch aber dem Lande neue jchwere Opfer eı- 
wuchſen u. damit wieder neue Berftimmung im 
der Bevölkerung wachgerufen wurde. Das jahr 
1833 bradte dur Bertrag vom 15. Mai den 
Anſchluß B-s mit Württemberg an den Preußi- 
chen Zollverband, wodurch der Allgemeine Deutſche 
HBollverein vom 1. Juni 1834 angebahnt ward. 
Der Yandtag von 1834 (8. März bis 28, Juni) 
bewilligte für die Feſtung Ingolſtadt 20,189,836 fl., 


Project warb aber erft 1836 wirklich in Angriff ftellte die Civillifte des Königs für immer feft u. 


genommen u. fand 1845 feine Beendigung (f. Yud- 
mgslanaf); 1827 verlegte Ludwig die lluiverfität von 
Yandshut nah Münden. Durch ein Geſetz des 
4. Landtages, von 1827, wurde B. eine Pro- 
dinzialverfaſſung gegeben durch die Einführung 
des ın der Pfalz bereits beftehenden Inſtituts der 
Landräthe auch in den auderen 7 Kreifen. Seit 
1827 wurden, den bis jett nicht erfüllten Stipu— 
Itionen des Coucordats zufolge, geiftliche Orden 
a. öfter wiederhergeftellt und durch ein Fönigl. 
Reieript in Rheim-⸗-B. das beftandene vereinigte 
Seminar der Schullehrer für Proteftanten 2 . 
tholifen getrennt; für die proteftantifche Geiftlich- 
lei entwarf das Oberconfiftorium neue Discipli- 
Kargefege u. führte eine firenge VBeauffichtigung 
für diefelbe ein. Wirkten dieje Re erbit« 
teınd gegen ihren Urheber, den Diinifter v. Schent, 
® gewann auf der anderen Seite der König neue 
Sompatbien durch die lebhafte Unterftügung, welche 
et der griechischen Sache angedeihen ließ. Die po- 
Anihe Bemeguug des Jahres 1830 berührte B. 
tum, um fo tiefer aber die Nachwirfungen des— 


radicirte dereu Betrag (2,350,580 fl.) auf die ge» 
ſammten Staatsdomänen; dann genehmigte er das 
Geſetz über Errichtung der Bayeriſchen HYpotbe- 
fen» u. Wechſelbank. Indeß dauerten die politis 
ſchen Proceſſe fort, die jelbft gegen 6 Männer 
wegen Theilnahme am Verſuche, Wirth zu ber 
freien, mit Todesurtheil endeten. Den Mitglie- 
dern der Unirten und Nicht-unirten Griechifchen 
Kirche wurden gleiche Nechte mit den Anhängern 
der drei übrigen chriftlichen Kirchen ertheilt. 1835 
murde die Eijenbahn von Nürnberg nach Fürth 
eröffnet, die erjte in Deutichland, ebenjo tie Hy— 
pothefeu- und Wedjelbant, ein neuer, ftrenger 
Studienplan u. Disciplinarordiiung für die Uni— 
verfitäten eingeführt; und in das J. 1836 fallen 
die Abbitten vor dem Bildniß des Königs u. an— 
dere Zwangsdemüthigungen gegen die Nadicalen 
von 1832 u. die Anordnungen über ſtrenge Bes 
auffichtigung der Beamten, 1837 erfolgte die Um—⸗ 
wandlung der Kreife in Regierungsbezirke mit den 
alten Landesnamen (f. Geogr.). Da der Landtag 
von 1837 u. felbft der Minifter Wallerftein als 
3* 


30 


Reichsrath gegen eine vom Landtage nicht geneh— 
migte Verwendung der Überſchüſſe aus den Staats- 
einnahmen für Kunftbauten fi ausſprachen, wur— 
den beide in ungnädiger Weife entlaffen, u. au 
Wallerfteins Stelle trat infolge der inflüffe 
der ſtreng-katholiſchen Partei bei Hofe der Yega- 
tionsrarh v. Abel erſt als Staatsrath, im folgen» 
den Jahre als wirklicher Minifter. Bon diefem 
Wechſel datirt eine für B. höchſt trübe Zeit ber 
Willlür: umfonft reclamirten die Udvocaten gegen 
die ihnen gewordene Verweigerung des Eintrittes 
in die Kammer, umfonft erhob die Kammer bie 
Wünſche des Landes für eine freiere Preſſe zum 
Beſchluß, umſonſt erhob fie fih gegen die überaus 
jtarte Vermehrung der Klöfter u. die Verweiſung 
des Unterrichtes an diefelben. Noch brachte das 
J. 1838 die höchſt verhängnißvolle Berorduung, 
mach der auch proteftantiiche Soldaten u. Yand- 
webrmänner bei Proceffionen vor der Hoftie das 
Knie beugen jollten, u. welde nad Intervention 
des Yandtages erft 1844, nachdem fie viele Er- 
bitterung erregt u. namentlich das friedliche Ber- 
hältniß zwiſchen Katholiten und Proteftanten ge- 
ftört, einigermaßen modificirt wurde. Der nächſte 
Yandtag (8. Jan. bis 14. April 1840) brachte 
außer dem Nachdrudgefege, dem Gefege über den 
Vereinszolltarif gleich dem vorigen die erfreuliche 
Eriheinung, daß die Einnahmen des Staates die 
Ausgaben um ein Bedeutendes überftiegen; die 
Frage der —— dieſer Erſparniſſe blieb 
aber trotz ſtürmiſcher Debatten, während deren 
ſich der Miniſter von Abel in heftigſter Weiſe 
über ſeinen Vorgänger, den Fürſten Wallerſtein, 
ausließ, ungelöſt u. fam auch auf dem nächſten 
Landtage nicht zur Entſcheidung. Indeß hatte die 
Regierung weitere Schritte zur Wiederherſtellung 
der alten hierarchiſchen Gewalt der Katholiſchen 
Kirche gethan: dem Epiſkopat war die Correſpon— 
denz mit Rom in fichlichen u. geiftlihen Dingen 
freigegeben, den Nedemptoriften ein Klofter in 
Altötting eröffnet. Auch im Proteftantismus zeig- 
ten ſich Zerwürfniffe, hervorgerufen durch das 
Emporjtreben des Pietismus und Mofticismus; 
zwiichen beiden Kirchen aber war der frühere 
Friede gebrochen. Der nächſte Landtag (20. Nov. 
1842 bi8 30. Aug. 1843) nahm die Anträge auf 
Erleichterung in der Preßgejeggebung an; ber 
Autrag auf Vorlage eines Geſetzes über Berant- 
wortlichleit der Miinifter wurde auch durch bie 
Kammer der Neichsräthe unterftütt, während fie 
dem Antrage auf Gewährung einer allgemeinen 
Civil- u. Criminafgefeggebung mit Offentlichteit 
u, Mündlichleit nicht beitrat; das Eiſenbahngeſetz 
wurde nad) langer Berathung votirt u. eine erſte 
Anleihe von 10 Millionen für die Staatsbahn 
von pol nad Lindau bewilligt. Das anfangs 
fheinbar gefährdete Einverftändnig zwiſchen Per 
gierung u. Abgeordneten war völlig hergeftellt, 
namentlih da die Megierung in der Frage der 
Berfügung über die Überſchüſſe der Einnahme 
den Reclamationen der Kammern Rechnung ge- 
tragen hatte, freilich erft, nachdem die Erübrig- 
ungen volltändig ausgegeben waren. Gegen 
Ende des Jahres 1843 erhielt die September- 
revolution in Griechenland das Land und die 
Regierung in Aufregung; noch größere brachte 


Bayern (©. 


ſch. bis 1847). 


unter den Wroteftanten das Verbot der Theil- 
nahme am Guftan- Adolf» Verein, befonders aber 
die mehreren zu Abgeordneten gewählten Staats- 
dienern, vorzugsweiſe Proteftanten, gewordene 
Urlaubsverweigerung zur nächſten Selfion des 
Landtages (5. Dec. 1845 bis 24. Mai 1846). 
Diefelbe war bemertenswertb durch die heftigen 
fichlichen Streitigfeiten, die dur die Anträge 
des Fürften Wrede in der Erften Kammer ber- 
vorgerufen wurden, Inter diejen Anträgen wa— 
ren bejonder8 widtig zwei, dahin lautend, daß 
die Regierung feine neuen Klöfter mehr errichten 
laffen u, feine geiftlihen Genoffenfchaften geftatten 
möchte, welche den religiöfen ‚Frieden zu ftören 
drohten; beide wurden angenommen. Jedoch mwur- 
den gerade die wichtigſten Anträge der Stände: 
höhere Befoldung der Schullehrer, Bag weise, 
der Klofterzunahme, Entfernung der Redempto— 
riften, als nicht zu ihrer Competenz gehörig im 
Yandtagsabihiede zurüdgemwiejen, die Beflirwort- 
ung einer verfaffungsmäßigen Preßfreiheit u. der 
Einführung des Princips der Öffentlichkeit und 
Mündlichkeit einfach unbeachtet gelaffen. Erft nach— 
dem ein theilmeifer Wechſel im Minifterium vor 
fih gegangen — Abel, den alle Parteien, außer 
der ftreng-flerifalen, haften, blieb — trat im Au- 
guft 1846 in der Cenſur ausländiſcher Blätter 
einige Milderung ein; doch blieben einige Zeit- 
ungen noch immer ganz verboten, ebenjo der 
Suftav » Adolf» Berein, während dagegen die 
Mönchsorden zunahmen. Die Wirkfamfeit der 
drei fetten Ständeverfammlungen war aber nicht 
ohne Einfluß auf die Regierung geblieben. ‚yeng- 
niß davon gab die Erridtung eines bejonderen 
Miniſteriums für Eultus u. Unterriht im Januar 
1847, womit v. Abel dem Liedlingskreife feines 
Wirkens entrüdt wurde. Einen plöglihen Wende- 
punkt in der Negierung, ſowie in der bisher im 
der Hauptſache befolgten Politik verurſachte die 
vom König geftellte Zudigenatsforderung für die 
neue Gräfin v. Landsfeld, eine in der Gunft Lud— 
wigs hochftehende ſpaniſche Tänzerin, Lola Mon« 
tez, welche die Ultramontanen vergeblih fir ihre 
Zwecke zu gewinnen verjucht hatten, Diefer For— 
derung antwortete Abel dur ein Memorandum 
vom 11. Febr. 1847, das deutlih durchblicken 
ließ, daß die Partei im Notbfalle felbft vor einem 
Appell an die Maffen und damit einer Bollsbe- 
mwegung nicht zurüdichrede. Der König geneh— 
migte Darauf am 13, Febr. das angeblih auf 
dieje Forderung ſich flülgende Entlafjungsgefuch 
des” Minifteriums im ungnädigfter Weife. Die 
proviforischen Minifter Zu-MRhein, Maurer und 
Zenetti entjpracdhen der vom Monarchen geftellten 
Anforderung des energifhen Einfchreitens gegen 
die ultramontane Partei, Zunähft wurden 9 Pros 
fefforen u. Docenten der Münchener Univerfität, 
befannt wegen ihrer ſtreng- kirchlichen Gefinnung, 
darunter Laſſaulx, Höfler, Phillips, Döllinger, 
penftonirt oder verſetzt. Die Entſetzung des Erite- 
ren führte zu Studententumulten, Diejen Ent» 
laffungen folgten einige liberale Anordnungen, 
Begnadigungen, Aufhebung Abeljher Miniftertal- 
verordnungen zu Gunften der Klöfter u. Klerifa- 
len ꝛc. Der zum Zwecke der Bewilligung einer 
höheren Zinsgewährung für die Eifendahnanlehen 


Bayern (Geſch. von 1843). 37 


betufene m. anı 29. Sept. eröffnete außerordent-[21. März leiiteten der neue König Marimi- 
ide Landtag von 1847 führte, indem er einigellian II, fowie Mititäd u Bürgerwehr in Mün— 
Smaltungsmigbrändhe zur Sprade brachte, den chen den Eid auf die Verfaffung. Die Procla- 
baldigen Sturz Des meuen Minifterimns, mwenn|mation des Königs machte einen guten Eindrud, 
auch nur mittelbar, herbei (27.Nov. 1847). Dasjebenfo fein politiſches Glaubeusbekenntniß, das er 
turh den Einfluß Der Lola Montez gebildete neue|bei Eröffnung des Landtages am 22. März 1848 
Ninifterium, aus dem Fürſten Öttingen-Waller-|abiegte, u. die Ertheilung einer Amneſtie für alle 
tem, Staatsrath Berks, Präfident Beisler und] politiichen Berbreden u. Vergehen. Das neuger 
Steuerdirector Heeres gebildet, begegnete als Yola-lichaffene populäre Minifterium war zufammenge- 
Amfterium überall offenem Mißtrauen, obwol jein|jegt aus: v. Thon-Dittmer für das Iunere, Heintz 
erter Erlaß (16. Dec.) die Freigebung der Preffe|für Juftiz, v. Lerchenfeld für die Finanzen, Weis: 
für ımnere Angelegenheiten betraf u. ihm durch Re-|baupt für den Krieg u. Graf Bray für das Außere, 
kript vom 17. Febr. 1848 die Auflöfung des Ordens | Der Landtag Lerietb rajch die wichtigften von der 
der Aedemptoriften folgte. Indeß war e3 infolge] Regierung vorgelegten Gejetentwürfe über ein 
des Abermuthes der Lola Montez u. der von ihr|Wahlgefeg für das Parlament, ein Preßgeſetz, 
begünſtigten Stubdentenverbindung Alemannia zu Aufhebung der ftandes« u, gutsherrlichen Gerichts- 
Sudentenreibungen gefommen, darauf zu Stra-|barteit, Aufhebung, Fixirung u. Ablöfung von 
bentumulten, die den König veranlaßten, am 10. Grundlaſten, ein neues Wahlgeſetz u. Vervollitän- 
zebrmar die Schließung der Univerfität München |digung der Vertretung für die Pfalz, Initiative, 
bis zum Winterfemefter 1848 anzuordnen, eine] Minifterverantwortlichteit, Capital- u. Einfominen- 
Naßregel, welche die Erbitterung allenthalben|fteuer, Aufhebung des Yagdrechtes auf fremden 
aufs Außerſte fteigerte. Der am folgenden Tage Grund u. Boden, Aufhebung des Lehnsverban« 
durch eine Bürgerdeputation an ihn geftellten For- des ꝛc. Der Gejekentwurf für Aufnahme eines 
derung auf Zurüdnahme der Schliegung u. die) freiwilligen Staatsanlebens von 7 Mill. wurde 
Entfernung Lolas mwillfahrte der König nach eini-Jangenommen. Der am 5. Juni veröffentlichte 
gem Zögern; die Univerfität wurde wieder eröff- Landtagsabſchied enthielt die Sanction ſämmtlicher 
net, u. Lola reifte mit einigen ihr anhängenden|vorgeihlagenen Geſetze, 20 an der Zahl, in der 
Studenten ab; aber die Aufregung war damit|von den Kammern beliebten Faſſung. Unterdeſſen 
nicht geboben, um fo weniger, als weiteren For⸗ waren bereit am 18. April die Wahlen für das 
derungen des Bolfes nur mit Ausflüchten geant-| Deutihe Parlament im ganzen Lande vorgenom« 
wortet, die verlangte fofortige Einberufung der|men worden u. meift in liberal-conftitutionellem 
Stände erjt auf den 31. März angeordnet wurde; Sinne ausgefallen. Exceſſe verfchiedener Art ver« 
dogegen aber wurde die Garniſon verftärft. Da anlaßten die Regierung, eifrigft für Organifation 
iam noch die Nachricht von der Febrnarrepolution;der Bolfswehr zu forgen. Am 12. Aug. wurden 
ın Baris. Eine tumultuarifhe Bürgerverſamm-durch königlichen Erlaß die demofratifchen Bereine 
Img vom 3. März auf dem Ratbhaufe b.ichlog|verboten. Auf das Gerücht, daf die werthvolliten 
eine neue Deputation an den König, während Stüde des Haus» u. Staatsihates ins Ausland 
unter dem Schlagen des Generalmarihes das|gegangen ſeien, entftand am 21. Aug. in Mün- 
bürgerlihe Zeugbaus erftürmt, das Minifterimm/chen ein heftiger Tumuft, der zu einem biutigen 
des Junern u. die Wohnung des Minifters Berks| Zuſammenſtoße mit dem Militär führte, Darauf 
verrüjtet wurden. Noch am jelben Tage wurden ſerſt gab das Minifterium eine wenigftens beruhi— 
die Stände auf den 16. März berufen. Als un-|gende Antwort, wonach feine weiteren Ercefle vor» 
geachtet deſſen am 6. März die Stadt ſich wieder|fielen. Am 3. Sept. wurde von der Regierung. 
mit erregten Haufen fülhe und nun unbedingteldie Öffentlichkeit in den Berathungen der (er 
Erfüllung aller Forderungen, in welche fich be-[meindeangelegenbeiten verfügt. Ein neuer Kra- 
reits das Wort Republif mifchte, verlangt wurde, |wall mit vielen Gemaltihätigkeiten u. Berwundungen 
da erihien die königliche Proclamation, wonad|erfolgte 16. bis 18. Oct. in München wegen eines 
alle Forderungen den Stäuden vorgelegt werden, |Bieraufihlages. Auf eine Adreſſe der Bürger an 
Preßfreiheit u. Beeidigung des Heeres aber fofort|den König wegen bierbei bemwiejener Unthätigfeit 
eintreten ſollten. Zugleih wurde der freifinnige|der betreffenden Behörden erfolgte ein weit hin— 
Abgeordnete v. Thon» Dittmer zum Miniiter des)auf reichender Beamtenwechſel. Am 20. Oct. er 
Janern ernannt u. der Fürſt v. Ottingen-Waller- |bielt die unterdeß in München gebildete deutſch— 
fein entlaffen. Noch folgten die Demolirung des|tatholifhe Gemeinde die königliche Beftätiguug. 
Bolizeigebäudes m. die tumultuarifche Erzwingung| Der ſeit längerer Beit erwartete Minifterwechiel 
der Entlafjung des feitherigen Polizeidirectors im|erfolgte am 15. Nov.: v. Lerchenfeld übernahm 
Münden, ſowie einzelne tumultarifche Auftritte in/das Innere, Weigand die Finanzen, Lejuire den 
Angaburg, Aſchaffenburg, Würzburg zc. Die Bor-|Krieg; v. Thon-Dittmer trat als Staatsrath zu- 
arbeiten u. Berathungen zur Erfüllung der amjrüd; das Eultusminifterium ward wieder mit dem 
6. März gegebenen a, die Kunde) Minifterium des Innern vereinigt, wogegen ein 
von den Wiener u. Berliner Eveigniffen überzeug-| neues Minifterium des Handels u. der öffentlichen 
ten den König von der Unmöglichkeit der Fort- Arbeiten gebildet wurde. Lerchenfeld legte indeR, 
fegung jeines launenhaft willtürlichen Regierungs« da er böcften Ortes mit feinen Grundjägen nicht 
foftems, u. fomit leiftete er am 20. März zu Gun-| mehr durchdrang, jein Minifterium fhon am 
fen des Kronprinzen Marimiltan auf die Krone|20. Dec. wieder nieder, u. au deſſen Stelle trat 
Berziht. Ludwig 1. ft. 29. Febr. 1868 im Nizza, der höchſt umpopuläre frühere Cultusminifter 
G. 8. unter König Marimilian IL Amlv, Beister. Am Schluße des Jahres wurden 


38 


endlich die erften Reichsgeſetze amtlich verfünbdigt, 
wenn auch immer noch in einer ihre Giltigkeit 
für B. zmeifelhaft lafjenden Form. Die auf den 
15. Jan. 1849 einberufene Ständeperfammlung 
wurde am 22. von dem König eröffnet. Die Annahme 
der Äußerft freifinnigen Adreſſe mit Stimmen- 
mehrheit am 7. Febr. veranlaßte den Wiidtritt 
des Minifterinms, u. der König lehnte die Adreſſe 
ab. Obwol die Zmeite Kammer mit der Hegier- 
ung in der Deutichen Frage übereinftimmend zu 
Ofterreich hinneigte, zeigte ſich doch eine Spann: 
ung, die zu wiederholten heftigen Scenen führte 
und bei Gelegenheit eines Antrages von Kolb, 
betr. die griechische Anleihe (deren Rückerſatz aus 
dem Privatvermögen des Königs gefordert wurde), 
die Vertagung der Kammern bis zum 10. April 
veranlaßte. Bereits früher hatte die Negierung 
in Übereinftimmung mit Württemberg in Frank— 
furt die Erflärung abgegeben, daß fie nur eine 
ſolche Berfaffung wünſche, die auch Oſterreich ein- 
ſchließe; B. ſeinerſeits fügte dem noch hinzu, daß 
es nur eine mit den Regierungen vereinbarte 
Verfaſſung anerkennen werde. Mitte März kam 
ein neues Miniſterium zu Stande: v. Kleinſchrod 
Juſtiz, Aſchenbrenuer — v. Forſter In— 
neres, v. Ringelmann Cultus (ſeit 16. März wie— 
der von dem Innern abgetrennt); das Außere ꝛc. 
übernahm 18. April der frühere königl. fächfifche 
Minifter v. d. Pfordten. Am 23. April erließ 
die Regierung ein Rundſchreiben an die Reichs 
gewalt u. die deutichen Regierungen, worin fie 
die von der Nationalverfammlung einfeitig feftge- 
ftellte Reichsverfaſſung entſchieden ablehnte, gegen 
die Kaiſerwahl proteftirte, auf ihre früheren Bor- 
Ihläge hinſichtlich eines Directoriums mit wech— 
jelnder Präfidentur zurückkam, ber proviforischen 
Centralgewalt jedod für jest noch ihre Unter 
ftügung zufagte. Trotz zahlreicher u. zum Theil 
drohender Demonftrationen gegen dieſen Erlaß, 
beionders aus Schwaben, Franken u. der Pfalz, 
verharrte die Regierung auf dem eingejchlagenen 


Bayern (Geſch. von 1849). 


allgemeine Wahlen gebildete u. nach Kaiferslaue 
tern einberufene Bolfsvertretung vom 17. Mai 
wählte eine proviforifche Regierung, beftehend aus- 
den Mitgliedern Reichard, Hepp, Culmann, Schüler 
u. Kolb, u. als Erſatzmänner für die abweſenden 
legteren Drei: Greiner, Schmitt u. Fries. Das 
Militär, meift geborene Pfälzer, trat in großer 
Mehrheit über; die Feſtungen Landau u. Ger- 
mersheim verloren einen großen Theil ihrer Be- 
fagungen. Der am 6, Mat in Speyer angelangte 
Neihscommiffar Eifenftud beftätigte, feinen In— 
ftructionen zumider die ergriffenen Maßregeln u. 
vermochte 3 Bataillone von Mainz gegen Landau 
heranrüdender Preußen zur Umkehr, vorgeblich 
um unnützes Blutvergießen zu hindern. Die 
Proviſoriſche Regierung (in welche jedoch Culmann, 
Schiller u. Kolb nicht eingetreten waren) verkün— 
dete danach eine neue, demokratiſche Gemeindeorb- 
nung, ſchrieb eine Zwangsanleihe von 2 Mill. fl. 
aus, ließ das Aufgebot an die Wehrpflichtigen 
ergeben u. ging mit dem ebenfalls in Revolution 
begriffenen Baden am 18. Mai ein militäriiches 
Bilndnig ein. Die Hevolutionsarmee beitand Ende 
Mai aus etwa 10,000 M. mit 14 Gejhügen unter 
dem Obercommando des polniſchen Generals 
Sznayde. Unter ihm befehligten Willich, Annede, 
Beuft, Schimmelpenning, van der Oye, Ehlert; 
außerdem hatten Blenker, Schlinf, Zitz, Bamber- 
ger eigene Abtheilungen ausgerüftet, deren Com- 
mando fie führten. Die bayeriihe Regierung, 
ihrer eigenen Truppen nicht ganz ficher, hatte in» 
zwilchen, nachdem fie unterm 22. Mai eine Pro- 
clamation erlaffen, preußiſche Hilfe in Anſpruch 
genommen, die auch in einem Corps von 25,000 
Mann unter General v. Hirichfeld jchleunigft ge- 
währt wurde; 15,000 Manı Bayern wurden als 
Hejerve in Unter-zranfen aufgeftellt. Bereits am 
12. Juni begannen die Operationen gegen das 
aufftändifche Yand, indem die Preußen in 5 Co- 
lonnen gegen Germersheim, Neuftadt, Kaifers« 
lautern, Yandftuhl u. Homburg vorbrangen. Die 


Wege; doch verwahrte ſich das Minifterium durch | Proviforifche Regierung hatte jhon in der Nacht 
Erllärungen vom 1. u. 10. Mai vor der An-|vom 13. zum 14. Juni Kaiferslautern verlaffen. 


Ihuldigung reactionärer Abfihten, ermahnte zur 
Fubhe u. wies auf die nahe bevorſtehende Eröff- 
nung der Kammern hin, denen befriedigende Er- 
Öffnungen gemacht werden follten. Dieſer Erlaf 
traf die Pfalz in vollem Aufftande. 
vinz, längit ſchon um ihrer durchaus abweichen- 
sen Zuftände willen gegen Alt-B. entfremdet, bot 
für die demokratiſche Yaitation den giünftigften 
Boden dar. Nachdem” bereits in Bolläverjanm- 
lungen zu Neuftadt am 28. und zu Speyer am 
29. April offen über die Losfagung von B. ver— 
handelt worden war, gab ein Congreß der pfälzi- 
hen Bürgerwehren zu Kaiferslautern am 1. u. 
2. Mai völlig den Ausfchlag, indem durch dei» 
jelben ein Landesvertheidigungsausfhuß niederge- 
jest, ſodann Steuerverweigerung, WRüdberufung 
der pfälzer Soldaten, Organifation der Volksbe⸗ 
mwafinung in 2 Aufgeboten, Aufforderung an die 
Regierung u. die Beamten zur Unerfennung der 
Neihsverfaffung, Beichlagnahme der pfälziſchen 
Staatskafſen, Verbrüderung mit den angrenzenden 
deutichen Vollsſtämmen befchloffen mwurbe. 


Es fam nur zu einigen Gefechten, fo bei Kirdp- 
heimbolanden am 14. Juni, Ludwigshafen am 15. 
Juni, dann im Annmweiler-Thal am 17. Juni, 
wo Willich zum fetten Mal den Preufen Stand 


Dieje Bro-|zu halten fuchte, dann ſich aber aud dem Rück— 


zuge anſchließen mußte, der ſchon gleich nach dem 
eriten Zufammentreffen feinen Anfang genommen 
hatte. Am 18. Juni trat der Heft der pfälzer 
Armee, faum noch 6000 Mann ftark, bei Daran 
auf badifches Gebiet über. Nachdem die Preußen 
über den Rhein nach Baden eingerückt waren, 
bejegte Thurn u. Taxis die eroberte Provinz mit 
bayerijhen Truppen. Unterdeffen dauerte dies— 
feit des Rheines der Streit um die Reichsverfaſſ- 
ung fort. Dem am 15. Mai wieder zuſammen- 
getretenen Landtage eröffnete die Negierung vor 
Allem, daß König Ludwig den Betrag des grie- 
chiſchen Anlehens aus feinem Privatvermögen der 
Staatsfaffe erfett habe, — ein im deutſchen confti- 
tutionellen Leben noch nie vorgelommener Erfolg ,— 
wodurd übrigens die Oppofition entwaffnet werden 


Der ſollte; ſodann brachte fie die von ihr beantragten 


Ausſchuß trat fofort im Thätigkeit. Eine durch | Abänderungen der Reichsverfaffung ein, darunter : 


Bayern (Geſch. bis 1851), 


Verbleiben Ofterreichs im Bunde u. Einfetung 
des Directoriums ftatt der einheitlichen Spike, 
worauf die Zweite Kammer eine Adrejle annahm, 
meihe Anerfennung der — verlangte 
u. ein Mißtrauensvotum gegen das Minifterium 
abgab. Da aber die Majorität für die Adreffe 
ducch das Mitftimmen der 15 pfälziihen Depu- 
ten erlangt worden war, fo trat das Minifte- 
rum mit dem Autrage auf, die Abgeordneten der 
m Aufſtande befindlichen Pfalz einftweilen von 
ter Kammer anszujchließen, u. als der Kammer: 
prähdent Graf Hegnenberg · Dur den Pfälzern das 
Votum verweigerte, verheß die gejammte Linke 
am 23. Mat die Sikung, wodurch die Kammer 
kihtngunfähig wurde. Nun erfolgte am 11. Juni 
die Aufiöfung des Landtages, nahdem die Re— 
gierung die Erflärung abgegeben, daß B. dem 
von Preußen octroyirten deutichen Berfaffungs- 
entwurfe micht beitreten fönne; DÖfterreich muͤſſe 
der Eintritt mwenigftens offen gehalten werben; 
das von den 3 Königreihen geichloffene Bündniß 
jet ebenfo unnötbig, als eine Auderung der probi« 
ſeriſchen Gentralgewalt, welche B. fortwährend 
häftig unterftügen werde. Segen die am Aufftande 
der Pfalz Beteiligten und viele fonftige Miflie- 
bige wurde nach anfänglich verheißener Schonung 
bald mit Strenge verfahren; ſchon im Juli war 
die Unterfuhung gegen 300 Berfonen im Gange, 
a. noch füllten fi täglich die Gefängniffe; eben- 
fo ftreng verfuhr man im den übrigen Landes- 
tbeilen, befonders in Franlen, jo daß der neu 
errichtete Centralgerichtshof für politiihe Ver— 
brecher vollauf zu thun hatte. Daneben wurde 
freng gegen bie Preſſe eingeichritteu u. der Alr- 
beitervereim in Nürnberg geſchloſſen. Hier u. da 
faın es wieder zu blutigen Reibungen zwiſchen 
Bürgern u. Militär. Ein derartiger Conflict in 
Bärzburg batte ſchon am 20. Mai die Studenten 
veranlaßt, die Univerfitätsftadt auf einige Zeit zu 
verlafien. Ju diefe Zeit, Juli, fielen die Land- 
tagswabhlen, bei denen fih das Minifterium uns 
ter gewaltiger Beeinfluffung nahezu eine Zwei— 
drittel · Majorität verichaffte, während das übrige 
Drittel viele Radicale zählte, Mehrere der Letz⸗ 
teren wurden furz vor Beginn bes Landtages 
verhaftet, was die am 10. Sept. durch den König 
ſelbſt eröffneten Stände bereitwillig geichehen lie 
ken. Hinfihtlih der Deutſchen Frage erflärte der 
Minifter v. d. Pfordten, der inzwifchen vergeblich 
eine Bermittelung zwifchen Wien u. Berlin ver- 
fucht, den Nichtbeitritt B-s zum Dreitönigsbiind« 
mh. Bom Finanzminifter wurden drei Gejegent- 
wärfe eingebradht: über ein freimilliges Anlehen 
von 7 Mill. fl., die bereit$ verausgabt waren, 
über das Budget von 1850—51 u. ilber die pro- 
viſorijche Forterhebung aller directen Steuern, mit 
Ausnahme der Eapital- u. Einfommenfteuer, für 
die Dauer eines Jahres; fie wurden am 23. Okt. 
angenommen. Ebenfo nahm die Zweite Kammer 
den Gefegentwurf über Abſchaffung der Strafe 
des büraerlihen Todes, der öffentlichen Ausftell- 
ung und. Brandmarfung an; die Kammer der 
Reichsräthe genehmigte einftimmig den Entwurf 


über Errichtung eines Staatsgerichtshofes filr Ab- Hanauſchen ein (f. Deutſchland u. Heffen). 


urtheiluag der Staatöminifter. Unterdeffen hatte 


39 


1849, wonad Preußen und Öfterreih bis zum 
1. Mai 1850 die proviſoriſche Centralgewalt in 
Deutichland handhaben jollten, zugeftimmt In 
der Deutichen Frage jprachen fich beide Kammern 
gegen den Ausſchluß Dfterreihs u. für die Po- 
litik der Regierung aus. Das von der Negier- 
ung vorgelegte, von Ausnahmen wimmelnde Aıne 
nejtiegefeg ward von der Zweiten Kammer in 
etwas ermeiterter Weife angenommen u. erhielt 
auch endlih, nur wenig modificirt, am 20. Dec. 
die Zuftimmung der Neichsräthe. Ein in diejer 
Sejfton noch von der Abgeorduetentammer ange- 
nonmener Gejegentwurf über bürgerliche n. polis 
tische Gleichſtellung der Juden vief eine lebhafte 
Agitation hervor, infolge deren namentlih aus 
den altbayerifchen er binnen zwei Mo— 
naten nicht weniger als 690 Adreſſen gegen die 
Emancipation einliefen. Derfelbe wurde in der 
Kammer der Neichsrätbe auch verworfen. Vom 
20. Dec. 1849 bis 8. Jan. 1850 erfolgte wieder eine 
Vertagung des Landtages. Dagegen wurden durch 
einen Erlaß des Minifteriums für Kirchen» und 
Schulangelegenheiten vom 16. Sept. 1849 alle 
Verbote, welche feit 1842 gegen bie Verbreitung 
des Guſtav-Adolf-Vereins in B. erlaffen worden 
waren, aufgehoben. Unter dem 22. Dec, wurde 
v. d. Pfordten zum Vorſitzenden im Minifterrathe 
ernannt. Gegen die Einberufung des Erfurter 
Reichstages proteftirte die Regierung. Nach Wie- 
dereröffnung der Seffion berieth die Zweite Kam— 
mer ein neues Gejeg, modurd das Wereins- ı. 
Berfammlungsrecht beſchräult, namentlich die Ber- 
bindung u. Unterordnung zwiſchen den einzelnen 
Vereinen aufgehoben werden follte; ferner eiu 
Aufruhrgefeß, ein neues ſtrenges Preßgeſetz, ein 
Geſetz über den Staatsgerichtshof. Weiterhin be- 
riethen die Kammern eine neue Geſchäftsordnung, 
Organifation der&erichtsverfaflung, ein Ablöfungs« 
gejet, Kapital» und Eintommenfteuer, Eijenbahn« 
angelegenheiten u. das Budget. In beiden Kam- 
mern ging ein Geſetz über den Militärcredit durch, 
wonach eine neue freiwillige Anleihe von 7 Mill. 
erhoben werden follte. Dagegen blieben beide 
Kammern in Zwielpalt über die bon der Abge- 
ordnietenfammer geforderte Reduction des Militär- 
etats. Eine zwiſchen den drei Königreihen B., 
Sachſen u. Württemberg 27. Febr. zu, Stande 
gelommene Bereinbarung, welcher aud) Oſterreich 
im März beitrat, erneuerte die frühere Forder— 
ung, Ofterreih als Geſammtſtaat in den Bundes— 
ftaat treten zu laffen u. Deutichland in 7 Kreile 
zu theilen, von denen jeder einen Bevollmächtig- 
ten an den Bundestag aborbnen ſolle. Preußen 
verhielt fi) dagegen direct ablehnend, worauf B. 
fih bereit zeigte, der Anforderung Ofterreichs ge⸗ 
mäß den in Frankfurt zu reſtaurirenden Bundes- 
tag zu befchiden. Für die Pfalz ward im Juni 
die Aufhebung des Belagerungszuftandes, für 
Mittel zranten die Schließung der Arbeitervereine 
verfügt. Infolge der Kaffeler Wirren ftellte B. 
auf Anordnung des Bundestages ein Obfervations« 
corps bei Aſchaffenburg auf, u. am 1.Nov. rück— 
ten die Bayern, dur Oſterreicher verftärh, im 
Der 
am 8. Febr. eröffnete Yandtag von 1851 bot außer 


auch B. dem fogenannten Interim vom 30. Sept.Ider Annahme des Gefeges über die bürgerlichen 


40 


Berhältniffe der Juden wenig Intereſſe u. wurde, 


Bayern (Geſch. bis 1854). 


auf die Berfaffung aufgehoben u. ein neuer Dienft- 


am 7. Juni vertagt, nachdem die Kammern noch eid fiir die Armee verfügt. Vom 1. Juli an trat 


die Politit des Miniſteriums durch Berwerfung 

der gegen diejelbe in der Kurheſſiſchen, Holſteini— 
ſchen u. Dentihen Frage geftellten Anträge ge 
billigt hatte. Dagegen nahmen die Firchlichen 
Berbältniffe, Ähnlich wie in Baden, mehr u. mehr 
die öffentliche Aufmerkſamkeit in Anfpruch; Die im 
October 1850 zu Freifing berfammelten bayeris 
ſchen Biſchöſe hatten eim gleiches Recht zu bean— 
ipruchen beichloffen, wie es von denen der Ober- 
rheinischen Kirchenprovinz geichehen war, u. ber- 
langten im ihrer Dentichrift an den König vom 
20, Oct. betrefis der Freiheit der Katholifchen 
Kirche, ſowol in Hinfiht auf ihre Negierung u. 
Berwaltung, als auf den Eultus u. das ganze 
religiöfe Leben, eine durchgreifende Anderung des 
bisherigen Berbältnifjes zum Staate. Doch ver- 
mochten fie nicht die gewünjchten Erfolge zu er- 
ringen. Schon in der vorigen Landtagsdiät hatte 
der Eultusminifter die Erklärung abgegeben, daß 
eine Anderung des Neligionsedicts nur auf ver— 
taffungsmäßigem Wege zu bemirfen fei; im der 
diesjährigen Sigung wurde die Angelegenheit ſo— 
zufagen von der Hand gewiefen. Auf der anderen 
Seite wurde den Deutjchlatholifen u. Freien Ge- 
meinden die ihnen in den Jahren 1848 u. 1849 
gewährten Rechte entzogen und ihnen die Vor— 
nahme aller nur den geſetzlich anerkannten Reli— 
gronsgejellihaften zuftehenden Handlungen unter 
jagt. Inzwiſchen hatte auch die Beſetzung Kur- 
hejiens durch bayerifches Militär ihr Ende erreicht. 
In dem Pfälzer Aufruhrproceh, welder am 3. März 
eröfinet wurde und die Thatigfeit des Schwurge- 
vichtshofes von Zweibrüden das ganze Jahr 1851 
hindurch in Auſpruch nahm, erfolgten vıele Frei— 
iprechungen durch die Geſchworenen, wie aud nad) 
ber viele von den verurtheilten Soldaten von dem 
König beguadigt wurden. Mit Ofterreich ſchloß B. 
einen am 3. Aug. ratificirten Vertrag wegen der ge 
genfeitigen Eifenbahnverbindung (Münden: Salz 
burg, Rojenheim-Bozen, Regensburg-Finz) ab. Aın 
4. Oct. 1851 fand die erſte Sigung des neu zufam- 
mengetretenen Yandtagesftatt. Beide Kammern nah- 
men ein die freie Verfügung über das Waldeigen- 
thum aus Gründen des Staatswohls beichränten- 
des Forſtgeſetz an umd einigten fi noch bis zum 
Schlufje des Jahres über die Bewilligungen fiir die 
Eifenbahnbauten. Im neuen Jahre, 1852, wurde 
das Budget berathen, das Finanzgeſetz votirt u. 
von beiden Kammern ein Geſetz über die Diftricts- 
u. Landräthe angenommen, Auch das Gejeg, betr. 
den Uferſchutz, fand feine Erledigung, u. ein Gejet- 
entwurf, wonach das Hecht der Ernennung des 
Neichsrathspräfidenten der Krone zurüdgegeben 
werden follte, fand in der Kammer der Abgeord- 
neten Annahme, Geſammtbeſchlüſſe famen bis 
zu Ende der Diät zu Stande über das Gewerbe, 
‚teuergefeg, über das Poftulat der Negierung zur 
Einführung der Gerichtsorganifation u. über das 
Geſetz gegen die gewerbmäßige Zerjplitterung der 
Grundftüde. Am 28. Mat fand die Schließung 
des Landtages ftatt, und jämmtliche von der Re— 
— vorgelegte Geſetze erhielten die königliche 
Beſtätigung. — löniglicher Entſchließung 
rom 9. Juni wurde die Beeidigung des Heeres 


der Deutjh-Sfterreichiihe Poftverein aud für B. 
in Kraft. Über B⸗s Thätigfeit bei den Zollver- 
einsverhandiungen j. Zollverein u. Deutichland. 
Der bis gegen Mitte des Jahres in Ober-Franten 
und der Pfalz herrichende Notbitand murde mit 
Erfolg betämpft. Zur Förderung der Wiffenfchaf- 
ten waren Männer wie v. Liebig, Pieufer, v. Sie- 
bold u. A. für B. gewonnen worden, und unter 
dem 28. Nov. erfolgte die Stiftung des Bayeri— 
chen Marimiltiansordens (f. d.) für Kunft und 
Wiffenihaft. Daneben ergriff die Regierung ftrenge 
Mafregeln gegen das Bereinsweien u. die Breite 
u. wandte eine befondere Aufmerkfamleit den Ge- 
meinderathswahlen, namentlich in der Pfalz, zu, 
indem allen irgendwie politiih oder perjönlich 
Mipliebigen, fiber 1000 an der Zahl, eine früher 
von der Regierung nie beanſpruchte Beftätigung 
verfagt wurde. Die Auswanderung gewann einen 
bisher nicht gelannten Umfang. Dit Frankreich 
ſchloß B. am 10. Mai 1853 einen Telegraphen- 
Bertrag. Mit der Schweiz lam am 2. Mai ein 
Bertrag über die Schiffjahrt auf dem Bodenjee 
zu Stande. Der nächſte Landtag wurde am 26. 
Vov. durch den Prinzen Luitpold eröffnet. Bon 
den Regierungsvorlagen fanden Annahme: der 
Gejegentwurf über die Einleitung zum Bau der 
Eifenbahn von München nah Freifing u. Lands» 
but zum Anſchluß an die Negensburg-Paffauer 
Bahn, die Geſetze über die Erweiterung der Com— 
petenz der Friedensgerichte in der Pfalz u. über 
Ehrenfränfungen (durch welches dieſe dem Straf- 
rechte u. Strafproceß ftatt des Eivilverfahrens über« 
wiejen werden follten), wie über die Errichtung 
der Donaudampfichiffiahrt. Dagegen erfuhr das 
Disciplinargefeg für Staatsdiener jhon im Aus« 
ſchuſſe wefentliche Änderungen. Durch Decret vom 
2. Febr. 1854 wurde der Yandtag auf unbeſtimmte 
Zeit vertagt. Als neue Gefege erichienen die Ge— 
werbeordnung vom 17. Dec. 1853 u. die Ver— 
ordnung wegen Aufhebung des Wanderzwanges 
von gleihem Datum. Eine Verfügung vom 22. 
‚Jan. war zur Erſchwerung der Auswanderung 
bejtimmt. Die Nichtung der Regierung binficht- 
lid) der auswärtigen Politit fand ihren befonde- 
ven Ausdrud auf dem Bamberger Miniftertage, 
der am 25, Mai befonders wegen Berathung über 
die Stellung der deutſchen Mittelftaaten zu ber 
preußiich-öfterreichifchen Convention vom 20. April 
zufanmentrat (f. u. Deutſchland). Die firdlichen 
Streitigkeiten fanden einen neuen Ausdrud in der 
am 25, Juli von den bayeriihen Biſchöfen ab- 
gehaltenen Conferenz zu Augsburg, auf welcher 
man ſich zu der Erflärung an das Minifterium 
einigte, daß die in Beziehung auf Religion und 
lirchliche Gejellichaften beftehenden Beftimmungen 
(Concordat von 1817, Edict von 1818) die Rechte 
der Katholiihen Kirche in B. verlegten, nament« 
lich feien dahin zu rechnen die Beftimmungen über 
Beröffentlihung u. Bollzug von Gejegen u. An« 
ordnungen der Kirchengewalt, über Feſtſetzung u. 
Behandlung der Gegenſiände weltlicher ü. gemiſch⸗ 
ter Natur, bei denen der Staatsgewalt theils eine 
ausſchließliche, theils eine concurrirende Geſetzgeb⸗ 
ung u. Gerichtsbarkeit vindicirt wird, über Ber» 


Bayern (Gejch. bis 18506), 41 


maltung des Kirchenvermögens zc. Im Übrigen; Bahnftreden forderten auch große Summen. We: 
verbielt der Klerus fich im Ganzen ruhig, nur gen mangelnder Geldmittel hatte die Negierung 
x ultramontane Preſſe füihrte den Kampf in die weitere Ausführung der allgemeinen, die Ver— 
aaßleſer Weife fort u. gab Veranlaffung zu viel- faſſung u. Verwaltung der Rechtspflege betrefien- 
atdem Einichreiten. Der in Münden ftattfinden- |den Gejete von 1848 u. 1852 eingejtellt und in 
vn Allgemeinen Ausftellung deutjcher Induſtrie- dieſem Sinne einen Geiegentwurf über Gerichts- 
2. Gewerbserzeugniffe geſchah dur die faft imjorganifation vorgelegt, der am Beſtehenden, na- 
ganzen Königreiche ernſt auftretende Cholera viellmentlid an den zu Klagen mannigfadhen Stoff 
Abruch. Der neu einberufene Landtag tagte vom u. Veranlaſſung bietenden Untergerichten (Land⸗ 
16, Oct. an und mährte, wieder u. wieder ver- gerigten) wenig änderte u. daher den beitigften 
lingert, bis in den März des nächlten Jahres. Widerfpruch der Kammer bervorrief, welche durch 
Ze wichtigſten Vorlagen: ein neues Wahlgeſetz dieſe neue Vorlage die auf faft allen Yandtagen 
ir die Abgeordnetenfammer, begründet auf diejausgeiprocdhenen Wünſche, nämlich Einheit des 
Iertretung nah Stand, Beruf u. Intereſſen, fer- | Civilrechtes anftatt der vielen verichiedenen Hechte 
ner der ſchon früher eingebracdhte Gejegentwurfjder ehemaligen Neichsländer, aus denen B. zu— 
äber die Familienfideicommiſſe, wonach die Be- |jammengejett ift, Verbeilerung, Bereinfahung, 
zündung folder auch Bürgerlichen freigegeben | Beichleunigung des Ginilprocefies u. des polizei 
zerden jollte, wurden in der Abgeordntetenlammer |lihen Strafverfahrens, Trennung der Rechtspflege 
wmerfen; dagegen wurde ein Geje über Er⸗ von der Verwaltung nah franzöfiihem Muſter, 
adtung bäuerliher Erbgüter angenommen u. das daher Anftelung von Einzelvichtern in der unter« 
Iriulat zur Deckung rüdjtändiger Kriegskoſten u. |ften Inſtanz u. eigenen Notariatsbeamten, damit 
u einer eventuellen Mobilmahung (15 Mill.) am/im Einklange ftehende Straigejegbücher für Richter 
2.0. 12. Febr. 1855 von beiden Kammern mit|u, Polizeibehörden, von Neuem in Frage geftellt 
berädtfihen Ermäßigungen und einer Heinen |glaubte. Darauf zog die Regierung den Entwurf 
Zimererhöbung votirt. Die ohnedem ſchon durch |zurüd uw. brachte einen neuen, den Anfichten der 
Ye Haltung der Miniſter einer» und der Führer | Kammer mehr entiprechenden ein, der jpäter zum 
ser Abgeordnetenfammer anderſeits gefteigerte Er⸗ Geſetze erhoben u. unterm 1. Juli 1856 als jol« 
iterung erbielt noch neue Nahrung dadurch, daß ſches veröffentlicht wurde. Die Verhandlungen 
deſhwerden wegen Verlegung verfaffungsmäßiger |des Landtages im %. 1856 führten bezüglich des 
Achte für begründet erflärt wurden u. die Re⸗ Budgets zur Vereinbarung mit der Negierung, 
serung einen Gejetzentwurf mit einer jährlichen |ebenjo bezüglih der für Vollendung der Bahn- 
Rbrierderung von 54 Mill, fl. u. der Fyorders|ftrede Nofenheim, Salzburg geftellten Nachforder- 
mg einer nochmaligen Steuererhöhung vorlegte. Jungen. Die Vollendung des baveriihen Babn- 
Lem gegenüber bejchloß die Zweite Kammer eine/netes in den öjtlihen Yandegtbeilen übernahm 
Dteſſe au den König, melde die verbeißenejein Verein von Privaten unter der Firma einer 
Tennung der Nechtspflege von der Verwaltung | Königl. Bayeriſchen Privilegirten Gefellihaft der 
u. firgere Syinanzperioden forderte, worauf am) Oftbahnen, welchen der Staat 44 pCt. Zinfen 
5. März 1855 die Kammerauflöjung erfolgte.|des Anlagecapital® verbürgte unter der Beding- 
Te Rüftungen im Hinblid auf die Ruffih-Tür-Jung, daß die Sämmtliden Babnen in 7 Jahren 
Iihe Angelegenheit hatten bei der inzwiichen ver-|dem Betriebe übergeben fein müßten. Nur in 
änderten Lage nur vorübergehende Bedeutung. [Bezug auf das Mittärbudget bejtand die Zweite 
in 15. Sept. eröffnete der König den neuen Kammer auf Ermäßigung, wogegen die Negierung , 
‘antag, welcher, obwol die Beamten und dielim Landtagsabſchiede (3. Juli) erllärte, daß das 
Seiſtlihleit regierungsfeitig angewiefen waren, für | Heer in einem der Würde der Krone u, der Stellung 
ionlervative Wahlen zu wirken, nur eine Heine] B-8 entiprechenden Stande werde erhalten werben, 
niniterielle Barteı (Pfälzer) aufwies. Da in der/weshalb dem nächiten Yandtage die erforderlichen 
Ihronrede die Kur über die Bewahrung der|Borlagen zur Dedung des Mehrbedarfes gemacht 
Antraht des Deutihen Bundes ausgeſprochen werden ſollten. Nad Art. 17 des Parijer Frie— 
zer, nahm die Zweite Kammer Anlaß, im der dens vom 30. März 1856 wurde B. berechtigt 
Autwortsadreffe ihre desfalligen Wünſche dahin ſu. verpflichtet, durch einen Vevollmächtigten an 
zu fermuliten, daß endlich die längſt verheißene|der Commiffion theilzunehmen, melde die Auf 
Ausbidung der Bumdesverfaffung den Deutfchen|gabe hatte, die flußpolizeilihen Beſtimmungen 
men gefiherten Rechtszuſtand gewährleifte und auf der Donau feftzuftellen u, die Donau felbft, 
ber Stimme auch am Bunde Gehör u, Beachte|[ihre Mündungen u. die zunächſt gelegenen Theile 
ung fihere. Die Berhandlungen zeigten, daß des Schwarzen Meeres in ſchiffbarem Stande zu 
man unter Ausbildung der Bundesverfafjung einejerhalten. Auf dem kirchlichen Gebiete verurjachten 
Sertretung der deutſchen Nation durch Abgeord- [verjchiedene Erlaſſe (bejenders vom 2. Juli 1856) 
“te meinte, Unter den Landtagsangelegenheiten|des proteftantischen Oberconfiftoriums in München 
Kanden wichtige Finanzfragen u. die Feſtſtellung in Bezug auf kirchliche Einrichtungen u. Befug- 
and der Ausbau der Gerichtsverfafjung obenan.|niffe eine außergewöhnliche Aufregung, die erit 
die Regierung hatte wicht nur Voranſchläge an|durd öffentliche Belauntmahungen der Regierung, 
enbahnbauien überjchritten, fondern auch dielnamentlih in Bezug anf die gefürchtete Einführ- 
%ı verwilligten Gelder theils zur Beftreitung|ung der Privat» (mit Obren-)beichte, und eine 
det Koften der FInduftrieausftellung (von 1854), Anſprache, welche den Gemeinden Freibeit in der 
zeihe 1,250,000 fl. betrugen, theil$ filr die Do- |gottesdienftlichen Ordnung zufiherte und die dar» 
aauſchiffſahrt verwendet. Die noch zu vollendenden/auf folgende Aufhebung der früberen Erlaſſe 


42 


(17. Jan. 1857). beihwichtigt wurde. Dagegen 
blieb eine von — an die Regierung ge— 
richtete Bittſchrift um Einberufung weltlicher Mit- 
glieder zur Generalſynode unberückſichtigt. In der 
Pfalz wurde eine Berfügung des Cultusminiſte— 
rium3 aus dem %. 1846, melde den Biichöfen 
die Abhaltung von priefterlichen Übungen durch aus- 
wärtige Geiftlihe u. befonders durch Fefuiten un» 
terjagte, auf Verwendung der Biichöfe aufgehoben. 
Der letzte Landtag hatte die ihın gemachte Borlage 
zweier Entwürfe neuer Strafe u. Polizeigeſetze 
einem Ausſchuß übergeben, der zum Berichterftatter 
den zwar entichieden conferpativ gefinnten, aber dem 
Minifter von der Pfordten unangenehmen Profeſſor 
Weis aus Würzburg wählte; als nun dev Bericht 
in etlihen Hauptpunften nicht mit der Negier- 
ungsvorlage übereinftimmte, entließ die Regier— 
ung den Ausschuß, enthod aber den Profeffor Weis 
feiner Lehrſtelle an der Umiverfität u. verſetzte ibn 
nah Eichftädt als Appellationsgerichtsratb. Die 


2. Kammer ehrte den Gemaßregelten dadurch, daf|führende Reformen beiprocdhen wurden. 


fie ihn bei ihrem Wiederzufammentritte zum Bicer 
präfidenten wählte, worauf bie Regierung die 
Auflöfung derjelben decretirte, 30. Sept, 1858. 
Indeß ergaben die Neuwahlen feine regierungs- 
freundfichere Kammer: Weis wurde von mehreren 
Orten aus fogar gewählt u. wieder duch Wahl 
Vicepräfident der 2. Kammer, Damit war bie 
Spannung zwiſchen Regierung u. Kammer aufs 
Höchfte gejtiegen (jan. 1859). Als der Conflict 
zwifchen Frankreich u. Ofterreih wegen Italien 
ausbrah, verbot B. infolge einer Anregung in 
der Abgeorbnnetenfammer die Pferbeausfubr, und 
der Pandtag bewilligte einen außerordentlichen 
Militäreredit von 8 Millionen, vermwahrte ſich 
aber dagegen, als ob er mit diefer Bewilligung 
dem Mlinifterium hätte ein Bertrauenspotum 
geben wollen, u. beſchuldigte zugleich den Miniſter 
von der Pfordten, daß er die ruffifche od. franz. 
Politik unterftüge, Obſchon fi der Minifter zu 
rechtfertigen wußte, begegnete er doch fo ſtarkem 
Mißtrauen, daß der König in diefer Fritifchen Zeit 
den bezeichnenden Ausſpruch that, ich will Frieden 
haben mit meinem Volke, indem der Minifter 
veranlagt wurde, am Tage nad dem Schluffe des 
Landtages, 26. März 1859, von feiner Stelle zu« 
rüdzutreten, in welcher ihm ;zreiberr Karl von 
Schrend nachfolgte. Das Minifterinm Schrend, 
in dem v. Neumayr das Innere, dv. Mulzer die 
Fuſtiz, v. Lüders den Krieg, v. Zwehl den Kultus 
u. v. Pfeufer die Finanzen leitete, hatte eine 
ſchwierige Stellung, indem es die Armee reorga- 
nifiven mußte, welche fih in vernadläffigtem 
Zuftande befand, u. genöthigt war, der öffentlichen 
Meinung Zugeftändniffe zu machen, melche fich 
mit großer Lebhaftigkeit für Ofterreich ausſprach. 
Degen eines öfterreihiihen Truppen geftatteten 


Bayern (Gejch. bis 1862), 


reih ftand. Auf dem 14. Juli 1859 einberufenen 
u. bom König perfönlih eröffneten Landtage 
wurden von der Regierung 55 Mill. Gulden zur 
Neorganifirung der Armee u. Umgeftaltung des 
Kriegsmaterial® verlangt (mofür bereits 25 Mill. 
ausgegeben worden waren) u. bemilligt, eine 
Entſcheidung, zu welcher die durch den italienischen 
Krieg hervorgebrachten Enttäufchungen nicht wenig 
beitrugen. Ein Antrag des Abgeordneten Bölk auf 
Neform der Bundesverfaffung u. Gründung einer 
ftarfen Gentralgewalt mit Bolfsvertretung wurde 
mit 87 gegen 45 Stimmen abgelehnt (12. Aug.) 
u. der Landtag hierauf bis auf Weiteres vertagt. 
Inzwiſchen nahmen Schrend u. von der Pforbten, 
der jett bayerischer Bundestagsgeiandter war, an 
den Conferenzen theil, welche der ſächſiſche Minifter 
v. Beuſt u. der württembergifhe v. Hügel in 
Münden u. Würzburg zur Beiprehung der 
Stellung der Mittelftaaten im Deutichen Bunde 
abhielten u. wobei verjchiedene in lekteren einzu» 
Nah 
Beendigung des Italieniſchen Krieges war indeflen 
die Stimmung im Lande ruhiger geworden, u. 
e8 fand nun eine immer inmgere Annäherung 
zwiichen 8. u. Öfterreich ftatt, die ſich auch im 
dem Umftande fundgab, daß B. nach den Ereig- 
niffen in Mittel» u. Unter- talien, welche die Gründ« 
ung des Königreihs Italien im Gefolge hatte, 
den diplomatifchen Berlehr mit dem neuen Staate 
abbrad. Die Kammern traten am 3. Yan, 1861 
wieder zufammen, Der Finanzminifter v. Pfeuffer 
legte in der erften Sitzung des Abgeorbneten- 
haufes das Budget für die achte Finanzperiode 
u. den Entwurf des Finanzgeſetzes vor. Der 
Stand der bayerischen Finanzen konnte im Ganzen 
als ein günjtiger bezeichnet werden. Die Ein- 
nahmen waren im Bergleihe zu dem Budget der 
iebenten ?yinanzperiode um 5,467,6683 Gulden, 
nämlich auf 46,858,525 fl. gejtiegen, ohne daß 
eine Erhöhung der Steuern im Antrag gebradıt 
wurde. Die Gefammtziffer des Ausgabebudgeis 
wurde, mit Ausnahme des Neichsrefervefonds, 
uf 45,211,348 fl. feftgeftellt. Die mwejentlichften 
Ergebniffe der Landbtagsfigungen von 1861, dereu 
Schließung 12. Nov. erfolgte, waren die endgiltige 
Annahme einer neuen Strafgefeßgebung (auch 
für Polizeiüibertretungen), mit Durchführung der 
Trennung von Juſtiz u. Abminiftration u. Ber- 
befferung des Schwurgerichtes in der Pfalz; bie 
Aufhebung der auf den Juden bisher noch laften- 
den Beichränfungen, die Annahme des Allgemeinen 
Deutſchen Handelsgejeßbuches; der Wegfall der 
förperlihen Züchtigungen in der Handhabung der 
Eriminaljuftiz u. der Polizei; Aufhebung des 
verderblichen Lotto. Das Fahr 1862 brachte mit 
der von der Negierung im Mai erlafienen In— 
fruction zum Bollzuge der geſetzlichen Grund— 


Durchzuges durch banerifches Gebiet konnte Schrend | beftimmungen für das Gewerbeweſen die Bor- 
auf die darauf von Geiten Frankreichs erhobene|bereitung zur allmählihen Ginführung voller 
Beihwerde fih nur ausweichend fvertheidigen. Gewerbefreiheit u. am 30. Juni die neue Juſtiz- 


Die Schlacht von Magenta, der 


üdtritt desju. Verwaltungsordnung mit der Durdführung 


Zorgminifteriums in England, die zweifelhaftelder neuen Strafgefeggebung, wobei allerdings 
Haltung Preußens u. die Zurädhaltung Nuß-Inoh immer der Competenz der Polizei ein zu 
lands gegen Ofierreich veranlaßten das bayerifche| weiter Spielraum gelafjen if. Einigen Eindrud 
Cabinet zu größerer Behutfamleit, während die|bradte in B. die in diefem Jahre erfolgte Ber- 
Mehrheit der Bevölferung nad wie vor zu Öfter«Itreibung des Königs Otto aus Griechenland her- 


Bayern (Geſch. bis 1865). 43 


ver, welcher feinen Wohnfig in Bamberg nahın. | des Prinzen Friedrich als Herzog von Holftein 
Die Fragen, welche in diefer Zeit das deutiche ı./zu ftelen u. die Angelegenbeit energiih zu be- 


damit auch das bayerische Voll bewegten, die 
Oundesreformfrage, die ZJollvereinsangelegenheit 
u Frage Des preuf.-franz. Handelsvertrages, 
kgten e8 der Megierung nahe, zu erwägen, ob 
de in diefen Angelegenheiten von ihr befolgte 
volitil ſch auch Der Zuſtimmung des Landes er- 
he. Sie hatte auf die Majerität der Kammer 
zu zählen, Die mit ihr von der Nothmwendigfeit 
äuer Buudesreform fberzengt war, aber auch 
jeſthielt an der Selbftändigleit B-8 u, in Über- 
einſimmung mit der comjtitutionellen, wie mit 
der großdeutfchen Partei einem Deutichland unter 
preugischer Spitze abhold, auf der anderen 
Seite aber auch eine Gegnerin des durd die 
Zollvereins- u. Hanbelsvertragsirage angebahnten 
Fteihandeisſyſtenns war. Um fich zu überzeugen, 
eb dieie Stimmung auch die des Landes jei, 
löfte die Regierung plöglih am 28. Febr. 1865 
die Kammer auf u. rief am 29. April das Boll 
zur Wahlurne: Die große Mehrheit der Gemählten 
gehörte der minmifteriellen u. großdeutichen Partei 
an, die Fortjchritts- (fog. preuß.) Partei blieb in 
entichiedener Minderheit. Am 23. Juni 1863 
durch den König eröffnet, ſprach ſich der Landtag 
im der Autmwortsadreffe auf die Thronrede ent- 
ihieden für Reform der Bundesverfaffung aus, 
betonte aber dabei die Erhaltung der füderativen 
Form; den preuß.»franz. Handelsvertrag aber fand 
er unannebmbar, fonnte jedoch auch durch dieſe 
Ablehnung den Zollverein nicht gefährdet erachten; 
u. mährend der „lirftencongreß in Frankfurt 
tagte, machte die 2. Kammer auf Anregung ihres 
Vräfidenten Grafen Hegnenberg-Dur eine Demon» 
fration zu Gunften der öfterr, Reformacte. Da- 
gegen ward — allerdings vergeblich — Abkürzung 
der Hjährigen Fyinanzperiode auf eine 2jäbrige 
veriangt, der von der Regierung geforderte außer- 
erdentlihe Militärcretit nur auf 2 Jahre bewilligt 
a. eimjtimmig dem Wunjche des Abg. Kolb bezüg- 
fh einer Reviſion der Militärverfafjung zuge 
ſtimmt. Außerdem murden bedeutende Summen 
für Aufbeflerung der Beamtengehälter, fowie für 
neue Eifenbafmbauten bewilligt. Am 30. Sept. 
erfofgte der Schluß des Landtages. Wenige Wochen 
danach trat aber die jeit Jahren fich binfchlep- 
pende Schleswig-Holfteinische ‚zrage u. damit die 
Deutsche Frage in eine neue Phaſe. Die bayerische 
Regierung trat fofort, um dem Präcedens einer 
Mediatifirnng vorzubeugen, für die Anfprüche des 
Erbprinzen Friedrich von Auguftenburg auf die 
Rahfolge in Schleswig-Holitein ein, u. König 
Marimilian fehrte, als die Angelegenheit ſich zur 
brennenden Frage zufpigte, mitten im Winter 
(Dec. 1863) aus Jtalien heim n. erklärte fich für 
energiihe Durchführung des’ angegebenen Staub: 
punftes. Indeß fjcheiterte feine Abfiht an dem 
Mangel eines einheitlihen Yufammengehens der 
deutichen Hegierungen im Bunde gegenüber dem 
vereinten Borgeben Oſterreichs u. ru Der 
Sram über den Gang der Dinge zerftörte vollends 
die ſchon ſtarl angegriffene Geſundheit des 52jäh- 
rigen Königs; er ft. am 10. März 1864, nad 
dem er noch Tags zuvor feinen Gefandten am 


. 


treiben, allgemein von feinem Volle betrauert. 
Ihm folgte fein erft 184 Jahre alter Sohu 
Yudmwig II. (geb. 25. Aug. 1345). 

H. B. unter König Ludwig II. Der junge 
König konnte bei aller ZTrefflichkeit der Gaben 
wie der Bildung der jchweren Exrbichaft, die er 
antrat, nicht fofort gewachfen fein: er mußte die 
Leitung der Gefchäfte feinem erften Minifter iiber- 
faffen, zeigte aber bald, daß er im der Geſetz— 
gebung u. dem firchlichen Angelegenheiten eine 
freifinnige, humane Praris geübt wünſche. Ju 
einen Gabinetsichreiben forderte er das Geſammt— 
miniſterium auf, die Gründe für u. wider Die 
von der 2. Kammer wiederholt u. zuletzt ein- 
ftimmig geforderte Abkürzung der Gjährigen 
Finanzperioden abermals einer Prüfung zu unter- 
werfen u. darüber Gutachten zu erftatten. Die 
auswärtige Politif anlang.nd vertrat Ludwig den 
Standpunkt des Baters u. lie infolge der Nends+ 
burger Borgänge feinen Bundestagsgejandten an- 
weien, mit Eruft u. Nachdrud auf eine Wieder- 
berftellung des früheren Zuftandes im Wejente 
lichen hinzuwirken. Mittlerweile traten im Juſtiz- 
u. Cultusminiſterium an die Stellen von d. Mulzer 
u. v. Zwehl v. Bombard ı. v. Koch (Juli 1864), 
Die Handelsvertrags- u. HBollvereinsfrage nahm 
in Ddiefer Zeit eine immer ernitere Gejtalt an; 
aus allen Theilen des Landes fandten die Han— 
delscorporationen u. bervorragenditen Firmen Pe— 
titionen an den König, dem Handelsvertrage bei« 
zutreten u, damit B. im Bollvereine zu erhalten, 
während anderſeits bereits alle übrigen deutschen 
Staaten außer Württemberg u. Heffen-Darnıftadt 
ihren Widerjtand in der handelspolitiichen Frage 
aufgegeben, jo daß endlich auch v. Schrerd fid 
zur Nachgiebigleit entichließen mußte, zugleich 
aber auch zu ſeinem Rücktritt; 21. Sept. 1864 
gab er feine Entlaſſung, am 30, trat B. in den 
neuen Zollverein, u. am 5, Oct, erhielt v. Schrend 
die nachgeſuchte Demiffton. Nah langen Unter 
handlungen ward endlih, nachdem am 3. Dec, 
im Minfterrathe ein Programm alljeitig verein- 
bart worden, der Bundestagsgefandte - von der 
Pfordten am 4. Dec. zum Minifter des Aus- 
mwärtigen ernannt u. durch v. Schreud am Bunde 
erjegt. Zugleih wurde das Handelsdepartenent 
vom Minifterium des Auswärtigen getrennt u. 
Minifterialratd v. Pirepichner damit betraut. 
Das Drängen B-8 anf Auerkennung des Herzogs 
von Auguftenburg gegenüber dem öſterreichiſch- 
preußischen Antvage auf Beendigung der Bundes- 
erecntion führte zu einem Notenwechſel zwifchen 
Berlin u, München, reip. Dresden, in dem bes 
reit8 vom Bundesbruche gegenjeitig die Rede war 
u. ein Borfpiel zu 1866 erblidt werden darf. 
Am 30. März 1865 trat endlich der either ver- 
tagte Landtag wieder zufammen, obne jedoch, 
troß des inzwijchen erfolgten Thronmechiels, durch 
eine Thronvede eröffnet zu werden; die Negierung 
legte dabei einen Geſetzentwurf für 2jährige Fir 
nanzperioden vor. Die 2. Kammer nahm indeß 
jegt fchon eine ganz veränderte Phyftiognomie an; 
die bisherige Majorität fiel gänzlih aus einander, 


Bunde angemwiefen, einen Antrag auf Anerfennungiu. conftituirte fih ein Theil derfelben mit Aus« 


44 


Bayern (Gejch. von 1866). 


ſchluß ihrer bisherigen Führer unter Annahme|des Bundes gelangte, fo erflärte B. mit feinen 


eines bejtimmten Programms als Centrumspartei, 
der andere Theil als Nechte, während die, Fort: 
fchrittspartei u, die Pfälzer ſich als Vereinigte 
Linke conftituirten, innerhalb welcher die Frage der 
deutichen Centralgewalt als eine offene, ohnehin 
nur durch die Macht geichichtlicher Thatfachen zu 
föfende anerlannt wurde. Die Regierungsvorlage 
betr. Einführung der 2jährigen Yinanzperiode 
murde von beiden Kammern nahezu einjtimmig 
angenommen. Ein auf Antrag des Ausichufies 
der 2. Kammer vom Juſtizminiſter vorgelegter 
Amneftiegefegentwurf verkündete Generalpardon 
für alle Militärs ug Betheiligung an den Er— 
eigniffen von 1849, beſchränkte aber bezüglich 
der übrigen Perfonen nur auf bayerifche Unter- 
tbanen, wurde jedoch auf Wunſch des Ausichuffes 
auf die Angehörigen der Deutfhen Bundesitaaten 
ausgedehnt u, in diefer Yyaffıng angenommen, Ein 
Antrag auf Erweiterung der Erften Kammer, reip. 
Umgeftaltung derjelben wurde von der Negierung 
befämpft u. von der 1. Kammer einftimmig ab- 
gelehnt, Am 25. April wurden die neuen Zoll 
vereinsperträge von der 2. Kammer angenommen 
u. dabei der Wunſch ausgeiprodhen, daß auch mit 
Italien, der Schweiz, Belgien, England u. Ruß— 
and Handelöverträge abgejchloffen werben, meld 
tetsterem die 1, Kammer jedoch nicht beitrat. Dem 
Verlangen der 2. Kammer nad Aburtheilung ber 
von Militärperfonen verübten nicht militäriſchen 
Berbrechen u. Bergeben durch die bürgerlicyen 
Gerichte trat Die 1. Kammer nicht bei. Den ver- 
langten Militäreredit genehmigte die 2. Kammer 
mit unbedeutendem Abftrich, ſprach aber dabei die 
Bitte auf Verminderung des Aufwandes für Heeres» 
einrichtungen aus. In der Schleswig ·Holſteiniſchen 
Frage documentirte der Landtag feine volle Über— 
einftimmung mit der Politik der Regierung, ja, 
drängte fie, noch weiter zu geben, indem er den 
Ausihußantrag annahm, die Regierung wöchte 
dahin wirken, daß Schleswig-Holftein als ein 
durchaus felbftändiger Staat umter feinem recht« 
mäßigen Fürſten fi conftitnire, die Ständever- 
fammlung einberufen werde, u. jeder Entſcheidung 
über die Zukunft der Herzogtbümer, welche ohne 
Zuftimmung der Landesvertretung oder in Wibder- 
ſpruch mit den ging en a des Bundes erfolge, 
die Anerlennung des Bundes verfagt werde, Am 
11. Juli wurde der Landtag geichloffen, u. wenige 
Tage danad) folgte der Minijter von der Pforbten 
einer Einladung des preuß. Premier nad Salz: 
burg, erwiderte aber deffen Mahnung, die Süd— 
ftaaten möchten in dem nahe bevorftehenden Kriege 
zwifchen Öfterreih u. Preußen ftrenge Neutralität 
wahren, wofür B. dann der Erbe der Stellung 
Ofterreihs in Süddeutſchland fei, amtlih wie 
als Privatmann ablehnend. Am 27. Zuli ftellte 
3, im Sinne der ftändifchen Aufforderung mit 
Sachſen und Heffen-Darmftabt am Bunde den 
Antrag, bei Ofterreih u. Preußen anzufragen, 
was fie bezüglich Schleswig Holteins zu thun 
sejonnen feien, u. als derjelbe umgangen wurde, 
+. Nov, den weiteren, die Bertreter von Holftein 
rinzuberufen u. Schleswig in den Bund aufzus 
nehmen. Da der Bundestag jedoh zu feinen 
Beſchlüſſen gegen die beiden wictigften Staaten 


beiden Verbündeten, daß fie nunmehr ihre Auf- 
gabe u. Thätigkeit in diefer Sache innerhalb des 
Bundes für abgefchloffen betradten u. fi auf 
eine laute u. entichiedene Berwahrung gegen jede 
nicht auf der Grundlage des Bundesrechtes be- 
rubende Abmachung beichränten würden, — eine 
Ertlärung, die vollftändig mit der auf verſchie— 
denen Bolfsverfammlungen zum Ausdrude gekom— 
menen Stimmung des Landes übereinſtimmte. 
Judeß begab fih in der nächften Umgebung des 
Königs eine erwünſchte Wendung. Der junge 
König hatte in Begeifterung fir die Zufunfts- 
Mufit den Componiften Richard Wagner nad 
München berufen, diefer bald jedoch über Ludwig II. 
einen Einfluß gewonnen, der im Lande mehr u. 
mehr Mifftummung gegen Wagner bervorrief. 
Gleichwol überrafchte am 6. Dec. die Nachricht, 
der König habe Wagner die Weifung ertheilt, 
auf einige Monate Miinchen zu verlaflen, u. zwar 
wurde die Weifung mit den Worten motivirt, der 
König wolle feinem theuren Volle zeigen, daß fein 
Bertrauen u. feine Liebe ihm über Alles gebe. 
Dagegen ließ die Fortichrittspartei dem König er» 
fären, daß nicht die Entlaffung Wagners, fon- 
dern die v. d. Pfordtens verlangt werde. Der 
König nahm indeß die betreffende Deputation 
nicht an. In dieſe Zeit fällt auch die Anerfenn« 
ung des Königreihs Italien von Seiten B-8 
u. der darauf erfolgte Abſchluß des Handeldver- 
trages zwijchen dem Zollverein u. Italien. Am 
8. März 1866 ſprach fih die bayer. Regierung in einer 
Depefche dahin aus, wenn Dfterreih u, Preußen 
ihren Zwiſt mit Umgehung des Bundes ausfech— 
ten wollten, jo fei für die übrigen Bundesglieder 
Neutralität das Rathſamſte, ausgenommen, wein 
eine der beiden Mächte den Bund anrufen würde, 
vorausgeſetzt, daß diejelbe dann in der jchleswig- 
holſteiniſchen Sache zum Rechtsſtandpunkte zurüd-e 
febre, ſterreich ergriff ſofort dieſe Ausſicht auf 
Bundesgenoſſenſchaft B-8 u, der übrigen Mittel— 
ftaaten u. forderte 16. März in vertranlicher De— 
pefche die Mittelftaaten zu jofortiger Kriegsrüſtung 
auf, Eine preußische Depeiche vom 24. März, welche 
ſich nach der Sefinnung der Mittelftaaten erfundigte, 
wurde von B. durch Verweiſung an den Bund be» 
antwortet, dem dann Preußen 9. April u. 14. Juni 
ein Reformproject vorlegte. Es war aber ſchon zu 
fpät, als von der Piordten die beiden Großmächte 
31. März vom Kriege abmahnte u. fie aufforderte, 
in Verhandlungen bebufs Umgeftaltung des Bun— 
des einzutreten. B. rüſtete gleichzeitig im Sinne 
der öjterreihiihen Aufforderung, machte 10. Mai 
fein Heer mobil u. ernannte 23. Mat den greifen 
Prinzen Karl, Bruder König Ludwigs I, zum 
Oberbefehlshaber. Bon der Pfordten jpielte mit 
Beuft die Hauptrolle auf den die Wahrung der 
gemeinfamen Intereſſen bezwedenden Eonferenzei: 
der Mittelftaaten in Augsburg u. Bamberg im: 
April u. Mai. Als danıı Ofterreich in der höch— 
ten Noth ſich dem Bundesrechte fügte u. Die 
Entiheidung über Schleswig-Holftein dem Bunde 
überließ, wies B. alle Anträge Preußens zurid, 
ja fogar das noch im uni geftellte Anerbieten 
der Hegemonie in Siüddeutichland für den Fall 
der Neutralität u. des Oberbefehls über die Süd- 


Bayern (Geſch. bis 1867). 


ame, u. Schloß 14. Juni den Olmützer Bertrag, dels waren jchon im 


a 


mt ODferreich, Durch melden es ſich unter deſſen 
Sherbeicehl ſtellte. Obſchon von der Pfordten 
Mh den General von der Tann über den man» 
xlbaften Zuftand Der öfterreichiichen Armee unter- 
nhtet war, was er den Kammern verjchwieg, 
zurde der Olmiter Vertrag von B. ratificitt. 
ga den Kammern hatte die Regierung bei For- 
derung eine® außerordentlihen MilitärcreditS von 
31,512,000 fl. als ihr Programm die Erhaltung 
des riedens m. im Falle des Friedensbruches 
die Bertheidigung der Bundesrechte u. der Selb- 
tindigleit Bes bezeichnet, morauf die 2. Kammer 
den Credit einftimmig annahm, die Linke jedoch 
mit der Verwahrung, daß fie damit die Bundes: 
politit des Miniftertums nicht billigen wolle, fo 
wenig als fie Die preußifche Politik billigen könne, 
mie denn überhaupt auf den Berfammlungen die- 
ver Bartei das Vorgehen des preußifchen Premier 
in rüdfichtsiofefter Weiſe verurtheilt wurde. Die 
Berheiligung B-8 am Krieg war, wie diefer lber- 
haupt, furz u. wurde ohne rechten Ernft geführt. 
Die Bayer. Armee, welcher es nicht gelang, ſich 
nit den Hannoveranern zu vereinigen, wurde 4. Juli 
ten den Preußen aus Thüringen zurüdgedrängt, 
t num wurde um den Main gelämpft, bis die 
Preußen 31. Juli im Rüden der B. in Nürnberg 
einzogen. Schon 28. Juli aber hatte von der 
Piorbten in Nikolsburg mit Preußen einen Waf— 
fenftiliftand abgejchlofien, der am 2. Aug. beginnen 
ſollte. Sofort rubten die Fyeindfeligleiten; doch 
biieb der nördl. Theil von B. bis zum Friedens: 
chluſſe von den Preußen befett; leßterer fand 
22. Aug. in Berlin flatt; B. verlor durd den» 
selben die Bezirke Orb u. Gersfeld mit 10,5 geogr. 
PR u. 32,976 Em, an Preußen u. zahlte 30 
Ril. Gulden an Sriegstoften. Zugleich ſchloß 
von der Pfordten auch das Schu u. Trutz— 
bündnig mit Preußen ab, das aber erft im März 
des folgenden Jahres zur Keuntniß des Yandes 
taım. Daß v. d. Pforten fo rafh vom Olmützer 
Sertrage fih losſagte, Frieden Schloß u. fih auch 
zu dem Schut- u. Trutzbündniß verftand, welches 
3-8 Urmee für den Kriegsfall unter den Ober- 
befehl Preußens ftellte, bewirkte die Eröffnung 
Bismards, daß Fraufreih als Compenfation die 
Abtretung deutichen Gebietes, darunter eines Theils 
der Rheinpfalz, verlange, er aber ſolche For— 
derung entjhieden abgelehnt habe. Der am 27. 
Aug. zufammengetretene Yandta — den 
Friedensvertrag, ſowie die 30 Mill. Kriegskoſten, 
die 2. Kammer mit dem Beifate, e8 möge die 
Einigung Deutihlands unter Mitwirkung eines 
rei gewählten u. mit den erforderlichen Befugnif- 
fen ausgeftatteten Parlaments erftrebt werden. Auch 
die Öffentlihe Meinung in B. jprad) fi) auf Volls— 
veriammlungen eutſchieden gegen die Trennung 
zwifchen Nord» u. Siiddeutihland aus u. wandte 
ſich, wenigſtens auf Seiten der Fortſchrittspartei, 
entichieden zu Gunften Preußens. Prinz Karl, als 
Feldherr durchaus discreditirt, legte im Dct. alle 
feine militärifchen Würden nieder, u. dv. d. Pforb- 
ten that im Dec. dafjelbe bezüglich feines Minifter- 
poſtens, den ftatt feiner am 31. Dec. 1866 Fürſt 
d. Hohenlohe Schillingsfürft einnahm. In den 


45 


Ye Anderungen eingetreten, 
u. als Miniſter v. Pehmann, v. Grefier und 
Schlör berufen worden; bedeutjamer aber war 
die Entlaffung des jeitherigen Chefs des fal. 
Cabinets, des Staatsrathbs Pfiftermeifter u. die 
Erjegung deffelben durch den ſeitherigen Cabinets- 
fecretär, früher Appellationsgerichtsratb Fuß. Da— 
mit war mit dem alten Syſtem gebrocden, ı. 
begann eine preußenfreundliche Politik der Regier- 
ung. Das neue Minifterium begann feine Thä— 
tigleit mit Berbefferung der Kriegsverfaffung, zu 
welchem Zwede Anfangs Februar 1867 Conferen- 
zen der Südftaaten in Stuttgart ftattfanden, die 
Rh für Einführung der preuß. Heeresverfaſſung 
ausiprahen. Umfonft aber bemühte ſich die bayer, 
Negierung um das ABuftandefommen eines Siid- 
deutihen Bundes; dagegen trat B. nicht ohne 
Schwierigkeit dem von Preußen reorganifirten 
Zollverein bei. Die Beichlüffe der Miniſterial— 
conferenzen vom 3.-u. 4. Juni behufs Wieder- 
herftellung des Zollvereins in dem Sinne, daß 
die Gefetgebung in diefen Angelegenheiten einem 
gemeinjchaftlihen Organ der Detheiligten Negier- 
ungen u. einer Bolfsvertretung übertragen würde, 
gefielen, obwol Hohenlohe an demjelben betheiligt 
war, der bayer. Regierung nicht, da fie weder von 
ihrem Liberum veto lafjen, noch Abgeordnete in 
den Norddeutſchen Neichstag ſchicken wollte. Eine 
desfallfige Miffton des Grafen Taufflirchen nach 
Berlin erzielte zwar das Liberum veto nicht, aber 
die Vertretung der Bevölferung des Zollvereins- 
gebietes durch ein felbftändiges Zollparlament mit 
eigener Gefhäftsordnung u. anftatt 4 Stimmen 
6 im Zollbundesrathe. Damit gab ſich die bayer. 
Negierung zufrieden, u. die Holivereinsverteäge 
fonnten am 8. Juli 1867 unterzeichnet werben. 
Am 8. Jan. 1867 wurde der Landtag eröffnet, 
u, fofort ftellte die Fortichrittöpartei den Antrag 
auf eine Adreffe an den König, welche engen An— 
ſchluß an den Nordbund wünſchte, worauf Hohen» 
(che die Erflärung gab, das Biel der bayer. Politif 
ſei nationale Einigung mit dem Norden; vorerjt 
aber fei e8 unerreihbar, daher das nächſte Biel 
jegt Allianz mit Preußen, Unterordnung unter 
feinen Oberbefehl gegen beftimmte Garantie der 
Souveränetät des Königs; damit beruhigt, 309 
die Partei den Antrag zurüd. Nachdem die Re— 
gierung ben Entwurf einer neuen Wehrverfaffung 
im Sinne der Stuttgarter Conferenzen vorgelegt, 
die Linke den Antrag auf Vorlage eines Schulge- 
ſetzes, auf Errichtung eines oberften Verwaltungs» 
gerichtshofes geftellt, der Abgeordnete v. Staufs 
jenberg gelegentlich feines Antrages auf Abſchaffung 
der Todesftrafe den Juftizminifter v. Bombard in 
einer Weife angegriffen, die deffen Entlaffung 
herbeiführte u, endlich noch ein von *, der Kam«- 
mer unterzeichneter Untrag eine Umgeſtaltung 
des Minifterverantwortlichleit8-Gefetes dahin ver- 
langt, daß künftig ein wirkliches Gefanmtftaats- 
miniſterium mit voller Solidarität für alle Fragen 
von allgemeiner Bedeutung in Wahrheit bejtehe zc., 
— murde am 23. März der Landtag vertagt. 
Dem Wunfche nah einem Schulgefege entſprechend 
hatte die Regierung einem betr. Entwurf am 16. 
Aug. einer Fachmänner-Commiſſion vorgelegt, 


Minifterien des Innern, des Cultus u. des Han-|tvag aber damit die Hlerifale Partei am ihrer 


40 


empfindlichiten Seite, da mit diefem Entwurfe die 
Bezirtsichulinfpectionen, bisher fämmtlich (386) 
in den Händen von Geiftlichen,, ihnen entzogen, 
n. auch in den Ortsichulcommiffionen ihnen der 
Borfig nur facultativ, d. h. wenn fie gewählt 
würden, b:lafjen werden follte. Dagegen erhob 
fh ein Adrefienfiurm an den Köniz, u. der Epi- 
ſlopat protejtirte gegen folche Verlegung der un— 
deräußerlichen Rechte der Kirche auf die Schule 
sw. Gutchriftlihung derfelben. Der am 30. Sept. 
wieder zufammengetvetene Landtag empfing mit 
der Vorlage der BZollvereinsverträge mieder ein 
Programm der Hobenlohejhen Politil dahin, daß 
jet die Einigung des nun getrennten Deutichland 
in der Form eines Staatenbundes zwifchen Norden 
a, Süden erftrebt würde. Die 2. Kammer geneh- 
migte die Zollvereinsverträge mit großer Majorität, 
der Ausihuß der 1. verwarf fie, worauf ber 
preußische Gefandte in München erflären mußte 
(26. Oct.), daß die Bollvereinsverträge von 1865 
am 30, Dct. gekündigt würden, wenn bis dahin 
die Berträge vom 8. Juli nit angenommen 
wären. Die höchſte Aufregung bemädhtigte fich 
des Landes: Die 1. Kammer aber wollte nur 
dann die Berträge annehmen, wenn das Liberum 
veto B. belaffen würde. Sofort nah Annahme 
biejes Antrages reiften Fürft Hohenlohe u. Frh. 
d. Thüngen, Referent der 1. Kammer in Diejer 
Sache u. Führer der antipreußifchen Partei, nad 
Berlin, famen aber umverrichteter Dinge am 30. 
Oct. wieder zurüd, u. nun bewirkte Frh. v. 
Thüngen felbft die bedingungslofe Annahme der 
Berträge; am 31. Oct., noch zu rechter Stunde, 
waren fie genehmigt. Der Wehrgejegentwurf ging 
erft nach verſchiedenen Anderungen u. gegenjeiti- 
gem Nachgeben durch, die wichtigen, auf entſchie— 
den freiheitlihen Grundlagen beruhenden, ſog. 
Socialgeſetze, nämlich das über Gewerbsweſen mit 
Gewerbefreiheit, u. die über Heimath, Verehelichung 
u. Bürgerrecht erſt nach einigem Widerſtreben der 
1. Kammer. Während dieſer 7 Monate dauern— 
den Seffion wurden 10. Febr. 1868 die Boll 
parlamentswahlen vorgenommen. Die Herifale 
Agitation gegen den Schulgefegentwurf hatte auch 
für diefe Wahlen ihre Früchte, — von den 48 
von B. zu ftellenden Abgeordneten entfandte Die 
Nerifalfe Bartei 26, die FFortichrittspartei 12, die 
großdeutfche 9, die demokratiſche 1, — u. dieſen 
Sieg auf Grund der allgemeinen u. directen Wahl 
peranlaßte den Führer der Partei, Jörg, ſogar 
in der 2, Kammer 26, März 1868 bie Regierung 
dahin zu interpelliren, ob fie auch für die Land- 
tagsmwahlen diefen Wahlmodus einführen u. noch 
auf diefem Pandtage ein beireffendes Geſetz ein- 
bringen wolle. Lautete die Antwort ber Regierung 
ſchon ablehuend, jo gab eine noch viel deutlichere 
Antwort der neue Deinifter des Inuern v. Hör- 
mann — feit 30, März an Stelle des verfiorbenen 
d. Pechmann — durch fein Eircular v. 9. April 
an bie Kreisregierungen, wodurd er die Agitation 
dei den Bollparlaınentswahlen u. gegen das Schul- 
geſetz verurtheilte u. föniglihen Beamten das Un- 
ziemliche der Theilnahme an folhen Demonftras 
tienen 2c. vorhielt, worauf auch bald Penfionir- 
ungen u. VBerfegungen jolder Beamten u. Negier- 
ungspräfidenten erfolgten. In diefem Jahre wurde 


Dayern (Geſch. bis 1870). 


noch die neue Formation der Armee, aber chne 
Anflug an das im Norden geltende Syftem durch— 
geführt, u. war eine Einigung mit den Siüdftaaten 
über das Feſtungsweſen zu Stande gekommen. 
Inzwiſchen war der entlafjene Juftizminifter von 
Bombard nah einem Interimiſticum von faft 5 
Monaten durch den Gabinetschef Lutz erjett u. 
Polizeidirector Pipowsti Gabinetschef geworden. 
Beim Wiederzufanımentritte der Kammern 1869 
wurde der in voriger Seffion geftellte Antrag des 
Abg. Jörg auf Ginführung des allgemeinen 
directen Wahlrechtes für die Yandtagswahlen mit 
großer Majorität abgelehnt u. darauf in die Berath- 
ung des neuen Schulgejeges eingetreten; daſſelbe 
ſollte der Schule ihren confelfionellen Charafter, 
den kirchlichen Oberbehörden die Anordnung u. 
Yeitung des Weligionsunterrichtes wahren, die 
übrige Leitung der Schule u. Erziehung etwa 56 
bejonderen Beamten, geiftliden oder weltlichen, 
als Dijtrictsichulinipectoren überlaffen. Die 2. 
Kammer nahm zwar den Entwurf mit Abänder« 
ungen an; da aber die 1. Kammer viel mehr 
Adänderungen im Sinne der Geiftlichfeit verlangte, 
denen die 2. Kammer nicht beitreten wollte, fo 
fiel das Schulgejeg. In derfelben Seſſion wurden 
die beiden freifinnigen Gemeindegefege — das für 
das rechtörbeinische Gebiet u. ein anderes für die 
Pfalz — vollendet, eine neue Givilprocefordnung 
nit Offentlichkeit u. Diiindlichkeit, ein neues Straf: 
verfahren u. Milttärftrafrecht angenommen. Mit 
diefer am 29. April 1869 geſchloſſenen Seſſion 
börte auch das Gjährige Mandat der 2, Kammer 
auf, u. ftanden neue Yandtagswahlen bevor. Aui 
beiden Seiten wurde mit größter Erbitterung ge» 
rüftet u. gelämpft, aber der Herifalen Partei, 
welche vor Allem die Wahrung der durch die 
Politif des Minifteriums von ihr gefährdet gehal— 
tenen Gelbftändigfeit Bis betonte u. fi deshalb 
jegt die patriotifhe Partei nannte, ftanden neben 
der Preſſe u. den von ihr gegründeten Eafinos u. 
patriotiſchen Bauernpereinen ꝛc. noch Kanzel u. 
Seelforge zu Gebote, u. jo erhielt diefelbe bei den 
Wahlen am 22. Mai 79 Sige gegen 75 der 
(iberafen Partei zufallende. Da infolge von 
Wahlbeanftandungen zc. das Stimmenverhältnig 
bei der Präſidentiſchaftswahl fich gleichftellte, 72 
gegen 72, u. deshalb trog 7 Scrutinien feine 
Wahl zu Stande kam, löfte die Regierung die 
Kammer 6 Tage nad ihrem Zufammentritt, am 
6. Oct., auf u. ordnete Neuwahl au. Diejelbe, 
am 25. Nov. vorgenommen, fiel aber trog fünft- 
licher Auderung verfhiedener Wahibezirfe für die 
Regierung * ungünſtiger aus; die Klerikalen 
erhielten 80, die Freiſinnigen bloß 74 Stimmen 
(darunter aber 63 Fortſchrittsmänner). Unter 
ſolchen Umftänden erbat das Minifterium ſchon 
am folgenden Tage feine Entlafjung, doch erhiel- 
ten diefelbe nur die Minifter des Innern u. des 
Cultus, v. Hörmann u. v. Greffer, als die meift 
angefeindeten; das Innere übernahm der Mini- 
fterialratb im Handelsminifterium, Braun, das 
des Cultus der Minifter Lutz unter Beibehaltung 
des AYuftizminifteriums. Am 8. Jan. 1870 trat 
der neue Landtag zufammen u. ward ımit einer 
verſöhnlichen Thronrede eröffnet. Dagegen lie 
ferten die Adreßdebatten in beiden Kammern den 


Bayern (Gejch. von 1870), 


Imeis des entfchiebenften Mißtrauens gegen die 
Fol! des Fürfter Hohenlohe n. des Widermil- 
end gegen Die Allianzverträge mit Preußen, u. 
immten Diefen Außerungen auch jelbft die Oheime 
des Königs, Die Prinzen Luitpold u, Adalbert, der 
druder des Königs, Prinz Otto u. die auderen 
4m der 1. Kammer anmejenden Prinzen zu. 
dr König empfing die Adrefdeputationen nicht, 
ie ih aber Die Adreſſen einjenden u. gab feiner 
Anſchauung Dadurch Ausdrud, dag er den Prin- 
zen bedeuten ließ, fie feien bis auf Weiteres vom 
Beſuche bei Hof Dispenfirt, die Minorität der 
Rechsräthe u. das Minifterium aber befonders 
anszeihnete. Indeß lag do Mar, daß bei fol- 
Kr Stimmung der Kammern ein Zufammen- 
wirten der Regierung mit den Ständen unmöglich 
fei, u. fo wurde am 7. März auch das Entlaffungs- 
gefuh des Fürften Hohenlohe vom König anger 
nommen u. das Auswärtige dem Grafen Bray 
übertragen, der die Aufrechterhaltung der Allianz« 
u. Bollverträge, aber auch Wahrung der Selb- 
Händigfeit B-8 als fein Programm bezeichnete. 
Die Kammer war eben bei Berathung des Mili- 
täretats u. im Begriffe, auf die Anträge des Abg. 
Kolb, des Statiftifers, die Militärverwaltung zu 
emer anderen Heeresverfaflung zu drängen, unter 
Behrhaftmahung aller jungen Männer, aber mit 
furzer Präſenz, w. unter Befeitigung nutzloſen 
Aufmwandes, als die franzöfifhe Kriegserklärung 
fie zwang, davon abzuftehen. Der König wollte 
Ah nicht vom übrigen Deutihland trennen, gab 
am 16. Juli den Befehl zur Mobilifirung der 
Arınee u. ließ am 18, dur den Kriegsminifter 
einen Militärcredit von 26,700,000 fl. fordern. 
Unter der furctbarften Aufregung im Sikungs- 
faal, auf den Zribiinen u. vor dem Stäudehaufe 
lam der Beſchluß zu Stande, daß für den Fall 
der Unvermeidlichkeit des Krieges 5,600,000 fl. 
für einmalige außerordentlihe Bediürfniffe, für 
den Unterhalt des Heeres aber 12,660,000 fl. bis 
letzten Oct. 1870 zu bewilligen feien. Am 20. Juli 
erflärte B. feine Bereitwilligleit, an der Seite 
Breufens gegen Frankreich zu kämpfen, u. am 
27. Juli übernahm bereit8 der Kronprinz von 
Breufen das Commando über die der britten 
Armee zugewiefenen bayerifhen Truppen. Be- 
lannut ift die überaus tapfere Haltung der Bayern im 
Kriege u. ihr brüderliches Verhältniß r den 
preuß. u. Übrigen deutſchen Truppen. ährend 
des Krieges lam naturgemäß das künftige Ver— 
hältniß zum Nordbunde zur Sprache. Bei den 
desfalls gepflogenen Beiprehungen mit dem preu- 
Sifchen Minifter Delbrüd ftellte die bayerische Re- 
gierung eine felbftändige Verwaltung der Armee 
u. bes Berfehrswejens, eigene Steuern u. eigene 
Gejetgebung, bejondere Berüdfichtigung bei der 
Leitung der auswärtigen Bolitif, ein Veto gegen 
alle Berfaffungsänderungen u. Befreiung von 
Beiträgen zu den Koften der deutjchen Flotte als 
Beringungen feines Anfchluffes an den Nordbund: 
Bedingungen, die man in Berjailles unannehm- 
bar fand; erft als die Anträge der übrigen ſüd— 
deutihen Staaten zur Yufnahme in den Bund 


47 


um dort neue Verhandlungen zu beginnen. Aber 
immer waren die bayerischen Forderungen noch zu 
hoch, jo da, während die Abjchlüffe mit den an— 
deren Staaten bereits theil$ vollzogen, theils nahe 
bevorftehend waren, beinahe ein Abbruch der Ver» 
handlungen zu befürchten ſtand. Um nun aber nicht 
iſolirt zu ftehen, ließen die Miniſter fich zu Con» 
ceffionen herbei, u. fam am 23. Nov. 1870 der 
Bertrag zwiihen B. u. dem Nordbunde zu Staude, 
durch melden B. fid) immer noch feine eigene 
Diplomatie, die Verwaltung der Armee, der Poft, 
der Zelegrapbie, der Eifenbahnen, beiondere Bier— 
u. Branntweinbefteuerung, ſowie Unabhängigkeit 
von den Beitimmungen der Bundesverfajjung 
über Heimaths- u. Niederlaffungsverhältniffe vor— 
behielt. Der Bertrag, vom Neichstage 10. Dec. 
angenommen, wurde 14. Dec, deu bayeriſchen 
Kammern unter wärmfter Empfehlung von den 
Diiniftern vorgelegt, nachdem bereits 4. Dec. 
1870 König Ludwig II. die deutichen Fürſten auf- 
gefordert hatte, dem König von Preußen den Titel 
eines deutschen Kaijers anzutragen. Indeß ver- 
zögerte die patriotifche Partei in der 2. Kammer 
die Annahme der Verträge bis in die zweite 
Hälfte des Januar; ja, es ftand fogar ein Jörg— 
her Antrag zur Verhandlung, die Berträge zu ver⸗ 
werfen u, mit dem künftigen Deutfejen Reiche einen 
weiteren Bund abzufchliegen auf Grund der inneren 
Ausbildung des Allianzvertrages u. der Ausdehn- 
ung der durch den Zollvereinsvertrag geſchloſſenen 
verfaffungsmäßigen Berbindung. Indeſſen half 
alles Widerftreben Nichts; die nationale Ström- 
ung machte fi doch fchliehlich geltend, u, am 21. 
Jan. wurden die Verträge nad 10tägiger Ber: 
handlung mit 100 gegen 48 Stimmen angenom« 
men. ie 1. Kammer hatte diejelben bereits 
am 30. Dec. 1870 genehmigt. Ebenſo wurde 
troß aller Gegenreden u. Öegenanträge der von 
der Regierung verlangte Militärcredit (41 Mill.) 
mit 146 gegen 4 Stimmen angenommen. Die 
übrigen Landtagsverhandlungen boten fein Inter—⸗ 
effe mehr; die Seſſion ſchloß am 18. Febr. Am 
3. März fanden die Heichstagswahlen ftatt: es 
fanden fi nunmehr Liberale u. Patrioten ge- 
genüber, u. fiegten diesmal die Erſteren, da fie 
30 Mandate erhielten, dietegteren dagegen nur 18. 
Noch war aber der Krieg gegen Frankreich nicht 
zu Ende, als ein neuer, gegen das Papftthum, 
hereinbrad. Durch die Aufftelung des Glaubens- 
ſatzes der päpftlihen Unfehlbarkeit im Baticani— 
jhen Concil wurde namentlih ein zwar wenig 
zahlreicher, aber ungemein einflußreiher Theil 
der Bevölferung B-8 lebhaft erregt. Die Univer- 
frät Münden zählte jhon 24. Juli 1870 44 
Lehrkräfte, welche ſich offen gegen die Ofumenici- 
tät des Baticanifhen Concils u. gegen die Unfehl- 
barkeit erflärten, u. die Regierung unterfagte 9. 
Aug., die Concilsbeſchlüſſe ohne ihre verfafjungs- 
mäßig feftgeftellte Genehmigung befannt zu machen. 
Gleichwol veröffentlichten die bayer, Biſchöfe die 
Eoncilsbeichlüffe theils von der Kanzel, theils 
durh das Paftoralblatt, trogdem fie großentheils 
noch vor Kurzem gegen das Dogma gejtimmt 


dort angenommen waren, bejann man fi in|hatten; der Biſchof von Regensburg proteftirte 


Münden eines Anderen, u. reiften die Minifter 
Bray, Lug u. Pranfd (Krieg) mach Berfailles, 


egen das Negierungsverbot, u. der Erzbiſchof von 
— bedrohte ſogar ſchon die Gegner des 


48 


Dogmas mit dem Banne, 
München verlangte von den theologischen Brofefioren 
der Univerfität die unterfchriftlihe Anerkennung 
der Concilsbeſchlüſſe; aber als fich diefem 6 von 
9 Profefforen fügten, erhielten fie einen Verweis 
vom alademischen Senat, u. wurde die Sade beim 
Eultusminifterium als eine Amtsüberjchreitung des 
Erzbiſchofs zur Anzeige gebradt. Indeß mehrten 
fih unter Führung der Profefforen Döllinger u. 
Friedrich die fatholifchen Gegner der Concilsbe— 
ſchlüſſe, u. an vielen Orten wurden nad dem 
Borgange Münchens Alttatholifenvereine gebildet, 
u. aud unter den Geiftlichen zeigten fidh bereits 
Gegner. Als einen derjelben die Ercommunica- 
tion traf, verweigerte der Miniſter v. Lug dem 
Biihof die Beihilfe des weltlichen Amtes dazu, 
den Ercommunicirten von feiner Pfarre zu ent- 
fernen. Auch Döllinger u. Friedrich wurden 
excommunicirt; die Univerſität aber antwortete 
darauf mit der Wahl des Erſteren zum Rector, 
des Letzteren zum Mitgliede des Senats. Jetzi 
wandten ſich die Biſchöfe an den König um 
Wahrung der verfaſſungsmäßigen Rechte der 
Kirche, jo daß von Seiten der Regierung Etwas 
geihehen mußte; Graf Bray aber ſcheute ein 
energiſches Vorgehen u. gab jomit feine Entlaffung, 
die 22. Juli 1871 vom König angenommen wurde. 
Zugleich wechfelte das Minifterium: Graf Hegnen- 
berg-Dur Minifter des Auswärtigen u. Präfident 
im Minifterrathe, Pfeufer Inneres, Fäuſtle Ju— 
ftiz, Lug behielt das Lultusminifterium, Prankh 
den Krieg, Pfregichner die Finanzen; das Handels- 
minifterium wurde unter verichtedene Minifterten 
getheilt. Graf —— u. Lutz übten nun den 
Haupteinfluß. Letzterer wies 27. Aug. den Erz— 
biſchof mit ſeinem Geſuche um Unterſtützung des 
Staates ab. Auf eine Verſammlung angeſehener 
Münchener vom 10. April, welche ſich energiſch 
zu Gunſten des Altkatholicismus ausſprach, folgte 
12. Juni eine ſolche altkatholiſcher deutſcher Gelehrter 
unter Döllingers Vorſitz u. 22.—24. Sept. der alt⸗ 
fatholifhe Congreß, welchen 200-300 Abgeord- 
nete aus Deutfchland u. den Nadbarländern be» 
ſuchten. In diefem Monat trat aud der Land— 
tag wieder zufammen, u. ergriff der Abgeordnete 
Herz die Gelegenheit, das Miniſterium über feine 
Stellung zu den kirchlichen ‚ragen, in denen bis 
jet die Thaten durhaus nicht den Worten ent- 
jprachen, zu interpelliren. Der Gultusminifter 
erklärte darauf unter ausführlicher Darlegung der 
Berhältniffe, daß das Minifterium den katholiſchen 
Staatsangebhörigen, Geiſtlichen wie Weltlichen, welche 
das neue Dogma nicht anerkannten, ftaatlichen 
Schut gewähren, das religiöjfe Erziehungsrecht der 
Eitern dem Dogma gegenliber aufredterhalten u. 
jeden Eingriff in die Nechte des Staates auf ver- 
faffungsmäßigem Wege abwehren werde. Obwol 
die Kammermehrheit in diefer Rede des Minifters 
eine offene Kriegserflärung erblidte, verwarf fie 
doch eine Beichwerde des Biſchofs von Augsburg 
wegen Verlegung verfaflungsmäßiger Rechte von 
Seiten des Cultusminiſters in Behandlung alt- 
katholischer Angelegenheit als unbegründet. Eben» 
fo ward aber aud ein Antrag Kolbs auf voll 
ftändige Trennung von Staat u. Kirche, n. zwar 


Bayern GGeſch. biß 1873). 


Der Erzbiihof von; 


wie durch die der Ultramontanen, abgelehnt. Die- 
jem Yandtage war es auch vorbehalten, im Inter— 
eife der nationalen Politik über eine Weihe 
bayeriſcher Gefandtihaften die Aufhebung zu be- 
ſchließen u. vom Miniſterium bezüglich der Auf- 
gebung von Nefervatrechten dahin belehrt zu 
werden, daß biefelbe nicht von einem Votum des 
Landtages, fondern nur von dem der Bevollmäch- 
tigten im Bundesratbe abhängig u. daß ipeciel 
bei Abihaffung von Reſervatrechten die Einmil- 
ligung des betreffenden Einzelftaates nothwendig 
je. Das Minifterium, Hegnenberg-Dur mar 
eben entichloffen, den Übergang B-8 von dem 
vollftändig jouveränen Staate zum Mitgliede des 
Bımdesftaates, zur bumbesftaatlihen Stellung 
durchzuführen: um fo jchwieriger war e8 bei der 
vorhandenen Stimmung in den noch immer mei 
großdeutih gefinnten höheren Kreiſen, wie bei dei 
Haltung der Kammermehrbeit, eine Nachfolger 
für den am 2. Juni verjtorbenen Grafen Heg- 
nenberg-Dur zu finden. Nach faft dreimonatlicher 
Bacanz“ wurde 24. Sept. dem FFinanzminifter v. 
Pfregichner das Auswärtige mit dem Präfidium 
übertragen, dem Minifterialrath Beer aber das 
Finanzminiſterium. Dazwiichen fiel die Jubel— 
feier des 400jährigen Beftehens der Univerfität 
Münden, reſp. Jugolftadt-Landshut am 1. u. 2, 
Aug., die, von allen Hochſchulen Deutichlands u, des 
Auslandes befchidt, zu einer wahren Siegesfeier der 
freien Forfhung wurde. Im politiichen Syitem hatte 
fih durch das neue Minifterium nur das Eine geän: 
dert, daß die Beziehimgen zum Reiche fi fort n. 
fort günftiger geftalteten u. auf der Bahn des 
Fortſchrittes unverhohlen weitergegangen wurde: 
wo die Kammer der Einführung betreffender Ge— 
ſetze fich widerfetste, ging das Minifterium auf 
auderen Wegen vor, namentlich in der Schulfache 
u. im den kirchenpolitiſchen Fragen, welche der 
bayer. Minifter Lug durch feinen Antrag, betr, 
Kanzelmigbraud, im Neichdtage aus einer ur- 
fprünglid nur bayerifhen Frage zu einer deut- 
jhen machte, Die desfallfigen Heichsgejeke fan- 
den troß der Beichwerden u. Protefte des Epi- 
ftopat8 umaufgehalten aud ihre Wirkfamkeit is 
B., u. ebenjo die von den Landräthen genehmig- 
ten Schulreformen; was hier noch fehlte, ergänzte 
man auf dem Verordnungswege, u. jo famen die 
confejfionell gemischten Schulen ftatt der bisher 
getrennten u. die Stellung ſämmtlicher Erzieh— 
ungs- und Iinterrichtsanftalten, namentlich der 
Seminarien fir angehende Kleriler, bezüglich ihrer 
Gründung u. Leitung unter die Oberauffidt des 
Staates, u. hatte fich ſchon bei der Bertragsdebatte 
1871 die Herilale Partei nicht feſt confolidirt 
gezeigt, jo hatten die Debatten u. Abftimmungen 
iiber die Beſchwerdeſchrift des Biichofs v. Augs- 
burg u. über den Jmitiativantrag, betr, die Re— 
jerpatrechte, eine offene Spaltung herbeigeführt, u. 
bei der Präfidentenwahl anläßlich der Wiederer- 
öffnung des Landtages 4. Nov. 1873 trat die 
volle Zerflüftung derjelben zu Tage: e8 hatte fich 
aus ihr eine freie Bereinigung ausgeſchieden, die, 
wenn auch nicht zahlreich, doch den Ausichlag bei 
den Abftinnmungen gab. So lam es, da jelbit 
der Ermweiterung der Competenz des Heiches über 


dur die Majerität der Nationalliberaien ebenſo, das bürgerliche Hechtswefen Die Kammer zuſtimmte; 


Bayfield — Bayle. 49 
dagegen wahrte fie ihren particulariftiichen Stand-| Sitten der damal. Zeit von unfhägbarem Werthe 
punft gegenüber der Forderung auf Aufhebung | (durd Stahlftid vervielfältigt, Lond. 1855 u. 1873). 
ammilicher bayerischen Gefandtihaften. Kurz vor B. ift der Geburtsort der Gebrüder Ehartier. — 
Bertagung des Landtages wurden die Reihstags-|B., zur Römerzeit Auguftodunum, war eine Stadt 
wahlen vorgenommen, 10. Jan. 1874, bei mwel-|der Bajocaffer (Bodiocaffer), wurde im 4. Jahrh. 
Gen die Kleritalen in 82 Wahlbezirken ſiegten, Biihofsfig u. im Mittelalter Hauptort des Landes 
während die Liberalen, die für den erften Reichs- Beifin. Später theilte B. alle Scidfale der 
tag 30 Site hatten, nur in 16 Wahlkreifen die| Normandie u. wurde mehrmals belagert u. erobert, 
Mojorität erhielten. Beſchwerden über die ober-|fo 1346, 1417 u. 1450 von den Engländern; im 
birtlihe Agitation bei diefen Wahlen vor diej16. Jahrh. empfanden hier die rebellirenden Nu- 
Kammer gebracht, mußte der Eultusminifter als pieds die Strenge Ludwigs XIII u. wurden bie 
unbegründet zurückweiſen: ungefeglihe Handlungen, |Hugenotten von Ludwig XIV. graufam verfolgt. 
eıne Berleung des Blacet, lönnten in den die Reichs» Bahfield, 1) Eounty im nordam. Unionsftaate 
tag&mwahlen weg ren nei nicht erkannt) Wisconfin, unter 46° n. Br. u. 90° w. L., an 
werden. Nah Wiederzufammentritt der Kammer|derfong-Fsland-Bai des Oberfees (Lake superior); 
hatte fich diejelbe wegen einer perjönlihen Be-]344 Ew. 2) Countyfit des vorgenannten, unter 
chwerde eingehend mit dem Jeſuitengeſetze zu be-]46° 18° mn. Br. u. 90° 50° m. 8, 

ihäftigen u. beftritt die Competenz des Reiches) Bay⸗-Inſeln (Colonie der B.J.), Name einer 
zum Eriop diefes Geſetzes. In diefer Seffion] Gruppe Heiner Inſeln in der Bai von Honduras, 
warb auch noch der allgemeinen Gehaltsaufbefjer- |nahe der nordöftl. Küfte des Staates Honduras; 
ung der königlichen Beamten durch Bewilligung|zu ihnen gehören Roatan (Ruatan), Bonaca, 
einer ſolchen auch für die katholiſche u. proteftan-|Utila, Barburet, Moratte u. Helena; Producte: 
tiſche Pfarrgeiſtlichkeit der Schlußftein eingefügt.| Bananen, Eocosnüffe, Yamswurzeln; Handel u. 
Die Mitte Februar 1875 wieder eröffnete u. am| Schifffahrt unbedeutend; etwa 5000 Em., Mid: 
16. April gefchloffene Seffion, welde namentlich linge von Indianern u. Negern, wenige Europäer 
den Anfauf der OBahnen durch den Staat ge-Jin Eoren-Hole, dem Hafen von Roatan, Um den 


nebhmigte, war die letzte biefer Wahlperiode. 
neues Wahlgeſetz kam nicht zu Stande. 
einer Differenz mit der Kammer trat ber 
minifter von Prankh von feinem Poften zurüd u. 
murde durch den mit ihm denſelben politiichen 
Standpunkt theilenden General von Maillinger 
eriett. Für die im Herbfte vorzunehmenden Neu- 
mablen beginnen beide Parteien bereits mit ihren 
Rüſtungen zum Wahlfampfe, der ein ziemlich 
heftiger werden wird. 

Literatur: v. Fallenſtein, Geſchichte der alten, 
mittleren u. neueren Zeiten des Serzogth. und 
ebemal. Königr. B., Münd. 1768, 3 Thle., Fol.; 
Haid, Bejchichte von B. von 1180— 1778, Regensb. 
1779; Fepmaier, Geſch. von B., Landsh. 1804; 
Mannert, Die ältefte Geſch. Bojoariens u. feiner 
Beroohner, Nürnb. u. Sulzb. 1807; Derf., Die 
Geih. B-8 nad den Quellen, Lpz. 1826, 2 Bde.; 
Heinr. Ziolfe, Bayer. Geihichten, Aarau 1818 
bis 1818, 2. Ausg., 1821, 4 Bde.; Buchner, Geſch. 
von B. aus den Duellen, Regensb, u. München 
1820—55, 10 Bde.; Böttiger, Geſch. B-8 nad 
feinen alten u. neuen Beftanbtheilen, Erl. 1832; 
v. 2erchenfeld, Geſch. B-8 unter König Mar Jo— 
ſeph IL, Berl, 1854; dv. Spruner, Leitfaden zur 
Geich. von B., 2. A, Bamberg 1853. 

Bahersdorf, Stadt, jo v. m. Baiersborf. 

Bayeur, Hauptft. des gleihnam. Arr. im 
franz. Dep. Ealvados, unmeit der Mündung der 
Aure in den Kanal, in einem fruchtbaren Thal; 

itz eines Suffraganbifchofs von Rouen; Handels- 
ericht; Börje, ichöne u, reiche Kathedrale; Ber- 
igung von Leinwand, Spigen, Blonden, Leder, 
Porzellan; Handel damit; 8536 Em. Im hieſ. 
Stadtarchiv befindet fi) die berühmte Tapete 
(Tapisserie de B.), welde bie Eroberung Wil 
beims des Eroberer von England darftellt u. 


angeblich von defjen Gemahlin Mathilde geftidt 


iſt. Diefelbe hat eine Länge von 70 m, bei 50 
em Breite, u. ift in Bezug auf die Trachten u. 


Piererö Univerfal-Eonverfationd-?erilon. 6. Aufl. II. Band. 





in Beſitz diefer wenig probuctiven und wafferarmen 
nfolgeInſein iſt feit ihrer —— 
iegs⸗(1602) oft geſtritten worden. 


durch Columbus 
ugliſche Freibeuter 
nahmen 1642 von der größten derſelben, Roatan, 
Befitz, wurden aber 1650 von den Spaniern ver- 
trieben. Roatan, bis 1742 unbewohnt, da die 
früheren Bewohner nad Amatigue ausgewandert 
waren, murde von den Engländern birftig colo- 
nifirt und befeftigt, 1782 von den Spaniern 
urüderobert u. blieb bis zur Lostrennung Central 
merilas (1822) unter deren Herrſchaft, worauf 
fie an die Republik Honduras kam. 1852 erflärte 
der Superintendent von Balize Roatan u. die 
übrigen B.⸗J. für eine britiihe Golonie, wogegen 
Honduras u. die Vereinigten Staaten Proteft er- 
hoben. Nah langen diplomatiſchen Unterhand- 
lungen trat England am 27. Aug. 1856 die B. J. 
wieder an Honduras ab, mit der Clauſel, daß 
diefelben niemals, fei e8 ganz, oder theilmeije, 
an einen anderen Staat überlaffen werden dürften. 
Bayle, 1) Pierre, berühmter philoſophiſch- 
theologiſcher Kritifer, Polyhiftor, geb. 18. Novbr. 
1647 zu Carla in Languedoc, Sohn eines refor- 
mirten Prediger ; lernte ſchon als Knabe mit fo 
leidenfhaftlihem Eifer, daß er feine Geſundheit 
aufs Spiel jegte, ging in Zouloufe, wo er im 
Jefuitencollegium philofophifche Borlefungen hörte, 
zum Katholicismus über, entfloh aber 1670, kehrte 
in feine frühere Glaubensgemeinfchaft zurüd u. be- 
geb fi, um nicht von den firengen Apoftafiegefegen 
etroffen zu werden, nach Genf, wo er die Eartefia- 
nifche Philoſophie ftudirte, war dann Hauslehrer 
in Coppet am Genfer-See, in Rouen u. in Baris, 
wurde 1675 Profeffor der Philofophie in Sedan, 
entfernte ſich, als Ludwig XIV. 1681 die refor- 
mirten Schulen aufbob, u. wurde befoldeter Lehrer 
der Philofophie u. Geſchichte zu Rotterdam. Hier 
gab er ohne feinen Namen, der aber nicht ver- 
orgen blieb, einige Schriften heraus, die feinen 
literariihen Ruhm begründeten: einen Brief gegen 
4 


50 


den Sometenaberglauben, Köln 1682, 2. Aufl, 
1683; eine Widerlegung der vom Jeſuiten Louis 
Maimburg verfaßten Geſchichte des Galvinismus, 
Bille-Frandhe 1682, fortgejetst 1685, 1694, 1704; 
eine Sammlung von Auffägen über den Gartefia- 
nismus, Amfterd. 1684, und die Monatsichrift: 
Nouvelles de la republique des lettres, die er 
1684—87 redigirte. Gegen den Widerruf des 
Edicts von Nantes, die Dragomaden u. die Yob- 
rebner des füniglichen Ketervertilgers erhob B. ſich 
in zwei Schriften, die 1686 mit den Drudorten 
St. Omer u. Canterbury ohne feinen Namen er: 
idienen: Ce que c’est que la France toute 
catholique sous le rögne de Louis le Grand u. 
Commentaire philosophique sur ces paroles de 
Jesus Christ: Contrains d’entrer, ete. Auf die 
letztere Schrift richtete der Calviniſt Jurieu feine 
Angriffe, befchufdigte fie des Indifferentismus u. 
gab zu verftehen, daß er B. für den Autor halte, 
Diefer veröffentlichte num, wieder ohne feinen 
Namen, eine Fortſetzuug, u. von feiner Hand ge» 
ichrieben fam eine Spottfchrift über die nament- 
ih von Jurien aus der Apofalypje geichöpften 
Hoffnungen auf die baldige Wiederaufnahme der 
Keformirten in Frankreich zu Amfterdam in die 
Druderei. Nach Erſcheinen diefer Schrift (1690) 
warf Jurieu auf B. den Verdacht einer Ber: 
ſchwörung, durch weiche Frankreich u. die Katholische 
Kirche in den Beſitz der Alleinherricaft geſetzt 
werben follten. B. machte (1691) dieſe Verdächtig— 
ung lächerlich uw. juchte zu beweifen, daß er die 
angefochtene Spottichrijt nicht verfaßt habe. Jurieu 
erhob eine fürmlihe Klage; beiden Theilen wurde 
Schweigen auferlegt, ohne Erfolg. 1693 wurde 
B., angeblid wegen der in feiner Kometenfchrift 
ausgejprochenen gottloſen Lehre, jeines Amtes ent- 
fest. Dann gab er fein bereits i. J. 1692 an- 
gefündigte® Hauptwert: Dietionnaire historique 
et eritique, 1695—97, zu Rotterdam in 2 Fol.«Bdu. 
heraus, die erfte Schrift, die, ohne daß er es 
wollte, unter feinem Namen erichien; 2. A. 1702, 
Aufl, mit feinem Leben von Des Maizeaux, Amfterd, 
u. Leyden 1740, 4 Fol. Bde., neueſte Aufl., Par. 
1820, 16 Bde., deutich von Gottſched mit Anmerf- 
ungen, 4 Fol.Bde., Lpz. 1741—44, von Schneider, 
Yeipz. 1801—4, 8 Bde. (unvollendeter Auszug, 
der nur die philofophifhen Artikel enthält), von 
Jacob, Halle u. Leipz. 1797, 2 Bde. 1704—5 
veröffentlichte er zn Rotterdam feine Reöponse aux 
questions d'un Provineial, eine Sammlung von 
Auflägen vermiichten Inhaltes, 3 Bde. Er fümpfte 
in feinen legten Jahren mit Clerc u. Jacquelot, 
die ihn der Abficht beichuldigten, das Chrijten- 
thum, wo nicht alle Religion, zu untergraben. 
Dem Letzteren antwortete er in der Schrift: En- 
tretiens de Maxime et de Themiste. Noch hier- 
mit befchäftigt, ft. er 28. Dec, 1706. Lettres, 
Rotterd. 1712, Amfterd. 1729; Ausg. der jänumt- 
lichen Werke, mit Ausnahme des Dictionnaire 
historique et eritique, Haag 1725 ff., 3 Bde. 
(der 3. Theil in 2 Abtheilungen). Vgl. Des Mai- 
jeaur, La vie de Pierre B., Amfterd. 1730, Haag 
1732, 2 Bde., deutih von Kohl, Hamb. 1731; 
2. Feuerbach, Pierre B., ein Beitrag zur Geſchichte 
der Philojophie u. Menſchheit (ſämmtliche Werte 
Bd. 6, 2. Aufl., Lpz. 1848). 2) Gaspard Lau— 


Baylen. 


rent, vorzügl. Arzt, geb. 18. Aug. 1774 in Ver— 
net (Provence); erhielt eine jorgfältige Erziehung, 
wollte erft Theolog werden, entichted fi dann 
für Jurisprudenz, befam aber während feines 
Aufenthaltes in Montpellier, wohin ihn die be» 
forgten Eltern wegen einer kühnen politiichen Rede 
gefhidt hatten, Luft zur Medicin, trieb mit Eifer 
die neue Wiffenfchaft, ging 1798 nah Paris, 
promopvirte dort 1801, wurde 1807 adjumgirter 
Arzt der Charite u. 1808 Arzt des laiſerl. Haujes; 
mit der Armee nach Spanien gegangen, febrte er 
dann nad Paris zurüd u. wurde hier einer der 
beliebteften Arzte, der namentlich den Armen ge- 
genilber eine bewundernswertbe Aufopferung zeigte. 
Sein großes wiſſenſchaftl. Verdienft befteht in der 
Heranziehung der patholog. Anatomie in die Praxis; 
feine Arbeiten über Krebs u. Lungenſchwindſucht find 
muftergiltig. Er ft. 11. Mai 1816. Bon feinen 
Werten jet erwähnt: Considerations sur la no- 
sologie, la medecine d’observation et la mede- 
eine pratique, suivie de l’histoire de maladie 
gangreneuse non döerite jusqu’a ce jour, Bar. 
1802; Recherches sur la phthisie pulmonaire, 
ebd. 1870. Außerdem finden fich bemertenswerthe 
Abhandlungen von ihm im 5., 6., 9., 10. u. 11, 
Bde. des Journal de medeeine von Gorvijart 
u. Lerour, im Nouveau journal de medeecine, 
u. bie Artilel: Anatomie pathologique, Odeme 
de la glotte und Cancer, um Dictionnaire des 
seiences medicales. 8) Antoine Laurent 
Seife, geb. 13. Jan. 1799 zu Bernet; ftudirte in 
Paris, promovirte 1822 ebendort, wurde 1826 
Professeur agröge, Bibliothelar der medicinischen 
Facultãt, 1836 Interne der Givilfpitäler u. danach 
Arzt der Maison Royale des Aliénés zu Char- 
venton. (Er gab heraus: Recherches sur l’ara- 
chnitis chronique, la gastrite et la gastro- 
enterite et la goutte considerees comme causes 
de l’alienation mentale (Diss, inaug.), Bar. 1822; 
An herpetis curatio specifica? Par. 1823; 
Petit manuel d'’anatomie descriptive, Par, 1823, 
1824, 1826; Nouvelle doctrine des maladies 
mentales, Par. 1825; An variae organorum de- 
generationes ab una et eadem causa pendent ? 
Par. 1826; Traite des maladies du cerveau et 
de ses membranes, Par. 1826; in Verbindung 
mit Hollard: Manuel d’anatomie generale, Bar, 
1827; Memoire sur l’existence de la paralysis 
du meme cöte que la lesion cerebrale qui l’occa- 
sionne, Paris 1824; verjchiedene Mémoires über 
Krebs des Herzens, über einige Punkte der Phyfio- 
logie u. Pathologie des Nervenfyftens, Par. 1824, 
über anomale Gicht, Par. 1824, über Ginnes- 
täufhungen bei Irren, Bar. 1825 , über pudrite 
Fieber, Par. 1826, über Geiftesfrankheiten im 
encpklopädiiher Forın. Seit 1828 gab er die 
Bibliotheque de therapeutique heraus; jeit 1835 
die Encyclop. des sciences medie.; Traits &@le- 
mentaire d’anatomie erſchien 1834. 2) 9) Thamhayn. 

Baylen, Stadt in der ſpan. Prov. Jaen (An- 
dalufien), am Fuße der Sierra Morena; Palaft 
des Herzogs von Arco, 4 Armenhäufer; Setreide- 
u. Weinbau, Zöpferei; 7830 Ew. Hier im 
Span.-Portugiej. Befreiungsfriege am 23. Zuli 
180% Gapitulation der franzöl. Armee unter Ge- 
neral Dupont, welche von den Spaniern unter 


Baylen — Bayonnet. 


Eoftafios, deshalb zum Herzog d. B. ernannt, u. 
Reding eingejchlofien war. Auch die meit nörbl. 
febende Divifion Wedel wurde mit eingeichloffen. 
Die 14,000 Franzoſen follten vertragsmäßig nad 
Frontreih geichafft werden; die Spanier brachen 
aber ven Bertrag u. hielten fie in den Kerferu u. 
Bontens zu Cadiz gefangen. 

Baylen, Herzog v. B., ſ. Caſtaños. 

Bayles (ipan.), Unterrichter in Dörfern u. 
Deinen Städten. 

Baynes, 1) Thomas Spencer, engl. Phi⸗ 
leſoph, Sohn u. Schüler des Edinburgher Prof. 
der Zogit William Hamilton (f.d.), Prof. der Logit u. 
Rhetoritanderliniverfität St. AndremsinSchottland. 


öl 


1461, und Dunois u. der Graf v. Foix nahmen 
diefelbe durch Gapitulation; von da ab blieb die- 
jelbe bei Frankreich. Das Gouvernement nebit 
der Hälfte der Steuern verlieh Heinrich IV. feiner 
Geliebten Coryſandra von Grammont erblidh; 
Richelieu fchenkte e8 einem feiner Secretäre, der 
es um 26,000 Fr. an die Stadt verkaufte. Hier 
im Juni 1665 Zufammenktunft Karls IX., feiner 
Mutter Maria don Medicis, feiner Schweſter 
Elifabeth, Königin von Spanien, u. des Herzogs 
Alba, bei welcher die Ausrottung der Proteftanten 
in Spanien u. frankreich verabredet wurde. 1572 
bier graufame Verfolgung der Proteftauten. 1674 
wurde die neue Bejeitigung B-3 von Bauban be- 


Werte: An essay on the new analytic of logical|gonnen. In der folgenden Zeit ſank B. dur 


formswithahistoricalappendix, Edinb. 1850,2.4., 


1853; jodann eine Über). von Arnaulds Logique |feit 1784 der 
de Port-Royal, 2, A., 1854, u. a. 2) Robertju. B. zum Freibafen erflärt wurde. 


Hall, engl. Geiftliher u. Dichter, geb. 10. März 
1831 zu Wellington in der engl. Grafſch. Somer- 
jet; bezog 1856 die Univerfität Orforb, wo er in 
St. Edmunds Hall 1859 Magifter ward. Zum 
Briefter gemweibt, erhielt er zuerft die Stelle eines 
Hüfspredigers in London (in Whitechapel), 1862 
eıne Pfarre zu Maidftone, 1866 eine andere zu 
Coventry u. ward 1870 zum Biſchof von Mada— 
Scar ernannt. Er ift der Berfaffer von: A 
panion to the Communion Service of the 
Church of England, 1859; The Canterbury 
Hymnal, 1863; Autumn Memories and other 
verses, 1868, umb mehrerer anderer Gedicht- 
kenımfungen: Lyra Anglicana, English Lyrics, 
Books of sacred Poems, u. 1874: Home Songs 
for quiet Hours, ſowie das Manual of Family 
Prayers, The Chariot of Israel u.a. m. 


une, Hauptft. des gleihnam. Arr. im 
franz. Depart. 
fluffe der Nive mit dem Adour; 


mit Eitadelle, von Bauban erbaut; SKriegsbafen 
(kur zwei lange Molos gefihert) mit Loire. 
werften n. Arjenal; Sit eines Suffraganbifchofs 
von Auch; Handelsgericht, Börfe, tbeologiiches 
Seminar, Semannsihule, Zeichenfchule, Münze, 
Kathedrale; Handel mit Wein (B-er Wein, bef. 
zum Berihneiden leichter Weine, der befte Ju- 
rancon blanc). Branntwein, Getreide, Ol, Cho- 
colade, Schinken (B-r Schinken, bei. groß und 
wohlihmedend), Leinwand, Papier, Glas, Leder, 
Maftbänmen, Dielen zc.; 27,173 Ew., wovon je» 
doh nur 17,977 in der — Stadt; Ge» 
burtsort von Lafitte und Ravignan. — B. foll 
ſchon zur Römerzeit ımter dem Namen Lapur- 
dum eriftirt u. zum Lande der Tarbeller gehört 
haben; e8 war fhon im 4. Jahrh. Feitung umd 

ndelsplat. Das Bisthum wird bis zum 9. 

ahrh. zurüdgeführt. Die Herzöge von Gascogne, 
von melden gegen das Ende des 10. Jahrh. die 
Rormamıen vertrieben wurden, gaben der Stadt 
viele Privilegien. Den Engländern, welche ſich 
1153 der Stadt bemädtigt hatten, fchidten die 
Einwohner 1224 30 Galeeren gegen Frankreich 
zu Hilfe. 1292 ging dur einen Matrofenftreit 
von B. der Krieg zwilchen Frankreich u. England 
ans, u. wart dajfelbe 1293 — 95 von den ** 
zoſen beſetzt. In einer Fehde mit dem von den 
franz. Königen unterſtützten Adel unterlag die Stadt 


eichränfung des Handels, doch hob es fich wieder, 
eg nah Amerika freigegeben 
In der Re— 
volution ward die Bevölkerung größtentheils zur 
Auswanderung genöthigt, das Bisthum kam nach 
Pau, aber 1801 durch das Concordat zurück. Hier 
auch Vertrag im Mai 1808, wo Karl IV., König 
von Spanien, zu Gunften eines von Napoleon zu 
beftimmenden Nachfolger der Krone entiagte u. 
der Prinz von Afturien (Ferdinand VII.) diefen 
Vertrag gezwungen anerfannte; j. Spanien. Am 
10. Mai deſſ. F. die B-r Convention zwifchen 
sranfreih und dem Großherzogtum Warſchau, 
wodurch u. a. die Berliner Bank u. Scehandlung 
20 Mil. The. verlor. 1814 ward B. vergebens 
dur die Spanier u. Engländer belagert. 1833 
bis 1839 war B. der Sammelplatz der jpanifchen 
Emigration u. eine Art Operationsbafis im Car- 
liſtiſchen Kriege in Spanien, fowie ein Sammel: 
punft der ſpaniſchen Emigranten. 
Bayonnet (fr. Bayonnette), anfangs zwei-, 


ieder- Pyrenäen, am Zufammen- |fpäter dreifchneidige Stoßwaffe der Infanterie, auf 
Feſtung das Gewehr gejett. Einige glauben, es fei von 


den Malaien, die auf das Gewehr ihren Kris 
pflanzten, zu den Holländern gelommen, die es 
bei ihren Kegimentern in Oftindien anmenbeten; 
die Mehrzahl nimmt an, es fei zu Bayonne 1640 
erfunden, 1647 aber von den Franzoſen zuerit 
in den Niederlanden u. von 1679 an allge 
mein angewendet worden, obgleih erft fpäter 
die Schweden und jeit 1732 die Preußen einen 
umfaffenden Gebraud davon machten. Das B,, 
welches in Gewehrfabrifen von den Bſchmieden 
gemadt wird, beſteht aus einer langen, meijt 
dreifchneidigen u. hohl ausgeſchliffenen Klinge (B 
tlinge) u. einem hohlen Cylinder, weldher das Ge— 
wehr umſchließt (B-dille); beide verbindet der 
Bhald. Die Dille wird entweder mittels eines 
bakenförmigen Einfchnittes, in welchen ein Feiner, 
am Laufe befeftigter eijerner VBorjprung (B-warze) 
paßt, oder, wie bei den franzöftichen Gewehren, 
mittel$ eines darım gelegten Ringes (B-ring), 
oder, wie bei den preußiichen, mittel$ einer mit 
dem Laufe vernieteten Feder (B»feder) befeftigt. 
In neuerer Zeit erjegt man das B. dadurch, daf 
das Seitengewehr des Jnfanteriften als Hau-B. 
mittel8 einer bejonderen Vorrichtung auf das Ge— 
wehr gepflanzt wird (in Frankreich: B.-Säbel, 
Sabre poignard, Matagan, ſ. d). Dadurch wird 
das Gepäd des Soldaten erleichtert, u. das Ge— 
wehr ift bequemer zu tragen u. zu handhaben, 
4* 


52 


da das Hau-®. nur im Falle des Bedarfes, d. h. 
beim Nabtampfe u. gegen Cavalerie, aufgepflanzt 
wird. Das B. dient weſentlich dem moraliſchen 
Element, denn zum wirklichen Gebrauche deſſelben 
fommt e8 im Gefechte äußerft felten. B=-attafe: 
der früher als Ausihlag gebend ſtets angewandte 
Maffenangrifi; in der neueren Taltik, der ge 
fteigerten Feuerwirkung der neueren Gemehre 
wegen, duch Angriffe Heiner Eolonnen u. ftarfer 
Schützenſchwärme erſetzt. Bayonnetiren: das 
Fechten mit dem Bayonnetirgewehre, jetzt in allen 
Armeen geübt, hauptiächli um dem Jnfanteriften 
Vertrauen zu feinem Gewehre auch als blanler 
Waffe zu geben, 

Banpoor, j. u. Baipur. 

Bayreuth, A. ehemal. Fürftenthumim Fränki— 
‘hen Kreife; getheilt in Oberland (oberhalb des 
Sebirges, mit den Städten B., Kulmbad, Wun- 
fiedel, Hofu.a.) u. Unterland (unterhalb des Ge- 
birges, mit Erlangen, Neuftadt a. d. Aiſch u. a.); 
jenes gebirgig (+sichtelgebirge), mit Walbung, 
Bergbau (Eiſen, Marmor, Alaun, Thon zu 
Fayence), Viehzucht, Flachsbau; dieſes flach, etwas 
andig, doch fruchtbar; Fliiſſe: Main, Eger, Naab, 
Saale, Rezat u.a.; umfaßte 1807 3579,,,[_] km, 
mit 251,000 meift Iurheriihen Ew. Die ältere 
Geſchichte eines er. des Landes, ber jpäter 
Fürſtenthum Kulmbah oder B. genannt ward, 
jällt mit der Geſchichte von Ausbach (. d.) zu- 
fammen; ein beträchtlicher Theil gehörte im 12. 
u. 13. Jahrh. den Herzögen von Dieran. Als 
1248 Otto, der legte Herzog von Meran, geftorben 


Baypoor — Bayreuth. 


der Jüngere Alcibiades B. durch das Loos. 
Diefer, ein friegerifcher u. ausfchweifender Fürſt, 
focht zuerft für Kaifer Karl V. gegen die Pro- 
teftanten u. ward durch die furjächfiichen Truppen 
1547 bei Rodlig gefangen, aber nad der Mübhl- 
berger Schlacht wieder befreit. Nun verfuchte er 
bald dur Drohungen, bald dur Lift u. gute 
Worte, feine Untertbanen zur Annahme des In— 
terims zu bewegen, aber umfonft. 1551 belagerte 
er Magdeburg mit Kurfürft Morig von Sachſen; 
1552 verließ er bes Kaifers Sade, um ſich mit 
Frankreich zu verbinden, entrig den Bilchöfen von 

ürzburg und Bamberg u. der Stadt Nürnberg 
bedeutende Gebietstheile u. trat mit dem Ber- 
langen, daß ihm diefe Eroberungen beftätigt miir- 
den, plöglic wieder zum Kaifer über. Die Be- 
theiligten aber eroberten das ihnen Genommene 
wieder, nachdem fie 1552 mit Kurfürft Morig 
von Sachſen u. Herzog Heinrih von Braunſchweig 
einen Bund zu Eger gegen Albrecht geichloffen 
hatten. Nach der Befiegung Albrechts bei Sievers- 
haufen wurden feine Länder bejegt, die Feſtung 
Plaſſenburg erobert u. Albrecht jelbft geächtet. 
Unftät u. flüchtig irrte er umber u. fuchte Suflucht 
in Frankreich bei König Heinrih Il. Er ft. den 
8. ‚jan. 1557. Auch er hinterließ feine Kinder, 
u. B. warb wieder mit Ansbad vereint, Nach 
dem Tode Georg Friedrichs von Ansbach (1603), 
der die größte Mühe gehabt hatte, die jequeftrir- 
ten Güter in Befig zu befommen, fielen die frän- 
füihen Markgrafihaften nah dem Geraifchen Erb» 
vertrage von 1598 an die brandenburg. Kurlinie. 


war, fam ein Theil don feinen Ländern, nämlich) Durchs Loos erhielt Chriftian, Sohn des Kurfürften 
B., Weidenberg u, a., an die burggräflide Fa-Johaun Georg, das Oberland, fein Bruder Foa- 


milie, nämlich an Friedrich, ſpäter als ———— chim Eruſt das Unterland. 


der III. dieſes Namens, deſſen Gemablin Eltfja- 
beth eine Schweiter jenes Otto war. Friedrich III. 
u. feine Nachfolger machten noch bedeutende Er- 
mwerbungen dazu. Bei der ZTheilung unter bie 
Söhne des Burggrafen Friedrich V. 1398 erhielt 
der jüngere, Friedrich (VI.), das Land zu Franken, 
der ältere, Johann (als Graf von Hohenzollern), 
das Yand oberhalb des Gebirge mit B. Derſelbe 
refidirte zu Plaffenburg, erwarb Krailsheim u. 
Erlangen; er ft. 1420 ohne männliche Erben, fein 
Land fiel daher au feinen Bruder Friedrich VI., 
feit 1417 Markgraf von Brandenburg, als folder 


Bon 1603—1763 
waren bie beiden Fürſtenthümer getrennt. Chri« 
ſtian nahm feine Refidenz zu B., u. ſeitdem wurde 
ber Name Markgraf von Brandenburg-B. der 
gewöhnlichere. Chriſtian erbaute die hohe Baftei 
Ehriftiansburg zu Blaffenburg, u., nachdem zwei 
furdtbare Brände die Reſidenzſtadt B. 1605 u. 


1621 heimgeſucht hatten, die dortige Hauptfirche 
(Stadtlirde) u. die Kanzlei (jekt Re terungöge- 
bäude). Er förderte die Sache des Vroteauns- 


mus ın feinen Ländern u. nahın, nachdem er fidh 
an Guftan Adolf angefchloffen, thätigen Antheil 
am 30jähr. Kriege. Im Sept. 1632 wurde Plaf- 


Friedrich I. Bon diefem erbte 1440 das Fürften- |jenburg von Wallenftein vergeblich belagert, B. 


tbum ober dem Gebirge fein ältefter Sohn Jo— 
hann IV., der Aldyemift, trat e8 aber 1457 ſei— 
nem Bruder Albredt Achilles, welcher das Für— 
ftenthbum unter dem Gebirge erhalten hatte, ab u. 
zog auf das Schloß Scharfened bei Bayersdorf; 
er fi. 1464. Die beiden Söhne von Albrecht Achilles, 
der 1471 Herr aller brandenburg. Lande gewor- 
den war, Friedrich u. Siegmund, regierten ge- 
meinfchaftlih bis 1495, im meldem Fahre der 
Letztere kinderlos ftarb, u. 8. fiel wieder an Ans- 
bad, mit dem es nun 46 Jahre vereint blieb, 
indem bie Söhne des Marlgrafen Friedrich, 
Georg der Fromme u. Kaftımir, gemeinfam rer 
gierten. Als der Legtere 1527 fl., regierte Georg 
als Vormund des unmlündigen Sohnes feines 
Bruders Kafımir Albrechts bis 1541 über B. u. 
Ansbach. 1541 zwang ihn fein Neffe zur Nieder 
legung der Bormundidaft, u. mun erhielt Albrecht 


dagegen erobert u. geplündert. Der Markgraf 
mußte fliehen; er begab ſich nad Dresden. 1635 
trat er dem Prager Frieden bei. Nun drangen 
1639 die Schweden ins Land u. hauften darin 
ebenfo, wie vorher die Kaiferlihen u. die Bayern, 
Sie blieben bis 1648. Der Martgraf fl. 1655. 
Sein ÜEntel, Ehriftian Ernſt, Sohn des 1651 
verftorbenen Prinzen Erdmann Auguft, folgte ihm, 
ftand aber bis 1662 unter Bormundfchaft feines 
Oheims Georg Albrecht (f. unten) u. des Kur- 
fürften Friedrih Wilhelm von Brandenburg. Er 
focht mit gegen Ludwig XIV., war bei dem Ent- 
fage von Wien u. befehligte 1673 u. 1707 als 
faiferlicher Feldmarſchall die Reichsarmee gegen 
die Franzoſen. (Er ftiftete 1664 das Gymnaſium 
in®. Unter ihm wurde 1699 von einem fränfi- 
hen Adeligen eine Ritterafademie in Erlangen 
errichtet (eröffnet 1702), zu deren Aufblüben der 


Bayreuth. 


Bartgraf ſehr weſentlich beitrug. 1686 mahım er 
an Nefugies in fein Land auf. Er 
. 1112. 
tatlerlihen Dienften gegen Frankreich u. ftieg bis 
zum Feldmarſchall. & ftiftete 1712 den Orden 
der Aufrichtigkeit (de la Sinceerite), der 1744 in 
den Rothen Adlerorden umgewandelt wurde; 1718 
begann die Anlegung der Eremitage bei B. Er 
f. 1726 ohne Sohn. Das Yand fiel num an die 
biäber apanagirte Linie Brandenburg-Kulmbad, 
melde der zweite Sohn des Markgrafen von B. 
Ehriftian, Georg Albrecht, gegründet hatte. Der- 
jeibe ftand als General anfangs in kaiſerlichen, 
dann in pfälziſchen Dienften u. führte 


Sein Sohn Georg Wilhelm foht in|Hojpital, Schießhaus. B. ift 


93 


Kanzleigebäude, außer der Schloßlirdhe (jeit 1813 
tatheliih) 5 Kirchen, Synagoge, Krankenhaus, 
ig eines Bezirks 
amtes, Landgerichtes, proteftantiihen Gonfifto- 
riums; Gymnafium (1664 von Ehriftian Ernſt 
eftiftet und nah dem Stifter Christianum- 
imestinum genannt), Kreislandwirtbichafts- und 
Gewerbeſchule mit reicher Naturalienfammlung, 
höhere Töchterfhule, Taubftummenanftalt; Hifto- 
riſcher Berein für Ober-Fjranfen, jyreimaurer- 
Großloge, genannt zur Sonne, unter welder bie 
meiften ſüddeutſchen Logen ſtehen, und eine Loge 
Eleufis zur Berichwiegenheit; große mechaniſche 


1655—62 die | Baummollen-Actienfpinnerei mit 50,000 Spindeln, 


Bormundihaft über feinen Neffen Ehriftian Ernft Flachsſpinnerei, Leinen-, Wollen» u. Baummollen- 


(j. oben); er ft. 1666. Bon feinen beiden Söb- 
nen trat ber ältere, Ehriftian Heinrich, zwar 1706 
alle feine u. ber zer Anfprühe auf B. an 
Preußen ab, dennoch folgte nad dem Ausfterben 
der älteren Linie B. mit Georg Wilhelm 1726 
fein ältefter Sohn, Georg Friedrich Karl, u. die- 
fem 1735 jein Sohn Friedrich. Diefer war in 
erfier Ehe mit Friederile Sophie Wilhelmine, der 
Schwefter des Königs Friedrichs II. von Preußen 
vermäblt; er gab weiſe Geſetze u. fiftete 1743 
die Univerfität Erlangen, ſtürzte aber durch feine 
Bauluft fein Land ın Schulden; er ft. 1763. 
Ihm folgte fein Oheim Friedrich Ehriftian, mit 
weidhem 1769 das Haus der Markgrafen von B. 
jüngerer Linie ausjtarb, deſſen Beſitzthum jetzt 
an den Marfgrafen von Ansbach, Chriſtian Fried— 
ob Karl Alerander, fiel; als aber diejer 1791 
die Regierung miederlegte, famen beide Fürſten— 
tbümer nach dem Fridericianiſchen Bertrage von 
175°, dem Frieden von Zeichen 1779 u. der 
Abtretungsconvention vom 16. Januar 1791 an 
Preugen. 1806 am 24. Febr. nahm Bernadotte 
das Fürftenthum Ansbah u. am 14. Nov. der 
per Gamille de Tournon das Fürſtenthum 

. für Frankreich in Befit. Die franzöfiihe Dccu- 
pation dauerte von 1806—1810. 1807, infolge 
des Friedens von Zilfit, wurde B. ganz von 
Breußen getrennt u. 1810 m Bertrage von Paris 
an Bayern abgetreten. Bgl. Bath, Verſuch einer 
Zandes- u. Regentengeſchichte der beiden Fürſten- 
thümer B. u. Ansbach, Hof 1795; Yang, Geld. 
des Fürftenthums B., Gött. 1801, 2 Bde.; Yon- 
golius, Nachrichten von Brandendurg-Kulmbadh, 
gr 1751—54, 2 Bde.; Filenſcher, Lehrbuch der 

ſchichte des Fürſtenthums B., Nürnb. 1807. 

B. 1) Bezirksamt im bayer. Regbez. Ober- 
Franken, mit 2 Landgerihts-Bez., B. u. Weiden: 
berg; ohne die unmittelbare Stadt 445 []'km; 
23,095 meift proteft. Em. 2) Hauptftadt des 
Regbez. Ober-zranfen u. des ehemaligen Fürſten- 
thums B., jest unmittelbare Stadt, am Rothen 
Main; hat breite, gerade Straßen, jhönen Markt 
mit 3 Springbrunnen. Mertwürdig find das alte 
Schloß, 1753 abgebrannt, aber wieder neu er- 
richtet, u. das vom Markgrafen Friedrich auf der 
alten Rennbahn erbaute meue Schloß mit Hof- 
garten, davor die Statue des Markgrafen Chri- 
ſtian Ernſt zu Pferde, Palais des Herzogs Aler- 
ander von Württemberg, präctiges Opernhaus 
(1749 erbaut), das bis jett (Auf. 1875) ums 
vollendete Waguer- Theater, Rathhaus, Kajerne, 


weberei, Fabriken landwirthſchaftlicher Mafchinen fo- 
wie in Papier, Leder, Spiritus, muſilaliſchen In— 
firumenten, große Bierbrauereien, Glockengießerei, 
Porzellanmalerei, Granitichleiferei, Kunitgärtne- 
reien. Eine Borftadt (eigentlih eine befondere 
Stadt) bildet St. Georgen, aus einer Strafe 
von 70 Häufern beftehend, mit B. durch eine 
!/, km fange Allee verbunden; dort Straf- und 
Befferungshaus, Irrenhaus und Militärlazarerd; 
Zuderraffinerie. B. bat 17,841 Em., morunter 
14,801 Proteftanten. Der Dichter Jean Paul 
(Friedrich Richter) liegt Hier mit jeinem Sobne be- 
graben; ein Granitblod, ein fogen. Findliug, von 
Epbenumranft, mit einer Inſchrift auf einer Kupfer- 
platte, bezeichnet jein Grab; König Ludwig ließ 
ibm 1841 auf dem Gymnaſiumsplatze ein von 
Schmwanthaler entworfenes ehernes Standbild er- 
richten. B. ift durch Zmeigbahnen nah WR. u. 9. 
mit den Bayer. Staatsbahnen verbunden. 3 km 
von B. liegt die Eremitage, Yuftihloß, 1718 von 
Markgraf Georg Wilhelm angefangen, von Marl- 
graf Friedrich vollendet; fie beftebt aus einem Haupt⸗ 
gebäude mit 24 Zimmern, 12 für den Markgrafen 
u. 12 für die Marfgräfin, uw. 2 Flügeln, jeder 
von 12 Zimmern, welche f. 3. der eine von Her- 
ren, der andere von Damen, als Einfiedler vers 
kleidet, benutt murden; die Zimmer find mit vie- 
len Bildniffen von Mitgliedern des preußischen 
Königshaufes geziert. Die Markgräfin Friederike 
Sopbie Wilhelmine (ſ. d.) ichrieb hier ihre Denk⸗ 
wirdigteiten. Der Garten it reizend angelegt, 
mit vielen Wafferfünften. Auf dem Wege dahın 
das Bierhaus der Frau Hollmenzel mit dem Ar— 
beitszimmer Jean Pauls. Außerdem nod bei 
Donndorf das Luftihlch Fantaiſie mit Garten, 
vom Herzog Alerander von Württemberg bewohnt, 
u. das entferntere, jet vollftändig in Berfall ge— 
rathene Luftihloß Sanspareil, mit vielen Reften 
von einft großartigen und romantiihen Barlan- 
lagen. — Die Stadt B. erſcheint zuerft urkundlich 
gegen Ende des 12. Jahrh. im Beſitze der Herzöge 
von Meran, u. 1248 erbte fie Friedrich III., 
Burggraf von Nürnberg (f. B. A). 1430 wurde 
fie durch die Huffiten miedergebrannt, 1553 bon 
Heinrich Reuß von Plauen eingenommen, 1621 
brannte fie ganz ab; wieder aufgebaut, eroberte 
fie 1632 der Marquis de Grana, 1633 der fai- 
jerlihe General Danteuffel u. 1634 der bayerifche 
General Wahl; feit 1603 durch Markgraf Chris 
ftian definitive Refidenz, blieb fie es bis 1769, 
wo die Yinie der Markgrafen von B. ausftarb. 


34 


Bayrhoffer — Bazaine. 


Bgl, I. ©. Heinrig, Geſch. der Kreishauptſtadt Dienfte der Königin-Regentin die Feldzüge im 


B., Bayr. 1824; J. W. Holle, Alte Geſch. der 
Stadt B., ebd. 1833. 

Bayrhoffer, Karl Theodor, Philofophu. de- 
mokratiſcher Bolitifer, geb, 1812 zu Marburg; ftud. 
jeit 1829 bier u. in — Rechts⸗ u. Staats- 
mwifjenichaften, dann Philofophie, wurde in Mar- 
burg 1834 Privatdocent, 1838 außerorbentlicher, 
1845 ordentlicher Brofeffor, tratindemjelben Jahre 
als Berfechter des Deutichlatholicismus auf, wurde 
1846 in ‚Folge einer akademiſchen Rede am Ge- 
burtstage des Kurfürften, worin er fi für den 
Deutjchlatholicismus ausiprad, fuspendirt, grün- 
dete 1847 zu Marburg eine Freie evangelische 
Gemeinde, gehörte feit 1848 zu dem Führern ber 
demokratiſchen Partei in Kurheſſen u. zu der ent- 
ichiedenften Oppofition auf den legten kurheſſiſchen 
Yandtagen; war auch Präfident des Stägigen Land— 
tages 1850, dem die Wirren folgten. Deshalb 
zur Unterfuhung gezogen, ging er 1852 nad) 
Züri u. fiedelte 1853 nad Aınerifa über, wo 
er als Farmer lebte. B. war urjprünglid An- 
hänger Hegels, wurde aber im Glauben an deſſen 
Lehre ftarf erjhüttert u. fand ein mejentliches 
Gegengewicht in der Herbartichen Philofophie; alle 
fonjtigen pbilofophiihen Beitrebungen hielt er für 
untergeordnet. Er ſuchte die Theorie mit der 
Empirie auszugleihen u. verjentte ſich mit philo- 
ſophiſchem Geitte in die Nejultate der maturmif- 
ſeuſchaftlichen Forihung. Bal. jeinen 1869 ım 
Green County (Wisconfin) geichriebenen Aufjag: 
Über den gegenmwärtigen Standpunft der Philo— 
jopbie, abgedrudt in J. Bergmann Philoſophiſchen 
Monatsheften, III. 334 fi, IV. 351 ff. Frühere 
Schriften: Grundprobleme der Metaphyſik, Marb. 
1835; dee des Chriftenthbums, dal. 1836; Be- 
griff der organiſchen Heilung des Menſchen, dal. 
1837; Idee u. Geſchichte der Philoſophie, daf. 
1838; Das wahre Verhältniß des freien chrift« 
lichen Staates zur chriſtlichen Religion u. Kirche, 
daſ. 1838; Idee u. Wirkung der, proteftantifchen 
Kirchenvereinigung, da. 1838; Über Erfahrung 
u. Theorie in den Naturmiffenicaften, Yp3. 1839, 
2 Hefte; Über den Deutichlathoficismus, Marb. 
1845; Das wahre Wefen der gegemmärtigen relt- 
giöſen Reformation in Deutichland, daj. 1846; 
Der praktiſche Berftand u. die Marburger Ficht- 
freunde, Darmft. 1847 n. a. 

Bayon, Flecken im Diftr. Blaye bes franz. 
Dep. Gironde; Weinbau; 1400 Em. 

Bayjalz, aus Meerwailer durch Berdunftung 
gewonnenes Chlornatrium (Kochſalz). 

Baza, feſte Stadt im der fpaniichen Provinz 
Sranada (Andalufien), am Fluſſe gleichen Namens, 
871 m über den Meere, in einer obftreichen Ebene, 
am Rande einer Gipsfteppe, mit einer aus Höhlen 
beſtehenden Borftadt; ſchöne Promenade, ftattliche 
Kirhen u. Klöfter; zur Zeit der Dauren blühende 
— 7300 Em.; in der Nähe warme 

ineralquellen u. Schmwefelgruben. 

Bazaine, François Achille, franz. Marſchall, 
ſtammt aus einer alten franz. Soldatenfamilie, geb. 
13, Febr. 1811 in Berfailles; trat 1831 als Frei— 
mwilliger in die franz. Armee u, diente 1832 als lInter- 
offizierin Algerien; 1833 avancirte erzum Lieutenant 
u. madte 1835 in der franzöi. Hilfsdiviſion im 


Navarra, Gatalonien und Aragonien mit. 1838 
nah Afrika zurüdgelehrt, wurde er Gapitän, 
wohnte den Erpeditionen nah Miltanah, Zlem- 
cen, Marolto und der Sahara bei und leitete 
jpäter die arabifhen Angelegenheiten in Tlemcen, 
wo er zur Pacificirung Algeriens 1847 bei- 
trug. Nahdem er 1845 zum Bataillons-Eom- 
mandanten ernannt worden war, wurde er 1848 
Oberftlientenant und 1850 Oberſt, als welder 
er das erſte Regiment der Fremdenlegion in ber 
Provinz Oran commandirte. An der Spige ber- 
jelben zog er 1854 mit nad) der Krim, betbeiligte 
fi) an der Belagerung von Sebaftopol u. avan- 
cirte zum Brigadegeneral; nad der Erftürmung 
diefes Ortes wurde er Platcommandant dafelbft 
und Divifionsgeneral und befehligte im October 
1855 die Erpedition gegen die Feſtung Kinburn, 
Im SFtalienishen Kriege 1859 focht er umter 
Baraguay d’Hilliers u. zeichnete fih am 8. Juni 
bei Dielegnano aus, Im Sept. 1862 wurde er mit 
den franz. Ergänzungstruppen nah Merico ger 
fendet, commandirte hier unter Forey die erfte Di- 
vifion, betheiligte fich feit März 1863 au der Be- 
lagerung der orte von Puebla u. dann an der 
gu Make Stadt u. der Hauptftadt Merico. 
Bei der Mbberufung Foreys erhielt B. das Ober- 
commando, 1. Oct. 1863, madte vom Dec, bis 
Febr. 1864 den Zug ins Innere des Landes u, 
wurde im Sept. zum Marjchall ernannt. Dem 
Kaifer Marimilian bereitete er in feiner Regier- 
ung viele Schwierigkeiten. Im Februar 1867 
fehrte er, nachdem er fi, wie man jagt, auf 
Koften des Landes bereichert u. mit einer reichen 
Vtexicanerin verheirathet, nad Frankreich zurüd, 
wo er Chef⸗Commandant des 3. Armeecorps zu 
Nancy u. im October 1869 Oberbefehlshaber 
der Kaifergarde in Paris wurde. Im Kriege 
gegen Deutichland 1870 erbielt er zuerft das Com- 
mando über das 3, Armeecorps bei Meg, dann 
nach den Niederlagen bei Wörth u. Spicheren am 
12. Auguft den Oberbefehl über die franz. Rhein— 
armee, welche die auch für fie ruhmreihen Kämpfe 
bei Courcelles am 14. Auguft, bei Mars-la-Tour 
am 16. u, bei Rezonville am 18. beftand. Statt 
durchzubrechen, ließ fih B. nun aber nah Met 
zurüddrängen u. dort einſchließen. Er wird be» 
Ihuldigt, Napoleons dynaftiichem u. feinem vere 
meintlihen perfönlichen Intereſſe die Vertheidigung 
Frankreichs geopfert zu haben. Nachdem B. nad) 
langer Unthätigfeit am 31. Auguft u. 1. Sept., 
ſowie am 7. und 8. Oct., ſtets mur mit einem 
Theil feiner Truppen, ſchwache Verſuche gemacht, 
ſich durchzuſchlagen, capitulirte er am 28. Okt. 
mit 173,000 Dann an den Prinzen Friedrich 
Karl u. ging kriegsgefangen nad Kaffe. Nach 
Abihluß des Präliminarfriedens begab er ſich 
im März 1871 nad Genf, dann nah England. 
Zur Rechtfertigung jeiner Leitung im Kriege gegen 
Deutihland fchrieb er: Rapport sommaire sur 
les operations de l’armee du Rhin du 13 Aoüt 
au 29 Octobre 1870, deutih von Mels, Berl. 
1871. In Frankreich hatte B. kein Commando 
mebr erhalten; e8 wurde ihm vielmehr durch Zuſam · 
menberufung eines Kriegsgerichtes der Proceß me- 
gen feiner Kriegsführung gemadt. Die Berhand- 


Bazancourt — Bazeilles. 


lungen dauerten vom 6. Oct. bis. 10. Dec. 1873 
u, endeten mit dem Todesurtheil nebft Degradation 
des Marjchalls. (Der neunte franz. Marichall, 
ft zum Tode verurtbeilt wurde; die übrigen 
maren: 1) Gilles de Laval, Marichall v. Net, we— 
* Berübung ſchrecklicher Mordthaten u. —— 
arer Graufamleit 1440 in Nantes gehängt; fein 
teihnam wurde verbramnt. 2) Ludwig v. Lurem- 
burg, Graf v. St. Pol, Connetable v, Frankreich, 
als Berichwörer gegen Karl VII. u. Ludwig XI. 
am 19. Dec. 1475 in Paris enthauptet, 3) Char- 
e8 de Gontaut, Herzog v. Biron, als Ber- 
Ihwörer gegen die Sicherheit des Staates am 
11. Juli 1602 in der Baftille entbauptet. 4) 
Marſchall v. Marillac, wegen Berſchwörung 
gegen das Leben des Cardinals Richelieu am 10. 
Mai 1632 in Paris enthauptet. 5) Heinrich II. 
Herzog v. Montmorency, in der Schlacht bei 
Kaftelnaudary gefangen genommen u.am 30. Oct. 
1632 zu Toulouſe enthauptet. 6) Baron v. Lud- 
ner, als des Yandesverrathes verdädtig vom Re— 
volutions · Tribunal verurtbeilt u, 1794 bingerichtet. 
7) Bhilipp v. Roailles, Herzog v. Mouchy, im 
Alter von 64 Jahren als Anhänger u. Verthei— 
diger Ludwigs XVI. 1794 guillotinirt. 8) Mars» 
ihall Ney, am 7. Dec. 1814 erſchoſſen.) Die 
Motivirung des Urtheils gegen B. lautete dahin, daß 
er mit ber de u. der Feldarmee capitulirt habe, 
ohne vorber Alles getban zu haben, was Pflicht 
und Ehre ihm vorgeichrieben. Ummittelbar nad) 
der Urtbeilsverfündigung unterzeichneten alle Mit 
alieder des Kriegsgerichtes ein Gnadengeſuch für 
den Berurtbeilten, infolge deſſen der Präfident 
Dac Mahon das Todesurtheil in 20jähr. Ein- 
ihiiegung ummandelte. Dabei follte die Degra- 
datıen zwar nicht in der vorgeichriebenen Weiſe 
erfolgen, jedoch ihre Wirkungen aufrecht erhalten 
bleiben. Zur Berbüßung der Haft wurde die 
Intel St. Marguerite gegenüber Cannes aus— 
erfeben und der Marſchall dorthin abgeführt. 
In der Nacht vom 10. auf den 11. Aug. 1874 
wußte er fih jedoch mit Hilfe feiner Gattin auf 
eine noch nicht ganz aufgeflärte Weile, angeb- 
lich mittels einer Stridleiter, ans feinem Gefäng: 
niß zu befreien u. veifte durch Italien, die Schweiz 
u. Deutihland nah England; fpäter fchlug, er 
feinen Wohnſitz einftweilen in Madrid auf. liber 
feine Rolle im Deutſch-Franz. Kriege gab B. meh- 
rere Schriften beraus, die auch (Berl. 1870 und 
Kaſſel 1872) ins Deutiche Überjegt wurden. Außer: 
dem fchrieb über ihn u. A. v. Hanneken, Darmit. 
1873, u. über feinen Proceß La Brugdre, Paris 
1874. Anonym erfhien: Le Maröchal Bazaine 
defendu contre ses detracteurs, Brüffel 1874. 
Bazancourt, Ceéſar Baron de, franz. Schrift 
fteller, geb. um 1810; war bis 1848 königl. Bi- 
bliothefar in Compidgne u. ſchr. L’escadron vo- 
lant de la reine, Par. 1836, 2 Bbe.; Un der- 
nier souvenir, 1840; A cöte du bonhenr, 1845; 
Le comte de Rienny, 1845; Hist. de Sieile 
sous la domination des Normands, 1846, 2 
®de.; Georges le Montagnard, 1851, 5 Bbe.; 
La princesse Pallianei, 1852, 5 Bde. Im 
Krimtriege wurde er von der Wegierung 1855 
auf den Kriegsſchauplatz geſchickt, um Berichte 
äber den Gang u. Stand der Angelegenheiten 


55 


an das Miniſterium zu ſchicken; dieſe erſchienen 
als Cing mois au camp devant Sébastopol, 
Bar. 1855; dort jammelte er auch den Stoff zu 
dem Werfe L’expedition de Orimée jusqu'ä la 
prise de Sebastopol, 1856, 3. Aufl., 1857, 2 
Bde. deutſch, Wien 1856. Ebenſo ging er 1859 
im Auftrage des Kaifers nach alten, um die 
Kriegschronik dieſes Jahres zu verfafien, diejelbe 
erichten als: La campagne d’Italie de 1859, Paris 
1859 f., 2 Bbde., deutich von Seybt, Naumb. 1860, 
Auch jchrieb er über die beiden folgenden von 
den Franzoſen in Aften u. Amerifa geführten 
Kriege: Les expeditions de Chine et de Cochiu- 
ehine (nach officiellen Documenten), ebd. 1861 
f., 2 Bbe,, u. Le Mexique contemporain, ebd. 
1862, Er ftarb 25. Jan. 1865 in Paris. 

Bazär, 1) im Orient Markt od. breite Strafe, 
wo alle Handelsartitel zum Berkaufe geftellt find, 
alle Handelsgeſchäfte abgemacht werden u. der 
Hauptverfehr ftattfindet, bald offen, bald bededt 
(Babdeftan), vielfach mit Bäumen bejest u. deshalb 
Promenaden der Chriften. 2) In großen euro 
päiſchen Städten als Berfaufsmagazine verfchiedener 
Yurusartifel eingerichtete Gebäude, entweder für 
immer, wie in Yondon, Paris, Münden, Stutt- 
gart, Yeipzig, od. zu gewiſſen Zeiten, 3. B. zur 
Weihnachtszeit. 

Bazard, St. Amand, berühmter St.-Simo- 
niſt u. eigentlicher Begründer der Secte, geb. 19. 
Sept. 1791 zu Paris; war anfangs im niederen 
Staatsdienfte angeftellt, verband fich ſeit 1815 mit 
der republifaniichen Bartei u. ftiftete exit die Ge— 
jellihaft der Wahrbeitsfreunde u. 1820 eine dem 
GCarbonarismus ähnliche Verbindung, weiche bald 
eine ungeheure Ausbreitung in Frankreich erhielt; 
jeit 1825 wurde er einer der Hauptanhänger St. 
Simons, deſſen Ideen er eigentlih ins Leben 
führte und zur Blüthe brachte und deſſen Lehre 
er in der Schrift: Exposition de la doctrine de 
St. Simon, 1828— 30, 2 Bde., mit Enfantin ge 
ſchrieben, zuerſt veröffentlichte; f. u. Communis— 
mus. Er ft. 29. Juli 1832 zu Courtry, nadı- 
dem er fih noch von Enfantin u. der Partei der 
Emancipation des Fleiſches u. der Frauen ger 
trennt hatte, 

Bazarũko (Bafarkla), Kupfermünze in Goa 
(Oftindien); 5 B-8 — 4 portugiefiihe Rees. 

Bazas, Hauptft. des gleichn. Arc. im frauzö— 
ſiſchen Departement Gironde, an der Benve, n. 
an der SEiſenbahn, auf einem Felſen; Kathe- 
drale; Hutfabriten, Gerbereien, Handel mit Vieh 
u. Holz; 5023 Em. 

azas-Nace, eine Rinderrace im Departe- 
ment der Gironde, namentlih in dev Umgegend 
der Stadt B. heimisch; ift für Die jpärliche Er- 
nährung der dotigen Gegend jehr paſſend, eignet 
fih dur die Iebhafte Bewegung u. Ausdauer 
u. durch die fräftig gebauten Extremitäten ſehr 
gut als Arbeitsvieh. Wenig ausgezeichnet durch 
eine reichliche Milchergiebigleit, liefern die Thiere 
diejer Race ein ſehr ſchmachaftes Fleiſch; fie find 
flein, mit wenig ſchönen u. edigen Formen, brei- 
ter Bruft, plumpen Hörnern, hoch angeſetztem, 
ftartem Schwanze u. ſchmalem Hintertbeil. 

Bazeilles, Dorf in Arr, Sedan des franz. 


dep. Ardennen, am Chiers, der Givonne u, 


56 Bazias — B. O. 


an der O Bahn; 2050 Ew.; Schloß, worin Turenne|de marbre überweijen ließ. Schon 1547 erfolgte 
erzogen wurde. Hier am 31. Auguft 1870 Ge-jeine neue u. diesmal nicht wieder zurüdgenom«- 
fechte des 1. bayerifchen Armeecorps mit dem|mene Aufhebung, worauf die Mitglieder der Con- 
12. franz., das den bayerischen Angriff abichlug. |trerie fih anderen Schaufpielergefellicaften ein- 
Am folgenden Tage mörderiſcher u. erbitterter|verleibten. Vgl. Fabre, Etudes historiques sur 
Kampf ın der Schlacht bei Sedan, an der fidhiles clercs de la B., Par. 1856. tiähner. 
felbft Weiber des Dorfes betheiligten. Das 1. baye-| Bazodhes-Ted-Hautes, DorfimArr.Chateaudun 
rifhe Armeecorps u. Theile des 2. nahmen des franz. Dep. Eure-et-Loire, 26 km nördlid von 
den von einer Divifion des Corps Lebrun u. Orleans. Hier und bei Orgeres 2. Dechr. 1870 
Marinetruppen hartnädig vertheidigten Ort, der|blutiges Gefecht: die Armee-Abtheilung des Groß- 
dabei von Grund aus zerftört wurde. — von Mecklenburg drängte das 16. u. 17. 
Bazias, Ort, ſ. Baſiaſch. franzoͤſiſche Corps unter Aurelles de Paladine bis 


Bazin, Rigomer, franz. Schriftſteller u. Demo- 
frat, geb. 1771 zu Le Mans; redigirte die Chroni- 
que mancille, ward während der Schredenszeit 
verhaftet, infolge tes 9. Thermidor aber wieder 
befreit. Darauf redigirte er den Democrat, 
wurde 1812 bei der Malletichen Berichwörung 
wieder verhaftet u. erft bei der Reftauration frei, 
Er wurde 20. Jan. 1820 in einem Biftolenduell 
getödtet. Schr. viele Pamphlete, vereint unter 
den Titeln: Lynx, u. Suite de Lynx; ein Melo- 
drama; Jacqueline d’Olzbourg, Charlemagne, 
Le Mans 1807 (Tragödie); Seide (Novelle), ebd. 
1816, u.a.ım. 2) Anais B. de Raucon, franz. 
—— geb. 26. Jan. 1796 zu Paris; ward 

doocat am königl. Hofe u. fi. 1850. Er war 
Mitarbeiter an der Quotidienne u. an dem Livre 
de cent-et-un und jdır.: Eloge historique de 
Chretien-Guillaume Lamoignon de Malesher- 
bes, Bar. 1831; La Cour de Marie de Medieis 
(Mömoires d’un cadet de Gascogne 1615— 
1618), ebd. 1830; L’epoque sans nom (Es- 
quisses de Paris 1830—1833), ebd. 18833; 
Histoire de France sous Louis XIII. (Preisſchr.), 
ebd. 1837; Becherches historiques sur la vie 
de Moliere, 1851. 8) Antoine, Orientalift, Se- 
cretär der Aſiatiſchen Gejellihaft u. Profeflor der 
chineſiſchen Sprade an der faiferlihen Schule 
der orientaliihen Spraden in Paris; ftarb 5. 
San. 1863; er jhr.: Grammaire Mandarine, Bar. 
1856, u. überjette Theätre chinois (eine Samm- 
lung von chineſiſchen Theaterſtücken, gejchrieben 
unter den mongoliihen Kaifern), Par. 1838, u. 
Kao-tong-fias Pi-pu-ki (ein chineſiſches Drama), 
ebd. 1841. 

Bazoche (Ta B.-Gouet), Marktfleden im Arr. 
Nogent-le-Rotrou des franz. Dep. Eure-et-oire; 
2037 Emw.; Geburtsort von Jean L'Enfant. 

Bazoche (La confrörie de la B.), jehr alte 
Berbindung von Aopocatengehilfen in Paris, die 
das Recht hatten, öffentliche Aufzüge u. Feſte zu 
ordnen, Um 1300 erhielten fie von Philipp dem 
Schönen die Erlaubniß, unter einem eigenen 
Oberhaupte — Roi de la B. — jährl. mehrere 
Öffentlihe Borftellungen zu geben. Dieſe letz⸗ 
teren, geiftlichen Inhaltes, erhielten den Namen 
Moralites, bildeten fi aber bald zu der mehr 
fatirifhen Sotie u. Farce aus, die wiederum 
als Prototyp des franzöfiihen Charakterluftjpiels 
zu betrachten if. Maitre Pierre Pathelien, Par. 
1855, herausg. von Genin, ift die für die ganze 
Gattung der seo charakteriſtiſchſte. 1470 wur» 
den alle Borftellungen der B. zunehmender Unfitt- 
lichleit halber verboten, bis Ludwig XII. dieſes 
Berbot aufhob u, ihr 1500 das Xheater Table! 


Artenay zurüd, 

Baztan (Baftan), Thal in der jpan. Provinz 
Pamplona, auf der SSeite der Pyrenäen; grenzt 
nördlih an das franz. Departement Pieder-Bore: 
näen, wird durch zwei Meine Nebenflüffe der Bi- 
daſſoa bemäffert, hat gute Weidepläge u. Getreibe- 
u. Kaftanienbau; die 8000 Einw. leben in 14 
Ortichaften u. haben befondere Vorrechte; Haupt» 
ort: Elizondo. 

Bazzi, Giopannantonio, genannt il Sod- 
doma, berühmter ital. Maler, geb.1474 zu Bercelli 
(Piemont), gen in Siena 1574; ging aus der lom- 
bardiihen Schule hervor, ftand urjprünglih unter 
dem Einfluffe Leonardo da Bincis, bildete ſich aber 
jpäter unter dem Einfluffe der florentiner u. rö— 
miſchen Kunft. Seine Bedeutung liegt weniger 
in großartiger Auffaffung oder durchgebildeter 
Compofition, als in hohem Schönbeitsgefühl, 
ſchwärmeriſcher Empfindung und duftigem Schmelze 
des Colorits. Seiner ftrengeren Richtung gehö- 
ren die Fresken aus dem Leben des hl. Benedict 
im Klofter Mte. Djiveto bei Siena an. Kurz dar- 
auf von Julius II. nah Rom berufen, malte er 
im Batican, bieranfin der Fyarnefina Aleranders Ber- 
mäblung mit Rorane und die b ei Alerander um Gnade 
für ihren Gemahl flebende Gemahlin des Darius, 
Später kehrte B. nach Siena zurüd u. ſchuf dort 
jeine vollendetften Werke, darunter die Fresken in 
Sta. Caterina u. Sto. Spiritu, dann in Sto. Do- 
menico Zafelbilder: Anbetung der Könige, in 
Sto, Agoftino, Kreuzabnahme, in Sto. Francesco, 
St. Sebaftian, in den Officien zu Florenz, eine 
der edelften Schöpfungen jener Zeit. Regnet 

Bazzini, Antonio, berühmter Violinvirtuoſe, 
geb. 24. Nov. 1818 zu Brescia, wo er 17jährig 
eine Stelle als Kirhenchor-Dirigent erhielt. Fu 
weiteren Kreifen wurde er feit 1842 befannt durch 
jeine Kunftreifen, die fi außer Italien über 
Deutihland, England u. Frankreich ausdehnten. 
Dan jhägt an ihm nicht nur vollendete Technik, 
fondern auch verftändnißinnigen Vortrag. Er 
ſchrieb Compofitionen für fein Jnftrument, Opern 
(3. B. Zurandot), Sympbonien, Ouvertüren. In 
Florenz, wo B. ſich dauernd niederließ, gründete er 
eine Geſellſchaft, die ſich um die Verbreitung deutſcher 
claffiſcher Inſtrumentalmuſik verdient gemacht hat. 

BB, 1) (bb, Diufit) das doppelt, alfo um eine 
ganze Stufe erniedrigende Borfegungszeihen; auch 
dient bb als alphabetiihe Benennung des um 2 
Halbtöne erniedrigten Tone h. 2) Abbreviatur 
für bene bene (d. h. optime) fehr gut. 3) Auf 
franzöfifhen Münzen jo v. w. Straßburg. 

B. C., Abbreviatur für 1) (Muf.) Basso con- 
tinuo; 2) (Chem.) für Balneum cineris. 


B. D. — Beaton. 


57 


B. D., Abbreviatur für Bonum datum, einge-|von Foir u. mit Foix an Navarra kam. Hein— 


räumter Befit. 

DBdellium (Gummi Bdelli), Schleimharz von 
Balsamodendron africanum Nees; fommt aus 
Arabien m. Oftindien; ift rothbraun, mehr oder 
weniger durchfichtig, zwiſchen den Zähnen Hebrig, 
von myrrhenartigem Geruch, bitterlich-aromatischen 
Geſchmack; ſonſt äußerlich als flärfendes Mittel 
bei ſchlaffen, brandigen Wunden, innerlih gegen 
Bürmer u. Amenorrhde in Auf, jetst außer de. 
braud. 

Bdellotomie, ſ. Blutentziehung. 

B Dur (Mufif), die mit zwei b (b u. es) vor⸗ 
gezeichnete Tonart; ſ. Tonſyſtem. 

Be, 1) chemiſches Zeichen für Beryllium. 
2) (Muf.) S. u. Solmtfation. 

B. E., Abbreviatur für 1) bene est, es ift gut. 
2) Bonus eventus, guter Ausgang oder Erfolg. 

Beadiy Head, hohes Borgebirg in der eng- 
fischen afihaft Sufler, am Kanal; den See— 
fahrern unter dem Namen die Sieben Brüder 
befannt; Leuchtthurm. Hier am 1. Juni 1690 
Sieg der franzöftichen Flotte Über die britiich-hol- 
landiſche unter Torrington; f. England. 


rih IV., König von Frankreich, war als Kron— 
prinz von Navarra in B. geboren u. bie daher 
der Bearner; er brachte N 1593 an frankreich, 
das unter Ludwig XIIL die Reformation in B. 
gewaltjam unterdrüdte. Die Stände diefes Landes 
hatten bis 1789 große Borredhte u. eine Cour 
major, welche Ludwig XIII. 1620 bei der fürm- 
lichen Einverleibung in Frankreich mit dem Par- 
lament von Navatra vereinigte. Wappen: zwei 
Ihmwarze Kühe im goldenen gie Bol. de Bor- 
denave, Hist. de Bearn et Navarre, Par. 1873. 

Bearn-Bich, eine der beften Ninderracen der 
niederen Pyrenäen, am reinften im der Umgegend 
von Pau gehalten; die Thiere find grau-gelb, hell- 
u, dumlelbraun, mit belleren Rändern um die 
Augen u. das Maul, heller gefärbt an den inneren 
Theilen der- kräftig gebauten Ertremitäten; haben 
einen “etwas großen Kopf, breite Bruft u. nad 
binten etwas fpit zulaufenden Leib. Sie find ſehr 
geeignet u, geiucht als Arbeitsvieh; ihre Milch- 
ergiebigfeit u. Maftfähigteit find nicht bedeutend. 

Beäta (lat.), 1) eine Selige; f. u. Beatification. 
2) Betjchwefter; daher Beatismus, Frömmelei. 


Beaminfter, Stadt in der englijchen Grafihafti St. Beäta, fromme Jungfrau zu Genis in 


Dotſet, amBrid, in einem frudhtbaren Thal ; Segel- 
tuchfabrilen, Eilen- u. Kupferwaarenfabrifation; 
3000 Em, 

Beamte, Jeder, der mit einem Amte, bef. einem 
öffentlichen, verfehen ift; j. u. Amt. Beamten- 
ade! u. Beamtenariftofratie, f, u. Adel u. 
Ariftofratie. Beamtenberridhaft, Beamten- 
thum, fo v. w. Bureaufratie. 

Beänus (von Berjaune, Gelbſchnabel), I) eigent⸗ 
ich ein noch nicht durch feierliche Depofition zum 
Studenten erhobener Schüler, dann ein neu an- 
getommener Student, Fuchs. 2) Ein fahrender 
Schüler. 8) Dummpreifter Menſch; daher Bea- 
nismus, ungeſchicktes, dummbreiftes Betragen. 

Bear⸗Haven, befeftigte Infel in der Bat von 
Bantry, zur iriihen Provinz Munfter gehörig; Mi 
durchaus gebirgig u. rauh uw. bildet auf der Weſt— 
feite der Bai den ſchönen Hafen gleichen Namens, 

Beardſtown, Sit des Caß County im nord» 
amerifan, Unionsſtaate Fllinois; 25283 Em. 

Bearn, ehemal. Grafihaft in dem ſüdweſil. 
Bintel Frankreichs, mit Bayonne u, Mauldon, 
5007 km; dermdlen die größere Hälfte des 
Dep. Nieder- Pyrenäen, während ein Heiner Theil 
dem Heidebepart. (Landes) zugetheilt iſt; wird 
von einem kräftigen, arbeitiamen u. nlichternen 
Bollsftamme (Bearner) bewohnt, welcher mit 
dem Gascogner zu derjelben provengalifhen Dia» 
ieftfamilie gehört m. in den höher gelegenen Ge— 
birgsgegenden Bergbau, in den wärmeren Thälern 
Benbau u. Leinweberei, fowie auch (namentlich 
in den Niederungen) Bieh- u. Pferdezucht u. Land⸗ 
wirtbichaft treibt u. einen eigenen Dialelt fpricht 
(Gramm. u. Wörterb. von Lespy, Bau 1858). — 
Die alte Hauptftadt Beneharnum wurde 845 von 
den Saracenen zerjtört, die nachberige war Pau. 
8. befam unter den Karolingern jeine eigenen 
Bicomtes, welche jeit 819 mehrere Dynaftien bil- 
deten u. Alle entweder Gafton oder Gentull hießen, 


Frankreich, die fich vorzüglich armer Kinder an— 
nahm u. diefelben unterrichtete; Tag: 22. Der. 
Beätae memorias (lat.), jeligen Andeufens. 

Beaten (v. Lat.) hießen in Spanien die Ter- 
ttarierinnen, welche, obne förmlich in ein Klofter 
einzutreten, die 3 Gelübde beobachteten; in Jta- 
lien bießen fie Mantille od. Pinzoche, in yrant- 
reih Saurs converses, in Deutjchland Belebrte 
Schweſtern. 

Beatenberg, Pfarrdorf im ſchweizer Kanton 
Bern, auf hoher Bergterraſſe am Thuner See, 
1230 m ü.d. M.; in neuerer Zeit als Luftkurort be⸗ 
ſucht; 1042 Ew. In der tiefer gelegenen Beaten- 
böble foll der heil. Beatus als Apoftel mit feinem 
Schüler Achates gelebt u. den ummohnenden Kelten 
das Chriſtenthum verkündet haben, Die dort befind- 
(ich gewejene Kapelle war im Mittelalter ein jehr 
befuchter Wallfabrtsort. Der aus der Höble kom— 
mende Bach beißt Beatenbad. 

Beaticum, in der Katholifhen Kirche die dem 
Sterbendeir ertbeilte 2 ie, 

Beatification (v.Yat.), 1) Seligiprechung einer 
verftorbenen Perjon durch den Bapft. Wenn näm- 
fh ein Individuum feiner Tugenden u. feiner 
Wunder wegen von einigen Biihöfen für heilig 
erfannt wird, fo erhält e8, doc erft 50 Jahre 
nach jeinem Tode, von dem Papſte den Titel: 
Beatus oder Beata, Seliger oder Selige, und 
gilt num als einer der Nächſten nach den Heiligen 
(f. Kanonifatton). Die Körper der Seliggeipro- 
chenen oder Theile derjelben werden öffentlich zur 
Verehrung ausgeftellt, die Bildniffe derfelben aber 
erhalten eine Strablentrone. Doc ift die Anruf» 
ung u. Berehrung der GSeligen auf einen be» 
ſtimmten Diftrict beichräntt. Daher beatifici- 
ren, feligiprecen. 

Beati possidentes (fat.), d. i. glüdlich die Be— 
fitenden! Sprüdmort für: gut, wenn man nur 
im Befite ift, das Übrige, auch das Recht darauf, 


bis Gafton VII., nad) defien Tode (1290) B. durch | findet ſich dann ſchon. 


Heirath feiner Erbtochter Margarethe an die Grafen | 


Benton, David, ein Schotte, geb. 1494; 


38 


Beatorum insulae — Beatti. 


wibmete fi) dem geiftlihen Stande, war 1519]jenen Heirath von demfelben 1055 als Gefangene 


bis 1528 ſchottiſcher Gejandter in Paris, wurde 
1528 geheimer Siegelbewahrer Jakobs V. von 
Schottland u. Unterhändler bei defien Berheirath- 
ungen 1533 mit Magdalene von Frankreich und 
1537 mit Maria von Lothringen, wofür franz I. 
ihm das Bisthum Mirepoir gab u. 1538 den 
Carbinalshut verichaffte; er wurde 1539 Erzbischof 
von St. Audrews u. Primas des Reiches u. zeigte 
fi als heftiger Feind der Preteitanten, deren er, 
als Keterrichter das Land durchziehend, viele 
verbrennen ließ. Er verhinderte 1541 die Zuſam— 
menlunft Jalobs V, mit Heinrich VIII. von Eng» 
land u. verfuchte nah Jakobs V. Tode (1542) 
durch ein faljches Teftament deffelben die Hegent- 
haft am fich zu reißen. Obgleich ihm dies nicht 
elang, gewann er doc großen Einfluß auf den 
egenten, Grafen Hamilton von Arran, übte durch 
denjelben große Härte gegen die Neformirten, 
wurde aber mit Borwiffen Englands, deflen er- 
flärter Gegner er war, 28. Mai 1546 zu ©t. 
Andrews von mehreren Adeligen ermordet. 

Beatörum insülae, Inſeln der Seligen; ſ. u. 
Griech. Mythologie. 

Beatrir, der 83. Planetoid, am 26. April 1865 
von Gasparis in Neapel entdedt. 

Beätrir (lat.), d. i. die Befeligende (ital. 
Beatrice), meibliher Vorname. 
find außer mehreren Heiligen: A) Kaiferinnen: 
1) B., Tochter des Grafen Rainald von Burgund, 
feit 1156 2. Gemahlin des Kaijers Friedrich J.; ft. 
1185; fie war Mutter des Kaifers Heinrih VI. 
u. Konrads von Schwaben, des Grafen Otto von 
Burgund u. des Königs Philipp. 2) ®., Tochter 
des Kaiſers Philipp von Schwaben; war mit beffen 
Gegenkaiſer Otto IV. verlobt u. follte die Aus- 
öhnung Beider vermitteln. Sie heirarbete Otto 
nach Philiprs Erinordung,1209, ft. aber 3 Tage 
nad der Hochzeit. B) Königinnen: a) Bon 
Neapel: 5) B. von Provence, 4. Tochter des 
Brafen Raimund Berengar V. von Provence; 
erbie nad) ihres Vaters Tode 1241 die Provence 
u. vermäblte fi 1246 mit Karl von Anjou, 
Prinzen von Frankreich, Sohn Ludwigs VIII.; 
fie bewog ihren Gemahl, Anſpruch auf Neapel u. 
Zicilien zu maden, u. wurde vom Papfte 1265 
zu Rom mit ihrem Gemahl gekrönt, ft. aber ſchon 
1267 zu Nocera. b) Bon Ungarn: 4) B., 
Todter des Königs Ferdinand I. von Neapel u. 
Aragon; wurde 1476 mit Matthias I. Corvinus 
vermäblt, hatte mit demfelben feine Kinder, be- 
förderte zwar Kunft u. Wiffenichaft, ließ ſich aber 
nad ihres Gemahls Tode in politifche Umtriebe 
ein, indem fie nad der Krone ftrebte, u. mußte 
daher das Yand verlaffen,; fie ftarb 1508 auf 
der Inſel Ischia. C) Andere Fürftinnen: 
5) B. von Lothringen, Tochter des Herzogs 
Friedrich II. von Ober-Lothringen; war erft an den 
Markgrafen Bonifacius III. von Toscana, jeit 
1054 an den feines Herzogthums Nieder-Lothringen 
beraubten Gottfried den Bärtigen verbeiratbet. 
Diefer rig unter dem Vorwande ihrer erjten Ehe 
die Marl Toscana, melde B. als Bormünderin 
ihrer Tochter Mathilde verwaltete, u. deren übrige 
Befigungen an fih. B. ward wegen ihrer zweiten, 
ohne Befragen des Kaifers Heinrich III. geichloj- 


nad Deutfchland abgeführt, nah 2 Jahren aber 
wieder freigelaffen u. regierte nun gemeinschaftlich 
mit ihrer Tochter bis 1076, wo fie ftarb. 6) 2. 
von Efte, von Öfterreich, Erbtochter des letzten 
Herzogs von Modena, Hercules III. von Eſte, 
geb. 1750 u. vermäblt 1771 mit dem Erzherzog 
‚Ferdinand von Öfterreih. Gigentlih hätte ihr 
Gemahl durch fie nah dem Tode ihres Vaters 
Modena, Mafia u. Carrara befommen jollen, da 
aber bei dem Einrüden der Franzoſen in Jtalien 
1796 dieſe verloren gegangen waren, erbielt er 
1803 dafür das Breisgau, welches er aber nicht 
lange behielt. Bei der Reftauration 1814 bekam 
Ferdinand IV., Beider Sohn, Modena, B. erhielt 
aber Maffa u. Carrara, ihre mütterliche Erbichaft, 
u. dazu die Lehen von Lunigiana. Sie ft. 1829, u. 
ihr Sohn beerbte fie. D) Bürgerlihe: 7) B., 
Dante Geliebte; ſ. u. Dante. 

Beatriget, Nicolas, franzöf. Kupferftecher 
aus Diedenhofen in Lothringen (auch Beautrizet, 
Beatrici u. Beatricetti), geb. um 1507, geft. zu 
Rom um 1570; ging, wie e8 bei lothringifchen 
Kiünftlern üblih, nah Rom, mo er 1540—62 
arbeitete u. zuerft ſich unter Agoftino di Muft, 
dann nad Marc Antonio bildete. Zu feinen beften 
Blättern zäblen Joſeph u. jeine Brüder, nach Ra- 


Merkwürdig|fael, die Belehrung Sauls, nah Michel Angelo; 


Petrus vor Ehriftus auf dem Waffer, nad) Giotto 
Übrigens fehlt es ihm an Weichheit des Stichels 
u. correcter Zeichnung. Regnet. 

Beatſon, großbritanniſcher Generalmajor u. 
Gutsbeſitzer zu Knowle Farm in Suffer; veröffent- 
lichte ein neues Ackerſyſtem (B-jhes Spitem) 
ohne Dünger, Pflug u. Brache, deutih von ©. 
9. Haumann, Jim. 1828, 2. A. ebd. 1829, Nach 
trag dazu von C. E. Mayer, Wien 1830, Grund- 
lage des Syſtems: Scarificator, jtatt des Diingers 
gebrannter Thon. 

Beatti, James, Philoſoph der ſchottiſchen 
Schule u. Dichter, geb. 20. od. 25. Oct. 1735 zu 
Yawrencelirk in der ſchottiſchen Grafich. Kincardine; 
ftudirte Theologie, wählte dann Philoſophie und 
Poefie zur Yebensaufgabe, wurde Profeſſor der 
Moral in Edinburgh, 1760 Profeffor der Logik u. 
Moral in Aberdeen; ft. bier 18. Ang. 1808, Er 
trat zuerft mit einem Bande von Gedichten, Lond. 
1761, bervor, der u. a. dine Überſetzung der 
Birgilihen Ellogen enthielt. 1771 machte er durch 
ein ebenfalls in London veröffentlichtes größeres 
Gedicht, The Minstrel, or the progress Ri genius, 
bedeutendes Aufieben. B-8 poetiihe Werte er- 
ſchienen zulett in London 1871, mit den Gold— 
ſmithſchen 1865, mit Illuſtrationen von B. Foſter 
1861. Seine Philoſophie geht über die ſeines 
älteren Freundes u. geiſtigen Führers Thomas Neid 
wenig binaus. Im Essay on the nature and 
immutability of truth in opposition to sophistry 
and scepticism, Edinb. 1780, deutich von Gerften- 
berg, Kopenh. 1772, nad) der 5. A. Leipz. 1777, 
wandte fih B. ummittelbar gegen Hume. Die 
Hauptaufgabe der Philofopbie, beißt es in dieſer 
Schrift, die Erkenntniß unferes Geiftes, wird allein 
durch Gelbftbeobadtung u. Beobachtung anderer 
Meniben erreiht. Wahr ift, was unjere Natur 
ung zu glauben zwingt, umvahr das Gegentheil. 


Beatus — Beaufort. 


Es gibt Wahrheiten, die wir durch Beweis er- 
lennen, u. buch fich jelbft einleuchtende Wahr⸗ 
beiten, die unfer Common Sense, d. h. unſer ge- 
meiniaftlicher Sinn u. Berftand, der höchſte 
Richter in Sachen der Wahrheit, unmittelbar wie 


5% 


jedoch wegen Unruhen der Ealviniften feine Stelle 
nieder u. fi. zu Grefte 1591 od. 1598; er jahr. 
u. a.; Rerum gallicarım commentariü (1461 bis 
1580), Lyon 1625, Fol. 

Beauce (Bauffe), 1) ehemalige franz. Land 


durh Inſtinct erfährt. Alles Wiffen beruht auf ſchaft in Orldanais; umfaßte die Städte Chartres 


unbemiefenen Aromen, 
des Common Sense fir unrichtig, fo hebt man das 
Wiſſen, die Wahrheit, die Tugend auf. Bebeuten- 
der ald dieſe Schrift find B⸗s Dissertations moral 
and eritical, Yond. 1783, deutih von Große, 
Gött. 1789/90, 3 Bde.), namentlih die Abhand- 
lung On Memory and Imagination. 1786 ver- 
öflentlichte er in Yondon Evidence of the Christian 
religion, die verbreitetfte unter feinen proſaiſchen 
Arbeiten. B⸗s Leben von A. Bower, Fond. 1804, 
2.8. Farbes, Edinb. 1806, 2. A., daf, 1812, 

Beätus (lat.), 1) ein Seliger; ſ. u. Beatification. 

Beatus, 1) St. ®,., legendenhafter Heiliger 
aus dem 1. Jahrh. 2) B. Ahenanus, eigentl. 
Bilde, geb. 1485 zu Schlettſtadt; ftudirte in Paris, 
war Lehrer u. Gorrector bei Amerbadh u. Erben 
m Bafel u. lebte feit 1520 in jeiner Baterftadt, 
mo er 20. Mai 1547 ftarb. B. fammelte für die 
deutihe Geichichte u. bearbeitete kritiich die auf. 
gefundenen Quellen. Er gab den Bellejus Pater- 
calus u. Zertullianus heraus, fchrieb auch Bes 
germanicae, herausgeg. Bajel 1551. Bgl. Mähly, 
B. Rb., Mülh. 1857. 

Beau (fr.), ſchön. 

Beaucaire (lat. Bellum Quadrum), Stadt im 
Ar, Rimes des franz. Depart. Gard, an ber 
Rhöne, mit Kettenbrüde, die auf 4 Bogen rubt 
u. Zarascon mit B. verbindet; jchöner Dom, 
Schlogruine, Stadthaus, öffentliche Bibliothek 
(15,000 Bde.); Fabrilen in Seide, Leder u. Tri- 
cot; große Meſſe (Magdalenenmeffe, 21.—28. Juli), 
mebe außerhalb der Stadt auf einer Wieje an der 
Rhöne eine Budenftadt fi) bildet. Über Meßan— 
gelegenheiten entjcheidet ein befonderes Handels- 
geruht von 12 Mitgliedern. Den Handel begiinftigt 
eine Bmeigeifenbabn der Avignon-Marfeiller Bahn, 
dann eine Eijenbahn von Alais nah Nimes und 
em Kanal (Kanal von B.) von hier nad) Aigues— 
Mortes. Ein Gang (Römerwert) führt unter der 
Kböne weg bis nah Tarascon. 8804 Em. — B. ſoll 
das Ugernum der Alten fein; den jetigen Namen 
bat es von einem Schloffe, das 1532 im Bürger- 
triege gefchleift wurde. Die Stadt gehörte urfprüng 
lich dem Grafen u. dann dem Erzbiichof von Arles 
u. ipäter den Grafen von Touloufe; 1215 erhielt 
he Simon Montfort vom Erzbijhof, aber Graf 
Kaimund nahm fie 1216 wieder in Befſitz u. foll 
1217 die Magdalenenmeffe geftiftet haben; 1226 
wurde D,, als albigenfiihe Stadt, vom König 
Subiwig VII. erobert. Im 16. Jahrh. litt es 
als eine jaft ganz proteftantiiche Stabt viel durch 
die Religionsunruben, u. 1632 zerftörte Richelieu 
das Schloß u. entzog den Bürgern die Abgaben- 
freiheit, weil fie es mit dem Herzog von Mont» 
morency gehalten hatten. 

Beaucaire de Peguillon (Belcarius), Fran- 
çois, franz. Geihichtihreiber, geb. 1514 auf dem 
Schlofje Creſte in Bourbonnais; war auf dem 
Zridentiner Concil Gegner der päpftlihen An- 


Hält man die Ausfagen (als Hauptftabt), Nogent-le-Roi, Maintenon, Bon- 


neval u. hieß die Kornfammer von Paris; 3460 
kn; bildet jetst den Hauptbeftandtheil des Dep. 
Eure-et-?oir. Die Einwohner hießen Beauce— 
rons Im Oct. u. Nov. 1870 fanden bier zahl- 
reihe Kämpfe der franz. Loire-Armee gegen die 
deutjche Armee ftatt. 2) (Pays Chartrain, B. im 
engeren Sinne) Die Gegend um Chartres. 
eauchamp, Alfonje de B., franz. Geſchicht⸗ 
jchreiber u. Publicift, geb. 1767 zu Monaco; trat 
1784 in ſardiniſche Dienfte, die er aber beim Aus- 
bruche des Krieges mit Frankreich verließ, u. wurde 
als Verdächtiger in Ceva gefangen geſetzt. Nach 
ſeiner Freilaſſung ging er nach Paris u. ward 
bei der Polizei angeſtellt, ſpäter aber nach Reims 
verbannt; er wurde zwar zurückberufen u. erhielt 
wieder Anſtellung bei der Einnahme der indirecten 
Steuern, ward aber 1814 von Neuem abgeſetzt; 
nach der Reſtauration erhielt er als Bourboniſt 
eine Penſion; er ſt. 1. Juni 1832 zu Paris. B. 
ichr.: Hist. de la Vendee et des — Par. 
1805, 3 Bde., 4. A. 1820; Hist. du Bresil, 1815; 
Hist. de la conquete du Perou, 1808; Hist. de 
la campagne de 1814 et 1815, 1818, 2 Bbe.; 
De la revolution d’Espagne, Bar. 1822; Hist. 
de la r&vol. du Piemont, ebd. 1823; Biographie 
des Generals Moreau, 1824, u. Ludwigs XVIII., 
ebd. 1825. Ihm werden aud die Memoiren 
Fouhes, Par. 1828 f., 4 Bde. zugejchrieben. 
Beauchamps, Charles Fouis, berühmter 
Zanzmeifter, geb. 1626 in Berjailles; war anfangs 
beim Theater in Paris für untergeordnete Rollen 
angeftellt, hatte aber Gelegenheit, jeit 1661 fein 
Talent für die Gompofition von Ballets zu zeigen, 
wurde 1664 Director der Academie de danse u. 
Oberintendant des Hofballets u. 1666 Balletmeifter; 
er ft. 1705 in Paris. B. war jelbft ein trefflicher 
Tänzer u. hat das Verdienſt, die Theatertänge 
harafteriftifher gemacht u. überhaupt den Tanz un 
Frankreich gewiſſen Hegeln unterworfen zu haben. 
Beauchesne, Alcide Hyacinthe du Bois 
de, franz. Schriftfteller, geb. 31. März 1804 zu 
Lorient; ſeit 1825 Borftand der Abtheilung für 
Ihöne Künfte, 1827 königl. Kammerberr; nad 
längerem Aufenthalte in Deutichland wurde er 1853 
Sectiouschef im Archiv; er fhr.: Souvenirs po6ti- 
ques, 1830; Louis XVII, 1852, 2 Bbe.; Le livre 
des jeunes möres, 1858; Vie et legende de Ma- 
dame Sainte-Notburg, 1867; Vie de Madame 
Elisabeth seur de Louis XVI., 1869, 2 Bde. 
Beaufort, 1) Stadt im Arr. Bauge des 
franz. Dep. Maine-et-Yoire, am Couesnon, aus B.- 
en»-Balle u. B.+en- Frandife beitehend; Fabri— 
fen in Segeltuch; vier Jahrmärkte; 5146 Em. 
2) County im nordamerifan, Unionsjtaate Nord 
Carolina, unter 36° nördl. Br. u. 76° weſtl. L., 
am Bomilcofund; vom Bomilcofluffe durdhichnitten ; 
13,011 Emw.; Countyſitz: Wafhington. 3) County 
im nordamerilan. Unionsftaate SCarolina; unter 


ſprüche; er wurde 1566 Biſchof von Mes, legte!32° n. Br. u. 80% w. L.; 84,350 Em.; County» 


60 


Beaufort. 


fit: Cilliſonville. 4) Stadt u. Eingangshafen im] Mazarin 1643 ald Gefangener nad Bincennes ge- 


Carteret County des Staates NCarolina, unter| draht, von wo er 1646 burd einen Ze 
32° 26° n. Br. u. 80% 41° m. L.; 2300 Ew. dem Fenſter entlam. In den bürgerlichen 


5) Ort u. Eingangshafen im gleihnam. County 
des Staates Scarolina, an der Mündung des 
Newport; 2500 Em. 

Beaufort. I. Englifhes Geſchlecht. Unter 
mehreren englischen Bringen, welche diefen Namen 
führten, ift bemerfenswerth: 1) Edmund B., 
Marquis von Dorfet, Earl von Somerjet, 
Urentel König Eduards III.; ftrebte nach des Her- 
3098 dv. Bedford Tode (1425) vergebens, Regent 
von Frankreich zu werden; als er feine Abficht 
1445 durch jeine Nichte Margarethe erreichte, 
fteigerten fih die Mißerfolge der Engländer, bie 
bis 1453 auf Calais allein beſchränkt wurden. Er 
behauptete ſich deſſen ungeachtet auch nach feiner 
Nüdtehr nad England (1450) in der Gunft des 
Hofes; aber von dem Haufe York 1454 bes Hod- 
verratbes angellagt, entging er mit Miübe dem 
Tode; er blieb unter der füniglichen Fahne 1455 
in der Schladht von St. Albans. Bon feinen 3 
Söhnen wurden Heinrih u. Eduard, melde die 
väterliche Feindſchaft gegen das Haus Nork fort- 
fegten, jener 1463, diefer 1471, auf Befehl des 
Königs Eduard IV. hingerichtet; der jüngfte, John, 
ftarb unbeerbt. Bon einem natürlihen Sohne 

einrichg ftammte 2) Henry, Earl u. feit 1642 

tarquis von Worcefter; defien Enkel Henry wurde 
1682 zum Herzog von B. erhoben; dieſer ift der 
Ahn der jegigen Herzöge von B. 8) Henry 
Somerjet, 7. Herzog von B., geb. 1792; diente 
unter Wellington in Spanien, gerieth in franzö- 
ſiſche Gefangenfchaft, aus der er jedoch nach kurzer 
Zeit befreit wurde, war Mitglied des Unterhaufes 
u. nach dem Tode jeines Vaters Mitglied des 
Oberhauſes; er ft. 17. Nov, 1853. 4) Henry 
Charles Fitroy Somerjet, 8. Herzog von 
B., Sohn des Bor., geb. 1. Febr. 1824; folgte 
jeinem Bater 1853 im Titel des Marquis von 
Worcefter; jetzt Haupt der Familie B.; ſ. Somerjet. 
5) Harry von B., Sohn des Herzogs John 
v. Yancafter u. Stiefbruder des Königs Heinrich VI., 
Eardinal u. Biſchof von Windefter; ward von 
feinem Bruder mehrmals als Gefandter gebraucht 
(beim Konftanzer Concil) u. war 1426 in Deutjch- 
Sand als päpſtlicher Legat. 1431 führie er den jungen 
König Heinrich VI. von England zur Krönung als 
König von Frankreich nah Paris. Er war An- 
ftifter des Mordes des Herzogs von Glocefter u. 


aus 
trei⸗ 
tigleiten der Fronde (um 1649) war er der Held 
u. das Spielwerk dieſer Partei; daher fein Name: 
König der Hallen. Er wurde vom Parlament 
zum commandirenden General ernannt, war eine 
Zeit fang Gouverneur von Paris, mußte aber 
jpäter auf Befehl des jungen Königs diefe Stabt 
verlaffen. Er erhielt nun die Anwartſchaft auf 
feines Baters Stelle als Admiral von Frankreich ır. 
ſchlug die algieriihen Seeräuber 1665 an der Küfte 
von Zunis; er Algier u. fi. bei einem Ausfalle aus 
dem von den Türken belagerten Gandia (1669). 

III. Das belgiſche Geſchlecht der Grafen 
u. Herzöge von B. Die Grafen v. B. fommen 
feit 1005 vor, wo Kaifer Heinrich II. B. an Walther, 
Sohn des Ardennenfürften Gottfried, verlieh. Yım 
13. Jahrh. kommen die 4 Zweige des Haufes: 
B. de Gones, B. de Fallais, B. de Gelles 
u. B. Spontin vor; die Glieder des letzteren 
zeichneten ſich auch in den Kreuzzügen aus. Jetziger 
Chef: Herzog Alfred, Marquis v. B.-Spontin 
u. v. Florennes, Graf v. Beauraing, Bicomte v. 
Eclaye u. Dubenbourg, geb. 16. Juni 1816; er 
hat auch Befisungen in Böhmen u. Öfterreih u. 
lebt in Brüffel u. Wien; er ift feit 1854 ge- 
ihieden von jeiner 2. Gemahlin, Therefe, geb. 
Fürſtin von Thurn u. Taris (geb, 1830), in 
einziger Sohn aus erfter Ehe (von Pauline, geb. 
Marguife von Forbin-Janſon, ft. 1846) ift Prinz 
Friedrich, geb. 1843. 

Beaufort, 1) Levinus Ferdinand de, ein 
nicht unverbienftliher niederländiſcher Geichicht- 
jhreiber, geb. 1675 auf dem Fort St. Anne, im 
Yande von Hulft; war Penfionär von Tholen u. 
Admiralitätsrath von Seeland; fl. 1730 in Middel- 
burg; befannt bauptfähhli dur fein Leben von 
Wilhelm I., Prinzen von Oranien, u. Abhandlung 
über die Freiheit des Bilrgerftaates. 2) Sir Fran- 
cis, engliiher Hpbrograph u. Gontreadmiral, 
von franzöfiiher Abftammung, geb. 1774 zu 
Callan in Irland; war als Midſhipman 1794 in 
der Seeſchlacht bei Breft, wurde 1796 Lieutenant 
u. 1800 Commandeur; nachdem er 1811f. die 
Küfe von Karamanien in Kleinafien aufgenommen 
u. gute Karten dariiber entworfen hatte, war er 
1812 bis 1829 in England mit der Bearbeitung 
von Seelarten für die Admiralität befchäftigt. Er 
wurde num zum Hydrographen ernannt, als wel» 


Präfident des Biutgerichtes, welches die Jungfrau|cher er die Aufnahmen der Bermeflungscorps im 


von Orleans zum Tode verdammte. 
11. April 1447 zu Wincheſter. 


Er ftarbifaft allen Meeren verarbeitete u. diefelben allen 


feefahrenden Nationen zugänglih machte. Nachdem 


II. Die franzöfiihen Herzöge don B.ler 1846 Eontreadmiral geworden war, legte er 


ftammen von Gabriele d'Eſtrees u. König Hein-| 1854 feine Stelle als Hydrograph nieder u. ft. 17. 
rich IV. ab: 6) Frangois de Bendöme,|Dec. 1857 zu Brigbton. 8) Henri Ernefte 
Herzog von B., geb. zu Paris 1616, Sohn Grout, Chevalier de, franz. Reifender, geb. 1798 
des Derzoge Eifar von Bendöme, natürlichen zu Aubevoye im Dep. Eure; diente feit 1812 in 
Sohnes Heinrichs IV. u. der Gabriele d'Eſtrees; der Marine, unternahm 1823, durch Studien vor- 
betheiligte fih mit Auszeichnung feit 1635 anjbereitet, vom Gambia aus eine Neife nach dem 
den Feldzügen gegen die Spanier, an den Er-|Fnnern Afrifas u. in den beiden folgenden Jahren 
ſtiirmungen von Gorbin (1636) u. Arras (1640);| weitere folde, auf welchen er beionders die Ent- 
erhielt nach Ludwigs XIII. Tode die Aufficht über|dedungen Mungo Parts weiter verfolgte u. die 
die Prinzen u. bemühte ſich in dieſer ‚Function, | Goldminen von Bambuf erforſchte. Er ft. aber 
unter der Königin Anna von Öfterreih eine Rolle ſchon 1825 zu Bakel am Senegal. 

zu jpielen, warb aber wegen eines Anfchlages gegen! Beaufort D’Hantpoul, Charles, franz. Ge- 


Beaugency — Beaujolais. 
neral, geb. 1804 ; trat in die franzöftiche Armee‘ 


u. diente längere Zeit als Adjutant des Generals 
Stv (Soliman Paſcha) in dem ägyptifchen Heere 
Idrahim Paſchas, wo er den Feldzug in Syrien 
gegen die Türken mitmachte, darauf bis 1848 in 
Algenen unter dem Prinzen von Aumale; dahin 
ging er auch 1849 zurüd u. wurde 1854 zum Bri- 
gadegeneral ernannt. Im Aug. 1860 führte er 
als Divifionsgeneral das franzöfiihe Corps nad 
Sprien, welches gegen die dort von den Drufen 
aa den Maroniten begangenen Graufamleiten 
interveniren follte, mußte aber, auf die Forder— 
ungen Englands und der Türkei, nod vor Her- 
kelung der Orbnung im Juli 1861 mit feinen 
Truppen von dort wieder abziehen. Seitdem 
Mitglied des Senats, trat er aus dem activen 
militärifchen Dienfte zurüd, war mährend bes 
Krieges von 1870 in Paris u. 27. Jan. 1871 
militärifcher Berather J. Favres bei Abſchluß des 
Raffenftillftandes in Verſailles. 

Beaugency (Balgentiscum), Stadt im Arr. 
Orleans des franz. Dep. Loiret, an der Loire; 
Brüde von 26 (früher 39) Bogen; Schloß; 
Gerbereien; Handel mit Wein (befter im Dep.) 
a. Branntwein; 4635 Emw.; in der Nähe eifen- 
haltige Mineralquelle. Zu B. wurden 1086 und 
1152 SKirchenverfammlungen (Balgentiacensia 
coneilia) gehalten, beide wegen ber Rechtmäßigleit 
der Ehen ber damaligen Könige von Frankreich. 
Im %. 1291 fam B. aus dem Befite der alten 
Barone von B. durch Kauf an König Philipp IV. 
u. fpäter an den Baftard Dunois, von deſſen 
Kadlommen an die Krone u. dann an das Haus 
Orleans. Hier ſchlug am 8. Dec. 1870 der Grof- 
berzog von Medienburg den General Ehanzy in 
einem biutigen Treffen u. zwang ihn zum Rüch. 
zuge auf fe Mans. 

Be 8, County von Unter- oder WCa- 
nada, am ©t. Lorenzfirom, an den Staat New- 
Dorf grenzend; 41,223 Em. 

Beauharnais, 1) Fanny de B. franz. Dich⸗ 
terin (mad ihrem Geburtsnamen Marie Unna 
Frangoife Mouchard), geb. 1738 in Paris; hei« 
rathete jehr jung den franz. Seeoffizier Grafen 
B., fieß fi aber fcheiden u. führte in Paris ein 
sehr freies Leben; als Verwandte der Kaiferin 
Joſephine an den Hof gezogen, ward fie unter 
Marie Luiſe faft er u. ft. 2. Juli 1813, 
Ste ſchr. unter dem Namen Fanny: Lettres de 
Stephanie, Par. 1778, 3 Bde.; Poesies fugiti- 
ves et e sans consöquence, ebd. 1772, 2 
Bde.; L’Abailard supposs, Amſt. 1780; L'aveugle 
par amour, 1781; L’isle de la felicite, 1801, 
u. m. a. 2) Elaude, Graf B., Sohn der Bor., 
geb. 29. Sept. 1756; diente erft als Offizier in 
der Garde unter Ludwig XVI., wurde Deputirter 
der Etats gendraux, fam dann an ben gi der 
Kaijerin Marie Luife u. warb nad der Reſtau— 
ration Pair; er fi. 10. Jan. 1819. Er war ver 
mählt erft mit der Marquife de Lezay- Marnezia 
n. in 2. Ehe mit Fräulein Fortan, deren Tochter 
Joſephine Defirde if. 3) Stephanie, Tochter 
des Bor. aus 1. Ehe u. Großherzogin von Ba- 
den; ſ. Stephanie. 4) Frangois, Marquis de 
3., eifriger Royalift, Coufin von B. 2), geb. 12. 


Aug. 1756 zu La Rochelle; Deputirter der National-! bildet, 


61 


veriammlung; verließ Frankreich, nachdem er die 
föniglide Familie vergebens zu retten verfucht 
hatte, 1792, diente im Condéſchen Corps u. lebte 
naher in Koblenz u. Bayreuth; Napoleon er- 
laubte ihm 1804, nad Frankreich zurüdzulehren, 
u. fchidte ihn 1805 als Gefandten an die Köni- 
gin von Hetrurien u. 1807 nad Madrid; doch 
ward er, weil er fid mit dem Prinzen von Aftı- 
rien in Einverftändniß gejetst hatte, bald zurüd- 
berufen u. lebte am bein. Die Rückkehr der 
Bourbonen führte auch ihn erft nach Paris zurüd, 
wo er, zum Pair erhoben, 4. März 1846 ftarb. 
5) Alerandre, Bicomte de B., Bruder bes 
Bor., geb. 1760 auf Martinique u. in Paris er- 
zogen; er nahm franzöfiiche Kriegsdienfte, heira- 
thete Joſephine (f. d.) Taſcher de la Pagerie, 
nachmalige franzöfiihe Kaiferin, diente erft unter 
Rochambeau in Amerifa u. ward beim Ausbruche 
der franzöfifchen Revolution Major. Als Depu« 
tirter in der Berfammlung der Notablen verthei- 
digte er die Gonftitution, focht als Generaladju- 
tant der Nordarmee unter Luckner u. Euftine u, 
ward 1793 Obergeneral der Rheinarmee. Er 
legte, da alle Adelige durch ein Conventsdecret 
ihre Stellen verloren, feine Stelle bei der Armee 
nieder; beichuldigt, den Fall von Mainz durdy Un⸗ 
thätigleit herbeigeführt zu haben, wurde er am 
23. Aufi 1794 guillotinirt. 6) Eugen, Sohn des 
Bor., nahmaliger Herzog von Senhienlieng (. d.). 
7) Hortenfie, Schweiter des Bor., Königin von 
Holland; f. Hortenſie. 

Beanjen, Stadt im Arr. Billefrande des franz. 
Dep. Rhöne, am Ardidres; Weinbau (Beaujo- 
lais-Wein, dem Burgunder ähnlih, geht ftarf 
nach Paris u. yon); Papierfabrifation, Gerberei, 
Böttcherei; 3851 Em, 

Beaujeu, alte franzöfiiche Familie, nach vor, 
benannt; ftammte von den Grafen v. Florez, der 
jüngeren Linie der Grafen u. Dauphins von Als 
bon, ab. Merfwürdig: 1) Guihard IL, Sohn 
von Ludwig Baron v. Beaujolais und Prinz v. 
Dombes; diente jhon unter Philipp dem Schönen 
im franz. Heere, ward 1325 bei St.-Fean-le- 
Bieur, wo er zu Gunften des Grafen Edmund 
von Savoyen gegen den Dauphin von Biennois 
focht, gefangen und erhielt feine Freiheit erft 2 
Jahre jpäter wieder; er begleitete 1328 den König 
Philipp gegen die empörten Niederländer und ft. 
1331. Dit 2) Eduard IL, der 1401 ohne Kin« 
der ftarb, erloſch diefe Familie; er überließ B. u. 
Dombes dem Herzog Ludwig II. von Bourbon, 
Bon deffen Nahlommen erhielt die Befitungen 
8) Pierre de Bourbon, Sire de B., Conne- 
table von Frankreich; er war vermählt mit Anna, 
Tochter Ludwigs XL, u. führte unter Karl VIII. 
die Regentſchaft; er farb 1503 ohne männliche 
Nachkommen. Seine Tochter Sufanne heirathete 
der Eonnetable Karl von Bourbon. 

Benujolais, ſonſt Landſchaft in der ehemaligen 
Prov. Pyonnais, zwiichen der Loire u. Sadne in 
Franfreih; 1793 (km; berühmt durch ſehr ge» 
ſchätzten Rothwein; umfaßte die Städte Billefrandhe 
(Hauptftadt), Beaujen, Belleville, Charlien. Sie 
faım 1523 an die Krone. Der größere Theil gehört 
jest zum Dep. Rhöne, von dem er faft die Hälfte 
ein Heiner Theil ift dem Dep. Loire einverleibt. 


62 Beaulien — 
Bennlien, Name zahlreiher Ortichaften ꝛc. 
in Frankreich, darunter Stadt im Arr. Brive des 
franz. Dep. Corrdze, rechts an der Dorbogne 
(200 m lartge Kettenbrüde); Mefferichmiede, Wein- 
handel, Märkte; 2530 Em.; dabei Bleigrube. 
Beanlieu, 1) Jean Pierre, Baron de B,, 
öfterr. General, geb. 26. Oct. 1725 zu Namur; 
nahm 1743 öfterr. Kriegsdienfte, indem er in das 
Regiment des Herzogs von Lothringen eintrat, 
ward 1747 Hauptmann, 1757 Major im General« 
quartiermeifterftabe. Im Tjährigen Kriege, unter 
Daun, zeichnete er fih bei Kollin, Schweibnig, 
Breslau, Leuthen, Olmütz, Gera u. Maren aus 
u. avancirte zum Oberftlieutenant im General» 
ftabe. 1768 fam er als Oberft nach den Nieder- 
landen; dort beichäftigte er ſich auf feinem Land» 
fige Jrdoigues mit der Anlegung einer antiquari- 
ſchen Sammlung von Medaillen, Büchern, Karten, 
Kupferftihen, Handzeihnungen zc, Seit 1789 Ge: 
neralquartiermeifter beim Deere des Feldmarſchalls 
Bender, operirte er gegen die belgischen Inſur— 
genten u. wurde 1790 J— u. Feldzeug⸗ 
meiſter. Er ſchlug 1792 die Franzoſen unter Bi— 
ron bei Quieprain und Jemappes, wo er ben 
linlen öfterreidhifchen Flügel führte, und zog fich 
dann Hinter bie Erft zurüd; 1793 unterhielt er 
mit einem Meinen Corps die Verbindung zwiſchen 
den Ofterreihern u. Preußen bei Luremburg u. 
Namur, unterftügte den geichlagenen Ders von 
Hort, den er durch das glüdliche Gefecht bei Cour- 
tray von der Gefangenschaft rettete, u. ſchlug in- 
folge des fiegreihen Angriffes am Neederbad die 
franzöfiiche Armee gänzlih im die Flucht; 1796 
erhielt er den Oberbefehl über die italienische 
Armee, wurde aber von Bonaparte bei Monte- 
notte, Millefimo, Montefimo, Mondovi u. Yodi 
geihlagen u. nah Tirol zuriüdgetrieben. Er trat 
bierauf das Commando an Wurmſer ab u. 309 
fih auf ein Gut bei Pinz zurüd, wo er 22. Dec, 
1819 ftarb. 2) Elaude yrangois, franz. Pu— 
biicift, geb. 1754 zu Riom; war Redactenr mehrerer 
gemäßigt monarchiſchen Zeitungen, Mitbegründer 
des Clubs der Feuillants (1791), unter Robes- 
pierre eingelerfert, (1797) zur Deportation verur- 
theilt, fpäter Secretär des Präfecten der Oiſe; 
er ft. 1827 zu Marly; fchr.: Sur les causes et les 
effets de la revol. frang., Bar, 1801—8, 6 Bbe.; 
Le temps present, 1815, u. a. m. 8) Jatob, 
auch Baulot genannt, befannter als Frore Jac— 
aues, angebliher Erfinder des Seitenfteinfchnittes 
beim Menſchen. Er war feines Handbwerfes ein 
berumziehender franzöfiiher Blaſenſteinſchneider. 
In Eteudonne (Franche Comte) 1651 geboren, 
urfpränglihd Tagelöhner, wurde er Soldat und 
ſchloß fich endlich dem italienischen Stein- und 


Beaumanoir. 


die Facultät. Er follte zunähft nur an Leichen 
operiren, damit man nachträglich durh Section 
fein Verfahren beurtheilen könne, doch verzögerte 
ſich Dies, u. durch Bermittelung der königl. Yeib- 
Ärzte Jagon u. Félix erhielt er num in der Charite 
u. im Hotel-Dieu 60 Steinkranfe, von denen nach 
Merys Angabe 25 ftarben; auch feine Freunde 
fonnten ihm nur rohe Routine und Mangel jeder 
Sachkenntniß nachjagen. Er wanderte weiter, fam 
1700 wieder nad Berfailles, operirte in Angers 
mit befferem Erfolge 49 Kranke, von denen nur 
2 farben. Dagegen batte er das Unglüd, daß 
ihm 1702 der Marſchall de Yorges ftarb. Er ging 
wieder auf die Wanderichaft, fam 1716 nad Be- 
jangon u. ft. 1720. Anfänglih fam es ibm nur 
darauf an, den Stein zu befommen, umbelümmert, 
ob er dabei Scheide u. Maſtdarm verlegte, um« 
befümmert auch um dem weiteren Berbaud; nur 
in fpäteren Jahren trieb er Anatomie und lernte 
fo bantiren, daß fich feine Methode von der damals 
üblichen kaum unterjchied. I Meinardus,* 3) Thambayn. 

pen gg © Bon der alten fran« 
zöſiſchen, urfprünglih in Blois angejeffenen Fa— 
milte Marconnay wendeten ſich die vier reformir- 
ten Zweige nad der Aufhebung des Edicts von 
Nantes in das Ausland; die B.M. ließen fih im 
Hannoverifchen nieder u. erhielten 1859 die Aner- 
tennung ihres Freiherrnſtandes im Großherzog- 
thum Oldenburg. Ihr Stammvater: 1) Olivier, 
geb. 1660, ftarb als bannoverifher Oberjäger- 
meifter 1751 in Celle; er mar durch feine Se. 
mahlin, Marie d'Eſſemier d'Olbreuſe, der Schwa- 
ger des Herzogs Georg Wilhelm von Braun- 
Ihmeig, welcher die Schwefter feiner Gemahlin 
Eleonore, unter dem Namen Ducheife d'Olbreuſe 
befannt, geheirathet hatte. Das Oberjägermeifter- 
amt ging von dem Bater auf den Sohn, fyrhrn. 
Georg Wilhelm, und den Enkel, Frhrnu. Friedrich 
Georg (ft. 1808), über; von des Letzeren Söhnen 
war der jüngfte: 2) Frhr. Wilhelm, geb. 1786, 
oldenburgiicher Geheimrath u. Oberſchenk und fi. 
1859. Chef: 3) Frhr. Karl Dlivier, Diplomat 
u. Hiftorifer, ältefter Sohn des Bor., geb. 5. Sept. 
1811; wendete fih, während feine Brüder im 
oldenburgiichen Dienfte blieben, 1848 nad) Weimar, 
wo er großberzoglicher Kammerberr u. 1851 Hofe 
theater» /ntendant (bis 1857) wurde; feit 1864 
vertrat er die Sachſen-Erneſtiniſchen Häufer und 
Reuß jüngere Linie beim Bundestage als bevoll« 
mächtigter Minifter bis 1866; ſeitdem lebt er im 
Dresden; er ift mit Anna, geb. v. Fritſch, ver» 
mählt. Schr. die Biographie des ſächſ. Minifters 
Thom. v. Fritſch, Lpz. 1871; Der Hubertsburger 
Friede, ebd. 1871; Herzog Ernft Auguſt von 
Weimar, ebd. 1872; er bereitet eine Lebensge- 


Bruchichmeider Pauloni an, von dem er feinelichichte des Fürſten-Primas von Dalberg vor. 


Kunft handwerfsmäßig lernte, aber eben nur hand- 


eaumanoir, 1) Jean de B., Ritter aus 


wertsmäßig, denn er war jo unmifjend, bei jeder|ber Bretagne, Waffen genoß Du Guesclins ; verthei⸗ 
Bruchoperation, allerdings wie auch Pauloni, digte 1351 offelin, wobei er mit 29 Franzoſen 


gleichzeitig den Hoden mit zu entfernen. 


jeiner Trennung von Pauloni wurde er Francis.) (Gefecht der Dreifig). 


Nach einen Zmeilampf gegen 30 Engländer bejtand 


Als Anhänger Karls von 


caner u. nannte ſich Frere Jacques. ALS folder) Blois focht er im Bretagniichen Kriege. 2) Bhi- 
wanderte er nun in jenem Mönchskleide in Franklippe de B., franz. Gejandter in Rom; ftarb 


reih umber u. vollbrachte manche glüdliche 


tein-| 1296; verfaßte bie rechtögejchichtlihen michtigen 


operation. So kam er aud nad Paris, operirte/Coutumes de Beauvoisis, n. U. von Beugnot, 
einen Kranken glüdiih und wandte fih nun an Par. 1842, 2 Bde, 


Beaumarhais — Beaumont. 


63 


Beaumarchais, Pierre Auguftin CaronjLettres à M. Voltaire, 1761; Commentaire sur 
de B. franz. Schrifiſteller, geb. 24. Jan. 1732/la Henriade, Berl. 1775, 2 Bde. Er gab auch 
zu Paris, Sohn eines Uhrmachers; wurde Mufit-|die Briefe der Maintenon, Amt. 1756, 9 Bbe., 
fehrer der Prinzeſſinnen von Frankreich. Durch |beraus, 


Heitath mit zwei reichen Wittwen u. durch eine 


Beaumes (Baumes), Dorf im Arr. Orange 


Afociation mit Duverney erwarb er ſich großes|des franz. Dep. Vaucluſe, an der Salette; Schloß 


Vermögen. Als er fih 1764 wegen einer Geld- 
ipeculation in Madrid aufhielt, hatte er Ehren- 
händel mit dem jpanifchen Schriftfteller Clavigo, 
weiber jeine Schmweiter verführt hatte. Nah Du- 
derneys Tode (1770) kam er mit deffen Erben, dem 
Grafen Blacas, in einen Proceß, den er ver 
lor. Hieraus entwidelte fi ein neuer mit einem 
der Kichter, Gözmann, von deffen Gattin er die 
Geſchenke zuriidforderte, mit denen er diefelbe be- 
Kochen Hatte. In 1. Inſtanz zu bilvgerlicher Ehr- 
iofigteit u. zur Brandmarkung verurtheilt, wurde 
er in 2. Juſtanz freigefprohen. Den Proceß, den 
er 1781 für die des Ehebruches befchuldigte rau 
des Banguiers Kormann führte, gewann er. In 
dem amerifan. Kriege führte B. den Amerifanern 
mehrere Schiffe mit Kriegsbedürfniffen zu, wobei 
er Millionen gewonnen baben ſoll. Spätere Unter- 
uebmungen, bei. die Herausgabe von Voltaires 
Berfen, wozu er in Kehl eine eigene Druderei 
errichtete, ſchädigten u jein Bermögen. 
Ebenfo verlor er im der Kevolution, wo er 1792 
der Regierung 60,000 Gewehre zu liefern ver- 
ſprochen hatte, die deshalb deponirten 500,000 Fr. 
8. #. 17. Mai 1799. Er fchr. die Theateritüde: 
Eugenie, Bar. 1767, deutſch, Lpz. 1768; Lea 
deux amis, 1770, deutih von Bod, 1771, beide 
noch unreiſe Schöpfungen im Diderotjchen Ge— 
ſchmach; Le barbier de Seville, 1775, deutſch 
von Seibel u. P. Lindau; Le mariage de Fi- 
garo, 1784 in Paris 68 Mal hinter einander 
gegeben, beide heute noch nicht übertroffen und 
Anlaß zu vielen Nachbildungen; Tavare, 1787, 
Oper; La mere coupable, 1791, L’ami de la 
maison, zuerſt gedrucdt in der Ausgabe feiner 
Berfe, von Marescot u. de Heylli, 1869. Die faſt 
ebenfo epochemahenden Memoiren ilber die von 
ihm geführten BProceffe find gefammelt von 
Sainter-Beupe, Bar. 1857 oder 1868, 5 Bde., 
deutih von Lewald, Stuttg. 1839. Bol. 2. de 
tomenie, B. et son temps, Bar. 1856, 2 Thle.; 
Hust, B. en Allemagne, Par. 1869. 

Beaumari (Beaumaris), Stadt u. Hauptort 
der engliihen Grafſchaft u. Juſel Anglefea; Sig 
der Alfıifen; gute Rhede u. Hafen, beiuchtes Bad; 
altes Gaitell, von Eduard I. 1295 erbaut; 2291, 
als Barlamentsfleden 13,300 Em, 

Beaumelle, Laurent Angleviel de la B., 
franz. Schriftfteller, befannt als Gegner Voltaires, 
geb. 28. Yan. 1727 zu Balleraugue in Nieder- 
Yanquedoc; wurde 1750 Brofefjor der jchönen 
Bifienfchaften zu Kopenhagen, ging aber bald nach 
Berlin und kehrte 1752 nad Frankreich zuriid, 
mwurbe wegen jener Schriften 1758 in die Baftille 
gefegt, lebte darauf auf jeimem Gute u. ft. 17. 
oo. 1773 als Bibliothefar der Königlichen Bis 
bliothet zu Paris, Er fchr.: Mes pensdes, Par. 
1758, deutjch, Berl. 1754; Pensdes de Seneqne, 
sn. 4., ebd. 1730; Me&moires de Mme. Maintenon, 


Amft. 1756, 6 Bde., deutich, Lpz. 1758, 3 Bpe.;|fanettes, 
La sieele de Louis XIV., Par. 1754, 4 Bde.;!im Dep. 


mit merkwürdigen unterirdiichen Gemächern; Salz- 
quellen; Muscatwein u. Olivenöl; 1675 Em. 

Beau-monde (fr.), jchöne Welt, feine Geſellſchaft. 

Benumont, 1) B. du BPerigord, Flecken im 
Arr. Bergerac des franz. Dep. Dordogne, an 
der Couze; Eifenhämmer; 1926 Ew. 2) B. de Lo— 
magne, Stadt im Arr. Eaftel Sarrafin des franz. 
Dep. Tarıı u. Garonne; Fayence-, Tuch- u. Hut⸗ 
fabrifen, Gerberei, Getreidehandel; 4344 Em. 
3) B.+le-Roger, Stadt im Arr. Bernay des 
franz. Dep. Eure, an der Rille; Glashütte, Vein- 
wandbleichen; Mimneralquelle; 1985 Ew. 4) B.- 
jur-Sarthe, Stadt im Arc. Mamers des franz. 
Dep. Sarthe; Leimwandfabrifation; Handel mit 
Getreide; 2090 Ew. 5) B.-en-Auge, Dorf im 
Arr. Pont P’Evdque des franz. Dep. Calvados; 
alterthümliche Kirche; Denkmal Yaplaces, der 
bier geboren ift; Viehzucht; 830 Ew. 5) B.-jur- 
Dife, Dorf im Arr. Pontoife des franz. Dep. 
Seine-et-Dife, an der Paris-Brüffeler Eifenbabn; 
altes Schloß; Gerbereien, Glas», Elfenbein-, 
Mügenfabr,, Baflementerie; Märkte; 2392 Em. 
7) Dorf im Arr. Sedan des franzöfiihen Dep. 
Ardennen, an der Maas; Steinbruch; Märkte; 
1300 Ew. Merkvürdig dur die Schlaht am 
30. Aug. 1870, in welcher die Franzoſen unter 
de Failly und Douay durch die Deutichen umter 
dem Kronprinzen von Sachen geichlagen u. bier« 
durch verbindert wurden, dem ‚Feinde anszuwei— 
hen. 8) Stadt im Arr. Charleroy der belg. Prov. 
Hennegau; Wollenweberei, Strumpfwirferei, Ger- 
berei, ‚zärbereien; 2150 Ew. 

Beaumont, 1) Francis, engl. Dichter, geb. 
1585 zu Grace-Dieu in Yeicefterfhire; ftudirte die 
Rechtswiſſenſchaft u. ft. 1616. Er war mit feinem 
Freunde John Fletcher (ſ. d.) Shalefpeares Nach⸗ 
ahmer u. Nebenbuhler auf dem engliſchen Thea— 
ter. Seine komiſchen und tragiſchen Theaterſtücke 
ſind im Verein mit Fletcher geſchrieben, ſo daß 
Fletcher ſelbſt die Erfindung, B. aber die Aus— 
führung angehören ſoll; außerdem neigte B. mehr 
zur Tragödie, Fletcher zur Komödie, Ihre Stüde, 
52 an der Zahl, wurden meift erft nach 1647 
herausgegeben. Bhilafter ift das erfte Stüd, das 
ihnen einen Namen machte. Ungefähr um dielelbe 
Zeit entftand The Maid's Tragedy. In diefem, 
wie auch in den anderen Stüden, herrſcht ein 
unfittliher Charakter, der dem Geſchmack der Zeit 
huldigte; deshalb wurden fie am Ende des 17. 
Jahrh. mehr als Shafeipeare aufgeführt. Engl. 
Ausgaben von Darley, 1839, 2 Bde; Dre, 
1841—48, 13 Bde., deutih won Kannegießer, 
1808, 2 Bde. (unvollit.). Bon ihm auch lyr. Ge⸗ 
dichte, darımter das berühmtefte Letter to Ben 
Jonson und On the Tombs in Westminster. 
2) Jean Baptifte Armand Louis Peonce 
Elie de 83, ſ. u. Elie de B. 8) Guftave 
Augufte de la Bonninidre de B. Enfel Ya- 
geb. 16. Febr. 1802 zu B.-la-Chartre 
Sarthe; widmete ſich der Rechtswiſſen- 


64 


khaft, wurde 1824 Subftitut des Procurators im 
DObertribunal des Seine-Dep. und ging 1831 im 
Anftrage der Regierung mit Tocqueville nad den 
Bereinugten Staaten, um das dortige Gefängniß- 
weſen zu fludiren. Seit 1839 Mitglied der Kammer, 
trat er auf Seiten der Oppofition, wurde 1848 
zur Gonftituirenden Berfammlung und zu beren 
Bicepräfidenten gewählt u. ſchloß fih der gemä- 
Bigten Partei der Republilaner an; unter Cavai— 
gnac war er Gejandter in London. Gegen ben 
Staatsftreih Napoleons III. proteftirte er mit u. 
wurde deshalb verhaftet, aber wieder entlaffen. 
In völliger Zurüdgezogenheit ftarb er 2. April 
1866 zu Tours. Ermwar Mitglied des Inſtituts u. 
ſchr. (mit. de Tocqueville): Traite du systeme 
penitentiaire aux Etats-Unis, 3. Aufl., Par. 
1845, 2 Bde., deutſch von Julius, Berl. 1833; 
Marie ou l'esclavage aux Etats-Unis, 5. Aufl., 
Bar. 1842, 2 Bde. deutich von Spazier, Weim. 
1836; L’Irlande sociale, politique et religieuse, 
7. A. ebd. 1863, deutich von Brinkmeier, Braunſchw. 
1840. Er gab auch die Werfe Tocquevilles heraus. 
4) Eduard, Bicomte de B.-Baffy, franz. Gefchicht- 
jchreiber, ein Better des Bor., geb. 1816; war 
von 1851—53 Präfect von Laon; kam wegen un- 
reeller Speculationen 1859 mit den Gerichten in 
Eonflict u. zwei Jahre ins Gefängniß; ichr. meb- 
rere Romane, u. a.: Une marquise d’autrefois, 
Par, 1839; Don Luis, Par. 1839; Un dernier 
röve de jeunesse, 1852; Une intrigue dans le 
grand monde, 1867; außerdem: Les Suedois 
depuis Charles XII. jusqu’a Oscar I, 1841, 
2 Bde., 3.4., 1847; La politigque des honnötes 
gens, 1851; Swedenborg on Stockholm en 1756, 
1842; Hist. des etats europeens depuis le congrès 
de Vienne, 1843—53, 6 Bde.; Hist. de mon 
temps, 1865—58, 4 Bde.; Les salons de Paris 
et la societe parisienne (unter Ludwig Philipp 
u. unter Napoleon ILI.), 1866—68, 2 Bbe.; end» 
lich eine Geihichte der Commune von Paris, 1871. 
1) W. Körner.* 2) HenneAm Rbon. 

Deaumontgewwehr, jo genannt nad feinem 
Erfinder (Waffenfabrilant in Maftricht), 1871 für 
die miederländifche Armee adoptirt; hat Kolben- 
verichluß, centrale Zündung, gejtattet 9 gezielte 
Sciiffe in der Minute; ſ. Gewehr. 

Beaune, 1) Hauptft. des gleichnamigen Arr. im 
franz. Dep. Cöte d'Or, an der Bouzaiſe; Gericht 
erſter Inftanz, Handelsgericht; Bibliothet, Muſeum, 
Ardiv, Hospital, merkwürdige alte Kirche, alte 
Thürme u. Mauern (erbaut 1443); Fertigung von 
Serges, Droguet, Tüihern, Meſſern; man baut fei- 
nen Burgunder (Vin de B.) u. Juderrüben; 11,176 
Ew.; Geburtsort des Mathematifers Gasp. Monge, 
dem hier 1849 ein Denkmal errichtet wurde. 2) B.- 
la⸗Rolande, Flecken im Arr. Pithiviers des franz. 
Dep. Loiret; 1818 Ew.; Safranban, Honig und 
Wade. Hier am 28. Nov, 1870 ruhmreiches 
Gefecht des 10. preußiichen Armeecorps, fpectell 
des 16. u. 57. Regiments, in das am Schluſſe 
auch Theile des 3. preuß. Armeecorps eingriffen, 
gegen überlegene Kräfte der franz. Loirearmee. 

Beaune, zlorimond de, Mathematifer, geb. 
1601 zu Blois, geft. dajelbft 1652 als Nath bei 
dem königlichen Gerichte; befchäftigte fi mit der 


durch Descartes neu erfundenen analptiichen Geo-!gemäbhlt, 


Beaumontgewehr — Beaupuy. 


metrie, bereicherte die Algebra durch den Nach— 
weis, mie in den Gleihungen bis zum 4. Grabe 
die Grenzen, innerhalb deren die pofitiven Wur- 
zen liegen, aus den Eotfficienten gefunden mer- 
den können, commentirte die Geometrie von Des: 
carte u, fchr.: De aequationum constructione 
et limitibus, herausgeg. non Bartholinus. Er 
erfand ſehr künſtliche Fernröhren u. andere aftro- 
nomifche Inſtrumente. Die von ihm geftellte jog. 


Beauneſche Aufgabe verlangt die Gleichung einer 
Eurve zu finden, bei der jede Ordinate da zur 


bez. Subtangente verhält, wie eine gegebene Linie 
zur Differenz von Ordinate u. Abfeiffe, Sie ward 
erft 1692 nad) Erfindung der Differential- u. Jn- 
tegral-Rechnung gelöft. 

Beaunoir, Alerandre Louis Bertrand, 
eig. Robineau, franz. Luftipieldichter, geb. 4. 
April 1746 zu Paris; wurde Abbe, entjagte aber 
diefem Titel, nahm ftatt R. das Anagramm B. 
al8 Namen an, heirathete, ging als Theater- 
director nach Bordeaug, dann nad) Paris, Brüffel, 
Petersburg, wurde Vorlefer bei der Königin Luiſe 
von — dann Correſpondent bei Jeérome. 
Seit 1814 war er im Polizeiminiſterium u. dem 
des Innern thätig; ft. 5. Aug. 1823. Er ſchr.: 
Amourqueöteur,1777; Venus pelerine; Jeannette; 
Jerome pointu; La nouvelle Omphale, 1782, 

Beauplan, 1\ Amadde Louis Fojeph de, 
defien eigentliher Name Rouffeau war, geb. 
1790 auf dem Landgute Beauplan bei Chevreufe, 
30 km von Paris; ftudirte Cameralwiſſenſchaft 
u. trat in ben k. Bermwaltungsdienft; in ber 
Mufit erwarb er fih einen Namen dur die Com— 
pofition von Romanzen, welche jehr beliebt wur- 
den; dagegen ſchug ein zweimaliger Verſuch, Opern 
zu fchreiben, fehl (L'amazone, 1830, Le mari au 
bal, 1845); ftarb 24. Dec. 1853 zu Paris, 
2) Victor Arthur Rouffeau de, franz. Dra- 
matifer, Bruder des Bor., geb. im Juni 1823 zu 
Paris; war feit 1868 Regierungsbeamter bei dem 
Odeon, den Igrifhen Theatern u. dem Conſerva⸗ 
torium der Mufil, Unter feinen Dramen, bie er 
zum Theil in Berbindung mit Anderen gedichtet 
bat, find Hervorzuheben: Oncle Tom, 1853; 
L'ecole des menages, 1858; Les plantes para- 
sites, 1862. 

Benupre, |. Loyalty. 

Beaupreau, Stadt im Arr. Cholet des franz. 
Dep. Maine-et-toire, an der Eure; ſchönes Schloß 
mit Park, darin eifenhaltige Duelle; Wollen- u. 
Tafchentücherfabrilation, Gerbereien, Färbereien, 
Biehhandel; 3758 Em. Hier am 28. April 1793 
bitiges Treffen zwiſchen den Vendéern und den 
Republifanern, in weldem die Letzteren gejchla- 
gen wurden. 

Beaupuy, Nicolas Michel, Badelier 
de, franz. Politifer, geb. 1750 zu Muſſidan; ft. 
1802 zu Paris. Mit 18 Jahren Unterlieutenant 
im Dragonerregt. des Daupbins, war er, als bie 
Revolution ausbrad, bis zum Major geftiegen. 
Er ſchloß fi ihr mit Enthufiasmus an, nahm 
feinen Abſchied, ging nach Perigord zurüd, wo er 
die Nationalgarde befehligte, warb zum Maire, 
dann zum Adminiſtrator des Dep. u. endlich zum 
Abgeordneten in die Gejeggebende Berfammlung 
Er erihien auf der Tribüne, um bort 


Beauregard — Beauvais,. 


65 


feinen Ludwigsorden niederzufegen, war Mitglied fundheit legte er fein Commando nieder. Nad) 


des Milttärausfchuffes, ſowie der von der Ber- 
fammlung nach dem Lager von Chalons gefende- 
ten Commiffion. Commiffar des Directoriums 
1797, ward er in den Rath der Alten gewählt 
a. unterſtützte mit allen feinen Kräften die ehr- 
geizigen Pläne Bonapartes, der ihn zum Mit- 
e> des Senats ernannte. 2) Armand Michel 

ache lier de, ausgezeichneter Offizier der franz. 
Republif u. jüngerer Bruder des Vor., geb. 1757 
zu Muffivdan. Gleich feinem Bruder trat er 
jung in die Armee, diente unter der Republik an 
der Spite des Bataillons der Freiwilligen der 
Dordogne und zeichnete ſich mit diefen 1792 bei 
Speyer, Worms, Mainz u, Koftheim aus. Für 
die muthvolle Erftürmung des letzteren Ortes 
wurde er im März 1793 zum Brigadegeneral u. 
Eommandanten von Mainz ernannt, als welcher er 
im Sommer capitulfiven mußte. Infolige der 
Beitimmungen der Capitulation nicht gegen die 
Eoalition verwendbar, wurde er mit der Garnifon 
nad der Bendee gefandt, wo er an den Schlach- 
ten von Tremblaye u. Cholet (15. u. 17. Oct. 
1793) mit Auszeihnung theilnahm u. bald dar- 
anf bei der Berfolgung der über die Loire zurüd- 
gehenden Bendeer ſchwer verwundet wurde. An- 
tangs 1794 übernahm er das Commando einer 
Diviſion bei der Aheinarmee, wo er fich befonders 
1796 auf dem denfwürbigen Rückzuge Moreaus 
aus Bayern dur den Schwarzwald auszeichnete. 
Er fiel bei Emmendingen 19. Oct. 1796; ein Dent« 
mal wurde ihm zu Neubreifach errichtet 1) Bartling. 

Beauregard, Pierre Guftade Toutant 
de, General in der comföderirten Armee während 
des Bürgerfrieges in den Bereinigten Staaten 
NAmerilas, Sohn eines reihen u, einflußreichen 
Pflanzers in Yonifiana, geb. 1817 auf der Plan- 
tage feines Baters, nahe bei New - Orleans, 
Er erbielt feine militärifche Ausbildung auf 
der Militärjchule zu Weftpoint, aus der er 1838 
als Unterlieutenant der Artillerie ausichted. 1839 
fieg er zum Lieutenant auf u, machte als folcher 
den Krieg der Union 1846 gegen Merico mit, 
fämpfte bei Eontreras, Churnbusco u. Chapul« 
tepec, wo er zweimal verwundet wurde; eine an- 
dere Runde erhielt er bei der Erſtürmung der 
Stadt Merico. Am 3. März 1853 ward er Ga- 
pitän. Unter Präfident Buchanan nahnı er feinen 
Abſchied. Mit großer Entſchiedenheit ftand er von 
Anfang an auf Seiten des rebelliichen Südens 
u. ward im Febr. 1861 Brigadegeneral in der 
ſeceſſio niſtiſchen Armee, als welder er den Bürger- 
frieg durch die Beſchießung des Forts Sumter 
eröffnete. Als Befehlshaber der Südlichen Truppen 
in Birginien trug er am 21. Juli 1861 den Sieg 
fiber die nordftaatl. Armee bei Bull Run davon, 
Am 5. März 1862 erhielt er das Commando der 
Armee am Miffiffippi unter General A. S. John 
fon, der am 1. April fi mit ihm vereinigte u. 
am 6. April die Schlacht von Shiloh leitete, bis 
er fiel, worauf B. den Oberbefehl übernahm. 
Nadivem er fih in Korinth befeftigt hatte, hielt 
er zwei Monate lang den ihn belageruden Gene» 
ral Halle in Schad, u. als er zum Rückzuge ge» 
mungen ward, führte er benfelben mit geringem 
Bertufe aus. Infolge feiner tief erichütterten Ge— 


Pierers UniverfalsConverfations:?erifon. 6. Aufl. IIL Band. 


feiner Wiederherftellung vertheidigte er im Sommer 
u. Herbfte 1863 Charlefton u. deffen Außenwerk 
erfolgreich gegen General Gilmore. Seit 4. Jan. 
1864 commandirte er unter Lees Oberbefehl bei 
Richmond, ſchlug am 16. Mai Butler bei Drurys 
Bluff, am 23. mi Grant bei Petersburg; jeit 
October befehligte er in N- u. SCarolina bis zur 
Waffenftredung im April 1865. Nah Beendig— 
ung des Krieges zog fh B. ins Privatleben 
zurüd, beſchäftigte ſich mit Eifenbahnanlagen u. 
ft Präfident der New» DOrleans-, Jadion- und 
Miſſiſſippi⸗Bahn. 

Beau sexe (fr.), das ſchöne Geſchlecht, die 
Frauenwelt. 

Beauté (fr.), 1) Schönheit. 2) Ein ſchönes 
Frauenzimmer. Daher Dame de B., Beiname 
der Agnes Sorel (f, d.). 

Beaubais, Hauptitadt des gleichnam. Arr. u. 
des franz. Depart. Dife, am Therain und der 
franz. NBahn; Biicofsfig, Departementsbebörden, 
Handelsgericht, Gericht 1. Inſtanz, literarische u. 
Aderbaugefellihaft; bedentende Kathedrale (1225 
begonnen, unvollendet), Stephanslirche (mit Glas— 
malereien u. altrömiichen Grabmälern); Normal- 
ſchule, Rathhaus, Altertfumsfammlung, Biblio 
thel; Fabrilen von Gobelins» Tapeten (dem 
Staate gehörig, 1664 gegründet), von Wolldeden 
(2 Dil, jährlich), Tüchern (2 Mill), Teppichen 
(14 Mil), Paffementerien (für 700,000 Fes.), 
Utrechter Sammet, Indienne zc., Gerbereien; 
15,551 Ew., wovon 13,632 in der eigentl. Stadt; 
dabei zwei Eifenquellen; Geburtsort des Dominica- 
ners Bincent B. — B. war eine Stadt der 
Bellovaker u. hieß zur Römerzeit Cäfaromagus, 
Ipäter Bellovacum und im Mittelalter Belva- 
cum. Hier wurden die Bellovacenfiihen Kirchen» 
verſammlungen 845 und 1115 gehalten und in 
letsterer Kaifer Heinrih V. von Neuem ercommu- 
nicht. Seit der Mitte des 9. Jahrh. gebörte 
B. als Grafichaft zum Haufe VBermandois; 1010 
vertaufchte Graf Eudo II. Stadt u. Gegend gegen 
die Sraffhaft Sanceron u. übertrug den Titel 
als Graf von B. feinem Bruder Noger, Bifchof 
von B., deſſen Nachfolger den Titel fortführten u, 
dazu auch die Pairie erhielten. Seit 1225 faßen 
Chatelains (Burgvögte) zu B. In der Mitte 
des 15. Jahrh. erheirathete der Kanzler Jean 
?eclere die Chatelainerie u. verlaufte diefelbe an 
Eftout v. Eftoutoille, Herrn v. Beaumont. 1433 
wurde B. von den Engländern u. 1472 von Karl 
dem Kühnen, Herzog von Burgund, vergebens 
belagert; damals zeichnete fih ‚Jeanne Hachette 
(f. d.) an der Spige der frauen durch Tapferkeit 
aus u. erbeutete bei einem Ausfall eine Fahne, 
weshalb noch jährlih am 14. Dct. ein feierlicher 
Umzug gehalten wird, wo bie rauen den Bor- 
tritt haben. Der Heldin wurde 1851 in ®. ein 
Dentmal errichtet. 

Beauvais, Charles Theodore, Baron de, 
franz. Schriftfteller u. General, geb. 8. Nov. 1772 
zu Drleans; ging 1798 als Adjutant mit Na— 
poleon nad) Agypten u. wurde gefangen; 1809 
wurde er Seneralftabschef in Spanien u. eroberte 
1813 al$ Mar&chal de camp die Feſtung Reus; 
er farb 1830 zu Paris. Scrieb: Diction- 
6 


66 


Beauvallet — Bebel. 


naire historique, Par. 1826—29, 6 Bde.; gab der nordamerif, Union, unter 38% n. Br u. 112° 


heraus: Correspondance de Napoleon avec les 
Cours etrangeres, 1819—20, 7 Bde.; war Haupt- 
mitarbeiter an Vietoires et conqastes des armdes 
fr., 1817 ff., 28 Bde. 

Beauvallet, Pierre Frangois, frauzöftfcher 
Scyaufpieler u. Dramatifer, geb, 13. Oct. 1801 
zu Pithiviers im Depart. Loiret; widmete fi zu- 
erft der Malerei u. ftudirte einige Zeit im Atelier 
von Paul Delaroche. Ein Spaziergang mit 
Caſimir Delavigne, dem er —— etwas vor⸗ 
declamirte, offenbarte ihm die. Quelle, worin Er- 
folg winfte. Nachdem er fi am Conjervatorium 
ausgebildet, betrat er auf dem Odeéontheater 
zum erften Mal die Bühne, auf der er als Cha— 
vafterdarfteller große Erfolge erzielte u. mament- 
lih als Polyeucte, Tancröde, Rodrigue, Orosman 
neben der Nadel glänzte. Später zog er fi 
zurüd u. erſchien nur noch jelten auf der Bühne, 
jo 1868, wo er in dem Obeontheater, das ihm 
als Anfänger zuerft feine Thüren geöffnet hatte, 
die Rolle de Königs Year in der von Lacroi be 
arbeiteten Shalejpearejhen Tragödie mit großer 
Meifterjchaft fpielte. Seit 1839 war er Profeifor 
der Declamation an einer der Klaffen des Con- 
jervatoriums. Gleich feinem Kameraden Samſon 
jhrieb er auch einige Stüde für das Theater, 
welche aber nur geringen ———— Es ſind 
folgende: Kain, 1830; Robert Bruce, 1847; Le 
dernier Abencerrage, 1851. B. ftarb 21. Dec. 
1873. Sein Sohn Leon B., geb. 1829 zu Paris, 
folgte glei feinem Bater der doppelten Laufbahn 
eines Schaufpielers u. eines Schriftitellers. 1855 
begleitete er die berühmte Schaufpielerin Rachel 
auf ihrer verunglüdten Kunftreife nad Amerika, 
worüber er in Sigaro einen geiftreichen Bericht 
unter dem Titel: hel et le Nouveau Monde 
veröffentlichte. Außerdem fchrieb er," zum Theil 
im Bereine mit Barridre, Decourcelle u. Des- 
nopers, eine Neihe von Dramen der leichteren 
Gattung: Sur terre et mer, 1854; Les femmes 
de Gavarni, 1852; Le roi de Rome, 1855; die 
Vaudevilles Ninon et Ninette, 1858; A Chaillot 
I’ exposition, 1862, u. a. In der Wochenſchrift 
Passe-Temps veröffentlihte er aud einige Ro— 
mane, die wenig oder gar feinen Werth haben, 

Bartling. 

Beauboir-fur-Mer, Gemeinde im Arrondiffe: 
ment Sables-d’Dlonne des franzöſiſchen Departe- 
ments Vendée, ehemals am Deere, jetzt 4 km 
davon entfernt; alte Grabhügel, Schloßruinen; 
Aufternfiicherei, Saline; Ausfuhr von Salz uud 
Weizen; 2401 Ew., wovon aber bloß 895 im 
eigentlichen Orte. 

Benurit (Baurit), Mineral, das aus dem 
Thonerdehydrat AL,H,O, mit etwas Eifenoryd u. 
Kiejelfäure befteht, in SFrankreich, Calabrien, 
Irland, Steiermarl, Krain u. am Senegal vor- 
fommt u. zur Bereitung der jchwefelfauren Thon— 
erde, zur Darftielung des Aluminiums und zur 
Herftellung fenerfefter Tiegel verwendet wird, 


Benver, 1) County im nordamerif. Unions— 
ftaate Pennfylvania, unter 40° ı, Br. u. 80° 
w. L.; 36,148 Em.; reihe Kohlenlager; County- 
fig: Rocheſter. 


w. %.; vom Sevierfluß durchſchnitten; 2007 Ew.; 
Countyſitz: Beaver. 

Beaver Head, County im Territorium Dion» 
tana der nordamerik. Umonsftaaten, unter 45° 
n. Br. u, 113% w. L.; Bergwerksdiſtrict. 

Beaver Islauds, eine Inſelgruppe, nahe 
bei der uordweſtl. Spige des Michigan-Sees; bie 
größte derfelben, Big-Beaver, hat einen Flächen— 
inhalt von etwa 110 []km. 

Beban el Maluf, Theil des Nilthals im 
Ober-Kgypten, wo die Königsgräber find. 

Bebedſchi, Stadt in Zegzeg, Nebenreich der 
Fellatah im Nigerlande Sokoto (Afrika), am Rande 
der Granitgebirge von Haufja, in angebauter, 
volfreiher Ebene ; die angeblich 25,000 Em, treiben 
ausihließlih Handel. 

Bebeerin (Bebirin, Bibirin, Burin, Pelofin; 
Chem.) C,,H,,NO,, eine in der Bibirurinde 
(v. Nectandra Rodiei), fowie in der Rinde des 
Buhsbaumes (Buxus sempervirens) u. in ande- 
ren Pflanzen vorlommende organishe Baſe. Sie 
bildet ein amorphes, farb- u. geruchlojes, bitter 
ihmedenbes, beim Reiben eleftriih werbendes 
Pulver, das fih in Allohol u. Ather löſt, mit 
Säuren fi zu nicht Iryjtallifirbaren Salzen ver- 
einigt u. bei 198° ſchmilzt. Als Heilmittel iſt 
das ſchwefelſaure B. mit Erfolg gegen Wechjelfieber 
an Stelle des Chinins angewandt worden. 

Elören. 

Bebek, Ort bei Conflantinopel, an der gleihn. 
Bucht des Bosporus; hier Luftichloß des Sultans 
Humainabad, Bad und Moſchee; Zwiebadbäderei 
für die türkische Flotte. 

Debel, 1) Heinrich, geb. um 1472 zu Jng- 
ftetten bei Zuftingen in Württemberg; ftud. Furis« 
prubenz, wurde 1497 Profeſſor der Aſthetil zu 
Tübingen; ftarb um 1516. Ein glüdliher, im 
latein. Ausdrude gewandter Dichter und Redner, 
welcher als Lehrer u. Schriftiteller in den Geift 
der alten Elaffiler einführte, dabei aber durch den 
beißenden Witz, in melden er feine aufgeflärten 
Anfichten Heidete, den Anhängern des Alten ein 
Dorn im Auge wurde. Seine mannigfachen 
Schriften, u. a. Triumphus Veneris, ein fleines 
allegorijches Epos, worin die freien Sitten der 
Klerifei u. anderer Stände gegeigelt werden, find 
zum Theil öfters wieder gedrudt, feine Schwänke 
und Schnurren (Opuscula nova et florulenta) 
jhon 1516 in Paris. 2) Ferdinand Auguft, 
ſocialdemotratiſcher Agitator, geb. 22. Febr. 1840 
zu Köln, feit den fechsziger — Drechsler in 
Leipzig; betheiligte ſich ſeit 1862 an der Arbeiter« 
bewegung, wurde 1867, 1871 u. 1874 durch den 
7. ſächſiſchen Wahltreis in den Neichstag abge» 
ordnet, trat als Mitarbeiter des Bolfsftaates u. 
Voltsredner überall gegen das Deutfche Heich im 
jeiner heutigen Form und deſſen Anhänger auf, 
belannte fic) zur Sympathie mit der Parijer Com- 
mune u. wurde 1872 mit feinem Genoffen Lieb— 
fnecht wegen hodwerrätheriiger Handlungen zu 
2 Jahren u. wegen Beleidigung des deutichen 
Kaifers überdies zu 9 Monaten Gefängniß ver» 
urtheilt. Es findet gebührend Anerkennung, dag 


2) County im Territorium UtahlB. ſich durchaus von jener Nohheit frei Hält, in 


Bebenburg — Beccaria, 


welcher mande Socialbemofraten ihre Stärke zu 
fuhen ſcheinen. 1) Hartmann. 2) Henne-Am Rbyn. 

Bebenburg, Leupold von, aus dem Ge- 
ſchlechte der Küchenmeiſter v. Rothenburg, urjprüng- 
Iih von B. (dem jetigen Bemberg im württemb. 
Oberamte Gerabronn); wurde Domberr zu 
Birzburg u. kaiſerlicher Rath u. zeigte fi) als 
Anhänger des Kaiſers Ludwig des Bayern; ſchrieb 
zur Vertheidigung der kaiſerlichen Rechte gegen 
die päpftlichen Anjprüche: Tractatus de juribus 
regni et imperii; wurde 1353 Biſchof von Bam⸗ 
berg; fl. 1363. Er ſchr. noch: Dietamen rhyth- 
micum querulosum de modernis cursibus et 
defectibus imperii Romani, herausgeg. in Böh- 
mer& Fontes T. 

Bebenhaufen, ehemaliges Ciftercienjerklofter 
im Oberamte Tübingen des wirttembergifchen 
<äwarzwaldfreifes, eines der ſchönſten Baudenf- 
miler m Schwaben; geftiftet vom Pfalzgrafen 
Sugo von Tübingen 1180 un. 1183—90 erbaut, 
kit 1560—1807 mit evangeliihem Abt u. Kloſter⸗ 
dule; feit 1807 bier fönigliches Jagdichloß. Uber 
tie theilweife reftaurirten ſpätromaniſchen, gothifchen 
und ſpätgothiſchen Bauten vgl. Leibnig, Die Ci- 
ferciemferabtei B. aufgenommen und bejchrieben, 
Stuttg. 1858. 

Beberbed, Hauptgeftüt im preuß. Regbez. 
Sufel, bei Hofgeismar, u. feit 1846 lanbwirth- 
daftliche Lehranſtalt. 

Bebifation (Muſ.), eine Art Solmiſation. 

Bebra, Dorf im Kreife Rothenburg des preuß 
Reybez. Kaffel, an der Fulda und der Kurfürft- 
gnedrih- Wilhelm- NBahn (Gerftungen-Gunters- 
haufen) u. Abzweigungsort der Bahnlinie Frank— 
turt-®, (früher Bm); ſtarler Flachsbau; 
1700 Em, 

Bebung (Tremolo, Tremolando, Muf.), 
l) Vortrag eines ansgebaltenen Tones, fo daß 
de Stärte abwechſelnd ab- u. zumimmt u, ein 
Ersittern der Schallmellen eutfteht; wird mit einer 
sewundenen Linie — liber der Note bezeichnet. 
die B. kann durch die menſchliche Stimme, durch) 
Saiten u. Blasinftrumente, auch durch die Orgel, 
nicht durch das Bianoforte hervorgebracht werden. 
2) Orgefregifterzug (Tremulant); |. u. Orgel. 

Bebütow, Fürſt Wafili Ofipowitih B., 
uf. General, geb. 1791, aus einer armenifchen, zu 
den erften Fürſtengeſchlechtern Gruſiens zählenden 
jemlie; wurde is Petersburg im Gadettenhaufe 
ezegen, diente feit 1809 al8 Offizier in der 
Armee am Kaukaſus und 1812 gegen die fyran« 
jolen in Pinland; er begleitete 1817 den Fürften 
Jemolow als Adjutant auf jenen Gefandtichafts- 
roten nach Perfien, trug viel zur Unterwerfung 
de Khanats von Kafitumul bei, wurde 1821 
Oberft u. Commandeur des Mingreliihen Zäger- 
vaiments und führte 1825—27 die Verwaltung 
der Provinz Imeretien. Im Türkenkriege 1828 
zum Generalmajor und Commandanten der er 
kürmten Feſtung Achalzif ernannt, vertheidigte er 
deielbe, trotzdem jeine Heine Garnifon durd die 
Fett deeimirt war, mit großem Erfolge, bis Mura- 
Dem zum Entſatze berbeifam. 1831 wurde er zum 
Oberbefehlshaber der armenifchen Provinz, 1838 
um Mügliede des Bermwaltungsrathes von Trans» 
tastafen in Tiflis, 1840 zum Commandanten 


67 


von Zamosc in Polen u. 1843 zum General- 
lieutenaut ernannt u, erhielt zugleich den Ober: 
befehl der Truppen im nördlichen Dagbeitan. 
Im October 1846 flug er die Lesghier unter 
Schamyl bei Kutifhi, u. 1847 wurde ihm die 
Givilverwaltung der transfaufafifhen Yänder 
übertragen, die er bis zum Ausbruche des Tür- 
liſch-Ruſſiſchen Krieges leitete. Während Ddiejes 
Krieges commandirte er als Generallieutenant auf 
dem aftatifchen Kriegsichauplate, wo er die Tür— 
fen am 1. Dec. 1853 bei Kadillar, am 5. Ang. 
1854 bei Koruf-bere flug und dabei eine ieh 
bedeutende Beute machte. 1855 in der Statt« 
balterichaft in Transtaulafien durch Murawiew er« 
jet, trieb er den in Mingrelien gelandeten Omer 
Paſcha zurüd, führte danıı 1856 wieder den Ober- 
befehl im Kaufafus u. ward im Jan. 1857 General 
der Infanterie. B. ftarb nach langer Krankheit in 
Tiflis 22. März 1858. Geim Bruder David 
war Befehlshaber der kaulaſiſchen Reiterregimenter, 
focht unter Pastiewitih in Polen, Ungarn u. vor 
Siliftria, ward 1856 Generallientenant, 1861 
Commandant von Warſchau; ft. 23. März 1867. 
Die beiden anderen jüngeren Brüder fielen im 
Kampfe gegen die Bergvölfer. Lagai,* 

Bee (fr.), Schnabel; dann fchnabelartige Ver— 
längerung, Gasbrenner. 

ecarde, Bogel, f. u. Würger. 

Becaſſe (Schiffsb.), fo v. w. Barkaſſe. 

Becaſſe (fr.), 1) jo v. w. Waldſchnepfe. 2) So 
v. w. Schnepfenfiich. 

Decaffine (fr.), große oder größte 8, 
jo v. w. Pfuhlſchnepfe (Scolopax maior Gm); 
gemeine B. od. große Waſſerſchnepfe iſt Scolopax 
gallinago L.; Heine 8, oder ftunme Waſſer— 
ichnepfe ift Scolopax gallinula L.; ſ. Schnepfen, 

Beccabunga, Pflanze, ſ. Veronica. 

Deccari, Odoardo, ital, Neifender u. Bota- 
nifer, geb. 1839 zu Florenz; bejuchte, um fich im 
der Botanif auszubilden, 1864 England; ging 
1865 auf Einladung des Radſcha Sir James 
Broofe in deflen Neid Sarawak auf Borneo, 
fehrte 1868 mit reicher Ausbeute an botaniichen 
u. zoologiijhen Gegenftänden u, geographiſchen 
Erforfhungen zurüd, bereifte 1870 die Bogos— 
länder in Abefjinten, unternahm 1871 eine Er» 
forſchung Neu-Guineas und jeit 1873 der Aru— 
Inſeln, fomwie von Gelebes u. Sumatra. Geine 
Forſchungen finden fich in dem von ihm heraus- 
egebenen: Nuovo giornale botanico italiano, u. 
ım Bolletino der tal. Geogr. Geſellſchaft, ſowie 
in dem Buche Viaggio dei Signori Antinori, 
Beccari etc. Zurin 1874. Henne: Am Rhyn. 

Beecarin, berühmte Familie zu Pavia, Häupt» 
(inge der Ghibellinen u. Gegner der Grafen von 
Fangusco; ſ. u. Pavia (Geſch.). Bon den jpäteren 
find merhvärdig: 1) Giovanni Battifta, aus« 
gezeichneter Phyſiler, geb. 3. Dct. 1716 zu Mon« 
dobi; war zuletzt Profeffor der Phyſik zu Turin; 
ft. 27. Mat 1781. Er maß 1760 einen Grad 
des Meridians in Piemont u. ift bekannt durch feine 
phyſilaliſchen Unterfuchungen über Clektricität. 
Er ſchrieb: Dell’ elettrieismo, Tur. 1753; Expe- 
rimenta, quibus electrieitas vindex late consti- 
tuitur atque explicatur, ebd. 1769; Dell’ elet- 
tricismo artifiziale, 1772, engliſch von Franklin; 

5* 


68 


Gradus Taurinensis, ebd. 1774; fein Hauptmwerf 
ift: Dell’ elletricitä terrestre atmosferica a cielo 
sereno, ebd. 1775. 2) Ceſare B. Bonejano, 
Philoſoph und Publicitt, bef. verdient um das 
Strafvecht, geb. 15. März 738 zu Mailand; 
warf ſich hauptjählih auf das Studium der 
Boltswirtbichaft u. gründete mit humaniſtiſch ger 
finnten Freunden das Journal Cafle, in welchem 
er feine national ökonomiſchen Anfichten veröffent- 
lichte. Der an Calas 1763 in Toulouſe verübte 
Juftizmord veranlaßte ihn zur Herausgabe feiner 
berühmten Abhandlung: Dei delitti e dei pene, 
Neap. 1764, 2 Bde., ein Werk, worin er die 
Principien der Humanität vertrat u. Rechtmäßig— 
keit der Todesitrafe u. der Tortur beftritt, wo— 
durch er das Auffehen der ganzen gebildeten Welt 
erregte. Diefelbe wurde vielfach überjetst: deutſch 
von Flathe, Breslau 1788, Bergf, Leipz. 1798, 
n. 4., 1817, Glafer, Wien 1851, Walded, Berl. 
1870; franzöfiih von Mtorcellet 1766, Röderer 
1798, Heli (mit dem Gommentar von Diderot) 
1856; Kommentare von Voltaire, Diderot u. von 
Schall, Yeip. 1778. 1769 wnrde er Profeſſor 
der Staatswirthichaftslehre; ft. 28. Nov. 1794 zu 
Mailand, wo ihm 1871 ein von dem Bildhauer 
Grandi ausgeführtes Denlmal errichtet wurde. 
Er verfaßte noch eine Menge Abhandlungen über 
Rechtsfragen, Münzweſen, Mathematil, Sprad)- 
wiſſenſchaft u, Bollswirtbichaft; außerdem Ricerche 
intorno alla natura dello stilo, Mailand 1770; 
Opere div., Neap. 1770. Werfe, Mailand 1824, 
glor. 1854. 

Berccles, Stadt in der engliſchen Grafſchaft 
Suffolt, am ſchiffbaren Waveney; fchöne Kirche, 
Collegium; Hafen; Steinfohlenhandel; 4844 Em, 

Becerra, Gaspar, berühmter jpan. Maler, 
Architelt u. Bildhauer, geb. 1520 zu Baeza in 
Spanien; fanı frühzeitig nah Nom, war Gehilfe 
des Michel Angelo u. Bafari u. bildete fich, wie 
früher nach Rafael, jo fpäter nach Daniel von 
Bolterra, kehrte 1556 nah Spanien zurüd, 
arbeitete für Philipp II. viel im Wlcazar und 
Prado, dann als Hofmaler im königl. Balafte 
zu Madrid u. malte außerdem viele Kirchenbilder; 
als Hofbildhauer fertigte er zahlreiche Altäre. 
Befonderes Berdienft erwarb fih B. als Wieder- 
herfteller des guten Gejhmades in der fpaniichen 
Kunſt. Regnet. 

Beche, Sir Henry Thomas de la 8, 
engl. Geolog, geb. 1796 zu London; bezog 1810 
die lönigliche Cadettenjchule zu Marlow, trat dann 
in die Armee, wurde bald Diffizier, verließ aber 
den Militärftand, um fi ganz dem Studium der 
Geologie zu widmen, 1819 begann er feine Unter- 
ſuchungen der geologiichen Formation der Schweiz, 
Staliens, der franzöfifchen Küfte, mehrerer Diftricte 
Großbritanniens 2c.; mit Conybeare veröffentlichte 
er die Entdedung des Plefiofaurus im Liastalt 


Beccles — Becher. 


auch Gründer des Mufenms der praftiichen Geo— 
logie zu Yondon u. ſchr. u. a.: Geological Notes, 
Yondon 1830; Sections and Views of geological 
Phenomena, ebd. 1830; Geological Manual, ebd. 
1831, deutih von H. v. Deden, Berl. 1832; 
Researches in theoretical Geology, ebd. 1834, 
deutſch von Rehbock, Berlin 1836; Geological 
Observer, ebd. 1851 u. ö., deutih von Hart- 
mann, Wien 1835, u. als Vorſchule der Geologie 
von Dieffenbab, Braunjchweig 1853; er gab auch 
eine Reihe vortrefflicher geognoftiicher Karten heraus. 

Becher, 1) Triulgeſchirr von Metall, Holz, 
Horn, meift oben weiter als unten u. ohne oder 
mit fehr kurzen Füßen, Kleine, unten abgerun- 
dete heißen Tummler; große B., mit Henkel u. 
Dedel verjehen, Humpen; oder wenn fie von 
eblerem Stoffe (Kryftall, Gold, Silber zc.) gefertigt 
u. mit einem Griffe oder Fuße verjehen find, 
Pocale; ſ. u. Trinkgefäße. In verichiedenen 
orientalifhen Mythologien ift der B. ein Symbol 
der Nahrung u. ein Attribut von Gottheiten; in 
Ägypten wurde aus Ben gemahrjagt. 2) (B. der 
Nieren, Anat.) Die häutigen keffelartigen Anfänge 
der Harnleiter; f. u. Nieren. 3) (Bot.) S. Becher- 
hülle, 

Becher, Sternbild am jüdlichen Himmel, weft- 
Ih von der Jungfrau, nordweitlihd vom Raben, 
von ca. 1709 gerader Auffteiguug u. 15° füdlicher 
Abweihung; enthält nad Bode 121 Sterne, wor- 
unter 8 von vierter Größe. ES ſoll nah dem 
Mythos der B. fein, mit welchem Apollon einen 
Haben fandte, ihm Waſſer zu fchöpfen; dieſer 
brachte fein Waffer, u. Apollon verwandelte ben 
weißen Raben deshalb im einen ſchwarzen. 

Becher, 1) (Becherns) Job. Joach., Philofoph, 
Mathematiker, Chemifer u. Finanzmann, geb. 1635 
zu Speyer, wo feine Eltern im damaligen Kriegs- 
getümmel faft Alles eingebüßt hatten. 13 Sabre 
alt, verlor er den Vater u. mußte nun für die 
Mutter u. zwei Brüder durch Stundengeben die 
Sorge der Erhaltung übernehmen. In den 
meisten Wiffenichaften war er Autodidakt. Er 
ging zur fatholifchen Religion über, befam 1660 
eine medicinifche Brofeffur in Mainz, wurde Leibarzt 
des Kurfürften, trat dann in furbayerifche Dienfte, 
ging 1666 nah Wien als Faiferliher Kammer- 
u. Commerzienrath, konnte fi aber wegen feines 
hodymüthigen und eigenfinnigen Wefens nirgends 
lange halten. 1678 fiedelte er nach Haarlem über, 
mußte aber bereits 1680 nad England fliehen. B, 
ft., 47 Jahr alt, 1682 in London, nachdem er fich 
noch viel mit bergmänniichen Studien beſchäftigt 
hatte. Neben verjchiedenen Werfen: Institutiones 
chimicae, 1662; Aphorismi ex Institutionibus 
Sennerti colleeti, 1663; Oedipus chymicus oder 
chemiſcher Aäthjeldeuter, 1665; Die Naturlündig- 
ung der Metalle, 16615 Der hemifche Glüdshafen, 
1682, u. anderen Meineren Arbeiten, die unter 


von Briftol, u. 1825 von eine Reiſe nad) ſeinen dem Titel: Becheri opuscula chymica rariora 


Gütern auf Jamaica zurüdgelehrt, berichtete er 
fiber die geognoftiihen Berhältniffe diefer Inſel. 
Mehrere Jahre fang arbeitete er an der geologi« 
fen u. trigonometriichen Aufnahme von Cornwall, | 
Devonfhire und WSomerjet, erhielt den Titel 
Director of the Geological Survey u. 1848 die, 
Nitterwärde; er fl. am 13. April 1855. B. ift 


1719 in Nürnberg wieder aufgelegt wurden, bat 
er fi ganz beſ. berühmt gemacht durch feine 
Physica subterranea u. deren Supplementa; der 
erfte theoretische Thr'” ift 1669 in Frankfurt her- 
ausgegeben worden; itere Auflagen erfolgten 
1681, 1739 u. 1742. Die drei Supplemente 
erihienen 1671, 1675 u. 1680. Nach jeiner An« 


Becherblume — Bechſtein. 69 


\hanımg gab es eine Grunbjäure, von der bie 
anderen ſich ableiten Tiefen; er vertheidigte ferner 
die Möglichkeit der Ummandlung der Metalle, bie 
aus einem gemeinschaftlicden erdigen u. einem 
gemeinichaftlichen verbrennlichen Stoffe beftänden, 
denen fih ein befonderer mercurieller hinzugejellte, 
und entwidelte den Verbrennungsproceß, deflen 
Theorie die Grundlage für die jpätere Stahliche 
des Bhlogifton wurde. B. hatte das Beftreben, 
die Phyſit im genauen Zufammenhange mit der 
Chemie zu halten. Er gab ferner heraus: Cha- 
racter pro notitia linguarum universali, Frankf. 
1641; Clavis et praxis super novum organum 
philol., Frankf. 1647, in dem er einen leichteren 
Beg zur Erlernung der Sprachen nadhwies; Par- 
vassus medicinalis, Ulm 1663; Acta laboratorii 
chymiei monacensis, Frankf. 1669, und endlich: 
Nirriche Weisheit und meife Narrheit, Franff. 
1686 u. 1707; Ietste Ausgabe von Reimman in 
teipzig beforgt, der im der Borrede gleichzeitig 
eine Lebensbeichreibung B⸗s gab. Ausführlicher 
bat dies Bucher gethan in feinem Buche: Mufter 
eines mütlihen Gelehrten in der Perſon Dr. ‚Job. 
Jeach. Bechers, nad) feinen philofophifchen, mathe- 
matiihen, phyſikaliſchen u. moraliihen Schriften 
beurtheilt u, mebft feinem Lebenslaufe vorgeftellt, 
Nirmb, 1722. 2) Alfred Julius, einer ber 
hauptbetheiligten arı der Wiener Revolution vom 
Va. 1848, geb. 1803 (nad And. 1804) zu Man- 

























Becherchen (Bot.), bei Kryptogamen, f. Flech⸗ 
ten, Pilze, Mooje. 

Bechereiſen (Golb- u. Kupferihmied), Heiner 
Amboß, beftehend aus einem runden Ouereifen 
an einem aufrechtftehenden Eifen; dient, um ge 
mwölbte Bleche darauf aufzuziehen. 

Bedjerflechte (Bot.), ſ. Cladonia, 

Becherglas, Trinfglas ohne Fuß; dann auch 
ein im chemiichen Laboratorium gebrauchtes Gefäß 
aus fehr diinnem, gut gekühltem Glafe von cylins 
driijher Form, mit nah außen umgebogenen 
Rande. 

Becherhülle (Cupula, Bot.), ein becerähn- 
liches, die Blüthe u, jpäter die Frucht der Fagi- 
neen (Eiche, Buche, echte Kaftanie) ganz oder 
theilweiſe umjchließendes Gebilde. Die B. entiteht 
nach Anlage der Blüthentheile aus einer ring« 
wulftförmigen Erhebung des Blüthenftield, Die 
fid) jpäter vergrößert, eine napf- oder becherähu- 
lie Form annimmt u, Schuppen oder Stachelu 
Gochblätter) Hervorbringt. Die B. der Eiche 
umfchließt nur je eine Blüthe, reſp. Frucht und 
auch diefe nur am Grunde, diejenige der Buche 
und echten Kaftanie dagegen mehrere, und zwar 
umgibt fie hier die Früchte ganz u. fpringt bei 
deren Reife auf. Bon diefer echten B. oder Cu- 
pula ift die faljche Cupula der Garpineen (Hafel« 
nuß, Hainbuche) zu unterfcheiden, welche nicht eine 
| Erweiterung des Blüthenftiel® (alfo ein Achjen- 
&efter; ſtud. die Rechte in Heidelberg, Göttingen u. organ) zur Grundlage hat, jondern lediglich aus 
Verlin, Heß ſich in Elberfeld als Advocat nieder u.|(3) verwachjenen fehuppenartigen Blättern beſtehl. 
tefigirte dann im Köln eine Handelszeitung, wandte] Becherzellen (mikrojt. Anat.), milroſtopiſche 
fh aber aus Piebe zur Kunft nah Düſſeldorf u. Zellen von Becherform. 
wurde fpäter Profefjor der muſikaliſchen Theorien] Bechica (gr., Med.), Mittel wider den Huften, 
im Haag; 1840 ging er nad London als Pro-|erpectorirende Mittel (f. d.). 
kefor an einer muſilaliſchen fabdemie u. von dal Bechin, Stadt im öfterreich. Kronlande Böhmen, 
1845 nah Wien, wo er einem befferen Geedjetztim Bezirke Mühlhauſen des ehem. Kreiſes Tabor, 
Ihmade Bahn brad. Nah den Märztagenfan der Luſchnitzz; einft Hauptft. des eig. (gleich. 
1948 warf er ſich auf die Politit und gabinam.)Kreifes; Bezirksgericht; großer Thiergarten, 
de Zeitihrift: Der Radicale, heraus; da er Mi Schloß, Bad; 2380 Em.; dabei eime falinifche 
derielben vor Allen zum äußerſten Widerftande) Fijenguelfe u. die gigantischen Bechiner Steine. 
xgen Windiihgräg aufforberte, jo wurde er ver- Bechſtein, 1) op. Matthäus, deutjcher 
baftet, ſtandrechtlich verurtheilt u. am 23. Nov. \Maturforiher, geb. 11. Juli 1757 zu Malters- 
1848 zu Wien erſchoſſen. Er fohr.: Jenny Lind, hauſen bei Gotha; ftndirte in Jena Theologie 
2.4, Bien 1847. 3) Siegfried, Statiftifer| md Naturwiſſenſchaften, wurde 1785 Lehrer zu 
2, Rationalöfonom, geb. am 28. Febr. 1806 Zu) Schnepfenthal u. eröffnete 1794 auf dem Freigute 
Yan in Böhmen; ftudirte in Prag u. Wien, ward | Femnate bei Waltershaufen eine Foritiehranitalt, 
1835 Profeffor der Geſchichte u. Geographie am] zugleich ftiftete er die Societät der Forft- u. Jagd- 
Folgtehuiichen Juſtitut zu Wien, nebenbei an ber En wurde 1800 Director der Forſtakademie 
Foft, Stempel · u. Tabatregie thätig; verfaßte auf] u Dreigigader in Meiningen, ebenſo Mitglied 
rund der Archive das verdienftvolle Werk: Das des Operforftcollegiums; er ft. dafelbft 1822 als 
—— — Muünzweſen von 1524—38, 2 Bde.,| Hcheimer Kammer- u. Forſtrath. Von feinen zahl—⸗ 
Sen 1838; daun Statiftifche Ueberſicht des Handels | reihen, umfangreichen Schriften zur Forftwilien- 
der Öterreichiichen Monarchie mit dem Auslande shaft, Zoologie u. Botanik find hervorzuheben: 
2. Statiſtiſche Überſicht der Bevöllerung, Stuttg.| Handbuch der Forftwiffenihaft, Nürnb. 1801 f.; 
1841 ıc. Er veranlaßte die Behörde, ihre Be— —— 5. Aufl., Erfurt 1841; Forftinfecto- 
fihte wiſſenſchaftlich zu verwerthen, ward 1848 |{ogie, Gotha 1818. Seine Biographie jchrieb fein 
Generalfecretär im Handelsminifterium, erjetste|Meffe Ludwig, Meining. 1855. 2) Yudmig, 
m Dit. den flüchtig gewordenen Minifter u. trat|peutfcher Schriftfteller u. Dichter, geb. 24. Nov. 
1852 auß dem Staatsdienfte. B. ft. 4. März 1873.| 1801 im Meiningifchen; früher Apothefer, ftudirte 
See größeren Werke find: Die Volkswirthſchaft, ar jeit 1828 Philofophie u. Geſchichte in Leipzig u. 

en 1853; Organifation des Gemwerbewejens, | München, wurde 1831 Bibliothefar der Cabinets— 
Bien 1851, u. Die deuten Zoll u. Handelsver-|y, der öffentlichen Bibliothet in Meiningen und 
ältnifle, Leipz. 1850. 1) Zhambayn. 3) Fr. Körner. gründete den Hennebergifhen Alterthumsforihen- 

Becherblume ift Poterium sanguisurba. den Verein; er fl. 14. Mai 1860. Bon feiner 


70 


pielfeitigen literarischen Thärigkeit ift die verdienft- 
fichfte Die auf die Sammlung des Sagenjchates 
u. die Gejchichte jeiner Heimath gerichtete (Thü- 
ringifches Sagenbuh, Wien 1858; Deutjches 
Sagenbuch, Lpz. 1853; Deutſches Märchenbuch, 
%pz. 1860; Fränkiſche Sagen, Würzb. 1842). 
Seine novelliftiichen Erzeugntffe zeichnet eine reine 
Empfindung u. warme Sprache aus: Der Duntel- 
graf, Frankf. 1855; Das tolle Jahr, 1832; Der 
rlirftentag, 1834; Grumbach, 1839; Fahrten 
eines Mufilanten, 1836. Auch poetiih war er 
thätig, wenn auch mit geringerem Erfolge. Ger 
dichte, Frankf. 1836; Luther, 1834; Sonetten- 
fränze, Amfterd. 1828; Der Todtentanz, 1831. 
38) Reinhold, Germanift, Sohn des Borig., 
eb. 12. Oct. 1833 in Meiningen; fudirte im 
eipzig, Münden, Jena und Berlin deutjche 
Philologie, fand 1858—59 Beichäftigung am 
Archiv des Germaniihen Mufeums in Nürnberg, 
ging zur Unterftügung feines Baters nad Mei— 
ningen zurüd, war dajelbft nach deſſen Tode 
(1860) ein Jahr lang interimiftiicher Bibliothekar 
der herzogl. öffentlichen Bibliothek u, widmete fid) 
dann der alademischen Laufbahn, wobei er fidh 
wie einft fein Bater der Förderung des Herzogs 
Bernhard von Sahjen-Meiningen erfreute, Nach 
einem mehrjährigen Aufenthalte in Leipzig fiebelte 
er 1864 nad Jena über, wurde 1866 Privat- 
bocent, 1869 Ertraordinarius, u. 1871 ging er 
als Ordinarius für die deutfche u. nenere Literatur 
an die Univerfität Noftod. Außer zahlreichen Bei- 
trägen in Pfeiffer Germania, Blätter für liter. 
Unterhaltung, Wiffenfhaften im 19. Jahrh. u. a. 
m. gab er verſchiedene altdeutſche Schriftwerfe heraus 
re u. Kunigunde von Ebernand von Erfurt, 

uedlinburg 18605 Des Matthias von Beheim 
ea er Lpz. 1867; Gottfrieds von Straß- 
burg Zriftan, Lpz. 1869, 2. Aufl. 1873), ſetzte 
das Deutjche Mufeum feines Vaters fort (neue 
Folge, 1. Bd., Lpz. 1862), fammelte: Altdeutſche 
Märden, Sagen u. Legenden, Lpz. 1863, und 
ſchrieb über die Ausſprache des Mittelhochdeutichen, 
Halle 1858, u. Das Spiel von den zehn Jung— 
frauen, Habilitationsidrift, Jena 1866, u. Bor- 
trag, Noftod 1872. 

Bechteltag (Bachtelis- oder Berchtoldstag), in 
dev Schweiz der Tag nah Neujahr, dur Be- 
fhenfen der Kinder gefeiert, aber auch von Er» 
wachſenen; ein offenbar aus der vordriftlichen 
Zeit ftammendes Felt; j. Berchta. 

Beck, 1) Chriſt. Dan. berühmter Gelehrter, geb. 
22. jan. 1757 zu Leipzig; ſtudirte dafelbft u. wurde 
1782 Profeffor der Philofophie, 1785 der griech, 
u, latein, Literatur, 1790 zugleich Univerfitätsbiblio- 
thelar, 1819 der Gejchichte, 1825 aber wieder der 
alten Fiteratur; ft. 10. Dec. 1832. Er ſchr. u. a.: 
Anleitung zur Kenntnig der allgemeinen Welt- u. 
Böltergefchichte, Lpz. 1787—1807, 4 Thle., 2. N. 
des 1. Thls., 1814; Artis latine scribendi prae- 
cepta. ebd. 1801; Über die Würdigung des 
Mittelalters u. feiner allgemeinen Geſchichte, 1812; 
Grundriß der Archäologie, ebd. 1816; überſetzte 


auch Fergufons Geſchichte der Römischen Republik, | Darftellun 

ebd. 1784—87, 3 Bde.; Muradgea dV’Ohffon, Fiſchers 

———. Dttoman. Reiches, ebd. 1788 bis ĩ. ©, 108. ff. 
; 


1793, 28 


Bechteltag — Bed. 


ebd.1792,2 Bbe.; gab heraus: Commentarii histo- 
rici decretorum religionis christ. et formulae Lu- 
theranae, ebd. 1801; Commentationes societatis 
philologieae, ebd. 1801—1805, 4 Bbe.; Acta 
seminarii Lipsienis , ebd. 1811—13, 2 Bbe.; 
von Claſſikern: den Euripides, Pindaros, Apollo» 
nios Rhod., Ariftophanes, Platon, Cicero, Calpur— 
nius u, erwarb fi Verdienſte um miljenichaft- 
che Kritif u. Bibliographie, befonders durch Die 
Literariſchen Denkwürdigkeiten, 1792—97, eine 
Fortfegung der Neuen —— Zeitung von ge— 
lehrten Sachen, u. durch das Allgemeine Reper— 
torium ber neueſten in- u. ausländiſchen Literatur, 
1819— 33; letzteres wurde von Pölitz u. Gers— 
dorf fortgeſetzt. B. wirlte als Lehrer nicht nur in 
ſeinen Vorleſungen philoſophiſchen, hiſtoriſchen, 
theologiſchen Inhaltes, ſondern auch in den Dis- 
putationen der Philologiſchen Geſellſchaft; außer- 
dem nahm er regen Antheil an der Univerfitäts- 
verwaltung. Bgl. Nobbe, Vita Beceii, Lpz. 1837. 
2) Heinrich, Schaufpieler, geb. 1760 zu Gotha; 
debutirte dafelbft und wirkte neben Beil und 
land unter Echhofs Direction, von 1779 bis 
1800 in Mannheim, von wo er als Regiſſenr 
nach München berufen wurde; ft. in legterer Stadt 
6. Aug. 1803. Seine fhaufpieleriihen Leiftungen 
find, wenn auch gediegen, doch nicht hervorragend 
zu nennen. Dagegen machten feine dramatiſchen 
Producte ziemliches Auffehen, vor allen das Cha- 
mäleon, im welchem Luftipiel fi Tieck perfiflixt 
glaubte. Bielen Beifall fand auch: Die Schadh- 
maſchine u.: Die Quälgeifter. Unter dem Titel: 
Theater find feine Werfe 1803 in 2 Bdn. ge» 
jammelt erfcyienen. Bon ungleich höherer ſchäu— 
—— Begabung als B. war deſſen Gattin 
3) Caroline, geb. Ziegler, geb. 3. Jan. 1766 
au Mannheim; betrat — 1781 das dortige 
Nationaltheater mit dem entſchiedenſten Erfolge. 
Natürlichleit, Wärme, volles Verſenken in den 
Dichter zeichnete die Kiünftlerin, edle Gefinnung 
u. alle weibliden Tugenden die Frau aus, für 
die ein Schiller zu ſchwärmen nicht unwürdig ge- 
funden bat u. für die er feine Luife Miller jchrieb. 
„In Mollen faufter, leidender Tugend war ihr 
Spiel weiblih wahr, fein und ſchön.“ Nach 
Gmonatliher Ehe mit dem Bor. ftarb fie in 
Folge eines unglüdlihen Sturzes. Über Lebens- 
verhältniffe u. Spiel vgl. Reihard, Goth. Theater- 
Kal. 1785, S. 53—58; Deutjches Muſeum 1785 
&.172—176. 4) Jalob Siegmund, deutſcher 
Philoſoph, geb. 1761 in Niffau bei Danzig; war 
Schüler Kants in Königsberg, 1791—99 Privat- 
docent in Halle, daun Profeffor der Philofophie 
in Roftod; fcharffinniger Ausleger des Kantichen 
Kriticismus; ft. dafelbft 1842. Hauptichriften: 
Erläuternder Auszug aus den kritiſchen Schriften 
des Prof. Kant, Riga 1798 ff., 3 Bde.; auch 
mit dem befonderen Titel: Einzig möglicher Stande» 
punkt, aus welchem bie kritiiche Philofophie be— 
urtheilt werben muß, Riga 1796. Grunbriß der 
kritischen Philofophie, Halle 1796; Commentar 
über Kants Metaphyſik der Sitten, Halle 1798; 

feiner Stanbpunftsiehre in Kuno 
efhichte der neueren Philofophie, V. 
©. aud d. Art. Kant. 5) Joh. 


Goldſmiths Geſchichte der Griechen, |Ludw. Wilh., Sohn von B. 2), geb. 21. Oct. 


Dede — Bededorff. 71 


1786 zu Leipzig; finbirte die Nechte, habilitirternicht tief, u. im Ganzen fehlt ibm die künſtleriſche 
fd 1809 Dajelbft, murde 1812 Profeffor zu Kö-|Abllärung., Dichtung außer der oben erwähnten 
migsberg, 1813 Hegierungsrath in Weimar, 1814 Sammlung: Der fahrende Poet, Yeipz. 1838; 
Beifiger des Schöppenftubls zu Leipzig u. 1819) Stille Lieder, ebd. 1839; Saul, Traueripiel, ebd. 
auch Profeſſor; bei der Auflöjung des Schöppen-| 1841; Janko, der ungarische Roßhirt, ein Roman 
Hubs 1835 trat er in das neu errichtete Appella-|in Berjen, ebd. 1842, 3. Aufl., 1870; Geſammelte 
timsgeriht zu Leipzig als erfter Nath ein und Gedichte, Berlin 1844, 3. Aufl., 1870; Lieder 
wurde 1837 Präſident defielben, was er bis 1863 |vom armen Mann, ebd. 1847; Monatsroien, 
bfieb; er ft. 14. Febr. 1869. Er gab das Corpus|ebd. 1848; Gepanzerte Lieder, ebd. 1848; At 
juris mit Moten, Lpz. 1826—36, 2 Bbe,, und Franz Joſeph, Wien 1849; Aus der Heimath, 
ftereetupirt ohne Noten, 1829—33, heraus u.|Dresden 1852; Mater dolorosa, ein Roman, 
ſchr.: Anleitung zum Neferiren, 1839; Anmert- | Berlin 1854 ; Jadwiga, eine Erzählung in Verſen, 
ungen zum Erecntionsgejete vom 28. Febr. 1838; Lpz. 1863; Still u. bewegt, zweite Sammlung 
Bemertungen über den Griminalgerichtsftand in|der Gedichte, Berlin 1870, 2. Aufl. 8) Auguft, 
Sadien, 1842. 6) Johann Tobias von B.,|Zeichner u. Maler, geb. 1823 in Bafel; bildete 
Theolog, geb. 22. Febr. 1804 zu Balingen; wurde |fih in Diffelvorf u. machte den Ftalienifchen Krieg 
Pfarrer in Waldthbann 1827, Stadtpfarrer und|von 1859, den Deutfch-Däniichen Krieg von 1864, 
Oberpräceptor in Mergentheim 1829, außerord.|den Deutichen Krieg von 1866 u. den Deutſch— 
Brof. der Theol. in Bajel 1836, Dr. der Theo- | Franzöfifhen Krieg von 1870/71 mit, aus denen 
logie, ordentl. Profeffor der Theologie u. Frühsjer viele Gefechtsbilder, namentlich Reitergefechte, 
prediger in Tübingen feit 1843. B-8 Hauptwirk- (fr die Leipziger Illuſtrirte Zeitung u. f. w. zeich- 
famtert befteht im ummittelbarer Anregung eines|nete, die — mit trefiender Charalteriſtik 
fehr zablreichen Schülerfreiies vom Katheder aus, |behandelt find. Seine dem Augenblid abgelaufchten 
Seine Theologie fuht B., auf Bengel u. Dtinger Skizzen, namentlich die aus dem letzten Kriege, 
fortbauend, unmittelbar aus der Hl. Schrift zujbehaupten unter ihresgleichen einen hoben Rang. 
fhöpfen. Er ift ein Hauptvertreter des fog. bibli-|Er ft. plöglih 28. Juli 1872 in Thum. 9) Jo— 
fhen Realismus. Er ſchr.: Über die mwiffenfhaftl.|bann Nepomuf, bedeutender Baritomit, geb. 
Behandlung der chriftl. Lehre, Bafeler Antrittr.,|5. Mai 1828 zu Peſt; erhielt bald nad abjol- 
2. A., Tübing. 1865; Uber das Berhalten des|virter Gymmafialbildung infolge eines öffentlichen 
EhriftentHums zum Zeitleben, aladem. Antrittsrede, | Auftretens, welches bereits die Großartigfeit feiner 
Zübingen 1843; Einl. in das Syſtem der hriftl. |ftimmlichen Anlagen befundete, einen Ruf nad 
Lehre, Tüb. 1839; Die Geburt des chriſtl. Lebens, fein | Wien an die Hofoper. Trot eines überaus gün— 
Beien u. fein Geſetz, Bafel 18395 Die chriftl. |ftigen Erfolges, der ihm bier zu Theil wurde, 
Menfchenliebe, das Wort u. die Gemeinde Ehrifti, verließ er die Kaiferftadt wieder, wirkte an den 
Bajel 1842; Die Kriftl. Yehrwiflenfchaft, 1. Thl.;] Theatern von Bremen, Düffeldorf, Hamburg, 
Die Logik der chriftl. Lehre. Tüb. 1841; Umriß Köln, Mainz, Wiesbaden u. ſ. w., um fich als— 
der bibl. Seelenlehre, Stuttg. 1843, 2.U., Ziib. |dann auf eine Reihe von Jahren für rauffurt a. M. 
1862; Leitfaden der chriſti. Glaubenslehre für |engagiren zu laſſen. Ein ungemein günftiges An- 
Kirhe, Schule u. Haus, 2 Bde., Stuttg. 1862; jerbieten, das B. nad) einem erneuten Gaftipiel 
Ehrifil, Reden, 6 Sammlungen, 1. Sammlung infin Wien von Gornet gemacht wurde, ließ ihn 
2. Anfl., 1858, 2. ©. in 2. Yufl., 1867, 3 ©. in ſſchon nah 2 Jahren u. unter Nichtachtung des 
2. Aufl., 1868; Cafualreden, 1867; viele Predigten | Eontracts Frankfurt mit Wien vertaufchen. Hier 
einzeln. 7) Karl, deutſch-ungariſcher Dichter aus|entfaltete ſich die ganze Größe feines Talents, 
der Schule Grüns u. Lenaus, geb. 1. Mai 1817 |welches dem Künftler im Verein mit den glücklich— 
in dem ungarischen Markifleden Baja, von ji |iten phyſiſchen Mitteln geftattet, alle großen Bariton- 
diicher Abkunft, jedoch der Evangelifhen Kirche |partien nicht nur nach gejanglicher, ſondern aud) 
angehörig; ftudirte in Wien Heiltunde, verfuchte|ichaufpielerifcher Richtung muftergiltig darzuftelfen. 
es dann mit der laufmänniihen Beichäftigung,| 1) Brambad.* 2) 3) 9) Kurſchner. 6) Löffler. >) Reguet. 
fieß ſich aber wieder als Studioſus in Leipzig in-| Becke, Frhr. Karl, öfterreih. Staatsmann, 
jeribiren u. veröffentlichte hier 1838 feine Ge-|geb. 31. Octbr. 1818 zu Kollinig in Böhmen; 
dictefannmiung: Nächte, gepanzerte Lieder, womit|itudirte in Prag, widmete fi jeit 1840 dem 
er großen Beifall erntete. Er wählte fpäter Berlin) Staatsdienfte, er ſchlug 1846 die Diplomatiiche 
u. nach dem Ausbruche der ungarifchen Revolution |Yaufbahn ein, wurde nad einander öfterr. Conful 
(1848) Wien zumAufenthalte. Hier verheirathete er in Conftantinopel, Alerandria u. Galacz, an leg- 
fi) 1850, verlor aber nach hurzer Zeit jeine Gattin |terem Orte auch 1856 zugleich Präftdent der inter- 
durch den Tod. Seit 1855 redigirte er eine belle- [nationalen Donaucommiſſion; 1862 murde er 
triftifche Zeitjchrift: Friſche Quellen, in Pet. Seit|Bicepräfident der Gentraljeebehörde in Trieſt, 
einigen Jahren lebt er wieder in Wien. B. iſt 1866 als Sectionschef ins k. k. Finanzminiſterium 
ein urjprünglicger Dichter u. ein edles Gemüth, nah Wien berufen u. 1866 in den Freiherrn— 
der Sänger des Judenthums u. des Proletariats. |ftand erhoben, Als im Januar 1867 Graf Lariſch 
Alles an ihm ift euer, Gefühl, Anſchauung, |das Portefenille des Finanzminiſteriums abgab, 
Beſchreibung, Erzählung, Gedanke u. Rhythmus, [erhielt B. daſſelbe u. zugleich das des Handeld- 
u. ſein lyriſcher Flig wird Verzückung. Ungarns miniſteriums u. wurde im Decbr. d. J. Reichs— 
Natur- u. Vollsieben faßt er unerfhöpflih in finanzminiſter. Er. ft. 15. Jan. 1870. 
glänzenden, pracdtvollen, großen Bildern auf.| Bededorff, Georg Philipp Ludolf v. B., 
Aber jeine Gedankenwelt ift micht umfaffend u. | Schriftfteller, geb. 1777 zu Hannover; ftudirte in 


72 


Göttingen Theologie, dann Medicin, war 1810 
Hofmeifter beim Kurprinzen v. Helfen, 1811—18 
Führer des Erbprinzen von Anhalt» Bernburg; 
trat 1819 in den preußiſchen Staatsdienft u. wurde 
Dberregierungsrath im Obercenfurcollegium u. im 
Minifterium der geiftlihen und Unterrichtsan« 
ftalten.. Nachdem er 1827 katholiſch geworden 
. war, jchied er aus dem Staatsdienfte und bezog 
jein Gut Grüuhof bei NRegenwalde in Hinter— 
ponmern. Vom König Friedrich Wilhelm IV, 
wurde er in den Mdelftand erhoben und im den 
Staatsdienft zuriidberufen, zum Präfidenten des 
Landesölonomiecollegiums ernannt u. 1849 von 
Münfter in den Landtag gewählt. B. ft. im Ruhe— 
ftande 27. Febr. 1858 zu Grünhof in Pommern. 
Er ſchr.: Zur Kirchenvereinigung, Halle 1814; 
An die deutiche Jugend über der Leiche Kotebues, 
Hann. 1819; Die fatholifhe Wahrheit, Regensb. 
1840—46 , 4 Bde.; Das Berhältnig von Haus, 
Staat u. Kirche zu einander und der Schule zu 
Haus, Staat u. Kirche, Berl. 1849; gab heraus: 
Jahrbücher des preußifchen Volksſchulweſens, ebd. 
1825—29, 9 Bde. 

Beden (lat. Pelvis), A. des Menfchen. Unter- 
fter Theil des Rumpfes, zwiſchen dem letzten Len- 
denmwirbel u. den Schenfeln, mit deren Ktöpfen es 
in Gelenkverbindung fteht; wegen entfernter Ahn- 
lichkeit feiner fnöchernen Grundlage mit einem Hard 
beden jo genannt. Es wird zumächt gebildet von 
den B-fnodhen (B-beinen, Ossa pelvis). Dieje 
find: a) Das Kreuzbein (Heiliges Bein, Os 
sacrum), der Knochen, der mac Einten das 8. 
ſchließt u. gleichſam als ein nach unten zugefpigter 
Keil zwifchen die beiden Hüftbeine hineingetrieben 
it, der auf ihm ruhenden Wirbelſäule gewiffer- 
maßen als Piedeftal dient und ſomit die ganze 
Wirbeljäule u. damit den ganzen Oberkörper im 
Stehen u. Sitzen trägt. Es befteht aus 5, zu« 
weilen 6 oder nur 4 unter einander feft verfchmol- 
zenen Stüden, an denen man noch die einzelnen 
Theile der Wirbel unterjceiden kann u. die man 
daher zum Unterfchiede von den übrigen, wahren 
Wirbeln (Veortebrae verae), falſche Wirbel (Verte- 
brae spuriae) nennt. Bon oben nad unten 
nehmen diefe Wirbel u, damit der ganze Knochen 
an Größe ab. Die obere Endfläche des Kreuz- 
beines trägt in ihrer Mitte eine ovale Gelenkfläche 
zut Verbindung mit dem letten Lendenwirbel; 
dahinter zeigt ſich eine dreiedige Offnung, der 
Eingang zu dem das Kreuzbein der Länge nad 
von oben nach unten durchziehenden Kanal, dem 
Kreuzbeinfanal (Canalis sacralis), der die Fort- 
jeßung des durch die ganze Wirbeljäufe verlaufen» 
den Küdenmarfsfanals tft u. nach unten allmählich 
an Breite u. Tiefe abnimmt, Neben diefer Öff- 
nung vagt vechts u. links je ein oberer Gelent- 
fortfag des erften Kreuzbeinwirbels empor zur 
Berbindung mit dem unteren Gelenffortjägen des 
letsten Lendenwirbels. Die Borderflähe des Kreuz- 
beines u. die der zunächft oberhalb beffelben ge- 
legenen Wirbeltörper bilden an ihrer Bereinigungs- 
ftelle einen nach vorn vorjpringenden Winkel, das 
—— (Promontorium). Die vordere, die 
hintere Wand des kleinen Bes bildende Fläche 
des Kreuzbeines ift der Länge u, Breite nad) 


concad u. hat vier Paare von oben nad) unten! Bei den Th 


Beden. 


an Größe abnehmender und näher an einander 
riidender Löcher, die vorderen Kreuzbeinlöcher 
(Foramina sacralia anteriora), die in den Kreuz⸗ 
beinfanal führen u. den vorderen Kreuzbeinnervei 
zum Durdhtritte dienen. Zwiſchen den Löchern 
eines jeden Paares zeigt eine quer erhabene Leifte 
die Grenze der verwachjenen falihen Wirbel an, 
Den zwiſchen ben vorderen Kreuzbeinlöchern ge 
legenen diden Theil des Kreuzbeines, der den ver- 
wachſenen Wirbellörpern entipricht, bezeichnet man 
als feinen Körper (Corpus ossis sacri), die außer⸗ 
halb derjelben gelegenen bdünneren Theile, den 
verwachſenen Duerfortfägen entiprehend, als 
Seitentheile oder Flügel (Massae laterales a. 
Alae ossis saeri). Die Hintere, convere Fläche ift 
vaub u. uneben u. trägt 5 parallele rauhe Leiften; 
die mittlere dieſer Leiften (Crista sacralis media) 
wird von den unter einander verwachienen Dorn- 
fortfägen, die beiden folgenden von den unter 
einander verwachlenen Gelenffortjägen, die beiden 
äußerften von dem unter einander verwachſenen 
Duerfortfägen der Kreuzbeinmwirbel gebildet. Am 
unteren Ende der mittleren Leifte liegt die untere 
Endöffnung des Krenzbeinfanals, der jog. Kreuz» 
beinfchlig (Hiatus sacralis). Zwiſchen den beiden 
äußeren Leiftenpaaren liegen die hinteren Kreuz- 
beinlöcher (Foramina saeralia posteriora), an Zahl, 
Lage und Bedeutung den vorderen entiprechend, 
Die zwei den unter einander verwachjenen Gelenf- 
fortfäßen entjprechenden Leiften laufen unterwärts 
in zwei griffelförmige Hervorragungen aus, melde 
die verfümmerten unteren Gelentfortfäte des letzten 
Kreuzbeinwirbels repräfentiven, ſeitwärts vom 
Kreuzbeinſchlitze ftehen u. Kreuzbeinhörner (Cornua 
sacraiija) genannt werden. Die nad unten con» 
vergirenden Seitenränder des Kreuzbeines tragen 
an ıhrem oberen, diden Ende eine ohrfürmige Ge- 
lenfflähe (Facies aurieularis) zur Berbindung 
mit dem entiprechenden Flächen an den beiden 
Hüftbeinen, werden nad unten ſchmaler u. rauher 
und enden in eine ftumpfe Spike, die eine iiber- 
Inorpelte Fläche zur Berbindung mit dem Gteiß- 
beine trägt. Im weiblichen B. ift das Kreuzbein 
breiter, fürger u.flacher gekrümmt, alsim männlichen, 
auch tritt jowol oben das Vorgebirg, als unten die 
Spite weniger hervor, wodurd) der Ein- u. Ausgang 
des weibl. B-sjehran Geräumigfeit gewinnt. b) Das 
Steiß- oder Kufufsbein (Os coccygis) bejteht 
aus 4 Knochen, welche unterhalb des Kreuzbeines 
liegen. Selten find die einzelnen Stüde zu einem 
einzigen Knochen vereinigt, oder 5 oder 3 Stüde 
vorhanden. Der oberfte Knochen hat einige Ähn- 
liihfeit mit einem Wirbelbeine ohne Bogen; zu 
beiden Seiten des Körpers gehen nad) oben zwei 
örnchen (Cornua coccygea) ab, die fi mit ähn- 
lichen des Kreuzbeines verbinden; die 3 anderen 
werben immer Meiner, haben ober- u. unterhalb 
Gelentflähen da, wo fie einander berühren, u. 
find durch die Steifbeinbänder (Ligamenta sacro- 
coceygea) verbinden, Alle Knochen find jehr 
weih u. ſchwammig. Die Verwachſung der ein- 
zelnen findet am häufigften beim männlichen Ges 
jchlechte ftatt, weit feltener beim weiblichen, mo 
eine größere Beweglichkeit a. der Erweiterung 
des zu bei der Geburt nothwendig ift. 
eren geht das Steifbein in die Schwanz- 


Beden. 


wirbel über; f. Schwanz. ce) Die beiden Hüft- 
beine (Ossa coxae s. innominata) entjteben 
durh den Bufammentritt je dreier bis zu den 
Jabren der Mannbarkeit geichieden bleibenden 
Stüde, ſchließen ſich zu beiden Seiten an das 
Kreuzbein an und bilden den ganzen vorderen, 
feitlihen u. vorwiegend auch den hinteren Theil 
des Bes. Die drei das Hüftbein zufammen- 
ſetzenden Knochenpaare find: aa) Das Darm- 
bein (Os ileum s. ilei), der obere und hintere, 
anschnlihfte Theil, weicher nach oben eine breite, 
ausgeböhlte Fläche darſtellt. Beide Darmbeine 
buden zufammen die obere Seitenwand des B⸗s, 
nah außen die Hüfte u. ftügen einen großen Theil 
ber Gedärme. Das Darmbein bildet bloß im der 
Jugend einen eigenen Knochen, indem es fpäter 
in der Pfanne (f. unten) mit dem Scham- u. 
Sigbeine völlig verwächſt. An feinem dichſten Theil, 
feitwärts u. nach unten, befindet fih die größten— 
theils von ihm gebildete Gelenfhöhle des Schentel- 
fnochens, die Pfanne (Acetabulum), die größte ur. 
tieffte Gelenfhöhle des ganzen Körpers. Gie 
ftellt eine balbiugelförmige, nach hinten u. oben 
überfuorpelte (balbmondförmige Knorpelfläche der 
Pfanne, Facies lunata acetabuli), unten mit 
einem Ausjchnitte (Incisura acetabuli) verjehene 
Höblung dar, in deren Mitte eine nicht überknor- 
pelte, zur Aufnahme’ und zum Anfag des runden 
Bandes des Schentellnodhens beftimmte Bertiefung 
(Fovea acetabuli) fi befindet. Die Knorpelfläche 
endigt in einen ſehr erhabenen Rand (Supereilium 
acetabuli), deffen Enden nad unten u. vorn durch 
den Ausjchnitt von einander — u. Hörner 
(Cornua) genannt werden. Der kleinſte vordere 
Theil der Pfanne gehört dem Schooßbeine, der 
untere u. zum Theil der hintere dem Sitbeine an, 
Son der Pfanne aus erhebt fih das Darmbein, 
breiter u. dünner werdend, nad) oben u. hinten. 
Die äußere Fläche mit einer nach oben converen 
&inie dient dem mittleren u. Heinften Geſäßmuskel 
zum Anjage. Die innere Fläche bildet in ihrem 
oberen größten Theile die Seitenwand des großen 
3-8, mit dem Hleineren binteren, rauhen Theil 


73 


media) u. nad hinten den oberen hinteren Darın- 
beinftachel (Spina superior posterior); von diefem 
abwärts zieht fi) der hintere Rand (der halbmond- 
fürmige Ausichnitt des Hüftbeins, Incisura se- 
milunaris ossis innominati); er endigt mit dem 
unteren hinteren Stadel u. geht in den glatten, 
mwulftigen, ſehr ausgeichweiften unteren Nand iiber, 
der zum großen Theil den großen Ausjchnitt 
des Hüftbeines (Ineisura ischiadica major) aus- 
madt u. in das Sitbein verläuft. bb) Das 
Sigbein (Os ischii), der mittlere u. untere 
Theil des Hüftbeines, bildet den unteren Theil der 
Pfanne, fließt das B. feitwärts u. dient durch 
jeinen tieferen Theil beim Giten dem Körper 
zum Ruhepunkte. Man untericheidet an ihm den 
Körper u. zwei Aſte, einen abjteigenden u. einen 
auffteigenden. Der Körper gebt nad hinten im 
eine rauhe Hervorragung, den Sitsbeinftachel 
(Spina ischii), über, der zur Anlage des unteren 
feinen B-bandes dient; von dieſem beginnt der 
große Ausichnitt des Hüftbeines (Incisura ischia- 
diea major s. iliaca), der fi) nach hinten bis zu 
dem Binteren unteren Darmbeinftachel zieht u. zum 
Theil von dem Darmbeine begrenzt wird. Der 
abfteigende Ak (Ramus descendens) ift eine Fort« 
jeßung des Körpers u. endigt nach unten mit dem 
diden u. rauben Sitfnorren (Tuber ischii), wel— 
her zur Anlage mehrerer Muskeln u. Bänder dient, 
An feiner hinteren Fläche befindet ſich zwiſchen dem 
Sigbeinftahel u. Sitzknorren der Heine Sitzbein— 
ausfhnitt (Ineisura ischiadica minor), welcher 
zum Austritt des immereu Hüftbeinlochmustels 
dient. Der auffteigende Aſt (Ramus ascendens) 
fteigt vom unteren Ende des auffteigenden Aſtes 
unter einem fpigen Winkel nad vorn u. oben, 
wo er in den abfteigenden des Schoofbeines über- 
geht. cc) Das Schooßbein (Schambein, Os pubis) 
iſt der Meinfte vordere Theil des Hiftbeines, der, 
fih mit dem gleihnamigen Theil der anderen 
Seite vereinigend, das B. vorwärts ſchließt. Man 
unterjcheidet an ihm den Körper, der in der Pfanne 
fih mit dem Darm- u. Sigbeine verbindet, u. 2 
von jenem abgebende Afte: der wagrechte Aft 


den Höder des Darmbeines (Tuber ossis ilei)|(Ramus horizontalis) geht nad) vorn ab u. endigt 


u. hat nad) innen eine ohrfürmige Kuorpelfläche 
(Facies auricularis), durch melde fie mit ber 
ohrförmigen Fläche des Kreuzbeines verbunden ift. 
Diefe Verbindung des Hüftbeines mit dem Kreuz- 
beine heißt die Kreugbeinhüftbeinfuge (Symphysis 
sacro-iliaca) u. ift ein nur äußerft geringe Beweg- 
fihleit zulaſſendes Gelenk. Die untere Heinfte ab. 
teilung wird durch die ungenannte Linie (Linea 
innominata), die zugleich die Grenze zwiſchen dem 
Keinen u. dem großen B. bildet, von der oberen 
geſchie den, bilder den oberen Theil der Seitenwand 
des Heinen B⸗s, verläuft nach unten in den Körper 
des Sitzbeins, nach vorn in den horizontalen Aſt 
des Schoofbeines. Der vordere, von der Pfanne 
aufwärts fteigende Rand ift concav u. hat unten 
und oben eine rauhe GErhabenheit, den vorderen 
unteren u. vordern oberen Darmbeinftadhel (Spina 
anterior inferior et anterior superior ossis ilei). 
An ihn ſchließt fih in einer ftumpfen Ede der 
breite obere Rand (Kamm, Crista) an; derſelbe 
bildet nach außen u. innen zwei wulfige Lippen 
(Labia), zwifchen beiden eine Linie (Linea inter- 


mit einer oberen jcharfen Leifte, im welche die un«- 
genannte Linie ausläuft (Schambeinfamm, Crista 
ossis pubis), in eine rauhe Erhabenheit (Scham« 
beinhöder, Tuberculum ossis pubis); ver 
von dem wagerechten ausgehende abfteigende Aft 
(Ramus descendens) iſt unterwärt® u. auswärts 
gerichtet und bildet mit dem der anderen Geite 
die Schambeinvereinigung (Symphysis ossium 
pubis). Der unterhalb diefer Bereinigung befind- 
lihe, im weibliden B. mehr halbfreisförmige, 
bogenartige, im männlichen einen fpigeren Winkel 
bildende Raum Heißt beim weibl. B. der Schamt- 
beinbogen (Arcus ossium pubis), beim männlichen 
B. der Schambeimminfel (Angulus ossium pubis). 
Zu beiden Seiten und etwas oberhalb deſſelben 
findet fi) das rumdlich-breiedige, große, von den 
Äften des Sitz und Schooßbeines umgrenzte, von 
einer ftarfen Membran (j. unten) verjchlojjene ei— 
runde Hüftbeinloch (Foramen ovale pelvis s. ob- 
turatorium). 

B-bänder (Ligamenta pelvis) find a) ſolche, 
welche die einzelnen B-knochen unter ſich u. mit 


74 


anderen Knochen verbinden. Hierher gehören 
aa) Die Sympbyje der Schoofbeine des 
Hüfttnochens (Symphysis ossium pubis); fie 
wird noch unterftütt duch ſehnige Querfaſern, 
welche vorn u. hinten über jene mweglaufen (Liga- 
mentum annulare ossium pubis) u. durch Faſern 
mehrerer Muskeln, bei. des jchiefen Bauchmustels, 
deren untere man als bogenartige® Baud (Liga- 
mentum arcuatum) uatschbeiiet: bb) Die Syn» 
hondroje des Kreuzbeines mit den Hüft— 
beinen (Symphysis sacro-iliaca), durd die ohr« 
fürmige Kuorpelflähe u. verftärfende Faſern ver- 
mittelt, durch andere B-bäuder verftärtt, Man 
hält diefe beiden Berbindimgen nad den neueſten 
Unterfuhungen für wahre Gelenktverbindungen, 
ec) Die Selentverbindung des Kreuzbeines, 
nach oben mit dem lebten Lendenmwirbel, nad) unten 
mit dem erften Steißbeinwirbel, wird auf gleiche 
Weiſe wie die Berbindung der Übrigen Rüdgrats 
wirbel (j. Ridgratsbänder) unter fid) bewirkt. dd) 
Als Gelentverbindungen der Steißknochen 
dienen außer dünnen Zwiſchenknorpeln u. dilnnen 
Kapfelbändern noch befondere Kreuzteigbeinbänder 
(Ligamenta sacro-coccygea), u. zwar hinten auf 
jeder Seite ein langes u. ein kurzes, welche, vom 
Rüden u. der Spite des Kreuzbeines ausgehend, 
* bis zur Spitze des Steißbeines verlaufen, 
theils an die Hörner des oberſten Steißbeinknochens 
ſich anſetzen; u. zwei vordere, die vom legten falſchen 
Wirbel des Kreuzbeines aus auf der inneren Fläche 
der Steifbeine verlaufen. b) Unterftügende 
Bänder, die, an verjchiedenen Theilen des B-8 
ausgejpannt, dafjelbe verichließen, feine Höhle voll- 
enden u. den inner- u. außerhalb gelegenen Theilen 
zur Bededung, Anlage und zum Schuge dienen: 
aa) Das Poupartiihe Band, zwiſchen vor» 
derem oberem Darmbeinftahel u. Schambein- 
böder, ein Theil der Aponeurofe des äußeren jchiefen 
Baucdmusfels. bb) Die obturatorijhe Mem- 
braun (Membrana obturatoria), die das Hüft- 
beinloch (f. oben) bis auf eine Heine, nad oben 
u. außen befindliche Spalte (Hiatus) verſchließende 
Haut, weldye zwei Muskeln zur Anlage dient u. 
mehreren Gefäßen u. Nerven durch den Hiatus 
u. ein oder mehrere Fleine Löcher den Durchgang 
gewährt. cc) Die unteren Brbänder (Liga- 
menta ischio-sacralia), vom jeitlihen Theil 
des Kreuzbeines u. der Steigbeine zu dem Sitz- 
beine gehend; auf jeder Geite ein großes (Liga- 
mentum tuberoso-sacrum) nebft einem Anhange 
(Falx ligamentosa) u. ein Heine (Ligamentum 
spinoso-sacrum). Sie fjpannen fi über bie 
Hüftbeinausfchnitte (f. oben), die fie bis auf eine 
zum Durchgange von Gefäßen beftimmmte Offnung 
u. ſomit auch das B. nad) hinten zu verjchliegen. 
dd) Die hinteren Bänder des B-8 (Liga- 
menta ileo-sacralia) gehen vom hinteren Theil 
des Hüftbeinfammes (ſ. oben) zum Sreuzbeine, 
werden auf jeder Seite als das lange u. als das 
kurze unterjchieden, zu denen noch acceſſoriſche u. 
Seitenbänder u. viele fefte, glänzend weiße, ſehnige 
Fäden kommen, welche die Berbindung der Hüft- 
fnochen mit dem Kreuzbeine verftärten. ee) Bor- 
dere B-bänder (Ligamenta antica s. ileo- 


Reden, 


ein unteres. Beide dienen Musleln zum Anſatze 
u. haben Spalten zum Durchgange von Gefäßen 
u. Nerven, 

Die Bedenhöhle, der von den genannten 
Theilen umſchloſſene, nah umten u. feitwärts von 
denfelben u. mehreren Bauch» u. Schentelmusteln 
umgebene, nah oben offene Raum bildet den 
tiefiten Theil der Bauchhöhle, umichließt außer 
einem Theil des Darmkanals die Harnblafe u. die 
inmeren Gefchlechtstheile. Wegen letterer, denen 
das Beden zur Aufnahme u, zur Stütze dient, u. 
weil e8 bei der Geburt dem Kinde den Durch— 
gang geftattet, ift e8 bef. für den weiblichen Körper 
von großer Wichtigkeit. Das weiblihde B. iſt, 
diefen Zwecken entiprechend, bedeutend weiter, als 
das männliche, die Darmbeine deffelben find mehr 
nach außen geneigt, weniger fteil anfteigend, die 
aeg bildet unten einen bogen- 
förmigen Ausschnitt; bei dem männlichen B. hin- 
gegen einen fpigen Winkel. S. noch B⸗arterie, 
B-vene u. Benervem 

In Beziehung auf die Berheiligung des weib- 
lichen B-8 bei der Schwangerichaft u. Geburt u. 
behufs geburtshilflicher Demonftrationen unters 
icheidet man das große u. das Feine B. Die 
Grenze derjelben ift eine Linie, weldhe, von dem 
oben hervorragenden Rande des Kreuzbeines be» 
ginnend, längs der inneren Bogenlinien des Hüft« 

eines bis vorwärts au den oberen Wand der 
Scooßbeinvereinigung verläuft und als obere B— 
Öffnung oder Eingang des Heinen B-8 bezeichnet 
wird. Das große B. ift der oberhalb derjelben 
gelegene, zur Seite von den Darmbeinen be- 
grenzte, das Meine B. der unter jener Linie be 
findlihe, von dem Kreuz. und Steifbeine, dei 
Sitz n. Schooßbeinen umſchloſſene Raum; letzteres 
wird nach unten begrenzt durch eine Linie, die 
vom fetten Steigbeine zu beiden Seiten über die 
großen Geiten-B-bänder und längs dem unteren 
Rande des auffteigenden Ajtes des Sitzbeines herauf 
bis zu dem Bogen des Schoofbeines gezogen wird 
(untere B-öffnung, Ausgang des B⸗s). Der innere 
Raum eines normal gebauten weiblihen B-$ hat 
folgende Dimenfionen: a) Im großen B.: größter 
Abftand der Hüftbeinfänme in ihrer Mitte 24 bis 
27 cm; Abftand eines oberen vorderen Hiüftbein- 
ſtachels von dem der anderen Seite 22—24 cm; Tiefe 
des großen B-8 von der inneren Bogenlinie bis 
zu gleiher Höhe mit der Mitte des Kammes 
7,, em; Umfang 35—41 cm. b) In deroberen 
B-öffnung: Querdurchmeſſer (Diameter) von 
ber Mitte der bogenförmigen Linie einer Seite zu 
der anderen beim Manne 10, em, beim Weibe 
11,, cm; gerader Durchmeſſer (Conjugata) vom 
Promontorium des Kreuzbeines zum oberen Rande 
der Schooßbeinverbindung b. M. 10, cm, b. ®. 
12,, em; fchiefer Durchmefjer (Diameter obliquus 
8. Deventeri) von der Kreuzbeinhüfibeinverbindung 
einer Seite zu der Stelle, wo fih das Darmſtück 
u. Schooßftüd des Hüftfnochens der anderen Seite 
vereinigen, b. M. 12,, cm, b. W. 12, cm; Um- 
fang: 35cmb.M., 43cm b. W. c) Mittlerer 
Theil des Meinen B-s: gerader Durchmeſſer 
von dem oberen Rande des 3. falſchen Wirbels des 


lumbalia) gehen von dem Hüftbeinfamme zu den u. bis zur Mitte des Schambogens 


Lendenwirbeln. 


Man unterfcheivet ein oberes n.|b, 


10, cm, b. W. 12,5 cm; Querdurd« 


Beden. 


mefler, oberer: von der höchſtgelegenen Stellejdie Verbindun 
der PBianmenfläche einer Seite zu der anderen 
12,, em 6. ®,; unterer: von 


10, cm b. M., 
einem Sitbeinftachel zum anderen 10,, em; ſchie— 
ſet Durchmefjer von der Bereinigung des aufftei- 


genden Altes des Sitsbeines und des abfteigenden 


des Schoofbeines einer Seite zu dem Hüftbein- 
ausihnitte der anderen 12, cm b. M., 12, cm 
6. W.; Umfang: 40—43 cm. d) Untere B- 
öffnung: Querdurchmeſſer von einem Sitfnor- 


ren zum anderen 11,, cın; gerader Durchmeffer 
von der Mitte des Schambogens bis zur Spige 


der Steigbeine 8 cm b. M., u. b. W. 11,, cm, 
durh Zurüdbiegung der legteren noch um 1,, cm 
bis höchſtens 2, em zu erweitern; Umfang 
28, cm, refp. 32,, em. e) Die Höhe des gan- 
zen B⸗s beträgt im mittleren Maße 18—19 cm. 
Die Aushöhlımg des Kreuzbeines beträgt 1,, bis 
1,, em, höchſtens 2, em; die Stärke deſſelben 
an feiner Bajis 4 cm; die Stärke der Schooß- 
beinvereinigung 1,, cm; weshalb man von dem 
an einem Lebenden von außen genommenen Maße 
5, cm u. außerdem ein Geringes für die Haut- 
Sededungen abzurechnen hat. Zur Ausmeſſung 
des Bes gibt e8 verfchiedene Juſtrumente (B.- 
meifer), den BPelvimeter u. Klifeometer (ſ. d.), 
leßterer dient zur eig Aa B-neigung, d.h. 
der jchiefen Richtung des B-8 gegen den Horizont 
bei aufredhter Stellung der Perſon; erfterer bei. 
für das meiblihe B. rüdfihtlih ber Geburt. 
Migbildung des B⸗s (B-abmweihungen) find eine 
der gewöhnlichſten Urfachen ſchwerer Geburten. 
Man rechnet dahin ein zu weites B., wodurch 
der Durchgang des Kindes zwar erleichtert, aber 
auch auf eine für die Gebärende in ihren Folgen 
nacht heilige Weife zu fehr beichleunigt wird; em 
zu enges B. (bei weniger als 8cm der B-burdh- 
mefjer fann nur ein jehr Meines u. unreifes Sind 
mit großer Anftrengung von ſelbſt geboren wer— 
den); Knochenauswüchſe in der Brhöhle, melde 
die Bröffnungen verengen; Berfnöcerung der 
Schambeinverbindung; zu ftarfe Zurüdbeugung 
des B⸗s; Sciefheit des B-3 mad) einer Seite; 
Mißverhältniß der Brdurchmefler, was beſ. häufig 
bei verwachſenen Perſonen ftattfindet. Das B. 
erreicht feine vollftändige Ausbildung erft in den 
fpäteren Jahren. Im Hitftlnochen zeigen fich beim 
reifen Kinde nur 3 Knochenlerne, die ſich all- 
mäblich vergrößern u. erfi im 6. Lebensjahre in 
der Pfannue ſich erreichen u. deren fefte Verwachſ⸗ 
ung erft im 14.—16. Jahre erfolgt. Das Kreuz- 
bein bat beim reifen Kinde in jedem ber 8 
oberen falihen Wirbel 5, in jedem der 2 unteren 
3 Knochenkerne. Die gg Berlnöherung und 
Berwadhjung der faljchen Wirbel erfolgt erjt nad 
dem 11. Jahre. Die Steigbeine find bei der Ge- 
burt ganz fmorpelig u. werben zum Theil erft im 
14.—20. Jahre zn Knochen. 

B. Das B. der Säugethiere geht, wie das der 
Menihen, aus 3 Stüden (Darm, Sit- u. Scham- 
dein) hervor, welche hier wie dort zu einem ein— 
zigen Hüftbeine verfhmelzen. Das Darmbein ver- 
bindet fi mit einer ſehr verjchiebenen Anzahl 
von Wirbein, bei manden Ebentaten geht aud) 
das Sigbein Berbindungen mit dem Kreuzbeine 


75 


der beiden Hüftbeine auf die 
Schambeine. Doch ift auch bei den Affen durd) 
eine lange Schambeinfuge u. ein ſchmales Krenz- 
bein eine langgeftredte B»form bebingt, weldye 
ih auch noch durch geringe Breite u. geringeres 
Auseinanderweichen der Darmbeine von der 
menschlichen unterfcheidet. Bei den niederen Ord— 
nungen tritt die Abhnlichkeit des B⸗s mit dem 
— noch mehr zurück; daſſelbe wird ſehr 
lang, u. auch die Sitzbeine ſtoßen in einer vor— 
deren Fuge zuſammen, fo bei vielen Huf-, Nage— 
u. Beutelthieren. Bei manden, 3. B. Flatter— 
thieren u. Inſectenfreſſern, findet fih an Stelle 
der Schambeinſymphyſe eine bloße Bandverbind- 
ung, welde den weiblichen Individuen eine be- 
deutende B-ausdehnung ermöglicht, Bor dei 
Schambernen von Kloaken- u. Beutelthieren finden 
ih noch 2 befondere, aufwärts gerichtete Knochen— 
ftüde, welche wegen ihrer Beziehungen zu der 
Bentelbildung Beutellnochen genannt werden. 
Dur den Mangel der ——— bei den 
Walen erleidet der B-gürtel eine Rückbildung, er 
wird durch 2 umter fih u. von der Wirbelfäule 
— Knochen, rudimentäre Scham- u. City 
eine, dargeftellt. Bei den Vögeln verbinden fich 
die 3 Stüde frühzeitig; das Darmbein erlanaı 
eine beträchtliche Ausdehnung u. geht, wie au) 
die langgeftredten Sitbeine, eine Verbindung mit 
einer größeren Wirbelzahl ein; die Schambeine 
find vorn nur noch beim afrikanischen Strauße 
verbunden. Sonft ift das B. vorn offen. Bei 
den Reptilien ift das Darmbein ſchmal u. ver: 
bindet fich bei den Krofodilen, Eidechſen u. Schild— 
fröten nur noch mit 2 Wirbeln. Die Schamfit- 
beine, urfprünglich einfach, werden durch ein Fenſter 
in einen borderen, das Schambein, u. einen hin— 
teren, das Sitbein repräfentirenden Aſt getheilt. 
Das Schamfigbein der Krofodile ift einfah; vor 
ihm Tiegt ein feiner Knochen, welcher zumeilen als 
Schambein aufgejaßt wurde, Nocd mehr verein» 
faht ift das B. der Ampbibien, Bei den 
Fröſchen find noch die langen u. ſchmalen Darın- 
beine mit den Scham- u. Sitbeinen vereinigt; 
bei den geſchwänzten Amphibien dagegen nicht 
mehr. Bei den Fiſchen endlich liegt dem B— 
gürtel nur ein einfaches Knorpelftüd zu Grunde; 
dieſes trennt fi bei den Ganotd- u. den Knochen- 
fiihen in 2 Theile, welche zumeilen durch eine 
Naht, zuweilen dur ein Band mit einander ver- 
bunden find; auch treten fie verfchieden weit nad) 
born, um fich bei den Kehlfloffern jogar mit dem 
Schultergürtel zu vereinen, Bei den übrigen 
Fiſchen iſt es meift ein einfaches Stück. — Im 
Allgemeinen nähert ſich die Bildung des B-gürtels 
der Wirbeithiere um jo mehr der Ihres Scyulter- 
gürtels, je gleichartiger die Aufgabe der beiden Ex— 
tremitätenpaare ift; diefe Homologie ift aljo bei 
Ihwimmenden, friechenden od, laufenden Thieren 
größer, als bei fliegenden u. fpringenden. 
A) Berns.“ B) Thome. 

Beden, 1) Gefäß, welches breiter als tief ift, 
meift von Metall. 2) (Türkiſche B., Einellen, 
ital. Piatti, Cinelli, fr. Cymbales) Dinne Metall: 
telfer, in der Mitte mit einer halbrunden, bedenar- 
tigen Vertiefung, durch welche lederne Niemen zum 


ein. Bei den höheren Orbnungen beſchränkt ſich Halten gehen; fie werden, ftreifend an einander 


76 


geſchlagen, bei der Fanitiharenmufik gebraucht, 
um einzelne Stellen durch ihren hellen, fräftigen 
Klang hervorzuheben. Nur die türkischen u. hir 
nefiihen B. haben einen ſchönen metallreichen 
Ton; fie beitehen aus einer Miihung von ’/; 
Zinn u. %, Kupfer, welche gegoffen, ſchnell ab- 
gekühlt, dann gehämmert u. endlich durch nod- 
maliges Erhigen u. langſames Abkühlen jpröde u. 
Hangreich werden; fie bewirlen in Verbindung mit 
der großen Trommel eine jhärfere Hervorhebung 
des Rhythmus, verleihen zugleich den Zonftüden 
einen energiichen Charakter, welcher je nad der 
Anlage feftlih, pomphaft, aber aud fremdartig 
wid fein fan, 3) So v. w. Balfın. 4) Jede 
Einſenkung des Terrains, ob fie von Waſſer aus— 
gefüllt ift (See- oder Meeres⸗-B.), od. nicht (Land⸗ 

.); legtere find für die Entwidelung von Fluß— 
ſyſtemen befonders günſtig. 5) Muldenförmige 
Geſteinbildungen, früher Yand» oder See-B., bei. 
für Koblenablagerungen (Kohlen-B.) gebraudt. 

Beckenachſe (Axis pelvis), die Nnie, melde 
mitten durch das meiblihe Beden hindurd von 
der oberen zur unteren Bedenöffnung gedacht 
wird, um danach den Durchgang des Kindes bei 
der Geburt zu beftimmen. 

Bedenarterie (Hypogaftriihe od. Unterbaud- 
arterie, Arteria hypogastrica s. pelvica), inne- 
rer Stamm der Hüftarterien; theilt ſich gewöhnlich 
in einen hinteren n, einen vorderen Aft, doch fin- 
den bier u. in dem weiteren Berzweigungen häu- 
fige u. bedeutende Abweichungen ftatt. a) Aus 
dem binteren Aſte ri; gewöhnlich: die 
Sjleofumbalarterie (Arteria ileolumbalis), welche 
in der Gegend der Kreuzbüftbeinverbindung einen 
auffteigenden, an die Muskeln Zweige gebenden 
u, mit der letzten Sendenarterie ſich vereintgenden, 
ſowie einen abfteigenden, an mehrere Musfeln u. 
das Darınbein Zweige gebenden u. mit der um— 
ſchlungenen Hiüftarterie anaftomofirenden Zweig 
ubgibt; die Geitenarterie des Kreuzbeines (Arteria 
sacralis lateralis), die vor den vorderen Löchern 
des Kreuzbeines herabfteigt u. innere Zweige an 
den Knochen, äußere durch die Löcher an das 
Rückenmark u. zum Theil dur die Hinteren 
Löcher wieder heraustretend an die hintere Fläche 
des Kreuzknochens abgibt; die Hiftbeinlocdharterie 
(Arteria obturatoria) tritt durch den Ausjchnitt 
des eifürmigen Loces aus dem Beden heraus, 
theilt fich in einen inneren u. einen äußeren Zweig 
u. gebt an die obturatorifche Membran, mehrere 
Muskeln u. den Knochen; die hintere Hüftarterie 
(Arteria iliaca posterior s. glutaea superior), 
der ftärfjte Zweig dieſes Aftes, gebt nad unten, 
außen u. vorn, durch den Hiüftbeimausichnitt her 
aus und an im Becken u. außerhalb gelegene 
Muskeln. b) Aus dem vorderen Afte kommen: 
die Sigbeinarterie (Arteria ischiadiea s. glutaea 


Beckenachſe — Bedenvene. 


toris in die genannten Theile. Die Nabelarterie 
(Arteria umbilicalis) ift im neugeborenen Finde 
der ftärffte u. wichtigfte Zweig ber B., geht an 
beiden Seiten an der Harnblafe in die Höhe u. 
durh den Nabel in die Nabelichnur, verwächſt 
nach der Geburt unterhalb des Nabels zu dem 
Seitenbande derHarnblafe (Ligamentum laterale 
vesicae urinariae). Aus dem Unfangstheil der 
Arterie entfpringen obere u. untere Harnblajens, 
mittlere Hämorrhoidale, Scheiden u. Gebärmut« 
terarterien. 

Bedenbänder, ſ. u. Beden. 

Bedenbinde (Fascia pelvis), die von dem 
Bauchfell bededte, das ganze fleine Beden innen 
überziehende Sehnenhaut. 

Bedendrüjen, die Driüfen des Iymphatiichen 
Bedengeflechtes, welches an den Gefäßen der Beden- 
arterie liegt. Sie nehmen die Lymphgefäße des 
tieferen Theils des Geſäßes, der Hüftlochgegend, 
der Darmbeinlendengegend, der Harn u. Samen- 
blajen, Proftata, Scheide, des unteren Uterus, des 
Gliedes u. Kitzlers, des Hodenfades u, der Scham« 
lippen, des Darmes u. Aiters auf. 

Beckenmeſſer (Belvimeter), mehr oder weni« 
ger zirkelförmiges Inſtrument zur Beurtbeilung 
der Mafverhältniffe des weiblichen Bedens. 

Beckennerven entjtehen als oberes Beden- 
geriet (Plexus hypogastricus superior) u. untere 
Bedengeflehte (Plexus hypogastriei inferiores), 
u. zwar erjteres aus dem Xortengeflecdhte u. dem 
unteren Bedenganglienfnoten, legtere aus der 
Fortjepung des vorigen, Zweigen der Kreuzbein- 
fnoten u. des 3. u. 4. Kreuzbeinnervs. Aus den 
beiden unteren Geflechten entfteht das Maftdarm« 
gefledht (Plexus haemorrhoidalis), Blajengeflecht 
(Pl. vesicalis), Gebärmuttergeflecht (Pl. uterinus), 
Proftatagefleht (Pl. prostaticus), Geflecht des Zell» 
förpers der Ruthe (Pl. cavernosus penis). 

Bedenried (Beggenried), Dorf im Schweizer 
fanton Unterwaldeu, Halblanton Nidwalden, am 
Vierwaldftätterfee; einjt Berfammlungsort der Kan 
tone Schwyz, Uri, Unterwalden u. uzern bei ge 
meinihaftlihen Berathungen; jett viel bejuchter 
Aufenthalt von Reiſenden; Yandungsplag; guter 
Käfe (Mayenzieger); 1350 Em. 

Bedeniump iR; die Verbindung der zwei 
Schambeine unter einander u. die der als 
mit den Krenzbeinen. Sie laffen einige Dehnung 
zu (falls fie micht krankhaft verfuöchert find), was 
bei der Geburt von Wichtigkeit ift, wenn auch die 
dadurh möglihe Raumſchaffung noch fo gering 
ausfällt. 

Beckenvene (Vena hypogastriea) ; ergießt ſich 
in die Hüftvene, wird aus mehreren, dem Laufe 
der gleichnamigen Bedenarterien folgenden Bwei- 
gen, als: Fleolumbal-, Kreuzbein-, Hüftbeinloch- 
vene 2c, gebildet, im welche fich ſehr zahlreiche 


inferior) gibt außer Zweigen an Muskeln, Bän-| Zweige ergießen, die zum Theil aus bejonderen 
der, die Harnblafe, den Maſtdarm u. das Schentel-| Venengeflechten entipringen. Solche Benengeflechte 
gelenk die Steißbeinarterie (Arteria coccygea)|find: das Blafengeflecht — vesicalis) 
ab, die an die Schließmusleln des Afters geht; umgibt die Harnblaſe, aus ihm die Harnblajen- 
die innere ober gemeinjchaftliche Schamarterie |venen; das Maſtdarmgeflecht (Pl. haemorrhoidalis) 
(Arteria pudenda communis) vertheilt ſich als umgibt den im Beden liegenden Theil des Maft« 
mittlere u. äußere Hämorrhoidal-, untere Harn-|darınes, aus ihm die Maftdarnıvenen (Venae 
blafen», Mittelfleifch- (Damm-), Scrotal-Arterie, haemorrhoidales) u. andere Zweige. Das innere 
Nüden- u. tiefe Arterie der Ruthe oder der Eli Schamgeflecht nimmt beim männlichen Geſchlechte 


Beder. 


77 


die Benen der Proftata, des Penis, der Samen-|1798—1800, 3 Bdchen.; außerdem: Taſchenbuch 


bläshen auf, beſteht beim Weibe aus dem Schei- 
den u. Gebärmuttergeflehte u. fteht mit dem 
Samenvenen-, Harnblafen- u. Maftdarmaeflechte 
m Berbindung; das äußere Schamgeflecht, äußer- 
fh am Beden gelegen, gehört den äußeren Ge- 
Ihlechtstheilen an u. ergießt ſich in die Sitzbein— 
u. äußeren Schamvenen; das Kreuzbeingeflecht, an 
der vorderen Fläche des Kreuzbeines gelegen, ftebt 
mit den jeitlichen Kreuzbeinvenen in Berbindung; 
das Hüftinustelgeflecht, auf der dem Beden zuge- 
wandten Fläche des Muslkels gelegen, entleert ſich 
durch die Ileolumbalvenen. 

eder, County im nordamerifan. Unionsftaate 
Minnejota, unter 46° n. B. u. 95° w. &,, faft 
genan im Mittelpunfte NAmerifas, im höchſt 
fruchtbaren Gebiete des Red-River of the North 
gelegen; batte 1870 noch nicht mehr als 308 Ew., 
deren Zahl. aber fchnell zunimmt; wurde zu 
Ehren des um den jungen Staat hochverdienten 
Senators B. benannt. 

Beder, 1) Rudolf Zacharias, Volksſchrift- 
fteller, geb. 9. April 1752 zu Erfurt; ftudirte in 
Jena Theologie, wurde 1782 Lehrer am Philan- 
thropin zu Deffau, 309 1783 nad) Gotha, begrün- 
dete bier 1797 eine Buchhandlung u. wurde 1802 
fürftlich fondershaufiicher Hofrath; im Nov. 1811 
ward er wegen eines Aufjages in der National- 
zeitung buch franzöfifhe Gensdarmen verhaftet 
u. bis Wpril 1813 zu Magdeburg in firenger 
Berwahrung gehalten (er bejchrieb diefe in: Yeiden 
n. Freuden in 17monatlicher franz. Gefangenichait, 
Gotha 1814) u. erft auf Fürbitte des Herzogs 
Auguſt ven Gotha.bei Napoleon freigelaflen; er 
fl. 28. März 1822. Er gab heraus: Deſſauiſche 
Zeitung für die Jugend u. ihre Freunde, 1782 f., 
jeit 1784 als Deutiche Zeitung für die Jugend zc,, 
von 1796 an aber. die Nationalzeitung dev Deut- 
fhen, daneben 1791 den Anzeiger, von 1793 an 
Heihs-Anzeiger u. ſeit 1806 Allgemeiner Anzeis 
ger der Deutichen genannt, heraus. Sein Noth- 
u. Hilfsbüchlein oder lehrreiche Geſchichte des 
Dorfes Mildheim, Gotha 1788 f., 2 Bbde., n. Aufl., 
1833, 2 Bbe., u. fein Mildheimiſches Liederbuch, 
ebd. 1799, 8. Aufl., 1837, Haben zur Bildung 
des Volles viel beigetragen; er jchr. außerdem 
Borlejungen über die Pflichten u. Rechte der 
Menihen, Gotha 1791 f., 2 Bde.; Das Eigen- 
thumsrecht an Geifteswerfen, Frankfurt 1789; 
Mildheimiſches Evangelienbuch, 1816; gab heraus: 
Holzichnitte alter deutjcher Meifter, ebd. 1808—16, 
3 Lıef. 2) Wilhelm Gottlieb, Belletrift u. 
Kunftichriftfteller, geb. 4.Nov. 1753 zu Kalenberg 
im Schönburgiihen; ſtudirte ſeit 1773 iu Leipzig 
die Rechte, war 1776—1777 Lehrer an dem Phi— 
lanthropin zu Deffau, lebte dann in der Schweiz 
u. auf Reifen, wurde 1782 Profeffor der Moral 
an der Nitterafademie in Dresven u. 1795 Auf- 
jeher über die Antifengalerie u. das Miinzcabinet, 
1805 auch über das Griine Gewölbe; er ft. 3. 
Juni 1813 zu Dresden. B. fchrieb eine Reihe 
ammutbiger Gedichte u. Erzählungen. Die vor- 
züglichften enthält fein Taſcheubuch zum gefelligen 
Vergnügen, Lpz. 1794—1815; an ebd, 
1796— 1810, 8 Boden, (1808—10 unter dem 


fir Gartenfreunde, Lpz. 1795—99, 5 Jahrg.; 
Garten- und re re er 1798 f., 
4 Hefte; Der Plauenihe Grund, Nürnberg 
1799; Das Seifersdorfer Thal, Lpz. 1800, 4 
Hefte, u. gab heraus: Des Erasmus Lob der 
Narrheit, Baf. 1780, Berl. 1781; Das Augu— 
fteum (Dresdens antile Denkmäler), Dresd. 1805 
bis 1809, 2 Bde. gr. Fol., 2. Aufl., Lpz. 1832 
bis 1837; Zweihundert jeliene Münzen des Mit: 
telalters, Lpz. 1813. 8) Karl Ferdinand, 
deutſcher Sprachforicher, geb. 14. April 1775 zu 
Lifer im Trierichen; wurde 1794 Lehrer am Jo— 
fephinum zu Hildesheim, ftudirte 1799 im Göt— 
tigen noch Medicin, prakticirte jeit 1803 zu Hörter, 
wurde 1810 Unterdirector der Pulver- u. Sal— 
peterbereitung fiir das Departement der Leine u. 
des Harzes zu Göttingen u. 1813 bei der Cen— 
tralhofpitalverwaltung für Die Heere der Verbin: 
deten angeftellt; jeit 1815 prafticirte er in Offen— 
bach u. errichtete 1823 ein Erziehungsinftitut; er ft. 
5. Sept. 1849. 8, ſchr.: Über die Wirkung der 
Wärme u. Kälte auf den menfchlihen Korper 
(Breisfchr.), Gött. 1802; Über das Petechialfieber, 
1812; Die deutihe Wortbildung, Frankf. 1824; 
Deutiche Sprachlehre, ebd. 1827; Deutiche Sram: 
matif, ebd. 1829; Schulgrammatif der deutichen 
Sprache, ebd. 1831, 9. A. von Theod. B., 1870; 
Ausführliche deutihe Grammatif, 1836—1839, 3 
Tble., 2. Aufl., 1842; Yeitfaden xc., 1833, 8. A., 
1864; Das Wort in feiner organiſchen Bedeutung, 
1833; Organismus der deutschen Sprache, 1841f.; 
Der deutihe St, 1848; Lehrbuch des deutſchen 
Ztils, herausgegeben von Theod. B., 1850, 2. 
Aufl., Prag 1870. 4) Karl Friedrich, der 
befannte Gefchichtichreiber, geb. 1777 zu Berlin; 
jtudirte in Halle Philoſophie u. Geſchichte, wurde 
1798 Mitglied des Seminars für gelehrte Schufen 
in Berlin; er privatifirte feit 1800 daſelbſt u. ft. 
15. März 1806. B. verfafte die befannte Welt- 
geſchichte für Kinder u. Kinderlehrer, 1801—5, 9 
Bde, melde in Bd. 10—12 von Woltmann u. 
K. A. Menzel fortgefegt wurde u. durch die Über- 
arbeitungen von Loebell, Berl., 7. A. 1841—43, 
14 Bde., u. Schmidt, 8. A., ebd. 1860-64 
(ergänzt von E. Arnd, 4. A., 1874), 22 Bde., 
einen größeren woiffenfchaftlihen Werth erhielt, 
aber die Originalität ihrer Darftellungsmeife ein» 
büßte. B. fchrieb ferner: Erzählungen aus der 
alten Welt, Halle 1802, 3 Bde, 9 A. von Ed: 
ftein, 1857, dazu ein 4. Theil von Günther, Halle 
1842; Die Dichtkunſt aus dem Gefichtspunfte des 
Hifterifers, Berl, 1803. 5) Wilhelm Adolf, 
— * von Bedeutung, Sohn von B. 2), geb. 
1796 zu Dresden; ſtudirte ſeit 1812 in Schul— 
pforta u. feit 1816 im Leipzig Philologie, wurde 
1822 Gonrector zu Zerbſt, 1828 Profejfar zu 
Meigen, 1837 Profeſſor der claſſiſchen Alterthums— 
kunde an der Univerfität Leipzig u. bereifte 1840 
Italien; ftarb 30. Sept. 1846 zu Meißen. Er 
ihr. De comicis Romanorum fabulis, %p3. 1837; 
die enlturgeihichtlichen Romane: Gallus od. römi» 
che Scenen aus der Zeit des Auguflus, 1838, 2 
Thle., 3. Aufl., 1863, 3 Thle., engl. von Met— 
calfe, 1844, u. Chariffes od. Bilder altgriechifcher 


Titel: Neue Erholungen); Darftellungen, ebd. | Sitten, 1840, 2. Aufl., 1854, engl. von Metcalfe 


78 


Becker. 


1845; Handbuch der römiſchen Alterthümer, 2Mairevolution (mit Eſſelen), Genf 1849. 8) Ju- 


Thle., 1843—46, fortgefeßt von Marquardt bis 
zum 5. Thl., 1859—1868. B. gab heraus die 
Schrift des Ariftoteles vom Schlaf u. Wachen, 
1823; Elegia rom., 1827, u.die 2. Ausgabe von 
feines Baters Augufteum, 1832—34. 6) Karl 
Ferdinand, bedeutender Mufifer, geb. 17. Juli 
1804 zu Leipzig; bildete fi zum Klavierfpieler, 
wandte fi” aber jpäter ganz dem Studium der 
Drgel zu, wurde 1825 Organiſt an der Petri- 
firde, 1837 an der Nicolailirche feiner Baterftadt 
n. 1843 Lehrer des Orgel- u. Partiturjpiels am 
dortigen Gonfervatorium der Muſik. Seit 1856 
privatifirt er bei feipzig. Er fhr.: Rathgeber für 
Organiften, Leipz. 1828; Sammlung von Chor» 
älen aus dem 16. u. 17. Jahrh., daf. 1831; 
Syſtematiſch⸗chronologiſche Darftelung der muſi— 
falifchen Literatur, daſ. 1836, Nachtrag 1839; 
Die Hausmufit in Deutfchland im 16., 17. u. 18. 
ahık, 2c., daj. 1840; Evangel. Choralbud) zc., 
daf. 1841; Choralgefänge zu Spittas Pjalter u. 
Harfe, daf. 1841,; Sebaftian Bachs vierfiimmige 
Shoralgejänge, daj.; Die Tonwerfe des 16. u. 17. 
Jahrh., daf. 1847, 2.4., 1855; Lieder u. Weiſen 
vergangener Jahrhunderte, daf. 1849, 2.U.,1852; 
Die Tontünftler des 19. Jahrh., daf. 1850; Ber- 
zeihnig einer Sammlung muſilaliſcher Schriften, 
2. 4.,1846. Die Choralfammlungen der verfdie- 
denen hriftlichen Kirchen, daf. 1845. Außerdem 
betheiligte er fi) als Redacteur eine Zeit lang an 
der Allgemeinen mufifaliihen Zeitung und als 
Mitarbeiter an Schumanns Neuer Zeitfchrift für 
Muſik. Sein Evangelifches Choralbudy wurde in 
den Leipziger Kirchen eingeführt. Seit 1856 hat 
er fih ins Privatleben zurüdgezogen u. lebt zu 
Plagwitz bei Leipzig. 7) Johann Philipp, be- 
lanuter Radicaler, geb. 19. März 1809 zu Fran— 
fenthal in der Pfalz; wurde Bürftenbinder, bethei- 
ligte ſich aber jeit der Julirevolution 1830 als 
Nadicaler an der Bolitif; in feinem Baterlande 
deshalb mehreren Unannehmlichkeiten ausgefetst, 
wendete er fich 1837 mad der Schweiz, wo er 
1846 in Biel das Bürgerredht erwarb, eines der 
Häupter der deutfch-demofratiihen Propaganda 
in der Schweiz wurde u. 1847 in Ochfenbeins 
Stabe als Adjutant am Sonderbundskriege Theil 
nahm, Als im April 1848 der republifamijche 
Aufftand in Baden ausbrad, führte B. ein Corps 
Deutfher aus der Schweiz dahin, zog fich aber 
nah dem Mißlingen des Attentat$ nach der 
Schweiz zurüd. Im Mai 1849 wurde er von 
dem Landesausihuß in Baden zum Gomman- 
danten der Bollswehr ernannt, zog mad der 
heliichen Grenze und machte dort, zum Ober- 
befehlshaber der Heeresabtheilung im Odenwalde 
ernannt, den Julilampf mit, nach deffen für die 
Aufftändiihen unglücklichem Ausgange er nach der 
Schmeiz entlam. Hier lebte er erft in Genf u. 
verband ſich mit den Socialiften, wandte fich aber, 
nach dem Fehlſchlagen mehrerer induftriellen Unter- 
nehmungen, 1860 nad Paris; 1862 kehrte er 
nad Senf zurüd u. jchloß fih der Partei Fazys 
an. ‚Seine ferneren Verſuche, fih dur die Gründ- 
ung eines republifanifhen Vollsbundes in die 
deutschen Angelegenheiten zu mengen, hatten kei— 
nerlei Erfolg. Er ſchr.: Geſch. der ſüddeutſchen 


lius, Gomponift u. muſilal. Schriftfteller, geb. 
3. Febr. 1811 zu Freiberg; ging nad Leipzig, 
um fi philoſophiſchen Studien u. der Muſiklehre 
zu widmen, u. trat bier zuerft als mufifaliich- 
belletriftiicher Schriftfteler n. jpäter ald Compo- 
nift auf. Geit 1846 lebte er zurüdgezogen in 
Hortöpnig bei Dresden u. ft. dort 16. Febr. 1859. 
Er fhr.: Die Neuromantifer, Lpz. 1840, 2 Bbde.; 
Kleebein u. Compagnie, ebd. 1841; Harmonielehre, 
ebd. 1842; ferner Yiedercompofitionen, eine Oper 
(bie Belagerung von Belgrad) u. eine Symphonie. 
9) Nikolaus, der Dichter des Mheinliedes, 
geb. 15. Jan. 1810 zu Bonn; ſtudirte anfangs 
die Rechte zu Bonn, verließ aber dies Studium, 
um bei einem Gerichtsichreiber zu Geilenfirchen 
zu arbeiten. Er dichtete 1840 das Lied: Sie 
jolfen ihn nicht haben, welches über 70 Compo« 
fittionen erlebte u. fchnell dur ganz Deutjchland 
als Demonftration gegen Frankreich verbreitet 
wurde; ererhielt dafür von Friedrich Wilhelm IV. 
ein Honorar von 1000 Thlr. u. wurde Gerichts- 
Ihreiber in Köln. B. ft. 28. Aug. 1845 zu Gei- 
lenfirhen. Seine fonftigen Gedichte find ohne 
Bedeutung. 10) Jakob, Genremaler, geb. 1810 
zu Dittelsheim bei Worms; Huldigte im Aufange 
jeiner Laufbahn der romantischen Richtung, wandte 
ſich aber fpäter ganz entſchieden der Darftellung 
ländliher Scenen zu. Seine Erfindungsgabe ift 
nicht unbedeutend; doch wirden feine Bilder durch 
etwas meniger Fdealifirung der dem Leben ent- 
nommenen wmeift zu zarten Geftalten gewinnen. 
Sein Eolorit könnte etwas kräftiger fein. Aus» 
gezeichnet dagegen ift er in der friichen, lebens— 
vollen Auffafjung des wirklichen Lebens u. im 
flaren, leicht verftändlichen Ausdrude,. Auf dieBe- 
handlung ber Landſchaft verfteht er fich trefflich 
u. verleiht ihr meift einen beftimmten Charafter. 
Humoriſtiſche Scenen gelingen ihn nicht befonders; 
dagegen ift er der Meifter der ländlichen Tragödie. 
Sein beftes u. durchgreifendſtes Bild ftellt vom 
Gemitter überrafchte Landleute des Weftermaldes 
vor, die eben ihr Dorf in Flammen erbliden. 
Daran reiben fih fein vom Blig erfchlagener 
Schäfer, fein heimkehrender Krieger am Grabe 
jeiner Eltern, feine betende Bauernfamilie u. a. 
Eine gewiſſe peinliche Sentimentalität ward B. nie 
08. Seit 1840 fcheint er ins Kleinliche binein- 
erathen zu fein. In der fandichaft war Schirmer 
Kin Lehrer. 1840 ward B. Profeffor der Land— 
ihafts- u, Genremalerei am Städelſchen Inſtitut 
in frankfurt a. M., wo er 22. Dec. 1872 ftarb. 
Au als Porträtmaler erfreute B. ſich eines guten 
Namens, 11) Hermann Heinrich, Oberbürger- — 
meifter der Stadt Köln, gen. der rothe Beder, geb. 
15. Sept. 1820 zu Elberfeld; ſtud. in Heidelberg, 
Boun u. Berlin Redts- u. Staatswiffenfchaften, be« 
theiligte ſich als Publicift u. Redner an den Ereig- 
niffen von 1848 u. 49, büßte dafür mit Feftungs« 
haft u. widmetefich nachher dem Dienfte der Stadt 
Dortmund, wo er 1870 Oberbürgermeifter wurde. 
Im au. 1875 wurde er zum Öberbürgermeifter 
von Köln erwählt. Seit 1862 faß er im preuf. 
Abgeordnetenhaufe, jeit 1872 im SHerrenhauje, 
außerdem im Deutſchen Neichstage. 12) Karl, 
Dialer, geb. 18. Dez. 1820 in Berlin; bildete ſich 


’ 


Bederath. 79 


an der bortigen Alademie u. feit 1841 in Mün- 
den, dann in Paris u. Rom, B. kann als der 
Schöpfer des jog. venetianifchen Genre betrachtet 
werden. Seime einichlägigen Bilder athmen eine 
gewiſſe frobe Behaglichleit, u. Die Figuren bewegen 
ch in ihrem reizenden u. echt malerischem Coftiim 
mit der größten Friſche u. Unbefangenheit. Dahin 
ve u.a.: Die Audienz beim Dogen; Der ver- 
otene Eingang; Im Borzimmer; Beſuch; Mädchen 
mit der Laute 2c. Zeigt fih B. hier als Künftler, 
der es verfteht, jeine ——— lebendig u. unter 
Umftänden pilant in Scene zu ſetzen, u. entfaltet 
er bier als eigentlicher Salonmaler eine feltene 
Meifterihaft des coloriftiihen Vortrages, jo ver» 
einigt fih im feinen hiftorifhen Compofitionen, 
wie in feinem Beſuche Karls V. bei Fugger in 
Augsburg u. in feiner Inquifitionsfcene das ibealc 
Motiv ala gleichberechtigtes Element mit der colo- 
riſtiſchen Wirkung. B. ift jeit 1862 Mitglied der 
Berliner Alademie. 18) Auguft, deuticher Dich- 
ter, geb. 27. April 1828 zu Klingenmünfter in 
der Rheinpfalz; flubirte in Münden, war von 
1849 an Mitarbeiter an den Münchener Leucht- 
fngeln, den Fliegenden Blättern, ——— 
ven 1855 an Correſpondent der Augsb. Allgem. 
Zeitung. 1859 verheirathete er ſich mit einer 
Tochter des Pyrifers Georg Scheuerlin, redigirte 
von da an bis 1864 eine liberale politische Beit- 
ung der großdeutichen Partei, fiedelte dann nad) 
Häbrigem Aufenthalte in. Bayerns Hauptjtadt 
1868 nach Eiſenach über u. fehrte ſchließlich 1875 
nad feiner Heimath, der Aheinpfalz, u. zwar 
nad Landau zurüd. Seine erfte poetiihe Schöpfung 
war ein Igriiches Epos: Yung Friedel, der Spiel- 
mann, Stuttg. 1854, das großen Beifall fand u. 
auch in den eingelegten Liedern u. Balladen viele 
Schönheiten bietet, aber an großer Breite u. 
Ihleppender Handlung franft. An denielben Feh— 
lern leidet ir der fonft ſich durch faubere, Iebens- 
wahre Eharalteriftifen vortheilhaft auszeichnende 
Roman: Des Rabbi Vermächtniß, Berl. 1866, 
6 Bde. In neuerer Zeit entfaltete B. eine große 
Thätigleit auf dem Gebiete des Romans; von 
1868 bis jett (1875) ſchrieb er bereits 7, meift 
mebrbändige Romane; feine jüngfte Arbeit: Meine 
Schweſter, Berl. 1875, 4 Bde., ſchildert das 
Treiben der Lola Montez in Münden u. beleuchtet 
in höchſt intereſſanter Weife die Revolution in 
Bayern im J. 1848. 14) 8. Hugo, deuticher 
andihaftsmaler, geb. 19. Juli 1834 in Wejel, 
der Sohn eines Uhrmachers; bejuchte das Gym- 
naſium feiner Baterfiadt u. ging 1852 an die 
Aademie zu Düffeldorf, wo er fih unter Joh. 

üb. Schirmer bildete, trat 1856 mit feinem 
Opfer der Deutichen zuerft vor das größere Bubli- 
cum u. bereifte dann Weftfalen, fpäter den Ober- 
thein, die Mofel, die Schweiz, die Normandie u. 
die Dftfeegebiete. Überaus entwidelt ift fein 
Talent zur Compofition. Ein anderer feiner Bor- 
säge ift die glüdliche Bereinigung der Staffage 
mit der Landichaft, melch letztere er ausschließlich 
dentihen Motiven entnahm. An dem 1. Bande 
der deutfchen Bilderbogen nahm er lebhaften Au— 
theil u. führte auch die Radirnadel mit Sicherheit. 
15) Jean, bedeutender Biolinvirtuos, geb. 11. 


u. Binc. Lachner; wurde, nachdem er fih auf 
Kunftreifen Schon Auf erworben hatte, Concert» 
meister in feiner Baterftadt, gab diefe Stelle aber 
nach kurzer Zeit wieder auf (1858); im J. 1865 
ließ er fih in Florenz nieder. Befonders berilhmt 
wurde er bier durch die Gründung des fogen. 
Florentiner Duartetts, im welchem er feit 1866 
mit Mafi (2. Violine), Ehioftri (Bratiche) u. Hil- 
pert (Cello) die claffiihe Quartettmuſik gepflegt 
u. auf GConcertreifen im feltener Bollendung zu 
Gehör gebracht hat. 16) Oskar, bekaunt durch 
fein Attentat auf den König Wilhelm I. v. Preu- 
Ben, geb. in Odeſſa 18. Juni 1839; ftudirte feit 
1859 in Leipzig Jurisprudenz u. Gameralia. Er 
verübte am Ben des 14. Juli 1861 im ber 
Lichtenthaler Allee bei Baden-Baden das erwähnte 
Attentat, indem er die beiden Läufe eines Doppel- 
terzerols auf den König abfeuerte, ihn aber nur 
unbedeutend am Halfe verwundete. B., fogleid er» 
griffen, gab als Grund feiner That die Überzeugung 
an, daß der König ein Hinderniß zur Einigung 
Deutichlauds ſei. Von den Aſſiſen in Bruchjal am 
23. Sept. zu 20jähr. Zuchthausftrafe verurtkeilt, 
wurde der Reſt der Strafe auf Fürſprache des 
Königs Wilhelm ihm 20. Oct. 1866 unter der 
Bedingung erlaffen, daß er fernerhin nie wieder 
ein deutiches Land betrete. Er ft. in Alerandria 
16. Juli 1868. 6) Brambad.* 10) 12) 14) Regnet. 
Bederath, 1) Hermann von B., geb. 1801 
zu Krefeld; erlernte daſelbſt die Handlung, gründete 
1838 ein Banlgeſchäft u. erwarb ſich ein bedeus» 
tendes Vermögen; er wurde 1836 Mitglied der 
andelsfammer in Krefeld, 1843 Mitglied der 
Rheiniſchen Landtage zu Düſſeldorf u, Koblenz u. 
1847 Mitglied des erften Vereinigten Landtages 
zu Berlin, wo er die Adreffe auf die Thronvede 
verfaßte u. im feinen Reden fih als einen für 
die Einheit Preußens, ſowie Deutichlands begei- 
fterten Anhänger der liberalen Partei zu erkennen 
gab. 1848 wurde er für Krefeld Abgeordneter 
zur Frankfurter Nationalverfammlung u. gebörte 
bier zum rechten Centrum, Nach der Wahl des 
Erzherzogs Fohann zum Reichsverweſer wurde 
B. im Juli 1848 zum Neichsfinanzminifter er- 
nannt (f. Deutichland, Gejch.); aber im Mai 1849 
legte er fein Mandat als Mitglied der Neichäver- 
ammlung nieder u. ſchied kurz daranf auch aus dem 
Minifterium. Geitdem Mitglied des preuß. Ab» 
eorbnetenhaufes, bethätigte er fich als entichiedener 
egner der Manteuffelichen Bolitit. Im Febr. 
1850 wurde er zum Parlament nach Erfurt ge- 
wählt. Seit 1852 trat er ins Privatleben zurüd 
u. ft. 12. Mai 1870 in Krefeld, 2) Morik von, 
deutscher Hiftorienmaler, geb. 1838 zu Krefeld; be- 
gannjeine Studien 1857 ander Diüffeldorfer Afademie 
unter Foſef Kehren. Zwei Jahre nachher verlief er 
Diüffeldorf, um in Münden bei M. v. Schwind 
feine weitere Ausbildung zu fuchen. Unter feinen 
zahlreichen Arbeiten find Rapoleons Flucht aus 
Moskau, Gög von Berlichingen unter den Zi— 
geunern, der Tod Ulrihs von Württemberg in der 
Schlacht bei Döffingen, feine 5 Blätter: Zeichnungen 
aus der Gejchichte der Meromwinger, fein: Witte 
find ruft die Sachfen zum Kampfe, feine Epijode 
aus der Kimbernichlacht, feine Beſtattung Alarichs 


— 


Mai 1836 in Mannheim, Schüler von Kettenus u. feine fieben Cartons aus dem erſten Kreuzzuge 


f 


80 


Becket — Bedum. 


(1096—99) die befannteften, B⸗s Stärke liegt mehr, fchr. u. a.: Grundfäge der deutſchen Lanbmwirth- 
un der formalen Compofition u. in der fharfen u.|fchaft, Gött. 1769, 6. Ausg. 1806, das erfte Wert, 


harakteriftifchen Zeichnung, als im Colorit. 3) Regnet. 
Bedet, Thomas a (gemwöhnlid St. Thomas 
von Canterbury), Borlämpfer für die päpftliche 
Hierarchie in England, geb. 1119 zu London; 
ftudirte zu Oxford, Paris u. Bologna die Gottes» 
u. Nechtögelahrtheit, wurde 1154 Archidiaconus 
von Canterbury, 1158 Kanzler des Reiches u, 
1162 Erzbiſchof von Canterbury. Er ging feitdem 
von dem Weltleben zu afletiicher Strenge über u. 
lam bald durch fein ernftes Wirken für die Frei- 
heit der Kirche mit feinem früheren Gönner, dem 
König Heinrich IL., in Händel. Als B. 1163 nicht 
in die vom König verlangte Aufhebung der 
Eremtion der geiftl. von der weltl. Gerichtsbarfeit 
willigte u. auc die Anerkennung der von feinen 
Borfahren ererbien Rechte des Königs (Consuetu- 
dines avitae) nur mit der Claufel: unbeichadet 
der Rechte der Kirche, zugeſtand, nöthigte ihn 
einrich II. 1164 zur Annahme der 16 Gonftitu- 
tionen von Clarendon, in welden die Freiheiten 
ber Geiftlihen beſchränkt u. die fünigl. Gemalt 
erweitert wurde, Wegen des Widerrufes dieſes 
Zugeftändnifies auf das Concil von Northampton 
vorgefordert, weigerte fih B., zu ericheinen, u. floh 
vor dem Zorne des Königs nah Frankreich, wo 
Ludwig VII. u. Bapft Alerander III. ihn ſchützten, 
während Heinrich feine Güter einzog. Der Papft 
Alerander III., der 1167 Legaten nah England 
ſchickte, brachte durch diplomatiihe Unterhandluns 
gen u. zulett durch Bedrohung mit Ercommumi- 
cation den König dahin, die Gonftitution von 
Elarendon aufzuheben. Nun kehrte B. der indeh 
auch theitweifen Zugeitändniffen des Papftes an 
Heinrich II. gegenüber unbeugfam geblieben war, 
1170 nad England zurüd, obwol Heinrich II. die 
Zurüdgabe der Kirchengüter troß feines Ber- 
ſprechens verweigerte. Eine Außerung, welche der 
König wegen B-$ fortdauernden Starrfinnes über 
diefen getban, liefen 4 Edelleute den Plan faffen, 
B. zu ermorden, u. fie erftachen ihn am Altar 
zu Canterbury. Päpftliher Bann traf die Mörder 
u. ihre Mitjhuldigen, Heinrich II. mußte ſich eid- 
lid) reinigen, 200 Reiter in Baläftina unterhalten, 
auf alle feine Reformen zur Mäfigung der Kicchen- 
gewalt Berzicht leiften u., nachdem ». 1174 fa- 
nonifirt worden war, an feinem Grabe zu Ean- 
terburg Buße thun. Dies Grab ward ein ftarf 
beſuchter Wallfahrtsort. Tag: 29. December. 
einvich VIII. ließ 1538 feine Gebeine als eines 
Majeftätsverbredher8 verbrennen, feinen Namen 
aus dem Kalender ftreichen u. die auf fein Grab 
gehäuften Opfer, 26 Wagen voll Gold u. Silber, 
in den fönigl. Schat bringen. Bgl. Giles, Life 
and Letters of Th. B., Lond. 1846; Buß, 
Thomas d. Canterbury u. fein Kampf für die 
Freiheit der Kirche, Mainz 1856. Löffler. 
Bekmann, 1) Johann, Gelehrter u. Schrift- 
fteller, geb. 4. Juni 1739 zu Hoya; ftudirte im 


das die Landwirthſchaft in eine wiſſenſchaftliche 
Form brachte; Phyſikaliſch ⸗Olonomiſche Bibliothek, 
ebd. 1770—1806, 33 Bde.; Anleitung zur Tech⸗ 
nologie, eb. 1777, 5. Aufl., 1809; Beiträge zur 
Ökonomie, Technologie, Polizeir u. Cameral- 
wiffenjchaft, ebd. 1779—90, 12 Bde; Beiträge 
zur Geſchichte der Erfindungen, Lpz. 1780—1805, 
5 Bde.; Anleitung zur Handelswiſſenſchaft, 1789; 
Borbereitung zur Waarentunde, Gött. 1793, 
2 Bde; Entwurf der allgemeinen Technologie, 
ebd. 1805; Literatur der älteren Reijebeichreib- 
ungen, ebd. 1807—1810, 2 Bde. 2) Friedrich, 
berühmter Komiler, geb. 13. Jan. 1803 im 
Breslau; fam als Chorift zum dortigen Theater 
u. 1824 an das Königftädter Theater nad Ber- 
lin, wo er nad) u. nach als Komiler Liebling des 
Publicums wurde. 1845 fam er nah Wien an 
das Theater an der Wien u. 1846 am das dortige 
Burgtheater. Er ft. 7. Sept. 1866. Als Schrift- 
fteller machte er fich durch die Poffe: Der Eden» 
fteher Nante (44. Aufl., Berl. 1878) belannt. 
Bal. F. Raifer, F. Bedmann, Wien 1866. 
Beckum, 1) Kreis im preuß. Regbez. Miünfter, 
in den Flußgebieten der Ems u, der Yippe, auf 
einem Plateau, von der Köln-Mindener Bahn 
(33,4 km) durchſchnitten; 4 Städte; 683, [_jkm 
(12, UM); 39,100 Ew. 2) Hauptft. dajelbft, 
in hoher Lage, an der Wafferfcheide —— Rheiu 
u. Ems, 5 km füdl. von der Eiſenbahnſtation gl. 
Nam; katholiiche Kirche; Dampfmühlen, Brannt- 
weinbrennerei,Kaltinduftrie, Garnhandel; 2980 Em. 
B. war einft Glied der Hanfa u. gehörte feit 
1622 den Herzögen von Holftein-Sonderburg. 
3) Dorf im preuß. Negbez. Arnsberg, bei Balve; 
hemifche Fabrik, Eifengruben, Eifenhütten; 500 Em. 
‚ Beter Sehann, Jeſuitengeneral, geb. 
8. Febr. 1795 in Sichem bei Löwen in Belgien; 
trat in den Jeſuitenorden u. machte fein Noviziat 
am 29. Oct. 1819 zu Hildesheim. Bon feinen 
Oberen gejhätt u. vielfach zu Miffionen verwen- 
det, wurde er 1826 Pfarrer bei der in Anbalt- 
Köthen neu errichteten kath. Gemeinde u, zugleich 
Beichtvater des zur Kath. Kirche befehrten Herzogs 
Ferdinand. ALS diefer geftorben war, ging B. 
mit deffen Wittwe, der Herzogin Julie, RR Wien, 
wo er 1847 Procurator der Gejellihaft Jeſu in 
Dfterreich ward u. als folder das Metternichiche 
Gabinet nicht wenig beeinflußte,. 1848, nach Ver⸗ 
treibung der Jeſuiten aus Öfterreich, fiedelte er nach 
Belgien über, wurde Beiftänder des Provincials 
dafelbft u. Rector des Eollegiums zu Löwen. Nach 
Wiedereinführung feines Ordens in Oſterreich 
wurde er Superior ſtir Ungarn, daun Provincial 
für Oſterreich, um endlich nach dem Hinſcheiden 
Rootenhans am 2. Juli 1853 Jeſuitengeneral 
zu werden. Mit diplomatifher Schlauheit regierte 
er nun den Orden, förderte hauptſächlich die Mif- 
fionen in proteftantiihe Länder u. erweiterte jo 


Göttingen Theologie u. dann Naturwiffenfchaften;|den jeſuitiſchen Einfluß nad allen Weltgegenden, 


er wurde 1763 Lehrer der Phyſik und Natur 
geihighte am proteftant. Gymnafium zu Peters- 
urg, bielt fih 1765 u. 66 in Schweden auf, 


Sein Erbauungsbudh: Monat Mariä, Wien 1843, 
erlebte viele Auflagen (12. Aufl. 1867) u. wurde 
mehrfach ilberfett. Die umter feiner Leitung ftatt« 


1766 Profeffor der Philofophie zu Göttingen u. gehabten Erfolge des Jeſuitenordens (f. ee 


1770 der Okonomie; ftarb 4. Febr. 1811. 


Er; find belannt, 


Becquerel — Beddoes. " 


Becquẽrel. 1) Antoine Cejar, bedeutender 
franz. Ponfiter, geb. 8. März 1788 zu Ehätillon« 
fur-Feing im Departement Yoiret; trat 1808 in 
dad Ingenieurcorps, machte die Feldzüge von 
1810—12 in Epamien mit, ward nad der Rüd- 
leht Etudieninipector bei der Polytechnifchen 
Schule, wohnte dem Feldzuge von 1814 bei und 
nahm 1815 als Bataillonschef beim ingenieur» 
corps feine Entlaffung. Er widmete ſich nun dem 
Studium der phyſikaliſchen u. hemifchen Wiffen- 
khaften, bei. der Eleftricität u. des Magnetismus u. 
wurde 1829 Mitglied der Academie des sciences; 
er fhr.: Trait& de l’&lectrieit et du magnetisme, 
Par. 1834—40, 7 Bbde.; L'eleetrochimie appli- 
quee aux arts, 1842, 2 Bde., deutich, Erf. 1845; 
Traitö de physique appliquee à la chimie et 
sux sciences naturelles, 2 ®Bbe.; Elements 
de physique terrestre et de metöorologie, 1847, 
».m.a. 2) Alfred, Sohn des Ver., Arzt, 
geb. 1814, geſt. 1862; feine Schriften über die 
Iufammenfetsung des Blutes find ins Dentfche 
von Eifenmann, Erl. 1845 u. 1847, überjegt. 
& ihr. noh: Der Urin im gefunden u. franl- 
baften Zuftande, deutich von Neubert, Lpz. 1842, 
u. Traite elinigue des maladies de l’uterus, 
Far. 1859, 2 Bde. 8) Alerander Edmond, 
titiger Bonfifer, Bruder des Vor., geb. 24. März 
1820 in Paris; ſtudirte Raturwiftenfchafien u. 
kurde 1853 Profefior der Phyſik am Conjerva- 
terum der Künfte und Gewerbe in Paris. Er 
bat über verfchiedene chemiſche u. phyſikaliſche Ge— 
Aſtande, insbeſ. über das elektrifche Licht u. über 
Photographie, wichtige Unterſuchungen veröffent- 
licht u. ihrieb außerdem: La lumiere, ses causes 
et ses effets, Par. 1867—68, 2 Bde. 

Bees, in Ungarn, Serbien u, der Türfei fo 
db, m. Wien, 

Becs de corbin (fr., Krähenfchnabel), von den 
einem Rabenſchnabel ähnlichen Hellebarden ge» 
saunte Leibwache der franzöfiihen Könige, Bit 
1474 ımter Ludwig XL, anfangs aus 100 Edel⸗ 
kmten beitebend (daher "Cent gentils hommes), 
von Karl VIII. 1498 auf 200 erhöht, von Lud— 
zig XIV. 1688 auf 100 rebucirt u. 1727 von 
+ XV. aufgehoben. 

Berie, 1) D«- oder Alt-B. (Serbiih-B.), 
Nartifiefen im ungar. Comitat Bacs, am rechten 
Uber der Theißz 14,058 Ew.; ftarter Getreide: 
bandel. 1526 und 1551 von den Türken er» 
obert, 2) Uj» od. Neu-B. (Türkiih-B., Töröt- 
8, Marktflecken im Com. Zorontal, am lin. 
ten Ufer der Theiß, 7 km unterhalb Alt-B., 
Dampferftation ; herrſchaftl. Schloß; große Getreide: 
wärfte, 7193 Em. 

Becskerek, 1) Nagy», Groß-B., Stadt im 
ungar, Comitat Torontal u. Hauptort deſſelben, 
ou der Bega u. deren Kanal, über welchen eine 
dehe Brüde führt; Boftamt, Kinderbewahr- 
anfalt, Sparkaffe; Fiſchfang, Schafzucht, Maul- 
bterbaumpflangumg, Bienenzudt; ftarfer Handel 
mt Getreide u "Rndvieh: mit Augehör ur Ge- 
meinde 19, 666 Em. 8) Kis-, Klein-B., Dorf 
im ungar, Eomitat Temeswar ; Poftamt; Bienen- 
u, Schafzucht; 3000 Ew. 

— Marltfleclen im ungariſchen Comitat 


81 


umgeben; 
2300 Ew. 

St. Beda, genannt Venerabilis (d. der 
Ehrwürdige), geb. 673 im Dorfe — in 
Northumberland; wurde von ſeinen Eltern zum 
Geiſtlichen beftimmt u. in dem Benedictinerflefter 
St. Peter zu Wearmouth von 679—91 erzogen; 
wurde dann im Kloſter St. Paul zu Yarrow 
Mönch, 692. Diaconus, 703 Presbyter; er ftarb 
26. Mai 735; Tag: 26. Mai. Seine Leiche 
wurde in Narrom beigeiett, aber im 11. Jahrh. 
nad Durham übergeführt, Er ſchr. über Gram- 
matif; Chronologie; eine Kosmographie; Historia 
ecelesiastica gentis BritonuM (bis 731 n. Chr.), 
befte Ausg. von Smith m. —— Chronieon 
s. de VI. mundi aetatibus; Vita St. Cudberti; 
Erflärungen des A. u. N. T.; Jüdiſche Alter- 
thümer; Predigten (denen viele unechte von Spä- 
teren angefügt find; ein Martyrologium (gleichfalls 
von Spätern verfälicht); Hymnen; Epigramme ır, 
v. a. Werle: Par. 1544, Bajel 1563, Köln 1612, 
1688; von Giles, Lond. 1843 f., 6 Bbe., ı. 
Moberley, ebd. 1869; deutih von M. Wilden, 
Schaffh. 1866, befte Ausg. in Patrolog. cursus 
complet; Bd. 90— 92, Par. 1850. Yebensbeichreib- 
ung von Gehle, Leyd. 1838, Löffler.“ 

Bedachung (Bauw.), ſ. Dach. 

Bedarf, j. u, Bedürfniß. 

Bedarieur, Stadt im Arr» Beziers des franz. 


Klofter, Schloß; Wein- u. Obitban; 


Depart. Herault, am Orb; Weinbau; Steinbrüche; 
Tue, — u. Bapierfabrifen; Holz. u. Getreide: 


Webarribes, Flecen im Arr. Avignon des frz. 
Depart. Vaucluſe, am der Oundze, über melde 
eine fhöne Brüde führt; 2860 Em. 

Bedburg, DMarktil. im Kreiſe Bergheim des 
prenß. Regbez. Köln, an der Erft; Schloß des 
Fürſten Salm-Reiferfcheid, ſeit 1842 ur 
Ritterakademie; der Ort800,die Gemeinde 2925 Em 

Bedda, |. Bedda, 

Beddoes, Thomas Lovell, engl. dramatifcher 
Dichter u. nicht unbedeutender Phyſiolog, geb. 
20. Juli 1803 zu Rodney Place in Clifton, 
gi Sohn des berühmten Arztes Thomas 

B.; feine Mutter war die Schweiter der her— 
vorragenden Romanjchriftftellerin Maria Edge- 
worth. Jung Waife geworden, ward er ım 
Charter Houfe zu London erzogen u. bezog 1820 
die Univerfität Drforb, wo fein wildes, Sarfaftifches 
u. widerfpenftifches Wefen ihn in viele Conflicte 
mit den Behörden verwickelte. Nachdem er Ma— 
giſter geworden, verließ er 1824 die Univerſität 
ermildet u. unzufrieden, ging nach Göttingen, wo 
er vier Jahre eifrig Medicin ftudirte, dann nad 
Würzburg, wo er Docter wurde, u. Tebte endlich 
eine Zeit lang in Straßburg u. Zürich. Die 
preußischen, hannoverifchen u. bayerischen Regier- 
ungen verwiefen ihn mehrfach als Demokrat ihres 
Landes, Nah furzem Aufenthalte in England 
(1846) kehrte er im folgenden Jahre nach Frank— 
furt zuriüd, wo er infofge eines Sturzes vom 
Pferde, wo er beide Beine brach, fih amputiren 
laffen mußte. Wenige Monate fpäter, 26. Jan. 
1849, ftarb er in Bafel, wohin er ſich der Luft« 
veränderung wegen hatte ſchaffen laſſen. Seine 


Tteucſin, a. d. Waag, mit Mauern u. Schanzen hauptſächlichſte Dichtung, das einzige aa 
Pierers Univerfal-Eonverjationd-Leriton. III. Band 6. Aufl. 


82 Bedeau — Bededter Weg. 


Werft feiner reiferen Jahre, trägt den Titel: beigegebene Milttärbegleitung fihern. 3) Schiffen 
Death's Jest-Book, or the Fool’s Tragedy. ſicheres Geleit geben. | 

Zuerft machte er fich durch feine im zweiten Un- Bedeckt, bei Geigeninftrumenten ein Ton, 
verfitätsjahre gedichteten Bride’s Tragedy belannt. | welcher nicht auf der Saite, die ihn, ungegriffen, 
Nah feinem Tode veröffentlichte fein Freund |leer enthält, fondern auf einer tieferen Satte durch 
Kelfall (1851) einen Band feiner Gedichte, mit|Öreifen mit den Fingern. hervorgebradt wird; 
einem Meinoire itber ihn. B. war ein leidenjchaft-|er ift fanfter u. pflegt daher vor dem reineren 
licher Bemwunderer der großen Dramatifer des Tone den Vorzug zu erhalten, der meift bei ab- 
16. Jahrh. u. zeigte felbft bedeutendes Genie. ſichtlich fcharfen Tönen angewendet wird. Bei 
Die wenigen von ihm Hinterlaffenen Gedichte find|den Pauken ift bededt fo viel wie gedämpft, d. h. 
von vorzügliher Diction, prägnantem Ausdrude|die Pauken werden zur Verdunkelung des Klanges 
u, voller Hochfliegender, leidenſchaftlicher Gedanken, mit einen Tuche bededt; ital. Timpani coperti. 
teiden aber aud häufig an düfterer Schwermuth.]| Bededte Batterie, ſ. Batterie, 

Vgl. Keliall, Thom. Lovell B. in der Lond.]| Bededte —— ſ. Flanke. 

Fortnightly Review, Juli 1872, Bartling. Bededte Sappe, |. u. Sappe. 

Bedeau, Marie Alpbonfe, franz. General, Dededter Weg (Gededter Weg, fr. Chemin 
geb. 10. Aug. 1804 in Vertou bei Nantes; trat|couvert), bei Feſtungen u, proviſoriſchen Anlagen, 
1825 als Yieutenant in die Armee u. führte als|felten bei Feldwerten, ift der Weg, welder um 
Gapitän 1832 die Unterhandlungen wegen Über: |den äußeren Grabenrand herumläuft u. durch 
gabe der Citadelle von Antwerpen. Als DMajor|das Glacis dem Auge ſowol, als den birecten 
u. Bataillonscommandeur ging er 1836 nach Feuer bes Feindes entzogen wird. Bei feiner 
Algier, wo er, die Stufen bis zum Brigade [erften Anwendung nur daranf berechnet, ein paf- 
general bis 1841 rafch durdlaufend, an der Er⸗ ſives Dedungsmittel für die Ausfalltruppen ab- 
ſftürmung von Conftantine 1837, an der Erpedis[jugeben, wurde er fpäter auch zur BVertheidigung 
tion von Scherfchell u, den Gefechten von Mitianah|eingerihtet u. zählt gegenwärtig zu den wichtige 
u. Medeah mit rühmlichiten Erfolge ſich betheiligte. |Iten Feſtuugswerlen, infofern er außer ber fräftig- 
Bon 1842 an Befehlshaber an der maroffanischen | fen Bertheidigung des unmittelbarften Vorterrains 
Grenze, organifirte er die Prov. Tlemcen u. leitetejder Feſtung bei. die Offenfivunternehmungen 
die Kämpfe mit Abd el Kader bis zur enticheiden-|gegen den Belagerer begünftigt, Der bededte W. 
den Shlaht am Isly, 14. Aug. 1844. Seitfift 4,,—9ın breit u. wird von der erlinie des 
1845 Divifionsgeneral, führte er das Obercom-|Ölacis 1,,—2,, m überhöht. Bertheidigung er- 
mando in der Rrov. Gonftantine u. focht mit| hält er dadurd, daß ein Banket an die innere 
gleich glüdlichen Erfolge 1845 gegen die Stämme|Ölacisböfchung angefhüttet wird. Um die langen 
tm Atlas, 1847 in Budſchia u. führte nach der Abreije | Linien des bededten W-es gegen das feindliche Rico» 
des Marſchalls Bugeaud proviforifch das General-| Hetfener zu fhügen, hat man Traverſen angelegt, 
gouvernement bis zur Anfunft des Herzogs v. Aumale, | od. auch die Linien en cremailliere gebrochen, u. um 
Sodann kehrte er nach Paris zurüd, wo er in der eigen zu erzielen, hat man die eingehenden 
Nacht vom 23./24. Nov. die Colonne führte, Winkel wieder nah auswärts gebrochen. Die 
welche, von den Tuilerien ausgehend, über die|freien Räune, welche fi in den eingehenden u. 
Bonlevards nach der Baftille vordringen jollte,[ausipringenden Winkefn bilden, heißen Waffen- 
fam aber nicht zur Action. Daım erhielt er vom|pläge (Places d’armes rentrantes, P. saillantes). 
Herzog von Nemours den Befehl, die Abreife der Dieſe Pläge find die Berfammlungsorte der Aus- 
Herzogin von Orleans mit einem Dragoner-|falltruppen; auf ihnen befindeiP ſich die zur ins 
regiment zm beſchützen; da die Herzogin fich jedoch |neren Vertheidigung des bededten W-es angelegten 
nach der Deputirtenfammer begab, jo rückte erjReduits (meift Blodhäufer od. fleine Erdwerte), 
mit den Dragonern bis an das Gitter vor der-ſund in dem eingehenden Wafjenplägen meift 
ſelben vor, erhielt hier aber von Odilon Barrot|die Ausfallöffnungen. Der bededte W. erhält 
den Befehl, fich jedes Einfchreiteng zu enthalten, u. von deu dahinter Fiegenden Außenwerfen u. dem 
entließ dann feine Soldaten nach ihren Kafernen.|Hauptwalle jowol Frontal-, als Flantenvertheidig- 
Die Provif. Negierung übertrug ihm den Befehtjung. Außer durch die in deu Waffenplägen ange» 
über die Armee von Paris. Während der Parifer|fegten Reduits, welche diejen Zwed am volltän« 
Junilämpfe befehligte er eine Abtheilung Truppen|digiten erreicht haben, hat man die Sturmfreibeit 
in der inneren Stadt u. wurde ſchwer derwundet. des bededten Wses and noch durch andere Mittel 
Dann vom Departement der Nieder-Loire in die|zu fihern gefucht, u. zwar durch Paliffadirung am 
Nationalverfammlung gewählt, wurde er in der-| Fuße der inneren Glacisböfhung, od. durd Ber: 
feiben Vicepräſident; dafjelbe Amt erhielt er auch theidigungseinrichtung der Traverſen, od. auch 
in der Geſetzgebenden Verſammlung, in welche ihn|durdh einen am äußeren Fuße des Glacis ange— 
die Stadt Paris gewählt hatte, Beim Staats-|legten Vorgraben. Eine Hauptbedingung fiir die 
jtreich vom 2. Dec. 1851 wurde er verhaftet, dann| Anlage des b-n W-es ift die leichte u. doch voll- 
wegen vermweigerten Eides fiber die Grenze ge- kbommen geficherte Verbindung mit den dahinter 
bradt; er Iebte feitdem in Brüffel, dann nach derjliegenden Werfen: bei trodenen Gräben Rampen 
Amneſtie (1859) in Nantes, woer30. Oct.1863 ftarb. |od. Stufen, bei nafjen Gräben Brüden od. Fahr— 

Tpielemann.* zeuge, meift in den Kehlen der Waffenpläge anr 

Bededen, 1) vom Hengite oder mänul. Wilde,\gelegt. Der bedvedte W. kam 1529 bei der Bela- 
das Weibchen befpringen. 2) Einen Transport|gerung von Wien durch die Türken auf u. wurde 
od. während des Gefechtes auch ein Geihüg dur beim Scloffe von Mailand zuerft angewendet, 








































Bededicd Terrain — Bedeus dv. Scharberg. 


Bedecktes Terrain, ein Terrain, welches 
teine Übericht gewährt u. der Waffenwirfung 
Öindernifje bereitet. Wälder, Hügel» u. Häufer- 
reiben, auch hohe Saatfelder u. Heden bewirfen 
eine Terrainbededung,, ohne gerade immer dem 
Marih der Truppen hinderlich zu fein, wie dies 
beim coupirten Terrain der Fall ift. 

Bedeckte Bertheidigung, ſ. u. Kalematte, 

Bededtiamige (Angiospermia), Bilanzen, 
teren Samen nicht frei, fondern in einem Frucht⸗ 
Inoten eingeichloffen find. Der Name B, kommt 
zuerft im Linneischen Syftem als Name der 2. 
Ordnung der 14. Klaffe vor u. bezeichnet die— 
jmigen Pflanzen diejer Klaffe, deren Samen in 
einer zweifächerigen Kapfel eingeichlojien find. In 
tem jest allgemein angenommenen natürlichen 
Syſtem verfteht man unter Bn diejenige Abtheil- 
ung der Phanerogamen oder Blüthenpflanzen, 
deren ruchtblätter nicht, wie bei den Nadtjamigen 
3. 8. Nadelhölzern), flach bleiben, fondern einzeln 
od. zu mehreren mit ihren Rändern verwachſen 
x. dadutch einen Stempel (Biftill) bilden. Der 
untere, bauchige Theil des letzteren, der Frucht. 
moten, enthält die Samen, während der obere 
fh als (Griffel m.) Narbe entwidelt. Die Ben 
des natürlichen Syftems zerfallen in Monototy- 
ledenen u. Dilotgledonen (Ein- u. Zweileim⸗ 
blatterige). Wimmenauer M. 

Bedeckung im Kriegsweſen, Böen des Bo— 
dens, jeder Gegenſtand, natürlicher (Wald) od. 
fünſtlicher GGebäude, Pflanzungen zc.), welcher 
die Ausſicht od. Bewegung hemmt, od. vielleicht 
ach zugleih Schug gegen feinbliches Feuer ge 
währt; dann Truppenabtheilung, welde einen 
Transport od. eine Fouragirung, od. vor einer 
Feſtung Arbeiter an den Angrifjswerlen, in 
Schlahten Batterien u. dergl. gegen feindliche 
Störungen dedt. Die Arbeiter in den Laufgräben 
werden durch Amfanterie, die Feldbatterien in 
einem Treffen bald durch Infanterie, bald durch 
Cadalerie bededt (f. u. Batteriebededung). Bal. 
Condei. Im Seeweien, den Kauffahrern beige- 
gebene Kriegsichiffe, od. ſolche Schiffe, die einem 
Schiffe, worauf fich ein hoher Offizier befindet, 
der eine Commanbdeurflagge führt (3. B. ein Ad— 
miral od. Sontreadmiral), zum Schutze dienen u. 
fetö bei demjelben jegeln. 

Bededungen (Dccultationen) der Geftirne 
heißen in der Aftronomie diejenigen Ericheinungen, 
bei welchen ein Geftirn durch das Davortreten 
eines anderen, der Erde näher ftehenden Himmels- 
lerpers unferen Bliden für eine gewiſſe Zeit ent- 
Ihwindet. Am häufigften erfolgen die B. durch 
den Mond, der fomwol Firfterne, als Planeten be 
dedt; die Planeten können aber einander auch 
elbſt beveden u. infolge ihrer Eigenbewegung 
ebenfo die FFirfterne, was jedod nur felten jtatt- 
finde. Die B. der Sonne durd; den Mond 
uennen wir gewöhnlih Sonnenfinſterniſſe. Die 
®. der Firſterne durch den Mond find in jo fern 
von großer Wichtigkeit, als fie zur Beftimmung 
der geographiichen Yänge u. des Mondlaufes dienen. 

ieje Ericheinungen werden daher in den aſtrono— 
mühen Jahrbüchern vorausberechnet. Specht. 

Bedegnar (Roſenſchwamm, Schlafapfel, Spon- 
ga cynosbati, Fungus rosarum; Arab.) ent— 


83 


fteht dadurh, daß die Roſengallweſpe (Rho- 
dites rosae L.) ihre Eier in die Zweigipiten der 
Mose, befonders der Heden- od. Hundsroie (Rosa 
canina), legt, wodurd der Stengel verkürzt bleibt 
u. zu einer Meinen Kugel anſchwillt, während die 
Blätter zwar in Menge erjcheinen, aber zwijchen 
ihren Blattnerven fait gar fein Zellgewebe ent— 
wideln, fo daß ichließlich der unförmliche Trieb, 
eine ſog. Galle (f. d.), einer Mooskugel mit hartem 
Kerne nicht unähnlich fieht. In dem letzteren 
finden fich mehrere Höhlungen, Yarvenfammern, 
worin ſich die Eier der Gallweſpe entwideln. Die 
jungen Larven ernähren fih von den Säften ihrer 
Wohnpflanze u. verlaſſen endlich nach ihrer völli— 
gen Verwandlung als Welpen ihre Brutftätte, 
Die Galle bat etwa die Größe eines Heinen 
Apfels u. gewährt, da die Blätter fich ſchön rotb 
u. grün färben, ein zierlihes Anſehen. rüber 
galt fie als Heilmittel; unter das Kopftiffen gelegt, 
jollte fie jchlaferregend wirken (daher Schlafapfel); 
auch als Mräftiges innerliches Heilmittel ftand fie, 
wiewol mit Unrecht, in hohem Anjehen. Zbome. 

Dedemund (Bumede) hieß die Abgabe, 
welche der Leibeigene für die Einwilligung zur 
Eingehung einer Ehe au den Leibberen zu 
zahlen hatte, aber auch die Buße, weiche dieſer 
von Demjenigen fordern konnte, der eine Yeibeigene 
außerehelich geihwängert hatte. 

Bedenfzeit, 1) im Handel die Friſt, um fich 
über die Annahme einer Waare od, eines Wechſels 
zu erllären. 2) B. der Erben (Spatium delibe- 
randi, Rechtsw.), eine auf Anfuchen vom Richter 
od. Kegenten gewährte Friſt, binnen welcher der 
Erbe überlegen fann, ob er die ihm angefallene 
Erbſchaft antreten will, od. nicht, Erklärt er fich 
in diefer Zeit nicht, fo wird fein Stillſchweigen 
als Losfagung angefehen, wenn Miterben oder 
Subftituten vorhanden find; als Beitrittserklärung 
aber, wenn Yegatarien od. Fideicommiſſarien die Er— 
tlärung verlangten. ©. u. Buneficium, 

Bederkeſa, Fleden im Kreife u. Amte Lebe 
der preuß. Yanddroftei Stade (Prov. Hannover), 
am gleihnam, See; altes Schloß; bedeutende 
Bierbrauerei, Brennerei u. Gerberei; 1300 Ew, 

Bedeus v. Scharberg, eine alte, der Luthe⸗ 
riſchen Eonfeifion folgende, in Siebenbürgen be» 
güiterte u. 1854 in den erbländiich-öfterreichiichen 
‚zreiherrnftand erhobene Familie: Frhr. Jojepb, 
Sohn des 1805 verftorbenen fiebenbürgifchen 
Subernialfecretär Joachim v. B., geb. 1782 
zu Hermannftadt; trat 1802 in üfterreichiiche 
Staatsdienfte beim fiebenbürgiihen Gubernium, 
wurde 1829 Gubernialratd, 1837 Oberlandes— 
commiffär u. 1843 Borftand der fandesdeputation 
zur ger Grundlagen des Yandtages 
von 1846—47. Während der ungariihen Inſur— 
rection trat er mit Entjchiedenheit auf die Seite 
der öfterreichifchen Regierung, rettete bei der 
Einnahme Hermannftadts die Arariallaffe in die 
Walachei u. trat dort an die Spite der Com— 
miffion zur Unterftiigung der flüchtigen Familien, 
wofür ihn der Kaiſer am 20. Febr. 1854 in den 
Freiherruſtand erhob. Seit 1842 Vorfteher des 
Vereins für fiebenbürgifhe Landestunde, wirkte 
er mit erfolgreicher Thätigkeit für das Studium 
der Geſchichtsquellen u. der geogr, Nerhältnifie 

6* 


84 


Ungarns u. Siebenbürgens; er fl. am 6. April; 


1858. Als Chef der Familie folgte ihm fein ein« 
ziger Sohn Frhr. Joſeph, 


geb. 1826; er iſt 
Beifiger des Urbarialgerichtes in Hermannftadt u. 


Bedford? — Bedingung. 


führte feit 1469 kurze Zeit den Titel ala Herzog 
v.B.; f. Noaille. 3) Jasper Tudor, 1485 bis 
1495 Herzog v. B.; ſ. u. Pembrofe. 4) Der erfte 
Herzog v. B. feit 1689 war William Aufjell; 


mit Selma, geb. Täuffer, vermählt. Frhr. Joſeph ſ. d. u. Ruſſell. 


ſchrieb: Lucrum camerae in Ungarn u. Sieben- 
bürgen, Kronft. 1838; Berfaffung des Groß» 
fürftentHums Siebenbürgen, Wien 1844; Hiſtoriſch- 
grnealogiih-geographiicher Atlas zur Überficht der 
Geichichte des Ungariſchen Neiches, feiner Neben» 
länder u. angrenzenden Provinzen, Hermannftadt 
18415 f. 

Bedford, 1) Grafihaft im ſildöſtl. England; 
1235,, [km (22,, [IM); umgrenzt von den 
Grafihaften Budingham, Hertford, Cambridge, 
Huntingdon u. Northampton; theils hügelig, theils 
fiach u. jandig; Flüſſe: Ouſe (mit der Joel), 
Ouzel u. a.; reich an Mineralquellen; bringt Ge— 
treide, Gartenfrüchte, Lerchen, Fiſche, Walfererde, 
Thon, Braunftohlen; 146,257 Ew., meift Yand» 
bauer; Induſtrie: Strohfledhterei; eine Zweigbahn 
der London-Northweſtern- u. die Midland- ud 
Great-Northern-Eifenbahn berühren die Grafſch., 
u. Handel u. Verkehr find dadurch jehr gehoben, 
2) Hauptft. derfelben an der (hier ſchiffbaren) 
Ouſe mit Brüde; 5 Hauptkirchen, Gymmaftım, 
Irren-, Arbeits und Landſchaftshaus; Spiten- 
flöppelei; Getreidehandel; 16,850 Ew. 3) County 
im nordamerifan. Unionsjtaate Penniplvania, 
unter 40° n. Br. u. 78° w. %; 29,635 Ew.; 
wird von Ausläufern des Alleghanygebirges durch» 
zogen ; reiche Steinfohlenlager, Kaltftein u. Schiefer. 
4) County im Umionsjtaate Tenneffee, unter 35° 
n. Br. u. 86° w. L.; 24,833 Ew.; Gountyfig: 
Shelbyrille. 5) County im Unionsftaate Birginia, 
unter 37° n. Br. u. 79% w. 8; 25,327 Ew.; 
zieht fih an den Bergen der Blue-Ridge hin, die 
eine Höhe von 1365 ım erreihen; Countyſitz: 
Liberty. 6) Stadt u. Countyſitz im County gleichen 
Namens im Staate Penniglvania, unter 40% 1’ 
n. Br. u. 78° 30° w. L.; in der Nähe Salz- u. 
Schmefelquellen. 

Bedford, engliiche, zu dem Ruſſells gehörige 
Familie, feit 1550 zu Grafen u. 1689 zu Herzögen 
erhoben: 1) John Plantagenet, Herzog v. B. 
od. Prinz Johann von Lancafter, 3. Sohn 
des Königs Heinrih IV, von England; wurde 
bon feinem Bater zum Gouverneur von Berwid 
ernannt, kämpfte bei Shrewsburg mit u. wurde 
von feinem Bruder Heinrich V. 1414 zum Herzog 
v. B. erhoben; 1422 commandirte er die englische 
Armee im Kriege gegen Karl VII. von Frank— 
rei, wurde nach Heinrichs V. Tode Regent von 
Sranfreich, ſchlug die franzöfiiche Flotte bei Sou- 
thampton u. das franzöfiiche Heer bei Erevant, 
Verneuil u. a. Orten u. vertrieb Karl VII. fait 
ganz aus feinen Staaten. Trog der Lauigkeit 
seiner Bundesgenoffen, bef. Burgunds u. des deu 
un feit dein Auftreten der Jungfrau von 

rleans wieder günftigen Kriegsglüdes bielt er 
doch die Sache der Engländer aufreht. Er jtarb, 
eben als ſich diejelbe durch den Abfall des Her- 
3098 von Burgund völiig zum Unglüd wendete, 
19. Sept. 1435 zu Rouen. Bon feiner Gemahlin 
ftammt das Miffal v. B., welches 1833 um 1100 
Pi. St. verkauft wurde. 2) George Noaille; 


Bedford-Level, Diftrict in der engliſchen Graf- 
ihaft Cambridge (Inſel Ey), zum Theil nad den 
angrenzenden Grafichaften ſich ausdehnend; größ- 
tentheil® Sumpf u. Moraft, an dejlen Troden- 
legung neuerdings gearbeitet wird. 

Bedientenftener, eine Art Lurusfteuer; wird 
nach der Zahl der Bedienten, welhe Jemand, jei 
es zu feiner perfönlichen Bedienung, od. aud zum 
Geichäftsbetriebe (Kellner, Poſtillous zc.) hält, ev« 
hoben. Sie kommt noch in England, Belgien u. 
Holland vor; in Preußen nur bi$ 1820, u. zwar 
war fie bier nur für Liordebediente zu zablen. 

Bedienung 1) der Geſchütze, ſ. u. Geſchütz; 
2) B. der Tafelage, ſ. u. Takelage. 

Bedienungsmannfchaften einer Batterie, 
im Gegenjage zu den Fahrern, diejenigen Kano- 
niere, melde vorzugsweiſe zur Geſchützbedienung 
beſtimmt find. 

Bedingung, 1) eine erwartete Begebenheit 
od, Handlung, vom deren Eintritt eine Handlung 
abhängig fein fol. 2) Das nothwendige Erforder- 
niß zur Möglichkeit od. Wirklichkeit eines Gegen- 
ftandes der Berftandes- u. Bernunftserfenntniß, 
der dann als Bedingtes (in a an von 
jenem (als Grund) erjheint. 8) (Conditio) Im 
weiteren Sinne (O. sensu latiori), einem Rechts- 
geichäfte, ſei es einem letten Willen, od. einem 
Vertrage. beigefügte Nebenbeftimmung,, wodurch 
die Erfüllung des Hauptgefchäftes modificirt wird. 
Zur B, in diefem Sinne gehört aud die Zeit - 
beftimmung (Dies), d. i. die Feſtſetzung eines 
Zeitpunftes (Terminus), von weldem an das 
Geſchäft erft beginnen foll (ex die), od. bis zu 
welchem e8 bloß beftehen od. bei Kraft bleiben fol 
(in diem); eine folde Nebenbeftimmung trifft die 
Eriitenz des Geſchäftes nicht, fondern regelt nur 
die Geltendmachung defjelben, Grund» u. Zwed- 
beftimmung (Causa et Modus), d. i. Angabe 
der Urſache, wegen welcher dem Erben Etwas 
binterlaffen,, od. dem Contrahenten Etwas über- 
geben worden ift (Causa), u. Angabe des Zweckes, 
für welchen der Erblaffer das hinterlaffene Erb- 
gut verwendet wifjen will (Modus), od, der Eon- 
trahent den Bertrag geichloffen hat; auch dieſe 
läßt das Dafein des Rechtsgeſchäftes unberührt 
u, erzeugt nur eine Berbindlichkeit zur Erfüllung 
des angegebenen Zwedes, auf welche zu dringen 
Derjenige ein Recht hat, welcher den Modus fett, 
od, zu deffen Gunften er beigefügt ift. Dagegen 
it B. im eigentlihen Sinne (Conditio sensw 
angustiori), die Beziehung auf ein zufilnftiges, 
jei e8 an fich, od. nur in Betreff des Zeitpunktes 
feines Eintritte® noch ungewiſſes Ereigniß, von 
deffen Eintritt od. Nichteintritt die Eriftenz des 
ganzen Rechtsgeſchäftes felbft abhängig gemacht 
wird. Man unterjcheidet pofitive u. negative, 
je nachdem der noch ungewiſſe Umftaud in einem 
Geſchehen oder Nicht-Geſchehen beruht; diefe Be— 
dingungen find erfüllt, wenn das, was geichehen 
fol, vollftändig geſhehen ift, bezw. wenn das, 
was nicht geſchehen ſoll, nicht mehr geſchehen kann. 


Bedingungsgleihung — Beduinen. 


Caſuale Ben find die, deren Erfüllung von 
einem Zufalle abhängt, poteftative diejenigen, 
deren Eintritt der freie Wille Desjenigen, der aus 
dem Rechtsgeſchäfte berechtigt oder verpflichtet wer» 
den joll, oder einer dritten Berfon bewirken kaum. 
Ferner umterjcheidet man Suspenfiv- u. Reſo— 
lutiv⸗Been, je nachdem mit dem Cintritte der ®. 
die Rechtsgiltigkeit eines Geichäftes anheben oder 
aufhören fol. Die Wirkung des Eintrittes dieſer 
Ben ift, Daß das Rechtsgeſchäft im erfteren Falle 
als vom Tage des Abſchluſſes an perfect gemwor- 
den, im anderen Falle dagegen als nie geichloffen 
angejeben wird (Conditio existens retrotrahitur). 
So lange aber der Eintritt. der B. ungewiß ift 
(pendente eonditione), gilt das refolutiv bedingte 
Hechtsgeichäft mit voller Wirkung, das ſuspenſiv 
bedingte aber als nicht vorhanden. Die noth- 
wendig eintretenden B-en find fo gut wie die 


85 


Bedizzole, Marktfleden in der italienischen 
Provinz Brescia u. im Diftrict d. N., nahe dem 
Ehieje; Seidenipinnerei, Eijenhüttenwerte, Ol— 
fabrifation; 3605 Em. 

Bedlam (Bedlem, engl, Eorrumpirung für 
Bethlehem), 1) Irrenhaus in London, aus Der 
1246 gegründeten Propftei: Unſeres Herrn von 
Bethlebem, zur Zeit der Reformation entjtauden; 
daher 2) überhaupt Tollhaus. 

Bedlis (Bidlis), Stadt wefllih vom Wan- 
See, in Kurdiftan (Afiat Türkei), am Fluffe 
leihen Namens; liegt jehrzerftreut im drei tiefen 
Tpalfcluchten: Sitz eines Paſcha, welcher in einem 
alten Schloſſe reſidirt; mehrere türkiſche Atade- 
mien, Moſcheen, Bäder, Karavanſerai; Waffen-, 
Gold- u. Silberwaarenfabriken, berühmte Roth— 
färbereien; Tabatshandel; 14,000 Ew., darunter 
4000 Armenier, auch viele Jakobiten. Die Stadt 


(abſolut oder relativ) unmöglidhen gar Feinejfoll von Alerander d. Gr. erbaut worden jein. 
eigentlihen Ben, da fie fein ungemwiffes Ereigniß|Hier 1534 Sieg der Berfer über die Türken. 


enthalten; mit jolhen B⸗en kann kein Hechtsge- 
ſchäft abgekhlofjen werden. Nur bei legtwilligen 
u gelten ſolche Ben als nicht Hinzu» 
gefügt. en unmöglichen Ben ftehen auch die 
unfittfihen (Conditiones turpes) gleih (3. B. 
Bedingung der Ehelofigleit für die Zuwendung 


Bedmar (Bedemar), Alfonio de la Eneva, 
Marquis de B., geb. 1572 in Eaftilien; war 
1607—1617 ſpaniſcher Gejandter in Venedig u. 
machte mit dem Herzog von Oſſuña den Plan, 
den Dogen u, die Signoria zu ermorden u. dann 
Benedig in die Hände der Spanier zu bringen. 


emes Bermögensvortheils, B. der Eheiheidung,| Der Plan ward aber verratben, u. B. floh nad 


des beftändigen Aufenthaltes au einem beftimmten 
Orte). Dies find die gemeinrechtlichen (römischen) 
Grundfäge der B-en; bezüglid) der neueren Codifi- 
cationen des Privatrechtes f. (ode eivil Art. 
1168 ff., welcher fih am meiften dem Römifchen 
Techte anſchließt, u. Preuß. Allg. Landrecht Th. I. 
Kit. IV. SS 100 fi. m. Th. I. Fit. V. 8$ 226 ff. 
Dafielbe gilt auch von den perpleren B»en, 
d. b. folhen, welche einen Widerfpruch in die 
Dispofition jelbit bringen. 4) Im gemeinen Leben 
eine Gegenforderung, welche bei zweiſeitigen Ber- 
trägen von dem einen Contrahenten dem anderen 
ge wurde, 3. B. der Kaufpreis, Pachtzins zc. 
ies find jedody feine B⸗en im eigentlichen recht- 
lihen Sinne, fondern Leitungen, welche ſich aus 
der Natur des Vertrages ſelbſt erflären. 5) Eine 
Baare auf B. (a condition) annehmen, heißt, 
fih die Rüdgabe derjelben vorbehalten, falls fie 
nicht probehaltig ift, od. auch wol, falls fich fein 
Käufer dazu findet (ſ. d. Art. Kauf- u. Commij- 
fionsgeihäft),. 6) (Marh.) In einer Aufgabe 
eine Forderung, welcher bei der Auflöfung Ge: 
nüge geſchehen ſoll; jo ift 3. B. allgemeine B. 
der unbeſtimmten Analytik, daß die geſuchten 
Größen ganze Zahlen oder auch rationale Brüche 
ſeien. 36) Groteſend. 
Bedingungsgleichung heißt eine Gleichung, 
von welcher die Auflöſung einer Aufgabe jo ab- 
bängt, daß diefe nırr möglichift, wenn der Bedingung 
genügt ift. Soll 3. B. eine ganze Zahl gefunden 
werden, die den Austrud ax? +b zu einem 
Quadrat madt, jo ift dies nur möglich, wenn 
a fo befchaffen ift, daß ed der B. m?=an? + 1 
entipricht; a, b, m, n find ganze Zahlen. Sonft 
verfteht man bejonders unter B-en diejenigen Gleich» 
ungen in der Differential- u. Jutegralrechnung, 
weiche die Beziehungen der Differentiale zu ein— 
ander darftellen, die erforderlich find, wenn die In— 
tegration einer Differentialgleihung möglich fein ſoll. 


Mailand. Er ward dann Biſchof von Oviedo, 
1622 Cardinal u, Präfident des Rathes der Nieder: 
lande, jedoch megen feiner Strenge abberufen n. 
ging nah Rom, wurde Bischof von Paleftrina u. 
jpäter von Malaga; er ft. 1655. 

Bedoin, Fleden im Arr. Carpentras des 
franz. Depart. Bauclufe, an der Mede; Töpferei, 
Seidenjpinnerei; 2425 Em, 

Bedr, Ort im gleihnam. arab. Thal, zwifchen 
Mefta u. Medina; Schauplag von Mohammeds 
erftem Siege über feine ihm feindfeligen Stamm- 
genoffen (Koreifchiten). 

Bedretto, Bal di, 20 km langes Thal im 
jchweiz. Kanton Teſſin, an der Südſeite des Gott- 
hard; 300 Em., die von Alpenmwirtbichaft leben. 
Der Roggenbau fteigt hier fat bis zur Nufenen- 
Paßhbhe, 2440 m. 

edriäenm (Betriacum, Bebriacum;a.Geogr.), 
Heiner Fleden im Zranspadanifchen Gallien (Ita— 
lien), öftlih von Cremona; jet St. Lorenzo Guaz« 
zone, nach Anderen Beverara. Zwiſchen B. und 
Cremona 69 n. Ehr. Sieg des Bitellius über Otho, 
dann des Veſpaſianus über die Bitellianer; f. 
Rom (Geid.). 

Bedſcha, afrikanisches Bolt in Nubien, zwiichen 
dem Nil u. dem Nothen Meere, zum hamitifchen 
Bölferftamme gehörend; im Alterthum Blemmyer; 
in mehrere Stämme zerfallend, wie die Bilcharin, 
Hadendoa u, Bent Amer, die neben einem verdor- 
benen Arabifchen noch eine ältere Hamitifche Sprache 
mit 3 grammatifchen Gejchlechtsformen, das To» 
Bedſchauijeh, ſprechen. Dies gilt auch von einigen 
in diejen Gegenden nomadifirenden arabiihen Stäm- 
men, den Habab, vn u.a. 

Bedſchember, Yandichaft, jo v. w. Bequemeder. 

Beduinen (arab. Bedäwi, d. i. Bemohner 
des flachen Landes oder der Wüſte) werden gegen- 
iiher den Pandbauern un. Städtebewohnern diejenigen 
Araber genannt, die ein nomadiſirendes Leben 


86 


führen. Won ihrer Urheimatb, dem Innern der 
Arabiſchen Halbinfel aus, verbreiteten fie ſich ſchon 
frübzeitig über die Syriihe u. Agyptiſche Wüſte, 
ſpäter, nach Untergang der alten Culturſtaaten, in 
Syrien, Mefopotamien u, Chaldäa, zulegt mit der 
Eroberung NAfrifas, im 7. Jahrh. n. Ehr., nicht 
bloß über die nördlichen Küftenländer, jondern auch 
über Nubien, die Sahara u. einen großen Theil 
des Sudan; das nördliche Afrika iſt ibnen zur 
zweiten Urbeimath geworden. Seildem werden 
auch die nomadifirenden Mauren u. Berbern B. 
genannt. Auch die alten Hebräer, jo lange fte ein 
Nomadenleben führten, find durchaus in Zitte u. 
Lebensart den B. gleichzuftellen. Nur in einigen 
anbanfäbigen Gebieten Mejopotamiene, Syriens 
u. der Berberei treiben die B. Aderbau u. haben 
" fefte Wohnfige; der bei Weitem größte Theil führt, 
durch die Natur feiner Ländergebiete gezwungen, 
ein hberumjchweifendes Leben u. nährt fih von dem 
Ertrage der Viehzucht, der Jagd u. des Raubes. 
Phyſiſch u. moraliih befunden die B, ihren ſemi— 
tischen Urſprung, mobdificirt durch ihre Lebensweiſe. 
Die Beduinen find im Ganzen wohlgebaut, ſehr 
mager, mehr jehnig als musculös, dabei aber kräf— 
tig, behend, abgehärtet u. ausdauernd. Ihre Farbe 
ift braum in verſchiedenen Stufen, ihre Sinne jehr 
ſcharf, der Blick feurig u. jchlau, der Geſichtsaus— 
drud ſtolz m. unbefangen, die Haltung frei u. 
imponirend. Bon Gharafter find die B. gelb- 
gierig, ranbluftig, treulos, ſowie wollüftig u. rach— 
jüchtig bis zur unbändigen Leidenſchaft, dabei jedoch 
nüchtern, furchtlos, kriegeriſch, ruhmliebend, gaft- 
freundichaftlih, in manden Berhältuiffen ſelbſt 
aufopfernd, befonders für Verwandte, ıı. ritterlid. 
Ihren Reichthum bildet ihr Viehſtand an’ Kamelen 
u. Pferden, die fie zärtlich lieben, dann an Ejeln, 
Schafen u. Ziegen, aus dem Pflanzenreiche vor 
Allen die Dattelpalme. Ihr politiich-jocialer Zu— 
ftand ift der eines patriardhaliihen Stammlebens. 
Den Mittelpunkt eines jeden Stammes bildet eine 
oder einige Familien, deren männliche Glieder den 
Namen heit (diateftiih audh Shefh) führen; 
aus ihnen werden die Häuptlinge des ganzen 
Stammes, die Kaid oder auch Emire, ſowie die 
BVorfteher der Duar oder Dörfer gewählt. Letztere 
find bewegliche Yager u, bejtehen aus einem un— 
regelmäßigen Zirkel von Zelten, die aus Deden 
von Ziegen» u. Kamelhaaren beftehen, welche über 
3 od. 5—6 Fuß hohe Stangen ausgefpannt find. 
Jedes Zelt wird von einer gemite bewohnt und 
dur einen Vorhang in 2 Theile getheilt, deren 
einer nur für die Weiber if. In den leeren 
Raum, den der Zirfel diefer Zelte einſchließt, wer- 
den nachts die Heerden getrieben. Hunde find die 
einzigen Wachen. Die Pferde bleiben gejfattelt, 
man ift jeden Angenblid zum Aufbruche bereit, 
u. doch werben bie B. oft von anderen Horden 
überrumpelt u. ihnen ihr Vieh geraubt. Der Re— 
ligion nad) find jetst alle B., mit Ausnahme einiger 
Stämme in Syrien, die befondere Secten bilden, 
Mohanımedaner. Die Stelle der Priefter vertreten 
die Marabut (f. d.). Die meift unverjchleierten 
Ben bewegen ſich freier, als bei den jeßhaften 
vientalen. Die B. leben in bloß einfacher Ehe, 
Sie find trefflihe Reiter, ſehr gejchidt als Jäger 
u. im Ballipiel; fonftige Bergnügungen find Tanz, 


Bedungene Strafe — Bedürfniß. 


Geſang u. Märchenerzählung, fowie fühes Richts- 
thun bei Tabak u. Kafſe. Ihre haupriäcdhlichften 
Kleidungsftüde find der Haifd, ein weites Unter- 
fleid, u. der übergeworfene Burnus, beide ans 
felbftgewebten Wollenftoffen; auf den Bart wird 
forgfältige Pflege verwendet. Über die Fertigung 
der umentbehrlichiten Geräthichaften u. Stoffe gebt 
die Induſtrie der B. nicht hinaus; für die Er— 
zeugniffe ihrer Heerden erhandeln fie Waffen, Ge- 
treide u. Schießbedarf. Ihre geiftige Bildung ift 
gering, doch find fie von natürlichem Berftande, 
lebhaften Geifte u. fenriger Phantafie, wie u. A. 
ihre Märchen u. PBoefien befunden. Die B. hal» 
ten fich für das vornehmfte Volk u. verachten die 
Araber, welche in Städten wohnen. Diejenigen 
Stämme, welche, wie in Syrien, dem Peträiſchen 
Arabien u. in Algerien, mit Europäern in näbere 
Berührung gelommen find, baben fih den Ein— 
flüffen derjelben nicht entziehen fünnen u. ihre 
Lebensweiſe in manden Stücken modificiren milj- 
fen. Die beiten Aufichlüjfe über das Leben und 
Treiben der B. haben befonders Niebuhr, Burd- 
bardt, Wallin, Burton, für Afrika in meuefter Zeit 
befonders Barth gegeben, 

Bedungene Strafe, jo v. w. Conventional» 
ftrafe; ſ. u. Strafe, 

Bedürfniß it im Allgemeinen u. abstract Alles, 
was ein organisches Wejen zur Erbaltung feiner 
Eriftenz u. Erfüllung feiner Zwede od. Abfichten 
erfordern muß. Die Pflanze bedarf zu ihrer Ent«- 
widelung vielerlei hemifcher u. phyfifaliicher Ele— 
mente; dem Thiere ift Nahrung u. Pflege n. dent 
Hausthiere auch noch die Dreſſur nöthig; der 
Menſch aber bat unermeßlich viel u. vielartige Be- 
dürfniſſe phyſiſcher u. pſychiſcher Art für feine leib- 
liche, wie für feine geiftige Entwidelung; ev bat 
materielle u. ideelle Bedürfniſſe. Die Bedürfniffe 
des Menſchen find theils mothwendige, inſofern 
dadurch feine leibliche und geiſtige Exiſtenz und 
Entwidelung im Allgemeinen, oder die befondere 
Geftaltung der Lebens» u. Berufsverhältniffe des 
Einzelnen bedingt find, theils nur nügliche, indem 
deren Befriedigung zwar nicht in der eben ange- 
deuteten Hinficht nothwendig, aber doch für dies 
beftimmte Individuum vortheilhaft ift, oder enb- 
lich beziehen fie ih auf Dinge, deren Beſitz nur 
einen entbehrlichen Genuß bereitet (Lurus). Der 
Begriff des menſchlichen Bedürfniffes ift, went 
man von den unerläßlihen Borausfetungen der 
menschlichen Eriftenz abfiebt, durchaus relativ: 
ſchon das, was fir nothmwendigen Befit oder Ge— 
nuß gehalten wird, ift bei den Einzelnen verichie» 
den, noch mehr aber das, was fie filr nützlich 
u. für zum Vergnügen begehrenswertb halten. 
Im Allgemeinen ıft wahrzunehmen, daß die Be— 
dürfniſſe des Menfchen in dem Maße feiner fitt- 
lichegeiftigen Entwidelung fteigen; es gilt dies 
vor Allem von den geiftigen Bedürfniſſen, in ge⸗ 
ringerem Grade von den materiellen; denn je 
höher die geige Fähigleit u. das geiftige Ju— 
terefie des Menſchen, defto tiefer finkt für ihr der 
Werth des Materiellen, wobei jedoch die fteigende 
giifige Eultur jelbft wieder mit neuen materiellen 

edürfniffen befannt macht und an ſolche gewöhnt. 
Der Menſch bat feine Bedürfniffe durch ehren 
ung feiner lörperlihen u. geifligen Kraft zu be» 


Ber — 


friedigen; da diefe aber nicht ausreicht, fo ift das 
Zuſammenwirken Bieler erforderlich; der Einzelne 
findet ald Glied der Familie, der Gemeinde, des 
Staates, der Geſellſchaft den Weg zur BVefriedig- 
ung jeiner Bedürfniſſe. Daß fo der Einzelne des 
Anderen, das Glied des Ganzen bedarf, ift das 
Zundament der jocialen Ordnung u. die unab- 
läſfſig wirfende Kraft der focialen Bewegung. Weil 
aber alle Menjchen innerhalb der Sphäre ihrer 
jortalen Zufammengehörigkeit u. Gleichftellung, wie 
an beitimmte gleichartige ————— ſo auch 
an gleichartige Bedürfniſſe ſich gewöhnen, fo un— 
terſcheiden ſich von den Individual-Bedürfniſſen 
die des Standes, der Berufsgenoſſenſchaft, u. bis 
zu gemwiffem Grabe beherrſcht den Einzelnen die 
Macht dieſes Bedürfniffes der Gemeinichaft in 
einer unausweichlichen Weiſe. Man denle au die 
despotiihe Macht der Mode. Es kann fih dann 
der ſittliche Werth des Einzelnen an der Freiheit, 
welche er vor dem falichen od. übertriebenen Be— 
bürfnifje feines Standes gegenüber zu bewahren 
vermag, erproben. Die Fürſorge für das jeder 
Zeit genügende Borhandenfein der zur Vefriedig- 
ung des allgemeinen (öffentlichen) od. des inbivt- 
duell»befonderen Bedürfniſſes ift die Aufgabe der 
Staats. oder Gemeinde», bezw. der Privat-Ofono- 
mie. Dahin gebört aber auch die Fürſorge für 
die Befeitigung aller Ansprüche, welche Entfittlich- 
ung u. Übercultur au den Staat oder den Einzel- 
nen ftellen. Aufgabe ift für Beide, die Bedürfniffe 
auf die rechte Höhe, aber aud) auf das rechte Maß 
zu bringen u. Anftalten, Einrichtungen u. Mittel 
zu ſchaffen u. bereit zu halten, welche zu deren 
Beiriedigung Dienlih find. Nationalökonomiſch 
entipricht dem Begriffe B. der der Nachfrage 
(f. d. Art); in dem Staats- u. Gemeinde-Haus- 
halte (j. Budget) ift in gewiffem Sinne B. u. Aus- 
gabe identiſch, weil es hier nur nothwendige Aus- 
gaben gibt. Grotefend. 

Dee, County im nordamerifan. Unionsftaate 
Teras, unter 28° n. Br. u. 970 w. L.; vom Aran— 
ſasflüßchen durchzogen; 1082 Ew.; Countyfig: 
Refugi. 

Beecher, 1) Lyman, amerifan. Theolog, geb. 
1775 zu New-Haven im Staate Connecticut; 
wurde 1798 Geiſtlicher u. ließ ſich im folgenden 
Jahre in Eaſt-Hampton auf der JInſel Long— 
Island nieder; 1810 wurde er Prediger in Litch- 
feld (Eonnecticut), war Mitbegründer der Mifr 
fionsgejelljhaft in Connecticut, der Erziehungs- 
gejellichaft, der amerifanishen Bibelgejellicaft; 
1826 ging er als Prediger nad Boſton u. wurde 
1832 Bräftdent des presbyterianisch theologischen 
Seminars in Cincinnati; 1850 refiguirte er u. ft. 
10. San. 1863 in Broofiyn. Seine Schriften 
(u. a.: Six Sermons über — —— erſcheinen 
geſammelt ſeit 1852 in Boſton. 2) Henry Ward, 
der berühmteſte amerikanische Kanzelredner, geb. 
24. Juni 1813 zu Lirhfield (Connecticut); ftudirte 
zuerft Mathematit und Naturwiſſenſchaften, dann 
Theologie in Cincinnati, war von 1839 an Pre- 
diger in Indianopolis, feit 1847 an der neu ge« 
gründeten congregationaliftiihen Plymouthfirche in 

rooliyn. t als Kanzelvedner mit allen 
traditionellen Kanzelgewohnheiten gebrodhen und 
beipriht alle Tagesfragen in der zwanglofeften 


Beecher. 87 


Weiſe. Im Princip orthodox, iſt er in der Lebeus— 
auffaſſung freiſinnig u. Gegner eines beſchränkten 
Chriſtenthums. Er iſt ein entſchiedener Geguer 
der Sklaverei, ein eifriger Vorlämpfer der Tem— 
peranzſache u. der Frauenemancipation. KHeraus« 
gegeben hat er: Lecture to young Men (außer- 
ficchliher Vortrag), Boſton 1850, neue Ausgabe, 
1863; Beiträge zum Independent Industry and 
Idleness, 1850; The Star Papers, 1855; Pleasant 
Talk about Fruits ır. ſ. f., 1858; Life Thougts, 
1858, deutich, Berl. 1864; Royal Truths, 1864, 
deutich, Berl. 1866; Aids to Prayer, 1864; Nor- 
wood (Novelle), 1867, 3 B., deutich, Stuttg. 1871; 
Life of Christ, 18., 1871; A volume of Speeches, 
1863; Bortrag über den amerifan, Krieg; Aus» 
wahl feiner geiftl. Reden, deutſch v. Tollin, Berl. 
1870. In der jüngften Zeit in einen Scandal- 
proceß verwidelt, wurde er von einem aus feinen 
Gemeindegliedern gebildeten Gerichte freigeiprochen. 
3) Katharine, amerifanische Schriftftellerin auf 
pädagogischen Gebiete, Schwefter des Vor., geb. 
6. Septbr. 1800 zu Gaftl-Hampton auf Yong- 
Island; widmete ſich dem Lehrfache u. gründete 
1823 zu SHartfort ein Mädchenſeminar, welches 
jehr befucht war; 1832 begleitete fie ihren Vater 
nah Cincinnati u. gründete 1833 das Weftern- 
Female-FJIuſtitut (eine höhere Mäpchenfchule) da- 
ſelbſt. Sie jhr.: Suggestions on education, 
1829; Letters on difficulties in religion, 1836; 
The moral Instructor, 1838; Domestie Economy 
for young Ladies, bat viele Auflagen erlebt; 
Truth stranger than Fiction, 1850; The true 
remedy for the wronpgs of women, 1851; 
Letters to the people on health and happiness; 
Domestic receipt book; Physivlogy and calli- 
sthenics for the use of schovuls and families, 
1856, u. a. 4) Harriet B.-Stomwe, Schwefter 
der Bor., geb. 15. Juni 1812; trat als Lehrerin 
in die von ihrer Schwefter geleitete Mädchenfchule, 
fiebelte 1832 mit ihrem Bater nach Cincinnati 
über, wo fie fi) 1836 mit Calvin Stowe verbei- 
vathete, welder 1850 Profeffor am Theologischen 
Seminar zu Andover in Maffachufetts wurde. In 
ihrem früheren Wohnfige hatte fie fih, durch ihren 
eifrig abolitioniftiihen Vater angeregt, mit der 
Negerfrage beſchäftigt, auf Neifen im Süden die 
betreffenden Berhältniffe näher kennen gelernt, u. 
nun fchrieb fie den die traurige Lage der Neger 
in den nordamerikaniſchen Sflavenftaaten darftellen- 
den, aber in dichteriicher Beziehung ſchwachen Ro— 
man: Uncle Toms Cabin or Negro Life in’the 
Slave States of America, oft. 1852, welcher 
innerhalb 3 Monaten 20 Auflagen zu 3000 Exem— 
plaren erlebte u. auch in Europa vielfach (ins 
Deutihe als Onfel Toms Hütte) überſetzt wurde, 
Sie felbft bearbeitete ihr Werl dramatiſch uuter 
dem Xitel The Christian Slave, Bofton 1853. 
Zugleich ließ fie einen Schlüffel zu Ontel Toms 
Hütte erfcheinen, worin die Thatſachen als wahr 
nachgewieſen wurden. Sie felbft kam 1853 nad) 
Europa, befuchte England, Paris, die Schweiz u. 
fehrte im Sept. deil. 38. nah Amerika zurüd, 
Bei einem wiederholten Beſuche Europas hatte fie 
im März 1857 aud eine Audienz bei dem Papfte 
in Rom. Sie ſchrieb noch mehrere Erzählungen 
u. Novelletten: Sunny Memoirs of foreign Lands, 


88 


Boſt. 1854, 2 Bde., ferner: Geography for my 
children, Lond. u. Boft. 1855, den culturgejchidt- 
lichen Roman Dred, a tale of the great dismal 
swamp, ebd. 1856 fi., u. mehrere andere Romane, 
die nicht viel Glück machten, ſowie Schriften über 
die grauenfrage, darıınter The American Wo- 
man’s Home, New-York 1869. Seit 1867 war 
fie an der Herausgabe der Zeitſchrift Hearth and 
Home betheiligt. Ihre True story of Lord 
Byrons Life im Atlantic-Monthly-Magazine, 1869, 
traf, meil der große Dichter darin in einem un— 
günftigen Lichte erfchien, anf viel Umvillen und 
Widerſpruch. Unter ihren zablreihen übrigen 
Schriften ragt Old Town Folks, 2.N., 1871, her- 
vor, eine Schilderung des religiöfen Yebens der 
Nen-Engländer im vorigen Jahrhundert, Sie ver- 
faßte auch Gedichte. Eine Auswahl ihrer Werte ent- 
hält Golden Fruit in silver Baskets, Yond. 1859. 
Sie lebt zu Hartford in Connecticut. 
2) Löffler. 4 Henne-Am Rhynm.“ 

Beecher Lake, Binnenfee im Gebiete Victoriana 
des brit. Namerika, u. 64° n. Br. u. 108° w. %.; 
Uriprung des großen Fiſch- oder Badfluffes. 

Beechey, 1) Vorgebirg u. Bucht an der NKüſte 
des nordamerilanifhen Zerrit. Mlasta. 2) Kleine 
Inſel in den amerikan. Nordpolarländern, an der 
SWede von North»Devon, am Eingange des 
Wellington-Kanals, Durch ihre Lage für die Nord- 
polerpeditionen von Wichtigkeit, war fie während 
der Aufjuhung Franklin der Eentraldepotplag für 
die verwendeten Schiffe. Auf ihr fand man Spur 
ven Franklins vom Jahre 1850. 

Beechey, Frederid William, engl, Reifen- 
der, geb. 17. Febr. 1796 in London; trat 1808 
als Cadet in die Marine, wurde Offizier u. reifte 
1818 mit Gapitän Franklin nad Spigbergen u. 
1819 als Parrys Lieutenant nad dem Molar— 
meere; 1821—22 unterfuchte er mit- feinem Bru- 
der die NHüfte Afrikas u. führte 1825 als Capitän 
das Proviantichiff zum Succurs für Franklins u. 
Parrys Erpedition zur Auffuhung eines NWWeges 
durch das Polarmeer in die Veringsftraße auf 
einem Umwege durch den Großen Dcean nach der 
WKiiſte Amerilas, die er bis zu 71° unterfuchte, 
während er auf der Chamiffo-Jnfel, in Kotebues 
Sund, wo er Franklin treffen mwollte, vermeilte. 
Ohne Franklin gefunden zu haben, fehrte er im 
Det. von dort zurüd u. befuchte bis zum Juli 
1827 Californien, Macao u. die Lieukieu-Inſeln; 
danır ging er wieder bis zur Beringsitraße, u. da 
er Franklin wieder nicht fand, fo kehrte er zurüd 
u. fam im Sept. 1828 in Portsmouth an. Wäh— 
vend diefer Reife war er 1827 zum Gapitän er- 
nannt worden. An feinem Plan, 1835 die Auf- 
nahme der Südſee fortzufeten, wurde er durch 
Krankheit verhindert, dagegen nahm er 1837—47 
den Briftol- u. Frifhen Kanal auf; wurde 1847 
Director des Marinedepartements im Handels— 
bureau, 1854 Biceadmiral, u. 1855 Präfident der 
Königl. Geographiſchen Gefellichaft; er ft. 29. Nov. 
1856 zu London, Geine Neifen befchrieb er in: 
Proceedings of the expedition to explore the 
Northern coast of Africa (1821), Lond. 1828; 
Narrative of a voyage to the Pacific and Bering 


Becher Lake — Beer. 


Beede (auch Bede, Petitio, Exactio precaria), 
war urjpränglih die Abgabe, durch melde man 
fih vom Kriegsdienfte lostaufte (Heerfteuer, Heer» 
ichilling); wurde aber bereits im Mittelalter ohne 
Nüdfiht auf jene Entftehungsart als eine Art 
Bermögensfteuer in verjchiedener Weiſe erhoben, 
nah Köpfen, nah Häufern, nad dem Biehftande, 
nah Landhufen. Den Terminen entiprechend, an 
welchen. die Steuer zu zahlen war, hieß fie auch 
Herbft-B., Lihtmeß-B. ꝛc. Als mit der Ausbild- 
ung des Lehnweſens die großen u. Heinen Lehus— 
träger fi immer mehr von der Staatsgewalt uns 
abhängig gemacht hatten, erhoben auch dieje von 
ihren Bafallen die B. 

Deeidigung, |. u. Eid. 

Beelit (Belig), Stadt im Kreife Zauche-Belzig 
des preuß. Negbez. Potsdam, an der Stieglig; 
Aderbau; Flahsmärkte; 2738 Em. Wird 997 
zuerft genannt; Stadt jeit 1321; war bis 1815 
ſächſiſch. 

Beelzebub, 1) im A. T. der Baal in Efron; 
j. u. Baal. 2) Im N. T. Name des oberften 
der Dämonen, indem die Juden bei ihrem Haß 
gegen die Heiden den Namen eines der Götter der- 
jelben auf den Satan übertrugen. Derjelbe ward 
von ihnen gleichzeitig in den anderen Beelzebufl, 
d, i. Herr des Kothes, verändert. 

Beelzebub, 1) jo v. w. Marimonda; ſ. Klam- 
meraffe. 2) So v. mw. rother Brüllaffe (f. d.). 

Beemiter, Polder im Bez. Hoorn der nieder- 
ländifchen Prov. NBrabant, nordweftl. von Edam; 
1608—12 ausgetroduet; jchöne Kanäle u. Alleen; 
Viehzucht, Wolle» u. Käfefabrifation; 3770 Em. 

Beer, 1) Peter, geb. 1758 zu Neubidſchow 
in Böhmen; wurde Lehrer der israclitiihen Schule 
zu Mattersdorf, 1785 an der zu Neubidſchow u. 
1811 an der Prager Hauptichule, wo er 1838 ſtarb. 
Er trug viel zur Verbefferung des Eultus u. der 
jüüdiſchen Schulen in Ofterreih bei u. ſchr. u. a.: 
Toldoth Israel, mit deutfcher Überfegung, Bonn 
1796, 2 Thle.; Ceremonialgefänge der Juden, Prag 
1818; Gejchichte der jüdischen Secten, Brünn 1822, 
2 Bde.; Leben u. Wirken des Maimonıdes, Prag 
1836; Gelbftbiographie, ebd. 1838. 2) Georg 
Joſeph, Profeſſor der Augenheillunde in Wien, 
geb. 1763 u. geft. 1821 daf.; gehörte zu den vor- 
züglichften deutichen Augenärzten, der durch That, 
Wort u. Schrift das Meifte für Bervolllommnung 
der Augenheiltunde beigetragen hat, vor Allem 
aber zu dem Ruhme, den Wien binjichtlich der 
Euftur diefer Wiffenfhaft mit Recht in Anfpruch 
nimmt. Er veranlaßte ein Buftrömen von Zus 
börern aus aller Herren Ländern, Sein Wirken 
wurde ein noch ausgiebigeres, als 1815 ın Wien 
ein eigenes, von allen Nebenzweigen getrennıes 
Lehramt der prakt. u. theoret. Augenbeillunde, 
verbunden mit einer beſonderen Hinifchen Anftalt, 
ins Leben gerufen wurde. Er veröffentlichte außer 
der Lehre von den Augenkrantbeiten, Wien 1792 
mit Kupferu (dem beiten Werte damaliger Zeit 
über diefen Gegenftand), noch: Praktische Beobacdht- 
ungen über verſchiedene, vorzüglich aber über jene 
Augenkrankheiten, welche aus allgemeinen Krank» 
heiten des Körpers entipringen, Wien 1791; 


Street 1824—1828, ebd. 1831, 2 Bde.; Avoyage of| Braft. Beobachtungen über den Grauen Gtaar u, 
discovery towards the North Isle(1818), ebd.1843. |die Krankheiten der Hornhaut, daf. 1791; G. 5, 


Beerangelica — Beeſt-Milch. 


Beers Methode, den Grauen Staar jammt der 
Kapiel auszuziehen, daſ. 1799; Nepertorium aller 
bis zu Ende des Jahres 1797 erſchienenen Schrif- 
ten über die Augenfranfheiten, daf. 1799; Aus— 
wahl aus dem Tagebuche eines praft. Augenarztes, 
daf. 1800; Pflege gefunder u. geſchwächter Nugen, 
daf. 1800; Anficht der ftahylomatöfen Metamor- 
phoſe des Auges u. der Fünftlihen Pupillenbild- 
ung, daſ. 1806; Geſchichte der Augenheilkunde, 
1. Heft, daf. 1813; Das Auge, oder Verſuch, das 
edelſte Geſchenl der Schöpfung vor dem höchſt ver« 
derblichen Einfluffe unferes Zeitalters zu fichern, 
daf. 1813; Lehre von den Augenkrankfheiten, als 
Leitjaden zu feinen öffentlichen daſ., 
1. Bd. 1813, 2. Bd. 1817. 8) Jakob Meyer 
(od, wie er fi gewöhnlich nennt, Giacomo Meyer- 
beer), ſ. d. 4) Wilhelm, verdienftvoller Aftro- 
nom, Bruder des Bor., geb.4. Jan. 1797 zu Berlin; 
erhielt jeine Schulbildung auf dem Joachimsthaler 
Gymnaſium, machte die Feldzüge von 1813—15 
als Freiwilliger, dann als Offizier mit, widmete 
fih nad dem Frieden den Handelsgeichäften, über 
nahm ipäter das Geihäft feines Baters u, erhielt 
den Titel Geb. Commerfienrath, trieb aber da— 
neben auf jeiner Meinen Sternwarte im Thier- 
garten zu Berlin mit Mädler Aftronomie; er war 
1849 Mitglied der 1. Kammer; ftarb 27. März 
1850. Er jr. mit Mädler: Phyſiſche Beobadit- 
ungen bes Mars, Berl. 1830; Mappa seleno- 
graphica, ebd. 1834—36, 4 Lief.; Der Mond nad 
feinen kosmiſchen u. individuellen Verhältniſſen, 
ebd. 1837; Die Dreifönigsverfaflung in ihrer Ge— 
fahr für Preußen, 1849. 5) Midael, drama- 
tiſcher Dichter, Bruder des Bor., geb. 19. Aug. 
1800 zu Berlin; findirte dafelbit Geichichte und 
Vhiloſophie und machte Reifen in Deutichlaud, 
Italien u. Frankreich. Seinen gewöhnlichen Aufent- 
balt hatte er in München, wo er 22. März 1833 
farb. Er ſchr. die Trauerſpiele: Klytämneſtra 
(1819); Die Bräyte von Aragonien (1822); Der 
Paria, Lpz. 1823; Struenjee (1829); Schwert u. 
d® (1832); außerdem: Genuefiihe Clegien, 
(1826). Sämmtlihe Werke, herausgeg. v. Schent, 
Cp5. 1835; Briefwechiel, 1837. 6) Adolf, öfterr. 
Geſchichtſchreiber, geb. 27. Febr. 1831 zu Proß- 
nis in Mähren; wurde 1853 Öymnafiallehrer in 
Ezernowig, dann in Wien u. Prag, 1857 Pro- 
feffor der Gefhichte an der Nechtsalademie zu 
Grogmwardein, 1858 an der Handelsafademie zu 
Wien, 1868 an der technifchen Hochſchule daſelbſt, 
1869 Hofrath im Unterrichtsminiſterium, von wel— 
cher Stelle er jedoch mit dem Sturze des Bürger- 
miniſteriums zurücktrat. Außer mehreren kleineren 
Arbeiten über die Geſchichte der Zeit Maria The— 
reſias u. Joſephs LI. ſchr. er: Geſchichte des Welt- 
bandels, 2 Bde., Wien 1860; Die Fortſchritte des 
Unterrihtswejens in den Qulturftaaten Europas, 
ebd. 1867 ff., 20. 2 Thambayn. 6) Henne-Am Rhon. 
Beerangeliea (DBot.), fo v. w. Aralia. 
BDeerberg, Berg des Thüringer » Waldes 
auf der Grenze zwiſchen Roburge@otd 


89 


oder fleifchige Fyrucht, deren innere Höhlung oder 
Fächer von einem micht bolzigen, fondern von 
einem bäutigen oder pergamentartigen Endocarp 
ausgefleidet find. Die B-n können oberftändig 
(Rebe) oder unterftändig (Heidelbeere), einſamig 
(Stachelbeere) od. mehrſamig (Kartoffelbeere), ein- 
fächerig (MHebe), zmei- (Kartoffel), drei- (Gurke) 
bis vielfächerig (Eitrone) fein. Der fleifchige Theil 
der B. ijt entweder das Mejocarp (Dattel), oder 
die verdidten Samenträger (Kartoffel), oder eine 
faftige Zellmaſſe, welde den Samen umhüllt 
(Sacao). Die fogen, zujammengefetten Ben, wie 
die Maulbeere, Erdbeere, Himbeere u. Brombeere 
find feine wirflihen B-n; denn die Maulbeere be: 
ftebt aus mehreren, durch faftig gewordene Blüthen- 
büffen verbundenen Steinfrüchtchen; bei der Erd⸗ 
beere fiten Meine, hartſchalige Früchtchen auf einem 
fleifchig gewordenen Fruchtboden; bei der Himbeere 
u. Brombeere endlich fird viele Heine faftige Stein- 
früchtchen auf einem; gemeinichaftlichen trodenen 
Fruchtboden vereinigt. Die Apfelfrucht, Kürbis- 
frucht u. Eitrone müffen zu den einfachen Beeren- 
jrüchten gerechnet werden (f. daf. u. Fracht). 

Beerenblau, Farbeftoff in den Heidel-, Hol- 
lunder- n. Yiqufterbeeren, ſowie in den Beeren des 
ihwarzen Maulbeerbaumes u. in den Weinbeeren. 
Der in legteren vorlommende, näher unterfuchte, 
Onolin oder Önolinfäure genannte Farbſtoff, dem 
auch der Bordeauxwein feine Farbe verdankt, bifdet 
eine bläulich⸗ſchwarze, in Waffer wenig lösliche Maſſe. 

Beerenzapfen (Galbulus) nennt man die 
Frucht des Wachholders; bei diefer find die {bei 
den Nabelbölzern ſonſt gewöhnlich holzigen) Frucht— 
blätter fleifchtg geworden u. zu einer der Beere 
ähnlichen Frucht verjchmolzen. 

— — Stadt im Kreiſe Erbach der groß. 
berzoglich beifiihen Prov. Starfenburg, am Ur- 
Iprunge der Mümling; Quchweberei, Strumpfmwir« 
ferei; 2643 Ew.; brannte 1810 faft ganz ab. 

Beergelb, gelbe Malerfarbe, in Holland aus 
dem Safte des Kreuzdorns (Rhamnus catharti- 
cus L.) gewonnen. 

Beermifpel, jo v. w. Aronia. 

Beernem, Dorf im Arr. Brügge der belgi« 
hen Provinz WFlandern; Spigenfabr.; Handel 
mit Leinwand u. Bich; 4100 Ew.; ſeit 1853 
Strafichule für junge Sträflinge weibl. Gefchlechtes. 

Beerſchwamm, ſ. Framböſie. 

Beerſeba (d. i. Eidesbrunnen, a. Geogr.), 
Stadt if Paläſtina, anfangs zum Stamme Yuda, 
damı zu Simeon gehörig; blühte noch zu Chriſti 
Zeiten; das jegige Bir Sabea. 

Beestomw, 1) Stadt im Kreiſe B.-Storfom 
des preuß. Regbez. Potsdam, am Ausfluffe der 
Spreeaus dem Schwielung-See; Tuchfabr., Wollen« 
mweberei, Brauerei; Freimaurerloge: Guthanafia 
zur Unfterblichfeit; 4227 Ew. B. war bis 1368 Sit 
einer beſond. Herricaft, dann unter Böhmen u. 
1558 unter Brandenburg. 2) B.-Stortom, 
Kreis ebendafelbft, im SD. des Regbez., faft ganz 


a und dem zwiſchen der Spree u. der Dahme; viele Waldungen 


preuß. Kreiſe Schleufingen, unweit Zellaberg, u. Seen, im N. bügelig; 1244 [_]|km (22,, [_W); 


985 m hoch; oben flad u. dicht bewaldet, daber!42,150 Em. 


ohne Ausficht. 
Beerdigung, |. Todtenbeitattung. 
Beere (lat. Bacca), in der Botanik jede jaftige 


Der Kreisgerichtsbez. B. umfaßt 
den größten Theil diefes Kreifes u. einen Theil 
des Kreiſes Yiibben, 

Beeſt⸗Milch (Colofirum, auch Beet, Geeſt⸗ 


‘00 


milch, Prieftermilch), die bei dem Rinde furz vor 
oder bald nad) dem Gebären abgejonderte Milch, 
von grauegelblicer Farbe, fadem Gerud u. Ges 
ſchmack u. größerem Gehalte an flidftoffhaltigen 
Nährftofien, als längere Zeit nad der Geburt 
producirte Mich; namentlich ift der Eimeißgehalt 
der B. wefentlih größer; fie geriunt leicht beim 
Kochen u. darf deshalb nicht umter die andere 
Mich gegoffen werden. Nah etwa adıt Tagen 
verſchwindet nad u. nach dieſe Eigenthümlichleit 
der B. Hat diefelbe einen Tag gejtanden, jo hat 
fie einen falzig-widrigen Geihmad u, röthet Yad- 
ınus nur ſchwach. Die Rahmkügelchen (Colo— 
ftrumlörperchen) in derjelben find bis zu O,, mm 
groß, alſo größer, als in der gewöhnlichen Milch. 
Nicht jehr ſelten bildet fi die B. ſchon 3—4 Wochen 
vor der Geburt. Sie bat eine abführende Wirk 
ung, u. die Aufnahme derjelben ift filr das Kalb 
unbedingt norhwendig, um das im Darmfanal 
deſſelben befindlihe Darmped (Meconium) ber» 
anszuichaffen, weil erft dann eine ungeftörte u. 
regelmäßige Verdauung u. Ausnugung der auf 
genommenen Nahrungsmittel erfolgen kann. 

Beet, ein Streifen Land zwiſchen zwei tiefen 
Furchen; f. u. Acker. 

Beethoven, Ludwig van, Tonkünſtler, einer 
der größten Genien aller Zeiten, geb. 1770 zu 
Bonn, wahriheinlih am 16. Dec. (der gemöhn- 
ih als Geburtstag angegebene u. gefeierte 
17. Dec. ift ſein Tauftag). Die Familie ıft nad 
den neueften Forfhungen flamändiſchen Urfprunges, 
u. im 17. Jahrh. wohnte L. v. B-8 Urgroßvater 
in Antwerpen. Sein Sohn Ludwig ging infolge 
von yamilienftreitigleiten nach dem Niederrhein u. 
fand in der Kapelle des Kölner Kurfürften zu 
Bonn eine Stelle. Er erwarb ſich Anerkennung 
u. wirfte günftig auf die Familienverhältniſſe feir 
nes Sohnes Johann, während der erften Kind- 
heitsjahre des Enkels Ludwig ein. Aber nad 
feinem Tode (1773) geriethen die Verhältniſſe der 
Be⸗ſchen Familie fo ın Berfall, daß Ludwig eine 
jehr harte Jugend durchleben mußte. Bon jeinem 
Vater rücjichtstos zu muſilaliſchen Übungen ge: 
zwungen, damit die erworbenen Fertigkeiten mög- 
lichft bald eine Duelle des Unterhaltes fiir die 
Familie würden, ſah er fih von den Freuden 
der Jugend ausgeſchloſſen, u. hierin findet man 
den erjten Grund der Ungeſelligkeit, die er fpäter 
an den Tag legte. Außer dem Water, welcher 
den Anfangsunterriht auf der Bioline ertheilte, 
waren jeine Lehrer der Mufilvirector Pfeiffer, ein 
tüchtiger Klavierfpieler, der Hoforganift van der 
Eden u. defien College Neefe. Schon 1783 comt- 
ponirte B. ſechs Klavier-Sonaten, die er dem 
Kurfürften von Köln widmete. Dieſe u. andere 
Jugendarbeiten hat er feinen Werfen nicht ein- 
gereiht, vielmehr bezeichnete er felbjt ala Opus 1 
die 3 Trio, die Joſeph Haydn gewidmet find 
(1795). Fünfzehn Jahre alt, wurde er vom Kur— 
fürften Mar Franz, dem Bruder des Kaifers Jo» 
ſeph IL, als zweiter Hoforganift angeftellt, 1787 
zum erjten Mal nah Wien geihidi, wo er Mo- 
zart feinen lernte. BZurüdgefehrt, bildete er fich 
weiter im Klavierfpiel u. der Gompofition aus u. 
wirkte bei den Aufführungen der Hoflapelle als 
Bratſchiſt mit. Bon bildendem Einjluffe auf ihn 


Beet — Beethoven, 


während ſeiues Bonner Aufenthaltes war befonders 
der Verkehr mit der Familie Breuning; auch er- 
warb er ſich hohe Protection, bejonders die Zu— 
neigung des Grafen Waldheim, deffen unter- 
ftügepde u. anfmunternde Theilnahme für B⸗s 
Leben entſcheidend werden follte. Denn durch die 
Vermittelung dieſes Gönners wurde bie zweite 
Neife nah Wien ermöglicht. Es war auch dies- 
mal eine Rückkehr u. dauernde Anftellung zu 
Bonn im Ausficht genommen; aber der gänzliche 
Umſturz der ftaatlihen Berbältniffe infolge der 
franzöfiihen Revolution vereitelte den Plan. B. 
ftudirte nun bei Haydn 1792—95; als Letzterer 
dann feine zweite Neife nah London unternahm, 
verwies er den Schüler an Albredhtsberger. Aber 
ihen vorher hatte fih B. auch der ——— 
Unterweiſung Schenks zu erfreuen — Neben 
den ſtreng ſchulmäßigen Studien bei dieſen Mei— 
ſtern nahm die ſelbſtändige ſchöpferiſche Thätigkeit 
des jungen Componiſten einen raſchen Fortgang. 
Nach den erwähnten Trios erſchienen 1796 Die 
drei Klavierfonaten Op. 2; es folgten in kurzer 
Zeit weitere Sonaten, die 6 erften Streichquartette, 
das Geptett, u. nah 5 J. hatte er mit der Ber- 
öffentlihung der erften Symphonie jhon Op. 21 
erreicht. Durch die Empfehlung des Bonner Hofes 
fand er Zutritt in den Ariftofratentreifen Wiens, 
u. namentlich die Fücſten v. Lichnowsky, v. Yob- 
fowig widmeten ihm eine ehrenvolle Theilnahme. 
Nach dem Tode des Kölner Kurfürften (1801) er- 
ihien es als wahrfcheinlich, daß B. in Wien feie 
nen dauernden Aufenthalt nehmen würde; um 
ihn an die Kaiferftadt zu fefjeln, vereinigten ſich 
jpäter mehrere feiner Gönner, darunter fein Schiller, 
der Erzherzog Rudolf, zur Berleihung einer ftän- 
digen Yabresrente, wodurch dem genialen Ton- 
fünftfer eine forgenfreie Eriftenz gefichert werden 
follte. Die nächte Beranlaffung hierzu batte eine 
Einladung gegeben, welche der König von Weit« 
falen im J. 1809 an B. ergehen lieh, in Kaffel 
eine Hoflapellmeifterjtelle unter den günftigften 
Bedingungen zu übernehmen. DB. bat feit dent 
%. 1793, abgejchen von wenigen Reifen, in Wien 
u. dem benachbarten Dorfe Mödling, wohin er 
im Sommer zu ziehen liebte, fein Leben zugebradit. 
Er batte einen großen Hang zur einfiedlerifchen 
Zurüdgezogenheit u. war ein enthufiaftiicher Natur» 
freund. Auf einem feiner ansgedehnten Spazier: 
gänge hatte er ſich übermäßig erhigt, u. durch 
unbedachtſame Abkühlung nah feiner Heimkehr 
jcheint er den Grund zu jenem ſchweren Gehörs 
leiden gelegt zu haben, welches ihm bejonders feit 
1812 fein Mannesalter jo jehr verbitterte. Ohne— 
bin den comventionellen Formen des gejellichaft- 
lichen Lebens wenig zugeneigt, wurde er unzu— 
gängliher u. mißtrauiih. Dazu kamen trübe 
Erfahrumgen, welde er an feinem Neffen, deſſen 
Bormundichaft er 1815 übernommen hatte, u. au 
befien Mutter machen mußte. Aber trogdem u. 
ungeachtet der allmählich eingetretenen Taubheit 
erlahmte feine jchöpferifhe Kraft nit. Seine 
erhabenften Werke, die drei legten Symphonien, 
von welchen die mittlere ſich der einfacheren Leich— 
tigfeit der erften Sympbonien mähert, u. die 
Missa solennis, entftammen dieſer traurigen Pe— 
tiode jeines Lebens (jeit 1812). Er ftarb 26. März 


Beethoven. 


1827 u. wurde auf dem Währinger Friedhofe be- 
ftattet. Im feiner Baterſtadt Bonn wurde ihm 
1845 ein von Hähnel mobellirtes, von Burgſchmiet 
m Erz gegojienes Standbild errichtet, u. eben- 
dafelbft wurde die 100jährige Erinnerung feines 
Geburtstages 1871 (megen des Krieges verſchoben) 
dur ein mehrtägiges Mufitfeft begangen. 

Die gedrudten Compofitionen umfajfen 138 Opus- 
nummern u. eine bedeutente Reihe kleinerer Werte, 
melde feine Opuszahl tragen. Weiter verbreitet, 
ald irgend andere neue Tonwerle gleicher Gatt- 
ung, find von ihm 32 Klavierfonaten, 10 Biolin-, 
5 Cello» u. 1 Hornjonate mit Klavier, 8 Klavier: 
Trios, 16 Streichquartette, 3 Quintette, 2Sertette, 
1 Eeptett, die 9 Symphonien, die Oper Fidelio, 
Me Muſik zu Egniont, 2 Feſtſpiele: die Ruinen von 
Aben, König Stepban, die Duvertüren zu Corio- 
lan, Leonore u. a., 7 Goncerte, 2 große Meſſen zc. 
Kein Mufiter der Neuzeit bat mit fo vielen Wer— 
fen einen ſolchen dauernden Erfolg erzielt; nur 
auf dem Gebiete des Oratoriums ift B. mit dem 
Bere: Chriſtus am Olberg weniger glüdlich ge- 
weien, Anfnüpfend an die Traditionen der Wiener 
Zonihule, weiche ihre Höhepunkte in Haydn und 
Nezart bis dahin gefunden hatte, bahnte er all- 
mäblih eine großartigere Geftaltung der Ton— 
‘Höpfung an, ındem er ſowol an Originalität u. 
Tiefe des Gedankeninhaltes, wie an Gemalt u. 
Farbenreichthuum der Inſtrumentation, an genialer 
sreibeit der Formbildung fich - über feine Vor— 
gänger erhob. In feinem Entwidelungsgange, 
abgefehen von den vorbereitenden Jugendftudien, 
(affen fih drei Perioden unterjcheiden. Die erfte 
Beriode ift dadurch charakterifirt, daß die Com- 
pofitionen weſentlich auf den durch Haydn u. 
Mozart entwickelten Kunftformen u. Geſchmacks— 
tichungen beruhen, aber eine mit feltener That- 
kraft u, inniger Empfindung ausgeftattete fünft- 
leriſche Individualität befunden. Hierher gehören 
die bis zur erften Symphonie einschließlich ge- 
'haffenen, oben erwähnten Were; aber es ſtehen 
auch von fpäteren Eompofitionen einige, wie bie 
zweite Symphonie, auf einer ähnlichen Stufe. 
Dit der zweiten Periode beginnt eine fubjective 
Vertiefung des Inhaltes. Die iiberfommenen claffi- 
Ihen Kunftformen bilden nur noch den Rahmen, 
m welchem fich das von einem Grundgedanten 
beberrichte, frei geichaffene Tonbild darftellt. Die 
berwendung der Mufifinftrumente, die namentlich 
mit Bezug auf das Klavier ſchon in der erften Periode 
einen originellen Charakter hat, wirdeine ſtets erwei- 
terte,reichere. Die bedentendften Werkediefer Periode 
And; die zwei Sonaten, Op. 27; Sonate in Ddur, 
Op. 28 (aus dem Jahre 1801); die drei Sonaten 
in Gdur, Dmoll, Esdur, Op. 31; Sonate in 
Cdur, Op. 53; SKreuzerfonate, Op. 47 (1803); 
Sonate in Fmoll, Op. 57 (1804); die Sonaten 
in Fisdur, Esdur, Op. 78, 81a; Sonate, Op. 69 
mit Viofoncell (1809), Op. 96 mit Violine (1810); 
das Triple-Goncert, das 4. u. 5. Klavier«-Concert 
(1805— 1809); das Biolin-Goncert; die Trios, 
Op. 70, 97; Quartette, Op. 59, 74, 95; Sertett, 
Op. 71 (1805—6); Phantafie fir Klavier, Chor 
und Orcefter (1808); Fidelio (1804—1805); 


‘91 


König Stephan; die Ruinen von Athen (1812). 
In der dritten Periode behandelte dev Tondichter 
die Formgebung jeiner Werke vollkommen frei. 
Alles ift beherricht von fubjectiver dee, zu deren 
Ausdrud die überlommenen Kunftformen entweder 
gar nicht, oder nur unvolllommen genügen. Die: 
jelben finden zwar noch Anwendung, müfjen fich 
aber der freieften Umbildung fügen. Im Ganzen 
bat fih B. feine eigene Tonfprache gebildet, den 
vollfommenen Ausdrud feiner boben Gedanken; 
die Tonmittel, fomwol die menſchliche Stimme wie 
die Inſtrumente, werben oft ohne Nüdficht anf 
die herkömmliche Technik, zuweilen jegar obne 
Nüdficht auf die naturgemäße Eigenart der Vocal» 
mufit im Gegenfate zu der Jnſtrumeutalmuſik, 
behandelt. Die legten Werke B⸗s gehören zum 
Theil zu den erhabenften, großartigiien Schöpf— 
ungen der Tonkunſt, u. wurde deren Studium u. 
Wilrdigung erft geraume Zeit nach dem Tode des 
Meifters allgemeiner, obgleich fie bei ihrem Er- 
ſcheinen ſofort großes Aufſehen, ſelbſtverſtändlich 
auch Widerſpruch erregt hatten. In die Zeit nach 
1812 fallen u. a. die Sonaten in Adur, Op. 101; 
Bdur, Op. 106; Edur, Op. 109; Asdur, Op. 110; 
Cmoll, Op. 111 (1815—22); die Quartette, 
Op. 127, Op. 130—132, Op. 135 (1824-26); 
die dritte Bearbeitung des Fidelio erſchien 1814; 
die neunte Symphonie (1823—24); Meeresitille 
und glückliche Fahrt (1815); Missa solennis 
(1818— 22). Eine überſichtliche u. doch eingehende 
Charalteriftif der drei Perioden findet fih in der 
B.-Biographie des Mendelihen Mufitaliihen Con: 
verj.»Lerifons, Berl. 1870, deren Auffaffung uns 
fere Darftellung fih im Wefentlichen anſchließt. 
B-8 Werke find gefammelt u. kritiich herausge- 
geben (1861—65) zu Leipzig bei Breitlopf und 
Härtel. Bollsausgaben der Sonaten, Duartette, 
Lieder erfchienen bei L. Holle in Wolfenbüttel, 
9. Litolff in Braunfhweig, C. F. Peters in Leip— 
319, E. Hallberger in Stuttgart. Die Quartett: 
u. Ordejtercompofitionen find in zahlreichen Ar- 
rangement® verbreitet durch die Berleger Andre 
in Offenbach, Breitfopf u. Härtel, Litoiff, Peters, 
Holle, Schott in Mainz, Leudart in Breslau u. a. 

ie Piteratur über B-8 Leben u. Werke ift fehr 
umfangreih. Bemerkenswerth find die Schriften 
von Wegeler u. Nies, Biographiſche Notizen iiber 
e. v. B., Koblenz 1838, Nachtrag, daf. 1845; 
Schindler, Biographie v. 8, v. B., Müuſter, 
2.4.,1845, 3. A. 1860; W. Neumann, L. v. B., 
eine Biographie, Kaffel 1854; W. v. Lenz, B. 
eine Kunſtſtudie: 1) Das Leben des Meiſters, 
2) Der Stil in B., die Mit- u. Nachwelt B 8.; 
Der B. +» ftatus » quo in Rußland, Kaffel 1855; 
3—5) Kritiſcher Katalog ſämmtlicher Werte L. v. 
Bes mit Analyfe derfelben, Hamb. 1860; eine 
frühere Schrift deffelben führt dem Titel: B. et 
ses trois styles, Petersb. 1852, Brüffel 1854; 
Dulibicheff, B., ses eritiques et ses glossatenrs, 
Lpz. 1857, deutſch v. Biſchoff, Lpz. 1859; Dlarr, 
L. v. Bes Leben u. Schaffen, Berl. 1859, 2. A., 
1863; Nohl, B-8 Leben 1., Wien 1864, IL.—IIT. 1, 
vLpz. 1867—74; D. Müblbreht, B. u. jeine 
Werke, Lpz. 1866;"Aler. Wheelod Thayer, L. v. 


Egmont: Mufit (1808); Meſſe in Cdur (1807); B⸗s Leben, deutih, Berl. 1866—72. B⸗s Briefe 
3, bis 8. Symphonie (1804—12); die Feftipiele: |find herausg. von 2. Nitter v. Köcel: 83 neu 


92 


anfgefundene Originalbriefe 2. v. B-8 an den 
Erzherzog Rudolf, Wien 1865 ; von Nohl, B-8 Briefe, 
Stuttg. 1865; Neue Briefe, ebd. 1868; v. A. Schöne, 
Briefe an Marie, Gräfin Erdödy, Lpz. 1867. 
Be⸗s Studien im Generalbaffe, Contrapunkte und 
in der Compoſitiouslehre find gejammelt u. her- 
ausg. von Ign. Nitter v. Seyfried, Wien 1832, 
2: x. von E. Mansfeldt-Pierfon, Lpz. 1856, 
engliih, daf. 1853. Ein Slizzenbuch von B. ift 
beichrieben von G. Nottebohm, Lpz. 1865. Ka- 
taloge feiner Werke verfaßten Yenz, Thayer, 
hronologisches Berzeihniß, Berl. 1865. Erläu- 
ternde Schriften über Bes Compofitionen lieferten: 
F. L. ©. v. Dürenberg, die Symphonien B-2 
it. anderer berühmten Dleifter, Lpz. 1863; E. v. 
Efterlein, Bes Klavier-Sonaten, 3. A., Lpz. 1866; 
9.8 Spmpbonien, 2. W., Dresd. 1858, 3. A., 
daf, 1870; Marx, ‚Anleitung zum Vortrage B-icher 
Klavierwerke, Berl. 1863, Worträts find ericie- 
nen bei Trautwein u, Comp. in Berlin, Breitfopf 
u. Härtel in Leipzig u. a. Zum 100jährigen 
Gedaͤchtnißtage wurde u. a. veröffentlicht: L. v. B., 
ein dramatiſches Charalterbild in vier Aufzügen, 
mit einem Epilog, von einem Bonner, Lpz. 1870. 
Rich. Wagner, Beethoven, ebd. 1870. rambach. 

Be fa (Muſ.), ſonſt in der Solmiſation der jetzt 
b genannte Ton. 

Befahren 1) (Bergb.), in eine Grube oder einen 
Schacht fteigen, um Etwas zu befihtigen. Die 
Befabrung geichieht entweder nur von einem, oder 
von wenigen Bergbeamten; nehmen fänmtliche Offi- 
tianten daran theil, fo ift e8 Generalbefabhr- 
ung; der Bericht darüber mit Riß heißt Befahr- 
ungsbericht oder Befahrungsregifter. ) Ein in 
der Handelsflotte üblicher Ausdrud, jo v. w.: 
Lange auf See gefahren; daher ein befahrener 
Seemann, mwelder viel Seefahrzeit hat. 

Befallen nannte u. nennt der Landwirth noch 
jetst verſchiedene eigenthümliche, krankhafte Er» 
ſcheinungen an den Culturpflanzen, deren Ents 
ſtehung theilweife bis im die letzte Zeit in Dunkel 
gehüllt war. Erft den neueren Forichungen iſt es 
gelungen, die wahren Urſachen, von mehreren 
Erſcheinungen, mie Honigthau, Mehlthau, Roft, 
Mutterforn, Brand, Kartoffelfäule (ſ. d. a.) 
feſtzuſtellen. Das B. zeigt ſich faft an allen Eul- 
turpflanzen, u. je üppiger u. faftreiher die Ge— 
wächje find, in defto größerem Maßſtabe treten 
die meiften der genannten Krankheiten auf. Mit- 
tel gegen diefe Krankheiten werden, fomweit ſolche 
befannt, bei den einzelnen Krankheiten angeführt. 

Befana (ital. Sage), ſchwarze u. ungeftalte 
Frau, melde, zum Schernftein herabfahrend, die 
unartigen Kinder jchredt, artigen dagegen Ge- 
ſchenke, bei. Nüffe, Mandeln u. Nofinen, bringt. 
Um 6. Jan., als dem Epiphaniastage, woraus 
B. gebildet ift u. wo in Italien eine Art Ehrift- 
markt gehalten wird, fegen Frauen u. Kinder aus 
alten Lumpen gemadte Puppen (Befanapırppen) 
an das Fenſter, angeblih um fich die rau B. 
geneigt zu machen, u, Kinder fenden Männern 
ihrer Belanntichaft Heine Strümpfchen zu, u. Diefe 
ſchicken diejelben mit Bonbons gefüllt zurüd. Der 
Begriff der B. ift dem der Beutichen Holle oder 
Berchta (f. d.) ähnlich. 


Be fa — Befeftigungsmanier, 


einer SeRung, die vor einer ihrer Polygonjeiten 
liegen ; bei bajtionirten Feſtungen befteht fie aus 
2 Falten Baftionen der fie verbindenden Courtine 
u. dem Ravelin u. anderen Außenmwerfen vor 
letter. Unter einer angegriffenen B. werden aber 
gewöhnlich alle von den feindlichen Parallelen 
wirklich umfaßten Werte verftanden. 
Befeſtigungskunſt (Fortification), die Kunft, 
einen Ort in den Stand zu ſetzen, daß fich dort 
Wenige gegen Biele mit Vortheil vertheidigen 
fönnen. Je nachdem der Ort, den man haltbar 
machen will, beichaffen ift, theilt man fie a) im 
Feld-B. (flüihtige B., Fortification passagere), 
welche bloß für das Bedürfniß des Mugenblides, 
höchſtens eines Feldzuges, Schanzen in freiem 
Felde aufwerfen oder Terraingegenftände, mie 
Wälder, Dörfer ꝛc., zu einer vorteilhaften Ber- 
theidigung geihidt maden und b) Feſtungs— 
baufunft (beftändige B., Fortific. royale, 
F. permanente), melde haltbare Pläge, wirf- 
liche Feſtungen und Forts für die Dauer ausfüh- 
ven lehrt; zmwifchen beiden ſteht c) die proviſo— 
riſche B., melde Städte u. wichtige Zerrain- 
punfte für die Dauer eines Krieges in möglichft 
furzer Zeit, zum wenigften für den erften Aulauf, 
zu baltbaren Plätzen zu machen lehrt. Je nach— 
dem die zu bauenden Werke eine regelmäßige 
oder unregelmäßige Gejtalt erhalten, wird die Be- 
feftigung eine regelmäßige od. unregelmäßige, 
u. je nachdem von der Natur gebotene Berftärfungen, 
wie Sümpfe, Flüffe, Seen, fteile Abhänge, vor— 
handen u. bemugt find, Fünftliche oder natür- 
liche genannt. Unregelmäßige u. natürliche Be— 
feftigung find nahe mit einander verwandt, da 
die Geftalt der Werke fih an das Terrain an— 
ſchließen muß u. dieſes die Feſtung ftärfer macht, 
als es die beften Werke vermögen. Über die 
Form der Werke ꝛc. ſ. u. Feldſchanzen u. Feſtung. 
Die B. iſt die erſte u. nöthigſte Wiſſenſchaft für 
den Ingenieur; außer genauer Belanntſchaft mit 
den Baumaterialien, den jämmtlichen Bauband- 
werfen u, ihrer Anwendung zu Fortifications— 
zweden u., als Hilfswiſſenſchaft, auch der bürger- 
lichen Banfunft, ift zur vollftändigen Kenntniß der 
B. reine Mathematik (zur Anordnung u. Beredh- 
nung der Werfe), Mechanik, Hydroftatit, Hydraufif, 
Artillerie u. Waffenlehre (um die Angriffs- u. Ber- 
theidigungsträfte würdigen zu können) u. genaue 
Belanntichaft mit dem Feſtungskriege nöthig. Bgl. 
Garnot, Memoire sur la fortification etc., Bar. 
1823; Bleſſon, Befeftigungshunft für alle Waffen, 
Berl. 1825; Peichel, Kriegsbaufunft im Felde, 
2. Aufl., Lpz. 1854; After, Lehre vom Feitungs- 
kriege, Dresd. 1835; Zaftrow, Garnot u. Die 
neuere Befejtigung, Lpz. 1840; Zaſtrow, Gefchichte 
der permanenten Befeſtigungskunſt, 3. Aufl., Lpz. 
1854; Fesca, Handbuh der Befeftigungstunft, 
Berl. 1853; Oftboff, Handbuch der Feldbefeftig- 
ungskunſt, Braunſchweig 18535 Brialmont, Etudes 
sur la defense des &tats et sur la fortification, 
Brüffel 1863; Prittwig, Lehrbuch der Befeftigungs- 
funft u. des Feitungsfrieges, Berl. 1865; Wag- 
ner, Grundriß der yortification, Berl. 1870, 
Befejtigungsmanier (Befeitigungs« ober 
Fortificationsſyſtem), die ſyſtematiſche Auseinander⸗ 


Befeſtigungsfront neunt man alle Werle ſtellung der einzelnen Linien eines Feſtungswerkes 


Befeftigungsmanier. 


oder die nach beftimmten Regeln aufgeftellte Grund- 
rißform deſſelben, welde für die Bertheidigung 
am zwedmäßigften erachtet wird. Kriegsbau— 
meifter, welche über Fortification gefchrieben haben, 
fellten meift jeder eine eigene, einzelne fogar 
mehrere Befeftigungsmanieren auf. So finden 
Ab von Bauban 3, von Coehorn 3, von Rim— 
pler, Dontalembert, Carnot ebenfalls mehrere, die 
meientlih von eimander verfchieden find. — Die 
Grundrißformen der jett vorhandenen Feftungen 
laſſen fih auf drei Hauptſyſteme ——— 
4) Das Polygonalſyſtem, deſſen Wall ein aus 
geradlinigen Fronten beſtehendes Vieleck mit nur 
ansipringenden oder wenigen ganz flachen ein- 
ipringenden Winfeln bildet u. feine Flanfirung 
aus vor dem Hauptwalle liegenden Caponnieren 
erhält, weshalb man daffelbe auch Caponniereſyſtem 
genannt hat, hauptſächlich von den deutſchen In- 
enienren angewandt u. ausgebildet. B) Das 
enaillenfyftem, deifen Grundriß aus regel« 
mäßig mit einander abwechfelnd aus- u, einfprin- 
genden Winkeln zufammengefett ift, deren Schen- 
tel fh gegenfeitig flanfiren, von Landsberg ı. 
Rontalembert empfohlen. C) Das Baftionär- 
Item, beitebend aus Lünetten, bier Baftione 
genannt, weiche durch gerade Walllinien (Courtine) 
mit einander verbunden find, Die Baftione lie- 
gen ver oder hinter den ausipringenden Winkeln 
des Bolygons, welches man fih um den zu be- 
feftigenden Platz gezogen denkt, die Courtine läuft 
parallel der Polygonjeite. Die Flanke des einen 
Baftions beftreicht jedesmal die Kourtine u. die 
Face des anderen Baltions. Diefe Manier der 
Befeitigung ift im den verfoffenen Jahrhunderten 
die herrichende geweſen u. daher bis jett am 
meiften zur wirklichen Ausführung gelangt. Die 
franzöſiſchen Ingenieure haben diejelbe am detail- 
irteten ausgebildet u. verwenden fie noch jetst 
faft ausschließlich. Als nah Erfindung des Pul— 
vers die Anwendung der Feuergeſchütze mehr u. 
mehr die Unzulänglichkeit der bis dahin üblichen 
Befeſtigungen der Städte u. Burgen mit Ring- 
wauern u. Thürmen dargethan hatte, war man 
unächſt bemüht geweſen, den Mauern durch grö- 
jere Stärfe u. dur Anjhüttung eines Erdwalles 
dinter ihnen mehr Halt u. den num ganz maifiv 
erbauten Thürmen einen größeren Durchmeſſer zu 
geben, um zablreichere Geſchütze, als bisher, flir 
die Bertheidigung aufftellen zu können. Gleich— 
zeitg machte man auch die Mauerbauten niedriger, 
um fie dem Gefchütfener aus großer Ferne zu 
entziehen. Aus den vergrößerten Thürmen ent- 
handen die fogenannten Rundeln, die zum Theil 
‚son den langen Befeftigungstinien Flanfenfeuer 
gewahrten u. jo einem der vornehmften Grundfäte 
der neueren Befeftigung theilweife Genüge leifteten. 
&8 bezeichnet diefer Moment den Übergangspuntt 
aus der Vefeftigung des Mittelalters im bie 
neuere. Weſentliche Berbefferungen ſchlug nun 
Abrecht Dürer (fl. 1528) vor, indem er theils 
de Mauern durch äußere Erdanſchüttungen gegen 
das feindliche Feuer zu ſchützen fuchte, theils den- 
jelben noch größere Stärke verlieh, theils größere 
Geſchützmaſſen concentriren, theils durch Kafemat- 
tenbau u. Caponnieren dem Graben Bertheidig- 
ung ertheilen wollte, Ideen, die tbeilweife bei den 


93 


neueften Bauten, nur mehr ausgebildet, zur Gelt- 
ung gelangt find. Dabei nahm nad den gemach— 
ten Erfahrungen im Angriffe der Feſtungen der 
Belagerungskrieg einen mehr u. mehr bedenklichen 
Charakter für Die Feſtungen an. Man dachte 
darauf, außer der ‚Frontalvertheidigung jeder der 
Linien möglichft kräftiges Flankenfeuer zu geben; 
es entitanden jo die Bollwerke oder Baftione (zuevft 
bei Turin u. Verona angemendet), u. es beginnt 
die Periode a) der älteren italienifhen B. 
deren Charalteriftit in Meinen, ftumpfmwinfeligen 
Baftionen mit fenfrecht zur Gourtine gejtellten 
Flanken befteht; in der Mitte der Courtine theil« 
weife ein Meines Mittelbollwerk, die Flanken bis« 
weilen zurücgezogen u. kafemattirt. Außenwerke 
find nur der bededte Weg, welcher jedoch noch 
nicht zur Vertheidigung eingerichtet ift. Die vor- 
züglichften Baumeifter waren: Micheli (ft. 1559), 
Zartaglia, Algbifi da Carpi, Paciotto von Urbino 
(ft. 1572, Erbauer der Eitadelle von Antwerpen 
u. Zurin), Maggi u. Caſtriotto. Nachdem inzwis 
Ihen der aus Straßburg gebürtige Daniel Spedle 
(ft. 1589) mwefentliche Berbeiferungen vorgeichlagen 
hatte: die fenfrechte Stellung der Flanken zu den 
Defenslinien; rechtwintelige, große Baftione, Ca— 
valiere in den Baftionen, niedere Grabenverthei- 
digung aus fafemattirten Galerien, große Rave— 
ins vor den Courtinen, Bertheidigungseinridhtung 
des gededten Weges u. Anlage großer Waffen- 
pläge in demfelben, gegen das directe Feuer des 
Feindes geichiittes Dlauerwerk: fing man auch in 
Italien an, weiteren Fortſchritten ſich zuzuwenden. 
b) Die neuere italieniſche oder ſpaniſche B.; 
man verkürzte die Courtine, Tegte Cavaliere an, 
ordnete Außemverfe, namentlih das Ravelin, an 
u, richtete Abjchmittsvertheidigung ein, legte Minen 
u, Schleufenipiele an u. verdoppelte die Flanken. 
Die vorzüglichften Baumeifter diefer Periode waren: 
March, deifen Werk 1599 erfchien u. deffen Ideen 
fpäter bei. von Pagan u. Vauban ausgebentet 
worden find, Busca, Floriani u. Rofetti. Als 
in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. der Nieder- 
ländiihe Befreiungsfrieg feinen Anfang nahm ı. 
gut befeftigte Pläße eine Nothmwendigkeit für die 
Niederländer wurden, ohne daß fie die Zeit oder 
die Mittel gehabt hätten, nach ttalienischer Manier 
zu bauen, entjtand ec) die altniederländiſche 
B., zu deren Ausbildung jedoch auch die in dei 
Niederlanden fämpfenden Spanier nit wenig 
beitrugen. Ihr Charafter befteht in breiten u. 
flahen Waflergräben, im niedrigen Hauptmällen 
ohne alle Steinbefleidung, in Anwendung der 
Fausse-braye zur niederen Grabenbeitreihung u. 
endlich in zahlreichen Außenwerken, die je nad 
Mafgabe der Terrainbeichaffenheit angelegt wur— 
den; die Flanken fanden ſenkrecht zur Courtine, 
Repräfentant diefer Periode ift Freitag (1630) u. 
nah ihm Marolois, Völler, Melder, Ruſenſtein, 
Scheither, Neubauer, Heidemann u. Heer (1689). 
Während diefer Zeit hatten nun d) deutſche In— 
genieure, wie früher Spedie, die Syſteme der 
Italiener, Holländer u, Franzoſen mit ihren eigenen 
Vorſchlägen zwedinäßig zu verbinden gejucht u. 
der Befeſtigungskunſt viele neue, zum Theil glüd« 
liche Ideen zugeführt, Grotte (1618) jchlug eine 
Art Tenaillenbefeftigung vor, welche wahrſcheinlich 


94 


Befeftigungsmanier. 


dem fpäteren Rimpfer zum Mufter diente; Dillich, hatte, als jener im Angriffe. Die Baftione wur— 


(1640) ward der weſentliche Berbefierer der alt- 
niederländifhen Manier, indem er Spedies Bor- 
ſchläge mit diejer zu vereinen trachtete; Rimpler 
übte bedeutenden Einfluß duch feine Befeftiqung 
mit Mittelbollwerten u. die Aufftellung von Anfich- 
ten, welche genau mit denjenigen Grundfägen über- 
einftimmen, von denen jpäter Montalembert aus- 
ging, der als der Begründer der neueften Befejtig- 
ungsfunft angejehen werden mjıh. u ferneren 
Fortſchritten boten Griendel von Ad (1677), Zader 
(1679), Werthmüller (1685) u. A. in ihren Vor— 
ichlägen Gelegenheit; wichtiger aber ward Landsberg 
(ft. 1746), der, von der überzeugung ausgehend, daß 
namentlich die Flanken der Baftionärbefeftigung zu 
ſchwach ſeien, der eigentliche Begründer des 
Tenaillenfgftems ward, Seinen Anſichten folgten 
Voigt (1713), Herih (1719), Sturm (1720), 
Safer (1728), Herbort (1734) u. A. Indem bie 
franzöfiihen Ingenieure von der italieniſchen B. 
die Profile, von der niederländiichen aber die An- 
ordnung des Grundriſſes entlehnten, enijtand e) 
die jranzöfifhe B. Als Begründer derjelben 
darf man Errard de Bar-le-Duc anfehen, als 
den erften weſentlichen Berbefjerer Pagan. Bei 
Feſthaltung der baftienären Form begrenzte Letzte⸗ 
rer die Fänge der Defenslinien zmedmäßig, ftellte 
die Flanken zu denfelben fenfveht u. gab den 
Flanten Etagenfener; den Baftionen u. Rave- 
Ins gab er duch innere Werke Abjchnittsver- 
tbeidigung, vor die Baftione legte er eine Contre- 
garde. Daran reihten fi faft unmittelbar bie 
Syſteme Baubans (ft. 1707), der zwar nicht als 
der Erfinder neuer Manieren, zu befeftigen, anzu— 
jeden ift, unbeftritten auch mehr in Der Kunft des 
Augriffes der Feſtungen (da er durch Erfindung 
des Ricochettſchuſſes u. der Anlage der Parallelen 
bei Belagerungen dem Angriffe ein bedeutendes 
Übergewicht über die Bertheidigung verjchaffte), 
jein Talent zur Geltung gebracht hatte, doch aber 
das Verdienſt hatte, in feiner erften Manier die 
verjchiedenen Linien der Baftionärbefeftigung in 
ein richtiges Verhältniß zu einander gejtellt, in 
feiner zweiten (Landau) und britten (Breifach) 
Manier durch detachirte Baftione Abjchnittsver- 
theidigung angewendet, immer aber feine Anlagen 
dem Terrain angepaßt zu baben, Nächſtdem 
war e8 bei. Cormontaigue (fl. 1752), der auch 
die Vorſchläge Baubans noch verbefjerte und der 
Baftionärbefeftigung, die noch bis jekt als am 
zwedmäßigften geltenden Berhältniffe der Linien 
gab. Die Veränderungen, welche die Ingenieur: 
ſchule zu Mezitres, deren thätigfte Mitglieder 
Chätillon u. Dupigneau waren, ınit der Baftıonär- 
befeftigung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. 
vornahmen, waren von keinem entſchiedenen Ein» 
ituß, ebenfo wenig die noch fpäteren Modificationen 
der Jurgenieure Dobenheim u. Lejage. Seitdem 
unter Ludwig XIV. ohne große Anftrengung in 
den Nieverlanden eine Feſtung nad der anderen 
weggenommen worden war, hatte fi} auch dort 
die Nothwendigteit von Berbefferungen der älteren 
Manier aufgedrängt. Es entſtand jo f) die neuere 
niederländifche B., begründet von Coehorn, 


der, noch ein Zeitgenoſſe Baubans, vielleicht ebenfo | maras. 


den vergrößert, ebenfo die Ravelins; die zahlreich 
angewendeien YAußenwerfe follten ftet8 fo angelegt 
werden, daß der Verluſt des einen nicht auch den 
der übrigen nad) fich ziehe; der gededte Weg mit 
jehr geräumigen Waffenplägen ward als ein bef. 
wichtiges Werf betrachtet; die Vortheile von 
trodenen u. naffen Gräben jollten verbunden wer- 
den. In ganz Europa hatte man die Feſtungen 
mit bald mehr, bald weniger Abweichungen von 
den verichiedenen Manieren, immer aber im Ba- 
ftionärigftem, zu erbauen fi gewöhnt: als g&) 
Montalembert, ein franzöfiicher Heiteroffizier, um 
die Mitte des 18. Jahrh. mit Theorien hervor— 
trat, die faſt in jeder Beziehung im grellen Gegen- 
late zu denjenigen Grundfägen ftanden, melde 
die öffentliche Meinung im Laufe mehrerer Jahr» 
hunderte fanctionirt hatte, Bisher hatte troß 
aller Beränderungen des Baftionärfyftems doch 
immer der Angriff eine Überlegenheit über vie 
Bertheidigung behauptet. Montalembert war 
überzeugt, daß, wenn dem Belagerer in allen 
Perioden der Bertheidigung ein concentrirtes, über— 
legenes Feuer entgegengejegt werde, die Berthei- 
digung in Bortbeil gegen den Angriff kommen 
mie. Die Baftione vermwirft er und will ftatt 
ihrer die Zenaillen- oder Polggonalbefeftigung 
angewendet wiflen; die ganze Stärke der Ber- 
tpeidigung bafirt er auf die Anlage zahlreicher u. 
zwedmäßig conftrnirter Defenfivfafematten; jolide 
permanente Abjchnitte ſoll jede Befeftigung ders 
eftalt haben, daß die Beſatzung binter ihnen 
Sicherheit finde, felbft wenn der Hauptwall vom 
Feinde erjtiegen wird. Außerdem gehören noch 
zu feinen Berftärkungsmitteln die Anlage deta- 
dirter Forts, welde die Feitungen wie Gürtel 
umgeben follen, u. die Errichtung kaſemattirter 
Thürme, h) Der ſchwediſche General Virgin 
(1781) fuchte den baftionirten Befeftigungen eine 
erhöhte Widerftandsfraft zu geben, indem er 
getrennte Baftione, Abftumpfung der Baftione, 
fafemattirte Mörjerbatterien u. ftarfe Reduits im 
gededten Wege vorſchlägt. Nicht wenig ward das 
Baſtionärſyſtem i) durch die franz. Ingenieure 
des 19. Jahrh. verbejjert. Bousmard (ft. 1806) 
wollte, um den Ricochettſchuß zu entkräften, die 
Facenflanfen der Bajtione gefrümmt führen, den 
gededten Weg en eremaillöre führen, die Graben- 
jcheere Tafemattiren, das Ravelin vergrößern und 
zahlreiche bombenfihere Räume angelegt haben; 
Chaffeloup folgte im Allgemeinen Y An⸗ 
ſichten. Caruot (1810), der die Stärke einer 
Feſtung mehr in der hartnädigften Bertheidigung 
als in der Anlage der Werke fuchte, mollte 
namentlih das ofjenfive Element erhöht wiſſen u. 
hing deshalb das Glacis en contrepente vor, 
fowie er auch einen großen Erfolg von aus» 
gedehnter Anwendung der Mörjerlajematten er» 
wartet. Die Ingenieurſchule zu Meg, deren 
Repräfentant General Noizet ift, folgte den Vor— 
ſchlägen Gormontaignes, erzielte aber dabei eine 
Vervolllommnung der geficherten Communication 
der MWerfe unter fih. Doc bedeutfamer als alle 
diefe Underungen murden die Vorſchläge Chou« 
Bei gerader Escarpenmauer foll die 


große Erfahrungen in der Vertheidigung gemacht Bruſtwehr nad ihm gebrochen oder gefrimmt 


Befeftigungsreht — Befeuerung. 


geführt u. außerdem von der Cordonlinie zurüd- 
gezogen werden, um einen Rondengang anzulegen; 
es jollen die Baftione abgerundet u. die Facen 
jo weit zurücdgezogen werden, daß ihre Berlänger- 
ung in das Wavelin fällt. Gegen die Breiche- 
batterien ſchlägt er ein Glacis auf der Graben- 
fohle vor, den gededten Weg führt er en cre- 
maillere, bie Flanken werden verlängert, in ben 
Eapitalen Hohltvaverfen angelegt, durd Rampen 
wird für gute Commmunicationen geforgt. Neueftens 
endlich ift auch General Haro von Einfluß ge- 
weien, der unter Anordnung großer Dauerbauten 
mehrere Ideen von Ghoumara entlehnte und 
außerdem die Flanlen noch vergrößerte, perma- 
nente Abjchnitte in den Baftionen anlegte, die 
Courtine gebroden führte, Contregarden u. in 
den Baffenplägen ftarle Reduits anmendete. k) In 
Dentihland wurde bis zur Mitte des 18. Jahrh. 
meitt das Baftionärtrace in den verjchiedeniten 
Variationen angewendet, Seit Friedrich d. Gr. 
nahm die Bejeftigung einen mehr temaillirten 
Charafter an, ſchmale, tiefe u. zumeilen durch 
Reverscapennitren flanfirte Gräben, hohe Contre- 
escarpen, miedrige Escarpen, viele dur Blod- 
bäufer u. Reduits hergeſtellte Abjchnitte, eine 
große Zahl Kafjematten zur ficheren Unterbring- 
ung der Zruppen. Die Winfel des Tenaillens 
foftems wurden allmählich vergrößert, fo daß bie 
gegenfeitige Flankirung der Linien aufbörte, es 
wurden dann in bie einfpringenden Wintel Capon- 
nieren gelegt, welche die Beftreihung der Gräben 
übernehmen. Daraus entjtand allmählig das 
Polggonaltrace od. die neupreußifhe B. Diefelbe 
umgibt den zu befeftigenden Platz mit geraden 
Balllinien (Fronten), welche nur in ausfpringen- 
den Winkeln zufammenftoßen. In der Mitte der 
Fronten liegt eine oft durch den Hanptwall durch— 
reichende Grabencaponnidre, zu deren Dedung eine 
Eontregarde in Ravelinform vorgelegt ift. Hinter 
den ausjpringenden Winkeln liegen größere Kafe- 
mattencorp®. Man erreicht dadurd ein einfaches 
Trace mit möglihft großer Frontalwirkung und 
eine Erſparniß an Bertheidigungsperfonal und 
Material. Die Bolygonalfronten laffen fich ſchwer 
ober gar micht ricochettiren. Die in diefer Manier 
angelegten Plätze find meift mit einem Gürtel 
detachirter Forts umgeben, melde eine kräftige 
eifenfive Bertheidigung ermöglichen u. jolide Ab- 
ſchnitte ſchaffen. Somol in der Hanptbefeftigung, 
al3.in den Forts ift für die bombenfichere Unter- 
bringung der Bertheidigungsmittel durch Anlage 
zablreiher Kafematten, Reduits u. Caponnidren 
gejergt. Die Forts wurden anf wichtige Terrain 
punkte innerhalb des Geſchiltzbereiches der Haupt- 
befeftigung gelegt. Die Deutichen haben in diefem 
Sinne Koblenz, Köln, Poſen, Königsberg, Mainz, 
Raftatt, Ulm, Fugolftadt, Germersheim ⁊c. gebaut. 
Ju neuefter Zeit nah Ginführung der mweittragen- 
den gezogenen Gefhiige legt man die Hauptver- 
theidigungslinie in den Gürtel der detachirten 
Forts, welche zu diejem Zwecke 5000 m u. weiter 
vor die möglihft einfah gehaltenen Polygonal- 
fronten der Stabtbefeftigung, um. diejelbe gegen 
wirljames Bombardement zu ſchiltzen, vorgeſchoben 
werden, Die detachirten Forts find meift Lünetten 
mit ſehr flachem ausfpringendem Wintel, fangen 


95 


Facen u. kurzen, gut traverfirten Flanken, Die 
Gräben werden durch Caponnidren flanfirt, die 
Reduits fallen fort, weil diefelben gegen den in« 
directen Breſcheſchuß nicht zu deden find. Die 
Forts liegen fo weit aus einander, daß fie fi 
gegenfeitig noh mit Geichlitfeuer unterftügen 
fönnen. In diefer Art iſt Meg u. Straßburg 
befeftigt. Die Principien der neupreußiichen B., 
Polygonalfronten mit vorgefhobenen Werten, find 
von fajt allen Nationen Europas zu den ihrigen 
gemacht worden. Die Vfterreiher haben Yinz, 
Verona, Briren; die Belgier Antwerpen (vgl. 
Brialmont, Trait& de fortification polygonale, 
Brüffel 1869), in diefer Manier gebaut. Die 
Engländer u. Ruffen find nad denjelben Grund— 
lägen verfahren, jene nicht nur in England, fon« 
dern aud in Indien, auf Malta, Korfu und in 
Sibraltar, dieje bei den Neubauten der Citadelle 
von Warjhau, den Befeftigungen von Breczk— 
Vitowst, Kiew, Dubnomw-Zwanice, Modlin. Auch 
in Dänemark, Schweden, Holland u. in der Türkei 
it man dieſer Richtung gefolgt, ja, ſelbſt die 
‚sranzofen, obwol hartnädig das Baftionärfgftem 
Cormontaignes als die bejte Form vertheidigend, 
haben in den großartigen Befeftigungsanlagen 
von yon u, Paris denjelben Grundlägen Red» 
nung getragen. Das Nähere über die bejonderen 
Anlagen der einzelnen Manieren f. u. den Namen 
ihrer Erfinder oder Berbefferer. Bol. Bleifon, 
Befeftigungstunft für alle Waffen, Berl. 1825, 
2 Theile; Zaſtrow, Geſchichte der bejtändigen 
Befeftigung, 3. Aufl., Ypz. 1854; Prittwit, Vehr- 
buch der Befeftigungstunft u. des Feſtungskrieges, 
Berl. 1865; Wagner, Grundriß der Fortification, 
Berl. 1870; Hergberg, Seiefiguug großer Städte, 
Halle 1871; Brialment, La fortilication à fossds 
secs, Briffel 1872. 

Befeſtigungsrecht, das Recht, eine Stadt zu 
befeftigen. Es fteht dem Staate zu, der durch 
Anwendung defielben geſchädigte Privat-Jutereſſen 
dem Erpropriations-Gefete gemäß ansgleicht. 

Befenerung (Beleuchtung) der Meerestüften 
bezwedt die Sicherung der Schifffahrt in der Nähe 
des Landes. Man unterscheidet die Küften-B. von 
der Kin Die Kiften-B. foll an fid während 
der Nacht dem Lande nähernden Schiffen ſowol die 
Nähe der Küfte überhaupt, als auch den betreffenden 
Punft derfeiben anzeigen; einerfeits zur Bermeid« 
ung einer unvorbergejehenen oder zu großen Au— 
näherung an die Küſte, bezm. an die vor derjelben 
liegenden Untiefen, anderjeits zur Sicherung dev 
weiteren Navigirung durch die exleichterte Hrts· 
beftimmung. Bei der Küſten-B. dürfen daher 
feine unbeleuchtete Lücken bleiben, d. h. die Feuer— 
freife der neben einander liegenden Yeuchtfener 
müſſen fih fämmtlich fchneiden; ferner muß die 
Lichtbarkeit der Feuer groß genug fein, um vor 
den etwa außliegenden Untiefen noch rechtzeitig zu 
warnen, u. endlich müjfen fie in der Eharakteriftif 
ihrer Leuchtapparate derartig unter ſich verſchieden 
fein, bezw. abwechſeln, daß einer Verwechſelung 
der Peuchtfener unter einander möglichjt vorgebeugt 
iſt. Die Hafen-B. dagegen hat den Zwed, deu 
Schiffen bei der Einfegelung in die Häfen während 
der Nacht den Weg in dem betreffenden Yabr- 
waſſer anzugeben. Am ficherften wird dies erreicht, 


96 Beflogen — Befruchtung. 

wenn die betreffenden Leuchtfeuer eine folche Lage! (Fracht) zum Transport beladen; daher Be- 
zu einander annehmen, daß die Verbindungslinie frachter, der Miether bef. eines Schiffes; er 
von je zweien den Schiffen immer diejenige Rich- zahlt gewöhnlich im Ganzen für die Tonne oder 
tungslinie angibt, in welder fie zur Vermeidung die Laft, oder die Fracht wird von Wolle, Manu- 


aller Gefahren zu fteuern haben. Als Leuchtfeuer|facturwaaren u. dgl. nah Quadratfuß bezahlt. 


lommen Landfeuer und jchwimmende euer oder 
euerichiffe zur Verwendung. 
die Peucht- Apparate auf Gebäuden, Thürmen od. 
Pfahlwerlen angebracht, welche auf feſtem Boden, 
an Yand oder im Wafjer errichtet find; während 
bei letsteren die genannten Apparate an ben 
Maften der auf den beftimmten Stellen veranfer» 
ten Feuerſchiffe befeftigt werden. Die Leudht- 
Apparate werden entweder nach dem Spiegeliyftem, 
oder, wie im legter Zeit vorzugsweile, nach dem 
Linſenſyſtem gefertigt u. nad ihrer Lichtftärle in 
6 Klaſſen oder Ordnungen eingetbeilt. Nach der 
Charatteriftit der Apparate umterjcheidet man 
folgende Arten von Yeuchtfeuern: feites Feuer, 
dejien Licht ununterbrochen u. von gleich bleiben- 
der Stärle, weiß oder farbig ift; feites Feuer 
mit Blinfen, feſtes Feuer, das außerdem im 
regelmäßigen Zeiträumen helle weiße ober 
rothe Blinfe zeigt und kurz vor und nad) diejen 
Blinten "momentan verſchwindet; Wechielfeuer 
erjcheint abmwechielnd roth und weiß, ohne Ber- 
dunfelungen; Drebfeuer, allmäblih zur größten 
Lichtftärfe zunehmend u. ebenfo allmählich bis zur 
Berbunfelung wieder abnehmend. Die Verdunkel— 
ungen treten ein in Zeiträumen von 1, 2, oder 
3 Minuten, feltener alle halbe od. drittel Minute; 
Blinffener zeigt 1—5 helle Blinfe in der Minute 
u. verſchwindet in den Bwifchenräumen gänzlich; 
Funkelfeuer zeigt 5 oder mehr Blinfe im ber 
Minute; Unterbrochenes euer erjcheint plöglich, 
bleibt eine Zeit lang fihtbar u. verſchwindet dann 
ebenjo plöglih auf kürzere Dauer. Zur Küften- 
B. wird nur weißes u., allerdings feltener, rothes 
Licht angewandt, während bei der Hafen-B. auch 
das grüne Licht mitunter zur Berwendung kommt, 
fowie endlich die augeftrebte Verfchiedenartigleit der 
Leuchtfeuer, außer dur die aufgeführte Charaf- 
teriftit der Apparate u, Farbe des Lichtes, noch 


Befreite von Flandern, Congregation der 


Bei erjteren find |Benedictiner, der urjprünglichen Megel getreu, daß 


die Klöfter den Ordinarien untergeorbnet bleiben 
jollten; beftanden in Flandern zc. in vielen Bere» 
dictinerflöftern ohne irgend einen Berband unter 
ih. Das Tridentinifche Concil zwang dieſe Klöfter 
1564, entweder anderen Congregationen fih an» 
zuſchließen, oder im eine neue, eigene Eongregation 
zufammenzutreten, u. fo entftand diefe unter dem 
Borfite des Klofters von St. Waaft zu Arras u. 
eine andere franzöj. Kongregation. 

Befreiungshalle, monumentaler Prachtbau 
auf dem Micaelisberge unmeit des bayerifchen 
Stäbtchens Kelheim an der Donau, vom König 
Ludwig I. zum Andenken an die deutidhen Be— 
freiungsfriege von 1813—15 im J. 1842 be 

onnen u. vom König Mar 1868 vollendet. Der 
lan des Baumerles ift im italienischen Stil 
entworfen, Es bildet eine auf einem breiftufigen 
Unterbau von 7 m Höhe rubende, von einer 
Kuppel überwölbte Notunde, an deren Mußenjeite 
fih eine Galerie befindet. Die Rotunde umgibt 
eine Bogenhalle, welche ein 18ediges® Polygon 
von 55 m Durchmeſſer bildet. Das Junere, dur 
Kuppellicht erhellt, befteht aus einem runden Saal 
mit 18 Granitfäulen. Am Fuße einer jeden Säule 
fteht eine Victoria, einen ebernen Schild haltend, 
auf welchem die Namen der Feldherren und die 
Schladtentage verzeichnet find. Trophäen und 
Malereien jhmüden die Felder der Gewölbe des 
Säulenganges, 

Befreiungsjahr (Annus liberationis, A. di- 
missionis), 1) das Jahr, in welchen der Berfer- 
fönig Kyros die Babyloniſche Gefangenſchaft der 
Juden beendigte. 2) So v. w. Gabbathsjahr. 
Befreiungsfrieg, j. Rufj.-Deutiher Krieg. - 
Defreundete Zahlen (Numeri amicabiles), 
jedes Paar ganzer Zahlen von der Beichaffenheit, 


durch Anwendung von Doppelfeuern neben oder|daß die eine glei) der Summe aller aliquoten Theile 


unter einander vermehrt wird. 

Beflogen, heißt 1)das Federwild, wenn es erft 
vor Kurzem fliegen gelernt hat; 2) (Forſtw.) mit 
ungen Nadelholze (Anflug) bewachſen. 

eforiten, Wälder nad den Regeln der Forſt— 
wiffenichaft pflegen u. verwalten. 
A j. u. Belfort. 
Beförfterungsgebühr ift die von Gemeinden 
u. Stiftungen, deren Waldungen durch Forſtbe— 
diente des Staates mit beaufſchtigt u. bewirth- 
ichaftet werden, für lettere an die Staatskaſſe 
entrichtete Abgabe. Jede Art von Staatsaufficht 
des Privatmwaldbefiges beiteht insbejondere im 
Frankreich, wo die B. alljährlih im Finanzgeſetze 
eftimmt u. den Walbbefigern nad der Grund» 
ftener aufgetheilt wird. In Deutſchland findet fich 
diefes Verhältniß noh in Baden, Heſſen und 
Braunſchweig, u. ift die B. in Baben fir 6 fr. 
auf 100 fl. Walbfteuercapital, jedoch find Ge— 


der anderen u. umgefehrtift. B. 3. find z.B. 220 
u. 284; denn die aliquoten Theile von 220 find: 
1, 2, 4, 5, 10, 11, 20, 22, 44, 55, 110 u. die 
Summe derjelben = 284; die aliguoten Theile 
von 284 find: 1, 2, 4, 71, 142 u. deren Summe 
— 220. 8.3. find ferner 3. B. 18,416 und 
17,296; 9,437,056 u. 9,363,584. Stifel behaup⸗ 
tete, daß B. 3. fih nicht durch Rechnung finden 
laffen; doch gaben bald darauf Descartes und 
von Scooten Berfahren an, dur Algebra dieſe 
Aufgabe zu löfen. Später find allgemeinere Mer 
thoden durch Euler, Krafft u. Klügel gegeben 
worden. Das Aufluhen ber 8. gehört in die 
unbeftimmte Analytik. 

Befriedete Sachen (Res sanctae), Gebäude 
u. Gegenflände, welche unter dem befonberen 
Schuge der Geſetze ftehen; 3. B. Kirchen, Grenz« 
zeichen, Adergeräthe ac.; ‘. Res. 

Befruchtung (Foecundatio), Allgemein ver- 


meinden, welche herlömmlich ihren — Förſter ſteht man unter B. die Bereinigung männlicher 


halten, von diefer Gebührenzahlung frei. 


Fortpflanzungszellen mit weibliden u. die dadurch 


Befradhten, Schiffe und Wagen mit Waaren’!bewirtte Anregung der legteren zur Weiterent- 


Befruchtung. 97 


mwidelung. 1) Bei dem Menſchen u. bei denj 2) B der Pflanzen. Bei weitaus den meiften 
Thieren nennt man diejenige im weiblichen Or-| Pflanzen wird die Fortpflanzung ebenfalls dur 
ganismus entjtandente Er aus welcher fi dur |die Bereinigung des Inhaltes zweier Fort⸗ 
Jellvermehrung u. Wachsthum der neue Dr |pflanzungsaeflen bedingt. Diefe Ietteren find ent- 
anismus bilden fol, die Eizelle. Eizelle u. Ei weder glei, aoenigſtens fcheinbar), wie bei ge- 
if oft gleichbedeutend, fo bei den Fröſchen; mit-|wiffen Algen (def. Conjugaten u. Diatomeen) u. 
unter ıft das Ei indeffen eim recht complicirtes, jeinigen Pilzen; dann heißt die Vereinigung Con— 
aus der befruchteten Eizelle entftandenes Gebilde, |jugation oder Paarung; oder fie find, wie bei 
wie bei den Bögeln. Im männlichen Organis- |vielen Algen, Pilzen, jowie bei allen Characeen, 
mus bildet fi) der Samen, eine eigenthümliche|Moofen u. Gefäßpflanzen, ungleih; dann unters 
Filfgfeit, in welcher zahlreiche, fteduadelförmige|icheidet man die eine (Kleinere), welche bei ber 

ide, die Samenfäden oder Spermatozoen, um-| Bereinigung ihre jelbftändige Eriftenz verliert, als 
herſchwimmen. Diefe find mit felbftändiger Be-|die befruchtende, männliche Fortpflanzungszelle 
wegung begabt und murden daher auch wolliSpermatozoid, Pollenkorn); die andere (größere), 
Samentbierhen genannt. Der Moment der B. ſwelche den Juhalt jener paffiv in fih aufnimmt, 
if num derjenige, im welchem eim oder mehrere|ald die befruchtete, weibliche (Eizelle, Ei), u. die 
Samenfären in das Junere der Eizelle eindringen. | Vereinigung ſelbſt heißt B. Doc find Conjugation 
Geihieht das nicht, dann geht die Eizelle in derju. B. derart durch allmähliche Übergänge mit 
Regel zu Grunde, denn nur felten ift die feg.jeinander verbunden, daß eine ſcharfe Grenze 
yungjerngeburt (Parthenogenesis), bei welcher fi zwiſchen beiden ſich nicht ziehen läßt. Indem wir 
ein unbefruchtetes Ei zum Thiere entwidelt, wielin Betreff der mannigfahen B-svorgänge bei den 
dies bei den Bienen der Fall ift, bei welchen ſich verſchiedenen Klaffen der Sporenpflanzen oder 
aus den unbefruchteten Eiern Männchen (Drohnen), Kryptogamen, fowie bei den Gymnojpermen oder 
aus den befruchteten dagegen Weibchen (Königin|nadtfamigen Blüthenpflanzen auf die über die 
u. Arbeitsbienen) entwideln. Gewöhnlich bedarf|ielben handelnden bejonderen Artikel vermeiien, 
es indeffen zur MWeiterentwidelung einer vor-|bejhräufen wir uns bier auf die B. der Angio« 
gängigen ®., gleich als ob in dem Cie die Lebens. |fpernien, d. i. derjenigen Blüthenpflanzen, deren 
mergie ſchlimmere, bis fie durch den Samen- | Fruchtblätter einen Stempel bilden, die alfo wahre 
faden erwedt werde. Man unterfcheidet inmere u. | Früchte hervorbringen. Bei diefen wird die B. 
äußere B.; bei erfterer findet die Vereinigung der ſtets dadurch eingeleitet, daß die in den Pollen- 
in den beiderlei Geſchlechtsdrüſen bereiteten Pro- |jäden der Staubblätter durch einen eigenthimlichen 
ducte in dem weiblichen Körper ftatt; bei letzterer] Zelbildungsproceh entitandenen Pollenkörner auf 
außerhalb deſſelben. Innere B. findet fich beijdie Narbe (dem oberen Theil des Stengels) ge- 
den Thieren, bei melden eine Begattung ftatt- [langen u. dort durch einen Mebrigen Überzug, oft 
findet, jo bei den Säugethieren, Vögeln u. ſ. w. ſauch durch Haare, feitgehalten werden. Dieſer 
äußere B, kommt z. B. bei den Fiſchen u. Fröſchen Borgang heißt Beftäubung. Gewöhnlich wird die 
dor, bei weichen das Weibchen die Eier (Laich) ablegt | Beftäubung durch Inſecten, feltener duch den 
2.205 Männchen feinen Samen über den bereits) Wind vermittelt, noch feltener findet diefelbe ohne 
abgefetsten Laich ergießt. Auf diefen Thatfachen| fremde Beihilfe ftatt; ferner wird der Pollen in 
beruben die Erfolge der künſtlichen Fiſchzucht, der Regel auf die Narbe einer anderen Blüthe, 
melde eben darin befteht, daß man reife Männ-joder ſelbſt einer anderen Pflanze derſelben Art 
dm u. Weibchen öffnet, Eier u. Samen heraus» [Übertragen; eine Selbftbeftäubung findet viel jel- 
nimmt, zufammenbringt und die auf diefe Weiſe ſtener ftatt, als gewöhnlih angenommen wird. 
befruchtetem Eier ſich am geeiguetem Orie unge-[Denn felbft wenn die B-Stheile (Staubgefäße u. 
hört weiter entwideln läßt. Auch innere B. fann| Stempel mit Fruchtknoten) im derfelben Blüthe 
eine Begattung erfolgen, mie die künſtliche Besfdereinigt find, fo ift doch in zahlreichen Fällen 
ftuchtung brünftiger Hündinnen Iehrie. B. u. Be— feine Selbtbeftäubung möglich, theils weil der 
gattung fallen in der Negel der Zeit mach micht| Pollen ohne fremde Hilfe nicht auf die Narbe ge 
juſammen, da die in die weiblichen Geichlechts. [langen kann, theils weil die Yunctionsfähigleit 
ergane gebrachten Samenfäden oft einige Xage|der beiden Geſchlechtsorgane micht gleichzeitig 
nöthig haben, um an den Ort zu gelangen, mwojeintritt, In dieſen Fällen ift alfo gerade 
das Cichen fich befindet. Die Bereinigung ge-ſſo eine Fremdbeſtäubung möthig, wie wenn 
Kbieht in der Regel in den Eileitern, deiijenigen|die Geſchlechtsorgane in verichiedenen Blüthen ent 
Organen, durch welche fih das Ei vom Orte|balten wären. Schon 1793 hat Konrad Sprengel 
feiner Entftehung, dem Eierftode, nach der Gebär-|(Das nen entdedte Geheimniß der Natur im Bau 
mutter hinbewegt. Samenfäden u. Ei müffen daher |u. in der B. der Blumen, Berl. 1793) bewieſen, 
ihre Befruchtungsfähigleit einige Zeit, beim Menfchen |daß Inſecten die weſentlichſte Rolle bei der Be— 
ea 10—14 Tage, behalten. Die Fähigleit, zu fäubung jpielen und vielfad) eine B. ohne ihre 
deftuchten u. befruchtet zu werden, fan in die Hilfe geradezu unmöglich ift. Angelodt aber wer— 
Periode der Geſchlechtsreife (f. d.) m. findet fihjden die ufecten durch die Größe, Gejtalt umd 
ah nur dann, wenn das männliche IndividuumFarbe der Blüthen, vorzugsweife aber durch ihren 
über wohl ausgebildeten Samen verfiigt u. wenn|Yonig. Geranium pratense L. hat große Blüthen, 
das Weibchen eın Ei in feinem Gefchledhtsapparat[u. faum nur mit Hilfe der Inſecten Beftäubung 
beſitzt. Letzteres ift beim Weibe während u. nach|ftattfinden. G. pusillum Z., mit Heinen Blüthen, 
der Menftruation: der Fall, Thiere find nur zur|bejtäubt fich jelbft. Während bei Parnassia pa- 
Brunftzeit zeugungsfähig. lustris L. fih die Staubbeutel der Neihe nad auf 

Pierers Univerjal-Eonverjations-?eriton. 6. Aufl. IIL Band. 7 

































98 


die Narbe üiberbeugen u. ben Pollen ausftrenen, [örperchen, gebildet; dieſe legen ſich gleichzeitig mit 
wird bei den honigreichen Blüthen der Berberize)der Wandung des Embryofades an das Ende 
das Überllappen der reizbaren Staubfäden durch des Pollenſchiauches an, aus welchem dann der 


Beg — Begarelli. 


das Krabbeln der Bienenbeine bewirkt. Bei der 
gemeinen Ofterluzei (Aristolochia clematitis L.) 
reift der Griffel vor den Staubbeuteln (proto« 
gyne Pflanzen), alfo ift Fremdbeftäubung nöthig; 
die lange Blüthenröhre ift durch borftenartige Haare 
geichlojjen, welche nach innen geneigt u. bis zum 
Aufipringen der Pollenjäde fteif find, jo daß In— 
fecten zwar in die Blüthen hinein kriechen u. den 
etwa an ihnen hängenden Blüthenſtaub auf die 
Narben übertragen, aber vor dem Aufipringen 
der Antheren nicht wieder herausfommen können. 
Erft dann werden fie frei, u. gung bepudert mit 
Pollen befliegen fie dann andere Blüthen u. be: 
fruchten fie. Bei dem Aron (Arum maculatum L.) 
ift es ähnlich; der Pollen der oberen männlichen 
Blütben reift erft, wenn die Griffel unten zur B. 
untauglich geworden find, fällt auf den Grund ber 
tutenförmigen Blütheſcheide u. würde da, geſchützt 
vor jedem Luftzuge, unnüg verderben, wenn er 
nicht von Inſecten aufgenommen u. nach anderen 
Blüthen iibergetragen wirde. Die Kapuzinerkreſſe 
Tropaeolum) iſt protandriih, d. h. der Pollen 
reift, ehe die Narbe empfängnißfähig wird. Die 
nah und nad reifenden Staubblätter Tegen fich 
gegen den Eingang zur honigreihen Spornröhre; 
zufliegende u. naſchende Inſecten müſſen aljo den 
Pollen abftreifen, u. wenn dann zulegt auch der 
Griffel gereift ift u. fi vor Die Spornröhren ge- 
legt hat, fo erfolgt die B. durch Inſecten mit 
Pollen von jüngeren Blüthen. Ahnliche Beiſpiele 
u. Beweije dafür, daß die Inſecten die wejent- 
lichſten Bermitteler der B. find und von diejen 
angelodt werden, ließen fid noh in Menge au- 
führen. Darwin hat durch zahlreiche Berfuche die 
Angaben Anderer beftätigt, daß bei Gelbft-B. die 
Samen weniger zahlreich find, als bei Wechjel-B., 
1. daß die Pflanzen aus dem durch Wechſel-B. 
erzeugten Samen fräftiger wadien, als bei 
Selbit-B., und auch früher u. reichlicher blühen. 
Bol. hierüber u. A.: Darwin, Über die Ein- 
richtungen zur B. Brit. u. ausländ. Orchideen 
durch Inſecten u. über die günftigen Erfolge der 
Wechfel-B., überſetzt von Bronn, Etuttg. 1862; 
Hildebrand, Die Gejchlechtsvertheilung bei den 
Pflanzen u. das Geſetz der vermiedenen u. um« 
vertheülbaften Selbſt-B., Lpz. 1867; Thome, Das 
Gefeg der vermiedenen Selbft-B. 

Auf die Beftäubung oder die mechanische Über- 
tragung des Pollens auf die Narbe folgt dann 
der vitale Theil des Gefchledhtsacts, die eigentliche 


D-sftoff in eines bderfelben gelangt. In dieſer 
befrucdhteten Eizelle, der Keimzelle, beginnt num 
ein Zellbildungsproceß, deffen Refultat der Keim— 
ling oder Embryo, d. h. die aus Würzelchen, 
Stengelhen und eimem oder zwei Keimblättern, 
Samenlappen oder Kotyledonen, befiehende junge 
Pflanze, ift; während ſich außerdem gleichzeitig im 
Embryofade zahlreiche freie Zellen bilden, die 
Ipäter zu einem die Eizelle einschließenden Ge— 
webelörper, dem Keimlager, Sameneiweiß oder 
Endojperm zufammentreten. Diefer gejammte 
Borgang kann nur in den allerfeltenften Fällen 
in Gegenwart von Waſſer ftattfinden; e8 haben 
daher oft die Blüthen einen folhen Bau, daß etwa 
aufiallender Negen abgehalten wird. Bejonders 
merfwirdig find die Vorkehrungen bei Wafler- 
pflanzen, welche die B. ermöglichen. Die unter- 
getauchte Trapa natans L, fteigt aus dem Waſſer 
während des Blühens empor, u. bei der Vallis- 
neria spiralis Z, fteigen die weiblihen Blüthen 
an langen, fpirafig ſich aufwindenden Stengeln 
zur Oberfläche des Waffers, während die Turz- 
geftielten männlichen Blüthen abreifen und auch 
auf die Oberfläche des Waſſers fteigen, um ihren 
Pollen auszuftreuen, 1) Thonie, 

Ben Gegh, türk,, Herr), 1) bei den Türken 
ein Landesperweier u. Provinzialftatthalter (Sand— 
ihaf-Beg), mweldyer kein Paſcha ift. Er trägt als 
Auszeihnung auf dem Turban eine Reiherfeder; 
bei Feierlichkeiten u. im Felde wird ein Roß— 
ſchweif vor ihm hergetragen. Bgl. Begler-Beg. 
2) liberhaupt Titel, welchen man höheren Weilitäre, 
Scifiscapitänen u. vornehmen Fremden gibt. 

Dega, 1) (Beg) Nebenfl, der Theiß in Un- 
garn, in den Comitaten Temes u. Torontal. Der 
B-lanal geht von ihm bis zum Temes, von Te- 
mesvar bis Becslerel. Man flößt Holz auf dem- 
jelben, u. nad) feiner Bereinigung mit der Temes 
u. dem Flatſcheter Kanal wird er jdifibar. 
2) Feltes Schloß bei Temesvar. Hier am 15. Aug. 
1696 Sieg Muftaphas IL über ven Kurfürften 
von Gadjen. 

Bega (eigentinh Begyn), Eornelis, nie 
derländiicher Genremaler u, Kupferjteher, geb. 
1620 zu Haarlem, Sohn eines Bildhauer, der 
ihn wegen feines ungeorbneten Lebens verftieß; 
nannte fi dann B., widmete fich der Malerei u, 
ward der vorzüglichfte Schüler von Adrian von 
Dftade u. malte in deffen Manier; er fl. 27. Aug. 
1664. Werte im Louvre, im Berliner Mujeum 


B. Die an der flebrigefchleimigen Narbenflüffig- |u. in der Pinafothef in Münden; 35 Blätter 
feit haftenden Pollen quellen u. treiben Schläuche ; gr ee 


einer oder einige wachen durch das Zellgewebe 


egah, Fluß in Vorder-Fndien; kommt vom 


des Griffels hindurch in den Fruchtfnoten, wo ſie Hindu-Kuſch, fließt durch das Pendſchab u. nimmt 
mit den Gamenfnofpen (f. d.) in Berührung nach feiner Bereinigung mit dem Sedletſch den 
lommen, deren jede einen folhen Schlauh zum/Namen Gharra (f. d.) am. 


Zwede der B. aufnehmen kaun. Der Schlaud 
gelangt durch den Knofpenmund zu dem Embryo» 


Bepafanal, |. u. Bega 1). 
Begarelli, Antonio, ital, Bildhauer, geb. 1498 


jade, einer durch bejondere Größe ausgezeichneten zu Modena m. geft. daſelbſt 1565; Schüler Guido 


Zelle im inneren Zellgewebe des Knoſpenkernes. 
Im Einbiyejade haben ſich, u. zwar am Scheitel 
deffelben, ſchon vor der B. eine oder gewöhnlich 


anzonis, leitete Vorzüigliches in Figuren aus 
Terracotta, denen er die Farbe des Marmors 
gab. Er foll den Eorreggio unterrichtet u. ihm 


zwei Eizellen, die fog. Keimbläschen oder Keim-!die Figuren zur Kuppel ım Dome zu Parına in 


99 


Thon mobellirt haben, damit diefer die Berfürz- Berliner Börſe. Im nächſten Jahre erhielt B. 
ungen derfelben richtiger zeichnen lönnte. Werleleinen Ruf als Profefior an die Kunftfchule zu 
jaft ſämmtlich untergegangen. Michel Angelo fol|Weimar, gab diefe Stellung aber bald wieder auf 
gegenüber B⸗s Tchonfiguren ausgerufen baben:ju. fehrte nach Berlin zurüd, um von da nad 
webe den Antifen, wenn diefe Erde Marmor|Paris u. Stalien zu gehen. Um dieje Zeit bewarb 


Begas — Begattung. 


mürde! jo viel Wahrheit, Gefühl, Schönheitsfinn, 
Sicherheit der Technik u. Zartheit der Ausführ- 
ung zeigen fie. 

Degus, 1) Karl, berühmter Maler, geb. 80. 
Sept. 1794 zu Heinsberg (Rheinpropinz); widmete 
fi der Hiftorien»- u. Porträtmalerei. Er ging im 
vie Schule des Pe Gros nad Paris, fuchte fich 


er fih um die Ausführung des Königsdenkmals 
in Köln, wofür er den eriten Preis erhielt, u. 
1862 befand er fih unter den Goncurrenten für 
das Gchillerdentmal in Berlin, wobei er feine 
Dlitbewerber nah langen Kämpfen überwand, 
Aus dem Jahre 1864 datirt feine berühmte, aber 
auch vielfah angefochtene Gruppe: Venus mit 


nad feiner Rückkehr in das deutſche Baterland|dem verwundeten Amor, weldher 1866 jein Bad 


(1821) u. noch mehr darauf in Stalien (1823)|eines Mädchens folgte. 


der älteren Florentiniſchen Schule zu nähern, 
nahm jpäter eine mehr der Natur verwandte 
jormen» u. yarbengebung an. 1826 nad) Deutich- 
and zurüdgelebrt, lebte er in Berlin, wo er Pro- 
fefor u. Mitglied des Senats der Kunftaladente 
wurde u. 24. Nov. 1854 ftarb. Seine hiftorischen 
u. Genrebifder treten durch edle Auffaflung, 
harte Charatteriftil, Klarheit der Compofition u. 
narbe, forgfältige Ausführung hervor; es paart 
sh in ihnen denlender Geift u. lebhafter poetiicher 
Zn mit vollendeter Technil. Aus feinen Por: 
träts ſpricht Naturwahrbeit u. Treue neben ftil- 
voler Auffaffung. Werke: Eine Himmelstönigin, 
in der Galerie Bellevue; Hiob; Chriftus am 
Olberge; die Ausgießung des Heiligen Geiftes, 
in der Domfirche zu Berlin; die —— ſeines 
Vaters, in Köln; die Taufe Chriſti (in der zweiten 
Manier), in der Garnifonfirche zu Potsdam; Auf- 
ertehung Ehrifti, im der Werderſchen Kirche zu 
Berlin; die Loreley, nach Heine; Heinrih IV. ın 
Canofja; der Zinsgrofhen; Chriftus am Kreuze 
u.a, u. viele Porträts hervorragender Männer 
Preufens in Der Königl. Galerie. Die > 
"tung diefer Porträts wurde nad ſeinem Tode 
feinem Sohne Ostar B. aufgetragen, von welchem 
Boch, Joh. Müller u. Ehrenberg gemalt wurden. 
2) Ostar, Hiftorien- u. Borträtmaler, Sohn des 
vot., geb. 30. Juli 1828 in Berfin; ftudirte in 
Kom u. malte u. a. eine Kreuzabnahme, die Ber- 
treibung aus dem Paradiefe nah dem Sünden» 
fale u. die Salzburger Emigranten in Potsdam; 
dum fette er die vom feinem Bater begonnene 
Galerie berühmter preuß. Künftler und Gelehrter 
für König Friedrich Wilhelm IV. fort u. befchäftigte 
fh aud vielfach mit decorativer Malerei. 8) Rein- 
bald, deutfcher Bildhauer, geb. 1831 in Berlin, 
Bruder des Bor.; erhielt vom Bildhauer Wich— 
mann den erften künſtleriſchen Unterricht, feit 
1354 von Rauch. In jener Beit entſtand bie 
Ömppe: Hagar u. Fsmael, durch welche B. in 
neiteren Kreiſen befannt wurde. In die Fahre 
1854—58, welche B. größtentheils in Italien zu- 
drachte, fällt feine volle künftierifche Entfaltung. 
&r fiudirte dort außer der Antile namentlich 
Fihel Angelo. Die Früchte diefes Studiums find 
bie Gruppe: Piyche mit der Lampe über dem 
IHlafenden Amor, für Oppenheim; dann die 
Gruppe: Ban die verlaffene Piyche tröftend (letz ⸗ 
tere nur in Gips ausgeführt), wofür er in Parıs 
u. Brüffel die goldene Medaille erhielt. Ihr 
jelgte 1860 die höchft originelle Faunen⸗Familie 
u die Auffehen erregende Giebelgruppe für bie 


Im nächſten Jahre fchuf 
er feinen Pan als Mufifiehrer, u. 1869 vollendete 
er fein Schillerdenkmal. Auch eine Reihe Heinerer 
Arbeiten u. trefilicher Borträtbüften verdanft man 
feinem Meißel. B. folgt der Richtung der Plaftit, 
welche auf maleriiche Wirkung binarbeitet, was 
ihm den Namen des Rubens der Plaſtik einge- 
tragen. Seine reihe Begabung, fein ausgebildeter 
Sinn für Schönheit der Yinien wie der Form im 
Ganzen u. Einzelnen fichert dem Künſtler eine 
ebhrenvolle Stelle unter den Plaftitern der Neuzert, 
unter denen er in gewiſſem Sinne jelbft als Re— 
generator erſcheint. Seine Gegner aber werfen 
ihm vor, er thue Unrecht daran, feine Motive 
vielfach der engeren realiftiichen Sphäre zu ent« 
nehmen u. feine Behandlung des Dialerifchen bis 
zum Genrehaften zu übertreiben. Ju der That» 
lade, daß alle heutigen Schöpfunger im antiken 
Geifte u. mit antifen Motiven felbft im günftig« 
ften alle nur Reminiscenzen bleiben, beruht der 
Grund der Forderung einer modernen Behandlung 
der Plaftil, als deren Hauptvertreter B. zu be 
traten u. die nur in der malerifchen Behand— 
[ung zu erzielen if. Als die neueſten Arbeiten 
Bes find zu neımen: eine Sujanna das Gewand 
umnehmend u. eine Statue der Königin Yuife von 
Preußen in darreichender Stellung, die deutfche 
Kaiferfrone in den Händen baltend (für den Kaifer 
Wilhelm beftimmt), jomwie eine Kindergruppe um 
einen Candelaber geordnet. 4) Adalbert Franz 
Eugen, Hiftorien- u. Porträtmaler, Bruder des 
Bor., geb. 1836 in Berlin; war erft Kupferftecher, 
ftudirte dann in Paris u. bei Bödlein in Weimar. 
Sehr geſchätzt find namentlich feine weibl. Porträts. 
Regnet. 

Begattung (Coltus), beim Menſchen auch 
Beifhlaf, nennt man die Bereinigung eines 
männlichen u. eines mweiblihen Individuums zum 
Zwede der Befruchtung u. der davon abhängen« 
den Fortpflanzung, wobei das männliche Glied 
in die weiblichen Organe eingeführt wird, Cine 
bloße Annäherung der beiden Geſchlechts— 
individuen, wie fie z. B. bei gewiſſen Fiſchen 
ftattfindet, welche ſich gegenfeitig an einander reiben 
u. dann gleichzeitig ihre Zeugungsſtoffe, Eier u. 
Samen, ın das Waſſer ergießen, hat man eben- 
falls, wiewol nicht mit Necht, B. genannt u. als 
äußere B. von der eigentlichen, inneren B. un— 
terjchieden (die richtige Bezeichnung ift äußere u. 
innere Befrudtung, f. d.). Bei der B. wird 
der in den Geſchlechtsdrüſen des Männchens be- 
reitete Samen in die weiblichen Geſchlechtsorgane 
gebracht, um hier die Befruchtung (f. d.) zu voll» 

jr 


100 


ziehen. B. ift indeſſen feine nothwendige Beding- 
ung der Befruchtung, aber bei vielen Fhieren u, 
den Menſchen ein — Auslunſtsmittel, die 
beiden Arten von Keimgebilden, den männlichen 
Samen u. das weibliche Ei, zuſammenzubringen. 
Die damit verbundenen Nebenverhältniffe dienen 
zur Sicherung der Fortpflanzung. Da dieje nicht zu 
den individuellen Exrhaltungsbedürfniffen des Ein- 
zelthieres gehört, wie 3. B. die Nahrung, fo wird 
dur Blutandrang nach den Geichlechtstheilen zc. 
ein Nervenreiz hervorgebracht, deſſen Folge ein 
änßerft fräftiger Geichlehts- u. Begattungstrieb 
it. Diefer, ſowie Wolluftgefühle, welche die Be— 
gattung begleiten, bilden gleihfam den Köder, 
den die Natur zur Erreihung ihres Hauptzwedes, 
der Erhaltung der Orgunismen, ausgemworfen 
hat. Bei den meiften Thieren ift der Geſchlechts— 
trieb und damit die Begattung an eine gemiffe 
Jahreszeit, die Zeit der Brunft gebunden. 
Manche Thiere begatten fi nur einmal in jeder 
Brumftperiode, andere häufig; bei einzelnen dauert 
die B. lange Zeit, bei anderen ift fie nur mo» 
mentan, Letteres findet ſich 3. B. bei den Pferden, 
bei welchen auch die Stute, fobald fie fich ber 
ſchlagen fühlt, den Hengft miht zum zweiten Mal 
annimmt, vielmehr abichlägt; erfteres dagegen 
3. B. bei den Bären, welche ſich zur Brumiizeit, 
etwa 4 bis 6 Wochen lang, täglid längere Zeit 
begatten; öftere B. findet fi) aud bei Katzen, 
Sperlingen u. a. Alle Säugethiere u. Vögel, die 
meiften Reptilien, Infecten, viele Würmer zc. be- 
gatten fi. Zwitterthiere, welche beiberlei Ge- 
ſchlechtsorgane in fi tragen, begatten fih auch 
wechſelsweiſe, 3. B. viele Schneden, bei welchen 
das eine Individuum erft das andere begattet, 
danı von dieſem begattet wird. Bei ben mei- 
fien Thieren erftredt fih die Wirlung einer B. 
nur auf einen einmaligen Beugungsact, bei ande— 
ren dauert fie oft jahrelang an, fo bei den VBienen- 
föniginnen, welche nur einmal, auf ihrem Hod)- 
zeitsfluge, begattet werden, danı aber im Verlaufe 
v.ca. 5 Jahren gegen 1 Million Eier legen. home. 

Begehr, jo v. w. Nachfrage: 

Begehren. Das B. ift ein im fich einfacher, 
primitiver feeliiher Zuftand, der in feiner be- 
ſtimmten Art u. Weife nicht mehr definirt, fon- 
dern von jedem Einzelnen, der den Buftand ken— 
nen lernen will, ſelbſt erfaßt u. beobachtet werden 
muß. Das B, wird allein dur die Wahrnehm- 
ung oder Vorſtellung der Urſache einer Luſt oder 
eines Schmerzes erwedt. Iſt die Urſache der Luft 
verwirklicht, die des Schmerzes befeitigt, ſo erliſcht 
es. Bol. die Art. Willen u, Trieb, 

Begeifterung, die ungewöhnliche, jedes andere 
Jutereſſe ausjchließende Erwedung des inneren 
Geſammtlebens durch Liebe u. Berehrung eines 
Gegenſtandes, oder durch religiöfe, Tünftlerifche, 
philofophifche, politifhe Anjchauungen und Ideen. 
Sehr verfdiedentlih find ihre Gründe a. Ziele; 
überall jedoch ift fie eine mächtige Steigerung, 


Begehr — Begierde. 


fann aber au, wenn fie ausdauert, fortwirkt, in 
entiprechender Weife wiederkehrt, wenn ihr bie 
erforderlihe Begabung uud die Thatlraft fi zu- 
gejellen, zur Leiſtung, zum Werte aus fi ber- 
ausgehen und darın ihren befriedigenden Aus- 
drud erlangen. In diefem Sinne wird fie na- 
mentlich dem künſtleriſchen u. dichterishen Genius 
beigelegt; bier tritt auch mit voller Klarheit die 
ureigene Bedeutung des Wortes hervor, die darauf 
hinweift, daß im Yuftande der B. die Seele von 
einem höheren, unendlich über fie hinausragenden, 
Göttlichen, ergriffen wird. Auf dem religiöfen 
Gebiete heißt diefe B. Prophetie, Infpira» 
tion, Theopneuftie. Zur Hervorbringung größer 
ver Kunftwerte ift eine nachhaltige und ſich öfter 
wiederholende B. u. die Weisheit in ihrer Ber«- 
werthung erforderlih. Der Künftler kann fich 
nicht auf fie allein verlaffen; er muß auch ange» 
ftrengt arbeiten, jonft würde niemals ein um« 
fafjendes Hunft- oder Dichterwerf zu Stande fom- 
men. Den höchſten Grad der B. pflegen wir alg 
Enthufiasmus (f. d.) zu bezeichnen; er kann 
unmöglich, wenn er nicht zur Geiftesftörung füh- 
ren fol, von langer Dauer fein: vpr der Thür 
der Berziidung fteht der Wahnſinn. Menjchen, 
die aus Mangel an Befonnenheit u. Schärfe des 
Urtheils leicht für die Erjheinungen des Lebens, 
der Kunft und der Wiſſeuſchaft begeiftert werden, 
nennen wir eraltirt. Verwandt mit der B. ift 
die Shwärmerei, welde fih im Haffe und der 
Berfolgungsfudht des Gegenjages zum Fanatis- 
mus fteigert, 
Et. Begaha (Begga), Tochter Pipins von 
Landen, Herzogs von Brabant; war vermäblt mit 
Anfegifil, Sohn des Biſchofs Arnulf von Meg, u. 
wurde von ihm Mutter Pipins von Heriftal; fie 
ftiftete 696 das Fraueuklofter Andenne an der 
Maas, yo fie um 698 ftarb; Tag: 17. Dec. 
Begharden (Beguini), religiöje Männergejell- 
haften, den mweiblichen Genofjenjchaften der Be» 
guinen nachgebildet, ſchon 1220 in Löwen. Ihnen 
ſchloſſen fi namentlich viele von den unter Papſt 
Johann XXIL ausgeftoßenen Franciscanern (Fra- 
tricelli) an. Später ließen fie ſich vielfach mit 
den Brüdern des Freien Geiftes, mit Waldenjern 
ein, daher fie oft verfolgt wurden (der Begharde 
Berthold zu Speyer 1359 verbrannt). Die von 
Kegerei freien Elemente befahl Gregor XI. 1374 
u. 1377 unter dem Namen Lollharden zu dulden. 
Dem Zertiarierorden der Franciscaner einverleibt, 
beftauden fie in Belgien bis ins 17. Jahrhundert. ' 
Tracht: grober grauer Rod mit runder Kapuze, 
rauer Mantel, darüber ein graue Scapulier, 
©. Bequinen. — 
Beghardinen, ſo v. w. Beguinen. 
Beglerde iſt das entweder auf einer ange» 
borenen Empfänglichteit beruhende, oder gewohn- 
heitömäßig erworbene, andauernde und hierdurch 
babituell gewordene Begehren nad) einer beftimm« 
ten Urſache der Luft. So mannigfaltig als dieſe 


eine energiihe Goncentration des Gemüthes auf letzteren find, fo mannigfaltig find auch die erfteren, 
irgend eine Stelle des inneren u. äußeren Lebens. | Das Begehren nad Luft aus dem Leibe wird zur 
Ste kann ſich in die menſchliche Bruft verjchlie-| Gefräßigfeit, Trunkſucht, Wolluft; das Begehren 


pen, in ihr verglüben; fie fan ihre Lebens- nach Luft aus dem Wifjen zur 


Wißbegierde oder 


äußerung auf leidenſchaftlich bewegte Reden, ja falls dieſe Luft launenhaft und ohne Conſequenz 
auf dunkle, abgeriſſene Worte bejchränfen; fielauf Einzelnes geht, zur Neugierde; das Begehren 


Begießen — Begnadigung. 


101 


nah Luft aus der Ehre zur Prunffucht, nach Luft|bei u. außer Gericht durch jchriftlich legaliſirte Boll« 


aus der Macht zur Herrichfucht, Streitfucht, beil macht. 


Frauen auch zur Kofetterie oder Gejalljucht; nach 
ft aus fommender Luft zur Speculationswuth, 
Projectenmacherei, leidenſchaftlichem Spiel x. 

Ein großer Theil der Erziehung befteht darin, 
die Empfänglichfeit für einzelne Arten der Luft u. 
der Ben danach abzuſchwächen, oder zu — 
olf- 


Begiehen der Pflanzen; geihieht, um dem 
Boden die zum Wachsthum der Pflanzen nöthige 
Feuchtigleit zu geben, richtet fich daher theils nad) 
der Witterung, theils nad der Art u. Größe der 
Manzen. Samen u. Heine Pflanzen werden oft 
a. nur oberflähhlih begoffen, größere dagegen 
feltener, dann aber fo ftark, daß das Waffer den 
Boden bis an die Wurzel durchdringt; es erfordert 
ſtets große Borficht, foll weder bei heißem Son» 
nenideine, noch vor möglichem Froſte geicheben, 
wird am beften morgens früh oder gegen Abend 
vorgenommen, am wirliamjten bei mildem Regen. 
Gewöhnlih wird mit der Gießkanne begofien, 
Samen u. Pflanzen mit der aufgeſetzten Braufe; 
bei größeren Pflanzen ift es gut, zuvor den Bo— 
den um biefelben etwas zu entfernen u. nach dem 
®. wieder zu ebuen, damit er loder bleibt u. 
nicht an der Oberfläche feſt wird; bei kranken od. 
Ihwählihen Pflanzen geichieht e8 mäßiger, als 
bei fräftig wachienden; zur Zeit ſtarker Blattbild— 
ung, der Blüben- u. Fruchtentwickelung mehr, 
als beim Abfterben u. der Fruchtreife, wo es oit 
ſchadlich wirlt. Bei größeren Bäumen werben bie 
Löcher zum B. nicht diht am Stamme, fondern 
in der Entfernung gemacht, welche der Umfang 
der Stone hat, weil ſich dort die meiften Heinen 
Burzen im Boden befinden. ZTopfpflanzen müſ— 
fen ſtets von oben begoffen werden, mit Aus- 
nabıne der Sumpfpflanzen, bei welchen das B. 
in Unterfägen geftattet iſt; es darf nur geſchehen, 
wenn die Erde ziemlih ausgetrodnet iſt, dann 
aber fo ſtark, daß das Waſſer den Topf ganz 
durchdringt, wobei der etwaige Überfluß durch das 
im Boden befindliche Loch abfliefen fann. Das 
befte Waffer zum DB. ift Negen- oder weiches 
Aue oder Teichwaſſer; Brunnen- oder Duell 
waſſer muß zuvor längere Zeit der Luft u. Sonne 
ansgejett fein, Damit e8 wärmer u. weicher wird; 
wenn man zugleich mit dem B. büngen will, fo 
lann man dem Waſſer etwas Miftjauche zuſetzen, 
oder in Waſſer aufgelöften Guano u. ähnliche, je- 
doch jehr verbünnte Düngftoffe anwenden. Wolde. 

Beglaubigung, die von Amts wegen erfolgende 
Bezengung über bie Nichtigkeit einer Thatfache, 
de Echtheit eines Schriftſtückes, einer Sadje, auch 
über das Beſtehen eines Auftragverhältniffes. 
Bihrend amtlihe u. notarielle Urkunden durch 
Form u. Beibrüdung des Siegels ſchon ihre B. 
haben, werden Privaturfunden u. Unterfchriften 
erſt durch eim öffentliches Zeugniß darüber, daß 
der Schreibende vor Gericht oder Notar oder 
einer anderen öffentlichen Behörde ſich dazu be- 
fannt hat, Abfchriften im Bezug auf ihre Über- 


Im Proceh haben beglaubigte Abjchriften 
von öffentlichen Irkunden volle Beweistraft. Die 
ftaatlihen Gefandten erhalten bei fremden Mäd- 
ten ihre B. durch ein Schriftftüd, B-sichreiben, 
Ereditive (Lettres de er&ance), welches die Stell- 
ung deffelben für die ihn empfangende Regierung 
beurfundet, Name u. Charakter des Gejandten 
angibt u. die Natur des ihm ertheilten Auftrages 
bezeichnet. Dieje Schreiben richtet der entiendende 
Souverän (oder in nicht monarchiſchen Staaten 
die höchfte Erecutivgewalt) an den empfangenden 
Souverän; deshalb auch befondere Feierlichkeit bei 
Empfang eines feine Creditive übergebenden Ge- 
fandten, von welcher Übergabe ab der Gefandte 
erft amtlich als accreditirt erfcheint, wenn er auch 
vorher ſchon die Privilegien eines ſolchen N 
agai. 

Begleitſchein iſt die zollamtliche Urkunde, 
welche ertheiit wird, wenn die zollpflichtigen 
Waaren von der Grenze auf ein Amt im Innern 
oder zur Durchfubr abgelaffen werden jollen, oder 
wenn nach dem Antrage des Declaranten die Er— 
bebung des dur jpecielle Reviſion ermittelten 
Eingangszolles bei einem anderen dazu befugten 
Zollamte erfolgt. S. Bereinszollgefeg v. 1. Juli 
1869, 8$ 41 fi u. $ 61 fi. 

Begleitung, jo v. w. Accompagnement. 

Begler-Beg (türk., Herr der Herren), Titel der 
türkischen Statthalter in Rumelien (Sophia), Ana« 
tolien (Kiutahtia) und Syrien (Damast), melde 
Paſcha find, im Range nah dem Großvezier 
jtehen u. als Zeichen ihrer Würde 3 Roßſchweife 
führen. Sie find zugleich die militäriſchen Gou— 
verneure der Provinz, Begler-Belilk. 

Begliederung (fr. Emmanchement), in ber 
Kunft 1) —— der Glieder mit dem Rumpfe 
u. unter einander. 2) Die Art, wie dieſe geſchieht. 
Eine gute B. muß ungeſucht natürlich ſein u. durch 
den Faltenwurf hindurch die Glieder erlennen 
laſſen, ohne darin zu weit zu gehen. 

Beglik (türt.), 1) Herrnertrag, d. h. Früchte, 
beſ. Äpfel, welche frei auf Bergen u. Heiden wach— 
ſen u. dem Spahi gehören, ſofern nicht ein Au— 
derer mit deſſen Erlaubniß ſie gepflanzt hat. 
2) Der Schatz des Kaiſers aus folhem u. ähn- 
fichem Ertrage. B.-Kalemi, Erpedit der Fer— 
mane u. Archiv der Staatsurkunden. 

Beglifdfchi-Effendi (türt.), Staatsreferendar, 
entwirft nur die Auffäge von größter Wichtigkeit 
u. firengftem Geheimniß. Er ag = alle Sers 
mane od. Depefchen u. ift neben dem Meltubdſchi, 
dem Kanzler des Vortragsminifters, zum Theil 
dem Reis-Effendi zugeordnet. 

Begnadigung (lat. Aggratiatio, Indulgentia, 
Abolitio), das der höchſten Gewalt im Staate 
zuftehende Recht, Berbrehen od. Straferlenntniffe 
in gewiſſen rechtlihen Beziehungen zu tilgen, oder 
zuerfannte Strafen zu mildern. Die B. erfolgt: 
entweder a) vor vollendeter richterliher Unter» 
fuhung od. doch vor gefälltem Straferfenntniß 
u. beißt dann Abofition; od. b) nach geiprochenem 


einftimmung mit dem Urfchriften durch amtliches Urtheil u. ift dann vollftändige B. durch Auf- 


oder notarielles 


eugniß (Fidemation, Bidimation)|bebung aller Strafe, od, unvollftändige B. 


dt Stellvertreter von Privatperfonen er-|durd Aufhebung nur eines Theils od. Milderung 
halten ihre B. zu Verhandlungen u. Abjcplüffen'der Art der Strafe; od. c) mad bereits einge 


102 


tretenem Strafvollzuge, entweder durch Erlaß des 
noch zu verbüßenden Strafrejtes, od. durch Ber- 
nichtung der rechtlichen ‚Folgen einer verbüßten 
Strafe u. heigt dann Reftitution od. Rebabilitirung. 
Als eine beiondere Art der B. unterjcheidet man 
noch die Ammeftie (f. d.) od. den Generalpardon, 
d.h. B. aller wegen beftimmter Berbrecdhen oder 
Vergehen Verurtheilten aus einem außerhalb der 
individuellen Verhälmiſſe der Begnadigten liegen— 
den Anlaffe. Die Möglichleit der B. entipringt 
aus dem Begriffe u. Weſen der Staatsgemwalt, 
die, während der Nichter bloß das Hecht zu üben 
u. bei feinem Urtheil den Menfchen nur in recht 
licher Beziehung zu denfen bat, höhere Rückſichten 
nehmen u. die befonderen Berhättniffe des be- 
ftraften oder ftraffälligen Individuums in Mech 
nung ziehen darf u. muß. Die B. joll ein Aus- 
gleich des Unrechtes des formalen Strafrechtes jein 
u. ift deshalb ein überall anerkanntes, unver- 
äußerliches Recht des periönlichen Inhabers der 
Staatsgemwalt. Die Gründe, ob in einzelnen Fällen 
B. zu üben fei, fünnen theils von der objectiven 
Seite des Verbrehens hergeleitet werden, 3. 2. 
wenn die ftrafbare Handlung aus einer endemi— 
ichen Verwirrung der rechtlichen, bezw. politischen 
Anſchauungen entiprangen u. jo Diele fidh der- 
ſelben fchuldig machten, daß die volle Streuge des 
Geſetzes in Ungerechtigkeit übergeben u. zur Er- 
haltung des Anſehens deſſelben nichts beitragen 
würde; theil$ von der jubjectiven, 3. B. von 
früheren ganz bejonderen Berdienften des Ber: 
brechers 2c. Unter der Geltung der älteren Straf: 
gejege, die faft nur abjolute Strafen androhten, 
war eine häufigere Übung des Besrechtes um fo 
mebr geboten, je mehr Diele Geſetze binter den 
Anforderungen einer vorgeichrittenen Zeit zuriid» 
geblieben waren, Die neueren Berfafjungsurfuns 
den erfennen daffelbe, u. daß der Laudesherr an 
eine Concurrenz der Stände dabei nicht gebunden 
ſei, meift ausdrüdih an. Nur beichräufen es 
Einige theils hiuſichtlich gemilfer Arten der B., 
wie 3. 8. der Abolition, tbeil® binfichtlich bes 
ftimmter Berbrechen, wie Berlegungen der Ber» 
fafjung, Dienftverbredhen der Staatsdtener ac.; 
auch bei Amneſtien wird die Mitwirkung aller ge- 
ſetzgebenden Factoren meiſt nothwendig befunden. 
Die Wirkung der B. beſtimmt ſich in jedem ein— 
zelnen Falle aus dem Inhalte des B-Sactes; keines— 
falls fann fie die wohlerworbenen Rechte Dritter 
verändern, da ja dieſe überhaupt der Verfügung 
der Staatögemwalt entzogen find. Ein Berzicht auf 
die B, ift unftatthaft, da der Verurtheilte Fein 
Recht auf den Vollzug der Strafe, fondern nur 
darauf bat, daß diefe nicht härter, als der Urtheils- 
ſpruch beftimmte, vollzogen wird; doch ift dieſer 

& nicht ohne Gontroverfe; jo brachte vor Jahren 
ein von der ſchwediſchen Regierung verfolgter u., 
ba die alte ——— für den gegebenen Fall 
feine andere als die Todesftrafe fannte, zu dieſer 
verurtheilter Schriftfteller die nämliche Regierung 
im ziemliche Berlegenheit, da er die Begnadigung 
zu einer anderen Strafe hartnädig abwies; man 
mußte eine allgemeine Amneftie erlaffen, um über 
die Schwierigkeit hinwegzulommen. Grotefenb. 

Begonia L., Pflanzengatt. aus der familie der 


Begonia. 


Begon, Jutendanten auf St. Domingo, benannt; 
umfaßt etwa 350 Arten, von denen eine große 
Anzahl wegen der jchönen fleiidhigen, im ben 
verichtedenften Niüancen des Grüns variirenden, 
mannigfach geftalteten fchiefen Blätter u. der mit- 
unter jehr Schönen, reichblüthigen Biüthenftände in 
unferen Gewähshäufern cultivirt wird. Bu 
den hervorragendften Arten gehören B. boliviensis 
DC,, mit fchmalslangettlihen, jehr ſchiefen Blät- 
tern, großen, rofa gefärbten Blüthen u. zablreichen, 
an gejtredter Blüthenachfe fisenden Staubbfättern, 
von Bolivia. B. fuchsioides Hook., halbitraudh- 
artig, reich verzweigt mit verfehrt-eiförmigen, 
fiedernervigen, ſcharf gefägten, furz gejtielten, dun- 
felgriinen Blättern u. purpurrotben hängenden 
Blüthen, von Neu-Granada. B, incarnata Lk. 
d Otto, ftraudig, fabl, mit fchief eiförmigen, an 
der Bafis berzfürmigen, unregelmäßig gelappten, 
gefägten Blättern u. fleifchrothen, hängenden Blü- 
thv:, aus Merico. B. Evansiana Andr. (B. dis- 
coror Smith), mit nolligem Grundftode, ſchief— 
eiförmigen, gezähnten, oberwärts grünen, unter» 
ſeits vöthlihen Blättern u. bellvofa gefärbten 
Blüthen, aus China. B. incana Lindl.,, aus 
Merico, ausgezeichnet durch diden, graufilzigen 
Stengel u. ſchildförmige, fchiefeeiförmige, faft ganz- 
vandige, ebenfalls graufilzige Blätter. B.manicata 
Brongn,, mit jchief-eiförmigen, ſehr fpiten, ge— 
zähnten, gemimperten, unterfeitS mit purpurnen 
Schüppchen verjehenen Blättern, von Merico, B. 
Rex Putzeys, aus Oftindien, mit. didem Rhizom, 
großen, eiförmigen, an det Bafis berzförmigen, 
furz zugeipigten, geferbten, zeritreut behaarten, 
dunkelgrün u, filbergrau gefärbten, metalliſch glän» 
zenden, auf rothen Stielen fitenden Blättern u. 
großen, hellroſa gefärbten Blüthen; dieſe Art, 
ſowie auch einige andere laffen ſich auch leicht aus 
Segmenten der Blärter vermehren, welde, auf 
feuchte Erde gelegt u. vor Fäulniß geichiitt, zahl 
reihe Knoſpen entwideln, die zu felbjtändigen 
Pilanzen erzogen werden können. Die Zahl der 
in unferen Gewächshäuſern cultivirten Formen 
vermehrt ſich von Jahr zu Jahr nicht blog durch 
neue Einführungen, fondern auch durch künſtlich 
gezogene Baftarde; ſo iſt z. B. B. Verschaffeltiana 
Regel ein Bajtard, entftanden durch Befruchtung 
der B. caroliniaefolia Regel mit dem Bollen der 
B. manicata Brongn, 

Zu diefen zahlreichen Arten u. Abarten unferer 
Gewächshäuſer u. Zimmer gehören noch von halb- 
ftrauchartigenz.®.: B.subpeltata, .B. viridis punc- 
tata, B.hybrida floribunda, mit ſchönen, oft im 
Winter erſcheinenden Blüthen; von frautartigen 
u.a.: B.ricinifolia,B.heracleifolia. B.smaragdina, 
B.hydrocotylefolia, B. argyrostigma, B.zebrina n. 
v. a., die mit ihren großen, ſchön gefärbten u. ge- 
zeichneten, oft metalliih glänzenden Blättern als 
Blattpflanzen beltebt find, zumal ihre Cultur nicht 
ſchwierig u. aud an nicht jehr hellen Plägen nocy 
möglich it. In fandiger Humuserde gedeihen fie 
am beften; die halbitraudhigen werden im Som- 
mer durch Stediinge, die frautartigen leicht durch 
Blattftedlinge vermehrt, einige knollige Arten, 3.8. 
B. Evansiana u. B. diversifolia, durch Theilungder 
Kuollen während des Abfterbens der frautigen 


Degoniaceen (XXI. 9), von Plumier nad Michael] Theile im Winter; nachdem biefe daun troden 


Begoniaceae — Begriff. 


fiebengelafjen, werben die Knollen im März in 

fandige Humuserde gepflanzt u. etwas warm geitellt. 
(Bot) Engler. (Gärtn) Wolde. 

Begoniaceae, dilotyle Planzenfamilie aus der 





103 


grabens von Scheintodten unterfagen, tbeils die 
Defientlichleit der Beerdigungen (menigftens das 
Mitwiffen der Polizeibehörde), oder theils den 
Schub des Grabes, bez. des ganzen Begräbniß- 


Abtheilung der polypetalen Difotgledonen, mit|pfages u. die äußere Umngeftörtheit bei der Be- 
afgmmetriichen, eingeſchlechtlichen u. einhäufigenjerdigung (3.®. Verbot von Grabreden) bezwedten 
Blüthen. Die männl. Blüthen befiten meist 2|(polizeil. Begräbnigordnungen). Die Kathol. Kirche 


gegenfländige, in der Knoſpenlage Happige Kelch- 
fätter u. feine oder 3—5 Blumenblätter, ferner 
zebfreiche, der mehr oder weniger geftredten Blü— 
thenachſe auffigende Staubblätter; die weiblichen 
Blüthen befiten 2—5 oberftändige Blumenblätter, 
bisweilen auch mehr, u. einen unterftändigen, drei— 
fantigen, ungleichjeitigen, oft ftarf geflügelten, 1- 
oder 3-, jeltener mehrfächerigen Fruchtknoten u. 
2—5 freie oder an der Bafis mit einander ver- 
wadiene, oft 2jpaltige, entweder überall mit Nar- 
benpapillen befete, oder mit einem fpivalig ge— 
wundenen Narbenftreifen verjehene Griffel; Frucht 
meist eine fächerfpaltig aufipringende Kapfel, deren 
zahlreiche Heine, längliche Samen einen verfehrt-eiför: 
migen od. cylindriichen geraden Embryo mit ſehr klei⸗ 
nen Kotyledonen einjchließen. Ale Arten der Fa— 
milie find faftige Kräuter, oder auch perennirende 
Halbfträucher, mit aufrechtem, einfachem oder ver- 
jweigtem, feltener Hetterndem Stengel, bisweilen 
auch mit fnollig verdidtem Rhizom, mit abmed)- 
feinden, umgleichfeitigen, ſchiefen, handnervigen, 
ungetheilten oder gelappten oder handförmig ge- 
theilten Blättern, an deren Baſis 2 häutige ab- 
fllige Nebenblätter ftehen; die oft prächtigen, 
weiß, rofa, gelb oder voth gefärbten Blütben ftehen 
in wiederholt gabelig verzmeigten, achſelſtändigen 
Blüthenftänden. Ben den beiden zur Familie ger 
börigen Gattungen ift die eine, Hillebrandia 
Ölicer, duch 5 Kelchblätter u. 5 Blumenblätter 
m den männl, Blüthen ausgezeichnet, auf die 
Sandwichs ⸗ Inſeln mit einer Art beichränft, während 
die andere Gattung Begonia alle iibrigen Arten 
umfaßt, welche im tropiichen Amerika, im tropi- 
iben, jenfeit8 des Ganges gelegenen Aſien u. im 
füdlihen Afrita vorlommen. Engler. 
Begräbniß, 1) der Act des Verſenkens von 
Leihen unter die Erde, im Gegenſatze von Leichen- 
verbrennung (j. d. Art.). 2) Die dabei üblichen 
religiöfen u. auch profanen Geremonien u. Ge: 
bräude. 3) Die Gruft oder das Grab für die 
Aufnahme einer Leiche. Die fir die allgemeinen 
Beerdigungen hergerichteten Begräbnißpläge(Atria, 
Kirchhöfe, ſofern fie die Kirche umgeben, Todten— 
oder Friedhöfe, Leichenfelder, Gottesäder) find 
entweder im Eigenthum u. unter Berwaltung der 
volittichen, oder beftimmter firchliher Gemeinden. 
Im letzteren Falle follen nur die Leichen der An- 
gehörigen dieſer lirchlichen Gemeinde oder did) 
diefes kirchl. Belenntniffes darauf aufgenommen 
werden, im erfteren alle dagegen werden bie 
Leihen ohne Rüdfiht auf das religiöfe Belennt- 
niß der Berftorbenen beerdigt. Nach Franuzöſiſchem 
Rechte ftcht das Eigenthumsrecht an den B-plägen 
den Givilgemeinden zu; das Preuß. Allg. Landrecht 
begründet die Bermuthung für das Eigenthums- 
teht der Kirchengemeinden. Bon den religiöjen 
Geremonien bei 
die polizeil. Borfchriften, welche theils das zu frühe 


weiht die Gräber u. Begräbnißpläge, nicht fo die 
Evangel., welde in der Leiche nur den der Erde 
zurüdgegebenen Staub fiebt. Den öffentl. B— 
pläten gegenüber ftehendie Privat-B-pläte. Yn 
deren Anlegung bedarf es befonderer polizeil. Ge 
nehmmgung. Die Beerdigungen in den Kirchen 
find jetst wol allgemein unterfagt; höchſtens iit 
eine Ausnahme bezüglich der höheren Diöceſan— 
geiftlichen geftattet. Sanitätspolizeilih wird von 
allen Begräbnißplägen erfordert, daß fie jo weit 
von bewohnten Gebäuden u. Brunnen entfernt 
liegen, daß eine Inficirung der Wohnungen durd 
Leichengaſe, bezw. der Brunnen durch die davon 
erfüllten Grund» od. Tageswaſſer nicht möglich ift. 
liber die verichtedenen Ceremonien u. Gebräuche 
in Bergangenbeit u. Gegenwart ſ. u. Todtenbe- 
jtattung. Brotefend, 
Benräbnifkaffen, meiſt mit Kranfen- u. Ber 
forgungsfaffen verbundene Spartaffen, die von 
Handarbeitern, Handwerfsgeiellen, Fabrilarbei— 
tern ꝛc. durch Einlagen gebildet werden, um im 
Todesfalle die Begräbnißloften zu deden. Sie find 
entweder freiwillige, wie jolhe in England in 
großer Menge erijtiren, od. gezwungene, wie fie 
ur preuß. od, bayerischen Fabriken eingerichtet find. 
Bepräbniffoften (Impensae funeris), der 
Aufwand, welchen das Begräbniß eines Todten 
macht. Die B. müſſen nad Gemeinem Rechte zu» 
nächſt als eine Laft der Erbſchaft, durch welche 
diefe jelbft fih mindert, von dem Erben des Ber- 
jtorbenen getragen werden, aushiljsweife dann 
von Dem, der eine Perfon zu ernähren verbunden 
it, wie vom Manne für die Frau u. vom Bater 
für das unter feiner Gewalt befindlihe Kind. 
Sollte aber Niemand vorhanden jein, welcher auch 
aushilfsweife dazu verpflichtet wäre, fo hat bie 
Armentaffe einzutreten u. mindeftens die nöthigen 
DB. zu übertragen. Werden B. vorgelegt, fo jtebt 
Demjenigen, welcher dies that, gegen den eigent- 
li Berpflichteten gemeinrechtlich die Actio fune- 
raria auf Erſatz diefer Koften zu. Außerdem ge- 
nießen dieſelben auch bei entjtehendem Concurs 
Vorzugsrechte, indem fie zu den abfolut privile» 
girten Forderungsrechten gezählt werben. 
Begrenzung, 1) ſo v. w. Limitation. 2) (Con- 
fination) Strafe, welche darin befteht, daß einem 
Verbrecher ein gewiſſer Bezirk angewieſen ift, aus 
dem er ſich nicht eutfernen darf. J 
Begrenzungshaut der Nervenfäſerchen 
(Hülle oder innere Scheide der Nervenfibrille), 
eine feine, röhrenartige Umhüllung der feinſten 
Nervenfäſerchen, welche erſt dann ſichtbar wird, 
wenn der Inhalt (durch Druck oder Eſſigſäure) 
entfernt iſt. Die B. des Gehirnes, Rückenmarkes ꝛc. 
iſt weicher, zarter u. dünner, als ſonſt u. daher 
die Erſcheinung, daß dieſe Nervenfäſerchen durch 


eerdigungen unterſcheiden ſich Druck ſehr leicht varicös u. wie knotig werben. 


Begriff (lat. Conceptus, Notio), die Zujam- 


Beerdigen der Leichen zur Verhinderung des Be-Imenfatjung des finnlih wahrgenommenen Mannig- 


104 


faltigen im Gedanken zur Einheit, durch Feſt— 
haltung beftimmter Merfmale, oder eine Vor— 
ftellung, durch melde Etwas gedacht wird. Will 
man einen ®, genau fennen lernen, jo muß man 
ihn in feine Merkmale zerlegen od. ihn analpfiren, 
Es gibt: Stamm-B»e (reine Be), die fi bloß 
auf die Form des Berftandes beziehen, z. B. der 
B. Urſache; e8 find dies diejenigen, die man ehe- 
mal® angeborene B-e nannte, über deren Bor- 
handenfein viel unter den Philofophen geftritten 
worden if. Dem Anbalte (d. i. den ım ihnen 
aufgenommenen Merkmalen) nach find B-e trans: 
jcendentale, über alle Erfahrung erhabene, wie 
Gott, Ewigkeit; od. empirijche, aus Erfahrung 
abgeleitete; dem Umfange (Gebiet, Kreis, Sphäredes 
B.e8) nad meite u. enge, je nachdem fie viele 
od. wenige Gegenftände bejaflen. Allgemeine od. 
Geſchlechts-⸗Bee find ſolche, die etwas mehre— 
ven Einzeldingen Gemeinichaftliches vorftellen u. 
in Gattungs-Bee, welche böber, weiter umfaf- 
ſend, abstracter find, u. Art-Bee, die niedriger, 
enger, weniger abstract find, getbeilt werden. 
Befjondere od. Einzel-Bee ftellen nur ein ein- 
zelnes Ding vor. Inhalt u. Umfang des Bees 
zufanmen beißen aud die Größe (Quantität) 
eines B-8, Je mehr Merkmale an einem wahr- 
genommenen Gegenftande in einen B. aufgenom- 
men werden, deſto bejchränkter wird die Sphäre 
der darunter befaßten Gegenftände, u. wenn dann 
der B. volfftändig ift, d. h. alle "Merkmale 
darin aufgenommen find, fo ift er auch nur auf 
einen Gegenftand ausschlieglih anwendbar, wie 
der B. von allem Individuellen; dagegen iſt ein 
B. beftimmt (determinirt), wenn er, in feinen 
Grenzen eingejchloffen, auf nicht mehr Dinge be- 
zogen werden fann, als. für welche er ein gemein» 
james Merkmal ift; 3. B. wenn man den B. 
Planet jo denkt, daß er auf feine andere Art von 
Himmelsförpern bezogen werden kann. Analy- 
tische B-e find Die aus einem anderen allge 
meinen B. durch Zergliederung — z. B. 
Wohlthätigleit aus dem B-e Tugend; ſynthe— 
ꝛiſche, die durch Zuſammenfügung mehrerer ge— 
bildet find, 3. B. Tugend als Compler ſittlich— 
guter Eigenſchaften. Dem pofitiven Dre, dem 
eine Realität entfpricht, ift der negative, in dem 
diefe verneint wird, entgegengejeßt, 3. B. Mangel. 
Ein leerer B. ift ein folder, dein durchaus nichts 
in der Erfahrung entipricht, 3. B. ein räumlich 
vorüberijhwebender Geift. Ein Begriff ift Mar 
u. deutlich, deflen Merkmale wirflih als ſolche 
unterjhieden werden, im Gegenfage von verwor- 
venen u. dunklen; widerfpredhend aber 
(im Gegenfage übereinftimmender, adäquater B-e) 
ift ein B., in welchem Merkmale aufgenommen 
find, die einander aufheben, 3. B. eine edige 


Begriff. 


dunkle od. nicht ganz klare Bee zu verdeutlichen. 
Der Yehrer muß dabei paflende VBorftelungen er- 
weden, das fchon Belannte bemugen, daraus das 
Unbetannte entwideln u. die einzelnen gefundenen 
Merkmale vom Schüler zuſammenſuchen laffen. 

Begrüßung, Zeihen von Achtung u, Freund- 
ſchaft, melde ſich Perſonen beim Begegnen oder 
beim Zufammentommen, od. bei der Trennung 
bieten. Die Art dev B. zeigt fich im den mannig- 
faltigften Formen, überall aber hängt fie innig 
zufammen mit dem Stande der Eultur des jedes: 
maligen Bolfes u. bietet daher ein charakteriftiichet 
u, culturbiftoriih ebenfo wichtiges wie intereffan« 
tes Moment dar: Die Griehen riefen fich beim 
Kommen, Begeguen u. Scheiben chaire, d. i. 
eigentlich: freue dich! die Römer beim Kommen 
ave, d. i. fei gegrüßt! beim Gehen vale, d. i. lebe 
wohl! zu. Beiden Juden pflegten fid) Berfonen, die 
genauer mit einander befannt waren, wecdjelsweije 
die Hand, das Haupt u. die Schulter zu küſſen; 
der Gruß war: ‘Friede fei mit Euh! Eigen» 
thümliche B-en find: in Fatholiihen Ländern 
das: Gelobt ſei Jeſus Chrift! worauf die Antwort: 
In Ewigkeit, Amen! erfolgt. Die am Meere 
wohnenden, Schifffahrt treibenden Bölker verab— 
ichieden fid) von einander mit: Jahre wohl! daher 
jagt 3. B. der Engländer Fare well! der 
Schwede Farväl! der Däne Farvel! der Hol— 
länder Vaarvel! Das Küffen der Stirn von 
Damen vertritt bei den Ruſſen die Stelle des 
Handküſſens; beimAbjchiede jagt der Ruſſe: Prosti 
od. Proschtszhai! d. bh. verzeibe, vergib (näm- 
lich, wenn ich etwas Unrechtes begangen od. dich 
mit einem Worte gefräuft habe). Der Pole um— 
faßt die Kniee m. küßt die Schulter bei der B. u, 
jagt beim Abjchiede: Byway zdröw, d. h. fei oft 
gejund! Die Bewohner der Schumadia im 
Serbien (melde ein Hirtenvolf find und deſſen 
Ideen fih alle auf das Gedeihen der Heerden 
beziehen) fragen beim Gruße: Gibt es Eicheln? 
Der Slowene fagt beim Abſchiede: Sdrav 
ostäni, d. h. Bleibe gefund! oder Bög te shirvi, 
d. h. Gott made Did gefund! Ju der Türkei 
grüßt man gemöhnlid durch Übereinanderlegen 
der Arme auf der Bruft u. Beugen des Kopfes. 
Der gemeine Araber jpridht zum Gruße: Selam 
aleikum, d. h. Friede fei mit euch! worauf die Ent» 
gegnung: Aleikum esselam, d. h. mit euch ſeiFriede! 
erfolgt. Im größten Theil der füdlichen Hälfte 
des übrigen Aſien find die B-en höchft wichtige 

andlungen, u. da, wo der Despotismus auf die 
Spitze getrieben ift, werden Berftöße dagegen für 
Verbrechen angejehen u. demnad behandelt, Gie 
ftufen ſich nad dem Range des zu Grüßenden ab 
u beftehen (mie bei den Hindu) in Berührung 
der Stirn u. Beugen des Kopfes bis auf die Erde, 


Kugel. Ausführlich ijt ein B., wenn man nah|od, (mie in China) im Niden mit dem Kopfe, 
der Verdeutlichung deſſelben durch die Zerglieder- |Übereinanderichlagen der Hände u.allerhand freund« 
ung in feine nächſten Mertmale die Merfmale|tihen Worten, od. (wie auf Sumatra u. anderen 


von jenen Merkmalen (entfernte Merkmale) auf- 


oftindiichen Inſeln) im Niederwerfen auf die Erde 


führt. Mehrere B-e werden außer ig aufju. darin, daß man den Fuß des zu Grüßenden 
e 


einander gebildet (abfolute B-e), oder in 
aufeinander als relative B»e, 3.8. Zunahme, 
Die Zerlegung der Bre in ihre einzelnen Ber 
ftandtheife (B»Szerlegung) ift eine nothwendige 
Übung in den Elementarfchulen, um den Schülern 


zug auf die Bruft, den Kopf, das Knie zc. des Grü- 


genden fegt. Überhaupt trägt der Gruß im Orient 
das Gepräge eines bedientenhaften, wenn nicht 
hündiſchen Wejens, bejonders wo Intereſſen oder 
Würden im Spiel find. In Perfien begrüßt der 


Boe gue — 


Beguinen. 105 


Birth feinen Gaſt zweimal, indem er ihm zuerſt die von Blaſius im Amſterdam 1669 beforgte 


eine Strede entgegenläuft, dann nad der Thür 
zurüdeilt u. dort den Gaft noch einmal bemill- 
lemmt. In China muß der Untergebene, wenn 
er dem Vorgeſetzten zu Pferde begegnet, abfteigen 
u. ihn ftebend vorbeilafien. Ju Japan trägt 
der Grn des Untergebenen ebenfalld den Cha- 
tafter der größten Unterwürfigkeit. Weniger civi- 
kfitte Bölfer grüßen auf noch eigenere Art, wie 
die Bewohner der Garolinen, Lappen u. Ota- 
heiter, durch Berühren "der Nafenfpiten; die 
Keger an der Guineafüjte durch Knaden der 
Anger; die Tibu in der öftl. Sahara, indem fie 
mit der Lanze im der Rechten u. dem Schild in 
der Linken, Rüden an Rüden eine Zeit lang Be- 
grüßmasformeln herfagen, und dann mit ein: 
ander ſprechen; die Beduinen, indem fie auf 
den Fremden los jagen u. dicht bei ihm das Ge— 
wehr abfeuern; einige Andianerftämme in NAme- 
vita durch das flirdhterlichfte Gefchrei. In Ägyp— 
ten gibt es mandherlei Arten der B.; gemöhnlid) 
inedt der Agypter beim Begrüßen die Hand aus, 
legt fe auf die Bruft, indem er den Kopf neigt. 
Im Übrigen tragen die Begrüfungen auch in 
Arıfa größtentheils den Charakter ſtlaviſcher 
Unterwürfigfeit. Über die B. beim Militär u. 
jur See f. Ehrenbezeugung. ES chroot.* 
Begue, Ahille Guillaäume B. de Preste, 
seb, zu Pithiviers, unmeit Orleans; ſtudirte Me- 
cm, promopirte 1760 zu Paris u. wurde fönigl. 
Gmior; er fl. 18. Mat 1807. B. war bejonders 
tätig auf dem Gebiete der Volksarzneilunde u. 
lieferte derſchiedene Überjesungen ans dem Deut- 
ten, dem Lateiniſchen u. Engtifgen. Er war 
Kouſſeau ſehr nabe befreundet, rietb ihm, den von 
Öirardin angebotenen Zufluchtsort in Ermenonville 
azunehmen, bejchrieb feine letzten Lebenstage in 
ker Notice sur les derniers jours de J. J. 
Bousseau, Lond. 1778, u. vertheidigte ihn gegen 
die Beihuldigung des Selbſtmordes. Er ver 
öfenfihte außerdem u. a.: Economie rurale et 
civile, Par. 178% 2 Bde, Thambann. 
Deguemeder (Berichember), Landichait im 
abeſſinijchen Reiche Amhara, nach der alten Schreib: 
ar Bebihember; die Einwohner gehören zum 
Stamıme der Galla, find meift Chriften u, treiben 
Vieh⸗ m. Pferdezucht; Hauptſt.: Deyra-Tabur, 
Beguin, Jean, franz. Arzt u. Chemiler; 
fedte zur Zeit Heinrihs IV. u, war unter Lud— 
wig XIII. Almofenier. Ramentlih um den Berg- 
bau zu ftudiren, bereifte ev Deutichland, Ungarn 
x. alien. Er gab das unten erwähnte Tyro- 
cinium berans, eın Buch, das, wie die vielfachen 
Ausgaben beweijen, allgemeines Aufjchen erregte 
u, die erfte foftematiiche Behandlung u. Bearbeit- 
ung der Ehemie enthielt. Auch gab er zuerft die 
genaue Beichreibung der Kalomelbereitung. Tyro- 
enium thymicum, e naturae fonte et manuali 
eiperientia depromtum, Paris 1608 u.11, 2p3. 
1614 u. 19, Köln 1615 u. 25, Königsberg 1618, 
Franff. 1619, Wien 1619, Genf 1625 u. 59, 
Sitenberg 1634, 40 u. 56, Amfterdam 1659 u. 
#9; franz. Überjegung, Paris 1615, 20 u. 24, 
Genf 1624, Rouen 1626, 37, 60, Lyon 1665; 
engliſche Überſetzung 1669. Im 18. Jahrh. galt 


Ausgabe für die beſte. Thamhanyn. 
egninen, der älteſte aller weiblichen welt- 
lichen Bereine zu frommen Zweden; ift von un« 
befanntem Uriprunge u. tritt 1065 zuerft in einer 
jegt freilich als unecht nachgewiefenen Urkunde zu 
Vilvoorden geihichtlih auf. Die Entftehung des 
wahrſcheinl. franz.) Namens ift ungewig. Man 
leitet ihn ab von Lambert le Bögue, Briejter in 
Lüttih 1180, der Frauen u. Jungfrauen zu ge 
meinfamem Leben aufgefordert haben foll, oder 
von St. Beggba (ſ. d. Art.), oder von beggen, 
betteln, beten (begutten, wahricheintih von der 
Formel: bei Gott). Die B. verbreiteten ſich im 
13. Jahrh. über die Niederlande, Frankreich u. 
Deutichland (mo fie fich bei. in Hamburg, Lübed, 
Regensburg, Görlig, Rochlitz, Leipzig anfiedelten) 
ungemein; fie lebten in großen Geſellſchaften, oft 
bis 2000 Schweitern, in ihren Beguinereien (Be- 
guinenhäufern, Beguinagiae, Beguinasiae) paar- 
weiſe im einzelnen Hüttchen, wo ein Spital, eine 
Kirche, ein Betjal die Bereinigungspunkte waren, 
oft auch bei ihren Verwandten einzeln, m. erhielten 
vom Erirage der Arbeit fich ſelbſt, die Gejellichafts- 
taffe, die Priefter, Bereinsbeamten und Spitäler, 
Die Borfteberin geder Bequinerei hieß und heißt 
Magistra, welder Guratoren oder Tutoren, ge- 
wöhnfich Bettelmönche, zur Seite ftehen u. welche 
oft nur dem Ortspfarrer, gewöhnlich dem Biſchof 
u, jedenfalls auch der weltlichen Obrigkeit unter- 
worfen ift. Die einfachen Gelübde der Keuſchheit 
und des Gehorſams gegen die Statuten konnten 
eigemmillig durch Austritt aufgehoben werten u. 
alle Schweitern ſich dann verheirathen, Die Tracht 
war die gewöhnliche der Bürgerfrauen jedes Yan- 
des, jedoch hatte jede Begquinerei eine beftimmte 
Farbe dafür, Braun, Grau, Blau, u. dazu einen 
weißen Schleier über dem Kopfe. Später wurde 
Schwarz beinahe allgemeine Farbe, u. dazu fam 
eine ſeltſame, einer umgekehrten Muſchel ähnliche 
Mütze mit einer großen Schwarzen Quafte. Der 
Verein bewies fi als ein höchſt nützlicher durch 
Aufnahme verlaffener Frauen u. Mädchen, durch 
treue Kranfenpflege u. Erziehung armer Kinder, 
u. von dieſer Seelforge hießen die B. in Deutich- 
land aud Geelenweiber, Da fie fih aber ur 
fprünglih feiner genehmigten kirchlichen Anftalt 
anfchloffen, fo ftanden fie ohne Schuß gegen etwaige 
Anfeindungen u. Beeinträchtigungen. Daher ver- 
banden fie fich meift mit den dritten Orden der 
Dominicaner u. Franciscaner zur Befolgung einer 
jtrengeren Yebensregel, wobei fie wie ihre Be- 
ſchützer auch bettelten, was in den erfien Zeiten 
u. befonders in den Niederlanden niemals gejchah. 
Am Rhein dagegen famen fie vielfah in Berühr- 
ung mit Kebern, befonder8 mit Brüdern des 
freien Geiſtes (Spiritualen u. Fratricellen), jo daß 
ion ſeit der Mitte des 13., namentlich aber im 
14. Zabrh. ihr Name vielfach zum Spott- und 
Keternamen wurde. Deshalb wollte jchon Cle— 
mens V. 1312 alle B. u. Begbarden unterdrüdt 
wiffen; Johann XXII. dagegen nahm die recht 
gläubigen®. in Schuß, 1318 in Dentihland u. 1326 
in Ftalien. Indeſſen blieben fie auch von Bor- 
würfen über mancherlei Unordnung xc. nicht frei 


106 


u, durften daher, nach dem Beſchluſſe der Synode 
von Friglar 1244, feine Schweſtern vor deren 
40. Xebensjahre aufnehmen. Die Reformation 
machte ihnen in Deutichland und der Gchmeiz 
größtentheild ein Ende. Nur in Bremen be- 
fteben fie in veränderter Geftalt als proteftantijche 
Stiftung fort. Die B-häufer, welche hier und da 
noch vorhanden, find meift bloß Wohlthätigfeits- 
anftalten, worin ältere unverheiratbete Frauens- 
personen eine Zuflucht finden. Die größte die- 
fer Vereinigungen ift der Begynenhof zu Gent, 
im Jahre 1230 geftiftet, faft eine Heine Stadt für 
fih, worin etwa 600 Schweſtern leben, die fidh, 
wenigſtens früher, meiſt mit Spitenflöppeln be- 
ſchäftigten. Die Klofteraufhebungen unter Kaifer 
Joſeph II. u. feibft die in der franz. Revolution 
gingen jpurlos an diefem Inſtitut vorüber. Bal. 
Mosheim, De Beghardis et Beguinabus, Ypz. 
1790; €. Hallmann, Geſchichte des Urfprunges der 
belgischen B., Berl. 1843, Bon den männlichen 
B. |. Begharden. Frühe jhon wurde der Name 
in Frankreich Spottname für Solche, die eine 
übertriebene äußere Frömmigkeit an den Tag legten. 

Begünftigung, Handlung aus Gunft zum 
Bortheil Femandes, gewöhnlich mit dem Neben- 
begriffe der Ungerechtigkeit, ja der Unrechtmäßig- 
feit, fo die B. eines bereits geichehenen Ber- 
brechens (f. Theilnahme im Allgemeinen, Concur- 
sus ad delictum; B. der Flucht eines Arreftaten 
(f. ebd. u. Amtsverbrechen). 

Behnart, 1) (Bot.) ein, Pflanzentheil, wenn 
er mit einem baarartigen Überzuge verſehen iſt. 
Die Behaarung, (Pubescentia) tann ſehr verſchieden⸗ 
artig ſein, u. man unterſcheidet danach zerſtreut— 
haarig (pilosus), fteifhaarig (hirtus), rauhhaarig 
(hirsutus), zottig (villosus), weich- oder flaum- 
haarig (pubescens). Wenn fich die einzelnen Haare 
nicht mehr gut unterfcheidenlaffen, nennt man die Be- 
haarung jeidenartig (sericeus), wollig (lanatus, la- 
nuginosus), filzig (tomentosus), flodig (floccosus). 
Die ger in den Haaren felbft ſ. u. Haar 
(Bot.). 2) (Herald.) Ein Haupt, deffen Haare von 
auderer Farbe find, als der Kopf. 

Behaden, das Erdreih um die Pflanzen mit 
Werkzeugen auflodern, um das Unkraut zu ver- 
tilgen, den Boden zur Aufnahme atmoſphäriſcher 
Pflanzennährftoffe empfänglidy zu maden u. das 
Wachsthum der Gewächſe zu fürdern. Im Gar» 
ten u. beim Kleinbetriebe der Fandwirthichaft be— 
dient man fi) dazu des Karſtes oder der verjcie- 
denen Arten von Haden, in größeren Landwirth- 
ſchaften bei der Feldcultur zur Erjparung an Zeit 
u, Menſchenhänden verfchiedener Adergeräthe, mie 
des geld oder der Furchenegge, des Schaufel» 
pfluges oder der Pierdehade. Das B. muß ftets 
zu der geeigneten Zeit gejchehen. Die Pilanzen 


müfjen einige Zoll hoch u. der Boden weder zufteutihe Kir 


feucht, noch zu troden, noch auch ſchon zu fehr 
berunfrautet fein. 

Dehadur (Bahadur, Behader, Held, Krieger), 
1) in Indien Titel der 3. Apelsflaffe, der auch 
den englischen Offizieren gegeben wird. 2) Ehren« 
name von indifchen u. tatariichen Fürften. 

Behaften, in Befits nehmen, behalten. Daher 
im altdeutichen Recht Behafter, der Bormund 
oder Eurator, weil er für bie Erhaltung des Ver- 


Begünftigung — Behaim. 


mögens forgen mußte. Behaftung, in ein- 
zelnen Gegenden das richterlihe Berbot, wodurch 
Einer in feinem Rechte gefhütt wird. Behaftet 
jein, von einem phyfiichen oder moraliſchen Übel 
ergriffen fein (von der Fallſucht Trinkſucht zc.). 
Behaim, 1) Michael, Meifterjänger, als joldher 
gewöhnlich nad feinem Grundherrn, dem Reichs« 
fänımerer Konrad von Weinsberg, Poöta Weins- 
bergensis genannt, geb. 27. Sept. 1416 in 
Sulzbady nahe bei Weinsberg, der Sohn eines 
Webers; betrieb eine Zeit lang das väterfiche 
Handwerk, bis ihn die Luft zum Dichten ergriff, 
die fein Lebensglüd zerftörte u. feinen Charakter 
verdarb. Er entzog fich die befcheidene, aber fichere 
Quelle des bürgerlichen Erwerbes, hatte viele 
Sabre hindurch feine fefte Eriftenz, feine Heimatb, 
ichmeichelte, um ſich u. die Seintgen zu erhalten, 
den Fürſten und Großen, verftand es aber nicht, 
fi in ihrer Gunft zu befeftigen, u. ſah in feiner 
Berbitterung auf den Bürgerftand, aus dem er 
jelbft hervorgegangen war u, der einen jchönen 
Aufſchwung — hatte, mit Verachtung 
herab. Doch bewahrte er unter dem Schmutze der 
Armuth immer nod einen Kern der Biederfeit u. 
eine rübrende Hingebung an die Poefie. Er 
quälte fih raſtlos mit dem eitlen Verſuche, Die 
untergegangene Liebe zu feiner Kunft an den 
Höfen wieder zu erweden. Um 1439 trat er als 
Kriegsfnecht in feines Grundherrn Dienfte, kam 
nad Konrads Tode (1448) zu dem Marfgrafen 
Albrecht von Brandenburg, befuchte den däniſchen, 
norwegischen, bayeriihen Hof, diente dem Herzog 
Albrecht von Ofterreih in Wien, bievauf dem 
ſchmählichen Grafen Urih von Cilly, dem Ber- 
trauten des jungen Königs Ladislaus von Un— 
gar, fiel aber bier in Ungnade, fam dann an 
ven Hof des Kaifers Friedrich II. nah Wien, 
wo e8 ibm nicht befjer gina, u. mußte, als er im 
Zorne die Fürften, den Adel u. die Geiftlichkeit 
in feinen Gedichten angriff, die Kaijerftadt ver- 
laſſen. Endlih fand er ein Aſyl am Hofe des 
Pfalzgrafen Friedrich I. (des böſen Fritz) in Heidel- 
berg. Dit dem %. 1474 bören die Nadrichten 
über fein Leben auf. Bon jeinen poetiih werth- 
(ojen, aber al$ Quellen der Zeitgeihichte ergie- 
bigen Berjen ift eine Anzahl abgedrudt in Hagens 
Sammlung für altdeutiche Literatur und Kunft, 
in den Quellen und Erläuterungen zur bayeri- 
ihen u. bdeutichen Gejchichte, Bd. 3. München 
1863, herausgegeben von K. Hofmann. Kara— 
jan veröffentlichte fein Buch von den Wienern, 
Wien 1843, u. 10 Gedichte von ihm, die fih auf 
öfterreichifche Geichichte beziehen, und Quellen u. 
Forschungen zur vaterländifchen Geſchichte, Kunſt 
u, Literatur, Bd. 1, Wien 1848. Seine geiftlichen 
Dichtungen gaben heraus: Ph. Wadernagel (Das 
— Bd. 2, Leipzig 1867) und 

Nötdele, Halle 1867. 2) Martin, Kosmograph 
und Geograph, geboren um 1459 (nah An 
deren ſchon bedeutend früher) in Nürnberg, aus 
einer Patricierfamilie dajelbft ftammend; bejchäf- 
tigte ſich frühzeitig mit aftronomifhen und ma- 
thematishen Studien; wurde 1477 zur Erlern⸗ 
ung der Tuhmanufactur nah Mecheln in Flan— 
bern gejdidt, ging von dort 1479 zu feiner 
weiteren faufmänntichen Ausbildung nah Ant- 


Bcham — Behen, 107 


merpen u. lebte feit 1483 im Portugal, wo er diergüter, beſ. in Weftfalen, die für einen gewiſſen 
Belanntihaft des Columbus machte u. 1483 Mit-| Zins vom Eigenthümer an eimen Anderen zur 
ked der Commiſſion murde, welche der König |Nugung auf 2 oder mehr Hände überlaffen wer- 
— OD. zur Herſtellung eines für die Schiff-|den. Nach dem Tode des Zinsmannes mußte der 
fahrt brauchbaren Aſtrolabiums ernannt hatte. Erbnehmer fih vom Zinsherrn beftätigen laſſen, 
Im folgenden Jahre ward er als Kosmograph|das Handlohn erlegen u. das Gut auf feine Hand 
der Entdedungsfahrt des Diego Cão längs derjfeten laſſen. 

BKüfte Afritas beigegeben. Sie drangen bis) Behang, die Ohren der Hühner- u. anderer 
zur Mündung des Kongofluffes vor, ein Erfolg, Jagdhunde; daher wohl (gut) behangen, wenn 


wegen defien B. von König Johann II. zum 
Ritter geihlagen ward. Er ging 1486 nad) 
Fayal, einer der Azoriſchen Inſeln, auf welcher 
eine flämiſche Colonie beftand, u. verheirathete fich 
dert mit der Tochter des Gouverneurs, Yobft v. Hur⸗ 
ter. 1491 — 98 hielt er ſich in Nürnberg auf u. hinter- 
ließ dort den noch jett vorhandenen, aber fehlerbaf- 
ten, von ihm entroorfenen Erdglobus mit handichrift: 
lichen Notizen, einen intereffauten Beitrag zur Ge— 
Ihichte der Geographie. B. wurde fpäter auf einer 
Sefandtfchaftsreife nach Flandern von Seeräubern 
gefangen; nach feiner Freilaſſung ging er wieder 
nad Liſſabon, wo er 29. Juli 1507 ftarb. Dal. 
Rurr, Diplomatifche Gejchichte des Ritters v. B., 
2, Aufl., Gotha 1801, u. Ghillany, Geſchichte B⸗s, 
Rürnb. 1853. — Die Familie, welcher B. ange» 
dörte, blühte in Nürnberg fort u. zeichnete fich 
dur ritterlihe Tugenden u. Gelehrſamkeit aus. 
Der jetzige Chef iſt Freiherr Chr. Karl, Sohn 
des 1833 verftorbenen Freiherrn Karl Friedrich, 
geb. 1807; er ift bayerischer Major in Benfion 
u. vermäblt mit Henriette, Tochter des Karl Aug. 
Schmidt von Altenftadt; fein Älterer Sohn Frie- 
drich iſt 1852 geboren. 

Beham een verwandt mit Behaim 
2,12), 1) Barthel, Hiftorienmaler und 
Kupierftecher, geb. zu Nürnberg 1502, Schiller u. 
Rachahmer Albrecht Dürers; lebte, von Herzog 
Wilhelm IV. von Bayern zu feiner Ausbildung 
nah Italien geſchickt, längere Zeit zu Bologna u, 
Rom u, bildete fich unter Marco Antonios Yeitung 
aus, B, arbeitete vornehmlich für die bayerischen 
Herzöge Albrecht IV, u. Ludwig; er ft. in Italien 
1540, wohin er im Auftrage des Yetsteren noch 
einmal gegangen. Manches von Marco Alttonio 
berausgegebene Blatt ift ein Werl Bes. Sandrarts 
Bohn if mit DB, identiih. In feinen Bildern 
berricht gute Charafteriftit und Zeichnung neben 
naiver Auffafiung. 2) Hans Sebald, geb. 1500 
zu Nürnberg; erhielt von feinem Oheim Unterricht 
in der Malerei und Kupferftehtunft und gehörte 
ſpäter auch zu den Schülern Dürers; er ward 
1550 in Franffurt a. M. als Borbellwirth, da— 
maliger Übung gemäß, ertränft. Er war ausge- 
jeihnet in Olgemälden, die er nach Urt der Mi— 
maturen ausführte, Seine Werke find felten. In 
feinen Bildern, die er mit vielen im Beitcoftüm 
gezeichneten Figuren ausftattete, zeigt ſich das 
derblomifche Natureli des Kinftlers. Eine Holz- 
tafel mit Scenen aus dem Leben Davids, die er 
gemalt bat, befindet fi im Youpre; in der Bi- 
bliothet zu Ajchaffenburg ein Gebetbuch mit Mi— 
miaturen von B.; feine Kupferftihe find deutlich 
und jauber ansgeführt und gehören zu den beiten 
feiner Zeit. 8) Albert v., |. Bohemus. Regnet. 

andigungsgüter (Behändigungsgüter, 
ia admanuta, Bona admanuationis), Bauern» 


dieje und die Lefzen groß-u. breit find, ſchlecht 
behbangen, wenn das Gegentheil ftattfindet. 

Behar, PBrov., ſ. u. Bahar. 

Deharrungsfutter, diejenige Futtermenge, 
durch welche die dur Bewegung, Stoffwechſel xc. 
bedingte, durch den Gefundheitszuftand u. äußere 
Umftände modificırte Ausfuhr aus dem Körper 
der Thiere gededt wird, jo daß diefelben in dem 
jeweiligen Ernährungszuftande zu verbleiben ver- 
mögen, wenn fie aucd die gewöhnlichen, durch— 
ſchnittlichen Producte liefern, Man nimmt im 
Durchſchnitt beim Rinde „A, beim Schafe Z,, bein 
Dierde Zi, des eigenen Körpergewichts in Heu— 
werth als die für ein B. genügende Menge Er— 
näbhrungsmaterial an. 

Beharrungsgejch (Trägheitsgeſetz), das Na- 
turgeſetz, nach welchen: ein in Ruhe befindlicher Kör— 
per feinen Ruhezuſtand, ein bewegter Körper feine 
Bewegung mit unveränderter Richtung und Ge— 
ſchwindigkeit jo lange beibehält, bis durch eine 
außer ihm liegende Urfache eine Anderung feines 
Zuſtandes herbeigeführt wird. Cine jede folche 
Urjache heißt Kraft. Eineabgeichoffene Kugel würde 
3. B. nad diefem Gejege immerfort in der au: 
fänglichen Richtung u. mit gleicher Geſchwindigkeit 
weiter fliegen, wenn nicht zwei Kräfte da wären, 
welche die Bewegung derſelben modificirten: die 
Schwere, welche die Kugel allmählih nach unten 
zieht, alfo ihre Richtung ändert, u. der Widerftand 
der Luft, welcher die Gefchwindigkeit der Kugel 
fortwährend vermindert. Aus dem B. erklärt fich 
eine große Anzahl aus dem alltäglichen Leben 
befannter Erfcheinungen. Wenn wir, um nur 
ein Beifpiel zu geben, in einem ftilltehenden 
Wagen figen, fo werden wir, fobald der Wagen 
plötzlich vorwärts gezogen wird, rückwärts ge- 
worfen, indem unjer Oberkörper feinen bisherigen 
Ruhezuſtand beizubehalten fucht, fich alſo der Nid- 
wand des vorwärts gehenden Wagens nähert; iſt 
umgelehrt der Wagen im Fahren begriffen und 
hält dann raſch an, jo fett unfer Oberkörper feine 
Bewegung nad vorn noch fort, und wir werden 
deshalb ım Wagen nah vorn geworfen, Die 
Eigenfhaft der Materie, welhe man fid) als den 
Grund diejes Gejetes denkt, nennt man das Be- 
barrungsvermögen. Wimmenauer M. 

Beharrungsvermögen (Phyfit), ſ. Beharr- 
ungsgeſetz. 

ehäufeln, die Erde mit der Hade zu einem 
Haufen um eine Pflanze ziehen. Geſchieht das B. 
mit dem Pfluge, jo werden nur Kämme gebildet, 
welche von beiden Seiten die Pflanze einfließen. 

Behentot (v. Kopt., d. i. Waflerftier), 1) im 
Buch Hiob ein großes, ſtarles Säugetbier, das 
Nitpferd. 2) Im Talmud ein großer Stier, der 
im Anfange erſchaffen ward. 

Behen Mönch., als Pflanzengattung nicht auer« 


Bchenöl — Behr. 


tannt. Siehe daher Behen vulgaris Mönch., unter, Behn, Aphra, engl. dramatiihe Dichterin u. 
Silene Cucubalus Wib. Schriftftellerin; ebenso befannt wegen ihrer Schön- 

Behenöl (Beenöl, Behennußöl, Oleum Been, beit u. ihres Witzes, wie wegen ihrer vielfachen 
O. balatinum), das aus der Behennuß (j. Mo-|Abenteuer. Aus einer quten Familie in Canter- 
ringa) gewonnene DI. Daffelbe ift hellgelb, did-)bury ftammend, war fie während der Regierung 
lich fett, geruchlos, dem Olivenöl an Geſchmack Karls I. in einen nicht näher feftzuftellenden Jahre 
ähnlich, wird erft bei 25° ganz flüffig u. nicht geboren; fie lebte längere Zeit auf Surinam, wo 
leicht ranzig; es wird bei. in Ägypten bereitet u.|fie die Bekanntſchaft des berühmten Sklaven 


108 


viel nach Jialien ausgeführt, wo man es zur Be 
reitung wohlriehender Ole benugt, indem mau 


Droonofo machte, eines Mannes von heroiſchem 
Charafter, der ihr fpäter als Held eines ihrer 


wohlriechende Blumen, 3. B. Jasmin, Orangen- Romane u. einer Tragödie diente, melde befler 


biüthen, u. dal. jchichtweife mit in B. getränt« 
ter Baummolle in einem Gefäße der Sonne aus- 
fett; Dies wird mehrmals wiederholt und bie 
Baummolle dann ausgepreßt. Sonft war das B. 
als Purgirmittel und äußerlich gegen Hautfranf- 
heiten officinell, u, in Indien wird es noch bei 
Nheumatismen als Einreibungsmittel gebraudtt. 
E3 enthält neben Glycerin eine eigenthümliche 
Säure, die Behenfäure C,,H, ,O,, ine aus Als 
tobol Nadeln tryftallifirende, der Stearinfäure 
ähnliche Fettſäure. 

Beherrſchen (Kriegsw.), 1) fo v. w. domi— 
niren (f. d.). 2) Ein Terrain b., auf demjelben 
frei operiren können; einen Fluß b., mit feinen 
Streitkräften auf beiden Ufern auftreten können 
u. dabei Verbindung über den Fluß haben; einen 
Flußübergang, ein Defild ac. b., diejelben unter 
Waffenwirkung haben. 

DBehlen, Stephan, verbienftlicher forftwiffen- 
ſchaftlicher Schriftfteller, geb. 5. Aug. 1784 zu 
Frigkarz ftubirte die Nechte u. Cameralia u. praf« 
tieirte dann bei einer Juſtizbehörde in Ajchafien- 
burg; er wurde 1803 Landescommiffar der Lan— 
desverbefferungsdeputation u. 1804 Forftcontroleur 
ber Staatswaldungen des Speffart, 1808 Forft- 
meifter, 1819 Verwalter des Forftamtes Kothen, 
1821— 32 Profeffor der Naturgeihichte an ber 
Forſtſchule zu Aſchaffenburg, 1833—35 Nector der 
Gewerbejchule, privatifirte ſodann u. fl. 7. Febr. 
1847 zu Aſchaffenburg. Er ſchr. u. a.: Der 
Epeffart, Lpz. 1823—27, 8 Bde; Lehrbud der 
beichreibenden Forftbotanif, Franlf. 1823; Die 
Gebirgs- u. Bodenkunde, Gotha 1826, 2 Bde.; 
Lehrbuch der deutſchen Forft- und Jagdgeſchichte, 
Frankfurt 1831; Die — —————— Leipzig 
1831; Archiv der Forſt- u. Jagdgeſetzgebung der 
deutfhen Bundesftaaten, Freib. 1834—46, 29 
Bde. ; Lehrbuch der Jagdwiſſenſchaft, Franff. 1835, 
2. A., 1839; Neal» u. Berballeriton der Forft- 
u. Jagdkunde, Frankf. 1840—45, 7 Bbe.; mit 
Depberger die FForftfräuterfunde, 1826, als 2, 
Theil derjelben die Forſtbotanik, Gotha 1833; 
mit Laurop: Sammlung der Forft- u. Jagdge— 
jege der Deutjchen Bundesftaaten, Hadam. 1827 
bis 1833, 5 Bde., Fortſetzung im Archiv der 

orfte u. Jagdgeſetze der deutſchen Bundesftaaten, 

reib, 1834—47, 29 Bde.; au gab er heraus: 

eitichrift für das Forft- u. Ja on 1823—46; 
Forſt⸗ u. Jagbaeitung, Frank). 1825—46. 

Behme (Le Böme, eigentih Janomwih), 
geb. 1542 im Württembergiſchen, Sohn eines 
aus Böhmen eingewanderten Geſchiltzmeiſters; 
wurde Stallmeifter des Herzogs von Guife u. war 
1572 unter den Mördern — 25 wofür er 
1575 von Proteftanten erjchoffen ward, 


unter dem Namen ihres Freundes Southern be- 
fannt if. Nach Eugland zurüdgelehrt, heivathete 
fie den aus Holland ftammenden Kaufmann Behn, 
ward bei Hofe vorgeftellt, wo ihre fürperlichen 
Neize, ihr Witz, ihr lebhaftes, freies Weſen u. 
ihre eleganten Manieren dem Iuftigen Monarchen 
(Karl II.) gefielen, der fie nach Flandern ſandte, 
um bie dortigen Ereigniſſe als feine Agentin zu 
überwachen. Sie ging demgemäß nah Antwer- 
pen, wo es ihr gelang, die Abficht der Holländer 
zu entdeden, die Themje u. den Mebway hinauf 
zu fegeln; dies Geheimniß theilte fie dem engl. 
Hofe mit, der jedoch feine Notiz davon nahm, 
weshalb fie für immer ber Politif entfagte, nad) 
England zurückkehrte u. jchriftftellernd in den 
geiftreih ausgelaffenen Kreifen Londons lebte, 
aber auch in Beziehungen zu ernften Männern 
wie Pope u. Diyden fand. Außer ihren Gedich- 
ten, Yicbeöbriefen, Erzählungen u. Überjegungen 
in Profa u. Reim jchrieb fie 17 Schauſpiele. 
Die einft berühmten Briefe zwifchen einem Ade- 
figen u. feiner Schwägerin (Kady Henvietta Ber— 
feley u. dem Wüftling Lord Grey) find von ihr 
verfaßt. Bon ihren gefammelten Werfen erſchien 
1871 in London eine neue Ausgabe in 6 Bon. 
unter dem Titel: The plays, histories and 
novels of the ingenious Mrs. A. B., with life 
and memoirs. Der Charakier ihrer Schriften ift 
der einer lebhaften Mittelmäßigteit, die ſich die 
Sittenlofigleit des Zeitalters zu Nuten machte, 
Ste ſchrieb einzelne fchlüpfrige, aber anziehende 
Novellen, die meift dem Franzöſiſchen entlehnt 
find; verſchiedene hübjche Lieder u. eine Reihe 
von Dramen, welche in ihrer Zeit Erfolg hatten, 
aber von Erftaunen erregender Immoralität find, 
B. ftarb etwa 50 Jahre alt ums Jahr 1689 u, 
ward in einem der Kreuzgänge der Weftminfter« 
Abtei begraben. Bartling. 

Belmer (Behnerih, Behnert), runder Korb 
aus Weidenruthen mit hölzernem Duerbügel im 
der Mitte, Gemüſe u. Obft hineinzuthun. 

Deholzungsrecht (Jus lignandi), das einem 
Gute, reſp. dem jeweiligen Beſitzer deffelben zu«- 
ftehende (dingliche) Necht, aus dem Walde eines 
Anderen Holznutungen gegen ermäßigte oder gar 
feine Abgabe zu beziehen. Das B. ift entweder 
ungemeſſen u, erftvedt fi dann auf den ganzen 
Bedarf des Berechtigten an Brenn- u. Nutzholz; 
oder gemefien, d. h. auf eine gewiffe Menge oder 
auf einzelne Holzarten oder Sortimente, z. B. 
Weihholz, Windfälle, Aft-, Stod-, Leſeholz u. a., 
beichränft. 

Behr, 1) Wilhelm Joſeph, ausgezeichneter 
Public, geb. 26. Aug. 1775 zu Sultheim; 
ftudirte die Rechte u. lehrte 1799—1821, bag 


Behrend — Beichtbud). 


109 


Staatstecht in Würzburg. Aufrichtige Vertretung |der Militärreorganifationsfrage mit den liberalen 


der conftitutionellen Brincipien auf der Stände: 
verfammlung von 1819 führte zu feiner Wahl 
zum Bürgermeifter von Würzburg, von welcher 
Stelle er wegen einer auf dem Gonftitutionsfefte 
zu Gaibach 1832 gehaltenen jehr freifinnigen 
Rede, da ihm feit 1831 bie Erlaubniß zum Ein— 
tritt in die Kammer als Beamter verjagt worden, 
entſetzt u. angeflagt der Mitwirkung zu demago- 
giſhen Umtrieben, ſowie grober Beleidigungen 
gegen den König von Bayern, nad Jahre langer 
moviforiiher Haft, 1836 zur Abbitte vor dem Bilde 
des Kömgs u. zu Feſtungsſtrafe auf unbeftimmte 
Zeit lerſt nach Ablauf von 16 Jahren follte ihm 
danach die Eimveihung eine® Begnadigungsge- 
indes geftattet fein) verurtheilt. Er büßte diejelbe 
auf der Feſte Oberhaus bei Paffau. 1839 erhielt 
a die Erlaubniß, in Paſſau eine Privatwohnung 
zu beziehen, 1842, in Regensburg unter polizei- 
ber Aufficht zu wohnen, Erft das Jahr 1848 
gab ihm die Freiheit wieder. B⸗s Berurtheilung 
ward aber fo allgemein als Unrecht angejehen, 
daß ein in der Bayer. Abgeordnetenfammer ge- 
felter Antrag, ihm (und ebenfo Eijenmann) 
wenigſtens eine Geldentihädigung aus Gtaatd- 
mitein zu gewähren, da eine andere Entf hädigung 
möt möglich, nicht nur bier die allgemeine Zu— 
fimmung erlangte, fondern auch die der hodjcon- 
kmativen Neihsrathslammer u. die Ganction 
der Krone. B. wurde fodann in das Deutiche 
Parlament nach Frankfurt gewählt, allein feine 
Kıaft war gebrochen; er fiarb 1. Aug. 1851 zu 
gg wo er feit jeiner Befreiung gelebt 
hatte. Von feinen Schriften beziehen ſich viele 
auf die politifche Lage der Zeit, einige find 
algemein ftaatsrechtlihen Inhaltes: Über die 
!chnsherrlichkeit u. Lehnshobeit, Würzb. 1799; 
Syftem der allgemeinen Staatslchre, 1804; Die 
rfaffung u. Berwaltung des Staates, Nürnb. 
1811 f, 2 Bde., u. a. 2) Joh. Heinrich 
Auguft v., königl. ſächſ. Staatsminifter, geb. 13. 
Aug. 1793 zu ‚reiberg; ftudirte feit 1811 zu 
teipzig anfangs Theologie, wandte fi aber 1812 
kr Rechtswiffenſchaft zu, trat 1816 im Amte 
Schwarzenberg als Acceffift ein, warb 1817 Ju— 
har zu Burichenftein, 1833 Umtmann in Dres- 
un, Geh. Finanzrath u. nahm theil an den 
Arbeiten des Syinanzminifteriums u. wurde am 
14. Mai 1849 Finanzminifter, in welcher Stell» 
ang er durch zwedmäßige Operationen zur Be- 
grändung der blühenden Finanzen Sachſens we- 
jentfih beitrug. In den Adeljtand erhoben, über- 
nabın er 1859 das Zuftizminifterium, das er 
bon vorherinterimiftifch mehrmals verwaltet hatte; 
als Juftizminifter erwarb er ſich große Berdienfte 
um die Gefeggebung Sachſens. 1866 trat er in 
den Ruheſtand u. ft. 20. Febr. 1871. 

Behrend, Heinrich Theodor, geb. 26. Apr. 
1817 In Danzig; ftudirte in Schulpforta u. ein 
Jahr lang in Berlin, worauf er fich der Kauf- 
mannihaft widmete u. drei Jahre in Rio de 
Janeiro befchäftigt war u. nach feiner Niüdtehr 
Afocie des väterlichen Geichäftes in Danzig wurde. 
Seit 1856 in das preußishe Abgeordnetenhaus 


Altpreußen die entſchiedene Linfe, unter dein 
Namen Jung -Lithauen, gründete, welche ſich in 
der Diät 1862 der meu gebildeten FFortichrittspartei 
anfchloß. Fett wurde B. zum erften Bicepräfi 
denten gewählt, ebenfo aucd wieder 1863, doch 
nöthigten ihn im Herbſte deſſelben Jahres Ver— 
legenbeiten feines Haufeg, fein Mandatniederzulegen. 

Behrens, Konrad Berthold, braunfchweig. 
Yeibarzt, geb. 26. Aug. 1660 zu Hildeshein; 
ftudirte u. promopirte in Helmftädt, befuchte Straß. 
burg u. Leyden, ging mit den braunſchw. Trup⸗ 
pen 1685 nad Ungarn u. ließ fih dann in Hil- 
desheim nieder. 1695 wurde er unter dem Namen 
Eudorus 1. Mitglied der Academia naturae cu- 
riosorum, 1769 folche8 der Berliner Afademie, 
1712 braunſchw. Leibarzt. Leibniz, mit dem er 
befreundet war, rühmt ihm große Gelehrjamteit 
nad. Er trieb viel Geſchichte u, Genealogie, ent» 
dedte das Gedicht des Hrosmwitha: De construc- 
tione coenobii Gaudersheim u. veröffentlichte 
verschiedene mediciniſche Schriften in deutfcher u. 
lat. Sprade, fo Selecta medica de medicinae 
eertitudine et natura, Frankf. 1708; Selecta 
diaetetica de recta ad valetudinem tuendam 
ratione, Hildesheim 1710; Gründlicher Bericht 
von der Peſt, Braunschweig 1714.  Zbambayn, 

Behrent (Berent), 1) Kreis im preuß. Regbez. 
Danzig, auf der ſüdl. Abdachung des Plateaus von 
Karthaus, an der Filze, Ferſe u. dem Schwarz. 
waſſer, mit 2 Städten; 1233,, km (22,, [IM); 
43,060 Ew. 2) (Koscierz) Hauptitadt dafelbft, au 
der Ferſe; kath. Schullehrerfeminar; Bierbrauerei; 
4136 Em, 

Behring, Behringsftraße zc., |. Bering ac. 

Behut ———— der Hydaſpes der Alten), Fluß 
in Hindoſtan; fommt vom Himalaja, mündet in 
den Dichenab (Alefines der Alten) u. mit dieſem 
in den Indus. Er felbft nimmt den Heinen Sind 
u. Kriſchna-Ganga auf. 

Behütung der Grundftüde, ſ. Hutungsge- 
rechtigfeit. 

Bei, jo v. w. Bey. 

Beich, JZoahim Franz, deuticher Landichafts« 
u. Schladptenmaler, geb. zu Navensburg 1665, geft. 
in Münden 16. Dit. 1748; malte für Mar 
Emanuel defjen Türkenfchlachten u. war als Land» 
ichafter der berühimtefte Meifter feiner Zeit. Im 
Miündener Bürgerfaal eine Reihe bayer. Wall- 
fahrtsorte in der Art Sal. Roſas behandelt, 

Beichlingen, 1) gräflih Werthernſche Herr» 
haft im Kreiſe Edartöberga des preuß. Regbez. 
Merjeburg, mit den Städten Kölleda u. Wiebe ı. 
der Schule Klofter Donndorf. 2) Dorf darin; 
Schloß; 500 Ew. Stammort der Grafen v. B., 
die jhon 1103 vorfommen u, 1144 ausftarben; 
eine 2 von Heinrich dem Löwen geftiftete Linie 
ftarb 1567 aus. 

Beidjtbrief, an manden Orten ein vom Bi« 
ſchof ertheilter Erlaubnißſchein, fich einen beliebigen 
Beichtiger zu wählen, während die übrigen Seelen 
an einen beftimmten Diftrict mittels der Beicht- 
briefsjurisdiction gebunden find, 

Beichtbuch, 1) fo v. w. Communionbuch; 


gewählt, ſchloß er fich den Liberalen am u. gehörte]2) jo v. w. Beihtmanual; 3) Beichtbicher, Libri 
jur Fraction Binde, bis er nad dem Auftauchen'poenitentiales, die zuerft in England aufgelommen, 


110 Beichte. 


bilden eine wichtige Quelle des Kirchlichen Rechtes lichen Actes als Stellvertreter Gottes wirklich ge- 
in der Derovingiihen u. Karolingijchen Zeit, weiljwähre u. allein gewähren fünne. Zwar verwarfen 
fie, ang der kirchlichen Praris hervorgegangen, das die Albigenfer im 13. Jahrh., Wiclef und der 
damalige Syitem der Kirchenftrafen u. »Bupen dar» [General der Karmeliter, Michael de Bologna, tm 
ftellen. Die bedeutendften Beichtbücher find aus 14. Jahrh. die B. gänzlih u. Huß im 15. Jahrh. 
diefer Periode die fog. Angelſächſiſchen Pönitential- |die bisher übliche, alleın fie wurde durch mehrere 
bücher, injenderheit die vom Erzbiſchof von Concilien, zulett beionders durch das zu Trident, 
Canterbury u. Primas von England, Theodor |beftätigt u. genauer beftimmt ı. ift in der Römijch- 
(um 676—705), u. von Beda BVenerabilis (nach | Katholiichen Kirche in der ausgebildetften Form ge— 


731) berrübrenden. 

Beirhte (v. althochd. bigiht, mittelhochd. bihte, 
Bejabung, Belenntni, lat. Confessio). 1. B. it im 
Allgemeinen das feierliche, reuige Belenntniß der 
Siinden vor dem Geiftlihen, um durch diefen die 
Vergebung derielben (Abfolutien, f. d.) von Gott 
zu erhalten. Sie geht gewöhnlich dem Abendmahl 
voraus, ift aber bei den verfchiedenen chriſtlichen 
Neligionsparteien verichieden (f. unten). Die B., 
u, zwar als öffentliches Sündenbekeuntniß, war 
urſprünglich Beitandtheil der Bußdisciplin der 
Kirche fiir öffentlich befannt gewordene Vergehen. 
Als die Biſchöfe, welche urſprünglich allein die 
Aufſicht über die Büßenden u. die Beſtimmung 
der Bußübungen hatten, bei der immer größer 
werdenden Menge derjelben, jeit den Berfolgungen 
im 3. Jahrh., —* nicht mehr allein konnten, fo 
bildete fich, im Drient zugleih aus Anlaß der 
Novatianiihen Streitigkeiten, die Sitte, einen be- 
jonderen Bußpriefter (Presbyter poenitentiarius) 
aufzuftellen, damit ihm die geheimen Sünden ge- 
beichtet würden. So entftand die Privat-B, vor 
befonderen Beichtpätern u. mit ihr die priefterliche 
Abfolution, welche dann befonders mit dem Abend- 
mabl verbunden war, weil durch den Genuß des» 
jelben die Gefallenen u. Büßenden wieder ganz 
in die christliche Kirchengemeinichaft aufgenommen 
wurden. Die beionderen Buhpriefter wurden von 
dem Patriarchen Nectarins in Conftantinopel 390 
für den Srient abgeihafft u. die Wahl des Prie- 
ſters, dem man beichten wollte, freigegeben. Die 
Privat-B. an einzelne Prieſter dauerte fort umd 
wurde allmählih das Borberrichende. Ju der 
Römiſchen Kirche entwickelte ſich bejonders feit dem 
5. Jahrh. duch die Bemühungen des Papſtes 
Yeo d. Gr. die Privat-B, 


Die B. war indeßlichieht durch einen gelinden Schlag mit einem 


blieben. II. Die verjhiedene Form der 
B.: A) Bei den driftliben Confeſſionen. 
a) Griechiſche Kirche, Die orthodore Griechiſche 
Kirbe-bält die B. mit der Buße verbunden für 
ein Sacrament u. legt vor der Abjolution eine 
Genugtbuung auf. Ein fpecielles Siündenbeleunt- 
niß gilt zwar für gut u. heilſam, aber nicht für 
notbwendig, ja, e8 ift, außer in der Nuffiich-Grie- 
chiſchen Kirche, Jeden freigeftellt, ob er vor der 
Communion die B. ablegen will, oder nicht, und 
Viele unterlaffen diejelbe ganz; befonders ift ein 
Angeben der einzelnen Umjtände einer Sünde nicht 
gefordert, ja, das ragen danach verboten. Die 
B. geichieht vor dem Altar, wo ber Priefter betet 
u. einige Pfalmen u. eine Collecte fingt. Nach- 
dem er dem Günder die B. abgenommen bat, 
bittet er Gott, dem Sünder zu vergeben, legt ihm 
eine Buße auf, läßt ihm niederfnieen u. gibt ihm 
die Abfolution. Während eines Gefanges füßt der 
Beichtende dann das Evangelium u. begibt ſich 
weg. Bei den jcdhismatischen Roskolniken hört 
zwar der Starif, der den Gottesdienft leitet, B. 
u. legt Bußübungen auf, ertheilt aber feine Ab- 
jofution, weil nur Chriſtus Sünden vergeben fünne, 
Unter den anderen ſchismatiſchen Parteien der Grier 
chiſchen Kirche verlangen die Jalobiten in Syrien 
das Bekenntniß aller, aud der Gedanfenfünden 
vor dem Priefter, welchen die ftrengfte Beichtver⸗ 
ihmwiegenheit zur Pflicht gemacht wird. Unter den 
Neftorianern jtand früher die Buße u. das Sün- 
denbefenntnig im großem Anſehen u. wurde als 
nothwendige Vorbereitung zum Abendmahl gefor- 
dert; jetst haben fie aber die B, nicht mehr. In 
der Abyſſiniſchen oder Äthiopifhen Kirche ift die 
allgemeine u. öffentlihe B.; die Abfolution ge» 
[e 


noch immer Jedes freiem Willen überlaffen und|zweige, bei größeren Verbrechen aber erft nach kör— 
mußte nicht nothwendig der Communion vorhers |perlihen Bußen, als Geifelung u. a. Auch die 
gehen, ja, noch auf dem Concil zu Chalons|Armenier u. Maroniten fordern ungeachtet ihrer 
(818) und fpäter ward ausdrüdlich zwiichen Vereinigung mit der Katholischen Kirche fein Be- 
dem Siündenbelenntniffe vor Gott u. vor demjfenntnig aller einzelnen Sinden, nur das ven 
Priefter unterſchieden. Immer mehr bildete ſich Mord, Ehebruh u. Diebftahl. bJ Nömifche 
indeß die Borftellung aus, daß die Priefter an Katholiſche Kirche. Nach ihrer Lehre (f. oben) 
Gottes Statt die Sünden vergäben u. daß Güne|gründet fi die B. auf Matth. 3, 6 u. Apoftelg. 
den u. zukünftige Strafen durch Geld Tosgefanft]2, 37 f. u. ift die Aufzählung aller einzelnen, 
werben können, u. fo wurde die geheime oder ſauch der verborgenften Sünden, deren man fich 
Ohren-B. (Confessio aurienlaris) immer ge:/nad) fleißiger Cetbfipräifung erinnert, vor dem 
wöhnlicher, u. obwol die bedentendften Scholaftifer | Briefier, wobei auch die einzelnen wichtigen Us 
noch die Möglichleit, ohne den Priefter unmittel- [ftände nicht verſchwiegen werben follen. Sie wird 
bar von Gott Vergebung zu erlangen, behauptet| gewöhnlich nur über die Sünden feit der Ietsten B., 
batten, endli auf der 4. Fateranfynode (1215)/oder auch von einem längeren Beitabfchnitte, ja 
durch Papſt Innocenz III. zum Kirchengejege er⸗ über die ganze Lebenszeit (fo beim Eintritt ing 
boben, indem dieje verordnete, daß Jeder jährlich | Klofter) abgelegt u. heißt dann General:-B. Ge 
wenigſtens einmal, u. zwar alle Todfiinden beichten |fordert wird die geheime oder fpecielle B., Obren- 
jolle. Bon mın fing die B. an, für das alleinige|B. (j. ob.), u. zwar unbedingt der Todſünden, 
Mittel zu gelten, die Bergebung für Todfiinden das Bekenntniß der läßlihen Sünden aber wird 
zu erhalten, welche der Priefter vermöge richter-Fals rathſam u. nüglich erllärt. Durch eine wife 


Beichte. 111 


ſentlich verſchwiegene Todſünde wird der Beichtact gehaltenen Vorbereitungspredigt u. ertheilten all- 
nichtig u. das Sacrament entweiht. Die B. folligemeinen Abfolution geben könne. Er felbft ſchlug 
perfönlih mündlih u. (nah einer Beſtimmung |auch ftatt derjelben ein kirchliches Sittengericht vor. 
Elemend’ VIII. vom 20. Juli 1602) nur aus- Infolge ihres Streites wurde es im Kurfürften- 
nabınsweife Durch einen Bevollmächtigten oder thum Brandenburg Jedem freigeftellt, ob er vor 
jhriftlich abgelegt werden. Daß die facramentliche|der Communion beichten wolle, oder nicht, nur 
8. von Ehriftus angeordnet u. nad göttlihem|mufte er fich vorher bei dem Geiftlichen melden. 
Rechte nothwendig fei, ift in der Römiſch-Katho⸗ | Seit der Mitte des 18. Jahrh. wurde die allge» 
hihen Kirhe ein Glaubensdogma. Die Nothwen-| meine B, bei weitem in den meiften Lutherifchen 
digkeit der Ohren⸗B. leitet die Katholifhe Kirche Ländern gewöhnlich, u. die Privat-B., findet fi) 
ab aus der den Apofteln von Jeſu verliehenen|nur noh an wenigen Orten. Indeß iſt dieſelbe 
dellmacht zur Vergebung oder Behaltung der/neuerdings vielfach vertheidigt u, ihre Wiederein- 
Sünden. Dadurch fei' den Apofteln u. ihren Radh> |jekung gewünſcht, Hier u. da auch die Abhaltung 
felgern eine richterliche Gewalt übertragen worden, der Privat-®. neben der allgemeinen für die Kirch— 
melde fie nur dann ausüben können, wenn fie|gemeindeglieder, welche fie wünſchen, empfohlen 
zeuau von der Beichaffenheit der Bergehungen u. | worden, » auf dem Kirchentage zu Bremen 1852. 
von der Würdigkeit oder Ummwürdigkeit der Sinder| Bon der B., melde dem jedesmaligen Genuffe 
unterrichtet feien. Für die Heilfamfeit der Ohren⸗ des Abendmahls vorausgeht, der Abendmahls— 
8. beruft ſich die Katholische Kirche darauf, daß B., unterfcheivet man die Cultus-B. oder die 
ein Jeder nach feinem bejonderen Charakter, feinenjallfonntäglihe Borlefung der in den Agenden 
mdiridnellen Berhältniffen u. Bedürfniffen belohnt, |vorgeichriebenen allgemeinen Beichtformel nach der 
emuntert, gewarnt, beruhigt, getröftet, manche| Predigt. Die Reformirten verwerfen nicht 
geheime Sünde gebeffert, mancher verbredherifche |nur die Ohren-B., jondern auch die bei den Luthe— 
catwurf zurüdgehalten u. ſonſt viel Gutes gewirkt|vanern früher übliche Form der Privat-B., Teug- 
merden fünne. Auch jetzt noch foll Feder wenig: |nen die Nothiwendigkeit eines bejonderen Siünden- 
fens einmal im Jahre, befonders zu Oftern, dem |befenntniffes u. lehren, daß man vor jedem from- 
triefter beichten u. erhält hierfür an manchen Orten | men u. rechtgläubigen Chriften ein ſolches ablegen 
anen Beichtzettel als Beicheinigung, daß esju. Belehrung, Troſt u. Vergebung aus Gottes 
ihchen. Laien zu beichten, verbietet die Katho- | Wort von ihm empfangen könne. Der Geiftliche 
Iöhe Kirche u. fpricht ihnen das Abfolutionsrecht ſei indeß der natürlichfte Beichtvater, u. diejer habe 
&, Die in der Katholifchen Kirche vorgefhriebene|vie Pflicht, fi der befümmerten Gewiſſen anzu« 
deihtformel ift, daß der Beichtende vor dem/nehmen. Die ftatt der eigentlihen B. übliche 
Priefter niederkniet, das Zeichen des Krenzes macht | Vorbereitung zur Communion ift der allgemeinen 
2 fpriht: Ich bitte Em. Hochwürden um den B. fehr ähnlid. Es wird ein allgemeines Sün- 
heiligen Segen, damit id meine Sünden recht u. denbelenntniß laut vorgelefen, von allen Commu— 
vltändig Plan möge. Er betet dann die for/uicanten durch ein lautes Jal befräftigt, die Wb- 
genannte offene Schuld oder das Confiteor, be-|jolution feierlich ertheilt u, an Alle die Aufforder» 
kant einzeln feine Sünden, bejchließt dieſes Be⸗ ung gerichtet, bei befonderen Gewifjensangelegen- 
kantmig mit einer Meuebezeigung u. der Bittelheiten ſich unmittelbar an den Geiftlichen zu wen« 
um Abfolution und Bußauflegung nnd verläßt,|ven. Auf ähnliche Weife ift die B. auch in der 
sıhdem er beides erhalten hat, den Beicht-Unirten Evangelifhen Kirche verordnet, In 
kubl. e) Die Proteftantiihen Kirchen. Dielder Presbyteriallirche in Schottland findet 
Lutheriſche Kirche verwirft die Ohren-B. mit|keine Art von ftehendem Sündenbekenntniß, B. 
der genauen Aufzählung der einzelnen Sünden, und Mbfolution ftatt, obgleih die Communion 
als nicht im der Heiligen Schrift begründet, doch ſehr feierlich gehalten wird. Die Socinianer 
wird in den Symbolijhen Büchern die Beibehalt- |haben ftatt der B. am Tage vor dem Abendmahl 
ung der Privat-B, vor jedem Genufje des Abend-|eine Disciplin, d. h. Vorbereitung bei verichloj- 
mahls megen der Abfolution, der Berubigungijenen Thüren, wo Jedem feine Fehler verwiefen, 
des Gewifiens und des moralischen Nutens ver- Ärgerniß Gebende ernftlich ermahnt, felbft von der 
langt. Sie verwirft indeß allen Zwang, welder|&emeinde ausgeſchloſſen und Beleidigungen aus 
die Gewiſſen beumruhigen könnte, u. überläßt es|gejöhnt werden, Bei den Herrnhutern ver- 
dem Beichtenden, ob u. welche einzelnen Sünden |tritt das fogenannte Sprechen, welches 8 Tage vor 
er dem Beichtvater bekennen wolle. Statt diefer|der Gommunion zwifhen den Chorhelfern u. den 
Privat-B, war indeß gleih anfangs in einigen Communicanten über ihren Seelenzuftand gehal: 
Lutherifchen Ländern, wie in Schweden, Dänemarf,|ten wird, die Stelle der 8. Die Epijlopal- 
Straßburg, feit 1674 die Allgemeine B.,d. b.|tirhe in England bat kein befonderes Beicht- 
eine — — auf das Abendmahl, |inftitut als Vorbereitung zum Abendmahl, jon- 
abi, wo nad einer dem Gegenftande angemeje|vern ſchreibt die allgemeine B. u. Abfolution in 
jenen Rede des Geiftlichen (B eichtrede) mehrerelihrem liturgifhen Book of common Prayer für 
zugleich ein gemeinjames Sündenbetenntniß ablegen |jeden Morgen- und Übendgottesdienft vor. Die 
2. gemeinfam die Abfolution erhalten. Schon der Quäker vermwerfen mit dem Gacrament des 
Prediger Schade zu Berlin verwarf 1695—97 das Abendmahls auch die B. Die Beichtformel 
ganze Beichtweſen; gegen ihn trat Deutihmann in|der Proteftanten ift am verjchiedenen Orten ver- 
Bittenberg auf, Spener aber fuchte zu vermitteln ſchieden u. findet fich in den Agenden der einzelnen 
u. meinte, dag man dem gegen die B. Eingenom« |Yandesfirhen. Vgl. Omler, Der Prediger im 
menen auch ohne diefelbe das Abendmahl nad) der | Beichttuhl, Jena 1780; Waldau, Über das Beicht- 












































112 


Beichtformel — Beil. 


wejen, Dresd. 1786; Merkel, Über die allgemeine, Beichte für die Beichtväter (Summae de casibus 


u. befondere B., Chemnitz 1800; Köhler, Anleit- 
ung für Geelforger im Beichtſtuhl, Frankf. a. M. 
1803; Klee, Die B., eine hiſtor.krit. Unterfuch- 
ung, Frankf. 1828; J. Stäublins Beleuchtung 
dietes uches, Lpz. 1830; Siemers, Die facram, 
B., Miünfter 1844; Adermann, Die B., befonders 
die Privat-B., Hamb. 1852; Pfiſterer, Luthers 
Lehre von der ®., Stuttg. 1857; Kliefoth, Die B. 
u. die Abfolution, Schwerin 1856; Nehr, Kurze 
Seichichte der B., Windsheim 1799. B) Bei aufer- 
hriftliden Neligionsperwandten. a) Die 
Juden brauden bei der B. eine beftimmte allge» 
meine Beichtformel (Al Chet), welche aus 44, die 
gewöhnlichen Sünden enthaltenden Sägen bejteht, 
u. welde fie nur am Berföhnungstage an den 3 
Tageszeiten u. am Vorabend dejjelben abbeten; 
außerdem nur am Hochzeits- u. am Öterbetage, 
weil die Verheirathung, nach der Meinung der 
Rabbiner, wie der Tod, Entfündigungstraft befitt. 
Der Beichtende ſchlägt fih dabei zum Zeichen der 
Betrübnig mit der rechten Hand auf die Bruſt. 
Fällt der Berföhnungstag auf einen Sabbath, fo 
wird die B. nur am Vorabeud des Bußtages ab- 
gebetet u. vor Ausgang defielben in dem Schluß. 
ebete — eingeſchaltet. Die dem Al Chet vor— 
———— urze B. (Aſchamuu), die nur aus 22 
Worten befteht, wird auch an dem Borabend ber 
Neumonde u. anderen geringeren Bußtagen des 
Jahres im Morgengebete eingejchaltet. Öffentliche 
Sindenbelenntmiffe in der Synagoge famen bei 
großen Sünden fonft mehr als jett vor, b) Bei 
den Mohammedanern heißt die B. Efrar u. 
wird deu Mollah abgelegt. zörfler.* 
Beidhtformel, ſan. Beichte. 
80 tgeheimniſſe, ſ.u. Beichtverſchwiegenheit. 
eichtgeld (Beichtpfennig, Beichtgroſchen, 
Beichtopfer), eine urſprünglich freiwillige Gabe, 
welche bei Gelegenheit der Beichte der Beichtende 
dem Beichtvater gab u. die allmählich ſtehend 
wurde. Als freiwillige Gabe wurde das B. in 
der Katholiſchen Kirche da u. dort beibehalten 
(Synode von Trier 1549). Die Reformatoren 
verwarfen mit dem Zwange zur Beichte auch das 
B. Doch beſtand es wegen der geringen Einkünfte 
der Geiſtlichen mehrfach als freie Gabe fort. In 
der Reformirten Kirche wurde das B. auf Calvins 
Vorſchlag abgeſchafft, u. auch in der Lutheriſchen 
Kirche hat man ſich oft dagegen erklärt, beſonders 
von Seiten des Pietismus; jo Franke. Berfuche 
in Preußen u. Braunfhweig im 17. u. 18. Jahrh., 
das DB. ganz abzuſchaffen, ſcheiterten an öfono- 
mifchen Gründen; in Ofterreih u. Württemberg 
ift es indeß fchon längſt, feit 1817 in Naffau u. 
außerdem an manchen Orten durch Privatüberein- 
fommen gejchehen. P. Müller, De nummo con- 
fess,, Jena 1688; Fertih, Das B. in der Prot. 
Kirche, Gießen 1830. Löffler. 
Beichtiger, jo v. w. Beichtvater, 
Beichtkind, ſ. u. Beichtvater. 
Beidhtpfennig, ſ. u. Beichtgeld. 
Beichtregiſter, Verzeichniß der Beichtenden, 
welches bei jedem Pfarramte gehalten wird. 
Beichtſchein, ſo v. w. Beichtzettel. 
Beichtſiegel, ſo v. w. Beichtverſchwiegenheit. 


Beichtſpiegel, Anleitung zum Abhalten der 


conscientiae), aber aud Anleitungen zur Selbſt⸗ 
prüfung u. zur Wblegung der B. für die Beich- 
tenden, öfter ben katholiſchen Andachtsbüchern 


u # 

eichtituhl, 1) der Sitz, in welchem ber 
fathofl. Priefter die Beichte abhört. Er fol an 
einem überall in der Kirche fihtbaren Orte ftehen 
u. der Beichtvater von dem VBeichtenden durch ein 
Gitter getrennt fein. 2) So v. w. Beichte, 

Beichtunter, Beichtfind: fo wird früh ſchon 
auf Grund von 1 Cor.4, 15, Gal., 4,19 das Ber- 
hältnig des abfolvirenden Klerilers zum Beich— 
tenden bezeichnet. In der Kathol. Kirche ſteht das 
Abfolutionsrecht eigentlich nur dem Biſchof zu, 
der e8 aber den Prieftern (im Notbfall Diafonen) 
für einen beftimmten Kreis überträgt. Doch ift 
geftattet, wen mehrere für einen ſolchen approbirt 
find, zu wählen. Nur im Notbfalle fann jedem 
Priefter gebeichtet werden, Laien nie. In der 
Evangel. Kirche ift, wo mehrere Geiftfiche find, 
meift die Wahl des Beichtvaters frei. Die Wahl 
eines anderen Beichtvaters, als desjenigen, in 
deffen Parodie man gehört, bedarf einer Dis- 
penfation, fol aber nicht erichwert werden. Im 
Notbfalle kann man aucd Laien beichten u. von 
ihnen die Abjolution empfangen, 

Beichtverſchwiegenheit (Beichtfiegel,Sigillum 
confessionis), die Verpflichtung des Geijtlichen, 
das ihm im Beichtſtuhl vertraulich Entdedte zu 
verjehweigen. Aufforderungen dazu finden fi) ſchon 
im 4. u. 5. Jahrh., u. Papſt Junocenz ILL, erließ 
darüber ein befonderes Decret. Nach dem Kano— 
nischen Rechte ift die Verletzung derjelben unbe- 
dingt und in allen Fällen verboten u. mit Ab- 
jegung u. in Klofterhaft zu bejtrafen. 
Der Beichtvater foll nicht gezwungen werden 
fönnen, über das ihm Gebeichtete gerichtlich aus- 
zufagen., Man hat bei. in der Proteftantifchen 
Kirche feit längerer Zeit das Gefährliche der B. 
zu mildern gejucht. Durch Beichluß des preuß. 
Obertribunals 1875 find Geiftliche von der Pflicht, 
Zeugniß abzulegen, nur dann entbunden, wenn es 
fih bei dem Beichtgeheimniß ausjchließlih um den 
Shut der feeljergeriihen Thätigfeit handelt und 
bei dem Amtsgeheimniß um Umftände, welche nicht 
mit dem Staatsgefege in Widerſpruch ftehen; ift 
letzteres jedoch der Fall, jo foll das Beichtgeheim⸗ 
niß geofjenbart werden. Bgl. Mor. Beier, De 
sigillo confessionis, Jena 1721; Breiger, Über 
das Beichtgeheimuig u. das Recht der Obrigleit, 
defien Relation zu fordern, Hann. 1827; Uihlein, 
De confessionis sigillum violantis poena, Heidelb. 
1823; Derf., De sigillo conf., ebd. 1828, *öfller.* 

Beichtzettel (Beichtzeugniß), ſ. u. Beichte II. 

Deidrehen (Schiffsw.), jo v. w. Beilegen; ſ. 
u. ZTalelage, 

Deiendurg (Beyenburg), |. u. Luttringhanfen. 

Beifall u. ſ. w., f. u. Applaudiren, 

Deifuf, j. Artemisia. 

Beikent, Fluß im W. der Kaffıs- Mongolei, 
welcher ſich, nachdem er viele Seitenflüffe aufge» 
nommen bat, mit dem Kemtfif vereinigt u. nun 
Kem oder Oberer Seniffei Heißt. 

Beil, 1) breites eifernes Werkzeug, zum Hauen 
beftimmt; bat einen kürzeren Stiel, als die Art 


Beil — Beinbrud). 


u, it in der Regel nur von einer Seite ange» 
ihliffen; die Schneide kann gerade oder gekrümmt 
m Je nah Form u. Gebraudh hat es ver- 
IHiedene Benennungen, ald: Hand-B., Breit-B., 
Richt ⸗B. ꝛc. Aus der Urzeit find in verichiedenen 
Gegenden Mittel- Europas fteinerne B-e aufge 
fanden worden (f. Steinzeit). Auch viele milde 
Stämme bedienen ſich noch jett fteinerner B-e; 
andere haben fie bei der Ankunft der Europäer 
in ifrem Lande aufgegeben. 2) Ähnliches Werk⸗ 
F zur Enthauptung; ſ. Todesſtrafe. 

eil, Joh. Davıd, bedeutender Schaufpieler 
aus der Ölanzperiode des deutfchen Theaters, geb. 
1754 zu Chemnit; das einzige Kind unbemittelter 
Eltern, fonnte er nur durch Unterftügung Fremder 
die Univerfität seipaig zum Studium der Rechte 
bezieben. Bon den Borftellungen der Seylerichen 
Ztuppe indeß mehr angezogen, als von den Bor- 
Itfungen der Profefforen, ward er Scaufpieler. 
Zunähft lernte er Freuden u. Leiden diejes neuen 
Standes bei herumziehenden Gejellichaften Tennen, 
Bis er auf Empfehlung Karl v. Dalbergs 1777 
an dem erften — zu Gotha engagirt 
wurde. Nach Aufgabe dieſes Inſtituts engagirte 
ih B. bei dem Mannheimer Nationaltheater u. 
entfaftete bier die ganze Größe u. Eigenartigfeit 
keines Talents, die ihm jelbft Schröders Gunft in 
schem Maße erwarben. Er ft. 13. Aug. 1794. 
In lomiſchen Charakterrolfen, wie aud im Tra- 
gſchen war B. vorzüglich; befonders bedeutungsvoll 
fir das deutſche Theater ward er durch feine 
Sehfelbeziehung zu Zffland u. Bed. Seine 
Dramen (Zür. 1794, 2 Bde.) find originell und 
zeugen von großer Bühnenkenntnig. Am be 
hebteften waren feiner Zeit: Die Spieler, Mannh. 
1785; Die Schaufpielerichule, ebd. 1786; Armuth 
u. Hoffart, Verl. 1789. Bol. B⸗s Biographie 


113 


Bellegen, ſ. u. Tafelage (Bedienung). 

Beilngries, 1) Bezirksamt im bayer. Regbez. 
Mittel⸗Franken, im Frankenjura u, an der Altmühl; 
549,, [km (9. LM); 25,360 Emw.; zerfällt 
in die beiden Landgerichte B. u. Greding. 2) Stadt 
(feit 1485) hier, in einem Thal an der Sutz, zwiſchen 
der Altmühl u. dem Ludwigskanal; 1620 Em.; 
dabei das Jagdſchloß Hirſchberg, an der Stelle 
des Stammſchloſſes der ausgejtorbenen gleichnam. 
Grafen. 

Iftein, fo v. v. Nephrit. 

Beiljtein, 1) Stadt im Oberamte Marbad 
des württemberg. Nedarkreifes; guter Wein; 
1680 Em.; dabei Ruinen einer Burg der ehem. 
Grafen v. B. mit einem großen, fünfedigen Thurm, 
Langhans genannt. 2) Hauptort der ehemaligen 
——— Naſſau-B. im Dillkreiſe des preuß. 

egbez. Wiesbaden, bei Herborn; Schloßruinen; 
680 Ew. 

Beilſtrafe, ſ. u. Todesſtrafe. 

ein, 1) fo v. w. Knochen. 2) Die untere, 
refp. hintere Ertremität beim Menſchen u. den 
Affen; bei anderen Thieren die Gehwerkzeuge (in 
beliebiger Zahl) derjelben überhaupt. 

Beiname, |. u. Name, 

Beinarbeiten, Gegenftände, die aus Knochen, 
bef. der Border- u. Hinterfüße, verfertigt werben. 
Man nimmt dazu die Knochen von Rindern, 
Pferden, pe (bauptiählih zu Klaviaturen), 

afen (bef. zu Wild- u. Jagdrufen zc.), auch die 
Flügelknochen der Gänfe (zu Bogelpfeifen u. dgl.). 
Um B. zu verfertigen, werden die Knochen erft 
efocht, entweder in Waffer, oder in Lauge von 
Sottalhe, u. dann zum Bleihen an die Sonne 
gebradt. Das Zurichten u. Zuſchneiden derſelben 
eſchieht mit der Beinſäge, die kleiner als die 
Solgfäge ift u. ein ungefchränftes, bärteres Blatt 


von Iffland in deffen Almanach fürs Theater, |bat; das Behauen mit einem Beil (Beinhade). 


1808, ©. 92—187. Kürfchner. 


Das meitere Bearbeiten geichieht bei gedrebten 


Beilager, feierliche Si a © u. Vollzieh-B. auf der Drehbank mit Schrot-, Spitz-, Schlidht- 
t 


ung der Ehe von Perfonen hoben 
de Vefteigung des Ehebettes. Mit — be» 
gannen nach Deutſchem Rechte erft die Wirkungen 
der Cheſchließung; daher auch bei der Antrauung 
Nirfliher Bräute an die Hand eines den Bräu- 
am vertretenden Gefandten dieſer in vorge— 
Hriebener Meidung u. Rüftung auf kurze Zeit 
he neben die Braut auf ein Ruhebett legte. 
Beilan, Stadt im türf. Bilajet Adana in 
einaſien, hart an der Grenze von Syrien, 15 km 
vom Mittelmeere, an der fehr belebten Straße von 
Aeppo nach Iskenderun (Meerbufen von Isken— 
derun) zwiſchen Bergen gelegen; ehem. Sit eines 
Paldaz; jhöne Gärten, Weinberge u. Olivenhaine ; 
Tabalsbau; Handel mit Seiden- u. Baummollen- 
hoffen; Sommeraufenthalt der Reichen von Is- 
knderun; 5000 Em. 
Beilbrief, 1) (Bielbrief) Zeugniß des Schiffs. 
mmermannes, daß der Bau eines Schiffes voll- 
Iommen vorſchriftsmäßig ausgeführt worden fei. 
Ohne einen ſolchen darf kein Schiff zum Waaren- 
ansport gebraucht werben. 2) Schulbichein über 
Gelder, welche zu einem Schiffsbau aufgenommen 
worden find; Defeiben werden hypothekariſch auf 


andes durchfftählen 2c.; die der flachen u. platten B., wie 


Spielmarten, Falzbeine x., mit Feilen, das 
Schaben derjelben mit Meſſern oder Schabern. 
Das Schleifen u. Poliren verrichtet man bei ge- 
wöhnlichen B. mit trodenem Schadhtelhalme ır. den 
Knochenſpänen; bei feineren mit naſſem Schachtel» 
balme u. Bimsftein, mit geihlämmter Kreide, oder 
Kalt u. Seife, Zuletzt werden fie gebeizt u. gefärbt. 

Beinafche, Aiche gebrannter Knochen; j. Aiche, 

Beinbred, die Prlanzengattung Symphytum, 

Beinbruch, Knochenbruch (f.d.) überhaupt; 
insbejondere Bruch des Ober- od. Unterfchentels, 
Beinbrühe machen ungefähr 6 pCt. aller Knochen- 
brüche aus; fie find häufiger beim männlichen, 
als beim weiblichen Geſchlechte, weil erfteres am 
meiften den Gelegenheitsurfachen ausgeſetzt ift, u. 
bier liefert wieder die arbeiteude Kaffe, bej. im 
fräftigen, mittleren Mannesalter das ftärffte Con« 
tingent. Arten derf. find: a) Brüche des Schentel« 
halſes, ſowol außerhalb, als innerhalb der Kapfel, 
kenntlich bef. an der Relation des Schentels nad 
außen, der oft beträchtlichen Berkilrzung u. der 
nicht immer deutlichen Erepitation. Iſt das untere 
Bruchftüd in das obere eingeleilt, mas nicht fehr 


das Schiff gezahlt, u. die Gläubiger haben im alle) felten gefchieht, fo entfteht keine Crepitation, u. ein 


des Nihtbezahlens das erfte Hecht auf daffelbe, 


Pierers Univerfals-Eonverfations-Periton. 6. Aufl. III. Band. 


geringer Grad von Gebrauchsfähigkeit ift noch vor» 
8 


114 


Beinerv — Peiram. 


handen. Befonders hierzu disponirt ift das höhere]zäblt u. heißt nach feinem Entdeder aud N. acc. 


Alter; bier beruht dieje Eriheinung auf dem Alters— 
ihwunde der Knochen. b) Brüche der einzelnen 
Gondylen des Oberjchenfels, d. h. Gelenfenden, 
finden bei ſehr gebrechlicher Beſchaffenheit u. di— 
recter Gewalt ſtatt und ſind von verſchiedener Be— 
deutung, je nachdem ſie ins Gelenk dringen, oder 
nicht, mit einem mehr oder weniger hohen Grade 
von Quetſchuug, Wunden u. ſ. w. verbunden 
ſind. Immer aber führen ſie die Gefahr der 
Gelenkſteifigkeit mit ſich. e) Bruch des Mittel— 
ſtückes des Oberſchenkels, Duer- od. Schrägbrüche, 
meiſt durch indirecte Gewalt, Fall auf die 
Füße ac. entſtanden, ſeltener durch directe; Sym— 
ptome wie bei Knochenbrüchen überhaupt(ſ. Knochen- 
bruch). d) Brüche des Unterſchenkels, entweder 
eines oder beider Unterſchenkellnochen. Beſonders 
gefürchter find die complicirten Unterſchenlelbrüche, 
d. h. jolche, wobei die gebrochenen Knochenenden 
die Haut durchbohren, weil fie, namentlich im 
Spitälern, durch binzutretende Pyämie (j. d.) 
einen größeren Procentfag von Sterblichkeit be- 
dingen. Am häufigſten unter allen Unterſchenkel— 
fracturen find wol die Kuöchelbrüche, die oft durch 
einfaches Umfniden des Fußes nad außen oder 
innen entjteben können u., da fie ſehr häufig 
vom Patienten nicht fogleich beachtet werden, öfter 
bedeutende Gelenkentziindungen im Gefolge haben. 
Brühe der Fußknochen find äußerft felten. Zu 
den Beinbrüden zählt man aud noch die Brüche 
der Kniefcheibe; fie jegen immer eine bedeutende 
Gewalt voraus und laffen bei der Heilung faft 
immer Steifigleit des Kniegelenkes zurid. Was 
nun die Behandlung der Beinbrüche anlangt, jo ift 
das Zurüdbringen der getrennten Knochenſtücke in 
die normale Lage oft ſehr leicht, das Feſthalten der- 
jelben im dieſer Lage dagegen mit um fo mehr 
Scwierigfeit verbunden. Eine Menge von Ber- 
bänden find erfunden u. als unzwedmäßig wieder 
verworfen worden. Berbände von Wajlerglas, 
Vappſchienen, Schmweben jegliher Urt, um bei 
möglichit bequemer Yage des mehr oder weniger 
ſchwebend erhaltenen Öliedes die größtmögliche Frei— 
beit der Bewegung zu geben, Beinladen, Rinnen, Ge— 
jtelle oder Kaften zur Aufnahme des gebrochenen od. 
eingerichteten Gliedes, B-wmafchinen, durch welche 
die Bruchenden, wenn fie fi über einander ger 
ſchoben haben, in ihre naturgemäße Yage zurid- 
gebracht u. darin fetgehalten werden, find ange» 
wandte worden, In der neueren Zeit find wol 
nur noch für die Schenkelhalsbrüche und die 
Brühe des Mittelſtückes des Oberſchenkels die 
einfahe und doppelte ſchiefe Ebene, die per- 
manente Ertenfion, Gewicht u. Gegengewicht in 
Gebrauh. Der Gipsverband genügt faft immer 
allen Anforderungen, die man an einen Verband 
für Knochenbrüche ftellt. 

Beinerv (Nervus accessorius); entipringt aus 
dem oberen Theil des Rückenmarkes, tritt durch das 
große Hinterhauptloh in die Schädelhöhle, nimmt 
dann mit dem umfchweifenden Nerv (deffen mo— 
toriihe Wurzel er bildet) feinen Berlauf (daher 
ber Name), tritt nebſt diefem mieder zu dem 
Jugularloche aus der Schädelhöhle heraus u. ver- 
breitet fi) in den Kappen» und Bruftbeinfchlüffel- 
beiumuslel. 


Willisii. 

Beinfäule, ſ. Winddorn. 

Beinfraſß (Caries), ſ. Knochenfraß. 

Beinhaus, kleines Haus auf Kirchhöfen zur 
Aufbewahrung von ausgegrabenen Todtenknochen. 

Beinhaut (Periosteum), fo v. w. Knochen- 
baut (j.d.u. Knochen). Daher Brentzündung 
(Periostitis), Entzündung ber Knocheuhaut; B- 
frebs, bösartige (krebfige) Wucherung der Knochen- 
baut, u. B-necrofirung, Bereiterung u. Ber 
jauhung der B. infolge von B-entzilndung, oder 
infolge benachbarter Eiterungsprocejie. 

Beinſchienen, Theileiner Rüftungzum Echuge 
der Beine; beftanden aus Bledhftüden, die mit 
loderen Nieten verbunden waren. 

Beinſchwarz (Beintohle, Knochenkohle), der 
durch trodene Deftillation, d. h. durch Glübung 
in verfchlefienen Gefäßen, gebildete Rückſtand von 
Thierlnochen; findet in der Technif zwei wichtige 
Berwendungen: erſtens liefert diejelbe die vor- 
zugsweife aus Elfenbein gebrannte ſchöne ſchwarze 
Dialerfarbe und zweitens das Entfärbungs- und 
Reinigungsmittel gefärbter Flüffigkeiten, nament- 
lich des Zuderiyrups. Bu legterem Zwecle wandte 
es zuerit der Frauzoſe Payen an, der die Ent 
dedung machte, daß die thieriihe Kohle vor jeder 
anderen Kohle einen Borzug in der Eigenichaft 
beſitze, Kalk aus feiner Lofung in Waſſer und 
Zuder in fih aufzunehmen. Zur Raffinerie des 
Zuckers wird es gekörnt in der Feinheit des 
Sciefpulvers. Nah dem Gebraude faun es 
wieder benutt werden, nachdem e8 durch Behand» 
lung mit Salzläure vom Kalk durh Gährung u. 
nochmalige leichte Glühung von den aufgenommer 
nen organichen Stoffen befreit worden iſt. Man 
nennt Diefe Operation die Wiederbelebung Fer Kohle. 

Beirn, ehemal. Provinz in Portugal, zwi— 
ihen dem Atlantiihen Meere, Spanien und den 
Provinzen Minho, Traz 08 Montes, Ulemtejo u. 
Ejtremadura; getheilt durch die Natur in B.-Mar, 
den Küftenftrih, B.-Alta (Hoch-B.) u. B.-Baira 
(Nieder-B.); zerfällt jegt politiſch in die 5 
Diftricte Aveiro, Coimbra, Pifen, Guarda und 
Saftello Branco; zufammen 23,942 [_jkm (434, 
IM); (1871) 1,294,282 Ew. in 87 Gemein« 
den; Hauptort: Coimbra. Das Land ift theils 
gebirgig (Serra de Eſtrella 2160 m, ©erra de 
Alcada, Serra Buffaco) theils fandig, wenig 
fruchtbar ; Flüſſe: Duro (mit Goa, Tavora, Paiva), 
Zejo (mit Erga, Dcreza, Zezere), Mondego (mit 
Alva, Geira); einige Seen; viele Moräfte; zahlreiche 
Schwejelquellen; Beihäftigung: Vieh-, vorzüglich 
Schafzucht, etwas Garten», viel Wein. (Portwein) 
u. noch mehr Dlivenbau, geringer Bergbau, bedeut. 
Salzgewinuung; wenig Induſtrie u. Sande Die 
Bewohner des Küftenftriches find träg u. demoralfi» 
firt; die von Hoch- u, Nieder-B. dagegen fleißig, 
vedlich, heiter. S. im Übrigen u. Portugal. 

Beiram (perf.), eim feierliches Feſt. Die 
mohammedaniſche Religion kennt 2 Feſte B.: a) 
B.Kitſchi, das Meine B., am 1. bes Monats 
Schewwal; beginnt gleih nad dem Faſtenmonat 
Ramadan u, dauert 3 Tage lang; b) Kurbaan-d,, 
das Feſt der Opfer (au Kutjchul-B.), das große 


Er wird als 11, Hirnnerv aufge-IB.; joll die Opferung Iſaals bedeuten; beginnt 


Beireis — Beijafjen. 115 


60 Tage nach dem großen B., am 10. des Monats 
Dulhedſche (Sithidiche), u. dauert 4 Tage. Au 
beiden Feſten empfängt der Sultan früh die 
Stüdwänjihe der oberjten Staatsbeamten u. zieht 
mit gie Pracht in die Moſchee. Dann werden 
die Staatödiener geipeift u. 16 mit Bobelpelzeu 
deſcheult; ſonſt erhielten auch die chriftlichen 
Selandten Geſchenke. Das Bolf beiuftigt fich durd) 
Schmauſen u. Bejuche. Angefündigt werden dieje 
Feſte in Conftantinopel durd die Kanonen des 
Serail u. in Tophana. 

Beireis, Gottfried Chriſtoph, gelehrter 
Zenderling, geb. 28. Febr. 1730 zu Mübldanjen 
u Thüringen; ſtudirte feit 1750 ——— u. 
daturwiſſenſchaften, machte dann Reifen, angeblich 
nad JIudien, fehrte 1756 zurüd u. ftudirte in Helm» 
dt unter Heifter Chirurgie, wurde daſelbſt 1759 
Brofeffor der Phyſik, 1762 der Medicin, 1768 
dır Chirurgie und 1802 Leibarzt deg Herzogs 
Kur Wilhelm Ferdinand v. Braunfchmweig; er 
#. 18. Sept. 1809. B. war mit mehreren von 
im geheimgehaltenen chemifch » techniichen Pror 
wen (m. a. zur Färbung des Scharlachs) ver- 
traut, wodurch es ıhm gelang, Geld, bei. von den 
Sellindern, zu gewinnen, um ſich eine anjehn- 
Ihe Bibliothel u. eine Sammlung von Natur- 
. Kunſtſchätzen anzulegen (darımter ein Diamant, 
größer als ein Hühnerei, den angeblich der Kaifer 
den China bei ihm verfegt habe, den er aber 
Kennern mie zeigte u. der ſich nad) feinem Tode 
ritt vorfand, eigens von Lieberfühn injicirte 
mtomtche Präparate, phyſikaliſche Inſtrumente 
ton Otto von Guericke, die Vaucanſonſchen Auto— 
waten u. viele andere Seltenheiten); die mathe— 


















































Baummollengewebe, franzöfifche Artikel, deutſche 
und öfterreihiiche Seidenwaaren und Tücher ꝛc. 
Einführt wurden 1864 274 Mill,, ausgeführt. 
324 MU. Fes. Unterftütt wird der Handel 
durch regelmäßige Dampfiifffahrt nach den euro- 
päiſchen u. levantinishen Häfen u. Poſtwagen— 
verbindung mit Damascus. Weniger günftig iſt 
der der Verſandung ausgefette Sur, an deſſen 
Berbefferung indejlen gearbeitet wird. Der be- 
deutendjte Handelsverkehr findet mit Marſeille 
ftatt, und B. wetteifert an Bedeutung für den 
Handel mit Smyrna. Sedenfalls ift es der ber 
deutendfte Handelsplag au ver ſyriſchen Küfte u. 
Stapelplag für den ganzen inneren Handel, außer« 
dem Sammelplag der Mellapilger u. der Kara- 
wanen nad Damascus zc. u. Yandungspunft aller 
nad Syrien u, Paläftina direct gehenden Reiſen- 
den. Dicht vor der Stadt im Meere liegen die 
Ruinen von 2 zerjtörten Gajtellen, ein anderes 
vor dem Saraithore am Kangnenplage. — B. (in 
der Bibel Berotha, bei den Profanjchriftitellern 
Berptos) lag in Phönilien am Ausfluſſe des Ma— 
goras u, hatte einen guten Hafen. David eroberte 
u. plünderte die Stadt; Antiohos d. Gr. entriß 
fie den Agpptiern u. vereinte fie mit Syrieu. 
Durch Diodotos Tryphou 140 v. Chr. zerftört, 
wurde B, unter Auguftus von M. Agrippa wie— 
derhergeftellt, al8 Julia Augusta Felix Berytus 
mit Veteranen der 5. u. 8. Legion colomifirt u. 
mit dem Jus italicum bejchenft. Unter Kailer 
Claudius wurde B. von dem jüdiſchen König 
Agrippa jehr verichönert u. nahın den Beinamen 
Anteniniana an, u. Theodoſios II. erhob fie 
zur Metropolis. In B. war eine der 3 Rechts— 
mattihen, phofifalifchen u. aſtronomiſchen Ynftrus|ichulen des Alterthums. Die Stadt wurde 349 
mente vermachte er teftamentlih der Univerfitätfdurd Erdbeben ſtark beſchädigt u. 551 gänzlich 
Helmftädt; jein literariſcher Nachlaß war unerheb> |zerftört, erhob fi aber wieder und ward zur 
Id. Im Übrigen war er ein außerordentlich] Zeit der Kreuzzüge eine beveutende Stadt. König 
knutnigreiher Mann, geiuchter Arzt u. unermiid- | Balduin I. eroberte B. nach 2monatliher Bes 
hher Lehrer, der im allen Fächern der Wiffen-|lagerung April 1109, worauf fie Saladin 1187 
Kat mit Eifer arbeitete u. auch in dem jchönen|nahm, 1197 aber wieder die Kreuzfahrer u. 1291 
Sinften nicht unbemwandert war. Bol. Heifter, [wieder die Saracenen. Später war fie längere 
Nadrikten über B., Berl. 1860. ambayn.* [seit im Befitte der Drufen u. jelbft Reſidenz des 
Beirũt, Stadt im gleihnam. türkfiihen Lima} Emir Fakhr-Eddin, bis 1763, wo fie durch Verrath 
dee Ejalet Seideh (Saida) und Bilajet Syria,jan die Türfen fam. 1772 ward B. von einer 
auf einer Pandipitse des Libanon am Mittelmeere, |ruffiihen Flottille erobert und geplündert. Seit 
in ſehr gefunder Lage; eng und krumm gebaut,]1831, feit der Bejegung Syriens durch Soliman 
aber mit weiten Borftädten u. Gärten umgeben: Paſcha, wurde B. von Ibrahim Paſcha als 
Siz des Gouverneurs des Ejalet Seideh und| Station und Verbindungsplag mit Ägypten feft 
eines griechiſchen u. maronitifhen Biihofs, derjerhalten, 10.—14. Sept. 1840 von der türfifch- 
Generakonfulate der europäifhen Großmächte u.|englifch » öfterreichifchen Flotte unter Admiral 
der Conſulate anderer Staaten; Ouarantäne;|Stopford beſchoſſen und, nachdem dic Befagung 
Zellamt, mehrere Poftanftalten, europäiiche Arzte,|unter Soliman Paſcha die Stadt am 9. Oct. ver« 
Apotbefer; Klofter der Barmherzigen Schweitern, jlaffen hatte, bejegt. 
*it 1853 eine proteftantifhe Gemeinde und Mäd-| Beiſaſſen (lat. Incolae), Einwohner, denen 
Henihufe der Dialoniffen; in den mit Duadern|nicht das volle, fondern nur das feine Bürger- 
rpfafterten und mit vielen Schwibbogen über-|recht zuftand; der Inbegriff der ihnen zukommen— 
zaunten Straßen fehr lebhafter Berlehr. Die den Rechte warb Beiſaſſenrecht, wie die von 
Vevölferung ift in den letzten 30 Jahren vonlihnen für die Gewinnung deffelben zu entrichtende 
8009 anf etwa 80,000 Emw. angewachſen, darunter Abgabe Beifaffengeld, u. ihre ſchriftliche Ver— 
?m Drittel Mohammedaner, faft zwei Drittel Ehri-|jafjungsurtunde Beifafjenneunung genannt. 
hen, viele Juden 2c. Sie betreiben ftarfen Bauns| Zur Befolgung ihrer Pflichten mußten fih B. 
mollenban umd Seidenzucht, bedeutende Webereildurd den Beifaffeneid verpflichten. Gegen» 
u beiden Stoffen, Gold- u. Silberarbeit, Töpferei wärtig ift mit dem Princip der politifchen Gleich 
(Rühlgeichirre), Kofferfabrifation zc. Der Handel |berehtigung aller jelbftändigen Staats: und Ge— 
bermfit europäiſche, bej. englifche u. fchweizeriiche Imeindeangehörigen auch die rechtliche Bedeutung 
83* 


116 


dentungspollften war. 

Beisbarth, Karl Friedr., Baumeifter, geb. 
1809 zu Stuttgart; ftudirte umter Sfabelle in 
Paris u. Gaertner in München, befuchte Ftalien, 
nahm am Bau des Kunſtmuſeums u. Hoftheaters 
in Stuttgart theil, warb Mitarbeiter von C. 
Heideloffs Kunft des Mittelalters u. es Vieles 
zur Einbürgerung der Renaiffance in Wiürttem- 
berg bei, wo fie dermalen mit jo fchönen Erfolgen 
gep 9 wird, 

Belſchlaf, maturgemäßige Befriedigung des 
Geichlechtstriebes; über denfelben in geſetzlicher 
u. moralifher Hinfiht vgl. Ehe u. Concubitus. 

Beiſetzen, 1) eine Leiche im Sarge in eine 
Gruft oder ein Grabgewölbe jegen. 2) Die Segel 
b., fie anipannen, indem man die Schoten an 
einem ihrer Winkel zurüdzieht; f. Talelage. 

Beifis (Beiſeß), das ſchon von Alters her in 
Deutſchlaud geltende u. noch in einzelnen Parti 
cularrechten aufrechterhaltene Recht des über- 
lebenden Ehegatten, das Bermögen des Berftorbe- 
nen mit den Kindern gemeinihaftlih zu nutzen 
m. zu verwalten. Es erjcheint je nad den ver- 
fchiedenen Güterrechtsigftemen (j. Gütergemeinjchaft) 
in verfchiedener Geftalt, hört aber auf, wenn 
der überlebende Ehegatte wieder heirathet, oder 
wenn Sohn oder Toter einen eigenen Haushalt 
errichtet, u. jomit eine Abjonderung des Vermögens 
nöthig wird. 

Beisker, Fiih, fo dv. w. Schlamm- u. Gtein- 
peister; |. u. Schmerle. 

Beisler, Hermann von B., bayer. Staats- 
mann, geb. 1790 zu Bensheim; trat 1807 als 
Lieutenant in die bayeriiche Armee, ſchied, nachdem 
er den Feldzug in Zirol mitgemacht hatte, aus 
dem Militärdienfte und widmete fich der Juris- 
prudenz; er wurde 1813 Generaljecretär im 
Juftizminifterium des Großherzogthums Frankfurt, 
entfagte aber diefer Stellung, um an dem Frei— 
Kar gegen die Franzoſen theilzunehmen. 

eim Feldzuge von 1815 wurde er zum Haupt- 
mann ernannt, arbeitete nach dem Frieden in dem 
bayerischen Minifterium bes Außern und erhielt 
dann eine Anftelung als Regierungsrath, erft in 
Ansbach, fpäter in Bafla, Augsburg u. Negeus- 
burg. Obgleih er feiner liberalen Gefinnungen 
wegen bei der Regierung nicht beliebt war, wurde 
er doch wegen feiner Kenntniffe erft zum Negier- 
ungsdirector von Ober-Bayern u. fpäter (1838) 
zum WRegierungspräfidenten in Nieder-Bayern er- 
nannt,. Unter dem Minifterium Abel wurde er, 
weil er ſich für die verfaffungsmäßigen Rechte ber 
Protefianten verwandte, von dieſem Poſten ent« 
fernt u. zum Präfiventen des oberften Rechnungs- 
bofes, 1847 aber, nad dem Sturze von Abels, 
zum Staatsrathe und 1848 zum @ultusminifter 
ernannt, Als Mitglied der Nationalverfammlung 
in Frankfurt ftimmte er in den wichtigften Fragen, 
weldye die Gejammtftaatsverfaffung betrafen, mit 
der Rechten. Ende 1848 übernahm er das Mi— 
nifterium des Junern, fam aber, weil er bie 


Beisbartd — Beitler. 


n. Sonderftellung der B. verſchwunden; fo aud[5. ng 
in der Schweiz, wo dieſes Inftitnt noch am be-| feinem 


1849 aus dem Minifterum, um bis zu 
ode (15. Octbr. 1859) wieder als Prä- 
fident des Oberftien Nechnunghofes zu fungiren. 
Er ſchr.: Betradhtungen über Staatsverfafiung u. 
Kriegsmefen, el 1822; Betrachtungen über 
Gemeindeverfaffung, Augsb. 1831. 

Beifpiel. Das Wort heißt im Mittelhochd. 
bispäl, zufammengefegt aus bi, bei, u. spele, 
Rede, Erzählung, althochd. spel, goth. spill 
(goth. spillön, althochd. spällön, bedeutet: ver- 
fündigen, erzählen); es bat mit Spiel nichts zur 
Ihaffen; das neuhochd. Wort fteht für beispell, 
bispel, entipricht dem lateinifchen fabula und be— 
deutet eine zur Belehrung erdichtete Erzählung. 
Bon diefer Bedeutung bat unfer moderner Eprad- 
gebrauch mur Überrefte beibehalten, Wir verftehen 
jet unter B. eine Thatſache oder Reihe von 
Thatfahen, wodurch ein diefelben in ſich ſchließeu— 
des Allgemeines, ein Lehrbegriff, ein Sat der 
Yebensanfhauung, ein Urtheil über menſchlichen 
Werth oder Unwerth ꝛc. verdeutlicht, begründet, 
nachgewiefen wird. So wird der Begrifi der 
Tragödie am König Lear, das -allgemeine Geſetz 
der Schwere an der Gentripetalfraft der Erde, 
das über einen Menſchen ausgeſprochene Urtheil, 
daß er einen feften oder einen jchwanfenden 
Charafter babe, durch einzelne ihm mahrheits- 
gemäß zugefchriebene Handlungen verdeutlicht od. 

egründet und nachgewieſen. Insbeſondere wird 
nad unferem heutigen Spradhgebraude das B. 
als Mufter der Nacheiferung oder als Gegenftand 
der Abjchredung vorgehalten, u. wir können durch 
unferen Wandel ein gutes od. ein böfes B. (ein 
Ürgerniß) geben. Das lateinifhe Exemplum (f d.) 
vereinigt im ſich die älteren u. jüngeren Bedeut- 
ungen unſeres Bispöl od. B. u. hat noch andere, 
Eremplarifd, fo v. w. mufterhaft; eremplarifch 
beftrafen, ein Erempel ftatuiren, fo v. w. eine 
abihredende Strafe vollziehen. 

Beiſpruch (Beiiprade), die von einem Drit- 
ten, welcher das Näherrecht (f. d.) für fih in 
Anſpruch nimmt, gegen einen Berlauf erhobene 
Einfprade. 

Beit (arab.), Haus; fo: B. el Fakih, Bezirk 
u. Stadt in der arab. Landſchaft Jemen, nord» 
öftlih von Molla, mit großem Kaffemarkte, 8000 
Ew.; Beit el Ham, jo v. w. Bethlehem. 

Beithar (arabiich Pferdearzt), Abdallah Ebn 
Ahmed Dhiaddin el B., auch Aſchab (der Bota- 
nifer), > zu Benana bei Malaga in Spanien; 
war Oberauffeher der Gärten des Sultans Male 
el Kamel in Damasl; er fl. 1428. B. ift Ber- 
faffer mehrerer medicinifhen Schriften; feine 
Zufammenftellung der einfahen Heil- u. Nahr« 
ungsmittel überſetzte Sontheimer ins Deutjche, 
Stuttg. 1840, 

Deitler, Wilh. Gottl. Fr., Aftronom, geb. 
17. Febr. 1745 zu Neutlingen; ftudirte Dathe- 
matif w. Jurisprudenz in Tübingen, wurde Hof- 
— ging dann als Lehrer der Gräfin 

lorzewsta in ber er mer und Aftrenomie 
nad Großpolen, fehrte aber 1778 wieder zurück 
u. ward 1778 als Profeffor ber Mathematif u. 


Einführung der Grundrechte von der Zuftimmung|Aftronom der Petrinifhen Akademie nah Mitau 
der einzelnen Landesregierungen abhängig miffen berufen; er ft. 24. Sept. 1811. Um die Aftro- 
wollte, im Conflict mit der Kammer u. ſchied lnomie machte fi B. vornehmlich durch feine Be- 


Beitöne 


obahtungen der Berfinfterungen der Jupiters- 
monde verdient. Er jchrieb: Nova analysis 
aquationum cubicarum, Mitau 1778; Bon den 
Blaneten unferes Sonnenſyſtems, ebd. 1811. Specht. 

Beitöne (Muf.), |. Obertöne. 

Beitzke, gen Ludwig, deutſcher Geichicht- 
Kreiber, geb. 15. Febr. 1798 zu Muttrin in 
Sommern; machte 1815 als freiwilliger Jäger 
den — gegen Frankreich mit u. beſuchte 
dann die Kriegsichulen zu Koblenz, Mainz und, 
schdem er 1818 Lieutenant geworden war, die 
m Berlin; 1823—26 war er zur topographiichen 
Irmeffung des Generalftabes commandirt, 1828 
he 1836 Lehrer der Geographie an der Divifions- 
\Sule in Stargard; 1839 wurde er Hauptmann, 
nahm aber 1845 als Major feinen Abſchied; jeit 
1862 wurde er in allen tegislaturperioden 
w das Preußiſche Abgeordnetenhaus gewählt, 
20 er zur Fortſchrittspartei gehörte und wejent« 
ten Antbeil an den Berhandlungen über die 
Nimirfrage hatte. Er ftarb 10. Mai 1867 
un Berlin während der Lanbtagsfigung. Er jchr.: 
<ie Alpen (ein geographifd)-hitorilihes Bid), 
selb. 1843; Geſchichte der deutſchen Freiheits— 
Inege in den Jahren 1813 u. 1814, Berl. 1855, 
38%.,3. A. 1864 f.; Geichichte des Ruſſiſchen 
Rruges im Jahre 1812, ebd. 1856; Geſchichte 
des Jahres 1815, ebd. 1865, 2 Bde.; Das 
enge Heer vor u. nach der Reorganifation, 
ebd. 1867; nr heraus: 8. Friccius' hinterlaſſene 
<ürften, ebd. 1866. 

Veiwerk, Theile eines Kunftwerkes, die zur 
Verftellung der Idee nicht weſentlich nothwendig 
Ad, fondern mehr zur Erklärung des Haupt- 
gegenftandes u. der Nebenumftände, ſowie zum 
Ausfüllen leerer Partien dienen. Bei Anbring- 
un von B. hat der Künftler wol zu beachten, 
N er durch daffelbe nicht die Wirkung feines 
Zerles ſtöre oder ſchädige, was auch dadurch 
geiheben lann, daß er es zu ſtark betont und es 
je über Gebühr erhebt. 

Selwort, jo v. w. Adjectivum. 

Beizaum; dient bei Pferden zur Erreihung 
fuer richtigen Kopfftellung, reſp. Genidbiegung 
u, = Pierden, welche die Naje zu hoch tragen, 
angelegt, 

Beige, j. Beizen. 

Veije (Jagdw.),1) fo v. w. Faltenjagd. 2) So 
d. m. Salzlede, 

Beizen, im Allgemeinen die Behandlung eincs 
<iofes, namentlid an jeiner Oberfläche, mit 
Semi wirlſamen Subftanzen, zu dem Zwecle, 
un denſelben zu gewiffen Operationen tauglich) 
ja mahen. Die dazu verwandte Subftanz neunt 
man Beige. So beizt man Gewebe, um die— 
ken zur Aufnahme eines Farbftoffes vorzube- 
'aten, u. verwendet dazu namentli den Alauı, 
ffen Thonerde fi auf der Pflanzenfajer nieder: 
Mlägt u. fi dann chemifch mit dem Farbſtoffe 
verbindet; auch die Ehlorverbindungen des Zinnes 
denen als Beige, namentlich für Wolle u. Seide, 
Bene Weinſtein, fchwefeljaures und effigfaures 
enoryd. Unter B. der Häute verfteht man im 
der Gerberei das Behandeln derjelben mit Äblall, 
um de Haare leichter entfernen zu können. 
Realiegirungen, 3. B. Meffing, Silberlegirungen 


— Beke. 117 


mit Kupfer zc., beizt man mit Säuren, um die 


Farbe des edleren Metalld, das meiſt in ber 
Säure weniger löslich ift, beffer bervortreten zu 
machen; Holz; beizt man mit Farbſtoffen, um 
andere Hölzer nachzuahmen, Elſenbein, um 
daſſelbe zu färben, ebenſo Knochen und Horn. 
rg gebraudt das Wort, obwol unrichtig, auch 
ür Agen. 

Beizen, die Jagd dur die Fallenbeize bes 
treiben, 

Beisfalfe, jo v. w. Wanderfalte u. Edelfalle. 

Bein, 1) portugieficher Diftrict in der ebemal. 
Provinz Alemtejo; 105,983 [ km (235, IM); 
137,784 Ew.; davon hatte Prinz Johann, der 
3. Sohn der Königin Maria, geb. 1842, den 
Titel Herzog von B. erhalten. 2) (Pax Julia) 
Hauptjtadt darin; Bifchofsfig; Caftell, Kathedrale; 
römische Wlterthümer; zwei Meilen; Viehzucht 
(Schweine, Ziegen, Bienen); 7060 Ew. 3) Stadt 
im nördl. Tunis (Afrila); befeftigt; Handel mit 
Getreide, gute Pferdezucht. 

Bejar, 1) befeftigte Stadt in der fpanifchen 
Provinz Salamanca, an der Sierra de B.; Tud- 
u. Hufeifenfabrifation ; Wollenhandel; befuchte Heil- 
bäder (Schwefelquelle von 34° Wärme); 10,700 Em. 
2) S. Antonio de B. Stadt im nordamerilan. 
Staate Teras, nahe den Quellen des Rio San 
Antonio; eine der älteften Städte NUmerilas; 
8300 Em, 

Bejafi (Bejafiten, Ibadhi), eine häretische Secte 
in OArabien, deren Stifter Abdallah ben Ibadh 
der Tamimite ift, woher ihr arab. Name Ibad— 
ijjah. Ihr Oberhaupt in Maskat im Staate 
Oman führt den Imamtitel. Sie ſchreiben dem 
ganzen arab. Adel gleiche Souveränetät zu, trin« 
ten nicht Kaffe, rauchen nicht Tabak, bemwirthen 
aber Fremde damit; auch darf ſich bei ihnen jeder 
Araber in Gegenwart jeines Oberen, jelbft des 
Imam, ſetzen. 

Bejuda (Bahiuda), Steppenlandihaft in NO— 
Afrila, am linken Ufer des Nil, zwiſchen der 
großen Krümmung gelegen; zum Theil zu Don- 
gola, zum Theil zu Khartum, zum Theil zu 
Kordofan gehörig; im Allgemeinen geſundes 
Klima. Im Ganzen eben, wird fie im S. von 
niederen Bergrüden durchzogen, zwiſchen denen 
Thaleinfchnitte, wie das Wadi Mokkatem, laufen. 
Der Pflanzenwuchs, am NRande ärmlich, gebt nadı 
S. zu in eine üppige Strauch u. Baumvegetation 
über. Die Fauna ift außer den Hausthieren 
(Ramele, Rinder, Ziegen, Schafe, Ejel, Pierde zc.) 
durch zahlreihe Wiüftenthiere vertreten. Die Ein— 
wohner find Beduinen, von wohlgebildetem Kör- 
perbau, u. zerfallen in die 2 Hauptftämme der 
Khafanieh u. Kababiſch. 

Bekannte Größen (Math.), in algebraifchen 
Gleichungen die gegebenen, aus welden andere 
(unbelannte) befttmmt werden follen. Sie wer- 
den gewöhnlih mit den erften Buchitaben des 
Alpbabets a, b, e zc. bezeichnet, die unbelannten 
hingegen mit den lebten x, y, z x. 

efe, Charles Zilftone, berühmter Reifen- 
der, geb. 10. Oct. 1800 zu London; widmete fidh 
zuerft dem Kaufmannsjtande, ftudirte dann in Lin— 
colns- Inn die Hechte u. befleißigte fich zugleich der 
Geſchichte, Ethnographie u. Philologie. Sein Werk: 


118 Bekenntniß 
Origines biblieae, or Researches in primeval 
history, Pond. 1834, fand in Deutichland wegen 
jeiner orthoderen Haltung viel Anfechtung, wes— 
balb er eine Bertbeidigung gegen Paulus, 
Lpz. 1836, jchrieb. 1836 wendete er fib nad 
Leipzig, wo er bis 1838 englischer Conſul war; 
ging 1840 nad) Abeffinien, wurde dort der Er- 
pedition des Majors Harris zugetheilt u. erwarb 
fih durch die Erforihung Godſchams n. der noch 
ganz unbekannten jüdlich davon gelegenen Yänder 
nambafte Berdienfte. Nach London zurückgekehrt, 
war er 1849—53 Secretär der National Asso- 
eiation for the Protection of Industry and 
Capital ete. u. lebte dann längere Zeit als Kauf- 
mann auf der Inſel Mauritius. Die Ergebniffe 
feiner Reife F er in der Schrift: Abyssinia, 
a statement of facts ete., Lond. 1846, 2. U, 
nieder. Im Jahre 1861 bereifte er mit feiner 
Frau die Landihaft Harran im D. Paläftinas, 
verjuchte 1865 umſonſt die Befreiung der eng» 
liſchen Gefangenen in Abeffinien u. bejuchte 1874 
Agypten u. den Sinai. Er ft. 31. Juli 1874 in 
London. Er fchr. außerdem: Essay on the Nile 
and its tributaries, Yond. 1847; On the sources 
of the Nile in the Mountains of the Moon, ebd. 
1848; Meömoire justificatif ea rehabilitation 
des pöres Paez et Lobo, Par. 1848; On the 
sources of the Nile, Lond. 1849; An ingniry 
into A. d’Abbadie’s journey to Kaffa, ebd. 1850 
(worin er zu beweiſen fuchte, daß Antoine D’Abba- 
dies Reiſe nach den Nilquellen erlogen jei), wo: 
gegen ſich die Brüder Abbadie (ſ. d.) vollkom— 
men redhtfertigten; On the geographical distri- 
bution of the languages of Abyssinia, Edinb, 
1849; Gerrit de Veer (zur nordiichen Entded- 
ungsgeidhichte), Lond. 1853; The Sources of the 
Nile, ebd. 1860; The French and the English 
in the Red-Sea, ebd. 1868; Jacobs Flight, ora 
Pilgrimage to Harran, ebd. 1865; The British 
captives in Abyssinia, ebd. 1867 2c. Henne-Am Rhyn.“ 
Belenntnif, 1) der Ausſpruch defien, mas 
man glaubt, weiß oder gethan hat. Daher 2) B. 
in religiöjem Sinne, jede äußere Darlegung 
des Ölaubens, ſowol von Seiten des Einzelnen, als 
von einer Gefammtbeit. Bon letzterem wird vor- 
herrichend der Name Eonfeifion gebraucht, u. zwar 
ebenjo wol, wenn es ſich um einen geſchichtlichen 
Act, wie wenn es ſich um die fchriftliche Urkunde 
handelt, im welcher diejer Act niedergelegt wird, 
3. B. Mugsburger B., Helvetiihes B. u. f. f. 
Die Befreiheit ift das Hecht des Menſchen, feine 
religiöje Überzeugung frei zu äußern; ſ. u. To 
leranz. 8) B.der Sünde, Ausjprechen der Sünde, 
deren man fich bewußt it, im Gebete vor Gott, 
oder in der Beichte eg dem Beichtiger (1. 
Beichte), oder gegenüber dem verlegten, beleidigten 
Nebenmenſchen, ım Bedürfniß u. in der Hoffnung, 
Bergebung zu erlangen. 4) B. vor Gericht, 
fo v. w. Geſtändniß (j. d.). 5) B. eines Do— 
cuments, |. u. Wecognition. 6) B. einer 
Schuld, jo v. w. Schuldichein. 
Bekenntnuißzwang iſt der kirchlich feftftehende 
Zwang der Mitglieder der Kirche, die von der 
betrefjenden Kirche fejtgeftellten Lehrjäge zu glau« 
ben, oder wenigſtens — auf Befragen — zu bes 
fennen. Bejonders meuerlih auch innerhalb der 


— Bekker. 


Protejtantifchen Kirchen feitens der Geiftlichleit als 
in den Belenntnißichriften der Neformatoren Tie- 
gend behauptet, während von den Gemeinden zum 
großen Theil an der Belenntnißfreibeit (in Die- 
jem Sinne), d. h. an der auf das allgemeine 
Priefterthbum u. auf die gerade dur die Refor— 
matoren feitgeftellte Forihungsfreibeit in der Bibel 
bafirten individuellen Glaubensfreiheit innerhalb 
der Proteftantiichen Kirchen, feitgehalten wird. Val. 
Proteftantenverein. Bezolb. 

Bekes, 1) Comitat in Ungarır, öftl. vonder Theiß, 
umgeben von den Comitaten Szabolcs, Bihar, 
Arad, Cſanad, Cſongrad, Hewes u. dem Diftrict Groß- 
Kumanien; 3420 |_|km (62 M); 209,729 Em.,. 
durchaus Magyaren u. meift evangeliih; meiſt 
eben und fruchtbar, aber theilweiſe jumpfig ur. 
holzarm; bringt Getreide, Waffermelonen, Wein, 
Tabaf 2c.; das Klima ift ungelund; Flüſſe: Kö— 
rös, Berettyo u. Maros, alle fiichreich; eingetheilt 
in 6 Bezirke; Hauptort: Gyula. 2) Belesvar, 
Marltfl. dariu, am Zujammenfluß der Schwarzen 
und Weißen Körös; die Gemeinde im Ganzen 
22,547 Em. 

Bekk, Johann Baptift, badiiher Staats- 
mann, geb. 29. Oct, 1797 zu Triberg im 
Schwarzwalde; ftubirte 1816—20 die Rechte in 
Freiburg, wurde 1822 Advocat in Meersburg, 1829 
Hofgerichtsaffeffor in Freiburg u. 1832 Rath im 
Minifterium des Innern, ſchied aber 1837 unter 
Wlittersdorf aus dieſem Berufskreiſe u. wurde 
Vicefanzler beim Oberhofgerichte in Mannheim. 
Als Mitglied der 2. Kammer (feit 1831) zeichnete 
er ſich durch unerjchätterliches Halten an der Con— 
ftitution aus u. ward 1842—45 Präfident; 1846 
wurde er als Staatsrath Mitglied des Mini«- 
ftertums ohne Portefeuille, im Dec. deſſ. J. Mir 
nifter des Innern; beim Ausbruch der Revolution 
1848 fuchte er die Zeitforderungen durch liberale 
Zugeftändniffe zu befriedigen (j. Baden Geſch.), 
aber beim Ausbrucheder Dlairevolution 1849 ver- 
ließ er mit dem Großherzog Karlsruhe u. wurde 
im Juni entlaffen. 1850 wurde er wieder als 
Mitglied des Staatenhaufes nah Erfust zum 
Präfidenten der 2. Kammer gewählt. Er jtarb 
22. März 1855 zu Bruchfal, wo er zulett (feit 
1851) Präfident des Hofgerichtes gewejen war u. 
wo ihm 1856 ein Dentmal errichtet wurde. Er 
jchr.: Erläuterungen über die Badiſche Strafpro- 
ceßordnung, Mannh. 1846 f., u. das badiſche Pref- 
geieg vom 15. Feb. 1851, Karlör. 1851; Bor- 
träge über die badiſchen Strafgerichte, Karlsr. 
1851; Die Bewegung in Baden, 1850. 

Belter, I) Balthafar, niederl. Theolog, 
geb. 25. März 1634 zu Metslawier in Wries- 
land; wurde rveformirter Prediger erft in dent 
friefiihen Dorfe Ofterlittens, dann zu Franeder, 
Ipater zu Loewen u, Weeſp u. zulegt (feit 1679) 
in Amſterdam. Nachdem er jchon 1683 durch fei- 
nen Nachweis, daß die Kometen keine Borboten 
von Unglüdsfällen wären, den Orthodoren großes 
Argerniß gegeben hatte, wurde er wegen ſeines 
Buches: D bezauberte Welt, worin er ben 
Ölanben an die Macht der böjen Beifter u. deren 
Einfluß auf die Menſchen, fowie an Zauberei u. 
Hererei befämpfte, durch den Ausſpruch der Syn— 
ode 1692 feines Amtes entjegt w. hielt fich feit- 


Bellemmung — Bel. 5 119 


dem zu der Franzöſiſch-Reformirten Gemeinde; er 
ft. 11. Juli 1698. B. jchr.: De vaste spysen 
der volmaakten (ein Katechismus), 1676; Onder- 
sock van de betekeninge der Kometen; Leeuw. 
1682 u. ö.; De betooverde wereld (Die bezau- 
verte Welt) 2c., Amfterd. 1691—93, in mehrere 
Sprahen überjetst, deutich, ebd. 1693, v. Schwa» 
g vermehrt von Semler, Lpz. 1781 f., 3 Bde.; 
!ebensbeichreibung von Schwabe, Kopenh. 1780; 
Biographie B-8 von Dieft Lorgion (Balth. B. in 
Franeder u. Balthafar B. in Amfterdam, ein 
Berträt aus dem 17. Jahrh., Groningen 1848 1. 
1851). In Rostoffs: Gefchichte des Teufels, ep3. 
1869, wird die Betooverde wereld ausführlid 
beiprochen. 2) Eliſabeth, vorzüglihe hollän- 
diche Schriftftellerin, geb. 24. Juli 1738 zu 
Sheifingen, Gattin des reformirten Predigers 
Ar. Wolff; nach defien Tode 1777 lebte fie mit 
äiner yreundin, Agathe Deten, innig verbunden 
u. fhrieb mit ihr Romane; vor dem Kriege mit 
den Eugländern 1778 geflohen, lebte fie erft in 
Trevour, dann kehrten fie 1795 nad dem Haag 
wrüd, wo die B. 5. Nov. 1804 ftarb. Sie Ihr. 
u. a.: Historie van Willem Levend, Amt. 1785, 
8 ®e.; Abraham Blankaart, 1787, deutich, 
Berl. 1798— 1802, 4 Bde.; Hist. van Sara Bur- 
gerhart, ebd. 1790, 2 Bde, 2. A., 1836, deutſch, 
&p;. 1789; Cornelie Wildschut, 1793 fi., 6 Bde., 
deutſch, Berl. 1800 f. 3) Immanuel, bebeu- 
tender Philolog u. Krititer, geb. 21. Mai 1785 
zu Berlin; ſtüdirte 1803—1807 zu Halle unter 
J. A. Wolf Philologie u. wurde 1810 Profeffor 
an derilniverfität zu Berlin; er arbeitete 1810—12, 
1815 u. 1817 auf der Parifer Bibliorhef für das 
Corpus inscriptionum graee. u. bemußte 1817 aud) 
de Bibliothefen in Jtalten u. England u. 1839 
wiederholt in Italien; er ft. 7. Juni 1871 in 
Berlin. B. gab heraus: Anecdota graeca, Berl. 
1814— 24, 3 Bde.; dann den Theognis, Koluthos, 
Blaton, Thukydides, Ariftoteles, Lulianos, Polybios, 
Julius Pollur, die Attiihen Redner, Sertus Em- 
pirivs, Ariftophanes, Photius, Caſſius Dio, He 
todianos, Paufaniad, Herodotos, Homeros mit 
Wiederherftellung des Digamma, die Scholien zu 
Hemero® (Jlias), Harpofration, Möris u. A.; 
dann mehrere byzantiniſche Schriftfteller in der 
Bonner Ausgabe; Tacitus, Livius; aud hat er 
mehrere romaniſche Dichterwerle, bej. in den Ab- 
handfungen der Berliner Alademie, deren Mitglied 
er ſeit 1815 war, herausgegeben (Fierabras, Flor 
md Blanceflor u. a.). Seine in der Afademie 


vechtes, Lpz. 1859 (unvollendet); Loci Plautini 
de rebus ereditis, Greifsw. 1861; die Actionen 
des Römischen Privatrechtes, Berl, 1871. Er rer 
digirte 1857—63 mit Muther u. Stobbe das 
Jaͤhrbuch des Gemeinen Deutichen Rechtes, ſowie 
mit Pözl die kritiſche Zeitschrift für Rechtswiſſen⸗ 
ſchaft u. Geſetzgebung. Auch beſchäftigte er ſich 
mit dem Hypothelenweſen u. fchr.: Die Reform 
des Grunderediiweſens als Aufgabe des Nord» 
deutichen Bundes, Berl. 1867; Entwurf einer 
Grundbuchordnung (im Auftrage des Bundesfanz- 
lers). B. war 1868 auf der Bundesenqudte für 
Hppothefenbanten u. ift feit 1868 Mitglied des 
Ausichuffes des Tandwirthichaftlichen Congreſſes 
für Norddeutſchland. Noch ſchrieb er: Bon beit» 
ſchen Hochſchulen Allerlei, Berl. 1869 (anonym) 
u.: Zur Erinnerung an meinen Vater (im den 
Preuß. Jahrb. 1872). 1) Wenzelburger.” 

Beflemmung (Betfonmenheit), ein Gemüths- 
zuftand mit dem Charafter der Angit, begleitet 
von gg | in der Ahmungs- u. Herz- 
thätigleit. Vgl. Angft. 

Bektaſch GHadſchi B.), türkiicher Heiliger unter 
Murad I. (um 1360); veranlaßte die vollitändige 
Organifirung der feit 1329 errichteten Janitſcharen, 
jegnete fie u. gab ihnen den Titel Yanitfchart, 
d. i. neue Krieger. Seine Anhänger Bektaſchi, 
eine Art wandernder u. bettelnder, freigeiftiger 
Derwiſche, tragen weiße Kleider u. einen mt 
einer Schnur undrehten wollenen Turban. Sie 
waren fonft die Geiftlihen der Jauitſcharen. Bei 
öffentlichen Aufzügen u. an Diwanstagen gingen 
fie, grün gelleidet u. die Fäuſte geballt auf die 
Bruft legend, ummittelbar vor dem Pferde des 
Aga ber. Im Felde trugen fie Hände, Füße u. 
den größten Theil des berleibes bloß, warfen 
über die Schulter eine Thierhaut, führten eine 
Hellebarde, Pile oder Streitart in der Hand u. 
jangen während bes Marſches. Seit Aufhebung 
der Janitſcharen hat auch ihre Thätigfeit in die» 
jer Beziehung aufgehört, doch beſteht der Orden 
noch u. zählt zu denen, deren Einrichtungen mehr 
oder weniger mit der Staatsverfaffung in Zufams- 
menhang jtehen, u. deshalb zu den angejebeneren, 

Layai.* 
Bel (Myth.), bei den Babyloniern jo v. w. 
Baal; B. zu Babel, apofryphiiche Beilage zur 
tiechiichen Überjegung des prophetiichen Buche? 
Daniel, urſprünglich griechiich geichrieben u. vo“ 
der Alerandriniichen Überjegung unabhängig ent 
ftanden. Es wird darin erzählt, wie ein Betrug 
geleienen Mohandlungen zu Homeros u. zur roma-|der Baalspriefter durch Daniels Lift entdeckt wurde. 
niſchen Piteratur find gefammelt in den Homeri« Bel. Ruffihe Namen, welde fo beginnen, 
iden Blättern, 2 Bde., Bonn 1863—72 4) Ernftlf. u. Biel. : ; 
— ei, namhafter Rechtsgelehrter, Sohn des| Bel, 1) Matthias, ungar. Geſchichtſchreiber, 
or., geb. 1827 zu Berlin, ſtud. daſelbſt u. in Heidel-|geb. 24. März 1684 zu DOcjowa bei Reufohl in 
berg 184447, arbeitete am Stadtgerichte, dann | Ungarn; ſtudirte in Halle u, wurde hier Tehrer 
am Kammergerichte zu Berlin bis 1849, habilitirte|am Waifenhaufe; er erhielt 1714 eine Berufung 
ih 1853 in Halle für Römiſches Recht u. Erie|nad Neuſohl als Rector am geiftlichen Seminar, 
winafrecht u. wurde 1855 daſelbſt außerordent⸗ wurde 1714 Rector am evangelifhen Lyceum zu 
fiher Profeffor m. 1857 im Greifswald ordent-|Presburg u. 1719 Prediger der Evangelijh- Deut · 
fiber Profeſſor. 1874 erſetzte ex Windſcheit auf dem; jchen Gemeinde; er ft. 29. Aug. 1749. Seine 
Lehrſtuhl im Heidelberg. Er fchr.: De emptione| Forſchungen auf dem Gebiete der ungarifchen Ge» 
venditione, quae Plauti fabulis fuisse probetur, ſchichte u. Statiftif find von wiſſenſchaftlicher Be⸗ 
le 1853; Die proceſſualiſche Conſumption, deutung. Er ſchr.: De vetere literatura hunno- 
1.1853; Theorie des heutigen Deutſchen Strafe|scythica, &pj. 1718; Hungariae antiquae et 













































120 


novae prodromus, Nirnb. 1723; Der ungar. 
Sprachmeiſter, Presb. 1728 u. ö.; Apparatus ad 
historiam Hungariae, Presb. 1736—46; No- 
titia Hungariae novae, Wien 1735—42, 4 Bde. 
(unvolfendet), Fol. 2) Karl Andreas, eben- 
falls Gejchichtichreiber, Sohn des Vor., geb. zu 
Presburg 13. Juli 1707; ftudirte in Altdorf, Jena 
u. Yeipzig, habilitirte fih 1742 an leßtgen. Unis 
verfität, wurde 1757 Profeffor der Dichtlunft u. 
Bibliothefar, entleibte fi aber 5. April 1782 
aus Schwermuth. Er leitete 1754—81 die Acta 
eruditorum u. ſchrieb: De vera origine et epocha 
Hunnorum, Avarorum, Hungarorum in Pannonia, 
Lpz. 1757, u. a. 

Bela, Könige von Ungarn: 1) 8. L,, vom 
Arpadiſchen Stamme, Sohn Yadislams, Neffe des 
Königs Stephan I.; ftiftete gegen den von dieſem 
zum König beftimmten Peter von Venedig mit 
feinem Bruder Undreas eine Berfhwörung an, 
mußte aber flüchten u. begab fih nah Böhmen. 
Als 1047 fein Bruder Andreas König wurde, 
erhielt er den Titel Herzog u. die Berficherung 
der Nachfolge in Ungarn; da aber Andreas jeinen 
Sohn Salomon ald König frönen lieh, jo zog B. 
gegen ihn, befiegte ihn 1060 u. ward 1061 zum 
König gekrönt; er ft. 1063 (S. Ungarn.) Er war 
vermählt mit einer polnischen Prinzeſſin. 2) B. II., 
der Blinde, Enkel des Bor, Sohn des Her- 
zogs Almus; wurde als Knabe von jeinem Better, 
xönig Koloman, geblendet u. von Stephan 11. 
zu jeinem Nachfolger erflärt; er regierte von 
1131—1141; f. ebd. Seine Gemahlin war He- 
lena, eine ferbifche Prinzeffin. 3) B. III, Sohn 
Geyſas II.; wurde am Hofe des byzantiniſchen 
Kaifers Manuel Kommenos erzogen u. jollte deſſen 
Nachfolger werden, folgte aber 1174 feinem Bru—⸗ 
der Stephan III. als König von Ungarn u. rer 
gierte bi8 1196; ſ. ebd. Er war vermählt in 
2. Ehe mit Margaretha, Tochter des Königs Jo— 
hann des Jüngeren von Frankreich. 4) B. IV., 
Entel des Bor, Sohn des Königs Andreas II.; 
wurde ſchon als Kind (1206) gekrönt u. war Mit- 
glied der Negentichaft während des Zuges feines 
Bateıs nah Paläftina; er regierte von 1235 bis 
1270; ſ. ebd. Er war vermäblt mit Maria, Tochter 
des griechiichen Kaifers Theodor Laſtaris I. 
5) 2. (V.), Name, welchen Otto von Bayern als 
ephemerer König von Ungarn (1305—1307) an« 
nahm, weil feine Mutter, Elifabeth, die Tochter 
B⸗s IV. war; f. ebd. 

Belad (arab.), jo v. mw. Gegend, Bezirk mit 
Beifligungen; Name mehrerer arab. Landichaften. 

Belagerung ift diejenige Art des Angriffes 
einer Feſtung, bei welcher durch das gededte all- 
mäblihe Vorgehen das Ziel, wenn nidt am 
ſchnellſten, doh am ficherften erreicht wird; ſ. 
Feſtungskrieg. Daher: B⸗sarbeiten, die Lauf 
gräben u. Batterien bei einer B.; ſ. ebd. B-3- 
equipage, das zu einer B. nöthige Material u. 
Geihüß; f. ebd. B⸗skunſt, die Kunft, eine FFeft- 
ung anzugreifen u. zu vertheidigen, gewöhnlich 
als ein Theil der Befeftigungstunft behandelt; ſ. 
ebd. Da fie einen integrivrenden Theil der In— 
genieurmiffenichaft u. Artillerie ausmacht, jo ge 


Bela — Belagerungszuftand, 


1835, 2 Bde.; Augoyat, Angriff u. Bertheibigung 
fefter Pläte, Berl. 1852. 

Belagerungstrain enthält alles zum artil- 
leriftifchen Augriffe einer yertung erforderliche Ma- 
terial an Geſchützen, Munition, Fahrzeugen, Ma- 
ſchinen, Schauzzeug ꝛc.; ſ. unter Feftungsfrieg. 

Belagerungszuftand (Belagerungsftand, Etat 
de siege), der Zuftand einer Feſtung, wenn die- 
jelbe von dem Feinde belagert wird, oder nahe 
daran ift, es zu werden. Der B. erfordert außeror«- 
dentliche Maßregeln u. die Abtretung der polizei- 
lihen Gewalt an den Gouverneur u. Eommandanten, 
welcher alle Borkehrungen zu treffen befugt if, 
die zur Sicherung des Plates dienen, ſelbſt wenn 
diefe gegen die Rechte einzelner Perjonen oder 
Körperichaften fireiten; die Thore werden mit 
erfter Dämmerung gefhloffen u. erft nad) völliger 
Tageshelle wieder geöffnet; auf alle Ein» u. Aus» 
pajjirende forgfam geachtet; zahlreiche PBatrouillen 
durchziehen bei Tag u. Nacht die Strafen; das 
Führen, ja jchon der Befig von Waffen ift ftreng 
unterfagt; mehr als 3 Perjonen dürfen ſich nicht 
zufammen auf den Straßen bliden laſſen. In 
der neueren Zeit ift der B. als ausnahmsmeife 
Mafregel nicht bloß im Falle der Kriegsgefahr 
u. fir eigentliche Feſtungen, ſondern auch im 
‚Frieden u. in offenen Plägen zur Unterbrüdung 
innerer Unruhen, aber immer nur im Falle eines 
Aufruhrs, nicht als eine allgemeine polizeiliche 
Vlaßregel angewendet worden; jo dauerte 3. B. der 
B. in Paris jeit Überwindung der Schredensperiode 
des Communalaufftandes 1871 noch 1874, dort u. in 
mehreren großen Städten u. ganzen Departements 
Frankreichs in zwar gemilderter Weiſe, aber im« 
mer noch mit abiolut militärifher Strenge gegen 
innere Unruhen u. Mipbraud der Preffreibeit 
fort. Die Jahre 1848 u. 1849 haben die An 
wendung ſolcher Ausnahmegejege auch nach Deutjch- 
land gebracht, u. es find infolge hiervon, da es 
an Beitimmungen darüber anfangs ganz fehlte, 
mehrfahe Berordnungen in den einzelnen Staaten 
erſchienen, welde die dann eintretenden Mechts» 
verhältniffe näher normirt haben, Fir Deutjch- 
land ijt, nachdem die Reichsverfaſſung das Recht, 
den B. zu erflären, dem Kaiſer für den Fall, 
„wenn die öffentliche Sicherheit dies fordert“, vor- 
behalten bat, das preuß. Geſetz über den B. v. 
4. Juni 1851 maßgebend geworden. Nach diefem 
Geſetze ift für den N imo des Krieges in den vom 
Feinde bedrohten Provinzen jeder Feitungscom- 
mandant befugt, die ihm auvertraute Feſtung mit 
ihrem Rayonbezirfe in B. zu erllären; für an- 
dere Bezirke fteht die Erflärung dem comman— 
direnden General zu. Für den Fall eines Auf- 
ruhrs kann der B. fowol in Kriegs-, als Friedens⸗ 
zeiten erflärt werden; die Erklärung geht dann 
aber in der Hegel vdm Staatsiminijterium aus, 
u, nur in dringenden Fällen kaun proviforifh u. 
vorbehaltlich der fofortigen minifteriellen Bejtätig« 
ung rüdfichtli einzelner Orte u. Bezirke durch 
den oberfien Militärbefehlshaber auf Antrag des 
Verwaltungschefs, oder, wenn Gefahr im Verzuge 
ift, durch den Militärbefehlshaber allein erfolgen. 
Die Erllärung des B⸗es erfolgt dann regelmäßig 


bören auch alle Hilfswiſſenſchaſten derſelben zu bei Trommelihlag oder Trompetenihall, außer 
ihr. Bgl. After, Lehre vom Feſtungskriege, Dresd.Idem durch Mittheilung an die Gemeindebehörbe, 


Belanig — Beleredi. 
durch Anſchlag an öffentlihen Plätzen u. durch ſerhielt. 


Öffentliche Blätter. Mit der erfolgten Belannt- 
madhung gebt die vollziehende Gewalt an die Mi- 
Itärbefeblöhaber über, jo daß die Eivilverwalt- 
ungd- u. die Communalbebörden den Anorduun⸗ 


121 


An den Küften von Borneo hatte er 
ein jcharfes Gefecht mit Piraten u. leitete 1852 
bis 1854 eine Erpedition zur Auffindung John 
Franklins, fror aber dort ein u. kehrte, mit Zu— 
rüdlafjung der Schiffe u. Bemanmung, im Auguft 


gen u. Aufträgen der Militärbefehlshaber Folge 1864 zurüd, ohne eine Spur von Franklin ge- 


zu leiften haben. 


Mit der Erklärung des B-es|funden zu baben (f. u. Norbpolreijen). 


Bor ein 


wird aber meift auch das Recht, daß Niemand Kriegsgericht geftellt, ward er für nicht ſchuldig 


keinem ordentlichen Richter entzogen werben darf, 
die freiheit der Preſſe, die echte, welche fich 
auf Unverleglichleit der Wohnung u. die perjün- 
he freiheit beziehen zc., für die Dauer des Aus- 
nahmezuftandes juspendirt; e8 hängt von dem 
Ermefien des commanbdirenden Militärbefehlshabers 
ab, welche Beichräntungen er an Stelle der hier- 
über fonft geltenden Beftimmungen treten laſſen 
will. Hält e8 der Militärbefehishaber oder das 
Staatsminifterium für nöthig, die ordentlichen Ge» 
tichte zu fuspendiren, jo treten an Stelle der- 
kiben die Kriegsgerichte, welche bejonders die 
Verbrechen des De ee Landesverrathes, 
Mordes, des Aufruhrs, der thätlichen Widerſetz 
ung, der Meuterei, des Raubes, der Plünderung, 
Erprefiung, der Berleitung der Soldaten zum 
Ungeborjam oder zu Vergehen gegen die mili« 
ürnihe Zucht u. Dromung zur Unterſuchung u. 
deftrafung übermwiefen erhalten. Die Kriegsge— 
tute werden aus Offizieren u. Civilrichtern zu— 
ammengeſetzt. Das Berfahren vor diefen Kriegs- 
gerichten iſt daun ein fummarifches; f. u. Kriegs» 
recht, Meift ift der B. weit mehr eim factisches, 
as ein rechtliches Verhältniß u. bedarf in den 
meiften Ländern einer durchgreifenden gejetlichen 
Reubeftimmung. 

Belanis, jo v. mw. Pillnig. 

Belaspur, Stadt im nördl. Hindoftan, am 
Setledih; Reſidenz des England tributpflichtigen 
Rıdihah von Kulur; 3000 Em. 

Belbeys, ehemals große, jetzt von 6000 
Renihen bewohnte Stadt im Bezirke Garbieth in 
Unter-Agypten, nordöftl. bei Kairo; Lurpinen-, 
Bohnen- u. Korianderbau, 

Belbog (flav. Myth.), fo v. m. Bjelbog. 

Belbud (Belbuh, Belboch), Dorf im Kreife 
Greifenberg des preuß. Regbez. Stettin; merf- 
wärdig durch das ehemals hier befindliche Klofter 
(eines der reichften in Pommern), welches der 
Reformation jchnell zugänglich wurde u. zu deren 
Verbreitung weſentlich beitrug. 

Beldyen, 1) zweithöchfte Bergipite des Schwarz. 
maldes, 1414 m; liegt am Ende des Mün« 
herthals in Baden. Er ift ein fteil anfteigender 
Regelberg u. bietet eine weite Ausficht auf die 
Raube Alp, den Schwarzwald, die Alpen u. die 

en. 2) ©. u. Ballon. 

elher, Sir Edward, Seefahrer, geb. 1799; 
fat 1812 in die englifhe Marine, in welcher er 
1816 als Midſhipman unter Lord Ermouth dem 
Bombardement Algier beimohnte; 1819 zumı 
jeutenant avancırt, machte er 1825—29 die 
Reiie des Capitän Beechey nah der Verings- 
ftraße mit u. wurde dann Commandeur; 1836—42 
unternahm er mit dem Schiffe Sulphur eine 
Beltreife, nahm in China an der Forcirung des 
Tantonfiuffes wirffamen Antheil, wofür er zum! 
Pofcapitän ermannt wurde u. die Ritterwürde 


befunden u. 1864 zum Gontreadmiral der Rothen 
Flagge befördert. Er ſchr.: Narrative of a voy- 
age round the world, London 1843, 2 Bde.; 
Voyage of the Samarang to the Eastern Archi- 
pelago, ebd. 1846, 2 Bde.; The last of the 
Arctic Voyages in search ofJ. Franklin 1852 —54, 
ebd. 1855, 2 Bde.; The great equatorial Cur- 
rent, ebd. 1871. 

Beldjite, Stadt in der fpanischen Provinz 
Saragofia, am Almonacid; Zeugfabrit; 3300 Em, 
Hier ım Spanifh-Portugiefihen Befreiungstriege 
Schlacht am 16.—18. Juni 1809, wo die Frans 
zojen unter Suchet das verſchanzte Lager unter 
Blafe ftürmten. 

Belde, Friedrich Auguft, Pofaunenvirtuofe, 
geb, 27. Mai 1795 zu Yuda bei Altenburg, Sohn 
des dortigen Stadtmufifus; erwarb ſich mit feinem 
Inſtrument 1815 zu Leipzig großen Beifall, 
wurde 1816 f. Kammermufitus uw. Pofaunift im 
Berlin; er machte größere Kunftreiien, erhielt 1844 
vom Barijer Eonfervatorium die Ehrenmedaille u. 
309 fih 1858 ins Privatleben zurüd. Unter fei- 
nen Compofitionen find die Übungen u. Concerte 
f. Poſaune werthvoll. Sein Bruder Ehriitian 
Gottlieb, geb. 17. Juli 1796, zeichnete ſich als 
‚zlötift aus, wirfte 1819—32 zu Yeipzig, 1834—41 
zu Nitenburg u. zog dann nad Yuda. 

Beleredi. Die katholiihe Familie B. war 
eine alte lombardifche Familie und gehörte zu 
den erſten Patricier-Geſchlechtern Pavias; fie 
ift Seit 1769 in dem erbländiihen böhmischen 
Örafenftand erhoben u. beſitzt Löſch, Ingrowitz, 
Bofenig zc. in Mähren. Jetziger Chef: 1) Graf 
Egbert, Sohn des 1838 verftorbenen Grafen 
Eduard, geb. 2. Sept. 1816; ift k. k. Rittmeifter 
a, D. u. feit 1848 vermählt mit Chriftiane, geb. 
Gräfin Noftig-Riened (geb. 1820); er ift der 
Führer der Feudalen Mährens. 2) Graf Ri— 
hard, geb. 12, Febr. 1823, Bruder des Bor.; 
itudirte die Rechte u. trat 1845 in den Staats 
dienft, aus welchem er 1848 jchied; er lebte pri« 
vat, bis er 1854 unter Bach zum Kreishauptmann - 
in ynaim ernannt wurde, B. wurde 1861 Leiter 
der polit. Fandesbehörde in Schlefien u. im Okt. 
1862 dafelbft Landeschef, im Mai 1863 Biceprä- 
fident der böhmischen Statthalterei u. am 27. 
Mai an Stelle des Barons Forgach Statthalter 
von Böhmen u. Geheimrath, Als Kaifer Franz 
Joſeph bei feiner Anweſenheit in Peit Juni 1865 
die Möglichkeit eines Ausgleiches mit Ungarn er- 
fannte, wurde Schmerling entlaffen u. am 27. 
Juli B. Staats-, VBerwaltungs- u. Polizeiminifter 
für alle nicht zur ungar. Krone gehörenden Län— 
der u. zugleih Minifterpräfident. B., der 1861—63 
Abgeordneter des fchlefiihen u. feit 1863 des 
böhmischen Großgrundbefites im Reichsrathe ge— 
wejen war, hatte in diejer Stellung das Wort 
nur zur Bertheidigung der feubalen u. Herikalen 


122 


Intereffen ergriffen. Als Präfident des Drei« 


Belchende Mittel — Belenyes. 


Belehrungsurtheil, ein Rechtsgutachten, wel- 


Grafen-Miniſteriums (B., Yariih u. Eſterhazy) ſches Jemand in einem zweifelhaften alle zu feiner 
verjuchte er denfelben mit Hilfe der Slaven gegen|eigenen Hechtsbelehrung fi erbittet, um danach 


die liberalen Deutſchen im den Ländern diefjeits 
der Leitha zur Herrichaft zu verhelfen, während 
in Ungarn die Altconfervativen dafjelbe Ziel ver- 
folgten. Am 20. Sept. 1865 wurde das Geſetz 
über die Reichsverfafjung fiftirt u. das Schwerge- 
wicht für die Länder dieſſeits der Leitha im die 
17 Yandtage verlegt. Bei diefem Buftande ber 
Unordnung trieb das Minifterium B. 1866 in 
den Krieg gegen Preußen, u. die Niederlage traf 
nicht alleın die äußere Politik, fondern auch die 
innere. B. aber wußte fich auch nach dem Kriege 
als Minifter zu erhalten. Durch das Überwiegen 
des liberalen Elements in Ungarn aber erftart- 
ten auch die Gefinnungsgenoffen dieſſeits der 
Leitha, m. mit Hilfe des aus Sachſen berufenen 
Minifters Baron Ferd. v. Beuft wurde B. geſtürzt 
u. am 7. Februar 1867 entlaffen. Er lebt feit- 
dem zurüdgezogen in Gmunden, 2) Eicalef. 

Belebende Mittel, Mittel zur Erhöhung 
gder aud Erwedung der Lebensthätigleit über 
baupt u. der Eirculation u. Rejpiration insbes 
fondere, Man bedient fich derfelben bei Anmwan- 
delung von Ohnmacht, bei Ohnmacht, Scheintod, 
bei Übelkeit u. f. w. Die b. M. können unter- 
jchieden werden im Äußere w. innere; zu jenen 
gehören die Heibungen, Begießungen, Beipriguns 
gen, Betropfungen der Haut, die Klyſtiere, die 
Riechmittel, die Glektricität, die Hautreize (mie 
Senf, Meerrettig); zu den inneren die aromati: 
jchen, ätheriihen u. dgl. Mittel, das kalte Waj- 
jer, die Braufepulver x. Man kann auch die 
Transfufion des Blutes aus den Adern eines 
gefunden Individuums in die eines veriehmachten- 
den (zu dem Behufe der Wiederbelebung) zu den 
belebenden Den rechnen, 

Belebungsverſuche, Anwendung ber bele— 
benden Mittel, vorzugsweile bei Scheintod (f. d.). 

Beleg, 1) B. der Zunge, der jchleimige Über: 
zug der oberen Fläche der Zunge, bei. auf ihrem 
hinteren Theil, der bei Perſonen von nicht fehr 
hräftiger Gefundheit, häufig auch bei nur geringer 
Magenſchwäche, bei. in nüchternem Auftande, ſich 
findet, in Krankheiten aber bemerflicher u. ver— 
breiteter, auch wol verſchieden, bei. gelb u. braun, 
gefärbt ift, Pilzvegetationen enthält, auch fefter auf 
der Zunge aufliegt u. nebft anderen Zeichen An- 
deutung innerer Krankbeitszuftände, bejonders der 
Berdauungsorganeift. 2) (Rehnnungsbeleg) Schrift: 
lihe Beglaubigung über Einnahme- und Aus— 
gabepoften. 

Belegknochen, die fpäter am Schädel zur 
Enmpidelung fommenden Knochen. Im Gegen» 
fage zu dem primären od. Primorbdialeranium beftehen 
diefeiben aus Membranen, die fpäter verfnöcern, 

Belegſchaft, die auf einem Bergwerte beichäf- 
tigte Mannſchaft. 

Belehnung (Investitura), der gerichtliche Act, 
durch welchen der Vajall nach amgelobter Lehns- 
treue feierlich durch den Lehnsheren oder durd) 
die von demielben dazu ‚beauftragte Behörde ben 
Lehnhof, das Fehngut übertragen erhält. 


einen obwaltenden Rechtsſtreit entweder einzuftellen, 
oder fortzuführen. 

Beleidigte Majeftät (Crimen laesae maje- 
statis), ſ. Majeftätsverbrechen, 

Beleidigung, 1) die Handlung, modurd man 
Einen dur Eindringen in deſſen Rechtsſphäre u. 
durch Verlegung feines Rechtes beeinträchtigt, mit 
dem Nebenbegriffe, daß ihm dadurch Schaden (Leid) 
zugefügt wird; 2) jo v. mw. Injurie. 

Belem, 1) Stadt u. Hauptort der brafiliani- 
ichen Provinz Para; Eit des Statthalters u. eines 
Biihofs; Seminar und Collegium; Handel mit 
Kaffe, Gummi 2c.; 10,000 Ew, 2) Stadtheil Fiffa- 
bons, am Tejo; 8000 Ew.; hat feinen Namen von 
der Kirche Noſſa Senhora de Bethlehem, die zum 
Andenten an Bascos de Gama Nüdlehr von 
Indien von Don Emanuel erbaut wurde (nach 
dem Erdbeben 1755 im gothiichen Stil wieder 
bergejtellt); dabei das Hieronymitenklofter mit der 
füngl. Marmorgruft u. ein königl. Schloß mit 
herrlicher Lage am Meere; f. u. Liſſabon. 

Belemniten, Berfteinerungen einer Familie 
der Gephalopoden, nur aus einer Gattung, aber 
vielen Arten beftehend, die alle chne Ausnahme 
ausgeftorben find. Die foifilen Überrefte, welche 
man jegt noch von ihnen findet, waren unſtreitig 
innere, den Sepienfnochen analoge Schalen, die 
urjprünglih aus 3 Theilen beftanden, u. zwar 
a) der fpigen, fegelförmigen, jpindelfürmigen, 
cplindrifchen oder fingerförmigen Scheide, die in 
der Regel aus Faferfalf befteht, deſſen Faſern 
ſymmetriſch, faft recbtwinfelig auf die Achie geitellt 
find. An ihrem oberen Ende ift fie mit der 
Alveole, einer kegelförmigen Höhlnng veriehen, die 
b) den Aiveoliten umfchließt, der aus vielen con— 
caven, von einem randftändigen Sipbon durchbohr— 
ten Scheidewänden beftebt. c) Zwiſchen den Aiveo- 
ftten u. der Scheide lag urfprünglich eine ſehr 
dünne, horuige Schale, die fidy trichterartig über 
den Alveoliten verlängerte u. den Tintenbeutel u. 
andere Organe aufnahm, aber bei der Berftei- 
nerung in der Megel nicht mehr wahrnehmbar if. 
Die B. beginnen erft mit der Liasformation, in 
der fie aber fogleich in ungeheurer Menge auf» 
treten; fie gehen durch die Juraformation und 
fommen noch in der Kreideformation vor, um 
dann auf immer zu verſchwinden. Ihre Länge 
beträgt 3—48 cm. Dem Aberglauben dienten 
fie zu mandem Mißbrauche. Im Boltsmunde 
nennt man fie häufig Donnerfeile. 

Belen (Belenus oder Belinus), dem römiſchen 
Apollo verwandte Gottheit der Kelten; Geber der 
Geneſung u. der Orakel. Seine Tempel ftanden 
meift bei Bädern u. Heilquellen; heilig waren 
ihm die Belche u. das Bilfenfrant, welches nach 
ihm Belinuntia bie. Dem B. zu Ehren zün— 
dete man am 1. Mai feuer au. Bol, Holgmann, 
Deutſche Mythologie, Lpz. 1874, ©. 77. 

Belenyed, Stadt ım ungarischen Gomitat 
Bihar, am Schwarzen Körös; Sit der Bezirks- 


Der|behörde, Poftamt; Schloß; Spiritusfabrit, Obit- 


mit einem Lehn Begabte Heißt ein Belehnter.|bau; 2600 Ew.; in der Nähe wird Marmor ge» 


Näheres ſ. u. Lehn u. Lehnrecht. 


broden u. Eifen, Kupfer u. Blei gewonnen. 


Bel-esprit — Beleuchtung. 123 





















































rit (fr.), Schöngeift. 

Beleita (Beleftat),, Flecken im Arr. Foix des 
franz. Depart. Urriege; Eiſenhämmer; Mar- 
mor-, Porphyr⸗· und Alabafterbrüce; die perio- 
diſche Duelle Font Ejterbe; 2534 Em. 

Delefys, gemäß dem Berichte des Griechen 
Kteſias Oberpriefter zu Babylon unter der Ne- 
ierung des Sardanapal; unterftügte den Meder 

rbales bei deffen Empörung gegen den König 
von Affprien u, wurde von diefem dann als Sa- 
map von Babylon eingelegt. Da er erfahren 
hatte, daß die alten Reichsichäte Aſſyriens nicht 
m den verbrannten Sclöffern untergegangen, 
jendern unter der Ajche geborgen wären, fo erbat 
er unter einem Vorwande von dem König die 
Aſche diefer Schlöfjer, erhielt dieſelbe u. ichaffte 
jo mehrere Schiffe voll Schäte nad) Babplon, 
As fpäter Arbakes die Sache erfuhr u. ein Kriegs- 
gericht die Todesitrafe über B. ausſprach, war 
Arbales doch der früheren Wohlthat des B. gegen 
ihn eingedenk u. fchenfte ihm das Leben, ibm 
auh die Echäke belaffend. Die Monumente 
Aſſyriens u. Babyloniens laffen diefe Erzählung 
als reine Fabel eriheinen. Doch erwähnen Ti- 
glath-Pileſar u. Aſarhaddon in ihren Ynichriften 
vornehmer Babylonier mit Namen Balafu, d. i. 
Beleſys. 

Bel·tago (fr., Bauf.), ſo v. w. Hauptgeſchoß, 
das erſte Stodwerf über dem Parterre. 

Beleudytung, 1) Erhellung von Gegenftänden 
duch auf diefelben geworfenes, künſtlich erzeug- 
tes Licht. Die Fünftlihe Erzeugung von Yicht 
geihieht Durch das Berbrennen von Stoffen, 
welche reich an Kohlenjtoff und Mafferftoff find, 
feltener durch Berbrennen anderer Stoffe, wie 
der Feuerwerkstörper, leicht brennbarer Metalle, 
z. B. Magnefium (Magnefiumlict), oder dadurch, 
dag man dur ſehr beige Flammen (Knallgas- 
gebläje) feite Körper, befonders Kalk, zum inten- 
fiven Glühen bringt (Drummondſches Kalllicht), 
oder endlich durch galvaniſche Ströme (elektriiches 
ht). Das zur B. verwendbare Licht muß einen 
gewiffen Grad von Helligkeit befiten, leicht u. be- 
quem bervorzubringen und zu unterhalten fein, 
obne Rauch- u. Rußentwidelung zur Erfcheimung 
fommen u. verhältnigmäßig billig uhr fein, 
Die gewöhnlichen Beleuchtungsitoffe werden in 
Gasform gebracht und fo verbrannt. Die Ent 
widelung diefer Gaje geißicht entiveder an einer 
von dem Orte, der beleuchtet werden foll, ent: 
fernten Anftalt (Gasanftalt), von welcher das Gas 
durh Nöhren nah feinem Beftimmungsorte ge- 
leiter wird, oder unmittelbar an der zu beleuch- 
tenden Stelle mittels Kerzen oder Lampen. Die 
Brennftoffe, welche zur B. verwendbar find, be- 
Anden fich zum Theil in flüffigem Zuftande, wie 
die Ole, oder im feſtem, wie Taig, Walrath, 
Wachs, Stearin, Harz, Paraffin u. Steinlohte. 
Um ihre Verwandlung in Gasform zu befördern, 
bedient man fih bei Lanıpen umd Kerzen eines 
Dochtes, der durch Haarröhrchenmwirkung die flüffiger 
oder nach Anzündung des Dochtes flüffig werden- 
den Subftanzen auffaugt. Beim erften Anzünden 


nun an das Berbrennen u. MWiedererzeugen der 
Safe einen regelmäßigen Verlauf nimmt. Um 
die Wärme zu vermehren u. dadurd die Ver— 
wandlung der Brennftoffe in Gas raſcher u. voll 
ftändiger zu bewirken, bedient man ſich bei Lam— 
pen der Ölascylinder, weldye außerdem das Flackern 
der Flamme verhindern. Am den Autritt des 
Sauerftoffes der Luft zu allen Theilen des Doc- 
tes jo gleihmäßig u. jo ſtark als möglich zu ma— 
hen, ift die mehr platte als dicke Form der Dochte 
die geeignetere, Bollloımmener noch wirft die Luft 
ein, wenn fie durch einen Cylinder ftrömt, deſſen 
oberer Rand von dem Dochte eingefaßt ift. Die 
Leuchtkraft einer gewöhnlichen Flamme ift, abge- 
eben von der Ummandlung des Brennitoffes in 
Has, noch davon abhängig, daß der Koblenftoff, 
ehe er verbremmt, möglichit ſtark glühend wird, 
weil gerade das intenfive Glühen fejter Körperchen 
in der Flamme die Venchtfvaft bedingt. Es tie 
daher die regelmäßige Zufiihrung eines beftimm- 
ten Luftquantums zur Flamme die erfte Beding— 
ung zur Erzielung größtmöglichfter Yeuchtlraft bei 
geringftem Brennftoffverbraud. Führt man der 
Flamme zu wenig Luft zu, jo bremmt fie dunkel 
roth u. rußt. Auch durch zu viel Luftzuführung 
wird die Leuchtkraft jehr beeinträchtigt, weil daun 
der Koblenitoff verbrennt, ehe er leuchtend glüht. 
Läßt man 3.8. Leuchtgas durch eine weite Höhre 
ſtrömen, in der es fich mit Yuft mengen kann, 
u. zindet e8 dann oberhalb eines die Röhre ver- 
ichliegenden feinen Drahtnetzes an, jo bremt es 
mit faum Teuchtender bläulicher Flamme, Cine 
iolhe Flamme gibt bei richtiger Regulirung des 
Yuftzutrittes mehr Hige, als eine ftarf leuchtende 
Flamme, u. fest feinen Ruß ab, ift deshalb zum 
Erhitzen vortheilhafter. Bei Yampen vegulirt man 
den Yuftzurritt durch geeignete Eylinder. Indem 
man diefe höher oder tiefer ftellt, enger oder wei— 
ter ausmwählt, kann man leicht verfuchsweile be» 
ftimmen, wann die größte Leuchtkraft der Flamme 
eintritt. Bei Gasbeleuchtung ift es zur Erlang- 
ung eines intenfiven u. verhältnißinägig billigen 
Lichtes wefentlih, daß das Gas mit möglichſt ger 
ringem Drude ausftrömt. Darauf beruhen die 
Spar-Brenner (f. Brenner). Die Lichtftärfe einer 
Flamme bejtimmt man durch Photometer (f. d.). 
Das in neuerer Zeit entdedte Petroleum bat durch) 
Billigkeit u. intenfive Leuchtffaft den Gebrauch 
anderer Stoffe zur B. jehr vermindert, ja, die- 
jelben, bis auf die Gasbeleuchtung, fat verdrängt. 
Teifie du Motay hat ein Verfahren entdedt, billig 
reinen Sauerftoff herzuftellen, u. verwendet den- 
jelben zur Verbrennung des gewöhnlichen Leucht- 
gaſes. Dadurch erhält er ein dem Tageslichte 
näber ftehendes intenfives Licht ohne größeren 
Koftenaufwand. Ausführungen in größerem Maß- 
ftabe (Paris, Wien) find noch felten. Je nad 
der Örtlichkeit fommen in der Wahl der B⸗s— 
apparate u. in der Art u. Weife, mie biefelben 
angebracht werden, verichiedene Rückſichten in Be- 
tracht. Große ungeichloffene Räume erfordern ein 
helles, weißes, von Glasſcheiben eingeichloffenes 
Licht. Die B. der Straßen u. freien Pläge fannte 
brennt die Flamme matt, bis fie Wärme genug|man fchon im Alterthum, wenn auch nicht in der 
entwidelt, um bie ihr zunächft befindlichen Theile | Ausdehnung, wie diefelbe heutigen Tages ftatt- 
des Brennftofjes in Gas zu verflüchtigen, u. von|findet. Die moderne Straßenbeleuhtung datirt 


124 


Beleuchtung. 


vom Beginne des 16. Jahrhunderts, wo fie ans-|der Gasröhren, leicht Erplofionen und dadurch 


fangs nur zeitweife der öffentlichen Sicherheit mer | Feuersgefahr herbeiführen. 


Bor Allem ift Bor- 


gen, Später dauernd in volfreihen Städten ein-|ficht zu empfehlen bei der Theater-B., einer mo— 


geführt wurde. So mußten 1524, 1526 u. 1553 
die Straßen in Paris von den Einwohnern von 
9 Uhr Abends an durch am die Fenfter geftellte 
Lichter erhellt werden, bis 1558 zuerft Laternen 
an Piählen in den Straßen angebradt "wurden. 
Erſt 1667 war dieſe Art der Straßenbeleuchtung 
in Paris allgemein durchgeführt, worauf die mei— 
ften großen Städte, London 1668, Amſterdam 
1669, Berlin 1679, Wien 1687, dem gegebenen 
Beilpiel folgten. Eine Verbeſſerung diejer ur— 
jprünglichen Einrichtung fand erft ım Beginne 
des 19. Jahrh. ftatt, wo man die Laternen mit 
Neverberen verjah u. fie an Striden oder Ketten 
in die Mitte über die Straße aufhängte. Die 
Erfindung der Gas-B. (f. d.) wurde für die B. 
der Städte von großer Bedeutung, indem durch 
Einführung derjelben die Koften des Brennmate- 
rials verringert, an Arbeitsfräften gejpart u. ein 
bedeutend höherer Grad von Helligkeit erzielt 
wurde, Mit Gas wurden zuerft ın London 1811 
einige Straßen u. 1815 der größte Theil berjel- 
ben erleuchtet. In Deutichland war Hannover 
die erjte Stadt (1826), welche die Gasbeleuchtung 
einführte; in Berlin befteht fie feit 1828, in Wien 
feit 1840; jetzt ift fie in faft allen, ſelbſt Heineren, 
namentlich Fabrifftädten in Anwendung gefommen, 
In neuerer Zeit hat man in London, Paris u. 
Petersburg Verſuche gemacht, mit dem galvani- 
ſchen Koblenlichte u. mit dem fogen. Siderallichte 
(ſ. d.) Straßen u. öffentlihe Pläge zu erleuchten, 
doch find dieſe Verſuche bis jett für die Praris 
ohne Erfolg geblieben. Es gelang zwar in Pa- 
ris, mit Anwendung des ungemein intenfiven gal- 
vaniſchen Lichtes, öffentliche Bauten aud zur Nacht— 
zeit ununterbrochen fortzufegen; aber die Koften 
der Erzeugung u. die Schwierigleit, e8 zu unfer- 
balten, find jo groß, daß man einjtmeilen von 
allgemeiner Anwendung deſſelben abjeben muß. 
Große geichloffene Räume, welche öffentlihen, na» 
mentlich feftlihen Zweden dienen, erfordern eben- 
falls ein helles, am beften von oben herein fallen- 
des, oder an den Seitenwänden angebrachtes, durch 
Neverberen oder Spiegel reflectirtes Licht. An— 
fangs bediente man ſich zur B. foldyer Yocalitäten 
der Wachsferzen, die aber ihrer Koften wegen ſeit 
Berbefferung der Ollampen von diejen verdrängt 
wurden. Fetzt hat das DI fait überall in großen 
Städten auch hier dem Gaſe u., wo feine Gas: 
einrichtung ift, dem Petroleum Play gemacht. 
Das Gaslicht, von geihmadvoll decorirten Kron- 
und Armleuchtern getragen, gibt den feftlich ge- 
ſchmüchten Räumen ein bei weitem brillanteres 
Ausſehen u. dient zugleich als Heizmittel. Dem 
Übelftande, daß es den Sauerftoff der Luft rafcher 
verzehrt u. dadurch beläftigend auf die Arhınungs- 
organe eimmwirkt, begegnet man durch Zuglöcer, 
die, ohne der Decoration Eintrag zu thun, am 
beiten über den Kronleuchtern, von durchbrochenen 
Stuccaturen verdedt, angebradht werden. Fabri— 
fen, Berlaufsläden, Gonditoreien, Speifefäle ꝛc. 
werden am zwedmäßigiten mit Gas erleuchtet; 
nur ift überall große Borficht anzuwenden, da 


dernen Einrichtung, welche den Alten, da die Bor- 
ftellungen bei Tage erfolgten, unbefannt war. 
Die B. des Aufchauerraumes wird durch einen 
Kronleuchter für die von feiner Galerie überded- 
ten Pläge und durch Armleuchter für die Logen 
erzielt. Um ein matteres Licht zu erzeugen und 
dadurd die Bühne jelbit heller ericheinen zu laffen, 
verringert man die Öffnung der Hauptröhre, durch 
welche das Gas zujtrömt. Zur B. der Bühne 
dienen Gasflammen Hinter jeder Eouliffe u. eine 
Reihe derjelben vor der Rampe zunächſt dem Or— 
chefter, welche von dem Bühnenrande den Bliden 
der Zufchauer entzogen werden. Zur Berftärkung 
des Lichtes find die Flammen mit Meverberen 
verjehen. Um einen geringeren Grad von Hellig- 
feit zur Andeutung der Dämmerung oder Nadıt 
bervorzubringen, befchränft man entweder die 
Gasftrömung, oder man entzieht durch einen vor« 
gezogenen Schirm der Bühne die vordere B. Be— 
ſonders intenfives Licht zu Effecten wird durch 
Eleftricität oder das Drummondſche Kalllicht ger 
wonnen, oder, befonders wenn es farbig fein jo, 
dur Feuerwerke (f. d.). Zur Zimmer-B. bat 
das Gasliht zwar aud Anwendung gefunden, 
jedoch ift dafjelbe mit Rüdficht auf die Geſundheit 
zu diefem Zwecke nicht zu empfehlen, wenn das 
Zimmer flein u. zur Bentilation nicht eingerichtet 
it. Arbeitet man in der Nähe einer Gasflamme, 
jo ift es vortheilhaft, den Kopf durch einen Schirm 
vor der ftrahlenden Wärme zu fchügen und auch 
das directe Licht vom Auge abzuhalten. Für 
Signallichter auf Yeuchtthürmen, Eiſenbahnen zc. 
ift befonders Sorge zu tragen, daß die Lichtſtrah— 
len ſich nicht zerftreuen, fondern möglichft parallel 
bleiben, um jo in großen Entfernungen noch wirf- 
ſam zu fein. Man erreicht dies durch Aufftell- 
ung der Lichtquelle im Brennpunkte großer Hohl» 
ipiegel ober Linſen (Fresnelſche Linien). Farbige 
Beleuchtung wird entweder durch farbige Flam- 
men (ſ. Feuerwerk), oder aus weißem Lichte durch 
farbige Gläfer erhalten. Am leichteften ift es, 
rein gelbe B. zu erhalten, indem man eine Spi« 
ritusflamme mit Kochjalz verſetzt. Bgl. Lampen», 
Kerzen-, Ga8-B, 2) B. fommt bei Kunftwerfen 
in zweifahem Sinne vor. Wir ſprechen von B., 
wenn e8 fih darum handelt, in welchem Maße 
einem Bilde, einem plaftiihen oder arditeftoni- 
ihen Werfe das natürliche, oder ein fünftliches 
Licht r theil wird, von günftiger oder ungüniti- 
ger B. in Gemäldegalerien u. Muſeen plajtiicher 
Kunftwerfe; Ddesgleihen von der Wirkung, die 
ein Ban im Morgen», oder Abend» oder Mond» 
lichte macht. Bis in die legte Zeit glaubte man 
für Gemäldefammlungen fogen. Oberliht, d. h. 
durch die Dede einfallendes Licht, anwenden zu 
follen; nach neueren Erfahrungen, namentlich auf 
der mit der Wiener Weltausjtellung von 1873 
verbundenen Kunftausftelung, baben fih nam« 
bafte Sachverſtändige, wie C. v. Lützow u. A., für 
in einem Winkel von 450 einfallendes Seitenlicht 
ausſprechen zu ſollen geglaubt; doch muß die — 
noch immer als eine offene betrachtet werden. Für 


Unvorfictigfeiten, namentlih beim Berjchließen | plaftiiche Werke wird allgemein B. aus hoch an- 


Belfaft — Belfort. 125 


angebrachten jeitlichen eihtöffnungen als das gün⸗ 
I gewählt. Daß plaftiiche Werte bei gut an- 
gebradhtem Fackel · gder Kerzenlichte eine treffliche 
Birma machen, if längſt befannt,u. in italie- 
niſchen Sammlungen vieljach erprobt; es war 
daber zur B, von Sculpturen im Gapitolinischen 
Rufeum mittels Gaslicht, die bei SFeftlichkeiten 
neuerlih eingeführt ward, nur ein Schritt. Wirf- 
lichen Kunſtwerlen der Plaftit durch eine B. mit- 
tels röthlicher Gläſer den Anjchein des Fleiſches 
8 geben, muß ats Beweis auf grob ⸗ſinnliche 

irtung fpeculivenden Ungeſchmackes bezeichnet 
werden. Eine eigenthümliche Erfcheinung ift, daß 
die meiften engliihen Salonbilder für Lünftliche 
®. berechnet find, wie denn die engliche Olmale- 
ver faft ausichließlih auf den Abſatz an Private 
angewiejen ift, die damit ihre Gejellichaftsräume 
zu Ihmüden pflegen. Die Eigenthümlichleiten 
von Baumwerlen treten unter dem directen Ein- 
ſſuſe des Sonnen- oder au des Mondlichtes in 
der Regel jchärfer hervor, als im zerftreuten Lichte. 
In der Malerei insbejondere verjtehen wir unter 
B. die Art u. Weife, wie der Maler über feine 
Scenerie Piht u. Schatten verbreitet u. zugleich 
ren Urſprung erkennen läßt. Bildet auch die 
Einheit der B. in einem Gemälde, Stiche zc. die 
Regel, fo können doch einzelne Partien ihr Licht 
aus einer zweiten Duelle erhalten; es kann 
natürliches u. Liinftliches Licht neben einander her» 
laufen, u. fann das erftere ebenfo wol Tages», als 
Rondiiht fein (Doppel-B.). Ein vielfach vor- 
bommender Verſtoß gegen die Regeln der reinen 
®. befteht darin, daß Maler in ihrem Atelier, fo- 
din in gejchloffenem Lichte gemalte Studien ohne 
Veiteres auf Bilder Übertragen, deren Scenerie 
im zerfireuten Tageslichte fpielt. Da die male- 
tifche Wirkung eines Bildes auf der künſtleriſchen 
B. beruht, fo verdient diefe die ganze Beachtung 
der Maler um fo mehr, da fie zugleich von emi« 
nentem Einfluffe auf das eigentliche Colorit ift. 
Mit der Farbe zujammen bildet fie die Stimm 
ung (f. d.) u. dient jo ganz befonders zum Aus- 
drude eines poetischen Gedankens, wie wir au 
den Yandfchaftern Claude Lorrain, C. Rottmann, 
&.Schleih, E. Hildebrand, beiden Achenbach zc., 
ſewie an den Genremalern Oftade, Schalten, Knauf, 
€. Gefellihapp, 3. P. Hafenflever, Morig Müller 
u. A. ſehen. Doch aud die firenge — 
ierei macht ſich die Wirklſamleit der B. zu Nuke, 
wie namentlich Correggio u. Rembrandt beweifen. 
Bei Dioramen zc. werden im Intereſſe einer mehr 
überrafhenden als künſtleriſchen Wirkung farbige 
der matie Gläſer zur B. verwendet, mährend 
bei Transparentbildern (j. d.) das Licht nicht von 
vorn, jendern von hinten auf das Bild fällt, das 
zu dieſem Behufe mit Farben gemalt ift, welche 
dem Lichte den Durchgang geftatten. 3) (Seew.) 
©. Bejeuerung. 4) ©. u. Augenpflege. 

1) Sicfeler.* 2) Regnet. 

Belfaft, 1) Stadt in der Grafſchaft Antrim in 
der irischen Provinz Ulfter, am 236 m breiten 
gan (worüber 2 große Brüden, die eine mit 
21 Bogen) u. dem Garriefergusbufen (jet Briton 
* Eis eines tath. Biſchoſs; 73 Kirchen u. Ka⸗ 
pellen; lathol. u. methodiſt. Collegium, aladem. In⸗ 
fitut, Seminar, Bibliotheken, naturhiſtoriſches Mu- 


feum, Botanischer Garten, Kranfen-, Armen- und 
Barfenhaus, Jrrenanftalt, Blinden-Fnduftriefchule, 
Zellenftrafanftalt, Leinenhalle, große Kaferue, pradht« 
volle Ulfter-Halle für öffentliche Berfammlungen, 
Theater, Mufitpalle ; Hafen, Schiffswerften u. große, 
1839— 52 erbaute Dods; 30 Flachsſpinnereien mit 
9000 Arbeitern, 5 große Baummollenfabrifen, Seil 
u. Segeltuchfertigung, Eifengießereien u. Mafchinen- 
fabriten, Glas- u. chemiſche Fabrilen, Sägen, 
Ölmühlen, Deftillationen, Bierbrauereien (alles 
mit Dampfbetrieb); ftarter Handel (der bedeutendſte 
in Irland), welcher Leinengarn, Eifen, Salz u, 
Spirituofen aus- u, Getreide, Petroleum, Wein, 
Zuder, Thee u. ſ. w. einführt, beſ. mit England 
u. Schottland, dann mit NAmerifa u. Rußland; 
1871 174,324 (1755 nur 8600, 1801 75,308, 
1851 100,301, 1861 126,777 Ew., vorwie- 
gend Proteftanten. B. ift außer Dublin die ein- 
zige größere Stadt in Irland, welche an Volls— 
zahl zunimmt. 2) Eingangshafen im Waldo County, 
mordamerif. Unionsftaat Maine; ziemlich lebhafter 
Handelsplatz; 5278 Em. 

Belfort (Befort), 1) Territorium in Frankreich, 
vorläufig feinem- Dep. zugetheilt; grenzt an Ober« 
Elfaß, die Schweiz u. die Dep. Vogeſen, Ober- 
Sadne und Doubs; 607, m (11 (JM); 
56,781 Ew. 2) Hauptftadt defielben, an der 
Sapoureuje; von Yudwig XIV. durch Bauban nad 
jeiner 3. Manier neu erbaute Feſtung mit den 
Borwerlen La Miotte und Pa Juſtice an der 
Straße nah Kolmar, welche das befeftigte Lager 
dabei ſchützen, und mit Citabelle, feit 1847 noch 
verftärkt u. zur Feſtung 1. Klaffe erhoben durch 
die Werte Les Barres u. Les Be 
Sit mehrerer Eivil- u. Militärbehörden, Handels» 
geriht; Synagoge, Spital, Bibliothel, Theater; 
Eiſenwerle; Eifen- u. Weinhandel; 8030 Em. 
B. ift ftrategifch ein höchſt wichtiger Ort, da er,, 
in der fogen. Bodenſenkung von Altkirch ge— 
legen, alle zwijchen den Vogeſen u. dem Jura 
nach Deutichland führenden Berbindungswege auf 
nimmt u. mit dem feften Schlofje von Montböliard 
(j. d.) beherrſcht. Es war fonft Hauptort einer 
Herrichaft, welche im 14. Jahrh. an bie Graf- 
haft Ferette (Pfirt) u. im demſelben Jahrh. an 
den Markgrafen Rudolf von Baden, aber nod 
vor Ende diefes Jahrh. mit den übrigen Mümpel- 
gardihen Gütern an die Landgrafen von Ober- 
Elſaß aus dem Haufe Habsburg fam; 1633 wurde 
es vom Herzog d. Feria u. 11. März 1634 von 
den Schweden unter dem Rheingrafen Otto erobert, 
1635 verlor bei B. der Herzog von Lothringen 
eine Schlacht gegen die — u. Schweden. 
Am 29. Juni 1636 beſetzten es die Franzoſen 
unter dem Grafen de la Suze; 1648 fam es mit 
dem Sundgau an Franfreih; 1659 erhielt es 
Mazarin zum Gefchenfe; 1781 brachte es ber 
Herzog von Balentinois an fi; 1814 wurde es 
urch Bayern, Ruſſen u. Ofterreicher, fpäter von 
Letzteren allein blofirt u. am 16. April durch Ca» 
pitulation befegt; 1815 wurde es wieder von den 
Ofterreihern eingefchloffen, aber nicht belagert. 
1825— 38 wurden die Forts La Miotte u. La Juſtice 
auf den gleichnam. Bergrüden öftl. von der Feftung 
erbaut u. ſowol unter einander, als mit der Stadt« 
befeftigung u. dem 50 m über ber Stadt liegen: 

























































126 


Belfrid — Belgien (Geogr.-Statijt.). 


den Schloffe, der Eitadelle, durch Befeftigungs-| Theil der Niederlande), dur die Maas getrennt. 
linien verbunden, welde das Camp retranche | Die Bewohner von B., Belgen, waren nach Anficht 
einſchließen. 1865— 70 wurde das Fort des Barres | Mancher ein feltifch-german. Diifchvoll, nah Anderen 


auf dem rechten Savoureuſe-Ufer u. 1870 während 
der Armirung im Deutich-Franzöj. Kriege die 
Forts Hantes-Perches, Baſſes-Perches u. Belle 
vue in propiforiicher Manier erbaut; den 3. Nov. 
1870 wurde B. von der 1. Nejerve - Divifion unter 
General v. Trestom cernirt u. vom Gemie-Öberften 
Denfert-Nochereau vertheidigt. 15. Nov. Ausfallge- 
fecht von Beſſoncourt; 23. u. 24. Nov. Gefechte um 
die Höhe von Le Mont; 3. Dec. N der 
erften Bombardementsbatterie vor dem Dorfe 
Ejiert (27 Gejchüge); 13. Dec. Wegnahme der 
Wälder Bosmont u. Grandbois, 1871: 7. Jan. 
Megnahme des Dorfes Danjoutin; 15—18. Jan. 
Schlacht bei B. zwifcdhen dem 14. Armeecorps 
(General v. Werder) und der franzöfiichen Dft- 
arnıee (General Bourbali); 20. Jan, Eroberung 
des Dorfes Peroufe u. der Gehölze Taillis und 
Merveaur; 21. Jan, Eröffnung der 1. Parallele 
gegen die Forts Hautes- u. Baſſes-Perches; 8. Febr. 
Befipnahme beider Forts; 13. Febr. Eintritt dei 
Waffenrube; 18. Febr. Übergabe der Feſtung an 
die Deutſchen mittel Convention. "Bis-Juni 1873 
in deutihen Händen, dann gemäß dem Friedens— 
jchluffe an Frankreich zurüdgegeben. Die Feitungs- 
werle werden feitbem noch ungemein erweitert u. 
verftärtt. Über die Schlacht bei B. f. u. Liſaine. 

Belfrid (Belfry, Bellefroy, Beffroi), der Haupt- 
thurm einer Burg, hauptjählih als Warte die 
send; jpäter auch ſtädtiſche Glockenthürme, welche 
vielfach mit den Nathhäufern in Verbindung ftan: 
den, wie zu Gent, Brüffel und Brügge, vgl. 
auch Baufımft. 

Belgen (Belgae, a. Geogr.), Bolt in der gal- 
lichen Prov. Belgica (f. d.). Aus Gallien waren B. 
nad dem füdöftl. Britannien gezogen und hatten 
fih dort im jegigen Somerfetihire, Wiltfhire u. 
einem Theil von Hampfhire niedergelaffen; ihre 
Hauptftadt war Benta (jet Bincefler). S.England, 

Belgard, 1) Kreis im Regbez. Köstin der 
preuß. Provinz Pommern, an der mittleren Per- 
jante, auf dem Sandrüden u. deffen nördl. Bor- 
ftufe, von der Berlin-Stettiner Bahn (44 km) 
durchzogen; 1126,, [km (20, LM); 44,120 
Em. 2) Hauptftabt darin,an der Yeitnig u. Perſante; 
Progymnaſium; Schloß, Rolandsjäule; Dampf- 
fchneidemühle, Eifengießerei, Aderbau; Pferde- u: 
Nindviehmärkte; 6302 Ew. B., feit 1159 genannt, 
war von 1325 an Mefidenz des Herzogs Wratis- 
law IV. u. ift Geburtsort des Schriftjteller8 Grävell. 

Belgern, Stadt im Kreife Torgau des preuß. 
Regbez. Merfeburg, an der Elbe; Getreidehandel, 
Brauerei, Steingurfabril; Braunkohlenlager; Ro- 
landsjäule; 3105 Em. 

Belgien (a. Geogr.), eine der 3 Provinzen, 
in welde Gallien zu Cäſars Zeit getheilt war; 
lag nordöſtlich zwiſchen Vogeſen, Marne, Rhein, 
Seine u. dem Atlantifchen Meere. Im 1. Jahrh. 
wurden als bejondere Theile, nah Art einer Mi— 
litärgrenze, ausgeſchieden: Germania superior u. 
G. inferior; im 4. Jahrh. theilte man B. in 
B. prima (Isle de France, Picardie, Artois u. 


dagegen reine Kelten, wofür duch ihre Sprade u. 
Religion ſpricht (f. Keltiſche Mythologie); bej. ward, 
nad aufgefundenen JInſchriften zu jchließen, bei 
den Belgen Nehalennia, der Hercules Maguſauus 
u. Saxanus (j. d. A.) verehrt, mit dem Magu— 
ſanus, einem Wafjergotte, wird die Göttin Hacva 
erwähnt. Ein Hauptfit des belgiſchen Heiden- 
thums fcheint Zeeland gemweien zu fein. Die 
Belgen zerfielen in 15 Völlerſchaften, darunter 
die bedeutendften die Bellovalen um Beauvai‘, 
die Suefjionen um Soiſſons, die Nervier ur 
Namur, die Abuatifer, u. waren fo zahlreich und 
mädtig, daß fie 300,000 Manu in das yet 
jtelen fonnten. Die erfte biftorijhe Erwähnung 
diefer Voller finder fih in Cäſars Galliſchem Feld— 
zuge, defjen fchwierigfter Theil ihre Unterwerfung 
bildete. Im Jahre 57 befegte er theils durch 
frempillige Unterwerfung (jo der Gueffionen), 
tbeil$ durch die Schladt an der Sambre worin 
die Mervier, Atrebaten, Beromanduer bis zur 
Auflöfung geichlagen wurden, das Land; ber 
Aufftand der Eburonen im Jahre 53, wobei 2 
römiſche Legionen unter Sabinus u. Cotta auf— 
gerieben wurden, die dritte unter DO. Cicero dem 
Untergange nahe war, ftellte alles in Frage, bis 
es Cäjar gelang, durch ſchnelle Concentration feiner 
Truppen die Ruhe wieder herzuftellen. Einzelne 
Bölterjchaften, wie die Nerpier, Eburonen, wurden 
dabei vollftändig vernichtet. 

Belgien. Geograpd.-Statiftifhes. Seit 
1831 Königreih; grenzt nordweſtl. an die Nord» 
jee, nördl. und nordöſtlich an die Niederlande, 
öfl. an die Preuß. Aheinprovinz und Luxemburg 
u, fübmweftl. an Frankreich. Seine Größe beträgt 
29,455,,6 [km (534,., [IM), mit einer Bevöls 
ferung, weldye bei der legten wirklichen Zählung 
(1866) 4,829,320 Seelen betrug, nach den (tm der 
Regel jedoch eine etwas zu hohe Ziffer ergeben« 
den) Berehnung des Statift. Bureaus auf Grund⸗ 
lage der ermittelten Bevölkerungsbewegung für 
Ende 1873 5,253,821 gejtiegen jein wuͤrde. 8. 
ift in 9 Provinzen eingetheilt, welche folgende 
Größe u. Bevölterung haben: 

Q.Am DM. Ew. Ende 1873, 


Antwerpen 2831,33 Bi. 513,543 
Brabant 3282,08 59,82 922,468 
OFlandern 2999,55 54,4 854,366 
Wrlandern 3234,,, 58,4 682,921 
Hennegan 3721,98 67,59 932,036 
Namur 3660, 55 6,40 316,331 
Lüttich 2893,55 52,56 623,165 
Limburg 2412,54 43,81 202,922 
luremburg 4417,46 80,33 206,069 
29,455, 53hrns 5,253,821. 


Nach jeiner Bodenbeihaffenheit bildet B. im 
NW, u. N. eine große Ebene, die gegen das 
Meer (Küftenlänge 70 km), wo ihre Streden 
Polders heißen, durch Dämme u. Dünen geichügt 
werden muß u. bier mit Ausnahme einiger Heide- 
ftreden meift ſehr fruchtbar if. Dagegen im ©. 
u, SW. ift B. durd den Ardenner- Bald u. feine 


der mweftliche Theil der Niederlande) u. B. secunda |nördi. Abdachungen gegen Lüttich u. Namur bergig 
(Lothringen, ein Theil von Champague, der öftl.'u, waldig. Doch find die Erhebungen diejes Landes- 


Belgien (Ocogr.-Statift.). 


theils nicht bedeutend, indem die höchſten derjelben 
nicht einmal 700 m erreichen u. auh nur Pla- 
teaux mit fteilen Flußthälern im SO. find, 
Eigentlihe Berge gibt es überhaupt nicht im 
Lande. Der Boden ift in diefen hügeligen Ge- 
genden theils fteppenartig, theil® jumpfig u. bringt 
neben Wäldern fajt nur Biehweiden hervor. In 
geognoſtiſcher Beziehung ift B. meift ange 
ſchwemmtes Land, das in den höheren Gegenden 
Shiefer- u. Quarzmaſſen enthält, Die Flüfje 
B⸗s, welche ſämmilich ihr Waffer in die Nordiee 
jenden, find: Scheide (linls mit Ws, rechts mit 
Dender, Rupel, letstere aus Dyle u. Nethe ent- 
Randen), Maas (lintS mit Sambre, rechts mit 
Semoy, Durthe, Leffe), Mier (redyts mit Yperlé). 
Stehende Gewäſſer gibt es nur unbedeutende 
(Beiher u. Simpfe); das flahere B. wird aber 
von 29 der Schifffahrt u. der Bewäfferung dienenden 
Kanälen durchzogen, welche mit den jchifibaren 
Streden der natürlichen Flüſſe 1438 km meſſen. 
Das Klima ift im Ganzen gemäßigt u. zur Hervor- 
bringung von Feldfrüchten jehr geeignet; auf den 
bergigeren Gegenden ift es etwas rauber; in ben 
Marihgegenden feucht u. ungefund mit auffallen- 
dem Temperaturwechſel: Brüſſel hat bei einer 
Seehöhe von 87 m eine mittlere Wärme von 
+ 10° 2* im Winter u. im Sommer von 18° 2%, 
Producte: Zuctvieb (def. Pferde ſchwerſter Art, 
Rinder, Schweine), Wild (meift in dem füdlicheren 
Gegenden), Geflügel, Bienen; befond. Getreide 
(Reizen), viele Handelsgewächſe, Holz (mur auf 
den Ardeunen reichlich, außerdem Waldvon Soignes, 
füdlih von Brüffel); Metalle: bei. viel Eijen und 
Steinloblen (ſ. u.), ehvas Blei, Kupfer, Zink, 
Marmor, Alaun, Torf, Thonerden; Mineralwaſſer 
(Zpaa). Die Einwohner (Belgier) beftehen aus 
2 Hauptſtämmen: a) Wallonen (1866: 2,041,784), 
fait durdhweg im Gebiete der Maas; find franzo 
ſiſchen Uriprunges, reden einen alten franzöfiichen, 
vielſach mit fremden Elementen vermengten Dialelt 
Walloniſch); b) Flamländer (Blemen, 2,406,491), 
im Gebiete der Schelde; fie reden flamländiſch, 
einen Dialekt des Niederländiichen u. mit diefem des 
Plattdeutſchen. Die beide Vollsſtämme jheidende 
Linie zieht fich ziemlich gerade von W. nad O., 
indem fie bei Doornif an der franzöf. Grenze be» 
ginnt u. in der Gegend von Aachen an der deutjchen 
Grenze endigt. Zwiſchen beiden Stämmen herrſcht 
eine ftarle Kiferfucht, die zuweilen in Nationalhaß 
übergeht. Unter diefen beiden Nationen find 
Deutiche (bef. in Lüttich ı. Limburg), Franzofen 
(bei. in Luremburg u. ——— u. Holländer 
(im Limburg) gemiſcht. Die Sprade der Ge- 
„tildeten ift faft allgemein franzöſiſch, auch ift die 
elbe feither die Geſchäflsſprache geweſen; doch find 
gegen dieſe, als ſolche, neuerdings von den Flam- 
ländern Agitationen erhoben worden, die nicht ohne 
Lirtungen geblieben find (f. Flamismus unter 
FRämiſche Sprache u. Literatur). Der Bolls- 
daralter ift hiernach nicht gleihmäßig: die füdl. 
Ballonen ähneln den Franzoſen an Erregbarteit 
u. Tapferkeit, find ihnen aber-an Munterleit u. 


127 


thätig m. freundlih. Die Zunahme der Bevölter- 
ung Bes ıft eine bedeutende. Ende 1831 betrug 
die Vollszahl 3,785,814, 1846: 4,337,196, 1856. 
4,529,560, 1866: 4,829,320; es fand alfo in 
diefen drei Perioden eine jährlihe Zunahme von 
O,42, Ogar Ogz pt. ftatt., In den Jahren 1851—1860 
wurden 1,371,197 Geburten (davon 108,484 un« 
ebelihe) u. 1,020,269 Todesfälle gezählt; i. J. 
1868 163,619 Geburten, 36,271 Hetwathen u. 
115,041 Todesfälle, Unter den Geborenen waren 
84,210 Knaben (6283 umebeliche) und 79,409 
Mädchen (5825 uneheliche). Im J. 1868 wurden 
60 Ehen geſchieden, u. wanderten 9600 Perſonen 
ein und 12,015 aus. Auf den [km kommen 
(1870) 173 Einw. Am ftärkiten ıft O Flandern 
bevöffert, mit 279 Ew. auf 1 [Jkm, am ſchwäch— 
jten Luremburg mit 47; Antwerpen kommt dem 
Sejammtrefultat ungefähr gleich; zwifchen ihn u. 
Luxemburg fteben ‚nur Namur u. Pimburg, die 
übrigen ſämmtlich höher. Das Berhältnig zwiichen 
der jtädtifchen u. ländlichen Bevölkernng in B. ift 
derart, da 1866 in 131 Gemeinden von 5009 u, 
mehr Ew. 1,787,373, in 2429 Gemeinden von ges 
ringerer Vollszahl 3,046,460 Seelenlebten. Städte 
über 100,000 Ew. gibt es 4 (Brüffel, Antwerpen, 
Gent u. Lüttich), zwischen 560—100,000 feine; die 
nächſt größte Stadt ift Vrligge mit 47,205 Ew.; 
weitere über 10,000 Ew. gibt es 39. Die Zahl 
der bewohnten Häufer betrug 1866 929,792, der 
unbewohnten 56,369. Unter ben Erwerbszweigen 
der belgischen Bevölterung ifteiner der wichtigjten die 
Landwirthſchaft, mit der fih 25 %, der ganzen 
Bevölferung befchäftigt und die, obwol bie localen 
Berhältniffe dem Aderbau nicht ganz günftig find, 
bejonders in den drei nördl., altberühmten Pros 
vinzen Brabant, Oft- u, Weitflandern und dem 
Hennegau, ſchon feit früheſten Zeiten auf einer 
jeltenen Stufe der Ausbildung ſteht. Wo früher nur 
Sand u. Heide, finden wir jetst die bevölfertite 
Gegend Europas, ein Zeichen außerordentlicher 
Fruchtbarkeit u. Wohlhabenheit. Feder Fuß breit 
Yandes wird ausgenugt u. durch zwedinäßige Ber 
arbeitung u. ftarte Dingung in einen Zuſtand 
verfett, in welchem man ihn fonft als Garten- 
land bezeichnen würde. Der Dünger, die Gold» 
grube des Fandwirthes, genießt dort volle Beacdht- 
ung. Die meiften Ställe find jo eingerichtet, daß 
die Ereremente der Thiere in einer geräumigen 
Vertiefung hinter dem Biebftande ſich anſammeln 
u, von da gleich auf das Feld gefahren werden 
fünnen. Reicht der Stall zur Aufbewahrung des 
Mijtes nicht aus, fo wird derjelbe in große Hau» 
fen in die Nähe des zu düngenden Feldes ge» 
fahren u. mit Erde bevedt. Außer dem Stall» 
mifte fammelt u. verwendet man alle düngenden 
Stoffe, bejonders gilt diefes von dem Federvieh— 
mifte, den menschlichen Ercrementen u.dem Straßen» 
fothe. In großen Städten ift ein forgfältiges 
Abfuhrſyſtem eingeführt, u. wo dies nicht der Fall, 
werden die Ercremente auf andere Weiſe geſam— 
melt u. die gewonnenen Fäcalien auf Kanälen 
weit ins Land geführt. Auf den yeldern werden 


Leichtigleit nicht gleich; die Flamländer ähneln den ſie alsdann in gemauerten u. cementirten Cifter- 


Holländern, ohne ihnen aber an Feftigkeit gleich. 
zulommen; bie Belgier des platten Landes, bei. 
in Flandern, find daneben ftreng religiös, wohl: 


nen bis zur directen Verwendung aufbewahrt. 
Der Berfauf der Latrinen geſchieht, um vor Ber- 
dünnung während der Fahrt fiher zu fein, nad 


128 


bedeutender. Eine eigenthümliche Art des Dün- 
ens ift das Dverbuylen oder Miftüberbreiten, 
— für Gerſte gebräuchlich u. darin be— 
ſtehend, daß der auf die⸗Beete gebreitete Miſt 
aus den marlirten Furchen mittels eines Spatens 
mit Erde beworſen wird. Da in Belgien nur in 
den jeltenften Fällen Brache gehalten wird, der 
Ader vielmehr ununterbrodhen Früchte tragen 
muß, jo wird auf Bearbeitung des Bodens, 
— — u. Reinhaltung deſſelben von Unkraut 
großes Gewicht gelegt. Es iſt deshalb das Jäten 
faſt allgemein üblih. Wie weit der Belgier in 


der Verwerthung feines Bodens zu gehen ſucht, zucht in OFlandern. 


bemeift, daß er faft bei jeder Frucht noch eine 
Zwiſchenfrucht zu erzielen weiß, 4. B. Hanf ftart 
gedüngt, Weizen gebüngt (Zwiſchenfrucht Mohr- 
rüben), Lein (Zwiſchenfrucht Runfelrüben), Rog- 
en, ftark gebüngt (Zwiſchenfrucht Turnips), x. 
ie Fruchtfolgen find übrigens nach der Beichaffen- 
beit des Rodens u. nad) den Provinzen jehr ver- 
ſchieden; auf Marihboden faft ohne alle Düngung: 
Klee, Weizen, Brache, Wintergerfte, Widen, Ha- 
fer; auf firengem Lehmboden: gedüngte Brache, 
Roggen, Hafer, Klee überbiingt, Weizen, Hafer, 
Kartoffeln gedüngt, Widen, Roggen, Ei auf 
utem fandigem Yehmboden: Klee, Weizen, Hafer, 
Sein, Roggen, Raps, Wintergerfte, oder Weizen, 
Roggen; auf trodenem lehmigem Sandboden: 
Weizen, Roggen, Hafer, Klee, Wintergerfte, 
Buchmeizen; auf geringem Sandboden: Kar⸗ 
toffeln oder ein, Roggen, Hafer, Klee. Das 
Getreide wird, trotzdem die MWitterungsverhält« 
niffe ungünftiger find, als in Deutſchland, nur 
theilweife in Scheunen, zum größten Theil in 
Feimen im Freien aufbewahrt. Unter den Fut- 
ſergewächſen dominirt der Klee überall, ausge 
nonımen in der Gampine, wo deſſen Stelle die 
Serradella u, der Spörgel vertritt. Inter den 
Burzelgemwächfen jpielen die Rüben die Hauptrolle, 
welche aber meift nur als Zwiſchenfrüchte gebaut 
werden; dafjelbe gilt von den Möhren u, Huntel- 
rüben. Zn den Gegenden mit leichtem Boden 
werden fogar Kartoffeln als Zwiſchenfrucht gebant. 
Unter den Handelsgewächſen fteht ber Flachs 
obenan, beſonders in Flandern u. im Waeslande; 
Hanf in Dendermonde, Raps in Brabant u. an 
den Ufern der Dender. Der Raps wird nicht 
geſäet, ſondern gepflanzt. Außerdem baut man 
beſonders zwiſchen Aloſt u. Brüſſel viel, in der 
Umgegend von Poperingue den beſten belg. Hopfen. 
Moin, Tabak, Krapp u. Wan werben nur wenig 
angebaut. Daß B. in Bezug auf Landwirthſchaft in 
jeder Beziehung eine hervorragende Stellung ein- 
nimmt, zeigt auch fein ausgebildetes Bachtrecht. Bei 
der gewöhnlich kurzen Pachtdauer ift es üblich, daß 
der anziehende Pächter feinem Vorgänger jede auf 
ein Feld verwendete, noch nicht ausgenugte Arbeit, 
wie Pflügen, Eggen, Walzen ꝛc., ja jelbft bie 
durh Sachverſtändige abgejhätte Dungkraft im 
Boden bezahlt. In neuefter geh hat die Drainage 
große Fortſchritte gemadt. Dem landwirthichaft- 


Belgien (Landwirthſch., Induftrie). 


fpec. Gewicht. Auch der Berbraud der künftlihen am meiften angewandte Transportmittel ift in Bel- 


Düngemittel, befonders des Guanos, ift ein ganz gien die Karre, 


Sorge für einen möglichſt großen 

orrath von Dünger u. gartenmäßige Bearbeitung 
des Landes find die Hauptpunfte, durch welche die 
belg. Pandwirtbichaft einen Ehrenplat neben der 
engl. ſich gefihert hat. Bol. Schwerz, Anleitung 
zur Kenntmß der beig. Landwirthſchaft, Halle 1807, 
2 Bde.; P. A. Poggendorf, die Landwirthſchaft 
in Belgien, Lpz. 1858; Guſtav Krauß, Die Yand- 
wirtbihaft in Flandern, Verl. 1873. Die Bich- 
zucht wies i. J. 1866 283,163 Pferde, 1,242,445 
Kinder, 586,097 Schafe, 632,301 Schweine auf. 
Die Pferde- u. die Schafzudt war amı ftärkften 
in Luxemburg, die Rindvich- uud die Schweine- 
Eine weit größere Be- 
deutung hat jedoch in B. die Induſtrie, die 
durh Speculationsgeift, Actiengeſellſchaften zc. feit 
1830 fi) weit über das Doppelte gefteigert hat. 
Leinwand wird gut u. fein bearbeitet (Spigen) u. 
behandelt, vorzüglih in den weftlidhen Provin— 
zen, wobei ?/, Million Menſchen beſchäftigt find; 
man zählt 820,000 Spindeln u, 5000 medan, 
Webftüihle; jährlich werden 80 Mill, kg rober 
Flachs verbraudt u. für 25 Mill. Fes. Waaren 
ausgeführt. Baummplienwaarenfabriten find theils 
in Flandern und Brabant, theils in der Provinz 
Lüttich jehr belebt und erzeugen mit ®%, Mill. 
Spindeln fir 75 Mil. cs. Wolle in Fäden 
und für mehr als 74 Mill, Fes. Gewebe; Tuch— 
bereitung beſ. in Berpiers u. Difon (die Ausfuhr 
beträgt fit einer Reihe von Jahren 40—45 Mill. 
Fces.); Leder (Maftrichter Sohlenleder), Glas 
(im Hennegau 57 Glashütten mit 7370 Arbeitern 
und 27 Dill. Fes. Productionswerth), Papier, 
Hüte, Seife, Kutihen, Ziegel, Strümpfe, Holz- 
ſchuhe (aus dem Waeslande); Bier (1865 2638 
Brauereien), Branntwein, Nübenzuder (150 Fab ⸗ 
rifen mit 33,000 Arbeitern), Eifig. Berühmt find 
die Eifenwaarenfabrifen (Gewehre u. Kanonengie- 
Bereien zu Lüttich, Klingen u. Meffer zu Namur; 
die — Fabrik in allen Zweigen, beſ. Maſchinen, 
in Seraing beſchäftigt allein 9000 Menſchen u, 
223 Dampfmafcdinen), melde durch die Maffe 
von Steintohlen, die allenthalben gewonnen werden, 
bei. begünſtigt werden. An dieſem Product iſt B. 
ungemein reich; es nimmt unter den Kohlen er- 
zeugenden Ländern die fünfte Stelle ein. 1866 
waren 155 Steintohlengruben im Betriebe, welche 
fih über 86,051 ha erjtredten und 86,721 
Arbeiter m. 857 Dampfmaſchinen beſchäftigten. 
Unter den Arbeitern befanden fich zahlreiche rauen 
u. Kinder, und zwar unterirdilih 76 %, Frauen, 
128 %,, Knaben u. 55 %. Mädchen, oberirdifch 
138 9/,, Frauen, 95 °/,, Knaben und 93 * 
Mädchen, Erzeugt wurden 12,774,662 Tonnen 
Kohlen, wovon 8,987,136 Tonnen im Lande felbft 
verbraucht wurden. 1870 flieg die Production 
auf 18,697,110 Tonnen (Werth: 20 Mill. Fes.) 
1871 auf 13,733,000 Tonnen, wovon das Yand 
jelbft 9,800,000 verbrauchte. Die iibrigen Berg- 
werte befchäftigten 10,686, die 431 Hüttenwerfe 
(movon 335 für Eifen) 20,799 Arbeiter, Unter den 
Metallen fteht in der Production das Eifen voran. 


lichen Unterrichte fchenft man die gebührende Auf-/An Eifenerzen wurden 1870 654,332 Tonnen 
merffamteit. Bewäfferungen der Wiefen u. der (für 5°/, Mill. Fes.), an Roheifen 565,234 Tonnen 


Ader find, wo irgend rentabel, angelegt. 


Das (für 25 Mill. Fes.), an Stabeifen 491,563 Tonnen 


Belgien (Handel u. Verkehr, Staatsverfaffung). 129 


(für RO Mil. Fes.) erzeugt. Demnächſt famen 
Gußwaaren (67,045 Tonnen), Zint, Binterze, 
Blech u. Draht, Schwefelkies, Bleierze, Blei, Stahl, 
Alaun u. Nickel. 

Handel und Verkehr. Der Aufſchwung, den 
der belgiſche Handel ſeit 10 Fahren genommen, 
if großartig zu nennen; es flieg nämlich die Ein» 
fuhr von 1254,, Mill. Fes. pro 1864 auf 2424,, 
Nil. pro 1873, während die Ausfuhr von 1172,, 
anf 2164,, Mil. cs. wuchs. Die Werthe pro 1871 
vertbeilen ſich, wie folgt: 


Einfuhr. | Ausfuhr. 
Millionen Fes. 


tnd- u, Flußtransport 1483, , | 1502,, 


Seetransport 941,,| 662,, 
Davon: 
gür den Couſum, refp. belgische 
Baaren 1322,, | 1158,, 
Für reip. aus Entrepots 138,.| 27,0 
Jur Ducchfuhr 978,2 | 978,, 


Dieie Zahlen begreifen nur Waaren, feine Edel: 
metalle, von denen 1404,, Mil, ein- und 1315 
Rill. 8. ausgeführt wurden. Hierbei waren 
betbeiligt: 





| Einfubr, | Ausfusr. 


Aus und nad: | Millionen ges 





Preußen 222,, 1124 
England 41,,| 154, 
Hranfreich 1135,, | 33,, 


Leim Waarenhandel war die Betheiligung fol- 
gende: Frankreich, Einfuhr 28,,%, Ausfuhr 
27,0%; Deutfchland 22,,, bezw. 28,,;5 Groß: 
britannien 14,,, bezw. 21,,; Niederlande 11,,, 
bezw. 11,,;5 Berein. Staaten von NAmerifa 5,,, 
bezw, 1,,; Argentina 3,,, bezw. O,,; Rußland 
3,4 bezw, O,, ; Schweiz O,,, bezw. 2,, °/o &. 
Von den einzelnen Ärtileln entfielen auf: Seide 
u. Stivenwaaren, bei der Einfuhr 311,, Mil. 
%8., bei der Ausfuhr 277,, Mill. Fs.; Wolle 
u. Bollenwaaren 387,,, bezw. 348,,; Gerealien u. 
Diehl 258,,, bezw. 51,,; Colonialwaaren 138,,, 
bezw, 77,,5 Baumwolle und Baummollenwaaren 
114,,, bezw. 70,, ; Flachs zc. 100,,, bezw. 178,,; 
Sol; 65,,, bezw. 19,,; Wein 35,,, bezw. 15,0; 
Steintohlen u. Cole, 19,,, bezw. 148,,; Ma- 
inen 31,,, bezw. 67,,; Häute 99,,, bezw. 63,5; 
Eiien, Stahl zc. 68,,, bezw. 122,,; Kurzwaaren 
%9,,, bezw. 44,,; Metalle 64,,, bezw. 56,, Mil. 


1, ſ. w. 
Der Schiffsverlehr ergab folgende Ziffern: 


Eingelaufen. | Ausgelaufen. 
Trogfäbigkeit.| _.. |Tragjähigteit. 

Schiffe. Dee. | Schiffe. Kennen, 
1872 6134 | 1,878,106 | 6241 | 1,907,530 
1873 6854 | 2,438,0711 6794 | 2,835,793 


Bon diefen Tonnenzahlen kommen auf Dampfer 
$, auf Segler 4. Bon den fremden Staaten war 
fi eo allein mit über 50%, an dieſem Verfehre 
betheiligt. In Bezug auf die Häfen behauptete 








marine war feit Jahren entfchieden im Abnehmen 
begriffen, doch zeigt das Fahr 1873 gegen das 
Vorjahr wieder eine Zunahme, Es beftanden 41 
Segler u. 28 Dampfer gegen 40 Segler u. 19 
Dampfer mit zufammen 46,939 Tonnengehalt, 
wovon auf Antwerpen allein 40,656 T. kommen, 
Zu Lande wird der Handel befördert durch gute 
Straßen (1867: 7096 km) u. viele Kanäle (f. 
oben), fowie durch das große Netz von Eifen- 
bahuen, deifen ganze Länge 1874 3386 km be 
trug, von denen 177 im Bau u. die anderen im 
Beiriebe waren. B. nimmt in diefer Hinficht von 
allen Ländern verhältnißmäßig den erften Rang ein. 
Die Telegraphenlänge betrug 4430 km mit einer 
Gefammt-Drahtlänge von 15,802 km. Haupt« 
banken: die Nationalbanf, La Söociets generale 
pour favoriser l’industrie nationale, die Belgifche 
Bank (diefe 3 in Brüffel), die Banque Lie- 
geoise in Yüttih u. Banque de Flandern in Gent; 
. m. Banfen. Die gegenwärtige Staats» 
verfaffung ift mach der vom Nationalcongreß 
errichteten Conftitution vom 25. Febr. 1831 
(deutsch officiell heransgegeben, Brüffel 1831) die 
einer verfaffungsmäßigen Repräſentativmonarchie, 
deren Gewalt im Volle rubt, aber deren (nach Orb» 
nung der männlichen Erftgeburt, mit beftändiger 
Ausſchließung der Frauen) erbliches Oberhaupt ein 
König ift, u. zwar als erfter Regent Leopold I. aus 
dem Haufe Sadfen-Koburg-Gotha (jeit 21. Juli 
1831). Die Perion des Königs ift unverletzlich, 
u. er übt unter fteter Contraſignatur der dadurch 
berantwortlihen Minifter allein die vollziehende 
Macht aus, theilt aber die gejeßgebende u. das 
Befteuerungsrecdht mit der Nation. Seine Civil- 
lifte beträgt etwas über 3 Mill. Fes. Dem König 
fteht Begnadigungs- u. Münzrecht, Berleibung von 
Orten u. Adel, ohne jedoch Vorrechte daranı 
fniipfen zu können, Oberbefehl der Land» und 
Seemadt, Recht auf Krieg u. Frieden zu; doch 
haben die Großmädte 1831 B. eine ewige Neu— 
tralität zugefihert, Der Kronprinz berg von 
Brabant) wird mit dem 18. Jahre in den Senat 
aufgenonmen, ift aber erft mit dem 25. Jahre 
ftimmfähig. Jedem Belgier, od. durch Berleih- 
ung des großen oder Heinen Indigenats (La 
grande et petite naturalisation) ihm gleichen 
Fremden fteht Gleichheit, Freiheit der Berfon, 
des Unterrichtes, der Neligion, der Sprache und 
Preſſe, das Necht der Afjociation, Berfammlung 
u. Petition, u. Unverletlichkeit der Wohnung zu. 
Auch dem Aufenthalte der Fremden find nur in 
dringenden Fällen durch Gefeg vom 22. Septbr. 
1835 (abgeändert 1841) Beichränkungen auferlegt 
u, ihre Auslieferung durch Gefeg vom 1. Okt. 
1833 auf gewiffe Fälle zurücgeführt, wegen deren 
mit mehreren Staaten ein Cartell geſchloſſen ift. 
Die Nationalvertretung geichieht in 2 Kam ' 
mern, deren Mitglieder von dentelben Wahlcollegien 
fir den Senat auf 8, in die doppelt fo zahlreidye 
Repräfentantenfammer auf 4 Jahre (in letztere 
mit einem Monatsgehalte von 240 7518.) ge 
wählt werden; alle 2 Jahre tritt die Hälfte der 
weiten Kammer u. alle 4 Jahre die Hälfte des 
Senats ab; auf 40,000 Seelen kommt 1 Depur 


Antwerpen mit je 2 Mil. Tonnen Eingang u.|tirter der Zweiten Kammer. Die active Wahlfähig- 
Ausgang den Vorrang. Die belgiſche Haudels- keit ift einem nicht jehr hohen Cenſus, die palfive 


vieters Univerfal-Eonverfations-?ezilon. 


6. Aufl. ii. Daub. 9 


130 


nur für die Senatoren einem Genfus von 2000 
ts. unterworfen. Beide Kammern verhandeln 
öffentlich, wählen ihr Bureau felbit, beichließen 
nach abfoluter Stimmenmehrheit, u. fein Mitglied 
darf für feine Außerungen zur Necenichaft ge 
zogen werden. Das Budget wird jährlich feitge- 
ſetzt, die Nepräfentantenfammer wählt die Mit- 
glieder des Rechnungshofes u. hat das Recht der 
Minifteranflage vor dem Caffationshofe. Staats- 
verwaltung: Die vom König beliebig gewählten 
Minifter bilden das Staatsminifterium; den De- 
partementsminifterien des Innern, der Juſtiz, 
Finanzen, der auswärtigen Angelegenheiten, des 
Krieges u. der öffentlihen Bauten find General- 
fecretäre beigegeben. Das Land wird in 9 Provinzen 
(. oben), dieie in 41 Bezirke (Arrondiffements), 
letstere in Kantone u. diefe in Gemeinden gerheilt. 
Für jede Provinz ernennt die Regierung einen 
Gouverneur, welcher nad dem Provinzialgefete 
vom 30. April 1846 unter Beirath eines von 
den Wahlcollegien auf 1 Jahr erwäbhlten, auf 14 
Tage jährlich im Juli fi verfammelnden, öffent: 
lih berathenden WProvinzialratbes u. außerdem 
deifen aus 6 Mitgliedern bejtehenden ftändigen 
Deputation die Bermwaltung der Provinz leitet. 
Das Budget der Provinz wird vom Provinzials 
rathe votirt u. feine Verwendung geprüft. Doch 
bedarf es der füniglihen Bejtätigung. Für jeden 
Bezirk it ein Bezirkscommiſſar beftellt; jeder Ge- 
meinde ftehen nach dem Gemeindegeſetze vom 30. 
März 1836 ein Bürgermeifter u. 2 bis 5 Schöp- 
pen bor, melde die Hegierung auf 6 Jahre aus 
den mit der Gontrole beauftragten Gemeinde— 
rätben ernennt, die ihrerjeits von den Gemeinde— 
bürgern auch auf 6 Jahre gewählt find (vgl. 
Faider, Coup d’eil sur les institutions provine. 
ot commun. en Belgique, Brüffel 1833; Gachard, 
Preeis du regime municipal de la Belgique, 
ebd. 1834). Gerichtsverfaſſung: Unabhängig« 
feit u. Umabiegbarkeit der Richter, Mündlichkeit 
u. Öffentlichleit des Verfahrens, Begründung der 
Urtheile gewährleiftet die Conftitution. Die Strei- 
tigkeiten über bürgerliche u. ftaatsbürgerliche Rechte 
geheren in 1. Inſtanz vor die FFriedensgerichte, 

ivil- u. Handelstribunale, deren Richter der 
König ernennt; in 2. Inſtanz vor die Appella- 
tionshöfe, deren es 8 gibt u. deren Präfidenten 
u. Näthe vom König aus 2 Liften der Gerichts- 
höfe u. des Provinzialhofes ernannt werden. Es 
gibt für ganz B. einen Gafjationshof, der nicht 
über den Grund der Sachen, mit Ausnahme der 
Minifteranflagen, fondern nur über die Fragen 
der Formverlegung und der unrichtigen Anwend- 
ung des Rechtes erfennt, u. deſſen Räthe der 
König nah 2 Liften des Senats u. des Caffa- 
tionshofes ernennt, welcher wie die Appellations- 
böfe jelbft die Präfidenten aus eigener Mitte wählt. 
Für alle criminal-politifchen u. Preßvergehen befteht 
die Jury, deren Verfahren das Gejeg vom 15. Mai 
1838 regelt; Boltzeiübertretungen gehören vor die 
Friedens⸗, Vergehen vor die Zuchtpolizeigerichte, 
Mit der franzöſiſchen Herrfchaft ift die franzöſiſche 
Geſetzgebung, mamentlih die 5 franz. Codes, 
eingeführt, welche nur theilweiſe u. örtliche Ab- 
änderungen erlitten haben. Am wictigften mar 
unter niederländischer Herrſchaft die Aufhebung der 


Belgien (Verfaſſung 2c.). 


Jury dur Decret vom 6. Nov. 1834, welche aber 
nach der belgischen Revolution mwiederbergeftellt u. 
neu organifirt wurde (vgl. Henry, Expose des chan- 
gements operes dans la legislation penale en 
Belg., Gent 1834.) Uber die Revifion des Code 
penal vgl, Haus, Observations sur le projet 
de revision du Code penal, ebd. 1835—36, 
3 Bde. Das Römiſche Recht hat auf B. großen 


Einfluß Er u. deffen Rechtsbildung ſich vor- 
züglih Deutichland zugewendet (vgl. Warnfönig, 


Über die Wichtigkeit des Belgiihen Rechtes für 
Deutſchlands Rechtsgeſchichte, Freib. 1836). Die 
bedeutendſten Landrechte waren die von Lüttich, 
von Limburg von 1682, von Stavelot, von Flan—⸗ 
dern (vgl. Ehriftgn, Brabants Mechte, Antw. 
1682, 2 Bde.); die wichtigſten Stadtrechte (vgl. 
te Grand, Coutnmes de Flandres, Cambray 
1719, 3 Bde, Fol.) von Antwerpen, Brüiſſel, 
Gent, Ville, Mecheln u. Lüttih, wo unter dem 
Namen Paix alte Statuten bejtanden, woraus 
ein Rechtsbuch, Pawillart, entitand. Bat. Warn- 
fönig, Flandriſche Staats- u. Nechtsgefchichte, 
Tüb. 1835—39, 3 Bde. ; Rapfaet, Analyse des 
droits des Belges, Gent 1824—26, 3 Bde. Fi- 
nanzen: Gtaatseinnahmen nach dem Budget 
von 1874: 229,643,000 Fes., Staatsausgaben 
236,417,402 Fes. Die Staatsichuld theilt ſich in 
die ordentlide, von der Organifirung des König- 
reiches (wobei 220 Mill. cs. 24 procentige als 
Antheil an der Schuld der Niederlande übernommen 
wurden), oder gewiſſen Ereigniffen herrührende, u. 
die außerordentliche, durch öffentlihe Bauten u. 
Eiſenbahnen, Kanäle zc. veranlaßt. Die Gefammt- 
fumme betrug 1. Mai 1874, einichließlih des 
Erwerbspreijes der Privateifenbahnen, 1058 bis 
1060 Mill. 758. Der Religion nad ift die über- 
wiegende Viehrzahl der Bevölferung fatholifcher 
Confeſſion; man ſchätzt die Zahl der Proteftanten 
auf etwa 15,000 (die Zahl proteftantifcher Ger 
meinden beträgt nicht mehr als 12), die Juden 
auf 3000, Diefe Zahlen find jedoch weit unter 
der Wirklichkeit. Die Katholiten haben 1 Erz 
biſchof und 5 Bijchöfe; heute zählt B. etwa 180 
Mönds- u. über 1500 Nonnenköfter, zufammen 
mit etwa 3000, rejp. 15,300 Bewohnern. Der 
Geldwerth des im Beſitze der Todten Hand be» 
findlihen Grundes u. Bodens berechnet ſich auf 
weit über 200 Mill., mit einem Jahresertrage 
von 9,555,322 Fes. (1866, officiell), davon follen 
jedoh auf die eigentlichen Geiftlichen - Stiftungen 
nur 1,749,848 Fes. Nenten- gegen 50 Millionen 
Capitalwertb fommen, was jedenfalls jehr unvoll- 
ftändige Angaben annehmen läßt. Die öffentliche 
Gottesverehrung ift allen Religionen gewährleiſtet. 
In wiffenschaftlider Hinſicht ift B. in der 
ihönften Entwidelung begriffen, fo viele Feſſeln 
auch dem Unterrichte Durch den Ultramontanısmus 
angelegt find. Univerfitäten find zu Lüttich und 
Gent (vom Staate unterhalten), zu Löwen (von 
der Kirche unterhalten), zu Brüffel (freie, von den 
Logen unterftügte Anftalt); königliche Athenäen 
(Gymnaſien) 10; nebenbei viele Gemeinde» und 
Privatichulen, Ecoles moyennes 50, eigentliche 
Vollsſchulen 1864: 5664; Gelehrte GSefellichaften 
(Akademie der Wiffenichaften zu Brüffel, Nadeifer- 
ungsgejellfhaft zu Lüttih u. a.). Die Frage des 


Belgien (Militärwejen ꝛc. — Geſchichte bis 1598). 


öffentfichen Unterrichtes ſteht mit der ganzen belg. 
Geichichte in einen jehr genauen Zufammenhange. 
AUSB. mit den nördlichen Niederlanden zu einem 
Königreiche vereinigt wurde, erflärte die Kegier- 
ung das Geſetz der Batavifchen Republik vom 


“3. April 1806 für verpflichtend, weshalb der Ne- 
ligionsunterriht aus den Schulen verbannt wurde ; 
der Jeſuitismus opponirte fortwährend, u. nad 
der Trennung im Jahre 1830 herrſchte vollftän- 
dige Freiheit im Uuterrichtsweſen, wovon die 


131 


3. B. heißt der Meter Aune, der fiter Litron, der 
Heltoliter Baril u. ſ. w. Vergl. Jourdain, Die- 
tionnaire national beige, histor., biogr., statist,, 
artist, industriel et commercial, Brüſſ. 1864; 
Statistique de la Belgique (officiell), ebd. 1873. 

Geſchichte. I. Altefte Zeit. Der Länder- 
compler, welcher das jetige Königreich B. aus- 
macht, gehörte zur Römerzeit feinem größten 
Theil nach zu der Provinz Belgica (Gallia 
Belgiea), |. d., welche indeß noch Theile der 


Geiftlichleit den ausgiebigften Gebrauch machte. jetzigen Aheinprovinz, Lothringens, NFrankreichs 


Die Üdelftände zeigten fi aber bald, u. durch das 
Geſetz vom 23. Sept. 1848 — eine Transaction 
zwiichen Staat u. Geiftlichfeit — wurden viele 
derielben bejeitigt. Thatſächlich befindet ſich das 


umfaßte. Die damalige Bevölferung, die Belgen, 
war urfprünglich feltiichen Stammes, aber unter- 
mengt mit germanischen Glementen (ſ. Belgica). 
Das Land fam im 5. Jahrhundert unter die Herr» 


Unterrichtswefen in höchſt ungenügendem Zuftande. |ichaft der Franken, u. unter den Merovingern ge» 
Bei der Vollszählung v. 1866 konnten 2,518,742|börte Flaudern zu Neuftrien, das Übrige B. aber 
Einw. weder leſen, noch fchreiben; zieht man auch zu Auſtraſien. Jenes fiel bei der Theilung des 
389,154 Kinder ab, jo bleiben noch inımer 42 p&t.|Heiches Karls d. Gr. durch den Bertrag von Ver— 
der erwachjenen Bevöllerung ununterrichtet. Haupt- |dun (843) als Mark Flandern an Frankreich, dieſes 


md Reſidenzſtadt des Königreiches iſt Brüfiel. 
Militärwejen. Die Armee beträgt nach dem 
neuen Organtfationsgefese: 19 Reg. Infanterie, 
8 Cavalerie, 7 Artillerie, 1 Genie — 74,000 Mann 
Jufanterie, 19,300 Cavalerie jammt Gensdarmerie, 
17,000 Artillerie, 3600 Genie, zufammen 103,900 
Mann, mit 12,894 Pjerden und 240 Geichiigen. 
Die Bürgergarde foll außerdem 30,000 Mann in 
50 Bataillonen ftellen. B. ift in militärifcher gr 
fiht in 2 General-ECommando-Bezirfe, von Ant« 
werpen u. von Brüfjel, getheilt. Das Yahres- 
tontingent beftimmen die Kammern; feit 1868 
beträgt es 12,000 Mann. Die Bürgergarbe ift 
im Jahre 1848 für ſämmtliche Gemeinden des 
Königreiches organifirt worden; fie beträgt in ihren 
2 Heerbannen ungefähr 100,000 Mann. Die 
Gensdarmerie beträgt 46 Dffiziere u. 1092 M. 
Die Armee wird durch Conſcription gebildet; die 
Dienftzeit beträgt 8 Jahre, durch Beurlaubungen 
gewöhnlich um die Hälfte verkürzt; Yosfauf gegen 
eine Brämie von 1600 
das Kriegsminifterium für einen Stellvertreter 
forgt. Eine Kriegsmarine eriftirt noch nicht. Die 
Feſtungen maren früher namentlih gegen die 
franzöftiche Grenze bin jehr zahlreih u. aniehn- 
lich; im 1. Linie gegen Fraufreih: Ypern, Menin, 
Teurnay, Ah, Mons, Charleroi; in 2.: Gent, 
Namur (mit Eitadelle) u. die Citadelle von Lüttich; 

gen Holland: Dieft. Da diefelben jedoch den 
— * der modernen Kriegslunſt größ— 
tentheils nicht mehr entſprachen, ſo hat man eine 
bedeutende Anzahl derſelben geſchleift u. als all- 
gemeinen Warfenplag und ftarle Gentralfeftung 
Antwerpen in ein befeftigtes Lager verwandelt. 
Bappen: der jtehende brabanter Löwe mit der 
Unterihrift: L’union fait la force; größeres 
Bappen: das ſämmtlicher 9 Provinzen, National- 
farben u. Flagge: ſchwarz, gelb, toth. Orden: 
ein eiſernes Kreuz für die dem Baterlande 1830 
geleifteten befonderen Dienfte; der Leopoldsorden 
(. d.), in 5 Klaſſen, gejtiftet 1832. Ferner 
wurde 1856 ein bejonderes Kreuz den 25 Jahre 
fang im Diititärdienfte ftehenden Offizieren, Unter- 
offizieren und Soldaten bewilligt. Die Münzen, 
Maße u. Gewichte Bes find die franzöfiichen, 
nur mit theilweije anderen Bezeichnungen. So 


an Lotharingen (Lothars Reich) u. mit dieſem 870 
an das Deutihe Reich, u. zwar an das Herzog- 
thum Nieder-Lothringen. In diefem aber bildeten 
fih, namentlich im 11. Jahrhundert, nach und 
nad durch die Erblichleit der großen Lehen 
Meinere Erbftaaten, die Herzogtbiimer Brabant, 
Limburg, Lügelburg (Luremburg), die Srafichaften 
—— u. Namur u. als geiſtliches Gebiet das 

isthum Lüttich. Im 14. u, 15. Jahrhundert 
fielen alle diefe Länder, mit Ausnahme des Bis— 
thums Lüttich, u. 1385 auch das bisher unter 
franzöfiicher Oberhoheit geitandene Flandern 
theils duch Erbſchaft, theils durch Kauf au die 
Herzöge von Burgund u. bildeten den eigentlichen 
Kern ıhrer Macht. Mit Hennegan (1436) fam auch 
der größte Theil des jegigen Holland unter burs 
gundiſche Herrichaft. In dieſe Zeit fällt die Ent» 
widelung der Vlüthe u. des Reichthums der bei- 
gischen Städte, die einen bedeutenden Einfluß auf 
die Geſchicke des Landes ausübten. Nah dem 


8. ift geftattet, worauf| Tode Karls des Kühnen, des legten Herzogs von 


Burgund, gingen, während das eigentlihe Bur- 
gund an ;‚sranfreih kant, die Niederlande, das 
jetzige zum und Belgien, durch Verheirathung 
jeiner Tochter Maria mit Marimilian I. 1477 
an das Haus Habsburg über (ſ. u. Niederlande) 
ut. von diefem nach der Thronentfagung Karls V. 
(1556) an Spanien, mit der Bejtimmung, daß 
fie durch Primogeniturredht mit Spanien vereinigt 
bleiben follten. 

II. 8. unter fpanifher Hoheit, 1556 bis 
1715. Der bald nad) Philipps Thronbefteigung ſich 
entjpinnende Befreiungstrieg der Niederländer ge» 
gen die Spanier führte allmählich, bef. ſeit 1579 
unter dem Statthalter Alerander Farneſe, zu dem 
Refultat, daß, während die nördlichen Provinzen 
(Geldern, Holland zc.) ihre Religion u. Unab— 
hängigleit durchfochten, die füdfichen Provinzen 
(Luremburg, Namur, Hennegau, Brabant, Flan— 
dern) bei dem tatboliiden Glauben und der fpa- 
nischen Herrſchaft blieben u. daf dieſe Gebiete, welche 
das heutige B. ausmachen, ſeitdem als die Kar 
tholifchen Niederlande bezeichnet wurden, Mur 
kurze Zeit hatten diefelben für fih allein einen 
Fürften (ein befonderes Gemeinweſen blieben fie 
immer), da fie Philipp II. 1593 an feine mit dem 

9* 


132 


Belgien (Geſch. bis 1787). 


Erzherzog Albert verheirathete Tochter Iſabella Im Oſterreichiſchen Erbfolgekriege (ſ. d.) eroberten 


abtrat; da aber ihre Ehe kinderlos blieb, jo fielen 
die jiid » niederländiihen Provinzen wieder an 
Spanien, um in der Folge gewöhnlich den Kampf» 
plaß zwiſchen Frankreich u. Spanien zu bilden, 
Durch den Weftfäliichen Frieden (1648) wurde die 
Freiheit der nördlichen Staaten der Niederlande 
von Spanien anerlaımht, auch ein Theil von Bra- 
bant fam zu jenem. B. war der Hauptſchauplatz 
des 1648— 59 mit abwechjelndem Güde geführten 
Krieges, welder für Spanien unglüdlid endete, 
jo daß es im Pyrenätichen Frieden (7. Nov. 1659) 
an Franfreih die Grafichaft Artois, Gravelines, 
Yaudrecy, Thionville, Le Quesnoy, Montmédy u. 
m, a. abtrat. Ein neuer, von Ludwig XIV. auf 
das in Brabant giltige Anfterbereht (Jus devo- 
lutionis) 1667 begründeter Krieg (Devolutions- 
fiieg) entriß Spanien Lille, Charleroi, Binde, 
Ah, Dudenaarde, Courtray zc., u. durch den 
Bertrag von St.» Germain-en-faye (23. Jan.) 
m jpäter durch den Frieden von Machen (2. Mai 
1668) erhielt Frankreich jene Eroberungen in den 
Niederlanden, trat aber am 5. Febr. 1679 im 
Frieden zu Nimwegen die im Aachener Frieden 
erhaltenen Pläge wieder ab u. erhielt dagegen 
die Städte Nienmport, Valenciennes, Boucain, 
Eonde, Cambray, Aire, St. Omer, Ypern, War- 
wid, Maubenge u. Charlemont nebft Gebiet, jo- 
wie die ganze Frandhe Comte. Nah dem Reu— 
nionsfriege erhielt aber Spanien durch den Fries 
den zu Ryswijk 1697 einen Theil der im Nim- 
wegener Frieden abgetretenen Beſitzungen wieder; 
aud) entiagte Frankreich allen prätendirten Rechten. 
Auch der Spaniſche Erbfolgetrieg hatte wieder B. 
zum Schauplage, u. die FFriedenstractate bon 
Utrecht, Naftatt u. Baden enthielten die Abtretung 
Bes an Öfterreich, weiches ſich jedoch verpflichtete, 
der Republik der nördlichen Niederlande gewiſſe 
jefte Plätze als Barritre gegen Frankreich zuzuge- 
ftchen (Barrißretractat, ſ. d.). Die verfchiedenen 
beigiihen Provinzen behielten indeß bei allen vor- 
angegangenen Herrſchaftswechſeln ſehr weitgehende 
Freiheitsrechte (Privilegien), fo daß die Huldig- 
ungsurfunden die ausdrückliche Beſtimmung ent 
hielten: „Im Falle einer Verlegung der Verfaſſ- 
ung find die Unterthanen alles Gehorfams gegen 
den Fürſten ledig u. nicht mehr verpflichtet, ihm 
Dienfte zu leiften.” So namentlih auch noch in 
der folgenden Periode, 

III. Belgien unter öfterreichifcher Hoheit, 
1715—1794. Die nun folgende Periode eines 
faft 20jährigen Friedens führte zu eimer fchnellen 
u. fräftigen Entwidelung der materiellen Hilfs- 
anellen des nom Kriege erihöpften Landes. Die 
Beherrfcher Oſterreichs waren verpflichtet, die alten 
Juftitutionen feiner neuen Gebietstheile beftehen 
zu laſſen. Ständeverfammlungen fanden in ſämmt— 
lichen Provinzen ftatt u. beriethen u. beichlojien, 
ron der Regierung unbehindert, öffentliche Aus 
gelegenheiten. Statthalter wurde Prinz Eugen 
von Sapoyen. Er war faft immer in Wien u. 
übertrug Anderen die eigentlihe Verwaltung. 
Unter einem von diefen, dem Marquis von Prie, 


jand ein Aufruhr in Brüſſel ftatt, der aber bald|Brabant, Limburg u. 


gedämpft wurde und mit der Enthauptung des 
Zunftmeifters Agneeſſens (19. Sept. 1719) endete. 


die Franzoſen alle Feftungen u. von 1744—1748 
faft das ganze Land nebſt der Hauptſtadt Brüffel; 
aber der Friede von Aachen 1748 ſetzte die, 
Ofterreiher wieder in den Befit ihrer Gebiete 
ein. Gin mehr als 40jäbriger Friede verbreitete 
num feine Segnungen über das Yand, Der Statt- 
halter Prinz Karl von Lothringen (ftarb 4. Juli 
1780) bob den WUderbau, begünftigte Kunft und 
Wiffenfchaft, beförderte den Geldumlauf, errichtete 
eine Akademie in Brüffel, ſchränkte die Gewalt 
des Klerus ein und machte fich jo beliebt, daß 
ihm die Stände 1772 ein Denkmal fetten. Als 
Joſeph II. an die Negierung gelangte, war er 
von dem Wunfche bejeelt, das materielle u. geiftige 
Wohl feiner Unterthanen durch Reformen aller 
Art zu heben, ftieß aber mit diefer Abfiht im 
den Niederlanden auf heftigen Widerftand, do er 
die beftehenden Landes- und Bollsrechte durchaus 
nicht beachtete. Er begann feine Reform mit Aufe 
fündigen des VBarriöretractats im Novbr. 1781. 
Die Republik der nördlichen Niederlande zog nad 
einigem Wideriprucd ihre Truppen zurüd, u. die 
Pläge in B. wurden bis auf Oftende, Luxemburg, 
Antwerpen u. die Gitadelle von Ramur gejchleift. 
Ein Grenzftreit mit den Niederlanden endete 1785 
dur den Bertrag von Paris, dem zufolge 
Holland 5 Mill. u. Frankreich 44 Mill. Gulden 
an Oſterreich zahlten; wogegen Öfterreich der freien 
Scheldeſchifffahrt und jeinen Anfprühen auf 
Maaftricht entfagte, aber einige Grenzdiftricte er« 
bielt. 1785 machte Joſeph 1. den Verſuch, die 
Oeſterreichiſchen Niederlande gegen Bayern zu ver- 
tauchen, aber auf Proteftation des Herzogs von 
Zweibrüden u. der bayerifhen Stände unterblieb 
die Sade. Noch fhlimmer als in feiner Äußeren 
Politik erging e8 dem Kaifer in Bezug auf die 
von ihm angeftrebten Reformen in der inneren 
Verwaltung und den firchlihen Zuftänden ber 
Niederlande, Er begann mit Veränderungen in 
der geiftlihen Verfaſſung, zog mehrere Klöfter 
ein n. unterſagte die Proceifionen, Wallfahrten 
u. Brübderjchaften. 1786 beichräntte er die Frei- 
heiten der ftreng katholiſchen Umiverfität Löwen 
u, errichtete eine Yehranftalt für junge Theologen, 
welche er der Oberaufficht der Biſchöfe entzog u. 
von fremden Lehrern leiten ließ. Die Studiren- 
den empörten fih 6. December 1786 u. mußten 
mit Gewalt zur Ruhe gebracht werden. Der Erz. 
biſchof von Mecheln, der fi durch — 
feiten hervorgethan hatte, wurde nad Wien ab— 
gerührt, u. der päpftliche Nuntius, der unbejcheidene 

orftellungen machte, erhielt Befehl, fih zu ent« 
fernen. Kurz darauf, im Frühjahr 1787, nahm 
Joſeph auch Anderungen in der bürgerlichen Ber- 
faffung vor; der permanente Ausſchuß der Stände 
und alle Berathungsbehörden uud Gerichtshöfe 
wurden abgejchafft, dagegen diefelben Richterſtilhle 
u. Behörden, wie in der übrigen öſterreichiſchen 
Monarchie, errichter u. das Land in 9 Kreife ger 
theilt, deren einzelne Berwejer einen nur bom 
Kaifer abhängigen Richterftuhl bilden follten. Alle 
diefe Neuerungen erregten großen Unwillen. 
ntwerpen bejaßen über 
ihre Privilegien fchriftlihe Documente, u. in Deme 
jedesmaligen Beftätigungsbriefe derjelben, der 


Belgien (Geſch. bis 1816). 


Joyeuse entree, war (ſ. o.) gejagt, daß diefe Propinr 
zen nicht mehr zum ferneren 
jein follten, jobald -der Regent diefe Privilegien 
verletste. Brabant verweigerte deshalb die Ab- 
gaben, bob das Oberſeminar wieder auf, vertrieb 
die fremden Lehrer und ftedte eigene Karben 
(Schwarz, Noth, Gelb) auf. Nachdem der Ober- 
jtatthalter, Herzog Albert, in Alweſenheit des 
Kaifer® die hauptſächlich von dem Grafen von 
Belgiojofo, dem bevollmädtigten Minifter des 
Kaifers, eingeführten verfaffungsmwidrigen Map- 
regeln fiftirt, der Kaifer nad) feiner Rücklehr die- 
jeiben aber durchzuſetzen befohlen hatte, rüfteten 
die Stände Truppen zum Widerftande; in Brüffel 
fam es zu biutigen Unruben, ebenfo in Löwen, 
wo die Univerfität aufgehoben worden war. Als 
die Regierung Strenge anwandte u. die Joyeuse 
entree autbob, bildete fih aus ausgewanderten 
Unzufriedenen unter van der Root und van der 
Merſch ein Heer. Joſephs Nacygiebigleit kam zu 
ipät, u. Jene fielen, indem fie den Kaifer nicht 
mehr als Herrn anzuerfennen erklärten, im Oct. 
1789 aus dem Lüttichihen u. von Holland aus 
in die Oftekreichiichen Niederlande ein, die fie bis 
auf Brüffel einnahmen, wohin fi die öſterreichi— 
fhen Zruppen zurüdzegen. Am 11. Decbr. 
brach der Aufruhr auch hier offen aus, die Öfter- 
reicher wurden nach der oberen Stadt getrieben, 
capıtulirten u. erhielten freien Abzug, worauf die 
Patrioten in Brüffel einzogen,. Die Brabanter 
Stände erflärten fih anı 26. Dec. 1789 für un- 
abhängig, und die übrigen beigiihen Provingen 
(außer Yuremburg, wo General Bender die Ord— 
nung aufrecht erhielt) folgten nad, verbündeten 
fih unter dem Namen Bereintes B. 11. Jan. 
1790 zu einem eigenen Staate u. übertrugen die 
Leitung deffelben einem Eongreß. Seitdem wurde 
B. der officielle Name des Landes. Nun ging 
Graf dv. Gobenzl mit Borichlägen zur Ausjöhnung 
nah B., die indeß abgemiejen wurden. Da in« 
wijchen Joſeph II. geitorben war, jo machte fein 
Bender u. Nachfolger Yeopold IL. den Berſuch, 
das verlorene Land wiederzugewinnen. Dabei 
tam ihm die inzwilchen eingetretene Spaltung des 
Congreſſes in zwei Parteien zur Hilfe, eine 
eriftofratiihe und eine demofratiihe, Während 
diefe fih ftritten, nahm General Bender von 
!uremburg aus die Provinz Limburg wieder, 
fiel Ende November 1790 mit 30,000 Mann in 
2. ein u. erſchien am 30. Nov, vor Brüſſel, wo 
er ſchon am 3. Dec. feinen Einzug hielt, und in 
wenigen Wochen ward ganz B. unterworfen. 
Herzog Albert kehrte nun auch nad Brüffel zurück 
u, verbieß im Nauen des Kaifers die Wieder- 
berftellung der Rechte, welche das Land zu Ende 
der Regierung Maria Therefias bejeiien hatte. 
As fi) aber die Stände wieder jchwierig zeigten, 
gebrauchte die Regierung Gewalt u. ließ ihre 
Berlammlung fprengen. Der Ausbrud) des Franz. 
Revoflutionstrieges verfehlte nicht, in B. die Hoff- 
nung der Patrioten von Neuem anzuregen, und 


133 - 
IV. Belgien unter franzöfifher Herr- 


ehorjam verpflichtet /fchaft, 1794—1814. Die Franzofen organifirten 


das eroberte Land nach republifanischer Weiſe, 
vereinten daſſelbe aber noch nicht mit Frankreich, 
jondern nannten e8 B., im Gegenfate zu Bata- 
vien, dem gleichfalls eroberten Holland, Das 
Land wurde leidlich bebandelt, theils meil die 
belgischen Patrioten mit den franz. Republifanern 
ſympathiſirten, theils weil die franz. Machthaber 
hofften, es für immer zu behalten. Da der 
Nepublitanismus der Franzoſen nah dem Sturze 
Nobespierres gemäßigter wurde, blieben auch viele 
angejehene Adelige, die zur Partei der Patrioten 
gehörten, im Lande u. nahmen zugleich bedeutende 
Stellen ein. 1796 im Frieden von Campo— 
Formio u. 1802 im Frieden von Lunenille wurde 
B. an Frankreich abgetreten u. in 9 Departeinents 
getheilt u. machte nun alle Phafen der fpäteren 
Republik u. des Kaiferreihes durd. Im Januar 
1814 erihienen die Alliirten in B., bejetten 
Brüffel u. nahmen das Land in Befis. Der Ein- 
zug der Berbündeten in Paris am 31. März 
1814 n. die Abdankung Napoleons führte Mitte 
April das Ende des Krieges herbei. 

V. Belgien mit Holland vereinigt, 1814 
bis 1830, Anfangs von einem eigenen Generaf« 
gouvernener der Wllürten, dem öfterreichiichen 
Feldmarſchall Bincent, verwaltet, wurde B., nad) 
dem es von Frankreih im erjten Parifer Frieden 
abgetreten war, durch Protokoll im Juli 1814 
dem Prinzen Wilhelm von Oranien als Gebiets- 
zuwachs überwiejen. Durch den Wiener Eongreß 
Anfangs 1815 kam noch Lüttich u. eine Strede 
an beiden Seiten der Maas zu den Niederlanden; 
Luxemburg wurde als ein durch Perfonalunion 
nit den Niederlanden verbundenes eigenes Grof- 
berzogthum u. als integrirender Theil des Deutſchen 
Bundes betrachtet. Als Napoleon, aus Elba zu- 
rücgefehrt, auch B. wieder bedrohte, nahm Prinz 
Wilhelm den Titel eines Königs der Niederlande 
(f.d.) an und betbeiligte fi mit feinen Truppen 
am Siege von Waterloo. Nah dem zmeiten 
Parifer Frieden, welcher B. einige Heinere Ber- 
größerungen, jo u. a. die Diftricte u. Feſtungen 
Philippeville, Marienbourg u. Bouillon, brachte, 
wurde mit Organifirung B-8 u. Hollands weiter 
geſchritten. Eine Verfaſſung trat am 24. Auguft 
in das Leben. Ihrer Einführung widerſetzte ſich 
bob B., indem von den zur Abſtimmung aufs 
gerufenen belgischen Notablen die Mehrheit fi 
gegen diefelbe erflärte. Der Hauptanftoß war die 
durch die Berfaffung ausgeiprochene Gleichheit der 
Rechte der verſchiedenen KReligionsparteien, welche 
das ſtreng katholiſche B. nicht wollte und gegen 
welche der Biſchof von Gent, Fürft von Broglie 
(. d.), förmlich proteftirte. Allein der König er« 
Närte, daß er, da freie Religionsübung eine von 
allen Gliedern der Heiligen Allianz anerkannte u. 
dur Staatsverträge beſtimmte Maßregel fei, die 
Berfaffung annehme, die dann auch auf Ermahıt- 
ung des Papftes anerfannt u. von der Mehrzahl 


B. wurde 1792 der Schauplag eines Krieges|der Notablen beſchworen wurde. Mit Oeſterreich 


* 


in 
der Öfterreicher, dann 1794 wieder in die der 
Erſteren brachte. 


(Franzöfifcder Revolutionslrieg), welcher es 17092 ſchloſſen die Niederlande 1816 einen Tractat wegen 
die Gewalt der Franzoſen, 1793 wieder in dieilübernahme der größtentheils beigifhen Schulden. 


Ein Hauptftreben der niederländischen Regierung 
war, die Belgier mit dem Holländern auf Koften 


154 


Belgien (Geſch. big 1830). 


Erfterer zu verfchmelzen. Bor Allem aber ſetzte, dem Lande beunruhigende Symptome fund. In 
der Kathoficismus und der fortwährende Kampfjfüttih nu. Antwerpen, in WFlandern n. Brabant 


der Geiftlichfeit gegen die Berfaffung diefem Skre— 
ben uniberwindlihe Schwierigkeiten in den Weg. 
Endlich kam am 18. Juli 1827 ein Goncordat 
zu Stande, welches von de Celles, dem früheren 
verhaften Napoleonischen Präfecten von Amfterdam, 
entworfen war, fihb auf Das franzöfiihe von 
1801 gründete u. bie Fyeindfeligkeit der Stimm— 
ung des Volles zwar etwas befierte; aber auf 
der anderen. Seite riefen Mafregeln der Negier- 
ung wieder Beforgniffe der Gefährdung der beig. 
Nationalität wach; deun obgleich B. faft Doppelt jo 
ftarf bevöltert, ift als die Übrigen Niederlande, wurden 
nicht nur faft ausichließlich holländische Offiziere 
bei den belgiichen Regimentern angeftellt, fondern 
auch aus Furcht vor Meutereien jo überaus harte 
Discipfinarftrafen eingeführt, dag belgische Sol- 
daten ſchaarenweiſe dejertirten; auch im Civil, bef. 
in den höheren Gentralpoften, fand Bevorzugung 
der Holländer ftatt. Außerdem ſollte laut fünig- 
lichen Befehls vom 15. Sept. 1819 in den Pro- 
vinzen Limburg, O- und Wglandern uud Aut» 
werpen die bollänbiiche Sprache bei öffentlichen 
Verhandlungen allein gebraucht (jedoeh Tam diejer 
Befehl wegen der dadurch verurjachten Aufregung 
nicht ganz zur Ausführung) u. die Jury durch 
einen Beichluß der Generalftaaten abgeichafit wer— 
den, auch B. die Zinſen einer Staarsihuld von 
786,556,236 bolländische Fl., umgerechnet die auf 
geſchobene Schuld von 1,203,903,512 Fl., welche 
die nördlichen Niederlande ganz für ihre Bedürf— 
niffe contrabirt hatten, mit abtragen. Als 1829 
mehrere Principienfragen u. vornehmlich bittere 
Klagen über Berletung der Preßfreiheit zur 
Sprache famen, wuchs die Unzufriedenheit, u. die 
Berbindung zwiichen der Tlerifalen und liberalen 
Partei befeftigte fih immer mehr. Der liberale 
Schriftiteller de Potter war nämlich 1828 wegen 
eines Angriffes auf das Minifterium verhaftet 
worden u. forderte aus dem Gefänguß heraus 
die Belgier auf, in Petitionen den König über 
den Mißbrauch aufzuklären, der mit feiner Auto— 
rität getrieben werde. Im Februar 1829 kamen 
ablreihe Petitionen an die Kammern, morin 
reiheit des Unterrichtes, der Preſſe, Berantwort- 
tichkeit der Miniſter, Gejchworenengerichte, die 
franz. Sprade vor Gericht, gleiche Beſetzung der 
Stellen durch Belgier u. Holländer zc, verlangt 
wurde, Die Kammern richteten deshalb eine 
Adreſſe an den König, u. die Regierung beſchloß 
nachzugeben und ermählte eine Commiſſion, die 
fi mit der Hevifion aller Verordnungen über den 
Unterricht, welcher namentlich der Berbejlerung 
bebüritig war, bejchäftigen jollte. Das Geſuch 
um Geichworenengerichte wurde von den Kammern 
abgelehnt. Die Mißſtimmung wuchs 1829 infolge 
einer Botjchaft des Königs, worin derjelbe die 
Berfafjung für eine octropirte erflärte, Die er aus 
freiem Willen gegeben habe; diefe Botſchaft mußte 
von allen Beamten unter Androhung fofortiger 
Dienftentlaffung binnen 24 Stunden unterzeichnet 
werden, welde Drohung auch in der That an 
mehreren Beamten ausgeführt wurde. Zuletzt 
gaben fich nicht allein in den Kammern, fondern 
aud in den Städten des Südens, ja jelbft auf 


bildeten ſich Conftitutionelle Bereine, und in ganz 
B, fielen die minifteriellen Candidaten bei den 
Wahlen durh. Die Berurtheilung de Potters, 
ZTilemans, Bartel8 u. de Neves wegen Preßver— 
gehens zu mehrjähriger Berbannung Anfangs 
1830 machte die Aufregung allgemeiner, jo daß 
jelbit das Gefeh vom 4. Juni 1830, welches den 
Sebraud der franzöftichen Sprade bei Gerichts— 
verhandlungen in den jüdlichen Provinzen ge— 
ftattete, Taum etwas zur Milderung der gereizten 
Stimmung beizutragen vermochte. Bor Allem 
war es aber der Mangel an Energie u. Feſtig— 
feit auf Seite der Regierung, die fich nicht ent- 
ſchließen konnte, zu rechter Zeit Conceſſionen zu 
machen, und dieje, wenn fte durch die Noth der 
Berhältniffe ihr - abgerungen worden, mebrere 
Male widerrief, was den Ausbruch des Sturmes 
herbeifiihrte, Am bedeutendften waren die Miß— 
griffe gegen den Klerus geweſen, beionders die 
mit Anwendung von Gewalt durchgejührte Aus- 
weifung der Jeſuiten fteigerte Die Erbitterung 
aufs Höchite, 

VI. Die belgiſche Revolution u. die 
Yostrennung Belgiens von Holland, 1830. 
Deunoch blieb bei der Nachricht vom Ausbruche 
der franzöſiſchen Jultrevolution (27. Juli 1830) 
in B. Altes ruhig, bis am 24. Aug. 1830, am 
Geburtstage des Königs, nach der Borftellung der 
Stummen von Portici, ein Bollsaufruhr in Brüſſel 
losbrach, in Folge defjen zuerft die Erpedition des 
Herausgebers des wminifteriellen National, die 
Häufer des Juftizminifter8 van Maanen u. des 
Boligeibirectors van Kuyff zerftört u. angezündet 
wurden, Die Truppen feuerten eıft am Morgen, 
tonnten aber damit nichts ausrichten u. zogen 
fih in die Kafernen zurüd. Jet wurde eine 
Communalgarde unter dem Befehl des Barons 
von Hooghvorſt in Brüffel gebiet, welche die 
Farben von Brabant (nachmals zu den beigiihen 
erllärt): Schwarz-Gelb-Koth, aufftedte, u. am 
28. Septbr. reifte eine Deputation angejehener 
Männer, unter ihnen Hooghvorft, der Graf Felix 
Merode, der Baron Secus u. A., nad dem Haag 
zum König ab. Wilhelm I. weigerte ſich indeß, 
von den Vorrechten, welde ihm die Berfaffung 
bewilligte, zu Gunften der Belgier etwas aufzu— 
opfern. Nur in dem einzigen Punkte zeigte er 
ſich nachgiebig, daß er dem verhaßten van Maanen 
die Entlafjung gab, was aber an der Yage nichts 
mehr änderte. Schon am 27. u. 28. Aug. waren 
der Prinz von Oranien u. Prinz Friedrid, Söhe 
des Königs, nach Antwerpen abgereift; holländische 
Truppen, 5—6000 Daun, folgten ihnen nad, u. 
die Prinzen fchlugen in Vilvorde, zwei Stunden 
vor Brüffel, ihr Hauptquartier auf. Der Prinz 
von Dranien, der, mweil er 1818 als erfter Kriegs- 
minifter 42 beigifcher Offiziere, die der zweite 
Kriegsminifter Graf Golz nah Batavia zu dem 
bejchwerlichen u. gejundheitsgefährlicden Colonial- 
dienfte jchiden wollte, fi angenommen u. weil fie 
dennoch dahin geſchickt wurden, feine Entlaſſung 
als Kriegsminifter gefordert u. erhalten hatte, bei 
den Belgiern jehr beliebt war, begab ſich nad) 
Brüffel, um dort als Vermittler aufzutreten. Die 


Belgien (Geſch. bis 1831). 


135 


Stimmung war aber fhon fo erbittert, daß der Jan. 1831 beftimmte fie, daß B. ein für ſich be- 
Prinz von Dranien hier mehrere Male Gefahr |ftehender Staat fein u. alles Land mit Ausnahme 
läef, von den Aufftändifchen ermordet zu werben; |Luremburgs umfaffen jollte, das 1815 zu dem 
es waren auch ſchon in Lüttich u. Löwen Unruhen Königreich der Niederlande geichlagen worden fei. 


ausgebrochen, u. in Brüffel hatte das Voll auf 
die Nachricht, daß holländiihe Truppen im An- 
marſch mären, am 31. Aug. die Strafen der 
Stadt verbarricadirt. Als Berfuche, bei der nie- 
derländiſchen Regierung eine adminiftrative Treun⸗ 
ung der nördl. u. fübl. Provinzen zu bewirken, 
zu feinem Biele führten, bildete fidy in Brüffel 
eine proviforishe Regierung, an deren Spite der 
aus jeiner Berbannung zuritdgelehrte de Potter 
fand. Ein Angriff des Prinzen Friedrich ‚auf 
Brüffel (23. Sept.) wurde zurüdgefchlagen; fofort 
erflärte die Provijoriihe Regierung: daß durch 
diefen Angriff alle Bande zwiichen Holland u. 8. 
elöft wären, u. amd Dc.: daß das Haus 

ranien factiſch alle Rechtsanſprüche auf B. ver- 
foren babe. Zwar verfuchte der Prinz von Ora- 
wien, B. als unabhängigen Staat für ſich zu 
retten, u. in B. war man auch diefem Auswege 
nicht abgeneigt; aber der König wollte nichts da— 
von wiſſen, rief den Prinzen zurüd, u. diefer fügte 
fih. Sn Untwerpen brady unterdeflen ein Kampf 
zwifchen den Belgiern u. Holländern aus, melde 
Letztere fih unter dem General Chafje in die 
Citadelle zurüdzogen u. von da aus die Gtabt 
bombardirten, bis ein Vertrag diefem ein Ende 
machte. Als am 10. Nov. auch Venloo von den 
Belgiern genommen war, blieben nur noch Luxem— 
burg, mo die Einwohner faft des ganzen platten 
Landes fich für B, erlärten, Maaftricht u. die Cie 
tabelle von Antwerpen von den Holländern be 
jeßt. Inzwiſchen trat die Eonferenz der Großmächte 
in London zur Eutſcheidung des holländiich-bel- 
giihen Streites am 4. Nov. zujammen u. ftellte 
die Waffenftillftandsbedingungen fejt, denen zus 
folge die holländischen Truppen das beigiiche 
Gebiet räumten. Am 18. Nov. 1830 wurde in 
Brüffel der Nationalcongreß eröffnet, Surlet de 
Cholier zu deffen Präfidenten ernannt, am 19. Nov. 
die Unabhängigkeit B-3 proclamirt, am 22. die 
erblich · monarchiſch⸗ conſtitutionelle Regierungsform 
mit 174 gegen 13 Stimmen angenommen und 
am 24., entgegen den Beſtimmungen der Lon— 
doner Conferenz, der Ausſchluß des Haufes Ora- 
nien vom Throne beſchloſſen. Die Abfiht der 
fiberalen, die republikaniſche Staatsform einzu- 
führen, jcheiterte am Widerftande der Geiftlichkeit, 
weshalb de Potter fein Vaterland wieder verlieh 
u. von diefer Zeit an in Paris lebte. Num fchritt 
die Berjammlung zur Wahl eines Monarden, 
die zuerſt auf den Herzog von Leuchtenberg, u. 
als diefe Wahl von den Großmächten mißbilligt 
wurde, am 8. Febr. 1831 auf den Herzog von 
Remours fiel. aber die Londoner Eonferenz 
beſchloß, daß fein Prinz der 5 Großmächte zum 
König gewählt werden dürfe, fo wurde am 28. 
Febr. 1831 der Baron Surlet de Chofier zum 
proviforifhen Regenten des Königreihs B, er- 
wählt u. die Proviforiihe Regierung aufgelöft. 
Am 20. Dec. 1830 erklärte die Londoner Confe— 
renz, ohne den miederländiihen Botjchafter zu 
Rathe zu ziehen, B. als von Holland getreunt, 
wogegen König Wilhelm proteftirte, u. am 20, 


Am 29. März nahm der 2. Nationalcongreß, der 
zunächſt das Aufgebot der 1. Klaſſe von 90,000 
Dann zum Kriegsdienfte befchloß, die Wahl eines 
Königs vor, welche auf Empfehlung der Höfe 
von ‚zranfreih u. England auf den Prinzen Yeo- 
pold von Sadjen-Koburg:-Gotha fiel, ungeachtet 
fih der Klerus faft einitimmig gegen die Wahl 
eines proteftantifchen Fürften erhob. Brinz Leopold 
gab am 26. Juni eine zufagende Antwort, doch 
nur unter der Bedingung, daß die Londoner Con— 
ferenz die Anerlennung der europäischen Groß« 
mächte ihm zuſichere. Am 26. Juni erließ die 
Londoner Conferenz das unter dem Namen der 
18 Artikel bekannte Ultimatum, welches außer den 
früheren Grenzbejtimmungen noch Separatunter- 
handlungen über Yuremburg, Maaftridht, die freie 
Rheinſchifffahrt für B. u. die Schuldentheilung 
anordnete u. beſtimmte, daß Antwerpen bis aui 
Weiteres bloß ein Handelshafen jein ſollte. Eud— 
lich wurde am 9. Juli diefes Ultimatum von dem 
Belgiichen Congreß angenommen, worauf König 
Leopold am 13. Juli aus London nach B. abreiite, 
VII. Belgien als eigenes Königreich, 
jeit 1831 bis auf die neuefte Zeit. Nachdem 
der neue König am 21. Juli in Brüffel die ine 
zwifchen zum Abichluß gebrachte Verfaſſung be- 
ſchworen u. fein Minifterium gebifvet hatte, bevief 
er den Senat u. die Repräfentantenfammer auf 
den 8. September nad Brüffel. Holland hattr 
indeffen, trog der Entfcheidung der Conferenz, 
feine Anfpriüche auf B. nicht aufgegeben. Wäh— 
rend König Leopold auf einer Reiſe durch die 
Provinzen begriffen war, fündigte der Prinz von 
Dramen, der Chef der holländiichen Armee, den 
Waftenftillftand auf u. rückte Anfangs Auguſt 1831 
ins Limburgiſche ein (zehmtägiger Feldzug), ewrang 
bei Haffelt u. Yöwen mehrere Erfolge u. war 
eben im Begriffe, gegen Brüffel vorzuriden, als 
England u. Frankreich fih ins Mittel ſchlugen, 
erjteres diplomatiſch, letteres mit 40,000 Maun 
unter Marjhall Gerard, die gegen Holland an— 
rüdten. Am 12. Auguft fam ein Waffenſtillſtand 
zu Stande, infolge deſſen die Holländer den 
Rückmarſch antraten. Am 6. October 1831 erlieh 
die Londoner Konferenz ein zweites Ultimatunı 
in 24 Artikeln, welches von Luxemburg u, Yını 
burg einen Theil zu Belgien jchlug, dieſem aber 
eine jährliche Zinszahlung von 8,400,000 fl. für 
feinen Antheil an der holländifchen Staatsichuld 
aufgab. Die belgiſche Repräjentantenfanmıer nahm 
das Ultimatum an, worauf am 15. October König 
Leopold von der Gonferenz fürmlih anerlannt 
wurde. Als aber Holland ſich nicht zur Erfüllung 
der in dem Pondoner Ultimatum feitgefegten Ord— 
nungen, namentlich nicht zur Öffnung der Schelde 
verftehen wollte, fam es ungeachtet der Proteita- 
tion Rußlands, Ofterreichs u, Preußens vermöge 
eines Bertrages zwiichen England u. Frankreich 
am 22. October zur Belagerung u. Gapitulatioi 
der Eitadelle ven Antwerpen (f. d.) durch 43,000 
Mann Franzofen unter Marfchall Gerard u. zu 
einer mehr nominellen als wirklichen Blolade der 


136 


olländifchen Küfte durch englische Schiffe im Spät- 
er 1832. Nach der@innahme von Antwerpen 
fehrten die Franzoſen nad Frankreich zurüd. 
Endiih fam am 21. Mai 1833 zwiſchen Eng— 
land, Fraukreich u. Holland ein Präliminarver- 
trag zu Stande, durd melden die Zwangsmaß— 
regeln gegen Holland aufgehoben, B. für neu— 
tral u. die Schelde für geöffnet erklärt, alle ande- 
ren Bunfte aber in Frage gelaffen wurden. Die 
Grenzen Hollands gegen B. blieben indeß gejperrt, 
u. die directe Correfpondenz wurde erſt 1835 
wieder geftattet. Zur weiteren Scheidung der bei- 
den Staaten trug die Einführung des franzöfiichen 
Münzfußes in B. bei. Bei dem Wiederzufammen- 
tritte der Kammern, Mitte 1833, gewann die 
Friedenspartei die Oberhand, Im April 1834 
trat an die Stelle des bisherigen doctrinären 
Minifteriums ein aus Liberalen u. Katholiten ge- 
mijchtes Cabinet unter de Theur u. Muelenaere, 
u. das Land erfreute fih bis Ende 1837 einer 
für den Aufihwung des Handel u. Berfehres 
jegensreihen Ruhe. Indeſſen war e8 in Betreff 
der ftreitigen Punkte in der Finanz u, Gebiets- 
tbeilungsfrage mit Holland noch immer beim Alten 
geblieben. Erft Anfangs 1838 fchien der König 
der Niederlande geneigt, den Frieden mit B. defi— 
nitiv abzufchliegen u. die 24 Artifel (f. oben) anzu- 
nehmen. Aber die Regierung Bes erhob Schwie- 
rigfeiten nicht nur fiber die jährliche Zinszahlung 
von 8,400,000 hol. Gulden u. die Nachzahlung dieſes 
Betrages auf die ganze Zeit der Losreißung, aljo 
auf 7 Fahre, fondern auch über die Abtretung 
eines Theils von Luremburg u. Limburg, worin 
fie durch die ausgeſprochenen Wünſche diejer Lan— 
destheile u. der Kammern unterftütt wurde, Der 
König ſchritt zu Kriegsrüftungen u. reifte nad) 
Paris, um Ludwig Philipp für B. zu gewinnen, 
Inzwischen erfolgte eine nene Erklärung der Lon—⸗ 
doner Gonferenz (6. December 1838), die auf 
Erfüllung der 24 Artifel drang, am 22. Januar 
1839 ein nochmaliges befinitives Protofoll der- 
jelben, welches, von allen Großmächten unterzeich- 
net, auf der Gebietsabtretung beftand u. mur in 
den Finanzen etwas änderte u. den Nichtbeitre- 
tenden mit Amangsmaßregeln bedrohte. Dies 
erregte das Kriegsgejchrei von Neuem, die Nüftun- 
gen wurden fortgejegt u. der ehemalige polnifche 


Belgien (Geſch. bis 1847), 


wurden, Die Regierung vermochte daher ihre ganze 
Aufmerfamfeit auf die inneren Angelegenheiten 
zu wenden. Infolge deffen hob ſich die Induſtrie 
u. der Nationalmohlftand von Jahr zu Jahr; 
Berg- u. Aderbau, Handel u. Schifffahrt ent- 
widelten fi in verhältnißmäßig furzer Zeit zur 
höchſten Blüthe. Zugleich aber begann eine Periode 
innerer Kämpfe zwiſchen ben beiden fich jchroff 
gegenübertretenden Parteien, den Liberalen ı. 
Katholifen. Anfangs war auf Seiten der Letzteren 
das politiiche Übergewicht, u. das Minifterium 
de Theur folgten ihren Tendenzen. Dem An- 
drängen der fıberalen, welche die Erledigung ver- 
ſchiedener materieller Fragen u. eine Reform bes 
Wahlmodus verlangten, erlag das Minifterium 
un März 1840, u. das liberale Minifterium Lebeau 
u. Rogier trat an deffen Stelle, erließ ein neues 
Amneftiegefeg u. megoctirte ein Anlehen von 90 
Mil. Fes., theils um die Schulden zu beden, 
theil8 zu induftriellen Unternehmen, beſonders 
Eifenbahnen, konnte fi aber infolge der Schwie- 
rigleiten, melde ihm von Geiten der Heritalen 
Partei bereitet wınden, nur bis zum April 1841 
halten, worauf Nothomb die oberfte Leitung der 
Gejchäfte übernahm. Während diefer aber in der 
Hoffnung, eine Berföhnung der fireitenden Par- 
teien ins Leben rufen zu können, mit beiben 
Parteienzu gehen fuchte, entfrembdete er fich beide. 
Dabei vermochte er dem übergroßen Einfluffe fei- 
ner Herifal gefinnten Eollegen u. deren ultramon- 
tanen Beftrebungen nicht die Wage zu halten, 
Seit Bervollftändigung des großen, über ganz B. 
ausgebreiteten Eifenbahnnetes erfolgte ein immer 
engeres Anſchließen B-8 an Deutfhland u. am 
den Deutjchen Bollverein, worans endlich der 
Handelsvertrag vom 1. Sept. 1844 hervorging. 
Anfangs Nov. 1841 fand ein Nevolutionsverjuch 
ftatt, der von den Drangiften angejtellt war; man 
verhaftete viele Verdächtige, u. A. die Generäle 
van der Smiffen (der jedoch entfloh), van der 
Meeren, Lecharlier, fand Waffenvorräthe, ſelbſt 
Kanonen vor, doch ward alles ſchnell unterbrüdt, 
Bei Weiten tiefere Bedeutung hatte eine auf 
nationaler Bafis ruhende Bewegung, die Beftreb- 
ungen der Bewohner Flanderns, ihrer Sprache, 
dem RFlämiſchen, gegenüber dem Franzöſiſchen, 
die uriprüngliche Geltung zu vericaffen, zu wel- 


General Skrzynecki als belgiſcher Divifionsgeneral| dem Ende am 11. Febr. 1844 zu Brüffel ein 
angeftellt. Diejer aber wurde, da Preußen, wel-|flämifches BVBerbindungsfeft aller Städte ber Pro- 
ches erft vor Kurzem dem diplomatifchen, Verkehr |vinzen Antwerpen, Brabant, Flandern u. Limburg 
mit B. wieder angeknüpft hatte, u. Öfterreich| ftattfand. Die Stellung Nothombs wurde inzwi⸗ 


dagegen energifh proteflirten u. am 6. Febr. ihre) ſchen immer unhaltbarer, namentlich feit die libe- 


Gejandten abriefen, mit einer Penfion wieder ent- 
lafien. Die Kammern ermädhtigten den König, 
den Bertrag abzufchliegen, u. am 19. April 1839 
erfolgte der fürmlihe Friedensſchluß zwiſchen 
vn u. B., dem die Großmädhte u. der Deutjche 

und beitraten. Es blieb bei den 24 Artikeln, u. 
dabei wurden für B. günftigere Beftimmungen 
über die Scheldeſchifffahrt u. den Scheldezoll ges 
troffen u. die von B. an Holland für die gemein- 
ſchaftliche Staatsihufd jährlich zu zahlende Nente 
auf 5 Mill. Gulden feſtgeſetzt. In dem nun fol- 
genden Zeitraume beobachtete B. eine firenge Neu- 
rralität in den Streitigkeiten u. politiſchen Stür- 


inen, von denen die europäiſchen Staaten betroffen katholiſchen ein ganz liberales 


rale Partei durch die Wahlen von 1843 neuen 
— erhalten hatte, Im Juli 1845, wo die 

ablen abermals zu Gunften der Liberalen aus- 
fielen, traterab, u. an feine Stelle fam der libe- 
rale van de Weyer; Diejer jedoch zerfiel bei der 
Unterridhisfrage mit feinen Heritalen Amtsgenoffen, 
welche die Prärogative der Eivilgewalt nicht an- 
erfennen wollten, worauf er bereit? im April 
1846: wieder abtrat. Ihn erfetste das entichieben 
fatholifhe Minifterium de Theur. Die Liberalen 
jhloffen ſich ſeitdem enger an einander u. erran⸗ 
gen bei den Wahlen im Sommer 1847 einen fo 
entfchiedenen Sieg, daß der König an Stelle des 
inifterium mit 


Belgien (Geſch. bis 1857). 


Rogier an der Spite berief. Die unmittelbare 
Folge diefes Minifterwechjels war, daß B., ob* 
gleih noch 1847 infolge einer durch eine fchlechte 
Ernte erzeugten Theuerung von zahlreihen Tu— 
multen, wie in Brüffel, Zournay, Brügge, Ant» 
werpen, Gent zc., heimgefucht, dennoch von der 
politifhen Bewegung des Jahres 1848 nicht be 
rührt wurde, ausgenommen durch einen lächer« 
fihen Einfallsverſuch franzöfiicher Arbeiter, der 
leicht vereitelt wurde. Der glüdliche Erfolg des 
PMinifteriums Rogier, in der ſilirmiſchen Zeit dem 
Lande die Ruhe zu erhalten, fo daß Handel u, 
Induſtrie ungeftört fih enmtwideln fonnten, be- 
feftigte deſſen Stellung. Kräftige Unterſtützung 
ewährte der Regierung erft die nach dem neuen 

bigeiete zufammenberufene u. im Juli 1848 
eröffnete Kanımer, von welcher die Herifale Partei 
faum noch ein Drittel für fi hatte. Die Gunft 
der miederen Bollsflaffen erwarb fih das Mini- 
fterium dur unausgejegte Sorge für das Wohl 
derielben. Unter großen parlamentariſchen Stür- 
men kam 1849 das fortichrittliche Gejeß über den 
böheren Unterricht trotz des heftigen Widerjpruchs 
der Klerifalen, zu Stande. Am 5. Mai 1850 
wurde ein Geſetz wegen Errichtung der National 
banf erlaflen, melde der Regierung zur Stüte 
bei Fyinanzangelegenheiten dient. Um gegen alle 
Eventwalitäten jeitend der gegen B. höchſt um- 
ſteundlich gefinnten franzöfiihen Negierung ge» 
fihert zu fein, ergriff die Regierung 1852 Vor— 
ſichtsmaßregelu, indem fie die Bildung eines 
veribanzten Lagers bei Antwerpen anordnete. 
Um eine directe, ımter allen Umftänden geficherte, 
von ber franzöfiihen Controle freie Telegrapben- 
verbindung zwiichen London, Dftende, Brüffel, 
Berlin u. Wien zu haben, wurde am 29. Febr. 
zur Herftellung eines unterfeeifchen Telegraphen 
zwifhen London u. DOftende geichritten. ur 
Dedung der außerordentlihen Militärbedürfniffe 
bewilligte die Kammer 4,700,000 Fr., darunter 
435,000 Fr. für nene Befeftigungen bei Antwer- 
pen. Am 27. Sept. traten die im Geifte des ge- 
mäßigten Liberalismus new gewählten Kammern 
zufammen, aber nur um dem Viüchtritt des Mini« 
ſteriums Nogier zu vernehmen, welches 5 Jahre 
lang der Berwaltung vorgeftanden hatte, worauf 
der Landtag bis zum 26. Nov. ſich vertagte. Am 
9. Octbr. war das neue Minifterium gebildet, 
on deſſen Spite de Brouddre als Miniſter des 
Auswärtigen trat u. deſſen Glieder ſämmtlich im 
Nufe unzmweidentiger Liberalen, aber gemäßigter 
Gefinnung ftanden u. eine Wiederannäherung an 
Frankreich bewerkftelligten, mit dem 1853 der 
frühere Handelsvertrag vorläufig erneuert wurde, 
bis im Jan. 1854 der neue beigisch-franzöfiiche 
—— abgeſchloſſen war, ohne jedoch 
itgendwelche Begünſtigung für B⸗s Handel zu 
bringen. Bei der Eröffnung der Kammern am 7. 
Rover. 1854 redhtfertigte ‘die Megierung die furz 
vorher erfolgte Ausweifung des 
Oberſten Charras damit, daß diejelbe wegen des 
Gewichtes, welches die franz. Negierung darauf 
gelegt habe, im Intereſſe des Landes geboten ge- 
weſen fei. Am 2. März 1865 reichte das ge» 
ſammte Minifterium wegen der verletenden Weife, 
wie einige Regierungsporlagen von der Kammer 


137 


behandelt worden waren, feine Entlaffung ein u. 
wurde am 29, März durch eine der confervativen 
u. zum Theil der klerikalen Partei angehörende 
Combination erſetzt, worin Graf Bilain XIIII. 
Minifter des Aeußern u. de Deder Minifter des 
Innern wurden. Ihr Programm war: Berjtän- 
digung im Innern, Erhaltung eines freundlichen 
Vernehmens nah außen u. Aufrehthaltung der 
Neutralität, in materieller Beziehung Herbeiführ- 
ung der Handelsfreiheit. Im Orientalifchen Kriege 
war die große Mehrheit der Belgier, die fathol. 
Geiſtlichkeit u. Die Neichen voran, entfchieden den 
fogenannten Weſtmächten abgeneigt, die fran- 
zöſiſch Geſinnten (Fransquillons) ganz unbedeutend 
an Zahl u. Einfluß. Seit Anfang Juli 1855 
erfhien daher auch in Brüffel zur Aufklärung 
über ruſſiſche Verhältniſſe u. ‚zur Berichtigung 
thatjächlicher Irrthümer iiber Rußland das Tages 
blatt Le Nord, obwol alle Nicht-Belgier, die zum 
Redactionsperfonal gehörten, ausgewieſen wurden, 
Aber Franfreih u. England batten ebenfalls ihre 
Agenten, welche im dem neutralen B. unter der 
Hand diplomatische Beſtrebungen verfolgten, fo 
daß es als deren Sammelplag eine gewiſſe Wich- 
tigleit erlangte. Die Wahlen zur Ergänzung der 
Hälfte der Mitglieder der Zweiten Kammer im 
Sommer1856 fielen zum Bortheil der Negierungs« 
partei aus, eine Folge der Zerſetzung u. Um— 
wandlung der beiden uriprünglichen poliliſchen 
Parteien, der fogenannten liberalen u. der fatho- 
liſchen. Die erftere hatte fi in Radicale, eigente 
liche Liberafe, u. gemäßigte Liberale geipalten, u. 
die katholiſche Partei durch Vereinigung mit ges 
mäßigten Liberalen die neue conjervative Partei 
gebildet, welche infolge diefer Wahlen eine Mehr- 
beit von drei Fünfteln in der Zweiten Kammer 
hatte u. in der ‚zolge mit dem Namen Doctrinairs 
bezeichnet wurde, Die Kammern von 1856—57 
brachten heftige Kämpfe zwifchen den beiden poli« 
tischen Parteien, welche öffentlihe Unruhen zur 
Folge hatten, Als das Minifterium ein Geſetz 
über Schenkungen ginter Lebenden od. durch lebten 
Willen zu Gunften von Hoipitien, von Armen« 
od, von gemeinnügigen Anftalten vorlegte, wonach 
die Stifter folder Anftalten über deren Berwalts 
ung frei follten verfügen dürfen, fürchtete die 
liberale Partei, daß auf diefem Wege die Ber- 
waltung namentlich” neuer Stiftungen ausſchließ— 
ih der Geiftlichkeit in die Hände fallen würde. 
Je fefter das Minifteriunm u. die parlamentarifche 
Mehrheit auf dem Entwurfe beharrte, defto mehr 
flieg die Aufregung innerhalb u. außerhalb der 
Kammern, bis endlih am 27. u. 28. Mai eine 
erbitterte Menge in Straßenaufläufen in Brüffel 
u. anderen Orten durch Verhöhnung mißliebiger 
Abgeordneter u. Geiftliher u. felbft durch Miß— 
bandlungen von Mönchen Störungen der öffent- 
liche Ruhe verurfachte. Die Bürgergarde wurde 
aufgeboten; die Gerichte verfolgten u. beftraften 


franzöfifchen |die Schuldigen. Der König erflärte zugleich, daß 


er einem Geſetze feine Zuſtimmung verjagt haben 
wirde, welches die unheilvollen Wirkungen hätte 
haben fönnen, die man beflirchtete; überdies waren 
aus den bedeutendften Pläben an Yeopold Adreſſen 
gerichtet worden, im denen er dringend gebeten 
wurde, dem Gejegentwurfe jeine Zuſtimmung zu 


138 


verjagen. Die Gutachten, welche er über das be» 
treffende Gefe von den franzöfiihden Staats» 
männern Guizot u. Thiers auf jein Verlangen 
erhielt, waren verjchieden ausgefallen, indem Guizot 
den Geſetzentwurf principiell vertheidigte, während 
Thiers im entgegengejegten Sinne advifirte. Die 
Agitation nahm fortwährend zu; die Miniſter jelbft, 
welche zuerſt den feften Entichluß tundgegeben 
hatten, ıhr Programm durchzuführen, baten unter 
diefen Umftänden am 30. October den König um 
ihre Entlaſſung, worauf unter Rogiers Leitung 
die liberalen Ditnifter von 1847 u. 1850 an ihre 
Stelle traten, deren erfte That die Auflöfung der 
Kammer war. 

Ende Auguft 1859 fam König leopold mit dem 
Prinz⸗Regenten von Preußen in DOftende u. bald 
darauf mit Napoleon III. in Biarritz zuſammen. 
Am 26. Sept. wurde das zu Ehren des erften 
Eongrefjes u. der Berfaffung errichtete Denkmal 
feierlich eingeweiht. Während die franzöfiiche chau- 
viniftifche Preſſe wieder offen mit Annerion drohte, 
eınpfing der König bei feiner Reife durch das Yand 
die unzweideutigſten Sympatbien. Auch das Eiu— 
vernehmen mit Holland wurde ein beſſeres. Im 
Dct. 1858 hatte der Graf von Flandern den hol: 
ländiſchen König auf feinem Schloſſe Loo bejucht, 
u, jegt kamen beide Könige in Wiesbaden periön- 
lih zufammen, u. Withelm III. wurde auf der 
Rückreiſe in Lüttich von Leopold periönlic begrüßt. 
Bei dem 1863 zwifchen Brafilien u. England ans- 
gebrochenen Conflict wurde Leopold zum Schieds— 
richter erwählt u. entschied gegen England. Am 
10. Dec. 1865 ftarb Yeopold auf jeinem Schloſſe 
Lafer, u. ihm folgte fein Sohn Leopold IL. 
Bei den Wahlen von 1863 erbielten die Kierilalen 
bedeutenden Zuwachs, fo daß der liberale Abg. 
Orts den Antrag ftellte, die für 1866 projectirte 
Vermehrung der Zahl der Deputirten ſchon jet 
eintreten zu lafjen, was in der Kammer zu jehr 
ftürmifhen Scenen führte. Diefelbe wurde auf 
gelöft, u. die Neuwahlen verfchafften der liberalen 
Partei mur cine Mehrheit von 12 Stimmen. In 
demjelben Jahre kam der Proceh de Bud zur 
Verhandlung, der die fuftematiche vom Jeſuiten— 
orden betriebene Erbſchleicherei in ein helles Licht 
ſetzte. Maximilian von Öfterreich, Schwiegerjohn 
Leopolds J., war indefjen Kaifer von Merico ge: 
worden, ı. die Bildung eines FFreicorps, wofür 
das Kriegsminifterinm fehr thätig gemeien war, 
veranlaßte ftürmtiche Debatten; die von der Kam— 
mer votirte Tagesordnung ſprach zwar das Mi- 
nifterium von aller Schuld frei, aber die Folge 
war doch das Duell zwiichen dem Kriegsminifter 
Chazal u. dem Abgeorbneten de Laet. Die Linke 
ſetzte es durch, daß die Regierung die der Sicher- 
heit des Landes gefährlichen Fremden nicht mehr, 
wie bisher, durch Lönigliches Decret, fondern durch 
Entſcheidung des Minifterrathes des Laudes ver- 
weiſen konnte; auf die nicht⸗belgiſchen Redacteure 
des antibonapartiftifchen Blattes La Rive gauche 
wurde Sept. 1865 diefe Beftimmung zuerit ange: 
wenbet. 
u. Beitrafung von Betrügereien bei Communal-, 
Provinzial« u. Kammerwahlen zu Stande. Im 


Nov. 1865 trat der Juftizminifter Teich freimillig|trages, mährend die chauviniſtiſche 


Belgien Geſch. bis 1868), 


tanen, trat an feine Stelle, Jetzt begaun der 
Kampf mit neuer Erbitterung, u. die ganze Hechte 
ſtimmte wie ein Mann gegen das Budget, Die 
liberale Partei hatte ſich indeſſen in 2 Fractionen 
gejpalten, die eine, die doctrinären Liberalen mit 
zröre-Orban an der Spite, die andere von mehr 
radicafer Richtung; legtere, vereinigt in den fog. 
Associations liberales, die fih in jeder Stadt 
bildeten, verlangte hauptiächlich Ausbreitung des 
Wahlvechtes, Herabjetsung des Genfus, Abihaffung 
des dem Klerus günftigen Schulgefeges von 1842 
u. Einſchränkung des Militärbudgets. Diefe Spalt- 
ung wurde in Ber Folge für die liberale Partei 
jehr verderbli. Die Ereigniffe des Jahres 1866 
machten tiefen Eindruck in B., u. es wurde im 
Dec, eine Conmiſſion aus höheren Offizieren u. 
Dütgliedern der Zweiten Kammer u. des Senats 
unter dent Borfige des Kriegsminifters Goethals 
ernannt, um einen Plan für die Reorganifation 
des Heeres u. der Yandesvertheidigung auszus 
arbeiten. Der darauf vorgelegte Gejegentwurf, 
der aus den Borfchlägen der Commiſſion hervor» 
gegangen war, ftieß auf Widerftaud, weshalb, da 
im Laufe von 1867 unter den Miniftern ſelbſt 
Imeinigfeiten entjtanden waren, einige der bis» 
berigen Diinifter, Nogier, Peerevoom u. Goethals 
(Hußeres, Juneres, Krieg) austraten und v. d. 
Stielen, Pirmez u. Nenard ihre Stellen eilt« 
nahmen. Da Nenard das jährlihe Contingent 
von 13,000 auf 12,000 Mann u. die Dienjtzeit 
von 30 auf 27 Monate herabiette, fo wurde das 
Kriegsbudget mit 69 gegen 39 Stimmen ange» 
nommen (14. Mai 1868). Einer Veränderung des 
Schulgeſetzes von 1842 verfagte Fröre-Orban jeine 
Zuftimmung; von den Peereboom hatte früher fo» 
gar die Schulen für Erwachſene unter die Ober- 
aufficht des Klerus ftellen wellen; fein Nachfolger 
Pirmez traf die Beftimmung, daß dieſe Schulen 
je nad dem Gutdünken der einzelnen Gemeinden 
unter geiftlicher Leitung ſtehen jollten, oder nicht; 
ferner fam ein Geſetz zu Stande, wonach den Ger 
meinden ein gewifier Autheil an der Verwaltung 
des Kirchenvermögens eingeräumt wurde. Bon 
großer Wichtigkeit find in dieſem Beitraume die 
Bezichungen B-8 zum Auslande. Die Yuremburger 
Frage berührte das Land nicht näher, weshalb 
aud) B. auf der Pondoner Conferenz nicht vertreten 
war. Dagegen wurde das Boll durch Gerlichte 
über Abmachungen zwischen Napoleon u. Bismard 
jehr aufgeregt, u. die — Entrüftung kehrte 
ſich hauptſächlich gegen Preußen. Biel broender 
u. gefährlicher war ein Conflict mit Frankreich. 
Es waren zwiſchen der Compagnie de l’Est fran- 
gaise u, dem Grand- ———— Verhaudlungen 
eröffnet worden, nach welchen letztere an erſtere 
verkauft werden ſolle. Die Regierung welche ſo— 
fort die Gefahr begriff, die für die Selbſtändigkeit 
Bes entfichen mußte, wenn ein fremder Staat in 
den Befig der wichtigften Bahn käme, brachte bei 
den Kammern jchnell einen Geſetzentwurf ein, der 
die Abtretung von Eifenbabnconceifionen ohne Er« 


Herner kam ein Geſetz über Verhütung |laubnif der Negierung verbot; das Gejep wurde 


angenommen; aber Frankreich drohte mit Neprefe 
falten, bejonders der Kündigung des Handelsver- 
reſſe einen 


zurüd; Bara, der glühendfte Feind der Ultramon« IKriegsfall in dem Auftreten B-s ſah. Durch die 


” 


Belgien (Geſch. bis 1872). 


Neife Fröre-Orbans nad) Paris lam endlich eine,der 2. 


Bereinbarung zu Stande, infolge deren Frankreich 
einige Begünftigungen im Berfehre erbielt. Das 
franzöfifche Project der Erwerbung der OBahn 
fand mit dem von Niel ausgearbeiteten Project, 
im Falle eines Krieges mit Preußen über Yurem- 
burg u. Belgien zu marſchiren, in eıtgem Zuſam— 
menbange. Die Reife Leopolds II. nad England, 
der begeifterte Empfang feitens der engliſchen Be— 
völferung, fowie die majjenhaften Beſuche eng: 
liſcher Riflemen bei belgifhen Schütenfejten waren 
Gegendemonftrationen gegen das Gebahren der 
franzöfifchen Politi. Das widtigite Ereigniß 
während der eriten Hälfte von 1870 war die 
Affaire Langrand-Dumonceau (f. d. Art.), infolge 
deren der Generalprocurator de Bavary u. der 
Procurator Baron Hody, beide Klerifale; da Beide 
die Einleitung einer gerichtlichen Unterfuchung ver 
weigert hatten, vom ZJuftizminifter ihrer Ämter 
enthoben wurden. Die Hoffnung, daß bei den 
bevorftehenden Kammerwahlen die Betrügereien 
Langrands für die Liberalen günftig wirken ſollten, 
beftätigte fich aber nicht; vielmehr beftand infolge 
der Ergänzungswahlen vom 14. Juni die Kammer 
aus 63 Klerifalen u. 61 Liberalen, worauf das 
bisherige Eabinet, mit Fzıdre-Orban an der Spike, 
am 17. jeine Entlaffung einveichte, Am 25, beauf⸗ 
tragte der König den Herifalen Baron d'Anethan mit 
der Neubildung des Cabinets. Yetterer ſelbſt über: 
nahm Außeres, Corneſſe Juftiz, Kervyn de Letten- 
bove das Innere, Tad die Finanzen, Jacobs 
Öffentliche Arbeiten u. Guillaume Krieg. Durch 
Decret vom 8. Juli wurden die Kammern auf« 
gelöft, u. bei den Wablen vom 2. Aug. fiegten die 
Klerifalen banptjählih dankt dem im Hıberafen 
Lager noch fortdauernden Zwifte noch entſchiedener, 
fo daß in der Zweiten Kammer 73 Klerikale 51 
Liberalen u. im Senat 33 Klerifale 29 Yiberalen 
egenüberftanden, Beim Ausbruche des Deutich- 
Frauzöſiſchen Krieges wurden jofort die nöthigen 
Vorkehrungen zur Aufrechterhaltung der Neutrali- 
tät getroffen. Die Armee concentrirte ſich in Ant- 
werpen, u, die franzöfifche, wie die deutiche Grenze 
wurden ftark befett, wozu ein Credit von 15 Dill. 
8. von den Kammern bewilligt wurde,  Obmol 
man von jeder der friegführenden Mächte die bün— 
digften Zufiherungen der Reipectirung der belgi- 
ſcheu Neutralität erhalten u. England fein Garantie- 
perfprechen ernenert hatte, jo machten doch die von 
Bismard vor dem Ausbruce der Feindieligfeiten 
gemachten Enthüllungen über die Napoleoniichen 
Anichläge auf die Selbftändigfeit B-s ungeheures 
Aufſehen, brachten aber in der faft durchaus auf 
franzöfifher Seite ftehenden öffentlichen Dleinung 
nicht den geringften Umſchwung hervor, fo wenig 
als dies jpäter der Fall war, wo die Blätter 
(12. Dct. 1871) das fog. Doſſier Leffine veröffent- 
lichten, welches die Napoleonishen Intriguen mur 
betätigte. Gegen die aufrichtige u. gewiffenhafte 
Neutralität der Regierung ftach das Benehmen der 
Bevölferung und der meift vom Franzoſen ge: 
leiteten fiberalen Preſſe jehr grell ab, wogegen 
ein großer Theil der flämiſchen Bevöllerung mit 
feinen Sympatbien zu Deutichland hielt. Am 


139 


Kammer einen Gefetentwurf vor, der den 
Genius für Communalwablen auf 10 ı. für Pro» 
vinzialwablen auf 20 Fes. herabſetzte, wibrend die 
von den Radicalen verlangte Herabſetzung des 
Cenſus fiir die Wahlen zur 2. Kammer u. zum 
Senat abgelehnt wurde. Indeſſen fanden infolge 
der Beſetzung Noms zahlreiche Herifale Demonjtra« 
tionen ftatt, die größte in Brüffel (2. Febr. 1871), 
woran fi über 100,000 Menſchen betheiligten; 
eine Collectiveingabe der Biichöfe forderte den König 
auf, auf diplomatiſchem Wege Schritte für die 
Wiederherftellung der päpftlihen Macht zu thun. 
Das freundichaftlide Verhältniß zu Holland zeigte 
fih bei der Auslieferung der Gebeine der im Jahre 
1830 bei der Bertheidiqgung der Eitadelle von Ant- 
werpen gefallenen bolländiihen Soldaten. Mit 
der Ernennung von de Deder, einen bei den 
Yangrandihen Schwindeleien am meiſten Gravirten, 
zum Gouverneur einer Provinz fette das Mini« 
jtertum feinem vüdfichtsiofen Vorgehen die Krone 
auf. Am 17. Nov, interpellirte Bara die Neziert 
ung wegen diefer die Ehre des Landes compro- 
mittirenden Ernennung, die Kammer ging mit 66 
gegen 44 Stimmen zur Tagesordnung über; Bara 
forderte darauf am 24. Nov. den Rücktritt aller 
Minifter, die bei den Langrandſchen Unternehm- 
ungen betheiligt geweſen waren, u. dieſes Berlangen 
wurde in Brüffel durch Bollsdemonftrationen fehr 
nachdrücklich unterftügt, jo daß de Deder um feine 
Entlaffung bat. Da die Demonftrationen u. Maf- 
fenanflänfe ſtets drohender wurden, ergriff der 
König jelbft die Amitiative, forderte die Porter» 
ieuilles zurüd, u, das Diebsminifterium — fo war 
es getauft worden — trat ab. De Theur wurde 
7. Dec. mit der Neubildung des Gabinets be- 
auftragt, u. es trat nun ein gemäßigt Elerifales 
Miniftertum auf; kein Mitglied deffelben hatte ſich 
an Langrandihen Unternehmungen betheiligt; der 
Theux ſelbſt war Minifter ohne Portefeuille, 
d'Aspremont⸗Lynden übernahm das Außere, Ma— 
four die Finanzen, Delcourt das Innere, Lants— 
beere Justiz, Moncheur öffentliche Arbeiten, und 
Guillaume behielt Krieg. Am 22. u. 29, Dec. 
wurde das Kriegsbudget in der geforderten Höhe 
genehmigt. Neue Unrnhen entftanden bei dem 
Aufenthalte des Grafen Chambord in Antwerpen, 
dem der Gouverneur feine Aufwartung machte. 
Die zweite Kammer, in der der Miniſter über 
letsteren Borfall interpellirt wurde, ging mit 58 
gegen 37 Stimmen zur Tagesordnung über, Am 
6. März 1872 wurde die Beibehaltung des bel— 
gischen Geſandten beim päftlihen Stuhl bejchlof- 
jen (68 St. gegen 12), dagegen fielen im April 
im Senat beleidigende Ausdrüde gegen den König 
von SFtalien. Darüber u. iiber die weitere That- 
fache, Daß der belgiſche Geſandte Soluyus in Florenz 
blieb, ſtatt der italtenifhen Regierung nah Rom 
zu folgen, interpellirt, erHlärte der Miniſter, daß 
Solvyns die Weifung erhalten babe, nah Rom 
zu gehen; dagegen wurde die Borlegung der dar— 
über geführten Correjpondenz mit 54 gegen 41 
Stimmen verweigert. Golvyus blieb in ‚Florenz 
u, wurde zur Strafe fiir feinen Ungehorſam als 
Gefandter nach London verfegt (13. Nov.). In— 


2. Oct. 1870 wurde das Objervationsheer wieder|folge des neuen Wahlmodus erhielt die klerilale 
entlaffen. An 9. Nov. 1870 legte die Megierung| Partei auch bei den Provinzialwahlen (15. Mat) 


140 


in verfchiedenen Provinzen das Übergewicht. Der 
tlerilale Deputirte Dumortier wurde zum Staats- 
minifter ernannt, u. die Klerifalen verftärkten fich 
wieder, fo daß ihre Majorität jegt 24 betrug. 
Dagegen fiegte die liberale Partei faft überall in 
den größeren Städten bei den Communalmahlen 
(1. Juli); in Brüffel wagten die Klerifalen es nicht 
einmal, eine eigene Wahlliſte aufzuftellen, ſelbſt in 
.Mecheln fiegten die Liberalen, u. in Antwerpen 
wurde die Neritafe Verwaltung nad neunjähriger 
Herrichaft geftürzt. Gegen Ende 1872 hatte ſich 
mit dem päpitlihen Stuhl ein Conflict erhoben, 
da die Curie einen Conſul in Antwerpen ernannt 
hatte, ohne es der belgischen Regierung anzuzeigen. 
Diefe hatte dem Conſul ſchon das Exequatur er» 
theilt, aber infolge der Borftellungen Italiens 
mußte der Gonful um Zurüchnahme der Erequa- 
tur erfuchen. Bei der Organifation des Heereg, 
die in Angriff genommen werden follte, ſprachen 
ich alle Fachautoritäten u, befonders der Kriegs- 
unifter Guillaume für Einführung der allgemei» 
nen Dienftpflihk aus. Der Klerus ftellte als Be- 
dingung feiner Unterftügung für die Durchführung 
des Projects die Zufage, daß bie militärischen 
Almofeniers wieder eingeführt u. die Soldaten 
unter Auffiht u. Führung der Offiziere zur Meffe, 
Beichte u. Communion geführt würden. Guillaume, 
der die Unvereinbarkeit diefer Forderung mit 
der belgishen Berfaffungsbeftimmung, daß der 
Staat als folder confeffionsios ift, einfah, nahm 
22. Nov, 1872 feine Entlaffung, u. Thiebault trat 
an feine Stelle. Einige Tage vorher (11. Nov.) 
hatte die Generalverfjammlung ber katholischen Ber- 
eine, die in Brüffel unter Vorſitz des Generals 
Robiano tagte, eine Reihe von Beichlüffen gegen 
die Erhöhung der Militärausgaben u. die Ein» 
führung der allgemeinen Dienftpflicht gefaßt. Die 
Regierung erklärte am 21. Dec., daß fie von der 
Einführung der allgemeinen Dienftpflict iiberhaupt 
abgefehen habe. „Infolge des von der Regierung 
vollzogenen Anlaufes der Grand-?uremburg-Eifen- 
bahn, joweit die Bahn auf belgiſchem Gebiete lag, 
welcher Kauf trotz ſcandalöſer Enthüllungen von 
der Zweiten Kammer (13—15. Jan. 1873) ge: 
nehmigt wurde, mußte eine Anleihe von 240 Mil. 
Fes. contrahirt werden. Ein großer Sturm erhob 
fi in der Kammer, als der Kriegsminifter fiir fein 
Budget um einen Mehrcredit von 34 Mill. Fes. 
anfvagte, wobei Malou die Gabinetsfrage ftellte; 
die Mehrforderung wurde deshalb (3. Aug.) mit 
54 gegen 37 Stimmen genehmigt. Der flämifche 
Sprachenkampf trat jet wieder einmal in den Bor« 
dergrund, Die Kammer genehmigte am 26. Juli 
einen Gefepentwurf, nad welchem der Gebrauch 
der flämiſchen Sprade unter gewiſſen Umftänden 
vor Gericht geftattet wurde. Während Langraud 
ſchon im vorigen Jahre in contumaciam zu zehn 
Jahren Zucdthausftrafe verurtheilt worden mar, 
wurden jämmtliche Adminiftratoren feiner Banf 
vor das AZuchtpolizeigericht verwiejen (15. Aug.), 
aber meift freigeſprochen. Wie in Frankreich, 
organifirte der Klerus großartige Wallfahrten. 
Im September und Dctober wurde in Brüffel 
ein internationales Yuftitat für Völkerrecht ge- 
gründet, Eine große Aufregung im Volle trat 


Belgien (Geſch. bis 1875). E 


Gericht verbreitete, Preußen babe ſich bei der bel— 
giihen Regierung ebenfo wie bei der franzöfifchen 
über den unflätigen Ton der belgiſchen klerilalen 
Preffe beitagt; der Abg. Berge interpellirte den 
Minifter des Außern darüber, u. dieſer erflärte, 
daß fich die ganze Sache auf Borftellungen reducire, 
welche das Minifterinm aus freien Stüden der 
Preffe, an deren Patriotismus man appellirt, ge⸗ 
macht habe, womit der Fall erledigt war, ähn- 
liches wiederholte fih im Frühjahre 1875 aus 
Anlaß einer deutſchen Note an die Regierung 
B-8, weil man einem von dort aus beabfichtigten 
Atentar auf den FFürften Bismard auf die Spur 
gelommen war. Man mollte anfangs darin viel» 
fach Verlegung der beigiihen Neutralität jehen, 
aber die Sache hatte feine weiteren Folgen, ja, 
die belgiſche Hegierung zeigte ſich ſchließlich durch» 
aus mwillfährig den deutſchen Forderungen gegen« 
über (Ende Mai 1875). Bon den Wilhlereien 
der Juternationale blieb B. gleichfalls nicht ver- 
ihont; 1869 fanden bedeutende Unruhen in ben 
Koblendiftricten ſtatt, die theilweiſe durch Waffen« 
gewalt unterdrüdt werden mußten; den nach B. 
geflohenen Mitgliedern der Commune wollte man 
zuerft das Aſylrecht verfagen, man hat aber nichts 
von Auslieferungen gehört. Bot den Pariſer 
Kriegsgerichten ftanden 150 der Theilnahme an 
der Commume bejchuldigte Belgier. Die Con— 
ferenz zur Regelung des Kriegsrechtes trat im 
Jahre 1874 in Brüffel unter dem Borfite des 
ruffischen Generals Jomini zufammen, tremmte fich 
jede, ohne zu einem definitiven Reſultat gelom- 
men zu fein. 

König Leopold IT. erfreut ſich derfelben Popu- 
larität, wie fein Vater. Er ift ein perfönlicher 
Gegner der Todesjtrafe u. hat noch fein Todesur- 
theil unterzeichnet. Der präfumtive Thronerbe ift 
Balduin (geb. 3. Juni 1869), Sohn des Grafen 
von Flandern, des Bruders von Leopold II. 

Die Literatur zur Gejchichte Bes ift jo eng mit 
der über die Vereinigten Niederlande zc. verbuns« 
den, daß wir bis zu der Trennung B-$ auf die 
dort zu gebende Literatur verweilen müffen u. bier 
nur für die frühere Gejchichte erwähnen: Collec- 
tion de chroniques Belges inedites, publice par 
ordre du Gouvernement et par les soins de la 
Commission royale d’histoire, Brüffel 1836—39, 
4 Bde.; J. F. Willems, Belgisch Museum voor 
de nederduitsche taelen letterkunde en de ge- 
schiedenis des vaderlands, Gent 1837 —40, 
4 Thle.; Darftellung der Urfahen u. Begeben« 
beiten der belgischen Revolution, Stuttg. 1830; 
La Belgique et l’Europe, ou precis des &vöne- 
ments, arrives dans le royaume des Pays-Bas, 
pendant la periode de 1815—31, Amſt. 1832; 
Noch ein Wort über die Belgijh-Holländifche Frage, 
re 1832; Nothomb, Hiftoriich diplomatische 

arftellung der völferrechtlihen Begründung des 
Königreihs B., nah dem Franzöſiſchen von A. 
Michaelis, Stuttg. 1836; W. A. Arendt, Belgiiche 
Zuftände, Mainz 1837; Kuranda, B. feit Feiner 
Revolution, Lpz. 1846; Tb. Jufte, Leopold L., 
roi des Belges; derſ., Histoire de la Belgique 
depuis les temps primitifs jusqu’a la fin du 
rögne de Leopold I., Gent 1868; Derf., Histoire 


zu Tage, als fi) zu Anfang des Jahres 1874 das|de la fundation de la monarchie belge, Gent 


Belgiojojo — Belgıad, 


1850, 2 Bde.; Derf., La revolution belge de 1830 
ete., Gent 1872, 2 Bde; derjelbe Verfaſſer hat 
außerdem noch im einer Reihe von Werten die 
Geſchichte B-8 im 17. u. 18. Jahrh. behandelt; 
Mote, Histoire de la Belgique, 5. A., Gent 1868. 
(Gefch.) Wenzelburger.* 

Belgiojöfo, Meine Stadt im Diftrict und der 
italien, Provinz Pavia; Schloß, Stammhaus der 
Fürften Barbian u. B.; Biehzudt u. Käjebereit- 
* 4469 Ew. 

elgiojöſo, Fürſten von Barbian-®.; ſ. u. 
Barbian. 

Belgiojöfo, Chriſtina, Fürſtin v. B., ita— 
lieniſche Patriotin u. Schriftftellerin, Tochter des 
Marquis Hieronymus Iſidorus v. Trivulzio, geb. 
28. Juni 1808 u. 1824 mit dem Fürſten Emil 
vd. Barbian-B. (geb. 14. Mai 1800)z5u Mailand ver: 
mäblt. Nad der Julirevolution nahm fie einige 
Jahre ihren Wohnfig in Paris, wo ihr Haus der 
Sammelplag gebildeter rauen, geiftreiher Män— 
ner, wiffenichaftliher Celebritäten, Staatsmänner 
u. hoher Militärs wurde, Sie gründete hier um 
1843 die Gazetta Italiana u. den Ausonio, eine 
Wochenſchrift, u. jchrieb für dem Constitutionnel 
u. die Democratie paeifique politifche Beiträge; 
außerdem: Essai sur la formation du dogme 
catholigue u. eine Überfegung von Bicos Scienza 
nuova. Politiſche Flüchtlinge, welche das J. 1821 
aus alien vertrieben hatte, fanden an ihr eine 
Unterftüterim, u. ihr feuriges Intereffe an Ita— 
hens Freiheit u. Selbftändigfeit fand am den 
Borgängen 1846 u. 1847 den lebhafteften Wider: 
ball. Nah dem Ausbruhe der Bewegung in 
Mailand (März 1848) betheiligte fie fich durch 
die Errichtung eines Freicorps an derfelben, nach 
der Umterdrüdung durch die Ofterreicher fuchte fie 
durh ihren Einfluß in Paris u. Turin für fie zu 
wirfen, Anfangs 1849 begab fie fih nah Nom 
u. ging nad) der Kapitulation diefer Stadt au Lie 
Franzofen u. nachdem ihre Befigungen in alien 
mit Beichlag belegt worden waren, fiber Athen 
nah CEonftantinopel. Von hier aus befuchte fie 
Jerufalem u. Damascus u. lebte hierauf in dürf- 
tigen Berhältniſſen zu Zicherfiefh (dem alten An- 
toniopolis) in Kleinaſien. Auf mehrfeitige Ver— 
wendung ward im November 1855 die Befchlag- 
nahme ıhrer Gitter aufgehoben, u. im Mai 1856 
lehrte fie begnadigt in ihr Vaterland zurüd, von 
wo fie nad Paris überfiedelte, u. 1859 ging fie 
wieder nach Italien, an defjen Einigung fie den 
regften Antheil nahm. B. ftarb 5. Juli 1871 
in Mailand. Bon ihren Schriften find zu er- 
wähnen: Emina (Reeits turco-asiatiques), 2 
Bpe., Paris 1856; Asie mineureet Syrie, 2Bbe,, 
Parıs 1858, 

Belgium (a. Geogr.), Theil von Belgica, wo 
die Bellovacer, Ambianer, Atrebater, Belliocaffer, 
Aulerfer und Galeter wohnten; die Gegend des 
jetzigen Beanvais, Artois u. Amiens. 

elgius oder Bolgius, einer der Anfihrer, 
der gegen d. J. 280 v. Chr. Pannonien, Thras 
fien u. Makedonien verbeerenden Kelten; bejette 
leßteres Land, nachdem Prolemäos Keraunos ge- 
fhlagen u. getöbtet worden war, 280 v. Chr., 
wurde aber von dem Mafebonier Softhenes be- 
fiegt u. getödtet. 


141 


Belporod, f. u. Bielgorod. 

Belgrad, 1) Kreis des Fürſtenthums Serbien; 
bededt einen Flähenraum v. 1707 [km (31 [_ IM) 
u. ift getheilt in die 5 Bezirke: Grotzka, Kolubara, 
Kosmaj, Poffamina u. Wratiher. Er bat in 
1 Stadt (Belgrad), 1 Flecken (Grogla) u. 120 
Dörfern 88,970 Em, (1866); 2 Kiöfter, 33 Kirchen 
u. 41 Elementarfchulen (obne B.). Das Fand ift 
bügelig; größere Gebirge find Amala u. Kosmaj. 
Die Einw. leben von Aderbau, welcher ſich ver« 
hältnißmä ig gut lohnt. 2) (Serb. Beograd, 
griechiſch Weißenburg, ungar. Nandor » Fejer⸗ 
wär, türk. Darol Dſchichad, lat. Alba graeca od. 
Jauris) Hauptftadt des Fürſtenthums Serbien u. 
wichtige ‚zeitung; liegt am Einfluß der Save in 
die Donau, gegenüber Semlin; Wefidenz des 
Fürften von Serbien, Sit der höchſten Landes— 
bebörden u. eines griechiich-ferbiichen Erzbiichof- 
Metropoliten; Rußland, Defterreich, Ungarn, Franke 
veih, England u, Jtalien haben hier ihre Diplo» 
matiichen Agenten, Deutichland, Griechenland ı. 
Rumänien ihre General-Gonfulate; Hochſchule mit 
einer juriftiichen, philoſophiſchen und techniichen 
Facultät, Gymnaſium, theologische Lehranitalt 
und Seminar, Kriegsalademie, zwei Untergom« 
nafien, Oberrealichule, höhere Mädchenſchule, 1 
deutſche Bürgerſchule, 7 Elementarjchulen für Kna— 
ben und 8 für Mädchen; 3 ferbifhe Kirchen in 
der Stadt, 1 in XTopichieder, 1 in der Feſt⸗ 
ung u. 1 Kapelle in dem erzbifhöflichen Palais, 
1 evang. Kirche, 1 Synagoge u. 1 fath. Kapelle 
im öfterr.-ung. Gefandtichaftsgebäude; Nationale 
bibliothel u. Muſeum (1832 gegründet), eine Ge— 
fehrtengejellichaft (feit 1842) u. die Gejellichaft der 
jerbifhen Arzte. Bon den öffentlichen Gebäuden 
find die bervorragendften: die Hochſchule, das 
Theater, das Fürſtenpalais, das Gebäude der 
Minifterien der auswärtigen u. inneren Angelegeit- 
heiten, Militärbofpital, das Stadt-Hranfenhaus u. 
einige Privathäufer, Die obere Feſtung liegt in 
der Mitte des Ganzen, auf hohem Felſen, der als 
Endpunkt des vom Amwalagebirge abjteigenden Ge— 
birgszuges zu betrachten iſt; fie iſt mit Mauern 
u, dreifachen Gräben umgeben, beherricht die Stadt 
u. die Donau u. hat von der Stadtjeite nur einen 
ee Die untere Feſtung umgibt die obere 
im O., N., W. u. hat zwer Thore. Die Yage im der 
Sabel, melde jene beiden an diefer Stelle fehr 
breiten Flüſſe bilden, macht die Feſtung ftrategiich 
wichtig u. ziemlich feft, doch für die Belagerung 
mit den neuen Artilleriewafien unhaltbar, da fie 
von den naheliegenden Anhöhen beherrſcht wird, 
Außer den Gommandanturgebäude ift in der 
oberen Feitung ein Arjenal u. eine Mofchee, die 
zur Zeit als Mititärfpital dient. Die Kafematten 
find zu Gefängniffen eingerichtet. In der unteren 
Feſtung find Kafernen, Magazine u. Werkftätten. 
Bon der Feſtung duch einen breiten Hayon, dei 
Kalimeydan, der nad) der Räumung der Feſtung 
duch die Türken in einen jchönen Park umge» 
wandelt wurde, getrennt, breitet fih im SO, u. 
W. die Stadt 9 aus. Sie hat zwei ſchöne 
Anlagen, die Häuſer ſind mit wenigen Ausnah— 
men nur ebenerdig u. in den äußeren Stadt- 
theilen mit großen Gärten umgeben, Nad der 
Bertreibung der Türken wurde die Türkenſtadt 


142 


(Dortfhol) demolirt u. eine zwedmäßige Straßen- 
regulirung durchgeführt, aber die Schanzen und 
EStabtthore wurden niedergerifien u. das Terrain 
Die Moſcheen fteben mit berinauerten 
Eingängen da u. find im Berfalle begriffen, mit 
Ausnahme einer einzigen, in welcher ein von 


geebnet. 


der ferbifchen Regierung beſoldeter tückijcher Prie- 


fter den Gottesdienft für die wenigen noch in 


B. mweilenden oder zugereiften Türlen verrichtet. 


Die Stadt hat ein jdylechtes Pilafter, und viele 


Strafen haben noch gar keines; die Straßen- 
beleuchtung ift äußerft fümmerlih, die Kanalifa- 


tion jchlecht u. das Trinkwaſſer mangelhaft, daher 
1866 
25,178 Em., darunter 1915 Deutjche, Ende 1872 
26,674. Die Eimw. beftehen zum großen Theil 
aus Kaufe u, Wirthsleuten, einer verhältnigmäßig 
großen Zahl von Beamten u. Meinen Handwerfern, 
die mur für den Ortsbedarf arbeiten; von einer 
Die Stadt 


auch ſtarle Sterblichkeit. In B. lebten 


Fabrifinduftrie iſt nichts vorhanden. 
als Handelsplatz ijt ſehr wichtig, da ſie den 


Waarenverkehr zwiſchen Oſterreich-Ungarn u. der 


Türfei größtentheils vermittelt. Der Tranſithan— 
del Oſterreichs mit der Türkei u. umgekehrt geht 
ausſchließlich über B. u. beträgt bei 8 Mill. Fes. 
jährlih. Den Aufihwung des Handels unter 
fügen ein Bayfinftitut u. eine Ereditanftalt. Die 
Oſterr. Donau⸗Dampfſchifffahrts-Geſellſchaft u. die 
Staats - Eifenbahn » Gefellichaft haben bier ihre 
Agenturen, welde den Vexkehr längs der ferbi- 
fhen Flußufer und mit ſterreich-Ungarn ver: 
mitteln; doch ift die Stadt von Eijenbahnen noch 
nicht berührt. B. hat eine jelbftändige Polizei- 
verwaltung und wird in 6 Stadtviertel getheilt, 
welche von Polizeichefs verwaltet werden; die Ge— 
meindeangelegenheiten verwaltet ein Bürgermeiiter, 
ans der freien Wahl der Bürger hervorgegangen, 
mit einem Stadtrathe u, Gemeindeausihuffe, der 
ebenfo von u. aus der Bürgerjchaft gewählt wird, 

B. fteht auf der Stelle des alten Singidunnm; e8 
gehörte zu Ober-Möften u. war das Standgnartier 
der römischen Legio IV. Flavia Felix. Es wurde 
im 5. Jahrh. von den Hunnen u. O®othen, 1073 
von dem Ungarnlönig Salomon eingenommen, 
lam fpäter wieder an die Byzantiner u. wurde 
im 12. Jahrh. von dem Kaifer Emanıtel Kome 
nenos befeſtigt. Im 14. Jahrh. fam die Stadt 
in Befig der Serben; dieje ftellten fie 1342 als 
Gaftell wieder ber u. traten fie 1425 an Sieg- 
mund von Ungarn ab, welcher die Werte befier 
befeftigen ließ. 1440 wurde B. vergebens von 
Murad II. 7 Monate lang belagert u. diefer von 
den Ungarn, Böhmen u. Deuiſchen gefchlagen, 
dabei blieben 17,000 Türken am Plage. 1441 
erneuerten die Türken die Belagerung, wurden 
jedoh abermals von Johann Hunyady geſchla— 
gen; 1456 wieder durch 150,000 Türken unter 
Mohammed II. belagert, entjetsten Hunyady u. 
Capiſtrauo die Stadt u. erfochten dort einen großen 
Sieg; auch im %. 1493 verjuchten die Türken B. 
zu nehmen. Erſt 29. Aug. 1521 wurde B. von 
Soliman II. durch Kapitulation erobert u. die 
auf 400 M. geſchmolzene Bejagung trenlos ermordet; 
6. September 1688 wurde B. von 60,000 Mann 
unter dem Kurfürſten Marimilian Emamtel von 
Boyern erjtürmt u. faft die ganze Beſatzung nie- 


















Belgrad. 


dergemacht, doch auch die Erftürmer hatten ſchwere 
Berlufte erlitten; jchon am 1. Dct. 1690 ging es 
durch den Öroßvezier Muftapha Köprili durch 
Sturm wieder verloren; 1692 ließ es der Groß— 
vezier Hadſchi Ali befier befeftigen; 1693 wurde 
B. wieder hart von den Ofterreichern unter dem 
Herzog von Eroy belagert, aber nicht genommen; 
1698 verbrannten 150 Magazine bier mit allen 
Vorräthen an Mehl, Korn, Gerſte, Zwieback. 
Am 16. Juli 1717 fette Prinz Eugen mit 
100,000 Mann über die Donau, zog um die ganze 
Stadt Belagerungswälle u. begann am 22, Juli 
mit der Beſchiehjung der Stadt, welche von 
29,000 Mann mit 500 Geſchützen vertbeidigt wurde. 
Zugleih griff er den 150,000 Mann ftarfen 
Sroßvezier Köprili, welcher ihn durch eine Cir— 
cumvallationslinie einjchloß, mit 40,000 M., wäh- 
rend 20,000 M. vor der Feſtung blieben, in der 
Nacht vom 16.—17. Aug. an, fprengte die feind« 
lihen Linien nach hartem Gefechte u. ſchlug die 
Türken gänzlih. B. ergab fih mit 20,000 M. 
am 18, Aug. u, verblieb im Paffarowiger Frie— 
den (1718) den Ofterreihern. Als im J. 1737 
der Krieg zwiſchen Ofterreih u. der Türkei von 
Neuem ausbrad, famen die Tiirfen nach manden 
harten Kämpfen u. nachdem die Ofterreicher am 
23. Juli 1739 bei Grotzka durch die Unentſchloſ— 
jenheit des Feldmarſchalls Wallis geichlagen, am 
25. Juli vor B. an u. beitürmten die Feſtung, 
aber vergebens; erft durch den am 18. Gept. 
1739 abgefchlojjenen Frieden von B. wurde B. 
nebſt Schabacz, Orfowa u, den von Dfterreich 
occupirten Theilen von Serbien u. Bosnien an 
die Türken abgetreten. Die nenen, von den Ojter- 
veichern ausgeführten Befeftigungen B-s wurden 
zuvor geſprengt. Neipperg u. Wallis wurden 
wegen des Ber Friedens verhaftet u., jo lange 
Karl VL lebte, gefangen gehalten. 1755 erregten 
die Yanitichaaren hier einen Aufſtand, infolge 
deffen der Statthalter Achmed Köprili Paſcha 
floh; den 2. Dec. 1787 mißlang ein Überfall 
dur 4 ungarische Megimenter auf der Wafler- 
jeite; am 12. Sept. 1789 überjchritt Gen. Laudon 
die Sawe mit 80,000 Mann u. begann mit ber 
Belagerung; am 30. Sept. wurde die Stadt mit 
Sturm genommen, u. nad einem furdhtbaren 
Bombardement übergab Osman Paſcha am 8. Oct. 
die Feſtung an Laudon; Öfterreih gab fie nad) 
dem Frieden von 1791 wieder heraus, Im 
3. 1801 fetten fih in B. die abtrünnigen Dahien 
feft, u. nachdem fie den Paſcha gemordet, hauften 
fie arg in Serbien u. ımterdrüdten das Boll der- 
maßen, daß 1804 ein Aufſtand unter Georg dem 
Schwarzen (Kara-Djadje) ausbrach; doch erjt 1806 
jhritten die Serben zu einer Belagerung B-3 u. 
nahmen die Stadt am 30. Nov. ein, u. am 
30. Dec. def. J. capitulirte auch die Beſatzung 
der FFeftung. ie Feſtung blieb dann in den 
Händen der Serben, welche, von den Auffen un« 
terftügt, die Türlen an der Landesgrenze be» 
fämpften. As nah dem Bufarefter Frieden 
(28. Mai 1812) zwifchen der Türkei u. Rußland 
die Serben den Schuß Rußlands verloren, räumten 
fie 21. Sept. 1813 B., u. die Feſtung wurde von 
ven Türlken befett. Nach dem Jahre 1859 wur— 
den die Verhältniſſe zwifchen der ferbifchen u. 


Belial — Bell. 


türfifhen Stabtbevölferung immer gefpannter, es 
famen Zwiftigfeiten vor, die endlich den 3./15. Juni 
1362 mit einem blutigen Zufammenftoße u. der 
Bertreibung der Tiirfen aus der Stadt endeten, 
dem das mebrftündige Bombardement der Statt 
aus der Feitung am 5/17. Juni folgte. Die 
türfifhen Bewohner fehrten nicht wieder in die 
Stadt zurüd, doch die Feftung blieb bis zum J. 1867 
von den Türken bejegt, u. im April befam die 
Feſtung laut einer Übereinkunft zwifchen Serbien 
u. der Pforte eine ſerbiſche Beſatzung, u, neben 
der türfiihen Fahne wurde aud die ſerbiſche auf- 
gehigt. Über die ſtrategiſche Wichtigkeit der Feſt⸗ 
ung 2. f. Filek von Wittinghaujen, das Für— 
ftenthum Serbien (©. 39). Jovanovic. 

Belinl (v. Hebr.), im N. T. Bezeichnung 
des Teufels, 2. Kor. 6, 15. Es ift die einzige 
Stelle im N. T., in welcher der Name vorlommt, 
wabrjcheinlich nach urſpr. Yesart in der Form Beliar. 

Belidor, Bernard Foreſt de B., franz. 
Ingenieur, geb. 1697 in Gatalonien; ftudirte 
Mathematik u. wurde Profeffor der neu errichteten 
Artillerieſchule zu La Foꝛre. Hier ftellte er wichtige 
Berſuche über die Gejchligbedienung, das Ballı- 
ftifche Problem u. über die Minen an u. berichtrgte 
die Grundjäge über beide; dadurd, daß er feine 
Entdedungen dem Cardinal Fleury mit Übergeh 
ung des Kommandanten der Artillerie, Prinzen 
von Dombes mittheilte, zog er fich deſſen Ungnade 
zu u. verlor fogar fein Yehramt zu La Fre. Er 
machte 1742 den Feldzug in Bayern als Adjutant 
Ségurs u. des Herzogs von Harcourt mit, wurde 
Oberſtlieutenant u. ging mit dem Prinzen von 
Conti 1744 nah Italien, 1745 nad den Nieder: 
landen, wo er wejentlich zur Eroberung von Char: 
feroi beitrug; er wurde Oberft, 1758 Director 
des Arjenals u. bald darauf Brigadier u, General- 
infpector der Mineurs. Er fl. 8. Sept. 1761 zu 
Paris. B. ſchr. u. a.: Cours de mathematique, 
Bar. 1723; Science des ingönieurs. ebd. 1729; 
Le Bombardier francais, ebd. 1731; Traite 
des fortifications, 1735, 2 Bde; Architecture 
hydraulique, 1737—51, 4 Bde. 

Belin, Frangois Alpbonfe, franz. Orien- 
talift, geb. 31. Juli 1817 zu Paris; widmete fich 
rühgeitig unter Leitung des J. J. Marcel, eines 
alten Mitgliedes des Institut d’Egypte, dem 
Studium der oriental. Sprachen, ftudirte am Col- 
lege de France u, in der Ecole des langues 
orient. zu Paris, unter den Profefforen ©. de 
Say, E. Duatremdre, Am. Jaubert u. Reinaud 
die arabifche, perfiiche u. türfiiche Sprache, wurde 
1838 Repetitor an der Ecole royale unter dem 
Director. Jouannin, 1842 dragoman, Chancelier 
am franz. Conſulat in Erzerum, 1843 in Salo— 
nich, 1846 in Kairo, 1852 interimiftifcher Seerd- 
taire-Interprete an der franz. Gefandtichaft in 
Conftantinopel, 1862. wirflicher kaiſ. Secretaire 
Interprete bafelbft u. 1868 Consul general. 
Außer folgenden 4 Werten: a) Vie de Djengiz- 
Khan, tente persan de Mirkhond, Par. 1841; 
b) Histoire des Sassanides, texte pers, de 

irkhond, ebd; c) Ambassade de Méhémed 
Effendi ä la Cour de France, türtiſch, ebd., u. 
d) Ambassade de Seid Wahid Effendi a la 
Cour de France, türkiſch, Par. 1843, ſchrieb B. 


143 


auch zahlreiche meift größere gelehrte Abhand- 
lungen, die im Parifer Journal asiatique erichie- 
nen find u. die ſowol von feinen gründtichen 
Kenntniſſen der arab., per. u. türl. Sprade 
Zeugniß geben, als auch feine große Bertrautheit 
mit der Geſchichte des Drients u. deffen Cultur— 
zuftänden beurfunden. 

Belijar (Belifarios), oftrömifcher Feldherr, 
Sohn eines Füyriers, geb. um 505 n. Chr. in 
Dardanien; war zuerjt Soldat bei den Haustruppen 
des Prinzen Juſtinianus u. vermählt mit Antonina; 
er wurde außer feiner Tüchtigfeit auch durch deren 
Freundin, Theodora, Juſtinianu's Gemahlin, ges 
hoben. Im J. 527 im Berferkriege zum Comman« 
danten in Meſopotamien, im J. 530 zum Ober- 
feldheren im Orient ernannt, unterdrüdte er 532 
einen Wufftand der Bürger in Conftantinopet 
gegen Kaiſer Fuftinianus, eroberte im J. 533 u. 
534 das Vandaliſche Reich in Afrika, beiette im 
J. 535 Sicilien u. vernichtete in hartem Ringen 
in den J. 536 bis 540 das Oftgotbiiche Neich in 
Italien. Nunmehr aus Ftalien abberufen, mußte 
er es geſchehen laſſen, daß die Gothen in FJtalien 
ſich wieder erhoben. Und als er ſeit 544 wieder 
dahin geſchickt wurde, mußte er mit höchſt unge 
niigenden Streitträften feine Feldherrngröße bis 
548 in erfolglofen Kämpfen gegen die Gothen ver- 
geblich anftrengen. Bon jetzt al$ abgedantter Feld» 
herr in Conſtantinopel lebend, rettete er die Haupt« 
tadt im J. 559 vor einem Angriffe der kutur—- 
guriſchen Hunnen. Einer Verſchwörung gegen den 
Kaiſer Yuftinianus angellagt, wurde ev 562 feiner 
Würden entfegt, feiner Güter beraubt u. 7 Mo— 
nate lang gefangen gejegt, darauf aber 563 wieder 
entlaffen u. alle feine Güter ihm zurücdgegeben. 
Er ft. 13. März 565. Unwahr ift die Erzählung 
von feiner Blendung u. Armuth im Alter, welche 
ihn gezwungen habe, fein Brod auf den Straßen 
Conſtantinopels zu erbetteln. Yebensbeichreibung 
von Mahon, engliih, Lond. 1848. B. ift Gegen» 
jtand einer Tragödie von E. v. Schenk, einer 
Oper von Donizetti; das berühmte Gemälde, der 
blinde B., ift von Gerard, in Kupfer geftochen von 
Desnopers. Hergberg. * 

Belitz, ſ. u. Beelit. 

Belize, f. Balize 2). 

Dellnap, County im nordamerifan. Unions- 
ftaate New-Hampfbire, unter 43° n. Br. u. 71° 
w. L.; zahlreihe Seen; 17,681 Ew. Countyfig: 
Dover. j 

Bell, 1) Dorf im Kreife Mayen des preußischen 
Regbez. Koblenz, nordweitlih vom Yaacher-See; 
Mühl- u. Tuffſteinbrüche. Säuerling; 1000 Em. 
2) County im nordamerifan. Unionsftante Teras, 
unter 31° n. Br. u. 97° w. 2; 9771 Em. 
Countyſitz: Belton. 

Bell, 1) John, vorzüglicher Anatom u. Chi« 
rurg, geboren den 12. Mai 1768 in Edinburgh; 
ftudirte daſelbſt Medicin und hielt bereits 1790 
Vorlefungen in feinem eigenen anatomifhen Hör- 
jaal, wodurd er ſich mancherlei Anfeindirugen 
ausjegte. In feiner Schrift: Discourses on 
the nature and cure of wounds, Edinburgh 
1793, deutih von Leue, Leipzig 1798, gab er 
lebrreiche Anfichten über die Heilung der Wunden 
und empfahl namentlid das Terpentinöl beim 


144 


erften Grade der Verbrennungen. Weiter erfchier 
nen von ihm: The anatomy of human body, 
Fond. 1797, mit Fortiegung dur Charles B, u. 
The principles of surgery, 3 Bde., 1809—183, 
von Charles B. neu aufgelegt, 1816, u. vorzüg—⸗ 
liche anatemifche Kupferwerke: Engravings of the 
bones, muscles and joints, Edinb. 1794 u. 1809; 
of the Arteries, ebd. 1801, 4. Aufl., 1824; of 
the brain and the nerves, ebd. 1803; of the 
viscera, ebd. 1804. Nachdem er fein Lehramt 
niedergelegt hatte, ftarb er auf einer italienischen 
Meife 15. April 1820 in Rom. Seine Neife- 
notizen find von feiner Frau unter dem Titel: 
Observations on Italy, Edinb. 1825, herausge- 
geben worden. 2) Andrew, engl. Pädagog, Bru— 
der des Vor., geb. 1753 zu St. Andrews in Schott- 
land; wurde Pfarrer au der biichöfl. Kirche zu Leith 
u. ging daun nach St. George bei Madras in Jn- 
dien, wo er 1789 Prediger u. zugleich Lehrer an 
der Militär-Waifenfchule war; bier erfand er die 
Methode des gegenfeitigen Unterrichtes u. verfuchte, 
1795 nad) England zurüdgetehrt, aud hier Schu- 
fen mit diefer Unterrichtsmethode zu gründen; ſ. 
BellsYancafteriche Methode. Aber erft jeit 1807 
unterftügte ihn die Negierung, weil er bie reli» 
giöfen Anfichten der herrſchenden Kirche gegen den 
Quäler Lancafter, deſſen ähnliches Unterrichts— 
ſyſtem in London viel Anklang fand, vertheidigte, 
u. vertraute ihm die Leitung mehrerer Armen« 
ſchulen w. das Nectorat am Shernburnhofpital zu 
Londoy an. Er ftarb 27. Jan, 1832 zu Chelten- 
ham; fein in 120,000 Pf. St. beftehendes Ver— 
mögen vermachte er verichiedenen Nationalinftitu- 
ten. Er jr.: Experiment in education made 
in the asylum of Madras, Lond. 1797; Ele 
ments of tuition, ebd. 1812, 3 Bde., deutſch von 
Tilgenfanp, als B-8 Schulmethode; Instruc- 
tions for conducting schools through the agency 
of the scholars themselves, 6. A., 1817; The 
Wrongs of Children, 1819. 8) SirBenjamin, 
in Edinburgh, Wundarzt am Royal Infirmary, 
Mitglied des Irländiſchen Collegiums der Wund- 
ärzte u. Mitglied der Königl. Geſellſchaft, Esq.; 
hat zu Edinburgh ftudirt, ımter Alex. Monroe 
namentlich fi) mit Anatomie beichäftigt, den Con— 
tinent bereift u. auch längere Zeit in Paris ver 
weilt. Das find merfwürdiger Weife jo ziemlich 
die einzigen ficheren Lebensnotizen, die wir von 
dem hodpberühmten Manne noch befisen. Ge— 
burts- und Sterbejahr fehlen. Er ft. zu Anfang 
unferes Jahrh. Folgendes find die Schriften dieſes 
gelehrten Mannes, durch deren auf Gelehrfamleit 
u. eigener großer Erfahrung beruhende Bear- 
beitung er fi) ein hohes Berdienft um die Chi- 
rurgie erworben bat: On the Theory and Mana- 
gement of Ulcers, with a diss. on white swelling 
of the joints, Edinb. 1778, verſchiedene Male 
aufgelegt u. in bas Deutjche, Franzöfifche u. Spa« 
niſche übertragen; A systeın of surgery, ebb. 
1783—88, wie das vorige; A treatise on gonor- 
rhoea virulenta and Lues venerea, ebd. 1793; 
A treatise on the hydrocele, sarcocele, cancer 
and other diseases of the testes, ebd. 1794. 
Die beiden letzten find gleichfalls mehrfach auf- 
gelegt u. überſetzt. Außerdem finden fich noch Hei- 
nere Artilel in verjhiedenen medicinifchen Zeit- 


Bell, 


ungen 4) Charles (Sir Ch. B.), berühmter 
Anatom, Phyfiolog und Chirurg, Bruder von 
8. 1) und 2), geboren in der Nachbarſchaft 
von Edinburgh im Herbfte 1781 (mn. U. 1774 
oder 1778), Sohn des presbyterianischen Geift« 
lihen John B.; befuchte bis 1798 die Hochſchule 
feiner Baterftadt, ftudirte dann bafelbft unter Leit« 
ung feines älteren Bruders Sohn, ging 1803 
nach London, wo er zwei Jahre als Geburts« 
belfer prafticirte, trieb dann vorzüglich Anatomie, 
lehrte dieſe Miffenfchaft in Wilſons anatomiſch- 
chirurgiſchem Theater, befam an der neu errichte- 
ten Londoner Mniverfität die erfte Profefiur für 
Phyſiologie u. Therapie (am 1. Oct. 1828) und 
fehrte fpäter vergleichende Anatomie am College 
of Surgeons. Wilhelm IV. erhob ihn 1833 in 
den Nitterftand. Fiir feine anatomifhen Ent- 
dedungen im Bereiche des Nervenipftems_ erhielt 
er von der Royal Society eine Preismedaille, ca. 
1000 Mark werth. 1836 verließ er London, wobei 
ihm von feinen Gollegen eine koſtbare filberne 
Vaſe verehrt wurde, und ging als Profeffor der 
Chirurgie nach feiner Vaterftadt Edinburgh zurück. 
Er mar Mitglied verichiedener Gelehrter Gefelle 
ichaften u. ft. 28. April 1842 auf einer Bergnils- 
gunasreife in Worcefterfhire. 1815 war er in den 
Hofpitälern zu Brüffel außerordentlich thätig ger 
wejen. B⸗s großes Berdienft um die neuere Ner- 
venphpfiologie beiteht in der Aufftellung des nad) 
ihm benannten Sages: die vorderen Wurzeln der 
aus dem Nildenmarfe tretenden Nerven vermitteln 
die Bewegung, die hinteren dagegen die Empfind- 
ung; Ddieje leiten alfo nah dem Gehirne, jene 
nah der Peripherie; e8 war fomit eine dop- 
pelte Leitungsrichtung in den Nerven nachgewieſen. 
Als Chirurg folgte er im Großen u. Ganzen dem 
Grundſätzen feines Bruders John, wich aber doch 
in Einzelnheiten ab; er hatte den Ruf eines ge- 
ihidten Operateurs. Bon feinen Schriften find zu 
erwähnen: System of dissecetions, Edinb, 1798, 
das noch vor der Aufnahme in das Edinburgher 
College of Surgeons herausgeg. wurde und das 
neben der Zergliederungsfunft zugleich auch patho- 
logiih-anatomifche Berhältniffe berückſichtigt; es 
— vier Auflagen und verſchiedene Über— 
ſetzungen; The anatomy of the human body, 
4 Bde., Edinb. 1802, als Fortfegung des von 
John B. begonnenen Werkes, der nur den 1.—2. 
Theil vollendete, ebenfalls verſchiedene Male auf— 
gelegt; mit 3. B. gab er aud) Anatomy of tlıe 
rain, ebd. 1802, heraus; Engravings of the 
arteries, Yond. 1801, u. A series of engravings 
explaining the course of the nerves, ebd. 1804; 
Essay on the anatomy of expression in pain- 
ting, ebd. 1805, auch in einer neuen Ausgabe 
unter dem Xitel: Essay on the anatomy and 
philosophy for expression (1824); A system of 
operative surgery, founded on the basis of ana- 
tomy, Lond. 1807 (2. Bd., 1809) u. 1814, in 
das Deutſche, Italieniſche und Franzöfiiche über« 
jet; Idea of a new anatomy of the brain, 1809, 
enthält die erften Nachrichten iiber das vorher er- 
wähnte Nervengefeß; A treatise on the diseases 
of the urethra, vesica urinaria, prostata and 
rectum, ebd. 1811, 1820 eine neue Ausgabe mit 
fritiihen Bemerlungen; Engravings from spe- 


Bell. 


145 


eimens of morbid parts etc., ebd. 1813; Disser- Krieges, u. die Marmorftatue, Bewaffnete Wiffen 
tation on gun-shot wounds, ebd. 1814; Surgi-|fchaft, zu Wolwich. Unter feinen öffentlichen Werten 


cal observations, 5. Heft, ebd. 1816—18; Illu- 
strations of the great operations of surgery, 
trepan, hernia, amputation ete., ebd. 1821; Ob- 


find nennenswerth: das Denkmal der Garden auf 
dem Waterlooplage zu london u. das Monument 
der Krimartillerie auf der Parade zu Woolwich. 


servations on the injuries of the spine and of Au dem großen Denkmal des Prinzen Gemabt 


the thigh bone, ebd. 1824, Streitichrift gegen 
U. Cooper ; An exposition of the natural system 
of the nerves of the human body, ebd. 1824; 
Appendix to the papers on the nerves, ebd. 
1827, und endlich bie prächtige Arbeit über die 
— The hand, its mechanism,and vital en- 
owments as evincing design, ebd. 1834, überf. 
von Hauff, Stuttg. 1836. Außerdem gab er no 
beraus: John B-s prineiples of surgery, Yond. 
1826, u. veröffentlichte eine Menge in den einzel» 
nen wiſſenſchaftlichen Zeitungen zerſtreute Ab» 
bandlungen u. Beobachtungen. 5) Thomas, brit. 
Boolog, geb. 11. Dct. 1792 zu Poole in Dorfet- 
ſhire; ftudirte im London Medicin, wurde 1815 
Mitglied des Royal College of Surgeons u. hielt 
medicinishe Borlefungen in Guys Hofpital, na— 
mentlih über Zahnkranfheiten; 1832 wurde ihm 
der Lehrſtuhl für Zoologie am Kings-College in 
London übertragen. Außer zablreihen Abhand- 
fungen in den Philosophicaf Transactions und 
den Memoiren der Linnean-Soeiety, deren Prä- 
fident er bis 1861 war, ſchrieb er: Monograph 
of the testudinata, Yond. 1836; Natural history 
of the British quadrupeds, ebd. 1837; Natural 
history of British reptiles, ebd. 1839; History 
of the British stalk-eyed 'crustacea, ebd. 1853; 
auch beforgte er eine neue Ausgabe von Whites 
Natural history and antiquities of Selborne, 
ebd. 1862. 6) John, hochgeachteter Politifer der 
nordamerifan. Union, geb. 18. Febr. 1797 zu 
Naſhville; ftudirte die Hedite, ward Advocat und 
Senator feines Ortes, 14 Jahre lang Repräfen- 
tant in Waſhington, trat infolge langer Strei- 
tigleiten von der demokratischen zur Wighpartei 

er, ftimmte für Abſchaffung der Sklaverei, ward 
(1841) unter Harrifon Minifter, dankte aber unter 
Zylor ab, lebte bis 1847 als Privatmann, trat 
aber dann wieder in den Bundesjenat u. ward 
bon einer Partei als Bundespräfident aufgeftellt, 
unterlag aber gegen Lincoln. Während des Krie- 
ges ſprach fih B. für den Süden aus, that aber 
Richts. Er ft. 11. Sept. 1869. 7) John, her- 
borragender engl. Bildhauer, geb. 1811 in Nor— 
folf; machte ſich zuerft durch die Ausftellung einer 
religiöjen Gruppe in der Königl. Alademie zu Lon- 
don 1832 einen Namen; dieler ließ er folgen: 
Mädchen am Graben; Pſyche von Zephyren ge- 
tragen; Pigche einen Schwan fütternd, u. Johannes 
der Täufer. Allgemeines Aufjehen erregte 1837 
die auch in der Weltausftellung ausgeftellte herr— 
Iihe Gruppe: Der Adlertödter, von der vielfache 
Heine Bronceabgüffe eriftiren. Für das neue 
Barlamentögebäude ſchuf B. die Statuen von Lord 
Faltland u. Sir Nobert Walpole. Unter feinen 
übrigen Werten, melde meift der poetiſchen 
KHafle angehören, find zu erwähnen: Kinder im 
Walde, eine Antromeda (Bronce), eines der Haupt- 
füde der Weltausjtellung von 1851. B. führte 
ferner das — — in Guildhall 
aus, mit Koloffalfiguren des Friedens und des 


Pierers Univerjal-Converjations-?erifon. 6. Aufl. IIL Band. 


im Hydeparf hat er die marmorne Koloffalgruppe 
auf dem nordweſtl. Winkel der Bafıs: Die Ver: 
einigten Staaten leiten den Fortfchritt Amerikas, 
ausgeführt. B., der ein Buch über das freie Hand- 
zeichnen (1852) fchrieb, ift ferner der Autor von 
The four primary sensations of the mind, Fon» 
don 1852, u. Ivan III, or: a Day and Night 
in Russia, Drama in 5 Acten, Yondon 1855. 
8) Robert, engl. Schriftfteller, geb. 10. Jan. 
1800 zu Cork in Jrland; wandte fi, nachdem 
er kurze Zeit in der Berwaltung thätig geweſen 
war, Itterarifchen Beftrebungen zu u. wurde Her- 
ausgeber des wieder ernenerten Dublin Jnauifiter 
in Dublin, Von dort fiedelte er bald nad London 
über, wo er die Hedaction des Atlas, eines theils 
Politik, theils Schöne Literatur enthaltenden Jour— 
nals übernahm, jeit 1840 das Mounthly Magazine 
mit Bulwer u. Lardner berausgab, zuletzt bis zu 
ſeinem Tode (10. April 1867) Leiter der Home 
News war, Ausgezeichnet durch elegante u. flüſ— 
ige Darftellung, war B. neben feiner journalifti- 
Ihen Thätigkeit aud in größeren Werten litera- 
rich ungemein "fruchtbar: in Lardners Encyklo— 
pädie als Verfaſſer einer History of Russia, 
3 Bde., Yond. 1836), von Lives of the English 
Dramatists, 1837, 2 Bde.; Lives of the English 
Poets, 1839, 2 Bde.; ferner der felbftändigen 
hiſtoriſchen Werfe: Onutlines of China, 1845; 
Life of G. Canning, 1846; Memorials of eivil 
War, 1847, 2 Bde; Wayside Pictures through 
France, Belgium and Holland, 1849; als Her- 
aasgeber von Fairfax Gorrespondence, 1849; 
der Songs from the Dramatists, 1855; der An- 
notated edition of the British Poets, 1870, 29 
Bde. ; Early Ballads, 1856; Golden Leaves, 1863; 
Poetical Works of Butler, 1867, u. als ortjeter 
von Sontheys Naval History of England und 
Malintoſhs History of England. Auch als dra- 
matijcher Dichter war er nicht ohne Erfolg; Dramen: 
The double Disguise, Comic Lectures, 1826; 
Marriage, 1842; Mothers and Daughters, 1848, 
u. Temper, 1849, von denen namentlich die leteren 
jehr günftig aufgenommen wurden. 9) Wil» 
liam Abraham, junger englifcher Arzt, der ſich 
dur eine im ihrer Art einzige Entdedungsreiie 
im J. 1867 durd bis lange unerforjchte Länder- 
ftreden NAmerilas einen Namen erwarb, Zwi— 
ſchen Fort Wallace in WKanſas u. Santa + FE in 
Neu-Merico u. an der mericanischen Örenze ent- 
(ang, wo der Arizona und der Sonora fi ver- 
einigen, Tiegen ungeheure Diftricte, welche bislang 
nur den Suberfudern (Silver-miners) und aud) 
diefen nur im ganz geringem Grade befannt 
waren. 1867 fandte die Kanjas-Pacific-Eifenbahn- 
gejellichaft eine Erpedition aus, unter der Führ— 
ung des Generals W. J. Palmer, zu dem Zwecke, 
den Weg für eine füdliche Bahnftrede nad der 
Pacificküfte dur Kanjas, Colorado, Neu-Merico, 
Arizona u, dem ſüdlichen Theil Californiens auf- 
zufinden. Diefer Erpebition durfte ſich B., der 
10 


Bella — 


joeben feine medicinifchen und naturmiffenjchaft« 
lichen Studien an der Umiverfität Cambridge voll- 
endet hatte, auf hohe Fürſprache Hin als Photo- 
graph anschließen, obgleich er von der Kunſt eines 
jolhen nichts verfiand. DB. begamı jeine Reife 
von St. Louis u. durchwanderte nah ©. u. W. 
bin eine Strede von etwa 8000 km, bis zum 
28, Breitengrade. Sein Weg ging zwijchen den 
Thälern u. Zuflüffen des Rio-Grande u. Colo- 
rado, durch die wilden Bergpäffe zwiichen beiden 
und hauptjächlich Durch die Territorien der Chey- 
ennes, Navajos, Apaches, Pureblos und anderer 
Indianerftämme, ſowie dur Neu-Merico u. a, 
Diftricte, wo ſich zahllofe, höchſt bemerlenswerthe 
Ueberrefte der aztefiihen Civilifation vorfinden. 
Im Winter lehrte B. durch Nebrasfa, Utah und 
Nevada zurüd. Mediciner y. Botaniker, als er 
feine Neifen begann, n.d B. während derjelben 
zum Alterthumsforfcher, u. er macht uns in feinem 
Wteifeberihte New Tracks in North America 
Lond. 1869, 2. Aufl., 1870) mit einer Vegetation 
u. einem Bolfe befannt, von denen man bislang 
nur die allergeringfte Keuntniß hatte, nämlich der 
‚ylora der Coloradowüſte u. den nördlichen Azte— 
ien von Neu-Merico u. Chihuahua. Neben der 
Erzählung feiner zahlreichen u. intereffanten Aben- 
teuer gibt er noch eine Fülle der lehrreichiten 
Skizzen über die phufiihe Geographie, Geologie 
u, Erhnologie der meitlihen Staaten und ihrer 
wilden Eingeborenen, ſowie höchſt ſchätzenswerthe 
Andeutungen über die in jenen Gegenden ſich er— 
öffnenden commerciellen Ausſichten. B. vervoll— 
ſtändigte feine Mittheilungen noch durch Special« 
abhandlungen, 3. B. On the basin of the Colo- 
rado and the great basin of the North- Ame- 
riea (im Journal der Geographiſchen Gejellichaft 
zu london, 1869); On the native races of New- 
Mexico (im Journal der Londoner Etbnologischen 
Bejellichaft, 1861) u. namentlich: A paper on the 
eolonies of Colorado in their relations to Eng- 
lish enterprise and settlement, in General Pal- 
mers Buch: The Westward Current of Popula- 
tion in the United States, Fond. 1874, 2 Bde. 
B. ſchrieb ferner: Wonderful adventures .... 
among the native tribes of America, Yond., Par., 
New-Yort 1872, u. Michel's Process for rcmoving 
external tumors, Yond. 1871. 
1) 3) 4) Thambayn. 6) Fr. Körner. 7) 9) Bartling. 

Bella (ital.), Schöne u. Borname, 

Bella, Fleden im Diftrict Melfi der italien. 
Prov. Potenza (Baftlicata); 5395 Ew. Im J. 
1857 furdtbares Erdbeben. 

Bella, Stefano della, Zeichner und Kupfer- 
äter, geb. 1610 zu Florenz; lam zu einem Gold» 
arbeiter in die Lehre, copirte aber lieber Stiche 
von Jacques Gallot, die er täuſchend nachahmte. 
Er pflegte beim Zeichnen feiner Figuren unten 
anzufangen, machte aber trotdem feine Zeichnungs—⸗ 
verftöße. Förmlichen Kunftunterricht erhielt er von 
Bannı u. Santa Gallina. Cardinal Richelieu berief 
ihn nach Frankreich, wo der Hof ihm zahlreiche 
Aufträge gab. Gegen das Ende jeines Lebens 
fehrte er nach Florenz zurüd und ftarb dort als 
Zeichnungsiehrer Cosmos II. 12. Juli 1664, 


146 


Bellange. 


Schlachten, Landſchaften, Thiere und Ornamente 
mit gleichem Verſtäudniß. Namentlich befannt find 
feine Anfichten vom Pont-nenf in Paris. Regnet. 

Bellac, Hauptii. des gleichnam. Arr. im franz. 
Dep. Ober-Bienne, am Bingon; Gericht 1. In—- 
ftanz; Tuch-, Deden-, Flanelle, Yeinwand-, Hut⸗, 
Handſchuh⸗, Steihhölzerfabr., Gerberei, Gießerei, 
Fabr. von landwirthſchaftl. Maſchinen; Bieh-, 
Holz», Wein-, Korn⸗ u. Kaſtanienhandel; 3398 Em, 

Bellndonna, j. Atropa. 

DBelladonnalilie, j. Amaryllis, 

Bellapgio, Städtchen im Diftrict und im der 
ital, Provinz Como, reizend am Gomer-Sce ge 
legen, auf der Landzunge, welche den See in die 
Buchten von Como u. Lecco trenut; 2745 Em. 
Dan befucht von B. aus die Billen Melzi, Ser- 
bellont u. Sommariva od. Carlotta. 

DBellamy, Jakob, holländ. Dichter, geb. 
12. Nov, 1757 zu Bliffingen; follte anfangs Bäder 
werden, einige Gönner aber, die auf fein Talent 
aufmerkiam geworden, ließen ihm eine beffere 
Erziehung geben und fchidten ibn dann zum 
Studium nad Utrebt. Dort fi. er 11. März 
1786, ehe er noch eine veformirte Predigerftelle 
antreten fonnte, Anonym erjchienen von ihm: 
Gezangen mijner jeugd, 1782, 2. Aufl., 1790, 
Größere Aufmerkſamkeit ervegten die pfendonymen 
Vaderlandsche Gezangen van Zelandus, 1785. 
Unter feinem Namen folgtendanı 1785: Gezangen. 
Seine ganze poetifhe Hinterlaſſenſchaft, Alle de 
Gedichten, erſchien in einem Bande 1816 u, 1842, 
Zeine Roosje ftand zuerft in den Proeven voor 
het verstand, den smak en het hart, ltr, 1784; 
Twoe nagelatene leerredenen (Predigten); gab 
v, Kuipers, Bliff., 1790 heraus. B. hatte bei 
jeinen Zeitgenoffen großen Auf, u. was ihm fo 
viel Bewunderung verjchaffte, war, daß, im Gegen- 
jate zu feinen unmittelbaren Vorgängern, feine 
Poeſie aus dem Herzen kam. Wol feidet auch er 
an dem Gebrechen feiner Zeit, einer kraufhaften 
Empfindiamfeit, mitunter wird er bombaftifch, doch 
zeigt er anderwärts wirkliches Dichterfeuer und 
wahres Gefühl, u. wenigftens hat er das Beftreben, 
einfach u. natürlich zu fein. Am befanntejten ift 
jeine rührend einfache Erzählung: Roosje, deutſch 
von Zanfen, Emm. 1834. Bgl. Oderfe u. Kleyn, 
Gedenkzuil op het graf van J. B., Haarl. 1822. 

Bellange, Hippolyte, franz. Schlachten. 
maler, geb. 16. Jan. 1800 in Paris; Schiller 
von Gros, ſchloß fih dann der Richtung Horace 
Vernets an u. malte meift Bilder Napoleonifcher 
Schladten. Sein erftes Bild, die Eroberung der 
Heboute an der Mostwa, fand jehr günftige Auf- 
nahme. Das eigentlich Hiftorijhe war micht fein 
Fach; feinen Bildern fehlt meift ein einfacher 
Mittelpunkt, fie find mehr allgemein mit Epifoden 
— Überſichten des ganzen Schlachifeldes. 

aneben vertritt B. noch eine zweite, mehr genre— 
bafte Richtung, in der ibm Charlet Vorbild war: 
er zeigt das Kleinleben des Soldatenftandes, die 
menschliche Seite des militärifchen Treibens theils 
vom gemüthlihen, theil$ vom humoriſtiſchen Ge» 
fihtspunfte, zumeilen auch Scenen aus dem Bolls- 
leben. Zur erfteren Gattung gehören u.a.: Die 


Seinen Sticyel führte er mit größter Freiheit u.|Schladht bei Wagram, im Muſeum zu Berfailles, 


Feinheit, und er behandelte hiftorijche Motive,!Die Begegnung Napoleons mit dem Marjchall 


Bellano — Bellegarde. 


Lannes, Die Erſtürmung des Somma -Sierra«, 
vaſſes, Die Schlacht bei Landsberg, Kellermanns | 
Gavaferie-Angriff bei Marengo, Napoleons Rüd- 
fchr aus Elba, Die Schlacht bei Fleurus, die 
Scene aus der Schlacht bei Friedland, Die Er- 
fürmung des Laure 1830, Die Eroberung der 
Smalah Abd el Kaders, Die Schlacht an der Alma, 
Der Übergang liber den Mincio, die Epifode aus 
der Schladht von Magenta; zur zweiten Gattung : 
Der Abihied des Rekruten von feiner Familie, 
Epifode ans der Belagerung von Sebaftopol u. a. 
B. fl. am 10. April 1866 in Paris. Negnet. 
Bellaäno, Marktfleden in der ital. Provinz 
Come, am Comer⸗See; Wafferfall der Pioverna; 
Tuch⸗, Seiden⸗, Bapier- u. Wacdsterzenfabrifation ; 
3005 Ew.; in der Näbe viele Landhäufer. 
Bellari, 1) Diftrict der indo-britischen Präfi- 
dentihaft Madras, nörblih von Myſore; 33,900 
km; 1,653,154 Ew., verichiedener Kaften, mit 
Zelugu- u, canarefiiher Sprade. Das Yand ift 
ein trodenes Hochland, bemwäfjert vom Tumbudda; 
jeit 1800 britiſch. 2) Hauptftadt darin, an einem 
Zweige der Bombay-Madras-Eifenbahn; bedeuten- 
der Waffenplatz der Engländer; proteftantiichen 
Kirhe, Miifionsanftalten mit Schulen und Bibel» 
geſellſchaft; zwei Forts mit Kafernen, Zeughaus; 
30,420 Ew. In der Umgegend die Nuinen von 
Bisnagur und viele Dolmen, die ganz den euro— 
paiſchen gleichen. 2 
Bellarmin, Robert, gelehrter Jefuit u. meit- 
gehender Berfechter des Papftthums, geb, 4. Oct. 
1542 zu Monte Pulciano; wurde 1560 in Rom 
Jeſnit, lehrte 1563 Humaniora in Florenz umd 
1564 Rhetorif zu Mondovi, ftudirte feit 1567 in 
Padua Theologie u. wurde 1569 Lehrer der Theo- 
logie zu Löwen; 1576 kehrte er nad) Rom zurück, 
wurde 1592 Rector des Collegium romanum, feit 
1590 zu wichtigen firdhenpolitiihen Sendungen 
verwendet, 1595 Provincial in Neapel, 1597 Rath 
bei der Inquiſition u. Eraminator der Biſchöfe 
u, 1599 Cardinal; Papſt Clemens VILL ernannte 
u. weibte ihn 1602 zum Erzbifhof von Capua; 
1605 ging er wieder nad Rom u. ft. dajelbt 1621. 
Bei der Wahl Peos XI. u. Pauls V. ſollte er 
Bapft werden, wurde aber, weil man die wach— 
ſeude Macht des Jeſuitenordens fürdhtete, nicht 
gewählt. Er ſchr. n.a.: De potestate pontificis 
in temporalibus, Rom 1610; Disputationes de 
controversiis fidei adversus hujus temporis 
haeretieos, Rom 1561—92, Ingolſt. 1586—92, 
3 Bre., Fol., u. A., Mainz 1842, deuticd) von Gum: 
poih, Augsb. 1842; dagegen: Martin Chemnik, 
Examen concilii Trident,, Gerbards Bellarminus 
orthodoxias testis, Jena 1631 —33, 3 Bde.; 
Christianae doctrinae applicatio, Rom 1608 u.ö.; 
jeim faſt in alle Sprachen überiegter Katechismus, 
deutih von Krawutzky, Breslau 1872; Aſlet. 
Sr. vom Hercher, Paderb. 1868— 73, 6 Be. 
Berte, Köln 1619, 7 Bde., Fol., Ben. 1721, 5 Bde, 
Sein Leben bejchrieb Fuligatti (nah B⸗s Selbit- 
biegraphie), italienifh, Rom 1624. DB. zeichnet 
fh aus durch die Klarheit, Schärfe u. Eleganz 
feiner theol. Polemik, wie durch die Objectivität 
feiner Auffaſſung, ebenfo des Katholicismus, als, 
joweit es ihm möglih ift, des Proteſtantismus. 


147 


Paolo Sarpi) vertritt er die äußerfte Ausdehnung 
päpftliher Macht. Löffler.” 

Bellas, Stadt im Diſtr. Santarem der ehe— 
maligen portugiefiihen Provinz Cftremadura; 
Ihönes Schloß; Mineralguellen; 4000 Einw. 
Hier fängt die Wafferleitung von Alcantara (für 
Yiffabon) an. 

Bellatrir, Stern zweiter Größe an der weſtl. 
Schulter des Orion, 

Bellay, Joachim du B., franz. u. neulat. 
Dichter, geb. 1524 zu Pire, von vornehmer Ab- 
funft; ging infolge einer fchweren Krankheit 
gegen 1552 nad) Italien als Inteudant u. Secre« 
tär, fehrte danıı nach Frankreich zurüd u. wurde 
Canonicus an Notre-Dame zu Paris; er ftarb 
1. Jan. 1560 bafelbft. Seit 1547 hatte er enge 
Freundſchaſt mit Ronſard geichloffen u. ift neben 
ihm der hervorragendfte in dem poetiichen Sieben- 
geftien Fraukreichs (ſ. d. Art. Pleiade). Er jchr, 
u. a.: Recueil de poésies, 1549; Defense et 
illustr. de la langue frangaise, 1549; Epi- 
grammata amores elegiae, 1558. Seine latein. 
Gedichte vollftändig in: Gruters, Deliciae poeta- 
rum gallorum, Par. 1609; feine franz. Werke, 
1584, zulegt von Marty Yaveaur, 1867. Bgl. 
G. Plötz, Etude sur J. du B., Berlin 1874. 

Belle (Bellenbaum), jo v. w. Bappel, befon- 
ders die weiße Bappel. 

Belle-Alliance, ein Geböft im Bezirke Nivelles 
in 2er beig. Prov. SBrabant, fonft Tri-Motteau, 
jeit 1760 B.A. genannt, etwa 20 km ven Briffel 
entfernt, zwiſchen Waterloo u. Jemappe, am Wege 
nah Eharleroi. Nach ihm benennen die Preußen 
die große Schlacht von 18. Juni 1815, in welcher 
die Engländer (melde fie Schlacht bei Waterloo 
nennen), Niederländer u. Preußen unter Welling- 
ton u. Blücher die Franzoſen (welche fie Schlacht 
von Mont St. Jean nennen) unter Napeleon 
enticheidend jchlugen (ſ. u. Waterloo). 

Belleau, Remi, franz. Dichter, geb. 1528 zu 
Kogent-le-Notroun; ft. 6. März 1677 zu Paris; 
einer von dem poetischen Siebengeftirn Frankreichs 
(f. d. Art. Pleiade). Seine gefammelten Werte, 
Rouen 1604, 2 Bde. Außer Heineren Gedichten, 
welche als Bergerie 1572 erfchienen, ift fein Haupt» 
wert: Amours et nouveaux eschanges des pier- 
res precieuses, Paris 1576, das einzige, defien 
Ronfard erwähnt. Bgl. Les poetes frang. jusqu'a 
Malherbe, Bar. 1824, 4. Bd. 228—68, 

Bellechaſſe, County im ſüdl. Theil der cana— 
diſchen Prov. u. des Diſtr. Duebed, am St. Yorenz- 
from; zerfällt in einen nördlichen (12,117 Ew.) 
u. einen füdlihen Theil (5520 Ew.); Hauptitadt: 
Berthier⸗en⸗bas. 

Belle⸗Fontaine, 1) Markiflecken im Arr. 
St. Claude des franz. Jura-Depart., an einen 
Heinen See; Papiermühle, Berfertigung von 
Uhren u. Nägeln; 700 Ew. 2) Dorf im Arr. 
Nemiremont des franz. Dep. Bogejen; Kohlen- 
werte, Eijenhämmer, Steinbrüde, Baunmmollen- 
weberei; 2133 Ew. 8) Stabt im nordamerif. 
Unionsftaate Obio, unter 40° 21’ n. Br. u. 83% 40° 
w. 2., an der Bereinigung zweier Eijenbahnen; 
3182 Ew.; Countyfig des Yogan County. 

Bellegarde, 1) Ort im Arr. Nantua des 


Mehrfach (fo gegen Jakob I., gegen Venedig u.Ifranz. Dep. Yin, an ber Eponer-Bahı u. am 
. 10 


148 


Einfluß der Balferine in die Rhöne, wo letterer 
Strom 225 km weit zwifchen Felſen eingeengt ift 
u. früher ganz verſchwunden war (Perte du Rhöne); 
Wafferfall der Balferine u. ſchöner Biaduct über 
diefelbe, 2) Kleine Feftung im Arr. Ceret des 
franzöf. Depart. Oßyrenäen, an der Grenze 
Spaniens; vertheidigt die Straße über den Col 
de Pertuis. B. wurde 1793 von den Spaniern 
unter Ricardos erobert u. im Gept. 1794 von 
den Franzoſen zurüderobert. 3) Gemeinde im Arr. 
Aubufjon des franz. Dep. Ereuje, an der Orleans- 
Bahn ; Handel mit Leinwand, Leder u. Pferden; 
v88 Ew. B. war ehemals befeftigt u. Haupt« 
ort der Landſchaft ranc-Aleu. 4) (Deutih Zaun) 
Das höchſte Dorf im fchmweizer Kanton. Freiburg, 
im gleichnamigen fruchtbaren Thal der Monne 
oder Jaun. 

Bellegarde, uriprünglich franzöfifche, dann nach 
Savoyen ausgewanderte Familie, wo fie 1628 bie 
Zitel Marquis des Marches u. Comte D’Autremont 
erhielt; feit 1741 erlangte fie das Incolat in 
Böhmen, Mähren und Schlefien und wurde in 
den Grafenftand erhoben. Mertwürdig: 1) Graf 
Heinrih von B., geb. 28. Auguft 1756 zu 
Ehambery; trat frühzeitig in kurſächſiſche, dann 
im öfterreichiiche Kriegsdienfte, nahm theil an dem 
Feldzuge 1793—95, wurde 1796 Feldmarſchall— 
lteutenant, fämpfte 1799 in Tirol u. der Schweiz, 
von wo er den franzöj. General Lecourbe ab» 
drängte, u. führte dann jein Corps nad) Italien, wo 
er am 20. Juni bei Giuliano unmeit Aleffandria 
gefchlagen wurde; 1800 war er Chef des Ge- 
neralftabes in Ftalien u. wurde General der Ga- 
valerie, trat 1801 in den Hoffriegsrarh, deſſen 
Präfident er 1805 nad) dem Wustritte des Erz- 
berzogs Karl wurde. Im Juli d. 3. murde er 
Seneralgouverneur der Benetianiihen Staaten u. 
fämpfte gegen die Franzoſen unter Mafjena, 1806 
Generalgouverneur von Galizien u. Feldmarſchall, 
1808 Oberhofmeiſter des Thronfolgers, 1809 
Befehlshaber des 1. Armeecorps, welches von 
Böhmen aus auf dem linken Donanufer agirte. 
In den Schladten von Aſpern u. Wagram fämpfte 


er als Führer defjelben Corps mit, ging na 
dem Abjchluffe des Wiener Friedens (14. Okt. 


1809) zum zweiten Mai als Generalgouverneur 
nah Galizien u. blieb dort bis zu den Kriegs« 
ereigniffen 1813, in welchem Fahre er zur ita- 
lienischen Armee abging, um den Bicelönig Eugen 
zu befämpfen; dur geſchickte Unterhandlungen 
bewirkte er den Abfall Murats von Napoleon. 
Rad) dem Pariſer Frieden war er wieder General- 
gouderneur der öfterreichiichen Länder in Italien 
mit Hauptquartier in Mailand; 1815 fchlug er 
den König von Neapel bei Ferrara u. an der 
Brüde von Bell’ Occhio, zerftrente in der Schlacht 
von Tolentino das neapolitaniſche Heer, murde 
nah Schwarzenbergs Erfranfen wieder Präfident 
des Hoffriegsrathes, zog fi aber 1825 wegen 
eines Augenübels von den Kriegsgeihäften zurüd; 
er fi. 22. Juli 1845. 2) Graf Friedr. Auguft, 
Sohn des Bor., geb. 1826, f,f, Kämmerer, Geh, 
Rath, Feldinarihalllieutenant ı. bis März 1874 
erfter Generaladjutant des Kaifers. 


Bellegarde — Belleme. 


Belle⸗JIsle, 1) (B. en-Der) Inſel im Arr. 
Orient des franz. Dep. Morbiban; 220 [km 
(4 [_|M); 9870 Em.; ift fruchtbar; Sardellenfang, 
Borfalzichlemmerei, Handel uud Landwirtbichait. 
Palais, befeftigter Hauptort derfelben, mit Hafen, 
Rhede, Citadelle, Leuchtfeuer; Fiſcherei; 4850 E. 
Die Inſel gehörte im 9. Jahrh. dem Grafen von 
Eornouailles, fam dann an die Abteien Redon ır. 
Quimperlé, von letterer im 16. Jahrh. an König 
Karl IX. von Frankreich. Der König verlieh fie 
dent Marjchall von Reg; 1658 faufte fie Fouquet; 
deffen Enlel, der Marſchall B., vertaufchte fie 1718 
gegen die Grafſchaft Giſors an Ludwig XV. Bei 
B. 1759 glüdlihe Seeſchlacht der Briten gegen 
die Franzejen. 2) (B.-en-Terre) Stadt im Arr. 
Guingamp des franz. Dep. Edtes du Nord; Hoc- 
ofen, Eifenhämmer, Papierfabrit, Gerberei; 1876 
Ew. 3) Eine zum brit. NAmerifa gebörige 
Inſel im Atlantiihen Ocean, an der Mündung 
der Straße von B., zwilchen Labrador und der 
nörblihen Spige von Neu zundland; Wachtpoſten 
für Sciffbrüdige an der gleihnam. Straße, einem 
der Ausflüffe des St.Lorenz-Golfes zwiſchen dei 
Küften von Labrador u. Neu-Fundland. 

Belle⸗Isle, 1) Charles Louis Augufte 
aa a Eomte de B., Pair u. Marihall von 
Frankreich, geb. 22. Sept. 1684 zu Billefrande; 
zeichnete fi in den franz. Kriegen in Ftalien, bei. 
1706 bei Turin aus; ftand 1707 in Flandern, 
ward 1708 vor Lille verwundet u. nach dem Frieden 
Gouverneur von Hüningen. Nad dem Span. 
Erbfolgefriege ließ ihm der Herzog von Orleans 
in die Baftille bringen; im Freiheit gefetst, kam er, 
bei. unter Fleury, wieder in Anjeben, wurde 1732 
Senerallieutenant, 1733 Gouverneur von Met, 
zeichnete ſich 1733 im Kriege wegen der polmjchen 
Königswahl aus u. trug viel zu dem vortheil- 
haften Frieden 1735 bei. Marichall geworden, 
bewog er den Cardinal Fleury zum Kriege gegen 
Ofterreich; er befehligte 1741 das franzöfiiche Heer 
in Deutſchland, nahm Prag, hielt fi) dort mit 
dem Herzog von Broglie tapfer gegen die Oſter— 
reicher, warb von Maillebois einen Augenblid 


hlentjetst, nach deffen Abzuge aber um fo enger ein» 


geichloffen, z09 fih endlih im Dec. 1742 von 
Aus nad Eger zurild u. rettete das Heer (. u. 

fterreihticher Erbfolgefrieg). Kaifer Karl VII. 
erhob ihn zum Neichsfürften. Er ward im Dec. 
1744 auf einer Fncognitoreife zu Elbingerode von 
einem hannoverifchen Amtmanne erfannt, gefangen, 
nah England gebradt u. erft 1745 wieder aus⸗ 
gelöft. 1746 commanbdirte er in Stalien, wurde 
1749 Pair u. 1757 Kriegsminifter u. verſuchte im 
Tjährigen Kriege umfonft Ludwig XV. auf die 
Seite Preußens zu bringen. Er ft. 26. Jan. 1761. 
2) Louis Charles Armand Fouquet, ge— 
mwöhnlih Chevalier B., Bruder des Bor., geb. 
1693 zu Agde; begleitete feinen Bruder faft im 
allen Feldzügen u. blieb 45. Juli 1747 bei Erilles 
auf dem Feldzuge gegen Piemont. 

Bellelay, ſonſt Prämonftratenferfiofter (ge=- 
ftiftet 1171) im Jura des ſchweiz. Kantons Bern ; 
wurde durch Napoleon aufgehoben und ift jetzt 
verfallen; berühmter Käſe, 5— 74 kg ſchwer, Tete 


Belleghem, Dorf bei Eourtray (Belgien); Azur-|du moine genannt, 


blaufabrif, Flachs- u. Leinwandhandel; 3400 Ew, 


Belldme, Stadt im Arr, Mortagne des franz, 


Bellenz — Bellerophon. 


Dep. Orne, am gleihnam. Walde; Hoipital, Ger 
fängniß; Steinbrüche ; Glashütte, Kallöfen; Märkte; 
3199 Em.; in der Nähe bedeutender Dolmen n. 
römische Alterthlimer. 

Bellenz, jo v. w. Bellinzona. 

Bellermann, 1) Jobann JZoahim, Theolog 
u. Philoſoph, geb.23. Sept. 1754 zu Erfurt; ftudirte 
daf.u.in Göttingen, übernahm 1778 eine Hauslehrer- 
ftelle in Eſthland, befuchte Petersburg, habilitirte ſich 
1782 als Privatdocentin Erfurt, wurde 1784 zugleich 
Profefior am Gymnafium u. 1790 Profeflor der 
Theologie, 1804 Director des Gymnafiums zum 
Grauen Klofter in Berlin, fpäter Profeſſor der 
Theologie an der Univerfität u. 1819 Confiftorial« 
rath; 1828 legte er feine Directorftelle nieder; 
f. 25. Oct. 1842. Er ſchr.: Handbuch der bibli- 
ſchen Fiteratur, Erf. 1787—95, 4 Thle., n. Aufl., 
1796; Bemerkungen über Rußland, ebd. 1788, 
2 Thle.; Erflärung der puniichen Gtellen im 
Plautus, Berl. 1806—8, 3 Brogr.; Über phöni- 
fie u. puniſche Münzen, 1812—16, 4 Progr.; 
Bibliſche Archäologie, Erf. 1812; Verſuch über die 
Metril der Hebräer, Berl.1813; Über die Gemmen 
nit dem Abrarasbilde, ebd. 1817—19, 3 Progr.; 
Uber die Scarabäengemmen, ebd. 1820 f., 2 Progr.; 
Geſchichtliche Nachricht über Eſſäer u. Therapeuten, 
ebd. 1821; Urim und Thumim, ebd. 1824; gab 
beraus: 1802 den Cornelius Nepos, 1803 den 
Terentins u.den Phädrus, 1806 die Reden Ciceros, 
als Schulausgaben ; von ihm ferner: Der Theo- 
log, Erf. 1803— 18, 8 Thle.; Überficht der Fort- 
küritte in den fpeculativen und pofitiven Wiſſen— 
ihaften, ebd. 1801 fi, 7 Bde. 2) Chriftian 
Friedrih, Sohn des Bor, Theolog und mo— 
derner Bhilofog, geb. 8. Juli 1793 zu Erfurt; 
machte die ar üge von 1818 u. 14 mit, ftudirte 
vor» u. nachher Fiese, war 1818—25 Prediger 
der evangeliichen Gemeinde zu Liffabon, 1827—35 
der deutfch"frangöf. Gemeinde in Neapel, bis 1858 
Parrer an St. Paul in Berlin, worauf er in 
Ruheſtand trat u. erft in Halle, dann in Bonn 
lebte, wo er 24. März 1863 ſtarb. Er ſchr.: Die 
Katalomben zu Neapel, Hanıb. 1839; Die alten 
Gederbüher der Portugieſen, Verl. 1840; Inhalt 
und Berfaffer der Heiligen Schrift, ebd. 1849; 
Über die reactionären Beitrebungen in ber Evang.- 
Unirten Kirche, ebd. 1850; Erinnerungen aus 
SEuropa, ebd. 1851; er gab aud den Märker 
Boten für den Guftan-Adolf-Berein heraus; ferner 
gab er heraus: Portugiefiiche Volfstiedern. Roman- 
zen, mit deutfcher Üderfegung und Anmerkungen, 
?p3. 1864. 8) Johann Friedrich, Bruder des 
Vot., antifer Philolog, geb. 8. März 1795 zu 
Erfurt; ſtudirte Theologie und Philologie, wurde 
1819 Lehrer, 1825 Profeſſor und 1847—67 
Director am Gymnafinm zum Grauen Kloſter 
in Berfin; fl. 5. (Februar 1874. Er ſchr. u. a.: 
Die Hymnen des Dionyfios u. Meiomedes, Berl. 
1840; Anonymi seriptio de musica‘, Bacchii 
senioris introductio artis musicae, ebd. 1841; 
Die Tonleitern u. Mufilnoten der Griechen, ebd. 
1847; gab Heraus: Sopholles, König Odipus, 
ebd. 1857, u. Heinere Abhandlungen. 4) Fer— 
dinand, deutſcher Landjchaftsmaler, geb. 1814 
zu Erfurt; war im feiner Jugend Scafhirt, ging 
1828 nad Weimar, um Porzellanmaler zu wer 


149 


den, u, bejuchte, von Preller geleitet, die dortige 
Kunftihule; er mußte wegen YAugenleidens die 
Kleinmaleret aufgeben und widmete fi) an der 
Berliner Alademie der Yandichaftsmalerei, ward 
Wilhelm Schirmers Schüler, bereifte 1840 Belgien 
u. Holland, dann Norwegen, darauf mit einem 
Stipendium des Königs Friedrih Wilhelm von 
Preußen SAmerifa u. bradte nach 4jähr. Aufent- 
halte in Benezuela 300 Blätter Studien mit. Sein 
Augenleiden führte ihn 1849 dem Lehrfache zu; er 
beiuchte 1853 alien u. ward 1866 in Berlin Ala— 
demie-Profeffor. Die Borziige feiner Bilder find: 
reihe Compofition, fchöne Anordnung, gemwandte 
Technik. Werke: Stubbenfammer (Stettiner Kunft« 
verein); Guacero- Höhle, Küſte von Yaguayra, 
Abend im Thal von Caracas (Charlottenburg); 
Hünengrab(Nenes MufeuminBerlin). 5) Heinrich, 
Sohn von B. 3), mufitaliiher Compofitenr und 
Mufifgelehrter, geb. 10. März 1832 in Berlin; 
wurde 1853 Gefanglebrer am Gymnaſium zum 
Grauen Klofter, erbielt 1861 den Titel eines 
fgl. Mufifdirectors u. wurde 1866 auferordent- 
licher Brofeffor der Muſik an der Berliner Unis» 
verfität. Er componirte Oratorien, Motetten, 
Dupverturen, Chöre u. melodramatiiche Muſik zu 
Sopholles, ein- u. mehrftimmige Gefänge; ſchr.: Die 
Menjuralnoten u. Tactzeichen des 15. u. 16. Jahrh., 
Berl. 1858; eine Bearbeitung von Fuchs' Gradus 
ad Parnassum unter dem Titel: Der Eontrapunkt 
oder Anleitung zur Stimmführung in der muſi— 
fatiichen Compofition, Berl. 1862, u. verichiedene 
mufttaliihe Abhandlungen. 4) Regnet. 

Bellerophon, eine Gattung verfteinerter Schne- 
den, die namentlich im Übrrgangsfalf der Ahein- 
provinz bei Ratingen und Geroljtein in mehreren 
Arten vorfommen, in jüngeren Formationen aber 
verichwinden. 

Belleröphon (Bellerophontes), lorinthiſcher 
Heros, Sohn des Königs Glaulos in Korinth. 
Legen Ermordung des Belldros (woher er aud 
feinen Namen B., der Bellerostödter, empfangen 
haben foll) flüchtig, fand er bei König Prötos zu 
Argos Aufnahme. Weil er die unkeuſche Liebe, die 
ihm defjen Gattin Anteia (mn. A. Stheneböa) zu- 
wandte, nicht ermwiderte, verleumdete dieſe ihm, 
als habe er ihrer Tugend nachgeftellt. Deshalb 
ſchickie Prötos den B. aus Argos (oder nad) Homer 
ihon aus Korinth) zu jeinem Schwiegervater, 
dem König Jobates in Lyfien, mit einem Briefe 
(der älteften bei Griechen erwähnten Schrift), in 
welchem er um Ermordung des Überbringers bat 
(daher heißt ein folcher fhadenbringender Empfehl⸗ 
ungsbrief Bellerophontesbrief; vgl. Uriasbrief). 
Da aber Jobates des Gaftrehtes wegen Bedenken 
trug, den Mord zu vollziehen, jo trug er dem B. 
die Tödtung des feuerichnaubenden Ungeheuers 
Chimära (f. d.) auf, in der Hoffnung, daß er in 
dieſem Kampfe unterliegen würde. Aber B., vou 
Athene durch das Flügelroß Pegaſos unterftügt, 
erſchlug die Chimära, befiegte auch ferner noch die 
Solymer, die Amazonen u. andere Feinde u. erhielt 
nun von Jobates deffen Tochter Philonoe zur Ger 
mablin u. ward fein Mitregent. Zuletzt wurde B. 
den Göttern verhaßt, u., aus Lyfien fliehend, irrte er 
einfam u. gramvoll umher; endlich verjuchte er 
den Olymp zu erflimmen, ftürzte aber gebleudet 


150 


berab. B. war Stoff zu einer Tragödie (verl.) 
tes Euripides, die ibn als Himmelsſtürmer des 
Zweifels wie Fauſt darftellte. WBlaftiihe Dar- 
ftellungen B⸗s, wie er den Pegajos Rn 
oder die Chimäre tödtet, finden fih auf amtifen 
Münzen u. Gemmen; Schwanthaler fertigte da— 
nach ein Relief. Rieſe. 

Belles-lettres (fr.), die ſchönen Wiſſenſchaften, 
richtiger: die ſchönen Schriftwerle, die ſchöne 
Yıteratur, 

Belletriſtik (v. fr. belles - lettres), ſchöne 
Literatur; ſ. d. Art. Literatur. Belletrift, wer 
ſich productiv, aufnehmend und beurtheilend mit 
der ſchönen Yiteratnr befchäftigt; micht felten mit 
dem Nebenbegriffe der Oberflädhlichleit, des Di— 
lettantisınus u. der Abneiqung gegen ausdauernde, 
gründliche Geiftesarbeit (Bellerrifterei, Schön- 
geifterei). Belletriftiich, fih auf jchöne Yitera- 
tur bezichend, jhöngeiftig. 

Belleville, 1) ehem. Dorf im franzöf. Dep. 
Seine; bildet eine Borftadt von Paris, mit dem es 
feit 1860 vereinigt ift, u. hat fchöne Ausfiht auf 
Paris; Kajchmirweberei, Fabriken chemiſcher Pro— 
ducte, Metallſaiten, Drahtzieherei; 57,700 Em, 
Der berühmte Friedhof Pere-la-Chaiſe liegt dort. 
Im Jahre 1871 ein Hauptfit der Commune— 
Anhänger. 2) B.-fjur-Sadne, Stadt im Arr. 
Billefrandhe des frz., Dep. Rhöne, an der Sadne 
u. der Lyoner Bahn; Seiden- u. Sammetfabr.; 
Märkte; 3271 E. 3) Sig des St. Clair County, 
Staat Illinois; 8146 Ew, 4) Landſtädtchen im 
Haftings County, Provinz WLanada; 4000 Em. 

Bellevue (fr., ſchöne Ausficht), 1) Hof in 
Deutjh-Lorhringen bei Meg. Hier fanden 1870 
im Deutjch- Franz. Kriege während der Belager- 
ung von Met in den Monaten Sept. u. Okt. 
mehrere blutige Gefechte ftatt. 2) Kleines Schloß 
bei Sedan im franz. Depart. Ardennen, wo am 
2. Sept. 1870 nad dei Capitulation von Sedan 
die Zufammenktunft Wilhelms I. mit Napoleon 11I. 
Hattfand. 3) Schloß im Arr, Berjailles des franz. 
Dep. Seine u. Dife; 1748 von Frau von Pom- 
padour gebaut u. derfelben von Ludwig XV. ab- 
gefauft, von Napoleon prächtig eingerichtet, aber 
in der Revolution (1789) zerftört. 4) Mehrere 
Luftihlöffer in Deutichland, beſ. bei Gharlotten- 
burg, Kaffel, Kannftatt u, a. ; 

elley, Hauptjtadt des gleichnam. Arr. im 
frauzöl. Dep. Ain; Bisthum, Gericht 1. Inſtanz; 
Hellengefängniß, Holpital; alte Kathedrule, biſchöf— 
liher Palaſt; Alterthümer; lithograph. Steine (die 
beiten Frankreichs); Weinbau u. Seidenzudt; Jn- 
dienne- u. Muffelinfabr., Gerberei; Märkte; 4684 
Ew. Schon unter den Römern als Bellitium 
oder Bellicum beftehend, wurde die Stadt im 
Mittelaiter öfter zerftört, aber 1385 durch Ama- 
deus II. von Savoyen mit Mauern wiederhergeftelltt. 

Belli, 1) Balerio, gen. Bicentino, Stein- 
Schneider, geb. 1479 zu Bicenza (oder Peſaro), 
vortreffliher Künftler, von dem nur wenige Ar- 
beiten erhalten find; die befte unter den vorhan« 
denen ift eim Käftchen im Florentiner Mufeum, 


Belles-lettres — Belliard. 


Kirchengeräthe u. viele Steine fiir weltliche Zwede, 
ferner zahlreiche ſchöne Medaillen sc. Er ſt. 1546. 
2) Joſeph, Phyſiler, geb. 1791; widmete ſich 
dem Studium der Natunmiffenfchaften u. wurde 
infolge feiner Forſchungen auf dem Gebiete der 
Phyſik Mitglied mehrerer italienischen Akademien 
u. Gelehrten Geſellſchaften u. jpäter zum Profejjor 
der Phyſik an der Univerfität Pavia ernannt. 
Seine zahlreihen Abhandlungen über Molecülen, 
Pendelihwingungen, Barometermeffungen, Elektri— 
cität, Wärme, Licht u. ſ. w. finden fi in ver- 
ſchiedenen Journalen zerſtreut. B. erfand einen 
Pfychrometer. Er ft. 5. Juni 1860. 8) Giu— 
jeppe Gioachino, röm. Bolksdichter, geb. 1791 
zu Nom, geft. daf. 21. Dec. 1863; verfaßte eine 
große Zahl von ganz volksthümlich gehaltenen So— 
netten, von denen nur die Heinere Hälfte veröffent- 
licht ift, nämlich 800 von feinem Sohne Ciro B.: 
Poesie inedite di G. G. B., Rom 1865 — 66, 
4 Bde., u. 200 weitere von L. Morandi, Rom 1872. 
Belliard, Auguftin Daniel, Graf von B., 
franz. Militär, geb. 25. Mai 1769 zu Fontenay 
(Poitou); trat beim Anfange der Nevolution in die 
Armee, wurde 1791 Hauptmann der Freiwilligen 
in der Bendee, zeichnete fih unter Dumouriez als 
Seneral-Adjutant in Belgien aus, ward nad Du— 
mouriez’ Sturz verhaftet, dann abgejegt u. ent- 
laffen; trat hierauf, um feinem Baterlande zu die— 
nen, als Gemeiner freiwillig wieder ein u. er— 
warb fih den früheren Boften raſch aufs Neue; 
madhte 1796 den Krieg in Jtalien mit, wurde auf 
dem Schlachtfelde bei Arcole Brigadegeneral, trug 
1798 bei der Erpedition nad Agypten viel zur 
Einnahme Maltas bei, drang bis Nubien vor, 
zeichnete fi namentlich bei Heliopoli8 aus und 
wurde nah der Einnahme Kairos Gouverneur 
dort u. Divifionsgeneral. 1801 infolge einer gün- 
jtigen Convention mit den alliirten Türfen und 
Engländern nah Frankreich zurücdgelehrt, erbielt 
er das Commando der 24. Militärdivifion, war 
1805 Generalftabschef bei Murat u. zeichnete fich 
1806—7 bei der Großen Armee in Preupen und 
Polen aus, brachte namentlih das Gorps des 
Prinzen Hohenlohe zur Gapitulation, ging 1808 
mit nach Spanien und wurde Gouverneur von 
Madrid; 1812 zog er als Aide-Major-General der 
Cavalerie mit nad Rußland, fänpfte bei Smolenst 
u, an der Mostwa; zum General der Cavalerie 
ernannt, reorganifirte er diefe Truppe danı in 
Preußen, wohnte 1813 den Schladten von Dresden 
u. Leipzig bei, wo er einen Arm verlor. Am 
— 1814 nahm er bei Haute-Epine, Chäteau- 
Thierry, Montereau, Craonne, Laon, Reims u. 
vor Paris ruhmreichen Antheil, erhielt noch von 
Napoleon den Groß-Cordon der Ehren-Legion, 
wandte nad deſſen Abdankung fi) Ludwig XVII. 
zu warb von biefem 1814 zum Pair von 
ge ernannt u. fungirte als Major-Generaf 
ei der Armee des Herzogs von Berry. Er folgte 
nah Napoleons Rückkehr von Elba 1815 Ludwi 
XVIIL bis nad Beauvais, dann ſchloß er Kb 
wieder Napoleon an, der ihn als Gejandten nad) 


gefertigt für Bapft Clemens VIL uw. aus vielen|Neapel ſchickte; doch da es zu ſpät war, Murats 


roftallplatten zujammengejegt; die Zeichnungen 
derjelben von anderen Künftlern. Außerdem jchnitt 


B. eine Menge Steine u. Kryftalle für manderleilder 3. u. 4. Militärbivifion. 


ehler wieder gut zu machen, lehrte er bald nach 
rankreich zurüd u. übernahm das Commando 
Er wurde nad) ber 


Bellicum — Bellinzona, 


Rüdfehr des Königs der Theilnahme an einer 
Verſchwörung zur Befreiung Neys beichuldigt, 
verhaftet u. jeiner Würden verluftig erflärt, 1816 
aber freigelaffen u. 1819 wieder zum Pair er» 
nannt, Er flimmte immer mit der Sache bes 
Bolfes, was ihm eine neue Ungnade zuzog. 1830 
ſchloß er fi der Revolution gegen die ältere 
Bourbonenlinie an u. erflärte fih für die Orleans, 
ging nah Wien, um Ludwig Philipps Anerlenn- 
ung bei dem Kaiſerhofe zu erwirken, u. wurde im 
März 1831 erfier Gefandter in Brüffel, in wel- 
der Stellung er fih um das neue Staatsweſen, 
ansbejondere die Organifation der Armee, ehr 
verdient machte. Er ft. 28. Jan. 1832 in Brüffel, 
wo ihm die Belgier ein Denkmal errichteten. 
Bellicum (lat.), mit der Trompete gegebenes 
Zeihen zum Zreffen. 
Bellin, Ländchen im preuß. Negbez. Potsdam; 
18,, Xm; 3000 Ew.; Hauptort: Fehrbellin. 
Being, Wilhelm Sebaftian von B., be- 
rühmter preuß. Reitergeneral, geb. 15. Februar 
1719 zu Altena (Weftfalen); trat 1737 in preuf. 
Mittärdienft und fam 1741 zu den Ziethenſchen 
jaren, mit denen er den 1. u. 2. Schleftichen 
ieg mitmachte u. bis zum Rittmeifter avancirte, 
u. 1749 als Major zu den Braunen Hufaren, als 
meiher er 1757 bei Prag und Kollin kämpfte; 
1758 wurde er Commandeur der Schwarzen Hu- 
faren u. ftand in Pommern, wo er gegen die 
Schweden glüdlih kämpfte und Blücher fir 
den preußischen Dienft gewann, dann 1762 in 
Sadjen, wo er mit bei Freiberg focht; er wurde 
darauf Generalmajor u. 1776 Generallieutenant u. 
machte den Bayeriſchen Erbfolgelrieg mit. B. ft. 
28. Nov. 1779 in Stolp. 
Bellinghaufen, Graf Minh v. B., ſ. Mind. 
Bellingwolde, Dorf im Bezirle Winfchoten 
der Provinz Groningen (Niederlande); über 3871 
Ew., welche ausfchließlih Uderbau treiben; dabei 
die Bellingwolder Schanze (Bellingwolderzyl). 
Bellini, venetianische Künftlerfamilie: 1) Gia- 
como, geb. um 1400, geft. um 1470; verpflanzte 
die Paduanische Kunftrihtung (Streben nad) anti- 
fer Schönheit) nah Venedig. 2) Gentile, 
Sohn des Vor., geb. 1421, geft. 1501; malte 6 
Bilder aus der Geſchichte Benedigs für den Dogen- 
palaft, ging 1479 nad Eonftantinopel u. arbeitete 
dort für Mohammed II. Werke in der Afademie 
zu Benedig, im Louvre x. 3) Giovanni, ge 
wöhnlih Gianbellin genannt, Bruder des Vor., 
eb. 1426, geft. 1516; der Haupt-Meifter der ven, 
Eule jener Zeit, welche die kirchlichen Aufgaben 
freier faßte u. nad Naturwahrheit u. Schönheit 
der Farbe ſtrebte. ©. war ein Schüler feines 
Baters u. des U. Mantegna, eigentliher Schöpfer 
der venetian, Bildnigmalerei, veredelte den venet. 
Stil u. Die Technik, jo daß ihn Albr. Dürer, der 
ihn 1506 befuchte, den Beſten in der Malerei 
nannte, Seine Werke zeichnen fi) durch unge» 
wöhnliche Innigleit u. Gemürhstiefe aus. Werte 
in allen größeren Galerien, Regnet. 
Bellint, 1) Lorenzo, berühmter italienijcher 
Anatom, geb. 3. Sept. 1643 zu Florenz, geft. 8. 
juni (oder Januar) 1703; ftubirte, durch bie 
teigebigteit des Großherzog 
in den Staub geſetzt, in 5 


151 


Jahre alt, eine Brofeffur der Phifofophie u. theoret, 
Medicin, etwas fpäter die neugeichaffene der Ana- 
tomie, die er 30 Jahre lang mit großem Beifalle 
verwaltete, wurde dann von Cosmo III, als 
Leibarzt nach Florenz berufen u. durch Lancifis 
Bermittelung Leibarzt des Papftes Clemens XI. 
Seine Borträge über Anatomie waren außer 
ordentlich beſucht. Worzügliches leiſtete er in der 
anatomischen Unterfuchung der Nieren ı. im ein« 
zelnen phyfiologiihen Bezirken; er wies den Sit 
des Geſchmackes in beftimmten Bapillen der Zunge 
nach, unterjuchte den Einfluß der Nerven auf bie 
Musfeln, erklärte aber den Kreislauf rein mecha- 
nisch, ftellte eine eigene Entzündungstheorie auf 
u. ließ das Athmen bedingt fein durch die Schwere 
der Luft. Die Abfonderungen erflärte er mit 
Hilfe der Fermente. Er veröffentlichte: Exerei- 
tatio anatomica de structura et usu renum, 
‚Florenz 1662 (Straßburg 1664, Amfterdam 1665, 
Pavia 1665, Peyden 1711 u. 1714); Gustus 
orgauon novissime deprehensum, Bologna 1665; 
Gratiarum actio ad Etruriae principem, Pija 
1670; De urinis, pulsibus, missione sanguinis, 
de febribus, morbis eapitis et pectoris opus, 
Bologna 1683, Yeipzig 1685 u. 1731, Leyden 
1718; Opuscula aliquot ad Archibaldum Pit- 
carnium, Piftoja 1695; Discorsi di anatomia, 
Florenz 1742—46; auch in der Dichtkunft ver- 
juchte er ſich nicht ohne Glüd. 2) Vincenzo, 
einer der beliebteften neueren Opern-Componiiten, 
geb. 1. od. 3. Nov. 1802 zu Catanea in Sicilien; 
wurde am mufifalifhen Confervatorium zu Nea— 
pel erzogen u. erregte in weiteren Kreifen Auf- 
merkſamkeit durch jeine zweite Oper: Bianca e 
Fernando, welde 1826 in Neapel zur Aufführ- 
ung kam. Der Erfolg derjelben verſchaffte ihm 
den Auftrag, für die Scala in Mailand eine Oper 
(Il Pirata) zu componiren, Er jchuf fi einen eige- 
nen, von Koffini u. a, Italienern abweichenden Stil, 
welcher, von überflüffigen Zierrathen frei, dem 
Gedanken des Tertes ſich anjchliegt u. dem Or— 
chefter eine untergeordnetere Rolle anmweift. Erging 
1833 nach Paris; hier erhielt er einen Ruf nad 
London, von wo er indeß bald nad) Baris zurüd- 
fehrte. B. ft. 23. Sept. 1835 zu Puteaur bei Paris, 
Er jeßte die Opern: Adelson e Salvina (1824), 
Il Pirata (1827), La straniera (1828), I Mon- 
tecchi e Capuleti (1829), Zaira (1829), Son- 
nambula (Die Nachtwandlerin,1831),Norma(1831), 
Beatrice di Tenda (1833), I Puritani (1834), 
von denen Norma u. die Nachtwandlerin ihren 
Platz auf der deutichen Bühne behauptet haben 
u. auch wol ſtets behaupten werden. Y Thambayn. 
Bellinzona (deuiſch Bellenz), einer der beiden 
(früher drei) Hauptorte des ſchweiz. Kant, Teifin, 
237 m ü. d. M., am Teifin, im engen Aus- 
gange feines Thals und an der 1875 eröffneten 
Sotthard-Bahnftrede Biasca-Focarno, in milden 
Klıma u. üppiger Gegend, 2500 fath., italien. 
ſprechende Ew.; Stapelplat aller über den Gott« 
hard gehenden Güter, ftrategifch vermöge jeiner 
Lage Schlüffel zum Gotthard u. Bernhardin und 
ift jet noch mit forgfältig angelegten Schanz- 
werten u. Batterien umgeben, Die Gegend ge- 


8 Ferdinand II. dazu)hörte zu den Campi canini der Kömer, die ein 
ifa, erhielt dafelbft, 20|Eaftel hier hatten, wurde im Mittelalter ein 


152 


Zankapfel im milden Kampfe der Comasker u. worden, beide unabhängig von einander. 


Bellis — Bellocques. 


Die 


Mailänder, bis endlich 1413 das ganze Teſſinthal Grundſätze ſind die nämlichen, ausgenommen daß 


bis zum Mie. Cenere käuflich an die Eidgenoſſen 
von Uri, Schwyz u. Unterwalden überging u. von 
1499 — 1798 unbeanftandetes Eigentum u. B. eine 
Landvogtei derjelben blieb. Aus den Kämpfen 
der Gbibellinen n. Welfen ftammen die drei 
Schlöſſer, welche der Stadt ein fo überaus feftes 
u. maleriiches Anjeben geben, u. zwar hatten im 


der Duäfer Yancafter den Religionsunterricht aus 
jeinen Schulen ausihloß, da diefe allen Kindern 
offen ftauden, während die Schulen Bells nur 
Kinder von Eltern aufnahmen, welche der Hod)- 
firhe angehörten, Die BellsLancafter-Schulen, 
welche im Anfange biejes Jahrhunderts großes 
Auffeben machten, find faft ganz verfchmunden. 


tiefft gelegenen Gajtello grande (jegt Zeughaus) In Deutihland, wo fie von vorn herein wenig 
die Urner ihren Landvogt, im öftlih höher gele-| Anklang fanden, bat man für die Volksſchulen 


genen Gaftell di Mezzo die Schwyzer und im 
höchſten Caſt. Corbario (Ruine) die Unterwaldner 
ihren Statthalter. 1798 wurde B. Hauptort eines 
gleihnam. heivet. Kantons, der den norböftlichen 
Theil des heutigen Teſſin umfaßte, 1803 einziger 
Hauptort des jegigen Kantons Teſſin, feit 1814 
abwechielnd mit Yugano u. Locarno je 6 Jahre u. 
feit 1870 neben Lugano je 12 ‚jahre lang Haupt- 
ort von Teſſin. Die Hauptlirhe an der Piazza 
St. Pietro e Steffano ift in italienischen Geſchmacke 
im 16. Jahrh. mit breiter Freitreppe u. marmor- 
ner Façade erbaut; im ehemal. Auguftiner-Klofter 
befindet fih während ihres Aufenthaltes die Me- 
gierung; an der öden Kirhe S. Biaggio ift eine 
‚sresfe grotesfen Stils. Der 780 m lange, ſtarke 
Damm (Riparo tondo) wurde gegen Anfchwell- 
ungen des Zeifin (über den eine jchöne, 230 m 
lange Sranitbrüde fiihrt (v. 1514 an) erbaut u. 
wird forgfältig unterhalten. 

Bellis L. (Marienblümchen), Pilanzengattung 
aus der Familie der Compofiten (XIX. 2), mit 
gleihen, einreibigen Hillllelchblättern, weibli- 
chen, zungenförmigen, einreihigen Rand» u. zwit- 
terigen, röhrigen Scheibenblüthen; Früchtchen 
(Achenen) ſchnabellos, platt zuſammengedrückt, 
berandet, ohne Fruchtkrone u. auf nadtem Frucht— 
boden; Blüthenſchaft einfach, einköpfig. Arten: 
Das Gänjeblümden (B. perennis L.), mit 
weißen, außen röthlihen Strahlen«, gelben Scei- 
benblumen u. ſpateligen, gelerbten, meift drei- 
nervigen, rojettenartig gereibten Blättern; auf 
Angern, trodenen Wiefen, auch im Winter blü— 
hend. Durch Eultur verwandeln fi die Blüthen 
der Scheibe alle in Strahlenblumen, od. alle Blüthen 
werden röbrig, nad oben oft mehr oder minder 
in Zungenform übergehend, u. färben ſich in ver- 
jchiedenen Niüancen voth, wo fie dann unter dem 
Namen Zaufendihön (Masliebhen), als 
Zierpflanze, bei. zu Einfafjungen von Rabatten, 
gehegt werden. Gie fchlagen bei längerer Eultur 
leicht in die urſprüngliche Form zuriüd. Andere 
Arten: B. sylvestris Cyrill., in Italien; B. an- 
nua L., in England, Bon aufßereuropätfchen 
Arten find nurB. arabica Rsch., in Arabien, B. 
campestris Arrab,, in Brafilien, B. integrifolia 
Michz., in Rordamerifa, B. pedunculata Arrab, 
u. B, scandens Arrab,, in Brafilien, zu bemerten. 

Bell⸗Lancaſtriſches Unterrichisfyftem ; be- 
ftand im Wefentlichen darin, daß die talentvolleren 
u, befferen Schüler — Monitoren — einzelne 
Mitſchüler u. ganze Abtheilungen unterrichteten, 
daher dieje Einrichtung auch wechjelfeitiger Unter: 
richt genannt wurde. Das Unterrichtsſyſtem  ift 
von Bell in der Nähe von Madras 1795 u. von 
Yancafter in London bald nach 1798 erfunden 


nur einzelne Grundjäge aus ihrem Syſtem ver- 
mwertbet. Laudbarb. 

Bellmann, Karl Michael (pieudonym Fred- 
man), ſchwediſcher Lyriker u. der nationalfte Dich- 
ter Schwedens, geb. 15. Febr. 1740 zu Stodholm, 
von deuticher Herkunft (der Urgroßvater ſtammte 
aus Bremen, ebenfo war feine Urgroßmutter eine 
Deutjhe); war Secretär bei der Yotterie daſelbſt; 
er ft. 11. Febr. 1795. Büſten von ihm find 
aufgeftellt 1829 in dem Thiergarten zu Stodbolm 
(wo alljährlich am 26. Juli fein Feſt gefeiert 
wird) und 1855 zu Garlsborg bei Gefle; 
außerdem eine figende Statue am Yuftorte Hajel- 
baden bei Stodholm. Sein jpecifiih Stockholmiſcher 
Beift u. feine Unüberſetzbarkeit madt ihn Auslän- 
dern weniger zugänglid. Als Vectiire find jeine 
Lieder nicht ſehr genießbar; fie find nur zum 
Singen geeignet u. untrennbar von ben Melodien, 
die B. fremden Componiften entlebnt u. zum 
Theil frei bearbeitet. Die burlesfe Lebensluſt 
feiner Dithyramben des Branntweins, des Tanzes 
u. der Benus fchließt nicht eine gewiffe, jedoch in 
den Hintergrund gedrängte Melancholie aus 
(Trauer in Rofenrotb); Zweideutigleiten u. 30- 
ten find bei ihm feine Seltenheit. Seine beften 
Lieder find meift vor 1780 gedichtet u, enthalten 
in Fredman's epistlar (1790), demnädft in Fred- 
man’s sänger (1791); Bacchi tempel (1783) 
enthält fpätere und ſchwächere Producte. Viele 
jeiner Lieder ließ er theils gar nicht, theils nur 
einzeln druden, darunter viele, die zu gefelliger 
Unterhaltung in der Gejellihaft Par Bricole 
dienten; dieſe find im neueren Ausgaben unter 
dem Namen Bacchanaliska Ordenskapitlets 
handlingar gejammelt. In diefen Gedichten ift 
er höchft originell, faum mit einem anderen Dich- 
ter vergleichbar (die Benennung der ſchwediſche 
Anafreon könnte irrige Borftellungen erregen). 
In anderer, u, zwar in unintereffanterer Geftalt 
erſcheint er in religiöjfen Gedichten, Zions högtid, 
(1787), wo er ®ellert nahahmt, von dem er auch 
Fabeln frei überfegte, Bon den zahlreichen Aus- 
gaben nennen wir bie Gejammtausgabe von Car- 
lens, 5 Bde., Stodh. 1856—61, u. die (von Klem- 
ming) nach einer eigenhändigen Handfchrift B-$ ans 
dem Jahre 1772, enthaltend 134 Lieder (darumter 
50 Epifteln): B-s poetiska arbeten till är 1772, 
Stochh. 1872. Deutih Hat man eine Auswahl 
von Winterfeld, Berl. 1856. Sehr Biel ift über 
B. gejchrieben, das Beſte von Atterbom in Bo. 
6 ſeiner Siare och skaldr. 

Belloeques, Jean Jacques od. Louis, geb. 
1730 zu St. Maurin bei Agen; bildete fi in Mont» 
pellier zum Wundarzte aus, wurde 1754 in Baris 
Meifter der Chirurgie, ftudirte dann noch weiter, 


Belloquet — Bellows. 
ließ fih in Agen als pralt. Arzt nieder u. bewarb, 


fih dann in Paris um eine Stelle an dem neu 
geftifteten anatom. u. pathol. Theater; er ft. dort 
19. Nov. 1807 als Profeffor der gerichtlichen 
Medicin. Die Akademie der Chirurgie gab ihm 
2 Mal die goldene Medaille, außerdem war er 
Mitglied = Gelehrten Geſellſchaften. Bon 
ihm ftammt das Bſche Röhrchen, bei Unter: 
bindung der Polypen benutzt, ſowie zur Stillung 
von Nafenblutungen; es bejteht aus einer filber- 
nen Röhre, worin eine Stahlfeder mit filbernem 
Knöpfchen vorgeihoben werden lann. Er gab 
beraus: Cours de medecine legale, judiciaire, 
theor. et prat., Par. 1801 u, 1811. Zhambayn. 

Belloquet, Dominique Francois Louis, 
Baron Roget de, franzöfiicher Geſchichtforſcher, geb. 
1796 zu Bergheim im Elſaß; trat 1814 als 
Cavalerie- Dffizier in die franzöf. Armee, aus 
welcher er 1834 die Entlafjung nahm, um in 
Burgund, fpäter in Paris biftoriihen Studien 
zu leben; ft. 3. Aug. 1872 zu Paris. Schrieb: 
Questions bourguignonnes ou mémoire critique 
sur l'’origine et les migrations des anciens Bour- 
guignons, Par. 1847; Carte du premier royaume 
de Bourgogne, ebd. 1848; Origines dijonnaises, 
Dijon 1851 (diefe 3 Werle wurden von der 
Barifer Akademie gefrönt); ferner: Ethnogenie 
gauloise ete., Bar. 1858—68, 3 Bbe., 2. Aufl., 
1872 fj.; Unterfuhungen über Uriprung, Sprache, 
Cultur u. Sitten der galliihen Bölter, wofür er 
den großen Preis Gobert erhielt. 

Bellon (fr.), die Metallvergiftung, welcher bei. 
die Arbeiter in Bleimerfen ausgejegt find und 
welche fich bef. als Kolik äußert. 

Bellona, der 28. Planetoid, am 1. März 
1854 von Luther in Bill entdedt. 

Bellona (Duellona), der grieh. Enyo (f. d.) 
verwandte römische Kriegsgöttin ſabiniſchen Ur— 
fprunges, Gemahlin ober Schweſter des Mars u. 
ftets in Begleitung mit anderen Kriegsgottheiten; 
abgebildet mit furchtbarem Gefichte, mit Helm, 
Banzer, Schild u. Lanze, oder auch mit Facel u. 
Geigel. In ihrem Tempel zu Rom, welcher auf 
dem Campus Martius ftand, wurden die fremden 
Gefandten, welche die innere Stadt nicht betreten 
durften, u. die heimfehrenden Feldherren, melde 
auf einen Triumph Anſpruch machten, vom Senat 
empfangen; vor dem Tempel ftand eine Säule 
(Columna bellica), an welder die Fetialen die 
Geremonie der Kriegserflärung, den Speerwurf 
gegen bie Feinde, vornahmen. Später wurde B. 
mit der Birtus (f. d. A.) identificirt. Dagegen 
wurde in Rom durd Sulla aus Kappadelien im 
Jahre 88 v. Chr. eine andere B., urſprünglich 
Mondgöttin, eingeführt. Ihre fanatiihen u. für 
Bropheten gehaltenen Oberpriefterinuen u. Priefter 
(Bellonarii) verehrten fie mit Selbftverwundung 
u. rafjenden fanatifhen Weiſen; fie ftürzten in 
fhwarzen Kleidern wild um den Altar u. fchnitten 
fih mit Meffern die Adern auf, daß das Blut 


153 


Wundarzt gedient hatte. Er hat fih ein großes 
Berdieuft dadurch erworben, daß er die Behand- 
lung der Wunden vereinfachte; auch empfahl er 
die Anwendung des Trepans, um entblößte Kno- 
hen wieder zum Anfegen der Beinhaut u. der 
natürlichen Bededungen zu bringen. Die nad 
ihm benannten Quedfilberpillen verfaufte er als 
Geheimmittel, ein Geſchäft, das fein Sohn fort 
\egte, doch rührt die Zuſammenſetzung wol nicht 
von ihm ber, fondern von Barbaroffa. Sein 
Liquor (Bellostii), aus einer Auflöfung von Oued- 
filber in rauchender Salpeterfäure mit Wafler be- 
ftehend, wird gegen Knocheufraß angewendet. Er 
ihr.: Chirurgien de l’höpital, Paris 1696, 1693, 
1705, 1708, 1716, Amfterdam 1707, London 
1732, deutiche Überſetzung, Dresden 1705, 1710, 
1724 xc.; Suite du Chirurgien de l’'höpital, du 
ımercure, des maladies des yeux, des tumeurs 
eneystees etc. Paris 1725, 1728, 1734. 
Seine Beobachtungen über Quedfilber find im 
legteren niedergelegt, doch finden fie fih auch in 
einer bejonderen, von jeinem Sohne Michael 
Anton herausgegebenen Schrift: Traite du mer- 
cure, avec une instruction sur le bon usage 
des pillules de M. Belloste, Paris 1738, 1756. 
Thamhayn. 

Dellot:Strafe, Meerenge zwiſchen Boothia 
Felix u. NSomerſet in den amerikaniſchen Nord: 
polarländern, benannt nad dem franz. Seelieut. 
Bellot, welcher hier 1853 bei Auffuhung Frank— 
ins umtam. 

Bellotti, Felice, ital. Dichter, geb. 1786 in 
Mailand, geft. 1858 ebenda; lieferte treffliche me— 
triſche Überfegungen der Tragödien des Aichylos, 
Sophofles, Euripides, fowie der Argonantifa des 
Apollonios u. verfaßte u. a. die Tragödie Jephta. 

Bellotto, Bernardo, gen. Canaletto, nad 
jenem Oheim u. Lehrer Ant. Ganale, berühmter 
Yandichafts- u. Architelturmaler, geb, zu Venedig 
1724; ft. zu Warſchau 1780. Seine Städtepro- 
jpecte find überaus zahlreih w. geichäßt, da er 
ſelbſt gleichgiltigeren Stoffen eine malerische Seite 
abzugewinnen wußte u. im der Perfpective, wie 
im Golorit überaus Tüchtiges leiſtete. B. ver 
itand auch die Radirnadel trefilih zu führen. 
Hauptbilder: Anfihten aus Beuedig, von Verona, 
Brescia, Mailand, München, Dresden, Warſchau, 
Yondon ꝛc. Wadirungen: 15 Anfichten von Dres- 
den, 2 Anfichten vom Königftein, 2 Anfichten von 
der Terra firma. Negnet. 

Bellovafen (im Mittelalter Belvagi, a. Geogr.), 
mächtiges Bolt im Belgiihen Gallien; wohnten 
zwiſchen Somme, Dife n. Seine u, zeichneten fich 
bei. während des Galliichen Krieges Cäſars durch 
Tapferfeit aus. Ihre Städte waren Cäſaromagus 
(im Mittelalter Belloväcum, jett Beauvais), Curs 
miltaca (Gormeilles), Auguftomaqus (Senlis) u. 
Bratufpantium (bei dem jegigen Bortenil, ſ. d.). 

Bellovefus, Fürft aus dem galliihen Stamme 
der Bituriger; unternahm nad einer Sage im 


berausfiröimte, das dann vom abergläubiichen|6. Jahrh. v. Chr. einen Feldzug nad Italien u 


Volke aufgefangen wurde, u. weiffagten babei. 
Bellojte, Auguftin, geb. 1654 in Paris, geft. 


fol Mailand gegründet haben. 
Bellows, Henry Whitney, amerif, Geiftlicher 


15. Juli 1730 in Turin; wurde Leibdhirurg des u. Schriftiteller, geb. 10, Juni 1814 zu Boften; 
Zerioge (oder ber Herzogin) Bictor Amadeus von|jtubirte (1832) theils auf der Harward-lniverfität, 
apoyen, nachdem er in der franzöf. Armee alsitheild (1834—37) an der theologiſchen Schule zu 


154 


Cambridge (Maflachufetts) die Gottesgelahrtheit 
u. ward 1838 Paſtor der erften Congregationa- 
liſten- oder Unitarierlirche zu New-Porf. Er war 
dort einer der Hauptgründer des unitarijchen 
Blatte8 Christian Inquirer, für das er von 
1846—50 fchrieb. B. ift ein fließender Ertem- 
pore-Redner u. ein höchſt vollsthümlicher öffentlicher 
Borlejer, der Biel über die hervorragenden Tages- 
fragen gefchrieben u. geiproden bat. 1857 hielt 
er eine Reihe von Borlefungen vor dem Yomwell- 
Inſtitut zu Bofton u. der Dramatic Fund Society 
zu New-York über die Behandlung der focialen 
Krankheiten, Sorlefungen, weldye er ımmmittelbar 
darauf unter folgendem Titel veröffentlichte: The 
relation of publie amusements to publie 
morality, especially of the theatre to the 
highest interests of humanity, New-Yort 1857; 
1860 veröffentlichte B.: Restatements of Chri- 
stian Doetrin, in 25 sermons, Beim Ausbruche des 
Bürgertrieges machte er fih um die Begründung 
der Sejundheitscommilfton ſehr verdient (1861) u. 
ftand derjelben als Präfident 6 Jahre lang mit 
großer Energie u, Umſicht vor, ohne dabeı doch 
feine Pilichten als, Pfarrer zu vernadläffigen. 
1866 bereifte er Europa, um dort die Organiſation 
internationaler Gejundheitscommiffionen zu für« 
dern, worüber er in dem Werke: The old World 
in its new Face: Impressions of Europe in 
1867—68, New⸗York 1868, 2 Bde., berichtete, 
B., längere Zeit Herausgeber des umitariichen 
Magazins Christian Examiner, ift gegenwärtig 
der erjte Redacteur des Liberal Christian, des 
Hauptorgans der Unitarier. Bartling. 

Bellows Falls, Poſtdorf im County Windham 
im nordam. Unionsſtaate Vermont, am Connec— 
ticut River; 5 Kirchen; mehrere Fabrilen; in 
der Nähe des Ortes Mineralquellen u. ſchöne 
Waſſerfälle des gen. Fluſſes. 

Belloy, 1) Pierre Yaurent Buirette de 
B., franz. dramatischer Dichter, geb. 17. Nov. 1727 
zu St. Flour in Auvergne; war anfangs Parla- 
mentsadvocat zu Paris, dann Schaufpieler an 
mehreren Höfen u. vermweilte längere Zeit in 
Petersburg, wo er von der Kaiferin Eliſabeth 
jehr begünftigt ward. Er kehrte 1758 nad Yrant- 
reich zurüd u. wurde 1770 Mitglied der Franz. Ala- 
demie; ft. 1775. Er ſchr. die Traueripiele: Ti- 
tus, Zelmire, Gaston et Bayard; Le siege de 
Calais (1765); Pierre le Cruel u. a. Werte, 
Paris 1779, 6 Bre. 2) Augufte, Marquis 
de, fr. Dramatiker, geb. 1816 zu Paris. Seine 
hauptiächlichften Dramen find: Karel Dujardin, 
1844; Pythias et Damon, 1853; La ınal'aria, 
1853; Le Tasse a Sorrente, 1857; außerdem 


Bellows Falls — Belmontet. 


von mehr als 130 m, mehr als 65 m Breite u. 
nur 1 m Höhe fidhtbar wird. Zur Sicherung 
für die Schiffer feit 1807 von Stepbenfon ein 
37 m bober Leuchtthurm (B-R.-Peudhtthurm) 
gebaut, deſſen Licht Dur einen Drebapparat ab- 
wechſelnd weiß u. roth erjcheint, während bei 
nebeligem Glodenfiguale gegeben werden. 

Beilſcher —2 (Phyſiol.), ſ. u. Bell 3). 

Bellüae, nach Linne Ordnung der Säugetbiere, 
mit den Gattungen: Pferd, Flußpferd, Schwein 
(u. Tapir). Blumenbah nahm noch dazu Ele» 
fant und Nashorn u. benannte fie Multungulae. 
Neuere bebielten Iegtere Benennung zum Theil 
bei; zum Theil verband man fie u. noch einige 
Gattungen unter dem Namen Pachydermata. 

Bellüno, 1) Provinz in Benetien (Königreich 
Italien); grenzt an Tirol, Treviſo, Udine u. Bi- 
cenza; gehörte früher zur Mark Trevigiana und 
bildete zur franzöfiichen Zeit das Departement der 
Piave; 3292 [km (59... [M); 175,282 Ew.; 
in 9 Diftricte getheilt; gebirgig durch die Trien— 
tiner Alpen (Monte Pelmo 3163 m) u. von ber 
Piave bemäflert; Viehzucht (Alpenmwirthichaft), 
Obſt- u. Weinbau; Mineralien (Eijen, Kupfer u. 
Galmei); veich an Holz, welches auf der Piave u. 
dem Tagliamento verflößt u. zum Scifibau ver- 
wendet wird u. einen bedeutenden SHandelsartifel 
ausmacht. 2) Hauptftadt daj., auf einem Hügel 
zwiichen der Piave und dem Ardo jchön gelegen, 
venetianisch gebaut, mit Arcaden in den Haupt- 
itraßen; Sit eines Bifchofs u. des Domcapitels; 
Bibliothef, Dom, Theater, Municipalpalaft mit 
gresten; Triumphthor, Wafjerleitung (welche die 
Stadt mit Gebirgswaffer verfieht); Handel mit 
Seide, Wachs, Leder, Holz; 15,509 Ew. — Zur 
Römerzeit Belunum genannt, wurde die Stadt im 
Mittelalter von Biſchöfen regiert, feit 1404 aber 
der Republik Benedig unterworfen. Der Marichalt 
Bictor (f. d.) erbielt nach diejer Stadt den Titel: 
Herzog von B. Heitige Erdbeben 1873. 

Beilyach Root, die fellerieartige, ſcharf aroma- 
tiſch Schmedende Wurzel von Angelica lucida L.. 
welche an jchartigen „Stellen NAmerikas, von 
Canada bis Pennſylvanien, wächſt; fie wird vor» 
züglich bei Leibjchmerzen von Blähungen ange- 
wendet. 

Bellye, 1) Herrichaft im ungariihen Comitat 
Baranya; 826 [km (15 [M); 85,000 Ew., 
meist flach; Flüſſe: Donau, Drau u. Karaſchitza; 
bringt Wein (Billaner), Getreide, Gemüſe, Wild- 
pret. B. war früher römiſch, dann Befigung 
der Könige von Ungarn u, zeitweife des Prinzen 
Eugen von Savoyen. 2) Dorf darin, an der 
Moraviga; Schloß, vom Prinzen Eugen erbaut; 


überſetzte er metriich Plautus u. Terentius, jchrieb | Hauienfang; 1300 Em. 


in verichiedene Journale, namentlid) in den Courrier 


Belm (Bellm), Dorf im Kreife u. Amte Osna- 


de Paris, u. veröffentlite: Le chevalier d’Ai,|brüd der preuß. Provinz Hannover, wo Wittefind 
ses aventures et ses podsies, 1854. Bonanderen getauft worden u. Gijela, feine Gemahlin, begra- 
Gedichten jchrieber: Ruth, 1843; I,ögendesfleuries, |ben fein joll; 2 Kirchen, 400 Em. 
1855; Portraits et souvenirs, 1859; Les toqués, Belmont, County im nordam. Unionsftaate 
1860; Christophe Colomb, 1864. Obio, unter 40° n. Br. u. 81° w. 8; 
Dell Rod (d. i. Glodenfelfen, Jh » Cape),|39,714 Em.; reihe Steintohlenlager; Eountpfig: 
lien bei Dundee in der jchottiichen Grafſchaft St. Clairsville. 
orfar, bei der Mündung des Tay; gefährlich tür] WBelmontet, Louis, franz. Dichter u. Publi- 
hiffer, weil er bei gewöhnlicher Fluth unſicht |cift, geb. 26. März 1799 zu Montauban, von it. 
bar bleibt, nad Springflutgen aber in einer Länge |Borfahren; war erft Advocat, lam danı nad. 


Belmontin 


— Below. 155 


Paris, ſchloß fih den Romantifern an u. wurde; Judee, Egypte ete., Par. 1558, 54, 55 u. 88; 


zum begeifterten Berfechter des Bonapartisınus, 
Er war mebrfah Mitglied des Corps legislatif. 
Seine Hauptdidhtungen find: Les Tristes, 1824; 
Le souper d’Auguste, 1828; Une fete de Neron 
(Tragödie), 1829; L’empereur n’est pas mort, 
1841; Les nombres d’or, 1846; Poesie des 
larmes, 1865. 

Belmontin, das aus dem Erdöl u. Petro— 
leum dargejtellte Baraffin, während das aus Torf, 
Brauntoblen u. 5. mw, dargeftellte jchlechthin Pa- 
raffin genannt wird. 

Belmontylöl, ein aus Baumöl gewonnenes 
Fett, das zum Einſchmieren der Berfchlüffe der 
gezogenen Geſchütze verwendet wird, um diefelben 
roftfrei u. gangbar zu erhalten. 

Belo-Chrobäten, ſlaviſches Voll mit eigenen 
Fürften, auf der WSeite der Karpatben; fie ver- 
reiteten ſich über einen Theil von Polen und 
Schiefien, gebörten Ende des 9. Jahrh. zu dem 
Großmähriichen Neiche und jcheinen ſich nachher 
mit den neben ihnen wohnenden Belo-Serbei 
in die übrigen jchlefiihen u. polnischen Slaven 
aufgelöft zu haben. 

Beloei, Dorf bei Ath im Arr. Tournay der 
belgiſchen Provinz Hennegau; Brauerei; etwa 
8000 Ew.; Schloß des berühmten Feldmar— 
Ihalls Fürften von Ligue, welches Delille in feinem 
Gedichte Des jardins befungen hat. 

Beloi, Kreisftadt im ruͤſſ. Gouv. Smolensk, 
an der Obſcha; 5 Kirchen, wohlthätige Anftalten; 
6600 Em. 

Beloit, Stadt im nordamerik. Unionsftaate 
BWisconfin, unter 42° 30° n. Br. u. 89° 3’ w. L., 
am linten Ufer des Rod- River; Fabriken und 
Eifenbahnverbindungen; 4400 Em, 

Beloje-Djero, ſ. Bjelo-Diero. 

Belon, Pierre (Petrus Bellonius), verdienft- 
voller franz. Arzt u. Naturforicher, geb. 1517 in 
dem Dorje Soulletidre in Maine. Er war arm, 
fand aber an dem Garbinal von Tournon einen 
mächtigen Beſchützer, der ihn Medicin u. Botanit 
Rudiren ließ u. ihm in Allen Vorſchub leiftete, um 
feinen wiſſenſchaftlichen Neigungen nachgehen zu 


die ſchönſte Ausgabe, Antwerpen 1555, aud ins 
Deutſche übertragen; L’histoire de la nature des 
oiseaux, Par. 1555, die erfte franz. Ornithologie 
u, vergleichende Anatomie; Portraits d’oiseaux, 
animaux, serpents, herbes, arbres ete., ebd. 1557, 
als Auszug aus dem vorigen: Rementrance sur 
le defaut de labour et culture des plantes etc, 
ebd. 1558. Seine Überjegungen des Dioskorides 
und Theophraftos, fowie eine Naturgefchichte der 
Schlangen find nicht gebrudt. Thamhahn. 
Belopaſchzen, eine privilegirte ruſſ. Familie, 
von dem Bauer Suſſanin ſtammend, welcher 
dem Czar Michail Romanow das Leben rettete; 
zu Korobowa im Gouvb. Koſtroma angeſiedelt u. 
von der Regierung mit Land verſehen und von 
allen Abgaben befreit, ausgenommen wenn ſie in 
Städten Bürger werden. Sie ftehen direct unter 
dem Hofe, u. der Gouverneur von Koftroma bat 
nur eine bejchränfte Aufficht über fie zu führen. 
Belöbar, 1) Comitat im norböftl, Theil Kroa- 
tiens, an der Drave; 3880, | |km (70,4: [_NMR); 
159,248 Ew. 2) Hauptftadt daſelbſt; Seminar; 
Seidenzudt, Getreide u, Weinbau; 2150 Em. 
Below, Guft. Friedr. Eugen v. B. preuf. 
General, geb. 1791 zu Trafehnen in Oftpreußen; 
trat 1807 als Lieutenant in die preußiiche Arınee, 
nahm an den Feldzügen der Jahre 1812 in Ruß— 
fand, 1813 in Deutichland u. 1814 in Frankreich 
als Adjutant im Hauptquartier Yorks tbeil, fun— 
girte 1815 als Rittmeifter u. Generalftabsoffizier 
im Hauptquartier Billows von Dennewig, lam 
nach dem Frieden zum Großen Generalftabe nach 
Berlin u. verfah die Stellung des Generalftabs:- 
eis vom 2. Armeecorps. In biefer Periode 
verfaßte er auf Beranlaffung des damaligen Kron- 
prinzen ein Memoire an den Kriegsminifter über 
die Nothwendigkeit der Errichtung einer preußi« 
ihen Seewehr zur Kiftenvertbeidigung. Im Laufe 
der nächſten Jahre wurde B. mit verjchiedenen 
höheren militärischen Aufträgen betraut u. 1840 
bei der Thronbefteigung des Königs Friedrich 
Wilhelm IV. zu deffen Flügeladjutanten u. 1849 
zum Öenerallieutenant ernannt. Nebenber batte 


fönnen. 1546 trat er feine erſte große Reife nach ſich B. lebhaft an den ftändifchen Angelegenheiten 
Falten, der Türkei, Griechenland, Kleinafien, | Oftpreußens betbeiligt; er hatte 1831—1841 den 


Baläftina u. Agypten an, wurde dann Arzt beim 
Cardinal, Gartendirector bei Kathar. v. Medicis 
u. erhielt von Heinrich II. eine Penſion. 1557 
machte er die zweite Reife nad) Savoyen u. Stalien, 
wurde dann dicentiat (1560), aber im April 1564 
im Boulogner Hölzhen von einem feiner Feinde 
ermordet, Er ift als Naturforfcher neben Konrad 
Geßner zu ftellen u. zeichnete fich durch eine ger 
naue, Sharffinnige Beobachtung, Zuverläffigteit u. 
roße Wahrheitsliebe aus, Er lieferte zuerft eine 

efhreibung u. Meffung der Pyramiden, war 
auch einer der erften vergleichenden Anatomen u. 
würdigte die Leiftungen der Araber. Er gab 
heraus: Histoire naturelle des ötranges poissons 
marins eto,, Pari$ 1551; De aquatilibus libr. 
oO, ebd. 1563; De arboribus eoniferis etc., ebd. 
1553; De admirabili operum antiquorum et 
rerum suscipiondarum praestantia liber, ebd, 
1563; Les observations de plusieurs singularites 
et choses romarquables trouvses en Gröce, Asie, 


Yandtagen zu Königsberg u. Danzig, ſowie dent 
ih in Berlin verjammelnden Ausihuß beigewohnt 
u. namentlich file Berbeiferung der Communica- 
tionen in Oſtpreußen, für eine beffere Vertretung 
der Städte u. Landgemeinden, fowie überhaupt 
für eine Umbildung der Provinziallandtage ge- 
wirft. Beim Antritte des Erzherzogs Johann als 
Neihsverwefer wurde B. nah Frankfurt gejendet, 
um die Zuftimmung Preußens zu erflären, und 
jpäter erhielt er vom Reichsverweſer für Preußen 
die Bollmaht zur Abſchließung des Malmöer 
Waffenftilftandes mit Dänemart. 1849 ſaß B. 
in der 1. Kammer, fodann im Unionsparlament 
zu Erfurt und ging im Mai 1850 nod einmal 
nad Kopenhagen, um auf Grund der Bedingun- 
gen des fogenannten Einfachen Friedens zu unter« 
handeln. Hierauf wurde er wieder zur 1. Kammer 
erwäblt, legte aber 1851 fein Mandat nieder u. 
fehrte nach Königsberg zurüd, wo er am 30. Nov. 
1852 ſtarb. 


156 


Belp, Dorf im Bezirke Seftigen des ſchweizer 
Kantons Bern, an der Aare; Schloß, Yandbäufer; 
Zuhfabril; 2040 Emw.; dabei der B.:Berg 
8094 m mit jchöner Ausficht. 

Belper, Stadt am Derwent in der englijchen 
Grafichaft Derby; bedentende Baummollenmanu- 
factur; 8527 Em, 

Belfäzar (Belihazzar), nach der Bibel Sohn 
Nebuladnezars, letter König des Chaldäiſchen 
Reiches in Babylon. Ber einem Gaftmahl, wozu 
B. alle Großen des Neiches geladen batte, er- 
ſchien plößlih an der Wand eine Inſchrift: Mene, 
Mene, Thelel Upbarfin, die fein Magier deuten 
tonnte; Daniel deutete fie dahin, daß des Königs 
Sturz nahe wäre, u. im derjelben Nacht wurde 
Babylon von den PBerfern u. Medern unter Kyros 
eingenommen u. B. getödtet, eine Erzählung, 
welche H. Heine zu einer Ballade benugte. In 
Wirklichkeit war B. (Bil-farrußur) der erftgeborene 
Sohn des letzten Königs von Babylon, Nad-usnits. 

Belt, zwei Meerengen in Dänemark, welche 
die Dft- u. Nordfee verbinden: a) Großer B., 
16—30 km breit, etwa 16 m tief; zwiſchen dei 
Inſeln Seeland und Fünen; Berbindung durch 
Dampfichifffahrt zwiſchen Korjör u. Nyborg; b) 
Kleiner B., 0,7 bis 15 km breit (am fchmal- 
jten bei Fyriedericia), etwa 14 m tief, zwiſchen 
Fünen u. dem Feſtlande von Jütland; beide we— 
gen Strömungen u. Untiefen für große Schiffe 
unſicher. Überfahrtsorte: Middelfart, Aſſens und 
Faaborg. 

Belträmi, 1) Giovanni, berühmter Stein— 
jchneider, geb. 1779 zu Gremona, Sohn eines 
Juweliers; beſuchte erft die Schule des berühmten 
Steinichneiders Grafji in Mailand, bildete fich 
aber jeit 1794 in feiner Heimath jelbftändig im 
Gemmenſchnitt aus. Zur Zeit der franzöfiichen 
Herrihaft fand B. an Eugen Beauharnais einen 
boben Gönner, für den er u. a. eine Kette von 
16 Caméen, die Geſchichte der Pſyche darftellend, 
arbeitete, 1820—26 war er fajt ganz für den 
Grafen Sommariva bejchäftigt. Er ft. 1854 in 
Gremona. Geine bedeutendften Kunſtwerke find: 
ein 17 mm großer Stein mit etwa 20 Figuren 
nad dem Bilde Lebruns, das Zelt des Darius 
darftellend, u. ein 26 mm großer Topas mit dem 
Abendmahl Leonardos da Vinci. Bgl,. Meneghelli, 
tiov. B., Bad. 1839. 2) Conftantino, ital. 
Patriot u. Entdeder der Miffiffippiquellen, geb. 
1779 zu Bergamo; mußte 1821 als Anhänger 
der Earbonarı nah Amerila flüchten, wo er fi 
1823 der Erpedition des Majors Long behufs Er- 
jorihung der Miffiffippignellen anſchloß u., nach— 
dem er ih von feinen Gefährten getrennt, wirk— 
ih die Quellen entdedte. Seine Gntdedung 
bejchrieb er in: La decouverte des sources de 


Belp — Belutſchiſtan. 


Whale, Weißfiſch, Weißwal) Art aus der Gatt- 
ung Delphin; Nüdenfinne fehlt; Farbe weißlich, 
braunfledig; 6 m lang; Kopf Mein, nieder— 
gebogen; Schnanze ftumpf; Wachen Hein, jeder 
Kiefer mit 18 diden Zähnen; lebt um Grönland 
von Fiſchen, die er vor fidh her jagt; gibt weniger 
Thran, als andere Delphine, aber dod genug, 
daß fi ihr „Fang verlohnt, Sein Fleifh, obwol 
Ihwarz, wird von den Nordbewohnern gegefien, 
u. aus der Haut fchneiden fie Riemen, um aus 
ihnen Fiſchernetze zu maden; die Samojeden 
bringen die Schädel auf Stangen geftedt zum 
Opfer. Als angeblicher Borbote der Walfische wird 
er von den Fiſchern gern gejehen. 

Belur-Dagh, |. Bolor-Dagh. 

Belutſchen, ein Bollsftanm der eranifchen 
‚Familie des indo-germanischen Stammes, find die 
Bewohner von Belutſchiſtan, mit Ausnahme des 
Yandftriches, den die zur Dravida-Mace gehören« 
den Brabui (f. d. A.) einnehmen, Sie zerfallen 
in die drei Stämme der Nharui, Rind u. Maghzi. 
Der erftere wohnt mweftlich von der Wüſte, in ein« 
zelnen Abteilungen auch bei Nujhli und im 
Seiſtan. Die beiden anderen Stämme find bei. 
in Katſch-Gandawa anſäſſig, wohin fie zu ver- 
Ichiedenen Zeiten aus Meran übergefiedelt find 
u, fih mit den indifchen Dichat vermifcht haben. 
Erft gegen Ende des 18. Jahrh. haben fie fich 
aud bis an den Indus u. nach Sindh verbreitet. 
Die Sprache der B. ſchließt fih namentlich an 
den Zaza-Dialelt des Kurdifchen an u. reicht von 
der OGrenze Kermans bis an den Indus, ſowie 
von der SGrenze Afghaniſtans bis an den indie 
ihen Dcean. Der Lebensart nah find die B. 
theil8 Nomaden, theils Aderbauer, die in feften 
Orten wohnen, der Religion nad Sunniten. Im 
Übrigen find fie gaſtfreundlich u, tapfer, aber ohne 
höhere Cultur, _ Henne-An Rhon. 

Belutſchiſtan (Balutihiftan), 1) (Geoar.), 
Land in Afien, im N. begrenzt von Afgbanijtan, 
im DO. von Vorder⸗Indien, im W. von Berfien, 
im ©. vom Indiſchen Ocean; angeblich 440,000 
km; wegen feiner natürlihen Bejchaffenheit 
wenig bebaut und jpärlich bevölfert; im NW, 
eine öde und furchtbare Sandwüſte, die ſich nad 
S. hin bis in den am Meere gelegenen Land- 
ftrih Meran erftredt, im NO. hohe Xafel- 
länder mit ertremen Temperaturunterſchieden, 
im ©. ein furchtbar heißer, vegetationslofer, 
hafenarmer Küftenftrih, vom Binnenlande dur 
öde —— geſchieden, hat das Land im 
Ganzen den Charakter einer Gebirgswüſte, die 
nah ©. in eine vollftändige Sandwüſte, eine trau⸗ 
rige Aufeinanderfolge gähnmender Klüfte, madter 
Anhöhen u. wellenförmiger Sandhügel übergeht. 
Allein au der Abdachung des bie Mitte des dan. 


Mississippi, New» Orleans 1824, u. in: A pilgri- des durchſchneidenden Gebirges bieten fruchtbare 
mage in America leading to the discovery of| Thäler gefundes Klima u. gemäßigte Temperatur. 
the sources of the Mississippi, London 1828.|Bon Indien wird B. durch die an das Suleiman- 
Nah Wanderungen in Merico ging er 1827 nach Gebirg, ſich anfchliegenden, bis zum Meere reichen: 


Yonden, 1830 nah Paris, wo er fchrieb: Lejden 


rahui- und Hala- Ketten geſchieden; das 


Mexique 1830, 2 Bde. Nah mehrjährigem Auf-|Fnnere durchzieht in unregelmäßiger Linie das 


enthalte in Heidelberg, Wien u. Bonn fl. er 1855 | Kbaran- u, 


zu Filotrand in der Romagna. 


alhati-Gebirg; die im Sommer 
wafjerlofen Flußbetten jchwellen im Winter zu 


Beluga Gray (Delphinus L., Delphinapterus |reifjenden Bergftrömen an, ohne der Fruchtbarkeit 
Lac£p.), B. leucas L. (engl. Whitefish, White-|des Landes zu nützen. B. ift reih an aflatifchen 


Belvedere — Belzoni. 


Raubthieren; ferner lommen vor Kamele, Pferde, 
fettihwänzige Schafe, Ejel, Papageien, Pfeffer 
frefjer, Eltern; Producte: Dliven, Feigen, Aja 
fötida, Dattelpalmen, Indigo, Weis, Futter— 
fräuter; Gold, Silber, Blei und vorzugsmeife 
Kupfer, ferner Eifen, Maun, Antimon, Salpeter, 
Schwefel, Salz xc. finden fi) in großer Menge, obne 
daß indeß eine Ausbeute ftattfindet. Ader- und 
Bergbau fteben auf einer niederen Stufe. Indu— 
ftrie ift nur im dem öftlihen Gegenden etwas ent- 
widelt (Danufacturen von baummollenen und 
jeidenen Zeugen, Leber u. a.), ebenſo der Handel. 
Einwohner find Belutfhen (f. d.) u. Brabui 
(f. d.); die Zahl wird auf 2 Millionen geichätt. 
Man theilt das Yand in 8 verfchiedene Landestheile, 
deren jeder bon einem eigenen Khan beberricht 
wird, ohne daß diefer Eintheilung bei der Zer- 
jplitterung der Ew. in einzelne Stämme bei ihrer 
nomadiſchen Lebensweije, bei ihrem plünderungs- 
füchtigen Sinne längere Dauer beizumefien ift. 
Das noch dem Indusgebiete angehörige Katicha- 
Sandawa, Sahrawan, Kelat, Dihallawan, Yus, 
Kohiftan, Kalpurafan u. Mekran, der Küftenftrich, 
bewohnt von noch jetzt fait ausichlieglih auf Fiich- 
nahrung angewiejenen Menichen, den Ichthyopha— 
* des Alterthums, iſt durchzogen von dem engl. 
Telegraphendraht von Karatſchi in Hindoſtan bis 
Gwaitar in Perſien. Die Haupiſtadt iſt Kelat, 
12,000 Em., in fruchtbarer Umgebung, deſſen 
Khan ein nominelles Herrſcherrecht ausübt, andere 
kleinere Städte: Dader u. Gondawa, ummeit der 
ind. Grenze. 2) Geſchicht e) B.,dasalte Gedrofien, 
war vor dem Schidjal des benadbarten Afgha— 
niftan, ein Durchgangspunkt erobernder Böller- 
züge zu werden, durch feine öde Natur, deren 
Shreten Alerander d. Gr. auf feinem. Rüdzuge 
von Indien erfuhr, geichlitt. Im Alterthum u. 
früberen Mittelalter theilte es polttifch das Schickſal 
Berfiens unter der wechſelnden Herrichaft der 
Ahämeniden, Seleufiden, Parther, Saflaniden bis 
zur Einverleibung in das Khalifenreih (im 7. 
Jahrh.). In der Folgezeit fol das im 10. Jahrh. 
zuerft erfcheinende ariige Bolt der B. ſich des 
Landes bemädhtigt haben, welches nun von felb- 
fländigen Fürften regiert wurde. Als Nadir 
Schah 1736 das Perſiſche Reich zu hoher Macht 
zu erweitern anfing, regierte in Kelat Abdallah 
Khan, deſſen Vorfahren fih nah Verdrängung 
einer einheimifhen Brahmanifchen Dynajtie, wie 
man berichtet, des Throne bemächtigt und die 
ewaltſame Belehrung zum Islam bemirft hatten. 
Der Berjerberricher zwang die Belutſchen, feine 
Oberberrlichleit anzuertennen, u. führte Abdallahs 
zwei Söhne, Mohammed u. Naffir, als Geißeln 
nach Indien mit. Nach Abdallahs bald erfolgtem 
Zode übergab er die Regierung an Mohammed, 
den er jedoch fchon 1738 wegen ſchlechter Regier— 
ermorden ließ; deffen Bruder Naffir trat an 

die Stelle. Diefer, ein einfichtsvoller u. gerechter 
rft, mußte nah, Nadirs Tode 1747 die Ober: 
errihaft des Afghanen Ahmed Khan anerlennen, 
erreichte jedoch 1758 einen Vertrag, nach welchem 
die Belutfchen der Afghanen bei Kriegen mit 
Auswärtigen Hecresfolge gegen Sold leiften müſſen, 
die inneren Berhältnifje beider Länder aber gänz- 
lich getrennt bleiben ſollen, welder Vertrag das 


157 


bis heute noch geltende NRechtsverbältniß beider 
Länder bildet. Nach Naffirs Tode (1795) wurde 
das Land eine Beute der gewöhnlichen orientali— 
chen Thronftreitigfeiten; unter feinem Nachfolger 
Mahmud Khan rıg fi Mefran ab, wie auch die 
Macht der einzelnen Häuptlinge ſich fteigerte, 
Deſſen Nachfolger Mehrab Khan fiel 1839 im 
Kampfe gegen die Briten; 1841 erhielt endlich 
fein Sohn Naffir Khan B. als britiiches Lehns— 
fürftentbum, doch bat fich der britiihe Einfluß 
nicht erhalten können. Fortdauernde Räubereien 
der Belutſchen laſſen ein geregeltes Handelsver— 
hältniß nicht auflommen; ihnen zu ſteuern, erweiſt 
ſich die Macht des Khans, jetzt Mir Khadabad, un« 
zulänglich. Die brit,-ind. Regierung hält einen Reſi— 
denten zu Kelat, ift auch beredhtigt, Truppen aui« 
zuftellen, eines Rechtes, deifen fie ſich jedoch noch 
wicht bedient hat. Uber einen Theil des W. hat 
jeit 1872 Perfien die Oberhobeit. Bgl. Maifon, 
Narrative of various journeys in Baloochistan 
etc., 3 Bde., Lond. 1832; Pottinger, Travels in 
Beloochistan, Yond. 1816; Bellew, From tl:e 
Indus to the Tigris ete., Yond. 1874. 

Belvedere (ital., d. h. ſchöne Ausficht, franz. 
Bellepue) beißen mehrere Schlöffer, ſowie tburm- 
artige Gebäude, z. B. in Wien, bei Weimar, 
Warihau x. Am berühmteiten ift der Palaft B. 
in Rom, ein Anbau des Batican, durch feine 
Antitenfammlung, worunter der gefeierte Apollo 
von B. (f. u. Apollon) danach benannt if. Iu 
Fraukreich nennt man B. verſchiedene Berzierungen 
von Parkanlagen mit Bogen, Tempeln u. dal. 

Belvedere Marittimo, Stadt im Diftrict 
Paola der italienischen Provinz Eofenza (Calabria 
citeriore), nahe am Tyrrheniſchen Meere; ftarter 
Wein» u. Nofinenbau; 4858 Ew. Thielemann. 

Belves, Stadt im Arr. Sarlat des franz. 
Depart. Dordogne; erzeugt vorziigliches Nußöl, 
Papier, Leinwand, Leder; Ruinen eines Templer: 
hauſes; 2368 Em. 

Belz, befeftigte Stadt im Öfterreichifchen Kreije 
Zolfiew (Galizien), am Zolokia; altes Caſtell; 
bedeutende Potajchefiedereien; 3711 Ew. B. wurde 
1473 durch eine Feuersbrunſt gänzlich zerftört. 

Belzen, jo v. w. Jmoculiren. 

Belzig, Stadt im Kreife Zauche- Belzig des 
preuß. Hegbez. Potsdam; Rentamt; altes Schloß 
(Eifenbort); Aderbau, Pferdemärkte; Dampfwollen« 
ipinnerei, Bierbranerei, Webereien; 2475 Ew. 
Am 11. April 1635 wurde B. von den Schwe— 
den ausgeplündert und angezündet. Bei B. am 
27. Aug. 1813 fiegreiches Gefecht der Preußen 
gegen die Franzofen. B. fam 1815 von Sadjen 
an Preußen. 

Belzöni, Giovanni Battifta, berühmter 
Reiſender u. Alterthbumsforjcher, geb. 5. Nov. 1778 
zu Padua; wurde in Rom geiftlih erzogen, trieb 
aber mechanifche Künfte, floh 1800 vor den Fran— 
zojen nad Holland, ging 1803 nad England und 
jtudirte dort Mafferbantunft, trat aber auch auf 
Aſtleys Theater als Apollo und Hercules auf. 
1812 reifte er mit feiner Frau nach Liffaben, 
Madrid, Malta u, 1815 nad Agypten, baute zuerſt 
für den Pafcha eine hydraulifhe Mafchine, ter» 
fuchte jeit 1816 die Pyramide des Chephren, die 
Königsgräber zu Theben (von bier fehidte er 


158 Bem — Bemelberg. 


mehrere Riefenfäulen u. die Büſte des Memnon;Öfterreicher u. die ruffiichen Hilfstruppen nach der 
in das Britiihe Mufeum) u. den Tempel von Walachei. Hierauf eroberte er das Banat u. ver 


Abu Simbel, bereifte dann die Oaſe des Jupiter 
Ammon, fand das alte Berenike wieder auf umd 
beichrieb dies alles nach jeiner Rückkehr in: 
Narrative of the operations and recent disco- 
veries within the pyramids, temples, tombs 
and excavations in Egypt and Nubia, and of a 
journey to the coast of the Red-Sea, in search 
of the ancient Berenice, and another to the 
oasis of Jupiter Ammon, Lond. 1820, mit Atlas, 
Fol., 2. A., 1821, ins Franzöſiſche überjegt von 
Depping, Par. 1821; jtellte die mitgebradhten 
ägyptiſchen Alterthiimer in einem eigenen, den 
Königsgräbern genau nachgebildeten, ebenſo ge- 
malten Mufeum zu London auf, jchidte ſich Ende 
1822 zu einer neuen Reife an, um von der Witte 
Afrifas aus den Yauf des Niger zu erforjchen, 
ftarb aber auf dem Wege nah Benin zu Gato 
3. Dec. 1823. Die Zeihnung des Grabes des 
Pſammetich wurde herausgeg. 1829. Vgl. Menin, 
Genni biogr, intorno al viggiatore ital. G. B. B. 
Mailand 1825. Brambadj.* 
Bem, Joſeph, poln. General, geb. 1795 zu 
Tarnow in Galizien; befuchte zuerjt die Univerfität 
zu Krafau, feit 1809 die Militärjchufe zu Warſchau 
u. machte als Pieutenant der polnischen Artillerie 
den Feldzug 1812 in Rußland mit, fand 1813 
bis 1814 in Danzig, trat 1815 in ruffiich-pol- 
nische Dienfte, wurde 1819 Hauptmann und war 
furze Zeit Lehrer an der Artilleriefhule zu War- 
hau. Nah vielfahen Berfolgungen von Sei: 
ten des Großfürften Conftantin (er wurde zweimal 
verabjchiedet, dreimal vor ein Militärgericht ge 
ftellt, in einen fcheußlichen Kerker geworfen, ver- 
bannt, unter Bolizeiaufficht geitellt) nahm er 1825 
feinen Abſchied u. Iebte in Yemberg, feit 1826 auf 
Fr. Potodis Gütern u. befhäftigte jih mit Con- 
ſtruction von Dampfmafchinen. 1831, bei der pol- 
nischen Wevolution, trat er als Major wieder ein 
u, rüdte jchuell zum Oberftlieutenant, Oberften, 
General u. Chef der polnischen Artillerie empor 
u. zeichnete ſich mamentlih in der Schlacht bei 
Dftrolenfa aus, wo er das Feld behauptete. Bei 
Warſchau der Unthätigkeit beſchuldigt, ging er nad 
der Einnahme diefer Stadt nach Preußen u. 1832 
nah Paris, Bergebens fuchte er 1833 in Por- 
tugal u. Spanien Dienſte und lebte feitdem im 
Zurüdgezogenheit in Paris, die oft durch Reiſen 
unterbrodyen war. Infolge der Maiereigniſſe 1848 
ging er nah Lemberg, von da nah Wien und 
nahm feit dem 14. Oct. wefentlich theil an der 
Vertheidigung der Stadt. Seit dem 28. Oct. 309 
er fih aber zurüd, u. am 31. Oct. glüdlich ent 
lommen, flüchtete er zu Koſſuth nach Peſt, wo er 
als vermeintliher Verräther durch den Piftolen- 
ſchuß eines Polen verwundet wurde. In Koffuths 
Auftrag organifirte er in Debreczin die Honveds, 
ging mit einem Heere von 8—10,000 Man im 
December nad Siebenbürgen, nahm Klaufenburg, 
ſchlug 19. Dec. 1848 den General Puchner bei 
Dees und bedrohte Hermannftadt. Obgleih am 
4. Febr. bei Bizafna total von Puchner gejchla- 
gen, lieferte er ihm fchon am 9. Febr. wieder 
eine fiegreihe Schlaht an der Brücke von Piski, 
vahm am 11. März Hermannftadt u, drängte die 


waltete bie beiden Provinzen beinabe jelbftändig. 
Bon der verftärkten ruffiihen Armee bei Schäß- 
burg 31. Juli gejhlagen, ging er nad Un— 
garn, wo er 7.—8. Auguft in der unglüdlichen 
Schlacht von Temesvär ein Commando; führte 
von dort flüchtete er nach kurzem, verzweifelten 
Kampfe im Aug. 1849 in die Türkei, nahm den 
Islam an, um vor einer etwaigen Auslieferung ges 
ſchützt zu fein, u. erhielt die Wirde eines Paſchas 
u. den Namen Murad Paſcha. Am 24. Febr. 1850 
wurde er mit den anderen zum Islam Überge« 
tretenen nach Aleppo in Syrien gebradt, wo fie, 
nad dem türkisch »Öfterreichijch «ruffiichen UÜberein- 
fommen, internirt werden follten. In OÖfterreich 
aber wurde er abwejend proceifirt, am 16. Mai 
in Wien in effigie gebängt und feine Güter 
confiscirt. Bei dem Blutvad in NAleppo im 
Nov, 1850 commandirte er die türkifchen Truppen 
gegen die arabiihe Bevölkerung n. ft. hier am 
10. Dec. 1850, von den Türken mit allen mili« 
tärischen Ehren beftattet. Ein unternehmender, 
raftlojer und gejchidter Feldherr, von edlem Cha» 
vatter, war er überall beliebt. Er jchrieb frau— 
zöftich: Über die Congreviſchen Brandrafeten, deutjch 
von M. Schub, Wem. 1820; Expose general de 
la methode mnémonique polonaise perfectionnde 
a Paris, Bar. u. Lpz. 1839, 

Bema (gr.), in den griechischen Kirchen vorn 
im Chor ein erhöhter Sig für den Biſchof, wenn 
er nicht von dem Biſchofsſitze aus predigen wollte, 
u. für den Presbyter, wenn diefer die Predigt hielt. 

Bemannung, ſ. Beſatzung. 

Bembo, Pietro, berühmter ital. Gelehrter, 
geb. 20. Mat 1470 zu Benedig; widmete fich dem 
geiftlichen Staude, hielt fih 1503—6 im. yerrara 
am Hofe Alfonjos von Ejte auf, ftand in jehr ins 
timem Berfehre mit deſſen fo ſchlimm gefchilderter 
Gemahlin Lucretia Borgia u. ſchloß enge Freund- 
ichaft mit dem Dichter Ariofte, die bis zu deſſen 
Tode dauerte; 1506 ging B. nach Urbino, 1512 
nah Rom, wo er Secretär des Papftes Leo X, 
wurde. Nach defien Tode zog er ſich nach Padua 
zurüd, wo feine Geliebte Diorofina lebte, u. wid« 
mete fi bier der Poeſie u. den Wiffenjchaften, 
1529 wurde er Hijtoriograph der Republif Venedig 
u. Bibliothefar an der Marcusbibliothef, 1539 
vief ihn Papft Paul nah Nom, machte ihn zum 
Gardinal, bald darauf zum Biſchof von Gubbio 
u. endlich zum Biſchof von Bergamo. Er ft. zu 
Nom 18. Jan. 1547. B. war ein feiner Kenner 
der claſſiſchen, ſowie der provençaliſchen Sprachen 
u, ſchr. u. a.: Gli Asolari, Bened. 1565; Prose 
nelle quali si ragiona della volgar lingua, ebd. 
1525; Rime, 1530; Carmina, 1533; Epistolarum 
Leonis X. nomine seriptarum Jibri XVI, 1535; 
Lettere volgari, Berona 1545, 5 Bde.; Rerum 
veneticarum libri XII (1487—1513), Ben. 1551, 
ital. als Istoria veneziana, Ven. 1552, 2 Bde; 
Werle, Bened. 1729, 4 Bde; Fol. 

Demelberg, Konrad v., aus einer heifiichen 
Familie ſtammend; diente dem Schwäbijchen Bunde 
beim Kriege gegen Württemberg, machte uuter 
Sidingen als Hauptmann die Belagerung von 
Trier 1522 mit, zog 1524 mit ©. v. Frundsberg 


es 


Bemmel — 


nah Tirol u. focht 1525 bei Pavia mit; auch bei 
der neuen Rüftung gegen Hom 1526 nahm er 
unter Frundsberg Dienſt, befam, als Frunds- 
berg im März 1527 vom Schlage gerührt worden 
war, an defien Stelle deu Befehl über die Lands— 
fnechte u. betheiligte fi im Mai an der Erober- 
ung Roms u. dann an der Bertheidigung Neapels, 
während welcher Zeit er die Angelegenheiten der 
Yandöfnechte führte u. die Truppe möglichit bei- 
ſammen hielt. Im Febr. 1530 wurde er bei der 
Krönung Karls V. in Bologna zum Nitter ge 
ſchlagen. Er blieb auch ferner ein treuer Aubänger 
des Kaiſers, commandirte das Fußvolk bei der 
Delagerung von Peſt 1542 u. Meb 1552 und 
wirfte enticheidend zum Siege bei St. Quentin 
(1557). Sein Ende ift nicht befannt. Bal. Sol» 
ger, Der Landsknechtobriſt 8. v. B., Nördl. 1870, 

Bemmel, eine aus Burgund ftammende Fa— 
milie, aus der zahlreiche Maler entſproſſen find: 
l) Wilhelm v. B., Landichaftsmaler, geb. 1630 
zu Utrecht; ließ ſich zu Utrecht nieder; ftarb 1708 
zu Wöhrd, 2) Joh. Georg v. ®., Sohn des 
Vor, geb. 1669 in Niirnberg; widmete fi vor- 
zugswerie dev Thiermalerei; ft. 1723. 3) Peter 
?. B,, Bruder des Bor.; malte mit Gefchid von 
Sturm u. Gewitter bewegte Yandfchaften; ft. 1754 
zu Regensburg. 4) Joel Paul v. B., Land» 
ſchafts u. Hiftorienmaler, Sohn von B. 2), geb. 
1713 zu Nürnberg. 5) Joh. Noah v. B., Bru— 
der des Vor., geb. 1716, Jagd» u. Genremaler, 
auch Bortraitenr. 6) Chriftoph v. B., Land- 
Khaftsinaler, Sohn von B. 3), geb. 1707. 7) Karl 
Schaftian, Neffe des Vor., geb. 1743 in Bam: 
berg; einer der hervorragendften, bejonders in der 
Ausführung von Seeftiiden u. ftürmifch erregten 
Naturfcenen; er ft. 1796 in Nürnberg. 8) Joh. 
Kaspar v. B., Bruder des Bor., Landſchafts- 
maler; ft. nach einem jehr bewegten Leben 1799 
in Leipzig. 

Ben (ihottifch), fo v. w. Bergfpite; kommt bei 
vielen Berguamen vor, jo B. Avon, B. Maddhui, 
d. More zc. 

Ben (bebr. u. arab.), fo v. w. Sohn; fteht 
vor dem Namen von Perfonen, um das Kiud— 
ihaftsverhältniß anzuzeigen (Abjalom Ben David, 
d.h. Abfalom Sohn Davids, Abdallah Ben Diufa 
u. ſ. w. Die Araber verändern B. meift in Ibn, 
die Juden im Drient oft in Aben. Dur An- 
fügung an Namen ift B. bisweilen aud in Fa— 
miliennamen übergegangen, 3. B. Bendavid. 

Benäcns (a. Geogr.), See im Transpadani- 
Ihen Gallien, durch welchen der Mincius ftrömte; 
iegt Garda⸗See. 

Benannter Diebitahl, jo v. w. Qualificirter 
Diebitahl; ſ. u. Diebitahl. 

Benannte Zahl, Zahl, deren Einheit ein be- 
fimmter Gegenjtand ift; f. Zahl. 

Bönarde (franz.), Art Schloß, welches nad) zwei 
Seiten bin ſchließt. 

Benared, 1) Prov. des Gouvernements der 
NWProvinzen im britischen Border - Fudien; 
ca. 42,000 [_jkm; 8,178,167 Ew,; davon der 
Diftrict B. allein 2577 [_)km mit 793,699 Ew.; 
bewäfjert vom Ganges, Karamnafja, Gumty; 


durchzogen von zahlreihen Seen, mit trodenem, 




















PBenavente, 159 


das Land Weizen, Mais, Tabaf, Hirfe, Opium 
in großer Menge hervor u. eignet ſich vorzüglich 
zur Cultur des Zuderrohres u. Indigo; 6 Die 
ftricte: Benares, Aziıngurh , Baflı, Goradpur, 
Ghazipur, Mirzapur; 
nad Allahabad. (Gefchichte |. Indien.) 2) Haupt: 
jtadt darin, am linfen Ufer des Ganges; mit 
Einrehnung des Gantonnements 173,352 Em. 
in 30,000 Häufern, größtentheil® Brahmaniſcher 
Religion, 
gegen den Fluß, engen, krummen Straßen im 
Imnnern, iſt der angefehenite Wallfahrtsort der 
Hindu und der Mittelpunkt des Siwa-Eultus, 
Unter den berühmten religiöjen Feiten ift das 
Ram⸗Lila, Die eier des Sieges Namas über 
den 
allgemeiner Illumination. 
ligen Stadt bezeugt die Zahl der Heiligthlimer: 


Eifenbabn von Calcutta 


Die Stadt, mit prächtiger Front 


Dämon Ravana, und das Dumwalli, mit 
Den Ruf der hei- 


1090 Hindu- Tempel, 333 mohammedaniiche Mo— 


sheen, Darunter die berühmte von Aureng-Zeyb 


auf den Ruinen eines Wifchnutempels erbaute; 
Schaaren von Fakirn und die zahlreich umher— 
laufenden heiligen Thiere beweilen die unge» 
ſchwächte Fortdauer der uralten Brahmaniichen 
Heligion, Daneben ift B. angefehen als Sit alt- 
indischer Gelehrjamfeit, wenn auch gegen frühere 
Zeiten gefunten; bat ein Hindncolleg, Sanstrits 
colleg (1792 geftiftet), fonftige Miſſions- ud 
Privatihulen, Sternwarte (feit 1680). Die gün— 
flige Lage am Ganges u. an der Eifenbahn Calcutta« 
Alahabad-Bombay (mit Abzweigung nad Lucknow) 
bat die Bedeutung der Stadt, die in Webereien, 
Gold- und Silberjhmieden, Spielzeugfabriten feit 
lange eine blühende Induſtrie beſaß, als Handels- 
plat noch mehr gehoben. B., ſanskrit. Baranafı, 
als Kaſi gefeierter Sit uralter indischer Cultur, 
Hauptftadt einheimifcher Neiche (f. Indien, Geich.), 
fiel zuerit 1193 in die Hände der Mohammedaner, 
fam 1529 unter die Herrichaft des Großmoguls, 
1760 an den Nabob von Audh, 1775 an die Engl.- 
Oftind. Compagnie. Die jegige Stadt ift wenig 
über 300 Yahre alt. Thielemann. 
Benary, Franz Simon Ferdinand, Orien— 
taliſt, geb. 22. März 1805 zu Kaſſel; ſtudirte ſeit 
1824 in Bonn und Halle, ſeit 1827 in Berlin 
Theologie u. orientaliiche Sprachen; an der let» 
teren Univerſität habilitirte er fi 1829 u. wurde 
1831 Profeſſor der altteftamentlihen Exegeſe. 
Außer vielen Abhandlungen aus diefem Gebiete, 
dem der jemitiichen Sprachen (u. a. über die auf 
Cypern geiundenen phönikiſchen Jnfchriften, 1845) 
gab er heraus das ſanskrit. Gedicht Nalodaya, 
Berl. 1830, u. ſchrieb: De Hebraeorum leviratu, 
Berl. 1835. Auch ihm blieb ein Streit mit dem 
Miniſterium Eichhorn nicht erfpart (j. die von ihm 
berausgeg. Actenftüde 1844). 
Benatek,1)(Fung-od. Neu-B., Benatty) Stadt 
im öfterr. Bez. Jung-Bunzlau (Böhmen), am 
rechten Ufer der Fer; Bezirksgericht; Fundort 
böhmischer Diamanten; 800 Ew. Hier lebte län- 
gere Zeit der Aſtronom Tycho de Brahe. 2) Dorf, 
efannt durdy den hartnädigen Kampf in der 
Schlacht von Königgräg (ſ. d.). 
Bennvente, 1) Stadt in der fpanifchen Prod. 
Zamora, am Obrigo ; Seidenwebereien; 4500 Em, 


heißem Klima, im Winter trodener Kälte, bringt!2) (Sonſt Aritium praetorium) Stadt im Diftr. 


160 Benbecula 


— Benda. 


Santarem der ehemaligen portugiefiihen Provinz Weljaminow u. Woronzow mitgemadt, als ruf 
Alemtejo, am Zatas; königl. Schloß; Schifffahrt; |fiiher Mitttärcommiffär nad Berlin, machte 1855 


2500 Em, 

Benbecüla, eine Hebriden-Jnfel, 110 km (2 
(IM) groß, an der NWKüfte Schottlands, zwi— 
ſchen North» u. Süd-Uift; Kelpbrenneret, Fiſchfang. 

Bend; (engl.), Bank, ſ. Kings-Bend. 

Bendenborf, 1) Alerander, Graf von B., 
ruff. General, Sohn des ruff. Generals Ehriftoph 
von B., geb. 1783 in Efihland; ward mit jenem 
Bruder zu Bayreuth im Engelharbtihen Privat» 
inftitut erzogen, trat dann in ruſſiſche Dienfte u. 
zugleih im mähere Beziehungen zu dem Hofe, 
machte hierauf die Kriege von 1813 und 1814 
im Generaljtabe mit Auszeichnung mit, ftieg 
bald zum Generallieutenant und wurde dem 
Großfürften Nikolaus als Adjutant beigegeben. 
‚Für feine Dienfte bei Interbrüdung des Aufftandes 
bei der Thronbefteigung des K. Nikolaus er: 
nannte ihn diefer 1826 zum Chef der Gens» 
darmerie u, Commandanten des faiferlichen Ge- 
neralguartierg; damit fleter Begleiter des Kaifers, 
übte er auf ihn bedeutenden Einfluß, fo daß er 
dem Kaiſer jelbjt umentbehrlih war. 1829 ward 
er General der Cavalerie, 1831 Mitglied des 
Reichsrathes, 1832 zum erblichen Reichsgrafen er- 
hoben, Generaldirigent der 3. Abtheilung der be- 
fonderen Kanzlei des Kaifers, als welchem ihm 
befonders die Leitung der Geheimpolizei zufiel, 
Auf der Ridreife aus Deutfhland nad Rußland 
begriffen, ftarb er 23. September 1844 auf dem 
Schiffe u. wurde auf feinem Gute Fall in Efth- 
fand begraben. 2) Conftantin von B., ruſ— 
fiiher General und Diplomat, Bruder des Bor., 
geboren 1785; widmete fi erjt der biploma- 
tiſchen Garritre, trat aber 1812 als Major ins 
ruſſiſche Heer, führte einen Theil des Streif- 
corps Wingingerodes, dann einige Pull Ko— 
faten unter dem Hetman Platow, that mit diefen 
den Franzofen auf dem Müdzuge aus Rußland 
großen Schaden u. war mit Einer der Erjten, die 
in Deutichland anlangten u. unter Tſchernitſchew 
NDeutichland durchftreiften und Kaſſel beſetzten. 
Oberftlieutenant geworden, zeichnete er fich bei 
Hanau u. durch den NRheinübergang bei Ditffel- 
dorf aus, focht als Oberft u. Commandeur eines 
re Corps 1814 in Frankreich, namentlich 
7. März 1814 bei Craonne u. 30g ald Generalmajor 
in Paris ein. Nah Abſchluß des Friedens trat er 
in die diplomatische Laufbahn zurüd u. war 1820 
bis 1826 außerorbentlicher Gejandter in Stuttgart 
u. Karlsruhe. Bei Ausbruch des Perſiſchen Krie- 
ges trat er wieder in die Armee unter Pasliewitſch, 
nahm das Klofter Eiihmiadzin, ſchlug die Kurden 
vor Eriwan, biofirte diefe Stadt u. rieb am 
Arares das ihm bei Weiten überlegene feindliche 
Heer fat gänzlih auf. Hierfür wurde er 1827 
zum Generaflieutenant ernannt, u. 1828 begleitete 
er den Kaifer als Generaladjutant in den Türlen- 
frieg, führte ein Streifcorps durch den Balkan in 
den Rüden der Türken, nahm Prawadi im Juli 
1828 u. ft. dafelbft im folgenden Monat am 
Nervenfieber. 3) Dorothea Chriftophoromna, 
j. fieven. 4) Eonftantin, ruf. General und 
Diplomat, Sohn des Grafen B. 2), geb. 1817; 
faın, nachdem er den Krieg im Kaufafus unter 


den Orientkrieg mit, wurde nach dem Friedens» 
Ihluß 1856 in außerordentlihem Auftrage nad 
Spanien gejendet u. 1857, unter Beförderung 
zum Generallieutenant, Gejandter in Stuttgart. 
Im Kaulafus mehrmals verwundet, flarb er an 
den Folgen 29. Juni 1858 in Paris. Nach fei- 
nem Zode erfdien von ihn: Souvenir intime d’une 
campagne au Caucase, Par, 1858. Tagai.* 
enda, 1) Franz, Biolinift, geb. 25. Nov. 
1709 in dem böhmischen Dorfe Altbenatef; entfloh 
als Kind von Prag, wo ihn die Geiftlichen feiner 
Ihönen Stimme wegen als Chorfnaben feitbalten 
wollten, nad) Dresden. Dort fand er als Kapell- 
fnabe Aufnahme, blieb einige Zeit, entfernte fich 
aber wieder beimlih. Nachdem er feine Sopran» 
ftimme verloren u. eine Zeit lang Alt gefungen, 
griff er zur Bioline, ſchloß fich einer mwandern- 
den Mufifantenbande an u. fam, 18 Fahre alt, 
nah Wien. Sein ausdrudsvolles Spiel erwarb 
ihm bald einen Namen, worauf ihn der Staroft 
Szaniawsfi zu Warfhau als Kapellmeifter en— 
gagirte. 1732 wurde er in die Dienfte des Kron— 
prinzen von Preußen (Friedrich II.) berufen, und 
1771 wurde er königlicher Concertmeifter, Er ft. 
7. März 1786 zu Potsdam, Bon feinen zahl- 
reihen Compofitionen find 12 Soli in Paris u. 
1 Flötenfolo in Berlin gedrudt. Nach feinem Tode 
wurden die Etudes de Violon, Oeuvr. posth., u. 
Exereices progress. pour le Violon, livr. III. 
zu Leipzig herausgegeben. 2) Georg, Bruder 
des Bor., geb. 1721 in Jungbunzlau; ward auf 
Berwendung feines Bruders 1742 Biolinift in der 
fönigl. Kapelle zu Berlin, 1748 Gothaifcher Kapell- 
meifter, legte 1778 dieſe Stelle nieder, machte 
Kunftreifen in Italien, Frankreih u. Deutfchland, 
lebte dann in Wien, Gotha u. Ronneburg; er ft. 
zu Köftrig 6. Nov, 1795. Seine vorzüglicften 
Werfe find: das Duodram Ariadne auf Naros 
(1774), das Duodram Medea, das Monodram 
Pogmalion, die Operetten: Der Dorfjahrmarft, 
Walder, Romeo u. Julie, Der Holzbauer, Das 
tatariiche Geſetz, Lulas u. Bärbchen, Das Findel- 
find. 3) Friedr. Wild. Heinr., Violin- und 
Klavierjpieler, Sohn von B. 1), geb. 1745; ft. als 
penfionirter Kammermuficus 19. Juli 1814 zu Bots» 
dam; er jegte Opern u. Cantaten, 3. B.: Orpheus, 
Das Blumenmädcen, Die Grazien x. 4) Karl 
Heinr. Herm., Biolinift, Bruder des Vor., geb. 
2. Mai 1748; umter König Friedrich II. von 
Preußen Kammermufiter u. dann Eoncertmeifter; 
ft. penfionirt 15. März 1836. 5) Friedrich 
Ludwig, Sohn von B. 2), geb. 1746 zu Gotha; 
wurde 1778 Mufifdirector am Seylerſchen, 1782 
am Hamburger Theater, reifte dann mit feiner 
Frau, der berühmten Sängerin Felicita Agnefia 
ie, von welcher er fich ſpäter fcheiden ließ. Er 
ft. al8 Director der Concerte in erg sei 27. März 
1793; ſchr. Biolinconcerte und Opern (Barbier 
von Sevilla, Die Verlobung u. a.). 6) Joh. 
Wild, Dito, Sohn von B. 4), geb. 1775 zu 
Berlin; ſtudirte die Rechte u. fam 1797 als Au- 
feultator nad Petrifau, als Neferendar u. dann 
als Eriminalratd nah Kaliih, wurde 1807 mit 
den übrigen füdpreußifhen Officianten brodlos u, 


Bendat — Bender. 


nährte ſich nun durch belletriftiiche Schriftftellerei; 
Ipäter wurde er Confulent der Kanfmannjchaft zu 
Landshut und Bürgermeifter; nachdem er als 
föniglider Commiſſar für die Organifirung des 
andfturms eine bedeutende Thätigleit entwidelt, 
wurde er Megierungsrath in Oppeln; er ftarb 
daſelbſt 1832. Beſonders bekannt durch jeine 
Überfegung des Shalefpeare, Leipzig 1825, 19 
Bände, Brambach. 

Bendak, in Perſien eine hohe, mültzenartige 
Kappe der Derwiſche. 

Bendavid, Lazarus, Mathematiker u. Philo— 
ſoph, geb. 18. Oct. 1762 zu Berlin von jüdiſchen 
Eltern; erlernte zuerſt die Glasſchleiferei, ſtudirte 
dann in Göttingen mit großem Erfolge noch Ma— 
tbematif, ging nad Berlin zurück u, hielt feit 
1790 Borlefungen über Kantiche Pbilofophie, der 
er fih mit großer Begeifterung bingegeben. In 
der Hoffnung, in Wien neue Anhänger für die» 
jelbe zu gewinnen, fiedelte er dortbin über und 
feste, im Haufe des Grafen von Harrach lebend, 
keine Vorleſungen fort. Da jedoch die Negierung, 
die infolge der Borgänge in Frankreich argwöhniſch 
geworden, B. mißtraute, wurden jeine Borlefungen 
verboten. Er kehrte deshalb nah Berlin zurid 
u. bielt von Neuem Borlefungen über die Kantſche 
Pbilofophie. Als aber die Univerfität gegründet 
ward, mußte er fie als einen Eingriff im deren 
Rechte einitellen und nahm dann eine Stelle als 
Rechnungscontroleur an. Er ft. 28. März 1832 
zu Berlin. B. ſchr.: Über die Paraflellinien, Bert. 
1786; Verſuche einer logiſchen Auseinanderjegung 
des mathematischen Unendlichen, ebd. 1789; Ber- 
fuh über das Vergnügen, Wien 1794, 2 Th.; 
Vorlefungen iiber die Kritif der reinen Vernunft, 
ebd. 1795, 2. U., Berlin 1802; Vorlefungen über 
die Kritff der praftiichen Vernunft, Wien 1796; 
Borlefungen über die Kritik der Urtheilstraft, ebd. 
1797; Beiträge zur Kritik des Geichmades, ebd. 
1797; Borlefungen über die metapbufiihen An— 
fangsgründe der Naturmwiffenichaft, Wien 1798; 
Verſuch einer Geichmadsiehre, Berl. 1799; Ber- 
ſuch einer Rechtsiehre, Berl. 1802; Über den Ur— 
Iprung unferer Erlenntniß (Preisichrift), ebd, 1802; 
Ueber die Religion der Ebräer vor Moſes, ebd. 
1812; Zur Berechnung des jüd. Kalenders, ebd. 
1817; Selbjtbiogr., ebd. 1804. Specht. 

Bendel, Franz, geb. 3. März 1833 in Böh— 
men; bildete fich zu einem ausgezeichneten Klavier- 
ipieler, zuletst unter der Leitung von F. Lilzt, 
wirkte als Muſiklehrer in Berlin, wo er 3. Juli 
1874 ſtarb. Er war auch ein jehr fruchtbarer 
Componift; feine Werfe (über 100 Opus) find 
meiſt Klavierftücde im Salonftil. 

Bendemann, Eduard, berühmter deuticher 
Geihichtsmaler, geb. 9. Dec. 1811 zu Berlin. Da 
feine Eltern im Haufe des Bildhauers Shadow mwohn- 
ten, erhielt der Knabe Gelegenheit, deſſen Ateliers 
zu befuchen. Kaum 16 Jahre alt, fiedelte er (1827), 
nachdem er jhon während feines Gymnafialbefuches 
in Berlin unter J. Hübner tüchtige Studien im 
Zeichnen gemacht, nach Düffeldorf iiber, befuchte 
de dortige Akademie u. fehritt im Zeichnen nad 
der Antife bald tlichtig voran. Ende 1827 nad 
Berlin zurüdgelehrt, zeigte er ſchon im feinem 


161 


altteftamentfihe Stoffe, die er mol feiner Ab: 
ftammung aus einer jüdischen Familie verdantt. 
Als Shadow 1830 mit Hübner, Hildebrandt u. 
C. Sohn nad Italien ging, ſchloß fih B. ihnen 
an. Nah Jahresfrift ging er über die Alpen 
zurüd u. begann feine Trauernden Juden im Eril, 
mit denen er auf der Berliner Ausftellung von 
1832 einen wahren Triumph errang. enig 
über 20 Jahre alt, hatte er ſchon eine Reihe von 
bedeutenden Arbeiten geliefert, Durch die meift ein 
Iug poetisher Reſignation ging, der aber bald 
einem eigenthämlichen Charakter Iyrifcher Jung— 
fräulichkert u. lieblicher Naivetät Pla machte, ohne 
daß DB. hierin jo meit ging, wie die fpäteren Diüi- 
jedorfer. Im J. 1834 entftand jein Jeremias 
auf den Trümmern Jerufalems, der in Paris präs 
mitrt ward u. jetst in der Galerie zu Bellevue fich 
befindet. Fünf Jahre fpäter fehrte B. nach Berlin 
zurüd, boffend, dort große monumentale Werte 
Ihaffen zu dirfen: doch er täufchte fih. So nahnı 
er denn eine Brofeffur an der Dresdener Akademie 
an (1838) u. begann damit eine neue Epode in 
feinem Leben. Er ſchuf nun die großen Fresken 
im Thron», Concert» u. Ballfaal der königl. Re— 
fidenz, wobei er fi) eine heftige Augentrantheit 
zuzog, die ihn aber nicht hinderte, anderwärts 
tünftterifch thätig zu fein. Dann ging er au die 
Fortfegung der Fresken im Concertfaal mit antiken 
Stoffen, wogegen er im Thronſaal allgemein 
menschliche benutt hatte. Bald danach entjtand die 
antil-romantiihe Compofition Nauſikaau. Odyſſeus, 
die indeh feinen früheren Werfen weder an Tiefe 
der Empfindung, nod an Technik gleichiteht. Als 
jein Schwager Schadow der Yeitung der Diüifel- 
dorfer Alademie aus Gefundbeitsrüdfihten nicht 
mehr nacdhlommen konnte, ward B, an deſſen Stelle 
gewählt, nahm aber diefelbe erſt an, als die Ala— 
demie auf feine Beranlaffung reicher dotirt wor— 
den, Er trat indeß 1867 zurüd, um ganz dem 
künſtleriſchen Schaffen leben zu lönnen. Außer 
den genannten Werfen find — u nennen: Zion 
u. Babel, Ulzſſes u. Benelope, Der Brudermord 
des Hain, die Wegführung der Juden in die Ba- 
byloniſche Gefangenſchaft (National-Galerie in Ber- 
lin), die Fresken in der Aula der Realſchule in 
Düffeldorf, Chriſtus, die Kinder feguend. Trog 
der großen Formen hat B-8 Zeihmung etwas An- 
muthendes, feine Farbe etwas Helles u. Mildes. 
Seine Compofition ift abgemeffen, einfach, feine 
Charaftere find edel u. keuſch, doch ermangeln fie 
der Größe, Reanet. 
Bender (Bendery), Kreisſtadt u. Feſtung in 
der ruffiihen Provinz Belfarabien, nördlich am 
Drrjeftr; hochliegende Eitadelle; Handel; 24,443 Em, 
B. fcheint erft im Mittelalter angelegt zu fen. 
Mit der Moldau befegten die Türlen aub B. u. 
befeftigten e8 gegen die Polen. In dem nahen 
Dorfe Barniga lebte König Karl XII. von Schwe- 
den 1709—1712 nad) der Schlacht von Pultama. 
Bei B. am 25. Oct. 1769 Gieg der Türken 
unter dem Großvezier Ali Bey über die Ruſſen 
unter Wittgenftein. General Banin erftürmte es 
1770, ließ Einwohner u. Beſatzung niederhauen 
u. die Stabt abbrennen; im Frieden 1774 zur 


—— ward B. am 15. Nov. 1789 von 
erftien Bude, Boas u. Ruth, feine Vorliebe filr den 
Vierers Univerfal:Eonverfations-Leriton. 6. Aufl. LIT Band. 


uffen unter Potemlin nochmals" erobert, 
11 


162 


Bender — Benedef. 


wieder abgegeben, aber 1811 von Neuem erobert|den Anfang der wahrhaft wiſſenſchaftlichen mittel 


u. 1812 mir Rußland vereinigt. 

Bender, Johann Blafius, Freiherr von, 
öfterr. General, geb. 1713 zu Gengenbadh in 
Schwaben; trat 1733 als Cadet in öſterr. Dienfte, 
ward 1734 Fähnrich u. machte zwei Feldzüge 
unter Eigen mit. 1737 diente er gegen die 
Türken, Fpäter im erften u. dritten Schleftichen 
Feldzuge gegen Friedrich II., wo er ſich bei Moll 
wig u. vor Prag auszeichnet. 1769 ward er 
Generalmajor, 1775 Felemarſchalllieutenaut u. 
Commandant von Olmüg. Joſeph II. erhob ibn 
in den Freiherrnftand u. ernannte ihn zum Feld— 
zeugmeiſter. Bei der Empörung der Niederlande 
1789 zeichnete er fih von Neuem aus u. wurde 
zum Feldmarſchall ernannt, Als Gommandant 
von Puremburg capitulirte er nach Smonatlicher 
Belagerung aus Mangel an Nahrungsmitteln, 
ging nad Wien zurüd u. ward zum commans» 
direnden General von Böhmen ernannt, wo er 
am 20, Nov. 1798 ftarb. Meinardus. 

Bender Abas, (Bender-Abaſſi, Gamron), 
Stadt am Perſiſchen Meerbuſen, im Küftenlande 
Moghiſtan der perfiihen Provinz terman; Perlen 
fiicherei; — Hafen; 4—5000 Ew. Die Stadt 
hat den Namen von Abbas dein Großen, welcher 
fie zu einem Hauptplage des perfiichen Seehandels 
erhob. Bom 17. Jahrh. bis 1870 gehörte fie 
dem Sultan von Oman zu Maslat, ift aber 
wieder an Perfien abgetreten worben. 

Bendorf, Stadt im preuß. Kreife u. Regbez. 
Koblenz, rechts am Rhein u. Station der Rheini— 
chen Eifenbahn; 4 Jrrenanftalten ; Seidenhaipel- 
anftalt, Wollenipinnerei, GCichorienfabril , Eifen- 
hüttenwerf, Fabrilen für feuerfefte Steine, Bleiweiß 
u, Bimsftein, Majchinen u. Pfeifen, Gasanftalt; 
Holz: u. Fruchthandel; Objtbau; 3045 Ew. 

Bene (lat.), 1) wohl, gut; daher in der Sprache 
des Umganges: fi ein B. thun; 2) B. tibi 
(te), vobis (vos), d. h. Heil dir! Heil euch! ein 
beim AZutrinten üblicher Zuruf der Römer, jo viel 
wie Profit! 

Dene (B. Baglenna), Städtchen zwischen Stura 
und Tanaro im Diitr. Mondovi der ital. Brov, 
Euneo; Kinderbewahranftalt, Comvict für arme 
Mädchen, Krankenhaus; Wefte einer römischen 
Wafferleitung; Garten- und Obftbau, Bereitung 
von Semenge fredde aus Arbujen- u. Gurfen: 
fernen, zur Orgeade und dgl., jährlih gegen 
12,000 kg.; 6131 Emw.; Ruinen der Römerftadt 
Julia Augusta Bagiennorum. 

Benede, Georg Friedrich, bahnbrechender 
Germanift, geb. 10. Juni 1762 zu Möndsrode 
um Fürftenthum Öttingen (Bayern); ſtud. jeit 1780 
in Göttingen, bejuchte namentlich Heynes Borlefun- 
gen über altclaffiiche Philologie, wurde daſelbſt 
1789 bei der Ilniverfitätsbibliothet angeftellt, 
1805 aufßerordentlicher, 1814 ordentlicher Univer— 
fitätsprofeffor, 1829 Bibliotbelar, 1836 Ober- 
bibliothelfar. Er las hauptjächlich iiber die eng— 
liche Sprache, die er aufs Gründfichfte verftand, 
u, über altdeutjche Literatur. Er ft. 21. Aug. 1844 
zu Göttingen. Schriften: Beiträge zur Kennt- 
niß der altdeutihen Sprache u. Literatur, 2 Bde., 
Gött. 1810—32; Ausgabe von Boners Edel— 
ftein, Berlin 1816, mit einem Wörterbuche, das 


hochdeutſchen Lerifographie bezeichnet; Ausgabe 
des Wigalois von Wirnt von Gravenberg , mit 
Anmerkungen, in denen B. mit Sinn u. befchei- 
zener Sorgfalt zuerft ein ganz neues Verftändniß 
der mittelhochdentichen Boche eröffnete (Lachmann), 
u. Wörterbuch, Bert. 1819; die meiften erflärenden 
Anmerkungen zu Yahmanns Ausgabe von Hart» 
manns wein, Berlin 1827, 2. Ausg., 1848, 
3. Ausg. 1868; Wörterbuch zu Hartmäuns Jwein, 
das den Grund zur mittelhochdentichen Yerifo- 
graphie legte, Göttingen 1838; viele Beiträge zu 
den Göttinger gelehrten Anzeigen, die B. ſeit 
1828 mit Heeren vedigirte, m. zu Haupts Zeit 
schrift für deutſches Alterthum. Sein Nachlaß 
wurde in Müllers u. Zarndes mittelhochdeutichem 
Wörterbuch (Leipzig 1854 ff., 3 Bde., in 4 Bon, 
mit Supplement von Lexer, 1871 ff.) verwendet. 
Vgl. Rudolf v. Raumer, Geſchichte der germanischen 
Philologie vorzugsmeile in Deufchland, Münden 
1870, ©. 455 ft., 540. fi. 2) Wilhehm, ban- 
delswiſſenſchaftlicher Schriftiteller, geb. 1776 zu 
Hannover; lebte fange Zeit ftudirend in England, 
fchrte fpäter wieder ins Hannoveriſche zurüd u. 
ließ ſich 1828 in Heidelberg nieder, wo er 8. März 
1537 jtarb. Er ſchr. u. a. engliſch: Syſtem des Affe» 
curanz· u. Bodmereiweſens, Hamb. 1807—21, 
4 Bde., u. 1Bd. Zuſätze, ins Deutſche, Franzö— 
ſiſche, Holländiſche, Däniſche u. Italieniſche über— 
ſetzt, neue Bearbeitung von Nolte, Hamburg 1352, 
2 Bbe. 

Denedel, Ludwig, Ritter v. B., öfterr. Ge— 
neral, geb. 1804 zu Odenburg in Ungarn; im 
der Wiener - Nenftädter Militärafademie erzogen, 
trat er 1822 als Fähnrich in das Fufanterie- 
Negiment Marquis Chafteler ein, ward 1824 
Unterlientenant, 1831 Oberlientenant und als 
folder 1833 zum Generalguartiermeijterftabe bei 
der Armee in Italien befördert, 1835 Hauptmann, 
1840 Major u. Generalcommandoadjutant im 
Galizien, 1843 Oberftlientenant, 1846 Oberſt u. 
zeichnete fich bei der damals in Galizien ausge. 
brochenen Revolution durch richtigen militäriihen 
Bid u. perfönlihe Tapferkeit aus, fo bejonders 
bei Soow u. Wieliczta, mo er die Fufurgenten 
zeriprengte. 1847 zum Negimentscommandanten 
vom nfanterieregiment Giulay ernannt, ging er 
nach Italien, wo er am Kampfe gegen die Pie» 
montejen theilnahm und fih bei. vor Mortara 
u, beiNovara auszeichnete, weshalb er 1849 zum 
Generalmajor ernannt wurde. Er übernabin bier- 
auf eine Brigade bei dem 1. Nejerpearmteecorps 
der Donauarmee, mit der er gegen die Ungarn 
foht; nach Beendigung des Feldzuges wurde er 
‚eldmarkhalllieutenant u. Chef des Generaljtabes 
bei dem Generalgouverneur Grafen Radegiy; 1859 
commandirte er das 8. Armeecorps in Italien, 
wo er fich in der Schlacht bei Solferino auszeich- 
nete, ohne das Gefammtrefultat des Feldzuges 
ändern zu können. Doch war jeine Popularität 
in Heer u. Boll von da feft begründet, jo daß 
man im ihm allgemein den oberiten Befehlshaber 
auf den Schiachtfeldern Oſterreichs bezeichnete. 
Zunähft ward er Anfang 1860 Feldzeugmeiſter 
u, General-Gouverneur in Ungarn, darauf nod 
im jelben Jahre Oberbefehlshaber in Benetien 


Benedetti — Benedict. 


u. 1866 in gleicher Eigenfchaft bei der Nordarınee 
den Preußen gegenübergeftellt. Der Feldzug ver- 
lief unglücklich, B. zeigte fih nicht als der Feld» 
herr, den man in ihm vermuthete. Dazu fam 
die Unfertigfeit der Armee, die Übrigens B. felbit 
ſehr gut erfannte, jo daß er noch von Olmüg 
ans den Kaifer aufforderte, Frieden zu fchließen. 
Aus diefen Umftänden erklärt fich die mangelnde 
Energie, die es zuließ, daß die Armee des Kron- 
prinzen in Böhmen eindrang u. ihre Vereinigung 
mit der Hauptarmee bewerfitelligte, ein fernerer 
Fehler war die Mahl des Echlachtfeldes von 
Königgrätz, mo der preufifche Sieg vom 3. Juli 
die Armee der Bernichtung nahe bradte, B. zog 
nd nah Olmüg zurüd u. wurde duch den in 
Falien fiegreih geweſenen Erzherzog Albrecht im 
Commando erjegt. Eine kriegsgerichtliche Unter 
mung wurde auf Befehl des Kaiſers niederge- 
ſchlagen. In Ruheſtand verfegt, lebt B. in Graz. 
Dieinarbus.* 

Benedetti, 1) Alerander, auch Bene- 
dictus Päantins genannt, berühmter Arzt 
aus Legnano in der Lombardei; ging 1490 nad 
Griehenland , hielt ſich als Arzt in Candia und 
Moton in Morea auf, wurde 1493 Lehrer ber 
Anatomie inBadua, wo er fich einesübergroßen Zu: 
laufes erfreute, u. diente 1495 in der venetianischen 
Armee gegen Karl VIIL.; er fl. 1525. B. hielt 
fh mehr an die griech. Autoren, fürdhtete ſich 
nicht, vielfältig mit Celſus zu brechen, trat ber 
arztlichen Barbarei entgegen, wie aus der Dedis 
catton feiner Anatomie an Marimilian hervor: 
seht, befchrieb zuerſt die Entftehung der Gallen- 
feine u. faßte auch die verfchiedenen Erſcheinungen 
der Syphilis, mit als einer der Erſien, unter 
emem gemeinfamen Gefichtspunfte auf. Geine 
Verfe enthalten einen reihen Schag merkwürdiger 
Veobachtuugen, auch findet man in ihnen die 
erfte genaue Nachricht iiber jene calabrefische 
Jamie, weiche neue Nafen zu bilden verſtand. 
De pestilenti febre etc., Venedig 1493; Anato- 
miae sive historiae corporis humani libri 5, ebd. 
1493, 1498, 1502, Bar. 1514 u. 19, Bajel 1517, 
Koln 1527, Straßb. 1528; De medici et aegroti 
vffieio aphorismorum libellus, Paris 1814; dieſe 
drei Werke find auch im einem Bande zufammen 
erihienen u, dem Kaiſer Maximiliau gewidmet: 
De re mediea opus insigne et candidatis medi- 
“inae apprime utile, ad Maximilianum Caesarem 
Augustum Imperatorem hoc ordine digestum ete. 
Venedig 1535, Bafel 1539, 49, 72; Medieinalium 
observationum rara exempla; De prodiguis 
inediis exempla duo, Bern 1664. 2) Bincent, 
Graf, franz. Diplomat, der Sohn eines Richters 
anf Gorfica, geb. 29. April 1817 zu Baftia; 
widmete fich der diplomatischen Laufbahn u. war 
erit feit 1846 franz. Conſul in Kairo, wo er ſich 
mit einer jungen Öriechin vermählte u. von wo 
et 1848 in gleicher Eigenfchaft nad Palermo u. 
taranf nad Malta verjegt wurde; 1851 beglei- 
tete er Lavalette als Legationsfecretär nad Con— 
fantinopel u. wurde bier 1854 Gefchäftsträger, 
aber fhon 1855 als Director der politiiyen An- 
gelegenheiten im Minifterium des Äußern nad 
Farıs berufen, wo er 1856 Secretär beim frie- 
deuscougreß war. Durch feine Gewandtheit dem 


163 


Kaifer Napoleon bekannt geworden, bediente fich 
derjelbe feiner fortan zur Realifirumg feiner Ein» 
flußerweiterungs- u. Yändererwerbungsplane; fo 
ihidte er ihn 1860 nah Turin, um dort die 
Abtretung Savoyens u. Nizzas ernftlih zu be» 
treiben, was ihm aud bei Cavour glüdte, er- 
nannte ihn 1861 zum Gefandten am Hofe zu 
Turin, wo er gelegentlich auf Ausſöhnung zwifchen 
dem Papft- u. Königthum in Italien u. die Be- 
feftigung der franzöfiichen Machtitellung in Rom 
wirten jollte; dies gelang ihm freilich wicht, m. 
er wurde im Auguft 1862 von feinem Poften ab» 
berufen, dagegen im November 1864 als Bot» 
ſchafter nah Berlingejhidt, wo er erit Preußen 
zu allerhand Transactionen wegen Bergrößerungen 
Fraukreichs in Luremburg, am Rhein, in ber 
Schweiz zc. zu gewinnen verfuchte u. zu diefem 
Zwece fogar Frankreichs Hilfe gegen ſterreich 
zu verfprechen hatte, Zwar mußte er nach dem 
Siege Preußens feine Betheiligung an dem Frie— 
densſchluß mit Öfterreich (1866) ganz Übergangen 
iehen, aber dejto dringlicher trat er nun mit 
feinen Compenfationsforderungen für Frankreich 
auf, verlangte die Abtretung der Feſtung Mainz 
an Franfreih n. dann die Gommivenz Preußens 
zur Erwerbung Yuremburgs; legte 1867 dem 
preußiichen Diinifterpräfidenten einen Plan vor, 
wonach Süddeutſchland an Wreufen, dagegen 
Belgien an Frankreich kommen follte. Obgleich 
dieje Negociationen alle erfolglos waren, wurde 
er dennoch von feinem Kaiſer im Mai 1869 im 
den Grafenftand erhoben, Da feine diplomatischen 
Künfte die Abfichten des Kaifers nicht zu fördern 
vermochten, jo wurde ihm die Aufgabe, Frant« 
reichs Kriegsluft gegen Preußen zu verwertben; da- 
zu wurde 1870 die ſpaniſche Thronangelegenheit mit 
dem Erbprinzen von Hohenzollern benugt: B. be- 
gab ſich 9. Juli zum König nach Ems, an welchen er 
das Berlangen jtellte, an den Prinzen das Ber- 
bot ergehen zu laffen, die fpaniihe Krone an- 
zunehmen, was er, obwol am 11. ſchon abgewie- 
jen, am 13. wiederholte und eine entſchiedene 
Zurüdweilung erfuhr. Er ging am 14. nad 
Paris zurück, worauf die Kriegserflärung er» 
folgte. Nach dem Sturze der faiferlichen Regier— 
ung begab er fih nad Baſtia auf Korfica und 
erhielt 16. Aug. 1871 feine Entlafjung aus dem 
Staatsdienfte, Er fchr.: Ma mission en Prusse, 
Par. 1871, worin er einen vergeblichen Berfuch 
machte, fi u, bie faiferlicye Regierung zu recht ⸗ 
fertigen. 1) Zhambayn. 

Benedicamus Domino (lat.), d. h. preilen wir den 
Herrn! Formel, womit der katholiſche Gottes» 
dienft in der Faſtenzeit u. an einigen anderen 
Zagen, flatt des gewöhnlichen Ite, missa est! 
geſchloſſen wird. 

Benediciren (v. Lat.), weihen, feguen. 

Benedicite (lat., ſeguet), 1) Aufruf zum Ziich- 
gebet in Klöſtern. 2) Der Geſang der 3 Männer 
im Feuerofen, der nad) einem Beſchluſſe des Con— 
cils von Toledo 633 in Kirchen u, Klöftern an 
jedem Sonntag u. Feſttag der Märtyrer gefungen 
werden muß. 

Denedict (v. lat. benedietus, der Geweihte, 
Geſegnete, Gebenedeite). I. Heilige: 1) St. 
Benedict von Nurjia, geb. 480 zu Nurfia, 

11* 


164 


jetzt Norcia im Neapolitanifchen ; faın fromm er- 
zogen mit feinen Eltern nad) Rom, um ſich dem 
Studium der Wifjenjchaften zu widmen. Allein 
da feine Studiengenoffen in Lafter verjunten 
waren, floh er fon im jenem 14. Lebensjahre 
das Elternhaus, Rom u. die Welt. Bon jeiner 
Anıme begleitet, zog er fih zuerſt nach Enfide 
(Aufidene, Alfidena) in den Abruzzen zurüd, um 
ebenjo bald vor dem Andrange des ehrfürdhtigen 
Boltes allein nah DOften, gegen Subiaco am 
Anio zu entfliehen, wo er 3 Jahre lang einfam 
in einer Höhle, in Biegenfelle gefleidet, ftrenger 
Kafteiung lebte u. 510—27 nad u. nad 12 
öfter mit je 12 Mönden, einen Abt am der 
Spike, gründete, denen er jelbft wieder als Ober» 
abt vorjtand. 528 gründete er das Klofter Monte 
Caſſino (j. d.) inmitten einer noch heidniſchen 
Landbevölkerung, deren Tempel u. Haine er zer— 
ſtören ließ. 629 gab er der von ihm gegründeten 
Mönchsgemeinde u. den von ihr ausgehenden 
Colonien ihre Regel. Ju Monte-Eaffino ft. er 
543 als Patriardy aller abendländiichen Mönde; 
jein Tag ift der 21. März, in der Griechiichen 
Kirche der 12. März. Seine Schweiter ift St. 
Scholaſtica. Hauptquelle feiner Lebensgeſchichte 
die Erzählung Sregors d. Gr. im 2, Buche feiner 
Dialoge (Op. ed. Bened. T. II., p. 207—276). 
2) St. B., geb. 623 in England; hieß urjprüng- 
ih Biscop; lebte im Gefolge des Königs Oswin 
von Northumberland, ging aber 25 ‚jahre alt 
sad Hom, wurde auf einer zweiten Reiſe nad) 
Nom im Klofter Yerins, wo er 2 Jahre lebte, 
Möuch, jpäter Abt des Klofters St. Peter bei 
Canterbury u. gründete bald Darauf (670 u. 674) 
die Klöfter zu MWearmouth u. Jarrow in Dur: 
bam, wo er viel für Gelehriamteit, kirchl. Bau— 
tunſt u. Mufit that. Er ft. 690 od, 703; ſein 
Zag: 12. Jan. 8) St. 8. v. Aniane, Wi- 
tiza, Graf v. Maguelone, geb. um 750 in 
Yanguedoc; war Wundſchenk Pipins des Kleinen, 
trat 774 in das Klofter des bi. Sequanus im 
Bisihum Yangres u. gründete 780 das Kloſter 
zum Weltheiland auf ſeinen Giltern am Bache 
Aniane (daher ſein Beiname) nach der ermenerten 
Regel Benedicts u. ſah bald viele Klöſter ſeinem 
Muſter folgen. Bon Karl d. Gr. wurde er an 
die Seite Alcuins berufen u. zur Beftreitung des 
Adoptianismus verwendet. Er legte auch, von 
Yudwig dem Frommen ausgezeichnet, das Kloſter 
Inda (an der Inde) des St. Cornelius bei 
Aachen (Corneliusmünſter) an u. redigirte 817 bei 
dem Concil die Hegel Benedicts in 80 Gapiteln, 
wonach zu leben allen Bencdictinern befoblen 
wurde; er ft. zu Corneliusmünfter 851; Tag: 
12. Febr. Er ſchre: Codex regularum etc., 
herausgeg. von Lucas Holftein, Rom 1661, Par. 
1663, u. von Brolie, Augsb. 1759, 6 Bbe., Fol.; 
Voncordia regularum, herausgeg. von Menard, 
Par. 1638; Abhandlungen, meift gegen Felix von 
Urgel, in Baluze, Miscellanea, Thl. 5. Quellen: 
Bollandus in den Acta 8.; Mabillon in den 
Acta S. ord. Bened.; Gfrörer Allg. Kirchengeſch., 
Thl. Ul. ©. 704 fi. 4) St. B. (Benezet), geb. 


Benedict. 


in Avignon, welche den Bau der Brüde über 
die Rhöne beforgen u. franfe Handwerksleute im 
den Hojpitälern verpflegen mußten; man nennt 
fie auch Fröres pontifs od. Brüdenbrübder (j. d.). 
B. ft. 1184; Tag: 14. April, 

11. Päpſte. 5 8. LI. Bonoſus, der 63. 
Papft ; regierte 574—78, wo er aus Sram über 
die verwüjtenden Einfälle der Congobarben ftarb. 
6) 8. IL, der 82. P. ein geborener Römer; 
gewählt 683, aber erſt 684 beftätigt, weshalb der 
byzantinifche Kaifer Conftantinus II. Pogonatus 
bejtummte, die Weihe der Bifchöfe von Rom ſo— 
fort nah der Wahl vorzunehmen, ohne erjt die 
faiferlihe Genehmigung abzuwarten. B. ftarb 
685. 7) 8. IU., der 108. P., der Nachfolger 
Johanns VIII., d. i. der angeblichen Päpitin 
Johanna; regierte nach Unterdrüchung des Ge— 
genpapſtes Anaſtaſius 857—58. 8) B. IV, 
der 121. P., geborener Römer; hatte den päpſt- 
lihen Stuhl von 900—903 ume 9) 2. V., 
der 137. P., Gegenpapft Yeos VIIL, 964, von 
den Römern gewählt; wurde von Kaijer Otto L., 
dem fie ihn auslieferten, entjegt und nad Has 
burg weggeführt, wo er 965 karb. 10) B. VL, 
der 139, P., 972 von der faijerlihen Partei ge- 
wählt; wurde 973 bei dem Aufjtande des Cre— 
jcentius in Rom in den Kerler geworfen u. er» 
drofielt. 11) 8. VIL, der 142. ®., ein Vetter 
Alberichs, des ehemaligen Fürften von Rom, bis 
zu jeiner Wahl Biſchof von Sutri, 975 von der 
toscanischen Partei gewählt; ft.983. 12) 8. VIIL., 
der 151. P., Sohn des Grafen von ZTuscoli, 
Biihof von Porto (1012); wurde, vom Gegen- 
papft Gregor vertrieben, 1014 durch Kaifer Hein« 
rich IL. wieder eingeſetzt, jchlug, ſich ſelbſt an die 
Zpige des von Genuejen u. Pifanern verftärkten 
Heeres ftellend, die Saracenen bei Yımi, nahm 
ihnen die Inſel Sardinien u, mit Hilfe Heinrichs II. 
den Griechen Apulien; er weihte das Bisthum 
Bamberg ein; fi. 1024. 13) B. IX., der 153, 
P., ein Neffe des Bor.; erhielt 1033 als 10jäh- 
tiger Knabe durch Beftehung die dreifache Krone, 
wurde, wegen feiner Sittenlofigfeit u. Graufam- 
feit 1038 vertrieben, durch Konrad II. wieder 
eingejegt; 1044 abermals entjett, erhielt er durch 
Held nah 3 Monaten die päpftlihe Würde wieder, 
verkaufte fie dann an den Erzpriefter — 
Gratianus (als Papſt Gregor VL), blieb aber 
Bapft, während ihm in Gilvefter III. vom 
der Partei des Conſuls Ptolemäus noch eur Ge«- 
genpapft geftellt war, bis 1046 Kaifer Heinrich ILL. 
auf der Synode zu Sutri alle Drei abſetzte. B. 
machte noch Berfuche, durch Geld wieder Papft zu 
werden, ward es auch 1047 auf 8 Monate, ur. 
dann 1054, diesmal vergebens; er fl. 1056. 
14) 8. X., der 160. ®., vorher Biihof von 
Belletri; aud durch Beitehung 1058 auf den 
Thron gelommen, mußte er aber nad 9 Mona- 
ten dem von der Partei Hildebrands gewählten 
Nitolaus II. weichen. 15) 8. XI., der 200. P., 
vorher Niccole Bocaffini, Sohn eines Hirten aus 
Trevigi; wurde 1296 General des Dominkaner- 
Ordens, 1298 Cardinalbiſchof von Dftia u. 1308 


zu Hermillon, Schäfer zu Aloilard in Bivarais;/Papft als Nachfolger Bonifacins’ VIIL.; er 


baute infolge einer Bifion die Brüde zu Avignon. 


1304 u. wurde unter B. XIV. ſeli 


geiprochen ; 


Er war Stifter der Hofpitaliter zu St. Benedict! Gedächtnißtag: 7. Juli. 16) 8. XIL, der 203, 


Benedict. 165 
V., vorher Falob Fournier aus Saverdun in ‚ihm einen eifrigen Förderer, wie feine Bauten in 
Languedoc, ein Bäders- od. Müllersjohn; ftieg Rom u. die Afademien in Rom u. Bologna be- 
dur jeine Kenntniffe u. fonftigen guten Eigen- zeugen, ſowie die Opfer, welche er für die Hand- 
Ihaften bis zum Biſchof von Mirepoir empor u. |ichriftenfammlung der Baticanifchen Bibltothef 
ward endlid 1334 Papft. Er wollte von Avignon brachte. Beſondere, wiewol erfolglofe Beitreb- 
den Si nah Bologna verlegen, wurde aber|ungen widmete er der Wiedervereinigung der 
durch widrige Berhältniffe daran gehindert; auch |Proteftanten mit Rom. Die Regierung aber über- 


verfuchte er eine Ausjöhnung mit Ludwig dem 
Bayer, jedoch umfonft infolge der Intriguen der 
Höfe von Frankreich u, Neapel; er trat entichieden 
für Beſſerung der Kirchenzucht u. gegen das Com- 
mendenmwejen u. den Nepotismus auf; ft. 1342. 
17) 8. (XIII.), fo nannte fi) der Cardinal 
Peter de Luna, ein edler Aragonier, nachdem er 
unfolge feines Verjprechens, die Einigkeit der Kirche 
wiederberzuftellen, 28. Sept. 1394 während des 
Schisma zu Avignon zum Papfte erwählt worden 
war. Da er das Verſprechen nicht hielt, rieth ihm 
Karl VI von Franfreih, abzutreten, mas auch 
die Univerfität zu Paris verlangte; indeß Peter 
blieb, bis er 1398 für abgejegt erklärt wurde u. 
verſprechen mußte, zu entiagen; 1403 aber trat 
er, nachdem er die Garbinäle gewonnen, wieder 
als Papft auf u. erlangte durch den Herzog von 
Orleans feine Anerkennung. Bis 1408 hatte er 
mit 3 Gegenpäpften zu kämpfen u. entging dann 
der von Karl VI. befohlenen Berhaftung durch 
die Flucht nach Spanien, wo er, erit anerfannt, 
durch feinen Hohmuth bald den König Ferdinand 
gegen fih aufbrachte; endlich, 26. Juli 1417, er« 
Härte ihn das Concil von Konftanz als Störer des 
Kirhenfriedens für abgeſetzt. Seine mehrfachen 
Bannftrahlen blieben fo wenig beadhtet, daß er 
ſelbſt nicht einmal als Papft von der Kirche ge» 
zählt wird. Er fl. 29.Nov. 1420, 90 Yahre alt, 
auf feinem Felſenſchloſſe in Valencia. 18) B. XIII., 
der 253. P., vorher Bincenz Maria Orſini, Sohn 
des Herzogs Ferdinand III. Orſini von Gravina, 
geb. 2, Febr. 1649 zu Neapel; wurde 1667: Do- 
mintcaner, 1672 Eardinal u. Profetto della con- 
gregazione del concilio, 1673 Biihof von Dans 
fredonia, 1680 von Gefena, 1686 Erzbiichof von 
Benevent, welche Stadt er nad dem Erdbeben 
1688 wiederherftellte, u. 1724 wider feinen Willen 
zum Papfte gewählt, da er jelbft fühlte, daß es 
ıhm an Geift m. Kraft dazu fehle; fo lag er denn 
ganz in den Händen des unwürdigen Cardinals 
Coſcia, der ihn im verfchiedene Streitigkeiten mit 
den Jeſuiten, Kaifer Karl VI, dem König von 
Bortugal zc. vermwidelte, ohne daß dabei die 
Würde des Papſtthums behauptet worden wäre. 
Die Zahl der Kanonifirten verjtärkte er bedeutend. 
Er ft. 21. Febr. 1730. Bon ihm: 13 Homilien 
über das 2. B. Mofes, Rom 1724, 2 Bde.; 
Lebeusbeihreibung von Mlerander Borgia, Rom 
1741. 19) 8. XIV., der 255, Bapit, vorher 
Brojper Laurentius Lambertini; geb. 31. März 
1675, aus einem edlen Geſchlechte zu Bologna; 
ward 1727 Bifhof von Ancona, 1723 Cardinal, 
1731 Erzbifhof von Bologna u. 1740 Papft. B. 
zeichnete ſich durch Gelehrſamkeit, wie durch edlen 
Tharalter aus, ftrebte, die Kirche durch Schärfung 
der Kirchenzucht in ihrem Anſehen zu heben u, 
die fatholifchen Fürften durch Muge Nachgiebigfeit 
zu 
Kır 


fieß er meift feinem Minifter, dem Cardinal Ba- 
lentin. Ex ftarb 3. Mai 1758. Seine Werle: 
Über die Gebräuche bei den Seligiprechungen ; 
Über die Synoden zc., herausg. von Em. Azevedo, 
Rom 1747—51, 12 Bde, 1777, 16 Bde. Le 
bensbeichreibung, Rom 1787. 

III. Gelehrter. 20) B. der Levit, Dia- 
conus in Mainz, vervollftändigte u. feste des An- 
jegifus Sammlung der Capitularien Karls d. Gr. 
fort; fie machen das 5., 6. u. 7, Buch der Capi« 
tufarien ans; herausgeg. im 2. Thl. der Monu- 
menta Germaniae legum; im 9. Jahrh. ließen 
der Erzbifchof Herard von Tours u. der Bifchof 
Iſaak von Langres Auszüge fiir ihre Diöcefe dar- 
aus machen, herausgeg. in Baluze, Capitul. re- 
gum Franc. Bergl, Kuuf, De Benedicti Lev. 
eolleetione capitularium, 1836. 

1) Huber. 2-4) Löffler.” 5—19) Lagai. 

Benediet, 1) Traugott Wilhelm Guftav, 
geb. 1785 zu Torgau; feit 1809 praftifcher Arzt 
zu Chemnit; wurde 1818 Profeffor der Ehirurgie 
u. Director der chirurgiſchen u. augemärztlichen 
Klinik zu Breslau; er ſchr: Gefchichte des Schar- 
fachfiebers, Lpz. 1810; Beiträge fir prattifche 
Heilkunde u. Opbthalmiatrif, Lpz. 1812; Mono» 
grapbie des Grauen Staars, Bresl. 1812; Ehir- 
urgiihe Monogramme, ebd. 1817; Handbuch 
der praftiihen Augenbeilfunde, Lpz. 1822—25, 
5 Bde.; Darftellung der Yehre aus den Verbänden 
u. chirurgiſchen Werkzeugen, Lpz. 1827; über die 
Rhinoplaftit, Brest, 1828. 2) Julius, hervor— 
ragender Stlavierfpieler und Componiſt, geb, 24. 
Dec. 1804 in Stuttgart, Sohn eines jüdischen 
Bantiers; erhielt eine jorgfältige wiffenjchaftliche 
u, mufilalifche Ausbildung. Im Klavierjpiel waren 
jeine Lehrer: Goncertmeifter Abeille, jeit 1819 
Hummel in Weimar; in der Compofition: feit 
1820 C. M. v. Weber in Dresden. 1823—25 
war er auf Webers Empjeblung bin als Kapell- 
meifter am Kärnthnerthbor-Theater zu Wien an- 
geftellt, reiſte dann durch Deutichland u. Italien 
u. wurde in Neapel, wo er zur fathol. Keligion 
iibertrat, Mufildirector am Theater San Carlo, 
erwarb fi) aber auch als Klavierſpieler in meh— 
reren italien. Städten Beifall, Er kehrte 1830 nad) 
Deutihland zurüd, wandte fih 1831 nad ‘Paris, 
lernte hier Beriot u. Malibran kennen, welde 
ihn veranlaßten, 1832 nad London überzufiedeln. 
Abgejehen von einer größeren Concertreiſe, die 
er 1850—51 mit Jenny Lind in Amerika machte, 
u, Heineren Reifen, ift er in London fehhaft ge- 
blieben u. hat fi als Pianift, Componift u. Di- 
rigent eine ſehr angefehene Stellung erworben, 
wie feine Erhebung in den Ritterjtand 1871, viele 
Ordensauszeichnungen u. das 40jährige Jubiläum 
feiner Londoner Thätigleit (18. Mai 1875) be- 
Innden. Sehr zahlreihe Klapiercompofttionen 


ewinnen, u. that jehr viel für die Euftur des)(Sonaten, Variationen, Yantafien, Salonftüde, 
denflaates; Kunſt u. Wiffenichaft fanden in Concerte), die Opern Ernesto e Giacinta und I 


166 Benedicta -- 
Portorhesi a Goa, die Operette Un anno et un 
giorno, ſchon in Italien unter Einfluß des Roffini- 
ſchen Stils componirt, während feine jpäteren 
Opern fih an Webers Vorbild anlehnen; es 
find: The Gipsy's Warning (1838), The Bride 
of Venice, The Crusaders, von ihm als Kapell- 
meifter des Drury-Lane-Theaters auf die Bühne 
gebradht, jener The Lily of Killarney (1861), 
die Operette The Bride of Song ; außerdem jchrieb 
er eine Symphonie, das Oratorium St. Peter, 
für das Birminghamer Mufiffet 1870 componirt, 
die Gantaten: Die Hi. Cäcilie, Undine u. a. Als 
Dirigent leitete er das Mufitfeft zu Norwich, die 
Monday Popular Concerts, Liverpool Philhar- 
monie Concerts, die italien, Oper im Drury-tane 
u. Her Majestys Theatre. 

Benedieta (lat., die Geſegnete), weibl. Name. 

Denedietbeuern, Dorf im Bezirksamte Tölz 
des bayerifhen Regsbez. Ober-Bayern, 625 m 
ü. d. Meere; 1072 Em.; reiche, im Jahre 740 
geftiftete Benedictinerabtei, deren prächtige Kirche 
vom Abt Placidus gebaut, 1686 geweiht, 1803 
aufgehoben wurde, woranf of. von Utichneider 
bier 1806 eine Kunſtglashütte zur Fertigung von 
Kron- u. Flintglas für fein u. Reichenbachs u. 
Fraunhofers optisches Anftitut zu Münden an- 
legte; jeit diefe Anftalt 1819 nach München ver» 
legt war, wurde vom Staate in B. ein Militär- 
fohlenhof errichtet und 1869 aud die Veteranen- 
anftalt von Donauwörth u. das Invalidenhaus 
von Fürftenfeld dahin verlegt. 

Benedietenkraut u. Benedietentuurz, das 
Kraut u. die Wurzel von Geum urbanum; die 
Wurzel ift officinell als fogen. Neltenwurzel, Radix 
Caryophyllatae u. wird als Surrogat der Ehina- 
rinde benußt. 

Benedictenwand, großartiger fteiler Gebirgs- 
ftod in den Bayerischen Alpen (ſ. d.) bei Benebdict- 
beuern, 2075 m hoch; herrliche Fernficht. 

Benedietiner, Mönchsorden, geftiftet von 
Benedict (ſ. d. 1) von Nurſia 529 auf dem 
Monte Caſſino. Die —— find die Stabi- 
litas, Beharren im Möndsftande u, in dem ge- 
wählten Klofter, Conversio morum, fittlihe Um- 
fehr, Obedientia, Gehorfam gegen die Klofter- 
obern. Außer Gebet u. Lefen ift täglich Tmaliges 
Gebe: vorgefchrieben u. Vermeidung des Müßig- 
gaugs, namentlich Handarbeit, zur Pflicht gemacht, 
wozu Caſſiodoruſſ, Gründer des Klofters Vivarium 
in Bruttien (538), Beſchäftigung mit den Wiffen- 
haften fügte. Die Atefe war nicht fiberfireng, 
Fleiihgenuß zwar im Allgemeinen verpönt, den 
Kranken aber zugelaffen. Die Abte follen zwar 
den Rath der Untergebenen benutzen, gebieten 
aber unbejhränft. Unter ihnen ftehen zur Ber- 
mittelung des Berlehres mit den Mönchen Pröpfte 
(Propvsiti) u. Decane. Da die Aufnahme von 
Kindern, fogen, Oblati, geftattet war, jo verban- 
den fi bald mit den Bettöern Klofterjchulen. 
Die Kleidung ift die Cuculla, Mantelkragen mit 
Kapıze, u. die Tunica, ein Rod mit dem Sca— 
pulier, für die Arbeitszeit. Der Orden verbreitete 
fih über den ganzen Dccident ı. ftiftete durch 
die großen Abteien u. Schulen zu, Pavia, Jvrea, 
Turin, Eremona, Florenz, Fermo, Berona, Bir 
cenza, Paris, Tours, Reims, Meg, Toul, Ber- 


Benedietiner. 


dun, Fleury, Elugny, Görz, Mainz, Trier, Köln, 
Magdeburg, Würzburg, Korvey, Fulda, Reichenau, 
Hirſchau, Hersfeld, St. Emmeran, Echternach, 
St. Gallen, Einfiedeln, Pfäfers, Diſentis ꝛc., for 
wie durd die Sorge für Landescultur mehr Nugen, 
als die anderen Klöfter. Ihre vielen irländiſchen 
Lehrer (befannter unter dem Namen Schotten) 
waren die erften, welche ſchon im 8. Jahrh. für 
Erhaltung der Überrefte des claſſiſchen Alterthums, 
für theologifshe u. philoſophiſche Gelehrſamkeit 
nicht Unbedeutendes Teifteten. Aber durch den er» 
worbenen Reichthum, ſowie durch Amter u. Wir- 
den berlor der Orden feine urſprüngliche Sitten- 
reinheit, ergab fich der Schwelgerei u. weltlichen 
Beipäftigungen, indem Abte jogar Kriege führten, 
u. mußte fich verſchiedenen Reformen unterwerfen, 
fo der des St. Benedict von Aniane um 8. Jahrh., 
de8 Abtes Benno zu Clugny 910, des Abtes 
Wilhelm zu Hirihau 1069, zu Ballombroja im 
11. Jahrh., zu Burdfeld 1425 zc. Hierdurch u. 
ans den B.-Eremiten u. B.-Reformaten, 
mit ftrengerer Regel, entjtanden theild neue Orden 
mit verjchiedener Auslegung u. Anwendung der 
Benedictinishen Grundregel u. neuer Tracht, wie 
die Eluniacenjer (v. Odo, 927—941), Eijtercien- 
jer (mit weißer Tracht, zum Unterjchiede von der 
Ihwarzen des älteren B.-Ordeus, von Bernhard 
von Clairvaur feit 1113 gegründet), Feuillanten, 
Barretiner, Camaldulenfer, ECorpus-Ehrifti-Orden, 
Ebraldiner, Damianiften, Humiliaten, Orden vom 
Grünthal, vom Jungfernberg, vom Olberg, Mus 
roniten, Orden von Pulfano, Silveftriner, Trap- 
piften, Wilhelmiten, Orden von VBallombroja ıc.; 
theils auf Befehl der Päpfte oder durch Anreg« 
ung einzelner eifriger Ordensmitglieder bildeten 
ſich auch mehrere neue eigene Gongregationen 
(d. i. freie Vereinigungen felbjtändiger Klöfter zur 
Beobachtung einer und derfelben Hegel), welche, 
der Grundregel u. Tracht getreu, lediglich durch 
Beränderungen in der Auslegung u. in gottesdienft- 
licher Form fi unterfhieden. Dagegen vermwil« 
derte der Orden in Frankreich am meiften u. 
widerftand am hartnädigften allen Reformver- 
juden, was bef. feinen Grund darin hatte, daß 
bier die Klofterpfründen häufig au Laien u. Welt- 
geiftlihe verlichen wurden; nur die Abtei Chezal» 
Benoit in der Bretagne machte mit wenig anderen 
eine rühmliche Ausnahme. Bon allen aber zeich« 
nete fich die 1618 von Lorenz Benard, Mönd zur 
St. Vannes, geftiftete Congregation von St. Maure 
aus, welhe duch ihren General Gregor Tarife 
auf Wunfc des Cardinals Ricelieu, der ein Gegen- 
gewicht gegen die Jeſuiten fuchte, eine ausge— 
zeichnete wiſſenſchaftliche Organilation erhielt u. 
namentlich für franzöfifhe Geſchichte, kirchenge- 
ſchichtliche Duellenforidung u. Herausgabe der 
Schriften der Kirchenväter viel leiftete. Um Lait« 
descultur u. Bollsbildung machten fi aud die B. 
in Ungarn (hier feit dem 11. Jahrh. verbreitet 
u, bej. in der 1385 geftifteten Congregation auf 
dem St. Martinsberge bei Raab) u. in Polen 
(bier die 1670 gegründete Gongregation des Hei- 
ligen Kreuzes) ſehr verdient, „Zu Ungarn gingen 
fie infolge der Schlacht bei Mohäcs 1526 faſt 
alle ein. Die in England von St. Auguftin 
597 geftiftete Eongregation zu Canterbury, welche 


Benedietinerinnen — Benedir. 


900 von St. Dumftan u. 1072 von Lanfranc neu 
organifirt wurde, hob König Heinrich VIII. 1535 
auf. Sehr litt der ganze Orden dur die Re— 
formation, durch Nivalität der beinahe allmächtig 
gewordenen Jeſuiten, durch feine mehr od. minder 
offene Widerjeglichkeit gegen die päpftt. Bullen, 
durch das Unweſen, daß man bie Abteien lediglich 
als Revenüen betrachtete u. daher fogar an Yaien 
die Abtftellen vergab (Commendataräbte) u. Zucht 
u. Ordnung zerrüttete, dur den Aufihwung der 
Bettelorden m. durch faft ausichließlihe Aunahıne 
von Adeligen in die reicheren Abteien, durch den 
Geift der Zeit, durch Kriege, endlich durch Die 
franzöfifhe Revolution. Das Decret des Kaifers 
Joſeph IT. bob 1786 auch die B. auf. Bon den 
15,107 Ktöftern des 15. Jahrh. ließ ihnen die 
Reformation nur etwa 5000 übrig, u. jet werden 
faum 800 gerechnet, obgleich Kaifer Franz 1802 
den Orden reftituirte u. Bayern (mit der Haupt« 
DB. Anftalt zu Augsburg) u. Frankreich deren 
neue errichteten. 1849 wurden in Parma und 
Neapel ihre Klöfter aufgehoben. Nach Fehlers 
Berechnung zählten die B. während der 13 Jahr. 
ihrer Dauer 15,700 Schriftfteller, 4900 Biichöfe, 
1600 Erzbiichöfe, 200 Cardinäle, 24 Päpfte, 
1560 Tanonifirte Heilige. Hauptwerfe über die B.: 
Defte Ausg. der Ordensregel, dv. Edm. Martene; 
Mabillon, Annal. ord. 8. Benedieti, Par. 1703 
bis 1739, 6 Bde., Fol, gehen bis 1157; Ziegel 
bauer, Historia rei literariaeord. S. Bened., 1754, 
4Bde., Fol.; Brandes, der B.-Orden nad feiner 
meitbift. Fedeutung, Tib., Qu.⸗Schr. 1851. !üffler. * 

Benedietinerinnen, Klofterfrauen nah Ct. 
Benedicts Regel, nach der Ordenstradition von 
der Schwefter Benedicts von Nurfia, der bi. Scho- 
laftica, gegründet, erft feit dem 7. Jahrh. nad)- 
weisbar. Die Mehrzahl ihrer Klöfter blieb im 
der folge vereinzelt, außer Congregationsverband, 
unter Aufficht der Ordinarien, felten der Bene- 
dictiner. Früher als bei den Mönchen zeigten ſich 
Unordnung u. Verwilderung u. Bevorzugung des 
Mels; die vornehmften Klöjter verwandelten fich 
in regufirte od. fogar in weltliche Stifte adeliger 
Ehorfrauen, mobei nur noch der Name Benedicti- 
niſch war. Sonft folgten fie den verſchiedenen 
Regelmodificationen der Mönche u. nahnıen, wie 
diefe, eigene Drdenstitel an, z. B. Gongregation 
Unferer Yieben ehe von Ealvaria, 1622, von der 
beftändigen Anbetung des Sacraments in Franl- 
reih. Eigentlihe B, gibt es nicht mehr, nachdem 
Franfreih 1789, Ofterreich, Polen, Preußen ac. 
u. auch Spanien, Portugal, Neapel u. Parma in 
neuefter Zeit den Orden aufgehoben haben, Förller.* 

Benediction (v. lat. benedietio), die Ein- 
ſegnung (f. d.), von ſymboliſchen Handlungen, wie 
Handanflegen, Beſprengen, Räuchern, Salben ıc., 
begleitete Gebete, die Gnade Gottes für Perjonen 
oder Heilfamen Gebrauch von Sachen zu erflehen, 
ju ımterjcheiden von Gonfecrationen, Weihungen, 
wodurch Berfonenoder Sachen gemeinem Gebrauche 
entzogen werden, u. von Dedicationen, Widmune 
gen, wodurch namentlich Orte (Kirchen, Altäre) 
* Eigenthum Gottes beſtimmt werden. Die 
Formelu zu den verſchiedenen Einſegnungen ent 
bält das Benedietionarium (Benedictionalis liber). 


167 


13. Jahr.; ft. 25. Decbr. 1306, Anfangs Yurift, 
befebrte er ſich nah dem Tode feiner Frau zu 
einem ftrengen Bußleben, nannte ih Jacoponıus 
(Jacapone) u. ging nach einem zehmährigen un« 
ftäten Yeben im ein Franciscanerkloſter, Bon Papft 
Bonifacius VIIL, gegen den er bei deffen Be— 
lagerung Paleftrinas zwei Lieder dichtete, wurde 
er ins Gefäugniß geworfen. Biele Erzählungen 
aus jeinem Leben find fabelbaft. Berühmt wurde 
er namentlich durch feine Cantiei spirituali, die 
zuerft in Florenz 1490 gedrudt wurden; zweiici- 
haft ift eine ältere Ausgabe v. 1480. Unter deu 
Ausgaben feiner Gedichte gelten als die beften 
eine römische von 1558 u. eine venetianifche von 
1617. Ihm wird der Tert des berühmten Stabat 
mater zugejchrieben, Brambadı. 

Benedictus, 1) fo dv. w. Benedict. 2) Jo— 
hann, berühmter Arzt und großer Kenner der 
grieishen Sprache; wurde auch auf Empfehlung 
des Iſaak Caſaubonus u. des Mornäus Profeiler 
diefer Sprade inSaumur, wo er 1664 ftarb. Er 
gab den Lukianos mit later. Uberjegung heraus, 
Saumur 1619; den Bindaros, daf. 1620, u. über« 
fette den Horatius ins Griech. Erft.1664. 3) B. 
Päantius, ſ. Benedetti, Alerander, Thambayn. 

Benedictus (Pharın.), Bezeichnung mehrerer 
Arzneiformen, bej. gelind, aber mit Erfolg aus— 
leerend. Am befannteiten ift die Aqua benedicta 
Rulandi, ein Antimonialmittel; Benedicta solutiva 
Nicolai (Ph. Augyst.), ſonſt Yatwerge aus Tur— 
pith u. Diagıydium. Lapis b. (Aichem.), jo v. w. 
Stein der Weiſen. 

Denediftow, Wladimir, bedeutender ruf. 
Pyrifer, geb. 1806; wurde im Gabdettencorps ge» 
bildet, machte die 3 letzten ruffiichen Feldzüge mit 
u. wurde dann im Minifterium der Finanzen an— 
geftellt. Er wirkte als Iyrifcher Dichter für die 
Nomantil in Rußland: Stichotworenija, 1835, 
2. A., 1836, darunter bei. ausgezeichnet: Drei Ge— 
ftalten, Der See, Der Grabeshügel. B. ft. Ars 
fangs Mai 1873 in Petersburg. 

Denedir, Roderich, vortreffliher Luftfpiel« 
dichter, geb. 24, Febr. 1811 zu Yeipzig; befuchte 
die Thomasſchule daſelbſt, verließ aber diejelbe 
1831 u. ging zum Theater über, ſpielte auf den 
Bühnen mehrerer Städte im Anhaltiichen und 
Schwarzburgiichen, 1333 am Rhein, widmete fich 
aber, erimutbigt Durch Erfolge, die ihm fein zwei— 
tes Schaufpiel: Das bemoofte Haupt, einbradıt:, 
der Bühnenſchriftſtellerei u. lebte jeit 1838 in 
Wefel u. jeit 1842 in Köln, wo er 1847 die tech— 
nische Direction der Bühne übernahm u. Lehrer 
an der Rheinischen Mufitichule wurde. 1855 ging 
er als Intendant des Stadttheaters nah Frant- 
furt a. M., in welcher Stellung er jedody ſolchen 
Schwierigfeiten begegnete, daß er diefelbe 1858 
aufgab u. nach Leipzig überfiedelte, wo er fi 
1860 mit der Schaufpielerin Leontine Paulman 
vermähfte, Er ft. dert 26. Sept. 1873. 8. ſchr. 
Euftipiele u. Converfationsjtüde, darunter Johanne 
Sebus (1835), Das bemooste Haupt (1839), 
Doctor Weſpe, Der alte Magifter, Der Better 
(ins Flämiſche überfegt), Eigenfinn, Der Proceß, 
Die Hochzeitsreife, Der Liebesbrief (1851), Die 
Mode, Der Stedbrief, Der Kaufmann u.a, Ges 


Benebietis, Zacabus de, geb. zu Todi unljammelte dramatiſche Werke, Lpz. 1846—1877, 


168 Ben£fice — 
26 Bde.; Auswahl unter dem Titel: Haustheater, 
4 U, ehr. 1871. Außerdem: Bilder aus dem 
Schaufpielerleben (Roman), 1847, 2 Bde, n. A., 
1851; Deutihe Bolfsfagen, 6 Bde, 1839 f.; 
Bolksfalender 1836—42; 1813, 1814, 1815, ein 
Vollsbuch, 1841, 6 Hefte; Gedenkbuch fir das 
Leben, ebd. 1841; Die Lehre vom mündlichen 
Bortrage, 1852; Der mündliche Vortrag, Lpz. 1860, 
3 Bde., 3. A. 1871; Der deutihe Rhythmus, 
ebd. 1862; Katechismus der deutichen Bersfunft, 
1872. Nach jeinem Tode erſchien das polemilche 
Schriftchen: Die Shaleipearomanie, zur Abwehr, 
Stuttg. 1873, welches Aufſehen erregte, aber nicht 
geeignet war, des Berfafiers Ruhm zu vermehren. 

Bönöfice, 1) fo v. w. Beneficium; bei. 2) 
(Beneficevorftellung) Borftellung, deren Ertrag 
nad Abzug der Koften einem Schaufpieler oder 
einer Schaufpielerin (Beide Beneficianten), zu 
Gute fommt; garantirtes B., wenn die Direc 
tion eine gewiffe Summe als Einnahme ge: 
währleiftet. 

Beneficenz (v. lat. beneficentia), Wohlthätig- 
feit, Güte. 

Beneficial (v. Lat.), was zu einer Pfründe 
gebort. 

Beneficia non obtruduntur, Tat. Spruch: Wohl⸗ 
thateı werden nicht aufgedrängt. 

Beneficiariae actions (Rechtsw.), 
Condietio ex lege. 

Beneficiren (v. Lat.), Wohlthaten ermeifen; 
daher Beneficiat, emand, der Mobitbhaten, 
bej. Stipendien, genießt; weichem ein Beneficium 
(j. d.) verliehen ıft. 

Beneficium (lat.), Wohlthat, Gefälligfeit, Bor- 
theil, Vergünftigung. 1) Das römifhe Privat- 
recht nannte B. Juris, B. legis die Rechtswohlthat, 
mitteld Berufung auf eine Ausnahmebeftimmung 
des Geſetzes ſich der unter beftimmten Verhältniſſen 
nachtheiligen Wirkung einer allgemeinen Nechtöregel 
zu entziehen, B. in diefem Sinne ift das aus dem 
Jus singulare (Ausnahmerecht) hervorgehende ſub⸗ 
jective Recht. Dafjelbe kann personale, oder reale 
fein, je nachdem es der Perjon als ſolcher, oder 
infolge eines Berbältniffes, in welchem bie Berfon 
ſich befindet, zuſteht. Es Tann indeß Jeder anf 
ein ſolches befonderes Recht verzichten u. der all- 
gemeinen Rechtsregel fi unterftellen: Benefieium 
invito non datur, beneficia non obtruduntur. 
S. übrigens auch Privilegium. Das Römifche 
Recht hat eine große Menge von Rechtswohlthaten 
in jenem Sinne eingeführt. Dahin gehören: B. 
muliobre, rechtliche Begünftigung der Weiber in 
Rechtsſachen, welches indeß feit Aufhebung der 
befchräntenden Beftimmungen über die Bilrg- 
haft der Frauen (ſ. Bürgichaft) fein Hauptgebiet 
verloren bat. B. pupillorum et impuberum, ſolche 
der Waifen u. Unmündigen ꝛc. B. restitutionis 
in integrum, die Rechtswohlthat der Wiederein» 
ſetzung in den vorigen Stand, B. electionis, die 
Freiheit, unter mehreren Rechtsverhältnifien oder 
Rechtswirlungen zu wählen. Bei Erbichaften: 
B. abstinendi, das Necht der Hauslinder, welche 
nah Römiſchem Rechte ohne befonderen Untre— 
tungsact die Erbicaft des Hausvaters ohne 
Beiteres von felbft erwerben, durch eine vor der 


fo v. mw. 


Einmiſchung in die Erbſchaft abgegebene Erftär-Itann, der Bürgichaft entbunden zu werben, 


Beneficium. 


ung fih von der Erbichaft loszuſagen und "fo 
fih von den nachtheiligen Folgen des Erbichafts- 
erwerbes zu befreien. B. abdicationis, das im 
Bremifhen und Lübiſchen bejonders, aber auch 
font nod, mo das Syſtem der Gütervereinig- 
ung (Biltereinheit) oder Gütergemeinihaft gilt, 
beftehende Recht, daß die Wittwe fih von dem 
unter der Gewalt des verftorbenen Ebemannes 
befindlih gemejenen gemeinfchaftlihen Bermögen 
losjagen fann und damit die mit der Befiger- 
greifung bes eventuell verjchuldeten Gutes ver» 
undene Übernahme einer perjönlichen Berpflicht- 
ung abgelehnt wird. B. (Jus) deliberandi, von 
Juftinianus in c. 19. Cod. de jure delib. VL 
30 eingeführte Rechtswohlthat, die einem Erben 
erlaubt, wenn er iiber die Näthlichkeit der An« 
nahme einer Erbichaft zweifelhaft ift u. Gläubiger 
der Erbichaft, Subftituten od. Vermächtnißnehmer 
anf eine Entſcheidung drängen, ſich vom Richter 
eine Frift zur Überlegung (Spatium deliberandi) 
zu erbitten, binnen deren der Erbe dann, ohne 
efürcdhten zu miffen, deshalb als Antretender 
betrachtet zu werden, fich in die Erbichaft immis- 
ciren u. Diefelbe forgfältig prüfen kann. Ber 
ftreicht die Frift ohne Erklärung, fo wird, wen 
diefelbe auf Andrängen von Subftituten geſetzt 
wurde, die Erbſchaft als ausgeichlagen, wenn 
Gläubiger od. Pegatarien fie veranlaßten, al3 au⸗ 
getreten angejeben. Auch ohne von folden Jnter- 
ejfenten gedrängt zu werden, kann aber der Erbe 
ein Spatium deliberandi fich erbitten, welches 
dann vom Richter auf 9 Monate, vom Regenten 
auf 1 Jahr gewährt werden fol. B. inventarü, 
von Juftinianus dem Erben ertbeiltes Recht, unter 
öffentlicher Autorität ein Verzeichniß über bie 
Berlaffenkhaft verfertigen zu laffen u. dann nicht 
mehr Schulden bezahlen zu müffen, als aus der 
Erbmaffe bezahlt werden fünnen. B. legis Falci- 
diae, Befugniß eines Teftaments- od. Fnteftat- 
erben, von jedem Legat, Fideicommiß, jeder 
Schenfwag auf den Todesfall zc, fo viel abzu- 
ziehen, daß ihm wenigftens 4 der Berlaffenihaft 
(Quarta Faleidia) übrig bfeibt (val. Faleidia lex). 
B. SCti Trebelliani, Rechtswohlthat, die den 
Fiduciarerben erlaubt, bei Auslieferung der Erb» 
Ihaft an den FFideicommißerben 4 davon zu be- 
halten, wenn er es nicht vom Erblaffer früber 
ausgezahlt od. auf andere Art erhalten hat. Bei 
Schuldiahen: B. cedendarum actionum, das 
dem Bürgen felbft nad der Zahlung zuftehende 
Recht, vom Gläubiger gegen Bezahlung der gan- 
zen Schuld die Abtretung der Klagen auf die 
Schuldforberung wider Hauptichuldner u. Mit- 
bürgen zu verlangen; im Weigerungsfalle ift jener 
Bürge feiner Birgichaft enthoben. B. divisionis, 
die Berfiigung des Kaiſer Hadrianus, von Juftinianus 
erneut, daß von mebreren Bürgen, die alle zahl- 
ungsfähig u. gegenwärtig find, ber einzelne nur 
jeinen Theil, nicht die ganze Summe zu bezahlen 
verbindlich ift (da vorher der Gläubiger von jedem 
Einzelnen das Ganze verlangen konnte). B. libe- 
rationis, Nechtswohltbat, wonach ein Bürge, 
wenn es wahrfcheinlich wird, daß Der, flir welchen 
er bürgte, wegen Verarmung, Berſchwendung 
u, dgl, fünftig nicht zahlen könne, darauf antragen 
ie 


Benefiz — Benefe. 


Geltendmachung des B. erfolgt mittel® einer 
Provocatio ex lege si contendat (f. d.). Der 
Slänbiger muß ihn der Bürgichaft entlafjen, oder 
jogleih zur Eintreibung der Schuld fchreiten. B. 
ordinis (B. exeussionis), von Juftinianus ertheilte 
Rechtswohlthat eines Bürgen, vermöge ber er, 
wenn er belangt ift, der Hauptſchuldner aber noch 
nicht, verlangen fann, daß er in Ruhe gelaffen 
werde, bis der Hauptichulöner verflagt u. deſſen 


169 


das Fribericianum feiner Baterftadt, betbeiligte 
fih am Feldzuge 1815, ftudirte feit 1816 in Halle 
u. Berlin Theologie u. Philofophie u. habilitirte ſich 
1820 in Berlin als Privatdocent. Nah Ber- 
öffentlihung feiner Grundlegung der Metaphufit 
ber Sitten, Berl. 1822, wurde er feinem Antipo— 
den Hegel zu Gefallen vom Katheder entfernt. 
Die Ausficht zu einem Rufe nah Jena fcheiterte 
an jenem Bundestagsbeichluffe, ver die Anftellung 


Zahlungsunfäbigteit conftatirt ift, ſofern derjelbe|eines ausgejchloffenen Lehrers in anderen Bundes: 
mit gleihem Erfolge u. ebenjo leicht in Anjpruch|ftaaten verbot. B. wurde 1824 Privatdocent in 


genommen werden fann. Bis dahin hatte der 
Gläubiger freie Wahl zwiichen dem Hauptichufdner 
u. Bürgen. B. SCti Vellejani, die Rechtswohl- 
that, nach welcher den Frauen das (jedoch einge- 
Ichräntte) Recht zufieht, daß ihre Bürgichaften u. 
ihr Gutjagen feine Gültigkeit haben. B. cessionis 
bonorum (B. de bonis cedendis), das Recht 
eines ohne jeine Berfchuldung infolvent gewordenen 
Schuldners, durch vollitändige Abtretung feines 
en an die Gläubiger jih von den befon- 
deren Nachtheilen, die außerdem für ihn aus feiner 
Infolvenz entipringen würden, zu befreien; ſ. u. 
Concurs. B.competentiae, Rechtswohlthat, ver- 
möge welcher der dürftige Schuldner jo viel Ber- 
mögen oder Einnahme behält, als er nothdürftig, 
feinem Stande gemäß, zum Yeben braudt. Dies 
nur als Einrede, nicht al$ Klage vorzuſchützende 
u. auch nur gewiffen Schuldnern, 3. B. Eltern 
gegen bie Kinder, Ehegatten, Soldaten zc., zu 
ftebende B, fett voraus, daß der Schuldner nicht 
durch Lmredlichleit oder Vergehen vermögensios 
geworben jei. Früher konnte er in ſolchem Falle 
verlangen, nur foweit fein Bermögen reichte, ver- 
urtheilt zu werben, daher das B. in den Quellen 
mit Condemnatio in id, quod facere potest debi- 
tor bezeichnet wird. B. dationis in solutum, 
wonah ein Schuldner Sahen an Zahlungsitatt 
überlaſſen kann. B. separationis, die Viechts- 
wobithat, nach der auf Antrag der Gläubiger 
eines Berftorbenen, deſſen Güter von dem Beſitze 
feiner Erben getremmt werden, um die Gläubiger 
aus erfteren zu beiriedigen. Bei Käufen: B. 
exceptionis ultra dimidium justi preti, Befugniß 
eines über die Hälfte des Werthes (ultra alterum 
tantum laesio enormis) fibervortheilten Berfäu- 
fers, auf Entſchädigung zu dringen, od. den Kauf 
für ungiltig zu erflären, ein Recht, das Diele ohne 
Grund aud) dem Käufer einräumenmwollen. B. igno- 
rantiae juris (facti), das in gemijjen Fällen u. 
beftimmten Perfonen (Minderjährigen, Frauen, 
Ungebildeten , Soldaten) gegebene Recht, die 
Rechtsunkenntniß zu ihrem Bortheil vorzuſchützen 
(j. Irrthum). Beneficiorum liber war das Bud) 
im römischen Ararium, in welches ber aus ber 


Göttingen, 1827 erfolgte dann feine Rehabilitation 
als Privatbocent in Berlin, 1832, kurz nach Hes 
gels Tode, feine Ernennung zum außerordentlichen 
Profeffor ohne Gehalt, ſeit 1839 mit einer jähr- 
lichen, widerruflihen Remuneration von 200 Thir, 
Er blieb unvermählt. 1. März 1854 verichwand 
er auf eine noch unenträthjelte Weile. B. gründet 
fein Hauptfach, die Piychologie, auf die innere 
Wahrnehmung u. Empfindung; erft auf dieſe ges 
deutet, fönnen die Auffaffungen der äußeren Sinne 
für die Piychologie VBermerthung finden. An Er- 
fahrungen hat das Denken anzufnüpfen; es bat 
fie dann auf dem Wege der Fnduction, Hypothe- 
jenbildung zc. vationell zu verarbeiten. Die Piy- 
chologie iſt nicht auf die Metaphyſik, als die Lehre 
von dem Verhältniſſe zwiſchen Sein u, Borftellen, 
ſondern die Metaphyfil und alle anderen philo- 
ſophiſchen Wiffenihaften find auf die Pipchologie 
zu gründen. Das pbilofophiiche Denken hat die 
in der Erfahrung gegebenen, jehr verwickelten Bor- 
gänge bis in ihre erjten Beitandtbeile zu analy« 
firen u. dann wieder aus dem Bereinzelten ſyn— 
tbetiich ein Ganzes zu bilden. Die Seele it durdh- 
aus inmateriell, fie befteht aus Grundſyſtemen, 
die jowol im fich felbft, als auch mit einander eine 
innigfte Wejenseinbeit ausmaden. Die Sitten- 
lehre erflärte B. für fein gelungenftes, ibn am 
meisten befriedigendes Werl. Die frübefte und 
weitreichendfte Anerkennung fanden feine Leiſtungen 
auf dem pädagogischen Gebiete, Schriften: Erfennt- 
nißlehre nad) dem Bewußtſein der reinen Bermunft, 
in ihren Grundzügen dargelegt, Jena 1820; Er- 
fahrungsſeelenlehre als Grundlage alles Wiſſens, 
in ihren Hauptzügen dargeſtellt, Berl. 1820; Bo 
veris philosophiae initiis, diss, inaug., 1820; 
Neue Grundfegung zur Metapbufil, als Programmı 
zu feinen Borlefungen über Logif u. Metaphyfit 
dem Drud übergeben, Berl. 1822; Grundlegung 
zur Phyſik der Sitten, ein Gegenftüd zu Kants 
Grundlegung zur Metaphyſik der Sitten, nebft einen 
Anhange über das Weſen u. die Erfenntnißgrenzen 
der Vernunft, Berl. 1822; Beiträge zu einer vein 
feelenwifienichaftlihen Bearbeitung der Seelen. 
franfheitsfunde, nebit einem vorgedrudten Send— 


Provinz zurüdtehrende Proconful, Proprätor ꝛc. ſchreiben an Herbart: Soll die Pſychologie meta- 
die Namen der von ihm zu Amtern Ernannten phyſiſch oder phyſiſch begründet werden? &pz. 
oder Beförberten eintrug. 2) B., fo v. w. Feu-|1824; Piychologiihe Skizzen, 1. Bd.: Skizzen 
dum (Lehn), welch letzterer Ausdrud feit demjzur Naturlehre der Gefühle, in Verbindung mit 
13. Zahrhundert der übliche geworden ift; ſ. einer erlänternden Abhandlung über die Berwußt- 
Lehn. 3) B. im firchenredhtlichen Sinne fo dv. w.| werbung der Seelenthätigleiten, Göttingen 1825; 
Brlinde; ſ. d. Art. 2. Bd.? Über die Vermögen der menidlichen 

Denefiz, 1) fov. mw. Beneficium. 2) So v, w.| Seele u. deren allmähliche Ausbildung, daf. 1827; 
B=vorftelluug; f. Benefice 2). Das Berhältniß von Seele u. Leib, daf. 1826; 

Beneke, Friedrich Eduard, deutſcher Phi-|Kant u. die philofophiihe Aufgabe unſerer Zeit, 
Iofoph, geb. 17. Febr. 1798 im Berlin; befuchtejeine Fubeldenkicrift auf die Kritif der reimen 


170 Bene meritus 
Bernunft, Berl. 1832; Lehrbuh der Logif als 
Kunftlehre des Dentens, dal, 1832; Lehrbuch ber 
Bindpologie als Naturwiflenichaft, daf. 1832, 2. A., 
1845, 3. A., 1861; Die Philofopbie in ihrem 
Berhältmiß zur Erfahrung, zur Specnlation u. 
zum geben dargeftellt, daf. 1833; Erziehungs» u. 
Unterrichtsicehre, 2 Bde, Berl. 1835, 36, 2. A., 
1842, 3.4.,1864; Erläuterungen über die Natur 
u. Bedeutung meiner pſychologiſchen Grundhypo— 
theſen, daſ. 1836; Grundlinien des natürlichen 
Spftems der praftiichen Philofophie, Bd. 1: All- 
gemeine Cittenlehre, daf. 1837, Bd. 2: Specielle 
Sittenlebhre, daf. 1840, Bd. 3: Grundlinien des 
Naturrechtes, der Politit u. des philoſophiſchen 
Griminalrechtes, allgemeine Begründung, daj. 1838; 
Syllogismorum analyticorum origines et ordinem 
naturalem demonstravit F. E. B., daf. 1839; 
Syftem der Metaphyſil u. Religionsphilofophie, 
aus den natürlichen Grundverhältniſſen des menſch— 
lichen Geiftes abgeleitet, daf. 1840; Syſtem der 
Logit als Kunftlehre des Denlens, 2 Bbe., daſ. 
1842; Die neue Piychologie, erläuternde Aufjäge 
zur 2. Aufl. meines Lehrbuches der Piychologie 
als Naturwiſſenſchaft, daj. 1845; Die Reform u. 
die Stellung unjerer Schulen, ein philoſophiſches 
Gutachten, daſ. 1848; Pragmatiſche Piychologie 
oder Seelenlehre in der Anwendung auf das Ye- 
ben, 2 Bde., daf. 1820; Lehrbuch der pragmatis 
Ihen Pſychologie, 3 Bde., daf. 1853; Archiv für 
die pragmatische Piychologie, 3 Bde., daf.1851—53. 

Bene meritus (lat.), ein wohlverdienter Mann; 
daher Benemerenz, Berdienftlichkeit, 

Bene misceätur (abgelürzt b. m,, lat.), es 
werde gut gemiſcht! auf Recepten. 

Bene placito (ital.), Gefallen, Belieben; a bene 
placito ift eine Bortragsbezeihnung für ſolche 
Stellen, deren Ausführungsweije dem Ermeffen des 
Vortragenden anheimgegeben ift, wie bei a piacere, 

Bene qui latuit, bene vixit (lat., wer im Ver— 
borgenen wohl gelebt hat, hat gut gelebt), Aus» 
ſpruch der Pythagoreer u. des Obidius; er bejagt, 
daß das ftille, glanzlofe Privatleben dem gejähr- 
tihen Wirken in öffentlichen, bef. hohen Stellungen 
vorzuzieben ſei. 

enefchau, Stadt im gleichn. Bez. des öfterr, 
Kronlandes Böhmen, füdojil. von Prag, an der 
Prag⸗Gmünder Eiſenbahn; Piariften-Eollegium; 
Lederſabr.; 3694 Ew.; die Bez.Hauptmannſch. 
hat 889 [Jkm (16 [RR), mit 67,120 Em. 

Benetti, Johann Dominicus, Leibarzt 
des Herzogs Karl Ferd. v. Diantua, geb. 3. Febr. 
1658 in Ferrara, wo er Profeffor der Medici 
war; er ift befaunt durch fein Werk über die 
medirinischen Vorſchriften, Die fih auf den Eultus 
der Kathol. Kirche beziehen: Corpus medico-mo- 
rale, continens adnotationes in Bascarini dispen- 
sationum medico-moralium canones ete,, Mans 
tua 1718, Zhambayn. 

Bene valete (lat.), d. i. lebet wohl! Abſchieds- 
wunſch in Briefen m. dgl. Die Päpfte fetsten es 
unter ihre Bullen, u. nad u. nad wurde es in 
Form eines Monogramms unter- u, ein Krumme 
ftab dazugeſetzt. 

Benevento (Benevent), 1) früher Delegation 
im Kirchenftaate u, vom Königreih Neapel um- 
gebene Enclave; 12 (km; 23,176 Ew.; feit 


— Benevento. 


der Annectirung Ende 1860, mit Zuziehung neas 
politanifher Gebietstheile, Provinz des Könige 
reichs Jtalien, von 1782,, [km (32, [_M), mit 
232,008 Ew. 2) Hauptftadt dafelbft am Sabato u. 
Calore, über den eine ſchöne Brüde gebt, an der 
alten Via Appia u. an der Neapolitan, Eiſenbahn, 
in jhöner Hügellandichaft; befeſtigt durch Mauern 
u. Caſtell; Sit; der Behörden u. eines Erzbiichofs; 
Schloß, intereffante Kathedrale (mit Bronce» 
Thüren) u. a. Kirchen, 19 Klöſter, Alterthümer 
(f. unten); ſchöne Spaziergänge und Gärten; 
Handel und beſuchte Jahrmärlte; 20,183 Einw. 
— B. ſoll nad der Sage von Diomedes aus 
Argos gegründet worden fein. Zur Römerzeit 
gehörte die Stadt den Hirpinern, einem Stamme 
der Samniten, von denen fie die Römer er- 
oberten., 275 v. Ehr. ſchlug Hier der Conſul 
M Eurius Dentatus den König Pyrrhos vou 
Epiros. 268 ging eine römiſche Colonie dahin, 
u. der frühere Name Maleventum (wegen ber 
ungefunden Luft) wurde mit Beneventum ver- 
taujcht. Wegen ihrer lage an den fich hier freuzen- 
den Hauptftraßen u. wegen der Fruchtbarkeit der 
Umgegend wurde B. fehr blühend, Die Römer 
bauten dort prächtige Gebäude, von denen noch 
der Trajaniſche Triumphbogen (Porta aurea) aus 
parijhem Marmor (mit reichen Neliefs, jett ein 
Stadtthor), die Ruinen eines Antphitheaters u. a. 
erhalten find. 214 v. Chr. ſchlug der Proconful 
Sempronius Grachus den Carthager Hanno bei 
B. Unter Auguftus, welcher Veteranen als Co- 
loniſten dahin jchidte, erhielt B, für einige Zeit 
den Namen Julia Concordia. Im Gothifchen 
Kriege fielen (544) die Mauern der Stadt durch 
Totila. Als Alboin nad Italien lam, wählte 
ſich ein Theil feiner Longobarden 571 n. Chr. 
einen Herzog Zodo (Zotto), der in B. feinen Sit 
nahm. König Autharit fügte ganz Samnium zu 
dem Herzogthum u. gab demſelben eine feſte Ein— 
richtung; das Voll wählte den Herzog, u. der 
Yongobardenfönig, von welchem B. meiſt abhängig 
biteb, beſtätigte ihn. Im Jahre 662 ſchwang fid) 
Herzog Grimoald zum König der Yongobarben 
anf. Im 8. Yahrh., nad dem Sturze des Lon—⸗ 
gobardiichen Neiches, gerieth das Herzogthum in 
Abhängigfeit vom Fränkliſchen Reiche, wurde zum 
Fürſtenthum herabgefegt, nicht ohne mehrere Ber- 
ſuche zur Wiederherftellung feiner Unabhängigkeit 
zu wagen, u. zerfiel 840 nad langen inneren 
Streitigfeiten in die Fürftenthümer B., Salerno 
u. Capua. Nach langem Kriege mit den Byzanti- 
nern geriethen Stadt u. Fürſtenthum B. immer mehr 
in Berfall u. wurden Bajallen Kaifer Ottos I. Mitte 
des 11. Jahrh. fiel die Stadt B. mit Hilfe Kaifer 
Heinrichs III. in die Gewalt des Papftes Leo IX. 
(1051), u. 1077 ftarb das longobardifche Fürften- 
haus aus, worauf die in Neapel berrichenden 
Normannen den Heft des Fürſtenthums au fid 
riſſen. Im 11. u. 12, Jahrh. wurden in B. die 
vier Beneventinischen Goncilien gehalten. Im 
J. 1241 fiel B. nad —— Widerſtaude in die 
Gewalt Kaiſer Friedrichs Il. Den 26. Febr. 1266 
fiegte bei ®. Karl von Anjou über Manfred von 
Neapel, welcher blieb, 1418 famı B. an Neapel, 
aber vun Ferdinand I. erhielt es Papft Aleyan- 
ber VI. zurüd u. übergab es Ferdinands älteftem 


Benevolent — Bengalen. 171 


Sohne Johann als ein Herzogthun; doch wurde! Oude ı. ie 19 ſowie viele Schutz u. Vaſal— 
derſelbe bald ermordet. 1688 wurde B. durch leuſtaaten. 2) Jetzt Gouvernement des bri— 
ein Erdbeben gänzlich verwüſtet; den Wiederauf- tiſchen Oſtindien, Gouv. der unteren Provinzen 
bau unterſtützte der nachmalige Papſt Bene- B⸗s genannt; umfaßt die 5 Provinzen: B., 
dict XIII., der damals Erzbiſchof von B. war, Bahar, Oriſſa, Tſchota-Nagpur und Aſſam 
aus ſeinem Privatvermögen. 1761 wurde B. (ſ. d. a.), welche 8 regulirte u. 3 nicht regu— 
wegen der Härte des Papſtes Clemens XIII. ges |lirte Diviſionen bilden u. unter einem Lieute— 
en den Infanten Philipp von Parma von den|nant» Gouverneur ftehen, der in Allipore, einer 
— J——— beſetzt, aber 1774 au Clemens XIV. Vorſtadt Calcuttas, reſidirt; 610,380 [km 
zurüdgegeben. 1798 entriffen es die Franzoſen (11,0858 FM); 66,856,859 Ew. Bon ein: 
dem Bapfte u. verfauften es an Neapel; 1799 heimiſchen Staaten unter Eontrole der Negierung 
zerfireute in einer Schlaht bei B. der Cardinal werden zum Gouv. B. gerechnet ſolche mit einen 
Ruffo die republikaniſchen Truppen (f. ranzöft- Flächeninhalte von 205,006 [km (3723 00) 
icher Revolutionstrieg). 1806 wurde B. als Für⸗u. 2,139,565 Ew. 8) Provinz darin (Nieder 
ſtenthum von Napoleon dem Deinifter Talleyrand/B.), zmichen dem Bengaliſchen Bufen, Oriſſa, 
äberlaffen, 1815 aber an den Papft zurüdgege-|Babar, Butan, Affam u. Britiſch-Birma; 232,665 
ben; der König von Neapel behielt nur einige Ikim (4225 (N); 36,769,735 Ew. Das vom 
Hoheitsrechte. 1860 wurde B. mit dem König) Ganges, Brahmaputra u. deren Nebenflüffen 
reih Ftalien vereinigt. durchftrömte Land ift größtentheils® eben, von 
Denevolent (v.Lat.), wohlwollend, geneigt; da- [großer Fruchtbarkeit, au den Gangesmündungen 
ber Benevolenz, Geneigtheit, Wohlmollen, Gunſt. ſumpfig u. dicht bevölkert. Das Klima ift im 
Benevölus (lat.), günftig, geneigt; daher Lec- höchſten Grade heiß u. ungefund. Die Cholera 
tor b., geneigter Lejer, oft in Vorreden ꝛc. hat in ®. ihren Hauptherd u. fordert ein Viertel 
Benfeld, Stadt im Kreife Erftein des reichs-Jaller Sterbenden. Faſt alle tropiichen Landes— 
ländiihen Bezirkes Unter-Eljaß, an der Ill u. der Producte, ald Baumwolle, Zuder, Kaffe, Reis, 
Erjäffiichen Eifenbahn; Kantonshauptort; ftarler|bringt der Boden in reicher Menge hervor. Die 
Tabat- u. Hanfbau, Eichorienfabrif, Baummollen- Viehzucht ift bedeutend (Schafe, Büffel, Ziegen); 
fpinnerei, Bandbmweberei u. Färberei; 2603 Em.[in den noch vorhandenen Urwäldern lebt der 
B., ſchon 769 genannt, wurde im 13. Jahrh.|Königstiger, der Elefant, das Nashorn ꝛc.; der 
Stadt u. gehörte zum Bisthum Straßburg. Ganges hat Fiſche, doch auch Alligatoven in Dienge; 
Benfey, Theodor, deutiher Spracdforicher, [von Mineralien werden Eifen u. Salpeter in 
geb. 28. Jan. 1809 in Nörten; ftudirte feit 1824 | geringer Menge gefunden. Der Kunftfleiß der 
m Göttingen u. München Bhilologie,lebte 1830— 34 | Eingeborenen verarbeitet Baummolle, Seide und 
mit Studien beichäftigt in — a. M. und Leder, auch Gold u. Silber; der Handel mit Eng— 
wurde 1834 Profeffor in Göttingen. Er fjchr.:|fand ift bedeutend. Die Einwohner find Hindu, 
Uber die Monatsnamen einiger alten Böller, 1836; | Bengali genannt, vertheilt in viele Städte u. 
Griechiſches Wurzellerifon, ebd. 1839—42, 2 VBde.| Dörfer, daneben auch Europäer. Die verbreitetite 
(Breisihr.); Uber das Verhältniß der ägyptiihen | Sprache ift die bengaliihe (ſ. u. Beugaliſche 
Sprache zum ſemitiſchen Sprachſtamme, Lpz. 1844; | Sprache u. Literatur), Die Bengali find geiftig 
Die perfiihen Keilinichriften, ebd. 1847; Gramsliehr begabt u. gutherzig, aber ftreitfüichtig u. auf · 
matik der Sanstritipradhe, Lpz. 18525 Kurzelichneideriih. Ein großer Theil, namentlich der 
Gramm. der Sanstritipr., ebd. 1855; A practicallimteren Kaften, find Mohammedaner. Hauptitadt 
Grammar of theSanscrit Language, Berl. 1863, |ift Ealcutta; bedeutenditer Handelsplat nach die» 
2. A., Lond. 1868; A Sanskrit-English Die-ſem: Tſchittagong. Den weftlihen Theil durch— 
tionary, 2ond. 1866; Geſch. der Spradmifjen- Fichneidet die von Calcutta durch Indien führende 
ſchaft u. orientalischen Philologie in Deutjchland |Eifenbahn (mit Verzweigungen), 1962 km. 
(befond. feit dem Auf. des 19. Zahıh.), Münd.| B., feit der Eimmanderung der Arier ein Sit 
1869; gab heraus die Hymnen des Sama-Beda,|hoher Eultur, war, ſoweit es hiſtoriſch noch fejt- 
ebd. 1848; Sangfrit-Ehreftomathie, ebd. 1853 f.,|zuitellen ift, politifch mie eine Einheit, fondern in 
2 Thle.; redigirte die Zeitfchrift Orient u. Dcci-|jeinen Theilen wechſelnden einheimiſchen Dyna— 
dent, Götting. 1863 f.; außerdem ſchrieb er eine|ftien untergeben (j. Indien, Geſch.). Exit mit der 
Anzahl Mleinerer Arbeiten in den Abhandlungen der| Eroberung durch die Mohammedaner (1203 bis 
Königl. Gefellichaft der Wiflenfhaften zu Göttin-1206) beginnt eine feitere Grundlage der Ge- 
gen; er überſetzte auch den Pantjchatantra, Leipz. ſchichte. 1225 fiel es unter die Herrichaft der in 
1859, 2 Bde. Delhi herrſchenden afghaniſch. Ghoriden-Dynaftie, 
Bengalen (Geogr.), 1) ehemalige britische] Die Empörung des Gouverneurs Togrul (1279) 
Präſidentſchaft in Oftindien; 1,740,100 [_Jkmimwurde unterdrückt, hiernach das Land eine Zeit 
(672,648 engl. — 31,640 geogr. [_|M); etwallang unabhängig, 1327 von Mohammed Toghluf 
107 Mil. Em. (ohne die wicht incorporirten ein- [wieder Delhi unterworfen, 1338 von Neuem in 
beimischen Staaten); ftand unmittelbar unter dem|Xufruhr. Bon 1341—1477 regierte die Dynaftie 
Bicelönig; wurde eingetheilt u. 1861 auch aufgelöft|der Purby, meist nnabhängig w. nur fcheinbar der 
in die 5 Gouvernements B., Bendihab, NWPro- | Oberhoheit von Delhi unterthan; in der folgenden 
vinzen, Eentralprovinzen, Brit.-Birmanten, welche Zeit war es der Schauplag von Kämpfen beute- 
je von einem dem Bicefönig untergeordneten Liente- |jüchtiger Häuptlinge, unter denen Schir Schah 1530 
nant-Gouderneur verwaltet werden. Inr Präfident-|zu großer Macht gelangte, bis es mit der Nieder- 
ſchaft B. gehörten mod die Berwaltungsgebietellage u. dem Zode von Daud Khan durch Albar 


172 


1576 dem Großmoqgul unterthänig wurde. Geit- 
dem blieb B. ein Beftandbtbeil des Meiches von 
Delhi u. wurde duch beinahe felbftändige Statt- 
balter (Subahdar) regiert. 1633 erlaubte der 
Großmogul den Engländern, in B. zu handeln, 
und 1681 festen jene zu Hugbly einen britischen 
Wouvernenr ein. Der Subahdar Mirza Moham— 
med (Suradſchah ed Daula) gerieth 1756 mit der 
Britiich - Oftindiihen Compagnie in Streit, er- 
oberte Galcutta, mo er 146 Engländer den Qua— 
len der Schwarzen Höble ausjegte, wurde jedoch 
7. Febr. 1757 von Clive zu bedingungslojem 
Frieden gezwungen. Ebenſo vertrieb Clive die 
Aranzofen aus Tichandernagor. Bei der baldigen 
Wiederaufnahme der zeindfeligkeiten wurde Surad» 
ſchah bei Plafiey 21. Juni 1757 von Clive voll» 
ſtändig —— u. bald darauf ermordet, ſein 
Vetter Mir Dſchafar auf den Thron gelett, au 
deffen Stelle 1760 fein Schwiegeriohn Dir Kafım 
zum Nabob ernannt, aber auch diefer 1764 ver- 
trieben und Mir Dichafar wieder eingefegt; feit 
1765 regierte jein Sohn Nadſchim ed Daulah 
ohne jeglichen Einfluß. Bon diefem Zeitpuntte 
an beginnt die engl. Herrichaft in diefem Gebiete; 
das Nähere ſ. Indien (Geich.). 

Bengaliſches Feuer (Bengalifche Flamme), 
Feuerwerkscompoſition, aus Indien ftanımend u. 
durch die Engländer verbreitet; ihre weiße Flamme 
bewirkt Tageshelle u. iſt nachts bei hellem Wetter 
Meilen weit fihtbar. Die Compofition befteht aus 
64 Theilen Salpeter, 23 Theilen Schwefel u. 16 
Theilen Schmwefelantimon; fie wird in offenen Ge- 
fähen abgebrannt und kommt gewöhnlich zur feft- 
lichen Beleuchtung von Straßen u. Gebäuden in 
Anwendung. Dft bezeichnet a aud buntes 
euer (j. d.) überhaupt als B. 

Bengalifcher Meerbufen, Fpeit des Indi⸗ 
hen Oceans, zwiichen Border» u. Hinter-Jndien; 
bat (bef. an den Ufern) viele Inſeln (Milobar, 
Andaman, Tſcheduba u. a.) u. bildet außer den 
Mündungen der Flüſſe wenig Bufen. Zur Schiff: 
fahrt tragen eine Menge großer ſich in ihn er» 
giegender Flüſſe bei, jo Jrawaddi, Ganges und 
Brahmaputra, Mahanadi, Godavary, Kiftna, Pan— 
natr, Cavery u. v. a. Es herrichen regelmä- 
Bige "Winde 6 Monate lang aus NO. u, dann 
wieder 6 Monate lang aus SW. Der B. M. 
it reich an Schalihieren, bei. Perlenmuſcheln, 
doh arm an großen Häfen. 

Bengalifd) e Epradıe u. Literatur. Die B. 
Eprade (Bengäli) ift eine von den zahlreichen 
Sprachen, welche dem Sanskrit entitammen, und 
nächſt dem Hindi jedenfalls die wichtigfte derjeiben, 
da fie von der Hindubevölferung der ganzen Pro- 
vinz Bengalen, d. b. von wenigitens 36 Millionen 
Menſchen, gefprochen wird. Der Wörterſchatz iſt 
bis auf wenige Ausnahmen ſanskritiſch; doch ift der 
Formenreichthum der Mutterfpracdhe verloren ge- 
gangen. Die fFlerionsendungen bei Nomen u. Ber- 
bum werden durch Partikeln u. andere Hiliswörter 
eriett. Das Alphabet hat ſich ebenfalls unmittel- 
bar aus dem Devanagari entwidelt; mit demſel— 
ben werden in Bengalen nur Bücher in Sauskrit 
geſchrieben u. gedrudt. Das Bengaliſche theilt 
mit dem Sanskrit in hohem Grade die Fähigfeit, 
zufammengejegte Wörter zu bilden, wie dies bei. 


Bengalijches Feuer — Bengaliſche Sprache u. Literatur, 


die juriftiihen und philofophifhen Schriften be- 


Tunden. Bor dem 16. Jahrh. fcheint das Benga- 


liſche nicht als Schriftſprache gebraudt worden 
zu fein. Das ältefte Werk in Bengali ift die Cai— 
tanya Caritämrita von Krishnadäja, einem Schü— 
ler des fanatischen Wiſchnuiten Eaitanya, geb. 1484, 
u. Vegründers eines neuen Cultus des Kriichna. 
Sonſt bat die b. 2. nur wenig Originales von 
Bedeutung aufzuweiien. Das Meifte befteht in 
Überjegungen, vor Allem aus dem Sanskrit, dann 
aus den übrigen nordindiichen Dialelten und in 
neuerer Zeit aus europäiſchen Sprachen, nament« 
Ih aus dem Englischen. In ältere Zeit gebören 
die Übertragungen des Mahäbhärata von Käfidäfa, 
Seramp. 1836, 2 Bde, und des NRämäjana von 
Kirtivaſa, ebd. 1803, 4 Bde. ebd. 1830, 2 Bde., 
beides jehr populäre Werke; die Hymne Manafü- 
mangala, dem Khemananda zugeichrieben; die 
Arithmetil des Subhanfara; das Werlchen Guru- 
dalſhina ꝛc. Eine neue Epoche begann gegen Ende 
des 18. Jahrh. mit Errichtung des Forts William 
u. dem Wirken Careys u, feiner Genofjen. Seit 
jener Zeit find bereits zahlreiche bengafijche 
Bücher im Drud erſchienen, die in dem Descrip- 
tive Catalogue of Bengali Works von %. Long, 
Galc. 1855, genau verzeichnet find. Auch werden 
darin 41 beugalifche Drudereien allein in Eal- 
entta als 1854—55 befichend aufgezählt, neben 
anderen 4 in Empor. Sehr verbreitet find 
die Überlegungen der Hitopadeſa, Seramp. 1801, 
1802, 1808, 1814 u. ö., der Batris Singhäfana, 
ebd. 1808, 1816, Lond. 1834, der Betala Panca- 
vinjati, Calcutta 1846, 1849, der Tota Itihaſa, 
Seramp. 1805, Lond. 1811; ferner Rajabalt, 
Seramp. 1808, 1822 u. ö. Unter vielem an— 
deren wurde noch aus dem Sanskrit überfett das 
zweite Buch der Mitälibara, Galc, 1824, die 
Nyayadarfina, ebd. 1821; dann aus dem Eng» 
lichen: Marſhmans History of Bengal, ebd. 1847, 
u. History of India, Seramp. 1831, 2 Bbe,, 
Hays Fabeln, Calc. 1836, Johnſons Rasselas, 
ebd. 1833, u. v. a. Belondere Beachtung ver- 
dient Nam Comulſens Übertragung von Johnſons 
nglish Dictionary, Seramp. 1834, 2 Bde. 
Seit 1846 erjcheint zu Calcutta eine Bengalifche 
Encyklopädie. Eine große literarifhe Tätigkeit 
haben die driftlichen Miffionäre entwicelt, denen 
die Eingeborenen nicht nur verschiedene Journale, 
jondern auch den Berein Zatwobodhini Sabha 
entgegenftellten. Letzterer hat viele Meine Schriften 
verbreitet. Als Überfeger, Herausgeber zc. machten 
ih von Eingeborenen außer Nam Comulſen noch 
bef. verdient: Ram Ram Boshu, Lalſhmi Narayan 
Nyayalanlar, Kali Krishna Bahadur, Kafı Natha 
Zarlapancana x. Grammatifen lieferten von Ein- 
heimischen Brij Kiſor Gupta, Calc. 1840, und 
Rammohun Roy, ebd. 1845; von Guropäern 
zuerft Halhed, Hoogly 1778, dann Garey, Se- 
rampore 1801, 1805, Haugthon, Lond. 1821, 

Keith, Calc. 1846, Haies ebd. 1847, 2 Bde. ꝛc.; 
Wörterbücher: Carey, Seramp. 1825, 8 Bde.., 

ebd. 1827, 2 Bde., Forſter, Calc. 1799 —1802, 
2 Bde., Sanghton Bengali and Sanserit Dict. 
expl. in English, Loud. 1833, Gordon, Calc. 
1837, u. A. In dem mit Hindbuftani vermifch- 
ten Jargon, was die moslemitiſche Bevölferung 


Bengaliften — Beni. 


von Dacca u. die Pascar fprechen, ift ebenfalls 
Manderlei im Drud erfchienen. 

Dengaliften, Bögel, jo v. w. Bengeliften. 

Dengaft (Bengazi), das alte Berenile, Prov. 
u. Hauptjt. (Sit des Kaimalam) der Landſchaft 
Barla im türk. Bilajet Tripolis (NAfrika), am 
Mittelimeere, an der OSeite des Golfes von Sydra; 
die Stadt iſt Sig eines Aga, hat ein Caſtell, 
einen großen Bazar, gute Rhede, aber fehr ver- 
landeten Hafen; etwa 15,000 Ew., welde bis 
auf 2000 Europäer und 2500 Juden moham— 
medanifche, mit Negern vermiſchte Araber find; 
der Handel zur See u. zu Land (mit Wabai) ift 
bedeutend. 

Bengel, 1) Job. Albr., proteft. Theolog, geb. 
24. Juni 1687 zu Winnenden im Wirrtember- 
giſchen; ftudirte feit 1703 Theologie zu Tübingen, 
murde 1707 Pfarrvermeier in Mezingen, war 
1708—13 Repetent am Stifte zu Tübingen, in- 
zwiſchen aud Vicar in Nürtingen, Tübingen u. 
1711 Stadteicar in Stuttgart, 1713 Prediger u. 
Klofterpräceptor zu Dentendorf, 1741 Propft des 
Klofter Herbredhtingen, 1747 Mitglied des weiteren, 
1748 auch des engeren Yandichaftsausichufies, 
1749 Gonftftorialrath u. Prälat zu Alpirsbady; er 
ft. 2. Nov. 1752. B. ift einer der Hauptbegrün- 
der der neuteftamentlichen Tertfritif durch folgende 
Schriften: Die 1. Ausg. des N. T. mit dem friti- 
jhen Apparat, Tüb. 1734, im Auszuge von 
Bürtig, Lpz. 1736 (fpäter ohne den Apparat, 
Stuttg. 1734,38, 53, 77, 2pz. 1737). Für gram- 
matiſch⸗ hiſtoriſche Auslegung u. praftiihe Anwend— 
ung des N. T. iſt von bleibendem Werthe: Gno- 
mon N. T. (Schyolien zum N. T.), Tüb. 1742, 
3. A., von Ernft B., ebd. 1773, 6. A., 1850, 
6.4, von %. Steudel, Tüb. 1855, 2, Abdr. 
der letsteren, Berl. 1860, deutich von E. F. Wer- 
wer, Stuttg. 1853 u. 54; Überſetzung des N. T., 
ebd. 1758. Am meiften befannt tft er durch feine 
Studien über das prophet. Wort der Bibel, be. die 
Dfienbarung Johannis, in mwelder er die ganze 
Kicchengeichichte zum voraus ins Einzelne geweiſ⸗ 
fagt fand u. aus welcher er dann auch durch höchſt 
tünſtliche Berechnung den Anfang des 1000jähri- 
gen Reiches der Offenb. Joh. auf 1836 berechnen 
zu können glaubte. Dabin gehören: Erklärte 
Offenbarung St. Johannis, ebd. 1740 u. ö,, u. 
Sechszig erbanlihe Reden über die Offenbarung 
St. Johannis, ebd. 1748; außerdem: Ordo tempo- 
rum ete., Stuttg. 1741, 2. Ausg., ebd. 1753; 
Weltalter, darin bie fchriftmäßige Zeirlinie be- 
wiefen ꝛc., E8ling. 1746, Heilbr. 1753. Auch als 
geiftlicher Liederdichter reiht fih B. den beften der 
pietiftifchen Schule an. Wie feine ereget. Thätig- 
feit auf gründlicher philologiſcher Kenntniß ruhte, 
zeigt feine Herausgabe von: Ciceronis epistolae 
ad familiares, Stuttg. 1719; Gregorüi Thaumat. 
panegyricus ad Origenem, ebd. 1722; J. Chry- 


173 


der Theologie in Tübingen u. Später Superinten- 
dent des dortigen evangelifch-theologiichen Stiftes 
u. Propft der St. Georgslicche; er ft. 23. März 
1826. Der gemäßigt-pietiftiichen Richtung ange« 
börig, fuchte er in der Lehrthätigleis feinen Ein- 
fluß; Schriften: Archiv für Theologie und ihre 
neuefte Yiteratur, 1.—8. Bd. Tüb. 1815—27; 
Reden iiber Religion u. Ehriftenthum, ebd. 1831, 
2. A., 1839; Opuscula academica, Hamb. 1834. 
Löffler. * 

Bengeliiten (Pytelia Fr.), Gattung der zu 
den Prachtfinken gehörenden Aftrilden (ſ. d.); ihr 
Schnabel ift mehr geftredt, ihr Schwanz dagegen 
fürzer als der der echten Aſtrilden. Dahin der 
Zierfint (P. melba L.). Männden: Stirn, 
Bügel, Baden, Kinn u. Obertehle lebhaft zinnober- 
roth; Oberkopf, Ohrgegend u. Hinterhals oliven- 
grau; Mantel und übrige Oberjeite olivengelb; 
obere Schwanzdeden ſcharlachroth; Unterfehle, 
Kropf u. Oberbruft lebhaft orangegelb mit duml- 
leren Querlinien u. kleinen weißen Flecken; übrige 
Unterjeite weiß, jchmal duntelbraun, quer liniirt; 
Schwingen olivenbraun mit olivengelben Yußen- 
rande; die beiden mittelften Schwanzfedern jdhar- 
lachroth, die übrigen ſchwarzbraun mit jcharladh- 
rothem Außenfanme; Schnabel hellroth; Füße 
hellbraun, Weibchen: Kopf und Hals ſchmutzig- 
gran; Mantel und übrige Oberjeite olivengrün; 
Unterjeite weiß, dunkel quergewellt; obere Schwanz» 
deden düſterroth. Diefer Prachtvogel verbreitet 
fih über einen großen Theil von Afrika, fommt 
aber verhältnigmäßig felten nach Europa und ift 
jehr gefucht u. gefchätt. Tbome. 

Bengelweizen (Fgelweizen), Bartweizen mit 
verfürzten Ahren, Heinen gelben Körnern u. ge- 
ringem Ertrage. 

engler, 1) Rittergefellichaft, geftiftet 1391 
von einem Theil des rheinischen u. wejtfäliichen 
Adels und gegen den Yandgrafen Hermann von 
Heffen und den Biſchof von Paderborn errichtet; 
trugen einen filbernen Bengel (Knüppel) auf der 
Bruft. Da ihre Unternehmungen unglücklich gin— 
gen, löfte fi der Bund bald auf. 2) So v. w. 
Geißelbrüder (j. d.). 

Benguela, großes Ländergebiet an der WKüſte 
SAfritas, fiber welches die Portugiefen die Ober- 
boheit üben; etwa 285,000 |_jkm (5000 [_M); 
an der Küſte flach, im Innern das hohe Moſſamba— 
Gebirg; reih an Metallen, bei. Silber, Kupfer, 
Eifen; Palmen, Südfrüdte, Wein, Bananen, Ce» 
dern, Maniok, Zuckerrohr; —— Löwen, Elefan⸗ 
ten, Zebra, Antilopen. Die Einwohner findfehr rohe 
Neger. Die Verwaltung des Gebietes fteht unter 
dent Gouverneur zu Yoanda. Die Hauptftadt iſt 
©. Felipe de B., nahe dem Atlantifhen Ocean, in 
jhöner, aber ungefunder Gegend, mit gutem aber 
unbequemem Hafen u. 1500 Ew., bis auf etwa 
100 Europäer (meift Soldaten) befehrte Neger; 


sostomi de sacerdotio, ebd. 1725; Abriß der ſog. die Stadt ift im Berfall begriffen. 


Brüdergemeinde, Stuttg. 1751, Berl. 1858. Gein 


Bent (Beni), 1) Fluß in Bolivia u. Peru; ent- 


Leben von Burt, 2. A., Stuttg. 1837; Barth, Sitd-|jpringt auf den Eordilleren im bolivianiichen Dep. 
deutſche Driginalien, ebd. 1828; Oskar Wäch- La Paz, durchſtrömt das Dep. B. u. bildet an 
ter, J. A. B. Lebensabriß, ebd. 1865. 2) Ernſt der brafilianifchen Grenze mit dem Mamore den 
Gottlieb, Enfel des Vor., —— 3. Novbr. Madeira, einen der bedeutendſten Zuflüſſe des 
1769 zu Zavelſtein auf dem Schwarzwalde; war Amazonenſtromes. 2) Dep. der Republil Bolivia, 
erft Prediger in Marbach, wurde 1806 Profeffor|das größte u. nörblichfte derjelben; begrenzt von 


174 


Brafilien, Peru u. den Dep. La Paz, Cochabamba 
n. Santa-Eruz; meift eben u. noch umerforicht, 
von Urwäldern bededt; noch nicht genau gemeſſen, 
etwa 700,000— 720,000 [km (12— 13,000 |M); 


— 


54,000 Em, 


Trinidad. 


Beni-Amer, hbamitiiher Vollsſtamm in NAbej- 
finien, vom Fluſſe Barka bis an das Rothe Mieer, 
etwa 1—200,000 Seelen ftarl; dem Khedive von 
Agypten tributpflichtig und durchaus nomadiich 


lebend; fie ſprechen die Berihauijeh-Sprade (ſ. u. 
Bedſcha). 

Beni (arab., Kinder), 1) Böllerftämmen (mie 
B. Ajad, die Ajariten), oder 2) Dynaftien (wie 8. 
Nafar, die Nafariden) vorgejekt. 

Denicarlo, Stadt in der ſpan. Prov. Cajtellon 
de la Plana (ehemal. Königreih Valencia), am 
Mittelmeere; 7000 Ew.; bier der feurige fpan. 
Hothwein B., den man in Bordeaur zum Ber- 
ſchneiden braucht. 

Benicia, die frühere Hauptftadt des nord» 
amerifan. Staates Californien, an der nördlichen 


Seite der Strafe, welhe die San-Pable- und 


Saiſun⸗Baien verbindet; im öftlihen Ende be 
finden fih die Maſchinen-Werkſtätten der Bacific» 
Mail-Steamfbip-Company; Station der Dampfer 
zwischen San Francisco u. Sacramento; von bier 
auch Eifenbabn nach Marysville. B. hat einen Ein- 
gangehafen, ift aber im Verfall; nur nod 1675 Ew. 
enignität (v. lat. benignitas), Güte. 

Benignus (lat., der Gütige), nad) der Sage 
Schüler des St. Polykarpos, eifriger Verbreiter 
des Ehriftenthums in Frankreich, daher Apoftel von 
Burgund genannt; It unter Kaifer Aurelianus 
den Märtyrertod; Tag: 1. Nov. Auf feinem Grabe 
joll die Abtei St. Benignus in Dijon erbaut fein, 
&. Greg. von Tours, De gloria mart., Cap. 55. 

Ben Mezzab (B. M'zab), berberifcher Stamm 
in Algerien, Dep. Algier, in einer qut bewälferten 
n. fruchtbaren Oaſe um gleichnamigen Wadi am 
Rande der Sahara, aus Tripolitanten ſtammend; 
etwa 30,000 Seelen ftarl, eine bejondere fleptische 
Secte bildend; treiben eifrig Gewerbe und Hans 
del. Hauptort Ghardaia, von Mauern umgeben; 
14,000 Em. 

Benin, 1) Küfte u. Landſtrich in Ober-Guinea 
Afrika), am gleichnamigen Golfe, entdedt durch 
die Portugiefen 1484; veicht von der Mündung des 
Bolta bis zum Aſtuar des Groß» Kiver und im 
Innern bis zum nördlichen Abfall des zum Reiche 
Dahomeh gehörenden Berglandes der Dahi u. des 
Berglandes von Moruba; der Boden iſt am der 
Küſte flach, bat füdlich das Gamerongebirg u. im 
Innern die großen Bergmaffen des Konggebirges; 
Hauptfluß der Niger mit feinen zablveihen Münd— 
ungen u. der Wio del Hey (Königsfluß); das 
Klima iſt im Flachlande höchſt ungefund, nament« 
lich im Nigerdelta, in den Berglandichaften des 
Innern beffer; große Grasflähen u. ſchöne Wald⸗ 
ungen von Adanſonien, Wollenbäumen u. Olpalmen 
bedecken die Küſtenſtriche im Weſten; die Thier— 
welt ift dagegen mehr im Innern entwidelt: es 
gibt Elefanten, Leoparden, Papageien, in den 
Flüffen zahlreiche Fiihe; von Mineralien finden 
fidy reiche Yager Eijenerze u. Salpeter, auch Gold, 










faft ausfchließlihb umberftreifende 
Andianer vom Stamme der Mojos; Hauptort 


Peni-Amer — Benini. 


Die Einwohner find Neger, meift mit ſehr gerin« 
ger Eultur; es fommen noch häufig Menſchen- 
opfer u, Menichenfrejjerei vor. Der. Handel ift 
bedeutend, früher war e8 bef. der Sflavenbandel, 
der aber jet aufgehört hat; es wird viel Balmöl 
ausgeführt, außerdem Gummi, Wachs, Elfenbein 
u. etwas Gold, nad dem Binnenlande Salz. Die 
Induſtrie erzeugt Stoffe aus Baumwolle u. Ge» 
räthichaften aus Eijen, Korb- u. Töpferwaaren, 
In politischer Hinficht ift die Bevöllerung im 
viele fleine, von einander unabhängige Staaten 
getbeilt, von denen die von B., Yagos, Badagry, 
Kalabar, Ebo, Camerons, Biafra, Empunga die 
befauntejten find; im Innern die bedeutenderen 
Staaten Dahomeh, Moruba u. Iddah. 2) Neger- 
ftaat an der Mündung des Nigerarmes Onarreh 
oder B.; noch ſehr anbefannt, doch fol der Staat 
mächtig fein, Korallen find Geld, Yamswurzeln 
die Hauptnabrung; der Herrſcher ift Despot; es 
finden Menfchenopfer ftatt. 3) Hauptitabt des 
gleihnamigen Reiches; liegt redht3 am Nigerarm. 
B., 237 km von deſſen Mündung, in fruchtbarer, 
aber jumpfiger u. ſehr ungejunder Gegend, zählt 
etwa 15,000 Ew. Hier ftarb der italieniſche Rei— 
jende- Belzoni. 4) Golf von B., der Theil des 
Dieerbufens von Guinea, in welchen der Niger 
mündet, wird durch das Cap Formoſa vom Golfe 
Biafra getrennt. 

Benincasa Sari, Pflanzengattung aus der Fa— 
milie der Cucurbitaccen (XXL), mit einjäbrigem, 
friehendem, weichhaarigem, verzweigtem Steugel, 
wierenförmigen, 5lappigen Blättern, 2—3theiligen 
Ranfen u. großen, gelben, eingefchlechtigen, ein— 
häufigen, in den Achſeln der Blätter einzeln ftebene 
den Blüthen; männliche Blüthen mit glodenför« 
migem, 5lappigem Reiche, vadfürmiger, tief btheili— 
ger Blumentrone mit verfehrtserförmigen Ab« 
Ichnitten u. 5 Staubblättern, von denen je zwei 
paarweiſe verwachlen find u. das 5, frei ift und 
deren Antheren vielfach gewunden find; weibliche 
Blüthen mit einem eiförmigen Fruchtkuoten, didem 
Srifjel u. 3 wellenförmigen Narben; Frucht eine 
große, dide, cylindriiche, grau-grüne, mit einem 
Wacsiberzuge verſehene, vielſamige Beere (Kürbis- 
frucht); Samen länglih-eiförmig, flach, mit auf« 
geſchwollenem Rande. Die einzige Art dieſer Gatt., 
B. cerifera Sari, ift im tropischen Ajien einhei- 
miſch u. wird im tropiichen Afrika u. Amerika 
cultivirt, da das mojchusartig riechende traut als 
Dittel gegen Fieber, Schwindel ꝛc., die üligen 
Samen gegen Dyjurie Verwendung finden. In 
Indien wird auch die Frucht bei Hochzeiten den 
Neunvermählten als glüdbringend überreicht. Engler. 

Beninga (Eggeric), Geſchichtſchreiber, geb. zu 
Grimmerſum; lebte als Droft zu Leer, wo er 
über 70 Jahre alt am 19. Dctbr. 1562 jtarb. 
Seine Chronyck oft Historie van Oostfriesland 
behandelt die Zeit von 1048—1562 und ward 
zuerjt von Ubbo Emmius 1587 nur überjegt, dann 
auc herausgegeben von Ant. Matthäus, Leyden 
1706, und von Hardenvoth, Emden 1723 und 
Haag 1738, 

Benini, Gioachino, italien. Schriftfteller, 
geb. 23. Febr. 1799 in Prato (Toscana); ftudirte 
jeit 1815 in Pila die Rechte und trat 1819 m 
Florenz in Praris. Als zu Ende der zwanziger 


Beniſuef — Benfulen. 


175 


Sabre Giacchetti in Prato eine Druderei errichtete, ſchickt. Dort erwarb er fich durch feine Kenntniffe 


betbeifigte fih B. an der Herausgabe der Werfe 
Windelmanns, d'Azincourts und Cicognaras und 
ward fpäter Miteigenthümer der Druderei, in 
welcher er u. a. den Drud aller Werte des Pap- 
ftes Benedict XIV., der Collezione de’ elassici 
latini für die Schulen mit itafieniihen Noten u. 
De Bits Lessico u. Onomastico u. ſ. w. bewerf- 
ftelligte. Er ft. 15. Dec. 1867. Als Politiker ge- 
‚börte B. zur liberalen Partei, ohne ertremen An- 
fihten zu huldigen; er ſchr. Programma per il 
Comitato elettorale del 48, Istruzioni per il de- 
putato Pratese. Bon ihm ift aud das Calen- 
dario pratese, 

Benifnef, Hauptft. der gleichnamigen Prov. 
in Mitte-Agypten; Staatsbaummollenfpinnerei; 
lebhafter Handel; 6000 Em. 

Benjamin (bebr., d. i. Glücksſohn), jüngfter 
Sohn Jakobs von der Rahel, die bald nach jener 
Geburt ftarb. Er war Joſephs leibliher Bruder 
u. mit diefem Liebling des Vaters, Nach der 
Nüdkehr der Fsraeliten nah Kanaan erhielt der 
Stamın B, fein Poos in Mittel-Paläftina zwiichen 
Ephraim, dann in Juda; in ihm lagen die Städte 
Jericho und Bethel, aus ihm ftammte der König 
Saul, u. nad dem Abfalle der 10 Stämme bil- 
dere er mit dem Stamme Juda das Reich Juda. 

Benjamin, J. J. Reijender, geb. 1821 zu 
Foltitideny in der Moldau von jüdifchen Eltern; 
bereifte 1846—51 Paläſtina, Syrien, Armenien, 
Mefopotamien, Kurdiftan, Arabien, Berfien und 
DOftindien, 1852—55 Agypten, Tripolis, Tımis, 
Algerien un. Marofto u. 185962 NAmerila; ft. 
6. Mat 1864 in London. Er fhhrieb u. a.: 
Acht Jahre in Afien u. Afrika, u. Drei Jahre 
in Amerifa, Hannov. 1862. 

Benjamin Ben Jona von Tudela (einer 
fleinen Stadt am Ebro), berübinter jüdischer 
Reifender des 12. Jahrh. u. der erfte Euro» 
päer, der von dein fernen Oſten Kunde brachte. 
Er durdmwanderte vom Fahre 1165—73 drei 
Welttheile, um die religiöfen u. ſocialen Zuftände 
feiner Glaubensgenofien kenuen zu lernen. In 
feinem Itinerarium Massaoth Binjamin finden 
fih außerdem auch intereflante Berichte über die 
Sitten u. Eulturverhältniffe oftafiatischer u. nord— 
afrifanischer Voller. Das vorgedachte Werk er- 
ſchien zum erſten Mal in Gonftantinopel 1543 
u. wurde bald aus dem Hebräifchen in verſchieden⸗ 
Sprachen überjetst. Die neuefte Ausgabe von Aiber 
(2 Bde. London 1841) enthält den hebräiſchen 
Tert nebit englifcher Überſetzung u. gelehrten Ans 
merfungen. Bgl. Gräg, Geſchichte der Juden, Bd. 
VI., Note 10, 

Denjowsft, Merik Auguft, Graf von B., 
merfmwürdiger Abenteurer, geb. 1741 zu Werboma 
in der Neutraer Geſpanſchaft; machte als Yiente- 
nant den Tjährigen Krieg mit, ging 1758 nad 
Lithauen zu feinem Onfel, dem Staroften B., 
weichen er beerbte, u. durchreiſte, nachdem er eine 
Beit lang aud in Hamburg Schifffahrtstunde ge- 
trieben, Deutichland, England u, Holland. Hierauf 
nahm er in polniihen Dienften an der Kralaner 
Gonföderation theil, wurde Generalquartiermei« 
fter u. fiegte bei Kumenfa, wurde aber 1769 von den 
Ruſſen gefangen u. 1770 nah Kamtſchatka ge- 


u, jein gutes Schadhipiel die Gunft des Gouver— 
neurs Nilomw, der ihm feine Tochter Afanafia zur 
Gattin gab, obſchon B. bereits eine Frau batte. 
Aus Liebe zur Freiheit verfchwor fih B. mit an- 
deren Verwieſenen, verließ im Mai 1771 mit 
feiner rau u. 96 Berfonen, nachdem er fich noch 
der Kronfaffe mit 14 Mill. Piafter bemächtigt, 
in einem im Hafen von Botfcherezt meggenommes 
nen Schiffe Kamtſchatka u. enttam glüdlich über 
Formofa u. Macao, wo Afanafia u. viele feiner 
Gefährten ftarben, er fein Schiff verfaufte u. auf 
ein franzöftiiches Schiff fich verdingte, nach Frank⸗ 
reich; daſelbſt erhielt er ein Fnfanterieregiment u. 
dann den Auftrag, eine Colonie auf Madagascar 
anzulegen. Er gründete bier 1774 Foul Point u. 
wurde von mehreren Dadagafienftämmen 1776 
zum König gewählt. Bon Frankreich her nicht 
gebörig unterjtügt, verließ er die franzöftichen 
Dienfte u. begab ſich nach Öfterreich, wo er zum 
General ernannt warb und 1778 im Gefechte bei 
Habeljhwerdt gegen die Preußen commandirte. 
1783 ging er nad London u. bierauf nach Bal- 
timore n. unternahm, von Privaten unterſtützt, 
von Amerifa aus im Oct. 1784 eine Erpedition 
gegen Madagascar n. begann gleich nach feiner 
Landung 1785 die Feindfeligfeiten gegen die Fran— 
zofen, ward aber Ende Mai 1786 tödtlidh ver« 
wundet u. ft. wenige Tage nachher. Die Geichichte 
feines Lebens, von ihm jelbft franzöſiſch beichrie- 
ben, herausgegeben von Nicholfon, Yondon 1790, 
2 Bde., deurfh von Georg Forſter, Lpz. 1791, u. 
von Ebeling, Hamb. 1791. Die Verſchwörung in 
Kamtjchatla ift der Gegenſtand eines Schaufpiels 
von Kotzebue. 

Bentendorf, 1) Ernjt Ludwig von B., 
ſächſ. Meitergeneral, geb. 5. Juni 1711 zu Ans» 
bach; trat 1733 in fächfisch-polniiche Militärdienfte, 
machte den Feldzug 1741 in Böhmen u. Mähren 
mit, focht 1745 als Hauptmann bei Keſſelsdorf 
u. 1757 bei Kollin, wo er zur Enticheidung des 
Sieges beitrug; er wurde dann Oberft und im 
Yaufe des Siebenjährigen Krieges Generalmajor; 
im Oct. 1768 führte er die ſächſ. Truppen aus 
Warſchau, wurde 1775 Generalinipector der Ca— 
valerie u. trat 1788 als Chef der Garde in Ruhe— 
ftand; er fl. 5. Mai 1801 zu Dresden. 2) Karl 
Friedrich von B., geb. 1720 zu Blumenfeld 
in der Neu-Mark; war Oberamtspräftdent bei der 
Regierung in Breslau; 1751 entlaffen, 30g er 
fih auf fein Gut zurüd; er ft. 1788. Er gab 
heraus: Berliner Beiträge zur Landwirthſchaft, 
Berl. 1771—85, 7 Bde, u. fhr.: Oeconomia 
forensis, ebd. 1771—84, 8 Bde.; UOeconomia 
controversa, ebd. 1787 f., 2 Bde. 

Benkert, j. Kertbeny. 

Benfulen, 1) niederländifcher Regbez. an ber 
MWfüfte der Inſel Sumatra; 25,087 [km 
(4554 |M); 140,126 Ew. 2) Feſte Stadt dafelbit, 
an der Mündung des Fluſſes gleichen Namens 
in das Indiſche Meer, in höchſt ungefunder Lage; 
Hafen; bedeutender Handel mit Pfeffer umd 
Kampher; 6000 Em., darunter viele Malaien u. 
Ehinejen; in der Nähe das Fort Marlborougb. 
Die Stadt war ehemals Hauptort der britischen 
Beſitzungen auf Sumatra oder der Präfidentichaft 


176 


B., wurbe aber von den Briten 1825 gegen die 
Niederlaffungen auf Malacca an die Holländer 
abgetreten, da die Berwaltungstoften die Einnahme 
überftiegen. 

Benndorf, Otto, namhafter Arhäolog, geb. 
13. Sept. 1888 zu Greiz i. Voigtlande; ftudirte 
Philologie zu Erlangen u, Bonn, wurde 1863 
Lehrer am Öymmafium zu Schulpforta, widmete 
fih aber feit 1864 ausſchließlich archäologiſchen 
Studien. Im J. 1868 wurde er Privatdocent 
in Göttingen, fiedelte 1869 als Profeffor nad 
Zürich über, ging dann 1871 (nady der deutſch— 
feindlichen Demonftration) nah München u. über- 
nahm 1872 eine Profeffur in Prag. Er ver 
Öffentlichte eine Beichreibung der antifen Bild 
werte des Lateraniſchen Mufeums (mit R. Schöne), 
Leipz. 1867; Griech. Bafenbilder, Berlin 1869; 
Die Antiten von Zürih (in den Mittheilungen 
der Antiquar. Gefellihaft 1872); Die Metopen 
von Selinunt, Berl. 1873. 

Bennedenjtein, Stadt im Kreife Nordhaufen 
des preuß. Negbez. Erfurt, ganz vom Braun— 
ſchweigiſchen u. der Prov. Hannover enclavirt, am 
Oberharze; Holzwaaren, bei. Streihhölzchenfabr., 
Nagelichinieden, Bergbau auf Eifen; 3355 Em. 
Hier am 21. Juli 1857 große Feuersbrunſt. 

Bennet, Henry, engliſcher Staatsınamı, geb. 
1618 zu Arlington in Middleſer; ftudirte zu Orford, 
widmete fih unter Karl I. dem Kriegsdienſte u. 
begab ſich nad deſſen Hinrichtung nad) Frankreich. 
Unter Karl II. kehrte er als Staatsjecretär und 
Kammerherr nah England zurid, wurde 1664 
Baron v. Aılington u. 1672 Graf v. Arlington; 
1669— 73 war er Mitglied des Cabalminiſteriums, 
dann trat er in den Privatftand zurüd u. wurde 
1679 nochmals Mitglied des Geheimrathes; ftarb 
28. Juli 1685. Erjdr.: Letters to W. Temple, 
Yond. 1702. 

Bennett, 1) Will. Sterndale, engl. Mufiter, 
geb. 13. April 1816 zu Sheffield, wurde, 8 Jahre 
alt, in die Kapelle des Kings College aufgenommen; 
{päter genoß er den Unterricht auf der Königlichen 
Akademie der Muſik u. erwarb fich namentlich im 
Piauoforteſpiel eine große Fertigkeit, Er befuchte 
1837 das Mufitfeft zu Diüffeldorf u. fpielte in 
Yeipzig während der Goncertiaifon von 1837—38, 
wurde 1838 Mitglied der Königl. Gejellihaft der 
Mufit zu London u, 1842 Mütdirigent ihrer Con: 
certe; 1856 von der Univerfität Cambridge zum 
Profeffor der Muſik ernannt, ward er 1868 dr. 
fident der Königl. Alademie der Mufif in Yondon; 
ft. 1. Febr. 1875. Er componirte mehrere Con— 
certftüde, Quartette u. j. w, für Kammermufil u, 
Salonftüde für Pianoforte, die Cautate The Mary 
Queen, das Oratorium: Die Auferftehung des Ya» 
zarus, u. fchr.: Classical Practice for Pianoforte 
Students, Fond. 1841. 2) James Gordon, 
nordamerif. Publicift, geb. 1795 zu Nem- Dill, 
Grafſch. Banff in Schottland. Einer fath. Familie 
angehörend u. zum Priefterftande beſtimmt, bejuchte 
er auf einige Zeit das römifch-fathol, Seminar zu 
Aberdeen, verließ dafjelbe jedoch bald u. wanderte 
1819 nad) Halifar in Canada aus. Nachdem er hier 


Benndorf — Bennett. 


verjchiedenen Zeitungen thätig war. Hierauf be« 
fuchte er New-York, nahm ein Engagement bei 
einer Zeitung in Charleften als Überjeger fpan. 
Artikel an, fehrte aber doch bald nah Nem-Nort 
zurüd, mo er die Gründung einer Handelsſchule 
u. Vorlefungen über Vollswirthſchaft ohne Erfolg 
verjuchte. 1825 machte er den erſten Verſuch, 
Eigenthümer eines öffentlihen Journals zu wer- 
den, u. während der nächſten 10 Jahre ftand er 
in Berbindung mit dem New-York Courier (einem 
Sountagsblatte), dem National Advocate, dem 
New-York Enquirer (}pät.d. Courierand Enquirer), 
dem New-York Globe u. bem Pennsylvanian zu 
Philadelphia, meld letztere Zeitung er bis 1834 
redigirte. Yın Mai 1835 gab B. die erfte Nummer 
des New-York Herald heraus, den er jeitdem als 
Eigenthümer u. Chefredactenr leitete. Obgleih B. 
ich niemals einen Auf als guter Schrüftiteller, 
noch als beftändiger Bolitifer erwarb, fo war doch 
der Herald trog jeiner Unzuverläffigleit u. Yügen- 
haftigfeit berühmt wegen feiner wielfadhen Unter» 
nehmungen u. feines überaus reichen Juhaltes; 
finanziell ift er eines der bedeutendfien Blätter 
der Welt. B. ſt. Juni 1872 zu New-York. Bor 
jeinem Tode erwarb er fih noh Ruhm dadurch, 
daß er feinen in Paris ftationirten Berichterftatter 
Henry Stanley zur Aufſuchung des feit 2 Jahren 
verichollenen Reiſenden Yivingftone (f. d.) nad 
Afrıla jandte, eine Aufgabe, die jener, wie belaunt, 
mit glänzendem Erfolge löfte, 3) William Cor, 
engl. Dichter u, Schrifrfteller, geb. 20. Mai 1820 
zu Greenwich, Sohn eines dort anſäſſig geweſenen 
Uhrmaders. Kaum 14 Jahre alt, ward er nad) dem 
Tode feines Vaters von feiner Mutter aus den 
Schulen feiner Baterftadt genommen, um ihr in 
der Fortſetzung des Geichäftes behilflich zu jein. 
Bon Wifjensdrang getrieben, vervolllommnete er 
in feinen Mufeftunden jeine Ausbildung u. wid« 
mete fih namentlich mit großem Eifer allen in 
England jeit den legten 30 Jahren gemachten 
Anjtvengungen zur Hebung der Bolfsbildung. 
Noch im jugendlihen Alter war er Mitbegründer 
eines populär-literarifchen Inſtituts, das jett iiber 
2000 Mitglieder zählt, und ſchuf in Verbindung 
mit diefem eine Bibliothek, welche allmählich zu mebr 
als 12,000 Bänden angewachlen if. Nicht minder 
war er thätig, feine Baterftadt mit billigen Bade» 
u. Waſchanſtalten, einer großen auf Actien ge- 
gründeten Schule u. anderen populären Inſti— 
inten zu verichen. B., der Secretär des Greemmwich- 
Zweiges der Gefellichaft für Nationalerziehung u. 
Diitgied des in London feßhaften General-Eoncils 
derjelben ift, fungirte während des Dentich- Franz. 
Krieges als Secretär beim Flücdhtlings-Unterftüg- 
ungsiond B., der augenblidfih zu einem der 
voltsthümlichften Lieder- u. Balladendichter Eng- 
lands zählt, verfuchte ſich ſchon frühzeitig mit 
vielem Erfolge auf dem Felde der Dichtfunit. 
Seine 2 erften Bände Gedichte, auf Privatloften 
gebrudt, erſchienen 1843—45; alsdann entfaltete 
er eine reiche poetiſche Thätigfeit für eine Menge 
populärer Journale u. gab die für dieſe geſchrie- 
benen Lieder von Zeit zu Zeit in Sammelmwerlen 


kurze Zeit als Lehrer gewirkt hatte, lam er nach heraus, wie z. B.: Poems, Lond. 1850, 2. Aufl., 


Portland u. dann nah Boſton in den Berem.|1862; War Songs, 1855; 


Queen eanor's 


Staaten, wo er als Gorrector u. Mitarbeiter an|Vengeance, 1857; Songs by a Song-writer, 


Ben Nevis — Bennigjen. 


1858; Baby May, and other poems of infants, 
1859; The worn Wedding Ring, 1860; Our glory 

and other national poems, 1867, u. Songs 
for Sailors, 1872, 2. Aufl., 1873. In Allem, 
was B. jchreibt, thut fi große Herzlichleit fund; 
feine Beobadhtungen find friih u. durchdringen, 
und feinen Beſchreibungen mangelt es jelten an 
Geift u. Wirklichteit; zugleich befigt er eine nicht zu 
veradtende Gewandtheit in der Handhabung des 
Versmaßes u. der Sprache; vornehmlich gelingen 
ihm Schilderungen häuslicher Gemüthlichkeit, wie 
denn 3. B. jein Gedicht: My own easy Chair, ein 
berrlihes Gemälde. fiillen Familienglückes bietet. 
Der Berfuch aber, den er machte, durch eine Reihe 
von Balladen hiftoriihe Kenntniß zu verbreiten 
u. das Studium der Geichichte zu fördern, muß 
als gänzlich gejcheitert angeichen werben; fo viel 


177 


Beffarabien, zog fi} aber 1818 nah Hannover 
zurüd u. ft. auf feinem Gute Banteln 3, Oct. 
1826. Er ſchr.: Gedanfen über einige Kenmtmifie, 
die einem Offizier der Cavalerie vorzüglich nöthig 
find, Riga 1794, Wilna 1805. 2) Wer kuin, 
Graf v. B., hanuov. Staatsmann, Sohn des Bor,, 
geb. 21. Juli 1809 zu Zakret bei Wilna; ftudirte 
jeit 1826 in Göttingen die Nechtswiffenichaften u. 
wurde, nachdem er mehrere Stellen in der han— 
noveriichen Juſtizverwaltung begleitet hatte, 1835 
im Deinifterium des Innern angeitellt, nahm jedoch 
1840 feine Entlaffung; 1841 ward er vom den 
Fürſtenthümern Nalenberg, Göttingen u. Gruben: 
bagen zum Echagrathe gewäblt, trat vermöge dieſer 
Stellung in die hannov. Erfte Kammer u. ward 
Mitglied des Schatzcollegiums. m März 1848 
erhielt er nach dem Sturze des Cabinetsminiſters 


Anregendes auch feine Proposals for and Contri-|v. Falde vom König den Auftrag, ein neues 


butions to a Ballad History of England, Lon- Cabinet zu bilden, in dem er den 


orfig u. das 


don 1868, enthalten Rh, fo find fie doch) Fortefenille des Auswärtigen u. des Königl. Haufes 
I 


durbaus fein Boltsbuch. Neben feinen Dichtungen 
bat B. auch politiihe Schriften veröffentlicht, wie 
;.®.: Verdiets, 1852; Roan’s School, a chapter 
in the educational history in England, 1859, u. 
The Politics of the People, 1861, 2 Bde. 
Der Beröffentlihung nahe ſuid feine Recollections 
of the Cate Miss Mitford, with selections from 
her correspondence. Die Meine nordamerif. Uni- 
verfität Tuscalooja (Alabama) machte B. 1869 zu 
ihrem Ehrendoctor. 2) 3) Bartling. 
. Ben Nevis, Bergipige des Grampiangebirges 
in Schottland, Grafſchaft Inverneß, 1343 m body. 
Bennigjen, 1) Levin Auguft Theophil, 
Graf v. B., ruſſ. General, geb. 10. Febr. 1745 
zu Braunjchweig; nahm 1759 hannoveriſche 
Tienfte, machte den Tjähr. Krieg zum Theil als 
Sffigier mit, nahm nah Beendigung deſſelben 
ſemen Abſchied, ging auf fein Gut Banteln im 
pannoverifchen, wirthichaftete aber jo ungliidlich, 
daß er um fein Vermögen fam, 1773 trat er in 
ruffiiche Dienfte, zeichnete ſich als Major in dem 
Zürfentriege, dann gegen Pugatihew u. 1788 bei 
dem Sturme auf Oczalow, jowie 1793— 94 in 
Solen aus, wo er Generalmajor wurde; nahm an 
tom Perſiſchen Kriege 1796 theil und avancirte 
1798 zum Generaltientenant; 1801 betheiligte er 
fd an der Verſchwörung gegen Kaifer Paul, u. 
AleyanderI. ernannte ihn zum Generalgouverneur 
in Lithauen u. 1802 zum General der Cavalerie; 
1806 commanbdirte er anfangs das erfte Corps 
unter Kamenskoi und gewann die Schladht von 
vultust; als Kamensloi den Oberbefebl nieder» 
gelegt hatte, befebligte er 1807 in den Schlachten 
bei Eylau u. Friedland, Nach dem Tilfiter Frieden 
auf jeinen Gütern lebend, ward er erft 1812 
wieder activ, machte die Schlacht bei Borodino 
mit u. ſchlug Murat bei Tarutino; 1813 erhielt 
er den Oberbefehl über die Reſerve (die polnische 
Armee), mit der er nach Dentichland ging u, an 
der Leipziger Schlacht theilnahm, wo er am 
18, Oct. bei Bmweinaundorf focht und auf dem 
Schlachtfelde zum Grafen ernannt wurde; nad) dem 
Einzuge in Leipzig fündigte er dem König von 
Sachſen deffen Gefangenihaft an u. ging dann 
zur Belagerung von Hamburg. 1816 wurde er 


übernahm, Das fog. Dreitönigsbündnig zwifchen 
Preußen, Hannover u. Zahlen vom 26. Mai 
1849, der Rücktritt Hannovers von diefem Bünd- 
niß (21, Febr. 1850), die Unterhandlungen in 
München über die Errichtung eines Großdeutichen 
Bundes zwiihen Bayern, Württemberg, Sachſen 
u. Hannover, fein perjönliches Erfcheinen in Wien, 
um bei den Wirren im Deutichen Bunde eine 
Berftändigung zwiichen den deutſchen Großmächten 
berbeizuführen, nahmen feine ftaatsmänniiche und 
diplomatische Thätigleit mehrfach in Anipruch, bis 
er Ende Oct. 1850 feine mehrmals nachgefuchte 
Entlaffung erhielt, 1851 —55 war er Präſident 
der Erften Kammer, ſah ſich aber wegen feines 
entichiedenen Auftretens gegen die Regierung und 
die Krone durch Verordnung vom 14. Yan. 1857 
von der Kammer ausgeichlofien, deren Bräfivent 
er jedoch 1863 mad Borries Wüdtritt wieder 
wurde, u, auch im folgenden Jahre wiederholte 
fi diefe Wahl. 8) Rudolf v. B., deuticher 
Staatsmann, Sohn des 1869 in Hildesheim ge« 
ftorbenen Generalmajors v. ®., geb. 10. Juli 
1824 in Yiineburg; ftudirte 1842 —45 in Göt— 
tingen u. Heidelberg die Nechte, wurde 1846 Auditor 
im Amte Lüchow u. bald darauf bei der Juſtiz— 
fanzlei in Osnabrüd, 1850 Aſſeſſor bei der Juſtiz⸗ 
fanzlei in Aurich u. 1852 in Osnabrüd; nachdem 
er dann einige Zeit Viceftaatsanwalt in Hannover 
gewejen war, fam er 1852 als Mitglied des Ober« 
gerichtes nad Göttingen, Da er 1855 von der 
Stadt Aurih als Abgeordneter in die hannover, 
Zweite Kammer gewählt u. ihm die Erlaubniß 
zum Eintritt vom Juſtizminiſter verweigert worden 
war, jo verließ er den Staatsdienft u. widmete 
fih bis 1858 der Landwirthſchaft in Haftenbed, 
worauf er die Bewirtbichaftung Des Familiengutes 
B. übernahm. In die Kanımer feit 1857 von 
Göttingen gewählt, gehörte er zu der Oppofition; 
1859 wurde er Mitbegründer des Deutihen Nas 
tionalvereins und zum Präfidenten des geichäfts- 
feitenden Ausſchuſſes defelben gewählt. Auch den 
firhlihen Angelegenheiten widmete er feine Ihä- 
tigleit und betheiligte fi) 1863 bei der Ber- 
jammlung in Celle, welche eine Presbyterial- u. 
Synodalordnung anftrebte. In der Kammer 


Oberbeſehlshaber über die ruffiihe Armee in|führte er 1863— 66 die Mehrheit gegen die Po— 


Plerers Univerjal-Eonverfations:2erilon. III. Band. 


6. Aufl, 12 


178 


fitil des Miniftertums ins Feld u. verjuchte 1866 
umfonft die Neutralität Hannovers zu bewirken, 
Seit der Vereinigung diefes Staates mit Preußen 
wirkte er an der Spitze der nationalliberalen Partei 
für den Ausbau des Deutſchen Reiches u. wurde 
Vicepräſident, ſowol des Norddeutſchen Reichs— 
tages, als des Preuß. Abgeordnetenhauſes, in 
welchen Verſammlungen er der Provinz Hannover 
möglichſte Autonomie zu retten ſuchte, wie er auch 
zur Verbeſſerung der Landes- u. Gemeindever- 
waltung beitragen balf. Die Provinzialftände 
wählten ihn 1868 zum Yandesdirector der Provinz; 
1870, während des Krieges mit Frankreich, begab 
er fih nah Bayern, um dort mit den Liberalen 
wegen des Anfchluffes an Norbdeutfchland zu ver- 
bandeln, wurde auch im Dec. mit ins Lönigliche 
Hauptquartier nach Verjailles berufen, um an den 
Berathungen mit den Süddeutſchen in derielben 
Abficht theilzunehmen, In den Neichstagfefftonen 
1872 u. 1873 war B. wieder Vicepräfident und 
im Ietten Jahr (November) erfter Präfident im 
Preußischen Abgeorbnetenhaufe. 

Bennington, County im nordamerif. Unions- 
ftaate Bermont, unter 43° n. Br. u. 73° w. 8; 
21,325 Ew.; wenig Bodencultur; Baummollen- 
n. Rollenmanufactur; Marmor, Oder u, Eijenerz; 
Countyfis: Arlington. 

Benuiſch (Beniih), Stadt im Bezirke Freuden- 
thal des öjterr. Kronlandes Schlefien; Bezirlögericht; 
Feinwand- und Baummollenfabrifation; Magnet, 
eifengruben; 3023 Ew. (im Gemeinbebez. 4256). 

Et. Benno, Schutpatron von Bayern u. fpe- 
ciell der Stadt Münden, aus dem gräflichen Ge— 
ichlechte der Woldenburger in Sachſen, geb. 1010 
bei Goslar; trat 1028 in ein Klofter zu Hilbes- 
beim, wurde 1035 Diafon, 1040 Priefter, dann 
Chorherr in Goslar u. 1066 Biſchof von Meißen. 
As ſolcher widmete er fidh bei. der Belehrung der 
heidniſchen Slaven, wurde 1085—87 auf Betrieb 
des Kaifers Heinrih IV. feines Amtes entjeht, 
1088 aber wieder eingejegt; er ft. 16. Juni 1107, 
Er wurde 1523 von Papft Hadrian VI. heilig ge- 
jprodhen, wogegen Luther: Wider den neuen Abgott 
u, alten Zeufel, der zu Meißen foll erhoben wer- 


Dennington — Bensheim. 


gekauft wurde u. fich durch tiefempfundene Ruhe ır. 
Sammlung rühmlichft auszeichnet. In der Ausftell« 
ung von 1855 jab man feine beiden Bilder: Chrift» 
liche Märtyrer betreten die Arena, u.: Ein Prophet 
vom Stamme Juda von einem Löwen getödtet, die 
neben tüchtiger Compofition n. ſchlagender Cha- 
rafteriftit auch eine treffliche harmonische Färbung 
zeigten. Im Salon 1857 hatte B.: Rafael be- 
gegnet der Fornarina zum eriten Mal, Pouifin 
am Ziber-llfer und die beiden Tauben. Nad) 
italienischen Meiftern tüchtig gebildet, zeichnet ſich 
B. dur den wahren und getragenen Ausdruc 
inniger Gemüthsftimmungen aus, die aud in der 
Sruppirung einfach u. maßvell hervortreten. Regnet. 

Benozzo, Maler, ſ. Gozzoli. 

Denrath, Dorf u. königi. Luſtſchloß mit Park- 
anlagen im preuß. Kreife u. Regbez. Düffeldorf, 
unmeit des Rheins, Station der Köln-Mindener 
Bahn; 1820 Em, 

Densberg, Dorf im Kreife Mülheim des preuß. 
Negbez. Köln; Station der Berg-Märf. Bahn; 
Schloß (1710 erbaut, 1840 zu einer Kriegs- u. 
Sadettenjchule eingerichtet); chemiſche zabr.; nahe 
Bleierz- u. Blendegruben nebft Aufbereitungsan- 
falt; al$ Bürgermeifterei 9300 Ew., wovon aber 
noch nicht 2000 in der Gem. B. 

BDenjen, Heinrih Wilhelm, Geſchichtſchrei⸗ 
ber, geb. 12. Eept. 1798 zu Erlangen; ftudirte 
Theologie in feiner Baterftadt, wurde danach Gol- 
laborator an der Franckeſchen Stiftung in Halle 
u. dann Lehrer der Geſchichte u. griech. Sprache 
in Schnepfenthal; 1820 nad) Bayern zurüdgelehrt, 
wurde er Lehrer am Gymnaſium zu Erlangen, 
1822 in Ansbah u. 1823 Gubrector in Noten» 
burg a. T., wo er 1863 ftarb. Er ſchr.: Hiſtoriſche 
Unterfuchung über die ehemalige Reichsſtadt Hoten- 
burg, 1833; Alterthümer der Stadt Rotenburg, 
Ansb. 1841; Gedichte des Bauernkrieges im 
OFranken, 1841; Deutſchland u. die Gedichte, 
1844; Die Proletarier, 1847; Hiftor.»geograpbiicher 
Atlas von Europa, 1849, 1. Heft; Beſchreib. u. Ge- 
dichte von Rotenburg, Erl. 1856; Das Berhäng- 
niß Magdeburgs, 1858; Eingeftampfte Phantafien 
eines alten Politilers; auch Übungsbücer zum 


den, ſchrieb. Ein Theil der (übrigens bezmweifelten)|Überfegen aus dem Deutichen ins Lateiniſche, 
Reliquien Bes fam 1576 nad München, dieanderen | Frankf. 1839 u. 1844. 


nah Dresden. 
sitio supra Ev. dominica. 
Emſer, Xeipzig 1512; 


B. jhr.: De dietamine, expo- 


Denferade, Ziaac de B., franz. Dichter, 


Lebensbeihr. von|geb. 1612 zu Lyons-la-fzorreft; fam nah Paris 
Seyffarth, Ossilegium|u. erfreute fih wegen feiner Concetti (f. d.) eine 


Bennonis, Münd. 1675; Cramer, Apologica|Zeit lang der Gunjt Nicheliens, Mazarins u. des 


Bennonica, ebd. 1778. 


Hofes Ludwigs XIV, AS er aus biefer Gunft 


Benouville, 1) Jean Adille, franz. Land-| gefallen war, ging er nach Gentilly, wo er 1691 


ichaftsmaler, geb. 15. Juli 1815 zu Paris; Schüler] jtarb. 


Auswahl jeiner Gedichte, Paris 1697, 


Picots; erhielt 1845 den römischen Preis, ging dann 2 Bde, u. ö. 


nah Rom u. entwidelte feither eine große Thä— 


DBenshaufen, Marttfleden im Kreiſe Schleu- 


tigleit. Er malt gern Wälder, wie die Partien |fingen des preuß. Negbez. Erfurt; Mineralquelle; 
aus den Wäldern von Compièegne u. don Fon- Eiſenhammer; früherwichtiger Weinhandel; 1700€. 
tainebleau zeigen, u. ftaffirte eines feiner Büder| Bensheim, Kreisfiadt in der großberz. beff. 
mit der Geftalt Homeros’. 2) François Léon, Prov. Starkenburg, an der Bergftraße u. a. der 
franz. Geſchichtsmaler der Gegenwart, Bruder des Lauter, Station der Main-Nedar- Bahn, Zweig» 
Bor., geb.30.März 18213u Paris; gleichfalls Schüler bahn von Hier nad Worms; feit 1852 geftiftete 
Picots; fl. 16. Febr. 1859. Bes erfied Gemälde |protefti. Gemeinde; Gymnafium, kathol. Schul- 
war; Mercurius u. Argos (1839). Bon Florenz lehrerfeminartum, Taubkummenanftalt: viel Wein · 
eins er nah Nom und ftellte 1852 fein großes/u. Tabakbau; Papierfabrikation, Gerberei u. Leder- 

emälde: Der fterbende bi. Franz v. Affiſſi, im)fabrik, Eigarren- m. Mineralwafjerjabr.; beiuchte 
Salon aus, das für die Lurembourg-Galerie an-IMärkte; 5079 Em. 


Benfon — Bentheim. 


Benfon, George, ein presbyt. Prediger, der 
die Bibelparaphrajen des berühmten Philoſophen 
Tobann Lode (ft. 1704) über alle apoſtoliſchen 


Briefe fortſetzte. 


Bentham, 1) Jeremy, engl. Politiker, geb. Graf Bernhard I. 1421 aus, 


15. Febr. 7748 zu London; bezog erſt 13 Jahre 
alt die Univerfität Orford, widmete fih dann der 
Mpocaten-Faufbahn, die er jedoch bald aus Man- 
gel an Neigung wieder verlieh. Er machte 1785 
eine Neife nach onftantinopel und Smiyrna, 
febrte 1788 über Polen u. Deutjchland nach Pondon 
zurüch und widmete fich fortan einzig dem jurifti 
ſchen u. politiichen Wiſſenſchaften; er ft. 6. Juni 


179 


Durd Sophie, Tochter oder Schwefter diefes Otto, 
gelangte die Grafichaft an den Grafen Theoderich VI. 
von Holland. Der zmeite Sohn Beider, Otto, 
folgte in B., u. deffen männliche Linie ftarb mit 
Der Entel feiner 
Scwefter Hedwig, der Dynaft Eberwyn von 
Siltersmpf (ft. 1454) fuccedirte; er hatte durch 
Heirarh mit Melte, Erbtochter des Grafen von 
Steinfurt» Steinfurt, nnd in 3. Ehe mit Agnes, 
Gräfin von Solms-Ottenftein, deren Güter er- 
beirathet; fein Urenkel Eberwyn IV. (ft. 1562) 
vereinte die väterlichen Gitter mit denen feiner 
Mutter, der Erbtochter des Grafen von Tedlen- 


1832. Seine Ideen über Rechtsphiloſophie und burg u. Rheda, ſowie deffen Sohn Arno IV. (ft. 


das praftiiche Leben, welche das Nützlichleitsprincip 
(Lilttarismus, ſ. d.) an die Spite der Geſetzgebung 
ftellte u. deren Anhänger man Benthamiften 
nennt, fanden weniger in England, als in Frauk— 
reich u. Amerika Anerkennung, wo die Gejege von 
New Yort, SCarolina u. Lonifiana nach feinen 
brincipien ausgearbeitet wurden. Auch Kaiſer 
Xerander ließ ihm bei der ruf. Gefegcommiffion 
zu Natbe ziehen. In politischer Beziehung hul— 
digte er den Ideen der franz. Nepolution u. ver: 
langte in feiner im Unterhaufe eingebrachten Bill 
(1819) allgemeines Stimmrecht u. jährliche Parla- 
mente. Er jchr., von Dument franz. heransgeg.: 
Traitös de ligislation eivile et penale, Paris 
1802, 3 Bde, deutſch von Beneke, Berl. 1830, 
28te.; Theorie des peines et des recompenses, 
Loud. 1801, 2 Bbe.; Essai sur la tactique des 
assernblees legislatives, Erl. 1817. B. jelbft gab 
beraus: Fragment on Government (gegen Black⸗ 
fone), Lond. 1776; Panopticon, or the Inspection 
House, Zond. 1791, 2 Bde.; Tracts relat. the 
Spanish and Portugueze affairs, ebd, 1821; 
Rationale of judical evidence, ebd.1827, 6Bde.; 
On death punishment, ebd. 1831. Werte, berausg. 
von Bowring, Lond. 1843, 11 Bde. 2) George, 
engl. Botaniker; bejchrieb die Labiaten u. andere 
Manzenfamilien, bereifte 1825 die Pyrenäen, 
Sgranfreid u. verſchiedene überfeeische Länder; er 
\ör.: Catal. des plantes imlig. des Pyröndes et 
de Bas-Languedoc, Paris 1826; Labiatarum 
genera et species, Lond. 1832 f., 3 Bde. Seine 
Verdienfte um die Geographie u. Botanik der 
sußer-enropäiichen Pilanzen werden bei A. Grife- 
ba (Die Vegetation der Erde, Lpz. 1872) nam- 
daft gemacht. 

Bentheim, 1) ebemalige, jetst mediatifirte Graf- 
ſhaft im Kreiſe Lingen und im der Landdroftei 
Osnabrüd der preuß. Prov. Hannover; 925{ km 
(164 M); 30,500 Ew.; in die beiden Ämter 
8. und Neuenhaus getbeilt; eben, viel Sumpf, 
im Übrigen gut angebaut; Producte: Getreide, 
Zuchtvieh, Bienen, Torf. 2) Gleihn. Stadt 
darin, Station der Almelo-Salzbergener Eijen- 
bahn; Sit der Amtsbehörden; altes, bejeftigtes 
Schloß der Grafen von B. (1761 gefprengt) ; 
2202 Em.; in der Nähe eine wenig benutte 
falte ſaliniſche Schwefelquelle und gute Mühl— 
ſteiubrüche. 

Bentheim, Grafen u. Fürſten v. B. Frilher 
ſell die Grafſchaft B. den Namen Tubant geflihrt 
u. den Namen B. erhalten haben, als ſie 1120 
dutch Heirath an Otto von Pfalz-Rheineck kam. 


1606) durch feine Gemahlin noch Hohen-Limburg, 
Alpen u. Helfenftein an ſein Haus brachte. Bon deſſen 
5 Söhnen, weldye 1609 das väterliche Erbe theilten, 
jtarben 3 finderlos, und das Geſchlecht B. wurde 
in 2 Hauptlinien fortgefegt, welche noch blühen 
u. der reformirten Conieffion folgen. A) Die 
ältere Linie: B.- Tedleuburg-Nbeda; Reſi— 
denz: Gohen- Limburg; ihr Stifter war Adolf (ft. 
1625); fie beſaß Tedlenburg-Rheda u. Hohen ⸗Lim— 
burg. Ein Nachlomme von dorf, Johann Adolf (ft. 
1701),trat 1699 ®/, von Tedienburgu. !/, von Rheda 
anden Grafen von Solms ab. Solms cedirte feine 
Rechte wieder an Preußen, das 1707 die ganze 
Grafſchaft Tecklenburg in Beſitz nahm. B.-Tedlen- 
burg gab auch ſeine Rechte an Rheda zu Gunſten 
des Bisthums Münſter auf, doch ſetzte der Wiener 
Congreß feſt, daß Rheda (22,, [_)km, 11,355 Ew,) 
Standesherrichaft unter der Hoheit Preußens fein n. 
Hohen-Pimburg (18,, [ km, 6480 Ew.) ebenfalls 
unter der Oberhobeit von Preußen fteben follten. 
1816 wurde preußifcherfeits beiden Standes— 
berrichaften das Hecht einer Birilftimme auf dem 
Wefrfätiihen Yandtage u. 1817 dem Grafen Emil 
(geb. 1765, ft. 1837) die preußiiche Fürſtenwürde 
erteilt. Regierender Fürſt ift I) Franz, 2. Schn 
Emils, geb. 11. Oct. 1800; fuccedirte feinem am 
3. Dec. 1872 auf Schloß Rheda Tinderlos ver 
ftorbenen Bruder Kafımir. Er ift preuß. General 
major & la suite u. unvermählt. Sein Bruder 
Prinz Adolf ift 1804 geboren. B) Die jüngere 
Linie: B.- Steinfurt, mit der Refidenz Stein- 
furt; ward von Arnold Jobſt 1622 geftiiter; dieſer 
ft. 1643 u, hinterließ 2 Söhne. Ernſt Wilhelm 
(geb. 1623, ft. 1693) erhielt B. Defien Sohn 
Ernſt verglich ſich 1691 in einem Succeſſionsſtreite 
mit der jüngeren Linie Steinfurt dabin, daß er 
Steinfurt, jene aber B. erhielt. Als jene Linie 
B.-Bentheim, welche Arnold Morig Wilhelm ge» 
ftiftet hatte, mit deffen Enfel 1703 erloſch, nahm 
der Nachlomme von B.-GSteinfurt die eigentliche 
Grafihaft B. in Befig und damit den Namen 
Bentheinw Bentheim an. Graf Friedrich Karl ver- 
pfändete Schulden halber fein Land 1753 auf 
30 Jahre an Hannover, u. 1783 wurde diefer 
Bertrag auf 30 Jahre verlängert. Bor dem Ab— 
laufe des Vertrages nahmen aber die Franzoſen 
Hannover in Bes, u.der Graf v. B. "e durch 
Convention mit Frankreich die hannoveriic ı Bands 
anfpriche durch Averfionalguantum von 800,000 
Fcs. ab. Gleichwol wurde B. 1806 durch die 
Üheinbundsacte dem Großberzogtbum Berg ein— 
verleibt u. 1810 mit Frankreich verbunden. Nach 
12* 


180 


dem Sturze der franzöfifhen Herrfhaft erkannte 
Hannover die Convention mit Frankreich nicht an, 
und Frankreich mußte im Pariſer Frieden die 
800,000 Fes. baar zurüdzablen u. 510,000 Fes. 
in Snferiptionen mit Wentengenuß überneh- 
men, worauf 1822 der Vertrag mit Hannover 
erlofh. Nah der Ordnung des Wiener Con- 
grefles gehörte die Grafihaft B. unter die Herr- 
ſchaft Hannovers, Steinfurt unter die Preußens ; 
fei 11866 find beide preußiſch. Auch dieſe Linie 
wurde mit Graf Ludwig im Januar 1817 in 
den preußiſchen Fürſtenſiand erhoben. 2) Fürft 
Ludwig, älterer Sohn des 1866 verftorbenen 
Fürften Alerius, geboren 1. Auguft 1812; iſt 
preuß. Generalmajor a la suite, erblides Mit- 
glied des Preuß. Herrenhaufes u. jeit 1839 mit 
Bertha, geb. Yandgräfin von Heffen- Philippsthal- 
Barchfeld, vermäblt. Dev Erbprinz Aleris ıft 1845 
geboren. 3) Wilhelm Belgicus (melden 
Namen er nad feinen Pathen, den Generalftaa- 
ten, erhielt), Oheim des Bor., geb. 17. April 
1782; trat 1799 in öfterreichiihe Dienfte als 
Hauptmann, wurde 1805 Major, 1809 Oberft- 
heutenant und auf dem Schladhtfelde von Aipern 
Obriſt; führte bei Wagram, die Fahne in der 
Hand, fein geworfenes Regiment wieder vor, focht 
1813 bei Dresden und Kulın, wurde General 
u. zeichnete ſich mit der von ihm errichteten öfterr.- 
deutjchen Yegion 1814 in Syranfreih aus. Nach 
dem Pariſer Frieden zu mancherlei diplomatischen 
Sendungen, bef. nad Baris u. Yondon, verwendet, 
führte er dort u. in Berlin u. Frankfurt die Sache 
der Mediatifirten, wurde Brigadier in Prag, 1827 
Feldinarichalllieutenant u, Divifionär in Padua u. 
ftillte 1831 die in Bologna ausgebrochenen Un— 
ruhen. Er farb 12, Octbr. 1839 zu BVillafranca. 
4) Georg Ferdinand d., preußiicher General: 
heutenant, geboren 11. Januar 1807; ward 
1825 Yieutenant, machte als Hauptmann 1848 
den Schleswigihen Feldzug mit, ward 1852 Ma- 
jor, 1859 Oberft, 1864 Generalmajor und 1866 
Generallientenant; war 1864 im Feldzuge gegen 
Dänemark, 1866 gegen Öfterreich thätig, führte 
1870 gegen Frankreich die 1. Infanterie-Divifion 
Schlacht von Eourcelles: 14. Aug., von Noiffe- 
ville: 31. Auguft); jpäter, nad der Einnahme 
von Met, führte er interimiftiich das 1. Armee- 
corps, an deſſen Kämpfen gegen die franzöftiche 
NArmee er hervorragenden Antheil hatte. Nach 
dem Friedensichluffe wurde B. zu den Offizieren 
der Armee verjegt u. zum Gouverneur von Met er« 
nannt, trat aber 1873 in den Rubeftand, # Meinarbus. 

Bentind (Geneal.), urſprünglich freiherrliche 
Familie in der Pfalz; kam im Dreißigjährigen 
Kriege nad den Niederlanden, von wo ein B. 
mit dem Prinzen von Oranien, dem nahmaligen 
König Wilhelm III, nah England zog u. dort 
Ahn der Grafen u. Herzöge von Portland wurde 
(. 8. 1). A) Die ältere englijhe Linie 
wurde gegründet von 1) Johann Wilhelm, 
Sohn Hendrit B-8 von Diepenhbam, geb. 1648; 
wurde mit Wilhelm von Oranien erzogen, war 
ſpäter deffen Günftling u. vermittelte deſſen Hei« 
rath mit der Prinzeſſin Marie, Tochter Karls II., 
u, erwirkte, als Wilhelm 1688 als Kronpräten« 
dent in England landen wollte, die Hilfe Bran- 


Pentind, 


denburgs, im Falle er von Frankreich angegriffen 
werden jollte. Als Wilhelm III. den eugliſchen 
Thron beftieg, wurde B. zum erjten Kanımer- 
berrn, Gebeimrath und Baron von Eirencefter, 
Biscount Woodſtock u, Grafen von Portland er- 
nannt. Er wohnte 1690 der Schlacht an ber 
Boyne, dann dem Congreß im Haag bei, beglei- 
tete den König auf allen Feldzügen u. leitete den 
Frieden von Ayswijd (1697) ein. Dur. Keppel 
aus des Königs Gunft verdrängt, wurde er 1698 
außerordentliher Gefandter am franzöftihen Hofe 
und vermittelte bier die Zerjtüdelung der ſpani— 
hen Monardyie nad Karls II. Tode. Hierfür 
ward er vom Unterhaufe des Hocverrathes an- 
gellagt, aber freigefproden. Wilhelm, dejjen Gunft 
er wiedererlangt hatte, ftarb in feinen Armen 
(1702). 8. lebte hierauf in Holland, kehrte 1708 
nah England zurüd und ft. 23. Nov, 1709 auf 
einem Yandgute in Berlſhire. 2) Henry, ältefter 
Sohn des Bor.; erhielt 1716 den Titel als 
Herzog von Portland u. Marquis am Zichfield, 
wurde 1721 Gouverneur von Jamaica, wo er 
4. Juli 1726 ftarb, 8) William, Sohn des 
Bor., geb 1. März 1705; war vermählt mit 
Margarethe Cavendiſh; er farb 1. Mai 1762. 
4) William Henry Cavendiſh-B., ältejter 
Sohn des Vor., geb. 14. April 1738; folgte als 
dritter Herzog von Portland, wurde 1782 Statt» 
halter von Irland, 1792 Kanzler der Univerfität 
Orford u, trat bald darauf der Partei Pitts bei. 
Bon 1794—1801 war er Dlinifter des Auswär- 
tigen und folgte 1807 Lord Grenville als erfter 
Lord des Schatamtes, d.h. Premterminifter, trat 
jedoch bald zurüd u. fl. 30. Oct. 1809. 5) Will. 
Henry Cavendifh-Scott, ältefter Sohn des 
Vor., vierter Herzog von Portland, geb. 24. Juni 
1768; war unter Georg IV. kurze 44 Präſident 
des Geheimen Rathes; er fl. 27. März 1854. 6) 
William Charles Lavendijh-B., Bruder des 
Vor., geb. 14. Sept. 1774; war 1808—7 Gou- 
verneur von Madras, um deſſen Regierung er 
fh Durch Neform der Steuergejetgebung weit- 
tragende Berdienfte erwarb, Nah feiner Rüd. 
fehr war er zuerft in Spanien, dann als Geſand— 
ter in Sicilien thätig, wo er nah Weggang der 
Königin Caroline 1811 dur Reformen in der 
Verwaltung u. Einführung einer Conftitution die 
elenden Berbältniffe der Inſel jelbftändig ver- 
beiferte. 1813 landete er in Gatalonien, mußte 
jedoch nad) der Schlacht von Villa-Franca die Be- 
lagerung von Barcelona aufheben u. ſich wieder 
einjchiffen; 1814 landete er in Livorno, von wo er 
ſich nad Genua wandte, um dort, wiewol verge- 
bens, gegen die Einverleibung Genuas in die 
Sardiniſchen Staaten zu proteftiren; 1815 lebte 
er in Florenz, war eine Zeit lang Gefandter im 
Rom, fehrte aber fpäter nah England zurück u. 
wurde Parlamentsmitglied im Unterhaufe. Seit 
1828 Generalgouverneur in Indien, bezeichnete 
er feine Verwaltung durch eine Reihe der ein« 
greifenditen Neformen: Berbot der Wittwenver- 
brennung, Bereinfahung der Procefformen, Zu» 
lafjung von Eingeborenen zu Staatsämtern, Ber- 
befjerung der Schulen. 1835 wurde er zurück- 
berufen, ging nah Paris und ft. hier 17, Juri 
1839. 7) Georg Friedrich Eavendifh-B., 


Bentind, 


Sohn des Bor., geb. 27. Febr. 1802; diente erſt 


in der Armee, die er ald Major verließ, worauf 
er Brivatjecretär bei feinem Obeim Canning wurde, 
Seit 1826 war er Mitglied des Parlaments, wo 
er ſich zu Peels Politik belannte, bis diejer das 
Schutzzollſyſtem aufgab; von 1846 an war er 
das Haupt der Protectioniften im Parlament. Er 
fi. 21. Sept. 1848. Ihm murde 1851 in Ga- 
vendifb Square ein Denkmal errichtet. Lebens» 
beihreibung von Benj. D’Fsraeli, Lond. 1851. 
B) Die jüngere niederländifche oder deutiche 
tinie ftammt von Graf Wilhelm (f. u. 5), der, 
Reihsgraf geworden, 1733 mit Charlotte So- 
pbie, Erbtochter des letzten Grafen von Alden- 
burg, Antons II. (f. B⸗ſcher Erbfolgeftreit), die 
reihsummittelbare Herrichaft Knipbaufen, die un- 
ter dänischer Hobeit ftehende Herrichaft Varel (f. d.) 
u, beträchtliche Güter im Oldenburgiſchen erbei- 
rathete. Charlotte Sophie übertrug 1754 ihren 
2 Söhnen u. Namens derfelben deren Vater ihre 
dentihen Befigungen, weigerte fih aber fpäter, 
da fie mit ihrem Gemahl in Unfrieden lebte, die- 
en Bertrag zu vollziehen, u. Dänemarf erhielt 
daher 1757 von dem Neichshofrath Auftrag, den 
Gemahl Eharl. Sophiens in den BBefik dieſer 
Güter zu jeßen, worauf bis 1759 der Bater als 
Bormund, von da an aber der mündig gewor- 
dene ältere Sohn, Ehriftian Friedrich Anton, die- 
jelben verwaltete, Diefe Güter waren fpäter Ge— 
genftand eines Rechtsſtreites zwiichen den beiden 
Brüdern u. ihren Nachkommen, der erft zu Ende 
des vorigen Jahrhunderts zu Gunften der älteren 
mweitfäliichen Yinie entichieden wurde. a) Diele 
ältere weſtfäliſche Yinie, durch Chriſtian 
gi Anton (f. unten 10), älteften Sohn von 

. 8) u. 9), geftiftet, befaß Kniphauſen u. Barel 
als Fideicommiß, und der Stifter hinterließ bei 
feinem Zode 1768 von feinen 3 Söhnen dem 
älteiten, Wilhelm Guſtav Friedrich (f. unten 11), 
daſſelbe; derſelbe übergab die Familiengülter ſei— 
nen Söhnen. Als er aber 1835 zu London ftarb, 
trat b) die jlingere Linie, geftiftet von Wilh. 
Guft. Friedrichs Bruder, Jobann Karl (f. un— 
ten 15), proteftirend gegen dieſe Befitanipriiche 
u. Erbfolgeprätenfionen auf, und befonders war 
von defien Söhnen (f. unten 16)—18) der mitt: 
lere der Eifrigfle, um bie Anfprüche jeiner Agna— 
ten rechtlih zu beftreiten. Uber dieſen ganzen 
Streit f. B⸗ſcher Erbfolgeftreit. Der zweite Sohn 
von Charlotte Sophie, Erbgräfin von Aldenburg, 
vermähiter Gräfin B., Joh. Albert, geb. 1737, 
war zeitig nach England in Seedienfte gegangen 
u. hatte dort c) die jüngere (jüngere eng- 
liſche) Linie — er ft. 23. Sept. 1776. 
Bon feinen 2 Söhnen fl. Wilhelm, Graf B., 
als britifcher Admiral 1813, der zweite, Johann, 
wurde 1771 geboren. Auch fie hatte an jener 
Proteftation der Giltigleit der Erbfolge theil. 
8) Wilhelm, Graf ®., Herr zu Rhoon u. Pend- 
recht, jüngerer Sohn von B. 1), geb. 1704; war 
Präfident des Hathes der Staaten von Holland 
u. Wriesiand, warb 1732 von Karl VI. zum 
Neihsgrafen erhoben und erheirathete 1733 mit 
Charlotte Sophie von Aldenburg, Tochter des 
Grafen Anton II., die Herrichaft Kniphauſen u. 
Barel; er ft. 1773 u. ift Stammberr der nieder- 


181 


ländiſchen Linie B. 9) Charlotte Sophie, 
Erbtochter des Grafen Anton II. von Aldenburg, 
geb. 1715, mit Borigem 1733 vermäblt; gerieth mit 
ihm über die dentichen Güter in Streit, der bald 
nad der Geburt des zweiten Sohnes die Trenn« 
ung beider Gatten zur Folge batte; fie lebte nun 
zu Kopenhagen, Wien u. Berlin, von Friedrich IT. 
und Maria Therefia hoch geachtet; ihre koftbare 
Bibliotbef u. Münzfamınlung, von welder fie 
einen Katalog druden ließ, fam an den Herrn 
v. Donop zu Meiningen; fie ft. 1800 zu Ham- 
burg. 10). Graf Epriftian Friedr. Anton, 
ältefter Sohn von B. 9) u. der Bor., ‚geb. 1734; 
regierte jeit 1759 u. ft. 1768; er war vermäblt 
mit Marie Katharine Baronefje v. Tuyll (ft. 1793). 
11) Wilh. Guſtav Friedrich, Sohn des Bor., 
geb. 1762 im Haag; erhielt ſchon als Gjähriger 
Knabe die Fideicommißgüter feines Haufes, ftand 
bis 1787 unter Bormundichaft feiner Mutter, lebte 
als Befiger der Herrichaft Rhoou u. Pendrecht 
(deshalb auch Graf B.-Rhoon) in Holland, trat 
1787 zu Rotterdam u. im Haag als Parteihbaupt 
für Oranien auf, wirkte feit 1792 für Bewaff- 
nung der Niederlande, wurde aber 1795 in ber 
Gitadelle von Woerden eingeiperrt. 1798 freige- 
laffen, ging er nad Deutichland, wo feine Ge— 
mahlin Ottoline, geb. v. Reede, die Regierung 
in Kniphauſen u. Barel geführt hatte, nahm als 
englischer Oberft an der Erpedition des Herzogs 
von York 1799 tbeil u. wirkte zu Gunften bes 
Erbjtatthalterse. Später ging er nah Rußland, 
um Entihädigung wegen der Herrichaft Jever zu 
fuchen, fonnte aber nichts als ein Jahrgebalt von 
5000 Rubel erhalten. 1807 wurden feine Befit- 
ungen mediatifirt u. famen erft an Holland, dann 
1810 an Frankreich. Als er Anfangs 1813 beim 
Herannaben der Ruſſen einige Mafregeln als Yan- 
desherr traf (j. u. B-fcher Erbfolgeftreit), wurde 
er von dem franzöfiichen Präfecten verhaftet, nad) 
Wejel gebracht u. dort zur Verbannung u. Con— 
fiscation jeiner Güter verurtheilt, 1814 aber durch 
die Alliirten befreit. Seine Güter fand er jedoch 
jequeftrirt in oldenburgifchen Händen vor, und 
Oldenburg behauptete dieſe auch, bis 1825 der 
Vergleich von Berlin zu Stande kam u. er 1826 
die Yandeshoheit wieder erhielt. Er batte von 
feiner erſten Gemahlin, Ottoline, welche 1799 
jtarb, 2 Töchter und 1 Sohn, der 1813 ftarb. 
Danach lebte der Graf mit einer Bauerstochter, 
der Kammerjungfer Sara Margarethe Gerdes, 
in Gewiffensebe, ließ dieſelbe aber 1816 durch 
Trauung legitimiren. 1827 trat er dem älteften 
Sohne aus diefer Ehe das beutiche Fideicommiß 
ab, begab fi nach London u. ftarb dort als bri« 
tiicher Generalmajor 1835. Die Gräfin Sara ftarb 
11. Febr. 1856 auf Schloß Barel. Seine 3 Söhne 
waren: 12) Graf Wilhelm Friedrich, geb. 
1801; erhielt 1827 von feinem Bater die Mit- 
regentichaft über die B-fchen Güter, verzichtete 
aber 1833 anf die Succeffion u. ging nad Miſ— 
fouri in NAmerifa, wo er 22. Okt. 1867 ftarb. 
13) Guftav Adolf, Bruder des Bor., geb. 1809; 
erhielt nach der Überfiedelung feines Bruders nad 
Amerifa die Mitregentfhaft u. den Befit der 
Güter; er Taufte fi fpäter in Nieder - Dfterreich 
an. 14) Friedrih Anton, Bruder bes Vor., 


182 


geb. 1812, 
8. 11), geb. 1763, großbritannifcher General- 
major; ft. 1. Dec. 1833; er war vermählt mit 
Jacobea, Todyter des Grafen Athlone in Irland 
u. Reichsgrafen v. Reede de Gindel, von welcher 
er 3 Söhne hatte: 16) Wilh. Friedrid Chrift., 
geb. 5. Nov. 1787, vermählt 1841 mit Pauline 
Albertine v. Münnich, geft. im Haag 8. Juni 1855. 
17) Karl Auton Ferdinand, geb. 4. März 
1792, Lönigl. großbritann. Generalmajor; machte 
den Krimfeldzug mit; er ft. zu Bergheim in Wal» 
dei 28. Oct. 1864. Sein Nachfolger Heinrich ift 
geb. 30. Oct. 1846, Offizier der fönigl. britiichen 
Yeibgarde. 18) Graf Heinrih Joh. Wilh,, 
geb. 8. Sept. 1796, künigl. großbritannifcher Ge- 
neralmajor. ©. Bricher Erbfolgeftreit. 
Bentindjcher Erbfolgeitreit. Anton Gün— 
tiber, Graf zu Aldenburg u. Deimenborft, Herr zu 
Fever u. Kniphaufen, hatte von Eliſabeth v. Un— 
gnad einen natürlichen Sohn, Auton, geb. 1688, 
u. da er feine ehelichen Nachkommen hatte, jo er: 
wirkte er vom Kaifer durch Urkunde vom 16. März 
1646 die Erhebung dieſes unter Beilegung des 
väterlihen Familiennamens von Aldenburg und 
Wappens in den Adel- u. am 28. Febr. 1651 
in den Neichsfreiherrnftand, als Freiherr von Al- 
denburg, Edler Herr von Barel; den 15. Juli 
1653 erhielt Anton auch noch die Reichsgrafen— 
würde, u. zwar jo, daß dem neu begründeten Gra- 
jengefchledhte die perjönliche u. dingliche Qualifi— 
cation zur Meichsftandichaft ertheilt wurde; daß 
alle jeine ehelichen Leibeserben u. deren Erbes— 
erben, jo in rechter Ehe vou ihm erzeugt fein 
möchten, in Stand, Ehren u. Würden der Heichs- 
grafen eintreten, u. daß er die Befugniß haben 
tollte, mit einem der 8 Grafencollegien zu votiren. 
Die Herrihaft, welche Anton erwerben würde, 
wurde im voraus zur unmittelbaren freigehörigen 
Grafſchaft erhoben. Zugleich follte bei der Suc— 
teffion das Jus primogeniturae ftattfinden. Dem— 
jenigen Nachlommen aber, welcher keine ehelichen 
männlichen Nachlommen binterlaffen würde, wurde 
freigegeben, felbjt wenn mehrere Töchter vorhan— 
den wären, einen vom dem eigenen Gejchlechte, 
oder einen Anderen zu adoptiren u. ihm den Na— 
men der Familie zuzumenden, Nachdem Anton 
Günther je die Erhebung Antons bewirkt, fuchte 
er ihn auch mit unmittelbaren Gütern u. Herr- 
haften ftandesgemäß auszuftatten. Durch den 
Rendsburger Erbvergleih vom 10. April 1649 
hatte er von dem König von Dänemark u. Her- 
309g von rn in Bezug auf das Amt Barel 
die Berechtigung erworben, darüber wie über 
volles Eigenthum zu verfügen; durch Urkunde vom 
8. Sept. 1654 verzichteten Dänemark u. Holftein 


15) Johann Karl, Bruder von, 


Bentinckſcher Erbfolgeftreit. 


von Barel u. Kniphauſen. Allein ſchon dieſemn 
wurden die Rechte an der Erbichaft deshalb be- 
ftritten, weil Holftein-Plön, die zweite holjteiniiche 
Linie, zu dem Bertrage, welchen fein Bater mit 
Dänemarf u. Holſtein-Gottorp geichloffen hatte 
(j. oben), nicht zugezogen worden war u. nicht bei» 
geftimmt hatte. Die Streitigkeiten dauerten fort, 
als Anton 27. Oct. 1680 ftarb. Zwiſchen den Vor⸗ 
mindern des ihm folgenden unmündigen Anton IL 
u. dem König Chriftian V., anf welchen inzwi— 
ichen die von Holtein-Plön prätendirten Anſprüche 
übergegangen waren, lam es aber zu einem Ber» 
gleich (Aldenburgifcher Tractat), welchen Anton IL. 
auch nach erlangter Großjährigkeit 1706 betätigte. 
Nach diefem Tractat mußte er auf die Reichs— 
unmittelbarteit des Anıtes Barel verzichten u. na— 
mentlich die Superiorität des Grafen von Olden- 
burg anerfennen. Dagegen wurde ibm die Herr— 
ſchaft Kniphauſen in der männlichen Weife, wie fie 
jein Vater Anton I. befeffen hatte, mir allen Rech— 
ten u. Pertinenzien zugefihert. Mit Anton IL, 
jtarb 1738 das männliche Gejchledht der Graien 
von Aldenburg wieder aus, der Graf hinterließ 
nur eine Tochter, Charlotte Sophie, welche feit 
1733 mit dem Grafen Wilhelm dv. Bentind (f.d. 8) 
vermählt war. Nach den Familienftatuten u. dem 
Zeftament ihres Vaters juccedirte Charlotte So— 
phie in Land u. Leuten, Herricaften u. Unter 
thanen u. hatte die Nachfolge nah dem Primo» 
geniturrechte auf die aus jener Ehe ftammenden 
Nachlommen zu übertragen. 1754 trat fie auch 
die Herrfchaften Barel u. Kniphauſen, neben allen 
ihren anderen in Deutjchland gelegenen Befigun- 
gen, an ihre beiden Söhne Ehriftian Friedrich 
Anton (. Bentind 10) u. Johann Albert (geb. 
1737, geit. 1775), Reichsgrafen von Bentind, 
ab, jo jedoch, daß ihr Vater bis zu ihrer Boll 
jährigleit die Befigungen regieren u. verwalten 
jollte., Graf Ehriftian Friedrich Anton wurde 
1759 majorenn u. trat am 15. Aug. die Regier- 
ung an. Bei feinem Tode (1768) hinterließ er 
5 Kinder, von denen jedoch 3 ohne Defcendenten 
verfiarben; die beiden anderen waren: Wilhelm 
Guſtav Friedrih u. Johann Karl (j. Bentind 11) 
und 15). Bon diefen fuccedirte der Ältere, an— 
fangs unter Bormundichaft, 24. Juli 1787 über- 
nahın er die Negierung ſelbſt. Bon feiner erften 
Gemahlin, Dttoline, geb. v. Reede, hatte er 2 
Töchter u. 1 Sohn, Wilhelm Anton (geb. den 8. 
Oct. 1798, ft. 1813); nach dem Tode jeiner Ge- 
mahlin (ft. 1799) zeugte der Graf noch mit der 
Sara Margaretha Gerdes, weldye feit Mitte 1799 
auf dem Schlofte zu Varel als Hofjungfer lebte, 
3 Söhne: Wilhelm Friedrich (geb. 9. Juli 1801), 
Guſtav Adolf (geb. 21. Nov. 1809) u. Friedrich 


auch auf das Hecht der Territorial- Superiorität. | Anton (geb. 3. Aug. 1812). Infolge eines Zer— 


Ebenfo bewirkte der Graf in Betreff der Herr- 
haft Jever nebft Kniphaufen, deren Lehnsherr 
der König von Spanien als Herzog von Brabant 
war, daß die Legitimation des nunmehrigen Reichs» 
grafen Anton von Aldenburg auch für das Herzog- 
thum Brabant als wirkſam anerfannt u. die Be— 
fugniß, über die brabantiſchen Lehngüter frei zu 
verfügen, zum Beften des Grafen Anton aner- 
famıt würde. Am 18. März 1667 ftarb Anton 


wirfniffes zwifchen dem Grafen Wilhelm Guftav 
Friedrih u. feinem Bruder, Johann Karl, ließ 
fih Erfterer mit der Gerbes am 8. Sept. 1816 
in der Kirche zu Accum trauen und erflärte in 
einem 1818 errichteten Teſtament feine 3 mit 
feiner jegigen Frau Sara, geb. Gerdes, aus einer 
bereits -jeit Auguft des Jahres 1800 mit derjelben 
beftandenen Gewiffensehe bervorgegangenen, num 
aber durd die nachfolgende Ehe überall mit den 


Günther, u. fein Sohn Anton I. nahm nun Befig!Redhten eheliher Kinder verjehenen Söhne zu fei- 


Bentindjcher 


nen Erben, von denen jedoh nur der ältefte, 
Wilhelm Friedrich, nah den Anordnungen des 


Stifter8 der Aldenburgiſchen Fideicommißgüter, 


als Erfigeborener zu juccediren habe. 
Unterdeffen batten ſich jedoch in dem Beſitze 


Erbfolgeſtreit. 188 
‚fein Bruder 1. September 1827 eine öffentliche 
Bekanntmachung erließ, daß er den Befit der 
reichsgräflih Aldenburgs Bentindihen Familien- 
(fidercommißherrichaften u. Güter auf feinen älte— 
jten Sohn, den Erbreichsgrafen Wilhelm Friedrich 


biefer Güter jelbft weientliche Veränderungen zu- von Bentind, übertragen babe. Johann Karl er- 


getragen. Durch den jjrieden von Campo For— 
mio a7. Dct. 1797) war der frühere Yehunerus, 
welcher Kniphauſen mit Brabant verbunden hatte, 
aufgeboben, u. durch die Auflöfung des Deutichen 
Reihes erlangte die Herricaft die volle Souve— 
ränetät. Nachdem König Ludwig von Holland 
Oldenburg u. die oldenburgischen Befigungen mi» 
litätiſch bejett hatte, übergab Napoleon 1807 fei- 
nem Bruder die Souveränetätsrechte über Knip- 
haufen u. Barel jo, daß der Graf Bentind in 
das Berbältnig eines Mediatifirten treten follte; 
1810 wurde Barel u. Kniphaufen mit Holland u. 
Oldenburg dem franzöfiichen Kaiferreiche gänzlich 
einverleibt. Um feine Befitungen nicht ganz zu 
verlaffen, übernahm Graf Wilhelm Guſtav das 
Amt eines Maires von Varel; da er beim An— 
rüden der Alliirten fi für jelbftftändig erflärte, 
murde er zur Confiscation feiner Güter verurtheili 
u. bis 1814 in franzöfiicher Gefangenfchaft gebal- 
ten. Mittlerweile war Oldenburg von ruffijchen 
Truppen bejett worden, denen gegenüber der 
Graf vergeblich wieder Befis von Barel u. Knip- 
—— zu nehmen verſuchte. Ebenſo erfolglos 
lieben die Schritte beim Wiener Congreß. Erſt 
infolge des Congreſſes von Aachen im J. 1818 
lam es zwiſchen dem Herzog von Oldenburg u. 
dem Grafen v. Bentind unter dem 8. Juni 1825 
zu Dem ſog. Berliner Abtommen, deffen Garantie 
der Deutſche Bund übernahm. Der Graf erlangte 
daburch zwar nicht eine volle Souveränetät der 

rrichaft Kniphanfen, aber doch den Genuß der 
andeshobeit u. der perjönlichen Rechte wieder, 
welche ihn vor Auflöfung des Deutichen Reiches 
zugeftanden hatten. Dagegen erflärte er ſich zu- 
rieden, daß die Hoheit über Kniphaufen, ihn felbft 
n. feine Familie, als Befiger der Herrſchaft, von 
dem Großherzog von Oldenburg fo ausgeübt werde, 
wie folche ehedem bei Kaifer u. Reich geweſen jei, 
wogegen derjelbe aber auch für fih u. feine Nach— 
folger die Pflichten zu übernehmen habe, melde 
mit der Reichshoheit verbunden waren. Jufolge 
diejes Ablommens wurde der Graf in Kniphaufen 
wiedereingefegt; aber die ihm in Bezug auf die 
Herrſchaft Barel zuftehenden Hoheitsrechte wurden 
ihm erft durch eine großherzoglihe Berorbnung 
vom Januar 1830 reftituirt. 

Noch ehe es jedoch jo mweit fat, entſpaun fich 
der Streit zwifchen dem Grafen Wilhelm Guftav 
riebrih u. feinem Bruder Johann Karl (j. Ben- 
tind 16) von Bentind, als nächſtem Agnaten u., 
wenn von jenen 3 Gerdesichen Kindern abgejehen 
wurde, eritberechtigtem Anmwart auf die mut dem 
Tode Wilhelm Guftav Friedrichs erledigten Güter. 
Dem Grafen Johann Karl war weder von der 
Gewiffensehe, noch von der 1816 in orbnungs- 
mäßiger Weife eingegangenen Ehe (ſ. ob.) Kennt« 
niß gegeben worden. Dennoh war Johann Karl 
immer befliffen geweien, überall jeine u. der Sei- 
nigen agnatifhen Rechte zu fihern. Bu beftimm- 
teren Schritten ſah er. fidh aber veranlaft, als 


bob hiergegen als nächſter Agnat nicht bloß eine 
Froteftatton bei der großherzoglichen Regierung 
zu Oldenburg, fondern übergab aud am 9. Mai 
1828 eine auf Wahrung feiner Rechte abzwedende 
Erklärung bei der Deutihen Bundesverfammlung, 
welche fi) jedoch fiir incompetent erflärte. Zur 
gleich ftellte Johann Karl bei dem Oberappellas 
tionsgerichte zu Oldenburg den Antras, dem Wil 
heim Friedrich Bentind u, deffen Brüdern ſowol 
die vermeintlich zuftehenden u. eingeräumten Suc- 
ceffions- u. Befitgerechtiame, als Titel, Rang u. 
Wilrde der Familie abzuerfennen u. die fragliche 
Befigeseinräumung für rechte u. wirkungslos zu 
erklären. Die Klage ftütste fih bierbei auf den 
Mangel der Succeffionsfähigkeit u. Ebenbürtig« 
feit der mit Sara Gerdes erzeugten Söhne. Da- 
gegen wurde von Seiten der dellagten auszu— 
führen verjucht, wie zumächft die Ebenbürtigfeit 
der Söhne dur ihre Abftammung aus einer 
Sewiffensche vorhanden fei, daß aber meiterhin 
durch die unter der franzöfiichen Herrichaft bewirkte 
Aufhebung der FFideicommigeigenichaft des Alden- 
burgifhen Familtengutes u. durch die Bermichtung 
des Adelsjtandes des Befiters die Nothwendigkeit 
einer ebenbürtigen Ehe weggefallen fei; eventuell 
follte aber die Zucceffionsfahigleit der Kinder aus 
ihrer Eigenſchaft als fog. Brautlinder, als Kinder 
aus einer vermeinten Ehe, oder als Mantelfinder 
deducirt werden. Während diefer Proceß über 
den Befis noch ſchwebte, giug im März 1833 der 
Ältere, zum Mitregenten angenommene Sohn, 
Wilhelm Friedrich, nach Amerifa, indem er jei- 
nem Succeffionsrechte zu Gunſten feines nächft- 
gebovenen Bruders Guſtav Adolf (f. Bentind 13) 
entfagte. Diefer erhielt hierauf vom Bater am 
23. Dat 1834 den Befig u. die Mitregentichaft 
in derſelben Weiſe übertragen, wie 1827 der äl« 
tefte Sohn. Am 1. Dec. 1833 ftarb der Graf 
Johann Karl, der damalige Kläger, u. am 22. 
Oct. 1835 auch fein Bruder, Wilhelm Guftav 
Friedrich. Die Rollen der ftreitenden Parteien 
änderten ſich dadurch in fo weit, daß an Stelle des 
bisher Hagend aufgetretenen Grafen Johann Karl 
feine 3 Söhne (f. Bentind 16)—18) eintraten, 
Durch einen oldenburgischen Cabinetsbeicheid wurde 
zwar den Kindern der Sara Gerdes die ausdriüd« 
liche Anertennung des Adelsſt. es u. gräflichen 
Titeld verweigert, jedoch der einftweilige Gebraud 
des Grafentitels zugeftanden, Die ofdenburgifche 
Regierung ließ fih fogar durch die Anzeige, daß 
der Graf Guſtav Adolf Bentind fih im factiichen 
Beſitze des Fideicommiffes befinde, beftimmen, in 
vorfommenden Fällen bis auf Weiteres mit ihm 
zu commmmiciren, jedoch immer freilich unter dem 
Vorbehalte, daß dadurch den Rechten Dritter nicht 
präjudicirt werde. Dem Grafen Wilhelm Fried» 
rih Chriftian wurde dagegen von der Negierung 
die nachgeſuchte Anerkennung als recdhtmäßiger 
Nachfolger verweigert, auch ein anderes Gefuch 
um Herftellung eines angemeffenen proviforifchen 


184 


Zuftandes zurücdgewiefen, weil die Entſcheidung 
über die Zuläſſigleit u. Rechtmäßigleit des bes 
ftebenden Befites Tediglih dem competenten Ge— 
richte überlafien bleiben follte, Der Graf Wilbelm 
Friedrich Ehriftian ſah ſich dadurch nun veranlaßt, 
am 18. Juni 1836 eine neue Imploration bei 
dem Oberappellationsgerichte zu Oldenburg ein» 
zureiben, wonah er Einräumung des Beſitzes, 
eventuell wenigftens des Mirbefiges, od. Sequeſtra- 
tion der Güter verlangte. 

Die Berhandlungen diefes Brocefjes murden 
durch den vergebliben Verſuch der beiden jünge- 
ren Brüder des Klägers, am 16. Oct. 1836 ſich 
der Burg Kniphauſen mit Gewalt zu bemächtigen, 
u. die daran ſich knüpfenden Einreden verzögert. 
Während die Procefichriften weiter gewechfelt wur» 
den, einigte'man fich vorläufig durch einen pro- 
piforifchen Bergleih vom 28. März 1838, daß 
beide Theile bis zum Endurtheil ohne Berpflicht: 
ung der Wiedererjtattung eine gewiſſe Heute ziehen 
u. der dann noch bleibende Überfhuß der Einnah- 
men gerichtlich deponirt werden folle. Endlich 
wurde 1842 von der Juriftenfacultät zu Jena ein 
erites Erlenntniß gefällt (veröffentlicht durch Pro- 
fejlor Died, Lpz. 1843), nach welchem die fämmt- 
lihen Klaganträge des Klägers als unftatthaft 
verworfen wurden, weil die Familie Bentind 
wegen der ihr bis dahin fehlenden Anerkennung 
des Deutihen Bundes als zum hoben Adel nicht 
gehörig anzufeben fei. 
Ehriftian (der Kläger) u. feine jüngeren Brlider 
wiefen darauf ihren hohen Adel bei dem Deut- 
ſchen Bunde nah u. erwirkten einen Bundesbe— 
ſchluß vom 12. Juni 1845, dur welchen die 
Anerkennung des hoben Adels der Familie Ben- 
tind ausgeſprochen wurde. Hiermit fchien die 
Inebenbürtigteit und Nichtberechtigung des facti- 
chen Befites ermwiefen, u. die jüngeren Brüder 
erlangten infolge deſſen 1847 von dem Deutichen 
Bunde, welcher der Familie den Befit von Knip— 
haufen garantırt hatte, die rg 3 einer 
rechtmäßigen Regierung daſelbſt. Diefem Gejuche 
wurde 1848, nach Wegfall der Bundesverjamm- 
lung, durd die an die Stelle derjelben getretene 
proviſoriſche Gentralgewalt in der Weiſe gemill- 
fahrt, daß die geſammte Gerdesſche Dejcendenz 
als unfähig zur Erbfolge u. Negierung in der 
— — Kniphauſen ertlärt, die oldenburgiſche 

egierung aber erſucht wurde, das Geeignete zur 
Herſtellung der rechtmäßigen Regierung zu veran- 
lafien. Dies blieb jedoch ohne Refultat; ebenfo 
der Ausipruch der Bundescentralommijfion im 
April 1850 und die imjolge von Petitionen des 
Klägers verfuchte Fntervention der preußifchen u. 
öfterreichifchen Regierung. Als daher inzwiſchen 
die Erneuerung des Bundestages erfolgt war, fo 
wendeten fih die Kläger von Neuem an dieſen 
mit der Bitte, das Geeignete zur Herftellung der 
rechtmäßigen Regierung in ber Herrichaft Knip- 
baujen zu veranlaffen. Indeß da die Veredhtig« 
ung ber Beichlüffe der Bundesverfammlung be- 
firitten wurde u. Oldenburg die richterliche Ent- 
fheidung abwarten zu wollen erklärte, kam die 
Sade nicht vom Flede, bis endlich unter Mit- 
wirfung der Höfe von Wien u. Berlin unterm 
13. April u. 30. Juni 1854 mehrere Berträge 


Graf Wilhelm Friedrich |fie 1856 ftarb) gewährt. 


Bentkowjfi. 


zu Stande famen, melde dem meiteren Fortgange 
des Streites ein Biel fetten. Yaut diefen ift das 
ganze Object des Streites mit allen Rechten an 
die oldenburgifche Regierung abgetreten worden, 
fo daß nunmehr fämmtlihe Herrſchaften mit DI- 
denburg als vollitändig vereinigt zu betradhten 
find. Zur Abfindung machte fih zunächſt bie 
oldenburgiihe Regierung den Klägern, dem Gra- 
fen Wilhelm Friedrih Chriftian u. feinen Brü— 
dern, gegenüber verbindlich, dag außer einer Baar- 
zablung von 200,000 Thlr. Gold die Yyideicon- 
mißgualität des bisherigen gräflich Aldenburgiichen 
Fideicommiſſes auf einen mit der Standesherr- 
lichkeit beliehenen Compiler von Liegenjhaften in 
einem deutichen Staate übertragen werde, weldher 
den Werthe von 1,100,000 Thlr. Gold gleich 
fommt,. Bis diefe Liegenichaften erworben wären, 
jollte gedachte Summe als ein unauffündbar auf 
das Großherzogthum Oldenburg radicirter Fidei- 
commißſtamm mit jährlich 34 pCt. verzinft u. zu 
mehrerer Sicherheit auch eine Specialhypothet an 
mehreren bisher zum Fideicommiß gehörigen Bor» 
werten u. Holzungen beftellt werden. Dem Be- 
Nagten, Guftav Adolf v. Bentind, u. defjen jünges 
rem Bruder, Friedrich Anton, dagegen wurde eine 
Summe von 500,000 Thlr. Gold zu freier Ber- 
fügung, der Mutter des Bellagten ein Wittthum 
von jährlih 2000 Thlr. Gold nebſt der lebens«- 
länglihen Benutzung des Schloſſes zu Varel (mo 
Dem älteren Bruder, 
Grafen Wilhelm Friedrich (fl. 1867 in Amerika), 
endlich wurde bis zum Tode eine jährliche Rente 
von 3750 Thlr. Gold u. feinen Kindern nach 
feinem Tode eine Summe von 100,000 Thlr. 
Gold zugefihert. Als Zeitpunkt des Überganges 
des Fideicommiſſes an die großherzoglide Re— 
gierung wurde der 1. Yan. 1854 beftimmt und 
durch ein Patent vom 1. Aug. 1854 die Wieder- 
vereinigung mit Oldenburg fererlih ausgeſprochen. 
Am 8. Juni 1855 ft. der Graf Wilhelm Fried- 
rich Ehriftian im Haag, u, fein Bruder u. Nach« 
folger im Fideicommiß, der Graf Karl Anton 
Ferdinand (f. Bentind 17), welder anfangs einen 
erſuch machte, der Ausführung der Berträge 
Hinderniffe zu bereiten, gab im Auguft defl. J. 
jenen Berſuch auf u. bequemte fich zur Annahme 
des Vergleiches, der hiernach allerjeits angenom- 
men jcheint. 

Bentkowffi, Wiadiflam v., poln. Publicifi 
eb. 1817 in Warjchau; trat bereits 1880 als 
Schüler bei dem Aufitande in Warſchau in die 
dafige Stadbtmiliz u. ftudirte feit 1833 in Königs- 
berg Jurisprudenz u. Gejchichte; 1840 wendete er 
fih nad Poſen u. trat in die preußiſche Artillerie 
ein, verließ jedoch 1848 als Lieutenant den Dienit, 
um fih an der Hebaction der Gazeta Polska zu 
betheiligen, u. madhte dann in der Reihe der 
ungariihen Inſurgenten den Krieg gegen Ofter- 
reih mit. Nach der Kataftrophe von Vilagos, im 
Aug. 1849, trat er zunächſt in die Türkei über 
u, fehrte dann nad ofen zurück, wo er ſich wie⸗ 
der literariſch beſchäftigte u. bis 1856 den Gonice 
Polski redigirte, auh Macaulays Geſchichte Eng- 
lands (1854) ins Polnifche überjegte. Ins preu- 
Biiche Abgeordnetenhaus gewählt, vertrat er bie 
Sache der polnischen Nationalität. Nach dem Aus» 


Bentley — Benton. 


bruche der polnischen Revolution (1863) betheiligte 
er ih an dem Kampfe gegen die Auffen u. war 
unter der Dictatur Langiewiczs Chef des General« 
ftabes; nachdem diejer jeine Holle ausgejpielt hatte, 
trat B. mit auf öfterreichiiches Gebiet über und 
murde eine Zeit lang gefangen gejekt. 

Bentley, Richard, berühmter engl. Krititer, 
geb, 27. Jan. 1662 zu Oulton (Morkihire); ſtu⸗ 
dirte feit 1676 zu Cambridge, wurde 1682 Yehrer 
zu Spalding, 1694 königücher Bibliothelar zu 
St. James, 1700 Majter of Trinity in Cam. 
bridge, 1701 Archidiaconus von Ely u. 1716 Pro» 
feffor der Theologie in Cambridge; hier ftarb er 
14. Juli 1742. B. verband mit umfaffender 
Belefenheit u. Kenntniß des claffiichen Alterthums 
dipinatorischen Scharffinn in Erflärung u. Ber- 
befferung dunkler Stellen u. Partien der antifen 
Kıteratur. Daneben harakterifirte ihn eine unbe« 
zwingliche Reigung zu literariihen Händeln u. zur 
Einmiſchung in verwidelte Berhältniffe, welche ihm 
fein Leben hindurch zahlreiche Titerarifche Fehden 
bereitet bat. Berühmt ift fein Streit mit Boyle 
über die Echtheit der Briefe des Phalaris (j. d.); 
feine dadurch veraulaßte Dissertation upon the 
Epistles of Phalaris, Themistocles, Socrates, 
Buripides and the Fables of Aesop (1699) ift ein 
Nufter der Kritik für alle Zeiten. Unter feinen 
Ausgaben ift die des Horatius (Cambr. 1711, wieder 
abgedr. Lpz. 1826) die berühmtefte, ferner zu er 
mähnen der des Terentius u. Phädrus (Cambr, 
1726, die damals einem heftigen Angriffe Hares 
begegnete). Willtürliche Veränderungen erlaubte er 
kb ın der Ausgabe von Miltons Paradise lost. 
ig philolog. Schriften: Epistol. ad Millium, 
Ur. 1691; Emendationes in Menandri et Phi- 
lemonis reliquias, Utr, 1710 (unter den Namen 
bhileleutherius Lipfienfis); theologiſche: Reden 
gegen den Atheismus, Oxf. 1691; — upon 
a diseourse of freethinking, 1713. Lebensbeſchr. 
von Monf, Yond. 1830; von Mähly, Ypz. 1868. 
Seine Opuseula philologiea, Ypz. 1781; umvoll« 
endete Gejammtausgabe jeiner Werte, Yond. 1836. 

Benton, 1) Conny im nordamerifaniichen 
Untonsftaate Arlanſas, unter 36° n. Br. und 
34° mw. %.; 13,831 Emw.; Countyfig: Bentonville, 
2) County im Staate Indiana, unter 46° n. Br. 
u. 87° w. ©; 5615 Ew.; Countyſitz: Orford. 
3) County im Staate Jowa, unter 42° n. Br. 
u. 92° w. 2.; 22,454 Emw.; Klima u. Boden qut; 
Eountofig: Binton. 4) County im Staate Diin- 
nefota, unter 45° n. Br. u. 94° w. L.; günſtig 
in der Nähe der Hauptftadt des Staates St. Paul 
gelegen; Boden leicht, aber ergiebig; hatte 1865 
erit 505 Emw., 1872: 1757; Gountyfig: Sauf Ra- 
pids. 5) County im Staate Mifjouri, unter 38° 
n. Br. u. 93° w. 2.; Bleiminen; 11,322 Ew.; 
Countyfig; Warſaw. 6) County im nordamerit. 
Unionsftaate Dregon, unter 44° n. Br. u. 123° 
w. 2; 4584 Ew.; Gountyfig: Corvallis. 7) County 
im nordamerifan. Umionsftaate Tenneffee, unter 36° 
n. Br. u. 88° w. 2; 8234 Ew.; Countyſitz: 
Camden. 8) Station der Union-Pacific-Eifenbahn 
m Carbon-County des norbamerilan. Unions- 
territoriums Wyoming, unter 41° 48° n. Br. u. 
106° 66° w. v. 

Denton, Thomas Hart, hervorragender 


185 


nordamerifan. Staatsmann, geb, 14. März 1782 
| auf einer Farm bei Hillsborough im Staate NLaro- 
Ina; ftudirte in Chapel-Hill, widmete ſich der 
Juriftenlaufbahn, in der er bedeutenden Erfolg 
batte; aud war er in der Yegislatur während 
einer Periode thätig u. zeichnete fich durch die 
Vorlegung u. Durchjegung einer Bill aus, die 
den Negerfllaven den ihnen bisher von den Wei- 
Ben verjagten Nechtsichuts des Geſchworenengerichtes 
einräumte. Andrew Jackſon machte ihn beim Aus» 
bruche des Krieges mit England (1812) zu feinem 
Adjutanten; auch brachte B. ein Regiment Frei 
williger zufammen, von welchem er ſeitdem den 
Oberjtentitel führte. Seine Verbindung mit Jad- 
fon ward jedoch bald durch einen heftigen Zwiſt 
unterbroden, der mit einem Duell endigte, in 
welchem Beide fchwer verwundet wurden. Nach 
geichloffenem Frieden fiedelte er nah Miffourt 
über u. ließ ih 1815 in St. Louis nieder und 
gründete dajelbit zu gleicher Zeit die demofratijche 
Zeitſchrift Missouri Inquirer, in der er aufs Kräf- 
tigfte die Aufnahme Miffouris, trog feiner Stlaven- 
inititution, als Staat in die Union unterftügte, 
Hierfür ward er mit einem Site im Senat der 
Union belohnt, den er 30 Jahre innehatte. Im 
diefer Körperichaft ſchwang er fih durch jeine 
Energie, feinen eifernen Willen, feine Ausdauer 
u, jein Selbftvertrauen zu einem der hervorragend 
ten Mitglieder auf. Der Berwaltung des Prä— 
fidenten Adams machte er heftige Oppofition, 
unterftiigte dagegen diejenigen von Fadjon umd 
Ban Buren. Über die Banlfrage in den Ber. 
Staaten hielt er mehrere von tiefer Keuntnig des 
Finanzweſens zeugende Reden zu Gunjten des 
Metallumlaufmittels, was ihm den Beinamen Old 
Bullion zuzog. Bejondere Aufmerkjamleit widmete 
er auch der Hebung des Weſtens u. war der Erite, 
der den Sedanten fahte, die Oft u. Weſtküſte der 
Ber. Staaten dur Berfehrswege zu verbinden. 
Dit Heftigkeit, aber auch mit Erfolg widerjetste 
fih B. der Annahme der Parallele von 54° 40% 
als NGrenze gegen die englifchen Befigungen u. 
vereinbarte mit Großbritannien die Firirung der— 
jelben längs des 49. Breitegrades. Der Merica- 
nische Krieg fand in ihm einen warmen Förderer, 
den Eoinpromigmaßregeln von 1850 aber, welche 
in der Kanjas-Nebrasta-Bill gipfelten, durch welche 
in diefen Staaten die Shlaverei eingeführt werden 
jollte, war er ein unermüdlicher Gegner, doch war 
es ihm unmöglich, die Annahme derjelben zu ver- 
hindern. SHieriiber zerfiel er mit feinem Staate u. 
wurde feit 1850 nicht mebr in den Senat gewählt; 
auch in feinem Berfuche, Gouverneur von Miffourt 
zu werden, fcheiterte er. Dafür aber wurde er 
mit großer Dajorität 1852 in das Nepräfentanten- 
haus gemäblt. Bei der Präfidentenwahl (Nov. 
1856) ſtimmte er für Buchanan, gegen feinen 
Scwiegerjohn Fremont, weil er en den 
Grundſaͤtzen Jachſons geneigt hielt. Als er aber 
im gleichen Jahre nicht wieder gewählt wurde, zog 
er fih aus dem politijchen Leben zurüd, ſich von 
nun an hauptſächlich Iiterariichen Arbeiten widmend. 
Schon vorher hatte er jeine Thirty Years View, 
or a history of the working of the American 
Government . . . from 1820 to 1850, New-Wort 
1857, vollendet u. übernahm hierauf die ſchwie⸗ 


186 


rige Aufgabe, die Verhandlungen des Congreſſes 
von der Gründung der Union (1789) an ın ge 
drängter Faſſung herauszugeben, von welder Ar- 
beit ihn jedoch der Tod, 10. April 1858, abrief. 
Bartling. 

DBentonsille, Poſtdorf im County Johnſon 
des nordamerilanifhen Unionsftaates NEarolina, 
Hier 18.—25. März 1865 blutige Gefechte zwischen 
den Bundestruppen unter General Sherman u. 
den Gonföderirten unter General Fohnfton, fieg- 
reich für Erftere. 

Bentſchen (Benczin, Zbanszyn), Stadt im 
Kreiſe Diejerig des preuß. Negbez. Polen, am 
gleihnam. See, an der Obra u. der Märkiſch— 
Voſener Bahn; Schloß mit Bart; Wollenfpinnerei; 
Hopfenmarlt; 2451 Ew. 

Bensel-Eternau. Diefe feit 1790 gräfliche 
Familie ftammt aus Schweden, wo lieder ber- 
felben im 18. Jahrhundert die höchſten Kirchen- 
würden beffeideten u. Lars Benzel wegen jeiner 
Berdienfte um das Bergweſen von der Königin 
Urife 1719 als Bengelftjierna geabelt wurde. 
Ein Nachkomme defielben, 1) Johann Jakob 
Joſeph Philipp Chriſtoph, ging nad) Deutich- 
land u. ließ fih zu Mainz nieder, wo er Hobenau 
erwarb u. mit den Rheininſeln bei Oppenheim be» 
lehnt wurde; er war auch Reichshofrath, kur— 
mainziicher Geheimrath u. Hoffanzler u. murde 
1746 in den Freiherruſtand erhoben. Während des 
Neichsvicariats erhielt die Familie vom Kurfürften 
Karl Theodor 1790 die Graſenwürde, 1801 in Öfter- 
reich anerfannt u. 1818 in Bayern inmmatriculirt. 
2) Chriftian Ernft, Graf zu B. geb. 9. April 
1767 zu Mainz; wurde 1791 Regiernugsrath in 
Erfurt, 1806 Director der General» Studiencom: 
miffion und Geheimrath bei dem Bolizeidepar- 
tement zu Karlsruhe, 1808 Gtaatsrath u. Mini- 
fteraldirector, 1810 Oberhofgerichtspräfident zu 
Mannheim u. von 1812—13 Staatsminifter des 
Fürſten-Primas zu Frankfurt a. M. Darauf lebte 
er zu Mariahalden am Ziricher-Gee, oder auf 
feinem Gute Emrichshofen bei Aichaffenburg u. trat 
1827 mit feinem Bruder Gottfried (ft. 1832) zu 
Franffurt a. M. von der Katbolifchen zur Evans» 
gelifchen Kirche über; er ft. 18. Aug. 1850 zu Maria» 
halden. Ausgezeichneter humoriſtiſcher Schriftfteller, 
Ihr. er (meift anonym) u. a.: Novellen für Das Herz, 
Hamb. 1795, 2 Bde; die Romane: Das goldene 
Kalb, Gotha 1802 f., 4 Bde. ; Der fteinerne Gaft, 
Gotha 1808, 4 Bde; Der alte Adam, ebd. 1820, 
4 Bde.; Lebensgeifter aus dem Klarfeldichen Ar- 
iv, ebd. 1804, 4 Bde.; Geipräce im Labyrinth, 
1805, 3 Bde.; Proteus, Regensb. 1806; Titania, 
1807; Morpheus, 1807 f., 2 Thle., 2. A. 1811; 
Poygmäenbriefe, Gotha 1808, 2 Bde..; die Schau- 
ipiele: Der Eid (nach Corneille), ebd. 1811; Hof- 


Bentonville — Benzenberg. 


Frankf. 1825. Bermählt war er feit 1805 mit 
Dlarie, geb. Freiin von Sedenborf (ft. 1838). 
3) Graf Albert, Sobn des Bor., geb. 22. Mai 
1806; iſt k. k. Wittmeifter in Penſion; unver⸗ 
mählt. Sein Bruder Erich, geb. 1810, lebt 
in Amerika. Außer dieſen der jüngeren Linie 
B.St. angehörenden Gliedern, welche der evan- 
geliſchen Confeſſion folgt, gibt es noch eine ältere 
Linie des Hauſes, welche katholiſch u, deren gegen» 
wärtiger Chef iſt: Graf Aloys, Sohn des 1868 
verftorbenen bayer. Generallieutenants Grafen Lud⸗ 
wig, geb. 3. April 1822; vermählt jeit 1844 mit 
Karınfa, geb. von Schrottenberg. Sein Sohn 
Ludwig ift geb. 1848. 

Denne, Fluß, ſ. Binue, 

Benvenüti, Pietro, einer der bedeutenderen 
Maler Italiens in der Neuzeit, geb. 1769 zu 
Arezzo; nad) David gebildet; ft. 1844 zu Florenz 
als Profeffor u. Director der Kunftalademie. Er 
bildete fi) befonders nach Andrea del Sarto und 
Rafael, konnte ſich aber erſt jpäter von dem Ein— 
fluffe der antififivenden Schule Davids gänzlich frei 
maden. Er behandelte religiöje, hiſtoriſche und 
mythologiſche Stoffe, vorwiegend in Ol; zum Fresco 
ging er erft über, als er bereits ein fünfziger 
war, ſchuf aber im diejer Technik feine Meifter- 
werfe: die Darftellungen aus dem Alten u. Neuen 
Teftament, in der Kuppel der Mediceischen Be- 
gräbnißfapelle in ©. Lorenzo zu ‚Florenz, u. die 
Mythe des Hercules, im Balazzo Pitti dafelbit; 
Werle in Ol: Die Delphiſche Sibylle u. der Tod 
des bi. Petrus Chryjologos. Regnet. 

Benzaldehnyd (Benzoͤylwaſſerſtoff) C. H.O ſteht 
zu der Benzoeſäure im derſelben Beziehung wie 
der gewöhnliche oder Acetaldehyd zur Eifigjäure 
(vgl. d. Art. Aldehyde). Er bildet den Hauptbe- 
itandtheil des rohen ätherifchen Bittermandelöls 
(j. d.), befittt aber deffen von Blaufäure herrübren- 
den giftigen Eigenichaften nicht. Aus letzterem 
wird der Körper, nachdem man das ätherifche Ol 
zur Abjcheidung der Blaufäure mit Kalfhydrat u. 
Eiſenchlorür geſchüttelt har, durch Deftillation als 
ein anfangs farblofes, jpäter gelblich werdendes DI 
von 1,oes IP. Gew. u. 180° Siedepunft erhalten. 
Aus dem B. entfteht durch Einwirkung von Waj- 
jerftoff im Entftehungszuftande, d. b. beim Be— 
bandein mit Natriumamalgan n. Waffer, der 
Benzplaltohol C,H,O, mobei alfo der B. 
2 Atome Wafferftoff aufnimmt. Diefer Körper 
bildet eine ölige, bei 206° fiedende, in Waffer un- 
lösliche, in Altohol u. Ather lösliche Flüſſigleit, die 
durh Oxydation wieder in B. u. darauf in Ben- 
zöffäure übergeführt wird, Clören. 

BDenzamid, ſ. u. Benzotjäure. 

Benzenberg, Foh. Friedrich, Phyfiter u. 
Fublicift, geb. 5. Mai 1777 zu Schöfler bei Eiber« 


theater von Barataria, Lpz. 1828, 4 Bde; Weißfeld; ftudirte erft Theologie ın Marburg u. dann 
und Schwarz, Zürich 1826; Mein ift die Welt, Phyfit u. Mathematik in Göttingen; nachdem er 
Hanau 1831; Der Geift von Canoſſa, Zr. 1839; | fi darauf in Hamburg u. Baris aufgehalten hatte, 
Die jüngften TFeigenblätter, 1840; Grillenfang wurde er 1805 Profefjor der Phyfit u. Aftrono- 
auf 1840, ebd. 1840, jedoch ohne befondere dra-jmie zu Diüffeldorf, erhielt dort auch 1807 die 
matiſche Erfindungsgabe. Als freimüthiger Poli» Leitung einer Landvermeffung und gründete eine 
tifer zeigte er fidh in feinem Berichte über die baye-| Schule für Feldmeſſer; 1810 wandte er fi) nad) 
riſche Ständeverfammlung von 1827—28, Zür. der Schweiz, lebte feit 1815 auf feinem Gute Bilt 
1828, u. in: Bayerbriefe, Stuttg. 1830—32,|bei Düffelvorf, wo er ſich 1844 eine Sternwarte, 
4 Bde. Er überſetzte auch Youngs Nachtgedaulen, |Charlottenruhe, angelegt hatte; er ft. hier 8. Juni 


Benzi — Benzoefäure, 


1846. Die 
Düſſeldorf. 


187 


Sternwarte vermachte er der Stadt, genehmen Geruch, einen ſüßlich-ſcharfen u. bal— 
Er ſchr. u. a.: Verſuche über das ſamiſchen Geſchmack. Erhitzt ſchmilzt es unter Ent 


Geſetz des Falles ꝛc., Dortm. 1804; Verſuche über, widelung von B-ſäuredämpfen. In Altohol iſt die 
die Umdrehung der Erde, ebd. 1804; Briefe auf B. löslich, in Ather wenig; kochendes Waſſer nimmt 


einer Reife nach Paris, ebd. 1805; Briefe auf 
einer Reife durch die Schweiz, ebd. 1811, 2 Thle.; 
echrbuch der Geometrie, Düfleld. 1810, 2. Aufl., 
1818, 3 Thle.; Befchreibung eines einfachen Reife 
barometers, ebd. 1811; Liber die Sternichnuppen, 
Hamb. 1839; Briefe, gefchrieben in Paris 1816; 
Ueber Berfaffungen, 1816; Wünſche u. Hoffnungen 
eines Rheinländers, 2. A. 1815; Ueber das Katajter, 
Bonn 1818, 2 Bde; Ueber Handel u. Gewerbe, 
Steuern u. Zölle ‚Elberf. 1819; Ueber Brovinzial- 
verfaffung, Hannov. 1819—22, 2 Bde.; Ueber 
Preußens Geldhaushalt zc., Lpz. 1820; Ueber die 
Staatsverwaltung des Fürften von Hardenberg, 
Xp. 1821; Friedrich Wilhelm IIL., 1821, u. v. a. 

Benzi, Hugo (auch Bentius, Hugo de Benciis, 
Hugo von Siena od. Sienenfis genannt), einer der 
größten ital. Arzte u. Philoſophen in der erften 
Hälfte des 15. Jahrh. Er führte ein bewegtes 
Leben, wurde in Siena Doctor der Philofophie u. 
Medicin, ging als Profeffor der Medicin 1399 
nah Piacenza, dann nad Florenz, Bologna, 
Parma, Padua, Perugia, kehrte nah Padua zu- 
rüd, um e8 1431 wieder zu verlaffen, weil er in 
Ferrara Peibarzt des Marcheſe Nicolas wurde, Er 
farb in Rom 1448, oder nad) Ugurgieri in Ferrara 
1439. B. war ein außerordentlich vielfeitig ger 
bifdeter Mann, der auch für einen großen Soc. 
Iogen galt; Doch jagen ihm feine Zeitgenofjen Ruhm— 
redigleit nad. Er hinterließ Commentare über 
Galenos, Hippofrates, Avicenna; jeine Werte erjchie- 
nen aud) gejammelt 1518 in Venedig. Thamhahn. 

Denzie, County im nordamerifan. Unionsftaate 
Michigan, unter 44° n. Br. u. 86° w. L.; 2184 
Emw.; Countyſitz: Benzonia. 

Benzin Chem.). Dieſer Name wird meiſt 
pnonym mit Benzol gebraucht. Während man 
aber in der Chemie unter Benzol einen Koblen- 
mafferftoff von der Formel C,H, u. einem be 
fımmten Siedepunlte bezeichnet, verſteht die Tech. 
nie unter dem Namen B. ein Gemifch von flüſſigen 
Koblenwafferftoffen, die zwiſchen 70 u. 100° fieden; 
J. Benzol. 

BDenzoe (Benzoegummi, Benzotharz, Gummi 
Benzoös, Resiua B., Asa duleis), ein aus der 
Rinde des B-baumes (Styrax Benzoin Dryand,) 
theils freiwillig, tbeil® nach dem Einfchneiden aus- 
füeßendes Harz, weldhes aus Sumatra, Borneo, 
Java u. Siam in mehreren Sorten in den Han 
del fommt. Die feinfte Sorte, die ſiameſiſche 
B. in Kömern oder Thränen (B. in lacrimis), 
bildet Heine, außen röthlich-gelbe, innen milchweiße, 
auf dem Bruce harzig glänzende Stüde. Die 
Calcutta-B. kommt in größeren Stüden (B. in 
massis) mit [hmußigroth brauner Oberfläche vor, 
während die ſiameſiſche Mandel-®B. (B. 
amygdaloides) als ein Conglomerat beider zu be- 
trachten ift u. um jo höheren Werth befigt, je 
mebr fie von der erfteren Sorte enthält. Die 
Sumatra» oder Penang-®B. befteht aus dhoco» 
ladebraunen, matt ausjehenden Mafien, in denen 
milchweiße Thränen vertheilt liegen. Das Harz 
befigt, namentlich beim Erwärmen, einen jehr an« 


| 


die B-jäure auf. Außer der B-fäure enthält fie 
noch drei Harze, die fi durch ihre verſchiedene 
Löslichkeit in Aether untericheiden, fich mit Schwe— 
felfäure carmoifinrotb färben u. mit Salpeteriäure 
beim Erbigen Blaufäure, Pikrinſäure, Bitterman- 
delöl u. f. w. liefern. Viele Sorten B enthalten 
aud Zimmtfäure, Die B. dient zur Darftellung 
der B-jäure (ſ. d.), ſowie zur Herftellung einiger 
pharmaceutifchen Präparate (Betinctur, Tinctura 
Benzoös, ift eine Yöfung von B. in Allohol), findet 
aber des angenehmen Öeruches wegen ihre Haupte 
verwendung zu Räucherpulvern. Elören. 

Denzocbaljam (Balsamum Benzoös Zwel- 
feri), aus Benzoe, Storar u. Weingeiit durch De» 
jtillatton erbalten. 

Benzocblumen, fo v. wie Benzokfäure. 

Denzocjäure (VBenzotblumen, Acidum ben- 
zojeum, Chem.) C,H,O,, eine im Benzotharz, 
Dradenbiut, Storar, im Totubalſam u. manchen 
anderen Harzen, Baljamen u, ätheriihen Ölen, 
ſowie im faulenden Harn pflanzenfrefiender Thiere 
vorlommende organische Säure. Künſtlich läßt 
fh die B. durch Orydation verſchiedener orga- 
nifher Körper (Bittermandelöl, Benzylallohol, 
Zimmtfäure u. a. m.) barftellen. Man gewinnt 
fie aus dem Benzodharz (f. u. Benzoe), indem man 
daffelbe in einer flachen eifernen Schale, die mit 
Filtrirpapier überbunden u. auf welche ein Hut 
von feſtem Papier geftülpt ift, der Sublimation 
unterwirft. Das Fültrirpapier hält die den B— 
dämpfen beigemengten brenzlicden Producte zurüd, 
während erftere fi im Hut zu Kryſtallen verdich- 
ten, Dieſe ftellen Farbioke, glänzende Blätter dar, 
welche ſich in Altohol, Ather u. in heißem Waſſer 
leicht Töjen, aber beim Erkalten fid kryſtalliniſch 
ausicheiden, bei 121° jchmelzen u. bei 2509 ſieden. 
Beim Erhitzen an der Luft verbrennt die B. mit 
leuchtender Flamme. Auch aus dem Pferdeharne 
läßt fih die B. zweckmäßig darftellen. Die in dem- 
ielben enthaltene Hippurfäure (j. d.) zerfällt näm⸗ 
Ih beim ‚zaulen des Harnes, wobei unter ben 
Zerjegungsproducten namentlih B. auftritt. Man 
jegt zu dem gefaulten Harne Kallkmilch, wodurd 
ein Niederichlag von benzokſaurem Kalk entfteht, 
u, zerlegt diefen durch Salzſäure. Die fo darge» 
ſtellte B. (Harn-B.) unterjcheidet fi von der aus 
dem Benzotharze gewonnenen dadurch, daß fie faft 
geruchloß ift, während legtere einen angenehmen, 
von Heinen Mengen trodener Deftillationsproducte 
des Harzes herrührenden Geruch befitt. Die B. 
findet Anwendung in der Medicin, Sie ift eine 
ſchwache einbafifhe Säure, die fih mit Bajen zu 
meiſt neutralen Salzen vereinigt. Die löslichen 
Salze, wie die der Allalien, werden durch Sättigen 
der Säure mit den fohlenjauren Salzen der Alfahen 
dargeftellt, die unlöslichen od. ſchwerlöslichen durch 
Füllung. Durd die meiften Säuren wird die B. 
aus ihren Salzen abgefhieden. Benzotjaures 
Silberoryd C,H,AgO, ift ein weißer, flodiger 
Niederihlag, aus heißem Waſſer in glänzenden 
Blättchen fryftallifirend. Das Kaltſalz (C,11,0,),Ca 
bilder in Waffer leicht lösliche Nadeln. Gleichwie 


188 


Benzoejäureanhydrid — Benzol. 


der Wafferftoff (H) der B. durch Metalle erſetzt Koblenwaflerftofien u. beigemengten Bafen befreit 


werden fann, wodurd die Benzokſäureſalze ent- 
fteben, läßt fi) derjelbe auch durch Altobolvadicale 
vertreten; die fo entitebenden Verbindungen find 
die Ather der B., von denen mehrere befannt 
find. Der B-ätbhyläther C,H,(C,H,)O,, auch 
Benzotäther genannt, wird durch Cinleiten von 
Salziäuregas in die alkoholische Löjung der B. 
erhalten u. ftellt eine farblofe, angenehm ätheriich 
riechende ‚Flüjfigkeit dar. Auch der Methyl- und 
Ampyläther find dargejtellt worden u. bilden ähn— 
liche Flüffigkeiten wie der vorbergehende. B-anhy— 
drid oder jog. wafjerfreie B. (C,H,0),0 erhält man 
dur Eimwirfung von beuzotiaurem Natron auf 
Benzoylchlorid als farblofe Irnftalliniiche Subftanz, 
die bei 429 ſchmilzt u. bei 310% unzerſetzt deftil- 
lirt. In kochendem Waffer gebt fie in B. über. 
Benzoylchlorid oder Chlorbenzoyl C,H,OC1 
entfteht dur Einwirkung von zünffacdh» Chlor- 
phosphor auf B. u. deftillirt als farbloje, jtart 
lichtbrechende, brennbare Flüffigleit, die mit Waffer 
fh in B. u. Salzſäure zerjegt u. deren Dämpfe 
die Augen zu Thränen reizen. Benzoyljulfi® 
(C,H,0),8, ein aus Wlfobol u. Ather in Prismen 
mit wachsartigem Glanze kryftallifirender, bei 48° 
Ichmelzender Körper. Benzamid C,H,ONH, wird 
durch Einwirkung von Benzoylhlerid auf Ammo- 
niaf erhalten. Es bildet perlmutterglänzende, bei 
115° jchmelzende u. bei höherer Temperatur un— 
zerſetzt fliichtige Kryſtallblättchen, in kaltem Waſſer 
wenig, in fochendem, ſowie in Allohol u. Ather 
leicht löslich. Mit Alfalien u. ſtarken Säuren ge 
focht, Tiefert e8 B. u. Ammoniaf. Elören. 

Benzokſäureanhydrid, Denzocfänreäther, 
Benzocfünrefalze, |. u. Benzotjäure. 

Benzoetinetur, a) einfache (Tinctura Ben- 
zoös), Auflöfung der Benzod in 5—6 Theilen 
Weingeift; dient als innerlices Mittel bei Brujtver- 
fchleimungen, bej. mit Waſſer verdünnt, mo fie eine 
milchähnliche Flüffigkeit (Lac virginis, Lait vir- 
ginal, Jungfernmilch) bildet; wird häufig mit 
Borax gemiſcht als kosmetiſches Mittel gegen 
Sommerjprofien, Hautunreinigfeiten, überhaupt 
als Schönheitsmittel, auch als Zufag zu Mund— 
waffern u. Zahntincturen u. zu der oft nicht ge» 
fahrlofen Vertreibung von Flechten, Finnen und 
Flecken der Haut gebraudt, aud wol überhaupt, 
um eine feine Haut zu erhalten; b) zujammen- 

eſetzte B. (Tinct. Benz. composita, Balsamum 
Commendatoris, B. traumaticum), aus Benzoß, 
Aloe, Perubalfam u. ser we bejtehbend; dient 
als reinigendes, heilendes Mittel bei jchlaffen, un. 
reinen Wunden. 

Benzol (Benzin, Phenylwaſſerſtoff) C,H,, ein 
Product der trodenen Deftillation kohlenſtoffreicher 
organischer Subftanzen; findet fih in großen 
Mengen im Steintohlentheer, der ein Gemenge 
der verjchiedenften kohlenftoffhaltigen Berbindungen 
it. Wenn man den gewöhnlichen Steinfohlentheer 
in eifernen Keffeln einer Deftillation untermwirft, 
jo gebt zwiichen 60° u. 200° eine farbloje, aus 
einem Gemenge von Kohlenwafierftofien beftehende 
‚lüffigleit über, welche für fih aufgefangen das 
jogen. leichte Steinfohlentheeröl bildet. 
wird durch Bermifchen mit conc. Schweieljäure u. 
Waſchen mit Wafjer von einer großen Anzahl 


und einer nochmaligen Deitillation unterworfen. 
Die zwiichen 80% u. 120° überbeftillivenden Pro— 
ducte ftellen das B. des Handels dar, melches 
aber noch immer micht reines ®., d. h. die Ber- 
bindung C,H, iſt, ſondern höher ſiedende Koblen- 
waſſerſtoffe, Toluol, Xylol u. a. beigemengt ent- 
bält. Eine Trennung derjelben ift möglid durch 
fractionirte Deftillation; die bei 82° übergebende 
Flüſſigkeit ftellt ziemlich reines B. dar. Auf jyn- 
thetiſchem Wege fann das B. aus dem Acetylen 
0,H, (f. d.) erhalten werden; läßt man dieſes 
durch eine glübende Röhre ftreichen, fo treten am 
anderen Ende Dämpfe von B. auf, Letzteres ift 
dadurch entftanden, daß fih 3 Molecüle C,H, zu 
1 Mol. C,H, vereinigt haben. Auch durch Deitil- 
lation von Benzotfäure mit Kalt erhält man reines B. 
C;H,0, + CaO = CaCO, 4 C,H, 
Benzoeſ. u. Kalt geben —— u. Beuzol. 


Das B. iſt bei gewöhnlicher Temperatur ein farb» 
loſes, dünnflüffiges, ftark lichtbrechendes Ol vom 
ipec. Gew. 0,09 bei 0° u. angenehmem Geruch, 
welches zwiſchen 81° u. 829 ſiedet. Bei — 4° 
bis — 6° erftarrt e8 zu einer blätterigen Kryſtall- 
maſſe. Es ijt wenig löslih in Waffer, dagegen 
leicht in Allohol, Ather, Holzgeift u. a. Ange- 
zündet breunt e8 mit ſtark rußender, leuchtender 
Flamme. Es ift ein gutes Auflöfungsmittel für 
Fette u. ätheriſche Ole, Kampher, Kautichul, 
Guttapercha, Harze, einige Alfaloide, Jod, Brom, 
Schwefel, Phosphor u. f. w. Das B. fommt auch 
in anderen Koblenwafjerftoffgemengen vor, 3. B. 
im rohen Petroleum, u. fann daraus durch frac« 
tionirte Deftillation erhalten werden. Es bildet 
deshalb einen Hauptbeftandtheil der flüchtigen Pro- 
ducte des Petroleums, welche Anwendung als 
Fleckenwaſſer finden, weil fie wegen ihrer Flüch—- 
tigkeit nicht zum Brennen in Lampen benutzt wer⸗ 
den fünnen. Das Brönneriche Fleckenwaſſer be- 
fteht zum größten Theil aus diejen Kohlenwaſſer- 
ftoffen. Im 8. C,H, laſſen fih Die 6 Atome 
Wafferftoff (H) in mannigfacher Weife durch andere 
Elemente u. Atomgruppen erjegen, wodurch bie 
jogen. Subftitutionsproducte des B⸗s entftehen. 
Dur Behandeln von mit etwas Jod vermiſchtem 
B. mit Chlorgas erbält man das MonochlorB. 
C;H,C1 als ſtark fichtbrechende, farbloje, bei 136° 
fiedende Flüſſiglkeit. Durch weitere Einwirkung 
von Chlor gelingt es, nad u. nad alle Waffer- 
ftoffatome durch Chloratome zu erjegen, jo daß als 
Endproduct ein Chlorkohlenſtoff von der Formel 
C,Cl, refultirt. Ahnlihe Körper liefert das B. 
mit Brom u. Jod. Bon Wichtigfert find die 
Subftitutionsproducte, welde das B. mit ber ſog. 
Unterjalpeterfäure NO, bildet. Indem dieje Atom- 
gruppe au die Stelle von 1 Atom H tritt, ent» 
jteht das Nitro-B. C,H,(NO,) Die Bildung 
erfolgt leicht beim Bermifchen von B. mit Sal» 
peterjäure; fügt man hernach Waſſer hinzu, fo 
jcheidet fi das Nitro-B. an der Oberfläche aus u. 
lann durch Deftillation rein erhalten werden. Es 
bildet eine gelbliche, ölige Flüfſigleit von 1,, ſpec. 


Dieſes Gew., die bei — 3° erftarrt u. bei 218° fiedet. 


Es befitst einen füßen Geſchmack, ift in Allohol 
u, Ather löslich, in Waffer umlöslih. Der eigen- 


Benzoylalfohol, Beuzoylwaſſerſtoff — Beöthy. 


189 


thümliche Gerud des Ols ift ähnlich dem des Aftronomie findet jedod das Erperiment feine 
Vittermandelöls, weshalb es als künſtliches Anwendung, da der Aftronom fünftliche Beränder- 


Bittermandelöl bezeichnet wird u. wegen ſei— 


nes billigeren Preifes erfteres vielfach erjet. Das 


ungen au den Himmelskörpern nicht vorzunehmen 
Sollen durch angeitellte aftronomifche 


vermag. 
als Parfümeriemittel, namentlich zur Bereitung Beeu Dlaßbefimmungen erzielt werden, fo wer« 


von Bittermandelöfjeife gebrauchte Nitro-B. fommt|den auch 


in den Handel unter dem Namen Mirbanöl (Es- 
senee de Mirban). Durch fortgeiegte Einwirkung 
von Salpeterfänre auf Nitro-B. entfteht das 
Dinitro-B. C,H,(NO,),, weldes in langen, 
gelblichen Nadeln Erpftallifirt. Durch Behandeln 
von Nitro-B, mit Neductionsmitteln, 3.8. Schwe- 
jelwafferftofi, Eiſenfeile u. Effigfäure u. a., ent 
ſteht Waſſer u, Amido-B. oder Anilin (ſ. d.): 

Nitro-B. u. Wafferfioff geben Anilin u. Wailer. 
Das Nitro-B. dient deshalb zur Darftellung des 
Anilins (f. d.), aus welchem dann die Anilinfarben 
— werden. Elören. 

enzoylalfohol, Benzoylwaſſerſtoff, i. u. 
Benzaldebyd, 

enzoylclorid, Benzoyliulfid, ſ. u. Ben- 
zefäure. 
Beobachten (Kriegsw.). Den Feind beobachten, 
ift eine wichtige friegerifhe Thätigkeit; denn auf 
die Meldungen, welche von den hierzu beftimmten 
Truppen einlaufen, gründen ſich die Entſchlüſſe 
des Feldherrn. Die Beobachtung fällt meift der 
Cavalerie zu u. wird durch Meine Abtheilungen: 
A er Fi (ſ. Necoguos- 
ciruug) u. Beobachtungspoſten ansgefübrt. 
In bededtem u. coupirtem Terrain muß häufig 
Infanterie diefen Dienjt übernehmen. Beobacht 
ungscorps, ein ganzes Armeecorps, ja oft 
jelbft ftarte Armeen werden erforderlich, wenn ein 
Feldherr in einer beftimmmten Richtung operiren 
will, während der Feind möglicherweile aus einer 
anderen vordringen fann; wenn die Hauptmaffe 
einer Armee eine Feſtung belagert, während das 
Anrüden eines feindlichen Heeres zum Entſatze 
möglich ift, um dieſem Anrüden entgegenzu- 
treten; wenn an den Örenzen eines Staates 
zwifchen zwei fremden Staaten ein Krieg geführt 
wird, um die Neutralität aufrecht zu erhalten, 
eventuell interveniren zu lönnen, und im ähnlichen 


llen. 
—— die abſichtliche Richtung unſerer 
Aufmerkſamkeit auf einen Gegenſtand oder eine 
Erſcheinung, um dadurd das wahre Wejen der- 
jelben kennen zu lernen u., wenn die B. wiſſen— 
ſchaftlicher Natur ift, allgemeine Gelege daraus 
ableiten zu können, Die wiflenichaftlihe B. er- 
folgt daher nad) beftimmten Grundfägen u. Regeln. 
Es wird dabei Beobadtung sgeif, d. i. 
Scharffinn u. lebhafte Einbildungskraft, voraus- 
geſetzt. Bornehmlich werden die Ericheinungen in 
der Natur beobadıtet, wobei dem Beobachter 
Schärfe der Sinne, Ruhe u. Ausdauer u. eine 
genaue Kenntniß der Bauart feiner Inſtrumente 
nöthig find. Da es bei der Mannigfaltigteit der 
in den Naturerfcheinungen ftet8 vorhandenen ein» 
zelnen Vorgänge u. Beziehungen fehr ſchwierig 
iſt, genaue u. vollfländige Beobachtungen anzu 
ftellen, fo hat man das Bi Erperiment zu Hilfe 


bei der größten Geichidlichkeit u. Auf 
merfjamfeit des Beobachters, fowie bei der mög. 
ich größten Volllommenheit feiner Inſtrumenie 
die zu meſſenden Größen mit Meinen ‘Fehlern bes 
haftet hervorgehen. Man darf ſich alfo nie mit 
einer B. begnügen, ſoudern muß deren möglichft 
viefe anftellen u. dann durch die Methode der 
Heinften Quadrate den Werth beftimmen, mwelder 
die gt Wahrſcheinlichkeit für fich hat. Specht.’ 
eobachtungscorps, |. Beobadıten. 
Beolchi, Carlo, italien. Patriot, geb. 1798 in 
Urona; betbeiligte fich lebhaft an der Revolution 
bon 1821 u. wanderte nach deren unglüdlichen 
Ausgange nah Spanien aus, trat dort in die von 
Pacrarotti commandirte Eoınpagnie von Mataro 
u, dämpfte mit Auszeihnung gegen die Royaliften 
u, Franzoſen. Nach der NReftauration Ferdinands 
'I1. 1823 ging er nad England, wo er Unter 
riht im der italienischen Sprache gab. Im J. 
1849 fehrte er nach Italien zurüd u. ſaß zmwei- 
mal, von 1857—60, für Arona im Parlament. 
Cavour achtete ihm jehr hoch. Er ft. am 6. Juni 
1867. Er fdr.: Beminiscenze dell’ esilio, 1830 
bis 1852, 2 Bde.; Vittorio Ferrero o il fatto di 
8. Salvario (eine Epijode aus der Revolution 
von 1821), 1853 ; Il Piemonte nel 1821, 1864. 
Beöthy, 1) Eugen, geb. 1796 zu Groß. 
wardein; trat 1812 im die öfterreichiiche Armee 
u, nahm theil am den Feldzügen gegen Napoleon 
von 1813—15. Nach iederberfiellung des Frie⸗ 
dens widmete er fich biftorischen, politifchen und 
claſſiſchen Studien umd wurde feit 1826 in ben 
Yandtag gewählt, wo er als Berfechter der 
Glaubensfreiheit der Proteftanten der kirchlichen 
Partei gegenübertrat u. fi fehr populär machte. 
1841 zum Bicegefpan im Biharer Gomitat 
erwählt, bewog er den Adel in feinem Co— 
mitat, au den Gemeinlaften mitzutragen. 1848 
wurde er Commandant der Biharer National- 
garde, dann Obergeipan des Comitats und trat 
als folder im Juli 1848 in die Ungarische Natio- 
nalverfjammlung. Anfangs ſchloß er fich der 
Partei Koſſuths an u. bereifte in Aufträgen der 
Proviforiihen Regierung das Yand, jagte fid) 
aber nad der Unabhängigfeitserflärung von ihr 
(08, legte die Obergeipanswürde nieder u. erſchien 
als Abgeordneter auf dem von Peft nad Sze- 
gedin verlegten Landtage. Die Waffenftredung bei 
Billagos nöthigte ihn zum Berlaffen feiner Hei— 
math, u. feit 1849 lebte er im Auslande, 2) 
Siegmund, geb. 1819 zu Komorn; ftudirte die 
Rechte, ward 183940 Abgeordneter des Ko« 
morner Comitats auf dem Ungarischen Yandtage, 
1841 Advocat u. Comitatsbeamter, 1848 Conci« 
piſt im erften ungar, Minifterium für Cultus u. 
Unterricht. Nach dem Einriiden der Kaiferlichen 
in Pet zog er fih nad Komorn zurüd u. wirfte 
als Aovocat u. zugleih Ober-Eurator des refor- 
mirten Kircheniprengels. B. iſt einer der frucht« 


—— ‚, wodurch man ſelbſtändig eine Er- barſten der neueren ungariſchen Dichter, Novelr 


ung nah Wunjc hervorrufen lann. In der 


litten u. Pubficiften. Er jchrieb mehrere Jugend— 


190 


Beowulf — Berat. 


Ichriften, dann Luftfpiele, wie; Vigjätek, Kobor|ward, dedten fojort feine Freunde. Als nationaler 
Istök, 1840; Küövetoalasztäs, 1843; feine Ge-| Dichter u. Gegner der Bourbonen war er nicht 


dichte erjchienen gefammelt u. d. T. 
temenyei, Peft 1851 ; jeine Novellen ebd. 1856. 
Außerdem fchrieb er jurid. Werke: Elemi magyar 
Közjog (ungar. Gemeinredht), Pet 1851; Ev. Ma- 
zassäg, ebd. 1853. 8) Fadislaus, Bruder des 
Bor., geb. 1826 zu Komorn; von diefem angeregt, 
arbeitete er nah einigen Jahren jelbftändig; er 
ift Humoriſt u. Romanſchriftſteller. Werte: Puncs, 
1853; Berzelied, 1855; Pugacsett (Roman), 
alle in Peſt erichienen, Cicalel. 

Beowulf, angehächſiſcher Held, in der Sage 
belaunt Durch ſeine Siege über den böſen Grendel 
u. einen Drachen, welcher das Yand verheerte. 
Urſprünglich deutſch, wurde die Cage von B. in 
England weiter ausgebildet u. chriſtianiſirtz Das 
jetige Brlied ftammt aus dem 8. Jahrh. u. tft 
das Ältefte germaniiche Vollsepos; beransgeg. von 
Thorfelin, Kopenh. 1817; von Kemble, Yont. 
1833, 2. A., von Heyne, 1837; Pob. 1863; engl. 
von Kemble, 1837. u. von Thorpe, 1855 ; deutjch 
von Ettmüller, Zür. 1840, pon Simrod, Stuttg. 
1859, u. von Heyne, Paderb. 1863. 

Dera, König zu Sodom; dem Kedor-Taomor 
12 Jahre lang zinsbar , fiel er im 13. Jahre 
mit 4 anderen Königen ab. Kebor-Yaomor ſchlug 
ihn, ward aber jeinerjeits von Abraham, der ihm 
nachjegte,, überwunden, u. B. erhielt das ihm 
Geraubte zurüd. 

Berabra, j. Barabra. 

Beranger, Pierre Jean, berühmter franz. 
Didier, geb. 19. Aug. 1780 zu Paris. Bon 
niederer Abkunft, wuds er faſt ohne Erziehung 
in Haufe feines Großvaters auf, bis er zu einer 
Tante nach Peronne Tlam, die eine Herberge 
hielt. Hier fand der Knabe feine erfte geiftige 
Anregung durch Fenelons Telemaque u, einige 
Bände von Nacine u. Voltaire. Seine Tante 
gab ihn, 14 Jahre alt, zu einem Buchdrucker in 
die Lehre, welcher, die geiftigen Anlagen des Kna— 
ben erfennend, fich feiner mit Intereſſe annahm 
u. ihm den Eintritt in das Patriotiiche JInſtitut 
verſchaffte. Hier empfing B. nothbürftigen Unter 
richt u. lehrte 1797 nah Paris zurüch, wo er 
zunäcdft feinen Vater im Handwerke unterftügte, 
dabei aber jeinem Hange zur Poeſie nachging. 
Yucian Bonaparte, dem er Proben feiner hyriſchen 
Dichtungen vorlegte, unterftügte ihn. 1806 murde 
er Mitarbeiter der Annales du Musee u. erhielt 
1809 die Stelle eines Schreibers im Minifterium 
des öffentlichen Unterrichtes. Seinen erfien Erfolg 
als Yiederdichter (Chansonnier) errang er mit 
le Roi d’Yvetot (1813) u. Le senateur. Der 
Napoleoniſchen Herrſchaft nicht gerade huldigend, 
vermied er es doch, ſie anzutaſten, wohingegen 
er nad ber Reſtauration die Bourbonen in beigen- 
der Weije angriff. Seine im Bollstone geichrie- 
benen Lieder fanden bald allgemeine Verbreitung, 
um jo mehr, als die Regierung dieſelbe zu hin— 
dern fuchte. 1821 verlor er infolge der Heraus— 
gabe einiger gegen die Negierung gerichteten Ger 
dichte feine Stelle u. wurde zu dreimonatlicher 
Sejängnißftrafe veruntheilt; Die 10,000 Fes. um 
welde er 1829 infolge der Publication feiner 
Karl X. verjportenden Chansons incdites geftvaft 


sszeo Köl-Iohne Einfluß auf die Bolfsbewegung, die im Juli 


1830 zur Revolution wurde. An diejer nahm er 
thätigen Antheil, lehnte aber Würden u. Anıter, 
jowie 1840 die Mitgliedſchaft der Akademie u. 
nach der Yyebruarrevolution 1848 die Wahl zum 
Deputirten ab. 1837 vermachte ihm fein Verleger 
Manuel, mit weldem er feit 1815 in der innige 
ften Freundſchaft gelebt hatte, eine Jahresrente 
von 8000 Fes. Später zog ſich B. ganz auf fein 
Landgut in Paſſy zurüd, u. erft 1852 mwäblte er 
wieder Paris zu feinem Aufentbaltsorte; bier ftarb 
er am 16. Juli 1857, nachdem er oft tief be— 
Hagt, zur Verherrlichung des Alt-Napoleonismus 
beigetragen zu haben. Er jdr.: Chansons mo- 
rales et autres, Bar. 1815; Chansons nouvelles, 
1821 u.1825; vollftäudige Sammlung, 1826, dazu 
Chansons inedites, 1828; neue Sammlung aller 
Chansons anciennes, nouvelles et inedites, 1831, 
2 Bde., deutſch, Stuttg. 1832, u. Chansons 
nouvelles et dernieres, 1833; Sämmtl. Werle, 
1835, am vollftändigften 1857 u. ſpäter; deutſche 
Überfegung von Engelhardt, Kafjel 1830; Rus 
bens, Bern 1839 ff., 3 Bde; Natbufius, Brauns 
Ihweig 1839; von Chamiſſo und Gaudy, Leipz. 
1838, n. U., 1873; von Seeger, 2. A., Stuttg. 
1859, 2 Bde.; von Yaun, Bremen 1869. Seinen 
legten Gejang über den Galliichen Hahn gab er 
ber Entjtehung des neuen Kaiferreihes, 1852, 
heraus. Kine Selbjibiographie eridien Paris 
1857; fein Briefwechiel, 1860, 4 Bde. gl. Ar- 
nould, B., 1864; Janin, B. et son temps, 1866. 

Derär, Piateaulandidaft im nördlichen Delhan 
in Oftindien, früher gewöhnt. Hyderabad genannt; 
jeit 1853 britijche Provinz, jet unmittelbar unter 
dem General-Gouverneur ven Indien fiehend u. 
von einem Ober » Commijfienär verwaltet; ge- 
theilt in Oſt- und Weft-B,; etwa 43,925 
(798 M); 2,231,565 Ew.; ift begrenzt von den 
Gentiaiprovinzen Indiens, dem Bajallenftaate des 
Nizam von Hyderabad u, der Präfidentichait Bom« 
bay. Das Yand, durchzogen vom Purnah, einem 
Nebenfiufie Des Tapti, eignet ſich vorzüglich zur 
Cultur der Baummolle, welche eifrig betrieben u, 
deren Betrieb durch die Eifenbahn nah Bombay 
gefördert wird, B. zerfällt in Oſt-B., mit den 
Diftricten Amraoti, Elitihpur, Wun, u. Weſt⸗B., 
mit Aloka, Buldana, Baſim. Bedeutendſte Städte: 
Amraoti u. Ellitihpur. Die Einwohner, nicht in gro« 
Ber Anzahl für das Yand, find meiſt Hindi, nur 
wenige Mohammedaner; fie treiben Vichzuct u. 
Handel u. beichäftigen fih mit Weberei. B. war 
ehedem der Name eines unabhängigen Neiches, 
welches im Anfange des 18. Jahrh. gegründet 
wurde und unter der mahrattiihen Dynaftie der 
Bhunsla aud das Gebiet von Nagpere umfaßte. 
Es mußte aber bereit$ 1804 einen Dijtrict an Die 
Brit.-Dftind. Compagnie abtreten, fam 1816 in 
Abhängigkeit von dieſer u. wurde 11. Dec. 1858, 
als die Dynaftie ausjtarb, brit. Provinz. 

Derat (türk.), Anſtellungsdipiom der Pafcha 
mit 3, der Begler-Beg mit 2 Roßſchweifen umd 
der Sandfhal-Beg mir 1 Noßichweif. 

Birat, 1) Liwa im türfiihen Bilajet Janina 


in Albanien, ein Küftenland am Kanal von 


Berathene Kinder — Berberis. 


Dtranto ; gebirgig durch Nebenzweige des Helle 
niſchen Gebirges (Tomor u. a.); am der Küſte 
Cap finguetta nebft der Inſel Sajena u. die Bai 
von Avlona mit Hafen; Flüſſe: Wogutſa u. Be- 
ratino; der Trebutihi-See ift ein Haff. 2) Ar- 
naut-Beligrad, Hanptft. deff., im oliven- u. wein. 
reihen Thal des Ergent; Sig des Kaimalam 
und eines griechifchen Erzbiſchoſs; Kaftell; 10 bis 
12,000 Ew. 

Berathene Kinder, Kinder, die noch zu Peb- 
zeiten der Eltern durch ein gewiſſes an fie ge- 
zahltes Quantum (Berathung) abgefunden werden 
und deshalb fpäter am Erbe nicht theilhaben. 
Die Berathung als Art einer anticipirten Erb- 
theilung kommt gewöbnlih in Verbindung mit 
dem Spftem der ehelichen Gütergemeinjchaft vor. 

Beraun (Bern, Verona, Slawoszow), Stadt 
im Bezirfe Horowis des öfterreih. Kronlandes 
Böhmen, an der Yitamfa u. Beraunka, Eijen- 
bahnſtation; Baummollenfpinnerei, Kattunmeberei, 
Buder- u. Parketfabrilen, Kall- u. Cementbereitung, 
Gerbereien, Brauerei; 4585 Em. Anfangs Sept. 
1744 mißglüdter Angriff des preuß. Öenerals Harbe 
auf die öfterreichiihen Magazine. In der Nähe 
St. Johann unter dem Fellen, Schloß, ſonſt 
Klofter und Höhle, Wallfahrtsort; ferner Hob- 
Öfen, Walzwerke u. Mafchinenfabrifen. 2) (Ber 
raunfa) Fluß; beißt erſt Mies, entjpringt auf 
dem Böhmer Wald, nimmt die Litawka u. a. auf, 
beißt nun B. u. mündet bei Königfaal links in 
die Moldau; Lauf: 170 km. 

Berauſchen (Jagdw.), fih b., von wilden 
Schweinen, ſich begatten. 

Berauſchende Mittel, alle Mittel, die, ge— 
noſſen od. eingeathmet, Rauſch (ſ. d.) bewirken; 
z. B. Alcoholica, indiſcher Hanf, Opium, Stid- 
orydulgas zc. (j. Alkohol, Narcotica). 

Derber (EI Mucheireff oder Mejcheriff), große 
u. weitläufige Stadt in Mittel-Nubien, rechts am 
Nil; regelmäßig gebaut; Sig eines Mudir; Han: 
delsplag zwiſchen Agypten u. dem S.; Indigo u. 
Lederwaaren; 30,000, nad Anderen nur 8000 Em. 

Berböra, früber Landungsplatz, jett befeftigte 
Ortſchaft im Lande der Somali (in OAfrika), 
am Meerbufen von Adel; früher größter Han- 
belspla der dortigen Gegend, wohin im Früh— 
fing arabifhe, indiſche u. europäiſche Schiffe u. 
ebenjo afrikaniſche Karavanen kamen; jett aber 
verödet, da der Handel andere Wege eingejchla- 
gen bat. 

Berber Bafdıy (Berberi B., türf.), der 
DOberbarbier des Sultans, welcher deſſen Bart 
ordnet u. falbt, nicht aber ſcheert, da fein Scheer- 
mefjer das Antlitz defielben berühren darf. Er 
gehört zu den 12 Alteften der innerften Kammer. 

Berberei, nörblichfter Theil Afrikas, zwifchen 
dem Atlantiichen u. Mittelmeere, Agypten u. der 
Sahara; umfaßt bei einem Flächengehalte von 
1,762,000 [km (32,000 (IM) die Reiche Ma- 
roffo, Algerien, Tunis u. Tripolis. Der Name B. 
fommt von den Ureinwohnern, den Berbern (f. 
d. A.); ebenſo zahlreich find jedoch au Mauren 
(Araber) vorhanden, auch viele Europäer, Os— 
nianen, Neger u. Juden. Mit Ausnahme der 
Europäer u. Juden belennen fib alle Einmohner 
(geihägt auf etwa 10 Mill., wovon gegen 6 Mill. 


191 


in Maroffo) zum Islam. Gebirg: der Atlas; 
Flüffe, im Ganzen mır Heine: Medicherda, Schetif, 
Muluviah mit Isly. Das Klima in den füdlichen 
Gegenden u, an der WKüſte heiß u. troden, au 
der NKüſte und im Gebirge gemäßigt, überhaupt 
dem füdenropätichen ähnlich. Die Induftrie ift fehr 
gering, doch gibt es Seiden-, Wollen- u. Yeder- 
fabriten, auch werden Teppiche, Schmudfachen, 
Gewehre u. Pulver erzeugt. Wichtiger ift der 
Karawanenbandel u. die Korallenfiicherei. Künfte 
u.Wiffenfchaften liegen ganz danieder. Die Sprachen 
der Urbewohner bilden den berberifchen od, li— 
byichen Sprachſtamm; in den Städten wird meift 
arabifch geiprochen, was aud in Marokko Amts- 
ſprache ift; in Tunis u. Tripolis ift dies das 
Türkiſche. Alles Übrige, wie auch die Gejchichte j. 
u. den Artifeln der einzelnen Staaten. 

Berberideae, Pflanzenfam. aus der Klaſſe der bo- 
denblüthigen Dikotyledonen; Kräuter od. Sträucher 
mit 3-,4«.— Iblättrigem Kelche, ebenfo vielen Blumen- 
blättern mit 2 Driifen od. Grübchen, ebenjo vielen 
Staubblättern; die Staubbeutel zweifächerig, weit 
vom Örunde gegen die Spige hin mit nad) außen ſte— 
henden Klappen aufipringend; ein Fruchtknoten, 
einfächerig, mit mehreren Samenknoſpen an wand- 
ftändigen Samenträgern, oder wenigeren, bom 
Grunde aus aufrechten; Beere oder Kapſel nicht 
anfipringend, 2 big vielfamig; Keim in der Achje 
des fleifchigen Eimeißlörpers, Gattungen: Epime- 
dium ZL., Berberis L. u. a. 

Berberin (',,H,;,NO,, ein in der Wurzel 
von Berberis vulgaris, in der Colombowurzel 
(Cocenlus palmatus), in Coscinium fenestratum 
u. anderen in Oftindien, China u. SAmerifa 
einheimischen Pflanzen enthaltenes fchwaches Alfa- 
loid. Aus der Berberiswurzel erhält man dafjelbe, 
indem man den mällerigen Auszug verdampft, 
den Rückſtand mit Alkohol auszieht u. dieſen ver- 
dunftet. Es Erpitallifirt in Meinen, gelben Nadeln, 
die bei 120° ſchmelzen, in höherer Temperatur 
zerjetst werden u. intenfiv bitter fchmeden. Es 
töft fih in Waffer u. bildet mit Säuren gelb ge- 
färbte, leicht Ergftallifirbare Salze. lören. 

Berböris L., Pflanzengatt. aus der Familie 
der Berberideen (VI. 1), mit 6blätterigem Kelche, 
6blätteriger Blumenfrone, mit 2 Drifen an der 
Bafıs der Blätter u. zweifamiger Deere; bie 
Staubgefäße legen fi, wenn fie unten mit einer 
Nadel od, von den homigfuchenden Inſecten mit 
den Füßen berührt werden, ſchnell über die Narbe 
u. ziehen fi nach deren Beftäubung wieder im 
ihre frühere Yage zurüd. Bon den zahlreichen 
Arten find die meiften ausländiſche Sträucher; bei 
uns nur der Berberitenftraud (Sauerdorn, B. 
vulgaris L.), bi8 2 m hoch, mit verfehrt-eiruuden, 

erwwimpert gejägten Blättern, die an fehr ver« 
ürzten Zweigen in Büſcheln ftehen; jeder Büſchel 
it von einem dreifpaltigen, die oberen von einem 
einfahen Dorne (dornartigen Blatte) gehst; 
Blüthentraubeeinfach, vielblüthig, hängend; Blüthen 
gelb, Beeren roth, jehr ſauer (Sauerachbeeren, 
Eſſigbeeren). Der Strauch dient bef. zu Zäunen 
u. Heden. In dem Gewebe der Blätter der B. 
entftehen inı Frühjahre häufig zweierlei kugelige u. 
becherförmige Pilzbildungen,, die zahlreiche gelb- 
röthlihe Eporen (Aecidium Berberidis Pers.) 


192 


entleeren. Sie gelangen aber nur zur weiteren 
Entwidelung, wenn fie auf die Blätter von Grä- 
fern, namentlih mancher Getreibearten, gelangen, 
wo fie dann die Puccinia Graminis Pers. (f. d.), 
den Getreideroft, bilden, erft rothe, jpäter braune 
Staubhäufchen, welche fowol den Körner», als den 
Strohertrag beeinträchtigen. Ihre Sporidien find 
nur auf Blättern der B. entwidelungsfähig. (©. 
auch unter Generationswecjel.) Das gelbliche 
Holz ift für Drechsler u. zu eingelegten Arbeiten, 
auch die Afte u. Blätter mit der Wurzel zum 
Gelbfärben brauchbar. Wurzel u. innere Rinde 
purgiren u. wurden ehemals in der Gelbjucht an- 
gewendet. Die B-beeren (Baccae Berberidis), 
gewöhnlich roth (doch auch bei einer Abart dunlel- 
violett) u. zumeilen ohne Kern, laſſen fich, ger 
trodnet, wie Preißelbeeren benugen. Der ausge 
preßte, ſtark faure Saft (reichlich Apfelläure, auch 
Weinftein- u. Citronenſäure enthaltend) kaun den 
Citronenfaft ziemlich erjegen u. fo auch im ber 
Haushaltung, 3. B. zu Punſch, benugt werden. 
In den Officinen batte man jonft, außer dem 
Safte, Berberigenmuß, Berberisiprup 
md Berberiszeltdhen (Succus, Syrupus, 
Rotulae Berberidum). B. aristata DC. (B. 
Chitria Don.), dorniger Strauch am Himalaja 
auf 1—2000 m Höhe, mit wohlſchmeckenden 
Beeren. B Lyeium Boyle, ebenbafelbit. Aus 
dem Holze beider Arten bereitet man in Aſien 
einen Ertract (Ruzat), der allein od. mit Opinm 
u. Alaun örtlich gegen Augenentzündungen ange- 
wendet wird u. das wahre Lycium indicum des 
Dioskorides fein fol. B. tinctoria Leschen,, in 
DOftindien, gibt ebenfalls eine Art Lycium, auch 
ein beliebtes gelbes Pigment, 

Berberiten (Bot.), 1) jo v. mw. Berberideae; 
2) jo v. w. Berberisbeeren, ſ. u. Berberis, 

Berberitzenſtrauch, ſ. u. Berberis. 

Berbern, jo heißt bei den Europäern nad) Bor- 
gang der Araber der Vollsftamm, welcher ur 
Iprünglih ganz NAfrita von Agypten bis zum 
Atlantiihen Ocean u. die ganze wejtlichere Hälfte 
ver Sahara bis etwa zu 17° m. Br. bewohnte, 
jedoch jchon im Altertfum an den mittelländiſchen 
Küften von den Phönilern und Griechen, jpäter 
von den Nömern, in noch weit höheren Grabe 
aber feit dem 7. Jahrh. n. Chr. von den Arabern 
beeinträchtigt worden ift. Vorher wol zum größten 
Theit Chriiten, wurden die B. von den erobern- 
den u. jehr zahlreich einwandernden Arabern all- 
mählich jämmtlih zum Islam befebrt und der 
moslemifhen Cultur unterworfen. Die B. ge 
bören dem hamitiſchen Bölferftamm der mittel- 
ländifchen Race an. Zu ihnen gehörten außer 
den ausgeftorbenen Guanchen, den Urbewohnern 
der Canariſchen Inſeln, die Libyer, Mauren, 
Numider und Gätuler des Alterthums, welches 
ihnen auch den Namen der Amazifen od. Maziten 
gab (Amazigh oder Amazirgh heißt in ihrer 
Sprache: die Freien, Unabhängigen). In Marofto 
nennen fih die B. Mafig u. ihre Sprade das 
Scellah od. Tamafight. In der Sahara gehören 
die Tuareg zu den B., die fi Imoſchagh und 


Berberitzen 


— Berbir. 


Suamua; ferner find den B. noch die Bewohner 
der Dafe Siwah u. die Teda oder Tibbu in der 
öſtlichen Sahara beizuzäblen. Die Bewohner bes 
Nu in Nubien find ebenfall3 mit den B. ver» 
wandt u, nennen fich jelbft Barabra (f. d. A.), 
ebenfo die alten Ügypter, die Dalla in OAfrika zc. 
Die Hautfarbe variirt nah den verjchiedenen 
Stämmen zwiihen dem Weiß des europäiichen 
Siüdländers bis zum dunklen Braun, obgleich ihr 
Typus bei allen Stämmen, fo weit diejelben auch 
aus einander wohnen, entichieden derſelbe ift. 
Dafjelbe gilt auch von den Spraden der Berber- 
ftämme, welche nur noch verwandte Glieder eines 
eigenen und jelbftändigen Spradftammes, des 
berberijhen od. libyjhen Spradftammes, 
bilden. Gemeinfam mit den meiften aboriginalen 
Spraden Afrifas ift demfelben, daß er den 
Numerus der Haupt u. Zeitwörter u. ſelbſt das 
Geſchlecht durch Präfire anzeigt. Die B. bedienen 
fi) gegenwärtig des arabiſchen Alphabets, dem 
fie einige punktirte Beichen hinzufügen; nur die 
Tuareg befigen eine eigene Schrift, die zuerft 
auf der zweiſprachigen — zu Thugga er- 
ſcheint. Eine Berber-Literatur ift wicht vorhanden, 
wenn auch in meuefter Zeit Einiges in Berber- 
ſprache geichrieben und jelbft in Algier gedrudt 
worden iſt. Die verſchiedenen Dialefte Ad nie 
lexikaliſch, nur fehr wenig grammatifch verichieden. 
Am befannteften unter ihnen ift der der Kabylen 
in Algerien. Grammatif und Wörterbuch der 
Tegteren lieferte Benture de Paradis, herausgeg. 
von Somard, Par. 1844; ein franzöfiid-kabyli« 
ches Wörterbuch gab das franz. Kriegsminiſterium, 
Bar. 1844, heraus. Grammatiſche Skizzen der 
Berberjpradhe lieferten Hodgſon, Philad. 1829, 
u. Neumann in der Beitichrift für Kunde des 
Morgenlandes, Bd. 6. 

Berberrof, Pierderace, der arabifchen ver» 
wandt; j. u. Pferd. 

Berbice (Berbiche), 1) Fluß in Britiſch-Gu—⸗ 
iana; ergießt ſich 15 km mnörblih von New— 
Amfterdam in den Atlantiſchen Ocean u. ift etwa 
190 km vom Ocean aus jcdiffbar und im 
Ganzen 337 km lang. Unter den Wucher- 
gewächſen an den Ufern wurde die berühmte 
Vietoria regia entdedt. 2) County im O. des 
britiihen Gouvernements Guiana, am gleichna- 
migen Fluſſe; hat Tropenflima und befteht aus 
Savannen; 3855 [_)km; frudtbar, aber unge- 
jund; Hauptproducte: Zuder, Rum, Cacao (Ber- 
bice-Cacao, ſ. u. Cacao), Indigo, Tabak und 
Baummolle. Die Einwohner, über 30,000, find 
meift Neger; nur etwa 550 find Weiße, meift 
von holländiſcher Abkunft (mie denn die holländi» 
jhe Sprache auch noch in Gerichten u. auf der 
Kanzel herrſchend ift); Hauptftadt New⸗Amſterdam; 
Hermbutercolonie — Die Holländer ſandten 
1626 die erſten Coloniſten hierher. Die Engländer 
beſetzten e8 1803, u, im ‚Frieden von Paris (1814) 
wurde es ihnen nebft Efjequibo u. Demerara von 
— förmlich abgetreten. S. im Übrigen 
Buiana. 

Berbir (Türkiſch-Gradisca), ſeſte Stadt im 


ihre Sprache Ta-Maſheg nennen, in Algerien die Sandſchal Banja-⸗Luka in Bosnien, am Einfluffe der 
fogen. Kabylen, welder Name aus Kabail, die) Berbas in die Save; Hauptort des gleichn. Bezirles 
Stämme, gebildet ift; in Tunis nennen fie fihlder ſlawoniſchen Feſtüng At-Gradisca gegenüber; 


Berbrugger — Berdheim. 


iebhafter Zranfit- u. Ausfuhrbandel; etwa 1500 
Emw., zum größten Theil aus Mohammedanern 
beftehend; die wenigen Katholiten haben bier einen 
Pfarrer. Im Jahre 1789 ward B. von General 
Yandon erobert. 

Berbrugnger, Louis Adrien, franz. Gelehrter, 
geb. 11. Mat 1801 zu Paris; ging 1835 als 
Serretär des Marſchalls Clauzel nah Algier, 
redigirte dort eine Zeit lang den MoniteurAÄlgerien, 
wurde Präfident des Hiftoriihen Vereins von 
Algier und machte fich fehr verdient um die 
Arbäologie u. Geſchichte diefes Yandes. 1865 
wurde er Commandeur der Ehrenlegion; er ftarb 
2. Juli 1869 zu Algier. Schrieb außer vielen 
Aufiägen in der Rev. Alger.: Relation de l’expe- 
dition de Mascara, 1836; Voyage au camp 
d’Abd el Kader, 1839; L’Algerie hist., pittor., 
et monument., 1843—45; La Grande Kabylie 
sous les Romains, 18583, 

Berceau (fr.), 1) eigentlich Wiege. 2) Flaches 
Gewölbe. 3) Bogengang in Kunftgärten. 

Berchem, Dorf im der belgischen Provinz 
Antwerpen, bei Antwerpen; Flachsſpinnerei u. Lei— 
nenweberei, Tabaf- u. Wadsleinwandfabrifation; 
5270 Ew. Ber B, im October 1830 Gefecht 
zeichen Holländern und belgischen Freiwilligen, 
bei welchem Graf Friedrich v. Merode das Leben 
einbüßte. 

Berchem, Nikolaus, niederländiicher Thier- 
maler, geb. 1624 zu Haarlem, Sohn eines Ma- 
lers, Bieter Klaasze, geft. daf. 1683; Schiller von 
Beenir u. 9, icheint in Italien gewefen zu fein; 
Hauptvertreter der bukoliſchen Poeſie in der Kunſt, 
daber der miederländiiche Theofrit genannt. B. 
vereint Einfachheit u. Größe der Auffaffung mit 
Loeſie der Erfindung und des Colorits, feiner 
Euftperipective u. leichter u. fleigiger Technik. 
Doch wird er bisweilen gejucht u. verfällt zuletzt 
in Manierirtheit. Werke in allen Galerien. 8. 
war auch ein geiftreicher Radirer. Negnet. 

Berchet, Giovanni, ital. Dichter, geb. 1788 
(n. And. 1790) zu Mailand; ftudirte die Nechte 
u. erhielt in der Napoleoniichen Zeit eine Anftell- 
ung beim Senat für das Königreich Italien; nad 
der Rejtauration verlor er dieſe Stelle u. widmete 
ich der Literatur u. Poefie. Verdächtig, den Gar: 
bonari anzugebören, floh er u. lebte in Frank 
reich, England, Belgien u. Deutichland, bier bei. 
in Bonn u. Berlin. Nah der Ammneftie kehrte 
er nah Italien zurüd u. lebte in Florenz, feit 
Ende 1847 u. 1848 in Mailand. Nachher in die 
fardinische Zweite Kammer gewählt, hielt er ſich 
zur gemäßigten Partei; er ft. 23. Dec. 1851. Er 
ihr. u. a.: Poesie italiane, Baftia 1848; über- 
ſetzte auch altipanifche Romanzen ins Italieniſche; 
Werle, Neap. 1861. 

Berding, Stadt im Bezirksamte Beilngries 
des bayer. Hegbez. Mittel⸗Franken, an der Sulz; 

opfen«, Flachs · u. Obftbau, Viehzucht; 1467 Ew. 

22. ._.. 1796 Gefecht zwiſchen Berna- 

dotte u. dem öfterreichifhen Bortrabe, worauf die 

anzojen den Rüdzug begannen; ſ. Franzöſiſcher 
evotutiongfrieg. 

Berdta (Berahte, d. i. die Glänzende),, in 
der deutſchen Bollsjage auch Perchte genannt, ein 
weibliches Göttermweien, welches über die Spinne- 

Pierers Univerfal-Eonverfationd-?erifon. 6, Aufl. 


III. Band. 


193 


‚rinnen die Aufficht führt, in den Zwölfnächten 
‚einen Umzug mit ihrem Gefolge der Heimchen, 


d. b. den ungeborenen Kindern, hält, alles dag 
verdirbt, was fie an dem letten Tage des Jahres 
nicht aufgeiponnen findet, und die Fehlbaren 
empfindlich ftraft. Daher ift fie ein gefürchtetes 
Weien, Ihr Feft wird gefeiert mit Brei und 
Fiihen. In Deutſch-Oſterreich ift das Bercten- 
laufen, Berchtenjagen oder Perchtenipringen in 
den Zwölfnächten zwiſchen Weihnachten u. Drei« 
lönigen noch gebräuchlich, wo Banden von jungen 
Burſchen (Berchten) unter dem Klange von Kuh— 
gloden u. dem Geklatſch von Peitichen hüpfend 
u. ſpringend umberzieben u. ſchmauſen (Berd- 
teln). 8. ift wahrscheinlich die altdeutſche Nacht- 
ober Erdgöttin (Nerthus) und eine ihrer Modifle 
cationen die Weiße Frau (f. d.) mander edfen 
Familien. Die Sagen von B. überwiegen in 
Schweiz u. SDeutſchland; in Mittel-Deutichland 
tritt Frau Holle, in der Marf rau Harfe, im 
Voigtlande die Werre an ihre Stelle, Henne-Am Rbyn ® 

Berchtesgaden, 1) Bezirksamt im bayer. 
Regbez. Ober-Bayern, mit den 2 Yandgerichten B. 
u. Reichenhall; 631 [_jkm (11,46 [M); 16,360 
Em.; großartiges Alpenland (Watzmann); viel 
Bieh, Wild und Salz. 2) Marftfleden, 750 m 
über dem Meere, in prachtvoller Alpengegend; 
Yandgericht; ehemaliges Stift u. ſchöne Kirche, 
jetzt fönigl. Schloß (Fürftenftein), in ihm die Aus— 
ftellung der berühmten Berchtesgadener Waa- 
ren in geichnigten Holz, Horm und Elfenbein; 
Zeichnungs- und Modellirichule; 1763 Ew. Hier 
auch große Salzwerfe, die mit dem Dürrenberg 
in Hallein verbunden find u. theil® das Steinjalz 
in Stüden nah Neihenhall zur Verſtärkung der 
dortigen Soole führen, theils durch merfmwürdige, 
mächtige Mafchinen als Soole dahin u. nad) den 
Salinen Ttaunftein u. Roſenhain leiten u. 4 Mill. 
Ctr. Salz jährlich Tiefern. Unten im Thal liegt 
das 1820 abgebrannte, aber wieder errichtete Sud« 
baus Frauenreuth. Dabei der Bartholomäus- 
(Rönigs-)Sce, 15 km lang, 2 km breit, mit 
boben Felſenwänden, über die ſich Gießbäche als 
Wafferfälle ftürzen; in ihm die jehr wohljchmedende 
Fiſchart Schwarzbreitlinge (Salmling) u. dabei die 
größten Gemsjagden. Unweit davon aud) derlinters- 
berg. — Die Propftei B. (Berchtoldsgaden) wurde 
anf Grund einer Stiftung der Gräfin Irmgard 
zu Wafferburg für Auguftiner- Ehorherren 1109 
gegründet, erhielt vom Kaifer Friedrich I. 1156 das 
Salzregal, von Heinrih VI. 1194 die weltliche 
Gerichtsbarkeit u. 1294 von Adolf von Naſſau den 
Blutbann. 1486 erhob Kaifer Friedrid III. den 
Bropft Ulrich zum Reichsfürſten; 1803 wurde das 
Stift unter dem Propit Konrad v. Schraffenberg 
fäcnlarifirt und nebſt Salzburg dem Großber- 
zog von Toscana übergeben; 1805 fam es an 
Öfterreih und 1810 am Bayern. Bol. Koch 
Sternied, Gefchichte des Fürſtenthum B., Mün« 
chen 1816, 3 Bde. 

Berchthold, deutſcher Vorname, jo v m. Ber- 
thold (f. d.). { 

Berckheim, freiherrlihe, in Baden begüterte 
Familie, welde aus dem Elſaß ftammt u. mit ber 
v. Andlaw gleihen Stammes fein fol. Die beiden 
noch blühenden Linien fammen von Egenolf III. 
13 


194 


Bery — Bereicherung u. B⸗sklage. 


von ®., geb. 1552, geft. 1629: I. Die älteregu. U. Die mächtigſten find die Juffufzat und 


Linie zu Jebsbeim, melde der evangel. Eon» 
feifton folgt, iſt geftiftet von Egenolfs älteſtem Sohne 
Wilhelm II. Haupt der Linie it 1) Chriftian 
Frhr. v. B., Gejandter a. D., großh. bad. Kam- 
merberr, geb. 1817. IL Die jüngere Linie zu 
Rappoltsmweiler, welche katholiſch ift u. von 
Egenolfs jüngftem Sobne, Egenolf IV., gegründet 
if. 2) Freih. Karl Ehriftian, Sohn des 1797 
verftorbenen Freiherrn Ludwig Karl, geb. 1774; 
war 1813 badiicher Minifter des Innern, 1817 
Bundestagsgejandter u. 1522 wieder Miniſter; er 
ftarb 1. März 1849 zu Karlsruhe. 3) Freiherr 
Rudolf, Sehn des Bor., geb. 1805; war großr 
berzogl. badiſcher Kammerherr u. feit 1848 ver 
mählt mit Balbina, geb, Freiin Neveu v. Wind» 
ſchläg (geb. 1816); er fl. 1863. 

Berch, Dorf im Arr. Sceaur des franz. Dep. 
Seine, an der Seine; bildet eine Vorſtadt von 
Paris; viele ſchöne Landhäuſer; Lyoner Bahn- 
bof und Eiſenbahnwerkſtätte; Weinniederlagen, 
Zuderfiebderei, Gerbereien. 

Berdangemwehr, jo genannt nad) feinem Err 
finder (nordameritaniicher Oberft); gilt als vor- 
züglich, in Rußland adoptirt; hat Cylinder-Verſchluß, 
centrale Zündung u. geftattet 9 gezielte Schüffe in 
der Minute; f. Gewehr. 

Berdelle, Joh. Bapt., Hiftorienmaler in 
München, geboren zu Mainz; ftudirte im Diüffel- 
dorf, war erft Bildnigmaler u. that fich früh durch 
glänzendes Kolorit u. ideales Streben hervor; 
bei. verdienftlich ift feine Arion-Gage. 

Berdĩtſchew, Kreisſtadt im ruf. Gouverne— 
ment Kiew, Eiſenbahnſtation; 4 Kirchen, 5 Syna- 
gogen; Theater, Börſe u. Kaufbof; Fabrilen; 
Handel mit Leder, Honig u. Wachs, Wein, Ge— 
treide, Zabaf, Rindvieh und Pferden; mehrere 
große Jahrmärkte jährlih, worumter der Anfangs 
‚Juni ftattfindende Pferdemarkt bedeutend; 1871: 
53,787 Ew., meift Juden. 

Berdjansk, Kreisjtadt im gleichn. Kreife des 
ruff. Gouv. Taurien, weftl. von der Berda-Miind- 
ung, in günftiger Yage; erit 1827 gegründet, 
1835 zur Stadt, 1842 zur Kreisftadt erhoben, 
blühte es rajch empor, wurde 1855 im Mai von 
der englifch » franzöfifchen Flotte zerftört, zählte 
aber ım Sabre 1871 wieder 12,465 Ew.; 
1500 Wohnhäufer, Theater, Zollamt, Communal« 
banf und mehrere Kirchen; beträchtlicher Handel 
mit Getreide, Wolle, Häuten, Talg und Salz; 
tiefer, fiherer Hafen; Eifenbahnverbindung mit der 
wejtlichen Linie Loſowaja⸗Sewaſtopol u. der öftl. 
Charkow⸗Taganrog ift projectirt. B. ift Gib der 
Conſuln Großbritanniens, Deutihlands, Ftaliens, 
Belgiens u. der Türkei. Zum Amtsbezirte des 
deutihen Conſuls gebören Melitopol u. die deut« 
jhen Kolonien zu beiden Seiten der Molotſchnaja. 

Berdburani, Gejammtname für die afghani- 
fen Stämme, welde das öjtliche Afghaniftan bis 


Kbaibari (f. d.). 

Bereczk, Marktfleden im Lande der Szefler 
in Siebenbürgen; Bergtheerquellen, Gipsbrüdhe; 
4500 Ew,; dabei der Pak Oijtoſch. 

Berednikow, Jaltom JIwanowitſch, ruff. 
Alterthumsforſcher, geb. 1793 in St, Petersburg; 
ftudirte in Kajan u, Mostau, diente 1820— 1827 
in verjchiedenen Berwaltungszmeigen in Nomwgorod 
u.a, Orten, nahm 1827 jeinen Abjchied u. wurde 
1830 im Berwaltungscomite der Alabemie zu 
St. Petersburg angejtellt, wo er dem Chef der 
archäographifhen Erpedition, P. M. Strojem, 
beigegeben ward. Die Afademie der Wifjenichaften 
für die Abtheilung der ruſſ. Sprade u. Literatur 
machte ihn zu ihrem Mitgliede. Er ft. 24. Nov, 
1854 in St. Petersburg. Als Hauptredacteur 
der arhäographiihen Commiſſion redigirte er 
6 Bde. der Sammlung der ruffiihen Annalen, 
die von der archäographiſchen Erpedition ge 
jammelten Urkunden, die Urkunden juriftiichen 
Inhaltes u. a. m. 

Beredtjamkfeit, im weiteren Sinne die Gabe 
des Haren, lebendigen u, anfprechenden fchriftlihen 
u. namentlih mündlichen Ausdrudes von Ideen, 
Anfhauungen u. Empfindungen, im engeren Sinne 
die Befähigung, auf den Willen u. auf das Ge» 
mithsleben anderer Menichen durch die Schrift 
u. bejonders durch das lebendige Wort beſtimmend 
einzumirten. Borausjegungen der redneriſchen Ein« 
dringlichkeit find: Beherrihung des Gegenitandes, 
Überzeugung des Redners von der Wahrheit feiner 
Ausiprücde, Tiefe u. Stärke des Gemüthes, Be— 
weglichkeit der Phantafie, natürlihe u. erworbene 
Gewandtheit des Ausdrudes, declamatoriiche umd 
mimiſche Anlage u. Kunft, Heraus» u. Vorfühlen 
der Stimmung, mit mwelder die Zuhörer oder 
Leſer den Bortrag begleiten oder begleiten werden, 
überhaupt inniger Zujammenhang des Redners 
mit dem Geifte der Einzelnen oder der Geſammt · 
beit, an den er fih zu wenden, den er zu leiten, 
zu befeftigen oder umzubilden beabfihtigt. Man 
unterfcheidet in diefem engeren Sinne die B. in 
geiftliche u, weltliche, die letztere wieder in politische 
(namentlich parlamentarifche), gerichtliche, militärt» 
ihe, diplomatijche (auf Congreſſen zc.), in Schul- 
u, KRathederberedtfamfeit (die mit der Übung der 
Lehrgabe nicht zu verwechſeln ift, aber häufig mit 
ihr zufammenmwirft) und macht außerdem einen 
Unterichied zwifchen der öffentlichen u. der Privat- 
beredtjamfeit. S. d. Art. Redekunſt u. Rhetorik. 

Bereg, 1) Comitat im norböftl. Ungarn, an 
Salizien u. die Gomitate Marmaros, Ugocſa, 
Szathmar, Szabolcs u, Unghvar grenzend; 3724 

km (67, [); 159,223 Ew,, rutbenifchen 

tammes, zum Theil auch Deutfche ; imNO.gebirgig 
durch die Karpathen, im SW, eben, an der Grenze 
bewäffert durch die Theiß u. Borfova; Klima dort 
rauh und gejund, bier warn und ungeſund; 


in den indijchen Diftrict Peihawar bewohnen. Sie Producte: Getreide, Gemife, Obft, Wein, viel 
zerfallen in die Juffufzai in Peſchawar u. Pandſch⸗Holz; Zuchtthiere, Fiſche; Salpeter, Eijen, Alaun. 


fora, die Turlolani in dem Thal von Bad— 


) (Bereg-Szasz, d. i. Sachſenberg) Hauptort 


ſchur, die Othmankail nördl. davon, die Khaibari|des Comitats; nach der Sage ſächſiſche Kolonie, 
am Kabulufer, die Mohammedzai, Goggiani, doch ohne alles deutiche Weſen; 6272 Ew. 


Ghori in Peichawar, die Khattaf am füdl. Kabul- 


ereicherung u. B-öflage (im Röm. Rechte 


ufer, die Bangaſch weſtl. davon, die Turi, Jadſchi Condiectiones genannt) bezweden in den vom 


Bereifet — 


Gelee bezeichneten bejonderen Fällen den Ber-! 


mögensvortbeil, welchen Jemand nicht ftrafbarer, | 


195 


von Stoih, Berl. 1829. 2) Julius, preuf. 
Politifer, geb. 30. April 1817 zu Kyritz; ftudirte 


Berengar. 


aber doch umbilliger Weife aus einem Nechts- | Theologie u. Philofopbie. Da er bei Bewerbung 


eihäfte gehabt, zu Gunften des benachtheiligten 

ontrabenten rüidgängig zu machen. Die Boraus- 
jegungen der römiſch-rechtlichen Condictionen find: 
1) Wenn Jemand dem Anderen in der irrigen 
Meinung geleiftet hat, bierzu verpflichtet zu fein 
(Condietio indebiti). 2) Wenn die Leiftung unter 
der ausdrüdlichen oder ftillihweigenden Voraus— 
fegung gegeben war, daß in der Zukunft ein 
Umftand eintreten werde, diefer aber in der That 
nicht eintrat (Cond. ob causam datorum). 3) 
Benn geleiftet war, damit der Empfänger etwas 
durch das Geſetz oder die Sitte ohnehin Berbote- 
ues unterlaffe, damit er Etwas thue, wozu er 
ohnehin rechtlich verbunden war (Cond. ob turpem 
eausam, ex injusta causa). 4) Wenn Jemand 
die Sache eines Anderen ohne Rechtsgrund befitt 
(Cond. sine causa). 

Bereift (Bot), mit feinem, weißem ober 
bläulihem, wachsartigem Staube (Pruina) über- 
jegen, wie 3. B. die Zwetſchen. 

Bereitfhaft (Kriegsw.), der Zuſtand einer 
Truppe, in welchem de jeden Angenblid unter 
die Waffen zu treten vermag. Der Grad der 
Bereitichaft, ob alſo 3. B. die Pferde gefattelt 
oder angejpannt bleiben, die Infanterie das Ge- 
päd umgehängt hat, wol gar mit Gewehr in der 
Hand fteht, wird nad den Umftänden befohlen. 

-ftellung: verdedte Aufftellung von Truppen, 
aus der fie zu jofortiger Verwendung im Gefechte 
vorrüden können. 

Berefynthos (a. Geogr.), Berg auf Kreta, 
Theil der Leuei montes; hier follen nad der 
Mythe die Idäiſchen Daftyler den Gebrauch des 
Feuers u. das Schmelzen der Metalle erfunden 


haben. 

Berekyntin (a. Geogr.), Gegend in Phrygien, 
am Sangarios; der Kybele heilig, die daher den 
Beinamen B. führte; die Bewohner hießen Bere- 
tyntes (Berekyntai). 

Berends, 1) Karl Aug. Wilh., Prof. der 
Medicin, geb. 19. April 1759 in Anklam; ftu« 
dirte in Wien und Frankfurt a. d. Oder, wo 
er auch promovirte u. ſich als Privatdocent habi- 
ktirte, wurde 1786 Stabtphyfifus, 1788 orbentl. 
Prof., ging mit der Verlegung der Univerfität 
1811 nah Breslau u. 1815 nah Berlin, wo er 
auch Director der mwiffenichaftlihen Deputation für 
das Medicinalweien u. Geh. Med.-Rath wurde; 
er fi. am 1. Dez. 1826. B. war ein feiner, 
iharffinniger Kopf, vorzüglicher Lehrer, Verehrer 
des Alten, guter erg, u. ein außerordentlich um⸗ 
ſichtiger Arzt. ſchr.: Dissert. inaugur., sistens 
vomitoriorum historiam culorum, Franlf. 
1780; Über ven Unterricht junger Ärzte am Kran- 
tenbette, Berlin 1789; Dissert. de cardialgia, 
age 1792; De suflocationis-.signis, daf. 1793; 

difficultatis intestinorum definitione, daſ. 
1793; De letalitate vulnerum absoluta atque 
relativa, daſ. 1800; De dubio plicae polonicae 
inter morbos loco, daf. 1801; De asthmatis 
Millari et anginae polyposae diversitate, Bresl. 
1813. Nah feinem Zode erihien eine Samm- 
lung jeiner Hinterlaffenen Schriften, herausgeg. 


um die Rectorftelle in Lindow wegen freifinniger 
Anfichten vom Confiftorium abgemiejen wurde, fo 
ging er 1845 nach Berlin, gründete daſelbſt eine 
Buchdruderei, wurde Lehrer des Handwerkervereins 
u. Stadtverordneter u. beichäftigte fich bei. mit 
der Berbefferung der Lage der arbeitenden Klafjen. 
1848 trat er als Abgeordneter für Berlin in die 
Nationalverfammlung u. war einer der Wort- 
führer der äuferften Linken u. Mitglied des Ber- 
faſſungsausſchuſſes. 1849 Abgeorbnetee in der 
Zweiten Kammer, betheiligte er fi an mehreren 
politiihen Vereinen, bis diejelben im März 1850 
polizeilih gejchloffen wurden. Mehrmals wegen 
politiſcher Umtriebe zu Gericht gezogen, wurde er 
auh einmal mwährend des Belagerungszuftandes 
zu kurzer Gefängnißhaft verurtheilt, Im J. 1853 
ging er nah Amerifa, wo er zu St. Antonio in 
Zeras als Buchhändler lebt. 1) Thambayn. 

erendt, Georg Karl, geb. 1790 zu Dans 
zig; ftudirte Medicin u, Botanik in Königsberg 
u. prafticirte feit 1814 in Danzig als Arzt; er ft. 
1850. B. intereffirte fih namentlid für die vor- 
weltlichen Einfchlüffe in Bernftein u. binterlich 
eine große Bernfteinfammlung mit Pflanzen- 
abdrüden, eingeſchloſſenen Pflanzentheilen u. In— 
jecten. Er ſchr. bei.: Die Inſecten im Bernitein, 
ug 1830; Die Einſchlüſſe im Bernitein, 1845, 
1. Theil, 

Berengar (Berengarius). I. Fürſten: 1)B. L, 
Sohn des Herzogs Eberhard von Friaul u. der 
Gifela, der Tochter Ludwigs des Frommen; folgte 
jeinem Bater 874 als Markgraf von Friaul (f. d.) 
u. machte, weil er mütterliher Seit$ von den 
Karolingern abftammte, 888 nah Karls des 
Diden Tode, wiewol vergebens, Anfprücde auf 
die Erbichaft diefes Kaiſers; dagegen wurde eı 
888 König von alien u. vom Papfte Formoſus 
zuerft mit der fogenannten Eifernen Krone u. 915 
zum Kaifer von Stalien gekrönt. Über feine un« 
ruhige Regierung ſ. Italien (Geſch.). Er fiel 924 
durh Meuchelmord. In 1. Ehe vermählt mit 
Bertila, Tochter des Herzogs von Spoleto, hinter- 
fieß er 2 Töchter. 2) B. II., Entel des Bor., 
Sohn des Markgrafen Adalbert zu Idrea u. der 
Giſela, Älteren Tochter des Vor.; wurde 925 
Markgraf von Ivrea, empörte ſich gegen Hugo, 
König von Ftalien, mußte jedoch nad Deutſchland 
fliehen, wo er Zuflucht u. Hilfe bei Kaifer Otto I. 
fand; 945 nach alien zurüdgelehrt, ließ er, 
obgleih die Großen u. die Städte Ober- Ftaliens 
fih anfhloffen, Hugo u. nad deſſen Abdankung 
948 dem Lothar die Krone, herrichte aber für 
diejen; erft nach deffen Tode (950) ließ er fid 
frönen, hatte aber, gleich feinem Großvater, eine 
jehr unrubige Regierung; ſ. Italien (Geſch.). 
Er murde 961 von Otto I. entſetzt, 964 gefangen 
n. nah Bamberg geführt, mo er 966 ftarb, Er 
war vermählt mit Willa, Tochter des Markgrafen 
Bojo von Toscana, 

I. Geiftlihe u. Gelehrte 8) 8. von 
Tours, deb. am Anfange des 11. Jahrh. zu 
Tours; war ein Schüler des Biſchoſs Fulbert von 
Ghartres, wurde Vorſteher der Domſchule zu 


18* 


196 


Tours u. 1040 Archidiaconus zu Angers. Weil 
er im Gegenjage zu der Transfubftantiationslehre 
des Paſchaſius Hadbertus Brod u. Wein bloß für 
Zeihen u. Unterpfänder des Leibes u. Blutes 
Ehrifti hielt, wurde er 1050 infolge eines Briefes 
an Yanfranc, Prior des Klofterd Bec, auf ben 
Synoden zu Rom u. Bercelli verdammt u, ercoms 
municirt. Auf den Schub des Gardinals Hilde- 
brand vertrauend, ging B., um jeine Lehre zu ver- 
theidigen, 1059 zu der Synode nad Rom, wurde 
aber bier zur Abſchwörung feiner Anfichten ge- 
zwungen. Allein nad feiner Rückehr erflärte er 
laut jein® Menue über feinen falſchen Eid u. brei- 
tete feine Lehre weiter aus. Zwiſchen 1063 u. 
1069 fchrieb Lanfranc gegen ihn die Schrift: 
De eucharistia,. Er wurde aufs Neue auf der 
Synode zu Poitiers (1076) verdammt u. mußte 
1079 zu Rom widerrufen n. Stillihweigen ge» 
loben. Daranf gab er fein Lehramt auf, 309 fich 
1080 auf bie Inſel St. Come bei Tours zurid 
n. fl. 1088, Seine Schriften: De sacra coena 
ıt. De eucharistia, herausg.von Viſcher, Brl. 1834. 
Bgl. De Roye, Berengarii vita, haeresis et — 
tentia, Anjou 1656; Leſſing, Berengar von Tours, 
Braunfhw. 1770. Eine Sammlung ihn bes 
trefjender Briefe gab Sudendorf 1850 heraus. 
4) Jatob, j. Berengario, Giacomo. 
1) 2) Lagai.* 3) Löffler. 

Berengaria, 1) Tochter des Grafen Raimund 
Berengar von Barcelona, erite Gemahlin des 
Königs Alfons VIII. (VIL) von Eaftilien; ver- 
theidigte 1139 Toledo gegen die Mauren u. ft. 
1149. 2) B., Tochter des Königs Alfons IX, 
von Gajftilien, geb. 1171; feit 1196 Gemahlin 
Alfons’ IX. von Leon u. Galicien, geſchieden 1204, 
Nach ihres Bater$ Tode (1214) Regentin von 
Gaftilien, an ihres Bruders Heinrich Statt. Nach 
deffen Tode (1217) allgemein als Königin aner- 
fannt, trat fie den Thron fogleich ihrem Sohne 
Ferdinand III. dem Heil. ab; fie ft. 1244. 8) B., 
Tochter des Königs Sando VI. von Navarra; 
beirathete 1191 den König Richard I. Löwenherz 
von England, mit dem fie nach der auf Cypern 
jtattgehabten Bermählung nah WPaläftina ging; 
fie ft. 1230. 

Berengario, Giacomo (Berengar v. Carpi, 
Jacobus Carpus), berühmter Anatom u. Chirurg, 
der erftie Wiederherfteller der Anatomie im 16, 
Jahrh., geb. zu Earpi; promovirte in Bologna, 
ging als Chirurg nach Pavia u. als Profeſſor der 
Chirurgie nach Bologna zurüd, wo er von 1502 
bis 1527 blieb, u. fiedelte dann nach Ferrara über; 
bier ft. er. Er konnte fib, was damals viel 
heißen wollte, rübmen, 100 Leichen zergliedert zu 
haben, u. bat in faft allen Theilen des Körpers 
neue Entdedungen gemacht. Der Erfinder der 
Duedfilberturen bei Syphilis ift er Übrigens nicht, 
wol aber ein eifriger Beförderer derfelben. Ein 
Hauptvorzug 8-8 ıft, daß er ſich freimadhte von 
Salenishen Anſchauungen u. die Dinge ſah, mie 
fiewaren. Erjdr.: De cranii fractura tractatus, 
Bologna 1518, meift aus arabiichen Schriften ge 
Ihöpft; Commentaria cum amplissimis additioni- 
bus, super anatomia Mundini, daf. 621, 1552, 
engl. überfest, London 1664; Isagogae breves 
perlucidae et uberrimae in anatomiam corporis 


Berengaria — Berenife. 


hnmani ete., daf. 1514, 22, 28, 25, Benedig 
1525, Köln 1529, Straßb. 1530. Die anatom. 
Abbildungen in dieſen Werfen gehören zu dem 
frübeften. Zbambapn. 

Berenger, Alpbonfe Marie Marcus 
Thom., franz. Nechtsgelehrter, geb. 31. Mai 
1785 zu Balence; war früher Advocat in Grenoble, 
trat 1815 in die Deputirtenfaımmer, 309 ſich aber 
nad den 100 Tagen nadı Valence zurüd; fpäter 
bielt er Borlefungen über Offentliches Recht in 
Paris u. trat 1828 wieder in die Kammer, wo 
er zu den Liberalen gehörte, aber gewöhnlich mit 
der Regierung ſtimmte. Er wurde 1831 Kath bei 
dem Gaffationshofe u. 1839 Pair, B. ft. 1866 
zu Paris. Er jchr.: De la justice crim. en France, 
1818; De la repression penale, Par. 1855, 2 
Bde, u. überjegte die Juftinianifchen Novellen, 
1810 f., 2 Bde. 

Berenhorft, Georg Heinrich v. B. friegs- 
wiffenfchaftliher Schriftiteller, geb. 26. Oct. 1733 
zu Sandersleben, natürliher Sohn des Fürſten 
Veopold I. von Defjan; diente im preuß. Heere, 
war von 1757—60 Adjutant beim Prinzen Hein» 
rich, 1760 bei Friedrich II.; er nahm 1763 als 
Major den Abſchied, hielt fih danı zu Deffau 
auf, begleitete den auhaltiſchen Prinzen Haus 
Georg auf Reiſen, ward nah u. nach Kammer 
präfident, Schloßhauptmann u, Hofmarfhall. B. 
ft. 30. Oct. 1814. Er ſchr.: Betrachtungen über 
die Kriegskunft, Lpz. 1797—99, 3 Abth., 3. A., 
1827; Aphorismen, ebd. 1805. Aus B-3 Nachlaß, 
Def. 1845. 

Berenife (a. Geogr.), 1) früher Hesperis, 
Stadt in Kyrenaila, auf dem nordweftlihen Vor— 
gebirge Pieudopenias; nah Berenife (j. d. 2), 
der Gemahlin des Ptolemäos Euergetes, B. ge- 
nannt; war meift von Juden bewohnt; der Kaiſer 
Juſtinianus ließ fie neubefeftigen u. Bäder anlegen ; 
jetst Bengaft, wit wenigen Überreften der alten 
Stadt. %) (Beronife) Stadt in Ober-Agypten, 
an der Grenze Athiopiens, im inneriten Winkel 
des Sinus immundus; eine für,ben arabijchen u. 
indijchen Handel wichtige Geeftadt, welche Ptole- 
mäos Philadelpho8 anlegte u. zu Ehren feiner 
Mutter Berenife (f. d. 3) benannte; diefer König 
ließ aud eine Straße von Koptos nah B. 
anlegen. 

Berenike, griechifcher SFrauenname. 1) B., 
des Lagos Tochter, des maledonifchen Feldherrn 
Antipater Großnichte; murde als junge Wittwe 
im 3. 322 od. 320 v. Chr. von Antipater mit 
feiner Tochter Eurydile, die den Lagiden Ptole- 
mäos, B-8 Halbbruder, heirathen follte, nach 
Ägypten geſchickt. Hier verliebte ſich Ptoiemtlos 
in fie u. machte fie zu feiner zweiten Gemahlin. 
2) B., Tochter des Königs Magas von Kyrene u. 
der Apama, Antiochos’ I. v. Syrien Tochter, geb. 
265/4 v. Chr.; erft mit Demetrios dem Schönen 
von Makedonien, nad defjen Ermordung aber feit 
246 d. Chr. mit Ptolemäos III. Euergetes, König 
von Agypten, vermählt. Ihr infolge eines Ge— 
lübdes bei der Nidfehr ihres Gemahls von dem 
Syrien Feldzuge in dem Tempel der Aphrodite 
als Weihgeſchenk niedergelegtes Haar, welches an 
einem Morgen aus dem Tempel verihmwunden 
war, wurde von der Schmeichelei der Alexandrini⸗ 


Berenifes Haupthaar — Beresford. 
Then Aftronomen unter die Sterne verſetzt (j. B-s|den Länder bezeichneten Lehnfahne, 


107 


Die Belehn- 


Haupthaar). Sie wurde im J. 220 v. Chr. auflung ging dann ihren Gang fort. 2) ®. einer 
Anftiften, jedenfalls unter Zulaffungibres Sohnes, | Feftuna, f. u. Feſtungskrieg. 


Btolemäos’ IV. Pbhilopator, ermordet. 3) B., 


erens, Hermann, geb. 1826 zu Hamburg; 


Tochter des Königs Ptolemäos II. Philadelphos;|bifdete ſich zu einem tüchtigen Klavierfpieler n. 


war jeit 248 v. Chr. Gemahlin des Königs An- 
tiochos II. von Syrien u. wurde von ihrem Stief- 
ſohne Seleutos auf Anftiften feiner verftoßenen 
furchtbaren Mutter Laodile getödtet. 4) B. 
(Kleopatra), Tochter des Königs Ptolemäos VIII. 
Lathyros von Agypten, Schwefter des Auletes, 
Gemablin ihres Obeims Ptolemäos IX. (ft. 88 
v. Ehr.), fpäter (40 Yahre alt), nach dent Tode 
ihres Baters (81 v. Ehr.), 6 Monate Königin von 
Aegypten; von Ptolemäus X., ihrem 20jährigen 
Stiefſohne, bedrängt, wurde fie mit Gewalt an 
dieſen vermählt u. von ihm nah 19 Tagen ver- 
aiftet. 5) B., Tochter des Königs Ptolemäos XI. 
Auletes von Agypten; wurde nach deflen Ber: 
treibung (im J. 57 v. Chr.) Regentin n. beirathete 
den Seleufos Kybiofaltes, den fie aber bald wegen 
jener gemeinen Sitten tödten ließ; Darauf ver- 
mäblte fie fih im J. 55 mit Archelaos von Ko— 
mana u. wurde nach Wiebereinfegung ihres Baters 
in das Rei (55 v. Ehr.), wo ihr zweiter Ge- 
mahl in einem Treffen blieb, anf Befehl des Baters 
ermordet. 6) B., Tochter des jübifchen Königs 
Aarippa I. von Kypros, Gattin des Herodes, 
Königs von Ehalfis in Syrien, ihres väterlichen 
Oheims, nachher des Königs Polemon von Kilifien; 
als Geliebte des römischen Prinzen Titus kam fie 
im %. 75 n. Ehr. nad Rom, u. Titus wollte fie 
nad feiner zeugen für feine Gemahlin 
erflären, allein das römijche Voll wollte feine 
Ausländerin als folhe ſehen, darum mußte fie 
79 n. Ehr. nach Afien zurüdkehren. 7) B. (Phe⸗ 
renife, nah Anderen Kallipateira), Tochter u. 
Schweſter von Siegen in den Olympiſchen Spie- 
len. Sie begab fih einft gegen die Sitte zu 
Olympia, die den verheiratheten Frauen bei Strafe 
der Födtung durch Herabftürzen von einem Felſen 
den Beſuch der Olympischen Spieleverbot,als Wittime, 
als Athletenlehrer verfleidet, mit ihrem Sohne 
zu den Olympiſchen Spielen. Ihr Sohn gewann 
einen Siegespreis; als man mun damals durch 
einen Aufall ihr Geſchlecht entdedte, wurde fie 
aus Rüdfiht auf den olympiihen Ruhm ihres 
Baters, ihrer Brüder u. nun auch ihres Sohnes 
ftraflos entlaffen. Hertzberg.* 

Berenikes Haupthaar (Coma Berenices), 
nach Berenile 2) benanntes Sternbild am nörd— 
lichen Himmel, nahe am Schwanze des Löwen, 
bon 176—203° gerader Aufſteigung u. 16—33° 
nörblicher Abweihung; enthält nur 36 dem bloßen 
Auge fihtbaren Sterne der vierten, fünften u. 
fehften Größe, ift aber fonft durch zahlreiche Nebel: 
flede ausgezeichnet. Die bei den Alten allgemein 
befannte Benennung des Sternbildes verlor fich 
wieder u. ward erft 1572 von Tyco de Brabe 
wieder hervorgeſucht. 

Derennung, 1) 8. des kaiſerlichen fehns, 
ehemals die Sitte, daß bei der Belehnung der zu 


belehnende Fürſt das Gerüft, auf weldem der 
wu jaß, dreimal im vollen Jagen umritt, erſt 
ne 


der mit dem Wappen ber in Zehn zu empfangen- 


unter Reiffigers Yeitung zum Componiften aus. 
Nach einer Concertreile mit Marietta Alboni 1845 
wandte er fih wieder nach Hamburg, 1847 nad 
Stodholm, wurde 1849 königl. Mufildirector in 
Derebro u. 1860 Kapellmeifter des Mindretheaters 
zuStodbolm. Er icdr.: Symphonien, Duvertüren, 
ein Wianoforte » Quartett, ein Trio, Cantaten, 
Opern (Bioletta, Der Sommernadtstraum, Lully 
u, Quinault, Mufit zum Drama Kodrus). 

Derent, Stadt, jo v. w. Behrent. 

Bereny, |. u. Fasz B. u. Lovas⸗B. 

Beresford, aus England ftammende u. mit 
Triftram B. unter König Jakob I. nah Irland 
übergefiedelte Familie, welche 1665 in der Perſon 
Triſtram B.s, des Sohnes des Vorigen, die irische 
Baronetwürde n. mit Sir Marcus B. durch Hei> 
rath 1720 den Titel als Earl v. Tyrone u. die 
irifche Peerfchaft erhielt. Sir Marcus B. hinter- 
ließ 3 Söhne; der ältefte, 1) George de la 
Poer B. erbte 1765 den Titel feines Baters u. 
wurde 1789 Marauis von Waterford; er ft. 1826. 
2) Henry de In Poer, Marquis v. Water- 
ford, Sohn det Vor. geb. 1811; folgte jeinem 
Vater als Marquis, 8) William Carr, Bis- 
count B., geb. 2. Dct. 1768; trat jung als 
Fähnrich in die Armee u, verlor, während er im 
Neu-Schottland diente, durch die Unvorfichtigfeit 
eines Kameraden ein Auge. B. diente vor Ton- 
fon, Baftia u. Calvi, in Weftindien unter Aber- 
cromby u. in Ägypten unter Baird. 1806 zum 
Brigadegeneral aufgeftiegen, befebligte er die 
Landmacht der Erpedition, welche Buenos-Ayres 
eroberte, ward aber von überlegenen fpanifchen 
Streitträften mit feinem Heinen Corps gefangen 
(f. Südamerilanifcher Freiheitskrieg); doch entfloh 
er nach kurzer Gefangenfchaft nah England u. 
erbielt dort 1807 den Befehl über die Streitkräfte, 
welche fi der Inſel Madeira bemächtigten, 1808 
ging er mit einem engl. Corps nad Portugal u. 
erhielt den Auftrag, Die portugiefiihe Armee zu 
organifiren, was er mit vielem Gefchide that, fo 
daß er bereits 1809 die gran ofen unter Loiſon am 
Douro, 1811 Soult bet Albura befiegte. Dann 
befehligte B. unter Wellington eine Divifion, trug 
faft zu allen Siegen bei, die in Spanien u. Franf- 
reich erfochten wurden, bef. zu denen von Bittoria, 
Bayonne u. Toulouſe. Für feine Dienfte war er 
zum fpanifhen Herzog von Elvas und Marquis 
von Santo Campo u. zum portugiefifchen General- 
Feldmarſchall erhoben worden. 1814 ging er im 
Auftrage der portugiefiichen Regierung nad Bra- 
filien, fehrte 1815 zurüd u. warb 1817 aufs 
Neue in Brafilien verwendet, wo er einen Auf: 
ftand in Rio de Janeiro unterdrüdte. Zurücdgefebrt, 
übernahm er wieder das Commando der portu- 
giefiichen Armee, legte daffelbe jedoch nad einigen 
Fahren. nieder, weil ihm bie Anftrengungen zur 
Errichtung einer conftitutionellen Regierung zu- 
wider waren. 1827 führte er wieder eine englijche 


hne, dann mit der Mennfahne, zuletzt mit|Erpedirion nah Portugal der royaliftifch- anti» 


conftitutionellen Partei unter Ehaves zu Hilfe; 


198 


allein fie blieb unthätig u. kehrte bald nad Eng- Berkẽſow (Berefomwa), ‚Kreisftadt im ruſſiſchen 
fand zurid, wo er 1828 Großmeifter der Artillerie | Gouvernement Tobolst (Sibirien); 1593 angelegt; 
ward, aber 1830 dieſe Stelle mit dem Sturze) Pelzbandel; 1460 Em.; harter Berbannungsort. 


Berefina — Berg. 


des Minifteriums Wellington verlor. Später lam 
er wieder in Berdacht, geheime Berbindungen 
mit Don Miguel zu unterhalten, u. verlor 1835 
fein Gebalt als portugiefiiher Feldmarſchall. 
Seit 1814 als Baron B. zum Peer mit einer 
Barlamentsbewilligung von 2000 Pf. St. u. 1823 
zum Biscount creirt, faß er jeit erjlerem Jahre 
ım Oberhauſe u. gehörte zu den Zories. Später 
erhielt er jein portugiefiihes Gehalt wieder; er 
ft. in Zurüdgezogenheit am 9. Jan. 1854 auf 
feinem Landgute in der Grafſchaft Kent. 4) Sir 
John Poer, PBaronet von B., Bruder des 
Bor., geb. 1769; trat in dem englischen Geedienft, 
wurde 1825 Viceadmiral, 1838 Admiral; er 
fl. 1844 auf feinem Gute Bedate in der Graf— 
haft Nort. Bartling.* 

Berefina (poln. Bemszina), Nebenfluß des 
Dujepr im ruf. Gouv. Minst (Lithauen); Duelle 
bei Polotzk; Yauf 570 km (movon gegen 400 fchiff- 
bar); durch den nicht nugbaren B.-Kanal mit der 
Ulla, einem Arme der Dina, verbunden. Hier 
nördlih von Boriſſow bei Wefelomo Übergangs. 
ort ber franzöfiihen NRüdzugsarmee aus Rußland 
26.—28. Novbr. 1812, wobei 10,000 Fran— 
zofen ums Yeben famen u. 15,000 gefangen 
wurden; ſ. u. Ruſſiſch-deutſcher Krieg von 1812 
bis 1816. 

Berefine, Elias Nikolaewitſch, Reijenter 
u. ausgezeichneter Orientalift, geb. 19. Juli 1818 
im ruf. Dep. Perm; ftudirte zu Kaſan unter 
Erdmann u, Mirza-Kaſem-Beg oriental. Spracen, 
bereifte auf Koften der Regierung in den Jahren 
1842—45 den Orient, bekleidete 1846 als außer⸗ 
ordenti. u. 1854 als ordentl. Profeſſor den Yebr- 
ſtuhl der türkiihen Sprahe auf der lniverfität 
zu Kaſan u. wurde 1858 in derjelben Eigenſchaft 
an die Umiverfität zu Et. Petersburg verfegt. 
Obgleih mit den meiſten Spraden des moham— 
medanifchen Orients vertraut, beſchäftigte er ſich 
doc vorzugsweije mit der türliiden Sprache, 
deren Studium er ſowol durch feine in ruffischer 
Sprade geichriebenen Supplemente zu Kafem- 
Begs türkiicher Grammatik, Petersb. 1847, deutich 
von Zenker, Lpz. 1848, als auch durch feine aus- 
gezeichnete türliſche Chreftomathie in 3 Bon. zu 
befördern fuchte. Unter feinen zahlreihen Schriften 
u, Abhandlungen, die theils ſprachlichen Inhaltes 
find, theils die Geographie, die politiihe u. Cul— 
turgefhichte des Orients behandeln, verdienen 
diejenigen befonder# hervorgehoben zu werben, 
welche ſich mit der Gejchichte der Mongolen, u. 
zwar in ihrer fpeciellen Beziehung zur ruſſiſchen 
Geſchichte befaſſen. Wir verbanfen ihm namentlich 
die Veröffentlichung von Raſchid Eddins ausge: 
zeichnetem Geſchichtswerle über die Herrichaft der 
Mongolen unter Didingis Khan u. feinen Nach— 
folgern bis zur Geſchichte der Mongolen in Per- 
fien, das er im perfiihen Original mit ruffiicher 
Überfegung u. Anmertungen in mehreren Bon. 
in ©t. Peieröb. 1858 f. herausgibt. A 

Berefit, ein glimmerarmer Granit, der bei 
Berefomst im Ural vorfommt u. die bortigen 
Golblagerftätten bildet. . 


Bereſowsk, Fleden im gleichn. Bergdiftr. des 
ruff. Gouv. Berm; in der Umgegend die Bſchen 
Gold-Bergwerle an der Bereſowla, jeit 1744 
befannt. 

Derettini, Maler, jo v. m. Peter von Eortona. 

Berezowski, Anton, geb. 1847 zu Kogzlyſh 
in Bolbynien; betbeiligte ſich am der polnischen 
Revolution von 1863, nad deren Riederwerfung 
er nah Franfreih ging u. zuletzt bei einem 
Mechaniler in Paris arbeitete. Hier madte er 
am 6. Juni 1867 einen Morbverfud auf den 
Kaifer Alerander von Rußland, Er ft. 1869 in 
Neu-Ealedonien, wohin er deportirt worden war. 

Bern, Erböbung der Erdoberfläche, welche 
nad wiſſenſchaftlichen Begriffen im Gegenfatse zum 
Hügel, etwa 200 m beträgt; im gewöhnlichen 
Leben ift diefe Grenze ſehr relativ. Selten fin- 
den fih Be einzeln, mehr in näherer ober 
entfernterer Verbindung mit anderen. Iſt eine 
jolhe Berbindung weitumfaffend, in Züge, aud 
Seitenzüge ausgebend, fo heißt fie Gebirg, deren 
einzelne beſ. ins Auge fallenden Höhen wieder als 
Bee unterfchieden u. dann Gebirgsberge genannt 
werden. Zu ihnen gehören 3. B. der Montblanc, 
Monte-Rofa, die — auf den Alpen, der 
Brocken auf dem Harz ꝛc. Stehen B-e in einem 
ebenen Lande ijolirt, jo nepnt man fie Yandberge 
(3. B. die Landeskrone, der Zobtenberg). Weitere 
u. flache Erhebungen nennt man Landhöhen, Land⸗ 
rüden (3. B. der Fleming bei Wittenberg); nie- 
dere, Holirte u. jcharf marlirte Höhen von geringer 
horizontaler Ausdehnung: Feldberge, reip. Hügel. 
Man umtericheidet als wejentlih notbwendig zu 
jedem B. gehörig: den Nüden, den oberen Theil 
beffelben; jeinen Fuß, wo er in die Ebene oder das 
Thal übergeht, u. Abbang, den zwiſchen beiben 
befindlichen Theil. Iſt der obere Theil eines 
Dse8 platt, jo tft er eine Krone (Platte, Plateau); 
ift dieſe wagerecht, fo ift der B. ein Tafelberg; 
etwas hohl, ein Sattelberg (gefoppelter B.); hat 
die Krone eine Vertiefung, jo heißt der B. ein 
Kraterberg. Läuft dagegen der obere Theil des 
Bees in einen Punkt zujammen, fo beißt dieſer 
der Gipfel; der B. ift ein Spigberg (Zahn, Na- 
del, Thurm, Pit), wenn diefes Zulammenlaufen 
fpig, u. eim Hutberg (Dah, Krone), wenn es 
ftumpf ift. An den höchſten Theil des Bres ſtößt 
unmittelbar der Abbang (Hang, Abdahung) des- 
jelben an; der 8. ift fteil oder flach, je nachdem 
der Abbang mehr oder weniger ſenkrecht auf 
die Horizontalflähe trifft, auf der man den ®. 
fiehend annimmt. Dan pflegt die Abdachung nad) 
deſſen Winkel, welchen der Abhang mit der Hori« 
zontale macht, zu beftimmen, fo daß man von 
Abdahungs-(Böihungs-)winteln von 5, 10, 15, 
20, 25, 30, 35, 40, 45 Graben ſpricht. Letztere 
Abdahung ift die jähefte, die, wenn der B. nicht 
aus Felſen befteht, vorlommen lann. Noch fteilere 
Felsabhänge, zumeilen auch ſchon Abhänge über 
35 Grad, heißen Wände. (Bal. Plauzeichnen.) 
Gewöhnlich rechnet man, daß die Verwendbarkeit 
im Terrain bei der Artillerie fhon mit 10 Gra- 
ben, bei ber Reiterei mit 15 Graben und bei ber 


Berg. 


Infanterie mit 20 Graden aufhört. Abhänge von 


45 Graden nur mit Hilfe der Steigeifen u. Hände 
erflettert werden. Die Höhen der De werden 
meift nach dem Spiegel des zunächſt liegenden 
Meeres berechnet (abjolute Höhe), theil® durch 
trigonometriſche Meffungen, theils mit Hilfe des 
Barometer gefunden (vgl. Höhenmeffungen u. 
Barometer), Dan hat indeffen auch noch eine 
relative Höhe der B-e, welche anzeigt, wie hoch 
B-gipfel über einem Punkte des nächſten Fluß— 
ipiegel8 oder über einem anderen Bunfte des 
Zerrains liegen. Diefe relative Höhe ift bei. in 
militärischer Beziehung wichtig. Die höchſten B-e 
ericheinen in Afien (Mount Evereft oder Gauri- 
janfar 8837 m., Dapfang 8616 m, Kindbdin- 
junga 8591 m, Dhawalagiri 8180 m); dann 
in Amerila (Sorata 7566 m, Illimani 7373 m, 
Aconcagua 6590 m, Chimborazo 6528 m) und 
Afrila Kilima-Ndſcharo 6004 m); während die 
höchſten B-e Europas (Montblanc 4811 m u. 
Monte » Rofa 4638 m) jenen weit nadhitehen. 
Dem B-e entgegengefebt ift Thal (ſ. d.). Die Be- 
ſchreibung der B-e ihrer Äußeren Form nah ge- 
bört zur Orographie (j. d.). Bon Entftehung u. 
Bidung der B-e handelt die Geologie (1. d). 
Bgl. Gebirg. Das Wort B. wird in Bufam- 
menjegungen auch gebraucht, um dadurch ein na— 
türliches Borlommen zu bezeichnen, 3. B. Berg- 
grün, natürlich vorfommende — Bzinnober, 
natürlich vorlommender Zinnober ıc. 

Berg, 1) früher Herzogthum in Deutſchland, 
wiſchen Rhein, gerznotd. Kleve, Bisthum Münfter, 

afſchaft Mark, Weſtfalen, Naſſau xc.; öſtlich 
bergig, am Rhein eben u. fruchtbar; bewäſſert 
von der Sieg, Ruhr, Diffel u. a. Flüſſen; hielt 
54 [M; 262,000 (295,000) Em.; ift jetst Theil 
der preußischen Regierungsbezirte Arnsberg, Köln 
u. Düffelvorf. 2) Geſch.) Das Herzogthum 8. 
war zur Römerzeit von Ubiern, jpäter von Si— 
gambrern, Tencterern u. Bructerern bewohnt, die 
erft in der Völkerwanderung verfhwanden. Unter 
den Franken gehörte B. zu Ripuarien u. war in 
4 Gaue getheit. Man hält Hermann u. feinen 
Bruder Adolf I. für die Stammmväter der Grafen 
von B. Des Lekteren Entel, Adolf III. u. Eber- 
hard, wurden 1108 zu Grafen von dem B. u 
Altena ernannt; Letzterer verwandelte die von ihm 
erbaute Stammburg B. bei Mülheim 1133 in die 
Giftercienferabtei Altenberg u. ftarb daſelbſt 1152 
als Abt. Adolfs II. Enkel theilten das Erbe, 
indem Eberhard hie Grafihaft Markt, Engelbert 
aber B. erhielt. Engelbert8 Sohn Adolf V. er- 
Närte fih in den damaligen Reichshändeln für 
Raifer Dtto IV., feit 1205 für Philipp von Schwa- 
ben; machte 1211 einen Kreuzzug mit, ging 1218 
nah Agypten u. fiel vor Damiette. Hm folgte 
fein Bruder Engelbert II., Erzbiſchof von Köln, 
u. als mit deffen Tode (1225) der B-ihe Mannes» 
ſtamm ausgeftorben war, kam B. durch Adolis V. 
Tochter Ermengarde oder Kunigunde an deren 
Gatten, Herzog Heinvih IV. von Limburg. 
Sein Entel Adolf VII. lebte fortwährend in 
Streit mit dem Erzbiſchof von Köln, bis er von 


199 


‚folgte ihm fein Bruder Wilhelm I., der früher 
40 Graden können nur von geübten Jägern, von Canonicus in Köln war. 


Da diejer wieder ohne 


Nachkommenſchaft war, folgte ihm 1308 fein Neffe 


Adolph VILI., Sohn Heinrichs von Windeck. Auch 
dieier ft. 1348 finderlos, u. nun fam B. an jeine 
Schweſtertochter Margarethe von Wavensberg, 
welche die Grafjchaft ihrem Gemabl, Gerhard vou 
Jülich, zubrachte, unter deifen Sohn Wilhelm 
diefelbe 1380 Herzogtbum u. unter deſſen Sohn 
Adolf fie mit Jülich vereinigt wurde. Die von 
num an gemeinjame Gejchichte von Jülich u. B. 
j. u. Jülich. 1609 erloih die Jülicher Linie, u. 
es entjtanden zwiſchen Brandenburg, Sachſen, 
ſterreich u. der Pfalz Streitigkeiten über den 
Beſitz dieſer Lande, welche erſt 1666 geendigt 
wurden. B. fiel an Pfalz-Neuburg, kam 1742 
beim Erlöſchen diefer Linie an die Sulzbader 
Linie u. 1799 nah dem Tode des Kurfürften 
Karl Philipp Theodor an Pfalz-Jweibrüden, wurde 
aber 1806 gegen Ansbach an Preußen vertauſchi. 
Napoleon machte es jedoch bald darauf zur dem 
Kern eines Großherzogthums, das auf 315 | |M 
879,000 Ew. zählte u. dis er feinem Schwager 
Joachim Murat abtrat. Diefer vertaufchte es aber 
1808 gegen das Königreih Neapel, u. Napoleon 
Ihenfte es 1809 Ludwig, dem ältejten Sohne jei- 
nes Bruders, des Königs Yudwig von Holland. 
Bevor biefer zur Mündigkeit gelangte, wurde B. 
1813 von den Alliirten beiegt, das Großherzog: 
thum anfgelöft u. B. 1814 durch den Beichluß 
des Wiener Congrefies Preußen zugetbeilt. 
Berg (Montagne), 1) politiih radicale Partei 
in der Franzöſiſchen Nationalverfammlung nad) 
der erften Revolution, fo genannt, weil ihre Mit- 
glieder auf den höheren Bänfen des amphithea- 
traliich gebauten Sitzungsſaals faßen u. von dort 
die Verſammlung beherrichten; ſ. Franzöſiſche Re— 
volution. 2) Eine dergleichen auch nach der Fe— 
bruarrevolution 1848 in der Nationalverſammlung 
(j. Frankreich, Geſch.) und in anderen Berfamm- 


lungen. 

Berg, 1) Weiler, gleihfam Borftadt von 
Stuttgart; Billa des Königs, ſchöne, 1855 er- 
baute gothifche Kirche; neben vielen Gemwerben 
bedeutende Mafcinenfabrit und Kunftmüble; viel 
befuchte Mineral» und Nedarbäder; 1875 Em. 
2) Dorf im Landgerichte Starenberg des bayeri« 
ichen Regbz. Ober-Bayern; am Wurmjee ; fünig- 
lihes Schloß; Yuftort der Münchener; 218 Em. 

Berg, 1) Freiherr Günther Heinrid v. B., 
ftaatsrechtlicher Schriftfteller, geb. 27. Nov. 1765 
su Schweigern bei Heilbronn; wurde 1793 Pro» 
feffor der Rechtswiſſenſchaften u. Beifiger bes 
Spruchcollegiums in Göttingen, 1800 Hof u. Kanz- 
feirath in Hannover u. Advocatus patriae u. 
1810 Schaumburg-tippefher Regierungspräfident 
zu Büdeburg; er nahm Antheil an dem Wiener 
Eongreß u. trat 1815 als Oberappellationsgerichts- 
präfident in oldenburgiſche Dienfte, ging bis 1821 
als Geſandter für die Staaten der 17. Stimme 
an den Bundestag, 1819 zu dem Wiener Mini— 
ftercongreß u. 1824 (für Anhalt u. Schwarzburg) 
zu den Wiener Minifterialconferenzen. Bon 1821 bis 
1830 führte er den Borfig im Appellationsgerichte 


demjelben gewonnen wurbe; er ft. 1296 im beriu. war ſeit 1823 als Geheimerath Mitglied des 
Gefangenfchaft, u. da er keine Kinder hatte, jolStaats- u. Eabinetsminifteriums; er ft. 9. Sept. 


200 


1843 zu Oldenburg. Schr. u. a.: Handbuch des 
deutichen Polizeirechtes, 5 Bde., 1801—1809; Juri« 
fiihe Beobadtungen u. Nechtsfälle, 1802 bis 
1809; Abhandlungen zur Erläuterung der Rhei— 
nischen Bundesacte, Hann. 1808; Staatswiffent- 
ichaftliche Berfuche, Lübeck 1794, 2 Bde. 2) Karl 

einrih Edmund v. B. deutſcher yorftwirth, 
Sohn des Vor., geb. 30. Nov. 1800 zu Göttin« 
gen; ftudirte 1815—18 zu Dreißigader u. Göt- 
tingen Forft: u. Naturwiſſenſchaft, wurde 1820 
beim Berg- u. Forſtamte in Klausthal angeitellt, 
1821 Hilfslehrer an der f. hannov. Berg. u. yorft- 
ſchule daſelbſt, 1833 Oberfürfter in Lanterberg im 
Harz, 1845 Oberforftrath u. Director der fünigl. 
ſächſiſchen Forftafademie in Tharand, an Eotias 
Stelle, u. 1866 in den Nubeftand verjegt. Er 
ſchrieb: Anleitung zum Berfoblen des Holzes, 
Darınft. 1830; Liber das Berdrängen der Yaub- 
mwälder im nördl. Deutichland, ebd. 1844; Staats« 
forftwirthichaftsiebre, Lpz. 1850; Geichichte der 
deutichen Wälder, Dresden 1871; außerdem viele 
Heinere Abhandlungeh in forjtwirth. Zeitichriften, 
über feine Reifen in Skandinavien u. der Schweiz, 
über Durdforftung der Fichte u. Buche, über 
forſtlichen Unterricht u. a. m., namentlich in den 
Tharander Forftwirtbichaftlihen Jahrbüchern, die 
er von 1846 bis 1864 redigirte; gab auch 9. 
Cottas Waldbau in 6. u. 7. Aufl. heraus. 
3) Friedrih Wilhelm Nambert, Grafv. B. 
(ruſſ. Fedor Fedorowitſch), ruſſiſcher General, 
Statthalter von Polen, geb. 26. Mai 1790, 
aus einem von den Schwertrittern ſtammen— 
den livländiſchen Adelsgeſchlechte; ſtudirte im 
Dorpat u. trat 1812 als Freiwilliger in die ruſ— 
ſiſche Armee, in der er fh fortdauernd auszeid)- 
nete, 1822— 24 als Oberft auf Erpeditionen gegen 
die Kirgifenftämme, 1828 u. 1829 als General- 
major (jeit 1829) u. Generalftabschef unter Witt- 
genftein u. Diebitih gegen die Türlen, 1831 in 
Polen. In der Zwiſchenzeit war er 1819 von 
einer Meife durch das füdliche Europa zurüdge- 
febrt, als Oberft den Gefandtichaften in München 
u, Neapel attachirt, 1822 nad Orenburg gejandt 
behufs Ordnung der Berhältniffe der Kirgifen u. 
des Karawanenweſens iiber Bokhara nad Indien, 
die erjt durch die oben erwähnte Erpedition glüdte, 
hatte fi 1830 in Italien mit einer Gräfin 
Cicogna vermäblt. Nah Beendigung des Krieges 
in Polen zum Generallieutenant u. Generalftabs- 
chef der rufjishen Armee in Polen ernannt u, 1843 
zum General der Infanterie u. Generalquartier- 
ineifter im faiferlichen Generalftabe befördert, wurde 
er mehrfach zu diplomatischen Miffionen verwen- 
det u. ging 1849 als ruſſiſcher Bevollmächtigter 
in das öſterreichiſche Hauptquartier, das die Ope- 
rationen gegen Ungarn leitete. Für feine Dienfte 


Berga — Bergamo. 


an feinem Krönungstage, 7. Sept. 1856, ihm 
den Titel eines finnländiichen Grafen verlieh. Im 
November 1861 aus Finnland abberufen, wurde 
B., als die Verbältniffe in Polen eine befonders 
energiihe Verwaltung dort nöthig fcheinen ließen, 
im Mai 1863 zum Adjuncten des Großfürften 
Conftantin u. nah deſſen Rücktritt, 31. Oct. 
1863, zum Statthalter u. General-Commandanten 
der ruffiichen Armee im Königreih Polen mit 
jelten unumjchräntten Bollmachten ernannt. Nach 
Niederwerfung des Aufftandes (f. Polen, Geich.) 
wendete er feine volle Thätigkeit der Ruſſificirung 
Polens zu, die ihm auch gelang, ohne deshalb die 
nationalen Leidenſchaften der Hafen zu neuer Er⸗ 
bitterungzireizen. 1866 wurde erzum Feldmarſchall 
u. Mitgliede des Reichsrathes ernannt,aber mit dem 
Site in Warſchau. Er ftarb 18, Jan. 1874 in 
Petersburg, wohin er fi zu den Bermählungs- 
feierlichfeiten der Großfürftin Maria mit dem Her» 
zog von Edinburgh auf Einladung feines Kailers 
begeben hatte. B. war ein Mann der alten Zeit, 
von großem perjönlihem Wohlwollen, aber den 
liberalen Ideen der Gegenwart wenig gugeneigt. 
Am preußischen Hofe ftand er in ſolchem Anſehen, 
daß ihm bei der Drei-Kaiſer-Zuſammenkunft im 
Berlin, 9. Sept. 1872, das 6. brandenburgifche 
Jufanterie-Negiment Nr. 52 verliehen wurbe. 
2) Wimmermauer L. 3) Lagai. 

Derga, Stadt im gleihnam. Juftizamte des 
Weimariſchen Kreifes Neuftadt, au der Weißen 
Eifter; Sit des Juftizamtes; Schloß (Schloß B.), 
Hoſpital; Streichgarnſpinnfabrik; gute Schiefer u. 
Plattenbrüce; 970 Ew. 

Bergahorn (Acer campestre Z.), f. u. Ahorn, 

Bergafademie (Montaniftiihe Lehranftait), 
Lehranftalt, in mweldyer die zum Bergbau nöthigen 
Wiffenichaften ſammt Hilfswiffenihaften gelehrt 
werben. Die berühmtefien B-en find zu Berlin 
(feit 1861), Freiberg (feit 1766), Mausthal am 
Dar (feit 1811), Paris u. St. Etienne (Ecole 

es mines), Schemnig (in Ungarn, feit 1770), 
Leoben (für Steiermark) u. in rd (für die 
nörblien Provinzen des Oſterreichiſchen Staates, 
ſeit 1849), Petersburg, Kielce (Polen), Falun u. 
Stodholm, London. Auch Amerika hat verſchiedene 
derartige Anſtalten aufzuweiſen. 

Bergama, Stadt im Lima Karaſſi des Hein- 
aftat.türkiichen Bilajet Khodamendiljar, am Fluſſe 
Balyız das alte Pergamum (Pergamon); jetst 
fehr verfallen; etwa 12,000 Em. 

Bergamasker Schaf, eine der größten Schaf- 
racen, bejonders in den oberitalienishen Provinzen 
Bergamo u. Como heimiſch. Das B. wird fiber 
1 m hoch u. erreicht ein Gewicht bis zu 100 kg 
u. darüber; ift jehr breit gebaut, hat einen ge- 
rammften, meiſt ungehörnten, lahlen Kopf mit 


dafelbft mit der öfterreihiichen Grafenwürde bes|jehr großen, herabhängenden Ohren, kräftige, 


lohnt, übernahm er, nad) Petersburg zurücdges 
fehrt, wieder die Leitung ber topograpbiichen Ar- 


hohe, faft ſtets unbewollte Füße, grobe, fange, oft 
bräunliche Wolle; bedarf reihliher Ernährung u, 


beiten, erhielt 1854 bei Ausbruch des srientalifchen | wird dabei leicht fett; liefert viel Mil, aus der 
Krieges den Auftrag, Reval u. Eſthland gegen|hauptiächlic Käſe fabricirt wird, 


die weſtmächtliche Flotte zu vertheidigen, zugleich 


Dergämo, 1) Provinz im Königr. Jtalien; 


mit der Führung des Generalgouvernements in|2817,, [km (51,1 [IM); 368,152 Em.; von 


Finnland, u. beftand vom 8.—10,. Aug. 1855 das) Tirol u. den Provinzen 


rescia, Cremona, Mai- 


für die alliirten Angreifer erfolgloje Bombardement land, Como u. Sondrio begrenzt; in 3 Diftricte: 
von Smweaborg, für welches Kaijer Alerander IL.IB., Cluſone u. Treviglio, getheilt; nördlich hohes 


Bergamotte — Bergbau, 


Alpenland, füdlich Flachland; Flüffe: Adda, Og- 
io, Serio, Brembo, alle zum Pogebiete; See: 
eo; bringt Wein, Flachs, Seide, Eifen u. Vieh. 
Die Einwohner (Bergamasten) find in Italien 
als plump verfchrieen u. fprechen einen eigenthim« 
fihen rauhen Dialelt; Arlecchino u. Brighella (f. b.) 
in der italienischen Komödie werden als Berga- 
maslen genommen u. fpreden den Dialelt der- 
felben. Das Klima ift gefund, namentlich im N.; 
ebemals bedeutende, jetst herumtergelommene Vieh», 
bei. Schafzucht (f. Bergamaster Schafe). 2) Haupt- 
ſtadt defjelben, zwiichen Brembo u. Serio u. an 
den Eifenbahnen zwiſchen Mailand, Lecco, Be: 
rona ꝛc., beftebend aus der Alt- u. Neuftadt, von 
denen erftere auf einer fteilen Anhöhe, mit dem 
gothiſchen Palafte Broletto, davor Taſſos Bild- 
fäule, dem Dome u. daneben der an Kunftwerten 
reihen Kirche S. Maria Maggiore. Die Neuftadt 
fiegt in der Ebene; Sitz eines Erzbiſchofs; Wai- 
ſenhäuſer, bifchöfl. Seminar, Gymnafium, Yy« 
ceum, die Accademia Carrara mit vorzüglicher 
Semäldefammlung, Maler« und Bildhauerafa- 
demie, schönes sen: Gelehrte Gejellichaften; 
veges Gejchäftsleben; merlwürdig ift La Fier 
(das Kaufhaus mit 540 Kaufläden), zwifchen den 
Borftädten ©. Leonardo u. Antonio, mit weitem 
Plage davor u. Springbrumnen; 14tägige Seiden- 
meilen (26. Aug. bis 7. Sept.), Biehhandel; 
Seiden- u. Tuchwebereien, Eifengießereien in fei- 
nen Waaren, Steingut-u.Glasfabrikation, Zuder- 
bädereien (Confetti di Bergamo); 37,363 Ew. 
B. ift der Geburtsort Tiraboshis u. Bernardo 
Tafjos. — B., das alte Bergamum, im Dlittel- 
alter Bergomum, war von den in Ober⸗Italien 
eingewanderten Kelten (Galliern) gegründet, unter 
der Herrichaft der Römer Municipium; Attila zer 
ftöıte e8 452. Unter den Longobarden wieder aufge- 
baut, wurde B. der Sit eigener Herzöge, von 
denen indeß nur Gaibulf, bekannt ift, der zu Ende 
des 6. Jahrh. vergeblich fi von dem Yongobar- 
dentönig unabhängig zu machen verfuchte. Seit 
dem 8. Jahrh. Bahn die Karolinger B.; darauf 
ward es unabhängig bis zur Zeit der Ghibellinen- 
u. Guelfen-Kämpfe, in denen es auf Geiten der 
Erfteren ftand u. mehrfach den Herricher wechſelte: 
1264 warf fih Philipp Turriani in B. auf, dann 
tam B. unter Walter Bisconti, Capitano u. Po- 
deita von Mailand, welchem Staate e8 aber erft 
ſeit 1331 gefihert blieb. Neue Parteilämpfe gegen 
Ende des 14. Jahrh. legten einen Theil der Stadt 
in Schutt u. Ajche, u. 1402 wurde nach Vertreibung 
des berzogliben Bicars Roger Suardi zum 


201 


es Theil des Lombarbifch « Benetianishen König- 
reiches. Im Febr. 1848 kam es bier zu einer 
revolutionären Bewegung; im März verließen die 
öfterreichiichen Truppen die Stadt, u. Piemontefen 
bejegten diefelbe. Am 18. Auguft rüdte Fürſt 
Schwarzenberg in B. wieder ein, nachdem zuvor 
die abziehenden Piemonteſen die Eitadelle in die 
Luft geiprengt hatten. Bei den nachmaligen Er- 
eignifjentheilte es die Schickſale fonıbardo-Benetieng. 
HenneAm Rhyn.“ (Gefdy.) Yagai.* 

Dergamotte (Bergamottcitrone), ſ. Citrus. 

Bergamottöl (Oleum Bergamottae), ätheri- 
ihes Ol; wird in Stalien durch Auspreffen der 
Schalen der Bergamottcitrone (Citrus medica 
bergamotta) gewonnen, bejonders aus dei noch 
nicht ganz reifen Früchten. Es bildet eine blaß— 
gelbe, jehr angenehm riechende ölige Flüſſigkeit, 
die in der Parfümerie u. Pharmacie vielfache 
Auwendung findet. Elören. 

Dergamt, ſ. u. Bergredt. 

Bergära (Bergora), Stadt in der fpanifchen 
Provinz Guipuzcoa, am Deva; Collegium (In- 
stituto) für Naturwiffenichaften, 2 Seminarien, 
Baskiſche Gejellihaft; Stahlarbeiten; 6300 Em. 
Hier 31. Aug. 1839 Vertrag zwiſchen den Chri— 
ſtinos u. dem carliftiichen General Maroto, welcer, 
da deffen ganzes Corps capitulirte, die Flucht des 
Don Karlos über die Grenze bewirkte u. den 
Bürgerkrieg beendigte; ſ. Spanien. 

Dergart, das Geftein, in welchem Gänge 
auftreten. 

Bergaſſe, Nicolas, franzöfiiher Schriftiteller, 
geb. 1750 zu Yyon; war Advocat dafelbft, jpäter 
Parlamentsadvocat zu Paris, Bertheidiger des 
Banguiers Kormmann in dem Proceß mit Beaus 
mardais (f. d.). Zum Deputirten Lyons bei den 
Etats généraux gewählt, hielt er zu den Roya— 
liften, trat aber bald wieder ab; zu Tarbes wegen 
einer von ihm an Ludwig XVI. gerichteten, im 
den Tuilerien vorgefundenen Schrift 1793 ver« 
haftet, entging er nur durch den Sturz Hobes- 
pierres dem Tode. Er wurde 1830 nod von 
Karl X. zum Staatsrathe ernannt; ft. 29. Mai 
1832. Er fr. u. a.: Sur la loi et sur la libert 
de manifester ses pensdes, 1817, 3. Aufl., 1822; 
Essai sur le rapport, qui doit exister entre la 
loi religieuse et les loıs politiques, Par. 1822; 
Essai sur la propriet‘, Par. 1821. Er ver 
theidigte auch dem thieriſchen Magnetismus, 

Bergbau im engeren Sinne it der Inbegriff 
aller Arbeiten, durch welche die von dem Verfüg— 
ungsrechte des Grundeigenthümers ausgejchlofie- 


Statthalter erwählt, der die Stadt an Bandulf IIL.,|nen Mineralien aus dem Innern der Erde ges 


Malatefta von Brescia, 1407 verlaufte. 
defien Tode follte gemäß dem Frieden von 1419 
B. an Herzog Philipp Maria Bisconti von Dai- 
land zurüdjallen; derjelbe nahm die Stadt aber 
ſchon 1420 in jeinen Beſitz, mußte fie jedoch im 
Frieden von Ferrara (1428) an Venedig abtreten, 
ge fie mit furger Unterbredung (1509 bis 
1516 unter Ludwig XI. von Fraukreich) bis 
1796 blieb u. ftarf befeftigt wurde. Bon ben 

anzofen wurde B. nad) der Eroberung Ober- 

taliens der Cisalpiniſchen Republiku. dem König- 
reich Italien zugetheilt u. Hauptſtadt des Depart. 
Serio; 1814 wieder öfterreihijcd geworden, wurde 


zu führen ift, lehrt die B-kunde. 


Nach | fördert u. zu Gute gemacht werden, ohne in letzte⸗ 


rer Beziehung jedoch einem chemiſchen Proceß 
unterworfen zu werden. Die Orte u. Einricht- 
ungen, wo biefe Arbeiten ausgeführt werden, hei— 
ben Bergmwerle. Wie der B. am volllommenften 
Dieje umfaßt: 
1) Borlommen der nutbaren Mineralien, 2) Auf« 
juchen der Yagerftätten, 3) Gewinnung der Mi- 
neralien, 4) Gruben» Ausbau, 5) Förderung, 
6) Fahrung, 7) Wetterführung, 8) Wafferhaltung, 
9) Aufbereitung. 

Das Bortommen der nugbaren Mine 
ralien ift zweifacher Art; entweder find fie ge- 


202 


Bergbau. 


lagert wie das umgebende Seftein, oder fie burch- | Feftigleit der zu gemwinnenden Maffen; man un— 
feten diefes Geftein. Erfteres Vorlommen nennt |terfcheidet im dieſer Beziebung: a) rollige Maſſen 


man Flötze oder Lager, letzteres Gänge. 
Flögen oder Lagern kommen vor 3. B.: Sıtein- 
u. Braunfohlen, Steinfalz, Dachſchiefer u. a. m.; 
auf Gängen: Silber-, Blei⸗, Kupfer, Zink, 
Nidel- u. Schwefelerze. Manche Dlineralien, wie 
namentlich Eifenerze, fommen ſowol auf Gängen, 
als auf Flötzen u. Lagern vor. Außer den ge 
nannten gibt e8 maifige Yagerftätten in jog. Stod- 
werten, und unregelmäßige ın Bugen, Neftern, 
Nieren, ſowie oberflächlicye Yagerftätten. Alle dieſe 
Vorlommen treten in ihrer Bedeutung ſehr zurüd 
gegen das Vorkommen in Flötzen, Lagern und 
Gängen. Dieje drei haben das Eigenthümliche, 
daß fie in gemwiflen, oft viele Onadratmeilen um: 
faffenden Bezirken zahlreich u. über einander ge- 
lagert auftreten, während die übrigen Borlommen 
in der Regel auf fleineve Gebiete beſchränkt find. 
Gänge fommen vorzugsweije im älteren (dem jog. 
Übergangs-) Gebirge vor, Flöte in jüngerem 
Gebirge, als diefes. Die urjprüngli horizontal 
abgelagerten Gefteine haben durd) die verjchiede- 
nen Nevolutionen, welche den Erdlörper erichüt- 
tert haben (f. Geologie), eine Reihe von Berän- 
derungen erfahren, melde die Gefteine vielfach 
ans diefer Lage aufrichteten, dann aber auch zer- 
riffen. Diefe Zerreißungsipalten find vielfach mit 
nutzbaren Mineralien ausgefüllt u. charakterifiren 
fih als Gänge. Sie find meift fteil aufgerichtet. 
Das Geftein, anf welchem die Lagerftätte ruht, 
heißt das Piegende, dasjenige, welches fie brebedt, 
das Hargende. Die fürzefte Entfernung beider 
Gefteine heißt die Mächtigleit der Yagerftätte, Un— 
ter Streichen verfieht man die Abweichung einer 
in der Mittellinie der Lagerftätte gedachten hori« 
zontalen Linie von dem Meridian, unter Einfallen 
die Neigung der Lagerftätte gegen den Horizont. 

Dem Aufſuchen der Minerallagerftätten 
muß die Unterfuchung der allgemeinen geognoftiichen 
Beichaffenheit der Gegend vorausgehen. Hat diefe 
Unterfuhung das Auftreten eines Minerals wahr- 
ſcheinlich gemacht, jo fchreitet man zum Schürfen. 
Gehen die Fagerftätten bis zu Tage, find fie alfo 
nur von der Adertrume bebedt, fo bietet das 


Bloßlegen derielben keine Schwierigkeiten. Durch |ftahl von 2,,,—4 cm Stärke gefertigt. 


quer gegen das Streichen gezogene Gräben (Schürf- 
gräben) ift es leicht, das Ausgehende der Lager: 
ftätten bloßzulegen. Gehen die Lagerftätten nicht 
bis zu Tage aus, fo werden umterirdijche Arbeiten 
zur Auffindung derfelben nothwendig. Iſt das 
Zerrain durch Thäler eingefchnitten, jo ſchließt 
man die Lagerftätten auf durch quer gegen das 
Streihen gerichtete horizontale Streden, fogen. 
Stollen. In flachen Gegenden müſſen jedoch ver- 
ticale Arbeiten, Bohrlöher, ausgeführt werben. 
Dieſe Art des Schürfens ift für alle in größerer 
Tiefe vorlommenden Mineralien, bef. bei Stein- 
foblen, Soolquellen, Steinfalz ꝛc., allein üblich. 

Bei der Gewinnung handelt es fi nicht 
nur um das Mineral felbft, fondern auch um die 
Gewinnung des Gefteins, welches vor Erreihung 
der Mineralien, oder mit dem letteren felber ge» 
wonnen werben muß. Die Werlzenge, deren man 


fih zu dieſem Zwede bedient, nennt man Gezähe. zündet. 


Die Gewinnung ift eine verjchiedene je nach ber 


Auf|(Sand, Torf); b) milde (Thon); c) gebräde 


(Thonichiefer); d) fefte (Granit, Sandflein); e) ſehr 
fefte (Schwefelties, Ouarzit). Die Gewinnung ge 
ſchieht hiernach a) durch Handarbeit allein; b) durch 
Anwendung von Sprengarbeit; c) durch yeuer- 
fegen; d) dur Maſchinen. Die Handarbeit läßt 
fih unteriheiden als Wegfüllarbeit, als Keilhauen- 
arbeit und Sclägel- u. Eifenarbeit. Die erftere 
ift in Anwendung bei Maffen ohne allen feiten 
Zufammenbang u. bei der Förderung. Die bier- 
bei zur Anwendung fommenden Gezähe find die 
Schaufel, die Krage, der Bergtrog. Die Keilbaue 
befteht aus einem eiſernen, etwas gebogenen Keil, 
der an dem ftärferen Ende mit einem Auge zur 
Aufnahme eines hölzernen Stiels (Helm) verjehen 
ift. Die Keilhaue ift naimentlih bei Gewinnung 
der Steintohle in Gebrauh und wird bier als 
Schräm- u. Kerbbaue unterichieden. Schrämen 
ift das Hereinnehmen einer ſchmalen Schicht, des 
fog. Schrams, aus dem Koblenflöge. Hierzu wird 
jelbftverftändiich die weichfte, mildeſte Schicht aus«- 
geſucht. Hat man die Kohlenwand in diejer Weife 
auf etwa 1 m Tiefe umterhöblt, fo wird fie an 
beiden Seiten durchgehauen, geferbt. Die Schram- 
baue hat etwa 1 kg, die Kerbhane ca. 2 kg Ger 
wicht. Die unten u. an den Geiten freigelegte 
Maſſe wird duch Fimmel (ftarle Stablfeile), 
weldhe mit Hämmern (Zreibfänfteln) eingetrieben 
werben, bereingenommten,. Bei der Schlägel» u. 
Eifenarbeit wird das Eifen, ein Keil mit oder 
ohne Stiel (Helm), u. das Schlägel (Fäuftel) ber 
nut. Das Eifen ift 13—18 cm lang u. etwa 
2 cm ftarl, Zur Aufnahme des Hehues hat das 
Eifen ein rechtwinfeliges Auge, welches am beften 
in der Mitte fteht. Das Schlägel ift ein Hammer 
mit furzem, bölgernem Helme. Die Schlägel- u. 
Eifenarbeit ift durch die Sprengarbeit faſt voll 
ftändig verdrängt. Sie wird nur noch angemwen- 
det, wo man die zu weit greifenden Wirkungen 
der Schießarbeit vermeiden will. Bei der Bohr- 
u. Sprengarbeit fommen der Bohrer, das Fäuſtel, 
der Kräger, der Stampfer u. die Räummadel zur 
Anwendung. Der Bohrer wird meift aus Guß- 
Der ge- 
bräuchlichfte ijt der Meifelbobrer mit converer oder 
dreiediger Schneide. Das dur den Schlag bes 
Fäuſtels auf den Bohrer abgelöfte Geftein, das 
Bohrmehl, wird durch den Kräger aus dem Bohr- 
loche entfernt. Fit das Bohrloch bis zur geminfch- 
ten Tiefe gejchlagen, jo wird e8 mit Sprengma« 
terial geladen. Der Stampfer dient zum Beſetzen 
des Bohrloches nad erfolgter Ladung deffelben; 
er ift aus weichen Eifen gefertigt und hat eine 
Hohltebte, in welche die Räummadel oder die Zünd⸗ 
ſchnur paßt. Die Räummadel, aus Meifing oder 
Kupfer koniſch bergeftellt, hat oben einen eijernen 
Ring, mittels defien man diefelbe nad erfolgter 
Beſetzung des Bohrloches aus demjelben heraus- 
zieht u. hierburd einen Zugang in der, Bejat- 
maffe zu der Ladung erhält. In diefe Offnung 
wird der Zündhalm eingeführt u. legterer als- 
dann mit Schmefelfaden oder Schwamm ange» 
Das Sprengpulver ift bei naffer Arbeit 
mit Erfolg erſetzt worden durch ben Dynamit, 


Bergbau. 


der gegen Näffe durchaus unempfindlich iftz auch 
it feine Sprengfraft eine bei Weitem größere, 
als die des gewöhnlichen Pulvers, doch ift er im 
Das Feuerſetzen wird nur noch 


Preiſe theurer. 
an ſehr wenigen Stellen bei höchſt feſten Maſſen 
angewendet; bis zur Einführung der Sprengarbeit 
jpielte diefe Methode indeß eine große Holle. Das 
Geftein wird dur ein vorgelegtes Holzfeuer 24 
Stunden lang erbitt u. dann mit Wafler abge- 
fühlt; hierdurch erreicht man ein Yoslöfen der Ge 
fteinsichalen, die alsdann mit Brecheiien berein- 
genommen werden. Die Gewinnung der Mine- 
ralien durch Maſchinen beichränft fih auf die 
Bobrarbeit u. die Schrämarbeit. Für legtere find 
feit den letzten 15 Jahren Maſchinen der ver- 
ſchiedenſten Conftructionen in Anwendung gebradt, 
von denen fih bisher nur die von der Firma 
Garrett, Marſhal u. Eo. in Leeds conftruirte eini- 
germaßen bewährt hat. Dieſe Mafchine verrichtet 
die Schrämasbeit mit einem langen Sägeblatte. 
Als treibende Kraft wird unter hohem Drude 
ftehendes Waſſer benutzt. Die Schrämmafcinen 
eignen fib nur für Flöge von flacher Lagerung, 
gutem Hangenden u. einer 1 m micht weſentlich 
überfteigenden Mächtigleit u. jeten ferner lange 
Arbeitsjtöße voraus, Wegen aller dieſer Anfor- 
derungen find Schrämmaſchinen zwar für den 
engliihen Bergbau von einigem Nutzen, für ben 
deutichen, unter den vberichiedenartigften Berbält- 
niffen arbeitenden Bergwertsbetrieb aber faſt gänz« 
fi werthlos. 

Ausrihtung, Borrihtung u. Abbau. Die 
unterirdischen Pagerftätten müſſen bebufs ihrer Ge» 
winnung ausgerichtet, d. i. zugänglich gemadht 
werden. Die Ausrichtung erfolgt durd Stollen 
oder Schächte, melde beide Arten von Bauen 
übrigens gleichzeitig zu anderen Zweden, 3. ®. 
ur Wetterführung und Waſſer haltung, dienen. 
—S unterſcheidend zwiſchen beiden Aus— 
richtungsmethoden iſt zunächſt bie Art der Waffer- 
abführung, aus welcher ſich dann nod andere 
Berfchiedenbeiten ergeben. Auf dieſe Weiſe ent- 
ſteht der Unterfchied zwiſchen Stollengrube und 
Tiefbaugrube. Ein Stollen ift ein möglichft ho- 
rigontaler, nah Umftänden unterirdifch verzweigter 
Grubenbau. Liber Erbftollen ſ. den bejond. Art. 
Der Stollen kann folgende Zwecke erfüllen: 
a) Wafferabführung, b) Wetterzuführung, c) För- 
derung. Als Benennungen find folgende hervor» 
zubeben: das Mundloch ift die Stelle, wo der 
Stollen unterfriecht, d. h. unter die Oberfläche 
des Gebirges eintritt; die Röſche ift der Graben, 
welcher die aus dem Stollen zu Tage tretenden 
Bafler in einem Wafferlaufe abführt; die Wafjer- 
A ift der tieffte, zum Wafferabfluß dienende 














des Stollens. Über der Wafjerjeige liegen 
auf eingebühnten Schwellen Bretter u. Schienen; 


203 


derung der gewonnenen Mafjen zı dienen, oder 
auch um zur Beichleunigung des Stollenbetriebes 
mehrere Anſatzpunkte zu gewinnen. Schächte die- 
nen zur Ausrichtung von Yagerftätten unter der 
Stollenfohle und im umverritten Gebirge. Die 
Ausrichtung durch Schächte im umperritten Ges 
birge wird nothwendig bei ganz flacher Geftalt 
der Oberfläche, bei horizontaler oder faft horizon— 
taler Yagerung u. bei Bededung der Yagerftätten 
mit jüngerem Gebirge. Der Hıichtung nad un— 
terſcheidet man faigere (ſenkrechte) u. donnlägige 
(geneigte) Schähte. Die Schädte ftehen entwe⸗ 
der im Gefteine, oder im der Lagerſtätte. Schächte 
um Geſteine find in der Megel faiger, die in der 
Yagerftätre meıft donnlägig. Außer zur Ausricht- 
ung dienen die Schächte — wie die Stollen — 
zur Förderung, Wafferbaltung u. Fahrung. Zur 
Erfüllung dieſer Zwede wird der Schacht in 
mehre Abtbeilungen, (Trümmer) getheilt. Die 
* iſt die Offnung des Schachtes über 
Tage. Man erhöht die Schächte über die Ober- 
fläche, — man verfiebt fie mit einer Aufjattel- 
ung, — um Raum für das Abftürzgen der geför« 
derten Maffen — Haldenfturzg — zu erhalten. Die 
Ausrichtung der Lagerftätten von einem Schachte 
aus erfolgt im Allgemeinen nah dem Princip: 
Theilung des Gebirges in Etagen (Sohlen, Feld» 
ortftreden, Gezengftreden), welche ſenkrecht unter 
einander liegen. * Man gewinnt mit diefer Theil« 
ung Mbfchnitte der Lagerftätten, welche beauem 
find für die Gewinnung u. die Förderung. Die 
Theilung wird bewirkt durch Querfchläge, d. h. 
Betriebe im Gefteine, mit denen man rechtwintelig 
gegen das Streichen, alfo auf dem fürzeften Wege, 
die abzubauende Tagerftätte erreicht. In der Ya- 
erftätte werden alsdann die Grund» (Gezeug.) 
Streden ——— 

Auf die Methode der Gewinnung der Lager⸗ 
ftätten, Borridtung u. Abbau, wirlen die dere 
hältniſſe der Lagerftätte, ob plattenförmig, maffig ıc., 
ihre Mächtigkeit, Nebengeftein, Ri der Lager⸗ 
ftätten, Nüdficht auf Wetter- u. Wafjerführung u. 
a, ein. Man untericeidet zwei Hauptmethoden: 
1) Abbau mit Bergeverſatz; bei demjelben wer— 
den die durch Wegnahme des Minerals geichafie- 
nen Hohlräume mit Bergen ausgefüllt. 2) Ab- 
bau ohne Bergeverfag, wo diefes nicht geichieht. 
Die am bäufigften angewandten Abbauarten der 
erftien Gruppe find: Firftenbau, Strofienbau, 
Duerbau, Strebbau; die der zweiten Gruppe: 
Pfeilerbau, Stodwertbau, Bruchbau. Die erfte 
Gruppe wird vorzugsweife bei der Gewinnung 
von Erzlagerftätten, die zweite bei der Gewinn-« 
ung von Stein» und Braunfoblen angewendet. 
Firftenbau wird auf fteil einfallenden Fagerftätten 
von nicht zu großer Mächtigleit getrieben, melde 
dem zufolge auf einmal ganz hereingenommen wer« 


diefes ift das Tragewerk. Über diejes Tragewerk|den iaun. Der Bau mird eingeleitet durch eine 


geht auf Brettern oder Schienen die Förderung; 
der Raum über dem Tragewerle heißt der Fahr⸗ 


raum; das oben im Stollen anftehende Gebirg 
heißt die Firſte, das feitlich anftebenbe die Stöße; 


den Boden des Stollens nennt man Sohle; Yicht- 
löcher nennt man Schächte, welche vom Tage nie- 





ftreihende Strede in der Lagerftätte. Demnächft 
wird ein Überhauen in der Mitte des abzubauen- 
den Mittels aufgehauen. Der Abbau fann, je 
nachdem er zu beiden Seiten oder mur an einer 
Seite diefes Überhauens begonnen wird, zwei« 
oder einfliigelig geführt werben. Man beginnt 


der auf den Stollen abgeteuft werben, um die mit bem Abbau an ber unteren Ede dieſes Auf- 


Bettercirculation zu unterftügen, oder zur För ⸗ 





hauens. In dem Maße, wie ber Bau im bie 


204 


Bergban. 


Höhe rüdt, füllt man den ausgehöhlten Raum, England u. Schottland. Bon einer ftreichenden 


hinter fih mit Bergen aus. Die Unterſtützung 
diefes Berjates gegen die Grundftrede geſchieht 
entweder durch Zimmerung, oder auch Mauerung, 
oder durch Stehenlaffen einer Bergfeſte, indem 
man über der Grumndftrede eine zweite Strede 
(Firftenftrede) treibt. Um die Maflen von den 
Sewinnungspunktten zur Grundftrede zu fördern, 
wird das Aufhauen dur Zimmerung u. Mauer— 
ung offengehalten und durch daffelbe die Maffen 
geftürzt; außerdem bringt man in gewiffen Ent— 
fernungen, etwa von 20 zu 20 m, ſog. Kollen im 
Bergeverjage an, deren Wände aus größeren Ber 
gen troden aufgemauert werden. Der Strofjenbau 
iſt gleichſam die Umkehrung des Firftenbaues, abeı 
älter als diefer. Er wird eingeleitet durch ein 
von einer ftreichenden Strede aus —— Ab» 
bauen, welches wo möglich in der Mitte des ab: 
zubauenden Mittels zu ftehen kommt. Der Abbar 
beginnt mit dem Aushiebe der Eden zwiichen Ab: 
bauen u. Strede. Für den Bergeverjag werden 
Kaften geichlagen, beftebend aus zwiſchen Hangen- 
des u. Yiegendes eingetriebenen Stempeln. Die 
reichen Erze werben in Körben gelammelt u. die 
Yeiter (Fahrt) hinaufgetragen; die ärmeren wer: 
den mit Kübel u. Hafpel hinanfgezogen. Bei dem 
Stroffenbau ift Erzverluft weniger zu befürchten, 
als beim Firſtenbau, der bier gar nicht zu ver- 
meiden, Bei jenem ift die Zimmerung ehr Foft- 
jpielig u, nicht gut zu erneuern, weshalb er im- 
mer jeltener angewendet wird. Der Querbau 
findet Ammendung auf mächtigen Lagerftätten mit 
ftartem Einfallen, auf Stodwerten u. beim Be- 
triebe unterirdifher Steinbrüche. Er bezwedt: 
Theilung der Yagerftätte durch Sohlen von oben 
nah unten, Gewinnung des Minerals über jeder 
Sohle von unten nach oben in Abjchnitten mittels 
quer durch die Mächtigkeit der Lagerftätte geführ— 
ter Streden, Letztere werben verkent, fo daß bei 
der Gewinnung des nächft höheren Abjchnittes der 
Arbeiter auf dem Berfate des unteren ftebt. Im 
Liegenden der Lagerftätten wird eine Strede anf- 
gefahren, von diefer geht man mit einem Orte 
von 2—4 m Breite quer durch den Gang; ein 
zweites Ort treibt man um 3—9 m von dem 
erften entfernt in derſelben Richtung. Haben die 

rter das Hangende erreicht, fo werden fie voll: 
ftändig verfegt. Darauf nimmt man die zwiſchen 
zwei benachbarten Örtern ftehen gebliebenen Pfeiler 
binmweg, ſei es in einer Tour, ſei es im zwei oder 
mehreren. Alle diefe Räume miüfjen verjegt mwer- 
den, um bemmächft den höher gelegenen Theil der 
Lagerftätte gewinnen zu können. Durch anusge- 
manerte Rollen werden die in oberer Höhe ge» 
wonnenen Maffen zur unteren Gtrede hinabge- 
fördert. 

Der Strebban ift diejenige Abbaumethode die» 
fer Gruppe, welche bei geringen: Fallen eintritt 
u. welde außer binreihenden, in oder in unmit- 
telbarer Näbe der Yagerftätte zu gewinnenden 
Mafien zum Berjate nicht über 1 m betragende 


bat. 


Strede aus haut man fchrwebende Streden — im 
kinfallen — auf u. bildet Abtheilungen von ca. 
50 m flacher Höhe u. 50 m Länge, u. zwar mad 
beiden Seiten. Die hohlgemachten Räume mer» 
den durch die Berge, welche bei dem Erweitern 
der Baue fallen, möglichft dicht ausgefüllt. Zur 
‚Förderung werden von 20 zu 20 m Diagonalen 
bergeftellt. Der Strebbau in den engliihen Koh» 
lenflögen ift genau derjelbe, nur muß bier wegen 
der auftretenden jchlagenden Wetter auf Wetter- 
führung ein befonderes Augenmerk gerichtet werben. 

Bou den Abbaumethoden ohne Bergever- 
ſatz ift die wichtigfte der Pfeilerbau. Derjelbe 
harakterifirt fi dadurch, daß die Ausgewinnung 
der Yagerftätte in zwei Stadien erfolgt, nämlich; 
1) durch Vorrichtung von Pfeilern, d. h. Abſchnit- 
ten der Lagerſtätte, 2) demnächſt durch den Ab» 
bau der vorgerichteten Pfeiler, Der Pfeilerbau 
ift die häufigſte Abbaumerhode für Steinfohlen« 
flöge u. Braumnfoblenlager; er ift anwendbar bei 
allen Fallwinkeln. Er fann ftreichend, diagonal, 
oder ſchwebend geführt werden; die beiden letzte- 
ren Arten eignen fih aber nur für fladhliegende 
Yagerftätten. Mach der erfteren Art wird das Flötz 
im Streihen in Bau-Abtheilungen zerlegt, im 
diefen werden parallele ftreihende Streden aufs 
gefahren; haben dieje Streden die Baugrenze er» 
reicht, jo werden die durch dieſelben gebildeten 
Pieller rüchwärts, und zwar die oberften zuerft, 
verbauen. Die Höhe der Streden muß ftets jo 
groß fein, daß Die bei der Herftellung derſelben 
jallenden Berge in der Strede verjegt werben 
fönnen; letzteres gejchiebt in der Megel unter ver 
Förderbahn. Zu hohe Orter vermehren die Selbft- 
foften und verringern den Stüdfoblenfall. Die 
Pfeiler nimmt man zwedmäßig jo bob, als es 
das Nebengeftein erlaubt; hohe Pfeiler vermin— 
dern die Gelbftloften u. erböben den Stüdtoblen« 
fall. Eine Grenze ſetzt bier der Umjtand, daß 
allzu hohe Pfeiler zu früb Bruch u. stohlenverluft 
herbeiführen. In Weitfalen nimmt man die Orter 
3—4 m, die Pfeiler 8—12 m; in Öberjchlefien 
die Orter 2—4 m, die Pfeiler 6 m; im Saar 
brüdichen die Orter 5 m, die Pfeiler 10 m. Die 
gewonnenen Kohlen gelangen dur Bremsberge 
zur Sohle, Die Einrichtung derjelben ift die, daß 
das gefüllte Fördergefäß (jei es direct, oder auf 
einen Förderbod geftellt) das leere binaufziebt. 
Bei flahem Einfallen reicht die Schwere des err 
fteren micht mehr zur Lberwindung der Beweg- 
ungshinderniffe des letzteren aus; es ift damıt 
die Örenze der Möglichkeit der Ausführung er— 
reicht. ALS zuläffiges Minimum kann man beim 
Abbremjen eines Wagens u. nicht ganzer Wagen 
züge einen Fallwinkel von 7 Grad anjehen. Die 
Bremsberge find entweder einjeitig oder zweifeitig 
porridytend; bei letteren läßt man das Gegen 
gewicht entweder unter dem Förderbode ber im 
einem Schlitze des Fiegenden laufen, oder feirlich 
von der Abtheilung für den Förderkorb. Die legtere 


Mächtigkeit u. gutes Nebengeftein zur Bedingung —— bedingt die Herſtellung einer anfzu- 
Derjelbe ift gewiffermaßen ein Firftenbau, |hebenden lb 


erbrüdung über die für das Gegen- 


der der flachen Lagerung angepaßt ift. Er fommt| gewicht bejtimmte Abtheilung, um mit Hilfe der» 
vor auf dem Kupferichieferflög im Mannsjeldicen, ſelben das gefüllte Fördergefäß auf den Förder⸗ 
euf flachfallenden Steintohlenflögen in Belgien, in|bod zu jchieben, 


Bergbau. 


205 


Die Länge der Bauabtbeilungen if, ab-,fehr harzige Hölzer, alfo Eichenholz, ſodann Fichte, 


gejehen von Berwerfungen oder Markicheiden, be» | Kiefer u. Tanne. 


Nadelholz hat außer der grö— 


dinge durch die Beſchafſenheit des Nebengefteines, |Geren Billigkeit den Vorzug des geraden Wuchies, 
namentlih durch das Aufguellen des Liegenden.| Das vielfah verfuchte Jınprägniren des Holzes 
Je drudhafter dieſes Geftein, um fo kürzer muß mit Binl- u. Kupfervitriollöjung, oder mit Kreo— 
die Abtbeilung fein, in allen Fällen jo kurz, daf|fot kann, weil es zu theuer ift, nicht allgemein 


die Zimmerung in den Streden nicht einer Aus— 
wechjelung bedarf. Hiernach ergibt ſich dieſe Länge 
von 60 m bis 300 m. Hat die oberfte Strede 
die Baugrenze erreicht, fo beginnt man mit dem 
Abbau. Zur Unterftüsung des bloßgelegten Han- 
genden bringt man Stempel an, nad) Sn in 
mwegnahme das Gebirg hineinbridht. Dieſes Zu- 
bruchemwerfen ift nothwendig, um den Pfeiler vom 
Gebirgsdrude zu befreien; jedoch muß die Zim- 
merung in der Nähe des Arbeitsftoßes ftehen blei— 
ben, jo daß letsterer immer offen ift. 

Der Diagonale u, der ſchwebende Pfeiler- 
bau wird bei flachem Einfallen angewendet, wo, 
wie oben bemerkt, eine Bremsmaſchine nicht mehr 
anzubringen ift; er ift in Bezug auf Theilung 
der Banabtheilung in Pfeiler u. auf Gewinnung 
der letteren nicht verjchieden von dem ftreichenden 
Pfeilerbau. 

Der Stodwerfbau ift befchränft auf mäch— 
tige Lagerſtätten, u. fett eine große Feſtigkeit der- 
felben voraus. Als Beiſpiel ıft das Zwitterſtoch- 
werk zu Altenberg im Sächſiſchen Erzgebirge anzu- 
führen. Bon einem Schachte aus geht man mit 
einem Querſchlage in das Stodwerl u. fucht die 
edleren Partien dejjelben zu gewinnen, indem die 
unedleren als Bergfefte ftehen bleiben, Diele 
Weitungen werden 12—16 m weit u. ca. 12 m 
hoch; die ftehenbleibenden Pfeiler müſſen 10 m 
ſtarl bleiben, um den Bau nicht zu gefährden. 

Der Bruchbau dient für mächtige, fteil auf- 
gerichtete Lager, deren Maſſe feine großen Weit- 
ungen geftattet, Er darf nur in der tiefften Soble 
beginnen; hat man mit dem fog. Bruchort eine 
baumiirdige Partie aufgefunden, jo erweitert man 
daffelbe u. läßt das Mineral bereinvollen. Erſt 
wenn das Nacrollen aufgehört hat, geht man 
weiter vorwärts. 

Der Grubenausbau hat den Zweck, Drud 
bon den Grubenbanen abzuhalten, ſei es Waffer- 
drud, oder Gebirgsdrud. Erſterer macht fi 
bemerflih beim Zurückdämmen der die Gruben- 
baue bedrohenden Waſſer. Gegen das Zufam- 
menbrechen der unterirdiihen Räume jchügt man 
fih durch verjchiedene Mittel: 1) durch eine 
entfprechende "Beftaltung diefer Räume (bei feſtem 
Gebirge); 2) durch Stehenlaffen von Gebirgsmitteln 
oder Theilen der Lagerftätten; 3) durch Berge: 
derſatz; 4) durch Zimmerung; 5) durch Mauer- 
ung; 6) dur Ausbau mit Eifen, Die Zimmer: 
ung it am jchmellften herzuftellen u. erfordert die 
geringften Koften, eignet ſich alfo in allen Fällen, 
wo der Ausbau nicht jehr lange zu halten braucht. 
Mauerung ift jehr widerftandsfähig, erfordert aber 
u ihrer Anbringung größeren Kaum u. größeren 

ufwand an Beit u. Geld. Eiferner Ausbau ift 
die foftfpielfigfte Art des Musbaues, aber in man- 
hen Fällen unentbehrlih. Er hat vor der Mauer» 
ung den Bortheil, daß er weniger Raum zu ſei— 
ner Anbringung erfordert. Am beften eignen fich 
harte Hölzer zur Grubenzimmerung u. demnächſt 


angewendet werben. Die Zimmerung ift zu un— 
tericheiden nach der Art der zu fihernden Gruben— 
baue als Zimmerung in Streden u. Bimmerung 
in Schädten. Bei der Zimmerung in Streden 
ift zu untericheiden: einfache, aus einzelnen felb» 
fändigen Hölzern (Stempeln) beftebende, u. zu. 
fammengefegte, bei welcher mehrere Hölzer in Ber« 
band gebracht find. Bei der einfahen Zimmer- 
ung wirft jedes Holz für ſich als Säule, oder als 
Ballen. Die zujammengtiegte Zimmerung fell 
ganze Flächen fihern. Letzteres wird beabjichtigt 
bei den Fjirftenfaften. Auf zwiſchen Hangendes 
u. Yiegendes getriebene Stempel werden Hölzer 
gelegt, welche mittels aufgelagerter Berge das 
Seftein am Hereinbrehen hindern. Die Sicer- 
ung mehrerer Flächen erreicht man mit Thürftod- 
zimmerung. Sie iſt überall anwendbar, wo die 
Strede einen rechteckigen oder trapezförmigen 
Querſchnitt erbält mit horizontaler Firfte u. Soble. 
Die ganze Thürftodzimmerung bejteht aus einer 
nad drei oder vier Seiten geichlofjenen Eonftruc« 
tion; Die halbe wird angewendet, wenn nur ein 
Stoß u. die Firſte zu fichern ift. In geneigten, 
plattenförmigen Yagerftätten wendet man die Schal- 
bolz» oder Unterzugzimmerung an, wenn das 
Hangende u. ein oder beide Stöße zu fichern find. 
Das Charafteriftiiche ift, daß die zur Sicherung 
der Firſte anzubringenden Hölzer nicht horizontal 
gelegt werden, wie bei der Thüritodzimmerung, 
fondern im Einfallen der Yagerftätte. In rolligen 
Maſſen kommt die Abtreibearbeit vor. Bei dieſer 
geht die Anbringung. der Zimmerung der Gewin— 
mung der Maſſen voraus. Bon einem Thürftod- 
geviere aus treibt man nämlich an Firſte, Sohle 
u. den Stößen Abtreibepfähle (vorn zugeihürfte 
ſchmale Bretter) in das Gebirg ein; das Gebirg 
wird dann hereingenommen u. die Pfähle durch 
eine neue Thürftodzimmerung geftügt. Die Zim- 
merung in Schädten tft verſchieden je nach der 
‚eftigteit des Gebirges. Bei feitem Gebirge fichert 
man in der Regel alle vier Stöße durch vollftän- 
dige Geviere, von denen zwei gegenüberliegende 
Jöcher heißen, die beiden anderen Kappen. Die 
Seviere ruhen auf Trageftempeln, d. i. im bie 
Stöße eingebühnten Hölgern; Diefelben tragen mits 
tel8 der Bolzen (im die Schadhteden geftellte 
Berticalhölzer) die einzelnen Geviere, melde mit 
Rückſicht auf den Gebirgsdruck mehr oder weniger 
von einander entfernt angebracht werden; bei jehr 
ſtarkem Drude werden ındeß die Geviere dicht 
auf einander gelegt. Auch die Entfernung der 
Trageftempel richtet fi nad) der Feſtigleit bes 
zu fihernden Gebirges. Die Zimmerung in donn« 
lägigen Schächten nähert fih je nad) dem Neig- 
ungsminfel bald mehr der Streden-, bald mehr 
der Schadhtzimmerung. In loſem u. ſchwimmen— 
dem Gebirge wender man Abtreibezimmerung au, 
die in derfeiben Weife, wie bei Streden, ange» 
bracht wird. Die Mauerung wird in Streden u. 
Schädten angewendet, hauptjählid aber in letz 


206 


teren. Zu derielben verwendet man faft aus-jchenräume zwiſchen den Kränzen werden durch 
khlieglich Ziegelfteine, die allerdings tadelfrei fein |eingerriebene Holzteile ausgefüllt bis zum völligen 
müſſen; als Mörtel in der Haupiſache bydrauli»-Abichluß des Waſſers. Die in der Mitte der Auf- 
ſchen, aus gleichen Theilen Kalt u. Traß beftehend. ſatzkränze befindlichen Löcher laſſen bei diejer Ar- 
Bei Mauerungen, von denen man ein jehr rajches|beit das Waſſer durchftrömen, bis auch fie zuletzt 
GErhärten des Mörtel erwartet, ift Lünftlicher|verfeilt werden. Sehr wichtig ift als Methode 


Bergbau. 


Gement in Anwendung. 
it entweder Scheibenmauerung, oder Gewölbe» 
manerung. Die Gemwölbemauerung ift zu unter 
ſcheiden als ganze, oder halbe, je nachdem jämmt« 
lihe Stöße, oder nur einer zu fichern if. Der 
Querſchnitt der Strede wird bei geringerer Weite 
elliptiich, bei größerer freisrund genommen. Bei 
theilmeifer Ausmanerung ift es von großer Wid- 
tigkeit, gute Gefteinswiderlager für den Anſatz 
der Gemwolbe zu erhalten. Die Stärle der Mauern 
nimmt man in der Regel zu 14 Stein = 375 mm, 
weil hierbei fich leicht ein gehöriger Berband ber- 
ftellen läßt. Unmittelbar umter der Zagesober- 
fläche werden Schädte faft ftet3 ausgemauert. 
Mauert man die Schächte in der ganzen Tiefe 
aus, fo geſchieht es entweder abſatzweiſe, oder 
von unten herauf hinter einander bis nach oben; 
das erftere geſchieht hauptfählih dann, wenn 
man drudhaftes Gebirg durchteuft u. die entblöß- 
ten Geſteinsflächen baldmöglichſt ſichern muß. 
Sehr wichtig iſt die Wahl eines geeigneten Ge— 
ſteines zum Aufſetzen der Mauer. Um das Waſſer 
von den Grubenbauen abzuhalten, iſt waſſerdichter 
Ausbau derſelben nothwendig; dieſelbe findet faſt 
nur in Schächten Anwendung. Dieſer Ausbau 
lanu in Holz erfolgen u. beſteht dann aus dicht 
auf einander gelegten Hölzern, die auf in gewiſſen 
Entfernungen von einander angebradpten, in die 
Stöße eingebühnten Hölzern, den Xrageftem- 
pein, ruhen. Dan nennt diefen Ausbau ganze 
Schrotzimmerung; die Zmilchenräume zwiſchen 
den einzelnen Hölzern,, die Fugen, werden 
mit Hanf Halfatert. Überwiegend wird zur 
Abdänmung der Grubenbaue Mauerung ange 
wendet; fie hat, wenn fie gut ausgeführt ift, vor 
der Zimmerung den Vorzug unerjchütterlicher 
Dauer. Sie ift, wie die gewöhnliche Schachtinauer- 
ung, eine abjagmweife, oder ein von unten ber- 
auf erfolgende, u. hat 2—3 Ziegelfteinftärfen — 
500— 750 mm. Bei ſehr ftarten Wafferzufläffen 
dichtet man die Schächte mit Gußeifen, den fog. 
Zubbings, eine Methode, die zwar wejentlich theue- 
rer ift, als Mauerung, aber auch weit ficherer u. 
volltändiger zum Ziele führt, Diefer Bau jetzt 
einen runden Schadt voraus, Man unterjcheidet 
bei diefem Ausbau, der immer abjatweife erfolgt, 
Trage- oder Keilfränze, welche, in das Geftein 
angelegt, als Fundament dienen, u. Aufſatzkränze. 
Ein King Aufjagkränze befteht aus 10 — 12 
einzelnen Segmenten von 300—600 mm Höhe; 
die Keiltränze find niedriger, aber ftärler. Zur 
Berlagerung eines Keilkranzes fucht man fich eine 
waſſertragende, undurdläffige Schiht aus. In 
dein Kreidemergel, mwofelbft bie Urt des mafler- 
dichten Ausbaues hauptſächlich Anwendung findet, 


Die Stredenmauerung|zur Herſtellung waſſerdichter Schächte das Bohren 


derſelben und die Cuvelirung des ausgebohrten 
Schachtes unter Waffer; man eripart hierbei das 
jo foftipielige Wafferhalten (Pumpen) während 
des Abteufens. Es ift bei größeren, 2 cbm pro 
Diinute dauernd überfteigenden Zuflüffen die un- 
zweifelhaft mwohlfeilfte Methode. Die Methode be» 
iteht darin, daß zunächſt ein engerer Schacht von 
1,, m Weite vorgeftoßen wird; dann nimmt man 
die volle Weite bis zu 4,,, m, u. ſchließlich jet 
man die Cuvelage ein. Die Methode ift von Kind 
zuerft 1849 zu Schöned in Deutſch-Lothringen 
angewendet u. fpäter von Chaudron vervolllomm« 
net. Die Conjtruction der Bohrer ift folgende: 
In ein qußeifernes Gerippe wird eine Reihe von 
Meißeln feſtgeſetzt; diejes gilt jowol von dem enge» 
ren Schachte, als von dem weiteren. Die Bobre 
erhalten Führungen, um das verticale Eindringen 
in das Gebirg zu fihern. Als Motor dient eine 
Dampfmajchine, welde an einem Schwengel ans 
greift (f. Bohrer). Iſt der Schacht bis auf die 
wafjertragende Schicht abgeteuft, jo wird die Cu 

velage eingebracht. Sie befteht aus gußeiſernen, 
aus einem Stüde gegoffenen Eylindern, die außen 
glatt, im Innern mit horizontalen Rippen ver» 
jehen find. Die Ringe find 1,, m ho u. 40 mm 
jtart; fie werden aneinandergeichraubt. Die Eu- 
velage ift etwas enger, als der abgebohrte Schacht, 
jo dad an den Schachtſtößen etwa O,., m frei 
bleibt. Zwiſchen die einzelnen Ringe legt man 
zur Dichtung Bleiringe. Der Anſchluß des Fußes 
der Cuvelage wird mit der Moosbüchje erreicht, 
Diefelbe bejteht aus einem eifernen Cylinder, der 
mit einer Moosihicht von 1 m Höhe umgeben 
iſt; auf diefe Schicht wird der eiferne Schadht im 
einzelnen Ringen aufgefegt u. durch Zufammen- 
drüden der Moosihicht die Wafferdichtigkeit er- 
zielt. Schlieflih wird der Raum zwiſchen Cu—⸗ 
velage u. Schachtſtoß durch Betoniren, d.h. Aus- 
füllen mit hydrauliſchem Mörtel, abgeſchloſſen. Hat 
man lodere und zugleich wafjerreihe Maſſen zu 
durdhteufen, fo erfolgt ſolches mit Senlſchächten. 
Das Genten kann geſchehen bei gleichzeitiger 
Waſſerhaltung, oder unter Waffer; die erftere Me- 
thode ift die häufigere. Der einzufentende Schacht 
muß von außen glatt fein; man belleidet demzu- 
folge die Mauer mit Brettern. Die geeignetfte 
Form ift die runde. Das Sinten der Mauer 
wird unter fortwährender Wegräumung der abr 
gejhnittenen Maſſen durch das eigene Gewicht 
der erfteren bewirkt. Zum Eindringen in das 
Gebirg dient der Roſt, ein aus Bohlen oder aus 
Gußeiſen conftruirter Körper von dreiedigem Quer» 
ſchnitt. Auf dieſem Roſte wird die Mauerung 
aufgeführt. Bei Bohren ohne Waſſerhaltung wird 


wechſellagern ſolche waſſerdichte Schichten mit wafjer- |da8 Gebirg durch Sadbohrer ausgeräumt. Die 
durchlafjenden. Auf den Keilfranz werden die Auf- Bohrer werden entweder durch Menfchenhand im 
jagfränge aufgebaut bis zum Anflug an den 8 Bewegung geſetzt, oder durch — Kräfte, 
bis 16 m höher liegenden Keillranz, oder foufti» oder a afhinen; in legterem Falle wird im 
gen wafjerdichten Ausbau (Sentmaner). Die Zwi- der Regel der ganze Schadhtquerfhnitt auf ein- 


Bergbau. 


207 


mal ausgebohrt. Die Bohrer beftehen aus einer,der horizontalen Seilförderung) angewendeten un« 


unten fpigen Stange, mit welder ein Gerippe 
von Eifenftangen in Verbindung fteht, an wel— 
dem die das Gerippe abjchneidenden Meſſer u. 
die Säde befeftigt find. Gußeiferne Sentihächte 
werben im Allgemeinen nur dann angewendet, 
wenn e3 nicht gelungen ift, die ganze Mächtigfeit 
des ſchwimmenden Gebirge mit der Sentmauer 
zu durchteufen; diefe find in der Gomitruction 
gleich den Kindſchen Bohrihädten. Der Abſchluß 
der Sentmauer oder des Senthlſchachtes erfolgt 
durch die eigentlihe Schadhtmauer; unterhalb des 
Sentihachtes läßt man nämlich einen Gebirgsteil 
fieben, den man erit dann wegnimmt, wenn man 
den Schacht von unten herauf ausgebaut hat. 
Ein weiteres Mittel, von den Grubenbauten die 
Baffer zurüdzubalten, ift die Berbämmung. Dieje 
Arbeit wird in der Kegel nur in Streden vor- 
genommen, wobei man unterjcheidet Abdämmung 
mit Holz oder mit Diauerwert, Im Allgemeinen 
muß man darauf achten, daß während der Aus» 
führung der Dammarbeit der Waſſerabfluß nicht 
gehemmt werden darf, w. hierfür durch proviio- 
riſche Dämme und dur Einban eines Abfluß 
rohres in den definitiven Damm Sorge tragen. 
An der Stelle, wo der Damm eingebaut werden 
fol, muß das Geftein gejund u. ohne Klüfte, alſo 
zum Widerfager geeignet jein. Gemauerte Dämme 
erhalten bis zu 2,, m Stärfe u. nach außen u. 
innen gewölbte Flächen. Der Mauerlörper iſt 
breiter nad der Wafferfeite, fchmaler nach der 
entgegengejegten. Gut ausgeführte Mauerdämme 
find, wie Schachtmauecungen, von unzerftörbarer 
Daner. 

Die Förderung befaßt fih mit dem Trans: 
port der beim Bergbau gewonnenen Mineralien. 
Man unterjheidet Grubenförderung uw. Tageför- 
derung u. als Verbindung beider Schachtfoͤrder— 
ung; bei der Grubenförderung unterjcheidet man 
Förderung auf jöhligen oder beinahe jöhligen, u. 
en auf geneigten Ebenen. Bei der Gru— 

enförderung werden gebraucht Karren, Hunde u. 
Bagen. Bei den Hunden hat man zwei größere 
Hinterräder u. zwei kleinere Borberräder, um das 
Gefäß auch auf jenen Nädern allein transportiren 
zu fönnen; bei den Wagen find die vier Mäder 
gleih groß. Die Wagen unterfcheidet man, je 
nachdem das Rad nicht mit Spurkranz verjehen 
it, als deutjche, oder umgekehrt als engliſche Wa: 
gen. Hiernach ift ſelbſtredend auch das Geflänge, 
d. h. der Laufweg für die Wagen, verichieden. 
Bei deutichen Wagen muß das —— zur Führ⸗ 
ung des Rades eine Rippe haben. Die bei eng— 
liſchen Wagen übliche Conſtruction iſt ein kleineres 
Format der Eiſenbahnſchienen. Die Grubenwagen 
enthalten 6— 10 Etr. Sie werden vielfah aus 
Eijenblech hergeftellt. Als bewegende Kraft wer- 
den verwendet Menichen, Pferde u. Dampfma- 
ihinen. Pferde leiften das Sechs- bis Neunfache 
eines Menſchen; fie werben um fo vortheilbafter 
verwendet, je länger bie zurüczulegende Strede 
it. Die Förderung mit Dampfmaſchinen ift in 
England am meiften verbreitet; man bält dort in 
den Fällen, wo 7 Pferde zur Bewältigung der 
Maſſen erforderlich find, die Anwendung von Ma- 
fhinentraft für vortbeilhafter. Die hierbei (bei 


terirdiihen Maſchinen erhalten ihren Dampf ent- 
weder von in der Nähe aufgeftellten Keſſeln, oder 
von Tage bereingeleitet. Die bewegten Züge be» 
ftehen je nach den Berbältniffen aus 20—80 Wa- 
gen von je 7—10 Eir. Inhalt. In früheren 
Zeiten transportirte man auch wol das Haufwerk 
auf Kähnen in jchiffbar gemachten Stollen; man 
ift inde von diefer Metbode wegen ihres geringen 
Effects wieder zurüdgelommen. Bei der ;Förder- 
ung auf geneigten Ebenen benutzt man die Schwere 
als bewegendes Moment. Die Anwendung dieſes 
Principes geftaltet fih beim Bergbau, wo die 
Mafien in der Regel zunächſt abwärts transpor- 
tirt werden u. hierbei die Nothwendigleit fich er- 
gibr, zum Erfage der beladenen Gefäße leere zurid- 
zuſchaffen, jehr günftig. Die Abwärtsförderung ge— 
ſchieht in der Regel durch Bremsberge (ſ. u. Bremſe). 
Neben ihr befteht noch in Lagerftätten, welche mit 
30 Grad u. mehr einfallen, die Rolllochförderung, 
indem die gewonnenen Maſſen von einem höberen 
Niveau Durch eine in der Yagerftätte bergeitellte 
Strede (eine Rolle) abgeftürzt werden. Die Brems- 
bergförderung findet fiıh unter Tage faft nur auf 
Steintohlengruben, über Tage jedoch auch beim 
Erzbergbau angewendet. Die Bremsberge find 
entweder in der Yagerftätte, oder im Geſtein her- 
geftellt; fie find in Fallwinkeln von 2 Grad bis 
90 Grad bergeftellt. Zum Mäßigen der Berweg- 
ung dienen Bremjen, welde in der Regel an 
hölzernen Bremsſcheiben wirfen. Die Bremſen 
jind entweder Badenbremien, melde nur einen 
Tbeil der Scheibe, oder Bandbremjen, welche die 
Scheibe faft ganz umfaflen. Bei geringer Neig- 
ung bremft man die Wagen, rejp. Wagenzüge 
direct ab; bei 20 Grad überfteigender Neigung 
muß man jedoch die Wagen auf ein Geftell jchie- 
ben. Wlsdann läßt man die leeren Wagen nicht 
direct durch das mit dem vollen Wagen belajtete - 
Geftell binaufziehen, fondern bedient fich eines 
Gegengewichtes, welches leichter als dieſes Geitell 
durch dafjelbe aufgezogen wird, feinerfeits dagegen 
das Geftell mit leeren Förderwagen in Bewegung 
ſetzt. Der Raum für das Gegengewicht ift ent 
weder neben, oder unter dem filr das Geſtell be- 
fimmten Raume bergeftellt. Bei Förderung aus 
einfallenden Streden benutt man Pferdegöpel (ſ. 
unten) u. namentlich Majchinen mit comprimirter 
Luft, welche gleichzeitig zur Bentilatton der ber 
treffenden Berriebspuntte dienen. Die Schadt« 
förderung ift verichteden für faigere u, für dom: 
lägige Schächte, ſodann auch mad der Art der 
bewegenden Kraft. Bei Anwendung von Men— 
ſchenkraft bevient man fih der Haſpel, bei ande- 
ren Motoren der Göpel (PBferde-, Waflerrad- oder 
Dampfgöpel). Bei der Hafpelförderung benutzt 
man als Gefäße in der Hegel Kübel. Der Haj- 
pel befteht aus einem Hundbaum u. den Kurbeln 
zum Dreben (den Hörnern). Die Rundbäume 
haben 0,,5,—1 m Durchmeffer, je nachdem der 
Halpel ein» oder zweimännijch ift; fie liegen mit 
den Achſen auf Halpelftüten. Als Seile wendet 
man in der Regel Hanfleile an. Bei der Göpel- 
förderung if ſehr wichtig die Führung der För— 
dergefäße im Schadte. Bei jaigeren Schädhten 
wendet man, falls Gejchwindigfeiten über 2 m 


208 


Bergbau. 


pro Secunde nothwendig find, hölzerne Leitbäume, Das Princip der Fahrkunſt befteht darin, ein Gew 


an, welche von an den Fördergefäßen angebrad- 
ten Leitſchuhen umfaßt werben Cie Leitbäume ba» 
ben Dimenfionen von 100—150 mm), oder Eifen- 
bahnichienen, oder Drahtfeile, welche legtere von 
an den Eden der Fördergeſtelle angebrachten Rin- 
gen umfaßt werden, Die Fördergeſtelle find in 
der Megel in Eifen conjtruirt. Das Material der 
Förderſeile ift Hanf, Eiſen- oder Gußftahlbraht, 
oder Aloe, Die Stärke der Drähte beträgt 2 bis 
3 mm, je nad dem Durchmeſſer der Seile; die 
Seile haben je nach der zu hebenden Laft Durdh- 
mefjer bis zu 50 mm; Nlotjeile werden faft nur 
in platter Form angewendet. Zur Verhütung 
der nachtheiligen Folgen eines Seilbruches bringt 
man an den Fördergeſtellen Fangvorrichtungen an. 
Die gebräuchlichſte ıft die Gonftruction, bei mel- 
her die Leitbäume von beiden Seiten ber durch 
gezahnte Ercentrics erfaßt werden. Die Ercentrics 
werden durch Gußftahlfedern, welche beim Reigen 
des Seiles zur Wirkung fommen, mit den Zäh— 
nen in die Yeitbäume eingedrüdt. Zum Auffetzen 
der Fördergeſtelle an der Hängebanf dienen die 
Caps, in Scharnieren bewegliche, in den Stößen 
angebrachte Stüten, welche eine geneigte Stellung 
in das Schadttrum haben, beim Aufgange des Ge- 
ftelles durch diejes zuridgedrüdt werden u. dem- 
nächſt von jelbft zurüdfallen. Die Seilſcheiben 
haben einen Durchmeſſer von 1,,—4 m. Sie 
werden ans gußeifernen Kränzen u. Naben mit 
eingegoffenen ſchmiedeeiſernen Speichen hergeftellt. 
Die Haupttheile eines Pferdegöpels find: die Gö— 
pelwelle, an deren oberem Theil der zur Auf- 
nahme des Seils dienende Geiltorb angebradıt 
it, u. der Rennbaum (Schwengel), an welchem 
die Thiere arbeiten. Die Seillörbe find fat im- 
mer cylindriih; die Seile find Rundſeile. Die 
Beipannung erfolgt durch 1 oder 2 Pferde. Unter 
den bydrauliihen Motoren unterfcheidet man Kehr- 
radgöpel, Wafferaufzüge u, Wafferfäulengöpel; fie 
ipielen nur in gebirgiger . eine Kolle, wo 
dur eine gut eingerichtete Wafferwirthichaft mit 
Leichtigleit die Kraftwafjer gefammelt u, verwendet 
werden können, beifpieläweife im Harz und im 
Sächſiſchen Erzgebirge. Am widtigften find un- 
ter den Motoren zur Schadhtförderung die Dampf- 
göpel; fie geftatten bei großer Kraft Geſchwindig— 
feiten bis zu 8 m pro Secunde und find beim 
Steinfohlenbergbau unerjeglih. Die gebräuch— 
lichfte Conftruction ift die mit 2 Enlindern (ſog. 
Zwilliugsmaſchine), welde das Schwungrad ent- 
behrlich macht; die Eylinder werden in der Hegel 
liegend montirt; die Seillörbe find auf derfelben 
Welle angebracht, an welcher die Zugftangen an- 
greifen. Die Steuerung wird mit Bentilen be- 
wirkt; zum Umfegen der Mafchine bedient man 
fih der Couliſſe. Die Seiltörbe find felten cy- 
lindriſch, meift koniſch zur Ausgleihung des Seil- 
ibergewidtes. Am vollfommenften wird biejer 
Zwed erreicht durch Spiraltörbe, bei welchen ſich 
jeder Seilumſchlag in die für ihm beftimmte Nute 
des Korbes einlegt; diejelben erhalten Durchmeſſer 
von 2 m an der Heinften u. 10 m an ber größ- 
ten Endfläde. 

Die Fahrung erfolgt beim Bergbau auf Fahr- 
ten (Leitern), auf Fadrtünften, oder am Seil.! 


fänge, an welchem in gewiffer Entfernung wieder 
fehrend Bühnen angebracht find, zu heben u. zu 
jenfen; der auf einer ſolchen Bühne Stebende tritt 
im gegebenen Moment auf eine andere Bühne 
ab. Die Fahrkünſte find entweder doppeltrümig, 
oder eintrümig; bei erfteren ift das Geſtänge eın 
doppeltes, bei letteren ift das Geftänge einfach. 
Bei der eintriimigen Fahrkunſt tritt man auf eine 
fefte Bühne ab u. wartet, bis das Geftänge mit 
der beweglihen Bühne wieder neben der feften 
angelangt ift, während man bei der doppeltriimis 
gen Fahrkunſt infolge Übertretens auf die Bühne 
des zweiten Geftänges ununterbrochen in Beweg— 
ung if. Das Geftänge für die Fahrkunſt ift ent— 
weder ein hölzernes, verjehen mit eifernen Laſchen, 
oder ein eifernes. Die Fahrkunſt hebt oder ſenkt 
den Fahrenden jedesmal um ungefähr 4 m. Als 
bewegende Kraft werden verwendet Waſſerräder 
und Dampfmaſchinen. Wegen der großen Koft« 
jpieligfeit der Fahrkünfte gewinnt das jahren am 
Seil eine immer größere Verbreitung, zumal da 
ftatiftifch feftiteht, daß bei gut eingerichteten und 
beauffihtigten Seilfahrungen die Gefahr für dem 
Fahrenden mindeftens wicht größer ift, als bei 
der Fahrkunſt. Die Einrichtungen bein Geilfah- 
ren find diefelben, wie bei der Förderung, da die» 
jelben Apparate und Mafchinen zur Anwendung 
gelangen. 

Unter Wetterfübrung verfteht man die Ver— 
jorgung der Gruben mit friſcher Luft u. die Ber- 
theilung derjelben auf die einzelnen Betriebs- 
punfte. Zugleich muß die verborbene Luft ent« 
fernt werden. Außer den Producten des Ath— 
mungsproceffes find der Grubenluft folgende jchäde 
lie Gafe beigemengt: Koblenfäure, leichtes uud 
ichweres Kohlenwafjeritofigas u. Kohlenorydgas. 
Man unterſcheidet matte Wetter, ſolche mit gerin- 
gem Sauerftoffgebalte; böſe Wetter, die dem Orga» 
nismus feindliche Gaſe enthalten; jchlagende Wet- 
ter, die wegen ihrer leichten Entzündbbarfeit Ge— 
fahr bringen, u. brandige, die Berbrennungspro- 
ducte mit fih führen. In den erfigenannten 
Wettern brennt die Lampe jchlecht, u. man athmet 
ſchwer, während von den beiden letztgenannten 
das Gegentheil gilt. Das gefährlichſte Gas ift 
unzmeifelbaft das Grubengas, beitehend aus 
Wafferftoff u. Koblenftoff; es bildet im Gemenge 
mit atmoſphäriſcher Luft die fogen. ſchlagenden 
oder erplodirenden Wetter. Die ftärfften Erplo- 
fionen finden ftatt bei einer Mengung der Luft 
mit 4 Gas; bei ftärferer Beimengung erlifcht die 
Flamme. Nah der Erplofion bleiben in Folge 
Verbrennung des Sauerftoffes der Luft irrefpirable 
Safe, die ſog. Nachſchwaden, zurüd; diefelben be- 
ftehen aus Kohlenfäure u. Stidftofl. Den Wetter- 
zug unterjcheidet man als natürlichen u. Fünftli- 
hen. Der Wetterzug ift das Nefultat des Be— 
ftrebens, wonach eine Störung im Gleichgewichte 
der Luft fih auszugleihen ſucht. Dieſe Befeitig- 
ung wird bei natürlichem Wetterzuge herbeigeführt 
durch den Temperaturunterſchied unter und über 
Tage; bei künſtlichem Wetterzuge ſucht man bie 
Verſchiedenheit in der Dichtigfeit der Luft zu er- 
höhen durch Verdünnen des ausziehenden, oder 
Verdichten des einziehenden Wetterſtromes. Die- 


Bergbau. 209 


je8 erreicht man durch Wetteröfen, die ſowol unterführen jedoch meistens Nachichlüffel mit fich, oder 
Tage, als auch über Tage aufgejtellt werden füu-|wiffen doch durch allerhand Mittel die verichloffene 
nen, ober buch Wettermajcinen, welde in der Lampe zu öffnen. Die Möglichkeit des leichten 
Regel jaugend wirken. Die gebräuchlichſien unter|Offnens ift in vielen Fällen die Urfache von Er- 
diefen find die Eentrifugalventilatoren. Man hat} plofionen geweſen, fodann aud ein rajches Seiten- 
diefelben in Heinen Dimenfionen für den Hand-|bewegen der Lampe, wodurch die Flamme durch 


betrieb conftruirt zur Wetterverforgung einzelner 
Berriebspunfte (Wettertrommeln), underfeits mit 
befonderer Betriebsmaſchine zur Bentilation gan« 
zer Gruben. Eine Wettertrommel befteht aus 
einer mit Flügeln verſehenen Welle innerhalb eines 
Gehäufes, weldes mit einer Einzieheröffnung in 
der Nähe der Achfe u. mit einer Ausftrömungs- 
Öffnung am Umfange verfehen it. Die gebräuch— 
lichſte Maſchine zum Bentiliven ganzer Gruben ift 
die Guibaliche. Diefelbe bejtebt aus 6—8 Flü- 
gein, die bis zu 3 m Breite und bis zu 10 m 
Durchmeſſer haben. Das Rad ift mit einem ge- 
manerten Gebäufe verfehen. Es leiſtet in der 
Minute mit Yeichtigfeit 1000 kbm, Cine eben- 
falls häufig in Anwendung fommende Maſchine 
ift der Fabryſche Ventilator, beftehend aus 2 Rä- 
dern; jedes hat 3 Speichen, von denen jede mit 
einem Querarme verjeben ift. Bei Bewegung der 
Maschine greifen Querarme u. Speichen jo inein- 
ander, daß fie dicht an einander abfchließen. Wetter- 
maſchinen findet man bauptjächlich in Deutjchland, 
Belgien und Frankreich angewendet, während in 
England die Wetteröfen in vorzugsweiſer Benut- 
ung ftehen. Bei der Wetterführung bat man den 
einziehenden Strom von dem ausziehenden mög- 
üchft getrennt zu halten; dieſes wird jehr erleid 
tert durch die Eriftenz zweier Verbindungen mit 
der Tagesoberfläche, feien e8 zwei Schächte, oder 
ein Schacht u. ein Stollen. Die einftrömenden 
Better läßt man bis zur tiefften Sohle fallen u. 
führt fie dann auffteigenb vor die einzelnen Be- 
triebspunfte und fchlieplih zum ausziehenden 
Schachte, reſp. Schadttrum. Die Bertheilung 
der Wetter wird bemwirft durch Wetterthüren, 
Bettervorbänge, Wetterjcheider u. Wetterlutten, 
Die Wetterjcheider find entweder gemauert, oder 
gezimmert; die Wetterlutten werden fowol aus 
polz, als aus Zink hergeſtellt. 

Zur Beleuchtung führen die Bergleute meiften- 
theits Lampen mit fih von mannigfacher Conftruc- 
tion, in ſchlagenden Wettern jedoch die Sicherheits- 
lampe. Diejelbe ift erfunden von Davy 1815 u. 
beruht auf der Thatſache, daß enge Metallgeflechte 
die auf der einen Seite erfolgte Entzündung nicht 
nach der anderen fortpflanzen. Auf einer runden 
Lampe ift ein fegelfürmiges Drabtgefleht aufge 
ſchraubt. Die urſprüngliche von Davy conſtruirte 
Lampe leidet ſehr an Mangel an Helligkeit, ein 
Übelftand, den man durch Erjegen des unteren 
Theil des Geflechtes durch einen Olascylinder 
erfolgreich bejeitigt hat. Zum Schutze gegen das 
Erlöihen der Lampe in ftarfen ſchlagenden Wet- 
tern, oder bei fhräger Haltung, hat man über 
der Flamme einen Blechtamin hergeftellt. Leider 


⸗ 


das Geflecht nach außen geſchleudert wird. Sehr 
wichtig iſt auch ein ſorgfältiges Inſtandhalten aller 
Theile der Sicherheitslampe, namentlich des Drabt- 
geflechtes. Nad der Natur der Berhältniffe bietet 
die Wetterlampe nur einen verhältnißmäßig ger 
ringen Schub; das Hauptmittel zur Bejeitigung 
der Gefahr iſt die Verhütung der Anſammlung 
des Grubengafes durch — friſche Wetter. 

Zum Eindringen in Räume, welche mit ſchäd- 
lichen Gafen erfüllt find, wird der Nouquayrof- 
Denaprouzefche Rettungsapparat benugt. Er be- 
fteht aus einem runden eifernen Gefäße von 80 mm 
Weite und 50 mm Höhe: daffelbe wird mit compri— 
mirter Luft gefüllt. Auf dem Cylinder ift ein Blech— 
franz von 115 mm Weite u. 45 mm Höhe befeftigt 
u, auf diefen eine Kautichufhaube aufgefett, aus 
welcher die Luft dem Arbeiter dich einen Summi- 
ſchlauch zugeführt wird, welchen er mit den Zähnen 
fefthält. Die ausgeathmete Luft gebt denfelben Weg 
zurüd, entweicht aber aus dem Blechkranzbehälter 
durch ein Nöhrchen, welches durch 2 dünne Gummi— 
blättchen leicht, aber luftdicht geichloffen ift. Der 
Upparat ift auf dem Rüden tragbar. Man hat 
in neuerer Zeit den Yuftcompreffionsbehälter fehr 
groß gemacht und fchidt den Arbeiter mit dem 
Gummiſchlauche an die Stelle der Gefahr. Durch 
Beobadhtung des Spiel der Ventile für die im 
den Apparat eintretende u. aus demjelben aus- 
tretende Luft kann man fich leicht überzeugen, ob 
der Mann regelmäßig athmet, oder in Gefahr ift. 
Zur Berhütung des Athmens durch die Nafe muß 
diefe geichloffen gehalten werden. Man braucht 
diefe Hettungsapparate einerfeits bei der Nettung 
ven betäubten, dem Erftidungstode ausgefetten 
Berfonen, anderfeits bei den Arbeiten zur Befei- 
tigung der Einengung der Örubenbrände, die bei 
der großen Neigung mancher Flötze zur Selbft- 
entzündbung nicht immer zu vermeiden find. 

Die Wafjerhaltung bezwedt die Freihaltung 
der Grubenbaue von Waffer, alfo einerfeit$ die 
Zurüdhaltung der im Gebirge befindlichen, ander: 
ſeits die Hebung der eingedrumgenen Waffer, Das 
Zurüdhalten der Waſſer erfolgt durch die oben 
bei Gelegenheit der Methoden des wafferdichten 
Ausmanerns beſprochenen Mittel, Man fucht fer- 
ner durch Stehenlaflen von Sicherheitspfeilern das 
an der TZagesoberfläche befindliche Waffer von den 
Örubenbauen zurüdzubalten, oder leitet Bachläufe 
mittels waſſerdichter Gerinne über die Stellen hin- 
weg, unter denen gearbeitet wird. Zur Wajler- 
bebung auf„geringe Höhen fördert man es mit 
Kiübeln, wobei jede Kraft als Motor verwendet 
werden kann; bei größeren Höhen benußt man 
die Pumpe. Die wejentlihen Theile der Bumpe 


if es noch nicht gelungen, einen fiheren Verſchluß, find: das Kolbenrohr mit dem Kolben, die Saug- 


für die Sicherheitslampe zu erfinden. In der 
Regel wendet man verticale Schrauben an, welche 


röhren, die Steigröhren u. die Ventile. Saug- 
pumpen, wie ſolche auf den gewöhnlichen Brun- 


durch den Dibehälter hindurch gehen, in den Mef- nen ftehen, fommen beim Bergbau felten in An- 
rand für den Glascylinder eingreifen u. durch wendung. Wir haben deshalb nur zu unterſchei— 
Schlüffel geöffnet werden können. Die Bergleutelden Hubpumpen, bei welden das Waffer durch 


Pierers Univerfal-Eonverfations-?erilon. 6. Aufl, IL Band. 


14 


210 


Bergbehörde — Bergblau. 


den Aufgang des — gehoben wird, u. Drud-| ” Was die Musbeute an Bergwerfspro- 


pumpen, bei weldyen das Wafler beim Niedergange 
des Kolbens durch diefen fortgedrüdt wird. Die 
erftere hat dem zufolge einen hohlen, mit Klappen 
verfehenen, die Drudpumpe einen völlig geichloffe- 
nen Kolben. Die gebräudlichfte Form der Bentile 
find die Klappenventile, beftebend aus einer Yeder- 
icheibe, welche oben u. unten mit Eiſenblech be— 
ichlagen ift. Diefe einfachen Bentile haben ihre 
Stelle behauptet gegenüber den vielfachen Con» 
ftructionen von Bentilen, welde alle den Fehler 
des leichten Verfagens haben u. bierdurd) für den 
Srubenbetrieb verhängnigvoll werden lönnen. Die 
einfachfte Konftruction eines Saugfolbens ift der 
Stulptolben. Er befteht aus einem hohlen Cy— 
linder mit einer aufliegenden Klappe u. Seiten- 
liderung. Die fiderung wird dadurch bemirft, 
dag beim Aufgange das Waffer den Stulp au 
die Wand des Kolbenrohres preßt. Der Stulp 
beiteht in der Hegel aus Rindsleder; er wird durch 
einen umgelegten Eifenring an den Kolben be: 
feftigt. Die gewöhnlichſte Drudpumpe ift die 
Plungerpumpe; bei diejer fteht in der Regel das 
Kolbenrohr ſeitwärts u. das Steigerohr mit den 
Bentilen in einer Achſe. Der Plunger ift ein 
hohler, außen abgedrehter Eylinder, der oben 
dur eine Stopfbüchle hindurchgeht, im welcher 
eine Padung von Hanfzöpfen oder Gummiringen 
liegt, die durch Schrauben zuſammengepreßt wird, 
Zur Übertragung der Bewegung des Motors auf 
die Bumpenkolben bedient man fich des Schacht— 
geftänges; dafjelbe wurde früher in der Regel in 
Holz in Verbindung mit Eifen, in neuerer Zeit 
indeg nur in Eifen conftruirt. Bei der erfteren 
Conſtruction nimmt man Holzbalten von 150 bis 
300 mm Stärfe, die, fei e8 an 2, oder an 4 Sei— 
ten, mit eifernen Laſchen von der Breite der Holz- 
ſtüücke u. von 10—30 mm Stärfe verſehen werden. 
Wegen des geringeren Gewichtes wählt man in 
neuerer Zeit Eifenconftruction unter Verwendung 
von Winfeleifen, T-Eiſen u. U-Eijen in verjchie- 
dener Combination. Die einzelnen Stücke läßt 
man ſtumpf auf einander ftoßen u. verbindet fie 
durch Dedlafhen. Als bewegende Kraft wendet 
man an in feltenen Fällen Menſchen u. Thiere, 
häufiger hydrauliſche Mafchinen, in den meiſten 
Fällen Dampfmafchinen. Als Hydraulische Mo» 
toren find in Anwendung Wafjerräder u. Waffer: 
ſäulenmaſchinen. Bei eriteren wird die rotirende 
Bewegung durch einen Winfelhebel, das fog. Kunſt— 
freuz, in auf. u. abgehende umgelegt; die Waffer- 
ſäulenmaſchinen, welche ftet$ direct wirtend find, 
find überall da in Anwendung, wo man mehrere 
Stollen iiber einander hat, fo dag man die Kraft- 
wajler der Maſchine leicht abfübhren kann. Ale 
Reſervoir dient ein möglichtt hoch gelegenes, fünft- 
lich bergerichtetes Bajfın, fei es durch Ausgrabung, 
fei es durch Abfperrumg eines Thals mittels einer 
Maner,* Die hierbei zu befolgenden Grundſätze 
lehrt die Wafferwirthichaft. Die zur Wafjerhebung 
bejtimmten Dampfmajchinen (Dampflünfte), wirkten 
theils imdivect mittels eines Balanciers, theils 
direct, indem man den Dampfcplinder oberhalb des 
Schachtes aufitellt; fie find in der Regel einfach 
wirfend. Rotirende Mafchinen werden meift nur 
vorübergehend zur Wafferhebung benust. 


ducten im Großen betrifft, jo Fann dieſelbe jelbft- 
verftändlich nur in annähernden Werthen berech— 
net u. angegeben werden. So ſoll die Produc- 
tion a) an Gold nu. Silber pro 1863 etwa 
1100 Mill. M betragen haben, wovon 300 Mill. 
auf Auftralien, 280 Mil. auf Californien, 90 Mil. . 
anf die übrigen Unionsftaaten von NAmerila, 88 
Mill. auf Rußland, 100 Mill. auf Merico, 24 
Mill, auf Brit.-Columbia, 52 Mill. auf SAmerifa, 
27, Mill. auf Europa (außer Rußland), 23 Mill. 
auf Afien u. Afrika, 18 Dill, auf Neu- Seeland 
x. fommen. b) An Steinkohlen pro 1872 
256,275,824 Tommen zu 20 Etr., wobei Groß: 
britannien allein mit 49 pCt., Deutichland mit 
17, die Ber. Staaten mit 16, Franfreih u. Bel- 
gien mit je 6, Oſterreich Ungarn mit 4 und die 
übrigen Yänder mit 2 pCt. betheiligt find. ce) 
An Eifen: Großbritannien (1873) 16,584,857 
Tonnen, Deutichlaud (1870) 3,839,222 T., Frank: 
rei (1868) 2,996,600 T., Ber. Staaten (1873) 
2,695,434 T., Ofterreich-Ungarn (1871) 880,604 
T., Rußland (1871) 845,000 T., Schweden (1871) 
360,000 T., zufammen etwa 28 Mill. Tonnen ü 
20 Etr. Europa producirte außerdem jährlich etwa 
44 Mill. Etr. Blei, 24 Mill, Etr. Zink, 900,000 
Er. Kupfer. Die Anzahl der Bergleute in die- 
jem Kontingent joll etwa 1,275,000 betragen, 
wovon auf England 363,000, auf Frankreich 
206,500, auf Dentichland 220,700, auf Ofterreich 
125,900, auf Belgien 111,500, auf Rußland 
80,000, auf Spanien 73,600, auf Ftalien 36,000, 
auf Schweden u. Norwegen 29,000 zc. kommen. 
(Bol. Kolb, Handb. der vergl. Statiftil, 7. A., 
1875, ©. 796 fi.) 

Yiteratur: Bonfon, Trait de l'exploitation 
des mines, Lüttich 1854, deutih von Hartınann, 
Lpz. 1856; Gotta, Erzlagerftätten, fyreiberg 1861; 
Gatſchmann, Bergbaufunde, Yeipz. 1866; Yottuer- 
Seclo, Leitfaden zur Bergbaufunde, "Berl. 1874; 
Beth, Deutihes Bergwörterbuch, Berlin 1871; 
Haupt, Baufteine zur Philofophie der Geſchichte 
des Bergbaues, Yeipz. 1867. Die wichtigiten 
gegenwärtig ericheinenden Beitjchriften find: Zeit- 
Ichrift fir das Berg⸗, Hütten- u. Salinenmejen, 
Berlin; Berg» u. Hüttenmännifche Zeitung, Leipz.; 
Oſterreich. Zeitfchrift für Berg⸗ u, Hilttenweien, 
Wien; Rittinger, Erfahrungen im Berg. u. Hüt- 
tenmänntichen Mafchinenbau- und Aufbereitungs- 
weien, Wien; Annales des mines, Paris; Anna- 
les des travaux publics; Brüffel; Mining Jour- 
nal, London. Niederftein. Oſthues. 

Bergbehörde, die vom Staate beitellte Be- 
hörbe, welcher die Wahrung der Rechte obliegt, 
die dem Staate binfichtlich des Bergbaues zuftehen. 

Bergblau (Uendres bleues), urjprünglich die 
natilrlihe Kupferlafur, die in gemahlenem u. 
fein geihlämmtem Zuftande als blaue Farbe ver 
wandt und namentlich in Cheſſy bei Lyon darges 
ftellt wurde. Neuerdings ftellt man dafjelbe künſt— 
lich dar, angeblich durch Fällen einer falpeterfauren 
Kupferorydlöfung mit Agfall. Der Niederichlag 
wird mit Kreide, Gips oder Schmweripath nilancırt. 
Auch die mit Thon oder Kaolin gemifchten bei- 
feren Nitancen des Berlinerblaus nennt man B., 
aber mit Unrecht, 


Bergbohrer 


Bergbohrer, ſ. u. Bohrer. 

Berge-Borbed, j. u. Vorbei. 

Bergedorf, 1) Amt, der Freien Stadt Ham— 
burg gebörend; 85,4, [km (1,5 IM); 13,112 Ew. | 
(m 4 Ktirchipielen, daher Bierlander); äuferft Frucht» 
barer Warjhboden;Gemüfe- u. Aderbau, bedeutende 
Biebzudt. Zu dem Amte gebören auper der 
Stadt B. noch die 4 Kirchdörfer Neuengamm, 
Atengamm, Kirhwärder u. Kurslack. 2) B., 
Stadt darin, au der Bille u. einem Elbarnıe u. 
an der Berlin» Hamburger Eifenbahn; Schloß 
Riepenburg; Handel, Viehzucht; 3600 Cm, 8. 
gehörte früber zu Sadjen-Yauenburg, wurde aber 
1420 von Lübeck u. Hamburg erobert u. 1867 
für 600,000 M an Hamburg allein überlafien. 

Dergegeld (Schifisw.), j. u. Bergen 3). 

Bergeigenthum (Bergwerlseigeuthum) er 
ftredt ſich auf die Yagerflätte der zu ſchürfenden 
zoifilien u. auf das Grundftüd, auf welchem der 
Bau angelegt ift, ſowie auf die Tagegebäude, 
Baffer zc. Uber die Erwerbung des Bes ſ. u. 
Bergredt b). 

Dergeifen, auch Eifen genannt, ftählerner 
Spitsfeil mit einem Auge zur Aufnahme eines 
Helmes (Stiels), welcher in der linken Hand ge- 
halten wird, während der Arbeiter mit dem Schlä- 
gel auf die Bahn des Eifens fchläat. 

Bergell (Val Bregaglia, das Praegallia der 
Römer), Thal der Eentral-Alpen, von der Maloja- 
Band (1816 m) bis hinaus nah Chiavenna 
(340 m), etwa 30 km laug, von denen 20 der 
Schweiz (Kanton Graubünden) it. 10 dem Königr. 
Jtalien (Prov. Sondrio) angehören; wird nördl. 
vom Pizzo della Duana 3125 m u. dem Sep— 
umer-Paß, füblih von höchſt wild gezadten 
Spigen, unter denen bie Cima di Trubinesca 
23384 m bervorragt, eingefchloffen, von der 
Maira durchfloſſen und zeichnet ſich durch höchſte 
landſchaftliche Schönheit aus. Die ſchwache Be- 
völferung fchweizerifcherfeit8 von 1600 Köpfen 
ſpricht italienisch, ift wohlhabend, ernft u. prote- 
ſantiſch; die zum Königreih Italien gehörende 
Bevölkerung ift lebensfröhlid, aber ärmer, katho— 
liſch m. lebt in maleriihen, aber faft zu Ruinen 
zerfallenden Häufern. Die bedeutendften Orte 
des fchweizer Theils find: Caſaccia, Vicoſoprano, 
Stampa, Promontoguo u. Caftafegna. Das reiche 
Dorf Plurs (ital. Gebiet) wurde anı 4. Sept. 1618 
mit 2430 Em. verſchüttet. 

Bergen, 1) Etwas in Sicherheit bringen; bei. 
2) die Güter eines gejcheiterten oder gejtrandeten 
Schiffes in Sicherheit bringen; 3) einem Schiffe 
in offener See bei Gefahr Beiftand leiſten. Die 
Geſetze über das B. waren fehr verfdieden. In 
manchen Ländern verfiel fonft das Strandgut 
ganz dem Küſtenbewohnern, die es aufgefangen 
(geborgen) Hatten (jo früher in Livland u. im 
Kirchenfiaate); in anderen muß ein {heil der ge» 
retteten Güter (oft $, 4) an die Bergenden gege- 
ben werden; nod in anderen mußte Bergegeld 
(Bergelohn) zu höherem oder niedrigerem Betrage 
an die Arbeiter u. auch an den Fiscus gezahlt 
werden. Für das Deutiche Neich ift ein feiter ır. 
allgemeiner Rechtsboden durch die Strandungs- 


orduung v. 17. Mai 1874 (R.-G-Bl. ©. 73) 
geihaffen. Diefelbe beftimmt die Strandbehörden, 


9 


— 


— Bergen. 11 
das Verfahren bei Bergung u. Hilfeleiſtung in 
Seenoth, handelt dann von Seeauswurf u. ſtrand— 
triftigen Gegenftänden, jowie von verfunfenen u. 
jeetriftigen Gegenſtänden, von dem Aufgebotsver- 
fahren in Bergungsfahen u. dem Rechte auf 
herrenloje geborgene Begenftände u. von der feit- 
jegung der Bergungs- u. Hilistoften, Strand» 
ungsordnung. 

Dergen, 1) Kreis des preußifchen Regierungs- 
bezirtes Stralſund; begreift die Inſel Rügen 
int 1369,76 [km (24,4, [(0) u. 45,677 Em. 
(f. u. Rügen). 2) Hauptitadt bier, in der Mitte 
der Inſel, auf einem 100 m hoben Hügel (Rus 
gard); nordöſttich dabei die Kirche und ein 
Arndt-Denlmal (Ausfihtsthurm); 1198 geitiftetes 
adeliges Fräuleinſtift, Yandeslazareth; Lederfabr.; 
3616 Ew.; Geburtsort von A. Ruge. 3) Marft- 
jleden im Kreiſe Hanau des preußiſchen Regbez. 
Kaſſel; Ader-, Obſt- und Weinbau; 2546 Gw,, 
wovon 1820 im Orte felbit. Hier 13. April 
1759 Schlacht zwiſchen der preußiichen und eng— 
liſchen Armee unter Herzog Ferdinand von Braun« 
ſchweig und den zranzojen unter dem Marichall 
von Broglie, Legterer Sieger; ſ. u. Siebeu— 
jähriger Krieg. 4) Dorf ım Bezirke Alfınaar 
der mederländiichen Provinz NHolland; 1240 Ew. 
Hier nad der Yandung der engliich » ruifischen 
Armee unter dem Herzog von Mork 19. Novbr. 
1799 unglüdtiches Gefecht des ruffishen Generals 
Hermann gegen eine Abtheilung des franzöfiichen 
Generals Brune, wobei General Hermann geiangen 
ward; deshalb die Capitulation von Allmaar; 
ſ. Niederlande (Geſch.). 5) Stift im füdlichen 
Norwegen; grenzt an die Stifte Chriftiania und 
Ehriftianfand; 38,510 [km (699 [_ JM); 267,354 
Em; ift gebirgig durch das Yangfjeld mit dem 
Stagftöls-Tind 2650 m u. das Hardangerfjeld 
mit dem Bofje-Stavfen 2055 m un. a.; Flüſſe: 
Juftes-dal-Elf, Eide-Elf u. eine große Menge 
Berggewäfler; Seen in großer Menge, doch nicht 
von bebeutendem Umfange, deſto mehr u. größere 
Meerbufen: Bönmel-, Hardanger-, Strand, Mov-, 
Sognefjord u. a., meift mit hohen Felſenwänden 
(bis 1200 m), oft gefährlich zu befahren; vor 
ihnen liegen viele Inſeln; Klima mehr kalt u. 
nebelig, Stürme wehen oft u. heftig; Producte: 
weniger vom Aderbau, mehr aus der Viehzucht 
u. Fiſcherei; Fabrilen find wenige, and) der Berg- 
bau unbedeutend. Das Stift enthält die Stadt 
B., die Amter Söntre- (Sid-) u. Nordre-Ber- 
genhuus u. die Bogtei Söndmöre vom Amte 
Homsdal. Das Amt Nordre-Bergenhuus ums 
faßt 18,245 [km (331 (JM) mit 86,803 Ew, 
(5 auf ı [_)km), Söndre-Bergenhuus 15,159, 
km (275 M) mit 113,403 Ew. (8 auf 1 
km). Die Bewohner leiden jehr durch ven 
Ausſatz. 6) Nah Chriftiania die größte Stadt 
des Königreihs Norwegen u. wegen ihres leb— 
haften Seehandel3 das nord. Hamburg genannt; 
1870 30,252 Ew. in ber Stadt u. 1700 in 
den Borftädten Sandvigen u. Nojted; ift die Haupt: 
ftadt des gleichn. Stiftes u. liegt in einem Halb« 
freife um den Waagfjord (Vaagfiord), der den 
ſchmalen, aber für die größten Kriegsichiffe hin- 
reichend tiefen Hafen bildet, der von dem Felſen— 
fort Bergenhuus, der Echanze Ehriftiansholm 

14* 


> 
<. 


212 


u. den lieinen Forts Everresberg u. Frederelsberg 
vertheidigt wird; eine Abtheilung der Kriegsflotte 
Die fämmtlih weiß oder hell 
gerinchten Häufer der Stadt find, wie in ganz 
Norwegen, von Holz, wenige von Stein, immer 
aber die Edhäufer, um das Uberjpringen des 
Feuers in Brandftätten zu verhüten, von denen 
die Stadt ficbenmal (zulegt 30—31. Mai 1856) 
Die Stadt jelbit ift auf zwei 
nadten Borgebirgen von Glimmerjdiefer u. Gneis 
gebant u. am der Landfeite von fieben bis zu 
670 m hohen Bergen umgeben, während unmit- 
telbar binter deufelben ein lieblicher See von 22,,km 
Am Nordende des Borgebirges 
erhebt fih das glänzende Gemäuer des genannten 
Forts Bergenhuus mit dem großen Waltendorfs- 
auf den Ruinen des Burgpalaftes des 


iſt bier ftationirt. 


he imgeſucht wurde. 


Umfang liegt. 


thurme 
Königs Dlaf Kyrre, des Gründers der Stadt im 
Jahre 1069, 


ſüdliche VBorgebirg, wo ſchöne Landhäuſer mit 


Luftgärten u. Lindenalleen ein Kleines Paradies 


bilden u. die deutiche Kirche mit ihrem Doppel- 
thurme fteht, der ſich eines 7OOjährigen Alters 
rühmt. Dort ficht man aud die Spuren des 
mächtigen Stäbtebundes der Hanfa, welche bier 
drei Jahrhunderte lang herrſchte. Unter dem 
Unionstönig Erih von Pommern ftifteten nämlich 
die Hanjaftädte ein fogenanntes Handelscompteir in 
B., weldyes im Jahre 1445 vonjeinemNlachfolger, 
König Ehriftopher von Bayern, beftätigt wurde. 
Von diefem Jahre an wird die Stiftung des 
Comptoirs zu Bergen gerechnet, woran die Städte 
Yübed, Hamburg, Noftod, Deventer, Emden u. 
Bremen den größten Antheil hatten, Jetzt wird 
dies eimft weltberübmte Etabliffement für den 
Seehandel zum Theil von Bremen, Hamburg 
u. Lübeck unterhalten, die bier noh 17 Waa— 
venböfe befigen, wovon Bremen 15, den beiden 
anderen Hanfaftädten je 1 gehört. Alljährlich, 
wenn die auf den Fiſchſang bis in das Arlktiſche 
Meer ausgejandte Flotte zurüdfehrt, ftrömen die 
Käufer von allen Ländern berbei, u. Seeleute von 
allen Nationen füllen die holperigen Strafen bis 
in die Nacht. Alle fegelten hierher, um Fiſche 
zu faufen: Holländer, Briten, Spanier, Portu— 
giefen, u. Häringe u. Stodfiiche find die Waare, 
welche am eifrigften gefucht wird, neben Nogen u. 
Unſchlitt. B. ift der Sit eines proteft. Biſchofs, 
hat eine Kathedrale, Kathedralichule u. ein Schau 
fpielhaus, Arınenhäufer und Spitäler, mehrere 
wiffenschaftliche Geſellſchaften; Gerbereien, Fabriken 
aller Art, Der bekannte ſatiriſche Dichter Baron 
Holberg ward bier 1684 geboren. B. heißt im 
Norden bie Negenftadt, weil der Einfluß ber 
zahllofen Einfchuitte vom Meere u. der Golfftrom 
einen fo ſtarlen Negenfall bewirken, daß die 
Menge deffelben jährlih 2, m, mithin dreimal 
jo viel als 3.8. in bo u. fünfmal fo viel als in 
Upfala beträgt. Cine zweite Eigenthümlichleit der 
WKüſte find die furdtbaren Stürme mit ftarken 
Gemwittern im Winter, wovon auch die Stadt B. 
heimgejucht wird bei ihrer lage an der nördlichen, 
weitlihen u. füdlihen Abdachung der flandinavi- 
hen Gebirge, welche ihr ein entſchieden oceani« 
jhes Klima bereitet. 7) S. u. Mons. 8) County 























Darüber binaus erhebt ſich fteil 
aus dem Meere das ganz mit Häufern bededite 


Bergen — Bergen op Zoom, 


im nordam. Umiousftaate New-Jerſey, u. 40° n. 
Br. u. 74° w. %; New⸗Yort gegenüber; im O 
vom Hudionftrome begrenzt; von Eiſenb. durch— 
ſchnitten; Eiſenerz amd Kalkftein; 30,122 Em.; 
Countyſitz: Hadenjad. 4 6) Jenſſen⸗Zuſch. 

Bergen, 1) Job. Georg von, Profeffor der 
Anatomie u. Botanif, aus uraltem deſſauiſchen 
Adel ftammend; ftudirte in Wittenberg u, fam als 
Profeffor nad) Frankfurt a. O.; er ft. als Decan 
der Univerfität am 27. April 1738. Er war Bater 
des 2) Karl Auguft v. B., geboren 11. Auguft 
1704 in Frankfurt a. D. Nach vollendetem Stu- 
dium bejuchte ev 1727 Leyden, Paris, Straßburg, 
fchrte 1730 nach Franky. zurüd, machte in Ber- 
iin den Cursus anatomicus dur, promovirte 
1731, wurde 1732 auferordentl. Prof. der Una- 
tomie, nad) feines Vaters Tode 1738 orbentl. 
Profeffor der Anatomie u. Botanif u 174 erfter 
Profefjor der Pathologie u. Therapie. Sein größtes 
Verdienſt hat er auf anatomiſchem Gebiete; er 
lehrte dieſe Wiffenfhaft Har u, unter getreuem 
Anſchluſſe an die Natur; als Botaniker ift er 
untergeorbneter. Unter der großen Anzahl kleinerer 
u. größerer Schriften, die theils felbftändig er- 
jhienen, theil® in gelehrten Zeitungen zeritreut 
fi finden, feien erwähnt: Programma de mem- 
brana cellulose non mermbrana, ranff. 1732; 
Programma seu exereitatio splanchnologico- 
anatomica, quae ventriculorum cerebri latera- 
lium novamsistit tabulam, daf.1733; Programma 
sive exereitatio meningologica, quae de structura 
piae matris inter alia novam nec hactenus 
visam tradit observationem, daj. 1736; auch er- 
fand er eine Maſchine, „vermöge deren man den 
Kopf in fo viele Theile zerlegen kann, als er 
natürliche weiße Knochen hat“. Thamhayhn. 

Bergenfiſch, jo v. w. Dorſch. 

Bergenhuus, 1) Feſtung zum Schutze des 
heſen von Bergen (f. d.). 2) Nordre- u. Söndre- 

., Amter; ſ. u. Bergen 5). 

Bergen op Zoom, 1) Stadt im Bezirke 
Breda der niederländiihen Provinz NBrabant, 
an der Einmündung der Zoom in die DSchelde, 
Eifenbahnuftation; liegt auf moraftigem Boden, 
der duch Inundation leicht unzugänglich ge— 
macht werden fann; 3 Kirchen, Zeichneninftitut; 
ftarfe Ausfuhr von Andovis; Zöpferei; guter 
Hafen; 1869 8352 Em. (die Gem. 9534). Die 
Zoom fließt durch die Stadt und bildet von 
da bis zur Schelde einen Hafen. Sie mar 
früher bedeutende Feſtung, nah holländischen 
Spitem von Eoehorn u, And. (1699) angelegt, 
und hatte ein verſchanztes Lager an der SSeite, 
das durch 3 Forts mit Sternbergen verbunden 
war, wodurch beide eine faft unangreifbare Stell- 
ung bildeten; da B. o. 3. nicht mehr zum beu- 


tigen holländischen Feſtungsſyftem gehört, fo 
wird die Stadt bald entmantelt werden. — Ber- 


gen, welches jhon im 9. Jahrh. vorfommt, war 
im 13, Jahrh. der befeftigte Hauptort einer dem 
Grafen Gerhard v. Wezemaele gehörigen Herrichaft 
(f. unten 2). Die Stadt trat 1676 der Union 
ber Nördlichen Niederlande bei, warb 1577, nad 
der Bertreibung der fpanifchen Befatsung, u. noch 
mehr 1688 u. 1727 in ihren Feſtungswerken 
verftärkt u. 1628 das verſchanzte Lager angelegt; 


213 


1583 öffnete fie dem Herzog von Alengon fürser fih an Glementi anichloß, mit diefem 1805 
Ftankreich Die Thore; 1588 belagerte fie der nach Petersburg, 1812 nah Stodholm, von da 
Herzog von Parma vergebens u. 1622 Spinola. nach London u. lehrte 1815 nad Berlin zurüd; 
1747 ward B. nad dreimonatlicher Belagerung |er ft. 1839 daſelbſt. B. componirten, a.: Klavier- 
der Franzoſen unter Marſchall Löwendahl genom-|jonaten u. Lieder, darunter: Die ſchöne Miüllerin, 
men u, geplündert, aber im fFrieden-zurüdgegeben | Andreas Hofer, Theodor Körner. Als Klavier- 
(. u. Öjterreichifcher Erbfolgefrieg); 1795 capitu-|lehrer hatte er Felix Mendelsiohn, Taubert, Hen— 
litte e8 an Pichegru u, wurde 1810 Frankreich |felt zu Schülern. Vgl. Neltitab, L. B,, ein Dent- 


Bergente — Berger. 


einverleibt. Im Dechr. 1813 blofirten die Ver— 
bündeten die Stadt, u. in der Nacht zum 9. März 
1814 verfuchten die Engländer unter Graham 
einen Sturm, der jedoch zurüdgeichlagen wurde; 
am 11. April capitulirte B. 2) Ehemals Herr- 
ihaft (jpäter Markgrafichaft) ebenda; im 13. Jahrh. 
den Grafen von Wezemaele gehörig, kam diejelbe 
dur Heiratb an Die van Bouterjem u. ebenfo 
an Die van Ölimes; Karl V. erhob fie 1533 zur 
Markgrafſchaft. Diefe fam nun nah u. nad 
tur Heirath au die Häufer Merode, Heerenbert, 
Hohenzollern u. 1662 an Friedrich Moritz de la 
Tour d'Auvergne, dejjen Enkelin Marianne 1722 
den Pfalzgrafen Johann Ebhriftian von Sulzbach 
beirathete, wodurch die Markgrafihaft an das 
Haus Pfalz u. fpäter an das Haus Pfalzbayern 
tam; dies bejaß fie unter der Hoheit der Gene- 
talftaaten bis 1801, wo Bayern fein Eigenthums- 
recht an die damalige Batavifche Republik abtrat. 

Bergente, jo v. w. Anas marila; j. u, Ente. 

Berger, 1) 30H. Gottfr. von, einer der 
größten deutſchen Arzte, der in litteris elegan- 
tioribus Wenige feines Gleihen hatte, geb. 11. 
Nod. 1659 in Halle; ftudirte in Erfurt u. Jena, 
promovirte bier, fam als außerordentlicher Pro— 
feffor nach Leipzig, machte aber gleich darauf eine 
Reife nach Holland, Frankreich u. Italien u. nahm 
dann eine Profeſſur der Medicin in Wittenberg 
an, der er über 50 Jahre vorftand; er ſtarb 2. 
Oct. 1736. Er war Löniglih polnischer Hofrath 
und Leibarzt der Gemahlın König Auguſts des 
Starten. Er huldigte als Gegner Stahls me— 
chaniſchen Lebensgrundſätzen, verwarf die An— 
nahme eines feurigen Erdinnern und erklärte 
die Entftehung der heißen Quellen, ſowie über— 
baupt der Erdwärme von dem Pyrite oder den 
beißen u. glühenden Kiejeln, Außer einem größe- 
ten Werke: Physiologia medica s. de humana 
natura liber bipartitus, Wittenberg 1702, Lpz. 
1708, Frankf. 1737, einer damals jehr beliebten 
Schrift, ı. dem Prodromus commentationis de 
Carolinis Bohemiae fontibus, daj. 1708, hat er 
nur eine Menge Differtationen aus dem Gebiete 
der Anatomie, Phyfiologie, Pathologie u. Phar- 
matologie binterlafien. 2) Ludwig v. B. geb. 
1768 zu Oldenburg; ftudirte die Nechte, war erji 
Advocat zu Eutin, dann Kanzleivath in Olden- 
burg u. 1813 bei dem Abzuge der Franzoſen aus 
Oldenburg Mitglied der Berwaltungscommiffton; 
nach der Hüdkehr der Franzoſen wurde er jeiner 
patriotifchen Äußerungen wegen mit feinem Freunde 
Fink vor ein Kriegsgeriht in Bremen geftellt u. 
10. April 1813 erjchoffen. Sein Fürft lieh ihn 
in die herzogliche Gruft beftatten. Bgl. Gilde- 
meifter, B-8 Ermordung, Bremen 1814. 3) Lud⸗— 
wig, vorzügliger Pianift u. Componiſt, geb. 
18. April 1777 zu Berlin; Schüler Gürrlichs; 


mal, Berlin 1846. 4) Job. Nepomuf, öſterr. 
Staatsmann, geb. 16. Sept. 1816 in Profnit 
(Mähren); ftudirte feit 1832 in Olmütz Philo— 
jopbie u. feit 1834 in Wien Jurisprudenz u. 
ichrieb dann für juriftiiche u. (umter dem Pieudo- 
nym GSternan) für beletriftiiche Journale. 1844 
wurde er Aififtent für die Profeffur des Natur« 
u. Griminalredhtes an der Therefianifchen Nitter: 
afademie u. 1848 von einem Mähriſchen Wahl- 
bezirfe ins Parlament nad Frankfurt gewählt, im 
welchem er, der äußerften Linken angebörend, öfter 
mit jchmeidendem Wite, befonders auch gegen die 
Übertragung der deutſchen Kaiſerwürde auf den 
König von Preußen fprad. Seit 1845 Advocat, 
prafticirte er wieder nad feiner Rückkehr nad 
Wien, wurde 1861 in den Gemeinderath und in 
den Wiederöfterreihiihen Landtag, 1863 in dus 
Abgeordnetenhaus des NHeichsrathes gewählt und 
Anfangs 1868 ald Minifter ohne Portefenille im 
das cisleithanische Minifterium berufen, trat aber 
am 17. Januar 1870 mit Taaffe u. Potocki wies 
der aus. DB. ftarb 9. December 1870 in Wien. 
Er ſchrieb: Vergleichung des neuen Wechjelrechtes 
mit dem früheren, Wien 1850; Kritiiche Beiträge 
zur Theorie des Hſterreichiſchen Privatrechtes, 
ebenda 1856 u. a. 5) Johann Erich v., deut» 
iher Philofoph, geb. 1. September 1772 zu aa» 
borg auf Fünen; abjolvirte in Kopenhagen das 
Studium der Jurisprudenz, beichäftigte ſich im 
Göttingen u. Kiel eingehend mit der Kantichen 
Philojophie, ging 1793 nah Jena, wo er zuerit 
Reinholds, jpäter Fichtes Zuhörer war, kehrte 
dann in fein Baterland zurüd, bejuchte Jena zum 
zweiten Dal, wo der Umgang mit Fichte u. Hülfen 
u. die Lectüre Schellings bedeutend auf ihn wirkte, 
reiſte mit Hülfen duch Deutſchland u. die Schweiz, 
fam 1797 wieder nah Jena, wurde bier immer 
mehr von der Fichteſchen zur Schellingichen Rich» 
tung binübergezogen, kehrte 1798 wieder in fein 
Vaterland zurüd, bejchäftigte fich mit der Land— 
wirtbichaft, hörte feit 1809 in Göttingen die aftro- 
nomichen Borlefungen des berühmten Gauf, 
wurde 1814 Profeffor der Ajtronomie, 1816 Pro— 
feffor der Philofophie in Kiel; er ft. 23. Febr. 182%, 
Sein geiftvolles Hauptwerk: Grundzüge zur Wiffen- 
ihaft, Altona 1817—27 (1. Bd.: Analyſe des 
Ertenntnigvermögens od. ber erjcheinenden Er: 
fenntnig im Allgemeinen; 2. Bd.: Zur philofo- 
phiſchen Naturerfenntnig; 3. Bd.: Jur Anthro 
pologie u. Piychologie; 4. Bd.: Grundzüge der 
Sittenlehre, der philojophifchen Rechts- u. Staats- 
lehre u. der Neligionsphilojophie) fteht im We- 
jentlihen auf dem Boden Scellings, berührt ſich 
aber auch in vielen Punkten mit Hegelihen Ideen. 
In der Weligionsphilofophie hebt B. die praftifde 
Seite hervor u. zeigt fih dem Dogma u. der 
Myſtik abgeneigt. Den Schellingichen Pantheismus 


ging 1801 nach Dresden, 1804 nach Berlin, wo lerlennt er „als die Grundlage des wahren Gottes— 


214 


begriffes an, aber nur als dieſe, denn es ſoll ſich 
ein Theismus auf denfeiben gründen, vermöge 
defien das Sein Gottes ein durch ſein Erlannt- 
werden bedingtes ift, das ſich alfo (mie Fichte 
gelehrt hatte) erſt realifirt”. Seine Bemerkungen 
über praftiiche Philofophie gewähren reichhaltigen 
Stofi zum Denken. Vgl. J. E. Erdmanns Ber- 
juh einer wiſſenſchaftlichen Darftellung der Ge- 
fchichte der neueren Philofopbie, 3. Bd., 2. Abtb., 
S. 423. fi. Andere Schriften B-s find: Uber 
Geſindeweſen, befonders in fittliher Hinficht, Kiel 
1794; Die Angelegenheiten des Tages, ein Wort 
an Dänemarks jelbftdvenfende Männer, Schleswig 
1795; Beitfchrift: Mnemoſyne, 2 Hefte, Altona 
1800; Philoſophiſche Darftellung der Harmonie 
des Weltalls, ebd. 1808; Über den ſcheinbaren 
Streit der Vernunft wider fich felbft, ebd. 1818. 
Bol. J. E. von B-8 Leben, von H. Ratjon, ebd. 
1835. 6) Michael, deuticher Baumeiſter, geb. 
21. April 1824 zu Münden, Schn armer Eltern; 
ſchwang fi durch eigene Kraft vom Maurergefellen 
zu einem der tüchtigſten Architelten der Münchener 
Schule auf, leitete mit ungewöhnlichem Berjtänd: 
niß für die Gothik die umfaffende Reftanratiou 
der Münchener Franenkirche, für die er Altäre, 
Kanzel ꝛc. neu entwarf, baute die neue Piarr- 
fire in der Vorſtadt Haidhaufen mit einem Ge- 
mwölbe, das alle bisher befannten an Spannung 
weit übertrifft, ferner die Kirche in Partentirchen 
u. das jchöne Palais der Schaufpielerin Ziegler 
in München ꝛc. 1) Thamhahn. 

Bergerac, Hauptſtadt des gleichnamigen Arr. 
im franzöfiihen Departement Dordogne, an der 
Drleans-Eifenbahn u. an der Dordogne; Handels- 

ericht 1. Inſtanz, Gericht; Handel, bejonders mit 

ein (B., Petit Champagne, weiß, voth, ſehr 
fieblih), Märkte; 11,699 Ew., wovon 8024 in 
der eigentl. Stadt. 

Bergerae, Savinien Cyrano de B., geb. 
1620 zu Bergerac; nahm Kriegsdienfte unter der 
franzöftfchen Garde; er foll mehr als 1000 Duelle 
gehabt haben. Die hierbei u. im Kriege erhalte: 
nen Wunden zwangen ibn, den Abjchied zu neh- 
men; er arbeitete feitdem in mehreren Fächern 
der Schönen Piteratur; flarb 1655. B. jchrieb: 
die Tragödie Agrippine; das Luftjpiel Le pedant 
joué (von Molidre benugt) u. den jatiriichen Ro— 
man; Hist. comique des états et empires de 
la lune et du soleil (nadhgeahmt von Fontenelle, 
Swift u. Voltaire). Seine Werle erſchienen Par. 
1677 u. von Neuem 1858, 2 Bde. 

Berger de Xivrey, Jules, franz. Philolog 
u. Gefcdichtforfcher, geb. 16. Juni 1801 zu Ber. 
failles; ftudirte Philofopbie u. Philologie, war Mit- 
glied der Alademien von Touloufe, Rouen, der 
Acadömie des inseriptions etec.; er ft. 27. Oct. 
1869 als Profeffor der Ecole normale in Paris, 
B. überjette die Batrachomyomachie, Par. 1823, 
2. A., 1837, u. fhr.: Traite de la prononeiation 
grecque moderne, ebd. 1828; Recherches sur 


les sources ant. de la litterature frangaise, ebd. |u. 


Bergerae — Berghaus. 


frangais, ebd. 1836; Recueil des lettres missives 
de Henri IV., ebd. 1845—46, 3 Bde.; Essais 
d’appreeiations historiques, ebd. 1837, 2 Be. 
u.a, Brambadı. 

Dergeret, Jules Bictor, Mitglied der fran- 
zöſiſchen Commune, geb. um 1820; trat nach einem 
wildbemwegten Leben (er war Offizier, Buchdruder, 
Buhhandlungsgehilfe, Kellner geweſen) zuerft bei 
den Wahlen von 1869 als einflußreicher Volls— 
redner in die Öffentlichkeit. Dies verichaffte ihm 
1871 eine wichtige Stellung in der Commune, 
vorzüglich im milttäriihen Angelegenheiten, denen 
er als Führer der Operationen gegen den Mont 
VBalerien, nachher der 1. Nejervebrigade mit wah- 
rem Fanatismus, aber ohne entiprechenden Er- 
folg fit widmete; die theilweiſe Einäfcherung ber 
Zuilerien war hauptfählich fein Wert; er wurde 
1872 in contumaciam zum Tode verurtheilt, da 
eFihm gelungen war, ins Ausland zu enttommen. 

Bergfink (Fringilla montifringilla L.), j. 
Finlen. 

Bergflachs, jo v. mw. Albeſt. 

Bergfreiheit, 1) die Freiheit, an jedem Orte, 
wo man Ausbeute vermuthet u. welchen der Eigen- 
thlimer zu diefem Behufe nad der Tare verlaufen 
muß, Bergwerke anzulegen. 2) Privilegium, wo- 
mit einzelne Perfonen u. ganze Communen be» 
gnadigt find, wenn fie Bergbau treiben. 3) Ge— 
gend, melde unter der FJurisdiction des Berg- 
amtes ftebt. 

Bernfried, 1) (Berdfrit) in den mrittelalter: 
lichen Burgen ein Thurm od. thurmartiges Ge— 
bäude, welches als Wartthurm od. letzte Zuflucht 
bei Belagerungen diente. 2) Kriegsmafchine, fo 
v. w. Belfrid. 

Berggeiit, ſ. u. Kobold. 

Derggelb, jo v. mw. Oder. 

Bergpiefhübel, Bergſtadt im Gerichtsamte 
Gottleuba, Amtshauptmannſch. Pirna des künigl. 
ſächſiſchen Regbez. Dresden; Sonntagsſchule; 
Eiſenerzbau u. Eiſenhüttenwerl; 1161 Ew. Hier 
das (1722 entdeckte) Johann-Georgen ⸗Bad mit 
4 Mineralquellen, wozu noch der 1818 eutbedte 
Auguftusbrunnen lommt; fie enthalten haupt 
ſächlich jalziaures u. lohlenſaures Natron, jchwefel- 
fauren Kalf u. Eifenoryd nebft freier Koblenjäure. 
Bei B. am 21. Auguft u. 14. Sept. 1813 Ge- 
fechte zwiichen den Alliirten u. Franzoſen, legteres 
unentjchieden, erfteres für die Allürten günftig; 
ſ. Ruffiih-Deuticher Krieg von 1812—15. 

Berggrün nennt man fein gemahlenen Ma- 
ladhit (j. d.), der als Farbe bemugt wird. B. wird 
jetst wie Bergblau (f. d.) meift künſtlich dargeftellt 
durh Fällen von Kupferlöfungen, meift Gement- 
waſſern, mit foblenfaurem Kalf od. Ratron. Es 
führt dann die Namen Braunfchweigergrün, Bre- 
u Kaffelmanns-Grün, Mineralgrün (f. d.). 

Foeler. wilder, ſo v. w. Wieſenhafer, ſ. 
u. Hafer. 
rohänfling (Fringilla montium Gm.), f. 


’ 


l'antiquite et du moyen-äge en Occident sur] Berghaus, 1) Heinrich, deuticher Geograph, 
uelques points de la fable, du merveilleux et/geb. 3. Mai 1797 zu Kleve; wurde 1811 Gon- 
de l’'histoire naturelle, publies d'après plusieurs| ducteur beim Brüden- u. Straßenbau in dem 
manuscrits inedits grecs, latins, et en vieux!franz. fippebepartement, trat 1814 als Freiwilliger 


inflinge. 
1829; Traditions teratologiques, ou R£eits de ar Director des Oberbergamts. 


Bergheim 


in die Armeevermaltung bei dem im den weftiäli- 
hen Provinzen errichteten Corps, machte 1815 
ten Feldzug gegen Frankreich mit, murde 1816 
Ingenieurgeograph im 2, Departement des Kriegd- 
niyiftertums in Berlin, 1821 Lehrer u. 1824 
Profeffor der angewandten Mathematik, bei. der 
praftifchen Geometrie an der Bauakademie von 
Berlin; 1836 fiedelte er nad Potsdam über, wo 
er Director der 1838 von ihm gegründeten Königl. 
Geograpbiichen Kunftihule wurde; diefe Kunſt— 
ſchule ging 1848 wieder ein. 1855 wurde B. 
ſeiner Brofeffur enthoben, u. er lebt ſeit 1862 
wieder in Berlin. Er gab heraus: Starte von 
Frantreich (1824), vom Königreich der Nieder: 
lande (mit Weiland), in 40 Blättern; gegen 40 
Blätter zu Reymanns Karte von Deutichland, vom 
Harzgebirge (1825), von Afrifa (1825), von Spanien 
u. Bortugal (1829), von Aften, in 18 Blättern 
(1833—43); Phyſilaliſcher Atlas, 90 Blätter 
(1838—48), 2. A., 1852, engl. bearbeitet bei 
Johuſon, Dubl. 1845— 47, 30 Blätter; Sammlung 
byprographiich-phuftlafiiher Karten der preußtichen 
Seefahrer, 1840—48; redigirte mit 8. V. Hoff—⸗ 
mann: Hertha, 1825—29; Annalen der Erde, 
Bölter- u. Staatenfunde, 1830—43, 28 Bbe.; 
Kritiicher Wegweifer im Gebiete der Yandlarten- 
kunde, 1829—35, 7 Bde.; Geograpbiiches Jahr- 
buch, 1849 fi.; Gabinetsbibliothef der neuejten 
Reiten zc., 1834 f., 2 Bde; Almanach für Freunde 
der Erdfunde, 1837—41, 5 Bde; Elemente der 
Erdbeichreibung, Berl. 1831; Allgemeine Yänder- 
u. Völlerkunde, Stuttg. 1857—41, 6 Bbe.; 
Grundriß der Geographie, Berl. 1842; Die Völler 
des Erbballs, Lpz. 1845—47, 2 Bde; Führer im 
Harz, 1846; Landbuch der Mark Brandenburg, 
Brandenb. 1852—55; . Yandbudy des Herzogth. 
Bommern, Wriezen 1862 ff.; Deutichland jeit 
100 Jahren, Lpz. 1859—62, 5 Bre.; Was man 
bon der Erde weiß, Berl. 1856—60, 4 Bde. 
Briefmechfel Alerander v. Humboldts mit H. B., 
Ep;. 1863, 3 Bde. 2) Hermann, Nefle bes 
®or., geb. 16. Nov, 1828; arbeitete an den 
Stielerihen u. Sydowſchen Atlanten u. fertigte 
außerdem Allgemeine Weltfarte in Mercators 
Projection, Gotha 1859, 4 Bl., u. 1864; Karte 
des Otzthaler Gletſchergebietes, ebd. 1861; mit 
Stüfpnagel Chart of the World, 7.X., ebd. 1873, 
8 Bl.; mit &önczy: Magyar korona tartomanyai 
fali abrosza, ebd. 1866, 9 Bl.; Phnfital. Karte 
der Erde, ebb. 1874, 8 Bl. Henne-Am Rbun.* 

Bergheim, I) Kreis des preußiichen Regier- 
ungsbezirtes Köln; 863,,, [km (6,,. [IM); 
39,936 Ew.; gebirgig durch die Eifel, bemäflert 
von der Erft; von der Köln-Nacener und Neuf- 
Dürener Bahn (33,175 km) durdichnitten; bringt 
Getreide, Flachs, Hafer. 2) Marttfleden u. Kreis- 
bauptftabt hier, an der Erft, am Fuße der Bille; 
Brannlohlengruben; 1200 Ew. 

Berghem, j. u. Berchem. 

Bergifches Bud; (Bergiiche Formel), fo v. 
w. Concordienformel. 

Bergifh-Märkifche Eifenbahn (Ende1873): 
Länge 1077,, km (1874: 1264 km). Anzahl der 
Cocomotiven 706; ber Perjonenwagen 561; ber 
Güterwagen 17,995. Einnahme 18,746,234 Thlr. 
Benennung der Linien: Obertaſſel⸗Weilenraedt 


— Bergf. 215 
(93,, km), M.-Gladbah-Homberg (42,, km), M.- 
Gladbad- Stolberg 74 kın), VBierfen-Kaldenkirchen 
(22,3), Neuß-Düffeldorf-Dortmund-Soeft (146,,), 
Hengitei-Holzwidede (19,,), Unna-gamm (17,,), 
Dortmund Deülheim-Duisburg (54,,), Steele-Voh- 
winlel (33,,), Düffeldorf-Kupferdreb (35,,), Haan« 
Deut (32,,), Barmen -Remſcheid (17,5), Schwerte: 
Warburg (137,,), Warburg-Öerftungen (132,54), 
Hümmesfarlshafen (16,,), Hagen-Siegen (10%,,) 
u. zahlreiche kleinere Linien (Sefammtzahl der 
Linien 30). Zeit der Gründung 1848. Anlage 
capital bei der Gründung 4,800,000 Thlr., An— 
lagecapital 1873: 192,593,500 Thlr., davon 70 
Mill. Thlr. Stamm-Actien, 28 Mil. Sproc., 72 
Dil. 44proc. u. 22,593,500 Thlr. 3iproc. Priv» 
ritäts · Obligationen. Staatd-Verwaltung. Direc⸗ 
tionsſitz: Elberfeld. 5 Commiſſionsbezirle (Zube 
directionen): Aachen, Düſſeldorf, Eſſen, Altena u. 
Kaſſel. 

Bergius, 1) Benedict, geb. 1723 zu Stod— 
holm, geft. 1784; war Arzt, Naturforfcher und 
bekleidete das Amt eines Banfcommiffars, Befaunt 
ift ev namentlich Durch fein mit einer Menge alter 
u, neuer DBelegitellen verjehenes Buch über Yede- 
reien: Tal om swenska aengskötseln, Stodholm 
1766; Tal om Läckerheter, ebd. 1785—87, überf. 
von Forjter u. Sprengel, Halle 1792. 2) Peter 
Jonas, Bruder des Vor., Arzt u. Profeffor der 
Naturgeſchichte in Stockholm, geb. 1730 in Erik— 
jtadt in Smüland (nad Anderen in Stodholm); 
promovdirte in Upſala 1750; fl. 1790, Mit 
jeinen Bruder gründete er das Beſche Fuftitut, 
ein Vermächtniß zur Befoldung eines Profeffors 
der Naturgeſchichte. Er lieferte eine recht gute 
Beichreibung der Pflanzen vom Gap der guten 
Hoffnung, ſoweit dies nad getrodueten Exem— 
plaren möglid war: Descriptiones plantarum ex 
Capite bonae spei, Stodholm 1767, u. gab eine 
jehr in Aufnahme gelommene Arzueimittellehre 
aus dem Pjlanzenreihe: Materia medica e regno 
vegetabili, bi$ 1778 u. 82, heraus, Außerdem 
veröffentlichte er noch: Försök til de uti Swerige 
gangbare sjukdomars utroenande for aer 1755, 
ebd, 1756; Bon om Spannemals bristen ärsätt- 
jande medelst quikrot, ebd. 1757; Tal om kolla 
bad i gemen x., ebd. 1764, deutih von Georgi, 
Stettin 1766, und lieferte für engliſche und 
ſchwediſche gelehrte Zeitungen eine Menge Aufs 
füge. 3) Karl Jul., deuticher Finanzmann, geb. 
14. Dec. 1804 in Berlin, Sohn eines Bantiers; 
ftarb dajelbft 28. Oct. 1871; machte das Gym« 
naſium dur u. trat dann in bes Baters Geſchäft, 
eutſchloß fih aber, als diejes fi) auflöfte, zu 
wilfenichaftlihen Studien, wozu er Necdts- und 
Gameralwiffenihaft wählte. Er betrat die Staats» 
carridre, namentlich im Finanzfache, wo er Tid- 
tiges in Breslau leiftete, che er fih nach Berlin 
zurüdzog. Sein Hauptwerk ift: Grundſätze ber 
Finanzwiſſenſchaft; außerdem bearbeitete er M' 
Eulloch, Über Geld u. Banken u. jchr.: Betracht. 
ungen über die Finanzen u. Gewerbe im preuf. 
Staate, Berlin 1830; Preußen in ftaatdrechtlicher 
Beziehung, Münfter 1838, u. kleinere Aufſätze. 
Seine Grundfäge gelten für ein Hauptwerk über 
Finanzweſen. 1) 2) Thamhaijn. 3) Fr. Körner. 

Bergk, Theodor, Sohn des als Berfafier 


216 


vieler philofophiichen u. geograpbiichen, populären 
Schriften belannten, 27. October 1834 geftor« 
benen Schriftjtellers Johanı Adam B., geboren 
22. Mai 1812 zu Yeipzig; dur umfaſſende 
Kenntniſſe des clajfiihen Alterthums ausgezeich- 
neter Philolog. Nahdem er in Leipzig jtudirt, 
wirfte er von 1835 au den Gymnaſien von Halle, 
Neu-Strelig, dem Joachimsthal in Berlin u. Kaſſel 
als Lehrer n. wurde 1842 Profeffor der claffiihen 
Philologie in Marburg, ven wo er 1852 in gleicher 
Eigenſchaft nach Freiburg, 1857 nach Halle über: 
fiedelte. 1869 zog er fi von feiner alademiſchen 
Thätigleit zurück u. lebt wiſſenſchaftlichen Studien 
in Bonn. Seine durch Selbftändigleit des Urtheils 
ausgezeichneten Schriften bewegen fih auf ver- 
ſchiedenen Gebieten des claffiihen Alterthums; 
außer einer Reihe Zeitichriften zerftreuter Abhand— 
ungen find zu bemerfen; Die Ausgaben der 
Poetae ]yriei graeei, 3 Bde, 3 Aufl., Ypz. 1866; 
des Anafreon, Lpz. 1834; des Arifiophanes, 2 
Boe., 2 Aufl., Lpz. 1851; des Sopholles, %pz. 
1857; der Fragmente des Ariftophanes im Ans 
ſchluß an die von Meinede bejorgte Ausgabe der 
Bruchſtücke der griech. Komödie; ferner die Unter- 
ſuchungen über griedh. Monatsfunde, Gieß. 1841; 
iiber Aristoteles’ Buch: De Xenophane etc., Marb. 
1843, u. f. w.; die Beiträge zur lat. Grammatif, 
Halle 1870; die auf umtaffende Studien beru- 
hende Griechische Literaturgeichichte, bis jetzt Bd. 
1, Berlin 1873, 

Bergkalk it ein dichter, gleichartiger, häufig 
von Ralljpathadern durchzogener, bituminöfer, ge— 


Berglalk — Bergman. 


Bergkryſtall, die reinften, durchſichtigſten Va⸗ 
rietäten des Quarzes (f. d.). Er findet ſich na» 
mentlih in den ſogen. Kryſtalllammern der Alpen 
in großen Drufenräumen im Granit oder Gneis, 
oft in ungeheuren Kryftallen von mehreren Gent- 
nern Gewicht. Der letzte bedeutende Fund ift der 
aus 1868 von Tiefang in der Nähe von Furka; 
die größten Kryftalle find im Bonner Mufeum 
aufgejtellt, darunter einer von 100 u. einer von 
133. kg Gewidt. Die reinften Stüde, namentlich 
die ohne alle Sprünge, werben neuerdings im 
Oberftein zu Lampengläfern verfchliffen. Ebenſo 
finden fih jhöne B-e in der Dauphine, in Pie— 
mont u. in dem Carrarifhen Marmor eingewachien; 
auch Oftindien liefert prachtvolle Eremplare ſowoi 
in Drujen, als aud in Geſchieben der Flüſſe. Auch 
aus NAmerila find in neuerer Zeit prachtvolle 
durchfichtige u. Mare Kryftalle gefommen. Die 
beim Quarz zu erwähnenden Flächen der tetarto- 
edriſchen Formen des heragonalen Syftems finden 
fih immer am jhönften in den Harften Kryitallen, 
namentlich denen der Schweiz. Die intereffanten 
optiſchen Eigenfchaften des Duarzes find natürlich 
ebenfalls au ihnen am beften zu ftudiren. 

Berglafur, jo v. mw. Bergbfau. 

Bergler, Jojepb, Hifterienmaler, geb. 1. Mai 
1753 zu Salzburg; bildete ſich unter feinem Vater, 
dann unter M. Kmoller in Mailand u. Maron, 
Menge, David u. A. in Rom, lieh ſich 1786 im 
Paflau nieder u. ward Gabinetsmaler und Hof- 
truchieß des dortigen Fürftbifchofs Grafen Auers— 
perg, wurde 1800 Director der Kunſtſchule zu Prag; 


möhntich deutlich geichichteter Kalkftein, von meift)ft. dafelbft 25. Juni 1829. Werke: Simjon und 
rauer oder blauer, felten weißer oder fchwarzer|Delila; Befreiung des heil. Peirus, im Nonnen- 


Farbe, weicher der Kohlenformation angehört u. 
namentlih in England u. Irland verbreitet ift, 
In Deutjchland tritt er feltener auf, 3. B. an der 
beigiichen Grenze bei Aachen, in Schlefien bei 
Silberberg u. Altwaffer, in Bolen u. NAmerilka. 
Er ift oft jchwierig vom Übergangstaltftein zu 
unterjcheiden. Leitfoſſil ift Calamites transtitionis; 
auch fonft ift derſelbe jehr verfteinerungsreih u. 
enthält oft reiche Lager von Blei» u. Zinterz, 3.8. 
bei Moresnet bei Aachen, Er gibt ein treffliches 
Baumaterial ab. 

Bergfleidung, Paradeanzug der Bergleute: 
ſchwarzer Kittel mit Stehlragen, an welchem bie 
Abzeichen angebracht find ; cylinderförmiger Schadht- 
but ohne Krempe, vorn mit Schlägel und Eijen 
verziert; hinten das Leder (Arſchleder). Die 
Häuer tragen Bergbarten (Beile) oder Hädel 
(Heine Haden). 

Berginappe, jo v. w. Bergmann. Beug- 
fnappjchaft, fo v. w. Knappſchaft; f. u. Berg» 
leute u. Bergredt IV. 

Bergfranfheit (Mal de Buna, Sorroche, 
Mareo), ein Gompler von Symptomen (unter 
denen die nmerpöjen, vom Gehirne ausgehenden 
eine hervorragende Stelle einnehmen), welcher bei 
dem Aufenthalte auf Höhen über 2200 m bei Neu- 
—— zu erſcheinen pflegt, durch Schwere, 


Hofter zu Fabriano; Kreuzigungsbild, in der Paſ— 
ſauer Stabdtpfarrlirhe; Geburt Ehrifti, in der 
Pfarrlirche zu Schärding ꝛc. B. ätzte aud viele 
u. Schöne Blätter, Negnet. 

Bergleute, die auf einem Bergwerle arbeiten« 
den Perjonen. Die mit der Gewinnung der Mi- 
neralien bejhäftigten heißen Häuer, während der 
Erlernung diefer Arbeiten Lehrhäuer. Beauffich 
tigt werden die Arbeiter von dem Steiger. Die 
tägliche Arbeitszeit, die Schicht, ift in der Megel 
8 Stunden. Der Lohn ift nach den einzelnen 
Gegenden jehr verjchieden, beträgt aber an man— 
hen Stellen Deutſchlands und Englands bis zu 
6 Marl. Gie find vereinigt in Knappichaftsver- 
einen, welde ihnen bei Krankheit u. Juvaliditär 
Unterftügungen gewähren. 

Bergliftod, 3573 m hoher Berg in ben 
Berner »Alpen, zwiihen dem Schredhorn und 
Wetterhorn, mit breit abgejchnittenem Gipfel; am 
26. Sept. 1864 zuerft erftiegen. 

Dergman, Tobern Dlof, berühmter ſchwed. 
Naturforfcher, geb. 20. März 1735 zu Kathrinberg 
in WGothland. Sein Bater Barthold B. wer 
ein Deutiher. Gr befuchte das Gymnaſium zu 
Stara, ſtudirte in Upfala Mathematif u. Natur 
wiffenichaften, wurde 1758 Magifter u. 1761 Ad · 
junct der Mathematif. In diefem Jahre, fowie 


Schmerz im Kopfe, Schwindel xc. fi aukündigt,)8 Jahre jpäter beobachtete er den Borübergang 


unter Umftänden gefährlichen Charakter annimmt|der Benus vor der Sonne. 


Nachdem er wieder- 


und mit beftiger Gebirnentzündung (Meningitis holt von der Stodholmer Akademie der Wiffen- 


montana) zu ſchließen vermag. 
Ahrens, Die B., Ypz. 1854. 


Bgl. Meyer: 


ſchaften Breite erhalten, wurde er 1764 Mitglied 
derſelben, fowie der Kaiſerl. Leopoldinishen; 1767 


Bergmanit — Bergredt. 


wurde er Brofeffor der Chemie u. Bharmacie in 
lpfala, in welcher Stellung er ſich fowol durch 
feine epochemachenden chemiſchen Unterfuchungen 
n. Entdedungen, wie auch durch jeinen trefilichen 
theoretiichen u, praftiichen Unterricht auszeichnete, 
dur melden eine Menge in- und ausländiicher 
Stubirender nad Upjala gezogen wurden. 1776 
murde er Mitglied der Berliner Alademie. Seit 
1769 kränklich, ftarb er am 8. Juli 1784 als 
Badegaft in Medevi. Obgleich noch Anhänger der 
Phlogiftontheorie, hat er in jeiner Berwandtihufte- 
lehre Auffaffungen entwidelt, die den Sturz jener 
Theorie überdauert haben u. zum Theil noch heute 
in Geltung find. Er erflärte die chemiſche Ber- 
wandtſchaft als eine Anziehung ber Heinften Theil- 
hen (Atome), welche je nad der Natur der Gub- 
tanzen u. je nad den äußeren Umftänden mit 
größerer oder geringerer Stärfe wirke. Er für- 
derte die qualitative Unalyfe durch zwedmäßige 
Auswahl der Reagentien, dur das Auffchließen 
der Silicate u. durch feine Anleitung zum Ge— 
brauch des Löthrohres. Bon feinen zahlreichen 
chemiſchen Leitungen fei noch feiner Unterfuchung 
der Luftfäure (Kohlenfäure) erwähnt, deren Bor- 
bandenjein in der atmojphäriichen Luft er nach— 
wies. Auch die Geologie u. Mineralogie verdantt 
ihm manche wichtige Entdedung. Seine gejam- 
melten Schriften find erichienen unter dem Zitel: 
Öpuscula physica, chemica et mineralogica, 
Upiala 1779—84, 6 Thle., deutich von Tabor, 
Fetf. 1782—90. Wimmenauer M.. 

Bergmanit (Spreuftein), Varietät des Natro- 
fitbs (j. d.) aus dem Birkonfyenit Norwegens. Er 
findet fich meift in unreinen röthlichen Maſſen, die 
Pleudomorphojen nah Nephelin, Caucerinit umd 
Oligoklas find. 

ergmannsfpradhe, der Inbegriff der beim 
Bergbau angewendeten Kunftausdrüde. 

ergmehl u. Bergmild; (Farina fossilis od. 
Lae lunae) nennt man die jchneemweißen, erbigen 
Barietäten des fohlenjauren Kalfes, die fih in 
Klüften u. Drufen des Kalfgebirges finden. 

Bergnaphtha, jo v. wie Erdöl, 

Bergpech, jo v. w. Aſphalt. 

Bergpferd, jo v. m. Zebra. 

Bergpredigt, im Ev. Matth. 5—7 u. Luc. 6 
überliefert, bei Luc. als Rede auf einem ebenen 
Orte gehalten u. wahrfcheinlich weniger uripring- 
th als bei Matth. Die B. bei Matth. iſt eine 
Gruppirung von Redeſtücken, höchſt wahrjcheinlich 
(nah Keim, Leben Jeſu, II., Züri 1871) aus 
einer Bollspredigt Jeſu am Anfange feiner Wirk— 
jamfeit beftehend (Matth. 6, 19—7, 27) u. einer 
etwas fpäteren Füngerpredigt, nah des Matth. 
Anfiht auf einem Berge ‚bei Kapernaum gehalten 
Matth. 5, 3—6, 18). Der Inhalt ift die Pre— 
bigt vom Himmelreiche, der Gerechtigleit Gottes, 
durch welche man des Himmelreichs Seligfeit er- 
langt. Die wichtigſten Stüde find 8 Seligpreifun- 
gen, das Berufsfeld der Jünger, Jeſu Stellung 
zum Moſaiſchen Gefege u. zum Pharifäismus, aus 
Geſetzesauslegungen des letzteren dargeftellt, die 
3 Pharifäerwerle, vom Schägefammeln uud der 
Rahrungsjorge, vom Richten, vom (Gebete, Hegel 
der Nächftenliebe, die falichen Propheten u. Herr- 
Derrfager, das Bauen auf dem Felſen Durch Hören 


217 


u. Thun. Die Sage bezeichnet als Berg der 
Seligfeiten den Hügel Hattin, 2 Stunden weitlich 
von Tiberias, andere rathen auf den ver Safed 
oder Tabor. Die B. iſt oft bearbeitet. öffler, 

Dergracen, die in den gebirgigen u. Alpen— 
Gegenden heimifchen Rinderracen, von einem in— 
folge der äußeren Lebensbedingungen jehr kräftigen, 
musculöfen Körperbau u. großer Leiftungsfähigteit. 
Sie werden deshalb nicht allein zur Feldarbeit, 
jondern aud zur Fortbewegung ſelbſt jchwerer 
Laſten vielfach benutt. Die Kühe der B. liefern 
meift weniger, aber gehaltreichere Milch, als die 
der Niederungsracen. 

Dergredjt. Die eigentbümlihen Berbältniffe, 
von welchen die Gewumung der Foſſilien, der im 
Schooße der Erde verborgenen Mineralien, abbängt 
u, welche der Betrieb des Bergbaues hervorruft, 
haben ein eigenes Syſtem von Nechten geichafien, 
welche die Praris u. Wiffenfchaft des Hechtes feit 
Yangem als B. bezeichnet hat. Drei Puntte be- 
ſtimmen die Eigenthiimlichleit diefes bejonderen 
Rechtsſyſtems: die vollswirthichaftliche u. ftaatliche 
Norhwendigleit eines rationellen Betriebes des 
Bergbaues, die Unvereinbarkeit defjelben mit der 
Unbejchränftheit des Einzelrechtes u. die befondere 
Gefährlichkeit diefer Art der Urprobuction fiir die 
dabei beichäitigten Menſchen. Inhalt u. Umfang 
diejes beionderen Rechtsſyſtems waren zu PDerichie« 
denen Zeiten verichteden, aber die natürliche Gleich« 
heit der thatjächlichen Berhältniffe u. Zuftände, au 
welchen es ſich herausgebildet, bemwirkten doch eine 
wenigſtens in den europälfhen Staaten fidh zei— 
gende Gleichartigkeit der bergrechtlihen Normen 
u. Formen. Mau ift aber mit Unrecht der An- 
ſicht geweſen, daß die gefchichtlichen Godificationen 
des Dres, welde mit dem Ende des 12. Jahrh. 
begannen, gleidhjam nur Umarbeitungen der antifeu 
Geſetze für die griechiichen u. thrafifchen Bergwerte 
geweien jeien. Deutſchland war, wie die Heimath 
des europäischen Bergweſens, fo auch der Nusgangs- 
punft der bergrechtlichen Geſetze u. Ordnungen, 
Es genügt uns, die Geichichte u. heutige Geitalt- 
ung des deutichen Bes zu verfolgen, 

IL Geſchichtliches. Unbeftritten gehörte zum 
Recht der königlichen Gewalt aud das Berg- und 
Salzregal als das ausſchließliche Hecht des Staates, 
anfangs gemifle, Später alle edlere Metalle zu ge- 
winnen (Bergbobeit, Bergregal). Der König aber 
verlieh fein Hecht auch mittels befonderer Privi- 
legien an einzelne Reichsſtände, u. im der Goldenen 
Bulle von 1356 (Cap. 9, $ 1) ward diefe Prä«- 
rogative des Königs den Kurfürſten dauernd ein« 
geräumt; fie überwies ihnen universas auri et 
argenti fodinas atque mineras stanni, eupri, 
plumbi, ferri et alterius ceujuscunque metalli 
ac etiam salis. Die wachſende Macht der Terri« 
tovialherrichaften z0g dann auch das B-regal in 
den Bereich ihrer Zuftändigleit, u., wenn anderes 
nicht möglich, beriefen fie fih auf das Recht der 
unvordenflihen Berjährung. Die örtliche Aus— 
dehnung u. befjere Technik des Bergbaues mußte 
zu einer gefeglichen Klarftellung des B-8 führen. 
Die Be, unter welden das Zrienter (1185) u, 
das Iglauer (1086) wol die älteſten find, u. die 
landesherrlichen Bergordnungen, unter welchen die 
Zoadimsthaler von 1584 als Mufter galt, be- 


9 


— 


18 


ſtimmten im Allgemeinen die Bedingungen, unter, 


Bergrecht. 


I. Heutiges Recht. An dem gewaltigen 


welchen den um Berleihung des Rechtes zum Aufſchwunge der Juduftrie in der Gegenwart be— 
Bergwertsbetriebe Nachſuchenden — e8 jollte aber|tbeiligte ſich nicht im geringem Mafe der Bergbau. 


Zedweder darum nachſuchen können — die Er- 
laubniß ertbeilt werden folle, auch auf fremden 
Grund u. Boden auf Foſſilien bergmänniſch zu 
bauen (Freierklärung des Bergbaueß). So geftaltete 
fi) das Iandeshoheitlihe B:regal als das Recht, 
auf gewiſſe Foffilien ausſchließlich felbft zu bauen, 
u. daneben als das Nedt, den Bergbau für frei 
zu erflären, d. b. das Recht zu verleihen, auf 
Mineralien, weldhe in Gängen u. Flöten ftreichen 
u, nur durch künftlichen Bergbau betrieben werden 
fönnen, zu bauen. Galpeter, Salz, Stein« umd 
Braunfoblen, Torf u. alle Arten von Steinen ge- 
börten deshalb nur zu den Gegenftänden des Berg- 
vegals, wein das Herlommen oder das Geſetz Dies 
ausdrüdlich erflärt u. wenn fie durch künſtlichen 
Bergbau gewonnen werden jollen, Außer dem 
Falle, wo es fi) um Verleihung eines bereits im 
Baue begriffenen Bergwerles handelte, gab ber 
Erwerb des Berglohnes die Erlaubniß, nach Foſ— 
fillen zu fchürfen u. die Fundgrube vor Anderen 
zu muthen; aber Echürfen u. Muthen mußte bei 
Berluft der Erlaubniß innerhalb beftinmter Friſt 
geicheben fein. Das Hecht des Belchnten galt als 
Dominium utile, dem das D. direetum des Yan- 
desherrn gegemüberftand; dieſes aber machte ſich 
geltend in dem Rechte des eventuellen Nüdfalles 
des Bergwerls-Eigenthums, in dem Rechte einer 
Bergmwerlsabgabe (Receß-⸗, Quatembergeld) u. in 
dem Rechte des Berfaufes der geförderten Erze, 
Im 17. u. mehr nod im 18. Jahrh. machte ſich 
daneben die Überzeugung geltend, daß der Berg- 
bau ein mwefentliches Element in dem wirtbichaft- 
lihen Rechte der Gejellichaft fei u. daß fein Be- 
tricb deshalb der ftaatlichen Fürſorge, „Daß ſolches 
Megal gejegmäßig u. zum Nuten des Publici ver 
waltet werde“ (Magdeburger Bergordnung von 
1772, €. 1, 8 35), nicht entrathen fünne In 
den diefer Periode angehörenden Bergordnungen 
findet fi eine Berfchmelzung der Regalienqualität 
des Bergbaues mit den Grundfägen einer Berg» 
polizeiverwaltung. Die Rechtsverhältniffe der Berg- 
bautreibenden waren im Wejentlihen u. Allgemei- 
nen die folgenden. Außer dem Eigenlohner, d. h. 
wer für eigene Rechnung den Bergbau treibt, od. 
doch nicht mebr als 8 Perfonen in das ideelle 
Miteigenthum aufgenommen hat (Gejellenbau), be» 
ftand die aus mehr Perfonen beftehende Gewerk— 
fchaft, welche ihre Bergantheile in (in der Regel 
128) Kuren beſaß. Diefe Kuren galten als 
freies, unbewegliches Eigentbum; an ihrer Ge- 
fammtheit beftand das Hecht des Miteigenthums 
u. der Genoſſenſchaft; auf ihnen rubte die Pflicht 
zur Leiflung der Zubußen für dem fich nicht felbft 
dedenden Bergbaubetrieb; auf fie vertheilte fich die 
Ausbente, welche fich aus dem Überſchuß des Geför- 
derten nach Abzug der Betriebstoften u. Rückzahl⸗ 
ung der Zubußen u. des Verlages feftftellte. Nicht» 


Seine raſch wachſende Ausdehnung war Urſache 
u. Wirkung deffelben zugleich. Aber aucd das Recht 
des Bergbaues zeitigte neue Formen u. Örund- 
füge, Wie überhaupt das Offentlihe Recht ſich 
aus den engen Formen des Privatredhtes be» 
freite und anderfeits die wirthichaftlihen Volls— 
intereffen nach einer Klarftellung ihres Rechtes 
verlangten, jo entfeſſelte fi aud das Bergmeien, 
diefer weientliche Factor des wirthſchaftlichen Lebeus, 
aus dem vergangenen Zeiten u. Anſchauungen au⸗ 
gehörigen Spftem der Regalien und emancıpirte 
ſich als das von dem Princip der Freiheit des 
wirthſchaftlichen Lebens getragene Gebiet eines 
neuen Rechtes. Die Gefetsgeber in den bergbau- 
treibenden Staaten jahen ſich gezwungen, auch die 
Nechtsverhältnifie des Bergbaues entiprehend zu 
rejormiven, As die erfte umfaffende und maß» 
gebendfte neuere Codification des Bergrechtes iſt 
das Öfterreichifche Berggeſetz vom 23. Mai 1854 
zu nennen; ihm folgte das Preußiihe Allgemeine 
Berggefets vom 24. Juni 1365; beide ftimmen in 
den Grundprincipien überein. Gin weiter zu be» 
achtendes Berggeſetz ift das für das Königreich 
Bayern vom 20. März 1869, von Manchen für 
das vorzüglichfte gehalten. Wir nehmen an die» 
jer Stelle auf das Preuß. Berggejeg bejonders 
Rücſicht; daſſelbe gilt für Die ganze preußiiche 
Monarchie in ihrem gegenwärtigen Umfange. Seine 
Grundbeſtimmungen find aber im Allgemeinen fol- 
gende. Der Staat hat auf das Bergregal ver- 
zichtet; indem die Mineralien: Gold, Silber, Qued- 
filber, Eifen, mit Ausnahme der Rafenerze, Blei, 
Kupfer, Zinn, Zink, Kobalt, Nidel, Arſenik, 
Mangan, Antimon u. Schwefel, Wiaun- u. Bitriol« 
erze, Steinloble, Braunloble u. Graphit (in Naffanı 
auch der Dachſchieſer), Steinfalz, nebft den mit 
demjelben auf der nämlichen Yagerftätte vorlom- 
menden Salzen u. die Soolquellen dem Berfüg- 
ungsrechte des Grundeigenthümers entzogen find, 
ift die Auffuhung u. Gewinnung derfelben für 
Jeden, aud den Staat, wenn er auf eigene Rech- 
nung Bergwerke erwerben u. betreiben will, an 
die nämlichen gefeglichen Bedingungen u. Formen 
geknüpft (SS ı u. 2). a) Zum Schürfen auf 
fremdem Eigenthum ift die Erlaubniß des Grund» 
eigenthümers zu erwirlen; diefe aber muß ertbeilt 
werden, wenn es nicht öffentliche Pläge, Straßen, 
Eifenbahnen oder Friedhöfe find u. wenn micht 
nad der Enticeidung der Bergbebörde übermwie- 
gende Gründe des öffentlichen Intereſſes entgegen« 
ftehen. Der Schürfer ift verpflichtet, dem Grund- 
eigenthümer für die entzogene Nutzung jährlich im 
poraus vollftändige Entichädigung zu leiften und 
das Grundſtück nach beendigter Benutzung zurid- 
zugeben, auch den etwa eingetretenen Minderwerth 
zu erjeßen; auf Verlangen bat er dieferhalb an- 
gemeſſene Gaution zu beftellen; einigen ſich beide 


Leiftung der ſchuldigen Zubnße in der beftimmten Frift Theile nicht hierüber, jo enticheidet die Bergbe» 


(in Netardat fallen) bewirkte den Berluft des Berg- hörde. 


In den Feldern fremder Bergwerke darf 


theils; wenn der Fortbau umterbleibt, oder wenn nach denjenigen Mineralien geichürft werden, auf 
alle Kuren in Retardat fallen, fo fiel die Grube in welche der Bergwerkseigenthüimer Rechte noch nicht 
das Tandesherrliche Frey, u. Wiederaufnahme des|erworben hat, falls nicht ſolche Schlirfarbeiten die 


Baues erforderte neue Muthung u. Belehnung. 


Sicherheit der Baue oder den ungeftörten Betrieb 


Bergrecht. 


des Bergwerles bedrohen. Der Schürfer iſt be— 
fugt, über die bei ſeinen Schürfarbeiten geförderten 
Mineralien zu verfügen, infofern nicht bereits 
Dritte Rechte auf diefelben erworben haben. 
b) Die Muthung, d. h. das Gefuh um Ber- 
leihuug des Bergwerfs-Eigenthums in einem ge» 
willen Felde, ift Schriftlich in zwei gleichlautenden 
Eremplaren bei dem Ober-Bergamte einzulegen 
oder zu Protokoll zu erllären u. muß die gejetlich 
rorgejchriebenen Punkte enthalten. Zudem bat der 
Mutber die Lage u. Größe des begehrten Feldes, 
fegtere nach Quadratlachtern, anzugeben u. einen 
von einem conceffionirten Markicheider oder Feld— 
mejjer angefertigten Sitwationsriß in 2 Eremplaren 
einzureihen. Die Giltigfeit der Muthung ift aber 
dadurch bedingt, daß das im derjelben bezeichnete 
Mineral an dem angegebenen Fundpunkte auf 
feiner natürlichen Ablagerung vor Einlegung der 
Muthung entdeckt worden ift u. bei der amtlichen 
Unterfuhung nachgewieſen wird, u. daß außerdem 
nicht beſſere Rechte Dritter auf den Fund entgegen» 
ftehen. e) Die den gefetlichen Erforderniffen ent- 
iprehende Muthung begründet einen Anfpruch auf 
Berleihung des Bergwerfs-Eigenthums im dem 
beftimmten Felde. In der Regel gebt die Ältere 
Muthung der jüngeren vor; nur wer auf eigenem 
Grund u. Boden oder in feinem eigenen Öruben» 
gebäude, oder durch dem geſetzlichen Borichriften 
entiprechende Scürfarbeiten ein Mineral auf fei- 
ner natürlichen Ablagerung entdedt, hat als Finder 
das Vorrecht vor anderen, nah dem Zeitpunkte 
feines Fundes eingelegten Winthungen, wenn er 
innerhalb einer Woche nach Ablauf des Tages der 
Entdedung Muthung einlegt. Nachdem über den 
Berleihungs »Bertrag ein Provocationsverfjahren 
ftattgehabt u. die etwaigen Einſprüche Dritter be- 
feitigt find, fertigt das Oberbergamt die Berleib- 
ungsurfunde in der geieglich beftimmten Weiſe 
aus, Diefe wird durch das Regierungsamtsblatt be 
fanntgemadt, u. fünnen noch innerhalb 3 Monaten 
Einwendungen dagegen geltend gemacht werden. 
Die Koften des Berleihnngsverfahrens, mit Aus— 
ihluß der durch unbegründete Einiprüche entitan- 
denen, hat der Muther zu tragen. d) Der Berg- 
werfseigenthüimer ift befugt, die amtliche Ber- 
mefjung u. Berlodfteinung des dur bie 
Berleihungs-Urkunde bejtimmten Feldes zu ver- 
fangen; diejelbe Bejugnig haben die Eigenthiimer 
angrenzender Bergwerke. Diejes Geichäft wird 
unter der Leitung der Bergbehörde durch einen 
eonceffionirten Markſcheider oder Feldmeſſer aus- 
eführt auf Koften des Antragftellers. e) Bei der 
ereinigung zweier oder mehrerer Bergmwerfe zu 
einem einheitlichen Ganzen — Eonfolidation — 
find vor Allem die bisherigen von den vereinigten 
Werten beftandenen Hypothelen- und Realrechte 
zu fihern. Mit der Beftätigung der Conſoli— 


219 


Veräußerung, Berpfändung u. des Arreftes den 
allgemeinen Vorſchriften, welche in diefer Bezieh— 
ung für das Örundeigenthum gelten. Der Berg- 
werfseigentbümer hat die ausſchließliche Befugniß, 
nah den Beitimmungen des Geietes das in der 
Verleihungsurfunde benanıte Mineral in feinem 
Felde aufzuſuchen und zu gewinnen, fowie alle 
bierzu erforderlichen Borrichtungen unter u. über 
Tage zu treffen. Auf Mineralien, welche mit den 
in der Berleihungsurtunde benannten innerhalb 
der Grenzen des Feldes in folhem Zuſammen— 
hange vorfommen, daß fie nach der Entfcheidung 
des Oberbergamtes aus bergtechniichen od. berg- 
polizeilihen Gründen gemeinichaftlih gewonnen 
werden müfjen, hat der Bergwertseigentbiimer vor 
jedem Dritten ein Borredht zum Muthen. Die 
durch den Betrieb des Bergmerfes gewonnenen, 
wicht unter die im Berggeſetze benannten (j. oben IL, 
zu Anfang) gehörigen Mineralien find zu Zwecken 
ſeines Betriebes ohne Entihädigung des Grund- 
eigentbümers zu verwenden; andernfalls lann diefer 
deren Herausgabe gegen Erftattung der Gewinn- 
ungs- u. Förderungskoſten verlangen. In dem 
Bergwerfseigenthum liegt ferner die Befugniß 
zur Errichtung u. Betreibung der zur Aufbereitung 
der Bergwertserzeugniffe erforderlichen Auftalteu, 
ebenfo zur Anlegung von Hilfsbauen im freieu 
Felde, Wird der Hilfsbau in dem Felde eines 
anderen Bergwerkseigenthümers angelegt, jo muß 
der Hilfsbauberechtigte für allen Schaden, welcher 
dem belafteten Bergwerle durch feine Anlage zu— 
gefügt wird, vollftändige Entſchädigung leiſten. 
Endlich bat der Bergwertseigenthimer das Recht, 
die Abtretung des zu feinen bergbaulichen Zweden 
erforderlichen Grundes u. Bodens nach den desfall- 
figen geſetzlichen Vorichriften zu verlangen. f) Bes 
trieb u. Berwaltung der Bergmwerfe unterliegen 
der Aufficht der Bergbebörden und find nach dei 
allgemeinen gejeglichen u, polizeilichen Vorſchriften 
einzurichten. Stehen der Unterlaffung oder Ein» 
ftellung des Betriebes nad) der Entſcheidung des 
Oberbergamtes überwiegende Gründe des öffent: 
lihen Jnterefles entgegen, fo ift der Bergwerts- 
befitser verpflichtet, Das Bergwerk zu betreiben. 
Der Betrieb darf nur auf Grund eines von der 
Bergbehörde zuvor aus dem bergpolizeilihen Ge; 
fihtspunfte geprüften Betriebsplans erfolgen. 
Anfang u. Einſtellung des Betriebes find der 
Bergbehörde vorher anzuzeigen. Der Betrieb 
darf nur umter Leitung, Aufficht u. Berantwort- 
lichkeit von Perſonen geführt werden, deren Be— 
fähigung hierzu von der Bergbehörde geprüft u. 
anerfannt ift; fie find für die Innehaltung der 
Betriebsplane, fomwie für die Befolgung aller in 
Geſetze enthaltenen oder auf Grund deſſelben cı- 
gangenen Vorſchriften u. Anordnungen verant- 
wortlid. Das Bertragsverhältniß zwiſchen den 


dation geht das Realrecht ohne Weiteres auf] Bergwerksbefigern umd den Bergleuten wird nad) 
den entſprecheuden, geſetzmäßig feſtgeſtellten An-|den allgemeinen geſetzlichen Vorſchriften beurtheilt; 


theil an dem conſolidirten Werke über, Die Be— 
ſtätigung der Conſolidation darf nur verſagt wer- 
den, wenn die Felder der einzelnen Berg— 
werke nicht am einander grenzen, oder wenn 
Gründe des Öffentlichen Intereſſes entgegeuftehen. 
Das Bergwerkseigenthum gehört zu den unbe 


meglichen Saden u. unterliegt in Anfehung der; Geſetze enthaltei. 


nur in einzelnen Beziehungen, namentlich in Be 
treff der Kündigung, des vorzeitigen Entlaffens 
oder Austretens (Ablebrens) der Bergleute, der 
Ertheilung von Abtehrſcheinen, Ausloojung der 
Bergleute, find befonbere, durch die Verhältniſſe 
des Bergbaubetriebes gebotene Vorſchriften in dem 
Bezüglich der Beſchäftigung 


220 


jugendliher Arbeiter in den Bergmwerlen kommen 
die Beftimmungen der Gewerbe» Ordnung vom 
21. Juni 1869 zur Anwendung. g) Die Rechts— 
verhältniffe der Mitbetheiligten eines 
Bergwerles faßt der Begriff der Gewerkſchaft. 
Sie befteht, wenn Zwei oder Mehrere an dem 
Bergwerke betheiligt find, u. kann ihre beiondere 
Verſaſſung durch ein notariell oder gerichtlich zu 
errichtendes Statut, welches der Zuftimmung von 
wenigftens drei Viertheilen aller Antheile u. der 
Betätigung des Oberbergamtes bedarf, regeln, 
Allgemein aber gilt, wenn micht Anderes durch 
Bertrag unter den Mitbetheiligten verabredet ift, 
für die feit dem Erjcheinen des Allg. Berggejetes 
in Betrieb gejetsten Bergwerte Folgendes: Die 
Gewerkichaft beſitzt die echte einer Juriftiichen 
Perſon u, wird jubjectiv wie objectiv nur als ein 
einheitliches Ganzes behandelt; die auf 100 oder 
1000 beftimmten Kure find untbeilbar u. haben 
die Eigenfchaft der beweglichen Sachen; die Ge— 
werfe nehmen nach dem Berbältniß der Kure an 
dem Gewinne u, Berlufte tbeil und haben danad) 
auch die Weiträge, melde zur Grfüllung ber 
Schuldverbindlichkeiten der Gemwerfichaft oder zum 
Betriebe erforderlich find, zu zahlen, Uber ſämmt— 
lihe Mitglieder der Gewerkſchaft und deren Kure 
wird das Gewerlenbuch geführt, auf defien Grund 
einem jeden Gewerfen, welcher es verlangt, ein 
Autheil- oder Kurichein ansgefertigt wird, Die 
Kure fünnen ohne Einwilligung der Mitgewerten, 
aber nur fchriftlich veräußert u, verpfändet werden. 
Die Gemwerten fafien ihre Beſchlüſſe in Gewerlen- 
verſammlungen, in denen das Stimmredt nicht 
nach Perſonen, jondern nach Kuren geilbt wird, 
Die Wichtigkeit der Gemwerkichaftsbeichlüffe bat zu 
der fingulären Vorſchrift geführt, daß binnen einer 
Präcluſivfriſt von 4 Wochen jeder Gewerfe die 
Entiheidung des ordentlichen Hichters, in deſſen 
Bezirk das Bergwerk liegt, darüber anrufen fann, 
ob der Beichluß zum Beſten der Gewerlſchaft ge- 
reiche, u. gegen die Gewerkſchaft auf Aufhebung 
des Beichlufies Hagen kann. Durch das Statut kann 
diefe Entſcheidung aud einem Schiedsgerichte über: 
tragen werden. Die Gewerlichaft wird durch einen 
Repräfentanten, oder durch einen aus mehreren 
Mitgliedern beftehenden Grubenvorftand vertreten, 
Dieje Vertretung führt aud das Gewerlenbud u. 
fertigt die Kurſcheine aus, beruft die Gewerlen— 
verjammlungen, nimmt alle Borladungen u. jon» 
ftige Zuftellungen an die Gewerkichaft in Empfang; 
durch die von ihr im Namen der Gemerticaft 
geſchloſſenen Nechtsgeichäfte wird dieſe bevechtigt 
u. verpflichtet. Die Klage gegen einen Gewerten 
auf Zahlung feines durch Gewerlſchaftsbeſchlüſſe 
bejtimmten Beitrages kann nicht vor Ablauj der 
gegen jeden Gewerkſchaftsbeſchluß offen ftehenden 
wöchentlichen Prächufivfrift erhoben werden. Der 
Gewerke kann die VBerurtheilung u. Erecution da- 
durch abwenden, daß er unter Überreihung des 
Kuricheines den Verkauf feines Antheils behufs 
Befriedigung der Gewerkſchaft anheimftellt. Der 
Verkauf erfolgt dann im Wege der Mobiliarver- 
jteigerung. Feder Gewerke ijt befugt, auf feinen 
Antheil freiwillig zu verzichten, wenn darauf weder 
ſchuldige Beiträge, uoch ſonſtige Schulbverbiud- 
lichleiten haften, oder die ausdrückliche Einmillig- 


Bergrecht. 


ung der Gläubiger beigebracht wird u. außerdem 
die Rückgabe des Kurſcheines an die Gewerkichaft 
erfolgt. Der Antheil wird fodann, wenn die Ge— 
werfichaft nicht anders darüber verfügt, zu deren 
Gunften verkauft. Iſt der Antheil unverfäuflich, 
fo wird er den anderen Gewerken nach Verhältniß 
ihrer Antheile in ganzen Kuren, fomweit dies aber 
nicht möglich ift, der Gemertichaft als foldher im 
Gewerkenbuche laftenfrei zugeichrieben. h) Auf« 
bebung des Bergwerkseigenthums, Frei— 
erflärung, Freifahrung. Wird amtlich feftgeftellt, 
da ein Bergwerkseigenthümer bie nach Vorſchrift 
des Geſetzes an ihn erlaffene Aufforderung zur 
Inbetriebſetzung des Bergwerkes oder zur jFort- 
jegung des unterbrochenen Betriebes nicht befolgt 
bat, jo fann das Oberbergamt die Einleitung des 
Verfahrens wegen Entziehung des Bergwerks— 
eigentbums durch einen Beichluß ausſprechen. 
Innerhalb 4 Wochen kann der Bergwerlseigen- 
thümer bei dem Gerichte, in deſſen Bezirk das 
Bergwerk liegt, gegen das Oberbergamt auf Auf- 
bebung des Beichluffes Hagen. Der rechtskräftig 
gewordene Beſchluß des Oberbergamtes wird den 
Hppothefen- Gläubigern und anderen Realberedh« 
tigten zugeftellt u. außerdem zur öffentlichen Kennt- 
niß gebradjt. Jeder derjelben kaun dann inner- 
balb 3 Monaten behufs feiner Befriedigung Die 
nothwendige Subhaftation des Bergwerles bei dem 
zuftändigen Richter auf feine Koften beantragen; 
andernfalls erlischt der Nealanipruch bei der dent» 
nächftigen Aufhebung des Bergwerkseigenthums. 
Einen gleihen Antrag lann auch der Bergwerts- 
eigenthiimer auf jeine Koften ftellen. Die Auf: 
hebung des Bergwerlseigenthums ſpricht das 
Oberbergamt durch einen Beichluß aus; mit dem- 
jelben erlöſchen alle Anſprüche auf das Bergwerk, 
von welder Art fie fein mögen, Ebenſo wird 
verfahren u, diefelben ‘Folgen hat es, wenn ber 
Eigenthümer vor der Bergbebörde feinen frei 
willigen Berzicht auf das Bergwerk erklärt. Bei 
jeder Aufhebung des Bergwerkseigenthums darf 
der bisherige Eigenthümer die Zimmerung und 
Mauerung des Grubengebäudes nur in jo weit 
wegnehmen, als nad der Enticheidung der Berg— 
behörde nicht polizeiliche Gründe entgegenitehen. 
Die Koften des Aufhebungsverfahrens hat ftets 
der Bergwerkseigenthümer zu tragen. 

III. Bergmwerfspolizei. Die den Bergbe- 
börden zuftehende Aufficht über den Bergbau er- 
ftredt fi auf die Sicherheit der Baue, die Sicher- 
heit des Lebens und der Gejundheit der Arbeiter, 
den Schug der Oberfläche im ntereffe der per- 
fönlihen Sicherheit u. des öffentlichen Verkehres, 
owie auf den Schuß gegen gemeinſchädliche Ein- 
wirlungen des Bergbaues, Dieler Auffiht unter- 
liegen auch die Nufbereitungsanftalten, Dampf» 
tefiel u. ZTriebwerfe, ſowie die Salinen. Die 
Oberbergämter haben die erforderlihen Polizei- 
verordbnungen für den ganzen Umfang ihres Ver— 
waltungsbezirtes zu erlaflen u. alle zur Abwend- 
ung u. Bejeitigung von Gefahren nöthigen Anord- 
nungen zu trefien. Werden dieſe nicht innerhalb 
der gejegten Friſt vom Bergwerlsbeſitzer ausge» 
führt, jo läßt die Bergbehörde diefelben auf deflen 
Kojten ausführen. Ereignet fi auf einem Berg- 
werte unter oder über Tage ein Ungtüdsfal, 


Bergrecht. 


welcher den Tod oder die ſchwere Verletzung einer 
oder mehrerer Perſonen herbeigeführt hat, ſo ſind 
der Betriebsführer oder der denſelben vertretende 
Grubenbeamte zur ſofortigen Anzeige an den 
Revierbeamten und an die nächſte Polizeibehörde 
verpflichtet. Der Revierbeamte ordnet die zur 
Rettung der verunglüdten Perfonen oder zur Ab» 
wendung weiterer Gefahren erforderlihen Maß 
regeln an. Die Koften trägt, vorbehaltlich des 
Regreſſes gegen Dritte, welche den Unglüdsfall 
verſchuldet haben, der Bergmerlsbefiger, der auch 
die zur Ausführung der angeordneten Maßregeln 
nothwendigen Arbeiter u. Hilfsmittel zur Verfüg— 
ung zu ftellen hat. 

IV. Die Bergwerfsverfaffung, als der 
Jubegriff der die adminiftrative Organifation des 
Bergbaubetriebes betreffenden Einrichtungen und 
Grundfäge, bat einen zweifachen Inhalt, indem 
fie ſich theils auf die Organe des Bergbaube 
triebes ſelbſt, theils auf die Organe der Staats- 
aufficht über denfelben beziehen, In erfterer Be- 
ziehung find die verichiedenen bergtechniichen Be— 
amten von den Bergleuten (Knappen) an bis zum 
Grubendirector hinauf zu nennen. Die Beziebun- 
gen ihrer verichiedenen Kategorien find nicht allge: 
mein diefeiben (f. 3. B. Schell, Die Verbältniffe 
des Bergarbeiters im Ober-Harze, Lpz. 1850, wo 
man eine reichhaltige Nomenclatur findet). Nur 
der Steiger (Ober- u. Unterfteiger) als der Auf— 
fichtsbeamte und der Schichtmeifter als der Rech— 
nungsführer der Gewerfichaft kommen wol überall 
vor. Bon bejonderem Intereſſe find die Ber- 
einigungen der Bergleute in den Knappſchaften. 
Die einzig gearteten Berhältniffe der Yeib und 
Leben dem Schoofe der Erde anvertrauenden und 
den Gefahren unter Tage ausjetenden Bergleute 
führten jchon früh zu befonderer Fürſorge für das 
Wohl derjeiben n. zu beionderen Einrichtungen zur 
Wahrung ihrer eigenthümlichen Intereſſen. Nas 
mentlich beftehen jeit langer Zeit in den Bergbau: 
Diftricten Knappfchaftsunterftügungstaffen (Kuapp- 
ſchaftsladen), weiche dem invalide gewordenen Berg- 
mann u. den Hinterbliebenen des Berunglüdten 
oder Berftorbenen durch die ftatutenmäßigen Unter 
ſtützungen zu Hüfe zu kommen beftimmt find, 
Nach dem Preuß. Allg. Berggeſetze vom 24. Juni 
1865 miüfjen für die Arbeiter aller Bergmwerte, 
Aufbereitungsanftalten u. Salinen Knappidafts- 
vereine bejteben, welde den Zwed haben, ihren 
Theilnehmern u. deren Angehörigen nad näherer 
—— des Geſetzes Unterſtützung zu ge 
währen, ie Leiſtungen, weldhe danach jeder 
Berein nad näherer Beftimmung feines Statuts 
feinen vollberechtigten Mitgliedern mindeſtens zu 
gewähren bat, find; 1) in Krankheitsfällen eines 
Knappſchaftsgenoſſen freie Kur u. Arznei fiir feine 
Perſon; 2) ein emtjprechender Kranfenlohn bei 
einer ohne eigenes grobes Verſchulden entjtandenen 
Krankheit; 3) ein Beitrag zu den Begräbnißtoften 
der Mitglieder u. Invaliden; 4) eine lebensläng · 
lihe Juvalidenunterftiitung bei einer ohne grobes 
Verſchulden eingetretenen Arbeitsunfähigkeit; 5)eine 
Unterftügung der Wittwen auf Yebenszeit, bezw, 
bis zur etwaigen MWiederverheirathung; 6) eine 
Unterftügung zur Erziehung der Kinder verftor- 


22] 


gelegtem 14. Lebensjahre. Für die Leiſtungen 
unter 1), 2) u. 3) ift die Einrichtung beionderer 
Kranfenkafien auf jämmtlihen zum Knappſchafts- 
vereine gehörigen Werfen, u. zwar auf jedem ein« 
zeinenen Werte, oder gruppenweiſe auf mehreren, 
vorgejeben. Die Anſprüche der Berechtigten auf 
die Veiftungen der Knappihafts- u. der Kranken— 
faifen fünnen weder au Dritte übertragen, noch 
auch mit Arreft belegt werden. Die Kaffenbeiträge 
find ſowol von den Arbeitern (in einem gewiſſen 
Procentiage ihres Lohnes, oder im einen ent 
Iprechenden Fixum), als auch von den Werkbe— 
fipern zu zahlen. Die Berwaltung eines jeden 
Ruappichaftsvereines erfolgt unter Betheiligung 
von Nuappicaftsäfteften, melde von den zum 
Bereine gehörigen Arbeitern u. Beamten aus ihrer 
Mitte gewählt werden, dur den Stnappicaits- 
vorftand. Diefer wird nach näherer Bejtimmung 
des Statuts zur einen Hälfte von den Werfbe- 
fittern, bezw, von den Repräſentanten, u. zur ans 
deren Hälfte von den Knappichaftsälteften je aus 
ihrer Mitte oder ans der Zahl der fünigl. oder 
Privat-Bergbeamten gewählt. Der Knappſchafts— 
vorftand vertritt den Berein nah außen. Die 
Organe der Staatsaufficht über die Bergwerke 
gliedern fich in verfchiedene Inſtanzen, deren un— 
terfte die Local Bergbehörde u. deren höchſte das 
Minifterium ift, zu deffen Neffort das Bergmweien 
gehört. In Preußen find e8 die Revierbeamten, 
die Oberbergämter, der Handelminifter. In ges 
wiſſem Betrachte könnten auch Die Markicheider bier 
genannt werden, infofern fie unter Aufficht der 
Oberbergämter ftehen u. ihre Bermeffungen öffent- 
lihen Glauben haben; jedoch als eigentlihe Be— 
anıte find fie nicht zu bezeihnen. Zur Wahr- 
nehmung der bergredhtlichen Geſchäfte beftanden in 
Preußen ehedem befondere Berggerichte, u. lag den- 
felben namentlih die Filhrung der Berg» Hypo- 
thefenbücher ob. Jetzt find deren Geſchäfte an die 
ordentlihen Gerichte Übergegangen; mur in Ofter 
veich beſtehen fie noch. 

Literatur. Sie hat 3 Richtungen: die tech— 
nifche, die wirthichaftliche, die juriftiiche; die letz— 
tere ift am meiften gepflegt. a) Zur Geſchichte 
des Vees: Eichhorn, Deutiche Rechtsgeſchichte, 
5. Ausg., Gött. 1843 (88 58, 297, 307, 362, 
395, 534, 548); Meyer, Verſuch einer Geichichte 
der Bergmwerköverfaffung u. der B+e des Harzes 
im Mittelalter, Eijen. 1817; Gmelin, Beiträge 
zur Gefchichte des deutſchen Bergbaues, Halle 
1783; Karften, Über den Urfprung des Berg- 
regals in Deutichland, Berl. 1844. b) Syſte⸗ 
matifhe Bearbeitungen: Wagner, Corpus 
juris metalliei, Leipz. 1791; Bauſſe, Einleitung 
zu den in Deutichland üblichen Bsen, Lpz. 1740; 
Köhler, Anleitung zu den Rechten bei dem Berg- 
baue in Kurſachſen, Freiberg 1786; Canurin, 
Grundſätze des deutfhen Berg. u. Salzrechtes, 
Frantf. 1790; Hate, Commentar über das B. :c., 
Sulzbach, 1823; Karften, Grundriß der deutſchen 
B⸗slehre, Berl. 1828; Stein, Handbuch der Ver- 
waltungslehre zc., Stuttg. 1870. (©. 314 f.); 
Klojtermann, Lehrbuch des preuß. B-es mit Beriid- 
fichtigung der übrigen deutihen B-e, Berl. 1870; 
Achenbach, Lehrbuch des Gemeinen Deutichen DBses, 


bener Mitglieder und Juwalıden bis nach zurüd«! Bonn 1870; Wenzel, Handbuch des Ofterreichiichen 


222 


Bergregal — Bergiturz. 


Be⸗es, Wien 1855; Zeitfchrift für B., berausge- fpäter erfand; ferner Realwörterbuch über die 


geben von Braffert u Achenbach, Bonn feit 1860; 
d. Hingenau, Handbud) der B-Sfunde, Wien 1855. 
S. auch die Gommmentare zum Preuß. Allg. Berg- 
gefete vom 24. Juni 1865 von Kloftermann, Berl. 
1874, 3. Aufl., Huyſſen, Efien 1867, 2. Aufl. 
Die technische Piteratur ſ. u. Bergbau. Grotefend. 

Bergregal, der Inbegriff der Rechte, welche 
dem Staate hinfichtlidh des Bergbaues zuftchen. 

Bergreichenitein (Kaszpersty Hory), Berg- 
ftadt des Böhmermwaldes im öfterr. Bez. Schütten- 
hofen (Böhmen); Bezirksgericht; Glashütten, Papier: 
mible; unbedeutender Goldbergbau; 2185 Em.; 
in der Näbe die Schlöffer Böhmerwald u. Karlsberg. 

Bergreihen, im 15. u. 16. Jahrh. Lieder 
von Bergleuten und für ſolche gedichtet; bef. in 
Sachſen u. Thüringen; geiftlichen u. weltlichen In— 
haltes. Sammlımgen: Zwidau 1531 u. 1533; 
Nürnb. 1834, m. A., Wein. 1854; andere von 
Döring, Grimma 1839 f.; Kolbe, Halle 1843; 
Vogl, Wien 1856; Köhler, Weim. 1858. Bgl. 
Schade, B., Weim. 1854. 

Bergjeife, ein namentlich aus Thon befteben- 
bes Mineral, das fih fettig anfühlt u. ftarl an 
der Zunge klebt, braunichwarz bis pechſchwarz 
ausficht u. zum Wallen u. Wafchen grober wollener 
Zeuge gebraucht wird, namentlich an feinen Fund— 
orten in Böhmen u. Polen. Die hemiihe Zu- 
ſammenſetzung ift jehr wechielnd, die Subftanz iſt 
fiherlich ein Zerfegungsproduct anderer Mineralien, 

Bergſöe, Wilhelm Jörgen, beliebter däni- 
ſcher Noman- u. Novellendichter, geb. 8. Februar 
1835 in Kopenhagen; ftudirte daſelbſt Medicin, 
dann Naturwiffenfchaften, bejonders Zoologie, ver- 
weilte 1862 in Italien, fchrieb über die Parafiten 
des Schwertfiſches (1864) u. über die Tarantel 
(1865), bereitete eine neue Syſtematik der Myria— 
poden vor, wurde aber Durch jchwere Augenleiden 
genöthigt, feine naturwiſſenſchaftlichen Forſchungen 
aufzugeben, u. pflegte mun um fo eifriger fein 
Dicptertalent. Nachdem er ſich 1868 zum zweiten 
Mal in Nom aufgehalten hatte, begab er ſich 
1873 wieder nad alien. Romane u. Novellen 
(zum Theil ins Deutſche überſetzt): Piazza del 
Popolo, 1866; Aus der alten Fabrik, 1869; Im 
Sabinergebirge, 18715 Die Braut ans Förvig, 
1872; GeipenReugerhhten, 1872. 

Bergitrafe, 1) eine mit Nuß- u. anderen 
Objtbäumen bejegte, 52 km lange, wahrſcheiulich 
hen von den Römern angelegte Straße in Heflen 
u. Baden, zwiſchen Bejlungen (bei Darmiftadt) 
und Heidelberg, am weftlihen Fuße des Oden« 
waldes. 2) (Varadies von Deutichland). Die diefer 
Straße näditliegende Gegend, von milden Klima 
u. fruchtbar an Obft u. Wein. Die Anficht der 
ſchön geformten, meift wohl angebauten Berge ift 
nicht minder reizend, als die Ausficht von ihren 
Höhen. Diefe Gegend ift daher noch immer das Ziel 
zahlreicher Reiſenden. Cine andere B, findet ſich 
in der Pfalz; fie dürfte ſogar für die ſchönere gelten. 

Bergiträßer, Johann Andreas Benignus, 
geb. 21. Dec..1732 zu Idſtein; ftudirte in Jena 
u. Halle u. wurde 1760 Rector zu Hanau; ftarb 
24. Dec. 1812. Er jhr.: Synthematographik, 
Hanau 1784—87, worin er eine Art von Tele- 
graphen vorſchlug, wie fie Ehappes in Frankreich 


claffiihen Schriftfteller der Griechen u. Yateiner, 
Halle 1772—81, 7 Bde; Abbildungen u. Be» 
Ichreibungen der Inſecten in der Grafihaft Hanau- 
Münzenberg, Hanau 1777— 79,3 Jahrg., u.a. m. 

Bergiturg nenut man im Allgemeinen jedes 
Herabftärzen einer größeren Gefteinsmafle von an« 
itehenden zellen oder Bergen. Die Urſache der 
Bergftürze (auch Bergſchlipfe, Felsftürze u. Erd» 
fälle genannt) ift, wenn aud nicht immer une 
mittelbar, doch mittelbar das Waſſer. Wenn 
feftere Schichten irgend eines Gefteines in Bergen 
oder Bergrüden mit anderen darımter liegenden 
Schichten abwechjeln, welche aus folhen Mafien 
bejtehben, die leicht vom Waſſer ermeicht oder 
ſchlüpfrig gemacht werden, aljo vornehmlich tho— 
nigen, u. zugleich der Aufbau der Höhen jo be 
Ihaffen ift, daß ihre Schichten eine' Neigung 
gegen eine nicht unterftütste Seite z. B. ein Thal, 
haben, fo ereignet e8 fi) nicht ganz felten, daß 
nah u. nad die vom Waffer erweichten Schichten 
jo jchlüpfrig werden, daß die oberhalb Tiegenden 
Felsmaſſen mehr oder minder jchnell auf ihrer 
geneigten Unterlage herabfinten, mit ihren Trüm« 
mern die vorliegenden Thäler erfüllen u. die 
furchtbarſten Berheerungen anrichten, ja, mit ihrer 
Maſſe Thäler jo abjperren, daß oberhalb Seen 
entftehen. Soldye Bergftürze, die namentlichin Tirol 
u, der Schweiz jehr verjchieden in Größe und 
Furchtbarkeit je nah Maß u. Neigung der Schich— 
ten vorlommen, nennt man Bergichlipfe, im Salz- 
burgischen Blaiken. Eine andere Art von Berg» 
ſtürzen entfteht dadurch, daf das Meer, Ströme 
oder Bäche nad) u. nach den Fuß von gr abs 
nagen, diejelben unterfpülen, wodurch die überban- 
genden Bergmafjen die Unterftütung ihres Schwer- 
punftes verlieren und durch ihr eigenes Gewicht 
abbrehen. Dieje Erjcheinung ſollte man eigentlich 
Felsſturz nennen. Sie ijt gleichartig mit der 
Tostrenmung fleinerer oder größerer Geſteins— 
mafjen, wie dieſelbe immerfort ftattfindet durch 
die BVermwitterung, oder das Eindringen von 
Waffer in Gefteinen und darauf folgendes Los- 
brechen, oder durch Cindringen von Baum« 
wurzeln, weiche ebenfalls Gefteinsbroden löfen, die 
oft tief u. verderblich herabftürzen. Erbfälle endlich 
nennt man die Phänomene, bei welchen der Boden 
mehr in verticaler Richtung in das Inuere der 
Erde niederfinft, fo daß an der Oberfläche eine 
trichterförmige Vertiefung entfteht. Dieſe Erdfälle 
ereignen fih meift an Punkten der Erboberfläde, 
wo unter deufelben von Waffer mehr oder minder 
leicht auflösliche Schichten liegen, z. B. Gips oder 
Steinfalz, oder auch Foblenjaurer Kall. Durch 
die Auflöfung u. Wegführung diefer Schichten 
eutftehen dann hohle Räume, deren Gewölbe 
ſchließlich nicht mehr Feftigfeit genug haben u. 
dur ihr eigenes Gewicht einftürzen. Ob öfter 
Erdbeben dann auch noch als Urſache Hinzutreten, 
oder Wirfung diefer Erdfälle find, indem durch 
die ftattfindende Reibung der niederftürzenden 
Schichten fo viel Wärme erzeugt wird, um die 
bei Erdbeben öfter auftretenden vulcaniſchen Er— 
ſcheinungen zu erflären, darüber find die Meinuns 
en der Gelehrten noch getheilt. Statt vieler 
ler Fälle, die ung die Geſchichte von ſolchen 


Bergtalg — Bergzabern. 


Ereigniffen bewahrt hat, folgen bier nur einige 
ausgezeichnete. 

Der ältefte der Wirkung nad), wenn auch nicht 
der Zeit nach befannte, dürfte der den Unter— 
gang der Stadt Belleja verurfahende B. jein. 
Man kannte aus Plinius nur den Namen diejer 
Stadt, die Stelle, wo fie gelegen hatte, war uns 
befannt; da fand man 1757 zwiſchen Piacenza u. 
Parma in einem Gebirgsthal der Apenninen die 
Tabula Trajana, ein in Erz gegrabenes Dentmal 
einer Stiftung Trajans; die Aufmerkſamkeit wurde 
rege, u. e3 gelang nun, allmählich die ganze Stadt 
unter den Trümmern des Bergichlipfes wieder zu 
finden. Die Berge der ganzen Umgegend find 
zu Bergichlipfen heute noch fehr geneigt, noch 
1784 fam einer vor, u. 1800 zeigten ſich in ber 
Nähe bei Giovanni della Bertoja ebenfalls die 
Spuren eines drohenden Bergichlipfes, der aber 
jo langfam vorrüdte, daß die Eimvohner Zeit 
batten, auszumandern u. fih an minder geführ- 
licher Stelle anzufiedeln. 

Das großartigfte Beiipiel eines Bergichlipfes 
it der vom 2. Sept. 1806, am Ruffi oder Hof: 
berge, fildl. vom Rigi in der Schweiz. Der Rof- 
berg beftcht aus jogenannter Nagelfluhe, einer 
Felsart, die aus lauter Heinen Felsbrocken zuſam— 
mengelittet erfcheint, welche fih beim Berwittern an 
Felswänden mie die Köpfe eingeihlagener Nägel 
ausnehmen. Der Rigi befteht ebenfalls daraus, 
Die Schichten diefer Nagelfluhe wechſeln mit oft 
anſehnlich diden Lagern von feinem fandigen 
Thon. Die Steigung der Schichten beträgt ca. 
25% In dem nafjen Sommer des Jahres 1806 
war nun eine dieſer Thonſchichten jo ermweicht, daß 
die aufgelagerten Nagelfluhe-Schichten fi in einer 
lage befanden, wie ein Schiff vor dem Stapellaufe; 
es riß ſich daher von dem Gipfel des Berges, 
durch Querſpalten begünftigt, eine wuchtige Fels— 
platte von ca. 30 m Dide u. 300 m Breite u. 
der Länge einer Stunde los u. rutfchte mit un— 
olaubficher Schnelligkeit, wie e8 fcheint, in etwa 
5 Minuten, in das benachbarte Thal nieder, Alles, 
was auf feinem Wege lag, ſpurlos vernichtend. 
Drei Dörfer, unter ihnen das bedeutendite Goldau, 
mit 484 Menſchen gingen unter, u. im Thal— 
grunde erhebt fich jest ein Hügel von 60—70 m 
Höhe aus den Fzelstrümmern. Bereits 1355 fand 
in derſelben Gegend ein Erbichlipf ftatt, mwobet 
das Dorf Röthen unterging, u. 1823 ereigneten 
fi) wieder Meinere Bergſchüpfe im derfeiben Ge- 
gend. Der Bergichlipf des Jahres 1839 am 
24,—25. Dec. an der Küfte von Devon in Eng- 
land war ebenio erfolgreich für die Veränderung 
der Erdoberfläche, wie der am Auffi: er jchob 
eine ganze Hügelreihe ins Meer vor. Auch der 
1846 ftattgefundene Bergſchlipf bei Unfel am 
Khein hatte ähnliche Urfachen u, Wirkungen. In 
der Schweiz u. namentlich in Graubünden finden 
fih no die Spuren mannigfadher Eriheinungen 
diefer Art, namentlih ım Nolla- u. Hinterrhein- 
That. Bon Felsſtürzen find befannt der fogenannte 


223 


fah finden fi diefelben auch in Wallis u. der 
Kari. Vgl. Nöggerath, Die Erde, Stuttgart 1847, 
u. Berlepſch, Die Alpen, Leipzig 1861. 

Bergtalg (Ervwahs, Bergwachs), veraltete, 
Bezeihnung für eine Weihe natürlicher fefter 
Koblenwafjerftoffe, die weiß u. wahsähnlich find 
u. von welchen neuerdings mehrere Arten unter- 
jchieden werden; ſ. u. Ozokerit, Hatichettin, Fich- 
telit, Scheererit, Hartit. 

Bergtheer, ſ. Aſphalt. 

Bergues, befeſtigie Stadt im Arr. Dünkirchen 
des franz. Dep. Nord, an der Nordbahn u. meh— 
reren Kanälen; St. Martinskirche mit geichägten 
Bildern, neues Stadthaus; Gerbereien, Ol» und 
Hutfabrifen; Handel mit Korn, Bieh, Butter u. 
Käje, Märkte; 5774 Ew.; dabei Ruinen der ehem. 
Abtei St. Winok (1793 zeritört). 1793 vergebl. 
Belagerung durch die Engländer. 

Bergün (romaniſch Bravoign), reformirtes 
Pfarrdorf im Bezirke Albula des ſchweizer. 
Kant. Graubünden u. an der Straße über den 
Paß Albula, in einer wildfchönen Gegend, 1389 m 
ü. d. M.; alte romanische Kirche, 420 Ew.; da- 
bei der wilde Engpaß des Bergüner Steins., 

Bergwachs, ſ. u. Bergtalg. 

Bergwage, ein in der Mitte des vor. Jahrh. 
von Rothe erfundenes Fnftrument zum Meſſen 
der Neigungswinkel jchiefer Ebenen, namentlich 
von Böjchungen. Es iſt eine Setzwage, melde 
mit dem Gradbogen eines geftredten Üinfeis jo 
verſehen ift, dak in dem Mittelpunkte dieſes Bo— 
gens das Yoth befeftigt if. Der Nullpunkt des 

ogens liegt in der Mittel- oder Lothlinie; von 
bier aus ift der Bogen nad rechts u. links im 
90° eingetbeilt. Man kann mit dieſem Jnſtru— 
ment die Böſchungswinkel faum genauer als bis 
auf Biertelgrade ermitteln, daffelbe ift daher auch 
für Nivellements nur von geringem Werthe. 

Bergwerk, i. Bergbau. 

—— en oder Steuern, ſ. Berg- 
zehent. 

Bergwerksrecht, jo v. w. Bergredt. 

Bergwerföregal, fo v. w. Bergregal. 

Bergwerkswiſſenſchaften, jo v. mw. Berg- 
wiſſenſchaften. 

Bergwiſſenſchaften, der Jubegriffaller Kennt» 
niſſe, die zum Bergwerksbetriebe erforderlich ſind. 
Je rationeller dieſer letztere geworden, um ſo mehr 
iſt der Kreis der B. erweitert. In denſelben 
gehören als Hilfswiſſenſchaften Geognoſie, Ver— 
ſteinerungskunde, Mineralogie, Phyſik, Chemie, 
Mathematik, Markſcheidekunſt, theoretiſche u. an— 
rem Mechanik, Technologie, Rechtslehre, ins- 

ejondere Bergrechtsiehre, Nationalölonomie, Fyi- 
nanzwifienihaft und Statütil. Die eigentliche 
Wiſſenſchaft ift die Vergbaufunde; f. Bergbau. 

Bergmwolle (Din.), jo v. w. Amiant; j. Aſbeſt. 

Bergzabern, 1) Bezirksamt im bayerifchen 
Regbez. Pfalz; 464,4, [km (8, [IM); 38,218 
Em.; meift gebirgig; getheilt in die 2 Yandgerichte 
B. u. Annweiler; von der pfälz. Marimiliansbahn 
u. der Bahn Fandau-Zweibrüden durchſchnitten. 


uß unterjpülte, u. der am Siebenubrenberg an der 2) (Tabernae montanae) Stadt hier, am Erlbach; 


* Fels bei Oberſtein, wo die Nahe den 


oſel v. 7. Juli 1820, deſſen Spuren die Moſel 


Schloß; Eifenfteingruben, Weinbau; Biegeleien; 


nun weggefhwenmt hat, Schöne Beifpiele von Strumpfwirterei, Seifenfieberei, mechan. Werl. 
Erdfällen find die drei Meere bei Pyrmont; viel-Iftätten, 2233 Ew. B. erhielt 1286 durch König 


224 Bergzehent — Beringsmeer. 
Rudolf Stadtrechte, fam 1385 an den Pialzgra-|VBerfehre die Auskunft über irgend einen Sach— 
fen Ruprecht, wurde 1676 von den fFranzofen|verbalt, oder die Rechtfertigung einer Verfügung, 
verbrannt m. erſt 1714 wieder aufgebaut. welche eine niebere Behörde einer höheren auf 
Bergzehent (altd. Bergfrohne) ift die aufjderen Aufforderung oder ohne ſolche gibt. Fr 
Grund des Bergregals an den Landesherrn ent-|jolche amtliche Berichte pflegt eine beſtimmte Form 
richtete Abgabe von der Bergwerkserzeugung. Im herlömmlich oder ausdrüdlih vorgeidrieben zu 
Mittelalter betrug diefelbe überall den zehnten fein. B. ift ferner die Auskunft, die einer col- 
Theil der gewonnenen Naturalien in natura ohne |legiafiihen Berfammlung ein aus derſelben ber 


alle Rückſichtnahme auf die Ertragsverhältniffe des 
Bergbanes, gleihlam als Mitmigungseigenthum 
des Yandesherrn. Später, als man die unver— 
hältnigmäßige Höhe diefer Abgabe u. den durch 
diefelbe hervorgerufenen Berfall mancher Berg. 
werte einjeben lernte, wurde der B. vielfach auf 
den 20. u. 30. Theil der Ausbeute ermäßigt u. 
für mit Berluft betriebene Bergwerle (Zubuß— 
gruben) aud ganz aufgelafien. Die Naturalab- 
gabe ward dann im Intereſſe der Kammerkaſſe 
nach u. nach überall in eine Seldabgabe nad) be- 
ſtimmten Preisanfägen umgewandelt, oder auch 
vom Rohertrage der Bergwertserzeugung mit 10 
bis 5 pCt. eingehoben. Nachdem in unjerer Zeit 
an die Stelle der früberen fiscaliihen Ausbeute 
des Bergbanes die Anſchauung von der Nothwen- 
digfeit feiner möglichften Förderung u. Pflege im 
allgemeinen Intereſſe getreten war, wurde jowol 
der B. als folder, wie aud die Abgabe vom 
Nohertrage der Bergbaue aufgehoben, u. es trat 
eine förmliche Bergwertsftener (3. 8.5 p&t.) vom 
Reinertrage, zuerft in Frankreich u. Belgien, zulegt 
in Preußen u. Ofterreih an die Stelle. Maurus. 

Bernzeichen, Schlägel u. Eifen als Zeichen 
des Bergmannsitandes, 

Beriberi (Beri, in der Hindufpradhe: Schaf, 
lat. Beriberis, franz. Barbiers), immer noch jehr 
räthielhafte, in Oftindien, bei. auf Ceylon u. der 
Küfte von Malabar endemiſche, langwierige Krank— 
heit, wobei die Kranten einen Gang wie bie 
Schafe bekommen; fie hat frampfhafte u. paraly- 
tiſche Zufälte u, beginnt mit Müdigkeit, Zittern, 
Stumpfgefühl, bei. ur den Füßen, Hautwafjerfucht, 
in ſchlimmeren Fällen auch Bauch- oder Bruft-, 
jelbft Hirnwaſſerſucht; am fäftigften ift ein Schmerz. 
gefühl wie vom Winterfroft u. eine eigene Art 
von Brufttrampf. Die DB. tödtet zumeilen fchnell, 
binnen 6—30 Stunden, zieht ſich aber auch oft 
lange hinaus u. macht häufig Rückfälle. Sie be» 
fällt Einheimifche wie Fremde zumeift während 
der Abnahme der periodiſch wehenden Winde 
(Monfune). 
ficherfien noch durd Entfernung aus dem Yande. 
Dan unterfcheidet von B. die maraftifche Form, 
welche jehr langſam verläuft u. gewöhnlich tödtlich 


putirter Ausſchuß oder ein einzelnes Mitglied über 
eine von derfelben zu unterjuchende Sache ertbeilt 
und von welcher möglichft, objective Darftellung, 
aber doch eine beftunmte Hußerung bezüglich des 
zu fafjenden Beichluffes erwartet wird; der ſtän— 
diſche B. namentlich erfordert ſolche Objectivität, 
u. es iſt daher zu empfehlen, was auch bereits 
mehrere parlamentarifche Geſchäftsordnungen vor- 
Schreiben, daß Diefelben in der Megel jchriftlich 
abgefaßt und gedrudt werden; das dieſes Ge— 
haft vollziehende Mitglied des Ausſchuſſes ift dann 
der Brerftatter. Im Handelsweien, fo v. w. 
Avis. In diefer Besform müffen auch die An— 
träge unferer Behörden an höhere abgefaßt jein. 

eriei, Monti, eine Bergreihe in der ital. 
Prov, PVicenza, 14 km lang u. 7 km breit, mit 
ihönen fruchtbaren Thälern u. präcdtigen Villen; 
fie liefern Grobkall aus tiefen Steinbrüchen zum 
Bauen, auch weißen Kalt zu Bildhauerarbeiten. 
Hier 10. Juni 1848 Treffen, in welchem Ra— 
detsfi die zur Unterftüguug des italien. Unab— 
hängigkeitslampfes ausgezogenen römischen Zrup- 
pen ſchlug u. zur Gapitulation nöthigte. 

Berisjelung, ſ. Bewäſſerung. 

Bering, Veit, Seefahrer u. Entdecker, geb. 
1680 zu Horſens in Jütland; diente erft in der 
dänischen, dann als Kapitän in der ruifiichen 
Marine u. erhielt von Peter dem Gr. den Auf- 
trag, die Düfte von Aſien zu unterſuchen. Bon 
1725—28 erforschte er die Küften von Sibirien u. 
verficherte fih der Eriftenz der nach ihm benannte 
ten Straße; auf der zweiten Reife, die am 29, 
Mai 1741 auslief mit der Aufgabe, das gegen« 
überliegende Yand zu erforjchen, ftrandete am 5. 
Nov. das Schiff. B. ftarh am 8. Dec. auf der 
Inſel, die danach feinen Namen trägt. 

Beringer, Johann BartholomäusAdam], 
Feibarzt des Biſchofs v. Würzburg; ft. in der erften 
Hälfte des 18. Jahrh.; befannt als eifriger Foſſi— 
lienſammler, dem aber das Ungemach zuftieh, daß 
fünftlich zubereitete Berfteinerungen ihm in die 


Die B. ift ſchwer zu heilen, amjHand geipielt wurden, die er dann in Lithogra- 


phiae Wirceburgensis ducentis Japidum figu- 
ratorum & potiori insectiformium prodigiosis 
imaginibus exornatae specimen, Wirzb, 1726, 


ausg.ht, oder doch mit unheilbaren Lähmungen |Frantf. 1767, mit beſchrieb, eine Schrift, welche 
endigt; die hydropiſche, dauert von 6 Stunden|er nad Entdedung des Betruges zu vernichten 
bis zu hödftens 20 Tagen u. kennzeichnet fihlfich alle Mühe gab. Außerdem gab er herans: 


durch häufige waſſerſüchtige Anfchwellungen in den 
verichiedenen Körperhöhlen; die fettfüchtige, von 
bald jehr kurzer, bald fehr langer Dauer, charal- 
terifirt durch bedeutende Vermehrung des Fettes 
unter der Haut. B. fommt endemiſch u. epibe- 
miſch vor u. geht ziemlich weit über das Heimath- 
land hinaus. 

Bericht, im gewöhnlichen Leben überhaupt 
jede mündliche oder fchriftliche Kundgabe über 
eine Sache oder eine Angelegenheit, im amtlichen 


Connubium Galenico-Hippocraticum sive idea 
institutionum medieinae rationalium, Witrzb. 
1708; Plantarum exoticarum perennium cata- 
logus, daf. 1722. Ihambhayn. 
Berings Jsland (ruf. Awatſcha), Inſel des 
Aſiat. Rußland im fldweftl. Theil der Berings- 
See, die weitlichfte der Alduten«fette, u. 55% 17° 
n. Br. u. 165° 46° mw. L.; etwa 4000 km groß; 
benannt nach dem Seemann Bering (f. d.). 
Beringsmeer (früher Kamtſchatka-Meer), 


Beringsitraße — Berfeley. 225 


Theil des nördliden Großen Oceans zwifchen den was bei anderen Waffen Corporalfhaft u. Ju— 


Aleuten⸗Inſeln und der Beringsftraße. 
it Kamtfchatfa u. Tſchuktſchenland mit dem Golfe 


Weſtlich ſpection ift. 


Berka, 1) Stadt im gleichnam. Amte des 


von Anadir, öſtlich Alaska mit dem Nortonfund u. Großherzogthums Sachſen-Weimar, an der Ilm; 


der Britiſchen Bai. 


Es enthält mehrere große) Schloß, Jagdzeughaus; Waldwollenfabr., mehrere 


Inſeln u. nimmt den Anabirfluß in ſich auf, iſt Mühlwerke; Sandfteinbriiche; klimatiſcher Kurort; 


ftets mit Nebel bededt und erftredt fi von 50 
bis 60° n. ®r, u. 160 bis 180° w. 8, 
Beringsitrafe (Straße von Anian, Cool- 
ftraße), ſchon 1648 von dem Kofalen Dejchnem 
entdedte, aber 1728 von Bering wieder aufge 
fundene u. benannte u. 1778 von Cook nochmals 
unterfuchte Meerenge zwiſchen Amerika u. Afien, 
welde das Nörblide Eismeer mit dem Stillen 
Meere verbindet. Die Ufer find felfig, gezadt n. 
lahl; die Tiefe in der Mitte variirt zwischen 29 
u. 30 Klafter. Die B. ift im Winter mit Eis 
bededt oder durch ungeheure, fich feit an einan— 
der brängende Eisbänfe verichloffen, u. jelbft im 
Sommer fieht man in ihr Eisſchollen umbertrei- 
ben. In fie fpringen von der Kiüfte Amerikas 
das Prinz-Wales-, von der Küſte Afiens das Oſt— 
cap hinein, u. zwifchen beiden (151—153° w. %.) 
ft die Meerenge 75—100 km breit u. am ſchmal⸗ 
fien. In derjelben liegen die 3 Diomedes-Juſeln. 
Beriot, 1) Charles Augufte de B., be 
rühmter Violinvirtuoſe, geb. 20, Febr. 1802 zu 
Löwen; widmete fich frühzeitig der Muſik u. ging, 
nachdem er fchon in feiner Vaterftadt Proben jei- 
ned bedeutenden Zalents als Biolinjpieler ab- 
elegt hatte, 1821 nah Paris, um dort von 
lot, Biotti u. Lafont zu lernen. Bald aber 
trat er als Meifter auf u. brachte eine eigene 
Manier des BViolinfpiels zur Ausbildung. Die- 
felbe war mehr auf den Effect eines die größten 
technischen Schwierigkeiten befiegenden Spiels, als 
auf wirklich tiefe mufifalifhe Empfindung gerichtet 
u. gibt fi) auch im feinen zahlreichen Compo— 
fitionen zu eriennen. Bon Paris ging B. nad 
England, wo er großen Beifall fand, Fehrte dann 
in feine Heimat zurüd u, erhielt von König 
Wilhelm der Niederlande den Titel eines Kammer: 
virtuofen mit einer Penfion von 2000 Gulden. 
Durch die Trennung Belgiens von Holland 1830 
verlor er dieſe Stellung u. begab fich wieder auf 
Reifen. Er heirathete die Malibran, nachdem fie von 
ihrem Gatten gefchteden war (1833). 1842 erhielt 
er Baillets Stelle am Parifer Confervatorium; 
1843 bis 52 war er Profeffor des Violinſpiels am 
Confervatorium in Brüffel; 1855 hatte er das Un— 
glüd, zu erblinden; er ft. 9. April 1870, Prambadı.* 
Berißlaw, Landftadt im ruffiihen Gouverye- 
ment Cherfon u. im Kreiſe Cherfon am Dujepr; 
lebhafter Verkehr u. mehrere Jahrmärkte; einige 
— etwa 6000 Ew.; durch regelmäßige 
mpfſchiffverbindung mit dem 73,, km unterhalb 
—— Cherſon in Fühlung. 5 km von bier 
efinden fi) die fogenannten Schwediihen Colo— 
nien. B. hatte unter den früheren Kriegen zwis 
ſchen Rufjen u. Tataren viel zu leiden u. ift von 
erfteren nad) mehrmaliger Zerftörung in vegel 
mäßigen Linien wieder aufgebaut worden. 
Beritt, 1) Diftrict, über welchen ein Forft- 
bereiter die Auffiht hat. 2) (Kriegsweſen) Bei 
der Cavalerie Die von einen Unteroffizier 
unter bejonderer Aufficht gehaltene Mannichaft, 


BVierers Univerjal-Eonverjationsskeriton. 6. Aufl. II, Band, 


Diineralquellen (1812 entdedt), Stahl», Schmwefele, 
Kiefernadelbäder, Sandbäder, Molkenkur; 1650 Em. 
2) Stadt im Amte Gerftungen des weimariſchen 
Kreifes Eifenad, an der Werra; Sammetweberei 
u. Schönfärberei; 1140 Em. 

Berkeley, 1) Fleden in der englifchen Grafſch. 
Glouceſter; Handel mit Käfe, Kohlen u. Holz; 
etwa 4500 Ew.; Geburtsort Jenners, welder 
1796 die Schutgpoden entvedte, Auf dem Schloffe 
wurde Eduard II. 1327 ermordet. 2) County im 
nordamerifan, Unionsjtaate WPirginia, u. 399 
n. Br. u. 78 w. 2%; 14,900 Emw.; Countyſitz: 
Martinsburg. 

Berkeley (Berkiey), 1) George, engliſcher 
Philofoph, geb. 12. März 1684 zu Kilfrin, nahe 
bet Thomastown in der irländiſchen Grafichaft 
Kilfenny, Sohn eines ausgewanderten Stuartir 
ſtiſch geſinnten Engländers; ftudirte feit 1700 im 
Trinity College zu Dublin Theologie, wurde in 
demjelben 1707 Fellow, kam 1713 nad London, 
wo er die Freundſchaft von Addiſon, Steele, 
Swift, Pope gewann, begleitete 1713—14 den 
engliihen Gefandten Grafen von Peterboroug) 
bei der Gefandichaft als Caplan und Secretär, 
1715—20 einen jungen reiben Frländer auf 
einer Reife durch Frantreih, Jtalien u. Sicilien, 
lernte den Philoſophen Malebrande kennen, der 
einige Tage nad einer mit ihm geführten Ieb- 
baften Disputation (13. Oct. 1715) ftarb, kehrte 
nah London zurüd, made eine ganz umer- 
wartete Erbichaft und erhielt einige Jahre fpäter 
eine jehr einträgliche Pfarrei. Mit großen Opfern 
verfolgte er den Plan zur Erridtung von Mil. 
fionse u. Erziehungsanftalten auf den Bermuda» 
Inſeln, brachte desfalls auf Rhode-Island 5 
Jahre zu, kehrte aber, da ihn die Negierung 
im Stiche ließ, 1732 nad London zurid, Er 
wurde im die gelehrte Unrgebung der Königin Ca— 
roline gezogen u. erbielt 1734 durch ihre per- 
ſönliche Gunft das Heine irländiſche Bisthum 
Cloyne; bier lebte er 18 Jahre faft ohne Un— 
terbrechung feinen geiftlichen Pflichten, der Sorge 
für das Wohl feiner Gemeinde n. Irlands. 1752 
auf fein Nachſuchen ehrenvoll entlaffen, zog er nad 
Orford u. ft. dort 14. Jan, 1753 eines plötlichen 
Todes. B. hing mit jeinem Zeitalter durch die 
Oppoſition gegen die ſcholaſtiſche Methode, durch 
das Studium der neueren Mathematif u. Phyſik 
u, durch die Anknüpfung feines Philofophirens 
an Lodes Theorie zuſammen, fowie er mit diefem 
Denker die praftiihe Richtung u. die Hochhaltung 
des gefunden Menjchenverjtandes theilte; aber mit 
Entjegen ftemmte er ſich gegen die bereinge- 
brochene neue Richtung des Zeitalters, gegen den 
Materialismus. In der Religion ftand er auf 
dem Boden der anglicanifchen Orthodorie, in der 
Politit auf dem des paffiven Gehorfams. Seine 
Erfenntnißtheorie ift zunächſt vollendeter Senfua- 
lismus (f. d.), wird aber zum jubjectiven Idea— 
lismus. Hatte Yode alle Metaphyſik über bie 


15 


226 


Berkeley. 


Klinge jpringen laffen, fo belebte B. fie wieder, B. in Betreff der finnlihen Borftellungen nad- 


nachdem er gemwiffermaßen die Folgerungen des 
Lodeihen Senjualismus erihöpft hatte. Er fagt: 
Nur dur richtiges VBerftändnig der Erfahrungen 
fönnen wir zur Einfiht in die Natur gelangen. 
Angeborene Begriffe gibt es nicht; die Begriffe 
werden von der Seele aus der Anfhauung heraus 
gebildet. Es gibt nur Einzelweſen; das Allge— 
meine, Abstracte ift nur unfer Machwerk, u. es 
fommt nicht einmal in unferem Denfen, jondern 
nur in unferer Sprade vor; unſerem Geifte fehlt 
ur Abstraction die Kraft, er bleibt immer in be- 
ee nee Bildern fiehen, die abstracten Worte find 
nur bequeme Abkürzungen, von welchen die Natur 
der Dinge nicht ausgedrüdt wird. Jeder von 
unferen Gedanken bleibt immer ein befonderer 
Gedanke; allgemeine Worte find nicht allgemeine 
Borftellungen,. Auch die finnlihen Subftanzen 
oder Dinge find fprachlihe Abbreviaturen, Ber- 
bindungen von Qualitäten, die wir durch unjere 
Sinne erfannt zu haben glauben. Alles, was 
wir empfinden, führt uns nur einzelne Vorftell- 
ungen zu; jeder Sinn bat feine bejonderen 
Empfindungen u. erzeugt bejondere Borftellungen. 
Da diefe Vorftellungen im gegenfeitiger Verbind— 
ung auftreten, erinnern fie an einander; aber 
feine vermag die andere hervorzubringen; eine 
dient nur als Zeichen der anderen. Weil die 
Borftellungen an einander erinnern, werden fie 
für wirffam gehalten; fie ruhen aber unthätig in 
unferer Seele. Die finnfihen Einheiten eriftiren, 
wie gefagt, nur in uns, in unferem Empfinden; 
die Subjtanzen oder Dinge find nur Erſcheinun— 
gen. Nur Ericheinungen fünnen uns durch uns 
jere finnlihe Empfindung beglaubigt werden, u. 
nur dem Geifte fann Etwas erſcheinen. Wol 
haben wir die finnlichen Borftellungen, welche nicht 
von unferem Willen abhängig find, als Wirkungen 
anzufehen, die von einer ung fremden Urſache aus- 
gehen; aber ihr Grund darf nicht in der todten 

aterie, in dem fraftlofen Körper gejucht wer- 
den. Die Materie als ein Allgemeines ift eine 
bloße Hypotheſe, melde eine völlig unbegreifliche 
Subftanz zur Trägerin der Accidenzen, der Fi— 
ge u. dev Bewegungen machen will, Unter 

aterie haben wir nur die einzelnen finnlichen 
Dinge, oder vielmehr die Complere von Erſchein— 
ungen, die als Complere nur im Empfundenwer- 
den eriftiren, zu verfteben. Die wahren wirkenden 
Urſachen der Dinge find nicht durch Beobachtung 
u. Erfahrung der Erſcheinungen, vielmehr nur 
auf metaphyſiſchem Wege zu entveden, Was die 
Sinne zu ergreifen vermögen, find nur vorüber- 
gehende Erſcheinungen; der Berftand erkennt die 
geiftigen Subftanzen oder das bleibende, nicht 
finnlihe Weſen der Dinge. Die finnlihen Bor- 
ftellungen find nur das niedrigfte Glied einer 
Kette, die uns allmählich durch Schlüſſe der Ver— 
nunft zum Überfinnlichen, zum Geiftigen u. end- 
Ih zu Gott führen fol. Die finnlihen Vorſtell— 
ungen, welche wir von der Natur empfangen, 
werfen uns auf einen allmächtigen, fie alle her» 
vorrufenden Geift hin. Daher haben wir in der 
ganzen Natur lediglich eine Sprache Gottes zu 
verrehmen, durch welche er ums zu unterrichten 


drüdlichft gegen die Realität der allgemeinen Be— 
zeichnungen verwahrt, jo trägt er fein Bedenken, 
fie für geiftige Dinge anzunehmen. In der Be— 
trachtung der überjinnlihen Welt bleibt er dem 
Nominalismus (f. d.) nicht getreu, dem er in den 
fenfualiftiihen Ausgängen feiner Lehre huldigte. 
So fpriht er von einer allgemeinen Weltſeele, 
deren Werk die Natur fei. Überhaupt verarbeitet 
er in feine Gedanfenwelt viel platoniftrendes und 
theofophiiches Material, das mit feiner nüchternen 
u, praftifhen Grundrichtung nicht vecht ver- 
ihmelzen will. Bgl. Heinrih Ritters Geſchichte 
der Philofophie, Bd. 12, 5.233 ff. B⸗s Schriften: 
Arithmetica, absque Algebra et Euclide de- 
monstrata, Yond. 1707; An .essay towards a 
new theory of vision, daſ. 1709; A treatise 
eoncerning on the prineiples of human know- 
ledge, daf. 1710, 2. A., 1725, deutfch von Eichen» 
bad, 1756; Three dialogues between Hylas and 
Philonous in opposition to sceptics and atheists, 
daf. 1713, deutſch, Lpz. 1781; Alciphron, or 
the minute Philosopher, daf. 1732; Werke, Daf. 
1784, 2 Bde., n. A. von Wright, dal. 1843, 
und von Frafer, Lpz. 1871, 4 Bde., überjegt 
I. Th., Yeipzig 1781. Yebensbefchreibung von 
Arbuthuoth, in der 1. Ausgabe feiner Werte. 
Bgl. au: An account of the life of G. B., 
Yond. 1776. 2) George Charles Grantley 
Fig-Hardinge, engl. Politifer u. Schriftfteller, 
jüngerer Sohn des Grafen B., geb. 10. Febr. 
1800; war anfänglih Militär, zog ſich aber bald 
zurüd u. vertrat von 1832—47 WGlouceſterſhire 
in liberalem Intereſſe im Unterhaufe. 1836 ver- 
öffentlichte er feine erfte Novelle: B. Castle, die 
namentlich in Fraſers Magazine eine heftige Kritif 
erlitt, weshalb der jugendliche Verfaſſer den Kri— 
tifer forderte und ihm im Duell leicht verwun« 
dete. Längere Zeit Jägermeiſter der Königin, 
zeigte er fih in allem, was fich auf das Waid- 
mannswert u. den Sport bezieht, als großer 
Kenner. Eine Folge davon war, daß er, trogbem 
er zur liberalen Partei gehörte, für Beibehaltung 
des Jagdrechtes eintrat, aber anderfeits dig Ein- 
führung des Ballots (f. d.) befürmwortete, von 
defien Nothwendigkeit er fih bei den Wahlen 
überzeugt hatte. Er fchrieb: Sandron Hall, Lond. 
1840; Reminiscences of a Huntsman, daſ. 1854; 
A Month in the Forests of France, daf. 1857; 
The English Sportsman in the Western Prai- 
ries, daf. 1861; Tales of Life and Death, daſ. 
1870, 2 Bde. Großes Aufjehen erregte er durch 
feine Schriften über das Treiben der engl. Ari» 
jtofratie: My Life and Recollections, daf. 1864, 
u. Anecdotes of the Upper Ten Thousand: 
their legends and their lives, daf. 1867. Unter 
feinen mannigfahen Schriften über Agricultur u. 
Viehzucht ift die mwichtigfte u. werthvollite: Facts 
against Fietion: The habits and treatment of 
animals practically considered; Hydrophobia 
and Distember, daſ. 1874, 2 Bde, 8) Miles 
Joſeph, bedeutender engl. Botanifer, geb. 1830 
zu Biggin in dem Kirchipiel Oundle; erbieft 
jeine Ausbildung in dem berühmten Rugby Eol- 
lege u, dann in Cambridge, Nachdem er kurze 


u. umjeren Willen zu lenken beabfichtigt. Hat ſich Zeit Hilfsprediger geweſen, erhielt er 1833 eine 


Berfenhout 


and zwei Gemeinden beftehende Pfarre bei Wans- 
ford ın der Grafihaft Northbampton. Frühzeitig 
erwarb er fich einen bedeutenden Ruf als gründ- 
fiher Kenner der niederen Formen des Pflanzen- 
lebens, beſonders der Mooje, der Pilze u. anderer 
Krgptogamen. B. ift Mitglied verſchiedener Ge- 
lehriet Geſellſchaften. Er Pue Gleanings of 
British algae, London 1838; British flora, 


fungi, daf. 1836; British fungi, daſ. 1836—43, |lem, geft. 23. Nov. 1693; ing 
4 Bbe.; Decades of fungi, daf. 1854—56; In-Job nad Deutichland, mo He 


— Berlat. 227 


erplofion 1807 rettete ihn ein Zufall vom Tode. 
Er ft. in Leyden 13. März 1812. Er veröffent« 
lite: Natuurlijke historie van Holland, Amiterd. 
1769— 79; Natuurlijke historie van het rundvee 
in Holland, ebd. 1805—11; von feinen Gedichten 
fei: Het verheerlijkt, Leyden 1774, befonders her« 
7* Thambayn. 
erfhenden, Gerhard, geb. 1643 zu Haar« 
mit feinem Bruder 
en Rhein bereiften 


troduction te eryptogamic botany, daf. 1857;|u. an dem Kurfürften von der Pfalz einen Gönner 


Outlines of British fungology, daſ. 
Handbook of British mosses, daf. 1863; Die 
Schwämme, ihre Natur, Einfluß u. Nuten, deutſch 
in Brodhaug’ Internat. Bibliothel. 2) 3) Bartling. 

Berkenhont, John, britischer Naturforjcher, 
geb, 1730 im Leeds (Morkihire), holländiſcher Ab- 
fammung; wurde in Berlin, wohin er zur 
Spracherlernung gejhidt war, Soldat, avancırte 
bald zum Hauptmann, trat als folder 1756 in 
die engl. Armee über; flubirte nach dem Präli— 
minarfrieden von Fontainebleau (1762) Medicin, 
promovirte 1765 und ging 1769 als engl. Unter: 
händler nach Philadelphia; er ftarb 8. April 1791 
in Veſſelsleigh. B. veröffentlichte: Clavis anglica 
linguae botanicae Linnaei, Yond. 1764 u. 66; 
Diss. de podagra, Evinb. 1765; Pharmacopea 
medica, London 1766 (oder 1768) u. 82; Out- 
lines of the natural history of Great-Britain 
and Ireland, ebd. 1769— 70; Symptomatologia, 
ebd. 1784; Letters on education to his son at 
Oxford, ebd. 1791. Zhambapn. 

Berkenmeyer, Jö 19" ein frommer Laie zu 
Um (1525—45), der durch Schriften viel zur 
Reformation diefer Reichsſtadt (1530) beitrug. 
Später wandte er fih dem 1535 in Um thätı- 
gen Schwantfeld zu, als deſſen Anhänger er 15456 
auf Betreiben des Predigers Martin recht vor 
Gericht gezogen wurde. Bon ihm find die 2 Lieder: 
D du betrübter Jeſu Chriſt xc. u. O Herr, bift 
du meine Zuverficht 2c.; das ihm ſonſt zugeſch rie- 
bene Lied: Kommt Her zu mir, Spricht Gottes 
Sohn, if von Hans Witzſtadt von Wertheim. Löffler. 

erfhampftend, Marlifleden (Stadt) in der 
engliſchen Graffchaft Hertford, am Bulborn, am 
Grand-Function-Kanal u. an der Eifenbahn von 
London nah Birmingham; Strohfledhterei, Eifen- 
gießerei, Holzwaarenfabr.; 4083 Ew. Hier wurde 
697 das Beiſche Concil wegen der Sitten- u. 
Kirchendisciplin gehalten. 

Berkhey, Joannes le Francq van, Natur- 
hiſtoriler, geb. 23. Jan. 1729 in Leyden; befaßte 
ſich ſchon als Knabe mit anatomiſchen Unterfuch- 
ungen, legte ſich nach u. nach eine große Samm— 
lung anatomiſcher Präparate an u. ſtudirte emſig 
Anatomie, Naturwiſſenſchaft u. Sprachen, Er pro« 
movirte 1761, ging als prakt. Arzt nah Amiter- 
dam, fehrte nad 


1860; |fanden, in befien eig fie viele Bilder, na» 


mentlih Rheinanfihten, Jagden, Bolls- u. Hof 
fefte, malten. Gerhard überragte ——— 
als Architelturmaler (die Dresdener Galerie beſitzt 
von ihm eine Anſicht des Amſterdamer Rath- 
haufes), während dieſer im Porträt u. in Fir 
gurenbildern (nad der Weile ZTeniers) bedeu- 
tender war. 

Berkowitz (Berlowetz), rufiiches Gewicht — 
10 Pud od. 400 ruſſiſche Pfund — 163,, kg. 

Berkihire-Schwein, eine der beliebteften 
Racen Englands, welche im Laufe der Zeit den 
verjchiedenften Kreuzungen unterworfen worden 
ft u. fi daher in verfchiedenen Größen findet, 
Das jetige B.-S. ift durch —— mit dem chine⸗ 
ſiſchen Schweine zu feiner Bolllommenbeit gelangt 
u. ift, je nachdem mehr od. weniger chinefijches 
Blut demjelben beigegeben ift, von größerem od, 
fleinevem Körperbau , e8 bat aber das gute, feite 


Fleiſch u. den fernigen Sped, die Fruchtbarkeit, 
die Abgehärtetheit u. das lebhafte Temperament 


der alten Race behalten u. wird ſowol in Eng- 
fand, als auch auf dem Continent vielfach zur 
Verbeſſerung der Schweinezucht benutt. Das 
jetzige B. erreicht je nach der Größe der Zucht 
ausgemäftet ein Gewicht von 150—300 kg, ift 
von gebrungenem, fräftigem Körperbau, hat eine 
breite, tiefe Bruft, langgeitredten Rumpf u. breite, 
volle Schenkelpartie. 

Berk (Berfipire), 1) Grafihaft in England, 
zwifchen den Grafihaften Orford, Buckingham, 
Middleſex, Surrey, Wilt, Gloucefler u. Hampibire; 
1875 [Jkm; eben, fruchtbar (an Getreide), zum 
Theil waldig (Windfor-Parf), reih an Wildpret; 
Flüſſe: Kenner, Od, Aubour u. Themje (welche 
beim Eintritt in die Grajihaft noch Iſis heißt); 
einige Kanäle, Die Em., 196,475, treiben 
Aderbau, Butter u. Käfefabr., weben Segels 
tücher, baummollene u. feidene Zeuge u. verar« 
beiten Kupfer. Hauptort: Reading. 2) County 
im nordamerif. Unionsftaate Penniylvanio, unter 
40° n. Br. u. 76° w. 8; vom Scupltill 
Strome durdjchnitten; reiche Eijen- u, Kallſtein- 
lager; Eijenbahnverbindung ; 106,700, Einw.; 
Eountyfig: Reading. 

Berkihire, County im nordamerif. Unions« 


Leyden zurüc, ließ fich in Leer-/flaate Mafjachufetts, unter 42° n. Br. u. 73° 


bliet nieder, wo er feine anatomiihen Unterfuch-|w. 2.; 64,827 Em.; Countyfig: Lennor. 


ungen fortfegte u. als Dichter thätig war, ohne 


Bierbei gerade Ausgezeichnetes zu leiften, u. wurde) fes, am gleichn. 


Berlat (Brlad), Hauptftadt des gleichn. Krei« 
Fluſſe in Rumänien (Moldau), 


1773 als Brofeffor der Naturgeichichte nach Leyden|füdlih von Jaſſy, Eifenbahnverbindung mit Fol» 
berufen. Berfchiedene Streitigkeiten u, Procefie, ſchani; Normalſchule; Setreidehandel; 1873 angebl. 
in die er als eifriger Orangıft verwidelt wurde, 26,558 Ew. B. hieß im Altertfum Pallada, war 
ſchmälerten fein Vermögen u. zwangen ihn zum/im Mittelafter eine unabhängige Stadt von gro- 
Berkaufe feiner Sammlungen. Bei der Bulver- ßem Umfang. 


15* 


228 


Berleburg, 1) fürſtlich Sayn-Wittgenftein- 
B-iihe Herrihaft, im Kreiſe Wittgenftein des 
preuß. Regbz. Arnsberg in Weftfalen; 275 [_]km 
(5 [IM); 7000 Ew. 2) Kreisftadt daſ., am Ber- 
lenbach; Schloß ; Holzwaaren; 1858 Em.; Drud- 
ort der b»er Bibel (1726). 

Berlepſch, altadeliges Geſchlecht, urſprünglich 
Bernewiz od. Bernewizko heißend; iſt beſ. in 
Sachſen u. Heſſen verbreitet. Ein Zweig, der mit 
dem Erbkammeramte in Heſſen beliehen war, wurde 
im 17. Zahrh. in den Grafenſtand erhoben, ſtarb 
jedoch 1732 wieder aus. Hiſtoriſch erwähnens— 
werth find: 1) Maria Jöſephe Gertrud v. 
B., geb. Gudenberg, geb. 1654; wurde 1672 
an Wilhelm Ludwig v. B. verheirathet, wurde 
aber bereit 1676 Wittwe; darauf Oberhofmeifterin 
bei der Kurfürftin v. d. Pfalz, begleitete fie die 
Schweſter des Pfalzgrafen, Marianne (melde 
König Karl II. v. Spanien heirathete) als Ober» 
hofimeifterin nach Madrid n. fette fich fo im Gunſt, 
dap fie zur Donna d’honore ernannt wurde. 1695 
ward fie mit ihren beiden Söhnen, Sittich Herbold 
(geb. 1673, geft. 1712) u. Peter Philipp Joſeph 
(geb. 1677, geit. 1721), in den deutſchen Reichs— 
freihernftand erhoben, repräfentirte am fpan. Hofe 
die deutiche Partei, ward, als die franzöftiche die 
Oberhand befam, 1700 über die Grenze gebradht, 
lebte auf ihrer Herrſchaft Müllendonk in den Nie— 
derlanden u. wurde 1700 erfte Fürft-Abtiffin der 
Engliſchen Fräulein zu Prag; 1705 wurde fie in den 
Brafen- u. 1706 in den Reihsfürftenftand erhoben; 
fie ft. 1723 zu Müllendonk. 2) Sriedrich Ludwig, 
Freiherr v. B., hannoverifcher Staatsmann, geb. 
4. Dct. 1749 zu Stade; wurde 1769 Auditor bei 
der dafigen Juftizfanzlei, dann Regierungsrath zu 
Fanenburg, 1787 Yand- u. Schatrath, aber 1795 
wegen eines eigenmächtigen Borfchlages an die 
Stände Hannovers, ohne den König von England 
mit Frankreich zu unterhandeln , feiner Ämter 
entlaffen; ev wurde 1809 weftfäliiher Staatsrath 
u, Präfect zu Marburg, ward aber auch dort 
bald entlaffen; ft. 22. Dec. 1818 zu Erfurt. 
Er ſchr.: Geſchichte des landfchaftlihen Finanz« 
u. Etenerwejens des Fürſtenth. Kalenberg u. 
Göttingen, Frankf. 17995 Abriß der weitfäli- 
ſcheu Finanzgeſchichte, Gött. 1814—16, 2 Bde. 
3) Hermann Alexander, Sohn des Vor., 
Reiſeſchriftſteller, geb. 17. März 1814 zu Göttingen; 
widmete ſich nach beendigten Studien dem Buch— 
handel u. gab in dieſer Stellung einige Zeit— 
ſchriften (namentlich Thüringer Ztg.) heraus, durch 
deren Inhalt er mit den vormärzlichen Behörden 
in Couflict gerieth. Das Jahr 1848 nöthigte 
ihn (nachdem er zahlreiche Erkenntniſſe des Ober- 
CeniumTribunals zu Berlin, allermeift zu feinen 
Sunften, erzielt hatte), Deutschland zu verlaffen 
u. fih in der Schweiz, 1849 in Graubünden ein« 


zubürgern, werauf er feinen Wohnſitz meift in) 


Zürich nahm. Natur, Volks- u, Staats Zuftände 
der Schweiz ſchilderte er in einer Rebe von 
Werken: Die Alpen in Natur- u, Yebensbildern, 
Jena, 4. Aufl., 1870, ins Engliſche, Franzöſiſche, 
Schwediſche u. Dänifche überi.; Schweizerkunde, 
Braunſchw., 2. Aufl., 1873; Reiſebuch f. d. Schweiz, 
veutih von 1854—1875 in 10 Aufl., franz. von 
1864— 70 in 3 Aufl., engl. 1873; Rhododendron, 





Berleburg — Berlichingen. 


Prachtwerf, Miinchen, 2. Aufl., 1872 u. 73, u. 
eine Partie anderer Neifebücher, wie iiber Paris, 
das füdlihe Franfreih 1869, die Rheinlande, 
2. Aufl. 1871, Norddentichland 1870, Süd— 
Deutichland 1870, Harz, 4. Auflage, Münden, 
2. Aufl, und ins Engl. überf., Züri, 2. U. zc. 
4) Caroline v. B., Tochter des kurheſſ. Gene- 
ralmajors v. B., geb. 9. Yan. 1820 ; Heirathete in 
morganatifcher Ehe 1843 den Kurfürften Wilhelm IL 
von Heffen u. wurde zur Gräfin v. Berg erhoben; 
wurde Wittwe am 20. Nov. 1847 u. verheirathete 
fi in zweiter Ehe 1851 mit dem Grafen Adolf 
von Hohenthal-Rnauthain (f. d.). 5) Auguft, 
Freiherr von, Bienenzüchter, geb. 28. Juni 1815 
in der preußischen Provinz Sachen, nächſt Mühl 
haufen; ging nah Vollendung jeiner Studien 
nad Rom, trat zum Katholicismus über, war 
Zögling des Zefuitencollegiums, lebte lange Jahre 
in Gotha, wo er u. a. als eifriger Lobreduer 
der abſoluten Monarchie auftrat, überfiedelte nach 
Stuttgart, wo er mit einer berühmten Schriite 
ſtellerin ſich verheirathete, u. befindet fich jegt im 
der Echmeiz als Profeffor der höheren Thierzucht 
u. Landwirthſchaft. Er jchr. hauptfählich: Die Biene 
u. ihre Zucht mit beweglichen Waben in Gegenden 
ohne Spätſommertracht, 2. A., Mannh. 1868, 
Berlichingen, Dorf im württembergiſchen 
Oberamte Kinzelau, an der Jagſt; dabei das noch 
theilmeije erhaltene Stammhaus der Familie Ver- 
lichingen, welcher der Ort gemeinschaftlich mit 
dem nahen Klofter Schönthal gehörte; 1200 Ew., 
worunter 195 Israeliten mit Synagoge. 
Berlidhingen, altes, in Franken u, Schwaben 
begütertes Geſchlecht, deſſen Stammhaus die Burg 
Berlichingen (f. d.) war u, deffen ununterbrocdhene 
Reihe um 1150 mit Engelhard v. B. begimut. 
Kilian v. B., Sohn Friedrihs v. B., welcher 
Jagſthauſen, Hornberg, Hettingen, Beuern und 
Olnhauſen befaß, ftarb 1498 zu Fagithaufen ır. 
wurde durch feine 2 Söhne, Hanns u. Göß, 
Stifter der beiden Linien: der älteren Yinie zu 
Jagſthauſen u, der jüngeren zu Roſſach. Der 
Stifter der legteren, genannt Götz (Gottfried) v. 
B. mit der eifernen Hand, geb. 1480 zu 
Jagſthauſen, dem Stammſchloſſe feines Geſchlechtes 
in Württemberg, wurde von feinem Oheim Kuno 
v. B. erzogen. Schon früh feiner Neigung zu 
friegeriichen Unternehmungen folgend, begleitete er 
den Herzog von Bayern in dem Kamıpfe gegen 
die Pfalz ın dem Landshuter Erbfolgefriege, im 
dem er bei der Belagerung von Yandsbut 1504 . 
die vechte Hand verlor, melde künſtlich durch eine 
jegt nod in Jagſthauſen aufbewahrte eijerne er- 
jegt ward. Die folgenden Fahre verbrachte er 
auf feiner Burg, trotz des von Marimiltan I. 
feftgefegten Landfriedens in zahlreiche Fehden mit 
anderen Wittern u, mit den ſchwäbiſchen Neichs- 
ſtädten verwidelt; 1519 unterftügte er Ulrich von 
Wirttemberg gegen den Schwäbischen Bund u. 
gerieth nach des Herzogs Vertreibung durch Ber- 
rath in die Gewalt der Feinde, die ihn bis 1522 
in Heilbronn gefangen hielten. In dem Bauern» 
aufitande 1525 gezwungen, mehrere Monate der 
Anführer eines Bauernhaufens zu werden, als 
welcher er der rohen Sranjamleit deſſelben fomeit 
möglich fteuerte, wurde er 1528 wieder vom 


Berlin (Geogr., Stadttheile). 


Schwäbiſchen Bunde in Haft genommen und erfilren Stadttheile. 


229 
Der Luifenftädtifche Kanal mit 


1530 gegen das Verſprechen, fih aller friegeri- [dem Gngelbeden ftellt innerhalb der Luilenftadt 
Ihen Unternehmungen zu enthalten, entlaffen.jeine directe Verbindung zwiichen Spree u, Schiff- 


Bis zur Auflöfung des Bundes (1541) lebte er|/fahrtsfanal her. 


Auf dem rechten Ufer zweigt 


ruhig auf feiner Burg, feinem Worte getreu. Aufjfih unterhalb der Stadt von dem ſchön ange- 


den Ruf des Kaiſers kämpfte er noch in Ungarn 
gegen die Türken u. 1544 gegen bie Franzoſen. 
Seine leiten Lebensjahre verlebte er ruhig auf fei- 
ner Burg Hornburg am Nedar; hier ftarb er 23. 
Juli 1562 (nicht im Thurme zu Heilbronn, mie in 
Goethes Schaufpiel geichieht) und wurde in dem 
Klofter Schönthal begraben. Er war vermählt 
ertt mit Dorothea von Sachſenheim, danı mit 
Dorothea Gayling von Illesheim. Gein Leben 
beihrieb auch Geſſert, Pforzh. 1843. Er fchrieb 
in dem lebten Jahren feine Lebensbefhreibung, 
Nürnb. 1731, Berl. 1813. Goethe benutzte den 
darin gegebenen Stoff zu feinem Ritterſchauſpiel 
Götz v. B., in dem jedoch die hiftorifche Perfon 
der poetifchen Geftaltung vielfah gewichen if. 
Mit feinen Enleln fchied fich die Linie zu Roſſach 
in die 2 Speciallinien zu Rofjah u. Illesheim, 
deren letztere 1801 ausftarb. Fortgeſetzt wurde 
die Linie Roffah durch Hanns Reinhard v. 
B.; durch deifen 2 Söhne Hanns Konrad u. 


legten Humboldthafen der 10 km lange Spandauer 
Kanal zur Havel ab. Die innere Stadt, ehedem 
von einer 15 km langen Mauer umgeben, bildet 
ein ungleichfeitiges Viered, deffen Längendiagonale 
ungefähr mit der Spree zufammenfällt u. 5,, km 
beträgt, während die Heinere Diagonale, vom 
ehemal. Halliihen zum Königsthore, 3,, km lang 
ft. Der bebaute Flähenraum hält 22 [km 
(0,4 LM) Das Territorium der Stadt ift 
59,, [km (1,55 [IM) groß. 1874 zählte B. 
15,600 Häufer mit 184,000 Wohnungen, welche 
einen Mietbzins von 132 Dill. M repräfentiren, 
Mit Einihluß von 20,000 Mann Militär wurde 
im Auguft 1873 die Bevölkerung auf 909,580 
Seelen geihäßt, nad den Liſten des Polizei« 
Präfidiums im Januar 1875 anf ca. 920,000, 
wovon 5400 außerbeutfchen, 13,600 ventichen 
Staaten und der Reft dem Königreich Preußen 
angehören. Über das Wacsthum der Stadt fei 
bemerkt, daß diejelbe 1645 erſt gegen 9000 Em. 


Melchior Reinhard fpaltete fich zwar die finie Noffach | hatte, 1688: 20,000, 1712: 53,355, mit Militär 


wieder in 2 Aefte, zu Roſſach u. Nechenberg, aber 
der fettere ftarb 1781 aus, u, jo beiteht noch die 
Linie zu Roſſach fort: Hanns Konrad, älterer 
Schn von Hanns Reinhard, geb. 1579 u. geil. 
1606; war vermählt mit Dorothea von Berli- 
Hingen-Neuenftetten; von ihm ſtammt in gerader 
Linie der jetige Chef: Freiherr Götz, älterer 
Sohn des 1847 verftorbenen Freiherrn Mari« 
miltan, geb. 1819, unvermählt; fein Bruder, 
BEER. geb. 1826, Mitglied der badiſchen 
rften Kammer, wo er zur großdeutfchen Partei 
gehört; wurde 1859 in den württemberg. Örafen- 
fand erhoben; er ift Berfafler einer Geſchichte 
feines Ahnherrn Götz v. B., Lpz. 1861. 
Berlin (hierbei ein Plan), Hauptftadt ber 
preußischen Monardie u. des Deutfchen Reiches, 
bisher in der preuß. Prov. Brandenburg, aber zur 
eigenen Provinz bejtimmt, u. 52° 30°16,," n. Br. 
u. 31° 3' 38% öftl. ©; Mefidenz des Kaiſers u. 
Königs u. Sig der höchſten Reichs- u. Staats: 
behörden; Tiegt in einer fandigen Ebene, auf einem 
zum großen Theil von Jnfufionsthierichalen ge- 
bildeten Grunde, zu beiden Seiten der Spree, 
32 m ü. d. Meere in an, günftigem 
Klimaftrihe. Die mittlere Jahres» Temperatur 
beträgt + 7,000 B. (Sommer: + 14,,° B). 
Die Spree ift bei ihrem Eintritt in die Stadt 
136 m, bei ihrem Austritt nur 42 m breit u. 
durchſchnittlich 3 m tief. Sie bildet in der Mitte 
der Stadt zwiichen dem Mühlen- u. Schleujen- 
ftrom (Kupfergraben) eine Juſel, auf welcher das 
alte Köln liegt. Die fih hieran anſchließenden 
älteren Stadttheile werden von den ehemaligen 
Feitungsgräben umzogen, Nördlich ift dies ber 
Königs, ſüdlich der meift überbaute $Ktölnifche- 
Graben. Unterhalb der Weidendammer: Bride 
nimmt die Spree die wafjerarıne Banfe auf. Dem 
Scififahrtsverfehre dient in der inneren Stadt nur 
der Schleufenftrom. Auf dem linken Ufer ungebt 
Dr 9 km lange Schiffiahristanat die bewohnte 


65,300, 1750: 89,523, mit Militär 113,789, 
1800: 146,911, mit Militär 172,132, 1820: 
185,829, mit Militär 201,900, 1840: 309,953, 
mit Militär 328,692, 1867: 680,469, mit Mili— 
tär 702,437, nach der Bollszählung vom 1. Dec. 
1871: 826,341; wilrde man die 8 Nadybarorte 
einrechnen. jo ftieg die Ziffer auf 868,755. Unge— 
rechnet d. diplomatischen Corps x. waren hiervon 
732,617 evangeliich, 51,722 fatholifh, 2099 Diſ— 
fidenten, 36,015: Israeliten und 34 Beleuner 
anderer Religionen. 7575 gehörten dem Adel an, 

I. Die Stadttheile B-$: a) Berlin, der 
innere Kern am redhten Ufer der Spree, nördl. u, 
öftl. vom Königsgraben umgeben, welcher jett zur 
Anlage der Stadtbahn benutt werden foll, Haupt« 
fit des B-er Großhandels, namentlih in Manu- 
facturen, Surzwaaren, Leder, Droguen u. Wolle, 
erinnert an die Yondoner Eity; b) Köln, zwiſchen 
den beiden Hauptarmen der Spree, das wieder 
in Alt-Köln, den nördlichen, u, Neu-Köln, den 
ſüdlichen Theil, zerfällt, mit dem Schloß u. den 
Mufeen; e) Friedrichswerder, noch weftlicher am 
Iinten Spreeufer, mit Neu-Köln von dem ehe— 
maligen Feitungsgraben umjchlofjen, der fleinfte 
aller Stadttheile, 1653 gegründet zur Aufnahme 
der niederländifchen Einwohner, mit dem Plate 
am Zeughauſe; d) (Neu-)Dorotheenftadt, jo von 
der Kurfürftin Dorothea genannt, melde 1673 
diefen ſchönſten Theil B-8, vom Opernhauſe bis 
zum Brandenburger Thore, bebanen Tieß, Tiegt 
weftlih von den Borigen, links u. fübl. von der 
Spree; e) Friedrichftabt, größer als vorige, füdl. 
von derſelben n. meitl. von Friedrichswerder, 
völlig regulär gebaut, 1688 gegründet, mit dem 
Scillerplape (Gensdarmen-Markt); f) Friebrich- 
Wilhelmftadt, nördl. von derDorotheenftadt, 1828 
angelegt, mit der Thierarzneifhule; g) Span- 
dauer Viertel, nördl. von Alt-B. u. der Doro: 
theenftadt, im Anfange des 18. Jahrh. entftanden, 
mit Schloß Monbijou u. der Synagoge; h) Königs- 


230 


ftadt, öftl. von dem eigentlichen B., 1740 ange» 
baut, mit dem Aleranderplage u. Friedrichshain; 
i) Stralauer Viertel, füdöftl. von der Königsitadt, 
mit dem DOft- u. Frankfurter Bahnhofe u. bedeu« 
tender Induſtrie; K) Luiſenſtadt (ſonſt Köpenider 
Biertel), ſüdl. von Alt-B. u. öſtl. von der Friedrich— 
ſtadt; auf dem linken Spreeufer lagen 1840 
innerhalb der Ringmauer noch große unbebaute 
Strecken, welche inzwiſchen zu einem eigenen Stadt- 
viertel, 1) Köpenider Viertel, mit dem Görliger 
Bahnbofe, angewachſen find. An diefe Stabttheile 
reihen fi die Vorſtädte mit ungefähr 255,000 
Ew. Xor 1826 eriftirten nur die Rofenthaler u. 
Oranienburger Borftadt, jest find es folgende: 
nr) Potsdamer Vorſtadt (auch Äußere oder neue 
Ariedrichftadt genannt), die füdmeftlichfte, vor dem 
Brandenburger, Potsdamer- u. Anhalter Thor, 
füdl, vom Thiergarten, mit dem ſogen. Geheint- 
raths-Biertel, den Wohnungen der höheren Be- 
amten, mit dem belebten Potsdamer Plage am 
gleichen Bahnhofe, der Potsdamer⸗-, Bellepue: 
ftraße u. den im Sommer belebteften Promenaden 
Bes, der Thiergartenftraße u. am Sciffiahrts- 
Kanal; n) Tempelbofer Vorſtadt mit dem Kreuz» 
berge, der Hajenhaide u. vielen Brauereien; 0) 
Köpenider Vorftadt, die ſüdöſil. von der Spree; 
auf dem rechten Ufer folgen: p) Frankfurter Bor- 
ftadt mit den Wafferwerfen u. dem Terrain der 
Niederſchleſiſch-Märkiſchen u. Oftbahn-Bahuhöfe; 
g) Nofenthaler Vorſtadt, eine der bevölfertfien 
Borftädte u. zugleich die Ältefte, von armen voigt- 
ländifhen Handarbeitern ehedem colonifirt u. daher 
Boigtland genannt, während ber legten 50 Jahre 
durd Neubauten vollftändig umgewandelt, mit 
dem Viehmarfte u, dem Humboldthain, Daran 
ſchließt ſich der Geſundbrunnen mit 8000 Em. an; 
r) Oranienburger Vorftadt mit dem Stettiner, 
Hamburger» u. Lehrter Bahnhofe, dem Humboldt- 
bafen, dem Aupalitnpart u. bedeutenden Ma— 
jhinenbau-Anftalten; s) der Wedding, die nord- 
wetlichitte Borftadt mit allein 25,000 (1871 
19,518) Ew., Sit; einer bedeutenden Fabrikthätig— 
keit; t) Moabit, die weſtlichſte Borftadbt an ber 
Spree, mit den Borfigihen Etablifjements und 
15,000 Ew. Thatfählih ift Charlottenburg mit 
feinen 22,000 Ew. auch eine Borftabt B⸗s, offi- 
ciell zählt es nicht dazu. Ehedem bildeten die 4 
eriigenannten Stadttheile eigene Städte mit be» 
jonderen Magiftraten; 1709 wurden diejelben zum 
Stadt» Magiftrat von B. vereinigt. (Weiteres 
bierüber f. unten VIL) 

11. Thore u. Brüden. Die alte, feit 1864 
nad u. nach niedergelegte Umfaffungsmaner wurde 
durch 19 Thore od. Ausgänge unterbrochen, von 
denen das fchönfte, das Brandenburger Thor, am 
Ausgange der Linden jetzt als ein Zriumphbogen 
fteht; es ift 1789—1793 von Langhans nach den 
Propyläen der Afropolis zu Athen in Form einer 
Golonnade, mit 12 dorifhen Säulen aus Sand: 
ftein, erbaut, 61 m breit, 20 m bo u. mit der 
von Shadow mobellirten, 6,, m hoben kupfernen 
Gruppe der Bictoria, welche 4 Pferde leitet, ge- 
Ihmüdt. (Diefe Gruppe wurde vou den Fran— 
zojen 1807 nad Paris geführt u. 1814 im Tri- 
umph von da zurüdgebradt). Zu beiden Geiten 
des Thores befinden ſich die von 18 Säulen ge« 


Berlin (Thore, Brüden, Straßen ꝛc.). 


tragenen Seitenhallen als Durdgänge für Fuße 
gänger. Unter den beinahe 100 Brüden, melde 
B. zählt, gehören nur wenige zu den monumen«- 
talen Bauten. Dieje find: a) die Kurfürften- od. 
Lange Brüde, von der Königſtadt nad dem 
Schioßplage führend, 1690—95 aus Pirnaiſchen 
QDuabderfteinen erbaut ; auf dem mittleren Brüden- 
pfeiler jteht das eherne Reiterftandbild des Großen 
Kurfürften (1703 von Schlüter modellirt, 300 
Gentner ſchwer, mit 4 gefeffelten Sklavenftatuen 
zu feinen Füßen); b) die Schloßbrüde, von Schin- 
lel 1822 erbaut, führt vom ag hing nah dem 
DOpernplage, 48 m lang, 33 m breit und mit 8 
Marmorgruppen, die Laufbahn des Kriegers in 
mythologiſch⸗ allegoriſcher Weiſe darftellend, ver- 
ziert; die Gruppen find 1853 nach Schinlels Idee 
von Beer Bildhauern ausgeführt; e) die Her- 
culesbrüde, das Stadtviertel B. mit dem Span— 
dauer Biertel verbindend, 1792 von Yangbans 
aus Stein gebaut, mit 2 Sandjteingruppen nad 
Schadows Entwurf den Kampf des Hercules mit 
dem Nemeishen Löwen u. einem Kentauren dare 
ftellend; d) die Neue Friebrihsbrüde, von dem 
Luftgarten nad der Neuen Friedrichstraße, über 
den Hauptarın der Spree führend; e) die Durch« 
fahrt durch die füniglihen Mühlen, welde den- 
jelben Spreearm oberhalb der Kurfürftenbrüde 
überbrüden u, burgähnlih nah einem Entwurfe 
von Perfius, ganz aus Stein u, Eifen im eng» 
liſch normänniſchen Stil erbaut find; f) die Königs- 
brüde, zmifchen der Königsftraße u. dem Alexan- 
derplage, bekommt 4 Figuren der preußijchen 
Hauptflitfie: Weichjel, Oder, Elbe u. Rhein, 4 
Kriegergruppen: der Auszug, der Kampf, Pflege 
der Bermundeten u. die Heimfehr u, dazwiſchen 
noch 4 Meinere Kindergruppen; g) die Schillings» 
mit der Zwillingsbriide; h) die Berbindungsbahn- 
brüde, beide über die obere Spree; über die» 
untere Spree führen noh vom Königsplage aus 
i) die fchöne Alfen- u. k) die ehemalige Eijen- 
bahnbrücke. An der Oberbaum- u. Unterbaum« 
brüde, wo die Spree bei der ehemaligen Stadt« 
mauer ein» u. austrat, befinden ſich —— 

III. Straßen, Plätze u. Denkmäler. Von 
Plätzen im älteren Theil von B. zeichnet ſich 
der Schloßplatz, von wo über die Lange Brücke 
die Königsſtraße durch Alt-B. beginnt, durch 
Stattlichkeit aus; großartiger aber iſt der vom 
Schloſſe, der Domlirche, dem Muſeum u. Zeuge 
haufe umfchloffene, mit Bäumen, Bowlinggreens 
u. zwei Springbrunnen gejhmüdte Luftgarten. 
Ju der Mitte des impofanten Plates fteht das 
am 16. Juni 1871, am Einzugstage der aus 
Frankreich zurüdtehrenden fiegreichen deutichen 
Armee enthüllte Reiterbild Friedrich Wilhelms III. 
von Albert Wolf. Bor dem Muſeum ift 1827 
die aus einem erratiihen Blode bei Fürſtenwalde 
gehauene, 7 m im Durchmeſſer haltende u. 1500 
Gentner miegende Granitſchale aufgeftellt. Bon 
da eröffnet fi) über die Schloßbrüde, den Plat 
am Zeughauſe u. den Platz am Opernhaufe einer 
der großartigjten Proſpecte nach den Linden, einer 
mit 4 Reihen Lindenbäumen bejetten Strafe, 
welde, 1 km lang u. 50 m breit, nad dem 
Brandenburger Thore führt, eine Promenade für 
Hußgänger in der Mitte, einen Fahrweg auf der 


Berlin (Straßen, Pläge, Denfmäler). 


231 


üblichen, einen Reitweg auf der nördlihen u. zweiſu. Prinzen eingefaßt wird. Auf dem mit Garten- 


Fabrftraßen an den Außenfeiten enthält u. mit 
dem vieredigen Parifet Plage endigt. Diefen 
Profpect —* die prächtigſten Gebäude zu einem 
der ſchönſten der Welt. Er iſt mit —— 
Monumenten geziert: zwiſchen dem Opernhaufe 
u. dem föniglihen Palais ſteht das 1826 errid- 
tete, von Rauch modellirte eherne Standbild des 
Fürften Blüher, 3m hoch; diefem rechts u. links 
zur Geite die ebenfall® von Hauch mobdellirten 
Standbilder Yorls u. Gneifenaus u. ihnen gegen- 
über, neben der Königswache, die marmornen 
Statuen Scharnhorfts u. Bülows, gleichfalls von 
Rauch, fowie zwifchen der Königswache u, dem 
Zeughaufe, von einem Gitter umfchloffen, die aus 
Lübeck nah Frankfurt entführte, von dort hierher 
gebrachte Riefenfanone u. 2 in La Fere zur Be- 
Ihiegung von Cadir gegoffene, von den Preußen 
eroberte große Mörfer. Un dem Eingang der 
Linden, zwiſchen dem Palais des Kaifers u. der 
Alademie, erhebt fih die broncene Keiterftatue 
Friedrichs d. Gr., zu der am 1. Juni 1840, wo 
Friedrich vor 100 Fahren die Regierung antrat, 
der Grund gelegt wurde. Diefe, am 31. Mai 
1851 enthüllt, ift ebenfalls ein Wert Rauchs. Die 
ganze Höhe beträgt 14 m, die der Figur des 
Könige zu Pierde 6 m; zu dem Ganzen find 
880 Gentner Metall verwendet. Böllig parallel 
mit den Linden laufen nördl. 3 u. füdl. 13 breite 
u. ſchnurgerade Straßen, von denen die Behren- 
ſtraße die breitefte, die Leipziger Straße aber, 
welche mit dem Leipziger Plate (Erzftandbild des 
Grafen von Brandenburg, 1862), am Potsdamer 
Thore beginnt u. neben dem Dönhoffihen Plate 
über die in Form eines mit Säulengängen ver» 
ebenen Rondels über den alten se raben 
weggebaute Spittelbriide weg nad dem Spirtel. 
marfte führt, die längfte u. belebtefte iſt. Alle 
diefe Straßen werden von der breiten, jchnur- 
eraben, vom Halliihen nach dem Oranienburger 

hore, von Süden nah Norden laufenden, faft 
3 km langen Friebrichsftraße, welcher die Char: 
lotten- u. Marlgrafenftraße parallel laufen, recht. 
winfelig durchſchnitten; zwiſchen beiden letzteren, 
der Leipziger u. Frauzöſiſchen Straße liegt der 
Gensd’armenmarft, ein großer, völlig regulärer 
Pla, welchen das Schanijpielhaus u. ſymmetriſch 
daneben nördl. der franzöftihe u. fildl. der deutjche 
Dom zieren. Der mittlere Theil des Plages vor 
dem Schanfpielhaufe heißt feit der Enthüllung des 
Schilferdentmals am 10. Nov. 1871 Scillerplag. 
Das Dental ift aus weißem Marmor von Rein— 
hold Begas gefertigt. Die Friedrichsſtraße mündet 
ſüdlich aus in den freisrunden Belle Alliance-Platz. 
In der Mitte deſſelben erhebt fi die 22 m hobe, 
1843 enthüllte Friedensjäule von Granit auf 
einem WPiedeftal von grauem Marmor, welches in 
Form eines Brunnens voneinem granitenen Bajfin 
umgeben ift. Auf dem Säulencapitäl von weißem 
Marmor fteht im fchwebender Haltung eine ge- 
flügelte Bictoria von Bronce, modellirt von Rauch. 
Dort beginnt auch rechts die nordöftlih bis zum 
Dönhofſchen Plate gerade laufende Lindenftraße 
u, die ſchnurgerade —— die nordweſtl. 
nach den Linden führt u. vom Wilhelmsplatze an 
ſaſt nur von den Hotels hoher Staatsbeamten 


anlagen geſchmückten Wilhelmsplatze ſtehen die 
Erzſtatuen des Fürſten Leopold von Deſſau u. 
Ziethens (von Schadow), Seidlig’ u. Keiths (von 
Zefjart), Schwerins (von Adam) u. Winterfelds 
(von Ränz). Die früheren Marmorftandbilder, 
welche auf Friedrichs d. Gr. Befehl feinen Helden 
gejegt waren, find nad Fertigſtellung jener Erz- 
ftatuen dem Gabettenhaufe übergeben worden. 
Auf der anderen Seite der Linden fett fich die 
Wilhelmsftraße als Neue Wilhelmsftraße nach der 
Spree fort, die fie mittels der Marſchallsbrücke 
überfchreitet, von dort an den Namen Luiſen— 
ftraße führend u. an dem vieredigen Luifenplage, 
von wo die Straße durch das Neue Thor nad 
dem Hamburger Bahnhofe führt, endigend. Von 
den mit ber Friebrichsftraße parallel laufenden 
Straßen ift no der Jeruſalemer Straße zu er— 
wähnen, welche, von dem ge a rn aus- 
gehend, an dem Dönbofsplag vorüberführt u. im 
der !indenftraße ausmiündet. Die ſchönſten Privat- 
gebäude finden ſich im den vor dem Potsdamer 
Thore gelegenen neueren Stabttheilen mtit der 
Königgräger-, Potsdamer, Bellevue-, Thiergar- 
tenftraße u. den Billen-Terrains zwiſchen dem 
Zoologifhen Garten u. der Potsdamerftraße. In 
die regelmäßig gebaute Luifenftadt gelangt man 
mittel$ mehrerer von der Lindenſtraße aus— 
laufenden Barallefftraßen. Unter diefen ift die 
Dranienftraße, welche über den Morig-, Oranien- 
u. Heimvichsplag führt, die belebteite. In der 
Nähe der Spree zieht im gleicher Richtung die 
Köpenider Strafe, Beide werben von der Yinie 
der Brinzenftraße u. dem Schififahrts-Kanal durch. 
jchnitten. Die Uferanbauten deſſelben mit dem 
Michaelskirchplatz bieten hübſche Berfpectiven dar. 
Die Luifenftadt iſt mit dem Stralauer Viertel 
duch 4 Brüden über die Spree verbunden. Die 
Scillingsbrüde führt nah dem Stralauer Plage, 
in deflen Nähe der Frankfurter Bahnhof liegt. 
Die Hauptftraßen der Königsftadt find die Yands- 
berger un. die Neue Köntgsftraße, beide vom 
Aleranderplage ausgehend, wo, vom Innern der 
Stadt fommend, die frequentefte aller Straßen, 
die Königsftraße, mit der Königsbrüde, mündet. 
Die Hauptpläge des Spandauer Viertels find nahe 
zufammenliegend, der Haalſche Markt u. der Mon— 
bijouplat, von wo aus die Nofenthaler u. die 
Oranienburger Straße beide nad) den gleichnami« 
gen Thoren führen. Bon den Pläten im Innern 
der Stadt find noch merkwürdig der Werberiche 
Markt, an dem die Werderſche Kirche, u. der 
Schintelplag an der Bauafademie, mit den Stand- 
bilden Beuths (von Kiß), Thaers (von Hagen) 
u. Sciufels (von Drale). Außer den bisher er- 
wähnten Denhnälern bleiben noch folgende zu be« 
achten: Das Standbild Hegels auf dem Hegelplate 
in der Dorotheenftvaße, auf Granitjodel in Erz, 
von Bläfer; die Marmor-Staudbilder Rauchs 
(von Drake), Scintels (von Tieck), Schadoms 
(von Hagen) u. Windelmanns (von Wichmann), 
ſämmtlich in der Säulenhalle des Muſeums; der 
Kißſche Heilige Georg als Dradenbefieger, eine 
folofjale Reiterftatue aus Erz auf dem großen 
Stadtſchloßhofe; am Portal 4 dajelbft die Hoffe- 
bändiger in Erz von Glodt u. auf den Treppen⸗ 


232 


Berlin (Kirchen). 


wangen des Mufeums die Kißſche Amazone u. der|13. Jahrh. ftammend u. wohl erhalten, mit dem 


Wolffſche Löwentödter. 


Außerhalb der Stadt be⸗ Grabmal Ludwig des Römers; die Parochial- 


finden ſich: Das 1821 enthüllte Nationaldentmal|firhe, mit Glockenſpiel, ſämmtlich in Alt-B.; die 
der Kriege gegen Frankreich 1813—15 auf dem Domkirche im Luftgarten beim Schloffe, mit Be- 


Kreuzberge in der Tempelhofer Vorftadt. Es ift 
20 m hoc, 
ſtückweiſe gegoffen u. dann zufammengejett, befteht 
aus einer gothiihen Spitfäule mit 12 Kapellen, 
in denen die 12 Hauptihlachten aus den Kriegen 
1818—15 als Genien nad Modellen von Rauch, 
Tied u. Wichmann dargeftellt find, erhebt fich auf 
einem Sodel von 11 Stufen u. ift von einem 
eifernen Gitter umgeben. Das National-Krieger- 
Denkmal, eingeweiht 1854, im Garten des Inva— 
lidenhaufes vor dem Neuen Thore, in der Näbe 
des Hamburger Bahnhofes, dem Andenfen der 
1848 u. 1849 gefallenen Soldaten gewidmet, iſt 
eine 38 m hohe Säule, innerhalb mit einer 
Wendeltreppe verjeben, melde zu dem auf dem 
Gapitäl derjelben befindlichen, 8 m breiten fliegen« 
den Adler führt. Das Capitäl ift mit einer Gale- 
vie verfjehen. Das Denkmal ift von drei Seiten 
von einer Granitmauer umgeben, in welde 38 
Marmortafeln mit den Namen der gefallenen 
Soldaten eingelaffen find. Das Marmorbild Fried— 
vih Wilhelms III., von Drake, im Thiergarten. 
Das Relief, welches das runde Piedeftal umgiebt, 
bezieht fih auf den Charakter des Königs als 
Freund u. Beförderer des Familienglückes u. uns 
Ichuldiger Naturfreuden. Die am 2. Eept. 1873 
enthüllte Siegesjänle auf dem Königsplage vor 
dem Brandenburger Thore nah dem Entwurſe 
von Strad, zur Erinnerung an die Feldzüge 1864, 
1866 u, 1870— 71. Auf einem 8m boben Unter- 
bau ftehbt eine 11 m hohe Säulenhalle, über 
welcher fi ein cannelirter u. mit 60 vergoldeten 
Geſchützrohren verzierter Sandftein-Säulenjchaft 
erhebt, welcher die vergoldeie Victoria-Boruffia, 
nodellirt von Drale, trägt. Der Scheitel derjelben 
liegt 58 m üb. d. Plate. An dem Unterbau be» 
finden fih 4 herrliche Relief-Frieſe in Bronce, 
it Kriegsicenen von A. Wolff, Keil, Calandrelli 
u. Schulz, in der Sänlenhalle ein rings herum— 
laufendes Mofail-Gemälde von Werner (in Be- 
nedig angefertigt). Im Friedrichshain ift noch eine 
berühmte bronzene Büſte Friedrihs d. Gr., im 
Humboldtshain ein Denkmal Aler. v. Humboldts 
u. auf dem Zurnplage in der Hajenhaide das am 
11. Aug. 1872 enthüllte Standbild des Turn— 
vaters ‚Jahn, in Erz von Ente, ermähnenswerth. 
Das Poftament des letzteren ift aus Steinen zu- 
ſammengeſetzt, welche aus allen Theilen Deutſch- 
lands, mit Inſchriften verfehen, nah B. geiandt 
worden find. 

‚ IV. Kirchen. 8. zählt 72 Kirchen u. Kapellen, 
einichließlih der 8 außerhalb der Landeskirche 
ftehenden evang., 4 kathol. u. 4 jüdiſchen Gottes- 
häufer. Bemerkenswerth find: die Nikolaifirche, 
mit einem Grabmal Bufendorfs, die Ältefte, 1223 
geweibt, 1817 im Jnnern reftaurirt, an der äuße— 
ven Kirchenmaner die Denkmäler Speners und 
Spaldings; die Marienkirche, mit dem Grabe 
des Dichters Canitz u, einer don Schlüter 1703 
aus Mlabafter erbauten Kanzel; die Garnijon- 
firde; die Kloſterkirche, das einzige würdige Dent- 
mal altdeutjchen Kirchenbaues in B., aus dem 


gräbniß des Großen Kurfürften u. Friedrichs J., 


nah Schinkel Entwurf aus Eifen|Bildjäulen der Kurfürften Johann Cicero und 


Joachim L,, marmornem Taufſtein von Hauch, 
Altarblatt von Begas; die Werderiche Kirche auf 
dem Friedrichswerder, neu, nah Schinfels Angabe 
ganz von Ziegeln im altdeutichen Stil gebaut ur. 
mit Altargemälden von Begas u. W. Schadow, 
mit einem St. Georg über dem Hauptein« 
gange von gebranntem Thon, nad einem Modell 
von Tied; in der Friedrichsſtadt befindet fich 
die katholiſche Kirche St. Hedwig, eine mad 
dem Mufter der Maria Rotonda zu Rom gebaute 
Notunde (das innen von 24 Korintbiihen Säulen 
geihmiücdte Portal und die Gruppe Ehriftus und 
Maria am Hochaltar ließ der Cardinal Quirini 
auf jeine Koften errichten); die franzöſiſche und 
neue Kirche oder der franzöflihe u, deutſche Dom, 
beide auf dem Gensdarmenmarkte fih einander 
gegemüberftehend (die 70 m hoben Thürme 
mit fchlanfen Kuppeln find nadı dem Mufter der 
Kirde Maria del popolo zu Rom gebaut; auf 
den Kuppeln ftehen kupferne, vwergoldete Figuren 
[5 m bod], die der erfteren die triumpbirende 
Religion, die der anderen die fiegende Tugend 
darjtellend); die St.Petri⸗Kirche in Köln, jeit 
1852 an der Stelle, wo jchon feit 1237 eine mehrere 
Male, zulegt 1809 abgebrannte Kirche ſtand, 
nah einem Plan von Strad in Form eines 
riechiichen Kreuzes erbaut, mit einem 96 m hoben 
Zhurme, deffen 34 m hohe Spite von Eiſen ift, 
u. vier adtedigen Thürmen an den Eden; die 
St.-Marcus-Kirhe in der Weberitraße, 1855 ein» 
geweiht, nach Stülers Entwurf im Rundbogenſtil 
mit Kuppel ausgeführt; die Dorotheenftädtiiche 
oder Neuftädter Kırde, 1860—62 im Ziegel-Roh- 
bau mit einem ausgezeichneten Grabdentmal, 
welches Friedrich Wilhelm IL. feinem Sohne, dem 
1787 verftorbenen Grafen von der Mark, durch 
Schadow jeten Tief; die Jeruſalemer Kirche; die 
Dreifaltigleitsfirche; die St.-Bartholomäus-Kirde, 
am Königstbore, 1854—58 von Stüler en einer An= 
böhe im gothiſchen Stil mit einem durchbrochenen, 
68 m hoben Thurme erbaut; die St.-Micaels- 
Kirche in der Luifenftadt, 1856—60 von Soller 
in romanishem Stil mit 47 m hoher Kuppel 
erbaut (auf dem Giebel der heil. Michael von 
Ki in Erz; es ift dies die jchönfte der neueren 
B-er Kirchen); die Thomaskirche im Köpenider 
Viertel, 1864—68 von Adler im Stil der roma- 
nishen Renaiffance mit Kuppeln aus Badjteinen 
erbaut; die Zionsfirhe in der Rojenthaler Vor— 
ftadt, 1866—69 im gothifchen Stil von Orth aus 
Badfteinen erbaut, u.a. m. Eines der bedeutenditen 
neuen Bauwerke Bes ift die im Spandauer Viertel 
gelegene, von Knoblaudh 1859—66 im mauriſchen 
Stil erbaute neue Synagoge; die Haupt-Kuppel 
iſt 54 m hoch; das Innere it durch Größe des 
Naumes wie durch Farbenreichthum u. Lichteffecte 
ausgezeichnet. 

V. Königliche Schlöſſer u. fonftige monu— 
mentale Bauten. Das Königliche Schloß in 
Köln, ein längliches Biered, 32 m hoch. Der 


Berlin (größere Bauten). 


urfprüngfiche, jetst nicht mehr vorhandene Bau! 
wurde 1451 unter Kurfürft Friedrich II. begonnen | 
u. 1538 durch Kurfürſt Johann IL. niedergeriſſen. 
Von dem dann von Kaspar theils neu erbauten 
Schloſſe iſt an der Waſſerſeite noch ein Theil! 
übrig. Das jetzige Schloß wurde erſt unter König 
Friedrich J. 1699 von Schlüter begonnen, von 
Eoſander v. Goethe fortgeſetzt u, 1710 endlich von 
Böhm vollendet. Die größte Länge beträgt 145 m, 
die Breite 87 m. Es bilder ein Rechteck mit 4 
Höfen u. 5 Hauptportalen. Das 3. derjelben, 
an der Echloßfreibeit, ift nach dem Triumphbogen 
des Septimiud Severus aufgeführt. Über diejes 
mölbt fi die unter Friedrich Wilhelm IV. erbaute 
Schioßfuppel, welche die Dede der darunter be- 
findlichen Scloßlapelle bildet. Bon den 600 
Räumen des Schlofjes find bemerlenswerth der 
Nitterfaal, der Weiße Saal, das Wohnzimmer 
Friedrichs I, u. Friedrich Wilhelms IL, das Kur— 
fürftenzimmer, das Kroncabinet, die Brautlammer, 
das Schwarze - Adlerzimmer u. die Bildergalerie. 
Das Palais des Kaijers, unter den Linden, am 
Opernplate, 1834—86 von Langhans erbaut, mit 
einer 62 m langen Front und bedeutender Tiefe, 
zeichnet ſich durch feine vornehme Einfachheit aus, 
Der Palaft des Kronprinzen, dem Zeughauſe gegen- 
über, unter dem Großen Kırfürften aufgerührt, 
uriprünglich den Gouverneurs zur Wohnung be- 
fimmt, dann von Friedrich II. als Kronprinz, 
jpäter von Friedrih Wilhelm III. als Kronprinz 
u. König bewohnt, endlich von dem jegigen Kron- 
prinzen Friedrich Wilhelm bezogen, nachdem es 
um ein Stodwerf erhöht morden iſt. Es ift durd 
einen über die Obermallftraße gehenden Bogen 
mit dem ehemaligen Palais des Prinzen Lonis 
(PBrinzeffinnenpalats) verbunden, welches letztere 
fpätere Wohnung der Fürfiin von Liegnig wurde, 
Das Gartenſchloß Monbijou, in dem Spandauer 
Biertel, an der Spree, mit Park umgeben, von 
Eofander dv. Goethe in zwei getrennten Gebäuden 
erbaut u. von den Gemahlinnen Friedrih Wil- 
beims I. u. II., dann vom Herzog Karl von 
Medienburg (gegenwärtig von der Yandgräfin 
von Hefien- Philippsthal» Barchfeld) bewohnt und 
als hiſtoriſches Mufeum benugt. Das Palais des 
Brinzen Karl in der Wilhelmstraße, 1787 als 
Palais des Johanniterordens erbaut, 1828 von 
Schinkel umgeändert, mit Waffenhalle im unteren 
Stade. Das Palais des Prinzen Albrecht, 1733 
als Privathaus erbaut, von Friedrich II. feiner 
Schwefter, der Prinzeifin Amalie, zur Sommer- 
wohnung beftimmt, feit 1810 Luifenftiftung, 1832 
von Schinkel für den Prinzen Albrecht eingerichtet. 
Das Palais des Prinzen Adalbert am Yeipziger 
Platz, 1853 erbaut. Unter den Linden das des 
Prinzen Friedrich der Niederlande. Im Thiergarten 
das Schloß Bellevue an der Spree, früher dem 
Bringen Heinrich, dann dem Prinzen Auguft von 
Preußen gehörig, gegenwärtig königlich, mit 
grogem Park. Bon der reichen Auswahl jonftiger 
monumentalen Bauten B-8 fünnen bier nur die 
bedeutendſten Erwähnung finden. Berlin hat in 
Diefer Beziehung übrigens während der letzten 
Jahrzehute ungemein gewonnen. 


Gegenwärtig Garniſon. 


233 


unter VL, VII. IX., X., XI. u. XII. zu ſuchen, 
joweit fie fih nicht in den eriten 4 Abjchnitteu 
dieſes Art. befinden. Zu den älteren Bauten 
gehören: Das Lagerhaus in der Kloſterſtraße, als 
ältefte Nefidenz der Markgrafen und Kurfürften, 
jpäter Wollenmanufactur, jetzt Sit berfchiedener 
Verwaltungsbehörden, des Staats-Arhivs und 
Rauch-Muſeums; die Gründung datırt von 1280; 
das Kammergericht in der Yindenjtraße; der 
Königlihe Marftall in der Breitenftraße. Zu den 
neueren Bauwerfen gehören: Das Rathhaus in 
der Königsitraße, 1860— 70 von Waeſemann im 
oberitalieniichen Rohbau aufgeführt, nimmt den 
Flächenraum eines früheren Stadtviertels ein, 
Es ift 100 m lang, 90 m breit und mit einem 
83 m hoben Thurme geſchmückt. Die Spite der 
Fahnenſtange erhebt fih 94 m über dein Straßen» 
pflafter. Der Durchmeſſer der Thurmuhr- Hiffer- 
blätter beträgt fat 5 m. Der pracdtvolle Feſtſaal 
u, die übrigen zahlreichen Räume find jehr jebens- 
wertb. Der Rathhauskeller mit feinen Spriüchlein 
bat eine vorzügliche Aeftauration. Der Bau des 
Gebäudes erforderte, mit Grund und Boden, 
9,365,850 M. Die Börfe in ber Burgitraße, 
1859—63 im Stil der claffiihen Nenaijiance in 
Sandftein von Hitsig, übertrifft mit den einfachen, 
ſchönen Verhältniſſen und den fein cannelirten 
Korintbifchen Säulen alle öffentlihen Prachtbauten 
Deutihlands, und auch die Garde-Meubles in 
Paris milſſen biergegen weichen. In dem Bejtibül 
ift die von Siemering ausgeführte ſitzende Statue 
des Kaiſers Wilhelm als Geſetzgeber aufgeitellt, 
Der prachtvolle Börjenfaal ift 70 m lang, 27 m 
breit und 20 m hoch. Das Gebäude foftete 
3,246,396 M. Die Paſſage unter den Linden, 
zur Behrenftraße führend, 1871—73 nad dem 
Entwurfe von Kyllmann u. Heyden, mit der Kaifer- 
Galerie, der eigentlichen Glasftraße, prachtvoll aus» 
geführt. Ferner: die Münze bei der Bau-Afademie, 
1869— 71 im Stil der Früh-Renaiſſance nad 
Plänen von Stüler; das Gebäude der preuf. 
Boden-Eredit-Attien-Banf bei der kath. Hedwigs⸗ 
fire, aus Sanditein im Stil italienifcher Renaif- 
fance von Ende-Bödmann 1871—73 erbaut, mit 
prächtiger Palaſt ⸗Front; die Denfihe Reichsbank in 
der Jüngerſtraße, in griechiſcher Renaiſſance von 
Hisig, ein herrlicher Neubau; das Kaiferl, Ger 
neral»Boft-Amt in der Leipziger Straße, 1871 
bis 1873 von Schwatlot erbaut, ein drei Stock⸗ 
werfe hoher Quader-Sandfteinbau in dreigetbeilter 
Fagadenfront, mit fchönem Portal; das Rothe 
Schloß an der Stehbahn u. a. m. Von den 
Bahnhöfen find zu erwähnen: der Frankfurter 
Bahnhof, mit der größten Halle Deutichlands, 
8225 Im Flächeninhalt; OBahnhof; Görliker-, 
Lehrter- Bahnhof, ein ſchöner, Spät-Renaiffance- 
Bau; der Potsdamer Bahnhof, mit pradhtvoller 
Palaft-Fagade in italienischer Stenaiffance, u. der 
im Bau begriffene Anhalter Bahnhof. Mebreren 
noch großartigeren Bauten fieht B. entgegen. 
Hierzu gehören der Dom und das Meichstags- 
gebäude. 

VI. Mititäretablijfements, Behörden un. 
Bon den zahlreichen, militärischen 


it die Thätigleit der Architelkten höchſt bedeutend. | Zweden dienenden Bauten find die hervorragend» 
Die in dem Folgenden fehlenden Gebäude bleiben !ften: Das Zeughaus auf dem Friedrichswerder, 


231 


Berlin (Militäretabliffements, Garnifon, Behörden). 


von Nehring begonnen, von de Bobt 1696 ume;die der Fufanteriefhulen, die Train-Fnfpection, 
geichaffen u. 1706 vollendet; von Schlüter find|die Juſpection ber Gewehrfabrifen, das nbas 


die in Stein gehauenen Masten fterbender Krieger 
im inneren Hofe u. über der Hinterthür die der 
Neue, die Statuen des Mars u. der Bellona u. 
die übrigen friegerifchen Embleme über den Bogen- 
fenftern u. auf dem Dade. Das Baumerf bildet 
ein Quadrat, jede Seite 90 m lang, mit 4 Por- 
talen; im Hofe ift der coloffale Flensburger 
Yöwe aufgeftellt; in den um das 
herumlaufenden hohen u. jehr breiten Galerien 
find Gewehre aus neuerer Zeit ſymmetriſch ge 
ordiret und eine reihe Sammlung alter Waffen, 
fowie eine andere von Modellen zu Kriegsmaſchi— 
nen befindlih; die Wände find mit eroberten 
franz. ahnen aus der Revolutionszeit geziert; 
das untere Stodwert enthält Geſchütze, auch eine 
Sammlung von alten Geſchützen aus der früheften 
Zeit bis jebt. Das Zeughaus wird demnächſt in 
eine Ruhmeshalle für Preußens Armee umge- 
ändert und wird jomit nah Erbamıng neuer 
Magazingebäude bei Moabit feinen Charakter als 
Waffendbepot verlieren. Neben demſelben fteht die 
Königswache, 1819 von Schiufel in Form eines 
römischen Gaftrums gebaut; über die Statuen 
daneben, |. oben III. Ferner: das Kriegsminis 
fterium in der Leipziger Straße; das Ynvaliden- 
haus vor dem Neuen Thore an der Panke, 1748 
für 600 Mann eingerichtet, aus 2 palaftähnlichen 
Biereden, die — ein Mittelgebäude verbunden 
ſind, beſtehend. Auf dem Kirchhofe daneben das 
Denkmal Scharnhorſts: das Generalſtabsgebäude 
v. Steuer am Königsplatze, mit 3 ſchönen Palaſt- 
fronten; die Commandantur, dem Zeughauſe gegen- 
über, 1874 durch Steuer verſchönert, welcher auch 
das neue großartige Cadettenhaus im Lichterfelde 
bei B. erbaut; das alte Cadettenhaus in der 
Neuen Friedrihsftraße, mit der einzigen vollzähli- 
en Gemäldefammlung ſämmtlicher Feldmarſchälle 
—*— u. den alten Statuen des Wilhelms— 
plages; viele Artillerieetabliffements in der Jung- 
fernhaide vor dem Unterbaum, fehr viele Kafernen, 
Erercirhäufer, Reitbahnen, das Gießhaus, Feitungs- 
modellhbaus, Admiralität zc, Unter den Kafjernen- 
bauten ift die in normännischem Stil ausgeführte 
Ulanen- u. Dragonerkaferne, ferner die Franz- u. 
Füſilierlaſerne beachtenswertd. In Betreff der 
Mititärbehörden B-s kann auf das 1873 er 
ſchienene Mititärifhe B., von Reuter, verwieſen 
werden. Hier folgen die höheren Verwaltungsbe— 
hörden, Commandos u. Jnftitute, dann die Garni- 
fon. Die erfteren find: das Kriegsminifterium 
(Gentral-Abtheilung), Allgemeines Kriegsdepar- 
tement, Dilit.» Ofonomie-Departement, Departe- 
ment fir das Invalidenweſen, Abtheilung für das 
Nemontemwefen, Militär-Medicinal-Abtheilung, &e- 
neral-Auditoriat, General-Militär-Kaffe u. Abtheil- 
ung für die perfönlichen Angelegenheiten od. das 
Miitär-Cabinet, der Große Generalftab, das Tri— 
gonometriihe u. das Topographiſche Bureau, die 
Planfammer, das Obercommando in ben Marten, 
die Landes-Bertheidigungs-Commiffion, die Gene- 
ral⸗Inſpection der Artillerie, die des Ingenieur— 
corps u. der Feſtungen, die des Militär-Erziehungs- 
u. Bildungsweiens, die Obermilitär- Eraminationg- 
Commiffion, die Inſpection der Jäger u. Schügen, 


lidenhaus, die Kriegsalademie, die Inſpection der 
Kriegsihulen, die Bereinigte Artillerie und Fn- 
enieurfchule, das Cadettencorps, die Gentral« 
Zurnanftalt, die Militär» Hoßarzneifhule, das 
Medic, »Ehirurg. Friedridh- Wilhelms » Zuftitut ꝛc. 
Die zur Garnijon gehörigen Behörden u. Trupe 
pentheile find: das Gouvernement, die Commans 


ganze Viered|dantur, das Artillerie-Depot, die erforderlichen 


Garnifons-, Verwaltungs u.Berpflegungsbehörden, 
das Generalcommando des Gardecorps, das Ges 
neralcommando des 3. Urmeecorps, 2 Jufanterie⸗ 
u. 1 Gavalerie-Divifionscommande, ferner 3 In⸗ 
fanterie=, 2 Cavalerie- u. 1 Artillerie-Brigadecoms 
mando der Garde u. das der 11. Ynfanteriebri« 
gade, 4 Infanterie-Regimenter, 4 CavalerierRegir 
menter, 1 Garde Jäger-, 1 PBionnier-, 1 Eifenbahn«- 
u. 1 Reſerve-Landwehrbataillon, Artillerie, Train 
xc., in Summa ca. 20,000 Dann. Sämmtliche 
Kafernen, die Hauptwahe ꝛc. find durch unter» 
irdiſche Telegrapbenleitungen in fteter Fühlung; 
der Poftverfehr ift durch eine beiondere, eigenthlime 
ih organifirte Militär-Poftanftalt geregelt. 

VI Behörden und ſtädtiſche Einridt- 
ungen, in allgemeiner Überfiht. a) Hofbehör« 
den: An der Spibe das Oberft- Kämmerer Aınt 
u, Minifterium des Königl. Haufes. Ferner das 
Herolds- Amt, das Haus-Ardiv, die en 
das ObersCeremonien-, Hofmarihall-, Hofiagd« 
Amt, die a — der Königl. Schau⸗ 
ipiele und das Geh. Eivil-Cabinet, b) Reichs» 
bebörden reffortiren vom Reichskanzler-Amte, 
wozu das Kaiferl. General:Poft-Amt, die General- 
Direction der Zelegrapbie, die Regierung für 
Elfaß-Lothringen, die Neichs-Banf, die Normale 
Adhungs-Commilfion, das Statiftiiche Amt, das 
Auswärtige Ant, die Adimiralität, das Reichs - 
Eifenbahn- Amt, die Verwaltung des NReihs-Fnvas 
lidenfonds, das Bundesamt für Heimathweſen u. 
die Neihs-Schulden-Gommiffion gehören. e) Die 
preußiſchen Staatsbebörden find: der Ge- 
richtshof zur Eutfheidung der Competenz-Conflicte, 
der Gtaatsrath und das Staatsminifterium mit 
dem Disciplinarhofe für nicht richterliche Beamte, 
dem Gerichtshofe für kirchliche Angelegenheiten, 
dem Staatd-Arhiv x. Die einzelnen Miniſterien 
mit ihren Reſſorts find: 1) Finanz» Minifterium 
mit 4 Abtheilungen, u. ferner der General-Staats- 
Kaffe, General-Yotterie-Direction, Münze, Sees 
handlung, Staats-Schulden-Berwaltung x. 2) 
Minifterum der geiftlihen, Unterrichts: u. Medi 
cinal-Angelegenheiten, mit 3 Abtheilungen, mehre- 
ren Commiſſionen u. dem evang. Ober«Kirchen- 
rathe. Die Alademien u. Univerfität ſ. m. VIII. 
3) Minifterium für Handel, Gewerbe u. öffentliche 
Arbeiten, mit 4 Abtheilungen, von denen die Kgl. 
Eifenbahn-Directionen, die Bau-Alademie, das 
Benth-Schintel-Mufeum, die Gewerbe-Alademie, 
das Ahungs-Amt u. die Porzellan» Manufactur 
reffortiren. 4) Minifterium des Innern, mit 
2 Abtheilungen u, ferner dem Landtags, Statifti« 
ſchen Bureau u. dem Polizei» Präfidium. Dieſe 
für B. fehr wichtige Behörde zerfällt in 6 Ab- 
theilumgen mit verichiedenen umterfiellten Behör- 
den, von denen die Schutzmannſchaft u. die Feuer⸗ 


Berlin (ftädtiiche Einrihtungen). 235 


wehr fi einen wohlverdienten, weitgehenden Ruf Sommer u. theil® endlich zum Privatgebraudhe, 
erworben haben. In polizeiliher Beziehung ift| Eine andere Londoner Sefeifichaft wird demnächſt 
2. in 6 Bezirts-Hauptmannihaften mit 11 Be-|die weftl. Borftädte B-s, Potsdam und die zwi— 
zutswaden u. 50 Polizeirevieren eingetheilt. |fchenliegenden Ortſchaften mit Waffer verjorgen, 
5) Juftiz- Minifterium mit der Juftiz- Prüfungs) Behufs der Befeitigung des bisherigen dürch 
Commiffion, dem Ober-Tribunal, dem Kanımere, eine Actiengefelichaft geleiteten Abfuhriuftems if 
Stadt» u. a he 6) Das Kriegs-Minifterinm|man 3. 3. mit der Anlage einer aus 4 Radial 
(vgl. VI). 7) Minifterium für die landwirthſchaft⸗- ſyſtemen beftehenden Kanalifation befchäftigt. Die 
lihen Angelegenheiten mit 7 dazu gehörigen be-| hierzu erforderlichen Rieſelfelder find bis auf eines 
jonderen Behörden, mie das Sandes-Otonomie- | bereits angefauft. Zur Regulirung des Placaten« 
Collegium, d. landwirthſchaftliche Muſeum u. a. m.|wefens find in allen frequenteren Stadttbeilen 
8) Das Staats-Minifterium für d. Herzogthum|runde, 4 m hohe Anfchlagejäulen (Litfaß-Säulen) 
Lauenburg. B. ift Sit des Deutſchen Reichstagesjaufgeftellt. Den localen Berfehr, mit Ein— 
u. der preußifchen Häufer des Landtages (Herren-|fchluß der nächiten Umgebung, vermitteln 2 Pierder 
haus u. Abgeordnetenhaus). Bon den branden-|eijenbahn-Gejellichaften mit 6 verſchiedenen Linien, 
burgiſchen Provinzial-Behörben ift in B. das Con⸗ nahe an 200 Omnibuswagen auf ca. 30 Linien, 
fitorium d. Prod, Brandenburg, d. Provinzial-|300 Thorwagen, ungef. 900 Drofchten I. Kaffe, 
Schul» Eollegium, Kreis + Erjate, Departements-|3500 Droichten II. Klaſſe u. 14 Perf. »- Dampfe 
Erfat » Eommiffion u. a. zu merlen. d) An derjboote. — Der Poftvertehr innerhalb der Stadt 
Spitze der ftädtiihen Behörden fteht derlift durch eine Ober-Poitdirection mit 58 Stadt« 
Magiftrat u. die Stadtperordneten-Berfammlung.|poftbureaur in den verichiedenen Stadtvierteln u, 
Der erftere ſetzt ſich aus DOber-Bürgermeifter,|352 ftündlih geleerten Brieffaften geregelt. Der 
Bürgermeifter u. 84 Stadträthen zuſammen und| Stadtpoftbezirt des Adrefiaten ift bei Briefen nad 
büdet 46 Directionen, Deputationen, Curatorien| Berlin ſtets anzugeben. Der Stadtpoftbezirfe find 
u. Commiffionen für verihiedene Berwaltungs- n.|9, welche nach den Himmelsgegenden benannt find: 
Wohlthätigleitszwecle. Die Stadtveropneten-Ber-|NW.FN., NO., O., C. (Central), ®., SW., ©. 
ſammlung beftehbt aus 102 Mitgliedern. Daslu. SO. Ahnlich ift auch B. in 16 Telegraphen- 
Perfonal der Communal-Beamten beläuft fi) auf] Diftricte mit ebenjo vielen Stationen eingerheilt, 
etwa 2500 Köpfe. In Bezug auf Verwaltung ift|jwodurd der Verkehr, bei großer Billigleit des 
B. in 16 Stabttheile mit 210 Stadtbezirken,| Tarif, ungemein erleichtert it. Die umliegeuden 
ferner in 50 Polizeireviere (f. oben), 13 Standes | Orticyaften haben außerdem ihre Stationen. — 
ämter ꝛc. eingetheilt. Sämmtlihe Straßen und| Das Budget der Stadt betrug 1873: Ges 
öffentlichen Pläte der Stadt werden durch Gasſſammteinnahme 8,856,991 Thaler u. Ausgabe 
der 4 ftäbtifhen Gasanftalten beleuchtet. ?zür|9,079,564 Thlr.; Etar für 1874: Einnahme und 
beinahe 10,000 öffentliche und 865,000 Privat-| Ausgabe 10,423,260 Thlr. 
flammen arbeiten diefe Anftalten unter der Di-| VII. Kunft- u. Wiſſenſchaft. Die frühere 
tection einer bejonderen Verwaltung für das] Parole B-8 hieß: Sand u. Soldaten, u. diefe 
ſtädtiſche Beleuchtungsweſen. Das Straßenreinig-|batte nichts mir Kunft u. Wiffenfchaft zu thun. 
ungs- u. Feuerlöſchweſen, beide unter einer Ber-|Nichterne Einfachheit der Umgebung u. ftetes 
waltung des Polizei» Präfidiums (f. weiter vorn)| Ringen um die Eriftenz haben fie bis zur Er— 
ftehend, ift vortrefflich organifirt u. durch die feit|weiterung der Mactiphäre ferngehalten. Daher 
1855 im Thätigleit geſetzte Wafferleitung zu einer|find z. B. die monumentalen Zierden B-8 ver- 
hoben Stufe der Bolllommenheit gebradt. Die|bältwgmäßig jung. B. nimmt aber jest auf allen 
——— ſeit 1851 errichtet, beſteht aus 732 Gebieten der Kunft eine würdige u. hervorragende 
erjonen. Die Stadt ift in 6 Branbdinipectionen| Stellung ein. Die wiffenfhaftlihen Yeiftungen der 
mit einem Gentralpunfte, der Hauptfeuerwache, | Hauptftadt ftehen den künftlerifhen nicht nad. B. 
6 Feuerwehrdepots und 19 Feuerwachen eims|ijt befannt als die Stadt der Gelehrten u. Kritifer; 
getheilt. Diefe ftehen durch unterirdiſche ZTele-fe8 tadelt lieber, als daß es Lob ſpendet. Die 
raphenleitungen mit einander in Verbindung undj vielen Kunft- u. wiſſenſchaftlichen Anftalten, ſowie 
And fo eingerichtet, daß binnen 5 Minuten nach|Bereine u. die 227 Schulen geben ein erfreuliches 
der gefchehenen Anzeige eine genügende Anzahl] Bild der lebhaften geiftigen Arbeit der Hauptſtadt. 
Spriten auf der VBrandftätte concentrirt werden; Die herporragendften Auftalten u. Bereine mögen 
fönnen. Die Wafferleitung wurde 1853 von/nacfolgend Erwähnung finden. Die Königlide 
einer englifchen Gefelihaft angelegt und am|Alademie der Wifjenihaften, 1699 von 
31. Dec. 1873 von der Stadt Täuflich übernom-} Friedrich II. geftiftet, 1812 neu organifirt, ſteht 
men u. fofort feitens derfelben mit einem Koften-|unter dem Protectorat des Kaiſers. Das Alade- 
aufwande von 12 Mill. M an die Erweiterung] miegebäude unter den Linden hat eine Uhr, welche 
egangen. Die Wafferwerke befinden fih amjals Normaluhr dient; in demfelben Gebäude ver 
Dir: von wo das Waffer durch Dampfkraftjanftaltet audy die Akademie der Künfte, 1699 ges 
nad) dem Waſſerthurm anf dem Windmühlenberge|ftiftet, 1790 reorganifirt u. gleichfalls unter dem 
vor dem Prenzlauer Thore getrieben, und von|Protectorat des Kaifers ftehend, ihre Sigungen, 
bier durch Drud in die verfchiedenen Stadttheile|Kunftausftelungen u. Borlefungen. Die Königl. 
mittels eines Rohrſyſtems vertheilt wird. Es Bibliothef, 1659 gegründet und fpäter in das 
dient theils zum Reinigen der Abzugstanäle, theils 1775—1780 unter Friedrich II. durh Bumann 
zur Speifung der Spritzenſchläuche bei yeuersge-| (Sohn) im Bopfftii erbaute Bibliorhelgebäude 
fahr, theil® zum Beiprengen der Straßen imlam Opernplatze verligt, befteht aus 800,000 Bän- 

















































236 


Berlin (Kunft u. Wifjenjchaft). 


den u. 15,000 Mannfcripten; außerdem haben; gärten; 1 ftädtifche große Turnhalle in der Prinzen» 
die Univerfttät, die meiften höheren Behörden, die ſtraße, 1864 gegründet, u, der große Turuplag in 


wichtigſten Unterrichtsanftalten u. die Stadt noch 
Bibliotheken, letztere 15 Boltsbibliotheten. Die 
Univerfität wurde 1809 von Friedrich Wils 
helm III. geftiftet u. hat ihren Sit im ehemali— 
x Palais des Prinzen Heinrich unter den Yinden, 
ie hat 4 Facultäten. Die Zahl der Yehrer be- 
läuft fih gegenwärtig auf 187, die Zahl der Zur 
börer auf 1609 (Winterf. 1873/74). Mit der 
Univerfität ift ein tbeol., pbilolog. u. mathemati» 
ihes Seminar verbunden. Die Univerfität wird 
dur einen Nector geleitet; die alademiſche Ge- 
richtsbarfeit führt in deſſen Namen ein König. 
Univerſit.Richter. Zu ihren Hilfsanftalten ge: 
hören: die 1849 gegründete hriftl. archäologiſche 
Kunftfammlung (weile chriftlihe Denkmäler von 
den erjten Anfängen des Chriſtenthums an in ge- 
ichnittenen Steinen, Inſchriften, Miniaturgemäl- 
den, Elfenbeinſchnitzwerken, Abbildung kirchlicher 
Baumerle, Nahbildungen religiöfer Gegenjtände, 
auch Olgemälde bibliihen Charakters umfaßt; 
archäologiſcher Apparat; 12 kliniſche Anſtalten, 
von denen 9 mit der Charite in Verbindung 
ſtehen; anatomiſches Theater; anatomiſche Samm- 
tung; Inſtitut für pathologiſche Anatomie; phyſio⸗ 
ı>giiches Yaboratorium; chemiſches Laboratorium; 
‚ neurgifchrgeburtshilfliche Juſtrumenten · ꝛc. Samm⸗ 
iung; Unterrichts-Anſtalt für Staats-Arzueilunde; 
zoologiſches Muſeum; phyſikaliſche Apparaten- 
Sammlung; mineralogiſches Muſeum, pharmako— 
logiſche Sammlung, Univerfitäts-Garten; Herba- 
rium; pflanzenpbpftologiiches Inſtitut u. die Uni— 
verfitäts-Bibliothel. Fernere Anftalten find: die 
weidhsanftalt für ardäologiihe Correſpondenz 
Nom u. Athen); botaniicher Garten bei Schöne- 
berg; die Sternwarte, 1835 neu errichtet und 
von Schinkel erbant, am Endeplate (diefelbe wird 
vorausfichtlich nach dem Grunewalde bei B, verlegt 
werden); die Bauakademie, in dem von Sciufel 
in Badftein aufgeführten Gebäude, an der Werder⸗ 
ſchen Straße, jet 1824 von der Alademie getrennt, 
jeit 1849 neu organifirt, mit 662 Eleven (Winter. 
1873/74). Daran jchlieft fich das Beuth-Schinfel- 
Mufeum, theils Handzeihnungen Schinkels zu 
Bauwerken u. Sculpturen, tbeils Kupferftiche u. 
andere Gegenftände aus dem Beuthichen Nachlajie 
enthaltend. Die Berg-, die Gewerbe- Akademie, 
letztere 1820 geftiftet u. in der Klofterftr. gelegen, 
mit 420 GEleven (1873/74); das landwirtbicdhaft- 
lihe Lehrinftitut; Alademie für jüdiſche Theolo- 
gie 2c.,; 3 Seminarien,; das Dom-Gandidatenitift ; 
die fgl, Thierargneiichule befindet ſich im einem 
1840 erbauten Gebäude an der Puiienftraße zc. 
Schulen hatte B. 1874: 227 mit 98,545 Schü- 
leru (melde 12 Schul-Inſpectionen unterſtellt 
waren), nämlich: 10 Gymnaſien mit 5080 Schü— 
lern (fernere 2 Gynmaſien werden im Herbſte 
1875 eröffnet) u. 10 Realſchulen mit 5677 Schür 
lern, theils königlichen, theils ftädtifchen Patro- 
nats, ferner: 4 böbere Töchterſchulen mit 2504 
Schülerinnen, 89 Mittel» u. Elementarfchulen mit 
51,406 Sch., 17 Schulen unter fpecieller Aufficht 
von Vereinen mit 2885 Sch., 2 jüdiſche Schulen 
mit 966 Sch. und 95 Privatichiilen mit 30,027 
Ch. Außerdem erifiven 24 Fröbelſche Kinder: 


der Hafenhaide (Jahn); die königl. Central-Turns 
Anftalt bildet nur nah B. commandirte Difiziere 
aus. Weitere Facanftalten find: das mediciniich- 
chirurgiſche Friedrich-Wilhelms-Juſtitut (mit der 
jonftigen Bepinidre vereinigt, dient zur Ausbildung 
von Militärärzten), die Kriegs-Alademte (nur für 
Diffiziere zu höherer Ausbildung), die Artillerie- 
u. Ingenieurſchule mit eigenem Gebäude unter 
den Finden, weiches jedoch nad Fertigſtellung des 
Neubaues am Zoologiichen Garten eine anderweitige 
Berweudung finden wird, das Cabettenhaus, 1775 
erbant. Zur Ausbildung von Mufifern, Sängern 
u. Sängerinnen beftehen folgende Anftalten: die 
fönigl. Hochſchule für, ausübende Tonkunſt (am 
Königsplage), das Inſtitut für Kirchenmuſik (zur 
Ausbildung von Muſiklehrern u. Organiften), die 
Singafademie (mit 500 Mitgliedern, in einem 
eigenen, 3826 erbauten Gebäude mit großem Con— 
certjaal), die Geſangsklaſſe der Könige. Oper u. 
mehrere Conſervatorien für Muſik. Wiffenichaft- 
liche u. Kunftvereine, außer den von Staats wegen 
angeordneten Alademien, befteben: die Gejellichaft 
für Erdfunde (Organ: Zeitſchrift für Erdlunde), 
die Afrilaniſche Gejellichaft, die Geſellſchaft natur« 
forjchender Freunde, die Hufelandſche mediciniich- 
chirurgische Geſellſchaft, die Deutihe zoologiſche 
Geſellſchaft, die Militäriſche Gejellichaft (1801 ge— 
gründet), der Statiftifche Verein, der Berein für 
die Geichichte B-8 (1865 gegründet), der Wiffen- 
ſchaftliche Verein des Gewerbeinftituts, der Mu— 
fitalifche Orchefterverein, die Liedertafel, der Wif- 
fenichaftliche Verein (in welchem Borträge wäh— 
vend der Wintermonate in der Singafademie ges 
halten werden, gründete mehrere Bolfsbiblio- 
thefen), der Kunftverein, der ältere und jüngere 
Künftlerverein, der Berein Berliner Gymnaſial- 
lehrer, Gejellichaft für Ddentihe Sprade und 
Alterthbumstunde (gegründet 1815), der Literariſche 
Sonntagsverein (gegründet 1827), der Apotheler- 
verein,‘ der Aıcdhiteltenverein, Preußiihe Haupt» 
bibelgeſellſchaft, Hauptverein für evangeliſche Miſ— 
ſion, Hauptverein für chriſtliche Erbauungsſchriften, 
Evangeliſche Bücherſtiftung, Zweigverein der Evan- 
gelical-Alliance in London, Katholiſcher Leſever⸗ 
ein, Schachgeſellſchaft (welche Schachturniere ver- 
anftaltet, Organ: Berliner Schachzeitung), Hand» 
werferverein (mit eigenem Gebäude), Berein zur 
Beförderung des Gewerbefleifes, Frauenbildungs- 
verein, Deutfcher Feuerverfiherungsverein, Verein 
für Eifenbahntunde, Zweigverein des Scillerver- 
eins, Verein zur Förderung des Gartenbaues (hält 
halbjährliche Ausftellungen u. vertheilt Preife, 
verbunden mit einem Gärtnerlebrinjtitut). Außer- 
dem befördern die Kunft die Ateliers vieler Künft« 
ler, permanente Ausftellungen, öffentliche Borles 
fungen u. die periodifchen Ausftellungen im Ala— 
demiegebäude. Es eriftiren im Ganzen über 
1000 Bereine, worunter als bedeutendere: 97 für 
Wiffenfhaft, Kunft u. Erziehung, 20 für Gym- 
naſtik, 40 für gewerblide, 36 ir politiiche und 
139 für gemeinmügige Zmede arbeiten. Nach 
Aufhebung der Schladjt- u. Mahlftener haben ſich 
auch viele Eonjum-Bereine gebildet. Hinfichtlich 
der literariſchen Production ift B. nächſt Leipzig 


Berlin (Preffe, Sammlungen, Heil- ꝛc. Anstalten). 


der bedeutendfte Platz in Deutichland. Im J. 1872, lanum u. Pompeji, antiker Thongefäße ıc. 


237 
Das 


wurden mit Ausſchluß der periodiihen Schriften Neue Muſeum iſt mach einem Plan Stülers in 


1540 Iiterarifche Erzeugniffe duch den Buchhandel 
vertrieben, u. zwar gehörten der fchönen Yiteratur 
20°/,, der Philologie u. Pädagogik 15 %,, der Staats- 
u. Rechtswiffenihaft 14%,, d. Geſchichte 7%/,, dem 
Milttärweien 6°%/,, d. Theologie 5%,, d. Land» 
wirthſchaft 5%, u. Mebdicin 49%, der ſämmtlichen 
Eriheinungen an. Die periodiihe u. die Tages» 
prefie Tieferte 265 Tages-, Wocen- u. Monats- 
blätter, worunter 29 politifche Zeitungen ſich be» 
finden. Hierzu gehören als bedeutendere: Der 
Reihs-Staatsanzeiger (officiell), die Norbdeutiche 
Allgemeine Zeitung (balbofficiell), Voſſiſche Zeitung, 
mit der ftärfften Auflage (liberal), die Nene 
Preußische Zeitung (Kreuzzeitung, conjervativ), die 
Bollszeitung (populär u. liberal), die National- 
zeitung (nat.-liberal), die Provinzial-Eorrefpondenz 
(officiös), die Poft (freiscpnfervativ), die Börfen- 
jeitung (nat. fib.), Germania (latholiſch), Zri« 
ine, Tageblatt u. a. Seit 1872 find eine große 
Anzahl weiterer Titerarifcher Ericheinungen aufs 
getreten. 1875 eriftirten 37 amtliche Essen 
und periodiiche Zeitichriften; nichtamtlih: 55 für 
Politit, 221 für Wiſſenſchaft, Kunft, Handel u. 
Gewerbe, 21 für Religion ꝛc. und 19 für Unter- 
baltung, alfo zufammen 353 (88 mebr als 1872). 
Wie bedeufend die Production auf diefem Gebiete 
ift, erhellt aus‘ der Poftthätigfeit. Das, Poftzeit- 
ungsamt fteht mit 2643 Poftanftalten u. 158 Beit- 
ungsverlegern inunansgefegter Gefhäftswerbindung 
u. hat täglich über 200,000 Eremplare im Ge— 
jammtgemwichte von etwa 11,000 kg zu berjenden. 
Es ift eine bei diefen Zahlen auffallende Erichein- 
- ung, daß B. dennod bis jett über kein Welt 
blatt verfügt. 

IX. Die Sammlungen wiffenihaftlicher 
n. Kunftgegenftände find zum Theil ſchon 
oben bei der Univerfität genannt. B. hat 14 Mu- 
feen, welche mit Ausnahme des Gewerbe-Muſeums 
u. Aquariums unter der Berwaltnng des Staates 
fiehen. Wir heben hervor: die beiden mit ein- 
ander verbundenen fünigl. Mufeen zwischen der 
Spree u. dem Schleufengraben am Yuftgarten. 
Das alte Muſeum im Luftgarten, 1824 begonnen, 
von Schinkel aufgeführt, 1829 eröffnet, iſt ein 
90 m langes, 56 m breites, bis zur Oberfante 
20 m Hohes Viered, nah dem Borbilde des 
Tempels der Athene Polias in Athen gebant. 
Die Vorhalle mit ihren Kunſtwerken ift bereits 
erwähnt. In der 23 m hoben Rotunde, ſowie 
in den anftoßenden Räumen des unteren Geſchoſſes, 
dem Götter» u. it dem Kailerfaal, dem 
mittelalterlihen Saal u. dem Etrusfiihen Saal 
find antife u. moderne Sculpturwerfe aufgeftellt, 
Auf der Galerie der Rotunde befinden fih Nach— 
bildungen der für Leo X. zu Arras gewebten 
Gobelins. Das obere Geſchoß enthält in 37 Ea- 
bineten die Gemäldegalerie, die aus den Kumft- 
werten in den königl. Schlöffern, aus der 1815 
in Paris erfauften Ginftinianischen u. der Solly« 
ſchen Galerie u. anderen Erwerbungen zufammen- 
gejett ift. Im Grundbau befindet ſich das Anti- 
quarium, bejtehend aus einer Gemmenfammlung, 
einer Münzlammlung, Sammlung antifter Metall» 


einem antifen, mit modernen Elementen gemifch- 
ten Stil 1843—55 erbaut. Seine Länge beträg: 
106 m, feine Höhe 23,, m, feine Tiefe 40 m., 
der Mittelbau, das Treppenhaus enthaltend, über- 
ragt das Gebäude um 8, m, die Deden der Säle 
find gewölbt u. werden von theils marmornen, 
theils Stud, theils qußeifernen Säulen getragen. 
Die einzelnen Abtheilungen mit ihren verichiedenen 
Sammlungen find im erften Geihof: das Mu- 
ſeum nordiicher Alterthümer u. das Ägyptiſche 
Mufeum (Gräberfaal, Mytbologiiher Saal); im 
zweiten Geſchoß: Gipsabgüſſe antiker, mittelalter- 
licher u. moderner Sculpturen (8 Säle); im oberen 
Geſchoß: die Kunftlammer, die ethnographiiche 
Sammlung, die Sammlung vaterländiicher Alter- 
thümer (feßtere drei ehedem im königl. Schlofie 
befindlih) u. das KHupferftichcabinet. Das Trep- 
penhaus, weldes die ganze Tiefe des Gebäudes 
einnimmt, ift geſchmückt mit den berühmten Wand⸗ 
gemälden W. v. Kaulbachs. Die National-Galerie, 
nah Stülers Entwürfen zwiſchen dem Neuen 
Mufeum u. der Spree erbaut, wird nach Bollend- 
ung die im Alademie-Bebäude befindliche Gemälde— 
galerie u. andere Werke aufnehmen. Außerdem 
finden fih noch Gemäldeſammlungen im fünigl. 
Schloffe u. in Bellevue (letztere aus Ölgemälden 
neuerer Meifter beftehend). Das Vaterländiſche 
Muſeum im Schloſſe Monbijou mit einer in 
14 Räumen aufgeftellten reichen Sammlung von 
Antiquitäten, Modellen, Waffen x. In — 
Privatſammlungen ſind noch Kunſtſchätze gehäuft, 
jo Gemälde im Palais des Grafen Raczynski 
vor dem Brandenburger Thore, wo fich auch das 
Ütelier von Gornelius befindet, beim Conſul 
Wagner, NRavene, eine permanente Gemäldeaus- 
ftellung in der Kunfthandlung von Sachſe u, Comp., 
eine Kupferftihlammiung beim Kaufmann Thier— 
mann u. m. a. Den Naturmiffenichaften dienen: 
das reichhaltige, von Brehm eingerichtete Ber 
Aquarium unter den Finden u, der unter den Um— 
gebungen Bes zu erwähnende Zoolo giſche Garten. 

X. Heil» u. milde Anftalten: die mit dem 
Klinicum verbundene Charite (jeit 1710 be— 
ſtehend und 1400 Kranfe beherbergend), das 
Militärlazaretb, Heilanftalt durch Efeltricität und 
Magnetismus, mehrere ortbopäbiiche Inſtitute, 
Brummenanftalten, Wafferkgilanftalten, Minerale 
wafjeranftalten von Strude und Soltmann ꝛc. 
Unter den Babdeanftalten find namentlich zu ev» 
wähnen: das Admiralsgartenbadb in der Fried— 
richsſtraße (mit über 100 Zellen, Wintergärten 
u. höchft eleganter Austattung), die vielen Hötel— 
Bäder, das Victoriabad ꝛc. Die Flußbäder lir- 
gen oberhalb B-8 und find per Dampfboot leicht 
zu erreichen. Fiir Unbemittelte unterhält die Stadt 
eine Anzahl Bäder. An milden Stiftungen ift 
B. reich. Ihre Anzahl beläuft fih auf 280, Die 
Verwaltung derjelben leitet meift der Magiftrat, 
mitteld bejonderer Deputationen oder Commt‘ 
fionen, dann aber auch das Polizei-PBräfidiunt, 
Kirchen, die Univerſität, Schulvorftände u, Private, 
Wir erwähnen der zablreichen Hofpitäler zur Ber- 
pflegung Armer u, Infirmer: Heiligen-Geifts-Ho- 


arbeiten, Terracotten, Wandimalereien aus Hercus !jpital, Gertrauden-, Jerufalemer-, Jatobshofpitat, 


238 


das Diafoniffenhaus Berhanien (gegründet 1847, 
eine Stiftung Friedrich Wilhelms IV., unter dem 
Protectorat der Kaiferin, zur Ausbildung von 
Krantenpflegerinnen, für 300 Kranke einge» 
richtet), das Elifabeth-Krantenhaus, das Augufta- 

ojpital, das St. Hebwigs- (katholiiche) Kranken⸗ 
5 das Friedrich Wilhelms⸗Hoſpital, Heil⸗ u. 
Bildungsanftalt für Blödſinnige, mehrere Armen» 
u. Berjorgungsbhäufer, darunter das vom Kaiſer 
Nikolaus als Ehrenbürger von B. gegründete Ni- 
folai-Bürgerhofpital, das Allgem. Städtiſche Kran- 
tenhaus in Friedrihshain (1870—73 v. Gropius 
u. Schnrieden erbaut, mit durchgeführtem Pavillon— 
Spftem für 600 Kranke), eine Anftalt, welche einen 
meiten Ruf hat; die Notherfliftung für Beamten: 
töchter über 40 Jahre, Ehriftliche Mägdeherberge, 
Hollmanns Wilhelminen » Amalien » Stiftung für 
alte Frauen iiber 60 Jahre, Alterverforgungsan- 
ftalt der jüdischen Gemeinde, die Piſchonſche Pen— 
fionsftiftung für Volkslehrer und Lehrerinnen, 
Königlihe Wittwenpflegeanftalt und mehrere An- 
ftalten für Predigerwittwen; Waifenhäufer, dar- 
unter das große Friedrichs-Waiſenhaus, welches 
für 580 Waifen und verwahrlofte Kinder (außer 


Berlin (Induſtrie, Handel). 


vereine, das Königl. Leihamt u. die Darlehnskaffe 
des Berliner Frauenvereins zur Abhilfe der Noth 
unter den Heinen Fabrifanten und Handwerkern. 
Detentionshäufer, Gefängniffe, das Arbeitshaus 
(zugleich Zufluchtsort für Obdachloſe), Siehenhaus 
und Frrenbewahranftalt, die Stadtvoigtei für im 
Unterfuchungshaft Befindlihe u. Strafgefangene, 
das Zellengefängniß in der Nähe des Hamburger 
Bahnhofes, mit 800 Gefangenen. 

XI. Induſtrie, Handel u. Verkehr. 8. ift 
infolge des gewaltigen Aufihwunges, den es faft 
anf allen Gebieten des Gewerbfleiges aufzumeijen 
hat, gegenwärtig die bedeutendfte Induſtrieſtadt 
des Eontinents. Nahe an die Hälfte der Ein- 
wohner lebt von der Induſtrie: man zählt über 
30,000 Mafchinenbauarbeiter, die Hüttenproductiom 
beichäftigt über 10,000 Arbeiter, die Weberei u. 
Zeugmanufactur über 18,000, die Metallwaaren« 
jabrifation 9000, die Fabrilation von Berzehrungs- 
gegenftänden 4000, von Strumpfmwaaren 15,000, 
die Eonfection 6000 Arbeiter u. ſ. w. Neben den 
Ihon unter VIII. erwähnten technischen Lehran— 
ftalten u. Bereinen wirken durh Eröffnung von 
Eoncurrenzen, öffentlichen Ausftellungen, Prämien 


2700 Koftlindern) beftimmt ift, das Kornmefjerfche | Vertheilungen, Stipendien u. ſ. w. nod eine große 


und Scindlerihe Waifenhaus (beide Privatan- 
falten), die jüdiſche Waijenerziehungsanftalt, 
das Friedrichsſtift; Erziehungs und Beſſerungs— 
anftalten: die Bavierſche Arftatt zur Erziehung 
mutterlofer Kinder, Magdalenenftift für fittlich ver- 
derbte Mädchen, Peftalozzi-Stiftung, die Wadzel- 
Anftalt für 420 arme Kinder u. mehrere Klein- 
finderbewahranftalten; Taubftummen- (1798 vom 
Staate) u. Blindeninftitut (1800 von Zeune ge- 
gründet, jetst königlich), Beihäftigungsanftalt für 
erwachſene Blinde; Unterftügungstaflen u. Unter- 
Rütungsvereine, darunter das 1840 von der 
Karferin von Rußland nach dem Tode ihres Vaters 
Friedrih Wilhelm III. mit 46,000 Thlen. aus 
ihrem Erbichaftsantheil gegründete Fzriedrih-Wil- 
helms⸗ Inſtitut für unbejchäftigte Arbeiter (VBorihuß- 
laſſe), Bürgerrettungsinftitut (1796 von Baum- 
garten gegründet, foll zurückgekommene Gewerb- 
treibende mit Vorſchüſſen unterftügen), Hinkeldey⸗ 
ſtiftung für hilfsbedürftige Bürger Berlins, die 
Blecherſche Stiftung für junge Künſtler zur Reiſe 
nach Italien, Allgemeine Landesſtiftung, National- 
dank, zur Unterſtützung alter Krieger (gegründet 
ans Anlaß der ſilbernen Hochzeit des jetzigen 
Kaiſers 1854), die Auguften- Stiftung, zur Aus: 
feuer armer Brautpaare (gegründet bei demfelben 
Anlaß), Gefindebelohnungsfond, mehrere Gejellen- 
u. Arbeiterunterftügungstaffen, Unterftügungsan- 
Halt der Gejellichaft der Freunde für Wittwen u. 
Waiſen, Gemeinnütige Baugeſellſchaft (gegründet 
1848, hat den Zwed, durch Bauten gejunde u. wohl- 
feile Wohmungen fir fogenannte Heine Leute zu be- 
ſchaffen), Lutherftiftung für Waifen des Lehrer: 
fandes, Bereinsfterbefafie, Wittwenpenfions- u. 
Unterftügungstaffe, Speifeanftalten; Vereine: für 
Kleinfinderbewahranftalten, Unterftütungsverein 
hilfsbebürftiger Buchhändler, Hilfsverein für jü— 
diihe Studirende, Verein zur Unterflügung armer 
Wöchnerinnen zc. Zur Beihaffung von Geldmitteln 
dienen Darlehns- u. Vorſchußvereine in allen 


Anzahl von anderen Privatvereinen u. »Anftalten 
für die Beförderung bes Gewerbfleißes. Bon tech- 
niſchen Juftituten des Staates find die Münze 
(alte u. neue, beide bei der Bau-Afademie, die 
neue 1869—71 nad Stülerſchen Plänen gebaut, 
mit fchöner Fagade und mit Schadowihen Bas- 
reliefs geſchmückt), die Königliche Porzellan ⸗Manu⸗ 
factur im Thiergarten bei Charlottenburg, die 
Königl. Eifen» u, Broncegießerei, ſowie die Staats- 
druderei vorhanden. Die Privatinduftrie hat fich 
in wahrhaft großartiger Weife entwidelt u. fonnte 
weder durch Kriege, noch Strifes, od. Wohnungs. 
notb aufgehalten werden. Niefige Eapitalfräfte, 
welche ihr durch 326 Actiengeſellſchaften, excl, 
Banken u. Affecuranzen, zuftrömen, laffen einen 
noch bedeutenderen Aufſchwung gemwärtigen. Gro- 
Ben Ruf hat die Eijeninduftrie B-8 erlangt, nament« 
ih im Fade des Maſchinenbaues. Unter den 
173 Fabrilen, die ſich damit befaffen, verdient be» 
jondere Erwähnung das Borfigiche Etabliffement, 
das größte feiner Art in Deutichland, aus welchem 
im Jahre 1867 die 2000, u. 1873 die 3000, Loco« 
motive hervorging. Außerdem producirt B. die 
verjchiedenartigften Gegenftände: Teppiche, Par- 
fümerien, Hüte, Spiegel u. Broncefadhen, Lampen, 
Möbel, Porzellanöfen, Seiden-, Halbjeiden-, Baum- 
wollen. u. Zeinenwaaren, Flußlähne, Wagen, Ta- 
peten, Silberwaaren, Stut- u. andere Uhren, Holz-, 
bronzes, Bijouterie-, ladirte Blech- und hölzerne 
Waaren, Sonnen- u. Regenſchirme, dhirurgifche, 
mathematifche, optische u. muſikaliſche Inftrumente, 
chemiſche Waaren, Leder, kinftlihe Blumen n. a. 
Putmwaaren, fertige Kleidungsftüde, feine Korb- 
flechtereien, Strohhüte, Stärke, Spielwaaren, Li- 
queurs 21. Der Handel B-8 wird von dem Staate 
durch das Juſtitut der Preuß. Bank, jetst Deutſchen 
Reichsbank (j. Banken), u. der Seehandlung unter» 
ſtützt u. von der Handelsfammer u. dem Hanbelsrathe 
überwacht. Außerdem befördern den Geldverkehr die 
Bank des Ver Kaffenvereins, die Discontofaife 


Stadtbezirken, die Städtijhe Sparlaſſe, die Spar- |u. 607 (1875) zum Theil großartige Bautgeſchäfte; 


Berlin (Berfehr, 


die Börfe in der Burgftraße (Gebäude ſ. unter V.) 
dient zur Erleichterung des Waaren- u. Geldge- 
ſchäſten; fie tft eine der bedeutenditen Europas, 
ihre Kourszettel ericheinen täglich. Der Handel er- 
firedt fih, außer auf Staatspapiere, auf Actien» 
u. Wechjelgefchäfte, Spedition, Bertreiben der Er- 
zeugnifie der Induſtrie B⸗s 20, Auch findet im 
Zum ein großer Wollenmarft ftatt. Die bedeuten. 
deren in» u. ausländiſchen Affecuranzgefellichaften 
haben in B. Comptoire: 147 Feuer⸗, Lebens, 
Hagel», Bieh-, Glas-, Transport-, Unfall⸗, Nenten- 
u. Capital» Berfiherungen find in B. vertreten. 
Neun Eifenbahnen laufen in B. zufammen: die B.- 
—— die B.Stettiner, die Niederſchleſiſch— 

ärliſche, mit der neuen B-er Verbindungsbahn 
(10 km), die Anhaltiſche, die B.Potsdam ⸗Magde⸗ 
burger, die B.-Görliger, die Magdeburg - Halber- 
ſtädier, die Oftbahn u. die B.- Dresdener Eifenbahn 
(im Stadtbezirke 1874 zufammen 29,,, km, über 
das locale Berfehrsmweien f. u. VII.). Die Nord» 
bahn nach Stralfund u. die B.-Nordhauiener Bahn 
werben demnächſt gebaut werden. Kine GStadt- 
Eiienbahn ift projectirt. Der Gütertransport diejer 
Bahnen bezifferte fi pro 1873 auf ca. 83 Mill. 
Etr., wovon auf die Einfuhr etwa 73°/, kommen; 
von diefer nimmt das Brennmaterial allein an- 
näbernd den dritten Theil in Anſpruch. Elektri— 
ſche Zelegraphen verbinden die Stadt mit den be- 
deutendften Haupt» u. Handelsftädtendes Eontinents. 

XII Bergnügungen. B. hat 24 größere u. 
Kleinere Theater. Die föniglihen Schaufpiele, das 
DOpern- u. Schaufpielhaus, unter der Bewvaltung 
einer General-Fntendantur, ftehen oben an. Das 
Opernhaus, 1740—42 nad) v. Knobelsdorfs PBilä- 
nen erbaut, brannte 1843 ab u. wurde mit Be— 
nugung der ftehen gebliebenen Umfafjungsmauern 
faft gan in derjeiben Weife, nad dem Vorbilde 
des Pantheon zu Athen von Langhans wieder auf- 

ebaut. Es ift 90 m lang, 32, m breit u. 23 m 
Doc): im Giebel find Basreliefs von Nietichel; der 
BZujhauerraum hat 4 Fogenreihen, faßt 2000 Ber- 
fonen u. ift prächtig ausgeichmücdt. Ein reich ge- 
ſchmückter, mit einer von 32 Karyatiden getragener 
Galerie verjehener Concertiaal fteht mit dem Thea- 
terraum im Verbindung. Das Haus ift zur Auf- 
führung von Opern, Balleten u. größeren Schau- 
fpielen beftimmt. Außerdem finden daſelbſt im 
Winter mufifalifhe Matinées u. die alle Kreiie 
der gebildeten Welt vereinigenden n. vom Hofe 
beſuchten prachtvollen Subicriptiong » Bälle ftatt. 
Das Schaufpielhaus auf dem Schillerplage, 1803 
von Langhans gebaut, brannte 1817 ab u, wurde 
1820 von Schinfel neu erbaut; es hat eine breite 
Freitreppe, welche zu einem vorfpringenden Perifty! 
von 6 ionifhen Säulen führt, ift 77 m lang u. 
im Mittelbau 50 m tief; e8 enthält einen Concert: 
faal mit Nebenzimmern u. Galerien u. einen 
Decorationsfaal; der Zufchauerranm faßt 1500 Per- 
fonen. Die vorzüglichen Yeiftungen des Ber Schau- 
fpiels haben ihm einen mwohlverdienten Auf ein- 
gebracht. Nächſt den königlichen Theatern ragen 
die folgenden hervor: Das Bictoria-Theater, 1856 
bis 1859 nach Plänen von Langhans erbaut, cul« 
tivirt befonders größere Ausftattungsjtüde,. Es be- 
fieht aus einem Sommer- u. Winter-Theater, mit 
gemeinjchaftlicher, durch eine großartige Maſchinerie 


239 


ausgezeichneter Bühne. Das Gebäude ift beinahe 
100 m lang u. 40 m breit. Der Zufchauerraum 
faßt 1400 Perjonen. Das Wallner Theater, ehe- 
dem als Königftädtiihes Theater auf dem Aleran- 
derplage in der Königsftadt, auf Actien gegründet, 
für das Luftipiel u. die komiſche Oper beftimmt, 
blühte in dem vierziger Jahren u, rivalifirte mit 
der Königl. Bühne; ſpäter fam es in Berfall, 
wurde dann im einen Circus in der Charlotten- 
ftraße u. von dort nad) der Blumenftraße verlegt, 
bis es 1866 in ein in ber Balner-Thenterfttahe 
neu erbautes, prachtvoll Decorirtes Gebäude über- 
fiebelte. Das Friedrich W.ihelmftädtiiche Theater 
in der Schumannsftraße, verbunden mit Sommer- 
theater, fiir Luſtſpiel, komische Oper u. Poſſe be- 
jtimmt, wurde von Tits erbaut u. 1850 eröffnet. 
Es faßt 1600 Perſonen. Das Krolliche Etabliffe- 
ment am Königsplage, mit großen Sälen, eines der 
großartigften Bergnügungslocale der Welt, faßt an 
5000 Perjonen. Das 1834 errichtete Gebäude 
wurde, nachdem e8 1851 niedergebrannt war, von 
Tig wieder aufgebaut; es ift 115 m lang, 30 m 
tief u. mit den beiden Thürmen 40m bob. Der 
große, mit einer Bühne verbundene Königsjaal 
wird zur Darftellung von Operetten u. Puftipielen, 
auch Opern, zu großen Bällen zc. benutt. Daran 
ftoßen verichiedene andere Säle. Die Weihnachts 
ansftellungen find berühmt. Bon den übrigen, 
zum Theil vorftädtifchen Theatern feien erwähnt: 
Das Nefidenz-, Ber Stadt-, Vorftädtiiche-, Wol« 
tersdorff-, National-, Königſtädtiſche-⸗ Reunion-, 
Belle-Alliance» u. Barietd- Theater. Die beften 
Concerte hört man in der Ging-Afademie, im 
Opernhaufe, im Saal des Hotel de Rome, im 
Goncerthaufe (Bilfe), in den Reichshallen u. a. 
Yocalen. Der Winter bringt ftet3 eine Menge von 
Birtuofen-Eoncerten u. größeren mufitaliichen Auf« 
führungen. Die equeftrifhen Schaufpiele find durch 
zwei Circus (Renz in der Friedrichsſtraße u. Salo- 
monsty in den ehemaligen Martthallen mit viefigen 
Räumen) vertreten. Kine große Menge von Lo— 
calen, in vielen Abftufungen, gewähren Gelegen- 
beit, fih bejonders durch Zanzen zu vergnügen, 
werden aber nur von einer ſehr gemiichten Gejell« 
haft u. Damen von zweideutigem Ruſe befucht. 
Die befannteren derartigen Abiteigequartiere find 
das ſchön decorirte Orpbeum u. das Ballhaus, 
Unter den zahlveihen Gonditoreien find die von 
Joſti, Stehely, Spargnapant, D’Heureufe, Kranzler 
u. das Wiener Kaffehaus ın der Baffage die befann- 
tejten. Elegante Reſtaurants u, Kaffehäufer werden 
von dem jeineren Publicum beſucht, während die 
Kellerwirtbichaften meiftens nur für niedere Bolfs- 
klaſſen eingerichtet find. Dagegen pflegen in den 
Delicatefjenfellern nur die höberen Stände zu vers 
fehren. Unter der großen Zahl der Bierlocale 
läßt fich leicht eine Auswahl von joldhen treffen, 
welche nur echtes bayerisches Bier verſchenken und 
eine beſſere Sejellichaft beherbergen. Was übrigens 
B. an Bier confumirt, grenzt ans Fabelhafte. 
Schon die 49 einheimischen Brauerei-Etabliffements 
producirten 1873 896,198 hl untergähriaes und 
531,851 hl obergähriges Bier, wozu die Einſuhr 
noch 122,055 hl bradte. Eigentliche Weißbier- 
(ocale, wo nur oder faft ausſchließlich dieſes B«er 
Getränf (füble Blonde) verabreicht wird, find die 


Bergnügungen). 


240 


Sammelpunfie der B-er Kleinbürger. Unter den 
vielen geichlofjenen Gejellichaften find die wichtigften 
die 3 unter kaiſerlichem Schuge ftehenden Groß: 
flogen der Freimaurer: Nationalmutterloge zu den 
3 Weltfugeln, Große Landesloge u. Royal-York, 
welche in eigenen Localen mit Gärten, jede mehrere 
Zohaunislogen (zufammen 17) in B. umfaſſen 
u, die übrigen Yogen Preußens u. Heinerer deut- 
iher Staaten leiten. Noch gedenten wir der 
Sommer-Concerte des Zoologiſchen Gartens u. der 
Flora, der Corfofahrten im Mai, Juni u. Juli, 
veranftaltet vom Bser Fahrverein im Thiergarten, 
der mit dem Wollenmarfte im Mai u. Zeptember 
in Hoppegarten bei B. ftattfindenden Pferderennen 
u. des am 24. Aug. den Janhagel vereinigenden 
Stralauer Fiihzuges. Bon den Winterverquüg- 
ungen feien noch das Schlittihuhlaufen im Thier- 
garten bei Militärmufif u. die Hofjagden im Grune- 
wald erwähnt. 

XI. Das Leben in ®. ift vorberrichend das 
eines großen induftriellen u. Börfenplages. Das 
Hofleben tritt nur während der kurzen Winter— 
ſaiſon, dann allerdings mit entichtedenem Aufwande 
äußerlich hervor, Der preußiſche Adel zieht nicht 
in dem Grade, wie in anderen Hauptftädten, z. B. 
Bien, zum Winter in die ererbten Paläſte ein; 
finanzielle u. politische Rüdfichten bilden die Haupt: 
urjachen diefer Reſerve. Nur ein Heiner, den Hofe 
nabeftebender Kreis deffelben, die hervorragenden 
Mitglieder der inönftriellen Kreife u. die Diplo» 
matie betbeiligen fich mit äußerem Pomp an den 
winterlichen Bergnügungen der erjten gejelligen 
Kreife, Beamte, Gelehrte u. Künftler finden leicht 
Zutritt, der Offizier darf nirgend fehlen. Das 
Intereſſe für Kunſt u. Wiffenichaft ift lebhaft, u. 
viele reiche Privatleute lieben es, fih mit einem 
gewählten Kreife von Küuftlern u. Gelehrten zu 
umgeben. Im Sommer gehört e8 zum guten 
Tone, B. wenigftens auf einige Wochen den Rüden 
zu kehren. Die nicht zu den vornehmſten Klafien 
der Gefellichaft ſich rechnenden veridhiedenen Ele— 
mente der Gebildeten jcheiden ſich, je nad) den ge- 
meinfamen Jutereſſen, die fie verbinden, in be— 
ftimmte Coterien, Eine gewiſſe äußere Bildung 
ift auch den niederen Klaſſen eigen, u. der Ber 
Bollswig, der durch Glasbrenner u. Bedmann 
zuerft eine gewiffe Berühmtheit erlangt hat, offen- 
bart ſich in einer Menge von Yocalpoffen und in 
dem verbreitetiten Wigblatte Deutichlands, dem 
Kladderadatich, und den Berliner Weipen (Bei- 
lage zur Tribüne). Das Bollsleben concentrirt 
fih jelten auf einem Punkte; nur große, vom 
Hofe veranftaltete Feite, große Paraden, feftliche 
Einzige zc. bringen ganz B. auf die Beine, ohne 
jedoch nachhaltend zu wirken. Nicht mit Unrecht 
gibt man den Bern eine gewiſſe Yeichtlebigfeit 
u, Frivolität ſchuld, wie ſolche faft in jeder großen 
Stadt, welche viele Gelegenheit zum materiellen 
Genuß des Yebens bietet, zu Haufe ift. Die Beer 
Volksſprache ifl fein eigentliher Dialeft, jondern 
nur ein corrumpirtes Hochdeutih. In deu ge— 
bildeten Kreifen ift diefelbe verpönt. Die Proftir 
tution ift in B. geduldet u. wird von dem Polizei- 


Berlin (Leben, Umgebung). 


Fahren (u. zwar der Handwerferftand mit 48 u. 
der Frabrifarbeiterftand mit 22°/,) war am ſtärkſten 
vertreten. In fittliher Beziebung jei noch be— 
merkt, daß man in B. ımter 100 Geburten 14,, 
uneheliche rechnet. Eine befoudere Erwähnung 
verdienen die MWohnungsverhältniffe. Bon den 
bei der Aufnahme von 1871 verzeichneten 178,561 
Wohnungen lagen 19,208, alio 10, pEt., in 
Kellern. Nicht jelten find diefelben Sammelpläge 
phyſiſchen und moraliihen Elends; in feiner an- 
deren Stadt leben verhältmigmäßig jo viele Men- 
[hen unter der Erde. Im Jahre 1872 famen 
durhfchnittlich 55,45 Bewohner auf jedes Haus. 
In 171 Wohnungen, aus 1—2 Zimmern be- 
jtehend, kamen 10 Menſchen auf jedes dieſer 
Zimmer, in 57 Wohnungen jogar 11, in 19 nicht 
weniger als zwiſchen 13 u. 20 Meuſchen, d. h. 
jo viel auf jeden zum Schlafen dienenden, oft 
völlig unheizbaren Kaum. Die Zahl der Wohn- 
ungen obne befondere Küche hat von 1867 bis 
1872 in den Borderhäufern um 63,,, in den 
Hofgebäuden fogar um 103,, pCt. zugenommen. 
Die Pflafterung der Stadt läßt jehr viel zu wün« 
ſcheu; Kanalifirung nad den Anforderungen der 
Jetztzeit fehlt noch trog der beharrlichften Necla- 
mationen der Preſſe. 

XIV. Umgebung B-⸗s. Die Umgebungen B-8 
find nicht fo unfreumdlich, als ihr Auf. Man hat 
fiıh daran gewöhnt, die von feinem Hügel unter 
brochene, unfruchtbare u. allerdings dominirende 
Sandebene, auf der faft mur Nadelbolz gedeiht, 
zu verjchreien, u. gedenkt nicht der Ausnahmen. 
Die herrlich grünen u. welligen Ufer der weite 
Seeflähen bildenden Havel unterhalb u. auch der 
Spree oberhalb B-8 verleihen der Landſchaft einen 
ganz eigenen, melancholiſchen u. dabei die Herzen 
gewinnenden Charakter. In der Neuzeit iit man 
beftrebt, die zahlreihen Ausfihtspunfte mehr und 
mehr dem allgemeinen Berlehre zugänglich zu 
machen. In B. fjelbft den Sommer verleben zu 
müſſen, gehört nicht zu den Annehmlichkeiten des 
Dafeins, Freundliche Spaziergänge gewährt der 
durch Alleen u. Chauſſeen durchichnittene Thier- 
garten, ein anfehnlicher, ſich zwiſchen B. u. Char» 
lottenburg erftredender, durch einen präcdtigen 
Baumftand ausgezeichneter u. ſtets belebter Part 
(Goldfiſchteich mit der Venus Victrix, Floraplatz, 
Luiſen⸗Inſel, Rouſſeau⸗Inſel, Siegesallee, Königs- 
platz u. wundervolle Reitwege). Der Umfang des 
Thiergarteng beträgt 14 Stunden. Die an den« 
jelben grenzenden Stadtviertel zeichnen fich durch 
ihre Billen, eine Zahl anftändiger VBergnügungs- 
locale u. den Zoologiſchen Garten aus. Dieſer, 
bereit 1844 gegründet, wurde 1869 unter bie 
Verwaltung des Dr. Bodinus gejtellt, welcher es 
verfianden hat, durch Schönheit der Anlagen, 
Großartigfeit der Neubauten u. Bollftändigfeit der 
Sammlungen das Etabliffement zu einer Haupt« 
zierde der Kefidenz u. zum Anziehungspunkte für 
das feinere Bublicum umzugeftalten. Ein anderes 
——— Unternehmen verſpricht die Flora in 

harlottenburg zu werden. Auf dem rechten Ufer 
der Spree liegt einer der Hauptanziehungspunfte 


Präfivium überwacht. 1874 zählte man ca. 14,000 [für die niedere Bevölkerung: Moabit. Der Nanıe 
Proftituirte, von denen 2249 unter fteter Sanitäts- |foll von den unter Friedrich I. hier angefiedelten 


Controle ftanden. 


Das Alter zwiihen 18 u. 25 franzöſiſchen Gärtnern herrühren, welde den Ow 


Berlin Geſchichte). 


des unfrudhtbaren Bodens wegen la terre moab|den Handelsverfehr mit den Slaven, an deren 
oder terre maudite nannten. Bor dem Halleihen| Grenze fie lagen, auf. Die gemeinichaftlih herr- 
Thore, dem Kreuzberg gegenüber, liegt der Bod- chenden Fürften von Albrehts Stamm, Johann 1. 
berg mit einer Bayeriihen Bierbrauerei, einem (1220 — 66) u. Otto III. (1220 — 67), legten in 
Eoncertiaal u. Parkanlagen auf der Höhe. Bon|B. Märkte u. eine Zollſtätte an u. ertheilten den 
bier, wie vom Krenzberge aus, mit der ſehr be⸗ Anſiedlern, welche ihre Rechte von Brandenburg 
ſuchten Zivoli»Brauerei, hat man einen ſchönen erhalten hatten, eigene Gerichtsbarkeit. 1253 war 
liberbfid über die Stadt, ſowie über das Dorf|®. ſchon eine anfehnliche Stadt, nad) deren Mufter 
Schöneberg, weiterhin eine Ausfiht nad demjandere new gegründete Städte, wie Frankfurt a. O., 
Grunewalde, nad Charlottenburg u. nad) den das |ftädtiihe Nechte u. Freiheiten erhielten. Unter der 
Spreethal bei Spandau einſchließenden Anhöhen Regierung jener Fürften wurden die Nicolaikirche, 
(Pichelsberge). Nach der entgegengejetten Seite|darauf die Marienkirche und das Heiligengeift- 
fiegt die waldige Hafenhaide, 4 Stunde von der|Hofpital, die älteften geiftlihen Stiftungen B-s, 
Stadt, mit Rafke- u. Landhäuſern, Bergnügungs- |gegründe. Das bedeutendfte Ereigniß unter den 
ort der niederen Stände; dort ein befonderer Plag | Nachfolgern der genannten Fürſten, 13 Jahre vor 


241 


mit Schießftänden für das Militär u. der Turn» 
plag. Am entgegengejegten Ende der Stadt, in 
der Ehauffeeftrage, dürfte noch das große Etablifje- 
ment Eistelfer zu nennen fein. Die an den Spree- 
ufern oberhalb B-8 gelegenen Sommer-Bergnüg- 
ungsorte, Schwimmanſtalten zc. find per Dampf 
ſchiff von der Janfowigbrüde Teicht zu erreichen. 
Hierzu gehören u. a. das fehr befuchte Stralau 
(befonders zur Zeit des dortigen Fiſchzuges), das 
—— Treptow u. Rummelsburg am 

ummelsburger-See, mit einem großen ſtädtiſchen 
Baifenhaufe, u. weiter die Stadt Köpenit in der 
Nähe des Müggel-Sees, welche auch mit der Frank⸗ 
futter Eiſenbahn zu erreichen if. Die außerdem 
zu Ausflügen benugten Ortſchaften in der Umgeb— 
ung B-8 Bee in der Neuzeit durch Billenbauten 
ungemein gewonnen, Anderjeits find ganze Billen- 
orte neu entſtanden u. durch die zahlreichen Eifen- 
babnen in fteter Verbindung mit der Hauptftadt, 
fo daß viele Beamte, Kaufleute zc. mur zur Ab- 
widelung ihrer täglichen Berufsgejchäfte nah B. 
fommen. Die bedeutendfte Eolonie ift Weftend bei 
Charlottenburg, ferner Steglit, Pichterfelde (mit 
dem im Bau begriffenen Gadettenhaufe), Zehlen⸗ 
dorf, Wannje (im jhöner Lage, mit dem Kaifer- 
Pavillon der Wiener Weltausftellung, durch Zweig- 
bahı mit Zehlendorf u. Potsdam verbunden), 
Tempelhof, u. auf der rechten Seite der Spree: 

tebrichsfelde, Weißenſee, Pautow, Schönhauſen, 

einidendorf, Tegel (mit dem Landhauſe Alexander 
v. Humboldts), Saatwinfel u. Pichelsdorf, die drei 
legten in fhöner Lage am Havel-Ser. 

XV. Geſchichte. Die älteften Anfiedler an 
der Stelle der Spree, an welcher das jegige B. 
fegt, waren ohne Zweifel wendische Fiſcher. Die 
beiden Dörfer Berlin und Köln, welde fie be- 
wohnten, wurden durch die Spree getrennt. Der 
Sit der wendifchen Fürſten war das nahe Köpenick, 
weshalb deu Markgrafen, welche die Grenzen des 
Deutihen Reiches nach diefer Seite gegen die 
ränberischen Einfälle der Staven zu ſchützen hatten, 
an dem Befite des von Waſſer umfloffenen, alſo 
bis zu einem gewiffen Grade feſten Platzes, Kölns, 
bef. gelegen jein mußte. Albrecht der Bär war 
der erfte, welcher bis hierher vordrang (um 1142) 
und durch Anfiedler, namentlih aus den Nieber- 
landen, deutihe Sprade u. Sitte an der Spree 
einführte. Wahricheinfich legte er die erften Be— 
feftigungen an. Unter feinen Nachfolgern blübten 
die Schwefterftädte, die zuerft 1237 u. 1244 als 
bejondere Orte genannt werden, namentlih durch 


BPierers Univerfal:Eonverfations-Lerilon. 6. Aufl. III. Band, 


dem Erlöjchen des anhaltiniſchen Haufes, war 
1307 die Bildung eines gemeinichaftlichen Rathes 
für B. u. Köln, deren Verwaltungen bis dahin 
völlig getrennt waren. Zu diefem Zmede wurde 
ein drittes Rathhaus nothwendig u. auf der Grenze 
beider Städte, an der heutigen Langen Briüde in 
der Boftftraße, erbaut. Nun bob fih B. immer 
mehr, u. im zmeiten Jahrzehnt des 14. Jahrh. 
war die Stadt das Haupt eines märkiichen Städten 
bundes, welcher der Willfür des räuberifchen 
Adels einen Damm entgegenfeßte. 1340 ſchloß 
B. einen Handelstractat mit Magdeburg u. trat 
in den Bund der Hanfa. Nah dem Erlöſchen 
der Astanier brachen Unruhen im Lande aus und 
wirkten lähmend auf den Handel u. Bertehr B⸗s, 
u, erft inter der Fräftigen Herrichaft des Burg- 
rafen Friedrich von Nürnberg, aus dem Haufe 
Folern (von 1411 an), gelang es, die Sicherheit 
im Lande wieder herzuftellen. Zwar hatten bie 
Hohenzollern manden Kampf mit der Bürger- 
ſchaft, die fich ihre alten Rechte nicht nehmen laffen 
mollte, auszufechten u. namentlich gegen Friedrich 
den Eifernen (1440—70) erhob fid die Stadt, 
als er eine Burg bauen wollte, in offener Fehde; 
doch unterwarf fie ſich fpäter; die Burg wurde 
gebaut und die ftäbtiihe Verwaltung wieder ge 
trennt. Johann Cicero erhob B. zu Ende des 
15. Jahrh. zur feften Reſidenz, welches bisher 
Spandau gewefen war. Gein Nachfolger Joa- 
him I. Neftor (1499— 1535) gründete das Hof— 
u. Kammergericht für alle Die, welche nicht der 
Gerichtsbarkeit des Rathes von B. unterworfen 
waren, u. verfucdhte überhaupt eine Reform des 
Gerichtsweſens. Seitdem gab die Stadt ihre Oppo-» 
fitton auf u. wurde eine feite Stüte des Kurfürften« 
baufes. Die Neformation fand unter Joachim II, 
(1535 — 71) raſch Eingang. Der Kurfürft trat 
1539 zur evangelifhen Lehre über, u. mit ihm 
auch der Rath u. die Bürgerichaft. In demfelben 
Fahre wurde im B. die erfte Buchdruderei er- 
richtet. Unter Johann Georg (1571—98) wurde 
der Werder in der Näbe des Schloffes bebaut, 
u. 68 ließen fich viele Riederländer nieder, welche 
dur Herzog Albas Schredensherrichaft vertrieben 
waren. Seltige Unruhen hatte 1613 der Übertritt 
des Kurfürften Johann Siegmund zur Galvi- 
niftifhen Eonfeffion zur Folge. Im 30jährigen 
Kriege litt B. außerordentliih. Es murde 1627 
von Wallenftein, 1631 von Guſtav Adolf, 1634 
von den Kailerliben u. 1636 von den Schweden 
unter Wrangel beiept. Unter diefen Wirren wurden 


16 


242 Berlin (Geichicte). 

die Vorſtädte niedergebrannt, Brandſchatzungen der Franzöſ. Krieg gerietb, großen Schaden. Am 
Stadt auferlegt, und arge Entfittlihung u. Ber-23. Oct. 1806 wurde B. von den Ssranzofen be- 
wahrlofung vig ein. Beſſer wurden die Zuftände|jegt, am 27. hielt Napolcon feinen Einzug u. blieb 
in der ſeit 1638 mit Schanzen umgebenen Stadt|bis 24. Nov. bier; die franz. Belagung zog erft 
mit dem Negierungsantritte des Großen Kurfürſten, 1808 wieder ab. Der König kehrte 23. Dechr. 
Friedrih Wilhelms (1640—88), der dem Friedrichs | 1809 nach B. zurüd. 1809 wurde die Univer- 
werder Stadtrechte gab, die Neuftadt erbaute (mady |fität hier geſtifte. Im März 1813 wurden die 
feiner Gemahlin auch Dorotheenftadt benannt), u. Franzoſen von den Kofalen aus B. vertrieben, 
Neu⸗Köln u. mehrere Vorſtädte jenfeits der alten Die Einwohnerzahl betrug 1815 175,000, Nach 
Feftungswerfe, die er nach neuem Syſtem umſchuf, dem Kriege bob fih B. ungemein; es vergrößerte 


anlegte. 
der Straßen ein u. bevöllerte die erweiterte Stadt 
mit fremden Coloniften, be. reformirten Fran— 
zojen, welche der religiöfen Berfolgungen wegen 
ihre Heimath verließen; die Bevölkerung ftieg dar 
dur von 6000 auf 20,000 Einwohner, Kurfürjt 
‚sriedrich IIL., nachmals König Friedrich I., baute 
die Friedrichstadt, erweiterte die wieder aufge- 
bauten Borftäbte, erhob B. zur löniglichen Reſi— 
denz u. vereinigte die beiden getrennten Magiitrate 
von B. u. Köln 1709 von Neuem. Prachtvolle 
Bauten (das Schloß, Zeughaus, Pofthaus, jpäter die 
Sharite, die Bank, Sternwarte, Kurfürſtenbrücke, 
die Franzöſiſche u. die Neue Kirche) wurden unter 
ihm aufgeführt. Auch gründete er 1699 die Maler- 
u. Bildhauerafademie und 1700 die Alademie der 
Riffenjchaften, und unter ihm wurde (jeit 1690) 
Theater gejpielt u. fand die franzöfiihe Mode u. 
erhöhter Luxus Eingang. Unter Friedrich Wühelm I. 
wurde der Bau des Schloſſes vollendet, die ‚zried» 
richsſtadt bedeutend vergrößert, die Königs- 
Sophien« u. Luiſenſtadt angelegt u. der Name B. 
als Gejammtname der vereinigten Stadt einge» 
führt; 1727 fiedelte fi die Böhmiſche Colonie in 
B. an. Die Einwohner, deren Zabl unter Fried- 
vi I. 50,000 betragen batte, mehrten ſich auf 
90,000. Friedrich II. baute, obgleich er in der 
Hegel nicht in B. refidirte, viele neue Gebäude, 
ließ die Feſtungswerle B-s demoliren, an deren 
Stelle neue Straßen bauen u, Alleen in den Thier— 
garten banen; die Einwohnerzahl wuchs bis 145,000. 
Im Siebenjährigen Kriege wurde B. 1757 von den 
Kroaten unter Haddil gebrandihatt, 1760 von 


Er führte Beleudtung u. Bflafterung|fih nach allen Seiten, bei. nah W. u. ©., und 


Prahtgebäude aller Art Mufeum,Königsmwache,neues 
Schaufpielhaus, die Baualademie, die Werderiche 
Kirche, die Sternwarte) u. Dentmäler der Helden 
des Befreiungskrieges entitanden. 1828 murde 
die Gasbeleuchtung eingeführt; 1828 erhielt der 
nordweſtl. Stadttheil den Namen Friedrich-Wil- 
beims-Stadt; 1831 wüthete die Cholera; 1838 wurde 
die erfte Eijenbahn vollendet, welche B. berührt 
(B.- Potsdam). Beim Tode des Königs betrug 
die Zahl der Eimmohner 310,000, u. der Werth 
der Grundftüde war feit Ende des vergangenen 
Jahrh. auf das dreifache geitiegen. Unter Friedrich 
Wühelms IV. Regierung wurde das neue Mufeum 
erbaut, die Schlopfuppel u. das Friedrihsdentmal 
vollendet, die Schlobrüde mit Statuen und der 
Opernplag mit neuen Denfmälern gefhmidt, ſowie 
auch die Friedensfänle auf dem Belleallianceplage 
zum Andenken an den 30jährigen Frieden ere 
richtet. Auch das wiſſenſchaftliche und Kunftleben 
hob fich unter dem perjönlichen Einfluffe des Königs, 
und die Bedeutung, melde B. als GCentralpunkt 
des norddeutihen Handels u. Gewerbefleißes er- 
rungen bat, 309 u. zieht immer nene unterneb- 
mende Kaufleute, Arbeitskräfte u. Capital an, fo 
daß die Grenzen der Stadt ſich weit über die 
Hingmaner ausdehnten. Im Auguſt 1844 fand 
hier die erfte große Gemwerbeausftellung der Zoll. 
vereinsjtaaten (j. u. Fnduftrieausftellungen), 1851 
der Abjchluß des Pojtvereinsvertrages u. der An— 
ſchluß des Steuervereins an den Hollverein, 1853 
die Unterzeihnung des Handelsvertrages zwiſchen 
Ofterreih u. dem Zollverein u. die Ratıfication 


den Ruffen unter Zottleben bejhofien u. genommen, des Vertrages mit dem Steuerverein, ferner ein 


jedoch bald wieder verlaffen. Um der bierdurd 
veranlaßten Entvöllerung u. Verarmung zu fteuern, 
gab der König der Induſtrie in B. neuen Auf: 
ſchwung u. lieg Fabriken für Seiden- u. Kattun« 
jtoffe errichten un. hob Handel u. Gewerbe durch 
zwedmäßige Einrihtungen. Die Bevölferung 
mebrte fi wieder auf 150,000, und die Stadt 
wurde durch Bauten (Vollendung der beiden Kirchen 
auf dem Gensdarmenmarkte) und Statuen der 
Helden des Siebenjährigen Krieges verichönert. 
Es entjtanden das Opern u. das Scaujpiel- 


Congreß der Zelegraphendirectoren Deutichlands 
u. der Niederlande ıı. 1855 die Deutſch-Belgiſch- 
Franzöſiſche Telegrapbenconferenz ftatt. Bon grör 
geren Bränden der neneften Zeit find zu erwähnen : 
der des Krollſchen Etabliffement® 1851, des 
Sitzungslocals der Erften Kammer in demjelben 
‚Jahre, des Tivoli auf dem Kreuzberge 1853, des 
Renzſchen Circus 1854 u. der des Großen Opern— 
haujes i. J. 1847. Dieje Gebäude wurden alle 
neu u. fchöner wieder aufgebaut. In Bezug auf 
firhlihe Angelegenheiten wurde bier 1846 die 


haus, die Königl. Bibliothek u. die Straße Unter |Evangeliihe Kirchenconferenz, im Herbfte deffelben 


ven Yinden. 1785 wurde in B. der Deutſche 
Fürſtenbund geichloffen u. 1792 der Allianzvertrag 
mit Oſterreich gegen 
Friedrich Wilhelm II. baute u, a. das Branden- 
burger Thor; 


Anfang feiner Regierung Manches zur Berfhöner- | bes abgebalten. 

ichon | faltete : 
nah 10 ‚Jahren durch den Krieg von 1806 unter- | Rußland u. 
In den folgenden Jahren litt B. durch in die öfterreichiichen Staaten beſchloſſen war, im 


ung B⸗s, doch wurde jein Bemühen 


brochen. 


Jahres die Hauptverfammlung des Guftav-Adolj- 
Bereins und der Deutſch-Evangeliſchen Miſſions- 


Frankreich unterzeichnet. | gejellichaft, im Mai 1847 das zweite Coucil der 


eutjh- Katholifen und im September 1857 die 


Friedrich Wilhelm III. that zu) Verſammlung der Freunde des Evangeliihen Bun: 


Negeres politiihes Leben ente 
ich, nachdem bier 1846 zwiſchen Preußen, 
jterreih die Einverleibung Krakaus 


die Calamität, im melde der Staat durch den Jahre 1847 nah Berufung des erjten allgemeinen 


Berlin Anhaltiiche Eiſenbahn — Berlin Hamburger Eijenbahn. 


Landtages; am 18. März 1848 war B. Schauplagı XVI. Literatur: Mila, Geſchichte des Ur— 
eines blutigen Straßenfampfes; im October ver- |fprunges B⸗s 2c., Berl. 1829; Fidicin, Beiträge 
fammelte fih hier der Demokratiſche Congreß, vom zur Gefchichte der Stadt B., ebd. 1837, 3 Tble,; 
November 1848 bis Ende Juli 1849 wurde über| Klöden, Über die Entſtehung ꝛc. der Städte B. u. 
die Stadt der Belagerungszuftand verhängt, u. im Köln, ebd. 1839; Fidicin, Die Gründung Brs, 
Mai 1848 wurde hier das Dreifönigsbündnig|ebd. 1840; Chronik B-8 für die Jahre 1837—40, 
unterzeichnet; im Mai 1850 trat hier der ;zürften- |berausg. von Gropius, ebd. 1837—40, 4 Jahrg.; 
congreß zufanımen, und im Juli wurde hier der Geppert, Chronik von B., ebd. 1837 ff.; Hamgo, 


245 


Friede mit Dänemark abgeichloffen. 
1853 wurde die neue Städteordnu 


Entwidelung 


Am 28. Juni Neue Berliner Stadtchronit, 1841; Braß, Chronik 
19 eingeführt. |von B., 1841; Nicolai, Befchreibung B-8 u. Pots- 
Die ſchon unter Friedrich Wilhelm IV. begonnene |dams ꝛc., 


ebd. 1779, 2 Thle.; Gädife, Yeriton 


Bes zu einem blühenden Site derjvon B. u. der umliegenden Gegend, ebd. 1806; 


Großinduftrie, des Handels u. Gewerbes nahm |Helling, Geichichtlich-ftatiftiich-topographiiches Ta— 
unter dem Nachfolger deffelben, Wilhelm, noch ſchenbuch von B. zc., ebd. 1830; Die Umgegend 


größere Dimenfionen an, 


Induſtrie u. bürger-|B-8, ebd, 1833; Cosmar, Bilder u. Skizzen aus 


licher Verkehr hatten ſich allmählich große, außer-|dem Berliner Leben, ebd. 1839; Wegweiſer durch 


halb der Dauer liegende Gebiete in dem Grade 
angeeignet, daß diefelben 1866 zur Stadt hinzu— 
gezogen wurden. Diefe jüngften Stadttheile find 
der Wedding, Moabit u. die ſchon vorher von 
Tempelhof u. Schöneberg abgezmweigten Reviere. 
Eine Folge diejer Affımilirung der äußeren Re- 
gionen war bie jeit jenem Fahre begonnene Nieder- 
legung der Stadtmauer, welche die unter könig— 
licher Leitung früher entwidelte Stadt einſchloß. 
Das Wahsthum der bürgerlihen Thätigfeit und 
Schöpfung erhielt feinen Ausdrud in dem neuen 
Rathhausbaue, in welchem am 6. Januar 1870 
der Magiftrat u. die Stadtverordneten unter Führ⸗ 
ung des damaligen Oberbürgermeifters Seydel ıhren 
feierlichen Einzug hielten. Judefjen war B. nad} dem 
glüctichen Erfolge des Dän. Krieges vom J. 1864 
u. des Böhmiſchen von 1866 das Jahr darauf Sit 
des Norddentichen Reichſstages geworden u. ward 
dur den Erfolg des Franzöſ. Krieges der Jahre 
1870 u. 1871, nachdem König Wilhelm zu Verſailles 
am 18. an. 1871 die Huldigung als deutſcher Kaiſer 
empfangen hatte, deutſche Kaiſerſtadt u. Sit des 
Deutſchen Reichstages u.der oberftenHeihsbehörden. 
Die drei Einzüge der fiegreichen Heere von 1864, 
1866 u. 1871 erbielten 1873 ihr Denkmal in der 
Friedensfäule auf dem Königsplage, nachdem der 
September 1872 die AZufammentunft der drei 
Kaifer von Ofterreih, ſtußland und Deutfchland 

ejeben. Der reißend fchnellen Bermehrung der 
Stadtbevölferung ift bereits oben unter I. erwähnt. 
Der vermehrte Zuzug und die Steigerung der 
Mietbpreife führten i. J. 1872 zu zahlreichem 
Abzuge, zu Niederlafjungen in den benachbarten 
Drtihaften u. zur Gründung von Colonien, welde 
in täglihem Geſchaftsverlehr, mit B. blieben und 
jenen Orten einen ftäbtiihen Charafter gaben. 
Diefe neue Erweiterung Bes veranlafte die Be— 
rathungen zwiſchen dem Oberbürgermeifter Hob- 
recht u. dem Minifter des Innern, aus welden 
Ende des Jahres 1874 der Gejegentwurf herbor- 

ing, wonach aus der Stadt u. dem umliegenden 

rtichaften eine Provinz B. geſchaffen werden 
foll, zu welcher die Städte Charlottenburg u. Kö— 
penid gehören, ferner der Grunewald, die Jung: 
fernhaide u. gegen dreißig Ortſchaften geichlagen 
werden, unter diefen (als Landkreis B.) 5. B.: 
Brit, Dahlem, Giejendorf, Lichtenberg , Lichter 
felde, Mariendorf, Rirdorf, Schöneberg, Stralau, 
Tempelhof u. Tegel, welches Gejeg jedoch vorläu- 
fig zurücgeftellt worden iſt. 


B., Potsdam u. Umgebungen; Illuſtr. Wegmeifer 
(Griebens Neife » Bibliothel), 21. Aufl., 1869; 
Spifer, B. u. feine Umgebung im 19. Jahrh., ebd, 
1833 ff.; B., ein ihrer zc., 5. Aufl., ebd. 1857; 
Stredfuß, B. feit 500 Jahren, ebd. 1863 — 65, 
4 Bde.; Derj., B. im 19. Jahrh., ebd. 1867—69, 
4 Bde.; Woltmann, Die Baugeſchichte B-3 bis 
auf die Gegenwart, ebd. 1872; Gebald, B⸗s Dent- 
mäler der Bau- u. Bildhauerfunft, ebd. 1844; 
Schasler, B-3 Kunftihäge, die Königl. Mujeen, 
10. Aufl., ebd. 1874; Cotta, Heimathskunde von 
B., 2. A. ebd. 1873; Trachſel, Gloſſarium der 
B-ihen Wörter n. Redensarten, ebd. 1873. Die 
authentische u. umfaffendfte QOuellenjchrift über die 
neuefte Entwidelung B»8 bildet die Sammlung 
der Berichte über die Berliner Bollszählungen 
von dem Jahre 1861 an bis zur Gegenwart, ber 
arbeitet u. erläutert von dem im Sept. 1874 ver- 
ftorbenen Dr. jur. H. Schwabe, Director des 
Statiftiichen Bureaus der Stadt 8. 
L—XIV. X. XV. XVI. B. Bauer.“ 
Berlin⸗Anhaltiſche Eiſenbahn (Ende 1873): 
Länge 372,, km. Auzahl der Locomotiven 101; 
der Perjonenwagen 255; der Güterwagen 2083, 
Einnahme: 5,143,245 Thlr. Benennung der fir 
nien: ge (161,, km), Eröffnung 1841, 
rejp. 1859; Jüterbogk-Röderau (78,, km), €, 
1848; Wittenberg - Köthen (57,, km), E. 1840; 
Zweigbahn Deffau-Bitterfeld (25,, kın), €. 1857; 
Bitterfeld-Leipzig (31,, km), €. 1859; Noßlau- 
Zerbft (17, km), E. 1863, refp. 1874. Zeit der 
Gründung 1839. Anlagecapital bei der Gründung 
3,000,000 Thlr., neues Anlagecap. 5%/, Dil, Thir. 
Privat Verwaltung. Directionfig Berlin, 
Berlin-Breslan, |. Niederſchleſiſch-Märkiſche. 
Berlin» Görliter Eiſenbahn (1875): 
Länge 287,0, km; im Bau 40,,, kın. Anzahl der 
Locomotiven 71; der Perjonenwagen 137; der 
Güterwagen 1031. Einnahme pro 1873 1,709,271 
Thlr. Benennung der Linien: Berlin - Görli, 
Stammbahn (207,88 km), Zweigbahn Plibbenaus 
Kamenz (71,46 kp), Zweigbahn Weißwaſſer ⸗Mus⸗ 
fau (7,0 km); im Bau Görlig-Ridiich-Seiden- 
berg (16,96 km) u. Nidifch - Zittau (23,59 km), Zeit 
der Gründung 1863/64; der Inbetriebſetzung 1868, 
Anlagecapital bei der Gründung 11,000,000 Thlr.; 
beutiges Anlagecap. 19,531,000 Thlr, (incl. Zweig« 
bahnen). Privat-VBerwaltung. Directionfig Berlin. 
Berlin - Hamburger Eiſenbahm (Ende 
1874): Yänge 441 km. Anzahl der Yocomotiven 


16* 


244 


164; der Perfonenwagen 361; der Güterwagen 
3473. Cinnahme 5,250,376 Thlr. Benennung 
der Yinien: Hauptbahn (286 km), Wittenberger 
Lüneburg- Buchholz (142 km), Bücen-Yanenburg 
(13 km). Inbetriebſetzung 15. Oct, reip. 15. 
Dec. 1846. Heutiges Anlagecapital 24,338,000 
Thlr. (einichließlih Amortiſationsfonds), wovon 
15,533,000 Thlr. im Prioritäts-Obligationuen. 
Privat⸗Verwaltung. Directionſitz Berlin, 

Berlin ſtönigsberg, ſ. Oſtbahn. 

Berlin⸗Lehrte, ſ. Magdeburg -Halberſtädter 
Bahu. 

Berlin⸗Potsdam-Magdeburg (1875): 
Länge 263,, km. Anzahl der Locomotiven 120; 
der Berjonenwagen 292; der Gilterwagen 2487. 
Benennung der Linien: Berlin Schöningen (189, 
km), Eilsleben-Helmftedt (17, km), Magdeburg: 
Zerbit (30,, kun), Wanniee » Babn (11, km), 
Nebenbahnen (14,, km). Zeit der Gründung 1837, 
der mbetriebjegung: für die Strede Berlin- 
Potsdam 1838, für die Str. Potsdam- Magdeburg 
1846. Heutiges Anlagecapital 14,850,000 Thlr. 
Privat-Berwaltung. Directionfig Berlin. 

Berlin-Stettiner Eifenbahn (1874): Länge 
821, km); im Bau 121,, km; gepadtet 23,0 
km). Anzahl der Yocomotiven 252; der Perjonen- 
wagen 444; der Güterwagen 3986. Einnahme 
6,791,147 Thlr. Benennung der Linien: Berlin- 
Stettin xc. (222,95 km), Stargard-Köslin-Kolberg 
(173,0, kın), Köslin-Danzig (197,,, km), Anger- 
münde- Straljund 2c. (229,,, km) ꝛc.; im Bau: 
Swinemünde -Ducherow (38,, km), Angermünde: 
Freienwalde a./D. (30,, kın), Wriegen- Frant- 
furt a, d. O. (52, km); in Pacht genommen: 
Angermünde » Schwedt (23... km). Beit ber 
Gründung 1840; der Inbetriebſetzung 1842. 
Anlagecapital bei der Gründung 2,724,000 Thir.; 
beutiges Anlagecapital 47,806,200 Thlr. Privat: 
Bermwaltung. Direetionfig Stettin, 

Berlindgen, Stadt im Kreife Soldin des preuß. 
Negbz. Frankfurt, am Ausfluß der Plöne aus dem 
See gleihen Namens; Papierfabril; Krebsfang; 
BViehmärkte; 4756 Em. 

Berline, in Berlin erfundener, Aſitziger Reife- 
mwagen, welcher zurüdgeichlagen werden fann; 
hängt mit Riemen in Federn, bat ftatt des Yang- 
baumes 2 Schwungbäume u, wirft nicht leicht um. 
Die halbe B. (Berlingot) ift leichter gebaut u. 
ſitzig. 

Berliner Blau. Fällt man die Löſung eines 
Eilenorydialzes, 3. B. Erienchlorid, mit einer Auf- 
löſung von gelbem Bilutlaugenfalz, wobei erfteres 
im Überſchuß vorhanden ſein muß, jo erhält man 
einen tiefblauen Niederichlag, der nad dem Aus- 
wachen u. Zrodnen eine tiefblaue, faft ſchwarze 
Mafje bildet, ähnlich dem Indigo, beim Reiben 
Kupferglanz zeigt und in Waſſer u. verbünnten 
Mineralfäuren unlöstih if. Derfelbe führt die 
Namen Berliner oder Parifer Blau, Ferri— 
ferrocyanid, Ferrocyaneifen, u. feine Bildung ver- 
läuft nad folgendem Proceß: 

3K,FeCy, + 2Fe,C,=12KC1 + 3FeCy,,4Fe 

gelbes Blut: u. Wilen: geben Eblor: u. Berliner Blau. 

laugenfalz chlorid. lalium 
Es wird durch Kochen mit Kalilauge in Ferro— 
cyanfalium u. ſich abicheidendes Eijenorybhybdrat 


Berlin Königsberg 


— Berliner Blau. 


zerlegt. Beim ftärferen Erhiten erleidet es eben- 
falls Zeriegung. Diefes B. B. ift in Oralfäure 
leicht löslich u. wird daher zur Bereitung blauer 
Tinte benugt, indem man die gepulverte 
Subftang in Wafler, in welchem ihres Ge- 
wichtes an Oraljäure gelöft ift, erwärmt. Das 
B. 8, findet eine ausgedehnte Anwendung als 
Malerfarbe, in der Kattun- u. Tapetendruderei, 
zum Färben der Wolle, Baummolle u. Seide. 
Während das auf obige Weiſe dargeftellte B. B. 
reines Ferriferrochanid if, enthält das gewöhn— 
liche B. B., von feiner Darftellung berrübrend, 
noch Thonerdehydrat. Die Darftellung im Gro— 
Ben geſchieht nämlich auf die Weije, dag man zur 
einer theilweife orydirten Eifenvitriollöfung rohes 
Biutlaugenfalz fett, wodurch ein bläulich-weißer 
Niederihlag entjteht, der entweder duch Steben 
an der Yuft, oder durch Behandeln mit Eblorlalt 
u. Salzfäure orydirt, reip. dunkler gefärbt wird. 
Das hierzu dienende rohe Blutlaugenjalz enthält 
aber merft größere Mengen von kohlenſaurem 
Kali, zu deſſen Neutraliirung man dem Eifen- 
vitriol Alaun zujett, wodurch lösliches jchmweiel« 
jaures Kali u. unlösliches, im Niederichlage zu—⸗ 
rüdbleibendes Thonerdehydrat entſteht. Um let 
teres nicht in Löſung zu bringen, darf alsdann 
die Orydation nicht wie vorhin durch Salzſäure 
u. Eblortalf bewirkt werden, fondern einfach durch 
den Sauerftoff der Luft. Eine noch unreinere 
Sorte, das Mineralblau, wird durch Bermifchen 
des gemöhnliden B. Bres mit Schwerfpath, 
Kreide, Thon u. Fodftärke hergeftellt. Außer dem 
oben bejchriebenen, in Waffer unlöslihen B. 8. 
ift auch noch eine in Waſſer löslihe Verbindung 
befannt, die ebenfalls den Namen B. B. führt, 
fih aber in der Zufammenfegung durch einen 
Gehalt an Kalium von erfterer unterjcheidet. Fällt 
man nämlid eine Auflöjung von gelbem Blut- 
laugenſalz mit einem Eiienorydfalze, wobei erfteres 
Salz im Überfhuß vorhanden ift, fo entfteht ein 
tiefblauer, dem Barifer Blau ähnlih ſeheuder 
Niederſchlag nach der Serfegumgsgieidung: 
2K,FeCy,+ Fe&,C,=6KCl + 2FeCy,K,F& 
gelies Blut: u. Eifen: geben Eblor: u. los liches 
laugenſalz chlorid talium Berliner Blau. 


Dieſer Niederfchlag ift ın der ammefenden Löſung 
von Ehlorkalium unlöslich; filtrirt man denjelben 
aber u. wäſcht ihn mit Waffer aus u. trodnet 
ihn, jo zeigt er die Eigenichaft, fih in Waffer zu 
einer tiefblauen, ebenfalls als blaue Tinte ver« 
wendbaren Flüſſigkeit aufzulöfen. Allohol und 
Salzlöfungen fällen ihn aus feiner wäfferigen 
Löſung. Da der Niederfchlag vom B. B. felbit 
in den verbünnteften Löſungen von Eifenorydialzen 
ftattfindet, jo dient derjelbe als eine der fchärfften 
Neactionen auf fegtere. Gin blauer Niederſchlag, 
der au oft mit dem Namen B. B., häufiger 
aber als Turnbulls Blau bezeichnet wird, ent⸗ 
jteht beim Berjegen. einer Eifenorydulfalzlöfun 
mit FFerrideyanfalium (rothem Blutlaugenfalz 
nad der Gleihung: 

2K,FeCy, + 3FeSO,—=3K,SO, + 2FeCy,Fe& 

rotbes Blut: u. Eiſen⸗ geben ſchweſel⸗ u Turnbulls 

laugenſalz vitriol faures Kali Blau. 


Diefer Niederihlag beißt auch Ferridcyaneiſen. 
Serrodnet bilder er eine Ihön dunfelblaue, dem 
B. 3. ähnlihe Maffe. Die Entftehung des Nie- 


245 


derihlages dient als Reaction auf Eifenorgdufl-)1842—1843 feine erfte Reife durch Belgien und 
ſalze. Elören. Deutſchland, wurde 1850 Vorſtand der Phil- 

Berliner Braun, eine durch Glühen des Ber-/barmonifchen Gefellihaft u. 1856 infolge feines 
Iiner Blaus in einem eifernen Löffel erhaltenes, Tedeums Mitglied der Afademie für ſchöne Kitnfte 
aus Eifenoryd u. Koblenftoffeifen beftehende braune zu Paris, auch war er Offizier der Ehrenlegion. 
Farbe. B. Grün wird ein grüner Niederichlag| Er ft. 9. März 1869. B. componirte noch: Sin- 
genannt, welcher durd Einwirkung von fiberihüf-|fonie melodique; Franes-Juges; die Ouvertüren 
figem Chlor auf eine Löſung von gelbem Blut-/zu Waverley, Le roi Lear; die Symphonie Ha- 
laugenſalz u. Kochen der erhaltenen Flüſſigkeitſrold en Italie (1834); die Oper Benrvenuto 
entitebt. Denjelben Namen hat eine grüne Ber-[Cellini (1838) u. die Symphonie Romeo et 
bindung, welche durch Behandeln von Berliner| Juliette (1839); der Tod Napoleons (Cantate 
Ban mit Bargthydrat oder Ammoniak entfteht,|von Beranger); Sinfonie funebre et triomphale 


Berliner Braun — Bermudas. 


ſowie das Kobaltferrocyanür, welches durd Fällen 
von Kobaltorydulialgen mit Ferrocyanfalium fich 
bildet. Die Farbe ift ohne Anwendung, weil 
der blaßgrüne Niederfchlag fich bald röthlich-braun 
färbt, Elören. 

Berling, 3. 8.; war Buchdruder in Kopen- 
bagen, wurde dann Kammerherr u. zulett Pri— 
vatjecretär, Generalintendant der Givillifte und 
Neifemarihall des Königs Friedrih VIL.; er ft. 
29, März 1871 auf einer Bergnügungsreiſe zu 
Ismaila in Agypten. Er ift bei. befannt durch 
fein Berhältnig zur Luife Rasmuſſen, der nach— 
maligen Gräfin Danner, die ihm drei Töchter 
gebar, u. als Beſitzer der Berlingske Tidende, 
der jet im Dänemark älteften u. halbofficiellen 
Zeitung. 

Berlinghieri, Andrea Bacca, berühmter 
Chirurg, geb. zu Pifa 1772; ftudirte vom 17. 
Jahre an in Paris ımter Default, den er nad 
Holland begleitete, ging danı nadı England, um 
Hunter u. Bell zu hören; wurde 1799 feinem 
Vater beigegeben u. erhielt kurz darauf die Leit- 
ung der chirurgischen Klinik in Pifa, woſelbſt er 
am 7. Sept. 1826 ftarb, Die operative Ehirur- 
gie verdankt ihm mehrere werthvolle Erfindungen 
von Methoden u. Inſtrumenten. Er ſchr.: Ri- 
flessioni sul trattado di chirurgia dell Sign. B. 
Bell, Bifa 1793; Trait& des maladies venerien- 
nes herausg. dv. Algon, Paris 1800, deutic, 
teipz. 1801; Storia del aneurysma, Pifa 1803; 
Memoria sopra l’allacciatura dell’ arterie, daſ. 
1819; della esofagotömia, daf. 1820; Memoria 
sopra il metodo di estrarre la pietra della 
vesica orinaria u. |. f., daj. 1821, der ein 
zweites u, drittes, 1822 u. 23, folgte, Zbambayn. 

Berliog, Hector, geb. 11. Dec. 1803 zu 
Cöte St. Andre im Dep. Iſere; ging nach Paris, 
um Medicin zu ftudiren, wandte fi aber gegen 
den Willen feines Vaters, der ihm in der Folge 
jede Unterftügung entzog, dem Studium der Muſik 
au; war erft Chorift am Theätre des Nouveau- 
tös zu Baris u. trat dann in das Eonfervatorium 
als Schüler ein. Hier genoß er den Unterricht 
Reihas u. Leſueurs u. bildete ſich ſowol im praf- 
tiſchen Spiel, wie aud in der Compofitionslehre 
aus, 
war die Sinfonie fantastique (1828); 1830 erbielt 
er für die Cantate Sardanapal den großen Preis 
des Inſtituts; 1830— 32 bereifte er Jtalien, Als 


(bei Enthällung der Yulifäule, 1840), Sara la 
baigneuse; Scenen aus Fauſt von Göthe; Re— 
quiem zu Damremonts Todtenfeier (1837); die 
Trilogie L'enfanee du Christ (1854), deren erfter 
Theil, La fuite-en Egypte, aud in Deutjchland 
Erfolg hatte; Te Deum (1856); die lomiſche Oper 
Beatrice et Benediet (1862); die Oper Les 
Troyens en Carthage (1864). Er ſchr.: Traite 
d’instramentation et orchestration modernes, 
Par. 1844, deutih von Grünbaum, Berl. 1845, 
2, A., 1864 f., u. von feibrod, Lpz. 1845; von 
Dörffel, ebd. 1864; Voyage musical en Alle- 
magne et en Italie, Paris 1845; Les soirces 
de l’orchestre, ebd. 1853, 2. W., 1854; Les 
grotesques de la musique, ebd. 1859; A travers 
chant, ebd. 1862; Geſamm. Schriften, Ausg. von 
R. Pohl, Lpz. 1863 f. 1—4. Als muſilaliſcher 
Kritifer trat B. mit Erfolg in der Gazette musicale 
und dem Journal des Debats auf, im Letzteren 
namentlich mit feinen Briefen über die Reife durch 
Belgien n. Deutichland, deutich von Gathy, Hamb. 
1844; er hinterließ Memoiren, die nad) feinem Tode 
veröffentlicht wurden, ®gl. Hector B., Etudes 
biographiques et eritiques in der Revue et ga- 
zette musicale 1869—1870 von Mathieu de 
Monter, Brambah.* 

Berlofen (v. fr. Breloques), 1) Kleinigfeiten, 
Spielmaaren von Metall, Elfenbein, Porzellan u. 
dgl.; 2) Ziergehänge an das Uhrband. 

Derme, 1) Abſatz zwiſchen dem inneren Gra— 
benrande u. der Böſchung des Walles, meiit bei 
‚Feldbefeftigungen angewendet, O,5—1,, m breit, 
um theils das Herabrollen der Erde der Bruft- 
wehr zu hindern, theils um den Bau der Brujt- 
wehr zu erleichtern. Auch bei älteren Feſtungen 
findet fie ſich 1—3 m breit, auf der oberen 
Fläche der Futtermauer angelegt, meift tiefer als 
der Bauhorizont u. gegen den Graben zu durch 
eine freiftehende, crenelirte Mauer begrenzt. Den 
binter dieſer Mauer führenden Weg nannte man 
Rondengang. Nachtheil der B. iſt immer, daß 
fie die Sturmfreiheit des Werfes verringert ı. 
dem ftürmenden Feinde einen Ruhepunkt bietet; 
um diefen Nachtbeil zu verringern, bringt man 
bei Feſtungen Dornenbeden x. auf ihr am. 


Sein erſtes Aufſehen erregendes Wert|2) (Wafjerb.) So v. w. Banker 3). 3) So v. mw. 


Hefen. 
Bermẽo, Flecken in der fpan. Prov. Bilbao, 
an der Baivon Biscaya; Hafen, Fiſcherei; 3900 Ew.; 


Eomponift bildete, er fi einen eigenartigen Stit| Geburtsort des Dichters Alonfo de Ercilla. 


ans, der viele Abntichleit mit der meudeutichen 


Bermüdas (Somers-Jnfeln), Gruppe von ges 


Richtung zeigt; er jchriftjtellerte auch, zunäcdhft für gen 400 Eilanden im Arlantiihen Ocean, ımter 


muſikaliſche Zeitschriften, umd wurde 1839 Bi⸗— 310 50° bis 32° 20° n. Br. u. 


bliothetar des Conſervaioriums. B. unternahm 


47° 11° 
mw. 2.; 187, km lang, 135 km breit; 1522 


246 


von dem Spanier Juan Bermubdez entdedt und 
1609—1612 von den Briten unter Sir George 
Somers bejegt; meift niedrige waſſerloſe Korallen- 
riffe; zufammen 105, [km (Io DIM); 
14,791 Ew., wovon 12,121 Civilben., 2670 
Militärs mit deren Familien; unter den Erften 
4725 Weiße ı. 7396 Farbige, auf 9 Inſeln (die 
übrigen find unbewobnt). Die Juſeln find dürr, 
felfig, bringen einige XTropenfrüchte (befonders 
Juniperus bermudiana), Schiffsbau- u. Bauholz, 
Fiſche hervor. Gute, wenn auch ſchwer zugäug— 
liche Häfen u. die Lage machen die Inſeln zu einer 
wichtigen Flottenſtation; das milde Klima empfiehlt 
ſie als Kurort; Waſſer wird nur aus Ciſternen 
gewonnen, Als Grenze der Paſſatwinde find bie 
B. häufig Orkanen ausgelegt. Handel n. Sciff- 
bau bilden die Sauptbefcäftigung. Werth der 
Sndelsproducte 1872 329,500 Pi. St., wovon 
une 62,000 Ausfuhr; jährlich verfebren 220 —240 
Schiffe. Ein Gouverneur mit einem Rathe von 
8 Mitgliedern machen das Oberhaus, eine 
Aſſembly von 36 durch die Grundbeſitzer gewähl« 
ten Abgeordneten das Unterhaus aus, Die be- 
wohnten Eilande beißen: a) St. George, mit der 
gleihnam. ehem, Hauptftadt u. dem Hafen George- 
toren, gededt durd das Fort Davers, 7 Batte- 
rien; große Wafferbehälter; 3000 GEimw.; b) 
St. Davids; c) Bermuda, mit Hafen Hamilton, 
jest Hauptftadt u. Sig. der Negierung; d) Gates; 
e) GCoopers; f) Somerjet; &) Bird Island; h) 
Kings Island und i) Jreland mit einem großen 
Ded. Bgl. Godet, B., its history, products, 
agriculture, commerce, government, Yond., 1860. 

Bern, 1) Kanton, der zweitgrößte Kanton der 
Schweizer Eidgenoffenihaft und der abfolut 
am ftärfften bevölferte (über ?/, Mill. Em.); 
6889 |_ km (125, [IM); grenzt im NW. an 
Frankreich u. das deutiche Reichsland Elſaß u. 
nad) den übrigen Seiten an die fchweiz. Kantone 
Solothurn, Bajel-Fand, Aargau, Yuzern, Unterwal- 
den, Uri, Wallis, Waadt, freiburg u. Neuenburg 
u. kommt aljo mit der halben Schweiz grenznach- 
barlicy in Berührung. Vom Grimfelpaß bis Bon- 
court ift der Kanton 350 kn lang u. vom Suftenpaf 
bis zur Gummflub 105 km breit. Die (1870) 
506,465 Köpfe zählende Bevöllerung befteht aus 
436,304 NWeformirten, 66,014 Katholifen, 2746 
andere Chriften und 1400 Israeliten. Sprache 
vorwiegend deutih (afemannischer Dialekt); nur 
etwa 17°, der Bevölkerung, in den Bergen des 
„Jura lebend, jprechen franzöfih. Der Kanton 
enthält nirgends große Ebenen; die Bodenerheb- 
ung gipfelt fih von dem beträchtlichen Hügel- 
und Berggelände zu den gewaltigen Hochalpen, 
welde unter der Bezeichnung des Berner Ober: 
landes (ſ. d.) bekannt find, In Ddiefem Ge: 
birgsftode erreihen fie im Finſteraarhorn den 
höchſten Punkt mit 4275 m, Diefe Bergfette 
bildet zugleih die Wafjericheide zwiſchen der 
Nordfee (Mheingebiet) u. dem Mittelländiichen 
Meere (Rhönegebiet). Im NW. gebört ein Theil 
des Jura zum Kant. B.; es find Partien der 
Blauen, Wiffenberg: oder Lomont⸗Kette, der Paß— 
wang« u. Hauenftein Kette, die Freiberge u. das 
Erguel u. endlid die Chafferal- u. Weißenitein« 
Kette, von meld) legterer nur die ſüdweſtl. Aus- 


Bern (Kanton, Geogr.). 


läufer no zu B. gehören. Die bedeutendſte 
Erhebung im Beer Jura ift der Ehafferal 1610 m. 
Eine nambafte Anzahl von Päflen u. Bergftraßen 
(Cluses) verbinden die einzelnen geftredien Thäler 
mit einander (ſ. d. Art. Jura). Geologiſch 
—— die Bser Alpen den kryſtalliniſchen oder 
ogenannten Urgebilden des Glimmerjciefers und 
Gneifes, des Alpen⸗Granits und den davor ge» 
lagerten Sediment-Gebilden des Jura, der Kreide 
und der älteren Tertiär-Formation an. Der 
Jura ift faft ausſchließlich durch den nah ihm 
genannten Kalk mit durchbrechenden Trias⸗Ge— 
jteinen gebildet, u. nur das gehügelte Mittelland 
(zwifhen Wlpen und Jura) zeigt die jüngiten 
Zertiär-Gebilde der Nagelfluh u. Molafle-Schich- 
ten. Die Gemwäfjer gehören, lediglih mit Aus- 
nahme des Doubs, zum Syftem der Aare, welde, 
den Brienzer- u. Thuner- See durchfließend, die 
Lürfchine, die Kander u, Simmen, die Saane mit 
ihren Nebenflüffen, die Zihl mit ihren Gewäflern 
aus dem Neuenburger-, Bieler- u, Murten-See, ſo— 
wie endlich nody Die Emme u. eine Maſſe Heinerer 
‚zlüffe u. Bäche aufnimmt. Die Birs fließt direct 
in den Rhein bei Bafel u. nimmt die Jura-Ges 
wäſſer des Minfter-Delsberger- u. Laufen-Thals 
auf. Bedeutende Schäden erwachſen dem Yande 
durch die Heinen Jura-Gewäſſer; ihr ungeregele 
ter Yauf bat viel Sumpfgegend geichaffen, an 
deren Trodenlegung (Jura »Gemwäfler »- Correction) 
die Negierung nah den Plänen des Ingenieurg 
Ya Nicca mit großem Fleiße arbeitet, Nächſt den 
obengenannten gibt es noch eine bedeutende Zahl 
Heiner Hochgebirgsieen, wie 3.8. die Grimſel-Seen 
auf dem gleichn. Baß, der romantische Oſchinen⸗See, 
der Engitien- See, an der Unterwaldener Grenze, 
u. v. a. Unter den Mineralguellen ragen bes 
jonders die bei Weißenburg, am Gurnigel, Blu— 
menftein, Limpach, Yangnau zc. hervor, Waffer- 
fälle fiehe B-er Oberland. Das Klima, bedingt 
durch die maffige Erhebung des Bodens, ift vor« 
herrſchend rauh, falt, aber gefund, in einzelnen 
Thälern, wie 3. B. im Lauterbrunnenthal, am 
Mittag im Hochſommer durch feine riefigen Nefler- 
wände faft unerträglich heiß, in einzelnen Yagen 
am Thuner-See (Spiez u. Thum), fowie am 
Bieler-See (Twann u. Erlach) dagegen fo mild, daß 
noch Wein gedeiht, deſſen Eultur im Kant. Bern 
ſonſt nicht zu ermöglichen iſt. Der Yandbau erzeugt 
in guten Jahren jo viel Getreide (namentlich im 
Ober-YAargan, Mittel u. Seeland), als er bedarf; 
außerdem find Hanf u. Flachs zwei hervorragend 
cultivirte Pflanzen. An Weinbergen bat der Kant. 
bloß die zwei angeführten Lagen; eingeführt wer— 
den jährlich noch faſt 9 Mill. 1 aus den Kant. 
Waadt, Neuenburg u. Wallis u. faſt 7Y/, Mill. 1 
aus dem Auslande, Wälder deden etwa 1/, 
des Kant., namentlih die Jura» Diftricte; indeß 
werden die Wälder jährlihb um 75,000 Alafter 
übernugt, Biebzucht ift bedeutend, beionders in 
der ſchönen Frutig-Simmenthal-Saaneuthal-Nace, 
Im Oberlande, im oberen Emmenthal u. im Jura 
wird das Vieh im Sommer größtentheils auf die 
Weide getrieben, u. hier beichäftigt man fi) haupt» 
ſächlich mit der Aufzucht; im übrigen Kanton fin« 
det auch im Sommer Stallfütterung jtatt. Der 
Kant. hat über 900 Dorj- u. Bergläjereien, die 


Bern (Kanton, Berfaffung). 


jährlih etwa /, Mill, Etr. Käfe produciren, wo— 
von etwa die Hälfte, im Werthe von 10 Mill. 
Fes., erportirt wird; am berühmteften ift die 
Milchwirihſchaft des Emmenthals; Hauptmärkte 
dafür find in Yanguan u, Burgdorf; der Jura 
hat nur menig Dorfläjereien. In der Pferdezucht 
zeichnen fih die Amtsbezirfe Pruntrut u. Deis- 
berg aus. Bergbau unbedeutend; die Bohnerz- 
Gewinnung nimmt immer mehr ab. Xorflager 
finden fih im Großen Moos, bei Hadned, Mün— 
chenbuchſee r. Bellelay; Huper-Erde zu feuerfeften 
Biegelfteinen bei Yangnau u. Büderich; Töpfer: 
thon bei der Gemeinde Steffisburg u. bei Bonfol; 
Gips an der Krattighalde am Thuner-See; Thon— 
ſchieferplatten bei Goldswyl; rother Granit im 
Habternthal (bei Interlaten); ſchwarzer, weiß ge⸗ 
aderter Marınor bei Brienz u. bräunlich- grauer bei 
Merligen; ausgezeichnete Sanditeine in der nächiten 
Umgebung von Bern, welche weithin ausgeführt 
werden. Andußrie: Die Leimwandfabrifation ift 
im Abnehmen begriffen; fie findet ihren Hagpt- 
abjag in der Schweiz ſelbſt u. im Italien; die 
jährl. Fabrikation mag auf 2'/, Dill. Fes. 
fteigen. Banmmwollenfpinnereien beftehen nur zwei 
große im Kanton. Im Übrigen ift Baummollen-, 
Beiß- u. Buntweberei, ſowie Seiden » Fnduftrie 
unbedeutend, Größere Wollenfpinnereien gibt es 
über ein Dutend. Beträchtlich ift die Zahl der 
Branntweinbrennereien, welche jährlih etwa 6 
Mil. 1 liefern. Der Werth der Holzjchnigerei 
(im öftl. Theil des Oberlandes) beläuft ſich auf 
jährl, über 1 Dil. Fes., die Uhrenmacherei, 
die etwa 8000 Berfonen beihäftigt (davon ®/,, 
im Jura) auf jährlich 30 Mill. Fes. Die Tradt 
der Bäuerinnen, namentlih im Oberlande (Em: 
menthal) u. Ober-Nargau, befteht aus einem lan- 
gen ſchwarzen Rode mit hohem, bis an die Schul- 
tern hinauf reihendem Rüden. Der Bruftlag ift 
tief ausgeichnitten, jo daß das bieudend meihe 
Hemd faft von der Herzgrube bis an den Hals 
zu ſehen ift; um den Hals ein fchwarzes Göller 
u. filberne Ketten als Schnürmittel u. blaue, ger 
glänzte Leinwandſchürzen bei der Arbeit; auf dem 
Kopfe ein großer, platter Strohhut. Die Männer 
berjelben Gegend gehen Winter u. Sommer in 
hellbraunem Stoff, Hofe, Wefte u. mißgeftaltetem 
— Eharatteriftiich waren noch die Guggisberger 

rauentrachten, der Hod bis an die Kniee veichend, 
die indeß jetst faft ganz in Abnahme gelommen 
find; mur ein rothes Kopftuch bat fish erhalten. 
Im Dialekt zeichnet fih der Berner durch die 
Plural-Anrede Ihr aus; jowie im Oberlande das 
Adjectivum mit declinirt wird, 3. B.: D’Ehind fi 
g'ſundi, s'Chind iſch g'ſunds. Andere Eigenthüm— 
lichkeiten ſ. Art.: Berner Oberland u. Jura. 
Bappen: ein Schwarzer Bär auf goldenem Balten 
in rothem Felde. 

Die Staatsverfaffung ift dur das Grund— 
gejeg des Bundes u. das des Kantons B. vom 
31. Juli 1846 mit jpäteren Zuſätzen geregelt. Nach 
ihr iſt B, ein demofratifcher Freiſtaat, u. die Sou—⸗ 
veränetät rubt auf der Geſammtheit des Volkes. 
Sie wird unmittelbar von den ftimmfähigen Bür- 
gern im den politiihen Berfammlungen u. mittel: 
bar von den durch die Verfaffung eingeſetzten Ber 
börden ausgeübt, Außerdem find die durch die 


“47 


Bundesverfaffung gemährleifteten Rechte (f, Art. 
Schweiz) in Geltung. Folgende find die Haupt: 
punfte der Berfaffung: Stunmfähig find alle Kan— 
tousbürger, die Das 20. Yebensjahr zurüdgelegt 
haben, u. alle Schweizerbürger, welche jeit 2 Jah 
ren im Kanton wohnen u. ehrenbaft find. Ste 
ftimmen ab über Abänderung der Bundesverfaff- 
ung, der Kantonsverfaffung, über außerordentliche 
Geſammterneuerung des Gr. Nathes, über Annahme 
od. Berwerfung aller Geſetze u. Beſchlüſſe, weiche 
eine Ausgabe von J Dill. 58. zur Folge haben, 
u. über einen auf 4 Jabre giltigen Finanzplan. 
Die Bürger haben zu wählen die Mitglieder des 
Großen Rathes, des Amtsgerichtes, Die Friedens: 
richter, die fant. u. eidg. Geſchworenen, jowie die 
Abgeordneten in den jchweizer Nationalrath, und 
außerdem fteht ihmen das Recht der Wahlvor- 
Ihläge von Wegierungsitatthaltern u. Gerichts- 
präfidenten zu. Die höchfte Staatsbebörde ift der 
Große Rath, der Gejege erläßt, Steuern aus- 
ihreibt, das Landrecht ertheilt, das Begnadig- 
ungsrecht ausübt, über alle wichtigen Finanz— 
Operationen enticheidet, die Oberaufficht iiber die 
ganze Staatsverwaltung führt u. die wichtigften 
Beamten wählt (Regierungsräthe, Reg.-Statt- 
balter, 2 Ständerätbe, Oberricter u. f. w.). Der 
Reg.Rath beftehbt aus 9 Mitgliedern, auf 4 
jahre gewählt; jelbe theilen ſich in die Direction 
des Innern, mit der Abtheilung für Bollswirth- 
ſchaft, Gewerbe, Handel» u. Geſundheitsweſen u. 
der Abtheilung für das Armenweien, die Direction 
der Juſtiz u. Polizei, die des Kirchenmweiens, die 
der ‚Finanzen u. der Domänen, Forſten u. Ent— 
jumpfungen, die der Erziehung, die des Militärs, 
die der öffentlichen Bauten u. der Eifenbabnen, 
Das Staatsvermögen beitand Ende 1873 aus 
mehr als 48 Mill. Fes., ungerechnet die Eiſen— 
bahnen, die Staatsichuld 31 Mill, Fes., worunter 
aber 21 Mill. Anleihe für die Staatsbahnen. Der 
Reinertrag der Steuern ſummirt auf fait 74 Mil, 
jährlich, wobei die directen Abgaben (Grundcapital- 
u. Einfonmmenfteuer ) faft 24 Mill., der Neinertrag 
der indirecten Abgaben fat 24 Mill, (Reinertrag 
der Ohmgelder faft 1 Mill.), Neinertrag der Negas 
lien (wie Salz, Bergbau, Jagd zc.) 14, Mill. u. der 
Neinertrag des Staatsvermögens über 14 Mill. 
ausmachen, Unter den Ausgaben zeichnen fich die 
Poſten für Hoce, Straßen u. Wafferbau mit Amor» 
tifation des Bauanlebens von faft 14 Mill., Erzieh- 
ung von mehr als 14 Mill., die Amortifation ber 
Eifenbahn- Anleihen von nahezu 900,000 Fces. aus, 
In 511 Städten u. Kirchgenoſſeuſchaften beſitzt 
der Kanton 1620 Primärichulen, 43 Nealichuten, 
5 Progymmafien, 1 deutihe u. 1 franzöſiſche Kau— 
tonsſchule u, 1 Hochichule nebſt den nöthigen Se— 
minarten, Für jeden der 30 Amtsbezirte wird 
vom Großen Rathe ein Negierungsitatthalter er— 
wählt. Die Gemeindeverfammlung erwählt ihren 
Semeinderath. Das Armenweſen iſt Sache der 
Gemeinden; der Staat betbeiligt ſich durch Geld— 
beiträge u. Unterhalt von Armenanitalten (16,600 
Unterftütte mit 777,000 Fes. Ausgaben; 14 
Armen» u. Rettungsanftalten mit 1184 Pfleglingen). 
Fir dem ganzen Kanton gibt e8 ein Obergericht 
von 15 Mitgliedern, auf 8 Jahre erwählt, be— 
ſtehend aus der Criminallammer, dev Polizei u, 


248 


Anklagekammer, dem Appellationd» u. Caflations-» 
hofe. Für jeden Amtsbezirk befteht ein Amtsgericht 
von 5 Mitgliedern. Die Kirchgemeinden können 
fih einen Friedensrichter wählen. Für criminelle, 
politiiche u. Preßvergehen eriftiren 5 Gefhworenen- 
gerihte. Die Givilrechtspflege wird verwaltet 
durd die Friedensrichter, die Serichtspräfidenten, 
die Amtsgerichte u. den Appellations- u. Caffations- 
hof. Literatur: Geſetze, Decreteu. Verordnungen 
des Kantons B. jeit 1846; Bericht des Reg. 
Rathes an den Großen Rath, feit 1846; Statifti- 
ſches Jahrbuch für den Kanton B., 5. Bd.; B. 
Wyß, Neife in das B-er Oberland, 2 Bde., 1817; 
Lanterburg, Ber Taſchenbuch von 1852 an. ©. 
auch Ber Oberland. 

2) Amtsbezirf B. die Stadt B. u. 12 um- 
liegende Kirchgemeinden des fog. Mittellandes 
umfaſſend; (1870) 60,408 faft nur proteftant. 
Em. (2792 Katholiten); fait überall fruchtbarer, 
vortrefflih bebauter Boden. 

3) Stadt B., Hauptit. des Kantons u. feit 
1848 Bundesftadt der Schweiz; 36,000 Em.; 
liegt auf einer länglihen, von der Aare in tiefem 
Bette umfloffenen Halbinjel (503 m ü.d. M.). Die 
Häufer find wmeift in gleiher Höhe aus Sand» 
ftein erbaut, Die Stadt hat manche Eigenthüm- 
lichkeiten, jo die Yaubengänge (Arcaden) im Par— 
terre der Häufer, vermöge deren man im den 
Hauptftraßen von einem Ende der Stadt bis zum 
anderen (mit Unterbredung der Querftraßen) unter 
Dach geben kann; dazu die alten Thürme und 
Thore , welche die jedesmalige Vergrößerung der 
Stadt bezeichnen (Zeitglodenthürme, Käfigthurm), 
die mit Statuen gezierten öffentlihen Brunnen 
u. die überall angebrachten Bären als heraldiiches 
Thier im Wappen. Dagegen hat B. fein großes 
induftrielles Leben, u. fein Handel vermag fidy nicht 
zum großen Export aufzuſchwingen. Bier Brüden 
führen über die Aare: die ſchöne Eifenbahngitter- 
brüde mit Paffage für Heineres Fuhrwerk u. 
Fußgänger, 182 m lang, 44 m über dem Wajjer- 
ſpiegel, eine eiferne Kettenbrüde u. 2 fteinerne, 
am Stalden (die ältefte) u. die ftolze Nydedbriide, 
welche, 24,,, m über dem Wafjerjpiegel (129 m 
lang, 12 m breit), 1841—44 aus Granitfünd— 
lingen gebaut wurde. In der Nähe ein geräumiger 
Bärenzwinger, in welchem auf Koften der Stadt 
eine Bärenfamilie unterhalten wird. Im Innern 
derStadt das gothiiche Münſter, ehemals Bincenzen- 
Miünfter genannt, von 1421 bis gegen 1570 gebaut, 
von Matth. Enfinger vollendet, mit 70 m hohem 
Thurme, der nur ein Nothdach trägt; darin eine 
267 Er. ſchwere Glocke; das Hauptportal ift 
außerordentlich figurenreih, u. im Innern befindet 
fi eine große Orgel von 58 Regiftern u. 4000 
Pfeifen. In der Nähe die Plattforın od. Münſter— 
terraſſe, ehemal. Kirchhof, ein mit fchattigen Alleen 
beiegter Bromenadeplag, in welchem die Bronces 
ftatue der Gründers von B., Berchtholds V. von 
Bähringen (1191), fteht; Modell von Ticharner. 
Auf dein Kirchplage vor dem Münſter die Reiter: 
ftatue Rudolfs von Erlach, des Siegers in der 
Schlacht bei Laupen (21. Juni 1339), modellirt 
von Prof. Bolmar. Die katholiſche Kirche, neu er— 
baut, im einem fchwerfällig romanifirenden Phan— 
taſieſtil. Endlich die Heilig-Geijt- od. Epitalfirche 


Bern (Stadt). 
in zopfigem Stil, in welcher früher die Tagſatz- 


ung jedesmal feierlich eröffnet wurde. Unter 
deu Profangebäuden ift das Bundescathhaus 
(Palais federal), der Sit der ſchweizer geſetzge⸗ 
benden Gemalten u. Adminiftrativbebirden, zu 
nennen; es wurde in den Jahren 1852—57 nach 
den Plänen des Architetten Stadler von Zürich 
(Bauloſten 24 Mil. 8.) erbaut. Im oberften 
Stocdwerte das Kunſtmuſeum (Bildergalerie), vor 
demfelben ein neuer Brunnen mit einer Statue der 
Berna, von Raphael Chriſten; ſchöne Ausfiht auf 
die ganze Kette der Bser Alpen; daneben das 
Injel-Spital, reich dotirt; die Umiverfität (1834 
gegründet u. durchſchnittlich von 150—200 Stu⸗ 
direnden befucht); das naturhiſtoriſche Mujeum, 
berühmt durch jene ornithologifche Abtheilung u. 
durch die riefenhaften ſchwarzen Bergfryftalle; 
ferner die Stadt-Bibliothel, mit 80,000 Bon. u. 
den Burgunder Tapeten Herzog Kerls des Kühnen, 
einen Theil der Miurtener Beute ausınadhend. Unter 
dem Kornbaufe befindet ſich eim kolofjaler Wein- 
felfer, der an Markttagen überfüllt if. Außerdem 
find noch zu nemmen: die Kantonalbank, die Eidg. 
Bank (Capital 9 Mill. Fes.), in franz. Stil er« 
richtet; das neue Muſeum, Geſellſchaftshaus mit 
den 8 Statuen berühmter Berner; das renopirte 
Rathhaus aus dem Anfange des 15. Jahrh., in 
welchem die Kantonsbehörden von B. ihre Sigungen 
halten; das Bürgeripital amı Murtener-Thor; das 
Jennerſche Rinderipital u. außerhalb der Stadt die 
große Frren-Heil- und Pilegeanftalt Waldau, mit 
200 Zimmern. Die Bevölterung von B. befteht 
hauptſächlich aus drei Klaſſen, welche ſich ziemlich 
ſcharf abgrenzen: das Patriciat od. der Stadt» 
Adel, größtentheils ſehr rei, von feinftem Schliff, 
aber gejellichaftlih ftreng abgeſchloſſen; dieſer 
Haute-volde gegenüber ein Proletariat, moraliſch 
verwahrloft wie im feiner anderen Schweizerftadt. 
Die Mitte nimmt ein fräftiger, gefunder, ehren— 
hafter Bürgerftand ein, der zu den bejten in der 
ganzen Schweiz zählte. Auf dem neuen, jchönen 
BahnhofeB-8, beider Heilig-Geift-Kticche (dabeiaud 
die Poſt), treffen fich die Linien der Schweiz. Central» 
bahn, der Berniſchen Staatsbahn u. der Schweiz. 
WBahnen (von Bafel, Biel, Thun, Yangrau- 
Luzern u. Freiburg-Lauſanne). B. iſt Geburtsort 
des Phyfioloaen u. Dichters Haller, der Schrift— 
fteller 8. v. Bonijtetten, Albert Bitzius u. A, des 
Geologen B. Studer u. ſ. w. B. hat eine Frei— 
maurerloge: Zur Hoffnung, u. ift 1874—79 Sit 
der ſchweiz. Großloge Alpına. Die Umgebungen 
von B. bieten auperordentlich reiche Ausfichts- 
punkte, darunter namentlih das Schänzli mit 
großartig pradhtvoller Ausſicht auf die Ber Alpen. 
Dann geben nah allen Richtungen breite, von 
alten Bäumen gebildete Alleen, namentlich nach 
der Enge, längs des Bremgartenmwaldes u. ſ. w. 
Von eutjernteren Punkten ijt bei. zu nennen der 
Gurten (366 m), mit einem Alpen» Panorama vom 
‘Pilatus bis zu den Diablerets. 

Geſchichte des Kantons und der Stadt. 
Nur wenig tft vom Gebiete des jetigen Kantons 
B. belaunt vor der Zeit, da die Einfälle der Ale» 
mannen im 4. Jahrh. die römiſche Herrichaft 
zerftörten. Burgunder fiedelten fihb im 5. Jahrh. 
an, u. im 8. Jahrh. machten die Franken fich 


Bern (Gejchichte). 
Der nördliche Theil des u. nach durh Neichthum u. Einfluß in den aus- 


das Land untermürfig. 


249 


heutigen B. gehörte zur Pipinichen Grafſchaft. Im ſchließlichen Beſitz aller Amter u. jogar politischen 


9. Jahrh. wurde B. ein Theil des Burgundiichen 
(Arelatiichen), 888 des Klein-Burgumdiichen u. nach 
deſſen Untergang (1031) des Deutichen Reiches. 
Ein zahlreiher Adel beherrſchte das Yand; über 
ihn übten die Herzöge von Zähringen als Land- 
vögte von Klein-Burgund trog mandes Wider- 
ftandes die Obergemwalt. Um die Macht feines 
Haufes zu befeftigen, ließ Herzog Berthold V. 
auf einer Halbinjel der Yare 1191 dur Kuno 
von Bubenberg eine neue Feſte erbauen, welche 
er nach einem früheren Beſitzthum der Zähringer, 
Berona, B. nannte, u, gab der Stadt die Rechte 
Freiburgs im Breisgau. Die Stadt erhielt bald 
viele Bewohner, an melde fi die Partei des 
— unter dem Adel anſchloß. Nach dem 

ode deſſelben, des Letzten ſeines Stammes (1218), 
wurde B. vom Kaiſer Friedrich II. zur Freien 
Reichsſtadt erflärt, u. ihre Privilegien wurden in 
der noch jest aufbewahrten faijerlihen Handfefte 
beftätigt. Bald wurde B. mächtig, fiegte in vielen 
Fehden mit benachbarten Herren (Kyburg u. Habs- 
burg), bielt 1288 eine Belagerung Rudolfs von 
Habsburg aus, ſchlug 1289 die Vfterreicher an 
der Schoßhalde u. 1298 unter Ulrih von Erlach 
die Freiburger am Donnerbühl, fchloß 1318 einen 


Bund mit Freiburg u. anderen Städten u. 1323 
mit Uri, Sry; u. Unterwalden, fiegte 1339 


unter Rudolf von Erlach über einen Bund des 
Adels mit den übrigen Städten bei Laupen u. 
trat 1353 dem Eidgenöffiihen Bunde bei. Bon 
num au wird die Geſchichte B-$ die der Schweiz; 
j. d. Geſch.). Indeſſen führte B. zumeilen noch 
Fehde auf eigene Hand, zur Erwerbung von Ge: 
biet, deflen es auch durch Kauf erlangte. 1405 
brannte B. ab. Zu Anfang des 15. Jahrh. war 
2. ſchon ein Land von Bedeutung, u. fein Gebiet 
erfiredte fih von den Ber Alpen bis an den 
Aura. 1415 eroberte e8 auf Veranlaſſung Kaijer 
Siegmund das untere Yargau vom Herzog 
Friedrich von Oſterreich u. nahm an der Erober- 
ung von Baden, deſſen Mitherr B. wurde, Ieb- 
haften Antheil. Anmaßungen des Adels führten 
1470 zum Bruce zwiichen diefem u. der Birger- 
fchaft; er verließ die Stadt, fehrte aber fchon 1471 
wieder zurüd. 1475 eroberte B. einen großen Theil 
des Waadtlandes von Savoyen. Am Burgundiſchen 
Kriege nahm B. lebhaften Antheil, ebenjo an dem 
Schwabenkriege (1499), an den Kriegen Ludwigs 
XUH. u. franz’ I. von Frankreich, jowie an der 
Eroberung der weliden Bogteien (jet Kanton 
Teſſin). DieReformation fand 1528 nad) (befonders 
im Oberlande) hartem Widerftande Eingang. Den 
6. Jan. d. J. war auf dem sag: riet. zu B. 
zwiſchen den ſchweizeriſchen Reformirten Luthers 
Abendmahlslehre verworſen worden. 
tämpfte B. wegen ftreitiger Beſitzungen lange gegen 
Savoyen, dem es 1536 den Reſt des Waadtlandes 
wegnahn, wihrend es dagegen die Eroberungen 
in Chablais nah langwierigem Kriege wieder ver- 
for. Ziemlich friedlidy vergingen die nächſten Jahr— 
hunderte, während welcher fih die uriprüngliche 
Demokratie der Berfaffung almählih in eine Oli— 

archie umwandelte, indem gewifje Familien der 

tadt (derem zulett nurnoch 104 waren) ſich nad) 


Rechte ſetzten u. mit den — — Stellen 
einen wenig ehrenvollen Wucher trieben, auch durch 
Werbung in fremde Kriegsdienſte ſich immer mehr 
bereicherten u, zugleich‘ das Landvoll durch ſchlechte 
Münze, Frobhndienfte u. ſ. w. bebrüdten. Infolge 
deffen fam es zu inneren Unruhen. 1653 erhob 
fih das Landvoll im Bunde mit jenem andecer 
Kantone (j. Bauernkrieg 4) unter Nifolaus Yeuen- 
berger, um ſich die Rechte zu nehmen, die man 
ihm vorenthielt, wurde aber von den ſtädtiſchen 
Maunſchaften umter Siegmund von Erlach bei 
Herzogenbuchlee geichlagen. In den darauffolgen- 
den Religionskriegen verloren die Ber u. Züricher 
1656 die Schlacht bei Billmergen, fiegten aber 
1712 bei demjelben Orte in dem Kampfe gegen 
die fatholischen Stände. 1749 verfuchte eine An— 
zahl jener Stadtbürger, die durd das Patriciat 
von der Negierung ausgeſchloſſen waren, unter 
Samuel Henzi einen Aufjtand, der aber verratben 
wurde u. den Anführern das Leben koſtete. Beim 
Ausbruche der franzöfiihen Revolution zeigten ſich 
nene Unruben, be juchte Waadt fi von dem 
Kanton loszureißen. Bis 1797 wußte die Yiegier- 
ung zwar diefe Berfuche zu vereiteln, aber fie 
unterftütend, ridten 1798 franzöfiihe Truppen 
troß tapferen, aber ſchlecht organifirten Wider» 
ftandes der Berner in B. ein, u. der alte Kanton 
wurde als Theil der Helvetiichen Republif (j. u. 
Schweiz, Gef.) in die vier neuen, B., Waadt- 
land (Leman), Aargau u. Oberland getbeilt, Ober: 
land vereinte fih ſchon 1803 fremeillig wieder 
mit B., in der Hoffuung, Gleichberechtigung zu 
erlangen, für die e8 fih aud 1814 erhob, aber 
eingeſchüchtert wurde. Aargau u. Waadt jollten 
1814, wo die alte Verfaſſung auf Oſterreichs 
Veranlafiung etwas verbefiert wieder eingefübrt 
wurde, zur Wiedervereinigung mit B. gezwungen 
werden; der Wiener Congreß entichied aber für 
ihre Unabhängigkeit, u. B. wurde durch emen 
Theil des ehemaligen Bisthums Basel für feinen 
Berluft entihädigt. Die Berfaffung wurde ziem— 
ih ariftofvanih 1815 u. 1816 gegeben; ein 
Großer Rath von 299 Mitgliedern u. ein fleiner 
Rath von 27 verfaben die Negierungsgeicäfte. 
In B., mit Luzern u. Zürich je 2 Jahre lang 
Vorort der Schweiz, verſuchte die Ariftofratie, ob« 
ihon nicht mehr allein berrichend, indem auch das 
Land eine geringe Bertretung hatte, aber doch 
immerhin übermächtig, fich den früheren Zuftäns 
den zu nähern, bis 1830 die bedeutendften Kantone 
der Schweiz eine durchgreifende Reform der Ver— 
fafjung in demofratiihem Sinne unternahmen. 
In B. widerfegte fi zwar das Patriciat entſchie— 
den, aber eine Vollsverſammlung erllärte am 10, 


Mit Genf Yan. 1831, daß fie den Wunſch des Yandes auf 


gewaltfame Weije erfüllen würde, wenn der Große 
Rath nicht den gejenmäßigen Weg einzuichlagen 
vorzöge. Die Regierung berief daher einen Ver— 
jafjungsrath von 240 Mitgliedern, der aus den 
27 Amtsbezirken des Kantons erwäblt wurde u. 
im Juni 1831 die neue, gemäßigt demofra- 
tiihe Berfafiung vollendete, die jedem Staats- 
bürger gleihe Rechte u. Pflichten gab. Die neue 
Berfafjung fand, außer bei den Parriciern, allge 


250 


meinen Beifall; aber diefe verfuchten im Auguſt 
1832 eine völlige Barihwörung, die jedoch recht- 
zeitig entdedt u. vereitelt wurde, Bald gerieth der 
nen georduere Staat in mehrere Bermwidelungen. 
Eine ſolche betraf die flüchtigen Polen, von denen 
eine Schaar auf Winke won B. aus 1834 den 
Kanton Neuenburg überrumpeln wollte, aber aus 
Verſehen auf bernifches Gebiet fich verirrte und 
dann von bier aus wieder einen Einfall in Sa- 
voyen verjuchte, der aber vollitändig mißlang. 
Die fremden Mächte verlangten Entfernung der 
Polen, melde B. erft nad langem MWiderftreben 
bewerfftelligte. Abnliches wiederholte ſich nach einer 
harmloſen Demonftration deuticher Handwertsger 
jellen in der Nähe der Stadt B. Eine andere 
Berwidelung drohte durch den Widerftand des 
mit B. vereinigten latholiſchen Juragebietes gegen 
die von den liberalen Kantonen beabfichtigten ve- 
ligiöfen Meformen; es gelang jedoh, die Ruhe 
wiederherzuftellen. 1834 wurde die Univerfität 
in B. eröffnet u. an biefelbe mehrere deutſche 
Brofefioren, u. A. die Brüder Ludwig u, Wil- 
heim Snell, berufen. Gegenüber dem vadicalen 
Einfluß derfelben erhob fich die allem Fremden 
abgeneigte fogenannte Burgdorfer Partei unter 
den Brüdern Karl u. Hans Schnell, welche jeit 
1831 den Kanton meift geleitet hatten, nun aber eine 
demüthige Haltung gegenüber Frankreich einnah— 
men, als dieſes die Schweiz wegen angeblicher 
weiterer Umtriebe von Flüchtlingen fchulmeiftern 
wollte u. einen Agenten in die Schweiz jandte, 
um diefelbe auszuſpioniren. Als Frankreich weiter 
ging u. 1838 die Ausweiſung Youis Napoleone 
aus der Schweiz verlangte, proteftirte mit den 
fämmtlihen größeren Kantonen aud der Große 
Rath von B., worauf die Burgdorfer Partei ſich 
als geichlagen bekannte u. ans den öffentlichen 
Amtern jchied. An ihre Stelle trat die Partei der 
Yegalliberalen oder des gemäßigten Fortiihrittes, 
den Schultheiß Neuhans an der Spite, Ihr ent- 
gegen trat aber nun die fog. Junge Rechtsſchule, 
eine Partei der äußerften Linlen, uuter der Yeitung 
des Profeffors W. Snell u. feiner Schwiegerföühne 
Stämpfli u. Niggeler. Dieſe drang auf eine Re 
pifion der Verfafiung, welde dem Kanton eine 
mehr demofratifche Unterlage geben ſollte. Zu 
diefem Zmwede wurde ein Berfafjungsrath durch 
Urmwahlen des Bolles gebildet, welder zum größe: 
ren Theil aus Nadicalen beftand. Die neue Ber- 
faffung wurde am 31. Juli 1846 durch Stimmen» 
mebhrheit angenommen uw. im Auguſt deſſelben 
Jahres die neue Regierung gebildet. Zwar er- 
folgten mehrere materielle Berbefferungen, allein 
durch den Wegfall der Staatszehnten u. Boden» 
zinſe entſtand ein Deficit, welches die Regierung 
durh Einführung einer Grund-, Gapital- u. Ein« 
fommenftener deden mußte. Da nah dem Aus- 
bruche der Februarrevolution 1848 von B. aus 
die beiden Freiſchaareneinfälle in Deutſchland be- 
trieben wurden, fo jchidte die dentiche Heichsgemalt 
im September Franz Naveaur als Gejandten nad) 
B., welcher jedoch die begehrte Ausweifung der 
deutichen Flüchtlinge nicht erlangen fonnte. 1849 
vereinigten fi alle übrigen Parteien zum Sturze 
der Hadicalen. Namentlich grollte die Geiftlichkeit 
der Negierung wegen Berufung des der freien 


Bern (Geſchichte). 


Richtung angehörigen Tübinger Privatdocenten 
Zeller al3 Profeffor an die Univerſität B., u. die 
Ultramontanen des Jura blieben natürlih nicht 
zurüd. Als un Mai 1850 die Ernenerungsmwahlen 
für den Großen Kath ftattfinden jollten, wurde 
ſchon im Januar die Wablagitation mit Heftigfeit 
betrieben; bei den gleichzeitigen Vollsverſamm- 
ungen beider Parteien auf 2 anftogenden Wiejen 
zu Münfingen am 25. März, wo die Wahlen be— 
ſprochen wurden, war der Sieg noch unentſchie- 
den; aber am Wahltage (5. Mai) jelbft blieben 
die Radicalen in der Minderheit. Zwar hielt die 
neue Regierung an der Berfaffung von 1846 jeft 
u, war hauptſächlich darauf bedacht, die materiellen 
Schwierigkeiten der Verwaltung zu befeitigen; aber 
fie ſchien Alles zu verfuchen, die Gegner zu er— 
bittern. Man verfolgte gewiffe Abzeichen u. Yieder, 
verhaftete Radicale wegen geringfiigiger Urſachen 
u. eutließ die freifinnigen Lehrer am Schullehrer- 
jeminar. Ein bartnädiger Kampf entipann ſich 
zwiihen Stämpfli u. den Batriciern, deren Vor— 
fahren er beichuldigt hatte, im J. 1798 den Staats« 
ihag vor den Franzoſen zu eigenem Bortbeil „ges 
rettet“ zu haben, was ihm Gefängniß einbrachte, 
Bollsverfammlungen der Radicalen bewirften, daß 
1852 nad der Berfaffung über die Abberufung 
u. Neuwahl des Großen Rathes abgeftimmmt 
werden mußte. Es geſchah, aber die beftehenve 
Richtung fiegte. Darauf wurde das Lehrerfeminar 
vollends aufgehoben u. ein ftrenges Preßgeſetz 
eingeführt. So erreichte die Spannung zwiſchen 
beiden Barteien bei den Neuwahlen 1854 einen 
hoben Brad; doc fam ein Compromiß zwifchen 
ihnen, die fi nach der Neuwahl ziemlich die 
Wage hielten, zu Stande, u. die bervorragendften 
Männer von beiden Seiten traten in den neuge— 
bildeten Regierungsrath. Beiden nächſten Wahlen, 
1858, befand ſich die conjervative Partei wieder in 
bedeutender Minderheit u. nabın nicht mur immer 
mehr ab, während zugleich ihre früheren Maß— 
regeln (Preßgefeg) ein Ende fanden und das 
Lehrerſeminar mwicderbergeftellt wurde, fondern fie 
näberte fi jogar in ihren Anschauungen den bis- 
berigen Gegnern jo jehr, daß bald fein weſent— 
licher Unterichied mehr im Standpunkte beider zu 
bemerfen war. So fam es, daß beide Parteien 
1869 einverftanden waren, das jog. Neferendum 
einzuführen, u. der Große Rath beichloß am 19. 
Mai, daß künftig alle Geſetze u. wichtigeren Be— 
ihlüffe diefer Behörde dem Bolfe zur Abitimmung 
über Annahme oder Berwerfung vorgelegt werden 
jollten, was das Wolf mit 32,000 gegen 22,000 
Stimmen beftätigte. Jn den Jahren 1873 u. 74 
wurde das katholifche Furagebiet des Kantons B. 
Schauplat heftiger Unruhen wegen des Conflicts 
zwiichen dem Biſchof Lachat in Solothurn u. den 
zum Bistbum Baſel gehörenden Kantonen; infolge 
deilen mußten Truppen aufgeboten u. 97 renitente 
fatholiiche Geiftlihe ihrer Pfarreien entiett wer- 
den, Dies veranlaßte u. a. die Gründung einer 
alttatbolifchstheologiihen Facultät an der Univer- 
fität B., deren Projefioren der fatboliihe Pfarrer 
in B, die Abhaltung von Gottesdienft vermehren 
wollte, worauf ihm Die Regierung 1875 die Kir» 
chenichlüffel mit Gewalt wegnehmen ließ. Diefe 
Wirren find noch nnausgetragen. Vgl. Juſtinger, 


Bernabei — Bernadotte, 


251 


Der Chronik vom Anfange der Stadt bis 1421, her⸗Hannover durch das Ansbachſche nah Würzburg, 


ausgeg. von Studer, B. 1871; Balerius Anshelms, 
en, Rüd, Brer Chronik vom Anfange der Stadt B. 
18 1526, berausgeg. von Stierlin u. Wyß, ebd. 
1825—33, 6 Bbe.; A. v. Tillier, Gefchichte des 
eidgenöffiichen Freiſtaates B., ebd. 1838, 5 Bde. ; 
Stettler, Staatd- u. Nechtsgefchichte des Kantons 
B., ebd. 1845; Urkunden für die Geſchichte der 
Stadt B., herausgeg. von Zeerleder, ebd. 1853 
bis 1854, 3 Bde.; Hodler, Geſchichte des B-er 
Volles jeit 1798, ebd. 1865—70, 2 Thle; Wur- 
fteinberger, Geſchichte der alten Landſchaft B., ebd. 
1862, 2 Bde.; Wattenwyl, Gedichte der Stadt 
u. Landſchaft B., Schaffhanſen 1867—72, 1. u. 
2. Bd. Geſch.) Henne-Am Rim.* 
Bernabei, Giufeppe Ercole, bedeutender 
Componijt, geb. 1620 zu Gaprarola im Sirchen- 
ftaate; wurde Kapellmeijter im Yateran 1662, an 
der Kirche des hi. Ludwig 1667, an St. Peter 
1672 u. ging auf eine Einladung des Kurfürſten 
Ferdinand Maria 1674 nah München, wo er bis 
zu feinem Tode (1690) blieb. Er ſchr.: Polyphone 
Kirhencompofitionen u. Opern, legtere in München. 
Gedrudt find Madrigale, Rom 1669, u. Motetten, 
Münd. 1691. Bon jeinen Söhnen folgte ihm der 
ältere, Giuſeppe Antonio, geb. 1659 zu Rom, in 
feinem Münchener Amte; componirte ebenfalls 
Opern u. geiftliche Vocalmuſik; ftarb in Münden 
1732; ber jüngere, Vincenzo, geb. zu Rom 1669, 
war ebenfalls Operncomponift, ftarb aber fchon 
1690 zu München. Brambach. 
Bernadotte, Jean Baptiſte Jules, geb. 
26. Jan. 1764 zu Pau, wo fein Vater Nechts- 
—— war; wurde 1780 Soldat, avancirte ſeit 
usbruch der Revolution vom Feldwebel ſehr 
raſch u. war bei Fleurus 1794 ſchon Divifions- 
eneral, trug 1795 wejentlich zum Rheinübergange 
ei Neuwied bei, führte 1796 eine Divifion unter 
Jourdan in Deutichland, wo er 22. Augujt bei 
Zeining u. 8. Sept. bei Afchaffenburg geſchlagen 
wurde, befehligte 1797 in Italien unter Bona— 
parte die Belagerung von Gradisca und brachte 


vereinigte fi dort mit den Bayern und fiel den 
Kaijerlihen in den Rüden, trug zu den Erfolgen 
von Ulm bei, befehligte vor Aufterlig das Gen» 
trum und wurde 5. Juni 1806 zum Fürſten von 
Ponte-Corvo ernannt. Im Kriege gegen Preußen 
1806 führte er das 1. Arımeecorps über Hof in 
das Boigtland, gefährdete aber den Sieg von 
Jena, indem er ſich nicht unter Davouits Be— 
fehl jtellen wollte und 2 franz. Divifionen vom 
Kampfe abhielt: ein Benehmen, das ihn nahezu 
vor ein Kriegsgericht gebracht hätte; dann aber 
verfolgte er Blücher nad Lübel u. zwang den» 
jelben dort zur Capitulation. Die dabei auf der 
Trave eingeichifften, aber durch widrige Winde 
zurüdgebaltenen 1500 Schweden behandelte er 
auf humane Weife. Er mendete fih mın nach 
Preußen u. hielt die Nuffen durch das Treffen 
bei Mohrungen (25. Jan. 1807) ab, die franz, 
Hauptarmee zu überfallen, wodurch er das kaiſer— 
liche Hauptquartier u. die Divifion des Marichalls 
Ney rettere. Er befehligte hierauf das in Deutich- 
land zurüdbleibende Heer, erhielt 1809 in dem 
Kriege gegen Öfterreih den Oberbefehl fiber die 
Sachſen, führte diefeiben nad Öfterreih u. nahm 
an der Schlacht bei Wagram Theil. Daß er die 
Ehre des Sieges den von ihm geführten Sachen 
zuichrieb u, behauptete, 'mit diefen abfichtlih auf 
einen ſchlimmen Poſten gejtellt worden zu fein, 
nahm ihm Napoleon jehr übel. Wegen eines 
verfehlten Angriffes auf das Dorf Aderklaa wurde 
er von Napoleon jedoch des Commaudos entboben. 
Bet der Nachricht von der Yandung der Engländer 
auf Walcheren ftellte er fih auf Requiſition des 
Kriegsminifters an die Spite des größtentheils 
aus Nationalgarden beftehenden Corps u. nötbigte 
die Engländer, die Inſel wieder zu räumen, Dann 
fchrte er nach Paris zurüd, Werl ihm Napoleon 
mißtraute, jo wollte er ihn von dem Scauplage 
der Thaten entfernen u. ernannte ihn zum Gene: 
neralgouverneur von Nom; indeß die Schweden, 
welhe die Behandlung ihrer 1806 gefangenen 


die bei Nivoli eroberten Fahnen nah Paris. |Yandsleute nicht vergeifen hatten, wählten ihn 


1798 ging er al3 Gefandter nah Wien, von wo 
er infolge eines wegen der dreifarbigen, am 
franz. Geiandtichaftshotel aufgeftedten Fahne am 
13. April entftandenen Aufrubhres nah Paris zu- 
rüdtehrte; vermählte ſich mit Eugenie (j. d.) Bern- 
hardine Defirde, Todter des Kaufmanns Clary 
in Marieille, einer Schwefter der Gemahlin Joſeph 
Bonapartes. 1799 führte er die Objervations- 
arınee, welche über den Ahein gehen u. Bhilipps- 
burg belagern follte, allein wegen der ‚yortichritte 
der Üfterreicher und Ruſſen in Deutichland und 
Italien berief ihn das Directorium bald ab und 
ernannte ihn zum Kriegsminifter, in welcher Stell- 
ung er jedod nur 3 Monate blieb. Nah dem 
18. Brumaire 1799 wurde er in den Staatsrath 
berufen u.,erbielt das Commando in der Vendée, 
wo er mit Mäßigung die Unruhen unterdrüdte. 
1804 befam er an Mortiers Stelle den Ober: 
befebl in Hannover u. wurde 1805 Marichall, 
obwol ftet3 eine gewiſſe Zurüdhaltung zwiichen 
Napoleon und ihm beftand, die mandmal in 
Spannung überging. Im Kriege 1805 mit Öfter- 
reich führte er im September ein Corps aus 


auf den Borjchlag des Königs Karl XII. am 
21. Ang. 1810 zum Kronprinzen. Nachdem er 
das franzöfifhe Bürgerredht aufgegeben und am 
19, Oct. zu Helfingör das Tutheriihe Glaubens» 
befenntnig abgelegt hatte (mach Einigen wäre er 
Calviniſt, nach Anderen Katholif geweſen), ging er, 
20. Oct. bei Helfingborg landend, nah Schwer 
den u. wurde am 31. Oct, der Reichsverſamm— 
lung vorgeftellt. Am 5. Nov. vom König adop« 
tier, nahm er den Namen Karl Johann an, 
leiftete den Eid als Kronprinz vor dem Throne 
u. empfing die Huldigungen der Stände. Noch 
bei Yebzeiten des Königs ging die oberfte Feitung 
des Staates faft ganz in feine Hände itber. 
Napoleon behandelte ihn mit gewohnter Rüdfichts« 
fofigteit. Danach ſich auf Seiten Englands und 
Rußlauds neigend, ſchlug B. 1811 das ihm von 
Jenem angetragene Bündniß gegen Rußland aus, 
ſchloß 1812 eine geheime Alltanz, den Bertrag 
von Abo, mit Rußland und mit England im 
Juli 1812 Frieden, wobei er veriprad, eine 
Diverfion mit 25—30,000 Mann Schweden in 
Deutichland zu unternehmen. Im Juli 1813 


252 


erlfärte er an Franfreih den Krieg. Immer 
temporifirend umd mehr den eigenen Bortbeil, 
al$ den der Alliirten berüdfichtigend, übernahm 
er zwar ben Oberbefehl über die aus Ruſſen 
unter Wingingerode, Woronzow u. Tſchernitſchew, 
Preußen unter BMom und Tauenzien, Briten 
unter Wallmoden n. 20,000 M. Schweden unter 
Stedingt beſtehende Nordarmee, operirte aber, 
nachdem er Napoleon mehrere Male zum Fries 
den ermahnt hatte, nah dem Waffenftillftande 
ohne alle Kraft gegen ihn. Seine zögernde 
Kriegsführung erregte mehrfache Beſchwerden; 
erft durch das Drängen der ruffifhen u. preußis 
ſchen Generale, bei. Billows, der ihn faft zu der 
Schlacht bei Großbeeren u. Dennewit u. zu dem 
Überfehreiten der Elbe bei Roflau u. zu feinem 
Mari nad) Leipzig nöthigte, wurde er zu größe- 
ven Bewegungen gebracht. Es war ihm aber fein 
Ernft mit der Kriegführung, und er wirkte fufte- 
matiſch hemmend un. lähmend. Seine Schweden 
fuchte er ftetS zu fchonen, fo daß fie in dem ganzen 
Feldzuge kaum einige hundert Mann verloren. 
Nach dem Siege bei Yeipzig zog er gegen Davonft 
u, die Dänen an der linterelbe. Bald war Lübeck 
erobert, Davouft von den Dänen getrennt, jener 
nah Hamburg geworfen, wo er blofirt wurde, 
dieje nach Holjtein verfolgt, u, am 14. Jan. 1814 
erfolgte der Frieden mit Dänemark zu Kiel, in 
weldem Dänemark an Schweden Norwegen gegen 
Shwediid- Pommern abtrat; ſ. Ruſſ.-Deutſcher 
Krieg. Außer feinem Plan lag das liberfchreiten 
des Rheins durch die Alliirten. Er wollte Nor» 
wegen erobern, nicht Fraukreich befriegen. In 
langſamen Märichen folgte er dem Hauptheere u. 
lam eben bei Jülich u. in den Niederlanden an, als 
die Verbündeten in Paris einzogen. Er ging nun 
nah Paris, eilte von da nach Norwegen und 
zwang den Prinzen Chriftian am 24. Aug. 1814 
zur Wefignation, worauf Karl XIII. von den 
Norwegern am 4. Nov. als König, er als Kron- 
prinz anerfannt murde (j. Norwegen); folgte 
am 5. Februar 1818 feinem Adoptivvater als 
Karl XIV. Johann auf dem fchwediich- normwegi- 
ihen Throne, Erft.den 8. März 1844 zu Stod« 
bolm. Obgleich er auf Hebung u. Bergrößerung 
der Macht Schwedens immer bedacht war, fonnte 
er es doch zu feiner eigentlichen Popularität 
bringen, woran hauptſächlich feine anfängliche, den 
nationalen Traditionen zumiderlaufende ‘Politik 
in Bezug auf Rußland u. fein feites Halten an 
ben Borrechten der Krone ſchuld war; fein Mangel 
an Charakter trug aud nicht wenig dazır bei. ©. 
Schweden. Ihm folgte fein einziger Sohn Oskar, 
Im Nov. 1854 wurde jeine von Fogelberg gefertigte 
Neiterftatue anf dem nah ihm genannten Karl 
Sohanns- Plage in Stodholm aufgeitellt. Andere 
Dentmäler wurden ihm in Upfala u. Norköping 
gejegt. Vgl. Geijer, Konung Carls XIV, Johan 
hist., Stockh. 1844, dentih von Dietrich, ebd. 
1844; Sarrans, Hist. de Bernadotte, Charles 
XIV, Jean, Par. 1845, 2 Bde; M. Runkel, 
xarl XIV. Johann, Elberfeld 18415 5. 8. v. 
Strombed, Memorabilien aus dem Peben u. der 
Degierung Karls XIV. Johann, Braunichw. 1841; 
Groſſe, Karl XIV, Johann, fein öffentliches und 
Privatleben, Meißen 1844; Politiſches Vermächt—⸗ 


Bernakelgans — Bernard. 


an des Königs Karl XIV. Johann, Alt. 1844 f., 
2 Bde. 

Bernakelgans (Bernifel-, Ringel, Bronke, 
Klofter- od. Rottgans, Anser torquatus Frisch), 
ſ. Gans. 

Bernalillo, County im Territorium New— 
Merico der norbamerif. Union, unter 35 n. Br. 
u. 104° w. %.: 7591 Ew. 

Bernard, 1) franz. Vorname, fo dv. w. Bern- 
bard (f. d.). 2) B. de Treviers, im 12. Jahrh. 
Stiftsherr auf Maquelonne, Berf. des Gedichtes: 
Die ſchöne Magelone (j. 2.) in provengalifcher 
Sprade. 8) Salomo, Maler u, Holzihneider, 
geb. 1512 zu yon; beihäfige fi nur mit 
der Darftellung Heiner —— (daher der 
Kleine B.). — Werth bat feine Aus» 
gabe der Bibel (1550). 4) Pierre Joſeph, 
geb. 1708 zu Grenoble; war Schreiber zu | Paris, 
machte mit dem Marquis de Pezuy die italien. 
Campagne 1734 mit, wurde dort Gecretär des 
Marquis v. Coigny u. nad deſſen Tode Schatz« 
meifter der Dragoner und Bibliothefar auf dem 
Scloffe Choiffy-fe-Roi; er ftarb 1. Nov. 1776, 
Er ſchr. die Oper: Castor et Pollux (Mufit von 
Rameau); das Lehrgedicht: L'art d’aimer, u. Phro- 
sine et Melidore u. a. Gedichte. Werke, Par.1803 u. 
1825, 2 Bde. 5) B., berühmter franz. ‚ingenieur, 
geb. 1779 in der Frandhe- Comte; nahm als Freie 
williger Militärdienfte der Nepublit, trat 1796 in das 
Geniecorps ein u, erhielt, nachdem er 1809 durch 
feine Überbrüdung der Donau dem Kaifer Napo- 
leon befannt geworden, in demjelben Jahre den 
Auftrag, bei den Küftenbauten in Belgien, bei. 
beim Bau des Baffins von Antwerpen, theilzu« 
nebmen; 1813 wurde er Obrift u. Adjutant des 
Kaifers, dann Brigadegeneral u. Baron. 1814 
ging B. in die Dienfte der Vereinigten Staaten 
von NAmerifa, wo er als Chef des Militärweiens 
bef, das Küften- und Grenzvertheidigungsſyſtem 
der Union vollendete, 1830 kehrte er nad) ‚Franke 
veih zurüd, wurde Adjutant des Königs Ludwig 
Philipp und Generallieutenant und im Cabinet 
Mold 1836 Kriegsminiiter; er entwarf einen Plan 
zur Befeftigung von Paris, refignirte aber bald 
u. ft. 5. Nov. 1839 in Paris. 6) Charles de, 
franz. Schriftjteller, geboren 1805 zu Befangon; 
widmete fi der Belletriftil; er ft. bereit 1850. 
Er jr. hauptjählid Romane, . deren Satire gegen 
Romantik u. Idealismus gerichtet ift; viele der» 
jelben ins Deutſche überſetzt: Gerfaut 1838; 
Le paravent, 1830; La peau de lion et la chasse 
aux amants, 1840; Un homme serieux, 1843; 
Le gentil homme campagnard, 1847. Nach 
feinem Tode erſchienen: Nouvelles et melanges 
1854; Poesies et theätre, 1855. 7) Claude, 
vorzügliher Phyfiolog der Jetztzeit, geb. 12. Zuli 
1813 zu St. Julien (Ahöne-Departement); ftudirte 
Medicin in Paris, wurde 1839 ärzlicher Prafti- 
cant, 1841 Präparator bei Magendie, promovirte 
1843, wurde 1847 fupplivender Docent, 1854 
Profeffor der allgemeinen Phyfiologie in Paris 
und Mitglied der Atademie, 1855 Profeſſor der 
Erperimentalphyfiologie am College de France. 
Seine erften Arbeiten, durch die er ſich gleich 
vortheilbaft bekannt machte, beihäftigten ſich mit 
dem Einfluffe der Nerven u. der einzelnen Ab-+ 


Bernardi — Bernauer, 


fonderungen des geſammten Speileganges auf die 
Verdauung; die folgenden iiber die Stellung der 
Bauchipeicheldrüfe bei dieſem Vorgange, deren 
Saft er als den Verdauer der Trettitoffe nachwies, 


253 


‚ften, fpäter Ingenieurhauptmann auf Isle de 
Frauce, lebte dann von einer Benfion u. wurde 


endlich Intendant des Botaniſchen Gartens und 
Naturhiſtoriſchen Muſeums; er ft. 21. Jan. 1814, 


begründeten feft feinen bereits erlangten Ruf Im J. 1852 wurde ihm eine Statue, von David 


(1856). Zwiſchen diefen beiden Arbeiten liegen |in € 


andere über das Athmen u. den Blutumlauf, jo- 
wie eine höchſt wichtige über die Juderbereitung 
in der Leber u. den bierbei obmwaltenden Nerven: 
einfluß, eine Arbeit, an die ſich jahrelange Strei- 
tigfeiten anfnüpften, die indeß zu B-8 Bortheil 
endeten u. die ihm 1851 u. 53 die Preife der 
Alademie für Phyfiologie einbrachten. An dieſe 
ſchloß fih eine andere, in der er den Beweis 
brachte, daß beim Fötus der Mutterfudhen und 
einzelne andere Organe die Stelle der Leber be- 
züglih der Zuderbereitung übernehmen (1859). 
Die ſchönen Unterfuhungen über den Einfluß des 
Nervus sympathicus auf thieriſche Wärme be- 
gannen bereit$ 1852; fie wurden weiter aus« 
gedehnt auf die Beränderungen, welche die Körper- 
wärme in den einzelnen Bezirken erleidet (1856). 
Seine neueften Arbeiten find: Introduction & 
l'etude de la medeeine experimentale, Paris 
1865, u. Lecons de pathologie experimentale, 
Paris 1871. Bes glänzendes und dauerndes 
Verdienft beftebt nicht nur darin, daß er der 
jungen Wiſſenſchaft der Erperimentalpbyfiologie 
neue Bahnen angeriefen u. felbft wichtige Ent- 
dedungen gemacht hat, fondern auch hauptſächlich 
in dem befruchtenden Einfluffe, den er allfeitig 
ausübt. Die genannten Arbeiten find theils ın 
einzelnen wiſſenſchaftlichen Blättern (Gaz. medi- 
cale, 1844, Comptes-rendus de la Société de 
biologie, Comptes-rendus de l’Academie des 
sciences, 1856), theils in feinen jeit 1856 im 
Drude erjheinenden Vorlefungen, theils in den 
Lecons de physiologie experimentale appliquee 
a la medeeine, Paris 1850 u. 1865, erjchienen, 
8) Johann Stepban, gelehrter Arzt, Sohn 
eines Predigers in Berlin, wo er 1718 geboren 
mwurde; ging jhon früh nah Holland, be- 
jhäftigte fi viel.mit der Literatur u. erwarb ſich 
dadurch ein Berbdienft, daß er die Meineren, felte- 
neren grieh. u. röm. Arzte mit Anmerkungen 
berausgab. Später ging er nah Arnheim, wo 
er im März 1793 ſtarb. 9) Thalds, franz. 
Dichter u. Gelehrter, geb. 16. Mai 1821 zu Paris; 
widmete ſich nach kurzem Staatsdienfte im Kriegs- 
miniſterium den Studien u. der Poeſie. Er ſchr.: 
Etudes sur les variations du polytheisme grec, 
1853; Les couronnes de Saint-Etienne, 1853 
(Roman); Adorations (Gedichte), 1855; Les 
röves du commandeur, 1855; Po6sies pastorales, 
1856; Podsies mystiques, 1858; Voyage dans 
la vieille France, 1859; Histoire de la po6sie, 
1864; Melodies pastorales, Bgl. Brocherie, 
B. et la po&sie populaire, Par. 1860. 7) 9 Thampayn. 
Bernardi, Giovanni da Caſtel Bolo- 
gneſe, ausgezeichneter Stein- u. Stempeljchnei- 
der, geb. 1495; arbeitete für viele Fürſten u. Päpſte 
feiner Zeit; er ft. 1555 zu Faenza. 
Bernardin, Jacques Henri®. de Saint« 
Bierre, hervorragender franzöſiſcher Idyllendich⸗ 
ter, geb. 19. Jan. 1737 zu Havre; war „Inge 
nieur in franzöfiichen, ruffiichen u. polniſchen Dien- 


rz ausgeführt, in feiner Geburtsftabt errichtet. 
Er ar Voyage à l'Isle de France, Bar. 1773; 
Etudes de la nature, 1784; Veux d’un solitaire; 
Harmonies de la nature u. die Idyllen Paul et 
Virginie, 1788 u. La Chaumiere indienne, 1791. 
Die erftere jhildert die Liebe zweier auf einer 
fernen Sübdfeeinjel aufgewachſenen Kiuder, die letz⸗ 
tere fpielt in der Hütte eines verachteten Paria, 
welder den Europäer lehrt, dah Anfang u. Ende 
aller Glüchſeligleit ein reines Herz ſei. B. bildet 
den fchärfiten Gegenſatz zu Beaumarchais, u. doch 
jpiegelt fih bei ihm Ddiefelbe Zeitftinunung, die 
allgemeine Unzufriedenheit, wieder. 

ernardon, Benennung einer komiſchen PBer- 
fon auf dem Wiener Bolfstheater, welche, einen 
leihtfinnigen, tölpishen Burſchen darftellend, von 
dem Komiler Joſ. Fel. Kurz erfunden wurde. 
Kurz, geb. 1715 zu Wien, betrat 1737 das Thea« 
ter, ward fpäter Director des Leopoldſtädter Thea- 
ters u. gab num felbftgefertigte, ertemporirte Stüde 
der niedrigften, zotenvollften Komit, jo: Der Cale- 
euttifhe Großmogul, Der 30jährige A⸗-b⸗c⸗ſchütz, 
Der Feuerwedel der Venus u. a. Den meiſten 
Erfolg hatte: Die getreue Prinzeſſin Pumphia u. 
Hanswurſt, der tyranniihe Tartar und Kulifan. 
Diefe Gattung Wiener Poffen nannte man Ber- 
nardoniaden, ihn felbjt den Bater B. 1762 
verlieh er Wien, bereite mit feiner Gejellichaft 
STDeutichland, kehrte 1770 in die Kailerftadt 
zurüd, wandte ihr jedoh wegen mangelnden Zu« 
laufes für immer den Rüden. Bon Neuen herum— 
ziebend, ging er 1774 nah Warfchau, löfte dort 
feine Truppe auf u. ft. 1786, nachdem er in den 
Adelitand erhoben war. Kürfchner. 

Bernardus, 1) ſo v. w. Bernhard. 2) So v. 
w. Bernoldus. 

Bernau (B. an der Panke), Stadt im Kreife 
Niederbarnim des preußischen Regbez. Potsdam, 
in weiter Ebene, am Urjprung der Pante u. an 
der Berlin-Stettiner Bahn, 23 km von Berlin; 
große Kirche; mertwürdige Alterthümer, den Huſſi⸗ 
ten 1432 abgenommene Kriegsgeräthe; Baum— 
wollen» und Seidenweberei, Muftermalerei; Gas- 
anftalt, Aderbau; 5567 Em. Geburtsort von Georg 
Rollenhagen; großer Wald in der Nähe. 

Dernauer, Agnes, nah der Sage ſchöne 
Tochter des Baders Kaspar B. zu Augsburg, 
welche Herzog Albrecht IL. von Bayern-München 
bei einem Zurnier ſah u. jo heftig liebte, daß er 
fi heimlich mit ihr vermählte und mit ihr auf 
dem Schloſſe Bohburg wohnte. Sein Bater, 
Herzog Eruft, entdedte dies Berhältnig erft, als 
Albreht dem Plan, Anna, Tochter des Herzogs 
Erih von Braunſchweig, zu heirathen, bebarrlich 
Mipderftand leiftete, u. hieß nun den Prinzen wegen 
unritterlichen Lebenswandels vom ritterlichen Feſte 
zu Regensburg ausichliegen, worauf Albrecht jeine 
Bermählung mit Agnes öffentlih befannt machte 
und ihr einen fürftlihen Sit zu Straubing au— 
weiſen ließ. Sie ftiftete hier im Kreuzgange bei 
den Karmelitern ein Betgewölbe und eine Grab— 


2 DE 
mt) 


fiätte, Nah dem Tode von Ernfts Bruder, Wil 
beim, welcher Albrecht ftets in Schub genommen 
hatte, benutzte Herzog Ernft Albrechts Abweſenheit, 
ließ Agnes verhaften, flagte fie als Zauberin an 
n. ließ fie, da fie fich weigerte, als fürftliche Frau 
fih zu vertheidigen, am 12. Oct. 1435 gebunden 
von der Donaubrücke zu Straubing durch Henfers- 
tnechte herabftürzen u. erjänfen. Albrecht überzog 
feinen Vater mit Fehde, die erft nad längerer 
Zeit u. namentlich durch Bermittelung des Kaiſers 
Siegmund beigelegt wurde. Albrecht heirathete 
darauf die ihm vom Vater zugedachte Braut, und 
dieſer ließ felbft iiber dem Grabe der B. ein Bet- 
ficchlein errichten. Albrecht aber ftiftete ihr im 
Karmeliterflofter zu Straubing eine Ewige Meffe, 
feste ihr ein Deufmal und Tieß nah 12 Jahren 
die Uberrefte der chriamen Frau Agneſen der 
Pernawerin im der von ihr felbft einſt geitifteten 
Ruheſtätte begraben. Babo, Graf F. A. v. Törring, 
Jul. Körner, Herm. Schiff, A. Böttger, Fr. 
Hebbel, Melch. Meyr (Herzog Albrecht), Otto Lud— 
wig u. A. benugten den Stoff zu Dramen, Neuere 
geichichtlichen Forihungen haben ergeben, daß Agnes 
3. weder eines Baders Tochter war, noch B. hieß, 
noch aus Augsburg ſtammte, fondern wahricein- 
lih aus Biberach in Baden und als Badermagd 
in Augsburg diente, u. daß der Herzog Albrecht 
ihre Belanntihaft nicht bei einem Turnier, ſon— 
dern wahricheinlid in dem öffentlichen Bade, wo 
fie diente, gemacht hat, daß fie auch Tange nicht 
mit ihm getraut, fondern bis zu feiner Zurid- 
weiſung vom Turnier in Regensburg bloß feine 
Beliebte gemefen iſt. Vgl. Chr. Meyer, Agues 
3. (Gartenlaube Wir. 28, 1873). 

Dernay, Hauptit. des gleichnamigen Arr. im 
frangöf. Tep. Eure, in einem Thal, an der Cha» 
rentonne u. am Cosnier u. an der WBahn; Ge: 
richt 1. Inſtanz, Handelsgericht; merkwürdige alte 
Kirhen; Diineralquellen; Mühlen, Baummollen: u. 
Wollenipinnereien, Bandfabrifen, Bleichereien, 
Gerberei, Olmühlen, Sägen, Papierfabrilen, Eifen- 
werfe, Glasbiütten, Ziegeleien; bedeutender Han- 
del mit Pferden, Wolle u. Getreide; 7281 Ew., 
wovon 5695 in ber eigentlien Stadt, B., im 
Altertum Bernacum, wurde im Hugenotteufriege 
zweimal (1563 u. 1482) erſtürmt u. verbrannt. 

Bernahs, Michael, deuticher Literaturbiftori« 
fer, geb. 17. Nov. 1834 zu Hamburg; ftudirte 
in Bonn u. Heidelberg, babilitirte ſich 1872 als 
Docent in Leipzig u. wurde im Mai 1873 Pro- 
fefior der deutſchen Literaturgefchichte zu München. 
Er bat viel zur wiſſenſchaftlichen Begründung 
diefes Faches, namentlich was die neuere Zeit 
betrifft, beigetragen. Unter feinen Werken find zu 
nennen: Uber Kritit u, Gefchichte des Goetheſchen 
Tertes, Berl. 1866; Briefe Goethes an F. 4. 
Wolf, ebd. 1868; Zur Entftehungsgeichichte des 
Schlegelichen Shaleipeare, Leipz. 1872, und feine 
Abhandlung: Shakeſpeare, ein katholiſcher Dichter 
im Jahrbuche der Deutſchen Shalejpeare » Gejell- 
ſchaft, Berl. 1865. 

Bernbrunn, Karl, Freiherr von (pfſeudonym 
Karl Karl), Theaterdirector, Schaufpieler u. Büh— 
nendichter, geb. 7. Nov. 1789 zu Krakau. Nach— 
dem er auf der Angenienr » Akademie zu Wien 
eine wijfenfchaftliche Ausbildung empfangen hatte, 


Dernay — Bernburg. 


trat er in öſterreich. Militärdienſte, nahm als Fähn- 
rih an dem Feldzuge gegen Frankreich 1809 theil 
u. trat nachher im „Jojephitädtiihen Theater zu 
Wien ald Schanfpieler auf. Bon bier ging er 
nah Minden u. ward bei der zweiten Hofbühne 
engagirt, wo er bald zu den gefeiertiten Mitglie— 
dern des Theaters gebörte. Geine Verheiratbung 
mit der Schaufpielerin Margarethe Lang befeftigte 
ihn noch mehr in der Gunit des Publicums. Als 
Regiſſeur führte er bier die Wiener Pocalpofie 
ein, ſchrieb ſelbſt ähnliche Stüde (Staberliaden) 
u. trat in denſelben als Komifer mit großem Er» 
folge auf, Zum Director des Iſarthortheaters 
ernannt, brachte er daſſelbe raſch in Flor. Er 
gründete in München eine Schauſpielerſchule und 
trug viel zur Ausbildung junger Talente bei. 
1826 penſionirt, lehrte er nach Wien zurück, brachte 
eine Vereinigung des Theaters an der Wien u. 
des Leopoldftädtertbeaters zu Stande und wurde 
Director der gemeinichaftlihen Bühne. 1847 lieh 
er das Veopoldftädtertheater niederreißen u. erbaute 
an der Stelle defjelben ein nenes Schaufpielbaus, 


das Karltheater, welches noch im jelben Jahre 
eröffnet wurde u. wofür ihm der Magiftrat Wiens 


die Salvatormedaille verlich. Er ft. 14. Aug. 1854 
zu Iſchl. B. war eines der glänzendften komiſchen 
Zalente auf der Bühne, und jeine vielbelachten 
Poffen, vor allen Staberl in Floribus, verdanten 
befonders feinem Spiel ibre gewaltige Zugkraft. 
Als Director wußte B. jedes Ungemach zu befie- 
gen u, ſtets die beften Kräfte für fih zu erwer« 
ben. An Wohithätigfeit famen ihm nur wenige 
Menſchen gleih. Vgl. Kaifer, Theaterdirector 
Karl, 2. Aufl., Wien 1854; Gämmerler, Karls 
Leben, ebd. 1854. Kürfhner.* 
Bernburg (Geogr.), 1) Herzogthum Anhaft- 
B., f. Anhalt (Gefchichte) IL. 2) Kreis im Her- 
zegthum Unhalt, an der Saale u. Wipper, von 
der Bahn Aichersleben » Halle durdhfchmitten; jehr 
fruchtbar; 54,000 Ew. 8) (Nenerer lateinijcher 
Name Aretopolis, Ursopolis) Stadt dafelbit, an 
beiden Ufern der Saale u. an der Bahn Halber- 
ftadt-Köthen; beftebt aus der Alt- u, Neuftadt links 
u. der Bergftadt rechts von der Saale; dicht an 
der Neuftadt die Borftadt Waldau; ſchöne Brücke 
über die Saale, altes Schloß auf den Berge der 
Bergftadt iiber der Saale, mit dem Rothen Thurm 
(Eulenjpiegel) u. dem Schloßgarten mit Orangerie: 
haus, Reitbahn; Kreisdirection, Kreisgeridht, Poſt- 
direction; 3 Kirchen (darumter die ſchoͤne Marien- 
firche), katholiſche Kirche, Synagoge, neues Kranlen- 
haus, Wittwen- u. Yandes-rrenanitalt, Yehrer- 
jeminar, Gymnaſium, Nealichule, israclitifche 
Schule, höhere Töchterjchule; Loge Aleris, Schaur 
jpielhaus (1827 vollendet); bürgerliche Gewerbe, 
Brauereien und- Branntweinbrennereien, Yuder-, 
Wagen, Watten-, Thonmaaren-, Preßkohle⸗, Stein- 
gut- u, Papierfabrilen, Eijengießerei, * 
Inſtitut; Runkelrüübenbau; mit Domäne u. Waldau 
15,709 Ew. — B. iſt eine ſehr alte Stadt; ſchon 
992 wurde die Bergſtadt von Kaiſer Otto II. 
befeftigt, die Neuftadt wurde zu Anfang des 13. 
Jahrh. angelegt. B. war die Nefidenz der Für. 
ften der alten B»er Linie bis 1468, dann (1498) 
Wittwenfit. Seit 1603 war es Wohnſitz der neuen 
Beer Linie, bis 1765 Fürſt Friedrich Albrecht 


Bernd — Verned. 


nah Ballenftedt 309. Doch mar es bis 1863 
Hauptit. des Herzogthums Anbalt-B, 

Bernd, 1) Ehriftian Samuel Theodor, 
Philolog u. Heraldifer, geb. 12. April 1775 zu 
Meſeritz; ftndirte in Jena Theologie u. warf fi) 
fpäter auf das Studium der Spradmifienichaft; 
von Campe 1804 nad Braunſchweig berufen, um 
an der Bearbeitung des deutichen Wörterbuches 
tbeilzunehinen, führte B. fait ganz allein dieſe 
Arbeit 1807—11 aus, Hierauf fand er Anftellung 
an der Bibliotbef und dem Ardiv in Breslau, 
wurde 1813 Profefjor am Gymnaſium zn Kaliſch, 
1815 am Gymuaſium zu Poſen u. 1818 Biblio- 
tbefjecretär zu Bonn; er habilitirte ſich bier 1822 
als Brofeffor der Diplomatit, Sphragiſtik u. He- 
raldit; ft. dafelbft 14. Sept. 1854. Er fohrieb: 
Die deutihe Sprache im Großberzogtbum Poſen, 
Bonn 1820; Die Verwandtſchaft der flavifchen u. 
germanischen Sprachen, ebd. 1822; Die doppel- 
formigen Beitwörter der deutſch. Sprache, Aachen 
1837 (unvollender); Allgemeine Schriftenfunde 
der gefammten Wappenmifjenfhaft, Bonn 1830 
bis 1835, 3 Bde., mebit Nachtrag, ebd. 1841; 
Wappenbuch der preußiichen Aheinprovinz, Bonn 
1835—42, 2 Thle. u. Nachtrag; Die Hauptſtücke 
der Wappenmiffenichaft, Bonn 1841—49, 2 Bde.; 
Handbudh der Wappenwiſſenſchaſt, ebd. 1856; Die 
drei dentichen Farben u. ein deutiches Wappen, 
Bonn 1848. 2) B. v. Guſeck, ſ. Berned, 8.6. v. 

Brambah.* 

Berndal, Karl Guſtav, namhafter Schau- 
fpieler, geb. 2. Nov. 1830 zu Berlin, wo er 
zunächſt auf dem Friedrich Wilhelms Gymnaſium, 
jpäter auf der königl. Realſchule feine Schulbild- 
ung erbiet. Bon 1848—49 Hoppés Schüler, 
betrat er 5. Juli des erfteren Jahres als 
Diener des Marcus Antonius (Julius Cäſar) die fgl. 
Bühne, der er bis Mitte des Jahres 1849 au— 
gehörte, um dann auf dem genugſam befannten 
Liebhabertheater Urania feine künſtleriſche Aus: 
bildung zu vervollfommmen. 1851 engagirte ihn 
BWoltersdorf fir Königsberg, 1852 Director Hein 
für Stettin. Ein von diejer Stadt ang im Mai 
1853 beifällig aufgenommenes Gaftipiel am kgl. 
Schaufpielhaufe zu Berlin führte im folgenden 
Jahre zu einem dreijährigen Engagementsvertrag, 
der fpäter auf 10 Jahre verlängert, endlich 1866 
durch eine fgl. Cabinetsordre auf Yebenszeit aus- 
gedebnt wurde, ein Umſtand, der B. veranlafte, 
den 1870 an ihn ergangenen Auf als Director 
des Leipziger Stadttheaters abzulehnen. Die viel- 
fahe Beihäftigung, der B. als Darjteller gerecht 
werden muß, bat ihn nicht abgehalten, neben 
Gaſiſpielen in Köln, Diagdeburg, Pyrmont, Leipzig, 
Mannheim, Gera, Königsberg und Stettin auch) 
unterrichtend aufzutreten. Seit 1855 Yehrer der 
Declamation, ift B. von 1860— 73 am Sternichen 
Eonfervatorium als folcher thätig geweien u. vom 
October 1873 ab für dem Unterricht in Ausſprache 
u. Declamation bei der fgl. akademiſchen Hod- 
ſchule flr Muſik angeftellt. Im Juli 1856 ver- 
heirathete er ſich mit der Hofihaufpielerin Zohanne 
Hartmann, welche früber ın Kinderrollen mit Glück 
aufgetreten war. B. bat bei einer Fülle glänzen: 
der Mittel, von denen beionders fein prächtiges 
Organ hervorzuheben ift, mit feltener Ausdauer 


255 


'u. großem Fleiße zum überwiegenden Theil die 
Schwierigkeiten feiner Kunft überwunden, 


Fiir 
die Darjtellung der Weflerion, wie die fomifcher 
Partien, weniger angelegt, fucht er feine Stärle 
bauptiächlich in der Wiedergabe fräftig-mannbaf- 
ter, oder Hug berechnender Charaktere. Die von 
vielen Rollen geforderte dämoniſche Färbung liegt 
ihm bis jetst ferner, indeſſen ift die Kritik über- 
zeugt, daß ſich B. auch diefe noch aneignen wird 
u. dann den beiten Theil von Deſſoirs Erbichaft 
anzutreten berechtigt ift. Als feine beiten Yeiltungen 
werben bezeichnet: Gtamettino Doria, Percy und 
Wilhelm von Oranien, denen fi mirdig ans 
Ihließen: Franz Moor, Fauſt, Tell, Götz, Buttler, 
Präfident in Cabale u. Liebe, Dr. Forſter, ‘Prof. 
Didendorf, Philipp IL. Zu feiner Charafteriftif 
vgl. D. F. Genfihen, Berliner Hofſchauſpieler, 
1842, p. 49—64. Kürjehner. 

Berne, Marktfleden im Großherzogthum und 
Obergerichtsbezirte Divenburg, an der Mündung 
der Berne in die Oller, Eiſenbahnſtation; jonit 
Hauptort des Stedinger Landes; 700 Ew. 

Berned, 1) Stadt im gleihnamigen Bezirks— 
amte des bayer. Regbez. Ober zranfen, an der 
Mündung der forellenreihen Olsnit in den weißen 
Main; bejuchte Badeanftalt; Obft- u. Hopfenbau; 
Perlenfiicherei; Baummollenwaarenfabrif, Glas- 
jchleiferei, Steinhanerarbeiten, 1355 Ew.; dabei 
Eijenfteingrube u. Serpentinbrüche. 2) Städtchen 
im Oberamte Nagold des mwürttemberg. Schwarz- 
waldfreijes; Schloß; 460 Ew. 3) (Bernang) Gro⸗ 
Bes Dorf im Bezirke Unterrheinthal des ſchweiz. 
Kantons St. Gallen; Stiderei, Spinnerei; beſuchte 
Jahrmärkte; vorzigliher Weinbau m. Zrauben- 
furort; 2140 Ew. 

Berueck, Karl Guſtav v., pieud. Bernd v. 
Guſeck, deutſcher Romanſchriftſteller, geb. 28. Oct. 
1803 zu Kirchhain in der Nieder-Lauſitz; beſuchte 
das Berliner Cadettenhaus, trat 1820 als Offizier 
in die preußifche Eavalerie, ftudirte 1823—26 
in der Allgemeinen Kriegsjchule zu Berlin, ward 
1839 Lehrer der Geſchichte an der Divifionsichule 
in Frankfurt a. D., 1848 Mitglied der Ober- 
Milttäreramimnationscommiifion, Lehrer der Ge- 
ſchichte der Kriegskunft an der vereinigten Artillerie 
u. Ingenieurſchule, fowie der Taktik am Cadetten- 
hauje zu Berlin, 1855 Profeffor der Mathematit 
in diefer Anftalt; nahm 1862 feinen Abichied u. 
ft. 8. Juli 1871 zu Berlin, Mit einer lebhaften, 
fruchtbaren Phantafie begabt, ſchnf B. eine lange 
Reihe biftorifcher Romane, die alle mit einer 
reihen ‚zülle von Handlungen ausgeftattet, von 
einem warmen, patriotifschen Gefühl befeelt u. in 
fanberem Stil geihrieben find. Dagegen feblt es 
oft an genügender Motivirung u. an einer fünfte 
leriihen Gruppirung der Begebenheiten, Cine 
feiner vollenderften Dichtungen ift der Roman: 
Die Hand des Fremden, Yeipz. 1857, weldyer in 
lebendigen Farben das Elend fchildert, das Yud- 
wig XIV. über Deutihland bradte. Auch die 
Romane: Der Raub an Deutſchland, Lpz. 1862, 
4 Bde.; Deutihlands Ehre 1813, Lpz. 1863, 
3 Bde.; Unter dem Krummftab, Hannov. 1865, 
3 Bbe.; König Murats Ende, Lpz. 1866, 3 Bde., 
u. a. nehmen eine hervorragende Stelle unter 
den Ericheinungen der neueren deutſchen Roman 


256 


literatur ein. Neben diefen eigenen Schöpfungen 
lieferte B. aud) eine Überfegung von Dantes Götts 
licher Komödie, Stuttg. 1840; aud gab er nad 
Tromlitz' Tode von 1842—51 das Taſchenbuch 
Bielliebhen heraus. Nicht minder vorzüglich als 
feine beiletriftifchen Erzeugniffe find die militäri- 
ihen Werfe, die er jchrieb, fo: Elemente der 
Zaftif, Berl. 1852, 6. A., 1870; Geſchichte der 
Kriegstunft, ebd. 1854, 3. A., 1867; Buch der 
Schlachten, Lpz. 1856 u. a. 

Berner, 5 Friedr. Wilh., Orgelvirtuoſe 
u. Componiſt, geb. 16. Mai 1780 zu Breslau; 
war Organiſt au der evangel. Hauptlirdhe, dann 
an der Eliſabethenkirche u. Univerfitätsmufildirec- 
tor; er ft. 9. Mai 1827. B. componirte u. a. 
ein Te Deum, Gantaten, den 150. Pſalm, Chöre, 
Choräle, Lieder u. ſchr. Grundregeln des Geſanges, 
die Lehre der mufilalifchen Jnterpumction u. a. 
2) Albert Friedrid, Crimimalift, geb. 30. 
Novbr. 1818 zu Strasburg in der Ulermark; 
fudirte in Berlin Jurisprudenz u. Philofophie. 
Auf feine Dissertatio de divortiis apud Romanos, 
1842, folgte die Schrift: Grundfäge der crimina- 
liftifchen Imputationslehre, Berl. 1843, welche 
den Begriff der Zurehnungsfäbigkeit, die Zuſtände 
der Zurehnungsunfäbigfeit, die Lehre von Dolus 
u. Culpa philojophiih begründet u, die Stellung 
des Gerichtsarztes zum Wichter bei diefer Frage 
beleuditet. Im Winter 1844/45 begann er feine 
afademifche Yehrtbätigfeit u. lehrt —* 1861 als 
ordentlicher Profeſſor Criminalrecht und proceß, 
Rechtsphiloſophie, Völkerrecht u. Naturrecht, ſowie 
Encyklopädie an der Berliner Hochſchule. Er ſchr. 
ferner: Lehre von der Theilnahme am Berbrecen, 
Berl. 1847; BWirfungstreis des Strafgeſetzes nad 
Zeit, Raum u. Perfonen, ebd. 1853; Lehrbuch 
des Deutſchen Strafrechtes, Lpz. 1867, 7.U., 1874, 
ins Griechiſche, Ruſſiſche, Polniſche u. Serbiiche 
überfett; Grundfäte des Preuß. Strafrechtes, Berl. 
1861; Abſchaffung der Todesſtrafe, Dresd. 1861; 
De impunitate propter summam necessitatem 

roposita, ebd. 1861; Die Strafgefeggebung in 

eutſchland von 1751 bis zur Gegenwart, Lpz. 
1867 (die ein vollftändiges Bild der Particular- 
Geſetzgebung u. der darauf bezügligen Literatur 
ibt); Kritif des Entwurfes eines Strafgeiep- 

uches für den Norddeutihen Bund, Ypz. 1869, 

Berner-Alpen, ſ. u. Berner Oberland. 

Berner laufe (Chiusa di Verona), ein 
Engpaß auf der Grenze Tirols u. Italiens, öſtl. 
vom Garda-See, an der Erich u. unterhalb der 
Brennerbahn; durch Forts befeftigt; berühmt durch 
die Waffenthat Ottos von Wittelsbah auf dem 
Rüdzuge des laiſerlichen Heeres 1154 gegen ben 
drohenden Überfall von Seiten der Beronejen. 

Berner Oberland, füdl. Theil des ſchweiz. 
Kantons Bern, ein Hauptziel der Schmweizreijen- 
den; beiteht aus dem Aare-Gebiete von der Quelle 
bis nah Thun u. enthält die ſchönſten u. höchſt 
ragenden Theile der Berner-Aipen u. deren nördl. 
Täler: das Haslie, Grindelmald-, Lauterbrun- 
nen⸗, Kander-, Simmen- u. Saane-Thal, fomwie 
den Brienzer- u. Thuner-See. Politisch befteht 
e8 aus den B. Amtsbezirten Oberhasli, Inter 
lafen, Frutigen, Ober: u, Rieder-Simmenthal, 
Suanen u. Thun, Es bededt einen Flädhen- 


Berner — Berner Oberland. 


inhalt von 3026,, [km (53, DM), wovon 
67 pCt. der probuctiven Bodenflähe angehören, 
während 33 pCt. Wiüftung u. nicht benutztes Ge- 
birgsland find. Bon erfteren find nur 11 pCt. 
Wald, Die B.-Alpen erftreden fi) als impojante, 
ein prachtvolles Panorama bietende Hochgebirgs- 
fette vom Gipfel des Titlis im O. bis zum 
Oldenhorn im W. 105 km, während ihre be- 
deutendfte Breite 30—37,, km mißt. Das Finſter · 
aarhorn bildet mit 4275 m den Culminations- 
punft. Es thürmt fid) aus Eismeeren zur felfi- 
en Zinne empor, welde dem Beichauer, vom 
N. u. W. gefehen, als ſchlanke, ſcharflantige Pyra- 
mide erſcheinut. Gegen W. ſendet es über das 
Agaſſizhorn 3950 m das Große Vieſcherhorn 
4048 m u. über die Grindelwalder Vieſcherhörner 
2700 m einen Grat, welder im Mönd) 4104 m 
endet. Gegen D. fällt das Finfteraarhorn gegen 
das Oberaarhorn 3648 m ab, von dem der ber- 
aar⸗Gletſcher abfinkt. Die beiden begleitenden Firn- 
felder find ſüdweſtl. das Wallifer Vieſcherhorn u. 
nordöftl, derszinfteraar-Gletiher. Ein zweiter, die 
Alpenrihtung freuzender Gebirgsgrat ift der der 
Schredhörner 4080 m, melde gegen NW mit dem 
fleinen Schredhorn 3497 m u. mit dem Metten- 
berg 3108 m gegen das Grindelmalder-Thal ab- 
fallen. Der obere u. untere Grindelwald⸗Gletſcher 
begleiten diefen Uusgang. Gegen SO, lanfen fie 
mit den Yauteraarhörnern 4030 m gegen den 
Abſchwung aus, welcher den Lanteraar-Gletiher 
vom Unteraar-Gfleticher fcheidet. Gegen NO baut 
fi) nun eine dritte Gruppe auf, welche im Wet- 
terhorn oder der Hasli- Jungfrau 3708 m culmi« 
nirt. Zu den Wetterhörnern rechnet man noch das 
Mittelborn u. Roſenhorn 3691 m, welches den 
Roſenlaui⸗Gletſcher entfendet. Als vorgeihobener 
Boften fteht bier das jähe Wellhorn 3196 m. 
Gegen S. verläuft ein Grat, der mit dem Emig« 
Schneehorn 3331 m, dem Hühnerjtod 3348 m 
u. dem Bädiftod 2921 m über das Juchli gegen 
die Grimfel abfinft. Aus diefer Gruppe, melde 
egen das großartig-prächtige Hasli-Thal abfällt, 
And nod zu nennen: das Dofjenhorn 3140 m, 
das Hangend-Öletjherhorn 3294 m, welches den 
Gauli-Gletſcher zur Seite hat, u. das Ritzlihorn 
3282 m. Jenſeits des Hasli-Thals läuft die 
Grenze über die Gerftenhörner 3185 m, den 
Thierälpliftod 3406 m, die Diedhterhörner 3389 m, 
den Galenftot 3598 m bis zu dem Zriftgebiete, 
in welchem ſich die Grenzen von Bern, Wallis 
u, Uri treffen u. aus deren Erhebung nur noch 
die Suftenhörner 3511 m, die vorderen Thier- 
berge 3173 u. das Steinhaushorn 3133 m aufe 
tagen. Es gehören aber nod, wenngfeid on 
* dem Gebiete von Uri liegend, die Abſenkung 
gegen die Gotthardſtraße zu den B.Alpen, aus 
denen das Gletihhorn 3307 m, der Schneeftod 
3556 m u. der Spigliberg od. yledenftod 3418 m 
die bedeutendften find. Südweſil. von der Finfter- 
aarhorn-Kette breitet fich ein großes Firnfeld aus, 
das größte der Schweiz, welches dem bezeichnenden 
Namen: Ewig-Schnee- u. Jungfraufirn- Feld führt. 
Aus demjelben taucht nordweſtl. die von inter 
lafen fo unvergleihlih ſchön fihtbare Jungfrau 
empor, 4167 m. Zu ihren Füßen ftehen nördl. 
zwei Bafallen, das Silberhorn 3690 m u. das 


Berner Oberland, 


Schneehorn 3415 m. (Weiteres ſ. u. Jungfrau.) 
Nördl. vom Mönd fteigt der Eiger als jcharf- 
tantiges, jelbftändiges Individuum auf 3975 m. 
Diefe ſämmtlichen Berge des Oberlandes laufen 
in ihrer Streihungslinie von SD, gegen NW,, 
aljo gerade die allgemeine Richtung der B. Alpen 
von SW gegen NO freuzend. Die, welche wir 
aus dem Gentralgebiete der Alpen jetst noch nennen, 
halten im großen Ganzen eine normale Richtung 
ein. Das große Schneefeld entiendet nach dem 
Kanton Wallis zunächſt den großen Aletſch · Glet⸗ 
ſcher, dann aber noch den Lötſchen-Gletſcher u. 
nördl. den Schmadribach⸗Gletſcher, welch letzterer 
weniger groß als belannt iſt. Auf Walliſer Gebiet 
liegen noch folgende, zum Finſteraarhorn-Maſſiv 
gehörende Punkte: Das Aletſchhorn (mit 2 Höhen⸗ 
angaben 4207 m u. 4198 m), alſo jedenfalls der 
ren Punkt diefer Gruppe, das Große 

ietſchſorn 3953 m, das Nefthorn 3820 m u. 
m. a. (j. u. Wallis). In dem Rücken, welder 
von der Jungfrau fitdweftl. ausläuft u. dem Be— 
fuher von Mürren ins Auge fällt, mögen ge- 
nannt fein: das Gletiherhorn über dem Roth 
Thal 3982 m, das Mittagborn 3887 m, das 
Großhorn 8763 m, das Breithorn 3774 m u. 
das ebenfall8 aus einer Gletſchermaſſe aufjtei- 
> Tſchingelhorn 3580 m, von welchem der 
Tſchingel- oder Kander-Gletjcher ſüdweſtl. u. der 
Breithorn » Gleticher nördlich herniederfommen. 
Nordweſtl. liegt eine zu den B.-Alpen gehörende, 
aber ganz ijolirte Gruppe, die Blümlis-Alp oder 
Frau 3670 m, welcher das Gipaltenhorn 3432 m, 
die Büttlaffen 3189 ın, die Wilde-Frau 3262 m, 
das Freunden-,, 3368 ın u. das Doldenhorn 
3647 m aus dem Syirngebiete diefer Gruppe an- 
gehören, von welcher danı eine Menge beveuteu- 
der Bergftöde, wie z. B. das Schilthorn 2965 m, 
der Wild-Andrift 2928 m, die Wittme 2868 m 
u. a. auslaufen. Hier führt ein Paß über das 
Gebirg von Bern nad Wallis, der Lötichenpaf 
2681 m welcher zugleih die Grenze für die 
txyſtalliniſchen Gefteine bildet. Alles ſüdweſtl. von 
bier Liegende gehört den Kalfen an. Die haupt- 
fählichften Punkte find die Altel$ 3634 m, das 
Balmhorn 3688 m u. das Ninderhorn 3466 m. 
Diefe Gruppe wird durch den ſchauerlichen Paß 
der Gemmi getrennt von ber nächſten Gletſcher— 
erhebung, dem Wild-Strubel, deſſen großes Firn— 
gebiet zu eimer Höhe von 3266 m emporjteigt 
u. welcher das Lämmernhorn 3115 m, das Weit: 
horn 3012 ın u. das Steghorn 3149 m entfteigt. 
Abermals benütt hier der Verkehr die tiejfte Ein— 
jattelung zwifchen Bern u. Wallis, um den Rawil— 
paß, Paßhöhe 2421m, auf Berner Seite chauſſirt, 
auf Wallifer Seite vernadläffigt, zu bahnen; es 
tommt noch einmal eine getrennte Gletſchergruppe, 
die des Wildhorns 3268 m, welcher außerdem 
noch das Arbeihorn 3042 m, das Schneidehorn 
2942 m u. das Rawilhorn 2908 ın entfleigen. 
Hier geht ebeufall® wieder ein nur für Saums 
tbiere benutzter Paß, der Sanetſch, herüber, Pap- 
höhe 2246 m. Die letzte Erhebungsmafle der 
B. Alpen find endlich die Diablerets mit dem 


257 


das Sanetihhorn 2950 m u. der an Teufelsjagen 
reihe Tour de St. Martin 2918 m. Vor diejer 
Hauptkette des Finfteraarhorn-Eentrafmaffivs lie 
gen nun die außer der Schneeregion, welche 
man nicht anders als nach den hydrographiſchen 
Berhältniffen eintheilen ann. Zunächit, zwiſchen 
Brienzer-See, Aare-Thal u. Lütſchinen⸗Thal ift es 
das Schwarzhorn-Mafliv 2930 m, dem noch die 
Wildgerft 2892 m u. das Faulhorn 2683 m ger 
bören; weftl, grenzt daran die Tretteuhorn-Gruppe 
2806 m, zu welcher wiederum die Lobhörner 
2523 m u. die Suled 2412 m gehören; dann 
die Niefenkette mit dem Niefen 2366 m, Männli« 
lub 2660 m u. Gſür 2693 m u. eine Partie 
anderer Erhebungen bis zu 2400 m, welche den 
weftlichiten Theil des B. O⸗es bilden. Nördl. 
von Brienzer-See u. dem Aare-Thal liegen auf 
der Grenze der befannte Zitlis 3239 m, die 
Gadmer Flüchen, das Brienzer Rothhorn, Tanıı- 
born, Widderfed, Schrattenfluh, Bäuchlen, Napf 
auf der einen u. Stodhorn 2193 m, Ganterifd) 
2177 m zc, auf der anderen Seite, welde all- 
mählih gegen das Mittelland auslaufen. An 
Seen hat das B. D. den jchönen Brienzer- und 
den Thuner-See, ſowie den Heinen Ofchinen- u. 
den Grimjel-See u. a. Wafferfälle: Der impo— 
jante Aarefall an der Handed, die mächtigen Rei— 
chenbachfälle bei Meiringen, der aus neun Waffer« 
fal-Stufen beftehende Gießbach, gegenüber von 
Brienz, der Staubbad u. der Schmadribad im 
Lauterbrunnen-Thal nächſt vielen anderen min« 
der bedeutenden. Als Kunftitraße im B. Dre ift 
lediglich der Brinig (von Luzern an den Brienzer- 
See 1024 m) eingerichtet. Durdy das Ober-Hasli 
über die Grimjel 2165 m joll eine Straße gebaut 
werden, welche ji an die Straße über die Furka 
2436 m, den höchſten fahrbaren Paß im der 
Schweiz, auſchließt. Die Bevölterung des 
B. O⸗es, 1870 94,676 Seelen, iſt der ſchönſte 
Menſchenſchlag der Schweiz; aufgewedt, Hug, be- 
vechnend, oft etwas zudringlih u. hinter einer ge- 
wiſſen Gutmüthigleit Verſchlagenheit verbergend. 
Der fortwährende Fremdendurchzug hat vielfach 
ungünftig auf den GCharafter u. die Moralität der 
Bevölferung eingewirkt. Der B. Oberländer ift 
ein Freund gummaftiicher Spiele, wobei er Kraft 
u. Gewandtheit entwidelt. Das Haus im B. Ore 
iſt das heimiſchſte, ftiliftiich Durchgebildetite der Holz⸗ 
Architektur; fein Dad iſt mit Steinen belajter, 
um die großen Schindeln vor der Gewalt des 
Sturmes zu bewahren. Käſe-Fabrilation ift der 
Haupt» Erwerbözweig nächſt der Viehzucht 
(jog. braune Brienzer-Hace). Der Grumdbefig ift 
jehr verſchuldet. Im weftl. Oberlande herrſcht 
die rothe oder falbjchedige, gemeinhin Fledvieh 
genannte Frutig-Sinimenthal-Saanen-Race. Zu 
einem großen Theil des B. Dres blüht Holz. 
Induſtrie, welche fi von den Parquetböden und 
ganzen Chälet3 an durd alle Zweige der Kunſt— 
ſchnitzerei bis zu den Schwefelhölzchen herab aus« 
gebildet hat. Die großartigen Waſſerkräfte und 
deren hydrauliſche Wirkung beuutzt das B. O. jo 
gut wie gar nicht. Der ſommerliche Fremden— 


Oldenhorn 3124 m u. einer noch unbenaunten verkehr knüpft ſich hauptſächlich an Interlaken, 
Spitze 3251 m über dem Paß de Cheville; Punkte Meiringen, Grindelwald und Thun und ſoll dem 


der Öruppe find: Les Sexes rouges 2982 m,’ 
UI. Band. 


Pierers Univerial-Eenrerfatio8-Lerifon. 6. Aufl. 


Yande fünf Mill. Fes. jährlih einbringen. 
17 


Val. 


258 Berneskiſcher Stil — Bernhard. 


Wyß, Reife ins Oberland, 2 Bde., 1817; Ober, 

Interlafen u. feine Umgebungen, Bern 1858; ©, 

Studer, Uber Eis u. Schnee, I. Abth., Bern 1869; 

Berlepih, Schweizerfunde, 2. Aufl. 

— Stil (Berneſtiſche Poeſie), |. u. 
erni. 

Bernhard (althochdeutſch Perinhart, mittel» 
deutſch Bernhart, d. i. hart wie ein Mann, 
mannfeſt). I. Fürſten. A) König von Ita— 
lien: 1) B., matürliher Sohn Pipins, Enkel 
Karls d. Gr.; noch bei deſſen Lebzeiten erft zum 
Herzog von Bayern, dann 812 zum König von 
Italien geſetzt, erhob er fich 817 wegen der Theilung 
des Reiches zum Aufftande, wurde aber gefangen 
u, geblendet; er ft. 818. B) Andere Fürften, 
a) Bon Anbalt: 2) B. von Asfanien, Graf 
von Anhalt, Sohn Albrechts des Bären, geb. um 
1140; erhielt, als fein Bater das Land unter feine 
Söhne theilte, Ajchersieben u. Plößlau u. 1180, 
nad der Theilung der Yande Heinrichs des Löwen, 
einen Theil von Sadien, nannte fi Herzog 
von Sachſen n. baute Wittenberg; er fl. 1212 zu 
Bernburg; f. Anhalt (Geichichte). b) Graf von 
tippe: 3) B. II., Berbündeter Heinrichs des 
Yöwen, nad deſſen Sturze er 1181 im Haldensieben 
uach tapferer Vertheidigung capttuliven mußte. 
Obgleich feit 1190 gelähmt, zog er doch nit gegen 
die heidnifchen Liven u. trat einem Gelübde zu— 
folge ins Klofter zu Marienfelden; dann zog er 
mit Bifchof Albert wieder nad) Livland, ward dort 
Abt u, fpäter Bischof. In feinem Miffionswerte 
durd innere u. Äußere Feinde gehindert, ging eı 
wieder nad Deutſchland, um Krenzfabrer nach Yiv- 
land zu rufen, u. darauf fehrte er dahin zuriid; 
er jt. 1224. Während feiner Herrichaft in Lippe 
gründete er Lippſtadt u. Lemgo. Bgl. Scheffer- 

oihorſt, B, zur Lippe, Detm. 1872. c) Herzöge 
von Sachſen. aa) Herzog von Sadjen- 
Weimar: 4) B., geb. 6. Aug. 1604, jüngfter 
(effter) Sohn des Herzogs Johann III. von Weis 
mar; folgte diefem 1605 in Gemeinvegierung mit 
jeinen noch lebenden 7 Brüdern, diente anfangs 
ſeit 1620 unter Mansfeld, bis zur Schlacht bei 
Wimpfen (1622) unter dem Markgrafen Georg 
Friedrich von Baden, dann unter Chriſtiau von 
Braunſchweig, trat nach dem Gefechte bei Stadt- 
Iohn (1623) im holländische, 1625 in däniſche 
Dienfte, wo er mehrere glüdliche Gefechte gegen 
MWallenfteins General Schhd beſtand. Mit feinem 
Bruder Fohann Ernſt begleitete er 1626 den 
Grafen DMansfeld auf feinen Zuge zu Bethlen 
Gabor u. blieb dann 1628 in däniſchen Dieniten, 
wo Walfenftein ihn mit dem Kaifer ausföhnte, 
Darauf durchreifte er Frankreich, Holland u. Eng- 
land, wohnte 1629 der Belagerung von Herzogen: 
bush durch die Holländer bei u. lebte fpäter in 
Weimar. As Guſtav Adolf in Deutichland er- 
Ihien, ging er fogleich zu ihm, ward nad) dem 
Gefechte bei Werben (28. Juli 1631) ſchwediſcher 
Generalmajor, erhielt 3 Reiterregimenter u. ver- 
trieb Die Kaiferlihen aus Heffen. Gr begleitete 
nah der Schladt von Yeipzig den König von 
Schweden nah Franken, an den Rhein u. nad 
Bayern, führte ein befonderes Corps an den Main 
u. übernahm nah Guſtav Adolfs Tode bei Lützen 
(6. Nov. 1632), wo er erft den linken Flügel com» 


manbdirt hatte, den Oberbefehl u. gewann die 
Schlacht; 1633 befehligte er die Hälfte des Heeres 
in Deutichland, beſetzte Bamberg, nahm Hochſtädt 
nit Sturm u. erhielt 12. Juni 1633 von Oren- 
jtierna die Hodhftifte Bamberg u. Würzburg unter 
dem Titel eines Herzogtbums Franken als ſchwe⸗ 
diſches Lehn. Er beichwichtigte dann die Unruhen 
im ſchwediſchen Heere im Yager von Donauwörth 
durch Geld u. Anmweifungen von Yäudereien an die 
Offiziere. Darauf eroberte er Regensburg und 
unterbandelte von bier aus mit Wallenftein. Am 
27. Aug. verlor er gegen Gallas die Schlacht bei 
Nördlingen u. in deren Folge auch fein Herzog» 
tbum Franken, Bon den erihöpften Schweden 
und dem Heilbronner Bunde ohne Lnterftü 
gelafien, 309 fih B. an den Rhein und jchlo 
17. October 1635 mit den Franzoſen einen Ber- 
trag zu St.» Germain-en-Laye, worin er ver» 
ſprach, 18,000 Mann für Frankreich gegen 4 
Millionen Livres zu unterhalten. Durch geheime 
Artifel wurde ihm der Befis von Eljaß zugefichert. 
1636 u. 1637 focht er in Eljaß, Lothringen, Bur- 
gund und dem Breisgau, ſchlug 1638 bie Feinde 
unter Johann v. Werth 21. Febr. bei Rhein— 
felden, 30. Juli bei Wittenweiber und 4, Okt. 
bei Thann und eroberte 7. December Breiſach. 
Er Tieß fih num als Herrn des Landes, unab- 
bängig von Frankreich, huldigen und eine Münze 
mit den Wappen Weimars u. Breiſachs jchlagen. 
Bergeblich fuchte ihn der darüber betroffene Richelien 
nad) Paris zu loden, um Frankreich in Befig des 
von B. eroberten Landes zu bringen, B. war 
vielmehr darauf bedacht, die errungene Macht flir 
feine eigene Perfon zu behaupten, u. ging damit 
um, biefelbe dur Bermählung mit ber verwittweten 
Fandgräfin Amalie von Heffen noch mehr zu be— 
feftigen, als er plötlic) 8. Juli 1639 zu Neuburg 
am Rhein, nad der Behauptung Einiger an Gift, 
nad Anderen von der Lagerſeuche ergriffen, ftarb ; 
jeine Leiche wurde 1655 von Breifah nah Weis 
mar übergeführt. Mehr f. Dreißigjähriger Krieg. 
Sein letter Wille, dag Elfaß an feinen Bruder 
fomme un. bei dem Deutschen Neiche verbleibe, wurde 
nicht erfüllt, fondern Nichelien nahm daffelbe für 
Frankreich in Beſitz. Bgl. Yebensbejchreibung von 
Höfe, Weim. 1829 f., 2 Bde. Zum Helden einer 
Tragödie wurde er durch Rud. Gottichall, Lpz. 1871. 
bb) Herzöge von Gadjen - Meiningen: 
5) B., 3 Sohn des Herzogs Ernſt von Gotha, 
geb. 1649; erhielt 1680 Meiningen zum Antheil, 
war ber Kirche ſehr ergeben, ebenfo Alchemiſt und 
veund des Ditlitärwejens; er ft. 27. April 1706, 
) B. Erid Freund, Sohn des Herzogs Georg 
u, der Luife, geb. Prinzeifin von Hobenlohe- 
Yangenburg, geb. 17. Dec. 1800; folgte feinem 
Bater 1803 unter Vormundichaft feiner Mutter, 
ftudirte in Jena u. Heidelberg, bereifte die Nieder- 
lande, Schweiz, Stalien u. England u. übernahm 
1821 die Regierung felbit, trat nach den Theil« 
ungsvertrage vom 12. Nov, 1826 in den Befit 
von Hildburghaufen, Saalfeld, Kranichfeld u. Kam— 
burg, gab 1829 feinem Lande eine neue Berfaflung, 
verhütete 1848 durch fein Entgegenlommen revo« 
lutionäre Auftritte, ftand 1866 auf Geite Dfter- 
reichs u. legte infolge der Siege Preußens 20. Sept. 
die Negierung in die Hände jeines Sohnes Georg 













































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nieder. Er it feit 1825 vermählt mit Prinzeffin 
Marie von Heſſen⸗Kaſſel. 

1. Brinzen: 7) B. Karl, 2. Sohn des 
Großherzogs Karl Aug. v. Weimar; geb. 30. Mai 
1792; trat früh in preußische Kriegsdienſte u. ftand 
während der Schlacht von Jena beim Corps des 
Fürften Hohenlohe. Er trat dann im fächfifche 
Dienfte, wurde 1807 Hauptmann bei der ſächſiſchen 
Garde, machte 1809 als Major den fFeldzug gegen 

fterreich unter Bernadotte mit, nahm aber, um 
nicht gegen Rußland zu fämpfen, einen längeren 
Urlaub, den er zu Reifen in Frankreich u. Italien 
benngte. Erſt nad dem Yutritte Sachſens zur 
Eoalition (Ende 1813) trat er zw feinem Negiment 
zurüd u. focht 1814 ald Oberſt in Belgien und 
— 1815 trat er als Oberſt in holländiſche 

ienfte, fämpfte bei Waterloo als Brigadechef, 
wurde 1816 Generalmajor u. führte feit 1819 das 
Gouvernement von OFlandern. 1826 unternahm 
er eine Reife nach NAmerila, deren Bejchreibung 
Luden, Weim. 1832, 2 Bde., herausgab; ins Eng- 
liſche zu Philadelphia u. ins Holländische zu Dort- 
recht überjegt. Bei der Inſurrection Belgiens 
(1830) warb feine Wohnung geplündert u. er ge- 
zwungen, ſich nad Antwerpen zurüdzuziehen; er 
befebligte 1831, kurz vorher zum Generalfieutenant 
befördert, beim Angriffe der Holländer auf die 
Belgier eine Divifion, führte eine Zeit lang das 
Commando in Luremburg u. war von Ende 1848 
bis 1854 nmiederländiicher General der Infanterie 
u, Oberbefehlshaber der Eolonial-Arımee im Nie- 
derländiichen Indien. Er war jeit 4. April 1852 
Wittwer von Prinzeifin Jda v. Sadjen-Dleiningen 
u. fi. 31. Juli 1862 ın Bad Liebenftein. Er 
ihr.: Précis de la campagne de Java en 1811, 
von 1834, 

11I. Heilige: 8) St. 8. v. Menthon, geb. 
923 im Schloffe Menthon im Genfer Gebiete, 
Archidiaconus in Aoſta; gründete oder reftaurirte 
962 das Klofter auf dem Großen Bernharbsberge 
für Auguftiner Ehorberren u. ward deren Prior; 
er ft. in Novara 1008; Tag: 15. Juni. (9) ©t. 
3. von Elairvaur, geb. 1091 zu Fontaine in 
Burgund, aus einem edeln Geſchlechte; ging mit 
30 anderen, durch feine Beredtjamfeit u. fein Bei- 
fpiel Hingerifjenen edlen Sünglingen 1118 in das 
Klofter Citeaux u. wurde 1115 Gründer u. erfter 
Abt der Giftercienfer zu Clairvaur bei Fangres. 
Er war Reformator der Klofterzucht, Rathgeber 
ber Fürften u. Hauptiprecher in den Sirchenver- 
fanmfungen; in dem Streite der 2 Gegenpäpfte 
Sunocenz II. u. Anafletus IL. von 1130—38 war 
er mit Erfolg für den Erfteren thätig; auch brachte 
er 1146 durd feine hinreißenden Predigten den 
zweiten, übrigens unglüdlichen Kreuzzug zu Stande. 
Sehr beredt u. ſtreug orthodor, kämpfte er fieg- 
reich gegen Abälard, Urnold von Brescia, gegen 
die Katharer, Gilbert de la Porree; er ft. 20. Aug. 
1153 u. ward von Alerander III. 1174 fanonifirt; 
Tag: 20. Aug. Der von ihm reformirte u. aus- 
gebildete Orden heißt der Ciftercienjerorden, doc) 
nennen fich mehrere geiftlihe Körperſchaften nad 
ihm Bernhardiner u. Bernhardinerinnen. Seine 
Schriften, im Geifte der edleren Myſtik geichrieben, 
beftehen in Homilien, Briefen, Hymnen (3. B. das 
berühmte Salve caput cruentatum, weldes P. 


Bernhard. 


259 


Gerhards Liede: O Haupt voll Blut u. Wunden, 
zu Grunde liegt; Jesu dulcis memoria, deutich 
von Moller, 1584; Commentar zum Hohen Liebe ; 
Vita St. Malachiae, tract. de gratia et libero 
arbitrio, befte Ausgabe von Mabillon, Par. 1667, 
1690, 2 Bbe., 1718, 2 Bde., 1839 f.; die Schrift: 
De consideratione libr. V, deutſch von Reintens, 
Münft. 1870. Bgl. U. Neander, Der heilige B., 
Berl. 1813, 2. A., Hamb. 1848; %. Morijon, 
The Life and Times of St. Bernhard, Lond. 1864. 

IV. Berihiedene. 10) B., Mönd in Prüm, 
1008 Abt von Reichenau; ftudirte den Kirchenge- 
fang auf feiner Reife nah Rom (1014) u. ver- 
beflerte die kirchlihe Mufit in Deutihland; ftarb 
1048; er jr. u. a.: De officio missae, Par, 
1518, Ben. 1572. Die Schriften: De varia 
psalmorum atque cantuum modulatione, Prolo- 
gus in tonarium, Tonzrius, De consono tonorum 
diversitate find von Abt Gerbert in der Samıns 
fung der Seriptores eceles. de musica herausgeg. 
11) B., Arhidiaconus von Gompoftella; verans 
ftaltete eine Sammlung der Decrete Innocenz' III., 
die Compilatio Romana, fpäter wegen einiger der 
Curie unbequemen Stüde unterdrüdt. Ein anderer 
B. von Compoftella, genannt de Montemirato, 
commentirte die Decretalfen Innocenz' VI. und 
Gregors IX.; j. Corpus juris canonici. 12) B. 
von Pavia (B. Eirca, B. Ballus), erft Propft, 
dann Bischof von Pavia; er hr. um 1190: Bre- 
viarium extravagantium, eine Sammlung von 
Kanones, in weldyer jowol die nad) Öratianus er- 
ichienenen neueren Kirchengejege, als aud die von 
Gratianus nicht aufgenommenen Älteren zufanmen- 
geftellt find; herausgegeben Yerida 1576, Fol. Par. 
1609, Fol. 18) B. von Parma (Bernardus de 
Botono), geb. zu Anfang des 13. Jahrh. in 
Parma; ſiudirte in Bologna die Rechte, wo er 
auch Profeffor war; nachdem er hierauf Curial« 
beamter in Rom geweſen war, fehrte er auf jeinen 
Fehrftuhl in Bologna zurüd u. fl. 1266. Er ift 
der Sammler der Glossa ordinaria; f. u. Gloffe. 
14) 8. (Bernardus Guidonis), geb. 1260 in 
Limoges; ft. 1331 als General des Dominicaner- 
ordens u. Biſchof von Lodove; er ſchr. die Lebens- 
beichreibungen der Päpfte von Cöleftin IV. bis 
Johann XXII. (bei Muvatori Theil 3 abgedrudt); 
das Leben einiger Heiligen; Chronicon comitum 
Tolosanorum, Zolola 1623; Speculum sanctorale; 
Ueber die Wunder des Thomas von Aquino zc. 
15) B. Claude, der arme Priefter genannt, geb. 
1588 zu Dijon; ftudirte zuerſt Die Rechte; durch 
eine Viſion befehrt, trat er in dem geiftl. Stand 
u. widmete fi) ganz der Armen- u, Kranfenpflege 
in Paris; er fl. 1641. 

V. Dieter u. Schriftfteller: 16) ®. von 
Bentadorn, der herporragendfte Minnefänger der 
Provence; lebte etwa von 1130—95. Er war ber 
Sohn fehr armer Eltern u. wurde von Eble IL, 
Bicegrafen von Bentadorn, erzogen. Er jang um 
1150—60 an den Höfen des Vicegrafen Eble IIT. 
von Bentadorn u. der berüchtigten Herzogin Eleonore 
von Poitou, fpäter Königin von England. Bon 
ihm find etwa 50 Gedichte erhalten, welche fid, 
durch Naivetät des Ausdrudes u. Wahrheit der 
Empfindung auszeichnen u. öfters an Bolfslieder 
unferer Tage erinnern, 3. B.: Gort dilrft' ich 'ne 

j 17* 


260 Bernhard, Großer 


St. — Bernhardi. 


Schwalbe fein, Durd die Lilite ſchweben, Wollt' jtorben, aber nicht weniger treue u. intelligente 
mich in ihr Kämmerlein Mitternacht begeben. | Neufundländer verjeben den Dienft), von denen 


Dal. 9. Biihoff, Biographie B-S, Berl. 1873. 
Eine Ausgabe jeiner Gedichte mit deutſcher Uberr 
ſetzung beiorgt Prof. E. Stengel in Marburg. 
17) Karı B., Bieudonym für Saint-Aubin (j. d). 
18) 8., Graf von Trevis, daher Trevifanus, 
befaunter Alchemiſt, geb. 1406 zu Padua, geit. 
1490. Int den Stein der Werfen zu finden, opferte 
er deu größten Theil feines Yebens u. Vermögens, 
bereiſte Europa, Agupten, Baläftina, Perfien, wurde 
eingeitandenermaßen vielfach betrogen, glaubte aber 
aunehmen zu Dürfen, daß jener Stew mit Hilfe 
des Quecſilbers u. Goldes berzuftellen ſei. Die 
jefteren Blutbeftaudtbeile brachte er mit der Er- 
nährung der feften Gemebstheile, die flüjfigen mit 
den Mbjonderungen in Beziehung. Er veröffent- 
lichte: De chymia, Straßb. 1567, Bajel 1583, 
Frtf. 1625, Geitmar 1647; De chymico mira- 
eulo, quod lapidem philosophorum appellant, 
Bajel 1583, 1620, auch franzöfifch mit Hinzufügung 
anderer, ähnlicher Schriften, in Antwerpen 1567, 
Straßb. 1574 u. 1586, Nürnb, 1643 x. aufge: 
legt; Responsio ad Thomam de Bononia de mi- 
neralibus et elixiris ete., Bafel 1610, aud in 
franz. Überfegung; Traite de la nature de l’@uf 
des philosophes, Par. 1559 zc, Es find ihm 
mancherlei Werte fälſchlich untergefchoben. 
7) Weinarbus.* 9) 11) 12) 14) Löffler.* 
Bernhard, Großer St., 1) Berg, Paß und 
Klofter, zwiſchen dem Wallifer Bal d'Entremont 
(Schweiz) u. dem ſavoyiſchen Bal St. Bernard, 
das nad Nofta führt, 2472 m had, in ummittel: 
barer Nähe des Mont-Belan 3792 m, der Pointe 
de Dronaz 2953 m und der Chenalette 2876 m. 
Der Weg von Martiguy nad Yofta, 85 km lang, 
ti bis zur Gantine de Proz hauffirt, dann über 
die Höhe bis nah St. Remy Saumweg u. von 
da bis Aoſta wieder dauffirt. Pandjchaftliche 
Schönheiten bietet dieſer Paß wenig; im ſchnee— 
reihen Wintern ift er faſt ungangbar, im Früh 
jahre, weil ohne genügende Sicherheit gegen Yawinen, 
gefährlich. Die 6 km diefjeits unter der Paßhöhe 
gelegene Steinhütte, in weldyer die todt gefundenen 
vanderer früher ausgeftellt wurden (oft Jahre 
lang), fo daß die Körper in der jcharjen Luft ganz 
eintrodneten, ift jest bloß ein Beinhaus. Yuj 
diefer Höhe wurde zu Römerzeiten der Jupiter 
Penninus verehrt; Münzen u. Anticaglien wurden 
hier aufgefunden; wahrſcheinlich benugte ihn Cäſar 
zuerft, danı Gäcinna, u. Eonftantinus verjah ihn 
mit Meilenjteinen. Später überjgritten ihn Karl 
d. Gr. (773) u. Friedrich Barbarofja (1166) bei 
ihren Nömerzügen. Wahrſcheinlich gründete oder 
rejtaurirte Bernhard von Wenthon (962) das 
Auguftiner-Chorberren-Klofter, von weichem jebod) 
Urkunden u. Schriftliche Beweismittel bei Feuers— 
brünften zu Grunde gingen. Die jetzt daftehenden 
Gebäude ſtammen aus dem 16. Jahrh. Bedeutend 
erweitert wurde das Gtift 1822. Es ift mit 10 
bis 15 Chorherren u. einer Anzahl dienender 
Brüder bejegı, welche die Aufgabe haben, durch— 
pafficende Reiſende unentaeltlih aufzıgichmen und 
zu verpflegen u. bei ſchlechtem Wetter Verirrten 


der im Berner Mufeum ansgejtopft aufbewahrte 
Barıy einer Anzahl Menſchen das Leben gerettet 
bat. Die Patres haben auf 15 Jahre Gelübde 
gethan, balten diejelben jedoch oft nicht aus. 
Eine Filiale befteht auf dem Simplon» Paß, 
welche gleiche Berpflichtungen hat. Krank wer- 
dende Öeiftice beziehen Bfründen auf Thal- 
pfarreien. Im Kloſier berricht das freiefte Yeben 
u. die fröhlichite Ausnugung der wenigen Monate, 
in denen Fremde bier logiren. Die Patres jpre- 
hen franzöfiih. Mehr als 10 ganz belle Tage 
foll man im Fahre faum zählen. Bom 15. bis 
21. Mai 1800 führte der Conſul Bonaparte feine 
30,000 Maun ſtarke Armee diejen Weg nad) Italien. 
Später ließ er dem in der Schladt von Marengo 
gebliebenen General Defair ein Denfmal in der 
Kirche jegen. 1829 fand die Sitzung der ſchweizer 
Naturforscher bier ftatt. Obihon während des 
Jahres 1847 die Mönche auf jonderbiündleriicher 
Seite gefianden u. diefe Erhebung pecuniär be» 
dentend unterftütt hatten, ließ man das Klofter, 
auf Fürſprache der Kegierungen von Frankreich, 
Sardinien u, des Nirchenftaates, fortbeftehen, legte 
ihm aber eine Contribution von 80,000 alten 
Schweizer-Fts. auf. 2) Kleiner St. Bernhard, 
Paß u. Gebirgseinfenfung zwifchen dem Mont- 
Valaifan u. dem Mont-Belleface, 2192 m bod; 
verbindet Courmayeur im Thal der Dora-Baltea 
(Ztalien) mit Bourg⸗ Maurice im Iſere ⸗Thal (Frank⸗ 
reich) u. gehört zu den im Winter gangbarften 
Bergpäflen. Man nimmt an, daß Hannibal über 
diefen Paß gegangen ſei. 

Bernhardl, 1) Auguft Ferdinand, Sprad- 
forfcher u. Schriftfteller, geb. 24. Juni 1769 in 
Berlin; wurde 1791 Lehrer am Friedrichs - Wer- 
derichen Gymnaſium daſelbſt, 1808 Director des- 
jelben u. Conſiſtorialrath; er ft. 1. Juni 1820. 
Er ſchr.: Lateinische Grammatik für Schulen, 
Berl, 1795; Gried. Grammatik, daf. 1797; Sprad- 
lehre, ebd. 1801—3, 2 Bde.; Anfangsgriude der 
Spracdwifienichaft, ebd. 1805; Anfichten über die 
Organisation der gelehrten Schulen, Jena 1818. 
Mit feinem Schwager L. Tied gab er heraus: 
Bambocciaden, 3 Bde,, Berl. 1797 f.; Reliquien, 
Erzählungen u. Dichtungen von ihm u. jeiner 
Gattin Sophie, geb. Tied, berausgegeben von 
ihrem Sohne Wilhelm B., Altenb. 1847, 3 Bde, 
2) Joh. Jakob, Naturforfcher, geb. 1774 in 
Erfurt; war jeit 1805 Brofefjor der Philoſophie 
u. 1819 Mitglied der Sanitätscommiffton daſelbſt; 
ft. 13. Mai 1850. Er ſchr. nach einem eigenen 
Spftem, in welchem er die Pflanzen nach der Zahl 
der Staubbeutel in 12 Klaffen theilte, ein Ber 
zeihnig dev Pflanzen ın der Gegend um Erfurt, 
1800; Handbuch der Botanik, ebd. 1805; Beob- 
achtungen über Pflanzengefäße, ebd. 1805; Beur- 
theilung des gejunden u. franfen AZuftandes or- 
ganifirter Körper, ebd. 1805; Handbuch der Con- 
tagienlehre, 1815. 3) Karl Siegmund, geb. 
5. Oct. 1799 zu Ottrau in Kurheſſen; ftudirte 
1816—19 Theologie u, Philologie in Marburg, 
ward 1826 Univerfitätsbibliothefar in Löwen, 1836 


Leizuftehen; fie bediexen fich dabei der berühmtenjerfter Bibliothefar an der Yandesbibliothet im 


Bernhardiner ⸗Hunde (tie echte Race ift aufge 


‚Kaffel, half dafeibft 1831 den Berfafjungsireund 


Dernhardin — Bernina. 


fegründen u. wirkte für Entwidelung eines con- 
ftitutionellen Lebens in Kurheſſen, erbielt aber nie 
den Urlaub zum Eintritt in die Ständeverſamm— 
fung. 1848 wurde er Mitglied der Frankfurter 
Rationalverfammlung, wo er zu der Gagernichen 
Bartei gehörte u. vor der Überfiedelung des Par- 
lament3 nah Stuttgart austrat. Er ſchr.: De 
exceidio regni iudaiei, Löw. 1824 (Breisichrift); 
überjette de Gerandos Fortfchritte des Gewerb— 
fleißes in Beziehung auf die Sittlichfeit des Ar- 
beiterftandes, 1842; gab heraus Karl Schomburgs 
Nachlaß u. Briefwechſel, 1843; Spradfarte von 
Deutidjland, 1844, 2. A., 1849; Der Kirchen- 
freund, eine Wochenichrift, 1845 f., 2 Bde. ; Flug⸗ 
blätter aus der Deutihen Nationalveriammlung, 
1848; Wegweiſer durch die deutihen Volls- und 
Jugendſchriften, Lpz. 1852—55;5 Die Evangel. 
Kirhe u. ihre Mitglieder, Kaffel 1862; Die 
Spradgrenze zwifhen Deutſchland u, Frankreich, 
ebd. 1871; Deutjchland u. Rom, ebd. 1862. 
4) Theodor von, deuticher Diplomat u. Hi- 
ftorifer, geb. 6. Nov. 1802 zu Berlin; lebte in 
privater Stellung lange auf Reiſen in verichiede- 
nen Ländern Europas, wurde 1866 preuß. Lega— 
tiongrath u. wirkte als folder in Ftalien, Spanien 
u. Portugal bis 1871, wo er ſich zur Ruhe fette. 
Schrieb u. a.: Denfwilrtigfeiten aus dem Yeben 
des ruſſ. Generals K. Fr. v. Zoll, Lpz., 2 4, 
1865—66, 4 Bde.; Gejchichte Rußlands u. der 
europ. Politik in den Jahren 1814—31,293.1863 ff. 

Bernharbin (ital. Bernardino), 1) ein alter 
Bergpaß, welcher aus dem Rheimwald-Thal in das 
Miforer» Thal des ſchweizer. Kant. Graubünden 
führt u. deffen Übergangshöhe 2139 m hoch ift. 
Er wurde 1818—23 vom tefi. Staatsrathe Poco- 
belli mit einem Koftenaufwande von 14 Mill. 
Fes., welchen zum Theil die fardinifche Negierung 
trug, gebaut, ift vom Dorfe Splügen bis nad 
Bellinzona 56 km lang uw. bat nabe der Paß— 
höhe den Motfola-See, aus welchem die gegen ©. 
fließende Moeſa entipringt. 2) Dorf u. Poſtſta— 
sion ebenda.; ftarter Stahlfäuerling (8,,° C.); 
— von Italienern beſucht. 

ernhardin, St. B. von Siena, geb. 
1380 in Maffa-Carrara, aus dem Geſchlechte Al: 
bigeshi; war feit 1404 Franciscaner u. jtrenger 
Prediger gegen die Sittenverderbniß der damalir 
gen Zeit, wurde 1438 Generalvicar der Francis— 
caner u. ftiftete die Fratres de observantia, 
welche ſchnell in Ftalien fih in 500 Klöftern aus- 
breiteten. Er fl. 1444 in Aquila in Abruzzo u. 
ward 1450 fanonifirt; Tag: 20. Mai. Werte meift 
moftiihen Inhaltes, Vened. 1591, 4 Bde, u. ö. 
zuletzt Beu., 1745, 5 Bde., Fol. 

Bernhardbineru. Bernhardinerinnen, |. Ci- 
ftercienfer u. Ciftercienferinnen. 

Bernhardöfraut (Carbobenedictenfraut, Cni- 
cus benedietus Gaerin.), |. u. Cnicus. 

Bernhardäfrebs (Pagurus Bernhardus) ift 
eine Art der Fam. der Einfiedlerfrebje (f. d.); er 
lebt in der Nordiee. 

Bernhardy, Gottfried, gelehrter Philolog, 
geb. 20. März 1800 in Landsberg in der Neu— 
mark; ftudirte in Berlin, habilitirte ſich 1823 da— 
ſelbſt, wurde 1825 außerordentl,, 1829 ordeuil, 
Profeffor der alten Literatur u. 1844 Oberbiblio- 


261 


tbefar in Halle, wo er 14. Mai 1875 ſtarb. Er 
gab heraus: Kratosthenica, Berl. 1822; Dionyſios 
»Berieg., Lpz. 1828; Suidas, Halle 1834—47, 
Braunſchweig 1851 ff.; Wiſſenſchafil. Spntar der 
griech. Sprade, Berl. 1829; Grundriß der von, 
Yiteratur, Halle 1830, 4. A., Braunjchw. 1864, 
5. A., dal. 1869; Grumdlinien zur Encpflopädie 
der Philologie, Halle 1832; Grundriß der griech. 
Viteratur, Halle 1836—45, 2 Bde, 2. Bearbeit- 
ung, daf. 1852—59, 3. Bearb. 1861 fi.; Pa:a- 
lipomena syntaxis graecae, Commentationes 
academicae; Halle 1862; 5. A. Wolf, Heine 
Schriften in lateinifcher u. deutſcher Sprade, 
Halle 1869; redigirte eine Bibliotheca scriptorum 
latinorum, die 1838 zu Halle im Verlage des 
Waifenhaufes unternommen, aber micht zu Ende 
geführt wurde, Brauibach. 

Berni, 1) (Berna, Bernia) Francesco, 
ital. Dichter, geb. um 1490 in Lamporecchio; 
war erſt Secretär des Biſchofs Giberti von Be— 
rona, verließ dieſe Stelle u. wurde in Nom Mit— 
glied der Vignajuoli (einer beiteren Afademie) ır. 
jeit 1533 Canonicus in Florenz; er ft. 26. Juli 
1536. DB. dichtete vorzüglih Capitoli u. So- 
netti, in burlest - fatirifchem Stil (Versi Berne- 
schi, Stile Bernesco, Berneitiiher Stil); Opere 
burlesche, Flor. 1548—55, 2 Bde., Loud. 1721 
u. ö., zulegt Flor. 1827 f., 2 Be; den 
Orlando innamorato von Pojardo arbeitete er in 
gleihem Geſchmack um, Ben. 1541 u. ö. Er ſchr. 
auch latein. Gedichte. 

Bernicia, nördl. Theil Northumberlands 
vom Tyne bis zum Gfpde, eines der Angel 
ſächſiſchen Reiche in England, gegründet von Ida 
547, aber bald mit Deira zu Northumberiand 
(f. d.) vereinigt; ſ. England (Geſch.). 

Bernier, — berühmter Arzt, Phi— 
loſoph aus ——— ſtudirte Medicin, promovirte in 
Montpellier, bereiſte Afrila u. Aſien, lebte zwölf 
Jahre am Hofe des Großmoguls Aureng-Jeyb, 
darunter den größten Theil als Leibarzt deſſelben, 
ging aber 1670 nach Frankreich zurück u. ſtarb 
1688 in Paris, Am meiſten machte er ſich ber 
fannt durch feine Schrift: Voyage contenant la 
description des &tats du Grand-Mogol, Amfterd. 
1699 u. 1710. Außerdem gab er noch im Aus- 
zuge die Schrijten feines Freundes Peter Gaffendi 
heraus: Abrégé de la philosophie de G., Yyon 
1678 u. 1684, u. ferner: Histoire de la derniöre 
revolution des etats dr. Grand-Mogol, Par, 1671, 
u. Suite des m&me;res :ur l’empire du Grand- 
Mogol, ebd. 1673. Als Philoſoph ſchloß er fi 
den Epikureern an, Ihambayn. 

Bernina, Central-Gebirgsitod im Graubünd- 
ner Thal Engadin (Schweiz), innerhalb der Thal- 
einschnitte des Jun, der Maira, der Adda u. des 
Spoel, die vierthöchſte Gruppe der Alpen, eine der 
bedentendjten MDaffenerhebungen der öftl. Schweiz. 
Sie ift 82,, im lang, u. ihre größte Breite mif;t 
45 km. Bis zum Jahre 1850 war die ganze 
B maſſe wenig befamnt, in welchem Jahre dem 
Foritinfpector Coaz aus Chur 13. Scptember die 
erfte mübevolle Erfteigung des Piz B. (4052 m) 
gelaug; Die nächſthöchſten Gipfel diefes jett gründ- 
lich erforichten Gebirgsſyſtems, deffen Gneis bier 
zu ungewöhnlicher Höbe emporgehoben u. wie bei 


262 


feiner anderen Gentralmaffe durch einen Ring 
von Granit, Hornblende u. Serpentin faft voll- 
ftändig umſchloſſen ift, find Piz Zupo 3999 m 
(erfte Erfteigung 1863 durch Lehrer Enderlin und 
Pfarrer Serrardy), P. Roſeg 3943 m (Moore 
u. Walter, 1865), Bali Muotas 3912 m (Wadhtler 
u. Wallner, 1868), P. Bella-Bifta 3921 m 
(Emil Burkhardt, 1868), Erefta-Güzza 3872 m, 
P. Morteratih 3754 m, Monte della Disarazia 
3680 m, P. Tſchierva 3670 m, P. Cambrena 
3607 m. Zur B.-Gruppe gehört auch noch die 
fchlante Felſennadel des P. Yanguard, 3266 m 
oberhalb Pontrefina, in neuerer Zeit als aus— 
fichtsreicher u. leicht zu erfteigender Höhepunkt 
viel befucht. Der einzige fahrbare Paß ift die 
von der Poſt beiahrene B.-Straße aus dem En— 
adin durch das Poschiavo-Thal in das italien. 
Berttin, 2239 m; ein Gletſcherpaß ift der Muretto 
2615 m, der von der Maloggia-Höbe ins Bal- 
Malenco geleitet. Vgl.: Zheobald, Tas Thal 
von Poschiavo, in Naturf.Geſell. Graub., Ehur 
1859; Coaz, Top. Überblid über den B.-Gebirgs- 
ftod, ebd. 1856; Lechner, P. Yanguard u. die B.- 
Gruppe, 1858; Studer, Über Eis und Schnee, 3 
Bde. 1871; Zahrbuh des S. U. .-C., faſt alle 
Bde.; Peals, Passes and Glaciers, II. Serie; 
Alpine Journ., viele Nummern; Berlepſch, Schiwei- 
zerfunde, 1875. 

Bernint, Giovanni Lorenzo, berühmter 
Baumeifter, Bildhauer u. Maler, gew. Il Cavalierv 
B. genannt, geb. 1598 in Neapel, wo fein Bater 
Bildhauer war; erhielt von ihm den erften Unterricht 
in der Kunft, meißelte, 10 Jabre alt, felbftändig 
einen a Ser Engelstopf n., 18 J. alt, eine 
Apollo- u. Daphnegruppe (Billa Borgheſe) von 
ausgezeichneter Technik. Er lenfte bald die Auf— 
— Urbans VIII. auf ſich, der ihm die 
Herſtellung des gegen 25 m hoben Tabernatels 
über der Gruft des bl. Petrus in der Peterskirche 
übertrug, wozu das Erz aus dem Pantheon ge- 
nommen ward. Im J. 1629, zum Baumeilter 
der Petersfirche ernannt, begann er die Gloden- 
thürme an der Fagade, mußte fie aber wieder 
abtragen, weil das Fundament zu ſchwach war. 
B. war ber Piebling aller Päpfte u. faft aller 
Fürſten feiner Zeit. So berief ihn Ludwig XIV. 


Bernini — Bernoulli. 


pomphaften Abichluß, beeinträchtigte aber das 
Innere der Kirche durch Überladung mit baroden 
Detaild. Arm weiteften ging B. am erwähnten 
Zabernafel in St. Peter über das Maß des Er- 
laubten hinaus, während er in der Scala regia 
des Baticans u. in der gewundenen Treppe des 
Palazzo Barberini feine feltene Begabung für „groß. 
artige, malerifh wirffame Anlagen zeigte. Regnet. 

Dernis, François Joahim de Pierres, 
Eomte de Lyon u. Gardinal de B., franz. Staats: 
mann, geb, 22. Mai 1715 in St. Marcel de 
"Ardöche; befuchte anfangs die geiftlihe Schule zu 
Paris u. wurde dur die Pompadour ınit Lud— 
wig XV, befanut; er wurde 1744 Mitglied ber 
Alademie, 1751 Gejandter in Benedig u., weil er 
einen Streit zwifhen Benedig u. dem Bapfte aus- 
gli, Cardinal; nad Paris zurüdgelehrt, wurde 
er Minifter des Auswärtigen. Da er durch feine 
Verbindung mit Ofterreih Frankreich in den 
Siebenjährigen Krieg verwidelt hatte, fiel er 1758 
in Ungnade, wurde nad der Abtei St. Medard 
verwieſen, aber 1764 zum Erzbiihof von Albin. 
1769 zum Gefandten in Nom ernannt. Hier bes 
förderte er die Aufhebung der Jeſuiten. Während 
der franzöfifchen Revolution lebte er von einer 
PBenfion des Spanischen Hofes m. ft. in Rom 
2. Nov. 1794. Er ſchr. u. a. die befchreibenden 
Gedichte: Les IV parties du jour n. Les IV 
sajisons; La religion vengee; Werfe, Par. 
1797 u. 1825. 

Bernfaitel (Berencastellum), 1) Kreis im 
preußiſchen Regbez. Trier, meift im ©. der Mofel; 
umfaßt die Höbe des Idarwaldes u. Hochwaldes; 
668, [km (12,15 ); 44,125 zu %s 
fatholiih; Hauptproducte: Wein, Holz, Gijen, 
Blei, Kupfer, Steintohlen u. Schiefer. 2) Stadt 
dajelbft, rechts an der Mosel; altes Schloß; Ci— 
garren- u. Zabalsfabr.; Schieferbrüche, Eifen-, 
Blei- und Kupfergruben; Weinbau (Berntafteler 
Doctor) u. Weinhandel; 2463 Ew. B, erhielt 1291 
v. Kaifer Rudolf Stadtrechte, 

Bernoife, lebhafter Tanz, worin das Walzen 
mit Ronde abwechſelt. Es tanzen 2, 4, 6 oder 
mehrere Paare zufammen, die ſich immer nach den 
genannten Touren zu mehreren Paaren verbinden. 

Bernoldus (Bernardus), Mönch in St. Bla- 


nad Paris. Bei feinem Tode (28. Nov. 1680)|fien, Anhänger des Biſchofs Gebhard III. von 


hinterließ er ein Bermögen von mehr als 
400,000 Scudi. B. übte ſowol als Bildhauer, 
wie als Arditelt den entichiedenften Einfluß auf 
die Kunft feiner Zeit. Bei überaus großer und 
glücklicher Begabung u. einer erftaunlichen Yeichtig- 
feit des Schaffens führte er insbefondere in der 


Konftanz u. Öregors VIL; ft. 1100; er fchr. eine 
Ehronif von Chriſti Geburt bis 1100, welde 
nur in ihrem fetten Theil felbftänd. Werth bat. 
Bal. Bert, Monum. ser. V. 385 ff. 
Bernoulli, berühmte Gelehrtenfamilie, welche, 
aus Antwerpen flammend, von da vor Albas Ver— 


Plaftit jene Richtung auf effectvolle, dramatiich|folgungen floh u. nach Bafel überfiedelte, wo im 


entwidelte Handlung bis zu den äußerjten Con— 
fequenzen. Befonders liebt er Scenen, wie die 
in ber oben erwähnten Gruppe Apollo u. Daphne 
u. im Raub der Proferpina dargeftellten. In 
feinen religiöfen ®erten jucht er es den Malern 
feiner Zeit gleich zu thun u. verfällt in vaffinirte 
Sinnlichkeit, fo 3. ®. in feiner bi. Therefia. 
Seine monımentalen Werfe find nicht frei von 
hohlem Pathos, jo die Heiterftatue Conftantins 
im Batican ꝛc. Als Architelt fügte B. der Peters» 
firche die prächtige Borhalle anu.gab der ganzen 


Yaufe eines Jahrhunderts 8 ihrer Mitglieder 
fih als Mathematiker anszeichneten, 1) Jakob, 
geb. 27. Dec. 1654 in Bajel, Sohn eines Naths- 
herru; ſtudirte zunächſt nah der Beſtimmung 
des Vaters in Bajel Theologie, widmete ſich dabei 
jedod im Geheimen der Mathematif, für die er 
Ihon früh Neigung hatte; nad beftandenen 
theol. Eramen (1676) lebte er mehrere Jahre im 
Auslande als Erzieher, kehrte 1682 nach Bafel 
zurüd u. lebte nun allein der Mathematik, zu- 
nächſt ohne öffentliches Amt. 1687 wurde er 


Anlage dur die riefige Doppelcolonnade den|Profeffor der Math. an der Univerfität feiner 


Baterftadt u. ftarb als foldher 16. Aug. 1705, 
nachdem er die ruhmreichſte Gelehrtenlaufbahn 


era hatte, für die Wiſſenſchaft leider all-|10. Oct. 1687 in Bajel; 
zu früh. Die Wichtigkeit der 1684 von Leibniz in der Mathematik dafelbft, 1716 in Padua, 


den Act, erud. zuerſt befanntgemadten Erfind- 
ung der Differentialvehnung wurde anfänglich 


Bernoulli. 





263 


Senf, 4 Bde, 1742; Brieiwechlel mit Leibniz, 
ebd. 1745. 3) Nikolaus, Neffe der Vor., u 
wurde 1705 Profeffor 
| ging 
1719 nad Baſel zurüd, wurde hier 1722 Bros 
feffor der Logik u. 1731 des Lehnrechtes; er ft. daf. 


wol nicht recht verjtanden, ı, die neue Rechnung 29. Nov. 1759. Er machte Entdedungen in der 


verbreitete fich nicht, da man ihre Fruchtbarkeit 
an fchwierigen Problemen noch nicht erprobt fah. 
B. erfannte die Wichtigkeit derſelben, beichäftigte 
fih anhaltend mit ihr, bildete fie weiter aus u, 
löfte mit ihr 1690 das erfte fchmwierigere Broblem, 
das der Iſochrone, d. h. fand diejenige Eurve, in 
der eim fallender Körper in gleihen Zeiten gleiche 
Höhen durchläuft. Wichtig waren die folgenden, 
mit demielben Mittel ausgeführten Unterfuchungen 
über die Kettenlinie, die logarithmiſche Spirale u. 
andere Curven, da durch fie die neue Rechnung 
verftändlicher ıı. die Mehrzahl der Mathematiker 
erft auf lestere aufmerkiam gemacht wurde. Das 
Problem der ifoperimetriihen Curve wurde Ur— 
jahe eines heftigen, nie beigelegten Streites 
zwiichen ihm u, ** Bruder u. Schüler Jo— 
hannes, der zu Gunften des älteren Bruders ent- 
ihieden werden muß. Au ermähnen find nod 
jeine Arbeiten über Wahrfceinlichkeitsrechnung, 
die erft in der Ars conjectandi, Bajel 1713, er⸗ 
ſchienen; auch erfand er die nach ihm benannten 
Beſchen Zahlen. Seine zahlreichen Abhandlungen 
wurden gejammelt unter dem Titel Opera Jacobi 
B., Genf 1744, 2 Bde., herausgegeben. 2) Jo— 
bannes, Bruder des Bor., geb. 27. Juli 1667 
zu Bafel; wurde zum Kaufmann beftinmt, widmete 
fh jedoch unter der Leitung des Bruders ber 
Mathematik, wurde, erſt 18 J. alt, Doctor der 
Philoſophie u. gelangte rafch zu hohem Ruhme. 
1695 nahm er eine Profeffur der Mathematik in 
Groningen an, 1715 die bis dahin durch feinen 
Bruder ausgefüllte gleiche Stelle in Bajel, in welcher 
er am 1. San. 1748 ftarb. Mit feinem Bruder 
theilt er den Ruhm der Ausbildung u. Berbreit- 
ung der Infineteſimalrechnung. 1691 ichrieb er 
für den Marquis de l’Höpital 59 Lectiones 
math. de meth.’ integralium, nachdem er ihn 
auch in der Differentialrehnung unterrichtet hatte, 
welche (f. o.) damals in Frankreich noch faft un- 
befannt war. Dieſe Lect. enthalten zuerft das 
ganze Syſtem der Integralrechnung, u. da Yeibniz 
nur wenige Andeutungen über lettere gemacht 
bat, fann man B. wol den Begründer dieſer 
Rechnung nennen, wenn aud die Zahl der nad 
den Leet. integrirbaren Ausdrüde nicht groß ift. 
Beionders wichtig find die ebenda fich findenden 
Integrationen von Differentialgleihungen, die 
anfer Newton noch Niemand unternommen hatte, 
In den 1697 erichienenen Principia calculi ex- 
ponentialium, Act. erud., behandelt er, von ein- 
zelnen Arbeiten Leibniz’ abgeichen, zuerft die 
Differentiation u. Integration der fog. Erponen- 
tialgrößen. Gleichzeitig mit Leibniz lehrte er 170% 
zuerft die Integration vationaler gebrochener Func 
tionen duch Zerlegung in Partialbrüche. Er u. fein 
älterer Bruder gehören unter die erſten Mathematifer 
aller Zeiten; des Johannes langes Leben ift die 
Urfache, daß feine Arbeiten umfaffender u. viele 
feitiger find. Joh. B., Sämmtliche Werte, Lauf. u. 


Wahricheinlichkeitsrechnung, auf Jakob B-8 Ars 
conjeetandi fortbauend, wandte fie zuerft auf die 
Daner des mienjchlihen Lebens am u. lieferte 
treffliche Bearbeitungen wichtiger Fragen aus dem 
Gebiete der Differential- u. Integralrechnung. 
4) Nitolans, Sohn von B. 2), geb. 27. Jan. 
1695 in Bafel; wurde 1723 Profeffor der Rechte 
zu Bern, ging 1725 mit feinem Bruder Daniel 
nach Petersburg m. ft. dort 26. Juli 1726. Als 
Mathematiker zeichnete er fih mamentlih in 
der analytiihen Geometrie aus. 5) Daniel, 
Bruder des Bor., geb. 29. Jan, 1700 in Gro- 
ningen; ging 1725 als Profeffor nach Peters- 
burg, wurde 1733 zu Baſel Profeffor der Ana- 
tomte u. Botanif u. 1750 der Phyfif, legte die 
Stelle 1777 nieder u. ft. 17. März 1782. 10mal 
erhielt er für mathematiiche, phyſilaliſche u. aftro- 
nomiſche Arbeiten den Preis der Pariſer Alade- 
mie; einen Doppelpreis tbeilte er mit feinem 
Bater für die Abhandlung über die Urſachen der 
verfchiedenen Neigungen der Planetenbahnen gegen 
den Sonnenäquator. Er wendete bei. die Geo» 
metrie auf die Phyſik an, wie bei den Unterſuch— 
ungen über den ercentriihen Stoß, über die 
Klänge der Stäbe u. Saiten, Ebbe u. Fluth u. 
das von ihm entdedte Geſetz für die Neigung der 
Magnetnadel gegen den magnetiihen Meridian. 
Er jhr.: Hydrodynantif, Straßb. 1738, u. aufer- 
dem zablveihe Abhandlungen in die Schriften 
befonders der Parifer, Berliner u. Petersburger 
Alademie, deren Mitglied er war, Unter feinen 
Arbeiten finden fih außer der mathematischen 
auch einige pbyfiologische, bei. über den Grund 
des erften Einathmens u. Über den blinden Fleck 
der Nephant des Auges. 6) Johann, Bruder 
des Bor., geb. 18. Mai 1710 in Bafel; ging 
1732 nad Petersburg, fehrte aber ſchon 1733 
nad Bajel zurüd, wurde hier 1743 Lehrer ber 
Beredtiamfeit u. 1748 der Mathematif; er ft. 
dafelbit 17. Juli 1790. Er ſchr. gefrönte Preis- 
ſchriften über die Fortpflanzung des Lichtes ur. über 
die Magnetnadel. 7) Johann, des Bor. Sohn, 
geb. 4. Nov. 1744 in Bajel; wurde 1763 Aftro- 
nom an der Akademie von Berlin; ft. 13. Juli 
1807 al8 Director der mathematischen Klaſſe der 
Berliner Aklademie. Er jehr.: Recueil pour les 
astronomes, Berl. 1772—76, 8 Bbe.; Lettres 
sur differents sujets, ebd. 1777—79, 3 Bde.; 
Zufäge zu den neuejten Reiſebeſchr. von Italien zc., 
tp3. 1777—78, 2 Bde.; Reifen durch Branden- 
burg, Bommern, Preußen, Lpz. 1779; Samml, 
kurzer Reiſebeſchr., Def. 1782 bis 1793, 15 Bde.; 
Archiv zur neueren Geichichte, Geographie, Natıır- 
u. Menfchentenntwiß, 1783—88, 8 Bde. ıc. 
8) Jalob, Bruder des Bor., geb. 17. Oct. 1759 
in Bafel; war erft Secretär bei der öfterreichiichen 
Gefandtihaft in Zurin und dann BProfeffor 
der Mathematik zu Petersburg; er ft. 3. Juli 
‚1789 dajelbit beim Baden in der Newa. 9) Chri- 


264 


ftopb, Meffe des Bor., Sohn von ®. 7), geb. 
15. Mai 1782 in Bajel; wurde 1802 Yebhrer am 
Fädagogium in Halle, ging 1804 nach Berlin u. 
Paris, eröffnete 1806 ın Bafel eine Privatlehr- 
anftalt u. wurde 1817 Profeſſor der Naturge- 
ſchichte; ft. 6. Febr. 1863. Er ſchr.: Über das 
Leuchten des Meeres, Gött. 1802; Pſychiſche Au— 
thropologie, Halle 1804, 2 Bde.; Leitfaden für 
Phyſit u. Mineralogie, ebd. 1807, 2. A., 1811; 
fiber den nachtheiligen Einfluß der Zunftverfaff- 
ung auf die Induſtrie, Bafel 1822; Anfangs« 
gründe der Dampfmaſchinenlehre, ebd. 1824; 
Betrachtungen über Baumwollenfabrifation, ebd. 
1825; Rationelle Darftelung der gefammten 
mechan. Baummollenipinnerei, ebd. 1829; Handb, 
der Technol., ebd. 1833 f., 2 Bde, 2. A., 1840; 
Handbuch der Dampfmaſchinenlehre, Stuttg. 1833, 
4. U, 1854; Handb, der induſtriellen Phyſik, 
Mechanik u. Hydraulif, ebd. 1834 f., 2 Bde; 
lberf. von Baines Geſchichte der brit. Baummollen- 
manufactur, ebd. 1836; Handb. der Bopulationi- 
ſtil, Ulm 1840; Technol. Handencyliopädie, Stuttg. 
1850. Er gab heraus das Bürgerblatt u. nad 
deſſen Aufhören das Schmeizeriihe Archiv für 
Statiſtik u. Nationalökonomie, Baſel 1828—30, 
5 Bde. 10) Joh. Guſt. Sohn des Bor., geb. 
1811 in Bajel; jchr.: Vademecum des Mechanifers, 
14. 9, Stuttg. 1872. 

Bernoullifche Zahlen. Wenn man irgend 
eine gerade Potenz aller ganzen Zahlen von 1 bis 
x bildet u. die jo entftandenen Potenzen ſummirt, 
jo ift der abjolut gewonnene Cokfficient der nied- 
rigften Potenz von x in diefer Summe eine B. 
Zabl. Bezeichnen wir 12042203204 ,,+x?n 
mit S(xn), wo n jede ganze pofitive Zahl jein 
fann, fo ift, wenn n=1,2,3...genommen wird 

S@)—=4 x’ +4 1° +4x 
St)=4ı1° +... — „X 
Ssky—=4ı'+... + X 
4, ug, 25 find aljo die drei erften Ben 3. Ber 
zeichnen wir fie der Heibe nah mitA,B,C..., 
je it ibre Abhängigkeit von einander durch fols 
gende Gleihungen gegeben, aus denen fie nad 
einander leicht zu berechnen find: 





A=-j4= 

BB-—AA . 44m} 

=; HAB =14.2.1.4,=} 
9D=!-{7 2AC + 1-20. BB 
UE=T$ 2AD +"°7-2°7 2BC 

13F =" 2AE +.20-°9BD +2 CC 


Den Namen baben fie von Jakob Beruoulli 
(1.d. 1), ihrem Entdeder. Sie find für die höhere 
Analyfis von großer Wichtigkeit, 

Bernftadt (Birntowa), 1) B. in Schleſien, 
Stadt im Kreife Ols des preuß. Megbez. Breslau, 
an der Weida, Eifenbahnftation; altes Schloß; 
Tuchmacherei, Weberei, Gerberei; 3861 €. 2) 8. 
in Sachſen, Stadt im gleichnam. GerichtSamte der 
Amtshauptmannfhaft Yöbau des königl. ſächſ. 
Regbez. Bauten (Ober-Laufig), an der Pfiesnig; 
Sit des Klofteramtes Marienftern und demfelben 
gebörend; Wollenfpinnerei, Tuchfabriken; 1731 €, 

Bernitein (Brennftein, 


Bernoulliihe Zahlen — Bernitein. 


Amber, Aatitein; Eleetrum, Suceinum u. Lyn- 
eurium ber PBlinius). A) Der B. iſt ein Harz, 
welches nicht in unſerer Zeit entitanden ift, oder 
noch entftebt, jondern von foifilen Bäumen ftammt 
und aus Kohlenſtoff, Waſſerſtoff und Saueritoff 
befteht. Nach den Unterſuchungen des Prof. Göp- 
pert in Breslau find es minbeftens 9 Nadel- 
bölzer, namentlih Pinites suecinifer und meb- 
reren Arten aus den Familien der Abietineen 
u. Eupreifineen, Der B. findet fih in amorphen 
unregelmäßigen Maffen, in aufgeichwenmten 
Lande, namentlih an den Hüften der Oſtſee von 
Danzig bis Memel, wo er durch den Wellenfchlag 
vom Grumde des Meeres los u. ans Yand ge- 
jpfilt wird. Hierzu trägt wejentlich bei, daß jein 
ipec. Gew. 1,95 —1,os, aljo nahezu gleich dem des 
Waſſers ift, fo daß er in demjelben jelbit ſchwimmt, 
daher man ihn auch im phyſikaliſchen lnterrichte 
dazu benutt, die Strömungen des erwärmten 
Waffers in Gefäßen zu zeigen. Er gleidt im 
Übrigen den natürlihen Harzen volllommen, bat 
barzigen Glanz, iſt von gelber, weißlich- gelber 
und bräunliher Farbe und burdicheinend, oft 
durchfichtig. Außer dem oben bereits erwähnten 
Yauptfundorte, der Ditfee, bat man vereinzelte 
Stüde B. in ber Zertiärformation auch ander- 
wärts gefunden, 3. B. in Schlefien, Galizien, 
bei Bajel, Baris, Yondon, in Amerifa x. Die 
größte Mafje ift wol die im Berliner Mufeum 
befindliche von kg Gewicht. Seine Eigenſchaft, 
durch Reiben eleftriich zu werden, ift ſchon den 
Alten befannt geweien, und das Wort Elektricität 
jtammt von feinem gried. Namen elektron; Pli- 
wus erwähnt bereits, das er ein folflles Harz 
jein müfle, das aus Bäumen geträufelt jei, und 
leitet den Namen ab von Electrides, einer Inſel- 
gruppe im Adriatiichen Meere. Belannt find die 
in ihm vorfommenden Einſchlüſſe von Inſecten u. 
deren Larven, Spinnen ꝛc., die auf dem friſchen 
Harze kleben blieben und dann damit überzogen 
wurden. Ufter bemerkt man an ihren Stellungen 
noch das Beitreben, wieder loszukommen, indem ein 
Bein oder ‚zlügel, die bei den heftigen Anftreng- 
ungen ausrıfjen, etwas vom Thiete entfernt eine 
geihloffen find. Aus diejen Einjchlüffen und den 
ebenfalls eingeichloffenen Holzftüdchen bat Prof, 
Göppert uns die Faung u. Flora der Bernfteinzeit 
vollftändig heransconftruirt u. feine Unterfuchungen 
in den Berichten der Berliner Alademie 1853 nie- 
dergelegt. Noch heute find Danzig, Königsberg 
und Stolpe in Pommern die Haupthandelspläge 
für B. Der rohe B. geht meift nad) dem Orient, 
Breslau u. Paris, wo er verarbeitet wird; wäb- 
rend früher in Königsberg auch eine lebhafte 
B.Induſtrie betrieben wurde, ift diejelbe heute 
faft Null. An den genannten Orten wird der B. 
zu Schmudjadhen, Pfeifen» u. Cigarrenfpigen ver» 
arbeitet und bat feine Beliebtheit eigentlich nie 
u. nirgend verloren. Bor der Bearbeitung mer» 
den die rohen Gtüde in Waffer gelegt, wol damit 
fie bei der folgenden Behandlung fih weniger 
leicht erbigen, dann wird die rohe braune Rinde 
mit Meigeln abgejpalten u. endlich die Bearbeit- 
ung mit der Feile, dem Meffer u. namentlih auf 
der Drebbant vollendet. Das jchließlihe Poliren 


brennbarer Stein, !findet ftatt durd Schleifen ' mit Bimsftein, mit 


Bernſtein. 


265 


feinen eigenen Spänen, od. mit gebranntem Kalt,]des gepulverten B-3 mit Waſſer löſt ſich B-fäne 


od. Kreide; Zripel, mit Weingeift augefeuchtet, gibt 
dem B. Glanz. Das Ülberzieben mit B⸗firniß 
findet ftatt an Stellen, wo man mit Bolirmittelu 
nicht anltommen kann. Seine Eigenschaft, in fie 
dendem Yeinöl etwas zu ermweichen, wenn er in 
dieſem bleibt, ermöglicht die Heritellung gebogener 
Gegenftände, namentlich gefrümmter Bietfenfpiten. 
Kitten laffen fih B-ſachen mit einer aus Leinöl— 
firniß, Maftir u. Bleiglätte hergeftellten Miſchung, 
auch Kalilauge ſoll hierzu anmendbar fein. Klei— 
nere unreine Stücke werden zur Herftellung von 
B⸗ firniß u. zu Parfümerıen angewandt, ſowie 
(bei. früher) zur Darftellung von Befäure. Seine 
Gewinnung ift Regal und wird von der künigl. 
Behörde verpadtet. Sie bejteht theils im Auf 
ſuchen der nah Stürmen mit den Meerespflanzen 
auf den Strand geworfenen Stüde, theils in 
einem Aufiuchen derjelben mit Stechhafen auf dein 
Meeresgrunde bei ruhiger See, theils in einer 
bergmännifhen Gewinnung des B. aus der fog. 
blauen Erde, der B. führenden Schicht, die auf 
dem Lande durch Schächte aufgefudht u. ausge» 
beutet wird. Neuerdings liefert das von den 
Unternehmern Beder u. Stantien in Memel ein- 
geführte Ausbaggern des Kuriſchen Haffs, na- 
mentlic bei warzorth, die größte Ausbeute. 
Eine hübſche Beichreibung der betreffenden Ar- 
beiten liefert die Leipz. Jlluftrirte Zeitung, 1867, 
Nr. 1276. Das Berpaditen des Negals, das 
eine jährliche Ausbeute von ca. 100 Tonnen liefert, 
wovon allein durch Baggern 40,000 kg gewonnen 
werden, trägtdem Staate im Jahreca.30—40,000M 
ein. Die Hauptfahe bildet dann das Sortiren 
des Gemwonnenen nad) Größe, Form, Durdfictig- 
keit u. Färbung. Die obige Memeler Firma 
unterſcheidet nicht weniger als 58 Sorten. Zuerſt 
unterſcheidet man he u. Meine Waare. Die 
erfte umfaßt wieder: a) Groß-B., Stüde von 


ca. 150 g u. mehr, mit 250—500 M pro kg 
bezahlt; Stüde iiber 500 g foften 600M pro kg 
n. mehr. b) Zehner, Stüde von 120—150 g 


im Preije von ca. 160—180M prokg. c) Drei- 
Biger, Stüde von 40 g aufwärts, 150 M pro 
kg. d) Czaken, Stüde von 20 g aufwärts, 
toften 120 M pro kg. Die kleine Waare befteht 
wieder aus Grumbdfteinen und Knibbeln, 
erfteres Stüde unter 20 g, aber noch bohnen— 
groß, mit einem Preife von 90 M pro kg, und 
lesstere, erbfengroß, zu 40 Mprokg. Die Preife 
find natürlihd nur Durchſchnittswerthe für durd- 
fihtige Waare; durchſcheinende od. undurchſichtige 
bat oft nur */, des genannten Werthes. Die 
Heinften Stüdchen liefern Material zu Firniß, 
Räucerpulver x. 

B) Der 8. ift unlöslih in Waffer, Alkohol, u. 
flüchtige Ole löfen ihn mur wenig auf. In fochendem 
Leinöl erweicht er, mobei trübe Stüde oft durdh- 
ſcheinend werden. Er bejteht auseinem Gemenge 
von zwei in Atfoholäther löslihen Harzen, etwas 
flüchtigem Ol, B-fäure umd einem unlöslichen 
Körper, dem fog. Bebitumen oder Succinin. 
Letzteres bildet den Hauptbeftandtheil; es ſchmilzt 
beim Erhigen unter Berbreitung eines Geruches 
nad verbranntem Fett, bei der trodenen Deitil- 


fation liefert e8 feine B-ſänre. Beim Kocheun! 


u, etwas ätheriihes DI. Aus dem Rückſtande 
laifen fih mit Alkohol zwei Harze, ein leichter 
und ein ſchwerer lößliches, ausziehen. Nach dem 
Erbigen des Rüditandes kann durch Ather noch 
ein drittes Harz ausgezogen werden. In conc, 
Schwefelfäure löft ſich der gepulverte B., durch 
Waffer wird ein ſchwefelſäurehaltiges Harz abge- 
ſchieden. gr a Kochen mit Salpeterfäure liefert 
B » fäure, auchende Salpeterfäure verwandelt 
den B. ın ein nah Moſchus riechendes Harz, 
das fi im Uberſchuß der Säure löſt. Beim Er— 
bien mit Kalilauge bildet fih ein dem Kampher 
ähnlicher weißer Körper. Der B. ſchmilzt zwiſchen 
280° u. 290° unter Zerfegung; er läßt ſich ent- 
zünden u. verbrennt mit angenehmen Gerud). 
Trocken deftillirt liefert er Waſſer, B->fäure, 
B-öl und B-kampher. Der braune NRüditand 
bildet das Br» colophonium (Colophonium 
suceini), welches bei weiterem Erbiten unter 
Bildung von B-fampber eine fohlige Maffe hinter- 
läßt. Das Brcolophonium, weldyes bei ber 
trodenen Deftillation des B-8 zur Darftellung 
von B + fäure als Nebenproduct gewonnen wird, 
ift eine dunkle harzartige Maffe, die fich in heißem 
Zerpentinöl u. fetten Delen löjt; mit Yeinöl und 
Zerpentinöl zufammengeihmolzen, dient es zur 
Herftellung von B+ firniß. Das B- öl (Oleum 
suceini aethereum), welches bei ver trodenen 
Deitillation des B-8 als dunkelbraune, auf Waffer 
ihwimmende Flüffigkeit erhalten wird, iſt ein Ge— 
menge mehrerer Kobhlenwafjerftoffe mit Eſſigſäure, 
Propionjäure und anderen flüchtigen Fettſäuren. 
Ueber Holzkohle rectificirt ift es farblos, hat das 
jpec. Gew. O,..—0,9: und riecht weniger unanges 
nehm, als das rohe Product. Es ift in Mailer 
unlösfih, in abſolutem Altohol u. Ather, flüchtigen 
u. fetten Ölen leicht löslich u. beginnt bei 130° 
zu fieden; an der Luft färbt es ſich allmählich, 
wird durch Salpeterfäure zu Eſſigſäure, Butter« 
jäure u. a. orydirt, wobei ſich ein rothbraunes, 
nah Moſchus riechendes Harz bildet, welches als 
fünftliher Moſchus bezeichnet wird. Die im B. 
enthaltene B-jäure C,H,O, ıft in der Natur 
ziemlich verbreitet, fomwol im Pilanzenreiche, wo 
fie im Terpentin u. XTerpentinöl, in Lactuca- ı. 
Artemisia-Arten auftritt, als auch im Thierreiche, 
wo man fie als Bejtandtheil verichiedener Säfte, 
in der Milz des Ochſen u. auch im Harne antrifft. 
Sie entfteht bei der Oxydation vieler organischen 
Berbindungen durch Salpeterfäure, 3. B. der Fette, 
des Walraths, Wachſes ꝛc., aus Apfeliänre u. Wein- 
fäure durch Reduction mit Jodwaſſerſtoff u. bei. 
bei der mweingeiftigen Gährung des Zuders, wo fie 
nebſt Glycerin immer als Nebenproduct auftritt. 
Aus dem B. erhält man fie Durch trodene Deitil- 
lation, Abdampfen des Deftillats, Kochen mit 
Salpeterfäure und Umfryitallifiren aus Waſſer. 
Statt diejer Darftellungsmethode beugt man meift 
die billigere, durch Gähren des äpfellauren Kalles. 
Derjelbe bildet, wenn man ihn mehrere Tage mit 
faulem Käfe einer Temperatur von 30° bis 40° 
ausjegt, ein Gemenge von bernfteinfaurem und 
äpfellaurem Kalfe, aus welchem die B-jäure durch 
Schwefelſäure abgejhieden und durch Abdampfen 
fiyitallijirt erbalten werden kann. In reinem Zur 


266 


ftande ftellt fie blendend weiße, glänzende rhombiſche 
Prismen u. Tafeln dar, die geruchlos und von 
ſchwach ſäuerlichem Geſchmacke find, ſich in kaltem, 
beſſer in heißem Waſſer u. Allohol u. in reinem 
Zuſtande ſchwierig in Ather löſen. Sie ſchmilzt 
gegen 180° u. zerſetzt ſich in höherer Temperatur 
hauptſächlich in Waſſer u.B-fäureanhydrid. Vorſichtig 
erhitzt, kann fie bei 140° ſublimirt werden, wobei 
ihre Dämpfe ein Kratzen im Schlunde verurſachen. 
Sie bildet mit Baſen neutrale und ſaure Salze, 
von denen die mit Allkalien in Waſſer leicht, die 
mit den übrigen Metalloryden jchwerer löslich find, 
Diejelben können auf 200° ohne Zerſetzung erhitt 
werden, beim Glühen zerfallen fie. Mit den Al— 
fobolradicalen bildet fie Ather. B-fäurean- 
hydrid (',H,O, entitebt durch Deftillation der 
B + fänre mit waſſerfreier Phosphorſäure als 
weiße, Iryftalliniiche, in Waffer ſchwer, in Alkohol 
leicht lösliche Maſſe, die fih beim Kochen mit 
Waffer in B-fäure verwandelt. Mit Chlor bil- 
det die B-fäure das Succinylchlorid C,H,O,CH 
eine an der Luft rauchende Flüffigleit, die bei 190° 
unter theilweiſer Zerjegung fiedet. Succinamid 
H. N. O, ein Ammoniafderivat der B-fäure, 
entiteht bei der Einwirkung von Ammoniaf auf 
B-fäure und Äthyläther als weiße, in kochendem 
Waſſer Iösliche, in Allohol und Ather unlösliche 
Kryſtalle. 

C Geſchichtliches. Schon in den älteſten 
Zeiten war der B. hoch geſchätzt und meit ver— 
breitet, fei es, daß die Phönifer ihn auf ihren 
Reifen in die weitlihen Meere mitbrachten, ſei es 
daß er durch Zwifchenhandel zu Yande nach dem 
Süden gelangte u. von den Mündungen des Po 
u. Dnijepr zur See weiter verbreitet wurde. Nach 

riechifcher Anſchauung entftand der B. aus ben 

A hränen, welche die in Pappeln vermwandelten 
ve um ihren in den Eridanus geftürzten 

ruder Phatthon meinten. Eine andere Anficht 
der Alter, daß auch B. in Ligurien aus der Erde 
gegraben wurde, fanı daher, daß fie den Namen 
des Minerals Lynkürion, welcher Name auch 
Ligürion geichrieben wurde, auf Ligurien zurüd- 
führten. Sie Griechen, die ihm den Namen Elek- 
tron gaben, adhteten ihn dem Golde gleih und 
machten Schmudiachen daraus; Thales kannte auch 
ſchon die Eigenfhaft des B-s, daß er gerieben 
leichte Körper anzieht. Nah den Erörterungen 
des gelehrten Polen Lelewel wäre jedoch das Elek— 
tron der Alten nicht gerade B. geweſen, welcher 
vielmehr erft jpäter befannt geworden ſei; nicht 
früher, als zur Zeit des Augufius habe man Nach- 
richt von dem B. der Oftieeländer erhalten. Nach 
Tacitus wurde er von den Äftyern, die wahrſcheinlich 
damals im preuß. Samlande wohnten, aus dem 
Meere gefammelt u. von denjelben mit dein Namen 
Glesum bezeichnet; Plinius, der ihn Succinum, 
den goldgelben aber Subalternicum oder Chrys- 
electrum nennt u. fir ein verhärtetes Fichten- 
harz hält, legte feine —— nah den B.Inſeln, 
Glesariae od. Elektrides, im Germanifchen Meere, 
Die Römer überhaupt verwandten ihn viel zur 
Fk von Waffen u. anderen Geräthen u, 


Bernftein. 


‚eine Einnahmeauelle der prenß. Biihöfe, dann 


ein Monopol der Deutihen Ritter, von denen es 
mit der größten Strenge aufrechterhalten wurde, 
Danziger Kaufleute bejorgten den Vertrieb; in 
Benedig war ein Hauptftapelplag für den Zee 
nach dem Süden u. befonders nah dem Orient, 
wo er megen feiner angeblichen Heilfräfte jebr 
geichätt wurde. Die preuß. Wegierung bat die 
Gewinnung, nachdem fie früher fie felbft in die 
Hand genommen, im diefem Jahrh. gegen eine 
beftimmte Summe an Unternehmer berpadhtet, 
an die (da der B. zum Regal der Krone erflärt 
it), jeder Finder gegen den geſetzlichen Finderlohn 
abliefern muß. ©. Runge, Der B. in Oftpreußen, 
Berl. 1868, u. Die B-gräbereien im Samland, ebd. 
1869; ®Pierfon, Das Elektron, ebd. 1869; Zeit- 
ichrift für Geſch. Ermlands, Br. 1. B. Glören. 

Bernftein, 1) Job. Gottlob, Mediciner, 
geb. 28. Juni 1747 in Berlin; wurde Bergwund- 
arzt zu Jlmenau, 1796 Hofhirurg und Gehilfe 
bei der Mediciniſch-Chirurgiſchen Krankenanftalt zu 
Jena u. 1806 Gehilfe in der Reilſchen Klinik zu 
Den: er ging 1810 nad Berlin, wurde dajelbft 
Mitglied des Mediciniihen Obercollegiums und 
Profeffor der Medicin; lebte feit 1821 in Neu- 
wied; ft. 12. März 1835, Er ſchr.: Neues dyirure 
giſches Lexikon, 1788 f., m. A. als Handbud für 
Wundärzte, 1786 f., 2 Thle.; Handbuch für Wund- 
ärzte, Lpz. 1790, 8 Thle., u. Zuſätze dazu, ebd. 
1792, 5. U, Lpz. 1818—20, 4 Bde; Ebirur« 
giſches Handwörterbud, Jena 1801; Syftematifche 
Darstellung des chirurgischen Berbandes, Jena 
1797; Über Verrenfungen u. Beinbriüche, Jena 
1802, 2. Aufl., 1819; Geſchichte der Chirurgie, 
Lpz. 1822, 2 Tble. 2) 3; Th. Chriftian, 
Sohn des Vor,, ebenfalls Mediciner, geb. 1779 
in Ilmenau, war erft Anıts- u. Stadtphyſikus zu 
Noßla u. Apolda, dann Hofrath u. Leibarzt zur 
Neuwied. Er ſchr.: Beiträge zur Bundarzneitunft 
u. gerichtlichen Arzneikunft, Jena 1804; Neue Bei» 
träge zc., 2 Bbde,, 180912; Bruchftüde aus dem 
Leben %. ©. B:8, Franff. 1836. 3) Georg Hein- 
rich, geb. 12. Jan. 1787 inKofpeda bei Jena; habi- 
litirte fih 1811 in Jena, wurde 1812 Profeffor der 
orientalischen Piteratur in Berlin, machte den Feldzug 
von 1813 u. 14 als Offizier mit, trat dann wieder 
in fein Lehramt; er ft. 5. Apr. 1860 als Prof. 
der, morgenländifhen Spraden in Breslau zu 
Lauban. B. ſchr.: Bergleihungstabelle der mo- 
bammedanischen Zeitrechnung mit der chriftlichen, 
Jena 1812; gab heraus: Szaft Eddin, Lpz. 18165 
die arabiiche Schrift: De initiis et originibus re- 
ligionum in ÖOriente dispersarım, Berl. 1817; 
ihr. über die Charklenſiſche (ſyr.) Überſetzung des 
N. T., 1837; über Bar Bablul, 1842; Bar 
— 1822 u. 1847; Hitopadesae particula, 
Bresl. 1828; Wörterbuch zu der neuen Auflage 
von Kirfh, Chrestomathia syriaca, Lpz. 1832 
bis 1836, 2 Bde. Bon feinem Lexicon linguao 
syriacae, Berl. 1857, fam nur das 1. Heft ber- 
aus. 4) Aaron David, deutfcher Publiciſt u. 
BVoltsjhriftfteller; geb. 1812 zu Danzig von 
jüdiſchen Eltern; war urjprünglih für den 


schrieben ihm Heilfräfte zu, eine Meinung, die fih|Rabbinerftand beftimmt, gab jedoch die theologi- 


im Mittelalter erbielt. 


Mit der Ehrifttanifirungffchen Studien bald auf u. ging 1832 nach Berlin, 


des Landes wurde der B. (Lapis ardeus) zuerjt|mwo er fi) eine vieljeitige Bildung anzueignen 


Bernfteinbaum — Bernitorff. 


fuchte. Unter dem Pfeudonym A, Rebenftein gab 
er zunäcft eine liberfegung u. Bearbeitung des 
Hohen Liedes Salomons heraus, Berl. 1834, 
die in wifienfchaftlichen Kreifen Anertennung fand. 
Hierauf wandte er fi dem Studium der Natur: 
wiſſenſchaft zu, veröffentlichte eine Arbeit über die 
Notation der Planeten, jchrieb dann auch einen 
Plan zu einer neuen Grundlage für die Philofo- 
phie der Geſchichte, Berl. 1838, u. Novellen und 
Lebensbilder, Berl. 1840. Als 1848 eim neues 
politifches Leben begann, fand B. nun erft feinen 
eigentlichen Wirfungstreis; er ward Publicift u. 
ründete im März 1849 das demofratiiche Volls- 
fatt: Die Urwäblerzeitung, die vielen Beifall 
fand, aber durch Hinfeldey bald wieder unterbrüdt 
wurde. Schon 1853 rief B. jedoch ein menes 
Organ ins Leben, Die Volkszeitung, welche im 
Berlage von Franz Dunder in Berlin noch jett 
(1875) erjheint. Neben diejer journaliſtiſchen 
Thätigfeit lag B. auch ferner noch dem Studium 
der Naturwiſſenſchaft ob u. veröffentlichte bei. in 
der Bolfszeitung eine große Menge von an— 
ſprechenden populären Abhandlungen, die er fpäter 
unter dem Titel: Aus dem Reiche der Natur— 
wiſſenſchaft, Berl, 1853—57, 12 Bde., heraus⸗ 
ai er jchrieb ferner Betrachtungen aus dem 
atur- u. Eulturleben, ebd. 1874 u. a. N Ealomon, 

Bernfteinbaum (Pinites suceinifer), eine 
tertiäre Nabelholzart, die hauptjächlich den Bern- 
ftein als Harz ausſchwitzte. 

Bernfteinfirnif, eine Löſung von Bern- 
ftein in Leinölfirniß, von gelblicher Farbe u. er⸗ 
härtet nicht ſo ſchnell, als Kopalfirniß. Man 
ſchmilzt 20—30 Th. Bernſtein in einem Keſſel 
über ganz gelindem Koblenfeuer, dann gießt man 
25—30 Th. fiedeuden Yeinölfirnig Hinzu u. läßt 
das Gemiih ca. 10 Minuten lang bei einer 
Temperatur bis 140° fieden, Nach dem Abkühlen 
fegt man dann noch 25—30 Th. Terpentindl zu. 
Der dunfle B. wird nicht aus Bernftein ſelbſt, 
fondern aus dem bei der Deftillation des Bern- 
fteins zu Bernfteinöf. und Bernfteinfäure zurüd- 
bleibenden Bernfteincolophontum bereitet. 

Bernſteinſaure Ammonflüffigfeit (Lig. 
ammonii succiniei, Lig. cornu cervi suceinatus), 
durch Sättigung einer wäſſerigen Auflöfung von 
brenzlich kohlenſaurem Ammon mit Bernfteinfäure; 
bräunliche FFlüffigleit von eigenthümlih brenz— 
lichem Geruche, fühlend bitterlihem, etwas ftechen- 
dem Geihmade, als frampfftillende, nervenftärfende, 
die Ausdünftung befördernde Arznei (zu 20—60 
Tropfen) im Gebraude. 

Berniteinjdynede(Succinea AmphibiaDrap.), 
zur Fam. der Schuirfelfchneden, Ordnung der 
Yungenichneden; Oberfühler unten Did und auf 
der kolbige Spitze Augen tragend, umtere Mein; 
Scale eiförmig, länglih, durchſichtig bernftein- 
artig, fein längs geftreift, 12—15 mm hoch, mit 
wenigen Windungen, von denen die lebte ſehr 
groß und anfgetrieben, faft das ganze Gehäufe 
ausmahend; Mündung ſchief, groß; zahnlos; 
ampbibiih; am Ufern, auf Waiferpflanzen, aud) 
im Waſſer felbft jchwimmend, mit nad oben ge- 
lehrter Sohle. 

Bernftorff, eine aus dem 11. Jahrh. her- 
ftammende deutſche Mdelsfamilie, 


267 


Erbherren auf Teſchen u. Bernftorfi in Mecklenburg— 
Schwerin, feit der Reformation lutheriicher Confej- 
fion, feit 1715 freiberrlich, feit 1767 in den Grafen» 
jtand erhoben: I) Andreas Gottlieb, geb. 1649; 
wegen derguten Dienfte, dieer als lurfürſtlich hanno— 
veriſcher u. dann engl. Premierminifter Georg I. 
zur Erlangung des engl. Thrones geleiftet hatte, 
zum Freiherrn gemacht; ftiftete das hannoveriſch— 
lauenburgiſche Gartow-Woterſenſche Fideicommiß; 
er ft. 1726. 2) Johann Hartwig Ernſt, Groß— 

neffe des Bor. u. Sohn von Joachim Engelte v. B., 
geb. 13. Mai 1712 in Hannover; ftudirte im 
Tübingen, trat in den däniſchen GStaatsdienit, 
wurde 1737 Gejandter beim Reichstage in Re— 
gensburg u. 1744 in Paris. 1751 trat er als 
Mitglied in den dän. Gtaatsrath, nachdem er 
ihon im vorhergehenden Jahre Staatsfecretär u. 
Gebeintrath geworden, erwarb fi) durch Die von 
ihm vermittelte Neutralität Dänemarts im Sieben 

jährigen Kriege, die Nüftungen gegen Peter III. 
und den Hausvertrag mit Rußlaud von 1763 
(f. Dänemark, Geſchichte) große Verdienſte und 
wurde bei Ausführung diefes Bertvages 1767 in 
den rafenftand erboben. 1770 durch Struenſee 
entlaffen, zog er fih nah Hamburg zurück; 1772 
zurüdberufen, ftarb er auf der Rückreiſe nad 
Kopenhagen 19. Februar. Sein Andenken erbält 
fein Standbild an der Yandftrafe nach dem 
Schloſſe B., der jetigen Sommerrefidenz des 
Königs von Dinemarf, Er war in Dänemark 
u. Schleswig-Holjtein der Erfte, der die Yeibeige- 
nen auf feinem Gute nicht bloß zu Freien, ſondern 
auch zu Eigenthiimern ihrer bisherigen Feſtehufen 
machte, wie er ſich auch ftets wohtthätig gegen 
Arme zeigte, mehrere Robithätigkeitsanftalten ftiftete 
u. auch die Einimpfung der natürliden Blattern 
einführte. In gleicher Seife war er ein Beſchützer 
der Wiſſenſchaften u. Künfte u. erwirkte nament- 

fh auch Kiopftod eine Staatspenfion. 3) An 

dreas Peter, Graf von, Neffe des Bor., geb. 
28. Aug. 1735 auf Gartow im Yüneburgiichen. 
Nach beendigten Univerfitätsitudien u, Reifen durch 
Deutſchland, Frankreich, Italien, Holland und 
England erhielt er 1759 eine Anſtellung in der 
Deutſchen Kanzlei zu Kopenhagen, ſtieg 1769 
zum Geb. Conferenzrath empor, wurde aber‘ 
1770, gleich feinem Oheim, B. 2, von Struenfee 
entlaflen. Gleich nach des Letzteren Sturze 1772 
zurücdberufen, ward er Director der Deutichen 
Kanzlei u, Minifter der auswärtigen Angelegen- 
beiten, Als ſolcher leitete er die Berhandlungen 
der dän. Negierung mit Rußland im J. 1773 
wegen des Yändertaufches der holftein. » gottorper 
Erblande gegen Oldenburg u. Delmenhorft, die 
zu dem Tractat von 1776 führten, wofür er von 
Ehriftian VII. in den dän. Grafenftand erhoben 
wurde. Sein diplomatifches Verdienſt um die 
Erhaltung des Friedens im Norden war die von 
ihm zu Stande gebrachte bewaffnete Neutralität 
der 3 nordiihen Mächte u. Sperrung des Ore— 
Sund im Kriege zwiſchen England u. Frankreich 
während des nordamerik. Unabhängigkeitslampfes 
für die Kriegsmarine der fich belämpfenden 
Mächte. Die gegen ihn geiponnenen Intriguen 
Guldbergs u. der verwittweten Königin Juliane 


urfprünglich |bewogen ihn, 1780 feine Entlafjung zu verlan- 


268 


Bernuth — Beröa. 


gen, worauf er fih nad Mecklenburg zurüdzog; heime Obertribunaf in Berlin u. 1849 vortragen- 


aber 1784, als der Kronprinz Friedrich volljährig 
geworden u. die Regierung für feinen gemiüths- 
tranfen Vater übernommen hatte, wurde er zu— 
rüdberufen n. in feine vorigen Würden wieder 
eingefegt. Aberınals Teiftete er nım dem dänischen 
Staate die ausgezeichnetften Dienfte, indem er 
das gute Bernehmen mit allen anderen Mächten 
zu erhalten wußte. Eine über das engliihe Ber- 
langen der Unterſuchung neutraler Schiffe mit 
dem dortigen Cabinet gewedjjelte Note ermedte 
als ein diplomatijches Meifterftüd jo allgemeines 
Aufjeben, daß fie jogar in London felbft in 7 
Auflagen erſchien. In der inneren Landesregier- 
ung wirlte B. mit Energie für die Aufhebung 
ber Leibeigenshaft auf den adeligen Gütern und 
Emancipation des Bauernftandes, die zuerft im 
Königreihe u. 1805 in den Herzogtbümern ein- 
geführt wurde, Er ftarb 21. Juni 3797. 
4) Ehriftian Günther, Graf don, Sohn des 
Bor., geb. 3, April 1769 in Kopenhagen; war 
zuerſt der Gefandtichaft in Berlin attachirt, dann 
Sefandter in Stodholm, nad des Baters Tode 
Minifter der auswärtigen Angelegenheiten, nahm 
aber 1810 feine Entlafjung, wurde dagegen 1811 
Sefandter in Wien und war 1814 dän, Bevoll- 
mädhtigter beim Wiener Congreß, darauf Ge. 
fandter in Berlin. 1818 trat er als Minifter 
des Auswärtigen in den preuß. Staatsdienft u. 
wohnte als folder den Gongrejien in Aachen, 
Verona, Karlsbad, Troppau u, Laibach bei, trat 
jedoh 1832 ins Privatleben zurüd; er ftarb 
28. März 1835 in Berlin. 5) Albredt, Graf 
von, Neffe des Bor., preuß. Staatsmann, geb. 
22. März 1809 zu Dreilützow in Medlenburg; 
wurde, nahdem er verichiedenen Gefandtichaften 
attadhirt geweien, 1837 Legationsrath, ging 1840 
in diplomatisher Sendung nah Neapel, 1842 
nah Paris, wurde 1845 Wefandter in München, 
wo er gegen die ultramontane Partei auftrat, 
1848 aber in Wien, wo er, weil er die Uinter- 
ordnung Preußens unter Defterreih belämpfte, 
auf Schwarzenberg Berlangen 1851 abberufen 
wurde, u. war 1851 u. 52 Mitglied der Erften 
Kammer für Berlin. Wieder in diplomatiichen 
Dienſt tretend, wurde er 1852 Sefandter in Neapel 
und 1857, als Nachfolger Bunſens, in London, 
wo man ihn anfangs als ruffiichen Agenten ver- 
dächtigte, fpäter ae ihm Gerectigfeit mwiber- 
fahren lief. Im October 1861 wurde er an 
Schleinig' Stelle Minifter des Auswärtigen, ging 
1862 in das neue Minifterium über, ſchloß die 
Handelsverträge mit China u. Japan ab u. be 
förderte denjenigen mit Frankreich. Im Septbr. 
1862 ging er auf feinen Gefandtichaftspoften in 
London zurüd, während in Berlin Bismard fein 
Nachfolger wurde, und blieb 1867 als Gejandter 
des Norddeutfchen Bundes u. 1871 des Deutſchen 
Neiches in London, mo er 26. März 1873 ftarb. 
1—4 Jenſſen⸗ Tuſch. 

Bernuth, 1) Auguſt Moritz Ludwig Hein— 
rich Wilhelm v., preußiſcher Staatsmann, geb. 
1808 in Münſter; ftudirte feit 1825 in Göttingen 
u. Berlin die Rechtswiſſenſchaft u. wurde, nachdem 
er verfchiedene Stellen im unteren Staatsdienfte 
belleidet hatte, 1845 Hilfsarbeiter für das Ge» 


der Kath im Inſtizminiſterium; 1849 u. 50 ſaß 
er in der Erften prenfiichen Kammer, u. da er 
bier mit der liberalen Partei gejtimmt hatte, jah 
er ſich veranlaßt, feine Stelle als Minijteriafratb 
niederzufegen, u. wurde 1855 Vicepräfident des 
Appellationsgerichtes in Glogau u. 1859 Chefprä- 
fident des gleihen Gerichtes in Poſen. Am 17. 
Dec. 1860 übernahm er ım Minifterium Auers- 
wald das Portefenille der Inſtiz, welches er je« 
dod im März 1862 ſchon wieder abgab, ohne im 
der kurzen Zeit feine Gedanken zur Ausführung 
gebracht zu haben. Seitdem ijt er Kronſyndicus u. 
Mitglied des Herrenbaufes, zu deſſen liberaler 
Partei er gehört, im den lebten Jahren Biceprä- 
fident des Haufes. Seit 1874 tjt er auch Mit- 
glied des Deutichen Neichstages. 2) Otto Frie— 
drich Karl v., Berwandter des Vorigen, geb. 
1816 in Berlin; ftudirte feit 1834 in Berlin u. 
Bonn die Rechte, wurde 1839 Kammergeridts- 
referendar in Berlin, 1842 Affeffor bei der Re— 
gierung in Merfeburg und 1850 Lanbrath des 
Viegniger Kreifes. Ws Mitglied der Zweiten 
Kammer 1849—52 u. 1858—61 bielt er ſich zu 
den Gonjervativen, wurde 1862 Bolizeipräfident 
in Berlin u. 1867 Regierungspräfident in Köln. 
Bernward, Biihof von Hildesheim u. der 
bedeutendite Künftler der erjten Hälfte des Mittel 
alters; Miniatur-Maler, Mofaicıit, Plaſtiker, Erz- 
gießer, Schniger u. Goldfhmied. B., geb. um 930, 
jtammte aus edlem ſächſiſchem Geſchlechte. Sein 
Öroßvater mütterliher Seite war der Pfalzgraf 
Adalbert von Heffen. In der Hildesheimer Dom- 
jhule war er der Mitſchüler des Kaiſers Hein- 
rich II. des Heiligen. Nach vollendeten Studien 
ging er an den Def feines Großvaters Adalbert, 
ward dann von Willigis von Mainz zum Priefter 
geweiht u. ferner Erzieher des nachmaligen Kai- 
jer8 Otto IIT., 991 Reichskanzler u. Biichof von 
Hildesheim. B. erfand die Dachziegel aus ger 
branntem Lehm, ımodellirte die fog. Ehriftusfäufe 
anf dem Hildesheimer Dombofe u. die ebernen 
Doppeltbüren im Dome, that viel für die Berihöner- 
ung befjelben, arbeitete das höchſt werthvolle gol« 
dene Kreuz für die Magdalenenfirhe in Hildes- 
beim m. ein anderes zur Aufbewahrung eines 
jog. Kreuzpartifels, den Toloffalen Kronleuchter im 
Diittelfchiffe des Hildesheimer Domes, den fogen. 
Bernmwarbsftab im Domfchate, baute das Bene» 
dictiner-Münfter dafelbft, das zu den bedentendſten 
romanischen Bauten in Deutſchland gehört. Er 
ft. 20. Nov. 1022. DB. wurde vom Papſt Cöle- 
fin III. 1192 unter die Zahl der Heiligen ver- 
fett. Vgl. Lüntel, Der hl. Bernward, ee 
1856. egnet. 
Beröa (a. Geogr.), 1) (Berytus) Stadt am 
öftl. Abbange des Bermios in Maledonien, wo 
Paulus und Silas mit Erfolg das Evangelium 
predigten, namentlich unter den dafigen Juden; 
im Mittelalter Sit eines Bischofs, im 10. u. 11. 
Jahrh. in der Gewalt der Bulgaren; jet im 
türt. Ejalet Salonik, Verre oder Berta; Ruinen, 
2) Gerrhöa) Stadt in Thrafien, nad der fie 
wieder aufbauenden Kaiferin Jrene im 8. Jahrh. 
zeitweilig Irenopolis genannt; jettt Beria oder 
Beria. 3) Alter Name von Aleppo (j. d.). 


Beroaldo-Bianchini — Berruguctte. 


Beroaldo:Biandjini, Natalis Felir, No⸗ gezogenheit. 


Eile, öfterr. General, geb. 1779 in Modena; trat 
1796 in franzöftiche Dienfte, wurde M97 Haupt«| 
mann u. Adjutant bei der Eisalpinifchen Legion, | 
nahm au dem Feldzügen in der Nomagna u. der 
Marf Ancona, 1798 an der Belagerung von Fer— 
rara (mo er in Gefangenſchaft gerieth) u. 1800 
an dem lbergange über den Mincio u. an ber 
Einnahme des Kaftelld von Beroma theil u. 
commandirte in den Gefechten bei S. Elpidio u. 
Gaftelnuovo die Artillerie. 1801 der General- 
Artillerieinfpection der italienifhen Armee als 
Adjutant beigegeben, ging er 1802 als Militär- 
deputirter der außerordentlichen italienischen Volls⸗ 
vertretung nah Pyon und im October db. J. 
nah Brescia, um dafelbft eine Gemwehrfabrif an- 
zulegen u, zu leiten. 1803 zum Major u. zum 
Artillerie » Unterdirector der ttalienischen Armee 
ernannt, wurde er 1805 Chef des Artillerieitabes 
u. Director der Kanonengießerei u. des Zeug— 
hauſes zu Pavia, 1807 auch mit der Einrichtung 
u. Leitung einer Kanonengießerei zu Cajonrico 
betraut. 1811 wurde er an die Spike ber 3. 
Divifion des italienischen Kriegsminifteriums be- 
rufen; er commandirte 1813 u. 14 anfangs das 
Artilleriecorps der Divifion Palombini, dann das 
der Föniglihen Garde u. zuleßt die gefammte 
Artillerie der italienifhen Armee. Ber Auflöſung 
des italienischen Kriegsminiſteriums wurde B. 
1814 Mitglied der öſterreichiſchen Kriegscommiſſion 
u. 1816 als Oberftlieutenant der Artillerie in die 
öfterreichtfche Armee eingereiht. Seit 1822 Oberft 
u. Direckor der Gewehrfabrit in Wien, verbefferte 
er das militärische Maſchinenweſen; 1831 zum 
Seneralmajor befördert, übernahm er das Artille- 
viebrigabecommando in Wien, wurde 1838 Feld— 
marſchalllieutenant u. Diviftonär bei der Artillerie. 
In diejer Zeit wurden von ihm mehrere Mafchie 
nen fir Die Kanonengieereien u. Bohrereien 
erfunden, ferner die Tpfündige lange Haubige 
eingeführt. 1849 trat er in den Ruheſtand u. 
fl. 1854. 

Berolbingen, eine aus der Schweiz, Kanton 
Uri, ſtammende, der Tatholiihen Confeſſion fol 
gende, im 2 Linien zerjallende Familie, von denen 
die eine in der Schweiz, die andere in Öſterreich 
u. Württemberg begütert ift. 1623 wurde die 
deutſche Linie in den Neichsfreiherinftand erhoben 
u. dieje Erhebung 1691 aud auf die andere aus- 
gedehnt. 1800 wurde Die deutſche Linie gräflic. 
Thef A) der öfterreich. Linie ift: 1) Graf Franz, 
geboren 7. Juni 1820; ift Befiger der fFider- 
commißherrichaften Schönbühel, Agitein zc. wtf. k. 

auptmann; B) der württembergifhen Linie: 

) Sraf Joſeph, Oheim des Bor., geb. 1780 
in Ellwangen; jtndirte in Wien die Nechte, trat 
in öſterreichiſche, 1803 in württembergijche Kriegs: 
dienfte u. ftieg bis zum General; er ftand im hohem 
Anjehen bei Napoleon, ging 1814 als Geſandter 
aa London, wo er den für Württemberg vor- 
theilhaften Subfidientractat abſchloß, u. 1816 nach 
Perersburg. Seit 1823 Minister des Königlichen 
Haujes u. der auswärtigen Angelegenheiten, ſchloß 
er mebrere wichtige Yandesverträge mit Preußen 


2069 


3) Graf Cäſar, königl. württemb. 
Seneral-Major, Adjutant u. Hofmarſchall a. D.; 
geb. 1824. 3 Cicalet.· 

Beröfos, Prieſter des Bel in Babylon, um 
250 dv. Chr.; jr. eine Geſchichte Babylons u. 
Chaldäas in griedh. Sprade, die aus den Tempel 
arhiven zu Babylon gejhöpft war u. von dei 
Alten ſehr gefchätst wurde; befonders von der Zeit 
Nabopolafjars an war fie authentiſch u, ſehr aus— 
führlih. Übrig find davon noch Fragmente bei 
Joſephos, Eufebios, Syntellos u. A., gelammelt 
von Richter, Lpz. 1825, fowie von Müller im 
deſſen Fragm. histor. Graec,, ®ar. 1848, II 
Bgl. M. v. Niebuhr, Geſch. v. Affur, Berl. 1858. 

Berquin, 1) Louis de B., geb. 1480 in 
Artois; war föniglicher Rath bei Franz I. u. Be- 
förderer der Reformation; er wurde deshalb 1523 
vom Parlament u. 1526 von der Sorbonne zwei« 
maf verhaftet, aber vom König begnadigt; da er 
jedoh feine Grunbjäge nur deſto eifriger ver— 
breitete, wurde er 22. April 1529 in Paris ver- 
brannt. 2) Arnaud, franz. Schriftfteller, geb. 
1749 in Bordeaur; ging 1772 nad Paris u. fi. 
bier 21. Dec. 1791. ſchr.: Idyllen, 1774; 
Tableaux anglais, 1775; die Romanzen: Le lit 
de Myrtle, Genevievo de Brabant, L’incon- 
stance u. a.; den Roman: Sandfort et Merton, 
ebd. 1787; Bibliothöque des villages, Paris 
1790, u. a.; fein Ami des enfants (eine Nad)- 
ahmung des Weißeſchen Kinderfreundes) erhielt 
1784 den von der Akademie auf das müklichfte 
Buch ausgefegten Preis. Sämmtliche Werte, 
Bar, 1797—1802, 20 Bbe. 

Berre, 1) (Etang de 8.) fiſchreicher Salzſee 
im Arr. Air des franzöfifchen Dep. Rhönemün— 
dungen, 15 km lang u. 11 km breit, durch den 
ein angeblih von den Römern gebauter Damm 
(Eajon) gebt. 2) Stadt daran; Fiſcherei, chem. 
Fabr., Seefalzbereitung; Mandeln u. eigen; 
1918 Ew., wovon 1358 im Orte jelbft. 

Berretini, Pietro, gen. Pietro da Cor- 
tona, Maler u. Baumeifter, geb. 1596 zu Cortona; 
ging, nachdem er daheim den erjien Kuunſtunter- 
richt genoffen, zur weiteren Ausbildung nad Rom, 
wo er Rafael, Michel Angelo n. die Antiken ftudirte; 
er malte dort Bieles für den Bapft Urban VIII, 
ging dann nad) Florenz, um den Palazzo Pitti 
init Gemälden zu ſchmücen, tehrte aber bald nad 
Rom zurüd u. entfaltete num eine enorme Thätig- 
feit, die endlih zur Berflahung der Kunft führte, 
da es ihm bei aller Productionskraft doch an 
Tiefe des Geiftes fehlte u. er bauptfächlich nur 
nah wirkſamen Maffencontraften ftrebte. Er ft. 
1669 zu Rom. Us fein Hauptwerk gelten die 
Dedengemäßde im Palazzo Barberini zu Rom, 
Außerdem bedeutende Bilder in den Minieen zu 
Berlin, — Devonſhire, Blenheim, 
Minden, Wien, Paris. Reguet. 

Berrien, 1) County im nordamerik. Unions— 
ftaate Georgia, unter 31° n. Br. u. 83° w. %; 
4518 Ew.; Eountyfig: Naſhville. 2) County im 
nordamerif. Unionsflaate Vichigan, unter 420n. B. 
u. 86° w. L.; Eifenbahnverbinduung; 35,104 Ew. 
3) (Berrien Springs) Conntyfig im vor., am St. 


u. anderen deutfchen Staaten; feit 1848 bis zu Joſephfluß. 
feinem Tode, 24. Yan. 1868, lebte ev m Zurüdel Berruguette (Beruguete), Alonſo, Spanischer 


270 


Maler, Bildhauer u. Baumeifter, geb. zu Paredes de 
Nava, geft. 1561; fam nad feines Vaters Tode 
1503 nad Jorenz u. 1504 nad Rom, wo er fi) 
die Freundſchaft Michel Angelos erwarb, Fehrte aber 
bald nach Florenz zurüd, wo er viel mit Anbrea 
1520 
ging er nad Spanien zurüd, wurde Karls V. 
Kammermaler u. von ihm vielfach beichäftigt. 
Als Bildhauer folgte B. der Richtung Michel 
Angelos, als Maler der Leonardos da Binct ı. 
führte den rein italienischen Stil in Spanien ein. 
Werke: Hl. Benedict u. Biihofsftuhl im Muſeum 
zu Valladolid; Sarlophag des Erzbiſchofs Tavera, 
ın ©, Juan Battifta ertra muros bei Toledo; 


del Sarto u. Baccio Bandinelli verkehrte. 


ie 


Akademie zu Balladolid. Regnet. 
Berrũhyer, Joſeph Iſaak, Jeſuit; 
1681 zu Rouen; ft. 1758 zu Paris. 


fägen erzäblte, 


Diet XIV, und Clemens XIV. verdanmten es. 
göffler.* 


Berry (Berri), ehemaliges Lehnsherzogthum 
in Frankreich, zwiihen Zouraine, la Marche, 
Bourbonnais, Nivernois, Gatinois, Orldanais 
u. Blaiſois; zerfiel in Ober u. Unter-®.; war 
ein eigenes Gouvernement; umfaßte 14,337 Dkm 
(260,35 [_M); Hanptftadt: Bourges; fehr frucht- 


bar, bei. an Hanf, bedeutend duch Schafzucht; 


jegt die Hauptbeftandtbeile der Dep. Cher und 


Indre bildend, während Heinere Theile an die 
Dep. Bienne, Haute-Bienne, Creuſe u. Loiret ab- 
gegeben find; der Kanal von B., 150 kmlang, ver- 


bindet den Eher mit dem Canal lateral. B. war 


zu den Römerzeiten von den Biturigern bewohnt 
u. hieß deshalb Biturica. 


ihre Städte und zogen fi nach dem befeftigten 
Avaricum. 475 fam B. an die WGothen, unter 


Chlodwig aber an die Franken, melde es durch 


Grafen beherrihen ließen; dann an die Karolin: 
ger, feit 917 wurde es durch eigene, Burgund 
lehnspflichtige Vicomtes vegiert, deren letter, 
Eudo Arpiım, es an König Philipp I. von 
Frankreich verfaufte. Nun war B. oft Apanage 
nadhgeborener Prinzen und ward 1360 von Jo— 
dann zum Herzogtum ‚erhoben. Diefer und 
mehrere fpätere Prinzen führten den Namen 
Herzog von B. namentlih: I) Jean, 3. Sohn 
des Königs Johann von Frankreich, geboren 
1340, war erjt Graf von Poiton, wurde durch 
den Zractat von Bretigny als Geifel an England 
gegeben u. btieb 9 Jahre bort; er befehligte 1372 
die franzöfifhe Armee in Guienne; nad Karl V. 

































—— in der Kapelle des Collegio major di 
an Jago in Salamanca; H. Familie, in der 


geb. 
Er ſchr.: 
Hist. du peuple de Dieu depuis son origine 
jusqu’a la naissance du Messie, Par. 1728, 7 
Bde., 8 A., 1738, 10 Bde., fortgejegt in Histoire 
dupeuple deDieu depuis la naissance du Messie 
jusqu’a la fin de la $ynagogue, 4 B., u. Para- 
phrase litterale des apötres ete., 2 B., worin 
er die heilige Gejcdh. des A. T. zu modernifiren 
ſuchte u. diejelben in höchſt frivolem Tone, mit 
fonderbaren u. üppigen Ausihmüdungen u. Zur 
Der General des Jeſuitenordens 
befahl dem Berfaffer, in dem folgenden Auflagen 
Bieles megzulaffen u. Anderes zu ändern; das 
Werk fam in den Index libr. prohib., u. Bene 


Im Galliihen Kriege 
(j. d.), 52 v. Chr., verbramnten die Bituriger 


Berruyer — Berry. 


Mitglied der Regentſchaft, nahm er das Gouper- 
nement Yanquedoc, herrichte dort mit unumfjchränf« 
ter Macht, derlor durch feine Härte diefe Provinz, 
nachden Karl VI. mündig geworden war; bei 
der Geiftesfranfheit Karls VI. kam er von Neuem 
zur Regentſchaft, zog fi aber wegen Streitig- 
fetten mit dem Herzog von Burgund u. dem 
Haufe Orleans zurüd u. nahm an dem Kriege gegen 
den Herzog von Burgund theil; er fi. 1416 im 
Paris. 2) Charles, Herzog von B., Norman- 
die u. Gutenne, Sohn des Königs Karl VIL u. 
der Marie von Anjou, geb. 1446 auf dem Schloffe 
Montils-les-Tours; er trat 1464 zur Ligue; Die 
Normandie, die er nad dem Frieden erhalten 
hatte, fiel 1466 wieder ab, jowie 1468 die Cham» 
pagne, welche er darauf mit Guienne vertauicte; 
er ft. 1472 in Bordeaur. 3) Charles, 3. Sohn 
des Dauphin Louis u. der, Marie Ehriftine von 
Bayern, Enkel Ludwigs XIV., geb. 1686; führte 
den Titel Groß-Dauphin; er ft. 1714. 4) Marie 
Elijabeth, geb.1695; geiftreihe u. ſchöne Toch« 
ter des Herzogs von Örleans, Gemahlin des 
Borigen, der ſich wegen ihrer Ausſchweifungen 
von ihr fcheiden lafjen wollte, aber über dem 
Proceh ftarb. Der Graf von Riom war am 
längjten ihr Liebhaber u. fol fogar insgeheim mit 
ihr vermählt geweſen jein; fie ft. 1719. 5) Char- 
les Ferdinand, Graf v. Artois, Herzog v. B., 
2. Sohn des Grafen von Artois (nachmaligen 
Königs Karl X.) u. der Maria Therefia von Sa- 
voyen, geb. 24. Jan. 1778 in Berfailles; floh 
mit feinen Eltern 1792 nad Turin, focht dann 
unter Gonde bis 1798 gegen Frankreich u. trat 
mit dem Condöihen Corps in rufliiche Dienſte. 
Nach der Auflöjung diefes Corps (1801) ging er 
nad Holyrood in Schottland zu feinem Bater u. 
vermählte ſich hier im morganatifcher Ehe mit 
einer Engländerin, welche Ehe jedoch Ludwig XVILL. 
nicht anerfannte; aus dieſer Ehe entiprangen 2 
Töchter, von denen jpäter die eine an den Mar— 
quis von-Charette u. die andere an den Prinzen 
von Faucigny vermählt wurde, Nach dem Sturze 
Napoleons landete der Herzog 18. April 1814 
im Hafen von Cherbourg u. war 1815, nad Na- 
poleons Ridtehr von Elba, zum Oberbefehlshaber 
über die Truppen bei Paris beftimmt; er folgte 
aber, weil er mit feinen Truppen nichts ausrich- 
ten fonnte, bereit am 20. März dem Hofe nad 
Gent u. kehrte erft nad) dem Siege der Allüirten 
am 8. Juli nah Paris zurüd, wo er fi 1816 
mit Caroline Ferdinande Yonife, Tochter Königs 
Franz’ I. von Sicilien, vermählte. Bon Louvel, 
einem politiſchen Fanatiker, welcher die Bourbonen 
ausrotten wollte, wurde er 13. Febr. 1820 beim 
Ausgange aus der Oper verwundet u. fl. am fol- 
genden Zage. Memoires über ihn von Chateau«- 
briand, Par. 1820. 6) Caroline Ferdinande 
Lonife, Herzogin von B., Tochter des Königs 
Franz I. von Sicilien, geb. 5. Nov. 1798; ver» 
mäblt mit dem Borigen 1816. Am 14. Febr. 
1820 Wittwe geworden, gebar fie 7 Monate dar« 
auf ben Herzog von Bordeaur (genannt Hein» 
ri V.); 1819 hatte fie ihrem Gemahl eine Prin- 
zeifin (Mademoifelle de France), die jpätere Her- 
zogin von Parma, geboren. Sie war faft bie 
Einzige unter der älteren bourbonishen Dyna- 


Berrya — Berfezio. 


271 


fie, die noch unter dem Bolle einige Zuneig-] Wiesbaden, ıı. nad feiner Zurückkunft nach Paris 


ung beſaß. Nach der Yulirevolution 1830 mollte 
fie mit ihrem Sohne in Franfreich zurüchleiben, 
um diefem wo möglich die Thronfolge zu fichern, 
aber Karl X. gab dies micht zu, und fie lebte 
erft in England, dann in Neapel u. feit 1832 
in Modena. Bon bier aus landete fie am 24. 
April 1832 bei Marfeille, wo man vergebens am 
30, einen Aufftand zu ihren Gunſten zu erregen 
verjuchte; fie ging dann verfleidet nach der Bendee, 
wo fie in der Bretagne Anhänger fand; aber von 
der Hegierung verfolgt, irrte fie verkleidet im 
Lande umber, hatte jedoch ihren Hauptaufenthalt 
im Haufe der Schweitern du Guigné in Nantes, 
wo fie fih 5 Monate lang aufhielt. Endlich von 
dem Juden Deug aus Köln, welder in Rom 
fatholifch geworden war, verrathen, wurde fie am 
7. Novbr. in Haft genommen u. auf die Citadelle 
von Blaye gebracht, wo fie ein Kind gebar u. fi 
in 2. Ehe feit 1831 mit dem neapolitanifchen 
Marcheſe Hector Luccheſi Ballı - vermählt erklärte. 
Diefe Erflärung raubte ihr das königliche An- 
fehen, weshalb die Regierung fie als ungefährlich 
freifieß. Sie fchiffte fih im Juni 1833 ın Blaye 
nah Sicilien ein, lebte jeitvem abwechſelnd in 

fterreih und Italien und nahm zuletzt in 
Benedig ihren Wohnfig, wo ihr 2. Gemahl 
1864 ſtarb, achdem er -Hernzog |della Gracia ger 
pworden. Sie ftarb 16. April 1870 zu Brunnſee 
in Steiermarf. 

Berrya Amomilla Roxb., Baum aus der Fa— 
milie der XTiliaceen; in Oſtindien einheimtich; 
fiefert Bimmerholz von großer Leichtigleit, das 
fog. ZTrincomaliholz, ans welchem die Mafjoula- 
boote in Madras gefertigt werben. 

Berryer, Bierre Antoine, berühmter fran- 
zöfifcher Advocat u. Redner, geb. 4. Jan. 1790 
in Paris; ftudirte Mechtswifjenichaft, wurde 1814 
Advocat u. erlangte einen großen Ruf; ſchon 1815 
war er mit Dupin m. feinem Vater Bertheidiger 
des Marichalls Ney vor dem Pairshofe. Ebenfo 
vertheibigte er 1833 den Grafen Larochefoucauld 
vor den Barijer Aſſiſen; 1334 war er Sadjwalter 
des Herzogs von Borbeaur bei dem Proceß in 
Betreff der Einziehung des Gutes Chambord für 
den Staat, der zu Gunften des Grafen von Cham— 
bord ausfiel, 1840 Bertheidiger Yonis Napoleons 
vor den Pairshofe wegen des Boulogner Attentats 
und 1847 Barmentiers im Gubidres»Teftefchen 
Proceß. Seit 1829 jaß er für das Departement 
der Ober⸗Loire in der Deputirtenfammer u. war 
in den Julitagen 1830 der wärmjte Bertheidiger 
der Ordonnanzen Karls X., u. unter der Negie- 
ung —— Philipps galten B. u. Laroche⸗Jac⸗ 
quelin für die erften Stummführer der Legitimiften. 
Im Jahre 1832 wurde er in Angouleme feſtge— 
nommen, da er im Verdachte ftand, mit der Her- 
zogin von Berry die Unruhen in der Bendee ver: 
anlaßt zu haben, aber von den Aifiien zu Blois 
freigefprochen. Wegen feiner Anweſenheit 1843 in 
London beim Derzog von Bordeaux in der Depu⸗ 
tirtenfammer getadelt, trat er aus derjelben, wurbe 
aber von ber Stadt Marſeille wieder gemählt; 
als Legitimift ſtimmte er am4.Nov. 1848 gegen 
die Annahme der Berfaffung. Im Auguſt 1850 


bildete fi unter feiner Leitung ein parlamenta- 
riſcher Legitimiftenausihuß, weicher das Zwölfer- 
Comitd genannt wurde. Als er beim Ausbruce 
des Staatsſtreiches (2. Dec. 1851) aus den Fen— 
ftern der Mairie die Truppen durch die Kraft 
jeiner Rede vom Blutvergießen abzubalten ver- 
juchte, wurde er verhaftet, erhielt jedoch bald feine 
Freiheit wieder. Im Febr. 1852 lehnte er jede 
Candidatur zum Gejeggebenden Körper ab; dage- 
gen wurde er 1855 zum Mitgliede der Alademie 
u, zum Vorfteher (Bätonnier) des Parifer Advo— 
catenjtandes gewählt. Seit bem Staatsftreiche 
bemühte er ſich beſonders, zwifchen den beiden 
Bourbonifhen Linien zu vermitteln. Erſt 1863 
ließ er fih von Marfeille als Abgeordneter in den 
Sefegebenden Körper wählen. Er ft. 29. Nov. 
1868 auf feinem Landgute zu Augerville. Ein 
Standbild von ihm in Marjeille wurde am 25. 
April 1875 enthüllt. 

Berfaglieri (ital., von bersaglio, Scheibe, 
Ziel), die Jäger der italienifhen Armee. Sie 
wurden durch den General Lamarmora in der far» 
dimjchen Armee nah dem Mufter der franzöf. 
Jäger zu Fuß organifirt, zeichneten fi im Krim— 
friege aus u. wurden in ber Armee des König- 
reichs Italien bis auf 10 Negimenter (A 4 Ba- 
taillone zu 4 Compagnien) mit einem Kriegsftande 
von 1000 Offizieren u. 32,700 Mann vermehrt. 
Außerdem umfaßt die mobile Miliz 15 Bataillone 
B., mit 759 Offizieren u. 17,195 Mann. 

— 2 jo v. w. Herztohl. 
Berjenbrüf, 1) Kreis in der Landdroſtei Osna- 
brüd der preuß. Prov. Hannover; reich an Hei- 
den und Mooren; 1079, [km (19,0 [I M); 
42,520 Ew.; getheilt in die Stadt Quakenbriick 
u, die Amter B., Börden u. Fürſtenau. 2) Amt 
ebendafelbft; 17,613 Ew. 8) Dorf ebendafelbft, 
an der Haaſe u. der Bahır Dsnabrüd-Didenburg; 
Amtsgericht; evang. Damenftift; 750 Em. 

Berferker, richtiger Bärjerker, d. i. Hemb- 
träger, weil die B. aus Eiſendraht geflochtene 
Bruftnege oder Panzerheinden als Dedwaffe auf 
bloßem Leibe trugen. Die alte nordiſche Heldenjage 
erzählt von B-n mı Odins Gefolge, von B-ihmwär- 
men als Ottars Gefchlecht, namentlih aber von 
zwölf B-n als Kriegern des Dänenkönigs Rolf 
Krake. Diefe Kämpen, die nad ihren Panzerhents 
den B. genannt wurden, madten fih durch an 
Wuth grenzende Kampfbegierde berühmt u. be» 
rüchtigt; denn als folhe megelten fie auf ihren 
Zügen alles Yebende nieder, was ihnen in den 
Weg fam. Sole Kampfzüge oder Parorysmen 
wurden Berjerfergang genannt, u. dieſe als 
ein Übermaß- von rohefter Bravour gefchilderten 
Wuthausbriche werden al8 eine Abſchwächung 
jener Sagen angefehen, welche Menſchen fi in 
Thiere (beionders Wölfe) verwandeln u. als foldye 
wüthen laſſen (j. Werwölfe). Daher kommt es, 
dag man ſpäter überhaupt blind miüthende 
Menichen, wie auch in der Frrenbeiltunde Wahn- 
finnige B. nannte. 

Berjezio Vittorio, ital. Dichter u. Politiker, 
geb. 1830 zu Cori; dichtete ſchon mit 12 Fahren 
Opernterte; feit 1845 ftudirte er in Zurin bie 


nahm er theil an dem Yegitimiftencongreß in Rechte u. machte 1848 den lombardiihen Feldzug 


272 Berſich — 
mit. Bald darauf redigirte er den literariſchen 


Theil der Gazetta Piemontese. Seit 1864 ver- 
tritt er die piemontefiihe Oppofitionspartei- im 
Barlament. Er fchr.: Novelliere contemporaneo 
u. mehrere andere Romane, zulest Mentore e 
Ca'ipso, 1874; befonders gelungen find die Luſt⸗ 
ipiele Le Jisgrassie d’Monsii Travet. in piemont. 
Dialelt, deutſch bearbeitet als: Bartholomäus’ 
Leiden, u.: Una bella di sapone. 

Berfid, (Berfing), Fiſch, ſo v. w. Flußbarſch. 

Berſtadt, Dorf im Kreiſe Büdingen der groß— 
berzogl. heifiichen Prov. Ober-Heflen; 970 Ew.; 
reiches Braunfoblenlager in der Nähe. 

Berftett, Wilhelm vLudwig Leopold, Frei— 
berr v., badifcher Staatsmann, geb. 1770 in dem 
den Namen feiner Familie tragenden Orte bei 
Straßburg; diente erft als Militär im Oſterreich 
u. Baden, war badifcher Gefandter am Wiener 
Congreß, dann am Bundestage, feit 1817 Minifter 
des Sroßherzogl. Hanjes und des Auswärtigen, 
wirkte am Zuſtandelommen der badiſchen Ber- 
faſſung u. bei manchen Fortſchritten in der Ver— 
waltung mit; er nahm 1831 feinen Abſchied u. 
ſt. 16. Febr. 1837. 

Berſtuk (wend. Myth.), im Allgemeinen Name 
der Wald» u. Erdgeiſter; beſ. der oberfte Waldgott, 
in Bodsgeftalt abgebildet, auch Zlebog genannt. 

Berierca DC., Pflaugengattung, benannt nach 
einem jungen Piemontejen, Bertero (der in Weftin- 
dien und SAmerifa botanifirte und De Cantolle, 
Balbis u. Sprengel viele neue Pflanzen Tieferte), 
aus der Familie der Eruciferen (XV. 1). Arten: 
B. incana DC, (Farsetia incana KR. Br.), mit 
aufrechtem Stengel, nebſt den lanzettlich-ſpitzen 
Blättern u. den elliptiihen Schötden grau; aui 
fandigen, trodenen Pläten in ganz Europa ver- 
breitet; B. mutabilis DO., in Dalmatien und 
Griechenland; B. obliqua DO. in Sicilien u. 
Neapel; die beiden letteren ftraudartig, bei uns 
im Freien, im Winter gut bebedt, cultivirt, Die 
erftere zweijährig. 

Bertha, deutiher Name, verwandt mit Bercht— 
hold, Berchta, bedeutet: die Prächtige, Gläuzende, 
Edle. 1) Sta. B. (Evithberga), Tochter des 
Königs Charibert von Franken n. der Ingoberga, 
vermäblt 560 an König Ethelbert von Kent; fie 
beredete denjelben zur Annahme des Chriftenthums 
u. wurde fanonifirt; Tag: 4. Juli. Nach Auderen 
ift jedoch diefe, welcher der 4. Juli geweiher ift, 
eine andere B., welche um 690 Abtiffin zu Blangi 
in Artois wurde u. um 725 ftarb. 2) B. mit dem 
großen Fuße (welcher angebliche Körperfehler eine 
mythologiſche Bedeutung bat, vgl. B. 6), im 
Sagentreife Karls des Gr. Tochter des Grafen 
Eharibert von Laon oder eines ungariſchen Kö— 
ige, Frau Pipins des Kurzen. Sie wird auf 
der Reife nach Frankreich auf Anftiften der böjen 
Margifte entführt, und Alifte, der lettteren Toch— 
ter, wird an ihrer Stelle mit Pipin vermäblt. 
Auf einer Jagd entdedt jedoch Pipin die echte 
Bertha u, nimmt fie als jeine rechtmäßige Frau 


Berthelier, 


u. Profaerzählungen gefeiert. Das ältefte erhal- 
tene ift ein von Abends le Roi im 13. Jahrh. 
iiberarbeitetes, herausgeg. von P. Paris, Paris 
1832 (vgl. darüber $, Paris, Hist. poétique 
de Charlemagne, Par. 1865, ©. 223—6). 3) 8. 
jagenbafte Schweiter Karls, Frau des Milon 
Angers, Mutter Nolands, ſonſt auch Gille ge» 
nannt. Sie ift hauptfählih in ital. Gedichten be- 
jungen, die älteſte Berfion in der Handſchr. XIII. 
e Venedig in franco-ital. Spradhe (vgl. darüber 
‘. Gautier, Epopdes fr., Par. 1867 II, 57 ff.) 
4) B., Tochter Karls des Gr. u. der Hildegarde, 
Gemahlin Engelberts und Mutter des Gejchicht- 
jchreibers Nithard. 5) B., Tochter Yorhars des 
Jüngeren von Lothringen; erft mit dem Grafen 
TIheobald II. von Arles vermählt, wurde fie 
Mutter des nachherigen Königs Hugo von Italien; 
dann beirathete fie den Markgrafen Adalbert II. 
von Toscana, in deffen Namen fie die Regierung 
führte; fie war fchön, doch ausfchweiiend u. ft. 925 
zu Lucca. 6) B., Tochter des Herzogs Burl- 
bard I. von Schwaben; wurde 922 Gemahlin des 
Königs Rudolf IT. von Burgumd u. Mutter der 
Kaiſcrin Adelbeid; nah Rudolfs Tode jchloß fie 
eine zweite, nicht glücliche Ehe mit König Hugo 
von Iratien (938). Ihr Beichliger Kaijer Otto d. 
Gr. gab ihr die Abtei Ehrenftein; fie ſelber ftiftete 
u. a, Peterlingen, mo man 1818 ihre Gebeine 
auffand. Sie ft. zu Eude des 10. Jahrh. Die Er 
innerung an ihre Zeit, als die des Gliides, der 
Überfluffes u. der Gitteneinfalt, lebt bei den Jta- 
lienern, WSchmweizern und Burgundern in dem 
Sprüdwort; Al tempo que Bertha filava (Zur 
Zeit als B. fpann), u.: Ce n'est plus le tem 

su Berthe filait, womit man ein goldenes Zeit- 
alter bezeichnet, was jedoch mit den Sagen von 
der fpinneuden Erdgöttin zuſammenhängt, ebenio 
auch ber große Fuß von B. 2); vgl. Berchta. 

6) Hartmann. * 

Bertheau, Ernft, Orientalift, geb. 23. Nov. 
1812 in Hamburg; ftudirte feit 1832 in Berlin 
u. Göttingen orientaliihe Sprachen, wurde an 
legterer Univerfität 1836 Repetent, 1839 Privat- 
docent u. 1842 Profeflor. Er ſchr. De secundo 
libro Maccabaeorum, Gött. 1829; Die fieben 
Gruppen Moſaiſcher Gefete, ebd. 1840; Zur Ger 
ſchichte der Fsraeliten, ebd. 1842, u. commentirte 
in dem Kurzgefaßten eregetifhen Handbuche das 
Buch der Richter und Wutb, 1845, die Sprüche 
Salomonis, 1847, die Chronika, 1854, Esra, 
Nehemia u. Eftber, 1862; gab auch ein Gedicht 
Ephraem des Syrers ſyriſch und lateiniſch, ebd, 
1837, beraus. 

Berthelier, 1) Philibert, Genfer Patriot; 
mußte als Gegner der Anmaßungen des Herzogs 
von Savoyen gegenüber der Freien Stadt Genf 
1506 von da fliehen, wurde Bürger in Freiburg, 
tebrte als folder zurüd und trat dem Herzog 
jowol, als dem Biihof von Genf, einem Gliede 
des Haufes Savoyen, für die bedrohten Rechte 
der Stadt Fräftig entgegen; er entjlammte die 


mit fi. Sie gebar ihm Karl den Großen u. ft. |Baterlandsliebe der Genfer u. bemwirtte, als die 


725. Den Überlieferungen von ihr hat fich viel 
Sagenhaftes, ja Myſtiſches beigemiſcht. Sie er- 


Tyrannei des Herzogs u. Biſchofs zunahm, einen 
Bund zwifhen Genf u. Freiburg, dent zufolge der 


innert an Berchta, die Göttin mit dem Schwa-| Herzog jeine nah Genf gemworfenen Truppen 
en» oder Gänfefuße, und ift in wielen Gedichten zurücziehen mußte. Da ließ der Bischof B. plötz- 


Berthelsdorf — Berthold, 


lich 22. Aug. 1619 verhaften und am folgenden 
Tage widerrechtlich zum Tode vernrtheilen u. hin- 
richten, u. die eingejchlichterte Stadt mußte einige 

eit die ſavoyiſche Herrichaft dulden (ſ. u. Genf). 

) Philibert, Sohn des Vor., in Frankreich 
als Proteftant verfolgt; war gleich allen patrioti« 
ihen Genfern ein Gegner der Herrihaft Ealvins 
(i. d.), welchem gegenüber er fich aller um der 
Gewiſſensfreiheit willen Berfolgten annahm, wurde 
deshalb von Calvin ercommumnicirt, mußte endlich 
fliehen, wurde 1555 in contumaciam zur Bier 
theilung verurtheilt u. ftarb in der Berbanmung. 
5) Franz Daniel, jüngerer Bruder des Vor.; 
nahm an allen Beftrebungen feines Bruders theil, 
floh aber nicht u. wurde daher 1555 verhaftet u. 
wegen angeblichen Hochverrathes enthauptet. Beide 
Brüder waren Müngzmeifter in Genf. Henne-Am Royn. 

Berthelsdorf, Dorf im Gerichtsamte Herrn« 
but der königl. ſächſiſchen Amtshauptmannichaft 
Löbau im Regbez. Bauten; Sig der Direction 
der Herinhuter Gemeinden u. der alle 12 Jahre 
zufammentretenden Synode derſelben; 1902 Em. 
Außerdem führen noch 6 andere Orte im König: 
reih Sachen den Namen B. 

Derthet, Elie Bertrand, franz. Roman— 
dichter, geb. 9. Juni 1815 zu Pimoges; trat feit 
1834 zu Paris als Schriftfteller auf u, war über: 
ans fruchtbar an mittelmäßigen Nomanen, die 
ater ftarle Verbreitung fanden u. auch in fremde 
Sprachen überfegt wurden. 

Derthier, 1) County im weftlihen Theil von 
Canada, am St. Lorenzitrom gelegen; 43,250 Ew.; 
— Berthieren-Hout. 2) Diſtrict in der 

rovinz Quebeck von Canada; 19,804 Em. 

Derthier, 1) Alerandre, franz. Marſchall, 
geb. 20. November 1753 in Berfailles ; bejuchte 
die Militärſchule und trat dann in das Genie- 
corps; er murde 1770 im Generalftabe ange: 
fielit, focht mit Lafayette in Amerifa und ward 
dort Oberſt; mach Frankreich zurückgekehrt, trat 
er in Seygurs Generalftab; 1791 wurde er Ge- 
neral der Nationalgarde von Berfailles, 1792 
Brigadegeneral u. bei Luder Chef des General- 
ftabes, 1795 Divifionsgeneral u. 1796 u. 97 Ge- 
neralftabschef bei der Ftalienifchen Armee. 1798 
zog er als General en Chef der Stalienischen 
Armee gegen die römiichen Staaten, entjette die 
päpftlihe Megierung und richtete in Rom eine 
repubfifaniiche Regierung ein. Bon hier abberufen, 
ſchiffte er fih 19. Mar als Chef des General« 
Kabes der Agyptiichen Armee mit Bonaparte zu 
Zoulon ein u. fam mit diefem im Sept. 1799 
nad Paris zurüd. Nach dem 18. Brumaive wurde 
er Kriegsminifter u. bald darauf Obergeneral der 
Refervearmee beim Zuge nach Ftalien, jedoch nur 
dem Namen nah, denn Bonaparte commandirte 
jelbft. Nach der Schlacht von Marengo organifirte 

die Regierung von Piemont und ging in 
außerordentlicher — nach Spanien. Als 
Napoleon Kaiſer wurde, erhielt er den Titel 
Reichsmarſchall, begleitete denſelben im den Feld— 
zügen gegen Oſterreich und Preußen u. war der 
Ordner aller militäriſchen Details, wozu Napo— 
leon die Anleitung meiſt nur in den allgemeinſten 
Zügen gab, 


Nah dem Frieden von Presburg | Mannheim 1856. 


273 


Senator u. Biceconnetable von Frankreich; 1808 
vermäblte er ſich mit Marie Elifabeth Amalie, der 
Tochter des Herzogs Wilhelm von Bayern, u. be« 
fam große Dotationen u, die Domaine Gros-⸗Bois 
bei Paris; 1809 wurde er Majorgeneral der Arınee 
u. nah der Schladht bei Wagram Firft von Wa- 
ram; Napoleon übertrug ihm auch 1810 feine 
Berbung um die Erzberzogin Maria Luife von 
Öfterreih. Er begleitete Napoleon auch in den fols 
genden Feldzügen als Chef des Generaljtabes, 
Nach der Abdanfung Napoleons 1814 verlor er 
zwar das Fürſtenthum Neuenburg, wurde aber 
Pair u. Marichall von Frankreich u. Capitän der 
Garden u. genoß das Vertrauen Ludwigs XVIII. 
Er verließ auch mit diefem bei Napoleons Rücklehr 
1815 Frankreich u. ging von Ditende zu feinem 
Schwiegervater nah Bamberg. Eine tiefe Schwer» 
muth bemächtigte fich feiner, ı. am 1. Juni 1815, 
in dem Augenblide, als eine Eolonne Ruffen, nad) 
Frankreich marjchirend, in Bamberg einzog, ftürzte 
er fih vom 3. Stode des Schloſſes herab u. ftarb 
augenbfidiih. In der Kivhe zu Banz, wo er 
beigefeßt wurde, ift ihm eim Denkmal errichtet. 
Bon ehrenwerthem Charakter u. ftreng im Dienfte, 
widerftrebte er Napoleon, wenn er denfelben auf 
Abwegen ſah, mit freimüthiger Offenheit. Bol. 
M&moires, Paris 1826. 2) Bictor Leopold, 
Bruder des Bor., geb. 12. Mai 1770 in Vers 
failles; wurde 1794 Bataillonschef, 1799 Chef 
des Generalitabes Zr Armee von Neapel uud 
Brigadegeneral, diente 1805 bei der Belebung 
Hannovers und machte als Divifionsgeneral die 
Feldzüge 1805 und 1806 mit; er jtarb 1807 
in Paris. 83) Céſar, Graf v. B., Binder dev 
Bor., geb. 4. Mai 1765; erft bei B. 1), dann 
bei der Militäradbminiftration angeftellt, wurde er 
1799 Brigadegeneral und Chef des Generalftabes 
bei der 1. Mifitärbivifion, befehligte 1805 ein 
Obfervationscorps in Holland und murde 1811 
Divifionsgeneral, Reichsgraf und Gouverneur in 
Corſica; nad) der Neftauration ging er, zu Ludwig 
XVII. über u. ft. 17. Aug. 1819 in Gros-Bois. 

Berthierit (Diin.), jo v. w. Antimoneiſen (j. 
u, Antimon), eine natürlihe Verbindung von 
Schwefeleifen mit Schwefelantimon , von dunlel- 
grauer, ftahlglänzender Farbe, die in Braunsdorf 
in Sachſen, bei Yalaye in den Bogefen, bei Anglar 
im Dep. de la Creuſe und in der Auvergne in 
Frankreich, in Ungarn und in Unter» Californien 
uw. f. w. meift in fajerigen Maffen vorkommt. Es 
wird als Antimonerz bemutt, liefert aber nur 
untergeordniete Qualität. 

Berthold (Berchthold), deutfcher Name, ber 
deutet der Glänzende, Herrliche. I. Herzöge dv. 
Zähringen: 1) B. I. der Bärtige, Sohn des 
Grafen Gebhard im Breisgau; folgte 1030 feinem 
Bater als Graf im Breisgau u. Ortenau, baute 
die Burg Zähringen im Breisgau, nahm 1052 
den Herzogstitel an, als ihm Kaiſer Heinrich III, 
die Anwartichaft auf das Herzogthum Schwaben 
gab; ftatt deſſen erhielt er 1060 das Herzogthum 
Kärnthen u, die Mark Berona, welde de aber 

einrih IV. 1073 wieder nahm; er jtarb 1077. 
5. Zähringen. Lebensbejchreibung von Ficller, 
2) 38. II., Sohn des Vor.; 


(1805) wurde er Fürſt von Neufchätel und 1807 "folgte demjelben in feinen Gitern u. dem Herzog 


Piererd Univerjal-Eonverfatiomb-teriton. III. Band. 6. Aufl. 


18 


274 


Berthold — Berthollet. 


B. von Schwaben 1092 in Alemannien (Oſtſchweiz /des öfterreich. Kronlandes Unter der Enns, an ber 


u. Elſaß); er ft. 1111 u. gilt für den Gründer 
von Zähringen; er war vermählt mit Agnes, 
Tochter des Gegenkaiſers Rudolf von Schwaben. 
3) 8. UIJ., Sohn des Bor.; jolgte demjelben 1111 
u. beißt zuerft Herzog von Zähringen; er war 
Reichsvogt von Züri, gründete 1118 Freiburg 
im Breisgau u. murde 1122 auf väthjelbafte 
Weiſe ermordet. 4) B. IV., GEntel des Vor, 
Sohn Konrads; folgte diefem 1152 u. gründete 1177 
Freiburg im üchtland; ft. 1186; f. Zähringen 
(Geſch.) 5) B. V. der Reihe, Sohn des Bor.; 
folgte demjelben 1186, wurde nah Heinrihs VI. 
Tode von einem Theil der deutschen Fürſten zum 
Kaifer gewählt (ſ. Deutſchland, Geſch.), Forte 
fi aber gegen Philipp nicht halten; er ft. 1218, 
u. mit ihm jtarb das Haus Zähringen aus, deſſen 
Güter an verfchiedene Erben lamen (f. Zähringen). 
Er gründete 1191 die Stadt Bern, wo ihm 1847 
auf der Münfterterrafe ein Denkmal errichtet 
wurde, II. Biſchöfe u. Geiftlihe: 6) B. der 
AFranciscaner od. B. v. Negensburg (Berthol- 
dus de Ratisbona), berühmter Prediger, geb. um 
1220—30 zu Regensburg; im Franciscanerkloſter 
dajelbft von Bruder David von Augsburg aus- 
gebildet, durchzog er als Reifeprediger jeit Mitte des 
13. Jahrh. Alemannien, Graubünden, Bayern, 
Ofterreih, Mähren, Böhmen zc. unter ungeheurem 
Zudrang Des Bolles zu jeinen Durch Anmuth, 
Friſche, Lebendigkeit ee, rei Predigten. Er 
ft. 13. Dec. 1272 zu Negen$burg u. ift dort be- 
graben. Seine Predigten herausgeg. von Kling, 
Berl. 1824, ergänzt u. berichtigt von J. Grimm, 
Wiener Jahrb. B. 32, u. Fr. Pleiffer in: Die 
deutjhen Miyftifer des 14. Jahrh., I. XXVI 
fi., u. in der Zeitſchr. f. deutſches Altertum; 
herausgeg. u. übertr. von Franz Göbel, mit Bor» 
wort von Alban Stolz, 2 Bde.; ebenjo von Fr 
Pfeiffer, 1862. 7) Eig. Pirftinger, geb. 1465 zu 
Salzburg; wurde Kammermeifter des Erzbiichois, 
1508 Biichof von Chiemfee; jchr. anouyın: Onus 
ecclesiae, 1524 in Landshut erſchienen, worin nach— 
drüciich eine dDurchgreifende Reformation der Kirche 
gefordert wird. 1525 refignirte B. u. zog fich in 
die Stille zurüd. Er ſchrieb hierauf: Tewtſche 
Theologey, München 1528, Augsb. 1531 (lat.), 
worin mit etwas jpeculativer Myſtik das römijche 
Syſtem vertheibigt wird. Die nicht jehr bedeutende 
Schrift wurde herausgeg. von Reithinayr, Münch). 
1852. 6-7) Löffler. 

Derthold, Arnold Adolf, Phnfiolog, geb. 
26. Febr. 1803 in Soeft; ftudirte bis 1823 in 
Göttingen Medicin, bildete fih dann meiter in 
Berlin u. Paris aus, wurde 1825 in Göttingen 
praft. Arzt u. Privatdocent der Phyfiologie, ver- 
gleihenden Anatomie u. Zoologie u. 1835 Pro- 
ſeſſor; 1837 wurde er ald Mitglied in die Königl. 
Sorietät der Wiffenfchaften aufgenommen u. er 
bielt 1845 den Titel als Hofrath; ft. 3. Jan. 
1861. Er ftiftete 1838 den Göttingenſchen Berein 
für Natur» m. Heilfunde u. jchr.: Lehrbuch der 
Phyſiologie, ebd. 1829, 2 Thle., 3. Aufl., 1848; 
Darftellung ſämmtlicher Säugethierarten, ebd. 
1832; Lehrbuch der Zoologie, Götting. 1845 u. 
viele andere. 

Dertholdsdorf, Marktfleden im Bezirle Baden 


Wien-Triefter Eiſenbahn; alterthiimliche Kirche; 
Baummollendruderei; Weinbau; Mineralbad; da- 
bei der Leonhardberg mit ſchöner Ausfiht. B. 
wurde 1683 durch die Türken zerftört. 
Berthollet, Claude Louis Graf von B., 
berühmter Chemiler, geb. 9. Dec. 1748 zu Talloire 
in Sapoyen; ftudirte Medicin in Turin, promo- 
pirte 1770, fam 1772 mittello8 nad Paris, wurde 
durch Tronchin an den Herzog v. Orleans ge- 
wiefen, der ihm zum Leibarzte feiner Mätreffe 
machte u. ihn jo in den Stand jegte, feiner Lieb» 
lingsneigung nach ſich mit Chemie beichäftigen zu 
fünnen, Anfangs Gegner Lavoifierd, verband er 
fih mit ihm zur Ausarbeitung einer neuen chemi- 
ihen Nomenclatur, wurde 1780 Mitglied der 
Alademie der Wiſſenſchaſten, jpäter aud des In— 
ftituts, 1794 Profeſſor der Chemie an der Nor- 
malfchule zu Paris; 1796 ging er nad) Italien, 
um die erbeuteten Kunſtdenkmäler auszufuchen, 
folgte Napoleon nad) Agypten u. fam 1799 zu- 
rüd, vertrat 1804 Montpellier im Senat, präfi- 
dirte im Mai 1806 dem Wahlcollegium der OPyre- 
näen ; 1814 flimmte er für Napoleons Abjegung 
u. für Aufftelung einer Pariſer Regierung und 
wurde nach der Reftauration zum Pair ernannt; 
er ft. 6. Nov. 1822. Auf feinem Yandhaufe zu 
Arcneil hatte er die Soeiete d’Arcueil, einen 
Verein von jungen Phyſikern u. Chemilern, ger 
bildet, die unter feiner Leitung die analhtiſche 
Chemie praftiih trieben u. 3 Bde. Memoires 
berausgaben. B. entdedte die Zufammenjegung 
des jog. flüchtigen Alkali (Ammoniaf) aus Wafler- 
ftoff u, Stidjtoff, entdedte die bleichende Eigen- 
ichaft der Chlor (Bertholletiche Bleichflüffigkeit, 
ſ. u. Bleihen), unterjuchte das chlorſaure Kali u, 
deſſen Anwendbarkeit zur Bereitung eines bei. 
wirfamen Schiegpulvers (j. Bertholletiches Schieß- 
pulver), erfand das Knallſilber (Bertholletiches 
Knallpulver). In theoretiſcher Hinfiht war er ein 
bartnädiger Gegner der jett allgemein angenome 
menen Lehre von der chemijchen Bereinigung nad 
bejtimmten unveränderlihen Gewichtsverhältniffen. 
Troß jeiner Standeserhöhungen u. feiner gün- 
ftigen pecumniären Lage blieb er der einfache be- 
jcheidene Mann mit tiefer Wahrheitstiebe u. uner- 
ſchütterlicher Nechtlichkeit, feiner Wiffenichaft treu. 
ÖObservations sur l’air, Par. 1776; Theorie sur 
la nature de l’acier, ebd. 1789; Art de la teinture, 
ebd. 1791; Description dublanchiment des toiles, 
ebd. 1795; Lois de laffinite, ebd. 1801; Statique 
chimique, 2 Bde., ebd. 1803. Mit Lavoifier, 
Monge u. A. in den M&m. de l’Inst., Par.: Methode 
de nomenclature ehimique, ebd. 1787; Surl'acide 
phosphorique de l’urine, ebd. 1780; Sur la 
nature des substances animales ; eb. 1780; Sur 
la causticit6 des sels metalliques, ebd. 1780; Sur 
la decomposition de l’acide nitreux, ebd. 1781; 
Sur l’augmentation de poids qu'eprouvent le 
soufre, le phosphore et l’arsenie, lorsqu'ils sont 
changes en acide, ebd. 1782; Sur la causticits 
des alcalis et de la chaux, 1782; De l'alcali 
volatil, 1785; L’acide prussique, 1787; Obser- 
vations eudiomötriques (Mem. surl’Egypte); Na- 
ture de l’acide muriatique; Mercure fulminant, 
18015 Influence de la lumiere, 1786; Decompo- 


Bertholletihes Schießpulver — Bertini. 


275 


sition de l’eau, 1786; Proc@de pour rendre lajlogie, Bar. 1754) erfcheinen, da ihn feine oben 


chaux d’argent fulminant, 1788; Hydrogöne sul- 
fur6, 1798; Blanchiment des toiles par l’acide 
muriatique oxygene, 1789; Action de l’acide 
muriat. oxyg. sur les parties colorantes des 
plantes, 1790; Moyens de conserver l'’eau dans 
les voyages de long cours, 1806; Manomötre 
nouveau, 1807; Les gaz inflammables hydrogene 
carburs et hydr. oxycarbure, 1809; L’analyse ve- 
götale et l’analyse animale, 1817. Über ſein Leben 
vgl. €. F. Jomard, Notice sur la vie et les 
ouvrages de B., Par. 1844, 

Bertholletfches Schiefkpulver, Gemenge von 
chlorſaurem Kali, Schwefel u. Kohle, auch muria- 
tiſches Pulver genannt, von Berthollet 1788 er 
funden; fommt nicht mehr zur Verwendung. 

Berthoud, Samuel Henri, franz. Schrift 
fteller, geb. 19. Jan. 1804 in Cambrai; redigirte 
1834 den Mercure, war dann bis 1848 an der 
Preſſe thätig u. fchrieb unter dem Pſeudonym 
Sam für Patrie. Er fehr.. Chroniques et tra- 
ditions surnaturelles de Flandre, 1831—34, 
3 Bde.; mehrere culturbiftorifche Romane: Pierre 
Paul Rubens, 1840; El Hioudi, 1847; Le Ze- 
phyr d’El-Arouch, 1850, u. m. a.; ferner: Fan- 
taisies scientifiques, 1861, u. Petites chroniques 
de la science, 1868, fowie mehrere Jugendichriften. 

Berti, Domenico, italienischer Politiler und 
Bhilofoph, ein geborener Piemonteje; Profeſſor; 
jaß im ſardiniſchen Parlament von 1848 u. von 
da an in allen jardinifchen u. italienischen Kam: 
mern, der gemäßigt-liberalen Partei — 
Unter dem erſten Miniſterium Ratazzi war B. 
Generalſecretär für Landwirthſchaft und Handel; 
1865 übernahm er das Handels- u. Unterrichts— 
Vortefeuille im Minifterium Lamarmora und be» 
bieft letzteres auch unter deſſen Nachfolger Ricafoli 
im Juni 1866 bis 16. Febr. 1867. Seine poli- 
tiiche Thätigkeit entzog ihn aber ber Literatur 
nicht; er ſchr.: Verſuch über die Philofophie des 
16. Jahr. in Ftalien, 1848; Leben des Giordano 
Bruno, 1868. 

Bertie, County im nordamerifan. Unionsftaate 
NEarolina, unter 36° n. Br. u. 76° w. 1; 
12,950 Ew.; grenzt an den Albemarle-Sund; 
Countyſitz: Windior. 

Bertin, 1) Erupdre Joſeph, berühmter Arzt 
u. Anatom, geb. 21. Sept. 1712 in Zramblay 
bei Rennes; ftudirte in Paris, promovirte hier 
1741, nachdem er bereits 1737 in Reims Doctor 
geworden war; wurde 1744 Aififtent der Ana- 
tomie bei der Acadämie des sciences, erfranfte 


erwähnte Krankheit au der Vollendung hinderte. 
2) Louis Francois, franz. Journalift, geb. 
14. Dec. 1766 in Paris; wurde Redacteur meh— 
rerer Journale u. erwarb 1800 mit feinem Bru— 
der das Journal des Debats. 1802 wegen einiger 
egen die bonapartiftiihe Regierung gerichteten 
Artikel verhaftet, wurde er nach Elba verwiefen, 
entlam aber u. fehrte 1804 nad Paris zurüd, 
ohne weiter beunruhigt zu werden. Auf Wapo- 
leons Antrieb mußte er indeß 1805 den Titel 
feines Journals in Journal de l’Empire verwan- 
dein und erſt Fievèé, 1808 aber Etienne zum 
Oberredacteur annehmen, während er,jeibit mit 
Chateaubriand den Mercure de France redigirte. 
1814 unter den Bourbonsd nahm es den Titel 
Journal des Debats wieder an u. erhielt eine 
vopaliftiiche Färbung. B. folgte Ludwig XVIII. 
nach Gent, vedigirte dort den Moniteur universel 
während der 100 Tage u, übernahm nad feiner 
Rüdfehr das Journal des Debats von Neuem. 
AS fein Freund Chateaubriand 1824 aus dem 
Minifterium entfernt wurde u. diefes die Cenfur 
wieder einführte, trat er zur Oppofition u, wurde 
1830 vom Minifterium Polignac vor das Zudht« 
polizeigericht gezogen u. verurtheilt, jedoch vom 
Appellationsgerichte freigeſprochen. Er ergriff dann 
die Partei der neuen Negierung; ft. 13. Sept. 
1841. 3) Louis Francois (B. de Vaux), 
Bruder des Bor., geb. 1771; unterftügte feinen 
Bruder bei der Redaction feiner Journale, grün- 
dete 1801 ein Banfierhaus zu Paris und ward 
bald darauf Richter u. Präfident beim Hanbels- 
gerichte; 1814 ſprach er ſich lebhaft für die Bour- 
bonen aus, wurde 1820 Deputirter für Verſailles, 
was er bis 1827 blieb; 1829 war er umter ben 
221 Deputirten, welche die Yulirevolution ver- 
anlaßten. Fufolge deifen wurde er nah Eng- 
land u. Holland gefandt u. nach feiner Nücteh: 
Pair und Gtaatsrath; er fi. 23. April 1842. 
4) Louis Marie Armand, Sohn von B. 3), 
geb. 1801 zu Paris; war erft Legationsjecretär 
Shateaubriands in London, trat 1820 zur Me 
daction des Journal des Debats, wurde nad fei« 
nes Vaters Tode Hauptredactenr deffelben u. er- 
hielt e8 durch fein liberalsconfervatives Syſtem 
auch während u. nach 1848; erft. 11. Jan. 1854. 
5) Eduard Frangois, Bruder des Bor., geb. 
1797 in Paris; widmete ſich der Hiftorien- umd 
Genremalerei u, malte mehrere Bilder, welche in 
den Befi öffentlicher Mufeen übergingen. Nach 
dem Tode ſeines Bruders Louis Marie Armand 


ſehr ſchwer 3 Jahre lang, wurde Veteran ber|(1854) übernahm er die Leitung des ſeiner Familie 


Aladeınie und ftarb im Febr. 1781 in Gahard 
bei Rennes, wohin er ſich feit 1750 zur Erzieh- 
ung feines Kindes zuridgezogen hatte. 
feine anatomischen Arbeiten über die Nerven des 
Herzens, über die Verbindung der Arteria epi- 
gastrica u. mammaria, über den Bau der Nie» 
ven, den Schließmusfel des Pferdemagens, die 
Biutcireulation in der Leber des Fötus u. das 
Berhalten der Thränen bei einigen Thieren hat 
er fih einen guten Namen geichaffen. Die feinen 
Knochen am Keilbeine (Ossicula Bertini) tragen 
feinen Namen. Bon einem größeren anatomifeh 

Berte konnte nur der erfte 


ehörigen Journal des Debats u, führte diejelbe 
Dis an feinen Tod, 14. Sept. 1871. 2) Thamhayn. 


Drh) Bertini, Henri, Componift u. Mlaviervirtuofe, 


geb. 28. Dct. 1798 zu London, ſtammte aus einer 
jüdfranzöfiihen Mufiterfamilie; von Vater und 
Bruder ausgebildet, machte er ſchon im 13. Jahrh. 
als Klaviervirtuofe Kunftreifen u. ließ ſich 1821 
in Paris nieder; er jr. eine Klavierjchufe und 
zahlreihe Kompofitionen für Klavier, Trios u. a. 
Abgefehen von zeitweiligem Aufenthalte in London, 
lebte er als angejehener Klavierlehrer dauernd in 


en|Paris, bis er aus Nüdficht auf fein Alter in der 
heil (Traite d’osteo- Gegend von Grenoble auf ein Landgut zog. 


18* 


276 


Bertinoro — Pertoni. 


Bertinöro, Stadt in der ital. Prov. Forli,)5) Jean Baptifte, geb. 1774 in Francheval bei 


am Ronco; Biihofsfig, Weinbau; 6540 Em. 

Bertoft, reiches u. hübjches Kirchdorf im nörd« 
iichen Schleswig, Kreis Hadersleben; tgl. Plan» 
tage zur Bepflanzung der noch unangebauten 
Heibejtreden; Geburts- u. Wohnort des dänischen 
Agitators Chriftian Krüger. 

Bertoldo, italienisches Vollsbuch, deffen Held 
gleichen Namens, ein verfrüppelter Bauer, am 
Hofe des Longobardenkönigs Alboin Schwänke 
treibt; Bearbeitung der weitverbreiteten Sage von 
Salomon u. Marcolf. Eine Fortſetzung verfaßte im 
16. Jahrh. Ceſare Eroce aus Bologna, u. im 
18. Jahrh, erjchienen 20 Bearbeitungen. 

Bertoloni, Antonio, italienischer Botaniker, 
geb. 8. Febr. 1775 in Sarzana; ftudirte in Pavia 
von 1792 an Medicin, Botanif u. Mathematif, 
ging infolge der franzöſiſchen Invaſion nad) Genua 
u. prafticirte nach feiner Heimfehr als Arzt; 1811 
ward er Profeffor der Phyſil am Lyceum und 
Supplent an der Univerfität Genua, Director 
des Gartens dello Zerbino der Familie Durazzo, 
1815 Brofeffor der Botanik u. Vorftand des Bota- 
nifchen Gartens in Bologna; er ft. hier 17. April 
1869. B. legte ein umfangreiches Herbarium der 
italienischen Flora an u. jchr.: Plantae genuenses, 
1804; Amoenitates italicae, 1819; Sui Zafferaui 
italiani, 1826; Flora italica, Bologna 1833—54, 
10 Bde.; Flora italica eryptogama, ebd. 1858 
bis 1862, 2 Bde. (unvollendet); Flora guatema- 
lensis; Miscellanee botaniche, 1842—62, 24 Bde.; 
Plantae novae asiaticae, 1864 f.; Praelectiones 
rei herbariae; Mura di Luni, 1861; Della patria 
di Papa Nicolo V.; Delle piante infestanti i 
seminati di grani della provincia bolognese, 1867. 

Berton, 1) B. de Erillon, j. Erillon. 
2) Pierre Montan, Theater-Kapellmeifter, geb. 
1727 zu Paris; anfangs Sänger, wandte ſich 
aber theoretifhen Studien zu u. bewährte fich jo 
als Orcefterdirigent, daß ihm 1774 die General- 
direction der Großen Oper in Paris anvertraut 
wurde. In der Compofition trat er wenig jelb- 
ftändig auf; gewöhnlich ſchloß er ſich Auderen als 
Mitarbeiter an, oder fette Einlagen zu vorhande- 
ven Opern; er ft. 14. Mai 1780 zu Paris. 
3) Henri Montan, franz. Componft, Sohn 
des Borigen, geb. 17. Sept. 1767 in Paris; 
wurde Profeffor der Harmonie am Conjervatorium, 
1807 Mufifdirector an der Stalienifchen Oper, 
1809 Director des Gejanges bei der faiferlichen 
Großen Oper u.1816 Profeffor der Compofition am 
Gonfervatorium; er ft. in Paris 22, April 1844, 
B. componirte viele zu ihrer Zeit beliebte Opern, 
. B.: mit Cherubint u. Boteldien Blanche de 
’rovence, 1821; mit Boieldieu u. Kreutzer Pha- 
ramond, 1825; Ponce de Leon, 1794; Montano 
et Stephanie, 1799; Le delire, 1799; Aline, 
reine de Golconde, 1803. Er ſchr.: Traité d’har- 
menie; Jeu de preludes harmoniques; De la 
musique mecanique et de la musique philoso- 
phieue, 4) Frangois Montan, Sohn des 
Vor., Pianift, geb. 3. Mai 1784; ſeit 1821 Pro- 
feffor des Gejanges an der Gejangsjchule zu 
Paris; ft. 15. Juli 1832 u. componirte mehrere 
tomifhe Opern, wie: Monsieur Desbosquets, 
Jeune et vieille, Ninette & la Cour, Les caquets. 


Sedan; war Offizier während der Revolution u. 
des Kaiſerreiches, Chef des Generalftabes des 
Generals Sebaftiani in Spanien, apancırte zum 
Brigadegeneral, wurde aber nad der zweiten Re— 
ftauration wegen feiner freien politiſchen Anfichten 
aus der Armeelifte geftrihen. In eines der von der 
Polizei felbft angezettelten Complotte der Mißver⸗ 
guügten verwidelt, erregte er am 24. Febr. 1822 
zu Thouars einen Aufruhr, proclamirte ein pro— 
viforifches Gouvernement u. marjcirte mit feiner 
geringen Maunſchaft nah Saumur. Hier zer» 
ftreuten ſich feine Soldaten, er jelbit floh verklei— 
det, ward aber am 14. Juni zu Laleu verhaftet, 
von den Aſſiſen in Poitiers zum Tode verurtbeilt 
u, am 5. Aug. 1822 hingerichtet. Er ſchr.: Pre- 
eis des batailles de Fleurus et de Waterloo, 
Par. 1818. Bal. Laumier, De l’affaire de Thouars 
et Saumur, ®eit, 1822; Procös de la conspira- 
tion de Thouars et de Saumur, ebd. 1822. 
6) Charles Frangois, franz. Schaufpieler, 
geb. 16. Sept. 1820 zu Paris; entftammt einer 
berühmten Gomponiftenfamilie, die bis auf das 
Jahr 1727 zurüdreicht. Michelets, jpäter Sams 
ſons Schüler, erhielt B. ſchon im 16. Jahre den 
erften Preis im Luftipiel, debütirte am 12. Dec. 
1837 in der Comedie frangaise, in L’ecole des 
maris, ohne engagirt zu werden, u. waudte ſich 
1840 dem Vaudeville-Theater zu. 1844 bereifte 
er mit einer Gejellichaft Dentichland, Öfterreih u. 
Ungarn, wurde fodann durch Mad. Allans Ber- 
mittelung für Michel Brefjant, der nad) Paris 
zurüdgetehrt war, in Petersburg engagirt u. er⸗ 
warb ſich bier den Ruf, welchen er in jeiner Bater- 
ftadt vergeblich gejucht hatte, Als er nad 7 Jahren 
wieder am Öymmajetheater auftrat, machte fein 
Debüt in Diane de Lys eine großartige Senfation. 
Seine Leiftungen in Dramen, wie Le gendre de 
Mr. Poisier, Demi-Monde zc. galten als unüber« 
trefflih. Nach einem zweiten Aufenthalte in Ruß» 
land war er in Paris zunächſt am Gaiete-Theater, 
jpäter am Vaudeville u. Odeon thätig u. gefiel 
auch da außerordentlich in modernen Schaufpielen, 
fo in G. Sands Marquis de.Villemer, Bonillets 
Conjuration d’Amboise, Augiers Contagion, Gare 
dous Diables noirs et Patrie u. a. 1870 trat 
B, in ein Regiment ein, durchlebte als Soldat die 
Belagerung von Paris u. betrat nach dem Kriege 
nur noch einmal die Bretter, im Theätre italien. 
Bon einer unheilbaren Krankheit erfaßt, verſchied 
er nad) einem Fahre unjäglider Leiden 17. Jan. 
1874. Carolina B., Samſons Todter u. jeit 
1840 B⸗s Frau, bat fih auf dem Gebiete der 
Belletriftif, wie des Dramas nicht ohne Erfolg 
verfucht; ebenfo ift Beider Sohn als erjter Lieb— 
haber des Gymnafetheaters u. dramatiſcher Schrift« 
fteller nicht unbefannt. 2—4 Brambad. 6) Kürfchner. 

Dertöni, Ferdinand, geb. 17. Aug. 1725 
auf der Inſel Salo bei Benedig; widmete fi) der 
Muſik unter Pater Martinis Leitung u. wurde 1757, 
nachdem er lange Zeit Organift geweſen, Yehrer 
u. Kapellmeifter im Conservatorio dei mendicanti; 
er fl. 1. Dec. 1813 zu Dejenzano. Seit 1746 
componirte ev Opern, von denen jedoch feine Er- 
folg batte, bis er 1776 in Venedig den Orfeo zur 
Aufführung bradte. Von mm au brad er ſich 


Bertrade — Bertrand. 


277 


Bahn, u. feine Compofitionen gehörten lange Zeit politifche Berechnung geweien, feine Beitgenoffen 


zu dem auf den italieniichen Bühnen am meijten 
gefeierten. 


njaber jahen in ihm ur umerfättlihe Streitjucht u. 
Er jegte im Ganzen 24 Opern, mit Gewiſſenloſigkeit, für die ihn denn auch Dante in 


meiden er auch in London Anerkennung fand, u. |der Hölle büßen läßt, indem er feinen vom Rumpfe 


Kirbencompofitionen. Brambadı. 


getrennten Kopf als Laterne herumtragen muß. 


Berträde, Tochter des Grafen Simon von B. hat viele fenrige Kriegslieder ı. ſehr biffige 


Montfort u. mit dem Grafen Fulco dem Eigen— 
finnigen von Anjou vermählt. Als König Philipp L. 
von ‚Frankreich feine Gemahlin Bertha verjtoßen 
batte, verließ fie ihren Gemahl u. heirathete Yeb- 
teren troß des Widerftandes des Papftes Urban II, 
(1092). Nach Philipps Tode ging fie in ein Klofter 
zu Chartres, wo fie ftarb. 

Bertram, 1) deutfher B. (Bertrammurzel, 
Anacyclus offieinarum Hayne), zur Familie der 
Compofiten, mit aufrechtem, 5—15 cm hohem 
Stengel, doppelt-fiedertheiligen Blättern mit weiß- 
ſtacheiſpitzigen Zipfeln, einem Blüthenfopfe, deſſen 
Hülfblätter dunkelgrün, weißlich-hautrandig und 
deffen Strahlblüthen weiß, unten purpurn geitreift 
find; die Wurzel enthält ein ſcharfes Harz, Pyrethrin, 
daher officinell al$ Radix Pyrethri; in Deutich- 
land auf kalfhaltigem Boden gebaut, das Bater- 
fand ift unbelannt. 2) Römiſcher B. (B-famille, 
iharfe Ringblume, wahre Speichelwurz, Anacyelus 
Pyrethrum DC.), von der vorigen durch didere 
Wurzel u. niederliegenden Stengel verſchieden; in 
Afien u, NAfrifa einheimish; die Wurzel (Radix 
Pyrethri feri s.romani) wird als Kaumittel gegen 
Zahnjchmerzen, Rheumatismus u. Lähmungen an- 
gewendet. 3) Wilder B., jov. mw. Thysselinum 
palustre Hoffm. Ensier. 

 Bertramiten (Kirchengeſch.), fo v. w. Natram- 
niten. 

Bertrand, 1) B. de Born, berühmter Trou— 
badour des 12. Jahrh., geb. im Schloſſe Hante- 
ford im Perigord (Geburtsjahr unbelannt). Um 
1185 fing er an, eine bedeutende Rolle zu ſpielen, 
indem er confequent England zu ſchwächen juchte, 
deffen König Lehnsherr von Aquitanien war. Erjt 
betste er Heinrich, den Sohn Heinrich II. von 
England, u. feinen Bruder Richard Löwenherz gegen 
einander auf. Heinrich wurde befiegt, B. von jei- 
nen Bundesgenofjen im Stich gelafjen, u. Hautefort 
mußte fich ergeben. Aber der ſchlaue Troubadour 
wußte Richards Berzeihung zu erlangen u. erhielt 
jogar fein Schloß wieder. Darauf nahm er theil 
an dem Kriege, den Heinrich u. Nichard gegen 
ihren Bater unternahmen, Uber der Tod Hein» 
richs brachte den Krieg zum GStillftande, und B«s 
Schloß wurde wieder genommen. Bor König 
Heinrich IL, geführt, gang e3 ihm, indem er ihn 
durch eine geichidte Wendung an feinen Sohn er» 
innerte, deſſen Tod er in einem Liede gefeiert hatte, 
den König zu rühren u, feine Güter wieder zu er- 
halten. Später organifirte er einen Aufjtand gegen 
Richard Löwenherz, als diefer König geworden 
war, u. um fich halten zu können, Hette er Philipp 
Auguſt von Fraukreich gegen den König von Eng- 
land, u. wenn die beiden Gegner fih auch ver- 
föhnten, gelang es ihm doch, endlich einen großen 
Krieg zu Stande zu bringen. Aber die fetten 
Scidjale u. Thaten Bes weiß man nichts. Die 
Legende jagt, er fei Ciſtercienſerniönch geworden. 
Geftorben ıft er jedenfalls vor 1212. Die Trich- 

feder feiner Handlungen iſt wol nur Ehrgeiz und 


Spottlieder gedichtet, in denen er Feinde verböhnt, 
oder Säumige zum Kriege reizt. S. Raynouard, 
Choix des Possies des Troubadonrs. Wir be- 
figen ungefähr 45 Gedichte von ihm und zmei 
alte Biographien. N. Stimmring bereitet eine 
Ausgabe derjelben vor. Deutiche Übertragungen 
finden fich bei Diez, Leben u. Werte der Trou— 
badours, Zwickau 1829, ©. 179 fi., u. Kanne» 
gieger, Gedichte der Tronbadours, Tüb. 1855, 
S. 149 ff. Bgl. Yaurens, Le Tyrtee du moyen- 
äge on l’histoire da B. de B., Bar. 1863, 
2) Elie, einer der bedeutenditen Phyſikler und 
Geologen des vorigen Jahrh., geb. 1713 in Orbe, 
geft. 1797; er trat 1738 in den geiftlihen Stand 
u, wurde 1744 Pfarrer in Bern. Im Frübjahre 
1765 folgte er einem Rufe des Königs Stanislaus 
Poniatowsky nah Warſchau, wurde dort Beheint- 
vath u. veifte mit dem jungen Grafen Muiscech 
3 Jahre lang an den Höfen von England, Frant- 
veih u, Italien, kehrte dann nad der Schweiz 
zurüd, lebte größtentbeil zu Mperbun, das einen 
Theil feiner Naturalienfammlung ihm verdantt, 
u. ftand in Gorrefpondenz mit Voltaire, Finne u. 
Haller ꝛc. Seine bevdeutfamjten Werfe find: Moͤm. 
sur la structure interieure de la terre, 1752; 
Mem. sur l’usage des montagnes, 1754; Mm. 
pour servir äl'histoire des tremblements de terre 
de la Suisse, 1756; Mom. hist, et phys. sur les 
tremblements de terre, 1757; Dietionnaire orye- 
tologique, 1763. 3) Joh. Ambrofins Marie, 
einer der achtungswertheſten italien. Anatomen u. 
Chirurgen, geb. 17. Oct. 1723 in Turin; ftudirte 
alte Sprachen, Logit, Matbematit, Phyſik, wollte 
erft Minorit werden, ftudirte aber noch, um feine 
Eltern umterjtüten zu können, Chirurgie, wurde 
Repetitor der Anatomie, drei Jahre jpäter auc) 
der praft, Medicin in dem königl. Collegium Pro— 
vinciale, bald darauf auch an den mediciniſchen 
Fnftitutionen, wo er noch 6 Jahre, nachdem ex 
jeine Eramina beendet hatte, als Wepetitor de: 
prakt. Chirurgie blieb. 1749 wurde er Mitglied 
des Ehirurgencollegiums u. ließ fi nun in Turin 
als pralt. Arzt nieder. Karl Emanuel unterſtützte 
ihn, fo daß er nach Frankreich — in Baris wurde 
er 1754 Mitglied der Afademie der Chirurgie — 
ſowie nach England reifen konnte, Nach jeiner 
Rücklehr erhielt er die Berufung als auferordent- 
licher Profeſſor der Chirnrgie, ließ es fih nun 
angelegen fein, tiichtige Chirurgen zu bilden, und 
jorgte für Einrichtung eines Aratom, Theaters, 
einer Hebammen» u. Thierarzneifchule. 1758 wurde 
er königl. Leibchirurg u. ordentl. Profeifor der 
Chirurgie, ftarb aber jchon 6. Dez. 1765. Er hat 
ſich namentlih durch jeine Arbeiten über das 
Auge, den fünften Nerv und Leberabscejie nach 
Kopfverlegungen belannt gemadt. Seine Ger 
jammtwerfe erjchienen nach feinem Tode in Turin 
1787—89 unter dem Titel: Opere anatomiche e 
eerusiche, 4) Henri Gratien, Comte de B., 
der treue Gefährte Napoleons I., geb. 28. März 


278 


1773 in Touvent bei Chateanrour im Dep. Indre; 
wurde Ingenieur, diente dann zuerjt unter der 
Parifer Nationalgarde, hierauf im Ingenieur— 
corps, 1795 u. 1796 als Unterlientenant in ber 
Borenäenarmee, befand fih 1797 bei der nad 
Gonftantinopel gefendeten franzöf. Geſandtſchaft 
u. ging mit Napoleon nad Agypten, wo er bie 
Befeftigung von Alerandria leitete u. zum Oberft- 
lientenant, fpäter zum Oberften u. Brigadegeneral 
ernannt wurde. Er begleitete den Kailer von 1805 
an in allen Feldzligen, feit 1806 als Divifions- 
general, und baute nach der Schlacht von Ajpern 
1809 die Übergangsbrüden über die Donau, woflir 
ihn Napoleon zum Grafen u. zum Gouverneur 
von Jlliyrien ernannte. 1813 führte er das 4. 
Corps, mit welchem er bei Lüten und Bautzen, 
dann unter Oudinot bei Großbeeren, Dennemwig 
u. Wartenburg focht, in der Schladht bei Leipzig 
die Stellung bei Lindenau mit Erfolg behauptete, 
bei Hanan kämpfte, endlich den Übergang der 
Franzoſen über den Rhein bei Mainz dedte. An 
Durocs Stelle 1813 Großmarſchall des Palaftes 
umb 1814 Aide- Major der Nationalgarde ge- 
worden, folgte er Napoleon nad Elba, von dort 
nach Frankreich u. endlih nah St. Helena, wo 
er bis an Napoleons Tod (1821) blieb. Er fehrte 
dann nah Frankreich zurüd u. lebte, nachdem 
Ludwig XVIII. die in contumaciam 1816 über 
ihn verhängte Todesftrafe aufgehoben u. ihn in 
alle feine Würden wieder eingejegt hatte, auf fei« 
nem Gute bei Chateauroux. Nad der Julirevo— 
fution ward er 1830 zum Deputirten erwählt u, 
mar auch eine Zeit lang Leiter dev Polytechnijchen 
Schule. Er wurde 1840 mit zur Abholung der 
Aſche Napoleons von St. Helena betraut u. ft. 
31. Jan. 1844 zu Ghateaurour. Seine Leiche 
wurde 1845 im Dom der Invaliden beigefegt u— 
feine Bildjäule zu Touvent 1848 aufgeſtellt. 
3) Thamhayn. 

Bertrich, Dorf im Kreife Kochem des preuß. 
Negbez. Koblenz, in romantiſchem Thal an der US; 
ftark befucchtes, fchon den Nömern bekanntes, gegen 
Drüfentranfpeiten u. alte Hautausſchläge gerühmtes 
Warmbad von 25—26° R, (enthält ſalzſaures 
Natron, jchwefelfanres Natron, ſchwefelſauren Kalt 
u. fhwefelfaure Magnefia), nit Badeeinrichtungen; 
feit 1852 evangeliſche Kapelle für Badegäfte; 
dabei die Käfegrotte (Graumadenfdiefer, der auf 
einer Reihe Bafaltfäulen rubt, deren einzelne Stüde 
dem runden Hollunderfäje ähneln), der 16 m hohe 
Errisfall u. die über ein tiefes Thal geführte 
Prinzen-(Wilpelins-)brüde, Bgl. Böhm, Bad B., 
Darmit. 1859, 

Bertuch, Friedrih Juftin, eim um Indu— 
firie, Literatur u. Kunft vielverdienter Mann, geb. 80. 
Sept. 1747 in Weimar; ſtudirte 1765— 69 in Jena 
Theologie, hievanf Jurisprudenz, daneben ältere 
nu. nenere Poefie, war 1769—73 Hofmeifter bei 
dem Freiherrn Bachoff von Echt in Dobitichen bei 
Altenburg, erhielt von dieſem die Anregung zum 
eingehenden Studium der fpanifchen u, portugiefi- 
ſchen Sprade u, Literatur, zog jpäter nad) Bei 
mar, wurde bier 1775 Geheimer Gabinetsjecretär 
u. 1785 Segationsrath; er gab 1796 fein Amt auf 
u. ft. in Weimar 3, April 1822. Durch feine Ber- 


»Imwelche8 aber nur dann der 


Bertrich — Beruf. 


Fortſetzung von Avellaneda, Lpz. 1775 fi, m. A. 
1780, f., machte er den weiteren Kreis der Leſe— 
welt zuerft auf die fpanische Literatur aufmerffam. 
Er veröfientlichte fodann: Magazin der fpanifhen 
u. portugiefiihen Literatur, Deſſau 1780 — 82, 
3 Bde; Theater der Spanier u. Portugieſen, 
Weim, 1783, 1 ®d.; Spanisches Leſebuch, Lpz. 
1790, 2 Bde.; Bilderbudh für Kinder, Weim. 
1790— 1822, 190 Hefte; Blaue Bibliothel aller 
Nationen, Gotha 1790—97, 11 Bde. 1785 rief 
er die Jenaiſche Allgemeine Literatur Zeitung ins 
Dalein, zu welcher A erit Wieland, dann Shit, 
in der Folge, als Wieland zurüdtrat, Hufeland, 
zuletzt Erich mit ihm vereinigte; 1786 begann fein 
Journal des Lurus u. der Moden, bei defjen 
Herausgabe er anfangs von Goethes Landsmann. 
Kraus amterftilt wurde, Für diefes Organ u. 
noch mehr für das Bilderbuch gründete er 1791 
jein Induſtriecomptoir (feit 1802 Landesinduftrie- 
Comptoir) als Kunft- u. Berlagsbuhhandlung, 
welche fih bald zu einem der achtungswürdigſten 
Itterariihen Inſtitute Deutfchlands erhob. Nach 
u. nad wurde mit ihr eine Menge von Anftalten 
verbunden, die viele Schriftfteller, Künftler und 
Handwerler befcäftigten, auch Kindern Arbeit 
gaben; dazu gehörte das noch jetst beſtehende 
Geographiſche —** u. eine 1805 in Rudolſtadt 
gegründete Buchhandlung. Aus dieſen Anſtalten 
gingen allgemein verbreitete Karten, die von B. 
eine Zeit lang mit Zac, dann mit Gaspari, Erd- 
mann u. U. bearbeitet worden; dann die feit 1806 
von B. allein herausgegebenen Geographijchen 
Ephemeriden, 1799 fff, und die Neue Bibliothet 
ber wichtigſten Heifebejchreibungen, 1815, ff., bis 
zum 32. Bde,, von B., hervor. 

Berücken (Jagdw.), das Netz fiber ein Thier 
rüden u. e8 dadurd fangen. 

Beruf, die bejondere Beichäftigung, der fidy 
Jemand gewidmet hat. Die Freiheit der Staats- 
angebörigen, ſich ihren Beruf jelbft zu wählen, ift ein. 
wichtiger un für die öffentliche Wohlfahrt, in- 
dem die Entwidelung der geiftigen Kräfte des 
Einzelnen jchließlih der Gejammtheit zu Gute 
fommt. Dieje Freiheit ift indeß nur eine be— 
grenzte, da Niemand feinen Beruf auf Koften 
eines Dritten auszubenten berechtigt ift, ferner 
die Ausübung eines ſolchen Berufes nicht geftattet 
werden faun, welcher der berrfchenden Sitte u. 
den Rechtsgrundſätzen widerspricht, emdlic der 
Staat zur Ausübung gewiffer Berufsarten nur 
ſolche Perſonen zulaffen darf, welche ihre Befähig- 
ung dazu dargethan haben, wie z. B. Staats- 
diener, Pfarrer, Schullehrer, Arzte, Advocaten, 
Apotheker zc. m privatrechtliher Hinficht finder 
die Berufsfreiheit eine Beihränlung in dem Rechte 
des Vaters, des Bormundes x. Der Berufsfrei- 
heit gegenüber fteht der Berufszwang, welder 
durch das Kaſtenweſen bei einzelnen Völkern be— 
dingt if. Da es zu dem oberften Intereſſen der 
bürgerlihen Gemeinſchaft gehört, daß Jeder in 
feinem Berufe fo viel wie möglich das Beſte leifte, 

Sal ift, weun ber 
Beruf mit Freude betrieben wird, fo muß durch 
Erziehung die Anlage zu Freude im Berufe er- 
wirkt, durch Gerechtigkeit u. Humanität am öffent- 


deutſchuug des Don Quixote von Cervantes u. derjlichen Leben diefe Anlage gefördert und Jeder zu 


» Berufen — Berufstranfheiten. 


Erwählung desjenigen Berufes 
zu welchem er vermöge feiner Organifation, ac. 
geeignet ift. Verfehlung des Berufes ift ein Übel 
für das Individuum u. die Gejellichaft, eine Quelle 
von Unzufriedenheit, von Berbrechen u. Laftern. 
Über das Verhältniß der Eltern zu der Berufs- 
wahl! der Kinder vgl. Robert Mohl, Syſtem der 
Präventiv-YFuftiz, Tüb. 1834, ©. 816. Liber 
Beruf, Be u. ge dgl. u. A.: W. Kie- 
ſelbach, Social» politiihe Studien, Etuttg. 1862; 
3.3. Roßbach, Geſchichte der Geſellſchaft, Würzb. 
1868— 73, 6 Bde.; F. Walter, Naturrecht u. So: 
fitif, 2. Aufl,, Bonn 1871; %. St. Dill, Über 
die FFreibeit, Frankf. a. M. 1860; U. Mittler, 
Bermifhte Schriften, Wien 1817, 2. Ausgabe, 
Br. I. x. 

Berufen, f. u. beichreien. 

——— Erigeron acer L.), ſ. Erigeron. 

Derufstranktheiten. Jede Beihäftigungs- 
meife bringt ein gewifjes Maß von Schädlichkeiten 
mit fi, u. in jedem Berufe find dieſe Schädlich— 
feiten von anderer Art u. Stärke. Darum gibt 
es bejondere Krankheiten, die durch die Profeſſion 
bedingt find u. mit Recht B. genannt werden. 
Dieien Leiden kann nur durch Borficht, firenge 
Geiundheitspflege, fittlihen Lebenswandel u. Ver— 
befjerung der Technik wirffam begegnet werben. 
Wegen der B. fiud Lebensdauer u. Sterblichkeit 
bei den verjchiedenen Profeſſionen verichieden; fo 
3. B. war nah den Angaben von Southmwood 
Smith im Alter zwiihen 35 u. 45 Jahren die 
Sterblichleit der Londoner Schneider und Buch— 
druder um 57, bez. 117 p&t. höher, als die 
Sterblichkeit felbft der ſchlecht beftellten Aderbauer. 
Nah Shann erkranken von den Schneidern jähr- 
lich im Durdichnitte 67 pCt., während von allen 
Brofeffionen zufammengenommen nur etwa 46 pCt. 
erfranfen. Schneider find den Krankheiten der 
Bruftorgane und der Verbaunngswertzeuge ſehr 
unterworfen. Die fchlechte, damnpf- u. ftauberfüllte 
Luft der Werkftätten, die mehr hodende als ſitzende 
Beihäftigungsweife u. das meift ſehr unpaffende 
diätetiihe Verhalten verjchulden jene Leiden. Die 
Tuberkelſchwindſucht der Lungen rafft jehr viele 
Schneider dahin; zumeilen wird die Hälfte der 


279 


— werden, ‚fällt nicht ſelten im ſehr heftigem Grade die mit 


Bleiverbindungen hantierenden n. die in Blei— 
werfen bejhäftigten Arbeiter. Durch unvorfid- 
tige Behandlung von Kupferverbindungen pflegt 
die Kupferfolif zu entftehen. Arbeiter in den 
Quedjilberwerfen u. in den Fabriken, welche 
Quedfilber u. deſſen Verbindungen präpariren, 
werden von der fogenannten Mercuriallrankheit 
befallen und beichließen in der Regel ihr Leben 
frühzeitig; nad Goerbez u. Herrmann erfrankten 
im J. 1856 zu Idria in Illyrien von 516 Are 
beitern 122 durh den Einfluß der Quedfilber- 
dämpfe; die Sterblichkeit in jener Gegend ift ſehr 
bedeutend, u. die Nachlommenfchaft der Berg- u. 
Hüttenleute ficht an Scropheltvanfheit. Die mit 
Erzeugung von Anilin u. Anilinfarben in Ans 
ſpruch genommenen Menfchen werden durch arſe— 
nige Säure u. andere Gifte, die zu Bereitung 
jener Farben Anwendung finden, krank. Bei Ar- 
beitern, die mit hromfaurem Kali zu thun 
haben, findet man oft Krankheiten u. Zerftörungen 
der Nafenfchleimhaut. In den Phosphor u. 
Phosphorzündholz-Fabriten werden die Ars 
beiter, befonders bei Unvorfichtigkeit u. Unreinlich- 
feit, von Nekroſe des Unterkiefers befallen. Nach 
Chevalier find e8 nicht die Phosphor», ſondern 
die Phosphorzündholz- Fabriken, welche die größte 
Gefahr für die Kiefer der Arbeiter bergen. Die 
unterirdifche Arbeit der Bergleute ift jehr dazu 
angethan, die Gefundheit zu beeinträchtigen u. das 
Yeben zu verlürzen. Nah den Berichten einer 
englifchen Commiſſion ift das Loos der meiften 
Bergleute Siehthum u. frübzeitiger Tod, u. Män— 
ner von 50 Jahren gelten unter ihnen als Greife; 
Bruft- und Verdauungskrankheiten feien die ge 
mwöhnlichften Todesurjahen. Die Krankheiten der 
Bierbrauer find, nach der richtigen Bemerkung 
von Turner Thadrab, das Ergebniß ebenfo ihres 
Gewerbes, wie ihrer Gewohnheiten. Nah Neuf- 
vilfe fterben über 26 pCt. der Bierbrauer an Aus» 
zehrung u. 21 p&t. an Krankheiten des Gehirnes; 
die Zahl der Selbftmörder ift unter den Bier- 
brauern eine ſehr bedeutende. Fälle plößlichen 
Todes durch Schlagfluß ꝛc. fommmen bei allen Be- 
rufsgenofen, die mit Erzeugung geiftiger Getränle 


Todesfälle von diefer Krankheit veranlaßt. Auchlzu thun haben, infolge übermäßigen Zrinfens 
——— find bei dieſen Beſchäftigten ſehr häufig. häufig vor. Patiſſier beobachtete bei den Bädern 

ie Schuhmacherprofeſſion ift den Unterleibs- [vielfach Krankheiten des Herzens, u. Neufville fand, 
organen u. dem Gemüthe oft verderblih, aberidaß etwa 23 pCt. diefer VBerufsgenoffen an Aus- 
auch dem Herzen u. den Athmungsmwerkzeugen. |zehrung u. über 18 pCt. an Nervenfiebern fter- 
Nach Neufville fterben 38 pCt. der Schuhmacher|ben. Auch Hautausihläge u. Augenleiden gehören 
an der Auszehrung, u. faft 50 an Bruſtkrankhei- zu den Plagen der Bäder, Harte Arbeit, grelle 
ten überhaupt. Der Drud auf die Leber, den die| Temperaturwechjel u. Disharmonie in dem Ber- 
Schuhmacherei mit ſich bringt, veranlaßt nicht nur |hältniffe von Arbeit u. Ruhe verichulden das Eigen- 
Leberleiden, jondern auch Gemüthsverftimmungen|thümliche in dem Leiden der Bäder. Schorn- 
u. jenes contemplative Weſen, durch welches dielfteinfeger, beſonders in England, leiden nicht 
Schuhmacher oft fih auszeichnen uw. melches folallzu jelten an dem von Percival Pott zuerft be— 
viele von ihnen zu Schwärmern uw. (meift einge- |ichriebenen Schornfteinfegerkrebs. ine ähnliche 
bildeten) Philofophen machte. Sehr gefunbheits-|Art von Krebs ift in der neueften Zeit zuerft von 
nachtheilig ift die Weberei, indem diefer Beruf Richard Vollmann in Halle a./S. bei Arbeitern, 
große Störungen in den Arhınungs - u. Berdau-|die eine Reihe von Jahren in Paraffinfabrifen 
ungsmerfzeugen mit fich bringt. tyärber mwerden|thätig waren, beobachtet und als Theerfrebs be- 
vom Haut- n. Lungenleiden vorzugsmweile heimge-|jchrieben worden. Krebskranlheiten trifft man nad) 
ſucht. Arbeiten Färber mit giftigen Metalljalzen, |Neufville-bei Maurern in größerer Zahl an, als 
jo fommen zu * Krankheiten zuweilen noch bei anderen Profeſſioniſten. Die Töpfer haben 
chroniſche Vergiftungen. Die ſog. Bleilolil be-Inach Merat ſehr viel mit Wechſelfiebern, nad) Patij- 


280 


fier viel mit Hiftweh zu thun, find den Folgen ftar« 
fer Erkältungen ausgejeßt u. werden in ziemlichem 
Verhältniſſe von der Auszchrung ergriffen. Ar— 
lidge, der Sehr ausführlihen Bericht über die 
Töpfer: Bevöllerungen der Graffchaft Strafford 
(Straffordihire) erſtattete, jagt, daß alle Leiden, 
weiche dafelbft bei den Arbeitern auftreten, auf 
den Einfluß des Porzellanjtaubes, auf den 
grellen Wechſel der Temperatur, auf die Einmwirk- 
ung der zum Glafiren benugten Beijalze u. auf 
die äußerſt gejundheitswidrigen Gewohnheiten der 
Leute ſich zurüdführen laſſen. Diefe Schädlich— 
leiten bedingen nicht nur eine hohe Sterblichkeit 
an Schwindjucht (413 pCt.) u. anderen Krank— 
heiten bei den Erwachſenen, fjondern auch eine 
ganz enorme Kinderſterblichleit durch Schwind- 
jucht, typhöfe Übel, Comvulfionen u. Leiden des 
Gehirnes. Diele Beobachtungen ſprechen dafür, 
daß die Profeifion der Gerber vor epidemijchen 
Krankpeiten ſchütze; dagegen aber iſt, nad) der 
Zufammenftellung der Zudesurfachen der Gerber 
von Beaugrand, die Zahl der typhöjen Erkrank— 
ungen bei allen den Handwerkern, welde mit dei 
Lederbereitung fich beichäftigen, feine ganz geringe. 
Durch Yungenihwindiucht u. Leiden der Athmungs: 
organe überhaupt wird die Mehrzahl der Gerber 
bingerafit, wie dies 5. B. von U. Hannover ſehr 
genau nachgewieſen wurde. Lunel beobachtete zwei 
bei Gerbern vorfommende eigenthünliche Leiden 
der Finger, von denen er eines Fingercholera, 
das andere Nachtigall nennt. Geiler u. Sei— 
fenmader leiden, nah Shann, nicht felten an 
organiſchen Herzfehlern, u. nach Foderé find Sei— 
fenerzeuger von Unterleibsleiden oft befallen, die 
Kinder derſelben ſchwächlich u. kränllich. Mit den 
Schlachtern verhält es ſich eigenthümlich; denn 
Neufville berechnet, daß 10 pCt. der Geſtorbenen 
bei dieſer Profeſſion den Krebskrankheiten erlagen 
u. 8 pCt. ſich ſelbſt mordeten, daß Herzkrankheiten 
häufig bei den Schlachtern vorlommen u. 22 pCt. 
der Todesfälle durch Krankheiten der Centralorgane 
des Nervenſyſtems veranlaßt wurden. Schmiede 
u. Schlofjer werden von Auszehrung und Ty— 
phus ftark heimgeſucht; nach Neufville erfolgen 
bei diefen Handwerkern faft 31 pCt. aller Todes- 
fälle an Auszehrung u, faft 11 p&t. an Typhus, 
Shann läßt von den Krankheiten der Schmiede 
u. Sclofjer 194 pCt. aus organischen Herzleiden 
beftehen (bei anderen Profejfioniften nur etwa 
94 p&t.), u. Thadrah weift auf die Unmäßigkeit 
der jyeuerarbeiter hin, felbe als eine der beträd)t- 
lichften Krankheitsurſachen erflärend. Unter den 
Uhrmadern richtet zumal die Lungenſchwind— 
ſucht große Verheerungen an. Perron zählte 
unter 200 verftorbenen Arbeitern der Uhrenfabri« 
fen zu Bejangon 127 durch Lungenſchwindſucht 
getödtete. Die gebeugte Stellung bei der Arbeit, 
die Einathnmung des feinen Metallftaubes u. viel- 
fach auch das dürftige Leben find hier als Todes- 
urſachen anzufeben. Die Arbeiter in den Buch— 
drudereien find je nad) ihrer bejonderen Be— 
ſchäftigung verichiedenen Leiden unterworfen. Ban 
Holsbed jchreibt die Mundkrantheiten der Setzer 
theil$ der Umreinlichkeit zu, theils auch der Ger 
wohnbeit, die Lettern in den Mund zu nehmen, 
u. gibt an, daß 25 pCt. dieſer Kinftler der Lun- 


Berufskrankheiten. 


genſchwindſucht erliegen. Aderkröpfe an den Un— 
terſchenleln u. varicöſe Geſchwüre find bei Setzern 
häufig anzutreffen: das Stehen bei der Arbeit u. 
allzu große Dürftigleit des Lebens müſſen bier 
als Urjadhen betrachtet werden. Wegen der Wirf- 
ung des in den Lettern enthaltenen Bleies wer« 
den die Setzer zumeilen von Bleitolif befallen. 
Die ſchwere Arbeit der Druder an Handprejfen 
bewirtt oft organifche Herzübel. Krankheiten der 
Athmungswertzeuge, insbefondere Tuberculoſe, u. 
Thyphus find die häufigften Todesurſachen der 
Tifchler. Nach Neufville erfolgen 41 pCt. der 
Todesfälle bei den Tifchlern durch Tuberlelkranf- 
beiten und über 10 p&t. dur Typhus. Über- 
mäßige Anftrengung u. der Einfluß des Holzſtau— 
bes u. der fchlechten Luft der Werkftätten können 
als Urfachen gelten. Die Hafenhaarjhneider 
haben, gleih den Hutmadern, nicht wenig mit 
Duedfilberfalzen zu thun u. erfranfen oft durch 
Einfluß diefer Metallgifte. Pappenheim beobady- 
tete, daß dieſe Arbeiter jehr häufig Schwarze Zähne 
hatten, daß deren Zahnfleiſch krank war u. viel- 
fach langwieriger Huften fich zeigte. Es muß der 
legtere ber Einwirkung der Haarjpiten auf die 
Yunge u. die übrigen Luftwege zugeichrieben wer- 
den. Glas- und Metalljchleifer pflegen an 
Krankheiten der Athmungswerkzeuge zu leiden. 
Hall nahın wahr, daß die Gabelfchleifer zu Shef- 
field felten das 30. Lebensjahr erreichen u. meifl 
der jogenannten Schleifertranfpeit, einer Art von 
Auszehrung, zum Opfer fallen. In den Fabriken 
von Kautihulmaaren haben die Arbeiter, nach 
der Mittheilung von Delpeh, durd das Einath- 
men der Dämpfe des Schwefelfohlenwafjerftofies zu 
leiden; e8 zeigen fi) Störungen in der Verdauung, 
Herabjegung der geiftigen Thätigleiten, Kopfichmerz, 
Schwindel, Sinnesverwirrung, Yähmung, aud Im— 
potenz. Zabalsarbeiter haben anfänglid, wie 
Melier mittheilt, viel mit Durchfällen zu thun. 
Nah Mgonin erkrankt faft der vierte Theil der 
Tabatsarbeiter an Magenbefchwerden, theils durch 
Jen Einfinß des Tabals, theils durch die Diürftig- 
feit des materiellen Lebens. Die mit dem Reisbaue 
beſchäftigten Menjchen find in der Mehrzahl der 
Gegenden ſchweren, hartnädigen Wechſelfiebern u. 
dem Siechthum, welches die Folge dieſer Fieber 
ift, unterworfen. Ughi hält die Reisfelder u. die 
denjelben entjtrömenden Diasmen für die alleinige 
Urſache der in Parma herrichenden böjen Fieber; 
in den Reis bauenden Ebenen Parmas jterben 
zwei Dritttheile der Bewohner vor dem erreichten 
20. Lebensjahre. Der Minifter Pepoli hat Vor— 
ihläge zur Verbeſſerung der Reiscultur gemacht 
u, dabei hervorgehoben, daß auch die jehr mangel« 
bafte Ernährung der NReisbauern viel zu deren 
Siechthum u. Lebensverfürzung beitrage. In fonft 
gefundheitsgemäßen Klimaten u. Gegenden fließt 
der Beruf des Landbaues feine beionderen Ber- 
anlafjungen zu Krantheiten ein, Wenn aber ben- 
noch die Bauern häufig von ſchlimmen Leiden be— 
fallen werden, jo wird dies durch die erbärmlidye 
Gefundheitspflege, beziehungsmweije die völlige Ab- 
weſenheit der Leibes⸗ u. Weiftespflege, bedingt. 
Die Seefahrer werben auch mweit weniger burch 
ihren Beruf, als durch ihre vielfach gefundheits- 
widrige Lebensweife gejhädigt. Yonfjagrives be- 


Berifung — Berula. 


zeichnet mit Recht Trunffucht u. geichlechtliche Aus— 


ben der Matrofen; vorzugsweife im tropifchen Län» 
dern gibt unpaſſende Lebensweile zu den ſchlimm— 
ften und fürdterlichften Erfrantungen die Veran— 
lafjung. Schlechte Nahrung, verdorbenes Waſſer 
u. Mangel an Bentilation der Sciffsräume er— 
zeugen den Scorbut, eine der größten Qualen ber 
Seefahrer. Schanjpieler, Sänger u. Mu: 
tiler leiden an den Folgen von Erfältungen, von 
allzu großer Anftrengung der Athmungsorgane u. 
großer Geiftesaufregung; anderjeits führen fie 
bäufig unpaffende Yebensweife u. geben den finn- 
Uhen Genüſſen ſich ftarf hin; daher kommen 
Schwindfuct, Leiftenbriüche, Schlagfluß, Blutftürze 
bei diefen Berufsgenoſſen nicht felten vor. Tän— 
zer werben in beträchtlicher Zahl, nad Batiffier, 
von der Pungenjchwindfucht hingerafit u. leiden, 
nach Corviſart, vielfah am Herzkrankheiten. Die 
Bhotographen und Maler werben durch die 
Chemilalien, mit denen fie hantieren, manchmal 
gefährdet. Maler befommen durch den Einfluß 
von Bleifarben Bleikolik zc., und Photographen 
fchaden ihren Athmungswerkzeugen durch unvor- 
fichtiges Einathmen von Säuredämpfen u. jegen 
bier u. da durch Umgang mit Cyankalien ihr Le— 
ben auf das Spiel. Soldaten find Erfrankun- 
gen u. frübzeitigem Tode mehr preisgegeben, als 
viele Theile der Givilbevölferung, u. zwar nicht 
allein im Kriege, fondern auch im Frieden. Pringle 
unterſchied die Leiden der Krieger in ſolche, weldye 
den Unbilden der Luft, u. in ſolche, welche An— 
fiedungsftoffen ihre Entftehung verdanfen, prüft 
die Beranlaffungen der Yuftverderbniß u. gibt die 
trefflihften Hathichläge zu Bannung u. Zilgung 
aller den Soldaten angehenden Krankheitsurſachen, 
wie fie aus Märjchen, Erercitien, dem Kriegs- u. 
Lagerieben, dem Kafernenaufenthalte 2c. entjprin« 
gen. Nah Moberts find bei den auserlejenen 

ritiſchen, in England felbft ftationirten Truppen 
bon 1000 Mann 40 beftändig frant, 26 werden 
jährlih zum Dienfte untauglih und 18 fterben. 
Nahrhafte Koft, gute Bekleidung u. trodene, wohl 
gelüftete Kajernen hält Roberis für die vorzüg- 
Ihften Bewahrungsmittel der Soldaten. Boudin 
verfichert, es fei das Berhältniß der Kranken in 
der franzöftihen Armee in Frankreich ſelbſt drei— 
mal, in Algier achtmal größer, als jenes bei dem 
zwiichen dem 20. u. 30. Yahre ftehenden Theil 
der arbeitenden Klaffe in England, u. die Kranl- 
beiten der franzöfiichen Soldaten dauerten in Frank— 
reich felbft viermal, im Algier achtmal länger, als 
die Krankheiten bei der bezeichneten Klaſſe von 
Arbeitern in England. Nach Casper ift das Krank⸗ 
beit3- u. Sterblicpleitsverhältniß in der preußischen 
Armee nod das gänfigne. Alle ftatiftiichen Aus- 
weiſe beftätigen, daß durch Erfranfungen unge 
fähr dreimal mehr Soldaten getödtet werden, als 
durch die Waffen des Feindes. Diefe Thatſache 
hat der Hygieine des Krieges neues Leben ge 
geben, Geiftlihe find bei einigermaßen vor« 
fihtigem u. einfachen Leben fehr wenig der Ge» 
fahr des Erfranfens ausgeſetzt, u. nach den Forſch— 
ungen bon Eiherih haben die proteftantiichen 
Geiftlichen die beiten Lebens- u. Gejundheitsausfich- 


281 


Rheumatiſche und Fatarrhafifche Peiden,. Hämor: 
ſchweifung als die gefährlichſten Momente im Yes | 


rhoiden, Verdauungsbeſchwerden und Gicht find 
die häufigſten Plagen der ſitzenden Beamten. 
Von 100 Todesfällen bei Lehrern werden un— 
gefähr 42 durch Krankheiten der Athmungswerk— 
zeuge verſchuldet. Die vorzüglichtten Todesur- 
fahen der Arzte find Zuberculofe, Typhus, 
Krankheiten der Bintgefäße u. Harnorgane. Ge— 
lehrte u, Dichter werden viel von Hypochondrie 
geplagt, insbejondere wenn fie viel vun u. ein⸗ 
jeitig geiftig thätig find. Vgl. Glatter, Die Werk 
ftätte, Wien 1864; Namazzini, Krankheiten der 
Künftler u. Handwerlfer, Jimenau 1828; Neuf- 
ville, Lebensdauer u. Todesurfachen, Franff. a. M. 
1855; Goronel, De gezondheidsleer, Haarlem 
1861; Bernois, Hygiene industr. et administr., 
Par. 1860; Reich, Urſachen der Krankheiten, 
Lpz. 1867; Derf., Entartung des Menſchen, Erl. 
1868; Eulenberg, Die Lehre von den fchädlichen 
vergifteten Gafen, Braunſchw. 1865; Eſcherich, 
—— Stud., Würzb. 1854; Thackrah, The 
Affects of arts, trades and professions, Lond. 
1832; Halfort, Krankheiten der Künftler u. Ge» 
werbetreibenden, Berl. 1845; Corradi, Intorno 
alla diffusione della tisichezza, Vened. 1867; 
Hirt, Die Krankheiten der Arbeiter, Lpz. 1871 
bis 1874; Boudie, Statistique de l’ötat sani-; 
taire et de la mortalit& des armées de terre 
et de mer (Preisjhrift), Paris 1846; Derjelbe, 
Traits de geographie et de statistique medi- 
cales, 2 Bbe., Paris 1857; vgl. auch Kolb, 
Haubb, d. Statiftif, 7. Aufl., Lpz. 1875, 6. Abth. 

Berufung, 1) der Recurs auf das Zeugniß 
oder Urtheil einer höheren oder befjer unterrich« 
teten Perſon; ſ. Uppellation. 2) B. auf Gnade, 
das Gefuch eines Berurtheilten an den Landes» 
herrn um Begnadigung gegen die zuerfannte 
Strafe. Die fonft verſüchte B. auf den Aus- 
jprud u. Richterſtuhl des Heilandes, auf 
das jüngfte Gericht (B. an das Thal %o- 
ſaphat) find veraltet. 3) Die göttliche Einlad- 
ung an bie Menſchen, daß fie ſich das Heilsgut 
aneignen, um dadurch zur Seligfeit zu gelangen; 
fie ift ein Theil der Gnadenordnung; f. u. Gnade, 
Sie geichieht nach der biblifhen Lehre durch das 
Wort Gottes, weldes von den Verordneten ge- 
predigt u. von den Erwählten aufgenommen wird, 
nach der Kirchenlehre dur den Heiligen Geift; 
ſ. u. Gnade. 4) B. zu einem geiftlihen 
Amte, jo v. wie Vocation. 

Beruguẽte, j. Berruguette. 

Beruhigende Mittel, ſ. u. Bejänftigende 
Mittel, 

Berührungsebene (Tangentenebene) nennt 
man jede eine Fläche berührende Ebene, in wel- 
her alle Tangenten liegen, die im Berührungs- 
punfte an die Fläche gezogen werben fünnen. 
Will man in einem Punkte eine B. conjtruiren, 
jo zieht man durch ihn auf der Fläche zwei be» 
fiebige Eurven u. conftruirt deren Zangenten im 
Durchſchnittspunlte. Diefe liegen in der B. und 
beftimmen dieſelbe polfftändig. 

Berührungseleftrieität (Phyſ.), jo v. mw. 
Galvanismus. 

Berula Koch (Berle), Pflanzengattung aus ber 


ten. ®. werben bei ihnen nicht augetroffen. Familie der Umbelliferen (V. 2), der Gattung 


282 


Sium L. jehr verwandt, von ihr verichieden durch 
die unter der diden Fruchtſchale verftedten Ol— 
firiemen u. das auf der Fugenſeite gemwölbte Ei- 
weiß des Samens, Schmalblätterige B. (B. 
angustifolia Koch., Sium angustifolium L.), 
fahl mit rundem Stengel, gefiederten Blättern, 
furz geftielten Dolden u. lanzettl., fiederipaltigen 
Hiüllblättern; in Deutfhland in Gräben und Bä⸗— 
hen ziemlich verbreitet. 

Berulle, Pierre de B., geb. 1575 in Se— 
villyg in der Champagne; galt ſchon als Knabe 
für einen Heiligen; um einen neuen Orden zu 
ftiften, verpflanzte er die Therefianerinnen nad 
Paris. 1611 fliftete er die Congregation der 
Bäter des Dratoriums in Frankreich zu Paris; 
1625 holte er aus Nom die Dispenfation zur 
Bermählung der franzöfifhen Prinzeffin Henriette 
Marie mit dem Prinzen von Wales, nahmaligem 
Karl I., begleitete diefelbe 1625 nad England, 
wirkte dort, jebody ohne Erfolg, für den Katholi- 
cismus, reizte in Frankreich zum Borgehen gegen 
die Sicherheitspläge der Hugenotten, befonders Das 
1628 eroberte Rowelle, u. ward 1627 Gardinal; 
er ftarb 1629. YLebensbejchreibung von Hubert, 
Par. 1746. 

Berum, 1) Amt im Kreiſe Emden der Land— 
Droftei Aurich (preuß. Prov. Hannover); 23,100 
Ew. 2) Hauptort daſelbſt, Dorf; fonft mit Schloß; 
früher Wittwenfig der Fürftinnen von OFriesland. 

Bervie, Charles Eldment, franz. Maler, 
9* 1756 in Paris; Kupferſtecher, Schüler von 

ille; ſt. 1822 in Paris; war beſonders in der 
Nachahmung plaſtiſcher Werke unerreicht. Seine 
berühmteſte Arbeit iſt das Bildniß Ludwigs XVI., 
wovon B. die Platte in der Revolution zerſchnitt, 
um ſie zu ſichern; neuerdings iſt ſie wieder zu— 
ſammengeſetzt. 

Berville, Saint-Albin, geb. 22. Oct. 1788 
in Amiens; kam als Advocat 1815 nad Paris, 
wo er ſich bei den meiften politifchen Proceffen 
durch fein Rednertalent hervorthat; war 1838 bis 
1848 Mitglied der Deputirtenfammer u. dann 
der Eonftitwirenden Nationalverfammlung; ft. Sep- 
tember 1868 in Paris. Mehrere feiner Blaidoyers 
find abgedrudt in Pancoudes Barreau frangais 


J 
N 


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Berulle — Berwid. 


Ontel Joh. Friedrih, aber mit weniger Erfolg; 
er wurde Director des Stodholmer Conſervato— 
riums; ft. 3. April 1868. Brambadh. 

Berwid, 1) Grafihaft in Sild- Schottland; 
12,290 [Jkm; öftl. fehr gebirgig (Lammermoor), 
im ©. fruchtbar, im N. gebirgig u. lalt; Flüſſe: 
Tweed, Miiteadder, Eye u. a.; Gteinfohlen- 
und Gipslager;, Getreide-, Gemije-, Flachsbau, 
Fiſchfang u. Viehzucht; 36,486 Em.; Hauptftabt: 
Greenlaw an dem Bladadder. 2)B. upon Tweed, 
Stadt u. Kirchipiel in der engliihen Grafſchaft 
Northumberland, an der jchottiihen Grenze, Der 
Nemceaftle»-Edinburgher Eifenbahn u. der Mündung 
des Tweed; alte Feſtungswerke, große Brüde über 
den Tweed (über den bei Haggerston, 7 km da- 
von, eine Schottland und England verbindende 
Kettenbrüde, Unionsbrüde, von 196 m Länge 
geht), Hafen (mit neuem Damm); Schuhmaderei 
(fertigt befonder8 Cumberlands- Clogs, eine Art 
Schuhe mit hölzernen Sohlen u. Abjäten); Fiſche— 
rei (Lachfe); Handel mit Hummern, Fiſchen, Ge- 
treide, Branntwein; Bau von Dampfmafdinen, 
Eifengießerei, Schiffswerft, Schiffrüftung für den 
Walfiihfang; 13,282 Ew.; in der Nähe Stein- 
foblen. — B. war früher ſchouiſch 1296 von den 
Engländern erobert, 1314 wieder geräumt u. bon 
den Schotten bis 1402 bejefjen), jet nördlichſte 
Stadt Englands, 

Berwid, 1) James Fitzjames, Herzog v. B., 
gewöhnlich Marſchall B., natürlicher Sohn des 
Königs Jalob II. von England u, der Arabella 
Churchill, geb. 1670; führte anfangs den Namen 
Fitziames; ward im Frankreich erzogen, diente 
unter dem Herzog Karl v. Lothringen in Ungarn, 
begleitete jeinen Bater beim Ausbruche ber eng» 
liſchen Revolution 1688 nad Frankreich u. machte 
die Erpedition gegen Jrland mit, wo er 1690 am 
Boynefluß verwundet wurde; darauf trat er im 
franzöfiihe Dienfte u. machte 1691 die Feldzüge 
unter Lurembourg in Flandern, wo er 16983 bei 
Neerwinden gefangen ward, fowie als General. 
lientenant die 1702 f. unter dem Herzog von 
Bourgogne und Billeroi mit. Er commandirte 
dann 1704 in Spanien gegen Karl III. von 
Oſterreich, ward aber, da er Philipp V. nicht ge- 


u. in den Annales du barrean francais. Auch|fiel, 1705 abberufen und gegen die Camifarden 
gab er mit Barriere feit 1820 die Collection des[gefhidt, melde er zur Ruhe bradte. In dem- 


mömoires relatifs à la r&volution frangaise her- 
aus u. war Mitrebacteur der Revue encyclope- 
dique u. m. a. Journale; Eloge de Delille, 1817, 
n. Eloge de Rollin, 1818 (zwei Preisichriften); 
Fragments oratoires et litteraires, 1845; Me- 
lodies amienoises, 1853; Gresset, sa vie et ses 
ouvrages, 1863. 

Berwald, 1) Johann Friedrid, Compo- 
nift, geb. 1788 zu Stodholm, Sohn eines Kam- 
mermufifus; hatte fchon im 6. Jahre bedeutende 
ng Si auf der Bioline, brachſe im 10. Jahre 
eine Symphonie zur Aufführung u. bildete ſich 
unter Abt Vogler als Componiſt, Klavier- und 
Drgelipieler aus. 1817—19 machte er große 
Eoncertreifen, ließ fih dann in feiner Baterftadt 
nieder u. wurde 1834 ftapellmeifter; ft. 1861, Er 


hr. Symphonien, Streidyquartette, Eoncerte n. a.!Philippsburg. Mem. du Marechal de B., 
2) franz, geb. 1796 in Stodholm; bewegte ſich 1787 f., 2 Bde.; Me&m., Par. 1778, 2 


jelben Jahre wurde er nach Savoyen geichidt, von 
wo er 4. Jan. 1706 Nizza eroberte. Sieranf zum 
Marjchall ernannt, commandirte er wieder im 
Spanien, gewann dort 1707 die Schlacht von 
Almanza (f. Spanifher Erbfolgefrieg) und ward 
biefür von dem König von Spanien zum Herzog 
von Liria u, Xerica ernannt; von Ludwig XIV, 
erhielt er die Statthalterfchaft Pimoufin, wurde 
zur Bertheidigung von Toulon berufen u. zwang 
die Alliirten zum Abzuge; befehligte darauf 1708 
am Rhein u. in Flandern, 1709 in der Dauphine 
gegen Daun u. beendete durch bie Einnahme von Bar- 
celona (Sept. 1714) den Spanischen Erbfolgefrieg. 
1719 marfdirte er gegen Philipp V. in Spanien, 
zog 1733 mit über den Rhein, belagerte Kehl u. 
blieb 12. Juni 1734 bei der Belagerung von 


Be 


auf demjelben Gebiete der Eompofition, wie jein!2) James Figjames, Herzog v. Liria u. B., 


Beryll — Berzawa. 


Sohn des Vor., geb. 1695; zog früh mit feinem 
Bater zu Felde, nahm 1715 an der Expedition 


283 


Berylliumhydroryd, |. Berplliumorydbudrat, 
Berylliumjodid (Jodberyllium, Chem.), Ber 


des Prätendenten Theil, ward 1724 fpan. General, | bindung von Beryllium und Jod; Formel BeJ;; 


ging als folder nach Petersburg u. Wien, be- 
febligte 1734 in Stalien, belagerte u. eroberte 


farblofe, in Waſſer lösliche Nadeln. 
BDerplliumoryd (Beryllerde, Glycinerde, Süß⸗ 


Gatta und blieb nach dem Kriege als jpanifcherjerde; Chem.), das einzige bis jetzt bekannte Oryd 


Gejandter in Neapel; er ft. dort 1738, 

Beryll, (der Smaragd der Alten, die aber 
auch andere grüne Edelfteine Smaragd nannten) 
ein als Edelſtein dienendes Mineral, das hera- 
gonal Irpitallifirt m. oft in wunderjchönen großen 
und wol ausgebildeten fänlenförmigen Kryftallen 
vorfommt. Er befitt diefelbe Härte wie Topas 
(8 der at ein fpec. Gew. von 2,,, Glas- 
lanz; findet fi in vielen Farbenvarietäten, grün, 

lau, gelb, w. ift meift durchicheinend bis durdh- 
ſichtig. Die Bruchflächen find uneben u. mufcelig, 
eim deutlicher Blätterdurchgang fehlt. Er befteht 
aus 66,, pCt. Kiefelerde, 19,, Thonerde, 14,, 
Veryllerde u, Heinen zufälligen Mengen von Kalte 
erde, Ehromoryd, Magnefia u. f. w., hat alſo die 
Formel B,AL,Si,O,,. Smaragd nennt man bie 
durh Ehromoryd grün gefärbten Varietäten, die 
namentlich bei Bogota in Neu-Granada vorkommen 
und den Alten vom Berge Balora in Ober 
Agypten befannt waren. Alle anderen Barietäten 
beißen Beryll, u. kommen prachtvoll blaue Kryftalle 
aus dem Ural von Murfinst u. Katharinenburg, 
fowie aus Hindoftan und Brafilien; waſſerklare 
Kryftalle, namentlich aus Elba, u. geringere, aber 
jehr große aus NAmerifa, befonders aus Maffa- 

ufetts. Die Smaragde namentlih find als 

delfteine fehr beliebt, auch ſchön blaue u. rein 
F Berylle werden als ſolche gern verwandt. 

er größte ift im Kaiferlihen Mineraliencabinet 
in Peteröburg; er ift bei ca. 310 mm fänge u. 
300 mm Dide faft 8 kg ſchwer. Die meergrünen 
Barietäten heißen Aquamarine (f. d.), 

Beryllerde, |. u. Berylliumoryd. 

Beryllium (chem. Zeichen Be, bei den Franzoſen 
Glycinium, chem. Zeichen G, Atomgewicht— 9,,), 
ein dem Aluminium ähnliches Metall, das ſich in 
einigen felteneren Mineralien (Phenalit, Helvin, 
Euflas, Beryll, Smaragd u. Chryſoberyll) findet. 
Es befitt Farbe u. Glanz des Zinfes, ift Hämmer- 
bar u. zähe u. hat ein jpec. G von 2,. An 
der Luft ift es unveränderlich; Pon Galzjäure, 
Schwefeljäure u. Kalilauge wird es leicht, von 
Salpeterjäure nur jchwierig aufgelöf. Beim Er- 
biten an der Luft orgdirt fi compactes B. mur 
an der Oberfläche, pulverförmiges verbrennt mit 
ftartem Glanze; es ſchmilzt leichter als Silber. 
Wöhler erhielt es zuerft 1828 in Pulverform, 
Debray 1854 in Heinen Kugeln; Beide ftellten es 
aus Bechlorid auf diefelbe Weife dar, wie das Alu- 
minium aus Aluminiumchlorid. Heer. 

Berylliumbromid (Bromberyllium, Chem.), 
Verbindung von Beryllium u. Brom; Formel 


BeBr,; farbloſe, nadelförmige, in Waſſer lösliche Hamb. 1835. 


Kryſtalle. 

Beryliiumdlorid (Chlorberyllium, Chem.), 
eine Berbindung von Beryllium mit Chlor nad 
der Formel BeCl,; bildet farblofe, zerfließliche, 
in ſſer leicht lösliche Nadeln. Seine Dar- 


des Berylliums, nad) der Formel BeO zufammen« 
ge. Es bildet mit Thonerde das Mineral 
hryſoberyll. Zu feiner Darftellung glüht man 
Berylliumoxydhydrat oder kohlenjaure Beryllerde; 
loderes, weißes Pulver, deffen fpec. Gew. — 3,,. 
Es iſt in Waffer volltommen unlöslih; in Säu— 
ven löſt e8 fih um fo ſchwieriger auf, je ftärter 
e8 vorher geglüht war. Durch ſtarles, anbalteı- 
des Glühen entweder allein, oder mit Kieſelſäure 
oder Borfänre kann es aud in Meinen Kryſtallen 
erhalten werden. Es wurde von Bauanilin 1797 
als eine von der Thonerbe verjchiedene Erde aus 
erfannt und wegen des füßen Gefchmades feiner 
Salze Glycine (v. gr. glykys, füß) genannt; da» 
ber der in Franfreih noch gebräudlihe Name 
u Heher. 
erlernte eu ac Berylliumhydroxyd; 
Chem.), eine Ber — Beryllium, Waſſer⸗ 
ſtoff u. Sauerſtoff nach der Formel BeH. O. Es 
entſteht bei der Fällung eines Berylliumſalzes 
mit Ammon als gelatinöſer Niederſchlag, der ſich 
beim Trocknen in ein weißes, leichtes, aus der 
Luft gern Kohlenſäure anziehendes Pulver ver- 
wandelt. Es ift in Waffer u. Ammon unlöslic; 
in Säuren löſt es fich leicht unter Bildung von 
Berylliumfalzen, ebenjo in Altalien u. tohlenjauren 
Altalien. Heer. 
Berylliumſalze (Chemie), Berbindungen, 
welche bei Eimwirtung von Säuren auf Beryllium- 
oryd oder Berylliumorybhydrat entfteben; farb» 
(08, von füßlihem, ſchwach zufammenziehendem 
Geſchmack und meift in Waffer löslich. Ihre 
Löſungen reagiren ſauer und "geben mit Kali- u. 
Natronlauge gelatinöfes Berylliumoxydhydrat, wel⸗ 
ches im Überſchuß des ag ri fih auf. 
flöft; Ammon bewirkt einen bleibenden Nieder- 
Ihlag von Berylliumoxydhdrat; fohlenfaures Am—⸗ 
mon liefert fohlenfaures Berglliumoryd. In der 
Natur finden fih mur die kiefelfauren Salze des 
Berplliums, namentlich das kieſelſaure Beryllium— 
oryd als Phenafit, Fiejelfaures Berylliumoryd mit 
fiejelfaurer Thonerde als Euflas und der Beryll 
von ähnlicher Zuſammenſetzung, deſſen wichtigſte 
Varietät der ſchön grün gefärbte ie 


Beryllus, Biſchof von Boſtra in Arabien (im 
3. Zahrh.); gehört wahrſcheinlich (nach Bauer) zu 
den ebjonitiichen Monardianern, d. h. Ehriftus iſt 
ihm eine menſchliche, nur unter göttlicher Ein- 
wirkung ftehende Perſönlichleit; Andere (jo Dorner) 
rechnen ihn zu den patripaffianiichen od. mobdalifti« 


jhen Monardianen. Ullmann, De Berylio, 
Seine Anhänger dh 
öffler. 


Berhtos, Stadt in Phönifien, an der Münd— 
ung des Magoras; jest Beirut (f. d.). 

Ibersume, Nebenfluß des Temes in Ungarn, 
in den Comitaten Kraffo u. Zorontal; 150 km 


ftellung ıft ganz analog der des Aluminiumchlorids. lang. Der gleichnam. u. in die Temes mindende 


Kanal trägt zur Gutjumpfung der Umgegend bei. 


284 


Berzeliit, auch Kühnit genannt, ein feltenes 
Mineral, weientlich eine Verbindung von Arjen- 
fäure mit Kalferde, Magnefia u, Manganorydul; 
lommt nur an einer Fundſtelle in Schweden bei 
Longbanshytta mit Eiſenerz vor. 

Derzelin nannte Beudant das jetst Berzeltanit 
oder Gelentupfer benannte Mineral, das ın dünnen 
Anflügen von metallglänzender, filberweißer Farbe 
bei Stiferum in Schweden und Leerbach am Harze 
vorfommt, während man mit Berzelin neuerdings 
ein dein Leucit ähnliches feltenes Mineral bezeichnet. 

Berzelius, Jöns (Johannes) Jakob, Frei— 
herr v. B., der bebeutendfte Chemiler der erjten 
Hälfte des 19. Jahrh., geb. 29. Aug. 1779 ın 
BäfverfundaSörgärd, einem Dorfedes ſchwed. Stiftes 
Yinföping, wo fein Bater Caplan war; 1796 be- 
zog er die Hochichule Upſala, um Arzneifunde zu 
ftudiren, wandte ſich aber jehr bald jpeciell der 
Chemie zu. Er verließ Upfala jchon 1798 mieder, 
übernabın zu Medevi, einem vielbejudhten ſchwed. 
Badeorte, die Stelle eines Aififtenten des dor— 
tigen Badearztes u. machte hier 1799 feine erjten 
Mineralwafjer-Analyfen, über welche er 1800 eine 
Differtation: Nova analysis aquarum Mede- 
viensium fchrieb; eine zweite: De electrieitatis 
galvanicae in corpora organica effectu, erſchien 
1802. Nachdem er fi) 1804 die medic. Doctor- 
würde erworben, ward er Adjunct des Profeflors 
Spauernau in Stodholm, welcher Medicin, Bo- 
tanik u. Pharmacie vortrug; 1806 wurde er Lehrer 
der Chemie an der Kriegsafademie zu Carlsberg 
und 1807 Profeffor der Medicin u. Chemie am 
Medicinifch- Ehirurgiihen Inſtitut in Stodholm. 
Sein Curſus über Chemie galt als Mufter für 
alle Hochſchulen Europas. 1807 begründete er 
die Schwediſche Geiellichaft der Arzte, wurde 1808 
Mitglied der Stodholmer Alademie, 1810 deren 
Borftand und 1818 deren beftändiger Gecretär; 
1818 murde er in "den Adelsſtand, 1835 im den 
Freiherenftand erhoben, nachdem er ſchon 1832 
feine Profeſſur an Moſander (f. d.) abgegeben 
hatte, um ungeftört feinen Studien obliegen zu 
tönnen. B. ft. 7. Aug. 1848 in Stodholm, Wenn 
Lavoifier (f. d.) die neue Chemie begründete, fo 
verbanfen wir B. ihre weitere Entmwidelung und 
Ausbildung. Er führte die kurze Zeichenichrift 
für die dem. Borgänge ein, bejtimmte die Aqui— 
valentzahlen der Elemente mit bewundernsmwür« 
diger Genauigkeit, unterfuchte die Berbindungen 
einer großen Weihe von Elementen genauer, ent— 
dedte die Grundftoffe Thorium, Selen, Silicium, 
Zantal u. Zirkon u. erfannte die metalliihe Natur 
des Ammoniums. Er begründete die eleltrochem. 
Theorien in der Chemie u. das chem. Syſtem in 
der Mineralogie u. zeigte die Nützlichkeit u. viel» 
jache Berwendbarfeit des Löthrohres bei chem, Unter- 
inchungen. Seine für die Chemie wichtigfte Leift- 
ung iſt die Ausbildung der Lehre von den chem. 
Proportionen, mit welchen er fich feit 1807 au— 
haltend beichäftigte. Auch um die organische Eher 
mie bat fih B. Berdienfte erworben. 1855 wurde 
fein von Ouarnftröm gefertigtes Standbild in 
Stodholm aufgeftellt. B⸗s herporragendfte Schiller 
find: Mitſcherlich, Ehr. Gmelin, H. u. ©. Roſe, 
Wöhler, Magnus, Naumann. Unter feinen zahl» 


Berzelitt — Befalır. 


Lärbok i kemien, 3 Bde., Stodh. 1808 — 12, 
2. Aufl., 6 Bde., 1817—30, deutſch von Wöhler, 
der auch die nur deutſch geichriebene 3, u. 4. Aufl. 
beforgte, die 5. A. wurde von B. jelbft in 5 Bon., 
1843 — 48, herausgegeben; Elektro - kemiska 
theorien, ebd. 1814, 2. A., deutich von Nammels- 
berg, 1847; Nouv. syst. de mineralogie, Paris 
1819; La cause des proportions chim, et sur 
influence chim, de l’öleetrieite, ebd. 1819, 
2. Aufl., 1835; Om bläsrönets användande i 
kemien och mineralogien, 1820, in 4 Aufl. ins 
Deutihe u.a. Sprachen überſetzt; Arsberättelser 
om framstegen i fysik och kemi, 27 Bbe,, 
1821 —48, deutſch von Gmelin, Wöhler u. 4. 
Dazu kommen mehr als 200 Abhandlungen aus 
den Gebieten der Phnfif u. namentlich der Che» 
mie, deren meifte auch im deutfche wiſſenſchaftliche 
Beitichriften, namentlich die von Gehlen, Schweigger, 
Gilbert u. Poggendorff, übergegangen find. Hier 
finden fi auch noch einige Meinere Abhandlungen 
von B. (j. Noje, Gedächtnißrede auf B. in den 
Verh. der Akademie Berlin, 1851). 

Derzeliusiche Lampe (Chem), eine von 
Berzelius conftruirte Spirituslampe mit ring« 
förmigem Dochte u, doppeltem Luftzuge, der noch 
durch einen niedrigen Blechſchornſtein verftärft 
wird. Da der Docht durch Bahnftange u. Ger 
triebe leicht bewegt werden Tann, jo eignet fie fich 
zur Hervorbringung der verjchiedenften Tempera- 
turen u. wird deshalb in Laboratorien, aber auch 
in Haushaltungen vielfach bemukt. Hehzer. 

erzezio, Vittorio, ital. Dichter, geb. 1830 
zu Cori; widmete ſich der literariihen Journa- 
iftit und übernahm die Redaction der Gazetta 
Piemontese. Er ſchr. eine Reihe von Romanen 
im Stil Balzacs, fo: La famiglia, L'amor di 
patria, Palmina, L’odio,. Man lobt an ihm bes 
ſonders die Schönheit der Sprache u. Schärfe der 
Charafterzeihnung. Auch Dramen jchrieb B., wie: 
Mica d’Adormo, Romulus u. La Pasque Veronesi, 

Berzſenyi (Egyhazas-Nagy-B.), Daniel, 
ungar, Dichter, geb. 7, Mai 1776 zu Hetye im 
Eijenburger Comitat; bildete fi faſt ganz allein 
dur Privatftudien für Sprachwiſſenſchaft u. Li— 
teratur. Seine Gedichte wurden von Helmeczy 
ohne ga Be Verfaſſers 1813 heransge- 
geben und taMben allgemeinen Beifall. Später 
ſchrieb er in Journalen zerftreute philofophiiche 
u. äfthetiihe Abhandlungen; war Mitglied der 
Ungar. Akademie; er ft. auf feinem Guͤte Nikla 
1836. Seine Gebidhte (Versei), Peſt 1818, 
n. U., 1816. Werte (Osszes müvei), herausgeg. 
von Debrentei, Peſt 1842, neuefte A., ebd. 1862, 

Bes (Muſ.), das doppelt erniedrigte h oder das 
noch einmal erniedrigte b; die Anwendung des 
Namens B. fir das gewöhnliche, nicht erniedrigte 
b ift ein Mißbrauch. 

Beſa, zu Conjtantinus’ Zeit vorkommende 
Drafelgottheit der Agypter zu Abydos und An— 
tinoopolis. Der genannte Kaifer machte dem 
Oralel ein Ende. 

Befälu, Stadt in der ſpan. Prov. Gerona (Catalo» 
nien) linf8 am Fluvia; 2000 E. B. hieß im Mittel- 
alter Biſulduna (Befalumum) und war der Sit 
einer Grafichaft (Comitatus Bisuldunensis); von 


reihen Schriften find von größter Bedeutung: früheren Grafen ift nur Humfred befannt; dann 


Beſamung — Bejagung oder Bemannung. 


285 


fam B. an die Grafen von Barcelona u. wurde hier eine Univerfität, die aber jpäter wieder einging. 


eine Secundogenitur derjelben, fiel aber 1111 au 
Jene zurüd. 

Beiamung, die Fortpflanzung der Holzge- 
wächſe, aud die Berjlingung der SHolzbejtär.de 
durch Samenabfall (Anflug, Aufihlag). Bgl. 
Berjüngnng. 

Deinmungsfdlag, fo v. w. Samenſchlag; 
vgl. Berjüngung. 

Befanbaum, Befancarbeel, Befanrane, 
Befanfegel ze., |. u. Gaffel, Mars, Maſt, Raae, 
Segel, Talelage x. 

ejangon, Hauptftabt der ehemaligen Franche— 
Eomte, jetzt des gleichnam. Arr. u. des franzöf. 
Depart. Doubs; liegt zum Theil auf einer vom 
Doubs gebildeten Halbinjel u. am Rhein-Rhöne- 
Kanal, die Eitadelle 892 m ü. d. M.; Eijen- 
babnmverbindungen nad Paris, Lyon und Straf- 
burg; Feſtung zweiten Hanges mit vom Doubs 
bemwäfjerten Gräben, doch find die Werke, ob- 
oleich zum Theil von Vauban nad) jeiner zweiten 
Manier angelegt, jehr unregelmäßig; die Ober- 
ftadt enthält das durch einen Graben abgefonderte 
Champ de Mars, die Unterftadt ift ſehr unregel- 
mäßig befeſtigt; die Citadelle, ein längliches, 
baftionirtes Biered mit Navelins, auf einem naben 
Berge (auf der Stelle der alten römischen Burg 
liegend), ift ftarf, u. ihr Graben, von einem Fluß— 
ufer zum anderen reichend, verfchließt die ganze 
Halbinfel; Erzbiichof, Departementsbehörden, Ar- 
ineecorpscommando, Handelsgericht, Gerichte 1. 
u. 2. Inſtanz, Präfectur; Kathedrallirche u. meh- 
vere andere merhvürdige Kirchen; Juſtizpalaſt, 
Alademie (für Mathematik u. ſchöne Wiſſenſchaf— 
ten), £yceum, Seminar für Lehrer u. Lehrerinnen, 
Artilleries, Zeichen- und Uhrmacherſchule, Taub 
ummen- u. Jrrenanftalt, Spitäler; Alterthums- 
muſeum, Biblsothet (120,000 Bände), Gemälde- 
galerie, Naturaliencabinet, Botanischer Garten, 
Theater, Kornhalle, Zeughaus, Kajerne; Aderbau- 
gsjellichaft, Handelsfammer (Filtale der Frz. Bant), 
Sitz der Hohöfen-Gefellichaft von Frauche-Comté; 
Sägemühlen (jährl. 3 Mill. Eichen- u. Tannenbret- 
ter), Uhrmacherei (13,000 Arbeiter, jährl. 335,000 
Uhren, davon 114,000 goldene, Werth: 14 Dill. 
FIcs.), Tiſchlerei; 42,01 Ew. Die Stabt hat 
angenehme Spaziergänge und bedeutende lÜber: 
reſte aus der Römerzeit. B. ift der Geburtsort 
von Gramvella, Acton, Abel Remuſat, Victor Hugo, 
Pajol, Nodier, Milot, Ebifflt. — B. war im 
Alterthum als Veſontio (Biiontium) eine Stadt 
der Segnaner; fie wurde fajt ganz vom Dubis 
umfloffen; die Eitadelle war mit der Stadt durch 
eine Mauer verbunden. B. war groß, hatte präch- 
tige Gebäude u. wurde ſpäter römiſcher Waffen- 
platz; noch übrig find Ruinen eines Triumph— 
bogens des Kaifers Aurelianus, einer Wafferleitung, 
eines Ampbitbeaters, x. 58 v. Chr. hier Cäſars 
entfcheivender Sieg über Ariovift (ſ. u. Gallifcher 
Krieg). Zur Zeit des Kaiſers Julianus wurde 
3. von den Aemannen zerftört. Es fam 413 an 
die Burgunder u. wurde um 451 von Attila zer 
ſtört. Unter König Heinrich I. fam B. als Haupt» 
ftadt der Franche-Comté an das Deuiſche Meich 
und wurde durch Kaifer Friedrich I. Reichsſtadt. 
1590 ftiftete Cardinal ®ranvella, Erzbiſchof von B., 


Im MWeftfäliichen Frieden 1648 wurde B. an 
Spanien abgetreten; 1668 u. 1674 von den Frau— 
zofen erobert, kam e8 1679 mit der Franche-Comteé 
an Frankreich. Ludwig XIV. ließ die Stadt durch 
Bauban befeftigen. 1814 wurde B. durch das 
2. öfterr. Armeecorps unter Piechtenftein blofirt u. 
beſchoſſen und 2 große Ausfälle abgeichlagen; es 
hielt fi bis zum Frieden. Hier concentrirte der 
franzöi. General Bourbali in der zweiten Hälfte 
des December 1870 die Armee, mit der er 
Belfort entiepen und in SDeutichland einfallen 
follte, ward jedoh Ende Januar 1871 von deu 
GSeneralen Manteuffel u. Werder fo umitellt, daß 
er eine Selbſtmordverſuch machte und feiner 
Armee nur der Ausweg blieb, auf ſchweizer Ge— 
biet ütberzutreten. 

Bejänftigende Mittel (Sedantia, Sedativa), 
allgemeine Bezeihnung derjenigen Heilmittel, welche 
Aufregung, Schmerz, Krampf mildern oder beiei- 
tigen. Die ben M. find daher jchr verichiedener 
Art u. werden unterſchieden als Antispasmodica, 
Anodyna u. Paregorica, Soporifica (Hypnotica). 
Beiipiele find: Opium, Bilſenkraut, Belladonna, 
Aconit, Blaufäure. 

Dejakung oder Bemannung eines Schiffes 
oder Bootes wird die Gefammtheit der zu deijen 
Führung u. Bedienung an Bord befindlichen Per- 
jonen genannt u, umfaßt daher Offiziere u. Dann» 
ſchaft des Schiffes. Stärke u. Zujammenfegung 
der Schiffsbefagungen find nah dem Zwecke der 
Schiffe jehr verjchieden. Während die Bemanmung 
eines Segelidhiffes der Handeldmarine nur aus dem 
Schiffsführer, Schiffer u, dem nach der Größe des 
Schiffes mindeft nothiwendigen übrigen ſeemänni— 
ſchen Perſonal (1—4 Steuerleute u. 3—40 Matro« 
jen u. Schifisjungen, worunter 1 Koch u. 1 Zim« 
mermann) befteht, tritt auf den Dampfern noch 
das zur Bedienung der Majchine nöthige Mafchinen- 
Perſonal (Majchiniften u. Heizer), auf den größeren 
Poſtdampfern außerdem noch das der Paffagiere we» 
gen nothwendige Küchen u. Aufwärter-Berfonal u. 
die mit den Verwaltungs» u. Poftangelegenheiteu 
betrauten Beamten hinzu. Die Mannſchaft fol 
her Kauffahrteiſchiffe, welche Walfifh» und See- 
hundsjagd betreiben, erreicht nicht jelten eine Stärke 
von 80 Dann u. darüber, Die Bejatungen der 
Kriegsſchiffe beftehen, neben etwaigen wenigen als 
Köche u. Kellner engagirten Civilperfonen, ledig— 
lich aus Militärperjonen, welche nach den in deu 
verjchiedenen Ländern beftehenden Gejeten zu die— 
jem Dienfte entweder ganz, oder theilweile gewor— 
ben oder verpflichtet find. Jede zu einer Kriegs— 
ihifjbefagung zufammengeftellte Truppe befteht ale» 
dann zum Frößten Theil (65 — 85 pCt. der Ge— 
jammtftärfe) aus dem feemännifchen Berfonal der 
Marine; demnähft aus einer der Größe u, Con— 
firuction der Mafchine entiprechenden Ztärfe des 
Marine-Maſchinen-Perſonals (10—20 pEt.); fer 
ner aus einer Abtheilung des Marine-Handwerker-, 
Berwaltungs- u. ärztlichen Perſonals (6— 10 pCt.). 
In einigen Flotten, deren Organijation Marine— 
Yandtruppen fennt, find auf den größeren Klaſſen 
von Kriegsichiffen auch Heinere Abtheilungen dies 
jes Perfonals (ca. 16 pCt.) eingeichifit; während 
auf den Segelſchiffen, weiche, foweit wie verhau- 


286 


Bejagungsrcht — Beſchädigung fremden Eigenthums. 


den, in den größeren Kriegsmarinen allerdings Gouverneur, dem der Artillerie-Offizier vom Plate 
nur noch zu bejonderen Zweden, 3.8. als Schul-|u. der Ingenieur⸗Offizier vom Plage beigegeben 
oder —— eh Verwendung finden, |find. Im Kriege, oder jobald der Belagerungs- 


das Maſchinen-Perſonal jelbitverftändfih fortjällt, 
Die Stärke der Kriegsichiff-Befagungen nah Art 
und Größe der Schiffe ſchwanlte früher zwiſchen 
40 u. 1800 Mann, lettere Zahl nur auf den be» 
reits liberal! aus dem Sriegsdienfte entfernten Li- 
nienichifien früherer Zeit (in England nahm man 
früher an: B. eines Yinienichiffes von 110 Kano- 
nen 950 Mann; von 80 Kanonen 750, von 70 
620; einer FFregatte von 50 Kan, 450, von 30 8. 
300 Dann); die Bejatungsftärten der heutigen 
großen Panzerfregatten überfteigen dagegen nicht 
die Durdichnitiszahl von 700 Köpfen. Die den 
genannten Kategorien an Bord zufallenden Func— 
tionen find folgende: Dem Maſchinen-Perſonal 
hiegt die Bedienung der Mafchine ob; dem Hand- 
merfer-Perfonal (HZimmerleute, Böttcher, Segel- 
macer, Schmiede, Büchſenmacher, —— 
Schneider, Maler) die Ausführung der an Bord 
vorfommenden einſchlägigen Arbeiten; dem Ber— 
waltungs» u. Bere * die Geld», Pro- 
biant» u. Verwaltungs» Angelegenheiten, u. dem 
ärztlichen Perfonal die Krankenpflege; das etwa 
eingefchifite Perfonal an Marine-nfanterie wird 
zum Sicherheits-Wachtdienſt u., ebenſo wie das 
Maſchinen- u. Handwerfer-PBerfonal, zur gelegent- 
hen Berftärtung des ſeemänniſchen Perfonals, 
wenn nothwendig, verwendet, welch letterem die 
Erfüllung der geſammten übrigen an das Schiff 
zu ftellenden militärifhen u. feemannidaftlichen 
Anforderungen zufält. Die zur Beſatzung ge 
hörige Zahl von Offizieren ꝛc., Unteroffizieren u. 
Gemeinen innerhalb der einzelnen Kategorien tft 
für jede Klaſſe von Kriegsſchiffen feftgeitellt und 
beſtimmt fih — abgejehen von jolden Ausnahme— 
fällen, weiche durch die etwaige Verwendung eines 
Scifjes in bejonderem Dienfte bedingt werden 
können — nad der Art u. Größe des Sdifis- 
lörpers, feiner Armirung u. der Talelage. Ebenio 
find in den verjchiedenen Kriegsmarinen die den 
einzelnen Perſonen obliegenden dienftlihen Ber- 
richtungen an Bord, nad) Maßgabe der jeder Ka- 
tegorie zufallenden Aufgabe, durch Inſtructionen 
u. die Schiffsrollen vorgeichrieben. 

Die Befagung einer Feftung muß im Frie- 
den ftarf genug fein, um die Werke zu bewachen, 
im Kriege, die Feftung zu vertheidigen. Für ge» 
wöhnlich braucht nur der dritte Theil der B. ım 
Dienfte zu fein. Ihr Haupttheil beiteht aus In— 
fanterie; Artillerie jo viel, als zur Bedienung der 
Geſchütze, die bei einem Angriffe gleichzeitig in 
Thätigkeit treten fünnen, erforderlich; Genietruppen 
etwa „, ber Stärke; Cavalerie nur ſchwach zur 
Beobachtung außerhalb der Feſtung, jo lange dieje 
möglih. Nach der Größe der Feſtung, der An— 
zahl der detadhirten Werke ꝛc. iſt die Stärfe der 
Kriegs⸗B. verschiedener Feitungen fehr verichieden; 
fie überfteigt bei den größten Feſtungen 60,000 
Mann, ein Grund, der gegen viele große Feftungen 
fpricht, da der Operations. Armee zu bedeutende 
Kräfte entzogen werden, In Deutichland ift vor- 
züglih die Yandwehr zu Befatungszweden be— 
ſtimmt. Den Befehl über die B. führt der Com- 
mandant, oder — in größeren” Feſtungen — der 


zuftand prockamirt wird, ift der Commandant mit 
großer Machtbefugniß ansgeftattet; in jchwierigen 
Fällen wird er einen Kriegsrath aus den älteren 
Offizieren der B. bilden, der ihm berathend zur 
Seite ſteht. 

Beſatzungsrecht (Kriegsm.), die durch das 
öffentliche Recht, Staatsverträge oder Friedeus— 
Ihlüffe garantirte Befugniß, Soldaten in einen 
unter anderer Herrſchaft ftehenden befeftigten oder 
unbefeftigten Ort legen zu dürfen. In neuejter 
Zeit ift das B. von ben europäiſchen Staaten 
nur als ein vorübergehendes anerfannt, um ſich 
für im Friedensſchluſſe gemadte Zufiherungen 
gleihjfam ein Fauftpfand zu ſchafſen. 

Desborodfo, Fürſt Alerander Andreje- 
witſch, geb. 1742 in Stolnoje in Klein⸗Rußland; 
ftudirte zu Kiew, wurde erſt Secretär des Feld⸗ 
marſchalls Romanzow u. hierauf Secretär in ber 
Reichskanzlei. Als ihm einft aufgetragen war, 
einen Ulas abzufaffen, u. er dies vergefien hatte, 
ertemporirte er denjelben vor der Kaijerin Katha— 
rina II. von einem leeren Blatte, u. als dieſelbe 
ihre Unterfchrift beifügen wollte u. die Täuſchung 
bemerfte, machte fie ihn feiner Gemwandtheit we— 
gen zum Gebeimrath u. 1780 zum Staatsjecretär 
un Auswärtigen. 1784 von Joſeph IL. in den 
Reihsgrafenftand erhoben, wurde er nad Abſchluß 
des Friedens von Jaſſy (1791) faft der alleinige 
Leiter der ruſſiſchen Politif, bis es dem Günftling 
Platon Subow gelang, ihn bei der Kaiferin in 
den Hintergrund zu drängen. Kaiſer Paul I. 
machte ihn 1796 zum Reichskanzler, erhob ihn 
zum Fürſten u. beanftragte ihn 1798 mit dem 
Abſchluſſe des engliih-ruffiichen Bindniffes ge 
gen Frankreich. Er ft. 9. Aug. 1799, ein — 

erehrer der Kunſt. Einen Theil ſeines Ver— 
mögens beſtimmte er zur Gründung eines Ly— 
ceums zu Njeſchin, das nad ihm das Besborod⸗ 
fische genannt wird, Lagai. 

Beſchädigung fremden Eigenthums wird 
in den neueren Strafgeſetzbüchern als eine eigene 
Art von Berbrechen aufgeführt, wenn fie aus Boss» 
heit, oder wenigftens aug Muthmwillen erfolgt ift, 
aber den Begriff des Diebftahls nicht erfüllt. Das 
Gemeine Recht kennt wegen joldyer Beihädigungen, 
jelbft wenn fie vorſätzlich geichehen find (injofern 
nicht wegen der Art der Beihädigung, z. B. durch 
Brandftiftung, beſ. Strafgejege eingreifen), feine 
jelbftändige Androhung einer öffentlichen Strafe, 
jondern gıbt dem Berlegten nur Privatflagen, na« 
mentli die Actio legis Aquiliae, vermöge deren 
der Beſchädigte vollen Erjag des Schadens, im 
Lengnungsfalle fogar das Doppelte defjelben zu 
verlangen berechtigt iſt. Ebenſo findet fih in der 
Peinlihen Halsgerihtsordnung Karls V. nur für 
den Fall, wenn Jemand unerlaubter, beimlicher 
Weiſe fremdes Holz abhauet, eine bejondere Straf. 
androhung (Art. 168) vor, wobei auf die an je 
dem Orte dafür übliche Strafe vermwiejen wird. 
Dagegen enthalten ſchon die Polizei» u. Landes» 
ordnungen des 16. u. 17. Jahrh. manche bier- 
auf bezüglice, allgemeiner lautende Strafvor- 
jhriften, welche die neueren Strafgefegbiicher noch 


Beichalen — Bescherelle. 


287 


weiter ausgebildet haben. Zum Thatbeftande des Beſchälkrankheit leidende oder innerhalb der letzten 
Bergehens oder Verbrechens der B. wird immer|3 Jahre daran frank gewejene Pferd mit dem 
eine fremde Sache u. eine Handlung gefordert, | Brandzeihen BK. verjehen werden, Srankheits- 


welche die Sache entweder ganz vernichtet, oder 
doch in ihrer Beichaffenheit jo verändert, daß fie 
dadurch im ihrem Werthe mejentlich verringert 
wird; die Abficht des Beſchädigenden darf nicht jo- 
wol daranf gerichtet fein, fich felbft einen Nuten 
zu verichaffen, als vielmehr den Anderen zu be- 
nachtheiligen. Die Strafe befteht je nach der 
Schwere des Falles entweder in Geldftrafe, oder in 
Gefängniß, Arbeitshaus, auch ſelbſt in Zuchthaus, 
Geleifteter Erſatz vermindert die Strafbarkeit; ja, 
nah manchen Gefegen fällt bei völliger Schadlos- 
haltung jede Strafe weg. Andere Geſetze laſſen, 
wenigjtens bei den leichteren Fällen, eine Be— 
ftrafung nur dann eintreten, wenn der Bejchä- 
digte ausdrüdlid darauf anträgt. Das Deutſche 
Strafgeſetzbuch von 1871 beitimmt $ 303, daß, 
wer vorjäglich u, rechtswidrig eine fremde Sache 
beihädigt oder zerftört, mit Geldftrafe bis zu 
900 M, oder Gefängniß bis zu 2 Jahren be- 
ftraft werde, läßt jedoch die Verfolgung nur auf 
Antrag eintreten. Wer aber Gegenftände der Ber- 
ehrung einer im Staate beftehenden Religions: 
geſellſchaft, oder dem Gottesdienfte gemidmete 
Saden oder Grabmäler, öffentliche Dentmäler, 
Gegenftände der Kunft, der Wiffenichaft oder des 
Gewerbes, melde in öffentlihen VBerfammfungen 
aufbewahrt werden, oder öffentlich aufgeftellt find, 
oder Gegenftände, welche zum öffentlihen Nuten, 
oder zur Verſchönerung öffentlicher Wege, Plätze 
oder Anlagen dienen, bejhädigt oder zerjtört, wirt 
mit Gefängniß bis zu 3 Jahren, oder mit Geld- 
firafe bis zu 1500 M beitraft ($ 304), Wer 
vorſätzlich u. rechtswidrig ein Gebäude, ein Schiff, 
eine Brüde, einen Damm, eine gebaute Straße, 
eine Eifenbahn oder ein anderes Bauwerk, welche 
fremdes Eigenthum find, ganz oder theilweije zer- 
ftört, wird mit Gefängniß nicht unter 1 Jahre be- 
ftraft ($ 305). Als gemeingefährliche Verbrechen 
u. Bergehen find dagegen Brandftiftung, Beran- 
ftaltung von Überfhwenmungen, Beihädigung 
der Eijenbahnanlagen u. Bejörderungsmittel und 
anderer Berfehrsanlagen im 27. Abſchnitte des 
Strafgeſetzbuches befonders behandelt. ©. Gemein- 
gefährlihe Handlungen. Grotefend.* » 

Beſchalen, eine durch ftärkere Hölzer beftimmte 
Fläche (Wand, Dad), mit dünnen Brettern 
(Schalbrettern) befleiden. 

Beichälen, das Paaren eines Hengftes mit 
einer Stute. Beihäler, diejenigen Hengſte, 
welche in der Hegel in Geftliten gehalten werden 
u. eine Meinere oder größere Anzahl ihnen zu- 
getheilter Stuten belegen. Beihälzeit, die für 
die Baarung der Pferde zweckmäßigſte u. gebräud- 
liche Zeit, gewöhnlich die Monate März, April 
Mai u. Juni, weil dann die Geburt der Füllen 
in die für das Gedeihen derfelben günftige Zeit 
fällt. Beſchälausſchlag, f. Aphthenkrankheit der 
Genitalien. Beſchälkrankheit (bösartige), Be- 
ſchälſeuche oder Schanferjeuche der Pferde, eine 
ronifche, tödtlih verlaufende und anftedende 
Krankheit der Beichlechtstheile, die nur bei Zucht: 
thieren vorfommt. Die Anſteckung erfolgt durch 
die Begattung. In Preußen muß jedes an ber 


erfheinungen bei dem Hengfte: Anichwellung des 
Schlaudes, Bläschen u. Geſchwüre an den Ge- 
ſchlechtstheilen, Steigerung des Geſchlechtstriebes, 
Duaddelbildung an verſchiedene Stellen der Haut, 
Lähmungserſcheinungen (befonders im Hintertheil); 
bei Stuten: Katarrhaliiche Erjcheinungen an dei 
Geſchlechtstheilen, vöthlich«gelber Ausflug aus der 
Scheide, Bläschen u. Gejhmwürbildung auf der 
Schleimhaut der Geſchlechtstheile, Entzündung des 
Euters, Anfhwellung der Haut, verjchiedenartige 
Yähmungsericheinungen. Der Berlauf der Kranf- 
heit ift chronisch; die Prognofe ungünftig. Schmitt. 

Beihauung, 1) die Richtung der Aufmerk⸗ 
ſamleit auf einen —— um ihn in ſeiner 
wahren Geſtalt zu erkennen. 2) (Contemplation) 
Der Gemüthszuftand, in dem man bei gänzlicher 
äußerer Unthätigkeit u. Ruhe gewiſſen Vorſtell— 
ungen oder Betrachtungen (beſ. wenn dieſelben 
ih auf Moral oder Religion beziehen) nachhängt 
u. feine gefammte Geiftesthätigfeit bloß auf ein 
Beobadıten der jogenannten inneren Anſchauungen 
des Gemüthes oder der eigenen Seelenzuftände 
beihränft. Die beharrlide Neigung zu folder 
B. beißt Beihaulichleit. Ein befhaulidhes 
Teben wurde im Altertfum von den Gnoftileru 
u, Neimplatonitern empfohlen, von den indiſchen 
Falir und buddhiſtiſchen Mönchen geführt u. ſpäter 
noch von chriſtlichen Mönchen, Eremiten, moham- 
medaniſchen Derwiſchen u. dgl. 

Beſchauwalzen, hölzerne Walzen, auf welche 
das Tuch gehängt wird, um es gegen das Licht 
zu beſehen. 

Beſch⸗Barmak, Berg im Faufafisch-ruffifchen 
Gouvernement Baku, an der Weite des Kaspi- 
ihen Meeres, mit Höhlen, Inſchriften u. Grab- 
mälern, 528 m bod. 

Beſcheid (lat. Decisum, Rechtsw.), die einen 
Rechtsſtreit betreffende richterlihe Berfügung, fei 
es daß fie die Leitung des Proceffes betrifft, oder 
das den Proceß beendigende Erkeuntniß oder Ur- 
theil; fodann auch die Eröffnung einer adminiftra- 
tiven Behörde auf eine Anfrage oder Bejchwerde, 
jei e8 einer Privatperfon, oder einer untergebenen 
Behörde. 

Beicheidenheit, 1) Mäßigung in den Anfor- 
derungen jeder Art, ſelbſt unter ben berechtigten 
Anfprücen bleibend. 2) (Fiterat.) Der Titel der 
Spruchgedichtſammlung des Freidank in Luthers 
Bibel, jo v. w. das grieh. gnösis, Erfenntnif, 
2. Betri 1, 5, wie in Freidank, Beſcheidwiſſen, 
Geſcheidtheit. 

— ————— 1) Ausſtellung eines Zeug⸗ 
niſſes über einen Vorfall oder Sache. 2) Dieſes 
Zeugniß felbft. 3) (Demonstratio) Der im fum« 
marischen Proceß erforderte, nicht an die fireng 
materiellen und formellen Borausjegungen des 
ordentlichen Beweiſes gelnipfte Beweis, 

Bescjerelle, Louis Nicolas, franz. Teriko- 
graph u. Grammatifer, geb. 10. Juni 1802 zu 
Paris; feit 1828 Bibliothefar des Louvre, be» 
ſchäftigte fih in feinen zahlreichen Schriften über 
die Grammatik der franz. Sprade theils mit 
wiffenshaftlicher Unterfuhung derfelben, theils mit 


288 Beſchicken — 


Beſchneidung. 


Bekämpfung der willkürlichen Theorien anberer,ftänden, welche durch ein vorſätzliches Verbrechen 


Grammatilker u. gab eine Grammaire nationale, 
Par., 14. Auflage 1870, fowie mehrere Wörter- 
biicher der franz. Sprache heraus; mit Denars 
auch das Grand dietionnaire de geographie 
universelle, 4 Bbe., Par. 1865. 

Beſchicken, die Erze durch geeignete gegen» 
feitige Mifhung, ſowie durch Zufcläge, d. b. bes 
fondere Zufäge metallifher u. nicht metallifcher, 
erdiger oder fteiniger Natur, zum Berfchmelzen, 
d. h. zur vortheilhafteften Bildung von reinem 
Metall, metalliihem Nebenproduct (Steinen und 
Speijen beim Blei» u. Kupfer-Hüttenbetriebe) u. 
moͤglichſt metallfveien Schaden, beim Aufgeben 
vorbereiten. Daher: Beihidung, das Berhält- 
niß unter den Beftandtheilen der Schmelzung außer 
den Brennftoffen, nah den Verhältniß (befter) 
Scladenproduction gewählt. Jm Münzmwejen 
heit beichidden: die edlen Metalle mit fo viel ge- 
ringem Metall vermifchen, daß der richtige münz- 
füßige Gehalt heraustommt. Daher Beihidung 
(Beichidungsregel), die Regel, wonach dies ger 
ſchieht; Beſchickungsrechnung, jo:v. w. All. 
gationsrechnung; und Beſchichte Mark (Rauhe 
Mark), die ſo verſetzte Mark edlen Metalls. 

Beſchik, Stadt im Bilajet Salonik der Europ. 
Türkei, am gleichnam. See; 2500 Em, 

Beſchiktaſch, Ortihaft bei Conftantinopel; 
armeniſcher Erzbiſchof; Hier ein Sommerpalaſt des 
Sultans. 

Beſchimpfung, die Kränfung der Ehre eines 
Menſchen; fie kann entweder ausgehen von Ande— 
ven u. die Ehre Jemandes verlegen (Injurie), 
od. von der Obrigkeit u. Borgefegten, um wegen 
eines Bergehens dadurch zu bejtrafen, als Ehren- 
firafe; fie ift dann entweder mit wirklicher In— 
famie verbunden (dem ehrlichen Namen raubend), 
oder bloß degradivend, durch Herabjegung des 
Beftraften in der öffentlihen Meinung oder Er- 
niedrigung feiner äußeren Stellung. 

Beichlag, Wort, das in der Technik vielfache, 
meift allbefannte Verwendung findet; jo: 1) Eifen- 
oder Mejfingwerf an Thüren, Schränken, Kiften, 
Fenftern, Rädern, Wagen ꝛc.; aud Bezeichnung 
für Hufeifen. 2) Der Überzug, der fich beim 
Erhiten mancher Körper vor dem Löthrohre auf 
der zur Unterlage dienenden Koble bildet; er ver- 
dankt feine Entjtehung der Berflüchtigung entweder 
des erhittten Körpers felbft, oder Feines DOrybs, 
weshalb feine Farbe und jonftigen Eigenjchaften 
wichtige Aufichlüffe über die Natur des erhigten 
Körpers geben können. 3) Der Uberzug, mit 
welhem man die innere Geite von Dfen, ſowie 
die äußere von Gefäßen (namentlich aus Glas) 
bededt, um fie vor der allzu intenfiven Einwirk— 
ung des Feuers zu ſchützen. Zum B. von Ofen 
eignet fi) am beften ein Gemiſch von Thonbrei 
u. Ziegelmehl, dem man aud- wol etwas zer- 
ſchnittenes Werg oder Kälberhaare zufegt. Zum 
B. von Netorten u. Kolben benugt man einen 
Brei aus fein zerriebenem Lehm oder Thon und 
Baffer, in dem man etwas Soda aufgelöft hat. 
Derjelbe wird mit einem Pinjel in mehreren fid) 
überdedenden Lagen bis zur Dide eines ftarken 
Kartenblattes aufgetragen. 2) 3) Heber. 


oder Bergehen hervorgebracht, oder melde zur 
Begehung eines vorſätzlichen Verbrechens od. Ber- 
gehens gebraucht od. beftimmt find; Tann ftattfinden, 
wenn die Gegenftände dem Thäter od. einem Theil« 
nehmer gehören. Bei Übertretungen findet nie 
mals B. von Gegenftänden ftatt ($ 40 des D. 
Str.-G.-B.). 2) Vreßpolizeiliche B. ohne richter- 
liche Anordnung ift nad dem jeßigen Reichs- 
Preßgeſetze vom 7. Mai 1874, 88 23 zc. nur in 
beftimmten (Ausnahme) Fälen geftattet (f. Pref- 
gejek). 3) Im Eivilproceh findet B. des ftreiti- 
gen Gegenftandes ftatt, wenn die Verfügung dar— 
über einem od. beiden ftreitenden Theilen entzogen 
werden fol, oder das Mittel zur Sicherung der 
Realifirung der Anſprüche des Klägers; ſ. d. Art. 
Arreft, Sequeftration. Grotefend. 

Beſchleichen (Jagdw.), ein Thier b., dem- 
ſelben, ohne von ihm bemerkt zu werden, ſo nahe 
fommen, daß ein ſicherer Schuß darauf gethau 
werden kann. 

Beicleunigende Kraft, eine Kraft, welche 
eine beſchleunigte Bewegung hervorbringt. Jede 
continuirlich wirkende Kraft, Drudkraft, ift eine 
folde, 3. B. die Schwerfraft; während jede 
momentan wirkende oder Stoßfraft eine gleich- 
et Bewegung erzeugt, Näheres ſ. u. 
Bewegung. Wimmenauer M. 

Beichleunigende Muskeln, fo dv. w. Accele- 
vator des Harnes u. Samens (ſ. d.). 

Beſchleunigte Bewegung, f. u. Bewegung. 

Beſchleunigung (Acceleration), eigentlich Ber- 
größerung der Gejchwindigfeit. Im weiteren 
Sinne bezeichnet die Mechanik mit dem Worte 
B. oder Acceleration die gleichförmige oder 
als gleichförmig gedachte Anderung der (in Meter 
ausgedrüdten) Geſchwindigkeit in der Zeiteinheit 
— GSecunde — und umterfcheidet dann pofitive 
u. negative B., je nachdem diefe Anderung der 
Geſchwindigleit in einer Vergrößerung oder Ber- 
minderung beftebt. Jede B. wird durch eine 
continnirlih wirkende Kraft herporgebradt und 
hängt von der Größe dieſer Kraft ab: die B-en, 
welche verjchiedene Kräfte einer u. derjelben Maſſe 
ertbeilen, verhalten fich wie dieſe Kräfte. Daher 
ift die B., welde eine Kraft der Mafjeneinbeit 
ertheilt, ein Maß diefer Kraft. Näheres ſ. u. Be- 
wegung. Über B. der Schwere j. Schwere. 


. Winmenauer M. 
—— der Bäume ze., ſ. u. Baum« 
nitt. 

Beſchneidung, die Wegſchneidung der Bor 
haut des männlichen Gliedes, bei manchen Völ— 
fern auch die Entfernung eines Theil® der Vors 
haut der weiblichen Klitoris oder der Klitoris 
felbft. Die Operation it im Kindesalter leicht, 
weil hier die Vorhaut fehr lang ift, bei Erwach— 
fenen dagegen oft jchmerzhaft u. nicht ohne Ge— 
fahr, indem ſich zuweilen am 3. Tage ein Wund- 
fieber einftellt w. der Beichnittene wol 2—3 Boden 
bettlägerig bleibt. Über den Zwed der B. herrſcht 
3. Th. noch Dunkel. Einige behaupten, durch die 
3. babe der ijüdiſche Gefetgeber Erhöhung der 
Fruchtbarkeit (durch Vermehrung der Zeugungs- 
Inft jeitens des Mannes) beabfidtigt (vgl, 3. 8. 


Beichlagnahme, L)ftrafgerichtliche, von Gegen- | Friedreih, Zur Bibel, Nürnberg 1848, Bd. 2); 


Beichneidung. 


289 


Andere nehmen weientlich dafielbe an, nur erflä-) Jahırh. n. Chr. eingeführte B. auch todtgebore- 


ren fie die Borhaut in wärmeren Ländern für ein 

emmmiß der Reinhaltung, dadurd fir eine Urſache 
rtlicher Leiden u. bierdurch wieder fiir ein Heinm- 
niß der Fruchtbarkeit (vgl. Rofenbauın, 9. a. D.); 
J. 9. F. von Autenrieth (Abhandlung über den 
Uriprung der B., Tübingen 1829) bringt die B. 
der gegenwärtigen Juden lediglich mit deren Theo» 
logie in Beziehung u. betrachtet die B. als ein 
{iderbleibfel aus der Zeit des frühen Alterthums, 
deffen die Theologie gleichſam fi bemädhtigt; 
während Rofenbaum die B, für etwas Religiös- 
Drätetifhes erflärt, glaubt B. Conftant (De la 
religion, Paris 1824—31, Bd. 1) nicht an einen 
Zufammenbäng der B. wit der Diätetil, eine 
Meinung, die auch von M. G. Salomon (Die B., 
Braunſchweig 1844) getbeilt wird. Auch zu einem 
Sennzeihen der Stammes- oder Nationalanger 
börigfeit, wie der Religionsgemeinichaft, wurde 
die B. Nach Herodotos (Hist. lib. II.) ıft es un— 
gewiß, ob Athiopier oder Ägypter zuerft die 8. 
vollzogen; Phöniler und Syrier follen dieſe Ge: 
bräucde von den Ägyptern angenommen haben. 
Die B. der Hebräer war der Sage nad von 
Gott dem Abraham verordnet und von Moies 
zu einem gefeglichen Inſtitut mit veligiös-fitt- 
licher ug | erhoben; daher wurden nicht bloß 
die jüdischen Kinder, jondern Später auch vie 
Proselgten der Gerechtigkeit und die im Haufe 
geborenen oder erfauften heidnifchen Sklaven be» 
fchnitten. Später zwangen die Juden jogar die 
befiegten Idumäer u. Ituräer zur B. Einen 
beſchnittenen Geborenen hielt man für heilig; die 
Agypter erzählten dies von ihren Halbgötteru, die 
Juden von ihren Patriarchen, auch von Adaın, 
David zc., die Mohammedaner von Mohammed, 
die Perier von Ali. Bei den Juden gefchieht die 
2. u. Namengebung (lettere auch bei den Mäd— 
ben) am 8. Tage nad) der Geburt in der Syna- 
goge, felbft wenn diefer Tag auf einen Sabbath 
fällt. Doch kann, wenn das Kind ſchwach ift, die 
B. verichoben werden. Bei der B. fit der Ger 
vatter auf einem Stuhl neben dem Tifche, auf 
welchem fie gejchieht; ein anderer Stuhl bleibt 
für den Elias, den man fich bei der B. gegen- 
wärtig dent, leer. Knaben bringen die nöthigen 
Geräthe, eine Wachsfadel, Das Meſſer, Bulver 
zum Beftrenen der Wunde, einen Verband, Wein, 
SI, Sand ıc., herbei. Die Operation kann jeder 
Israelit, jelbit eine Frau verrichten, doch geſchieht 
ſie gewöhnlich von einem beſonderen Beſchneider 
(Mohel); dieſer ſpricht beim Beginne den Geſang 
2. Moſ. 15, 1. Der Gevatter bringt das Kind 
von der Thür, wo er es den Weibern abnimmt, 
herbei, u. der Mohel ſpannt die Vorhaut in eine 
Art Kamm u. ſchneidet fie ab; das Bändchen der 
Borbaut aber reißt er mit dem Daumennagel ab, 
welche Operation Pria beißt; hierauf mimmt er 
Wein in den Mund u. beipritt die Wunde u. 
das Gefiht des Kindes mit demjelben, faugt das 
Blut dreimal aus der Wunde, fpudt es aus u. 


ner Knaben, um dıe an der Vorhaut haftenden 
Dämonen zu entfernen u. das Kind der Seligfeit 
theilhaftig zu machen, ift nicht allgemein geworden, 
Zur Zeit der Maktabäer u. unter römiſcher Herr 
ſchaft zogen viele Juden, um fi) den Berfolgun« 
ge u. dem Spotte ihrer heidniſchen ‚Feinde zu 
entziehen, durch eine chirurgifche Operation u. 
andere Mittel die Vorhaut wieder über die Eichel 
herab, um fo als unbefchnitten zu ericheinen (Epi- 
spasmos, Becutitio), Bon den dhriftl. Secten 
behielten die Korinthianer die B. bei, weil Jeſus 
ſelbſt befchnitten worden ſei, auch die Ebioniten. 
Über die B. im Allgemeinen und bei den He— 
bräern insbefondere vgl. noch: ©. B. Winer, 
Bibliſches Nealwörterbud, 2. Aufl,, Lpz. 1833 —38, 
Bd. 1; Antonius, Diss. de circumeisione gen- 
tilium, Lpz. 1682; Orapius, Diss. an eircumei- 
sio ab Aegyptiis ad Abraham fuerit derivata, 
Roftod, 1699; Ch. Meiners, De ceircumeisionis 
origine et causis, Comment, Societ., Göttingen, 
Bd. 14; M. Cohen, Diss. sur la eirconeision, 
Baris 1816; 3. D. Michaclis, Moſaiſches Hecht, 
Biel 1777, 6 Bde; F. F. Schröder, Satungen 
u. Gebräuche des talımudıich-rabbiniichen Juden— 
thums, Bremen 1861; J. F. Bavez, De causa 
foeeunditatis gentis eireumeisae in eircumei- 
sione quaerenda, Ypz. 1739; Banier, Cause 
morale de la eirconeision, Paris 1847 (VBanier 
betrachtet auch die B. als Mittel zur Berhinder- 
ung der Onanie bei den Kuaben); Glaparöde, 
De la circoneision, Paris 1861. Bei den Ägyp— 
tern war die B. ebenfalls u. wahrfcheunlich früber, 
als bei den Hebräern, daher man glaubt, daß fie 
Abraham bei feiner Anmwejenheit in Agypten oder 
von den aus Agypten ausgewanderten Hylios 
fennen gelernt u. zu den Hebräern übergetragen 
habe. Ob jedoh in Agypten die B. allgemein 
geweſen ſei, ift unbeftunmt, u, man weiß nur, 
daß die Priefter u. die Krieger ſich beichneiden 
faffen mußten. Die B. wurde in Agypten erft 
im 14. Lebensiahre vorgenommen. über die B. 
bei den alten Agyptern vgl. u, a.: M. Uhlemann, 
Thoth, Götttingen 1855, 8 28, u. bei den heu- 
tigen Agyptern: A. B. Elot-Bey, Apergu general 
sur lV’Exypte, Brüffel 1840, Bd. 2; E. W. 
Yane, Sitten u. Gebräuche der heutigen Agypter, 
Ypz. 1852, 2 Bde, zc. Bei den Arhiopiern, bei. 
den Troglodpten, war die B. allgemein, u. bei 
den chriitlichen Athiopiern ift die Sitte noch ge» 
bräuchlih, ohne eine religiöfe Bedeutung zu haben, 
fondern aus Gefundheitsrüdfichten,. Bei den Mo— 
hammedanern geichieht die B. mit der Names 
ebung im väterlihen Haufe in Gegemwart des 
— der die Gebete ſpricht, durch öffentliche 
Barbiere, meiſt zwiſchen dem 7. u. 13. Jahre; der 
Ceremonie folgen Feſte. Uber die B. bei den 
Türken: F. W. Oppenheim, Über den Zuſtand 
der Heilfunde u. über die Volkskrankheiten in der 
Europ. u. Afiat. Türkei, Hamburg 1833. Bon 
den WAftaten befchnitten fih in alter Zeit die 


verbindet fie dann mit in DI getauchter Baum-|Homeriten in Arabien; die Koldier, die nad 


wolle. Zum Echluffe werden Gebete geiproden, 
u. dann folgt eim feftliches Mahl (Beichneidungs- 
mahl), bei dem mindeftens 10 Männer u. darun« 
ter ein Rabbiner fein müſſen. 

Piereräliniveral:Converfations:?eriton. ®. Aufl. 


Die erft im 9.!u. deren Nachbarn, die Mafroner. 
III. Banb, 


erodotos eine ägyptiſche Eolonie waren; ferner die 
Phöniker (die unter Griechen lebenden unterliegen 
die B.), die Syrer in Paläftina, die Kappadoler 
In Afrifa ift 
19 


290 


außer bei den äthiopiſchen n. abeifiniichen Bölfer- 


Bejchneidungsfeft — Bejchreien, 


hen fann, ftreng genommen, die Nede fein — 


Schatten die ®, auch ımter den Megerftänmmen im kommt es vor Allem darauf an, daß der Gegen- 


Innern, in Kongo, Guinea u. bei den Kaffern 


gebräuchlich. Gelbft auf einigen Inſeln von Poly- 


nefien, wie auf Otaheiti u. den Fidſchi-⸗Inſeln, auch 
in SAmerifa, wie bei den Galtnas- Indianern, 


hat man diefen Gebraud angetroffen. Cine eigen- 


thümfiche Sitte in Ägypten, Athiopien u. den 
benadbarten Yäudern ift die fogenannte B. der 


Weiber, wobei man den dien, weichen, aus der 
Schaam beraushängenden, die Begattung bindern- 
den Auswuchs abichneidet. 
Mädchen von T—8 Jahren, zur Zeit, wenn der 
Nu fteigt, von umberziehenden Weibern, mit 
Meffern, worauf die Wunde mit Afche beftreut 
wird. Nichtbefchnittene Weiber gelten für unvein, 
u. Gefäße, woraus fie gegeffen haben, werden 
zerſchlagen. Dieſe Operation wird aber von fei- 
nem Sachlundigen zu der B. gerechnet, fondern 
unter dem Namen der B. aud bei Mädchen nur 
die Entfernung der Borhaut, u. zwar von der 
Klitoris, verftanden. 2) (Chir.) Operation der 
Phimosis, d. h. einer entweder angeborenen, oder 
durch entzündliche Schwellung oder Narbenbildung 
bedingten Berenaerung der Vorhaut des männ— 
lichen Gtiedes, Die Operation war fhon in den 
ältejten Zeiten befannt u. wird gegenwärtig noch 
bei vielen Völfern als religiöfer Act vorgenommen, 
Man wutericheidet hauptſächlich 3 Methoden der 
B.: die Circumciſion, wobei der vordere, verengte 
Theil der Vorhaut ringsum abgeichnitten u., 
wenn nötbig, das innere Blatt gejpalten (bei der 
B. der Juden zerriffen) wird; die Inciſion bei» 
der Blätter der Vorhaut, wobei diefe mit Meſſer 
oder Scheere der Fänge nad gejpalten wird, u. 
die Inciſion oder Spaltung bloß des inneren 
Blattes derjelben; je nad Umftänden ift die eine 
odere andere dieſer Methoden anzumenden, 

Bejchneidungsfeit (Feſt der Beichneidung 
des Herrn, Festum oder Dies eireumeisionis 
Domini), der 1. Januar, als Tag der Beſchneid— 
ung Ehrifti, nah Ein. feit dem 5., gewiß jeit 
dem 8. Jahrh., aber nicht allgemein gefeiert; ge 
trennt vom Neujahrsfefte feiern es die griechischen 
Ehriften in der Türkei, da fie ihr Neujahr mit 
dem September anfangen. 

Beidyort, Fried. Jonas, Schaufpieler, geb. 
1767 in Hanau; betrat 1786 als Sänger die Bühne 
in Worms, war 1792—1796 in Hamburg enga- 
girt u. vollzog bier jeinen Übertritt zum vecitiren- 
den Drama. 1796 für Berlin gewonnen, errang 
er fich den größten Beifall des Bublicums; er ft. 
im hoben Alter 1846, nachdem er 10 Jahre vor- 
ber, am 12. Dct., fein 50jähriges Künftlerjubiläum 
gefeiert hatte. Die fchaufpieleriihe Bildung, die 
B. duch Schröder, die Einwirkung, die er jpäter 
durch Iffland erfahren hat, bejtimmten feine Dar- 
jtellungsweife, die immer einfach u. würdevoll u. 
von realiftiicher Treue war. In der Oper zählten 
Don Juan u. Oreſt, im Schaufpiel: Pofa, Ham- 
let, auch Polonius, Riccaut de Marlinidre, Percy 
u. v. a, zu feinen Glanzpartien. 

Beichreibung it ſprachliche Kenntlichmachung 
eines materiellen Gegenftandes vder eines Be 
griffes durch Angabe ſeiner Merkmale. In der 
projaifhen Beſchreibung — u. nur von ejuter ſol— 

“ 






Dies geihieht an 







ftand richtig u. Har, in bejtimmter u. ſcharfer 
Unterfdeidung von anderen u. in volljtändiger 
Aufzählung jeiner mejentlihen Momente bevor» 
trete. So in lehrhaften, geographiiden u. Natur— 
befchreibungen, in mathematiihen u. logiichen 
Beichreibungen u. ſ. w. Die Bollſtändigkeit darf 
der Lilberfichtlichkeit nicht im Wege fteben; die ein- 
zelnen Dierfmale ver B. find in der Art zu wäh— 
lien u. aneinanderzureiben, daß dem Yejer oder 
Zuhörer die einheitliche Anſchauung derjelben mög- 
lichſt erleichtert werde. Dieje Forderung gründet 
fid) auf die Pflicht, den Vortrag unferer Gedan— 
fen, habe er nun einen willenichaftlichen, oder 
einen praftiihen Zwed, der Allgemeinverſtändlich— 
lichleit möglichit anzunähern, u. auf das äſthetiſche 
Bedürfniß, dem wir, joweit es die Natur der 
Sache verftattet, auf allen Gebieten Rechnung tra« 
gen ſollen. Natnranfichten, menschliche Gertalten 
u. Gruppen u. dgl. fünnen in der B., die biermit 
zur Darjtellung wird, eine folde Yebeudigfeit, 
Wärme u. Fülle empfangen, auf Gemüth u. Phau— 
tafie eine jo tiefe u. mächtige Wirkung äußern, daß 
fie der Dichtung nahe foınmen (jo bei Alerander 
von Humboldt). Solche Darftellungen bejhräufen 
fih nicht darauf, uns zu unterrichten, uns Die 
Merkmale ihrer Objecte kenntlich zu machen, dieje 
unjerem Berftande zu verdeutlichen, unferer wiſſen— 
ſchaftlichen Anſchauung zu vergegenwärtigen: fie 
entrollen uns Bilder, Die, wenn auch mit unzählie 
gen Beftandtheilen einer ebenfo ſcharfen wie groß» 
artigen u. weitumfafjenden Beobachtung gejättigt, 
unfer inneres Yeben auf unberedenbare Weiſe 
durchdringen, anregen u. nähren. Diefe Art von 
B-en oder Darftellungen hat nur noch einen, aber 
freilich großen Schritt zur Poeſie, zu der Hunt, Die 
fih den Gejegen der Wahrheit u. Wahrjcheinlichkeit, 
nicht der individnellen Wichtigkeit zu unterwerfen 
hat, deren Gejtaltungen zwar an das Vorbild des 
wirklichen Yebens im Allgemeinen, aber nit an 
die einzelnen Erſcheinungen vdefjelben gebunden 
find u. gebunden fein dürfen. Daß die Poefte nir- 
gends, oder nur in untergeordneten Diomenten be- 
ſchreibend auftreten fol, darüber ift unter den 
Kennern beutzutage fein Zweifel mehr. Die in 
Leſſings Yaofoon hierüber aufgejtellten Grundfäge 
beleuchtet Hettner in feiner Geichichte der deutjchen 
Yiteratur im 18. Jahrh., 2, 557 fi. 

Beſchreien (berufen; gr. Baskania, lat. 
Fascinatio), Aberglaube, darin bejtehend, daß 
einem lebenden Weſen, bej. einem Heinen Kinde, 
durch übermäßiges Yob, 3. B. wegen einer benei— 
denswerthen Eigenſchaft, od. auch nur Lob ſchlecht— 
hin, ſelbſt ohne Willen u. Wiſſen Schaden zuge— 
fügt, bezw, dieſe Eigenſchaft, in das Gegentheil 
verkehrt werden könne. Schon die Griechen fürch— 
teten ſolch übermäßiges Lob und ſuchten die 
böſe Folge durch dreimaliges Ausipuden, durch 
Auruſung der Adraſtea, oder Berfügung des 
Wortes Abaskantös, die Römer durch Praetiscine 
zu entlräften; noch jegt jagt man: Gott behüte 
es! zur guten Stunde ſei es gejagt! Bgl. Böſer 
Blick. Die Wurzel diefes Aberglaubens iſt ohne 
Zweifel der belannte „Neid der Götter”, der wie: 
derum nichts anderes ift, ald eine Trausforma— 


Beſchreitung des Ehebettes — Beſeler. 


tion des menſchlichen Neides. Im mittelalter— 
lichen Criminalproceß ſpielte das B. eine bedeu— 
tende Rolle; ein Hauptunterſchied des Verfahrens 
beruhte nämlich darauf, ob eine verbrecheriſche 
That beſchrieen oder nicht beſchrieen war: eine 
beſchrieene oder berufte That aber war diejenige, 
bei welcher der Verbrecher ſogleich mit Geſchrei 
(Gerufte) u. Zuſammenlauf von Leuten Echrei— 
leuten) verfolgt wurde; ſie war ein Delict, bei 
welchem wenigſtens das Factum notoriſch geworden. 

Beſchreitung des Ehebettes, ſymboliſche 
Handlung der Ehe im Mittelalter bei den Deutſchen, 
um die reelle Bollziehung anzudenten,. Ste geichab, 
indem Braut u. Bräutigam nad der priefterlichen 
Einfeguung angezogen zufammen in das Ehebett 
gelegt u. die Dede über ihnen zuiammengezogen 
wurde, u. war ehedem, weil die Ebe dan erft 
als vollzogen betrachtet wurde, vüdfichtlid der 
Rechte der beiden Ebegatten wichtig. Daber die 
Sprichwörter: Iſt das Bett beichritten, fo ift das 
Hecht erftritten, oder: Wenn die Dede über den 
Kopf ift, fo find die Eheleute gleich reih. Die 
B. d. E. beiBrocurationstrauungen, ſ. u. Trauung. 

Beſchtau, Gipielgruppe des Kaulaſus in deſſen 
nördlicher Abdahung, aus fünf fteilen lUrtalt 
Gipfeln beftehend (daher ruffiich Pjätigora, Flinf- 
berge), deren höchfter Iſchgwa 1490 m; ohne 
Hol; Schmwefelquellen. 

Beſchwerde, lat. Gravamen, Rechtsw.), die 
über eine obrigfeitlihe Anordunng, Berfügung 
oder Entiheidung von dem davon Betroffenen 
(Beamten oder Privatmann) oder über das (dienft- 
Ihe oder außerdienftlihe) Berhalten eines Be— 
amten geführte Klage. Betreffen die B + puntte 
eine im einem Proceß ertbeilte Rechtsenticheidung, 
oder das procefjualiihe Verfahren, jo find fie in 
der Regel durch die gewöhnlichen Rechtsmittel 
di. u. Appellation) mit Einhaltung der dafür 
dorgejchriebenen Formen u. Friſten zu verfolgen; 
für außerordentlihe Fälle ıft die Nidhtigleits- 
beſchwerde, Querela nullitatis, ſ. d.) gegeben, 
wenn die Rechtsentſcheidung fi nicht bloß als 
eine dem Geſetze nach unrichtige, jondern zugleich 
an jolden Mängeln leidende erweift, daß die 
Geſetze das Zuftandefommen eines Rechtsſpruches 
ſolchenfalls ganz ausſchließen, jowie die B. wegen 
verweigerter oder verzögerter Juſtiz (Querela 
protractae vel denegatae justitiae), welche als— 
dann ftattfindet, wenn einer Partei von einem 
Gerichte das rechtliche Gehör entweder gänzlid) 
verjagt, oder die Adminijtration der Juftiz doch 
ungebührend verzögert worden ift. Betrifft die 
B. abminiftrative Anordnungen, jo find bejon- 
dere Formen und Friften nur ausnahmsweife 
vorgeichrieben, u. der B⸗führer hat fi, nur mit 
Einhaltung des geieglihen Inſtanzenzuges, an 
die vorgejeten Böheren Behörden um Abhilfe 
zu wenden. Wo eine conftitutionelle Verfaſſung 
beiteht, kann unter der Vorausſetzung, daß die B. 
auch von den höchſten Staatsbehörden als unbe» 
gründet verworfen worden ift, zulegt auch die 
Verwendung der Bollsvertretung angerufen werden. 
Der letzteren ift außerdem nad allen deutjchen 
Berfaffungsurfunden das Recht eingeräumt, Bren 
über Mängel u. Mifbräude in der Verwaltung 


291 


auch felbjtändig der Megierung vorzutragen, 
Sollte aber die B. den Fall einer Juſtizver— 
weigerung betreffen, jo begründet dagegen die 
deutihe Reichsverfaſſung (Art. 77) für ſolche Fälle 
die Competenz des Bundesrathes, wenn auf ge 
ſetzlichem Wege ausreichende Hilfe nicht erlangt 
werden kann. Grotefend.* 

Im Soldatenftande find beftimmte Vorſchriften 
über die Art der Anbringung von Bn gegen 
Borgefetste erforderlich, damit durch die B-führung 
die Disciplin nicht leidet. Im Allgemeinen wird 
die B. beim nächſten Vorgeſetzten Defien ange— 
bracht, über den man ſich beſchweren will. Un— 
begründete Ben werben ſtreng beſtraft, ebenſo 
aber auch die Unterdrückung einer B. ſeitens des 
Vorgeſetzten, bei dem ſie angebracht wurde. In 
Deutſchland geht bei Offizieren der B. ein Ver— 
mittelungsverſuch voran. (Bgl. Vorſchriften über 
den Dienftweg u. die Behandlung von Ben der 
Militär-Perſonen des Heeres u. der Marine, fo» 
wie der Givil-Beamten der Militär- u. Marine» 
Verwaltung vom 6. Juni 1873). 

Beſchwören, 1) mit einem Schwur befräfti- 
gen (j. Eid); 2) durch Anrufung eines beilig 
oder mächtig geachteten Weſens Einen zu Etwas 
verpflichten oder zu bewegen fuchen; 8) zu aber« 
gläubifhen Zwecken verjchiedene Dinge, im Orient 
3. B. namentlih Schlangen, auch Todte, Geifter 
xc,, anrufen u. durch allerlei Gaufeleien u. jonder« 
bare Wörter, Räucherwerf, Ringe u. dgl. zu Et— 
was zu bewegen ſuchen (j. Exorcismus, Geifter 
beſchwörung, Kabbala, Magie, Netromantie). 

Beſehblech (Beicher), halbrundes Blech mit 
einer Öffnung; dient beim Schriftgießen zum 
Vergleihen eines gegofienen mit einem Probes 
buchſtaben auf dem Bejehflögchen ; f. u. Schriftgießen. 

Bejeler, 1) Wilhelm Hartwig, jchleswig« 
holfteinifcher Politifer, geb. 3. März 1806 auf 
Marienbaujen in Jever; fiedelte früh mit feinen 
Eltern nah Schleswig über, ſtudirte 1823—27 
in Kiel u. Heidelberg die Rechte, wurde Advocat 
in Schleswig, gehörte bier zu den Patrioten und 
Opponenten der Regierung in den Danifirungs- 
verjuchen u. wurde 1844 in die jchlesmwigiiche 
Ständeverfammlung gewählt, wo er bei, für die 
Vereinigung des deutichen Theils von Schleswig 
mit Deutfchland wirkte. Nach der Hevolution zu 
Kopenhagen im März 1848, melde die Einver- 
leibung Scleswigs forderte, übernahm B. am 
24. März d. J. mit dem Prinzen Friedrich von 
Anguftenburg-Noer u. dem Grafen Reventlow— 
Preeg die proviforishe Regierung der Herzog: 
tbümer u. wurde dann Mitglied der nah Beſchluß 
der Fandesverfammlung vom 20. März 1849 ein- 
geſetzten Statthalterſchaft; zugleih war er Mitglied 
u. eine Zeit lang Bicepräfident des Deutfhen 
Parlaments in Frankfurt, wo er fi zur Gothai- 
chen Partei hielt. 1851 bei der Theilnahme Oſter— 
veihs u. Preußens an der Entwidelung der An- 
gelegenheiten der Herzogthümer trat B. aus der 
Regierung u. 309 ſich nah Braunſchweig zurüd 
Durch Erlaß der dänischen Regierung vom 10. Ma: 
1851 wurde er von der Amneſtie ausgeſchloſſen, 
1861 aber zum Curator ber Univerfität Boni: 
ernannt, Er jchr.: Der Proceß Gerpinus, 1855; 


u, Rechtspflege, ſowie über einzelne Staatsdiener! Zur Schleswig - Holfteinishen Sade, Braunſchw. 


19* 


292 


1856, u. überfegte Macaulays Geſchichte Englands, 
2) Karl Georg Chriſtian, Juriſt, Bruder des 
Vor., geb. 2. Nov. i809 zu Rödemiß in Schles- 
wig; findirte Seit 1827 die Rechte u. Philoſophie 
in Kiel u. Münden, lebte feit 1833 in Göttingen, 
habititirte fi) 1835 in Heidelberg, wurde aber in 
tiriem Jahre Profeſſor der Rechte in Bafel, 1837 
in Koftod u. 1842 in Greifswald. 1848 in das 
Deutihe Parlament gewählt, gehörte er dem 
Rechten Ceutrum an u. ſprach bei, für das Erb- 
favierthum; er trat im Mai 1849 mit feiner 
Partei aus u. wurde in diefem Jahre Mitglied 
der preuß. 2. Kammer, wo er anf der Linken jaß; 
1859 wurde er Profeffor in Berlin; 1861—63 
Mitglied des Preuß. Abgeordnetenhaufes u. 1874 
des Deutichen Reihstages. Zeit diefem Jahre ift 


er auch Bertreter der Univerſität Berlin im 
Herrenhauſe. Er ſchr.: Lehre von den Erbver- 


twägen, Gött. 1835—38, 3 Bde.; Vollsrecht u, 
Juriftenrecht, Lpz. 1843; Syſtem des Gemeinen 
Deutfhen Brivatrechtes, ebd. 184753, 3 Bde., 
3. U, 1873; Commentar über die Strafgeiep- 
gebung für die preußiichen Staaten, ebd. 1861. 
Belen, befanntes Haus» und Stallgeräth; ver— 
dient wegen feiner Bedeutung im Zanberweien Er- 
wähnung, einer Bedentung, die in germaniich- 
heidnifchen Anjchauungen beruht u. ohne Zweifel 
mit den Wolfen, dem Sturme u. dem Blite, alio 
mit Donar, deffen Priefterinmen bejenartige Em— 
bleme geführt zu haben jcheinen, in Beziehung 
fieht. Daher Austdrüde, wie Donnerbeien u. (bei 
den Seelenten der NWWind) Himmelsbejen. In 
Böhmen legt man dem B. ſchützende Kraft gegen 
den Blig bei, u. in Oldenburg glaubt man, mit 
einem vorher ins Waſſer geworfenen B. Wind 
hervorrufen zu können. Ganz allgemein ift der 
B. das Wahrzeihen der Heren, die daranf zum 
Blodsberg :c, reiten, aber auch gebannt werden 
fönnen, wenn man einen B. umgekehrt, oder 
deren zwei freuzweife vor die Thür 2c. ftellt, In 
dem Goetheſchen Gedichte: Der Zauberlehrling, 
ericheint der B. als Kobold, Schroot. 
Beſenginſter, Bejentraut, ſo v. mw. Saro- 
thamnus. 
Befenpalme, 1) jo v. w. Chamaerops Hystrix 
Fraser. 2) So v. w. Thrinax argentea Lodd. 
Befenval, urjprünglihd Beſenwald, Peter 
Joſeph Bictor, Baron de B,, franz. General, 
geb, 1723 zu Solothurn; zeichnete fih im franzö— 
ſiſchen Heere in dem Feldzuge von 1735 u. wäh— 
rend des Oſterreichiſchen Exrbfolgelriegs in Deutſch— 
land u. den Niederlanden aus, ward 1762 General: 
lieutenant u. Generalinipector der Schweizer, be- 
febligte 1789 die von Ludwig XVI. bei Paris 
verfammelten Truppen u, forderte Yaunay auf, 
die Baftille zu vertheidigen, ohne ihm alsdann 
zu Hilfe zu foınmen. Er flüchtete hierauf nad 
der Schweiz, ward unterwegs verhaftet, nach Baris 
zuridgeichafft u.entging dem Tode nur durch Neders 
Verwendung; er ft. zu Paris 1791, Memoiren, 
berausgegen von Segur, Par. 1805—7, 4 Bde. 
Bejejiene (Dämoniſche, Daemoniaci). Von den 
Perjern ber feit dem Babyloniſchen Eril enıpfing 
das Judenthum den Glauben an das Eingehen 
von Dämonen in die Menichen, um in denielben 
zu wohnen, fie im Beſitze zu haben. Die perfiichen 


Bejen — Belichtigung. 


Dew u. Druja, melde den Abriman umtgebeı, 
wie den Ormuzd die guten Geifter, finden ſich 
unzweifelhaft wieder im Buche Baruch u. Tobia, 
in welch legterem Asmodi nichts anderes ift, als 
der mäcdhtigfte der Druja, Anfhma. Zu Jeſu 
Zeit war es allgemeiner Bollsglaube geworden, 
daß die böfen Geifter Beſitz von Menden neh— 
men u. Taubſtummheit, Berfrümmungen, Zudune« 
gen u, dgl. veranlafien. Die Beihmwörung der böfen 
Beifter ward nah dem N. T., Philo u. Joſephus 
damals allgemein geübt u. diefe Kunft auf David 
u. Salomon zurüdgeführt. Auch Jeſus u. die 
Apoftel theilten offenbar den Bolfsglauben. Erft 
die neuere Zeit, Belfer, Thomafius, Semler (De 
daemoniaecis, 1779), Farmer (Berfuh über die 
däm. Yeute, 1776, aus dem Engl.), überhaupt 
die neuere Wiffenichaft lehrt in diejen Erjchein- 
ungen daſſelbe erfennen, wie im den heutigen 
Geiſteskrankheiten, oder in Epilepfie, Beitstanz, 
Diondfudt u. dgl. Ein Neft von Thatſächlichleit 
in Jeſu Heilung Br wird aud von der ftreng- 
ften neuteftamentlihen Kritik anerlannt, die aus 
dem Gindrude der ungewöhnlichen Perjönlichkeit 
Jeſu erklärt wird, fo ſelbſt von Strauß (menig- 
jtens in feinen früheren Schriften), Keim, Weit- 
fäder. Es gehört zu den Kennzeichen unſeres 
Jahrhunderts, daß felbft im dieſem noch gar 
Mauche, wie Juftinus Kerner, aud Theologen, 
wie Olshauſen, Ebrard, Steinmeyer, Preffenfe, 
den alten Bollsglauben wieder zu rehabilitiren 
gefucht haben. Val. auch Deligih, Bibl. Pſycho⸗ 
logie, 2. Aufl., Lpz. 1861. 

Bejeftan (tück.), öffentliher Markt, fo v. w. 
Bazar; f. u. Eonftantinopel. 

—— Hügelu. Stabttheil von Jeruſalem (ſ. d.) 

Beſetzung der Stimmen bei Ausführung von 
vielſtimmigen Muſikſtücken nennt man die Aus— 
wahl u. Feſtſetzung des Zahlenverhältniſſes unter 
denjenigen Perſonen, welche die einzelnen Stim— 
men vortragen follen. Die Stärke der B. richtet 
fih nad dem Charakter des Mufifftüdes, fo daR 
Schlachtſymphonien mehr Inſtrumente erhalten, 
als Schäferjpiele, u. nad dem Orte, wo ein Stüd 
vorgetragen wird, jo daß die B. in der Kirche 
ftark, in einem Zimmer ſchwach jein muß. Das 
Verhältniß der Fnftrumente gegen einander muß 
ebenfall$ gut abgewogen werben, jo daß feine 
Stimme zum Nactheil der anderen vorherrſcht. 
Herkömmliche Verhältniſſe find 3. B. zu 6 erften 
Biolinen 4—5 zweite, 2—3 Bratichen, 2 Violon⸗ 
cellos, 1—2 Contraviolons; Blasinftrumente pfler 
gen einfach u. nur bei ftarfem Orcheſter doppelt 
bejegt zu werden. Den talentvolleren u. geſchich⸗ 
teren Mufifern werden die Solopartien übertra— 
gen, indeß dürfen nicht alle befjern in die erſteren 
Stimmen concentrirt werden, indem die anderen 
Stimmen dadurch verlieren u. die Einheit des 
Ganzen leidet. 

Befichtigung, 1) (Inipection) als Ertenn- 
ungsmittel in Krankheiten neuerdings verbefjert 
u. auf eine größere Anzahl von Erſcheinungen 
(3. B. Herzihlag, Athemswegung zc.) — 
liefert nächſt der Palpation, Percuſſion u. Aufcul- 
tation manche für die Erkenntniß (Diagnoſtil) der 
Krankheiten erhebliche Wahrnehmungen. Be— 
waffnete Inſpection, ſolche mit Zuhilfenahme 


Befigheim 


von Inſtrumenten, befonders optifchen (Poupen, 
Spiegel ꝛc.); gewöhnlihe B. heißt im Gegenſatze 
dazu: Ocularinipection. 2) (Fat. Ocularis In- 
spectio, Criminalrecht) Die gerichtliche, vor be- 
jegter Gerichtsbanf oder einem Delegirten des 
Gerichtes (z.B. Unterfuhungsrichter u. Staatsan- 
malt), wenn erforderlich, unter Zuziehung Sad 
verftändiger 
welche der Richter mit feinen eigenen Sinnen 
(niht bloß Augen, daher Augenjchein) Gegen- 
fände der finnlihen Wahrnehmung, auf die es 
bei der Beurtheilung eines Nechtsfalles ankommt, 
prüft. Die B. fann ſich eben ſowol im Eriminal- 
proceß, als in einem Civilproceß nothwendig 
machen. m letterem fommt die B. bef. vor bei 
Grenzirrungen, Bauftreitigleiten, Befchädigungen 
fremden Eigenthums, Tarationen zc. Im Erimiral- 
proceß werden dadurch erörtert Verlegungen an 
Perſonen u. Sachen, verbrecheriſche Erzeugnifie, 
die Beichaffenheit des Ortes, wo, der Inſtrumente, 
womit, der Perjonen, von melden die That ge- 
ſchah. Außer den Sachverſtändigen wird öfter 
der Angeichuldigte u. der Berletste, wenn e8 auch 
nicht die B. ihrer Perfonen gilt, zugezogen, um 
von ihnen Aufklärung zu erhalten, u. e8 muß ein 
genaues Protofoll über die Handlung geführt 
werden. Am wichtigften find die Ben unter Zu- 
ziehung von Arzten, namentlich an todten Körpern 
J. Obduction u. Section)... Die zum BProtofoll 
gegebenen Bemerkungen bei der B. werden von 
den Arzten gewöhnlich in einem ſchriftlichen Auf- 
fate näher erörtert; daber Fundſchein (Visum 
repertum), ein mwiffenfchaftlich ausgearbeitetes Gut- 
achten der verpflichteten Arzte (gewöhnlich eines 
Arztes [Gerichtsarztes, — u. eines Chir— 
urgen [Serichtschirurg], bei einer gerichtlichen B., 
namentlich einer Section, über die Todesurjache 
u. fiber andere hierauf bezügliche Fragen, 3. B. 
auch über körperliche Beichaftenbeit eines lebenden 
Menſchen oder Thieres. Bei unbedentenden Bor- 
fällen gefchiebt die B. u. Ausfüllung eines Fund— 
jcheines ohne Concurrenz desRichters. 3) (Krgsw.) 
In der deutjhen Armee, jo v. mw. Prüfung 
der Truppen auf ihre Ausbildung m. Kriegs» 
tüchtigleit. 

Beſigheim, Stadt im gleichnam. Oberamte 
des mwürttemb. Neckarkreiſes, am Neckar und au 
der Enz u. an der Eiſenbahn Stuttgart-Heilbronn; 
Amtsſitz; Weinbau (am Schallſtein); Bandfabrif; 
römifche Alterthümer; 2310 Ew. B. wird 1077 
zuerft genannt u. gehörte 1153—1595 zu Baden. 

efing, 1) rothe, in der Mark Brandenburg 
für Erdbeere; 2) ſchwarze, ebenda, befonders 
in Berlin fürHeidelbeere (Vaceinium Myrtillus Z.). 

Beſitz (Possessio, Rechtsw.), die factifche Herr- 
ichaft einer Perfon über einen Gegenftand in der 
Weiſe, daß diefelbe beliebig m. mit Ausſchluß Ans 
derer auf denjelben einwirken fann. Der B. er- 
ſcheint zunächſt als eim reines Factum, welches 
eine rechtliche Bedeutung nicht in ſich trägt, ſon— 
dern ſeinen rechtlichen Charalter erſt von einem 
anderen Rechte (Beſitztitel, justa causa possessionis) 
zu entlehnen hat. Er wird indeſſen auch für ſich 
zu einem Rechtsverhältniß kraft des Rechtes der 
Berfönfichkeit des Befigenden, welches ſchon der 


— Belip. 293 


Weiſe zur Theil werden läßt, daß der Beſitzende 
nur der auf rechtlihem Wege nachgewieſenen u. 
entjchiedenen rechtlichen Macht iiber die Sache zu 
weichen, bis dabin aber Anipruch bat, in der fac» 
tiſchen Innehabung geſchützt u. erhalten zu wer⸗ 
den. Um dieſen letzteren Schutz beanſpruchen zu 
fönnen, muß jedoch die Beſitzfähigkeit vorhanden 


vorzunehmende Handlung, durdh|iein, d. 5. zu dem körperlichen Verhältniß (Corpus) 


auch noch ein entiprechender Wille des Beſitzenden, 
die Sache total für fich zu haben (Animus rem 
sibi habendi) hinzutreten, weshalb auch nur ein 
folder B. juriftiiher B., dagegen ein folder, 
beiwelchem der Befitende in fremdem Namen aus— 
übt, natürliher B., Detention (Rem corpora- 
liter tenere) genannt wird, Stützt fich dabei der 
Animus —— anf einen ſolchen Titel, wel⸗ 
her im Stande ift, ein Recht auf den B. zu ge- 
währen, jo ift der B. ein rehtmäßiger (P. 
Justa), im Gegenjage des unrehtmäßigen (P. 
injusta), bei welchem es an einem ſolchen Titel 
fehlt, wie dies insbeſondere der Fall ift, wenn 
Jemand den B. nur durch Gemwalt, heimlich, oder 
bittweife (vi, elam, precario) erlangt hat. Ujucar 
pionsbejit ift der B. welcher geeigenſchaftet if, 
nach Ablauf der erforderlichen Erfitungszeit den ® 
Beſitzer auch zum Eigenthümerder Sache zu machen, 
u. wird hierzu außer den Bedingungen eines juri— 
ftiihen B⸗es noch erfordert, daß der Beſitzer die be» 
feffene Sadye in dem guten Glauben, daß fie ihm 
eigenthümlich gehöre, erworben habe u. die Sarhe 
felbft auch der Erfigung überhaupt fähig ſei. Ab 
geleiteten B. hat man endlich demjenigen ge 
nannt, bei welchem dem Befiger, ohne daß derſelbe 
den Animus domini bat, doch ausnahmsweiſe die 
Rechte eines juriftiichen Befies übertragen worden 
find, was nach Gemeinem Rechte in zwei Fällen, 
bei dem B. des Sequefters n. Pfandgläubigers, 
ftattfindet. Der Erwerb des B-es (zu unter 
fcheiden von dem des Eigenthumsrechtes) ift an 
zwei Bedingungen gefnüpft: Die 1. ift die Appre« 
benfion der Sache, d. h. eine fürperliche Handlung 
(nicht notwendig Berührung), mwodurd der Er— 
werbende ſich in ein folches Berbältniß zur Sache 
verießt, da daraus das Bemuftiein der phnftichen 
Herrſchaft entipringt, als durch Occupation, 
d. i. durch einfeitige Thätigfeit, durch Tradition, 
d. i. durch Übergabe von Seiten des bisherigen 
Beſitzers; die 2. Bedingung ift der Wille (Animus), 
die Sache für fih zu haben, u. gilt demnach der 
B. als erworben, fobald die beiden Elemente des— 
jelben, die körperliche Junebabung der Sache ır. 
der Wille, zu befigen, zufammentrefien. Weil aber 
beide Momente gleih nothwendig find, jo fann 
ein B. von unkörperlichen Sachen, ſowie einzelner 
Theile förperlicher Sachen, die keine jelbjtändige 
Gewalt über fih ohne B. des Ganzen zulaffen, 
ebenfo wenig gedacht werden, als ein B. bei jol- 
hen Perfonen möglich ift, welche eines wirklichen 
Willens od. wenigitens des natürlichen B-willens, 
der auf Haben» u. Behalten der Sache gerichtet 
ift, nicht fähig find, wie bei Wahnfinnigen, Kins 
dern u. Zuriftiichen Perſonen. Für ſolche Verſonen 
iſt daher ein B-erwerb nur durch Repräſentanten 
möglich. Unthunlich ift ferner ſchon nach dem Be— 
griffedes Bes, daß mehrere diejelbe ganze Sache 


factiichen Gewalt eine rechtlihe Garantie in der;befigen fönnen, weil damit die factiiche ausſchließ— 


294 


fihe Herrſchaft eines Befigers über die Sache ſich vermöge welcher ihr die phyfiihe Einwirkung auf 
nicht vereinigen lajjen würde, Dagegen ift es wohl dieſelbe vor allen anderen möglih it. Die ein» 
denfbar, daß mehrere nad ideellen Theilen einen ſeitige B. ohne Mitwirkung eines bisherigen Be— 
Mit-B. an einer Sache ausüben (Compossessio), |figers heißt Occupation; geſchieht die B. mit 
mwobei nur vorausgeſetzt wird, daß für jeden der Willen des bisherigen Befiters, der zu diefem 
Mirbefiger eim beſtimmter aliquoter Theil durch Zwecke feinen Beſitz aufgibt, Tradition. Eine 
irgend eine Thatſache gegeben ift u. von dem|iymbolische B,, wie man fte früher oft annahm, gibt 


Beligergreifung — Bejoldung. 


Mitbefiger ſelbſt gelannt ift. Verloren geht der B. 
‚vel corpore vel animo, d. b. entweder durch die 
eingetretene Unmöglichleit, fi ferner beliebig in 
den Zuftand factiiher Gewalt über die Sache zu 
verjegen, oder dadurch, daß der Befitende den 
Willen, zu befigen, aufgibt. Den Schu des B-e3 
vermitteln nad Römiſchem Rechte die poſſeſſori— 
fhen Interdicte. Dieſelben bezweden theils die 
Aufredhterbaltung eines beftchenden Bees (Inter- 
dieta retinendae possessionis); theils die Wieder- 
erlangung eines unrechtmäßiger Weife verlorenen 
B-es (Interdieta recuperandae possessionis). 
Eine Erweiterung über den eigentlichen Begriff 
des Bes hinaus ift die Quasi-possessio (Quaſi— 
B.), indem aud auf die Ausübung einzelner un: 
förperlichen Rechte, wie der Servituten, der Real- 
laften, der Superficies, die Grundfäte des B— 
rechtes übertragen worden find. Dagegen gibt es 
einen B. bei reinen Obligationsverhältniſſen 
nicht. Auf ganz bejonderen Grumdjägen beruht 
die Vehre vom unvordenklichen B-e (P. imme- 
morialis), welder in Bezug auf ein Rechtsver— 
hältniß alsdann angenommen wird, wenn daffelbe 
jeit Dienfchengedenfen jo wie gegemwärtig bejtanden 
hat u. auch Niemand ſich erinnern kann, daß es 
je auders beftanden habe. Das Rechtsverhältniß 
wird alsdann ſchon deshalb, weil e8 fo lange aus— 
geübt worden ift, daß der Anfang diejer Ausübung 
über Menfchengedenfen hinaus liegt, als recht- 
mäßig erworben betrachtet, indem von dem Ges 
danken ausgegangen wird, daß eine jo lange Dauer 
der Ausübung die begründetite Vermuthung recht— 
mäßigen Erwerbes für fi haben muß n. alsdann 
der Nachweis eines befonderen Nechtstitel$ der 
Eutſtehung nicht wol gefordert werden kann. Die 
Theorie des Berechtes bat von jeher als eine der 
feinſten u. fchmwierigften Lehren auf dem Nechts- 
gebiete gegolten u. daher eine große Zahl von 
Bearbeitungen hervorgerufen, von denen die älte- 
ren meift dem Fehler unterlegen find, allgemein 
iltige Regeln aufzuftellen, dadurch aber den 

uellen Zwang angethan, od. fi) ganz davon 
entiernt haben, Epode hat in diefer Lehre das 
Wer v. Sapiguys: Das Recht des Befitses, 
Gießen 1803, 7.4, Wien 1865, herausgeg. von 
Audorff, gemacht, welches der Ausgangspuntt aller 
neueren Unterfuhungen über das Beſitzrecht ge- 


es wenigſtens nach Gemeinem Nechte nicht, obſchon 
das Deutiche Recht an die Bornahme mander 
iymbolishen Handlungen, wie 3. B. des Aus- 
hauens eines Spanes, des Anzündens von Feuer 
auf dem Herde zc., den Anfangspunft für den 
Ähnlichen Begriff der Gewere geknüpft hat. Bei 
dem Duafibefige umlörperliher Saden, 3. 8. 
Serbituten, erfolgt die B. durch die Ausübung 
des Rechtes od. B. der Sadye, in Beziehung auf 
welche das betreffende Hecht befteht. 

Befistitel (Titulus aequirendi), 1) der Grund 
der Erwerbung einer Sache; entgegengejeßt der 
Erwerbungsart (Modus acquirendi); 2) die dar- 
über ausgefertigte Urkunde, 

Besfiden, der wejtlihe Theil der Karpathen 
in Galizien, Mähren, Schlefien u. Ungarn; die 
35 ſind meiſt ſtark bewaldet u. ſteigen in der 
Babiagora auf 1720, ın der Liſſahora auf 1320 m 
au, Der Jablunka-Paß überjchreitet mit Kunft« 
itraße die B. in 622 m Höhe und führt aus 
Oſterr.Schleſien nach Ungarn. 

Beskow, Stadt, jo v. w. Beeskow. 

Beskow, Bernhard v., ſchwediſcher Schrift- 
fteller, geb. 19. April 1798 zu Stodholm; wuchs 
in Reichthum auf, den er edel verwandte, ftudirte 
in Upfala, wurde 1814 in der Königl. Kanzlei 
angeftellt, machte 1819—21 Reiſen durd Süd— 
Europa, erhielt 1824 den großen Preis der Schwe- 
diihen Alademie für fein Gedicht Sveriges anor 
u. wurde in demfelben Jabre Privatjecretär des 
Kronprinzen Oskar. 1826 geadelt, reifte er 1827 ff. 
wieder durch SEuropa, leitete 1830—32 die 
Königl. Bühne zu Stodholm, wurde Hofmarſchall, 
beftändiger Secretär, endlich Präfident der Schwe- 
diſchen Alademie. Er ft. 18. Oct. 1868, ein Gegen 
ftand allgemeiner Verehrung. B. gehörte als 
Dichter zur gothirhen Schule (j. Schwed. Lit.) u. 
nimmt unter den ſchwediſchen Dramatifern die erfte 
Stelle ein. Seine Tyagödien (gefammelt in Dra- 
matiska studier, Stodb. 1836f.): Torkel Knut- 
son; Erik XIV; Hildegard; Birger och hans, rett 
(Birger und fein Gejchlecht); Gustaf Adolf in 
Tyskland (Guftav Adolf in Deutſchland), wurden 
von Ohlenſchläger ins Dänifhe u. Deutiche über- 
ſetzt, Lpz. 1887—41. Bon feinen Abhandlungen 
werden bejonders geichätt die Minnesteckningar 
(Denkichriften 3. B. über Karl XII., Guſtav III., 


worden ift. Eine ausführlihe Darftellung der den Dichter Leopold), gedrudt in Beitfchriften, in 
Dogmengefcichte über den B., insbejondere die)den Handlingar (Acten) der Schwediichen Atademie 
Beſitzesllagen, hat Bruns, Das Net des Beſitzes oder als Vorwerle zu Ausgaben jhmwediiher Lite— 
im Mittelalter ı. in der Gegenwart, Tüb. 1848, /raturwerle. Zu bemerken find auch feine Van- 
geliefert. Jherings Jahrbücher VII. 1864. Bez. drings-Minnen (Heife-» Erinnerungen), 2 Bde., 
des älteren Deutſchen Rechts in diejer Beziehuug ſ. 1833 f., u. Lefnads-Minnen (Lebens-Erinnerun- 
Gewere. gen), Stodh. 1870. Als Stift wird B. fehr hoch 
Befitergreifung, die Handlung, mittels der geftellt. J. E. Lydgviſt hat über ihn eine Dent- 
man ‚fih in den körperlichen Beſitz einer Sache fchrift in den Handlingar der Akademie 1873 
jest. Der Act der ®. fett nicht ſowol ein ummit» geliefert. 
telbar förperliches Berühren, als vielmehr eine Befoldung, beftimmte Summe Geldes, welche 
ſolche Nähe einer Perfon bei einer Sache voraus, ein öffentliher Beamter oder überhaupt ein An- 


Bejoldungsiteuer 


— Beljarabien. 295 


eftellter für die zu feiftenden Dienfte erhält; audh| Parallele fteht, fei es aus der heiligen Geſchichte 
balt, Salair, bei den Schauipielern Gagegenaunt. od. Sage, ſei e8 aus dem Gebiete der kirchlichen 


Befoldungsitener ift die vom Gehalte ber 
öffentlichen und Privatbeamten erhobene jährliche 
Abgabe. Diefelbe wird in Bayern, Württemberg 
u. Baden unter dem Titel Ermerbfteuer, in 
Prengen n. Sadfen wie fonftiges Einfommen 
je nad der Höhe des Gehaltsbezuges als Klafien- 
fteuer oder claffificirte Einfommenfteuer, in Öfter- 
reich al3 reine Einfommenfteuer u. überall, zwar 
mit Freilaſſung der niedrigften Gehaltsftufen, je— 
doch progreifiv von 1—8 pEt, mit der fleigenden 
Gebaltshöhe eingehoben. 

Beſömmern, Benugung der Brache (I. d.) 
zum Anbau von Kartoffeln, Runkeln, Rüben, 
Mohn, Klee, Wid- oder Mengefutter u. |. w. 
Man nennt dann die Brade halbe oder bejüm- 
merte Brade. 

Bejonnenheit, 1) jeweilige Gemütbsftimm- 
ung, in der wir unſerer Borftellungen und Gefühle 
Herr find u. daher mit Überlegung zu Werfe 
geben können. 2) Habitueller Gemithszuftand od. 
Eharalterzug eines Menfchen, der fein Yeben im 
Ganzen zu überjehen u. feine einzelnen Hand« 
lungen nicht bloß nach den unmittelbaren Folgen, 
fondern im Berhältniß zu den allgemeinen Zielen 
jeines Lebens zu betrachten pflegt. 3) Sittlich 
(Söphrosyne) ift diefer Charafterzug, wenn er 
fi) unter der vormwaltenden Wegelung bes Ge- 
müthes durch die Geſetze des Guten entwidelt. Zu 
B. gehört gute natürliche Anlage, eine gewiſſe 
Eonjtitution, ein geeignetes Temperament umd 
befonders eine forgfältige Erziehung. Manche 
Menſchen bleiben ihr ganzes Yeben lang unbe» 
fonnen, Kinder des Augenblides, weil es mit einer 
oder der anderen jener Bedingungen nicht wohl 
fih verhält. Zu B. gebört ferner eine Yebens- 
weiſe nach den Megeln der Gejundheitspflege u. 
Sittenlehre u. das Freiſein von tyrannifirenden 
Gemwohnbeiten. 

Beipredhen, das unter beftimmten Zeichen u. 
Eeremonien erfolgende Herjagen gewiſſer Zauber- 
formeln, entweder um eine Gefahr abzumenden, 
oder ein phnfiiches Abel 2c. zu entiernen; jo zur 
Verhütung einer Feuersbrunſt oder zur Bewäl- 
tigung einer ausgebrocdhenen (Feuerſegen); gegen 
Diebftahl (Diebesbann); gegen Krankheit der Dien- 
fhen u. Thiere, wie Aufblähungen, Fieber, Zahn— 
fhmerz, Entzündungen, bei. die Roſe, Blutungen, 
Berrenkungen, Warzen, Flechten, Schlaflofigleit ıc., 
ferner gegen Schlangenbiß, gegen Schuß u. Hieb zc. 
Das Beiprehen, ein Beftandtheil des Zauber- 
weſens, icheint allen Zeiten und Böllern eigen 
geweſen zu fein u. ift aus der Gegenwart, ſelbſt 
in der civilifirten Welt, keineswegs verſchwunden. 
Die Beiprehungsformeln, auch Segen genannt, 
find meift Überlieferungen aus der heidniſchen 
Zorzeit, oder heidnifchen Gebräuchen nachgebildet 
u. mit chriftlichen Formeln, bei. die Dreieinigfeit 
betreffend (j. u.) verflochten. Nach Kuhn find manche 
bis ins indiihe Wlterthum zu verfolgen. Ge- 
mwöhnlich find fie gereimt (die altgermaniſchen allite- 
rirend) u. ihrer Form nad) entweder befehlend, wo 
der Dieb, die Krankheit zc. angeredet u. zu weichen 


aufgefordert wird, oder erzäblend, indem Etwas, |u. a. Völlerſtämme. 
was mit dem zu Beiprehenden im einer gewiſſen hörte e8 zur Moldau. 


oder natürlichen Wirklichkeit, ſei es aus der dich— 
tenden Bhantafie, hergejagt wird. Je fremdartiger 
die Formel Mingt, je dunkler ihr Sinn ift, um 
jo heil- u. wirtungsfräftiger ſoll fie fein. In der 
Regel ift die Formel dreimal herzufagen, am 
Ende das Baterunfer zu beten, das Zeichen des 
Kreuzes zu maden, auch wol auszuſpucken umd 
die Hände aufzulegen und das Ganze mit der 
Nennung der Dreieinigleit, od. mit Amen (od. beiden 
zugleih) zu beichließen. Der Beiprechende hat 
auch meiſt mancherlei zu beobachten oder zu ver« 
meiden, wenn der Segen nicht erfolglos gemacht 
werden ſoll, er darf 3. B. auf dem Wege zum 
Kranfen, oder wenn er das B, an fich jelbit voll» 
ziehen will, nad) dem Orte, wo es vor fi geben 
joll, nicht jprecben, Niemanden grüßen u dal. Auch 
wird der Segen nicht bloß ausgeſprochen, ſondern 
zuweilen aufgeichrieben u. als Amulet um den Hals, 
um den Leib, auf den Nabel gebunden, getragen, 
auch jogar verihludt. Formeln zum B. finder man 
u. a. geſammelt in J. Grimms Deuticher Mythologie 
(Unb.), 3. W. Wolfs Beiträgen zur Deutichen 
Mythologie (I. 255), A. Wuttfes Deutſchem Bolts- 
aberglauben der Gegenwart (5. 158 — 165 ber 
2. Bearb., Berl. 1869). Schroat.* 

Beflarabien, ruſſiſche Provinz zwiichen dem 
Schwarzen Dieere, dem Pruth, Jalpuch u. Dnjeſtr; 
grenzt im N. an Podolien, im DO. an Cherjon, 
m ©. u W. an die Moldau u. im NW. 
an die Bulowina u. Galizien; 36,286 [_]km 
(659 (IM): ein in Ertremen fih bemwegendes 
Klima; im Allgemeinen fruchtbar; im N. waldreich, 
gebirgig u. bügelig, im S. baumlofe Steppen u. 
Weideland (Budſchat); dünn bevölkert; 1,052,013 
Einw.: Numänen, Juden, Armenier, Ruſſen, 
Griechen, Zigeuner, auch einige deutiche Golonien, 
weiche größtentbeils Aderbau u. Viehzucht treiben, 
doch fteht die Yandwirtbichaft noch auf ſehr nied« 
riger Stufe; die Fuduftrie befindet fich noch in der 
Kindheit, fie betreibt befonders Gerberei u. Zeifens 
fiederei; Naturproducte: Gemüſe (Gurten, Kürbiſſe, 
Melonen xc.), Obit, Getreide (Hirfe, Gerite, Mais), 
Flachs, Hanf, Tabak, Färbekräuter, Mohn, Maul 
beerbäume, Wein, (namentlih am Dujeſtr-Liman 
in vorzüglicher Qualität); Wildpret, Bären, Luchſe, 
Wölfe, Rindvieh (gegen 4 Million), Büffel, Schafe 
(über eine Million, zur Hälfte feinmwollige), Pierde 
(etwa über 100,000), Schweine, viele Wafler- 
vögel u. File (Haufen, Sterlete); die Gebirge 
find reih an Salz, Steinlohlen, Salpeter und 
Marmor. Sit der Regierung u. des Civilgouver- 
neurs ift Kifchinem. Die Provinz zerfällt in 7 
Kreife: Chotin, Bjelzy, Kiſchinew, Bendery, Aljer- 
man, Orgiew u. Sorofi, 

Die älteften Bewohner Bs8 waren ſtythiſche 
Nomadenftämme,. Mit Erfolg behaupteten fie ſich 
gegen die Perſer unter Darius 513 vor Ghr., 
ebenfo wenig gelang es den Römern, dauernd feiten 
Fuß dort zu fajfen. Seit dem 3. Jahrh. wechjelten 
die Bewohner oft; den Gothen folgten feit dem 
5. Jahrh. Staven; feit dem 7. Jahrh. die Ugrer, 
Avaren, Bulgaren, Petihenegen, Uzen, Kumanen 
Seit dem 14. Jahrh. ge- 

Beim Einfalle der Türlen 


296 


nahmen die dort mohnenden Tataren den Islam 
an u. wurden von den Türken al$ dem moldaui« 
ſchen Hofpodar unterworfen betrachtet; ſ. Moldau, 
(Geih.). Ju den Kriegen, welche Rußland im 
18. Jahrh. gegen die Türken führte, wurde B. 
gewöhnlich von den Ruſſen genommen, aber ftet# 
wieder an die Türkei zurüdgeaeben. B. blieb 
unter türkiſcher Botmäßigkeit, bis zum Frieden 
von Bufareft (1812), infolge deſſen e8 an Ruß- 
land abgetreten wurde. Beim Frieden von Adria— 
nopel (1829) famen noch einige Annere an Ruß 
fand, wodurd die Donaumündungen der Türkei 
verloren gingen. Diefe Annere, ein Landftrich zwi» 
ſchen dem Pruth u. Jalpuch, u. der ſüdliche Theil 
bis zum Trajanswall, wurden von Rußland in- 
folge des Pariſer Friedens (1856) wieder abge- 
treten u. zur Moldau gejchlagen. 

Beflarion (eigentlich Baſilios od. Johannes), 
berühmter Gelehrter des Mittelalters, geb. 1395 
in Trapezunt; ſtudirte feit 1410 in Conftantinopel, 
trat 1423 in den Orden des St. Bafilios und 
nahm bier den Namen B. an. Er fette feine 
Studien in Morea bei Gemiftis Plethon fort u. 
ward bald als Homilet berühmt. Der griechische 
Kaifer Johannes VII. Baläologos ernannte ihn 
1437 zum Biſchof von Nicäa u. fchidte ihn 1438 
behufs Vereinigung der Griechiſchen Kirche mit 
ver Römischen zum Concil nach yerrara, u. durch 
jeine Nachgiebigfeit Fam die ſcheinbare Bereinig« 
ung auf dem in Florenz fortgejegten Concil 1439 
zu Ztande. Da fi der griechiſche Klerus dagegen 
erklärte, ging B. zur Lateinischen Kirche über 
(1440), wurde vom Papft Eugen IV. zum Gar» 
dinal ernannt, kehrte für kurze Bet nad Griechen« 
land zuriüd, wählte aber bald Rom zum beftän- 
digen Aufenthalte, wurde unter Nikolaus V. Bischof 
von Sabina u. war 1451—55 Legat von Bologna, 
worauf er zuMiffionen verwendet wurde. Er machte 
in Rom den Bermittler zwifchen beiden Kirchen 
u, fein Haus zum Sammelplage der Gelehrten, 
unterftügte feine nad der Eroberung Gonftanti- 
nopels durch die Türfen geflüchteten Yandsleute 
nach Kräften u. trug dadurch weſentlich zum Wie- 
deraufleben der Wiſſenſchaften bei. 1459 wurde er 
als Vermittler zwiſchen Kaifer Friedrich II. und 
Matthias von Ungarn nah Deutſchland geichidt, 
erbielt 1463 den Titel Patriarh von Conitanti- 
nopel u. Bifhof von Euböa, war in demfelben 
Jahre Legat in Venedig u. ſchenlte dort feine 
Bibliothef der Signoria von S. Marco. Bei einer 
Vermittelung der Streitigfeiten Yudwigs XI. von 
Franfreih u. Karls des Kühnen von Burgund 
ward er von Erfterem mit Hohn behandelt und 
jtarb auf der Rüdreife 19. Nov. 1472 zu Ra— 
venna. Er fchr.: In calumniatorem Platonis 
(Georg v. Zrapezunt), Ben. 1503 u. 1516, Fol.; 
De praestantia Platonis prae Aristotele, gried. 
u. lat. (im 3. Bd. der Mem. de l’Acad. des 
inser.); Epistolae et orationes de arcendis Tureis 
a Christianorum finibus, Pari$ 1471, 1521, Ron 
1543; Orationi a tutti gli Signori d’Italiaconfor- 
tando gli a pigliar guerra contra il Turcho, 1471; 
De processione Spiritus S., Arcudio interprete, 
Kralan 1602; überjetste Xenophbons Memorabilien, 
die Metaphyſika des Ariftoteles u. a. ins Latei— 
nifhe u. fand den Koluthos u. Quintus Smyr⸗ 


Beflarion — Belle, 


näus auf. Bgl. Mid. Apoftolios Leichenrede auf 
B., gried. u. lat. herausgeg. von Fülleborn, Lpz. 
1793; A. Bandini, De vita et rebus gestis 
Bessarionis, Rom 1777; Haggi, Sulla rita 
del card. Bessariones, ebd. 1844. Prambas.* 

Beſſaſtadir, Ort auf der SWKüſte der Inſel 
Island; Kirche; Heimath Snorri Sturinjong; 
die frühere gelehrte Schule wurde nah Reiljavik 
verlegt. 

Beilel, 1) Gottfried v. B., Selehrter, geb. 
5. Sept. 1672 in Buchheim im Mainziichen; ſtu- 
dirte Theologie u. Philofophie in Salzburg, trat 
1692 in den Benedictinerorden zu Göttweig, war 
längere Zeit Lehrer der Philofophie u. Theologie 
im Klofter Seligenftabt u. wurde von dem Kür— 
fürften Lothar Franz von Mainz zu mehreren 
Legationen verwendet; er wurde 1714 Abt von 
Göttweig u. 1716 zugleich faiferliher Theolog u. 
fand Berwendung bei Miſſionen. Er ft. 1749. B. 
bewirkte den Übertritt des Herzogs Anton Ulrich 
von Wolfenbüttel zur Katholiſchen Kirche (1710). 
Bon feinem Chronicon Gottvicense erſchien nur 
der Prodromus, Tegernjee 1732, Außerdem jchr. 
er: Quinquaginta romano-catholicam fidem om- 
nibus aliis praeferendi motus, Mainz 1708. 
2) Friedrih Wilhelm, der bedeutendfte Aftro- 
nom der Neuzeit, geb. 22. Juli 1784 zu Minden; 
trat in feinem 15. Lebensjahre in ein Bremer 
Handlungshaus als Lehrling ein, wo er fih im 
jeinen Freiſtunden mit Nautik beichäftigte. Durch 
diefe Beihäftigung wurde er auf das Studium 
der Mathematif u. Aſtronomie geleitet. (Eine 
Bahnbeftunmung des Halleyihen Kometen ver» 
Ihaffte ihm die Gunft Olbers, der ihn bejtinmte, 
fih ganz der Aftronomie zu widmen, u. durch deſſen 
Bermittelung er an die Privatſternwarte Schröters 
nach Lilienthal fam, wo er von 1806—10 ftudirte. 
Von bier aus wurde B. 1810 als Vrofeſſor der 
Aftronomie an die Univerfität Königsberg berufen, 
wojelbft er 1811—13 eine Sternwarte errichtete, 
deren Director er wurde u. welche durch die auf 
ihr gemachten genauen Beobadtungen bald Welt» 
berühmtheit erlangte. In einem jeltenen Grade 
Beobachter u. Theoretifer zugleich, wurde B. der 
Schöpfer ganz neuer Methoden. Durch feine u. 
Gauß', ſowie andere daran fich jchliegende Ar- 
beiten wurde, wie Mädler fagt, die theoretifche 
Atronomie jo gut wie umgeftaltet. Ein Mann 
von eiferner Conititution u. eiſernem Fleiße, fcheute 
B. keine Anftrengung, feine Mühe, feine Nacht» 
wachen u. fand feine Erholung in der Arbeit 
ſelbſt. Berühmt wurde er vorzugsweije durch die 
erite Barallarenbeftimmung eines }yiriternes, und 
zwar des Sternes 61 im Sternbilde des Schwanes, 
deifen Entfernung von der Sonne er auf 357,700 
Halbmeijer der Erdbahn, alfo über 13 Billionen 
Dieilen, berechnete. Spätere Unterfuchungen von 
Struve u. Auwers haben indefjen dargethan, daß 
gerade dieſe Arbeit B-s nicht zu feinen beften 
zählt, indem die von ihn gefundene Parallare zu 
Hein u. fomit die Entfernung des fraglichen 
Sternes zu groß angegeben if. Wegen jeiner 
ausgezeichneten VBerdienite zum Geheimen Regier- 
ungsrath ernannt, ftarb B. 14. März 1846. Eine 
vorzügliche Charafterijtit B-8 lieferte 1868 Mädler 
in Weftermanns Monatsheften. Er ſchr: Über die 


Beſſemer — Beffer. 


297 


wahre Bahn des 1807 erfhienenen Kometen, |fol. Das zu biefem Zmede gebaute Schiff machte 


Königsb. 1810; Theorie der Störungen der Ko- 
meten, ebd. 1810; Fundamenta astronomiae, ebd. 
1818 ; Unterfuhungen über das VBorrüden der 
Nachtgleiche, Berl. 1821; Unterfuchungen über die 
Länge des einfadhen Secundenpendels, ebd. 1823; 
Aftronomishe Beobachtungen auf der Sternwarte 
in Königsberg, Königsb. 1815—35, 21 Abthl., 
1815—46 fortgejett von Buſch; Tabulae Regio- 
montanae, ebd. 1830; Berjuche über die Kraft, 
mit der die Erde Körper von verſchiedener Be- 
fhaffenbeit anzieht, Berl. 1833; Beltimmungen 
der Länge des einfachen Secundenpendel®, ebd. 
1837; mit Baeyer: Gradmeſſung in Oftpreußen, 
ebd. 1838; Darjtellung der Unterfuchungen und 
Maßregeln, welche 1835—38 durd die Einheit 
des preußischen Yängenmafes veranlaft worden 
find, ebd. 1839; Meſſungen der Entfernung des 
61. Sternes im Sternbilde des Schwanes, in 
Schumachers Jahrbuch, 183% Aitronomijche Unter- 
fuhungen, Königsb. 1841—42, 2 Bde.; Popn- 
läre Borlefungen über wiſſenſchaftl. Gegenftände, 
herausgeg. von Schuhmacher, Hamburg 1847; 
Über die aus der Schwere hervorgebenden Ber: 
änderungen, die der Kreis eines aftronomijchen 
Inſttuments in der lothrecdhten Yage feiner Ebene 
erfährt, u, Theorie des Saturnſyſtems, im 25. u. 
28. Bde, der Aitronomishen Nachrichten. Außer 
diefen genannten Schriften publicirte B. noch eine 
Reihe von über 300 Abhandlungen, worunter 
eine 1844 erjchienene über die Veränderlichkeit der 
eigenen Bewegungen gewiſſer Firiterne von be- 
fonderer Wichtigkeit if. Seinen Briefwechſel mit 
Dibers, Lpz. 1852, 2 Bde, gab. ernan Deramm, 
pecht. 

Beſſemer, ges. berühmter engliiher In— 
genieur u. Erfinder einer neuen Methode zur 
Mafienfabrifation von gejhmolzenem Stahl und 
Stabeilen. Die früberen Yebensumftände find 
wenig befannt, nur das iſt anzuführen, daß B. eine 
Reihe von technischen Bervolllommnungen u. Er- 
findungen fich patentiven ließ, ehe er an die epoche⸗ 
machende Arbeit gerieth, die ihn unfterblich machen 
ſollie. B. fuchte anfänglih nur nah einem Wege, 
ein bejjeres Material für die Waffenerzengung zu 
finden, u. fam auf die dee, Roheiſen durch Yuft- 
einführung ſchmiedbar zu maden, Experimente, 
vie er anftellte, fieferten den Beweis, daß die er- 
forderlihe Temperatur durch den Proceß felbft 
geliefert werden könne. Auf den Rath Anderer 
trug er feine Ideen bei einer Sigung der British 
Association im Juli 1856 vor u. erregte ein um: 
gebeures Auffehen, Indeſſen waren viele Jahre 
nothwendig, um in der Ausführung im Großen 
Erfolge zu erzielen, u. ohne die Ausdauer, mit 
der man in Schweden u. in Öfterreich den Pro- 
ceß auszubilden fuchte, wäre die neue Methode nicht 
fo rajch zur Geltung gelommen. Die eigentliche 
Berbreitung datirt von der Londoner Austellung 
des Jahres 1862. (5. Stahl.). In jüngfter Zeit 
bat Beſſemer fih noch mit anderen Problemen 
bejbäs-zt, u. a, mit der Herftellung eines Tra- 
jecrichifjes für die Kanalfahrt zwiſchen Galais u. 
Dover, das durch einen im Schiffe ſchwebenden 
u. die feitlihen Schwankungen deſſelben aufbeben- 
den Salon die Seekrankheit vermeidlih machen 


am 8, Mai 1875 feine erfte Fahrt zwiſchen Dover 
u. Calais, entiprach jedoch nicht zur Genüge den 
gebegten Erwartungen. Bejchreibung des Schiffes 
in der Illuſtrirten Zeitung, Nr. 1667 und 1668 
(Juni 1875). Dürre. 

Defiemer Anlage, B. Apparate, B. Birne, 
8. Converter, B. Stabl zc., ſ. Stahl. 

Beſſemer Dampfichiff, ſ. u. Beſſemer. 

Beſſenyei, György, ungar. Dichter, geboren 
1740 in Berczelen in der Szabolcſer Geipan- 
ſchaft; trat in die Ungarische Leibgarde zu Wien, 
beihäftigte fich mit den Wifjenichaften u. Sprachen 
u. ward Stifter der franz. Schule in der unga- 
riihen Poefie. Bon 1779, wo er zur fatholifchen 
Religion übertrat, bis 1784 war er Cuſtos an 
der kaiſerlichen Hofbibliothef, lebte dann auf feinem 
Gute BeretiyorKovacfi im Bibarer Comitat; er ft. 
daſelbſt 1811. Mit kräftigen Geifte vereinigte er 
riefige Muskelkraft. B. war einer der fruchtbar» 
ten ungarischen Schriftfteller u. ſchr. u. a. die 
Tragddien: Hunyadi Laszlo, Agis, Wien 1772; 
Buda, Preßb. 1787, 2. A.; das Yuftipiel: Der 
Philofopb, Wien 1776; das philofopbiiche Gedicht: 
Az embernek pröbaja (die Menichenprobe), und 
das didaktiſche Gedicht: Esterhazi vigasagok (die 
Annehmlichkeiten von Ejterhaz), ebd. 1772; den 
pbilofophifchen Roman: Die Amerikaner, Kaſchau 
1776, ungar. von Kazinczy; eine Sammlung 
poetiicher ır. profaifcher Aufläge, Wien 1777, u, 
Holmi (eine Sammlung philojophiicher, literari« 
iher u. poetiicher Aufläge), ebd. 1779; überſetzte 
auch Voltaires Triumvirat, ebd. 1779, u. das 
1. Buch des Lucanus, Presb. 1776. 

Beſſer, räuberisches Volk im nordöftl, Thrafien, 
am Hämos; Hauptort Uskudama, an dejien Stelle 
jpäter HadrianopolisS gebaut worden fein joll. 
Die B. behaupteten unter eigenen Häuptlingen 
lange ihre ‚zreibeit, bis fie 70 v. Ehr. von den 
Hömern unter M. Lucullus nah einem unglüd- 
lichen Treffen auf dem Hämos unterworfen wur— 
den. Octavianus verwandelte das Yand in eine 
römische Präfectur, Beſſica. 

Beſſer, Johann v., deuticher Gelegenheits- 
dichter, geb. 8. Mai 1654 zu Frauenberg im 
Kurland, Sohn eines Predigers u. einer Adeligen; 
ftudirte in Königsberg Theologie, begleitete 1675 
einen Edelmann als Führer auf die Univerfität 
Leipzig; ftudirte bier Jurisprudenz, murde 1680 
vom Großen Kurfürften zum Rathe, 1681 zum 
Legationsrathe ernannt u. verweilte 1684—85 als 
furfürftliher Nefidert in London, Der Nachfolger 
des Großen Kurfürften machte ibn 1690 zum 
Geremonienmeifter u. Hofpoeten wit dem Range 
eines Geheimrathes und adelte ihn, erhöbte ibn 
dann 1701 zum Oberceremonienmeifter und Ge— 
beimrathe, 1702 zum Geremonienmeifter des 
Schwarzen Adlerordens. Für die Gelegenheits- 
gedichte u. proſaiſchen Denkichriften, die er den 
Erlebniffen des Hofes u. auch mancher nicht-fürft- 
lihen Perjon widmete, nahm er jchweres Geld 
ein, das er aber nicht zu Rathe hielt. Der neue 
König, Friedrich Wilhelm I., entiegte ibn ſofort 
aller jeiner Amter auf eine fräntende Weile und 
ohne alle Entihädigung. B. lebte nun im Elende; 
aber 1717 wurde er als Geheimer Kriegsratb, 


298 


Ceremonienmeifter un. Jntroducteur der Gejandten 
nah Dresden berufen. Hier ft. er 16. Februar 
1728. Er ift im Ganzen ein leerer Berjejchmied; 
aber das große Anfehen, worin er al$ Dichter 
bei den Zeitgenofjen fand, fichert ihm eine Stelle 
in der deutichen Literaturgefchichte. Er wurde 
außerdem als tiefer Kenner des Ceremonienweſens 
geſchätzt. Bollitändigfte u. befte Ausgabe feiner 
Werle, mit voransgeichidter Beichreibung feines 
Febens, von E. U. König, 2 Bde., Yeipz. 1732, 
Tal. Barnhagen von Enjes Biographie Dent- 
möäle, Bd. 4, 3. Aufl., Lpz. 1872. 

Beflerungsanitalten (Beijerungsbäufer, Cor— 
recttons-, Arbeitshäufer), Anftalten, worin Den» 
hen, die dem Müßiggang u, den Ausichweifungen 
ergeben find, zur Arbeit u. zu geregeltem Yeben 
gewöhnt werden follen, u. die, gut eingerichtet u. 
von umfichtigen, gebildeten Kennern des menic- 
lichen Herzens beauffichtigt, bei noch nicht ganz 
verborbenen Menſchen oft zum Zwecke führen, bei 
schlechter Yeitung aber wegen der jchled;ten Gefell- 
ichaft, die den darin Arbeitenden umgibt, oft frei 
(ih au gerade Das Gegentheil bewirfen. In 
neuerer Zeit ift einer verbeflerten Einrichtung 
folher Anftalten viel Aufmerlſamkeit zugewender 
worden. Jusbeſondere find dergleichen aud für 
jugendliche Eubjecte theilweife unter den Namen 
Rettungshäufer (ſ. d.), vielfach eingerichtet, 
um die Aufgenommenen dem Einfluß der ſchlechten 
Geſellſchaft durch Iſolirung, Einführung eines 
religiöſen Zuſpruches u. Ähnliches zu entziehen. 
Dieſe Häuſer dienen zunächſt als Erziehungsan— 
ſtalten, in welchen von dem Staate als Inhaber 
der Polizeigewalt auf adminiſtrativen Wege für 
die Zukunft des betreffenden Individuums ſowol 
felbſt, als für die zukünftige Sicherheit des Staates 
beionders in der Richtung geiorgt wird, um bie 
mangelnde Erziehung der Eltern zu erjeten, od. 
Die verberblihe elterliche Erziehung zu befeitigen 
u. die ftaatlihe an ihre Stelle zu fegen. Es 
dienen dieſe Häufer aber auch zugleih als Straf: 
auftalten für Kinder u. junge Yeute, welche durch 
ihr Zujanımenfperren mit alten Berbredern die 
höchſte Gefahr ver vollen Berderbniß laufen wür— 
den. Nach S 362 des D. St.-G.-B. können die 
wegen Landjtreicherei, Bettelei oder Unzucht Ver— 
urtheilten von der Landespolizeibehörde in ein 
Arbeitshaus gebracht werden. In keinem Falle 
empfiehlt es fi, tie B. mit dem eigentlichen 
Strafanftalten in Verbindung zu feßen, obwol 
nad) dem uriprünglic vorwiegend ins Auge ger 
fapten Zwede u. der früheren Einrichtung der 
Zudthäufer (ſ. d.) dies noch heutzutage oft der 
Fall iſt. Im Übrigen follen alle Strafanftalten 
auch zugleih B. ſein. 

Beſſieres, 1) Jcan Bapt., Herzog v. Iſtrien, 
franz. Marihall, geb. 6. Aug. 1768 in Praiffac 
im Dep. Lot; nahm 1791 Militärdienfte, machte 
1792 den Feldzug nah Spanien mit, wo er 
Gapitän wurde; focht 1796 als Commandant der 
Cuiden in Jtalten, mamentlich bei Roveredo, u. 
rüdte bis zum Oberſten auf. Der Erpebition 
nad Agypten wohnte er als Brigadegeneral bei 
und zeichnete fih bei St. Jean d'Acre und bei 
Abukir aus; erhielt nah dem 18. Brumaire 
(1799) den Befehl zur Reorganifation der tal. 





Beilerungsanftalten — Beljon. 


Armee u. trug 1800 bei Marengo viel zur gln- 
ftigen Entſcheidung der Schlacht bei, worauf er 
zum DPivifionsgeneral u. bei Napoleons Thron» 
befteigung zum Reihsmarihall ernannt wurde. 
Bon nun an wohnte er fat allen Feldzügen 
Napoleons bei und commandirte die Cavalerie 
der Kaifergarde. 1805 durchbrach er bei ber 
Berfolgung der Ruſſen zwiihen Brünn und Ol— 
mütz das ruffiihe Gentrum, war bei Jena, focht 
in Polen und bei Eylau, wo er vorzugsmeife 
zum Siege beitrug. Im März 1808 wurde er 
zum Herzog von Jitrien ernannt; in demfelben 
„Jahre nahm er am Spaniihen Feldzuge theil, 
ihlug 14. Juli die Spanier unter Cueſta bei 
Medina del Rio Secco und ging 1809 an ber 
Spitze der Reſervecavalerie nach Deutſchland, wo 
er die Öſterreicher bei Landshut ſchlug und bei 
Eßlingen zurüddrängte, wodurch eine vollftändige 
Niederlage der Franzoſen bei Alperu abgewendet 
ward. Bei Wagram murde B. dur eine Ka- 
nonenfugel ſchwer verwundet. Mit der NArmee, 
deren Gommando er an Bernadottes Stelle über«- 
nahm, nahm er den Engländer Blifingen wieder 
ab, ging 1811 als Generalgouverneur nad Alt— 
Gaftılien u. von dort 1812 als Commandeur der 
Garden mit nah Rußland, wo er bei. auf dem 
Rückzuge fi auszeichnete, Nach der Rücklehr 
nad Deutjchland erhieit er den Cherbefehl über 
die gejammte franz. Cavalerie. Bei einer Reco— 
gnogcirung vor der Schlacht bei Lützen tödtete 
ihn 1. Mai 1813 eine Kanonenkugel. B. zeich« 
nete ſich unter den Napoleoniihen Marihällen 
nicht bloß durch ZTapferleit, jondern auch durch 
Menichlichfeit u. Milde aus. Ihm wurde 1847 zu 
Praiffac, auch in Cabors, der Hauptitadt des Dep. 
Yot, ein Denkmal geſetzt, ebenjo finder fich fein 
Name auf dem Triumphbogen u. deu Broncetafeln 
zu Berjailles, 2) B., ipan. General; war 1808 
Bedienter eines franz. Gapitäns, erklärte ſich 
fpäter für Die royaliftiihe Partei u, betbeiligte 
ſich ſowol am Kampfe der Guerillas gegen die 
franz. Invaſion, als fpäter an dem der apoftolis 
ihen Partei gegen die Yiberalen, wurde 1825, 
nach der Aufhebung des Glaubensheeres, als Mittel 
einer Empörung gegen das jpan. Miniſterium 
gebraudt, aber bei Madrid gefangen genommen 
u, erichofien. 

Beſſin, Grafih. in der Nieder-Normandie mit 
dem Hauptotte Bayeur; früher Sit der Biducaffer, 
dann Gigenthum der Grafen von B., die im 
11. Jahrh. ausftarben; an deren Stelle traten 
die Bicomtes von Bayenr, nad deren Ausfterben 
B. an den Herzog von Normandie u. dann an 
die Krone Frankreich zurüdfiel; jest Theil des 
Dep. Calvados, 

Beßmelch (türt., verdorben aus dem arabiichen 
bisni Allah, tm Namen Gottes), 1) der Anfang der 
Suren im Koran u. faft jedes mohammedantichen 
Gebetes. 2) Bei den Mohommedanern, bei. in 
Judien, ein Familienfeft, wo die Freunde des 
Haufes ſich feftlih gekleidet verfammeln und das 
Kind, welches 4—6 Jahre alt und gelb gekleidet 
ift, unter eine Art Draperie geſetzt wird. Ein 
Gapitel aus dem Koran wird vorgeleien, u. das 
Kind Sprit darauf den Namen Gottes nad, 

Beſſon (Beſſon Bey), ägyptiſcher VBiceadmiral, 


Beſſos — Beftätigung. 


299 


geb. 1782 in Frankreich; trat in dem franz. See- feinem Begriffe oder Wefen nach zufammengefekt 


dienst, machte den Feldzug 1806 u. 7 mit, wurde 
während der Belagerung von Danzig Schiffs. 
hentenant u. befand ſich als folder 1815, dem 
Generalftabe attachirt, in Nochefort. Hier bot er 
dem Kaifer Napoleon feine Dienfte an zur Flucht 
nah Amerifa. Alles war zur Abfahrt vorbereitet, 
als der Kaijer felbit, um erft die Ankunft feines 
Bruders Joſeph abzuwarten, den Aufbruch um 
eine Nacht verihob u. Bes Dienfte ablehnte, um 
auf dem Bellerophon nad England abzugeben. 
B. verließ darauf Frankreich, verlebte mehrere 
Jahre in Kiel u. auf Handelsjeereifen, trat 1821 
in die Dienfte des mit der Bildung einer Kriegs- 
marine bejhäftigten Bicelönigs von Ägypten, um 
weiche er fih große Verdienſte erwarb, erhielt 
das Commando der Fregatte Bahire, ward dann 
un den Womiralitätsrath aufgenommen; er ftarb 
12. Sept. 1837 zu Wlerandria. 

Beſſos, Satrap von Baltrien unter Darius 
Eodomannus; machte nach der Schlacht bei Arbela 
831 v. Chr. eine Meuterei, nahm feinen König 
unter Mithilfe des Nabarzanes gefangen u. lich 
ihn, vor den nahenden Maledoniern fliebend, nach— 
dem er ihm eine Todeswunde verfegt hatte, am 
Wege fiegen. Er eilte darauf den nördl. Pro- 
vinzen des Perfiichen Reiches zu u. ließ ſich bier 
als Artarerges IV. zum König ausrufen, wurde 
aber in Sogdiana von Spitamenes den Makedo— 
niern verrathen, von Ptolemäos Lagi gefangen 
genommen, dem Bruder des Darius überliefert 
u. auf das Urtheil eines perfiich-mediichen Gerichtes 
lebendig geviertheilt. 

Beflungen, Dorf im Kreife ur. ſüdl. anftohend 
on die Stadt Darmftadt in der großherzogl. heil. 
Prov. Starfenburg; großherzogl. Schloß, Garten; 
Hopienbau; 5795 Ew. Hier beginnt die Berg. 
ftraße (f. d.). 

Beftallung, die Einfegung in ein Amt oder 
einen Dienft; fie geihieht entweder mündlich, mo 
dann über diefen Act ein Protofol aufgenommen, 
oder jchriftlih, wo deshalb ein Patent, das 
daher jelbft auh B. genannt wird, ausgefertigt 
wird, im welchem die Beſtimmungen des Dienftes, 
Ebarafters, Ranges u. der Befoldung enthalten find. 

Beitand, 1) vie Gefammtheit der auf einer 
Waldfläche ſtehenden Holzpflanzen oder Bäume, 
2) Was nah gefertigter Rechnung über Aus- 
gabe u. Einnahme, über Berbrauh u. Zuwachs 
an Geld (Kafien-B.), Waaren (Waaren- B.), 
Thieren u. dgl. noch vorhanden ift; daher Geld, 
das mad) abgeichloffener Rechnung in Kaſſe bleibt. 
8) In einigen Gegenden jo v. w. Padıt, jo: 
Be⸗gut, B-contract, B-geld; daher Beftän- 
der, fo v. w. Pächter. 

Beitändig (Bot., lat. persistens), Kelch, der 
nad) dem Berblühen, Blatt, das im Herbfte nicht 
abfällt. 

Beitändige (conftante) Größe od. Conftante 
heißt in der Analyfis jede Größe, melde einen 
(befannten oder unbelannten) unveränderlichen 
Werth Hat; im Gegenfate zu den veränderlichen, 
variablen Größen, die im Allgemeinen unendlich 
viele verjchiedene Werthe annehmen können. 

Beitandtheil, einer von den Theilen eines 


iſt. Integrirende weſentliche B-e eines Dinges 
heißen diejenigen, durch welche daſſelbe weſentlich 
beſtimmt wird, von welchen das Weſen derſelben 
abhängt, oder deren Fehlen das Weſen des Dinges 
aufheben würde. Ihnen find die zufälligen Be 
entgegengejegt.. So ift ein inneres Skelett ein 
integrivender B. eines Wirbelthierlörpers, Haare 
find nur zufällige B-e, weil jenes einem Thiere 
nicht fehlen darf, wenn es ein Mirbeithier fein 
joll, dieje aber fehlen können. Die Theile eines 
Körpers werden entweder nur fo betrachtet, wie 
fie neben einander liegen u. durch eine bloß me— 
chaniſche Trennung von einander gejondert werden 
können, u. heißen dann phyſiſche, mechaniſche 
B«e; oder fo, mie fie durch mwechjelfeitige Anziehs 
ung bei ihrer Bereinigung den Körper (als ein 
Product von anderer Beichaffenheit) erzeugt haben 
u. wie fie durch deffen Zerlegung erhalten werden, 
und dann heißen fie B»e im engeren Sinne, 
hemifhe Be. Sind die Bee, in melde die 
chemiſche Analyſe die Körper zerlegt, felbit noch 
zufammengejegt, fo werden fie nähere Be ge 
nannt, die Bee diefer letzteren heißen entferntere 
Bee; die nicht mehr zuſammengeſetzten chemiſchen 
Be der Körper heißen Grundftoffe oder 
Elemente. Winmenauer M. * 

Beitandzins, fo v. w. Miethe- u. Pachtgeld. 

Beitäter, 1) (Seew.) f. Beſteder. 2) (Be- 
Range ſ. Güterbeftäter. 

eftätigen, 1) (Jagdw.) einen gewiffen Theil 
des Waldes mit dem Leithunde dergeitalt umziehen, 
vorſuchen u. jede Fährte mit einem Bruche ver- 
brechen, daß man fieht, wie viele Hirſche u. Thiere 
in denſelben eingegangen find und in demfelben 
fteden. Meift wırd, wenn dies geichehen ift, dies 
Stüd mit Tiihern oder Lappen umpftellt und ein 
eingeftelltes Jagen (Beftätigungsjagen) gebalten; 
im Gegentbeil: Hazardjagen, wo nicht vorgefucht 
wird, 2) (Bergw.) Ein gemutbetes Revier b., 
daffelbe Einem in Lehn geben, wofür dem Beamten, 
der dies im Namen des Fürften thut, das Ber 
ftätigungsgeld bezahlt wird. 

Beitätinung (Nechtsw.), der auf ein einge 
wenderes Rechtsmittel mit dem vorigen Erfennt» 
niffe gleichlautende Ausſpruch des Oberrichters; 
dann im Griminalrechte die Erklärung des Lan 
desherrn od. der dazu beauftragten Behörde, daß 
das gejällte Erkenntniß richtig ſei und erecutirt 
werden folle. In früheren Zeiten wurden alle 
mwichtigeren Strajuribeile, wenn fie die Rechtskraft 
erlangt hatten, vor dem Vollzuge dem Yandesherrn 
zur Beſtätigung vorgelegt; neuerdings geſchieht 
dies nur noch der Wichtigkeit der Sache halber 
bei gefällten Todesurtheilen, bier u. da auch bei 
Erfenmug auf wage Zuchthausſtrafe u. 
wegen der Stellung des Regenten als Kriegsherr 
auch bei milittärgerichtlihen Erfenutniffen, Im— 
öffentlihen Rechte die Gutheigung eines von einer 
Gemeinde oder autonomen Corporation gewählten 
Beamten oder Beauftragten vn Seiten der vor» 
gejetsten Behörde. Das B-srecht, früher ſehr 
ausgedehnt, ift jest insgemein nur mehr auf die 
Wahl der oberften BVBerwaltungsbeamten eines 
Kreiies oder einer Gemeinde, auch die von ber 


Dinges, bei. eines Körpers, aus denen daſſelbe kirchlichen (alttatholiihen) Gemeinde durch die 


300 


Kichenvorftände, oder von der geiftlichen (fatho- 
liihen) Behörde oder dem Patronatsheren zur 
Beſetzung einer Pfarrei zc, präjentirten Geiftlichen 
beihränftt, Nach dem preuß. Ge. v. 12. Mai 
1873 follen die geiftlihen Oberen die Candidaten, 
weichen ein geiſtliches Amt übertragen werden 
fol, dem Ober: Bräfidenten beiennen, und fann 
diefer dann innerhalb 30 Tagen Einſpruch er- 
heben. Es fteht je nach der Wichtigleit der Sache 
und der gejeglihen Beſtimmung oder jonftiger 
Vorſchrift dem Yandesherru felbit, oder einer be— 
ftimmten höheren Behörde (Minifter, Regierung, 
Zandrath) zu. 

Beitäubung (Bot.), ſ. Befruchtung. 

Dehaubuns, die Bildung von Seitentrieben 
aus dem Wurzelftode während der erſten Wachs- 
tbumsperiode der Pflanzen. Befördert wird Die 
B. durch günftige Witterung, zwedmäßige Düng- 
ung, Hemmung in der erjten Wachsthumsperiode, 
Walzen x. 

Beſtauen der Wiefen, |. Bewäſſerung. 

Beitecdjung (Crimen repetundarum, Cr. ba- 
rattariae) ift 1) (activ) das Anerbieten eines Ge— 
fchenfes oder anderer Vortheile an öffentliche Be- 
amten, um fie zu eimer pflichtwibrigen Handlung 
oder Unterlaffung zu bewegen; 2) (paifiv) die An- 
nahme eines Geſchenles feitens des Beamten für 
eine pflihtwibrige oder auch nicht pflichtwibrige 
Handlung; auch Gejhworene u. Schöffen können 
ſich der Beſtechung ſchuldig machen (j. Amts» 
vergehen). Die Folgen der Beftehung von Zeu— 
gen werden ſtets umter den Begriff des Meineides 
oder falihen Zeugniſſes fallen, 

Beſteck, 1) leicht tragbares Behältniß, in mwel- 
chem mehrere zufammengebörige Sadyen, be. Wert: 
zeuge, aufbewahrt werden. 2) Dieje zufammenge- 
börigen Werkzeuge felbft. 3) (Anatomifches, Chi- 
rurgiſches B.) Etui mit den zum Anatomiren 
u. zu chirurgischen Operationen nöthigen Inſtru— 
menten. 4) B. des Schiffes heißt die Beſtimmung 
des Schifisortes nah geographiicher Yänge und 
Breite, Bo⸗srechnung it die zu dieſem Behufe 
auf Grund terreſtriſcher oder aſtronomiſcher Beob- 
achtungen angejtellte Berechnung, und wird dieſe 
Ortsbejtimmung, auch das B-aufmadhen ge 
naunt. Stütt fi die Nechnung im erfteren Falle 
nicht auf Landpeilungen, d. h. Richtungs- u. 
Abjtandsbeftimmungen von befannten Yandobjecten, 
fondern nur auf Beobadhtungen des gefteuerten 
Schiffscurſes, alfo des Compafjes der geloggten 
Fahrt, d. h. der mittels des Loggs gemeſſenen Ge- 
ſchwindigkeit des Schiffes durch das Waſſer, jo 
wird diefe Ortsbeftimmmmg das gegiffte B. ge 
nannt, im Gegenfage zu dem objervirten B., 
welches fih auf aſtronomiſche Beobachtungen ftügt. 

Beiteder, der Bauherr, welcher ſich ein Schiff 
bauen laßt; dann aud der Sciffsbaumeifter des 
Werftes, welcher die Schiffe auf den Stapel legen 
läßt. 

Beitellen, 1) (Landw.) das Feld b., es durch 
Dingen, Pflügen, Eggen, Walzen u. a. dgl. Ader- 
arbeiten gebörig zur Ausſaat vorbereiten u. befüen. 
Beftellzeit, die Zeit, in welcher das Feld fo vor- 
bereitet u. beſäet wird. Sie it für die Sommer- 


Beftäubung — Beſtimmung. 


Berreideart einige Wochen früher oder jpäter. 
2) In Oberdeutichland jo v. w. Pachten; daber 
Beiteller, Pachter, Miethsmann. 83) (Färb.) 
Keſſel u. Küpe b., fie mit Waffer anfüllen, 

Beitelmeier, Georg, geb. 22. Aug. 1785 
in Schwabach; widmete fih dem Kaufmannsitande, 
trat in das Gefchäft feines Vaters, eines Tabals- 
fabrifanten u. Bierbrauers, welches er 1825 nad 
Nürnberg verlegte, wohnte als Abgeordneter den 
Yandtagen 1819 und 1822 bei u. wurde 1830 
Mitglied des Magiftrars, 1836 Mitglied u. Vor- 
fteher der Municipaldeputirten u. 1837 abermals 
Abgeordneter des Yandtages, 1888 zweiter Bür- 
en der Stadt Nürnberg, welche Stelle er 

i8 1849 behielt; er fl. 28. Sept. 1852 zu Nürn- 
berg. Er fchr.: Über die Berhältniffe der Tabats- 
fabrifation u, der Tabalscultur in Bayern 1828, 
Deiteuerung, |. Steuern. 
Beſte 2Velt, ſ. u. Optimismus. 
Beſtgut, die geernteten reinen Tabaksblätter; 
j. u. Tabak. 

Beithaupt hieß das Necht des Leibherrn, aus 
dem Nachlaffe des Leibeigenen das befte Stüd Vieh 
zu nehmen; Betheidigung der Vergleich über die 
jpeciellen Nachlaßgegenjtände. 

Bestiarii (röm. Ant.), die Gladiatoren, welche 
in den Thierlimpfen kämpften; ſ. u, Gladiatoren. 

Beitie (v. Lat.), 1) ein wildes Thier, Wald» 
tbier. 2) Menſch, der durch Rohheit u. Zügellofig- 
feit dem wilden Thiere gleich iſt; daher beftia- 
liſch, thieriſch, viehiſch; Beftialität, das Weſen 
eines unvernünftigen Viehes, dann auch bei Men— 
ſchen thieriſches, rohes Benehmen und ſchändliche 
Handlungsweiſe. 

Beſtimmt (Math.) iſt Alles, was Willkür 
ausſchließt: eine Aufgabe, wenn ſie nur eine oder 
eine beſchränlte Anzahl Löſungen zuläßt; eine 
Gleichung, in der nur 1 Unbekannte vorkommt. 
Beſtimmter Schnitt Geetio determinata), 
eine Reihe geometriſcher Aufgaben, die ſich unter 
folgende allgemeine bringen laffen: Auf einer un- 
begrenzten Geraden find mehrere Buntte gegeben; 
man foll auf derjelben einen anderen Punkt fo 
bejtimmen, daß die Quadrate oder Rechtecke der 
Abftände der gegebenen Punkte von dem gejuchten 
ein vorgeichriebenes Verhältniß haben. Der gege⸗ 
benen Punkte können entweder 2, 3, oder 4 ſein. 
Beifpiel: Auf einer unbegrenzten Geraden find 2 
Punfte Au. B gegeben, man joll auf dieſer einen 
dritten P finden, jo daß, wenn e eine der Größe 
nach gegebene Yinie bezeichnet, AP? : BP? oder 
AP.c: BP? = einem gegebenen Verhältniß 
m:nift. Apollenios von Perga hat eine (ver« 
lorene) Schrift über dieſes Problem gejcrieben. 

Beitimmung, 1) (log.) die Begrenzung eines 
Begrifies nad feinen Merkmalen und das Mert« 
mal jelbft. Daher ift ein Ding durchgängig be- 
jtimmt, deffen mögliche Merkmale (B»en) man alle 
zufammendenft, und Cat der durchgängigen B.: 
von allen möglichen, einander widerſtreitenden 
Merkmalen fommt einem durchgängig beſtimmten 
Dinge entweder nur das pofitive, oder das nega⸗ 
tive zu. 2) Die überwiegende Neigung des Willens 
bei einem Entſchluſſe für oder wider eine Handlung. 


früchte im Frühjahre, für die Winterfrüchte im Criminalrechtlich iſt nach der Art der B. des 


Herbſte, nach Verſchiedenheit der Gegend und der 


Willens zur That Die ſubjective Größe eines Ber- 


Beſtockung — Beſtuſchew-Rjumin. 


brechens oder Vergehens erlennbar. 3) Der End⸗ 
zweck, wozu etwas da ift, z. B. B. des Menſchen, 
die ſittliche Aufgabe des menſchlichen Lebens, worin 
demſelben die höchſten Zielpunkte feines Willens 
u. Beftrebens vorgehalten find. 4) So v. m. 
Scidjal; daher Beftimmungsgläubige und 
Beftimmungslehre, fo v. w. Determinismus, 
Fatalismus u. Präbeftination. 

Beitodung, jo v. w. Beftand; auch die natlr- 
liche oder künftliche Erzeugung eines Holzbeftandes. 

Beftreichen (Kriegsmw.), eine fortificatorifche 
Linie durch das (Feuer einer anderen, mit ihr 
einen rechten oder etwas größeren Winfel bilden- 
den Linie vertheidigen, 

Beſtrichener Haum (Kriegsmw.), ift derjenige 
unter Feuer genommene Terraintheil, über den 
fi) die Gefchoffe nuht mehr als 6 F. (gegen In— 
fanterie) reip. 9 F. (gegen Cavalerie) erheben. 
Die Flugbahn der Gejchoffe bildet eine Curve, 
der kürzere Theil diejer bis zum höchſten Punkte 
heißt der auffteigende Aft, der längere, von da, 
bis das Geſchoß die Erde berührt, der abfteigende 
Aft. In Tekterem liegt, wenn die Flugbahn nicht 
— rafant iſt, d. h. wenn micht ber höchſte 
Punkt der Geſchoßbahn unter + 6 F. reip. + 
9 F. liegt, der hauptiählih in Frage fommende 
beftrichene Raum. Fe flacher alfo die Curve, deito 
se der beftrichene Raum, defto befier u, wir- 

ngspoller die Waffe, da mit der Rafanz der 
Flugbahn der Geſchoſſe die Zufallstreffer unend- 
üch fteigen u. Fehler im Diftancefhägen weniger 
nachtheilig wirlen. 

Beſtürzung, eine durch den unerwarteten u. 
plötzlichen Eintritt von etwas Unangenehmem od. 
Schredhaftem hervorgerufene, hırze Zeit anhaltende 
Unterdrüdung und Hemmung der regelmäßigen 
piochiichen Thätigleiten, durch welche auf Augen- 
blide die Überlegung u. Beſonnenheit zur Faflung 
eines zmwedmäßigen Entſchluſſes verloren gebt. 

Beſtũſchew, Alerander, ruffiiher Roman- 
u. Novellendichter geb. 1795, Sohn des Staats- 
rathes u. Publiciften B., Rittmeifter beim Gene: 
ralftabe u. Adjutant des Herzogs Alerander von 
Württenberg. In die Verſchwörung von 1825 

egen Kaifer Nifolaus verwidelt, wurde er, zum 
meinen degradirt, nach Fakutsl verwieſen; von 
bier ging er 1830 mit faiferlider Erlaubniß als 
Gemeiner zur Kaufafusarmee, erhob ſich bald 
wieder zum Offizier, fiel aber im Juni 1837 bei 
Jelaterinodar gegen bie Tſcherkeſſen. Mit feinem 
ze Rylejew hatte er jchon vor feiner Ber- 
annung den erften ruffiichen Almanach: Der Po- 
farjtern, Petersb. 1823, herausgegeben u. jchrich 
dann unter dem Namen Kofat Marlinsfi No— 
vellen u. Erzählungen, Petersb. 1835, deutſch von 
Seebadh, Lpz. 1837; die Erzählung Mulah-Nur, 
den Roman Ammalath-Beg, ſein heivorragendites 
Wert; Skizzen aus dem Kaulafus; Fregatte Nad- 
jeihda ꝛc. Geſammelte Werke, Petersb. 1839 f., 
12 Bde., deutfch von Löwenſtein, Lpz. 1845, 4 
Bde. Seine Privatcorrefpondenz * Semewsly 
1860 heraus. Seine Brüder Nikolaus, Capitän« 
lientenant, Michael, Garbecapitän, und Peter, 
Marinelieutenant, die fih mit ihm an der Ber- 


30f 


infolge der Ammeftie v. 7. Sept. 1856 ins Bater⸗ 


land zurückkehren; Beter begleitete feinen Bruder 


A. in den Kaufafus u. fl. vor ihm, vom Wahn- 
finn befallen. Lagai, * 

Beſtũſchew⸗Rjumin, ruffiiche Familie, von 
englifhem Urfprunge, eigentlih Beft; nahm, nad 
Rußland übergefiedelt, den Namen B., genannt 
Ruma an, was Peter d. Gr. 1701 in B-Rjumin 
verwandelte. Merlwürdig: 1) Peter Michaelo- 
witfch, Graf von B.; war ruffiicher Gejandter 
zu Hamburg u. a. O. u. wurde von Peter dem 
Gr. in den Grafenftand erhoben. 2) Michael 
Petromwitih, geb. 1686, Sohn des Bor., zu 
Berlin erzogen, 1721—41 Gefandter in Stod« 
bolm, wo er die ſchwediſche Politik ganz in ruffi- 
ihem Sinn leitete u. die Bündniffe von 1724 u. 
1735 zu Stande brachte; unter Eliſabeth Groß- 
marſchall und 1756 bis zu feinem Tode, 1760, 
ruffiicher Gefandter in Paris. Seine Gemahlin, 
Schwefter des in Ungnade gefallenen Grafen Go» 
lowlin, ſpann mit Lapuchin 1743 eine Berfhwörung 
gegen die Kaiferin an, die jedoch entdedt wurde, 
worauf die Gräfin, nachdem ihr die Zunge ausge» 
ſchnitten worden war, nad Sibirien gefchidt wurde. 
3) Alerei, Graf von B., Bruder des Vor., geb. 
1. Juni 1693 zu Mosfau; wurde zum Theil in 
Berlin, zum Theil in zen erzogen u, lernte 
dort den nahmaligen König Georg I. von Eng« 
fand kennen, in deſſen Dienfte er mit kaiſerlicher 
Bewilligung trat; 1718 kehrte er nach Rußland 
zurüd, u. Peter I. ſchicte ihn als Geſandten nad 
Kopenhagen. Die Katferin Anna fandte ihn fpäter 
als Minifterrefidenten nah Hamburg und 1734 
als Geſandten nah Kopenhagen, von wo im April 
1740 zurüdgerufen, er vorzüglich für die Er 
bebung Birons zum Regenten wirkte und unter 
diefem im October wirklicher Geheimrath u. Cabi— 
netsminifter wurde. Nach Birons Sturze (Nov. 
1740) auf feine Güter verbannt, ward er durch 
Elifabetd 1741 zurüdgerufen, zum Neichsvice- 
fanzler u. Senator ernannt u. in den Grafen- 
ftand erhoben. Nachdem er 1742 die Allianz mit 
England u, 1743 mit Schweden, das die Suc— 
ceffion ganz nah den Wünſchen Rußlands ein- 
richtete, geichloffen, ward er 1744 Großkanzler u. 
alleiniger Leiter der ruffiichen Politik; als jolcher 
bewirkte er, ein erflärter Feind Franfreihs und 
Breußens, 1746 die Allianz zwiihen Rußland n. 
Ofterreich, fendete 1748 ein Corps von 30,000 
Mann unter Repnin nah dem Rhein u. ftürzte 
1748 Leſtocq, den Günftling der Kaiferin. 1756 
erneuerte er die Allianz gegen Preußen mit Öfter- 
reich, rief aber, da er den Tod ber Kaiferin fiir 
bevorftehend hielt, Aprarin aus Preußen zurüd, 
um die Thronbefteigung des Großfürften Peter 
zu hintertreiben, gerieth aber deshalb, als Eliſa— 
beth genas, in Ungnabe, wurde 1758 des Hoch» 
verraths angellagt, feiner Würden entjegt u. nach 
dem ihm gehörigen Gorelowo verwiefen, von mo 
ihn jedech Katharina II. 1762 zurüdrief unter 
Verleihung der Würde eines Feldmarſchalls. 
Wenig mehr an den Staatsgefchäften betbeiligt, 
ft. er 21. April 1766. Nah ihm ift die Bſche 
Nerventinctur (f. d.) genannt. 4) Michael, aus 


ſchwörung 1825 betheifigt hatten, wurden ebenfalls derſelben Familie; war Lieutenant beim Infanterie 


verbannt. Nikolans ft. 1855, Michael durfte 


regiment Pultamwa, verband fih mit Murawiew, 


302 


um nach Veſtels Verhaftung 1825 die im Süden 
ausgebrodene Militärrevolution zu leiten, nachdem 
er ſchon 1821, mit Letzterem an der Spige der 
panjlavischen Agitation u. der geheimen Berbin- 
dungen in Rußland u. Polen ftehend, die Fuſion 
der vereinigten Slaven im Lager vor Leichtichin 
zu Stande gebradt hatte. Bei Unterdrüdung des 
Anfruhrs wurde er gefangen genommen u. mit 
Peitel, Aylejew u. Sergei Murawiem 25. Juli 
1826 durch den Strang hingerichtet. Bgl. Herzen, 
Die ruifiihe Berihwörung u. der Aufitand vom 
14. Dec. 1825, Hamb. 1858, Lagai.* 

Beſtuſchewſche Nerventinetur (Tinetura 
tonico-nervina Bestuschewi), nad Bejtuicher- 
Rjumin 3), der fie um das Jahr 1725 erfand, 
benannt. Das Geheimniß ihrer Bereitung wurde 
von der Kaiferin Katharina IL. mit 3000 Rubel 
erfauft und befannt gemacht. Sie ift durch eine 
einfachere Zinctur, eine Auflöjung des Eifen— 
chlorlds in Ather, mit Weingeift verdünnt, erſetzt 
u. al® Tinetura ferri chlorati aetherea (Liquor 
anodynus ımartiatus) in die Pharmakopöen auf- 
genommen. Ihre goldgelbe Farbe verichwindet 
durch das Sonnenlicht, kommt aber im Schatten 
wieder, Am einfachften wird fie Durch Auflöfen 
von Eifenchlorür in Ütherweingeift dargeftellt. 

Beſuki, 1) öftlihfte Provinz auf der Müſte 
der Inſel Java; 14,150 [km (257 [M); 
meist vulcaniiches Land, fruchtbar; die 562,790 
Em. ftammen meiſt aus Madura. 2) Stadt 
darin; Sig der holländifchen Behörden; Handel; 
18,000 Em, 

Dita, Name des 2. Buchftabens im griechifchen 
Alphabet; ſ. B. 

Beta L., Pflanzengattung aus der Familie der 
Chenopodeen (V. 2), mit Ywitterblüthen, fünfipal- 
tiger Blüthenhülle, fünf dem den fleifchigen Frucht- 
fnoten umgebenden Ringe eingefügten Staub- 
blättern, 2—3, jelten 5 Narben, der elwas fleis 
digen Blüthenbülle anbängender Frucht u. mit 
horizontal abftehendem Samen mit ringförmigem 
Keimling; Die langgeitielten Grundblätter bilden 
eine Nojette, die Gtengelblätter find Mein; die 
Blüthen bilden zu 2—3 in den Achſeln der Hoc- 
blätter gelnäuelte Trugdöldchen u. verwachſen in 
der Fruchtreife mit ihren Blüthenhüllen. Mehrere 
Arten werden in der Küche und Landwirthſchaft 
benugt; bei.: 1) B. vulgaris L. (rotbe Rübe, 
Runtelrübe), fahl, mit aufrechtem, äftigem Stengel, 
eiförmigen, ftumpfen Grundblättern, länglichen bis 
lanzettlihen Stengelblättern u. 2 länglich-ovalen 
Narben; an den Küften SEuropas einheimiſch. 
Während bei der wilden Pflanze die Wurzel nicht 
dider wird, ald der Stengel, erreicht diejelbe bei 
mehreren Gulturvarietäten eine bedeutende Größe; 
man unterjcheidet a) var. Cicla L. (B. hortensis 
Mill), mit cylindrifcher, dider, derber Wurzel, von 
der wieder eine Form mit fraufen Blättern u. | ars 
oder rothen Blattrippen als Zierpflanze in Eultur 
ift. b) Var. Rapa Dumort., mit fpindelförmiger, 
fleifchiger Wurzel, welche allein in den Zuderfa- 
brifen wegen ihres reihen Gehaltes an Rohr» 
zuder verarbeitet wird; fie fommt weiß, gelb oder 
roth vor; letztere Form liefert Salat, die ſogen. 
rotben Rüben. 2) B. maritima L. mit vielen 
niederliegenden Stengeln, rhombiſch-eiſörmigen, 


Beſtuſchewſche Nerventinctur — Betel. 


kurz zugeſpitzten Grundblättern und lanzettlichen 
Narben; wild an den Ufern der Nordfee, Engler, 

Beta, Heinrich, eigentlih Bettziech, deut« 
her Schriftfteller, geb. 22. März 1813 zu Wer- 
ben bei Delitzſch; ftubirte 1834—38 zu Halle 
Bhilofophie und Naturwiffenfchaften, warb dann 
Mitarbeiter an Ruges Halliihen, fpäter Deutſchen 
Jahrbüchern, redigirte 1838—48 die litera« 
riihe Beilage zu Gubitz' Gejellichafter und ent» 
widelte eine rege journaliftiihe Zhätigfet. Im 
Sturmjahre 1848 veröffentlichte er verfchiedene 
politiſche Brofchüren, die ihm eine ſchwere Anklage 
zuzogen, weshalb er nad England flüchtete. Die 
Amneftie von 1861 führte ihm nach Berlin zurüd, 
wo er zunädft die Werke: Deutſche Früchte aus 
England, Lpz. 1864, 2 Bde, u.: Aus dem Herzen 
der Welt, ebd. 1866, 2 Bde., ichrieb, in denen 
er mit vieler Sachlenntniß englische Zuftände u. 
Sitten ſchildert. Sodann gab er ein größeres illu— 
firirtes, von Brehm eingeführtes Wert: Die Be- 
mirtbichaftung des Waſſers, Lpz. 1868, heraus, 
in welchem er ſich in umfafiender Weiſe beionders 
über die Nahrungsinittel verbreitet, welche man 
aus dem Waller gewinnt, Salomon. 

Betain (Betin), eine im Safte der Runkelrübe 
(Beta vulgaris), vorfommende, auch durch Oxy— 
dation des Cholins darftellbare (daher auch Oxy— 
holin genannte) organische Baſe, leicht in Waſſer 
u, Allohol löslih u. daraus in ſchönen, nah Mo« 
ſchus riechenden Nadeln Iryftallifirend, Eldren. 

Betakelung (Schiffsw.), 1) fo v. w. Tafel- 
wert. 2) Das Bringen deſſelben an den gehöri— 
gen Ort; vgl. Auftateln, 

Detanzos, Stadt in der ſpaniſchen Prov. Eo- 
rufia (Galicien), nahe am Meere; Weinbau, Ger« 
berei, Fiſchfang; etwa 5000 Em. 

Betäubung, zunächſt Verſetzung in den Zu«- 
ftand der Taubheit; dann überhaupt in den Zus 
and der Empfindungslofigkeit, der Unfähigkeit 
zum Denfen, der finnlihen u. geiftigen Stumpfe 
beit; endlich diefer Zuftand felbft. Speciell in der 
Medicin verfteht man unter B, eine Unempfind- 
lichleit des Hirnes, die durch veränderte Blut- 
miihung (bei Typhus, bei Vergiftungen), Aufs 
nahme von Eiter (Pyämie) u. Urin (Urämie) ins 
Blut, oder durch Hirndrud und Hirnerfhütterung 
bedingt wird. Die B, geht bald mit Schlaffucht, 
bald mit Delirien und Krämpfen einher. Auch 
Arzneien können im diefen Zuſtand verjegen; man 
bezeichnet fie dann als betänbende Drittel 
(narkotiſche Mittel, Narcotica), 3. B. Opium u. 
Morpbium, welche ſchon in Keinen Doſen die Thä— 
tigfeit der Gentralorgane des Nervenigftems ftören 
u. jo Betäubung, Schlummer, intellectuelle Stör- 
ungen, Abftumpfung des Gefühls bedingen. Auch 
ein durch ſolche Mittel geftillter Schmerz wird als 
B. deſſelben bezeichnet, bei. wenn die Stillung 
nur vorübergehend ift; ſ. Narfotifirung, Chloro- 
formirung. 

Bete (fr.), 1) unvernünftiges Thier. 2) Dumm- 
kopf; daher Betife, Dummheit, Unvernünftigfeit. 

Beteigenze (arab.), röthliher Stern 1. Größe 
an der öftl. Schulter des Orion; f. u. Firiterne. 

Betel, gewürzbaft ſchmedendes Laub einer 
oftindiihen Staude, des Betelpfeffers (Chavica 
Betle Miq. (Piper Betle L.), aus der Familie 


Betelnuß — Bethlehem. 


der Biperaceen (II.3); fie befitst einen kriechen- 


303 


Betheneourt, Jean, Seigneurde B. Baron 


den od. Tletternden Stengel, geftielte, eiförmige,jvon St. Martin le Gaillard, frauzöſiſcher See: 
ſtachelſpitze Blätter u. diejen gegenüberftebende Blü+|fahrer, aus der Normandie gebürtig; landete 1402 
thenähren mit winzigen eingejchlechtigen Blüthen. mit einigen Abenteurern an den Canariſchen 
B. dient in Oftindien als Kaumittel, gewöhnlich Injeln, eroberte bis 1405 Yanzarote, Fuertaven— 


mit Kalt u. Arecanuß vermiſcht; jehr beliebt; man 
bietet B., wie bei ung Schnupftabaf, einander an 
u. führt jtets eine Büchſe mit B. bei ſich. Vergl. 
Areca, Der Saft gilt in Java als Heiftäftig gegen 
trodenen u. krampfhaften Huften. Engler.* 
Betelnuß, ſ. u. Areca. 
Betende, 1) jo v. w. Meflalianer. 2) Einige 
ſehr viel betende Wiedertäufer. 3) Betende 
Kinder, Kinder, die ib von 1707—1709 (nad 
Karls XII. Zuge durh Schlefien nad Sadjien u. 
zurüd nach WBolen) zuerft in Glogau, dann in 
anderen jchlefiihen Orten, in Nababmung der 
Betübungen der schwedischen Soldaten, unter freiem 
Himmel jammelten, beteten, fangen u. fi) mit 
dr Dingen unterhielten. 
etfuhre, Fuhre, die aus Gefälligkeit gethan 
wird, bei. zur Herbeiihaffung von Baumaterialien, 
wofür Denen, die jolche Fuhren gethan haben, ein 
Schmaus gegeben wird. 
Betglode, 1) Slode, mit der zu beftimmten 
Zeiten das Zeichen zum Gebete gegeben wird; 
) diefes Zeichen ſelbſt. Bgl. Ave Maria. 
Beth (hebr., arab. Beit), Haus, Wohnung; 
daber die zahlreichen damit zuſammengeſetzten 
bibliihen Ortsnamen, 3. B. Bethlehem, Bethel, 
Berbpbage x. 
Bethania (a. Geogr.), fo v. w. Haus der 
Armutb, nah Yazarıs genannt, Feines Dorf, 
3 kn von Jerufalem entfernt, am Oftabhange 
des Ölberges. Hier wohnten Martha u. Maria, 
bei denen Jeſus öfter war, u. Lazarus, defien 
Wohnung u. Grab man noch zeigt, auch Simon 
der Ausjägige. Auf den Auinen fteht jetzt der 
elende Ort Betel Afarijeh. 
Bethans, 1) Gebäude, wo zwar gebetet u. 
epredigt, allein feine Pfarrverrichtungen (Taufen, 
rauumgen 2c.) vorgenommen werden. 2) Kirche 
der Proteftanten in Ungarn u. zur öfterreichiichen 
gi in Schlefien, fo lange fie mit denen der 

atholilen nicht gleiche Rechte hatte. 3) Gottes- 
dienftlihes Gebäude chriſtl. Secten, 

Bethaus, Orden vom B. (Patres oratorii), 
weltlicher Priefterorden, geftiftet von Philipp Neri 
1556, beftätigt von Papſt Georg XIIL. 1577 m. 
von Paul V. 1612; bat den Namen von dem 
Oratorium in der Hieronygmustirche zu Nom, wo 
deſſen Glieder fi zuerft verjammelten. Der 
Orden wurde von Pierre de Berulle (f. d.) 1611 
nach Baris verpflanzt, nad England 1847 durd) 
oh. Nemman. 

ethel (d. i. Haus Gottes; a. Geogr.), Stadt des 
Stammes Benjamin in Judäa, im Gebiete des 
Stammes Ephraim; jett Beitin. Hier ſah Yatob 
nach der Überlieferung im Traume die Himmels» 
leiter u. foll den urjprüngligden Namen Lus in 
B. umgewandelt haben. B. war der Standort 
eines der beiden von Ferobeam errichteten Stier- 
bilder u. darum ein Zankapfel zwiſchen den Rei— 
chen Jsrael u. Juda. Zur Maflabäerzeit von dem 
Syrer Baldides befeftigt, wurde es fpäter von 
Beipafianus erobert. 


Cremona u. St. Hieronymus, 


tura, Gomera u. Ferro, erhielt dieſe Inſeln von 
Heinrich III. von Eaftilien zu Lehn, führte aus 
Spanien Coloniften dort ein u. gerirte ſich bald 
als Dynaft; er ft. 1425 zu Granvilla. 

Dethesdn (d. i. Haus der Wohlthätigkeit, 
Gnadenort), Teih in Jerufalem mit heilträftigem 
Waſſer für gemwifje Krankheiten, nach Joh. 5, 23, 
deffen Ortlichfeit im der Nähe des Schaftbores, 
deshalb vielleicht im Teiche Amygdalon (vd. Hiskfia- 
teich), od. im Strutbion zu juchen ift, vielleicht 
eine intermittirende Quelle, wie die heutige Maria— 
Quelle. Die Tradition verlegt B. in die Näbe 
des Stephansthores. Nach der evangeliihen Er- 
zäblung, daß ein Gichtbrüchiger 38 Jahre lang 
vergebens das Waffer des B. gebraudt hatte (bis 
ihn Chriftus beilte), jagt man fprühmörtlid von 
Einem, welcher lange u. unverdroffen auf Etwas 
bofft, er liege am Teiche B. 

Bethharam (d. i. Haus der Empfängniß), 
Stadt in Paläftina, 15 km öftlih vom Jordan 
und am Fuße des Peor; von Herodes zu Ehren 
der Livia, des Auguftusßemablin, Livfias genannt; 
nah Anderen bie fie auch Julias; jekt. in, 
Trümmern. 

Bethhoron (d. i. Ort der Höhlung, a. Geogr.) 
Stadt im Gebirge Ephraim auf der Örenze der 
Stämme Ephraim u. Benjamin, dem erfteren ge— 
börig; zerfiel in die obere, auf dem Gebirge, u. 
in die untere, an deſſen Fuße; fie war eine 
Levitenftadt und wurde von Hehabeam befeftigt; 
nicht weit davon war ein Gebirgspaß, wo Joſua 
die 5 Könige Kanaans u. Judas Matfabäos die 
Sprer ſchlug; auch der Römer Ceſtius ward dort 
befiegt; jegt Berhur od. Beit-Ur, weldes noch 
in das obere (EI Foka) u. das umtere (EI Tahta) 
zerfällt. 

Bethlehem, 1) (jo v. w. Brobhaus, fonft 
Ephrat, d.h. die fruchtbare, a. Geogr.), Stadt in 
Baläftina, 7,; km ſüdl. von Jeruſalem auf einem 
Berge. 2 nahm die Überlieferung die Stätte 
an, wo Nabel ftarb u. begraben wurde (das 1. 
Mof. 35, 19 genammte Ephrat, obmwol in dieſer 
Stelle jelbft aufB. gedeutet, ift ohne Zweifel mach 
er. 31,15 bei Ramah in Benjamm); bier wobit- 
ten Boas u. Ruth, die Ahnen Davids, der ſelbſt 
bier geboren wurde, daher Davids Stadt. Unter 
Nehabeam wurde B. befeftigt. Nah Mattb. u. 
Luc. ift in B. Jeſus geboren; an der Gebunts- 
ftätte ließ Hadrianns einen Tempel des Adonis, 
Helena aber, die Mutter Conftantinus’ des Großen, 
eine prächtige Kirche errichten, die von Juſtiniauus 
wiederhergeitellt u. der Maria de Präfepio ge» 
weiht wurde; fie bat unter dem Wltar eine 
Grotte, welche ımmer von 32 Yampen erleuchtet 
wird, darin die in Felſen gehauene Geburtsitelle 
Jeſu, mit einem ſilbernen Gitter verichlojien. 
Nicht weit davon eine 2, Grotte, wo die Gebeine 
der im Betblehemitiihen Kindermorde umgelom- 
menen Kinder beftattet fein follen; in anderen 
Grotten die Grabmäler des St. Eufebius von 
Die Stelle, wo, 


304 


die Engel in der Geburtsnacht den Hirten auf dem 
Felde erichienen fein follen, ift in einem Dliven- 
garten mit Klofterruinen. Jetzt heißt B. Beitlahm 
Fleiſchhaus); 3000—5000 Ew. rüber hatte B. 
eine von Ehriften mit Moslemin gemiſchte Bevölfer- 
ung; ba fi) aber die Stadt 1834 an dem Aufftande 
gegen Ibrahim Paſcha betheiligte, ließ diefer das 
mohammed. Viertel zertören, u. dann wohnten nur 
noch Ehriften verſchiedener EConfeffion, 2—3000, 
dort, denen fi) aber jpäter wieder Mohammeda— 
ner beigefellten. Die Ew. ernähren fih mit Dliven- 
u. Weizenbau, mit Berfertigung von Roſenkränzen, 
Erucifiren, bi. Krippen u. dergl. aus Holz, Perl- 
mutter, Dattelfernen, Ajphalt. Bgl. Zobler, B. 
in WPaläftina, St. Gallen 1849. 2) Poftftation 
in Northbampton County, Staat Penniyivania; 
1741 von Mährifhen Brüdern gegründet ; hübſch 
gelegen für den Sommeranfentbalt; Univerſität, 
berühmte weibl. Lehranftalt; bed. Eifen- u. Zinf- 
fabriten; 8070 Em, 1) Yöfller.* 
Bethlehemiten und Bethlehemitinnen, 
1} geiftliher Orden nad St. Auguftinus’ Regel im 
13. Jahrh. in England; ift längft eingegangen. 
2) Ritterorden U. 8. 5. von Beiblehem 
(Betblehemitifcher NWitterorden, Nitterichaft von 
Lemnos), geftiftet 1459 von Pius II. zum An- 
denfen der Wiedereroberung der Inſel Lemnos, 
nah St. Auguftinus’ Regel u. der Einrichtung der 
Johanniter; Zwed: neben den religiöfen Übungen 
ein emwiger Krieg gegen die Türken; Tracht: weiß, 
mit rothem Kreuze auf der Bruft; ging nad dem 
Berlufte der Inſel Lemnos an die Türken ganz 
ein. 3) Geiftlicher Orden, von Peter v. Bethen- 
court 1655 zu Guatemala nad der Hegel des 
h. Franciscus ımter dem Namen Congregation 
von Bethlehem geftiftet, von Betheucourts Nach— 
folger, Anton vom Kreuz, 1667 von den Fran— 
ciscanern durch eigene Kleidung unterfchieden; 
1668 murde von Maria Anna dei Galdo für 
Hoipitaldienft u. unentgeltlichen Schulunterricht 
ein weibl, Zweig geftiftet; 1707 wurde von Cle— 
mens XI. die Congregation zum Orden erhoben 
n. mit allen Privilegien der Bettelmönde begabt. 
Sie legen feierliche Gelübde ab, gehen ganz wie 
Kapuziner u. SKapuzinerinnen gefleidet, tragen 
jedoch Hüte, breite Yedergürtel u. auf der rechten 
Bruft ein Schild mit einem Bilde der Geburt 
Ehrifti; fie find mit ihren vielen Klöftern im 
SAmerifa von großer Bedeutung, am manchen 
Orten die einzigen Berbreiter einiger —— 
öffler.* 

Bethlehemitifcher Kindermord, j. Matth. 
2,26. Nah der fagenhaften Kindheitsgefchichte 
Jeſu ließ Herodes d. Gr. alle Kinder in Beth- 
lehem unter 2 Fahren tödten, weil ihm von Wei- 
fen aus dem Morgenlande die Geburt des Meifias 
auf Grund der Erſcheinung eines Sterneß ver- 
kündigt u. nach Did. 5, 1 von den jüdijchen 
Schriftgelehrten Bethlehem als Geburtsort des 
Meifias genannt worden war, Der Stoff liegt 
dem verbeutichten Bethlehemitiſchen Kindermorde 
’e3 Ritters Marino von Brodes zu Grunde. Seit 
dem 6. Jahrh. wird in der Katboliichen Kirche 
der 28. Dec. als Tag der Unichuldigen Kindlein 
gefeiert, weil man jene Kinder als die erſten Mär- 
yvrer des Chriſtenthums anſah. Scherzweiſe nennt 


Bethlehemiten — Bethlen. 


man fo (AMassaere of the Innocents) in der 
Sprade des engliihen Parlaments das Bejeitigen 
unerledigter Bills. zöfler.* 

Bethlen, Flecken im Comitat Iuner-Szolnot 
in Siebenbürgen, an der großen Szamos und 
Biftriga; Stammhaus der Grafen gleichen Na» 
mens; Salzquellen; 1500 Em, 

Bethlen, eine urjprünglih aus Ungarn flam« 
mende, in Siebenbürgen begüterte, der refor«- 
mirten Eonfeffion folgende u. 1622 in den Grafen» 
ftand erhobene Familie. Sie zerfällt in 2 Haupt- 
linien, die von Iltar u. von Betblen, letztere aber 
wieber in viele Abtheilungen. I. Altere Haupt« 
linie, B. v. Ittar. Aus ihr ftammten: 1) Ga- 
briel (Gabor) B., gemöhnlid Bethlen Ga— 
bor, Sohn —— B., geb. 1580; er ſchlug, 
nah Mofes Szellys Fall, die ihm angetragene 
Fürſtenwürde aus, ward fpäter von Siegmund 
Haloczy feſtgeſetzt u. zog fi, durch Freunde be» 
freit, auf feine Güter zurück; er diente dann Ga— 
briel Bathori, ward aber fpäter diefem feind u. 
nah deſſen Ermordung (1613) zum Fürſten von 
Siebenbürgen erwählt. Er erflärte jih 1619 für 
die böhmitihen Inſurgenten gegen Kaiſer Ferdi⸗ 
nand II., drang gegen Presburg u. Wien vor, 
wurde 25. Aug. 1620 zum König von Ungarn 
gewählt, ließ fi) aber micht frönen, Sondern 
ſchloß 1622 zu Nifoldburg mit dem Kaifer Frieden 
u. entjagte der Krone von Ungarn. 1623 wurde er 
durh den Markgrafen Georg von Brandenburg- 
Fägerndorf u. durch Mansfeld bewogen, in Mäh— 
ren einzufallen, ließ Mansfeld jedoh im Stidye 
u. jchloß 1624 nochmals Frieden. Er wurde 1626 
wieder in den 30jährigen Krieg verwidelt, ſchloß 
aber bald in Leutſchau einen neuen Frieden. B. 
ft. 15. Nov. 1629. Näheres f. u. Stebenbürgen, 
Ungarn u. Dreißigjähriger Krieg. Während feiner 
Regierung betrat fein Feind Siebenbürgens Örenze. 
Er begünjtigte Wiffenfchaften u, Kiünfte, ftiftete die 
Akademie von Weißenburg u. rief außerdem Ge» 
lehrte, Künftler u. Handwerler ins Land. Bgl. 
Boithy, De rebus gestis Gabrielis B., herausgeg. 
von v. Engelin den Monum. ungar., 1808. Zum 
2. Mal war er vermählt mit Katharina B., der 
Tochter des Kurfürften Johann Siegmund von 
Brandenburg, die ihm in der Regierung folgte; 
aber die Stände zwangen fie, da fie ein Liebes- 
verftändnig mit Johann Eiäfy unterhielt, ſchon 
1630 die Regierung niederzulegen u. das Yanb 
zu verlaffen. 2) Stephan, Bruder des Bor.; 
folgte nad der Entfernung feiner Schwägerin in 
der Regierung, mußte diejelbe jedod 1630 Georg L. 
Rakoczy überlaffen u. trat in den Privatitand 
zurüd, 3) Graf Dominik, geb. 15. März 1810, 
geft. 10. März 1866, der letzte mäunl. Sprößling 
diefer Linie. II. Jüngere Hauptlinie: 8. 
von B. Zu diefer Linie gehören aus früherer 
Zeit eine große Zahl von Männern, welche ſich ſowol 
im Kriegs- u. Staatsdienfte, als auch auf dem 
Gebiete der Künſte u. Wifjenichaften ausgezeichnet 
haben, jo: 4) Graf Johann B., geb. 1613; 
war Kanzler unter mehreren Fürſten von Gieben- 
bürgen; ſt. 1687; er jchr.: Rerum transsyl- 
van. libri IV (von 1629—63), Hermannft. 1663, 
n. Aufl, Wien 1779; dazu Fortſetzung (bi$ 1673) 
herausgeg. vonHoranyi, Wien 1873 f. 5) Wolfe 


Bethmann — Bethmann - Hollweg. 


gang B., geb. 1640, Kanzler von Siebenbürgen; Geſchäfte 


305 
und jegiger Chef deffelben ift Freiherr 


ft. 1679; er fchr.: Historia de rebus transsyl-|Moriß, geb. 8. Oct. 1811 u. 1854 in den 


van. (enthält die Jahre 1526—1609), herausgeg. badiſchen Freiherrnſtand erhoben. 
6) Graflichweiter des Lerteren, 


von Benkö, Belt 1782—93, 6 Bde. 


Die Baters- 


Suſanne Elifabethb, war 


Nillas, Sohn von B. 4), geb. 1642; ftudirte/vermäblt mit „Johann Jatob Hollweg (geb. 7. 


in Heidelberg, Utrecht u. Leyden die Wiffenichaften 
u. machte dann Reifen nad England, Frankreich 
u. Italien. Nach jeiner Rückkehr wurde er Ober- 
capitän des Udvarhelyer Stuhls u. der Feſtung 
Huft, fowie Obergeipan des Marmaroſcher Co— 
mitats. Bei dem Übergange Siebenbürgens unter 
öfterreichifche Herrſchaft leitete er die Unterband- 
Inngen am Kaiferhofe; dadurch hatte er ſich im 
Lande mächtige Feinde zugezogen, welde während 
der Ragoczyichen Unruhen jeine Berbaftung und 
Abführung nah Wien bemirften, Er wurde zwar 
als unichuldig freigelaffen, kehrte aber nicht in jein 
Baterland zurüd, ſoudern lebte in Wien u. ftarb daj. 
17. Oct. 1716, Die Memoires bist. du Comte 
B. Nielas, Amft. 1738, 2 Tble., find nicht von 
ihm. Jetzt zerfällt dieje Linie in mehrere noch 

blühende Zweige. Gicalet.* 
Bethmann, eine aus den Niederlanden wegen 
Religionsverfolgung ausgemwanderte, erjt in dem 
Städtchen Naffau, jpäter in Frankfurt a. M. an- 
gas Familie, aus welder das berühmte 
anfierhaus in Frankfurt a. M. (dem 2. Jan. 
1745 geftiftet) hervorgegangen ift. Der Bater 
der die Firma gründenden Brüder war Simon 
Morig B., naffanisher Amtmaun, geb. 26. März 
1687, get. 6. Juni 1725. Seine drei Söhne wur— 
den von einem Obeim mütterlicherfeits, Jakob 
Adami (geb. 8. Dec. 1670, geft. 23. Dec. 1745), 
Kaufmann in Frankfurt a. M., erzogen u. erbten 
deffen Bermögen u. Geſchäft. Der ältefte derjelben, 
Johann Philipp B., geb. 30. Nov. 1715, 
afjociirte fih 1748 mit feinem jüngften Bruder 
Simon Mori (geb. 6. Oct. 1721) u. nahm 
die Firma Gebrüder B. an, während der zweite 
Bruder, Johann Jakob (geb. 20. Juni 1717), 
fih in Bordeaur etablirte. Der einzige Sohn 
Ich. Philipps, kaiſerlichen Rathes u. Bantiers 
(geit. 27. Nov. 1793), war Simon Morig, geb. 
31. Det. 1768), welcher das Geſchäft feines Vaters 
u. Oheims, der kinderlos ftarb, übernahm. Die 
politiich vielberwegte Zeit fam feinem fpeculativen 
Sinne u. jeinem geihäftlihen Scharfblide zu Hilfe, 
um die Geldoperationen feiner Handlung in einem 
größeren Maßſtabe auszudehnen Er war bald 
einer der bedeutendften yinanzmänner feiner Zeit, 
negocüirte verjchiedene Staatsanlehen, wurde vom 
Kaiſer Franz von Ofterreich geadelt u. vom Kaijer 
Alerander von Rußland zum Staatsrathu. General: 
Conſul ernannt. Während der franzöfiihen Herr- 
ſchaft wirfteer beſonders fegensreich für die Stadt, 
indem er fein Anſehen aufbot, um die Napoleoni» 
chen Kriegsbedrüdungen jo viel wie möglich von 
ihr abzumenden. Er war aud Freund u. Kenner 
der Kunſt u. Beförderer wiffenichaftlichen Strebens; 
mit jeiner Billa bei Frankfurt verband er das 
fogen. Bethmannſche Mufeum, in welchem ſich 
nebſt anderen Kunftihägen die berühmte Statue 
der Ariadne von Danneder befindet. Er ft. 28. 
Dec. 1826, u. am 31. Oct. 1868 wurde fein von 
dem Bildhauer v. d. Launitz gefertigte® Denkmal 
aufgeftellt. Sein ältefter Sohn u. Nachfolger im 
Biererd Univerfal-Eonverfations-Perifon. 6. Aufl. 


I. Band. 


Jan. 1748, geft. 22. Jan. 1808), melder das 
Berhmannihe Wappen annahm u. die Linie Beth» 
mann-Hollweg ftiftete. 

Bethmann, 1) Friederife NAugufte Kon. 
radine, eine der eriten Schaufpielerinnen des 
Berliner Nationaltbeaters, geb. 24. Jan. 1771 
zu Gotha. Ihr Familienname ift Flittner. Bon 
ihrem Stiefvater, dem Scaufpieler u. Schau» 
fpieldichter Großmann, frühzeitig auf die Bühne 
gebracht, mandte fie fich zunächſt der Oper zu, 
trat dann aber zum Schauipiel über u. gläuzte 
bad in allen Noltenfähern. In Mainz verhei— 
rathete fie fi mit dein befaunten Komiter Unzel— 
mann, ging alsdann mit dieſem 1788 nad 
Berlin, wo fie faft in jedem Zuſchauer auch einen 
Verehrer fand. Bon Unzelmann 1803 geichieden, 
beirathete fie 26. Mai 1805 den Scauifpieler 
B. (j. 2). Eine Beleidigung, die fie dem Publis 
cum von der Bühne herab (1809) fagte, 309 ihr 
Hausarreit zu u. hätte vielleicht das freundliche 
Verhältniß zu den Berlinern für immer gefährdet, 
wenn nicht Iffland eine Berfühnung angebahnt 
u. zu Ende geführt hätte. Allgemein betrauert ft. 
fie 16. Aug. 1815 zu Berlin. Die B, iſt eine 
der genialiten Schaufpielerinnen des deutſchen 
Theaters, die nicht allein durch ihre unendliche 
Bielfeitigkeit, fondern auch die feinjte Charakteriſtik 
ihrer Rollen, den feelenvollen Bortrag, wie die 
glüclichite Verwendung aller äußeren Hilfsmittel 
einen unmiderftehlihen Zauber ausübte, Goethe 
hätte fie, Schlegel bewarb fih um ihre Hand, 
Jffland war entzücdt von ihr, u. Friedrich Wilhelm 
hatte das wärınfte Intereſſe für fie. Briefe von ihr 
u. an fie findet man bei Dorow, Krieg, Yiteratur u. 
Theater, Lpz. 1845, ©. 263—292. 2) Heinrich 
Eduard, zweiter Gatte der Borigen, geb. 1774 
zu Roſenthal bei Hildesheim; betrat 1793 als 
Deitglied der Boffanfhen Truppe die Bühne, fam 
1794 an das Berliner Hoftheater, verheiratbete 
fih mit der Borigen, privatifirte nach dem Tode 
jeiner Battuf u. übernahm 1824 das Königsftädter, 
dann das Wachener, ipäter das Magdeburger 
Theater u, führte endlich die Direction einer klei— 
neren Truppe in Sachſen, mit der er auch Yeipzig 


beſuchte. B. fl. 1857 zu Halle, Sem Sohn 
3) Frist, ebenfalls Schaujpieler, geb. 1796 in 


Noftod; betrat zuerft unter Arrefto, der 1813—15 
in Noftod fpielte, die Bühne, debütirte 1818 auf 
der Hofbühne zu Strelitz, ging 1821 zu Gerftel 
nach Deffau, gaftirte in Magdeburg, war dann 3 
Jahre am Theater in Sondershaujen u. jeit Herbft 
1825 in Bremen engagirt. Hier übernahm B. 
die Direction der Bühne, die er bis 1832 führte, 
Im Dec. 1833 eröffnete er das Stadttheater zu 
Noftod, das früher nur von wandernden Trup— 
pen bejucht war. Er ft. 1846 in Greifswald. 
1) 2) Kürfchner. 
Bethmann-Hollwen, Moris Auguſt v. 
B.⸗H., berühmter Nechtsgelebrter, geb. 8. April 
1795 in Frankfurt, ſtammt durch jeine Mutter, 
eine Schweiter des Simon Moris Berhmann, die 


20 


306 


fih mit Joh. Jakob Hollweg verbeiratbete, aus 
dem großen Frankfurter Banquierbaufe Bethmann 
(j. d.), in welches jein Bater als Affocie eintrat. 
Er ftudirte, nachdem er die Schweiz u. Italien 
bereift, 1813 in Göttingen u. Berlin die Nechte, 
bej. die hiſtoriſche Jurisprudenz. Als 1816 die 
Inſtitutionen des Gajus durch Niebubr in Verona 
entdedt worden waren u. Göſchen zur Entzifierung 
derfelben abgejendet wurde, ſchloß fih B. dieſem 
an, um an diejer Entzifferung theilzunebmen. 
Er babilitirte fih 1819 zu Berlin als Privat« 
docent u. ward 1820 aufßerordentlicer, 1823 
ordentlicher Profeſſor der Rechte dajelbit u. 1829 
in Bon, wo 1840 feineftobilitirung erfolgte. Im 
Jahre 1842 legte er jeine Profeſſur nieder ıı. führte 
dann bis 1848 das Guratorium der Umniverfität. 
Im J. 1845 wurde er Mitglied des Staatsrathes 
u, nahm 1846 als Deputirter der Rheinischen Pro- 
vinzialiynode an der Generalſynode tbeil; 1849 
trat er in die Erjte Kammer u. 1852 im die 
Zweite Kammer ein u. begründete bier die fog. 
Altpreußiſche Partei, melde” auf Grumd der ge- 
ſchichtlichen Berhältnifie Preußens eine Weiterent- 
widelumg des Staatslebens auftrebt u. den reac— 
tionären Beftrebungen auf politiichem (Gebiete 
entſchieden abhold war. 1848 rief er den Evange— 
lichen Kirchentag ins Yeben, der am 21. Sept. 
jenes Jahres zufammentrat u. von ihm wie in 
den folgenden Jahren präfidirt wurde. 1851 
gründete er für feine Bartei das Preuß. Wocen- 
blatt, in welchen: er für die Emancipation Preu— 
ßens von Öfterreih u. von der feudalen Reaction 
tämpfte. Am 6. Nov. 1858 ward er als Staats- 
munter an die Spige des Miniſteriums für getit- 
lihe u. Unterrichts-Angelegenbeiten berufen u. 
fuchte in dieſer Stellung den Diſſidenten einige 
Sicherheit zu ſchaffen. In der Zeit des parla- 
mentariſchen Conflicts, welcher die Erwartungen 
der Ende 1858 beginnenden neuen Aera mähigte, 
fonnte er ſich jedoch mit feinen Vermittelungs— 
verfuchen nicht mehr behaupten, und 18. März 
1862 trat v. Mühler an feine Stelle. B.-H. ge- 
hört zu den bedeutenditen rheinischen Grundbe— 
figern; fein Schloß Wheined bei Brohl lief 
er 1832 im Rundbogenſtil nen aufführen u. im 
Innern durch zresten u. Sculpturen ausſchmücken. 
Er jhr.: Grundriß des Civilprocefies, 3. Aufl., 
Bonn 1832; Verſuche über einzelne Theile der 
Theorie des Civilproceffes, Berl. 1827; Gerichts- 
verfaffung u. Proceß des finfenden Römiſchen 
Reiches, Bonn 1834; Urfprung der lombardifchen 
Städtefreibeit, Bonn 1846; fiber die Germanen 
bor der Völlerwanderung, Vonn 1850; Der Civils 
procch des Gemeinen echtes in geſchichtl. Ente 
widelumng, Bonn 1864—74, Bd. 1—6 Yen 
er.’ 
Dethöme, judäiſche Stadt, wohin im Jüdiſch— 
Syrien Kriege gegen 800 mächtige u. reiche 
Juden flohen, welche Alerander Janäos nad Er- 
oberung der Stadt Freuzigen lich. 
Bethonceonrt, Dorf nördlih von Montbeliard 
(Frankreich), um das in der Schladht an der Fir 


‚Bethome — Bethuſy. 


Olberg mit dem Dſchebel Batten el Hawe ver- 
bindet, Von bier aus erblickten die von Jericho 
tommenden Pilger zum erjten Mal die hi. Stadt, 
weshalb Jeſus von hier aus am fetten Ofterfefte 
ieinen Einzug bielt; jegt verſchwunden. Loffler. 
Bethjaide (d.i.Hausdes Fiſchſangs, a. Geogr.), 
1) Stadt in Ganlonitis, am OUfer des Sees 
Genezareth, wo der Jordan minder; bieß jpäter 


Julias; Ruinen auf dem jesigen Hügel Tell; 
bei B, war die Speifung der 5000. 2) Stadt im 


Galiläa, am Wllfer des Sees Genezaretb; Varer- 
jtadt der Apoftel Petrus, Andreas u. Pbilippus, 
Bethſean (d. i. Haus der Ruhe, Stytho— 
polis, a. Geogr.), Stadt in Samaria, auf der 
Grenze von Galiläa, im Gebiete des Stammes 
Iſſaſchar. An den Mauern von B. war die Leiche 
Sauls aufgehängt. B. wurde von Gabinus be- 
feftigt u. im 4. Jahrh. Sip eines Biſchofs; jetzt 
Beilan, mit 200 Em,, Ruinen eines röm. Theaters, 
Bethſemes (d. i. Sonnenhaus), Prieiteritadt 
in Judaa, im Stamme Juda, nahe an der Grenze 
von Philiſtäa. Hier wurde zuerft die Bundeslade 
aufgeftellt u. der König Amazia von Juda von dem 
König Joas von Israel befiegt; unter König 
Abas wurde B. von den Philiftäern erobert; jetst 
beißt der Ort Ain⸗Schems. j 
Bethulia (a. Geogr.), Stadt in Nieder-Galiläa, 
wo Judith nach dem dieien Titel tragenden Buche 
dem die Stadt belagernden Holofernes den Kopf 
abbieb u. ftarb; jet wahricheinlich Beit Ilfah. 
Bethune, Hauptit. des gleihnam. Arr. im 
franz. Dep. Pas de Calais, auf einem Felſen an 
der Blanche, am Kanal von B, u. an der Nord« 
bahn; ebemal. Feſtung 3. Ranges, jeit 1867 ab» 
getragen; altes Schloß; Salzraffinerie, Gerberei, 
vtigung von Pfeifen, Leinwand, Ol, Yuder, 
Käſe; 8410 Em.; unweit davon das fonft auch 
feite Schloß Annecin. — B. ward im frühen Dlite 
telalter an das feite Schloß, das die Herren von 
B. bejaßen, angebaut. Im 12. Jahrh. war es 
ihen beträchtlich. Vido von Dampierre, Graf 
von Flandern, erhielt B. durch Heirath mit der 
Erbtochter des legten Grafen von B. 1646 von 
den Franzosen, 1710 von den Allürten, 1712 von 
den Franzoſen belagert u. erobert; feit 1713 durch 
den Frieden von Utrecht franzöftiche Beſitzung. 
Berhufy, eine evangelifche, aus Languedoc im 
Frankreich ſſammende u. eigentlih Huc gebeißene, 
jegt in Preußiſch-Schleſien, wo fie Die Herrichaften 
Bankau u. Aibrechtsdorf befist, u. in Polen bes 
güterte, jeit 1773 in den Neichsgrafenitand erho— 
bene Familie, welche ſich von der ſchweiz. Beſitzung 
B. nannte u. 1859 von Preußen die Erlaubniß 
erhielt, dieſem Namen ihren alten Namen (Huc) 
wieder beizufügen. 1) Paul, Marquis v. Huc, 
Sohn des Marquis Philipp; ſiedelte in der Mitte 
des 18. Jahrh. nach der Schweiz über, wo er 
B. u, andere Güter in Bern u. Freiburg erwarb, 
1773 während des NReichsvicariats unter dem 
Kurfürften Karl Theodor von Pfalz » Bayern in 
den Neihsgraienitand erhoben wurde; er jtarb 
als kurſächſiſcher Nammerberr in Dresden. Der 


jaine am 15. Jan. 1871 beftig gefämpft wurde ;(jetige Chef it 2) Graf Eduard Georg, Sohn 


ſ. Liſaine. 
Bethphäge (d. i. Feigenhauſen), Flecken un⸗ 
weit Jeruſalem, auf dem Sattel, der den eigentl. 


des 1833 verſtorbenen Grafen Heinrich, geb. 


3. Sept. 1829; ſtudirte in Bonn, Breslau u. 


Berlin Jurisprudenz, machte Reifen im Orient u. 


Bethzur — Betrieb. 


ift feit 1861 Mitglied des fchlefiihen Provinzial] firte aus Sicht kommt. 


landtages, jeit 1862 ununterbrochen des Preußischen 
Abgeorpnetenhaufes u. in demfelben der freicon- 
fervativen Partei, jeit 1867 Mitglied des Nord- 
deutichen, darauf des Deutichen Reichstages u. indem- 
jelben Mitglied der Deutſchen Reichspartei. Bauer.’ 

Bethzur (Beihzura, Felienhaus, feite Stadt 
im Stamme Juda, füdlih von Jeruſalem, von 
Rebabeam u. mehr noch von den Maffabäern 
befeftigt. B. wurde 165 v. Chr. von Lyſias ar 
u. von Judas Maflabäos entjegt; 163 v. Chr. 
nahm Lyſias die Stadt dod, u. die Syrer be- 
bielten fie bis 140 v. Chr., wo fie Simon Mat: 
tabäos wieder eroberte. Bei B. taufte nach der 
Sage Philippus den Kämmerer der Königin Kan- 
dafe. Die Lage, nicht weit von Hebron, ift nicht 
mit Sicherheit ermittelt. 

Beton (fr.), ein mit Kies oder Ziegelftüden 
vermiſchter hydrauliſcher Mörtel, welcher, da er 
unter Waffer erhärtet, namentlih bei Waflerbau- 
ten, Brüdenjundirungen x. angewandt wird; er 
wird jedoeh auch als Gußmörtel im Trodenen 
verwendet, namentlich zu yundamenten, zu Guß— 
gemwölben u. Fußböden. 

Betonica L., Pflanzengatt. aus der Fam. der 
Labiaten (XIV. 1), der Gattung Stachys ver- 
wandt, nur ohne Haarleifte in der Blumenröbre u. 
die Staubbeutelfächer auseinanderfabrend, oder fait 
gleihlaufend, mit gemeinjchaftliher Längsritze auf 
jpringend. Der Name ift dur Schreibfehler für 
Vettonica (bei Plinius) entftanden. Arten: B. offi- 
einalis L. (Zebrtraut, Pfaffenblümlein), mit läng- 
lich eiförmigen, am Grunde herzförmigen, gelerbten 
Blätternu. purpurrothen, eine Scheinähre bildenden 
Blüthen; fat in ganz Europa auf trodenen Wald» 
wieſen, auch in Gärten cultivirt, wo fie mit weißen 
Blüthen u. gefledten Blättern varürt. Das bitter- 
Sich» gewürzhaft jchmedende Kraut u. die Blüthen 
find als Herba et Flores Betonicae officinell; 
die Wurzel bewirkt friſch leicht Erbrechen und 
Purgiven; das Kraut wurde ehedem als nerven: 
färtendes Mittel, auch bei Katarrhen u. Gicht 
verordnet, jetst dient es nur noch als Bollsmittel; 
die Blätter werden jung als Gemiüfje genofjen. 
Am Alterthum ftand die B. in jo hohem Aufe, 
dag Antonius Mufa diefelbe in einem eigenen 
Buche über fie gegen 47 Krankheiten empfiehlt 
u. (nach Plinius) das Haus, wo fie ſich befand, 
für frei won Krankheiten angejehen ward. B. hir- 
suta L., mit raubaarigen Blättern; an gebirgigen 
Orten SDeutfhlands. B. Alopecuros L., mit 
grünlich- blaßgelben Blüthen; in der fubalpinen 
Region der Alpen nicht felten. Engler. 

etonnung eines Fahrwaſſers oder einer Un— 
tiefe beißt die Stellenzeihnung derjelben durch 
Auslegen von Tonnen an den Seiten des Fahr— 
waſſers oder der Uintiefe, jo daß dieſe von den 
Schiffen auch nöthigenfalls ohne Yootjenhilfe er- 
tannt u. paffirt werden fünnen. Zur B. ver» 
wendet man verjchiedene Arten von Seezeichen 
(f. d.), welche aber jämmtlich auf folder Wafler- 
tiefe liegen müſſen, wie der Tiefgang der das 
betreffende Fahrwaſſer beiuhenden Schiffe es er» 
fordert, u. ım folder Entfernung von einander, 
Daß auch bei unfidhtigem Wetter das nächſte See» 
zeichen gejeben werden kann, che das zulegt paſ⸗ 


307 


Die Seezeihen müſſen 
ferner in möglichft grader Linie u. jo ausgelegt 
mwerden, daß Feine geringere Waffertiefe als die, 
auf welcher die Seezeichen jelbft liegen, zwiſchen 
je zweien in das Fahrwaſſer bineinreicht. Zur 
Unteriheidung etwa neben einander liegender 
Fahrwaſſer oder wichtiger Wendepunfte in einem 
jolhen werden Seezeihen von veridhiedenen For— 
men; zur Kennzeichnung, welche Seite des Fahr— 
waſſers durch das Seezeihen angezeigt werden 
ſoll, aber verſchiedene Farben für dieſelben ge» 
wählt, während ihre Größe ſich vorzugsweiſe nad) 
der für fie geforderten Sichtbarkeit u. den diejelbe 
beeinfluffenden Umftänden richtet. 

Betonung, j. Accent. 

Detretungsfall, im B., d. h. wenn ein ges 
richtl. od. polizeil. Verfolgter erreicht, od. Jemand 
bei Berübung einer ftrafbaren Handlung betroffen 
wird. Der jofort auf der That beiretene Ber- 
breder wurde bei den alten Deutichen dur das 
Gejchrei des ihn vor den Richter führenden Volkes 
angeflagt (beruftet). Gegenwärtig wird er ver- 
haftet, u. ſchützt in diefem Falle felbft das Privile- 
gium der andtags- oder Neichtagsmitglieder nicht. 

Betrieb im Allgemeinen die Ausführung 
einer gewerblichen Unternehmung. Erſt der B. 
der Yandwirtbichaft, einer Fabrik, eines Hand» 
werkes ꝛc. macht diefe Güterquellen rentabel. Er 
fann durch den Eigenthümer ſelbſt geichehen, 
Eigen-B., oder von ihm am dritte ‘Berfonen 
überlaffen werden. Yebteres gejchieht wieder in 
der Weife, daß die Eigenthümer entweder andere 
Perfonen zur Führung des Bes in ihre Dienfte 
nehmen, diejelben bejolden und dagegen das volle 
Erträgniß des Betriebes empfangen, B. für 
eigene Rechnung; oder es wird der B. an 
Dritte gegen Zahlung einer firen Summe — 
— — überlaſſen, wogegen denſelben das 
Betriebserträgniß zu eigen verbleibt. Jeder ge— 
werbliche B. ſetzt das Vorhandenſein der ent— 
ſprechenden techniſchen Einrichtungen u. Anſtalten 
(ein beſtimmtes wirthſchaftliches Grundſtüch, eine 
Fabritanlage, Werkſtätte, die erforderlichen Ge— 
räthe und Werkzeuge zc.) voraus, jodanı aber 
auch das Capital, welches, in der Hand des Un— 
ternehmers u. von feiner Intelligenz geleitet, die 
productive Benugung jener Einrichtungen u. Ans 
ftalten ermöglicht (Anlage u. B⸗scapital). Um— 
fang u. Art der B⸗smittel u. Capitalien find durch 
Zwed u. Art des gewerblichen Unternehmens ber 
dingt; die Berfchiedenheiten zeigen fih in dem Unter—⸗ 
jhiede der Fabrifation von dem Handwerfe, der 
Maffenproduction von der Einzel-(Stüd-)Produce 
tion (ſ. auch den Art. Anlagecapital). Für 
manche gewerbliche B-e find auch noch beſondere 
polizeirechtliche Erforderniſſe gegeben. Allgemein 
iſt der Unternehmer verpflichtet, den Beginn des 
Gewerbe-#re8 u. bei einem ftebenden Gewerbe 
den Ort deffelben anzuzeigen (D. Gew.-Ord. 
$$ 14 u. 15); die Fortſetzung des Bres kann 
polizeilih verhindert werden, wenn ein Gewerbe 
ohne die gejeglich erforderlihe Genehmigung ber 
gonnen wird. Zur Grridtung von Anlagen, 
welche durch die örtliche Yage oder die Beſchaffen— 
beit der B⸗sſtätte für die Beſitzer oder Bewohner 
der benachbarten Grunditüde oder für das Pur 
20* 


308 Betriebscapital — Betrug. 


dem man mit wenig Arbeit u. mäßigem Capitaf 
einen hohen Reinertrag zu erzielen ſucht. Ber 
flacher Cultur wird einer zwedmäßigen Düngung 
wenig Aufmerkſamleit geichenft, fünftlihe Dünger 
gar nicht zugelauft. Maichinen findet man außer 
Drefhmafchinen nicht, Wiejen u. Weiden im aus- 
gedehnten Maßſtabe. In der Viehhaltung prä— 
valırt das Wollſchaf, während Rindvieh nur in 
befhränftem Maße auftritt u. im Sommer ge- 
weidet wird. Bon technifchen Gewerben ift nur 
die Brennerei u. allenfalls die Stärlefabrilation 
vertreten. Der Bruttoertrag ift ein geringer, u. 
fteigt der Reinertrag wol bis auf 40%, des Brutto- 
ertrages. Die Feldſyſteme, melde im ertenfiven 
Betriebe hauptfächlich vertreten find, find: aa) die 
reine Graswirthſchaft; bb) die Hackwirthſchaft od. 
Waldbrandwirthſchaft; ce) die Plaggenwirtbichaft ; 
dd) die Moorbrandmirthichaft, u. ee) die Dreifch- 
feldwirthſchaft; ſa u. Feldſyſteme. Den ertenfiven 
Betrieb finden wir am meiſten dort, wo die Be— 
völkerung gering, Arbeitskräfte u. Capital ſchwer 
zu beſchaffen, wol aber große Flächen für einen 
geringen Preis zu haben find. 

b) Intenſiver Betrieb fucht durch viel Ar— 
beit, u. Aufwendung großen Capitals einen ftets 
ſteigenden u, lohnenden Ertrag zu erzielen. Futter 
u. Handelsgewächſe werden viel angebaut, Drai- 
nage, Tiefcultur ausgeführt u. die Drill u. Hack- 
cultur Hand in Hand gehend mit der Vodenver- 
befferung betrieben. Majchinen aller Art werden 
angewendet. Die Wiefen find, weil ſchon der 
Futterbau ftark betrieben wird, nur auf gute u. 
reihlih producivende Flächen beſchränlt. Das 
Wollſchaf ift durch das Fleiſchſchaf oder die Rind- 
viehhaltung verdrängt, bei weich Ießterer jedoch 
felten Aufzucht ftattfindet; Sommerftallfütterung 
ift bier am Plage, Im intenfiven Betriebe treten 
folgende Feldiyfteme auf: aa) verbeflerte Körner- 
wirthichaft; bb) Fruchtwechſelwirthſchaft; ce) Baum» 
feldwirthichaft; u. dd) die freie Wirthichaft. Sind 
auf einem Gute fo verichiedene Bodenarten, daß in 
mehreren Rotationen gewirthſchaftet werden muß, 
jo findet man oft beide Syiteme auf demfelben 
vereinigt. Robbe. 

Betrug, I) im Allgemeinen die bemußte 
Hervorbringung einer falfhen Vorſtellung od. Ber- 
leitung eines Anderen zur Vornahme einer Hand« 
fung, welche nur infolge der Täuſchung über die 
Motive u. Erfolge unternommen wird, Der B. 
kaun ftattfinden im jeder biftoriichen Darftellung, 
wo abfichtlih die Wahrheit entjtellt, verduntelt, 
it Unrichtigfeit vermifcht, oder durch Verheim— 
chung wejentliher Momente ein faljcher Eindrud 
hervorgebradht wird; geſchieht dies aus guter 
Abficht, fo fpricht man von einem frommen Be, 
aber auch diefer ift durchaus unfittlich; im Handel 
u, Wandel, wenn das nah Dualität oder Ouan« 
tität Geringere und Gchlechtere dem Befleren, 
das erwartet ift, untergefhoben wird. 2) Im 
Rechtsweſen, das Verbrechen einer beabfichtig- 
ten (j. Dolus) rechtswidrigen u. Anderer, 
zu deren Benachtheiligung durch ittheilung 
falfher oder Vorenthaltung wahrer Thatfachen. 
Die Frage über den begrifflihen Umfang des 
Bees als eines Verbrechens ift gemeinrechtlich 

—* Quellen, 


blicum überhaupt erhebliche Nachtheile, Gefahren 
oder Beläſtigungen herbeiführen können, bedarf es 
obrigfeitliher Genehmigung, u. unterliegt der B. 
derselben in fo fern der polizeilichen GControle, als 
die Einhaltung der Eonceffiensbedingungen u. die 
Beobachtung der allgemeinen B-svorichriften (3. B. 
in Betreff der Beihäftigung jugendlicher Arbeiter, 
der ſanitätspolizeilichen Einrichtungen) überwacht 
wird (D. Gew.-Ordg. 88 16— 28). Im fanitäts-, 
fiherheits+ u. fittenspolizeilihen Intereſſe bedürfen 
gewifje Gemerbetreibeude beionderer Genehmig 
ung; anderen fanı der B. ihres Gewerbes uns 
terſagt werden, wenn fie die perfönlichen oder 
fahlihen Erforderniffe nicht mehr erfüllen (Gew.: 
Ordg. SS 29 fi... Die Berechtigung zum Ge: 
werbe-B:e famı, abgejehen von Conceſſions-Ent— 
ziehungen u. den gejeglich geftatieten Unterfagungen 
des Gewerbe-B-e8 weder durch richterliche, noch 
adıminiftrative Enticheidung entzogen werden (daj. 
& 145). Bezliglich der einzelnen gejeglichen Bor- 
ausjegungen des B-⸗es eines ftehenden Gewerbes, 
bezw. des Gemwerbe-B-e8 im Uurberziehen, ſ. d. 
Art. Gewerbemeien. B. im Forftwefen und die 
zufammengefegten Wörter, wie B-sart, Besklaſſe, 
B⸗snachweiſung, B-sregulirung 2c., ſ. in den Art. 
Forftwirtbfchaft u. Waldertragsregelung. 

Detriebscapital, das zum Betriebe eines 
Geſchäftes, einer Fabrik sc. nöthige Capital, zum 
Unterjdiede von dem Wulagecapital (f. d.); dient 
zur Beftreitung der Probuctionsloften, wie der 
‚abrifationg-Hilfsftoffe, zum Einfaufe der Roh— 
ftoffe und Waaren, zur Zahlung der Löhne und 
Handlungsipejen, des Verſchleißes der Fabrilka— 
tionsgebäude u, Utenfilien u. ergänzt ſich wieder 
durch den Berlauf der Fabrifate oder Waaren. 
Den Ab» und Zugang des B-8 nennt man Um- 
fa oder Umſchlag. Mangel an B. (häufig her« 
beigeführt dur zu große Ausdehnung der Ge— 
ſchäfte über die eigenen Mittel) veranlaßt gewöhn— 
lich ſchwere Verlegenbeiten u. nicht felten den Ruin 
von Fnduftrie-Etabliffements, da die Beſchaffung 
fremder Gelder zu Eoftfpielig zu fein pflegt, in 
kritischen Zeiten wol ganz unmöglih wird. Es 
ift daher nöthig, in der Ausdehnung der Anlagen 
Maß zu halten, um bezüglich des B⸗s nicht in 
Verlegenheit zu gerathen. Vgl. Anlagecapital u. 
Abihreibung. 

Betriebsingenieur, zum Unterſchiede von 
Sectionsingenieur, Eivilingenieur u, dergl., ift der 
mit dev tedhnijchen Leitung und Aufficht betraute 
Beamte einer Eiſenbahn oder eines induftriellen 
Etabliffements. 

Betriebsſyſteme, Iandwirtbichaftliche, die Art 
u. Weife, die einzelnen Theile, wie Boden, Ca- 
pital u. Arbeit, auf eine Reihe von Jahren zu 
einem woblgefügten Ganzen zu verbinden. Ebenfo 
wie die Behandlung des Grundes u. Bodens, je 
nach feiner Beichaffenheit, dem Klima, den ört— 
lichen Verhältniſſen, Angebot u. Nachfrage der 
Bodenerzeugnifje verschieden fein fannn, wird auch 
der Aufwand an Capital u. Arbeit bald größer, 
bald geringer fein. Durch vorbenannte Verhält- 
niſſe hervorgerufen, find denn auch im Laufe der 
Zeit verſchiedene B. entftanden; zumächft find zu 
unterfcheiden: ertenfiver u, intenfiver Betrieb. 

a) Ertenfiver Betrieb ift ein foldher, bei eine fehr beftrittene, indem die römi 









































Betfaal — Betichuanen. 


auf welche Hierbei zurüdzugehen if, darüber nicht 
ganz Har find m. insbefondere die Fälle, in denen 
der B. nur civilrechtliche Folgen nad ſich zog, u. 
diejenigen, in denen er auch criminell 4* 
wurde, nicht beſtimmt zu unterſcheiden ſind. Den 
Grund zur Beſtrafung des B-es legte die Lex 
Cornelia de falsis, eigentlih nur in Bezug auf 
Teftaments- u. Münzfälihung. Allmählich wurde 
der Begriff auf Urkundenfälihung und ſchwerere 
Arten des B-es durch Senatusconsulta u. Consti- 
tutiones ausgedehnt, u. jo findet fi) das Crimen 
estraordinarium stellionatus unter dem Begriffe 
von gröberen ftrafbaren Betrügereien, unter denen 
man anfangs jedoh bloß Beihädigungen durch 
—— Gaumerſtreiche u. erſt fpäter auch jede 
edeutendere Beſchädigung, mit bejonders gefähr- 
licher Schlauheit verübt, verfianden zu haben 
Iheint. Die vom Stellionatus fprechenden Stellen 
wurden daher in der gemeinrechtlichen Praris aus- 
bilisweife fr die Fälle des Bes benutzt; zu einer 
völligen Sicherheit des Begriffes und der Strafe 
gelangte man jedoch mie, u. jo ift die Lehre vom 
Bee nah Gemeinem Rechte vieliah anf Willfür 
bafırt geblieben. Erft die neueren Strafgefet- 
ebungen haben diefem Mangel abgebolfen, indem 
EM feftere Begriffe u. Normen darüber aufgeftellt 
haben. Das Deutihe Str.-&.-B. 8 263 beftimmt, 


309 


famosa und fonnte deshalb meder bei unbedeu— 
tenden Schädigungen, noch gegen Reſpectsper— 
fonen geltend gemacht werden. Auch war die 
Actio doli nur ſubſidiär, d. b. nur für den Fall 
zuläffig, wenn nicht eine andere Klage, nament- 
li die gewöhnliche Contractsklage, zur Abwend⸗ 
ung ber Folgen des Betruges von dem Betro- 
genen genügte. Das Nähere f. in dem Art. $rr- 
thum. 8) B. der Sinne (Pſychol.), fo v. w. 
Sinnestäufhung. Grotefenb.* 

Betſaal, Saal zur Gottesverehrung fir öffent- 
liche Anftalten, oder für eine in eine Yande nur 
geduldete Religtonspartei, weldhe eigentliche Kirchen 
nicht befitst oder nicht haben darf; vgl. Berhaus. 

Betſche (Re og) Stadt im Kreiſe Meſeritz 
des preuß. Regbez. Poſen, zwiſchen dem Schar- 
ziger- und Klop⸗See; Aderbau; Tuchweberei; 
1810 Ew. 

Betſchuãnen (genauer Betſchuana, im Singu« 
far Moſchuana) heißt ein mehrfach gegliedertes, 
zum großen füdafritanifchen Wölfer- u, Sprach-⸗ 
ftamme (Bantu»Böller) geböriges Volk, welches 
den ©. u. SD. des inneren SAfrifa bewohnt, 
weit. von den Kaffern, etwa 16—28%j. Br. Sie 
zerfallen in 23 Stämme, und zwar 11 weftliche, 
unter denen die Balalahari oder Balala, u. 12 
öftlihe, unter denen die Baſuto (ſ. d.) die be- 


daß, wer in der Abficht, fich oder einem Dritten einen 
rechtswidrigen VBermögensvortheil zu verichaffen, 
das Bermögen eines Anderen dadurch beichädigt, 
daß er durch Borfpiegelung falicher od. auch Ent- 
ftellung oder Unterdrückung wahrer Thatſachen haben das fraufe Wollenhaar, fowie im ger 
einen Irrthum erregt oder unterhält, wegen B»s| meinen den Typus der Neger. Bon Charalter 
mit Gefänguiß beftraft wird, neben welchen auch |find fie heiter, mild u. harmlos; ihre häufigen 
Geldſtrafe bis zu 3000 M, fowie auf Berluft der ſ Fehden nehmen ſelten einen ſehr blutigen Aus« 
bürgerlihen Ehrenrechte erlaunt werden kann. |gang. Ihre Waffen find nur leichte Speere und 
Mit Zuchthaus bis zu 10 Fahren u. zugleich mit|furze Schilde; deshalb u. wegen der Weichheit, 
Geldftrafe von 160 bis 6000 M wird dagegen|ja jelbft Weichlichkeit ihres Charakters unterlagen 
($ 265) beftraft, wer in betrügerifcher Abficht eine|fie in den Kämpfen ftets ihren kriegerifchen Nach- 
gegen Feuersgefahr verfihertee Sache in Brand|barn, wie den Koranas und Kaffern. Dennoch 
ftedt, oder ein Schiff, welches als foldyes oder in|zeigen die B. offenen Sinn, Liebe zur Unab— 
feiner Ladung oder in feinem Frachtlohn verfichert hängigkeit u. würdiges Auftreten; an Fleiß, ſowie 
ft, finfen oder firanden macht. Beſondere Arten an Geſchicklichkeit in Handarbeiten übertreffen fie 
des B⸗es find: die Urkundenfälfgung und der die Kafferu. Eigentlihe Sklaverei findet nicht 
Banferott (f. diefe Art... In England ift der ſtatt. Die B, treiben Viehzucht in großem Um— 
Begrifi von B. (Cheat) u. Fälihung (Forgery)|fange, und mo es der Boden geftattet, wird er 
fehr cafuiftifch ausgebilvet, u, es ift für jede einzelne fleißig cultivirt; einige Stämme haben ziemliche 
Art defielben eine befondere Praris entjtanden. | Induſtrie, wie 3. B. Verfertigung von Kleidern 


deutendften find. Die B, zeigen mit den Kaffern 
ſehr nahe Verwandſchaft. ie Farbe iſt meiſt 
ein reines Kaffebraun, am lichteſten bei den 
Barolong; der Wuchs ſchlank u. gig fie 
u 


In Frankreich entjpridt das Wort Escroquerie 
dem deutſchen B. u. wird (Code penal Art. 405) 
in den unbenannten Fällen mit 1—5 Jahren Ge- 
fängniß u. Geldftrafe geahndet; benannte Fälle find 
mit theild polizeilichen, theils criminellen bejon- 
deren Strafen bedroht. Bon der Literatur vgl. 
bei. Lucunnis, Über das Verbrechen des Bes, 
Würzb. 1820; Eicher, Lehre vom ftrafbaren Be, 
Zürich 1840. Civilrechtlich gilt als B. (Dolus 
malus) jede abſichtlich rechtswidrige vermögens— 
rechtliche Schädigung ohne Rüdfiht auf das Mo— 
tip der Schädigung und begründet nah Röm. 
Rechte eine befondere (Delicts⸗)Obligation. Mit- 
tels der Actio doli konnte immerbalb 2 Jahren 
allerdings auf Erfa des vollen Schadens (des 
vollen Intereſſe) u. nachher auf den Gewinn, den 
der dolos Handelnde durch jeinen Dolus gehabt, 
geflagt werden, Indeß diefe Klage war eine 


aus zellen, Häuferbau, Holzichnigerei, Gewinnung, 
Schmelzen u. Berarbeitung von Eiſenerz u. ſ. m. 
Den B. fehlt nicht ganz der Begriff einer Gott« 
heit (Morimo); Tempel, Idole, geheiligte Gegen- 
fände und Prieſter fehlen faft völlig; einzelne 
Stämme follen Affen, od. Schlangen, od, Kroto- 
dile verehren. Menſchenopfer od. jonftige blutige 
Gebräuche widerftreben dem milden Sinne der B. 
Den Glauben an die übernatirlihe Wirkſamleit 
der Regenmacer theilen fie mit den übrigen 
Völkern SAfrikas. Beſchneidung ift allgemeine 
Sitte. Chriſtliche Miſſionäre haben unter mehreren 
Stämmen bereits Erfolg gehabt, namentlich unter 
den öſtlichen B. Jeder Stamm hat ſein erbliches 
Oberhaupt; unter ihm ſtehen die Häuptlinge der 
einzelnen Ortichaften, und unter diejen wieder bie 
Koft, d. i. die Reichen, welche eine Art Ariftolratie 
bilden. Die Macht der Fürften ift zwar groß u. 


310 Betihwa — Bett, 


jeibit despotifch, wird aber durch die öffentliche] fpäter u. feßtere mur von rauen gebraucht. Die 
Veriammlung der Heineren Chefs (der fogenannten Armen lagen bloß auf Fellen (Köea). Ubrigens 
Piticho) jehr gemäßigt. Einige Häuptlinge der B.| dienten die Betten auch oft zum Sitzen bei der Ar— 
gründeten zu Zeiten ausgedehnte Neiche, die ader| beit oder Mahlzeit; doch gab es dazu auch befon- 
alle bald wieder zerfielen. Früher debnten ſich dere Ruhe-Bsen. Das B. der Nömer (Lectus 
die B. füdfih bis zum Garip aus, wurden aber|cubicularius) war von dem griech. wenig unter« 
hier durch Hottentotten verdrängt; von D. herjichieden, nur meift veicher ansgeftattet. Die Bett- 
drangen jeit einigen Jahrzehnten die Zulu-Kaffern ftellen der Reichen waren aus Holz oder Metall, 
tief in das Gebiet der B. ein, verwüfteten das mit Elfenbein, Süber, Gold, Edelfteinen ac, vers 
Land u. die oft 15— 20,000 Em. zäblenden Ort-|ziert; fie waren mit Vroncefchienen (neben den 
ſchaften u. bewirften eine vollftändige politiſche u. griechiſchen Gurten), Deden u. Kiffen ausgejtattet 
fociale Umgeſtaltung derfeiben, Einige Stämmelund ftanden in einem beionderen Schlafzimmer 
wurden bis auf flüchtige Nefte völlig vernichtet. |(Cubiculum). Federn zum Ausftopfen der Kiffen 
In neuefter Zeit haben die vom Gaplande aus|fanden fon vielfah Anwendung, namentlich im 
einmwandernden holländischen Boers auf dem Ge-|der fpäteren Zeit. Das B. diente auch bier oft zu 


biete der B, die freien Staaten Oranje = River: 
Republik un. die Transvaaliſche Republik (f. b.) 
begründet, denen die öftliden B. jet unter: 
worfen find, theilweife auch der britiichen Herr: 
Ihaft. Die Sprade der B., das Setſchuana, 
ift außerordentlich weich u. wohlllingend. Cie ge- 
hört zu dem großen füdafrifanischen Sprachſtamme 
u. zerfällt in verschiedene Mundarten. Gramma- 
tiſch wurde fie von Caſalis (Etudes sur la lanzue 
Sechuana, Paris 1841) bearbeitet; das N. T. 
ward in diefelbe von Mifjionär Moffat (Lond. 1843) 
übertragen. Seitdem find verichiedene religiöfe 
Schriftchen u. Unterrichtsbücher gedrudt worden. 
Über die B. berichten u. A.: Fichtenjtein, Thompion, 
Eampbell, Alerander Harris, Meihuen, Freemanır, 
Anderfon, bef. Livingſtone (Travels, Yond. 1857). 
Bol. Solomon, Lectures on the native tribes 
of the interior, Capftadt 1855. Henne-Am Rhon.* 

Betſchwa, Nebenfluß der March in Mähren, 
der oft austritt und Verheerungen anrictet; 
122 km lang. 

Betfonntag, fo v. w. Sonntag Rogate. 

Betſtuhl, in Kirhen Stuhl mit Bank, um 
darauf fnieend zu beten. 

Betitunde, 1) in der Proteftantiichen Kirche 
Sottesdienfte, meift an Wochentagen, die vor- 
herrſchend in Gebet, Borlefen von Palmen, all- 
gemeiner, auf alle menſchlichen Verhältniſſe fich 
eritredender Fürbitte, oder Fürbitte aus Anlaß ber 
fonderer öffentliher Noth beſtehen; 2) in der 
Katholiſchen Kirche Andahrsübungen Emzelner, 
die in einer Bedrängniß vor der aufgejtellten 
Monftranz Gott um Hilfe bitten. 


anderen Zweden, namentlih zum Studiren oder 
Schreiben (Teetus Jueubratorius), ferner zum Lies 
gen bei Tiſche (Trielinium) u. umgab den Tiſch 
auf drei Zeiten. Diefe beiden Arten von Ben 
waren bedeutend niedriger al$ der L. cubieularius, 
den man mit einem Schemel befteigen mußte, 
Im Mittelalter war es unter den höheren 
Ständen Sitte, daß ganze Familien, mol auch 
Säfte im einem Bee fchliefen; ſelbſt Könige gaben 
Bajallen dadurd einen Beweis ihrer Gunft, daß 
te das Yager mit ihnen theilten. In nenerer 
Zeit wurde das Schlafen auf B-en, die durd 
Ausftopfen von B-indelten mit Federn zubereitet 
waren, im nördlichen Europa allgemein Sitte, 
Sole Federbetten halten jehbr warn, da die 
Federn ſchlechte Wärmeleiter find. In Frank 
veih, England und ganz SEuropa, in neuerer 
Zeit auch in Deutjchland ift flatt der vermeich« 
ichenden und im Sommer läftigen ———— 
der zwedmäßigere und geſundere Gebrauch der 
Matragenbetten aufgelommen, deren Grundlage 
eine mit Pferdehaaren oder Seegras ausgeſtopfte 
Matratze nebſt keilfürmigem Kopfliffen bildet, die 
beiderjeit$ meift wieder auf einer durch Spiraf« 
federn elaftiih gemachten Unterlage (Springe 
federmatrage) ruhen. Zum Zudeden braucht man 
durchnähte umd gefteppte Deden von Seide oder 
baummwollenem Zeuge, mit Watte gefüllt, oder, 
wie meift in Frankreih und England, wollene 
oder baummollene breite Deden. Zur Beitwäſche 
nimmt man am zwedmäßigften gröbere Leinwand, 
weil fie zur Aufnahme der körperlichen Ausdünfts 
ung geeigneter ift als feine; wer nicht zur Tran« 


Bett, 1) Geſch. u. Bejhr.) ein nad deujipiration neigt, mag feinere Leinwand oder Seide 


verfchiedenen klimatiſchen Berhältniffen verichieden|zu feinen Bettzeug benutzen laſſen. 


Die Ben 


conjtruirte8 Lager, welches theils zur nächtlichen | find entweder nur für eine Perfon eingerichtet 
Ruhe, theils als Unterftügungsmittel der Kur im|leinfchläfriges oder einmännifhes B.), oder für 
Krankheiten (j. m.) dient. Im Orient ſind 2, mit doppeltem SKopififien (zweiſchläfriges B.). 
eigentliche B-en nicht bekannt, jondern man ruht Um Raum zu fparen, gibt man den B:ftellen u. a. 
dort auf Matten oder Polftern, ganz oder theil-|zumeilen die Form eines Tifches (Betiich), welcher 
weile befleidet. Die Ben der Griechen (Klinai)|(meift in Gefindeftuben) aus 2 durch eiferne Bän— 
waren in der Homeriſchen Zeit höchſt einfach; der verbundenen Hälften befteht, oder einer Bank 
fpäter beitanden fie in einer auf Pfoften od. Fil- (B.bank), oder eines Kaftens, der Tags über ums 
en (Hermines) ftehenden Bettftelle (Demnion);|ter ein anderes B. gejhoben wird zc. Dergleichen 
darin lag auf Gurten (Keiria) eine Matrage) Einrichtungen find jedoch zu verwerfen, da eine 
(Kn£phalon), darauf weiche wollene Deden (Ta-|genügende Lüftung nit vorgenommen werden 
pötes), darüber ſchöne gefärbte, loſtbare Deden|kann, Abgeſehen von dergleihen Mißbräuchen 
(Rhögea); zum Zubeden bediente man ſich gro-|wird auf einen Gegeuftand, der jo tief in unjer 
Ber, dichter, auch gefärbter, außerdem als Mäntel|gefammtes Leben eingreift, im Allgemeinen viel 
gebrauchter Tücher (Chlainai). Kopftiffen (Pros-|zu wenig Sorgfalt verwendet. Vgl. d. Art. Schlaf. 
kephälaia) u. B-tücher (Epibl&mata) wurden erft zimmer. 2) (Hygiene) Die Ben müſſen gleich 


Bettag — Bettelwejen. 


nah dem Aufftehen dem Luftzuge ausgeſetzt und 
auch von Zeit zu Zeit an der freien Luft ge 
fonnt werden. B-en, in welchen anftedende Krant- 
beiten (Boden, Typhus zc.) überftanden wor— 
den, müſſen mit bejonderer Sorgfalt gereinigt 
und in einem Dampfapparat desinficirt werden, 
da das Bozeug (bei. Federn) ſehr leicht zu Trä— 
gern von Krankheitsftoffen wird. Das B. ſoll bei 
Erwachſenen weder zu weich, noch zu bart, weder 
zu fühl, noch zu warm fein; am zwedmäßigften 
ift Roßhaarmatrage mit oder obne Federumterbett. 
Je jünger ein Kind ift, defto weicher fei das B.; 
ganz Meine Kinder, Neugeborene, müſſen immer 
ihr eigenes B. haben u. dürfen durchaus nicht im 
B. der Amme oder Mutter jchlafen, weil es leicht 
vorfommt, daß die Amme das Kind im Schafe 
erdrückt. Scädlic, ift die Gemohnbeit, Kinder 
mit älteren Perfonen zuiammen jchlafe zu laſſen. 
Die Ausdünſtung alter Perfonen u. andere Gründe 
wirfen ſchwächend u. zehrend auf das Kind, In 
Krankheiten dient das B. zur Herftellung einer 
teihförmig über den ganzen Körper vertheilten 
Zemperatur u. verhindert daher Blutanhäufungen 
in inneren Organen, Während bei Bollblütigen u. 
Aſthmatiſchen eine durch Kopftifien erhöhte Yager- 
ung des Kopfes zwedinäßig ift, müſſen Blutleere 
mit dem Kopfe tiefer liegen, damit die Einftröm- 
ung des Blutes in den Kopf erleichtert wird. In 
hochgradig biutleeren Zuftänden, z. B. nad Ent- 
bindungen, erfolgt nicht jelten plöglicher Tod durch 
ſchnelles Aufrichten aus der horizontalen in die 
aufrechte Lage. Die Stellung des Bees muß jo 
gewählt fein, daß das Fenſterlicht nicht in die 
Augen fällt u. der Körper nit von Zugluft ges 
troffen wird. 1) Schroot.“ 2) Kunze. 

Bettag, 1) jo v. wm. Bußtag. 2) In der 
Schweiz die jährlih bei allen Confeifionen auf 
Anordnung des Staates am 3. Sonntag im Sep- 
tember ftattfindende religiöfe Feier vaterländiicher 
Gefinnung. 

Bettelini, Pietro, ital. Kupferftecher, geb. 
1763 zu Lugano, geft. zu Rom 1828; bildete fich 
nah Gandolfi, Bartolozzi u. beionders nah Raf. 
Morghen u. verftand es trefflih, den Geift der 
Driginale und nicht minder die Farbenwirkung 
wiederzugeben. Hauptwerke: Der Leichnam, Ehriftt, 
nah X. del Sarto, die Madonna col Divoto, nad 
Eorreggio, Die Anbetung der Hirten, nah A. van 
der Werff, Die Hunmelfahrt Mariä, nah Guido 
Reni, Maria mit dem jchlafenden Kinde, nad) 
Rafael. Regnet. 

Bettelorden, Bettelmönche (Mendicanten). 
Unter diejem Namen begreift man die 5 Orden 
der Franciscaner (vom Innocenz III. vorläufig 
1209, von Honorius III. feierlich 1223 beftätigt), der 
Dominicaner (von Honorius III. 1216 beit.), 
der Karmeliter (beft. 1245 von Junocenz IV.), 
der Augufliner-Eremiten (von Alerander IV. 
1256 beft.), der Serviten (entftanden 1233, feit 
Pius V. [1566— 72] den B. beigezählt). Ihr Ger 
meinfames tft die Erwerbung des Yebensunter« 
baltes durch Betteln, zur Nahahmung des armen 
Lebens Jeſu u. zur Erweifung hriftliher Demuth. 
Die Beranlaffung zur Entftehung der B. gab die 


Idee apoftoliihen Yebens, wie fie die Waldenfer| 
in ihrem Berzihte auf alle äußeren Güter undirigiten ift der Hausdettelei zu wehren. 


811 


finnlihen Genüffe und in ihrer einzig der Ver- 
fündigung des Evangeliums gewidmeten Wirkſam— 
feit aufftellten. Indem die B. diefe Idee fich zu— 
eigneten, entkräfteten fie nicht nur die firchliche 
Oppofition, fondern errangen fich auch jelbft eiuen 
Einfluß auf das Boll, der die älteren Mönchs— 
orden jehr in Schatten ftellte u. deſſen das Papft- 
thum zur Wirkung auf die Maflen im eigenen 
wohlermwogenen Intereſſe fich trefflich zu bedienen 
wußte. Schon Innocenz III. erfannte, dag Leute, 
denen die weltliche Gewalt feine Reichthümer ent- 
reißen fonnte (wie den alten Orden), die unbeug« 
famften Vertreter der päpftlihen Forderungen ab- 
geben würden. Die B. ihrerieits benutzten die 
Sunft, deren fie fih beim päpftl. Stuhl erfreuten, 
za möglichft weiter Ausdehnung ihrer Privilegien 
gegenüber den Biſchöfen u. der Wettgeiftlichkeit 
u. verichafften fih auf diefem Wege namentlich 
auch jehr einflußreihe Stellungen an den Univer— 
ſitäten trot alles Widerftandes, der fih von Zeiten 
der legteren erhob. Da die B. ganz auf die 
Mildthätigkeit, namentlich des geringen Bolt:s, an« 
gewieien waren, jo beförderten ſie vielfah den 
Aberglauben, fo die Franciscaner durch Ausbierung 
des Portiuncula-Ablaſſes, die Dominicaner durch 
Erfindung des Roſenkranzes, alle dadurch, daß fie 
Denen, welche fi) fterbend noch im ihre Mönchs— 
tracht einlleiden ließen, befondere Anwartſchaft auf 
die Seligfeit in Ausficht ftellten. Weiblihe B. 
find die Glariffinnen, die 1224 von Franciscus ihre 
Hegel erhielten, die Serritinnen (Mantellaten, 
Schwarze Schwejtern, entitanden um 1270). Löffler. 

Betteljdywarm (Hungerihmwarm), |. u. Bie— 
nenzucht. 

Bettelweſen. Selten iſt dringendes Bedürf— 
niß des Nöthigſten, ſondern gewöhnlich Luſt zum 
Müßiggang u. Neigung, ſich Gegenſtände des 
Genuſſes ohne Arbeiten zu erwerben, die Urſache 
der Bettelei, wie denn die ärmſten Gegenden 
Europas, Schweden u. Norwegen, die wenigſten, 
u. die reichſten, Italien u. Brabant, die meiſten 
Bettler zählen. Bettelei iſt aber eine Laſt für die 
übrigen Staatsbürger, ohne den Bettelnden dau— 
ernde Vortheile zu ſchaffen. Wenigſtens iſt daher 
öffentliches u. Straßenbetteln unbedingt 
abzuſchaffen, da fie in hohem Grade demoralift« 
rend wirken, für die wirklich Bedürftigen aber ift 
durch Armenpflege (vgl. Armenmwejen) zu forgen. 
Dem Bettel zu jteuern, fann die Bevölterung die 
Behörde wejentlih unterftiten, einmal, indem fie 
ſich nicht Durch falſches Mitleid beitimmen läßt u. 
den Bettler abweiſt, u. dann, indem fie Arınen- 
vereine gründet, welche die Mitglieder verpflichtet, 
feinem Bettler eine Gabe zu reichen, wirklich er— 
werbsunfähige Arme aber aus der Bereinsfaffe 
zu unterftügen. Durch ſolche Vereine ift ſchon in 
manchen Gegenden NDeutichlands weſentlich die— 
ſem Übel abgeholfen worden; ebenſo haben auch die 
beſtehenden Handwerkerlaſſen neben der Einführung 
der Gewerbefreiheit ı. Aufhebung des Wander- 
ungszwanges dem Betteln wandernder Handwer— 
fer erheblich gefteuert. Im Ubrigen thut aber 
auch diefem Übel gegemüber ein gründticher Volls— 
unterricgt, eine rationelle Armenpflege u. eine 
wachſame Polizei unerläßlich Noth. Am ſchwie— 
Sie 


312 Bettenhaufen — Bettung. 


collidirt zu jehr mit der jedem Staatsbürger über- 
laffenen Mildthätigkeit, nimmt zu oft den Vor— 
wand von Ausipielen, Anleihen, Naufanträgen ꝛc. 
vor, al$ daß es möglich wäre, ihr ganz zu fteuern. 
Bei. gilt Dies von den vornebmen Bettlern 
u. Hochſtaplern, die häufig die Welt durchziehen 
u. jo unter den liſtigſten u. feltiamiten Vorwänden, 
durch Tournure u. fedes Weſen umterftiitt, felbit 
dem Klügften u. Zäheſten das Geld zu entloden 
u. jelbjt der beiten Volizei fich zu entwinden wuß— 
ten u. noch milien. Das D. Str.-G. befiraft 
Diejenigen, welche betteln, oder Kinder zum Bet: 
teln anleiten oder ausichiden, oder Perſonen, 
welche ihrer Gewalt u. Aufficht untergeben find 
u. zu ihrer Hausgenoſſenſchaft gehören, vom Bet- 
teln abzubalten unterlafien, mut Haft bis zu 6 
Wochen; auch können fie zu Arbeiten, welche ihren 
Fähigleiten u. Berhältniſſen angemefjen find, 
innerhalb u., fofern fie von anderen, feineren 
Arbeitern getrennt gehalten werden, auch außerhalb 
der Strafanftalt angehalten werden. Iſt aber der 
Berurtbeilte in den legten 3 Jahren wegen diejer 

bertretung mehrmals rechtsfräftig verurtbeilt, 
oder bat er unter Drohungen oder mit Waffen 
gebettelt, jo kann bei der Berurtheilung zugleich 
auf Überweifung an die Yandespolizeibehörde nach 
verbüßter Strafe erfannt u. von Ddiejer der Ber: 
urtheilte entweder bis zu 2 Fahren in ein Arbeits- 
haus untergebracht, oder zu gemeinnügigen Arbei- 
ten verwendet werden. Iſt mit der Bettelei Betrug 
od, eine jonftige ftrafbare Handlung verbunden gewe- 
jen, jo fommen auch die darauf bezüglichen Straf- 
androhungen zur Anwendung. Das Betteln war 
im ganzen Alterthum etwas Ehrenrühriges. Die 
Hebräer, da bei ihnen durch Arbeitiamfeit Feder 
jeinen Unterhalt verdienen fonnte, jaben das Bet- 
teln für eine Folge der Faulheit u. Yiederlichkeit, 
alfo für eine Schande an. Doch war das Ber- 
teln kranken, arbeitsunfäbigen Yeuten nicht ver 
boten, u. ſolche pflegten jih an beiuchte Straßen 
u, Orte, bei, an den Haupteingang in den Tem: 
pel, zu jeßen u. um ein Almofen zu bitten. Daher 
fam es auch, daß im dem Älteften chriftlichen Kir— 
hen die Bettler in den bededten Säulengängen 
vor der Kirche ftanden u. dort um Gaben baten, 
wie noch im jeßiger Zeit die Nähe von Kirchen u. 
vielbejuchten Wallfahrtsorten ein bejonders belieb— 
ter Aufenthalt der Bettler zu fein pflegt. Im 
griehiihen Alterthum waren Bettler nichts 
Ungewöhnliches; fie waren Freie, die durch den 
Wechjel des Glüdes heruntergekommen waren u. 
den leichten Erwerb des Bettelns dem durch Arbeit 
vorzogen; fie bettelten nicht allein in ihrer Ge- 
meinde, fondern ftreiften als Yandbettler unher 
u. wurden micht felten zugleich als Spione ge- 
braucht, da fie nicht bloß in Bauernbäufern, fon» 
dern auch im Häuptlingspaläften ihre Mabizeit 
erhielten; ihr Platz war bier auf der Schwelle 
der Thür. Der ins Sprüchwort übergegangene 
Bettler bei Homeros ift Fros (f. d.). Auch ganze 
Bettlerfamilien zogen ſchon in alter Zeit umber. 
Wie die Fremden, ftanden auch die Bettler unter 
dem Schutze des Zeus Hiletefios. In Athen 
war in der guten Zeit (bis zum Peloponneſiſchen 
Kriege) Keiner fo arın, daß er den Staat durch 
Betteln beſchämte, jpäter aber zogen aud bier 


Bettler aus u. ein. In Rom gab es ein eigent- 
liches B. nicht, da mach einem ftrengen Geſetze 
Bettler zur Unfreibeit verurtbeilt wurden. Aber 
in der erjten Kaiferzeit trieb ausmärtiges, bei. 
orientaliiches Gefindel namentlich als Geiſterſeher, 
Wahrjager u. dgl. nach Art der Zigeuner durd) 
ganz Italien eine unverichänte Bettlerprofeijion, 
weshalb aud) fpäter gejetslich beftimmt ward, daß 
gejunde Bettler aufgegriffen u. zur Arbeit ange 
halten werden follten. Im Mittelalter trugen 
die allzu weit gehenden Anfichten über chriftliche 
Mildthätigkeit (dann die Politit der Päpfte, ſ. 
Bettelorden), die Entjtehung eigener Bettelorden 
(f. Bettelmönde) u. die vielen Kriege, welche eine 
Menge Arme erzeugten, jpäter aud das Söldner- 
wejen, aus weldem nad Beendigung der Kriege 
immer eine große Anzahl umherſchweifenden dienft- 
fofen Geſindels (gardende oder fahrende Kriegs» 
fuechte) hervorging, u. die Ankunft der wandern» 
den Zigeumer viel zur Vermehrung des B⸗s bei. 
Einzelne Reichsgeſetze, wie der Reichsabſchied von 
1512, Yandfrieden von 1551, Reichspolizeiordnuug 
von 1577, fuchten vergeblid dagegen zu wirlen. 

Bettenhaufen, Dorf im preuß. Regbez. u. 
Kreiſe Kaſſel, an der Loſſe; Yandfranfenhaus; 
Kattundruderei, Eifen- u. Kupferhammer, Mej- 
fingbütte; Vergnügungsort der Kajjeler (das Fiſch- 
haus); 1450 Ew. 

Betti, 1) jo v. mw. Pinturichio (Bernhard). 
2) Salvatore, ital. Gelehrter, geb. 1792 zu 
Rom; trat in intime Beziehungen zu den literas 
riichen Berühmtheiten aus dem Anfange des Jahrh. 
u, redigirte jeit 1820 das Giornale Arcadico. 
Später wurde er Genfor u. 1858 Präſident der 
Alademie für Alterthumskunde; Pius IX. ernannte 
ihn zum Staatsratbe, u. ift er noch jebt deſſen 
Anhänger. Sein Hauptwerk ift: L’illustre Italia, 
dialoghi, Nom 1841—43, 2 Bde, 

Bettina, Abkürzung für Eltfabeth; Pjeudonym 
für Elifabeth von Arnim, ſ. Arnim 3). 

Bettinelli, Saverio, ital. Schriftfteller, geb. 
18. Juli 1718 in Dantua, Jeſuit; war 173944 
Lehrer der Aſthetik in Brescia, 1751 —55 Director 
des adeligen Collegiums in Parma, madte dann 
Reifen, lebte jeit 1759 in Berona u. jeit 1773 in 
Mantua, wo er 13. Dec. 1808 ſtarb. Er ſchr.: 
Dialoglhi d’amore; Risorgimento negli studj ete,, 
Bajjano 1775, 2Bde.; Dell’entüsiasmo nelle belle 
arti, Mail. 1769, 2 Bde., deutich von Werthes, Berl. 
1778; Lettere dieci di Virgilio agli Arcadi; Poe- 
metti, Versi sciolti,Sonetti, Canzoni, Epigrammi 
Trauerjpiele (Jonathan), gefammelt als Poeſie, 
3 Be. Gejammelte Werte, Ben. 1801, 24 Bde, 
Lebensbeichreibung von Napione, Tur. 1819. 

Bettlerthaler, Thaler mit dem St. Martin, 
der ein Stüd von feinem Mantel abichneider, um 
es einem Bettler zu geben; vom Grafen Philipp 
v. Horn (ft. 1568), Grafen Günther v. Schwarz« 
burg 1606 u. 1608, von Mainz 1568, Schwyz 
1653, Lucca 1600 bis 1750, Uri, Schwyz u. 
Unterwalden 1548 bis 1550 u. als Viertelthaler 
der Stadt Kolmar 1499 geprägt. 

Bettitroh unjerer Lieben frauen ijt Ga- 
lium verum L. 

Bettung, Unterlage für Feſtungs- u. Bela- 
gerungsgejhüge, um denjelben einen feſten, gleich- 


pe: 
— — — —— —h —— — 


Bettivanze — Betula. 


mäßigen Stand zu geben u. die Bedienung zu 
erleichtern. Eine Bettung befteht aus 3—5 in die 
Erde eingegrabenen Kreuzbölzern (Bertungsrippen), 
auf welche querüber Bettungsbohlen mittels der 
Battertenägel aufgenagelt werben. Cine ſolche 
Unterlage beißt auch ganze B.; eine Noth-B. 
dagegen bejteht nur aus 3 unter dem Rädern 
u. dem Yaffettenfhwanze eingegrabenen Bohlen. 
Das Herftellen einer B. nennt man ®, ftreden. 

Dettwanze (Acanthia lectularia Fabr.), Art 
der Hautwanzen, mit flah gebrüdtem Leibe, 
viergkiederigen, an der Spige meift gefmöpften 
Fühlern u. eimer Kteblrinne, im welche der drei— 
gliederige, fchnabelartige Stechrüſſel gelegt werden 
fann; die Fühler find borftenförmig, fein behaart; 
Flügel fehlen. Durch ihr Blutfaugen wird fie dem 
ichlafenden Menjchen (auch Tauben, Schwalben, 
Fledermäufen) äußerft beſchwerlich. Sie flieht das 
Licht, ift Schwer zu vertreiben, da fieindenverborgen- 
ften Schlupfmwinfel ihren zufammengedrüdten Körper 
verftedt, auch ihre Eier überall hin verbirgt; iſt 
am lebhaftejten in der wärmjten Jahreszeit, ftirbt 
auch im fälteften Winter u. bei längerem Fajten 
nicht, wol aber von fcharfen u. beigenden Dingen 
(Betroleum, perfisches Jnfectenpulver, Terpentinöl 
2c.); wird am ficherften durch Ausbrüben der 
Betrftellen mit heißem Waffer, ſowie durch neues, 
forgfältiges Verputzen der Zimmer, bei. aber 
durch firengfte Reinlichfeit u. durch Yüftung ver- 
trieben. Die Wanze war ſchon den alten Römern 
u. Griechen befammt. Dan vermuthet, daß fie aus 
Dftindien ftamme. Jetzt ift fie faft auf der 
ganzen Erde verbreitet. Thome.* 

Bettziech, ſ. Beta. 

Betula Tourn. (Birke), A. Pflanzengatt. aus der 
Familie der Betulaceen (XRX. 2), Waldbäume u. 
Sträucher der gemäßigten u. falten nördlichen 
Zone, einhäufig; männliche Blüthen, je 3 in einem 
Zrugdöldchen mit ſchildförmigem Tragblatte, welche 
berabhängende Kägchen bilden; Perigon 4blätterig, 
das vordere Perigonblatt viel größer, die hinteren öfter 
verfümmernd; Staubblätter 2, bisweilen 3, bis 
zum Grunde 2theilig, daher fcheinbar 4 oder 6; 
weibl. Trugdöldchen 3-, feltener 2blüthig; die 2 
Vorblätter der Mittelblüthe mit dem Tragblatte 
zu einer Blappigen Schuppe verwachjend, welche an 
der Frucht häutig bleibt u. mit dieſer abfällt; 
Frucht: eine geflügelte einfamige Nuß. Arten: 
Die Betula alba 5A umfaßt 2 Arten: 1) Weiß» 
birte (B. verrucosa Ehrh.), mit fahlen Zwei- 
gen, 3edig-rhombifchen Blättern mit nicht abge- 
rundeten Seiteneden u. ‚Früchten, bei denen die 
Flügel doppelt jo breit find als die Nuß; ältere 
Bäume haben meist hängende Zweige (Trauer- oder 
Hängebirfe). 2) Haar» oder Ruchbirke, (B. pu- 
bescens Ehrh., B. odorata Bechst.), ausgezeichnet 
durch Bebaarung der jungen Zweige u. Blätter, 
welche eiförmig oder rhombiſch-eiförmig u. an 
den Seiteneden abgerundet find; Flügel der Früchte 
jo breit al$ die Nuß. Beide Arten im Deutich- 
land, erftere häufiger, lettere feltener, in Brü— 
hen und Mooren aber, meift ftranchartig, ſehr 
verbreitet. Beide Arten erwachſen zu hochſtämmi— 


en Bäumen mit weißer Rinde, während eine 
bart der letteren, die Schwarzbirfe (B. pu- 
‚Ihlagfäbigfeit der Stüchke. 


bescens var. nigra) aucd im Alter dunkle Rinde 


313 


Bon beiden find offictnell Folia et cortex 
Betulae. Ablochungen der Blätter dienen Äußer- 
ih gegen Flechten u. Kräge, Aus dem füßen, 
im Frübjahre aus Verwundungen des Stammes 
ausfließenden Safte wird ftellenmweife fogenannter 
Birtenwein (Birlenwaffer, Birkenjatt), dem 
Champagner ähnlich ſchmeckend, bereitet. Die 
Rinde dient zum Gerben, Gelb» und Braun 
färben, ſowie zur ger von Tabatsdoſen. 
Aus dem Holze wird in Rußland Birlenöl, Bir- 
fentheer, Birfentampber, jhmwarzer Dschesrget, 
Oleum betulinum s. Olenm Rusei durch Deitils 
lation gewonnen. DerBirfentheer iſt eine braun— 
Shwarze, ziemlich dide, eigenthümlich riechende 
zlüffigkeit; er wird zur Bereitung des Juchten— 
leders, dejien befannter Geruch von ihm berrübrt, 
jowie als Wagenſchmiere gebraudt. Die Blätter 
enthalten ein gelbliches, dünnflüffiges baljamijch rie⸗ 
chendes ätheriiches DI. Im hohen Norden, wo die 
Birke bis an die Baumgrenze (70— 71?) noch ange- 
troffen wird, dient die Rinde allgemein zum Dach— 
deden, zur Anfertigung von Kähnen zc. Die übrigen 
europäiichen Arten bilden nur Sträucher, die meift 
auf dem Zorfboden der Alpen u. im hoben Nor« 
den heimiſch find. Hierher gehören: 3) Die Alpen— 
birte (B, intermedias Thomas), meift nit mehr 
als manneshoch, zwiichen dem beiden erftgenanne« 
ten Arten ftehend, mit unterjeits negaderigen, rund- 
lichen Blättern u. geftielten Fruchtkätzchen; der Stiel 
jo lang od. länger als diefe. 4) Die Straudbirfe, 
(B. frutieosa Pall., B. humilis Schrank), mit 
aufrechten, kurzgeftielten weiblichen Kätzchen, ein nied» 
riger, 0,,—2 m bober, aud in NDeutichland vor« 
fommender Straud. 5) Die Zwergbirte (B. 
nana L.), friechend, nicht iiber O,, m body, aber 
mit bis 3 m langen, am Boden liegenden Zweigen 
u, Heinen runden Blättern; am Fuße der Alpen, in 
Deutihland, Skandinavien, Sibirien u, Canada, 
In NAmerita heimisch, bei uns bier u. da in Baum» 
anlagen angepflanzt find die Bappelbirfe (B. 
populifolia Ait.), die hohe Birke (B. excelsa 
Art.) und die zähe Birke (B. lenta L.). 

B. Forftlihe Bedeutung haben bei uns die 
beiden erftgenannten Arten, insbejondere die Weiß- 
birfe, die in der Ebene u. bis zu etwa 500 m 
Meereshöhe auf leichtem, loderem, jelbft magerem 
Boden gedeiht; während die Haarbirke einen mehr 
feuchten, bindenden Boden vorzieht, im Gebirge 
höher anfteigt u. ihren Hauptverbreitungsbezirf im 
hoben Norden (Rußland u, Skandinavien bis zum 
NEap) befitt, wo fie ausgedehnte Wälder bildet. 
Bei uns eignet fi die Birke zur Anzucht im 
reinen Hochwaldbeſtande nicht, weil fie wegen 
ihres großen Lichtbedürfniſſes den Boden zu wenig 
ſchützt u. beffert; ganz wohl dagegen zur Ein- 
michung im Buchenhochwalde, wo fie bis zum 
50. oder 60, Jahre — jelten jpäter — werth— 
volle Bornubungen liefert; ferner als Oberholz 
im Nieders u. Mittelwalde, der ihre lichte Bejchatt- 
ung leicht erträgt, während ihr weit fliegender 
Samen zur Beitefung der Blößen beihilft; endlich 
zum Borbau auf Blößen, um andere, jchatten- 
bedürftige Hölzer unter ihrem Schute nadzu- 
ziehen. Als Unterholz im Nieder- u. Dlittelmalde 
taugt die Birfe weniger wegen der geringen Aus- 
Natürliche Berjüng- 


behält. 


314 betulaceae — Beudant. 


ung durch Anflug findet überall da leicht hatt, 
wo der Eamen einen wunden Boden vorfindet; 
fie fann mithin durch oberflächliche Bodenbearbeit- 
ung unterftütst werden. Letstere gemügt auch zur 
Anjaat aus der Hand; der im Juli reifende Sa- 
men — der immer febr viel taube Körner enthält 
— wird imHerbſte oder zeitig im Frühjahre aus- 
geſäet. Auch die Pflanzung, mit u. ohne Ballen, 
geht leicht von Statten; Schaft u. Wurzeln ſind 
dabei möglichſt wenig zu beſchneiden. Das Bir— 
kenholz iſt röthlich- oder gelb-weiß, weich, aber 
zäbe, ichwerjpaltig u. wenig biegſam. As Nutz- 
hol; ift es von früher Jugend an zu den ver 
ichiedenften Zweden verwendbar: als Beſenreiſig, 
zu Bind- u. Floßwieden, Reif u. Wagenftangen; 
ftärfere Stüde werden, da es fih gut polirt, zur 
Möbelfabrifation u. fonft vielfach vom Schreiner 
u. Wagner verwendet; Maſerholz, das häufiq 
vorfommt, dient zu Schnitz- u. Drechslerwaaren. 
Es brennt raſch u, mit lebbafter Flamme u. jtebt 
an Heizfraft dem Buchenholze nur um ca. 10 bis 
15 ®, nad. A. Engler. B. Wimmenauer L. 

Betulaceae (Birkengewähfe), Pilanzenfamilie 
aus der Klaffe der Kätschenblüthler (Juliflorae), 
Bäume u. Sträucher, mit zerftreuten, nicht ge- 
gliederten Aften, abwechſelnden, einfachen, fieder- 
uervigen, gezähnten oder gejägten Blättern; Blü- 
then einhäufig, ohne Blumenblätter, zu 2 oder 3 
in Trugdöldchen, welche Scheinähren oder Küß- 
hen bilden u. in den Adfeln jchuppenartiger 
Tragblätter ftehen; ‚männliche Blüthe mit 4thei- 
ligem oder fehlendem Perigon; Staubblätter 2—4, 
vor den Abjchnitten des Perigons ftehend, meift 
geipalten; weibliche Blüthe mit deutlihem oder 
faft verſchwindendem Saume des Perigons; Frucht 
fnoten 2fächerig, jedes Fach mit 1 Samenknoipe; 
2 fadenförmige, purpurfarbene Narben; Frucht: 
eine einfamige Nuß; Samen ohne Eiweiß. Gat- 
tungen: Corylus Tourn., Carpinus Tourn., Östrya 
Mıich., Betula Tourn., Alnus Tourn, Gngler.” 

Betulejns (Berulius), Zyftus, eigentlich Sir- 
ins Birk, geb. 21. Febr. 1500 zu Augsburg; 
ftudirte feit 1520 in Erfurt, Tübingen u. Bajel, 
wurde 1530 Rector in Bajel, 1536 Rector der 
Schule zu St. Anna u. Stadtbibliorhefar in Augs- 
burg; er ft. hier 19. Juni 1554. Er fr. u. a.: 
Symphonia etc. (Concordanz 3. N. T.), Baſel 
1546; Dramata sacra (Judith, Sufanne u. Jo— 
jepb), Baſel 1547. 

Betulin, Birtenfampber, ein in der Oberbaut 
der Birfenrinde vorlommender u, daraus beim 
Erbisen efflorejcirender indifferenter Pflanzenftoff. 
Aus der mit Waſſer ausgelochten Rinde läßt fich 
das B, mit kochendem Alkohol ausziehen u. jet 
fih beim Erfalten ab, wonach es aus Ather um— 
fipitallifirt, leichte weiße Kryitallwarzen u. Flocken 
bildet; dieſelben find geruch- u. geichmadlos, 
ichmelzen gegen 200° u. laffen ſich im Luftftrome 
fublimiren. Das 2. ift in Waffer unlöstih, löſt 
fih in kochendem Allohol leichter als in kalten, 
ſowie in Ather, Terpentinöl u. Alfalien. An der 
Luft verbrennt e8 mit weißer Flamme, Elören. 

Betulius, Siegmund B., jo v. w. Birken. 

Betũwe (Berer Yand), Landichaft der niederl. 
Trov. Gelderland, zwiihen den Rheinarmen Waat 
u. Led; 270 [km (5 [IM) groß; befigt einen! 


fruchtbaren Alluvialboden ; reich an römiſchen u. 
fettiichen Gräbern. B. gebörte im Anfang unſerer 
Zeitrechnung zur Insula Batavorum. Van hält 
es für den Wohnfig der von riefen, Franken u. 
anderen Stämmen gedrängten, bierher zurüdge- 
flüchteten Bataver. 

Betwoche (Hebdomas rogationis), Woche 
zwifchen Nogate u. Eraubi. 

Bes, Franz, berühmter Baritonift, geb. 19. 
März 1835 zu Mainz; beiuchte dajelbft das Gym⸗ 
naſium 6 Jahre, Sodann von Dftern 1851 bis 
zum Herbſte 1855 die Polgtehniihe Schule zu 
Karlsruhe. Der gefanglihe Unterricht, den er 
an letsterem Orte durch Coſ. Haufer erhielt, war 
der einzige, der einen merflih günftigen Einfluß. 
auf ihm ausübte, während er ſich im Uebrigen 
baupriächlich felbit zu dem gemacht bat, als der 
er beute mit Hecht bewundert wird. Am 16. Dec. 
1855 debütirte B. als Heerrufer in der erjten 
Yohengrin- Aufführung zu Hannover, blieb, erft 
als Rolontär, dann definitiv angeftellt, bis 1857 
am daſigen Hojtheater u. jpielte im folgenden 
Jahre unter der Direction Bensberg auf den 
Bühnen von Bernburg, Köthen, Altenburg, Gera, 
1858—59 unter der Behrs in Roftod. Im Mai 
1859 gaftirte er als Wolfram von Eſchenbach 
(Tannhäuſer) am Kgl. Opernbaufe zu Berlin, 
wurde hierauf engagirt n. gehört ſeitdem zu den 
eriten Bierden u. Trägern dieſes Knnſtinſtituts. 
1874 wurde B.das Prädicat: Kal. preuß. Namınere 
jänger, bereits vorher der Großh. Heil. Bhilipps- 
orden I. KL. u. die goldene Medaille f. K. u. W. 
verliehen. Seit 1863 bat er bis 1874 faft jedes 
Jahr Saftjpielreifen unternommen, fo nad) Deifau, 
Aachen, Mainz, Yeipzig, Niga, Mannheim, Karls- 
ruhe, Baden, Prag, Darınftadt, Bremen, Ham 
burg, Stettin, Wien u. Münden, wo es ibm 
vergönnt war (1868) zum eriten Malden Wagnere 
ihen Hans Sachs aut der Bühne zu verkörpern. 
Die Ausgiebigfeit u. vollftändige Beherrſchung der 
Ztimme haben fait alle erjten Barıtonpartien zu 
B-8 Meifterrolfen gemacht. 1860 verheirathete er 
fih mit Anna Düringer. Kirichner. 

Besenjtein, Stadı im Bezirksamte Begnits des 
bayerischen Regbez. Ober- zranten; Schloß; Hopfene 
bau; 672 Em, 

Besingen, Pfarrdorf im Oberamte Reutlingen 
des mürttembergiihen Schwarzwaldkreifes, an 
der Echatz; von Künftlern wegen der maleriichen 
Volkstracht viel befjucht; 1582 Em. 

Beudant, François Sulpice, geb. 5. Sept. 
1787 zu Paris; war als vieljeitiger Gelehrter u. 
Yehrer in jehr verichiedenen Wiffenszweigen thätig, 
beionders als Mineralog ausgezeichnet. 1811 wurde 
er Brofeflor der Mathematik am Lyceum in Avig- 
non, 1813 Vrofeſſor der Phyſik am College zu 
Marjeille, 1815 Unterdirector der Wlineralien«- 
ſammlung Yubwigs XVIIL; von nun an wandte 
er ſich ipeciell der Diineralogie zu. Seine 1818 auf 
Koften der Regierung unternemmene mineralogiiche 
Forſchungsreiſe in Ungarn berichrieb er in: Voyage 
mineralogique et geologique en Hongrie, Paris 
1822, 3 Bde, 4°, nebit Atlas. Noch durdichla- 
gender war fein Traite elömentaire de minera- 
logie, Paris 1814, Das auch in verichiedenen 
deutjchen Überfegungen erichien. Aus diejem Werte, 


315 


das 1830 in 2. Aufl. erſchien, entmwidelte fichlein Helligfeitsmarimum u. gebt beiderfeits im die 
Ipäter fein Cours el&mentaire de mineralogie et|dunflen Streifen allmäblich über, Die B-sjpectra 
e geologie, Paris 1841, 12. Aufl., 1868, welches] find um fo breiter, je ſchmäler der Spalt iſt; fer« 
Werk ebenfalld in deutſcher Überfegung (Stuttg.|ner ift ihre Breite für die verichiedenen Farben 
1858) erſchien. Seinen Specialforfhungen unter- |nach ihrer Neihenfolge im Spectrum verſchieden: 
warf B. bejonders den Zufammenhang zwifchen)bei rothem Lichte find fie am breiteften, bei vio- 
Kryftallifation u. chemischer Zufammenfegung, das|lettem am ſchmälſten. ig. 1 zeigt die durch 
Hortleben von Seemollusten in füßem Waſſer, einen u. demielben Spalt berporgerufenen Bser— 


Beuggen — Beugung des Lichtes. 


das fpec. Gewicht u. die chem. Analyje der Mine 
ralien. Seit 1824 Mitglied der Parifer Alademie, 


feit 1840 General-Inipector der Pariſer Univer⸗ 


fität, ftarb der verdiente Gelehrte 10. Dec. 1850. 
Denggen, Piarrdorf im Amtsbezirle Sädin- 

gen bes 

vu. an der Bahn Konſtanz-Baſel; ſonſt Deutid 


Drdenscomtburei, jetzt Erziehungsanitalt für ver 


wahrloſte Kinder. 

Dengung, uriprünglich jede Einwirkung, welche 
ein Biegen oder Sichbiegen zur Folge hat; 
insbe. 1) (Anat., Biegung) Gegenſatz der 


Stredung, Musteiwirkung, durd die ein Glied» | 


abſchnitt, der mit einem anderen in freier Gelent 
verbindung fteht, aus der geraden Richtung im 
eine Binkelftellung gebracht wird; die Seite, nad) 
welcher die B. ftattfindet, heißt die Beuge— 
ſeite, die Muskeln, welche dieſelben bewirken, 
Beugemusteln (Beuger); ihre die B. aufhe— 
benden Antagoniften: Stredmusteln ; die Sehne, 
durch welche ein Beugemustel fih an den Knochen 
anbeftet, Beugejehne; B. des Dickdarmes 
(Flexura coli), j. Dickdarm; ebenjo machen der 
Zwölffingerdarm u. einzelne Arterien Bsen, fo dic 
B. der inneren Garotis, ſ. Gehirnarterien. 2) 
(Srammatif). S. lerion. 8) B. des Nedtes 
(verletste Richterpflicht, Syndicatsverbreden, Cri- 
men Kg erfolgt, wenn der Nichter in einer 
ftreitigen Rechtsſache durch Nichtausübung (Justi- 
tia denegata vel protracta), oder gejegwibrige 
Ausübung feines Amtes (in irgend einer Amts 
handlung), ohne beabfichtigten Geldgewinn (mad 
dem Geſetze wegen Bitte, Freundſchaft, Feindſchaft, 
oder dergl., etwa um fi Gemwaltbabern zu em- 
piehlen), aber abfichtlich eine Ungerechtigkeit — 
Die Strafe für dieſes Vergehen tritt nach Maß 
gabe der Mittel u. Beweggriude, der Größe des 
unerjegten Schadens ein (bis zu 5 Fahren Zuchthaus). 

Bengung (Diffraction, Inflerion) des Lichtes, 
die Ablenfung, welche die Lichtftrahlen beim Vor— 
übergange am Rande eines undurdfichtigen Kör- 
pers au wg Läßt man ein fchmales Bündel 
einfarbiger Lichtftrahlen durch einen ſchmalen Spalt 
auf einen Hinter demfelben u. demjelben parallel 
aufgeftellten Schirm fallen, fo erblidt man aui 
dem Schirme in der Richtung der Strahlen 
ein helles Bild des Spaltes, welches aber breiter 
ift, als diefer; neben demſelben liegen beiderfeits, 
durch dunfle Streifen getrennt, belle Streifen von 
der halben Breite des mittleren, deren Helligkeit 
aber mit der Entfernung von dieſem jehr raſch 
abnimmt. Das directe Bild, ſowie diefe Streifen, 
welche B-8« od. Diffractionsfpectra heißen, 
Er bei einfarbigem Lichte felbftverftändlich eben- 
alls einfarbig; dieſelben find nicht, mie dies in 
der uutenftehenden Fig. 1 der Einfachheit halber 
dargeftellt ift, gegen die dunklen Streifen fcharf 


adiſchen Kreiſes Waldshut, am Rhein 





ſcheinungen für rothes, grünes u. violettes Licht. 





a 
Fig. 1. 


Diejelbe Erſcheinung fieht man, wenn man durch 


einen ummittelbar vors Nuge gehaltenen jehr feinen 
Spalt nach einer feinen Lichtlinie hinſieht (mo die 
Besſpectra erft auf Der Nephaut erzeugt werden), 
ſowie wenn man den Spalt unmittelbar vor das 
Objeetiv eines Fernrohres bringt u. durch diejes 
nach der Lichtlinle hinſieht. Als Lichtlinie benutzt 
man z. B. das Bild, welches jeder von der Sonne 
beſchienene undurchſichtige u. glänzende Cylinder, 
z. B. ein inwendig geſchwärztes Glasröhrchen liefert; 
dag Licht läßt man, um es einfarbig (homogen) zu 
machen, durch ein möglichſt — d. h. nur Licht 
von einer beſümmten Farbe (Brechbarkeit) hindurch— 
laſſendes Glas, gehen; 
den Spalt ſtellt man am 
beſten dadurch her, daß 
man in ein Stanniolblätt⸗ 
chen mit einem feinen 
Meſſer einen Einſchnitt 
macht. Benutzt man an— 
ſttatt des Spaltes eine 
Meine freisjörmige Oeff—⸗ 
mung, jo erhält man das 
dur Fig. 2 dargeftellte 
B⸗sbild, beftehend aus 
einem hellen Flede, der 
von mehreren nach außen 
bin an Helligkeit abneh- 
menden Wingen unıgeben 


Fig . 2. 


iſt. Fig. 3 zeigt die B⸗serſcheinung, welche man 
durch eine parallelogrammförmige Offuung, wie 
fie bei o dargeftellt ıft, wahrnimmt. Durch eine 


dreiedige nung fieht man einen jechsedigen 
Stern. Im Schatten ſchmaler Körper beobachtet 
man ähnliche Streifen, wie die durch einen feinen 
Spalt hervorgebracdhten. Aus diefen Erſcheinungen 
erfennt man, daß das Licht fich hinter der feinen 
Öffnung ausbreitet, daß alfo die an den Rändern 
vorbeigegangenen Lichtſtrahlen theilweife eine Ab- 


abgegrenzt, jondern jeder hat wieder in der Mitte lentung aus ihrer urſprünglichen Richtung erfahren, 


316 


fih alfo in den Schattenraum binein verbreiten 
(beugen), 





ig. 3. 


Die richtige Erklärung der von Grimaldi 
(Physico-Mathesis de lumine ete., Bologna 1665) 
entdedien Erſcheinungen u. namentlich des anfangs 
unerflärlichen Auftretens der Dunklen Streifen, 
welche beweiſen, daß „Licht mit Licht zufammen 
Dunkelheit erzeugen lann“, verdanfen wir dem Eng- 
länder Thomas Moung (On the theory oflight 
- and colours, Lond. 1802); die erften ausführlichen 

eg iiber diejelben wurden von Fresnel 
(Mem. sur la diffraetion de la lumiere in den 
Mem. de l’Acad., Par. 1826) ausgeführt. Die 
vollftändige Erflärung der B⸗serſcheinungen, welche 
fi anf die Undulations« od. Wellentbeorie 
des Fichtes ftütst, bier zu entwideln, wilrde uns zu 
weit führen. Wir beſchränken uns daher auf Fol— 
gended. Das den Epalt ab, Fig. 4, treffende 





ef? 


Fig. 4. 


Strahlenbündel gebt hinter demſelben nicht nur in 
feiner anfänglichen Richtung nach cd hin fort, ſon— 
dern die Wellenbewegung des Athers (in welcher 
eben das Licht nad) der Undulationstbeorie befteht) 
theilt fih von dem Spalte aus (ähnlich, als wenn 
diefer felbft leuchtend wäre) auch dem im geome- 
triſchen Schattenraume zu beiden Seiten des Bün— 
deis abed befindlichen Ather mit, jo daß unzählig 
viele ihräge Strablenbiündel, wie abfg, entjtehen, 
die den Schirm hi zu beiden Seiten von od 
treffen. Die Schwingungen der Athertheilden er- 


folgen rechtwinfelig zur fFortpflanzungsrichtung des |ftehen vielfarbige Spectra. 


Beugung des Lichtes, 


immer gleichzeitig in demfelben Schwingungs- 
ſtadium find, alfo alle z. B. gleichzeitig nad) tet 
u. dann wieder alle gleichzeitig nad) linls fich bes 
wegen, fo find die in der Linie kg befindlichen 
Arhertheilhen im Allgemeinen gleichzeitig in der» 
Ihredenen Schwingungsftadien, einige fireben 
3. B. nad) reits, andere gteichzeitig nach lints; 
u, in gewiffen von abed aus nad) beiden Seiten 
in gleihen Winfelabftänden vertheilten Strahlen» 
bindeln tritt, wie die Theorie als nothwendig er» 
gibt, der Fall ein, daß in jedem Querſchnitte des 
Bündels genau ebenfo viele Üthertheilhen nach 
rechts wie nach linkls ftreben, was bier zur Folge 
haben muß, daß fie ihre Bewegung gegen- 
jeitig vernichten. Infolge davon Fr) BA. die 
von dieſen Strahlenbündeln getroffenen Stellen des 
Scirmes dunkel. Wie die Theorie nachweift, tritt 
diefer Fall für ſolche Bündel ein, bei welchen der 
Gangunterſchied der Randftrahlen eine ganze Zahl 
von Wellenlängen beträgt; fir das Bündel abfg 
alfo, wenn kf gerade 1, 2, 3... oder irgend 
einer ganzen Zahl von Wellenlängen glei ift. 

Die Wichtigkeit der Beugungseriheinungen 
beruht nun namentlich darauf, daß fie eine wejent- 
liche Stütze der Undnlationstheorie des Lichtes ab» 
geben, indem fie nur durch diefe Theorie ihre Er- 
Härung finden. Fa, eine genaue Meffung der 
Spaltbreite ab, der Entfernung ac des Spaltes 
vom Schirme u. der Abftände der dunflen Strei» 
fen von einander ermöglicht eine genaue Beftimm- 
ung der Wellenlänge u. damit aud der Schwing« 
ungszahlen der einzelnen Farben, wie zuerft 
sraunbofer (Neue Modification des Lichtes ıc., 
in den Denkſchr. der Münchener Afad., 1821—22) 
nachgewiefen bat. So beträgt die ———— 
des rothen Lichtes (der Fraunhoferſchen Linie B) 
O,00068. mm, aljo noch nicht den 1400, Theil 
eines Millimeters, was die ungeheure Zahl von 
etwa 450 Billionen Schwingungen in der Secunde 
ergibt. Das gelbe Licht (Lınie D) hat eine 
Wellenlänge von 0,9005, mm u. macht in der 
Secunde mehr als 500 Billionen Schwingungen; 
das violette Licht (Linie H) macht, bei einex 
Wellenlänge von nur O,500995 mm, etwa 780 
Billionen Schwingungen in der Secunde — Zahe 
len, deren Beftimmung mit verhältnißr:äßig grO» 
ber Sicherheit ausgeführt werden kann, wenn⸗ 
gleich fie, die einen durch ihre Kleinheit, die 
anderen dur ihre Größe, alle Borftellung weit 
überfteigen. 

Complicirtere Beugungserjheinungen, 
welche wir indeffen nur kurz berühren können, tre— 


ten namentlich auf, wenn man ftatt des einfarbi- - 


gen Lichtes weißes, d. i. aus allen Farben zu - 


ſammengeſetztes Licht anwendet, fowie wenn man 
ftatt einer Offnung deren mehrere, insbe- 
jondere anftatt des einfachen Spaltes ein Gitter 
(Syſtem paralleler Spalten) benutt. Im erfteren 
Falle Lönnen die Beugungsipectren der verjcie- 
denen Farben wegen ihrer verſchiedenen Breite 
nur theilweife auf einander fallen, u. es ent- 
Bei mehreren 


Lichtes, alfo gehen z.B. diejenigen des Strahlen Öffnungen u. homogenem Lichte erſcheinen 
bündels abfg in der Richtung der Linie kg hin die Spectren durch neu auftretende ſchwarze Streie 
u. her; während aber die in der Linie ab (oder|fen in Meinere Abtheilungen, Spectren zweis 
einer. ihr parallelen) befindlihen Äthertheilchenſter Ordnung, zertheilt, Läßt man endlich 


Beufeljon 


— Beule. 317 


weißes Licht durch ein hinreichend feines Gitterjfion, eines Schlages, Falles, Stofes, woher die 


treten, fo fieht man zu beiden Seiten einer weißen 
Mittellinie vollftändige fFarbenfpectren, ähnlich den 
durch Prismen erzeugten, mit dem violetten Ende 
nad innen, dem rothen nach aufen; die der Mitte 
nächſten fiehen ganz frei auf Shwarzem Grunde, 
die entfernteren greifen in einander über, Diefe 
Gitterfpectren wurden von Fraunhofer ent- 
dedt u. namentlih von F. W. Schwerd näher 
unterfucht, der in feinem vortrefjlihen Werke: Die 
Beugungseriheinungen aus den Fundamentalge- 
fegen der Undulationstheorie analytiich entwidelt, 
Mannh. 1835, die vollitändige Erklärung aller 
Beugungserfheinungen gibt. Das Gitterfpectrum 
zeigt dieſelbe Reihenfolge der Farben, wie das 
prismatifche Spectrum; auch läßt daffelbe bei hin- 
reichend feinem Gitter die Fraunhoferſchen Linien 
ertennen; nur ift der nah dem Roth zu liegende 
Theil deffelben verhältnigmäßig breiter, jo dag das 
Gelb (in der Nähe der Fraunhoferſchen Linte D) 
die Mitte des Gitterfpectrums einnimmt, während 
in der Mitte des prismatifhen Spectrums das 
Grün u. Blau (Fine F) liegen. 

Wir übergehen — andere, zum Theil 
höchſt intereſſante Beugungsphänomen u. erwäh— 
nen zum Schluſſe nur noch einiger dahin gehöri— 
gen Erſcheinungen, welche Jeder in der Natur od. 
ohne beſondere Apparate leicht beobachten kann. 
Bon diefer Art find 3. B. die an Spinnengeweben 
u. feinen Haaren im Sonnenfheine auftretenden 
Farben, bie fchönen FFarbenbilder, melde man 
wahrnimmt, wenn man dur die Fahne einer 
Heinen Boge.feder, durch die gemäherten Augen- 
mwimpern oder durch feine Gewebe nad einem 
Lichtpuntte ſieht. Betrachtet man ferner durch ein 
mit Bärlappfamen oder anderem feinen u. gleich 
törnigen Staube beftreutes Glas (ftaubige Brille) 
die Kerze einer Flamme, fo ericheint diejelbe mit 
farbigen Ringen umgeben, weldhe in der 2. 
des Lichtes ihre Erklärung finden. Auf ganz 
ähnliche Weife entftehen die farbigen Höfe, welche 
man bei etwas getrübter, leicht bewölfter oder 
nebeliger Luft um den Mond oder die Sonne be 
obadtet; auch die Nebelbilder, d. i. Schatten, 
welche die hinter dem Beobachter ftehende Sonne 
auf eine vor ihm befindliche Nebelmaffe von jei- 
nem eigenen Körper entwirft, find bismweilen mit 
folhen Farbenringen umgeben. Endlich fei noch 
angeführt, daß fein geriefte Flächen auch bei auf- 
fallendem Lichte farbige Beugungsericheinungen 
bervorbringen. Dahin gehören das Farbenſpiel 
der Perlmutter, das Frifiren gewiſſer Seidenzeuge, 
ſowie mancher Vogelfedern u, Schmetterlingsflügel. 

, Wimmenauer M. 

Bentelfon Bötet), Willem, Fiicher zu Bierpfiet 
in Flandern, der die Methode des Einjalzens der 

eringe verbefferte; er ft. um 1397 in Biervliet, 
Sen mwurde zu Enkhuyzen ein Denkmal errichtet, 
u. Cemberlyn fchrieb ein Gedicht: De Bukelingi 
genio, Gent 1827, auf ihn. 

Benle, 1) jede äußere ſchnell entftehende ent- 
zündliche Geihwulft, von einer mehr oder minder 
ſcharfen Abgrenzung. Nach Berfchiedenheit ihrer 
Entftehung u. eigentlichen Krankheitsnatur unter 
fheidet man Blut», Eiter-, Peſt-, Froſt-B. 
u. a. 2) Solche als Folge einer äußeren Contu— 


Haut nicht verlegt iſt (in dDiefem Sinne fommt ſchon 
in alten Gefegen Beulenſchlag vor), einer äußeren: 
Verlegung, aber ohne Wunde; es liegt folcher 
auch Austretung von Blut bei Zerreifung Heiner 
Gefäße zu Grunde; ift die ansgetretene Feuchtig— 
feit Blut, fo entfteht die bereit? gedachte Blut- 
3. 8) Auch bei Thieren, bei. Pierden, kommen 
Ben vor; fo die durch Geſchirrdruck veranlaften 
ſog. Drudbenten, ferner die durch Drud der Stollen 
veranlaßten Stollbeulen ꝛc. 

Beulé, Charles Erneite, franz. Alterthums- 
forjcher, geb. 29. Juni 1826 zu Saumur; trat 
1845 in die Normalichle zu Paris, ging 1849 
nach Athen, wo er als Mitglied der franz. Schule 
ich große Berdienfte um die Ausgrabungen an 
der Afropolis erwarb. Im J. 1853 zurückgekehrt, 
widmete er fih mit Gifer der archäologiihen 
Schriftftellerei, wurde 1854 Nachfolger Naoul- 
Rochettes im Departement der Archäologie an der 
Kaiferl. Bibliothek; 1858—59 unternahm er Nach⸗ 
grabumgen in den Trümmern des alten Carthago; 
er trug jelbft die Koften u. erzielte in Bezug auf 
die Anlage der Citadelle, der Häfen, der Gräber 
aufflärende Erfolge. Die Alademie der Inſchriften 
ernannte ihn 1860 zu ihrem Mitgliede, u. 1862 
wurde er an Haldvys Stelle zum beftändigen 
Secretär der Afademie der Kiinfte gewählt. Nach 
dem Deutſch-Franzöſiſchen Kriege widmete er fi 
der Politik, fir welche er ſchon in früher Jugend 
Neigung bekundet hatte. Er murde 8. Februar 
1871 als Mitglied der Nationalverfammliung int 
Departement Maineret-Foire gewählt, ſchloß fich 
dem rechten Centrum an u. diente orleaniftiichen 
Intereſſen. An dem Sturze Thiers' nahm er 
hervorragenden Antheil, ſowol an der Jnterpella- 
tion, welche den Bräfidenten der Republik zu feinem 
Demiffionsgefuche veramlaßte, wie auch an ben 
Berhandlungen, welche in der Nacht vom 24. Mai 
1873 die fofortige Wahl Mac Mahons berbei- 
führten. Im neugebildeten Dlinifterium übernahm 
er das innere, machte ſich aber durch feine reac« 
ttonären Maßregeln unmöglih und verlor feinen 
Poften bei dem Miniftermwechiel vom 26. Novbr. 
defjelben Jahres. Bald darauf ftarb er, 4. April 
1874. Dan glaubt, daß unbefriedigter Ehrgeiz 
ihn lebensmüde gemacht u. zu freimilligem Tode 
durch einen Dolchitich getrieben hat. Seine Schriften 
befunden, wie jein Xeben, ein großes Talent, 
welches durch ertravagante Ehrliebe „geftachelt 
wurde. Die hauptſächlichſten ſind: L’Acropole 
d’Athönes, Par. 1854; Etudes sur le Pélopon- 
nese, ebd. 1855; Les monnaies d’Athönes, ebd. 
1858; L’architeeture au siecle de Pisistrate, 
ebd. 1856; Fouilles a Carthage, ebd. 1860, 
Nahgrabungen in Carthago, aus dem Franzö— 
ſiſchen, Luz. 1863; Phidias, antiles Drama, 
‘Bar. 1863, zuerft in der Revue des Deux Mondes 
erſchienen, u. d. Tit.: Der Tod des Phidias, deutich 
von W. Baumbard, Berl. 1864; Causeries sur l'art, 
Par, 1867, 2 Auflagen; Histoire de l’art grec 
avant Periclös, ebd. 1870, Der mit anticäjari- 
iher Tendenz geichriebene Enflus: Procès de 
Cesar, 1867 ff., in 4 Bon.: 1) Auguste et sa 
famille, 4. A., Bar. 1868, 5. Titelauflage, 1875; 
2) Tibere et l’heritage d’Auguste, 3. A., 1868 


313 


Beulenpeft — Beurmann, 


(1870); 3) Le sang de Germanicus, 3. X., 1869; 1pCt., jelten unter 60 pCt. Die Behandlung richtet 


4) Titus et sa dynastie, 1870, deutſch von Döbler,|fih nur nach allgemeinen Grundiägen, u. 


Halle 1873 fi.; Fouilles et decouvertes, resumees 
et discutdes en vue de l’histoire de l’art, ebd. 
1873. Außerdem lieferte er werthvolle Aufjäte 
in die Gazette des Beaux-arts, Revue des Deux 
Mondes u. in das Journal des Savants, Er war 
auch ein Kenner der Mufif u. bielt in der Alfa» 
demie die mit oratoriſchem Schwunge ausgeführten 
Gedächtnißreden auf Meyerbeer, Roſſini u. Berlioz. 
Brambadı. 

Beulenpeft (Beft, Pestilentia). Lange Zeit 
nannte man alle jene Kranfbeiten, welche epide- 
milch auftraten u. viele Menfchen mwegrafiten, Peit; 
gegenwärtig bezeichnet man mit diejem Namen 
nur eine fpecielle acute Krankheit mit typhöſen 
Erjcheinungen, bei der e8 zur Bildung von 
Lymphdrüſenanſchwellungen und Lymphdrüſener⸗ 
weiterungen oder von Carbunkeln kommt. Die 
Pet ift eine alte, ſchon vor Chriſti Geburt vor- 
gelommene Krankheit. Im Mittelalter gehörten 
Peſtepidemien zu dem verbeerenditen, 5. B. der 
fogen. Schwarze Tod des 14. Jahrhunderts. Ende 
des vorigen Jahrhunderts wurde die Peſt in 
Europa jeltener, jeit 1841 erjchien fie nicht mehr 
in Europa und jeit 1844 jelbit nicht mehr in 
Agypten. Im Fahre 1858 trat jedoch wiederum 
eine Peftepidemie in NAfrifa u. 1871 im perfi 
fhen Kurdiftan auf, jo dag die Belt für feine aus- 
geftorbene Kranfbeit, wie man angenommen, gelten 
fonn. Die Berbreitungsweile der Krankheit bat 
mit der des Typhus große Abnlichkeit. ine 
Anftedung von Berfon zu Perion findet nur in 
den jeltenften Fällen ſtatt; meift geſchieht dieſelbe 
durch die von den Kranken benutzten Effecten, 
Betten, Wäſche ꝛc. Das der Peſt eigenthümliche 
Krankheitsgift entfaltet um jo ſicherer u. intenſiver 
jeine en bei durh Hunger u. Elend berab- 
gelommenen Menfchen, in ſchmutzigen Wohnftätten, 
ın Localen, wo viele Menichen zufammengepfercht 
find, bei ungejunden Lebensmitteln. In mäßig 
warmer u. feuchter Jahreszeit (Frühjahr) finden 
wir die größte Verbreitung dr Epidemien, während 
ftarfe Kälte u. große Hite der Verbreitung hinder— 
lich find; fo hörte in Agypten vom Johannistage 
(24. Juni) ab die bis dahin herrſchende Epidemie 
auf. Die Krankheitsericheinungen beginnen meift 
plöglih mit Benommenbeit, großer körperlicher 
u, geiftiger Schwäche, Kopfſchmerz, Schwindel; 
dazu gejellt ſich ſchnell Fieber, die Kranfen werden 
betäubt und deliriren. Dann, nah 2—3 Tagen, 
ſchwellen die Lymphdrüſen in den Yeiftengegenden, 
in der Achjelhöhle zc., womit in der Hegel das 
Fieber geringer wird. Die Lymphdrüſenanſchwell- 
ungen (Bubonen) zertheilen ſich num entweder, 
oder geben in Eiterung oder Verjauchung über. 
In etwa 4 der Fälle entjtehen Carbunkel an 
Gefäß, Rücken u. Ertremitäten u. feine Lymph— 
drüjenanichwellungen. Mit Eintritt umfänglicher 
Eiterung u. Berjauchung erhebt fich das Fieber 
von Neuem, und der Kranke erliegt meift jchon 
nah 5—10 Tagen der Krankheit. In den in 
Genejung übergebenden Fällen find die nervöſen 
Erjcheinungen nur mäßig, die Bubonen zertbeilen 
fih, oder fie bilden mur Heinere Eiterberde. Die 
Viortalität ift eine enorme u. betrug oft 70 —90 


ibt es 
fein jpecifiiches Mittel gegen die Belt. a der 
Tod bauptiählih durch — 5 erfolgt, ſo 
iſt eine ſtärlende Diät, Wein, Milch, Fleiihbrühe 
allein am Platze. Genügende Beobachtungen über 
Wärme entziehende kalte Bäder find noch nicht 
gemadt; das Chinin ſchien wirkungslos zu fein. 


Kunze. 

Beulenſucht (Benlenjeuche, Thierarzneitunde), 
j. Milzbrand. 

Beurlaubtenftand. Zum Be gehören 1) 
Offiziere, Arzte, Beamte und Mannfcaften der 
Neferve und Landwehr; 2) die vorläufig in die 
Heimath beurlaubten Rekruten und Freiwilligen; 
3) die bis zur. Entſcheidung über ihr ferneres 
Militär-Verhältniß zur Dispofition der Erſatz— 
bebörden entlaffenen Mannicaften; 4) die vor 
erfüllter activer Dienftpflicht zur Dispofttion der 
Zruppentheile beurlaubten Mannichaften. Die 
Berjonen des B-es find während der Beurlaub- 
ung den zur Ausübung der militärischen Controle 
erforderlihen WUnordnungen unterworfen. Sie 
baben geeignete Borkehrungen zu treffen, daß 
dienstliche Befehle ihrer Borgefegten u. nament- 
lich Einbernfungsordres ihnen jeder Zeit zugeftellt 
werden können. Im dienftlihen Verlehre mit 
ihren Vorgeſetzten, oder wenn fie in Militär— 
Uniform ericheinen, find fie der militärischen Dis» 
ciplin unterworfen. 

Beurlaubung vom Mifitärdienfte erfolgt unter 
der allgemeinen Wehrpflicht ſowol in dauernder, 
als zeitlicher Weife. Die erftere ergibt fih aus 
der Nothwendigleit, jenen Theil der dienſttauglich 
befundenen Militärpflichtigen, welcher die Ziffer 
des ausgeſchriebenen Jahrescontigents über— 
ſchreitet, ſogleich in die Landwehr oder Reſerve 
einzutheilen, aus welcher die Wehrpflichtigen nur 
zu den periodiſchen Waffenübungen, um für den 
Kriegsfall zum wirklichen Militärdienſte geübt zu 
ſein, einberufen werden. Dieſe dauernde B. iſt 
für den Einzelnen vollſtändig vom Zufalle ſeiner 
Loosnummer u, der Anzahl ſeiner durch die Stell— 
ungscommiſſion dienſtuntanglich erflärtenBormänner 
abhängig. Für die zeitliche B. der dienſtthuen⸗ 
den Soldaten beſtehen zwar beſtimmte Vorſchriften, 
allein ſie bleibt immer abhängig vom guten Willen 
der für die Urlaubsertheilung competenten mili— 
täriſchen Vorgeſetzten und iſt für die Dauer der 
Dienftzeit auch ſtets widerruflich. 

DBeurmann, Karl Morik von, deuticher 
Neifender, geb. 28. Juli 1835 in Potsdam; 
befuchte das Gymnaſium in Poſen u. die Real— 
ſchule in Berlin, trat 1853 ins Militär u. wurde 
Offizier bei den Garde» Pionnieren; 1860 trat er 
feine erfte Afrifareife über Kairo nad Berber u, 
Sualin an; von dort ſchiffte er ſich nach Maſſaua 
ein, um die Bogosländer zu erforjchen; aber die 
dort ausgebrocdhenen Kämpfe des Kaiſers Theodor 
vereiteften feinen Plan, und er kehrte über Aden 
nah Suez u. Kairo zurüd. Im folgenden Jahre 
führte er feinen früheren Plan einer Bereifung 
der Bogosländer aus. Nah Europa zurüdgetehrt, 
ward er vom Gothaer Ausihuß der Deutichen 
Erpedition nah Afrika zur Auffuhung Vogels 
auserjehen, wobei er von Norden ber nah Wadai 


Beurnonville — Beuft. 


319 


vorzudringen beauftragt wurde, während Heuglin Beurten (v. boll. beurt, Neibe, Loos) find 
von Abeifinien ber diefes Pand erreichen ſollte. fin Holland u. NWDeutſchland Vereine von Schiffs« 


B. ging Ende 1861 nah Bengaft in Tripolis, 
von da über Murzuf nah Bilma (nachdem er 


eignern (Beurtmannen), welche Ladungen zur 
Beförderung auf Flüſſen, felbft zur See überneh» 


einen Seitenausflug im die vorher von feinem|men, u. zwar fo, daß dabei ihre Schiffe (Beurt- 
Europäer betretene Dafe Djebado gemacht hatte) |ichiffe) nach der Reihe daran kommen. Eine Fahrt 


u. nah Kufaua in Bornu, wo er Ende Auguſt 
1862 eintraf. Da fih feinem Vordringen nad 
Wadai Hinderniffe in den Weg ftellten, jo unter: 
nahm er von da eine Reiſe nach Jaloba in 
Bauticht, von welcher er am 13. Dechr. wieder 
in Kufaua anlangte,. Kurz darauf wandte er fi 
wieder nad Wadai, wurde aber fchon nach zwei 
Tagemärſchen von feinen Dienern beraubt und 
verlaffen und kehrte nad Kukaua zurüd. Nach 
einem nochmaligen Berfuche, die Reife auszuführen, 
wurde er im Febr. 1863 bei Mao im der meft- 
fihiten Provinz von Wadat auf Befehl des dorti« 
gen Statthalters ermordet, Geine Biographie 
Ihrieb Merx für den Jahresbericht des Vereins 
für Erdfunde in Leipzig, 1866. Sein Gloffar der 
Tigre-Sprache, wie fie bei Mafjaua geiproden 
wird, gab derjelbe heraus, Ypz. 1868, engliſch, 
Halle 1868. 

Beurnonville, Pierre Ruel, Graf von B., 
franz. Marihall u. Staatsinann, geb. 10. Mai 
1752 zu Champignolfe in Burgund; wurde Soldat 
u. diente bis 1781 als Offizier in Indien. Bon 
dort ald Major nah Frankreich zurüdgefehrt, 
wurde er Oberftlieutenant in der Schweizer: 
compagnie, ging 1792 mit Luckner zur NArmee, 
bob die Belagerung von Lille auf, wurde General- 
bientenant und nahın an dem Zuge gegen Trier 
tbeil. Durch Bermittelung der Gironde wurde er 
im Februar 1793 Kriegamimiter, wo er fich den 
Haß der Jacobiner zuzog, und trat bald zurüch. 
As ihn Dumouriez für Öfterreich gewinnen wollte, 
tieferte er den Brief dem Comvent aus, erhielt den 
Befehl, Dumouriez zu verhaften, ward aber von 
diefem mit 4 anderen Commifjarien des Convents 
gefangen genommen, den Ofterreichern ausgeliefert 
u. nah Olmütz geſchickt, wo er bis Nov, 1795 
eingeferfert blieb u, mit feinen 4 Gefährten gegen 
die Herzogin von Angouleme, Ludwigs XVI. 
Tochter, ausgewechſelt ward, Er befehligte ſpäter 
erft die Sambre-, dann die Maasarınee, fowie 
die von Holland, mit der er 1796 die preußijche 
Demarcationslinie beobachtete, und erhielt nach 
Jourdans Niederlage den Oberbefehl über defjen 
Corps, mit dem er 1796 u. 98 tapfer focht; er 
wurde 1798 Generalinipectenr der Armeen, dann 
Geſandter Napoleons zu Berlin, fpäter zu Madrid 
und 1805 Senator und Graf des Reiches; 1814 
fimmte er für die Abjegung Napoleons, wurde 
Mitglied der Proviforishen Negierung und 1815 
Bair; ging mit ludwig XVIII. nad Gent, wurde 
1816 Marihall u. 1817 zum Marquis ernannt. 
Er ft. 23. April 1821 zu Paris. , 

Beuron, Klofter u. Moltenkuranftalt im preuß. 
Regbez. u. Oberamte Sigmaringen, an der Donau. 
Der Ort wird jhon im 8. u. 9. Jahrh. genannt; 
die Zeit der Gründung des Klofters, eines Stiftes 
tegulirter Auguftiner-Cborberren, im 12. Jahrh. 
ift nicht mehr genau zu beftimmen. 1803 aufge 
hoben ‚ift e8 um 1860 durch eine Prinzeſſin v. Hoben- 


zollern wieder mit Benedictinerm bejegt worden. reich gegen Preußen. 


folder Schiffe heißt Beurtfabrt. 

Benit, eine alte, aus der Mart Brandenburg 
ftammende, jegt in Thüringen, Sachen, Schlefien, 
Baden, Bayern und Öfterreih heimische Familie, 
aus welcher eine Reihe nambafter Männer ſtam— 
men: 1) Joadhim v. B. Gelehrter, geb. 1522 zu 
Mödern; wurde 1549 kurfürftlich ſächſiſcher Rath, 
1551 Profeffor in Wittenberg, 1580 Confiftorial« 
rath in Dresden und 1591 Prinzeninftructor; er 
ft. 1597 auf Planig bei Zwickau. Einer feiner 
Defcendenten, Friedrich v. B., hatte 2 Söhne, 
welche 2 Linien ftifteten: A. Altere od. freiherrliche 
Linie. 2) Friedr. Conftantin, Frhr. v., ſächſ. 
Oberberghauptmann,geb.13. Apr. 1806 in Dresden; 
wurde 1835 Bergamtsaffefior in Dresden, 1836 
Bergmeifter in Marienberg, 1838 Bergratb in 
Freiberg, 1843 Berghauptmann u. Blaufarben- 
commiflar u, 1851 Oberberghauptmann dafelbft, 
feit Aufhebung feines Oberbergamtes General- 
inſpector des cisleithanischen Berg», Hütten- und 
Salinenwefens in Wien. Er ſchr.: Geognoſtiſche 
Slizze der wichtigſten Porvhyrgebilde zwiſchen 
Freiberg, Frauenſiein, Tharand u. Noſſen, Frei— 
berg 1835; Kritiſche Beleuchtung der Wernerſchen 
Gangtheorie, ebd. 1840; Erläuterungen zur Gang- 
farte über den inneren Theil des Freiberger Berg- 
reviers, ebd. 1842, u. einige fleinere Schriften. 
3) Friedr. Ferd., Bruder des Borigen, geb, 
13. Jan. 1809 zu Dresden; ftudirte 1826—29 
in Göttingen und Leipzig. Jurisprudenz, wurde 
1830 Acceffift im Dresdener Juftizamte u. 1831 
beim Meinifterium des Auswärtigen, trat 1832 
als Aſſeſſor bei der damaligen Landesdirection ein 
u, unternahm 1834 eine größere Reife nad der 
Schweiz, Frankreich und England. Ende 1835 
wurde er Fegationsjecretär in Berlin u. übernahm 
1838 Ddiefelbe zunction in Paris, Ende 1841 
wurde er Geichäftsträger in München, 1846 Mi⸗ 
nifterrefident in London u. im Juli 1848 Geſandter 
in Berlin. Am 24. Febr. 1849 trat er in das 
föniglich fächfiihe Miniſterium unter Helds Vorſitz 
als Chef des Departements des Auswärtigen ein. 
In diefer Stellung widerrieth er dem König die 
Annahme der deutichen Neichsverfaflung, obichon 
das Minifterium Held einftimmig die Grundrechte 
veröffentlicht hatte. Daber traten die meilten 
Mitglieder des Cabinets ans, in welchem nur B. 
u. der Kriegsminifter v. Rabenhorit blieben, Als 
in Dresden die Wevolmion ausbrad, rief DB. 
preuß. Hilfe gegen diefelbe an u. floh mit dem 
König und dem Kriegsminifter auf die Feſtung 
Königitein, worauf die Aufſtändiſchen eine provi— 
ſoriſche Regierung einſetzten. Nach Unterdrüdung 
der Revolution übernahm B. in dem neuen 
Minifterium Zichinstg zum Minifterium des Aus— 
mwärtigen nod das des Cultus, half 30. Mat das 
Drei⸗Königs-Bündniß verfündigen, trat aber bald 
wieder davon zurück u, verfichte, freilich umfonft, 
die Bildung eines Vier-Königs-Bundes mit Deiter- 
Der ihn deshalb heitig 


320 


angreifende Landtag wurde aufgelöft, die 1848 
für immer aufgehobenen alten Stände wieder 
einberufen, die Bereins- u. Preßfreibeit geknebelt. 
Im Eultusminifterium begünftigte B. die fireng- 
ficchlibe Richtung, trat aber 1853 daffelbe an 
Falleuſtein ab u. übernahm das Miniſterium des 
Innern. Nah Zſchinslys Tode wurde er Minifter: 
präfident und trat als folder erft jedem Streben 
nach Berbefferung der deutichen Bundesverbältniffe 
entgegen, erflärte fih aber 1862 jelbit für eine 
fothe u. ftellte fih 1863 auf die Scite der öjter« 
reihiichen Aeformvorichläge. Bei Ausbruch des 
Eouflictes mit Dänemark wegen Schleswig-Holftein 
nahm er eine wirflih deutſche, der einjeitigen 
Bolitif Ofterreihs und Preußens entgegengejette 
Haltung ein u. vertrat auf der Londoner Gonfe- 
renz den Deutihen Bund. Als daher Dfterreich, 
nad) feinem Bruche mit Preußen, feine Sache mit 
derjenigen des Bundes verſchmolz, trat auch B. 
auf die Seite Oſterreichs und mußte demzufolge 
nach der Schlacht bei Königgrät von feinem Amte 
zurüdtreten, worauf er 30. Oct. 1866 als öfterr. 
Dinifter des Auswärtigen und bald darauf auch 
des Kaiferlihen Haufes berufen wurde. Ende des 
Jahres 1866 bewirkte er in Peith den Ausgleich 
mit Ungarn, Nah dem Sturze des Miniſters 
Belcredi u. der Krönung des Kaifers zum König 
von Ungarn, Juni 1867, wurde B. zum Reichs: 
fanzler u. Ende 1868 in den Grafenftand erhoben. 
Sein Beftreben in Ddiefer Stellung war fort 
während auf Ausgleihen der Ertreme in politis 
iher, nationaler und confeffioneller Beziehung 
gerichtet, doch ohne dabei wejentliche Erfolge zu 
erzielen u. allgemeines Vertrauen zu gewinnen, 
indem fein Wirten ftets der Klarheit u. Confequenz 
entbehrte. So wechſelten unter ibm raſch das 
fogen, Qürgerminiftertum und die Minifterien 
Hasner, Potodi u, Hohenwart. Doc bradte er 
1869 den Ausgleih zwiihen Ungarn u. Kroatien 
zu Stande u. trat für die Nechte der Deutichen 
u. gegen die Anmaßungen des päpftlihen Stuhls 
in die Schranfen. In auswärtigen Angelegen— 
heiten beobadtete er ſtrenge Weutralität und 
Friedensliebe und legte diefelbe auch (freilich in 
diefem Falle wider jeinen Willen u. durch die 
Umftände gezwungen) während des Deutich-Tzrane 
zöfihen Krieges von 1870 u. 71 an ben Tag, 
in welchem er gern mit Frankreich gemeinſame 
Sache gemacht hätte. Dem Concordat mit Rom 
machte er nah der Erflärung der päpftlichen 
Unfehibarleit ein Ende. Im Orient bewirkte 
er die Räumung der Feſtung Belgrad von Seiten 
der Türken. Ganz unerwartet wurde er nad 
dem Sturze des Minifteriums Hobenmwart (6. Nov. 
1871) vom Reichsfanzleramte entbunden, wo An— 
draſſy fein Nachfolger wurde, u. als Botſchafter 
nach Yondon gejaudt. Vgl. Ebeling, %. F. Graf 
von B., jein Leben u. Wirken, 2 Bde., Lpz. 1870. 
B. Jüngere oder gräfliche Linie, is Karl 
Fouis, Sohn des herzoglich altenburgifchen Ober: 
landjägermeifters Grafen Traugott von B., geb. 
12, Febr. 1811; ftudirte im Leipzig und Berlin 
Nechtsgelchriamteit, trat 1834 in preußiihen u. 
1838 als Negierungsaffeffor in den altenburgichen 
Staatsdienft, wurde 1842 Kreishauptmann und 


Beute. 


nachdem er 1853 ſeine Entlaſſung genommen 
hatte, wurde Geſandter der ſachſen erneſtiniſchen, 
ſchwarzburgiſchen und reußiſchen Höfe in Berlin 
und fehrte 1867, als dieſe Stelle einging, nad) 
Altenburg zurüd, wo er jeitdem privatifirt. 
3) Henne Am Rhym. 

Bente, 1) die dem Feinde im Kriege abgenom« 
menen Gegenftände, Nah den Mojaifhen Ge» 
jegen befamen Die, welde die B. gemacht hatten, 
die Hälfte, das zurüdgebliebene Voll die andere 
der gefangenen Menſchen (be. Weiber u. Kinder) 
u. des Viehes; doch mußten Exftere „I, an die 
Priefter, Lerstere A, an die Leviten abgeben. Yeb- 
loſe Gegenftände gebörten Dem, welcher fie dem 
‚zeinde abnahbm. Aus gebannten Städten ge» 
mwonnene B. an Metall wurde ebenfo getheilt; wie 
es mit anderen Gegenftänden gehalten wurde, ift 
nicht befannt, in einem Kriege gegen die Midia- 
niter wurden diefelben vernichtet. Bei den Griechen 
ehörten ebenfall® die Gefangenen zur B., der 
Anführer‘ wählte fih nah jeinem Wohlgefallen 
aus; bei. nahmen die Heerführer dein im Zwei— 
fampfe überwältigten Gegner die Rüſtung (Lapbyra) 
ab, die anderen Krieger zogen nach der Schlacht 
die Todten aus, diefe B. hieß Skyla,. Auch waren 
Yeute beim Heere, melde die gemadte B. im 
Ganzen fauften u, diefelbe dann wieder im Ein— 
zelnen verbandelten, dieje hießen Laphyropolai. 
Bei den Yaledämoniern wurde die B. gefammelt 
u. von dem Feldherrn an die Tapferften durch das 
Loos vertheilt. Bei den Römern hieß B. über- 
haupt Praeda od. Exuviae, was man dem Feinde 
auszog u. abuahm, alfo Kleider u. Waffen; die 
dem getödteten Feinde abgenommene Rüſtung 
Spolia, u. zwar Spolia opima, die vom Feld— 
herrn dem eigenhändig erlegten feindlichen Heer— 
führer abgenommenen B.ſtücke (diejeiben wurden 
im Zempel des Jupiter aufgehängt); Manubjae 
waren die B-ftüde, welche der Feldherr erhielt, 
auch nannte man jo das Geld, welches der Quäftor 
aus der B. gelöft hatte; daffelbe wurde zu gleichen 
Theilen dem Staate, dem Feldherrn u. dem Heere 
zugewendbet. Gefangene gehörten als Eigenthum 
Dem, welcher fie eingebracht hatte. Bei den Ger- 
manen gehörte die B. dem Heere u. wurde nad 
dem Looſe vertheilt; jelbjt Konig Chlodwig mußte 
es fih gefallen laffen, daß, da er bat, eıne unter 
der B. befindliche, aus einer Kirche berrührende 
Bafe ihm zum voraus zukommen zu laffen, um 
diejelbe wieder einer Kirche zu ſchenlen, ein ge— 
meiner Franke ihm mit den Worten entgegentrat: 
„Du König haft bier nichts anzufprechen, als was 
das Loos Dir beſtimmt“, und die Baje mit feiner 
Streitart zuſammenſchlug (ſ. Gregor von Tours). 
Die gefangenen Feinde wurden aud als B. ver- 
theilt, nachdem ein beftimmter Theil den Göttern 
zum Opfer ausgefchieden war. In den Zeiten 
des Fauftrechtes jah man Alles als geredhte B. 
an, was der Stärfere ſich zueignete; indeſſen ber 
gann man doch jhon die Menſchen nicht mehr 
unter die B. zu zählen, dagegen begann feit dem 
14. Jahrh. neben dem Bemachen an befiegten 
Feinden auch das Plündern der Wehrlofen im 
durchzogenen oder eroberten Lande, Bei erober- 
ten Feſtungen gehörten fonft die Gloden dem 


Negierungsrath und 1848 Minijter (ſ. Sachſen); !feindlihen General; beftürmte Feſten wurden aus— 


Beutel — Beutelratten. 


geplündert. Gegenwärtig betrachtet man bei civi- 
Ifirter Kriegführung als B. nur das dem feind« 
lien Staate gehörende, deffen Soldaten abge- 
nommene Gut, aljo Waffen, Munition, Pferde, 
Fahnen, Karten, Kriegskaſſen zc., während das 
Privateigenthum auch dem gefangenen Feinde 
verbleibt. Nur das auf dem lachtfelde zurück⸗ 
gelaffene Privateigenthum, oder das bei Todten 
vom Sieger auf dem Schlachtjelde gefundene fann 
noch B. werden, aber auch dies fällt nicht dem 
Einzelnen, jondern dem Truppentheil zu. Plün— 
dern ift jeßt wölferrechtlich unzuläffig; das zur 
Eriftenz Nothwendige, aber auch nur dieſes, aljo 
Lebensmittel, Fourage, Kleidung, Pferde ꝛc. wird 
nöthigenfalls durch geordnete Requifition beige» 
trieben. Für erbeutete Geſchütze pflegt der Staat 
Prämienzu geben (Geſchütz ⸗Douceur⸗Gelder), ebenſo 
für aufgefangene Pferde. Im Seekriege iſt das 
heutige Völlerrecht noch nicht fo weit vorgeichrit- 
ten u. geftattet auch noch das Wegnehmen feind- 
lichen Privateigenthums. Über ® zur See |. 
Prifen. 2) S. u. Bienenwohnung. 

Beutel, türkiſche Rechnungsmünze: a) in 
Silber, and Kis, Kefer genannt, 500 Piafter 
— 294 Thir.; b) in Gold, 30,000 Piafter oder 
15,000 Zedhinen = 1850 Thlr. Alles Silber u. 
Gold, das in den Schat des Serails fommt, wird 
in federnen B-n nad dem jeftgejegten Geldfnße 
aufbewahrt. In den türliſchen Staatsrechnungen 
verſteht man unter B. ſolche von 500 Piaſter. 

Beutelbär, ſ. u. Beutelthiere. 

Beutelbilch, ſ. Beutelmarder. 

Beuteldachſe (Peramelidae, Entomophagae), 
Fam. aus der Ordnung der Beutelthiere (j. d.), 
Unterordnung NRaubbeutler; ausgezeichnet durch 
ihre nad Art der Inſectenfreſſer zugeipitte Schnauze 
u. ihre verlängerten — die Zehen der 
Borderfüße find Hein, die der Hinterfüße erinnern 
in Größe u. Stellung an die des Känguruhs; 
graben fid) Höhlen u. Gänge in der Erde. Dabin 
der Beuteldachs oder Bandikut (Perameles 
nasutus Geofr.), ein auftraliihes Thier, mit heil» 
u. dunkelbraun gemiſchtem Pelze u. rilffelartiger 
Schnauze, welches nah Wirmern gräbt; der 
Stußbeutler (Choeropus Ow.), aus Neuholland, 
von Kaninchengröße. Thome. 

Bentelgans, jo v. mw. Pelikan, 

Bentelhund, ſ. Beutelmarder. 

Beutelmarder (Dasyuridae), Fam. aus der 
Säugethierordnung der Beutelthiere, Unterordnung 
Raubbeutler; Heinere u. größere Raubbeutler, 
welche nachts meift auf Erbeutung von Bögeln 
u. Säugethieren ausgehen. Den Übergang zu 
den Beuteldachſen bilden die Ameifenbeutler 
(Myrmecobius Waterh.),mit langer, ſpitzerSchnauze 
u. jehr zahlreichen, jcharfipigigen Badenzäbnen; 
dahin M, fasciatus Waterh., von Eihhorngröße, 
heil gebänbert, ſchlau u. überaus gewandt, aber 
harmlos; lebt von Ameifen u. Kerbthieren; in 
NReuholand. Die Beutelbilhe (Phascogale 
Temm.) befitten eine zugejpitte, derjenigen der 
Spigmäufe ähnlihe Schuauze; der Pinjelbeu- 
telbilch (Ph. penicillata Temm.) ift ein blut- 
dürftiges, fühnes Raubthier, von Eichhorngröße, 
zen das Wiejel von Süd» und Weft- 


321 


‚eigentlihen B. (Dasyurus TI.), mit ziemlich lan— 


gem, gleihmäßig behaartem Schwanze, gleichen 
in ihrer Lebensmweije etwa den Mardern; fie wer— 
den in den Wohnungen durch Stehlen der Yebens- 
mittel u. Wirgen des Federviehes läftig; dahin 
der Rauhſchwanz (D. viverrinus Geoffr.); 
Schwanz lang; ſchwarz mit weißen Flecken, u. 
der Devil (D. artinus Geofr.); Schwanz furz; 
ſchwarz mit weißer Querbinde über Bruft und 
Arme; beide in Bandiemensland. Die Beutel» 
wölfe (Beuteldunde, Thylacinus Temm.) befigen 
einen jehr kurz behaarten Schwanz u. anftatt der 
Beutellnochen nur Knorpel. Der Beutelbund 
(Th. eynocephalus A. Wagn.) ift in jeiner 
äußeren Erjcheinung einem Hunde ähnlich, oben 
gelbli-braun-gran mit 16 ſchwarzen Querbinden; 
von Schalalgröße; der kühnfte u. ſtärlſte Raub» 
beutler; fol gefellig fogar Schafheerden — 
om 


Beutelmaſchinen, Borrihtungen zum Abfon« 
dern feiner Pulver von gröberen. 1) Zu pharma» 
ceutiihen Zweden werden die Pulver zwiichen 
feine Leinwand in ein Zuderglas od. in eine 
hölzerne Büchſe getban u., nachdem ſolche ver- 
ihloffen worden, duch Schütteln (Beuteln) das 
feinfte davon geichieden. Bel. dienen dazu Beu- 
teltrommeln, oder Siebe von feidenem Zeuge, oder 
von Nantın, Slor u. dal., oder von doppelt zufam- 
mengelegten tinnen für feineres Bulver, mit einem 
Boden u. Dedel von Pergament oder glatten 
Schaffellen. 2) Für Mühlen, f. Mühle. 

Bentelmaus, jo v. w. Wombat (f. d). 

Beutelmeiſe, Gattung Meife (j. d). 

Bentelratten (Didelphyidae, Pedimana), 
am. der Beutelthiere aus der Unterordnung der 

aubbeutelthiere; mittelgroßen. Heinere Kletterbeut- 
fer mit zierlich angelpihter Schnauze, großen Augen 
u. Ohren u. meift langem Greifihwanze; Beutel 
oft unvollftändig u. auf ſeilliche Falten reducirt. 
In der Gegenwart find fie auf Amerika beichräntt, 
woſelbſt fie vornehmlich in Wäldern leben; in der 
Vorzeit waren fie indeffen auch in Europa ver— 
breitet. Hierher die Shwimmbeutler (Chiro- 
nectes Ill.), deren großen Zehen der Hinterfüße 
durch Schwimmbäute verbunden find, u. die ei- 
gentlihen 8. (Didelphys L.). Letztere find aus» 
gezeichnet durch ihre freien Zehen, durch einen 
langen, zugeipigten Kopf, weit geipaltenes Maul, 
nadte, getbeilte Naſenkuppe n. große, gerundete, 
faft nadte Ohren; alle Füße haben 5 Zehen u. 
nadte Sohlen; Krallen kurz, fiheliörmig, nur ber 
Daumen der Hinterfüße ohne Krallen u. entgegen« 
jegbar; Schwanz bis an die behaarte Wurzel 
nadt, fein ringelihuppig u. nur mit einzelnen, 
furzen, fteifen Haaren bejegt, übrigens zum Ein- 
rollen geſchickt (Rollihwanz), die Spite eine halbe 
Krümmung bildend; Weibchen mit wirklichen 
Beutel, oder nur mit Hautfalten; Pelz gewöhnlich 
weich, wollig u. gleichförmig furzhaarig, bei den 

ößeren Arten mit längeren, fteifen Stiheihaaren; 
ebiß: oben 10, unten 8 Vorderzähne, überall 
1 Edzahn u. 7 Badenzähne, von denen 8 Lücken⸗ 
zähne find; die beiden mittleren oberen Vorder— 
zähne find etwas größer. Dieſe Thiere leben meift 
auf Bäumen, jchleihen des Nachts umher, Vögel, 


uftrafien,daher auch Beutelmwiefel genannt. Die Eier u. dergl. zu fuchen, verzehren aber aud) 


Bierers Univerfal:Eonterfationssteriton. 6. Aufl. 


Il. Band. 


21 


322 


Obit. 


E3 find dumme, langfame Thiere, die 


Beutelſpach — Beutelthiere. 


Beutelſtaare, mehrere den Staaren ver— 


nicht ſehr wild find u. ſich leicht zähmen laſſen wandte (daher Stärlinge) amerikaniſche Vogel— 


würden, haben aber einen unangenehmen Moſchus- gattungen, welche 


eruch, wie die Spigmäufe. Mittels ihrer Hinter 
ände Mettern fie zwar nicht ſchnell, aber geſchickt 
an Stämmen u. Aften auf u. ab, vermöge ihrer 
ſcharfen Krallen jogar an rauhen Mauern; mit 
dem Schwanzende fünnen fie fih an Aiten an- 
halten u. anhängen. Friſches Blut ift ihre Yieb» 
lingsipeife, daher nähern fie fih oft den Wohn- 
ungen der Menſchen, plündern die Nefter u. tödten 
Alles, was ihnen in SHübnerftällen vorfommt, 
10—20 Hühner in einer Nacht. Sie laffen feinen 
Laut hören, außer einer Art von Schneuzen, wenn 
fie angegriffen werden. Das Weibchen wirft 
8—14 Junge, die böcftens S mm lang, ganz 
unbebaart, blind u. unbemweglich find; fie müſſen 
daher von der Mutter an die Zigen angelegt wer 
den; erft nah 4 Wochen baben fie die Größe 
einer Maus, befommen Haare u. Bewegung; 
nach 7 Wochen erreichen fie die Größe einer Hatte, 
haben offene Augen u. verlaffen nun bisweilen 
den Beutel; nah 50 Tagen verlaffen fie diejen 
ganz, werden dann aber noch einige Zeit lang 
von der Mutter auf dem Rüden getragen. Sie 
haben weder ein brauchbares Fleiſch, noch nutz— 
bares el n. find wegen ihres Geftanfes ver- 
haft. a) Arten mit volllommener Bruttajche: 
Die virginiihe B. (D. virginiana Shau., D. 
marsupialis Schreb.) ift die größte Art, faft fe 
groß wie eine Kate; Wollhaar weiß mit brammen 
Spigen, die 3 Zoll langen Stihelhaare weiß, fo 
dag das Thier weiß u. bräunlicy überlaufen er 
fheint; Augen von einem dunfelbraunen Ringe 
umgeben; Beine dunfelbraun; Obren groß, ſchwarz, 
mit gelblicher Spite; in den mittleren Vereinigten 
Staaten NAmerilas ‚gemein. Das Opofjum 
(D. opossum Z.), ziemlich kurzwollig, roſt- oder 
zimmtröthlich, das Weibchen lichter, Unterſeite 
gelblich weiß, über jedem Auge ein weißer Flech, 
nadter Theil des Schwanzes braun mit weißlicher 
Spitze; Länge: 40 bis 45 cm, Schwanz ungefähr 
20cm, der behaarte Theil 5 cm lang; vorzüglich im 
Guinea. Ferner: derFarus (D. Philander L.), die 
frabbenfrejjende Beutelratte (D. canerivora 
L.), ver Gamba(D. Azarae Temm.)u.a. b) Ar- 
ten mit unvolllommener, oft nur duch Hantfalten 
vertretener Bruttajche: die Aneas- od. Buſch— 
ratte(D. dorsigera L.); Schwanz dünn u. länger 
als der Körper, nur der 7. Theil behaart; Farbe 
falbbraum, Augen von einem dunkelbraunen Flecke 
umgeben; Yänge 14 bis 15cm, Schwanz 18 cm; 
in Surinam, Dft hängen fi die anf dem Rüden 
der Mutter getragenen Jungen mut ihren 
Schwänzchen an den Schwanz jener an, über- 
haupt halten fie fih an der Mutter feft, wo fie 
nur lönnen. Ferner: die Marmofe (D. mu- 
rina L.), in Brafilien; die didihwänzige 8. 
(D. erassicandata Desman,), in Paraguay, u. a. 
Abbild. f. Taf: Säuger I. Tbome.* 
Beutelſpach, Markifl. im Oberamte Schern- 
dorf des württembergiſchen Jagſikreiſes; ehemals 
Burg u. Heiligtrenzitift, mit dem Grbbegräbniß 
ver älteften Grafen von Württemberg, bis 1311 
die Feinde des Grafen Eberhard B. zerftörten u. 
Graf Ulrich 1321 das Stift nah Stuttgart verlegte. 


indeflen feine gute Familie 
bilden. Dahin die Gilbvögel, altimore- 
vogel, Shwarzvogel,Japu u.a.;f. Trupiale, 

Beutelthiere (Beutler, Marsupialia), Orbd- 
nung der aplacentalen Säugethiere. Ihr Haupt» 
charalter liegt in dem Beſitze eines von 2 Knochen 
getragenen Sades oder Beutels (Marsupium), 
welcher die Bigen der Milchdrüſen umschließt u. 
die hilfloſen Jungen nad der Geburt aufnimmt. 
Die Geburt tritt bei dem Mangel des Mutter- 
fuchens außerordentlich früh ein; felbit das Rieſen— 
füngurub, deilen Mäuncen fait Manneshöhe er» 
reicht, trägt nur 39 Tage u. gebiert ein blindes, 
nadıes Junges von ungefähr 20 mm Länge, mit 
faum wahrnehmbaren Gliedmaßen. Diejer Embryo 
wird von dem Muttertbiere in den Beutel ge- 
bracht, ſaugt fih dort an einer Zitze feit u. 
empfängt dort noch etwa 8 bis 9 Monate Nabhr- 
ung, Wärme u. Schub. Kleinere Bentler, 3. B. 
gewiſſe Beutelratten, werfen eine größere Anzabl 
ebenjo bilftofer, faum beweglicher „Jungen; einige, 
bei denen der Beutel durch kurze Hautfalten er» 
ſetzt wird, tragen ihre Jungen. ſchon frübzeitig 
auf dem Rüden umber, 3. B. die Aneasratte. Das 
Hegen der Jungen im Beutel erjegt das Aus« 
tragen im Wiutterleibe; dort ift das Junge an« 
fänglih faft ohne jede mwoillfürlihe Bewegung, 
jelbjt Harn- u. Kothausicheidung umterbleibt, jo 
lange das Junge den Beutel noch nicht verläßt. 
Eigenthümliche Borrihtung ift getroffen, um dem 
‚Jungen gleichzeitiges Saugen u. Athmen zu ge 
ftatten; fein Kehlfopf ift nach oben verlängert, jo 
daß die Milch zu deffen Seiten in die Speijeröhre 
abfliegen fann. 

In Europa fehlen die B. gegenwärtig gänzlich, 
waren daſelbſt jedoch noch zur Tertiärzeit ver» 
breitet, ja, mit Rückſicht auf paläontologiiche Hefte 
(Unterkiefer erfennbar an dem nach innen ein« 
gebogenen Gelenkwinkel u, einem blattartigen, 
mitunter fajt den ganzen Raum zwiſchen den bei» 
den Unterkieferäjten füllenden Fortſatze) betrachtet 
man die Beutler als die älteften Säugetbiere. 
Hat man fonah im ihnen noch Anflänge an die 
Urfäugetbiere zu erfennen, dann ift e8 um fo in« 
tereſſanter, daß Die noch lebenden fyormen im der 
änßeren Erſcheinung, in der Art ihrer Ernährung 
u. Yebensweife ganz bedeutend auseinanderweichen 
u. eine Reihe von Säugethiertypen verichiedener 
Ordnungen wiederholen, oder müſſen wir fagen: 
vorbilden? Co find die einen Pflanzenfreſſer, 
welche in ihrem Gebiffe bald an die Nager, bald 
an die Hufthiere erinnern, andere leben von ge- 
mischter Koft, find Allesireffer, nähren fib von 
Wurzeln, Früchten u. Inſecten, nod andere end» 
ich find echte Haubtbiere, welche ſich Inſecten, 
Vögel u. Säugethiere zu ihrer Nahrung wählen. 
Nicht anders ift es mit dem Habitus, der Körper- 
form u. der Art der Bewegung. Die Wombat 
repräfentiven die Nagetbiere, die flüchtigen, im 
gewaltigen Säten fpringenden Kängurub ent- 
ſprechen den Wiederläuern u. vertreten gewiller- 
maßen das in Auftralien fehlende Wild, die Flug— 
beutler gleichen den Flughörnchen, die kletternden 
Phalangıiften erinnern in Körperform u, Yebens» 


Beuteltuch. 


weiſe an die zu den Halbaffen gehörenden Lem» zwiſchen den Nagebeutlern u. Känguruh an. 


323 
Es 


ren, andere, wie die Parameliden, gleichen den ſind meift gefellige, harmloje u. zäbmbare Thiere, 


Spitsmäufen. Endlich weiſen die Bezeihnungen 
Beuteldachs, Beutelwolf u. Beutelmarder auf die 
Ähnlichkeit mit allgemein befannten Raubtbieren 
bin, Dieje Raubbeutier nähern ſich binfichtlich 
ihres Gebifies bald mehr den echten Raubtbieren, 
bald mehr den Inſectenfreſſern; letzteren ſtehen 
fie in der großen Zahl ihrer Heinen Vorderzähne 
u. ſpitzhöckerigen Badenzähne faun nad, erjteren 
ſchließen fie fih an durch die oft hervorragende 
Größe des Edzahnes, jowie dur die Berichieden- 
geftaltigteit der Badenzähne, welche bier wie dort 
meift als Lücken⸗ n. als Höderzähne unterfchieden 
werden können. Intereſſant ift bei der großen 
Verſchiedenheit der Gliedmaßen die Tendenz zur 
Daumenbildung, ſowie zur Verwachſung der bei- 
den Innenzehen; bäufig fehlt aber aud der 
Daumen, oder er iſt nur wenig auggebildet. 

Die geiftigen Fähigkeiten find gering, ent 
ſprechend der Bildung des Gebirnes: das Groß: 
birm ift wenig entwidelt, mit faum bemerfbaren 
Windungen, u. der Balfen bleibt überaus rudi— 
mentär, foll jogar nah Owen u. A. gänzlich feb- 
len. Faſt alle Beutler find nächtliche Thiere, welche 
in waldigen oder buſchigen Gegenden leben. Gie 
finden fich meift in Neubolland, viele auch auf 
den Sübdjee » Infeln, Moluffen u. in SAmerita. 

Man unterjcheidet 4 Unterordnnungen: Nage-, 
Springe, Kletter- u. Raubbeutler. 1.1.0. Nage- 
beutler (Beutelmäufe, Wurzelfrefier, Glirina 
oder Rhizophaga); plumpe, ihwerfällige Thiere 
von Dachsgröße, mit dichtem, weichem ‘Pelze, mit 
Nagethiergebiß (2 Schneidezähne oben u. unten, 
u. feine Eczähne), kurzen Gliedmaßen u. ſtum— 
melförmigem Scmanze; Grabfüße mit breiter, 
nadter Sohle u. 5 großentheild verwachſenen, 
ftart befrallten Zehen (die ftummelförmige Innen— 
zehe des Hinterfußes entbehrt der Gichelfralle). 
Dahin der Wombat (Phascolomys Wombat 
Per. Les); |. d. 2. U.-D,. Springbeutler 
(Krautfrefier, Macropada oder Po&phaga), mit 
Heinem Kopfe u, Halfe, Schwachen, Heinen, bzehigen 
BVorderbeinen u. ungemein entwideltem Hinter— 
förper, deſſen ftark verlängerte Hintergliedmaßen 
um Sprunge dienen u. von dem langen, an der 
Burzel verdidten Stemmſchwanze unterſtützt wer- 
den. Die fräftigen Hinterfüße zeichnen ſich durch 
Die Verlängerung von Unterjchenfel u. Fuß aus 
u. enden mit 4 hufartig befrallten Beben, von 
denen die beiden inneren verwacjen find, die dritte 
aber jehr lang u. kräftig ift. Das Gebig erinnert 
an das der Pierde, doch find im Unterkiefer nur 
2 Schneidezähne vorhanden, Edzähne fehlen, oder 
treten nur wenig entwidelt im Oberliefer auf, 
Badenzähne oben u. unten 5. Der Magen ift 
groß, diddarmähnlich zufammengejett, der Blind: 
darm fang. Es find Gras- u. Pflanzenfreifer, 
Dahin die Kängurub (f.d.). 3. U.O. Kletter— 
beutler (Fruchtfreffer, Scandentia oder, Carpo- 
phaga), durchſchnittlich von geringer Körpergröße, 
höchſtens 60— 70 em Länge, mit ziemlich gleich- 
langen 5zebigen Gliedmaßen, an den Hinterglieds 
mahen ein Daumen. Dem Baumleben entiprechend, 


welche nachts auf Nahrung, Früchte, Knoſpen u. 
Blätter, einige auch auf Inſecten und Bogel- 
eier, ausgehen. Dabin die Beutelbären, von 
plumper Körperform, mit didem Kopfe u. wenig 
ausgebildeten Schwanze, u. die Phalangijten, 
von ſchlankerer Körperform, mit Greifſchwanz. Zu 
diefen die Flugbeutler (ſ. d.), welche zwiſchen 
den Border- u. Hintergliedmaßen eine als Fall- 
ſchirm dienende, behaarte Haut ausgeipannt und 
einen mehr oder minder bujdig behaarten Schwanz 
baben, u. die Kufu (j. d.), deren Schwanz vor- 
zugsweife an feinem Grumde behaart it u. denen 
der Fallſchirm fehlt. Letzteren jchließen fih an 
die Zahnkümmerer, mit langer Schnauze, aber 
wenigen u. Heinen Zähnen u. wurmförmiger, zum 
Ergreifen von Inſecten geeigneter Zunge. Hierhin 
der wejtauftraliihe Tarsipes Gerr. 4 U. O. 
Raubbeutler (Rapacia), mit Jniectenfreffer- u. 
Raubthiergebiß; Blinddarm menig entwidelt; 
theils Kletterthiere, theils Springer u. Läufer, 
Dahin die Familien der Beuteldadje (f. d.), 
mit verlängerten Hinterbeinen u. fpiger Schnauze 
nad Art der nfectenfreffer; der Beutelmarder 
(ſ. d.), mit Raubthiergepräge u. behaartem, aber 
nicht zum Greifen eingerichtetem Schwanze, u. der 
Beutelratten (f. d.), mit oft unvollſtändigem, 
auf jeitlihe Falten reducirtem Beutel u. meiſt 
langem Greifichwangze. 

Foſſile Beutler finden ſich fait aus allen Unter: 
ordnungen, jo Phascolomys-Arten aus den Allu— 
vialhöhlen Neuhollands; ebendafelbft finden fich 
auch Kängurubrefte, darımter das riefige Dipro- 
todon australis Ote.. deſſen Schädel 1 m lang 
iſt; von foſſilen Naubbeutlerreiten find bemerkens— 
werth Thylacoleoe Ow., ein Thier von Löwen— 
größe, von dem aber leider nur ein Schädelfrag- 
ment aus den pleiftocänen Formationen Aujtras 
liens befannt wurde, jowie von den Beutelratten 
die Phascolotheria, welche in der Vorzeit auch) 
in Europa verbreitet u. im Eocän, ſelbſt Oolith 
gefunden wurden. Bejondere Bedeutung für den 
Haushalt des Menſchen befisen die ur nicht, 

Thonte, 

Beuteltuch (Bentelgaze, Müllergaze), 1) locke⸗ 
res, durchfichtiges, aus grobem, aber jeit gedreh— 
tem Kammwollen- oder Yeinengarn, auch Pferdes 
baaren (dann Rapatel genannt) u. Seide nad 
Art der Etamine gewebt u. bei. in den Mühlen 
zum Durchbeuteln des Mehls gebraucht; es ift von 
verichiedener Breite u. Feinheit, u. man unterjchei« 
det 13 Sorten, mit den Nummern 20, 25, 30, 35 
bis 80 bezeichnet, wovon 80 die feinfte Sorte ift. 
2), Dafielbe, nur feiner, dient zur Näherei, zu 
Modelltüchern u. zur Beziehung der Arbeits- und 
Fenfterrahmen. Das B. umnterjcheidet fih von 
anderen Geweben dadurch, daß ftets 2 Kettfäden 
zufammengebören u. fi) gegenfeitig freuzend den 
Einjchlagfaden umfhlingen. Dadurch erreicht man, 
daß die vieredigen Löcher, melde in dem ſtets 
jehr loſen Gewebe zwiſchen 2 Kettfäden u. 2 Ein- 
ſchlagfäden entitehen, von conftanter Größe bleiben, 
weil fib die Stettfäden auf den Einfchlagfäden 


dient der lange Schwanz als Greif» u. Widel-|nicht verſchieben fünnen. Bon den beiden Kett- 


ſchwanz. 


Ihr Gebiß weiſt ihnen eine Stelleifäden heißt der eine der feſte, der andere der 


21° 


324 Beutelwerk 
Tourfaden. 
Litze oder des Perllopfes regiert u. einmal rechts, 
das andere Mal linkls vom feſten Faden gehoben, 
wodurch die Umſchlingung fommt, Benflel.* 

Beutelwerk (Miüblenw.), Maſchine, um das 
Mehl von der Kleie zu jondern u. in verſchiedene 
Sorten zu trennen, indem man e8 meiftens ſechs 
feitige, mit Seidengaze beipannte, rotirende Eylinder 
(richtiger Prismen) paifiren läßt; ſ. Mühle. 

Beutelmwiefel, j. Beutelmarder. 

Beutelwolf, j. Beutelmarder. 

Beuth, Beter Chriſtoph Wilhelm, geb. 
28. Dec. 1781 in Kleve; ftutirte die Rechte und 
Eameralia in Halle, wurde 1801 Referendar dei 
furmärkiihen Kriegs- u. Domänenfanımer, 1806 
Aſſeſſor bei der Kammer in Bayreutb, blieb nad 
der Abtretung der Fränkiſchen Yande bei dem Staats- 
minifter von Hardenberg, wurde 1809 Hegierungs: 
rath in Potsdam, 1810 Mitglied der Geſetzcom— 
miffion, dann Oberfteuerratb bei der Finanz» 
commiffion; er trat 1813 als freiwilliger Jäger zu 
Pferd in das Lützowſche Corps, ward bald Offi- 
zier u. nach dem Frieden Geh. Oberfinanzvath in 
der Abtheilung des Finanzminiſteriums für Handel 
u. Gewerbe, 1821 Mitglied des Staatsratbes, 
1828 Director der Abtheilung für Gewerbe, Handel 
u. Baumwefen u. 1830 wirklicher Geheimer Ober— 
regierungsrath; er trat 1845 aus dem Staats: 
dienfte, jedoch unter Beibehaltung feiner Stellung 
im Staatsrathe, u. ft. 27. Sept. 1853 in Berlin, 
wo ihm 1861 ein Denkmal errichtet ward. B. 
hat jegensreich für die Induſtrie Preußens gewirlt, 
die Handels: u. Gewerbefreiheit begünftigt, das 
Sewerbeinftitut zu Berlin u. Provinzialgewerbes 
fhufen gegründet, den Berein zur Beförderung 
des Gerverbefleißes in Preußen geftiftet. Seine 
populäre Stellung gründete fich — auf das 
von ihm 1821 geſtiftete Gewerbeinſtitut, jetzt Ge- 
werbealademie, in welchem er im Vereine mit 
Schinkel auf die Verbindung des Gewerbes mit 
der Kunft u. auf Veredelung des Geſchmackes in 
der Gemerbethätigteit hinmwirtte, Bauer. 

Beuthen, 1) chem. Kreis im preuß. Regbez. 
Oppeln, plateauartig an der rufl.epoln. Grenze, 
zwiſchen den Flüſſen Malapane, Brynica u. Klod— 
nitz, durchſchnitten von mehreren Verzweigungen 
der Oberſchleſiſchen u. der Rechten Oderuferbahn 
(zuſ. 59, km); Hauptfig der Eiſeninduſtrie u. bes 
Steintohlenbergbaues in Schlefien, fowie der Zink— 
production in Deutichland; ſchon im Mittelalter 
wurde bier Blei- und GSilberbergbau getrieben, 
Eifen- u. Steintohlenbergbau u. BZinkinduftrie erft 
feit neuerer Zeit; 758, km (13, LM); 
192,390 Em.; ift feit 1873 in die vier Kreiſe: 
B., Kattowig, Tarnowis und Zabrze getheilt. 
Das Land gehörte ehedem den ſchleſiſchen Biaflen. 
berzögen unter böhmijcher Yehnshobeit, war 1526 
bis 1621 im Pfandbeſitze der Kurfürften von 


DENE feit 1623 im Befige der Familie 
Hendel von Donnersmarf, feit 1697 freie Standes» 


herrſchaft derjelben unter öfterreichifcher Hohett; 
1741 wurde es preußiih. Bol. Solger, Der 
Kreis B. in Ober-Schlefien, Bresl.1860. 2) Jebiger 


— Beuvray. 


Letsterer wird mittels der engliſchen Kreisftadt ebd., an der Duclle des B-er Waflers 


oder Iſerbaches, 4 km von der Grenze, 309 m 
über dem Deere auf einer wellenförmigen Hodh- 
ebene, auf der Wafferfcheide zwifchen Oder und 
Weichfel; 15,711 (mit Noßberg 18,492; 1816 
erft 1976) Em., darunter 6000 Polen und 1500 
Juden. Dur eine Zweigbahn der Oberſchleſi— 
chen Eifenbahn und durch die Rechte Oderufer- 
Eifenbahn fteht B. in Ddirecter Verbindung mit 
der Provinzialhauptftadt; daneben viele ſchmal— 
ipurige BZmeigbahnen nad dem Induſtrierevier. 
Die Stadt ift dur ihre günflige Yage fchnell 
emporgeblüht; einzelne Theile derjelben haben 
großftädtifches Ausjehen. Das Kreisgericht mit 
24 Wichtern (mit den Commiffionen 32) ift das 
größte der Monardie; Städt. fath. Gymnaſium 
mit über 400 Schülern; Sit der Berwaltung der 
gräflih Schaffgotichefchen Güter, Hütten u. Gruben, 
u. der gräflich Hendelichen Gruben; vier Hofpi- 
täler; Mafchinenbauanftalt, neben zahlreichen grö⸗ 
ßeren und kleineren induftriellen Etabliſſements. 
Einzelne Gewerbe, als Töpfer u. Gerber, find 
wegen durch die Gruben-Tiefbanten entftandenen 
Waffermangel8 u. die Sperrung der nahen ruf. 
Grenze zurüdgegangen; doch blühen Handwerte 
u. Gewerbe jet wieder mehr denn je, ſeitdem 
durch ein großes Wafjerhebewert die Stadt mit 
dem nöthigen Waffer verjcehen wird. Das Klima 
ift ein durchaus continentales umd ziemlich raub. 
In der Umgebung das Eifenhüttenwert Eintrachts- 
bitte u. das Zinkwerl Klarahütte und mehrere 
Kohlenzehen. Die Stadt wird feit 1178 genannt 
u, erhielt 1254 deutſches Stadtredht. Vgl. Öramer, 
Ehronil der Stadt B., Beutben 1863, 4) Nieder» 
B. (B. an der Oder), Stadı im Kreife Freiſtadt 
des Regbez. Liegnitz, an der Breslau - Stettiner 
Bahn; Schloß des Fürſten von SKarolath-B.; 
Obſt- u. Weinbau; Schifffahrt; Brauntohlen« 
gruben; 3826 Em. 

Beuther, 1) David, Probirer an der Münze 
in Annaberg u. Alchemiſt (in der erften Hälfte des 
17. Jahrh.). Der Kurfürft Auguft von Sachen 
wollte das Geheimniß des Goldmachens von ihm 
erfahren und zwang ihn zu dem eiblichen Ver— 
ſprechen, ihm daffelbe zu entdeden. B. arbeitete 
nun mit Schirmer in des Kurfürften Saboratorium; 
allein bei einem enticheidenden Proceß, wo Schir- 
mer das Geheimmiß erfahren follte, ftarb B. plög- 
ih, wahrjdeintih durch genommenes Gift. Unter 
jeinem Namen erſchienen: Bericht von der Kunſt 
der Alhemie, Frankf. 1631; Zwei rare chemiſche 
Tractate zc., dem beigefügt diefe® Autors Uni— 
verfal, Lpz. 1717; Probirbud, ebd. 1717, und 
Universalia et Particularia über die Verwandl. 
der Metalle, Hamb. 1718. 2) Michael, geb. 
18. Oct. 1522 zu Karlftabt in Franken; fludirte 
in Wittenberg u. wurde 1565 Profeffor der Ge- 
ſchichte in Straßburg; er ft. hier 27. Oct. 1587. 
Er jr. u. a.: Ephemerides historicae, Paris 
1551, Bajel 1556 (ein Hiftorifcher Kalender anf 
jeden Zag des Jahres); De rebus a Carolo V. 
gestis, Straßb. 1572; Animadvers. histor. et 
chronogr.; Opus fastorum antiq. rom.; Fasti 


Kreis, den ſüdöſtl. Theil des ehem. begreifend;|Hebraeorum, Atheniensium et Romanorum. 


dem Flächeninhalte nah noch nicht beredunet; 


85,616 Ew. 8) Ober-B. (poln, Bythom, Byton)! 


Beuvrah, Berg im franz. Dep. Nidore, im 
Gebirge Morvan, zwiſchen den Flüſſen Arrour u. 


Bevagna — 


Orva, 810 m hoch, mit prachtvoller Ausſicht. Auf 
ſeinen Gipfel wurden Trümmer von galliſchen u. 
römiſchen Bauten gefunden und ſiand einſt ein 
Priorat. 1851 ließ dort die Franz. Archäologiſche 
Geſellſchaft ein Steinfreuz errichten. Faprrich im 
Mat wird bier jeit alter Zeit eim berühmter 
Marft gebalten. 

Bevagna, Stadt im Diſtr. Spoleto der ital. 
Prov. Perugia, an der Maroggia; Gymnaſium; 
Handel mit Wein u. Geweben; 4817 Em. 

Beveland, Nord- u. Sild-B., zwei nebft dem 
weftliheren Raldperen durch die Schelde-Miündung 
gebildete Inſeln der niederländ. Prov, Geeland 
Zeeland‘, an der Küfte der Nordfee, durch zmei 
Ihmale Arme von einander getrennt. Nord-B. 
it etwa 120, Süd-B. etwa 320 [km grof. 
Beide find fruchtbar, leiden aber oft durch Über— 
ſchwemmungen, daber ihr Gefundheitszuftand ein 
unglnftiger if. Über Süd-B. geht der Fänge 
nah die Eilenbahn von Bergen op Zoom nad 
Middelburg und Bliſſingen auf Walderen. Der 
größte Ort ift die Stadt Goes auf Eiid-B, mir 
6300 Ew. 

Beveren, 1) Marktfleden im Bezirke Dender 
monde der beig. Pron. OFlandern; Baummollen- 
webereien, Spigen:, Kerzen« und Eifigfabriten: 
6560 Em. 2) Dorf im Bez. Beurne, Provinz 
jlandern —— an der Nier; 2670 Ew. 3 
Dorf bei Kortryk; 1425 Em. 

Beveren, Charles van, Hiftorien-, Genre: 
u. Borträtmaler, geb, 1809 zu Mecheln, geft. 1850 
zu Amfterdam; ftudirte in Paris und Stalien. 
Er vereinigt im jeinen Bildern bohen Ernſt mit 
&arafteriftticher Auflaffung, Schönheit der Zeich— 
nung mit Zartheit des Colorits und hoher tech— 
niiher Vollendung. Werte: Beichte eines kranken 
Mädchens, in der Neuen Pinakothel in München; 
Judit u. Hagar, in Rotterdam, Regnet. 

Beverin (Piz B.), Gebirgsſtock im ſchweiz. 
Kanton Graubünden, Bezirk Heinzenberg; 3000 m 
hoch; zu erſteigen von Tſchappina oder von Zillis 
aus; großartige Ausſicht. 

Beverlen, Haupıftadt des Diftr. Eaftriding in 
der engliſchen Grafſchaft Port, am Kanal B.-Bed; 
Ihöne Straßen; 7 Armenhäufer; Kartenfabrifation, 
Berjertigung von Aderinftrumenten; Handel mit 
Pferden, Getreide, Steinfoblen; 10,220 Ew. 

Beverloo, Dorf in der beig. Prov. Limburg, 
von Heideland umgeben, in deſſen Nähe das 
Übungslager der beig. Armee fi) befinde. Im 
Jahre 1831 war bier das Objervationslager des 
Prinzen von Orauien. 

Beverly, Stadt u. Eiienbahnftation im Effer 
County des nordamerif. Unionsftaates Maſſa— 
chuſetts, unter 42° 32' 49 u. Br. u. 700 52 23 
w. L.; bedeutende Edhuhmanufactur; 6507 Em. 

Bevern, Marktfl. im braunſchw. Kreife Holz- 
minden, an der Bever; Schloß; Befferungsanftalt; 
1900 Ew. Nach ihm ift die Linie Braunschweig: 
B. (1687— 1786) benannt, welder B. gebörte u. 
die bier refidirte, Mehr ſ. u. Braunſchweig-Bevern. 


325 


u. zu Nimmwegen (1675) Antheil, zog ſich ſpäter 
von dem öffentlichen Geſchäften zurid u. ft. 1690, 
Beverungen, Stadt im Kreiſe Hörter des 
preuß. Regbez. Minden, an der Bever u. Weſer; 
Eigarren-, Schub», Seifen- u. Bapierfabrifation; 
Handei mit Geireide; Schifffahrt; Zoll; 1660 Em, 
Bevermwpf, Marttileten auf der nur 2 km 
breiten Landenge im Bezirke Haarlem der niederl. 
Provinz NHolland, zwiſchen der Nordfee und dem 
Binnenke (Ber Meer), der jet ausgetrodnet 
wird; Viehzucht, Gartenbau; 3113 Em. 
Bevölkerung. (Hierbei die Karte: Bevölter- 
ungsdichtigkeit.) I. Die Gefammtzahl der einen 
gewiffen Flächenraum bemwohnenden Menichen 
nennt man die abjolute B. deffelben, während das 
Berhältniß der Kopfzahl zu dem Flächeninhalte od. 
auch zur Productionsfäbigfeit eines Landes die 
relative B. deffelben ergibt. So war 3. B. die 
abfolute B. von Deutfchland bei der Zählung vom 
Dec. 1871_41,058,641, die relative dagegen 4170 
auf die DM, während die letstere ın Belgien 
9346, im Europ. Rußland dagegen nur 735 bes 
trägt. A) B⸗sbewegung ift die Ab- und Zus 
nahme der B, eines Landes als Ergebniß der 
Geburten und Sterbefälle (unter Berüdfichtigung 
der Heirathen) einer-, der Ein» u. Auswander- 
ungen anderfeits. Über die Urfachen der Ab- u. 
Zunahme, die Übel, welche aus der einen od. der 
anderen entipringen, u. die Mittel, diejen Übeln 
abzuhelfen, find genauere Unterjuchungen erft feit 
Ende des 18. Jahrhunderts mit der Ausbildung 
der nationalökonomiſchen Wiffenichaften überhaupt 
angejtellt worden. Bei den Schriftftellern ver 
Alten finden fi bier u. da zerjtreute Anfichten 
über die Bewegung der B., namentlih äußern 
Platon u. Ariftoteles Befürchtungen vor Übervölter- 
ung u. rathen zu vorbeugenden und repreifiven 
Maßregeln, als Kindermord, Abtreibung der Frucht, 
Herrathsverbot für alle körperlich verunftalteten 
oder geiftig Schwachen Bürger ꝛc. Böllig ente 
gegengefettte Anfichten waren um die Mitte des 
18. Jahrh. verbreitet, u. die Anhärder der jog. 
pbofiofratiihen Schule bielten eine Zumabme der 
B. für das vom Staate auch durch fiinftliche Mittel 
zu erftrebende Ziel, weßhalb fie vorichlugen, durch 
Begünftigung frühen Heirathens, Unterftütung 
finderreiher Väter (in einigen Staaten tft es noch 
Gebrauch, daß dem Vater eines 7. lebenden Soh—⸗ 
nes eine Prämie gewäbrt wird und der Yandes« 
fürft Bathenftelle vertritt), durch Benachtheiligung 
Unverheiratheter, Hagenſtolzen-Steuer (jelbft in 
Frankreich doppelte Perſonalſteuer), Answander- 
ungsverbote zc. für Vermehrung der Population 
zu forgen. Sie gingen dabei von der Annahme 
aus, daß die Zunahme der B, mit der Zunahme 
der Subfiftenzmittel eines Landes mindeftens glei- 
hen Schritt halte, wenn nicht das Verhältniß 
überhaupt unbedingt zu Gunften der legteren aus» 
falle u. ſonach der allgemeine Woblftand u. das 
Nationalvermögen fih zu größerem Flor entwidele. 
Diefe Anficht fand in Deutſchland einen entjchie- 


Bevölkerung. 


Beverningf, Hieronymus van B. einer)denen Vorfämpfer an Joh. Bet. Süßmilch (Die 


der ausgezeichnetiten niederländ. Staatsmänner u. 


göttfihe Ordnung in den Beränderungen des 


Diplomaten, geb. 1614 zu Gouda; war niederländ, menſchlichen Geichlechtes, Berl. 1740, 4. A., 1775) 
Unterhändler beim Frieden zu Breda (1667), u. bei. an v. Sonnenfels, welcher (Örundjäge der 
hatte an den Friedensſchlüſſen zu Aachen (1668), Polizei, Handlung und Finanzwiffenihaft, Wien 


326 


1765, 7. A., 1804) diefe Anſchauungsweiſe über 
Beöbemwegung zu einem Syſtem ordnete, Directen 
Widerſpruch gegen diefe Theorie erhob der Eng- 
länder 3. R. Malthus, indem er das Streben 
nah Entvölterung als das richtigfte Princip der 
Staatsregierungen binftellte (Essay on the prin- 
ciples of population, Lond. 1798, 6.4., 2 Bbe., 
1826). Er ftellte die Behauptung auf, die B. 
eines Yandes verboppele fich (bei normalen Zu— 
ftänden von 25 zu 25 Jahren) in geometrifcher 
Progreffion, während die Productionskraft der 
Böller, aljo and) die Summe ihrer Subfiftenzmittel, 
verhältnigmäßig mur fehr langſam, bloß in arith- 
metischer Proportion zunehme. Zur Berhütun 
des allmählich entitebenden Mißverhältniſſes ga 
er ald vorbeugende Mafregel die Enthaltjamteit 
im ebelichen Leben, als repreffiven Schuß gegen 

bervölferung, Elend u. Yafter, an. Gegen dieſe 
mit vielem Scharffinne entwidelten Anfichten erhob 
fi ein großer Kampf, theil$ vom religiöfen, theils 
vom voltswirthichaftlichen Standpunkte aus. Die 
jenigen, welche den erfteren feithielten, verwarfen 
die Theorie als mit der chriftlihen Religion und 
der göttlihen Weltordnung unvereinbar. Die 
wifjenichaftlihen Forſcher warfen dagegen ein, daß 
die Maltbusiche Aufftellung einer progreifiven Zur 
nahme, die von amerikanischen Berhältniffen abs- 
trabirt war, ebenſo wie feine Behauptung einer 
fih gleich bleibenden Fruchtbarkeit ud Zeugungss 
fraft bei zunehmender Tichtigkeit der B. falſch jei, 
eudlidh aber auch die Vermehrung der Nahrungs- 
quellen eines Volles weit raſcher erfolge. Auf 
die Geſchichte fih ftügend, führten andere Gegner 
des Malthusichen Syftems aus, daß, wenn daffelbe 
begründet wäre, von Anfang an, zumal da bei 
niederen Culturſtufen das Enthaltfamkeitsprincip 
feine Anwendung babe finden können, ein Krieg 
Aller gegen Alle hätte ftattfinden müffen, u, ein 
Fortichritt der Eivilifation, der doch unzweifelhaft 
feftftehe, unmöglich habe eintreten können. Uber 
die frage wurde ein heftiger Federkrieg geführt; 
doch fehlte eben damals vorgebrachten Beweiſen für 
u. wider an hinreichenden ftatiftiichen Unterlagen, 
um fie durch Thatſachen zu unterftügen, oder zu 
entfräften. Die Entwidelung der Statiftil hat die 
Mittel geliefert, die thatſächliche Unhaltbarfeit der 
Grundlage des Malthusſchen Spitems, nämlid 
der Unterjtellung einer geometrijchen Bollszunahme, 
darzutbun. So betrug das Wachen der B. in 
Procenten: 

Yabre: in Frankreich: in England: Jahre: in Preußen: 


1821— 30 6,00 15,00 1831-39 14, 
1831—40 5 14a: | 181046 Tu 
1841 50 4, 154 1847-52 By 
1851— 60 33 ln 180355 13 
1861-66 I. 1856-58 Bus 


1867— Tminusian Jr 1859-62 Ay 


1863-65 us 
186668 Yu 
1869— 72 Ya 


Dies ift nicht die gefürcdhtete geometrifche, nicht 
einmal conftant die arithmetifche Progreifion. Man 
mußte erfennen, daß ein Steigen od. Sinten der 
Verhältnißzahl bei der Vollsvermehrung in dem 
Maße zu erfolgen pflegt, in welchem eine Ber- 
befferung oder Verſchlimmerung in der Lage des 


Bevölferung. 


Volfes eine ſolche Anderung ebenfo wol rechtfertigt, 
als erklärt. Dabei wirft mächtig ein: der Eultur- 
grad eines Bolles, das Maß der Behürfniffe, 
deren Befriedigung man in’ den verichiedenen 
Klaffen, bis zur unterften herab, für unentbehrlich 
bält. Davon, von der Ab- u. Zunahme des Ber- 
dienftes, im Berhältnig zum Steigen oder Sinten 
der Yebensmittel» 2c, Preife, hängt die Ab- oder 
Zunahme der rer der Geburten, der Sterbe- 
fälleab. B)B-sftatiftif. en ya fannte 
ihon das frühefte Altertum, u. bei den Chineien, 
Juden, Griechen u. Römern wurden von Zeit zu 
Zeit über die Einwohnerzahl der Städte und des 
Landes Regifter angelegt. Nähere Ermittelungen 
über Zanf-, Trauungs- u. Sterbefälle fommen 
erft im 16. Jahrh. vor u. werden von da an im 
den civilifirten Staaten allgememer. Doch fehlte 
ed dieſen Angaben faft durdgehends an Zıwer- 
läffigkeit, wie denn in der Neuzeit überhaupt die 
Anſicht ziemlich allgemein zur Geltung fommt, daß 
zur Erlangung zuverläffiger Eiviljtandsregifter 
deren Führung an weltliche Beamte ftatt der 
Geiftlichkeit übertragen werden müſſe. Schweden 
war der erite Staat, welder ungeachtet der durch 
die räumlichen und Himatiichen Verhältniſſe be- 
dingten großen Schwierigkeiten ſeit 1751 Jahr 
tür Jahr eine Statiftif der B-sbewegung u. der 
Vollszahl iiberhaupt herftellte. Lange Zeit fand 
das Beiſpiel höchſtens im Heinen Gemeinmefen 
einige Nahahmung. Bon größeren Staaten folgte 
zuerft Die jugendfräftig fih entwidelnde Nord- 
amerifanishe Republik, in der feit 1790 alle 10 
Jahre Bolfszählungen vorgenommen werden; 
England ſchloß fih im mächften Jahrzehnt an; 
Frankreich folgte 1801 mit Zählungen, fegte” die- 
jelben aber nur unregelmäßig fort bis 1831, von 
wo an fie alle 5 Jahre wiederholt werden. Im 
Deutſchen Zollverein wurden feit 1831 alle 3 Jahre 
Bollszählungen vorgenommen, u. jegt gibt es in 
Mittel-Europa feinen Staat mehr, in welchem ſolche 
Erhebungen nicht regelmäßig ftattfänden. Zu den 
wichtigeren Ergebniffen der B - Sftatiftif rechnen 
wir die. Gonftatirung —— Thatſachen: Es 
werden mehr Knaben alz Mädchen geboren (durch- 
ſchnittlich in Europa etwa 106,,, gegen 100; die 
Schwantungen find in hen einzelnen Yändern jehr 
gering, nämlich zwiſchen 105,,, als Minimum ı. 
107,,, als Marimum gegen 100; dagegen iſt die 
Sterblichkeit, beſ. im frübeften Alter, bei den Knaben 
eine weit größere: auf 100 todtgebovene Mädchen 
fommen 140,5, todtgeborene Kuaben; auch bei den 
lebendgeborenen berricht vom erften Tage an eine 
größere Sterblichkeit; in Bayern ergab ſich in 
einer 33jährigen Periode, daß im erjten Alters» 
jahre 33,, p&t. Knaben, aber nur 28,, pCt. Mäp- 
hen ftarben; Quetelet fand in Belgien, daß nach 
Ablauf eines Jahres das Gleichgewicht bereits 
nahezu bergeftellt war. Jufolge deffen und des 
Hinzumittes von Auswanderungen u. Kriegen ift 
in Europa die weiblihe B. im Allgemeinen die 
zahlreicher... In Amerifa walter aus nahelie- 
genden Gründen das entgegengeiekte Verhältniß 
ob, u. in Belgien, das von Kriegen u. Maſſen— 
auswanderungen freigeblieben, bat fich das Gleich» 
gewicht bergeftellt, —— (bei der Zählung von 
1866) mit einem Heinen Übergewichte der männ— 


327 


fihen B. von 11,445 Individuen. Im Deutichen, Lebensdauer betrifft, jo berechtigen die Berbeffer- 
Bollverein dagegen, wo die weiblihen Einwohner jungen in Nahrung, Wohnung u. Kleidung zwar 
hen 1864 313,383 mehr betrugen, ftieg dielallerdings im Allgemeinen zur Annahme einer 
Differenz 1867 auf 471,855 u. 1871 fogar auf ſolchen Berlängerung; anerkannt muß indeß werden, 
755,875; in Frankreich, wo der Unterſchied 1821, daß auch bier alle bis jetst aufgeftellten fpeciellen 
nad den großen Kriegen, 868,325 betragen hatte Berechnungen auf durhaus mangelhafter u. un« 
(auf dem jetigen Gebiete nur 37,244), war der-jzuverläffiger Grundlage beruhen, deshalb wiffen- 
ielbe 1866 auf 33,906 herabgegangen, erichien aber |jchaftlich unhaltbar find; poſitiv nachweifen läßt ſich 


Bevollmächtigte — Bewäjjerung. 


1872 wieder mit 137,899. — Als Folge von 
Notbjahren ftellen fih regelmäßig ein: Vermin— 
derung der Heirathen u. Geburten, Bermebrung 
der Todesfälle; man zählte 3. B. in 7 engliichen 
Grafihaften: 


Sterbefälle: Meizenpreis: 
1801 55,965 118 Shill. 3 Den, 
1804 44,794 60 „1m 


In gleicher Weife mwirten Wohlhabenheit u. Ar- 
muth auf die Sterblichkeit. Hat jedoch ein außer- 
ordentlicher Menfchenverluft, bei. infolge von Seu⸗ 
chem, ftattgefunden, fo zeigt fih ein Streben nad 
Ergänzung der Lücken, ſowol durch Verminderung 
der Zodesiälle, als durch Bermehrung der Se 
birten. Nachdem im Eholerajahre 1832 in Frank—⸗ 
reich die Zahl der Sterbefälle auf 933,733, d. F. 
63,300 Individuen od. 15 pCt. über das Durch 
ſchnittsverhältniß, geftiegen war, fanf die Zahl im 
nähften Jahre auf 812,548, d.h. 57,600 weniger, 
als die Normalzahl — gleichfalls nahezu 15 pCi. 
Im Theurungsjahre 1847 ftarben 3 pCt. über 
den Durchſchnitt, u. im nächften Jahre nahm der 
Tod beiläufig die normale Zahl hinweg, allein 
die Geburten vermehrten fih um 3 p&t. Im 
Allgemeinen ift das Sterblichleitsverhältmiß für Die 
mitteleurop. Länder nach den einzelnen Monaten 
mit ziemlicher Berläffigteit berechnet. Die Sterb- 
hapleit zeigt fich am größten in den falten Monaten. 
Während Viele die Haren friihen Wintertage für 
ſehr gefund halten, raffen diefe eine Menge Men- 
ſcheu hinweg, bei denen der Organismus bis da- 
bin gerade noch ausgereicht hatte, gegenüber deu 
Leiden u. Gebrechen das Gleichgewicht zu erhalten; 
der Hinzutritt der Kälte, oft ein Meines Moment, 
genügt, die Magichale finfen zu machen, diefes 
Gleihgewicht aufzuheben u. die Vernichtung des 
Yebens herbeizuführen. Auch die Zahl der Selbft- 
morde richtet fich nach der Jahreszeit, nad ben 
Monaten. Aber nicht, wie man denfen möchte, 
im beiteren Sommer, jondern umgelehrt, im falten 
Winter kommen diefe Seibftmorde am jeltenften 
vor; ihre Zahl vergrößert fi mit dem Wachſen 
der Tageslänge; fie vermindert ſich mit der Ab- 
uahme derielben; fie ift am geringften im Dechr. 
u, Jan,, am größten im Juni u. Juli, Was 
das Alter der Selbftmörder betrifft, jo fommen 
bon vom 5. Jahre an Fälle vor; die Zahl ver 
mehrt fih von da an regelmäßig u. ift (ebenfalle 
entgegen der gewöhnlichen Annahme) relativ am 
Rärkften im Greifenalter. Daß die Beihäftigungs- 
weile der Menfchen, das fpecielle Gewerbe ac., 
phyſiſch u. pigchiih einen Einfluß auf die Lebens— 
dauer ausübt, fanın micht bezweifelt werden, wol 
aber ift es richtig, daß alle bis jekt vorliegenden 
desfallſigen Einzelberechnungen entichiedenen Be- 
denfen unterliegen u. daß ihre Ergebniffe höchft 
fraglih ericheinen. Was die faft allgemein ge» 
glaubte große Verlängerung der menjclichen 


jene Lebensverlängerung zur Zeit noch feineswegs; 
gerade darüber jind Die hervorragenditen. Ztas 
tiftifer, wie Engel, Hopf, Wappäus, einig. C) B-8- 
politil. Eine unbefangene Würdigung der er— 
mittelten Thatfahen wırd die Regierungen ab— 
halten ebenfo wol von einer künftlihen Vermin— 
derung, als von einer künſtlichen Vermehrung 
der B,, letteres etwa mit Ausnabme von Ver— 
hältniſſen, wie fie in Amerifa u. Auftralien beſtehen, 
mit vielen Himderttaufenden von Heltaren unbe— 
bauten Landes. Im Allgemeinen, doch nicht ohne 
Ausnahme, wird Man eine naturgemäße, nicht 
verfünftelte Zunahme der B. als vortheilhaft ans 
zuiehen haben, wogegen deren Berminderung faſt 
unbedingt auf ſchwere fociale, wirthichaftliche oder 
politiſche Schäden deutet. Daß aber weder die 
Zunahme, noch die abfolute Größe der- B, ein 
unbedingtes Kriterium der Zuftände eines Yandes 
ift, zeigt ein Blid auf China mit feinen 400 oder 
500 Dill, Einm., die zum Theil in menſchenent⸗ 
wirdigenden Berhältnifien Icben, wo das Weib 
aleihram Sklavin u. der Kindermord bergebradhte 
Zitte ift, abgeſehen von den politiihen Ver— 
hältniſſen. Bgl. Kolb, Handbuch der vergleichen- 
den Statiftif, 7. Aufl, Ypz. 1875. Kolb.* 

Bevoilmädhtigte, Perionen, welchen von An- 
deren Die Vollziehung einer Handlung für fie in 
ihrem Namen ausdrüdlid aufgetragen ift. Ber 
glaubigt werden fie Dur eine von dem Ab» 
ſchicker ausgeftellte Vollmacht (ſ. d.). ©. Mandat. 
B. Miniiter, ſ. Geſandte. 

Bewaffnung, die Verſorgung des einzelnen 
Soldaten oder ganzer Truppentheile mit Waffen, 
auch die Art der Waffen, mit denen der einzelne 
Mann oder Truppentheil verſehen werden muß, 
um ſeiner Beſtimmung gemäß im Kriege ver— 
wendbar zu ſein; ſ. u. Waffen. 

Bewäſſerung der Wieſen u. Felder geſchieht 
auf mannigfache Weiſe u. hat zum Zwecke, die Er— 
tragsfähigleit des Bodens zu heben. Durch Zus 
fuhr von Waffer bieten wir den Pflanzen sicht 
nur Erfriihung, Sondern auch ſämmtliche Nähr- 
jtoffe; denn alle Nahrung — Kohlenfäure ausge» 
nommen — welche die Pflanze zum Leben nöthig 
hat, muß ihren Wurzeln in mäfferiger Löſung zu 
Gebote ftehben. Das Leben der Pflanzen beiteht 
in fortgefegter Waſſeraufnahme durch die Wurzeln 
und Wafjerabgabe, Berdunftung dur Die ober» 
irdiſchen Pflanzentheile. Schon vor Jahrtaufenden 
bat man diefe Bedeutung des Waſſers erfannt u. 
daffelbe zur B. des Bodens verwandt. So fin« 
den wir in Agypten ſchen vor der Erbauung der 
Pyramiden, in Meiopotamien Jahrhunderte vor 
Ehrifti Geburt zwedmäßige B-sanlagen, Die 
Ehinefen und Fapanejen, welde allen anderen 
Völkern in der Bodencultur voraus find, erzielen 
ihre hohen Erträge bei rationellerv Bodenbearbeit- 
ung dur zwedmäßige B. Bei der Entdedung 


9 


328 
von Xınerifa fanden die Spanier in Merico 
Wafferleitungen u. B-sanlagen; die Gärten der 
Aztefen follen wahre Wunderwerke geweſen jein. 
Bon den heutigen europäiſchen Staaten ift Italien 
in diefer Beziehung am weiteften vorgeſchritten. 
An der Univerfiät Turin wird das Besweſen 
als Wiffenfihaft gelehrt und durch praftifche 
Beifpiele aus der Umgegend erläutert. Galten 
aud die von den Römern angelegten Waſſerwerke 
namentlich in fpäterer Zeit mebr dem Woblleben, 
jo gaben fie jedenfalld Veranlaſſung zu den 
jetigen B-Sanlagen. Durch zmwedmäßige Gelege, 
befonders durch den Wafferleitungszwang und 
die Bildung von Genoffenichaften durd den 
Staat haben denn auch die betreffenden An— 
lagen Dimenfionen angenommen, wie bisher in 
feinem anderen Yande. In Venetien beftehen be- 
reit$ 80,459 ha, in der Lombardei 550,000 ha 
und in Piemont 196,000 ha bemäljerter Yän- 
dereien. Das Waffer, welches in Kanälen das Land 
durchzieht, wird von der Regierung verfauft oder 
verpachtet. Für bewäflerte Flächen bezieht der 
Staat eine Steuer von 12,5, Fes. pro ha. Nächſt 
Italien erfreuen fih Bayern u. England der aus: 
gedebnteften B-sanlagen. In England find fiber 
522,000 ha, die Hälfte ſämmtlicher Grasländereien, 
bemäflert. Die erjten Rieſelwieſen wurden dajelbit 
1690, die erften U eriblämmungsanlagen 1743 
angelegt. In Preußen wurde erft nah dem 
J. 1849, ım Frankreich feit 1860 der B. mehr 
Aufmerffamteit geihentt. Auch in Spanien, mo 
man die gewaltigen Wafferbauten der Mauren 
zerftörte oder zerfallen ließ, findet neuerdings bie 
B. wieder Aufnahme, nachdem man ceingejeben 
hat, mie jehr die Yandwirtbichaft gejunfen war, 
Frankreich befist 4886 km, England u. Irland 
4825 km, Belgien 781 km, Ofterreih 550 km 
u, Preußen 515 km Kanäle, welche, wenn fie 
auch nicht ausichliehlih zur B. von Yändercien 
angelegt find, doch in ziemlichem Umfange dazu be 
unge werden, Man untericheidet mehrere B- sy 
jteme, welche entweder auf dem Anftauen, od. dem 
Beriefeln bafiren. Bon ganz bejonderer Wichtigkeit 
ift die B, beim Wiefenbau; hier unterfcheider man 
nad dem zu Grunde liegenden Syſtem Stau- u, 
Riefehviefen. Staumiejen werden gewällert 
durch Anſtauung, oder durch Beftauung. a) Durch 
Auſtauung, indem man das Wafler in offenen 
Sräben bis nahe an die Oberfläche der Gras— 
narbe treten läßt u. dadurd die ZIufuhr des 
Waflers von unten aus bewirkt, Durd die Ca- 
pillarität des Bodens ſteigt das Waffer nach oben 
u. kommt den Wurzeln zu Gute. Da jedoch viele 
von dem Waſſer mitgeführte Dungftofie fih in 
den Gräben mit dem feinen Schlamme feitjegen, 
jo ift die büngende Wirkung des Waffers bei der 
Anftauung eine jehr geringe. b) Durd die Be- 
ftauung, auch Überſtauung genannt, werden die 
Wiefen nah Maßgabe der örtlichen Berhältnifje 
0, bis 1,, m unter Waffer gefegt. Überſtauun— 
gen werden überall dort ausgeführt, wo nur zu 
gewiffen Zeiten ein veihliher Waflerzufluß ftatt- 
findet. Die Überftauung geſchieht gewöhnlich im 
er und Herbite, zu welchen Zeiten die 

. überhaupt am zmwedmäßigiten erfolgt, Wer— 
den Wiejen im Frühjahre überſtaut, wenn nod 





| 


Bewäflerung. 


— Tea ge zu erwarten find, jo muß man 
das Waſſer fo lange überhalten, bis ſolche nicht 
mebr zu befürchten. Iſt nämlich im Frühjahre zu 
wenig Waffer vorhanden, fo erfrieren die Gräſer 
zu leicht bei eintretendem Froſte. Anderjeits faulen 
bei zu langem Überhalten, namentlih einer hoben 
Waſſerſchicht, Die Untergräjer leicht aus. Die An- 
lage einer Überftanung ift eine verhältnißmäßig 
billige, indem im vielen Fällen ein Wall u, einige 
Gräben genügen. Beriefelung. Unter Beries 
ſeln verftebt man ein beftändiges Überfließenlafien 
des Waſſers über eine Fläche, ohne die Pflanzen 
zu beveden. Man untericheidet: a) wilde Riejel- 
ung. Durch Anftanen eines Fluſſes oder Bades 
wird Waſſer gezwungen jeitlih auszutreten und 
über von Natur geneig:e Flächen zu fließen. Iſt 
das Gefälle unregelmäßig oder zu ſtark, jo werden 
von den Staupunften aus Yuleitungsgräben ge» 
zogen, welche das Waſſer an entferntere D:te 
bringen. Die Abwäſſerung erfolgt gewöhnlich von 
ſelbſi. Der Erfolg diefer Art der B. ift jelten 
erheblich, weil nur in der Nähe der Wafferrinnen 
gutes Gras wächſt. b) Rieſelung des Kumft- 
baues geichiebt bei jehr ftarfem Gefälle auf Fünft« 
lich angelegten Hängen, Terrafien oder Beeten. 
Die Koften ſolcher Anlagen find meift jehr be- 
deutend, oft iiber 1200 M pr. ha, indem die ganze 
Fläche umgebaut, planirt u. dann gleihmäßig mit 
Raſen bededt oder friih angefäet werden muß. 
Beim Terrafienbau wird durch Gräben Wafler 
oben zugeleitet u, rieſelt von Terraſſe zu Terrafje 
bis in die Ableitegräben. Ahnlich beim Hangban. 
Beim Beetbau wird durch einen Hauptgraben das 
Waſſer fo berbeigeleitet, daß durch abgezweigte 
Rinnen die Rücken (Sattel) der Beete bewäſſert 
werden. Das Waſſer riejeit nach beiden Seiten 
des Beetes in die Abzugsfanäle. Die Breite der 
durch jede Hinne zu bemwäflernden Flächen wird 
nah Maßgabe der düngenden Bejtandtbeile des 
Waflers im Allgemeinen auf 4 bi$ 12 m, das 
Gefälle für jeden m Breite auf 4,, bis 2,, cm an» 
zunehmen jein. ec) B. drainirter Yändereien, ein 
von Peterſen eingeführtes Syftem, verbindet die 
Entwäfferung mit der B. u. ift überall da zu 
empfeblen, wo wenig Waſſer zur Berfügung ftebt. 
Bei der Anlage wird dem Hauptdrain das ſtärkſte 
Sefälle gegeben, jo Daß derſelbe vom bödhiten 
Punkte beginnend den Ausflug an der tiefiten 
Stelle hat. Die Saugdrains, welche rechtwintelig 
zum ſtärkſten Gefälle laufen, haben felbit nur ein 
geringes Gefälle. An jeden Verbindungspuntte 
der Nebendrains mit dem Haupidrain iſt eim 
Stauapparat eingefegt, in welchem Neben- und 
Hauptdrain einmuünden. Die Fortſetzung des letz- 
teren kann durch ein Bentil geichlofien werden. 
Alsdann tritt das Waſſer in den Naften u. jteigt, 
da ihm der Abfluß veriperrt ift, fo hoch, daß es, 
in die horizontal über den Nebendrains liegenden 
Wafferrinnen ablaufend, aus diejen die Boden- 
fläche überrieſelt. Ein anderes, noch wenig be- 
kanntes, in England eingeführtes B⸗sſyſtem befteht 
darin, daß durch fein durchlöcherte Bleiröhren be- 
wäſſert wird, Die Nöhren werden 12—13 m 
ans einander gelegt, u. find über 5000 m Röhren 
pro ha nothwendig. Der großen Koften wegen 
dürfte Dieje Art der B. wenig Verbreitung finden. 


Bewdley — Bewegung. 


Die gleihfalld in England übliche flüſſige Düng- 
ung bat B. des Bodens zum Hauptzwede. Bon 
der B. ift, nach welchem Spitem fie auch ange 
legt jein mag, mur dann Bortheil zu erwar- 
ten, wenn für entiprechende Entwäſſerung gejorgt 
it. Sol eine B-Sanlage vorgenommen werden, 
fo bat man genau die zu Gebote ſtehende Wailer- 
menge zu prüfen, denn je nach der Anlage ift 
diejeibe ſehr verichieden. Schenf fordert pro ha 
Riejelmiefe in der Secunde 1,4, cbm Waffer, an- 
dere dagegen nur O,yass ebm. Dieje bedeutenden 
Unterſchiede vejultiren aus der Berjchiedenbeit des 
Bodens, der Breite u. Neigung der Flächen und 
dem Klima. Bgl. die Werte über Wiefenbau (f. d.) 
und Lad. Wagner, Yandwirtbichaftsiehre, Buda- 
Veit 1874. Rohde. 
Bewdley, Stadt in der engliſchen Grafichaft 
BVorcefter, an dem ſchiffbaren Severn; Bart; Horn- 
arbeiten, Meffinggießerei, Gerberei; 3021 Em. 
Beweglidye Güter, j. u. Mobilien. 
Bewegung 1) (Mechanik), ftetige Veränder— 
ung des Ortes. Der Gegenſatz der B. ift die 
Ruhe oder das Berharren am Orte. Der Ort 
eines Bırftes oder Körpers wird aus der Yage 
defielben zu anderen Punkten erfannt; wir fagen 
von ihm, er jei in B. oder in Ruhe, je nachdem 
er ſeine Lage zu diefen anderen Punkten verändert 
oder nicht. Bon einem auf der Erde befind- 
lichen Gegenftande jagen wir z. B. er fi in ®. 
oder in Ruhe, je nachdem er jeinen Ort auf der 
Erde, d. h. feine Lage zu ſolchen Punkten oder 
Begenſtänden, welche auf derjelben eine unverän- 
derte Stellung einnehmen, ändert oder nicht. Man 
erlenut aber leiht, daß ein folcher Körper nur 
relativ, d. h. nur in Beziehung auf dieje Buntte, 
nicht aber abjolut, in Beziehung auf feine wirt. 
liche Lage im Weltraume, in B. oder Ruhe tft; 
denn die Erde dreht fih um ihre Adje u. mit 
diejer um die Sonne; jene Punkte, auf melde 
die Lage des Körpers bezogen it, find gar nicht 
wirtiih in Ruhe, jondern fie bewegen fich mit 
der Erde; ja, auch die Sonne ift micht in Ruhe, 
fie bewegt fih um einen Gentralförper, und ob 
diefer emdlich fich ebenfalls bewegt, das läßt fich 
betanntlich noch nicht feftitellen. In der Natur 
findet fich ein wirklicher Ruhezuſtand überhaupt 
niht; was man gemeinhin Ruhe nennt, ijt alſo 
nihts Anderes als derjenige Bewegungszuftand 
eines Körpers, melden er mit anderen ihn um— 
gebenden in der Art theilt, daß feine Yage zu 
diejen dabei nicht geändert wird, oder daf er, wie 
man dies auch nennt, mit ihnen eine gemeinjame 
B. macht. Jede andere B. wird im Gegenfate dazu 
eigene DB. genammt. Von einem Gegenjtande auf 
der Erde aljo jagen wir, er ſei in Ruhe, wenn er 
zu den ihm umgebenden Gegenftänden, 3. B. zu 
den Wänden des Zimmers, oder zu den Bäumen, 
Häufern, Bergen zc. eine unveränderte Page ein— 
nimmt; im anderen Falle jagen wir, er ſei u B. 
Bon der Erde jagen wir, fie ſei in B., fofern wir 
die Anderung ihrer Stellung zu der Sonne u. den 
Firfternen ins Auge faflen; von legteren jagen 
wir, fie ſeien in Ruhe, infofern fie ihre Stellung 
zu einander nicht Ändern, Fält im Innern eines 
Eifenbahnwagens ein Gegenftand frei berab, fo 
eriheint feine B. dem im Wagen Sigenden als 


329 


genau diejelbe, ob der Wagen ftille ftebt od. fährt; 
als diefelbe, ob er rajch oder langſam fährt. a, 
wenn wir uns im Wagen befinden u. den Gegen- 
ftand außerhalb des Wagens fallen laffen, fo er- 
ſcheint ſeine Fallbewegung uns vom Wagen aus 
gefehen u. auf eine am Wagen befindliche verti- 
cale Finie, 3. B. den Rand des Fenſters, bezogen, 
noch ebenfo, obmwol diejelbe für einen Beobachter, 
der ftille ftebt, den Wagen an ſich vorbei: 
fahren fiebt und die Hichtung der Fallbewegung 
nit der eines feſtſtehenden Öegentandes, 3.8. 
einer Telegraphenftange, vergleicht, anders, näm— 
lich nicht lothrecht, jondern ſchräg ericheint. Der 
Gegenftand fällt, nimmt aber gleichzeitig am der 
B. des Wagens theil. Diefes Beifpiel veran- 
ſchaulicht uns einen ganz allgemein giltigen Sag: 
„Jeder Körper fann an mehreren Been 
gleichzeitig theilnehmen, u. jede einzelne 
diejer Ben erfolgt fo, als ob die am- 
deren alle gar nicht vorhanden wären; 
wir dürfen aljo eine B., wenn fie auf ſolche 
Funtte bezogen wird, die man als rubend an— 
nimmt, jo betrachten, als wäre fie eine abfolute. 
Daher die in der Mechanik gebräuchliche Defini— 
tion: Ruhe u. B. find abjolut, wenn fie ſich 
auf ruhende oder als ruhend vorgeftellte, relativ, 
wenn je fih auf bewegte oder in Bewegung ge- 
dachte Orte beziehen, 

Die Lehre von der B. beißt Mechanik. Gie 
betrachtet die B. entweder rein mathematisch, als 
bloße Erſcheinung, ohne Berüdfichtigung der Ur- 
jachen, oder phyſiſch, als B. materieller, der Ein- 
wirtung von Kräften unterworfener Körper u. als 
Wirkung diefer Kräfte. Die mathematiſche B-slehre 
beißt Phoronomie oder Kinematif, die phy— 
fifaliiche heißt Dynamil. 

Die fterige Aufeinanderfolge der Orte, welche 
ein bemwegter Körper ım Raume nah u, nad 
einnimmt, heißt der Weg oder die Bahn deffelben ; 
der Weg kann ein geradliniger oder frumm-» 
liniger fein, je nachdem die Richtung der B. 
diefelbe bleibt, oder fich continuirlih ändert. Die 
B. eines Körpers ift ferner fortjchreitend, 
translatorifh oder eine Verrüdung, wenn alle 
Theile deſſelben fih in gleiher Richtung u. mit 
gleiher Gejhwindigfeit bewegen, drehend, wenn 
eine dur den Schwerpunkt des Körpers gehende 
rinie in Ruhe ift u. ſämmtliche anderen Puntte 
defielben in Bezug auf dieſe Linie in gleichen 
Zeiten gleihe Winkel bejhreiben, oder fie ift fort« 
jchreitend u. drehend zugleih. Zu jeder B. ift 
ferner Zeit erforderlih. Eine B. beißt gleid- 
fürmig, wenn die im gleichen Zeiten zurüdges 
legten Wege gleihe Länge haben, ungleich- 
förmig, wenn dies nicht der Fall ift. Die we— 
nigften der in der Natur vorfommenden Bsen find 
gleichförmig; es gehören dabin: die Achiendrehung 
der Erde oder die jcheinbare täglihe B. des Fix— 
ſternhimmels; die B. der Zeiger einer (gut ge 
henden) Uhr; die Fortpflanzung des Lichtes durch 
ein homogenes Medium. Die Wegftrede, welche 
ein gleicplörmig fi” bewegender Körper in der 
Zeiteinheit (Secunde) zurüdlegt, beißt feine Ge- 
ihwindigleit. Man findet die Geſchwindigkeit 
eines fjoldhen Körpers in der Secunde, indem man 
die Anzahl der Längeneinheiten (Meter, Meilen), 


330 


welche er zuridgelegt hat, durch die Anzahl der 
Secunden dividirt, die er dabei gebraudt hat. 
Die Gejhwindigkeit eines Fußgängers, der in der 
Stunde (zu 3600 Sec.) 5 km = 5000 m zurüd- 
legt, ift demnach 5000 : 3600 — 1,54, m. Die 
B. eines Fußgängers iſt freilich nicht im aller 
Strenge gleihförmig; denn jeder Schritt ift aus 
mehreren verjchieden raſchen B-n zuiammenge- 
fest; fie kann indefjen für unferen Zwed als gleid)- 
förmig betrachtet werden, wenn der Fußgänger 
zu jedem Schritte die gleiche Zeit braucht u. wenn 
die Schritte gleich lang find. Solche B-en können 
periodifh-gleihförmige genannt werden, Ein 
Beifpiel ſtreng giewhförmiger B. tft dagegen fol— 
gendes: Ein Punkt des Aauators durchläuft in 
24 Stunden (— 86 400 Sec.) den ganzen Umfang 
der Erde (360 Grad Ad 15 Meilen — 5400 M); 
die Gejchwindigfeit der Erde beträgt demnach am 
Aquator 5400 : 86 400 —0,gga5 (Oder 2) N. 
in der Secunde. Die Gejhmwindigfeit einer un» 
gleihförmig en B. iſt verändertich,, fie ift in 
jedem Augenblide eine andere; die in einem be 
ftimmten Augenbiide vorhandene Geſchwindigkeit 
iſt dann der Weg, welcher in der Zeiteinheit zu— 
rücgelegt werden würde, wenn die B. von diejem 
Augenblide au gleichförmig bliebe, Eine ungleich: 
fürmige B. heißt beſchleunigt oder verzögert, 
je nachdem die Geſchwindigleit derfelben ftetig zu— 
nimmt, oder ftetig abnimmt; fie heißt ferner 
gleihförmig beſchleunigt, refp. verzögert; 
wenn die Zunahme, reſp. Abnahme der Geſchwin— 
digfeit in gleichen Zeiten gleih ift, ungleid- 
förmig befhleunigt, reip. verzögert, wenn 
die Anderung in gleihen Zeiten ungleich ift. Als 
Beifpiel einer gleihförmig beichleunigten B. nennen 
wir den freien Fall (im Iuftleeren Raume). Ein 
frei fallender Körper bewegt ſich mit ftetig zuneh— 
mender Geſchwindigleit; dieſelbe ift nach der erften 
Secunde nahezu 10m (genauer 9,405, M), d. h., 
wenn ein frei fallender Körper vom Ende der 
erften Secunde an eine Secunde lang fich mit 
der bis dahin erlangten Geſchwindigkeit gleichför« 
mig fortbewegen könnte, fo würde er ım dieſer 
Secunde 10 m zurildiegen. Am Ende der zweiten 
Secunde ift feine Geſchwindigteit 20 m, am Ende 
der dritten 30 m u. f. f. Seine Geichwindigfeit 
ändert fih fomit in jeder Gecunde um denjelben 
Betrag von 10 m. Die B. eines lothrecht in die 


Höhe geworfenen Körpers ift eine gleichförmig 
verzögerte, Derfelbe werde mit einer Geſchwindig— 


Bewegung. 


eine Verzögerung). Bei ungleihförmig be— 
ſchleunigter oder verzögerier B. ift die Be— 
Ichleunigung in jedem Augenblicke eine andere, 
Hier ift die Beſchleunigung für einen beftimmter 
Augenbiid diejenige Anderung, melde die Ge— 
Ihwindigkeit in der auf diefen Augenblid folgen« 
den Secunde erfahren miürde, wenn innerbafb 
diefer Secunde die B. eine gleihförmig beichleu- 
nigte, reſp. verzögerte wäre. Als Beifpiele ungleich“ 
förmig beichleumgter u. verzögerter B. nennen 
wir die einzelnen Bhalen der B. eines Pendels. 
Bon dem Augenblide an, im welchem diefes am 
mweiteften von der (lothrechten) Gleichgewichtslage 
abweicht, nähert es fich mit ungleihfürmig be» 
ſchleunigter B. der Gleihgewichtsiage; feine Ge» 
Ihmwinvdigfeit nimmt während des Niederganges 
zu, aber die Zunahmen werden immer Heiner; 
von dem Moment an, wo es die Gleichgewichts 
lage paffirt, entfernt es ſich von diefer mit une 
gleihförmig verzögerter B., feine Geſchwindigleit 
nimmt wäbrend des Auffteigens ab, u. zwar wirb 
der Betrag diefer Abnahme ımmer größer; endlich 
verliert e8 für einen Moment feine Geſchwindig- 
feit ganz, um jfofort wieder die abfteigende Be— 
wegung zu beginnen. Die gefammte B. des Pen— 
dels, welches um eine (mittlere) Gleihgemwichts- 
lage in regelmäßigem Wechſel fih bin u. herbe— 
wegt, dient uns zugleich al$ Beiſpiel einer ihmwin- 
genden d. i. regelmäßig hin- u. hergehenden B. 

Das widtigfte Bewegungsgeſetz ift das von 
Galilei aufgeftellte Trägheits- od. Beharr- 
ungsgejeg. Es lautet: Ein in B. begriffe- 
ner Körper fegt feine®. inunperänderter 
Richtung m. mit unperänderter Geſchwin— 
digfeit fo lange fort, bewegt ſich alio jo 
lange geradlinig u. gleichförmig, bis er 
durch irgend eine Urſache zu einer Ander— 
ung feiner Rihtung oder Geſchwindigkeit 
oder beider gezwungen wird. Da, wie wir 
oben geſehen haben, Ruhe nichts als ein beione 
derer B⸗szuſtand tft, So folgt aus dieſem Geſetze 
auch, daß ein rubender Körper fo lange in 
Ruhe bleibt, bis er durch irgend welde 
Urſache zur B. gezwungen wird. Jede Ur— 
ſache, welche einen Körper zu einer Anderung 
jenes B⸗szuſtandes veranlafien fan, nennt 
man eine Kraft. Eine Kraft heißt eine bewe— 
gende, wenn fie einen ruhenden Körper zu einer 
3. veranfaffen kann; fie beißt Widerftand, 
wenn fie nur vorhandene B-en verhindern oder 


feit von 40 m in die Höhe geworfen, jo wird/m äfigen kann; fo ift z. B. die Schwerfraft eine 


feine Gefchwindigfeit nad einer Secunde auf 30, 
nad) zwei Sec, auf 20, nad) drei Sec. auf 10m 
reducirt, nach 4 Sec, wird diefelbe O jein, er ift 
einen Moment in Ruhe, um von da an frei ber- 
abzufallen. Seine Gefchwindigfeit ändert fich fo 
mit in jeder Secunde ebenfalls um 10 m. Diele 
Anderung der Geſchwindigleit in der Zeiteinheit 
nennt man Bejchleumigung oder Accele- 
ration. Diefelbe hat in beiden als Beiipiele ge— 
nannten Fällen den mämlichen Betrag von 10 od. 


bewegende Kraft, die Reibung ift ein Widerftand. 
Das Beharrungsgefeg kann aus der bloßen Er- 
fahrung nicht abgeleitet werden (mie es denn 
den Alten unbefannt war), weil alle Körper dem 
Einfluffe von bemegenden und widerſtehenden 
Kräften fortwährend unterworfen find und dieſem 
Einfluffe nicht Tängere Zeit entzogen werden 
fönnen, fo daß der Fall gar nicht eintreten 
fann, daß ein Körper ſich fortwährend gerad- 
finig und gleihförmig bemegt. Ein mit einer 


genauer von 9,405, m in der Secunde; aber im gewiſſen Geſchwindigleit Tothredt in die Höhe 


erften Falle war fie pofitiv (eine Vermehrung 
der Geſchwindigleit, eine Beſchleunigung im ei— 


> x b 
eihmindigfeit, 


gentlihen Sinne des Wortes), im 
tiv (eine Berminderung der 





geworfener Körper würde fih mit dieſer Ge— 
ihmindigfeit immerfort aufwärts bewegen, wenn 
nicht die Schwerlraft u. der Widerftand der Luft 
feine Geſchwindigkeit verzögerten u. endlich ver⸗ 


Bewegung. 


nichteten. Eine in wagerechter Richtung aus dem 
Rohre geſchoſſene Flinteulugel würde mit ihrer 
anfänglihen Gefchwindigfeit u. in mageredter 
Richtung immer weiter fliegen, wenn nicht erftere 
durch den Luftwiderftand vermindert und wenn 
nicht die Kugel durh die Schwerfraft allmählich 
zur Erbe miedergezogen u. dadurch gemötbigt 
würde, eine krummlinige Bahn zu bejchreiben. 


Ein auf mwagerehten Schienen laufender Eijen-| S 


bahınwagen würde, wenn er fich jelbft überlaſſen 
wäre, gleihförmig ſich weiterbewegen; aber durch 
die Reibung wird feine Geſchwindigkeit allmählich 
vermindert u. ſchließlich ganz — ſo daß 
er zuletzt ſtillſtehen muß. Ein Bahnzug bewegt 
ſich nur dann gleichförmig, wenn durch die Zug— 
kraft der Locomotive die Reibung an den Schienen 
u. der Luftwiderftand gerade aufgehoben wird; 
ja, es leuchtet ein, daß dies im Wirklichkeit eine 
längere Zeit hindurch gar nicht einmal genau, 
fondern höchſtens annähernd erreicht werden fann. 
Das Beharrungsgeſetz befagt nichts weiter, als daß 
aus jeder Anderung des Bewegungszuſtandes eines 
Körpers auf das Vorhandenſein einer dieſelbe 
bervorrufenden Kraft geicyloffen werden muß, daß 
fein Körper von felbft, ohne daß eine Kraft auf 
iha wirft, feinen B-szuftand ändern kann. 
Betrachten wir, wie dies in der phyſiſchen Me— 
Ganif geihieht, die B. materieller Körper 
als Wirkung von Kräften, fo haben wir zu 
fragen, wie die Kräfte befchaffen fein müſſen, 
welche die verihiedenen Formen der B. erzeugen, 
Eine momentan wirfende bewegende Kraft 
oder Stoßfraft fann nur eine gleichför mige 
B. erzeugen; denn wenn eine Kraft nur eimen 
Augenblid auf einen Körper wirkt, jo ertheilt fie 
ihm eine Gejchwindigleit, weldye er dem Beharr- 
ungsgefets zufolge jo lange unverändert beibehalten 
muß, al$ feine neue Rrah auf ihn wirkt. Auch wenn 
eime dauernd wirtende Kraft auf einen Kör— 
per zu mwirfen aufhört, jo muß er, jo lange feine 
andere Kraft auf ihm wirkt, die im legten Dioment 


⸗ 


4 


ad 


Figur a der Ort eines Körpers, ab die eine u. 
ac die andere, im derſelben Zeit zurüdgelegte Sei 
tenbahn, jo ift die mittlere Bahn oder der Weg, 
weichen der Körper wirklich durchläuft, die Dia- 
gonale ad des Parallelogramms abde, welches 
aus den Seitenbahnen auf bie hier veranſchau— 
lichte Weile ergänzt wird. 

Denfen wir uns z. ®., a ſei eine auf einem 
Schiffe befindliche Kugel, welche in der Richtung 





331 


der Einwirkung erlangte Geihwindigleit under» 
ändert beibehalten. Daraus ergibt fih, daß ein 
Körper in gleihförmiger B. ift, wenn u. jo 
lange feine Kraft auf ihn wirft, oder auch, 
was denjelben Erfolg hat, wenn u. jo lange die 
auf denjelben wirfenden Kräfte einander 
das Gleihgewicht halten. Wirkt dagegen eine be» 
mwegende Kraft continuirlih (wie z. B. die 
Schwerkraft auf einen nicht unterftügten Körper), 
jo mußder Körper 1) die im erften Moment empfans« 
gene Geihwindigfeit von da an beibehalten; er 
empfängt aber 2) in zweiten Moment eine neue 
Geſchwindigkeit, die nun zu der erften hinzu— 
tritt u. f. w.; die Geichwindigkeit erhält aljo in 
jedem folgenden Moment einen Zuwachs. Hatte 
der Nörper eine anfängliche Geichwindigleit und 
wirkt auf ihm im entgegengefegter Richtung eine 
ftetige Kraft (wie 3. B. die Schwerkraft auf einen 
lothrecht in die ve geworfenen Körper), jo muß 
dieje Kraft jeine Gefhwindigfeit von Moment zuMo- 
ment verringern; die B. des Körpers ift in dieſem 
Falle eine verzögerte. Demnad ift ein Körper 
ın bejhleunigter oder verzögerter B., 
wenn u. fo lange eime continuirlice oder 
Drudfraft auf denjelben wirkt. Eine ftetig wir 
fende Kraft neunt man deshalb eine beſchleu— 
nigende oder verzögernde, je nachdem fie po- 
fitive oder negative Acceleration bervorbringt. 
Wirkt eine foldhe Kraft immer mit gleicher 
Stärke, fo ift der Zuwachs oder die Abnahme 
der Geſchwindigkeit in gleichen Zeiten gleich groß; 
die B. it dann gleichförmig bejhleunigt 
oder verzögert; ändert fich die Stärfe der 
Einwirkung während der B., fo ift diefe un- 
gleihförmig beſchleunigt oder verzögert. 

Ein Körper kann mehrere Been gleichzeitig 
ausführen. Die Bahn, welche er dann in Wirt» 
lichkeit bejchreibt, heißt die refultirende der 
Bahnen jener einzelnen B-en oder die mittlere 


Bahn, dieſe jelbit heißen die Componenten 
oder die Seitenbahnen. Fit in beiftehender 
x 
— 


u. zwar komme der Punkt a des Schiffes in einer 
Secunde bis nah b. Wenn das Schiff ſtill ſtünde, 
fo wiirde die Kugel im einer Secunde wirklich 
den Weg ac zuridlegen; wenn die Kugel nicht 
fortrollte, fo würde fie mit dem ſich bewegenden 
Schiffe den Weg ab machen; finden beide B-en 
gleichzeitig ftatt u. find dieſelben gleichförmig, je 
gelangt die Kugel offenbar in Wirklichkeit weder 
nach b noch nach e, jondern nach dd u, beichreibt 


ay (auf dem Schiffe) rollt u. dabei in einer Se-|dahin die mittlere Bahn, melde durch die Dia- 
bis nad c gelangen würde; das Schiff|gomale ad dargeftellt ijt. Der obige Sat ift ber 
bewege ſich aber gleichzeitig im der Richtung ax, kaunt als der Sag vom Barallelogramm der 


332 


Bewegungsgejege der Weltförper — Beweis. 


B-en. So wie zmei oder mehrere gleichzeitige |jo fehen wir die Planeten und Monde auf eine 
(refative) Seiten-B»en nach diefem Sage zu einer ganz andere, oft umregelmäßige Weife um bie 


(abfoluten) mittleren B. vereinigt werden fünnen, 
fann man auch eine jede B. in mebrere (rela- 
tive) Geiten-B-en zerlegen; beides ſoll in dem 
vom Parallelogramm der Kräfte handelnden Ar» 


Sonne oder um den Hauptplaneten laufen, und 
diefe B. heißt dann die ſcheinbare, bei welder 
dann rehtläufige u. rüdläufige B. unter 
jhieden, fomwie der jogenanmnte Stillftand bemerkt 


tifel näher ausgeführt werden. wird. ‘Mittels des Kopernilaniihen Syftems laſſen 

Wir haben hierbei vorausgejett, daß die beiden 'fid aber die wahren u. fcheinbaren B»en der 
Seiten-B»en gleichförmig feien. Etwas complicirter | Planeten ganz ungezwungen die einen auf die 
wird die Sache, wenn die eine der Seiten-Bsenjanderen zurüdführen Als täglide B. des 
ungleihförmig ifl. Dies ift u. a. bei der Wurf-)Himmels bezeichnet man ferner die fheinbare 
bewegung der Fall. Wird z. B. ein Körper in Umdrehung der geftirmten Himmelsfugel um vie 
wagerechter Nichtung geworfen, jo bat er zweiljog. Weltachfe, welche mit der Achſe der Erdfugel 


Serten-B»en: die eine ift eine wagerechte gleich— 
förmige, die andere ift die lothrechte, gleichſörmig 
beichleunigte B. des freien Falles. Die analytiiche 
Mechanik lehrt, daß diefer, überhaupt jeder ge- 
worfene Körper (im leeren Raume) eine frumme 
Linie bejchreibt, welche danach Parabel (gr. pa- 
rabolö, die Wurflinie, von parabällein, auf die 
Seite werfen), genannt wird, Hier können die 
Richtungen der lothrechten Seiten-B. von den ver- 
ichiedenen Stellen der Bahn aus, wenngleich fie 
alle nad dem Schwerpunkte der Erde hinzeigen, 
doch als unter fih parallel angejehen werden, da 
ihre Abweihung von der parallelen Richtung ver- 
ihmwindend Hein ift. Convergiren diefe Richtungen 
merklich gegen einen beftimmten PBunft, jo haben 
mir eine andere Form zufammengefegter B., dit 
Gentralbewegung. Das wichtigſte Beifpiel 
einer B. diefer Art bietet die Umdrehung der 
Planeten u. Kometen um die Sonne, jowie die 
jenige der Trabanten um die Planeten. Der 
Blanet wird in jedem Bunkte feiner Bahn von 
der Sonne angezogen, u. infolge davon bat er 
das Beftreben, mit beichleunigter B. nad der 
Sonne hinzufallen. Diefe Seiten-B., die alſo 
in jedem Punkte der Bahn nad dem Echwer- 
punfte der Sonne gerichtet ift, combinirt ſich nun 
mit der gleihförmigen B., welche der ‘Planet dem 
Beharrungsgefete zufolge bat, derart, daß eine 
in ſich gejchlojiene kirummlinige Bahn rejultirt. 
Kepler hat gezeigt, daß diefe Bahn eine Ellipie 
ift, in deren einem Brennpunkte die Sonne jteht. 

2) Der Begrifi der B. iſt ein rein matbema- 
tiſcher u. wird auch häufig in der Geometrie au: 
gewandt. Durch B. eines Punktes entfteht eine 
Linie, durch B. einer Yinie nach einer anderen 
als ihrer eigenen Richtung eine Fläche, durch B. 
einer Fläche nah einer in ihr nicht enthaltenen 
Richtung ein mathematischer Körper. Schon die 
Alten haben den Begriff der B. in die Geometrie 
eingeführt, jo Archimedes (Spirale), Euftides u. 
Apollonios, die geometriihen Körper durch B. 
ebener Figuren entjtehen laſſen. Die Neueren 
haben ibn feit Descartes in jeder Form mit dem 
größten Erfolge der Rechnung unterworfen. 

3) In der Aſtronomie untericheidet man 
zufäcit wahre u. Scheinbare B. Wahre B. 
(wahrer Lauf) ift die wirkliche B. eines Pla— 
neten (von W, nad DO.) um die Sonne oder 
eines Trabanten um feinen Hauptplaneten, wie 
man fie alfo von der Sonne oder dem Haupt- 
planeten aus wahrnehmen würde. Da wir aber 


zufammenfällt; mithin kann man auch fagen: Die 
tägliche B. des Himmels ift die jcheinbare B. aller 
Geftirne um die Erde oder die wirflihe Rotation 
der Erdfugel binnen 24 Etunden, Sie ift die 
gleihförmigfte, ſtets unveränderlich gebliebene 8. 
u. gibt das Grundmaß aller Zeitrechnungen ab, 
denn die Dauer einer einmaligen Rotation der 
Erde oder einer einmaligen jheinbaren täglichen 
B. des Himmels ift die Länge des Sterntages. 
Die fcheinbare tägliche B. des Himmels verur« 
jaht alle Erfcheinungen in den Beränderungen 
des gejtirnten Himmels in Bezug auf Horizont n. 
Zenith u. bängt alſo von der geographiihen 
Breite des Beobadhtungsortes ab. Eigene B. if 
diejenige, vermöge weldyer einige Himmelslörper . 
ihre jcheinbare Stellung gegen die übrigen ver 
ändern; mittlere B., eine angenommene B., 
die aus der wahren entjteht, indem man lebtere 
von allen periodischen Ungleichbeiten befreit. Außer- 
dein kommen die Ben der Apbelien u. Per 
rihelien der Planeten, des Apogäums u. Per 
rigäums des Mondes, der Knoten in den 
Planetenbabnen u. der Mondbahn in Betracht 
(j. a. d.). Bon der B. der Erde ſ. u. Erde. 
1) Wimmenaner M. 

Bewegungsgeſetze der Weltförper, fiebe 
Keplerſche Geſetze. 

Bewegungsnerven (Bewegungsfaſern, Mo— 

toriſche Nerven; Anat.), derjenige Theil des cere— 
bro-ipinalen Nervenſyſtems, welder die Bewegung 
der Muskeln vermittelt, im Gegenfage zu den fen» 
ſitiven Faſern, die der Empfindung dienen; j. Ner» 
venſyſtem. 
Bewegungsorgane, diejenigen Theile des 
Körpers, welche der Bewegung dienen; die bewe— 
genden Organe ſind Muskeln, die bewegten Knochen; 
als Beihilfe dienen Bänder u. Kuorpel. 

Beweis, 1) in der Logik die Darlegung der 
Richtigfeit oder Umrichtigleit eines Urtheils aus 
Gründen; die Ableitung des Urtheils aus jenen 
Gründen (B-gründe, Argumenta) beit auh B- 
führung. Es gibt gewiffe Urteile, die nicht erft 
bemwiejen zu werden brauchen; ohne fie würde gar 
feine Beführung möglich fein, indem man den B, 
ſonſt in das Endlofe führen müßte. Solche Urtbeile 








find entweder unmittelbare, für fi gewiſſe Säge, 
oder Ariome des Bemußtjeins oder der Anſchau—⸗ 
ung (j. Grundfag). Ein B. ift in Aniehung der 
Duellen, aus welchen die Gründe geihöpft find, 
ein rationaler B. (Bernunft-B., B. a priori), 
wo die Überzeugung in dem befonderen Falle fich 


von der Erde aus, als einem felbit im fteter B. auf den Zufammenbang deffelben mit allgemei« 
befindlichen Weltlörper , die Geftirne betrashten,inen Begriffen und Grundjäten gründet; bier- 


Beweis, 


ber gehören mathematifhe n. philofophiihe B=e; 
oder ein empirischer B. (Erfahrungs:B., B. a 
posteriori), der fi) auf Erfahrungen fügt; hier⸗ 
ber gehören alle biftorishen B-e. In Anjehung 
der Form ift der B. ein analytifcher, wo man 
von der zu bemeilenden Sade zu den Gründen 
binauf-, oder ein ſynthetiſcher, wo man von 
den Gründen zu der zu bemweifenden Sache herab 
ſteigt. Sind in einem B-e mehrere Gründe, fo 
muß man den Hauptgrund, in welchen die eigent« 
liche B⸗kraft (die Seele, der Nerv des B-es, 
Nervus probandi) liegt, von den Nebengründen, 
welche allein feinen B. hinreichend führen, umter« 
fheiden. Danach unterjcheidet man aud voll: 
fändige (zureihende) u. unvollftändige (un: 
zureihende) B-e, je nachdem die Gründe eben zur 
Darlegung der Wahrheit zureihen, oder nicht. 
Auch verfteht man ımter unvollftändigen B-en 
jolhe, die abgekürzt find, weil man alle einzelne 
Site des B-es für denfende Menſchen nicht für 
nötbig hält. ft der B. aber in ganz gehöriger, 
ausführliher Schlußform abgefaßt, jo heißt er ein 
förmlicher oder ſchulgerechter. In Anfehung 
der Materie, die man zu den B-gründen wählt, 
ift der B. ein oftenfiver (directer), wenn die 
Bahrheit einer Sache geradezu, oder ein apago- 
giiher (indirecter), wenn die Falſchheit des Ge— 
gentheils dargethan wird; ein apodiktiſcher 
(demonftrativer)®. (Demonftration), welcher volle 
Gemwißheit gibt u. die Möglichkeit des Gegentheils 
ausichließt; ein wahriheinliher B. (Proba- 
tion), der feine volle Gewißheit gibt, ſoudern die 
Diöglichteit des Gegentheil® noch denkbar läßt. 
In Anjehung des Zwedes: ein B. ad verita- 
tem, der für die Wahrheit der Sache, ad homi- 
nem, der nur für die Ueberzeugung gewiſſer Ber: 
fonen wirffam if. Fehler des Bes find: die 
Erjhleichung des B-es (Petitio prineipii), mo 
man als Bsgrund annimmt, was erft bewieſen 
werden muß; der Kreis-B. (Diallelus), wenn 
man Eines aus dem Anderen gegenfeitig bemeift; 
der Sprung im Be, wo man in der B-jühr- 
ung etwas „Wejentliches oder Beweiſendes weg— 
lägt u. wo ſomit dem B-e der Zuſammenhang fehlt. 
2) In der Matbematit eine Verbindung von 
befannten Säten, aus welchen die Nichtigkeit 
einer aufgeftellten Behauptung hervorgeht. an 
unterfcheidet auch bier: ſynthetiſche, bei denen 
man von der Annahme (Hypothefis) ausgeht, um 
zu der Thefis zu gelangen, u. analytijche, bei 
denen man umgefehrt annimmt, das zu Ermweijende 
fei wahr, u. durch richtige Folgerungen auf einen 
ſchon befannten Sat kommt; alle hierbei ange- 
wandten Säte müffen jedoch unbedingt umfehrbar 
fein, jo daß man rückwärts den ſynthetiſchen Weg 
einschlagen kann, wenn das Verfahren als B. gel» 
ten foll; dieſes ift, deshalb genauer ald B-methode 
aufzufafien, die auf den ftrengen (ſynthetiſchen) B. 
führt. Ferner unterjcheidet man directe Dee, 
welche zeigen, wie eine Behauptung aus der Air 
nahme folgt, u. indirecte oder apagogiſche 
Bee, welche zeigen, daß das Gegentheil unmöglich, 


333 


— eines Satzes in beſonderen Fällen auf die 
allgemeine Richtigkeit deſſelben; man wendet ihn 
oft in Ermangelung eines allgemeinen B-es an. 
Soll ein Sag 3. B. für alle ganzen Zahlen be- 
wiejen werden u, kann man feine Richtigkeit fiir 
die Zahl 1 zeigen, ferner, daß er auch für die 
Zahl m + 1 gilt, wenn er für die Zahl m gilt, 
jo iſt damit das Verlangte erreicht. Jakob Ber- 
noulli hat ihn wohl zuerjt angewandt; jetzt findet 
man ihn jehr häufig. 3) Im Civilrecht. I. In 
dem Eipilprocehverfahren werden nur ftrei« 
tige Rechtsanſprüche oder Berneinungen zum 
Austrage gebracht, u. es geichieht dies, indem ent- 
weder Grund, oder Ungrund des behaupteten fub- 
jectiven -Hechtes, bezw. der dagegen vorgebrachten 
Einwendungen bewieſen wird. Das B-verfahren 
ift der Schwerpunft des gerichtlichen Procefies; 
MWiffenichaft u. Braris haben fih damit befonders 
viel u, eingehend beichäftigt. Wir verfolgen dafjelbe 
nad) feinen einzelnen Stadien, 1) Den Gegen— 
ftand des B-verfahrens bilden nur Thatjachen, 
u. zwar nur rechtlich bedeutende u. nur für die 
Entiheidung des beftimmten einzelnen Rechts— 
ftreites wichtige. Rechtsregeln können nicht zum 
Bee der Parteien verftellt werden; fie zu fennen 
u. aufzujuchen, ift Aufgabe des Richters. Nur 
wenn es fi um die Eriftenz eines Geſetzes oder 
einer fonftigen anerlannten pofitiven Rechtsquelle 
bandelt, fann auch diefe bewiejen werden müſſen, 
jo 3. B. die Eriftenz einer ftatutariichen oder ge— 
wohnbeitsrechtlichen Beftimmung oder eines fremd» 
ländiſchen Geſetzes, worauf Kläger oder Bellagter 
fich beruft. 2) Zmed des Beverfahrens ift, deAn 
Richter die juriftiihe Gemwißheit über die Be- 
ſchaffenheit des ftreitigen Mechtsverhältniffes zu 
verichaffen, damit er nun beftimmt ausiprechen 
fann, welches die rechtlichen Wirkungen deſſelben 
im vorliegenden alle für die Parteien find, 
welche fubjectiven Rechte denielben daraus zu— 
ftehen. Nur juriftiihe Gewißheit foll gegeben 
werben, d. h. der Richter verlangt nicht, die Exiſtenz 
eines Rechtsverhältniſſes mathematiſch, bis zur 
Evidenz der Unmöglichkeit einer anderen Befchaffen« 
heit deffelben ermwiejen zu fehen, anderjeits aber be» 
gnügt er ſich auch nicht mit der Beruhigung der ſub⸗ 
jectiven, moraliſchen Uberzeugung. Das Eigen- 
thümliche des B-verfahrens im Eivilrechte ift eben, 
daß es nur eine formale, durch äußere Gründe 
geftügte Gewißheit herporbringen will; mur mas 
u, wie es nach den Kegeln u. Formen des pofie 
tiven Proceßrechtes bewieſen ift, kann der Richter 
als wahr anertennen, wenn auch diefe Wahrheit 
ftetS nur eine relative, von der fubjectiven Über- 
zeugung fern abfiegende ift. 3) Die B-führung 
it Yaft u. Recht der Parteien; mer eine recht: 
(ih relevante Thatſache behauptet, muß im Be— 
ftreitungsfalle fie beweiſen, aber der Gegner, d. h. 
Der, welcher fie beftreitet, hat das Recht, auch die 
Wahrheit feiner Beftreitung zu bemeifen u. auch 
direct gegen die Beführung des Anderen, ſei es 
gegen die von biefem gebrauchten B-mittel, fei es 
gegen die Wahrheit der demſelben zum Bee ver 


der Sag aljo wahr ift, weil ein Drittes nicht |ftellten Thatiachen, feinerjeits B. zu führen. So un- 


flattfinden kann. 
bei., um Umtehrungen von Sägen zu ermeilen. 


Der letteren bedient man ſich | tericheiden ih Haupt- u. Gegenbeweis, u, kanu 


fegterer wieder ein directer oder imbdirecter fein. 


Ein inductiver B, endlich ſchließt von der Rich- Der Haupt-B, wird vom Richter auferlegt und 


334 


normirt; ihm zu erbringen ift die Pflicht der Partei; 
diefer B. ift ein nothwendiger. Der Gegen-B, ift 
Dagegen nur ein Hecht Desjenigen, ber sen führen 

mil: der Nichter muß ihn zulaflen, darf ihn aber 
nicht fordern, Was Haupt- u. was Gegen-B. jei, 
enticheider ſich nicht nad der Procefitellung der 
Partei, nicht danach, ob fie Kläger oder Beklagte 
ift; beide Theile können Haupt u. Gegen-B. 
führen; was der Fall, enticheidet nur die pro— 
ceffualiihe B-pflicht. 4), Die Theorie nennt 
verfchiedene Arten des Bes, indem fie mit Rüd- 
fiht auf die Bemittel den phufiichen (dur finn- 
liche Wahrnehmung des Berichtes) von dem morali- 
{chen (auf anderem Wege geführten), ferner den 
fünftlihen (durch Schlußfolgerungen) "von dem 
nicht-fünftlichen untericheidet. Hinſichtlich des Ge- 
genftandes fpriht man von Haupt u. Neben- 
(nicht zu verwechjeln mit Segen-, B., bezüglid) 
des Erfolges von vollftändigen u. unvollftändigen, 
mit Rückſicht auf die Zeit der B-führung von 
ordentlichen u. außerordentliben B-en. 5) Das 
civilproceſſualiſche B- verfahren, welches bei der 
Art der Rechtfindung im Nömifchen Hechte feinen 
Platz fand u. erft im Kanoniſchen durch die Ein- 
führung des B.-Fnterlocuts wenigſtens etwas mar 
firt wurde, hat in den deutichen u. franzöfiichen 
Proceßrechten eine fo beſtimmte Geftaltung erhal 
ten, daß es einen auch äußerlich beſtimmt be- 
grenzten Abjchnitt des Procefies bildet. Indeß 
dies ift auch jetst nur particularrechtlich. Nach der 
öfterreihifhen Proceßordnung Joſephs IL von 
„1781 mußte der B. einer Behauptung fofort mit 
diefer angetreten werden, während nad dem jüng- 
ften Reichsabſchiede von 1654 genügen ſollte, wenn 
der B. einer Behauptung angetreten ward, nach— 
— die Gegenpartei auf dieſelbe ſich erklärt hatte. 

Nach der Hannov. Allgem. Bürgerlichen Proceßord— 
nung vom 8. Nov. 1850 folgt auf die Inſtanz der 
ge die des Bees derfelben. A)Brgründet 
wird daffelbe durch den Ausipruch des Richters, 
daß u. was nad den bisherigen Berbandlungen 
der Parteien als ftreitig zu beweilen, von wen 
u, bis wanu der B. anzutreten jei. Dies ift das 
B.-Interlocnt. Über die rechtliche Bedeutung 
des B.⸗Interlocuts ift lange u. viel gejtritten. Es 
ift als ein einfaches, der fofortigen Berufung aus⸗ 
geſetztes Urtheil behandelt u. ward dann nur zu 
leicht der Anfang eines Appellations-Zmiichenver- 
fahrens, das über die endliche Entſcheidung des 
Nechtstreiteg feinen Auffhluß zu geben vermochte. 
Rad anderen Geſetzgebungen gilt es nur als ein 
Decret, an welches der dafjelbe erlaffende Richter nicht 
gebunden ift. Die unter dem neueren Proceßord⸗ 
nungen weit hervorragende Hannov. Allg. Bürger: 
liche Procepordnung vom 8. Nov. 1850 $ 218 
beſtimmt, zwiſchen jenen Principien vermittelnd, 
daß das Gericht, welches das B.-Interlocut er» 
laffen hat, an dafjelbe gebunden fei, dieſes aber 
der — indeß nur als vorbehaltene, d. 5. gegen 
die Hauptfache gerichteten Plat greifenden — Be: 
rufung unterliege. Das B. Interlocut muß immer 
den B-fab, die P-laft u. die Befrift beftimmen. 
a) Der B-jak kann nur enthalten, was über- 
haupt Gegenftand des B-e8 fein kann (f. oben 
Nr. 1); in conereto muß er aber alle noch nicht 
gewiſſe u. zweifellofe Thatſachen, freinde Geſetze, 


Beweis. 


Statuten u. Gewohnheiten, welche unter den Par— 
teien ſtreitig u. für die Entſcheidung des Rechts— 
ſtreites wichtig find, als die einzelnen B.Themata 
(B.-Artifet) bezeichnen. b) Die B-Laft wird zwiſchen 
Kläger u. Bellagten nah dem Grundſatze vertbeilt, 
daß Feder das beweiſen muß, was er zur Geltend» 
machung feines Hechtes, alfo der Klage, bezw. der 
Einrede behauptet bat. Näher läßt ſich das Prin- 
cip nicht bezeichnen; das materielle Necht muß im 
einzelnen Falle angeben, was zur Stügung der 
Klage erforderlih u. welche Einrede dagegen zus 
läſſig iſt. e) Das B.Interlocut beftimmt die Friſt, 
innerhalb welcher, oder einen Termin, zu welchem 
der auferlegte, bezw. übernommene B. angetreten 
fein muß, widrigenfalls der B. für nicht gefübrt 
erachtet werden müßte, Solche peremtortihe B.- 
friften fennen indeß nur die Particular-Brocep- 
rechte; dem Gemeinen Rechte waren fie fremd. Wo 
die Einlegung eines Rechtsmittels gegen das B- 
Interlocut zuläffig if, werden in Falle derjelben 
auch die Befriften od. «Termine fuspendirt. Gleich- 
zeitig mit dem Haupt-B-e ift auch der Gegen-®, 
anzutreten; nur der eigentliche (directe) Gegen-B 
fann feiner Natur nach erft nach der Hauptbeweis: 
führung angetreten werden. Nach Ablauf der 
peremtoriichen Befrift oder des B-termins fann 
der B-pflichtige ein bisher nicht benuttes B-mittel 
nicht mehr einführen; die richterliche Enticheidung 
fann nur die bis dahin geltendgemadhten berüd: 
fihtigen. Bezüglih der Anticipation des Bres |. 
unter Unticipation. B) Die B-antretung ge 
ſchieht, indem der B— pflichtige oder «Berechtigte 
dem Richter die Mittel bemenut, durch weldye er 
feinen B. anbringen will. Der Gegner wird 
darüber gebört, u. der Richter erkennt über die 
Zuläffigkeit derfelben, fowol in Betreff der Recht: 
zeitigfeit ibrer Geltendinachung, als bezüglich ihrer 
rechtlichen Statthaftigkeit (Productionsverfahren). 
Die producirten B⸗mittel werden gemeinſchaftlich; 
der Producent kann hinfort dieſelben nur, ſofern 
es feine B-führung betrifft, zurüctziehen. C) Die 
den Parteien zu Gebote ftehenden B- mittel find 
— abgejehen von dem ohne ibr Zuthun wirfiamen 
der Kotorietät, der Nechtsvermuthungen und des 
gegnerischen Geftändnifies, welche nur uneigentlich 
zu den B-mitteln gehören (f. die Art. Notorietät, 
Rechtsvermuthung, Geftändnig) — Zeugen, Ur 
funden, richterliher Augenichein, Sachverftändige, 
Eid (f. d. Art.). D) Das Rejultat des B- verfah⸗ 
rens hat der Richter feſtzuſetzen. Er hat alle in 
Folge des B.⸗Interlocuts producirten B-mittel in 
der Weife zu prüfen, daß ihre Bedeutung für die 
einzelnen B-fäte ohne Nüdfiht darauf, ob der 
Bpflichtige, oder fein Gegner fie probucirt bat, 
feftgeftellt wird. Die Prüfung muß ergeben, ob 
der B. nicht, ob er vollitändig, ob er nur unvoll- 
ftändig geführt ift. ollidiren die Ergebniffe der 
einzelnen B-mittel, 3. 8. wenn Haupt- u. Gegen-B, 
gleichermaßen geführt find, jo fragt fi, ob die 
rechtliche Kraft der einzelnen Bemittel gleich ſtark 
ift, oder nicht; im erfteren Falle heben fie fich 
gegenfeitig auf, im anderen bat das ftärfere den 
Vorzug. So können je nad dem Gegenftande des 
Bſatzes Sachverſtändige den Zeugen, Zeugen den 
Urkunden, oder auch dieſe jenen vorgehen. Bei un— 
vollftändig geführtem Be kann ber Eid die B- 


Beweisartikel — Bewurf. 


335 


führung ergänzen; dieſer nothwendige Eid iſt dann jnen Zuſammenſtellung, des fog. Directorium cum 
entweder der den B»führer auferlegte Ergänzungs-», | testibus. 


oder der von dem Gegner zu leiftende Reinigungs- 
eid (j. Eid). Nach jo beendigtem B»verfahren ent- 


Beweisfähige Zeugen, ſ. u. Zeuge. 
Beweisfriſt Rechtsw.), jo v.w. Beweistermin; 


Iheidet der Richter zur Sache jelbft, über Klagelf. u. Beweis 3). 


und Einrede definitiv. Particularrechtli (3. B. 
nıod. Allg. Bürgerlihe Procefordnung $ 219) 
det fih auch vorgeichrieben, daß fchon das B.- 

Futerlocut die Wirkung des B-jages auf die end- 

lie Entſcheidung jo bejtimmt, wie die Lage der 

Sache esgeftattet, auszujprechen hat, widrigenfalls 

dafielbe als ein unvolljtändiges Urteil zu behan- 

dein ift. — Literatur. Anftatt die zahlreichen Spe- 
cialihriften über die Theorie des civilrechtlichen 

Be⸗es zu citiren, verweiſen wir auf die Lehrbücher 

des Eivilprocejjes, namentlich auf die von Martin, 

Linde, Heffter u. Wegel; ſ. auch Endemann, B— 

lehre, 1860, u. v. Bar, Redt u. B., 1867. 

U. In dem ftrafprocefjualiihen Ber- 
fahren ift der B, von ganz anderer Art, als 
in dem Givilproceß; dort handelt es ſich um bie 
Klarftellung des objectiven Thatbeftandes, welcher 
den äußerlichen Begriff der ftrafbaren Handlung 
erfüllt u. der Beziehung deijelben auf den Willen 
einer Perſon, d. h. der jubjectiven Schuldbarteit, 
Der Weg, auf welchem man diefe Feſtſtellungen 
erreichen wollte, war verfdieden. Ehedem lag dem 
criminalrechtlichen B-verfabren das Princip der 
Inquiſition zu Grunde, nad) welchem das Straf. 
—— ſelbſt zu ſehen hatte, wie die ſtrafrechtliche 

erantwortlichfeit einer Perſon zu ermitteln ſei. 

Welche Erceffe Praris u. Geſetzgebung auf dieſem 

Wege begangen, braucht nicht weiter erörtert zu 

werden: das eine Wort era erinnert genugſam 

daran. Erft der neueren Yeit war es vorbehalten, 
den richtigeren Weg zu finden; e8 war das An- 

Hogeprincip. Diefes reformirte auch die Grundſätze 

des ftrafgerichtlichen B-verfahrens. Dem öffent« 

lichen Ankläger obliegt die B-laft, dem Beſchul⸗ 
digten ſteht das Recht des Gegenbeweijes zu. Der 

Hauptunterjchied des ftrafrechtlichen B=es von dem 

eivilrechtlichen liegt aber in dem verjchiedenen 

Duett. Jeuer foll nur die fubjective, moraliſche 
berzeugumg des Nichters begründen, während 

durch dieſen juriftiiche Gemißheit verichafft werden 

ſoll. Was jene Überzengung verſchaffen kann, iſt 
ein geeignetes B-mittel; das ſtrafrechtliche Bver- 
fahren ift aber ein anderes, weil hier die öfjent- 

Ihe Anllage der Bertheidigung des Angeklagten 

gegenüberjteht. Das Näbere f. in den Art. An- 

Mage u. Grimimalproceh. 3) Grotefend. 
Betweisnrtifel (Weifungsjäge, Artieuli oder 

Capitula probationis, Rechtsw.), einzelne auf 

einander folgende Fragen, welche bei der förm— 

lichen Bemweisführung in dem Civilproceh ge- 
braucht werden u. den aufgeſtellten Beweisſatz in 
einzelne Punkte zerlegen, zu deren jedem dann die 

betreffenden Beweisinittel anzugeben find. Die B. 

haben fih, wenn fie ihren Zwed erfüllen jollen, 

über alle erheblichen Haupt» u. Nebenumftände 
des Beweisthemas zu verbreiten u. find im Ganzen 
nah den Grundfägen der zweckmäßigen Frageftells 
ung bei einem Berhöre auszuarbeiten. Ber ums 
fafienderen Beweisführungen erfolgte in dem fchrift- 
lihen Berfahren die Angabe der Beweismittel in 
der Regel am Schlufje der B. mittels einer eige- 


Beweisführung u. Beweisgrund (Argu- 
ment, %og.), ſ. u. Beweis 1). 
Bewelöinterloent, Beweislaft, Beweis: 
mittel, Beweistermin, Beweisverfahren, 
j. u. Beweis 3). 
Beweisſtellen( Dogm.), ſ. v. w. Dietaprobantia. 
Bewer, Clemens, Hiſtorienmaler, geb. 1820 
zu Aachen; ſtudirte in Düſſeldorf unter Sohn u. 
in Paris unter P. Delaroche u. Ary Scheffer, 
fehrte 1847 mit ganz veränderten Anſchauungen 
nah Düſſeldorf zurüd u. legt namentlich zu viel 
Werth auf die Außerlichkeit. Werke: Flucht Maria 
Stuarts; Taſſo lieſt am Hofe von ‚Ferrara jein 
Befreites Jeruſalem vor; Süngerfrieg auf der 
Wartburg. Regnet. 
Bewick, ausgezeichneter engl. Xylograph, geb. 
12. Ang. 1753, geft. 8. Nov. 1828 in Newcaſtle; 
Schüler des Kupferftehers Beilby, als Formſchnei— 
der Autodidaft u. Negenerator des Holzihnittes, 
wobei er dem Grabftihel der Kupferfteher ähn— 
he Inſtrumente einführte. Hauptwerke: eine 
Naturgejhichte der vierfüßigen Thiere mit Holz- 
ſchnitten nach eigenen Zeichnungen, 1790, Yond. 
1811; eine Naturgeſchichte der britifchen Vögel, 
Lond. 1809, 2 Bde, m. A. 1848 2c. Regnei. 
Bewunderung ift die ſich unterordnende leb— 
bafte Anerlennung einer über das Alltägliche weit 
hinausragenden Eriheinung od. Yeiftung; die mit 
dem Zurücktreten des Gelbftgefühls verbundene 
Hingebung an das Große, Erhabene, Außerordent« 
liche, mit Ausſchluß jedoch des Unfittlihen. Wir 
bewundern die das Mittelmaß weit überjchreitende 
Körper- u. Geiftesftärte, die Thaten des Genies 
in Kunft u. Wiffenfchaft, den Grad von Willens» 
kraft, den gewöhnliche Menichen fich nicht entfernt 
zutranen fünnen, die Bereinigung von außer 
ordentlicher „Intelligenz u. Energie in den Thaten 
der Staatsinänner u. Feldherren x. Entwickelt 
fih die Größe nicht einfeitig, mit Bernadhläffigung 
der auf anderen Gebieten liegenden Anforderungen 
des Gewiſſens, vor Allen 3. B. der Selbftbeherrich 
ung, jo gejellt fich der B. die Verehrung u. Liebe 
zu; bewährt fich die Größe unter Heinlichen, küm— 
merlichen Berhältniffen, jo bewundern wir fie mit 
Rührung. Berwunderung ift die von feiner Werth- 
ſchätzung begleitete, vielmehr in Abneigung über- 
gehende Bewegung des Gemüthes durch unerwar- 
tete, befremdende, jeltfame Ericheinungen. 
Bewurf (Berpuß, Berpliefterung; Bauf.), die 
Bekleidung der Wände u. Deden eines Gebäudes 
mit Mörtel, um deſſen Ausſehen zu verichönern 
u. um die Außenflächen gegen die Witterung zu 
jhügen. Dan wendet zum gewöhnlidhen 8. 
auf Mauerwerf mit grobem Sande verfegten Mör 
tel, bei befferen Bauten an der Außenjeite in der 
Regel reinen Cement, am beiten Bortland-Cement, 
zu feinerem B. im Innern mit weniger grobem 
Sande u. etwas Gips gemiſchten Mörtel an. 
Noch feinerer u. feiter B. (Weifftud) wird aus 
4 Weißlalt u. 4 Gips gemifcht, oder aus 4 jchar- 
'fem, geihlämmten Grande u. $ Gips. B. an 


336 


feuchten Orten wird aus 4 Kall u. 4 Ziegelmehl, 
2, von Fehmmwänden aus Mergeltalf u. Sand 
oder geihlämmten Lehm u. Steinfohlenafche be- 
reitet. Bor dem Anmerfen des Putes muß die 
Mauer ausgetrodnet, von Staub gereinigt fein u. 
vorher angefeuchtet werden. nn wird vor⸗ 
ber mit Patten, Ruthen oder Rohr, das mit Nä- 
geln u. Bindfaden befeftigt (berohrt) wird, be- 
ſchlagen; Lehmmände werben erft mit Lehmſtroh 
bemworfen, dann mit einem ftumzfen Belen Yücher 
darein geftohen u. nun der eigentlihe B. darauf 
eſetzt. Auch drüdt man Ziegelftüde od. Scherben 
h in den Yehm, daß fie 6 mm hervorragen und 
dann den Putz tragen. Das Bemwerfen jelbjt ge- 
fchiebt mit der Maurerfelle u. wird entweder vaub 
gelafien (berappt), Sprig-®. genannt; oder, be; 
fonders im Innern, mit dem Heibebrette abgerieben 
(fügen, fein berappen, pugen im engeren Sinne). 
Ber den Alten wurden fogar Omaderfteinmauern 
u. fteinerne Säulen verputzt. Ihr B. war 4 
löcheriger Kallſtein, der gleih nad dem Brennen 
gelöfcht u. lange gut in Gruben verwahrt, mit 
JFlußſand gemiicht u. tüchtig durchgerührt ward. 
An feuchten Orten nahm man % feines Ziegelmehl 
zu 4 Kalf. Die hiermit befteidete Mauer über: 
dedte man mit einem dreimaligen B. von mit 
Kalk gemengtem Sande u. dann mit drei anderen 
von Kalt mit Marmorftaub gemiicht, welcher letztere 
bei jedem B. immer feiner genommen ward. ‘jede 
Schicht kam auf die andere, wenn diefe noch naf 
war. Dieier 5—8 cm ftarfe B. behielt viele 
Jahrhunderte feine Politur u. ift noch jet bei 
vielen erhaltenen Baumerfen jo feit, daß er ſich 
wie Marmor abjägen u. transporticen läßt, wie 
die in Pompeji ausgeführten Butarbeiten bemeijen. 
Emerbed,* 

Bewuftfein, 1) (pſychologiſch) der abstract 
begrifflihe Ausprud für das Wiffen der Seele; 
iſt wie diefes ein in ſich einfacher, primitiver, 
nicht weiter definirbarer Zuſtand, der fich weiter 
zu dem eigenen ſeeliſch-körperlichen Selbit«-B. con— 
centrirt. Das B. wird vermittelt dur das Wahr⸗ 
nehmen, das jelbft nur eine bejondere Art des 
Wiffens if. Es zerfällt in die Sinneswahrnehm- 
ungen, durch welche uns ein Wiffen der uns um— 
gebenden Körpermwelt-, reſp. des eigenen Körpers 
vermittelt wird, u. in die innere Selbft- oder 
Seelenwabrnehmung, durch welche die Seele ein 
B. ihrer eigenen piychiihen Zuftände erhält. Das 
fetstere ift fomit ein Wiflen der Seele von dieſen 
ihren eigenen Zuftänden, im feinem jeienden Bes 
ftande nicht meiter zu ergründen. Auf ibm be- 
rubt alle Seelentennmiß (Selbft-B.). Der Gipfel- 
punkt deffelben ift das identische, einheitliche Ich, 
was jomit als das aus dem ganzen wahrge- 
nommenen Inhalte der Selbftwahrnehmung (jee- 
licher mie förperlicher) ausgefonderte begriffliche 
Zrennftüd bezeichnet werden kann, was ıft, eri« 
ftirt und doch feine nähere Beftimmtheit erft von 
einer bazutretenden Wahrnehmung erhält. Das 
Ich ift und es weiß fih als feiend (eriftirend). 
Ich denle, fühle, will, ich habe einen Körper u. 
dgl. Von dem Moment an, wo das B. voll er- 
wacht, bleibt es dajlelbe einheitliche, identifche 
durch das ganze Leben hindurch, jedoch periodiſch 
mwechjelnd an Grad u. Klarheit, erlöfchend und 


Bewußtſein. 


wieder erwachend. In ihm, wird von den An 
hängern des Spiritualismus einer der Hauptichwer- 
punfte für die unmaterielle Erflärung der Geele 
efunden. Kant betrachtete das einheitlich be» 
ste B. als den metaphyſiſchen Hintergrund, 
aus welchem er feinen ſämmtlichen aprioriſchen 
Begriffsfond herleitete. Reinhold ſtellte einen 
eigenen Sat des Bes auf, der dahin lautete: daß 
m B. durch das Subject die Borftellung vom 
Subject u. Object unterjchieden u. auf beide be 
zogen wird. Herbart u. Fechner nehmen Beide, 
wenn auch in verfchiedenem Sinne, eine Schwelle 
des B»8 an. Nach Herbart find alle Borftellungen 
Selbfterbaltungen eines einheitlichen, feiner Qua— 
(ität nach unbetannt bleibenden Wejens u. als 
ſolche Kraftintenfitäten, die im Widerftreite mit an- 
deren ſolchen fih hemmen, fteigen u. fallen. Die 
Schwelle ift num derjenige Grad der Vorftellung als 
Kraftintenfität, in welchem fie zum Wiffen od. B. 
gelangt; unterhalb derfelben dagegen ift fie em 
bloßes Streben zum Vorſtellen 8). Fechner 
feinerfeits dagegen betrachtet mehr vom pbufiole 
giihen Gefichtspunfte aus den Punkt, mo em 
Heiz oder Neizumterfchied (Licht-, Schall» Reiz u. 
dat u. eine diefem entiprechend herporgerufene 
Empfintung oder ein Empfindungsunteridied um 
Sinnesorgan anfangen merflih zu werben, als 
den Schwellenpuntt des B-8 u. B⸗sunterſchiedes. 
Ju feiner Pſychophyſik gibt er diefe Punkte für 
einzelne Sinnesorgane an u. erbaut darauf ſein 
berühmtes, von €. H. Weber angebahntes, pſycho⸗ 
phyſiſches Grundgeſetz, daß die Empfindung ım 
B. wächſt oder —* im Verhältniß zum jede 
maligen Reizunterfchiede. Dieſes Gejeg iſt Die 
Grundlage für die moderne phyſiologiſche Pſycho⸗ 
(ogie geworden, deren Hauptvertreter u. A. Wundt 
u. Horwicz find. 2) Der Standpunft der pfycho⸗ 
phyfiologiihen Richtung ift im Näheren folgender: 
Das Einzige, modurd fi das B. zu erfennen 
gibt, find Bewegungen, u. zwar foldye, die nicht 
mafchinenmäßig und theoretiih genau porausbe- 
ftimmbar, fondern willtürlih u. für uns unbe 
rechenbar vor fi) gehen. Es kann wol durd einen 
Neiz eine Bewegung erzeugt werden, es braucht 
dies aber nicht zu geicheben. Durch diefe Be 
fimmung ift fofort Har, daß mir allen Pflanzen, 
wenn auch einzelne unter ihnen noch fo compli⸗ 
cirte und zumeilen auch zwedmäßlge Bewegungen 
nah Eimwirfung änfßerer Reize ausführen, 

B. doch gänzlich abzufprechen haben, indem fit 
nur nach rein mechanischen Geſetzen, die uns nicht 
mehr unbelannt find, reagiren, u. daß wir dad 
felbe nur den Thieren zuzuichreiben berechtigt find- 
Was den näheren Sit des Bes anlangt, jo find 
wir auf dem Wege der Forſchung dahın gelangt, 
denfelben ausichlieglich in das Gehirn, u. zmar in 
die Großhirnhemifphären zu verlegen. hrend 
nun einfach organifirte Geichöpfe mitteld der ſeu⸗ 
ſiblen Nerven nur einem Syſtem von Ganglien 
zellen über den Zuftand ihres Leibes Bericht ET 
ftatten, Ganglien, welche die ihnen mitgetheilte Er 
regung durch die motorischen Nerven im geringem 
Maße modificirt auf die bewegenden Apparate d 
Körpers übertragen, verhält fi die Sache gatz 
anders, jobald wir verwidelter gebaute Organis 
men ins Auge faſſen. Hier finden wir diejenige 


Ber — Beyer. 


337 


Ganglienzelle, welche den Reiz in Bewegung zu|m. Br. u. 100° w. 2.; von einigen FFlüffen durch⸗ 
verwandeln beftrebt iſt, mit anderen Ganglienzellen zogen; nur 1077 Ew. 2) County im nordamerilan. 


durch —— verbunden, welche die reflectoriſch 
eingeleiteten Bewegungen zu vernichten, od. zu ver 
ftärfen, oder fonft qualitativ abzuändern im Stande 
find. Die Summe aller der Ganglien u. Nerven 
fafern, von denen aus diejer Einfluß auf die blo- 
gen Reflerbewegungen ftattfindet, ift Träger der 
willfürlichen Lebensäußerungen u. fomit des Bes. 
Je bedeutender das Gewicht diefer Faſerzüge das— 
jenige der Nervenmafjen übertrifft, die eine ein- 
fahe Umfegung der Reize in eine Bewegung be- 
forgen, defto ausgebildeter ift das B., d. h. aljo 
der Einfluß, den der Wille auf das Buftandelom- 
men der Reflerbemegung ausübt. Natürlich ift es 
nicht allein diejes Verhäliniß, welches die Jntenfität 
des B-8 beftimmt, fondern diefe Jntenfität hängt 
auch von der abfoluten Größe der reflerübertragen- 
den Apparate ab, d. 5. alfo ein Meines Thier mit 
relativ bedeutenden Großhirnhemiiphären wird doch 
nie an Größe des B-8 zeigen können, welde 
ein großes Thier auch bei einem weniger vortheilbaf- 
ten Berhältniß feines Großhirnes befigt. Das B. 
iſt alfo eine Function des Großhirnes, die von 
deffen augenblicklichem Zuftande in mannigfacher 
Weiſe abhängig iſt; über dieſe Abhängigleit iſt ſchon 
vielerlei ermittelt worden, u. vor allen Dingen ſteht 
feft, daß eine gleihmäßige Eirculation des Blutes, 
wie fie im normalen Organismus dur einfache 
Vorrichtungen vermittelt wird, zur Erhaltung des 
Bes unbedingt nöthig if. Ferner muß auc das 
Blut eine ganz beftimmte chemiſche Zufammenjegung 
baben, denn jchon die geringften Ouantitäten vieler 
Stoffe, die wir unter dem Namen der Narcotica 
zufammenfaffen, vermögen das B. aufzuheben. 
Sind aber die Bedingungen einer gleichmäßigen 
Eirculation eines Blutes, das eine beftimmte 
chemiſche Beſchaffenheit befitt, vollftändig erfüllt, 
dann wird das Gehirn auch B. haben müſſen. 
Aus diefen u. anderen Thatiachen, die zum Theil 
jelbft dem alltäglichen Leben angehören, glaubt die 
neuere moniftische Richtung die fpecifiih phyſiolo— 
giihe Grundlage des B⸗s ableiten zu dürfen. Da- 
ei ift allerdings nicht zu vergeffen, daß die Phy- 
fiofogie nur das Borhandenjein eines urjäd- 
lihen Zufammenhanges zwiihen den Erſcheinun—⸗ 
gen des B⸗s u. gewiſſen Gehirnfunctionen feit- 
geftellt hat, daß es ihr aber hoffentlich gelingen 
wird, diefen Zufammenhang nod genauer ım Ein- 
zelnen zu ermitteln. 

Ber, Pfarrort im Bez. Aigle des ſchweiz. Kan— 
tons Waadt, 390 m di. d. M., am Avengon, in 
teizender Lage, Eifenbahnftation,; 3860 Em.; ber 
—8 wegen ſeiner Salzquellen u. als Badeort. 
Erſtere wurden im J. 1554 bei Panex u. Bexvieur 
entdedt, lange Zeit von der Augsburgiſchen Familie 

bel ausgebeutet u. dann 1685 an Bern verkauft. 

it 1823 wurde bergmänniſch auf Steinfalz aus 
den Minen dur Fondement u. du Bouillet gebaut, 
aber jpäter wieder auf Salinenbetrieb zurüdge- 
gangen; man ſchlägt den jährlihen Ertrag auf 
30,000 Etr. an.‘ Oberhalb des Ortes die Ruinen 
des von den Bernern im J. 1465 zerflörten 
Schloſſes Duin. 


Unionsftaate Teras, unter 29° n. Br. u. 98° w. L.; 
16,043 Em.: Countyſitz: San Antonio, 

Berbach (Mittel-, Nieder- u. Ober-®.), drei 
Dörfer im Bez.-Amte Homburg des bayer. Regbez. 
Pfalz, erfteres an der Blies u. der Lubwigshafen- 
B⸗er Eifenbahn; alle mit Steinfohlengruben; 1747, 
618 u. 1220 Em. 

Berlen (Lord), jo v. w. Ban Sittart. 

Ben (Bei, türf.), Capitän der Galeeren der 
türkischen Flotte, vom Range des Paſchas vpn 2 
Roßſchweifen. 

Beybazar (Baibazar), Ziegenhaar aus der 
Levante; ſchlechter als Angorahaar, doch reiner u. 
weißer, da es, ehe es in den Handel fommt, ger 
wajchen wird. 

Beybazar, Stadt in dem türkiſchen Cjalet 
Ungora in Klein-Afien, am Südfuße des Gebirges 
Ala-Dagh; ftarker Reisbau; 4—5000 Em. 

Beyer, 1) (Beyer), Job. Wilh., Bildhauer, 
geb. 1729 in Gotha; kam als Knabe nach Paris, 
widmete fich dort der bildenden Kunft und ging 
dann zu weiterer Ausbildung nah Rom; 1752 
fam er nad Stuttgart und wurde Profeffor der 
Malerei an der Akademie der Künfte; fpäter ging 
er nah Wien, wo ihn Maria Therefia zum Hof: 
maler, Hofftatuen- u. Kammerarditelten ernannte. 
Er fertigte eine Anzahl Statuen im Schönbrunner 
Garten, darunter die von Janus bejänftigte Bellona 
u. die Nymphe Egeria. Er fl. 1797 zu Hiebing 
bei Wien. Schriften: Ofterreihs Merhwürdigfeiten, 
die Bid» u. Baufunft betreffend, Wien 1779; 
Die neue Muſe xc., ebd. 1784. 2) Morit, land- 
wirtbichaftliher Schriffteller, geb. 1807 in Imnitz 
bei Leipzig; ftudirte im Leipzig, erlernte feit 1827 
die Ofonomie bei Schmalz zu Kuffen in Lithauen 
u. verwaltete nachher in Sachen mehrere Güter, 
Er hielt fih auch eine Zeit lang in NAmerika 
auf, wurde nach feiner Rückklehr Yehrer an dem 
landwirtbichaftlihen Inſtitut — Kranichſtein und 
übernahm dann kurze Zeit die Wirthſchaftsinſpection 
zu Eldena; 1839—40 war er Profeffor der Land- 
wirthichaft am Garolinum zu Braunſchweig u. lebte 
feit 1841 im Leipzig; er fi. hier 1854. DB. war 
Hedacteur der Henne Zeitung für deutjche 
Land» u. Hausmwirthe, Lpz. 1839 ff., u. ſchr. u. a.: 
Mittheilungen fiir Landwirthe, ebd. 1837 f., 3 Hefte; 
Zmwedmäßige Fütterungsmethode, ebb. 1838; Ame- 
rilauiſche Heiten, ebd. 1839, 2 Bde.; Driginal- 
mittheilungen über die gefammte Landwirthſchaft, 
ebd. 1841, 3 Bde.; Hauptverbefferungen in der 
deutichen Yandmwirthichaft, ebd. 1843—47, 3 Hefte; 
Landwirthichaft flir rauen, nad dem Engliichen, 
Peſt 1845; Praktiſches Hausbuch der Yandwirth» 
ſchaft, Lpz. 1846; Das Auswanderungsbud, ebd. 
1850, 3. A.; Das Heil der Landwirthſchaft durch 
die Chemie u. Patentdüngermirtbichaft, ebd. 1847; 
Das goldene Wirthſchaftsbuch, ebd. 1850; Illu⸗ 
ftrirter nenefter Bienenfreund, ebd. 1851, wovon 
4. A., Berl. 1862; Gewerbliche Goldgrube, ebd. 
1852. Mit Prog gab er heraus: Der Landiwirth 
ber Gegenwart, Nordh. 1850, 2 Bde., u. Land« 
wirtbichaftliche Groichenbibliothef, ebd. 1851—54. 


erar, 1) Diftrict im äußerten W. des nord-8) Guſtav Friedrich von, preuß. General, geb. 
ameritaniichen Untonsftaates Teras, unter 30— 320126. Febr. 1812 in Berlin; trat 1828 in bie preu— 


Biererö Univerfal:Converfations:?erifon. 6. Aufl. TIL Band. 


22 


338 Beyle — 


Beyichlag. 


Bifhe Armee ein, ward 1830 Offizier, nahm theil (Pſeudonym Stendhal), geb. 26. Febr. 1783 ım 


am Badiichen Feldzuge, fam 1849 in den Großen 
Generalftab u. 1850 ind Kriegsminifterium, wo 
er bei der Keorganifation der Armee thätig war. 
Bom Prinz-Regenten geadelt, erhielt er 1860 bas 
1. Thüring. Inf.Reg. Nr. 31, ward 1863 Com- 
mandeur der 32. nf.» Brigade u. Commandenr 
der preuß. Truppen in Frankfurt a. M. Bei der 
Formation der Main-Armiee (1866) erbielt er das 
Commando der in Wetzlar formirten Divifion, 
rüdte in Kafjel ein, wo er in einer Proclamation 
die Rückkehr verfaffungsmäßiger Zuftände verhieß. 
Er nahm theil an der Abſchließung der Hannove— 
raner nad Süden, führte jelbftändig die fiegreichen 
Gefechte bei Hammeiburg (10. Juli) u. Helmftadt 
(25. Juli). Im Sept. 1866 ging er als Com 
mandant nad Frankfurt a, M, u. 1867 als Mi- 
litärbevollmächtigter nach Karlsruhe. Hier trat er 
in badiſche Dienfte über, ward Kriegsminifter u. 
Seneral-Adintant des Großberzogs u. führte die 
Ausrüſtung der badischen Divifion nach preußischen 
Mufter aus. Beim Ausbruche des Krieges 1870 
führte er die badische Divifion bis zur Gernirung 
von Straßburg, mußte aber wegen Gichtleiden 
das Commando miederlegen, welches von Werder 
übernommen wurde. Im Oct. febrte er auf den 
Kriegsſchauplatz zurüd u. bewertitelligte die Ein- 
nahme Dijous (31. Oct). Um die Mititär-Gon- 
vention mit Preußen abzuſchließen, ging er nad 
Karlsruhe zurüd, trat 1. Juli 1871 wieder in 
preußiſche Dienſte u, ward zum Gouverneur und 
Commandanten von Noblenz u. Ehrenbreitftein 
ernannt. 4) Konrad, deutjcher Yiterarhiitorifer 
u. Dichter, geb. 13. Juli 1934 zu Bommersielden 
bei Bamberg; ftudirte in Leipzig Naturmiffenichaften 
u. Philoſophie u. beganı hier jchon feine literarische 
Thätigleit, Die er im der Folge bejonders auf 
Rückerts Leben u. Werke richtete u, bier Bedeuten- 
des leiftete. Dem Yieblingsplan feines Yebens: 
Gründung eines interconfeffionellen Erziehungs: 
Inſtituts, mußte er aus zwingenden Gründen 
(Gejundheitsrüdfichten zc.) entiagen. Seit 1864 
lebt er bei Eiſenach ſeiner Muſe. Er ſchre: Er- 
innerung an Fr. Rückert, Kob. 1866; jr. Nüderts 
Leben u. Dichtungen, 3. A., Kob. 1869; Fr. Rückert, 
ein deutſcher Dichter, Kob. 1867; Fr. Nüdert, ein 
biographiiches Denkmal, Frankf. 1868; Charafteri- 
ftil Fr. Rüderts (im XIL Bod.| der Rückertſchen 
Gejammtausgabe); Neue Mittheilungen über Fr. 
Rückert u. kritiihe Gänge u. Studien, 2 DBde,, 
Lpz. 1873;- Der Nire Sang, 2. A., 1868; Er: 
innerumgsblätter aus einer Dichtermappe, 1871; 
Arja, die jhönften Sagen aus Indien u. ran, 
Xp3. 1872; Leben u. Geift Ludw. Feuerbachs, 
4. A., %pz. 1874; Zur deutfchen Kircheneinigung, 
ein liter.philof. Zeitvotum, Lpz. 1872. Bon ſei— 
nen pſeudonym (C. Byr) erjchienenen Dramen jei 
erwähnt das Sactige Drama: Der geräufchlofe yeld- 
zug, 1873, Das Ericheinen einer Poetik in 3 Bon. 
u. Einführung in die Technif der Dichtfunft fteht 
bevor. Die Kal. Preuß. Akademie der Wiſſenſch. 
zu Erfurt ernannte ihn zum Mitgliede; das Deutfche 
Hocftift zum Ehrenmitgliede u. Meifter, der deutjche 
Kaifer zum Ritter des Kronenordens ꝛc. 
2) Robte.* 3) Meinardus. 


Beyle, Henri, origineller franz. Schriftfteller 


Grenoble; wurde Inſpector des kaiſerl. Mobiliars 
u. 1813 Auditeur ım Staatsratbe; er verließ nach 
der Reftauration Frankreich, lebte in Italien bes 
fonders den Kunftftudien u. wurde nad der Juli- 
revolution 1830 Generalconjul in Eivita-Bechia, 
wo er 23. März 1842 ftarb. Er ſchr.: Lettres 
sur Haydn, $ar. 1815; Vie de Haydu, Mozart 
et Metastase, 1817, n. A. 1854 (dies unter dem 
Namen Bomber); Rome, Naples et Florence, 
1817, n. A. 1855; Racine et sine 1823, 
n.W., 1854; Vie de Rossini, 1825, 2 Bde, n.., 
1854; Del romantismo nelle arti, 1819; Pro- 
menades dans Rome, 1829, n. A., 1873; die 
Tragödien: Cenei u. La duchesse de Palliano, 
1533; den Roman: Le Rouge et le Noir, 1830, 
2 Bde., 1831, 6 Bde. n. A.,1857; La chartreuse 
de Barme, Par. 1839, n. A. 1857. Merimede 
gab feine Werte, Par. 1855 f., 18 Bde., und 
jeine Correspondance inedite, ebd. 1857, 2 Bde., 
heraus. gl. Baton, H. B., a critical and bio- 
graphical study, Yond. 1874. 

Deyme, Karl Friedr., Graf v. B., preuß. 
Staatsmann, geb. 10. Juli 1765 in Königsberg in 
der Neumark; wurde Kammergerichtsrath in Berlin, 
1800 Geheimer Cabinetsrath u. 1807 Großkanzler 
im Juftizminifterium. Er legte dieje Stelle nie- 
der, als Hardenberg die Stelle Steins eiunnahm, 
ohne darım außer Thätigfeit gefetgt zu werben. 
1813 u. 1814 war er Civilgouverneur von Poms 
mern, 1815 Staatöminifter, wurde 1816 in den 
Srafenftand erboben u. mit der Organifation der 
Rechtspflege beauftragt. Er trat 1819 aus dem 
Minifterium, lebte dann auf jeinem Gute Steglitz 
bei Berlin u. fl. 8. Dec. 1838, 

Beyridy, Heinrich Ernit, geb. 31. Aug. 1815 
zu Berlin; Profeſſor der Mineralogie u. Geologie 
an der dortigen Univerfität; war feit 1853 Mitalied 
der Akademie der Wiffenichaften, jetst auch Bor- 
jtand der geologifchen Yandesanftalt. Seine zahl— 
veichen ausgezeichneten Unterfuchungen find tbeils in 
Poggendorffs Annalen, theils in Karſtens Archiv, 
Yeonbards Jahrb., Monatsberichten der Berliner 
Alad. u. Zeitſchrift der Deutichen Geolog. Gefells 
ſchaft veröffentlicht worden. Bon feinen Schriften 
find bejonders zu nennen: De goniatitis in mon- 
tibus rhenanis oceurrentibus, Berl. 1837; Kry 
jtalliyfteme des Pbenafits, 1857; Liber die Ent« 
widelung des Flötzgebirges in Schlefien, Berl, 
1844; Unterfuchungen über Zrifobiten, ebd. 1846, 
2 Bde.; Kondylien des norddeutichen Tertiärge 
birges, ebd. 1853— 59, ꝛc. SHerporzubeben find 
bejonders feine Berdienfte um die Herausgabe einer 
genauen geologischen Karte von Deutichland, von 
der jest Sachſen u. Schlefien im Maßftabe von 
1:25,000 vorliegen. 

Beyſchlag, 1) Job. Heinrih Chriſtoph 
Willibald, Theolog u. theolog. Schriftfteller, 
geb. 1823 zu Frankfurt a. M.; ftudirte von 1840 
bis 1844 in Bonn u. Berlin Theologie u, ward 
1850 zweiter Pfarrer der evangel, Gemeinde zu 
Trier; 1856 erbielt er einen Ruf als Hofprediger 
nach Karlsrube u, 1860 als ordentlicher Brofeijor 
der Theologie nach Halle. Schriften: Evangeliiche 
Beiträge zu den Geiprähen (des Generals von 
Radowiz) über Staat u. Kirche, Berl. 1852; Aus 


Beza — Beziert. 


dem Leben eines Frühvollendeten, Berl. 1857 f., 
2 Bde., 4. A., 1867; Evangeliſche Predigten, 
1. Sammt., Berl. 1858, 2. W., 1863; 2. Samml. 
1861, 2. A. 1864; 3. Samml. (Afademijche Pre- 
digten) 1867; Welchen Gewinn bat die Evangelische 
Kirche aus den neueften Verhandlungen über das 
Leben Jeſu zu ziehen? Berl. 1864; Die Ehrifto- 
logie des N. Teft., ebd. 1866; Karl Ullmann, 
Gotha 1867; Die Paulinische Theodicee, Berl. 
1868. 2) Robert, Genremaler in Miinchen, 
eb. 1838 in Nördlingen; ftudirte in München u. 
Baris, behandelt meift modern-jentimentale Stoffe 
in aumutbhiger Darftellung. Am gelungenften find 
feine weiblichen Geftalten, denen er ungewöhnlichen 
Liebreiz zu geben weiß. 

Beza (de Bye), Theodor, Theolog in Genf, 
gen. 24. Juni 1519 in Bezelay im Departement 
tıeore; ſtudirte feit 1535 in Orleans Rechtswiſ—⸗ 
fenshaften u. Philologie u. erhielt zwei einträg- 
liche Pfründen zu Paris. Die durch den Lehrer 
feiner Jugend, Wolmar, in ihm angeregten refor: 
matoriishen Überzeugungen bracdten ihn nad 
langem Schwanlen dazu, feine Pfründen aufzu- 
eben; er ging unter dem Namen Thibaud de 

an 1548 nad Genf, wurde bier Proteftant u. 
führte die feit 1544 ihm verlobte Claude Desnoz 
zur Ehe. 1549 wurde er Lehrer der. alten Lite— 
ratur in Paufanne; er reifte dreimal nad Deutich- 
land, um die Verwendung von Württemberg und 
Plalz für die verfolgten Reformirten in Frankreich 
zu gewinnen; im Auguft 1558 ging er als Pro- 
teffor der griechiihen Sprache nach Senf u. wurbe 
hier Calvına Gehilfe in der Befeftigung der Re— 
formation, 1559 Pfarrer u. Vorſtand der neu er- 
richteten theologische Akademie, Im Jahre 1561 
wohnte er dem Religionsgeſpräche von Poiſſy bei, 
blieb num bei den Führen der Meformirten 
Partei in Paris, machte die Schladht bei Dreur 
1562 als Feldprediger des Prinzen Conde mit, 
begleitete dann den Admiral Coliguy, kehrte 1563 
nah Genf zurüd und wurde 1564 nach Galvins 
Tode Präfident der Genfer Prediger bis 1580, 
Er nahm theil an der Proteftantifhen Synode zu 
Rochelle, 1573 an der zu Nismes, gerieth über 
mebrere Differenzpunfte der Yutherifchen u. Nefor- 
—— in heftige Streitigleiten, hielt 1586 
in Dümpelgard mit J. Andrei ein Religions- 
geipräb, nahm an der Genfer —— 
(1560—88) theil, heirathete 1588, nach dem 
feiner erften Gattin, Claude Desnoz, feine zweite 
Frau, Katharina Plania v. Afli. 1599 legte er 
fein Lehr» u. 1600 fein Predigeramt nieder u. ft. 
18, Octbr. 1605. Er überjette das N. T. ins 
Lateinische, 1556 u. Ö.; fehrieb u. a.: Poemata 
juvenilia, Paris 1548 u. ö.; Zoographia Jo. 
 Coehleae, Genf 1549 (Satire auf Cochläus); 
Epist. Passavantii (Satire gegen den Proteftan- 
teuverfolger Lizet), 1551; De haereticis a eivili 
magistratu puniendis, ebd. 1554, franz., ebd. 
1560; Le sacrifice d’Abraham (Drama, mit An- 
fpielungen auf den damaligen Kampf zwiſchen 
Proteftantisnus und Katholicismus), Laufanne 
1550, Bar. 1553; Confessio, 1560 (eine furzge- 
faßte Dozmatif); Comédie du Pape malade par 
Thrasybule Phenice, Genf 1561; vollendete Ma- 
rots: Traduetion en vers frangois des psaumes 


odela 


339 


1552, Lyon 1563; De repudiis et divortiis, Genf 
1567, Leyd. 1651; De pace christ. ecelesiarum 
condenda, 1566; De coena domini plana et 
perspicua tractatio, 1559 (gegen ®eftphal); Creo- 
phagia u. Onos syllogizomenos (gegen Heßhus), 
1559; Commentar zum N. T., 1557; Epistolae, 
1573; Tractationes theologicae, 1582; Abrif des 
Lebens Calvins in Tholuds Comm. zum. T. I., 
Berl. 1833, u. vd. a. Auch wird ibm eine Ge— 
Ichichte der Reformirten von Frankreich von 1521 
bis 1563 zugefchrieben. Lebensbeichreibung von 
Ya Faye, 1606; Schloffer, Heidelb. 1809: von 
Baum, Lpz. 1843—51, 2 Bde.; Heppe, Th. B., 
Elberf. 1861. Lötler.* 

Dezäne (Bezans), in Fraukreich weiße, geitreifte 
oder verjchtedenartige bengalifhe baummollene 
Tücher. 

Bezaubernng, 1) im eigentlihen Sinne an- 
geblihe Einwirkung auf Menihen u. andere Wer 
jen dur übernatürliche Mittel, meift in feind- 
licher oder eigenmügiger Abſicht; ſ. Zauberei. 
2) Im umeigentlihen Sinne Feſſelung der Ge» 
müther durch außerordentlihe Eigenſchaften (Er« 
ſcheinungen). 

Bezeichnung, in der Mathematik Darſtellun 
der Größen, ibrer Formen u. Berbindungen 

eroiffe willfürliche Buchftaben u. Zeichen u. deren 

Sufammenfegung. Eine kurze, überfihtlihe u. 
bequeme B. ift im Rechnen u. in der Math. von 
der größten Wichtigkeit; jede höhere Aualyfis wäre 
ohne fie durchaus unmöglich; hat doch unbequeme 
Bezeichnung der Zahlengrößen den jcharffinnigen 
Griechen ſelbſt einfache numerishe Rechnungen 
theils ſehr erichwert, theils unmöglich gemacht. 

Bezeredj, Stephan, geb. 28. Nov. 1796 in 
Szerbahelyg im Ödenburger Comitat; fiedelte fich 
im Zolnaer Gomitat an u. wurde 1830 deflen 
Abgeordneter zum Ungariihen Landtage; als jol- 
her wirkte er vorziiglich für die Megelung der 
Urbarialverbältniffe im philanthropiſchen Sinne, 
gründete oder unterftütte aus eigenen Mitteln 
viele gemeinnügige Anftalten u. Vereine u. genob 
in feinem Baterlande ein großes Anſehen. Wäh— 
rend der Unruben von 1848—49 Bollsvertreter, 
verbielt er fich faft ganz paffiv. Er jt. 6. Mai 
1856 zu Hidia im Tolnaer Gomitat. Seine 
Gattin, Amalie, geb. 1804 in Jvanfa, ift belannt 
als Jugendſchriftſtellerin; fie ſt. 1837 u. ſchr. u. 

: Flori Könyve (Floras Buch), Peſt 1836 u. ö.; 
Novellen u. Erzählungen, ebd. 1840, 2 Bde. 

Bezẽtha (d. i. Neuftadt), einer der 4 Hügel, 
auf welhem Jeruſalem (f. d.) erbaut war. 

Besichtigung, |. Beihuldigung, age ri 

Beziers, Hauptit. des gleichn. Arr. im franz. 
Dep. Herault, am Einfluffe des Orbe in den Canal 
du Midi u, durch die Eifenbahn mit Toulouſe u. 
Montpellier verbunden, in einer jehr fruchtbaren 
Gegend; Gericht erfter Juftanz , Friedensgericht, 

andelsgericht; Hofpitäler, Stadthaus, Theater, 
öffentliche Bibliothel u. ſchöne Kathedrale; Fertig- 
ung von Branntwein, Liqueur, Effig, Ziegeln, 
Papier, Brauerei, Töpferei, Böttcherei, Eijen- u. 
Kupferihmelzen, Kalköfen; Handel mit Bieh, Korn, 
Schwefel, Leder u. dgl.; Obft- und Weinbau; 
31,468 Ew.; dabei Steinbrüche. Bon der ſchönen 
u. gefunden Lage der Stadt jagt ein Möndsfprüd- 

22* 


340 


Bezifferung — Bezoar. 


wort: Si Dens in terris, vellet habitare Beterris land Eingang u. wird noch in Schulen Hin u. 


(Wäre Gott auf Erden, würde er in B. wohnen 
mwollen). Die Stadt B. hieß zu den Römerzeiten 
Beterrä (Bäterrä) und gebörte zum Gebiete der 
Arecomiler; fie ward römische Colonie u. hieß Co- 
lonia Septimanorum, weil bier die 7. Legion ftatio- 
nirt war. Im 4. Jahrh. war B. ſehr in Blüthe; 
im 5. Jahrh. nahmen es die WGothen, im 7. 
Jahrh. die Saracenen, von denen es 738 die 
Franken unter Karl Martell u. 759 unter Pipin 
eroberten, worauf es die Nefidenz der Grafen von 
Septimanien wurde. In den Religionskriegen 
fitt e8 viel; 1633 murde die Eitadelle geichleift. 
In B. wurde früh ein Bisthum gegründet, u. 
bier wurden Synoden: 356 wegen der Arianer, 
1234 u. 1243 gegen die Albigenjer, 1279, 1299 
u. 1351 in mebreren Streitigkeiten, abgehalten. 
B. murde im MWibigenferfriege 21. Juni 1209 
von dem SKirenzheere unter geiftliher Anführung 
erftürmt, die in die St. Nazar- u. Magdalenen- 
firhe geflüchteten 7000 Einw. mit diefer ver: 
brannt u. die übrigen 20,000 niedergemegelt. 
Bezifferung, in der Mufit das Verfahren, 
die zu einer Harmonie gehörigen Intervalle über 
(andy unter) der in Noten aufgezeichneten Baß— 
ftimme in Biffern anzugeben. Kun wichtigſten ift 
diejenige Art der B. oder Signatur, weldye man 
genauer Generalbaßfchrift oder italieniſche Tabu- 
latur nennt, In derjelben werden die Ziffern 
1—9 angewendet. Die allgemein giltigften 
Grundfäte dabei find: a) Zu jedem Baßton ohne 
Ziffer wird der Dreiflang gegriffen, als bloßer 
Bapton aber ohne harmoniſche Begleitung mit 
t. s. (tasto solo) 8vo, all’ ottava, oder mit O 


wieder gebraudt. Schlechthin mennt man aud 
die Bezeichnung des Fingerfages durch die Ziffern 
1—5 für die einzelnen Finger Bezifferung (Appli« 
catur). Brambady.” 
Bezirk ift der beftimmt abgegrenzte Flächen- 
raum, über welchen fich die Zuftändigfeit der ftaat- 
lichen Organe, jei es der gerichtſtchen, oder ber 
adminiftrativen, erftredt. Die B⸗e der verjchie- 
denen unmittelbaren oder mittelbaren Staatsbe» 
börden können diefelben jein, fo daß fi dann in» 
nerhalb des. beftimmten B-e8 nur die materiellen 
Competenzen der verjchiedenen Behörden unter« 
iheiden. Die Feftftellung der Be der Be— 
börden ift im Allgemeinen Sade der Staats- 
regierung; fofern aber dabei rechtliche Berhält- 
niffe in Frage kommen, ift eine geſetzliche Feſt- 
ftellung erforderlih. Die B-e der verſchiedenen 
Inftanzen erweitern fi nah dem Berhältniffe 
der Zuftändigfeiten derielben; die umterften Ju— 
ftanzen haben bie Heinften, die höchſten die größ- 
ten Be. Für die Gentralbehörden im Staate 
fällt der Begriff des Zuftändigkeits-B-es mit dem 
des Staatögebietes zufammen. In bejonderem 
Sinne wird die Bezeihnung B. in einigen Staa- 
ten gebraucht, indem dort damit eine beftimmte 
Art von Mittelbehörden im Gegenjage zu ben 
unteren wie zu den Provinzal- od. Gentralbehör- 
dem bezeichnet wird. So heißen die Negierungs- 
collegien in Preußen B⸗sregierungen, zum Unter» 
ichiede von den Kreis-, wie von den Provinzial- 
u, Minifterialbehörden. In anderen Staaten gibt 
es B⸗sämter, als erfte Fuftanz über den Gemeinde» 
behörden. Wllgemeiner Grundſatz ift, daß jede 


bezeichnet; dabei ift jedoch zu bemerken, daß durch Behörde u. jeder Einzelbeamte im Staate einen 
0 oder Bogen, oder Punkte, oder jchrägen Strich | beftiimmten B. fiir die amtliche Thätigkeit zuge- 


auch durchgehende Noten bezeichnet wurden. b) 
Feder Accord erhält die für ihn charakteriftiiche 
Ziffer, alfo der Septimenaccord 7, der Duartiert- 
accord $ zc., wird aber durchaus nur aus feiner 
Grundtonart, alfo je nach feiner Vorzeichnung, 
gebildet, zufällige Berfetsungen dagegen mit #, 

u. 8 angegeben. ec) Die charafteriftiiche Terz wird 
nur duch # u. | angezeigt. d) Fortlaufende 
Accorde über nur einen Baßton erbalten die 
nötbigen Ziffern nah einander folgend. Wird 
über mehreren Baßnoten ein horizontaler Strich 
gefett, fo bedeutet diejer, daß die Harmonietöne 
unverändert angehalten werden u. zu den über- 
ſtrichenen Noten erklingen follen. Die Harmonie- 
töne jelbft werden durch Ziffern meift vor dem 
Strih angegeben. Undeutlicher ift es, wenn die 
anzubaltenden Harmonietöne nad) dem Strich an- 
gefetst find; denn ein einfacher Strich oder Punkte, 
ohne vorhergehende Accordfignatur, bedeuten auch, 
daß die darımter befindlichen Baßtöne ohne Har- 
monie erflingen follen. Eine andere Art von B. 
ift die Verwendung der Zahlen 1—7 für einfache 
Fonreihen (Melodien). Diefelbe findet fi ſchon 
m den franzöfifhen Pialmen Marots u. Bezas, 
in deren Ausgabe vom Fahre 1560 Pierre Da- 
oante® (Antesignanus) die Bermwerthung von 
Ziffern ftatt Noten zuerft auseinanderſetzte. 


wiefen erhält, auf welchen fich dieje erftredt und 
beichräntt. @rotefenb. 
Bezirksſchulen, in größeren Städten . für 
die Kinder eingerichtet, deren Eltern nur ein ge- 
ringes Schulgeld zu zahlen vermögen. Sie ftehen 
alfo zwifchen den Bürger- u. den Armenſchulen. 
In Betreff der Organifation u. des Schulziels 
ftehen fie in der Regel den Bürgerſchulen ziemlich 
gleih. ES liegt übrigens in der Entmidelung 
der Neuzeit das Streben, bie Kinder aller Stände 
in den B. zu vereinigen, namentlich unter Be- 
feitigung befonderer Armenfchulen. 
ezirföumlagen find die von den competen- 
ten politifchen Verwaltungsförpern der Landeshe- 
zirfe, Provinzen, Departements u. dgl. an ihre 
Bezirlsangehörigen zur Zahlung ausgeichriebenen 
Steuern zur Beftreitung der befonderen Verwalt ⸗ 
ungsauslagen des Bezirkes. Es find dies Aus- 
lagen für Einrihtungen u. Anftalten, welche, wie 
Schulen, Armene u. Findelhäuſer, Straßen-, 
Brüden- u. Wafferbauten, Friedensgerichte, Ger 
fängniffe, Polizei u. dgl., ganz oder doch größten» 
iheil$ den Bewohnern der betreffenden Bezirke 
oder Provinzen allein zu Gute kommen. In den 
meiften Staaten werben die Bezirksfoften durch 
Percent- Zufhläge auf bie beftehenden bdirecten 
Steuern aufgebradt; in England beftebt für die 


Kouffeau machte diefelbe Erfindung (1742), wol ſehr bedeutenden Grafihaftsausfagen eine jelb- 
unabhängig von Davantes, u. trug viel zu ihrer |ftändige Befteuerung. Maurus, 


Berbreitung bei. Dieſe B. fand auch in Deutjcdh- 


Bezöar, 1) (arab., auch Bezaar, d. i, Gegen 


Bezoarwurzel 


gift, Bezoarſtein, Lrpis bezoarlicus), in dem 
Magen oder in den Eingeweiden verichiedener 
Ihiere entbaltene rundlide Concremente aus 
Kalk, unverdautem Futter und eigenen dee 
welche fie beim Leden verſchluckt haben; bei den 
arabiichen Arzten noch heute beliebtes u. ehemals 
auch in Europa ald Schweiß erregendes u. jchäd- 
liche Stoffe aus dem Körper entfernendes Mittel 
gebraudt. Der B. ift entweder orientalifcher, 
aus dem Magen mehrerer Untilopenarten, aus 
Oftindien u. Perſien, oder occidentalifcher, 
aus dem Yama u. Vicuña. Be. erfterer ftand 
in hohem Anſehen, u. jein Werth ward, wie, bei 
den Edelfteinen, nach der Größe beftimmt. Abn- 
liche Concremente waren der Affen- u. Stadel- 
ſchwein-B. Auch eine kugelförmige, in dem 
Blinddarm der Pferde ſich krankhaft erzeugende 
ſteinige Subſtanz, phosphorſaure Ammon-⸗Ma— 
gnefia, wird B. genannt; die Stücke werden bis 
auf 20 cm im Durdhmeffer groß und 6 kg und 
darüber ſchwer. Hiervon die B.-Kolif, wenn der 


— Bhanmo. 341 
und 86% 15' bis 88° 3° 6. L.3 48,392 (km 
(BT8,05 | ); 6,613,348 Emw., wovon auf den 
Diftriet B. 11,206 km (203, M) und 
1,826,290 Em. (Brahmanen u. Mohammedaner) 
fommen. Das Yand, bewäffert von Ganges und 
feinen Nebenflüffen, ift von großer Früchtbar— 
feit; Producte: Reis, Mais, Hirie, Zuder, 
Indigo, Baummolle, Olfrüchte in großer Menge; 
das Thierreich ift durch Elefanten, Rhinoceroſſe, 
Tiger, Leoparden, Hyänen, Büffel, Antilopen, 
Rieſenſchlangen und zahlreiche giftige Schlangen 
vertreten; daneben in den Flüſſen zahlloje Fiſche. 
Den D. durchichneidet die Eiſenbahn Calcutta- 
Benares. Das Land, der Haupttbeil des alten 
Reiches Magadha, fiel jpäter an den Großmoguf 
und 1765 an die Engliſch-Indiſche Compagnie, 
2) Hauptft. darin, am rechten Ufer des Ganges, 
ein weit ausgedehnter Ort, aber ſehr herabge- 
fommen; viele Mojcheen, Tatholiihe Kirche; Uns 
terrichtsichule; zwei Monumente des um die Stadt 
verdienten Richters Cleveland. Einige vermuthen 


B. den Blinddarm verläßt. %) (Bezoardica)|hier die Lage der alten Hauptſtadt Pataliputra 


Sonft allgemeine Benennung von Arzneizubereit- | (Balibothra). 


ungen, denen man Kräfte zuichrieb, Gift u. gift- 
artige Stoffe durch die Haut zu entfernen. 
ezoarwurzel, j. Dorstenia. 

Bezoarziege ift Capra aegagrus L.; f. Biege. 

Bezogener (Traffat), an welchen ein Wechiel- 
brief zur Auszahlung gerichtet ift; ſ. u. Wechiel. 

Bezold, Albert v., deuticher Naturforfcher, 

eb. im Jan. 1836 in Ansbach; ftudirte feit 1853 
in Münden u. Würzburg Naturwiffenfchaften u. 
Medicin; er wurde dann Ajfiftent am phyfiologi- 
ſchen Amflitut in Berlin, wo er unter Du Bois» 
Reymonds Anregung ſich den Unterjuchungen iiber 
die elektrischen Erjcheinungen der Nerven u. Mus- 
felu wibmete, u. folgte 1858 einem Rufe als 
Profeſſor der Phyfiologie an die Univerſität Jena; 
1865 ging er als Profeffor u. Director des phy- 
fiologifhen Iuſtituts nah Würzburg, wo er 2. 
März 1868 ftarb. Er ihr. u. a.: Unterfuchungen 
über die eleftriihe Erregung der Nerven u. Mus— 
fein, Lpz. 1861; Unterjuchungen über die Inner— 
vation des Herzens, ebd. 1863; Unterfuchungen 
aus dem phyfiologiihen Laboratorium in Wirz- 
burg, Lpz. 1867, 2 Hefte. 

Dhadya (Hind.), entftanden aus dem ſanskrit. 
bhascha, Sprache, ift die generelle Bezeichnung 
fiir diejenige Sprache, welche ſich mit dem Ab» 
fterben des Sanskrit vor dem 11. Jahrh. unſerer 
Zeitrechnung als lebende Sprache in Indien aus- 
gebildet hat u. umter ber fpeciellen Benennung 
Hindavi oder Hindui, d. i. Sprade der Hindu, 
befannt geworden iſt; ſ. Hinduftani. 

Bhadrafäli (ind, Myth.), Name einer Gott- 
beit, jpäter eine Fyorm der Durga oder Gemahlin 
des Siva, die auch den Beinamen Parvati führt 
u. fpäter unter dem Namen Bhavani mit der 
Barvati identificirt wird; f. d. u. Parvati. 

Bhadrinath, j. Badrinath. 

Bhadurgurh, j. Bahadurgurh. 

Bhagalpur (officiell geihrieben Bhaugulpore), 
1) Commiſſionerſhip der Präſidentſch. Bengalen u. 
dann gleihnamiger Diftr. darin; begrenzt im M. 
von Nepal, im DO. von Maldab, im W. von Tir⸗ 
but u. Monghir, u. 24° 17° bis 26° 20° n. Br. 


Tbielemann. 

Bhagevadgitä (jansfr., aus bhagavad- 
bhagavant [f. d.] u. gita Gefang, zuſammenge— 
jet), die von Bhagavant (Kriſchna-Wiſchnu) 

ejungene, verkündete Seheimlehre, Titel des be— 
annten theofophifchen Gedichtes im Mahabharata, 
das im Original u. in Überfetungen öfter erſchie— 
nen ift. Beſte Ausgabe die von Laſſen bejorgte 
Schlegelſche mit lat. Überſetzung u. krit. Anmerts 
ungen, Bonn 1846, deutſch mit Anmerk. von 
Peiper, Lpz. 1834. 

Bhagavant (fansfr.) oder bhagavat, vor 
tönenden Buchſt. bhagavad, Nom, bhagavän, Fem. 
bhagavati, 1)(Adj.)gut begabt, glücklich, glüdfelig u. 
hehr, heilig, als Bezeichnung höherer u. göttlicher 
Weſen u. vor Titeln heiliger Bilder bei den 
Buddhiften; 2) (Subft. m.) a)von ſtriſchna⸗Wiſchnu, 
b) von Siva u. e) von einem Buddha, Bodhijattva 
u. Dſchina. 

Bhagavdata (jansfr.), Adj., zu®hagavant, d. i. 
Kriſchna⸗Wiſchnu, in Beziehung ftebend, von ibm 
berrührend u. ſ. w. Daher Bhägavata Purana, 
Titel eines der 13 Purana, worin das Leben 
u. die Thaten Krifchnas erzählt werden, herausge- 
geben u. überfegt von E. Burnouf in der Collection 
orientale, Paris 1840 u. 1844, 2 Bde; f. u. 
Upangas. 

Bhagavatiĩ (ind. Myth.), Subſt. f. von Bha- 
gavant (j. d.), die Heilige: a) Veiname der Durgü 
oder Gemahlin des Siva; b) der Lalſchmi oder 
Gemahlin des Wiſchnu, der Segensgöttin. 

Bhagiratti, Name des Ganges in feinem 
oberen Laufe; entfpr. in den Bergen von Gurwhal; 
feit der Vereinigung mit dem Alafnauda ver» 
ſchwindet diefer Name; f. Ganges. 

Bhagrutti, ein bedeutender Nebenarm des 
Ganges, von den Eingeborenen für den Haupts 
ftrom gehalten (f. Ganges). 

Bhagul (Bagdal), Heiner Clieutelſtaat der Eng« 
länder in Border» Indien, Prov. Pendihab, am 
Setledich ; unter einem Radſcha; 388 [IJkm(7 IM); 
22,000 Ew. 

Bhanımo (Banıno), wichtige Handelsftadt in 
Birma, am Einfluß des Taping in den Jramaddi; 


342 


20,000 Ew. (nah wahrſcheinlicheren Shätungen 
nur 5000), darunter viele Chineſen, in deren 
Händen der Handel liegt, der meift Baummollen- 
ftoffe, Seide, Thee, Rhabarber, Moſchus und 
Metalle betrifft. B. ift bush eine Dampferlinie 
mit Rangum verbunden, 

Bhanpura, Stadt im Territorium Indore 
(Gentral- Indien), an dem Fluſſe Rewa, auf einer 
Hügellette; prächtiger Palaft; 20,000 Em. 

Bharabi, ind. Epiter, Name des VBerfaffers 

des Kiratardihuntja, eines epiichen, ans 18 Ge- 
fängen u. 1019 Strophen beftehenden Gedichtes, 
das den Krieg beichreibt, welchen Arbihuna gegen 
den Ziva in der Geftalt eines Bergbewohners 
Kiratas führte; deffen 1. und 2. Gefang ins 
Deutiche überjegt von E. Schü, Bielf. 1845. 
—28 f. Bhurtpur. 
Bhartrihari, Bruder des Königs Vikrama— 
ditja; regierte im 1. Jahrh. v. Ehr. u. führte, 
nachdem er des Thrones überdrüſſig geworden, 
ein zuridgezogenes Leben; war zugleich indischer 
Dichter u. gilt al8 der Berfaffer folgender Werte: 
1) der 3 Kenturien (Satafa), moraliiher Sprüche, 
a) des Zringüra Sat. über die Liebe; b) des 
Ni Sat. über die Pflichten, u. c) des Bairagja 
Cat. über die Frömmigkeit, herausgegeben mit 
fat. Uberſetzung von P. von Bohlen, Bert. 1834, 
u. in deuticher metrifcher überſetzung, Hamb. 1835; 
fit. u. erläuternde Anmerkungen dazu, von €. 
gegeben Bielef. 1835; früher zum Theil heraus: 
Schütz, von Abr. Roger, in deffen: Thür zum 
verborgenen Heidentbum, Rürnb. 1653; 2) gram- 
matiſcher Karifa, d. i. metriich abgefaßter Erflär- 
ungen u, Entwidelungen ſchwieriger Lehrſätza wie 
des Vafjapadija, das zu Baninis Grammatik im 
Beziehung fieht. Nah Einigen foll B. auch der 
Veriaſſer des Bhattilanja fein; f. d. u. Bhatti. 

Bhäskara, indiiher Aftronom des 12. Jahrh. 
n. Chr., der fich große Berdienfte um das mathe- 
matiihe Wiffen der Inder erwarb. Er jchrieb 
unter dem Titel: Siddhäntaciromani (Aftronomie- 
Stirnſchmuch ein großes Lehrgedicht, in welchem 
ev Algebra, Geometrie u. Aftronomie behandelt 
u. das theilweife von Taylor, Bombay 1816, u. 
Eotebroofe, Lond. 1817, ins Englische übertragen 
wurde. Bol. Brodhaus, Über die Algebra des 
B., in den Berichten der Sächſiſchen Geſellſchaft 
der Wiffenichaften, 1852. Specht. 

Bhat, eine oſtindiſche Miſchtaſte, deren Mit- 

lieder vorzugsweiſe Sänger u. Chronilſchreiber 
And: bei. im Weften zahlreich. 

Bhatgung, Stadt im Reiche Nepaul in Hin- 
doftan, am Bagmutti; Sit eines Radſcha; Auf⸗ 
enthaltsort vieler Braminen (meil bier viele Sans- 
frithbandichriften); Baumwollenweberei, Eifen«, 
Kupfer- u. Broncewaaren, Fabril von Papier 
aus Daphnne-Kinde; 12,000 Em. 

Bhatti, Name des Autors eines mach ihm 
benannten epiichen Gedichtes Bhattikavja (daraus 
5 Geſänge überjett von C. Schütz, Bielef. 1837), 
in welhem er die Heldenthaten Hamas befingt, 
zugleich aber darauf bedadıt ift, dem Lefer eine 
vollftändige Kenutmi der Sanskritſprache durch 
eine ſyſtematiſche Anwendung aller möglichen 

rammatischen Formen u. Conftructionen beizus 
ringen. Vgl. Yaffen, Indiſche Alterthumskunde, 


Bhanpıra — Bhil. 


BD. 3, S. 512 fi. Einige ſchreiben diefes Gedicht 
dem Bhartrihari zu. 

Bhattia, ein wilder, räuberiiher Stamm der 
Radihputen in Vorder⸗Indien, der vor ungefähr 
600 Fahren in feine jegigen Sie in Bilanir u, 
Bhamwalpur eingemwandert fein fol. Die nad ih— 
nen benannte Landſchaft Bhattiana, größtentheils 
eine öde Sandwüſte, ift abminiftrativ jett mit 
den angrenzenden Diftricten — 


ielemann. 

Bhattikavja, ſ. u. Bhatti. 

Bhaugulpore, |. Bhagalpur. 

Bhavabhuti, indiſcher Dramatifer aus dem 
Anfange des 8. Jahrh. v. Chr., Verfaſſer der 
Dramen Mälatimadhava (deffen 1. Act berausge- 
geben von Yafjen, Bonn 1832), Mahäviratscharita 
u. Uttararämatscharita. Jedem diefer 3 Dramen 
gibt er nach Vorſchrift der Poetik einen vorherr⸗ 
Ihenden Charakter, dem erften den erotiichen, 
dem zweiten den heroiſchen u. dem dritten ben 
pathetiſchen. 

Bhavãni (ind. Myth.), Name einer Göttin, 
die ſpäter mit der Parvatt, der Gemahlin des 
Siva identificirt ward; f. Pärvatt. 

Bhawalpur, 1) ein Staat in Britich » Ins 
dien, zur Provinz Pendſchab gehörig; begrenzt im 
W. von Sindh u. dem Pendihab, im O. u. ©. 
von Bilanir, im N. von den Flüſſen Ghara und 
Pandfchnab, u. 27° 41° bis 30° 25°’. Br., u. 69° 80° 
bis 73° 58' ö. L.; 38,848 Djkm (7054 IM); 
472,791 Ew.; ein ebenes Yand, zum größten Theil 
Sandwüfte (nur 4 des Bodens in der Nähe ber 
Flüffe ift ertragsfähig), mit den gewöhnlichen in 
diſchen Producten u. Thieren. Sie Bevöllerung 
beſteht aus Dihat-Stämmen, Hindu, Afghanen 
u. Beludſchen, ein kräftiger Menſchenſchlag mit 
einem verderbten HinduftanieDialeft; die herr— 
chende Kaffe find Daudputra (d. h. Söhne Da 
vids) u. führen ihre Abftammung auf Mohammed 
zurüd, Sie wurden 1737 unter Daud Khan von 
den Perjern in dies Land aus Sindh getrieben. 
Sie ftanden unter der Herricaft der Afghanen; 
dann der Sith. Bhawal Khan fuchte freiwillig die 
Freundſchaft der Engländer nad), 1833, denen er 
u. fein Nachfolger Hadſchi ſiets mwillfährig blieben. 
Seit 1866 wird das Yand von einem britifchen 
Agenten für den unmündigen Radſcha vermaltet. 
2) Die Hauptftadt diejes Landes, an einem Arme 
des Ghara, befeftigt; Palaft des Khan; 20,000 Ew. 

Thielemann. 

Bhikſchu (ind. Rel., von der Wurzel bhiksch, 
fi etwas erbitten, erwünſchen), eigentlich Bettler, 
insbefondere ein Brabmane in feinem 4. u. le 
ten Lebensftadium, worin er Haus und Familie 
verläßt u. von Almoſen lebt. 

Bhil (BHilla), eine Familie von Bergpöllern 
in Hindoftan, zum Munda-Stamme der dradidiſchen 
Urbevölferung gehörend; wohnen in den Wäldern 
der Auhöhen, welche die Flüſſe Tapti, Nerbubda 
u. Mahi begleiten. Sie finden fich auch in ben 
WGéhat u. in den Bergen von Guzerat, find 
ftart gemiſcht u. nahmen Sitte u. Sprade von 
den Völkern an, unter denen fie ſich niedergelaffen. 
Ihre Cultur ift noch auf einer tiefen Stu; aber 
ihre Anlagen zu höherer Entwidelung find nicht 
unbedeutend. Sie find Mein, dunfelfarbig, geben 


Bhillung — Bhrigu. 


foft nadt, find flets mit Bogen und Pfeilen be- 
maffnet und leben von Raub und Diebftahl. 
Henne: Am Rhim. 

Bhillung, bedeutender Nebenfluß des Bhagi- 
ratti od. Ganges; reih an Fiſchen; gilt als heil. 
Strom. . 

Bhilſa (Bilfee), Stadt in dem Staate Gwa— 
fior des Sindhia, in Hindoftan, am Betwa; um— 
mauert, ſehr verfallen; 5716 Emw.; in der Nähe 
roße Überrefte alter mit Pali⸗Inſchriften bededter 
aumerfe, Sculpturen zc. (f. Judiſche Kunft u. 
open). Die Stadt war ein Streitpuntt zwiſchen 
den Hindufürften des Sidens u. dem Großmogul 
von Delhi; 1230 u. 1293 wurde fie von den 
Letzteren erftürmt, unter Baber 1528 der Schau- 
plas vieler Kämpfe; feit 1570 von Albar definitiv 
zu Delhi geichlagen. Thielemann. 

Bhima, größter Nebenfl. des Kriſchna im 
Delhan (Dftindien); entfpringt öftlih von Bom— 
bay am DAbhange der What und mündet bei 
Ferogpur; Länge 594 km. 

Bhima (ind. Myth., von der Wurzel bhf, 
n fürchten), 1) (Adj.) furchtbar, ſchrecklich. 

(Zubit.) a) Beiname des Siva (f.d.); b) Name 
verihiedener Gottheiten u. Männer. 

Bhimagora, Walljahrtsort der Hindu, im 
N. von Hurdwar, mit einem vom Ganges gefpeiften 
heiligen Teiche, in dem die Wafchungen vollzogen 
werden; dort eine Meine fünftlihe Höhlung des 

lſens, der Sage nad vom Noffe des Bhima 


ervorgerufen. 

Bhiwani St. in Hiffar (Punjab); 32,254 Ew. 
Bholan-Dap, f. Bolan⸗Paß. 

Bhooj, ſ. Bhudſch. 


Bhopal (Bopaul), 1) Staat in der Provinz 
Eentral-Fndien, direct unter dem Generalgouver- 
neur, füblih von Gwalior, zwiichen 22° 23’ bie 
23° 46° u. Br. und 76° 25° bis 78° 506, 8; 
vom Bindhjagebirge durchzogen; im S. vom 
Nerbudda, im N. vom Betwa u. anderen Zu: 
flüffen des Dſchumna bemäflert; 16,587 km; 
663,656 Ew., theils Hindu, theils Patauen, deren 
Stamm die regierende Familie, Nabob, angehört. 
Staat u. Dynaftie wurde von Doft Mohammed 
Khan begründet, der 1723 von AurengeZeyb die 
Statthalterichaft über dieſe Gebiete erhielt u. nad) 
deffen Tode den Titel Nabob (Nawaub) annahm, 
Seine Nachfolger, darunter der einfichtige Waſir 
Mohammed u. feit 1818 deffen Tochter, die ener- 
giſche Sikander Begum, die trog aller Anfechtuns 
rn den Thron behaupteten, ftets den Engländern 

eundlich, ftehen feit 1818 unter brit. Oberaufficht 
und feiften Heeresfolge. 2) Befeftigte Hauptftadt 
darin mit 25—30,000 Em.; über der Stadt das 
Fort Futtyghur, von Doft Mohammed Khan ers 
baut u. die Reſidenz des Nabob; Handel; in der 
Nähe der B.-Tal, ein berühmter Teich. 1813 
miderftand die Feſtung wirffam dem Angriffe des 
Eindbia. Tpielemann.* 

Bhoree-Ghat, Paß durh die Ghat in N— 
Concan, zwiſchen Bombay u. Puna, früher der 
Schlüſſel zur Eroberung des Delhan; jet durch 
eine Kunſtſtraße palfirbar. 

Bhotan (Butan), unabhängige Landſchaft im 
nordöftliben Oftindien, unter 260 18° bis 28° 2° 
N. Br, u. 88° 32° bis 920 30 ö. L.; grenzt im N. 


343 


u. NO. an Tibet, im DO. u. S. an Affam, im 
W. an Siffim; ungefähr 50,000 Ikm. 8. ift 
ein vom SAbhange des Himalaja gebildetes, mit 
Gletſchern bededtes Alpenland; feine Thäler Tiegen 
gegen 1000 m über dem Mleeresipiegel; Gipfel 
is zu 16,500 m. Flüffe: Monas, Sunacas, 
Zehintfiu (Nebenflüffe des Brahmaputra), Tifta 
(Grenzfluß gegen Siffun). Klima mild und ge 
mäßigt, an der SGrenze mad Bengalen zu der 
Siümpfe wegen ungefund. Producte: Eifen, Reis, 
Weizen, Gerfte, Hirſe, Obft, Maulbeerbäume, 
Eichen, Fichten, verfchiedene Begetabilien, aus 
denen Papier bereitet wird; Elefanten, Rhine— 
ceroffe, Schafe, Pferde, Büffel (welche die Chorri- 
Schweife liefern). Die Einwohner, welche fih auf 
ungefähr 1—14 Million belaufen, treiben vorzüg- 
lich Ader- und Gartenbau, Viehzucht (veichlicher 
Milchertrag u. Bienenzucht, auch etwas Bergbau 
(Eifen). Sie find der Hauptmaffe nach mongo- 
licher (tibetanischer) Abkunft, gehören zum Stamme 
der Bhotija, find von hoher, kräftiger Geftalt, 
dunkler Hautfarbe, haben jchwarze Haare umd 
Ihwarze, Schmale, jcharfwinfelige Augen, breite 
Gefichter mit vorftehenden Backenknochen, zeigen 
viel Ausdauer, find abgebärtet und muthig und 
tragen ziemlih ſchmutzige Kleidung (Schürze, 
wollene Weite oder Wams u. dgl. Mantel). Die 
Religion der Bevölkerung ift der Lamaismus, die 
Sprache ein Dialekt des Tibetaniſchen. Die Re— 
gterung ruht in den Händen eines geiftlichen Herr— 
Ihers, des Dhman Rtadſcha, deffen Ztellvertreter 
der weltliche Datb (Deb) Radſcha if. Sämmtliche 
Beamte find Priefter, deren Einfluß überhaupt 
bedeutend ift. Hauptftadt Zaffifudon. Die Ge- 
ſchichte B-8 ift wenig befannt (f. Tibet). In der 
legten Zeit find feit 1773 infolge der Einfälle 
der Bhotija auf engl. Schußgebiete Zwiſtigkeiten 
mit der brit.»indiichen Regierung vorgekommen, 
die zu Heinen Erpeditionen der Engländer führten. 
1863 wurde die Grenze von Neuem feſtgeſetzt. 
Vgl. Griffith, Jonrnal of a mission which visited 
Bootan in 1837—38, im Galcuttaer-Afiatiichen 
Journal, Br. 8, Tbielemann.* 
Bhotija (Bootia, Bhautija), Nomadenſtamm 
an den Abhängen des Himalaja, in Bhotan, 
Siklim, Gurwhal wohnend, mit Yamaitiicher Reli— 
gion; Viehzucht als hauptſächlichſter Beichäftig- 
ung I Bhotan). 
hownuggar, Stadt im Diſtrict Ahmedabad 
der britiſch-oſtindiſchen Präſidentſchaft Bombay, 
nahe beim Meerbuſen von Cambay; Sitz der 
Fürſten von Gohilwar; beträchtlicher Handel mit 
Baumwollenwaaren; Hafen; 12,000 Ew. 
Bhrigu (ind. Diyth.), 1) Name eines Geflecht 
mythiſcher Wefen, das auch geſchichtliche Anknüpf— 
ung bat, indem einer der Brahmaniſchen Haupt— 
ftänme diefen Namen führt. 2) Name eines 
den Stamm repräfentirenden Rifchi (f. d.), der als 
Funke aus Pradichapatis Samen entipringt u. den 
Barıma (Waffergott) in fih aufnimmt, weshalb 
er Barımi (Varunas Sohn) beißt. B. ift auch 
der Berfünder u. Berfafjer eines Dharmajaftra 
od. Geſetzbuches, u. B. u. Bhrigus Söhne bezeich— 
nen auch Sukra, d. i. den Planeten Venus. Einen 
Berfuh zur Deutung der B.-Mythen fiehe in 
Kuhns Herabkunft des Feuers, S. 6 fi. 


344 - 


Bhuddawur, ehemals Bez. einer Herrichaft 
am Ufer des Tihumbul, deren Fürſten Ddiejen 
Ramen als Titel führen. Wegen geleifteter Dienfte 
1804 mit großen Grundbefige bei Agra belohnt, 
erfreuen fie fich befonderer Protection bei der brit. 
Regierung. J 

hudſch (Bhooj), Hauptſtadt des britiich- 
oftindifhen Schutzſtaates Cutſch (Kati); brit. 
Befatung; mehrere Pagoden; 20,000 Em. 

Bhunsla, urjprüngliche Bezeichnung eines 

ſdherrn der Mahratten, nad) feiner Selbftändig« 
eit Titel feiner Nachkommen als unabhängiger 

rften eines in Border-Jndien liegenden Staates 
— 5 u. Nagpur). 

Bhurtpur (Bhartpur), 1) Radſchaſchaft in 
Radſchputanag unter britiſcher Oberhoheit, öſtlich 
von Agra, unter 26° 43' bis 27° 50° n. Br. 
und 76° 54' bis 77° 49° 8. &.; 5100 jkm; 
650,000 Einw.; trodener Boden, der aber durch 
fünftliche Bewaſſerung zu großer Fruchtbarkeit 
entwidelt if. Die Einw. find Brahmanijche 
Dſchat, fleipig u. betriebfam. Die Dſchat, viel 
feicht die urjprüngliche Bevöllerung diejer Land— 
ftriche, erjcheinen bier fchon 1397 u. 1525 als 
Feinde Timurs u. Babers. Mitte des 18. Jahrh. 
riß fih das Land von Delhi los u, bildete einen 
mächtigen eigenen Staat, der bis Agra reichte. 
1804 führte der Radſcha Rundſchit Singh einen 
glüdlihen Krieg gegen die Briten; 1825 wurde 
das Land erobert und unter Oberherrichaft des 
Bicelönigs geftellt. 2) Hauptftadt dafelbft, mit 
wol übertrieben 100,000 Emw.; gegründet gegen 1732. 
Sie mwurbe 1805 von den Engländern unter 
Lale mit großem Berlufte vergeblich geftürmt, 1826 
von Gombermere erobert u, ihrer Mauern be» 
vaubt. Thielemann. 

Bhüta (ind. Myth.), Barticipium, von der Wurzel 
bhü, werden, daher eigentlich Gemordenes, dann 
1) Weſen überhaupt. 2) Geipenft, Kobold, daher 
vöfer Geift. Solchen wird befonders bei den Ta» 
milen gehuldigt. An ihrer Spige ftebt der Gott 
Siva. Gie find tbeilmeife Naturgeiſter, theil- 
weiſe abgejhiedene Seelen von Menfhen. Man 
weiht ihnen Tempel, Altäre u. Bildfäulen und 
opfert ihnen Thiere. Bol. Wurm, Geſchichte der 
indifhen Weligion, Baſel 1874, ©. 294—296. 
3) Element, wie Erde, Luft, Waſſer, Feuer, Ather. 
4) Eigenname a) eines Opferpriefter® der Götter, 
b) eines Sohnes des Vaſudeva von der Pauravi, 
6) Baters einer Unzahl von Rudra, u. d) eines 
Falſcha. 5)M. pl., Name einer häretiſchen Schule, 


Bhuddawur — Biancardi. 


tiger Tranfit- und Speditionshandel; 6535 Em. 
2) Fluß dabei; minder in die Weichfel u. bildet 
die Grenze zwiſchen Galizien und Schleſien. 
8) Stadt im gleichnam. Kreife des ruſſiſch⸗polni⸗ 
jhen Gonv. Stedlce, an der Krzua, Eifenbahn- 
ftation; Schloß ai. Garten des Fürften Radzivill; 
6662 Em. 

Bialla, Stadt im Kreife Johannisburg des 
preuß. Regbez. Gumbinnen; Flachsbau; 1640 
Emw., davon 700 Polen. 

Bialowieza (Bielowisha, Bialowiczer Heide), 
ein Bald im Kreiie Prushany des ruſſ. Gouv. 
Grodno; im Umfange 160 Werft, 375 km lang, 
112,079 Deffjatinen groß (wovon die Hälfte der 
Krone gehört); von den Flüſſen Narwa, Narerofa 
u. Bialowiczonka durchſtrömt; viele Buchen u. 
Eichen (meift Urwald); Großwild (Auerochſen bier 
no einzig in Europa wild, Elenthiere, Bären, 
Wölfe, Luchſe, Wildſchweine). Oft Aufenthalt poli» 
zeilih Berfolgter u. während des Nevolutions- 
frieges von 1831 Zufluchtsort polnisher Infur« 
genten, die von bier aus ben Ruſſen bedeutend 
ſchadeten. In der Mitte des Waldes liegt das 
Dorf Bialowicza. 

Bialyſtock (ruſſiſch Bjeloſtol), Kreisftadt im 
ruſſ. Gouv. Grodno, an der Biala, Eiſenbahnſt.; 
4 Kirchen, Gymnaſium, mehrere Schulen und 
wohlthätige Anſtalten; Fabriken; 16,985 Ew.; ein 
ſchönes —* u. Garten (daher heißt B. das 
Polniſche Verſailles). B. war früber ſeit 1520 
Hauptort einer Woiwodſchaft, welche 1795 an 
Ben, 1807 als Provinz an Rußland kam, 
aber 1842 mit dem Gouv. Grodno vereinigt wurde. 

Diana, Stadt im Staate Bhurtpur, 74 km 
well. von Agra, auf einer Anhöhe, wohlgebaut; 
mehrere Tempel, Reſte großer Bauten, eine weit 
fihtbare hohe Steinjäule, d. Behim-Lat. Die 
Stadt ift feit der Vertreibung der Mohanımedaner 
dur den Fürften von Bhurtpur 1750 zurüdge» 
gangen. In den Kriegen der Afgbanen u, des 
Großmoguls war fie ein wichtiger Punkt. 1527 
bier blutiger Sieg Babers über den mächtigen 
Radſchputen Rana-Santa. Tbielemann. 

Bianca (nota, ital.), bei ben Stalienern die 
halbe Tactnote, 

Binnen (ital.), Name, jo v. w. Blanca; bef. 
B. Gapello, ſ. Eapello. 

Binncardi, Stanislao, italien. Redhtsge- 
lehrter, geb. 27. April 1811 zu Montegiopi; 
ftubirte feit 1827 in Siena NRedtswiffenihaften 
u, Literatur u. ward 1831 Advocat im Florenz, 


deren Anhänger fih den Körper mit Aſche (bhuti)|gab indeß die ihm nicht zufagende Praris wieder 


einreiben. 
Bhutan, ſ. Bhotan. 


auf u. widmete ſich ganz der Literatur, wurde 
Profeſſor der Redekunſt am Seminar von Monte» 


Biafra, 1) kleines Reih am der Küſte von|calcino, hierauf von Siena n. bald darauf erft 


Guinea in Afrika, zwiſchen dem Rio del Rey u.|Lehrer, dann zweiter Vorftand des Inſtituts von 
Camazones. 2) Hauptftabt diefes Reiches, am)San Gerbone; er ging 1846 mach Livorno u. 
Bufen gleihes Namens. 3) B.-Bai, der öftlihelübernahm vorübergehend die Direction des In— 
Theil des Meerbufens von Guinea, zwiichen den ſſtituts de’ Padri di famiglia, lebte von 1848—60 
Borgebirgen Formoſa u. Lopez; in diefelbe miün- |von Privatunterricht in Florenz, ward 1859 Secres 
den der Eroß (Kreuz) und Malimbafluß; außer tär der Unterrichts-Commiffion, 1860 Profefior 
anderen Heinen Inſeln liegt in derjelben ;yer-|der lateinischen u. italienischen Literatur in Florenz 
nando-Bo. 4) B.-Bant, Sandbant in der B.-Bai.|u. 1867 Vorſtand des oberften Schulrathes; er 

Biäla, 1) Hauptftadt des gleihnam. Bezirkes ſſt. 22. Dechr. 1868 in Florenz. Er ſchr. u. a.: 
im öfterr. Kronlande Galizien, gegenüber Bielitz; Letture originali e tradotte offerte ai fanciulli 
yertigung von Tüchern und Yeinwand; wid-litaliani; Letture originali e tradotte offerte ai 


Biancavila — Bianchi-Giovini. 


345 


giovanetti italiani; Storia dei Papi; Le Veglie,/mteifter in Mailand u. 1785 Organift an ber 
Francesco Orlandini nella sua vita e nei suoi Kirde ©. Marco in Benedig; 1796 gung er nad) 


seritti. 


London, kehrte aber einige Jahre fpäter nad 


Biancaville, Stadt im Diftrict u. der italien. | Italien zurüd; er ft. 24. Sept. 1811 zu Bologna, 
Provinz Catania, auf der Inſel Sicifien; der B. ſchr. über 30 Opern, an verſchiedenen Orten 


Gemeindebezirt 12,631 Ew., meift Albanefen. 


gedrudt, u. 2 Dratorien. 5) Antonio, geb. 


Binndyetti, Giuſeppe, italien. Schriftfteller, 1758 im Mailand, Baritonift auf den Theatern 


geb. 1795 zu Onigo,; war anfangs Advocat in 
Tadıra, dann Literat u. — der Zeit 
ſchrift: Scienze e lettere delle provincie venete, 
jpäter Bibliothelar von Trevifo u. Senator des 
Königreiches; er ft. 1872. Schr.: Giulia Fran- 
cardi, Roman; Lo scrittore italiano (fritifche 
Schriften verjchiedenen Inhaltes) u. a, m. 
Biandyi, 1) granc. Ferrari, gen. il Frari, 
bedeutender Hiftorienmaler in Modena, geb. 1447, 
geft. 1510; Lehrer von Gorreggio. Seine Ge- 
mälde erinnern an Fr. Francia; menige find 
erhalten. 2) Giambattifta, einer der berühm- 
teften italienischen Arzte und Anatomen, geboren 
12. Sept. 1681 in Zurin; wurde von feiner 
Mutter jehr forgfältig erzogen, disputirte bereits 
im 15. Jahre über verjchiedene philofophifche 
Themata u, promopirte zwei „jahre ſpäter mit 
ſolchem Grfolge, daß man ihm furz darauf die 
Leitung fämmtlicher Turiner Hofpitäler übertrug. 
Neben praftifcher Medicin, Chemie u. Pharmacie 
las er mit bejonderer Vorliebe Anatomie. Ihm 
verbanft auch Turin die Erbauung eines anar 
tomischen Theaters, das der König auf B-8 Ans 
regung bin 1715 berftellen ließ. Er ft. 20. Juni 
1761. Seine bedeutendfte Arbeit it: Historia 
hepatica, seu de hepatis structura, usibus et 
norbis, Turin 1710 u. 1716, Genf 1725, ein 
Werk mit vielemRichtigen, aber auch vielem Falſchen, 
was namentlih Morgagni u. Heller bervorgehöben 
paben. Auch die Thränenmwege unterwarf er jeinen 
Forſchungen, mit gleihem Erfolge: Ductus lacri- 
males novi eorumque anatome, usus, morbi, 
eurationes, Turin 1715. Von einem größeren ana» 
tomifhen Werfe erjhienen 1759 vierundfünfzig 
Platten. Belannt find feine Streitichriften gegen 
die Hellerſche Jrritabilitätslehre, deren beftigiter 
Gegner er war: Lettera sull’ insensibilitä ed 
irritabilitä delle parti nellenomini e nelle bruti, 
Zurin 1755. 8) Pietro Martiro (au Iſidor), 
ital. Gelehrter, geb. 1731 in Cremona; trat in den 
Orden der Camalbulenfer, ging 1763 nad Rom, wo 
er fih mit dem Studium der Archäologie, Mathe: 
matif u. Philofophie befaßte. 1774 begleitete er den 
Fürften Naffadali als neapolitanifcher Gejandt- 
fchaftsjecretär nach Kopenhagen u. von dort 1776 
über Paris nah Madrid, von wo er nah Mai- 
land zurüdfebrte. Kurz darauf wandte er fih nad 
Eremona, wo er als Profeſſor der Moralphilo- 
fopbie lehrte; er ft. dal. 1808. Bon feinen zahl« 
reihen Schriften find zu erwähnen: Meditazioni 
sulla felitita, gegen Rouſſeau gerichtet, Palermo 
1774 u.ö.; Dissertazione apologetica, ebd. 1771; 
Lettere sulla stato delle science in Danimarca, 
Kopenb. 1775; Marmi cremonesi, Mail, 1791; 
Antichi monumenti della gente Magia, Cremona 
1793. 
1752 in Benedig od. Gremona, mas man bis 
jest nicht Hat emtfcheiden können; wurde 1780 
Gembalift an der Opera buffa, 1784 Hoffapell- 


zu Genua, Paris, Hannover, dann Naſſau-Weil - 
urgijher Kammerfänger; war 1793—95 beim 
Nationaltheater in Berlin engagirt, gaftirte dann 
in Hamburg, Breslau, Dresden, Leipzig, Braun- 
ihweig u. ging 1799 unter eine umberziehende 
Spaulpielergefe haft in Thüringen, wo er ver- 
ſcholl. B. jr. mehrere Intermezzos, darunter 
Fileno eClorinda; die Operette: Die InfelAlcina, 
deutih von Herclots, Berl. 1794; mehrere Lieder 
u. Gefänge mit Ouitarrebegleitung (morunter auch 
beliebte deutjche Lieder, jo: Nah Sevilla ꝛc.) u. 
Ballets. 6) Siufeppe, italienischer Aftronom, 
eb. 13. Oct. 1791 in Modena; ftndirte in feiner 
aterftadt un. in Padua u. ward 1815 als Inge— 
nieur u. Architelt angeftellt; er ftudirte dann im 
Padua u. Mailand Aſtronomie u. lebrte feit 1820 
Atronomie in Modena, wo er ein Obſervatorium 
errichtete, deffen Borftand er wurde. 1859 erbielt 
er von dem Dictator Farini feine Entlaffung als 
Profeffor, worauf ihm der Marcheſe Raimondo 
Montecuccoli feine Privatſternwarte zum beliebigen 
Gebrauche ammwies. Er ft. 25. Dec. 1866 in 
Modena. Er gab heraus: Atti del Regio obser- 
vatorio di Modena, 1834, u. Catalago di 220 
stelle principali del Piazzi. 7) ®Brunone, 
italien. Gelehrter, geb. 6. Octbr. 1803 zu Figline 
im Arnothal; fiudirte erft Theologie in Fieſole, 
bierauf Humaniora bis 1826 u. kehrte dann in feine 
zn zurüd; fpäter wurde er Korrector in der 
'ruderei Gambiagi u. gab nachher die für die 
Bibl, naz. vorbereiteten Wanujcripte heraus, es 
find: Das Leben Benven. Eellinis, die Werte Angelo 
Firenzuolas mit Noten, ein geihätter Commentar 
zu Dantes Göttliher Komödie mit Anmerkungen. 
Der Großherzog Leopold IL ernannte ihm zum 
Mitgliede der Alademie u. Vicefecretär der Erusca 
(1856); 1864 ward er deren Gecretär, was er 
bis zu feinem Tode, 17. Yan. 1869, blieb. 
1) Regnet. 2) Thambayn. 4,5) Brambadı.* 

Biandi-Giovint, eigentl. Angiolo, gewöhn— 
ih aber Aurelio genannt, italien. Publiciſt, geb. 
25. Nov. 1799 in Como, der Sohn eines Ge- 
fängnigwärters, der dann nad Cremona verfetst 
wurde; er erhielt eine ftreng religiöfe Erziehung, 
war drei Jahre am Seminar, lebte hierauf eine 
Zeit fang als Privatjecretär u. Privatlehrer in 
Mailand; 1830 ward er Corrector u. literarischer 
Director der helvetiſchen Druderei zu Capolago 
im Kanton Teſſin u. erbielt die Redaction eines 
roßen Journals, welches die Neformprojecte zu 
Belämpfen hatte. Da dies feinen politischen An— 
ſchauungen ganz widerfprach, jo gründete er in 
der Druderei Ruggia u. Comp. den Repubblicano, 
was ihm viele Unannehmlichkeiten zuzog. Infolge 
fortgejegter Angriffe verließ Er Yugano u. zog nad 


4) Francesco, italien. Mufiter, geb. Zürich, 1841 aber nah Mailand, wo er bis 1847 


blieb, Damals entitanden jeine S@udii ceritiei 
sulla storia universale di Cesare Cantü; Dizio- 
nario storico-Alologieo-geografico della Bibbia; 


346 


Biandini — Biard. 


Storia degli Ebrei etc.; Idee sulle cause della] ®eneralinfpector in Ungarn u. erhielt 1812 das 
decadenza dell’ Imperio Romano in Oceidente;| Commando der 1. Infanteriedivifion bei beim 


Storia dei Langobardi; l’Austria in Italia e le 
sue confische; il Conte Fiquelmont e le sue 
eonfessioni. Wichtiger ift: Vita di Fra Paolo 
Sarpi, 2 Bde., Zür. 1836. Bon Mailand ging 
2. nad Turin, wo er 1849 einen Play im Par- 
lament erhielt. Hier redigirte er bis 1852 die 
Dpinione u. trat kräftig für die Einheit Jtaliens 
in die Schranfen. B. gründete 1855 die Unione, 
zog mit derfelben 1860 nah Mailand u. 1862 
nach Neapel, wo er aber 16. Mai deffelben Jab- 
res ftarb. Sein 1837 begonnenes, aber unvoll- 
endete Hauptwerk ift Storia de’ Papi, Zurin 
1853 f., 10 Bde. HenneAm bon.” 

Biandjini, 1) (Bianhinius) Francesco, be- 
rühmter italien, Aftronom u, Archäolog, geb. 13. 
Dec. 1662 in Verona; ftudirte feit 1680 in Padua 
Theologie u. Naturmiffenichaften, feit 1684 im 
Rom Oneiörubenz, wurde Bibüothelar Aleran- 
ders VIII. u. Ehrenfämmerling Clemens’ XI., der 
ihn zum Secretär der mit der Kalenderverbefier- 
ung beihäftigten Commiffion ernannte. Glüdlich 
vollbradhte er den Auftrag, eine Mittagslinie in 
der Kirche Sta. Maria degli Angeli zu ziehen u. 
einen Sonnenzeiger zu errichten; unvollendet da- 
gegen blieb feine adhtjährige Arbeit, in Italien 
von einem Meere zum anderen eine Mittagslinie 
zu ziehen. B. wurde hauptſächlich befannt durch 
die aus feinen Beobachtungen abgeleitete Venus- 
rotation von ca. 24 Stunden, die der Caſſiniſchen 
von 23'/, Stunden widerfprah. Neuere Unter— 
fuhungen haben indeffen gezeigt, daß Eaffini Hecht 
hatte, B. ft. 2. Mai 1729 zu Rom. Er fahr. u.a.: 
Storia universale, provata con monumenti e 
figurata co'gli simboli degli Antichi, Rom 1697 
u. 1747; Camera ed inscrizioni de’ liberti, 
servi ed ufficiali della casa di Augusto sco- 
perti nella via Appia, ebd. 1727, Fol.; Del 

alazzo de’ Cesari, Verona 1738; begann die 
usgabe von Anaftafius’ Vitae Rom. pontificum, 
Rom 1718—35, 4 Bde. Nach feinem Tode er 
fdien: De tribus generibus instrumentorum 
musicae veterum organicae, Rom 1742. Bgl. 
Mazzolini, Vita di F. B., Ber. 1735. 2) Giu- 
feppe, Nefie des Bor., geb. 9. Sept. 1704 in 
Berona; lebte jet 1732 in Rom, wo er in die 
— ——— des Oratoriums trat u. nach 1759 
ftarb. Er vollendete die von dem Bor. begonnene 
Ausgabe des Anaſtaſius. 

Bianchi di Caſa Lanza, Bincenz Friedr,, 
Frhr. v.B., Herzog von Caſa Yanza, öfterr. Ge— 
neral,geb. 1768 in Wien; wurde 1787 als Ingenieur- 
offizier angeftellt. Er zeichnete ſich wiederholt im 
Kriege gegen die Türken, dann gegen die Fran— 
zofen aus, avancirte 1793 zum Gapitänlientenant 
u. wurde 1795 in den Generalquartiermeiiterftab 
verfegt, 1799 zum Major u. 1800 zum Oberft- 
fieutenant befördert. Im Feldzuge 1805 begleitete 
er den Erzherzog Ferdinand als Generaladjutant, 
wurde 1807 Generalmajor u. Commandeur einer 
Brigade, —— ſich im Feldzuge 1809 wieder: 
holt aus, beſonders bei Aipern u. durch die Ver— 
theidigung des Brüdenfopfes bei Presburg, und 
wurde noch A demielben Jahre zum Feldmarſchall⸗ 
lieutenant ernannt. Nach dem Frieden wurde B. 


öſterreichiſchen Hilfsheere gegen Rußland. In 
dem darauffolgenden Feldzuge befehligte B. eine 
Diviſion unter dem Erbprinzen von Heſſen-Hom⸗ 
burg, focht bei Dresden, Kulm, Leipzig und be— 
fehligte 1814 den rechten Flügel der öſterreich. 
Sübdarmee, mit welcher er bei Eu neuen Ruhm 
erntete; 1815 erhielt er den Oberbefehl der Armee 
von Neapel, flug Murat bei Tolentino u. ſchloß 
am 20. Mai 1815 mit den neapolitaniichen Ge— 
fandten die Convention zu Cala Yanza, durch 
welche die Rüdtehr des alten Regentenhaufes mit 
Ferdinand IV. feitgeftellt wurde, Nach dem Ein- 
zuge des Königs Ferdinand in Neapel (17. Juni) 
ging B., vom König zum Herzog von Caſa Yanza 
erhoben, zur Armee nah SgFrankreich. 1816 
wurde er in den öfterreihiihen Freiherrnſtand 
erhoben u. belleidete die Stelle eines Hoffriegs- 
rathes, bis er 1827 in Rubeftand trat. 1848 
wurde er auf Befehl der proviforiihen Regierung 
von —— 2 Monate lang zu Trevifo ge» 
fangen gehalten, bis er bei Einnahme diejer 
Stadt durch die Öfterreicher feine Freiheit wieder 
erhielt, Er ft. in Sauerbrumm bei Rohitſch 21. 
Aug. 1855. 

Biance, Andrea, venetianiiher Geograph 
(zu Anfang des 15. Jahrh.); jeine 1453 geftochene 
Karte (worauf ſich weſtl. von den Azoren zwei 
große Inſeln Namens Antilla befinden) ift auf— 
bewahrt in der Marcusbibliorhef zu Benedig, u. 
Formaleoni hat fie in feinem Saggio sulla nau- 
tica de' Veneziani, Ben. 1783, ftechen laffen. 

Bianco ciaro, der bläulich weiße Marmor, eine 
der 3 Gattungen des weißen Garrariihen Mar» 
mors (f. d.), welcher die meiste Verwendung für 
Sculpturen in großen Dimenftonen, für koloſſale 
Säulen u. architeltoniſche Zwecke verichiedenfter 
Art findet. 

Dianconi, Johann Ludwig, berühmter 
italien. Arzt u. Diplomat, geb. 30. Sept. 1717 
in Bologna; war bereits im 19. Jahre Hilfsarzt 
an einem Hoſpital, promovirte 1742, ging 1744 
als Yeibarzt zum Landgrafen von Heffen-Darm- 
ftadt, 1750 in gleicher Eigenfhaft an den Hof 
Augufts III. von Polen, der ihn fpäter in den 
Srafenftand erhob. 1760 wurde er in diplomatie 
her wichtiger Angelegenheit nah Paris geichidt 
u. dann ſächſiſcher Gejandter in Rom, Hier wid» 
mete er ſich wieder literariihen Beichäftigungen; 
er ft. 1. Jan. 1781 in Perugia, In feinen Scrif- 
ten glänzt er als ein tüchtiger Kemmer des Alter 
thums; hoch angefehen ıft feine Arbeit über 
Celſus: Lettera sopra A. Cornelio Celse, Rom 
1779, deutſch von Krufe, Lpz. 1781. Seine liber- 
jegungen des Anafreon, das Leben Petrarcas u. 
die Unterſuchungen über Ovids Exil find ungedruckt. 

Zhambann. 

Bians, Pak zwiſchen Tibet u. dem Diftr. 
Kumaon in Hindoftan, 5000 m; B-Rikhi, ein 
Gipfel des Hımalaja, ebendaf., 7200 m. 

tard, François, berühmter franz. Genrer 
maler, geb. 27. Juni 1800 zu yon; bereifte, 
nachdem er fi in der Kunſtſchule feiner Bater- 
ſtadt gebildet, Spanien, Griechenland, Syrien u. 
Agypten u. ftellte 1833 zum erften Mal in Paris 


Biarrig — Bibel. 


347 


aus: Ein vom Wüftenfturme überfallener arabi-‘der vierte mamlukiſche Sultan aus der Dynaftie 


fher Stamm. Seine Hauptftärfe liegt in der 
Komif; feine komischen Bilder verfchafiten ihm 
iu feinem Baterlande den Namen: Moliere der 
Malerei. Im Jahre 1839 ging er nach Grönland 
u. Spigbergen, u. 1856 machte er eine Reife um 
die Welt. Bon allen feinen Reifen aber kehrte 
er mit unzähligen Skizzen u. Studien zurüd. 
Bon feinen humoriftiihen Bildern wären zu nen- 
nen: Wandernde Komödianten, Revue einer Dorf: 
nationalgarde, Herumftreihende Komödianten, 
Der Dorflüfter, Die — onneurs, Die 
goigen eines Mastenballes, Das Familienconcert, 
er — Das unterbrochene Mittagsmahl, 
Der Regimentstambour im Beichtſtuhl, Die alten 
Jungfern, Unannehmlichkeiten einer Bergnitgungs- 
reife, Gulliver auf der Inſel der Rieſen, Linnes 
Jugendleben, Badefcenen. Bon den Bildern eru— 
ften Inhaltes find befannter: Der Sflavenmarkt, 
Duquesne, 1683 in Algier die europäifchen Sklaven 
befreiend, Der Schiffbruh, Der Halt in der Wüſte, 
König Louis Philippe beim MWachtfeuer der Natio- 
nalgarden, Johanna Shore ftirbt in Londons 
Straßen den Hungertod, Die Schiffbrüchigen, 
Hudfon von feiner Schifismannjchaft verlaffen u. 
dem Tode preisgegeben. Die meiften Arbeiten 
B.s find von Jazet geftochen. Regnet. 

Biarritz, Dorf im Arr. Bayoıme des franz. 
Dep. Baffes-Porendes, an der Südbahn u. am 
Biscayiihen Meerbufen; 4659 Ew.; Heiner Hafen, 
Leuchtthurm, Seebad, welches jährlih im Juli 
bis Sept. von 5-—6000 Perſonen aus verfchiede- 
nen Ländern befucht wird, viele Gaſthöfe u, Pen— 
fionen. Napoleon III. ließ bier 1856 die Billa 
Eugenie bauen, die er mit der Kaiſerin während 
feines dortigen Aufenthaltes bewohnte. Vgl. Ruſſell, 
B. and Basque countries, Lond. 1873. 

Bias, einer von den 7 Weiſen Griechenlands, 
aus Priene in Jonien, Sohn des Teutamos; 
febte um 570 v. Chr. Als die von den Berjern 
belagerten Einwohner Prienes mit ihrer Habe 
flüchteten u. einer von ihmen fi wunderte, daß 
B. feine Anftalten zur Reife machte, gab er die 
berühmte Antwort: Ich trage Alles mit mir (lat. 
Omnia mea mecum porto). Die ihm beigelegten 
Gnomen (Sitteniprüde) hat Orelli in Opuscula 
Graecorum veterum sententiosa et moralia, 
Lpz. 1819, gefammelt, Dilthey im feinen Frag— 
menten der 7 Weifen, Darmft. 1835, überfegt. 

Biasca (deutich Ablentich), Pfarrdorf im Bez. 
Riviera des ſchweiz. Kantons Teffin; 1870 Ew.; 
Station der Gotthard-Eifenbahn (im Dec. 1874 
eröffnet). Der früher wohlhabende Ort litt wie 
derholt durch Bergfturz (1512) u. Üüberſchwemm— 
ungen (1714 u. 1745). 

ibacũlus, Furius, römifcher Dichter; geb. 
99 v. Ehr. in Eremona; fchrieb fehr beifende 
Jamben, namentl. gegen Cäſar; bei Suetonius 
finden ſich noch einige derſelben. 

Biban-Thor, Eiſerne Pforte, Engpaß in Al— 
gerien, in einem den Atlas durchbrechenden Thal 
zwiſchen Algier u. Conſtantine. 

Bibars, 1 B. Dhaher Rokn Eddin Abul 

utuh, früher Sklave bei Sultan Redſchem 

ddin; zeichnete fich im Tartarenfriege aus, er- 
mordete den Sultan Kotuz, wurde jelbit 1260 





der Bahariten in Agypten u. vertrieb die Europäer 
in langem Kampfe aus Paläftina; er ft. 1277 (f. 
Agypten). 2) B. Malet ei Medhaffar Rokn 
Eddin, ein Circaffir; Shave des ägyptischen 
Sultans Kelaun, dann Emir, ftieg er unter Khalil 
und Mohammed zu den höchſten Reichswürden, 
wurde nebft Salar das Haupt der Mamlufen u, 
1309, da Mohammed die Herrichaft niederlegte, 
jogar Sultan, bis er 1310 ermordet wurde, 

Bibb, 1) County im nordamerif, Unionsftaate 
Wabama, unter 33° m. Br. u. 87° mw. ©; 
7469 Ew.; Hügelland; mehrere Eiſenb.; County- 
fig: Gentreville, 2) Eounty im Unionsft. Georgia, 
unter 32° u. Br. u. 83° w. 2; 21,255 Ew.; 
Hügelland; Eiſeuerz, Steinfohlenlager; County» 
ig: Macon. 

Dibbiena, mwohlhabende Stadt in der ital. 
Prov. Arezzo (Toscana), am Arno u. in der Nähe 
des 1350 m hohen Sacro Monte della Bernia 
(mit Klofter); 5683 Em, 

Bibbiena, 1) Bernando Divizio (Dovizio), 
ital. Dichter, geb. 4. Aug. 1470 in Bißbiena; bes 
fleidete unter Papft Juſius IL mehrere Staats« 
ämter u. Gejandtichaftspoften u. wurde von Leo X, 
zum Gardinal ernannt; er ft. 9. November 1520, 
Er ift u. a. Berfaffer des geiftreichen, |. 3. be 
rühmten Luftipiel® Calandra. 2) Fernando, 
Dialer u. Baumeifter, Sohn des Hiftorienmalers 
u. Baumeifters Giov. Maria Gallı (geb. 1625, 
geft. 1665, welcher fih nach feinem Geburtsorte 
ın Toscana da Bibbiena nannte), geb. 1656 in 
Bologna; erwarb fi) großen Ruf als Theater» 
baumeifter u. Decorateur, wurde zur Erridtung 
de8 bei der — Karls VI. aufgeführten 
Theaters nach Prag berufen, erhielt mehrmals 
bei fürſtlichen Feſten Aufträge zur Ausführung 
von Decorationsbauten u. Malereien u. ward Hof—⸗ 
mann des Herzogs von Parma u, Kaifer Karls VL; 
er fl. 1729 zu Bologna; fehr.: Architettura 
civile, Parma 1811. Seine Opere varie de pro- 
spettiva gab heraus fein Sohn Giufeppe B. 
1740, Fol. 

Bibel (vom griech. biblia, d H. die Bücher), 
durch u. feit Chryioftomos üblih gewordene Be- 
zeihuung der heiligen Schriften der Juden u. 
Ehriften, die font auch Schrift, Heilige Schrift, 
Wort Gottes genannt werden. I. Eintheilung 
der B. Man theilt die B. in das Alte w. Neue 
Teftament (Schriften des Alten u. Neuen Bundes, 
ı nakara xal xauwn dadızn, Testamentum s. 
Foedus vetus et novum) eit. A) Das Alte 
Teftament befteht aus den kanoniſchen Büchern, 
welche die Religionsurkunden der Juden enthalten 
u, auch den Chriſten als heilig gelten (ſ. B-fanon J.), 
u. aus den Apofryphen, die weder bei den Juden, 
noch bei den älteren Chriften, noch in der Grie- 
chiſchen u. Proteftantiihen Kirche, wol aber bei 
den Katholiten, nah Beſchluß des Tridentiniſchen 
Concils, göttliches Anfehen haben; ſ. u. Apolryphen. 
Die kanoniſchen Bücher des A. T. find in hebrät- 
ſcher, einige Stüde im Buche Esra u. Daniel 
aber in daldäiſcher Sprache geichrieben, Die 
Apokryphen find nur griechiich vorhanden. B) Das 
Neue Teftament enthält die den Chriften heili- 


‚gen Schriften der Apoftel u. Evangeliſten (ſ. B— 


348 


Bibel. 


tanon II.) Die Bücher des N. T. find griechiſchſbloß aus u. ſchrieb fie in fogenannte Lectionaria 


gelgrieben, nur Matthäus fol uriprünglich he⸗ zufammen, 


Diefe Pefeabichnitte find von den 


räisch geichrieben gemeien fein. Die Proteftanten| heutigen verſchieden, welde erft im Mittelalter 


halten Die Uriprade für die einzig zumerläffige 
Duelle ihres Inhaltes; die Katholiten aber, nah 
einem Beichtuffe des Tridenter Concils auch den 
Text der lateinischen Überſetzung (Bulgata) für 
authentisch u. für zuverläſſig in Betreff der Rein— 
beit der Glaubens- u. Sittenlehren u. ausreichend 
zum öffentlichen Kirchengebraude (j. u. VIII). 

II. Der Tert der biblifhen Bücher. Zum 
Tert gehört nur das, was der Schriftjteller ſelbſt 
geichrieben bat, m. man muß vom weſentlichen 
Beitande defielben unterfcheiden, was im Berlaufe 
der Zeit hinzugelommen ift u. die äußere Geftalt 
deffelben ausmacht. Zu letzterem gehören: im 
bebräiihen Tert die Vocale, im hebräiſchen u. 
griechischen Tert die Accente u. diakritifhen Zei— 
hen, die erft fpäter erfunden find. Die biblischen 
Schriftfteller ſchrieben ohne diefe Zeichen, die he— 
bräiſchen blos die Confonanten. Die PVersab- 
theilung, wenigitens die vollftändig durchgeführte, 
ift auch erft fpäter beftimmt morden, ſöwie bie 
Interpunction. Im N. T. bat fib die inter: 
punction aus der ſtichiſchen Abtheilung, welche 
Euthalios von Wlerandria im 5. Jahrh. ein- 
führte, entwidelt. Diefer theilte den Tert in jo 
viele Abfäte, als beim Vorleſen durch die Stimme 
unterichieden wurden (Stihometrie). Dieſe Abjäge 
rüdte man in den Hanbjchriften wirflih ab; 
jpäter unterfchied man fie durch Punkte; diefe In— 
terpunction beflimmte man dann logiſch, u. fo 
entitand die jetige Interpunction. Die Abtheilung 
in Berfe ift im Hebräifchen erft mit der Accen- 
tuation eingeführt u. meift dem Sinne nad) richtig; 
im N. T. aber von Robert Stephanus, der ſie 
in feiner Ausgabe 1551 anbracdte, erfunden u. 
oft dem Sinne nicht entiprechend. Die Abtheilung 
in Capitel rlihrt von dem Cardinal Hugo St. Caro 
ber, der fie behufs feiner lateinischen Bibelconcor- 
danz erfand; Daniel Bomberg nahm fie in feine 
Ausgabe des A. T. von 1525 auf, u. die Her- 
ausgeber der Eompiutenfis u, Erasmus führten 
fie auch ins N. X. ein. Ehedem war eine andere 
Gapitelabtheilung üblich. Die Evangelien find 
nämlich in den Sandfehriften in Meinere u. größere 
abgetheilt (erftere griech. Kephälaia, lat. Capitula, 
letstere griech. Titloi, lat. Breviaria genannt). 
Die Eufebianifhen Kanones find 10 Tabellen, in 
welche furz die Harmonie der Evangelien, u. was 
jeder Evangelift Eigentbümliches bat, aufgeftellt 
if. Enfebios ſelbſt theilte mit Ammonios die 
Evangelien in Kephalaia (Matthäus 355, Mar- 
cus 233, Lukas 342 u. Johannes 232) u. Titloi 
(Mattb. 68, Lukas 83, Johannes 18), daber 
Ammonianiih-Eufebianiiche Abichnitte. Die Apoftel- 
geichichte u. die Briefe find bloß in Kephalaia 
abgetheilt, für deren Urheber man den Eutbalios 
hält, der fie in feine ftichifche Ausgabe des N. T. 
aufnahm. Die Perifopen oder Lejeabichnitte des 
N. €. find ebenfalls jpäteren Urſprunges, u. die 
neuteftamentlihen Biicher waren ebedem durchweg 
in foiche Perifopen abgetbeilt, die Evangelien in 


üblih geworden find, Ber den Juden ift der 
Bentateuh in 669 Abichnitte (Paraſchen) zum 
Behufe des öffentlihen Worlefens u. in 54 Yeje- 
abjchnitte (große Paraſchen oder Sabbathsperifo- 
pen) getheilt, melde in den Synagogen an den 
Sabbathen vorgelejen wurden. Die Lejeftüide der 
Propheten, welche aber nicht durchgehen, ſondern 
bloß ausgehoben find, heißen Hapbthaten; mit 
ihnen murde die Berſammlung beendigt. Auch die 
Über⸗n. Unterfchriften der neuteftamentlichen Bücher 
rühren nicht, von den Verfaſſern, fondern von 
fpäteren Yejern ber. Diefe waren erft bloß Wier 
derholungen von jenen, denen man aus llberlie- 
ferung u. Bermutbung noch biftoriiche Nachrichten 
beifügte. Euthaltos trug fie in feine ftihometriiche 
Ausgabe ein, u. jo pflanzten fie fich in den Aus- 
gaben fort. 

III. Handijhriften der B. A) Das Alte 
Teftament. Die jüdiſchen find entweder Sy« 
nagogenrollen, oder heilige Handichriften, welche 
die Bücher Mofis zum Gebrauche der Synagogen 
enthalten u. weder Bocale, noch Accente baben. 
Sie find mit der größten Genauigfeit auf Berga- 
ment gefchrieben, die älteften, wiewol nicht über 
700 ‘jahre, u. widtigften, oder gemeine oder 
Privathandihriften, welche theils in Onadratichrift, 
mit Bocalen u. Nccenten, tbeils in rabbiniicher 
Eurfivfchrift gefchrieben find. Die famaritaniichen 
enthalten die Bücher Mofis nah dein bei den 
Samaritanern üblihen Text, in famaritanifcher 
Schrift, find aber noch jünger, als die jüdiſchen. 
Kennicot veranftaltete eine Vergleihung der ber 
bräiſchen Handichriften, deren Ergebniſſe er im 
jeiner Ausgabe des U. T., Orf. 1776, 1780, FoL, 
niederlegte; nah ihm gab de Roſſi Variae leo 
tiones Vet. Test. ete., Barma 1784—88, 4 Thle., 
heraus. Die Lesarten der jüdischen Handichriften 
find felten fehr abweihend vom gewöhnlichen 
Zert, die der famaritanishen mehr u. find wich— 
tiger, aber auch der Corruption verbädhtig; vgl. 
Geſenius, De pentateuchi samarit. origine etec., 
Halle 1815. Der Talmud erwähnt 3 im Tempel 
aufbewahrter B-handihriften, welche durch gegen« 
jeitige Bergleihung der Terte berichtigt wurden. 
Aus dem 7. Jahrh. wurden mehrere B-handſchr. 
als muftergiltig erwähnt, eine um 600 n. Chr. 
in Hilla, ın der Nähe des alten Babylon ange 
fertigte, die berühmte Hillahandfchr., welche bis 
1500 noch eriftirte. Im 10. Jahrh. fhrieb Aaron 
Ben Aſcher ein B-eremplar, welches von Karäern 
u, Juden als muftergiltig betrachtet ward u. auf 
weldem ter heutige B-tert beruht. In einigen 
Stellen differirt von ihm die Lefeart des Moſe 
Ben Naphtbali. Aus Ben Aſchers Eremplar copirte 
man Eremplare in Jerufalem, Jericho, die Sinaie 
bandichr., die Damascusbandihr. Im %. 1839 
fand FFirkomitich, ein gelehrter Karäer, mehrere 
alte B-handichriften in der Krim. Die eine, eine 
undollftändige Pentateuchhandſchrift ohne Bocals 
bezeihnung, ift aus dem J. 843, eine aus dem 


57 (nad der Zahl der Zonn u. Feſtiage des J. 916 nm. Chr, welde die 3 großen u. die 12 
Jahres) u. die Apoftelgeihichte u. die Briefe in Meinen Propheten mit einer anderen Vocalbezeich- 


ebenio viele, 


Nachher bob man die Leſeſtücke nung als die jetzt übliche enthält; enblih eine 


Bibel. 


bandihrift aus dem J. 1808. Alslichiedenem Format, von verſchiedenem Material, 
je nad dem Alter der Handichriften. 


vollftändige 
Bruchſtücke alter Handſchriften gelten die Anführ- 
ungen altteftamentlicher Stellen im Talmud und 
in den Schriften der Rabbiner, wenn fie nicht, 





ftaments, 


349 


IV. Ausgaben der B. A) Des Alten Te- 
Die älteften Ausgaben find nad 


wie häufig der Fall ift, ungenau u. nach fpäteren |Handfchriften gemacht u. vertreten die Stelle der- 


Handſchriften 
die kritiſchen Anmerkungen der Mafora (f. d.), 
welche fih zum Theil in allen Ausgaben des U. 
T., vollftändig aber in den rabbinishen B-n fin- 
den und unter denen die Keri (Randlesarten) am 
wichtigften find, zu beadten. B) Das Neue 
Zeftament. Die Handfhriften, deren Anzahl 
fehr groß ift, fteigen bis zum 4. Jahrh. hinauf, 
enthalten auch mehr Abweichungen, als die des 
A. T. Man theilt fie ein im Handjchriften mit 
Uncialfchrift u. ſolche mit Eurfivichrift; letztere find 
die jüngeren. Die berühmteften von jenen find 
folgende: Codex Alexandrinus, bezeichnet mit 
Cod, A. (f. Merandrinifcher Eoder); Cod. Vatica- 
nus (Cod. B.), in der Vaticaniſchen Bibliothel 
zu Rom, aus der 1. Hälfte des b., nad) Anderen 
des 4. Jahrh., von Karyophilos mit nach Europa 
gebracht; die Abfchnitte im ihm find ganz eigen- 
tbümlich, zulegt herausg. von Bercellone u. Cozza, 
Rom 1868 fi. (vgl. pus: De antiquitate cod. 
Vat,, 1810); Cod. Regius, Cod. Ephraemi 
— C.), zu Paris, enthält eigentlich die griechiſche 
Überfegung des Ephräm Syrus, darunter aber als 
uriprünglide Schrift Fragmente der B.; die 
— iſt uralt u. in Agypten geſchrieben, 
erausg. von Tiſchendorf, Lpz. 1845; Cod. Can- 
tabrigiensis (Cod. Stephani, C. Bezae, Cod. D.), 
zu Cambridge, enthält die Evangelien u. die 
Apoftelgeihichte griehifh mit lateinifcher Über— 
jegung, herausg. von Kipling, Cambr. 1793, Fol.; 
Cod. Claromontanus (Cod. D.), zu Paris, aus dem 
7. od. 8., nad) Einigen ſogar aus dem 6. Jahrh., 
die Briefe des Paulus griechiſch u. lateiniſch ent- 
baltend, Herausg. von Tiſchendorf, Lpz. 1852; 
Cod. Basileenis (Cod. E.), aus dem 9. Jahrh., 
die Evangelien enthaltend (vgl. Schmelzer, De 
antiq. cod. Basil., Gött. 1750); Cod. Laudianus 
(Cod. F.), inder Bodlejaniſchen Bibliothef zu Or- 
ford, enthält die Apoftelgeichichte griechiſch fit 
iateiniſcher Überfegung; er ift geichrieben im 6. 
oder 7. Jahrh. zu Wlerandrien, im Facſimile 
herausgegeben von Hearne, Orf. 1715; Cod. 
Boernerianus (Cod. G.), die Pauliniſchen Briefe 
griehiih mit Iateinifher nterlinearüberfegung 
enthaltend; fam aus Börners Privatbefig in die 
Königliche Bibliothel in Dresden, herausg. von 
Mattbäi, Meißen 1791; Cod.Coislinianus (Cod.H.), 
Fragmente der PBauliniihen Briefe enthaltend, im 
7. Fahr. geichrieben; Cod. Cyprius (Cod, K.), 
in Paris, die 4 Evangeliften enthalteud, nad 
Einigen aus. dem 8., nad) Anderen aus dem 10. 
Zahrb. ſtammend; Cod. Dublinensis (Cod. Z.), 
ein Balimpfeft, welcher das Evangelium des 
Matthäus enthält, aus dem 6. Jahrh. oder noch 
älter, jetzt auf der Bibliothel des Zrinitätscolle- 
giums zu Dublin, im Facſimile herausg. v. Bar- 
rett, Dublin 1801; Codex Sinaitiens (Cod. Alcph, 
f. Sinaitifher Coder) u. v. a. Alle diefe Codices 
find nicht Rollen, wie die des U. T., jondern 
Hefte (Quaterniones, Quinterniones, Sexterniones, 
d. h. aus 4, 5, 6 Blättern beftehend) in ver- 





var find. Befonders aber find|jelben. 3 derjelben find die Grundlage der übrigen 


geworden, nämlich die, welche 1488 zu Soncino 
erihien u. welder die von Brescia folgt, 1494 
(der letzteren bediente ſich Luther); ferner der bes 
bräifche Tert der Complutenſiſchen Polyglotten-B., 
1514—17, ferner die Eonftantinopler Bolyglotten« 
B., 1546 mit der arabiſchen Überjegung Saadias 
u, ber perfiihen Überſ. des Jakob Zus; daſelbſt 
eine Polyglotte, 1552, mit griech. u. ſpan. Überf., 
u, die 2, rabbinifche B., welche bei Bomberg in 
Venedig 1525 f., Fol., unter der Aufficht des 
Rabbi Jalob Ben Chajim erichien u. welder bie 
meiften anderen folgen, bef. die von Athias, Am- 
fterd. 1661, van der geost, ebd. 1705, Jablonstky, 
Berl. 1699, Opitz, Kiel 1709; 1617 erſchien bie 
venetianiſche Bsausgabe, von Leo da Modena ges 
leitet; in demf. Fahre die von Johannes Buptorf 
in Baſel beforgte rabbinifshe B.; 1635 die von 
naffe Ben Fsrael in Amfterdam u. A. u. die mit 
Varianten ausgeftatteten, außer der Ausgabe von 
Kennicot, die von Döderlein u. Meisner, Lpz. 
1793, u. Jahn, Wien 1807. Handausgaben von 
Clodius, Frank. 1677; Neineccius, Lpz. (1725) 
1756; Simonis, Halle (1752, 1767, 1822) 1828; 
gain, Lpz. 18315 G. W. Theile, Lpz. 1873; 
Hurrheimer, mit Überſ., Erklärung u. homifetiichen 
Noten, Bernb. 1841 - 1848, 2. Aufl., Berl. 
1854 ff.; Philippſohn, Bibelwerl, mit Überf., Er— 
tlär. u. 500 Kupfern, 1838 ff.; Philippſon, B., 
Tert mit Illuſtrationen von Guſtav Doré, Fol. 
B) Die erften Ausgaben des N. T., die in 
der Complutenſiſchen Polyglotte 1514 u. die von 
Erasmus 1516—35, haben wenig Werth, weil fie 
aus meift jungen Handjchriften gefloffen u. ohne 
tritiiche Sorgfalt veranftaltet find. Der Text diefer 
beiden Grundausgaben ward lange theils rein, 
theils verändert, theild mit einander vermifcht 
fortgepflanzt, unter anderen auch in den Stephani« 
hen Ausgaben, bis Theodor Beza in feinen eben- 
falls in der Stephaniſchen Officin erfchienenen 
Ausgaben, 1565, 1582, 1589, 1598, den Stepha- 
mischen Zert in einer neuen Bearbeitung nad 

andfchriften lieferte, melden die Elzeviriſche 

fficin durch ihre gefälligen Ausgaben, Lenden 
1624, 1633, 1641, 1656, 1662, allgemein ver« 
breitete u. zum gemeinen Text ftempelte, Aus 
der Vergleihung der verſchiedenen Handichriften 
u. Gitate bei Kirchenfchriftftellern, wozu noch die 
alten Überfegungen (ſ. u. V.) fommen, ift eine 
große Menge verfhiedener Lesarten erwachſen, 
welche in dem fritifhen Ausgaben vorliegen, von 
Mill, Orf. 1707, Fol., neu herausg. von Kifter, 
Amft. 1710; Bengel, Tüb. 1734; Wetftein, Amt. 
1751 f., Fol.; Griesbah, Halle 1774 f., neue 
Bearbeitung 1796 u. 1806 u. der 1. Bd. von 
Dav. Schulz, Berl, 1827, dauach eine Pracht⸗ 
ausgabe Ypz. 1808—7, Hi. ge u, eine Hand⸗ 
ausgabe, Lpz. 1805, 2. Aufl., 1811; Matthät, 
Riga 1782—88, 12 Thle., Heine Ausgabe, Wit- 
tenb. 1808, 3 Bde.; Alter, Wien 1786 f.; Bird, 


Kopenh. 1788, Fol. (bloß die Evangelien, wozu 


350 


Variae leett. ad textum act. App. epp. cath. et 


Pauli, 1798, u. Variae lectt. ad textum Apoe., 


1800, gehören); Scholz, Lpz. 1830 f.; Schotts 


Ausgabe mit lateinifcher Überſetzung, Lpz. 1805, 


3. Aufl., 1825, folgt der Griesbachſchen; Knapp in 
feiner Ausgabe, Halle 1797, 4. Aufl., 1829, gibt 
einen eigenen Text; ebenfo Rink in feiner friti- 
fhen Ausgabe, Leipz. 1830—36, 2 Bde.; Lach⸗ 
mann, Berl. 1831, dazu der fritiiche Apparat 
von Buttmann, 1841 u. 1850, 3. A., 1865, mit 
beionderem Anschluß an die morgenländifhe Re- 
cenfion, u. Zifchendorf, Lpz. 1841 u. 1850, 
8. Ausg., Lpz. 1864—72; daraus Editio minor, 
ebd. 1872; Derfelbe, Testamentum novum Si- 
naiticum, ebd. 1863; Test. nov. graece et la- 
tine, Paris 1867; Test. nov. Vaticanum, %p3. 
1867, mit Appendix, ebd. 1869. Handausgaben 
noch von Tittmann, Lpz. 1820; Vater, Halle 1824; 
Näbe, Lpz. 1831; Göſchen, Lpz. 1882; Theile, 
1865; Tiſchendorf, In usum academienm, 8. A., 
1875, u. A.; vgl. E. Reuß, Bibliotheca novi 
testamenti Graeci, Brſchw. 1872. Griesbach hat 
ein eigenes Syſtem der neuteftamentlichen Kritif 
aufgeitellt, welhem Hug mit Abänderungen bei: 
etreten if. Beide Kritiker unterfchieden nad 
Sichtung u. Anordnung aller kritifhen Materialien 
verschiedene, in den verichiedenen Dentmälern ers 
Icheinende Geftaltungen u. Bearbeitungen oder 
Necenfionen des Tertes: a) eine occidentalifche 
Necenfion in den griehiich-Tateinischen Handichrif- 
ten, der lateinischen Überſetzung u. den lateinischen 
Kirchenvätern; b) eine Alerandrinifche (nah Hua 
von Heſychios veranftaltete) Necenftion, in den 
Anführungen der Alexandriniſchen Kirchenväter, der 
Memphitiſchen, Philorenianisch- fyriichen Überſetzung 
u. den älteften griechiſchen Handichriften (Cod. 
Alex., Vat. u. a.); c) eine Eonftantinopolitanifche, 
wahrſcheinlich von Lukianos veranftaltete Necenfion 
in den Schriften der Kirchenlehrer von Syrien, 
Kleinafien u. den Gegenden des Conftantinopoli- 
taniſchen Patriarhats, in der ſlaviſchen u. gotbi- 
hen Überfegung, in den jüngeren griechiſchen 
Handichriften, bei. auch denen, die mit Heiner 
Schrift, geſchrieben find. 

V. Überjeßungen der Bibel. A) Die be- 
rühmtefte Überjetung des A. T. ift die griechiiche 
der Ziebzig (Septuaginta, ſ. d.), ferner des Aquila, 
Theodotion u. Symmachos; die foriiche Üüberſetz— 
ung (RBeichito, ſ. d.); die chaldäiſche Targums od. 
Paraphrafen des Onkelos u. Jonathan, deren 
mehrere mit dem Text in die Bibelpolyglotten 
(j. u. Bolyglotte) zufammengeftellt find; ferner 
arabiich im 10. Jabrh., von R. Saadia (Penta- 
teuch, Leyd. 1622, Jeſ., Jena 1790) u. B. Joſua; 
B. Job (Fragmente im Brit. Muſeum, berausg. 
von Wolf v. Baudiffin, Lpz. 1870); perfifch im 
9. Jahrh., von Jalob B. Joſeph Tawus; ſpaniſch, 
— 1553, Fol., Amft. 1762, Fol., Jeſ. u. 

er., Salonidi 1569, FFol.; jüdiſch-deutſch von 
Sekutiel B. Jiaal, Amft. 1679, Fol., von of. 
B. Aler., Aunft. 1687, Fol., Prag 1765; deutſch 
einzelne Bücher von M. Mendelsſohn, Friedländer 
u. Heinemann. Die Samaritaner überjegten die 
5 Bücher Mofes im 2. Jahrh. in ihren Dialekt 
u. ins Griechifche, im 12. Jahrh. ins Arabiſche. 

B) Überfegungen des N. T. u. der ganzen B. 


Bibel. 


feit dem 2. Jahrh.: Lateiniih das A. T. nad 
den Septuaginta die fogenannte Itala (ſ. d.), die 
des Hieronymus u. a. alte lateiniſche im Bibl, 
sacr, vers, antiq., herausgegeben von Sabatier, 
Reims 1739—49, 3 Bde. Fol.; Evangeliarinm 
quadrupl. lat., berausg. von Bianchini, Rom 
1749, 2 Bde. Fol., Evangelium palatinum, von 
Hieronymus überjett, herausg. von Tiichendorf, 
%p3. 1847; Biblia sacra latina vet. test. Hiero- 
nymo interprete, angefangen von Th. Denk, 
herausg. von Tifchendorf, ebd. 1873; E. Ranle 
ab heraus: Codex Fuldensis, nov. test, latine 
interprete Hieronymo, Marb. 1868; Fragmenta 
versionis latin. Antehieronymianae, Wien 1868; 
Par palimpsestorum Wirceburgensium, antiquis- 
simae vet. test. versionis latinae fragmenta, ebd, 
1872; Fragmenta evangelii Lucani, ebd. 1874; 
aus dem 3. Jahrh. ober» u. nieder-ägpptifch oder 
foptiich (f. u. Koptifche Sprache); aus dem 4. Jahrh. 
äthiopiih (vom A. T. find früher Fragmente ge- 
druckt, jeit 1853 aber erfcheint: Biblia Veteris 
Testamenti aethiopica in V tomos distributa, 
1.—II., 2. Ausg. von Dillmann, Lpz. bis 1872, N. T., 
Nom 1548, 4), u. gothiſch (Ulfilas, ſ. u. Gothiſche 
Sprade); aus dem 5. Jahrh. armeniih (im 4. 
T. nad) den Septuaginta, Amjterdam 1666, Eon- 
ftant. 1715, Bened. 1733, Fol., Lond. 1817); 
aus dem 6. Yabrh. ift die Philorenianiich- jyriiche 
Überfegung des N. T.; die georgiiche, Most. 1751; 
aus dem 10. Jahrh. die angeljähfiihe (4 Evang., 
Dortr. 1565, Pentateuh u. Joſ., Orf. 1698, 
Plalm., Pond. 1640); die arabiihe aus dem 8, 
bis 10. Jahrh. (Pentateuch u. N. T., herausg. 
von Aurivillius, Upfala 1803, Rom 1671, 3 Bde, 
Fol.); die perfiihe aus dem Syriſchen (4 Evang., 
herausgegeben von Wheloc, Yond. 1657); aus dem 
9, Jahrh. die flaviiche, von Methodius u. Eyrillus, 
Oftrem 1581, Most. 1663, verb., Most. 1751, 
Kirchen-⸗B. der Nuffen, Serbier u. Illyrier, auch 
Kiew 1788, 5 Bde., Dfen 1804, 5 Bde.; bie 
waladiiche, von Gretichan, Bukareſt 1688, Balas- 
falva 1804; die moldautiche, Betersb, 1819; das 
N. T. für griechiſche Ehriften iliyriih, Wien 1795, 
Fol.; die türfiiche Überſetzunug von Seamann, 
Orf. 1666; die neugriehiiche von Kalliopolita, 
Leyd. 1638, von Mid. Diacedo, Halle 1710; die 
neuruffiiche von der Bibelgefellichaft in Petersburg 
1821 (vgl. Polyglotten). Aus der von Hierony- 
mus bejorgten Umarbeitung der Itala entftand 
jeit dem 5. Jahrh. die Bulgata, nad derjelben: 
die romanische der Waldenier im 12. Jahrh., die 
franzöfifhe vom F. 1294 (A. T. von J. Macho 
u. Ferget, Lyon um 1477), von Le eure d'Etaples, 
Paris u. Antw. 1523—28, 7 Bde, revidirt von 
den Löwenſchen Theologen, Antıv. 1578, von of. 
le Maitre de Sacy, Bar. 1672, 32 Bde., n. ö. 
noch Par. 1789—1804, 12 Bde., von Quesnel, 
Par, 1687, von Kid. Simon, Trevour 1702, 
4 Bde., von Bouhours, Par. 1704, von Galmet, 
Par. 1724, 8 Bde. Fol. (vgl. G. Striimpell, Die 
eriten Bellberfegungen der Branpolen, Braunſchw. 
1873); die engliſche, von Wicliffe 1380, Douay, 
1609 f., 2 Bde.; Die italienische, von Malermi, 
Ben. 1471, 2 Bde., von Martini, Turin 1776, 
23 Bde., Vened. 1781—86, 36 Bde; das N.T,, 
Yond. 1818; aud von Marmochino, Ben, 1538; 


Bibel. 


bie deuttichen feit dem erften Abdrud, Straßb. 1466; 
T. von Emier, Dresd. 1527; W. T. von 
Dietenberger, Mainz 1534; A. u. N. T. von Ed, 
Ingolſt. 1537; von Ulemberg, Köln 1030; von 
raun, Augsb. 1786, 1803, 3 Bde.; von Wide— 
mann, Regensb. 1819; die niederfächfiiche, von 
Joh. Hodderften, herausgeg. von Bugenhagen, 
Lübed 1534; die holländiſche, Delft 1477 (mur das 
4. T. ohne Pialter); die der Janfeniften, N. T., 
von van der Schnurren, Utr. 1698, A. u. N. T., 
bon van der Schnurren u. vd. Rhyn, ebd. 1732, 
2 Bbe.; die fpanische, von Scio de San Miguel, 
Madr. 1794—99, 19 Bde., 1807, 6 Bde.; die 
portugiefifche, von A. Pereira de Figueiredo, Liſſab. 
1730 ff., 23 Bde; die ungarische, von G. Kaldi, 
Wien 1626, Ofen 1782, N. T. von Erdöfi, Wien 
1574; die polnische, von Leopolita, Krakau 1561, 
u. Wuyek, ebd. 1599, Fol.; die ruffifche, von 
Storina, A. T., Prag 1519, , 
Nicht an die Bulgata banden ſich folgende Über- 
ſetzungen von u. für Katholiken: lateiniſch, N. T., 
bon Erasmus, Bafel 1516, von Sant. Bagnint, 
A, u. N. ZT, yon 1527, 1542, Fol.; deutich, 
nad) dem Grundtert von Brentano u. Dereier, 
FH. a. M. 1796—1810, 7 Bde; von Mut- 
helle, N. T,, Münch. 1789 f., 2 Bde., von Fiſcher, 
Prag 1794, von van Ei, Braunſchw. 1807, 
Stereot., Sulzb. 1820, A. T., Sulzb. 1822. 
proteftantifche Lberiegungen find: lateiniſch, von 
den Reformirten Seb. Münfter, U. T., Zürich 
1534, Yeo Judä u. Bibltander, A. u. N. I, 
ebd. 1543, Fol., Caſtalio, A. u. N. T., Baſel 
1551, Fol., Lpz. 1738, Beza, N. T., Genf 1556, 
Tremellius u, Junius, A. T., Frkf. 1579, Fol., 
Au N. T., Hannov. 1624, 2 Bde. Fol.; von 
den Lutheriſchen: Seb. Schmidt, Straßb. 1696, 
Dathe, A. T., Halle 1784— 94, 6 Bde., Reichard, 
N. T., Lpz. 1799, 2 Bde., Schott, ebd. 1805 
u. d., Schott u. Winzer, A. T., Altona 1816, 
1 Bb.; deutih, von Luther, Wittenb. 1522—32, 
5 Bde. Fol., revid. 1541, Fol., mehrere hundert 
Ausgaben, in denen nur Nechtfchreibung, Wort- 
u. Drudforn dem Üblihen angepaßt ward; fie 
behielt in der Futherifchen Kirde die Oberhand, 
während die Berfuche der Wiedertäufer (Propheten 
von Hetzer u. Deut, Worms 1527, Fol.), Unitarier, 
(R. Z. von Erell u. Stegmann, Rakow 1630; 
von Felbinger, Amfterd. 1660; von Triller, ebd. 
1703, von Reiz, Offenb. 1708), Eoccejaner, my— 
ſtiſche u. prophetifche B. von Horch, Marb. 1712; 
Binzendorf, * T., Büding. 1727, 2 Bde., der 
ihnen verwandten Myſtiker, A. u. N. T., Berleb. 
1730—42, 8 Bde. Fol., belannt als Berleburger 
B., u. a., vorzüglich von J. F. Haug bearbeitet, 
die wegen ihres Myſticismus zu vielen Unterfuch- 
ungen u. Streitigkeiten, ſelbſt auf dem Reichstage 
zu Regensburg Beranlafjung gab, die rationalt- 
ſtiſche Wertheimer B. (j. u. Schmidt), die des 
abgeihmadten Junkherrot, N. T., Offenb. 1732, 
des Böhmiften Kayſer, N. T., o. O. 1735, u. 
des frivolen Bahrdi, N. T., Riga 1773, 1774, 
2 Bde., nur fiterarifche Euriofitäten find. Die 
deutihen Überſetzungen der Meformirten find von 
2eo Judä, Züri 1527—29, 5 Bbe., 1531, Fol., 
Worms 1529, Fol.; neue Züricher B. 1665—67, 
Fol., 2 Bde., in der Schweiz kirchlich gebraucht; 


351 


von Piscator aus dem Lateinischen des Tremellius 
u. Junius, Herborn 1602 — 1604, 3 Bde., von 
Toſſanus nah Luther, Heidelb. 1617, Fol. Die 
Fortſchritte der bibliihen Kritif u. Exegeſe be- 
urfunden die neuen Berdeutihungen von Seiler, 
N. T., Erl. 1781, 1805, Stolz, N. T., Zürich 
1781, 1794, Hannov. 1820, Dlichaelis, A. T,, 
Gött. 1789, 2Bde., N. T., 1790, 2 Bde,, Thieß, 
N. T., Lpz. 1790—1800, 4 Bde., Bolte, N. T,, 
Altona 1795—1806, 8 Bde., Hezel, N. T., Lpz. 
1809, Preiß, N. T., ebd. 1811, 2 Bde., Örtel, 
A. T., Unsb. 1817, Kelle, A. T., Freiburg 1815 
bis 1819, 3 Bde.; von Augufti u. de Werte, A. 
u. N. T., Heidelb. 1809—14, 6 Bde., u. von 
de Wette allein, Heidelb. 1836, 3. A.; von Meyer, 
Frtf. 1819, 3 Bde., 3. Ausg. 1855, von Bunfen, 
j. unten VL Überſetzungen in andere europäiſche 
Sprachen find: Holländiſch, Antw. 1526, Fol., 
Emden 1552, Fol. (lirchlich gebraudt); an ihre 
Stelle trat die jogenannte Staaten-B. aus dem 
Örundterte von den orthodoren Theologen der 
Dortrechter Synode, Leyd. 1637, Fol., neue Über- 
jegung, Antw. 1657, Fol., von van der Bloten, 
Leyd. 1789—96, 138 Bde., von van der Palm, 
ebd. 1817 fi.; Engliich, von Coverdale nad dem 
Lateiniſchen u. Holländiihen mit Tindals N, T., 
Yond. 1535, Fol., nad dem Grundtert, 1539, 
Fol., von Puritanern, Genf 1561, Fol., von 
Parker u. A., Lond. 1568, Fol.; die kirchlich ge— 
braudte Biſchofs-B., unter Jakob I. neun überſetzt 
als Könige-B., ebd. 1611, Fol., iſt feitdem im 
der biſchöflichen Kirche allein gebraucht, neu nad 
dem Grundtert, Cambridge 1763, Fol., mit An— 
merfungen, Yond, 1811, 3 Bde,, u. oft in neuerer 
Zeit; von ler. Geddes nah dem Grumdtert, 
Lond. 1792—97, 2 Bde.; Wäliſch, Lond. 1654, 
1760, Caer Grawet, 1813; Gälifch, Yond. 1807, 
ebd. 1821; das N. T,, Edinb. 1807; im der 
Sprade der Inſel Mau, London 1815, 1819; 
Irländiſch, Lond. i681, ebd. 1817; Niederbre- 
tagnish, das N. T., Paris 1827; Bastiich, 
das N. T., Bayonne 1828; Franzöſiſch: von 
R. Benoift nad der Geufer, Par. 1566, Fol,. 
Ve Gros, nad dem Grundtert, Köln 1739, ır. in 
neuerer Zeit oft, 3. B. von Montauban, Par. 1819, 
2 Bde., zc.; von Dlivetan, Neufchätel 1535, Fol,, 
Genf 1540, Fol., redigirt von Beza u. Bertram, 
ebd. 1588, Fol., 1805, 3 Bde. Fol.; Kichen-B., 
von Gaftalio, Bafel 1555, Fol, von Martin, 
Amft. 1707, Fol., von Noques, Baſel 1744, von 
Ofterwald, Amft. 1724, Fol. (lirchlich gebraucht), 
von Le Gene, Amft. 1741, Fol., N. T., von de 
Clerc, ebd. 1713, 2 Bde; Socinianifh, am beften 
von Beaufobre Yenfant, ebd. 1718; Italieniſch: 
von Bruccioli, Bened. 1632, Fol. 154247, 
7 Bde. Fol., nach der reformirten lat. Überf, u. 
dem Grumdterte von Ruftici, Genf 1562, Fol., 
von Diodati nah dem Grumbdterte, ebd. 1607, 
1641, Fol., Lpz. 1744, N. T., von Berlando della 
Lega u. Ravizza, Erl. 1721 f., 2 Bde.; Maitefiich, 
die gejchichtlichen Bücher des N. T., Lond. 1829; 
Rhätiſch, Graubündiſch, Obergranbiindiih, Chur 
1718, Fol., Untergraubündifh, Scuol 1743, Fol., 
Euera 1818, N. T. 1820; Spanifd, von Gaf» 
fiod de Reyna, nad der reformirten Tat. Überf., 


Baſel 1569, verbejfert von Balera, Amft. 1602, 


352 


Bıbel. 


Fol, N.T., von Enzinas, Antw. 1543; Portu-)1777—80, 3 Bde., von Hammond, lateiniſch von 


giefifch von Ferreira dD’Almeida, 4. T., Trans 
auebar 1719— 38, 5 Bre., Pond, 1819, N. T., 
Amft. 1712, Batav. 174%—53, 2 Bde., 1773; 
Däntifch nah der Lutherischen, Kopenh. 1550, 

ol. (firhlih gebraudit), ebd. 1699, mach dem 

rundterte von Refenius, ebd. 1607, verbeffert von 
Suaning, ebd. 1647, neu verbeffert 1742, neu 
ebd. 1819; Fardiih u. Däniſch, das Evangelium 
Matthäi, Randers 1823; Isländiſch nad der Lu— 
theriihen u. der dänischen, Holum 1584, Fol., 
verbeilert 1644, Fol., Kopenh. 1747, 1813; 
Schwediih, N. T., nah dem Grundtert von 
Andreä, Upfala 1526, A. u. N. T., nad) der Lu- 
theriichen, von Olaf u. Yorenz Petri, ebd. 1541, 
Fol., revid., Stodholm 1618, Fol., neu revib,, 
ebd. 1703, Fol., 1801, 2 Bbe., neu überſetzt von 
Gezelius mit Anmerkungen, N. T., Abo 1711—183, 
2 Bde. Fol., A. T., Stodh. 1724—28, 4 Bde. 
Fol.; von einer Commiſſion jchwediiher Gelehrter 
wurde die B. 1834 ff, neu überſetzt; Finniſch, 
Stodh. 1642, Fol., Abo 1685, 2 Bbe., 1776, 
Petersb, 1817; Eſthniſch, N. T., Niga 1727; 
nach der Lutherifchen, Neval 1729, die ganze B. 
nad dem Grundtert, ebd. 1739, 1778, Petersb. 
1822, das N. T., ebd. 1816; Yettiich, nach der 
Lutheriichen, Riga 1689, 4 Bde., nad) dem Grund—⸗ 
tert, ebd. 1739, 3 Bbe., ebd. 1794, das N. ZT, 
Mitau 1816; Lithauiſch, das N. T., Königsb. 
1727, nad) der Lutherifhen, ebd. 1735, 17565, 
2 Bde.; ebd. 1816, 2 Bde.; Polnifch von Uni- 
tariern, Brzesc 1563, Fol., von Buduy, Czaslau 
1572, von Czechowitzky, Rackow 1577, vh Smal- 
cius, 1606; von Reformirten, Danz. 1632, Amt. 
1660, Halle 1726, von Schultz, Königsb. 1738 
(auch von Lutheriſchen gebraudt), Berl. 1810; 
Böhmische, von den Böhmiſchen Brüdern, nad 
dem Grundtert, Kralitz 1579—93, 6 Bde., ebd. 
1596, 1613, Fol., PBetersb. 1737, 1808, Königeb. 
1816, neu überiegt, Prag 1769—71, 3 Bde. Fol., 
Berl. 1813; Slavoniſch u. Ruſſiſch, Petersb. 1820, 
1822; Ruſſiſch, das N. T., Lpz. 1830, die 
Pialmen, Petersb. 1822; Wendiſch, nad) der Lu— 
theriſchen, Budiſſ. 1724, 1742, 1797, 1820 und 
1823; Ungariſch, nad der Lutheriſchen, von Heltei, 
Klaufenb. 1551—84, 5 Bde., nach der reformirten 
fateintichen, von Karolyi, Bifolt 1590, 3 Bde, Fol. 
(von Reformirten u. Lutheranern firchlich gebraudtt), 
verbeffert von Molnär, Hanau 1608, neue Ausg., 
Utrecht 1794, Peft 1805, Fol., von Ejiples, Leyd. 
1717 (auf laiferlihen Befehl confiscirt), N. T., 
von der futher., Trofoih, Wittenb. 1736, von 
Bäräny, Lauban 1754; Neugriehidh, das N. 
T., Yond. 1815; Albanefifh, Korfu 1827. Für 
außereuropäiiche Länder veranftaltete die Englische 
B.Geſellſchaft befondere Überfegungen in die meiften 
afiatiihen u. einige afrilanifche, amerikanische u. 
auftralifche, die ruſſiſche B.⸗Geſellſchaft in die nord» 
afiatiihen Sprachen, meift nur das N. T. oder 
einzelne Evangelien enthaltend. ©. d. unter den 
einzelnen Nationalliteraturen. 

VI. Ertlärung der B. Für die Auslegung 
des Urterts (Eregefe) ift feit den älteſten Zeiten 
viel gearbeitet worden. Die wichtigften Paraphraſen 
oder erläuternden Umichreibungen vom N. T. find 
die von Erasmus, men herausgegeben, Berl. 


Elericus, Frif. 1714, 2 Bde., Fol., von Semler, 
in mehreren Abtheilungen, 1771—92, von —— 
in mebreren Abtheilungen, 1769—76. Commen⸗ 
tare fchrieben umter den Kirchenvätern: Drigenes, 
Commentationes, hHerausgeg. von Huet, en 
1668, 2 Bde. Fol., Johann Chryſoſtomos (in 
feinen Homilien), Theodoretos (Comment. über 
die Paulinishen Briefe), Theophylaftos, Olume⸗ 
nios, melde meift den Chryſoſtomos ausichric 
ben; Hieronymus (Comment. über das U. u. N. 
T.) u. Auguftinus, in mehreren eregetiichen Schrif- 
ten. Im Mittelalter zeichneten fid) als Ausleger 
aus: Walafrid Strabo (gloffizte B.), Beda Bene 
rabilis (Comment über das U. u. N. T.), Nicol. 
de Lyra (Postilla perpetua in universa biblia). 
Der Reformation arbeiteten vor: Laurentius Balla 
(Annotationes in N. T.), Erasmus (Commen- 
tationes in Evangelia et epistolas can.); Luther, 
Melandthon, Zwingli u. Calvin haben Mehreres 
für die Auslegung der B. gearbeitet; außer ihnen 
waren zur Zeit der Reformation: Joachim Ga- 
merarius (Comment. in N, T.), Striegel (Hypo- 
mnemata in N. T.), Ocolampadius, Brenz, 
Bucer, Pellicanus, Bullinger, Musculus, melde 
faft die ganze B. commentirten; Fr. Vatablus, 
Seb. Münfter, Joh. Mercerus haben fi um das 
A. T. verdient gemast; jpäter Theod. Beza 
(Annotationes inN.T.), Jo. Drufius (Annotatt. 
über faft alle biblifhen Bücher), Hugo Grotius 
(Annotatt. in V. T., 3 Thle,, Fol. Bar. 1644, 
von Bogel u. Döderlein, Halle 1775 f., 3 Thle., 
Annotott. in N. T., herausgeg. von Windheim, 
Erl. 1745—57), Abr. Calovius Biblia illustrata, 
1672— 76, 4 Thle., Fol.), Lud. de Dieu (Critics 
sacra, 1693), J. Elericusg (Commentar über das 
ganze A. T., Bearbeitung von Hammonds Para« 
phrafe). Die Erklärungen mehrerer dieſer Aus- 
leger, des Grotius u. 4. find gefammelt in den 
Critica sacra, Lond. 1660, 9 Bde. Fol., Ami. 
1698, 9 Bde. Fol., Frankf. 1696, 7 Bde. Fol, 
2 Suppl., 1700 f. Kurze Ercerpte aus allen 
befjeren Auslegern enthält Matth. Bali, Synopsis 
erit. alior. scripturae sacrae interpretum, Fond. 
1669, 5 Bde. Fol, Fılf. 1694, 1712. Eine ereger 
tiſche Sammlung ift das Engl. Bibelwerf, heraus- 
gegeben von Romanus Teller, Baumgarten u. A., 
Ypz. 1749—70, 19 Bde. Neuere Eommentare 
find: Scholia in V. T., von Rofenmüller; Schol. in 
V.T., von Schulz u. Bauer, 1783—98, 10 Thle.; 
Maurer, Comment. in V. T., Lpz. 1832 ff., u. 
Eregetiiches Handbuh zum A. T. von Hirzel, 
Hitzig u. U., 2pz. 1838 f.; Wolf, Curae philol. 
et crit. in N. T., 1739—41, 4 Thle.; 3. G. 
Rofenmiller, Schol. in N. T.; Koppe, N.T. 
perpetua annotatione illustratum, fortgejeßt von 
Heincihs und Pott, 1778 ff.; Schmidt, Philo» 
logiſche Elavis über das N. T., fortgejegt von 
elter 1796—1805; Kuinöl, Comment. in li 
N. T. hist, 1807—18, 4 Tble.; Olshaufen, 
Ebrard u. Wiefinger, Bibliiher Commentar, Kö— 
nig&b. 1830—53, 7 Bbe., u. d.; de Bette, 
—J— Handb. zum N. T., Lpz. 1838 -48, 
11 Thle., u. ö.; Meyer, Kritiſch⸗-exegetiſcher Com⸗ 
mentar zum N. T., Götting. 1832 4 u. ö. B.⸗ 
Lexikon, Realwörterbuch zum Handgebrauche für 


Bibel, 


353 


Geiftliche u. Gemeindeglieder, in Verbindung mit] Authenticität u. Integrität, Zweck, Inhalt und 
Bruch, Dieftel, Dillmann zc. herausgeg. von D.|Schreibart, auch eigenthümliche Schidfale einzelner 
Schentel, Lpz. 1868 fi. Die Commentare zu den|biblifhen Bücher ein, Nachdem durch Eaifiodorus 


einzelnen biblischen Büchern f. u. denſelben. 


ußer-|(De institutione divinae scripturae), Pagninus 


ordentliche Fortſchritte hat die biblifche Erflärung|(Isagoge ad sacras literas), Sirtus von Siena 
fammt der Hermeneutit feit der Mitte des 18.|(Bibliotheca sancta) u. Walther (Offieina bi- 


Jahrh. gemacht, durch freies Eingehen u. Forſchen 
nach dem wahren Sinne der heiligen Schriften, 
dur Fortſchreiten der grammatiichen Kenntniffe 
auf biftorifhem u. philoſophiſchem Wege, durch 
tiefere Einficht in das Weſen der nterpretations- 
mittel u. ihren Gebraud, verbunden mit verfei- 
nertem Geihmad und wahrer Pietät gegen die 
Schriftſteller. In der altteftamentlihen Exegeſe 
haben fi} befonders Gejenius, Emald, de Wette, 
Umbreit, Maurer, Hengftenberg, Hitig, Hävernid, 

upfeld, Knobel, Schlottmann , R Versi, K. 

il, in der neuteſtamentlichen als Lexikographen 
Winer, Bretſchneider, Grimm, Wahl, als Gram- 
matiker Winer und Buttmann, als Berfaſſer 
von Commentaren Bengel, Flatt, Storr, Pau- 
lus, Kuinöl, Tittmann, Schulz, Fritzſche, Lücke, 
Tholud, Olshauſen, Harleß, Rückert u. v. A. aus: 

ezeichnet. Den Beausgaben mit fortlaufenden 

Härungen liegt die Lutheriſche Überfegung zu 
Grunde, fo die Weimarifhe oder Nürnberger 
B., nad ihrem Begründer, go Ernft dem 
Frommen, auch Erneftiniihe B. genannt u. von 

erbard, Glaffius, Joh. Major u. U. bearbeitet, 
Nürnb. 1641, n. A., 1768 f.; das Pfaffſche B- wert, 
Tüb. 1729, Fol., 4 Thle.; die Liebich- Burgiche 
B., Bresl. 1756—64, 3 Bde.; die Braunfce B., 
Erf. 1764—69, 2 Thle.; Körnerſche B., Lpz. 1770 
bis 1773, 3 Thle.; Hetzelſche B., Lemgo 1786 bis 
1791, 10 Thle.; die Altonaer B. von Funk, 
Altona 1815; die von Meyerſche, Frkf. 1818, 
83. A., 1855 f., 3 Thle.; das theologiſch⸗homiletiſche 
B-wert von Lange, Bielef. 1857 ff.; Bunſens 
B⸗werk für die Gemeinde, Lpz. 1858 ff.; von 
Gerlach, von Rud. Stier, Bielef. 1856 fi.; die 
Schullehrer-B-n von ©. F. Seiler, N. T., Erl. 
1790 f., 3 Bbe., u. ö., U. T., 1796, 3 Bbe., 
2. X., 1819, Dinter, Neuft. 1824—28, 9 Thle., 
n. von Brandt, Sulzb. 1829—31, 3 Thle.; die 
Prediger-B. von Fiſcher u. Wohlfahrt, Neuft. 
1836 fi. 

VU. Die Einleitung in die B. ift die Wiſ— 
fenichaft, welche die kritiichen Unterfuchungen über 
die Geſchichte der Entftehung, Erhaltung u. Samm- 
fung der bibliihen Bücher, über deren Grund» 
ſprachen, Überfegungen und Erflärungsimittel in 
Ipftematifher Ordnung darlegt. Die allgemeine 
Einleitung, welde die B. im Ganzen betrifft, hat 
die Geſchichte u. Charakteriſtil der Geiftesbildung 
un. Literatur ber Hebräer, ber von ihnen gebraud- 
ten Sprachen u. Schriftzeichen, der Sammlung, 
Anordnung n. kirchlichen Geltung des Kanons ‘ 
Belanon), des Originaltertes der B., feiner Schid- 
fale u. Beränberungen, mit Beichreibung der Hand» 
fchriften, u. eine Mufterung der ſprachlichen (alte 
Überfegungen u. Erklärungen, Gebrauch anderer 
orientalifhen Sprachen u. der griechiſchen) u. ſach⸗ 
fihen (Angabe der eregetiihen Hilfsmiffenichaften 


blica) alte Materialien überliefert, durch Hottinger 
(Clavis seripturae 8.) u. Leusden (Philologus 
hebraeus, Phil. hebr. mixtus) kritiſche Unterfuch- 
ungen —— u. durch Brian Walton (Appa- 
ratus biblicus), Simon (Histoire eritique du 
V. T., Par. 1678; Hist. crit. du texte du N. 
T., Rotterd. 1689; Hist. crit. des versions du 
N. T.; Nouvelles observations sur le texte et 
les versions du N. T.. Par. 1695; Hist. crit. 
des commentateurs du N, T., 1693) lichtvolle 
Refultate dargelegt worden waren u. Carpzob, 
(Introduetio ad libros canonicos V. T.: Critiea 
sacra V. T.), die erfte Einleitung in das 4. T. 
in Deutfhland in ſtreng Lutheriichem Geifte ger 
Ichrieben batte, ſchritt Semmler (Apparatus ad li- 
beralem N, T. interpretationem; App. ad li- 
beralem V. T. interpr.) auf Simons Wege fort, 
lehrten der Engländer Lowth (De sacra po&si 
hebr., Gött. 1758) u. Herder (Bom Geifte der 
bebr, Poefie; Briefe über das Stubium der 
Theologie; Ältefte Urkunde des Menfchengeichlechtes) 
den Geiſt der bibliihen Schriftfteller würdigen, u. 
ftellte zuerft Eichhorn (Einleitung in das u T., 
Lpz. 1780—83, 3 Bde., 4. A., 1823 f., Einleit- 
ung in die apokryphiſchen Schriften des A. T., 
Lpz. 1795: Einleitung in das N. T., ebd. 1804) 
den Ertrag der Wiſſenſchaft mit feinen eigenen 
Unterfuhungen zufammen, Gefördert wurde fie 
in der neueften Bet durch gründliche Forſchungen 
über einzelne Theile der Einleitung in das. T., 
von Hafie, Rofenmüller d. J., Vater, Bertholdt, 
de Wette, Gefenius, ©. &. Bauer, J. Jahn, 
Augufti, Adermann, Hengftenberg, Beiträge zur 
Einleitung in das A. T., Berl. 1831—39, 3 Bde. ; 
Hävernid, Handbuch der hiſtoriſch-kritiſchen Ein- 
leitung in das U. T., Erf. 1836—39, 2 Bbe.; 
Herbft, Hiſtoriſch⸗kritiſche Einleitung in die heiligen 
Schriften des A. T., Tüb. 1840—42, 2 Bde.; 
K. Keil, Lehrbuch der hiſtoriſch⸗kritiſchen Einleitung 
in die kanoniſchen u. apokryphiſchen Schriften des 
A. T., 3.4, Frkf. 1873. Die wichtigſten Ein- 
leitungen ins N. T. find von Michaelis, Hänlein, 
Eichhorn, Schmidt, Hug, Einleitung in die Schrif- 
ten des N. T., Tiib. 1808, 2 Bde., 3.4, 1826; 
Gueride, Creduer, Einleitung in das N. T., Halle 
1836, 1. Bd.; Beiträge zur Einleitung in die 
biblifhen Schriften, ebd. 1832—38, 2 Bde., u. 
Das N. T., nah Zwed, Urfprung u. Inhalt für 
denfende Lejer der B., Gießen 1841—43, 2 Bde.; 
Reuß, Geſchichte der heiligen Schriften des N. T., 
Halle 1842, 4. A, 1864; über einzelne Bücher 
der B. ftellten Unterfuchungen an: Schleiermacher, 
Giefeler, Bretſchneider, Schnedenburger, Holg- 
mann, Blanf, Strauß, Baur, Br. Bauer u, 4. 
In einem Werke verband Berthold die Einleitung 
in das A. u N. T., Erl. 1812—19, 6 Bre,; 
de Wette, Lehrbuch der biftorifch- kritischen Ein⸗ 


im Allgemeinen) Hilfsmittel zur Auslegung derjleitung in das 4. u. N. T., Berl. 1817—26, 
B. zu lehren. Die beſondere Einleitung geht aufj2 Bde., u. ö. 


Unterfuchungen über Berfaffer, Entftehungszeit, 


Vierers Untverfal:Eonverfations-@eriton. 6. Aufl. II. Band. 


VII. Dogmatifhe Befimmung über die 
23 


354 


B. Die Katholiſche Kirche verehrt die Bücher 
des A. u. N. T. als eine Hauptquelle zur Er- 
fenntniß der göttliben Offenbarung, als unter 
dem ummittelbaren Einfluß des Heiligen Geiftes 
geichrieben (infpirirt) u. folglich über jeden biito- 
riſchen u. doctrinellen Irrthum erbaben. Allein 
die B. ift ihr mol eine, aber nicht die einzige, 
ausſchließende Erkenntnißquelle der Offenbarung; 
fie nimmt neben ihr auch eine mündlich fortge- 
vflanzte Tradition (j.d.) an u. gibt derfelben, als 
der urfprünglichen Ertenntnißguelle, gleiches An- 
jeben mit der B., Da keineswegs erwiefen werden 
{önne, dab Alles, was Jeſus gelehrt, in der B. 
verzeichnet ſei u. es ein lebendiges Yehranıt der 
unfeblbaren Kirche gebe. Sie glaubt, daß es, da 
bisher alle Irrlehrer den Buchſtaben der Schrift 
zu ihren Gunften angefübrt haben, jeder ſein 
Zyftem daraus beweilen will u. folglich nicht 
dem Einzelnen die eigene Auslegung der B. 
überlafien werden kann, ein fiheres Mittel geben 
müſſe, um den wahren Sinn des geichriebenen 
Wortes zu beftimmen u. dafjelbe nicht der Will 
für und launenhajten Deutungsiucht des menſch— 
lichen Witzes auszufesen. Sie nimmt daber eine 
untrügliche Auslegerin der B. an, die Kicche, u. 
hält dafür, daß ohne eine authentische Auslegung 
der B. eine völlige Anarchie in der nterpretation 
unvermeidlich fei, weil Niemand berechtigt iſt, ſei— 
nem Mitleſer feine eigene Erklärung als fiber u. 
zuverläfftg vorzuichreiben. Dem von Chriftus ge 
fifteten Lehramte gebührt das Necht dieſer Schrift- 
erflärung; jo bat das Comcil zu Trient in der 
4. Seffion entihieden. Daſſelbe har auch die Bücher 
des N. u. N. T. verzeichnet, welche die Katholiſche 
Kirche für kanoniſch hält (ij. Bibellanon u. Apo- 
finpben), aud) die als Vulgata belannte lateinische 


B-überjegung für authentiſch, d. i. zuverläffig in 
Berreff der Reinheit der Glaubens» u, Shake 


u. zum öffentlichen Kirchengebrauche beftummt, er- 
flärt. Die Proteſtantiſche Kirche bezeichnet in 
ihren Bekenntnißſchriften die Heilige Schrift als 
den allein glaubwürdigen Eoder aller göttlichen 
Offenbarung (Auctoritas s. Fides scripturae 
sacrae) und erlennt demgemäß in derjelben die 
Regel u. Richtſchnur des Glaubens u. Lebens der 
Chriſten, nad welcher man Alles zu beurtheilen 
habe, was als göttliche Lehre oder Anordnung 
gelten ſoll. Hierbei wird für die Auctoritas hu- 
mana dreierlei vorausgeſetzt: die Authentie (Echt- 
heit), die Ariopiftie (Glaubwürdigkeit) u. die In— 
tegrität (Unverfälichtheit) der einzelnen Bücher. 
Die Auctoritas divina der B. aber gründet fi 
auf die Inſpiration, wonach die Schriften von 
dem Geifte Gottes eingegeben worden find. Be— 
reits zur Zeit Jeſu ſah man das A. T. für in- 
jpirirt an, jedoch wurde in der erften chriftlichen 
Kirche die Inſpirationstheorie nicht weiter ausge 
bildet u. nicht forwol als Dogma, jondern als Sade 
des frommen Gefühls behandelt, Je mehr man 
aber anfing, der Kirche dieſelbe Autorität zuzu— 
ſchreiben, wie der Heiligen Schrift, defto jchärfer 
betonte man die Inſpiration, u, die fpäteren Dog- 
matifer nach der Neformation, befonders jeit Ger- 
hard u. Calovins, bildeten die Jnipirationstheorie 


Bibelausgaben — Bibelgejellichaften. 


tholifchen Kirche gegenüber die auf Inſpiration 
gegründete Auctorität der Schrift fefthielt, um dar 
mt die Vehren von der Tradition u. von dem 
Anjeben der Goncilien wie der Päpſte zurüdzu- 
weilen. Man faßte hierbei die Inſpiration, als 
das Werk des Heiligen Geiftes, in einer doppelten 
Beziehung auf, indem man feine Wirkjamfeit 
theils auf den Antrieb, zu ichreiben, theils auf den 
anzen Inhalt der Schrift, ſelbſt auf die hebräiſchen 
untte, ſowie auf die Geſchichte u. jedes Wort der 
Heiligen Schrift ausdehute. Obſchon die neueren 
Theologen die Lehre von der Inipiration vericdie- 
den auffaßten n. darftellten, fo bielt man dod in 
der Proteftantifchen Kirche bis auf die neueſte Zeit 
an der Anctorität der Heiligen Schrift feſt, fucht 
da8 formale Princip der Kirche wiſſenſchaftlich 
immer mebr zu begründen u. hält es nicht bloß 
der Katholiſchen Kirche entgegen, fondern im der 
Kirche jelbit den Anhängern des Naturalismus u. 
Rationalismus, die an die Stelle der Schrift die 
Auctorität der Vernunft fegen (val. Wisticenus, 
Ob Geift, ob Schrift, Lpz. 1845), ebenſo wie den 
Dipftifern, die ſich einer unmittelbaren Einwirkung 
des Heiligen Geiſtes rühmen. Was die Ausiegung 
der Schrift anlangt, jo bat die Proteftantiiche Kirche 
(im Gegenſatze zu der Katholiſchen Kirche, die auch 
bier das Ansehen der Kirche feithält) immer mebr 
der grammatifch- biftoriichen Juterpretation, be 
fonders feit Ernefti u. Semmler, ſich zugeneigt, 
wonad jede Stelle nah dem Spradgebraude u. 
nach dem Verhältniß ihrer Zeit ausgelegt u. zu 
nächſt ein beftimmter Wortfinn gejucht wird, wo— 
bei aber immer die Harmonie aller dogmatiihen 
Schriftjtellen unter einander beridfichtigt werden 
muß. Die Lehre von dem Schriftprincip ift in 
neueſter Zeit befonders von Hundesbagen, Julius 
Müller, Hofmann u. U. wiſſenſchaftlich behan- 
delt worden, 
Bibelausgaben, ſ. u. Bibel IV. 
Dibelauslegung, |. Exegeſe u. Bibel VI. 
Bibelfeft, Feit zur Erinnerung an die Wohl 
thaten, weldye die Chrijten der Heiligen Schrift 
verdanfen; zuerft-von Bugenhagen, jegt von fait 
allen Bibelgeiellihaften jährlich gefeiert. 
Bibelgeſellſchaften, Bereine, deren Aufgabe 
ift, Bibeln für einen geringen Preis, oder aud 
umjonft zu verbreiten. In Großbritannien 
u, vorziiglih in England bildete ih jchon 1780 
eine Bibelfocietät für Arme u. Seefabrer; aber 
den eigentlichen Anuſtoß der dortigen großartigen 
Bibelgeſellichaſten gab der Prediger Charles, ber 
1800 aus Wales nach Yondon kam, um Abhilfe 
des Mangels an wäliſchen Bibeln zu fuchen, u. 
auch 20,000 Eremplare erhielt. Auf den Mangel 
an Bibeln in fait allen Yandern aufmerkjan ge 
macht, gründeten viele Mitglieder der 1795 ge 
ftifteten Miifionsgeiellichaft in Verbindung mit 
Anderen 1804 die Britiiche u. ausländifche Bibel 
gejellihaft (The British and foreign Bible Society) 
zu London. Ihr Zwed war u. ift, erſt den Ar 
men in Großbritannien, dann nach Kräften allen 
Bölfern der Erde ganz umfonft, oder für einen 
geringen Preis die Bibel zu verſchaffen. Das 
Unternehmen fand große Theilnahme, obgleich 


aus, um damit die Lehrfäge der Socinianer und'mebrere hohe Geiftlihe der Biſchöflichen Kirde 
Arminianer zu befämpfen, während man der Ka» demfelben abgeneigt waren, In Großbritannien, 


Bibelgejellichaften. 355 


feinen auswärtigen Befitungen u. anderen Län- ſterdam in Berbindung mit SO Abtheilungen für 


dern, fo im dem zugänglichen Gegenden Aſiens, 


die Verbreitung der Bibel theils im Mutterlande, 


Arilas, Amerikas u. Indiens, wie in den culsitheils auf der Inſel Java. In der Schweiz ver- 
tivirten Ländern Europas, entitanden Hifs- u. folgt die 1804 geftiftete Bibelgefellihaft in Bafel 


Zweiggeſellſchaften u. feine Bibelvereine, deren 
Mitglieder wöchentlich wenigftens 1 Penny beitru- 
gen. Die Bibel ift durch dieſe engliihen B. in 
die meiften befannten Sprachen der Erde (über 
150, darumter 130 neue Spr.) überjegt; den 
Katholiten wird fie in dem von ihnen anerfaun- 
ten fatholifhen Überjegungen geliefert. Um einen 
annähernden Begriff von der —— Thätig- 
tzit Diefer Bibelgejellichaft zu geben, fei erwähnt, dag 
fie bis 1862 bereits über 23 Mil. Bibeln zur Ber- 
teilung gebradt hatte u. aus etwa 8000 Zweig— 
geſellſchaften beſtand. 1831 fonderten fi) durch den 
verworfenen Antrag, Alle, welche nit an den 
dreieinigen Gott glaubten, aus der Geſellſchaft zu 
weifen, eine Trinitariſche Bibelgefellichaft ab, 
welche fih aber bald nur auf die Anhänger Ir— 
vings beichränfte. Die Londoner Bibelgejellichaft 
it die bedeutendite u. ausgedehntefte; fie hat in 
dem Mutterlande u. in den Golonien zahlreiche 
Filialanſtalten. Ihre Einnahmen beftehen in 
Schenkungen, Subfcriptionen, Yegaten ꝛc. Ihrer 
Bibelverbreitung ftand faft überall die Thür offen, 
nur in den ſpecifiſch römischen Ländern, Spanien, 
Portugal m. Jtalien, blieb ihre Wirkjamfeit aus- 
geſchloſſen (f. u.). In Deutſchland hat fie Depots 
ın Köln, Frankfurt a. M. u. Berlin. In Deutſch— 
land: Die Preußiſche Haupt-Bibelgeſellſchaft in 
Berlin, am 2. Aug. 1814 gegründet, jteht mit vier 
len Zweiggejellichaften in Berbindung; fie erhielt 
durch eine Minifterialverordnung vom 9. FJuni1849 
die Erlaubniß zur Eolportage der Bibeln u. hatte 
bis 1862 1,879,034 Bibeln u. 841,488 N. Tefta- 
mente vertheilt. Die Sächſiſche Haupt-Bibelge- 
ſellſchaft in Dresden mit 32 Bmeigvereinen ift 
gegründet 1813; auch hier befteht das Inſtitut 
der Bibelcolporteure. In Bayern leitet der 1823 
gegründete Gentralbibelverein für die Proteftan- 
tische Kirche des Landes zu Nürnberg die Bibel- 
verbreitung in Verbindung mit 86 Hilfsvereinen, 
Die Württembergifche Bibelgejellihaft zu Stutt- 
gart, feit 1812; da fie bis 1846 mehr Bibeln 
verbreitet hatte, als es proteftantiiche Familien 
im Lande gab, fo entftand bei der Jahresver— 
jamımlung 1846 bie Frage über Auflöfung der 
Gefelljhaft, indem ihre Aufgabe erfüllt vorliege; 
es wurde aber wegen des Bedürfniffes im Aus- 
lande das Fortbeſtehen beſchloſſen. Die Schles- 
wig⸗ Holſteiniſche Landes-Bibelgefellichaft zu Schles- 
wig, jeit 1826 beftehend, erhielt anfangs von der 
britiichen Geſellſchaft Unterftügungen zur Anlegung 
einer eigenen Druderei, trennte fih aber fpäter, 
ebeifo wie die Oberheſſiſche in Marburg, von ihr, 
ald man in England grumdbjäglih die apokryphi— 
ſchen Bücher aus den Bibeln wegließ. Die Freien 
Städte haben alle B.: die Bibelgefellichaft zu 
Hamburg ift 1817 gegründet und mit ben Ber- 
einen zu Bergedorf, Eppendorf, Ham u. Stein- 
bed verbunden. Im Herzogthum Altenburg be- 
ſteht eine Bibelgefellichaft feit 1853 zu Altenburg, 
mit welcher ſich 1856 aud die 1825 zu Shmölln 
gegründete vereinigte. In den Niederlanden 
wirkte die Niederländische Bibelgefellichaft in Am- 


innmer noch eine rege Thätigleit. In Frankreich 
gibt es drei einheimifhe B. 1) die Bibelgejellichaft 
von Franfreih, 2) die Franzöfiiche und Auslän« 
diſche Bibelgejellihaft, 3) die Proteſtantiſche Bibel- 
gejellihaft von Paris. In Rußland legte die 
Britiihe Gefellichaft den Grund zur Bibelverbreit- 
ung, anfangs (1806 und 1807) nur für die am 
Kaspiihen Meere für die Tataren gegründeten 
Miffionsftationen; fpäter (1810—12) für Finn⸗ 
land u. Eſthland; 1812 bewilligte der Kaifer für 
die Finniſche Bibelgefelichaft bedeutende Kron⸗ 
zehnten ꝛc. Daraus entjtand die Ruſſiſche Bibel- 
geſellſchaft in Petersburg, welche 1813 die kaiſerl. 
Genehmigung erhielt. Die Griechische, die Katho- 
liche, die Lutheriiche, die Reformirte u, die Arme- 
nische Kirche waren bei der Geſellſchaft repräfentirt, 
um die Bibel in dem ganzen Nuffiichen Reiche zu 
verbreiten. Die Gefellichaft übernahm jofort von dem 
Heiligen Synod der Griechischen Kirche, welche das 
alleinige Hecht des Drudes u. der Herausgabe der 
Bibeln in Rußland hat, die vorräthigen Eremp- 
fare zur Vertheilung, ftiftete noch 1813 eine Hiljs- 
gejellichaft in Moskau u. ließ die Bibel in die ver- 
jhiedenen Sprachen überfegen; 1815 traten die 
Griechen bei, u. die Zahl der Hilfsgejellichaften 
wuchs bedeutend. Das Erſcheinen der Bibel 
überfegung in das Neu-Ruffiihe u. die große Ver— 
breitung derjelben unter dem Landvolfe erwedte 
aber das Mißtrauen der Geiftlichen, u. dies trug 
am wmeiften dazu bei, daß 1826 die Vibelgejell- 
haft durch einen faiferl. Befehl aufgehoben wurde, 
An ihrer Stelle wurde die Ruſſiſch Broteftantische 
Bibelgejellihaft in Petersburg gegründet. Neuer» 
dings hat die Ruſſ. Bibelgefellihaft fich wieder neu 
conjtituint u. bereits 305,000 Bibeln verbreitet. 
Aud die H. Synode hat das N. T. in ruffiicher 
Sprache druden laſſen und im Jahre 1873 die 
Überjegung der ganzen H. Schrift in 3 Bänden 
vollendet. In den Standinapifchen König- 
reichen befiehen fehr thätige B.: die dänijche in 
Kopenhagen hat Hilfsgejellichaften in Island und 
in Weftindien; die Schwedische in Stodholm u. in 
Gothenburg die norwegische. In der Türkei 
nahm ſeit 1855 die Bibelverbreitung durch die 
Engländer u. Amerilaner einen großartigen Anf- 
Ihwung. Ju NAmerika hatte die Haupt-Bibel- 
gejellihaft mehr als 1000 Töchtergefellihafen. In 
Kanada befteht eine Hilfsgeſellſchaft. In Une 
garn und 1822 in Ofterreich murden die B. 
verboten; bejonders aber verhielt fich die päpit- 
liche Regierung feindfelig gegen diejelben, Nach: 
dem bereits Gregor XVL in einer Encyllica 
am 8. Mai 1844 gegen die Geſellſchaften zur Ber: 
breitung der Bibel fih entſchieden ausgeiprochen 
u. die früheren Verordnungen über das Leſen der 
Bibel eingefhärft hatte, wiederholte Pius IX, in 
der Encyklica vom 9. November 1846 feine 
mißbilligende Erflärung gegen diefelben. Ebenſo 
feste in Spanien, wo noch 1861 Matamoros 
wegen Bibelverbreitung zu ſchwerer Kerkerbaft 
verurtheilt wurde, eine intolerante Geſetzgebung 
der Tätigkeit der Geſellſchaft große Hinderniiie 
23* 


356 


Bibelkanon. 


entgegen. Die neuere Geſetzgebung in Ofterreich jung her Bücher wich man von den hebräiſchen 
aber, bie politiihe Neugeftaltung von Italien, Juden ab, wie jet das Buch Ruth bei dem der 
die Revolution in Spanien von 1868 u. bie da⸗ Richter, die Klagelieder bei Jeremias, Daniel un» 
mit verbundenen Reformen der Gefegebung|ter den Propheten, Esra u. Nehemia, Efther u, 
haben auch in biefen Ländern der Gefellichaft|die Ehronifa bei dem älteren hiſtoriſchen Büchern 
neue, große Wirfungsfreife eröffnet und ihnen ſtehen. Den in den Kanon aufgenommenen Bü- 


volle Freiheit gegeben. 

Hi Berichten von 1874 ift der Stand ber 
B. folgender: Es find bis jetzt im Ganzen 120 Mill. 
Heil. Schriften in 210 Spraden von den B. ge 
drudt u. Verbreitet worden. Davon fommen auf 
die brit. u. ausländiihen B. 70 Mill., auf die 
amerifaniihen 30 Mill., anf die übrigen 20 Mil. 
In Großbritanien wurden im Jahre 1873 ver- 
breitet 1,006,000, in Deutichland 489,000, in 
Frankreich 200,000, in Spanien und Portugal 
70,000, in talien 41,000, Ofterreih 140,000, 
Türfei und Griechenland 52,000, Dänemarf, 
Schweden u. Norwegen 175,000, Rußland 292,000, 
Amerifa 1,100,000, Afien 289,000, Afrifa 20,000, 
Auftralien 16,000 Eremplare der H. Schrift (ganz 
oder zum Theil). Die Einnahmen der brit. u. 
ausländ. B. betrugen 1873 4,543,000 M, die der 
amerif. 2,847,000 M. 

Bibellanon, die Sammlung der Biblifchen 
Bücher, in denen die Kirche die Richtſchnur (Ka- 
non) des chriftlichen Glaubens u. Lebens findet. 
Er zerfällt in den auch von den Juden anerlaun- 
nah ee des Ulten u. in den des Neuen Tefta- 
ments. I. Kanon des U. T. Nah allge 
meiner Sitte des Altertfums wurden die Älteften 
biftoriichen und heiligen Urkunden des jübdifchen 
Boltes zur Seite der Bundeslade im Tempel nie- 
bergelegt u. die heiligen Schriften nah u. nad 
hinzugefügt. Als aber nad dem Eril das Heilig- 
thum fehlte, fo machte fih das Bebürfnig einer 
Sammlung derfelben geltend, und zwar ftiflete 
wahrſcheinlich Esra in Berbindung mit anderen 
Männern (Große Synagoge) den jegigen Kanon 
des U. T. Gründe zur Aufnahme waren der 
Wunſch, vaterländiſche u. nationale Schriften zu 
faınmeln uw. die durch innere Kennzeihen u. all- 
gemeine Tradition als vom Geifte Gottes einge- 
geben beglaubigten religiöfen Urkunden zu erhal- 
ten. Der altteftamentliche Kanon wurde ſehr früh 
ſchon in 3 Theile eingetheilt: a) der 1. Theil 
enthielt die Thora (das Geſetz), beftehend aus 
den 5 Büchern Mofis; b) der 2. Theil die Ne- 
biim (Propheten), u. zwar die hinteren Prophe- 
ten, die jetst unter dem Namen Propheten befann- 
ten (außer Daniel), u. die vorderen Propheten, 
die gemöhnlih Geſchichtliche Bücher genannten, 
die Sücer Joſua, der Richter, Samuelis u. der 
Könige; Prophetiihe Bücher hießen dieſe wegen 
ihrer Berfaffer, für die man nad der Tradition 
die Propheten Joſua, Samuel, Nathan u. ere- 
mias bielt; e) den 3. Theil bildeten die Ketu- 
bim (Hagiographa), beftehend aus den poetifchen 
Büchern Hiob, Pſalmen u. Sprüchen, Hohem Liede 
u. Prediger Salomonis, Ruth, Klageliedern Fere- 
mid, Eher (bei den Juden die fünf Rollen), den 
Büchern Esra u. Nehemia (bei den Juden ein 
Bud), den Büchern der Chronik u. Daniel. Die 
er der Bücher wird verjhieden angegeben: Jo⸗ 
ſephos zählt 24, die griedhiichen Juden u. mande 
Kirdhenväter 22, andere 27; auch in der Berbind- 


ern fchrieben die Juden in Paläftina u. Aler- 
andrien eine größere Heiligleit zu, als den fpäter 
erſt dazu gelonmmenen Apofryphen. Eine Ber- 
fhiedenheit in Bezug auf den Umfang des Ka 
nons fand bei veridiedenen Parteien ftatt: bie 
Samaritauer hatten nur einen Pentateuch in eigen» 
thümliher Form u. eine Bearbeitung des Buches 
Joſua, alle anderen Schriften verwarfen fie; die 
Sadducäer verwarfen die Zuſätze u. Erflärungen 
der Pharifäer; die Effener nahmen neben allen 
fanon. Büchern andere heilige Bücher an, apc- 
tryph. Schriften berühmter Männer der Borzeit 
u, eigener Propheten, heilige Lieder; Chriſtus u. 
die Apoftel nahmen alle kanoniſchen Bücher an u. 
citirten fie unter verfchiedenen Bezeihnungen. 

1, Kanon des NR. T. Bei den erjten Chriſten 
war das 4. T. einzige Religionsurlunde, u. erft 
nah u. nad; famen dabei auch die evangeliichen 
u, apoftolifhen Schriften in Gebraud. Bei den 
apoftoliihen Vätern finden ſich fehr felten An- 
führungen von Stellen aus dem NT., öfter An- 
jpielungen auf apoftolifsche Briefe. Im 2. Jahrh. 
finden fich bei Zuftinus Martyr, Tatianus, Athena- 
goras u. Theophilos Belanntichaft mit den Evan- 
gelien u. apoftolifhen Briefen. Um die Mitte des 
2. Jahrh. hatte ſchon Marcion eine Sammlung 
von 10 Baulinifhen Briefen u. ein verfälichtes 
Evangelium Luck. Zu Anfang des 3. Jahrh. 
ftimmten die Kirchenlehrer in den verichiedenen 
Gegenden, Frenäus, Tertullianus, Elemens, in der 
Annahme der 4 Evangelien, der Apoſtelgeſchichte, 
der 13 Paulinifchen Briefe, des 1. Briejes Petri 
u. Johannis u. der Offenbarung überein, u. es 
waren die beiden Summlungen, das die 4 Evan- 
gelien enthaltende Euangelikön u. das die Pau- 
linifchen Briefe begreifende Apostolikön in Ge— 
brauch, wozu fpäter das die übrigen Briefe be- 
greifende Katholikön (j. Katholiſche Briefe) kam. 
Bon einigen häretiſchen Parteien wurden einzelne 
diefer Bücher verworfen u. andere aufgenommen. 
Die Gründe der Kirche zur Aufnahme diefer wa⸗ 
ven befonders dübereinftimmende Überlieferung, 
heiliger Inhalt u. die Ramen ber Berfaffer, welche 
fie trugen. Zu Ende des 3. Jahrh. kannte man 
aud, fo Drigenes, den Brief an die Hebräer, 
den 2. Petri, den 2. u. 3. Johannis u. den des 
Jacobus u. Hatte eine Sammlung ded ganzen 
N. T. Eufebios theilt das N. T. in 8 Klafien: 
a) Homologumena, die allgemein als edit apoftor 
liſch u. im die neuteftamentlihe Sammlung gehö⸗ 
rend anerlannten 4 Evangelien, 14 Paulinifche 
Briefe, den 1. Brief Johannis u. den 1. Petri; 
b) Antilegomena, die nicht allgemein, aber von 
Bielen als echt u. apoftolifh anerfannten u. in 
den Kirchen zum Borlefen gebraudten Bücher, 
den 2. Brief Petri, den 2. u. 3. Johannis, dem 
Brief Jacobi n. Jubä u. außerdem aud die Tha- 
ten des Paulus, den Paftor des Hermas, bie 
Dffenbarung Petri, den Brief des Barnabas u. 
die Lehren der Apoftel; über die Offenbarung 


Bibel Rafaels — Bibelverbot. 


357 


Johannis ift er zweifelhaft; c) zur 3. Klaſſe zählt] Ausipruch zu mildern, unterfchieden gelehrte Ka— 


er die allgemein als unecht anerkannten (Notha), 
ungereimten u. gottlofen Schriften (Atopa), bie 
durchaus nicht in das N. T. gehören u. nur von 
retifern erdichtet u. aufgenommen worden find 
(j. Apotryphen). Bol. Lüde, Über den nenteftamentt. 
Kanon des Euſebios, Berl.1817. In neuefter Zeit 
bat fi die Tübinger Schule, an ihrer Spitze 
Baur, eingehend mit der Kritil der Kanonifchen 
Schriften des N. T. beichäftigt u. behauptet, daß 
der Geſichtskreis der Erjcheinungen, in deren Sphäre 
der Urfprung der kanoniſchen Schriften möglicher 
Weiſe fällt, fih nicht bloß auf das apoftoliidhe, 
fondern aucd auf das nachapoſtoliſche Zeitalter er- 
ftreden müſſe; namentlih galten ihm anfangs 
amter den Bauliniichen Briefen die Heineren u. 
die fog. Paftoralbriefe u. unter den Evangelien 
das des Johannes ala dem letteren Zeitalter an— 
gebörend. Doc hat fich die Kritif diefer Schule 
nad u. nad auch auf die anderen Bücher des 
Kanons erftredt u. hat für dieſe gleiche Mefultate 
gr Bol. Baur, Die fogenannten Paftoral- 
riefe des Apoftels® Paulus, Stuttg. 1835; Pau- 
lus, der Apoftel Ehrifti, ebd. 1845; Kritiiche Un- 
terjuchungen über die fanonifhen Evangelien, 
Tüb. 1847; Das Mawus-Evangelium nad) jeinem 
Urfprunge u. Charalter, ebd. 1851. 

II. Kanon u. Apofrypben. Das N. T. 
wurde zugleih mit dem A. T. bei kirchlichen Bor- 
lefungen gebraudt, u. da man fi megen Un— 
funde bes Hebräifchen al3 Überſetzung von let- 
teren der Septuaginta bediente, jo machte man 
anfangs feinen Unterfchieb zwiſchen den Kanoni- 
fhen Büchern u. den Apotryphen (f. d. 2) a). 
Sobald aber die gelehrten Kirchenväter darauf 
achteten, richtete man ſich nad der Tradition u. 
dem Gebraude der Juden u. unterſchied ebenfalls 
zwifhen dem Kanon u. den Apofrpphen, obmol 
man letztere auch noch brauchte. Im 4. Jahrh. 
wurden in der Griechiſchen u. Laternifchen Kirche 
alle Katholifchen Briefe als lanoniſch anerkannt, 
ebenfo die Offenbarung Johannis, wenigftens in 
der Lateinischen Kirche. Beim A. T. bielt man 
fih im Orient ftrenger an den jüdiihen Kanon 
u. unterfchied zwifchen den Büchern deffelben u. 
den Apokryphen, unter denen man bejonders er- 
Dichtete u. ketzeriſche Schriften verftand; im Occi— 
dent nahm man mehrere Apofryphen auf. Die 
Syroden von Garthago (397 u. 419) beftätigten 
den größten Theil der Apolryphen des A. T. als 
tanoniſch, u. obwol Gelehrte wie Hieronymus den 
jüdischen Kangı fefthielten u. dieſem aud Nilol. 
Lyra noch folgte, fo wurde fpäter doch die Will- 
für immer größer, fo daß man nicht nur Apo- 
tryphen unter die fanonifchen Bücher, fondern 
auch kanoniſche Bücher unter die Apofruphen redh- 
nete. Die Proteftanten kehrten zum jüdiſchen Ka- 
non zurück u. jonderten von ihm die in ımferen 
Bibelausgaben als Apokryphen bezeichneten. In 
Bezug auf das N. T. ftimmten fie mit der gan- 
en Kırde überein. Im Gegenfage gegen fie u. 
geitügt auf die kirchliche Autorität beftimmte die 
Katholische Kirche auf dem Concil zu Trient, daß 
alle Bücher der Bulgata, alio auch die Apofry- 
pben, beilig u. kanoniſch feien. Um diefen mit 


tholiten zwiſchen protofanonifhen Büchern (Libri 
homologumeni), die allgemein u. überall als gött- 
lich anerfannt, u, deuterofanonischen Büchern (Libri 
antilegomeni), die nicht allgemein angenomnten u. 
von Einigen bezweifelt werden. Zu letteren ges 
bören aus dem A. T. die Apokryphen, aus dem 
N. Z. der Brief am die Hebräer, der 2, Petri, 
2. u. 3. Johaunis, Brief Jacobi u. Judä u. die 
Offenbarung Johannis. Den erfteren wird ein 
— Anfehen zugeſchrieben. Die Griechiſche 
rche ſtimmt in Bezug auf den Kanon mit der 
Proteſtantiſchen überein. Über den B.: Semmler, 
yo 1771— 75, 4 Thle.; Schmid, Lpz. 1775; 
orrodi, Halle, 1792; Weber, Tüb, 1791, u. vie 
Einleitungen in die Bibel; f. Bibel VII. 
Bibel Rafaels, ſ. u. Rafael. 
Bibelüberfegungen, |. u. Bibel V. 
Bibelverbot, Bei dem hoben Anfehen, wel: 
des die Bibel in der Älteften Kirche genoß, kam 
ein Berbot des Leſens derfelben nicht vor. Die 
ausgezeichnetften Kirchenlehrer der 6 erften Jahr⸗ 
hunderte, befonders Frenäus, Tertullianus, Origer 
nes, Eyrillus von Jerufalem, Bafılius, Job. Chry- 
ſoſtomos, Auguftinus, jelbft Gregor d. Gr., for 
derten alle Ehriften auf, die Heilige Schrift zu 
lefen, u. Privatperjonen, wie Bampbilos u. jpäter 
die chriſtlichen Kaifer forgten für Verbreitung von 
Abihhriften der Bibel. Indeß ſchon jeit dem 5. 
Yahrh. rietb man den Laien, micht alle Bücher 
der Bibel ohne Linterfchied, fondern namentlich 
das N. T. zu lefen, da das A. T. leichter mif- 
verftanden werben könne, u. Papſt Gelafius, zu 
Ende des 5. Jahrh., bezeichnete bereits das Leſen 
der Apokryphen als gefährlich für die Chriſten, 
obgleih er die Lectiire derfelben noch geftattete. 
Fe ummiffender feit dem 8. Jahrh. im Abendlande 
die gewöhnlichen Priefter wurden; je mehr die 
Beſchlüſſe der Concilien u. die Tradition mit der 
Bibel gleiches Anſehen erbielten; je mehr ein ge» 
ſchloſſenes dogmatiſches Syſtem ſich bildete u. je 
mehr die Macht der Hierarchie, beſonders ſeit dem 
11. Jahrh., wuchs, deſto mehr ſuchte man die 
Laien von eigener Prüfung der Lehre abzubalten 
u. daher auch die Bibel ihnen unzugänglich zu 
machen. Zwar murde durch Beſchlüſſe von Con» 
cilien u. Päpften nie ausdrüdlich u. geſetzlich den 
Laien das Lefen der Bibel verboten, allein die 
angeordneten Maßregeln erftrebten u. erreichten 
Dielen Zwed dennoch. Dafür wirkte befonders die 
allgemeine Einführung der dem Volle unverftänd- 
lichen lateiniſchen Sprache beim Gottesdiente u. 
das Verbot einer Bibelüberfegung in die Landes» 
ſprache. So verfagte reger VII. 1080 dem 
Herzog Wratislav von Böhmen die Erlaubniß zu 
einer Überfetung der Bibel in die Böhmiſche 
Sprade, weil der hohe Sinn berjelben in einer 
Überfegung nicht genau erfannt, weil fie bei allge» 
meiner Zugänglichkeit leicht geringgeihägt u. weil 
fie von Ekiwäderen leicht falich verftanden werden 
würde. Papft erg Ip erllärte zwar noch 
ausdrüdih, dat das Berlangen nah Kenntniß 


‚der Heiligen Schrift aufzumuntern fei; allein eine 


Synode zu Toulouſe (1229) unter Gregor IX. 
verbot den Laien, die Bibel zu haben (ausgenoms» 


der Älteren Tradition in Widerſpruch ftehenden | men den Pjalter u. das Breviarium zu dem hei- 


358 


Biber. 


ligen Stunden), u. beſonders jede Überſetzung der-!haben die Bibel im katholiſchen überſetzungen auch 


feiben in der Yandesipradye, Das Concil zu Ta— 
racona (1234) erllärte Den für einen Keger, wel 
her im Befige einer Bibel in der romanischen 
(Volls⸗) Sprache fei, u. dieielbe nicht binnen 8 
Tagen am den Biſchof zum Verbrennen abliejere. 
Dies geihah befonders wegen der Albigenfer u. 
Wafdenfer, die aus der Bibel ihre Gründe gegen 
die Kirchenfehren ſchöpften. Ebenſo bezeichnete es 
eine Synode zu Orford (1338) an Wichffe als 
ketzeriſch, daß er die Bibel ins Englifche überſetzt 
hatte, u. eine andere, 1408 dafelbft gehaltene Sy- 
node verbot, dies ohne Genehmigung des betreffen- 
den Biihofs oder einer Provinzialſynode zu thun. 
Wurde nun auch damit den Laien nicht das Velen 
der Heiligen Schrift in der als kirchlicher Drigi- 
naltert anerfannten lateimichen Überſetzung (Buls- 
ata) verboten, jo wurde ihnen das Lejen derfel- 
en doch durd die mangelnde Kenntniß der latei- 
nischen Sprache unmöglih. Als nach Wiederauf- 
leben der Wifjenfchaften u. Erfindung der Buch— 
druderfunft neben der Bulgata fon 1462 eine 
deutſche Vibelüberfegung erſchien u. fiber ganz 
Deutihland fich verbreitete, wollten latholiſche 
Theologen, 3. B. Erasmus, den Ungelehrten das 
Leſen der Bibel verftattet wilfen, u. um fie vom 
Gebrauche der Lutheriſchen —— abzuhalten, 
gaben Dietenberger, Eck, Emſer u. Ulemberg die 
ihrigen heraus, die indeß auch dem Volle nicht 
zugänglich wurden, zumal da die Katholiſche Kirche 
nie das uneingeſchränkte Leſen der Bibel in der 
Landesſprache erlaubte. Das Concil zu Trient 
(1545) erklärte die Vulgata als authentiſch und 
ſetzte ſchon damit den Werth der anderen Über— 
ſetzungen herab, u. die 3. u. 4. Regel des 1654 
unter Pins IV. verfaßten Index librorum prohibi- 
torum überließ die Ertbeilung von Erlaubiiß zum 
Leſen der Bibelüberjetungen dem Ermefjen der 
Biſchöfe u. Inquiſitoren mit erftattetem Berichte 
der Vrieſter, wenn es feinen Schaden bringe u. 
den Glauben fördere, u. erklärte, daß, wer dies 
che Erlaubniß the, vor Auslieferung der Bibel 
an den Ordinarius feine Losiprehung von feinen 
Sünden erhalten fünne. Papſt Clemens VII. 


unter Katholiken fehr verbreitet, fo beſonders die 
deutiche der Gebrüder van Eh, jo daß man, we— 
nigften® in Deutichland, nicht mehr von einem B. 
in der Katholifhen Kirche reden kann; die ſchwe— 
ren Strafen, mit welcher in einigen ttalienijchen 
Staaten, wie Toscana, die weltlihe Macht das 
Bibellefen bedrohte, haben feit deren Einverleibung 
aufgehört. Bei den Altkatholilen it es ausdrüd- 
ih erlaubt u, empfohlen. Die für das B. ange- 
führten Gründe, daß fo viele Stellen felbit für 
Gelehrte dunkel u. ſcheinbar widerſprechend feien, 
daß nadte Bilder u. Erzählung unfittliher Hand» 
(ungen der Moralität jhaden fünnen, daß daraus 
fo viele Schwärmer ihre falihen Anfichten geſchöpft 
hätten, haben auch Proteftanten zum Theil als 
erwägenswerthe Gritude gegen das Leſen der gane 
zen Bibel anerkannt, u. es find Auszüge aus der 
Bibel für das Boll als rärhlich vorgeichlagen mor- 
den. Bgl. Hegelmaier, Geicichte des B-es, Ulm 
1783; Entwurf zu einer Geſchichte des Bibellejens, 
Würzb. 1786; Leand. van Eß, Ausziige aus den 
heiligen Bätern über das nothwendige u. nützliche 
Bibelleien, 2. Aufl., Sulzbad 1816; Oberthür, 
Anfichten von Bibelgefellihaften u. dem durd fie 
beförderten Bibelleſen, Sulgb. 1823. 

Biber (Hdlsmw.), mollenes ftarles Zeug, von 
feiner Ahnlichkeit mit Viberfellen fo genannt; fo 
v. w. Diüffel, 

Biber (Castor), Sängerhiergattung aus der 
Ordnung der Nagethiere, Familie der Biber, mit 
oben 2 u. unten 2 meißelförmigen, vorn orange- 
farbenen Border und überall 4 fchmelzfaltigen 
Badenzähnen, wenig verichmälerter Schnauze, 
huzen, kräftigen Beinen mit je 5 Zehen, Zeige— 
finger der Hinterfüße mit doppelter Kralle; Zehen 
der größeren Hinterfüße durch eine Schwimmhaut 
verbunden; Schwan; breit, oval, plattgedrüdt 
und mit 6- oder auch 5=feitigen, blaß« bläulich- 
braunen Schuppen bejetst, zwiichen denen einzelne 
kurze Haare fteben; die kurze Schnauze jehr 
ſtumpf; die Vorderzähne fo groß, daß die Lippen 
fie kaum bededen können; Schnurrboriten Did, 
borftig und nicht fehr lang; Augen Fein umd 


ſchärfte diefe Verordnung 1595, Gregor XV, ver- ſchwarz; Obren kurz; Grannen- oder Dedhaar 


bot 1622 den Laien das Velen der Bibel in der 


grob u, glänzend, Wollhaar furz, jehr weich und 


Volksſprache, u. Clemens XI. beftätigte dies durch |jeidenartig. Bei beiden Geichlechtern finden ſich 


die Bulle Unigenitus 1713. Noch 1816 unter 
fagte Pius VII. in feinen Breven an die Erz- 
biichöje von Gneſen u. Mohilew den Gebrauch 
der polnischen Bibel, die doch 1599 mit Erlaub— 
niß des Bapftes Clemens VIII. erichienen war. 
Leo XII. verdammte 1524 die Bibelgeiellichaften, 
u. jo jprechen ſich noch Verordnungen Pius’ VIII., 
Sregors XVI. u. Pins’ IX. (j. unt. Bibelgejell- 
haften) dagegen aus, und noch immer hat das 
Decret der römischen VBüchercenfur von 1757 fr 
Katholifen feine Gittigkeit, wonach Überſetzungen 
in die Mutterfprache mit erklärenden, aus den 
Kirchenvätern entnommenen Noten u. der päpit: 
lichen Approbation verjehen fein müſſen. Noch 
1873 bat Pius IX. diefe Beitimmungen ausdrüd- 
lih wiederholt. Seit der 2. Hälfte des 18. Jahrh. 


am Hinterförper unter der Haut zwei große bir: 
nenförmige Driüfenjäde, welche eine ftark riechende, 
anfangs weiche, jpäter verhärtende Flüſſigleit, das 
Begeil (Castoreum), f.d., abfondern. Diefes iſt 
in Farbe u, Gonfiftenz verjchieden,, von unange- 
nehmen, ftarfem Geruch u, bitteren Geſchmack; 
es wird als frampfitillendes, aber etwas erbisen- 
des Arzneimittel gebraucht u. ift ſehr geſucht; das 
Weibchen liefert eine geringere Menge, als das 
Männden; drei®. geben etwa Pfund. Man kennt 
nur eine Art: Gemeiner B. (CastorFiber L.); 
wird 80 cm lang, mit 30 em langem Schwanze, 
u. 20—22 kg ſchwer. Das Wollbaar ift dunfel- 
graubraun, das Dedhaar glänzend roſibraun, zu⸗ 
weilen aber auch ſchwarzbraun bis ins helle Selb: 
fihbraune. Der B. lebt in der Alten Welt (in 


haben indeß viele aufgellärte fathotiihe Theologen | Europa ı. Afien) zwischen dem 33. u. 67. Breite- 
u. Biſchöfe ihren Yaien das Leſen der Bibel in der grade, ift jedoch in vielen Gegenden ganz ausge- 
Landesiprache erlaubt, und die Bibelgeſellſchaften rettet; in NAmerifa ift er mweitverbreitet, ſüdüch 


Biberach — Bibergeil, 


359 


bis zu 379 nördl. Br., und kommt noch fo häufig) Weibchen wirft 2—3 behaarte, bis zum 8. Tage 
vor, daß England von da im den legten Nahren|blinde Junge; ſobald diefe jehen können, begleiten 


durchſchnittlich 150—180,000, 1871 ſogar ungefähr 
230,000 Felle erhielt; in Deutichland findet man 
den B. nur noch vereinzelt, felten in Meinen Co— 
fonien, jo 5. B. noch vor —* Jahrzehnten 
(jetst nicht mehr) in Bayern an der Donau uud 
wenigen Mebenflüfien derjelben, namentlich der 
Amper, ferner in Salzburg und Öfterreich, felten 
auch in Sachſen an der Elbe; in Böhmen foll er 
noch ziemlich haufig fein; in Galizien ift er felten, 
häufiger in Ungarn; zahlreich findet er ſich noch 
in Sibirien am Ob u. deffen Nebenfliffen, felte- 
ner am Jeniſſei u. den ſüdl. Flüſſen. Bereinzelte 
®. bauen nur wenig künſtlich in Erbhöhlen; da 
aber, wo fie in größeren Gefellfchaften leben, füh— 
ren fie jehr großartige Baue auf. Nach Cart- 
wrighis Ausfage graben fih 3. B. die B. auf 
Yabrader unter dem Wafferfpiegel ins Ufer eine 
Ihief nah oben gerichtete Röhre, miſchen unter 
die ausgeicharrte Erde Holzftüde und Steine, er- 
richten einen üb‘ die Bodenebene hervorragenden 
Hügel (Burg), welcher mitunter 4 m im Durd)- 
meſſer u. 3 m Höhe befigt, u. höhlen denſelben 
zu ihrer Wodnung aus. Diefe Burgen haben, 
zumal da fie mit Schlamm u. zarteren Pflanzen- 
theilen bedeckt find, das Anſehen von Badöten, 
welde, im Inuern, einem verichiedenen Waiffer- 
tande entiprechend, mehrere Etagen u. außerdem 
gewöhnlih noch mehrere Abtheilungen, gleichſam 
immer für einzelne Familien, enthalten, ſo daß 


ſie die Alten ſchwimmend u. tauchend. Die Familie 
bleibt bis ins 3. Jahr zuſammen, macht gemein- 
ſchaftlich nächtliche Ausflüge, gebt gemeinſchaftlich 
auf Aſung, ruht und wohnt zufammen. Dann 
werben die Jungen fortpflanzungsfähig, bauen 
eigene Wohnungen u. gründen eigene ‚zamilien. 
Der Hund geht den B. an; außerdem hat er am 
Vielfraße u. dem Fiſchotter Feinde. Man ſchießt 
ihn beim Eisgange, fängt ihn in Tellereiſen, 
mit Netzen, in en, durch Trockenlegen ſeiner 
Wohnungen, oder Ausgraben. Er gehört zur 
hoben Jap Forſtlich iſt der B. ein ſchädliches, 
waldverderbendes Thier, deſſen Ausrottung in 
Culturgegenden mit Freuden zu begrüßen ift. Tbome.* 

Biberach, Stadt im wirttemb. Donanfreife, 
an der Riß u. der Bahnlinie Ulm⸗Friedrichshafen. 
Die Stadt hat mit ihren Thürmen, Ihoren und 
Mauern noch ein mittelalterliches Gepräge; reiche 
Kirhen-, Schul» u. Hofpital-Stiftungen; viele Ge— 
werbe (Kirchenparamente, Traganthmwaareır zc.); 
bedeutender Fruchtmarkt; 7091 Ew. Eine Stunde 
davon das Jordaubad mit ſchwach geſalzenem 
Waſſer. — B. wurde in der Hohenftaufenzeit kai 
jerliche, wenig jpäter Freie Neichsitadt; ein Theil 
der Einwohner nahm frühe die Reformation an, 
weshalb die Stadt im 30jährigen Kriege zum 
Zankapfel der Kaiferlichen, Schweden u. Franzofen 
wurde. Auch im Spaniſchen Erbfolgelriege und 
in den Napoleonifchen Kriegen litt die Stadt viel: 


deren mehrere unter einem Dache wohnen. Zt] Treffen zwischen Moreau u. Latour 2. Oct. 1796, 
das Waſſer feicht, fo follen fie einen ner: zwiſchen Saint-Eyr u. Kray 9. Mai 1800. 1808 
damım ven Holzitüden, Steinen, Schlamm und|fanı B. an Baden, 1806 an Württemberg. Der 
Fand — oder neue Ausgangsröhren an-| Dichter Wieland, geb. in dem der Reichsſtadt B. 
fertigen, Die Wände glätten fie bei ihren Bauen gehörigen Dorfe Ober-Holzheim, war in B. 1760 
mit den Füßen. Bäumchen von der Stärke eines bie 1769 Stabdtichreiber; die Erinnerungen an 
Spazierftoctes fällen fie mit einem Biffe, didere|diefe Zeit Tiegen feinem Roman: Geſchichte der 
Hagen fie an einer Seite, fehr dicke oder harte/Abderiten, zu Grunde, 
rund herum ab, u. zwar fo, daß diefelben ins) Biberbaum ift Magnolia. 
Bafler fallen; tleinere Bäume u. Zweige tragen] Bibere graeco more (lat.), eine Art des Toaft- 
fe mit den Zähnen u. Borderbeimen fort. Weich: |trintens bei den alten Römern, u. zwar: B. ad 
dölzer, beionders Aipen, Weiden, Erlen, Pappeln,Inomen, wenn man fo viele Becher trank, als der 
fein, Eichen u. Birken ziehen die B. härterem|Name Deſſen, auf deſſen Wohl man tranf, Buch» 


je vor; in Amerika follen fie Magnolia glauca, 

rasinus americana, Laurus sassafras u. ver» 
chiedene, jühes Gummi enthaftende Holzarten vor- 
züglih wählen. Die Zweige werden in der 
Regel von den Bäumen eichnitten. 
dient ſowol zur augenblidlichen Aſung, als aud 
zum Vorrathe für ſpätere Zeiten, namentlich den 
Tinte, Das Holz dient zur Anlage der Bauten. 


ftaben enthielt, oder jo viele Jahre man ibm noch 
zu feben wünſchte; B. ad numerum, wenn man 
nach der Zahl Derer trank, denen der Trunk zu 
Ehren galt, 3. ®. 3 Becher beim Triuken zu Ehren 


Die Rinde)der Grazien, 9 Becher zu Ehren der Wufen. 


Biberente, jo v. w. Großer Sägetaucher (ſ. d.). 
Biberfelle, ſ. u. Biber. 
Bibergeil (Castoreum, Pharm.), die in zwei 


> Sommer äjen fie auch die Murzefftöde von neben dem After des Bibers befindlichen Beuteln 


Imus, Teichrofe, Schafthalmen u. Schilfarten. [enthaltene Maffe; die beiden Side, B-jäde, 
Ta der B. vorzugsweife Nachtthier u. ehr fcheu liegen parallel neben einander unter der Haut, 
it, läßt fich fein Freileben ſchwer beobachten, zumal aa nur mit den bünmeren Enden ihres Ur— 
dei feiner Seltenheit. Befelle find ſehr geſucht; ſprunges in Verbindung, münden hier beim Männ- 
Linter- oder friiche B. find die lang» u. dicht-/hen zwiihen den Wlättern der Vorhaut und 
daarigen Winterpelze; junge B., die faum 2—3| beim GBeibipen in den Raum, wo die fehr Heine 
Jahre alten, find die fchönften u. glänzendſten; Klitoris liegt u. wo ſich die Mündungen der Harte 

eiden-B, find vorzüglich ſchöne, ſehr lange, röhre u. der Scheide befinden. Es kommen haupt« 
Weide u. glänzendhaarige., Die Wolle wird zu ſächlich 2 durch ihre Güte verfchiedene Sorten B. 
Filzhilten (Caſtorhüten) ꝛc. gebraucht. Das Fleiſch im Handel vor: a) Das ſibiriſche (xuſſiſche 
er B. gilt im katholiſchen Yändern als Faſten- B. (Castoreum sibiricum, moscovitum, rossienm, 
peiſe; der Schwanz wird als Delicateſſe betrachtet. polonieum, germanicum, europaeum) fommt in 
Die Ranzzeit des B-8 fällt Ende Februar; dag lei- oder birnfürmigen, etwas zujammengebrüdten, 


360 


außen ziemlich ebenen, dunfelbraunen, 8—10 cm 
langen, 4—6 cm breiten, 90—250 g ſchweren 
Beuteln vor, die aus vier; bei vorfichtigem Ein- 
jchneiden von einander abzuziebenden Häuten be- 
fteben, deren drei, von der feinen vierten ilber- 
zogen, im Inunern des Beutels gleichſam Zellen 
bilden, in denen das anfangs falbenartige, fpäter 
zu einer gelben, braunen, gefledten, mehr ober 
weniger glänzenden, je nach dem Alter mehr oder 
weniger trodenen u. zerreiblihen Maſſe erhärtende 
3. enthalten if. Durch das Austrodnen entfteht 
meiſt eine unregelmäßige Höhle. Das B. hat 
friſch oder angefeuchtet einen juchtenartigen Geruch, 
nad, deffen Berihwinden erft der ihm eigenthüm— 
liche ftarke, den meiften Menfchen widrige Geruch 
bervortritt. Neuere Unterfuhungen von Weber 
u. Lehmann haben gezeigt, daß das B. von der 
gefäßreichen Lederhaut der Borhant u. der Klito- 
ris abgefondert wird, daß er alfo das Smegma 
praeputii des Bibers if. In Bayern, Polen, 
Preußen u. Dänemark wird B. von gleicher Güte, 
doch in geringerer Menge gewonnen. b) Das 
amerifanifche (canadifhe, engliſche) B., (Casto- 
rum canadense, anglicum, americanum) fommt 
befonders durch die englifch » norbamerifanifchen 
Handelsgejellichaften zu uns, ift in viel Meineren, 
jchmäleren, mehr in die Länge gezogenen, duntel- 
braunen, mehr unebenen, runzeligen Beuteln ent- 
halten, deren Häute ſich nicht von einander trennen 
lafien; im friſchen Zuftande weich, orangegelb, ge- 
trodnet vom Gelben bis zum Bräunlid-fhmarzen 
nüancirt. Man bielt diefe Sorte früher ſtets für 
verfälſcht u. künſtlich Hergeftellt, mas fich aber 
neuerdings als umrichtig erwieſen hat. Das B. 
wird von Wafſer wenig angegriffen, Weingeiſt zieht 
eine kräftige, dunkelbraune Tinctur aus (ſ. Betinctur), 
Vorwaltende Beſtandtheile ſind: Atheriſches B-öl, 
gelblih-weiß, ſchwerer als Waſſer, durchdringend 
wie B. riechend; B-harz (Caſtoreumreſinoſd), 
bräunlich, ſchwach nach B. riechend, für ſich geſchmack⸗ 
los, in Alkohol gelöſt, bitter u. ſcharf ſchmecend, 
leicht in Alkohol, auch in fetten Olen, Ammoniak— 
flüſſigleit u. Kalilauge, concentrirter Eſſigſäure, 
nicht in abſolutem Äther, ätheriſchen Olen, Schwefel 
u. Salzjäure löslih, in der Wärme ermeichend; 
3 - fett (Caftorin), weiß, lörnig, bisweilen kry⸗ 
ftallinifch, zerreiblih, wachsartig, ſchwach nah B. 
riehend; in Waſſer, Allohol, ätherischen u. fetten 
Ölen in der Siedhite löslich, beim Erkalten fich 
abjcheidend; Gallenfteinfett (f. d.), viel fohlenfaurer 
Kalt u. andere organifhe u, unorganiide Sub— 
tanzen. Das ruffiihe B. enthält weit mehr 
ätherifches Ol, Harz, Caftorin, Gallenfteinfett, als 
das amerifanishe, dieſes mehr kohlenſauren Kalt 
u. andere unorganiihe Subftanzen, weshalb das 
erftere vorzugsmeile zu pharmaceutifhem Ge» 
brauche zu wählen ift. Außerdem enthält das B. 
Benzoffäure, Salicin u. phenylige Säure. Wöhler 
glaubt, daß letztere das ätherifche DI fei, welches 
Brandes u. A. dem B. eigenthümlich erflären, 
daß fie wahrſcheinlich die medicinifhen Wirkungen 
begründe, n. daß fie demnach das theure B. zu 
erjegen wol im Stande jein könne; Andere find 
der Anficht, daß die phenyliihe Säure nur dur 
tas Räudern in das B. gelommen fei. Das 2. 


Bibergeilharz — Bibescı. 


Mittel, das in Pulver od. Pillen zu 1—4 Gran au 
in geiftigem Auszuge (f. B-tinctur) häufig ange» 
wendet wird, Falſches oder fünntihes ®. wird 
in den Hodenfäden junger Ziegenböde in den Handel 
ebracht u. ift leicht daran zu erfennen, daß das 
Älderglängende Bellgewebe fehlt, welches das In— 
nere der Säde maſchenartig füllt. Verfälſcht wird 
das echte gewöhnlich mit a nah od. auch 
mit Blei, um das Gewicht zu vermehren. 

Dibergeilharz, |. u. Bibergeil. 

Bibergeilöl (Oleum castorei Ph. Würt.), 
dur Digeftion von Bibergeil u. anderen Stoffen 
in Ol gewonnen; jetzt obfolet. 

Dibergeiltinetur (Pharm. Tinctura Castorei 
canadensis u. T. C. sibiriei), durch Digeftion von 
1 Theil canadiihem reip. fibir. Bibergeil mit 10 
Teilen Weingeift gewonnen. Ehedem waren noch 
verſchiedene mit Aſant, ätherifhen Olen, Harzen, 
Ammonium ꝛc. u. B. bereitete weingeiftige Auszüge 
al® Essentiae anthystericae u. dgl. officinell, 

Biber-Jndianer, ein nordamerif, Indianer 
flamm von der Familie der Athapaska, weſtlich 
vom Athapasfa-See, am Friedensfluffe; fried- 
liebend, gaſtfreundlich. 

Bibernelle, 1) weiße, fo v. w. Pimpinella; 
2) rothe, fo dv. w. Sanguisorba, 

Biberitein, 1) Dorf u. Schloß im ſchweizer. 
Kanton Yargan, Bezirt Aarau, an der Aare; 
630 prot, Em., die fih von Strobflechtarbeiten, 
Fiſcherei und Schifffahrt nähren; im Aareſande 
wird bier Golbftaub gefunden. Das Schloß ge- 
bört der Familie Feer zu Aarau, 2) Schloß, f. 
u, Hofbiber. 

ibesen, 1) Georg, Großbojar u. Hoſpodar 
der Walachei, geb. 1804; ftudirte in Paris 1824, 
trat dann in waladhifche Dienfte und wurde unter 
der proviforiichen Regierung des ruffiihen Generals 
Kiſſelew Unterftaatsfecretär im Juftizdepartement. 
1834 trat er zurüd u. lebte bis 1841 im Aus 
lande; zuriücdgefehrt, wurde er in den Landtag 
gewählt und trat im entjchiedene Oppofition gegen 
Ghikas Regierung, nad deren Gturze er ſeibſt 
Jan, 1843 Holpodar murbe. Obwol er jeine 
Regierung mit Energie, Umficht u. Gerechtigkeit 
führte u. das Land unter ihm fich eines wachſen⸗ 
den Wohlftandes erfreute, konnte er doch zuletst der 
nationalen Bewegung, die er namentlich durch 
jeine Verfügung von 1847, wonad die franzöfiiche 
Sprade anftatt der rumänischen an den Gymnafien 
eingeführt werden follte, angefacht hatte, nicht mebr 
miderfieben, fo wenig als den dem organiſchen 
Reglement mwiderftrebenden reformatorishen Be- 
firebungen des Minifteriums, u. legte daber am 
25. Juni 1848 die Regierung nieder. Von Krons 
ſtadt, wohin er fich zuerft begeben, bejuchte er im 
Oct. Eonftantinopel, ging dann nah Wien u. im 
Nov, 1851 in fein Baterland zurüd, ohne ſich 
an der Politik zu betbeiligen. 1857 in den Ber- 
joflungs eratbenden Divan gewählt, erflärte ſich 

. für die Vereinigung beider Fürſtenthümer unter 
einem auswärtigen er u. zog fi dann wieder 
ins Privatleben zurüd. Er ft.in Paris 1. Juni 1873. 
2) Georg, 2. Sohn des Bor., geb. 1834; wurde 
in Frankreich erzogen u. nahm an ber Erpedition - 
nah Maroffo u. 1870 unter Douay am Kriege 


it ein Mräftiges, krampfſtillendes, anthyſteriſches gegen Deutfhland theil; mit dem General gerieth 


Bibi — Bibliographie. 361 


er in Gefangenfchaft u. fehrte nach dem Frieden ſtypographiſch (zuerft von Pfizer in Bamberg) oft 
nad Paris zurüd, wo er wieder als Privatmann|berausgegeben. Selten findet man die B.p. voll- 
lebte n. 1872 ein Duell mit dem Hrn. v. Bauffre-|fländig, oft nur 22, 38 ꝛc. Blätter, Eine Er- 
mont hatte, den er verwundete. 8) Berbo-|meiterung der B. p. war das Speculum humanae 
Demetrius, durd Adoption Fürſt Stirbei, Bruder |salvationis (f. d.). Vgl. Bibel Rafaels (u. Rafael). 
von B. 1), geb. 1801; bethbeiligte fih 1821 am Als B. p. wollte Luther die Bilder aus der beil. 
Aufftande unter Alerander Ypfilanti, war Juſtiz- Geſchichte in den Kirchen zufaffen. Verſchieden von 
minifter unter Fürſt Ghika u. Minifter der Juſtiz diefer B. P: it 2) ein Wert des Bonaventura, 
unter feinem Bruder; 1849 wurde er zum Hoſpo⸗ worin die bibliſchen Gejchichten nach dem Alphabet 
dar der Walachei ernannt, bewirkte viele Ber- — u. mit allegorifch-myftiihen Deutungen 
befierungen u. legte 1856 feine Stelle nieder; er begleitet find, beftimmt file Prediger, damit fie 
ſt. 13. April 1869 zu Nizza. 1) Lagai. die Materialien für ihre Reden u. Predigten deito 

Bibi (peri., gut, Jlüclich, Heilig), Ehrentitel|leichter auffinden können, alſo um ihrer geifigen 
der rauen, 3. B.: B. Mariam, Titel der Perſer Armuth zu Hilfe zu kommen. öffler.® 
für die Mutter Jeſu. Biblignofte (v. Gr.), Bücherkenntniß. 

Sta. Bibiäna, Tochter des römischen Ritters] Bibliograph (v. Gr.), im Altertbumein Bücher- 
Flavianıs; fol von dem Präfecten Apropianusjabfcreiber; nah Erfindung der Buchdruderkunft 
363 als Chriftin mit ihrer Familie in Rom hin-|fo v. w. Buchdruder; auch eine Perjon, melde 

erichtet, u. zwar, an einen Pfeiler gebunden, zu|die Kunft verftand, alte Schriften zu entzifferm; 
ode geichlagen worden fein. An der Gtelleffeitdem18.Fahrh.ein Büchertenner (Bibliognoft, 

ihres Begräbniffes bei Porta ©. Lorenzo Olym-|Bibliolog). 

pina wurde im 5. Jahrh. eine Kirche erbaut,). Bibliögraphie (v. Gr., bisweilen auch Biblio- 

welche 1525 erneuert und mit der Bildjänlelgnofie, Bibliologie), die Wiffenfchaft, welche fich 

der B., dem Meifterwerte Berninis, geihmüdt|mit der Kenntniß und VBeichreibung der jchrift- 

wurde. Ihr Tag: 2. Dechr. ftellerifhen Erzeugniffe (Bücher), der gebrudten u, 

Bibikow, Alerander, geb. 1729 zu Mos-Jungedrudten, der noch vorhandenen, wie der 
fau, aus einem altadeligen Gejchlechte; wurde bereits untergegangenen, aller Bölter u. Zeiten 
1746 Ingenieurlieutenant, focht 1758 als Negi-|befhäftigt. Sie ift eine hiſtoriſche Wiſſenſchaft u. 
mentscommandant bei Zorndorf u. gewann 1761 |verhält fich zur Gefchichte der Gelehrſamkeit und 
das Gefecht bei Treptom; nah dem Ende des Literatur wie die Quellenkunde zur politifchen Ge— 
Ziebenjährigen Krieges wurde er General und ſchichte, die Kunde von den Kunftdenkmälern zur 
beforgte verjchiedene Aufträge im Innern des Kunſtgeſchichte; die bibliographiichen Werte find 
Reiches; war 1767 Marfchall der Reichsdeputirten daher gemiffermaßen die Diplomatarien der Ge— 
veriammlung in Moskau, commandirte 1771 bielichichtichreiber der Literatur und Gelehriamteit. 
ruf. Truppen in Polen, wo ſich beſ. Suwarow unter] Als Gründer der B. ift Konrad Gesner zu be» 
ihm augzeichnete; 1773 wurde B. General en Chefltraditen, der in feiner Bibliotheca universalis 
u. gegen Pugatſchews Kofadenaufftand geſchicktz (Zur. 1545 —55, 4 Bde.) die literariichen Er- 
er henimte das Weitergreifen des Aufftandes durch |zeugniffe aller Zeiten, Länder und Wiffenfchaften 
tluge Mafregeln, ft. aber vor Beendigung derizufammenftellte. Doch wurde erft gegen Ausgang 


Sache 1774. Yebensbefchreibung von ſeinem Sohne, 
dem Senator B,, Petersb. 1817. 
Bibitorius muscülus (Anat.), Trintmustel; fo 


des 18. Jahrh. die Technil durch Erich feftgeitellt. 
Wie in Frankreich Debure, fo hat in Deutichland 
Ebert eine für die Wiſſenſchaft u. für prattiiche 


nennt man fcherzhafter Weiſe den inneren geraden |Bedirfniffe zugleih ausreichende Behandlung der 


Augenmusfel, weil er es ift, welcher das beim 
Trinken aufs Glas gerichtete Auge nad) innen wendet. 
Biblia (gr., die Bücher), die Bibel; ſ. d. 
Biblia pauperum (lat., d. i. Bibel der Armen), 
1) eine Darftellung der altteftamentl. Vorbilder 
n. der entfprechenden Begebenheiten aus der neu: 
teftamentl. Erlöſungsgeſchichte, in 40—50 Bildern; 
dazu gefilgt find kurze Erflärumgen u. Propheten» 
ſprüche inlatein, Sprade. Der erfte Berfafjer der 
latein. B.p. joll Nicolas von Hanapis, der als letter 
Patriarch von Jeruſalem 1291 ftarb, fein. Durch 
diefe B. p. wurde die Bibel für arme Geiftliche 
(bei. für die geringen Ordensgeiftlichen, wie Fran— 


B. ausgebildet. In neuefter Zeit hat bie miffen- 
Ihaftlihe Behandlung der B. felbft in die meiften 
buchhändleriſchen Literaturverzeichniffe Eingang ger 
funden,. Bgl. Nottner, Lehrbuch der Contorwiſſen⸗ 
ſchaft für dem deutſchen Buchhandel, Lpz. 1855, 
letste Abth. Die B. läßt fich theils rein mifien- 
ſchaftlich oder hiſtoriſch, theils auch mit Rücſicht 
auf praktiſche Zwecke behandeln. I. Die wifjen- 
Ihaftlihe oder Hiftorifhe B. befchreibt die 
Bücher nur um ihrer felbft willen, ohne Riüdficht 
auf ihren äftbetifhen oder feientifiihen Werth. 
In einem allgemeinen Theil bietet fie die Geſchichte 
des Bücherwefens überhaupt u. berichtet über die 


ciscaner u. Karthäufer, die fich felbit Pauperes Form u. Einrichtung der Bücher bei den Griechen 
Christi nannten, woher der Name B. p. tommenju. Römern, den DOrientalen und im Mittelalter, 
foll) u. Laien erjegt. Es finden fih mitunter auch ſowie beſ. auch jeit Erfindung der Buchdruder- 
Eremplare mit prächtigen Miniaturgemälden. kunſt. Der befondere Theil der biftoriichen B. 
Diefe Reihe von bildlichen Darftellungen murbe|befchreibt die literarifhen Erzeugniffe der verſchie- 
dann aud an Altarjhreinen ı, ———— in|denen Bölfer; er berichtet über das Äußere 
Sculpturarbeit und Malerei wiederholt, jo 3. B.|(Stärke, Größe, Eintheilung zc.), die Zeit u. den 
enau in der Zahl 40 an den Fenſtern des Klofters | Ort der Abfaffung u. des Erjcheinens, über Ur— 
Sirfau. Im 15. Jahr. wurde die B. p. xylo⸗ ſprung und Zwed, den Berfaffer und Berbreiter, 
graphiih (in dem Niederlanden u. Deutichland) u.lüber jonftige Schidfale u. dgl. Zur einer genauen 


362 


bibliographiichen Beichreibung eines neneren Drud-|den Zwed der B. Auskunft zu geben, fo bieten 
werkes gehört der Name des Verfaſſers nebft Vor⸗ wir im Folgenden eine inftematiiche Üderficht über 
namen, der vollftändige Titel des Buches, Drud-|die einzelnen Zweige der B. und über den Zu- 
ort u. Verleger (od. Druder), Seitenzahl, Format, |fammenhang ie Die B. dient ſowol der 
artiſtiſche oder fartographiiche Beilagen; bei älteren | Literatur» u. Gelehrtengejchichte, als dem Biblio- 
Druden pflegt man außer dem Bucddruder noch thekar und Vücherfammiler, wie auch dem Buch— 
Angaben über die Schrift, die typographiiche Ein: händler, u. fo betrachten wir fie nach diefen drei 
richtung 2c. hinzuzufiigen. Urtheile über deu äſthe- Geſichtspunkten. A. Die literar-biftoriihe B., 


Bibliographie. 


tiſchen oder wiſſenſchaftlichen Werth der Bücher 
gehören eigentlich nicht in bibliographiſche Werte, 
wie denn au genauere bibliographiiche Angaben 
nicht nothwendig im die Literaturgeichichte gehören; 
doch gehören mauche literar « biftoriiche Arbeiten 
mehr der B. an, als der Fiteratnrgeichichte. Ein 
Wert, das die geſammte Literatur aller Völler u. 
Zeiten bibliograpbiih umfaßte, ift nicht vorhanden 
u. bleibt unausführbar; das Vollftändigfte bieten 
bis jetst die Kiterar-hiftoriichen Werke von Gräpe: 
Lehrbuch einer allgemeinen Yiterärgeichichte aller 
befannten Böller der Welt, Dresd., Lpz. L—IV,, 
183759; Handb. der allgem. Literärgeichichte, 
ebd. L—1V., 1845—50; Tresor de livres rares 
et preeieux, Dresden L—VIL, 1859—69. Da- 
gegen liegen bereits eine Anzahl zum Theil trefi- 
der Arbeiten über die Literaturen einzelner Völfer 
u. einzelner Wiffenichaften, ſowie zahlreiche Mono» 
En sah vor. Ze nah Bedürfniß werden die 
ibliograpbifchen Angaben chronologiſch (nad) dem 
Jahre des Erfcheinens), oder ſyſtematiſch, oder 
alphabetiich (mach den Verfaſſern, oft aud) in Ver— 
bindung mit biographiſchen Notizen über diefel- 
ben) angeordnet. In die letztere Kategorie ge- 
hören die fogenannten Gelehrtens und Schrift: 
ftellerlerifa. 

I. Die praktiſche B. verzeichnet u. beichreibt 
die Bücher nicht nur um ihrer jelbjt willen, ſondern 
nah gewiſſen Rüdfichten u. für beftimmte Zwede. 
Sie arbeitet vorzugsweife entweder im Jutereſſe 
der Bücherfammier, d. i. der Bibliethefare oder 
Bibliophilen (angewandte B. im engeren Sinne 
oder bibliorhefariiche B.), oder fir die Zwede des 
Ermwerbes u. Berfaufes der Biicher im Intereſſe 
des Buchhändlers und des Bücherkäufers (biblio- 
poliiche B.) Indeſſen dienen die Werfe der prat 
tiihen B. jo Häufig auch wiſſenſchaftlichen, be- 
fonders literargeſchichtlichen Zweden, daß fich 
die Unterſcheidung in miffenfchaftliche (reine) und 
praftiiche (angewandte) B. als unzulänglich er- 
weiſt. J. Pegholdt hat in feinem vortreiflichen 
Werfe: Bibliotheca bibliographica, kritiſches 
Verzeihnißg der das Geſammtgebiet der B. be» 
treffenden Literatur des In- und Auslandes in 
foftematifher Ordnung, Lpz. 1866, folgende Ein- 
theilung getroffen. Nach einem einleitenden Ab- 
ſchnitt (I.), welcher die Schriften über B. über- 
haupt, jewie über die bibliographiihen Syfteme 
verzeichnet, folgt ein allgemeiner Theil (IL): Ben 
von Schriften in allen oder mehreren Spraden, 
fowie aus allen oder mehreren Wiffenichaften, u. 
ein bejonderer Theil (TIL): B. von Schriften in 
Sprachen einzelner Länder (nationale) und aus 
einzelnen Wiffenichaften (wiſſenſchaftliche). Da es 
bier nicht unfere Aufgabe fein kann, eine mehr 
oder minder reichhaltige Auswahl aus der biblio— 
graphiichen Fiteratur der verſchiedenen Nationen 
zuſammenzuſtellen, fondern über das Weſen und 





welche darftellt 1) die literariſche Production der 
einzelnen Nationen, oder 2) die Piteratur nad 
Wiffenfhaften geordnet, oder 3) die Schriften 
einzelner Berfonen, Schriftitellerlerita. B. Dir 
bibliothelariiche B., welche dem Bücherfamnı« 
ler die Kenntniß werthvoller Schriften vermittelt, 
die Geſchichte u. Beichaffenheit der Drude dar—⸗ 
ftellt u. Bücherſammlungen verzeichnet. C. Die 
bibliopoliiche B., welche den buchhäudleriſchen 
Vertrieb der Schriftwerte unter Darlegung der 
Verlags», Antiquariats- u. Preisverhältniffe ver- 
mittelt, A. Die literarhiftorifhe B. 1) Die 
nationalen Ben dienen in der neueren Beit 
vorwiegend praftifchen, d. h. bibfiothefarifchen od. 
buchbändferiihen Zweden. Aus dem Gebiete der 
literarhiſto riſchen Rational-B. find nur we— 
nige Werle hervorzuheben. a) Für Deutſchland: 
G. W. Panzer, Annalen der Älteren deutſchen Lite 
ratur oder Anzeige und Beſchreibung derjenigen 
Bücher, welche von Erfindung der Buchdruder- 
funft bis MDXX im deutiher Sprache gedrudt 
worden find, Nürnb. 1788; Zujäte, Lpz. 1802; 
Bd. IL: Bücher, weile vom Jahre MDXXI bis 
MDXXVI in deuticher Sprade gedrudt worden 
ud, Nürnb. 18055 J. ©. Eric, Handbuch der 
deutichen Yiteratur feit der Mitte des achtzehnten 
Jahrh. bis auf die neueſte Zeit, neue Ausgabe, 
L.—IV., £p3. 1822—10, 3.%., ebd., von Ch. U. 
Geißler, 1845—50 (philolog. und philofopb. 
Lit.); G. Schwab n. K. Klüpfel, Wegweifer durch 
die Yiteratur der Deutichen, ein Handbuch für 
Yaien, 2. A., Lpz. 1847, mit Nachträgen bis 1862, 
3. A., 1861. b) Für Frankreich: La Franc- 
litteraire, L—IV., von Jacq. Hebrail, Joſ. de La— 
porte, Joſ. Andre Guyot, Par. 1769-84; J. M. 
Quérard, La Franee litteraire, L.—X., Par. 1827 
bis 1839, Bd. XT., ebd. 1854—57, XIL. 1—2, ebd. 
1858 -59; Derſ., La litterature frangaise con- 
temporaine, I., ebd. 1840, fortgefet von Youandre, 
Bourquelot u. Maury, IL—V., ebd. 1846—57; 
3. M. Ouerard, Les supercheries litteraires 
devoilees, L—V., Bar. 1847—53, 2. A. .—IIL,, 
ebd. 1869—70. c) Für England: R. Watt, 
Bibliotheca Britannica, or a general index to 
British and foreign literature, L.—IV., Edinb., 
Lond. 1824; W. Ih. Lowndes, The bibliogra- 
pher’s manual of English literature; neue Ausg., 
von H. Bohn, Theil L—X., Anhang, Yond. 1857 
bis 1864. d) Für Italien: B. Gamba, Serie 
dei testi di lingua e di altre opere importanti 
nella Italiana letteratura seritte dal secol» 
XIV, al XIX., durchgeſehene Ausg., Bened. 1839. 
e) Für die Niederlande: J. F. Foppens, Bi- 
bliotheca Belgica (usque ad a. MDCLXXX). 
Brüffel 1739; mehrere bibliographiiche Zufantmeu- 
ftellungen im — Belge; Adrian Pars, 
Index Batavieus of naamrol van de Batavise 
en Hollandse Schrijvers, Leyd. 1701; Biblio- 


Bibliographie. 
graphie des Pays-Bas, Nyon 1783 (von Bottin), 


tir unzuverläffig. f) Kür Spanien u. Portu- 
al: Nicolao Antonio, Bibliotheca Hispana vetus 
ad a. MD), Rom 1696, Madr. 1788; Bibl. Hisp. 
nova (MD—MDLXXXIV), Rom 1672, Madr. 
1783—88; Dionifio Hidalgo, Dicecionario gene- 
ral de Bibliografia Espanola, Madr, 1862 fi.; 
Diceionario bibliographieo Portuguez Estudos 
de Jnn. Franc. da Silva applicaveis a Portngal 
e ao Brasil, Liſſab. 1858 ff. g) Für flandina- 
viſche B.: Nyerup u. Kraft, Literaturlerifon for 
Danmark, Norge, og Ysland, Kopenh. 1820; 
Möbius, Catalogus librorum Islandicorum et 
Norvegicorum, Ypz3. 1856; Jens E. Kraft, Norit 
re 1814—56, herausg. von Chriſt. 
. A. Lange, Ehriftiania 1857 fi.; Bruun, Bi- 
bliotheea Daniea 1—2, Kopenh, 1872—1875. 
h) Für Rußland: W. Sopitow, Verſuch einer 
ruffiichen B. (im ruffiicher Sprade) von Ein- 
führung der Buchdruderfunft bis 1813, L—V. 
(der fette Bd. von W. G. Anaftafewirfch), St. 
Petersburg 1813—21; A. oder, Bibliogra- 
phiſch⸗ hiſtoriſches Bild der Fiteratur und Wijien- 
fhaft in Polen ſeit Einführung der Buchdruder: 
funft bis 3. J. 1830 eimichließlich (polnisch), 
L—IN., ®in, 1840—57. i) Für Böhmen: 
Joſ. Jungmanu, Gefchichte der böhmischen Yitera- 
tur, Prag 1849 (2. A., in böhmiſchen Sprade). 
k) Für Ungarn: U. Lonkay, Ismertetese a 
magyar irodalom, Dfen-Peft 1855 f. 1) Für 
Griehenland: A. PBapadopulos Bretos, Neo- 
hellenik& Philologia, Athen 1854—57. m) Für 
Amerila: N. Trübner, Bibliographical guide 
to American literature, Fond. 1859, für wiſſen— 
fhaftlihe u. buchhändleriiche Zwede gleich werth— 
voll; für Brafilien f. oben unter Portugal. n) Fir 
den Orient: J. Th. Zenfer, Bibliotheca orien- 
talis, Manuel de bibliographie orientale, Yp;. 
1846—61; %. Long, A deseriptive catalogue 
of Bengali works, Calcutta 1855; J. Gilde 
meijter, Bibliothecae Sanskritae speeimen, Bonn 
1847; J. Fürft, Bibliotheca Judaica, %p3. 1849 
bis 1863; %. v. Hammer, Geſch. des Osmani- 
ihen Reiches, Bd. VIL—VIII, Belt 1831 f.; 
Bianchi, Bibliographie Ottomane, Par. 1863, 
An die B. ganzer Nationen fchließt ſich eine be 
deutende Zahl von Monographien, 3. B. Walther, 
Literarifches Handbuch für Geſchichte u. Landes- 
funde von Helfen, Darmft. 1841, Nachtrag 18560; 
Predari, Bibliotheca milanese, Mail. 1857; Fi— 
ueira, Bibliotheca portugueza hist., Liſſab. 1850; 
. Narbone, Bibliotheca sicula, Palermo 1850 
bis 1856, 4Bde.; Valentinelli, Bibliografia della 
Dalmazia e del Montenegro, Agram 1856 zc. 
2) Die jyftematifhe odernah Wiſſenſchaf— 
ten geordnete B. Umpfaffende Werte diejer 
Art find: D. G. Morhof, A ir literarius, 
hilosophieus, practicus, 4. A., Lübech 1747; 

. G. Struve, Bibliotheca historiae literariae, 
letzte Ausg. von J. F. Jugler, Jena 1754—63, 
Suppf. von H. F. Köcher, ebd, 1785; aus der 
neueren Zeit: E. Schleiermader, Bibliogr. Sy— 
ftem der geſammt. Wiffenichaftsfunde, Braunſchw. 
1852. Die B. der einzelnen Wilfenichaften bat 
fich Sehr ungleihmäßig entwidelt; während einzelne 
Zweige jehr jorgfältig dur Monographien ges 


363 


find, fonnten zufammenfaffende Werfe, wie 
e3 ſcheint, unter dem Drude der gefteigerten lite- 
rariſchen Production in der Neuzeit nur jelten 
edeihen. Daber find die größeren ſyſtematiſchen 

„n faſt alle nicht bis zur Gegenwart fortgeführt, 
bagegen treten «bier buchhändleriihe Zuſammen- 
ftellungen von wiſſenſchaftlicher Brauchbarteit ein. 
Pbilefopbie:Bibliotheca philosophica, heransg. 
von Th. Eh. Fr. Enslin, Berl. 1824; Ph. ums 
poſch, Die philof. Literatur d. Deutfchen, J. Regensb. 
1851; Büchting, Bibliotheca philosophica, Nordh. 
18675 Theologie: Bibliotheca theologica, 
herausg. von W. Nupredt, fpäter von W. Mül— 
dener, Gött. 1848 ff.; ©. B. Winer, Handbuch 
der theolog. Literatur, 3. A., Lpz. 1838—40, 
Ergänz. 18425 € A. Zuchold, Bibliotheca theo- 
logiea,. Gött. 1862 f. Jurisprudenz: Martini 
Lipenii Bibliotheea realis inridiea, n. A., Lpz. 
1757 mit verschiedenen Fortſetzungen bis 1830; 
Bibliotheca inridica (1750— 1839), herausg. von 
Enslin, umgearbeitet von W. Engelmann, tp3. 
1840—49. Medicin: Biblivtheca medico-chi- 
rurgica, berausg. von W. Ruprecht, Gött. 1847 fi. 
Biblioth. med.-chir. berausg. v. W. Engelmamı, 
Ypz. 1848; 8. Choulant, Handbuch der Bücher— 
funde für die Ältere Medicin, I., Yp3. 1841; Biblio- 
theca medico-historica, ebd. 1842; G. B. Co- 
letti, Bibliografia sanitaria, Flor. 1856. Natur- 
wiſſenſchaften: Bibliotheca historieo-natura- 
lis (1700—1846), heransg. von W. Engelmann, 
Yp3. 1846, Suppl. 1861 f.; Bibl. hist.-nat., 
herausg. von Zuchold, Guthe, Mesger, Götting, 
jeit 18515 Pritel, Thesaurus literaturae botani- 
cae, Ypz. 1851, Zuläte von E. A. Zuchold, 1853, 
2. U. 1872, u. a.; Mathematik: Bulletin de 
bibliographie, d’histoire et de biographie mathe- 
matiques von Terquem, I.—VI., Bar. 1855—61; 
U. Grlede, Bibliotheca mathematica, ſyſtema— 
tiſches Verzeichniß der bis 1870 im Deutichland 
auf den Gebieten der Arithmetif, Algebra, Ana— 
Infis 2c. erichtenenen Werfe, Schriften u. Abhand— 
tungen, Halle 1872. Hiftorifch-philologiiche 
Wiſſenſchaften: Bibliotheca historico-geographica, 
L.—IX., berausg. von G. Schmidt, X. ff., herausg. 
von W, Miüldener, Gött. 1853 ff.; Geographie 
a. Geſchichte erfcheinen jetzt in beionderen Heften 
(22. Jahrg); W. Koner, Nepertorium über die 
von %. 1800—1850 in akademiſchen Abhandlun— 
gen, Geſellſchaftsſchriften u. wiffenichaftlichen Jour- 
nalen auf dem Gebiete der Gejchichte und ihrer 
Hilfswiſſenſchaften erfchienenen Aufſätze, Berlin 
1852—56; Bibliotheca philologiea, berausg. von 
W. u. 8. Ruprecht, jpäter von G. Schmidt, W. 
Müldener, Gött. 1848 fi.; Bibliotheca scripto- 
rum celassicorum (1700—1858), herausg. von 
W. Engelmann, Lpz. 1858, fortgefegt von Her 
manır, Halle 1870 fi.; 4. Schweiger, Handbuch 
der claſſ. B., Lpz. 1830— 34. Tehnil u. Kunft: 
Bibliotheca mechanieortechnologica, herausg. von 
W. Miüldener, Gött. 1862 ff.; Universal cata- 
logue of books on art, Lond. 1870; €. inet, 
Bibliographie methodique et raisonnde des 
beaux-arts, I, Par. 1874; Beder, Darftellung 
der mufifalifchen Literatur, Lpz. 1836, 2 Thle., 
Nachtrag 1839; A. Büchting, Bibliotheca musica, 
Nordh. 1867—72. BZahlreihe Monographien 


364 


über einzelne Disciplinen, z. B. Bernd, Schriften- 
Hunde der Wappenmiflenihaft, Bonn 1830—41, 
4 Bde; Trübner, Bibliotheca glottica, 1. Bd.; 
American languages, von Ludewig, Lond. 1857, 
nu. viele andere. Ferner Monographien iiber ein- 
zeine Begebenheiten u. ei Shan wie 3.8. über 
das Neformationsjubelfeft; Moreaus Bibliogra- 
phie des Mazarinades, Par. 1850—51, 3 Bde. xc.; 
fiber einzelne berühmte Perfönlichkeiten und ihre 
literariſchen Productionen, wie 3.8. iiber Luther, 
über Goethe (von Hirzel, Leipz. 1849, neue 
Bearb,, 1874), über Schiller (von Portung, Lpz. 
1855, Conſtant Wurzbach v. Tannenberg, Schiller: 
buch, Wien 1859, P. Trömel, Schiller-Bibliothek, 
Lpz. 1865), über Dante (Colomb de Batines, 
Biblivgrafia Dantesca, Prato 1845—48, 1. u. 2. 
Bd., ebenio von Earpellini, Siena 1866, von 
Ferrazzi, Baflano 1873, von Petzholdt, Catalogus 
bibliothecae Danteae, n. Ausg., Dresd. 1855), 
über Shalefpeare (von Hallimell, Lond. 1841, 
von Sillig, Ypz. 1854), über Lamennais (von 
Quérard, Par. 1849) zc., u. das Sammelwert 
E. M. SÖttingers: Bibliographie biographique 
universelle, 2 Bde., 2. A., Brüffel 1854; über 
befondere Gegenſtände, wie 3. B. Wadernagel, 
B. des deutſchen Kirchenliedes, Frkf. 1854—55, 
2 Thle.; Gräße, Bibliotheca magica, Lpz. 1843; 
Kloß, B. der Freimaurerei, Frankf. 1844, Er- 
gänzung von Barthelmeh, Nem-Mork 1856; Du- 
plettis, Bibliogr. par&miographique, Par. 1846; 
Zader, Literatur der deutſchen Sprüdmörter- 
fammlungen, Lpz. 1843; Trömel, Literatur der 
deutihen Mundarten, Lpz. 1843—44; Schmid, 
Literatur des Schadhipiels, Wien 1847; N. von 
der Finde, Gejchichte u. Literatur des Schadhipiels, 
2 Bde, Berlin 1874; Peters, Die Fauftliteratur, 
Lpz. 1856, 2. A., ac. Periodiſch wird die wiffen- 
ichaftlihe Literatur in manden Fachzeitſchriften 
zufammengeftellt; eine umfaffende fuftematiiche B., 
die vorzüglich gearbeitet ift, liefert regelmäßig die 
Jenaer Literaturzeitung, red. von A. Klette, feit 
1873. Zunähft verwandt der nationalen u. ſyſte— 
matiſchen B. find 3) die Schriftitellerlerita. 
Dieſe zerfallen einerjeits in allgemeine u. beſon— 
dere, anderſeits im ſolche über einzelne Völker, 
Länder u. Orte u, im folche über einzelne Wiffen- 
ſchaften. Zu erfteren gehört Jöchers (ſ. d.) befann, 
tes Gelehrtenlexikon, zu letteren Meufels (f. d.) 
Gelehrtes Deutichland, Quérards: La France 
litt6raire (f. o.), u. zablreiche andere ältere und 
neuere Werte. Als muſterhaft find n. a. zu nennen 
Erslews Forfatter-Lexikon for Kongeriget Dan- 
mark (1814—40), I.—III., Kopenb. 1843—53, 
Supplem. bi® 1853, ebd. 1858; Schröders Yeriton 
der Hamburger Schriftiteller, Hamb. 1852—57, 
1.—3. Bd.; Keßlins Buch über die Schriftftelfer 
aus Wernigerode, Wernig. 1856. Zu den Lericis 
iiber einzelne Wiffenfchaften gebört auch Callifens 
Mediciniſches Schriftftellerleriton, Kopenh. 1829 
bis 1837, 25 Bde., Suppl. 1838—45, 1.—8. 
Bd. An diefe Art von bibliographifchen Arbeiten 
ſchließen fi dann weiter die bio-bibliographiichen 
Sammelmwerfe über die Dichter, Profaiften zc. ein» 
zeiner Völler, Länder und Yandestbeile. B. Die 
bibliothekariſche B., zunächſt in ihrer Tendenz, 
dem Bücherſammler die Kenntnig wertholler Schrif- 


Bibliographie. 


ten zu vermitteln, dann aber and die Geichichte 
der legteren darzuftellen, hat ihre Ausbildung bef. 
in Frankreich u. England erhalten; fie beichreibt 
ſolche Bücher, die durch ihre Schidjale, ihr Alter, 
ihre äußere Beichaffenheit merkwürdig find. In 
ihrer ganzen Ausdehnung wurde diefelbe zuerſt im 
Franfreih von Debure in der Bibliographie in- 
structive, Par. 1763—68, 7 Bbe., bearbeitet. 
Diejem folgte fpäter Brunet mit dem Manuel da 
libraire, ebd. 1810, 3 Bbe., 4. A. 1845, 4 Bbe., 
5. U. 1860—65, 6 Bde., welches Ebert in jeinem 
bis jet noch unübertrofienen Allgemeinen bliblio« 
graphifchen Wörterbuch, Lpz. 1821—30, 2 Bde., 
zu Grunde legte. Letzteres Werk nimmt jedoch, wie 
überhaupt die deutſche B., mehr auf das Bedürf- 
niß des eigentlichen Bibliothelars, des Gelehrten 
u. der Wiſſenſchaft Rückſicht, während die biblio- 
graphiſchen Arbeiten der Engländer u. Franzoſen, 
wie 3. B. Dibdins (f. d.), mehr das Intereſſe 
der Bibliomanie im Auge behalten. Indeſſen be» 
fundet der erwähnte Brunet in diefer Beziehung 
einen guten Tact, indem er ſowol den rein biblio- 
graphiihen Zmweden durch feine meift forgfäl« 
tige u. reichhaltige Bücherbefhreibung im alpha» 
betiihen Theil des Wertes genügt, als aud eine 
foftematifche Überficht über die Yiteratur der ein« 
zeinen Wiffenfhaften beifügt. Es gibt bereits 
brauchbare Werke über die Incunabeln, wie von 
Panzer (f. d.) u. Hain, Repertorium bibliogr., 
Stuttg. 1826— 38; E. Weller, Repertorium typo- 
graphicum, Nördl. 1864, nebft zablreihen Mono« 
grapbien von Heller, Sotmann, Fiſcher, Beejen- 
meyr, Weigel, Zunz, Aber, Gräße, Merzdorf, 
Mone, von der Hagen, Haßler zc., ſowie über die 
Drude der Elzevire, Aldus, Giunti, Stephanus, 
Plantin, über die Privatdrude (in England von 
Martin, Fond. 1854), über: die Ana (j. d.) zc.; 
Zeitichriften für die angewandte B. find: Bulletin 
du bibliophile (et du bibliothecaire), von Nodier 
u. Techener redigirt, Par. 1834 ff.; Le biblio- 
phile beige, gegründet von Baron von Reifien- 
berg, ſpäter redigirt von Chenebolld, v. Scheler, 
1854—63, zu unterjcheiden von dem fpäteren 
Bibl. belge, dem Bulletin der Société des biblio- 
philes, 1866 ff.; Naumanns Gerapeum, Lpz. 
1840—70, und Pegholdts Anzeiger für B. und 
Bibliothetswiffenichaft, Halle 1850—55; Neuer 
Anzeiger, Dresd. 1856 ff., eine Fortfegung von 
defjen Anzeiger für Bibliothelswiſſenſchaft (Halle 
1840—49); vgl. Bibliomanie u. Bibliothelwifien- 
ſchaft. Schr beachtenswerth ift auch Aubros Bulie- 
tin du Bonquiniste, Par. 1857—61. Die biblios 
thelariſche B. verzeichnet aber auch die vorhandenen 
Bücherfammlungen in wiffenfchaftlihen Katalogen. 
Obgleich die meiften Bibliothefen von der Drud- 
legung ihrer Kataloge abftehen, weil biefelben 
durch die fortlaufende Bermebhrung einer Samm« 
fung meift jhon während des Drudes unvollftändig 
mwerden, jo bat man doch auch noch aus der neues 
ren Beit gedruckte Bibliothelslataloge, u, man fann 
nicht leugnen, daß diefelben nicht nur für die Ber» 
waltung u. Benutzung einer einzelnen Bibliothet, 
fondern auch für die * im Allgemeinen nützlich 
u. danfenswerth find, z. B. ſyſtematiſch⸗alphabe- 
tiſcher Hauptlatalog der fünigl. Univerfitätsbiblio- 
thet zu Tübingen, nach dem Stande vom 1. Juli 


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1853, Tüb. 1854, mit Zuwachsverzeichniſſen; Ka-| Buchhandels, welche die neueften Erſcheinungen in 
talog der Stadtbibliothek in Zürich, 1864; Katalog |dem verjchiedenen Ländern verzeichnen. Es beftehen 
der Eommerzbibliothef in Hamburg, 1864, mit|folgende in Deutfchland : Allgemeine B. für Deutſch⸗ 
Nachträgen bis 1871; Katalog der Bibliothel|land feit 1836; Allgemeine B., red. von E. Brod- 
des tönigl. Statiftiihen Bureaus zu Berlin, 1874; |haus (früher v. Zrömel), Lpz. (Brodh.) feit 1856, 


Bibliographie. 


Catalogue de la section des Russica, St. Betersb. 
1873; Catalogue of the public library of Cin- 
einnati, 1871. Das größte Unternehmen dieſer 
Art ift die Drudiegung von Katalogen der Natio- 
nalbibliothef in Paris (vgl. Neuer Anzeiger f. B. 
u. Bibliothefwiffenfchaft, 1874, S. 297). Hierher 
ebören auch Lie zahlreichen Verzeichniſſe von 
rivatjammlungen, ie einen um fo größeren 
Werth haben, je mehr fie ſich auf Beſchreibung 
von Specialitäten einlafien, 3. B. v. Maltzahı, 
Deutiher Bücherſchatz des 16., 17. und 18. bis 
um die Mitte des 19. Jahrh., Jena 1875. 
C. Die bibliopolifche B, dient zunächſt dem 
rg Bertriebe der Schriftwerle. Am 
eutlichften tritt dies zu Tage in den Ben ber 
Buchhändlerzeitungen, wie im Börfenblatt fiir den 
deutihen Buchhandel, 42. Jahrgang 1875 (Leip⸗ 
zig), in den Verlagslatalogen, 
projectirte und ausgeführte Berlagsunternehmun- 
en, ferner in den Meßlatalogen (vgl. G. ©. 
Schwetihle, Codex nundinarius Germaniae lite- 
ratae bisecularis, Meß ⸗ Jahrbücher des deutichen 
Buchhandels 1564—1765, Halle 1850; Petzholdt, 
Bibliotheca bibliogr., ©. 282 fi.). Zn den biblio- 
graphiihen Werfen für bibliopoliihe Zwede, die 
un neuefter Zeit jedoch einen mehr u. mehr wilfen- 
ſchaftlichen Auſtrich erhalten, kommt e8 namentlich 
auf genaue Angabe des Titel, des Drudortes, 
Drudjahres, Berlegers, des Formats, der Stärke 
des Buches u. des Preifes an. Cie find meift 
alphabetijch geordnet, fei es, daß fie die gefammte 
Literatur eines Volles, oder bloß die einer Wiffen- 
ſchaft während eines längeren oder kürzeren Beit- 
raumes umfaffen. So verzeichnet Heinfius, Allge- 
meines Bücherlerifon (Lpz. 1812—29, 1. -7. Bd., 
von Schulz ebd. 1836—47, 8.—9. Bb., von 
Schiller, ebd. 1847—56, 10.—12. Bd., von 8. 
R. Heumann, 1857—67, 13.—14. Bd. Lpz. bis 
ih? alle feit 1750 in Deutichland ericiene- 
nen Bücher ; Chr. Kayfer, Bollftändiges Büdher- 
leriton (von 1750—1832), fortgefegt von Zuchold, 
Wuttig, Haupt, 1.—18, Theil, Lpz. 1833—72; 
Kirchhoff, Bücherkatalog, beginnt mit der 2. Hälfte 
des 19. Jahrh. (1851 fi.); das Werk wird von 
inrichs fortgeſetzt: Fünfjähriger Bücherfatalog, I. 
is IV., 1851—70 (der 3. u. 4. Bd. von Büchting 
u. Herre bearb.) ; Hinrichs Bücherlatalog, 1851 bis 
1865, bearb. von Bilhting u. Baldamus, Yeipzig 
1874; Deutſcher Zeitfchriften-Katalog, 2. A., Lpz. 
1874, bearb. von E. Baldamus. In Frankreich 
bat Eheron einen Catalogue de la librairie fran- 
Saise au XIX sitcle (har. 1855 f.) begonnen, 
Ähnliche Arbeiten über einen größeren Zeitraum, 
doch mehr oder weniger forgfältig, befigen bie 
Dänen, Schweden, Rormweger, Holländer, Engländer 
u. NAmerilaner. Die Literatur einzelner Wiffen- 
haften bezeichnen auf diefe Weife beſ. die Biblio» 
thefen von Enslin, gegenwärtig von Engelmann 
in Leipzig umgearbeitet u. meitergeführt (f. 0.). 
ieran fließen fi die verſchiedenen periodifchen 
lätter, meift fogenannte Nationale B⸗en des 


umfaßt auch außerdeutſche Fiteratur; Das halb» 
jährige Hinrichsſche Verzeichniß der Bücher und 
Landlarten zc., feit 1799; der Bierteljahrsfatalog 
aller neuen Erfheinungen im Felde der fiteratur in 
Deutſchland, nad den Wifjenichaften geordnet feit 
1846, ift leider 1860 eingegangen; das B-iche 
Jahrbuch für den deutihen Buch-, Kunft- und 
Landlartenhandel, eine Fortfegung des Meflata- 
logs (f. d.) jeit 1853, fänmtlich zu Leipzig; B. 
der Schweiz, 4. Jahrg. 1874, Züri; in Sant: 
rei: die R. de la France, feit 1812 wöchentlich 
ericheinend, das erfte Blatt diefer Art in Europa; 
Catalogue annuel, herausgegeben von C. Rein- 
wald, hat leider feit dem Kriege von 1870 zu er- 
ſcheinen aufgehört; Petite bibl. frangaise, ge- 
Ser von E. Galette, redig. von A. Lemoigne, 


eit 1873; in Stalien: die Bibliografia italiana, 


ittheilungen über ſeit 1867 zu Florenz; eine Bibliografia italiana 


beftand ſchon 1828—29, herausg. von Paftori zu 
Parma, 1835—46 herausg. von Stella zu Mai- 
land, legtere vor figtich, und verfchiedene andere 
buchhäudleriſche —2* in Spanien: El biblio- 
grafo espaßul y estrangero, von Hidalgo und 
Bailly-Baillire, 1857—59 zu Madrid; Boletin 
bibliogräfico Espaäol, red. v. Hidalgo, 1860 ff., 
zu Madrid; in England 1838—62 Publisher's 
Cireular and general Record of British Lite- 
rature; feit 1842 Longmans, Browns, Green zc. 
Monthly list of new books published in Great 
Britain; The English Catalogue of books, zu—⸗ 
fammengeftellt von ©. Low, 1835—62, 1863— 71, 
1872 fi.; in NAmerila: Nortons Literary Ga- 
zette, feit 1851; in den Niederlanden: die Neder- * 
landsche bibliographie, berausg. von Nijhoff, 
8 Gravenh. 1856; für die frühere Zeit: Naam 
Register of verzaameling van Nederduytsche 
Boeken, von J. van Abloude, Arvenberg, Jong, 
1640—1788, u. d. Zitel Alphabet. Naanılyst, 
1790— 1849, Leyd., Rotterd,, 8’Gravenh., Amſterd. 
1743— 1858; daneben Alphabet, Naamlist van 
Boeken, Landkarten ac., Amfterd. b. Brinfınann 
1846—62; in Belgien: Muquards Bibliographie 
de la Belgique, 1838—68; 3. folge, 1., 
1875; in Schweden: die Svensk bibliographi, 
feit 1829, n. das Svensk literaturbulletin, 1844 
fi.; in Dänemart: Höfts Dansk Bibliographie, 
feit 1843; Dansk Bogfortegnelse, feit 1851; in 
Polen: dieBibliografia krajowa, 1856 zu Warſchau 
von Klulowsti u. Rafalsk Yerausgegeben; Biblio- 
grafia polska, herausg. von Brodhaus, Leipzig 
1861 —65; fortlaufende Berichte in Brodhaus’ 
Mittheilungen,; in Rußland: die Russkaja bi- 
bliografija, feit 1856 monatlih von Smirdin her« 
ausgegeben; in Oſterreich gaben 1853 ff. u. nad) 
Unterbredung von einigen Jahren 1873 mwöchent- 
lich die Ofterreichifchen Blätter (Wochenſchrift) für 
Literatur u. Kunft ein forgfältiges Berzeichniß 
fämmtlider im öfterreidhifchen 228 erſchie⸗ 
nenen (auch der ungariſchen, böhmiſchen, polniſchen, 
rutheniſchen, ſloweniſchen, ſerbiſchen, italieniſchen 
x.) Bücher. Bibliographiſch-⸗ſtatiſtiſche Überſichien 


305 


Biblivlatrie — Bibliothek. 


der Literatur des öſterreichiſchen Kaiſerſtagtes gab großen antiquariſchen Bücherauctionen, die vor« 
Conſt. Wurzbach 1852—54 heraus; Die Öfterrei- zugsweiſe in Paris u. Yondon abgehalten werden. 
chiſche Buchhändler-Correjpondenz; bat im Jahre In der Auction des Herzogs von Norburgh 1812 


1874 ihren 15. Jahrgang erreicht (Red. 3. C. 
Fiſcher). Die buhhändlerifche B. ift für die Yiterar- 
geiichte oft von großem Werthe, namentlich die 
antiquarifchen Kataloge, wenn fie ſyſtematiſch ab- 
gefaßt find, oder fi auf befonders reichhaltige 
Yager, wie bei Brodhaus, Köhler, Weigel, Bär, 
Aber, Briffel u. A., beziehen. B. Quaritſch in 
London hat einer Neihe jeiner Kataloge Braud- 
barkeit dur ein angebängtes, umfajlendes Re— 
gifter verliehen (A general catalogue of books by 
B. Q., Lond. 1874). Ein jehr verdienftvolles bud)- 
händlerifches Unternehmen, weldes der Wiſſen— 
ſchaft zugleich Dienfte leiftet, ift Zrübners Ame- 
rican and Oriental Literary Record, welcher die 
bedeutendften neuen Publicationen in Amerifa, 
Indien, China, den Britiſchen Colonien verzeichnet, 
mit gelegentlichen Nachrichten über deutſche, hol— 
ländiſche, dänische, franzöftiche, italienische, ſpaniſche, 
portugiefiihe u. ruſſiſche Schriften, Braubach. 

Bibliolätrie (v. Gr.), die abergläubiiche Ver— 
ehrung der Bibel, bei. ſoſern man Buchſtaben n. 
Geift derjelben nicht unterſcheidet. 

Bibliomänie (v. Gr.), Sucht, Bücher, na- 
mentlich alte u. feltene, zu fammeln, indem man 
dabei Werth auf wifjenschaftlich unbedeutende Ne— 
bendinge legt. Der Bibliomane verfolgt entweder 
gar feine beſtimmte Nichtung u. häuft Bücher aus 
ven verjchiedenften Fächern der Literatur an, oder 
er beichränft ſich auf eine gewiſſe Klaffe von Drud- 
werten, fei es in Rückſicht der Beit, . in welcher 
fie erfchienen, oder in Bezug auf ihren typogra— 
phiſchen Charakter, oder in Hinficht der darin ab- 
gehandelten Materien, oder endlih in Anbetracht 
ihres Werthes als Turiofitäten. Auf diefe Weije 
jind die verjchiedenartigjten Sammlungen, fo von 
Jucunabeln, von Drudwerten gewiſſer Beitab- 
jchnitte, 3. B. des Dreißigjährigen Krieges, einzel« 
ner Drudereien, 3. B. Aldinen, Elzevire, dann 
von Holzichnittwerten, von Ausgaben eins oder 
mehrerer Claffifer u. der iiber diejelben veröfjent- 
lichten Abhandlungen, von einzelnen Werten, wie 

anz befonders der Bibel, von Schriften, die ein 
veftimmtes Land, eine beſtinunte Wiffenichaft bes 
trefjen, von Flugblättern, einzeln gedrudten Volls— 
liedern, von ebedem verbotenen u. bis auf ein» 
zelne Eremplare (Unica) vernichteten Büchern zc. 
“ entftanden, die in den meiſten yällen für den 
erften Befiger nur den Werth der Guriofität 
hatten, während fie, , Später in große öffentliche 
Bibliothefen oder in die Hände von Forſchern 
übergebend, für Kunft u. Wiffenfhaft, namentlich 
aber für die Eulturgefchichte, Wichtigkeit erlangten. 
In England u. fpäter in Frankreich, neuerdings 
auch in den Bereinigten Staaten von NAmerifa 
it die B. zu einer Paffion reicher Privatleute 
geworden, u. um ein jeltenes oder durch irgend 
einen Umftand, als durch die Breite des Randes, 
die Pracht des Einbandes, durch das Nutograph 
eines berühmten Mannes, durch handjchriftliche 
Notizen des Autors, merkwürdiges ara von 
einem Werte zu erhalten, werden oft über alles 
Maß hinausgehende Preife bezahlt. Die Biblio- 
manen find die hauptſächlichſten Käufer bei den 


wurde m, a. ein Exemplar der 1. Ausgabe des 
Decamerone von Boccaccio von 1471 um 2260 
Fi. St. verfauft, u. um dies Ereigniß zu ver« 
herrlichen, ftiftete fih der Bibliomanic-Ror- 
burg-Elubb, welder am 13. Juli, als dem 
Tage jener Verfteigerung, feine Situngen hielt, 
Die Kataloge folher Auctionen werden vorber 
nach allen bedeutenden Städten Europas n. Amer 
rilas verfandt, u. die höchften Preife, welche direct 
oder dur Commiſſionäre geboten werden, dienen 
als Anhaltepunfte für den antiquariihen Biicher- 
handel. Außer mit alten Werfen treibt man auch 
Luxus mit Herftellung einziger (Wluftrirter) Exem⸗ 
plare, indem man Werken Kupfer, die eigentlich 
gar nicht zu ihnen gehören, oder doch nicht zur 
Erläuterung derfelben dienen, beifügt u. fie fo 
verlauft. Einige Gejellichaften vereinigen ſich auch, 
um ein Werl im nur wenigen (20—30) Pradıt= 
eremplaren druden zu laffen; ja, e8 bat Yiebhaber 
gegeben, die ein Buch nur in einem Prachterem- 
plar ganz allein für fi anfertigen ließen. Endlich 
vervielfältigt man auch Heine Werke, die nur im 
einem einzigen Eremplar befannt find, in der 
Weife, daß fie dem Original täuſchend ähnlich 
jehen, oder man nimmt von ungedrudten Werfen 
photographiiche Kopien, wie dies im Jahre 1856 
mit dem Codex argenteus (f. d.) in Upfala ge— 
ſchehen if. Vgl. Frognall Dibvin, Bibliomania 
or Bookmadness, Lond. 1811, n. A. 1842; Deiien 
Biographical Decameron, eb. 1817, 3 Be; 
Deiien Tour in France & Germany, ebd. 1821, 
3 Bde.; Deſſen Bibliophobia, remarks on the 
present languid state of literature and the book 
trade, von Mercurius Ruſticus, eb. 1832; Defien 
Reminiscences, ebd. 1836. Brambadı.* 

Dibliomantie (v. Gr), Wahrjagung aus 
Bücher, bei. Bibelftellen. 

Bibliophil (v. Gr.), VBücherfreund, Bilder- 
liebhaber, der Bücher jammelt zu willenjcyaft« 
lichen Zweden, im Gegenjage zu dem Bibliomanen, 
(j. d.). Daher Bibliopbilie, Biicherliebhaberei; 
dagegen Bibliophobie, Abneigung gegen Bücher, 

Bibliothef (v. Gr.), eine jede zum Zwede der 
Aufbewahrung u. Benutzung veranftaltete Samım- 
lung von Büchern u. Handjhriften, namentlich 
wenn eine folhe größer u. mach einer gewiſſen 
Ordnung aufgeftellt ift. I. A) Dan unterfcheidet 
Privat-B-en, melde für den Gebraud) einzelner 
Gelehrten u. Freunde der Lectüre, u. öffent 
lihe B-en, welde zur allgemeinen Benußung 
beftimmt find, Der Einzelne ſammelt nach Reig- 
ung u. Bedürfniß; öffentliche Ben haben den 
Anſprüchen des gebildeten Publicums im Alge- 
meinen oder befonderen Kreifen defielben zu ger 
nügen, Daher 3. B. Bolfs-B=-en, welde zur 
Bildung der niederen Bevöllernngsſchichten be— 
ſtimmt find; Schul-Been, welche entweder den 
Lehrern, oder den Schülern einer höheren oder 
niederen Lehrauſtalt, oder einer beſtimmten Fach— 
ſchule dienen ſollen; Univerſitäts-Be-en, welche 
zunächſt die wiſſenſchaftlichen Arbeiten der Profeſ— 
ſoren u. die Studien der Studenten unterſtützen 
ſollen; Stadt-B»en, welche für die gebildeteren 


Bibliothek. 


Theile der Bewohner einer größeren Stadt be 
ftunmt find; Staats-B-en, welche nicht bloß 
den höheren Staatsbeamten , fondern and der 
großen Anzahl von Gelehrten u. höher Gebilde: 
ten, die eine Reſidenz zu vereinigen pflegt, auch 
wol des ganzen Yandes, offen fteben. Yettere 
haben natürlich die Piteratur im ihrer Gefammt- 
beit, ſoweit es die Mittel erlauben, gleihmäßig 
zu berüdfichtigen, während bei den übrigen Arten 
von Ben ein oder das ande e Yireraturgebiet 
mehr oder minder in den Bordergrumnd tritt, 
ja, einzelne ſehr umfajjende Gebiete geradezu in 
Wegfall fommen können. B) Die Anichaff- 
ung der Bücher geihicht meift allmählich, nach 
Mafgabe der vorhandenen Mittel; ſoll aber 
raſch gefammelt' werden, jo thut man am beften, 
eine ſchon vorhandene, dem Zwecke entiprechende 
Büherfammlung im Ganzen anzufaufen u. dieſe 
dann durch Ankauf einzelner Werle zu vervoll- 
ſtändigen. Wünſcht man die B, an alten Ma— 
nufcripten (Codices) und Incunabeln reich zu 
maden, fo muß man, bejonders nad erfteren, 
vorzüglich im Klöftern von Ländern, die noch nicht 
genug durchſucht find, wie 3. B. des Orients, 
Nachforſchungen anftellen, oder fih nad dem Ver— 
faufe alter Ben von aufgebobenen Klöftern u. 
Bat. umfehen. Bücher vom Jahre 1500 bis zu 
den letten Jahrzehenden erlangt man am beften 
von Antiguaren oder in Auctionen, C) Das Yocal 
einer B. muß gebörigen Raum für die Biicher 
haben, troden, bell u. gleichförmig erleuchtet, je- 
doch die Bücher gegen die Sonnenftrablen geſchützt, 
möglichit gegen Feuersgefahr gefihert u. mit be- 
auemen Vorrichtungen zu Arbeiten in der B. od. 
doch in anftogenden heizbaren Zimmern verjeben 
ſein. Man hält gewöhnlich ein vundes, oben mit 
einer Kuppel oder mit einem gläfernen Dache verr 
jebenes Gebäude für befonders geeignet. Indeſſen 
bat auch ein derartiges Oberlicht feine großen 
Mängel, weil e8 gegen Hitze feinen Schub ge— 
währt, feuchte Niederichläge befördert u. doch eine 
gleichmäßige Verteilung des Lichtes nicht in dem 
Maße geitattet, daß die Büchergeſtelle in allen 
Theilen entiprechend erhellt wären. Zwedmäßiger 
ift jedenfalls ein hoher, eingemwölbter Raum, wel— 
her jein Licht von den Seiten empfängt. Das 
Gewölbe ſchützt gegen die Sonnenhitze u. befeitigt 
namentlich bei Feuersbrünſten die Gefahr, welche 
durch fliegende, das Dach treffende Feuerfunken 
entfteht. Die Fenſter, welche von der Sonne be» 
rührt werden, find mit beweglichen Borhängen zu 
verfeben. Die VBüchergeftelle müſſen eine dem 
format der Bücher entiprechende Tiefe haben; 
wenn es thunlich ift, fett man die Bücher vom 
größten Format in befonders tief gebaute Geftelle, 
während für die übrigen Folianten u, Heineren 
Formate eine Durchichnittstiefe berechnet wird, 
Die Biichergeftelle werden am beiten jo einge» 
richtet, daß die Horizontalbretter, auf welchen die 
Bücher fteben, beweglich find, Es muß eine Bor- 
richtung getroffen werden, daß Diele Bretter je 
nah der Höhe der einzuftellenden Bücher böber 
oder tiefer eingelegt werden können. Man bat 
dafür fog. Zahnleiften an den Rändern der Ber: 
ticalwände angebracht, im welche die Horizontal- 
bretter mittel® eines Einschnitte eingriffen, ine 


3067 


dem fie Durch 2 untergeichobene Leiſtchen geſtützt 
wurden. Dieſe mübjelige u. unpraktiſche Eiuricht— 
ung ift fo unzulänglich, daß man oft auf die Be— 
weglichleit der Schäfte verzichtete u. dieſelben be: 
feftigte, wobei eine empfindliche Raumverſchwend— 
ung unvermeidlich tft. Diejen Übelftänden iſt man 
zuerft im Britiihen Muſeum durch das von Pa- 
nizzi erfundene Syſtem der Stellftifte erfolg« 
reich begegnet. Der Stellitiit beiteht aus einem 
cplindriichen,, eigentlichen Stiftjtüde, welches in 
die Verticalwand eingeftedt ift, u. einem Träger, 
auf dem das Horizontalbrett ruht. Zum Einſtecken 
des Stiftes find in den Berticalmänden Löcher mit 
genau berechneten Diftanzen angebradt. Die 
leichte Verſetzbarkeit der Bretter läßt michts zu 
wünſchen übrig. Diefes Syſtem ift in Paris an- 
genommen u. der Stellftift vervolllommmet wor: 
den. In Deutichland bat derielbe zuerſt zu Karls— 
rube Anwendung gefunden. D) rüber ordnete 
man die Büher nah dem Format, ſpäter ent— 
weder nach dem Alphabet, oder nach Wiffenichaften; 
jetst ift die leßtere Anordnung auf den metiten 
öffentlihen B-en eingeführt. Danach find zunächſt 
die Bücher verjchiedener Wiſſenſchaften von ein» 
ander getrennt aufgeftellt; von denen aber, welche 
zu derjelben Wiffenichaft gehören, werden diejeni- 
gen vorangeftellt, welche von der Einleitung oder 
ven der Geſchichte der bezüglihen Wiſſenſchaft 
handeln, dann kommt die Yıteratur der einzelnen 
Fächer, wie fie fih aus dem allgemeinen Begriffe 
derjelben entwidelt; die einzelnen Bücher werden 
in chronologiſcher, Hiftorifcher oder in einer Durch 
praftijhe Bedürfniffe beftimmten Folge geordnet. 
Bei dem Aufftellen werden die Bücher aber auch 
noch nad ihrem Format in 2 oder mehr Ab» 
theilungen gejondert: nämlich in Folianten und 
Quartanten, Octavbände, Duodezbände, u. dieſe 
in die verſchieden hohen Nepofitorien iiber ein- 
ander, und zwar unter fi in der angegebenen 
Ordnung eingejtellt. Neben diejer äußerlichen 
Aufitellung gebt noch eine ſchriftliche, d. h. die 
Katalogıfirung der Bücher. Jede B. braucht 
wentgitend zwei, große fogar drei Kataloge: 
a) Wealfatalog, in welchem alle Schriften nad 
dem Inhalte, in ſyſtematiſcher Ordnung aufge— 
führt find; derſelbe enthält den vollitändigen 
Namen des Verfaſſers, des Drudortes u. Ver— 
legers, den Zitel der Schrift, oft auch die Sei- 
tenzabl des Buches (die der Vorrede und des 
Terte8 gejondert), ferner Format und Angabe 
etwaiger Illuſtrationen u. dal.; bei Anonymen u. 
Pſeudonymen wird der Name des Berfafiers, 
wenn u, ſoweit er bekannt ift, beigefügt, beziehent- 
ih dem angenommenen in Harenthefe beige» 
ſchloſſen; b) Nominalfatalog, ein alphabetiiches 
Verzeichniß der Bücher nach den Namen der Ber- 
faffer, u. e) ein Yocalfatalog, worin die Stand» 
pläge der Bücher in der B. angegeben jind, 
Außerdem werden Die geordneten Bücher fiqnirt, 
wobei einige eine durch die ganze Sammlung lau- 
fende Numerirung anwenden, od. eine Nummern- 
reihe duch die ſämmtl. Abtheilungen einer Wiffen- 
ſchaft beibebalten; oder endlich Die Hauptabtheil« 
ungen jeder wiſſenſchaftlichen Disciplin durch bes 
fondere, d. h. mit den übrigen nicht zufammenbäns 
gende Zahlen numeriren. Eine Schwierigleit des 


368 


Bibliothek, 


Signirens entfteht bei dem Nachanſchaffen von fchaftlihen u. belletriftiichen Werte von Werth an 
Büchern; gewöhnlich werben aber dann für die neu |gelauft werben fönnen. Die meiften find barauf 


binzugelommenen Bücher hinter der Nummer bes 
Buches, womit das neue gleihen Inhaltes if, 
noch Heine lateinische Buchftaben hinzugefügt. Ubri- 
gens fiehe Bibliographie. E) Die Berwaltung 
einer geordneten B. erftredt ſich hauptſächlich auf 
Folgendes: 1) Die Bücherſammlung muß in einem 
guten Zuftande erhalten werben, was befonders 
durch jorgfältige Reinhaltung u. Lüftung ber 
Biicherfäle, Durch periodiiches Abftäuben der Bücher 
u. duch Putzen der Fußböden, Wände u. Fenfter 
in fänmtfihen zur B. gehörigen Räumlichkeiten 
erzielt wird. 2) Der Anhalt der Sammlung muß 
allgemein nugbar gemacht werden. Dies geichieht, 
indem man die Bilcher entweder in den Räum- 
lichkeiten der B. vom Bublicum benugen läßi, od. 
indem man fie ausleiht. Wo ein großes Auffichts- 
perfonal vorhanden ift, fann man dem Publicum 
den Zutritt in die Bücherſäle felbft geftatten, je- 
doch ift es nicht rathſam, das Herausnehmen von 
Werfen aus ihrem Geftelle dur andere Berfonen 
als dur B-beamte zu erlauben. Nod weniger 
farın das Cinftellen gebraudter Bücher einem 
Nihtbeamten anvertraut werben. Übrigens ift 
e3 in großen B-en mur felten noch üblih, die 
Bücherräume zugleih als Leje- oder Studienfäle 
zu benugen; vielmehr ſucht man in der Nähe der 
Bücherräume ein Lejezimmer einzurichten, in wel- 
chem den Beſuchern der Anftalt Werte auf Ber- 
langen vorgelegt werden, ferner eine Hand-B. der 
nothinenbigen Nadhichlagebücher beftändig aufge⸗ 
ftellt ift u. die neu erſcheinenden Zeitſchriften zur 
Einfihtnahme bereitliegen. Geftattet die B-Ber- 
mwaltung die Benutung der Bücher ſowol im 
Lefezimmer, als durch Ausleihen, jo muß ein be- 
fonderes Ausleihezimmer eingerichtet werden, ba 
im Leſeſaal alles Spreden u. überhaupt jedes 
vermeidbare Geräufch verboten fein muß. Mufter 
eines Lejefaals ift der Reading Room des Bri- 
tiihen Mufeums (vgl. A list of the books of re- 
ference in the Reading Room of the British Mu- 
seum, 1859, mit einem Plan). Über die auszu⸗ 
leihenden Bücher ſtellt der Entleiher eine Em— 
pfangsbeſcheinigung aus, und dieſe iſt in eine 
(am beſten nad alphabetiſchen Gruppen einge 
theilte) Lifte der ausgeliehenen Werke einzutragen. 
Bill man fih das Führen der Lifte erjparen, fo 
fann man Duplicate der Empfangsbefcheinigungen 
ausftellen laſſen u. lettere alphabetiich nad dem 
Stihmworte der ausgeliehenen Werte ordnen, wäh- 
rend die anderen Seine nah dem Namen des 
Entleihers zufammengelegt werden. Es ift ftatu- 
tarisch feftzuftellen, wer das Recht der Benutzung 
hat, wie viele Bände an eine Perfon abgegeben 
u. welche Bücher nicht ausgeliehen werden. 8) Jede 
B., welche rechten Nutzen bringen fol, muß einen 
Fonds haben, dur welchen neu erjcheinende Werte 
regelmäßig angelchafft werden können. Die ratio: 
nelle Bervolffiändigung u. Fortführung einer Bü- 
herfammlung ift der ſchwierigſte Theil der Ber- 
maltung ; denn es ift hierzu eine gründliche Fite- 
raturfenntniß u. ein bejonberes Geſchick in der 
Verwendung u. Vertheilung der Gelbmittel erfor- 
derlih. Es 


fo reichliche 


angewiefen, eine beſchränkte Auswahl zu trefien. 

ier muß num der Zweck der betreffenden B. bie 

ichtſchnur bilden. Univerfitäts-B-en find fah alle 
auf ausfchlieglich wiffenjchaftliche Werte angemiefen, 
Saats-Bsen meift auf Werke wiffenjchaftlihen u. 
praftiihen (politiihen, abminiftrativen) Juhaltes, 
Bolls- u. Leih-B-en pflegen die Unterhaltungs 
literatur, Jugendſchriften. Die Verwaltung wird 
geführt von Bibfiothefaren, an deren Spike in 
großen B-en ein Director oder Oberbibliothelar 
ſteht. Bei größerem Perfonal unterſcheidet man 
neben den Bibliothefaren noch B.-Secretäre, Cu: 
ftoden, Affiftenten; die untergeordneten Arbeiten 
beforgen Bibliothefdiener. In Corporations-B-en 
ift die Verwaltung oft getheilt, indem ein Ber- 
waltungsrath oder eine B.Commiſſion über ben 
Fonds u, die Ankäufe enticheidet, während ber 
technifche Theil der Abminiftration den Bibliothe⸗ 
faren überlaffen bleibt. Wo keine befonderen Ber- 
mögensvermwalter vorhanden find, da ift eine der⸗ 
artige Theilung von Nugen; nur ift e8 rathjam, 
auch die Biücherfäufe in der Haud von liierariih 
geihulten Bibliothefaren zu belaffen. In Bezug 
auf die Univerfitäts-VB»en iſt neuerdings die Frage 
eifrig verhandelt worden, ob die Verwaltung ber» 
jelben mit einer Profeffur combinirt, ob eine aus 
Profefforen beftehende Commiffion beigegeben, od. 
ob ein jelbftändiger Director angeftellt merden 
jolle. Obgleich der ‚öffentliche Meinungsaustauſch 
über dieſe Frage noch nicht abgejchlofien iſt, fo 
haben fih doch nicht nur Sächverſtändige zu 
Gunften eines jelbftändigen Divectoriums ausge- 
Iprochen, ſondern es haben aud) die Regierungen 
Preußens (in Breslau, Königsberg, Straßburg), 
Bayerns (in Würzburg), Badens (in Freiburg, 
Heidelberg), Sadjen-Weimars (in Jena) felbftän- 
dige O:berbibliothefare an Univerfitäten angeitellt. 
Theils durch bibliothefwiffenjchaftliche Schriftftellerei, 
theils durch praftiiche Verwaltung haben fi in 
der neueften Zeit — Petzholdt, Förſte⸗ 
mann in Dresden, Naumann in Leipzig, Klette 
in Jena (früher in Bonn), Halm in Münden, 
Ritſchl (früher in Bonn Oberbibliothelar), Hafe, 
Lenormant in Paris, Du Nieu in Legden, Panizzi 
in London am Brit. Mufeum u. a. 

U. Geſchichte u. Statiftil der®-en. A. Die 
B-en waren urfprünglich identijch mit den Archiven, 
wie deren ſchon früh im Alterthum bei den hei- 
ligften Tempeln angelegt wurden. So mögen bie 
Been im Tempel des Velos zu Babylon, fowie 
die don Nehemia angelegte, von Judas Malta 
bäos wiederbergeftellte B. in Tempel zu Jeru⸗ 
jalem beichaffen geweſen fein. Die ältefte mit 
Abfiht angelegte B. foll König Ofymandyas zu 
Memphis in Agypten begründet haben. Zahl 
reich aufgefundene Papyrusrollen zeugen von dem 
Beftande ägyptifcher Bren. Auch erzählen bie 
Alten von einer Bibliothet der perfiihen Könige 
ee Die mit Keilinjchriften befchriebenen 
Zafeln, melde man zu Ninive gefunden hat, 
ftellen ebenfalls eine B. dar. In Griechenland 
legte angeblich zuerft Pififtratos eine Bibliothel 


— nur ſehr wenige B⸗en, welche zu Athen an, die von Zerres nad Aſien geführt, 
elbmittel befigen, daß alle mwiffen- von Seleufos Nilator jedoh an Athen zurildge 


Bibliothek. 


geben worden fein foll. Gleichzeitig wird Poly» 
frates, Tyrann von Samos, als Gründer einer 
B. genannt. Anfehnlihe Bücherfanmlungen fol- 
len Euflides, Euripides, vor Allen Arıftoteles 
befeffen haben. Das großartigfte Inſtitut der Art 
war jedoch die von den Ptolemäern begründete Aler- 
andriniſche B. (f. d.). Mit „diefer metteiferte 
die von Attalos I. begründete B. zu Pergamon 
in Kleinafien, welche fid bis auf Antonius erhielt, 
der fie, 200,000 Rollen ftarl, an Kleopatra jchentte. 


369 


claſſiſcher Handfchriften der Zerftörung anheim- 
fiel, indem die Schriften zur Gemwinnung von 
Pergament für kirchliche Scripturen abgeſchabt 
oder in anderer Weiſe vernichtet wurden. Im 
Byzantiniſchen Weiche finden fi mährend des 
Mittelalters faſt nur Privatbibliothelen erwähnt, 
wie die des Photios, Michael Pſellos ꝛc. Doch 
wurden durch Bafılios Maledon und die Kom— 
nenen mehrere Bibliothefen angelegt, bejonders 
auf den Inſeln des Archipelagos und auf dem 


In Rom mögen größere Bücherfammlungen ſelbſt Berge Athos (f. d.). Die Araber Hingegen be⸗ 


von Privaten erft nach dem zweiten Puniſchen 
Kriege angelegt worden fein. Dergleihen wurden 
von Amilius Paulus aus Makedonien u, von 
Lucullus aus Kleinafien nah Rom gebradt. Dit 
dem Sinne für Wiſſenſchaft wuchs auch der Sinn 
für B-en; Varro, Atticus, Cicero u. U. waren 
eifrige Sammler, Unter Auguftus gehörte es 
bereits zum guten Tone, eine B. im Haufe zu 
haben. Die erfte öffentliche B. verdanfte Rom dem 
Afınius Bollio, da Eäfar durch den Tod an der 
Begründung einer großen B., mit deren Samm- 
lung er Barro beauftragt hatte, verhindert worden 
war. Diefer folgten die Palatina u. Octaviana 
des Auguftus, ſowie mehrere andere, von denen 
jedoch einige durch den Brand der Stadt unter 
Nero zu Grunde gingen. Am berühmteften wurde 
hierauf die Bibliotheca Ulpis, von Trajanus be- 
gründet u. Später in die Thermen des Diocletianus 
verlegt. Publius Bictor zählte im 4. Jahrh. zu 
Rom 28 Ben, ungerechnet mehrere ſehr beden- 
tende Privatſammlungen. Der Dichter Seremus 
Samonicus vermadte feinem Schüler Gordianus 
d. F. eine 62,000 Rollen ſtarke Sammlung. 
Gegen Ende des 1. Jahrh. befaßen der Dichter 
Eilins Italicus u, Plinius der Jüngere bedeu- 
tende Privat-B-en. Alle dieſe Schatze fanden 
dur die Stürme der Böllerwanderung oder den 
fanatifhen Eifer der Ehriften u. die firdhlichen 
Parteien ihren Untergang. So war namentlich 
die berübmtefte B. der alten Welt, die von Aler- 
andrien, ſchon fehr reducirt, ehe fie den Moham⸗ 
medanern in die Hände fiel. Die von Julianus 
zu Gonftantinopel begründete öffentlihe B. 
(von 120,000 Rollen) wurde unter Baſilislos 
472 von den Bürgern angezündet. Der Bilder- 
ſtürmer Leo der Iſaurier (726) zerftreute ver- 
fhiedene Ben. Sonſt werden aus ben erften 
chriſtlichen Jahrhunderten die B-en zu Cäſarea, 
welche Eufebios jehr vermehrte, u. die zu Hippo 
in Afrika, welcher Auguftinus feine Bücher ver- 
machte, genannt. Im Occident waren es na- 
menilich die Benedictiner, welche Been in ihren 
Klöſtern ſammelten; berühmt waren die B⸗en zu 
Monte Eaffino, zu Canterbury, York u. Bobbio. 
Seit dem 8. Jahrhundert wurden in vielen Klö- 
fiern B-en angelegt. Es entftanden größere 
en. zu Hirſau, Reichenau, 

egensburg, bejonders aber zu Korvey u. Fulda 
in Deutſchland, zu Tours, zu Ferridres, zu St. 
Germain de Prös und zu Parıs im Frankreich. 
Seit der Mitte des 9. Jahrh. zeichnete fi vor 
Allem St. Ballen aus. Anderſeits iſt es be- 
kannt, daß in den Klöftern die Abichreiber von 
Handſchriften fih zumeilen milltürlihe Underun- 
gen in ihrem Sinne erlaubten, daß eine Menge 


BVierers Univerfal-Eonverfationd:2eriton. II. Band. 6. Aufl. 


faßen mehrere große B-eu, wie zu Bagdad, 
Alerandria xc.; in Spanien allein zählte man int 
12. Jahrhundert 70 öffentlihe B-en, von denen 
die zu Cordova 250,000 Bände enthalten ha— 
ben. fol. Mit dem Wiederaufleben der clajfi» 
hen Studien ging auch die Bildung größerer 
Bibliothefen Hand ın Hand; Petrarca, Boccaccio 
u. A. waren eifrige Sammler. Dazu famen die 
B-en der entftehenden Univerfitäten, die nebjt denen 
der Fürſten bald den erften Hang einnahmen. Unter 
den fürſtlichen Sammlern find bei. die Mediceer 
zu Florenz, Matthias Corvinus von Ungarn u. 
Papft Nilolaus V. hervorzuheben. Mit Erfind- 
ung der Buchdruderkunft endlich beginnt eine neue 
Epode für die Bren, da das Sammeln leichter 
u. mit weniger Koſten von Statten ging. Durch 
die Aufhebung vieler Klöfter, zunächſt infolge 
der Heformation, wurden die verfchiedenen Heinen 
Bücherſchätze derjelben zu größeren Sammlungen 
bei den liniverfitäten, in den Städten u. den He» 
gentenfigen vereinigt. Die meiften der jet in 
Europa beftehenden B-en wurden bereits im 16. 
u. 17. Jahrh. begründet, Bgl. Petit Nadel, 
Becherches sur les bibliothöques anciennes et 
modernes, Paris 1819; Bailly, Notes histori- 
ques sur les bibliotheqnes anciennes et moder- 
nes, ebd. 1823; Vogel, Literatur früherer u. noch 
beftehender Bibliotheken, Lpz. 1840; E. Edwards, 
Memoirs of libraries, with handbook, Lond. 
1859; Libraries and founders of libraries, ebd. 
1865; Free Town libraries, ebd. 1869; Pep- 
holdt, Handbuh deutſcher Ben, Halle 1853; 
Adreßbüch deuticher Ben, 3. A., Dresd. 1848, 
neu berausgeg., ebd. 1874. B. Die bedeutendften 
u. reichhaltigften B-en, welche gegenwärtig be- 
ftehen, find folgende: a) Ju ——— vor 
Allem die Bibliotheque nationale zu Paris, die 
reichte B. Europas, in 4 Departements (Druds 
werte, Handjriften u. Urkunden, Medaillen u. 
Antiken, Kupferitihe, Karten u. Pläne) getheilt, 
umfaßt nahezu 2,078,000 Bde,, darunter 441,836 
Bde. über franzöf. Geſchichte, 199,499 Bde. Theo» 
logie, ferner über 86,000 Bde. Handichriften, 
darunter allein 19,800 lateinische, über 1 Mill, 
Urkunden u. andere hiftorifche Documente, 100,000 
Münzen u. Medaillen, 7000 geſchnittene Steine, 
3000 Antiten, 1,200,000 Kupferftihe (in 6000 
Portefenilles) u. 50,000 Landlarten. Seit 1854 
erſcheint ein vollftändiger Katalog der gedrudten 
Bücher. Sonft find nody bedeutend die Bibliothöque 
Mazarine (150,000 Bbe., 4000 Handicriften), die 
B. d’Arsenal (180,000 Bbe., 6300 Handſchriften); 
die B. Sainte-Genevieve (250,000 Bde., 30,000 
Handidhriften); die B. de l’Institut (über 80,000 
Bbe.); die B. de la Ville (etwa 50,000 Bbe.). 
24 


370 Bibliothek, 


Außerdem befiten ſämmtliche höhere Lehranftalten, ;Klöfter in Italien noch ſehr anſehnliche Been. 
die Minifterien u. mehrere Gelehrte Geiellihaftenif) In Deutfhland und Deutich - Ofterreih 
zum Theil ſehr anfehnliche Bsen. Die bedeutend» |finden fi verhältnigmäßig bie meiften Ben; 
ften unter den Departementsbibliothefen find die]fie find Eigenthum theils der verſchiedenen Staa- 


von Lyon (117,000 Bde., 1300 Handidhriften), 
Bordeaur (110,000 Bde., 150 Handichriften), Air 
(100,000 Bde., 1100 Hanbfchriften), Marjeille 
(50,000 Bde., 1300 Handſchriften), Rouen(111,000 
Bde., 1100 zum Theil höchſt werthvolle Hand- 
fchriften), Grenoble (54,000 Bde., 1200 Hand⸗ 
orten) Aimiens (42,000 Bde., 1500 Handichriften), 
Berfailles (42,000 Bde.), Cambray (30,000 Bbe,, 
1000 Handſchriften), Bejangen (60,000 Bde., viele 
ute Handidriften), fe Mans (41,000 Bde., 7000 
Santihriften), Montpellier (Stadt-B. 40,000 Bde., 
Medicinifche Facultät 30,000 Bde., 600 Hand» 
jchriften, Musde Fabre 25,000 Bde.), Zouloufe 
(30,000 Bde., mehrere gute Handſchriften) zc. 
Ein Theil derjelben Hat im neuefter Zeit gute 
gedrudte Kataloge erhalten. b) In England 
nähft dem Britiihen Mufeum (f. d.) die Biblio- 
theca Bodleyana oder Univerfitäts-B, zu Orford 
(gegen 300,000 Bde., 22,000 Handicriften). 
Ebendafelbft finden ſich noch die Radcliffeſche (meift 
mediciniſch u. naturwiſſeuſchaftlich) u. die Biblio- 
thefen der 24 Collegien der Univerfität. Sonft 
find noch hervorzuheben: die Univerfitäts-®. zu 
Cambridge (über 170,000 Bde., 4000 Handſchrif- 
ten), die Advocates Library zu Edinburgh (die 
Univerfitäts-B. dafelbft zählt 100,000 Be.) u. 
die B. des Trinity College zu Dublin. c) Zn 
Spanien, wo die B-en fehr vernachläffigt find, 


ten, theil® größerer Stabtgemeinden, theils der 
verjhiedenen Univerſitäten und anderer höheren 
Lehranftalten, theils Gelehrter Gefellichaften, 
theils endlich einzelner Klöfter, Kirchen umd 
Stiftungen. Die bänderreichſte ift die Königliche 
B. zu Münden (800,000 Bde., über 24,000 
Handſchriften); nach diefer find zu nennen die 
Königliche B. zu Berlin (700,000 Bände, mehr 
als 15,000 Handſchriften, unter denen werthvolle 
orientalifhe), die Kaiferlihe B. zu Wien (400,000 
Bde., außer 6461 Incunabein 20,000 Hand- 
Ihriften), die Königlichen B-en zu Dresden (500,000 
Drud-, über 4000 Handſchriften, 400,000 Differ- 
tationen, 30,000 Karten), Stuttgart (300,000 
Bode., 3700 Handfriften) u. Hannover (170,000 
Bde., 3000 Handſchriften), die Großherzoglide B. 
zu Weimar (170,000 Bde., 2000 Handichriften), 
die Herzoglihden B-en zu Wolfenbüttel (250,000 
Bde., 8000 Handfhriften) u. zu Gotha (238,000 
Bde., darunter 6000 Handidriften), die Hof-B-en 
zu Staffel (130,000 Bde., 1400 Handſchriften), 
zu Karlsruhe (123,000 Bde., 2000 Handichriften), 
zu Darmftadt (380,000 Bde., 3000 Handfchriften), 
zu Bamberg die Könige. B. (120,000 Bbe., 
3200 Handſchriften). Unter den Univerfitäts-B»en 
nimmt die Göttinger (400,000 Bde., 5000 Hand» 
Schriften) die erfte Stelle ein; bedeutende Bücdher- 
Ihäte enthalten aber auch die Univerfitäts.B-en 


finden fih wur wenige größere Bücherfanmmlungen, |zu Heidelberg, die Palatina (300,000 Bde., 3000 
darunter: die B. im Escurial (40,000 Bde., Handſchriften), zu Leipzig (350,000 Bde., über 
5000 Handicriften); unter den 9 Ben Madrids)4000 Handigriften), Prag (148,200 Bde., 5800 
die Königlihe B. (200,000 Bde.); unter den 5/Handicriften), Wien (211,200 Bde.), Erlangen 


B⸗en Barcelonas dieB. zu S. Domingo (30,000 
Bde.), die Univerfitäts-B. zu Salamanca, die 
Golombina zu Sevilla (20,000 Bde.), die Erz. 


(120,000 Bde., 500 Handichriften) u. Breslau 
(340,000 Bde.), Bonn u. Jena (je 180,000 Bbe.). 
Wichtig find die Stadt-B-en zu Hamburg (300,000 


bifhöflihe B. (30,000 Be. u. 125 Manuifcripte)| Bde., 5000 Handfchriften), Frankfurt a. M. (150,000 


u. die Dom-B. zu Toledo (200,000 Bde.) , end- 
lich die B. zu Valencia (20,000 Bde., 211 Hand» 
ſchriften). d) In Bortugal find nur die König- 
liche B. zu Liffabon (80,000 Bde.) u, einige 
Klofter-B-en dafelbft, fowie die Univerfitäts-B. zu 
Coimbra beachtenswerth. e) In Ftalien find 
bei. wegen ihrer koftbaren handſchriftlichen Schätse 
bervorzubeben: zu Nom: die VBaticana (30,006 
Bde., 25,000 Handſchriften), die Caſanatenſe (über 
200,000 Bde., 3000 Handſchriften), die Aleffan- 
drina in der Univerfität (etwa 78,000 Bde.), die 
Angelica (150,000 Bde. 3000 Handihr.), Bar- 
beriana im Palazzo Barberini (60,000 Bde., 
10,000 Handihriften); ferner die Ambrofiana zu 
Mailand (140,000 Bde., 15,000 Handſchriften); 
die Magliabecchiſche B. zu Florenz (100,000 Bde., 
7000 Handſchriften) wurde 1862 mit der Biblio- 
teca Palatina zur B. Nazionale vereinigt u. die 
Bändezahl auf 214,600 gebracht; die National-B, 
zu Neapel (144,000 Bde., 5600 Handidriften), 
die S.:-Marco-B. in Benedig (110,000 Bände, 
10,000 Handichriften); ferner die Ben zu Bologna 
(Univerfitäts-B. 132,000 Bde., 4100 Hanbicrif- 


ten) u. zu Turin (Univerfitäts-B. 221,000 Bde., zu Utrecht. 


4000 Handichriften). Außerdem haben die ver 


Bde.), Leipzig (100,000 Bde., 1500 Handjchriften), 
Nürnberg (60,000 Bde., 1000 Handfchriften) u. 
Dlainz (110,000 Bde., 800 Handidriften). Bon 
anderen B-en dürfte noch die B. des Germani- 
ihen Muſeums (f. d.) zu Nirnberg zu nennen 
fein. g) Auch die Schweiz zählt viele, wenn 
auch weniger bändereiche B-en: am bedentenditen 
ift die Stadt-B, zu Zürich (100,000 Bde., darun- 
ter 3000 Handſchriften), zu Bern (75,300 Bde. 
4200 Handichriften) u. zu Genf (81,000 Bbe.), 
die Univerfitäts:B, zu Bajel (100,000 Bde., 1500 
andicriften), die Stifts-B. zu St. Gallen (40,000 

de,, 2000 Handjchriften), die Stabtbibliothel 
ebendaielbft (gegen 38,000 Bde. und etwa 500 
rer u ferner zu Luzern, Solothurn, Ein- 
tedeln, Lauſanne, Schaffhaufen u. a. h) Ju 
Belgien ift die erft feit 35 Jahren begründete 
National-B,. zu Brüffel (über 205,000 Bde., 
19,700 Handſchriften), nächſt diefer die B. zu 
Gent, Lüttich und Löwen hervorzuheben. i) In 
den Niederlanden befinden fich größere B-en 
im Haag (100,000 Bde.), zu enden (jehr werth⸗ 
voll, iiber 60,000 Bde., 10,000 Handſchriften) u. 
k) In Dänemark gehört die Königl. 
. zu Kopenhagen (über 410,000 Bde., 5000 


ſchiedenen Fürftenfige, mehrere Univerfitäten u. Handſchriften), neben welcher die Univerfitäts-®. 


Bibliothek. 


371 


(120,000 Bde. u. viele, bef. altnordifche u. werth- United States of North-America, Waſh. 1851; 
volle orientalifhe Handſchriften) beftebt, zu den Norton, Library Begister, New-Yort 1852 f. 


bedeutendſten Europas. Kleinere Ben befinden 
fih auch zu Thorshaun auf dem Faröer (3000 
Bde.) u. zu Reiljawil anf Jsland (7000 Bde.). 
1) In Norwegen if die Univerfitäts-.B. zu 
Ehriftiania (80,000 Bde.) die bedeutendfte. m) In 
Schweden die Königl, B. (über 50,000 Bde., 
5000 Handichriften) u. die B. der Afademie (20,000 
Boe.) zu Stocholm, die liniverfitäts-B-en zu 
Lund (50,000 Bde.) u. Upfala (135,000 Bde.). 
n) Rußland befigt im der Kaiferlichen B. zu 
Petersburg (600,000 Bbde., 22,000 Handſchriften) 
eine B. erften Ranges; neben derjelben beftehen 
noch zu Petersburg die B. der Alademie (110,000 
Bde.), die der Univerfität (30,000 Bde., mit einem 
ungemein reihen Schage oftafiatiicher Handfchrif- 
ten u. Drude), die in der Eremitage (90,000 Bde.) 
u. die B. des Romanzowſchen Diufenms (35,000 
Bre., 800 Haudſchriften). Sonft find noch die 
Univerfität3-B-en zu Dorpat (65,000 Bde.), Hel- 
fingford (60,000 Bde.), Kaſan (35,000 Bbe.), 
Chartow (36,000 Bde.), Mostau (70,000 Bde. 
im eigentlihen Rußland u. die Kaiferlihe B. zu 
Warſchau (90,000 Bde., 1500 Handſchriften) in 
Polen zu nennen. Hierzu fommen 0) in Gali— 
zien, Ungarn u. Siebenbürgen die Been zu 
Kralau (Üniv.B. 140,000 Be, 5550 Hand» 


r) Zn Mittel- u. SAmerila finden ſich bie 
bedeutendften B-en zu Havafia, Merico, Lima, 
Santiago u.Rio de Faneiro (100,000 Bde.), man 
hätt die Bändezahl in den Ben Brafiliens auf 
340,000. In allen Gebieten Aliens, Afrikas 
u. Yuftraliens, wo fi Europäer in größerer 
Zahl angefiedelt haben, find aud Ben im Ent» 
fteben begriffen. So in Algier u. in der Capftadt 
in Afrika, zu Calcutta, Bombay, Madras, Bata» 
via im Afien, zu Sidney, Hobarttown u. Melr 
bourne (feit 1856) inAuftralien. DieChinejen be- 
fipen außer der großen faijerlihen B. zu Peding 
noch jehr viele bänderreihe Ben, bej. in ben 
Tempeln und Möftern; ebenjo Japan und Tibet, 
In Indien find mit den Hindutempeln meift B»en 
verbunden; fehr reich ift die B. des ehemaligen 
Königs von Audh zu Lucknow. Reiche B-en ſollen 
ih zu Samarkand u. Bolhara befinden. Von 
den verſchiedenen B⸗en Eonftantinopels zählt keine 
mehr als 3000 Bde., wie fih auch in Vorder— 
Aſien bändereihe Ben gar nicht zu finden 
iheinen. Bgl. Edwards, Statistical view of 
the prineipal public libraries of Europe and 
America, Lond. 1848; Statistica del Regno 
d’Italia, Biblioteche, anno 1863. In ber lett« 
genannten Schrift ift folgende Berechnung aufe 


Schriften), Lemberg (DOffolinsfifhe National-B. | geftellt (1863): 


61,800 Drud-, 1900 Handſchriften, Univ.-B. 
55,000 Bde. Drud., 370 Bde. gan 
das Ungarifhe Nationalmufeum zu Peſt (200,000 
Bde., 14,000 Handfdhriften), die Univ.B. daſelbſt 
(120,000 Bbe., 1600 Handſchriften) u. das aus 
dem Nachlaſſe des Grafen Kemeny zu begründende 
Nationalmufenm zu Hermannftadt. p) In Grie- 
henland ift die 1834 begründete Univerfitäts-B, 
zu Athen (gegem 100,000 Bde.). q) Sehr groß 
ıft bereits die Anzahl der B-en inNordamerifa, 


Bänbezabl auf 


Bande gahl 
der Dibliothefen. je 


100 Einwohner. 
Stalin . . . 4,149,281 19,5 
Frantreich. 4,389,000 ii, 
— 2,408,000 6% 
Preußen 2,040,450 11; 
Bayern . . 1,268,500 26, 
Großbritannien 1,771,493 6, 
Rußland 852,090 la 
Belgien 509,100 10, 


da nicht nur jeder Staat eine B. anlegt, fondern| Die größte Büchermenge war damals ſchon in 


auch jede höhere Lehranftalt u. viele, zum Theil 
eigens zu diefem Zwecke zufammengetretene Ge- 
fellichaften u. Vereine. Doch find es vorerfi 
nur wenige, welche fi in Bezug auf Bändezahl 
mit den europäiihen B-en zweiten Ranges mej- 
fen fönnten. Dbenan fteht die B. der Frese 
Univerfität zu Cambridge (über 140,000 Bbe., 
dazu noch die theologiſche mit 3600, die mebdici« 
niſche mit 1600 u. die jurifliihe B. mit 14,000 
Bden.). Die Stadt New-Hork befitt allein 19 
größere B-en, darunter find die Astor Library 
(140,000), dann die Society L. (36,000), die 
Mercantile L. (64,000), die der Historical Society 
(25,000 Bde.) die bedentenditen u. werthvollften. 
Faſt ebenjo viele B-em befitt Philadelphia; darım« 
ter die der Library Company (80,000), ber 
Philosophical Society (20,000) u. der Academy 
of Natural Sciences (15,000 Bde.) am bebeu- 
tendftien. In Bofton ift die B. bes Athenäums 
(80,000), in Providence die der Bromn-lniverfität 
(32,000), zu Albany bie State Library (64,000), 
zu Worcefter die der — Society (22,000), 
zu New- Haven die des 


Paris concentrirt,. Übrigens ift die Statiftif der 
Ben jehr mangelhaft. Obige Berehnung kann 
nur als ein unvollftändiger Schätzungsverſuch 
gelten; außerdem haben ſich die Zahlen bis 1875 
natürlich jehr gefleigert. Einen beachtenswerthen 
Aufſchwung nehmen in der meueren Zeit bie 
Boltsbibliothefen, welche für die Lectüre der mitt 
leren u. unteren Stände, beſonders aud der Fur 
gend, forgen. Vgl. Preuster, Über öffentliche, 
Bereind- u. Privat-B-en u. SRATRINIGEN, Leipzig 
1839 f. rambadı.* 
Bibliothef (ar. Bibliotheks, fat. Bibliotheca, 
ipan. u. ital, Biblioteca, fr. Bibliothöque), 1) Wert, 
in weldem entweder a) von Schriftſtellern u. 
deren Werfen, auch wol bloß von Schriften, aber 
immer in einer eigenen Beziehung oder nad) ge» 
gebenen Gefihtspunkten Nachricht ertheilt wird; 
oder b) Schriften, die ihrem Urfprunge, ihrem In⸗ 
halte, oder ihrer Beſtimmung nad) einen Bezug 
auf einander haben, zufammengeftellt find; oder 
e) in welchem Sachlenntniſſe leritographiich ober 
in foftematifcher Form, auch wol ohne Syftematif 


ale College (25,000), |zufammengeftellt werden. Schen Apollodoros von 


die B. des Gongrefies (83,000) u. der Smith-| Athen ſchrieb im erfterer Art eine Mythologiſche 

sonian Institution (30,000 Bde.) zu BWafhington.|B. u. Diodoros dv. Sicilien eine Hiftorifhe B.; 

Bgl. Jewett, Beport on the libraries in thelPhotios im 9. Jahrh. lieferte auf gleiche Weiſe 
24° 


372 Bibliothefar — Bibliſche Geſchichte. 


einen Auszug von —— die er ſelbſt gelefenjbibl. Bücher handeln u. in denen fie geſchrieben 
hatte (B. oder Myriobiblion). In neuerer Zeit|find, zur Kennmiß bringt. Duellen diefer Wiffen- 
gab zuerft K. Gesner in einer B. universalis, ſchaft find vorzugsweiſe: die Bibel, Joſephos, 
Zürich 1545, dazu Pandectae, 2 Thle., u. Appendix, |Philon, der Zalmud, die Nabbinen, die Beichreib- 
1548—55, Yol., eine Überficht der bis dahin be- ungen neuerer Reifen in das Heilige Land u. im 
tannten griechiſchen u. lateiniichen Werfe herous.Ineuerer Zeit auch die affyriichen und ägyptiſchen 
Bon diefer Zeit an wurde B. in dem Sinne von| Denkmäler, Der zumähft auf Gottesdienft und 
2) Bücherverzeihniß u. Notizen von älteren oder|Berfaffung der Hebräer (von Goodwin, Spencer, 
neueren Büchern allgemein, u. es erichienen zahl-| Fund, Reland) beichränkten Behandlung dieſer 
reihe Ben für die ganze Wiſſenſchaft u. für ein] Wiljenfhaft folgten umfichtigere Bearbeitungen der 


* Zweige derſelben; vgl. Bibliographie. Auchhebräiſchen Alterthümer von Faber, 


) mehrere Zeitſchriften 
u. Zeitſchriften. 
Bibliothekar, Beamter, welcher die Auſſicht 
über eine Bibliothek (ſ. d.) führt. . 
Bibliothekographie (gr., Bibliothelbeſchreib⸗ 
ung), fo v. w. Bibliothefenfunde; j. Biblwothel- 
wiſſenſchaft. 
Bibliothekwiſſenſchaft, der ſyſtematiſch ge— 
ordnete Inbegriff aller unmittelbar auf die Biblto- 
thet beziigliden Kenntniſſe. Sie zerfällt in die 
Bibliorthefentunde u. Bibliothefenichre. a) Die 
Bibliothekenkunde umfaßt die Geſchichte u. 
Beſchreibung früherer oder noch beftehender Biblio- 
theten (j. Bibliothet, bei. IL.), während b) die 
Bibliothelenlehre (Bibliotheltechnil oderBiblio- 
tbeföfonomie, vorzugsweife B. genannt) alle zur 
bibliothefariichen Gejchäftsführung erforderlichen 
Kenutniſſe im ſich begreift u. wiederum in 2 Thle., 
die Lehre von der Einrichtung u. die Lehre von 
der Verwaltung der Bibliotheken, zerfällt. aa) Die 
Einrihtungslehre ftellt die Grundfäge auf, nad) 
welcher eine Bibliothek angelegt, ferner die Bücher 
angeichafft, verzeichnet u. aufgeftellt werben müfjen 
(j Bibliothek, bej.1.B.D.); bbydieBerwaltungs— 
lehre handelt von der Unterhaltung 
u. Benugung einer Bibliothek (j. Bibliothel, bei. 
1.E.). Obgleich feit dem 16. Jahrh. verſchiedene 
Gelehrte das Bibliothelweſen zum Gegenftande 
von Schriften u. Borlefungen machten, jo wurde 
doch die B. als ſolche zugleich mit ihrem Namen 
zuerft durch Schrettinger, Verſuch eines vollftän- 
digen Fehrbuches der B., 2 Bde., Mind. 1808—29, 
geichaffen. Diefem folgten u. A. Ebert, Bildung 
des Bibliothekars, 2. Aufl., Lpz. 1820; Molbech, 
Über B., deutſch von Ratjen, Lpz. 1833; v. Schmid, 
andbuh der B., Weim, 1840; P. Namur, 
anuel du bibliothecaire, Brüſſel 1834; 2. 4. 
Eonftantin, Bibliotheconomie, Par. 1839, 2. 
A., 1841; Budik, Vorbereitungstudien f. den an— 
gehenden Bibliothelar, Wien 1834; Vorſchule für 
bibfiothelarifches Geichäftsieben, Münd. 1848; 
olfer, die B. im Umriffe, Stuttg. 1846; J. ©. 
Seizinger, Bibliotheftechnit, Lpz. 1855; Theorie 
u. Vraxis der B., Dresd. 1863; Petzholdt, Kate- 
chismus der Bibliothelenlehre, Lpz. 1856; 2. A., 
1871. Bon Zeitfchriften find der B. gemibınet: 
Neumanns Serapeum, 1842—1870, u. Petzholdts 
Anzeiger für Literatur der B., 1840—44; Anzeiger 
der B., 1845—47; Anzeiger f. —— u. 
B. 1850—55; Neuer Anzeiger für Bi —— 
u. B., feit 1856 (Dresd.). Brambad.* 
Biblifche Archäolögie (Bibliſche Altertfums- 
funde), die Wiſſenſchaft, weile den Ratur- und 


hren den Titel B.; f. 
Brambach.* 


alle 1773; 
Jahn, B. 4, Wien 1796—1805, 5 Bde.; Roſen⸗ 
miüller, Handbuch der biblischen Alterthumslunde, 
Lpz. 1823—28, 3 Bde; Derfelbe, Das alte u. 
neue Morgenland, Lpz. 1818—20, 6 Thle.; 
de Wette, Lehrbuch der bebrätich-jüdiichen Archäo - 
logie, Lpz. 1814,4.4., 1864; Saalſchütz, Königs« 
berg 1855, 56, 2 Bbe.; Nostoff, Wien 1857: 
Keil, Frankf. 1858, 59,2 Thle.; Ewald, Alter» 
tbümer, 3. A., Göttingen 1866. Monographien; 
Bochart, Hierozoieon, Yond. 1663, Fol., beraus- 
gegeben von NRoienmüller, Loz. 1793—95, 3 Bde. ; 
Ol. Celſius, Hierobotanicon, Upf. 1745, 47, 
2 Bde. ; Michaelis, Mojaisches Recht, Frauff.a.M. 
1770— 75, 6 Bde.; Hartmann, Die Hebräerin am 
Pustifche, Lpz. 1809 u. 10, 3 Bde., n. Realwörter- 
bücher von Winer, Lpz. 1847, 3. Aufl., 2 Bpe.; 
Schenkel, Bibel-Leriton, Lpz. 1869—75, 5 Thle.; 
Riehm, Handwörterbuh des bibl. Alterthums, 
Bielef. u. Lpz. 1875 ff. 

Bibliſche Geographie, die Beihreibung der 
in der Bibel vorfommenden Länder u. Orte nad 
ihrer phyſiſchen u. politiſchen Beſchaffenheit. Mit 
der bibliſchen Archäologie (ſ. d.) bat fie diejelben 
Quellen gemein, denen fie noch Ptolemäos, Ste- 
phanos von Byzanz, Eujebios von Gäfarea, die 
mittelalterlichen tinerarien, die arabiichen Geo— 
graphen u. Hiftorifer, die Geichichtichreiber der 
Kreuzzüge und die neueren Reiſen dahin beifügt. 
Einige Schriftſteller (Jahn, Roſenmüller) haben 
ſie zur bibliſchen Archäologie gezogen. Die Be— 
arbeitungen der b. G. beireffen theils Paläſtina 
allein (Heland, Utrecht 1714; K. v. Raumer, 
4. A. 1860; Sepp, Jeruſalem, Schaffh. 1863, 
2 Bde.; Furrer, Wanderungen buch Paläſtina, 
Zür. 1865), theils die bibliſchen Länder überhaupt 
Moſenmüller, Lpz. 1823—28, 3 Bde.; Robinſon, 
Paläftina 2c., Halle 1841 ff.; Neue Unterſuchungen, 
an 1847; Phyſ. Geographie, Lpz. 1865; 

itter, Erdfunde, 14.—16. Th. 2. A., Berl. 1848 
bis 1852), theils diefe mit Ausschluß Paläftinas 
(Bodhart, Fond. 1646; Michaelis, Gött. 1769, 
1770, 2 Bde.). Bon Karten find die von de Bruyn 
(Amfterd. 1844, 2. A., 1861), Robinfon (f. vorhin), 
Kiepert (Berl. 1844), van der Belde (Gotha 1858) 
bejonders zu empfeblen. 

Biblifdye Geſchichte, die Darftellung der im 
der Bibel erzählten Begebenheiten. Bon der Ge— 
ſchichte des hebräifchen Volles unterſcheidet fie ſich 
durch Ausdehnung rückwärts auf die Urgeſchichte 
der Menſchheit, daneben auf die Geſchichte der 

leichzeitigen Bölter u. zugleih auf die Geſchichte 
Sefu u. des Urchriſtenthums, beichränft fi aber 
bei den Alten auf die Berichte der BibeL Mit 


Gulturzuftand der Hebräer u. anderer in der Bibel| Benutung der Profanfcribenten für die ſpätere 
erwähnten Bölter in dem Zeiten, von denen die Zeit behandelten die B. G.: Prideaug, London 


Bibliſches Chriſtenthum — Biceps. 


1716— 18, 2 Bde., deutſch Dresden, 2. A., 1726; 


373 
Bibliſtik, Bibelklunde, Kenntniß deſſen, was 


Shudford, London 1728—38, 3 Bde., deutichidie Bibel betrifft, z. B. ihrer verſchiedenen Aus- 
Berl. 1731—38; Lardner, Lond. 1764—67, 4 Bde.,|gaben u. Überfegungen. 


u. neuerdings Kurk, Berl. 1853, 2. ., 2 Bbe., 


Bibra, Stadt im Kreiſe Edartsberga des preu- 


1858. Andere Bearbeiter find entweder durch aſte⸗ ßiſchen Regierungsbezirls Merjeburg, am Faul- 


tijche, wie Heß, Zür. 1776—88, 12 Bde., pſycho⸗ 
logische, wie Niemeyer, Charalteriftif der Bibel, 
Halle 1775—82, 5 Bde., n. A., 1831, u. päda- 
gain Zmwede, wie die Berfaffer der zahlreichen 

ibliſchen Hiftoriem für die Jugend, abgehalten 
worden, reine Geſchichte zu jchreiben, oder zur 
rivolität, wie Benturimi, herabgeſunken. An die 

telle der B-n ©. ift in neuerer Het einerſeits die 
Geihichte des Volles Israel (Bertheau, Götting. 
1842; Emald, Götting., 3. A., ebd. 1864 fi., 7 
Bde.; Hisig, Lpz. 1869, 70, 2 Bde.), anderjeits 
die meuteftamentlihe Zeitgeſchichte (Hausrath, 3 
Thle., Heidelb. 1868— 74), ſowie die Gejchichte 
Jeſu u. des Urchriſtenthums getreten; Schürer, 
Lpz. 1874). Die biblijhe Chronologie kämpft 
für die ältere Zeit des Bolles Israel mit rumden 
Zahlen (7. u. 40), denen Fleiß u. Scharffinn bibl. 
Chronologen (Ufjer, Annales V. et N. T., Lond. 
1650; Des Bignofes, Chron. de hist. sainte, 
Berl. 1738, 2 Bde., Th. Nöfdele, Kiel 1869) für 
den Zeitraum unter den Richtern noch Leine ganz 
übereinftimmende Berechnung abgewinnen konnte, 
für die Zeit von 900 v. Chr. ab aber mit den 
snonumentalen Angaben der Aſſyrer n. theilweiſe 
aud der Agypter, mit denen diejenigen der Bibel 
mehrfach in Widerjprud ſtehen (G. Smith, 1868; 
Eb. Schrader, 1872). Die neuftamentl. Chrono» 
logie dreht ſich hauptſächlich um die Frage der Zeit 
des Geburtd- u, Todesjahres Jeſu (Ideler, Wie: 
jeler, Keim). 

Bibliſches Chriftenthum, eine unmittelbar 
auf die Bibel zuriidgehende chriſtliche Uberzeugung 
u. Handlungsweie, welche die kirchen u. dogınen« 
geſchichtliche Vermittelung des urſprünglichen 
Thriſtenthums mit den heutigen, beſonders die 
confeſſionell » theologiſchen Unterſchiede ignorirt 
(Forderung einzelner Richtungen des modernen 

Biblifcher Realismus, eine auf die württem⸗ 
bergijhen Theologen Bengel u. Otinger, auch 
zum Theil auf Scelling zurüdgehende theolog. 
Richtung, in neuerer Zeit hauptfächlich vertreten 
von Rothe in Heidelberg, Auberlen in Bajel, 
I. F. Bed in Tübingen, Hamberger in München 
u. A., welche die Lehre von Gott u. dem Jenſeits 
möglich realiftiich, ja materialiftiich auffaßt, in der 
Yehre von Gott auf Annahme einer Natur in 
Gott, in der Lehre vom Jenſeits und von den 
legten Dingen auf bie Geiftleiblichleit ber voll» 
endeten, auf eine endliche Erneuerung auch ber 
materielsirdifchen Welt ein bejonderes — 

er, 


legt. 
Wibliſche Theologie (Bibliſche Dogmatik), 


bad; Papierfabrit; 1797 entdedte jalinische Eifen- 
quelle; 1463 Em, 

Bibra, alte, zu den reichsritterichaitlichen Kan 
tonen in Franfen gehörende, mit dem Erbmar— 
Ihallamte des Fürſtbisthums Würzburg belehnte 
und 1698 in den Neichsfreiherrnftand erhobene, 
in Bayern und Sadjien » Meiningen begüterte 
Familie. Davon: Ernſt, Freiherr von, deuticher 
Katurforjher u. Romanfcriftfteller, geb. 9. Juni 
1806 zu Schmwebheim in Unter-Franten; ftudirte 
in Würzburg Jura, trieb aber fpäter, theils auf 
feinem Yandgute Schwebheim, theils in Nürnberg 
wohnend, naturhiftorifche, vorzugsweiſe chemifche 
Studien, machte 1849—50 eine Reife nah Bra- 
filien, Chile und Peru und fehrte hierauf nad 
Nürnberg zurüd, wo er feine wiffenjchaftlichen 
Studien wieder aufnahm, fih dabei aber auch 
mit belfetriftifchen, meift auf SAmerika bezüglichen 
Arbeiten beichäftigte. Bon feinen naturmijjens 
Ihaftlihen Schriften verdienen bef. die Beiträge 
zur Naturgejhicdhte von Chile, Wien 1853, und 
Die narkotifhen Genußmittel und der Menſch, 
Wien 1855, hervorgehoben zu werden. Für die 
Brofhüre über die Krankheiten der Arbeiter in 
den Zindholzfabrifen, Erlang. 1847, erhielt er 
vom König von Prenßen die goldene Medaille u. 
in Paris den Montyonſchen Preis. In feinen 
Romanen: Hoffnungen in Peru, Jena 1864, 
3 Bde.; Die Abentener eines jungen Pernaners, 
Lpz. 1870, 3 Bde. ꝛc., verwerthet er die auf 
jeinen Reiſen gemachten Studien und Beobadıt- 
ungen in anſprechender Weije; für die Romane: 
Graf Ellern, Lpz. 1869, 3 Bde.; Die Kinder der 
Gauner, Nürnb, 1872, 2 Bde.; Die erften Glie- 
ber einer langen Kette, ebd. 1871, 3 DBbe., zc., 
nahm er die Stoffe aus dem modernen Leben. 
Als bejonders mwohlgelungen u. originell ift der 
legtgenannte, fi aus der Gejchichte zweier Dinge 
entwidelnde Roman zu bezeichien. 

Bibülus, Marc. Calpurnius, vermäblt 
mit PBorcia, Tochter Catos von Utica; wurde mit 
3. Cäjar, deſſen entjchiedener Gegner er war, zur 
— Adil und 59 v. Chr. Conſul. Er ſtarb als 
Befehlshaber der Flotte des Pompejus bei Korkyra, 
50 v. Chr. 

Bicapsuläris (Bot.), 2 Kapfeln tragend. 

Bicarbonat, j. v. w.doppelt-Fohlenfaures Salz. 
Mit demfelben Namen bezeichnet man mol aud 
ausjchließlich das viel gebrauchte Natriumbicarbonat 
(doppelt-fohlenjaures Natron); |. Kohlenjäurefalze, 


Bicarinätae silicülae, doppelt » fahnförmige 
Schötchen. 
Bicaudatus (lat.), zweiſchwänzig; fo: Musculi 


die Wiſſenſchaft, welche, unabhängig von der|bicaudati (M. bicornes), zweiſchwänzige Musteln, 
Kirchenlehre, die Glaubenslehre der Bibel darftellt|jolhe, die einfach entipringend in ihrem Verlaufe 
u. insbejondere den Entwidelungsgang der alt-|fich theilen u. mit 2 Theilen (Schwänzen) an dem 
u. neuteftamentlichen religiöfen Vorftellungen auf- beweglichen Punfte fih anheften. 

zeigt: de Wette, 3. A., 18315 Zub, 18475 9.| Bicephalus (v. Lat. u. Gr.), Mißgeburt mit 
Schultz, 2 Bde., 1869; H. Ewald, 3 Bde., 1871,|doppeltem Kopfe. 

74; Ohler, 2 Bde., 1873 fi.; Bauer, 1864;| Biceps (lat., zweilöpfig, mit 2 Gefidtern), 
Schmid, 4. A., 1868; Weiß, 1868. 1) Beiname des Janus, j.d. 2) (Anat.) Mustel 


374 


mit 2 Köpfen; bef. B. brachii, zweilöpfiger Arm« 
mustel; f, Armmusteln; B. femoris 8. cruris, 
weilöpfiger Schentelmustel; ſ. Schentelmusteln. 
b) (Bot.) Was in 2 kopfartige Theile ausgeht, 
auch von einer Wurzel. 

Bicktre, urſprünglich Karthäuferffofter, etwa 
2 km von Paris; gelangte 1290 an Biſchof Jo— 
hann von Wincefter (deffen Name in B. gerade» 
brecht murde); 1632 als Räuberhöhle zerftört 
u. von Ludwig XIII. erneuert u. zu einem In— 
validen-, von Ludwig XIV. zu einem GEiviljpital 
beftimmt, in welches 70jähr. Öreife aufgenommen 
wurden. Seit der Revolution ift ein Irren- und 
(bi8 1837) ein Zucht- u. Arbeitshaus damit ver- 
bunden. Die Zahl der u Pe beträgt 
3000. Dabei ein arteficher Brunnen u. ein zur 
Befeftigung von Paris gehöriges Fort. Bon den 
Hofpitaliten in B. werden allerhand Arbeiten von 
Holz u. Knochen (Bicktrearbeiten) verfertigt. 

Dicjat, Marie Franc. Xavier, verdienftvoller 
Phyſiolog u. Anatom, geb. 11. Nov. 1771 in 
Thoirette (in Breſſe); beſuchte die Schule in 
Mantua, ging 1791 nad Lyon, um unter Petit 
Medicin u. Chirurgie zu ftudiren, 1793 nad Paris, 
mo er an Default einen Freund und Beichliger 
fand. Nach beffen Tode (1795) trat er ſelbſt als 
Lehrer auf, las über Knochen u. ihre Krankheiten 
u. leitete anatomifche, mit phyſiologiſchen Unter 
fuhungen verbundene, fowie Operationscunfe mit 
großem Beifalle. Seinen Ruf, weit über Frank. 
reih8 Grenzen hinaus, verbreitete er zumächit 
durch feine Unterfuchungen über die Häute: Traite 
des membranes en general et des diverses 
membranes en particulier, Bar. 1800, 2, 16, 27, 
deutich von Dörner, Tüb. 1802; dann folgten die 
epohemachenden Recherches physiologiques sur 
la vie et la mort. ebd. 1807, 12, 19, deutſch 
von Beighans, Tüb. 1802, in denen er das 
organische Leben vom animaliſchen ftreng ſcheidet 
u. das lebenipendende Berhältniß des Herzens, 
der Lungen und des Gehirnes auf die anderen 
Organe nachweiſt und endlich feine Anatomie 
generale appliqude à la physiologie et a la 
medeeine, Bar. 1801, 12, 19, deutſch von Pfaff, 
Lzp. 1802, welche die Gemebelehre gemwifjermaßen 
erſt zur eracten Wiffenihaft macht u. begründet 
u. der pathologiihen Anatomie den ihr zulommen⸗ 
den Pla einräumt. Seine bejchreibende Anatomie: 
Traite d’anatomie *descriptive, Par. 1801—3, 
ift leider nicht von ihm beendet, fondern von 
Buiffon u. Rour; feine Unterfuchungen über die 
Arzneimittel finden fih in zwei Differtationen 
enthalten: Pairier: sur les &metiques, Gondret: 
sur l'action des purgatifs, ebd. 1803. Die großen 
Anftrengungen, denen ſich B. unterwarf, haben 
leider feinem foftbaren Leben ein zu frühes Ende 
bereitet, das am 22. Juli 1802 infolge eimes 
‚saulfiebers eintrat. Der Hof der Medicinifchen 

hule in Paris murde durch eine von David 
d'Angers verfertigte Büſte B’-8 geziert. Thamhahn. 

Bicho, fo v. w. Sandfloh. 

Bichon (fr.), Schooßhündchen; bei. Bolognefer 
Hündchen; daher bihonnirt, lodenhaarig. 

Bidell, 1) Johann Wilhelm, Nechtsgelchrter, 
geb. 2. Nov. 1799 in Marburg; ftudirte feit 


Bicktre — Bickmore. 


1820 Privatdocent u. 1824 Profeffor der Rechte 
in Marburg, 1834 Oberappellationsrath in Kaflel, 
1841 Director des oberheifiihen Obergerichtes im 
Marburg und 1845 Bicepräfident des Ober- 
appellationsgerichtes in Kaffel; er nahm 1846 für 
Kurbefien theil an der proteftantifchen Generals 
conferenz in Berlin u. wurde darauf Borftand 
des Juftizminifteriums; er fl. 23. Jan. 1848 in 
Kaffel. ©. ſchr.: Über die Entftehung u. den heu- 
tigen Gebraud der beiden Ertravagantenjamm«- 
{ungen des Corp. jur. canon., Marburg 1825; 
Über die Reform der proteftantiihen Kirchenver- 
faffung in befonderer Beziehung auf Kurbefien, 
Marburg 1831; Uber die Berpflihtung der 
evangel, Geiftlihen auf die ſymboliſchen Schriften, 
ebd. 1839, 2. Aufl., 1840; Geſchichte des Kirchen- 
rechtes, Gieß. 1843 (fortgefett von Nöftell); gab 
heraus die Gefchichte für Recht u. Gefeggebung 
in Kurheſſen, 1836 f., 2 Bde. 2) Guftav Wil. 
heim Hugo, Drientalift, Sohn des Bor., geb. 
7, Juli 1838 zu Kaffel; ftudirte feit 1857 im 
Marburg u. Halle Theologie u. Philologie, Habi- 
fitirte fih 1862 zu Marburg, 1863 aud zu Gießen 
für jemitifche u. indogermaniſche Sprachwiſſenſchaft. 
1865 legte er das fatholiihe Glaubensbelenntniß 
ab, trat im folgenden Jahre in das Fuldaer 
Priefterfeminar em, wurde 1867 zum Priefter 
geweiht u. in demfelben Fahre als auferorbent- 
licher Profeffor für orientaliihe Spraden u. Pi- 
teratur an die Alademie Miünfter berufen. 1874 
erbielt er eine ordentliche Profeffur für ſemitiſche 
Sprachen u. hriftlihe Archäologie an der theolo- 
giihen Facultät zu Funsbrud. Er reifte mehr- 
mals nah Ronı u. London, um die noch unbekannten 
Werfe der ſyriſchen Kirchenväter herauszugeben. 
Er jchr.: De versione alexandrina libri Jobi, 
Dlarb. 1862; S. Ephraemi carmina nisibena, 
Lpz. 1866; Grundriß der hebräifchen Grammatil, 
vpz. 1869— 70; Gründe für die Unfehlbarkeit des 
Kirhenoberhauptes, Münſter 1870 (2 Aufl.); Con- 
spectus rei Syrorum literariae, Münfter 1871; 
Meffe ı. Pascha, Mainz 1872 (diefe Schrift weiſt 
nad, daß die alte chriftliche Liturgie aus der Ein- 
jetsungsfeier nad) dem legten Abendmahl Ehrifti 
entftanden ift, diefe felbft aber aus dem 108. Hallel, 
nämlih den Pjalmen 115—118 u. 136 beftand) ; 
ausgewählte Gedichte der Kircheupäter Eyrillonas, 
Baldus, Jſaal von Antiodien u. Jalob von Sarug, 
aus dem Syrifchen überfegt, Kempten 1872; aus- 
gewählte Schriften der Kirchenväter Aphraates, 
Rabulas u. Iſaak von Ninive, aus dem Syriſchen 
überſetzt, Kempten 1874; S, Isaaci Antiocheni 
opera omnia, Gießen 1873 ff. Zu dem bei Brod- 
haus joeben erjheinenden Werte über die alte 
igriiche (aus den Pehlwi gefloffene) Überſetzung 
des Kalila u. Dimma hat er Zert u. Überfegung 
beigetragen. 

Bidelhanbe (eigentlih Bedenhanbe), Heln: 
ohne Bifir u. ohne Bededung des Halfes u. Kinnes; 
fonft von den Knechten u. Reifigen, neuerdings 
von den nad preuß. Fuß uniformirten Armeen 
getragen, 

Bidmore, Alb. Smith, amerifanifcher Natur- 
forſcher u. Neiiender, geb. 1. März 1839 zu St. 
Georges in Maine; widmete fi, nach zurid- 


1815 in Marburg u. Göttingen die Rechte, mwurde|gelegten Studien 1860 den Naturwiſſenſchaften 


Bickenbach — Biddle. 


unter Profeſſor Agaſſiz zu Cambridge in Maſſa— 
chuſetts u. ward im nächſten Jahre mit der Auf- 
fiht der Mollusfenabtheilung des dortigen Muſeums 
für vergleichende Zoologie beauftragt. B., ber 
ſchon bei Beginn feiner wiffenfchaftlihen Laufbahn 
den Gedanten gefaßt hatte, ein großes natur- 
— Muſeum zu New-Mork anzulegen, 
ereifte hauptfächlich zu diefem Zwecke 1865 Sn. 
indien. Ein ganzes Yahr lang brachte ev mit 
Sammlung von Schaal- und anderen feinen 
Thieren im Indiſchen Archipel zu. Dann ging er 
von Singapore durch Codindina über En 
nah Hongkong, durdhwanderte einen großen Theil 
Chinas, beiuchte und erforichte Japan, machte 
Studien über die Gejchichte der Aino von Jeſſo, 
309 duch die Mandichurei nad) der Mündung 
des Amur, durchfreuzte Sibirien, Mittel- und 
NRußland, hielt fi) in Europa auf und fehrte 
nad 3jähriger Abweſenheit nach New-York zurid. 
Er veröffentlichte ein Wert über feine Travels in 
the East Indian Archipelago, Lond. u, New- 
York 1869, deutih, Jena 1869. 1870 zum 
Profeffor der Naturgefhichte au der Madiion-Uni- 
verfität zu Hamilton im Staate New-Pork ernannt, 
widmete er fih faft ausfchließlih der Schöpfung 
feines Amerif. Mufeums für Naturgeſchichte. Das 
American Journal of Science u. das engl. Journal 
of the Royal Geographical Society enthalten viele 
Auffäge aus feiner Feder; er fchrieb noch: The 
Ainos or Hairy Men of Yesso, Saghalien, New- 
Haven 1868; Sketch of a journey from Canton 
to Hankow, ebd. 1868. Bartling. 

Bidenbad, wär im Kreife Bensheim 
der großherzoglich heſſiſchen Provinz Startenburg, 
an der Bergftraße n. Station der Main-Nedar: 
Eifenbahn; Schloß; 950 Em. B. ift Stammhaus 
der Familie gleihen Namens, 

Biclinium (röm. Ant.), Lager beim Speifen für 
2 Berfonen; ameifötäfriges Bett. 

Bicocca, Dorf u, Yuftihloß mit einem von 
Gräben umgebenen Thiergarten, bei Mailand. Hier 
Schlacht am 27. April 1522 zwiſchen den Kaifer- 
fihen und Franzoſen unter Marſchall Lautrec, 
welchen die des Krieges müden ſchweizeriſchen 
Söldner der Franzoſen zum Angriffe zwangen u. 
babei unterlagen. 

Bicödlor (lat.), zweifarbig. 

Bicornes (Bot.), bei Enbliher 39. Klaffe des 
Pflanzenreihes; meift Holzgewächſe mit neben- 
blattlojen Blättern, mit freiem oder verwachſenem 
Kelche, einblätteriger, regelmäßiger, auf einem 
Ringe eingefügter Blumenfrone, mit meift dop- 
pelt jo vielen u. ebenfalls dem Ringe, feltener der 
Krone eingefügten Staubblättern, deren Staub- 
beutel einfach oder an der Spite zweitheilig, nicht 
jelten zweihörnig find, und mit einem eın- bis 
fünftheiligen Fruchtknoten, deffen randfländige Sa— 
menleiften mehr oder weniger nad innen vor— 
fpringen; der gerade Keimling innerhalb des Ei— 
meißes. Diefe Klaſſe beftebt aus den Familien der 


375 


ſ.d. 2) (Anat.) Zweihörnig, 3. B. Uterus bie., 
zweih. Gebärmutter, wie bei den Wiederkäuern. 

Bienhibabalfam (Bicuhibawachs, Bicuiba 
redonda) fommt von Myristica officinalis Mart., 
in den Urwäldern Brafiliens; talgartige Subftanz, 
an Farbe u. Eonfiftenz dem Muscatbalfam ähn« 
ih, wird in ausgehöhlten Rohrftüden verfendet 
u. zu Einreibungen bei gichtigen Gelenfgeihmil« 
ften, chroniſchen Rheumatismen u. Hämorrhofden 
gebraucht. 

Bicuspidatus (Bicuspidälis, Tat.), zweiſpitzig 
an beiden Enden eine Spige, od. an einem Eudr 
zwei Spigen bildend; fo: Valvula b., bie aı 
den Rändern des Tinten arteriellen Oftiums bes 
Herzend fitende Klappe, die ein Zurüchſtrö— 
men des Blutes aus der linken Herztammer in 
den linfen Borbof verhindert. 

Bida, Alerander, Zeichner u. Maler, geb. 
1813 zu Zouloufe; Schüler von Eug. Delacroiz, 
bereifte 1844—46 den Orient, dem er auch den 
Stoff zu feinen meiften Arbeiten entrahm; auch 
als Porträtimaler leiftete er in letzterer Zeit Tüch- 
tigeö u. ift einer der Hauptmitarbeiter des Neife- 
journal® Tour du Monde. Belannt von Werten: 
Das Lager des Booz in Bethlehem (Staatseigen« 
thum), Arabifches Cafe, Griechiicher Sänger, Der 
Stlavenmarkt, Rüdtehr von Mella (Staatseigen- 
thum), Niedermegelung der Mamlulen. NRegnet. 

Bidaſſöa, Grenzfluß zwiſchen Fraukreich u. 
Spanien; entſpringt in Navarra, mündet bei 
Fuenterrabia in das Biscayiſche Meer, wird für 
neutral gehalten, durch die Eifenbahn von Paris 
nah Madrid überfchritten u. ift vom Dorfe Bi— 
riaron an fchiffbar. In feiner Mündung die Fa« 
ſanen- od. Eonferenz-Fnfel, wo der Porenätiche 
Friede 1659 geichloffen ward. Im Spaniſch-Por— 
tugiefifhen Befreiungskriege, 31. Aug. 1813, 
trieben 8000 Spanier 16,000 Franzoſen, melde 
die Pofition von St. Marcial auf dem linken 
Ufer nehmen wollten, mit 2000 Mann Berluft 
urüd. 

Biddeford, ſ. Bideford. 

Biddle, 1) Gidellus) John, Stifter der nad 
ihm benannten unitarifhen Secte der Bibdlianer, 
geb. 1615 zu Wotton in der Grafich. Gloucefter; 
wurde Schullehrer in Gloucefter; fam auf Zmeifel 
egen die Trinitätslehre, fchrieb barüber 1647 
welve arguments against the deity of the Holy 
Spirit u. a. betorodore Schriften u. ward deshalb 
verhaftet; 1651 befreit, fammelte er in London 
eine umitarishe Gemeinde. Seine Katechismen 
wurden 1654 verbrannt u. er felbft 1655 auf die 
Scilly⸗Inſeln verwieſen; aber feit 1658 wieder 
an der Spige feiner Gemeinde in London fiehend, 
befeftigte er deren Lehrbegriff, der von dem Soci⸗ 
nianishen nur dadurch abweicht, daß er den Hei« 
ligen Geift fiir eine Perfon, doch nicht für gött« 
lichen Weſens erflärt. 1662 wieder verhaftet, 
farb B. im Gefängnig. 2) Nicholas, nord- 
amerilan. Finanzmann, geb. 8. Jan. 1786 in 


Epacrideen, Ericaceen, Rhodoraceen und Hypo-| Philadelphia; fludirte die Rechte u. trat 1804 als 


pitpaceen. 


Advocat auf, mit dem amerifanifchen Ge— 


gin 
Bicornis (lat., zweihörnig; ®ot.), 1) von Früch⸗ ſandten General — als Secretär nad 
ten, auch Staubbeuteln mit 2 hornförmigen Aus- Frankreich u. mit Monroe nad England; nad 
wüchſen an den Spiten; inne bildete danach feiner Rückkehr 1807 abvocirte er mieder u. trat 
eine eigene natürliche Pflanzenfamilie: Bicornes,!1810 als Mitglied in das Repräfentantenhaus u. 


376 Biddumah 


1814 in ben Senat des Staates Pennſylvanien, 
wurde 1819 Director der Vereinigten Staaten: 


— Bidpai, 


Bidlis, |. Bedlis. 
Bidloo, Gottfried, holländ. Shirurg und 


Bank, 1823 Präfident derfelben u. bekleidete dieje | Anatom, geb. 12. März 1649 zu Amſterdam; 


Stelle, bis erin dem Baulſtreite mit dem General 
Jachſon unterlag. Nah Aufhebung des Privile- 
giums der Banf (1836) ſuchte er das Beſtehen 
der Bank noch furze Zeit dadurch zu friften, daß 
er einen Freibrief für diefelbe vom der Legislatur 
für Pennſylvanien ermwirfte. Nachdem er beim 
Zufammtenftürzen des amerifan, Credit 1837 
durch unſolide Finanzoperationen das Übel nod 
verihlimmert u. den Banlerott der Bank herbei- 
geführt hatte, zog er fi 1839 auf feinen Yand- 
ig Andalufia in Penniylvanien zurüd u. ftarb 
bier 27. Febr. 1844. Er redigirte 1807 die Zeit: 
ſchrift Portfolio; fein Commereial-Digest wurde 
ur’ feinem Tode gedrudt. Löffler, 
iddumah, Bewohner der ſüdweſtl. Inſel— 
gruppe im Tſad⸗See im Innern NAfrilas; ein räu⸗ 
beriſches Bolt, welches Sklavenhandel treibt u. dem 
Namen nad dem Meiche Bornu unterworfen ift. 

Bideford (Biddeford), u Stadt im der engL 
Grafſchaft Devonfhire, am Xorridge, der unweit 
in die Barnftaple-Bucht des Briftol-anals mün- 
det; Hafenplag für Heinere Schiffe; Handelsichule; 
Schiffbau, Spigen-, Tuch⸗, Leder: u. a. Fabriken, 
namentlich für Sciffsbedarf; Steinfohlen u. Ge— 
treidehandel; 6969 Em. %) Stadt im County 
Nork des nordamerif, Unionsftaates Maine, unter 
43° 80° n. B. u. 70° 27° w. 2, am GSacofluß; 
Hafen, Rhederei; Baummwollenmanufacturen, Säge- 
müblen, Schiffbau; 10,282 Ew, 

Bidellae jus (Rechtsmw.), jo v. w. Baulebung. 

Bidens L. (Zweizahn), Pflanzengattung aus 
der Fam. der Compoſiten (XIX. 1); Blüthentöpfchen 
flach, gelb, mit abfallenden Spreublätthen; Hüll- 
blätter zweireibig; Kelchſaum aus 2—6 rüdwärts 
rauben Grannen beftehend; Blätter gegenftändig. 
Arten: a) B. tripartitus L.; Blätter in einen 
lurzen — — Stiel verſchmälert; Köpfe auf- 
recht. b) B. cernuus L.; Blätter figend, etwas 
verwachſen, Tanzettlih; Köpfe nidend. Beide fehr 
verbreitet; in Silmpfen u. feuchten Orten und 
durch die ſich an die Kleider hängenden Früchtchen 
läftig. Seltener ift c) B. radiatus Thuill, Die 
Strahfenblüthchen verlkümmern bisweilen bei deu 
einzelnen Arten. Engler. 

idental (lat.), Ort, wo der Blitz eingejchla- 
gen hatte; dies gab zu mehreren abergläubiichen 
Geremonien Anlaß. Er wurde nad etruskiſcher 
Sitte auch in Rom von Prieftern gefühnt, ein 
zweijährige® Schaf (Bidens) dafelbft geopfert u. 
tag vom Ki ausgeworfene Erdreich neu ver» 
graben. Der Ort durfte weder überdacht, noch be— 
treten werden, Wurde ein Meuſch irgendwo vom 
Blitz getroffen, fo wurde die Stätte auch B. u. 
der Erichlagene ebenda beftattet. Vom Blitze ger 
troffene Bäume wurden nach forgfältigen Sühnen 
entfernt u. neue gepflanzt. 

Bider, St. an dem Mandſchera in Hyderabad 
(füdl. Border-Judien); einft die Nefidenz von Für. 
fien, jest verfallen; bekannt dur die Bidari- 
Waaren, Gefäßen, die aus einer Legirung von 
Zinn mit Kupfer verfertigt find. 

Bidet (fr.), Waſchwanne, Sitbad; f. u. Bad; 
dann auch Klepper. 


ſtudirte Medicin u. Chirurgie, wurde 1688 Pro— 
feſſor der Anatomie im Haag, übernahm 1694 
in Leyden die Profeſſur der Anatomie u. Ebirure« 
gie, kam bald nachher als Yeibarzt Wilhelms’ III. 
nad London, fehrte aber nach deſſen Tode nad 
Leyden zurüd; er ft. im April 1713. B. iſt be- 
tannt dur Herausgabe des mehr prachwollen 
als immer nmaturgetreuen anatomiſchen Kupfer» 
werfes, zudem der berühmte de Yaireife Die Stiche 
lieferte: Anatomia corporis humani, CV tabulis 
per G. de Lairesse ad virum delineatis demon- 
strata ete. Amifterd. 1685, Leyden 1739, Utrecht 
1750, Ihambayn. 

Bidouze, Nebenfluß des Adour im franz. 
Dep, Nieder-Pyrenden, 80 km lang, 17 km meıt 
ſchiffbar. 

Bidpai (Pilpai, wahrſcheinlich corrumpirt aus 
einem indiſchen Worte), indiſcher Philoſoph, Vezier 
des ind. Königs Dabiſchlim (Dabſchelim), Ber— 
faſſer eines Fabelwerles, das im Morgenlande 
als Sittenſpiegel galt u. faſt in alle Sprachen 
überjegt u. umgearbeitet wurde. Zuerſt erſcheint 
diefes Werk in der altind. Bearbeitung Bantida- 
tantra, berausg. von Kofegarten u. mit liber- 
fegung von Benfey, u. im öftl. Indien als Hito- 
padeja (d. i. heilſamer Unterricht), herausg. von 
Carey, Seramp. 1804, Lond. 1810, mit latein. 
Überjegung von Schlegel u. Lafien, Bonn 1829 
bis 1831, 2 Bde, engl. von Wilfins, 1787, ı. 
deutih von M. Müller, Lpz. 1844. Als der 
perfiiche König Nuſchirwan, der Sajjanide, von 
der Eriftenz dieſes berühmten ind. Fabelwerkes 
Kenutniß erhalten hatte, ſchickte er feinen Arzt 
Barſujeh nad Indien, der fich dafjelbe zu ver« 
haften wußte u. es dem König in einer Pehlwi— 
Überjegung überreichte. Aus dieſer Überjegung, 
die verloren gegangen ift, entftand unter dem 
Khalifat des Abbafıden Manſur die arabiiche des 
Abdallah ben Almolaffa nuter dem Titel Kalila 
va Dimna, nad den beiden Schafalen Karatala 
u. Damanafa jo benannt, welche im eriten Buche 
fih unterhalten u. eine Menge von Fabelu dra« 
matiſch zu einer einzigen verflechten; berausg. von 
Silo. de Sacy, Par. 1816, Bulag 1836, deutich 
von Halınboe, Chriſt. 1832, von Wolfi, Stuttg. 
1837. Dieſer arab. UÜberjegung verdanten ibren 
Urſprung: a) die in Verſen gejchriebene von dem 
perj. Dichter Rudegi unter der Regierung des 
Samaniden AbulHaflanNafr, welche aber verloren 
gegangen ift; b) die perfiihe von Nafr Allah 
unter der Regierung des Ghaznawiden BehramSchah 
u. c) die unter dem Titel Anwari Sohaili (d. i. 
die Lichter des Kanopus) befaunte perfiihe, ver» 
faßt von Hoffain ben Ai Baez Caſchefi, dem 
Bezier des Sultans Abul Ghazi Hofjain Behadur 
Khan, eines Ablömmlings Tamerlans. Eine neue 
Redaction der perj. Überjegungen von Nafr Allah 
und Hoffain Vaez ift das Werk Abul Fazls, des 
Bezierd des Großmoguls Atbar, betitelt Ayar 
Danifh (d. i. Muſter der MWifjenfchaft), u. die im 
16. Jahrh. von Alt Tſchalebi verfaßte türkiſche 
Überfegung Humajın Nameh (d. i. das kaiſerliche 
Buch) iſt aus der perſ. Auwari Sohaili gefloffen, 


Bidihapur — Bicdenfeld. 


berausg. Lond. 1828, Bulaq 1838, franz. von 


David Sahid in Galland u. Earbonne. 
wurde Kalila u. Dimna überjett ins Griechifche 
von Simeon Sethos (Stephanites kai Ichn#lätes), 
beraudg. von Starf, Berl. 1697; ins Hebrätiche 
im 12, Yan von Rabbi Foll, daraus latein. 
un 13. Jahrh. von Job. von Capua (Directo- 
rium humanae vitae, f.d.); ins Deutfche im 14. 
Jahrh. von Herzog Eberhard I. von Württem- 
berg, beransg. als Beifpiele der Weifen, Ulm 
1483 u. ö.; ins Spanifche 1251 u. daraus Jatein, 
von Raymund v. Beziers um 1313. Aus dieſen 
beiden latein. Überfegungen floffen die ſpaniſche 
1498, italien. 1548, franz. 1556, engl. 1570, 
holländ. 1623, dän. 1618, ſchwed. 1743, neueſte 
deutiche von Werber, Nürnb. 1802, u. von Bol: 
graf, Eiſ. 1803; außerdem gibt es aud noch 
binduftanifche, malayiſche, mongolijche, afghanifche 
u. andere Überfesungen. 

Bidſchapur (Beejapore), 1) Reich in Border- 
Indien, fübl. von Bombay; wurde angebl. von 
Juſſuf, einem Bruder des türf, Groberers von 
Eonftantinopel, Mohammeds II., im 15. Jahrh. 
gegründet u, durch glüdliche Eroberungen (er ent- 
Er den Portugiefen Goa) erweitert. Diefe Macht 
bielt fein Sohn Ismael (1510—34) aufredt. 
Rad längeren Palaftftreitigkeiten beftieg Adil Ai 
Shah 1557 den Thron, einer der mächtigften 
ge Judiens, von dem die prachtvollen 

auten flammen. Im 17. Jahrh. begann das 
Reih zu finfen durch Empörungen im Innern 
u. Angriffe von außen u. verlor dur Aureng- 
er 1686 feine Unabhängigleit. Mitte des 18. 

abrh. entriffen die Mahratten dem Großmogul 
das Land, welches endlich 1818 unter die Re— 
gierung der Britiich-Oftindifhen Compagnie kam. 
2) Hauptft. diefes Meiches; jett in Trümmern; 
Reſte prächtiger Paläfte, Mofcheen, des Grabes von 
mail u. des Maufoleums von Adil Ali Schab. 
emerlenswerth das Malil--Meidan, eine der 
rößten Kanonen der Welt, deren beabfichtigter 
Transport nad England wegen zu hoher Kojten 
aufgegeben if. Tbielemann. 
idſchawur, in Bundelkund (Oftindien), Haupt- 
ftadt eines Heinen Fürſtenthums von 90,000 Ew., 
welches ſeit 1811 unter Hoheit der Engländer 
ftebt, denen es 1400 Soldaten zu ftellen ver- 
pflichtet if. 
idſchni, Prov. mit gleichn. Hauptft. im 
tibetiihen Schutftaate Bhotan; durchfloffen vom 
Brahmaputra u. feinen Nebenflüffen. 

Bidſchnur (Bijnour), 1) Diftr. der nordweſtl. 
Provinzen in Hindoftan, Commiſſionerſhip Ro— 
bilfund, jübl, von Gurmbal, u. 23% 54° bis 29° 
58° 5. Br. u. 78° 1, bis 78° 53° . L.; 4879 [Jkm 
(88,41 IM); 737,152 Ew.; Boden für den 
Zuderbau ganz vorzüglih geeignet; zahlreiche 
Baummollenplantagen. Das Yand ftand vormals 
unter den Nobilla-Afgbanen, lam 1774 an den 
Nabob von Aude, 1802 an die Briten. 2) Hauptit. 
darin; 12,566 Em. 


erner|letten Tage vor 


377 


Biduäna (lat.), zweitägiges Faſten, bei. die 2 
ftern. 

Biduum (lat.), Zeit von 2 Tagen, 2tägige Friſt. 

Biebrich nebſt Mosbach, Stadt im Main- 
treife des preuß. Regierungsbezirt Wiesbaden, in 
herrlicher Lage am Rhein, Erjenbahnftation; yabri« 
fation von Gement, fünftlibem Dinger, Anilin« 
farbe, Firniß, Tuch, Kunſtwolle; 6644 Einw.; 
Ping Schloß, defjen Bau im neu-franzöft- 
ſchen Geſchmade zu Anfang des 18. Jahrh. be- 
gonnen u. von Karl v. Nafjau-Ufingen vollendet 
wurde; Garten mit herrlichen Anlagen; an feinem 
Ende die Burg Mosbah, melde der Herzog 
Friedrich Auguſt erbauen u. mit Grabfteinen u, 
gemalten Fenſtern aus der vormaligen Abtei Eber- 
bad) verzieren ließ. Einen Hafen erbielt B. durch 
einen Damm in den Rhein, worüber 1841 Streitig- 
feiten zwiſchen Naffau u, Heſſen ftattfanden. Cä- 
far foll bier zum zweiten Dial den Rhein über- 
Ichritten haben. B. war 1744—1840 Reſidenz 
des Herzogs von Naffan-Ufingen, ; 

Biecz, Stadt im öjterreih. Bezirke Gorlice 
(Salizien); große Kirde, Schloß, Armenhaus; 
Handel mit Korn, Flachs u. Leinwand; 2450 Em. 
Hier am 25. Yan. 1588 Sieg Zamoiskys, Feld- 
marſchalls Siegmunds III. von Polen, iiber Maxi— 
milian von Ofierreich, der ſich in der Stadt er- 
geben mußte, 

Biedenfeld, 1) Ferdinand Leopold Karl, 
Freiherr von B,, belletriftiicher Schriftfteller, geb. 
1788 in Karlsruhe; ftudirte in Heidelberg u. Fyrei- 
burg die Rechte, wurde 1811 beim Landgerichte 
zu Karlsruhe angeftellt u. fam 1813 in das Mi— 
nifterium des Innern; er nabm 1814 feinen Ab» 
ſchied u. verweilte in Nürnberg, Dresden u. 1818 
bis 1824 in Wien; ging von da nah Berlin u. 
wurde hier ein Jahr lang Director des Theaters 
der Königſtadt, dann erhielt er die Direction des 
Theaters in Magdeburg, fpäter vermeilte er in 
Hannover, Hamburg, Berlin, Stettin zc. u. über— 
nahm mit Piehl bis 1830 die Direction des Thea— 
ters in Breslau; 1834 ging er nach Leipzig und 
1835 nah Weimar, hielt fi zuletzt in Karlsruhe 
auf u. ftarb dafelbit 9. März 1862. Er fchrieb 
außer mehreren Unterhaltungsichriften u. Biühnen- 
ftüden: Urſprung zc. der fämmtlihen Mönds- u. 
Klofterfrauenorden im Orient u. Occident, Weimar 
1837, 2 Bde.; Supplement dazu, ebd. 1839; Ge- 
ſchichte u. Berfafjung aller geiftliben u. weltlichen 
Ritterorden, nebft einer Überficht ſämmtlicher Mi- 
litär⸗, Civil- u. Ehrenzeichen, Medaillen zc., Wei- 
mar 1839, 2 Bde.; Das Buch der Roſen, ebd. 
1840; Populäres Yefebuh der Wappenkunde, mit 
530 Fig., ebd. 1846; Feldzug der Deflerreicher in 
Italien von der Papftwahl Bing IX. bis zum 
Waffenſtillſtande von Mailand, ebd. 1849; außerdem 
vedigirte er die Beitichrift: Der Elegante; mit 
Kuffner gab er heraus: FFeierftunden, Brünn 
1821 f., 2Bde. 2) Ernft Guftav Benjamin, 
Freiherr von B., geb. 2. Yan. 1792 zu Karls- 
ruhe; diente in der badifchen Armee erft als 


Bidſchow (Neu, Nowy-B.), Stadt in der Fähnrich, ſeit 1808 als Offizier, machte die Feld— 
gleihnam. Bezirtsbauptinannihaft (v. 49,400 Em.) |züge von 1809—1815 unter den badiſchen Trup- 
des ehemal. böhmischen Kreifes Gitſchin; Eifen-|pen mit, wurde 1843 als Major (mas er feit 
babnft.; Hübenzuderfabril; 5855 (im Gemeinde-|1837 war) mit Penfion in Rubeftand verfegt ır. 


bezirt 5957) Em. 


1849 von der Provijorishen Hegierung gezwungen, 


378 


Biedentopf — Birgeleben. 


eine Befehlshaberftelle im Vollsheere anzunehmen, | Batfe anihloß u. Hegelihe Philofophie ftubirte, 
mit welchem er, zum Oberften ernannt, den Kampf u. knüpfte bei feiner Rüdtehr Beziehungen mit 


gegen die preußiihen Truppen mitmachte, 
aftatt eingefchloffen, wurde er nad libergabe 
der Sefung. friegsrechtlih zum Tode verurtheilt 
u. am 9. Auguſt 1849 erfeoffen. 

Biedenkopf, 1) auch Hinterland, ehem. 
Kreis der großherzogl. hefliihen Provinz Ober» 
Heflen, 1866 an Preußen abgetreten u, jetzt Kreis 
det Megbez. Wiesbaden, an der Lahn und Eder; 
gebirgig; von 1,, km der Köln-Gießener-Bahn 

erührt; 676, [km (12, [IM); 87,274 Em. 
2) Gemwerbfame Stadt daielbft, an der Lahn; 
Amtsgerichtsfip; Eiſenwerl u. Eifenfteinbergbau, 
Eiſen⸗ u. Stablfabr., Wollenipinnerei; 2746 Ew.; 
Y, Stunde davon das Eiſenwerk Ludwigshütte. 

Biedermann, 1) Friedrih Karl, deuticher 
Geſchichtſchreiber u. Politifer, geb. 25. Sept. 1812 
in Leipzig; ftudirte 1830—34 in Leipzig u. Hei 
delberg —8W habilitirte ſich 1835 als Pri⸗ 
vatdocent in Leipzig u. wurde 1838 außerordent⸗ 
licher Profeſſor —— daſelbſt. Seit 1830 
tam er wegen feiner politiihen Richtung mehr: 
mals in Conflict mit der Regierung. Er gründete 
1842 die deutſche Monatsichrift für Fiteratur u. 
Öffentliches Leben (an deren Stelle 1846 die Bier- 
teljahrsichrift: Unfere Gegenwart u. Zukunft, trat) 
u. 1844—47 den Herold, eine Wochenſchrift für 
Politik, Piteratur und öffentlihes Gerichtsverfah- 
ren; fam 1848 in das Vorparlament in Frank— 
furt, aus dem er in den Funfzigerausichuß über- 
ging, u, wurde nachmals Abgeordneter des Deutichen 
Parlaments, aus dem er 1849 vor der Über- 
fiedelung nad Stuttgart austrat, u. 1849—50 
Mitglied der fähfiihen Ständeverfammlung; hielt 
dann wieder feine Borlefungen in Leipzig, wurde 
aber 1853 wegen freifiuniger Außerungen über 
Napoleons III. Staatsftreih in den von ihm 
redigirten Deutfhen Annalen feiner Profeifur ent- 
jetst, worauf er 1855 die Redaction der Weimari- 
hen Zeitung übernahm. Im Fahre 1863 kehrte 
er nach Feipzig zurüd, übernahm die Redaction 
der Deutſchen Allg. Zeitung, wurde 1865 im feine 
Profeſſur wiedereingefegt, 1869 in den Sächſiſchen 
Landtag u. 1871 im den Deutſchen Reichstag ge- 
mählt. Er jhr.: Fundamentalphiloſophie, Lpz. 
1837; Wiffenfchaft u. Univerfität, ebd. 1839; Die 
deutiche Philofophie von Kant bis auf unfere Zeit, 
ebd. 1842 f., 2 Bde.; Sachſens Landtag von 1845 
bis 1846, ebd. 1846; Borlef. über Sorialismus 
u. fociale Fragen, ebd. 1847; Erinnerungen aus 
der Paulslirche, ebd. 1849; Deutichland im 18, 
Jahrh., Lpz. 1854—75, 3 Bde.; Friedrich d. Gr. 
u. feine Berhältniffe zur Entwidelung des deut- 
jchen Geifteslebens, Braunſchw. 1859; Geichichts- 
unterricht auf Schulen, feine Mängel ꝛc., ebd. 
1860; Deutichlands trübfte Zeit od. der 80jährige 
Krieg u. feine Folgen für das deutiche Eultur- 
leben, Berlin 1862; er verfaßte auch drama- 
tiſche Werke, wie: Kaifer Heinrih IV., Kaifer 
Otto III., Der legte Bürgermeifter von Straßburg. 
2) Aloys Emanuel, prot. Theolog, geb. 1819 
u Winterthur; beſuchte das Gymmnafium zu 
Baer, wo er auch unter de Wette feine theologi« 
hen Studien begann, begab fi zu deren Boll- 
endung nad Berlin, wo er fi vornehmlih an 


In | David Strauß an. Auerft in Bafelland als Pfarrer 


angeftellt, ward er bald als Ertraordinarius nad 
Zürih berufen, wo er 1860 zum ordentlichen 
rofeſſor der Theologie befördert ward, Sein 
—— Die riftl, Dogmatik, Zür. 1869, be» 
auptet durch die Schärfe der Kritif u. die Ge— 
ſchloſſenheit des Denkens eine der erften Stellen 
in der bogmatifchen Literatur der Gegenwart. 
Außerdem jchrieb er: Die freie Theologie, Züb. 
1844, fowie eine Reihe von Auffägen in den von 
ihm mitbegründeten Zeitftimmen aus d. Ref. Kirche 
der Schweiz. 2) Schrader, 
Biefve, Edouard de B., berühmter nieder- 
ländifcher — u. Porträtmaler, geb. 4. Dec. 
1808 zu Brüffel; war erſt Kunſtdilettant, begei- 
fterte ſich gelegentlich eines Ausfluges nah Paris 
für die neu-romantiihe Schule, bildete fi auf 
der Kunftalademie feiner Vaterftadt, arbeitete von 
1828— 30 daheim im Atelier des Hiftorienmalers 
Paelinf u. ging 1831 nah Paris, wo er für 
10 Fahre jeinen Wohnfig nahm u. bei David 
von Angers mobdellirte und malte, ſchließlich aber 
fih für die Malerei entihied. Seine Kunftleift- 
ungen fchlagen alle ins Geſchichtsfach. Sein be» 
rühmteftes Wert ift das 3,, m hohe u. 8 m 
breite Ölgemälde: Die Unterzeichnung des Com» 
promifjes der Edlen von Burgund am 16. Febr. 
1566, welches für das Belgiihe Nationalmuſeum 
angelauft wurde. Außerdem malte er für den 
verftorbenen König von Preußen, Friedr. Wil- 
heim IV.: König Karl I. von England, Rubens 
die goldene Ehrenkette umhängend; ferner für den 
Sigungsjaal des Senats von Brüffel: Belgien, 
das Königthum gründend; den Damenfrieden vom 
5. Aug. 1529; Herzog Alba, der Enthauptung 
Egmonts u. —— zuſchauend; Egmonts Gattin 
nach der Verhaftung ihres Gemahls, u. Dieſelbe 
nach der Hinrichtung ihres Gatten im Kerter, 
u.a. m. Regnet.* 
Biegeleben, Mar Ludwig Freiherr von, 
öfterr. Diplomat, geb. 11. Yan. 1812 in Darın- 
ftadt; war 1843—48 großbherzoglich heifiicher Ge- 
Ihäfteträger in Wien u. fehrte dann nach Darm— 
fadt zurüd; von bier wurde er im Aug. 1848 
als Unterftaatsiecretär des Neihsminifteriums des 
Außern unter dem Reichsverweſer nad Frankfurt 
berufen u, blieb im dieſer Stellung bis zur Aufe 
löfung der Heichsverweierfchaft; gegen Ende 1850 
trat er in den öſterreichiſchen Staatsdienft u. wurde 
Sectionsrath zum, außerordentlihen Dienft im 
Minifterium des Außern, 1853 wirklicher Hof- u. 
Minifterialrath u. mit dem Weferat für die deut» 
Shen Bunbesangelegenheiten betraut. Bei Gele 
genheit des Fürftencongreffes in Frankfurt 1863, 
an deffen Zuftandelommen er hervorragenden An- 
theil hatte, erhielt er den Titel als Geheimrath 
u. 1868 die perſönliche Freiherrnwürde. Von 
ausgeſprochen katholiſcher Gefinnung, zog er fich 
ſchon ſeit 1866, bei der Haltung der Negierung 
in der römifcheitalienifchen Frage, mehr u. mehr 
von den öffentlichen Geſchäften zurüd, u. ftets 
großdeutſch, füderaliftiih uw. confervativ u. daher 
den preußiihen Beftrebungen abhold, nahm er, 
als 1871 Oſterreich zu emem Berftändniß mit 


Biegſame Körper — Bielbog. 


379 


Prenfen ſich anfchidte, erft einen längeren Urlaub, Kanton Bern. Bgl. Blöſch, Geſch. der Stadt B., 


trat 1872 in Rubeftand m. fi. 6. 


ug. 1872 im|Biel 1856, 3 Bde. 


Bad Rohitih in Steiermarl, Er war bei. ald| Biel, angeblich Waldgott der Sachſen am Harz; 
diplomatifcher Stilift berühmt, u. die beften deutſch ſein Heiligtbum, beim Slofter feld auf einem 
geihriebenen Depejhen in den Rothbüchern find|Berge (B-shöhe), foll von Bonifacius zerftört 


aus feiner Feder. 

Biegſame Körper, fefte, nad) einer od. zwei 
Dimenfionen vorwiegend ausgedehnte Körper, 
melde fih, ohne zu zerbrechen, biegen laſſen 
(genauer: deren Theilhen fi ohne Aufhebun 
ihres Zufammenhanges fo verjhieben laffen, dab 
eine in den Körpern gedachte Längsachſe ihre Form, 
nicht aber ihre Länge ändert u. die zu dieſer 
Achſe ſenkrechten Querfchnitte ſich um die in ihnen 
liegenden Punkte der Achſe ohne Änderung ihrer 
Geftalt u. Größe drehen). Streben die Theilchen 
in ihre urfprünglihe Lage zurüdzufehren, fo 
beißen die Körper elaftiichebieglam, im anderen 
Fall biegfam im engeren Sinne (gemein biegſam). 
Alle feften Körper befigen einen gemiffen Grad 
ven Biegfamkeit. Wenn b. K. nur in einzelnen 
Punkten unterftügt find, fo werden die zwiſchen 
diefen liegenden Theile durch ihr eigenes Gewicht 
gebogen; ein Ballen, der nur in der Mitte oder 
nur an beiden Enden unterſtützt ift, krümmt ſich 
im erfteren Falle mit den Enden, im letteren 
mit der Mitte nach unten. S, u, Elaſticität u. 
u. Feſtigleit. Winumenauer M. 

Biehler, Tobias, geb. um 1800 in Wien; 
fam 1830 nad Italien, wo er im Neapel den 
Grund zu feiner umfaffenden Kenntnig im Fache 
der Gemmenkunde u. zu feiner Sammlung legte, 
welche zu den bebeutenditen Privatfanımlungen 
diefer Art gehört. Er privatifirt in feiner Vater- 
ftadbt Wien u. gab 1871 einen bejchreibenden 
Katalog über diefe mehr als 800 der werthvoll- 
ften u. intereffanteften Gameen u, Intaglien ent: 
haltende Sammlung heraus. 

Diel (franz. Bienne), Stadt im ſchweizer 
Kanton Bern, nahe am Bieler- See und au der 
Suze (Scheuß), Eifenbahnfnotenpunft der Jura— 
u. Gentralbahn; Gymnaſium, Bürgeripital, Hath- 
haus (Burg); Baummollenjpinnerei, Färbereien, 
Fertigung von Kattum, Leder, Draht, bed. Uhren: 
fabrifation; Weinbau; 8113, meift reformirte Em, 
Tberhalb der Stadt befindet ſich eine Felsgrotte 
(Brunnftube) mit einem Wafferbaffin von großer 
Ziefe. Die Stadt, am Fuße des Jura liegend, 
hat herrliche Umgebungen, reizende Spaziergänge, 
Dampfihiffahrtsverbindungen nach den Uferftädten 


zu Urach (Württemberg), Rathgeber des 


worden fein; aud die B-shöhle (f. d.) foll von 
ihm den Namen haben. 

Biel, Gabriel, der letzte Scholaftifer genannt, 
geb. in Speyer, — — in Heidelberg; ſtudirte 
u. lehrte ſeit 1442 zu Erfurt, war dann Prediger zu 
St. Martin in Mainz, Propft der Eollegiatfirche 
erzogs 
Eberhard im Bart bei der Stiftung ber Univer- 
fität Tübingen 1477, von da au Prof. der Philof. 
u. Theol. zu Tübingen; er zog fich zuletzt zu ben 
blauen Mönchen des Klofters Einfiedel (bei Tü- 
bingen) zurüd; u. fl. 1495. B. war Nominalift, 
behauptete mit den Basler Eoncil die Hoheit der 
Kirche über den Papſt, erflärte die Abſolution für 
einen nicht judicialen Act, war aber fonft ein eif- 
tiger Vertheidiger des papalen Syſtems u. ma- 
mentlih de$ Opus operatum. Er ſchr.: Collec- 
torium ex Occamo in libb. IV Sententiarum, 
Tüb. 1502 (unvoll.); Expositio Canonis Missae, 
Tüb. 1499; Sermones de tempore, herausg. vd. 
Wend. Steinbach, Tüb. 1500; Sermones de festi- 
vitatibus glor. Virg. Mariae, 14989. ©. über ihn: 
Linfemann, Theol. Quartaljchrift, 1868. Löffler. 

Biela, 1) N. Fluß in Böhmen; entfpr. am 
Erzgebirge u. mündet bei Auffig im die Eibe; 
74 km lang. 2) (Auch Bielit) Keiner Fluß in 
Sachſen; fließt vom Erzgebirge bei Königftein der 
Elbe zu; ſchöne Partien bietet fein Thal (B— 
grund) in der Sächſiſchen Schweiz. 

Diela, Freiherr Wilhelm v. B., geb. 
19. März 1782 in Roßla bei Stolberg am Harz; 
widmete fi dem Militärftande u. warb nach 
Beendigung der Kriege gegen Napoleon öfterr. 
Hauptmann in Prag. Bon bier nad Joſephſtadt 
verjegt, betrieb er in feinen freien Stunden praf- 
tiſche Aftronomie, beftimmte die geographiiche Lage 
feiner Garnifonftadt u. entbedte 1823 u. 1825 
teleftopische Kometen. Der am 27. Febr. 1826 von 
ihm entdedte derartige Komet wurde von ibm 
berechnet u. als ein periodiſch wiederkehrender, 
mit einer Umlaufszeit von 6% Jahren gefunden 
u. erhielt den Namen Befher Komet. Im Ma- 
jorsrange penfionirt, lebte er mehrere Jahre in 
Benedig den Wiffenfchaften u. ft. dort am 18. Febr. 
1856. Seine widtigjten wiffenihaftlichen Arbeiten 


des Beer» u. Neuenburger» Sees u. wird durch ſind in Schumaders Aftronomischen Nachrichten 
Eijenbahn mit Bafel, Genf, Zürich u. Bern verbun- |niedergele 


den. — B. wird erft 1262 urfundlid genannt, wo es 
an das Bisthum Baſel fam, danıı 1271, wo es mit 
Bern ein Bündniß ſchloß, u. 1275, wo Rudolf 
von Habsburg ihm Freiheiten ertheilte. Um fich 
egen die Übergriffe des Biſchofs von Baſel zu 

ern, ermeuerte B. 1352 den Bund mit Bern 
u. ſchloß 1382 mit Solothurn u. 1407 mit Frei— 
burg Bündniffe, in deren Folge das Schloß des 
Bischofs zu B. geichleift wurde. Später war es 
ein zugewandter Ort der Eidgenoffen. Noch zu 
Anfange des 18. Jahrhunderts dauerten die 
Streitigkeiten fort. Infolge der Revolution wurde 
es mit Frankreich verbunden u. fam zum Depar- 
tement des Mont» Terrible, 1814 aber an den 


t. 

Bieladı, f. Fluß in Öfterreih Ob der Enns, 
112 km lang; miündet bei Mölt in die Donau. 

Bielau, Langen⸗B. 

Bielbog, d. i. der Fichte (weiße) Gott, wird 
von ſlaviſchen Mythologen als Bezeichnung eines 
jeden Lichtgottes erflärt, wobei die Annahme nicht 
ausgeichloffen ift, daß ähnlich wie im Perſiſchen 
Ahuramazdao der oberite Lichtgott vorzugsweiie 
B. geheißen babe. Dieje Auffaffung beruht auf 
einer Außerung Helmolds (Chron. Slav.I. Cap. 58) 
von einem guten u. böjen Gott (Deorum boni 
seilicet et mali), von deren letterem er ferner 
jagt: die Siaven (d. h. die den Sachſen benad)- 
barten Eibflaven) benennen ihn den „Schwarzen 


380 Bielbrief — Bielshöhle, 


Gott” (Diabol sive Zeernoboch). Den Namen des 12. Jahrh. unter dem Schute der Sparten» 
des guten Gottes als Gegenfat zum finfteren Gott|burg gegründet, wurde bald Hauptſtadt der Graf» 
(Czernobog) nennt er nicht, erwähnt nur als die ſchaft Ravensberg und 1270 Hanfeftabt; 1203 
bervorragendfte unter den Fichtgottheiten (Numina) wurde die Stadt vom Biihof Hermann von Min 
Zvantevith (Sviatovit). Spätere a. (Edeifter erobert; fiel 1346 mit der Grafſchaft au 
hard, Ludewig u. %.) haben diefer Außerung | Jülich Kieve-Berg, 1609 an Brandenburg; 1623 
Helmolſds noh das Wort Belbog gleichſam er-|murde die Sparrenburg von den Pfälzern erobert, 
änzend Hinzugefügt, u. fo entftand die bei vielen|doch 1628 von den Brandenburgern wiedergewon« 
Pryrhologen gangbare Borftellung von der Eriftenz |nen; 1637 nahmen es die Heflen, 1639 die Kai- 
eines allgemein bei den Slaven verehrten, Belbog)jerlihen; bald darauf wurde es für neutral er- 
benannten Gottes; der Name kommt aber weder /Märt; 1672 refidirte Kurfürft Friedrich Wilhelm 


in älteren biftoriihen Nachrichten, noch in den 

Boltsiiedern der Slaven vor. In gelehrten Eom- 

binationen wird er auf Sviatovit oder auch Ra- 

degast gedeutet. Rehring. 
telbrief, jo v. mw. Beilbrief. 

Bielefeld, 1) Kreis im — Regbez. Min- 
den, zu beiden Seiten des Teutoburger Waldes; 
273,2 [km (5 DM); 5915 Ew.; Hauptbe⸗ 
trieb: Getreide» u. Flachsbau, Spinnerei, Leinen- 
weberei, Geidenfabrifation u. Bleihen, Gtein- 
tohlen, Schwefelfies, Kaltöfen u. Cementmüblen; 
wird von 20,,, km der Köln-Mindener Eifenbahn 
durchſchnitten. 2) Hauptftadt daſelbſt (ehedem 
auch der Grafſchaft Ravensberg), von dem Lutter- 
bache in Alt- u. Neuftabt getheilt, am Fuße des 
Sparreuberges, auf deffen Gipfel eine Burg» 
ruine, welche, neu ausgebaut u. mit einer Thurm- 
warte verjehen, zur Zeit als Gefängniß dient, in 
anmutbiger Gegend mit in Spaziergänge umge- 
wandelen Wällen u. Gräben, an der Köln— 
Mindener Eifenbahn; Kreisgeriht; 4 Kirchen, 1 
Synagoge; Rathhaus, Gymnafium, Neal, Ge- 
werbe-, Töchter⸗, vereinigte Bürgerſchule, 1 Kin- 
dergarten, Kleinktinderbewahranftalten; Freimaurer⸗ 
loge: Arminius zur dentfchen Treue, Gewerbe- u. 
Landwirthichaftliher Verein, Handelstammer, Kö- 
niglihe Banlcommandite, Uctiengefellihaft: Weſt— 
fäliſche Bank, Krankenhaus u. Kaferne. B. ift 
weltberühmt durch ſeinen Leinenhandel, der an 6 
Zahrhunderte alt ift u. an dem in B. 130 Hand: 
lungshäuſer betheiligt find. Weit ausgedehnte 
Bleihen an der Jutter unterftügen die beiden 
Uctienfpinnereien Ravensberg u. Vorwärts (mit 
zufammen 35,000 Spindeln) und eine Actien- 
weberei mit 500 Stühlen in der Herftellung der 
Leinwand, von welder 1872 im Ganzen 130,000 
Stüd producirt wurde. Die Bielefelder Yein- 
wand hält hinfichtlih der Güte und Dauerhaftig- 
feit die Concurrenz mit jedem anderen Gewebe 
diefer Art aus u. iſt deshalb auch im Auslaude, 
befonder8 in England, Spaiien und Amerila, 
beliebt. Nicht unbedeutend ift ferner der Seiden- 
bandel, die Cement-, Asphalt, Glas-, Sammet- 
u. Plüſchfabrikation; außerdem finden ſich Ma— 
ſchinenbau, Keſſelſchmiederei, Eifengießerei u. Fei— 
lenhauerei; großartig iſt die Herſtellung fertiger 
Wäſche, im welcher 2500 Näherinnen mit über 
1200 Nähmaſchinen beſchäftigt werden und deren 
Werth jährlich etwa 74 Dill. M beträgt. Die 
Stadt befigt ſchöne Billen; in ihrer Nähe liegt 
der der Schütengejellichaft gehörige Johannisberg, 
mit herrlicher Ausfiht u, parfähnlihen Anlagen. 
3, hat 21,834 Em., mit der Vorſtadt Gadder- 
baum, im welcher eine Anftalt für Epileptifche ift, 
24,521 Ew. — B., zu Ende des 11, oder Anfang 


mit feiner Gemahlin längere Zeit auf der Burg; 
1679 bejetten die Franzoſen die Stadt. Sie ge- 
hörte von 1806—1813 zum Königreih Weftfalen 
u, fam dann wieder an Preußen. 

Bielenftein Auguft, Sprachforſcher u. Prä- 
fidvent der im J. 1826 Wu Te Lettifch » lite» 
rarifchen Gejellichaft, geb. 4. März (20. Febr.) 
1826 in Mitau; feinem Berufe nah ev.-luth. 
Pfarrer zu Neu⸗Autz in Kurland, wofür er feine 
Studien 1846—50 in Dorpat machte; hat fih um 
das Studium der lettiſchen Sprache bedeutende 
Verdienfte erworben. Er ſchrieb: Handbuch der 
lettiſchen Sprache (auch unt. d. Zit.: Lettiſche 
Grammatik), I. Theil: Grammatik, Mitau 1863. 
Gleichzeitig erſchien: Die lettiſche Sprache nach 
ihren Lauten u. Formen, Berl. 1863, u. enthält 
dieſe umfangreiche Arbeit, welche durch die Peters- 
burger Akad. der Wiffenih. mit dem Demidow— 
ſchen Preife ausgezeichnet wurde, eine Darftellung 
des Baues der lettiſchen Sprade. Außerdem 
förderte u. leitete er die Herausgabe des Lettiſchen 
Wörterbuches (I. Theil, Lett.» Deutih) vom ver- 
ftorbenen Biſchof Ullmann, Riga 1872. Nebring. 

Bieler-See, See, größtentheils im ſchweizeri- 
ihen Kanton Bern, die SWEde aber im Kanton 
Neuenburg, 16,,, km lang, 3,5 breit, 46,, "km 
groß, 434 m ü. d. M., größte Tiefe 78 m; 
ichreih, von Weinbergen umgeben, durd die 
Zihl (Thiele, urſprünglich Orbe) mit dem Neuen- 
burger-See verbunden; Petersinfel (Weingärten, 
Rouffeaus Aufenthalt) in der Mitte u. die Kleinere 
Kanincheninſel. Merkwürdig find die Pfahlbauten 
nicht weit von Nidau. Der See wurde bis zur 
Inbetriebſetzung der Eifenbahn am Wufer von 
Dampfern befahren u. tritt häufig aus. 

Bielitz, Stadt in Ofterr.-Schlefien, an der 
Weichjel u. Biala, gegenüber dem galiziſchen 
Biala, Eifenbahnftation; Gymnaſium, Lehrerjemi- 
nar; Schloß mit Part; bedeutende Tudfabrifation 
u. Schönfärberei, Flahsgarnipinnereien u. Ma— 
ihinenfabrifen; bedeutender Handel mit gefärbten 
Ziihern, ungarifhem Wein u. galiziihem Salz; 
10,720 Ew. — Im 13. Jahrh. gegründet, war B. 
im 15. u. 16. Jahrh. feſt; es iſt Sit einer pro- 
teftant. Superintendentur u. Hauptniederlage ga- 
liziſchen Steinfalzes. 

Biella, Hauptft. des gleihn. Diftricts der 
ital, Prov. Novara (Piemont), am Gervo u. Au—⸗ 
rena, Eifenbahnft.; Biſchofsſitz; mehrere Kirchen 
u. Klöfter, Seminar; Beug-, Leinwand⸗, Papier- 
fabrifen; Handel mit Seide, Kaftanien u. Wein; 
11,935 Ew.; 7 km von ber Stadt der Wallfahrts- 
ort Madonna d'Oropa (Kirche auf einem Berge). 

Bielmaus, jo v. w. Siebenfchläfer. 

Bielshöhle, Höhle auf dem Harze bei Nübe- 


Bielski — Biene, 381 


land (Braunfchweig), in dem Bielftein an bderreinheimifch ift, während die 3 anderen Arten, die 
rechten Bergwand des Bodethals; ward 1762 ent- indifche B. (A. indica Fab.), die fleine füd- 
dedt u. 1788 von einem gemilfen Beder zum aſiatiſche B. (A. floren Fab.) u. die große 
bequemen Beſuche eingerichtet; fie liegt 33 milüdafiatifhe B. (A. dorsata Fab.), alle drei 


über der Sohle des Fluſſes, ift gegen 200 m SAfien angebören, 
Bon den)Honig-B. nicht einheimiſch; in Mittel u. SAmerifa 


lang u. zerfällt in 11 Abtheilungen. 
Tropffteinbildungen find beſ. merfwürdig das 
Orgelwerk u. das Wellenförmige Meer, jenes in 
ber 8., dieſes in der 9. Abtheilung. Über u. neben 
der Dede der 4., 5. u. 6. Abtheilung ziebt ſich 
noch eine Höhle hin. Auf dem Bielftein foll der 
Gott Biel (f. d.) verehrt worden fein. 

Bielsti, Di? riin, polnischer Geichichtichreiber, 
geb. um 1495 zu Biala bei Sieradz; verlebte, 
nachdem er in feiner Jugend an manchem Kriege 
theilgenommen und auf dem Hofe des SKrafauer 
Woiwoden Kmita verweilt hatte, die meifte 
Zeit auf feinem Erbgute Biala, wo er 1575 
ftarb. Er war der Erfte, welcher die polnifche 
Sprache nad einer langen Heirrſchaft des Lateini— 
ſchen in die Gebiete der Literatur mit Erfolg ein» 
führte. B. fchrieb poetiſche, philofophiiche u. ger 
ſchichtl. Werte. Bei feinen Lebzeiten publicirte er: 
Zywoty filozoföw (Lebensbejchreib. d. Bhilofophen), 
1535; Sprawa rycerska (vom Kriegshandmwerf), 
1569, u. fein wichtiges Werk, die erfte Weltge- 
ſchichte in poln. Sprade, Kronika ’swiata, 1550, 
dann 1554 u. 1564 in Krakau. Sein Gohn 
Joachim veröffentlichte nach feinem Tode das Ge- 
dicht Sen majowy (Maientraum), 1590, u. Seym 
niewiesei (Weiberverjammlung), 1595. Wegen des 
freifinnigen Geiftes, welcher jeine Werte bejeelte, 
wurden fie mit dem biſchöflichen Verdict belegt. 
2) B. Joachim, der Sohn Martins, verlebte 
fein den Mufen gewidmetes Leben meift rubig in 
Biala u. ſchrieb poetiihe u. geichichtl. Werte, 
u. a.: Satira in quendam Dantiscanum, 1577; 
Caxninum liber I, 1588; Pamiatka Strusiowi 
(Andenten an Struß), 1589; Kronika Polska, 
1597, Fol., welches ınnfafjende Werk er aus Pie- 
tät unter dem Namen jeines Vaters herausgab, 


Bielzi, ſ. Bielzy. 

Bien (fr.) 1) gut, wohl, ſchön; 2) viel, ſehr; 
8) But; 4) Glüd. 

Bien, Bienenftaat, Bienenvoll, die Gefammt- 
beit der Bienen eines Stodes, 

Bienaimd, Luigi, Bildhauer aus Carrara; 
bildete fih bei Thormwaldien und wurde 1844, 
nachdem er vorher als Profeffor an der Kunft- 
fchufe zu Florenz gewirkt hatte, als Mitglied in 
die Akademie von S. Luca zu Rom aufgenom- 
men, B. flieht mit Tenerani an der Spike der 
neurömischen Bildhauer» Schule, u. find feine Ar- 
beiten namentlich in England jehr geihägt. Werfe: 
Der fih mwappnende Zelemahos; Die Unfchuld 
(5 mal); Amor tränft die Tauben der Venus; 
Eine truntene Bachantin. Durch Kupferftidh ver- 
vielfältigt erfhienen feine Werke nebſt Tert 1838 
zu Rom u, Leipzig. Regnet. 

Biene (Honigbiene, Apis L.), 
der 


Beienfüßler. 
Arten, von denen uniere Honig», 
Haus- B. (Apis mellifica L., A. cerifera 
A. domestica Ra 


Scop.,|}- 
y) faft in der ganzen Alten Relt daß dann der Stachel Häufig abrei 


In der Neuen Welt ift die 


wird fie durch zahlreiche Arten von Melipona Illig. 
u. Trigona Jur, vertreten. Von diefen liefert 
. B. M. fasciata grüngelben Honig u. viel Wachs, 
T. amalthea, von Stubenfliegen-Gröge, dagegen 
rothen Honig u. verhältnigmäßig wenig Wachs. 
Jet ift unfere Honig -B. au in Amerifa und 
Auftralien weit verbreitet; Fliege des weißen 
Mannes wird fie von den Judianern genannt, da 
fie faft überall eingeführt wurde, wo Europäer 
feften Fuß gefaßt hatten, und ſich jegt felbjtändig 
in den noch nicht befiedelten Strichen ausbreitet. 
Ein Staat, Stod oder Shwarm der Honig-®. 
befteht aus einer Königin, einigen hundert Drob- 
nen u. aus mehreren (bisweilen 80) taujend Ars 
beitern, Die Königin od. Weijel ift das einzige 
fruchtbare Weibchen der ganzen Geſellſchaſt; fie iſt 
länger, als die übrigen (bei der Krainer B., einer 
der beiten Varietäten, etwa 17 mm lang); ihr 
Hinterleib erjcheint bef. verlängert; ihr rumdlicher 
Kopf ift am vorderen Eude nahezu berzförmig 
ausgerandet; er trägt zwei 1ägliederige Fühler 
u, zu beiden Seiten die großen zufammengejegten 
yacettenaugen, deren jedes etwa 3—4000 FFacetten 
beſitzt; auf der zwiſchen dieſen Augen liegenden 
breiten Stirn finden ſich 3 einfache Punktaugen. 
In dem dritten Hinterleibsringe liegt icberfeitg 
ein Eierftod, in welchem die Eier gebildet werben; 
diefe gelangen durch einen jederſeits gelegenen (alfo 
paarigen) Gileiter in die unpaarige Scheide, aus 
weicher fie abgelegt werben, In die Scheide mün⸗ 
bet ein Meines Bläschen, welches gemäß feiner 
Beftimmung, als Aufbewahrungsbehältnig des 
männlihen Samens, Samentaſche oder Samen- 
fapfel genannt wird. Hinter der Scheide mündet 
ein Giftapparat, dahinter findet ſich der After. 
Der Giftapparat zerfällt in Stachel u. Giftdrilfe. 
Der Stachel befteht aus zwei fteifen, hornigen 
Borften, deren Enden an der äußeren Seite 9—12 
rüdwärts getrümmte Sägezähne befigen. Dieje 
Borften liegen in einer halbrinnenföürmigen Schiene, 
welche nod von zwei (jederſeits eine) rinnenför— 
migen Hüllſchuppen, die zuſammen eine Art von 
Scheide bilden, eingeſchloſſen u. umhüllt wird. Die 
Vorften ftoßen mit ihren inneren, rechtwinlelig 
nah außen gelrümmten Schenken an 2 hornige 
Stügbeine, welde fo angebradht find, daß durch 
fie bei jeder Stredung u. dadurch bedingten Zur 
jammenziehung des SHinterleibes die Borften vor- 
geihoben werden, fo aus der Spike der Schiene 
heraustreten u. die Wunde verurſachen. In letztere 
fließt gleichzeitig eim Tröpfchen Gift, welches in 
zwei feinen Giftbrüfen bereitet, durch einen ge- 
meinfamen langen Leiter in eine Giftblafe geführt, 
dort aufbewahrt u. durch die Zufammenzichung 


Gattung | des Hinterleibes Hervorgepreßt wurde. Es leuchtet 
Fam. der Bienen, aus der Unterfamilie derjein, daß die rüdwärts gefriimmten —— das 
Man kennt vier hierher gehörende Zurüchziehen des Stachels aus der 


unde ver» 


Wachs- oder|hindern, wenn die B. in einen elaſtiſchen Körper, 


B. in die Haut eines Menſchen, er. bat, 
en und der 


382 


Bicne, 


Stich Urſache zum Tode der B. fein muß: Grund; Samenleiter zu deren Bereinigungsftelle, an den 
genug, daß die Königin den Stachel freimilligiunpaaren Samenleiter, gelangt, wird er durch 
nur gegen ihres leihen auwendet; vgl. Bienen-|einen in 2 Anbangsdrüfen gebildeten, au jener 


Aud 


die Arbeits-B-n (jogenannte ge|Stelle Hinzutretenden Schleim zu einer Maſſe, 


ichlechtstofe B-n, Neutra) find ihrer Anlage nah| Samenpfropfen (Spermatophore), verklebt, welche 
Weibchen, aber die Enge der Zelle, in welcher dort bis zur pe eventuell biß zum Tode 


fie gebrütet wurden, fowie Mangel an paſſender des Thieres aufbema 


Nahrung Tiefen ihre Geſchlechtstheile nicht zur 
Entmwidelung gelangen. Die Bertümmerung der» 
jelben hat mande plaftiihe Geftaltänderung zur 
Folge. Zunächſt bleibt die Arbeits-B. Heiner, als 
die Königin, und wird bei der Krainer B. nur 
13 mm lang. Der Kopf ift am vorderen Ende 
nur wenig ausgerandet. Die Mundtheile find 
fehr entwidelt; Unterkiefer, namentlich aber bie 
Unterlippe, find verlängert; letztere ift fünftheilig 
u. durch die große, an der Spitze mit abwärts 
gerichteten Haaren bejetste Zunge zu einem Led- 
apparat eingerichtet. Fälſchlicherweiſe hält man 
diejen oft für einen Saugapparat, was er aber 
nicht fein Tann, da die Mundtheile feine durch— 
bohrte Röhre bilden. Sehr eigenthümlich ift das 
Ietste, dritte Beinpaar der Arbeits-B, geftaltet: das 
Schienbein hat in feiner platten Außenflähe eine 
fpindelförmige, mit dem breiteren Ende nad) unten 
gerichtete, von längeren Haaren umrandete Ber 
tiefung, welde Körbchen, Schaufel oder Löffel ge- 
nannt wird ı. zur Aufnahme von Blüthenftaub 
dient; “7 it das erfte Fuß ober Tarjenglied, 
der ſog. Metararjus oder die Ferſe, — 
breit u. an feiner Innenſeite mit 10 Querreihen 
von braunen Haaren beiett, welche eine treffliche 
Bürfte, auch Hechel genannt, bilden, um Blüthen- 
ftanb zufammenzulebhren, damit er, im Körbchen 
gefammelt, theilweife auch der Bürſte ſelbſt an- 
baftend, eingeheimft werden fanı. Königin umd 
Drohnen, denen die Aufgabe, Blüthenftaub zu 
ſammeln, micht geftellt iſt, haben auch dieſen 
Caınmelapparat nicht. Die Hinterleibsfchuppen 
der Arbeitd-B. liegen dachziegelartig über einander; 
bei den vier letzten Bauchſchuppen ift der von der 
vorhergehenden Schuppe lberdedte Theil weich u. 
zeigt zwei feitliche, durch eine mittelftändige Horn- 
leifte von einander getrennte durchicheinende fog. 
Spiegel, dies find die Wahshäutden, ein haut- 
artiger Beleg auf den Bauchplatten des Haut— 
ſtelels, welder bei mikroſtopiſcher Unterfuchung 
zahlreihe cylindriihe Organe, die Wachsdrüſen, 
erfennen läßt; Iettere haben die Aufgabe, das 
Wachs in Geftalt dünner, weißer, ſich gleichſam 
zwiſchen den Bauchringen erhebender halbfreis- 
förmiger Wachsplättchen auszuſcheiden. Der Gift: 
apparat der Arbeiter ift wie jener der Königin 
eingerichtet; er fehlt den Drohnen. Dies find 
die Männchen, Ihre Gejtalt iſt gedrungen; fie 
erreichen zwar faft die Länge der Königin, find 
aber breiter, plumper, als dieſe. Ihre yacetten- 
augen ſtoßen in der Dlittezufammen; die Punktaugen 
find infolge davon weiter auf die Stirne gerüdt; 
die Mundorgane find theilweife verlümmert, die 
Oberlippe beweglich u. zottig behaart; die Hinter: 
beine find glatt u. ohne Sammelapparat. Die 
Geichlehtsorgane find entwidelt; der Same bildet 
ſich frilbzeitig, bereits während des Nymphenzu- 
ftandes der Drohnen; wenn er aus den beiderſeits 
belegenen, ihn bereitenden Hoden durch Die paarigen 


rt wird, Das Ende bes 
unpaaren Samenleiters dient als Begattungs- 
organ (Penis). Krüppelhafte Arbeiter u. Drohnen 
werben im Stode nicht geduldet, jondern verjagt. 
Ubweihungen von der normalen Bildung kom— 
men im Allgemeinen nur felten vor; am bäufig- 
ften find noch ungewöhnlich Kleine oder die ge- 
wöhnlihe Größe überragende Drohnen u. Köni- 
ginnen, fodann ftart u. dunlel behaarte Arbeiter 
u. Drobnen, unter letteren endlich Albinos (weiße 
Drohnen mit rothen Augen). Zwitter, welche 
männlichen u. weiblichen Habitus in ſich vereinen, 
find feiten, Über die allgemeine fonftige Organi« 
fation des Benleibes läßt fich nichts mwejentlich 
Eigenthlimliches jagen, das für alle Inſecten (ſ. d.) 
Giltige müßte denn wiederholt werden. Die Ben 
erwerjen fich im ihrem Leben als vorzüglich Hoch 
organifirte Thiere, dennoch ift es bis jegt nicht 
mit Sicherheit gelungen, die Organe für die 5 
Sinne, welche fie zweifelsohne befigen, nachzu— 
weifen. Organ des Taſtſinnes find die Füh— 
ler, vielleicht auch die Mundwertzeuge; dem Ge- 
ihmadjinne dient wol die Zunge, wenigftens 
ift Diefelbe vorzüglich reich mit Nerven verjeben ; 
Sit des Geruchsorgans jollen die auch der 
Athmung dienenden inneren Luftfanäle oder Tra- 
een jein, während die Fühler nit nur Zajt- 
organe, jondern auch Gehörorgane ſei jollen; 
die Sehorgame, der zufammengejegten und die 
einfachen Augen, wurden bereitö erwähnt. Die 
B:n haben ın ihrem Stode (Staate) volllom— 
mene Arbeitstheilung. Der Königin liegt es ob, 
den Stod zu vermehren. Kurze Zeit, nachdem 
fie volljtändig ausgebildet ift, wird ihre Brunft 
rege, und fie erhebt fih an einem fchönen Tage, 
begleitet von einem Drobnenihwarme, zum Hoch- 
zeitsfluge in die Luft; fie kehrt von demſelben 
mit dem Wahrzeichen der geſchehenen Befrucht- 
ung, dem in der Scheidenöffnung ftedenden Pe— 
nis einer Drohne, zurüd. Dann verläßt fie, 
außer beim Schwärmen, den Gtod nicht wieder, 
jelbft ihren Unrath jet fie im Stode ab. Zwei 
Tage nad dem Hodyzeitäfluge beginnt fie Eier zu 
legen; in dem erjten Jahre fallen nur Arbeiter- 
eier, dann auch Drohmeneier, zulegt auch Eier, 
aus denen Königinnen hervorgehen werden. Jedes 
Ei wird im eine bejondere Zelle gelegt, und weil 
Arbeiter, Drohnen- und Königinnenzellen ver« 
ſchieden geftaltet find, fo muß die Königin es in ihrer 
Gewalt haben u. nad Belieben Eier legen können, 
aus denen bie eine oder die andere Brnform her- 
vorgeben wird. Da zeigt fih denn Folgendes: 
alle Eier, welche von der Königin gelegt werden, 
find unter einander gleichgeftaltet u. haben alle an 
einem Ende, u. zwar an der zuerft hervortretenden 
Stelle einen an (Diyfropyle), eine 
DurKbohrung der Schale, welche hier, wie bei 
anderen Thieren, den allgemeinen Bmed bat, 
den zur Befruchtung des Kies an dieſes herau— 
tretenden männlihen Samen durd die Eijchale 


Biene, 


Hindurh zu dem Dotter gelangen zu laſſen;, 


die Drohmen-, Arbeiter- und Königinneneier 


383 


genig u. Blütbenftaub, zu ſich. fammeln durch 
erdauung deſſelben größere Mengen plaftiicher 


find alfo ihrer erften Anlage nad nicht von Stoffe in ſich u. lafien diefelben, zu Wachs (f. d.) 


einander verfhieden. Wenn nun eine Königin 
dur befondere Umftände, durch Unfähigkeit zum 
Fliegen, oder dur anhaltend fchlechtes Wetter, 
weldes den Hochzeitsflug verhinderte, oder gar 
durh den Umftand, daß ſich ihr feine Drohne 
näherte, nicht begattet wurde; dann legt fie, wenn 
ihre Brunft Bir dennoch Eier, aber aus dieſen 
gehen nur Drobhnen hervor. Da darf man 

nn annehmen, daß die Drobmeneier unbe- 
fruchtet find, die Drobnen alfo durch eine Art 
von Jungfernbrut (Parthenogenefis, ſ. d.) hervor- 
geben, während die Königinnen- u. Arbeitsbienen- 
eier, furz die weiblichen Eier von der Königin, 
gleihfam willkürlich, u. zwar in der Weife be- 
fruchtet werben, daß fie aus ihrer Samentafche 
ein winziges Theilchen des dort aufbewahrten 
Samens zu dem Eie hinzutreten ließ. Die Kö— 
nigin erreicht ein Alter von —5 Jahren u. fann 
während dieſer ganzen Zeit Eier legen; da fie 
mitunter gegen 3000 Eier in Zeit von 24 Stun- 
den ablegt, jo fann es nicht wundern, daß fi 
ihre Nachlommenſchaft oft auf mehr als 1 Mil. 
beläuft. Die ungeheure alljährlich abgelegte Eier- 
zahl erflärt ſich einigermaßen aus der großen 
Entwidelung der Eierftöde, deren jeder ſich aus etwa 
160— 180 Eier bereitenden Eiröhren zufammen- 
ſetzt. Zrog dieſer enormen Fruchtbarkeit findet 
nur eine Begattung ftatt; hat die Königin, wie 
es bei langlebigen Eremplaren wol vortommt, 
ihren Vorrath an Samen verbraudt, dann wird 
fie zumächft drohmenbrütig, bis fchließlih ihre 
Zeugungskraft erliiht. Die Aufgabe der er 
concentrirt fih auf das Eierlegen, fomit auf Die 
Bergrößerung des Staates, daflir ift fie jeder 
anderen Arbeit überhoben u. feitens der Arbeiter 
Gegenftand größter Aufmerlfamkeit; von diefen 
wird fie 2 ihren Gängen dur den Stod be» 
leitet, man reicht ihr die befte Nahrung u. putzt 
te. Überſlüſſige Gäfte in dem geregelten B-n- 
ftode find die alfermeiften Drohnen, da fie nicht 
arbeiten, vielmehr nur zur Befruchtung der Kö» 
nigin dienen u. jeder Königin eine einzige genügt; 
diefer einen aber koftet die Erfüllung ihres Dafeins- 
zwedes das Leben, da fie beiderjelben dur Abreißen 
des Penis zu Tode verwundet wird. So leben die 
Drohnen faft ausnahmelos ohne Nuten für den 
Staat, auf Kojten der Arbeiter, und man kann 
daher jenen Kampf ums Dafein nicht genug be— 
wundern, der fih in der Weife geltend madht, 
dag in Stöden mit einjährigen Königinnen die 
Drohnen nad) dem Hocyzeitäfluge aus dem Stode 


umgewandelt, willtürtih aus ihren Wachsſpiegeln 
hervortreten.. Welcher Art dabei die Vorgänge 
in den Wachsdrüſen find, ift noch nicht aufgebellt; 
wollen wir aber ein Abhnliches aufjuchen, dann 
dürfen wir an unfere im Munde belegenen 
Speichelbrüfen erinnern, aus denen wir willfürlich 
wenigſtens eine Meinere Menge von Speichel 
ausprefien oder ausfaugen können. Das Wachs 
wird im Form äußerft feiner, Tänglich- runder 
Blätthen abgejdhieden, dann von der B., oft 
auch von einer Nahbar-®., mit dem Hinter 
fügen aus den Bruftringen bervorgezogen, zer- 
faut, beipeichelt und als Baumaterial zur An- 
fertigung der Waben benugt. Die Waben ſetzen 
ſich aus zwei aufeinanderliegenden Schichten jehr 
regelmäßiger Zellen zufammen, deren innere, ab» 
wechjelnd auf einander ftoßende, dreifeitige Pyra- 
miden barftellende Böden die mittlere Wabenwand 
bilden. Die normalen Zellen find von dreierlei 
Form, je nachdem fie zur Ausbrütung von Ar- 
beitern, Drohnen oder Königinnen beftimmt find, 
Die Arbeiterzellen find die Meinften; fie find, wie 
die bedeutend größeren Drobmenzellen, regelmäßig 
ſechseckig. Die Königinnenzellen (Weijelzellen, 
Weijehmiegen od. Schwarmzellen) find die größten; 
fie find tonnenförmig, mit abwärts gerichteter 
Mündung u. ftehen einzeln am Rande der Wabe, 
welche deren im Ganzen etwa 5—20 trägt; haben 
fie ihrem Bwede, der Erbrütung einer Königin, 
gedient, dann werden fie meift abgenagt. An 
denjenigen Stellen, an welchen Zellen derſchiedener 
Art aneinanderftoßen, oder an welchen die Wabe 
angebeftet ift, finden ſich fünfedige u. mehr oder 
minder unregelmäßige Übergangszellen vor. Das 
Baumaterial der Waben, das Wachs, ift anfangs 
rein weiß, wird aber fpäter durch die Ausdünftung 
der Ben u. des Honigs gelb, Der Zellenbau . 
ſchreitet fo rajch voran, daß eine Wabe mit ungefähr 
4000 Zellen in 24 Stunden vollendet fein kann, 
Außer dem eigentlihen Wachſe wird von den Ben 
noch Stopfr oder Vorwachs (Propolis, Metys) 
verwendet; dies ifb Harz, welches die B-n von 
Blattfnojpen fanımeln u. weldes von ihnen zum 
Berfleben der Riten u. Löcher, fowie zum Glätten 
der Innenſeite des Baues bemutt wird. 

Höchſt intereffant ift die Entwidelung ber 
Ben. Etwa 3 Tage nachdem das Ei abgelegt wurde, 
entwidelt ſich aus demfelben eine Larve; dieſe 
verwandelt fi nach einiger Zeit, bei den Köni- 
ginnen in 54, bei den Drohnen u. Arbeitern in 
6 Tagen in eine Nymphe, aus welder enblid) 


getrieben (geritten), in allen aber etwa im Au-|das vollftändige Juſect hervorgeht. Die Larven 


guft von den Arbeitern in der Drohnenfchlacht 
etöbtet merden. Den Arbeits »- B-n liegt, wie 
chon ihr Name andeutet, alle Arbeit im Benftaate 
ob; fie müffen Wachs bereiten und daraus jene 
zu Waben vereinigten Zellen bauen, in denen die 
Eier abgelegt u. die Jungen erbrütet werden, u. 
fie müffen Pifiehfich and noch Honig, Blüthen- 
faub u. Waffer zur Nahrung, unter Umftänden 
auch noch Kitt zu mancherlei Verwendung ein- 
tragen. Wenn die B-n Wachs bereiten wollen, 
nehmen fie vorher veihlih Nahrung, und zwar 


find fußlos u. walzenförmig; ihr Magen enbigt 
blind, ift jadförmig u. hängt mit dem Enddarm 
nicht zufammen; allen wird von Arbeitern ein 
Futterſaft gereicht, weichen jene in ihrem Magen 
aus Blüthenftaub u. Honig bereiteten, der jehr 
nahrhaft u. leicht verdaulich ift, jo daß ein Aus— 
icheiven unverdauter Speijerefte micht ftattfindet. 
Dies dauert einige Tage, mährend deren die 
Larve gefrümmt am Boden ihrer Zelle liegt; dann 
erhebt die Larve ihren Kopf. Die Königinlarve 
erhält auch fernerhin jo viel des feinften Futter— 


>84 


Biene, 


jaftes, als ihr beliebt, die Arbeiter- u. Drohnen- mögen; diefelbe ift indeifen nicht jo durchgreifender 


larven werden aber von dba an mit 


Honig|Art, daß man nicht aus dem Honig, u. zwar durch 


und Biüthenftaub weniger reihlih als die den Geruch, noch jehr gut diejenigen Pflanzen er« 


Königinlarve ernährt. In diefer unzureichenden 
Ernährungsmweife u. dem geringen Raume, im 
welchem fi} die Arbeiterlarve entwidelt, liegt ber 
Grund, weshalb fie nicht ihre geſchlechtliche Reife 
erlangt u. zur Königin heranwächſt, vielmehr zur 
Arbeiterin verfümmert. Noch klarer geht dies 
daraus hervor, daß, wenn ein Stod weiſellos ge« 
worden iſt u. fich in demjelben feine Königinlarve 
mehr vorfindet, fich die Arbeiter Königinnen in 
der Weife beranziehen, daß fie die Wände von 
Arbeiterzellen, im denen noch jugendliche Larven 
find, einreißen, dieſe Zellen zu Königinnenzellen 


fennen könnte, von melden die Bn den Nektar 
entnahmen. Dies ift natürlih nur dann der Fall, 
wenn man ungemifchten Honig vor fich hat, danu 
vermag man aber noch fehr leicht den wenig aro-« 
matiſchen, faft wafferhellen Zuderhonig von dem 
tief goldgelben, ftark duftenden Eyanenhonig, dem 
dunlelbraunen Heidefrauthonig, dem grünlichen 
Rapshonig u. a. zu unterjheiden (f. Honig und 
Bienengemädje). 

Außer Honig wird auch Blüthenftaub eim- 
etragen. Derjelbe wird mit der Zunge u. den 
orderfüßen aus den Blüthen herausgebolt, mit 


Machſchaffungszellen) umbauen u. deren Inſaſſen Hilfe des Speichel zu Meinen Ballen gefnetet, 


reichlich mit bejtem Futterſafte verjehen, morauf 
fih dann die urfprünglihen Wrbeiterlarven zu 
Königinnen heranbilden. Iſt der Yarvenzuftaud 
nah 54 bis 6 Tagen beendet, dann wird die 
Zelle von den Ürbeitern von aufen mit einem 
für die Arbeiter flachen, für die Drohnen gewölbten 
Wachsdedel geihloffen (bededeit), Um diefe Zeit 
wird ein geringer Reſt unverdauter Speife, weldyer 
fi) im Grunde des Magens anſammelte, durch 
den Mund entleert; bald darauf ftellt fih daun 
auch der beim volllommenen Inſect vorhandene, 
den ganzen Körper durchziehende Nahrungsſchlauch 
ber. Die bebedelte Nymphe entwidelt ſich raſch 
meiter; die Zeit vom Legen der Eier an gerechnet 
bis zur völligen Ausbildung dauert bei der Köni« 
in nur 16—17, bei den Arbeitern 21, bei den 

rohnen 24 Tage. Während die Königin, wie 
bereits früher erwähnt wurde, ihr Leben auf 4 
bis 5 Jahre bringt u. die Drohnen im Spät. 
jommer von den Arbeitern getöbtet werden, er- 
reihen die Arbeiter während des Sommers nur 
ein Alter von etwa Wochen, fie arbeiten fich zu 
Tode, u, nur den Spätlingen des Herbftes, welche 
überwintern, ift längeres Leben beſchieden. Die 
Rartung der Larven ift ebenfalls Aufgabe der 
Arbeiter, u. zwar der jüngeren, welchen währent 
der erften Tage nach ihrer vollftändigen Ausbild- 
ung nur häusliche Arbeit zufällt: Wachs bereiten, 
Waben bauen, Futterfaft präpariren und Yarven 
aufziehen. Ungefähr am adten Zage fliegt 
die B. zuerft aus; erſt gegen den fechszehnten 
Tag fammelt fie Honig u. Blirhenftaub u. trägt 
Waffer ein, Lebteres dient den B-n zum Trante 
u. zum Flüſſigmachen von in der Wabe Fryftalli- 
firtem Honig, jedoch wird es nicht in die Waben 
eingefült, jondern nah Bedarf herbeigeichleppt. 
Den Honig leden die B-n in den Blüthen auf 
u. fammeln ihn in ihrem Bormagen, eine vor dem 
Magen, aber doch ſchon im Hinterleibe gelegene 
Erweiterung der Speiferöhre, welche aud als 
Honigblafe bezeichnet wird. Iſt diefe angefüllt, 
dann wird der Honig durch einen Vorgang, ber 
mit dem Erbrechen verglichen werben fünnte, in 
eine Wabenzelle entleert. Es ift indeſſen nicht 
ganz richtig, wenn man den Ben ein Honigjammeln 
zufchreibt, fie fammeln eigentlich nur den honigarti» 
gen Nektar der Blüthen, weldyer in dem Bormagen 
erft in Honig umgewandelt wird. Diefe Umwand⸗ 
fung ift chemiſcher Natur, wie denn die B-n beis 


jpielsweife Buder in Honig umzuwandeln ver⸗ 


dann dem mittleren Fußpaare übergeben u. in dem 
Körbchen der Hinterfüße zu fog. Höschen En. 
ſammelt. Aus ihm u. Honig wird Honigbrod be- 
reitet, das zur Nahrung der Brut dient, aber auch 
bon den Arbeitern genoffen wird, Blüthenftaub 
(weldhen der Bienenzüchter nöthigenfalls durch 
Getreidemehl erſetzen kann) ſcheiut zur Nahrung 
der Ben im Allgemeinen unentbehrlich zu fein, 
da er Stidftoff enthält, weicher dem Honig ab- 
eht. Doch ift dies für Manchen noch eine offene 
‚stage, da man beobachtete, daß Yarven auch 
allein mit Honig aufgefüttert wurden u. aud) 
Wachsausſchneidung bei reiner Honig« oder Zuder- 
nahrung erfolgte. Die B-n tragen während der 
guten Jahreszeit, mit Ausnahme der Negentage, 
ein; ihre Ausflüge erftreden ſich bis zu einer 
Bar ge Entfernung. 
ie Arbeit der Ben ift von der Äußeren Tem- 
peratur abhängig. Wenn die Schattenwärme im 
‚zrübjahre ungefähr 74° beträgt, unternehmen die 
Ben mitunter ſchon Ausflüge, doch nur um ihren 
während des ganzen Winters zurüdgebaltenen 
Unrath abzujegen, dies find die fog. Reinig- 
ungsausflüge. Erft wenn die Wärme 15 bis 
16° überfteigt, fliegen fie nad Tracht, d. 5. zum 
Einfammeln von Nektar u, Blüthenftaub aus, u. 
zwar um fo lebhafter, je höher die Temperatur 
geftiegen. Doch kann e8 ihnen aud zu warım 
werden, wie das fog. Borliegen beweift. Man ift 
gewohnt, die niederen Thiere, von Reptilien, 
Amphibien u. Fiſchen an, kurzweg als faltblütige 
d. h. als ſolche zu bezeichnen, deren Blutwärme 
fih nad der Temperatur des Waffer8 oder ber 
Yuft, worin fie leben, richtet u. diefe nur wenig 
übertrifft. Dies trifit indeffen für die Ben nicht 
wohl zu ; felbft im Winter herrſcht in dem Stode 
ganz behaglide Wärme, von 15 u. mehr Grad. 
enn die Ben bauen oder brüten, dann ift es 
in ihrem Stode ungefähr 32—33° 0. warm; 
fteigt aber die Temperatur noch höher, dann ex— 
liſcht alle andere Thätigleit, um einer eigenthünt« 
lichen Bentilirung des Stodes zu weichen; zahl» 
reihe Ben ſitzen vor dem Flugloche des Korbes 
(Borliegen), andere ebenjo zahlreih an den Wän- 
den, alle fächeln mit ihren ‚Flügeln u. erzeugen 
jo eine deutlich wahrnehmbare Luftftrömung, durch 
melde die übermäßig erhigte Luft ausgetrieben 
wird, während frijche Luft einftrömt. 
Diefes ganze fo rege Getriebe dauert indeſſen 
nur fo lange, al$ der Staat in einer Königin ein 


Biene — Bienen. 


385 


Oberhaupt hat; daher find die B-n wohl daraufıfach verwechſelt; erftere Krankheit ift indeffen nicht 


bedacht, ſtets eine tüchtige Königin zu befigen. 
Läßt die Fruchtbarleit einer Königin nah, dann 
tritt ein Königinnenmwechjel ein; die alte Kö— 
nigin wird von dem Arbeitern getödtet u. eine neue, 
unterdeffen herangezogene nimmt ihre Stelle ein. 
FA durch irgend welden Zufall ein Stod weifel- 
108 geworden (emtweifelt) u. feine jugendliche 


anftedend, wie bie letztere. Die früheren Angaben, 
dag Faulbrut durch Erfältung der Brut, Faulpeft 
aber duch Füttern mit Honig, der aus faul 
brutigen Stöden ftamme, alfo giftig wirke, ent- 
ftänden, find wenig wahrſcheinlich; mwenigftens hat 
man die Parve von Phora incrassata Meig., 
einer echten Fliege, häufig in fanlbrutigen Stöden 


Arbeiterlarve, melde noch zur Königin heran-|fhnarogend gefunden, während man in den an 


wachſen könnte, mehr vorhanden, dann wird eine 
kräftige Arbeiterin zur Königin erhoben; fie braucht 
fortan nicht mehr zu arbeiten, wird aufs Befte 
gepflegt u. gefüttert; endlich beginnt fie auch Eier 
zu legen; da fie aber nicht begattet wurde, jo ift 
fie ein Drohnenmütterhen, meldes nur 
Drohneneier zu legen vermag; freilich läßt das 
der erfahrene Bienenvater (Bienenziichter) nicht 
zu, verfieht vielmehr den Stod mit einer neuen 
Königin. Gelingt dem Stode fein Mittel, ein 
Oberhaupt zu erhalten, dann geht er ein, die 
Arbeit wird verlaffen, das Bolf zerftreut fi, wird 
ſtechluſtig u. dringt räuberifch in andere Stöde, 
um dort Nahrung zu rauben (Raub-Ben.). 
Das Gift der B., welches beim B-nitiche 
in die Wunde träufelt, ift feinem Hauptbeftand- 
theil nach Ameifenfäure (ſ. d.); e8 ruft bei Men— 
ſchen meift eıne etwas entzindete Geſchwulſt her- 
vor; doch find verfchiedene Perſonen verichieden 
ſtark empfindlich dagegen, u. fcheint 88, daß man 
fih an daffelbe gewöhnen könne, wenigftens follen 
Perſonen, welche oft geftochen wurden, jchließlich 
nit mehr davon angegriffen werden. Ein jpeci- 
fiſches Mittel zur Heilung des B-nfliches gibt es 
nicht; man drüde vorAllem die Wunde rafch aus, 
um noch nicht zur Wirfung gelangtes Gift möglichft 
zu entfernen, dann befeitige man den in der Wunde 
urüdgeblieben Stachel u. fuche die Wunde zu 
fühlen: da das Gift indeffen eine Säure ift, fo 
läßt es fich durch rafch zur Anwendung gebradıte 
Baſen wenigftens theilmeife neutralifiren, wodurch 
dann die üblen Seren bedeutend abgeſchwächt 
werden. Zreffliche Mittel find 3. B. Ammonial- 
flüffigfeit (jog. Salmialgeift), womit man den 
Stich ein Mal ftark anfeuchtet, ferner mit Waffer, 
oder, wenn feines zur Hand jein follte, mit 
Speichel angemengte Cigarren- oder Tabalsafche, 
auch das vom Speichel durchtränfte Dedblatt einer 
Eigarre, angefeuchtete Soda, Pottafche oderBraufe- 
pulver lafjen ſich mit Erfolg auf die Wunde legen; 
mwenig zu empfehlen, freilich häufig beifer als 
Nichts, ift das jo vielfach angemwendete Auflegen 
von Lehm. In der Megel machen die B-n von 
ihrem Stadel nur dann Gebraud, wenn fie ihren 
Stod bebwoht glauben; nad) Tracht ausgeflogene 
u. dabei von ıhrem Stode etwas entfernte B-n 
find ſelten ftechluftig. Die Bon find mancherlei 
Krankheiten unterworfen. Die hervorragendften 
find: Benruhr, Faulbrut m. Brutpeft. Bei 
der Benruhr haben die B-n einen röthlichen, 
übelriechenden Auswurf; fie entfteht durch Unter- 
drüdung des Neinigungsausfluges, vielleicht auch 
durch Mangel an friiher Luft, oder an gutem 
— Sie verliert ſich gewöhnlich, wenn den 
n —— zum —— geboten wird. 
Bei Faulbrut u. Brutpeſt ſtirbt die Brut im den 
Zellen, u. beide Krankheiten wurden daher viel- 
„ Biere? Univerfal:Eonverfations Leriſon. 6. Aufl. 


Brutpeft zu Grunde gegangenen Stöden einen 
Heinften, nur %/g, mm großen Pilz, Cryptococeus 
alveolaris, entdedte, welder höchſt wahrſcheinlich 
als Krankheitsurſache angejehen werden muß. Die 
ganz unjhädlihe fog. Hörner- oder Büjchel- 
rankheit, bei welcher auf den Köpfen der Ben 
gelbe Büſchel anfigen, iſt gar feine Krankheit, da 
fich diefe Büſchel als die Blilthenſtaubmaſſen von 
Orchideen u. Asclepiadeen ergeben, welche leicht 
abgeftreift werden fünmen. Die B-n haben zahl« 
reihe Feinde. Unter den Säugethieren die Bären, 
Wiefel, Marder u. Mäufe; umter den Bögeln: 
den Weſpenbuſſard (ſ. d.) und die Bienenfreffer 
(f. d.); unter den Immen die Raubmweipen (j. d.); 
unter den Käfern den Immenkäfer (f. d.), der die 
Larven frißt; unter den Schmetterlingen die Wacdhs« 
motte (j. d.), deren Raupen Honig, u, die ihr ver— 
wandte Motte Achroia alveuria Fubr., deren 
Raupen Wachs verzehren, ferner den Todtenkopf 
(. 8.) Auf ihrem Körper jchmarogen die Yars 
ven des Maimurmes (f. d.) u. der Benlaus 
(ſ. d.); im ihren Stöden die bereits erwähnte 
‚jliegenlarve. Der Meinen Feinde erwehren fi 
gut bevölferte Stöde durch Beißen u. Stechen, 
fo der Raubwespen u. B-n anderer Stöde (Raub— 
bienen); in den Bau eingedrungene Schneden 
leben fie mit Wachs feft u. machen fie jo un— 
ſchädlich. Hier wäre noch die Neubildung von 
Benftaaten, mie fie dur das Schwärmen erfolgt, 
zu erwähnen, doch ift diefelbe mit der Benzucht 
jo eng verwachien, daß fie dort zu erwähnen ift; 
hier findet ſich aud das Gejchichtliche über die B. 
Vgl. Huber, Nouvelles observations sur les 
abeilles, 2. A., Baris u. Genf 1814, 2 Bde., 
deutich von Kleine, 2. A. Einb. 1867 f.; Klaus, 
Der Bienenftaat, Berl. 1873. Abbildungen fiche 
Tafel zu Inſecten. home. 

Biene (Aftron.), Meines Sternbild im jüdlichen 
Polarkreife, jüdlid vom Kreuz; hat nad) Bode 34 
Sterne. 

Biene, Ritterorden von der B,, geftiftet 
zu Sceaur 1703 von Louife Benedictine v. Bour⸗ 
bon, Gemahlin des Herzogs von Maine, für 
Herren u. Damen als Hofehre. Zeichen: an gols 
dener Kette eim goldenes Medatllon, auf einer 
Seite ihr Bildniß, auf der anderen eine Biene 
mit der Umſchrift: Je suis petit, mais mes pi- 
ques sont profondes (d. h. ich bin Hein, aber 
meine Stiche find tief). Er erlojh nach dem Tode 
der Stifterin (1736), 

Bienen (Apiaria, Blumenweſpen, Anthophila), 
Jamilie der Inſcctenordnung Hautflügler oder 
Immen, Unterordnung Giftſtachler; Schienen u. 
erftes Fußglied der Hinterbeine in der Hegel ver- 
breitert u. an der Innenſeite bürftenartig behaart; 
Fühler geknickt; Flügel nicht faltbar; Giftftachel 


Imit Widerhafen, beim Stiche abbrechend. Neben 
UI. Band, 2 


386 


Männchen und Weibchen zumeilen noch Arbeiter, 
Sie bauen ihre Zellen aus Wade, oder aus 
Sandlörnhen, Blattftiiden u. dergl. durch einen 
leimartigen Speichel verbundenen Dingen, in 
hohlen Bäumen, unter der Erde, in Mauern zc. 
Wenn nur Männden und Weibchen vorhanden 
find, baut Tegteres die Zellen, legt Nahrung und 
je ein Ei hinein, und verjchließt diefelben durch 
einen Dedel. Eriftiren nebenbei Arbeiter, jo liegt 
diefen der Bellenbau, das Eintragen der Nahrung 
u, die Pflege der Yarven bis zu deren vollende- 
tem Bachstlum ob. Geftalt u. Aufbau der Zellen 
zu Waben ift verichieden: dieſelben find oft regel- 
mäßig gebaut und liegen jchön geordnet, wie bei 
der Honigbiene u. manchen Weipen, oft find fie 
aber aud ei» oder tonnenförmig u. Mumpenweife 
neben einander gelagert, wie bei der Hummel. 
Die Thätigleit der Vienen ift an die Sonne u. 
ihr Eriheinen an die Blüthenmonate gebunden, 
Beim Fliegen lafien fie meiftens einen funmenden 
oder pfeifenden Ton vernehmen. Man lennt be- 
reit3 mehrere taufend Arten. Sie zerfallen in 
2 Gruppen, in eigentlihe Bienen, mit langer, 
mwurmförmiger Bu u. in Grabbienen, mit 
furzer, breiter Zunge. Bon diejen zerfallen bie 
eigentlichen Bienen in 3 Untergruppen, in Be» 
jenfüßler, Bauchſammler und Kulnksbienen. a) 
Bejenfüßler (Scopulipedes); die Weibchen oder 
Arbeiter fammeln den Blüthenftaub an den be- 
jenartig geftalteten umdb behaarten Hinterbeinen. 
Dahin die Honigbiene, auch ſchlechtweg Biene 
(f. d.) genannt; die Hummel (f. d.); die Holz- 
biene (Xylocopa Latr.), nagt Zellen in altes 
Holz; Arbeiter fehlen; Schnauzenbiene (Pelz- 
biene, Antophora Latr.), baut in weiche Gejteine, 
Lehm», Kallwände u. dal. b) Bauchſammler 
(Dasygastrae) ; die Weibchen fammeln den Blüthen- 
taub an der Unterjeite des Hinterleibes, defien 
fette Ange mit dichten Querreihen von Borften 
befetst find. Dahin: Blumenbiene (Anthidium 
Fabr.); fliegt wild, mit fcharfem, pfeifendem Tone. 
Blattfhneider (Megachile Latr.), niftet in Holz, 
weichem Geftein oder in Mauern, indem er dort 
eine Höhle herrichtet, diefe am Grunde und den 
Seiten mit Blattftüden austapezirt, ein Ei, Blü- 
thenftaub u. Honig als Nahrung für die Larven 
hineinfegt u. das Ganze mit einem runden Blatt- 
ftüde bebedelt; zuweilen liegen mehrere folcher 
Zellen etagenmeife über einander; Entwidelung bis 
zum nächſten Frühjahre; Roſenblattſchneider 
(M. contuncularis Fabr.), baut jeine Zellen in 
altem Holze aus Nofenblattftüden; Birfenblatt- 
jchneider(M. betulina Latr.),legt ausStüden von 
Birkenblättern in Erbe feine Zellen an. Mauer: 
biene (Osmia); die zweifarbige Mauer- 
biene (OÖ. bicolor), baut in leeren Schneden- 
bäufern. c) Kufulsbienen (Cuculinae); fie 
bauen feine eigene Bellen, ſondern legen ihre 
Gier in die Zellen anderer Bienen, kurz bevor 
diefe bededelt werden; weder Bauch noch Hinter- 
beine befigen Sammelborften. Dahin: Waffen- 
biene (Melecta Latr.); Nomade (Nomada 
Fabr.);, Kegelbiene (Coelioxys Latr.). Zu den 
Grabbienen gehören die Blutbiene (Dichroa 
Illig.), ſchwarz u. roth gefärbt; Erdbiene (An- 
drena Fabr.), niftet im Boden. bome. 


Bienenameiſen — Bicnengewädje. 


Bienenameifen (Mutillıdae, Heterogyna), 
— der Inſectenordnung Hautflügler oder 
Immen, Unterordnung Giftſtachler; Männchen u. 
Weibchen in Form und Größe ſehr verſchieden; 
letztere find flügellos, oder beſitzen doch nur ver- 
fürzte Flügel; leben einzeln u. legen ihre Eier 
an anderen Inſecten- oder in Bienenneftern ab, 
ohne fih um Ernährung oder Pflege ihrer Brut 
zu fümmern. Dahin: u.a. die Gattung Bienen- 
ameife (Mutilla Z.); Weibchen ungeflügelt; M. 
europaea L.), iberall in Europa, Larve in Hum- 
melneftern ſchmarotzend. Tbome. 

Bienenfalf, jo v. w. Weipenbuffard. 

Bienenfalter, jo v. w. Bienenmotte. 

Dienenfreffer, Bienenvögel (Meropidae), 
Familie der fulufartigen Vögel; Heine, etwa 25, 
an Größe, Geftalt und Färbung jehr ähnliche 
Arten enthaltende Familie, welche ausichließlich 
den warmen u. beißen Gegenden der Alten Welt 
angehört. Sie haben etwa Drofielgröße; ihr Kör- 
per ift jchlanf; das zerjchlitte Gefleder prangt im 
lebhaften Farben, umter denen namentlih Grün, 
doch auch tiefes Roſa vorherrih. Als wahre Yuft- 
vögel jagen fie jhmalbenartig, fliegende Inſecten, 
Immen, Heuſchrecken, Yibellen; fie leben geſellig, 
niften im enger Gemeinihaft in jelbftgegrabenen 
Uferböhlen und legen 6—7 porzellanweige Eier. 
Die einzige in Europa vorkommende Art ijt der 
gemeine Immenvogel (gem. Bienenfreffer, 
Bienenfänger, Bienenvogel, Bienenwolf, See» 
ſchwalm, Heuvogel, Merops apiaster L.). etwa 
26 em lang, mit gefättigt braunem Hinterkopfe, 
Oberrüden u. jFlügeldeden, bochgelber, ſchwarz- 
begrenzter Kehle, blau-grüner Stirn u. Unterfeite, 
grünen Flügeln u. grünem Schwanze; verfliegt 
ih aus feiner Heimatb, dem füdlichen Europa u. 
den Donanländern zuweilen auch nad Deutſch— 
land; in Griechenland feines ſchmackhaften Flei— 
ſches halber -gejagt. Tbome. 

Bienengewächſe nennt man diejenigen Pflan— 
zen, welche von den Bienen behufs Weftarent- 
nahme befucht werden. Über diefelben find zahl- 
reiche Irrthümer verbreitet; denn viele wohlrie— 
chende Pflanzen werden fälichlicherweife für Bienen- 
gewächſe gehalten, während andere, minder duf« 
tende vorzüglih von den Bienen geſucht werben. 
Es find daher bier alle beutichen Pflanzen, an 
denen man bislang Bienen beobachtete nach dem 
botanischen Syſtem zufammengeftellt u. die wich- 
tigeren geſperrt gedrudt. Dieſe Zufammenftellung 
ift von Wichtigleit, da die Honigcultur einen nar 
tionalölonomischen Fund darftellt, defien Aus» 
nutzung duch möglichjt Viele betrieben werben 
follte. Dazu bedarf es aber vor Allem auch der 
Schonung der Bienengewäce; diefe find: Gras- 
lilie, Spargel, Maiblümden, Schneeglödden, 
Knabenfraut, Hafelnuß, Fohannisbeere, Stadyels 
beere, Mannstreu, Gierſch (Aegopodium), Bären- 
Hau, Kerbel, Waldrebe, Wiefenraute, Wind- 
röschen, zahlreiche Ranunfeln, Winterlein, Adelei, 
Berberige, Herzblume, Lerchenſporn, Erdrauch, 
Brumnentrefie, Gänſekreſſe, Wieſenſchaumkraut, 
Hungerkraut, Nachtviole, Lauchhederich, Kohl— 
arten, Nübjamenarten, Senf, Rettig, Reſe— 
den, Beilhen, Sonnenröshen, Zaunrübe, Wei» 
den, Kreuzdorn, Roßkaſtanie, Milchkraut (Po- 


Bienenkönig — Bienenredt. 


lygala), Berrüdenbaum, Eſſigbaum (Rhus typhina). 
Raute, Wolfsmilcharten, Storchſchnabelarten, Lein, 
Linde, Malven, Buchweizen, Knöterich, Stern- 
miere, Hornkraut, Kutulslichnelle, Weiderich, 
Meidenröschen, Jasmin (Philadelphus), Apfel 
baum, Birnbaum, Eberefche, Weißdorn, Rofen, 
—— Brombeere, Gänſerich, Fingerkraut, 
ellenwurz, Spierkraut, Schwarzdorn, Kirſche, 
Pflaume, Kronklee, Kleearten, Honigklee, 
Luzer nerklee, Schneckenkleearten, Heuhechel, 
Goldregen, Akazie (Robinia), Ginſterarten, Beſen— 
pfrieme, Lupine, Platterbſen, Erdnuß, Wicke, 
Vogelwicke, Zaunmwide, Saubohne, Kron- 
wide, Esparfette, Winde, Natterkopf, Boretſch, 
Ochſenzunge, Bergißmeinnicht, Teufelszwirn, Kö— 
nigsferzenarten, Löwenmaul, Ehrenpreisarten, 
Augentroft, Wachtel weizen, Günſel, Ballote, 
Bienenſaugarten, Goldneſſel, Braunelle, 
Gundelrebe, Salbeiarten, Thymian, Doſt, 
Tauſendgüldenkraut Seidenpflanze [Asclepias 
Syriaca]), Springe, Wegerich, Schlüffelblume, 
Pe Heidelbeere, Waldmeifter, Schnee- 
eere, Geisblatiarten, Scabiojenarten, Gloden- 
blumenarten, Jaſione, lodenblumenarten, Blaue 
Kornblume, Kratzdiſtelarten, Klette, Aderhunds- 
famille, Rainfarn , Wohlverleih, Kreuzkraut, 
Goldruthe, Masliebhen, Huflattih, Kunigunden- 
fraut (Eupatorium), Habichtsfraut- und Grund» 
feftearten (Crepis), Löwenzahn (Taraxacum ofß- 
einale), Saubdiftel (Sonchus), Herbftlöwenzahn 
(Leontodon), fyerfelfraut (Hypochoeris), Cichorie, 
Baldrianarten. Diefen deutichen Bienengewächſen 
reiben fih in anderen Ländern natürlich zahlreiche 
andere an, Außerdem mag noch bemerkt fein, daß 
Honig, welcher von Giftpflanzen entnommen wurde, 
auch felbft giftig fein kann; wie denn bereits 
Zenopbon giftigen Honigs erwähnt. Thome. 
Bienenfönig (Edolius paradiseus Cur.), Art 
der Bogelgattung Würgerſchnäpper, Familie ber 
Fliegenſchnäpper, Ordnung der Sperlingsvögel: 
taubengroß; ſchwarz, ftahlblau glänzend; Vorder— 
fopf bebaubt; jagt abends u. morgens den In— 
jecten nad u. ift daher als Bienenräuber gebaßt; 
in Indien. 
tenenläufe 1) (Braulina) Inſectenfamilie 
aus der Ordnung der Hweiflügler, Unterordnung 
der Lausfliegen; der große quer-ovale Kopf ohne 
Augen, mit kurzen 2gliederigen Fühlern; Flügel 
fehlen; Beine mit langen, bdichtgezähnten Fuß— 
klauen; SHinterleib rundlich, fünfgliederig. Die 
Bienenlans (Braula coeca Nitzsch), mit dem 
Eharafter ber milie;  bräumlicherotbfarben; 
1,, mm lang; ſchmarotzt auf dem Körper der 
Bienen, an deren Haaren fie fi) mit ihren famm- 
förmigen Klauen feftbält. Sie ſoll vorzugsmeife 


387 


nigſchabe, Bienenfalter, Galleria mellianella 

.), Schmetterlingsart aus der Familie der Züns— 
ler, Gruppe der SKleinfchmetterlinge oder Mot- 
ten; Flügelſpannung 20—35 mm; Borderflüigel aſch⸗ 
grau, Vorderrand purpurbraun, Innenrad gelb» 
braun; Hinterfliigel des Heineren Nännchens braun» 
grau, an der Wurzel gelblich; die des Weibchens 
weißlich, nach der Spitze zu grau-braun. Die belle, 
madenäbnliche, borftige, 16füßige Raupe lebt in 2 
Generationen, im Fruhjahre u. im Juli in Bienen- 
ftöden, namentlih in alten Brutwaben; dort zehrt 
fie vom Wachje, welches fie gangartig wegfrift; 
fie verpuppt fi in den Gängen in einem perga« 
mentartigen Gehäuſe. Der Schmetterling erſcheint 
jeltener im Friljahre, häufig im Juni, Wenn die 
Zerftörung feitens der Raupe überhand nimmt, 
ſchwärmen die Bienen aus, Mottenfhwarm; 
man muß daber den argen Feind in allen feinen 
Lebensſtadien wegzufangen fuchen Theme. 

Bienenredht, der Inbegriff der fih auf das 
Einfangen u. das Halten von Bienen beziehen- 
den rechtlichen Grundſätze. Bisweilen wurde in 
früheren Zeiten über deshalb entftandene Streitig- 
feiten ein eigenes Bienengericht gehegt. Dieje 
Grundfäge betreffen theils die Frage, wie das 
Eigenthum an Bienenſchwärmen erworben, bezw. 
wenn daffelbe an den eigenthümlich bejeffenen 
verloren werde; .„theils enthalten fie polizeiliche 
Vorſchriften in Betreff der Aufftellung von Bie- 
nenftöden. Das Römiſche Recht ging davon aus, 
daß die Natur der Bienen wild ſei, u. ſprach des. 
halb das Eigenthum daran nur Demjenigen zu, 
welcher fi) durch Occupation in den Beſitz der- 
jelben geſetzt hatte. Die älteren deutichen Parti- 
ceularrechte nahmen im Allgemeinen daffelbe an, 
gingen aber zum Theil jo weit, den Berluft des 
Eigenthums an einem Bienenſchwarme auszu- 
ipredhen, wenn diefer iiber die Grenze des Grund- 
jtüdes des Eigentbümers hinausgeflogen (3. 8. 
Sächſiſches Werhbild 121 mit der Begründung: 
denn die Biene ıft ein wilder Wırrm). Allgemein 
aber waren die Ausipriiche der Rechtsauellen, daß 
der Eigenthiimer eines Bienenfhwarmes dieſen jo 
lange, als er in conspectu fei, verfolgen dürfe, 
u, ward dann das in conspeetu esse nicht gar 
zu wörtlid verftanden (Schmabenfpiegel Art. 301). 
Die neueren Rechte untericheiden Dagegen zwiſchen 
den wilden u. zahmen Bienenfchwärmen, u. find 
mehr auf den Schuß des Eigenthums an dieien 
letzteren bedacht. Das Preuß. Allgem. Landrecht 
(Th. I. Tit. 9, $$ 118 f.) erlaubt einem Jeden, 
auf feinem Eigenthum Bienen zu halten, gewährt 
aber das Recht, Bienen in der Heide zu halten, 
nur dem Gigenthiimer des Forſtes. Auf zabme 
Bienenihwärme hat der Eigentbiimer des Wutter- 


die Königin u. die Droßnen heimfuchen, was ſich ftodes ein ausichliegendes Hecht, u, kaun er die 
vielleiht aus deren geringerer Beweglichfeit er· ſchwärmenden Bienen auch auf fremdem Grunt 
flärt. 2) Pediculus apis L. wurde fonft für u. Boden verfolgen u. einfangen. Gibt derjelbe 
eine befondere Art von Inſecten gehalten, ift aber|die Verfolgung gänzlich auf, jo ift der Eigenthii- 
nur die an Bienen als Schmaroger lebende junge/mer des Grundes u, Bodens, auf welchem ver 
Larve des Maimurmfäfers (Melod); fie ift walzen · Schwarm gefunden wird, berechtigt, ihm einzu- 
rund, odergelb, mit rumdlichen Kopfe, fpigigen fangen. In polizeificher Hinficht pflegt die Ent- 
frummen Kiefern, ſchwarzen Augen, 6 Beinen an fernung allgemein ig — zu fein, welche zwi—⸗ 
den 3 fehr großen Bruftringen u. 2 kurzen u. 2/fchen den aufgeftellten Bienenftöden u. öffentlichen 
langen Schwanzfäden. Thome. * Wegen, oder auch wol von der Grenze des Nach— 

Dienenmotte (Bienenihabe, Wachsſchabe, bars liegen müſſe. Das Preuß. Allg. Landredt 

25* 


388 Bienenfaug — Bienenwohnungen. 


u a. D. & 126 berechtigt außerdem die Polizei-| vergrößert oder verlleinert werden fanı. Von 
obrigkeit jedes Ortes, Berfügungen zu treffen, den verfciedenen äußeren Formen find hauptfäd- 
mwodurd das Rauben der Bienen verhindert umd|lih die Ständerform, bei mweldher die B. eine 
diejenigen Stöde, unter denen es eingeriffen, da-|ftehende Stellung u. ihre größte Ausdehnung nach 
von wieder entwöhnt werden, Der früher injoben haben, u. die Yagerforın zu unterſcheiden, 
einzelmen Gegenden vorkommende Bienenzehnt|deren größte Ausdehnung in wagerechter Yage 
(10, Korb) wird heutzutage, wol allgemein abge-|bei liegender Stellung ift; zwiſchen beiden gibt es 
löſt, od. thatjählid außer Übung gelommen fein.\aber auch Mittel- oder Miichformen, welde fich 
Vgl. Biener, Dissertatio de apıbus, Lpz. 1773; nach oben uw. feitwärts gleihmäßig ausdehnen; 
I. TH. North, Abhandlung vom Bieneurechte, dabei find fie theils rund, theils edig, oder beides 
Weißenburg 1805; Buſch, Handbud des Bienen-'zugleih, aus einem Stüde beftehend, oder aus 


rechtes, Arnſt. 1830, Grotefend, 


einzelnen Theilen zufammengefegt u. dann theil 


Bienenfaug, 1) fo v. w. Lamium, 2) Sta- bar. Nach der inneren Einrichtung untericheiden 


chys silvatica L. 

Bienenſchwärmer, Schmetterling, f. u. Glas» 
ſchwärmer. 

Bienenſtich, die ſchmerzhaſte Verwundung, 
welche die Bienen mit ihrem Stachel verurſachen, 
der zuweilen, jedoch nicht immer in der Wunde 
fteden bleibt. Sie erregt eine Geſchwulſt, welche 
von dem Gifte herrührt, das fih aus eier 
Blaſe am Stachel in die Wunde ergießt. Solche 
Stiche erregen oft heftige Erſcheinungen; es tritt 
eine zuweilen ausgebreitete, jehr ſchmerzhafte Ent: 
zündung der Haut mit ftarfer Rötbung u. Schwell- 
ung ein, die jedeh gewöhnlich in Zertheilung 
übergeht und dem Organisınus nicht gefährlich 
wird, aber höchſt beläjtigend fin kaun. ine 
große Anzahl ſolcher Stiche zu gleicher Zeit ift 
wicht ganz ohne Bedenken und fann bei Kindern 


fie fih als folhe mit unbeweglichen Waben (Sta- 
bilftöde) u. foldhe mit beweglichen Waben (Mobil- 
ftöde oder Dierzonftöde). Erftere find die älteſten 
u. auch jetst noch am meiften verbreiteten, obgleich 
die Behandlung der Bienen in ihnen nur unvoll⸗ 
fommen fein kann; zu den befannteften Formen 
gehören: die Klotbeute, nur aus einem ausge- 
böhlten Baumſtamme beftehend u. die ältefte vom 
allen; ihr jchließt fih die Bohlenbeute an, welche 
trogartig aus diden Brettern zufammengenagelt 
it; beide gehören jedod zu dem unzwedmäßigiten 
B. Beſſer u, jehr verbreitet find die verſchiede— 
nen Strobförbe, welche nach ihrer Form u. Ein— 
richtung als einfache Stülpfürbe oder Stülper, 
als Bauch: oder Faßſtülper, als Traubenftülper, 
Strobftänder, Walzentörbe, Ningförbe ꝛc. unter- 
jhieden werben; fie werden meijt mit dem unte— 


ernitlihe Gefahren herbeiführen. Stiche der Art|ren, offenen Ende auf ein Brett geftellt; das Flug« 
auf die Zuuge, den Gaumen, die Augenlider kön-|locdh befindet fi im Bodenbrette, oder nahe über 
nen durch ihre Ortlichleit gewijfe Gefahren durch |demfelben; der Dedel ift feft, oder abnehmbar u. 
ſtarke Schwellung diefer Theile nach ſich ziehen. |da8 Wachsgebäude durch eingeftedte Stäbchen 
Als Vollsmittel dient das Auflegen von naffem|(Spillen) geſtützt. Die Walzentörbe find auf bei- 
Lehr, rohem Kartoffelbrei, Kohlblättern 2c.; Ein-|den Enden mit einem Dedel gefchlofien, in wel— 
reibung von Honig foll jehr lindernd wirken, Beiſchem fich einerfeits das Flugloch befindet, u. wer« 
ftarter Entzindung fünnen Umfchläge von kaltem den auf ein Pagerbrett gelegt; die Ringkörbe ber 
Waſſer oder Bleiwaffer, ölige Einreibungen an-|ftehen aus einzelnen Strohlränzen, fo daß fie nach 
gewandt werden, Der zuriüdgebliebene Stachel Bedürfuig vergrößert u. verkleinert werden kön— 
der Bienen joll wo möglich gleich entfernt werden. |nen, und werden gleich anderen aus mehreren 
Eind viele Stiche vorhanden und treten zugleich, Stöcken zufammengeiegten u. deshalb theilbaren 
bejonders bei jungen Individuen, Fiebererſchein- B. auch Magazinftöde genannt. Der Mobilfted, 
ungen auf, jo ift Dringend anzurathen, jofort ärzt-| welcher vor dem Stabiljlode viele VBortheile bietet, 
fihe Hilfe in Auſpruch nehmen, war in unvollflommener Form ſchon feit längerer 

Bienenwohnungen. Die natürlihen B. find| Zeit bekannt, ift aber erſt durch Dzierzon 1845 
hohle Bäume, Felsſpalten u. andere geſchützte, zweckmäßig hergeftellt und jeitdem, vielfad ver» 
trodene, warme Höhlungen; die fünftlichen müſſen befiert u. abgeändert, allgemeiner geworden. Wie 
fo eingerichtet jein, daß fie bei entſprechendem verſchiedenartig auch die jonftige Einrichtung fein 
innerem Raume troden, im Winter binreihend|mag, immer befinden fich dabei die Waben an 
warm, im Sommer nicht zu heiß u. bis auf das| parallel neben einander gelegten ſchmalen Brett- 
Ilngloch, durch welches die Bienen aus» u. ein-|chen (Wabenträgern),; oder nad v. Berlepfh im 
fliegen, von allen Seiten gut gejchloffen find u. Rähmchen, mit welden fie beliebig aus dem Stode 
dabei fich leicht handhaben Laffen. Durch die Art|genommen, oder hineingebradt, u. aljo in ver— 
u. Weile des Betriebes u. die auf das Klima zu ſchiedenen Stöden benutt werden können, wenn 
nehmenden Rüdfihten find eine große Menge ver-|nur deren innere Breite u. Höhe gleich ift. Diefe 
jhiedenartiger B. entftanden, welche fich befonders|auf Leiften oder in Nuten ruhenden Wabenträger 
in Bezug auf das Material, die Größe, die äußere|oder Rähmchen werden vor dem Einhängen an 
Form, die innere Einrichtung u. die Art der Aufe|der unteren Seite mit fertigen Wahswaben oder 
ftellung unterſcheiden. Stroh u. weiches leichtes ſchmalen Streifen derjelben beffebt, welche dann 
Holz werden wegen ihrer Leichtigkeit, Trodenheit|von den Bienen in gleicher Richtung vollſtändig 
u. geringen Wärmeleitungsfähigfeit am häufigften|ausgebaut werden. ie Mobilftöde find theils 
u. zwedmäßigiten dazu benutzt; die Größe muß Ständer-, theils Lagerftöde, faft immer edig u. 
mit der Stärke des Bienenvolfes in richtigem Ver- meift aus Brettern, aber auh aus Stroh u. an 
häftniffe ftehen, weshalb diejenigen B. den Bor-|derem Material gefertigt. Dzierzon machte die 
zug verdienen, deren Jnnenraum nah Bedürfniß Ständer anfangs aus 2 Etagen über einander, 


Bienenwolf — Bienenzudt. 


jede im Innern etwa 26 cm breit, 21 cm hoch 
u. 35—40 cm tief, die untere als Brutraum, 
die obere als Honigraum dienend, u. darüber noch 
«inen’8 cm hohen Raum ohme Stäbchen, den jog. 
Billtürbau; nah oben wurden die beiden unteren 
Näume durh auf die Wabenträger gelegte dünne 
Brettchen (Dedbrettchen) geichloffen, welche erfl ges 
Öffnet werden, wenn die Bienen den oberen Raum 
mit Honig füllen jollen. Neuerdings werden grö— 
Bere, 35—40 cm hohe u. 26 cm breite Räume 
vorgezogen, welche mit faft gleih großen Rähm— 
en bis auf die nöthigen Durchgänge für die 
Bienen ganz ausgefüllt werden, wobei der Will- 
fürbau u. die Dedbretthen häufig wegfallen. Die 
Yagerftöde find nur etwa 35—40 cm body, 24 cm 
breit u. dagegen 60—65 cm tief; der hinten be- 
findlihe Honigraum kann von dem vorderen Brut- 
raume durch ein eingejchobenes, mit einem Schie— 
ber verſehenes dünnes Brett (Schied) getrennt 
werben. Meijelftöde, nur zur Anzucht junger 
Königinnen dienend, find leicht gearbeitete, aus 
mebreren Heinen Fächern bejtehende B. mit be- 
meglihen Wabenbau. Die Aufenwände der Mo- 
bilftöde find der nöthigen Wärme wegen oft Dop- 
pelwände, oder mit Stroh u, dergl. überzogen u. 
6—8 cın Did; das Flugloch befindet fi etwas 
über dem Boden an einer Schmals oder einer 
Langfeite; die andere Schmalfeite wird durch eine 
Thür geichloffen, vor welder im innern Raume 
gewöhnlich noch ein Glasfenfter ftebt, um durch 
daffelbe die Bienen beobachten zu können, u. mit 
welchem durch Hineinfchieben der innere Raum 
beliebig verkleinert werden kann. Die nur für 
ein Bienenvolf beftimmten B. heißen Einbeuten, 
für 2 Völler Zweibenten oder Doppelftöde, u. jo 
der Anzahl der Völler entiprechend Drei-, Vier-, 
Sechs-, Achtbeuten zc., wobei die Mittelmände 
dann mir aus binnen Brettern beftehen u. oft 
einen verſchließbaren Durchgang haben (Zwillings- 
ftöde). Gut gearbeitete Beuten haben den Borzug, 
daß fie frei ohne Überdachung aufgeftellt werben 
fönnen; in größerer Anzahl werden fie zu Bicnen- 
bäufern oder Bienen» Pavillons vereinigt, deren 
einzelne Fächer je ein Volk enthalten u. nad allen 
Geiten in 2 Reihen über einander jo vertbeilt 
find, daß fie einen freien Raum umſchließen, von 
welchem aus ſämmtliche Stöde behandelt u. durch 
Schließung deffelben mit einer Thür gefichert wer« 
den können. Bienenhäufer zum Aufftelen der Sta— 
„büftöde befommen je nah ihrer Einrihtung u. 
mehr oder weniger dauerhaften Anlage die Be— 
nennungen: Bienenhof, Bienenftand, Bienenfchauer, 
Bienenlager, Bienenzaun ꝛc. Die Bienenhäufer 
follen an warmen, nicht naffen, bejonders gegen 
Wind geichügten Yagen in der Nähe von etwas 
Waſſer n. fern von ftörendem Geräniche errichtet 
erden; man gibt ihnen gern die Richtung gegen 
SD., mas jedoh nicht jo nöthig it, als früher 
vielfah angenommen wurde; fie müſſen jo geräu- 
mig fein, daß man bei der Behandlung der Bie- 
nen nicht beengt ift, auch einen freien Kaum vor 
fi) zum ungehinderten Ausfluge der Bienen ha— 
ben, u. werden am beften während des Winters 
durch Läden oder Strohmatten geichleffen, um die 
Kälte u. frühzeitige Sonne von den Bienenjtöden 
abzuhalten, Hin u. wieder werden lettere auch 


389 


in trodenen Kellern, Erdgruben, oder auf ruhiger 
Speiherräumen durchmwintert, was fich vorzugs- 
weile für ältere Gegenden mit lang anhaltendem 
gleihmäßigem Froftwetter zu empfehlen 8— 
olde. 


Bienenwolf, ſo v. w. Bienenfreſſer. 

Bienenzucht, A) die Behandlung der Bienen 
als Hausthiere, nicht allein der Yiebhaberei we— 
gen, fondern aud um dadurch einem möglichſt 
großen Nuten zu erzielen; fie fann nur richtig 
betrieben werben, wenn ber Züchter neben der 
erforderlihen Ubung in der Behandlung der Bie- 
nen auch die nöthige Kenntnig über ihre Natur 
u, die Bedingungen ihres Gedeihens befitt. Dieſe 
Kenntniß bat fi ſehr vervollkommnet u. iſt erft 
allgemeiner geworden, feiidem im J. 1845 durch 
ben Pfarrer Dyierzon die Bienenwohnungen mir 
beweglichem Wabenbau u. nah u. mad mehrere 
fremde Bienenracen eingeführt find, durch weiche 
es möglich geworden ift, die Bienen mn. ihre Ye- 
bensmweije genauer zu beobadten. Die Bienen- 
zlichter heißen Bienenväter oder Imker (Zeidler) 
u, betreiben die B. im fehr verfchiedenartig ein 
gerichteten Bienenwohnungen (ſ. d.), mit dem 
beften Erfolge jedoh nur im ſolchen Gegenden, 
in welchen bhonigtragende Pflanzen (ſ. Bienenge—⸗ 
mwächje) in großer Menge fich finden (Bienenge- 
genden). Je nad der Gegend und dem Zwecke 
wird die B. verichieden betrieben; in honigarmen 
oder in Begenden ohne fpäte Honigtradht muß die 
Vermehrung eingeſchränkt u. auf wenige, möglichft 
ftarfe Bölfer gehalten werden, wogegen in den 
Heidegegenden die Bermebrung durch fortgejegtes 
‚züttern während des Sommers befördert wird, 
damit die Späte Heideblüthe durch eine möglichſt 
große Menge Bienen ausgenugt werden Tanıt; 
duch die Wanderzucht, bei weicher die Bienen 
aus einer Gegend in die andere während der 
Blüthezeit der verſchiedenen honigtragenden Blu— 
men, 3.8. Raps, Lindenblüthe, Kornblume, Buch— 
mweizen u. befonders Heide, gebracht werden, laffen 
fih die Vortheile der einzelnen Gegenden verbin- 
den. Der Hauptzwed der B. pflegt die Gewinn 
ung von Honig u. Wachs zu fein; aber auch der 
Verkauf der Bienen felbft oder deren Königinnen 
ift unter Umftänden gewinnbringend; auch wird 
fie wol nur des Bergnügens wegen oder zu willen: 
Ichaftlihen Zweden betrieben. Man bevient ſich 
dabei verfchiedener Bienengeräthe: Die Bienen« 
pfeifen u. Nauchmafchinen Dienen dazu, um die 
Bienen während der Bebandlung zurüdzutreiben 
und durch geringe Betäubung mit Tabals« oder 
anderem Rauche weniger ſtechluſtig zu machen; 
der Wabenbod oder Knecht ift ein einfaches Ge— 
fell, um die aus dem Mobilftode genommenen 
Waben fo lange darin unterzubringen, bis fie wie— 
der eingehangen werden, muß deshalb die gleiche 
Weite wie De Stöde haben; mit Wabengabel, 
Zange u. Hafen laſſen fih die Waben leichter 
als mit der Hand aus den Stöden nehmen und 
einhängen; die Wabenmefjer werden zum Ab» 
ſchneiden der Wachsdeckel auf den Honigwaben, 
zum Losichneiden der an den Wänden der Wohns 
ungen feitgearbeiteten Waben ꝛc. benutt; die Bie- 
nenhaube oder »Kappe von Yeinwand, vorn mit 
einem Drabtgitter u. mit einem Bande unter dem 


390 


Bienenzudt. 


fe zufammengezogen, ſchützt das Geſicht, die ſchwachen Stöden muß die Wohnung nicht größer 
ienenbrille mur die Augen des Züchters vor/gegeben werden, als fie befegen fünnen; bei wei— 


Stihen. Zur Erkrnung der B. bieten die zahl« 
reihen Bienenfhriften, 3. B. von Dzierzon, v. Ber- 
lepſch, Kleine, Huber, v. Ehrenfels, Dathe u. 9. 
gute Mittel; noch mehr aber bildet die Beimohn- 
ung eines praftiihen B.»CEurfus, wie fie in den 
Sommermonaten jett an vielen Orten unter Leit 
ung von bewährten Bienenmeiftern abgehalten 
werden; auch die B.-Bereine u. Bienen-Zeitfchrif- 
ten haben viel zur Berbreitung einer rationellen 
B. beigetragen. 
Schon während des Winter8 muß der Züchter 
die Bienen beobadten, daß ihnen die nöthige 
Wärme, Nahrung uw. Ruhe nicht fehlt, fie an ein— 
zelnen jchönen, 7—8° R. warmen Tagen aber 
ausfliegen können, um dur einen Reinigungs- 
Ausflug fi des in ihnen angefammelten Kotbes 
außerhalb des Stodes zu entledigen; bei niedri- 
erer Lufttemperatur find fie dagegen durch Ab» 
tung der Sonnenftrahlen möglihft vom Aus- 
fliegen zurüdzubalten. Beim Eintritte der wärme» 
ren Jahreszeit werben die VBienenftöde auf ihren 
Sommerftand gebracht u. zum ungehinderten Aus- 
fliegen hergerichtet (ausgewintert), in Bezug auf 
Gejundheit der Bienen, den Futtervorrath u. vor- 
bandene Brut, als Beweis der Anmwejenheit einer 
fruchtbaren Königin, unterfudht u. dabei die das 
Bodenbrett etwa bededenden Unreinigfeiten (Ge 
mülle) entfernt. Die Fütterung geſchieht bei Mo— 
bilſtöden am beften durch eingehängte Honigwaben 
und auch bei Stabilftöden durch Wabenftüde, jo 
lange die Witterung einen regelmäßigen Ausflug 
nicht geftattet; fpäter durch in etwas Waſſer auf- 
elöften Honig, welcher während der Nacht in 
Futternäpfen in die Stöde hineingeftellt, oder in 
anderer zwedmäßiger Weife den Bienen gereicht 
wird; als gute Erjat-zuttermittel empfehlen ſich 
befonders der weiße Kryſtall- u. auch der braume 
Kandiszuder, in Stücken angefeuchtet oder aufge- 
föft gegeben; Tranbenzuder, Stärfefyrup, Malz— 
ſyrup u. andere Erjagmittel dürfen dagegen nur 
während der Flugzeit mit Borficht gereicht werden; 
die ‚ziltterung zur Ergänzung des Honigvorrathes 
muß rasch u. im großen Portionen geſchehen; zur 
Beförderung des Brutunjages werden längere Zeit 
täglich Meine Mengen gegeben, denen man, fo 
lange die Bienen den zu ıhrer Ernährung nöthi- 
en Blumenftaub (Bienenbrod) wicht eintragen 
önnen, auch trodenes feines Getreidemehl beige- 
ben kann. Der Züchter muß beftrebt jein, bis 
zum Eintritt der Zeit, wo die Bienen die meiften 
honiggebenden Blumen finden (Haupttracht), fie 
möglihft vermehrt u. volfreih zu haben; er er 
reicht diefes vorzugsweiſe durch die fpeculative 
Fütterung und frühzeitige künſtliche Vermehrung 
der Völker, wobei man Kunftihwärme, Ableger, 
Trieblinge zc. erhält; letztere wird jedoch erft dann 
borgenonmen, wenn die Mutterftöde ftarf mit 
Bienen bejegt und Drobnen zum Befruchten der 
jungen Königinnen vorhanden find; ſolche Kunft- 
ſchwärme werden entweder von einem Stode ge- 
nommen, oder aus Bienen von mehreren Stöden 
zuſammengeſetzt, u. wird ihnen die alte oder eine 
junge Königin, oder auch nur Weifelzellen oder 
Brutwaben beigegeben. Den jungen und fonft 


terer Entwidelung des Volles wird fie dann nad) 
u, nach vergrößert durch Einhängen neuer Waben 
u. Zurüchſchieben des Glasfenſters, bei Stabil» 
ftöden durch Unter- oder Auffäge; hier lönnen 
auch durch den Frühlingsichmitt die Waben ge- 
fürzt werden, um Drohnenbau oder untauglid 
Vai Wachs zu entfernen, dadurch die ſtarle 

rohnenerzeugung zu verhindern u. die Bienen 
zu vermehrter Thätigleit zu reizen, welches bei 
den Mobilftöden ficherer durch Fernhaltung von 
Drohnenwaben aus dem Brutraume u. Einhängen 
ganzer fertiger Arbeitsbienenwaben erzielt wird. 
Wenn die Bienen fi) fo vermehrt haben, daß 
ihnen die Wohnung zu Hein wird, fo veranlaft 
fie der Naturtrieb, fih zu theilen, zu ſchwärmen; 
fie erbriten dann junge Königinnen, vor deren 
völliger Ausbildung (don die alte Königin mit 
einem großen Theil der Bienen bei heiterem, 
warmen Wetter plöglich den. Stod zu verlaffen 
pflegt; der Schwarm fliegt eine Zeit lang mit 
ftarfem Gefumme in der Nähe des Bienenftandes 
umber u. jammelt fi dann faft immer an einem 
Baume oder anderen Gegenftande zu einem dich- 
ten Haufen (ſchlägt an, legt fih an). Dieſer erfte 
Schwarm mit der alten fruchtbaren Königin wird 
Vorſchwarm, Erft- oder Hauptihmwarm genannt; 
ein zweiter, gewöhnlich nad 9 Tagen nachfolgen⸗ 
der Schwarm mit einer jungen, noch unbefruchte- 
ten Königin beißt erſter Nahihwarm, welchem 
in 2—3 Tagen oft noch ein zweiter Rad. 
ſchwarm ꝛc. folgt. Geht zur Schwarmzeit, etwa 
von Ende Mai bis MitteJuli, eine alte Königin 
verloren, ſo zieht auch wol der erfte Schwarm 
mit einer jungen Königin aus und heißt dann 
Eingervorfhwarm; wenn in demfelben Sommer 
die Schmwärme wieder ſchwärmen, fo geben fie 
Jungfernſchwärme, oder in den Heidegegenden 
Heideſchwärme; verläßt ein ganzes Volt wegen 
Honigmangels oder anderer Urjachen feine Mohn 
ung, fo nennt man daſſelbe einen Hunger«, Bettel- 
oder Nothſchwarm, welcher gewöhnlich ganz zu 
Grunde geht, oder bei einem anderen Bolte ein» 
zieht. Bei den Nachſchwärmen können ſich meh— 
rere junge Königinnen befinden, welche dann 
ihon bis zum nächſten Morgen von den Bienen 
bis auf eine getödtet werden. Nah dem Auſchla- 
gen des Schwarmes muß derjelbe eingefangen 
(geihöpft) werben, ehe er wieder abfliegt (auf« 
fteht) u. dann mit großer Eile feiner durch bie 
Spürbienen fon jeıt mehreren Tagen aufgeſuch— 
ten u, vorbereiteten neuen Wohnung zufliegt. Das 
Einfangen geſchieht, je nachdem der Schwarm body 
oder miedrig, frei unter den Zweigen, an dem 
Stämmen, oder zwiſchen dichten Reiſern ange— 
ſchlagen ift, mit dem leicht and Stroh gearbeite- 
ten Fangkorbe, welder danad) mitteld des 
Schwarmbalens an den Baum aufgehangen wer- 
den fan, oder mit dem Schöpffäftchen oder 
Schöpflöffel; hängt der Schwarm zu bed, um 
bequem erreicht werden zu fönnen, jo nimmt man 
die Schwarmgabel zum Hinanfreichen des Korbes 
oder Käftchens zu Hilfe. Um das Einfangen oder 
Zufammenfliegen mehrerer Schwärme zu vermei— 
den, fann auch der Schwarmbeutel, aus leichter 


Bienenzudt. 


Gaze beftehend, beim Beginne des Schwärmens 
fo vor dem Flugloche befeftigt werden, daß die 


391 


gen der Droßnen in vor den Fluglöchern ange- 
raten Drohnenfallen fehr fürderlih; aud find 


Bienen in denfelben hineinfliegen müſſen u. dann, |dieferhalb fchon beim Beginne der Haupttracht die 
nachdem fie fi} berubigt haben, leicht in die neue ſchwachen Böller zu vereinigen oder zu verftärfen; 
Wohnung gebracht werden können, welches mit|in dem nicht zur Überwinterung beftimmten Stöden 
den eingefangenen Shwärmen dagegen erft gegen|(Honigftöden) ift der ſpäte Brutanfa durch völlige 


Abend zu geichehen pflegt. Das 
fingt nur, wenn die Königin mit einer größeren 
Anzahl Bienen in den Fanglorb gelangt ift; in 
der Nähe aufgeftellt, werden dann die übrigen 
Bienen demjelben bald zufliegen; fehlt dagegen 
die Königin, fo verlaffen aud die gejchöpften 
Bienen den Korb nad kurzer Zeit wieder, fuchen 
diefelbe am Anfchlage auf, u. falls fie etwa ver- 
foren gegangen fein follte, zieht bald der ganze 
Schwarm gemwöhnlih im die alte oder eine dane- 
benftehende Wohnung zurid. Die natürlichen 
Schwärme fünnen an jeder Stelle des Bienen- 
ftandes aufgeftellt werden, Kunſtſchwärme dagegen 
nur auf oder neben dem Plate des Mutterftodes, 
oder fie müffen während einiger Wochen auf einen 
mindeftens 4 Stunde entfernten Stand gebradıt 
mwerden, weil die älteren Bienen berjelben ſonſt 
auf den gewohnten Stand zurüdfliegen würden. 
Außere Ahnlichkeit mit dem Schwärmen hat das 
Borjpielen, wobei die Bienen an warmen Tagen, 
wenn fie längere Zeit nicht ausfliegen konnten, 
oder wenn fie auf eine andere Stelle geſetzt find, 
oder wenn die jungen Bienen zum erften Mal 
den Stod verlafien, eine Zeit lang vor der Wohn- 
ung freudig umberfliegen, hauptſächlich wol, um 
diejelbe genau fennen zu lernen. Bu häufiges 
Schmwärmen ſchwächt die Mutterfiöde zu ſehr, 
meshalb daffelbe zu befchränfen ift; durch das 
Bereinigen ſchwacher Schwärme unter fi), ober 
mit anderen Schwädlingen, Vorrichten des Baues 
aus fertigen Wacstafeln u. Einhängen von ge- 
dedelten Brutwaben fommt man rajcher zu voll- 
reihen Stöden. Ohne eine befruchtete Königin 
geht jeder Stod bald zu Grunde; fie muß geſund 
n. nicht Älter als höchſtens 3 Jahre fein. Stöde 
mit gefunder, fruchtbarer Königin find meifel- 
richtig, ohme Königin weifellos; mit unbefruchteter 
after Königin, oder einer eierlegenden Arbeits- 
biene (Afterkönigin, Drohmenmutter) nennt man 
fie drohmenbrütig, u. mit zu alter oder mangel- 
haft befruchteter Königin werden fie gewöhnlich 
budelbrütig. Alle Stöde, bejonders ſolche mit 
jungen Königinnen, find zu unterfuchen, ob fie 
meifelrichtig find, was ſich durch das rechtzeitige 
BVBorhandenfein regelmäßig befetster Arbeitsbienen- 
Bruttafeln ergibt; weifellofen Stöden muß durd 
Beigeben einer Königin, einer Weifelzelle, oder 
von ungededelter Arbeitsbienenbrut bald geholfen 
werden, damit fie nicht drohuenbrittig werden; 
alle mangelhaften Königinnen werden durch ge- 
funde erfegt. Da die Bienen die ihnen fremden 
Königinnen zu tödten pflegen, fo erfordert die 
Beigabe einer folhen Vorſicht; man fperrt fie des- 
halb einige Tage in ein Weilelhäuschen oder 
Käfig, mit welchem fie zwifchen die Brutwaben 
geftellt wird, bis die Bienen fih an ihre neue 
Gebieterin gewöhnt u. fie angenommen haben, 
wonach dieſelbe dann behutiam freigelaffen wird. 
Zur Vermehrung des Honigertrages. ift eine Be- 
ſchränkung der Drohnenerzengung u. das Abfan- 


infangen ge- |Entweijelung oder durch Einfperren der Königin 


in ein Weifelhäuschen oder durch Berkleinerung 
des Brutraumes einzufhränten, u. dafür zu forgen, 
daß die Bienen möglichft fertigen Wabenbau vor- 
räthig haben, um ohne Aufenthalt den eingefam- 
melten Honig ee. zu können; ungemein för— 
dernd im diefer Beziehung ift die Anwendung 
der 1865 von v. Hruichla erfundenen Schleu- 
dermafchine oder Kreisichleuder, mit welcher die 
friſch gefüllten Honigwaben ohne Zerftörung des 
Wachsgebäudes raſch geleert und danach den 
Bienen zum weiteren Gebrauche miedergegeben 
werben können; den hierdurch erhaltenen ganz 
reinen Honig nennt man Gchleuderbonig; der 
Heibehonig läßt fi feiner Zähigkeit wegen nicht 
ausjchleudern, ift auch nicht fo werthvoll, als 
der aus anderen Gewächfen erhaltene Blumen- 
honig, wovon die feinfte Qualität auh Jung— 
fernhonig genannt wird; unter Blatthonig ver- 
fteht man den grünlich gefärbten geringen Honig, 
welchen die Bienen von mit Honigtbau befallenen 
oder durch Inſecten befhmusten Blättern gefam- 
melt haben. Das zur Entnahme des gerige 
(Zeibeln) bei den Stabilftöden gewöhnliche Tödten 
der Bienen durch Schwefeldampf (Abichwefeln) 
fann bei den Mobilftöden faft ganz vermieden 
werden. Alle zu überwinternden Stöde (Zucht: 
ftöde) mifjen gefund u. volfreich fein, zur Win 
ternabrung 10—12 kg Honig u. Blumenftaub 
enthaltende, nicht zu alte Waben mit Arbeits 
bienenzellen haben u. bei der Einwinterung fo 
geftellt werden, daß fie, ungeftört und gegen die 
Kälte geihütt, während des Winters nicht verſetzt 
zu werden brauchen. Bon den Krankheiten der 
Bienen ift unter Biene geiprecen worden. Bon 
den bienenfeindlihen Thieren hat man beſonders 
auf die Wachs» u. —— zu achten, deren 
Larven (Rang- oder Randmaden) durch Zerfreſſen 
der Honig- u. Bruttafeln viel Schaden anrichten 
u. jhließlih den ganzen Stod gefährden fünnen, 
wenn fie nicht forgfältig nebſt aller Unreinigkeit 
auf dem Bodenbrette entfernt werden; gefunde, 
ftarle Völler u. dichte, nicht zu große Wohnungen 
find das befte Vorbeugun Smittel hiergegen ſo— 
wol, als auch gegen die Raubbienen oder Räu— 
ber, gewöhnliche Bienen aus anderen Stöden, 
die, durch den Honiggeruch angelodt, in die Stöde 
einzudringen fuchen u. im Falle des Welingens 
bald in fo großer Menge eriheinen, daß fie den 
ganzen Stod u. felbft die Nachbarſtöcke völlig aus- 
vauben können, wenn das angegriffene Volt ſich 
wegen Schwähe, Krankheit, Weifeitofigfeit, zu 
großer Fluglöcher, zu geränmiger Wohnung. zc. 
nicht Hinlänglich vertheidigen fanı. Es muß ihm 
deshalb zeitig durch Verengung des Flugloches 
oder Borfegen eines Brettchens (Blende) vor das- 
jelbe geholfen werden; auch das Beigeben ftark 
riechender Saden: Mofchus, Kampher, Asa foe- 
tida u. dergl., pflegt günftig zu wirken, jo daß 
man dann jelten genöthigt ift, den Stod einige 


392 


Tage ganz von feinem Stande zu entfernen. Je— 
des Verſchütten von Honig beim Behandeln und 
Füttern der Bienen ıft ebenfalld zu vermeiden, 
um dadurch die Bienen nidit zum Nauben zu 
reizen, u. befonders ift auf ſtarle, weifelrichtige 
Völler u. gut verfchlofiene Wohnungen zu halten. 
Bgl. dv. Berlepſch, die B. n. ihre Zucht zc., 3. A., 
Mannh. 1873; Dzierzen, Nationelle B., Brieg 
1861; Huber, die neue nüglichite B., 5. A., Lahr 
1873; Dathe, Lehrbuch der B., 2. Aufl., Bens- 
heim 1871; Schmid, Die Bienenzeitung, Nördl. 
jeit 1845; Vogel, Jahrb. der B., Mannh. jeit 1870. 

B. Gefhidhtlidhes. In Paläftina gab es 
ihon im Altertbum viele Bienen (Deborim), 
welche in Felſenritzen u. hohlen Bäumen bauten; 
aber die Hebräer zogen auch zahme Bienen, welche 
die MWärter durch Bifehen u. Pfeifen aus ihren 
Stöden u. in Diefelben zu loden verftanden. Be— 
fonders follen ſich die Eſſener mit der B. beſchäf— 
tigt haben. Die Griechen unterfchieden zwiſchen 
wilden (Anthrenai) u. zahmen Bienen (Melissai); 
lettere galten ihnen als Symbol der Segensfülle 
(daher fie nebft Ziegen u. Uhren auf den Mün— 
zen mehrerer Städte erfheinen), des ftillen Flei— 
hes, der Ordnung, der Neinlichkeit, als Mufter 
der bürgerlichen age Na oe Staatsverfaffung 
u. Vaterlandsliebe; als Bild der Seelen, die aus 
den Götterwohnungen auf die Erde fteigen; als 
Vorbild im Sampfe der Seele gegen das Böſe, 
überhaupt als ein lkönigliches, Heiliges Thier. 
Darum biegen auch die Priefterinnen der Demeter 
Birnen, al$ Dienerinnen der reinen Göttin, des— 
bald waren Bienen die erjten Näbhrerinnen des 
Zeus, ſowie in Epheſos die oberften Priefter am 
Tempel der großen Göttin Bienenfönige genannt 
wurden. Die Griechen wußten ſchon, daß in 
jedem Bienenſtocke 3 Arten Bienen waren: Weiſel, 
Arbeitsbienen u. Drohnen, aber der Weiſel galt 
ihnen als männlich u. ſtachellos. In dem Stocke 
glaubten ſie die Zellen vertheilt und beſetzt von 
den Bienen nach dem Alter: in der Mitte hatte 
der Baſileus ſeinen Sitz mit den Zellen für die 
Larven; dann folgten nach außen zu die alten, 
die jüngſten u. zuvorderſt die älteren. Als Bie— 
nenzüchter wird beſonders Ariſtomachos aus Soli 
genannt, u. vorzüglich wurde viel B. in Athen ge— 
trieben, wo der Honig des Hymettos berühmt 
war u. ſchon Solon Verordnungen in Betreff der 
B. gab. Ju der römischen Olonomie fpielte die 
B. eine wichtige Nolle und ftand bereits auf 
einer den Hauptanforderungen  entiprechenden 
Stufe. Barro erzählt, daß ein einziger Bienen 
vater jährlih 5000 Pd. Honig erzielte und daß 
es Heine Villen gab, wo man nichts als Honig 
baute, Außer Varro geben noch Golumella u. 
Paladius Nachrichten u. Anweiſuugen zur B. bei 
den Römern. Berühmt durh die B. war die 
Stadt Apiarium in Spanien, beim jetigen Biar, 
wo auch jest noch viel Honig gewonnen wird. 
In Deutſchland gab es in alten Zeiten viele Bie- 
nen, welche theils gezüchtet wurden, theild aber wild 
lebten n. ihre Wohnungen in Bäumen hatten. 
Über die Honiguugung der legteren gaben jchon 
die Älteften deutichen Geſetze Beitimmungen. Nach 
dent Weſtgothiſchen Geſetze jollte Jemand, der einen 
Bienenbau fand, denjelben mit drei Zeichen ver- 


Biener. 


ſehen, zum Merkmal, daß derſelbe in Beſitz ge» 
nommen ſei u. nicht von einem Anderen geſchnit— 
ten werden dürfe, In Befig konnte jeder Bau, 
von Jedem m. liberall genommen werden, nur 
nicht in einem königlichen Gehege. Wie es Be— 
figer von Bienen, wenn ein Stod ſchwärmte, 
mit Denen zu halten hatten, bei denen ſich der 
Schwarm niederiieß, dariiber gibt es genaue Vor— 
hriften; vgl. Bienenrecht. Die Bereinigung der 
Bienenväter zu Bienengeiellihaften ganzer Brovin- 
zen, z. B. in Franlen, der Oberlaufit zc., lommt 
ichon feit dem 18. Jahrh. vor. Ahnlich anderen 
Wandergejellihaften wurde aud 1850 eine allge- 
meine Verſammlung deutich-öfterreidhticher Bieuen- 
wirthe in Arnftadt u. von da an jedes Jahr im 


einer anderen Stadt abgehalten. Im Volks— 
glauben spielt die Biene eine eigenthimliche 


Holle. Es wird ihr eine gewilfe Berehrung ge— 
zollt, weil man fie, wahriheinlih wegen ihrer 
Intelligenz, ihrer Gefbidiichteit u. ihres köſtlichen 
Products, aus dem Goldenen Zeitalter entftammt 
gedacht Hat. Man läft den Bienen daher eine 
Art menfhliher Behandlung zu theil werben; 
man hütet feine Worte vor ihnen, da fie die 
Sprache verftehen follen, wie ihnen ſelbſt eine 
beiondere Sprache zugeichrieben wird. Bon einer 
Biene fagt man nicht, fie crepire, fondern fie 
fterbe. Die Bienen erjcheinen im Bollsglauben 
ziemlich auſpruchsvoll u. wählerifh, auf der an« 
deren Seite aber auch wieder gutmütbig. Wenn 
der Hausherr ftirbt, jo muß es den Bienen ange: 
fagt werden; geizige Yeute fünnen fie nicht leiden 
und halten daher nicht bei ihnen aus; wenn fie 
einmal träge geweſen find, jo laffen fie ſich durch 
Ermahnungen des Bienenvaters zur Bejlerung 
bewegen u. f. f. Bei der Honiggewinmmmg wer— 
den eine Menge abergläubiihe Gebräuche beob- 
achtet und ebenſolche Mittel in Anuwendung ges 
bracht (vgl. Wuttle, Der deutfche Vollsglaube 
der Gegenwart, 2. Bearbeitung, Berlin 1869). 
Die B. als Wiſſenſchaft ift noch verhältuigmäßig 
jung. Bahnbrechend waren in dieier Hinficht die 
sorihungen, Berfuhe u. Einrichtungen des emer. 
Pfarrers Diierzon (f. d.) in Karlsmarkt, dem 
Männer wie Pfarrer Kleine in Lüerhorft, Seminar- 
präfect a. D. A. Schmid in Eichitädt, Pfr. Schön 
feld in ZTrentichel Baron v. Berlepfh in Koburg 
u. 9. (j. d. A.), theils als Nachfolger, theils im 
jelbftändigeren Bahnen erfolgreich nadpeiferten, fo 
daß der deutichen B. der Ehrenplag unter allen 


gebührt. Bienen finden fi in mehreren außer« 
deutfhen, bejonders füdländiſchen Wappen; fie 


jollen das Wappen der „Franken gewejen fein u. 
ungeſchickte Maler die franzöfiihen Lilien daraus 
gemacht haben. Napolcon befäete die Wappen 
dede des Kaiferwappens u. die Krönungskleidung 
damit, A. Wolde B. Schroot.* 
Diener, 1) Chriftian Gottlieb, namhafter 
Nechtögelehrter, geb. 10. Jan. 1745 in Zörbig; 
trat 1776 zu Leipzig als alademiicher Lehrer auf, 
wurde 1782 Profeſſor, Oberhofgerichtsafjefior, 
jpäter Ordinarius der Juriftenfaculiät; er ftarb 
13. Oct. 1828. B. jhr.: De natura et indole 
dominii in territoriis Germaniae, Halle 1780; 
De origine et progressu legum juriumque Ger- 
maniae, Lpz. 1787—95, 2 Bde.; Systema pro- 


Bienewitz — Bier. 393 
<essus judieiarii communis et saxonici, ebd. ober- u. untergähriges B. unterfcheidet. Je nad). 
1796, 2 Thle., 4. Ausg., ebd. 1835; Opuseula dem das B, früher oder fpäter nach dem eigent: 
academica, ebd. 1830, 2 Thle. 2) Friedrich lihem Brauen trinfbar wird, unterfcheidet man 


Auguf, ebenfall® namhafter Rechtsgelehrter, 
Sohn des Bor., geb. 5. Febr. 1737 in Leipzig; 
wurde 1810 Profeffor der Rechte in Berlin und 
ing ſpäter nah Dresden, wo er 2. Mai 1861 
* ; er fehr.: Historia authenticarum codiei 
et inst. Justin. insertarum, £p3. 1807; Geſchichte 
der Novellen Juftinians, Berl. 1824; Beiträge 
zur Geihichte des Inquiſitionsproceſſes und der 
Geſchwornengerichte, Lpz. 1827; De collectionibus 
canonum ecclesiae graecae, Berlin 1827; mit 
Heimbah: Beiträge zur Nepifion des Juftinianei- 
ſchen Eoder, Berl. 1833; Das engliſche Geſchwore— 
nengericht, Ypz. 1852—55, 3 Bde.; Wedhjelrecht- 
liche Abhandlungen, Lpz. 18569. 

Bienewitz, Peter, jo v. w. Apianus. 

Bienne, Stadt, ſo v. w. Biel. 

Biennis (lat.), 1) zweijährig. 2) (Bot.) Pflanze, 
Die im 1. Zahre ihrer Entſtehung nur Wurzel 
blätter treibt, im folgenden erft Blüthe u. Frucht 
trägt, daun aber abjtirbt, 3) Blatt, das 2 ‚Jahre 
—— 

ER ientina, See in den Provinzen Lucca umd 
Fa des Königreihs Jtalien, bei dem gleichnam. 
Orte von 2500 Ew., am Fuße des Monte Serra 
im Val di Nievofa, der fruchtbarften Gegend 
Zoscanas; hatte einen Umfang von 35, km (mit 
Einſchluß der jumpfigen Umgebungen 56,9, km), 
it aber durch die 1859 vollendete Ableitung auf 
13 km Umfang eingefchränft und dadurch viel 
fruchtbares Ader- u. Gartenland gewonnen worden. 

Bienville, County im nordamerif. Unions- 
ftaate Youifiana, unter 32° n. Br. u. 93° w. 4; 
10,636 Ew.; Gountyfig: Sparta. 

Dienwald, großer Wald im Rheinbayern, 
zwiſchen dem Otterbach, der Lauter u. dem Rhein. 

Dier nennt man ein gegobrenes Getränk, 
deſſen Alkoholgehalt aus dem duch anfangende 
Keimung im Buder verwandelten Stärfegehalte 
verichiedener Setreidearten, dem Malze, herſiammt. 
Dancben enthält das B. faft immer noch einen 
ziemlih bedeutenden Kohlenſäuregehalt, der in 
der Weitergährung, in dem fich fait alles B. be: 
findet, bedingt ift, und einen relativ viel bedeuten 
deren Gehalt von Protein u. Aichenbeftandtheilen, 
als alle anderen gegohrenen Getränfe. Faſt alle 
Bee enthalten außerdem noch einen Zuſatz, dev 
viefelben mwohlihmedend und haltbar macht und 
der meift auch markotifche Eigenschaften befitt. 
Gewöhnlich verwendet man dazu den Hopien, 
zumeilen werden dazu auch verwandt der Gunders 
mann in England, Quaſſia, und auch wirklich 
ſchädliche Eubftanzen, Kotkelstörner, der Sumpf: 
porft in Schweden u. a. m. Hiernach unterſcheidet 
nan die Bse zunächft nach Art des angewandten 
setreides als Weizen- und Gerften-B., abgejehen 
dm Mais-B,, der Ehica der SAmeritaner, dem 
Hrfe-B., dem Bouza oder Murva der Tataren 
inyer Krim u. anderen feltenen Ben; dann nad) 
den verwendeten mehr od. minder ftark gedörrten 
Ma als Braun- u. Weiß⸗B., nad der Menge 
des ngewandten Malzes ale Einfach- u. Doppel- 
B. er mefentlichfte Unterſchied aber liegt in 
der Ltung der Gährung der B-e, wonach man 


Schenf- u. Lager-B. u. nad feiner Aufbewahr- 
ung Faß- und Flaſchen-B. Die Bereitung des 
Bees war ſchon in dem älteften Zeiten befannt: 
die Agppter lannten bereits ein von den Griechen 
zythos genanntes, aus gemalzter Gerfte bereite 

tes Getränf; ebenſo war es bei den alten Iberern 
im jetzt weintrinfenden Spanien ein allgemein ver: 
breitetes Genußmittel; nicht weniger waren die im 
alten Thrafien, Illyrien, Pannonien wohnenden 
Völker Liebhaber eines aus Gerfte bereiteten Tran-. 
fes; in den unteren Klaffen der Kelten war es Volls- 
getränk; auch die Griechen hatten ein Geriten- u. ein 
Weizenbier; die Dentſchen Schon zu Tacitus' Zeiten 
ihr Gerjtenbier, u. ift daffelbe bis in die neuefte Zeit 
u. namentlich heute als das deutſche Nationalgetränf 
zw bezeichnen, das der leider fo auswanderungs— 
Iuftigen Nation au im Auslande die alte Hei- 
math wieder herbeizaubert und heimisch macht. 
3m 9, Jahrh. bereits beginnt die Verwendung 
des Hopfens; in England nanitte man früher alles 
ungehopfte B. Ale, während das Hopfen-⸗B. vor- 
zugsweife B. genannt wurde. Doch war die An— 
wendung des Hopfens anfänglich ftrenge verpönt, 
u. wurde diejeibe erft im 15. Jahrhundert er- 
faubt. Das befte B. lieferten im Mittelalter die 
Klöfter, wo man auch zuerft den Unterichied zwi— 
ihen Einfach» und Dorypelbier, oder Pater- und 
Conventbier mahte. Das Wort B. (etymolog. 
aus dem lat. bibere od, ſanskr. piv, trinken, ber» 
geleitet) findet fih in allen germanischen Spra— 
hen. In Frankreich ift daraus biere, in Italien 
birra geworden, n. hat diefe Bezeichnung das ro— 
maniſche cervoise, das noch im Languedoc vor- 
fonımt, u. das italienische cervogia verdrängt, die 
beide, wie das ſpaniſche cerveza, aus dem la— 
teiniſchen cerevisia entitanden find, womit Pli— 
nius ein Malzgetränt bezeichnet und das dem 
Keltiihen entnommen fein jol. Die angeljächfifche 
Bezeichnung war beor, die althochdeutiche u. alt- 
nordiſche bior, die gäliihe beoir, die Normännifche 
ber oder bier, fpäter mußte die uriprüngliche Be— 
zeichnung des Bes dem Namen Ale weichen, bis 
fie bei Auflommen des gehopften B-$ wieder Auf« 
nahme fand. In Skandinavien ift öl die einzige 
Bezeichnung fir B. Erft die letzten Jahrzehnte 
haben die empiriſche Bereitungsweiſe des Bees der 

früheren Zeit verſchwinden machen und einer auf 
wiffenfchaftlihe Forſchung begründeten B-induftrie 
Bahn gebrochen, wie daſſelbe bei allen wichtige: 

ven die Nahrungsmittel betreffenden Gewerbeu 
mehr od. minder der Fall iſt, 3. B. der Müllerei, 
den Brodbaden ꝛc. Seitdem bat ſich aber auch 

die Bereitung eines guten u, billigen B-es überall 
eingebürgert, und hat die Wiffenjchaft wefentfich 

mitgebolfen an der Eroberungsreife um die Erde, 
auf der das B, momentan begriffen ift, indem fie 

die Wichtigfeit der Verwendung ganz geeigneter 
Materialien zur Erzeugung eines guten B-es flar- 

ftellte u, den Brau« u. Mälzereiproceß, fowie das 
Darren des Malzes mittel3 geeigneter Methoden 
u, Apparate vervollkommnete. 

Die Materialien zum B«brauen find bereitä 
oben genannt, es werden davon heute vorzugsweife 


394 


die Gerfte benukt, zu mandem B. auch Weizen, 
neuerdings aud Reis. Die Hilfe des Getreides 
enthält außer dem Faferftoff einige leicht zerjetliche 
Ertractivftoffe, die der Brauer durch das fogen. 
Einmweihen zu entfernen trachtet, weil fie den 
reinen Geruch u. Gefchmad des B⸗es beeinträchtigen 
mwürden. Das mehlige Korn befteht aus Kleber 
u. Stärfe; erfterer befindet fih am nächſten unter 
der Hilfe, während nad innen Hin die Stärlke 
vorwiegt; leßtere ift der wefentliche Beftandtheil 
für den Brauer, indem fie fi durch die beim 
Malzen oder Keimen eingeleitete Umbildung des 
Klebers in Diaftafe in Zuder verwandelt, der wie- 
der durch die fpätere Gährung in Altohol u. Koh. 
lenſäure umgejegt wird. Das gegemjeitige Ber- 
hältniß vom Kleber u. Stärke im Getreidelorn ift 
mithin wefentlich für den Brauer und wechſelt 
erfahrungsmäßig am wenigften bei der Gerfte, 
die immer ca. 60 %, Stärlemehl und 15%, 
Kleber enthält, während beim Weizen der Stärke— 
meblgehalt 42— 66 %,, und der Kleber 12 bis 
30°/, beträgt. Im Allgemeinen fhägt man den 
Werth des Getreides für die Bierbrauerei nad) 
dem Gewichte einer Maßeinheit und gibt dem 
ſchweren den Vorzug, das allgemein reicher an 
Stärfemehl if. Von den verfchiedenen Gerftearten 
gibt man der zmweizeiligen oder Blattgerfte, bie 
am fiherfien und gleihmäßigften gedeiht, den 
Vorzug, meidet aber alle auf mit Schafmift ge- 
düngten Feldern gezogene. Eine gute Gerfte, 
die fih zum Brauen eignet, foll am ganzen 
Korne gleiche hellgelbe Farbe haben, nament- 
(ih feine rothe Spite zeigen, dann follen alle 
Körner gleih groß, glatt und feinhülfig fein, 
innen mehlig, aber nicht fpedig, oder hornartig 
fid) zeigen; volllommen troden fein, reinlich und 
friſch riechen, feine andere Getreidelörner oder gar 
Rade enthalten und von einer Ernte herrübren. 
Diefelben Anforderungen ftellt man an den Weizen. 
Eine Unterfuhung auf den Ertractgehalt des aus 
dem Getreide erhaltenen Malzes gibt die ficherfte 
Handhabe, den Werth defjelben für die Brauerei 
u erkennen, wird aber nur felten ausgeführt. 

ächſt der Gerfte ift das mwichtigfte Material zum 
Bierbrauen der Hopfen (ſ. d.), der aus den 
mweiblihen Blüthendolden der Hopfenpflanze (Hu- 
mulus lupulus) befteht, Die Dolden zeigen unter 
den dünnen Blätthen oder Schuppen gelbe rund» 
fie Körner, die das Lupulin, den werthvolliten 
Beſtandtheil des Hopfens enthalten. Für die 
Bierbrauerei verwendet man faft nur dem cultie 
virten Hopfen, der mehr Lupulin enthält, als der 
wild wachſende, u. verwendet nur die unbefruchte- 
ten weiblihen Blüthen, weil die Samenkörner der 
befruchteten dent B-e einen unangenehmen Ge— 
ſchmack ertheilen. Der Hopien enthält als für 
den Bierbrauer wichtig em flüchtiges narlotiſches 
Öl, das Hopfenöl, einen bitteren Ertractivftoff, 
ein bitteres Harz u. Gerbftoff, die alle mit auf 
den Geihmad u. die Haltbarkeit des B⸗es wirken. 
Auf die Aufbewahrung u. namentlich das Trodnen 
des eingefammelten Hopfens muß bie größte Sorg- 
falt verwandt werden, damit er nicht an Lupulin 
u. damit Aroma und MWirkfamfeit verliert. Das 
Trodnen geſchah früher nur durch Ausbreiten an 
der Luft, im neuerer Zeit auf Darren mittels 


Bier. 


tünſtlicher VBentilation. Über die beim Branen 
nöthige Hefe f. d. Artilel. Das beim Bierbrauen 
verwandte Waffer übt ebenfalls großen Einfluß 
auf deſſen Qualität: ein reines, weiches, wenig» 
ftens nicht viel hartes Wafler eignet ſich am 
beften; daß daffelbe von aufgeihwenmten Sub- 
ftanzen ober gar organifchen Beimengungen frei 
fein fol, verfteht fi von ſelbſt. Die B-brauerei 
zerfällt nun in 4 Operationen, das Ma/zen oder 
Mälzen (die Bereitung des Malzes aus dem Ge— 
treide), das Auslaugen diefes Dalzes, das Mai— 
ſchen, das Einleiten u. Leiten der Gährung der 
B-würze u. die Aufbewahrung des B-es. Das 
Malzen der Gerfte ift ein unterbrochener Keim- 
ungsproceß und bezwedt zunächſt, aus den ftid- 
ftoffhaltigen Beftandtheilen des Setreidefornes die 
Diaftafe zu erzeugen, die ihrerſeits wieder das 
Stärfemehl dejjelben in Traubenzuder umwandelt. 
ierzu wird die Gerfte erft in großen Bottichen 
den Quellbottihen) eingeweiht oder eingequellt; 
indem das Waſſer nah und nah die Körner 
durchdringt u. dieſe aufmweicht, erfolgt ein Auf- 
löſen und Entiernen gewilfer Beftandtheile der 
Hilfen, die leicht in Butterfäure- u. Milchläure- 
gährung übergehen. Das Waffer wird dabei von 
diefen Beftandtheilen braun und öfter abgelafien 
und erneuert. Das Quellen dauert bei friicher 
Gerfte 4—5 Tage, bei alter 6—7 Tage. Nadı- 
dem die Duellreife eingetreten ift, die man 
daran erlennt, daß das Korn mit dem Nagel 
leiht umgebogen werben faun, die Hilfe ſich 
leicht ablöft, wenn man das Korn der äuge nach 
drüdt u. das durchgejchnittene Korn in der Mitte 
no einen trodenen mehligen Kern zeigt, läßt 
man die Gerfte noh 8—10 Stunden zum Ab— 
laufen in der Weiche liegen u. breitet fie dann auf 
dem Fußboden der Malztenne od. des Malztellers 
zum Keimen aus. Die Gerfte gewinnt duch das 
Einquellen durch Wafferaufnahıne von 40—50 ®/, 
ca, 18—24 °/, an Volumen, erleidet aber in 
Wirflichleit 1—2°/, Berluft durch Auslaugung. Das 
Keimen der Gerfte wird dadurch eingeleitet, daß 
man fie auf der Malztenne in 12—15 cm hohe 
Haufen auffhaufelt u. alle 6—8 Stunden um— 
ſücht, bis die Oberfläche getrodnet ericheint. Hierbei 
beginnt bereits die Keimung, u. das Würzelchen 
ericheint am Korne als weißer Punkt: das Korn 
äugelt oder guzt, wie man jagt; alsdann fteigert 
man die Temperatur im Haufen durch höheres 
Aufthürmen bis 30 cm u, fticht feltener um. Die 
Temperatur fteigt nun bald um 6°—10° iiber die 
der Umgebung im Haufen u. bewirkt dadurch eine 
ftarte Berdunftung der noch darin enthaltenen 
Feuchtigleit: die Gerfte ſchwitzt; dabei entwideln 
fih große Mengen von Kohlenfäure u. ein an« 
genehmer obftartiger Gerudh. Nah 2—3maligem 
Umfhaufeln, um die Keimung gleihmäßig z' 
halten, find die Würzelhen 6—8 mm lang ur 
alle Körner dadurch aneinanderhängend, gleichſen 
verfilzt. Nun wird die Keimung dur Ern’de 
rigung der Temperatur, die man durch Auflit» 
anderziehen der Haufen erreicht, unterbrojen. 
Das Keimen dauert durchgängig ca. 8 Zar, in 
falter Jahreszeit etwas eg in warmer wuiger 
fang. Da ſich dabei viele Wafferbünfte entndelu, 
müſſen die betrefienden Focale, die Malzlarmerı, 


Bier. 395 


mit unverweilihen Fußböden, alfo aus Platten Keimen alle in Zuder verwandelt ift u. die erft 
oder Cement, verjehen fein u. in denſelben für, beim daranf folgenden Maifhen, das den Zwed 
guten Abzug der Feuchtigkeit u. der ſich entwideln-' hat, alles in Waffer Yöslihe aus dem Malze aus— 
den Kohlenjäure durch Kanäle mit Lotten zc. gejorgt zuziehen, volllommen verſchwindet. Man hat ver- 
werben, die aber alle jo anzulegen find, daß der jchiedene Maiſchmethoden, nad) der jog. Infuſions- 
directe Zug u. die Luft micht die feimende Gerfte methode behandelt man das eingeteigte Malz- 
treffen u. abkühlen. Wände u. Dede follen eben- ſchrot mehrere Male nach einander, meift 3mal 
falls ohne Holz conftruirt u. fehr reinlih gehalten | mir Waffer von 75°, u. vereinigt die fo gewonnenen 


fein, um allen Unla zu fauliger Gährung zu | Onantitäten Würze im 
vermeiden. In neuerer Zeit wendet man nach Diruetienkweii 


dem Borgange der Engländer häufig eine andere 
Art des Keimend an (bei der man nah dem 
Schwitzen des Haufens denfelben nicht erhöht, 
fondern im Gegentheil auseinanberzieht, um die 
Zemperatur zu erniedrigen und das Keinten zu 
verlangjamen, mobei ſich ftatt der Wurzelfeime 
die Blattleime des Kornes mehr entwideln u. das 
Malz kräftiger wird), die fog. Wiener Methode, 
die aber faft doppelt fo große Tennenräume er- 
fordert, weil das Keimen hierbei 14 Tage Zeit 
erfordert. Die gefeimte Gerfte ſchmedt ſüß, nicht 
mebr mehlig, die Keime haben die 12 —2fache 
Kornlänge, u. das Malz fühlt fich dadurch filzig 
an; e3 fommt fofort auf den Trodenboden, den 
Schmelg- oder Welhboden, einen dem Luftzuge 
ansgefetten Raume, mo es ausgebreitet u. öfter 
umgeftohen wird, täglih 5—7 mal. Nachdem 
das Malz getrodnet ift, fallen die Würzelchen ab, 
u. die noch heftenden werden durch Durchtreten 
mit Holzfhuhen entfernt und durch eine Wurf- 
maſchine abgefondert. Das jo gewonnene Malz 
nennt man Luftmalz. Kür die meiften Bere 
wird das Malz aber gedarrt, wodurd das Yuit- 
mal; in Darrmalz iülbergeführt wird. SHierzu 
wird das Grünmalz direct von der Malztenne 
auf die Darre gebradt, dur häufiges Wenden 
u. fehr mäßige Wärme getrodnet u, dann einer 
dem Siedepunkte des Waffers naheliegenden Tem- 
peratur ausgefett, wobei duch die Einwirkung 
der Diaftafe u. der höheren Temperatur weiteres 
Stärfemehl in Zuder verwandelt wird. Die 
Darre befteht mwejentlih aus der Darrplatte umd 
der Heizung. Früher leitete man durch gemanerte 
Kanäle, auf deren Boden aus Platten Das Malz 
lag, die Safe einer Feuerung der Brauerei und 
gewann jo Rauchmalz, neuerdings leitet man er- 
wärmte Luft über od, unter das auf durchlöcherten 
Blechen oder Siebböden —— Malz her u. 
ewinnt Darrmalz. Die Conſtructionen letzterer 
rt find ſehr mannigfach, u. wird bei denſelben 
oft auch mechaniſche Kraft angewandt, um ein 
öfteres gleichmäßiges Wenden des Malzes be— 
wirken zu können. Nach dem Darren werben 
dann ebenfalls mechaniſch auf einer Malzputz— 
maschine die Keime rein entfernt. 100 Bid. Gerfte 
geben 92 Pfd. Luftmalz und 80 Pfd. Darrmalz. 
Es folgt nun das eigentlihe Brauen des Bes, 
das aus der Gewinnung der Würze aus dem 
Malze, dem Kochen und Hopfen derfelben, dem 
Abkühlen u. der Gährung befteht. Zur Würze 
gewinnung wird das Malz geichrotet, zergueticht 
auf einer Schrotmühle, u. das gewonnene Schrot 
eingeteigt, mit etwas Waffer befeuchtet ae Auf: 
weichen der löslihen Theile, u. zur Wiederein- 
leitung der Wirkung der Diaftafe auf die noch 
unveränderte Stärke, die keineswegs durd das 


Braufeffel; nah der 
ode wird ein Theil der Maiſche 
im Braufeffel zum Sieden erhigt u. mit dem an— 
deren Theil vermischt, jo daß alles zufammen auf die 
richtige Maifchtemperatur lommt. Das Maifchen 
geiieht in großen, meift runden Bottichen, mit 
doppelten Böden, deren oberer durchlöchert ift u. 
meift aus Kupfer beſteht. In großen Brauereien 
befindet fi) im Bottich eime mechanifche Rühr— 
borrichtung, um die Maifche ordentlich durdhzus 
arbeiten, was früher mur mit der Hand gefchab. 
Kleinere Abweichungen beim Decoctionsverfahren 
begründen das bayerifhe, Augsburger zc. Ber» 
ed die alle aus einer Zeit ſtammen, wo man 
ih über die miffenfchaftlihen Principien der 
Brauerei noch nicht Rechenſchaft gab, fondern nur 
nach hergebradhten u. erprobten Zunftregeln ar« 
beitete, ohne weiteres Nachdenlen. In den neuen 
großen u. ratiomell betriebenen Brauereien wird 
faft nur noch nach der Jnfufionsmethode gearbeitet, 
u, nur die mehr oder minder große VBolllommen« 
heit der mechanischen Apparate, Vormaiſch- und 
Maiſchmaſchinen begründet äußerliche Unterfchiebe, 
Die im Maifchbottih gewonnene Würze ſammelt 
fih im fog. Grand, einem unter dem Maijchbottich 
befindlichen Behälter, aus dem fie die Würzepumpe 
in dem Braufefjel befördert, u. der zweite u. dritte 
Aufguß wird gemacht. Die gefammelten Würzen 
werden mittel$des Sacharometers auf ihren Zuder- 
gehalt geprüft w., um immer mit gleicher Würze 
zu arbeiten, durch Verdünnen auf gleihen Gehalt 
gebradht u. dann verfotten, Die Würze enthält 
Stärkezuder, theilweife unverändertes Stärke— 
mehl, Dertrin u. eiweißartige Subflanzen, fowie 
die Aichenbeftandtheile des B-e8, die aus dem Ge- 
treide ertrahirten phosphorfauren Salze. Das 
Kochen der Würze bezwedt, diefelbe zu concen- 
triren, den dabei zugeiehten Hopfen zu ertrahiren, 
die eiweißartigen Subftanzen gerinnen zu machen u. 
diefelben nebft dem noch unveränderten Stärkemehl 
durch die im Hopfen enthaltene Gerbfäure auszu— 
fällen, alfo die Würze zu Hären. Hierzu wird die 
Würze im Braufefjel, deſſen zweckmäßige Heizung 
wichtig ift, zum Sieden gebradt u. der Hopfen ent- 
weder lofe eingegeben, oder in einem Gefäße mit 
durchbrochenem Boden nur eingehängt. Die Menge 
dejfelben variirt von 1—3 kg pro hl angewandtes 
Malz, je nach der Qualität des Hopfeus u. der 
beabfichtigten Haltbarkeit des B-es. Fit das Ei- 
weiß geronnen u. fegen ſich die Flocken deffelben 
in einer genommtenen Probe ſchnell ab, jo fagt 
man: bie — iſt gebrochen, u. man ſiedet ſo 
fange weiter, bis dieſelbe die nöthige Concentra- 
tion bat, die man wieder mit dem Saccharemeter 
bejtimmt, und pumpt fie num auf das Kiüblichiff, 
flache, jetst meift ans Eifen conſtruirte, 20—25 cm 
tiefe, meift vieredige luftig aufgeftellte Gefäße, um 
die Würze ſchnell auf die zur Einleitung der Gähr— 


396 


ung paffende Temperatur, 7—10°, berabzubringeit, 
da fie bei 25 — 30° leicht in Michjäurengährung 
Abergeht un, dann ſchlechtes B. liefert. Durch ver- 
vollfommnete Kühlvorrichtungen, z. B. indem man 
die Würze auf ihrem Wege zum Küblſchiffe durch 
ein Nöhrenigftem leitet, das mit Eis umgeben ift, 
oder indem man die Abkühlung auf dem Schiffe 
durch mit Eis gefiillte Behälter, die man auf der 
Würze fhwimmen läßt, befördert, u. auch mittels 
Ventilatoren darüber geblafener falter Luftftröme 
ift man dahin gefommten, jetst ſelbſt mitten im 
Sommer brauen zu können u. haltbareres u. bej- 
feres B. zum erzielen, als früher, wo man nur im 
Winter allein brauen konnte. Die Concentration 
der Würze beträgt in Bayern bei Schanfbier 
10,, pEt., bei Yagerbier 12,, pCt., bei Bodbier 
15,, pEt., bei Salvatorbier 17,, pCt. Aus dem 
Kühlichifie wird die Würze in die Gäbrbottiche ge- 
bracht und in ihnen meift durch Hefenzujat die 
Gährung eingeleitet. Diefelbe tritt bei paſſender 
Temperatur auch von jelbft durch die flets im 
Gährlocal vorhandenen Hefenf poren ein, u. man 
wendet diefe Selbftgährung 3. B. in Belgien bei 
dem dort gebrauten Faro u. Yambil an, Biere, die 
aber dadurch immer Milchläure enthalten, deren 
Bildung fih dann mie vermeiden läßt und die 
dadurch ſauer ſchmecken. Durch Hefenzufag wird 
dieſe von ſelbſt eintretende Selbſtgährung um— 
gangen, die in Bezug auf die Brauchbarkeit des 
Bees immer etwas gefährlich ift, weil man ihre 
Yeitung weniger in der Hand hat, die Gährung 
wird regelmäßiger, und man laun fie nah Be» 
lieben verlängern und leiten. Je nachdem man 
Ober⸗ oder Unterbefe (f. Hefe) zuſetzt, befommt 
man obergähriges oder umntergähriges B. Die 
Obergährung wird bei folgen Würzen angewandt, 
die ein fchnell trinfbares, kohlenſäurereiches B. 
liefern follen; fie verläuft viel rafcher u. ſtürmiſcher, 
als die Untergährung, die für die Bereitung des 
bayerifhen B-es allein angewendet wird. In den 
Sährbottichen, großen Gefäßen von 1000—2000 | 
Inhalt, aus Eichenholz, oder in neuerer Zeit aus 
Glas oder emaillirtem Gußeiſen, gibt man ent— 
weder die Hefe fofort in die Würze, oder man 
mischt einen Theil der Würze mit der Hefe u. ſetzt 
diejes dann binnen 4—5 Stunden in Gährung 
übergehende Gemisch der Würze in den Bottichen 
zu. Erſtere Art nennt man das —— 
letzteren das Herführen des B-es. Ju beiden 
Fällen gibt ſich nach 10—12 Stunden die begin- 
nende Berfegung des Zuders durch Kohlenſäure— 
bläschen zu erfennen, welche einen weißen Kranz 
am Rande des Bortiche bilden; nad) weiteren 12 
Stunden ift die ganze Oberflähe mit Schaum: 
maſſen bededt, die fih conſiſtent anfehen u. wie 
zerllüftet ausjehen, man fagt: das B. fteht in den] d 
Kräufen; dabei riecht man deutlich die Kohlenſäure. 
Die Kräufen bleiben 2—4 Tage, fallen dann zu 
fammen u, bilden zuletzt noch eine braune, dünne 
Dede, aus harzigen u. öligen Hopfenbeftandtheilen 
beitebend; Hefe zeigt fib nur wenig, od. gar nicht 
an der Oberfläche, diefelbe tt alle am Grunde der 
Bottihe. Während der Gährung, die 7—10 Tage 
dauert, war die Temperatur der Flüſſigleit etwas 
über die des umgebenden Yocals geftiegen, der 


Bier. 


das fo fertige B. Jungbier od. grünes B. Es 
euthält nun weniger Zuder, als vorber, aber dafür 
Allohol, u. die Zahl der vergohrenen Zuderprocente, 
dividirt durch die Zahl der urjprünglih in der 
unvergobrenen Würze enthaltenen, gibt den jchein« 
baren Bergährungsgrad an. Das B. wird num 
möglihft volltommen von der Hefe abgezogen u. 
zur a le die man, wenn fie nicht eine 
treten will, durch Zufag von etwas Kräufenbier 
einleitet, in die Lagerkeller gebradt,. Wil man 
das B. abfüllen zum Verſchänten, fe fehlieft man 
etwa 14 Tage vorher die Fäſſer, damit die Koh» 
lenfäure Drud befommt und das Bier fih damit 
fättigt; auf den Schanffäffern muß dann das B. 
an Ort u. Stelle wieder mehrere Tage liegen 
bleiben, um fich zu erholen, damit die Kohlen 
ſäure fih wieder fpannt u. das B. rahmt. Um 
einen Begriff der Zufammenfegung der Würze u. 
der ausgegobrenen Be zu geben, diene folgende 
Zulammenftellung nah J. Gſchwändler aus 1868. 
Es enthält Würze, die gewonnen wurde durch 

Decoction. Infufion. 5. Bodkier, 


Audr 0... 4,as d,26 ‘10 
Dertrin. . » . 6 3  dıso 
Stidftoff- Subftanz .- 0 — 1,ss 
Aſchenbeſtandtheile —PE O,s3 V,10 
Spe. Gm. . .. 1,08 lyor l,o5 
Extract . . 11, 11 17,08 


Dagegen das vergohrene ®. aus obigen Würzen: 
Decoction. Infufion. F. Bodbier. 


Altobol . Pe er 2,aı 3,15 3,08 
Zucker 1,53 1 ,a3 2,38 
Stidftoffb. Subitanz . o2 _ Op 
Aſcheubeſtandtheile O,ng O,a5 O,40 
Sp. ©. d. Ertractlöj. Is * Los 


Ertractmenge . . 9,os 
Um noch einen Begriff er Aitobaigehaftes der 

verjchiedenen B-e zu geben, diene folgende Zuſam⸗ 

menftellung. Es enthalten in Gewichtäprocenten: 


Würzburger Lagerbier . 4amdız 

R Schentbier.. on Ba—da 
Kulmbaher Lagerbier 00. Bd 
Mündener r ee Abu 

r Salvator . . R dus 

z Bod. . 0 Ada 
Porter (Barkley, Berkius & Co., Lond.) 5,,—7 
Schwechater B. von Dreber 4, 
Mainzer Actienbier . . . 9,5 
Dresdener a yore : de 
Straßburger B. ? Ay 
Bilfener B. . B,s 
Berliner Tivoli 4a 
Böhmische Brauerei in Berlin 3% 


Die Menge der freien Kohlenſäure im B. be» 
trägt 0,,—0,, p&t, Die Menge des Ertracts, 

"}. der Summe von Dertrin, Hopfenbeftand- 
theilen und der durch die Gährung entjtandenen 
Bernfteinfäure 2c., beträgt in verſchiedenen Ben 
5—20 pCt. 5 in den gewöhnlichen B-en, 9—10 
im Bodbier u. 15—20 im Burton Ale. 

Das B. ift in der neueften Zeit ein wejentfiches 
Genußmittel für weite Kreife geworden, u. der Um- 
jag darin ift jo bedeutend, daß man längſt nach 
einer Methode fuchte, um feinen Gehalt zu beftim« 
men, Man betrachtet im Allgemeinen bie oben 


Ausgleich findet nun wieder ftatt, u. man nenut|für einige B-e angeführten Beftandtbeile, nämlich 


Bierbefteuerung. 


397 


den Altoholgebalt, den Gehalt an Ertract und] Surrogaten, zum Theil nach der Menge der Würze 


Koblenfäure als Maßftab für feine Güte, außer 
feinen phyſikaliſchen Eigenfchaften, dem Gefchmad, 
Geruch, der Farbe, Eonfiftenz, Glanz zc., u. hat 
mande Methode zur Beftimmung obiger Beftand- 
theile ausgedacht, die ſich mehr oder minder alle 
darauf gründen, das ſpec. Gew. des feiner Koh— 
lenfäure beraubten B⸗es einmal mit feinem Allohol⸗ 
ehalte, das andere Mal nach Abdeftillation deſ— 
in en zu beftimmen; aus beiden Daten läßt fich 
der Alloholgehalt felbft und die Ertractmenge 
beftimmen, zu melhem Zwecke Balling nod 
befondere Zabellen berechnet bat. Bon den bei 
der Brauerei fi) ergebenden Abfällen ftehen der 
Maſſe nad) die ihres Zuder- u. Ertractgebaltes 
beim Maiſchen beraubten Trebern obenan; fie ent« 
halten noch unzerſetzte Gerfte u. ſtickſtoffhaltige 
Subftanzen u, dienen als Viehfutter; Die abge» 
tretenen oder auf den Mühlen entfernten Malz— 
teime find ebenfalls ein ſehr gutes Futtermaterial. 
Das Kühlgeläge, d. h. das, was fih aus ber 


vor dem Berfieden, zum Theil nad der Menge 
des fahricirten B-e8 erhoben wird. Über die 
Zwedmäßigfeit der verichiedenen Erhebungsmethos 
den ift man noch nicht einig, am einfachften und 
die eigentlihe Brauerei am wenigften beengend 
fcheint immer noch die im Deutfchen Reiche übliche 
Methode, das zu verarbeitende Malz zu befteuern; 
ein Centner Malzichrot bezahlte im früheren Nord» 
deutichen Bunde 2,00 M, in Bayern 1 hl 4,00 M, 
in Ofterreich wird die Steuer nach der Menge des 
erzeugten B-e8 auf dem Kühlſchiffe gemeſſen bezahlt 
u. gleichzeitig nach der Stärke des Gebräues. Eine 
wie weſentliche Einnahmeanelle die B-fteuer bildet, 
geht daraus hervor, daß diefelbe in Preußen 
1,7 pEt., in Bayern 11,5 pEt., in Württemberg 
14 pCt. u. in England, Frankreich u. Belgien 8 
bis 9 pCt. ſämmtücher Staatseinnahmen beträgt, 
u. daß in Preußen pro Kopf der Bevölkerung 
394 1, in Bayern 209 1, in MWirttemberg 154 1, 
in England 118 1, in Frankreich 194 1 Bier 


zuderigen gejottenen Wirze auf dem Kühlfchiffe noch jährlich gebrant werden, 


abjegt, wird meift in Branntweinbrennereien ber 


Production n. Conſumtion. Diejelbe hat 


nugt, während die fid) bildende Hefe wieder zur ſich in der Neuzeit in einer früher nicht geabnten 
B-erzeugung, zum größeren Theil aber beim Baden) Weife vergrößert. Auf Grundlage der umfaffen- 
verwandt wird. Faſt in allen Ländern ift das den Berechnungen des vorzugsweiſe fachlundigen 
Brauereigewerbe mit einer Steuer belegt, die zum|Guftan Nobad vom %. 1873 hat Kolb (Handb. 
Theil nad) dem verarbeiteten Malz und deſſen d. Statiftit) folgende Zufammenftellung geliefert: 


Brauereien, Production. Pro Kopf. Stenerertrag. 
Preußen (1871) . . . 11,053 972,190,300 Piter 394 Viter 3,234,000 Thlr. 
Sadien (1871) . 2 2 2. 757 154,527,939 „ 04 514,000 . 
Uebriges Norddeutſchland (1871) ca. 2,500 200,298,994 „ 44 „ 670,090 
Bayern, rechtsrheinifches (1871) 5,177 920,703,230 „ 219 9617,000 fl. ſildd. 
2,510 280,108,567 „ 154 „  2,917,000 „ 


Württemberg 1370—71). .. 


Baden (1871) 41,895,597 „ 6 „ 990,000 


Elſaß⸗Lothringen — 2,636 83,631,200 „ 1 „° ? 
Defterreih- Ungarn (1872) 1,221,199,953 „ 444 „ 24,258,000 fl. öfterr. 
Großbritannien (1870 2,671 3,568,259,103 „ 118  „ 6,978,000 Bid. St. 
Belgien . © 2 200. ca. 2,600 ca. 700,000,000 „145 „ 13,848,000 Francs. 
Niederlande (1872) . - . 560 135,571,800 „ 21. .-, 730,000 n. holl. 
N ca. 709,000,000 „ 19 . ? 
hmweden und Norwegen (1870) 253 77,340,000 „ ib. 5 : 
Rußland (1871) . . . 2 2. ca. 120,000,000 „ 1%. (%) 
Bereinigte Staaten (1471). 2,785 998,199,800 „ 26 „ 7,800,000 Doll. 


(Bg. Nobaf, Guft., Die B-production in Öfter- | mit Ausnahme von Böhmen. In Rußland ſank 
reich · Ungarn, im Deutfchen Reiche, in Großbritan- die Confumtion im J. 1874 auf 3,094,020 Eimer, 
nien, Belgien zc., herausgegeben bei Gelegenheit d. h. 614,734 Eimer weniger als im Borjahre. 


der internationalen Brauerverfammlung in Wien 
während der Weltausftellung, Wien 1873.) 
Diefe Ziffern dürften in den meiften Ländern 
während der jüngften Zeit feine wefentlihen Under» 
ungen erfahren haben, nachdem das Daniederlie- 


en der Induſtrie feit 1873 auch in der B-cons 
ln fih bemerkbar machte u. einen weiteren 
Es ergibt fih aus obiger 
Bufammenftellung, daß die B-confumtion im rechts» 
rheinifhen Bayern am größten ift, fogar weit 
größer, als in England; nad) einer von der obigen 
nur wenig abweichenden neueren Berghnung dort 
204, hier nur 120 1 pro Kopf. Im J. 1874 
verfteuerten die in der Stadt Minden ſammt Vor⸗ 
ſtädten beftehenden 18 Brauereien 574,465 hl 
Malz, was auf eine Production von mindeftens 
120, vielleiht 150 Millionen 1 fchließen läßt. In 
Ofterreih-Ungarn zeigte fi 1874 ein Rüdgang, 


Aufihwung hemmte. 





Vgl. Otto, Lehrbuch der Tandwirthichaftlihen Ges 
werbe, Braunſchw. 1865; Balling, Die B-brauerei. 
Prag 1865; die betreffenden Artifel in Karmarſch 
u, —— echniſchem Wörterbuch, Prag 1875, u. 
in Muspratts Chemie in Anwendung auf Künfte 
u. Gewerbe, deutich von Kerfu. Stohmann, Braun« 
ſchweig 1873, fowie die betreffenden jährlichen Ber 
richte in Wagners Fortſchritten der chemiſchen 
Technologie, Leipzig, die fein Brauer ungelefen 
laſſen ſollte. 
Bierbeſteuerung. In den zum Weinbau 
weniger geeigneten Ländern Mittel-Europas iſt die 
Beſteuerung des Bieres infolge der Größe der 
Bierproduction eine der ergiebigften u. daher aud) 
wichtigſten PVerbrauchsiteuern. Bei Gelegenheit 
der en Weltausftelung im J. 1873 ift con 
ftatirt, daß auf den Kopf der Benölferung in 
Bayern 240% 1, in Württemberg 1544 1, in Belr 


398 


gien 145 1, in Großbritannien u. Irland 118 |, 
un Baden 63 |, in Sachſen 60% |, in Preußen 
394 1, in Holland 37 1, in Öfterreich -Ungarn 
344 |, in Frankreich 194 ], in Schweden u. Nor- 
wegen 13 I n. in Rußland 1% 1 Bier kommen. 
Die Bierfteuer, auch Bierauffchlag, ift von den 
Bierproducenten zu entrichten u. wird gewöhnlich 
entweder von dem zur Biererzeugung nötbigen 
Malze (daher auch Braumalzfteuer), oder von der 
in den Braupfannen erzeugten Bierwürze berech— 
net u. eingeboben. Ju England ift die Erheb- 
ung der Braumalzjtener dadurch ſehr erleichtert, 
daß infolge der daſelbſt body entwidelten Arbeits- 
theilung, fowie der Größe der beftehenden Bier- 
brauereien bejondere Malzfabrilen für die Her 
richtung des Malzes beſtehen. Der Aufichlag wird 
dort auf die Malzerzengung gelegt, u. die Bier- 
fteuer bei den Malzfabriten mit 1 Thlr. 14 Sgr. vom 
preuß. Scheffel erhoben. Auf dem europärihen Eon- 
tinent dagegen geichieht das Malzen meiſt von den 
Brauereien felbit, u. es fann die Braumalzfteuer 
daber erft bei der Berwendung des Malzes er- 
hoben werden, was in Bayern u. Württemberg 
beim Schroten, in Preufen u. Sachſen beim Ein- 
maischen des Malzes für die Bierproduction ge> 
ſchieht. Die Steuererhebimg beim Schroten des 
Malzes jet voraus, da die Bierbrauer ſelbſt feine 
Schrotmühlen befigen, oder im Gebrauche der- 
felben ftreng überwacht werden; daher ift auch im 
Bayern den Brauern verboten, cigene Schrot« 
müblen neu anzulegen, u. dort, wie in Wirttem« 
berg, werben die vorhandenen von den Steuer: 
beamten unter Verſchluß gebalten. Die Brauer 
haben, bevor fie ihr Malz auf die Schrotmüble 
bringen, dafielbe zu verftenern, in Bayern mit 
21 Sgr. 4 Pf., in Württemberg mit 13 Sur. 
vom preuß. Scheffel, u. die Müller dirfen nur 
jene Quantitäten jchroten, für welche ihnen die 
Stenerquittungen ausgefolgt wurden, worüber 
fie von den Gteuerbehörden controlirt werden. 
In Belgien u. Holland geichieht die Erhebung 
der Braumalzftener ftatt nah dem Gewichte des 
Dialzichrotes nah dem Maßinhalte der Maiſch— 
gefäße mit 18 Sgr. 84 Bi. pro preuß. Ohm. 
Es ift dies eine Beranlaffung für den. Brauer, 
in demfelben Gefäße möglichſt viel, alſo möglichft 
rafch zu maifchen, was aber auf Koften eines ra- 
tionellen Brauverfahrens u. der Bierqualität ge 
ſchieht. Die Erhebung der Bierfteuer nach der 
Ouantität u. Qualität der erzeugten Bierwürze 
geichieht in yranfreih mit 27 Sur. 5 Pf., in 
DOfterreih mit 1 Thlr. 6 Sgr. u. in Baden mit 
13 Sgr.1 Pf. pro preuß. Ohm des Keffelinhaltes. 
Es werden die in jeder Brauerei vorhandenen 
Braukeſſel oder Braupfannen auf ihren Raum« 
inhalt bebörblich geeicht, u. der Brauer hat, fo 
oft er fieden will, die Anzeige bei der Steuerbe- 
börde zu machen, in deren Gegenwart allein ge- 
fotten werden darf. Die Steuerbeamten über- 
wachen das ganze Verfahren vom Einmaifchen 
des Schrotes bis zum Ablaffen des Bieres von 
der Küble, u. haben bejonders darauf zu ſehen, 
daf während des Ablaflens des Sudes nichts in 
die Pfannen zugegofien, oder ein zweiter Sud in 
der angemeldeten Zeit gemacht wird. 
jhen Reiche, mit Nusnabme von Bayern u. Würt— 


Bierbefteuerung. 


temberg, Baden, Eliaß-Totbringen, des großherzogl. 
ſächſ. Bordergerichtes Oſtheim und des berzoglich 
fadhien-foburg»gothaiichen Aıntes Königsberg wird 
jet die B. al& Braufteuer auf Grund bes Ge: 
jeßes vom 31. Mai 1872 (R.G.Bl. ©. 153) 
von den Stoffen, welche u. ſdiern fie zur Bereit- 
tung des Bieres verwandt werben, nad folgen- 
den Sägen erhoben von: 


Tr. Ear. 


1. Getreide (Malz, Schrot zc.) mit. — zu 
2, Neis (gemahlen od. ungemahlen) mt — 26 
3. grüner Stärke (d. 5. die mindeſtens 

30 pCt. Waſſer enthält) mit — 20 
+. Stärke, Stärtemehl (einſchließlich Kar- 

tofielmehl) u. Stärfegummi (Der: 

Bo ee. de 
5. Buder aller Art und Buderauflöfun: 

gen mit. a Er Tee Dr 
6. Syrup aller Aıt mt . ». x... 1 — 
7, allen anderen Malzfurrogaten mit . 1 10 


für jeden Centner. Iſt mit der ſteuerpflichtigen 
Bereitung des Bieres auch Ejfigbrauerei verbun— 
deu, oder wird Eifig aus jenen Stoffen in eigens 
dazu beſtimmten Anlagen zum Berlaufe oder zu 
gewerblichen Zweden bereitet, jo muß die Brau- 
ſteuer auch von dem zur Ejfigbereitung verwen— 
deten Material entrichtet werden. Die Bereitung 
von Vier ald Haustrunk obne befondere Bran- 
anlagen ift ftenerfrei, wenn die Bereitung lediglich 
zum eigenen Bedarfe in einem Haushalte von nicht 
mehr als 10 Perſonen über 14 Jahren geichiebt. 
Über die Brauereiräume, Brauftoffe u. Gefäße 
wird fortwährend ſeitens der Steuerbehörde 
ftrenge Controle geführt, u. müſſen derſelben alle 
Aenderungen angezeigt werden. Wer brauen will, 
ift verpflichtet, der Steuerhebeftelle jchriftlih are 
zuzeigen, welche Gattung u. Menge der Brauftoffe 
er zu jedem Gebräu nehmen, an welchem Tage 
u. zu welcher Stunde er einmaiſchen u. wie viel 
Bier er aus dem angegebenen VBraumaterial zie- 
ben will, Das Einmaiſchen geichieht in Gegen- 
wart des Steuerbeamten und ohne diefelbe nur, 
wenn diefer nicht innerhalb einer Stunde nach der 
angegebenen Zeit des Einmaiſchens erſchienen ift. 
Die Bierfteuer fann aber auch vom fertiggeftellten 
Bier erhoben werden, wie es früher in Hannover 
der Fall war. Diefe Erbebungsart ift die ohne 
Zweifel am —— läſtige u. loſtſpielige, und 
wenn gegen dieſelbe hauptſächlich eingewendet wird, 
daß dabei die verſchiedene Qualität des Bieres 
unberüdjichtigt bleibt, ftarfes und ſchwaches gleich 
body beſteuert ift, jo werden anderjeit$ auch Die 
Brauer nicht, wie bei der Braumalzftener, fich 
verfucht finden, den Gehalt ihres Bieres möglichft 
gering zu machen. Inſofern das Vier nicht zu 
unferen unentbehrlichſten Berbrauchsartifeln, wie 
Mehl, Salz, Breunmaterialien u. dgl., gehört, mag 
die B. weniger ungerecht ericheinen, als andere 
Arten der bejtehenden Gonfunttionsfteuern. Das 
Mißverhältniß, in welchem die B. Neih u. Arm 
belaftet, wird durch das im umgefehrten Berbält- 
niß beftehende Mifverhältnig der Weinftener, bezw. 
des Weinzolles ausgegliben. Es kommt nur 
darauf an, daß die B. im richtigen Berbältnif 


Im Deut-|zu der auf anderen geiftigen Getränfen (Wein, 


ranntwein) laftenden Steuer fteht. Infolge einer 


Bierbrauen — Biermann. 399 


übertriebenen Bierbeftenerung würde der Ber 
brauch diefes für die arbeitende Bevöllerung vor⸗ 
züglich zuträglihen Getränfes vermindert und da- 
A bei demfelben der Genuß des gefundheits- 
hädlihen Branntweines zunehmen, wie joldyes 
in Holland, Frankreich, England u. anderen Län- 
dern beobadhtet wurde. Diaurus. 

Dierbranen, ſ. u. Bier. 

Diercomment, der Gebrauch, welcher bei 
Studentenverbindungen auf der Kneipe und bei 
wen Eommerfen im Trinken, bei. im 

or- u. Nadhtrinfen, zu beobachten if. 

Bierefel, Vogel, jo v. w. Pirol. 

Dierejfig, aus Bier gemonnener Eifig, na- 
mentlih aus dem Glattwafjer dargeftellt, einem 
fehr verdünnten Malzauszuge, der aus der bereits 
ertenfirten Maiſche durch nochmaliges Behandeln 
mit Waſſer gemonnen wird, 

Bierey, Öottlieb Benedict, Eomponift, geb. 
25. Juli 1772 in Dresden; war erft Muſik— 
director einer wandernden Schaufpielergeiellichaft; 
ging 1788 zur Döbbelinfchen, 1794—1806 zur 

econdafhen Gejellihaft, lebte bis 1808. in 
Wien u, fam dann als Mufildirector nach Bres— 
fau, mo er 1824 das Theater in Padıt nahm, 
aber 1828 die PDirection an v. Biedenfeld und 
Piehl abtrat u. 1829 fein Amt miederlegte; er 
hielt fi hierauf abwechſelnd zu Mainz, Yeipzig, 
Dresden u. Weimar auf u. kehrte ſchließlich nach 
Breslau zurüd; er ft. dafelbit 5. Mai 1840. B. 
componirte u. a. die Opern: Wladimir, Roſette, 
Die Gemjenjäger, Phädon und Naide, L’asilo 
d’amore, Der Mädchenmarkt, Jery u. Bätely, Die 
EHeftandscandidaten, Das Donaumeibchen (3. Theil), 
die ofiene Fhede u. a., Cantaten, Märiche, So— 
naten u. Variationen für Klavier. Er fr. aud) 
ein Werf über den Generalbaß. Brambadı. * 

Bierhefe (Saccharomyces Cerevisiae Meyen, 
Hefenpilz), Pilz aus der Fam. der Sacharompce- 
ten, jehr niedere Pilzformen von noch nicht vollſtändig 
belaunter Stellung im Syſtem; eiförmige, chloro- 
phylloſe Zellen, welche bei Gegenwart von freiem 
Sauerſtoff u. geeigneter Nährlöſung wachſen und 
ſich durch ſogenannte Sproſſung vermehren, d. h. 
an einer oder zwei Stellen Ausſtillpungen treiben, 
welche bald die Größe der Dutterzelle erreichen 
u, von diefer durch eine Wand gejchteden werden, 
Auf diefe Weife entftehen rofenkranzförmige ein" 
fache, oder auch verzweigte Ketten, deren Glieder 
ſich leicht iſoliren können. Nach neueren Unter: 
ſuchungen ſoll e8 die nicht wachlende, vom Zu— 
tritte des freien Sauerftoffes abgeſchloſſene Hefe 
fein, welche in Zuderlöjung altoboliihe Gährung 
erregt, dadurch, daß fie den aufgenommenen Zuder 
in Kohlenſäure u. Allohol zerſetzt. Brefelds Be- 
obachtungen haben erwiejen, daß die Hefe dieſen 
. abnormalen Yebensproceh unter langjamer Ab» 
ſchwächung ihrer Lebenskraft wochenlang fortfegen 
fann. Da amderjeits die Hefe den freien Sauer» 
ftoff ihrer Nährlöfungen fehr raſch aufnimmt, fo 
tritt in denjelben leicht Mangel an freiem Saner- 
fioff ein u. damit die abnorme Lebensthätigfeit 
der vorhandenen Hefezellen, deren Folge die Gähr- 
ung if. Daber fünnen in einer und derjelben 
Flüffigleit Gährung u. Wahsthum der Hefe zu— 
gleih eintreten, wenn auch ihre Oberfläche mit 


der freien Luft in directer Berührung ſteht. Es 
darf übrigens nicht unermwähnt bleiben, daß die 
ausgeiprochenen Sätze auch von mander Seite 
angefochten werben. Außer der oben ermähnten 
Vermehrung der Hefe durch Sproffung ift noch 
eine andere Art der Vermehrung conftatirt wor« 
den. Werden nämlich Hefepilze auf einer trode-, 
neren Unterlage, 3. B. auf Scheiben der Mohr- 
rübe cultivirt, fo entftehen in den Bellen 2—4 
Tochterzellen durch freie Zellbildung, ſog. Gont- 
dien, welche aus der Mutterzelle ausſchlüpfen u. 
fo wie dieje fih dur Sproffung vermehren; auch 
dies iſt ungeſchlechtliche Fortpflanzung, eine ges 
ichlechtliche ıft bis jetzt nicht befannt. Der Hefe 
pilz fann, wenn er bis zu einem gewiflen Grade 
eintrodnet, feine Keimtraft lange Zeit bewahren; 
die Temperatur, ber weicher er fortwächſt, liegt 
zwiihen + 8° u. 35° C.; zum Wachsthum it 
außer freiem Sauerftoff die Gegenwart von Koh— 
lenjtoffverbindungen (Pflanzenichleim, Pflanzen- 
eiweig) u. von Salzen (namentlih von phosphor— 
ſaurem Kali) erforderlih; geht die Gährung bei 
einer niederen Temperatur (4—10° C.) vor 
ih, wie beim Brauen des Bayerischen Bieres, 
jo jind die Zellen beinahe fugelförmig u. ſammeln 
ſich am Grunde der Fzlüffigkeit (fog. Untergäbrung); 
bet einer höheren Temperatur (14—18°), wie 
beim Brauen des gewöhnlichen Bieres, bilden ſich 
mebr rofentranzförmige Kitten, d. h. die in die 
Hefe getretenen Pilze können bei Aufnahme von 
Sauerſtoff wachjen und fich vermehren und ſam— 
meln fih an der Oberflähe (Obergäbrung). 
Aus der Oberhefe erhält man durch Answaſchen 
mit kaltem Waffer, Ausprefien u. Trodnen eine 
bräunlich- weiße, durchicheinende, brüchige Maſſe, 
die man als Ferment zum Bierbrauen u. Brannt« 
weinbrennen braucht. Die nicht bittere Weißbier- 
befe wird auch zu mancherlei Hefenbadwert be— 
nugt. Da aber die B. fehr bald ihre Wirkfan- 
feit verliert u. nicht überall friich zu haben ift, fo 
zieht man die fog. Preßhefe oder trodene Hefe 
vor, welche in Fabriken in großen Bottichen auf 
geeigneter Nährlöfung cuftivirt wird, Auch arz« 
neilich wird die B. verwendet, befonders mit Bob 
nenmebl, auf wunde Hautftellen, bei faulen Ger 
ſchwüren zc. Als Berfälihungsmittel von B. lom⸗ 
men bor: Kreide, Satmehl und Weizenmehl; die 
Beimifhung von Mehl gibt fih zu erkennen, 
wenn fih im kochenden Waſſer Kleiſter bildet, 
oder die B. von Jod blau gefärbt wird, Iſt 
Kreide vorhanden, fo eriolgt bei einer fünf— 
fahen Berbünnung der Bierhefe mit deſtillirtem 
Waffer und Zujag von Salzſäure Aufbraujen 
der Mifchung. Engler. 
Biermann, Eduard, Landichaftsmaler, geb. 
26. Juli 1803 zu Berlin; feit feinem 24. Jahre 
Porzellan», dann Decorationsmaler, widmete ſich 
jpäter unter Schinfels Leitung der Kunſt, bei. der 
Landjchaftmalerei, bereifte Deutichland, Italien 
u, die Schweiz u. wurde Profeffor der Kunſt— 
alademie in Berlm. Seine zahlreihen Bilder 
zierten mehrere Berliner Kunftausftellungen, jo 
1834 die Husfiht auf Florenz, 1836 die Dar- 
ftelung von Zajjos Eiche, 1842 ein Abend auf 
der Hochalp, 1844 der Morgen in den Berner 
Alpen; ferner fein Abend auf den Hodalpen, feine 


400 


Biermolfen — Biesfliegen. 


Anfiht von Florenz, fein Mailänder-Dom zc.|Rüdtehr Tieg ſich B. in Nemw-Nork nieder, von 


zeichnen fi durch große Auffaffung, friſche Un— 
mittelbarfeit, freie, geiftvolle u. energiſche Behand- 
lung u. fräftige Farbe rühmlihft aus. Geine 
Hauptftärfe liegt in dem mit überrajchender Bir« 
tuofität behandelten Aquarellen, befonders aus 
Dalmatien. Er lieferte auch 1836 die 8 Litho— 
graphien, Scenen aus Goethes Fauft, nah Ans 
gabe des Fürſten Radzimwill zu deffen Eompofition 
zum Fauſt. Reguet. * 
Biermolken (engl. Posset), Getränf, bef. für 
Krante, welches bereitet wird, indem man in 
fochende Milch Bier gieft u. von der geronnenen 
Kälemaffe die Molken abſondert. 

Biernacki, Aloyjius Profper, polnischer 
Staatsmann, geb. 1778 bei Kaliſch; ftudirte in 
Frankfurt a. d. DO. die Landwirthihaft, gründete 
eine Mufterwirthichaft zu Sulislawice u, verband 
mit derjelben eine Landwirtbichaftsichule; zur Zeit 
des Großherzogthums Warſchau war er furze Zeit 
Intendant der Krondonänen u. 1820 Mitglied des 
Generalconfeils im Palatinat Kaliih, in welcher 
Eigenſchaft er bei der Krönung des Kaiſers Niko 
laus gegen die Verlegung der polnischen Conſti— 
tution proteftirte. 1829 ward er zum 2. Mal in 
das Generalconfeil gewählt. Beim Ausbruche der 
polniſchen Revolution übernahm er den Borfit 
in der Rechnungslammer zu Warihau, war vom 
29. Yan. bis 20. Apr. 1851 Finanzminifter u. diente 
als jolcher auch nad) dem Falle von Warſchau in der 
neuen Regierung in Zakroczym; nad) der Unter- 
drüdung des Aufftandes als Mitglied der Regier- 
ung von der Amneftie vom 20. Oct, ausgeſchloſſen, 
flüchtete er nah Frankreich; er ft. im Aug. 1854 
in Paris, Pagai, ® 

Biernatzki, Joh. Chriftoph, Schriftiteller, 
geb. 17. Oct. 1795 zu Elmshorn im Hoffteinifchen; 
ftudirte feit 1816 im Kiel, Jena u. Halle Theo- 
logie, wurde 1821 Prediger auf der Hallig Nord» 
firandiihmoor an der WKüſte Schleswigs und 
1825 Prediger der evangeliich-lutheriihen Gemeinde 
in Friedrichſtadt; ft. hier 11. Mai 1840. Er ſchr.: 
Der Glaube (religiöfes Lehrgedicht), 2 A., Schles- 
mwig 1825; die Novellen: Wege zum Glauben 
oder die Liebe aus der Kindheit, Alt. 1835; Die 
Hallig oder die Schiffbrüdjigen auf dem Eilande 
in der Nordfee, Alt. 1836, 3. Aufl., 1852; Der 
braune Knabe oder die Gemeinden in der Ber 
ftreuung, 1839, 2 Bde., 2. A., 1852; Predigten, 
Kiel 1841; Gefammelte Schriften, Altona 1844, 
8 Dde., 2. Aufl., 1850. Lebensbejchreibung von 
jeinem Sohne, 2. A., Yap. 1852. Löffler. * 

Bierftadt, Albert, deuticher Landſchaftsmaler, 

eb. 1830 in Solingen bei Elberfeld ; fam 1832 mit 
Finen@ttern nach Neu: Bedford (Maſſachuſetts); ging 
1853 nah Düffeldorf, fandaber wegen ungenügender 
Kenntniffe im Zeichnen an der Akademie nicht 
Aufnahme, machte gleihwol unter Leifings, 4. 
Achenbachs u. Lentes Leitun 
fchritte, befuchte einen Theil Deutichlands, Ftalien 
n. die Schweiz u, fehrte 1857 nad Amerila zur 


wo er 1867 nah Irvington am Hudſon über- 
fiedelte, u. befuchte 1867—68 Ftalien u. Paris, B. 
ift der Maler des Großartigen in der Natur u. 
zeigt in feinen großgedachten Bildern, in denen 
fih ganze Gebirgsfetten und Thäler panorama- 
artig ausdehnen, was er feinen Düffelborfer 
Lehrern verdankt. Übrigens haſcht er zu ſehr 
nad Effecten u. betont die dazu dienlichen Mittel 
etwas zu ſtark. Hauptwerfe: Bogen des Octavius 
(1858); Morgen im Felſengebirge (1861); Sonnen- 
lit u. Schatten (1862); Jarve's pasture (1862, 
vom Kinftler felbft als fein beftes Bild erflärt); 
‚selfergebirg, Landers Pit (1863, in Stahl ge- 
ftohen von Snulie, in Farbe lithogr. von Kell 
Bros); ——————— in Californien (1864); 


Sturm im Felfengebirge (1866, vielleiht das 
— erk B-8); Anſicht der Sierra Nevada 
1868); Der brennende Befun (1868). Regnet. 


Bierftener, ſ. Bierbeftenerung. 

Biertare, die früher befonders in SDeutih- 
fand geſchehene amtliche Feſtſetzung des localen 
Bierpreifeg behufs Berhinderung von lÜber- 
vortheilung des Publicums feitens der Brauer 
u. Schenfwirthe, Mit dem Geifte der heutigen 
Gewerbegeſetzgebung war aud das Biertarwejen 
unerträglich. 

Biervliet, Scheldeinfel im Bezirfe Middelburg 
der niederländifchen Provinz Seeland, mit gleichn. 
Stadt; 1900 Ew.; Sterbeort Wilhelm Beufelſons, 
weldem dafelbft ein Denkmal von Karl V. gefetst 
wurde, 

Biertvage, ein Ariometer, zur Ermittelung 
des fpecifiihen Gewichtes einer Bierforte, um 
danad den Alkohol» u. den Ertractgehalt zu 
beftimmen; f. u. Bier, 

Dierzwang, die ausfchließende Bierbrauge- 
rechtigkeit innerhalb eines gewiſſen Bezirkes; fie 
war nicht felten mit einem Eee verbunden, 
weldhes innerhalb der fogen. Bann» od. Bier- 
meile, eine Meile im Umkreiſe von dem Mittel» 
punkte der Brauerei aus, zu ftehen pflegt u. von 
einem Berbietungsrechte gegen neue Schenkflätten 
zu unterfcheiden iſt. Der B. bildete fonft ein 
befonderes Borzugsredht der Städte, von welchem 
es jedoch in der Regel vielerlei Eremtionen, 
befonderes für adelige und landesherrlihe Güter 
u, dgl., gab. Neuerdings ift derfelbe aufgehoben 
worden. 

Biesbofch, mit dem Meere zufammenhängen- 
der, 190 [_)km großer Moraft zwiichen den nieder- 
ländifhen Provinzen SHolland und NBrabant; 
entftand 19, November 1421 durch einen Deich- 
bruch der Maas (St. Elifaberhsfluth), wodurch 
72 Dörfer mit 100,000 Menihen untergingen; 
jet zum Theil eingepoldert. In ihn mindert die 
Merwede. 

Bieſenthal, Stadt im Kreiſe Oberbarnim des 


bald raſche Fortpreuß. Regbez. Potsdam, an der Finow u. Sta- 


tion der Berlin-Stettiner Eifenb.; 1930 Em, 
Bieöfliegen (Dafielfliegen, Bremen — nicht 


rüd, nahm 1858 Antheil an der Entdedungsreife | Bremjen — Oestridae), Familie der zu den zmei- 
des Generald Lander nah) dem Sübpaß, ging |flügeligen Inſecten gehörenden Gruppe der wahren 
1863 an den Salziee, nah San Francisco und Fliegen; Fühler kurz, warzenföruig, in Stirm« 


nah dem berühmten Cho-Semite-Thal, zum 


öhlen entipringend; Mund geichloffen od. aus— 


Oregon u. zurüd nad Californien. Nach feinerincehmend Mein, ohne fihtbaren Rüſſel, da die B. 


Biesfliegen. 


während ihrer — Lebensdauer als ausgebildete 
Fliegen keiner Nahrung bedürfen; Hinterleib 
haarig, 4. od. bringelig. Die Larven haben ge— 
zaähnte Körperringel u. häuten ſich zweimal; fie 
ſchmarotzen auf oder in Säugethieren. Ausge- 
wachſen verlaffen fie ihren Aufenthalt u. verpuppen 
fi in der Erde; der Puppenzuftand dauert 3 
bis 7 Wochen. Die Puppen find fogen. Tönn- 
&benpuppen, da die Körperhaut von den Larven 
bei deren Berpuppung nicht abgeftreift wird, viel- 
— * eine erhärtende oder zuſammenſchrumpfende 
Hülle bildet, in deren Innern das Inſect bis zum 
Ausihlüpfen vermweilt. Nach dem Wohnſitze der 
Larde fann man Haute, Magen u. Najenbremen 
unterfheiden. Die Weibchen der zen 
(H erma Latr.) legen ihre Eier auf bie 
Haut oder, Haare ihrer Wohnthiere. Die mit 
einem eigenthilmlichen Bohrapparat ausgerüftete 
Larve bohrt fih in die unteren Schichten der 
Lederhaut ein; durch den Weiz, melden die— 
felbe dort ausübt, verurſacht fie eine mach aufen 
ofjene, eiternde Geſchwulſt, jog. Daffelbeule; ans» 

ewachjen verläßt die Larve ihren Wirth, fällt zur 

tde nieder u. verpuppt fi dort. Die Fliegen 
felöft fuchen Hochgelegene Orte auf u. ſchwärmen 
dort lebhaft umher. Hierher die Rindsbies- 
fliege (Hautbreme des Rindes, H. bovis L.); 
Fliege 9—11 mm lang, ſchwarz; Rüdenihiud mit 
3 Furchen, vorm mit votbgelben, hinten mit 
ſchwarzen Haaren; Hinterleib am Grunde gran, 
in der Mitte ſchwarz, am Ende rothgelb behaart; 
legt ihre Eier im Sommet; der Yarbenzuftand 
dauert etwa 2 Fahr. Die von der etwa 25 mm 
langen Larve erzeugte Beule ift etwa fo groß wie 
ein Zaubenei; da fie die Haut durchlöchert, wird 
dieſe, wenn das Rind mehrere, oft bis 100 Daffel- 
beulen hatte, ſehr entwerthet; dazu geht das Thier 
in feiner Ernährung ſtark zurüd. Als Vorbeuge- 
mittel werden Ablochungen von bitteren Stoffen 
(Walnufblätter, Wermuth, Guaffiaholz) empfoh- 
len; als Heilmittel ift rafche Entfernung der Yarven 
anzurathen. In ähnlicher Weife leben am Reh 
die Larven von H. Diana Br., am Hirjche jene 
von H. Actaeon Br., am Nenthiere die von H. 
Tarandi L. Amerifanijche Formen bietet Cute- 
rebra Clark. Ihre Larven leben an Nagetbieren 
u. Beutelthieren, gelegentlich auh am Menichen 
(in Brafilien Ura, in Cayenne Ver macaque, in 
Eoparila Torcel, bei den Maynas- Indianern 
Suglacuru, in Neu-Granada Gusano peludo oder 
nuche), fo daß man früher von einer Cuterebra 
hominis (Oestrus humanus Humboldt, Cuterebra 
noxialis Gondot) jprad. Die Najenbremen 
(Oestrus L.) legen theils Eier, theils gebären fie 
lebendige Larven u. ſetzen diefelben in der Naſenhöhle 
ihrer Wirthe ab. Die Larven wandern in der Najen- 
höhle aufwärts, nähren ſich vom reichlich ab- 
gefonberten Schleime u. entwideln fih am deren 
oberem Ende, oft auch in den Stirnhöhlen, ja, fie 


gelangen aud in die Rachenhöhle oder die Yunge 
ihrer Wirthe u. find dann Urſache heftiger Ent» 
Schafdafjelfliege 


ündungen. Hierher die 
(Rofenbreme des Schafes, O. ovis L.); Halsſchild 
der 10—13 mm langen Fliege feidenartig gram, 
mit vielen ſchwarzen Wärzcden, worauf je ein 


401 


regelmäßigen, ſchwarzen, ſchillernden Flecken und 
Punkten u. davon faſt ganz überzogen; Flügel 
rein glashell mit brauner, Heiner Querader; lebt 
in der Nähe von Schafweideplägen, an Mauern 
u. Rindenffämmen, meiſt ftill figend. Die Larven 
(Grübler) leben in Nafen- und Stirnhöhle des 
Schafes; dort findet man fie, Selten mehr als 7 
bis 8, mit 2 vorderen Hornhalen feitgehalten; 
wenn fie nad ungefähr 9 Monaten erwacjien 
find, bilden fi die Hornbafen zurüd, die Larve 
wird duch Nießen des Schafes ausgeftoßen und 
berpuppt fidh in der Erde. Früher hielt man fie 
fälſchlich für Erzeuger der Drehkraukheit bei den 
Schafen, doch verurfachen fie bei diefen reichliche 
Abjonderung des Nafenichleimes und, wenn im 
Menge vorhanden, die fogenannte Schleuderkrante 
heit, Bremenichwindel oder falſche Drehkrankheit. 
Bewährte Heil- u. VBorbeugemittel find unbelannt. 
In ähnlicher Weife werden Büffel u. Kamel von 
O. maculatus heimgefucht, der Edelhirih von O. 
auribarbis Wied., das Renthier von O. trompe 
Fabr. Die Magenbremen fegen ihre Eier an 
die Haare der Lippen, Bruft und Borberbeine 
ihrer Wirthe ab; die jungen Yarven wandern nad 
deren Mundhöhlen hin, werden auch wol von den 
Wirthen abgeledt, weil fie einen gemiffen Reiz 
auf deren Haut ausüben. So gelangen fie in 
Magen und Darm, wo fie ſich mittels ihrer 
Dornen feſthalen; nad erlangter Reife werben 
fie mit den Ercrementen ausgeftoßen und ver» 
puppen ſich dann in der Erde. Dahin die Ma- 
genbreme des Pferdes (Gastrus od. Gastro- 
philus equi Fabr.); Siege 11 mm lang, roſt⸗ 
braun, graugelbhaarig; Rückenſchild mit einer 
mehr oder weniger deutlichen ſchwarzen Binde; 
auf dem Schildchen 2 ſchwarzbraune Büſſchel; 
Flügel weißlih, auf der Mitte eine breite Binde 
u. 2 Flede, an der Spige bräunlich; Beine blaß- 
gelblich ; Scheint Höhen aufzuſuchen, um dort 
umberzufhwärmen. Die Larven, etwa 18 bis 
19 mm lang, erft fleifchroth, dann gelblich⸗braun, 
leben meiſt im Magen der Pferde, einzelne auch 
im Schlunde; fie halten ſich dort feft; fie fommten 
bei Meidethieren oft in großer Zahl, im fürme . 
lichen Neſiten von 50—100 Stüd vor. Sie 
jaugen an der Schleimhaut des Magens, erzeugen 
jo eine ftärkere Schleimabfonderung u. veranlafien, 
wenn fie in größerer Menge vorfommen, jelbit 
böhlenartige Bertiefungen ın der Magenhant. 
Nach 10 — ſind ſie ausgebildet und verlaſſen 
dann ihre Wirthe, um ſich in etwa 6 Wochen im 
Boden vollftändig auszubilden. Undere, in ähı« 
licher Weiſe lebende Bremen find die Biehbreme 
(G. pecorum Fab.), die Maftdarmbreme (G. 
haemorrhoidalis L.) u. die Nafenbreme (G. 
nasalis L.). Bon diefen lebt die Yarve der Vich- 
breme in Pferden, jelten im Rinde, jene der Majt« 
darmbreme ausichließlih im ‘Pferde, jene der 
Nafenbreme dagegen im Pferde und Eifel, ſowie 
in Biegen; alle gelangen durch den Mund im; 
ihren Birih u. leben in deifen Darın (die Nafen- 
breme aber aud in Nafe, Schlund und Magen) 
namentlich diefe veranlaßt durch ihre größere Au- 
zahl, ſowie dadurch, daß fie Magen- u. Darnı- 
wand mitunter förmlich durchlöchert, Blutungen 


Haar fteht; Hinterleib feidenartig mit vielen un«loder Entzündungen mit tödtlihem Ausgange. 


Pierers Univerfal:Eonverfationd:2erilon. 6. Aufl. III. Band. 


26 


402 


Die Fliegen finden fih im Allgemeinen ſelten. 


Biefter — Bifilarınagnetometer. 


Bifänge (Landw.) find ſchmale, body aufge 


Wirffame Mittel gegen die Magenbremen bat|triebene Beete u. werben liberall da angelegt, wo 
man bis jet noch nicht gefunden; bei Anwend- eine ſeichte Aderfrume bei naſſer Lage ein Zu- 


ung jcharfer Mittel verkriechen fih die Yarven 
noch tiefer in die ſchützende Magen- oder Darm— 
wand; dagegen find jchleimige, einhüllende Mittel 
ein wirkſames Linderungsmittel für das Vieh, 
wenn auch fein Bertreibungsmittel des gefürchteten 
Gaftes. Auch ift eine gute Pflege der Haut des 
Thieres durch Bürften, Striegeln u. dgl. als 
Borbeugungsmittel zu betrachten und namentlich 
anzuwenden, wenn das Vieh bieft. Das Biejen 
der Weidethiere ift noch zu erwähnen: Wenn dieje 
fih von gewiſſen Inſecten, in denen fie ihre 
fummenden Feinde erfennen, umfchwärmt wiſſen, 
dann werden fie unrubig, erheben den Schwanz, 
laufen furchtbar u. wild Durch einander u. ergreifen 
häufig die Flucht (fie biefen). Unter den Inſecten, 
weiche jold) gewaltigen Einfluß ausüben, finden 
fih vielleiht, ja jogar wahrſcheinlich auch die 
Bremen, meift dürften e8 aber die Bremien (f. d.) 
fein, zumal da die ausgebildeten ‚liegen der 
Bremen ziemlich jelten, jene der Bremjen dagegen 
recht häufig find, Thomis. 

Bieſter, Johanu Erich, deutſcher Popular— 
ſchriftſteller, geb. 17. Nov. 1749 zu Lübeck; ſtu— 
dirte in Göttingen Jurisprudenz, daneben Literatur⸗ 
geſchichte u. Philologie, wirkte ſeit 1773 an den 
Yebranftalten zu Bützow, wurde 1777 dur Ni— 
colais Bermittelung Privatfecretär bei dem Staats- 
minifter von Zedlig, 1784 königl. Bibliothefar zu 
Berlin; er ft. dajelbft 20. Febr. 1816. B. gründete 
1783 mit Gedile die Berliner Monatsihrift und 
war feit 1791 derem einziger Redacteur. Sie 
verfolgte den Zwed, durch Unterhaltung zu ber 
lehren u. Aufllärung zu verbreiten; viele bedeu- 
tende Männer, auch Kant, gehörten zu ihren 
Deitarbeitern. In der Abneigung gegen den Ka» 
tholicismus- u. im Jeſuitenhaſſe ftimmte B. mit 
Nicolai zufammen, beide gewiffenhaft nach ihrer 
Überzeugung. B. veröffentlichte auch: Platonis 
Dialogi IV, Berl. 1780, 2. Ausg., 1790; eine 
Überfegung von Barthélemys Reiſe des jungen 
Anacharſis, Berl, 1790—93, 7 Bde; zahlreiche 
Auffäge in verſchiedenen literariſchen Organen. 

Bietigheim, Stadt im Oberamte Befigheim 
des württembergiſchen Nedarfreijes, an der Enz 
u. der Abzweigung der unteren Nedarbahn von 
der wiirttemb. Hauptbahn mit großartigem Bia- 
duct über die Enz; Tuchmanufactur, große Kamm- 
garnfpinnerei; Handel mit deven Producten n. mit 
Wein, Holz, Getreide; 3457 Ew. 

Bieiſchhorn (Neftborn, Baltiihiderborn oder 
Lötſcherhorn), Alpenhöhe von 3820 m, auf dem 
Yötichengrat des Kant. Wallis (Schweiz); 1859 
zuerft erftiegen. i 

Biewis, eine neue Olpflanze aus NAmerifa; 
hat mit dem Rübſen volltommene Abnlichteit, nur 
dag er etwas größere Samenförner, dunflere, 
raubere, größere Blätter, fo lange er noch jung 
it, gleihfam wie Difteln, u. höhere Stengel hat. 
In derjelben Zeit wie der Rübſen gefäet, blüht 
u. reift der B. 10 Tage früher. Er übermintert 
ut, liefert einen ns guten Ertrag, wie der 

übfen, ift aber noch ölreiher als diejer, mit 
melden er im Anbau Alles gemein bat. 


jammenbringen derſelben wünſchenswerth macht. 

Biferae plantae (Bot.), Pflanzen, die zwei Mal 
jährlich blühen. 

Biferno, Fluß in der italien. Prov. Foggia, 
90 km lang; er fommt vom gleichnam. Berge 
u. mündet ind Adriatiſche Meer; fiichreih, aber 
verbeerend. 

Difertenftod, 3431 m, Gebirgäftod der Glar- 
ner-Todi-Alpen (Schweiz), zum erften Mal am 
7. Sept. 1863 erftiegen. 

Biffrun, Giadem (Jalob Biveroni), geb. 
1506 zu Samaden im Ober-Engadin; war Jurift 
u. Theolog, einer der eifrigften Neformatoren u. 
Freund Zwinglis; ft. 1572. Bon ihm rühren die 
erjten gedrudten Werke in oberengadiniicher Mund» 
art ber, fein Catechisem, Puſchlaf 1552 (liber« 
jepung des deutichen von Stan Comander, 1537) 
u. L'g nouf saine Testamaint, Puſchlaf 1560; 
beide höchſt jelten. 

Bifilardynamometer (v. lat. bini, je zwei, u. 
filum, der ‚Faden, u. gr. dynamis, Kraft, u. ıne- 
tres, ich mefje), ein von Weber erfundenes Iu— 
ftrument zur Meſſung der Eimwirkung elektriicher 
Ströme auf einander. Es ift im MWejentlichen 
ähnlich dem früher von Gauß erfundenen Bifilar- 
magnetometer (f. d.), nur mit dem linterichiede, 
daß der mit dem Spiegel verbundene Torfions- 
freis anftatt des Schifihens mit dem Magnetitabe 
eine verticale, aus dünnem Meffing beftehende u. 
mit feinen umjponnenem Kupferdrabt in zahl« 
reichen (etwa 3000) Windungen ummidelte Drabt- 
rolle (Bifilarrolle) trägt, dur deren Windungen 
ein galvanifher Strom geführt wird, für welchen 
die beiden Suspenftonsdrähte als Zuleitungs · 
drähte dienen. Die Achſe der Bifilarrolle wird 
in den magnetiſchen Meridian gebracht. Eine 
zweite, feſtſtehende Drahtrolle wird in verſchiedenen 
Entfernungen u. nach verſchiedenen Richtungen 
aufgeſtellt u. mittels des Ferurohres im Spiegel 
die durch einen die feſte Rolle durchlaufenden 
Strom hervorgebrachte Ablenkung der Bifilarrolle 
abgeleſen. Mit dem B. beſtätigte Weber, daß 
für die elektrodynamiſchen Wirkungen dieſelben 
Geſetze gelten, wie für die gegenfeitige Eimwirhung 
zweier Magnete. 

Bifilarmagnetometer (v. Lat. u. Gr.), ein 
von Gauß erfundener Apparat, welcher dazu dient, 
die geringften Schwankungen in der Jutenfität des 
Erdimagnetismus augenblicklich fihtbar u. meßbar 
zu machen. Bon einer mit ihrer Sceere in der 
Dede des Zimmers befeftigten Rolle hängen zmei 
Drähte parallel herab, welche auf die aus der 
Fig. erfichtliche Weiſe ein verticales Stäbchen tra- 
gen, an dem ein gleichfalls verticaler Spiegel 
befeftigt it. Das Stäbchen trägt an feinem un« 
teren Ende den aus zwei horizontalen freisrunden 
Scheiben beftehenden Torfionstreis. Die obere 
diejer Scheiben ab ift in ihrer Mitte an dem 
Stäbchen befeftigt, während die untere cd um 
die Verlängerung des Stäbchens gedrebt u. im 
jeder Lage durch eine unter ihr befindliche, in der Fig. 
nicht fihtbare Schraube feftgehalten werden kann. 
Mit diefer unteren Scheibe ift nun ein aus zwei 


Bifistulosus 


Hülfen beftehendes Schiffchen feft verbunden, im 
welches der Magnetftab eingelegt wird. Den Spie- 
gel gegenüber u. 
etwa 2—5 m von 
demjelben ent« 
fernt befindet fich 
ein Fernrohr, 
durch weldesman 
im Spiegel das 
Bild eines Stückes 
einer in Millime- 
ter getbeilten, 
über dem Fern— 
rohr befeitigten 
horizontalen 
Scala fiebt. 
Durch die Tor— 
ſion der Drähte 
fucht das Sciff- 
hen eine ſolche 
tage anzumneh- 
ment, daß jene fich 
parallel ftellen u. 
der Schwerpunft 
des angehängten 
Körpers in die 
Ebene der Drähte 
fällt. Stellt man 
nun mit Hilfe des 
Torſions kreiſes 
das Schiffchen ie, 
daß feine Achſe 
mit dem magne- 
tiihen Meridian 
einen großen 
Winkel bilder, u. 
fhiebt man dann 
in daffelbe den 
Magnetitab, je 
wird derfelbe eine 
































zmwiichen der früheren Richtung des Schiffchens u. 
dem magnetischen Meridian liegende mittlere 
Richtung annehmen, jo nämlih, daß die Tor- 
fionsfraft der Fäden u. die Richtkraft des Erd- 
magnetisntus ſich das Gleichgewicht halten. Stellt 
man nun den Torſionskreis jo, daß Gleihgemwicht 
ftattfindet, wenn der Magnetitab gegen den mag» 
netischen Meridian etwa rechtwinkelig ftebt, jo 
äußert ſich die geringfte Anderung der Intenſität 
des Erdbmagnetismus durch eine veränderte lage 
des Magnetftabes, welche durch die im Fernrohre 
fich zeigenden Scalentheile höchſt genan beobachtet 
u. gemefjen werden kann. immenaner. M, 


— Bigamie. 


403 


Bifistulösus (fat., Bot.), zweiröhrig. 

Biflörus (lat., Bot.), zweiblumig. 

Bifoliätus (lat., Bot.), zweiblätterig. 

Bifolius (lat., Bot.), zwei Blätter treibend. 

Biföra Hoffm., Bilanzengattung aus der Fam. 
Umbelliferen (V. 2), jehr nahe mit Koriander 
verwandt; ausgezeichnet durch die zmeilächerige 
Commifinr der Theitfrüchtgen. Arten: 1) B. ra- 
dians M. B.; 2) B. testiculata Spr., beide in 
S@uropa; 3) B. Loureirii Kostel, in China u. 
Cochinchina. Die Früchte befigen denjelben Ge— 
ruch wie die des Koriander u, werden ebenfo 
gebraudht. Engler. 

Bitormis (v. Lat.), boppelgeftaltig; daher Bifor⸗ 
mität, Doppelgeitalt. 

Bitrons (lat.), I} der Zweigefichtige, Beiname 
des Gottes Janus (f. d.). 2) (Bot) Was auf 
beiden Flächen eines Blattes wächſt, befond. von 
Schmarogerpflanzen, im Gegenfage von Epi- ı, 
H yspophyllus. 

Biteöft (Bifrauft, nord. Myth.), buntiarbige 
Brücke, welche die Aſen zur Verbindung der Erde 
u. des Himmels bauten (Regenbogen von den 
Menſchen genannt); auf ihr ritten die Ajen tägfich 
zum Gericht nah dem Brunnen der Urd. Sie 
bricht ein, wenn beim Weltuntergange Muspels 
Söhne darüber reiten. 

Difurcation (v. Lat.), Gabelung, d. b. Theil— 
ung eines Ganzen in 2 unter einem Winkel ab« 
gehende Afte: in der Anatomie die Gabeltheilung 
der Luftröhre; in der Geogr. die Theilung eines 
Aluffes in zwei Arme, die nach verichiedenen 
Richtungen gehen, 3. B. des Caſſiquiare in Ss 
Amerifa nah dem Drinoco u. Nio-Negro (Mes 
benfl. des Amazonenftroms). 

Dig (engl., groß), Name mehrerer Flüſſe, 
z. B. B.-Blad-River ꝛc. 

Bigae (lat.), Zweigeſpann; der Lenler deſſelben 
Bigarius. 

Bigado, die bei der Seidenzucht abfallenden 
Puppen des Seidenſpinners, welche pulveriſirt 
als Vogelfuttet in den Handel kommen. 

Bigämie (v. Lat. u. Gr.), Doppelehe, das 
Eingehen einer zweiten Ehe, während beide Theile 
oder der eine wenigſtens wiſſen, daß die erſte Ehe 
noch giltig iſt, oder, wie das D. StG.B. 
Art. 171 beſagt, das Eingehen einer neuen Ehe 
von Seiten eines Ehegatten, bevor feine Ehe aufs 
gelöft, für umgiltig oder nichtig erflärt ift, ingleichen 
das Eingehen einer Ehe von Seiten einer unvers 
heiratheten Berfon mit einem Ehegatten, von dem 
fie weiß, daß er verheirathet iſt. Das Verbrechen 
der B. ift vollendet durch die eheliche Berbindung, 
bezw. Trauung. Dagegen beginnt die Verjährung 
der Strafverfolgung mit dem Tage, an welchem 
eine der beiden Ehen aufgelöft, für ungiltig oder 
nichtig erklärt worden if. Das Verbrechen der 
B. liegt nicht vor, wenn der Beichuldigte die neue 
Ehe in dem guten Glauben eingeht, daß die erfte 
Ehe ungiltig geweſen oder bereit aufgehoben ſei. 
Als Berfud des Verbrechens der B. kann e8 
gelten, wenn der ehelihe Stand in liftiger Weife 
verjchwiegen u, das Aufgebot beftellt wird. Beftraft 
wird das Verbrechen im Deutſchen Reiche mit Zucht» 
haus bis zu 5 Jahren, bei mildernden Umftänden 
mit Gefängniß nicht unter 6 Monaten. Der franz, 


26* 


404 


Code penal fett darauf die Strafe der Zwangs⸗ 
arbeiten von 5—20 Jahren. Jm Römiſchen Nedte 
wurde die B. dem Ehebrud gleich beftraft; das 
Kanoniihe Recht dagegen erkannte in der B, einen 
Mißbrauch der Form des Sacraments der Ehe 
mit Verlegung der Monogamie. In diefem Sinne 
bat die Carolina die Doppelche als „auch eyn 
ebebruch u. großer dann dasjelbig lafter“ bezeich— 
net, u. wurde bis in die neuere Zeit herein die B. 
als ein unter deren Form u. dem Schein einer 
zweiten Ehe begangener, bejonders ſchwerer Ehe— 
bruch gemeinrechtlih beurtheilt. Bon einer Bi- 
gamia duplex ſpricht man, wenn beide Theile in 
doppelter Ehe leben. Bigamiſch, auf eine Doppel- 
ehe ſich beziehend; Bigamift, der in doppelter 
Ehe lebt. rLagai. 
Bigarre (fr.), bunt gefleckt, geiprenteit; daher 
bigarriren, bunt bemalen; Bigarrure, buntes 
Durdeinander von Farben oder Gegenftänden. 
Big-Barren, f. u. Barren 2). 
Big-Blad:Niver, 1) Fluß in den Staaten 
Miffouri u. Artanfas (Nordamerifaniiche Union), 
der bedentendfte Nebenfluß des WhiteKiver, 320 
km lang; entipriugt im SO. des Staates Miſ— 
fouri; ſehr Afhreic: ungefähr während 9 Diona- 
ten von 75 km oberhalb feiner Mündung für 
Dampfboote jchifibar. An feinen Ufern 7.—12. 
Mai 1862 fiegreihe Gefechte der Bundestruppen 
egen die Gonföderirten. 2) Fluß im Staate 
tiftifippi, ungefähr 150 km lang; entipringt in 
der Grafihaft Choctam und mündet bei Grand» 
Gulf in den Miffifippiftrom; an feinen Ufern 
reihe Baummollenplantagen. 


Bigelovia, Name mehrerer Pflanzengatt., nah] Bignio, Louis v., Sänger, 


af. Bigelop, Prof. der Medicin u. Botanik zu 
Bofton, der eine medicin. Flora von Amerika 
berausgab, benannt. 1) B. Spr., j. Borreria. 
2) DB. Smiths, j. Forestera Poir. 

Bigelow, John, namhafter amerikanifcher 
Kournalift, Schriftfteller u. Diplomat, geb. 25. 
November 1817 zu Malden in Maffachuietts; 
ward nach vollendeten Schul» und Univerfitäts- 
ftudien 1839 als Advocat an die Barre von New- 
Norf berufen. Nah 10jähriger bedeutender Pra- 
ris, während der er von 1845—48 Staatsge⸗ 
fängniß⸗Inſpector gewejen u. wichtige Reformen 
im Gefängnißwefen von New⸗York durchgeführt 
hatte, trat er mit W. Eullen Bryant an die von 
ihnen Beiden angelaufte New-York Evening 
Post. In demjelben Jahre befuchte er Jamaica 
u. veröffentlichte nach feiner Riüdfehr: Jamaica 
in 1850, or the effects of 16 years of free- 
dom in a slave Colony. 1854 befuchte er aber- 
mals Weftindien, u. die Frucht diefer Reife war 
ein Werf über die Yage im Hayti; 1861 amerila- 
niſcher Conſul zu Paris, 1864 Geſchäftsträger da- 
ſelbſt, ftieg er 1866 zum Geſandten auf. Im 
Dechr, nächſten Jahres legte er diefen Poſten 
nieder u. fehrte nad längeren Reifen in Europa 
1868 nach den Berein, Staaten zuriüd. Nachdem 
er 1869 auf furze Zeit Herausgeber der New-York 
Times geweien, ging er wieder nach Europa, mo 
er fih meift in Berlin aufhält. In den lebten 
10 Jahren hat er mehrere wichtige politische Ab- 
bandlungen veröffentlicht, wie 3. ®.: Les Etats 
Unis d’Amerique en 1863, leur histoire, poli- 


Bigarrd — Bignon. 


tique, leurs ressources mineralogiques, agri- 
coles ete., Paris 1863; France and Hereditary 
Monarchy, £ond. 1871, m. gang fürzlid eine 
Schrift über die Freier des 100jähr. Beſtehens 
der Nordamerif. Union. Bartling, 

Bigeminatum folium (Bigeminum f., Bot.), dop⸗ 
pelt»zweizähliges, doppelt-gepaartes, zuſammen⸗ 
gejetstes Slatt, das am Eunde des Hauptftiels 
zwei Paar Blätter trägt, wie Inga unguis cati. 

Bigeneriſch (v. Lat.), mas zwei Geſchlechter 
bat, zmwitterbaft. 

Bahn, 1) (Troas) Lima des osmaniih-afle- 
tiichen Vilajeis Dſcheſair (die Infeln), an der Dar⸗ 
danellenftraße; gebirgig (Gargaron, Ida u. a.); 
Borgebirge: Fanitiharencap, Senifchehr (Sigenm); 
ſchwach bevöltert; war einft die Stätte des alten 
Troja, dann blühender griedhifcher Colonien. 
2) (Bei den Byzantinern Pega) Stadt in demſelben, 
am Bighaſu; Sit eines Statthalters; 6000 Em. 
Hier 1288 Niederlage der Tataren durch Sultan Ali 
Eddin III.; im 14. Jahrh. fiel es die Hände der 
Zürten, 

Big-Horn, 1) Berg im Felsgebirge (Nedy- 
Mountains) der Nordamerif. Union, 4875 m. 
2) Fluß; entfpringt im Territorium Wyoming 
der Nordamerif. Unionsft., unter 42° m. Br. u. 
109° w. $., im Wind-River-Gebirge, einem Theil 
der Nody- Mountains, der ftärffte Zufluß des 
NellowStone. 3) County des Territoriums Mom 
tana im nordamerif. Unionsgebiete, unter 46° I. 
Br. u. 105° bis 109° w. 2.; vom Nellom- Stone 
Fluß durchſtrömt. 

Bignette, ſ. Citrus. j 
geb. 1839 in 
Peſt; abfolvirte dajelbft das Gymnaäſium, unter 
brach aber feine Univerfitätsftudien, um ſich zum 
dramatifhen Sänger auszubilden. Nachdem ef 
die mufitalifhe Ausbildung zu Peft u. Wien fih 
angeeignet, trat er als Baritonif mit großen 
Griolge in feiner Baterftadt, in Wien, mehreren 
Städten Deutichlands u. in London auf. 1863 
wurde er am Hofoperntheater zu Wien angeftellt. 

Bignon, 1) Jerome, franz. Gelehrter, Sohn 
des Barlamentsadbocaten Roland B., geb. 24. Aug- 
1589 in Paris; war ein Wunderfind feiner Beit, 
da er bereit$ im feinem 10. Jahre gelehrte Werke 
verfaßte; ftarb 1656 als königlicher Bibliothelat; 
gab heraus: Marculfi formulae ete., Bar. 1613, 
u. Voyage de Franc. Pyrard de Laval aus 
Indes orientales, ebd. 1615, 2 Thle. 2) Jean 
Paul, Enkel des Vor., geb. 1662 in zen 
wurde 1693 Abt zu St. Quentin, dann a 
rath, Dechant von St. Germain "Aurerroiß, Fr — 
ſident der Akademie, Bibliothekar des — 
u, Antitencabinets; er legte auf feinem sh 
zu Isle Belle eine griedäfche Bibliothel an 
ft. daielbft 1743. 3. ſchr.: Medailles sur = 
prineipaux &venemens du rögne de Louis- , 
Grand, Par. 1702, Fol. 1723; Les aventare 
d’Abdalla, fils d’Hanif, ebd. 1713, 2 Bde, Ti. 
1773 von Colſon herausgegeben. 8) en 
Pierre Edouard, Baron de B., franz. * — 
mat u. Geſchichtſchreiber, geb. 3. Jan. UT ns 
Guerbaville in der Nähe von Rouen; murde An 
Soldat, 1797 Legationsfecretär im der eier 
1799 in Savoyen, 1800 in Berlin; ward 


Bignonia — Bigorre, 


1802 Chargs d’affaires, 1804 Gefandter in Kaffel, 
verwaltete von 1806—8 mit Darı die occupirten 
preußifchen u. öfterreihiichen Länder, wurde 1809 
Gejandter in Karlsruhe u. regte die Idee des 
Rheinbundes an; ging nad Warſchau, wo er bis 
1813 als Refident mit großem Geſchicke die franzö- 
fiihen Jnterefien zu vertreten wußte, bis ihn der 
Abbe de Pradt ablöſte. Nach dem Rüdzuge der 
Franzoſen ging er mit Poniatowsty aus Polen 
nah Dresden, nahm theil am Eongreß zu Prag 
u. wurde nad der Schlacht von Leipzig in Dres- 
den gefangen gehalten. Während der 100 Tage 
wurde er Director der politischen Eorrejpondenz 
der ausmärtigen u. u. nad der 
Schlacht von Waterloo Miniſter der auswärtigen 
Angelegenheiten u. unterzeichnete als folder die 
2. Capitulation von Paris; 1818 ſprach er als 
Deputirter gegen die Ausnahmegejete u. für die 
Zurfidberufung der Berbannten. Napoleon er- 
nannte B. zu einem feiner Teftamentsvollitreder; 
er vermadhte ihm 100,000 8, mit dem Auf— 
trage, die Geſchichte der franzöſ. Diplomatie von 
1792—1815 zu ſchreiben. Nach der Revolution 
von 1830 wurde er unter der Proviforiihen Re- 
ierung Minifter des Auswärtigen und umter 
udwig Philipp vom Auguft bis November Mit— 
glied des Minifterrathes; 1837 wurde er Pair. Er 
fi. 5. Jan. 1841 in Paris. B. ichr.: Le systöme 
adopte par le directoire relativement ä la 
republ. cisalpine, Par. 1799; Expose compa- 
ratif de l’ötat de la France et des prineipales 
puissances de l'Europe, ebd. 1815; Precis de 
la situation politique de la France 1814—15, 
Bar. 1815; Coup d’ail sur les demeles des 
Cours de Baviere et de Bade, ebd. 1818; Des 
proseriptions, ebd. 1820, 3 ®de.; Du congres 
de Troppau, 1821; Les cabinets et les peuples, 
ebd. 1822; Hist. de France depuis le 18 Brum. 
jusqu’a la paix de Tilsit, ebd. 1827—38, 7 Bde., 
deutſch von Hafe, 1830 fi, 6 Bbde., u. Hist. de 
France depuis la paix de Tilsit jusqu’en 1812, 
1838, 4 Bde., deutſch von Alvensleben, 1838 bis 
1840, 6 Bde. 

Bignonia Juss. (Trompetenblume), Pflanzengatt. 
aus der Fam. der Bignoniaceen (XIV. 2), aus- 
ezeichnet durch 2Happige, jchotenförmige Kapjel- 
ruht, deren Scheidewand den Klappen parallel 
verläuft u. welche fih an den Rändern derjelben 
öffnet; iſt durch zahlreiche Arten in der tropifchen 
u. fubtropifhen Zone beider Hemifphären ver- 
treten. Arten: a) B. Chica Zumb., Hetternde, 
mit Nanlen verjehene Pflanze, mit gefiederten 
Blättern, länglid-eiförmigen, ganzrandigen Blätt- 
en u. hängenden arillären Blüthenriipen, am 
Orinoco einheimifch; aus den Blättern wird durch 
Austochen eine zinmoberrothe Farbe, das Chica- 
roth, erhalten, welches dem Drlean analog ift u. 
zum Färben der Zeuge, ſowie aud den Indianern 
zum Bemalen der Haut dient. b) B. Leucoxylon 
L., auf Jamaica vorfommender Baum, mit btheili— 
gen Blättern, lancettlihen Blätthen u. enditän- 
Digen, einzelnen Blüthen; liefert ein jehr ſchweres 
Holz, welches gern zur Befleidung der Scifis- 


405 


als Baftard-Guajal (Grün- oder Gelbebenholz der 
Antillen) nah Europa u. wird von Dredslern 
verarbeitet. c) B. longissima Swartz (B. Quer- 
cus Lam., Antilleneiche) ; liefert Rinde, melde 
als Gerbmaterial wichtig ift. d) B. spathacea L., 
von Malabar; gilt als Stammpflanze des Pferde- 
bolzes oder Pferdefleiichholzes, weldyes im neuerer 
Zeit häufig zur Berfertigung von Mafchinenbe- 
ftandtheilen verwendet wird. Andere Arten, mie 
B. aequinoctialis L., in Cayenne, B. chelonoides 
L., in Öftindien, B. longifolia W. u. B. opthal- 
mica Anders,, in Guiana, gelten in ihrer Hei- 
math als Mittel gegen Unterleibsfranfheiten, de 
ber ꝛc. u. liefern auch Salben, melde gegen Ge— 
ſchwülſte u. Geſchwüre angewendet werden. Engler. 

Bignoniaceae R. Br., natürliche Pflangenfant.; 
enthält meift Holzpflanzen mit häufig Hetterndem 
oder windendem Stamme, gegenftändigen, meift 
ulammengeiegten, bismeilen in Ranlen endenden 
Blättern ohne Nebenblätter; Blüthen mit dthei- 
ligem Kelche, verwachſen⸗blätteriger, Stheiliger, ſym · 
metriſcher, oft prächtiger Blumenfrone, 2 langen 
u, 2 kurzen, der Krone eingefiigten Staubblättern, 
oberftändigen, 2» oder 1fächerigem Fruchtinoten, 
welcher an den Samenleiften jederfeits zahlreiche 
abjtehende, umgefehrte Samenknoſpen trägt; Frucht 
eine 2flappige, oft jchotenförmige Kapfel, welche 
zahlveihe zufammengedrüdte, breit u. dünn ge 
flügelte Samen enthält; Keimling gerade, eiweiß- 
los; Heimath: die tropische Region beider He 
mipbären, vorzugsweife SAmerila, Engfer. 

Binordl, Domenico di Tomafo Eurradi 
di Doffo, Maler; ſ. Ghirlandajo, 

Bigorit, ein vom Capitän Björkman im 
Stodhelm 1874 erfundenes, ftärler als Dynamit 
wirkendes u, minder gefährliches Sprengmittel. 

Bigorre, Grafihaft in der Gascogne, ein 
Hauptbeftandtbeil des franz. Dep. Ober-Byrenden, 
faft ganz in den Pyrenäen liegend; 2040 [_ km (faft 
44 |_ MR), hier die Bäder von Bagndres, Bardges 
u. Cauterets, jowie der Bigorremein, der dem Blar« 
noig gleichfommt (bejte Sorte von Peyrigudre, 
Aubarede u. Mun). Die Graffhaft B., zwiſchen 
Armagnac, den Pyrenäen, Nebouzan, Yitarac u. 
Bearn, wurde in ältefter Zeit von dem aquitani« 
ihen Belle der VBigerrionen (Begerri) bes 
wohnt, welche Pelztieider trugen, mie nocd bie 
Bewohner von B., die fie jet Marlota nen» 
nen. Die Hauptitadt Turba (j. Tarbes) batte 
ein Schloß, Bigorra, wober der Name der Graf— 
haft fam. Unter den römischen Kaiſern gebörte 
das Land zu Novempopulania, Bon den Römern 
eroberten e8 die WGothen, dann die Franken; 
feit Kaiſer Ludwig dem Frommen hatte ® eigene 
Grafen. Bernbard I. von Earcaffonne, Graf 
von B., unterwarf 1062 die Grafſchaft dem Schutze 
der heil. Maria zu Buy. Graf Centull II. bul- 
digte 1122 wegen B. dem König von Aragonien 
u, erhielt Rode am Xalon u, die Hälfte von Tar— 
racon. Sein Enkel Centull III. (Peter Eentull), 
Graf von B. u. Vicomte von Marfan, erhielt von 
feinem Schwiegervater, dem König Alfons von 
Aragonien, noch das Thal Arran u. die Herrichaft 


mwände verwendet wird, weil es wegen feiner|Borderas. Als nach langen Erbitreitigteiten von 


ſcharfen, faft giftigen Eigenfhaften von den Wir- vielen Seiten ber Prätenfionen auf 


. erhoben 


mern nicht augefreffen wird; dafjelbe kommt auch wurden, nahm es 1292 Philipp der Schöne von 


406 


——— in Beſchlag u. ertheilte feinem dritten 
ohne Karl den Titel als Graf von B. 1368 
verlieh König Eduard III. von England, als 
Herzog ven Guienne, B. an Johann Il. von 
Grailli; diefem nahm es aber König Karl V. von 
Frankreich wieder, gab es anfangs dem Grafen 
von Armagnac, tauchte es jedoch 1374 gegen 
anderes Land wieder von ihm ein, Karl VI. gab 
e3 1389 Gafton Phöbus, Grafen von Foir, einem 
Nahlommen Gaftons VII. von Bear; doch erſt 
1425, wo Johanna von Grailli den Beſchlag auf 
B. aufbob, fam der Graf von Foir in den Beſitz 
Be⸗s, u. von nun an theilte B. die Schidfale von 
Biarn. 1484 kamen beide Grafichaften durch 
Heirath an das Haus Albret, u. 1607 wurden fie 
mit der Krone Frankreich vereinigt. 

— per Preamenen, Felir Julien Jean, 
Graf B. de P., franz. Staatsmann, geb. um 1750 
in der Bretagne; war beim Ausbruche der Revo— 
Iution Parlamentsadvocat u. wurde 1790 Richter 
des 4. Arrondiffements von Paris; zog ſich wäh- 
rend der Schredensregierung ins Privatleben zu- 
rid u. trat erft nach dem 18. Brumaire wieder 
als Commiffar der Confularregierung beim Caffa- 
tionstribunal auf, wurde Mitglied des Staatsrathes 
u. jeit September 1802 Präfident der gejebgeben- 
den Section deffelben. Später zum Neichsgrafen 
ernanıt, fam er an Portalis’ Stelle ins Miniſte— 
rium des Eultus u. folgte1814 der Kaiferin nad 
Blois. Während der erften Reftauration war er 
Generaldirector im Minifterium des Eultus u. wurde 
von Napoleon in den 100 Tagen zum Pair er- 
nannt. Erftarb, feitder eg ei obne 
öffentliche Anftellung, 1826. Mit Trondet, Por: 
talis u. Maleville redigirte er den Code Napoleon. 

Bigotterie (franz. u. engl. bigotterie, bigo- 
try, muß vom beutiben bei Gott herfommen), 
Andäctelei, Frömmelei ohne fittlihe Grundlage; 
wer fie äußert, wird bigott (bigot) genannt. 

Big-Stone, 1) Sce an der WGrenze des 
nordamerifan. Unionsitaates Minnejota, woraus 
der gleichn. Fluß entipringt, welcher in der Näbe 
der Hauptftadt St. Paul in den Miffiffippt fällt. 
2) County im nordamerifan. Unionsftaate Minne⸗ 
fota, unter 45° nu. B. u. 96° w. & Nach dem 
Genius von 1870 gab es nur 24 Ew., aber deren 
Zahl bat jeitdem ftark zugenommen, vom frucht- 
baren Boden herbeigezogen u. unterftütt durch 
die nabe St.-Paul- u. Bacific-Eifenbahn. 

Bihacz (Bihatſch, Bihaſchtſche, Bitſche, Biſch— 
tie), Stadt im türk. Ejalet Bosnien, Hauptſtadt der 
bosniihen Krajina; umfloffen von der Unna; 
früher Schloß, dann Stadt, Feſtung; Sit eines 
Mutaſcherifs; 4000 Em. B. wurde durch Bela IV. 
1250 gegründet u. befeftigt u. war Sig der alten 
froatiihen Könige; es wurde 1468 von den Kroas 
ten den Magyaren entriffen. 19. Juni 1592 über- 
gab Ehriftophlumberg die Feftung an Haffan Pei- 
dojepiji, Statthalter v. Bosnien. Die Öfterreicher 
belagerten B. 1690, 1717 u. 1739, aber allemal 
ohne Erfolg. 1851 verfuchten die Bewohner, ver: 
eint mit bosniſchen Fniurgenten, vergebens ſich 
von der türliſchen Herrichaft frei zu machen. 

Bihar, 1) Comitat in Ungarn, im ehem. Kreife 


Bigot de Préameneu — Bijouterien. 


Comitaten Zarand u. Arad, meftl. von Beles, 
Szolnok, Szabolcs, den Diftricten Fazygien-Kuma- 
nien u, der Haiduken, nördl. von Szabolcs, Szath⸗ 
mar und Mittel-Szolnol; 11,081 km, (201. 
[M). Der öftt. Theil ift vom Reiy- u. Biha- 
ria-Gebirge erfüllt, der weſtl. aber eben. Haupt- 
flüffe find: der Schnelle u. der Schwarze Körös. 
Das Klima ift in den Bergen gefunder, als in ber 
Ebene; tiefe ift aber ſehr fruchtbar, namentl. an 
Getreide, Hülfenfrüchten, Tabal, DER, Wein xc.; 
der Boden enthält Gold, Silber, Eiſen, Blei, 
Kupfer, Marmor, Aabafter, Steintohlen u. Steinöl,. 
ſowie Mineralquellen. Die 555,340 Em. find im 
SD. meift Rumänen, im NW. Magyaren, im 
NO. theilweife auch Deutſche. Die Rumänen find 
Griechen, die Übrigen Katholiten u. Proteftanten. 
Bun ift Großwarbein in der Mitte, größter 
rt Debreszin im NW. Den Namen bat das 
Comitat von dem Heinen Fleden B., nördl. bei 
Großwardein. 2) Provinz in Indien; ſ. Bahar. 
ihe, Negerreih mit gleichn. Hauptftabt im 
weſtl. SAfrika, öftl. von Benguela. Producte find: 
Elfenbein, Nashornhörner, Vieh ıc. Es gibt noch 
SMaveubandel. Die Em., etwas über 100,000, 
ebören der Bantu-zamilie an. Das Land wurde 
ejonders durch Ladislaus Magyar erforicht. 
Bijouterien (v. franz. bijou), jo v. w. 
Kleinod, Shmud u. Ziergegenftände Heinerer 
Mafverhältniffe aus edlen u. unedlen Metallen, 
wonach fie echte oder unechte heißen. Die Her- 
ftellung von B, ift Sache des Kunfthandmwerfes u. 
fällt in das Gebiet der fogenannten Kleinkunſt, 
mwobei fie wiederum die verichiedenften Arten der 
Technik in Mitleidenihaft zieht. Dabin gehören 
der Gold-, Silber-, Broncer u. Eienguf, die 
Bold- u. Silberſchmiedelunſt, das Anfertigen ge» 
triebener Arbeiten, das Graviren, das Guillodyiren, 
die Nielloarbeit, die Filigranarbeit, das Emaillie 
ren, die Kunftichlofferei, der Eifen- u. Stahlſchnitt, 
das Damasciren u. a. Auch die Technik des 
Miniaturmalens u. der Moſail wird vielfach her» 
eingezogen. In der Bibel u. in den Gefängen bes 
Homeros haben fi Ichrreihe Schilderungen von 
Schmud u. Zierrath für häusliche u, friegeriihe 
Zmwede erbaltenn. gewähren uns intereffante Ein“ 
blide in die Eulturzuftände uraltvergangener Zeiten, 
u. die Funde in ägyptiſchen, griechiſchen, etrus⸗ 
liſchen, römiſchen, keltiſchen, germaniſchen u. ſtan- 
dinaviſchen Gräbern haben uns mehr od. minder 
wohlerhaltene Proben alter Kunſtfertigleit geliefert, 
u. noch heute muß der Schmuchk der einzelnen 
Völker als ein bedeutendes Moment zur Feftftellung 
der Eulturftufe, aufder fie ftehen, bezeichnet mwer- 
den. Die prächtigen Schmudarbeiten der Japane- 
jen mit Relieffiguren aus Gold, Silber, Platin, 
oder auch wol Stahl, die chineſiſchen Vaſen aus 
emaillirtem Metall, die bizarr geftalteten Armreife, 
Ringe u. Haarnadeln der Cochinchineſen u. Inder, 
die perſiſchen Sübergeichirre, Filigranarbeiten u, 
Broncen mit feinfter Eifelirung, die prächti 
damascirten Arbeiten der Türkei, die allſpaniſchen 
u. altitalieniihen Taufcier-Arbeiten, die rufſſiſchen 
Shmudjahen mit ihren aus der nationalen Holz- 
architektur herübergenommenen durch nem 


jenjeits der Theiß, umgeben öftl. vom Comitat, Ornamenten zc. charakterifiren die betreffenden 


Kraszna u. von Siebenbürgen, füdl. von den Völker in überzeugendfter Weife, 


Die Geſchichte 


Bijst — Bilamellatus. 


bat uns die Namen zahlreiher Kleinkünftler von 
Bedeutung bewahrt; ihnen find feit dem früheften 
Mittelalter viele Andere, gefolgt, deren Namen 
nicht minder der Geſchichte angehören. So goffen 
Alb. Dürer u. H. Sebald Beham Medaillen, 
Mart. Hariher u. Hans Masliger in Nürnberg 
Beer, Blattwert u. Würmchen in Silber für 
Gold- u. Eilberichmiede; Drazio Fortezza im 
Benedig ſchmiedete prächtige damascirte Käftchen; 
Thom. Auder in Augsburg u. U. jchnitten reis» 
zende Figuren u. Ornamente in Stahl; die Nürn- 
berger Hans Frey u. Sab. Lindenaht trieben treff- 
lich in Kupfer; Antonio da Bologna, Claudio 
Fiamingo, Antonio Pollajuolo u. vor Allen Ben— 
venuto Gellini, der bi. Biſchof Bernward von 
Denen, Hans Aldegrever, David Anftetteter, 

engel u. Albrecht Jamniger, 3. Melchior Ding- 
linger u. 4. thaten ſich als Gold- u. Silberihmiede, 
Gießer, Nielliften u. Emailmaler rühmlichft her— 
vor; Gaddo Gaddi in Florenz, Mei. Kamolt in 
Zürich, Vinc. Montpetit in Paris u. N. lieferten 
zierliche Moſailen für Schmudwaaren ꝛc. Die meifte 
Berwendung zu B. finden heute Gold u. Silber, 
u. zwar theils in der Form von Blech oder von 
Draht. Das Blech wird theils durch Bearbeiten 
des Metalls mittels jchwerer Stahlhämmer, theils 
durch Streden mittels fräftiger Walzen hergeftellt. 
Letzteres gilt namentlih von den großen ‚yabriten. 
Das gleihmäßig dide Blech erhält jeine geforderte 
Form dur einen Prägeftod, der dafjelbe aus- 
fchneidet u. prägt. Die jo gewonnenen einzelnen 
Theile werden hierauf in entfprechender Weiſe an 
einander gepaßt u. unter Anwendung des Yöth- 
rohres zu einem Gauzen verbunden. Hierauf folgt 
in den meiften Fällen noch eine Bearbeitung mit 
der Feile u. in vielen, wo es fih um Decoration 
handelt, auch noch eine ſolche mit dem Grabftichel, 
einer Bürfte aus feinen Metalldrähten oder dem 
Polirftahl. Außer diefen benutst man bei der er 
ftellung von B. noch eine Menge anderer Werf- 
zeuge u. Maichinen, deren ſich die einzelnen zur 
Herftellung von B. herbeigezogenen Arten ber 
Kunfttechnif zu bedienen pflegen. Die verwendeten 
Metalle haben infolge der Bearbeitung ein mehr 
oder minder umicheinbares Anfehen, das bei den 
verschiedenen Metallen durch verichiedene Mittel 
befeitigt wird. Dahin gehört namentlih das Fär- 
ben des Goldes (ſ. Goldlegirungen). Wie in allen 
anderen Zweigen der Kunſtinduſtrie, tritt auch in 
den B. der Charakter der einzelnen Culturländer 
mehr oder minder verichieden auf, ſoweit nicht 
die Mode die Oberhand gewonnen hat. Theil 
weile fallen Charakter u. Mode zujammen, mie 
3.8. in Frankreich. Daneben ericheinen biftorifche 
Zraditionen, geographiſche Bedingungen ꝛc. maß- 
ebend. Nicht minder wichtig als das natiomale 

fement erweift fih das internationale der Reform 
des allgemeinen Geichmades durd den Unterricht 
in Echulen u. Muſeen. So ift in den däniſchen 
B. die Nachwirkung Thorwaldſens in den antifi- 
firenden Syormen unverkeunbar; die Schweiz ar- 
beitet nah dem Geſchmacke aller Länder, wohin 
fie ausführt; Spanien pflegt die von den Mauren 


407 


arbeiten, wobei alien außerdem auch noch in 
jeinem Mofail- u. Camdenihmud mit Glüd zur 
Antife zurüdgreift; Rußland glänzt mit Emailar« 
beiten in nationalem Stil, Ungarn folgt viekahdem 
alten farbigen ZSchmude des 16. Jahrh. Im 
Frankreich fcheint die antififirende Richtung die 
Oberhand gewinnen zu wollen, wenn auch lang» 
fam, da das Rococo noch jehr mächtig tft; wäh“ 
rend fih in England eine beftimmte Tendenz nod 
nicht Mar ausgebildet hat u. Ofterreich u. Deutfch- 
land fi) mebr u. mebr für die Renaiffance ent« 
ſcheiden. Am ftärfften wird dermal die Fabrilation 
von B. in Frankreich betrieben, u. zwar auch die 
in Meffing u. Bronze: Paris allein zählt über 
600 folder Fabriken; außerdem wird in Bordeaur, 
Dearfeille u. Lyon im diefem Zweige viel geleiftet. 
Die engliihen Fabriken in London u. Birming- 
bam arbeiten zwar folider, aber auch theurer; 
die vorzüglichften B. werden in Genf gefertigt 
(jährlich für 9—10 Mill. Fc8.) u. find billiger, 
als die Parifer, in Faſſung für Email »Malerei 
diefen jogar überlegen; die bedeutenditen deutſchen 
B-fabriten beftehen in Pforzheim, Hanau, Schwä— 
biſch Gmünd, Augsburg, Nürnberg, Stuttgart u. 
Offenbach. Sie beherrſchen mit ihren unftilifirten 
Viodewaaren ganz Süddeutſchland u. einen großen 
Theil von Deutſch⸗Oſterreich, während die Wiener 
‚zabrifen den geläuterten Gefhmad ms Auge - 
faffen. Auch Nordamerifa hat bedeutende Fabrilken 
anfzumeiien, Außer Frankreich producirt nament- 
ih auch Italien ſchätzbare B. in Meſſing, wicht 
minder Berlin. Hier hat auch die Eijenbijoute- 
vie Ausgang u, namhaften Aufihmwung genoms 
men. In der neueſten Zeit verarbeitet man ins« 
bejondere in Paris auch Stahl zu jehr gefälligen 
B., u. werden da, wo die Formen der Renaiffance 
neuerlich in Aufſchwung gelommen, außerdem 
viele B. aus orydirtem Silber verfertigt. 
Evelfteine, echte, wie nnechte, finden bei B. viel 
fahe Verwendung. Reguet. 

Bijsk, befeftigte Kreisſtadt im ruffiich-afiatifchen 
Tomst, ander Bija; Kicche u. Kreisichule; 5000 Ew, 

Bijügus (Bot.), zweipaarig. ' 

Bikanir (Beekanir), 1)ein Radichputen-Staat in 
Wyindoftan, öftl. von Bhawalpur, zwiſchen 270 30* 
bis 390 55'n, Br. 1.72% 30° bis 75° 40° 5.8. ; 46,000 
km; 539,000 Ew. Ungemeinen Schwankungen 
der Temperatur unterworfen, bringt das Yand Reis, 
Hirfe, vorzügliche Melonen hervor. Die Hauptmaſſe 
der Bevölkerung befteht aus Dſchat; die herr« 
ſchende Klaffe, zu denen der Radſcha gehört, find 
Nadihputen, unter ihnen die Tſcharun, mit ftren« 
gen Brahmaniſchen Religionsvorſchriften; Wittwen« 
verbrennung bis in die neue Zeit, Das Reich 
wurde 1505 von einem jüngeren Sohne der Linie 
von Dihodpur gegründet u. fteht feit 1818 unter 
Hoheit der Engländer. 2) Hauptitadt diefes Lan⸗ 
des, gelegen in einer öden Wüſte; 60,000 Em. 

Thielemann. 

Bifhgift, von den Bewohnern des Himalaja 
aus der Wurzel eines dort vorlommenden Gijen- 
hutes (Aconitum ferox Wall.) gewonnen u. zur 
Vergiftung der Pfeile verwendet; eines der ftärk- 


überfommene Kunft des Tauſchirens; Portugallften befannten Gifte, 


nebit Italien die aus dem Vollsſchmucke entitan« 
denen u. zum Theil noch dahin gehörigen „iligrane 


Bilabiatus (Bot.), zweilippig; f. Blüthe. 
Bilamellatus (Bot.), aus 2 Platten beftchend, 


408 


Bilander, zweimaftiges Handelsichiff mit tra« 
pezförmigen Segeln, 

Bilanz (fr. Bilan, Balance), f. u. Buchhaltung. 

Bilgteral, zweifeitig; nach zwei entgegenge- 
fetsten Seiten, 3. B. nach rechts u. links hin, aus- 
gedehnt. Der bilaterale oder feitlih ſymmetriſche 
Bau ift den Wirbeitbieren, Mollusten, Glieder— 
füßern u. Würmern gemeinfam u. dem radiären 
od. ftrahlig-fpmmetriihen Bau der Stachelhäuter 
u. GCölenteraten (Strabithiere), fowie dem aſym— 
metriſchen der Urthiere emigegengejegt. 

Bilbäo (Bilvao), Hauptftadt der Provinz 
Biscaya (Bizcaya); tbeilt fih in die Altftadt, 
mit engen Gaffen u. jchlechten Häufern, u. in die 
Neuftadt, mit jchönen u. maffiven Gebäuden. Die 
Stadt war ehemals ſtark befeftigt ; jetzt iſt fte 
faft ofien, fie fol! jedoch wieder zu einem Waffen- 
plate erften Ranges hergerichtet werden. Über den 
ſchiffbaren Nervion führen 3 Brüden, deren eine 
einen einzigen Bogen bat; 2 davon wurden 1874 
bei der Belagerung zerftört; Eifenbahnverbindung 
nah Süden (Miranda) ; Heiner Hafen; der grö- 
here ift am der Ausmündung ins Meer bei Portu- 
galete, einer Stadt mit Klofter u. 1440 Ew., u. 
dem Dorfe Dlavijaja, von wo aus die Waaren 
auf Heineren Schiffen nah B. gebracht werden. 
B. hat 5 Kirchen, Arſenal, Scifffahrtsichule. 
Die Jnduftrie ift namentlich durch Eijengiehereien, 
Webereien u. Blasjabrifen vertreten, anch bereitet 
man Scifisgeräth, Yeder u. Bier. Der Handel 
ift nächſt Barcelona der wichtigſte in Spanien; 
er brachte 1871 an Zöllen 5 Dill. M auf, u. be+ 
trug der Werth der Einfuhr 1871 etwa 45 Mill, 
M. Die Ausfuhr beftebt größentheils aus Eifen- 
erzen, deren Werth 1872 faft 40 Mill. M aus» 
machte. Es liefen in diefem Fahre 1876 Schiffe 
ein (die Küftenfahrer ungerechuet). Der Handel 
beihäftigt 5—600 Schiffe u. 200 Handelshäufer; 
man vertreibt Colonialwaaren, Wolle, Eijenerze, 
Kaftanien, Bauholz, Stodfiihe (ins Jumere). 
1860 17,649 Em. — B. wurde 1300 n. Chr. von 
Diego Lopez de Haro an die Stelle des Amanus 
portus od, Flaviobriga der Alten gebaut; der Name, 
ursprünglich Belvao, bedeutet jhöne Furt. Die 
Stadt erhob fi bald durch die günftige Yage u. 
feine Berfaffung, da es an den Fueros als biscay- 
iſche Stadt theilnahm, u. litt in den inneren Kriegen 
Spaniens nur wenig, in denen mit Frankreich 
mebr; fo wurde es nad) der Schlacht von Ormea 
Juli 1795 und auch 26. Sept. und 1. Nov. 
1808 von den Franzoſen beſetzt u. bis 1813 be- 
hauptet. 5. Oct. 1833 erhob fih B. zu Gunften 
Don Carlos’, wurde aber ſchon 24. Nov. von 
den Ehriftinos unter Sarsfield wieder befegt. 
Im Sommer 1835 wurde e& durch die Earliften 
unter —— vergebens belagert, der hier 
feinen Tod fand, u. am 23, Oct, 1836 von Neuem 
umzingelt u, mit Kugeln überſchüttet. Trotzdem 
ein Theil der Stadt in Trümmer gelegt wurde 
u. die äußerſte Noth herrichte, vertheidigten fich die 
Belagerten mit verzweifelter Hartnädigfeit, bis fie 
am 24. Dec. von Espartero entiekt wurden. In 
dem Garliftenaufftande der neueften Zeit wurde B. 
8. Januar 1874 von den Carliften blotirt, u. dreb- 
ten fi die Kämpfe der beiden friegfübrenden Theile 
hauptſächlich um den Beſitz diefes Platzes; 25.—27. 


Bilander — Bildende Kiünfte, 


März entiegten die Megierungstuppen unter 
Serrano B. zum Theil, doch behielten die Gars 
liften die dominirenden Stellungen, bi® am 2. Mai 
1874 die Negierungstruppen unter Conda in B. 
einzogen, nachdem Tags zuvor die Carliften zum 
völligen Rüdzuge gezwungen worden. 

Blibilis (a. Geogr.), Stadt der Keltiberer im 
Tarraconenfiihen Spanien, im SD. von Mu—- 
mantia; auf einem Felſen am Bilbilis; jpäter 
römiſches Municipium mit dem Beinamen Au- 
gusta, berühmt durch Eiſenwerle, Waffen- 
ſchmieden u. Goldarbeiten; Geburtsort des röm. 
Dichters Martialis; jetzt Baubola bei Ealatayud, 
In der Nähe waren Mineralguellen, Aquae Bil- 
bitanorum; jetzt Albama. 

Bilböque (fr.), 1) Werkzeug zum Vergolden. 
2) Stehaufhen. 3) Kugeljangipielzeug. 

Bild, (Biihmaus), jo v. w. Siebenſchläfer. 

Bild, 1) im Allgemeinen: Die Dar- oder 
auch nur Vorftellung eines dem — ———— 
freife des Auges angehörigen Gegenſtandes. Es 
iſt dabei nicht erforderlich, daß dem dar- od, vor» 
geftellten Gegenftande in der Wirklichkeit ein ſolcher 
vollfommen entipricht; es lönnen ſogar in dem 
Bee Formen combinirt fein, die zwar in ihrer 
Einzelheit wirflihen Formen entiprechen, in ihrer 
Verbindung aber unmöglich find, alfo im der 
Wirklichkeit nicht gefehen werden. Solcher Art 
Bser find entweder bloße Phantafieproducte, welche 
dichteriich (3. B. im Märchen) verwerthet werden 
fünnen, oder fie find wejentlih von ſymboliſcher 
Bedeutung und in diefem Falle meift religiöfer 
Tendenz. Hiermit im Zufammenbange fteht, daß 
B. überhaupt jo viel bedeutet wie uneigentlide 
Bezeihnung, d. h. Dar- oder Borftellung einer 
Idee in der Form eines mit derjelben in Bezieh— 
ung geftellten Gegenftandes (vgl. Allegorie). Dieje 
Bedeutung haben Ausdrüde wie: in Bsern ſprechen 
oder Etwas mur bildlich meinen u. dergl. 2) Im 
Befonderen bezeichnet B. ſoviel als Abbild, 
Neproduction eines fichtbaren Gegenftandes durch 
die bildende Kunft; im diefem weiteren Sinne 
fann e8 dann ſowol ein Merk der Plaſtik, wie 
der Malerei oder der zeichnenden Kunſt fein. Im 
engeren Simme bezeichnet es foviel als Gemälde; 
wenigftens werden, wenn fchledtbin von B-ern 
geſprochen wird, darunter zunächſt Werle der 
Malerei verftanden. 8) Specielle Bedeutungen 
von B. find a) in der Optif: die Reproduction 
eines fihtbaren Gegenftandes durch Spiegelung 
auf einer Fläche; u beim Kartenipiel: Die mit 
figürlichen Darftellungen bezeichneten Blätter; c) 
in der Heralbil: die Wappenfiguren; d) in der 
Weberei, Teppich» u. Tapetenfabrifation, Kattun⸗- 
druderei u. f. f. die figürlichen Darftellungen, im 
Gegenjagezuderornamentalen Zeihnung. Ehasler. 

ildende fünfte, A. Im weiteren Sinne: 
die drei Künfte der räumlichen Darftellung, 
welche entweder, wie die Plaftil u. Malereı, 
Abbilder wirfliher oder als wirklich vorgeftellter 
Segenftände jchaffen, oder, wie die Architektur, 
folhe von nur ideell vorgeftellten Formen, beider« 
feit8 aber in finnlih concretem Material. Die 
br 8. fteben daher im Gegenfage zu den Künften 
der zeitlihen Darftellung (Muſik u. Voefte), 
deren Productionen zwar ebenfalls firirt werden 


Bildende Künfte, 
tönnen, aber nicht, wie die der b-n K., auf Fünft-; Maleriichen das —— 


leriſchem, ſondern nur auf künſtlichem Wege, näm⸗ 
lich duch Noten- u. Buchſtabenſchrift, wäh— 


rend fie in der realen Darſtellung, d. h. in der drei Künſte ſich daſſelbe Geſetz wirkſam 


Form künſtleriſcher Aufführung, ſtets von Neuem 
wiederholt werden müſſen, um für die äſthetiſche 
Anſchauung vorhanden zu ſein. Man pflegt daher 
auch die raͤumlichen Künſte, als die des Auges, 
von den zeitlichen, als denen des Ohres, zu 
unterſcheiden; doch iſt dies Kriterium nicht erſchöp⸗ 
fend. Im Drama, als der höchſten Gattung der 
Poeſie u. ſomit der Kunſt überhaupt, verbinden 
ſich alle Künſte — ſowol der räumlichen, wie zeit— 
lichen rg für Auge u. Obr zum vollen 
Totaleindrud, Ein 


409 


in der Gejammtent- 
midelung der geſchichtlichen Kunftanfhanung bildet, 
jondern daß in der Gonderentwidelung jeder der 
äfigt. So 
ift die ganze altorientalifche Kunft wejentlih ardi« 
teltoniſchen, die helleniſche wefentlich plaſtiſchen, 
die mittelalterliche weſentlich maleriſchen Charaf- 
terö, u. zwar der Art, daß in der orientalischen 
Kunft nicht nur die Architektur, in der hellenischen 
die Plaftit, im der chriſtlichen die Malerei als 
Hauptfünfte vorwalten, fondern daß auch die 
anderen Künfte neben ihnen durch ihren Charakter 
beftimmt werden. So ift im Orient alle Kunft, 
auch die Plaſtik m. Malerei, architeltoniſch, d. b. 


tiefer im Weſen der Kunft|ftarr, ſymmetriſch, bewegungslos; im der belle 


jelbft begründetes Unterfheidungsprincip if der niſchen trägt auch die Architektur einen plaftiichen, 


Gegenfag von Ruhe u. Bewegung. Die ganze 
Stufenfolge der Künfte: Architeltur, Piaſtik, 
Malerei, Mufit, Mimit, Boefte, ſowie die ideelle 
u. geihichtlihe Entwidelung jeder einzelnen Kunſt 


für fih zeigt den continnirlichen Fortgang von 
Ruhe zu Bewegung. Zunächft find die Künſie der 


räumlihen Anihauung (b. 8.) im Ganzen als 
Künfte der Ruhe, d. b. der Darftellung eines im 
Raumte rubenden, in feinen Theilen neben einander 
u. gleichzeitig vorhandenen Anjhanungsbildes, zu 
begreifen, während die Künfte der zeitlichen An— 
Ihauung als Künfte der Bewegung, d. h. der 
Darftellung eines in der Zeit ſich bewegenden, in 
feinen Theilen nach einander entftehenden An- 
ſchauungsobjects aufzufaffen find. Dies ift der 
allgemeinfte Gegenfag, Aber auch auf der einen 
Seite, in den bildenden Künften für fich, zeigt fich 
daſſelbe Entwidelungsprincip wirfam, u. zwar 
wird es bier beftimmt durch das wechſelnde Ber- 
bältniß der beiden, im Wefen der bildenden Kunft 
jelbft begründeten Factoren, der künſtleriſchen 
Free u. des Materials. a) In der Ardi- 
teftur, als der erften Stufe, ſteht das Gemicht 
der fünftlerifchen Fdee zu der Schwere u. räum- 
Iihen Ausdehnung des Materials in einem unter- 
eordneten Verhältniß; bier zeigt fi das Vor— 
—— des Elements der Ruhe in der impo— 
fanten Maſſenhaftigleit, der mathematischen Regel— 
mäßigfeit u. Starrheit der Formen. b) In der 
Blaftil, als der zweiten Stufe, zieht fich das 
Material, obſchon es mit dem der Architektur noch 
die Schwere theilt, Schon auf einen kleineren Raum 
zufammen, während dem Ausdrud der dee, aljo 
der geiftigen Bewegung, eine größere Berechtig— 
ung eingeräumt wird. Es herrſcht auf diefer mitt« 
leren Stufe in der Reihenfolge der ben K. bereits 
ein Gleichgewicht zwiihen Idee u. Material. c) 
Auf der dritten, der Malerei, tritt das Material 
(Leinwand, Farbe 2c.), fowie räumliche Ausdehn- 
ung (Verwandlung der Körperhaftigfeit in die 
Flähendarftellung) entfhieden zurüd gegen die 

edeutung des Ideengehaltes. Faßt man die 
Ausdrüde architeltoniſch, plaſtiſch, maleriich (ohne 
bejondere Beziehung auf die gleichnamigen Künfte), 
lediglich als allgemeine Bezeihnungen des den- 
felben zu Grunde liegenden Charakters, fo daß 
jeder der drei Ausprüde auf jede der drei Künſte 
anwendbar ericheint, jo zeigt die Gejchichte der 
ben 8., daß nicht nur der Fortgang vom Archi— 
teftonischen zum Blaftifhen u. von diefem zum 


in der chriſtlichen auch die Architektur u. Plaftit 
einen maleriihen Charakter. Man vergleiche bei- 
ſpielsweiſe einen griechiihen Tempel mit einem 
gothifchen Dome, fo wird man erkennen, daß der 
Unterſchied zwiichen ihnen darin beruht, daß der 
erftere einen mehr plaftiichen, der letztere einen 
mehr maleriihen Charakter zeigt. In der Reiben- 
folge der drei ben K.: Architeltur, Plaſtik, Ma— 
lerei, ift alfo einerſeits eine ftetige Abnahme der 
materiellen Schwere der Darftellungsmittel, an- 
derjeits eine ftetige Zunahme an concretem Dar- 
tellungsinhalt zu conftatiren, 

Im engeren Sinne: Bildhauerkunſt und 
Malerei, nebjt den mit beiden verwandten Tech— 
nifen (f. Bildnerei u. zeichnende Kunft), alfo die 
Künfte der räumlichen Anſchauung, mit Ausschluß 
der Baulunſt. Schon Uriftoteles ftellte als Krite 
rium für die Kunft überhaupt die Mimesis (ge 
wöhnlich als Naturnahahmung überſetzt, richtiger 
aber im Ariſtoteliſchen Sinne: Geftaltung von 
Ideen in Formen der Wirklichkeit) auf u. ſchloß 
damit die Architeltur davon ganz aus. Die Plaſtit 
u. Malerei unterfcheiden ſich von der Architektur 
durch die beiden gemeinfame Aufgabe, einen ide» 
ellen Inhalt in den Formen der Wirflichteit dar— 
zuftellen,. Sie unterſcheiden fih von einander zu— 
nächſt durch die Mittel der Darftellung, dann aber, 
im Zufammenhange damit, durch die Natur des 
ibeellen Darftellungsinhaltes. Die Plaſtik bedient 
fih des jchweren u, förperbaften Materials von 
Stein u. Metall, um vorzugsweife die menichliche 
Geſtalt, als höchſte Schönheitsform , zum Aus- 
druck künſtleriſcher Ideen zu verwerthen. Sie abs» 
trabirt dabei aber gerade von dem, was für das 
Auge zunächſt die Naturwirklichfeit der Erichein- 
ung enthält, von der Farbe. Dieſe mun ift, mit 
Abstraction von der körperlichen Geftaltung, das 
ſpecifiſche Darftellungsmittel der Malerei. Es ift 
ein Frrthum, zu meinen, daß für das Auge (u. die 
ben 8. find nur für diefe Anſchauung) die Körper: 
lichleit der runden Form eine größere Naturwirklich— 
feit befige, als die Farbe. Aber was wir fehen, 
find zunächſt Farben- u. erft, al$ Conſequenz da» 
von, yormen-Unterihiede. Somit ift die Plaftik, 
weil fie von der Farbe abstrahirt, abstracter u. 
dadurch auch fiir Die Darftellung abstracter Ideen 
geeigneter als die Malerei, welche mehr auf die 
Darftellung des realen Lebens , ſowol der Men- 
hen» wie der Naturwelt, angewiefen if. Das 
Gebiet der Malerei ift mithin eim viel weiteres, 


410 


Bilderbibel — Bilderbuch. 


al$ das der Plaftif, indem es das gefammte Ge-|den Niederlanden, Frankreich. Seit 1537 began⸗ 


biet des Sichtbaren, alſo auch die lebloſe Natur 
(Landſchaftsmalerei, Marine) umfaßt; fie iſt auch 
nicht vornehmlich auf die idealiftiiche Geftaltungs- 
ſphäre befchränft, fondern hat vielmehr hier, wie 
uingefehrt die Plaſtik auf der realiftiichen Seite, 
eine engere Grenze. Wenn man fi die Darftell- 
ungsgebiete ber Blaftil u. der Malerei als zwei 
parallele Linien vorftellen will, die fi vom rein 
Idealen zum rein Realen neben einander hinziehen, 
jo ragt die Linie der Plaftit in ihrem Anfange 
(nad dem Idealen zu), die der Malerei in ihrem 
Ende (nah dem Healen bin) über die andere 
hinaus. Die Darftellung des Symboliſchen, Alle 
gorischen, überhaupt abstracter Ideen, welche die 
edelite Gattung der Blaftif umfaßt, ift der Malerei, 
wenigitens wenn fie damit ein naturwahres Co— 
lorit verbindet, verjagt, während die reine Naturs 
wirklichkeit, wie fie ſich 3. B. im Stillleben 
(Blumen, Fruchtmalerei) offenbart, der Plaftif 
ganz unadäquat ift. Bollends fehlerhaft u. geradezu 
unfünitleriich ift jene barbariiche Verbindung von 
Blaftit u. Malerei, welche ftatt des künſtleriſchen 
Scheins der Naturmwirklichfeit eine Naturtäuſchung 
bervorzubringen fucht, wie die in Wachsfiguren— 
Cabineten aufgeftellten plaftiihen n. in Natur 
farben bemalten, wohl gar in wirklichen Kleider- 
ftoffen drappirten, mit natürlichen Haaren u. 1. f. 
ausgeftatteten Figuren, Ein Beweis für das Un— 
fünftleriihe folher Vermiſchung liegt ſchon darın, 
daß die Wirkung derartiger Figuren (u. zwar je 
natnrmwahrer, deito mehr) durchaus geipenftiger 
Art ift, da nicht der fünftleriihe Schein des Yebens, 
fondern eine Naturillufion, der aber das mirfliche 
eben fehlt, hervorgebracht werden fol. Das Um— 
gefehrte findet in jenen Gemälden ftatt, in denen 
(3. B. auf alten Jagdftüden) aus der Fläche des 
Gemäldes ein plaftiicher Hirfchlopf oder dergl. 
heraustritt. Selbft ſchon das allzu paftofe Auf- 
tragen der Farben zu dem Zwede, daß durch die 
plajtiiche Wirkung derſelben die Licht- u. Schatten- 
gegenſätze verjtärft werden, ift fehlerhaft u. un— 
fünftleriich. Das Gefammtgebiet der Gefchichte der 
ben K., mit Einſchluß der Architeftur, ift zuerft 
in wiffenichaftliher Reife von Franz Kugler (Hand 
buch der Kımftgeichichte, 2. A., mit Zufägen von 
Jal. Yurdhardt, Stuttgart 1848) bearbeitet wor- 
den. Umfangreicher ift Karl Schnaafe, Geſchichte 
der ben K., 2, verbefferte u. vermehrte Auflage 
(der 1874 erichienene Bd. VI. reiht bis zum 
Ende des Mittelalters). . Schasler. 
Bilderbibel, 1) Bibel mit Bildern in Holz— 
Schnitt, Kupfer u. Stablftih od. Steindrud ver- 
jehen. 2) Die Bibel in Bildern, biblische Sefchichten 
in bildlichen Darftellungen mit u. ohne Erflär- 
ungen. Schon in früher Zeit wurden bibliſche 
Bücher mit Bildern illuftrirt, wovon die im Mittel- 
alter von Flöfterlihen Künſtlern gefertigten zahl- 
reihen Miniaturen Zeugniß geben; für dem lkirch— 
then Gebrauch war die Biblia pauperum (f. d.), 
eine Darftellung bibliicher Geihichten in Bildern; 
nah Erfindung der Buchdruderfunft wurden auch 
die gedrudten Bibeln mit Holzichnitten u, feit der 
2. Hälfte des 16. Jahrh. mit Kupferftichen für den 


allgem. Gebrauch verjehen, jo ſchon die Sorgefche eigene Kinder angefertigt. 


nen auch aus > Behams Biblicae historiae 
magna arte depietae ganze Reihen biblifcher 
Bilder veröffentlicht zu werden. Im Deutichland 
fanden die größte Verbreitung in Schule u, 
milie Johann Hübners (f. d.) Bibliſche Hiftorten, 
feit 1714 in zahlreichen er Größere Werke 
neuerer Zeit find: Loſſius, Moraliſche B., Gotha 
1805—13, 5 Bde., 2. Ausgabe, 1821—24; Bappe, 
60 bildliche Vorftellungen aus der Bibel des U. 
u. N. T. Wien 1820—26, 35 Hefte, n. Ausg., 
ebd. 1828, auch dgl. mit 163 illuminirten Kup» 
fern, Lpz. 1811, 2 Bde; B. für die Jugend in 50 
Bildern, Berlin 1819, in Gotha von Olivier, 
1834, in Stuttgart 1835 ff., in Meißen 1835 ff., 
in Leipzig, für Katboliten, 1835 ff., in Düffeldorf 
von Overbed, 1841; B. für das hriftliche Volk, 
Berl, 1851 ff.; in Schnorrs von Carolsfeld Bibel 
in Bildern, Lpz. 1852 fi; im Guft. Königs 
u. Zul. Thäters Boltsbibel, Mind. 1863 ff.; in 
Dorcs B., franz. u. deutich mit luth,, kath. u. 
israel, Tert, Stuttg. 1874. 3) So v. w. Biblia 
—3 1). 

Bilderbogen, Holzſchnitte verſchiedener bilde 
licher Gegenſtände, auf einem Bogen zufammen« 
gebrudt; find meift ſchwarz u. dienen zum Illu⸗ 
miniven oder auch zum Nachzeichnen für Kinder. 
In neuerer Zeit werden fürmlihe Sammlungen 
u. Werte zu gleichem Behufe auch von Bud- u. 
Kunfthändlern unternommen; dann find die Zeiche 
nungen meiſt in Kupfer geſtochen oder lithogras 
phirt. Des beiten Rufes erfreuen fich die Mün— 
hener u. die deutichen Bilderbogen,, jene von 
Braun u. Schneider, diefe von Guſt. Weife in 
Stuttgart in meiſterhaftem Holzſchnitte beraus- 
gegeben. 

Bilderbuch, 1) eine in Buchform angelegte 
Sammlung von bildlichen Darftelungen. 2) Eine 
mit erläuteruden Abbildungen verjebene Schrift, 
jofern deren Benutzung ſich bloß auf Betrachtung 
diefer Bilder beichränft, 3) Beſonders ein arti» 
ſtiſch⸗ literariſches Product, bei welchem die Anfertige 
ung u. Zuſammenſtellung von jchwarzen oder 
iluminirten Bildern die Hauptiache ift, zur beleh— 
renden Unterhaltung für Kinder dienend, um ihnen 
mittels Anfhauung Kenntniß von Äußeren Gegen« 
ſtänden des Lebens zu verichafien. Bon diefer Art 
ift der befannte Orbis pietus (f. d.). Ju neuerer 
Zeit find Werfe diefer Art ein eigener Zweig des 
Buchhandels geworden. Es gehören dahin für den 
früheften Kinderunterricht: Bilder-A⸗b⸗c-bücher 
u. Fibeln, ſodann, als Übungsleſebücher u. zur 
Kinderunterhaltung, eine Menge, auch Bilderbücher 
genaunter Kinderſchriften. Unter den älteren Er— 
ſcheinungen dieſer Art find bei. Bertuchs Bilder« 
bücher u. unter den neueren die bei Arnz u. Comp. 
in Diüffeldorf, Winkelmann u. Söhnen in Berlin, 
Chelius in Stuttgart, Schmidt u. Spring, ebb,, 
Schreiber in Eflingen, Flemming in Glogau, 
Opit in Leipzig, Braun u. Schneider in Münden, 
3. Bagel in Wefel u. A. erichienenen bemerkens— 
werth. Das verbreiterfte aller Bilderbiicher neuerer 
Zeit ift der Ztrummelpeter, Frankf. 1847, von 
Franz Hofmann, zunächſt für des Verfaſſers 
Das an fidh treffliche 


u. Zeinerſche, 1477, und ferner in Deutfchland, Buch hat nur im jo fern abfällige Beurtheitung 


Bilderbuchftaben 


gefunden , als die Pädagogik vom äſthetiſchen 
Standpunfte aus den Grundſatz aufſtellt, den 
Kindern müßte das Unfhöne auch im Bilde mög- 
lichſt ferngebalten werden. 

Bilderbucdhftaben, die Anfangsbuchftaben von 
Capiteln in Handicriften des 7.—15. Jahrh. u. 
felbit noch im alten Druden, melde, außer den 
Buchſtaben, die fie bezeichnen, Geftalten von Men- 
Ihen u. Thieren, Früchte, Laubwerk, Blumen, 
Gitterwerf oder blos Schnörkel darftellen, die ſich 
anfangs meift auf den Inhalt des Capitels, das 
fie beginnen, bezogen, ſpäter aber bloß Schöpf- 
ungen der Phantafie des Abjchreibers maren. 
Sie find ſtets bumt ausgeführt, oft auch mit Gold 
u. Silber verziert, oder auf folhem Grunde ge- 
malt. Man kann an ihnen Alter u. Schreibart 
der Handichriften erkennen, da faft jedes Zeitalter 
u. jedes Voll die Anfangsbuchftaben auf andere 
Art verzierte. Mit dem 15. Jahrhundert, bezieh: 
ungsweiſe mit der Erfindung des Bücerdrudes 
beginnt ein neuer Abichnitt der Geſchichte der B., 
indem nunmehr im Drude der zum Ausmalen ber- 
felben nöthige Raum freigelaffen wurde. (S. aud 
Mini —— 

Bilderdienſt (Bilderverehrung, gr. Jlono— 
latrie) ift eine ganz allgemeine religionsgeſchicht⸗ 
lihe Eriheinung, wo irgend der Menjch über die 
Stufe der Thierheit fih erhebt. Sie ift in ihren 
erften Anfängen ganz eins mit den erjten Ber- 
fuhen des Menihen zum künftleriichen Bilden. 
Wie des Menſchen Phantaſie überall im Anfange 
die Naturdinge u. Naturerfheinungen perfonificirt, 
animirt, fo auch die ihn nach Kiuderart mit Ent- 
züden erflillenden Producte feiner eigenen erſten 
Kunſtthätigkeit, u. wie der Anfang aller Religion 
aus dem Beftreben des Menſchen fich erklärt, 
feine Wünsche, fomweit er nicht durch Wiffen und 
Arbeit die Natur beherricht, durch einen jenen Ge— 
Ihöpfen jeiner Phantafie gewidmeten Dienft, Ge— 
bet, Opfer, mit ihrer Hilfe zu erreichen, jo geht 
aud aller B. ganz in diefem Beftreben auf, u. 
zwar nicht bloß bei den rohen, jondern auch bei 
den höchſt gebildeten Völlern des Heidenthums. 
Dagegen bat die Mofaifche Religion als die rein 
u. ausschließlich ethische von Anfang gegen allen 
B. fi abweiſend verhalten (2. Moſ. 20, 4. 5), 
u. im israelitiſchen Eult wurden urjprünglich heid⸗ 
nifche Götterbilder, wie die Eherubim, die Stier- 
bilder unter dem ehernen Meere, zu Symbolen der 
böciten, Gott dienenden Geichöpfe herabgeſetzt. 
Doch nur ſchwer u. laugſam drang das Moſaiſche 
Grundgelet gegen den auch im israelitiichen Volle 
urjprünglih vorhandenen B. dur, den dieſes 
Bolt von jeinen urfprünglihen Sigen in Chaldäa 
ber batte, u. den fein Aufenthalt in Agypten, 
Berührung u. Berwandtihaft mit den ummohnen- 
den Völkern nährte. Die Stierbilder Aarons u. 
ger die eherne Schlange Mofis, die An- 

etung des Ephod in der Richterzeit, die geweihten 
Steine, die Terafimbilder weiſen auf einen ur— 
fprünglichen, mit äußerfter Zähigfeit fich behaup- 
tenden B. Israels. Erft feit der Babylon. Ge- 
fangenihaft gelangte das Moſaiſche Grundgebot 
eines völlig bildlofen Cultus zu einer mie 
mehr beftrittenen Geltung. Ebenio fremd blieben 
Bilder von Gott der Chriſtlichen Kirche der 


— Bilderdienft. 411 


zwei erften Jahrh., u. dies war der Grumd, wa« 
rum man die Ehriften des Atheismus bejchufbiate. 
Als Ausnahme fanden fich Bilder von Chriſtus, 
Paulus u. Philofophen bei den Gnoftifern, bei, 
bei den Bafılidianern u. Karpolratianern. Bon 
ihnen gingen die bildlihen Darftellungen bald im 
den allgemeinen Gebrauch fiber, zumal da Sinu- 
bilder, wie: Taube, Fiſch, Anker, Hirt, Weinftod 
u. Yamm auf Siegelringen u. heiligen Gefäßen, 
dann auch Gemälde von biblifchen Begebenheir 
ten, Heiligen, Märtyrern, die in den Vorhöfen 
der Kirchen aufgeftellt wurden, um das Volk zu 
guten Eutſchlüſſen zu ermuntern, früber ichon üb» 
lih waren u. der ſtets noch nachwirtenden heid- 
niihen Dentweife entiprachen. Dieſe Sitte wurde 
indeß noch im 4. Jahrh. von Synoden gemiß— 
billigt. Als aber im 4. Jahrh. das Chriftenthum 
Staatsreligion wurde, mehr Glanz u. Pracht in 
den Sottesdienft fam u. viele angejebene Berfonen 
zum Ehriftenthum übertraten, wurden im 5. Jahth. 
die Bildiwerte, Malereien und Kunftverzierungen 
auch in den Kirchen allgemein, u. es bildete ſich 
eine chriftliche Symbolit, Dafür wirkte im Abend» 
fande beſ. Paulinus von Nola, u. da man die 
Bilder ald Bücher der Armen u. Laien betradı- 
tete (ſ. Biblia pauperum), wodurd fie belehrt u. 
erbaut werden follten, jo waren fie damals mehr 
nütlich als ſchädlich. Allein als die Kirchenlehrer 
fih dem Heidentbum immer mehr anbequemten, 
um heidniiche Völfer zum Übergange zu bewegen, 
als fie dem Libergetretenen immer mehr geftatteten, 
frühere Gebräuche in äußerlich chriftlicher Form 
beizubebalten, u. die Bilderverehrung riftlicher 
Karfer immer üblicher wurde, ging im 6. Jahrh., 
bei. im Morgenlande, der Gebraud der Bilder 
in einen Mißbrauch über. Dan erzeigte denjelben 
nun bejondere Berehrung, küßte fie, zlindete Yampen 
vor ihnen an, väucherte mit Weihrauch, jchrieb 
ihnen Wunder zu, betete fie an, behandelte fie 
alfo wie die Heiden ihre Gößenbilder. Dagegen 
eiferten alle befjeren Kirchenlehrer, mährend fie 
Andere aus Eigennuß begünftigten, u. aus diefem 
Gegenfage entftand denn der langwierige Bilder- 
ftreit, als der Kaifer Leo der Iſaurier zur Ab- 
ftellung des Mißbrauches 726 den B. verbot u. 
wegen Nichtbefolgung feiner Befehle 730 die Bilder 
aus den Kirchen wegnehmen ließ. Er entfernte 
den Patriarhen von Conftantinopel, Germanus, 
u. bewirkte, ungeachtet des Tadels von Nom aus, 
wo Papft Gregor II. fih gegen ihn erklärte u. 
Gregor III. 732 fogar alle Bilderfeinde in den 
Bann that, daß die Bilderverehrer (Bilder 
aubeter, Ikonoduloi, Ikonolatrai) von den Bil» 
derftürmern (Bilderfeinden, Ikonomachoi, Iko- 
nokaustai, Ikonoklastai) unterdrüdt wurden Leos 
Gelege gegen die Bilder hielt fein Nachfolger Con- 
ftantinus Kopronymus aufrecht, ließ fie auf dem 
Concil zu Eonftantinopel 754 gegen die Bilder» 
verehrer beftätigen, viele Möndıe, weiche, nebſt 
den Patriarchen von Alerandrien, Antiochien u. 
Jeruſalem, für die Bilder eiferten, binrichten u. 
alle Reihsbürger den B. abihmwören. Auch Kaifer 
Leo IV. Chazaras handhabte die Geſetze gegen 
fie mit Hilfe des Heeres fireng. Doc deſſen 
Mittiwe Irene braudte die bei Bolfe u. Klerus 
nod beliebte Bilderverehrung als Dlittel, ihrem un⸗ 


412 


münd'gen Sohne Conjtantin den Thron zu fihern, | 
verjammelte im Einverſtändniß mit dem neu er-jGejtalt fie darftellen, verehren. 


nannten Batriarden Tarafios von Gonftantinopel 
786 dafelbit u. 787 in Nicäa eine Synode, welche 
die Verehrumg der Bilder durch Riederfallen, Kiffen, 
Beräucern ꝛ⁊c. wiederherjtellte. Alle Bilderfeinde 
wurden verdammt. So blieb es auch unter den 
Kaifern Nilepboros u. Michael Ahangabe bis 813; 
erst Leo V. Armenius verbot den B. dur ein 
Edict (814) u. dann durch die Synode in Con— 
ftantinopel (815) u. bejtrafte die Umgehorfamen, 
meift Mönche, an deren Spite Theodoros Studita 
ftand. Kaiſer Michael II. Piellus verbot den Streit 
über den B. u. geftattete den privaten B., ohne 
dadurch die Bilderfreunde zu befriedigen; feinSobn, 
Kaifer Theophilos, jeit 829, ermeuerte gegen die- 
felben die firengften Maßregeln. Gleich nad) feinem 
Tode lie feine Wittwe Theodora (842) den B. 
mwiederherftellen un. das Andenken dieſes B-fieges 
dufh das Feſt der Orthodorie 19. Febr. 842 
verewigen (F. u. Invocavit). Seitdem blieb auch 
in der Morgenländiichen Kirche die Verehrung der 
Bilder, namentlich Jeſu u. der Marıa, herrichend, 
doch duldete fie nur gemalte u. ausgelegte (He 
lief) Bilder. Bon den übrigen orientaliichen 
Ehrifienparteien beobachten alle, außer den Neito- 
rianern, Thomaschriften u. den ruſſiſchen Nostol- 
niten, dieſe Bilderverehrung, womit der Glaube 
an die wunderthätige Kraft gewiſſer Bilder, ıbr 
Ummpertragen bei Proceffionen, um Schug u. Segen 
zu erhalten, ihre Belleidung mit foftbaren Stoffen 
u, Edelfteinen u. die Gewohnheit, fie zu beichenten, 
bei allen Bilderdienern zufammenhängt. Im Abend- 
lande war während des Bilderftreites die Anficht 
den B-e günftiger, u. die Päpfte vermwarfen die 
Beſchlüſſe des Concils zu Conftantinopel u. ver 
dammten ferner die Vilderfeinde, nur follten die 
Bilder nicht eigentlich verehrt werden. Nur die 
Fränkiſche Kirche war gegen den B. auf der Sy— 
node zu Gentiltacum (767), welche übrigens Die 
Bilderftürmerei nicht billigte, u. Karl d. Gr. Tief 
790 der 2, Synode zu Nikäa eime Wiederlegungs- 
ſchrift: De impio imaginum cultu (Libri carolini) 
entgegensegen, die den Gebrauch der Bilder nur 
zur Verzierung zuließ, u. die Bverehrung auf 
der Synode zu Frankfurt 794, mit Beiftimmung 
der Engliihen Kirche verdammen, ebenjo 825 auf 
der Synode zu Paris, Bom 9, Jahrh. an neigten 
fih die Päpfte immer mehr zu der Beverehrung 
hin, wodurd fie auch im Abendlande bald überall 
Eingang fand. In der Römisdy- Katholischen Kirche 
blieb der B., u. das Tridenter Concil hat fich 
in den Beichlüffen der 25. Sejfton darüber, mit 
Vermeidung des Ausdruckes Anbetung, dahin aus- 
geiprochen, daß man die Bildnifie von Ehriftus, 
der Heiligen Jungfrau u. den anderen Heiligen 
aufbewahren u. denfelben die gebührende Ehre u. 
Achtung erweifen jolle, nicht als wenn in denjelben 
etwas Göttliches oder eine befondere Kraft, mes: 
halb fie zu verehren wären, fi befände, od. als 
ob man Etwas von denielben erbitten oder ein 
Vertrauen auf fie feten follte, ſondern weil die 
denjelben bewiefene Ehrenbezeugung auf die Ur- 
bilder, welche fie bezeichnen, bezogen würde, jo 
daß die Katholifhen durch die Bilder, melde fie 
füffen, vor denen fie das Haupt entblößen u. ſich 


— 


Bilderdijk. 


beugen, Chriſtum anbeten u. die Heifigen, deren 
Eine Folge bes 

Dres find die MWallfahrten zu den berühmten 
Gnadenbildern. Die Reformation erflärte ſich 
entjchieden gegen den B. Luther verftattete die 
Duldung der Bilder zwar als Zierde u. zur er» 
banlihen Erinnerung, wie er ſich denn aud gegen 
Karlſtadts Zerftörung der Bilder u. Altäre im 
Wittenberg (1522) entichieden ausſprach. Die ſchwei ⸗ 
zeriichen Reformatoren erflärten fih gegen alle 
Bilder, Tiefen fie aus der Kirche wegnehmen, u. 
in manchen Gegenden wurden fie zertört, fo bei. 
in den Niederlanden, Noch jett werden fie nicht 
in der Reformirten Kirche u. den von ihr ausge— 
gangenen Particnlarfirhen der Presbpteriamer, 
Methodiften, Quäter zc. geduldet. Im Islam ıft 
aller B. ftreng verboten, ja, es wird fogar von 
den Orthodoren für Sünde geachtet, ein lebendes 
Wefen, wenn auch zu einem anderen Zwede als 
dem der Anbetung, abzubilden. Vgl. Dalläus, 
De imaginibus, Leyd. 1642; Weflenberg, Die 
chriftlichen Bilder, ein Beförderungsmittel des chrift« 
lichen Sinnes, Konftanz 1827, 2 Bde.; Maina- 
bourg, Hist. de l'heresie des iconoclastes, Par. 
1679; Spanbeim, Historia imaginum restit., 
Leyd. 1686; Schloffer, Geſchichte der bilderftir- 
menden Kaifer de3 Oſtröm. Neiches, Frankfurt 
a. M. 1812; Marr, Der Bilderftreit der Byzan- 
tinifchen Kaiſer, Trier 1839; Grüneifen, Die 
bildliche Darjtelung der Gottheit, Stuttg. 1828. 

vöffler.* 

Bilderdijf, 1) Willem, berühmter holländ. 
Dichter, geb. 7. Sept. 1756 zu Amſterdam; ſtud. 
in Leyden die Rechte u, wurde im Haag Advocat; 
nah dem Einzuge der Franzoſen wanderte er 
aus u. lebte erjt in Braunſchweig, dann in Yon- 
don, wo er Borlefungen über Literatur u. Poeſie 
bielt; 1806 kehrte er nah Amfterdam zurüd, u. 
der König Ludwig zeichnete ihn bei feiner Thron« 
befteigung ſehr aus, ernannte ibn zu jeinem Lehrer 
im Holländishen u. zum Mitgliede des Holländiſchen 
Nationalinftituts; bei Ludwigs Abdanfung verlor 
er fein Amt, lebte dann in Leyden u. zulest im 
Saarlem, wo er 18. Dec. 1831 ftarb. 8. ift 
einer der begabteften u. fruchtbarften Dichter der 
neueren niederländ, Yiteratur; feine Anregung 
u, Belehrung ſuchte er bei den älteren vater- 
ländiichen u. beiten ausländiſchen Dichtern aller 
Seiten, obwol weniger bei den engliſchen u. deutſchen. 
Er jehr.: Over den invloed dr dichtkunst op 
het staatsbestuur (Preisgedicht), 1776; De ware 
liefde van het vaderland, 1777; das cpiiche Ge— 
dicht: De ondergang van den ersten wereld (Frag- 
ment), Amfterd. 1820, n. A. von da Coſta, 1845 
bis 1847; die didaktischen Gedichte: Buitenleven 
(nach Delille), Amſterd. 1803, u. De ziekten der 
geleerden, 1807, 2. A., 1829; das bejchreibende 
Sedicht: De mensch (nad) Pope), 1808; die Ge— 
dichte: Verlustiging, 1779; Odilde, 1784, n. A., 
1804; Bloempjens, 1785; Mengelpotzij, 1799, 
2 Bde., n. W., 1823; Mengelingen, Amiterd, 
1804—8, 4 Bde., 2. A. 1828; Poözij, 1803—7, 
4 Bde,, 2.4., 1822; Nieuwe Mengelingen, 1806, 
2 Bde., 2. A., 1817; Najaarsbladen, 1808, 
2 Bde.; Verspreide Gedichten, 1809, 2 Bbe.; 
Winterbloemen, 1811, 2 Bbe.; Aftodillen, 1814, 


Bilderfirniß — Bildergalerie. 


413 


2 Bbe.; Nieuwe uitspruitsels, 1817; Wit enjfammler, die nad beftimmten Principien Gemälde 


rood, 1819, 2 Bde.; 
1819, 2 Bde.; Poözij, 1820; Sprokkelingen, 
1821; Zedelijke gispingen, 1820; Vertellingen 
en romances, 1821, 2 ®be.; Krekelzangen, 
1822, 3 Bde.; — — 1824, 2 Bde.; 
Navonkeling, 1826, 2 Bbe.; Oprakeling, 1826; 
Nieuwe oprakeling, 1827; Naklankgedichten, 
1828; Avondschemering, 1828; Vermaking, 
1828; Nieuwe vermaking, 1829; Schemerschijn, 
1829; Nieuwe Gedichten, 1829; Nasprokkeling, 
1830; Nalezingen, 1833, 2 Bde.; De geester- 
wereld en het waarachtig goed, 1843; Einiges 
deutſch von Quad u. Duttenbofer, Stuttg. 1851 7.; 
Hollands verlossing, 1813 f., 2 Bde., 2.4, 
1833; Wapenkreet, 1815, u. Vaderlandsche 
nitboezemingen, 1815; die Dramen: Floris de 
Vijfde, 1808; Willem van Holland, Kormak, 
Linna. Ausgabe jeiner Dichtwerken, Haarl. 
1857—60, 16 Bbde.; die ſprachwiſſenſchaftlichen 
Werke: Over de geslachten der naamwoorden, 
1805; Taal- en dichtkundige verscheidenheden, 
1820—23 u. 24f., 8 B®be.; Geslachtlijst der 
nederduitsche naamwoorden, 1822, 2 Bde., 
n. A., 1832—34, 3 Bde.; Nederlandsche spraak- 
leer, 1826; Beginsels der woordvorsching, 1831; 
überfetste Offians Fingal (1805), den Kallimachos, 
die Batrahomyomadhie (1821); die beiden Odipus 
von Sopbofles (1779 u. 1789); er hr. aud: 
Geschiedenis des Vaderlands, herausgeg. von 
Tydemann, 1832 ff., 12 Bde. 2) Katharina 
Wilhelmine, Gattin des Vor., geb. Schweid- 
bardt, geb. 1777 im Haag; ft. 18305 fie ſchr.: 
Rodrigo de Goth; Gedichten voor kinderen, 
1813; Overstrooming van Gelderland, 1809; die 
Zraueripiele: Elfriede, Fphigenie in Aulis, Ihre 
u. ihres Mannes Treurspelen, Haag 1808 f., 
3 Bde, 2. A., 1836. Ihre Gedichte erjchienen 
als Dichtwerken, Amft. 1859, 2 Bde. Ihre Yebens- 
beichreib. von Da Eofta, Amft. 1844, u. ten Kate, 
Amſt. 1862. 

Bilderfirmnif, ein von Maftir oder einer an« 
deren durchſichtigen mwafjerfeften Maſſe bereiteter 
Überzug über Gemälde, der, im flüffigen Zu« 
ftande aufgeftrihen, bald trodnet u. Bildern ein 
friiheres Anſehen gibt, auch diejelben gegen Ein- 
fluß der Luft ſchützt. Räthlich erjcheint es, den 
B. erft längere Zeit nah Vollendung der Olbilder 
aufzutragen, weil dadurch das Meißen berjelben 
vermieden wird. Der Auftrag gefchieht mit 
breiten, flachen Pinſeln und möglihft parallelen 
Zügen. Durch Zemperatureinflüffe blättert ſich 
der B. häufig zum großen Nachtheil der Olbilder. 
Zur Bejeitigung dieſes Nachtheils dient Petten- 
kofer8 Regenerationsverfahren (ſ. d.). 

Bildergalerie, eine in eigens dazu beftimmten 
Räumen (Galerien) aufgeftellte Sammlung von 
Bildern, Gemälden, Handzeihnungen, Stiden :zc. 

L Ihren Urfprung verdanken die Ben der 
Prunkſucht von Fürften u. reihen Privatleuten, 
melde die Wände ihrer Paläfte mit Bildern 
ſchmückten, die vorwiegend auf die Wand aufge- 
tragen wurden. Schon bei den Griechen und 
Nömern gehörten Malereien neben Sculpturen 
zu dem beliebten Schmude der Wohnungen reicher 
u. angejebener Perjonen; aber eigentfiße Bilder» 


ieuwe dichtschakeering, | zujammenbradten u. aufftellten, fannte man ba- 


mals ebenfo wenig, als im Mittelalter. Erſt mit 
der Periode der Renaiffance der antiten Kunft, 
die von Ftalien ausging, begannen Freunde und 
Gönner der Kunft größere Sammlungen von Ge- 
mälden anzulegen, indent fie die Bilder theils von 
den Malern felbit, theils — namentlich ältere — 
von früheren Befigern anfauften. Das Verblühen 
des italienischen Handels im 16. u. 17. Jahrh. 
hatte eine Berarmımg vieler reichen Privatleute, 
die im Beſitze oftbarer Gemälde waren, zur folge, 
u, wie andere ihrer Kojtbarfeiten, jo famen auch 
diefe in den Handel u. wanderten durch zweite u. 
dritte Hand in die großen Kunftfammlungen, 
welche nun als eine Art fürftlicher Liebhabereien 
an den Höfen in Deutihland, Frankreich, Eng— 
land zc. entjtanden. Erſt jpäter mit der allmäh- 
lichen Läuterung des Kunſtgeſchmackes durch Windel- 
mann, Leſſing u. A. begann man derartige, ohne 
große Wahl zujammengebradte Sammlungen zu 
fihten u. zu ordnen u. bei neuen Erwerbungen 
auf dem fünftleriihen oder archäclogiihen Werth 
der anzulanfenden Bilder Rüdfiht zu nehmen. 
Zugleich forgte man auch für die Unterbringung 
der Sammlungen in geeigneten Räumen, u. jo 
entftanden in vielen Refidenzftätten Diufeen, welche 
zur Aufnahme der vorhandenen Werke bildender 
Kunſt dienten u. für die Malereien, Zeichnungen 
u. Stiche befondere Säle u. Galerien enthielten. 
Neben den fürftlichen entftanden auch ſtädtiſche 
B. meiftentbeils durch Bermädhtniffe von Gemälde» 
fammılern, welde ihre Sammlungen nach den 
Zode erhalten wifjen wollten, u. endlich “Privat- 
Ben, die vielfah mit Beihränfung auf eine ge» 
wife Klaffe von Bildern (nah Schulen, nad 
Berioden, nad der Art der Malerei, nad) dem 
Charakter der Bilder zc.) angelegt zu fein pflegen. 

II. Der Zwed der Ben ift zunächſt die Erhalt» 
ung der Bilder als culturgeſchichtlicher Denkmäler 
vergangener u. gegenmwärtiger Zeiten, ſodann aud) 
die Berangeniheinlihung von vorzüglichen Kunft- 
leiftungen, ſowol für Künftler, als das gefammte 
Publicum. Ihr hauptiächlicher Werth befteht darin, 
daß fie die Kenntmiß der Entwidelung der Kunft, 
fowol was Gegenjtand u. Auffaſſung, als was 
Darftellung u. Darftellungsmittel betrifft, ermög- 
lichen, u. zwar einerfeitö den ausiibenden Kiinft- 
lern, denen die Erzeugniffe früherer Kunftperioden 
vielfach als Vorbilder dienen, anderfeit® auch den 
Laien, welche fih des Schönen im Allgemeinen 
und um feiner felbft willen freuen, oder aber in 
den Kunftwerfen einer beftimmten Culturperiode 
einen möglichen Behelf zur Beurtheilung der Eut- 
turperiode finden. Aber auch Hiervon abgejehen, 
wirkt der Beſuch von Ben wohlthuend auf die 
Pflege des jedem Menihen angeborenen, mehr 
od, minder entwidelten Schönheitsgefühls. 

III. Bei der Anordnung u. Aufftiellung 
der B-n pflegt fait überall das Hiftoriihe Princip 
zunächſt berüdficstigt zu fein. Locale Verhältniffe 
zwingen aber den Ordner bisweilen, davon 
abzuweichen, wenn fi B. ganz große u. ganz 
Heine Bilder nicht neben einander anbringen 
laffen, oder eine Anzahl Bilder nicht ausreicht, 
einen abgegrenzten, für eine Schule beftimmten 


414 
Raum zu füllen. In der Galerie des Berliner Mu’ 
ſeums ift das biftortiche Princip am ftrengften durch⸗ 
eführt, indem die Bilder nicht nur nach den großen 
Berioden, fondern auch innerhalb diefer mieder 
nad deren Unterabtheilungen geordnet erjcheinen. 
Mitunter entfcheidet auch der hohe Kunftwertb 
eines Bildes für das Verlaſſen des leitenben 
Grundjages, indem man einent folhen gern einen 
Platz anweiſt, wo die Beleuchtung am günftigften 
wirft u. dafielbe mit Behaglichkeit in Augenschein 
genommen werden fann. Ganz vorzägliche, große 
Gemälde werden auch wol in befonderen Räumen 
iſolirt aufgeftellt, damit die Wirkung des Bildes 
nicht durch die Umgebung geitört werde. So ift 
in Dresden der Sirtinishen Madonna von Rafael 
eine eigene Zimmerabtheilung eingeräumt. Die 
architeftoniihe Einrichtung der Galeriegebäude 


Bildergalerie. 


‚Heinere - Bilder dem Auge des Beihauers näber 


gerüdt werden müffen, als große, bedarf faum der 
Erwähnung. Als höchſt zwedmäßig empfiehlt.es fich 
auch, jedes Bild mit dem Namen des Meifters 
zu bezeichnen, dem defien Geburts- u. Todesjahr 
beigefüigt werden mag, was einen nußgbringenden 
Behuch der B=n meientlich fördert. 

IV. Die bedeutenditen Ben find folgende: 
A) Fürftlihe od. Staats-Ben: im Belvedere 
zu Wten, mit einem großen Schage von Gemälden 
aus allen Schulen; im Mufeum zu Berlin, mit 
einer reihen Sammlung von Gemälden der ita- 
lieniſchen Schulen, vielen mederlämdifchen u. alt- 
deutihen, wenigen franzöfiichen, ſpaniſchen u. a. 
Gemälden, u. einem Kupferftihcabinet; im Muſeum 
zu Brüffel, mit Niederläudern, wenigen Ftalienern, 
Franzoſen zc.; im Neuen Muſeum zu Dresden, 


pflegt in neuerer Zeit der Hauptſache nad auf ſowol in numeriiher Beziehung, wie in Betreff 


folgende Bedingungen begründet zu jein. Um 
größere Sammlungen auf möglichft engem Raume 
aufitellen zu können, theilt man dieſen meift in 
fleinere Abjchnitte (Zimmer), die jedoch groß ge- 
nug fein müfien, daß man von der nöthigen Ent» 
fernung aus jedes einzelne Bild betrachten kann. 
Größere Bilder erfordern alfo auch größere Räume, 
— erreicht man damit eine Veringerung der 

toͤrung, die bei größeren Sälen durch den An— 
blick einer weitläufigen Bildermaſſe u. durch gleich 
zeitige Beſucher hervorgerufen wird. Üüber die 
Zmwedmäßigkeit der Seiten- oder Oberbeleuchtung 
bat man fich viel geftritten, u. ift das Oberlicht 
jegt in faft allen neueren Galerien vorgezogen 
mworden, einestheild weil e8 dem Bilde nach viel- 
fach vertretener Anſchauung die gleihmäßigfte Be— 
leuchtung gibt, anderntheils, weil es den Plat 
zum Aufbängen der Wilder nicht beeinträchtigt, wie 
das Seitenlicht, welches die Wandfläche, durch die 
es einfällt, um den Fenfterraum verringert und 
der gegenüberjtehenden Wand eine grelle, unzmwed- 
mäßige Beleuchtung gibt. Nur die Meineren Seiten» 
cabinete, die man, um darin die fleineren Bilder 
u. Bildchen aufzubängen, neben den großen Yım- 
merabtheilungen anbringt, werden durch Seiten» 
licht erhellt. So ift das Dresdener Mujeum von 
Semper, das Leipziger Muſeum von Yange, das 
Baſeler Mufeum von Berri u. die Pinatothef in 
Münden von L. v. Klenze eingerichtet. Die lettere 
gewährt noch eine große Annehmlichkeit durch den 
längs der Säle hinlaufenden Corridor (Loggien), 
ber den Bejuchern zur Erholung von langem Ber 
traten der Bilder einen Spaziergang gewährt, 
ohne daß fie fich deshalb aus der Galerie zu ent 
fernen brauchen. Indeß haben fi in der aller- 
jüngften Zeit, namentlih auf Grund der in der 
Kunfthalle der Wiener Weltausftellung von 1873 
emachten Erfahrungen, gemwichtige Stimmen für 
Seitenliht ausgeſprochen, das in einem Winkel 
von etwa 45 Grad auf die Bilder einfällt. Ein 
fehr bedeutender, wenn auch keineswegs allein 
maßgebender Factor für die Anordnung von Bildern 
liegt darin, daß vermieden wird, Bilder neben 
einander zu hängen, deren Golorit gegenjeitig 
ihre Wirkung beeinträchtigt, indem eine nad) 
diejer Seite glückliche Anordnung anderjeits jedes 
einzelne Bild in feinem günftigften Lichte erfchei- 
nen läßt, obne Nachbarbilder zu fchadigen; daß 


des Werthes der vorhandenen Meifterwerte eine 
der reichften B-n, mit der Sirtiniihen Madonna 
von Rafael, der Madonna von Holbein, mit be— 
deutenden Gemälden von faft allen berüßmten 
Meiftern der italienischen, niederländischen u. alt- 
deutihen Schulen u. einer Anzahl Bilder von 
Künfttern des 18. u. 19. Jahrh; im Uffizien- 
palafte in der Accademia delle belle arti u. im 
Pittipalafte des ehemals großherzogl. Nefidenz« 
ſchloſſes zu Florenz, mit vorzugsweije claſſiſchen 
Italienern von großem Kunftwertbe; im füntgl. 
Palais im Haag; im Reichsmuſeum zu Amfter« 
dam, mit alten Niederländern; im Alademiege- 
bäude zu Karlsruhe; zu Kopenhagen im Thör— 
waldſenſchen Muſeum, mit modernen Gemälden u. 
Cartons, u. im Schloffe Ehriftiansborg, mit nament« 
lich vielen niederländischen u. einer Abtheilung für 
dänische Malerei; die Nationalgalerie zu Yondon ; 
die B. im Muſeum der Königl. Akademie dafelbft; 
im Museo national und dem Museo del Rey zu 
Madrid; im Königl. Palafte der Wiſſenſchaften u. 
Kinfte (Brera) zu Mailand; in der Pinatothek zu 
München, mit einer großen Anzahl vortreffliher 
Werke der deutſchen u. miederländiihen Schulen 
(Rubensfaal); in der Neuen Pinakothek dafelbit, mit 
Werfen nenerer Meifter; im Louvre zu Paris, 
mit vorzüglihen Meifterwerten aus allen bedeu- 
tenderen älteren Schulen; im Palais Lurembourg 
ebendajelbit; im Yateran zu Rom; im Mufeum der 
Kunſtſchule zu Stuttgart; im Großberzogl. Schloß 
zu Darımjtadt; in Turin, mit vielen werthvollen 
Stüden Rafaels, Tizians, Holbeins, Rembrandts 
u. A.; in der Accademia delle belle arti zu 
Venedig; in Berfailles, mit Bildern u. Porträts 
ans der Geſchichte Frankreichs von neueren franz. 
Künftlern. B) Städtiſche Galerien: zu Antwer- 
pen; zu Augsburg, reih an Werten der ſchwäbiſchen 
Schule; zu Brügge, mit altfräntiichen Gemälden; im 
Fitz · William⸗· Muſeum zu Cambridge; im Städelihen 
Muſenm zu Frankfurt a. M., mit theils Älteren nie» 
derländiſchen u. deutſchen, theils neueren deutſchen 
Gemälden; im Städtiſchen Muſeum zu Köln; im 
Städtiſchen Muſenm zu Leipzig (mit der Schletter⸗ 
ſchen Galerie), reich an Meiſterwerlen neuerer 
franzöſiſcher Maler (Delaroche, Calame ⁊c.); im 
Städtiſchen Muſeum zu Lyon; Stäudiſche Galerie 
zu Prag; zu Sevilla; im Städtiſchen Muſeum zu 
Straßburg; im Museo nazionale (vordem borbo- 


Bildergediht — Bildgiekerkunft. 


nico) zu Neapel, mit namentlich bedeutenden fpa- 
niſchen Bildern; endlih im der Schweiz zu 
Bajel, mit älteren Gemälden u. Handzeichnungen 
der Holbein und ihrer Zeitgenoffen und neueren 
Gemälden jhweiz. Maler; dann zu Genf, Bern ıc. 
C) Brivatgalerien: Arenberg in Brüſſel, 
Bedford zu Bath; Mariborougb zu Blenheim bei 
Woodſtod; Borgheſe in Rom, eine der großar- 
tigften Privatgalerien, mit vielen Meifterwerfen 
ber Italiener; Gamuccini in Rom; Garlisie zu 
Caſtle rag in Yorkſhire; das Dulwich College 
bei London; Durazzo in Genua; Hirfcher zu Frei— 
burg i. Br.; Leuchtenberg, ehemals in München, 
jetst in Petersburg; Liechtenftein in Wien; Schad 
in Münden; Schönborn zu Pommtersfelden bei 
Bamberg; Duandt in. Dresden; Raczyuski im 
Berlin; Kränner in Regensburg; Balentini zu 
Rom; Manfrini zu Benedig; Wagener zu Berlin; 
—— zu Wien. Regnet.* 

Bildergedidht, jo v. Rebus. 

Bilderreime, jo dv. w. Technopaignia, 

et, f. u. Schrift. 

Dilderftreit (Kirchengeich.), der Streit in der 
Morgenländiihen Kirche wegen Verehrung der 


Bilder (f. u. Bilderdienft) u. in der Lutheriſchen 


Kirhe (ſ. u. Reformation u. Karlſtadt). Dieje- 
nigen, welche den Bilderdienſt verwarfen und die 
Bilder gewaltfam aus der Kirche entfernten, hießen 
Bilderftürmer, 
Bilderjtürmer, ſ. u. Bilderftreit. 
Bilderverehrung, jo v. w. Bilderdienft, 
Bildformfunft (Blaftit), die Kumft, organische 
Formen irgend einer Art förperlic greifbar dar: 
zuitellen. Je wach der Natur der dazu benutten 
Stoffe it die B. Formlunft, wenn fie Thon, 
Gips oder Wade, Schnigfunft, wenn fie Holz 
oder Bein, Bildhauertunft, wenn fie Stein, und 
endlih Bildgießerkunft, wenn fie Erz zur Ges 
ftaltung verwendet. Um ein Bildwerk von weicher 
Diafie, wie Thon, zu formen, rubt das Material 
auf:der beweglichen Scheibe des Boifirftuhls, die 
fi nicht nur drehen, jondern auch erhöhen und 
„ermiedrigen läßt. Was die Formtunſt anlangt, jo 
werden bie Formen aus freier Hand mittels der 
Boſſirhölzer od. des Boffirgriffel$ gebildet, nad 
bem die Theile aus dem Groben mit der Hand 
ausgearbeitet find. Auch der naſſe Schwamm 
wird angewendet u. die Flächen mit dem naſſen 
Pinfel geebnet. Die fertigen Figuren werden an 
der Luft getrodnet, oder, jollen fie länger halten, 
nach Art der Töpfer gebrannt. Über das Bild» 
formen in Wachs ſ. Wachsbildnerei. Auch die 
Stuccaturarbeit gehört in das Bereich der B. — 
Die B. jcheint ſchon 2000 Jahre v. Chr. a. 
mworden zu fein. So erwähnt ſchon die Bibel, 
daß dem Chaldäer Laban jeine Tochter Rahel 
Gögenbilder von getrodneter od. gebrannter Erde 
entwendete. Die Griechen leiten die B. von 
Dibutades, einem Töpfer aus Sikyon, der auch 
als Erfinder des Pro- u. Eftypon genannt wird, 
je Deſſen Tochter Kallirrhoe ſoll das Schatten- 
id ihres Geliebten an die Wand gezeichnet umd 
der Bater diefe Zeichnung mit Thon ausgejegt u. 
das jo entftandene erhabene Profil getrodnet und 
im Ofen gebrannt haben. Als Ürfinder des 
Gipsguſſes gilt Lpfiftratos, ein Zeitgenofje des 


415 


Großen Alerander, der auch zuerft Abgüſſe in 
Wachs gemacht haben joll, die in Rom jehr be» 
hebt waren. Den Gipsguß brachte Rafael Mengs 
auf die Stufe feiner dermaligen Bolllommenheit, 
Auch Papiermaché u. Guttapercha werden heute 
vielfach als Gußmaterial vermenYet. Später ward 
die B. eine Gebilfin der Bildhauerkunſt, da in 
weihen Stoffen ausgeführte Modelle die dee 
des Künſtlers zuerft ins Leben brachten u. er nad 
diefen erft die Statuen im bärteren Stoffen aus— 
führte. Indeſſen ward die B. allein auch fort 
während zu wirklichen bleibenden Kunftwerfen, zu 
Götterbildern für Ürmere, zu arditeftonischen 
Bierratben, zu Vaſen xc., im neuefter ‚Zeit aber 
zu Abgüffen u. Nahahmungen fteinerner u. mes 
tallener Kunſtwerle angewendet. Ihre Gefchichte 
zeichnet ſich indeſſen nicht aus, da alle geſchickte 
Bildgießer und Bildhauer an u. für fih Bild 
former fein mußten, u. was unter Bildgießer- 
funft u. Bildhauerkuuſt gejagt ift, gilt alſo auch 
für B. Rognet.* 
Bildgieherkunft (Kunſtguß, uneigentlich Tor 
reutif, da diejes, jtrenge genommen, auch Bear- 
beitung des Metall mit jcharfen Juftcumenten 
und Bunzen bezeichnet), die Kunst, aus weichen, 
Ipäter durch Erkalten u. Austrodnen feite Form 
annehmenden Stoffen, wie Wachs, Gips, bei. 
aus geihmolzenen Metallen (Eiien, Kupfer, Bronze, 
Zinf u. dgl.), Monumente, Statuen od. Bijouterie- 
gegenftände herzuftellen. Die B. ſoll von den 
Griechen Rhökos u. Theodoros von Samos er- 
funden worden fein, welche zunachit einzelne Theile 
eines Bildwerfes goflen, dann zuſammenſetzten u. 
mit jog. Schwalbenfchwänzen unter einander ver- 
Hammerten. Die Kunft, ganze Figuren zu gießen, 
ift meit jlingeren Datums. Man goß in Bold u. 
Silber, meift aber in Bronze aus Agina, Delos 
u. Korinth, Der Erfinder des Eiſenguſſes endlich 
ſoll Glaufos geweſen jein. In Betreff der Bronze 
ſ. d Art. Das Gießen erfolgt auf doppelte 
Weife, auf die Wachs-, oder auf die Thon— 
manier. A) Wahsmanier. Hierbei wird 
das vom Bildhauer oder Bildichniger verfertigte 
Modell in eine weiche Maſſe, 3. B. Thon, Lehm, 
oder eine Miihung von feinem Sande u. Aſche 
ven Soll, wie bei Heineren Figuren, das 
ud freiftehend, doch maſſiv werden, jo braucht 
man nur eine Form, welche in zwei oder meh— 
reren Stüden von dem Modell genommen: ift, 
Größere Statuen hingegen muß man, um das 
Metall u. Gewicht zu jparen, hobl gießen; es be- 
darf aljo dazu eines Kernes, wie beim Glocken— 
gießen. Die Figur, welche gegoffen werden joll, 
muß daher erft in Gips geformt werden, über 
welches Modell die Form oft in mehreren hundert 
Stüden genommen wird. Da, wo die Statue 
gegofien werden foll, baut man jodann eine aus— 
gemauerte Dammgrube, auf deren Boden ſich ein 
eiferner Roſt befindet. Auf diefem Boden wird 
der Kern der Statue nah der Geftalt derjelben 
errichtet; dieſer befteht mach innen aus eifernen 
Stäben u, ftarfem Drahte, gleihjam das Knochen 
gerippe der Figur; dieſes wird, gleihjam ftatt 
des Fleiſches, mit einer Mafle von Werg, Haaren, 
Lehm, Pferdemiſt belegt und fodanıı da, wo es 
nöthig jcheint, mit Draht ummunden. Bon den 


416 


einzelnen Stiiden der Form merden nun dünne 
Wahsabdrüde gemacht und dieſe ftatt der Haut 
über den Kern gezogen. Jetzt fleht eine Figur da, 
deren Außeres ganz der künftigen Statue gleicht, 
n. glaubt der Künftler noch bier u. da etwas ver- 
befjern zu müſſen, fo muß es jetzt gefhehen. So 
ftart die Wachsabdrücke find, fo ſiark wird das 
Metall der künftigen Figur, Die Theile der 
Statue, welche viel zu tragen haben, müſſen da- 
- ber Schon in dem Wachsabdrucke did fein. Auf 

den Wachsüberzug des Kernes werden bie Röhren 
gefegt, durch melde das Metall aus dem Dfen 
in die Form laufen fol. Kleinere Röhren, welche 
mit den Hauptröhren in Verbindung fteben, führen 
zu den entfernteren Theilen; außerdem miiſſen 
auch noch Röhren aufgefegt werden, durch welche 
die Puft aus der Form weicht, wenn das Metall 
hineinfließt. Die beichriebene Wachsfigur mind 
nun mit einer Tünche aus feinem Thon (Form— 
Kitt) fo oft überſtrichen, bis der Überzug einige 
Zoll did ift, worauf er noch mit einigen dünnen 
Thon» u. Lehmlagen überzogen wird. Iſt dieſe 
Hülle getrocknet, jo wird fie mit eiſernen Bändern 
u. Draht befeſtigt, u. der Mantel iſt fertig. Das 
Ganze wird nun mit einer Mauer eingefaßt und 
der leere Raum mit Erde ausgefüllt, jo daß man 
nur no die Öffnungen der Höhren fieht. Jetzt 
wird auf dem oben erwähnten Roſte im Boden 
der Dammmgrube Feuer gemacht, wodurch Kern 
u. Mantel feftgebrannt werden u. die Wachsab- 
drüde zwischen beiden ſchmelzen u. herauslaufen. 
Dadurch entfteht der leere Raum, in welchen das 
geihmolzene Metall fließt. Bon dem Mundloche 
des Ofens, worin das Metall geihmolzen wird, 
führen Rinnen bis zu den Öffnungen der Röhren, 
auf welden Zrichter von Thon angebradt find, 
durch welche das Metall in die Form fließt. So— 
bald der weiße Rauch anzeigt, daß das Metall 
völlig im Fluſſe ift, wird mit der Stechftange der 
Gußofen ausgeftohen. Anfangs werden die Off- 
nungen der Trichter mit einem eifernen Stöpfel 
zugehalten u. erft geöffnet, wenn die Rinnen u. 
der obere Rand des Trichters voll Metall ge- 
laufen ift. Iſt der Guß vollendet, fo läßt man 
das Ganze erlalten, wirft die Erde aus der Grube 
u. ſchlägt den Mantel von der Statue ab, melde 
dann vorfihtig in die Höhe gewunden wird, Die 
durch die Röhren entjtandenen Angüffe werden 
abgejägt, der Kern u. die überflüffige Armatur 
wird bejeitigt u. die Oberflähe des Guffes mit 
Meigel, Feile und Schabeifen bearbeitet. Die 
Übelftände der Wahsmanier beim Bildgieken, 
daß 3. B. oft Wachs unaufgelöft zurüdbleibt zc., 
haben ſchon in alten Zeiten B) zu einer zweiten 
Manier, der Tonmanier, geleitet, deren man 
fih der größeren Sicherheit wegen jett fat all- 
gemein bedient. In die von Sand u. Lehm über 
das Gipsmodell gemachten Formftiide werden 
weiche Thonplättden von der Stärle des beab- 
fihtigten Erzguffes genau eingedrüdt; die Form— 
ftüde mit diefem Inhalte fodann zufammengefett 
und das Innere mit einer Erdmafle, die im 
Brennen verbärtet, ausgefüllt. Nachdem alles 
getrodnet ift, werden die Sormtbeite auseinander, 


Bildgießerkunſt. 


wieder über den Kern gepaßt wird, entſteht zwiſchen 
beiden der leere Raum, den bisher die Thon— 
platten anfüllten u. den das Erz einzunehmen 
beftummt ift. Das übrige Berfahren gleicht dem 
obigen. Handelt e8 ſich nicht um einen Rundguß, 
fordern um den Guß eines Relieis, wird über 
das Modell nur eine eimfeitige, natürlich fernlofe 
Form, nah Umftänden aus einem oder mehreren 
Stiiden beftehend, angefertigt u. zum Guffe bes 
nugt. In neuerer Zeit hat C) der Metallguf 
auf faltem Wege oder die Galvanoplaſtik große 
Wichtigfeit für die Herftellung von Kunftgürfen 
erlangt. Die Vorbereitung zu einem großen Guß- 
bilde dauert bisweilen länger als ein Jahr. Zus 
legt folgt num noch das Cifelir en, mo die lim 
ebenheiten, Gußnähte u. Gußfehler weggenommen 
u. bei feineren Partien, wie Haaren u. dgl., mit 
dem Grabftihel und Meißel nachgeholfen wird. 
Der Kunftguß hat feine Aufgabe um fo befjer ges 
löft, je genauer u. vollftändiger er das Original 
in allen feinen Theilen wiedergegeben hat, je 
weniger dabei der Nachhilfe anderer Theile über 
laffen ift u. je dider u. fefter das anzumendende 
Metall war. (Siehe Eellinis Abhandlung über 
die Goldichmiedelunft, überſetzt von Brinfmann, 
S. 191 ff., u. Hartmann, Handbuch der Metalls 
gießerei.) 

Die B., unter welcher man aber nicht ſtets 
das eigentliche Bildgießen, fondern auch Bearbeit- 
ung des Metalls mit dem Meißel u. dem Hammer 
(eigentlih Toreutik im ——— Sinne)per- 
ftehen muß, entftand aus der Bildformlunft u. iſt 
jehr alt, da beiden Juden Aarons Kalb u. die Me- 
talfarbeiten Bezaleels an der Bundeslade u. ihrem 
Zubehör ſchon eine bedeutende Volllommenbeit in 
diefer Kunft —— Wahrſcheinlich lernten fie 
diejelbe von den Ägyptern, doch fannten fie auch 
andere orientalische Völler, ja, die Phöniter zei 
neten ſich in derjefben aus, wie jhon Homeros ın 
der Jlias (23, 740— 44) einen von ihnen ge 
fertigten Becher preiiend erhebt, Salomon den 
Hiram zur Anfertigung vieler Metallarbeiten (3. ®. 
des Ehernen Meeres) beim Tempelbau nad) erw , 
jalem um Arbeiter bat. Auch den Babyloniern 
war die B. eigen, da die älteſten Schrififteller 
mehrere Metallbildjänlen u. Geräthe im Tempel 
des Baal, einer von Semiramis ihrem Gemahl 
geſetzten Statue, einer auf Nebukadnezars Befehl 
gegoffenen, 60 Ellen hohen Bildſäule in der Ebene 
von Duda u, ähnlicher Kunſtwerke erwähnen. Biel 
leicht waren aber diefe Bildwerfe von getriebenem 
Metall. Zeichen der B. in anderen Theilen Afiens 
find der goldene Thron des Midas, die 6 Becher 
des Gyges; auch die Bejchreibung des Schildes des 
Achillens von Homeros beweift, daß man damals 
doch mindeftens Ähnliches kannte, Alle ausge⸗ 
zeichnete Kunftwerfe diefer Art jhreibt Homeros dem 
Hephäftos zu. Als älteftes griechiſches Denkmal 
der B. nennt man ein 60 Fuß hohes, unter 
Amyflas, König von Sparta, etwa 1500 v. Chr. 
gefertigtes Standbild des Apollon, welchem loloſ⸗ 
falen Unternehmen früher ſchon kleinere voraus⸗ 
gegangen fein mußten. Doch war aud da mol 
nur getriebene Arbeit. Ausgezeichnete Toreuten 


die Thonplatten von dem inneren Kern ab» und unter den Griechen waren Mhöfos, Theodoros aut 
ganz herausgenommen. Indem hierauf die Form Samos, Bupalos, Arhermos, Bathyfles, Kalli 


Bildhauereijen — Bildhauerfunft. 


417 


machos, Ageladas. Die eigentlich glänzende Epoche | feingeftoßener, trodener Kies, der in heifem Maffer 
diefer Kunft begann jedoh erſt mit Phidias, ſo lange gebrüht wird, bis er leimig erfcheint. 


Alamenes, Agorafritos, Polyfletos, Prariteles, 
Stopas u, Pufippos (Pferde an der Marcusfirche 
zu Benedig), Ehares (Koloß zu Rhodos). Auch die 
Erz-(Bronze-Jftatuen diefer Meifter mögenzum Theil 
wenigftens getrieben gewefen fein, 3. B. die des 


Diejer Maffe wird auf einem Brette ungelöjchter 

Kalk beigemifht u. diefelbe dam in die gegebene 

Form gedrückt. Regnet,* 
Bildhanereifen, der Meifel des Bildhauers. 
Bildhauerkitt, Kitt aus Gips, dem Staube 


Legteren. Als man um 512 v. Chr. auch Privat-|des bearbeiteten Steines u. flüffigem Leime, mel« 


perionen eherne Statuen zu fegen begann und 
Regenten u. Vornehme ſich endlich felbft in den- 
felben abbilden liegen, wurde die B. jehr ge» 
wöhnlich; fie ſank indeffen nach u. nach wieder, 
u. zu Plinius' Zeiten war fie ſchon fehr in Verfall 
gelommen, ja, theilweiſe felbft verloren gegangen, 
obgleich fie in Italien ebenfo wie in Griechenland 
beliebt geweien war u. man ſchon 508 v. Chr. 
verdienten Männern zu Nom metallene Bildfänlen 
fetste, ja, fpäter eine große Menge gegofjener Bild» 
fäulen von Griechenland nah Rom brachte und 
neue durch griechische Künſtler anfertigen ließ. 
Selten goß man (be. im früherer Zeit) ein Bild 
zufammen, jondern meift nur gliedermeife u. ver- 
einigte fodann das Ganze durch Klammern zc. Im 
frühen Mittelalter wurde die B. bef. in Eonftan« 
tinopel ausgeübt u. bronzene Kirchthüren zc. dort 
jelbft für Nom gearbeitet. Vom 14. Jahıh. an 
war Italien u. bef. Florenz der Mittelpunkt diefer 
Kunf. Andrea di Eione (Orcagna), Pietro da 
Firenze, Lor. Ghiberti u. Donatello wedten die B. 
wieder; mit Glüd folgten A. VBerrochio, J. Tatti 
(Sanfovino), della Porta, Benvenuto Gellini, 
rt Andr. Riccio, Joh. von Bologna, 

. Tacca, Bernini und unter der Franzofen P. 
Biard, Mariys, Eoyfevor, Bouchardon, Couſtou, 
Lemoyne. Baumgaerten (Desjarding) u. Girar- 
din waren bier die Erften, welche bei Neiter- 
bildfäulen Pferd u. Meiter aus einem Guffe ver- 
fertigte, da diefe bisher getrennt gegoffen worden 
waren. Außerdem zeichnete fih B. de Eofta in 
Portugal, Lione Lioni u. Vergara in Spanien, 
Biihof Bernward von Hildesheim, Peter Biſcher 
(der in Nürnberg das Grabmal des St. Sebaldus 
ach Mart. Freiy, Hubert Gerhard, Balth. Keller, 
Johann Krumpter, Wolfg. Neidhard, Egid Seflel- 
jhreiber, Adr. de Bries, G. Schweigger u. Joh. 
Jacobi (der die Reiterftatue des Großen Kurfürften 
nah Schlüter Entwurf goß) in Deutfchland, u. 
der Franzoſe Falconet durd die folofjale Bronze- 
fatue Peters d. Gr. zu Petersburg in Rußland 
aus. Die mwichtigften monumentalen Giüfje der 
Neu eit find Zauners Reiterbildſäule Joſephs II. 
in Wien, Ludwig XIV. u. Heinrih IV. zu Pferde 
u Paris, die in Berlin gegoffenen Statuen 

lüchers zu Noftod u. Breslau, die deffelben zu 
Berlin, die Öutenbergs zu Mainz, die A. Dürers 
in Nürnberg, Arndts in Bonn, Goethes u. Scil- 
lers in Weimar, Luthers in Worms u.a. Was 
der Kunftguß der Gegenwart zu leiften vermag, 
das haben die Werkftätten von Stiglmayr u. Miül- 
ler in Münden, Burgihmiet in Nürnberg u. die 
Berliner Gießerei in der Bavaria, in dem Dent- 
mal Friedrihs des Großen, in dem Radetzky— 
monument, in dem Zinkguß, den Arbeiten von 
Geiß in Berlin (die Kißſche Amazone u. a.) zur 
Genüge gezeigt. Schlieflih wäre auch noch 
des Steingufjes zu erwähnen. 


Pierers Univerfal:Eonverfations:terifon. 6. Aufl, IM. Band. 


her an der Luft bald fteinhart wird und womit 
die Bildhauer ausgefprungene Lücken ausbeffern. 
Als andere Miſchung zu Steinfitt wird eunpfohlen: 
4 Loth Leim in Eſſig deftillirt, dann im ſolchem 
ejotten, dann hierzu Knoblauch, der mit 1 Loth 

hiengalle zerrieben ift, u. durch ein Tuch in den 
Leim gepreßt. Ferner 14 Duent. Maftir oder 
Fiſchleim, 1 Quent. geriebener Gummi Sandrad) 
u. ebenjo viel Terpentin mit ſtarlem Branntwein 
3 Stunden auf gelind warmem Ofen, öfter ge- 
fhüttelt u. mit dem Leime vermifcht u. — 
bis das Ganze kalt u. hart wird. Beim Ge— 
brauche wird die nöthige Quantität in Eifig er- 
weicht u. auf Kohlen zerlaffen. 

Bildhauerkunſt, in der Reihe der drei räum- 
lichen Künfte die mittlere Stelle einnehmend (f. 
Bildende Künſte). Der Umftand, daß in ihr Mas 
terial u. Ideengehalt in einem gemiffen Gleichge— 
wichte ftehen — während in der Architektur die 
Schwere des Materials, in der Malerei das Ge 
wicht des Fdeeninhaltes überwiegt — madıten fie 
vorzugsweiie zur Hauptkunſt des Fünftlerifch ges 
bildetften Bolfes, der Hellenen, in dem Maße, daß 
die plaftiiche Anfhauung (auch abgejehen von der 
Sculptur ſelbſt) das bejtimmende Princip der 
helleniichen Kunft überhaupt, ja der autifehelleni- 
hen Lebensgeftaltung felbft wurde, 

I. Was den fpecifiihen Charakter der B. bes 
trifft, fo ift im ihr, wie in jeder Kunft, eine 
materielle (technische) Seite u. eine ideelle (fünft- 
leriſche im engeren Sinne) zu untericheiden, fowie bie 
Beziehung beider Seiten auf einander zu beflimmen. 

A. Von der tehnifchen Seite betrachtet, ift die 
B, mejentlih Sculptur, d. h. die Kunft, aus 
jetem Material, wie Stein (namentliih Marmor), 
Metall (befonders Bronze), Holz, Thon, Wachs, 
Gips ꝛc. Menihen» u. Thiergeftalten in körper» 
licher Form darzuftellen. Im weiteren Sinne 
fünnen daher alle Techniken, welche nicht mie die 
Malerei durch bloße Farbenunterſchiede auf der 
Fläche, fondern durch räumliche Körperhaftigkeit 
Formen der Wirklid;feit nachbilden, zur B. gerech- 
net werden, alfo der Metallguß, das Treiben in 
Metall, die Stempel» und Steinichneidefunft zc. 
(vgl. Bildnerei). Im engeren Sinne verfteht man 
darımter jedoch nur diejenige Art der Sculptur, 
welche aus einem gegebenen feſten Stoffe durch Ver⸗ 
änderung der Oberfläche mitteld Ausmeißelns, Aus- 
ſchnitzens oder Ausfeilens derjelben die beabfidy- 
tigte Geftalt herausarbeitet. Das Verfahren ift 
dabei im Wefentlihen folgendes: Nachdem der 
Bildhauer, um feine fünftleriiche Idee nach ihren 

anz allgemeinen Hauptformen zu firiren, eine 
Skizze entworfen, indem er in einem weichen Ma⸗ 
terial, wie Thon, Wachs u. dgl., ein rohes Abbild 
feiner Idee im Kleinen gemacht, u. diefe fo lange 
geändert hat, bis fie diejenige Totalwirkung für 


Hierzu dient!die Anfhauung hervorbringt, welche in dem voll» 


27 


418 


Bildhauerkunft (Techniſch-Künſtleriſch). 


endeten Werke beabfichtigt ift, wird die Skizze in,ftörung oder Berftiimmelung des danach gefertigten 
Gips abgeformt und bleibt fo für alle weiteren; Werkes das lettere nur auf Grund des Borbildes 


Stufen der Ausführun 

allgemeine Regulativ, Der nächſte Schritt ift die 
Herftellung eines Modells in der beabfichtigten 
Größe des Werkes. Wenn die Skizze nur das all- 
gemeine Borbild für die Ausführung barftellt, von 
welchem in einzelnen Details noch abgemwichen wer- 
den Tann, ohne indeffen die durch die küuſtleriſche 
dee bedingte Totalwirfung zu beeinträchtigen 
(denn in diefem Falle müßte eine neue Skizze ge- 
madt werben), fo ift das Modell auch im den 
Einzelheiten die genane Borlage für die gefammte 
Detailausführung, alfo nach der künſtleriſchen Seite 
hin das eigentlihe Original, da das danach aus- 
geführte Wert — abgefehen davon, daß der Künſt— 
ter dabei auch andere Hände beſchäftigt — in der 
That nur die (allerdings in edlerem Material aus- 
geführte) Eopie deffelben if. Das Modell wird 
von dem Bildhauer, namentlich bei größeren Wer- 
fen, in naffem Thone modellirt u. ganz mit ber- 
jelben Sorgfalt, als jei e8 das (ipäter in hartem 
Material auszuarbeitende) Werk ſelbſt, bis in die 
Heinften Details u. in der beabfichtigten Größe des 
tetsteren ausgeführt. Während derModellirung muß 
der Thon durch fenchte Lappen u. Anfprigen mit 
Waſſer gleihmäßig feucht erhalten werden, damit er 
sticht ſchwindet (zuſammentrocknet) od. Riffebelommt, 
was namentlic bei umfangreicheren Werfen das 
gänzlihe Zufammenftürzen u. damit den Berluft 
der Arbeit verurſachen kann. Zur größeren Sicher⸗ 
ung derſelben wird daher, bej. bei koloſſalen Mo— 
dellen, auf dem Modellirftuhl ein Gerüft aus ftarken 
Eiſenſtäben befeftigt, welche in der allgemeinen Richt- 
ung der Ertremitäten der Figur, 3. B. der Arme u. 
Beine, beſonders auch bei Heiteritatuen, fih aus- 
jtreden; um diefe Stäbe wird dann der Thon ge- 
formt, Iſt die Gefahr des Zerbrechens des Thon- 
modell3 wegen der zahfreihen u. jchlanfen Glie— 
derung fehr groß, jo werden an dem Eijengerüfte 
noch eine Menge an Dräbten fehwebender Holz» 
klötzchen befeftigt, welche fi rings um das Gerüft 
in der Richtung nach der zu formenden Oberfläche 
des Modelld ordneu und den Zweck haben, den 
Thon in fefterer Verbindung mit dem Gerüfte zu 
erhalten. Fit das Thonmodell vollendet, jo wird 
davon zunächft, feiner geringen Haltbarkeit wegen, 
ein Gipsabguß gemacht (Gipsmodell). Dies ge- 
jchieht mittels einer entweder ebenfalls in Gips, 
oder in Guttapercha, Leim ac. herzuftellenden Form. 
Bei Heineren Werken wird das Thonmodell im 
Ganzen abgeformt, bei größeren wird es in Theile 
zerichnitten, diefe geformt u, die einzelnen Yyormen 
dann behufs des Abguffes zufammengejegt. Die 
Form ift echt, wenn fie wieder in Theile zerlegt 
u. zum Zwede ernenerten Abgufjes zufammengejett 
werden fann. Unechte Formen nennt man jolche, 
welche nad erfolgtem Abguffe von dem Kern ab» 
gefchlagen werden. Das auf lettere Weife ge- 
tormte Gipsmodell ift, da dann fowol das ur- 
iprünglihe Thonmodell, wie die über demfelben 
gelert gie Form zerftört ift, nunmehr das eigent- 
liche Original, nah welchem das Wert felbit in 
Marmor oder anderem Material ausgeführt wird. 
Sole Gipsmodelle werden von den Künftlern 


des Merfes jelbit das genau wiederholt, bezw. reftaurirt zu werben ver- 


mag. Die technijche Ausarbeitung des Werkes in 
hartem Material ift je nach der Beſchaffenheit des 
letteren eine verfchiedene, indem es entweder * 
Stein od. Holz) ſculpirt, oder (in Metall) gegoſſen 
wird. Bei Marmor u. anderen Cteinarten (Ala- 
bafter, Spedftein, Granit, Porphyr, Sandftein) 
wird der Blod, nachdem er nad) Länge u. Stärke 
im Marimalumfange des Gipsmodells rob behauen 
ift, punktirt, d. h. es werben mittels des Punftir- 
zirfels, deflen Schenkel bedeutend nach einwärts 
gekrümmt find, fo daß die Spiten gegen einander 
gerichtet ericheinen, die Hauptpunfte der Oberfläche 
des Modells auf den Blod übertragen, indem von 
dem letzteren an den betreffenden Stellen fo viel 
abgeichlagen wird, bis die übertragenen Punkte 
enau mit denen bes Modells correfpondiren. Diefe 
Bunfte, welche nad vollendeter Bunktirung Modell 
wie Blod mit einem fternartigen Syſtem von 
Merkzeihen bededen, bilden num die Regulative, 
nach welden mittels des Meißels die Oberfläche 
des Blodes bearbeitet wird, indem bie zwiſchen 
ihnen liegenden Flächen, bei fortdauernder Ber- 
gleihung mit dem Modell, zunäcft in roher Weife 
behauen werden. Diejes Herausarbeiten aus dem 
Roheſten, wodurd der Blod jedoch ſchon in der 
Form eine annähernde Ahnlichleit mit dem Modell 
erhält u. welches gewöhnlihd mit zum Punftiren 
gerechnet wird, überläßt der Bildhauer meift unter- 
geordneten Kräften u. legt erft, wenn die Bunktir- 
ung vollendet it, felbit Hand an, um das Wert 
zu vollenden. Beim Gießen in Metall findet feine 
Punftwung ftatt, fondern es wird innerhalb der 
echten Form ein Kern von Thon gemacht, welcher 
von der inneren Oberfläche der Form jo weit ab» 
jtebt, al$ die Dide des Metallguſſes betragen fol, 
bei kleineren u. daher auch leichteren Werten 1/5 
bis %/,*, bei umfangreicheren in größerer Stärke. 
In dieſen Zwiichenraum zwiſchen Mantel u. Kern 
wird das in Fluß gebrachte Metall hineingelaſſen, 
bis es alle Lücken ausgefüllt hat, worauf nad 
Erlaltung die Form abgeichlagen und der Kern 
herausgenommen wird, (5. Erzguf.) 

B. Bon der fünftlerifhen Seite betrachtet, 
ift die B. wefentlih Plaftil, d. h. die Kunſt, 
fünftlerifche Ideen, jofern fie iiberhaupt für ſolche 
Darftellung geeignet find, in körperlicher yorm« 
eftaltung zu verfinnlichen. B., Sculptur und 
Plaſtik find fynoyme, aber nicht gleichbedeutende 
Ausdrüde, die oft verwechielt werden. Der erite, 
al8 der allgemeine Begriff, umfaßt die beiden 
anderen, von denen Sculptur die technifche, Plaftit 
die fünftleriiche Seite bezeichnet. Die Plaſtik ift 
abstracter (idealiftiicher), als die Malerei, weil fie 
des realiftiihen Darftellungsimittels des Colorits 
entbehrt; fie ift deshalb nach der Seite der reali- 
ftifhen Motive enger begrenzt, als die Malerei, 
während fie auf der Seite der ibealiften Motive, 
3. B. in der Anwendung der Allegorie (f. d.), 
meiter geben fann, als diefe. (Bgl. Bildende Küufte,) 
Ste ftellt entweder in völliger Körperhaftigteit 
(Rundform), oder in Nelief dar, in welchem let- 
teren die Geſtalten mehr oder weniger flah (Hod- 


forgfältig aufbewahrt, weil bei vorfommender Zere;relief, Flachrelief) auf einer Fläche hervortreten. 


Bildhauerfunft (Orient). 


Aber damit 'nähert fie fih nicht nur micht der 
Malerei, fondern entfernt ſich noch weiter von ihr 
u. wird, je flacher das Nelief, defto mehr der 


419 


‚der dritten eine Hinmeigung zu lebhafterer Be- 


mwegung der Formen u. damit zu einer mehr 
malerischen Behandlung fih manifeftirt. Nach 


Zeihnung verwandt. Als Rundform ftellt fie ent-|diefer ſummariſchen Überihau über die ideelle 


weder einzelne, oder mehrere, 
verbundene Geftalten auf einem 
dar. Eharakteriftiich für die Plaftif, im Unterichiede 
von der lebendigeren Malerei, ift das Gepräge 
einer gewiſſen maßvollen Ruhe, welches ihre Ge— 
falten bejeelt; Bemwegtheit der ‚Formen, nament ⸗ 
ih bei Gruppen, ift zwar nicht ansgefchloffen, 
wird aber leichter zum Fehler, als bei der Malerei. 
Außer der Darftellung der menſchlichen Geftalt, fei 
e3 in directer Verſinnlichung ihrer Schönheit, oder 
in ſymboliſcher Berwerthung derjelben zum Aus- 
drud überfinnlicher Fdeen, umfaßt die Plaftil auch 
die Vorträtirung von Yudividuen, und zwar 
entweder in Form von Dentmälern (Statuen u. 
Statuengruppen), od. in Form von Büſten, d. h. 
Bruftbildfäulen auf Piedeftalen (Fußgeitellen). Auch 
bier zeigt ſich die größere Angemefjenbeit der Plaſtil 
für idealiftiiche Auffaffung, indem bei folden Por- 
trätbüften oft vom Goftüm ganz abstrabirt u. Kopf, 
Hals u. Bryft frei auf einen Heinen runden Fuß 
geftellt wird, während dies der Malerei bei Brujt- 
bildniffen nicht geftattet if. Auch das Genre u. 
die Thierdarftellung bieten der Plaſtik daufbare 
Motive dar, doch find dies ſchon untergeordnete 
Gebiete derielben; das Stillleben dagegen, welches 
die am meijten realiftiiche Gattung der Malerei 
bildet, ift der Plaſtik verjchloffen; ebenio die Yand- 
ſchaft, jedoch diefe aus dem anderen Grunde, weil 
fih die Plaftif iiberhaupt nur mit den Geſtalten 
des organiſchen Lebens zu befaſſen hat. Im wei— 
teren Sinne allerdings, als Dienerin der Architektur, 
kann fie dann auch, behufs ornamentaler Geftalt- 
ung: Formen des vegetativen und unorganiſchen 
Lebens verwerthen, jedoch nur im ftilifirter Weife, 
ohne directe Naturnachahmung (Arabeste). Da- 
mit ift fie aber bereits aus ihrer eigentlichen Sphäre 
als jelbftändige Kunft heraus im das Gebiet der 
Teltonik getreten. 

II. Die Gefhichte der B. erftredt'fich in ihren 
vg bis in die allerälteften Zeiten der menid- 
Iihen Euftur. Das Geſetz ihrer ‚Fortbildung, und 
zwar ſowol rüdfihtlich ihrer Gefammtenttwidelung, 
wie in Betreff der einzelnen Hauptabjdmitte, ıjt 
daſſelbe, welches fich in der Geneſis der bildenden 
Künfte überhaupt erfennen läßt, nämlich der 
Fortgang von Ruhe zu Bewegung. Daraus er: 
Närt e8 fi, daß die drei Hauptperioden der B. 
den Grundcharakter der drei bildenden Künfte tra- 
gen, indem die eıfte (ovientalifche Plaftit) einen 
weſentlich architeltoniſchen, die dritte (Plaſtik der 
hriftlihen Zeit) einen vorherrſchend maleriichen 
Charakter zeigt, während die zwifchen ihnen ſtehende 
zweite Periode (claffiih-antife Plaſtil) den im 
eigentlihen Sinne plaftiihen Charakter offenbart 
u. daher als die höchſte Blüthezeit der B. über— 
haupt zu betrachten ift. Ja, im jeder dieier drei 
Entwidelungsphafen wiederbolt fich daſſelbe Ge- 
jeg, wie 3. B. in der hellenifchen Blaftif die erſte 
Epoche, als archaiſtiſche, noch in vieler Beziehung 
an den ardhiteltontsch -fteifen Stil der ägyptiſchen 


Plaſtik erinnert, während, nad dem Culminiren auf den heutigen Tag geblieben. 


u einer Gruppe Geneſis der gefammten B. ergibt fich die jpecififche 
odel (Jußplatte) Bedeutung fowol der Hauptphafen ihrer Geſchichte, 


wie der innerhalb jeder derjelben wiederum zu 
unterfcheidenden Entwidelungsperioden von jelbit. 

A. Die altorientaliiche Blaftil wird haupt» 
fählih durch die Inder, Babylonier, Aſſyrer, 
Perſer, Phöniler u. Israeliten, ſowie die Agypter 
repräſentirt. Ihr gemeinſames Kennzeichen ift 
ihr architeltoniſcher Charalter überhaupt, der 
ſich in dem Vorwalten ſymmetriſcher und dadurch 
ſteiſer Formen, ſowie einer theils geheimnißvollen, 
theils nüchternen Bewegungsloſigkeit ausſpricht. 
Sie lehnt ſich daher auch meiſt an die Baukunſt 
an, von welcher ſie ſich überhaupt noch nicht 
völlig frei gemacht hat, derart, daß gewiſſe 
loloſſale Schoͤpfungen, wie die ſtatt der Säulen 
als Träger fungirenden Elephanten in den indiſchen 
Felſentempeln, die Sphinxe der alten Ägypter ⁊c. 
es ſogar zweifelhaft laſſen, ob ſie als Producte der 
Baukunſt oder der B. zu betrachten ſind. a) Die 
altindiſche Plaſtik, welche wol nach der in weit 
frühere Zeit hinaufreichenden ägyptiſchen als die ger 
ſchichtlich Ältefte B. betrachtetwerden darf, wenngleich 
die meiften der befannten vorbandenen Denkmäler 
nicht über das 4. Jahrh. vor unferer Zeitrechnung 
datiren, lehnt ſich unbedingt an die Architeltur an 
und trägt einen wejentlih dogmatiſch-religiöſen 
Charakter. Sie beſteht emtweder in einzelnen 
Göttergeftalten, Brahına, Wiſchnu, Siwa, oder — 
u. zwar im iiberwiegender Mehrzahl — in Reliefs, 
deren Inhalt der Göttergefchichte entnommen iſt. 
Die Darftellungen zeigen faft durchgängig das 
Gepräge einer Igmboliiirenden Phantaſtik, weiche 
trog aller Überſchwenglichkeit ſich doch auf bloß 
quantitative Combinationen beichräntt, d, h. jtatt 
des Ausdrudes ideeller Größe werden entweder 
folofjale Mafverhältniffe gewählt, oder Berviel» 
jachung von Öliedern, oder auch Gombinationen 
von Menjhen u. Thierformen. So gibt es auf 
Ceylon u. a. DO. Statuen von Buddha, welde 
über 30 m bob find; Wiſchnu wird entweder 
mit vier Köpien, oder mit einem Löwen- oder 
Ejelsfopfe, Ganeſa mit einem Elepbantenfopfe dar» 
geitellt; acht- u. mehrarmige Götterfiguren fom- 
men auf Welief3 jehr häufig vor. Außer den 
religtöfen Darjtellungen finden ih and Kriegs» 
icenen, 3. B. an den Portalen des großen Buddhi- 
jtiichen Grabbügels zu Santſchi. Am reichiten mit 
Bildhauerarbeit ausgejtattet find Die Felſentempel 
von Ellora u. Mahamalaipur an der Kiüfte von 
GCoromandel. In vieler Beziehung ähnlich ift der 
Charalter der binefiihen und japanefifhen 
Plaſtik, auf weiche vielleicht die altindiſche B. einen 
beftimmenden Einfluß ausgeübt bat; aber der 
profaifhe Sinn der Chineſen lenkte die Kunft 
einerfeit8 auch auf Darftellungen aus dem ge— 
wöhnlichen Leben, anderſeits ericheint der indiſche 
Stilharalter, mamentlih in der Geftaltung von 
Dämonengeftalten u. Idolen, bis zur Fratzenhaftig · 
feit verzerrt. Und fo ift die chinefiihe Kunſt bis 
b) Die Blaftif 


der claffiihen Plaftit in der zweiten Periode, iniBabyloniens u. Ajfyriens reicht ebenfalls in 


27* 


420 


ſehr frühe Zeiten zurüd; ihre Werke liegen jedoch 
zum größten Theil in den verſchütteten Paläften 
von Nimtud, Khorſabad u. anderen uralten Städten 
begraben. Im Gegenfage zu der mehr beichau- 
liden, auf religiöfe Bertiefung angelegten Natur 
der alten Hindu tritt bei diejen Völkern ein mehr 
friegeriiher Sinn hervor; daher aud ihre Den» 
mäler vormwaltend Herrihergeftalten u. kriegeriſche 


Bildhauerkunſt (Orient). 


auch die Sphinre zu rechten, welche zum Theil, 
wie der Sphinrlolog im Gräberfelde von Mem- 
phis, der 51 m mißt, von foloffaler Ausdehn- 
ung find (ſ. Sphinx). Die zweite Periode der 
ägyptiſchen Sculptur concentrirt fih in heben, 
als der Hauptftadt des neuen Reiches. Obſchon 
der urjprüngliche Typus ftarrer Unbemwegtheit u. 
conventioneller Geftaltung feftgehalten wird, zeigen 


Scenen darftellen, meift jedoch ebenfalls in aus-|die Werfe diefer Epoche, melde vom 16. bis 


gedehnten Reliefs. Auch Fagdicenen, worin indeß 
der Herricher ſtets die Hauptrolle fpielt, find häufig; 
überhaupt tritt die Healität des wirklichen Lebens 
in den Bordergrund. In der Auffaffung der 
Figuren, wie aud in der Manier, die figiirlichen 
Neliefdarftellungen mit Schriftzeichen (Keilichrift) 
u bededen, haben die altaffgrjihen Denkmäler 
Berwandtfchoft mit den Ägpptiihen Sculpturen. 
Die altperfiiche Plaftif (Reliefs von Bafargadä u. 
Berjepolis) ſchließt fih im Charakter der altafiy- 
riihen an; in den fpäteren Denfmälern zeigt fich 
jedoch ſchon einmildernder Einfluß, der auf auswär— 
tige Einwirkung bindentet. e) Die bildende Kunſt der 
Phöniker und der mit dieſen darin ſehr ver— 
wandten Juden war vorzugsweiſe Kleinkunſt; 
namentlich war ſie im Erzguſſe von Prachtgeräthen, 
ſowie im Edelſteinſchnitte ſehr bewandert. Bon der 
israelitiſchen Sculptur meldet die Bibel einige 
Beiſpiele (das goldene Kalb [Apis] u. die eherne 
Schlange); die Cherubim in der Stiftshütte ge- 
hören im diefelbe Kategorie; alle waren mol 
fünftlerisch ehr unbedentend. d) In der ügypti« 
jhen B., mie in der ägyptifchen Euftur iiberhaupt 
verbindet fi} der vormaltend myſtiſch- religiöje 
Charakter der indischen Welt mit dem in der afiy- 
riſchen Kunft überwiegend hervortretenden Streben 
nad) realiftiicher Berherrlihung der Herrſchergewalt. 
Aber es fommt zu diefen beiden Momenten, we— 
nigftens in der fpäteren Zeit, noch ein drittes 
hinzu: die Darftellung von Scenen des Privat- 
u. Familienlebens. Die ägyptiſche Sculptur bietet, 
da ihre erhaltenen Denkmäler viel weiter in die 
Bergangenbeit hinanfreihen, als die der übrigen 
orientalifhen Bölter — nämlich nahe an 3000 
Fahre vor unferer Zeitrechnung — nicht nur einen 
größeren Reichthum an Kunftwerfen dar, jondern 
man kann au, trog der dem Orient überhaupt 
anhaftenden Stabilität des geſchichtlichen Lebens, 
eine beftimmte Fortbildung in ihnen nachweiſen. 
Auch in der ägyptischen Plaſtil überwiegen, bei. 
in der Älteften Zeit, die Reliefs bedeutend die 
freiftehenden Werke; namentlih find die Wände 
der Grablammern der — als die älteften befannten 
— Gräbergrotten von Memphis mit zahlreichen 
Flachreliefs bededt, deren Figuren außerdem ge» 
färbt ericheinen. Die Köpfe find ftets im Profil 
dargeftellt, welche Stellung aud die Körper zeigen 
mögen. Der Inhalt der Darftellungen bezieht 
ſich ſtets auf Schilderung des Privatlebens der 
Berftorbenen: fo findet man Scenen der Jagd, 
des Fiſchfanges, des Aderbaues, der Schifffahrt zc., 
die durch beigefeßte Hieroglyphenſchrift näher er- 
Härt werden, Seltener finden jih in den Grab— 
fammern fitende Statuen der Berftorbenen in 
Granit oder Porphyr, dargeftellt in ftarrer, ſym⸗ 
metriich gegliederter Haltung. Zu dem eigenthün« 
lichſten Öebiiben der älteften ägyptiſchen B. find 


12. Jahrh. vor Chr. ſich erftredt, doch eine grö- 
here Mannigfaltigkeit der Darftellungen. Nament- 
lich find es die Tempelbauten u. Felſengräber von 
Karnad, Luror, Medinet-Abır, ferner höher hinauf 
die von Ipſambul u. Girfcheh, welche fi dur 
großartige Maffenhaftigleit und Reichthum an 
Sculpturen auszeichnen. Die Darftellungen find 
entweder Reliefs, welche fi) auf das Leben der 
Herricher, ihre Kriegszüge zc. beziehen, oder freie, 
meift fiende Götter- u. Pharammenfiguren, endlich 
Sphinre u, Apisfignren, welche zu den Eingängen 
der Tempel zumeilen lange Alleen bilden, Auch 
in der dritten Periode, unter der Herrichaft der 
Ptofemäer, fowie zur Zeit der römiſchen Herr- 
ſchaft bleibt der Charalter der ägyptichen Sculp- 
tur ziemlich derfelbe, wenn fich aud in den Gegen- 
ftänden der Darftellungen hin u. wieder ein euro» 
päifcher Einfluß, namentlih von Hella ber, be- 
merkbar madt. e) Eine Eharakterverwandicaft 
mit der altorientaliihen B. zeigen auch einerſeits 
die ihrem Urfprunge nach räthjelhafte altame- 
ritanifche, anderjeits die (europäiih) altnor- 
difhe Sculptur. Die altamerifanifhe B., in 
engiter Verbindung mit der Baufunft, concentrirte 
fi hanptfählih auf SAmerifa u. Mexico. Zur 
Zeit der Entdedung von Amerika, infolge deren 
— namentlich durch die Eroberung Perus — viel 
zerftört wurde, befand ſich die altamerikaniſche 
Kunſt bereits in der Periode des Berfalles, aber 
die vorhandenen Denkmäler, zum Theil von ime 
pofanter Großartigkeit, deuteten auf eine lange u. 
bedeutende Entwidelung der Kunft u. der Cultur 
überhaupt. In dem alten Inkareiche, welches 
das heutige Peru, nebſt Quito und Bolivia um— 
faßte, finden fi) zahlreihe Pyramidengruppen u. 
andere Baumerfe, die zum Theil mit Nelief3 von 
phantaftischer, aber jchon entwidelter Form (Tias 
huanaco u. Titicaca in Bolivia) bededt find. Bon 
höherer Bedeutung u. größerem Umfange find die 
altmerifanifchen Denkmäler, die von einer hoben 
Eulturftufe zeugen, deren Blüthe etwa in das 7. 
bis 12. Zahrh. n. Ehr. fällt. Zur Zeit der Er- 
oberung Mericos durch Cortez waren die Azteken 
das herrfchende Boll. Der in manden Bunlten 
an die altafiatifche Kunft erinnernde Charafter der 
Denkmäler ift weſentlich religiöfer Urt; es find 
riefige Opferaltäre (Teolalli), welche fih in Form 
vierjeitiger Pyramiden, oft terrafienförmig bis zu 
beträchtlicher Höhe erheben u. mit Relief und 
Hierogiyphen gefhmüdt find. Die eine Pyramide 
in der Nähe der Stadt Merico, genannt Tonatiuh 
Pizaqual (Haus der Sonne) hat eine Bafıs von 
645 Fuß im Quadrat u. eine Höhe von 171 Fuß. 
Befonders reich mit Sculpturen geihmüdt waren 
die Pyramiden von Xochicalco füdlih von Mexico, 
von Palenque in der Provinz Chiapa, von Urmal 
in der Provinz Yucatan, die Paläfte von Mitla 


Bildhauerfunft (Elafj. Zeit). 


421 


in der Provinz Daraca, von La Quemada beilmol — in Parallele mit dem alten Stil der erften 


Billanueva u.a. m. Im Allgemeinen berricht in 
der Auffaffung der Figuren das Phantaftiiche, ja 
Monftröfe vor, ohne daß indeß — u. hierin be- 


Epoche — als großer, hober u. jchöner Stil der 
helleniſchen Plaſtil bezeichnet zu werden pflegt. 
Als Borläuferin der claffiich-antifen Plaftit über- 


ruht ihre Originalität — weder, wie in Agypten, haupt fann die mit der altgriedifhen verwandte 


Glieder verihiedenartiger Organismen combinirt, pelasgiſche, 


noch, wie in Indien, einzelne Glieder vervielfacht 
ericheinen. Auf einem runden Opferaltar in Mexico 
ft in Basrelief eine zuſammenhängende hiſtoriſche 
Scene, Krieger mit Befiegten daritellend, abge» 
bildet. Bejonders zu erwähnen ift der koloſſalen 
Bajaltftatue der aztefifchen Todesgöttin, einer mon— 
firöjen Combination von Schlangen, Krallen, Ber- 
len, Schädeln, Federputz u, anderen Ornamenten, 
unter denen die Geſtalt der Göttin faft verichwin- 
det. Noch weniger als in der altamerifaniichen 
Kunft zeigt fi in der altnordijch-europäticdhen 
die B. von der Architeltur abgelöft,; außerdem 
aber ftebt fie auch anf einer viel niedrigeren Stufe 
der Entwidelung, namentlid in ftatuarifcher Hin» 
fiht. Die Gräber aus der heidnijchen Zeit, melde 
faft die einzige Ausbeute für die Kenntniß ber 
bildenden Kunſt des altgermanifchen u. Feltifchen 
Nordens bilden, enthalten außer Wafien u. ver- 
zierten Geräthen bejonders "Urmen von Thon, 
Spätere Berichte aus der Zeit der Einführung des 
Chriftenthums melden zwar von Götterbildern, 
dod weiß man mit Beftiinmtheit nur bon ben 
(laviſchen) Bildwerfen an dem Götzentempel zu 
Stettin, mworunter ſich einzelne koloſſale Götter- 
bilder von Holz befanden, die zum Theil mehr- 
föpfig waren. Bon Metall finden fih nur Heine 
bronzene Idole. Übrigens bat ſich zu wenig er— 
halten, um über den eigentlichen Charalter der 
alinordiſchen Kunft ein Urtheil zu gewähren, 

B. Die claſſiſch-antike Plaftık ift fireng ge- 
nommen mit der belleniichen identiih, da die 
römiſche fih nit mur an fie als Vorbild an— 
lehnte, jondern auch die in „alien, namentlich) 
zur Kaiferzeit, gefertigten Denkmäler meift von 
riechiſchen Bildhanern modellirt wurden. Bon 
efichtspumfte der biftoriichen Entwidelung kann 
man daher beide nicht trennen, fondern muß die 
römiſche Sculptur als eine Fortfegung u. theil— 
weile auch Entartung der bellemiichen betrachten. 
Danach zerfällt die claffisch-antife Plaſtik in drei 
Hauptentwidelungsepochen: 1) bie archaiſtiſche, 
in welcher noch eine an die orientalifche, naments 
lich ägyptiſche Sculptur erinnernde Steifheit u. 
Bewegungsloſigkeit vorherrſcht; 2) die helleniſch— 
claſſiſche im engeren Sinne, in welcher das 
ſchöne Maß edelſter plaſtiſcher Ruhe bei höchſter 
Idealſchönheit der Form erreicht wird; 3) die 
griechiſch-römiſche, welche durch die mehr u. 
mehr zur Beltung fommende Tendenz auf größere 
Bemwegtheit der ‚Formen u. malerischen Fluß der 
Linien allmählich die Grenzen der plaftiichen Schön— 
beit überſchreitet u. fchließlich zur Entartung u. 
zum Berfalle führt. Der auferordentlihe Reich. 
fhum an künſtleriſcher Productivität, welcher dem 
helleniſchen Bolte überhaupt eigenthilunfich ift, ſowie 
die große Bielfeitigfeit der Anfchauung, die fi 
in dem Auseinandergehen in bejtimmte Schulen 
manifeftirt, macht eine weitere Gfiederung nament- 
ih der zweiten Hauptentwidelungsepode nöthig, 


fowie die von Norden ber in 
Falten eingewanderte etruskiſche Kunft betrach« 
tet werden. Bon der pelasgiſchen Sculptur ift 
weder in Griechenland noch in Italien Bedeuten- 
des erhalten (die Sculpturen am fogenannten 
Löwenthore von Mykene find der einzige Reit von 
der pelasgifchen B. in Griechenland). Die etrußs« 
liſchen Denkmäler in Ftalien dagegen bilden eine 
reihe Fundgrube für die Kunftarchäologie, obwol 
fie fih zum größten Theil auf das Kunfthand«- 
werkliche beſchränlen, hierin aber eine hohe Stufe 
der techniſchen wie künſtleriſchen Entwickelung 
offenbaren. Die eigentliche Blüthezeit der etrus- 
liſchen Kunft fällt in die Zeit der Gründung Koms 
u. fchließt mit dem fünften Jahrhundert, als die 
helleniſche Sculptur ihren Eulminationspunft er» 
reichte. Bon da bis in das erfte Jahrhundert 
u. Chr. finft die etrusfiihe Kunſt allmählich, bis 
fie fchließlih in der römiſchen verichwindet. Zu 
dem Älteften plaftiihen Denfmälern Etruriens ge- 
hören einige Neliefs an fteinerneu Örabpfeilern u. 
Altären, tbeils Feſtzüge, theils Tänze darftellend, 
in einem Stil, der an die altgriechiſchen Reliefs, 
theilweiſe auch an die altperſiſchen Sculpturen er— 
innert. Die größte Zahl der Werle gehört aber 
der Keramik, viele auch dem Erzguß an. Außer 
den großen Reliefs u. Gruppen in gebranntem 
Tbon an den Giebeln der Tempel (3. B. das 
Biergefpann auf dem Giebel des Capitolinifchen 
Tempels zu Nom u. die thönerne Statue des 
Jupiter in der Dittefcella deffeiben Tempels) find 
es befonders die verfchiedenartigften Gefäße, Vaſen, 
Acenkrüge zc., welche im großen Mengen 
fabricirt wurden. Höhere Ausbildung in der Form 
zeigt der etrustische Erzguß, welcher allmählich das 
Thonrelief verbrängte. Eherne, beſonders bron⸗ 
zene Standbilder Ihmüdten alle Städte in großer 
Denge. Als im Jahre 265 v. Chr. die Römer 
Volfinii eroberten, fanden fie in diefer Stadt allein 
gegen 2000 folder Standbilder. Etruskiſche 
Bronzeftatuen finden fih in faft allen größeren 
Diufeen. Anh in der Kunft des GSteinichnittes 
waren die Etrusker bewandert; als eine Specia- 
likät find die gravırten Zeichnungen auf der Rüd« 
jeite der etrustichen Spiegel u. auf bronzenen 
Schmudläfthen zu betrachten. In diefen zeigt 
ih ſchon ein ſtarker Einfluß der griechiſchen Kunft. 
1) Die friüheiten Spuren der helleniſchen 
Sculptur geben bis auf die vorhomeriſche Zeit zurück; 
wenigſtens lafien die bomeriichen Beſchreibungen 
von Prachtgefäßen in Gold, Elfenbein u. Bern— 
fein, fowie der als Fackelträger dienenden goldenen 
Statuen u. der filbernen Hunde im Saal des Alli— 
noos auf eine gewiſſe Ausbildung der Plaftif zur- 
Zeit des Trojaniſchen Krieges fchließen. Doch ge: 
hört dies alles noch der Mythe an. Erſt mit 
der Einwanderung der Dorer, etwa 100 Jahre 
nad dem Irojaniichen Kriege (1100 v. Chr.) be- 
ginnt, wenn auch zuerſt dunkel, die hiſtoriſche Ent» 
widelung Griechenlands, u, zwar in dem großen 


welche als erfte, zweite u. Nachblüthe oder auch’Gegenfage der doriſchen u. der iontichen Cultur; 


422 


Bildhauerkunſt (Elaff. Zeit). 


erftere im Peloponnes u. Groß-Griechenland, letztere ,Erhabenheit der Göttergeftalten, die attiiche mehr 


in Attifa n. Kleinaſien. Obwol aus dem erften 
halben Jahrtaujend feine bedeutende Refte der grie- 
chiſchen Kunft erhalten find, fo läßt ſich doch aus 
dem ber orientalischen u. namentlich der ägypti— 
ichen fehr verwandten Charakter der älteften Leber- 
bleibiel der altgriechiſchen Kunſt auf einen bejtim- 
menden Einfluß der erfteren auf die legtere ſchließen. 
Die Sculpturen vom Anfange des 6. Jahrhunderts 
bis in das 5. hinein zeigen mehr oder weniger 
jene oft bis zur Starrheit gehende Strenge der 
Formen, welde man als ardaiftiihen Stil zu 
bezeichnen pflegt. Als ältefte Kiünftlerfchule (um 
600) gilt die von Samos, welcher die Erfindung 
des Erzqufies zugejchrieben wird; genannt werden 
die Bildhauer Rhölos, Theodoros- u. Glaulos 
(aus Chios); als ältefte Denkmäler die fog. Lade 
des Kypielos, ein Prachtiwerf aus Cedernholz, mit 
Gold u. Elfenbein verziert u, mit mythiſchen 
Nelieis bededt (Ende des 7. Jahrh.); ferner der 
Thron des Amykleiſchen Apollen mit zahlreichen 
Reliefs u. freiftehenden Figuren, in deſſen Mitte 
eine fäulenartige Erzfigur des Gottes aufgeftellt 
war. Im 6. Jahrh. kommt ſchon neben dem 
Erzguffe der Marmor in Anwendung, Ebrenfta- 
tuen der olympiichen Sieger, Statuengruppen der 
Götter u. Heroen werden geihaffen; zu Agina, 
Argos, Athen, Silyon bilden fi Schulen von 
eigenthümlihem Gbarafter. Als bervorragende 
Künſtler werden u. X. genannt: Kallon von Agina, 
Ariftoffes von Sikyon, Ugeladas von Argos (der 
Lehrer des Phidias, Polyfles u. Myron), Hegeſias, 
von Athen. Erhalten ijt wenig u. nur aus der 
ipäteren Zeit dieſer archaiſtiſchen Epoche: aufer 
einigen Metopen an mehreren Tempeln von Se- 
linus in Sicilien, welche mythiſche Scenen (Hera. 
fle8 mit den Kerlopen, Perjeus mit der Meduia zc.) 
darftellen, find befonders die berühmten Giebel: 
felderfculpturen am Athenetempel zu Agina zu er- 
wähnen (München). Bei vorwaltendem Naturalis- 
mus der Körperformen, die bereits eine hohe Kunſt— 
ftufe verrathen, zeigen die Gefichter der Kämpfenden 
fowol im Schnitte, wie im Ausdrude einen lebhait 
an die ägyptiſchen Bildwerfe erinnernden Typus. 
Außerdem find noch zu nennen die Copie einer 
Bronzefigur des Apollon (im Mufeum zu Paris), 
eine Athletenftatue (Neapel), Atheneftatuen (Billa 
Abani, Dresden, Neapel), figende Penelope (Ba- 
tican), Apollon Kitharödos (München), das joge- 
nannte Harpyienmonument von Xanthos (Fondon), 
ein 23 Fuß hoher Pfeiler aus Kalkjtein, an mwel- 
hem oben Reliefs von Marmor eingelaffen find, 
welche den Raub der Töchter des Bandaros durd 
die Harpyien darftellen (aus der zweiten Hälfte 
des 6. Jahrh.). 

2) In der erften Hälfte des 5. Jahrh. befreit 
fi die griechifche Kunft von dem conventionellen 
Einfluß des vrientaliſch-archaiſtiſchen Elements: 
erfte Blüthezeit, großer Stil. Die Starrbeit der 
Formen mildert ſich zur Großbeit u. Würde, das 
Spmmetriiche der Haltung löft fi in harmoniſchen 
Fluß der Linien auf. Aber das Gepräge der 
Ruhe waltet doch, namentlich im geiftigen Aus« 
drud, vor. Der Gegenfat des doriichen u. ioni— 
Shen Charalters zeigt fih auch hier, indem von 


die anmuthige Schönheit von Atbletenfiguren zur 
Darftellung brachte. Den Übergang zu der durch 
Phidias bezeichneten höchſten Kumitblüthe der 
griechiſchen Plaftif bilden Kalamis ın Athen u. 
befonders Myron aus Üleuthera. Bon dem 
erjteren merden eine Menge Götterbilder, theils 
in Marmor, theil® in Erz, theils ın Elfenbein u. 
Gold, erwähnt. Myron, ſchon Zeitgenofie u. 
Concurrent von Phidias, fchuf theils Goötterbilder,- 
theils Heroen, Athleten, jelbft Genrebilder u. Thiere 
(berühmt ift namentlich feine Kuh), ſämmtlich in 
Erz; an ihnen wird bejonders die Yebenswahrbeit 
gerühmt. Phidias, am Ende des 5. Jahrh. 
geboren, nimmt im der helleniichen Plaſtik etwa 
die Stellung ein wie Rafael im der italienischen 
Malerei, wie denn überhaupt das Pereifleiiche 
Zeitalter namentlih dur den gewaltigen Auf— 
ſchwung des geſammten geiftigen u. beionders 
fünftlerifchen Lebens viel Ahnlichleit mit der gror 
gen Kunftblüthe am Ende des 15. u. Anfang des 
16. Jahrh. in Italien bat. Die größte Zahl der 
Phidiasichen Werte befteht in Götterbildern, deren 
majeftätifche Erhabenheit u. ideale Großheit der 
Erſcheinung nicht nur von feinen Zeitgenofien ber 
wundert wurde, fondern die für alle Zeiten als die 
unerreihbaren Borbilder plaftiicher Schönheitsge- 
ftaltıng gelten. Dabei wußte er die feinen Cha— 
rakterunterfchiede u. individuellen Bezüge der .ein- 
zelnen Götter u. Göttinnen in lebendigfter Weife 
zur Anſchauung zu bringen, Zu feinen Yieblings- 
aufgaben gehört die Geftalt der Athene in ver» 
ihiedenen Auffaffungen: als Promachos für die 
Burg von Athen, ein in Erz gegoffenes Koloffal- 
bild von 18 m Höhe, als Schutherrin des 
Landes für das Partheuon zu Athen, aus Gold 
und Elfenbein gearbeitete, 16 m hohe Statue, 
gerüftet mit Schud u. Lanze, auf der einen Hand 
die 2,, m hohe Statue der Pictoria tragend. 
Der Schild zeigte auf der inneren Seite den Gi— 
gantenfampf, auf der Äußeren eine Amazonen- 
ihladht, während am Rande der Sandalen ein 
Kentaurenlampf dargeftellt war. Sie wurde 438 
v. Chr. aufgeftellt. Als ein noch bedeutenderes 
Meifterwert des Phidias wird der gleichfalls aus 
Geld u. Elfenbein gearbeitete Zeus im Tempel 
zu Olympia betrachtet. Obgleih in figender 
Stellung, maß die Figur doh 12 m Höhe; 
die linfe Hand trug ebenfalls eine Siegesgöttin, 
die rechte hielt das Scepter. Der Thron, worauf 
Zeus ſaß, war im verfchwenderifcher Pracht mit 
Hold, Elfenbein u. edlen Steinen geihmüdt. Es 
mar Phidias’ letztes Werf, denn im folgenden Jahre 
ftarb er, ein Opfer politiſcher Umtriebe, im Ker- 
fer zu Athen. Als Nachbildung des Olympifchen 
Zeus gilt der fogenamnte Zeus Berospi, aud 
wird das Original zu einem der rofjebändigenden 
Diosfuren (auf dem Monte Cavallo in Rom) 
dem Phidias zugeſchrieben. Phidias bildete eine 
große Schule, als deren Hauptvertreter Altamenes 
u. Agorafritos — werden. Von dieſem rührt 
die weſtliche Giebelgruppe des Zeustempels zur 
Olympia ber (die öſtliche iſt von Päonios model- 
lirt; jene ſtellt den Streit der Athene mit Pofei« 
don um die Schugherrichaft der Stadt, dieſe die 


den beiden Schulen die peloponnefiihe mehr die!Geburt der Athene aus dem Haupte des Beus 


Bildhauerkunſt (Claſſ. Zeit). 


dar), In den Metopen des Periſtyls find Ken- 
taurenfämpfe, Amazonenihladhten u. a. m. dar» 
geftellt, während ber innere Fries den großen pa— 
natheneifchen Feſtzug verfinnbirbfichte, er größte! 
Theil der erhaltenen Sculpturen des Parthenon 
befindet fih im Britiihen Mufeum zu Yondon. 
Aus derfelben Zeit u. Schule ftammen die Sculp- 
turen des Ekechtheum, fowie viele Einzelwerte 
(eine Kämpfergruppe, Reliefs an Grabmäfern :c.). 
Gegenüber der rein idealen Richtung der atheni- 
ſchen Schule neigten ſich die peloponnefiihen Schu- 
len, namentlih die filgonifch » argiviiche, in der 
Blütezeit mehr einer realiftiihen Auffaſſung zu; 
insbefondere gingen aus ihr eine Menge Athle— 
tenftatuen in Erz hervor. Zu ihren Hauptver- 
tretern zählt zunächſt Pythagoras von Rhegium, 
deffen bintender Philoftet fehr bewundert wurde, 
fodann Polyklet, deffen Doryphoros als Kanon, 
d. h. als Mufterbild für die ſchönen Verhältniſſe 
des ingendlihen Körpers, betrachtet wurde. Im 
BWeitlampfe mit Phidias ſchuf er das aus Gold 
u. Elfenbein gefertigte Koloffalbild der Here im 
Tempel zu Argos. Andere diefer Schule angehö- 
tige bedentende Künftler find Ktefilaos u. Nau— 
fodes. Als Hauptwerfe der ioniſchen Schulen der 
Blütrbezeit, von melden noch mebr oder weniger 
umfangreiche Fragmente erhalten find, gelten: die 
Sculpturen am Thejeustempel zu Athen (Arbeiten 
des Herafles, Theſeusmythe, Kampf zmwiichen Ya- 
pitben u. Kentauren), am Tempel der Nile Apte- 
ro3 (Kampf zwischen Griechen u. Perjern), am 
Bartbenon (f. o.), am Erechtheum (Karyatiden); 
aus der peloponnefifhen Schule: die Sculpturen 
am Zeustempel von Olympia (die Statue des 
Gottes ſelbſt von Phidias), am Apollontempel bei 
Phigalia (Kämpfe zwiſchen Lapithen u. Kentauren, 
Kämpfe zwifchen Griechen n. Amazonen). 

Die zweite Blüthezeit der helleniſchen Plaftil 
fällt in das 4. Jahrh. v. Chr, Der Gegenjat 
zwifhen der attifhen u. peloponnefiihen Schule 
erhält fi auch in diefer Epoche; ja, er tritt noch 
ſtärker hervor, als in der vorigen. Denn während 
in der peloponnefiihen Schule neben der Tendenz 
auf realiftiiche Geftaltung ein Streben nach grö- 
Gerer Würde in der Haltung u. im Ausdrucke fid) 
fundgibt, tritt in der attifhen eine Vertiefung des 

eiftigen Inhaltes, ein leidenfchaftlicheres ‘Pathos 
Br was fich felbft in der Wahl der Motive 
(der Mythenkreis der Gottheiten der Liebe, des 
Weins zc.) ausſpricht. Das koftbarere Material 
des Goldes u. Elfenbeins wird von dem farblos» 
fen, aber plaftiih reineren Marmor verdrängt. 
Als Hanptmeifter der neuattiſchen Schule gilt 
Stopas, von welchem eine Menge von Statuen 
der Aphrodite u. des Dionyfos erwähnt werben, 
deren berühmteſte die fogenannte Aphrodite von 
Melos (Drig. in Paris) ift; ebendaher ftammt 
die berühmte Gruppe ber Niobiven (mahrichein- 
lich für den Giebel eines Apollontempels be» 
ftimmt). Ein zweiter Hauptmeifter iſt Prariteles 
(um die Mitte des 4. Jahrh.), der ebenfalls eine 
Reihe von Aphroditeftatuen (die berühmteſte ift 
die Aphrodite von Knidos), Apollon-, Dionyfos-, 
Satyr- umd Erosftatuen ſchuf (Apollon als Ci— 
dechſentödter, Apollino, an einem Baumſtamme 
lehnender Satyr). Ihnen fchliegen fi an Timo— 





425 


theos, Leochares, Bryariz, Polykles. Erhaltene 
Sculpturen Ddiefer Zeit: Fries in Relief am 
horagifhen Monument des Lyſikrates, die Rache 
des Dionyios an den torrbeniihen Seeräubern 
darftellend, koloffale Dionyſosſtatue am choragiſchen 
Monument des Thraſyllos (London), die Reliefs 
am Harpagosdentmal von Xanthos, Kämpfe und 
Bachantinnentänze darftellend. In der ſilyoniſch- 
argiviihen Schule diefer Epoche werden ftatt der 
Athletengeftalten mehr Darftellungen von Heroen 
geihaffen. Die Hauptmeijter find Eupbranor, 
Lyſippos (Heraflesitatuen), Glytkon (forenfiicher 
Hercules), Apollonios (Torjo des Batican). Bon 
letzterem Küuftler rühren auch mehrere berühmte 
Porträtftatuen Aleranders des Großen ber. Erhal- 
tene Sculpturen: Betender Knabe, Bronzeftatire 
(Berlin); figender Mercur, Bronze (N ıpel); Dorn- 
auszieher, Bronze (Rom, Eapit. Muſ.); Statue 
des Demofthenes (Batican). 

Die Nachblüthe der helleniichen Plaſtik datixt 
von dem Tode Mleranders des Großen u. dauert 
bis in die Mitte des 2. Jahrh. v. Chr. Da 
nicht nur der antife Ideenkreis in der künſtleri— 
ihen Anſchauung erichöpft, fondern aud die Tech— 
nit bis zur höchſten Meifterfchaft ausgebildet war, 
fo war für die weitere Entwidelung der Sculp- 
tur nur die Alternative gegeben, entweder die 
bereits geftalteten Ideen im Stil der älteren 
Meifter aufs Neue zu geftalten, ohne von der 
einmal durch legteren feitgeftellten Norm mejent- 
lich abzuweichen, oder durch folhe aus dem Stre- 
ben nach Überbietung der Älteren Meifter hervor: 
gehende Abweihung allmälig die Kunft in Verfall 
zu bringen. Beides fand in der That ftatt: 
neben den herrlichiten Schöpfungen einzelner Künft« 
(er entftehen bereit ‘Productionen, die durch liber+ 
fchreiten der Grenzen plaftiiher Schönheit eine 
Entartung documentiren, welche fpäter zum völli« 
gen Berfalle der Plaſtik führte. Das locale Cen- 
teum der fünjtleriihen Production wurde von 
dem Feitlande Griechenlands nah den kleinaſia— 
tiſchen Inſeln, namentlih nad Rhodos verlegt, 
wo fi) eine bedeutende Schule bildete, weiche fich 
an die Kunftweife des Lyſippos anſchloß. Bon 
Chares, einem Schüler des Legteren, rührten (nach 
der gewöhnlichen Annahme) u. a. das über 30 m 
hohe erzene Koloffalbild des Sonnengottes ber, 
das am Hafen der Stadt ſich erhebend, jhon nad) 
einem halben Jahrhundert durch ein Erdbeben zer« 
ftört wurde. Das bedeutendfte uns erhaltene 
Werk der rhodiihen Schule ift die berühmte, von 
Agefander, Polydoros und Athenodoros ausge» 
führte Gruppe des Laofoon (Batican); ebenda« 
her ſtammt die nicht minder bedeutende Gruppe 
des farnefiihen Stiers (Neapel), von Apollonios 
u. Taurisfos aus Lydien. Neben der rhodifchen 
Schule find bei. die Schulen von Epheios u. Per- 
gamon hervorzuheben. Aus der erfteren ftammt 
u. a, der Borgheſiſche Fechter (Paris) von Aga- 
ſias, aus der letzteren der Sterbende echter (Tapit. 
Muf, zu Nom) u. die umter dem Namen Arria 
u. Pätus befannte Gruppe (Billa Ludoviſi in 
Rom), von Pyromadjos, Auf dem griechiichen 
Feſtlande war bis zum Ende bes 2. Jahrh. v. 
Ehr. die Kunft in Verfall gerathen, dann erhob 
fie fih noch einmal, u. zwar durch ein Zurück— 


424 Bildhauerkunſt (Chriſtliche Zeit). 


geben auf die normalen Vorbilder der älteren ſletztere ſchon dem Zeitalter des Hadrianus ange» 
Meifter; aber allen zum Theil berühmten Werken hörten. Nach dieſer Zeit verfällt auch die Fdeal- 
diefer Nachblüthe mangelt, da fie die Producte des Plaftil, und es finden fi nur noch Reliefs an 
Rachſchaffens n. des Studiums waren, die Ur-[Sarfophagen mit antifen u. fremdartigen, ſelbſt 
ſprünglichteit der Empfindung u. die Wärme des orientaliſchen Motiven, 3. B. Darftellungen mut 
Gefühis. Eines der befannteften u. früher ſogar Scenen ans dem perſiſchen Mithrasdienſte zc. 

berühmteſten Werte dieſer Art iſt die —— 0) Die Plaſtik der chriſtlichen Zeit zer 
Mediceiihe Benus vonKleomenes, dem Sohne n.|fällt wiederum in drei Perioden, „meicde a) die 
Schüler des Apollodoros (Muf. zu Florenz), fer-| Plaftif des Mittelalters, b) die Plaftit der Ne» 
ner die Statue des Germanicus von Kleomenes naiſſancezeit u. c) die moderne Plaſtik um⸗ 
dein Jüngeren (Paris), der Barberiniſche Faunfaffen. Die erſte lehnt ſich in entſchie dener Weile an 
(München), Ariadne, Jaſon (Paris), Menelaos,|die Architektur an, ift mwejentlich religiöfen Inhaltes 
den Batroflos aus dem Kampfe tragend (Rom), ſu. zeigt den rigoroſen, der Schönheitsgeſtaltung ent⸗ 
Benus Kallipygos (Neal) u. v. Büften; docd|freimdeten Charakter der mittelalterlihen Kunft 


find die meiften diefer Werfe nicht befannt. 

3) Ju der dritten Epoche der claffifh-antifen 
Blaftit, welche vom 2. Jahrh. v. Ehr. bis zum 
änzlichen Berfalle im 3. Jahrh. der chriſtlichen 
Feitrechnung reicht, verlegt ſich die locale Pro- 
duction von Griechenland nad) Italien u. mament- 
lich nach Rom. Trotz der ungeheuren Menge 
helleniſcher Denkmäler, welche von Feldherren der 
römiſchen Republit und auf Befehl der Kaiſer 
aus allen Ländern griechiſcher Bildung nach Rom 
geſchleppt wurden, war das Bedürfniß nad pla— 
ftiicher Ausihmidung der gewaltigen Baumerfe, 
die in jener Zeit entftanden, doch noch jo mächtig, 
daß zur Ausführung von Sculptuven griechiſche 
Meifter berufen wurden. Als ſolche werden ge- 
nannt Pafiteles, Artefilaos, Decius, Diogenes 
unter Auguftus), Zenodoros (unter Nero). Der 
Einfluß des römischen Lebens und der römiichen 
Anſchauung machte fih auf die Bildhauerei in fo 
fern geltend, als neben der Nachahmung der helle» 
nischen Kunſtrichtung eine gewiſſe Gemefjenheit u. 
Ernfthaftigkeit des Ausdrudes ſich entwidelte, welche 
fih namentlih in den Kaijerftatuen bemerkbar 
macht. Bedeutendere Werke laſſen fi erſt aus der 
Zeit des Auguſtus aufweiſen; in dieſe Reit fällt 
der eigentliche Aufſchwung der griechiſch-römiſchen 
Plaftil, der bis zur Negierung des Hadrianus (117— 
138 n. Ehr.) dauert. Zu den vorziiglichiten Dent- 
mälern diefer Zeit gehören, außer den Bildniß- 
Statuen u. -Büſten der Kaifer u. ihrer Berwand- 
ten, die Sculpturen an öffentlihen Bauwerlen, 
wie die Reliefs am Triumphbogen des Titus 
(den Triumphzug des Kaifers nad der Eroberung 
Jerufalems darftellend), die Heliefs am Forum 
des Nerva, die an der Trajansſäule, welche ſich 
bandartig von unten nad) oben um den Schaft 
winden, die an den Säulen des Antoninus Pius 
u. des Marcns Aurelius, welche den Sieg fiber 
die Marlomannen verherrlichen, die am Triumph: 
bogen des Septimius Severus (aus dem Anfange 
des 3. Jahrh.), welche ſchon den Verfall der Kunſt 
zeigen. Neben diejen officiellen Arbeiten haben 
ſich viele felbftändige Werle, meift mit Motiven 
aus der griechiichen Mythe, erhalten. Die berühm- 
teften u. vollendetften Werke diefer Art find der ſog. 
Apollo von Belvedere (VBatican), wabricheinlih aus 
der Zeit des Mero, die Diana von Verſailles, 
vermuthlih als Geitenftüd zum Apollo gedadıt 
(Paris), die liegende Statue des Nilgottes (Vati— 
can), die Venus von Arles (Paris), die Barbe- 
rinishe Juno, der fog. Antinons von Belvedere 
(Batican), die Pallas von Bellerri (Paris), welche 


überhaupt; die zweite befreit fi von der Archi— 
teftur, indem fie, auf die Antike zurüdgreifend, die 
Ideale derjelben, aber in maleriich bewegterer 
Geftaltung wiederzubeleben ſucht; die dritte, wejent« 
lich elettifcher Art, betrachtet zwar die Antife 
ebenfalls als die einmal feitgeftellte Norm der 
Schönheitsgeftaltung, bemächtigt fih aber neben 
den antifen u. chriftlichen Jdeen auch der Erſchei— 
nungen der realen Welt, namentlich in der Nichte 
ung der monumentalen Sculptur, Überhaupt aber 
ift zu fagen, daß das eigentliche Leben der Plaftil, 
als Ausdrud organischer Seftaltungstraft, mit dem 
antifen Leben weſentlich abgeichlojien war, u. daß 
die weitere Entwidelung der B. ſeit dem Berfalle 
der antiken Plaftif einerjeitS nur durch eine Über— 
tragung fremdartiger Ideen auf das plaftifche 
Gebiet, anderſeits durch die aus der Begeifterung 
für die antite Schönheitswelt entfprungenen Berfuche 
einer Wiederbelebung derfelben ermöglicht wurde, 
a) Die Plaftil des Mittelalters ift, wie die 
althriftliche Kumft überhaupt, weſentlich ſymboli— 
her Art, d. h. es wird die in der Antife erreichte 
harmonische Ausgleihung zwiſchen ideellem Gehalte 
u. ſinnlicher Geftaltung zu Gunften des erſteren 
aufgehoben u. die Tetstere zum bloßen Zeichen, 
zum bloß äußerlihen Beziebungsmertmal herab» 
geſetzt. Nicht mehr das Schönheitsgefeg ift jet 
maßgebend (tm Gegentheil: das Princip der Er— 
tödtung des Fleiſches richtet fich gerade gegen die 
Scönbeit), fondern lediglich die chriſtliche Idee. 
Während in der Antife die religiöfen Fdeale zu 
höchſter Kunſtſchönheit geftaltet wurden, werden 
in der althriftlihen Kunft die plaftiichen Formen 
zu untergeordneten Dienern des religiöfen Cultus 
degradirt. Daß hiernach von einer wahrbaften 
Kunftentwidelung im Mittelalter micht die Rede 
fein fan, begreift fih. Rob, edig, ungeftaltig, 
aber überladen mit Schmud, in prädtigen Ge— 
wändern, fonft jedoch ohne alle Anmuth in der 
Erſcheinung werden die Figuren geftaltet; mur 
im Ausdrude, namentlich des Auges, zeigt fi) eine 
Junigkeit, die aber mehr malerischer als plaſti— 
jher Natur if. In der erften Zeit der altchrift- 
lichen Kunft erlennt man allerdings noch einen Ein- 
fluß der Antike, ja, ſelbſt antile Ideen wurden auf 
den chriftlichen Borftellungstreis übertragen, wie 
z. B. Ehrifti Höllenfahrt in der Form der Orpheus» 
mythe dargeftellt wurde. Namentlih in einigen 
Monumentaljculpturen beherrſcht nod einige Seit 
hindurch die antife Tradition, gleihfam conven» 
tionell, das Auge u. die Hand des Künſtlers. Als 
eines der wichtigſten derjelben tft Die gegen Ende 


Bildhauerkunft (Chriftliche Zeit). 


425 


des 4. Jahrh. errichtete Säule des Theodoſios, dielhofer zu Nürnberg, von welchem die Statuen 


den Säulen des Trajanus u. Marcus Aurelius nach« 
gebildet war. Zu den äfteften im eigentlichen 
Sinne hriftlihen Denfmälern gehört die figende 
Bronzeftatue des bi. Petrus (aus dem 5. Jahrh., 
in der Petersfiche zu Rom), fowie zwei Marınor- 
ftatuen des guten Hirten (im Batican). Am zahl- 
reichften find die Neliefs an Sarkophagen, deren 
fih viele erhalten haben, an Grabfteinen und in 
Elfenbein (jog. Diptychen, Buchdedel, Jagdhör— 
ner, Becher, jelbft Thüren). Zu den interefjante- 
ften Werfen diefer Art gehört der mit Elfenbein- 
reliefs belegte Stuhl des Erzbiſchofs Maximian 
im Dome zu Ravenna (Mitte des 6. Jahrh.). 
Karl der Große erhielt im J. 803 zwei Elfen— 
beinthüren mit reihem Schnigwerfe in Relief aus 
Eonftantinopel zum Gejchenfe. Eine Hauptthätigleit 
der mittelalterlihen Sculptur beftand in der Ge— 
ftaltung u. Verzierung von Pradıtgefäßen für den 
Hriftficen Cultus, namentlih von Kelden, Scha- 
len, Kreuzen, Kronen, Relignienfchreinen, Weih— 
rauchgefäßen, Altartafeln, Lampen, Yeuchtern, Eibo- 
rien ꝛc. Am berühmteften in diefer Kumftgattung 
war der Mönch Tutilo von St. Gallen in der 
Schweiz (gef. 912). Hierin wurde eine ver- 
ſchwenderiſche Pracht in edlen Metallen und koſt⸗ 
baren Steinen entfaltet. Durch völlige Befrei— 
ung der althriftlihen Kunft von den Zraditio- 
nen der Antife hatte ſich allmählich jener Stil ge- 
bildet, den man den byzantiniich romanischen zur 
nennen pflegt; in der Plaſtik beſchränkte fich der- 
jelbe bis ins 12, Jahrh. hinein auf die Klein- 
funft, nach welcher Zeit fich die Bildhauerei aus- 
ſchließlich an die firchliche Architeltur anlehnte. In 
zahlreichen alten Kicchen Deutichlands, Frankreichs 
u. Italiens findet man Sculpturen, namentlich 
Reliefs, womit die Füllungen der Altarmwände, 
Portale zc. ausgeihmüdt find. Sie tragen mit 
geringen Modificationen ſämmtlich denjelben Cha— 
rafter von Unbehilflichkeit und einer oft bis zur 
Verzerrung gehenden Rohheit der Formen. Zu den 
befjeren u. befannteften Werlen der Art gehören 
die Arbeiten des Biſchoſs Bernward von Hildes- 
beim (ft. 1022; die bronzenen Thürflügel am 
Dom, die eherne Säule), ſowie die des Nicola 
Piſano (erfte Hälfte des 13, Jahrh.), der für die 
Dome von Lucca, Siena, Bologna, Pila zc. ar- 
beitete. Bom 12. Jahrh. ab entwidelte fi, unter 
dem Einfluffe der durch die Krenzzüige bekannter 
gewordenen orientaliihen Ornamentif, der foger 
nannte gothiihe Stil, welcher die Strenge des 
buzantimich-romanischen in Fluß brachte und die 
Mafienhaftigleit des Materials, ſowol in der Ar— 
chiteltur, wie in der Plaftik, durch malerifche Ber- 
mannigfaltigung der ‘Formen durchgeiftigte. Aus— 
drad und Haltung zeigen größeren Schwung u. 
feelenhafte Empfindung. Die Motive bleiben je- 
doch vorwiegend am die kirchliche Architektur ge» 
bunden. Die Kathedralen u. Abteien von Eng- 
land, Frankreich und den Niederlanden find ne« 
ben großen Domen Deutfchlands verbältnigmäßig 
am reichften an Werken des frübgothiichen Stils, 
von Künſtlernamen ift jedoch nichts Sicheres be- 
tannt. In Deutichlaud tritt erſt in der Mitte 


des 14. Jahrhunderts ein ausgezeichneter Bilde | Thonrelief. 


am Portal der dortigen Frauenkirche und die an 
dem fogenannten Schönen Brunnen daſelbſt ber- 
rühren. In Stalien werden aus der Zeit ber 
Spätgothit mehrere Namen genannt: Giovanni 
Pilano (Sohn des Nicola) u. feine Schüler Ago- 
jtino u, Angelo von Siena, Giotto (1276—1336), 
welcher neben der Malerei auch Baukunſt u. Sculp- 
tur übten, einen großen Einfiuß auf die damalige 
Kunſt überhaupt hatte. Unter feiner Leitung arbei- 
teten Andrea und Nino Piſano. Ferner find zu 
nennen GEinello, Alberto di Arnoldo (um 1360), 
Orcagna (1329—1389) u. A. m. — Mit dem 
Beginne des 15. Jahrh. verfiel die Gotbil; der 
Umſchwung im veligiöien Bewußtſein, welcher in 
der Reformation feinen culturhiftoriichen Ausdrud 
fand, blieb auch auf die Kunft nicht ohne Einfluß, 
Es begann ein Streben nah Befreiung von der 
äußerlichen Herrichaft der kirchlichen Tradition ſich 
zu regen, das hinſichtlich der Geftaltungsform zu— 
nächſt zu einem Rückgreifen auf die Antife (Re— 
naiffance) führte. b) Die mit der Renaiffance 
beginnende zweite Beriode der nach-antifen Plaftik 
erftrect fih vom Anfange des 15. bis zum Anfange 
des 18. Jahrh., d. h. bis zum abermaligen Ber: 
falle der Kumft. Ihr Charakter befteht theils in 
der Loslöfung einerfeits, binfichtlich des Inhaltes, 
von dem ritwalen Zwange, anderfeits, binfichtlich 
der Form, von der Abhängigkeit von der Archi« 
teftur, theils im dem ſtärkeren Hervortreten der 
malerischen Behandlung in der Gompofition, der 
Geftaltung der Formen, dem Arrangement des 
Coftüms 2c.; wie denn überhaupt die Malerei als 
eigentlihe Hauptkunſt diefer Zeit den beſtimmend— 
ften Einfluf auf alle Künfte ausübte (j. Bildende 
Künste). Die Stilunterfchiede, wie fie gewöhnlich 
durch die Gliederung nah Nationen u. innerhalb 
derfelben nah Schulen bezeichnet werden, find 
deshalb für die Plaftif diefelben wie für die Ma« 
levei, für welche fie zunächſt gelten. In Italien 
find es namentlich die toscaniſche Schule, ſowie 
die Schulen von Ober-Ftalien u. Neapel, in denen 
ein bedeutender Aufihwung der Plaſtik ftattiand. 
In der erſtgenannten bildet Jacopo della Fonte 
(ft. 1424) den Übergang vom Mittelalter zur 
Renaiſſance u. iſt als Bahnbrecher der letteren 
zu betrachten. Seine bedeutendſten Arbeiten fin— 
den ſich in Lucca und Siena. Ihm folgen 
Niccolo dell’ Arca, Lorenzo di Pietro u, A.; ein 
zweiter Hauptmeifter ift Yorenzo Gbiberti in Flo— 
venz (1378—1455), weldyer nur in Bronze ar- 
beitete. Am befannteften find feine mit maleri« 
hen Reliefs geſchmückten Bronzerbüren für ein 
Seitenportal des Baptifteriums zu Florenz. Ihm 
ſchließt fih an Luca della Nobbia, deffen Arbeiten 
in gebranntem u. farbig glafirtem Thon befann- 
ter als feine Marmorarbeiten find, Ein dritter 
Hauptmeifter ift Donatello (13386—1466), der 
bereits völlig der Renaiſſance angehört, nament« 
lich auch durch feine Annäherung an die Antike. Bon 
jeinen ſehr zahlreihen Werfen ift das Melief 
Verfündigung Mariä in S. Eroce zu Florenz das 
früheſte; den Ausdrud leidenſchaftlichen Schmerzes 
erreichte er in feiner Grablegung in S. Antonio, 
Ihm schließen fih an Brunelleschi 


bauer als biftorisch begründet auf, Sebald Schon: 1(1875— 1444), Giovanni di Piſa, Andrea Ver- 


426 


rocchio (1432— 1488), Orfino, Antonio Pollajuolo 
(f. 1498), Nanni di Banco, Rofjelino, Mino da 

iefofe, Benedetto da Majano u. A. m. In 

ber-Ftalien concentrirte fich die Plaftit beſonders 
in Benedig u. Pavia; in Neapel wird in dieſer 
Zeit (Anfang des 15. Jahrh.) der Bildhauer 
Ciccione als ausgezeichneter Meifter genaunt. Im 
16. Jahrh. find aus der toscanifhen Schule an— 
zuführen: Ruſtici, Contucci (gen. Sanfovino), be 
fonders aber Michel Angelo Buonarotıi (1474 bis 
1563), welcher, wie viele Kiünftler diefer Zeit 
(3. B. Rafael, Leonardo da Binci) in allen drei 
bildenden Künften thätig, außerdem noch Dichter 
war. 


Bildhauerkunſt (Chriftliche Zeit). 


ih bei der Holzicufptur, an der Tagesordnung. 
Erft mit dem —— Adam Krafft (fi. 1507) 
entwidelt fih ein befferer, auf dem Strebeu nach 
einfacher Lebenswahrheit berubender Stil, dem 
jedoch eine gewiſſe Herbigfeit anhaftete, Die reich- 
fien und bedeutendften feiner Arbeiten find die 
großen Darftellungen der Paſſion an der St. 
SebaldussKirche zu Nürnberg, wo von ihm noch 
zahlreihe andere Werle vorhanden find, Ihm 
Schließen fih an Tilman Riemenfchneider von 
— (Marmorſarkophag Kaiſer Heinrichs IL. 
u. ſeiner Gemahlin Kunigunde, im Dome zu Bam— 
berg), L. Hering, Nil. Lerch (Grabdentinal Kai« 


Bon feinen Sculpturen, welde jämmtlich|jers Friedrich III. im Stephansdome zu Wien) 


das —— großer, oft bis zum Gewaltigenſu. A. m. Zahlreich entſtehen beſonders im dieſer 


potenzirter 
tragen, find die berühmteften: feine Statue des 
Mojes, für das Grabmonument des Papftes Ju— 
lius II., die Figuren des Tages u. der Nacht, 
für das Grabmonnment Giulianos u. Lorenzos de’ 
Medici (in der Sacriftei von ©. Lorenzo in Flo— 
renz), ſowie die dazu gehörigen figenden Statuen 
der beiden Medici, von denen die des Lorenzo als 
das Hauptwert Michel Angelos gilt. Neben ihm 
arbeitete Baccio Bandinelli (1487—1559), der 
ebenfalls in großartigem Stil eine Reihe von 
Apoftelfiguren für die Choreinfaſſung des floren- 
tiner Domes ſchuf; ferner Montorſoli, Rafael da 
Montelupo, namentlih aber Benvennto Cellini 
(1500—1572), der, uriprünglich Kleinmeifter, bei. 
in Goldfchmiedearbeiten, aud größere Werle von 
hoher Kunftihönbeit fchuf, wie die Statue des 
Perjeus u. eine Bronzebüfte Cofimos I. In Ober- 
Italien ift ebenfalls ein lebhaftes Vorwärtsſtreben 
auf dem Gebiete der Sculptur zu bemerlen. Zu 
den hervorragendften Künftlern des 16. Jahrh. 
gehören Niccio, di Lombardi, Jacopo Tatti, Cam— 
pagna, Begarelli u. 4. In Neapel arbeiteten 
Giovanni da Nola, deflen Schiller Domenico 
d'Auria und der noch bedeutendere Girolamo di 
Santacroce. Im 17. Jahrh. beginnt bereits, ob- 
ihon Michel Ungelos Einfluß noch längere Zeit 
fihtbar blieb, der Berfall der Kunft, der ſich 
namentlih in einer Öefuchtheit der Haltung u. in 
decorativer Überladung, die oft ins Kleinliche fich 
perirrte, fundgab. Man kann diefe Periode als 
die des Manierismus bezeichnen, welcher bald in 
das Ertrem des zopfigen Stils fih verrannte, 
Am meiften vom Geifte Michel Angelo zeigen 
noch della Porta, Danti, während Sondins und 
Leoni ſchon mehr zierlich als großartig ericheinen. 
Nur ein nach Italien eingemwanderter Niederländer, 
Giovanni da Bologna (1524—1608) hielt die 
Tradition des Etil$ von Michel Angelo durch 
beffere Werte einige Zeit lebendig. Eine beſon— 
dere Specialtät von plaftiichen Arbeiten bilden 
die fogen. Majoliten, Geſchirre von 


della Robbia zurüdgeführt werden, aber erft jekt, 
namentlih in Urbino, 3.8. von Giorgio Andreoli, 
Tanfranco, Piccolpaffo u. U. in großen Mengen 
gefertigt und zu einem Lieblingsartifef des Kunft- 
bandels wurden. — In Deutihland bleibt am 
Anfang der Periode tro der Loslöſung der Sculp- 
tur von der Baukunſt, längere Zeit die traditio» 
nelle Berbindung von Blafit u. Dialerei, nament- 








raft u. höchfter Energie des Ausdrudes| Zeit die großen Altarfchnigwerle, unter denen die 


von Beit Stoß aus Krakau (1447—1542), der 
für Michael Wohlgemuth im Nürnberg arbeitete, 
fh durch eine gewiſſe naive Anmuth auszeichnen. 
Auh in den Rheinlanden, Weftfalen u, Nieder: 
deutſchland finden fich zahlreihe Arbeiten dieſer 
Art. In Schleswig zeichnet fih Hans Brügge: 
mann (1515—21) aus. Im Gebiete des Bronze: 
gufjes nimmt deu erſten Nang die Familie Bi- 
Iher, mamentlih Peter Bilder in Nürnberg, 
(ft. 1529) ein. Das bedeutendfte feiner früheren 
Arbeiten ift das Grabmonument des Erzbiſchoft 
Ernft von Magdeburg (im Dome dafelbit); ſein 
berübmteftes Wert ift das fog. Sebaldusgrab in 
der Nürnberger Sebaldusfirhe, an deſſen Aus- 
führung feine fünf Söhne mit thätig waren, Von 
fpäteren Kiluſtlern diefer Zeit ift noch zu nenneir 
ler. Eollin von Mecheln. Im Berlauf des 16. 
Jahrh. zeigt fih auch in Deutfchland und den 
Niederlanden bereits eine Abnahme an künftleri- 
iher Kraft, um einem Streben nad Zierlichkeit 
u, decorativer Pracht Play zu machen. Zu den 
befferen Arbeiten diejer Art gehören die Bildwerte 
an den beiden Façaden des Heidelberger Schlofles, 
fowie zahlveihe Grabmonumente und öffentliche 
Brunnen. As tüchtiger Bronzegießer tritt im 
Sachſen Wolf Hilger von Freiburg auf. Als 
eine Specialität u. charakteriftiich für die decorative 
Tendenz diejer Zeit find die zum Theil pracht— 
vollen u. fehr Aumftreichen Werte des Kunfthand- 
werfes, namentlich Goldarbeiten, u. die fog. Kunft- 
ſchränke zu bezeichnen. Als ein Hauptmeifter ir 
diefem Fache gilt Wenzel Jamniger (1508—85). 
Einer der jhönften u. berühmteften Kunſtſchränke 
aus jener Zeit ift der für den Herzog Philipp II. 
von Pommern gearbeitete Kunftihrant (im Berl. 
Diufeum). Aber die eigentliche Kunſt jelbft verfiel 
bei diejer Tendenz auf prachtvolle Künftelei immer 
mehr. — Ju Frankreich entwidelte ſich die Plaftif, 
u. zwar im Anfchluß an die italienische Kunft, ver» 
bältnigmäßig ſpät; eine eigenthümlihe Schule, 


gebranntem die von Fontainebleau, weil diejes Schloß durch 
Thon mit bunten Schmelzmalereien, die auf Luca Franz I. 
feit gema 


um Centrum der künftlerifchen Thätig« 
di wurde, entfteht erfi im Anfange des 
16. Jahrh., und meift find es dorthin berufene 
italienische Kinftler, welche den Grund zu der 


weiteren Entwidelung der franzöſ. Kunft legen, 
die bald in das ihr eigenthümliche Geleife von 
eleganter Zierlichkeit und Effecthafcherei einlentt. 
Bu den beſſeren SKünftlern diefer Art gehören 
jean Gonjon (fl. 1572), Jean Eoufin, Barth. 


Bildhauerfunft (Moderne). 


427 


Prieur u. A. m. Noch einmal, gleihfam in Bor- den Namen eines berühmten antifen Sculptur- 
ahnung des drohenden Berfalles, raffte ſich die werkes, nämlich des Laofoon, wählte; wie er denn 


Kunft im 17. Jahrh. zu einer Art Nachblüthe 
auf, obſchon gerade im Gebiet der Sculptur die 
Spuren davon am fpärlichften fich zeigen. In 
Yralien find es Pietro Bernini (1562—1629) u. 
fein berühmterer Sohn Lorenzo (1598—1680), 
welche den gänzlihen Verfall der Blaftil aufhalten, 
obſchon fie durch ihr Streben mach malerifcher 
Behandlung diefer Kunft den ihr eigenthümlichen 
Charakter rauben; ihnen fchliegen ſich an Algardi, 
Bolgi, Rucconi u. A. Bon niederländiihen Bild» 
hauern find zu nennen: Franz du Quesnoy in 
Brügge (1594— 1644), Nebenbuhler des Bernini, 
aber reiner u. edler im der Form als diefer, u. 
Arthur Duellinus in Amfterdam. In Frankreich 
find es befonders die künftferifchen Unternehmun- 
gen Ludwigs XIV., welche eine umfangreiche, aber 
—— erfreuliche Thätigkeit hervorrufen. Es iſt 
dies die eigentliche Blüthezeit des Zopfſtils, natur« 
widrig affectirt u. theatralifch geipreizt; in dieſem 
Stil arbeiteten Pujet, Anguier, jpäter Bouchar— 
don, Pigalle ꝛc. In Deutichland endlich fteht die 
groBartige Einzelericheimung des als deutichen 

chel Angelo anerkannten Andreas Schlüter am 
Ausgang des 17. Jahrb. (fi. 1714). Er ent- 
widelt nicht nur als Architelt (Berliner Schloß), 
fondern mehr noch als Bildhauer eine Größe des 
Stils u. ein Pathos des Ausdrudes, welches ihn 
als den bedentendften Meifter feiner Zeit charaf- 
terifirt. Zu jeinen befannteften Werfen gebört die 
Reiterftatue des großen Kurfürften in Berlin u. 
bef. die Masten fterbender Srieger im Hofe des 
dortigen Zeughaufes. Sonft wandte fich die bild- 
haueriihe ZThätigkeit in Deutſchland den Klein- 
fünften, namentlich den Schnigereien in Elfenbein, 
Bernftein u. dem Eifenfchnitt, zu. Im letteren 
Fache war befonders Gottfried Leygebe in Berlin 
(1630—83) thätig. Im 18. Jahrh. traten einige 
ausgezeichnete Steinfchneider auf, unter denen 
Lorenz Ratter u. die Glieder der Familie Pichler 
die berühmteften find. 

c. Die moderne Plaftif entwidelt fich, wie 
die moderne Kunft überhaupt, aus der tiefen, zum 
völligen Verlöſchen aller wahren Kunſtanſchauung 
führenden Depravation des 18. Jahrhunderts in 
der zweiten Hälfte deifelben durch eine zweite Re— 
uaiffance, als deren Begründer der Hiftoriograph 
Bindelmann, der Kritiker Leffing u. der Maler 
Carſtens zu betrachten ſind. Aber während die 
erſte Renaiſſance durch die der nach-antiken Kunſt 
überhaupt beiwohnende Tendenz nach maleriſcher 
Behandlung der plaſtiſchen Geſtaltung geleitet 
wurde, ſtellte umgekehrt die zweite Renaiſſance, 
indem fie, die veränderten Bedürfniſſe u. Eultur- 
bedingungen des modernen Zeitgeiftes verlennend, 
alles Heil nur in der ftricten Rückkehr zur Antike 
zu finden glaubte, das Geſetz der plaftiichen Schön- 
heit, d. 5, die Form als ſolche, für alle u. jede 
Kunft, namentlih auch für die Malerei, als maß— 

ebend auf. Es ift 3. B. fehr bezeichnend hin- 
chtlich diefer Betrachtung der bildenden Kunft 
als vornehmlich plaftifcher Geftaltungs- u. An- 
Ihauungsweife, daß Leifing für fein nach diefer 
Richtung hin epochemachendes Werk: Über die 
Grenzen der Malerei u. Poefie, als Haupttitel 


auch in der Borrede zu demielben ausdrüclich be- 
merkt, daß überall, wo er von Malerei rede, 
bildende Kunft iiberhaupt gemeint fei; bildende 
Kunft aber war ihm gleichbedeutend mit plaftiicher 
Kunft. Die Reaction gegen dieſe pofthume An— 
tififirung aller Kunftanihauung konnte nicht aus— 
bleiben, u. jo entwidelte fih in dem erften Viertel 
des 19. Jahrh. eine zweite Epoche, die im Ge— 
genfatse zu jener erften antikifirenden als die ro- 
mantijhe Epoche bezeichnet werden kann. Die 
Plaftit jelbft wurde zwar dadurch weniger als die 
Malerei berührt, immerhin aber ift der Einfluß 
diefer Reaction auch auf fie erfennbar. Endlich, 
im zweiten Viertel d. Jahrh., gelangt die Plaftit 
aus dem Zwieſpalte jener Einjeitigleiten heraus 
zu einer gewiffen Berföhnung mit fich felbft, in- 
dem fie zwar, was in der Natur der Sache liegt, 
die Antike immerhin als die für alle Zeit allger 
mein giltige Norm für alle plaftiihe Schönheits- 
geftaltung betrachtete, aber zugleih den Bedürf— 
niffen des modernen Geiftes durch das berechtigte 
Streben nah einem gefunden Realismus Rech— 
nung trug. Im Allgemeinen ift der Charakter 
diefer neueften Epoche, welche ſich nach den ver- 
ichiedenen Nationalitäten, in welchen die Plaftif 
hauptſächlich vertreten ift, in beiondere Richtungen 
gliedert, ein weſentlich eflettiicher. Mit Ausnahme 
der in ganz modernem Sinne fich felbftändig ent- 
widelnden Denkmalsplaſtik fehlt es an vollsthüm— 
lichen Motiven, jo daß bei idealen Aufgaben doch 
immer wieder auf die durch die Antike gegebenen 
Ideen zurüdgegangen werden muß. Erſt in nenefter 
Zeit bat man begonnen, Weftalten der nordijch- 
germanischen Mythe für den Ideenkreis der Plaftit 
zu verwerthen. Die drei hier im Allgemeinen 
ffizzirten Epochen der modernen Plaſtik find mit- 
hin kurz als die antififirende, die romantifche ır, 
die ekleltiſche zu bezeichnen, Die antilifirende 
Epoche der modernen Plaftit wird theils, wie 
bemerft, durch die wiſſenſchaftlichen Forſchungen 
der hiſtoriſchen Kritik, theil$ durch die von ihr ange: 
regten, ihnen bald folgenden Unterfuhungen der 
Monumente in Griechenland u. Herüberfübrung 
derjelben nah Europa (namentlich durch Lord El— 
gin) von Neuem auf die große Bedeutung u. 
die unerreihbare Schönheit der antifen Dentmäler 
bingeleitet. Der Italiener Canova (1757—1822) 
ift der erfte Bildhauer der modernen Zeit, in 
welhem fih das Streben nach antif-claffiicher 
Behandlung der Plaftit im entichiedener Weile 
offenbart, obfhon allerdings noch getrübt durch 
einen Manterismus, in dem die Heminifcenzen 
des zopfigen Geſchmackes des 18. Jahrh. zu er: 
tennen find, Neben ihm ift der Schwede Sergel 
(1740— 1814) als Nachahmer der Antike zu nennen, 
Mehr Äußerlicher Art ift der Glafficismus des 
Franzofen Chaudet (1763 — 1810); aud der 
DeutiheiDanneder(1758— 1841) gehört, nament- 
(ich in feinen weiblichen Geftalten (Ariadne), die von 
einer großen Zartheit der Formen find, hierher; 
vor Allem aber der Däne Thormwaldien (1770 bis 
1844), welcher in feinen der griecbiihen Mythe 
entnommenen Geftaltungen den antiken Geift am 
reinften zur Erſcheinung bradte (Jaſon, Benus 


428 


Bildhauerkunſt (Moderne). 


mit dem Apfel), während er im feinen chriftlichenfeldern zur Walhalla (Befreiimg Germanias und 
Sculpturwerten (Segnender Chriftus) weniger |Hermannsichlacht) zeigt fich bereits eine Verflach- 


glüdtich war, In England tritt John Jlarmann 
(1755— 1826) als Negenerator des antifen Kunft- 
geſchmackes, bejonders durch feine Heliefcompofitionen 
Achillesſchild), auf. In Deutichland, namentlich in 
Berlin, hatte fich die Tradition des fräftigen Schlüter» 
ſchen Monumentalftils, obidyon etwas verflacht (Tefia- 
niert) erhalten, bis Gottfried Schadom (geb. 1764) 
denfelben, namentlich für ftatuarifche Porträtdar- 
ftelung (Bieten u. Schwerin, auf dem Wilhelms. 
plate) in ebenjo origineller wie glüdlicher Weiſe 
verwerthete. Chriſtian Rauch dagegen, ver als 
der eigentlihe Begründer der neueren Berliner 
Bildhauerihule betrachtet werden kann, zeigte in 
feinem erften Hauptwerfe, dem Grabdenkmal der 
Königin Luife (im Manfoleum des Charlotten- 
burger Schloßgartens) einen Zug edler Romantit, 
mit claſſiſcher Idealität gepaart, eine Richtung, 
welche er jedoch, vorzugsmeife für realiftiihe Mo- 
numentalplaftit (Helden der Freiheitslriege, na- 
mentlih Blicher) in Anſpruch genommen, wieder 
verließ. An feinem legten großen Haupwwerke, 
dem großen Friedrihsdenfmal (am Cingange der 
Linden in Berlin) waren bereits die bedeutenderen 
feiner zahlreihen Schüler mit thätig. In ent 
jchiedener Weife romantifirend, ſelbſt bei der Wahl 
antiter Motive, erjcheinen die Arbeiten von Fr. 
Tied (1776—1851), Trofchel, Wichmann, Afinger, 
Franz u. A., befonders aber in einigen feiner 
ſchönſten Werfe (jo in den Reliefs um das Fried— 
rih-Wilhelms- Denkmal im Berliner Thiergarten) 
Friedrich Drake, Er ift Schüler Rauchs, ebenfo 
wie der hauptjächlich für große Monumentalplaftif 
thätige Guſtav Bläfer (ft. 1874), Albert Wolff, 
Hagen, Ki, Wollgaft, von denen zahlreiche Mo— 
numentalftatuen gejhaffen find. Mehr ifolirt u. 
jtrenger antilifirend traten Heidel, Wredow u. der 
tafentvolle Schievelbein auf, von welchem letteren 
(nebſt Bläjer) die beiden ſchönſten Statuengrup« 
pen auf der Berliner Scloßbride herrübren. 
Aus der neueſten Berliner Schule find noch als 
bervorragendere Künſtler zu bezeichnen Siemering, 
Calandrelli, Schweinig, Ende, Büchting, Pfubl, Pohl- 
mann u. A.; eine mehr ifolirte Stellung nehmen 
ein Sußmann-Helborn mit einer idealen, der an— 
tifen Form fi nähernden Richtung u, der ge 
nialfte unter allen, Reinhold Begas, der, obſchon 
ebenfalls mit Borliebe autile Motive wählend, 
einen der Draftit Michel Angeles verwandten, 
zuweilen ans Genrehafte ftreifenden St cultivirt 
(Schillerdentmal in Berlin). In Dresden gründete 
einer der älteren Schüler Rauchs, Ernſt Rietſchel 
(1804— 1860) eine Bildhauerſchule, die in zahl« 
reihen Werfen edeliten Stils vertveten iſt. Zu feinen 
beiten Arbeiten gehört die Leflingftatıre für Braun» 
ſchweig, jein umfangreichftes ift das Lutherdenkmal 
in Worms. Zu feinen beſſeren Schiilern gehören die 
noch lebenden G. Schilling, Ad. Donndorf u. Guft. 
Kietz. Neben Rietſchel ſchuf Eruſt Hähnel eine 
Reihe bedeutender Werfe (Künſtlerſtaluen für das 
Dresdener Mujeum). In Mitnchen vertritt Ludw. 
Schwanthaler (1802— 1848) die vomantifirende 
Plaftit, die er namentlich in dem großen Fries: 
Die Kreuzzüge fir den Zaalbau der neuen Re— 
fivdenz zum Musdrud bradte. In den Giebel 


ung in fentimentale Weichlichkeit, wohin jchließlich 
die dem Charakter der Plaſtik im Grunde unad- 
äquate Richtung aufs Romantiſche nothwendig 
führt. Bu feinen Schülern gehörten Widnmaun 
u. Brugger, ferner Zumbujh, der jpäter nach 
Wien überfiedelte. Außer den Hauptichulen in den 
eigentlihen Gentren der Kunftproduction find noch 
in mehreren deutihen Städten tüchtige Bildhauer 
thätig: fo Engelhardt in Hannover, der fid vor- 
zugsweife durch Verwerthung der altmordifchen 
Gottermythen für die Plaftit Berdienfte erworben, 
Eduard Müller aus Koburg, fpäter in Rom, 
einer der feinften u. gediegenften Plaſtiker in an» 
tilifirender, aber durchaus originaler Nichtung, 
Morig Schulz aus Deffau, fpäter in Berlin; Rö— 
bert Sauer in Kreuznach, welcher namentlich in 
der plaftifchen Geftaltung der deutfhen Märchen- 
geftalten eine zarte u. hierfür durchaus paſſende 
Romantik entwidelt, von der Launitz, Kundtmann 
u. Kaupert in Frankfurt a. M.; Albert Küppers in 
Bonn, Wittich in Düſſeldorf, Steinhäufer in Karls» 
ruhe 2c. Ofterreich u. namentlich Wien ift erft feit 
Kurzem in fruchtbarer Weiſe für die Plaftif thätig. 
Zu den älteren Bildhauern gehören Fernkorn, ein 
Schüler Schwanthalers, bejonder8 aber der be» 
deutendere Halbig, dejjen Schüler eine erfolgreiche 
Thätigfeit entioidein. — Aus Dänemart ift Jeri— 
han zu erwähnen. — Frankreichs Plaftif trägt nach 
Chaudets Borgang den doppelten Charakter einer 
äußerlih antikifivenden Richtung in Verbindung 
mit einer weſentlich auf theatralifches Pathos ge- 
richteten Tendenz. Der Ausdrud leidenfchaftlicher 
Bewegung bat daher meift einen froftigen Beige— 
ſchmack von Reflerion auf den Effect: neben einer 
oft bis zur Verzerrung gehenden Draftil findet 
fih, als Ertrem, eine affectirte Simplicität, die 
den romantiihen Inhalt zu gefühlsarmer Senti« 
mentalität ernüchtert. Anfangs, d. h. Ende des 
vorigen u. Anfangs diefes Jahrh., waltet die an- 
tififirende Richtung, aber in pedantifcher, ja gopfiger 
Auffaffung vor. In diefer Weife fchufen Fofepb 
Bofio (1769— 1845), Pierre Cortot (1787— 1843) 
u, A.; freier u. nach der Geite der finnlichen 
Schönheit bin glüclicher ericheint J. Pradier 
(1790—1852), dem feine Schüler Lequesne und 
Guillaume, jowie Simart, Eter, Ottin, Courtet, 
Cavelier u. A, nacheiferten, während der ebenfalls 
diefer Schule angebörige Elefinger ſich ſchon zur 
Frivolität u. Effecthafcherei neigte. Gegenüber 
diefer mehr ibealiftifh-abstracten Tendenz ent» 
widelt fib ein oft ins Genrehafte ſich verirrender 
ibealifirender Naturalismus, angeregt zuerft durch 
J. Duret, dem fi Fouffroy u. A. anjchlofien, 
Eine dritte, als biltorifcher Realismus zu be- 
zeichnende Richtung, melde uriprünglich ebenfalls 
an die Antike anfnipfte, aber fi bald einem faft 
roben Naturalismus zumandte, wird durch David 
d'Angers vertreten, Bon ibm rühren eine Menge 
von Büften berühmter Männer feiner Zeit, na— 
mentlih aud die der großen dentichen Dichter, 
ber. Die Davidihe Schule hat bis in die neueite 
Zeit ihre Nachfolger gehabt. Einen typiichen Cha» 
vafter befitt jedoch die nmeuefte moderne Plaſtik 
nicht, fie zerjplittert fi, bei übrigens großer 


Bildlich — Bildſchnitzerei. 


techniſcher Geſchicklichleit und Formengewandt⸗ 
heit, in individuelle Geſchmacksrichtungen. — Eng» 
land bat in der Plaftit nichts Bedeutendes, aber 
viel Verfehltes geleiftet. Als der ftilvollfte if der 
in Rom lebende Gibion zu bezeichnen. Außer- 
dem find zu nennen Wyatt, Campbell, Weftmacott 
u. Marſhall. — Ftalien hat von feiner Bergan- 
genheit, deren große Reſte es vor Augen hat, am 
menigfien gelernt; jelbft von feinem bedentendften 
Plaftiler der modernen Renaiffance, Canova, hat 
es nur die eine, u. zwar ſchwächſte Seite feines 
Stus, die Weichlichkeit der Form, übernommen, 
dagegen das Gıreben nad Weinheit antiler Ge- 
faltung mehr w. mehr verloren geben laſſen. 
Ras in Ftalien u, namentlich in Kom feit dem 
vor. Jahrh. Bedeutendes gejchaffen wurde, ift von 
fremden Bildhauern geihaffen: Thorwaldjen bat 
fat fein ganzes Leben dort zugebracht, ebenjo 
haben ſich der früh verftorbene R. Schadow 
fowie der fruchtbare Emil Wolff aus Berlin, fer- 
ner Martin Wagner aus Münden, Steinhäufer 
aus Bremen, Eduard Meyer aus Trier, M. Kef- 
jel$ aus Holland u. A. dort acclimatifirt. Bon 
italienischen Bildhauern ift außer Tenerani, der 
noch am reinften erjcheint, eine Reihe von Namen 
zu nennen, welche fich in conventionellen Außer- 
lihleiten u. unplaſtiſcher Gefchmadlofigfeit über— 
bieten, indem ſie einem niedrigen Geſchmack an 
lleinlichem Naturalismus huldigen. Anfangs zwar 
hält fih noch die Canovaſche Tradition aufrecht; 
dahin gehören: Monti in Mailand, Fraccaroli in 
Rom, Bartolini in Florenz, Finelli in Carrara, 
Magni u. U. Aber die Vertreter der nmeueften 
italienischen Plaftit, wie Barzaghi, Calvi, Tan— 
dardini, Biandi, Braga, Lombardi in Mont, 
Soldini in Chiaſſo, Guarnerio, Pereda, Zan— 
non u. A. in Diailand zc. fuchen, abgeieben von 
der fabrifmäßigen Art der Ausführung, die Auf- 
gabe der Plaftit in einer Berbindung rein geure— 
bafter Motive mit eier aus Koletterie u. Sen— 
timentalität gemifchten Auffaffung, verihmähen 
auch nicht die Einmiſchung von der Plaſtik ganz 
fremden Elementen, 3. B. Zufammenftellung ver» 
Ihiedenfarbiger Bronze mit Marmor ꝛc. Hier 
zeigt ſich alfo eine völlıge Entartung der plaftiichen 
Kunſt. — Außer zahlreichen Specialwerken über 


429 


danfen durch entiprechende finnliche Geſtalten. 
Unter den Begriff des bildlichen Ausdrudes in 
Poefie u. Profa (dem der eigentliche entgegenge- 
ſetzt ift) fällt eine Anzahl dichterifcher u. redneri- 
iher ‚Figuren (f. d. Art. Figuren), 3. B. die 
Metapher, die Berfonification. 

Bildneret bezeichnet die technifche Seite der 
Bildhauerkunſt, mit befonderer Beziehung auf das 
zum lörperlihen Formen verwandte Material. Es 
gehören ſomit zur B. ſehr verfchiedene, ſowol rein 
fünftlerifche, wie funftinduftrielle Techniken, zunächſt 
die Plaftit im engeren Sinne, welche in Stein 
(Marmor, Sandftein, Gramit, Porphyr, Speditein, 
Habafter), oder Thon, Wachs x. die Formen 
ausmeißelt oder knetet, dann die Holz« u. Elien- 
beinjchnigerei, der Metallguß, das Treiben in 
Metall, die Steinichneidefunft u. Medailloplaftif, 
die Goldſchmiedekuuſt, die Gipsgießerei zc. E. 
Bildhauerkunſt). Vgl. Handbuch der Bildnerkunſt 
in ihrem ganzen Umfange, mit einem Atlas, ent« 
haltend 28 Onarttafeln, von Karl Stegmann, 
Architelt, Weimar 1864, Schasler. 

Bildfäule, ſynonym mit Statnue, monumen— 
tal · plaſtiſche Darſtellung der menſchlichen Geſtalt, 
im Beſonderen von göttlichen Weſen, Heroen ꝛc., 
namentlih als Gegenitand des religiöfen Cultus, 
ſodann auch von ſolchen Perfonen, denen damit 
als Anerkennung ihrer Berdienfte um den Staat, 
die Wiffenihaft, Kunft 2c. ein Denkmal geſetzt 
wird, Ihrer Form nach ftellt die B. die Perſon 
entweder im ganzer Figur dar (Statue im enges 
ren Sinne), oder als Bruftbild (Büfte), oder endlich 
als Herme (Kopf auf einem nah unten koniſch 
zulaufenden Geſtell). Als Statue ruht fie ent- 
weder bloß auf einem Sodel (Unterfag von meift 
fubifher Form), oder auf einem Piedeftal (ſ. d.); 
als Büfte entweder ebenfalls auf einem Piedeftal, 
auf einer Säule oder einer Conſole. In der 
Herme bildet der Kopf mit dem Fuße ein untrenn⸗ 
bares Ganzes, während bei der Statue u. ber 
Biüſte Piedeftal u. Sodel nur als Unterfat dies 
nen. Als eine befondere Gattung von Ben kön- 
nen aud die, jedoch nur in Berbindung mit der 
Architeltonik zuläffigen Karyatiden betrachtet wer⸗ 
den, melde meift paarweiſe als männliche oder 
weibliche Träger von Balconen zc. aus der Wand» 


einzelne Schulen, Künſtler u. Werfe, namentlich |flähe heraustreten, oder auch zuweilen ftatt der 


des Alterthums, ift die Geichichte der Plaſtik im 
Zufammenhange nur wenig bearbeitet worden. 
Hauptwerk fiir die Kenntniß der antifen Plaſtik 
iſt J. Overbecks Geſchichte der griechiſchen Plaftit 
für Künftler u. Kunſtfreunde, 2. umgearbeitete u. 
vermehrte Auflage, 2 Bde. mit Ylluftrationen, 
Lpz. 1869. Außerdem ift die Gefammtgeidichte 
der Plaſtik bis auf die neuere Zeit (Anfang die. 
YJahrh.) von Fr. Kugler in feinem Handbuch der 
Kunftgefhichte (2, Aufl. mit Zufägen von Burd- 
bardt, Stuttg. 1848) in, wenn auch aphoriftiicher, 
doch zuverläffiger Weife berüdfichtigt; endlich von 
W. Lübke in feiner Geſchichte der Plaftit von den 
älteften Zeiten bis auf die Gegenwart, Lpz. 1863. 
Doch ift darin die nur etwa bis in die 40er Jahre 
reichende Geſchichte fiir die Kenntnig der moder- 


Säulen fungiren. Die Karyatide ift eine ber 
Form nad nicht freiftehende Herme, bei welcher 
außer dem Kopfe der ganze Oberleib einſchließlich 
der Arne dargeftellt iſt. Schasler. 
Bildſchnitzerei, das Ausarbeiten von Bild⸗ 
werken aller Art u. Größe in Elfenbein u. Holz 
mittels Schnitzer, Stecheiſen u. Meſſer. Elfen- 
beinſchnitzarbeiten kommen ſchon im früheſten Alter⸗ 
thum vor, fo bei den Babyloniern, welche Heine 
Zierrathen aus Elfenbein fertigten. Großartigere 
Anwendung machten von diefem Material die 
griechischen Bildhauer, indem fie nicht felten das 
Nadte der Statuen aus Elfenbein berftellten. In 
fpäterer Zeit fand das Elfenbeinſchnitzwerk im By— 
zantinifchen Bieiche, wie auch in Deutfchland und 
anderen Ländern zur Anfertigung von Gegenftän« 


nen Gefchichte der Plaftit unverhältnigmäßig kurz den des kirchlichen u. weltlihen Gebrauches :c. 


bebanbdelt. Schasler. 


ausgedehnte Anwendung. Bon Holzſchnitzwerlen 


Bildlich iſt die Veranſchaulichung unſerer Ger des Alterthums iſt außer den hölzernen Götter 


430 


jtatuen wenig befannt. Die Kunft, in Holz Fi— 
guren zu fchnigen, blühte bei. im Mittelalter, u. 
in alten Kirchen u. an alten Gebäuden finden fich 
noch oft Werke diejer Art, welche echten Kunftfinn 
verrathen. Als Meifter find zu nennen: Barth. 
Ableitner, Chrift. Angermayr, Eg. Alam, Job. 
Barile, Barth. Beham, G, Brüggemann, Alb. 
Dürer, Peter Flötuer, Grasm. Graſſer, Friedr. 
Hagenauer, Ad. Kraft, Tilm. Riemenſchneider, 
Hans Schaufelin, Bert Stoß u. U. Viele der 
felben fchnitten auch in Elfenbein. Jetzt wird B. 
vielfach auch zur Formſchneidekunſt angewendet, 
in anderer Hinficht aber bei. von den Drechslern 
ausgeübt. Mauches minder Feine verfertigen auch 
die Tijchler. Im füdlichen Deutihland (Berchtes⸗ 
gaben, Ober-Ammergau) u. bef. in Tirol (Gräd- 
nerthal) wird die B. oft von ganzen Ortichaften 
betrieben; ähnlich in einigen Gegenden der Schweiz 
(Berner Oberland). Ganz befondere Pflege finder 
fie in der berühmten Mayerfhen Kunftanftalt zu 
Münden, 

Bildfeite (Numism.), jo v. mw. Avers, 

Bildjteine, jo v. w. Agalmatholit (f. d); 
dann auch Steine, die die Geftalt irgend eines 
Gegenftandes haben, oder ihm ähmeln, oft nur 
entfernt; find Naturipiele ohne Werth, die oft 
der Phantafie u. dem Nberglauben viel zu thun 
gegeben haben, 

Bildung, 1) als Thätigfeit, die Ausbild— 
ung des Menfhen auf Grund feiner natürlichen 
Anlagen u. Kräfte. Sie muß in der Jugend be» 
wirft werben, weil dann der Menſch am bildungs» 


fähigften ift u. der Zwed der Erziehung: har-⸗ſſt 


monishe Ausbildung diefer Anlagen u. Kräfte, 
nur im dieſer Zeit zu erreichen ıfl. Um dieſe 
barmonifche Ausbildung zu erreichen, muß die 
Thätigkeit der B. in gleihmäßiger Weife auf das 
phyſiſche wie das geiftig-ethiidhe Element ge» 
vichtet fein. Eine Behandlung des Kindes nad 
den Regeln der Hygieine u. Gymnaſtik, fowie 
weiterhin ein Yeben u. Verhalten nad diejen Re— 
geln gehört daher zu den widtigften Borbeding- 
ungen für die B. Die geiſtig-ethiſche 3. be- 
zwedt zunächſt das Wiffen, während fie gleich— 
zeitig u. mit Hüfe des Willens auf die richtige 
Entwidelung der Urtheilsträfte einzuwirken bat, 
damit die Möglichkeit einer entiprechenden Hand» 
lungsweiſe vorbereitet werde. Denn gleichzeitig mit 
dem Yernen muß das Gefühl der Berbindlichkeit in 
Bezug auf das Wiffen, ſei e8 zum Handeln, oder 
zum Unterlafien, gewedt u. genährt werden. Die 
B. it jomit ſowol Sache der Pflege, wie des Un— 
terrichtes, als auch der Erziehung. Neben der 
phyſiſchen u. wiflenfchaftlich « ethifchen ift die ge— 
jellichaftlihe B. von gleicher Wichtigleit. Die 
gefellichaftliche B., die nur durch die Praris (fort- 
gejetten Verfehr mit den Menſchen) erlangt wer« 
den kann, gipfelt in der Eutwickelungu. Förderung der 
höchſten Eigenſchaften des Menſchen. Sie wedt u. 
erhält wach das Gefilhl der Gegenſeitigkeit, fie 
lehrt kennen unjer Verhältniß zur Welt, führt aljo 
zu Menſchenkenntniß u. Selbiterfenntniß. Eines 
der wichtigiten B-smittel: die Er,ahrung, kann in 
ausreichender Weife nur im gejellichaftlichen Ver— 
tehre zur Geltung kommen, Daß die gejellichaft- 
lichen Formen nicht vernadläjfigt werden dürfen, 


Dildfeite — Bileam. 


iſt felbftverftändlih. Bon hoher Wichtigkeit ift 
endlich die politiihe B. die ſogar als Pflicht 
des Staate bürgers bingeftellt werden muß. Bei 
einem Bürgerthum ohne politiihe B. ift ein ge- 
ordnetes Staatsweien nicht denkbar, Die politische 
B. wird erlangt durh Studium u. Meinungs 
austausch, u. ift daher ſowol wiflenfchaftliche, wie 
gejellichaftliche B. dazu erforderlich, wie fie ander- 
ſeits dieſe B-Sarten wieder fürdert. Die religiöje 
B. ift in der geiftig-etbifchen u. focialen mit ein⸗ 
geichloffen. 2) Unter B. verfteht man auch den 
Befit der vorftehend genannten Eigenschaften in 
irgend einem Grade u. fpridt bemgemäß von 
böheren oder niederen Besſtufen u. j. w. Bgl. 
den Art. Aufflärung. Schroot. 

Bildungsabweichung, auffallend veränderte 
Form eines Organs; ſ. Mißbildungen. 

Bildungsgenoſſenſchaften, ein Product der 
in neueſter Zeit ſich mehr u. mehr geltend machen- 
den Beitrebungen, die Bildung zu einem Gemein« 

ute werden zu lafjen; Vereine, welche in erfter 
eihe die geiftige u. fittlihe Bildung unter ihren 
Mitgliedern bezweden, ſei es nun, daß fie fich, 
unter Ausſchluß aller Politif u. Neligion, nur 
auf das Allgemeine bejcdhränfen, oder auch bie 
politiihe Bildung anitreben u. auf Pflege des 
religiöfen Sinnes ihr Augenmerk richten, od. end« 
lich nur als Fachvereine die möglichfte Ausbildung 
in dem einen Fache bezweden. Solche B. find die 
Arbeiter-, Handwerker, Gefellen-, Gewerbe- zc. 
Vereine, 

Bildungsgewebe, Theilungsgewebe, Meri« 
em, |. Gemebe. 

Bildungsfaft, die Gefammtheit der Flüffig« 
feiten, weldhe aus dem Boden in die Pflanzen 
aufgenommen werden. Man gebraucht diejen Aus- 
drud auch wol für diejenigen mehr veredelten 
‚zlüffigleiten mit organiſchen Subftanzen, melde, 
in der Pflanze jelbft aus jenem rohen Nahrungs» 
fafte erzeugt, weiterhin in ihr circuliren u. ver« 
möge ihres Gehaltes an Dertrin (Stärfe-Gummt), 
Eimeißftoffen ꝛc. im Stande find, das nötbige 
Material fir die Neubildung von Zelten oder für 
die Auffammlung von Wintervorräthen zu liefern, 
S. Saftbewegung. 

Bileam (a. Geogr.), gewöhnlich Jibleam ge« 
nannt, 1) Yevitenjtadtt ım Stamme Manajje. 
2) (Balaam) Beors Sohn, Wahrſager aus Pethor 
in Mejopotamien; von Balaf, dem König der Moa- 
biter, gezwungen, den Israeliten, welde auf dem 
Zuge nad Paläftina in fein Yand gelommen waren, 
zu fluchen, machte er fi mit Erlaubniß Jehovahs 
auf den Weg; dann aber wollte Jehovah nicht, 
daß B. hinzöge, u. ftellte ihm in einem Engpaß 
einen Engel entgegen; vor diefem wich fein Keit« 
tbier (Bileams Eſelin) aus, u. da B. fie ſchlug, 
fing fie an zu reden u. fih über B-s Grauſam-— 
feit zu beffagen. Jetzt erit jah DB. den Engel, 
der ıhm erflärte, die Neife fei dem Jehovah mig- 
fällig, ihn aber doch ziehen hieß. DB. fegnete num 
drei Mal die Fsraeliten; deffenungeadhtet ward 
er nachher von den Israeliten erichlagen, weil er 
den mit den Moabitern verbündeten Midianitern 
gerathen hatte, die Israeliten zum Dienfte des 
Baal Peor zu verführen, um fie zu verderben. 
Die Kabbiner madten den B. zum Minifter 


Bilecha — Bilin. 


431 


Pharaos; verwechſeln ihn auh mit Baban und|bus rerum affectionibus, Tüb. 1725, n. N. 1740, 


Elihu. Nah der arabiihen Sage war B. aus 
dem Geichledhte der Enatim, hatte die Bücher des 
Abraham gelefen, daraus den unausiprechlichen 
Namen Fehovahs erlernt u. konnte nun die Er- 
börung der Gebete von Jehovah erhalten. Sein 
Weib verleitete ihm zur Verfluchung der Israeliten; 
deswegen nahm ihm Jehovah die Kenntniß feines 
Namens u. ließ ihn im Unglauben verfinken. 

Bilecha (Biliha, a. Geogr.), Nebenfluß des 
Eupbrat, in Mejopotamien; jest Belilh. Am B. 
53 v. Ehr. die erſte Schlacht des Craſſus gegen 
die Partber. 

Diled (arab.), das Land; daher die folgenden 
— 

Biledſchit, Stadt im türkiſchen Vilajet Cho- 
dawenditjar, im Innern von Anadoli, an einem 
Nebenfluffe des Salaria; meift bewohnt von Ar- 
meniern, welche Seidenzucht, Tuchweberei u, Wein- 
bau treiben. Das alte Schloß B. (bei den By— 
zantinern Belefoma) eroberte Osman 1299 durch 
Liſt von den Griechen. 

Biledulgerid (Biled al Dicherid), Landichaft 
in Näfrila, im SO. von Algerien n. im füdlichen 
Theil von Tunis u. Tripolis, mit berichiedenen 
Salzieen (Schott el Garnis, Schott el Kebir, letz— 
terer der Palus Tritonis der Alten), die wie ein 
Theil des Landes unter dem Spiegel des Meeres 
gelegen find u. alten Meeresboden darftellen, in 
welches Stadium derfelbe binnen Kurzem auch 
wieder zurüdtehren wird, da die franzöfiihe He 
gierung mit dem Plan umgeht, die Salzſeen 
mittelft eines Durcchitiches nördlich von Babes mit 
dem Meere in Verbindung zu ſetzen, wodurd eine 
weſtlich bis über den Meighigh- (Mel-Rhir-YSee 
fih erftredende Bucht entjteht, tief genug, um 
der Seeſchifffahrt Raum zu geben, u. groß genug 
(etwa 20,000 [_|km Flähenraum), um auf das 
Klima der umliegenden Landichaften einen umge» 
ftaltend günftigen Einfluß auszuüben: ohne Zweifel 
einer der größten civiliſatoriſchen Erfolge, welche 
die Neuzeit aufzumweifen haben wird, Die Bewohner, 
meift Araber u. Berbern, leben in zahlreichen 
Daſen vom Ertrage der Dattelpalmen, die einen 
bedeutenden Ausfuhrartifel bilden. Zur Römer- 
zeit war das Land der Sit hoher Eultur, von der 
noch viele Überbleibiel Zeuͤgniß geben. 

Bilfinger, deutiche Familie, die angeblich ih» 
ren Namen davon erhielt, daß ein 6. Finger als 
Bildungsfebler in ihr erblih war. Am befann- 
teften iſt Georg Berubard, deutſcher Philojoph, 
geb. 23. Jan. 1693 in Kannftatt; wurde 1719 
außerord., 1723 ord. Prof. d. Philof. zu Tübin— 
gen, 1725 an die Alademie in St. Petersburg be» 
rufen, 1731 Prof. der Theologie u. Superattendent 
des Stiftes zu Tübingen, 1735 Confiftorialpräfident 
u. Geheimrath in Stuttgart; ft. 18. Febr. 1750. 
Als Deathematifer u. Erfinder im Befeftigungs- 
weſen, auch wegen feiner Berdienfte um das 
württembergifhe Schulmejen geichätst, in der Bhi- 
Iofophie Schiller Wolfis, doch mehr Yeibnizianer 
als Wolffianer, ftand B. in großem Anjehen, das 
feine faft ausschließlich lateintich verfaßten Schriften, 
auch die feiner Zeit berübmtefte u. auch im Aus— 
lande, bei. in Frankreich, viel gelefene: Dilueidatio- 
nes de Deo, anima hum., mundo et generali- 


1743, 1746, längft verloren haben. Hartmann. 

Bilgoray, Stadt im Kreiſe Zamosc des rufl. 
Gouv. Yublin (Bolen); Siebmaderei aus Pferde- 
haaren; 6168 Em. 

Bilguer, Baul Rudolf v., berühmter Schadh« 
fpieler, geb. 21. Septbr. 1815 in Ludwigsluſt; 
nahm 1833 preuß. Militärdienfte u. fam 1837 
als Lieutenant nach Berlin, um die Kriegsafade- 
mie zu bejuchen, nahm aber 1839 feinen Abjchied 
u, beichäftigte fih mit Piteraturftndien u. dem 
Schachſpiel, in welchem er es zu großer Virtuofität 
brachte. So fpielte er einmal drei Partien zıt- 
glei, u. zwar zwei derfelben aus dem Gedächt— 
niß mit zwei in einem Nebenzimmer befindlichen 
Gegenfpielern, wobei er nur eine verlor. Er ft. 
16. Sept. 1840. Sein Handbuh des Scadı- 
ſpiels, Berl. 1843, 5. A., 1873, wurde von 
v. d. Lafa vollendet u. herausgegeben. Außerdem 
ihr. er noch: Das Zweiſpringerſpiel im Nachzuge, 
Berl. 1839. 

Bilha, Magd der Rahel u. Jakobs Nebenfrau, 
mit welcher diefer den Dan u. Naphthali erzeugte, 

Biliär (v. Yat.), was zur Galle, deren Be- 
reitung, Aufnahme u. Fortleitung in Beziehung 
ftebt; jo: B-gänge, die Gallengefäße, durch 
melde im der Leber die Galle aus dem Blute 
abgejondert, aufgenommen und fortgeleitet wird; 
durh Zufammentritt aller bilder fi der Leber« 
gallengang; be Eonftitution, gallige Körper- 
beſchaffenheit; bei Älteren Arzten ein durch Übermaß 
von Galle bedingter Zuftand. 

Bilifulvin, ——— Bilipraſin, Bili— 
rubin, Biliverdin, Biliphäſin find die Namen 
für verſchiedene aus der Galle und den Gallen— 
ſteinen dargeſtellte rothbraune, braune, rothgelbe 
u. grüne Farbſtoffe, die aber wegen ihrer Un— 
fähigleit, zu kryſtalliſiren, ſchwer von einander zu 
trennen u. rein darzuftellen find (ſ. Galle). Elören. 

Bilimbingbaum (Averrhoa Carambola L.); 
gehört zur Familie der Oralideen (X. 5); Blätter 
abwechjelnd, unpaarig geficdert; Blättchen eifürmig, 
zugeipist, ganzrandıg, fabl; Blüthen in achſel— 
ftändigen Riſpen; Kelch öblätterig; 5 obermwärts 
abftehende Blumenblätter; 10 Staubblätter, Frucht 
eine 5fantige, 5fächerige Beere. Der in Oftindien 
heimifche Baum wird dort u, in Weftindien wegen 
jeiner ſüß-ſäuerlichen Früchte cultivirt, welche theils 
als Nahrungmittel, theils als Heilmittel bei ent- 
zündlichen Fiebern Verwendung finden; auch be— 
dienen ſich die Europäer der ſauren Früchte zum 
Pöleln. Die noch mehr fauren, länglichen Früchte 
einer anderen Art, des runden Bes (A. Bilimbi 
L.), von DOftindien, dienen als Gewürz. Engler. 

Bilin, Stadt im böhm, Bezirke Tepfis, an der 
Biela, Eifenbahnftation; Badeort; Fabrik irdener 
jagence-Äähnlicher Flaſchen, ebenfo von trefilicher 
Magnefia u. Bitterfalz, Rübenzuderfabrif; 4286 
Em.; dabei das fürftlihe (alte u. neue) Schloß 
auf dem Hradiſch, mit unterirdifhen Gängen, über 
welche, ſowie über die dort gefundenen Pfeilfpigen, 
mande Sage gebt; Mineraliencabinet, Waffen- 
fammlung. Der B-er Sauerbrunnen befteht 
aus 4 Quellen, der Fojephs- u. Carolinenquelle, 
der Duelle in dem Gemölbe u. der Gemeinde» 
auele. Der Hauptbeftandtheil iſt kohlenſaures 


432 


Natron, nähftdem ſchwefelſaures Natrum u. eine 
beträchtliche Quantität freies u. halbgebundenes 
toblenfanres Gas. Das Waffer wird an Ort u, 
Stelle wenig benugt (obgleich dazu ein Kurgebände 
vorhanden ıfl); am bäufigfien zu Berjendungen, 
die 80—100,000 Krüge, welde bier jabrıcirt 
werben, betragen. Ebenſo findet ein ftarfer Ber- 
fandt der fogen. B-er Paftillen, eines Abdampf- 
ungsproductes des Säuerlings, ftatt. Bei Kranl- 
heiten der Harnmwerlzeuge, Berichleimungen der 
Bruft, des Unterleibes u. Fehler der Menftrnation 
wird es innerlich angewandt. Hier noch der 
Biliner Stein (Borczen), fchroffer Berg in der 
Nähe der Stadt von Bafaltbildung u. mit merf- 
würdigen Höhlen. Vgl. Neuß, Die Mineral- 
quellen von B., Wien 1827. 

Bilin (Taurodoljäure), in der menjchlichen 
Galle vorwiegende Säure. 

Bilinguiſch (v. Lat.), zweiſprachig, doppel- 


züngig. 

Bilinsti, Leon, Nitter v., geb. 1846 in Ga- 
lizien; ftudirte in Lemberg, wo er 1868 als Pri« 
vatdocent feine alademiſche Yehrthätigkeit beganın, 
1871 zum außerordentlihen, 1874 zum ordent« 
lihen Profeffor ernannt wurde. B. veröffentlichte 
zahlreihe wnationalötonomishe Abhandlungen in 
polnischen Zeitichriften, verfaßte ein Lehrbuch der 
politiihen Olonomie in polnischer Spracde, wel» 
ches auch von deutichen Gelehrten geichätt wird, 
u. fchrieb in deutſcher Sprache: Die Lurusfteuer 
als Eorrectiv der Einfommenfteuer, finanzwirth- 
Ihaftliher Beitrag zur Löfung der foctalen Frage, 
Lpz. 1875, u, Die Eiſenbahntarife (Schriften der 
Geſellſchaft öſterr. Vollswirthe), Wien 1875; bei- 
des ſehr geichägte Werte. 

Biliös (v. Lat.), gallig; 
Fieber, Gallenfieber. 

Bilis (lat.), Galle; B. atra, ſchwarze Galle; 
ſollte theoretifch die Urfache der fogen. atro-biliaren 
Conſtitution fein; daher fo v. w. Melancholie; 
B. bovina, Rindsgalle (f. d.). 

Biliton (Billiton), Juſel Oftindiens, durch die 
Karimata-Straße öftlih von Borneo, durch die 
Straße Gafpar mweftl. von Banka getrennt; 6652 
[km(119 | _M); 25,000 malaiiſche Ew.; früher 
zur niederländ. Refidentichaft Banla gehörig, feit 
1852 eigene Affiftent-Refidentfchaft; meift eben u. 
uufruchtbar, doch rei an Eijen u. Zinn; die Aus— 
beutung des letzteren ift am eine holländ. Gejell- 
haft verpadtet u. ergab 1872/73 67,000 Eitr. 
Der Handel weiſt eine Einfuhr im Werthe von 
14 Mill. Gulden u. eine Ausfuhr von 4 Mill. ©. 
auf; Chinefen treiben Handel mit Zinn, Eifen, 
Eolonialwaaren, Nuthölzern u. Trepang. Wich— 
tigfter Ort ift das Dorf Pandang. 

Biliverdin (Gallengrün), grüner Farbftoff der 
Galle, welcher durch längere Einwirkung von 
foblenfauren Allalien an der Luft aus dem Bili- 
phäin fih bildet; er ftellt eine dunkelgrüne 
amorphe Maffe dar, melde fi) in Ather mit 
grüner Farbe auflöft; Berzelius hielt das B. für 
identifch mit dem Chlorophyll; ſ. u. Galle. 

Bilk, Dorf bei Düffeldorf, Preuß. Rheinprov.; 
Gemüſebau; auf der 1844 errichteten Sternwarte 


daher biliöjes 


Bilin — Billard. 


BIN (engl.) bedeutet in England, in feiner all« 
gemeinen Auffaffung, jede formelle Schrift oder 
Ausfage. Urſprünglich ward diefer Ausdrud auf 
jedes mit einem Siegel verjehene Document an- 
gewendet, wie es auch vom lat. Bulla abftammt. 
B. hat eine Menge technifcher Anwendungen, mie: 
B. of adventure, d. h. im Engl. Handelsredhte 
eine Speculation in Waaren, weldhe unter einem 
Supercargo verjchifft werden, zum möglichft beften 
Berfauf duch diefen auf Rechnung der Eigen- 
thiimer. B. of attainder u. B. of Pains and Pena- 
lities find im Parlament eingebradhte Gejegesvor- 
lagen zur Überführung u. Beftrafung von Berfonen, 
die ein Eriminalverbrechen gegen den Staat u. den 
öffentlichen Frieden begangen haben. B. of com- 
plaint ift die formelle, entweder jchriftlich, od. im 
Plaidoyer gemachte Ausjage, durch melde ein 
Kläger im engl. Kanzleigerichtshofe billigen Bei- 
ftand oder Hilfe ſucht. Diefe B. wird ftets im 
Form einer Petition an dem Lordb- Kanzler oder 
Yord» Giegelbewahrer gerichtet. B. of credit, ein 
Ereditbrief (Accreditiv). B. of divorce, der (jũdiſche) 
Scheidebrief. B. 6f exchange ein Wedel. B. 
of exchequer, Schatzkammerſchein. B. of health, 
ein von den Conjular- u. anderen geeigneten Be- 
börden einem Capitän der Handelsmarine aus- 
geftelltes Document, zur Zeit des Löſchens feines 
Schiffes, aus allen Häfen u. Plägen, wo gg 
fih anftedende Krankheiten herrſchen, über den 
Geiumdheitszuftand im Fahrzeuge zur Zeit, als es 
abjegelte. B. of interpleader Ausmittelungsge- 
fu. B. of lading, Connoſſement, Frachtbrief zur 
See. B. of mortality, eine ftatiftiihe Angabe 
über die Zu- oder Abnahme von Todesfällen, in 
einem gewiſſen Diftric. B. of rights, die dem 
Prinzen u. der Pringeffin von Oranien 13. (Febr. 
1688 vom Parlament überreichte, von ihnen 
als König u. Königin beftätigte Erllärung über 
die wahren, alten u. unzweifelhaften Nechte des 
Volles. B. in Parliament, eine im Parlament 
von Großbritannien oder in den beiden Häufern 
des Eongreffes der Vereinigten Staaten einge 
brachte, aber nod nicht angenommene Gejeges- 
borlage; die B. wird zur Parlaments-, veipect. 
Congreßacte, wenn fie die Sauction beider Häufer 
des Geſetzgebenden Körpers u. des Staatäober- 
bauptes erhalten bat. B. of sale, der Beilbrief, 
(Bielbrief); dann aber auch nach engl. Geſetze die 
Berfhreibung beweglichen Eigenthums als Unter⸗ 
pfand für eine dargeliehene Geldfumme. B. of 
store, der Proviantirungsichein. B. of sufferance, 
der Freihandelsbrief, der Zollfreifchein,. Bartling. 

Billa (arab., Fürft von Gottes Gnaden), 
Beiname mehrerer arabifhen Fürften, nament⸗ 
fich mehrerer der fpäteren Khalifen. 

Billard (fr.), Spiel mit Kugeln (Bällen) auf 
einer horizontalen Tafel; dann auch diefe Tafel 
felbft. I. Die Betafel ift meift halb fo breit als 
lang, aus hartem Holze gefertigt, auf 6 ftarfen 
Füßen ruhend, mit grünen, eigens dazu bereitetem 
mittelfeinem Tuche (B-tuch) überzogen. In neuerer 
Zeit werden auch dilnne Marimorplatten als Un 
terlage angewandt (Marmor-B-$). Die Ränder 
diefer Tafel (Banden), ca. 7— 10 cm. über bier 


entdedte der Aftronom Luther 1852—73 zwanzig|felben erhöht, find gleihmäßig (am beiten wit 


Aſtero iden. 


Kautſchul) gepolſtert und mit dem B⸗tuche über- 


Billard, 


zogen. Die Oberfläche der Betafel muß genau 
wagerecht geftellt u. nicht höher als 85 cm fein. 
Im freie Bewegung des Spielers zu ermöglichen, 
werden die B-3 meift in eigenen Zimmern (B- 
zimmern), welche ringsum noch einen freien Blat 
von wenigftens 2 m Breite übrig laffen, aufgeftellt. 
Helles Tageslicht, au zur Beleuchtung beim Abend 
ein Beleuchtungsapparat, welcher jo wenig mie 
möglih Schatten auf das B. wirft u. ein rubiges, 
gleihmäßiges Licht verbreitet, find für das Bezum- 
mer umerläßlih. Die früher in Deutichland allein 
gebräudhlihen jog. deutihen B-tafeln mit 6 
(je eine in den 4 Eden u. den Mittelpunften der 
2 Längsferten befindlichen) Beuteln find jest bei- 
nahe gänzlich von den oben harakterifirten, fog. 
franzöfifhen B-tafeln (ohne Löcher) verdrängt 
u. finden ſich nur noch vereinzelt, 3.8. in Thü— 
ringen, der Provinz u. dem Königreih Sadjen. 
Auch gegen die in der Neuzeit aufgetauchten ſechs— 
edigen, achtedigen, freisrunden u. eirunden B— 
tafeln behauptete die franzöftiche B-tafel das Feld. 
Drei Punkte, welche man erhält, indem man 
von der Mitte der Bande der einen ſchmalen Seite 
auf die Mitte der entgegengefetten eine gerade 
Linie zieht u. diefe in 4 gleiche Theile theilt, find 
mit runden Plätthen (Bflaftern) bezeichnet. Von 
diefen 3 Punkten beißen der obere u, der nntere 
Earambolepläge. Oft ift das untere Biertel des 
B-tuches, der jchmalen Seite parallel, durch eine 
in das Tuch eingenähte Linie abgetheilt u. bildet 
fo die Kammer (Quartier). Der Keffel ift ein 
ebenjo eingenähter — mit der halben Ent⸗ 
fernung des Carambolepunftes von der Bande ge 
ihlagen. Bei einem guten B. muß die Tafel 
völlig eben u. ganz horizontal, die Banden mög- 
lichſt elaftiich fein. 

II. Als Spielmittel dienen: a) Die B-bälle, 
aus beften Elfenbein gedrehte Kugeln, 4—6 cm 
did; diefelben follen von gleicher Größe, gleichem 
Gewichte u, gleicher Elafticıtät fein. Das Material 
der Bälle muß homogen fein, jo daß der Schwer: 
punft Derjelben in den Mittelpunkt fällt. Zur 
beffeven Unterfcheidung find fie gewöhnlich ver- 
ſchieden gezeichnet, wumerirt oder gefärbt. Zur 
Fortbewegung derfelben dienen b) die QDueues, 
aus mehreren verichiedenfaferigen Stüden von 
beftem hartem Holze zujammengeleimte Stöde, 
ta. 130— 150 cm lang, am Griffe dider und 
ſchwerer (oft mit Blei ausgegoffen) u. an ber 
Spite mit einem Lederplättchen von kreisförmiger 
Grundflähe u. rundlich abgefladhtem Profil ver- 
ſehen, weldes, um an den glatten Bällen nicht 
abzugleiten, mit Kreide eingerieben wird. Die 
Dueue dient dazu, den Ball durh Stoß in Be- 
wegung zu jegen. Bu dieſem Zwede nimmt man 
die Queue an ihrem dideren Ende in die rechte 
Hand, macht mit der linken einen Bod, d. 5. fett 
fie jo auf, daß die Handmwurzel u. die (etwas von 
einander entfernten) 4 Fingerſpitzen aufliegen, die 
Mitte des Handrüdens aber möglichſt hoch fteht 
u. zwifchen dem Knöchel des Zeigefingers u. dem 
etwas emporgehaltenen Daumen eine jattelähnliche 
Vertiefung entfteht, und legt in dieſe das vordere 
Ende der Queue fo, daß diefelbe darin ruht und 
während des Stoßes leicht darin läuft. Bei 
weiterer Entfernung des Balles, mit welchem man 

BPierers UniverfalsEonverfationd:teriton. 6. Aufl. 


433 


jpielt, bedient man fich ftatt des Bockes mit der 
Hand aud eines befonderen hölzernen Bockes 
(Krüde), eineslangen Stodes, der vorn ein Brett- 
hen trägt, in welches eine Kerbe gejchnitten ift, 
um die Queue bineinzulegen, oder einer etwa 
2,5 m langen u. verhältnigmäßig flärferen Quene; 
oder der Maſſe (Kutiche, Landkutihe, Biftoquet), 
einer an einem langen Stabe befeftigten Schippe 
Maſſenſchuh) mit einer jo großen Kerbe, daß der 
Ball damit gefaßt u. fortgeihoben werden kann. 
Diefe Inſtrumente nennt man auch Deafchinen. 
Doch kommt die Statthaftigleit der Anwendung 
der Mafchinen auf die Art des Spiels oder die 
Übereinkunft der Spielenden au. Man flößt auch 
mit dem dideren Theil der Queue (Tournöftoß), 
oder mit der Queue, ohne mit der anderen Hand 
einen Bod zu machen u. ohne die Queue aufzu« 
legen, fondern aus freier Hand (Piftolet), oder 
man treibt den Ball, ftatt mit der Spige der Queue 
mit der breiten Seite deffelben fort (Beitjchen). 
ce) Die B=tegel; diefelben find ca. 7—10 cm hoch, 
dünn u. werden aus leichtem Holze angefertigt. 

III. Die Bewegung der Bälle erfolgt nad) 
den Geſetzen des elaftiichen Stoßes. In jedem 
einzelnen Falle wird die Bewegung des Balles 
beftimmt a) dur die Art des Stoßes und b) 
dur die Wirkung der elaftiihen Banden, ſowie 
der anderen Bälle, welche der geftoßene Ball be- 
rührt und von welchen er zurüdpralit. Es kann 
bier nicht unfere Aufgabe fein, alle die unendlich 
verſchiedenen Modificationen des Stoßes und die 
Bewegungen, welche durch diefelben dem Balle zu 
Theil werden, eingehend nach allen dabei in Bes 
tracht fommenden mechanischen Gejeten zu erörtern. 
Wir müffen uns vielmehr auf die Hauptgejege u. 
die Anwendung derjelben auf die einfachiten und 
befaunteften Fälle beichränfen. Bor Allem ift hier 
daran zu erinnern, daß die Bälle auf dem B. im 
Allgemeinen nicht gleiten, jondern rollen, d. i. daß 
ihr Schwerpunlt fi fortichreitend bewegt, während 
die Kugel fih um eine durd jenen gehende Achie 
dreht, u. daß dabei der Weg, den der Schwer- 
punft bei einer Umdrehung zurüdlegt, dein Um— 
fange des Balles gleih iſt. Die Bäite werden 
duch Anftoßen mit der Queue in Bewegung ge- 
ſetzt; die Richtung ihrer Bewegung ift dabei im 
Allgemeinen die des Stoßes; aud wenn die Richt- 
ung des lebteren nicht durch den Schwerpunft des 
Balles gebt, fo bewegt ſich doch, ſobald die Spike 
der Queue nicht am Balle hingleitet, der Schwer: 
punft des letzteren in einer der Stoßridtung pa- 
ralfelen Linie. Je länger die Spite der Queue, 
die zwilchen dem Bode u. dem Cpielballe hervor: 
ragt (Schnabel), if, defto ftärker fan man den 
Ball fpielen, aber der Stoß wird dadurch uns 
fiherer. Man vifirt mit der Dueue, wenn man 
den Bunft, den man mit dem Spielballe an einem 
anderen Balle treffen will, mit den Augen abmift, 
Andert man während des Stoßes die Nichtung 
der Queue u. gleitet mit diefer vom Balle ab, jo 
daß dieſer ohne die nöthige Kraft auch noch einen 
falfhen Gang nimmt u. die vifirte Stelle gar 
nicht, oder nicht recht trifft, fo gibt dies einen 
Kids. Eolleftöße find ſolche, bei welchen der zu 
ftoßende Ball nahe an der Bande fteht, aber jo, 
daß noch ein Zwiſchenraum zwifchen diefer u. dem 
III Band. 28 


434 


Billard. 


Ball iſt, u. Preßcolleſtöße, wo der Ball feſt an Je nach der Stärke u. Tiefe des Stoßes iſt num 


der Bande anliegt. Das zweimalige Berühren der 
Bälle beim Stop (B-iren) gilt ftreng genommen 
nicht, oder nur beim Ausiegen; macht der Spieler 
Miene, einen Nachſtoß zu thun, fo hindert dies 
der Mitipieler, wenn er nicht damit einverftanden 
ift, dadurch, daß er feine Queue vor den Tviel- 
ball quer aufs B. legt. Ebenſo gilt, der fire. yen 
Regel nach, das leifeite Berühren der Bälle (Tour 
hiren für einen Stoß. Was nun die Art des 
Stoßes betrifft, jo haben wir zunächſt zu unter- 
ſcheiden, ob die Queue den Ball in der lothrechten 
Mittellinie (genauer in dem lothrechten größten 
Kreife, in deilen Ebene die Richtung des Stoßes 
legt) trifft, oder nicht. Im erjteren alle können 
wir wieder unterfcheiden: a) den centralen»ge- 
raden Stoß, bei welhem die Queue den Ball 
in der Mitte, d. i. in der Höhe feines Mittel- 
punktes, trifft, deſſen Richtung alſo durch den 
Mittelpunkt oder Schwerpunkt des Balles gebt; 
b) den Hodftoß, bei weldem der Verührungs- 
punft gerade über; und c) den Tiefftoß, bei 
welchen derſelbe unter der Mitte Tiegt. 

Durch jeden Stoß erhält der Ball ım Allgemei» 
nen eine forticreitende u. zugleih eine drehende 
Bewegung; beim Stoße auf die lothrechte Mittel- 
!inie erfolgt die Drehung um eine querliegende 
d. i. wageredhte, zur Stoßrichtung rechtwinfelige) 
Achſe. Der centrafe gerade Stoß ertbeilt dem 
Balle zunähft das Beſtreben, fih ohne Drehung 
vorwärts zu bewegen; durch die Neibung an der 
B-tafel oder am deren Überzug wird aber diefe 
Bewegung in eine um eine querliegende Adhie 
drehende u. eine fortfchreitende verwandelt. Jeder 
nicht centrale Stoß ertheilt dem Balle das Be- 
ftreben, ſich fortichreitend n. zugleich drehend zu 
bewegen; e3 fommıt aljo zu der von der Reibung 
erzeugten Drehung noch die durch den Stoß un- 
mittelbar erzeugte hinzu. Beim Hochſtoße (auf die 
Mittellinie) erfolgt dieſe legtere Drehung um dies 
jelbe Achſe u. in demjelben Sinne wie die erflere; 
der Ball rollt alſo, bei gleicher Stärke des Stoßes, 
mit größerer Geihmindigleit, als bei centralem 
Stoße. Der hohe Stoß wird deshalb ftets dann 
angewandt, wenn der Ball eine größere Geſchwin— 
digkeit, fomit auch größere lebendige Kraft erhalten, 
alfo beim AZufammentrefien mit einem anderen 
möglichft wenig von feiner Geſchwindigkeit verlieren 
u. möglichft wenig aus feiner uriprünglichen Richt- 
ung abgelenft werden fol. Man unterjtügt dies 
wol noch dadurd, daß man die Queue den Ball 
eine kurze Zeit nah dem Stoße begleiten läßt 
(Nachlaufſtoß). Trifft der Ball nach einem folchen 
Stoße einen zweiten Ball gerade, jo treibt er den 
fetsteren vor fih her u. jet dabei feine eigene 
Bewegung mit verminderter Geihwindigfeit fort 
Nachlaufen); trifit er den zweiten dagegen jchief, 
oder ftreift er denfelben faft nur, fo treibt er ihn 
in der Richtung der Berbindungslinie ihrer Mittel- 
punkte feitwärts, während er felbft von jenem 
äbnfih wie von einer elaftiihen Wand abprallt 
(Schneiden). Auch beim Tiefftoße erfolgt die durch 
diefen ummittelbar erzeugte Drehung um diefelbe 
Achſe, wie die durch Reibung erzeugte, aber in 
entgegengefegtem Sinne, fo daß fie für ſich allein 
den Ball veranlaffen würde, rüdwärts zu rollen. 


das Drebungsmoment der letzteren Drehung ent- 
weder Heiner, als das der eriteren, oder ibm gleich, 
oder größer als daffelbe. Überwiegt noch die durch 
Reibung erzeugte Drehung, fo vermindert der Tief- 
ſtoß einfach die Gejchwindigfeit, mit weldyer ber 
Ball rollt. Sind beide Drebungsmomente gleich, 
jo heben die Drehungen einander auf, ber Ball 
gleitet dann kurze Zeit, ohme zu ſich dreben, auf 
dem B. fort, bis er durch die gleitende Reibung 
am Tuche oder dur Berührung mit einem zweiten 
Balle gezwungen wird, ftehen zu bleiben; er er 
theilt dadurch zugleich dieſem zweiten Balle einen 
centralen geraden Stoß. Überwiegt endlich Die 
durch den Top unmittelbar erzeugte (rückwärts 
gerichtete) Drehung, fo gleitet er ebenfalls zuerft 
vorwärts, indem er dabei zugleich rückwärts rotirt; 
jobald dann feine gleitende Bewegung durch die 
Heibung am Tiche oder durch Berührung mit 
einem zweiten Balle aufgehoben iſt, jo beginnt er 
sg der nun alleın noch zur Geltung fommen- 
den Drehung rüdwärts zu rollen — eine Ericein« 
ung, die dem der Bewegungsgeſetze Unkundigen 
im höchſten Grade auffallend u. uünerklärlich Scheint. 
Der Tiefſtoß muß zu letzterem Zwede ſehr feft u. 
furz ausgeführt u. die Queue nah der Berühr— 
uug mit dem Balle fofort zurüdgezogen werben 
(Zurüdzieher oder Klappftoß). 

Trifft ein im feiner lothrechten Mittellinie ge 
ftoßener Ball die Bande, fo prallt er vermöge der 
Elafticität beider wieder ab, Trifft er diefelbe 
unter einem rechten Winkel, fo gibt ihm die Bande 
jeinen Stoß in nahezu gleicher Stärke u. entgegen- 
geſetzter Richtung zuriüd, jo daß er ebenfalls recht- 
wintelig u. mit fait unverminderter Geichwindig- 
feit zurüdprallt. Trifft er die Bande unter einem 
ſchieſen Wintel, fo fann man jeine Bewegung im 
eine zur Bande rechtwinfelige u. in eine derjelben 
parallele Seitenbewegung zerlegen; die erftere wird 
in die entgegengeſetzt gerichtete verwandelt, Die 
letztere bleibt unverändert. Deuft man fih nun 
in dem Berührungspunfte des Balles mit der Bande 
eine zw legterer vechtwinfelige Linie (Einfallstoth) 
gezogen, jo wird der Ball nad) der anderen Seite 
diefer Linie abprallen, u. der Winkel, welchen er 
dabei mit ihr bildet, der Abprallwintel, ift ebenfo 
groß, wie derjenige, den er beim Anprallen mit 
derjelben eingeſchloſſen hatte, der Anprallwinkel. 

Durch den ſchiefen Stoß, bei welchem die Quene 
den Ball feitwärts von der oben bezeichneten Mirtel- 
linie berührt, erhält der Ball außer der fortfchreiten- 
den u. vermöge der Reibung drehenden Bewegung 
noch eine Drehung um feine verticale Achſe (meiche 
ſich allerdings mit jener zw einer Drehung um 
eine fchiefitehende Achſe combinirt, welche wir aber, 
als diejenige Componente dieſer Gejammtdrehung, 
ans welcher die eigenthümlichen Erfheinungen des 
ſchiefen Stoßes abzuleiten find, hier für fidy allein 
betrachten müffen). Dieje Drebung kommt zur 
Wirkung, fobald der Ball die Bande oder einen 
anderen Ball trifft; fie ertheilt alddann dem Balle 
einen Effet oder Effect, d. h. fie lenkt denjelben 
um einen (je nach der Ercentrität des Stofes) 
größeren od. Hleineren Winkel von derjenigen Richt- 
ung ab, im welcher er beim Stoße auf die Mittel: 
linie abgepraltt jein würde, u. zwar erfährt der 


Billard. 


435 


Abprallwinkel eine Anderung in demfelben Sinne,|beider Bälle nach einander beißt Karambolage, u. 


in welchem der Ball infolge des jchiefen Stoßes 
um feine verticale Achſe rotirt; oder die Ablenf- 
ung erfolgt nach derjenigen Seite bin, auf welcher, 
vom Standpunkte des Spielers gejehen, die Queue 
den Ball berührt hat. War dies alfo diejelbe 
Seite, nach welcher der Ball bei einem die Mittel- 
linie treffenden Stoße abprallen wiirde, fo wird 
dadurd der Abprallwintel, ſowie die Geihmwindig- 
feit des Balles vergrößert; war es die entgegen- 
gejette Seite, fo wird der Ball aus feiner Ab- 
prallrichtung im entgegengeletten Sinne abgelenkt, 
der Abprallwinfel wird alſo verkleinert; ja, es kann 
ſogar der Ball unter einen Heineren od. größeren 
Winkel nach derſelben Seite (vom Loth aus) ab- 
prallen, von welder er hergelommen ıf, Einen 
jolhen Effet neunt man Gontre»Effet. 

Durch geeignete Verbindung des ſchiefen Stoßes 
mit dem Hoc- od. Tiefftoße hat nun der Spieler 
die Richtung, welche der angeftoßene Ball nad 
dent Zujammentreffer mit der Bande oder einem 
anderen Balle, ſowie auch die Nichtung, die diejer 
letstere einschlagen foll, fait vollkommen in feiner 
Gewalt. Welche Stofart in jedem einzelnen Falle 
anzumenden ift u. wie die verjchiedenen Modifica- 
tionen des Stoßes zu verbinden find, um den ge— 
ftoßenen od. den von dieſem getroffenen Ball nad 
einem beſtimmten Punkte der Tafel hinzutreiben; 
ob endlich diefer Punkt auf dem fürzejten Wege 
(directer Ball) oder nad vorheriger einmaliger 
(Doublet), zweimaliger (Triplet), dreimaliger 
(Duadrupfet), oder noch öfterer Berührung mit 
der Bande zu erreichen ift, das Alles lehrt weniger 
die reine Berechnung, als vielmehr eine nur durch 
fortgefette Berfuhe zu erlangende Übung. Wie 
wir bei Bewegungen der Glieder unferes Körpers 
beim Gehen, Laufen, Tanzen, Schlittſchuhlaufen, 
Balanciren ꝛc. die Function jedes einzelnen dabei 
mitwirfenden Muskels nach ftreng mechanijchen 
Bejegen regeln, ohne uns diejer Gejete, die wir 
empirisch in uns aufgenommen haben, u. ihre An- 
wendung, in der wir doch eine fait abfolute Sicher- 
heit erlangen, jemals deutlich bewußt zu werben: 
ähnlich erfolgt auch beim B-fpiel die Handhabung 
der Queue vorherrſchend injtinctiv, wenngleich eine 
bewußte Berechnung dabei feinegwegs ganz aus» 
geſchloſſen iſt. 

IV. Arten des Befpiels. Das B. wird 
immer mit mehreren Bällen gejpielt, wobei der- 
jenige Ball, welcher mit der Queue unmittel- 
bar angeftoßen wird, der Spielball heißt. Dan 
beabfihtigt immer, mit dem Spielballe einen an- 
deren Ball zu treffen. Bei den ſog. Lochpartien, 
melde nur auf den jog. deutichen Bes gejpielt 
werden können, ift Hauptzwed des Stoßes, den 
vom Spielballe getroffenen Ball in ein Loch zu 
treiben. Dann ift der legtere Ball „gemacht“; läuft 
der Spielball ſelbſt in ein Loch, jo nennt man dies 
einen Verlauf. gu einer Lochpartie find demnach 
im einfachften Falle nur zwei Bälle nöthig. Spielt 
man mit 3 Bällen, von welchen dann jeder Spieler 
einen als Spielball hat u. der dritte, beſonders kennt⸗ 
lich gemachte, Caramboleball (Taramboline, Caro- 
line beißt), jo faun der Stoß auch noch den Zwech 
haben, mit dem Spielballe die beiden auderen 
Bälle nah einander zu treffen. Das Treffen 


eine foldhe ausführen heißt caramboliren. Auf den 
franzöfiichen B-s (ohne Löcher) wird meift die 
Sarambolage-Partie geipielt, bei welcher nur Ca— 
rambolagen beabfichtigt werden. Bei jog. Kegel 
partien endlich beabfichtigt man, die auf der B— 
tafel anfgeftellten Kegel nicht durch den Spielball, 
fondern dur den von diefem getroffenen Ball 
umzuwerfen (zu „macen“). 

Ein Haupterforderniß des feinen Spiels ift es, 
mit Deffein zu fpielen, d. h. nicht allein einen 
Ball zu machen oder zu carambolıren, jondern 
durh Wahl des Stoßes, Modification der Stärfe 
deffelben ıı. dal. es dabın zu bringen, daß man, 
falls man nad gemachten Balfe weiter zu fpielen 
bat, eine Prije bekommt (d. h. eine ſolche Stell— 
ung der Bälle herbeifüihrt, in welcher beim näch— 
ften Stoße leicht ein Ball zu machen ift), daß man 
alfo, namentlich wenn man mehrere Bälle (mie 
beim Carolinefpiel) oder eine Sarambolage auf 
verichiedene Weifen (wie beim GCarambolageipiel) 
machen kann, den Ball oder die Art defielben wählt, 
welche für den folgenden Stoß den meiften Vortheil 
verspricht, u. daß man wenigftens, wenn man auch 
nicht weiter fpielen darf, dem Gegner feine Prife 
ſetzt. Gelingt ein Ball durch Zufall, od. anders, als 
er beabfichtigt war, fo nennt man ihn einen Fuchs. 

Die Yochpartien, deren es eine jehr große Ans 
zahl gibt, beginnen in der Regel damit, daß der 
eine Spieler ſich ausſetzt oder acquit gibt, d. h. 
daß er feinen Spielball am eine beliebige Stelle 
des B-8 rollen läßt u. den Nachſpieler preisgibt. 
Diefer fett feinen Ball dann gleichfalls aus, d. b. 
er ftellt ihn auf eine ihm geeignet jcheinende Stelle 
des B»S u. ſucht von da aus den erften Ball zu 
nahen. Dabei muß der Nachipieler Bande halten, 
d. b. er darf mit dem Körper micht fiber die Eden 
des B-8 hinausragen; Boden halten, d. h. wenig» 
ftens mit der Spite des einen Fußes den Boden 
berühren; Quartier halten, d. h. feinen Spielball 
nicht über die Grenzlinie des Quartiers (ſ. oben) 
ſetzen. Nun fucht jeder Spieler abwechjelnd den 
Ball des Gegners zu machen (d. h. jo zu treffen, 
daß er in ein Loc läuft). 

Die Partie blanche mird von 2 Spielern 
mit 2 Bällen gejpielt; machen, fowie bismeilen 
auch fprengen (d. h. den feindlichen Ball fo fräf- 
tig treffen, daß er über das B. mweggefchleudert 
wird, zählt 2 Points, dagegen Fehlen des Balles 
1, Berlaufen oder Berjprengen (d. b. Sprengen 
des eigenen Spielballes) zählt 2 Points für den 
Gegner. Es wird fo lange geipielt, bis einer der 
Spielenden eine beftimmte Anzahl Points hat. 
Bei der vom einer beliebigen größeren Anzahl 
Perſonen um einen Einfag zu fpielenden Partie 
& la poule, die ebenfalls mit 2 Bällen geſpielt 
wird, wird je ein Point von einer beftimmten 
Hleineren Zahl (meift 3—5) abgezählt, u. zwar 
wenn der Spielball fich verläuft oder vom Nach— 
jpieler gemacht wird. Hat der Spieler einen Ball 
gentacht, fo gibt der folgende Acquit, der mächft- 
folgende fpielt ꝛc. Wer feinen Point mehr hat, 
tritt ab (tft todt); der zuletzt übrig Bleibende ge- 
winut den ganzen Einfly, 

Das ebenfalls noch vielfach gebräuchliche Earo- 
linejpiel wird mit 5 Bällen gejpielt. Zwei Ca— 

28* 


436 Billardiera — Billardiereae. 


ramboles werden auf die Carambolepläte, der 3.,|werden fünf Kegel in der Mitte der B-tafel, die 
die Caroline von rother Farbe, auf den Mittelplatz Caroline oberhalb der Kegel, der zweite Spielball 
geftelit. Mit den 2 Spielbällen wird auf die übri- unterhalb auf die Carambolcpläge und der erfte, 
gen gefpielt. Wer zuerft 48 Points zählt, hatiAcquit gebende (anjpielende) Ball nad Belichen, 
die Hartie gewonnen. Der erfte Spieler ſetzt fih aber im Quartier aufgeftelt. Es lommt darani 
aus, jebody ohne einen der Bälle zu berühren jan, die Kegel durch die im dielelben indirect j 
(was für den Gegiter 1 Auge zählen würde). Der ſpielende Caroline umzumerfen, zu machen. Ale 
Spieler, welcher nadhgebt, d. b. den Stoß nach durch andere Bälle, Queues, durch directes 
dem Ausjate bat, ſowie der, deſſen Spielball ge- Hineinſpielen der Caroline (abgerechnet die unten 
macht ift u. der damit von Neuem fich ausſetzt, aufgeführten Ausnahmefäle) umgeworfenen Kegel 
darf nicht auf die in der Kammer befindlichen Bälle zählen als Berluft. Beim Anfange der Partie wırd 
fpielen, muß alfo, wenn fie ſich ſämmtlich darin |die Anzahl der zu macenden Points (owie event. 
befinden, entweder fie durch Rücſchlag von der der Einfa pro Point) feftgeftellt; gemachte Points 
Bande zu treffen fuchen, oder ſich ausſetzen. Beide werden von der feitgejegten Zahl ab-, verlaufene 
Gegner ftoßen wechſelsweiſe; derjenige, der einen| Points dagegen zugezählt. Die Caroline muß 
Ball gemacht bat, jpielt fo lange fort, als er Bälle ſtets zuerft getroffen werden, Nichttreffen zählt als 
macht. Das Machen der Caroline (die nur in die Berluft eines Points, ebenſo auch, wenn der audere 
2 Mittellöher gemacht werden darf, während fie,/ Ball zuerft getroffen wird. Als Spielball kann, 
in die 4 Edlüher gemacht, dent Gegner gut ge-|uahdem Acquit gefettt worden ift, ſowol ber 1., 
rechnet wird) wird für 6, das Machen jeder der als auch der 2. Ball gewählt werden. Jeder 
beiden Caramboles für 3 u, des Spielballes für 2) Spieler darf nur je einmal ftoßen, gleichviel, ob 
gezählt. Die Carambolage, u, zwar die der Ea-jer Points gemacht, oder nicht. Directes Spielen 
roline u. einer Carambole, zählt 4, die der beiden der Caroline in die Kegel ift nur zuläffig, menu 
Caramboles 3, die der Caroline 1. des gegnerifchen dadurch der König allein geworfen wird, oder zu— 
Spielballes 3, die eines Carambole u. des Spiel-|vor eine Carambolage ftattgefunden bat. Gezäblt 
balles 2. Sie wird an vielen Orten nur dann wird: Umwerfen eines Kegels ald 1 Point, des 
ezählt, wenn zugleih ein Ball gemacht wird. Königs allein 3 Points, der 4 Kegel um den König 
Sprengen ift nicht erlaubt u. wird von dem Geg-|6 Points, ſämmtlicher Kegel 5 Points u. Carambe- 
ner gezählt; Fehler, Verläufer u. Berjprenger wie|lage allein 1 Point; Carambolage mit Kegel ver» 
in Partie blanche. Die Carambole kann von 2,|doppelt die Points derjelben, ohne jedoch mitzuzäblen. 
oder auch von mehreren Spielern gefpielt werden.| Außer den genannten find noch jehr zahlreiche 
Ähnlich ift die Fuchspartie oder Berlaufspartie,|Spielarten hier u. da gebräudlich, die Spielregeln 
nur daß Berläufer u. VBerfprenger nicht dem Geg« weichen dabei an den verſchiedenen Orten außer 
ner, joudern dem Spieler zählen. ordentlih von einander ab, Diejelben find auf den 
Auf dem heutzutage am meiſten gebraudten|in jedem B-zimmer befindlihen Brreglements 
franzöfiihen B. ift das Earambolagefpiel das be- | verzeichnet. 
fiebtefte u. verbreitetfie. Man fpielt daffelbe mit| V. Geſchichte u. Literatur. Das B-fpiel ift 
2 Spielbällen, welche auf die Carambolepläge, u.jangeblih im 16. Jahrh. in Ftalien erfunden wor- 
1 Earoline, welche auf den Mittelplat geſetzt wird, |den; doch verbreitete es ſich erit im 17. u. 18. Jahrh. 
u. e8 fommt dabei nur darauf an, zu carambo-|von Frankreich aus, namentlich von Ludwig XIV., 
liren, d. h. mit dem Spielballe die beiden anderen der es befonders liebte, als noble jeu de billard 
Bälle zu treffen. In der Regel ftößt man den in Mode gebracht, durch ganz Europa und die 
Spielball fo, daß er den einen der beiden anderen |jonftige civilifirtere Welt. ett wird es als Ge— 
Bälle auf dem Lürzeften Wege (direct) trifft; von/fundheit förderndes Spiel, das außerdem das Auge 
dieſem prallt er dann je nad) Art u. Richtung des u. die Hand übt u. auf den äſthetiſchen Sinn nicht 
Stoßes in verichiedener Weife ab u. foll num den ohne günftigen Einfluß ift, von allen Gejellichafts- 
dritten Ball entweder ebenfalls auf dem Fürzeften | Hafien betrieben; B-8 find heutzutage in den meiften 
Wege (directe Carambolage), oder nach vorheriger |Neftaurants u. Kaffehäufern, oft mehrfach, anzu— 
ein» oder mehrmaliger Berührung mit der Bande treffen. Paris z. B. foll derzeit allein iiber mehr 
(Doublet, Triplet, Quadrouplet xc.) treffen; jede als 25,000 B-$ verfügen. Bal.: Der feine B-fpier 
Earambolage kann deshalb auf jehr verichiedene|ler, Berl. 1874; Thropos, Der elegante B-ipieler, 
Weiſen gemacht werben, u. es ift daher das Spie-|Kolb. 1874; Achard, Das Carambolageipiel, Berl. 
fen mit Deflein bier ganz beſonders angezeigt.|1874; The B. Book, von Kapitän Crawlay, Lond. 
Jeder Spieler fpielt mit einem u. demfelben Spiel-| Billardiera Sm., Pflanzengattung aus der Fam. 
balle fo lange weiter, als er Carambolagen macht; der Pittojporeen (V. 1), mit 5 Kelchblättern, 5 
fehlt er einen der Bälle oder beide, oder fprengt|bis über die Mitte zufammenneigenden, oberwärts 
er einen Ball über die Bande, oder billardirt er, Jabftehenden Blumenblättern, 5 aufrechten Staub- 
d. 5. fegt er mit dem Spielball einen ganz nahe- |blättern, einem 2fächerigen Fruchttnoten u. einer 
ftehenden durch denſelben Stoß gleichzeitig in Ber eiförmigen, nit aufipringenden beerenartigen 
wegung (mobei eine etwa gemachte Garambolage| Frucht, in deren Mebriges Fleiſch die eiförmigen 
nicht gilt), fo tritt der Gegner mit dem anderen) Samen eingebettet find. Bon den 10 in Auftra- 
Spielballe ein. Das Spiel dauert fo lange, bis lien heimiſchen Arten find zu nennen: B. muta- 
einer der beiden Spieler @eine vorher bejtimmte|bilis Salisb, und B. scandens Sm., deren an- 
Anzahl Carambolagen (à 1 Point) gemacht hat; genehm fänerliche Früchte von den Eingeborenen 
diefer hat danı das Spiel gewonnen. genoffen werden, 
Bei der Kegelpartie auf dem franzöfiihen B.| Billardiereae, j. Pittosporeae, 








Billaud-Varennes — Billigfeit. 


Billaud-Barennes, Jean Nicolas, franz. 
Revolutionsmaun, geb. 23. April 1756 in Rochelle; 
wurde Mitglied der Eongregation des Oratoriums 
u. Lehrer zu Juilly; wegen meltlihen Sinnes 
abgejegt, trat er auch aus der Congregation und 
ging 1785 nad Paris, zeichnete fi) beim Aus- 

ruche der Revolution durch einige heftige Partei- 
ſchriften aus u, jchloß fich der Partei der Jacobiner 
an. Anfangs in feinen Gefinnungen gemäßigt, 
huldigte er nach dem 10. Aug. 1792 dem Ter- 
rorismus, Als die Bergpartei u. die Girondiften 
fih bildeten, erflärte er ſich für erftere u. für 
die biutigften Maßregeln. Er predigte den Königen 
u. Monarhien den Untergang u. verlangte die 
Hinrichtung Ludwigs XVI. binnen 24 Stunden. 
Rad dem Departement Flle-et- Bilaine geichidt, 
wüthete er gegen die Bendee. Zurückgekehrt, Hagte 
er Biele, u. A. Euftine, Houchard, Lanjuinais, an 
u. veranlaßte auch, daß die Girondiften vor Ge— 
richt geftellt mwiirden. Selbft von Danton und 
Robespierre trennte er fich, indem er Erfteren für 


437 


13. October 186; auf feinem Schloſſe Grefillidres 
bei Nantes; im Sept. 1867 wurde fein Stand» 
Bild im Nantes aufgeftelt. A. Huet gab feine 
Werke mit Biogrspbie heraus, Bar, 1864, 2 Bde. 
Billbergia Thunb., Pflanzengattung aus der 
Familie der Bromeliaceen (VI. 1), uah dem 
ſchwediſchen Botaniler J. ©. Billberg benannt; 
Blüthen in den Achſeln buntgefärbter Tragblätter 
eine Traube oder Aehre bildend u. beftebend aus 
3 äußeren u. 3 viel größeren, oberwärts abſtehen⸗ 
der, inneren Berigonblättern, 6 Staubblättern u. 
einem Sfäherigen Fruchtknoten mit fadenförmigem 
Griffel; Frucht eine runde, Sfächerige Beere, deren 
länglihe Samen am inneren Wintel der Fächer 
eingefügt find. Arten: B. amoena Lindl., in 
SAmerika; B. clavata Lindl., von Trinidad; 
B. pyramidalis L. B. zebrina Lindl., B. iridi- 
folia Lindl. u. andere brafilianijche Arten find 
Zierden unjerer Warmbäufer. Engler. 
Bille, 63 km langes Flüßchen; entfpringt im 
Amte Steinhorft in Lauenburg, ſcheidet anfangs 


einen Royaliften, Letteren für einen mach der Holſtein von Lauenburg, fließt an Steinbed uud 


Dictatur Strebenden erffärte, und war einer der 
Erften, die am 9, Thermidor gegen Robespierre 
fpraden; 6 Tage darauf gab er feine Entlaſſung 
aus dem Wohlfahrtsausihußg. Als Conventsmit- 
eh hielt er fich bis 1795, wurde aber dann mit 
ollot d'Herbois, Barrdre u. Badier zur Depor- 
tation nach Guiana vernrtbeilt; 1816 war er kurze 
Zeit in New-York, wendete ſich aber dann nad 
Hayti, wo ihm der Präfident Perhion eine Penſion 
anwies u, wo er 3. Juni 1819 ftarb, 
Billauft, Augufte Adolphe, franzöfiicher 
Staatsmann, geb. 12. Nov. 1805 zu Bannes; 
war früher zu Nantes Advocat; wurde 1830 
Mitglied des dortigen Mimicipalrathes, 1834 
Mitglied des Generafrathes des Depart, Loire 
Anferieure und wurde 1837 von diefem im die 
Deputirtenfammer gewählt, wo er zur Oppofition 
bielt und vorzüglich über die Wahlbeftehungen, 
das Durchſuchungsrecht im Betreff des Sklaven- 
handels und die Pritchardiche Entfhädigungsans 
gelegenheit die Negierungsmaßregeln angriff. 
Später wurde er Anwalt des Herzogs von Aumale 
u. 1. März 1840 Unterftaatsfecretär im Handels» 
u. Aderbauminifterium. Nach dem Sturze des 
Minifteriums Thiers wurde er Advocat in Paris 
u. hielt wieder zur Oppofition. An den Reform: 
bewegungen der Fahre 1846 m. 1847 nahm er 
en thätigften Antheil u. war am 24. Februar 
1848 zum Marineminifter beftimmt. Im März 
d. J. in die Nationalverfammlung gewählt, hielt 
er fih anfangs zur Linken, trat jedoch feit 1850 
zu den Bonapartiften über. Nah dem 2. Der, 
1851 gehörte er zur Umgebung Ludwig Napoleons, 
wurde durh Decret vom 25. Jan. 1853 zum 
Präfidenten des Gefebgebenden Körpers, am 
23. Juni 1854 zum Miniſter des Innern und 
am 5. Dec. d. J. zugleich zum Senator ernannt, 
trat jedod nach dem Attentat auf den Kaijer im 
Februar 1858 von dem Minifterium des Innern 
zurüd, übernahm dafielbe zwar am 1.Nov. 1859 
wieder, übergab es aber Ende 1860 an Perfiguy 
u. wurde Minifter ohne Portefeuille, als welcher 


Bergedorf vorbei durch die Kurslaler Schleuße in 
die Dove-Elbe, mit welder fie den Billwerder 
(f. d.) bildet. 

Billerbed, Stadt im Kreife Koesfeld des preuß. 
Regbez. Münfter, Eifenbahnftation; Leinenmeberei 
u. Bleiben; 1500 Ew.; dabei gute Steinbrüdhe, 
B. gehört dem Nheingrafen von Salm. 

Billet (fr.), 1) Zettel, Schein; 3. B. Kaſſenbillet, 
Bantbillet, Entreebillet, Onartierbillet, 2) In 
Frankreich der eigene, trodene Wechjel (j. d.). 3) 
Kurzer, nichtaufeinen Bogenvon gewöhnlichemBriefs 
format, ſondern von geringerer Größe geſchriebe— 
ner, meift an eine Berfon tim Aufenthaltsorte des 
Schreibers oder in deſſen Nähe gerichteter, oft 
auch nicht zugefiegelter, fondern mur im einem 
Knoten verfchlungener Brief; jo: B. d’amour, B.- 
doux, Liebesbrieichen; B. de faveur, Einpfehlungs- 
brief. 4) Schuldfchein über Waaren oder Geld, 
das empfangen wurde; ec hat im manchen 
Ländern Wechjelfraft, z. B. in Fraukreich, in 
Preußen mit einigen Modificationen. Davon 
Billeteur, der etwas, bef. Waaren, mit fleinen 
numerirten Betteln verfieht (billetirt), worauf die 
Anzahl der Ellen, Ein- u. Berlaufspreis 2. an— 
gegeben ift; der die Duartierbiffets für die Sols 
daten jchreibt; Perſon, die im Theater u. dgl, die 
Entreebillets einnimmt, bei den Eijenbahnen die 
Fahrbillets verkauft. 

Billigfeit (Acquitas), ift im Allgemeinen die 
Berüdfihtigung der bejonderen, vom  ftrengen 
Nechte nicht geſchützten Intereſſen einer Perſon. 
Bon den Alten wurde die B. allegoriſch dargeftellt 
als Meib, in der Linken eine Lanze, in der Rechten 
eine Wage, zu den Füßen eine Schlange od. ein 
Mad. In der Geſchichte des Rechtes tritt die B. 
überall als ein höchſt bedeutſames Moment her— 
vor, indem ſie die Ausbildung des in der Regel 
urſprünglich in ſtarre Formen eingelleideten Rechtes 
zu freieren Grundſätzen vorbereitet und ſo die 
Harmonie zwischen dem äußeren Rechtsorganismus 
u. der fortichreitenden Entwidelung der Gerechtig— 
feitsidee vermittelt. In dieſer Beziehung ift bei. 


er die Aufgabe hatte, die Politit des Kaifers in die Geſchichte des Römiſchen Nechtes, in welcher die 


dem Gejeggebenden Körper zu vertreten, 


Er ſt. Aequitas als Grundlage des Jus gentium und 


38 


Jus honorarium eine bedeutende Rolle fpielt, ſehr 
lehrreich. Das Röm. Recht anerlannte zwar die, 
alſo: 
Rechtes über u. für Alle, aber zog doch die Con-| 
fequenz diefes Princips nicht bis zu dem Punkte, 
wo tie Megel des Rechtes zum Unrecht wird, | 
wenn die individuellen Berbältniffe nach den Nild- 


Nothmwendigkeit der gleihmäßigen Herricaft des 


ſichten auf das Ganze n. Allgemeine rechtlich be- 
handelt werben, 





Neben dem strietum jus ent- 1000 Millionen) eine B. oder Milliarde, 


Billingg — Billungen. 


Billion (Matb.), die bdreizehnte Einheit des 
defadischen Zablenigftems, eine Million Millionen, 
1 000 000 000 000 oder 10%, Wer un 
ausgefetst in jeder Secunde 8 zählte, würde, um 
eine B. abzuzählen, gegen 3962 Jahre Zeit branchen, 
Eine Mill, Ben (1 000 000 000 000 000 000 
oder 10'*) heißt Trillion. Die Franzofen nennen 
ſchon die zehnte Einheit des Zahlenſyſtems (alſo 


ftand das jus aequum; dieſes durchbrach das ſchreiben fie alfo 1 000 000 000. 


ftarre Syſtem jenes, aber nur weil das öffent 
liche Wohl felbft e8 forderte. Eben deshalb mar 
die Aequitas judieis nicht das je durch die Sadı- 
fage oder die perfönlichen Verhältniſſe bedingte 
—— Wohlwollen, ſondern die An- 
wendung der auch wieder allgemeinen Regel des 
aequum jus. Bei ber * Anwendung darf 
die B. nur in ſo fern in Betracht gezogen werden, 
als das Geſetz für beſondere Fälle ausdrücklich darauf 
hinweiſt. Dies kann der Fall ſein, wenn es ſich 
z. B. um Schätungen bandelt, bei welchen die 
Aufitellung ftrenger Rechtsregeln oft auf Schwie⸗ 
rigkeiten ſtößt u. die zu bewirlende Ausmittelung 
des Betrages mehr in das Arbitrium boni viri 
zu ftellen ıft; bei Beftimmungen gemwiffer Friften; 
bei Wiedereinfegungen in den vorigen Stand 
wegen vorgefallener Verſäumniſſe zc. Bei diefem 
Allem hat der Richter jedoch immer nicht ſowol 
ſein inviduelles Gefühl, als vielmehr die objec- 
tiven Grundſätze der Gerechtigfeitsibee walten zu 
laffen. Es darf daher dabei das Nedt Dritter 
nicht verlegt, ein auch hartes Geſetz nicht umgangen 
oder mwillfürlid abgeändert u. nicht dem Gerfte der 
Geſetzgebung zuwider geurtheilt werben. Aus— 
gedehnter iſt die Anwendung dev B. bei criminal— 
rechtlichen Entſcheidungen, was darauf beruht, 
daß das Criminalrecht es mit der Abmeſſung der 
fubjectiv-individuellen Schuldbarkeit zu thun bat, 
Der Einfluß der Bsrüdfichten fommt bier be- 
fonders bei Ausmefjung der Strafe zur Anwend— 
ung, indem es dem Richter nad der Natur des 
Strafgeſetzes in der Regel geftattet ift, die Höhe 
der Strafe unter Berüdfihtigung aller einfchlagen- 
den Momente, felbft folcher, welche bloß in den 
Diotiven der That, der größeren oder geringeren 
Berftandesihärfe des. Angeichuldigten, feinem bis- 
herigen Wandel, der größeren od. geringeren Ver— 
derbtheit des Willens beruben, zu bemeſſen. Das 
neuere Strafverfahren hat diefen Riüdfichten noch 
mehr Raum gegeben, indem es da, wo die Gründe 
der B. fo ſehr hervortreten, daß eine Beftrafung 
vorausfichtlich mit dem allgemeinen Rechtsgefühl 
in Widerfpruch treten würde (was 3.8. bei fahr- 
läffigen Handlungen vorlommen kann), dem Staats- 
anmalte die Möglichfeit an die Hand gibt, durch 
Unterlaffung der Anklage jedes criminelle Ein- 
Ichreiten von vorn herein abzuſchneiden. Ganz 
mejentlih fommen endlih die B⸗sgründe bei der 
Frage der Begnadigung in Betracht, bei welcher 
fie ſogar in der Regel die allein enticheidenden find. | 

Blllings, Gammatt, ein vielfeitiger und 


Billioray, Alfred Edouard, franz. Commu- 
nard, geb. 1840 zu Neapel; widmete ſich der 
Malerei u. ward 1871 eine der energiichiten u. 
gewaltthätigften Mitglieder der Pariſer Commune, 
der an der Ermordung der Geißeln hauptſächlichen 
Antheil hatte u. bis zum Eintritte der Truppen 
den Widerftand aufrechterbiel. Er wurde 24. 
Decbr. 1871 nah Neu-Caledonien deportirt. 

Billiton, |. Biliton. 

Billom (Bilon), Stadt im Arr. Clermont 
des franz. Dep. Puy de Döme; Handelsgericht ; 
Zwirn-, Leinwand», Serges-, Muffelinfabrifation, 
Stiderei, Zudere, Zöpferei, Ziegelei, Fayence⸗ 
fabrifation, Kaltöfen; Waiferheilanftalt; 4336 Ew.; 
ehemals war zu B, eine Univerfität. 

Billon (fr.), 1) Silberlegirung, welche mehr 
Kupfer als Silber hält, alio weniger als Blöthig 
ift u. zur Scheidemünze gebraudt wird (Scheide- 
miünzfilber). 

Billons (Landw.), hoch aufgepflügte Dämme, 
Kämme von O,, m Breite; fie haben den Zweck, 
durch Anhäufen der fruchtbaren Erde, Bearbeit- 
ung der Bmwilchenfurden während der Wads- 
thumsperiode der Bilanzen u. Düngung in den 
Zwiſchenfurchen die Ackerkrume auf eine fchidliche 
Art u. Weile zu vertiefen. Die Zwiſchenfurchen 
wechleln ein Jahr um das andere mit der Mitte 
der Dämme, fo daß der Untergrund unaufhörlich 
bearbeitet wird, Rhode. 

Billungen (Billing), ein altes dentjches Ge- 
ſchlecht, welches uriprünglich aus Sachſen ſtammte; 
ihr Ahnherr Amalung, zur Beit Karls d. Gr, 
war Ebrift geworden u. ließ ſich erft in der Nähe 
von Kaffel u. dann im Hefjengau zwifchen Werra 
u. Fulda nieder, wo er einen Theil des Buchoni- 
ihen Waldes cultivirte. Er hatte 3 Söhne: Ben- 
nitb, Billung I. u. Rudhard; von Erſterem ſtammte 
im 4. Geſchlechte — Sohn des 967 ver- 
ftorbenen Grafen Billung II. u. der Hildiburg; 
vertheidigte unter Otto d. Gr. die Oftmarf gegen 
die Slaven u. erhielt 961 oder 966 das Herzog» 
thum Sachſen; er ft. 27. März 973. Geine Nach» 
fommen im Herzogthun Sachſen, Billunger, 
waren: Sein ältefter Sohn Bernhard I.; ftarb 
9. Febr. 1011; defien älterer Sohn Bernhard IL. 
ft. 29. Juni 1059; deffen älterer Sohn Ordulf 
ft. 28. März 1071; deſſen älterer Sohn Mag«- 
nus ft. 23. Aug. 1106; da er nur zwei Töchter 
bintertich, fo erloſch mit ihm das Haus der B. 
im Mannesftamme; ſ. Sachſen. Die ausgebreiteten 
Billungfhen Güter, welche zwiichen der Weſer 


talentvoller amerifanifcher Künftler, geb. 1818 zu u. Elbe u. noch öftl. jenfeit der Iegteren, im heu— 
Milton, geft. 18. Novbr. 1874 zu New-York; tigen Hannover u. Holftein lagen, erbte zunächft 
lebte meift in Bofton; baute mehrere Kirchen u. Lothar v. Supplinburg, dann die Welfen u. Asla- 
entwidelte als Aquarellmaler, Zeichner u. Illu- nier, welche durch Heirathen mit Frauen aus dem 
ftrator eine erhebliche Wirffamteit. — der Billunger Anſprüche geltend machten; 


Billroth — 


Bimlipatam. 439 


1. u. Sadjen-Anbalt u. Braunſchweig. Vgl. Wede- | genannt), Dafe der Tebu in der Sahara (NAfrita), 


find, Hermann, Herzog v. Sadien, Lüneb. 1817. 
Billroth, Theodor Ehriftian Albert, be- 
rühmter Mediciner, geb, 26. April 1829 zu Ber: 


jaft auf der Mitte zwifchen Fezzan u, Bornu ge- 
legen; unter einem Sultan, der in Kalala refidirt; 
auptort Aſchenumma, Dorf Kalala; das Gebiet 


gen auf Rügen; zeigte früh ſchon lebhaften Sinn hat reihe Salzminen, in denen das Salz durd 
u. reihe Begabung für Mufil, von deren aus-|VBerdunftung von Waffer gewonnen wird, das 
ihlieglihem Betriebe ihn nur die Energie der ſeinen Urjprung in Steinfalzlagern zu haben 
Mutter zurüdhielt; der Bater war früh geftorben. |fheint; die Daje verforgt damit einen großen 
Er bezog 1848 die Univerfität, um Mebdicin zu) Theil von Eentral-Afrika, 


ftudiren, folgte dann dem ihm befreundeten Prof. 
Baum nah Göttingen 1849, wo diefer wie Rubd. 
Wagner beftimmend auf die fernere Laufbahn des 
ftrebiamen Mannes einmirkten, indem Wagner 
ihn in die Geheimniffe des Mikroſtops einwelhte, 
jener ihm zu einem wiſſenſchaftlich u. praftifch 
tüchtigen Chirurgen machte, Im Vereine mit 
Wagırer u. Meigner ging er behufs wiffenichaft- 
licher Unterfuchungen nad) Trieft, von dort nach 
Berlin, fchrieb Hier unter Traubes Leitung feine 
Difjertation: De natura et causa pulmonum 
affectionis, quae nervo introque vago dissecto 
exoritur, Berl, 1852, gebörte zu Alb, v. Gräfes 
erften Schülern, ging 1853 nad Wien u. Paris 
u. batte dann nad jeiner Rücklehr die Freude, 
Alfiftent bei Langenbed zu werden, welche Stell- 
ung er bis 1859 innehatte; 1856 habilitirte er 
fih, ſchlug 1858 einen Ruf als Profeffor der 
patholog. Anatomie nad Greifswald aus, hei— 
ratbete in demfelben Jahre u. folgte 1859 einem 
Rufe nad Zürich als Prof, der Chirurgie. Einen 
Ruf nad Roſtock (1862) u. Heidelberg (1864) 
ablehnend, ging er 1867 an Schuhs Stelle nad) 
Wien, von wo aus er neue Bernfungen nad 
Straßburg u. Berlin ausſchlug. B⸗s großes 
Berdienft befteht in der Heranbilbung tüchtiger 
Schüler, deren einige bereits hervorragende Stell- 
ungen einnehmen, u. in feiner fruchtbaren fchrift- 
ftelleriichen Thätigkeit, durch die er nach außen 
bin fein glänzendes Wiffen verbreitete. Zu den 
beften hiſtologiſchen Arbeiten gehören außer zahl« 
reichen Aufſätzen in Virchows Arhiv die Abhand- 
lungen über den Bau der Schleimpolppen (1855), 
Gefäßentwidelung (1856), Milz- ur Lymphdrüſen 
(1856—61). Bon feinen dirurgiihen Urbeiten 
find hervorzuheben: Wundfieber u. accidentelle 
Wundfrantheiten 1864—72; Kliniſche Jahres: 
berichte (1860— 70), die den Anftoß zur ſorgſamen 
Verwerthung des ftatiftiihen Materials gaben; 
Vorlefungen über allgemeine hirurg. Pathologie 
u, Therapie (1863, bis jett 7 Aufl.). Großes 
wiſſenſchaftliches Intereſſe hat die von ihm und 
Pitha herausgegebene, bei Ente erſcheinende ency- 
Hopädiihe Chirurgie. Epochemachend ift fein auf 
5jähriger miühfamer Arbeit ruhendes Werk über 
Eoccobafterien (1874). Auch als Kriegschirurg 
hat fih B. einen ruhmvollen Namen gemacht; 
jeine Gefchichte der Schußwunden (1859), chirur— 
giſche Briefe aus den Kriegslazarethen von Wei— 
ßenburg u. Mannheim (1871), Transport Ver— 
wundeter u. Krauker auf Eiſenbahnen (1874) ge— 
hören zu den beſten Arbeiten in dieſem Fache. 
Thambann. 

Billmerder, zu Hamburg gehörige Inſel (j. 
u. Bille); fruchtbarer Marſchdiſtrict; ſechs Kirch— 
piele; 10,400 Ew. 

Bilma (Bilmaah, auch Kauar, Henderi Tege 


Bijöbatus (lat.), zweilappig; f. u. Blatt. 

Biloculäris, zweifädherig. Daher Bilocuflarität 
der Gebärmutter (Uterus biloeularis), zwei» 
fammerige Gebärmutter; dem Außern nad ift 
die Gebärmutter normal gebildet, in ihrem n- 
nern aber mehr od. weniger vollftändig in zwei 
Fächer getrennt, Die Scheide ift einfach od. and 
geipalten. Der Uterus bıloeularis entfteht, wein 
die beiden Hörner des Uterus bicornis (j. Bicor- 
nis) äußerlich verfchmelzen, mährend im Innern 
die Trennung durch eine mehr oder weniger tief 
binabreichende Scheidewand erhalten wird. 

Bilfen, Dorf in der beigiichen Provinz Lim— 
burg, am Demer u. an der Eifenbahn; eifenhaltige 

eilguelle; 3660 Em.; dabei ehemalige Abtei 

tünfter-B. fir fürftfihe u. gräflide Damen. 

Bilfenfraut, j. Hyoscyamus, 

Bilſton, Stadt in der engliihen Grafichaft 
Stafford, am Birmingham- u. Stafford-Ranal; 
Eifenwerfe, Mafhinenbaumerfftätten, Fabrikation 
von ladirten Blech⸗ u. Cmailwaaren; 24,188 Ew.; 
dabei Miühlenfteinbrüche, Eifen- u. Steinkohleu— 
gruben. 

Bilmisfchneider (Bilmesichneider), im Bolfs- 
aberglauben vieler Gegenden Mitteldeutichlands 
und einiger Süddeutſchlands geipenftiihe Manns- 
perjonen, die an gewiſſen Tagen (Peter u. Baut, 
St, Beit xc.) mährend des Gebetläutens mitten 
durch Die Getreidefelder gehen, oder auf einem 
ſchwarzen Bode reiten u. dabei etwa fußbreite 
Gaſſen ziehen, wodurch fie den Eigenthümer um 
den halben, zumeilen aud den ganzen Ertrag 
bringen, der dann ihren Borräthen zu Gute fommt. 
Der B. ift bei diefer Arbeit unfidhtbar, fanı aber 
durch gewiffe Mittel fichtbar gemacht werden; ge 
wöhnlih ift es ein Nahbar. Auch kann man 
feine Felder durch Gegen-Zaubermittel vor ihm 
hüten. Yeute, die eine hohe, ſpitz zulaufende fahle 
Stirn haben, ftehen im Verdachte des Bilwis- 
ſchnittes. Urfprünglich fcheint der Bilwis als ein 
gutartiges Weſen gegolten zu haben. Schroot. 

Bima, 1) früher der mächtigſte Staat im öſt— 
lichen Theil der Sunda-Anfel Sumbawa; fteht jetst 
größtentheil$ unter der Oberherrlichfeit der Nie- 
derländer. 2) Stadt bier, von hohen Bergen ein 
geichloffen u, am einer Bucht gelegen; Reſidenz 
des Fürſten u, Sit des holländ. Agenten; Han- 
dei mit Landeserzeugniffen. 

Bimana (lat., Zweihänder), umfaßt als Ordnung 
der Säugethiere, im Gegenfage zu den Quadru— 
mana (Vierhändern) die Gattung: Menid. 

Bim Baſchi (türk.), Oberft od. Commandeur 
von 12 Compagnien, alfo eines Regiments; f. u. 
Türkiſches Neich 

Bimlipatam, emporblühende Handelsitadt in 
der Präfidentihaft Madras, auf der Küſte von 
Coromandel; trefflihe Rhede, wo monatlich jechs 


440 


Bimsſtein — Binden. 


engliihe Dampier anlaufen; Telegrapbenverbind- | Balten oder ſchmaler Querbalken im Wappen. 


ungen. 

imsftein (lat. Pumex), ein vulcaniſches Pro- 
duct, von ſchwammig⸗-ſchaumiger Textur, meift weiß 
oder weiß-grau, die Bruchflächen von feidenartigem 
Glanze; ift von jehr wechſelnder Zufammenfegung 
und jcheint durch Waſſerdämpfe bei vulcaniſchen 
Ausbrüchen aus verfbiedenen geichmolzenen Ger 
birgsarten entftanden zu jein. Seine Hauptbe- 
ftanttheite find Kieſelſäure u. Thonerde, faft immer 
mit etwas Eiſenoxyd u. Alkalien. Er ſchwimmt 
auf dem Wafler u. geht oft in mit ihm vorlom— 
menden Obfidian, die glafige Varietät derfelben 
geſchmolzenen Maſſen über. Er findet ſich faft in 
allen Gegenden, wo noch thätige oder erlojchene 
Bulcane find, 3. B. ſchön auf den Lipariichen 
Inſeln, von wo der meifte in den Handel kommt 
u. wo er ganze Berge bildet; am Laacher⸗See zc. 
Er gibt gemablen mit Waffer u. Kalt einen gu— 
ten Mörtel u. dient als Bolirmittel beim Schleifen 
von Glas, Holz, Elfenbein, Pergament zc.; jein 
Pulver wird ebenjo angewandt. 

Binär (v. lat. bini, je zwei), wejentlich aus 2 
beftehend; jo binäre Form (Marh.), eine homo» 
gene algebraiihe Function von 2 Bariablen. 

Binaseo, Stadt in der italienischen Provinz 
Mailand, Bezivt Abbiategraffo, am Pavia-Kanal, 
welcher die Adda mit dem Ticino verbindet; 
Parmejantäjebereitung; 1340 Em. Wegen eines 
Aufftandes wurde B. von den Franzojen 1796 
eingeäfchert. 

Binätus (Bot)., zu 2 am Ende des Stiels ftehend. 

Binche, Stadt in der belgischen Prov. Heune- 
gan; bedeutende Spiten- u. Tüllftiderei, Mützen⸗, 
Schuhe, Leinwand», Mefier-, Fayence- u. Seifen 
fabrifation, auch Gerbereien und Färbereien; 
6700 Em. 

Binck, Zalob, Maler u. Kupferftiecher, geb. 
1490 od. 1504 in Nürnberg od. wahricheinlicher 
Köln; Schüler von Albrecht Dürer, bildete ſich 
vermuthlih im Italien weiter, war gegen 1545 
Hofmaler des Königs EChriftian III. von Däne- 
mark, von dem er nebſt der Königin Porträts 
malte, welche noch in der Kopenhagener Galerie 
befindlic find. Später lebte er eine Zeit lang zu 
Königsberg, wo er für Herzog Albrecht von Preu— 
Ben malte; von diefem wurde er in die Nieder- 
(ande gejandt, um die Errichtung eines Epitas 
phiums für die verftorbene Gemahlın des Herzogs 
zu beforgen. 1550 bielt er ſich wieder eine Zeit 
lang am dänischen Hofe auf u. trat 1551 in des 
Herzogs Albrecht Dienfte; er ft. 1560 in Königs: 
berg. Bon feinen Stihen, die dur fefte Eon- 
turen u. gewandte Zeichnung hervorftrablen, find 
zu erwähnen: 20 Gottheiten, nach Garaglio; der 
Kindermord, nad Rafael; Adam und Eva, nad 
Seh. Beham, und Judith, nad Barth. Beham. 
Außerdem das Grabmal der Gemahlin Friedrichs 1. 
von Dänemark im Dome zu Schleswig u. des 
Minifters eigenes Porträt im Belvedere zu Wien. 
Er fol aud Einiges in Holz gerguitten haben. 

egnet.* 


Binde, 1) womit ein Gegenftand gebunden) Hobelipan- 


5) Der äußerfte Streifen an Einfafjungen. 

Bindegewebe (Phyſiol.), theild ein Gewebe, 
welches zwijchen den einzelnen Körperorganen die 
Zwifchenräume ausfüllt u. ſomit die Berbindung 
berftellt (Zellgewebe); theils ein dichteres, net: 
fürmiges Gewebe, welches die Grundlage einer 
großen Anzahl tbieriicher Häute u. Gebilde, 3. B. 
Bänder, Sehnen, Fascien, fibröfer Häute, aus 
macht. Es läßt fich nicht rein darftellen, jondern 
enthält ftets noch Gefäße, Fettzellen, elaftiiche 
Faſern (Kernfalern) u. Musfelfafern. In feinem 
chemiſchen Berhalten fteht es der Knorpeljubftang 
ſehr nahe. Es auillt in fohendem Wafjer gallert- 
artig auf u. löſt fih endlich vollftändig (Yeim); 
Ouedfilberdlorid, Alaun u. Gerbiäure fällen es 
aus feiner Löfung; concentrirte Eifigfäure und 
Alkalien bewirten ebenfalls ein Aufquellen des 
B-8, erftere löft es aber ohne Zufag von Wafler 
nicht auf, Teßtere dagegen nad) längerer Zeit voll- 
fonımen. Das embryonale B. gibt nah Scherers 
Unterfuchungen feinen Leim, fondern eine gallert- 
artige, ſchleimige Subftanz, weshalb man diefe B. 
Schleimgemwebe genannt hat. Das B. erjcheint 
unter dem Mikroſkop als aus bellen, dünnen Fa— 
fern zufammengejegt, welche alle jaft den gleichen 
Durchmeſſer von 0,9007 bis O,u0;,, mm haben. 
Ihre Geftalt ift eher platt als rumd. Die Faſern 
lommen nur zu Bindeln vereinigt vor, die ſich 
leicht jpalten lafien, entweder nebeneinanderlaufen, 
oder ſich netförmig kreuzen. 

Bindehant, j. Auge. 

Binden (Fasciae, Ehir.), 2—16 Ellen lange, 
2—4 Finger breite, am liebſten aus ſchon ge 
brauchter, doch hinlänglich fefter, in Ermangelung 
derjelben aus weich gemachter neuer, nicht ge» 
ftärkter, weder zu feiner, noch zu grober, nad 
der Yänge der Fäden gejchnittener, am Rande 
umftochener Leinwand, feltener aus Barchent, 
Flanell oder baummollenem Zeuge, Caltcot, Gaze, 
noch jeltener aus Seide, Leder oder Gurt ver- 
fertigte, bandartige, auch gleih wie Band ge— 
webte Berbandftüde. In ihnen find alle drüden- 
den Nähte zu meiden, u. wo dies nicht möglich 
ift, müfjen fie jo gemadt u. muß die Binde fo 
gelegt werben, daß diefelben außen liegen u. nicht 
driiden fünnen. Man bat gemeinichaftliche u. be» 
fondere B. A) Gemeinjhaftlide B.: a) Ein— 
fache (Roll-) B., die in 2 Enden (Köpfe) mit 
einem mittleren Theil (Grumd), als zweitöpfige 
B., oder einfach als einföpfige (eigentliche Roll-) 
B. aufgerollt werden; lettere werden mit ihrem 
offenen Ende angelegt, jene mit ihrem Grunde, 
u. nun werden dort beide Köpfe an beiden Seiten 
zugleih um das Glied herumgeführt, indem fie 
ummer aus einer Hand in die andere gehen, hier 
der eine Kopf wiederholt um das Glied herum— 
gezogen. Die Köpfe müſſen dabei immer nad 
augen gewendet jein. Die Umziehungen (Touren) 
find zirfelförmig, wenn eine anf die andere zu 
liegen kommt (Zirfel-B.), oder jpiralfürmig, jo 
daß ein 5—* Glied damit bededt wird (Spiral⸗B., 

.„, Hobel-B.). Das fejte Anliegen an 


oder ummunden wird; fo chirurgiſche B.; f. Bin- dünner werdenden Stellen des Gliedes wird durch 
den. 2) So v. w. Lehusbinde. 8) (Naturg.) Brei⸗ geſchickes Umſchlagen der B. daſelbſt bewirkt 
ter Streifen über etwas. 4) (Herald.) So v. w.|(übergeihlagene B.), oder fie wird auch gekreuzt 


Binder — 


Bindraban. 441 


gemacht, bei. wo getrennte Theile in Verbindung ſich hauptſächlich 1827—34 in Münden erſt als 


gehalten werden follen; verwerflich find fchlangen- 
förmige Zouren, welche Zwiſchenräume laſſen 
(kriebende B. od. Schlangen-B.). Zuletzt wird 
die Binde mit Stecknadeln, od., zumal eine große, 
mit Nadelftichen befeftigt. Nach befonderen Zweden 
der Anlage find obige B. zugleich Contentiv-B., 


zufammenbaltend in gewöhnlichen ri oder 
Erpulfiv« B,, bei Hohlgeſchwüren, Stichwunden, 


die nahe unter der Haut ihre Richtung nehmen, 
über einfache od. graduirte Compreffen (ſ. d.) jo 
angewendet, daß die Kanäle zufammengedrüdt u. 
die Anfammlung von Flüffigleiten verhütet wird. 
b) Zufammengejette, aus mehreren Stüden 
beftehende B. find: die vereinigende Binde, durch 
welche verwundete Theile zufammengebalten wer— 
den follen; meift eine zweiföpfige Roll-Binde, mit 
einem Spalte, durh den man den einen Kopf 
durchſteckt, um fefteren Halt zu bewirken; Böttcher 
bat eine verbefferte angegeben, ohne Spalt mit 
angelegten Longuetten u. dann bloßes Umſchlagen 
der Köpfe; die achtzehnföpfige Binde, aus 18 
Köpfenbeftehend; blätterförmigeBritch od. Pialter- 
Binde, für Beinbrüche, von der ſich die viellöpfige 
B. bloß dadurch unterſcheidet, Daß es auf die Zahl 
der einzelnen Köpfe, in welche ein Stüd Lein— 
wand dur in daſſelbe gemachte Einfchnitte ge- 
theilt wird, nicht anfommt; fie wird da gebraucht, 
wo man ein Glied beim Abnehmen n. Wieder- 
anlegen einer Binde nicht gern ftören will, mie 
bei compficirten Knochenbruchen. auch Schenlel- 
brüchen überhaupt. Bon T-Binden (in Form eines 
T) gibt e8 einfache u. doppelte, Tegtere mit einem 
verichiebbaren Stüd; fie werden beide bei, bei 
Berlegungen des Beckens angewendet. B) Die 
befonderen B. erhalten ihre Bezeichnung mach 
den Theilen, an welche fie angelegt werden, und 
bilden hiernach wieder eigene Klaſſen, jo: Kopf-, 
Augen, Najen-, Hals-, Schulter-, Trag-, Joch⸗, 
Scapulier-, Brufte, Leib-B.; oder nach ihren 
Erfindern, wie die Müte des Hippofrates, Binde 
des Galenos, Brasdorfiche u. a.; oder nach ihrer 
befonderen Geftalt, wie Stern-Binde, Steigbügel, 
Halfter od. Zaum, Schildkröte, Schleuder, Kahn, 
Panzerhandſchuh u. a.; oder von dem bejonderen 
Zwecke, wie Trage», aufbebende Binde (Suspen- 
forium), einwidelnde Binde; oder fie haben auch 
eigene Namen, wie Krebs, Sperber od. Habicht, 
Habichts-B,, Kornähre; f. d. a. 

. Binder, 1) Sebaftian, Mufifer, geb. 1800 
im OÖfterreidhifchen; ging zum Theater an. der 
Wien, ſpäter an das Kärnthnertbortbeater, als 
eriter Tenorift an das Ständetheater zu Prag u. 
wieder nah Wien zur Großen Oper, verlieh jpäter 
das Theater u. errichtete 1845 eine Geſangſchule 
in Wien. 2) Margaretbe, Schauipielerin, geb. 
Diener, geb. 1801 zu Schleswig; folgte ihrer Diut- 
ter, die Hofihaufptelerin war, nad) Dresden, betrat 
ſehr jung die Bühne in Petersburg u. Reval ır. er 
cellirte ın den erften jentimentalen Liebhaberinnen— 
und fentimental-tragiihen Partien; heiratete erft 
einen Herrn dv. d. Klogen, fand auf mehreren Kunſt⸗ 
reifen großen Beifall, ging nad Dresden u. 1824 
nah Brag, wo fie den Tenoriften DB. heirathete. 
Sie fl. 6. Juli 1870 in Pillnitz. 5) Joſeph, 
Hiftorienmaler in Wien, geb. daſ. 1805; bildete 


Porträtmaler, ward 1836 Lehrer am Städelichen 
Inſtitut in Frankfurt, kehrte 1847 nah Wien 
zurüd u. erbielt 1851 eine Lebritelle an der 
dortigen Alademie. Seine Arbeiten zeichnen fich 
durch Hohen Schönheitsfinn u. anmuthiges Colo- 
rit aus. Hauptwerte: Der bl. Euftachius auf der 
Jagd; Romulus u. Remus (beide im Wiener 
Belvedere); Mar I. auf der Martinswand; Be— 
fehrung des Näubers Julian. 4) Wilhelm, 
deutjcher Schriftfteller, geb. 16. April 1810 in 
Weinsberg; ftudirte feit 1828 in Tübingen Theo- 
logie und Philologie, wurde 1831 Profefior der 
deutſchen Literatur u. der Gefchichte zu Biel u. 
1833 wifjenfchaftliher Arbeiter an der Staats- 
fanzlei in Wien mit dem Xitel eines Vrofeſſors 
der Staatswiffenfchaften; er verließ 1841 dieſe 
Stellung und lebte in Ludwigsburg, wo er 1845 
zur Katholiſchen Kirche übertrat. Er jchrieb: ° 
Der deutiche Horatius, Ludwigsb. 1831, 3. Anfl., 
18415 Geſchichte von Biel, Biel 1834, 3 Bde.; 
Fürſt Metternich u. fein Zeitalter, Schaffb. 1836, 
3. Aufl, 1845; Der Untergang des poln. Natio- 
nalftaates, Stuttg. 1839, 2 Bde.; Peter der Große 
u. fein Zeitalter, Reutl. 1841; Alemanuiſche Bolts- 
fagen, Stuttg. 1844, 2 Bde,; Der Proteftantis- 
mus in feiner Gelbftauflöfung, Schafih. 1843, 2 
Boe., 2. Aufl., 1846; Geſchichte des philoſophi— 
fchen u. revolutionären Jabrh., n. A., ebd. 1847 7., 
2 Bde; Karl Haas u. die Unredlichen unter jei« 
nen Gegnern, Ypz. 1844; Friedrich Hurter, der 
Wiedergeborene, Augsb. 1845; Meine Nechtfertige 
ung u. mein Glaube, ebd. 1845; oh. Baptıt 
von Keller, Regensb. 1848; Uber Zimon, den 
Mifantbropen, Um m. Tüb. 1856; Lichtfunken 
u, Biefferkörner, Stuttg. 1857, 2. Aufl., 18675 
faınmelte Medulla proverbiorum lat., Stuttg. 1856; 
Flores aenigmatum lat., ebd. 1857; Novus 
Thesaurus elegiorum lat., ebd. 1861, u. redigirte 
die Realencyklopädie für das fatholiihe Dentſch— 
land, 1846—49, 10 Bde., nebft 2 Bon. Suppl,, 
1849 f. 

Bindfaden, aus Flachs od. Hanf, mit 2 oder 
fach gedrehten Fäden gejponnene dünne Schnur. 
Es gibt davon verjchtedene Sorten, als: Kanz— 
leirB. (Spagat), feinen u. MittelB., Mit- 
tel» u. Strangfäden, Hangriemdraht u. 
Zuder-B. Den B. fertigt der Seiler. In 
der Neuzeit werden auch durch Dampf getriebene 
Maſchinen zur Fabrikation von B, verwendet. 

Binding, Karl, Jurift u. Hiftorifer, geb. 4. 
Juni 1841 zu Frankfurt a. M.; ftudirte in Göt— 
tingen u. Heidelberg, habilitirte fih an lettge- 
nannter Univerfität 1864, erbielt dann kurz nach 
einander ordentlihe Profefjuren des Nechtes im 
Bafel, Freiburg i. B., Straßburg, Leipzig 1873; 
ichrieb Geſchichte des Burgundiſch-Romaniſchen 
Königreiches J., Lpz. 1868 (vgl. A. Jahn, Geſch. 
der Burgundionen, Halle 1874); Die Normen ı. 
ihre Übertretung, eine Unterſuchung über die 
rechtmäßige Handlung u. Die Arten des Delicts, 
L. 1,293. 1872; Die Allgememen Deutihen Straf- 
gejerbücher vom 15. Mai 1871 m. von 20. Juni 
1872, aladem. Handausgabe mit Erläuterungen 
u. Einleitung, Lpz. 1874. 

Bindraban, Stadt 


im Diſtr. Muttra der 


2 


442 
NWprovinzen Oftindiens, am rechten Ufer des 
Didamna, 140 km fildlih von Delhi; 21,500 
Em. B.ift eine den Hindu heilige u. von Schaa⸗ 
ren von Wallfahrern beſuchte Stadt. Am Ufer) 
des Fluſſes, in deſſen reinigendes Wafler auf 
Treppen von rothem Sandftein die Pilger ſchrei⸗ 
ten, erftreden fich zablreihe Tempel. Au Ehren 
der Schlangentödtung der Krifchna ift September; 
u. October jährlih großes Feſt; zum Andenten 
der wirffamen Unterftütung des Rama werden 
Affen in den prächtigen Hainen infolge der Stift 
ung eines Mabrattenfürften unterbalten. 1757 
wurde die Stadt von den Afghanen erftürmt u. 
vielfach zerftört. 





Bindung — Bingham. 


Bingen, 1) Kreis der großherzoglich heſſiſchen 
Provinz Rheinhefjen, am Rhein u. an der Nabe; 
von der heſſ. Ludwigsbahn in mehreren Linien 
durchzogen; 195,, [km (8,, [IM); 31,800 Em. 
2) Stadt u. Hauptort dafelbft, im einer romanti« 
ihen Gegend, rechts am Einfluffe der Nahe in 
den Rhein; Tabal- u. Stärlefabrif, Gerbereien; 
Weinbau; Handel mit diefen Yabrikaten, ſowie 
mit Holz u. Getreide; 5938 Ew. Über der Stadt 
ftegt das alte Schloß Klopp, in welchem Heinrich 
IV. 1105 gefangen faß, weldes 1689 von ben 
Franzoſen zerftört, 1856 3. Th. wieberhergeftellt 
wurde. Dftlih von der Stadt erhebt fi der 
Rochusberg mit einer Wallfahrtsfapelle. Auf der 
SSeite diefes Berges wächſt der Scharladhberger 





Bindſalat (Bleih-, Spargel-, Sırunf-, roma- | 27 berge 
niiher Salat od. Sommerendivien, Lactuca au- | Wein. Jenſeits der Nahe, über welche ‚eine flei- 
gustana, acephala, longifolia u, a.) wahrfchein- |erne Brüde von 7 Bogen und eine Eifenbahn- 
ich Spielart von dem gewöhnlichen Gartenfalar|brüde führen (die fogen. Druſusbrüde), liegt ber 
(Lactuca sativa), von welchem er fi) beionders preuß. Ort Bingerbrüd, Station der Rheini⸗ 
dadurch unterfcheidet, daß mur einige Sorten des- nischen Eifenbahn u. der Rhein-Nahe-Bahn; ferner 
elben fih von felbft ſchließen und dan lange) der Rupertsberg, nach dem Pfalzgrafen Ruprecht I. 
Köpfe bilden, wogegen die meiften mit ihren lan⸗ benaunt. Er gehört zu der Preußiſchen Rhein 
gen fchmalen Blättern vor dem Gebrauche zufam-|Provinz, wie auch der auf einer fleinen Inſel 
mengebunden u. gebleicht werden müſſen u. da. im Rhein unterhalb B. befindlihe, mwahrjchein- 
dur Ähnlichkeit mit dem Endivien befommen. Zn ih im Jahre 1000 behufs der Landesvertheidig- 
Franfreih, England, Italien u. mehreren Sip.|ung vom Erzbiſchof Willigis erbaute Mäufe- 
ländern cultivirt man von diefem ſehr beliebten thurm (Mauththurm). Nach der Sage entitand 
Salate eine große Menge Abarten; in Deutichland der Mäufethurm fo: Hatto IL, Erzbiſchof von 
fennt man fie weniger, jedoch hat der gelbe Kaſſeler Mainz, ließ eine mit Korn gefüllte Scheune, de⸗ 
Zonmerendivien in Hefien eine große Verbreitung [en fh die Armen eg 22 hatten, zugleich 
u. Wichtigkeit, indem dort die Stengel, ehe fie Blu, mit diefen miederbrennen, wobei er vief: Hört, 
meufnefpen zeigen, geſchält, in längi. Stüde ge. | Wie die Mäuſe freien! Seitdem mnabläflig von 
ſchnitten, ähnlich wie Spargel zubereitet u. ge- Mäufen verfolgt, flüchtete ex ſich hierher, fie 
nofien, oder au wie Bohnen mit Salz einge ſchwammen jedod über den Rhein u. fragen ihn 
macht u. dann Strünfe genannt werden, während auf (969). Der Mäufethurm wurde 1856 reftau- 
die Blätter wie Kohlgemüfe gelocht in diefer Be, kirt. Ju der Nähe defjelben Thurmes Tiegen 
ziehung dem gewöhnlichen Garten-Salate vorzu- Felſen quer über u. unter dem Waſſer u. ließen 
ziehen find. Die Cultur des B. bietet keine früher nur auf der rechten Seite des Stromes 
Schwierigkeit, da die Samen im Freien gut auf- * bequeme Fahrt, das Bingerloch, ilbrig. 


geben u. die Pflanzen auf gewöhnlichem gutem 
Sartenboden leicht wachſen; wegen ihrer Größe 
dürfen fie nicht fo dicht, wie der Kopffalat u. auch 
nicht zwifchen andere Gemüfe gepflanzt werden. 
Molde. 

Bindung (Ligatura, Muf.), das unmittelbare 
Aneinanderhängen zweier oder mehrerer anfein- 
anderfolgenden Töne, fo daß fie im einem Zuge 
vorgetragen (gefchleift) werben. Als Bindezei- 


hen dient am häufigften ein Bogen (= od. ),|B. mit Sturm, In B. wurde 1621 ein — 
9 


od. das Wort Legato (abgekürzt Leg.). Steht 
der Bogen über oder unter zwei Noten von glei« 
her Tonhöhe, fo wird dadurch angezeigt, daß der 
zweite Ton nicht befonders angegeben, fondern fein 
Zeitwerth dem vorftehenden eingefügt werden fol. 

Bindweide, Art der Weide, f. Salix. 

Binervius (fat.), zweinervig; ſ. Blatt. 

Binet, Jacques Philippe Marie, franz. 
Mathematiker u. Aftronom, geb. 1786 in Rennes; 
ftudirte anf der Polytechniſchen Schule zu Paris, 
wurde an diefem Inſtitut Profeffor der Mechanit 
u. Generalinipector der Studien u. nah Delam- 
bres Tode Profeffor der Aftronomie im Collöge 
de France, jeit 1843 Mitglied der Afademie. Seine 
zahlreichen mathematiſchen u. aftronomischen Ab- 


834 wurden dieſe Felſen geiprengt. — Das alte 
Bingium war eine Stadt der Bangiones und 
gehörte zum Belgiihen Gallien, Die Römer hat- 
ten jchon eine fteinerne Brüde über die Nabe (die 
jegige ift erft um das Jahr 1000 erbaut) u. leg- 
ten ein Caſtell hier au, auf deifen Nuinen im 


‚ Mittelalter die Burg Klopp erbaut wurde (f. o.). 


1301 nahm Kaifer Albrecht I. in dem Kriege mit 
dem Erzbiihof Gerhard II. von Mainz die Stadt 


zwiſchen Kaifer yerdinand II. u, Landgraf Morit 
von Heffen-Kaffel abgeichloffen, in welchem Letzte— 
rer der Proteftantiichen Union u. bejonders dem 
Bindniffe mir Kurfürſt Friedrich V. von der Pfalz 
entjagte. 1639 wurde B. von den Weimarifchen, 
1640 von den Kaiferlihen und 1644 von den 
Franzofen eingenommen; 1689 wurde Stadt u. 
Burg von den Lebteren zerftört. Am 3. Yan. 
1814 bei B. Gefecht zwiſchen Preußen u. Fran« 
zofen. Am 29. April 1850 wurde B. von einer 
großen Feuersbrunſt heimgeſucht. B. wird aud 
als der Ort genannt, wo der Nibelungenhort (j. 
u. Nibelungen) im Rhein verborgen liegen ſoll. 

Bingerbrüd, |. u. Bingen. 

Binaham, 1) Joſeph, engl. Theolog, wichtig 


handiungen find im Journal de l’&cole polytechn. durch feine Yeiitungen für Kirchliche Archäologie, 


abgedrudt. B. ft. 12. Mai 1856 zu Paris. 


geb. 1668 zu Batehetb in Morkihire; wurde 1691 


Binghamton — Binomialcoefficient, 


Prediger in Headbonrn-Worthy bei Winchefter, 
1712 in Havart bei Portsmouth; er ft. 1723. 
B. ihr.: Origines ecclesiasticae (Sammlung 
von Materialien zu den chriftlichen Alterthümern 
der 6 erften Jahrhunderte), Fond. 1708—22, 10 
Doe., 1726, 2 Bde., Fol., lat. von Griichom, 
alle 1724—38, 10 Bde., 2. A. 1754—61, 11 
de., im Auszuge von Bladmore, engl., 2 Bde., 


Lond. 1722, deutih, Augsb. 1788—96, 4 Bde. 





2) John A., amerifan, Staatsmann, geb. 1815 
in Mercercounty, Penniylvanien; erhielt eine vor- 
zügliche Erziehung, befuchte zeitweili 

Collegium in Obi, ftudirte die N; 


443 


unmittelbar aus dem Auslande beziehen, über 
den Handel mit denjelben Buch zu führen und 
darin Tag u. Ort der Berzollung jedesmal beim 
Empfange der Waaren anzumerken ift (Bereins« 
— vom 1. Juli 1869, 8 126). 
innenlinie tft die geographiſche Linie, welche 
den zunächſt innerhalb der Zolllinie belegenen, 
örtlich in ſeiner Breite beftimmten Raum (Greuz- 
beziut) von dem übrigen Hollvereinsgebiete trennt. 
S. Vereinszollgejeg vom 1. Juli 1869, $ 16. 
Binnenzöfle find die im Innern des Staates 


das Franklin- vom MWaarenverkehre erhobenen Abgaben. Sie find 
echte u, wardjallenthalben als mit der orgamiichen Einheit des 


Advocat in Ohio, 1854 in den Congreß gewählt, Staates unverträglih aufgehoben. Dagegen find 
jaß er in demjelben bis auf die jüngfte Zeit. B.|diejenigen Abgaben, welche eine Vergütung für 
belleidete verſchiedene hohe richterliche Amter; im die Benutzung von Verkehrsanſtalten bilden (Hafen-, 
Mai 1865 war er öffentlicher Antläger der Mörder Wag-, Niederlage-, Krahn-, Schleußen-, Straßen, 
des Präfidenten Lincoln; 1866 »Delegirter der) Brüden-, Bflaftergelder) beibehalten, fie dürfen 
Philadelpbia-Eonvention u. 1868 einer der Leiter aber nur in der Höhe erhoben werden, mie fie 


der jnanflageftellung des Präfidenten Johnſon. 
B. genießt einen hoben Ruf als Juriſt in feinem | 
Baterlande u. nimmt einen hervorragenden Pla 
in den Comite des Congrefies ein. Er ſchrieb 
eine gelehrte Einleitung zu Pettenger8 Oratory 
sacred and secular, New-York 1868. 2) Partling. 
. Binghamton, Countyfig des Broome County 
un nordamerifan. Untonsftaate Nemw-Porl, am 
Ehenogo-Kanal; Knotenpunkt einiger Eifenbabnen, 
bedeutende Gewehr- u. Wagenfabriten ꝛc.; Mehl: 
u. —— 12,692 Ew. 

ingöl (Bingheul, d. i. taufend Seen), Berg 
der Aſiatiſchen Türkei, 2000 m hoch; fruchtbar au 
Fzutterfräutern,daher beliebte Weide; von Kurden 
bewohnt, 

Bini, Carlo, ital. Dichter, geb. 1806 zu Yi- 
porno; ft. 1840; fchrieb während einer ibm! 
wegen freifinniger Gefinnung zuerfannten Feitungs- 
haft: Memorie d’un prigioniero und arbeitete 
für den Indicatore Livornese. Sein reiches 
Talent ift nicht zu voller Entwidelung gefommen. | 
Seine Seritti, herausgegeben von Guerazzi, find 
mehrfach aufgelegt. 

Biniflürus (v. Yat.), mit 2 Blumen dicht neben 
einander. 

Binnen, urfprünglich ein niederdeutiches Wort, 
Gegenjag zu Buten, bedeutet innerhalb, innen. 

innenausfdyläge (Enanthemata, Schleim 
hautenantheme), Ausichläge, die entweder nur auf 
den Scleimhäuten, oder zugleih mit äußeren 
Hautausichlägen auch innerlich auf jenen fich zeigen. 

Binnencontrole ift der Inbegriff der zur 
Verhinderung des Schleihhandels im Innern des 
Bollvereinsgebietes beftehenden Auffichtsmaßregeln 
über den Verlkehr zollpflichtiger Güter, Diejelbe 
befteht darin, daß über den Grenzbezirt hinaus 
im Innern des Bollgebietes nah Mafgabe der 
von der oberjten Landes Finanzbehörde nach den 
örtlichen Berbältniffen zu treffenden Anordnungen 
ſolche Waaren, melde einen Gegenftand Des 
Scleihhandels bilden, in fo weit einer Controle 
unterworfen find, daß 1) die aus dem Auslande| 
oder aus dem Örenzbezirle in das Innere des) 
Landes übergehenden Waaren mit den im Grenz- 
bezirfe empfangenen Bezettelungen bis zum Be« 
flimmungsorte begleitet fein miüffen, u. 2) von 
den Hanbdeltreibenden, welche dergleichen Waaren 








durch die Unkoften der Anlagen u. Unterhaltung 
der betr. Anftalten bedingt find. 

Binnit, ein feltenes Mineral, das rhombiſch 
fryftallifirt u. aus Schwefelblei u. Schwefelarjenif 
beftebt; findet fih im Binnenthal in Wallis. 

Binoeular (v. lat. bini, je zwei, u. oculus, 
Auge), für zwei Augen beftimmt. 

inoenlare Mikroffope beftehen aus je 
zwei Mikroſkopen u. find entweder für die beiden 
Augen deſſelben Beobachters (ftereoitopiiche Mi- 
troſtope), oder für zwei (trioculare für drei, quadri« 
oculare fiir vier) verfchiedene Beobachter beftummt; 
davon: Binocle (franz.), doppelter, zum gleich— 
zeitigen Sehen mit beiden Augen  beftinmter 
Opernguder. Wimmenauer M. 

Binoenlares Schen, das normale Sehen 
mit zwei Augen; ſ. Auge (Bewegungsapparat) ; 
ferner Gefihtswahrnehmungen; Stereojlop. 

Binoenlär-Teleftop , zwei derart mit ein- 
ander verbundene Fernrohre, daß man gleid- 
zeitig mit beiden Augen nad einem Gegenjtande 
jehen kann. Obgleich diefen Inſtrumenten gewiſſe 
Vorzüge nicht abgeiproden werden können, find 
doch größere der Art im Allgemeinen nod nicht 
in die Praris gelommen. Nur Heinere Theater- 
ferngläfer werden nad diefer Eonftruction ange- 
fertigt. 

Binominleoefficient (Math.), in derentwidel« 


ten Binomialformel (a + b)" — a" +n), — 


4 (u), ap? +... bie Eotfficienten (n) ,‚(n), 


u. f. f. der Producte aus den Potenzen der beiden 
Theile des Binomiums. Sie find nur vom Ex— 
ponenten n, nicht aber von den Gliedern des Bi- 
nomiums a u. b abhängig. Der Cokfficient des 
2. Gliedes jener Entwidelung, alſo (n),, iſt nad) 
der gewöhnlichen Bezeichnung der erfte B.; (n), 

’ 
der Coefficient des 3. Gliedes, der zweite u. ſ. f. 


n 
Der Werth des erjten B-en ift F der des zweiten 


— 
1. des dritten — 123 ‚des kten 


—1 —2)...(n—k+1 
* — rer), ein B. (n), ber 





3— — 
- 


7 


444 Binomijcher Lehrſatz — Binomium. 

deutet alfo ein Product von kZahlen, die von n u. 
anfangend je um 1 abfteigen, dipidirt durch ein ir (n), * (ng + (n); —— — 
Product von eh ne anfangend je fürn > (—1) 

um.  auffteigen. Es erhellt, daß k ftets eine ganze = 7 > 
pofitive Zahl jein muß, n eine beliebige fein fann. 1 (m; T (nm, (m); te. 0 
Die Ben haben merkwürdige Eigenjchaften; die fir n > 0. 


Die Bezeihnung der Been ift verſchieden ge- 


einfachiten unter ihnen find: a) (n), = Mk) wefen; flherDejeißnetemanz, 8.den ®. (n). durch 


danach find bei ganzen pofitivem nm biejenigen 
Ben, die gleich weit vom Anfange u. vom Ende der 


n 
Neihe abfteben, gleich; wenn n ungerade ift, fritt/n k 4 
jeder B. doppelt auf; wenn gerade, nur der mittelſte K oder B )) bei Euler zuerſt finder ſich 


nicht. b) (N). a4 NK — — Ik — 1)’ ftatt defien - ; die obige mebft der noch ein- 
danach laſſen fich die Bren jeder Potenz aus denen Tr f j ie 9, 

der vorhergehenden bevedinen; denn die Summe ſacheren Dr ift jegt die gebräuchliche. Die Bren 
von 2 benachbarten ift wieder ein B., der zum finden fich ſchon in Stifel® Arithmetica integra, 
nächithöheren Erpomenten gehört. Auf diefe Weile) 1544. Ihre Bildung für einen beliebigen Erpo- 
erhalt man für pofitive ganze Erponenten folgende |nenten unabhängig von den Ben der niedrigeren 


Tafel der Bren: 
nm do G)i () (u). lm) mds ma 


2j1|2/)1/0j0,00 
3i1l8s|83|1110010 
#lılaisiglııelo 
ST omslı 0 
: ıle/ so nelı 


u. ſ. mw. ce) ‚Ferner findet fich 


+" =a'+ an⸗ lp 4 
n(n—1)..(n—k+1) n—k;k 


1.83.“ k 
oder abgekürzt gejchrieben: 


(+ = a" + (a), an + (nat? 
+ (n),_ ja! En (nd 
Für u — 535.2. findet fich 


+..t 


1 * 2 * 


n(n—1)(n = a3 + 


+..+ (n),a 


Votenzen wurde jedoch erit von Briggs 1624 ge 
funden; fie mußte noch öfter (von Pascal, Fermat) 
erfunden werden, ehe fie fich einbürgerte. 

Binomifcher Lehrſatz, Binomialtheorem 
Math.), eine aualytiſche Formel, welche die Zur 
ſammenſetzung einer Potenz des Binomiums aus den 
beiden Gliedern deſſelben u. dem Erponenten der 
Potenz darftellt. Seine Form iſt für ganze poſi— 
tive Erponenten dieſe: 


n{in—1){n—2) n—3, , 

ea Sl 
n (n—1) 2,0—2 4 Appl, pn 
1. 1 


+ ...+ 


+..+ Ma 


(a+b)° = ad + 5atb + 10296? + 10a%b° + Baht + 99, 


Iſt b negativ, fo ift au b®, b®, b’.,.. ne⸗ Seite nicht eine endfiche, 


fondern eine unendliche 


gativ, u. damit wird das zweite, vierte 2c. Glied Reihe, wenn n feine ganze pofitive Zahl ift, und 


der rechten Seite negativ. Der Sag gilt für jedes 
beliebige a u. b. In diefer Form it er wahr- 
fheinfih von Pascal erfunden worden. 


jomit die Binomialcotfficienten (n), +V (n),, +92 


Er gilt/rr., die den Werth O haben, nicht auftreten. Für 


jedoch nicht bloß für ganze pofitive Erponenten, | beliebige Erponenten lautet der jog. allgemeine 
jondern für alle beliebigen; nur wird die rechte binomiſche Yehrjag: 


(a+b" — a" + (n), N b-+ (n),ary? +..+ (a), at KyK 


+... 


Für a — 1, — x, n— —4 3. 8 4 
-44_ — —— HE. add, 
(14x) U 
we u 
a 2.4 12.4.6 


Man fieht, daß der obige Sag ein fpecieller Fall 
von diefem it, herbeigeſührt durch das Verſchwin— 
den aller Binomialcodificienten von einem ber 
ftimmten Punkte au, Der allgemeine B. X. gilt, 
wenn a? > b* it, für jedes endlihe n; wenn 
a=b ift, für jedes endlide n, welches >— 1; 
wenn a — —b für jedes pofitive endliche n. Die 


Entwidelung von — — it alle nur richtig für 
x 
jedes x, welches zwiſchen —1 u. +1 liegt. Der 


allgemeine B. 2, ift von Newton 1676 entdedt 
worden u. eine feiner ſchönſten u. wichtigften Ent» 
dedungen; er ziert fein Grabmal in der Weit 
minfter-Abtei in Yondon. Des Erfinders Beweis 
beruht auf Induction; fpäter find allgemeine Be- 
weife mit u. ohne Hilfe der Analyfis des Unend- 
lichen gegeben worden; fo von Colon, Käftner, 
Euler, Yegrange, Candy. Vgl. die Unterfuchung 
Abels in Erelle, Journal für Matb., Bd. 1. 
Binomium (Binont, v. lat. bis, zweimal, u. gr. 


J 


445 


nömos Geſetz; Math.) ift eine aus 2 ganz beliebigen, | Erforihung dieſes Yandes von bedeutender Wich— 
pofitiven oder negativen, rationalen oder irratio- |tigfeit. 
nalen, reellen oder imaginären Gliedern beftehende| Binz, Babeort an der öſtl. Küfte der Inſel 
algebraifhe Summe, wie a + b; Ym—ryn. Rügen, zwiſch den Halbinſeln Jasmund n. Mönchgut. 
Sie: f. Juncus. inzer, Aug. Daniel, Freiherr v., hervor- 
Dinjenfänger (OREASSSERBEN Calamo- — Mitglied der Jenaiſchen Burſchenſchaft, 
e aquatica Lath.), Art der Rohrſänger (ſ. d.) geb. 1793 zu Kiel; erlernte zunächſt die Kaufmann- 
intang, Inſel im Sunda-Archipel, nordöſtl. ſchaft, reifte 1812—15 in commerciellen Zweden 
von der SSpitze der Halbinfel Malacca; 1156 km |in Schweden, Preußen, NDeutichland, Dänemark, 
(21 IM); etwa 18,000 Ew., Malaien u. Ehi-|den Niederlanden u. England u. ftudirte darauf 


Bine — Biographie. 


her 


neſen; ift gut angebaut; 
Zuderrodr, Indigo, Sago, 
der Ein- u. Ausfuhr beträgt 6 Mill. Gulden, je 
e Hälfte. B. fteht mit mehreren Heineren, im 
B. u. ©. liegenden Inſeln unter dem Sultan von 
Lingga, einer der füdlichen Inſeln, bildet aber 
zugleich mit denfelben eine niederländ. Reſident— 
Ihaft, welche nach Rio, der Hauptftadt von B., 
benannt ift. 

Dinterim, Anton Joſeph, lathol. Theolog, 
geb. 19. Sept. 1779 in Düffeldorf; ftubirte die 
Humaniora dafelbft bei den Erjefuiten, trat 1796 
in den Franciscanerorden, ftudirte nach beendigtem 
Noviciat Philofophie u. Phyſik in Düren und 
1798 Theologie in Nahen; 1805 wurde er Pfarrer 
in Bilt bei Düffeldorf; 1838 zog ev ſich wegen 
in feinen Predigten ausgefprochenen Tadels der 
Yandesgejege über die gemifchten Ehen eine ſechs— 
monatliche Feſtungsſtrafe zu, worauf er in fein 
Amt zurüdtehrte; er ft. 17. Mai 1855. °B. ver- 
öffentlichte: Collectio dissertationum elegantio- 
rum de matrimoniü vinculo in casu adulterii ete., 
Düffeld. 1807; Über Ehe u. Eheſcheidung xc,, 
ebd. 1819; Die vorzüiglichften Dentwürdigfeiten 
der Ehriftlich-Katholifchen Kirche, Mainz 1825 bis 
1838, 7 Bde; Die Katholische Kirche im Gegen- 
faße des Nationalismus u. Aftermyfticismms, Köln 
1827; Mit Mooren (Pfarrer in Wachtendonk bei 
Kempen): Die alte u, neue Erzdiöcefe Köln ꝛc., 
Mainz 18238—31, 4 Thle.; Pragmatiſche Gefchichte 
der deutfchen National-, Provinzial u. Diöcefan- 
concilien, Mainz 1835—43, 12. A., 1852, 7 Bbe.; 
Zeugniffe für die Echtheit des heil. Nodes zu 
Trier, Diffeldorf 1844; Des Erzbiihofs von 
Köln C. A. v. Drofte Schrift über den Frieden 
unter der Kirche u. den Staaten erläutert u. ver— 
theidigt, Mainz 1845, 2 Thle.; Die Wine u. 
Vorſchläge der katholischen Geiftlichkeit Düffeldorfs, 
Düffeld. 1848; Die geiftlihen Gerichte in der 
Erzdiöceje u. Kirchenprovinz Köln vom 12.—19. 
Jahrh., ebd. 1849; Wie können Diöcefanfynoden 
durch andere fanonifche Mittel erſetzt werden, ebd. 
1850; Hermann II, Erzbiſchof von Köln, ebd, 
1851; Über Brauns Schrift: Die Sage von den 
geborenen Cardinälen der Kölniſchen zc. Kirche, 
Köln 1852, 

Binue (d. i. Mutter der Gewäſſer), früher 
Tſchadda, mächtiger Nebenfluß des Niger im Neger: 
reiche Adamaua; Quelle unbefannt, Mündung an 
der Grenze von Soloto; Nebenflüffe: Mayo» 
Kebbi u. Faro. Diefer Fluß, welcher 1851 von 
Barth auf dem Bereinigungspunfte mit feinem 
Zufluffe, dem Faro, überfchritten u, 1854 von 
einem engliihen Dampfer befahren wurde (vgl. 
Br. 1. © 238), ift als die einzige Wafferftraße 


„ Hanpterzeugnifle: Pfeffer, \in Kiel u. feit 1818 in Jena, wo er an den Be— 
Neis. Der Werth ftrebungen der Burfchenichaft lebhaften Antheil 


nahm u, neben verichiedenen frifchen, noch heute 
viel gefungenen Studententiedern (Stoßt an, Jena 
ſoll leben zc.) den berühmten Grabgejang der 
Burihenihaft: Wir hatten gebauet ein ftattliches 
Haus zc. dichtete. Nah der Auflöfung der Bur- 
Ihenihaft (26. Nov. 1819) ging er nach Alten 
burg u. vedigirte bier den 1. Bd. des Encyflos 
pädiſchen Wörterbuches (Bierers Univerſal-Converſ.⸗ 
Lerifon, 1. Aufl), lebte dann, journaliſtiſch u. 
mit Überjegungen befchäftigt, in den verſchiedenſten 
Städten Deutichlands, gab unter dem Pjeudonym 
A. T. Beer 3 Bände ſchlichte Erzählungen und 
Novellen heraus, Yeipzig 1836; 1853 wurde er 
in den ruffiichen SFreiherrnftand erhoben, ver- 
brachte feine legten Lebensjahre in Alt-Auffee in 
Ober-Steiermart u, ftarb während eines Beſuches 
bei feiner Tochter 20. März 1868 zu Neiffe. 

Bio... (v. gr. bios, Leben), Lebens .... 

Biobio, Fluß in den Provinzen Araucania u. 
Eonception der füdamerilanifchen Republif Chile; 
entipringt auf den Anden, nimmt von rechts die 
Flüſſe Yaja u. Duqueco, von lints die Flüſſe Yer- 
gara u. Taboleo auf, fällt nach einem Laufe von 
etwa 300 km bei der Stadt Eoncepcion im den 
Großen Ocean; er ift nur für Heinere Fahrzeuge 
ſchiffbar. 

Biodynãmik (v. Gr.), Lehre von der Lebens— 
kraft oder Auffaſſung des Lebens, vorzüglich von 
der dynamiſchen Seite; daher biodynamiſch. 

Biograd (Bjelgrad), 1) Stadt in Bosnien, 
Sandſchak Bihatſch, ander Grenze zwiſchen Bosnien 
u, Kroatien gelegen; befeftigt. 2) Kleines Dorf in 
Dalmatien, füdöftlih von Zara; guter Hafen. Hier 
ftand einft die römische Stadt Blandona, welche im 
6. Jahrh. die Avaren zerftörten. Unter den Kroa- 
ten blühte die Stadt wieder auf, erhielt den jetzigen 
Namen u. war Krönungs- u. Rejidenzftadt Troat. 
Könige. Hier 1278 Sieg des byzantiniſchen Kaifers 
Michael über König Karl I. von Sicilien. Zum 
zweiten Mal wurde die Stadt vermwüftet in den 
verheerenden Kriegen, melde die Benetianer mit 
den Ungarn-froaten führten, u. zwar durch den 
Dogen Domenico Miciet. Nachher wurde B. der 
Sammelplag von Räubern u. im 17. Jahrh. 
zerftört; jett ift es nur von Fildern bewohnt. 

Jovanovic. 

Biogräphie (v. griech. bios, Leben, gräphein, 
jchreiben, Lebensbeſchreibung), Erzählungdes Lebens 
eines Menſchen. Die B. beſchränkt ſich nicht allein 
auf die Erzählung äußerer Umftände u. Erleb— 
niffe des Menſchen (das ift ein Curriculum vitae, 
Lebenslauf), fondern ftellt feine geiftige Entwidel- 
ung durch jene äußeren Umſtände u. Begegnifle 


in das Innere des centralen NAfrifa für die dar; daher auch eigentlich jene äußeren Umftände 


446 


Biographie. 


für die B. nur wichtig find, fofern fie auf den/1820—38, 13 Bde.; K. W. Böttiger, Die Weltge 


geiftigen Menſchen einmirkten. 


Der Biograph ſchichte in B-n, Berl. 1839 f.; Wurzbad, Bio: 


muß es alſo verftehen, im lebendiger Darftellung |graphiiches Wörterbuch Oſterreichs, Peit 1856 fi.; 
auch das Junere eines Menihen zur Schau zu Allg. Deutihe B., Lpz. 1875 f.; Männer bei 


legen u. ihn feinen Gefinnungen u. feinem Cha— 
ralter nach zu ſchildern, ſowie die Motive feines 
Wirkens u. diefes felbft feinem eigentlichen Gehalte 
nad in geböriges objectives Licht zu ftellen. Die 
Kunſt, eine B. zu fchreiben, heißt Biograpbif; 
fie bildet eine Unterabtheilung der Geſchichtſchreibe⸗ 
funft, deren allgemeine Regeln auch auf fie Ans 
wendung finden. Ein Biograph muß entweder in 
inniger Bertrautheit mit Dem geweſen fein, defien 
Leben er ſchildert, oder e8 müfjen ihm Materialien 
dazu von defjen Lebensvertrauten, oder durch das, 
was ein Menſch ſelbſt leiftete umd dauernd in 
feinen Schöpfungen, Schriften, Briefen, Tage- 
büchern, jchriftlihen Anflägen, Kunftwerfen x. 
binterfieß, zu Gebote ftehen. Bal. J. Wiggers, 
Über die B., Mitau 1777; Jeniſch, Theorie der 
Lebensbeichreibung, 1802. Lbergeht die B,, um 
fih dem Kunftmerfe zu nähern, das Unbedeu— 
tendere und läßt die innere Wahrheit unter 
frei geichaffener Darftellungsform ungetrübt ev- 
iheinen, fo entſtehen Lebensgeſchichten, der ähn- 
lih, welche Goethe unter dem Namen Dicht 
ung u. Wahrheit aus meinem Leben, gejchrie- 
ben hat. Beſchreibt Jemand fein Leben felbft, 
fo ift dies eine Auto-B. od. Selbft-B. Solde 
Selbft-B-en haben wir von Thomas Plater, Götz 
von Berlichingen, Hans v. Schweinichen, Geiz 
tofler, Hieron, Cardanus, P. D. Huet, Vittorio 
Alfter, Gibbon, Rouſſeau (Uonfessions), Mar- 
montel, Bronner, Jeruſalem, Spalding, Ehr. F. 
Weiße, Sulzer, Seume, Fr. Jacobs, Arndt u. 
m. A., u. die zahlreichen Memoiren (f. d.). Bgl. 
3. G. Müller, Beleuntniffe merfwürdiger Männer 
von fich felbft, Winterth. 1791—95, 3 Bde. Ben 
unter den Alten lieferten bei. Plutarchos, Philo— 
ftratos, Diogenes Yaertios, Cornel. Nepos, Ta— 
citus (B. des Agricola) u. Suetonins (die klei—⸗ 
neren griechiſchen Biographen gejammelt von We— 
ſtermann, Braunſchweig 1845); von Neueren 
Flechier, Fontauelle, Marzeaux, L. Racine, Bus 
rigny, de Sades, Voltaire, Boiſſy d'Anglas, 
Villemain, Couſin; Warburton, Middleton, Jortin, 
Johnſon, Murphy, Roscoe, Robertſon, Monk, 
Th. Moore, Marſhall, Southey, Waſhington Ir— 
ving; Jeruſalem, Schröckh, Nicolai, Herder, 
Sturz, Hirzel, Klein, Garve, Meißner, Niemeyer, 
ra Dippold, Luden, Barnhagen v. Enfe, 
Ziedge, Barthold, Döring, Perk, Perthes, Arneth, 
Dane, D. Jahn, Chrylander, Löher, Kapp, 

royſen, Nohl, Spitta, Springer, Thayer, D. 
Strauß, u.v. A.; ſ. die einzelnen Nationallitera- 
turen. Umfaſſende Werke: Das Wörterbuch von 
Moreri, Bayle (f. d.); die biographiihen Werte 
von Sam, Baur, Grohmann, Fuhrmann, Hirs 
ding, Ladvocat, Leidenfroft (ſämmtlich Terifal); 
Niemeyer, Schrödh u. A.; der Nefrolog von 
Schlichtegroll, Gotha 1790—1800, 1802 ff.; der 
neue Nekrolog der Dentihen, Weimar 1823—54, 
30 Bde.; die Ben oder Darftellimgen merlwür— 


diger Menſchen der 3 legten Jahrh., Halle 1802 
bis 1809, 8 Bbe,, ı. die Zeitgenofjen, Lpz. 1816, 


18 Bde.; Hemmings, Deutjcher Ehrentempel, Gotha 





Zeit, Biogr. Lexikon der Gegenwart, mit Suppl: 
rauen der Zeit, Lpz. 1858—62; Badiſche Bio: 
graphien, herausg. v. Weed, Heidelb. 1875; von 
ausländiichen größeren Werfen aber bejonders: 
Dictionnaire universel historique, ceritique et 
bibliographique, 9. Ausg., 1810 f., 20 Bbe.; 
Nouveau dietionnaire historique, von Chan: 
don u, Delandine, Paris 1821— 23; Mihauds 
Biographie universelle ancienne et moderne, 
Par. 1811—28, 52 Bde., und Suppl. zu derſ., 
1832—53, 31 Bde., 2. Ausg., 1843 fj., nene 
Ausg. Par. 1842—64; Biogr. univers., Brüſſel 
1843—47, in 21 Bdu.; Biographie moderne, 
2. Ausg., Straßburg 1816, 3 Bbe., überf. von 
Neihard, Yeipzig 1811, 6 Thle.; Biographie 
des hommes vivants, Paris 1816 bis 1819, 
5 Bde.; Biographie nouv. des contemporains, 
ebd. 1820—25, 20 Bbe.; Propiac, Plutarque 
des jeunes demoiselles, 4. Ausg., Paris 1825 
(über den Titel fiche unten); Biogr. portative 
des contemp., ebend. 1836, 4 Bde. (1 BD. 
Supplem.); Hauvells biographie genürale, Bar. 
1855 fi. (herausgegeben von Höfer); Vapereau, 
Dietionnaire universel des contemporains, Par. 
1854, 4 A., 1870; Biographia britanniea, Yon. 
1747— 66, neue vermehrte Aufl,, bloß bis zum 
5. Bde., 1778—93, Fol., deutjch, ältere Samm- 
lung von S. Baumgarten, Halle 1754—79, 10 
Bder; 3. Watlins, Universal biographical dieti- 
onary, neue Aufl., London 1825; Longmaı, 
Annual biography and obituary, ebd. 1817; 
Lodge, Portrait of illustrious personages of 
Great-Britain, Lond. 1821—34; Tipaldo, Biogr. 
degli Italiani illustri, Ben. 1835 —45, 10 Bde.; 
Duintana, Vidas de Espaßoles celebres, 1845, 
2 Bde., u. ö., deutih von Wolf v. Baubdiffin, 
Berlin 1857; Cardenas u. Diaz, Galerie de 
Espaüoles cel. contempor., Madrid 1841—46; 
Biografisk lexicon öfver namnkunnige Svenska 
män, Upf. 1835 fi.; Thaarup, Fädrelansk Ne- 
krolog, Kopenb. 1843 fi.; van der Wa, Biogra-, 
phisch woordenboek der Nederlanden, Haarlem 
1852—54, 4 Bde. Specielle Ben von Künſtlern 
ftellten zufammen: Füßli, Allgemeines Künftler- 
lerifon, 2. A., Züri) 1810—21, 13 Thle.; 
Nagler, Neues allgem. Künftlerlerifon, Münch. 
1835—52, 22 Bbe., 2. Aufl. von Jul. Meyer, 
Lpz. 1870 ff.; Miller, Die Künftler aller Zeiten, 
Stuttgart 1857 fi.; von Gelehrten u. Schrift- 
ftellern: Jöcher, Allgem. Gelehrtenlerifon, Leipzig 
1750 f., 4 Bde., fortgef. von Adelung, ebd. 1734 
bis 1787, u. von Rotermund, Bremen 1810—21, 
6 Bde.; Meufel, Gelehrtes Deutfchland, fortgei. 
von Erich u, Lindner, Lemgo 1796—1834, 23 
Bde,; Yerifon der von 1750—1800 verftorbenen 
deutichen Schriftfteller, Lpz. 1802—16, 15 Bde.; 
Wright, Biographia britannica literaria, London 
1843—46, 2 Bde.; Allibone, Critical dietionary 
of English literature, Phil. 1859; Kraft, Norsk 
forfatter-lexicon, Chrift. 1863; Erslew, Almird- 
eligt forfatter-lexicon for Danmark, Kopenh. 1845 
bis 1848, 3 Bde, u. a. ©. unter den National» 


Biologie — Biojophie. 


447 


fiteraturen. Noch jpecieller geben Andere B-fanım«!deib. 1808 u. 6. mit Theoktit. 2) B. Boryſthe— 


lungen von Theologen u, anderen Gelehrten, Dich» 
terinnen z2c. oder auch der Gelehrten einzelner 
Länder oder Orte, wie Schröder, Leriton Ham— 
burger Schriftfteller, Hamburg 1849 fi. u. |. w. 
In die Biographif iſt der Name des griechischen 
iftorifers Plutarchos typiich geworden, und man 
nennt daher eine Sammlung von Lebensbejchrei« 
bungen geradezu Pintarch; fo gibt es u. a. Plu- 
tarque frangais, Bar. 1844—47, und feit 1874 
erſcheint unter der Leitung R. Gottichalls ein 
Neuer Plutacch, Leipzig, Brodhaus; ag. Biblio- 
graphie, rambadı.* 

Biolögie (v. gr. bios, Leben, lögos, Lehre), 
Lebenstehre, 1) im meiteften Sinne des Wortes die 
Wiſſenſchaft von Allem, was eriftirt, lebt. 2) Im 
engeren Sinne die Lehre von den eigentlich Tebenden 
Weſen, den Pflanzen u. Thieren. 3) Zumeilen als 
die Lehre vom normalen menschlichen Daſein in phy— 
fiiher Beziehung aufgefaßt. 4) Ju dem Sinne von 
allgemeiner Phyfiologie u. weiter von Naturphilo- 
fophie genommen. Die Bezeihnung B. ift fehr 
ihwantend und follte darum gar nicht gebraudıt 
werden. In neuefter Zeit hat Pettenfofer den 
Namen B. als Titel für feine phyfiologiid-ätio- 
logiſche Zeitfchrift angewandt. Vgl. G. R. Tre- 
virauus, Biologie oder Philoſophie der lebenden 
Natur, Berl. 1802—1805, 3 Bde; Schelling, 
Uber das Leben u. feine Erfcheinungen, Yandsh, 
1806; Ofen, Biologie, Gött. 1806; Sim. Ehr- 
hardt, Das Leben u. feine Beihreibung, Nürnb. 
1816; Fr. Kreiſchmar, Gründe einer Phyſik des 
Lebens, Ypz. 1821, 2 Bde; F. X. Bichat, Re- 
cherches physiologiques sur la vie et la mort, 
Par. 18005 9. ©. Boafe, The Philosophy of 
nature, Pond. 1860; J. F. U. Trorler, Elem. 
der Viofophie, Augsb. 1808; F. Fredault, Phy- 
siologie generale, Bar. 1863; E. Neid, Die all 
gemeine Naturlehre des Menichen, Gießen 1865; 
H. Levitonx, Philosophie de la nature, Barjovie 
1871; Ch. Bernard, De la physiologie generale, 
Par. 1872. 

Biomagnetiämus (v. Gr.), Pebensmagnetis« 
mus, jo v. w. Ihieriiher Magnetismus (j. d.); 
daher biomagnetiſch. 

Biomantie (Biomantif, v. Gr.), 1) Beftimm- 
ung aus gewiſſen Zeichen, daß Yeben ftattgefunden 
hat, 3. B. aus der Yungenprobe. 2) Borherbe⸗ 
flimmung der Lebensdauer; daher biomantiſch. 

Biometrie (v. Gr.), 1) wahrſcheinliche Berech— 
nung der Lebensdauer. 2) Die Berehuung der 
Zeit zur weiſen Eintheilung und Benutung der» 
felben. . 

Bion, 1) griehiicher Dichter aus Smyrna; 
febte in Sicilien nad) der Zeit des Theokritos 
(260 v. hr.) u. farb an Gift. Er jchrieb im 
dorischen Dialekt u. nad} dem Mufter des Theofritos 
(daher als Buloliker bezeichnet) im dichteriſcher 
Form erotifhe Dichtungen und epigrammatijche 
Kleinigkeiten; übrig find 2 größere u. gegen 12 
fleinere Gedichte, deren fchönftes der, wenn aud) 
etwas weichlihe u. fhwillftige, Trauergefang um 
Adonis ift. B. wird mit Theofrit vereint hevaus- 


egeben, welchen er durchaus nicht ohme dichterijche | 
————— aber doch ohne Die rechte Freiheit nach⸗ 
zuahmen pflegte; deutſch von J. H. Boß, Hei⸗ 


nites, Philoſoph, aus Boryſthenes in Skothien; 
anfangs Akademiker, nah And. Kpnifer, dann 
der (jüngeren) Kyrenätfchen Schule zugethan; lebte 
im 3. Jahrh. n. Chr. am Hofe des" Antigonos 
von Mafedonien; er war Gegner des Polytheis- 
mus, daber Atheift genannt. Apophthegmen in 
Drellis Opusc. graec. Vgl. Hoogvliet, Vita Bio- 
nis, Leyd. 1821. 3) B., Mathematiker aus Ab- 
dera, Anhänger Demokritos'; behauptete zuerft, daß 
es Gegenden gäbe, wo es 6 Monate Tag u. eben« 
jo lange Rat wäre, 

Biondelli, Bernardino, ital. Archäolog, geb. 
14. März 1804 in Verona; ftudirte in Padua 
Spraden und Alterthumskunde, lehrte dann an 
Schulen in Benedig, Badua und Mailand, wurde 
1849 Director des Miünzcabinets in Mailand u. 
1860 Profefjor der Archäologie und Numismatit 
an der königl. Afademie, zugleih Director der 
Muſeen daſelbſt. Er jchr.: Studj sulle lingue 
furbesche, Mail. 1846; Saggio sui dialetti gallo- 
italiei, ebd. 1853; Studj linguistiei, ebd. 1856; 
Sull’ antica lingua azteca, ebd. 1860; Sulle 
monete auree dei Goti in Italia, ebd. 1861; 
auch entwarf er einen Atlante linguistico d'Eu- 
ropa, ebd. 1841, u. gab heraus: Poesie Lom- 
barde inedite del secolo XILL., ebd. 1856; Evan- 
geliarium, epistolarium et lectionarium aztecum, 
mit Überfegung u. Wörterbuch, ebd. 1860, und 
Zanettis Lettere sulle monete et zecche d'Italia, 
ebd. 1861. 

Biondi, Luigi, ital. Kunſtlenner, geb. 1776 
zu Nom; wurde Doctor beider Rechte, Präfident 
der archäologischen Atademie, erhielt den Grafen- 
titel durch König Karl Felix von Sardinien und 
den Titel eines Marchefe v. Bardino durch Papft 
Yeo XIL.; ft. zu Rom 8, Sept. 1839. Er jdır.: 
Littera sulla pittura delle nozze Aldobrandine, 
Rom 1815; Vita di Allessandro Tafioni, Pifaro 
1822; liberjetste die Georgica des Virgilius ins Ita— 
lieniſche; Imonumenti amaranziam illustrati dal 
marchese L. B. erfchienen zu Nom 1849 u. werden 
als Anhang (Bd. XI.) zu E. G. Bisconti$ Museo 
Pio-Clement. (Chiamara) betrachtet. Brambach. 

Biondo, Michael Angelo, geb. 4. Mai 1497 
in Benedig, geft. ebenda 1565; zeichnet ſich vor 
den Chirurgen feiner Zeit dadurch vortheilhaft aus, 
daß er bei der Wumdbehandlung zunächſt Alles 
entfernte, was zwiichen die Wundlippen üblicher 
Weiſe gebracht wurde, daß er für guten Zuftand 
des Magens u. Darmes forgte, vor Allem aber 
auf den mwohlthätigen Einfluß des falten Waffers 
hinwies: De partibus ietu seetis citissime sa- 
nandis et medicamento aquae nuper invento, 
Bened. 1542. Auch als ein früber Schriftfteller 
über die Syphilis ift er jehr zu beachten, die er 
nicht für eine neue, aus Indien ftammende Kraut» 
beit anfiebt: De origine morbi gallici deque 
ligni Indiei ancipite proprietate, Benedig 1542, 
Rom 1559. Thamhayn. 

Bionömle (v. Gr.), die Lehre von den Ge: 
jeten des Yebens überhaupt. 

Biophytum, Untergattung von Oxalis Z. 

Biofföpie (v. Gr.), Unterfuchung ilber die 
Lebensfähigkeit eines Wefens. 

Bioföphie (v. Gr.), 1) Lebensweisheit; 2) Auf- 


448 


faffung bes Lebens von feiner dynamiſchen Seite; 
jo v. w. Phyſiologie. 

Bioſtatik (v. Ör.), die Lehre von der Gefund- 
beit u. wahricheinlichen Lebensdauer des Menſchen 
unter beftimmten Verhältniſſen. 

Biot, 1) Jean Baptifte, berühmter franz. 
Phyſiker, geb. 21. April 1774 in Paris; widmete 
fi anfangs der Artillerie, fpäter den Naturwifjen- 
ſchaften u. der Matbematif, wurde Profeffor an 
der Centralichule zu Beauvais u. 1800 Profefior 
der Phyſit am Collöge de France in Paris; 
er wurde 1803 Mitglied des Inſtituts 1804 beim 
Obiervatorium u. 1806 am Bureau des longi- 
tudes angeftellt; ging in demſelben Jahre mit 
Arago nad Spanien, um die Meflung des Meri- 
dians von Paris fortzufegen, wurde 1808 in 
die Akademie aufgenommen u. erhielt 1809 bie 
Profeffur der phyſikaliſchen Aftronomie in der 
Facults des sciences. Gr nahm an der erften 
berühmten Ballonfahrt Gay⸗vLuſſacs theil u. machte 
1817 behufs aftronomiiher Beobachtungen eine 
Reiſe nach den Orkaden; der Heine Ausflug nad 
Aigle 1803 war von faft noch größerer willen» 
ſchaftlicher Bedeutung, weil dadurd das Thatjäch- 
lihe der Meteoritentälle unzweifelhaft feitgeitellt 
wurde, 8. ft. 3. Febr, 1862. Er hat fi be- 
fonder8 um die Lehre von der Polarifation des 


Bioftatit — Birago. 


villes et arrondissements de l’empire chinois, 
Par. 1842; Essai sur l’histoire de }'instrnetion 
publique en Chine, 2 Bde., ebd. 1845 j.; Chino 
et Indo-Chine, ebd. 1846, u, überjegte bie 
Tscheon-li, ebd. 1851 f., 3 Bde. 

Biow, Hermann, geb. um 1810 in Byetlan; 
widmete fi) den zeichnenden Künften u. warf ſich 
jchlieglich auf die Daquerreotypie, die er in Han! 
burg betrieb u. bedeutend vervollfommmete, Er it. 
in Dresden 1850. Seine Dagquerreotgpenfamn!» 
fung berühmter Zeitgenoffen erſchien in Stichen 
vervielfältigt in Leipzig 1850 fi. 

Biöryd (Chem.), eine Sauerftoffverbindung, 
welche zweimal fo viel Sauerftoff enthält, als das 
DOrvd; f. u. Oxydation. 

Bipartiren (v. Lat.), halbiren; daher Bipar- 
tibel, halbirbar; Bipartition, Halbirung; 
bipartitus, zmweitbeilig; Bipartiti (Halbirte), Bei« 
name der Apollinariiten, 

Bipartito-lobätus (Bot.), zweilappig; f. Blatt. 

Bipeden, zweitüßige Thiere, Zweifüßler. 

Biperforatus (Bot.), zweilöchertg. 

Bipetälus (Bot.), zwei Blumenblätter habend. 

Be (Bot.), doppeltfiederig, geichligt;z 
f. Blatt. 

Bipinnatus, doppelt gefiedert; ſ. Blatt. 

Bipontium, lateinischer Name für Zweibrüden 


Lichtes und um die Barometerbeobadhtungen ver⸗(ſ. %.); daher Bipontiniihe Ausgaben (Bi- 


dient gemacht, u. jchr.: Traité analytique des 
courbes et des surfaces du second degre, Par. 
1802, erlebte 6 Aufl., deutſch von Ahrens, Nürnb, 
1817; Traite &löm. d’astronomie physique etc., 
Par. 1805, 2 Bde., 3. A., 5Bde., 1851; Tables 
barom. portatives, ebd. 1811; Becherches sur 
les mouvements des molecules de la lumiere 
autour de leur centre de gravite, ebd. 1814; 
Traite de physique experim. et math@mat., ebd. 
1816, 4 Bde., deutih von F. Wolf, Berl. 1818, 
2 TIhle.; im Auszuge: Précis lömentaire de phy- 
sique, ebd. 1818—21, 2 Bde., u. ö., deutſch von 
Fechner, *3 1828 f., 5 Bde.; Recueil d'obser- 
vations geodösiques, astron. et phys., ebd. 1821; 
Astronomie egyptienne appl. aux monuments 
astron., Bar. 1823; Sur quelques determinations 
d’astronomie ancienne (Comptes-rendus, 1834, 
30. Juni); Recherches sur plusieurs points de 
Vastronomie egyptienne, Par. 1829; Recherches 
sur l’ancienne astronomie chinoise, ebd. 1840; 
Etudes sur l’astronomie indienne et sur l’astr. 
chinoise, ebd. 1862, Zahlreiche ſehr werthvolle 
Abhandlungen finden fi} auch in Annales de phys. 
et de chim,, in den Me&m. d’Arcueil, im Journ. 
des Savants u. a. wiſſenſchaftlichen Zeitjchriften. 
2) Edouard Couſtant, Sinolog, Sohn d. Bor., 
geb. 2. Juli 1803 in Paris; machte jeine Studien 
auf der Bolytehniichen Schule 1822—24, bereifte 
dann mit feinem Bater Falten von 1824—25, 
trat als Techniker in den Staatsdienft u. über- 
nahın für eine Privatgejellichaft den Bau der Eijen- 
bahn von yon nah St. Etienne. Nachdem er 
die technische Praris aufgegeben, widmete er fich 
ausshliehlih dem Studium der hinefiichen Sprache 
u. wurde 1847 Mitglied der Academie des inscrip- 
tions; er ft. 12. März 1850. B. ſchr. außer einer 
Menge Abhandlungen im Journal des Savants n. 
Journal asiatique: Dictionnaire des noms des 


pontinen), zu Zweibrücken gedrudte Ausgaben der 
griechiſchen u. römiſchen Claſſiler. 

Bipp, zerſtörtes Bergſchloß im Bez. Wangen 
des ſchweizer Kant. Bern, auf einem Felſen an der 
Aar; foll das Castram Pipini gewejen fein; jett 
nur noch ein Meierbof. die Herrſchaft B. kam 
1463 an Bern. Dabei zwei Dörfer: a) Ober- 
B., 860 Ew., mit den eingepfarrten Ortichaften 
Wiedlisbach, Attiswyl u. einigen anderen zujan«- 
men gegen 4000 Ew., die von Getreidebau, Bieh- 
u. Obftzudt leben; b) Nieder-B., 2300 Em.; 
treibt Landwirthſchaft. 

Biquadrat (v. Lat., Math.), das Quadrat des 
Quadrats, d. i. die 4. Potenz einer Größe; wie 
16 von 2, denn 2.2.2.2 = 2* = 16; baber 
biquadratiich; fo eine Parabel, wenn in der- 
jelben y = ax* + bx? + cx? + de + e; oder 
eine Wurzel, eine Zahl, die viermal als Factor 
gefetst al$ Product die gegebene Zahl gibt, 3. 3. 
4 


v16=2; oder eine Gleihung, in welder der 
höchſte Erponent der uubelannten Größe die 
Zahl 4 ift. 

Bir (arab.), jo v. w. Waffer, Brunnen; daher 
B. el Ab u. B. el Suez in Unter-Agypten, B. 
el Gabah, B. el Tabayet, B. Ghariam u.a. 
in der Wifte Sahara. 

Birägo, Karl, Freiherr v., ausgezeichneter 
öfterr. Militär-Techniler, geb. 24. April 1792 in 
Eafcina d'Olmo bei Mailand; ftudirte in Pavia 
Mathematik u. trat 1812 in die Militärichule in 
Pavia, 1813 wurde er zum Unterlieutenant u. 
Adjutant an der Militärjchule ernannt, an welcher 
er and Vorträge in der Geographie u. Geſchichte 
hielt; 1816 wurde er zu einem nfanterie-Regi- 
ment verjegt u. zur Dienftleiftung dein Militäriſch- 
Geographiihen Anftitut zu Mailand überwieſen. 
Seit 1821 zum Pionniercorps verjegt, recognos« 


Birague — Birch Pfeiffer. 


cirte B. die Operationslinie gegen Piemont und 


449 


‚lien unternommen hatte, trat er 1856 eine zweite 


war 1822 bei den Aufnahmen in den Alpen be- Reife dorthin an, um die Gampana-Sammlung 


ſchäftigt; 1823 wurde er Lehrer der Mathematik 
an der Pionniercorpsichule zu Mailand. Schon 
während biefer * wendete B. feine Aufmerkſam⸗ 
keit beſ. auf Verbeſſerung des Kriegsbrückeuweſens, 
n. nachdem er 1826 zum Oberlieutenant befördert. 
u. 1827 zum Öeneralftabe verſetzt worden war, 
gelang es ihm, meientlihe Vortheile bei dem 
chlagen der Yaufbrüden zu erzielen, mit denen 
er 1825 die erften gelungenen Berfuche machte u. 
welche 1828- für die Armee eingeführt wurden; 
1830 rüdte er zum Hauptmann vor und wurde 
bis 1835 bei dem Baue des feiten Lagers bei 
Linz, dann durch den Herzog Franz IV. von Mo» 
dena mit der Yeitung, ber Befeftigungsanlagen 
um Schute des Po-llberganges bei Breicello 
eauftragt. 1836 zum Major im Generalftabe be» 
fördert, verfaßte er im höheren Auftrage eine An- 
leitung zur Ausführung der im Felde am meiften 
vortommenden Pionnierarbeiten u. Unterſuchungen 
über die europäiihen Militär-Brüden- Terrains u. 
Berjuche einer verbefferten, allen Forderungen ent- 
ſprechenden Militärbrüdeneinrihtung, ging auf 
Aufforderung zum zweiten Mal nad Modena u. 
baute 1839 eine Brüde über den Bo bei Bre- 
fcello; 1840 leitete er die Herftellung einer Brücden- 
Eguipage nad) feinen Grundfägen u. fchlug eine 
Brüde über die Donau bei Wien, worauf er zum 
Dberftlieutenant u. Wachtmeifter bei der königlich 
Iombardifch-venetianifhen adeligen Leibgarde er- 
nannt wurde. Im nächften Jahre wurde das 
Brüdenmaterial nah feinem Syjtem als einzige 
Kriegsbrüde bei der Armee eingeführt u. B. zum 
Oberſten befördert u. 1842 zum Unterlientenant der 
adeligen Leibgarde, 1844 zum Commandeur der 
vereinigten Pionnier- u. Pontonntercorps ernannt 
n. im Mai 1845 in den Freiherrnſtand erhoben. 
Er fl. 29. Dec. 1845 in Wien. Meinardus.* 

Birague, Rene de B., geb. 1510 in Mais 
land; trat in franzöftfche Dienjte, genoß die Gunft 
Heinrich IL., der ihn zum Gouverneur von Lyon 
u. zum Parlamentsrathe in Paris ernannte, wurde 
dann Günftling Katharinens von Medici u. war 
einer der Haupturheber der Bartholomäusnacht; 
er wurde 1570 Siegelbewahrer, 1573 Kanzler von 
——— u. zuletzt noch Prieſter; er ft. 1583 als 

tichof von Lavaur u. Cardinal. 

Birbhum (Beerbhoom), Diſtr. der Präfident- 
ſchaft Bengalen in Vorder-Indien, füdlih von 
Bhagulpore, u. 230 22° bis 24° 40' u. Br. u. 860 25 
bis 88° 30' w. L.; 12,300 [_]km; 1,041,000 Ew.; 
bewäffert von zahlreichen Gebirgsbächen, 3. B. 
Hadidi, Barafa; vortrefflihe Kohlen u. Eijenerz; 
1755 von Delhi an die Engländer abgetreten. 

Bird, Samuel, der bedeutendfte engl. Ägypto⸗ 
fog der Gegenwart, geb. 3. Nov. 1813 zu Yon« 
don, wo er auch feine erfte wiffenjchaftlihe Aus— 
bildung erhielt; warb 1836 an dem Britijchen 
Mufeum fir die Abtheilung der Antiquitäten an— 

eftellt, deren Director er 1844 ward und deren 
Borland er blieb, bis er 1861 zum Director der 
orientaliichen Alterthümer befördert ward. Nad- 
dem er ihon 1846 im Wuftrage des Britiichen 
Muſeums zum Zwecke der Unterfuhung der ägup- 
tiihen Sammlung Anaftafis eine Rei 


in Rom für das Britiſche Muſenm anzufaufen. 
Im Sept. 1874 eröffnete er als Präfident den 
zweiten internationalen Orientaliften-Congreß zu 
London. Seine Hauptthätigkeit erftredte fih auf 
die Erflärung der Hieroglyphen u. die Erforich- 
ung des ägyptiſchen Alterthums. Cine große 
Anzahl bezüglicher Arbeiten erichien in den Ab» 
banblungen der Royal Society of Literature zu 
?ondon, der Revue archeologique zu Paris, der 
Beitfchrift für ägpptifche Sprache zu Berlin. Außer- 
dem ſchrieb er eine Introduction to the study of 
Hieroglyphs, 1857, u. gab insbejondere mehrere 
wichtige Papyrusterte (1863, 1865) heraus. Neben 
dem Aegyptiſchen beichäftigte er fi auch mit dem 
Chineſiſchen u. mit Numismatif u. ward einer der 
Begründer der Society of Biblical Archeology 
in Yondon, in deren Auftrag er die Records of 





r nad) Ita⸗ dig fertig vor, u. ih 
Vierers Univerfal-Converfations-Leriton. 6. Aufl. M. Band. 


the Past (bis jetst 3 Thle.) herausgibt. B. war 
nahe mit Bunjen befreundet, für den er bie 
Iinquiftiihen Partien des Wertes: Agyptens Stelle 
in der Weltgeichichte, Gotha 1845—57, bearbeitete. 
Ganz menerdings ift er dur die Entdedung, 
daß die Sprache der cypriſchen Inſchriften ein 
griechiſcher Dialekt ift (1872), auch außerhalb des 
Kreifesder Drientaliften befanntgervorden,. Schrader. 

Birchigung, Paß im Himalaja-Geb., zwiichen 
STibet u. dem Diftr. Kumaon, Border» ndien, 
5400 m Höbe, 

Birdy-Pfeiffer, 1) Charlotte, deutiche dra- 
matiſche Schriftjtellerin, geb. 23. Juni 1800 in 
Stuttgart; betrat, einer unbefiegbaren Neigung zur 
Scaufpielfunft folgend, bereits ın ihrem 13. Jahre 
die Hofbiibne zu München, wo fie bald als tragijche 
Liebhaberin Hervorragendes leiſtete, u. machte von 
1819— 23 größere Kunftreifen, fie verbeirathete 
fi) 1825 mit dem Schriftfteller Dr, Birch (ft. 1868), 
leitete von 1837—43 das Theater in Zürich und 
folgte 1844 einem Rufe an die Hojbühne in Ber- 
fin, wo fie dann bis zu ihrem am 25. Aug. 1868 
erfolgten Tode engagirt war. Ihre zahlreichen 
Dramen ftellte fie, da fie ſelbſt keine Erfindungs« * 
gabe bejaf, aus Romanen u. Novellen von Victor 
Hugo, Tied, Spindler, Storh, Auerbah u, U. 
ber, ohne den Stoff erſt ſchöpferiſch umzugeſtalten; 
denn fie wollte feine Kunftwerfe ſchaffen, jondern 
nur ein effectvolles, entweder rührendes oder be» 
luftigendes, vor Allem aber die ſchauluſtige Menge 
befriedigendes Theaterftüd liefern. Dies gelang 
ihr beſ. mit dem geſchickt eingerichteten Stüden: 
Der Glödner von Notre-Dame, romant. Drama 
in 6 Zableaur (1834); Hinfo, der Freilnecht, 
Drama in 5 Acten u. 1 Borjpiel (1834); Die 
Marquife von Billette, Schaufp. in 5 Acten (1845); 
Dorf u. Stadt, Schaufp. in 2 Abth. u. 5 Acten 
(1848); Die Waife von Lowood, Schaufp. in 
5 Acten (1855); Die Grille, ländl. Charafterge- 
mälde in 5 Acten (1857) u. A. Hauptjächlich mit 
den drei leßtgenannten Dramen errang fie bedeu- 
tende Erfolge, die fie freilich zum großen Theil 
Auerbach, der EurrersBell u. der George Sand 
zu verdanten hatte, denn die efjectvollen Partien 
des naiven Porle, der ſpröden Jane Eyre u. der 
wilden, trogigen Fanchon fand fie bereits vollitän- 
r einziges Verdienft war ſchließ⸗ 

29 


450 


li die bühnengerechte Zuftugung des gegebe- 
sen Stoffes, Ihre gelammelten dramatiſchen 
Schriften erichienen in 13 Bon., Lpz. 1863—69. 
2) Wilhelmine B., Tochter der Bor., geb. 1836 
zu Münden; verlebte ihre Kindheit in Zürich, ihre 
Jugend in Berlin, betrat 1856 die Bühne und 
feiftete bereits in hochtragiſchen Rollen Bedeuten- 
des, als fie dem Theater entjagte u. fich mit dem 
Hofgeridhtsrath v. Hillern in Mannheim verbei- 
rathete. Zur Zeit lebt fie, mit luerariſchen Ar- 
beiten beichäftigt, in Freiburg i. Br., wo ihr Ge- 
mahl die Stelle eines Director® des dortigen 
Kreis⸗ u, Hofgerichtes befleidet. Ihr fiterariiches 
Grftlingswert: Doppelleben, Berl. 1865, 2 Bde, 
it unbedeutend, der dann folgende Roman; Ein 
Arzt dir Seele, Berl. 1868, 4 Bde., welcher fi 


gegen die faljch verftandene Geiftesemancipation derjung der Indianer auszeichnet. 


Frauen richtet, bietet dagegen jcharfe Zeichnungen 
u. geiftvolle Keflerionen; weniger gelungen, weil 


zu breit u. oft umerquidlich, tft der Noman: Aus lung früher veröffentlichter Zeitungsartifel. 


Bird — Sta. Birgitta. 


romance of Mexico, eröffnet wurde, Prescott 
(1. d,) rühmt das in diefem Werfe herportretende 
Studium der Gitten der alten Einwohner des 
Landes u. die treffenden Schilderungen der Natur« 
ſchönheiten u, vergleicht ihn deshalb mit Cooper; 
nur ift ihm bierin die Nahahmung der Redeweiſe 
der ſpaniſchen Krieger weniger gelungen, wiewol 
ionft der gewandte Dialog in jeinen Romanen 
den geübten Dramatifer leicht erkennen läßt. 
rip ſchloß fi im folgenden Jahre: The Infi- 
del, or the Fall of Mexico, zwar ein eigenes 
Ganzes bidend, aber 3. Th. mit den Perjonen des 
vorangehenden Romans. Sein bedeutendites Werk 
it das 1837 erichienene Nick of the Woods, wel- 
bes fih in Keutudy nad dem Unabhängigfeits- 
friege abipielt u. fi bei. dur getreue Schilder- 
Unter feinen 


‚übrigen Werfen nennen wir no: Peter Pilgrim, 
or a Rambler’s Recolleetions, 1838, eine Samms 


Bon 


eigener Kraft, Lpz. 1873, 3 Bde., welcher die) 1839—47 midmete er fih dem Farmerleben und 


Entwickelungsgeſchichte eines ſchwächlichen Knaben 
ſchildert, der ſich durch energiſchen Willen zu einem 
thatkräftigen Manne herausbildet. Salomon. 
Bird, 1) William, Componiſt, Sohn eines 
tüchtigen Orgelſpielers aus der Kapelle Eduards VI. 
von England, geb. um 1543, Schüler von Tallis; 
bildete fi zu einem guten Örgelfpieler und be: 
rübmten Compomiften aus, B. wurde 1563 Or 
ganift an der Kathedrale zu Lincoln; 1569 trat er 
in die Kapelle der Königin u, wurde Organift in 
derielben (vor 1575); er ft. 1623. Seine Werte find 
meiftens Chorftüde, nad dem Geſchmacke der Zeit 
polgphon mit fünftliher Stimmführung. Im J. 
1575 erichienen von ıhm u. feinem Yebrer Can- 
tiones saerae. Berzeihniffe feiner Werte geben 
Burney und Hawfıns im ihrer Muſilgeſchichte. 
2) John, geb. 1709 zu Durham, anfangs Yein- 
weber dafelbit, dann Mechaniker; lieferte größere 
aftronomishe Duadranten (Mauerquadranten), 
3. B. für Greenwid, Paris, Göttingen, Peters— 
burg. DB. war der Yebrer Ramsdens; er ft. 
« 31. März 1776 zu London. Er ſchr.: "The method 
ofdividing astronomical instruments, Yond. 1767, 
u. The method of constructing mural quadrants, 
ebd. 1768. B) Edward, engl. Genremaler, geb. 
1774 in Wolverhampton, get. 2. Nov. 1819; anr 
fangs Theebrettmaler, Vorſtand einer Zeichenſchule 
in Briftol, trat er erſt 1799 als Künitler auf, ward 
Hofmaler der Prinzeifin Charlotte u. Mitglied der 
Akademie. In feinen Bildern zeigt ſich viel 
Wahrheit u. Natürlichkeit, weniger Tiefe. Haupt» 


gab dann mit Morton Michael die North-America 
and United States Gazette in Philadelphia 
heraus, in deren Spalten ihm Jener nad feinem 
im Januar 1854 erfolgten Tode einen warmen, 
beredten Nachruf widmete, 

1) Brambach. 3) Regnet. 4) W. Körner. 

Birdjän, Stadt in der perfiihen Prov. Kho— 
raſſan; 20,000 Em. die bef. ſchöne Teppiche be- 
reiten u. lebhaften Handel nad Jezd, Teheran, 
Herat u. Kandahar treiben. 

Biredſchik, Stadt im Liwa Urfa des aftatiich- 
tür, Bilajets Haleb, linls am Euphrat, der bier 
ichifjbar wird, 182 m üb, d. Meere; bedeutender 
Zranfithandel, 

Birsmis (lat.), Zweideder; f. u. Schiff (Ant.). 

Birger, 1) Jarl, ausdem Haufe der Follunger, 
Schwager des Königs Erid X. von Schme- 
den; führte ſeit 1250 die Neichsregentihaft für 
deffen unmündigen Sohn Waldemar, war im 
Wirflichkeit aber jelbft König (j. Schweden); er 
gründete Stodholm u. ft. 1266 zu Hialmbolund. 
1854 wurde ihm in Stodholm ein Standbild er— 
richtet. 2) B. IL, Urentel des Vor., Sohn u. 
Nachfolger des Königs Magnus I. von. Schweden; 
regierte don 1290—1303 unter Thortel Knudſons 
Vormundſchaft, dann allen, wurde aber wegen 
jeiner Grauſamkeit vertrieben; er fl. 1321 in 
Dänemark (j. ebd.). » 

Sta. Birgitta (Brigitta), ſchwediſche Edle 
aus dem Geſchlechte Brahe, Tochter von Birger 


| Beterfon, geb. um 1302, Gattin des fünigl. Rathes 
werte; Die Einichiffung Ludwigs XVIII.; Das 


Ulf Gudmarſon. Als Ulf Ciſtercienſer geworden 


Schlachtfeld von Chevy-Chafe. 4, Robert Mont- war ur. kurz darauf (1344) ftarb, fing fie ein 


gomery, amerikan. Dichter, 
Newcaſtle (Delaware) u. in Philadelphia gebilder; 
begann feine ſchriftſtelleriſche Laufbahn, abgejeben 
von Meineren, in einer Zeitihrift von Philadelphia 
gedrudten Erzählungen, als Tragifer ; von feinen 
Zrauerjpielen wurden drei: The Gladiator, Ora- 
loosa u. The roker of Bogota, mit großem 
Erfolge auf die amerifaniihe Bühne gebracht, wo 
fi das erjtere noch heutzutage behauptet. Be- 
ſonders aber machten ibn belannt feine meift 
biftoriihen Romane, deren Weihe 1834 mit 
Calavar, or the Knight of the Conquest, a 


geb. 1803 zu) 


fiöjterliches Yeben an, lebte erft im Klofter Alvaltra 
unter Mönchen, ftiftete dann das Frauenkloſter 
Wadjtena u. gab ihm 1363 eine eigene Ordens⸗ 
regel (f. Birgittenorden); fpäter wallfabrtete fie nach 
Rom u. Paläftina; fie ft. in Rom 1373. Ihre 
Gebeine lieg ihre Tochter Sta. Katharina nach 
Wadftena bringen. Sie wurde 1391 kanonifirt; 
ihr Tag war jonft der 8., jegt der 7. Oct. Bon 
ihr: Kevelationes Stae. Birgittae, Rom 1488 u. ö. 
Vgl. Hammerich, ©. B. die nordiiche Propbetin 
u. Orbdensftifterin, deutih von Michelien, Gotha 
1872, Löffler.” 


Birgittanernonnen — Birkenfeld, 


Birgittanernonnen (Birgitterinnen) bon 
der Recollecrtion, eine im 17. Fahrh. von Maria 
v. Escobar zu Balladolid geftiftete Congregation 
von Nonnen nah der Regel der Sta. Birgitta, 
die im 18. Jahrh. 4 Klöſter in Spanien hatte u. 
fih, wie die Benedictinerinnem, nur mit rothem 
5 auf dem Kopfichleier Heidete, 

Birgittenorden (Orden des Meltheilandes, 
Erlöferorden), die von der Sta. Birgitta in dem 
1344 von ihr erbauten Klofter zu Wadftena ger 
ftiftete u. 1370 von Urban V. beftätigte Vereinig— 
ung von Nonnen (Birgittinen) und Mönchen 
(Birgittiner) unter einem Dache. In jedem 
Kiofter ihres Ordens follten 60 Nonnen, 13 Priefter, 
4 Diafonen u. 8 Laienbrüder leben, jo aber, daß 
Mönche u. Nonnen einander nie fahen, von Al- 
mojen lebten, fih niit Mariendienft und Todes- 
erinnerungen beſchäftigten u. von der Abtiffin mit 
Hilfe eines aus den ‘prieftern gewählten Beicht- 
vaters regiert wurden. Beide Gejchlechter erhielten 
graue Kutten, die Nonnen eine Krone von drei 
mweißen Streifen mit fünf rothen Flecken, die 
Mönche roth u. weiße Kreuze. In Dänemarf, 
Norwegen, England, den Niederlanden, Deutichland, 
Stalten, Portugal ꝛc. wurden diefen Orden Kiöjter 
errichtet. Dem berühmteſten Kloſter des B-8 in 
Deutihland, S. Salvator zu Augsburg, gehörte 
Ocolampadius eine Zeit lang an. Duich die 
Reformation um die meiften feiner Klöfter ge 
bracht, hatte der Orden im 18. ZJahrh. nur noch 
4 in Deutihland (Marienforft u. Sion im Köl- 
nijchen, Marienbaum in Kleve u. Altmünfter in 
Bayern), welche nun auch aufgehoben find, Xöffter.* 

et. Birinus, einer der Apoftel Englands; 
gründete das Bisthum zu Dorceſter u. ft. als 
erfter Biſchof daſelbſt 640; Tag: 3. Dec. 
Biriuſſen, Boll von türkiicher Abſtammung 
in Sibirien, Gouv. Jeniffeist, in der Abaleniſchen 
Steppe; Rußland tributpflidtig, aber im Aus- 
fterben begriffen. 

Birintjch, Kreisftadt im ruff. Gouvernement 
Woröneib, an der Sofna, einem Nebenfluffe des 
Don; Fabriken in Leder, Wolle, Yeinwand und 
Seife; Handel; 3062 Ew. 

Birkat (Birket, arabiſch), fo v. w. See; daher B. 
ad Dewara, Seen im Natrumtbal in Unter 
Ägypten; B. el Ballah, auf der Yandenge Suez; 
B. el Hadfſchi (Pilgerfee), in Unter-Agypten; 
B. el Kerun, See in Mittel-Agypten, der Möris— 
See des Alterthums; B. Mariut, Sce in Dlittel 
Ägypten, ſonſt Mareotis; B. Lut, jo v. w. 
Todtes Meer. 

Birke, j. Betula. 

Birken, Siegmund v., deuticher Dichter, 
geb. 5. Mat 1626 zu Widenftein bei Eger; flüd)- 
tete mit jeinem Bater, dem evangel. Prediger 
Daniel Betulins, vor confejfionellen Berfolgungen 
nad Franken u. nah Jena, ftud. hier jeit 1643 
anfangs Furisprudenz, dann Theologie, wurde 
1645 in Nürnberg unter dem Namen Floridan 
in den BPegnisichäferorden aufgenommen, 1646 
Erzieher der Prinzen Anton Ulrich u. Ferdinand 
Albrecht von Braunfchweig- Wolfenbüttel, beſuchte 
Nieder-Sachſen, Hamburg und Holftein, kehrte 
1648 nad Nürnberg zuräd, wurde 1655 geadelt 
(worauf er feinen Namen ins Deutjhe zuride 


451 


überfetste), fpäter von Ferdinand III. zum Kaiſer— 
lihen Dichter gekrönt; er ft. 12. Juni 1681. 
B. war mit den Alten vertrauter, als Opig, 
wußte in Überfegungen ihren Ton u. Sinn beffer 
zu treffen und in würdiger, natürliher Sprache 
wiederzugeben. In feinen eigenen Dichtungen 
aber fehlt e8 ihm gerade befonders an der Natür« 
lichleit und Einfachheit, nicht an Geift. Bon 
dem berrfchenden framzöfiich «niederländiichen Ges 
ihmade Ienkte er nod vor den Schleſiern zum 
ſpaniſchen umd italienischen über. Sein ſchönes 
projaiiches Talent verzettelte fih in haſtiger Biel« 
jchreiberei. Schriften: Die friederfreute Teutonia, 
eine Gelegenheitsihrift von dem Teutoniſchen 
Friedensvergleih u. f. w., Nürnb. 1652; Oft 
ländifcher Porberhayn, ein Ehrengedicht von dem 
höchſtlöblichen Ertzhaus Öfterreich u. |. w., Nürub. 
1657; Guelfis oder Niederfächfiiher Lorbeerhayn, 
Rürnb. 1669; Teutſche Nede-, Bind- u. Dichte 
kunſt, u.f.w,, Nürnb. 1679. B-8 Gedichte bilden 
den 9, Band von W. Müllers Bibliothek deutſcher 
Dichter des 17. Jahrh., Lpz. 1826, ꝛc. 
Birkenfeld, 1) Fürftenthum, zum Großherzog. 
thum Oldenburg gehörig, ganz von der preuß. Rheins 
prowinz (Regbez. Trier n. Koblenz) umſchloſſen; 
502,47 [km (9,15 [IM); 36,128 meift evangel. 
Em.; größtentheils gebirgig durd das Schiefer 
gebirg, einen Theil des Humdsrüd, waldreich; 
ergiebiger Bergbau (Eifenftein, Achat). Die Eins 
wohner find betriebfam im Achatjchleifen, unechten 
Bijouterien u. Viehzucht; der Aderbau dedt micht 
den Bedarf des Landes, die Wälder nehmen über 
7, des Areals ein. Das Fürſtenthum ift von der 
Nabe u. der Rhein-RNahe-Bahn durchſchnitten; es 
theilt fich in die Amtsgerichtsbezirfe B., Oberitein 
u. Nobfelden, mit 7 Bürgermeiftereien. Budget 
für 1874: Einnahmen 471,000 M, Ausgaben 
585,000 M, Schuld 19,878 M. Die Juftiz wird 
von einem Obergerichte u. die Bermwaltung von einem 
Negierungscollegium ausgeübt, welches vom olden« 
burgiihen Minifterium reffortirt. Das proteftans 
tiſche Kirchenweſen fteht unter einen Confiftorium. 
Im Übrigen gelten für B. diefelben Gelege und 
Beltimmungen, wie für das Großherzegthum 
Oldenburg. 2) Hauptjtadt deſſ., Eifeubahnftation; 
Schloß; Progymnaſium mit Neäfabtheilung; Frei— 
maurerloge: Pflichttreue; Tabal- u. Eigarrenfabr,, 
Gerberei, Bierbrauerei; jährlich 12 bedeutende Jahr» 
märfte, Biehbandel; 2245 Ew. — B. war von frühe— 
ter Zeit an eine Heine, unter pfälziiher Herrichaft 
jteheude Stadt. 1569 wählte es Pialzgraf Karl, 
jüngfter Sohn Wolfgangs, zu feiner Reſidenz u. 
befam die umliegende Gegend zum Antheil. So 
entftand die Linie Pfalz-B., die jedoch, als der 
lettte Herzog von Pialz-Zweibrüden, Guſtav Sa⸗ 
muel, 1731 unbeerbt ftarb, erloſch; ihr folgte mit 
Ehriftian III. die Linie in Zweibrücken, die fich 
nun Zweibrücken-B. nannte, u. als auch die Kur— 
linie mit Karl Theodor 1799 erloſch, folgte der 
aus der Zweibrüden-B»er Linie entiproffene Herzog 
Marimiltan als Kurfürft von Pfalz-Bayern und 
nabın 1806 den Titel al8 König von Bayern an 
(j. Balz). B. fam durch den Frieden von Lunedille 
1801 an Frankreich, durch die Wiener Congreßacte 
1815 an Preußen u, wurde von diefem 1817 an 
‚Didenburg abgetreten. Bgl, Oldenburg (Geſch.). 


29% 








452 


Birkenhend, neu erbaute Stadt in der eng- 
liſchen Grafihaft Chefter, am Merſey, Liverpool 
egenüber; Stadthalle; großartiger Hafen mit 
Deds und Werften; großer Park; drei Dampf- 
fähren nach Fiverpool, an deſſen Handel u. Schiff- 
fahrt B. lebhaften Antheil nimmt; bedeutende 
Eiſenwerle u. Maichinenfabrifen, denen Liverpools 
ähnlich; 45,418 Em. 

Birkenheher (Tannenheher, Corvus caryo- 
catactes L.), rabenartiger Vogel; doblengroß, 
dunkelbraun, mweißgetropft; Flügel und Schwanz 
ihwarz, Schwanzipige u, untere Schwanzdedfedern 
weiß; bewohnt Gebirgsnadelbolzwaldungen in 
Europa u. Aſien; ftellt ſich zumeilen häufig in 
Deutihland ein; er ift mitunter Ichädlich durch das 
Berzehren der Nadelholzjamen, Eicheln, Buchnüffe 
u. dal. Thome. 

Birfenöl, ſ. Betula. 

Birkenreizker (Bot.), ſ. Blätterſchwamm. 

Birkenſchwamm (Bor.), ſ. Polyporus. 

Birkenſpanner, ſ. Spanner, 

Birkentheer, ſ. Betula. 

Birkenwaſſer (Birkenſaſt, Birkenwein), ſ. u. 
Betula. 

Birkenzeiſig, ſo v. w. Flachsſink; ſ. u. Finken. 

Birket (arab.), jo v. w. Birkat. 

Birkhuhn (Baum-, Laub-, Moor«, Spiegel—⸗, 
Schildhuhn, Tetrao tetrix L.), Bogelart aus der 
Fam. der Waldhühner, Ordnung der Hühnervögel; 
Schnabel ſchwarz; Flügel mit weißer Binde; 
Lauf ganz befiedert; Zehen oben mit fchmalen 
Quertafeln, an den Seiten Heinere Platten, nach 
unten fammartige Hornfranfen; Borderzehen am 
Grunde geheftet. Hahn: von Haushahngröße ; 
ſchwarz, an Kopf, Hals u. Unterrüden mit blauem 
Stahlglanze; eine nadte, zumoberrothe Stelle iiber 
dem Auge fammartig erhöht ; die jeitlihen Federn 
des Schwanzes (Spiel) find leierförmig nad 
außen gekrümmt; am Bauche einzelne weiße Flecken; 
Unterihiwangdedjedern weiß. Henne: von Haus- 
huhngröße; roftbraun, mit einer Menge jhwarzer 
Bänder u. Flecken; der wenig verlängerte, ſchwarz 
quergebänderte Schwanz nur ſchwach gegabelt. 
Die Jungen find vor der erften Herbſtmauſer der 
Henne ähnlih. Das Birkwild bewohnt zahlreich 
den höheren Norden, bei. Skandinavien; ım mitt 
leren Europa findet e8 fih nur ftellenweife, im 
SEuropa felten, u. zwar als Standvogel vor. 
Es liebt Moore u. Flächen mit hohem Heidekraut, 
einzelnen Büſchen u. Bäumen, nicht aber den ge» 
ichloffenen Wald, wie auch die Birke nicht = 


Birkenhead — Birma. 


trau, trau, Golgolgolra hören läßt; erfleres heißt 
Kudern, letteres rollen. In Gegenden, mo 
Birkwild häufig if, verſammeln fich oft zahlreiche 
Hähne zur Balze. Das Neft fteht auf freiem 
Plage u. wird mit 6—16 bräunlich-gelben, ſtark 
gelb gefledten Eiern belegt. Die Familie bleibt 
bis Herbft zufammen, dann trennen fi die Hähne 
davon ab, Das Stadel- oder Mittelhuhn, 
ein Baftard von Auer- u. Birkwild, tft eine Mittel- 
form feiner Eltern, aber an Hals u. Borderbruft 
tiefviolett glänzend. Das B. gebört gewöhnlich 
zur niederen, doch auch zumeilen zur mittleren u. 
hoben Jagd. Die Jagd auf Birkgefliigel wird 
gewöhnlich in der Balzzeit in verdedten Ständen 
auf dem Balzplatze betrieben (Hüttenjagd); vor 
dem Hübnerhuude wird dafjelbe feltener geihofien; 
man fängt es auch in Schlingen, Dohnen nnd 
Dednegen. Das Wildpret wird mehr als vom 
Auerhahn geſchätzt. Das Spiel wird in Tirol v. 
dem bayer. Hodjlande gern als Zier anf dem 
Hute getragen, u. jein Tragen galt ned in den 
vierziger Jahren unter Umftänden als Drohung 
u. — Theme. 

irlinger, Anton, Germanift, geb.14. Jan. 
1834 zu Wurmlingen; ftudirte in Tübingen und 
wurde 1859 fathol. “Sriefter. Er fette indeſſen 
feine Studien zu Münden (feit 1861) fort und 
babilitirte fi, nach einem vorübergehenden Aufent- 
halte in Breslau u. Berlin, 1869 au der Uni— 
verfität Bonn; hier wurde er 1872 auferordentlidher 
Profeffor der deutſchen Sprache u. Piteratur, Er 
gab heraus: J. Friſchlins Hohenzollerſche Hochzeit 
1598, Beitrag zur ſchwäbiſchen Sittenfunde, 
Freib. 1.Br. 1861; Volksthümliches aus Schwa— 
ben, ebd. 1861 f.; Aus Schwaben, Sagen, Legen- 
den u. f. w,, neue Sammlung, 2 Bde., Wiesb. 
1873—74; Nimm mich mit! Kinderbüchlein, ebd. 
1862, 2. W., 1870; Die Augsburger Mundart, 
Augsb. 1862; Schwäbifh-Augsb. Wörterbuch, 
1864; Bruder Felix Fabers gereimtes Pilger- 
büchlein, Mind). 1864; verichiedene Schriften über 
Ihmwäbifhe und alemanniſche Sprade u. Sitten, 
bei. alem. Sprache rechts vom Rhein feit dem 
13. Jahrh., I., Berl. 1868; gibt die Alemannia, 
Zeitichr. für Sprache, Literatur u. Vollskunde des 
Elſaß, Bonn jeit 1872, heraus; mit Erecelius 
veröffentlichte er: Des Knaben Wunderhorn, Wiesb, 
1873; Altdeutihe Neujahrsblätter f. 1874, ebd.; 
Außerdem fr. derfelbe zahlreiche Auffäte, die in 
Fachzeitſchriften (Germania, Zeitſchr. f. deutſches 
Alterthum, für vergleichende Sprachforſchung) er« 


ftimmend für fein Vorlommen ift. Es nährt fih|fchienen find. 


von mancherlei Beeren u. Krautipigen, verihmäbt 


Birma (Burma, Barma, Geogr. u. Statift.), 


auh Würmer, ſowie Inſecten nit u. kratzt auch) bei den Europäern der Name eines einft mächti— 
wol, nad Puppen fuchend, Ameifenhaufen auf;|gen Staates in Hinter-Indien, der in feiner größ- 
doch ift es nicht forſt- oder culturſchädlich. Jınlten Ausdehnung in der zweiten Hälfte des 18. 
srühjahre, von der zweiten Hälfte des März bis Jahrh. faft die ganze weftl. Hälfte Hinter-Fndiens 
in den Mai hinein, findet feine Balzzeit ftatt.Jumfaßte u. aus zwei Haupttheilen, dem eigentli« 
Während derfeiben if der Hahn niemals fo völligichen B. (Ava) und Pegu, beftand; feit 1825 ift 
befinnungslos, wie der Auerhahn; auch folgen|jedod fein Gebiet durch Verlufte an die Englän- 
die Heimen dem Hufe nicht immer, laffen fi) viel-|der um weit über die Hälfte feines Umfanges ge 
mehr vom Hahn aufjuchen. Der Hahn balzt, ſchmälert werden u. erftredt ſich in feinem gegen- 
auf der Erde figend, den Kopf gen Himmel ge-|wärtigen Umfange von 19° 25° bis 28° 15’ n. Br. 
redt u. in fonderbaren Geberden um die — u. 110° 42° bis 1070 44 ö. L. (von Greenwich); 
herumhüpfend, dabei ein Rad ſchlagend, wobei er grenzt gegen N. an Aſſam u. Tibet, von welchen 
die Halsfedern fträubt und die Töne Schyruniri, es durch mächtige Ausläufer des Himalaja gejchteden 


Birma. 453 
if, gegen D. an Ehina u. Siam, gegen S. an] bildet der FJramaddi für den Verkehr mit Indien 
die britiiche Provinz Pegu; gegen W, it es durch u. Europa; ein den Europäern nod nicht zugäng- 
Gebirgszüge von den britiihen Provinzen Arra-|liher Weg führt von Bhamo nad dem füdlichen 
can, Mupipore u. dem Lande Tipperab gejchieden. | China; der Kleinhandel ift fchon feit längerer Zeit 
Die Größe wird auf ungefähr 250,000 [_]km be- in den Händen von Ghinejen u. Armeniern; der 
rechnet, von welchen jedoch nur etwa zwei Dritt-| Verkehr, mit Euro pa tft noch unbedeutend. Die 
theile auf das eigentlihe Birmanenland, der Reft| Ausfuhr betrug 1868—69 14 Mill, die Einfuhr 


auf einige tributäre Völkerſchaften im N. u. D. 
des Gebietes fommen. Im Ganzen ift das Land 
dur vielfahe Erhebungen als ein bergiges zu 
bezeichnen; der ©. ai durchzogen von flachen 
Ebenen u. jehr fruchtbaren Flußthälern, während 
nah N. die Erhebungen fih fteigern u. in dem 
nördlihen Theil in ein rauhes Gebirgsland aus- 
laufen. Bon N. aus entjenden das Patkoi⸗- u. 
das Yangtamgebirg, die füdöftlichen Vorſprünge 
des Himalajafyftems, meridiangeftredte Ketten 
nah S., melde die Thäler des Irawaddi von 
denen feiner Nebenflüffe jondern. Die Hauptlette 
mit Gipfeln bis 4500 m, im N. noch unerforjct, 
führt von 24° n, Br. den Namen Muin Mura, 
gabelt fi unter 23° u. läuft von 22° an, ben 
Arraan und den Jrawaddi fcheidend, unter dem 
Namen FJumadong mit Paßhöhen von 1370 m 
bei Gap Negrais zum Deere. Der Hauptfluß ift 
der Jrawaddi (f. d.), von Bhamo ab jdifibar; 
fein einziger bedeutender Nebenfluß der Thanla— 
vaddi od, Kvendwen (Ningthi); den SO. bewäſſert 
der Saluen, welcher aber jett, glei dem Jra- 
waddi, auf brit, Gebiete fih ins Meer ergießt. 
Die Ebenen, bejonders an den Hauptitrömen, 
find ſehr fruchtbar u. die eigentlichen Eulturftätten. 
Während der N., wie au in Border-Jndien, den 
winterlichen Charalter der höheren Regionen trägt, 
berrichen im ©. nur zwei Jahreszeiten, die unter 
dem Gejete des Paſſats ftehen. Hauptproducte 
find: Weizen, Reis, Zuderrohr, Tabak, Indigo 
u. Baumwolle; Thee bauen die Berguölfer; der 
Gartenbau ift ſehr vernachläſſigt. Die Wälder 
liefern das herrliche Teafholz, jowie die Mimosa 
Catechu. Der Viineralreihthum ift bedeutend, 
doch noch wenig ausgebeuter; Gold führen die 


aus Britiih-B. (j. d.) 900,000 Pd. St.; eritere 


befteht aus Theer, Leder, Evdelfteinen, irdenen u. 
Metallgeihirren; lettere aus Baummolle n. Sei- 
denzengen, Stahl, Pulver, Waffen u. Reis, Die 
Bepöllerung wird von Eramfurd auf 2 Mil. 
geſchätzt u. ift meift an dem Ufern des Jrawaddi 
u. feiner Zuflüffe zufammengedrängt, wo aud die 
volfreichften Städte fih finden. Die Eimmohner, 
der mongoliihen Race zugehörig, gehören ver- 
ichiedenen Nationen an, welde phyſiſche Berwandt- 
haft zeigen, die aber in ſprachlicher Beziehung 
ganz verjchiedenen Stämmen angehören. Das 
berrichende Boll, die Birmanen, nennen fic 
ſelbſt Mramma (ipr. Myamma, dialeft. Bramma) 
u. haben ihre Hauptfite im Gentrum des ehema— 
ligen Birmanifchen Neiches zwiſchen Arracan u. 
dem Ealuen (zwifchen 18° u. 22° u. Br). Im 
nördlichften Theil des Yandes wohnen die faft 
ganz unabhängigen Singpho mit einem birmani— 
Ihen Dialekt u. die Khamti mit einer dem Sia— 
mefischen verwandten Sprache; in dem Grenzge— 
birge gegen Arracan figen die Khyeng; im jüd- 
lihen Birma, in, den Thälern des Jrawaddi u, 
Saluen, die Karen (ſ. d.), mit Pegquanern unter- 
mischt, welche fiir fleigige Aderbaner gelten. Im 
ſüdlichſten Theil u. in Britiſch-B. finden fich die 
Von oder Talaing, mit ifolirt daftehender Sprache. 
Im NW, fiten in großer Zahl die Shan oder 
Thai, von welden 4 Stämme, die Yowa-Shan, 
die Mrelap- Shan, die Cafi-Shan u. die Shan 
am Kvendwen, dem birmaniichen Gebiete ange— 
hören; den äußerften NW. endlich erfüllen zu den 
Naga gehörende Bewohner, Die Birmanen fteben 
in geiftiger wie techniſcher Cultur den Hindu wie 


den Chineſen weit nach. Die Mänuer reißen ſich 


Flüſſe, die vom Himalaja kommen, Silbergruben den Bart aus, tätowiren Bruſt, Schenkel, Arme 


finden ſich in dem Grenzgebirge gegen Siam 
— Eiſen, Zinn, Blei, Antimon u. andere 

etalle bejonders in den Gebirgen gegen China 
Hin; Marmorbrücde bei Amarapura; Steintohlen 
bat man am Jrawaddi unmeit der Steinölquellen 
von Henan-gyaong aufgefunden; lettere haben eine 
jährl. Ausbeute von 25—30 Mill. Pid.; Rubine 
u. Sapbire werden häufig angetroffen. Aus dem 
Thierreiche findet man den Elepbanten, das Rhino— 
ceros, den Tiger, Leopard u. mehrere Katenarten, 
doch faft gar feine Species des Hundegejchlechtes; 
Hausthiere find außer dem gezähmten Elephan— 
ten der Ochſe, Büffel u. das etwas fleine, meiſt 
nur ald Reitthier gebrauchte Pierd; das Kamel 
dagegen ift unbekannt; außerdem fat alle Bögel 
u. Fiſche Oftindiens, jowie die Biene u. die Sei— 
denraupe. Der Bergbau wird meift von Chine— 
fen betrieben. Die übrige Jnduftrie ift gering; 
Papier aus Bambusfajern; baummollene u. jeidene 
Stoffe werden zu Ava u. Amarapura gearbeitet; 
Töpfer u. Schmiedewaaren, jowie nicht gerade feine 
Meifing- u. Zinn, Gold» u. Silberarbeiten, Gloden 
und Waffen. Handel: Die Haupthandelsitraße 


mit Thierfiguren (die Unterlafjung gilt als Feig— 
beit), tragen allerhand Gegenftänte ın dem durch» 
bohrten Obrläppchen, färben Hand u. Nägel roth, 
Augenlider u. Zähne ſchwarz. Die Nahrung ift 
den Religionsvorjchriften gemäß vorherrſchend ve- 
getabiliſch, hauptfächlih Weis; Thee trinfen nur 
Bornehme; beide Geſchlechter rauen Tabaf u. 
fauen Betel. Die Wohnungen find einftödig, von 
Bambus u. mit Palmblättern bededt, im Flach— 
lande auf Pfählen erbaut; größere Dimenfionen 
u. prechtvollere Ausihmüdung zeigen die könig— 
lichen Paläfte u. die zahlreihen Tempel u. Klöfter. 
Die bedeutenderen Städte haben breite Straßen 
u. Thore, find mit Paliffaden umgeben u. meijt 
durch eim Fort geſchützt. Bon heiterem Tempera— 
ment, vergnügungsfüchtig u. lebhaft, zeichnen fich 
die Birmanen durch ihre Negjamleit vor ihren 
Nachbarn aus; bei Höflichkeit u. Zuporfommen- 
beit ift doch Treulofigleit u. Verlogenheit ein ber- 
vorragender Zug ihres Charakters. Während die 
Frauen größere Freiheit genießen, als in Hindo— 
tan, ift Aufrechtbaltung der Ehe u. Keuſchheit 
jehr felten. Unreinlichkeit ift allgemeines National» 


454 


Bırma. 


laſter, ein Übelftand, der zu zahlreichen Epidemien geſchätzt; die Militärmacht beträgt 35,000 Mamı, 


u. Hautkrankheiten führt. Zu den hauptfächlich- 
fien Bergnügungen gehören rauſchende Theater— 
porftellungen mit Muſik u. Feuerwerk; die Yeiden- 
ſchaft des Spiels daneben durchdringt das Bolt; 
auch das Schachſpiel ift nicht umbefannt. Der 
Unterricht ift ganz in den Händen der Geiftlidh- 
feit und eritredt fidy nicht über die elementaren 
ächer; man fchreibt mit eifernen Griffeln auf 
almblätter. Die Religion des Landes ift der 
Buddhismus (ſ. d.), welcher in B. fih nur me 
nig von dem Bubbhismus auf Ceylon und ben 
übrigen Staaten Hinter⸗Indiens unterſcheidet. Chris 
ftenthum u. Islam haben bei den Birmanen bis- 
her nur geringe Erfolge erzielt. Die Priefter, 
ausgezeichnet durch gelbe Kleidung, find Mönche, 
welche in Klöftern ein ftreng geregeltes Leben füh— 
ven u. wegen ihrer Frömmigleit u. Gelehrjamteit 
in hoher Achtung ftehen. Der Oberpriefter heißt 
Sireda, Die Klöfter (Kium) find überall offen, 
werden fehr reinlich gehalten, u. jedes hat eine 
Pibliothef. Das Kiofter, worin die einbalfamir- 
ten Leichname der Sireda ausgeftellt find, heißt 
Knebang-Kium u. zeichnet fih durch eine 150 Fuß 
bobe Spite aus. Die Tempel (P'rah) werden 
gewöhnlich auf Hügel gebaut, find adhtedig, haben 
7 u. mehr Stedwerle, die in eine Spike aus- 
laufen u. find prächtig, aber geihmadios verziert. 
Gewöhnliche Feite find: der Ta 
der Vollmond und die beiden Hiertel, das Ende 
des Sonnenjahres, das Wafferfeft, welche ſehr 
feierlich begangen werden. Die Leihen der Ar- 
men werden begraben, od. im den Fluß geworfen, 
Vornehme in Särgen feierlich verbrannt; bobe Per— 
fonen werden vorher einbalfamirt und 6 Wochen 
lang in Klöſtern zur Schau geftellt. Das Yand 
fteht unter einem völlig despotifchen Monarchen 
(mit dem Titel Boa), mit Erbfolge in männlider 
Linie; ihm zur Seite ein Staatsrath u. anjehn- 
liher Adel, ausgezeichnet durch goldene Ketten 
(Tjalo). Es gibt von demfelben 3 Grade, die 
fih durch die Zahl der Schnüre oder Heinen Ket— 
ten unterfcheiden; 3 Schnüre bedeuten, wenn fie 
durchbrochen find, den unterften Rang; aber aus 
niedlich zufammengeflochtenem Drahte zufammen- 
gejegt, einen höheren Grad; höhere Stufen wer- 
den mit 6, 9 oder 12 Schnüren bezeichnet. Kein 
Unterthan empfängt einen höheren Grad. Der 
König allein trägt 24 Schnüre, Wie in Siam 
u. in Cochinchina wird in der Hauptjtabt einem 
weißen Elefanten Löniglicye Ehre erwieſen. Außer 
den Prieſtern u. dem Adel bilden die reihen Kauf- 
leute, die Yandbauer u, die Beamten noch eigene 
Stände. Das Land ift in Provinzen unter Gon- 
verneuren eingetheilt, von welchen die unteren 
Beamten der Stände u, Yandichaften abhängen; 
die tributären Völler in 12 Soboaſchaften, wo 
der Soboa eine Art erbliher Statthalter ift. Die 
Beamten haben zugleich richterliche u. adminiſtra— 
tive Gewalt u. befigen meift Sand, von dem fie 
eine Abgabe an den Monarchen entrichten; ba fie 
fonft feine Befoldung empfangen, ift Erpreffung 
und Bedrüdung des niederen Volles bei ihnen 
allgemein u. zahlreihe Räubereien deifelben die 
natürlihe Folge. Die meift aus Zöllen entiprin« 


des Neumondes, 


welche, obmwol tapfer, doch der modernen Technik 
nicht gewachſen find. Übrigens ift jeder Birmane 
zum Kriegsdienfte verpflichtet. Flagge: rotb, mit 
einem weißen Elephanten in der Mitte. Die 
Hauptftadt ift feit 1857 Maubdalay; die frübere 
Hauptſtadt Amarapıra ift im Berfall; andere 
Städte: Sagaing, Bhamo u. das in Trümmern 
liegende Pagan. Vgl. Symes, Account of an 
embassy to the kingdom of Ava, Lond. 1800; 
Cramfurd, Journal of an embassy from the 
Governor in India to the Court of Ava, ebd. 
1829; Gahgermano, A description of the Bur- 
mese, Rom 1830; Godwin, Burmah, Pond. 1854; 
Mafon, Burmah, its people, Rangun 1860; Ynle, 
A narrative of tho mission to the Court of 
Ava, Fond. 1858; Bowes, Bhamo-Erpedition, 
Berl. 1871. 
Geihihte. Die ältefte Geſchichte B⸗s ift, 
mie itberhaupt die Anfänge aller Bölfer, in Sa— 
gen gehüllt, aus denen ſich als geſchichtliche That- 
jache fo viel entnehmen läßt, daf die. Civiliſation 
des Yandes von Judien aus zu Lande, dem Laufe 
des Jrawaddi entlang, durch erobernde Regenten 
bewerlftelligt wurde, und daß das Land in vor« 
Hriftlicher Zeit der Sit Brahmanifcher Eufte ge= 
weſen ift, die in der Folgezeit vom Buddhismus 
unterdrüdt wurden. Die ältefte Dynaſtie foll in 
Tagong am Jrawaddi ihren Sig gehabt haben; 
nah der Zerftörung diefer Stadt (angeblih 494 
vd, Ehr.) theilte fih das Boll, u. B. fam unter 
die Regierung der Herriher der alten Stadt Prome. 
Nachdem diefe Stadt aus unbelannten Urſachen 
94 n. Chr. zerftört war, verlegte der König Sa- 
mubra-Radiha 107 die Reſidenz nah Pagan, 
welches dur die Chinefen im J. 1356 zeritört 
wurde. Die Fürſten diefer Dynaftie führten zahl- 
reihe Kämpfe mit den benachbarten Ländern: mit 
China, das unter Kublai Khan Ende des 12. Jahr. 
B. eine Zeit lang ſich unterworfen hielt, mit Pegu 
u. namentlich mit Arracan, das fie für lange Zeit 
fi} dauernd unterwarfen. Das wichtigſte innere 
Ereiguiß war das Eindringen des Buddhismus 
im 5. u. 6, Jahrh. 1313 wurde die Refidenz 
nad Panja, 1332 nah Sagaing verlegt, 1364 
endlich die men gegründete Stadt Ava zum Site 
des Herrichers erhoben. 1546 befuchte der Por— 
tugiefe yernando Mendez Pinto das Land, um Han— 
deisverbindungen anzuknüpfen. Das 16. Jahrh. 
erfüllen Kriege mit Pegu u. Siam, von deſſen 
Oberherrſchaft das Land ſich 1595 wieder befreite; 
Mitte des 18. Jahrh. gerieth es wieder im die 
Gewalt der Peguaner, aus der es fi dur Ems 
pörung befreite. Die Seele der Empörung war 
ein Birmane niederer Herkunft, Alompra (Alaong 
Bhura), Vorſteher einer kleinen Ortichaft, Mon« 
tihabu, welcher 1754 die Peguaner aus Ava ver- 
trieb u. fih zum Herrſcher des Landes machte, 
In den folgenden Jahren unterwarf er die Ger 
birgsftämme im N. u. NW., 1757 Pegu, Mar« 
taban u, Tenafferim im ©, u. ft. 1760 auf einem 
Zuge gegen Siam, deffen Eroberung ebenfo mie 
die Begus nicht dauernd war. Er verdanlte feine 
Erfolge mweientlih mit den Engländern, welche feit 
1687 fih am Gap Negrais piedergelaffen hatten 


genden Einkünfte des Kaifers werden auf 5 Mill. Mlu. die er durch Uberlafjung eines Landſtriches bei 


Pirma, 


459 


Baflein u. Handelsbegünftigungen ſich verpflichtet |ftreitigfeiten fi auf den Thron erhoben hatte, 
hatte. Ihm folgten jeine Söhne Namdodſchi Prau u. unter deffen Nachfolger Shaodange-men-tha, 
und 1762 Shambuan, mwelder 1765 Pequ von einem üppigen u. finnlichen Menden (jeit 1847), 
Neuem eroberte, 1766 feine fiegreihen Waffen in die alte Feindſeligkeit u. gegenfeitige Erbitter- 


nah Siam trug u. daffelbe gegen die Chinejen 
in fiegreihen Kämpfen 1771 behauptete, ohne es 
jedoh gegen die fidh erhebenden Siameſen be- 
haupten zu fünnen. Die Regierung feines Soh— 
nes Dſchinguſa (Senkufa) feit 1776 erfüllten die 
unvermeidlihen XThronjtreitigleiten, bis er 1781 
von feinem Obeim, Alompras viertem Sohne, 
Padunmang, abgefetst u. getödtet wurde. Unter 
ihm, einem friegerifchen u. organifatorifchen, aber 
äußerft gewaltthätigen u. graufamen Fürſten, der 
1783 Amarapura zur Reſidenz erhob, fam 1783 
Arracan, durch glüdlihe Kriege im S. Tenafle- 
dm, im NW, Munipore wieder unter die bivma- 
niſche Herrfchaft. In feine Regierung fallen die 
Anfänge der Berwidelungen mit den Briten, 
Shen 1794 hatte eine Anzahl Mugh aus Ar- 
racan fih den unerhörten Quäfereien durch Flucht 
auf britiiches Gebiet entzogen, wurden jedoch größ- 
tentheils durch den dortigen General zur Rückehr 
gezwungen, ein Verfahren, welches der Birmane 
als Schwäde auslegte u. Durch beinüthigenbe Be: 
handlung englifher Gejandten vergalt. Als 1811 
ein neuer Aufftand der Mugh umter dem Häupt- 
ling Khynberring ausbrad, verlangte der birma- 
niihe Fürſt wieder, wiewol vergeblidh, die Aus» 
lieferung derjelben, beanipruchte dann die Abtret- 
ung von Tſchittagong u. Dalla als alte Theile 
Birmas, reizte die Mahratten zum Aufftande ges 
gen die Engländer an u. gefiel ſich in jabrelan- 
gen Feindſeligkeiten; die Miffionen der engliichen 
Offiziere Canning (1811) u. Cor (1821) waren 
ohne Erfolg. Zugleich ſetzten fi unter ihm u. 
feinem Nachfolger Madutichao (feit 1821) die Bir 
manen in Affam feft und bedrohten die britische 
Grenze zugleih von N, aus. Ein feindlicer Ein- 
fall des birmanifchen Statthalters von Arracan 
(1823) beichleunigte endlih den Ausbruch des 
Krieges, der am 24. Febr. 1824 von dem briti- 
jhen Gouverneur Lord Amherſt erklärt wurde. 
Mit 11,000 Mann drang unter unfäglichen Schwie- 
rigfeiten der General Campbell von S. aus vor, 
eroberte die Kifte u. die Stadt Rangun, im fol 
genden Jahre Stadt u. Feſtung Prome, jchlug 
nad einem kurzen Waffenftillftande die Birmanen 
unfern Prome u. erzwang am 30, Dec. den Frie— 
den. Da der Hof von Ava, durch wiederholte 
Niederlagen der Engländer u. die Nachgiebigkeit 
des fein Durch das Klima decimirtes Heer berüd- 
fihtigenden britifhen Generals übermüthig, die 
Katification verweigerte, begann Campbell am 
19. Febr. 1826 den Krieg mit glüdlihem Erfolge 
von Neuem, worauf der Friede am 24. Febr. zu 
Jandabo zu Stande kam, dem fih im November 
ein Handelsvertrag anſchloß. Die Briten erhiel- 
ten dadurd die Provinzen Arracan, Merguy, Ta- 
voy u. Yea; ferner wurden Affam, Munipore, Ka— 
tihar von B. unabhängig; Rangun wurde zum 
reihafen erklärt. Bis zum Tode des Königs 

landutichao (1832) dauerten die feindlichen Bes 
iehungen, die ſich jedoch unter feinem Nachfolger 

haramaddi, einem entichloffenen u. despotiichen 
Fürften, der mach blutiger Beilegung der Throns 


ung verwanbelten. Durch die unaufbörlichen Feind» 
feligfeiten gereizt, bereitete fi) die britiſch-indiſche 
Regierung zum Kriege vor, deffen directen Aus» 
bruh die Mißhandlung britiiher Kaufleute in 
Rangun (1852), die Beichimpfung des Commo- 
bore Lambert u. Verweigerung jeder Genugthuung 
veranlaßten., Da weitere Unterhandlungen nichts 
fruchteten, eröffnete General Godwin auf Befehl 
des Generalgouverneurs Lord Dalhoufie am 1. April 
1852 mit 10,000 Soldaten den Krieg. Am 5. April 
wurde Martaban angegriffen und genommen, am 
14. April die Stadt Rangum erftürmt u. durch 
die Einnahme der Hafenftadt Baſſein, am weit 
Iihen Arme der Mündung des Jramaddi gelegen, 
die Eroberung der Küfte verpollftändigt, In den 
nächften Wochen beichränften fi die Engländer 
darauf, den Hauptarım des Jramaddi durch Dampi- 
ichiffe unterfuchen zu laffen, nahmen darauf am 
4. Juni die Stadt Pegu, melde fie jedoch bald 
wieder verließen, Die großartigen Rüftungen der 
Birmanen führten erneu‘e Vorbereitungen der 
Engländer u. eine Paufe des Krieges herbei, die , 
durch unbedeutende Geiechte ausgefüllt wurde. 

Die Engländer befchränften ſich im diefer Zeit 
darauf, die Verbindung zwiſchen Ava u. dem un— 
teren Yande zu unterbrechen u. den Bewohnern 
oberhalb Prome die Zufuhr abzufchneiden. Am 
18. Sept. endlich fuhren fie den Irawaddi hin— 
auf u, eroberten am 9, Oct. Prome. Da inzwi— 
hen die Birmanen fi) Pegus wieder bemächtigt 
u. dafjelbe befeftigt hatten, wandte fich General 
Godwin dahin und eroberte am 21. Nov. diefe 
Stadt zum zweiten Mal. Wiederholt machten 
die Birmanen vergeblihe Berjuhe, Pegu wieder 
zu nehmen. Nun drangen die Engländer aud) 
auf dem Landwege vor u. gelangten am 6. Jau. 
1853 in Beſitz des höchſt wichtigen Aeng ⸗Paſſes, 
einer Offnung in dem Arracan von B. ſcheiden— 
den Höhenzuge, welche den fürzeften Zugang nad 
Prome bildet. Am 20, Dec. 1852 wurde die 
Provinz Pegu den britiſchen Befigungen einver 

leibt. Da fi) der König von Ava auch im Au« 
gefihte der feinem Lande von ZW. durch die fieg« 
reihen Engländer, von O. durch die Siamejen, 
von NO. durch die Laos oder Shan drohenden 
Gefahr weigerte, den Frieden anzunehmen u. Pegu 
abzutreten, jo fam eine Palaftrevolution zum Aus» 
bruche, welche ihn ftürzte u. einen fönigl. Prinzen an 
feine Stelle erhob. Die mit ihm angefangenen Frie—⸗ 
densunterhandlungen führten jedoch auch nicht zum 
Ziel; die Hartnädigkeit der Birmanen wuchs durch 
einige geringe Erfolge bei Zufammenftößen. Na- 
mentlih fügte der Parteigänger Mia- Tun, der 
fid) im Jramwaddi-Delta feftgefett hatte, ihnen vie— 
len Schaden zu; von dort vertrieben, fette er feine 
Nänbereien ın den Sumpfdiftricten der Nebenflüffe 


fort. Im Juni 1853 erſchien abermals der bir- 


maniſche Gejandte u. bot im Namen des Königs 
von Ava den Frieden unter den Bedingungen a, 
daß die Grenze des britiichen Gebietes bei Mia- 
day ſein, Die britiſchen Unterthanen, melde als 
Gefangene nad) Ava gebracht worden waren, freie 


456 


gegeben werben u. daß es dem Volfe beider Par- | 


Birmaniſche Sprache u. Literatur. 


1857 nah Mandalay verlegt. Bol. Snodgroß, 


teien geftattet werden follte, behufs des Handels|Narrative of the Burmese war, Lond. 1827, 
den Ftawaddi auf u. niederzufabren. Dieje Ber |deutich, Jena 1830; Wilfon, Documents of the 


dingungen nahm der Generalftatthalter im Rathe 
an, u. es wurde, obgleich ein fürmlicher Bertrag 
nicht abgefchlofien wurde, die Wiederberftellung 
des Friedens proclamirt, die Flußblokade aufge: 
hoben u. der Verfehr mit Ava wiederbergeftellt. 
Auch die Armee wurde zwar verringert, in Pegu 
aber blieb eine Streitmadt von 18—19,000 M. 
mit 50 Kanonen fieben, um dieſe Provinz zu 
hüten. Während nun die Briten die neu ermwor- 
bene Provinz zu organifiren begammen, dauerten 
troß des jog. Friedens die Unruhen fort, welche 
von den zablreihen Parteigängern ausgingen. 
Auch die Einfälle bewaflneter Banden über die 
langgeftredte Grenze, melde 1854 durch Grenz. 
fäufen näher feftgeftellt wurde, dauerten fort; der 
König von B. (feit 1853 Mendung- Den) ver- 
ſprach zwar Abhilfe, aber es konnte kaum be- 
zweifelt werden, daß er dieſe Einfälle eher be 
günftigte, al$ zu verhindern fuchte. In dem fol» 
genden Jahre ging eine engliiche Gejandtichaft, mit 
Major Phayre an der Spige, an den Hof des Kö— 
nigs von B., tbeild um einen reundichafts- u.Han- 
delsvertrag mut ihm zu ſchließen, theils um die 
Hiljsquellen des Yandes kennen zu lernen. Die 
Geſandtſchaft langte am 1. Sept. 1855 zu Ama- 
rapıra an, wurde am 13. von dem König em- 
pfangen u. unterhandelte aud mit den Miniſtern, 
ohne daß ein Vertrag zu Stande kam. Seitdem 
blieben die Beziehungen beider Länder längere 
Zeit ohne meitere Störung, aber auch ohne daß 
fih ein beionders reger Handelsverfchr entwidelt 
hätte, Auch der 1862 von Major Phayre durch— 
ejetste Vertrag, wodurd den Engländern freier 
Bertehr im inneren Birma bis zur chineſiſchen 
Grenze verfiattet wurde, hat feine Früchte ge- 
tragen. In der neueſten Zeit bat fih das 
gegenfeitige Verhältniß wieder feindjeliger geftaltet. 

er König Hagt über den Hochmuth u. die Hin— 
terlift der britiichen Agenten, welche die Karen zum 
Abfalle von ihm angeſtachelt hätten; die britifche 
Regierung über Bedrüdung des Handels und 
Bereitelung der Erpedition des Majors Sladen 
im Jahre 1872. Als Ende 1874 eine neue Er- 
pedition unter Oberſt Browne zur Auffindung u. 
Feſtſtellung der Handelsftraße von Bhamo nad 
der jüdchinefiihen Provinz Jünnan durch Birma 
zog, wurde fie beim Austritt aus diefem Yande 
Febr. 1875 verrätheriib überfallen und mußte 
unter Berluft mehrerer Menjchenleben refultatlos 
zurüdfehren. Der dringende Verdacht, daß der 
König Mendung-Men dabei feine Hand im Spiel 
hatte, u. friegerifche Vorbereitungen, die er traf, 
bejtimmten die indische Regierung zu energiſchem 
Borgehen. Während die Truppentheile zum Ein: 
marſch in Bırma bezeichnet wurden, liberreichte 
Sir Douglas Foriyth ein Ultimatum, defien Be— 
dingungen, die ftreitigen Grenzdiftriete abzutreten 
u. den eventuellen Durchzug engliiher Truppen 
nah SChina zu geftatten, der König annahın. 
Somit ift der Friede vorläufig gewahrt. B. ift 
vollftändig vom Meere abgeichnitten u. hat, von 
engl. Befigungen umſponnen, bedentend von feiner 


Burmese war in 1824—26, Lond. 1852; Do- 
veton, Keminiscences of the Burmese war, ebd. 
1852; Noberjon, Politieal ineidents of the first 
Burmese war, ebd. 1853; Laurie, The second 
Burmese war, ebd. 1853. Toielemann.” 
Birmaniſche Spradye u. Piteratur. I. Die 
birm, Sprache gehört zu den fog. indo⸗chineſiſchen 
oder einfilbigen Sprachen, woraus jedoch nicht auf 
eine Verwandtſchaft mit dem Ehinefiichen geichlofien 
werden kann; über ihre Beziehung mit anderem: 
binterindifchen Sprachen ift die Forſchung noch 
im Rückſtande. Die freisförmige Schrift iſt dem 
Bali entlehnt u. damit zugleich die dort beftebende 
Glaffificirung der Laute. Die Ausſprache weicht 
von der Schreibung jehr ab, indem man bie 
Wörter duch BVerjchluden verkürzt, oder zuſam⸗ 
nentreffende harte Laute duch Bertanfhung er« 
weicht. Zur Angabe der verjchiedenen Ausiprade 
der auf gleihe Weiſe gefchriebenen Würter, 
deren Bedeutung danach auch vericieden tft, ha⸗ 
ben die Birmanen 2 Zeichen (Accente), welche im 
Punkten beftehen, die unter oder hinter die Wör« 
ter geftellt werden; doch nehmen nicht alle Wur⸗ 
zeln beide Accente an, überhaupt aber ftehen fie 
nur bei Wurzeln, die fich auf einen Vocal oder 
nafalen Conjonanten endigen. Der Charalter der 
b-n S. ift Einfilbigkeit der Wurzeln u. Mangel 
an grammatifchen Formen; um daher Modifica« 
tionen der Bedeutung oder der Form auszudrüden, 
bedarf es der Zulammenjegung zweier Wurzeln, 
wobei nad dem Geſetze diefer Sprache, entgegen- 
geſetzt dem Siamefiihen, jede Wurzel, welche zur 
Berpollitändigung des Sinnes der anderen dient, 
diefer vorangehen muß. Zwiichen Nomen u. Ber- 
bum iſt fein Unterfchied; erft in der Rede tritt 
diefer Unterſchied durch an das Wort gefnüpfte 
Partifeln hervor. Ebenfo gibt e8 feine Flexions- 
bezeihnung. Subjtantiva u. Adjectiva werden 
gebildet durch die oben bezeichneten Zuſammen— 
jeßungen, u, mißbrauchsweije nennt man den lee 
ten Theil der Zufammenfegung Affir. Jene Par« 
tifeln ftehen dem Nomen nad, u. zwifchen diejem 
u. ihnen ſteht die Bezeichnung des Gemus u. des 
Pllurals (thau). Die Pluralbezeihnung dient aud 
zur Bildung des Plurals der perjönliden Prono- 
mina, welche übrigens immer nur in felbftändiger 
Form erjheinen u. nie als Affire dienen. Auch 
das Berbum ift ohne alle Flexion: die Perjonal« 
bezeihnung geihieht durch das Perfonalpronomen, 
welches vor dem Berbum fteht; Plural, Modus 
und Tempus werden durch der Wurzel folgende 
PBartifeln angezeigt. Das Pluralzeihen ift kra 
(kya); die Modi werden gebildet, indem Wurzeln 
von allgemeiner Bedeutung ſich an die Wurzel 
des concreten Verbums aureihen; ihre Zahl ıft 
daher unbeftimmt u. die Grammatifen zieben biere 
her auch die Caufativa u. a.; der Tempuspartifeln 
gibt Carey 5 fiir das Präfens, 3 für Präjens u. 
Präteritum, 2 ausichließlih für das Präteritum 
u. einige für das Futurum an, Bei der Zuſam— 
menjegung diejer Partikeln mit der Wurzel zu 
einer Verbalform gilt als das Gewöhnliche, daß 


Selbſtändigkeit eingebüßt. Die Hauptftadt wurde die Moduszeihen an die Wurzel treten u, jenen 


Birmensdorf — Birmingham. 


457 


fih die Tempuszeichen anreihen; das —— Bronzeſtatue Nelſons u. auf anderen Plätzen Sta- 


richtet ſich nach der Syeftigleit, womit das Modus» 
— als allgemeines Wort, an die Wurzel ge» 
unden ift; in den meiften Fällen folgt es ihr 
nad, in wenigen nur tritt e8 zwiichen beide, Um 
das Baffivum auszudrüden, bedient man fich der 
Hilfsverba prit oder schi, fein, werden. Die An« 
ordnung der Wörter im Satze: zuerft das Sub- 
ject, an der legten Stelle immer das Berbum u. 
in der Mitte das Object; für die Nebenumftände 
aber gilt die Regel, daß das Regierte dem Re— 
gierenden ftet3 norausgeht, Grammatif von Ca— 
rey, Seramp. 1814; von Schleiermacher in der 
Schrift: De l'influence de l’&eriture sur le lan- 
836 Darmſt. 1835; von Latter, Calc. 1845; 

örterbücher: von Hough, Seramp. 1825; von 
Indſon, Ealc. 1826; von Maulmain, 1842; von 
Lane, Calc. 1841; von Leyden in‘ Asiat. Re- 
searches X. 

I. Die Piteratur der Birmanen ift fehr 
veih, aber außerhalb ihrer Heimath noch jehr 
wenig befannt. Sie ruht in der Hauptſache auf 
dem Fundament der indischen, namentlih aber 
der Buddhiftiichen Literatur. Die gelehrte Sprache 
ift das Pali (f. d.), welches jedoch nur felten mit 
dem Pali- Alphabet, fondern meift mit dem bir- 
manijchen Alphabet geichrieben wird, Ein großer 
Theil befteht aus Überſetzungen der heiligen Werke 
der ſüdindiſchen Buddhiften, des Pratimoficha u. a.; 
außer dieſen Überjegungen und Gloffen hat fid 
auch nod eine ſelbſtändige bubdhiftiiche Literatur 
in der Landesſprache entwidelt. Dahin gehört 
das Ma-la-len-ga-ra Wottoo oder Leben des 
Gautama. Ferner befigen die Birmanen eine 
ausführlihe hiſtoriſche Literatur, die Geſchichte 
ihres und der Nachbarländer behandelnd. Das 
Hauptwerk (Mahajazavendogri), eine vollftän- 
dige Geichichte des Landes enthaltend, ift Ende 
des vorigen Jahrhunderts auf Befehl des Königs 
neu bearbeitet worden, Im Munde des Bolfes 
laufen zahlreiche Lieder, worunter auch SHelden- 
fieder, um; Kunftgedichte, bejonders didaftischer 
Art, jolen nicht wenige in den zahlreihen Bücher» 
jammlungen des Landes, die ſich namentlich in den 
Tempeln u. Klöftern befinden, vorhanden fein. 
Die Bibel wurde vom amerifanifhen Miſſionär 
Indſon vollftändig in das Birmaniſche überſetzt, 
1835—37, 5 Bbe., 2. Aufl., 1840. Bgl. die 
oben angeführten Schriften über Birma, 

Birmensdorf, paritätiiches Pfarrdorf mit 
980 Em. im aargauischen Bezirte Baden (Schweiz); 
fteht auf römiſchem Boden (Münzen von Nero u, 
Diocletianus) u. hat eine Bitterwafjerquelle, welche 
an feiten Beftandtheilen die Waller von Saidſchütz 
u. Sedlitz übertrifft. 

Birmingham, 1) Stadt in der englifchen 
Grafihaft Warwid, an der Rea u. 4 Kanälen, die 
e3 mit Warwick, Piverpool, Coventry u. Worcefter 
verbinden; Kilenbahmverbindungen nah allen 
Seiten mit großartigem Gentralbahnhofe; enge, 
frumme, von rothen, aber ſchwarzgeräucherten 
Badjteinhäufern gebildete und nur in dem neue: 
ren Stadttheilen einige ſchöne Straßen, welde 
durch großartige Neubauten vielfach verbefiert u. 
verihönert worden find; neuerdings find auch große 


tuen Sir Robert Peels, James Watts, Sir Row: 
laud Hill! u. Prinz Alberts; 140 Kirchen u. Bet- 
bäufer; ein ſchönes, mit einer marmornen Säu- 
lenhalle umgebenes Rathhaus, Sigungspalaft der 
Grafichaft Bornid: das berühmte Birmingham- 
u. Midland-Fnftitut, das eine Bibliothek, Lejezim- 
mer, Borlefungsräume, Muſeum u. Jnduftriefchule 
enthält; College für Medicin, für Mechanik, Po— 
lytechniſches Inſtitut, 2 öffentliche Bibliotheken, 
3 große allgemeine Hofpitäler und 4 Special« 
anftalten, worunter namentlich das Augenbofpital 
als das befte in England gilt; ferner Armen- 
haus, mehrere wohlthätige Gejellfchaften und An» 
ftalten, darunter das Taubftummen-Fnftitut, das 
Ayl für infirme Fabrikarbeiter, ein Theater, 
Duddeftons Garten (Baurhall), Zuchthaus, große 
Dlünze, welche hauptſächlich Kupfermünzen prägt. 
B. iſt nächſt Mancheſter der Hauptfabrifort 
Englands und wird in feiner Fabrilthätigkeit 
durch die in der Nähe liegenden Eijen- u. Stein» 
tohlenbergmwerte, deren — etwa 15 pCt. 
von der des. ganzen Verein. Königreiches aus— 
macht, jehr begünftigt. Die wichtigfie Fabrikation 
ift die der Metallmwaaren; Meſſer, Nägel, Knöpfe, 
Stahlfedern u. andere Artikel aus Eifen u. Stahl, 
feit einiger Zeit namentlih Maſchinen u. Eijen« 
bahnmaterial, Waffen nebft Diunition, galvanifirtes 
u. emaillirtes Eijen, ferner Meffing-, ladirte Blech», 
eleftro- plattirte Waaren, Glas, Peitſchen, Blafe- 
bälge, Fingerhüte, Leuchter, überhaupt Quincail- 
lerie- und Bijouteriewaaren, Bapiermadhe-Artitel, 
?ederwaaren, Bier, alles im großartigiten Maß- 
ftabe; im Ganzen zählt man über 200 verjchie- 
dene Gejchäfts- u. Gemerbezweige; die Zahl der 
Fabrilarbeiter überfteigt 25,000; die Mafchinen 
werden vorzugsweife in dem nahen Soho in der 
von James Watt errichteten Fabrik gebaut; im 
der Umgebung der Stadt befinden ſich großartige 
Hammerwerte und Hohofenwerle. Der Handel 
hat entiprechende Dimenfionen, u. geben die Ziffern 
der Ausfuhr gerne ein annäherndes Bild von 
der riefigen Thätigkeit, die fih in B. entwidelt 
hat. Im J. 1871 betrug der Werth der Aus» 
fuhr 52 Mill. Pf. St. (gegen 37'/, pro 1864), 
davon fommen 17,, auf Roh- und Halbfabrifate 
in Eiſen u. Stahl, 8,, auf Eifenbahnfcienen, 6,5 
auf Steintohlen, 5, auf Sattlerwaaren, außer- 
dem 1,, auf Schuhwerk, 3,, auf chemiſche Pro- 
ducte u. Allalien 1,,; auf Steingut u. Porzellan, 
l,.; auf Bier, 1,, auf Teppiche x. Die Stahl« 
federfabrifen produciren jett möchentlih 98,000 
Groß (14,112,000 St.), und die Gemwehrfabriten 
liefern fast die ganze Production des Verein. Kö— 
nigreiches (während des Ameritanifchen Krieges nach 
den Ver. Staaten allein 733,430 Gewehre). Nach 
der Größe des Briefverfehres ift B. die vierte Stadt 
des Königreiches. Unweit der Stadt liegt Oscott, 
wo der Yord Shrewsbury eine prächtige Baſilica 
von Puggins erbauen und von Ed. Haufer 
mit Ölgemätden ſchmücken ließ. B:8 Bevöller- 
ung Mitte 1875 wird vorläufig auf 366,325 Em, 
geihägt. 1801 Hatte e8 70,670, 1831 147,000, 
1841 183,000, 1851 232,541, 1861 96,076, 
1871 343,787 Ew. Zu Zeiten Alfreds des Gr, 


MWajjerleituugen angelegt worden; Marktplag mitl(9. Jahrh.) war B. nur noch ein unbedeutendes 


458 
Städthen; im 12. Jahrhundert zeichnete 


Birmingham-Kanal — Birnbaum, 


es Wurzeln fih hinlänglich entwideln können. Er 
fi durd feine Gerbereien aus. 1666 richterelliebt ein gemäßigt warmes Klima, gedeiht im füds 
die Peft hier große Verheerungen an. Bis zumjlicheren Gegenden als das mittäglihe Frankreich 
15. Jahrh. zählte es 3000, zu Ende des 17.|miht mehr gut, wogegen anderſeits die kalten, 
Jahrh. kaum 5000 Einw. Erſt feit der Mitte] beftändigen Nebel Englands u. das rauhe Klıma 
des 18. Jahrh. begann bier ein reges Leben.|des nörblihen Europa ebenfalls Hinderniffe für 
1745 bradten Boulton, Vater und Sohn, mit|das Gedeihen der edleren Sorten find; in heißen 
einem bedeutenden Bermögen mehrere Entded-| Gegenden muß deshalb der B. an nörblide Ab» 
ungen und Geheimniffe dahin; 1756 etablirtefhänge u. auf Hochebenen gebracht werden, mwäh- 
Basterville feine berühmte Druderci in ®., besfrend er im fälteren Gegenden an jüblichen Ab— 


fonders hob es fich aber, feit im nahen Soho 
1764 Boulton und J. Watt ihre Mafchinenbau- 
anftalt errichteten, Seitdem fteigerte fih die 
Fabrifthätigfeit von Jahr zu Jahr. Hier am 
15. Juli 1839 Chartiftenaufftand; |. Großbritan- 
nien (Gefch.). 2) Anſehnlicher Manufacturplat 
un New-Haven County, nordamerif, Unionsftaat 
Connecticut; 2103 Em. 8) Ortichaft im Hun- 
tington County, Staat Pennfglvania; bedeutende 
Eijenwerke; 8603 Ew. 4) S. u. Pittsburg.' 
Birmingham-Kanal, Kanal in der engliſchen 
Srafihaft Warwid; geht von Webnesburg bei 


hängen und in warmen Thälern, frei in der 
Sonne ftehend, den geeignetften Platz findet. Der 
B. wird vorzugsweile als Hochſtamm (f. d.) ger 
zogen u. dann 8—10 m von einander gepflanzt, 
wobei man ihm häufig eine pyramidenförmige 
Krone gibt, weil bei jeiner vorherrichenden Neig- 
ung zur Bildung einer jolhen es oft ſchwer ift, 
die Krone glodenförmig hohl zu erziehen; die 
meiften feinen Sorten des Bees eignen fih ganz 
befonders für Pyramiden (f. d.), nicht ganz fo 
ut zu Spalieren. Man gewinnt die milden 
Stämme durch Ausfaat der Samen; die edlen 


Birmingham vorbei bis Coventry u. verbindet) Sorten werden durch Veredlung (Pfropfen, Co» 


den Sherburn mit dem Grandtrunk. 


puliren u. Oculiren) vermehrt, wobei als Unter» 


Birnäther (Birneflenz, Birnöl), altoholiihellagen für Hochſtämme die Kernwildfinge von ftart 


Löſung von Eifigjäure-Arnyläther, die Geruch u.jwacfenden Birnjorten u. für Niederftämme vor- 
Geihmad der Bergamottbirnen befitt, wird in der zugsweiſe Onitten, oder auch Birmwildlinge von 
Parfümerie u. zum Aromatifiren von Gerften-Jihwach wachſenden Sorten u. Weifdorn verwen— 
zuder (Pear drops) vermenbdet, det werden; letztere liefern übrigens nur Heine, 

Birnam, Berg im der jchottifhen Grafſchaftſ wenig dauerhafte Bäume. Auf Duitten laffen 
Perth, 480 m body; ſoll zu Macberhs Zeiten Ge- fi jedoch nicht alle Birnforten veredeln, weshalb 


richtsplag geweſen fein, 

Birnbaum (Pirus eommunis L.); gehört zu 
der Fam. der Pomariae od. Pomaceae ar. 2); 
befigt im wilden Zuſtande dornige Afte, melde 
fih in der Eultur verlieren; die Knoſpen find 
fahl, die Blätter rundlid oder eiförmig, furz 
zugeipitst u. Hleingefägt, fo lang als ihr Ztiel; 
die großen weißen Blüthen j.ehen auf kahlen od. 
behaarten Blüthenftielen in großen, wenigblüthi- 
gen Dolen; die Staubbeutel find roth und die 
Griffel des Fruchtknotens frei; die durch Ver— 
wachſung der Früchtchen mit der fleiichig merden- 
den Keichröhre gebildete Scheinfrucht ift unten ver- 
ihmälert oder abgerundet, aber nicht gemabelt; 
die Fruchtfächer find außen abgerundet (vgl. Pirus). 
Der Bauın ift in ganz Europa u. im Orient wild 
u. wird feit alter Zeit cuftibirt, Die Friichte des 
mild wachſenden Baumes (Holzbirnen, Knötelbir- 
nen) fchineden anfangs fehr herb, werden aber, 
vom Froſte angegriffen, mürbe u. teigig u. mer: 
den von der armen Landbenölferung bisweilen 
genofjen; auch bereiter man aus ihnen bortreff- 
lihen Eifig; getrodnet u. gelocht werden fie ge- 
gen Diarrhöen angewandt, während aus dem 
Samen Ol gepreßt wird, Die Rinde dient zum 
Gerben u. Gelbfärben. 

Die durd Die langjährige Eultur und immer 


— 


joldye, die nicht darauf wachen wollen, auf einer 
Zwifchenunterlage veredelt werden, indem man 
zunächſt eine gut auf Quitten wachſende, fräftig 
treibende Birnjorte auf dem Quittenſtamm u. auf 
diefem dann die gewünschte Sorte veredelt; die 
auf Duitten veredelten Birnbäume lieben einen 
fräftigen, nicht zu trodenen Boden, Die Anzucht 
der Birnbäume geſchieht in Baumschulen; ſpäter 
werden fie in Obft- u. Gemüſegärten, an Wegen 
u. in manchen Gegenden aud frei in Die Felder 
gepflanzt; es müſſen dabei immer recht tiefe, weite 
Pflanziocher ausgeworfen u. mit milder, fruchtba« 
rer Erde angefüllt werden; die auf Birnen ver 
edelten Stämme dürfen nicht tiefer in den Boden 
fommen, als fie Wurzel haben, wachſen in feuch— 
tem und nicht ſehr tiefgrundigem Boden beffer, 
wenn fie auf flahe Hügel gepflanzt werden, wo— 
gegen die auf Uuitten veredelten am beften bis 
zur Beredlungsftelle in die Erde gebracht werden. 
Mäßige Düngung mit verrottetem Mifte, ver» 
dünntem Blute u. anderem flüfftgen Dünger be» 
fördert bei nicht zu üppigem Wachsthum des 
Dres feine Fruchtbarkeit u. Kraft; friiher Miſt 
darf nicht angewendet werden, da er leicht Brand, 
Krebs u. andere Krankheiten erzeugt. Die Früchte 
(Birnen) der edlen Sorten gehören zu dem fein- 
jten u. werthvollften Obfte der gemäßigten Zone; 


wiederholte Ausjaat der Samen von edlen Sorten|fie werden auf die mannigſachſte Weiſe, rob u. 
entitandenen jebr zahlreihen Abarten des B-esigefodht, getrodnet, als Syrup, Wein u. dgl., zur 
weichen bezüglich ihrer Aniprüche an den Boden, menſchlichen Nahrung, die gewöhnlichen u, wilden 
das Klima u. den Standort ziemlich von einan-| Sorten aud als Futter für Hausthiere u. Wild- 
der ab. Im Allgemeinen pflegt eine etwas ge-jpret benugt. Das Holz des Bees, befonders der 
ringere Güte des Bodens kein Hindernig feines |mwilden Stämme, ift wegen feiner Danerhaftigfeit, 
Gedeihens zu fein, wenn nur die durchaus nöthige ſchönen Maferbildung u. Annahme einer feinen 
Tieigründigfeit nicht fehlt, damit die tiefgehenden | Politur von den Schreinern u. Drechslern jehr 


Birnbaum 


— Birne. 459 


geſchätzt u. wird, ſchwarz gebeizt, häufig als fal-;1858—63; Wie und womit ſoll man düngen? 


ſches Ebenholz verarbeitet, dagegen als Bauholz) Mainz 1863; 
jeltener verwendet; fein Brennmwerth wird auf etwa Reformator der Yanbmwirthichaftsiehre, 


Friedrich Gottlob Schulze als 
Nachruf, 


$ des Buchenholzes angenommen, Engler. Wolde. |Franff. a. M. 1860; Die Univerfitäten u. bie 


Birnbaum, 1) Kreis im preuß. Regierungs- 
bezirte Poien, zu beiden Seiten der Warthe; ber 
mwaldet u. hügelig, mit Heinen Landſeen; 1292,95 
km (23, [M; 47,485 Ew, 2) (Mie 
dzychod) Stadt dafelbfi, linls an der Warthe; 
Schloß, BWaifenhaus, Synagoge; Schmupitabal- 
fabrifation; 3207 Ew., wovon 650 Juden; im der 
Umgehung Braunfoblengruben u. Biegeleien. 

irnbaum, 1) Job. Mich. Franz, ausge 
zeichneter deutfcher Jurift, geb. 19. Sept. 1792 zu 
Bamberg; ftudirte feit 1811 in Erlangen u. Lands- 
hut Rechtswiſſenſchaft, wurde Erzieher des Grafen 
von Weftfalen, dann Profeſſor zu Löwen. Bei dem 
Ausbruche der beig. Revolution bewog ihn feine 
Treue gegen das holländifche Königshaus u. feine 
Abneigung gegen die Jeſuiten, das Yand zu ver— 
laffen. Er widerftand den Anerbietungen, die ihm 
von der belgiſchen Regierung gemadt wurden, 
fiedelte mit holländischen Wartegelde nah Bonn 
über u. hielt an dortiger Univerfttät einige Jahre 
lang Borlefungen. Nachdem er mehrere alade- 
miſche Berufungen ausgeichlagen hatte, nahm er 
1835 eine juriftiche Profeſſur in Utrecht an. 1840 
folgte er, obgleich man ſich angelegentlichft bemühte, 
ihn diefer Umiverfität zu erhalten, einem Rufe als 
Profeffor u. Geh. Juftizrath nad Gießen. Hier 
mwurde er 1847 Kanzler der Yandesuniverfität, in 
der Folge Geheimrath, Nachdem er dem Staate 
viele Jahre lang als alademiſcher Lehrer, Mitglied 
der Erften Kammer, der Landftände u. hoher Be- 
amter. eine unausgeſetzte, rühmliche Hingebung ger 
widmet hatte, wurde er auf fein Nachſuchen 20. April 
1875 ehrenvollit in den Ruheſtand verſetzt. Schrife 
ten: Alberada, Erbgräfin von Banz, oder Macht 
der Frauenwürde, dramatifches Spiel im 4 Acten, 
Bamb. 1816; Adalbert von Bamberg, Markgraf 
iu Oftfranten, ein dramatijches Gedicht, 2 Bde, 
Bamb. u. Lpz. 1816 (Der Heerbann, in 1 Act; 
Dann 1. Theil: Der Reichsverweſer, in 5 Acten; 
2. Theil: Mdalberts Tod in 5 Acten). In Löwen 
Begründung der Zeitichrift: Bibliothöque du juris- 
consulte, die fpäter mit der Parifer Zeitichrift The- 
mis vereinigt wurde. ‘Ferner ſchr. er: Die Rechte 
des Herzogs von Looz-Corswaren auf das Fürften« 
thum Rheina-Wolbed, Aachen 1830; Die rechtliche 
Natur der Zehnten, Bonn 1831; Comm. de Hug. 
Grotii in definiendo jure naturali vera mente, 
Bonn 1835; Aufjäge in juriftifhe Zeitichriften. 
2) Karl Joſeph Eugen, hervorragender Land— 
wirth, Sohn des Bor., geb. 18. Mai 1829 zu 
Löwen in Belgien; befuchte die Schulen in Frei— 
burg, Utrecht u. Gießen, fludirte in Gießen u. 
Jena, ging dann in die Praris als VBolontär, wurde 
Unter-, jpäter Oberverwalter in Franken, Thü— 
ringen, bei Frankfurt a. M., machte mehrere 
Reifen u. fieß fih im %. 1857 als Privatdocent 
an der Univerfität Gießen nieder; 1866 wurde] 
er Director der nunmehr eingegangenen landwirth- 
ſchaftlichen Lehranftalt Plagwitz bei Leipzig u. ein 
Jahr darauf zum Profeffor in Leipzig ernannt. 
Er ſchr.: Uber die Wıirtbihaftsigfteme, Gießen 
1857; Lehrbuch der Landwirthſchaft, Frankf. a. M. 


iſolirten landwirthſchaftlichen Lehranſtalten, Gießen 
1863; Handbuch für angehende Landwirthe, 
v. Kirchbach, neue (6.) Aufl., Lpz. 1864, ſpäter 
in. 


8. Aufl., Berl. 1874; die Kalidüngung 
ihren Vortheilen u. Gefahren, Berlin; — 


Georgila, Lpz.; Das Genoſſenſchaftsprincip in 

Anwendung u. Anwendbarkeit in der Yandwirth- 

ichaft, Lpz. 1870, u. mehrere andere Schriften, 
2) Rhode. 

Birnblattmwefpe, f. Blattweipen. 

Birne, Frucht des Birnbaumes; gehört zu den 
nützlichſten Objtarten der gemäßigten Zone und 
wird im Frankreich geradezu für die werthvollſte 
von allen gehalten, weshalb auch vorzugsmeife 
bier eine jeher große Menge köſtlicher Sorten ent« 
ftanden ift u. noch jährlich neue entitehben, Die 
Ben unteriheiden fi nad) ihrer Größe, Farbe, 
Seftalt, Reifezeit u. Haltbarkeit u. zeigen im Ge— 
Shmad u. der Feinheit ihres Fleiſches die größten 
Verichiedenbeiten; die Farbe ift meift gelb oder 
grünlich, oft an der Sonnenfeite ſchön roth über- 
laufen, oft auch roftig grau, nur jelten gejtreift; 
die Geſtalt ift lang oder länglih, entweder am 
Stiel nur mäßig verjüngt, oder aud lang u. 
diinn in denjelben auslaufend, vund, oder mehr 
oder weniger an Stiel u. Blume abgeplattet u. 
eingedrüdt. Nach der Reifezeit u. Haltbarkeit 
unterscheidet man: a) Sommer-B=-n, von Juli 
bis September braudbar u. fi nur höchſtens 
einige Wochen haltend; b) Herbft-B-n, im Oc« 
tober u. November zeitig, u. c) Winter-B-n, 
erft im December u. fpäter gut zu verwenden. 
Der Geihmad ift vorherrfchend für u. dabei oit 
gewürzhaft in mannigfaher Weife; das Fleiſch 
theils ſaftig ſchmelzend u. beim Kauen ſich vou- 
ftändig auflöfend (Tafel-B-n), theils trodener u. 
bei den eigentlihen Koch-Ben oft hart oder rü— 
benartig, herb u. zufammenziehend, deshalb roh 
dann faum zu gemeßen, aber dennod durch das 
Kochen meist ſehr ſchmachhaft und ſüß werdend. 
Ber der großen Mannigfaltigkeit der Bn u. ben 
oft unmerflihen Übergängen der einen Form in 
die andere u, bei der Veränderlichkeit der einzel- 
nen Sorten je nad dem Klima, Boden u. den 
wechſelnden Witterungsverhältutifen der einzelnen 
Fahre ift eine Eintheulung in fireng von einander 
zu unterfcheidende Klaffen fehr ſchwierig u. bis 
jetst noch nicht vollftändig gelungen. Diel theilte 
die Ben künſtlich in 6 Klaſſen nad) der Gilte des 
Fleiſches; feine 1. Klaffe enthält die feinſten Tafel- 
Ben, die 2. Klaffe die etwas weniger guten u. 
fo fort bis zur 6. Klaffe, welche nur noch die 
ganz groben Kochbirnen mit rübenartigem Fleiſche 
umfaßt; jede Klaffe beftcht aus 3 Ordnungen: 
1) platte, 2) runde u. 3) länglihe B-n, u. jede 
Ordnung wieder aus den 3 Geſchlechtern: Some 
mer», Herbit- u. Winter-d>n. In den jpäteren 
fünftlihen Syſtemen find diefe Eintheilungen meift 
ziemlich beibehalten, gewöhnlich aber ftatt nur 6 
Klaffen deren 12 gebildet. Beſſer, wenn auch 
nicht fehr die Auffindung erleichternd, ift die Eins 
theilung der Ben. nad) ihrer natürliden Verwandt» 


460 


Birnfnofpenfteher — Biron. 


Schaft, wie 3. B. Lucas fie in 15 natürliche Far ziehenden Geihmad und von länglicher Geftalt, 


milten zufammengeftellt hat: 1. Fam. Butter-|zum Robgenuß ganz ungeeignet, 3. B. 


Knaus 


Ben mit völlig jchmelzendem Fleiſche, wahrer B., gelbe Lang-B., Träubles B. u.a. 15. Fam, 


Birnform oder abgeftumpfter Stegelform u. regel-Rundliche 


mäßigem Bau, ohne Höder u. Erhabenheiten; fie 
find länglich, ſelten rund, gegen den Stiel ver- 
jüngt uw. meift ſtumpf zugeipigt, 3. B. Beurre 
olane, B. gris, B. d’Amanlis, Regentin oder 
Passe Colmar, Soldat laboureur, Diels Butter: 
B., Winter:Nelis, Yiegels Winterbutter-B., Köft- 
liche von Charneu u.a. 2. Fam. Halbbutter- 
Ben, mit halbſchmelzendem Fleiſche, fonft mie 
Butter- Ben, 3. B. Sommer-Magdalene, runde 
Mundnet-B. u. a. 3. Fam. Bergamotten, 
init völlig ſchmelzendem Fleiſche u. rumblicher od. 
ylatter Form, am Stiel oft eingedrüdt, 3. B. 
Rothe oder Herbft-, Sommer» u. Winter-Berga- 
motte, Crafanne, Esperance, Herren-B. u. a. 
4. Fam. Halbbergamotten, von derjelben Ge— 
ftalt wie die Bergamotten, aber mit nicht völlig 
ſchmelzendem Fleiſche, z. B. Julidehants-B. u. a. 
5. Fam. Grüne Lang-Ben, mit faſt oder ganz 
ſchmelzendem Fleiſche, länglicher Form u. grüner, 
oder nur wenig beroſtet erſcheinender Schale, z. B. 
Spar⸗B., Sommerdorn, Saint-Germain, Baftoren: 
B., grüne Tafel-B., Schweizerhoſe u.a. 6. Fam. 
Flaſchen-Ben, von fehr langer Geftalt, mit 
ichınelzendem oder halbichmelzendem Fleiſche und 
grünlich-gelber, oder gelber, ftark berofteter Farbe, 
3. B. Marie Yuife, Gapiaumonts Butter-B., 
van Mons Butter-B., Calebaſſe, Cuisse-Madame 
u.a. 7. Fam. Apotheler-B-n, von unregel- 
mäßig böderiger oder beuliger Form, ohne Rück 
ficht auf die fonftige Geftalt, u. mit jchmelzendem 
oder halbjchmelzendem Fleiſche, z. B. Ehriften-B., 
Herzogin von Angouleme, Napoleons Butter-B., 
General Tottleben, Hardenponts Winter-B., Chau- 
montel u.a. 8. Fam. Ronfjeletten, kleine od. 
mittelgroße länglide B., mit braun gerötheter, 
meift roftiger Schale u. jehmelzendem oder halb» 
jchmelzendem Fleifche von zimımtartig gewürztem 
Geihmade, 3. B. Gaishirten-B., gute graue od. 
Sommer-Beurre-gris, Forellen⸗-B. u.a. 9. Fam. 
Muscateller-B-n, kleine Sommer» oder frühe 
Herbit-B., von meift länglicher Form u. mit eigen- 
thimlihem Muscatgeſchmack. 10. Fam. Shmalz- 
Ben, wozu alle noch zu den Tafel-Bn zu rech— 
nenden großen u. mittelgroßen, länglihen B-n 
mit halbſchmelzendem Fleiſche gerechnet werden, 
welche in die erſten 9 Familien nicht paſſen, 3.8. 
Windfor-B,, Andenken an den Congreß, König 
Erz). a. 11. Fam. Gewürz-Ben, alle 
kleineren rundlichen oder platten B-n u. von den 
längligen nur ſolche, welche wegen ihrer Kleinheit 
nicht zu den Schmalz-Ben gerechnet werden, libri- 
gens mit dieſen gleihe Beſchaffenheit haben, 
12. Jam. Längliche Koch-Ben, mit hartem, 


ein-B-n, wie die borigen, aber 
von rundlicher Form, 3. B. Katzenlopf, Moit-B., 
Brat-B, u.a. Die B-n verlangen zu ibrer voll- 
fomntenen Ausbildung u. Reife vorzugsweiſe einen 
warmen, fonnigen Stand, meshalb fie in den 
füblihen Gegenden auch bejonders ſchön werden; 
in rauhen Diftricten gedeihen die feinen Sorten 
nur in dem beten Lagen u. erreiche hier wenig« 
ftens annähernd ihre Vollkommenheit; alle jpäten 
Sorten dürfen nicht zu früh abgenommen werden, 
weil fie jonft leicht welfen u. nicht ordentlich weich 
und faftig zu werden pflegen; die Sommer» B-n 
nimmt man dagegen gern 8 Tage vor ihrer völ« 
ligen Reife vom Baume, um fie etwas jaftiger 
u, fir kurze Zeit haltbar zu befonmmen. Die Aufs 
bewahrung geſchieht am beften in trodenen, froft« 
freien Räumen, ohne zu ftarten Zutritt der Luft 
u. des Lichtes, daher meijt in luftigen, trodenen 
Ktellern, oder froftfreien Zimmern, Die Beuutz— 
ung der Ben ift fehr manmnigfaltig: mäßig roh 
genojien jowol, als auch in gelochtem Zuſtande, 
ſind ſie eine geſunde, erquickende Speiſe, wenn 
ſie auch für etwas weniger leicht verdaulich gel— 
ten, als die Äpfel; auch getrocknet ſind ſie ſehr 
beliebt u. nützlich, ſie werden dafür faſt immer 
geſchält, ſehr große dann durchgeſchnitten u. das 
Kernhaus ausgeſtochen, kleinere nur an der Blume 
kreuzweis eingeſchnitten, ohne das Kernhaus zu 
entfernen. Der durch Einkochen des ausgepreßten 
Saftes gewonnene B.-Syrup (B.Kraut) iſt ſehr 
ſüß, im Allgemeinen weniger beliebt, als der ſüße 
Apfelſyrup; ähnlich iſt es mit dem B⸗wein oder 
Berry, welcher füßer u. beraufchender, aber micht 
jo fräftig und haltbar ift, als guter Apfelmein; 
man nimmt dazu nur die berbfien Winter» Ben, 
welche lange liegen müffen, ehe fie genießbar find; 
weiter werden die Ben noch als Bemus, zu Eifig 
und ſelbſt als gutes Viehfutter benugt; aus den 
Kernen läßt fih ein ſchmachaftes Speileöl ges 
winnen. Wolde. 

Birnknoſpenſtecher, ſ. Blüthenbohrer. 

Birnmoos, jo v. w. Knotenmoos. 

Birmmotte, jo d. v. Apfelwidler (j. d.). 

Birnguitte, Barietät von Cydonia vulgaris L.; 
die am hänfigften vorlommende Form der Frucht 
des Quittenbaumes, von der Gejtalt einer Birme, 
als Gegenjag von Apfelanitte, 

Birnjanger, |. Blattjlöbe. 

Birnſpinner, ſ. v. w. WienerNachtpfauenauge; 
ſ. Nachtpfauenauge. 

Biron, Gemeinde im Bezirle Bergerac des 
franz. Dep. Dordogne; ſchönes Schloß, Denkmal 
des 1602 hingerichteten Marſchall Biron (ſ. d. 2); 
1150 Ew. 8. war ſonſt Örafichaft, jpäter (1721) 


rübenartigem, jedoch nicht herbem Fleiſche u. von — 


länglicher Geftalt, z. B. ſchöne Angewine, Senf- 
B. Ochſenherz-B., Kamper Venus, Martin sec. 
u. a. 13. Jam. Rundliche Koch-B⸗n, wie 
die vorigen, aber von nicht länglicher Form, z. B. 
Scneider-B., Kubfuß, Gloden-B., Yöwentopf od. 
Pfund-⸗B., Sped-B. u. a. 14. Fam. Längliche 
Wein-Ben, mit rübenartigem od. halbichmelzen« 
dem Fleiſche u. einem fehr herben, zujammen- 


iron, 1) Armand de Gontaut, Baron 
v. B., franz. Feldherr u. Staatsmann, aus einer 
alten Familie aus Perigerd, geb. um 1524; 
diente der Königin Margarethe von Navarra als 
Page, dann am franzöfiichen Hofe; jpäter trat er 
wieder in die Dienfte Heinrichs III. von Navarra, 
welcher ihn zum Gonvernenr von Guienne und 
1577 zum Marſchall ernannte. Bei deſſen Be— 


461 


fleigung des franzöfiihen Thrones folgte er und, Annas Befehl als den von König Auguft III. mit 
that fich bei. bei Arques u. Jury hervor. Er dem Herzogthum belehnten Herzog anerkennen. 
biieb bei der Belagerung von Epernay 1592. |Leidenfchaftlih im Haffe gegen feine Nebenbuhler, 
2) Charles de Gontaut, Herzog von B.,|verbing er über die nad der Gunft der Kaiferin 
Sohn des Bor., geb. 1562; war jhon 1576/|ftrebenden Dolgorudi ein jchredliches Strafgericht; 
Dberft der Schweizergarbe, wurde 1589 Gene-| Taufende übergab er dem Henterbeil, u. noch mehr 
ral, 1592 Admiral, 1594 Marihall und 1598 |jandte er nach Sibirien, jo daß felbft die Kaiferin 
ER und Pair, Als Held beionders in denlihn fußfälig um Gnade für die armen feinem 
ladhten bei Arques, Fury, Aumale u. vor Haſſe Verfallenen bat. Nach dem Tode der Hair 
Paris ausgezeichnet, erhielt er den Beinamen Blig}jerin Anna (28. Oct, 1740) führte er ihrem Be- 
ranfreihs. Als er, durch vermeintlihe Zurid-|fehl gemäß die Negentfchaft für den Prinzen 
egung gefränft, fi mit Spanien u. Savoyen, Iwan, ihren Nachfolger: indeß nur kurze Zeit. 
gegen das Verſprechen, eine ſavoyiſche Prinzeffin|Da er mehrere Berjonen zu feiner Sicherheit ent- 
zur Gemahlin u. Burgund u. Franche-Comié zu|fernte u. durch Verheirathung feines Sohnes mit 
erhalten, gegen Heinrich IV. derſchwor u. diefelder Prinzeffin Elifabetb u. feiner Tochter mit 
Berihwörung, als er fon reumüthtg dem König|dem Herzog von Holftein, nachher Peter III., die 


Biron. 


fein Vergehen geftanden hatte, nochmals anipann, 
murde er durch Laſin, feinen Bertrauten, verrathen 
u. 21. Juli 1602 in der Baftille enthauptet. 
8) Armand Louis de Öontaut, früher Herzog 
v. Lauzun, feit 1788, nad dem Ausfterben der 
älteren Linie B, mit feinem Onkel Louis Antoine, 
Herzog v. B., geb. 1747; trat früh in Kriegsdienfte; 
durch Ausſchweifungen in tiefe Schulden gerathen, 
ging er mit den franzöfifchen zen nad 
merifa; da er es aber mur bis zum Oberſten 
bradte, jo ſchloß er ſich 1789 an die Volkspartei 
u. bei. an den Herzog von Orleans an u. ward 
deſſen Bertrauter u. Helfershelier; 1792 erhielt 
er ein Commando, anfangs zu Lille, wo er bei« 
nahe von den aufrühreriichen Soldaten ermordet 
worden wäre, dann bei Nizza in Savoyen, Cor- 
fica u. in der Bendee. Als er hier nicht glücklich 
war, nahm er feinen Abjchied, ward aber gefan- 
en u. 1. Jan. 1794 zu Paris hingerichtet. Seine 

temoiren reichen nur bis zur Nevolution. 4) S. 
u. Gontaut, 

Biron (Biren), 1) Ernft Johann v. 8,, 
Herzog von Kurland, geb. 1687, Sohn eines 
turländishen Bauers, Biren oder Bühren, der 
ein adeliges Gut im Erbpacht beſaß. Nachdem er 
in Königsberg Theologie ftudirt, erreichte er, 
wegen eines Duells flüchtig, durch einnehmendes 
und feines Benehmen, nad einem vergeblichen 
Berfuche in Petersburg, am Hofe der in Mitau 
refidirenden verwittweten Herzogin Anna von Kur— 
land, ‚der Nichte Peterd des Großen, eine An- 
ftellung; bald erwarb er ſich die höchſte Gunſt 
derjelben, was übrigens den Furländifchen Adel 
nicht abhielt, ihm, auch nachdem er fi 1722 
mit Fräulein von Trotta, genannt Treyden, ver- 
mählt, die Aufnahme in die Adelsmatrifel zu ver« 
meigern. AS die Herzogin 1730 den ruſſiſchen 
Thron beftieg, begleitete er fie, obgleich fie in 
der Wahlcapitulation verfproden hatte, B. nicht 
mitbringen zu wollen, doch nah Rußland, ftieg 
bier rafh empor, wurde Oberfammerherr u. 
Neihsgraf, nahm als folder Wappen u. Namen 
der franzöftichen Herzöge von B. an u. beherrichte 
nun das Ruſſiſche Reich, da ihm Anna, ohne Nei« 
gung zu den Staatsgejchäften, fi u. die Hegier- 
ung völlig überließ. Der dirigirende Senat u. 
ein Geheimer Cabinetsrath, in dem Oftermann als 
Kanzler den Borfit führte, war feine Schöpfun 
u. die Übergabe des Obercommandos an Minnic 
fein Wert, 


Abſicht errathen ließ, feine Familie auf den Thron 
zu heben, beſchloß der in ſeinen Erwartungen ge» 
täufchte Münnich im Einverftändnig mit der Mut— 
ter des jungen Ezars, ihn zu ftürzen, ließ ihn 
19./20. Nov. 1740 verbaften, ihm den Proceß 
machen u, ihn zum Tode verurtheilen; aber das 
Urtheil wurde nicht vollzogen, ſondern B. unter 
Eonfiscirung feines Vermögens in die Berbann- 
ung nah Pelym in Sibirien gefhidt. Die Kair 
ſerin Eliſabeth rief ihm bei ihrer Thronbefteigung 
20. Dec. 1741 zurüd, verwies dagegen feinen 
Feind Münnich; jedoch durfte B. nicht an den Hof 
fommen, fondern wurde in Jarosiam internirt, Die 
Kaiferin Katharina Il. gab ihm, nachdem Peter III. 
feine Verbannung aufgehoben, 1763 fein Herzog« 
thum zurüd, das er weiſe u. mild regierte u. 
1769 jeinem älteften Sohne Peter übergab; f. u. 
Kurland (Geſch.) u. Rußland (Geſch.). Er ft. 28. 
Dec. 1772 (Lebensbeihr., Bremen (1772); er 
binterlich 2 Söhne, B. 2) u. B. 3). 2) Peter, 
Herzog von Kurland u. Sagan, Sohn des Bor., 
geb. 15. Febr, 1724 in Mitau; theilte das Schid- 
jal feines Vaters u. wurde, mit dieſem zurückge⸗ 
tehrt, 1762 ruſſiſcher Generalmajor der Cavalerie; 
1769 übernahm er die Regierung von Kurland; 
in fortwährendem Conflict mit den Ständen ı. 
von diefen in Petersburg verklagt, mußte er 28. 
März 1795 gegen ein Sahrgehalt von 500,000 
Ducaten Entihädigung für feine Domänen in 
Kurland das HerzogthHum an Rußland abtreten, 
jedoch umter Vorbehalt aller herzoglihen Ehren- 
rechte für fih u. fein Haus; f. u. Kurland (Geſch.). 
Er hatte 1792 die Herrihaft Nachod u. ſchon 
1786 von dem Firften Loblowitz das Fürften- 
thum Sagan gelauft u. wurde fo Stifter A) der 
Linie B.-Sagan. Er ft. 13. Jan. 1800 auf 
feinem Gute Gellenan in Schlefien. In 3. Ehe 
war er feit 1779 vermählt mit Anna Char» 
fotte Dorothea, geb. Reihsgräfin von Medem, 
geb. 3, Febr. 1761, eine durch Schönheit u. Gei— 
jtesbildung ausgezeichnete Dame; fie lebte nad) 
der Entfagung ihres Gemahls mit demfelben in 
Schleſien u. nah deſſen Tode theils in Paris,. 
theils in Löbihau im Altenburgiſchen, wo ſich ein 
Kreis von Gelehrten, Schöngeiſtern u. Künſtlern 
um fie bildete; fie ft. an letzterem Orte 20. Aug. 
1821. Lebensbejhr. von Ziebge, Lpz. 1823. 
Sie gebar ihrem Gemahl 4 Töchter, ne: 
Johanna, geb. 1783; 1801 vermählt mit Franz 


1737 mußten ihn die Kurländer aufiv. Pignatelli de Belmonte, Herzog von Acerenza. 


2 


462 
Dorothea, geb. 1793, feit 22. April 1809 
Gemahlin des Herzogs Edmund von Talleyrand- 
Perigord, Herzogs von Dino (geft. 14. Mai 1872); 
durch kgl. Inveſtitur vom 6. Jan. 1845 Her- 
zogin von Sagan. Nach ihrem Tode (19. Sept. 
1862) folgte ihr Ältefter Sohn Napoleon Yudwig, 
Herzog Talleyrand-Perigord u. Herzog de Balengay, 
geb, 12. März 1811, al$ Herzog von Sagan; 
deifen ältefter Sohn Boſon, Prinz von Sagan, 
geb. 7. Mai 1832. Der zweite Sohn Dorotheas, 
Alerander Edmund, geb. 15. Dec. 1813, durch 
Gejfion jeines Baterd Herzog von Dino, erbielt 
nad der Mutter Tod die Herrihaft Deutih-War- 
tenberg in Pr.-Schlefien. B) Linie B.-Warten« 
berg, gegründet von 3) Karl Ernft, 2. Sohne 
von B. 1), geb. 30. Sept. 1728; theilte ebenfalls 
das Schidjal jeines Vaters, ward 1762 General: 
major ber Infanterie u. ft. auf einem Landgute 
in Preußen 16. Oct, 1801. 4) Guſtav Ealırt, 
Fürſt B., Sohn des Vor., geb. 29. Jan. 1780; 
war anfangs Gardeoffizier u. Kammerherr bei 
Katharina II., nahm dann preußische Kriegsdienite, 
erhielt von Rußland zur Entihädigung für Kur- 
land 36,000 Thlr. jährlihe Einkünfte u. nannte 
fh, nachdem er die Herrihaft Wartenberg 1802 
erworben, Fürſt B.-Wartenberg,. Er nahm an 
den Feldzügen 1813 u. 1814, wo er als Oberft 
u. Generalmajor ein Streifcorps bei der Großen 
Armee befehligte, theil; ft. als Generallieute- 
nant u. Gouverneur von lag 20. Juni 1821 
zu Ems, Er war vermählt mit Gräfin Fran— 
cisca v. Maltzan. 5) Prinz Karl, ältefter Sohn 
des Vor., geb. 13. Dec. 1811; war preußticher 
Nittmeifter, folgte 1821 feinem Vater im Befite 
der Standihaft Polniſch-Wartenberg u. ft. 21. 
März 1848. Er ſchr.: Die neuen Gefängnißiy- 
fteme, Brest. 1847. 6) Prinz Ealirt, Bruder 
des Vor., geb. 3. Jan. 1817; fuccedirte feinem 
Bruder 1848 u. ift vermählt jeit 6. Aug. 1845 
mit Fürftin Helene Mestihersiy; er ift erbliches 
Mitglied des Preuß. Herrenhanfes u. Königl. 
Preuß. Oberftihent. Sohn: Prinz Guftav, geb. 
17. Oct. 1859. Lagaı.* 

Birostratus (Bot.), zmeiichnabelig. 

Birr, 1) Dorf im Bezirte Brugg des ſchwei— 
zer Kantons Nargau; 500 Ew.; dabeı (zu Neuhof) 
errichtete Peftalozzi feine Erziehungsanftalt; auf 
dem Kirchhofe dajelbft ift Peſtalozzis Grab, auch 
ein Denlmal defjelben feit 1846; in der Nähe, 
bei Birrfeld, Überreſte einer römischen Waffer- 
feitung. 2) Stadt in der Grafichaft Kings in der 
irifchen Prov. Leinfter; bedeutende Yeinenmweberei; 
auf dem Markte eine Bildſäule des Herzogs von 
Cumberland; 5200 Em. 


Birostratus — Bijampappel. 


len. In der Näbe ihrer Mündung ift das Schladht- 
feld von St. Jalob. 

Birfchen (Birfen) u, Zufammenjegungen, ſ. 
Bürſchen. 

Birſe (Birze), Stadt im Kreiſe Ponewjeſch 
des ruſſiſchen Gouvernements Kowno; 3 Kirchen 
verſchiedener Confeſſionen; ſchönes Schloß; 2300 
Ew., meiſt Juden. Hier 9, März 1701 erneu— 
ter Mllianzvertrag zwiſchen Beter dem Großen 
von Rußland und König Auguft dem Starten 
von Polen. 

Birsf, Kreisftadt im ruf. Gouv. Ufa (jeit 
1782), in bergiger Gegend, am rechten Ufer der 
Bielaja, an beiden Seiten des Flüßchens Solyha; 
unregelmäßig gebaut; 3 Kirden, 1 Kreis⸗, 1 
Pfarrſchule; mehrere Fabriken; 3840 Em. 

Birs Nimrud, die Ruinen des Baalstenıpels 
zu Babylon; f. u. Babylonifcher Thurm. 

Birftein, Marttfleten im Kreiſe Gelnbauien 
des preuß. Regbez. Kafjel, an der Bracht; Reſi— 
ba hie des ‚zürften von Iſenburg; 1100 Em, 

irthelm (Birthalmen), Marttfieden im fie 
benbürgiihen Stuhl Mediafh; Superintendent 
Angsburgiiher Confeſſion für ganz Siebenbür- 
gen; vorzüglicher Weinbau (Herrenkatze); 3383 €, 

Biruptilis (Bot.), auf 2 Seiten beritend. 

Birze (Bırzi), Stadt, fo v. w. Birfe, 

Bis (fat.), zweimal; in Zulanmenjegungen 
häufig bi; bei Muſikſtücken Wiederholung einer 
nur einmal gejchriebenen Stelle. 

Dis, Hippolpyt, franz. Dramatifer, geb. 29. 
Aug. 1789 in Douai; fi. 7. März 1855 in Paris; 
er ſchr.; Attila, Johanne von Flaudern u. a, 
Dramen, auch mit Jouy den Text zu Roſſinis 
Wilhelm Tel. 

Biſacquino, Stadt im Bezirke Corleone der 
italienifshen Provinz Palermo; Hoipital; Yeinen« 
weberei; in der (bemeinde 9128 Ew. 

Bifam, 1. Moſchus. 

Bifambod, 1) Art ver Bodtäfer; ſ. d. 2) So 
vd. w. Moichustbier, 

Dijamente, j. u. Ente. 

Biſamfelle, Felle der Biſamratte. 

Biſamgünſel iſt Ajuga Iva Schreb. 

Biſamhirſch, ſo v. w. Moſchusthier. 

Biſamkatze, jo v. w. Zibethkatze. 

Biſamkörner, ſ. Hibiscus Abelmoschus L. 

Biſamkraut iſt Adoxa Moschatellina L. 

Biſamochs (Ovibos Blainve), Gattung aus 
der Familie der Rinder; Stirn flach; Schnau- 
zenjpige bis auf eine Heine Stelle zwiſchen den 
INajenlöhern behaart; Hörner mit der breiten 
Baſis zujammenftehend, abwärts gefriimmt, mit 
aufwärts gebogener Spige; Haut mit langem 


Birresborn, Dorf im Kreiſe Prüm des; Haarkleide, in welchem der Schwanz verftedt bleibt. 


preuß. Negbez. Trier, an der Eifelbahn; Mühl-| Der nordamerikaniſche B. 


(0. 


moschatus 


jteinbrüche,; Tohlenfaures Natron als Hauptbe- Blainv.) hat einen Budel, bis auf die Erde hän— 


kandtheil 


Quelle; 990 Em.; dabei 


enthaltende, an Kohleniäure jehr reiche gende Haare u. kurzen, haarigen Schwanz; wird 
der Brubbeldries,)2 ın lang; lebt in den fälteften Gegenden NAme— 


eine Art Mofette, aus der kohlenſaure Gaje ent-|rifas, in den Steppen der Hudjonsbai, von 60° 


weichen. 


n. Br. bis zur Melville-Inſel, aber nicht auf 


Dirs, 66 km langer, linksſeitiger Nebenfluß| Grönland, dagegen auch wetl. vom Rochgebirge 


bes Rheines in der Schweiz; entipringt im Kan» 
ton Bern auf dem Jura, beim Paſſe Vierre 
Pertuis, durchſtrömt das Münfter» u. Yaufenthal 
u. mündet oberhalb Bafel; er ift reich an Forel⸗ 


‚häufig u. truppweiſe; Hettert gut, riecht ftarf 

nah Biſam, wonach jein Fleiſch auch fchmedt. 

Die Wolle ift feiner als beim Bifon, Thome.” 
Bijampappel ift Hibiscus Abelmoschus L. 


Bijamratte 


Ha fo v. mw. Zibethratte; f. d. 
Bifamroje, Rosa moschata Mill. 
Biſamſchwein, ſ. Pelari. 

Biſamſpitzmaus, |. Rüſſelmaus. 

Biſamſirauch, Hibiscus Abelmoschus L. 

Biſamthier, ſ. Moſchusthier. 

Biſamziege, ſ. Moſchusthier. 

Biſanagar, Stadt auf der Halbinſel Gu— 
dſcherat; bedeutender Tranſithandel u. Baum— 
wollen⸗Induſtrie; 18,000 Ew. 

Biſazza, Felice, italieniſcher Dichter, geb. in 
Meifina 29. Jan. 1808; wurde 1851 Profeſſor 
ber Literatur an der Univerfität Meffina u. ftarb 
daſelbſt 1867. Er verſchaffte den Anfichten Augquft 
Wilhelm Schlegels in feiner Heimath Verbreitung 
u, jchrieb ein Memoire iiber die Romantil, 1833; 
Leggende e ispirazioni, 1841; Fede e dolore; 
La notte u. L’acqua, 1863; Dante a Ravenna, 
7 Auflagen, Sei dipinti, 1866; Trionfo di 
Scipione, 1867; auch liberjegte er S. Geßners: 
Der Tod Abels u. die Offenbarung Johannis in 
italieniiche Verſe, 1837. 

Biscaino, Bartolomeo, Hiftorienmaler n. 
Nadirer in Genua, geb. dafelbft 1633, geft. 1657 
_ ebenda, Sohn des Landicaftmalers Johann 
Andreas B. An feinen Arbeiten wird namentlich 
vie edle Erſcheinung der Geftalten, das mohl- 
thuende Colorit u. die geiftvolle Behandlung ge- 
rühmt. Hauptwerfe: Der Hl. Ferrand vor dem 
Throne Mariä, in S. Spirit in Genua; eine 
Beichneidung Chrifti, Anbetung der Könige und 
Ehebrecherin, in der Dresdener Galerie. In fei- 
nen Radirungen bewährt er ſich als ficherer Zeich" 
ver u. tüchtiger Componift. Regnet. 

Biseära, |. u. Biskra. 

Biscayijches Meer (Biscayiiher oder Aqui— 
tanischer Meerbuſen), Theil des Atlantifchen Diee- 
res an der buchtenreihen Küfte der basischen 
Provinzen Spaniens u. der füdmeftl, Küſte von 
Frankreich; die Flüffe Bidaffoa, Bilbao, Adour zc. 
ftrömen ihm von den Cantabriſchen Gebirgen u. 
Pyrenäen, die Garonne von Frankreich zu. 

Bifceglie (Biscegli), Stadt in der ital. Prov. 
Bari, Bez. Barletta, am Adriatifhen Meere u, der 
Eijenbahn nach Brindifi (lleberlandsroute); Bischof; 
Hafen; Handel; in der Umgegend Dliven-, Getreide: 
u. Weinbau; im Gemeindebezirfe 21,371 Ew. 

Biſchariba (Biiharin), ein Stamm in Nus 
bien, welder eine Abtheilung des Volleg der 
Bediha (f. d.) bildet und, 200,000 Köpfe ftarf, 
das ganze, von ihnen ſelbſt Edbat genannte wiifte 
Land von 23—15° n. Br. ald Nomaden durch— 
wandert. Ihre Farbe ift dunkelbraun, faft Schwarz, 
ihre Gefihtszüge find durdaus nicht negerartig, 
fondern fanft, angenehm, ſelbſt edel u. europäiſch, 
ihr Gharafter mild u. gutmüthig, ihr Wuchs vor- 
14. Der Hauptſitz der B. iſt der Dſchebel 
Elba. Die Sprache der B., das Bedſchari, wird 
vom Rothen Meere bis zum Nil u. bon der 
SGrenze Agyptens bis Suafım gefproden u. ge» 
hört zu den hamitifchen Spracden. 

Bilceari, eine Kafte in den brit.-oftindifchen 


— Biſchof. 463 


zu den Schmelzfchuppern gehörenden Fiſchfamilie 
der Flöſſelhechte; 50 cm lang; Kopf abgeplattet, mit 
weiter, endjtändiger Mundfpalte, über deren oberem 
Rande 2 Barteln fiten; Kiefer mit Hafen- od. Bor» 
ſtenzähnchen bewaffnet; 2 von knöchernen Klap- 
pen bededte Spritlödher find vorhanden; Neben- 
tiemen fehlen; Schuppen hart, mit Schmelzdede 
(Ganofdihuppen), glatt u. rhombiſch; eigenthüm— 
ch ift die große Anzahl von 8 bis 16 getrennten 
Niüdenfloffen, deren jede aus einem Stadel u. 
aus einem am deſſen binterer Seite befeftigten 
Flößchen von gegliederten Strahlen befteht; jehr 
complicirt ift die imnere Höhlung der Nate, in 
welcher fih ein Labyrinth von fünf bäutigen pa» 
rallelen Nafengängen entwidelt; die Schwimme 
blafe beitebt aus 2 feitlihen, ungleich großen 
Säden u. mündet an der Bauchfeite des Schlun- 
des; grün, jchwarzfledig; im Nil. Thome. 
Biſchof, Getraͤut, durch einen Aufguß von 
rothem Wein auf zerſchnittene friſche Pomeranzen 
(nicht aus Treibhäuſern), oder auch nur die Schale 
davon, mit Zufag von Be bereitet, Man trinkt 
ihn meift falt, nahdem man von dem kalt auf: 
gegoffenen Weine mehrere Stunden lang die 
Pomeranzen hat ausziehen laffen. Schneller bereitet 
man ihn aus Biſchofeſſenz, einem Auszuge der 
kräftigſten Theile der bitteren Pomeranzen mit 
votbem Wein, den man vorher bis zu einem ge- 
wiſſen Maße einlochen läßt. Man rechnet 4 Effenz 
auf eine Flaſche Wein, um guten B. berzuftellen. 
Bifhofertract erhält man durch Ablochen der 
Pomeranzen mit Waffer, durchgefeiht und mit 
Zuder zu Syrupsdide eingeloht. Das Getränt 
erregt im größerem Maße genoffen Kopfihmerz. 
ifhhof (v. gr. episkopos, Aufſeher), 1) Vor- 
jteher einer chriftlihen Gemeinde, im N. T. das» 
jelbe mit den Presbptern, nur mit dem Unterjchiede, 
daß dieſes diefelben Perfonen als Vertreter der 
Gemeinden, jenes als Auffihtsperional über die 
Gemeinden bezeichnet. Die monarchiſche Stellung 
des Epiffopats im Unterfchiede vom Presbyterat 
bildete ſich erſt allmählich im Gegenfage gegen die 
Spaltung der. Gemeinden dur die guoftifchen 
Irrlehren aus, u. iſt, wie die Ignatianiſchen Briefe 
zeigen, erſt mit Ende des 2, Jahrh. fertig vor: 
banden. IL An der Römiſch-Katholiſchen 
Kirche ift der Bischof der geiftliche Vorfteher eines 
Kichhenbezirfes, u. zwar gelten bier die Biſchöfe 
nach der Yehre der Kirchenväter ald die Nachfolger 
der Apoftel u. Erben ihrer von Ehrifto erhaltenen 
Gewalt, gejegt von dem Heiligen Geifte, die Kirche 
Gottes zu regieren. Der Epifkopat ift als Amt, 
wie der Apoftolat, eine unmittelbare göttliche Eins 
ſetzung. Paulus beftellte den Timotheos zu Ephe— 
jo8, den Titus zu Kreta u. ertheilte ihnen die 
Vollmacht, Presbyter oder Altefte zu weihen u. 
die Gemeinde zu regieren, eine Vollmacht, weiche 
eine höhere (indeß aus dem Teſtament nicht er- 
weislihe) Gewalt von ihrer Seite vorausfekt, 
Die Biſchöfe zufammengenommen, in Berbindung 
mit dem Primat (Papit) nady dem fog. Epijto- 
paljyftem, in der Unterordnung unter ihn nad) 


NWProvinzen, melde ſowol brahmaniſche, als dem jeit der Unfehlbarfeitsertlärung 1870 herr— 


mohammedaniihe Gebräudye beobachtet u. ſich des 
Fleifches u. der geiftigen Getränte enthält. 


Biſchir (Polypterus Bischir Geoffr.), Art derifie, foweit dies mit der feit 1870 feſtgeſtellten 


ſchenden Papalſyſitem, machen das Subject der 
Kirhengewalt aus. In ihren Diöcefen regieren 


464 


Biſchof. 


abſolut · monarchiſchen Stellung des Papſtes ver-;tät bei der Biſchofswahl iſt folgende: nachdem 


einbar iſt, die Kirchen als ſelbſtändige Hierarchen 
(jure proprio) u. nicht als Stellvertreter des 
Papſtes (jure vicario); ihre Amtsgewalt ift nicht 
precär, fondern ftabil u. ordentlich mit ihrem Amte 
verbunden, daher fie auch Ordinarii heißen. Die 
Rechte u. Pflichten der Biſchöfe befteben in Fol— 
gendem: Rückichtlich ihrer Rechte u. Pflichten ber 
inneren Gerichtsbarfeit (Jura jurisdietionis), find 
fie eigentlihe Seeliorger u. Yehrer der Diöcefe 
(die Biarrer nur ihre Stellvertreter u. Gebilfen); 
fie haben das Recht, allentbalben in derielben die 
Geihäfte der Seelforge auszuüben, das Wort 
Gottes zu verfündigen, u. find dazu, außer bei 
einem rechtmäßigen Hinderniffe, nach Vorſchrift 
des Tridentiner Goncils im eigener Berjonperbunden, 
die Ordnung des Gottesdienſtes zu leiten, die 
Sacramente anszufpenden, Abläffe zu ertheilen u. 
gewiffe Sündenfälle (Casus reservati) zur Los— 
ſprechung ihrem Forum vorzubehalten. Die Rechte 
u. Pflichten in Bezug auf Geſetzgebung u. äußere 
Gerichtsbarkeit beftehen in der Macht, Diöcejan- 
verordnungen zu erlaſſen, Diöcefanconcilien aus— 
zuſchreiben, kirchliche Vergehungen zu ſtrafen, von 
der klirchlichen Gemeinſchaft auszuſchließen, zu ex— 
commmmiciren, die Oberaufſicht über die Kirchen- 
zucht, die Sitten des Klerus, die Beſetzung u. 
Berwaltung der geiftlihen Amter u. Beneficien, 
die Berwendung der Kirchengüter zu führen u. 
die Diöceje zu vifitiren. Zu den Functionen der 
biihöflihen Weihe (Jura ordinis) gehört das 
Sacrament der Firmung u. der Priefterweibe, die 
Weihe des heiligen Ols oder Ehrifams, der Kir: 
hen, Altäre, beiigen Gefäße, Gottesäder, die 
Benedicirung der Abte u, Abtiſſiunen. Der Wirf« 
ungsfreis der Biſchöfe ift jetzt von den Staaten 
jehr eingefchräntt; in vielen Ländern Europas ift 
der Epilfopat auch um die ehemals reichlichen 
Dotationen gelommen, u. der deutjche, der meijt 
aus fouveränen Reichsiürften beftand, faft ganz 
zertrümmert (vgl. Säcnlarijation), fein Einkom— 
men u. Anjehen jehr gemindert. Es gibt aud) 
Zitnlar- Bischöfe, Weih- Bischöfe (Biſchöfe in parti- 
bus infidelium), welche zwar wirkliche Biſchöfe 
find, aber feine Diöcefen haben, fondern nad 
ehemaligen fatholifyen Bisthümern, die aber jetzt 
in den Händen von Nicht-Ehriften oder anderen 
Eonfeifionsverwandten fich befinden u. wo daher 
feine Bilchofsfige mehr find, bemannt werden. 
Suffragan-Bijhöfe werden die wirklichen 
Didcefan-Bifhöfe in ihrem Verhältniſſe zu dem 
Metropolitan genannt. Für den Fall dauernder 
Krankheit od. Altersihwäcde erhält der B. einen 
Coadjutor, welder, fo lange er die biichöfliche 
Weihe noch nicht empfangen hat, Episcopus designa- 
tus heißt. In der alten Kirche ftand die Wahl der 


alle Wahlberechtigten eingeladen find, hält der 
Propft oder Dechaut des Capitels die Mefie de 
spiritu saneto vor den Berfammelten; hierauf 
geichieht die Wahl entweder quasi inspiratione, 
mern jofort alle Mitglieder übereinftimmen, oder 
per compromissum, indem die Wähler ihr Wahl- 
recht auf einen oder mehrere Eollegen übertragen, 
od., was die jetst übliche Form ift, per scrutinium, 
durch geheime Abftimmung. In beiden legteren 
eg ift abjolute Stimmenmehrheit erforderlid. 
Jetzt wird in einigen Ländern, wie in Bayern, 
‚jzranfreih, der B. vom Pandesherrn ernannt 
u, vom Bapjte beftätigt (Nominatio regia); nad 
anderen Goncordaten, wie in Preußen, wählt das 
Capitel, u. der Yandesherr hat das Beftätigungs- 
oder Vermwerfungsreht. Die päpftlihe Beſtätig- 
ung (Eonfirmation) erfolgt nur auf eine vor 
ausgegangene Unterfuchung, Snfermativproceh, 
am Orte des Gemählten, wobei es fih darum 
handelt, ob derſelbe die nöthigen Dualificationen 
befige, namentlich das gebörige Alter (jegt wenig» 
ftens 30 Jahre) u. das Jndigenat, u. einen De 
finitioproceß durch das Eardinalcollegium in Rom. 
Nah erlangter Betätigung erhält der neue B., 
gefetslih fpäteftens 3 Monate nach erfolgter Be» 
fätigung, von einem B., meift einem Erzbiichof, 
in Gegenwart zweier anderen Biichöfe oder infus 
lirten Abte, nah dem im römiſchen Pontificale 
vorgefchriebenen Ritus die Conjecration; dabei 
legt der zu Weihende zunähft dem Landesherrn 
den Eid ab, verpflichtet fih dann gegen den Papft 
u. unterfchreibt das Glaubensbekenntniß; nachdem 
ihm hierauf die bifhöflihen Inſignien (f. unten) 
überreicht worden find, folgt die Übergabe der 
feine Einjegung betreffenden päpftlihen Bullen u. 
Breven u. die Befigergreifung des biichöflichen 
Stuhls (Inthroniſation). Den Schluß bildet ein 
Umzug durch die Kirche u. die Ertbeilung bes 
Segens dur den Eonfecrirten an die Berfam- 
melten. 

Im Allgemeinen hat aud die Altkatholiſche 
Kirche die katholiſche Lehre vom Epillopat (und 
Primat), vorläufig wenigſtens, beibehalten. Wie 
die Katholische Kirche, hebt auch fie in dem B. 
den Nachfolger der Apoftel u. hält ald weſeuntlich 
daran feit, daß die Übertragung des Heil. Geiftes 
von den Apofteln auf die Bifchöfe im einer un— 
unterbrochenen, continuirlihen Reihe ftattgehabt 
habe. Nur hat die Altlatholiſche Kirche darın den 
Ausweg gefunden, daß fie die Biichöfe von Utrecht 
noch heute als Stellvertreter der Apoftel erachtet 
u. daß fie es als eine unumterbrochene Weiterüber- 
tragung darin gefehen hat, daß ein B. ven 
Utrecht den Heiligen Geift auf den erften altlatho» 
liſchen Biſchof Dr. Reintens übertrug. Im Üübri— 


Biſchöfe dem Klerus u. Boll gemeinſchaftlich zu, gen würden freilich nad altlatholiſcher Auffaſſung 
ſeit dem 5. Jahrh. meiſt erſterem allein, zuletzt die Rechte des Epiſtopats durch vielfache Mitwir 
nur durch das Capitel repräſentirt, während in kung ber Laien beſchränlt werden, u. eine Kir 
den germanischen Reichen u. im Franlenreiche bie|chenverfaffung angebahnt, in meldher das Amt 
Wahl u. Inveſtitur mit Ring u. Stab durch dieldes B⸗s fi wieder mehr den Zuftänden der frü- 


Könige üblich, übrigens nah dem Inveſtiturſtreite heren Ehriftlichen Kirche näherte. 
dur das Wormfer Eoncordat 1122 auf Erwähl- der Biichöfe od. das 
mütze (Inful, Mitra), eine hohe, in 2 Theile ger 


ung in Gegenwart des Kaifers oder feiner Ge— 
fandten u. Belehnung mit den Regalien durch 
das Scepter eingefhräntt wurde. Die Formali- 


Die Fnfignien 
iſchoſsornat find: die B-8- 


jpaltene, oben fpitige, oft mit Edelfteinen- u. Per« 
len bejette, hinten mit zwei über den Naden 


Biſchof — Bildoff. 


herabhängenden Bändern verjehene Mütze von 
verjchiedener Farbe; der Bifchofsftab (Krummftab, 
Pedum), ein etwa 5 Fuß langer, oben gefrümm- 
ter u. mit Laubwerk u. dgl. verzierter Stab, von 
Silber oder Gold, zumeilen mit Edelfteinen beſetzt. 
Symbol der oberhirtlihen Gemalt; ein goldener 
Fingerring (Paftoralring, Anulus pastoralis), 
zum Beihen der Bermählung mit der Kirche, 
wird am rechten Zeigefinger getragen; eim Kreuz 
auf der Bruft (Pectorale); Handihuhe; Schuhe 
(Sandalia); das Pallium, eine weiße mollene 
Binde über dem Ornat u. um die Schultern ge- 
tragen, mit einem etwas längeren Ende über der 
Bruft, mit dem anderen iiber dem Rüden hängend 
(f. u. Ballium). Wenn der B. während des Gottes» 
dienftes auf dem B-sftuhl fitt, liegt auf feinem 
Schoofe ein ſeidenes Tuch (Gremiale). 
Unter den Proteftauten ift die Meinung 
über die Nothwendigleit u. Gewalt der Biichöfe 
etheilt. Einige, bef. die Anglicanijhe Kirche 
die daher auch die Biſchöfliche oder Epijlopal- 
Kirche genannt wird), behauptet gleich den Katho- 
lilen, daß der Epiftopat ſchon von den Apofteln 
eingejegt und daher die biihöflihe Gewalt gött« 
fihen Urfprunges fei, insbeiondere Pie anglicani- 
ſchen Biſchöfe kraft ordentliher Succeffion recht 
mäßig die Kirchengemalt innehaben; Andere, wie 
die Lutheraner u. Calviniften, glauben, daf 
die Biichöfe erft nah der Zeit der Apoftel in 
Hriftlihen Gemeinden angeordnet worden, da die 
Epiffopen im N. T. zunächft nur Kirchenvorfteher 
gemejen, denen jedoch bald das Lehramt, bald die 
Aufficht übertragen worden fei, u. daß auch erft 
in der 2. Hälfte des 1. Jahrh. Bifchöfe vorlämen. 
Sie halten daher Biichöfe nur für eine menſch— 
liche, wol aber für eine nützliche Einrichtung, bei 
welcher die Kirche, wenn den Biſchöfen mur ge 
hörige Schranken geitellt würden, wol beſtehen 
könne. Sie fegen daher entweder, wie in Schmwe- 
den, Norwegen u. Dänemark, wirkliche Bi— 
ſchöfe ein, oder laffen die Gewalt des B-$ durch 
den Landesherrn (Summepifcopus) ausüben, mwel- 
her fie wieder ganz oder theilmerfe an Confifto- 
rien, Generalfuperintendenten, Superintenden- 
ten xc. überträgt (Biichöflihes Recht). Unter 
riedrich Wilhelm III. war in Preußen der Name 
. ein Titel für die erften proteftantiichen Pros 
vinzialgeiftfichen od. Generaliuperintendenten. Sonft 
gab e8 in Deutihland noh 2 Titular-Bijchöfe 
anderer Art, nämlih den B. von Lübeck u. (mo 
er jedoch mit einem fatholifhen B. abmwechielte) 
den B. von Osnabrück. Sie waren wahre Reidhs- 
fürften, ohne befondere geiftlihe Gewalt, die aus 
den Domcapiteln jener Stifter gewählt wurden, Die 
Kleidung der proteftantiihen Biihöfe pflegt die 
anderer Geiftlichen ihrer Neligionspartei zu fein. 
Die Biihöfe der Griechiſch-KatholiſchenKirche 
werden jetst von den Erzbiichöfen ernannt u. aus den 
Mönden gewählt. Sie müſſen daher ſtets unver- 
heirathet fein. Ihre Sprengel find fehr Hein u. 
ihr Anſehen geringer, als das der römifch-fatho- 
liſchen Bilhöte, Früher wurden auch die Borger 
festen nicht » hriftliher Religionsverwandter Bi- 
ſchöfe genannt; jo hatten die englifhen Juden 
unter den normänniſchen Königen einen B., und 
in mehreren Urkunden tft von Anden-Bilhöfen 
Vierers Univerfal:Gonverfations:feriten. 6. Aufl. 


II. Band. 


465 
zu Mainz und Worms die Rebe. Bl. Schul 
biſchof. Loffler.* Bezolb.* 


Biſchof. 1) Karl Auguſt Leberecht, geb. 
1762 in Neuhauſen im Sächſiſchen Erzgebirge; 
war erſt Rector in Fürth er ſtarb in Münden 
1814, wo er feit 1813 im Staatsihuldentilgungs- 
burean gearbeitet hatte. Er jchr.: Lehrbegriff der 
fosmologiihen u. anthropologiihen Wiſſenſchaften, 
Franlf. 1791, n. W,, 1796; Unterhaltungen aus 
der Naturgeſchichte, Fürth 1791, 3. A. 1808; 
Phyſilkaliſch⸗technologiſches Handbuch, Nürnb. 1791, 
2 Theile; Borlefungen über die mathematijhe u. 
phyſilaliſche Erdbeſchreibung, Fürth 1796, 2 Bbde., 
n. A., 1814. 2) Karl Guſtav, berühmter Nas 
turforiher, Sohn des Bor., geb. 18. Jan. 1792 
in Wörd, einer Borftadt von Nürnberg; ftudirte 
Naturwiſſenſchaften in Erlangen, wurde 1815 Pri- 
vatdocent u. 1819 Brofeffor der Chemie zu Bonn, 
auch Director des chem. Laboratoriums und des 
technolog. Cabinets; er fi. 30. Nov. 1870 zu Bonn. 
B. ift der Begründer einer wifienichaftlichen 
Geologie und arbeitete, unterftügt durch Chemie 
und Erperimentalphyfil, unermüdlih daran. Er 
Ihrieb mit A. Goldfuß: Phyſilaliſch- ftatiftiiche 
Beichreibung des FFichtelgebirges, Nürnb. 1817, 
2 Bde.; Lehrbuch der Stöchiometrie, Erl. 1819; 
mit Nees v. Efenbed u. Rotbe: Die Entwidelung 
der Pilanzenfubitanz, 1. Theil, ebd. 1819; Lehr- 
buch ver reinen Chemie, Bonn 1824, 1. Bd.; 
Die vulcanifshen Mineralquellen Deutſchlands u. 
Frankreichs, 1825; Die Mineralquellen von Rois- 
dorf, 1826; Die Wärmelehre des Innern unſeres 
Erdförpers, Lpz. 1837, daflelbe vermehrt u, ver- 
beijert als Phys., chem, and geol, researches on 
the internal heat of the globe, Yondon 1841; 
Meömoire sur l’aörage des mines, von der Afade- 
mie zu Brüffel gefrönte u. veröffentlichte Preis» 
ſchrift, 1840; Lehrbuch der chemiſchen u. phyfila- 
lichen Geologie, 1847 biß 1855, 2 Bde., 2. 4, 
1863—66, 3 Bde, mit Supplementband 1871, 
engl. von Paul u, Drummond, Fond. 1854—59; 
Populäre Briefe über die Ayrren Gebiete der 
Naturwifienichaften, 1848 bis 1849, 2 Bde.; be» 
forgte auch mit Schweigger die Nedaction des 
Journals für Chemie u. Phyfit vom 21. Bde. 
an. Zahlreiche Aufiäge in Zeitſchriften. 

Biſchoff, 1) Chriſtoph Heinrich Ernft, 
Mediciner, geb. 14. Sept. 1781 in Hannover; 
tudirte in Jena u. Berlin Medicin, wurde 1804 
Profeffor der Medicin in Berlin am Collegium 
med.-chirurgicum, 1808 Kreisphyſikus in Bar- 
men und, nachdem er 1813 als Generalftabsarzt 
den Feldzug gegen Frankreich mitgemacht, 1818 
Profeffor der Staatsarzneilunde u. Heilmittellehre 
in Bonn; erft.5. März 1861. B. jehr.: De usu 
galvanismi in arte med. Jena 1801; Darftelung 
der Gallihen Gehirn- und Schädellehre, Berlin 
1805 f., 2 Thle.; Über das Heilmejen der deut- 
ichen Heere, Eiberf. 1815; Die Lehre von den 
chemiſchen Heilmitteln, 1825—31, 3 Bde, mit 
Snpplementen 1834 u. 1840, 2. Aufl., 1838—40; 
Einiges, was den deutſchen Umiverfitäten noth 
thut, 1842—48, 2 Bde.; Randbemerlungen über 
Medicinalreform, 1850; Das Bedürfniß und die 
Grundzüge der Urzmeimittellehre, Bonn 1856; 
Verhältmiß der Medicin zur Chirurgie, Bonn 1842. 
30 


466 


2) Georg Friedrich, Mufiler, geb. 1780 in 
Elrih am Harz; war feit 1803 Gantor in Franken⸗ 
haufen u. wurde dur die großen muſilaliſchen 
Aufführungen zu Franfenhaufen (1804), Erfurt 
(1808) zc., wozu eine Menge Tonkünftler u. Lieb» 
baber fich einfanden, Urheber der deutichen Mufit- 
fefte; er war feit 1816 Mufifdirector an ber 
evangeliihen Schule in Hildesheim, befundete fort- 
während eine rege Theilnahme an den Mufil- 
feften, von denen eines für ihm verbängnißvoll 
wurde. Auf der Reife zum 7. Elbmufiffefte in 
Magdeburg wurde er dur Sturz des Wagens 
ſchwer verletst, zog fi) eine dauernde Kränklich- 
feit zu u. ft. 7. Sept. 1841. 3) Ludwig Fried» 
rich Ehriftian, Philofopb und muſik. Kritiker, 
geb. 27. Nov. 1794 zu Deffau, Sohn des Violon- 
celliften Johann Karl B.; ftudirte Philologie in 
Berlin 1812, machte die Freiheitskriege 1813 bis 
1815 mit, wurde 1818 Profeſſor in Narau, 1819 
Studieninfpector in Hofwyl, 1821 Profeflor am 
Werderiben Gymnafium zu Berlin, 1823 Gym— 
nafialdirector in Weiel u, trat 1849 ins Privat- 
leben. Zunächſt zog er nah Bonn, 1853 nad 
Köln, gründete 1850 die Rheiniſche Mufilzeitung 
(Köln, bei Schloß), 1853 die Niederrheinifche 
Mufifzeitung (dafeibft bei Dumont-Schauberg) u. 
lieferte regelmäßig Mufitreferate in die Köln. Ztg. 


Seine Arbeiten zeichnen fih durch Griümdlichkeit|i 


u. ariftvolle Darftellungsweife aus; fein mufifa- 
ws Urtheil batte in den Nhbeinlanden einen 
bevertenden Einfluß. Er überjette Oulibicheff, 
Beethoven, ses eritiques et ses glossateurs, Lpz. 
1859, Er ft. 24. Febr. 1867. 4) Ignaz Ru- 
dolf B., Edler v. Altenftern, Mediciner, geb. 
1784 in Kremsmiünfter in Ober-Ofterreih, wurde 
1812 Profeffor der Therapie u, 1816 erfter Arzt 
am allgemeinen Krantenhaufe in Prag, 1825 
Profeffor der Klinik, Pathologie u. Therapie in 
Wien u. 1836 geadelt; er trat 1849 in Ruhe— 
ftand u. fl. 1850. B. ſchr.: Beobachtungen über 
den Typhus, Prag 1815; Die hroniihen Krank: 
beiten, 1817; Antchten über das bisherige Heil- 
verfahren zc, der homöopathiſchen Kranfheitslehre, 
ebd. 1819; liber den Nuten der Kubpodenim- 
pfung, 1821; Grundſätze der praftiichen Heiffunde, 
ebd. 1823—25, 3 Bde, 2. Aufl, 1830; Grund» 
fäge zur Erkenntniß und Behandlung der Fieber 
u. Entzündungen, ebd. 1823, 2. A., Wien 1830; 
Grundfäge zur Erkenntniß und Behandlung der 
chroniſchen Krankheiten, ebd. 1830, 1 Bd.; Grund- 
ziige der Naturlehre des Menjchen, ebd. 1837 bis 
1839, 4 Abth.; Die häutige Bräune zc., 1837; 
Über die Lungenſchwindſucht, 1843; Uber Bergift- 
ungen, 1844 u. m. a. 5) Gottlieb Wilhelm, 
berühmter Botaniter, geb. 1797 zu Dürkheim a. 
d. Hardt, widmete ſich erft der Malerei, aber feit 
1821 in Erlangen der Botanik. Nachdem er 1822 
in Münden mit Martius an deffen Pflanzenmwer- 
ten über Braftlien gearbeitet hatte, ging er 1823 
nach Heidelberg, wo er fi 1825 als Privatdocent 
habilitirte u. 1839 Profeſſor u. Director des Bo- 
taniichen Gartens wurde; er ft. bier 1. Sept. 
1854. Mit feinen botaniſchen Studien verband er 
bef. mitroflopishe Beobachtungen. Er ſchr.: Die 
botanische Kunſtſprache in Umriffen, Nürnb. 1822; 
De plantarum praesertim eryptogamicarum trans- 


Biſchoff. 


itu et analogia, — — 1825; Die kryptoga⸗ 
miihen Gewächſe, Rürnb. 1828, 2 Lief.; Grund» 
ri der mediciniſchen Botanik, Heibelb. 1831; 
Lehrbuch der allgemeinen Botanik, Stuttg. 1834 
bis 1839, 3 Bde.; Mediciniſch-pharmaceutiſche 
Botanif, Erl. 1843, 2. Aufl., 1847; Handbuch 
der botaniihen Terminologie und Syſtemkunde, 
Nürnb, 1833—44, 3 Bde.; Wörterbuch der bes 
jchreibenden Botanik, Stuttg. 1839; Die Botanif 
in ihren Grundriffen und mad ihrer Biftorifchen 
Entwidelung, Stuttg. 1848; er vollendete auch 
die Bearbeitung von Guibourts Pharmacentifcher 
Waarenkunde, Nürnb, 1823, 2 Thle. 6) Fried» 
rich Wilhelm, Rechtsgelehrter, geb. 1804 in 
Halberftadt; ftudirte Die Hechte in Halle u, Berlin, 
wurde 1829 Referendar u. 1834 Kammergerichts- 
affeffor in Berlin, 1835 Hilfsarbeiter im Mini- 
jterium für Geſetzgebung u. die Juſtizverwaltung 
der Rheinprovinz u. arbeitete feit 1840 aud im 
Staatsrathe; 1838 ward er Landesgerichtsrath u. 
1848 vortragender Rath im Juſtizminiſterium, 
in welcher Stellung er die Entwürfe zum Strafe 
gefegbuche von 1851 m. über das Concursverfab- 
ven von 1855 vornehmlich bearbeitete u. fib um 
Verbefjerung des Gefängnißweſens Verdienſte er- 
warb; aud war er Referent bei der zur Beratb- 
nn über ein deutiches Handelsgeſetzbuch 1857 
in Nürnberg verfammelten Eonferenz, wo der von 
ihm bearbeitete Entwurf zu Grunde gelegt wurde. 
Er fl. 11. Juli 1857. 7) Theodor Yudmig 
Wilhelm, verdienter Anatom u. Phyſiolog, Sobn 
von B. 1), geb. 28. Oct. 1807 in Hannover; 
ftudirte feit 1826 in Bonn u. — Medicin 
u. Naturwiſſeuſchaften, übernahm 1832 die Aifi« 
ſtentenſtelle am der Berliner Univerſitätsentbin⸗ 
dımgsanftalt u. wurde 1833 Privatbocent an der 
Univerfität Bonn, wobei er fi mit der fpäter 
unter dem Titel: Beiträge zur Lehre von den 
Eihüllen des menſchlichen Fötus im Drude er 
ſchienenen Habilitationsihrift ehrenvoll in die 
wifjenichaftliche Welt einführte. 1835 als Docent 
der vergleichenden u. pathologischen Anatomie nad 
Heidelberg berufen, wurde er dort 1836 anfer- 
ordentlicher Profeffor, ging als Ordinarius der 
Vhnfiologie 1843 nah Gießen, übernahm im 
nächſten Fahre auch den Lehrſtuhl der Anatomie u. 
erhielt 1855 einen Ruf für beide Wiſſenſchaften nad 
Münden, dem er folgte. B. hat namentlih im 
die Entwidelungsaefhichte epochemahend einge» 
griffen und bier Vieles Margeftellt, jo daß feine 
Arbeiten noch auf lange hinaus muftergiltig bleiben 
werden. Zu diefen gehören: Entwidelungsgeichichte 
des Kanincheneies, Braunſchw. 1843, eine von der 
Berliner Akademie gefrönte Preisichrift; Entwide- 
Iungsgejhichte des Hundeeies, ebd. 1844; Beweis 
der von der Begattung unabhängigen periodiihen 
Reifung der Eier der Säugethiere u. Menfchen, 
Gießen 1844, worin einer der Hauptſätze ber 
Zeugung niedergelegt wird; Entwidelungsgeihichte 
des Meerſchweinchens, Braunihm. 1852, und des 
Rehes, Gießen 1854. Die Ergebnifje feiner durch 
Liebig angeregten Forihungen über den Stoff 
wechſel finden fih in der Schrift: Der Harnftoff 
als Maß des Stoffwechſels, Gießen 1855, die 
jeiner meiteren phyſiologiſchen Unterſuchungen, 
melde er namentlich mit Boit anjtellte, in: Die 


Biihöflihe Monate — Biſchofswerda. 


467 


Geſetze der Ernährung der Fleiſchfreſſer, Leipzigj@urialiyftem, Nah dem "erften, älteren, ver- 


1859, niedergelegt. Für feine Arbeiten auf dem 
Gebiete der vergleichenden Anatomie zeugen: liber 
die Verſchiedenheit in der Schädelbildung des Go- 
rilla, Schimpanfe und Orang⸗Utang, nebft einer 
Bemerlung über die Darwiniche Theorie, Münd. 
1867; Die Großhirnwindungen des Menſchen, ebd. 
1368; Beiträge zur Anatomie des Hylobates 
leueiscus und zu einer vergleichenden Anatomie 
der Muskeln der Affen und der Menichen, ebd. 
1870, Es fei ferner erinmert an das Gutachten: 
Über die Selbftverbrennung, im Anſchluſſe an den 


treten befonder3 durch die Neformconcilien des 
15. Jahrh. u. den bentigen Altkatholicismus, 
übrigens and) ſchon fehr entfchieden im vorigeu 
— durch Juſtus Febronius (Pſeudonym, in 

irklichleit den Trierer Weihbiſchof von Hont- 
heim, De statu ecelesiae) u. die Emſer Puncta- 
tionen (1786), hat der Papft die oberfte Kirchen- 
gemalt nur, indem er fie mit der Geſammtheit 
der Biſchöfe theilt u. den allgemeinen Kirchenver⸗ 
fanımlungen untergeordnet if. Auf dem Batica- 
niſchen Concil 1870 ift endgültig das andere Sy- 


1850 zu Darmftadt verbandelten Görlitzſchen Pro⸗ ſtem durchgedrungen, wonach urjprünglic der 
ceß. As Schriften praftiihen Inhaltes find noch Papft einziger Inhaber aller Kirchengemalt ift, 


anzuführen: Anleitung zum Geciren, München 
1857; Führer bei Präparirübungen, ebd. 1873; 
Einfluß des Norbdeutichen Gewerbegefetses auf bie 
Medicin, ebd. 1871; Studium u. Ausübung der 
Medicin durh Frauen, ebd, 1872. Außerdem hat 
B. nod eine Menge Beiträge zur Magnusichen 
u. Burdachſchen Phyfiologie u. zur Sömmering- 
ihen Anatomie geliefert. 8) Joſeph Eduard 
Konrad, Piendon. Konrad v. Bolanden, deut: 
ſcher Romanfcriftfteller, geb. 9. Aug. 1828 zu 
Riedergailbad in der bayer. Rheinpfalz; bejuchte 
die Lateinichule zu Blieskaſtel, jpäter 8 Fahre lange 
das Eonvict zu Speyer u. bezog 1849 die Iniverfität 
Münden. Am 20. Aug. 1852 wurde erzu Speyer 
zum Priefter geweiht u. als Domcaplan angeftellt. 
Sein Shwähliher Körper konnte jedoch die An- 
ftrengungen, welde das bejchwerlide Amt mit 
fih brachte, nicht lange ertragen, er ließ fih daher 
nach dem Städthen Kirchherimbolanden als Ad— 
miniftrator verſetzen. Er fam hier in Berhält- 
niffe, in denen fih Katholicismus u. Proteftans- 
tismus Schroff gegenüberftanden, und dies ermedte 
in ihm die Luſt, die Sache der Röm.-Katho- 
liſchen Kirche außer in feinem Amte auch durch 
Schriften zu verfechten. Er wählte hierzu die 
Form des Romans u, ſchr.: Luthers Brautfahrt, 
Regensburg 1857; Franz von Gidingen, ebd. 
1859; Die Aufgellärten, Mainz 1864; Guftav 
Adolf, ebd. 1867—71; Die Unfehlbaren, ebd. 
1871; Canoffa, ebd, 1872; Die Reichsfeinde, ebd. 
1874, und vieles Andere. Sämmtliche Romane 
tragen ein lebhaftes Eolorit, feſſeln durch gewandte 
Darftellung, find aber von einem tiefen Haſſe 
— den Proteſtantismus durchdrungen u. er— 
en ſich daher nicht über das Niveau der Ten— 
denzſchriften. Sie brachten eine außerordentliche 
Wirkung hervor u, erzeugten bald eine fo gereizte 
Stimmung umter der katholiihen Bevölkerung 
SWDeutihlands, daß der Biihof von Speyer 
fi veranlaft fah, den Berfaffer ernft zu tadeln 
und ihn aufzufordern, von weiteren Beröffent- 
lichungen abzufehen. Darauf ging B. nicht ein, 
fondern refignirte 1869 auf fein Amt u. lebt feit- 
dem, mittlerweile vom Papfte zum Kammerberrn 


ernannt, nur noch literarifchen Arbeiten obliegend, ee 
in Speyer. 93) Brambach. 7) Thambayn. 8) Salomon. |Inechter B., 


Biſchöfliche Monnte, Monate, in melden 


jo daß auch die Gewalt der Biſchöfe u. der Ton« 
cilien nur eine von ihm aus übertragene ift, ins» 
bef. die Eoncilien nur berathende Bedeutung ba« 
ben. Die Partei in der Kathol. Kirche, die unter 
oberfter Leitung des Jefuitenordens das Papal« 
ſyſtem zur Geltung zu bringen fucht, heißt die 
ultramontane. Löffler. 

Biſchofsheim, 1) B. vor der Rhön, Stabt 
um Bez.-Amte Neuftadt des bayer. Regbez. Unter« 
franfen, an der Brent; Landgericht; Steingutfa« 
brif, Leinenweberei, gessignigerei; dabei Braun« 
fohlengruben; 1470 Em. 2) TZauber-B., Stadt 
im badischen Kreiſe Mosbach, an der Tauber; 
Amisſitz; quter Weinbau; 2833 Ew. Hier 24. Juli 
1866 Treffen zwiichen den preußiichen u. ſüddeut⸗ 
hen Truppen. 8) Rhein-B. oder B. am hoben 
Steeg), Markifl. im Amtsbez. Kork des bad, 
Kreifes Offenburg, unfern vom Rhein; ehemalige 
Refidenz der Grafen von Hanau-Fichtenberg; Hanfe 
bau; 1600 Em. Sieg Moreaus 20. April 1797, 
4) Nedar-B., Stadt am Nedar, im Amtsbez. 
Sinsheim des bad. Kreifes Heidelberg; 2 Schlöfler; 
Hanf: und Weinbau; Pulverfabrif; 1715 Em. 

Bifchofsinfeln, die ſüdlichſte Gruppe ber 
Hebriden, zu der ſchottiſchen Grafihaft Inverneß 
oder Roß gehörig; 2000 Em. 

Bifdyofsfoppe, Berg der Subeten bei Zud« 
mantel in Ofterr. » Schlefien, mit ausgezeichneter 
Fernficht, 835 m hoch. 

Biſchofslack (auch bloß Lad), Stadt im Bez. 
Krainburg des öfterr. Kronlandes Krain, nahe der 
Save u. der Eifenb. Laibad- Billa; Bezirksgericht; 
Kapırzinerflofter, altes Schloß; Leinenmweberei; 
Zwirn-, Leinwand u. Pferbebandel; 2050 Em. 

Biſchofsmütze (Inful, Mitra), Kopfbededung 
des Biſchofs (ſ. d.) im Amte, auch der privilegir« 
ten Abte. j 

Biſchofsmütze, 1) (Bot.) fo v. w. Epime- 
dium alpinum Z. 2) (Mitra episcopalis L.) Art 
der Mutenfchneden (f. d.). 

Biſchofsſtab (Krummftab, Pedum episco- 
pale), Stab, den die Biſchöfe (f. Biſchof) ı. 
Aebte tragen. — 

Biſchofsſtab (Lituus Gmel.,Lituites Breyn.), 
aus der Familie der Kopffüßler. 
bei Livorno; L. convolvens u. a. 
Biſchofsſtein, Stadt im Kreiſe Röflel des 


die vacant gewordenen geiftlihen Stellen von den preuß. Negbez. Königsberg; ſchönſte Kirche der 
Biſchöfen bejegt werden, im Gegenfage zu den Provinz; Aderbau u. Viehzucht; 3498 Em. 


Päpſtlichen u. Fürftlihen Monaten. 


Bifofswerda, Stadt im fünigl. ſachſiſchen 


ischöfliches Syftem (j. u. Biihof), auch Negbez. Bauten, an der Weſenitz u. der Sädj.- 


Epiflopalipftem, im Begenfage zum Papal- oder! 


Schleſ. Eifenbahn; wichtige Tuchfabrifation, Töpfe 
30* 


468 


reien, Cigarrenfabrifen; 3924 Em.; Geburts- 
ort des Theologen K. * Bahrdt. — B. ſoll 
ſchon 1076 vom Meißener Biſchof Benno zur Stadt 
erhoben worden fein. Hier wurden 1706 die Prä- 
liminarien zum Altranflädter Frieden gemacht. 
Am 12. Mai 1813 Gefecht zwiſchen den Rufen 
und Franzoſen, wobei die Stadt von Pegteren in 
Brand geitedt wurde, weshalb Napoleon zum 

diederaufban derjelben 100,000 758. anwies, 
wovon jedoch nur 75,000 ausgezablt wurden. 
Bol. Hedel, Biihofswerdaer Chronik, Dresd. 1713. 

Biſchofswerder (Biscupiecz), Stadt im Kreiie 
Roſenberg des preuß. Regbez. Marienwerder, an 
der Oſſa, Eiſenbahnſt.; Shubh- u. Tuchmacherei; 
2061 Ew.; 

Biſchofswerder, Kobann Rudolf von B., 
preuß. General u, Miniſter, geb. 13. Nov. 1741 
in Thüring; ftudirte in Halle, wurde 1772 Kam— 
merbherr beim Herzog Karl von Kurland (Prinz 
von Sadjien), trat aber nah dem Tode des 
Herzogs Karl in preußiſche Dienfte, ward 1779 
Major u. bald Günftling Friedrich Wilhelms II., 
der damals noch Prinz war. Als preußifcher Ge— 
fandter wohnte er dem Congreß zu Sziftowa bei, 
machte, General geworden, den Feldzug in der 
Champagne mit u. war bis 1794 preußiicher Ge— 
fandter in Paris. Er bejchäftigte fi mit Gei- 
fterfeherei und Alchemie, war ein Anhänger 
Schrepfers (f. d.) und verleitete Friedrich Wil 
helm zu mandem Mißgriffe. Bei der Thronbe- 
fteigung Friedrih Wilhelms III. 1797 erhielt er 
den Abjchied u. ft. im Oct. 1803 auf feinem 
Landaute bei Berlin, 

Biſchof⸗Teinitz (Horſowsty, Dobrohoftew), 
Haupiſt. der gleichn. Bezirtshauptmannfchaft, frü- 
ber im reife Pilfen (Böhmen), an der Radbuza; 
Schloß, Kapuzinerklofter, Bürgerverforgungsan- 
ftalt; 2716 deutihe u. lathol. Einw.; Geburts- 
ort des Aftronomen Pittrom. 

Biſchofzell, Städtchen im gleihn. Bez. des 
ſchweizer Kantons Thurgau, an der Sitter, die 
bier in die Thur mündet; 1624 Em. Die Pela- 
— fol aus dem 9. Jahrh. ſtammen. Ein 

heil des Schloſſes fol im J. 910 vom Bilchof 
Salomon IIL..von Konftanz als Zufluchtsort ge- 
gen die Magyaren erbaut worden ſein. B. ift 
Geburtsort von Theod. Bibliander u, von Melchior 
Goldaft. 

Bifchweiler, Stadt im Kreife Hagenau des 
reihsländifchen Bezirkes Unter-Elfaß, an der Mo- 
der u. der Eifenbahn Straßburg-Hagenau; bedeut. 
Wollenipinnereien u. Fabriten in Tuch, Lein- 
wand, Soden, Tabak, Handihuhen, Seife und 
Lichten, Leder, Krapp, mechan. Werkftätten, Färberei, 
Gerberei, Bierbrauerei; Mittelpuntt des eljäßiichen 
Hopfenbaues; ftarter Hopfenmarft u. Handel; 
9220 Em. 8. gehörte früher zur Pfalz u. fiel 
erft durch die franzöf. Revolution an Frankreich. 
Früher befeftigt, doch 1706 find die Werte ge- 
ſchleift worden. Dabei Schloß Tiefenthal, einft 
Refidenz der Herzöge von Pfalz-B., welche Linie 
1670, nad der Theilung unter Karl Söhnen, 
Ehriftian J. gründete u. die mit Chriſtian III., 
der 1732 ganz Zmweibrüden erhielt, endete; |. Pfalz. 

Biscoe, engliiher Schifiscapitän, Befehlshaber 


Biihofswerder — Biihop. 


Enderby in London in das Südliche Eismeer auf 
den Walfiihfang ausgeihidt ward; er entdedte 
bis 1832 Enderbysland, die Adelaiden-Fniel u. Gra— 
hamsland u. die nah ihm benannten B.⸗Inſeln, 
welche er fir England in Befig nahm; f. u. Sid- 
polarländer, 1839 wiederholte er feine Reife da— 
bin, ohne jedoch weitere Entdedungen zu machen. 

Biseuit, ſ. Bisquit. 

Biscutella L. (Brillenſchote), Pflanzengatt. aus 
der Fam. der Eruciferen (XV. 1), ausgezeichnet 
durch Schötchen, welche über dem Kelhanfage ger 
ftielt, quer breiter, unten u. oft auch oben aus- 
gerandet find; die Klappen derielben find freis- 
u, ſchildförmig u. Schließen nah dem Auffpringen 
die Samen ein; Blüthen mittelgroß, gelb. Arten: 
B.laevigata Z., mit Rofetten bildenden Stämmchen, 
feilförmig-länglichen, ganzrandigen oder gezähnten 
Grundblättern u. wenigen Stengel blättern; im der 
ganzen Alpenkette verbreitet, aber auch im nörd- 
lihen Deutſchland zerftreut auf dürren Sandhi- 
geln u. in Kieferwäldern. Da die Pflanze, be 
londers in den Früchten, Indigo entbäk, jo wer» 
den diefelben beim Trocknen zumeilen violett. 
Mehrere andere, der erwähnten ziemlih nahe 
ftehenden Arten finden fih in SEuropa, Engter. 

Bis dat, qui cito dat (lat.), Sprüdmort: Dop- 
pelt gibt, wer ſchnell gibt. 

Biſe (Biſewind), in faft der ganzen Schweiz 
Bezeichnung des NW- u, N-Windes; in Genf 
weht die ſog. Schwarze B. mit folder Heftigleit, 
dag man ſich fcheut, auszugeben, 

Bisellium (röm. Ant.), zweifigiger Stuhl, jedoch 
für Einen (Bisellarius) beſtimmt, dem er zur 
Auszeihnung zum Gebraud im Theater, auf dem 
Forum, in der Curie vom Staate zuerfannt ward. 

Bifenz, Stadt im öjterr. Bezirfe Ungarisch» 
Hradiih (Mähren), nahe der Wien-Olmüger Ei« 
jenb.; Schloß; hier der bejte Weinbau Mährens; 
ftarfe Gänſezucht; 3874 Em. 

Biseriälis (Bot.), doppelreibig. 

Biserrätus (Bot.), doppelt gelägt. 

Biferta, Stadt auf der Müſte von Afrika 
(Tunis); bedeutende Fiſcherei; 5000 arab. Em.; 
ehemals Hippo Zarytus, eine tyriiche, fpäter 
römische Colonie. 

Bisexuälis (Bot.), zweigeſchlechtig. 

Bifhop, 1) Henry Rowley, Mufifer, geb. 
1782 zu Yondon, Schüler Franc. Biandis; war 
von 1809—24 Mufifdirector des Coventgarden⸗ 
Theaters zu London und als Componift gefeiert. 
Er jhrieb eine Menge Heiner Opern, zuerſt The 
Circassian Bride, 1809, bewies aber wenig Dri- 
ginalität, indem er italienische u. deutiche Melo— 
dien benutzte. Seine Compofitionen für Chorger 
fang erhielten fi länger in der Gunft des Publi— 
cums. B. wurde durch viele Ehrenerweilungen 
ausgezeichnet, erhielt den alademiſchen Doctor» u. 
Profefforgrad, in welcher Eigenſchaft er auch zu 
Orford u. Edinburgh thätig war, wurde unter 
die Directoren der Philharmoniſchen Concerte auf- 
genommen, als Profeffor am K. Muftkinftitut an— 
eftellt u. 1842 zum Baronet erhoben. Bei feinem 
Zode, 30. Upril 1855, wurde der moderne Barde 
Englands allgemein betrauert. 2) Seine Ge 
mahlin, Anna B., geb. Rividre, trat als Con— 


einer Brigg, die 1830 von dem SHandelshaufe| certfängerin mit großem Erfolge auf. Sie wurde 


Biſhop-Rock — Bismard-Bohlen. 


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zu London 1814 geboren, wirkte ſeit 1837 in den Sachſen, Varzin, Wuſſow, Puddiger, Misdow, 
Philharmoniſchen Toncerten u. bei den engl. Mu-⸗ Chomitz, Selitz, Rakel in Pommern u. Güter im 


fitfeften mit, machte dann große Heifen in Eu» ſüdweſtlichen Theil des vormaligen 
ropa, Amerika u, Auftralien u. lebt jetst in London. |Tauenburg. (©. u. B.-Boblen u. 


Brambach. 

Biſhop⸗Mock, die weſtlichſte der Scilly⸗Inſeln 
(j. d.) an der Küſte von Cornwall (England); 
Leuchtthurm. 

Biſhops Auckland, Stadt in der engl. Grafſch. 
Durham, am Wear; alter Palaſt des Biſchofs 
von Durham mit Gemäldefammlung; lateinische 
Schule; 8736 Em. 

Dift, Giufeppe, italienischer Landſchaftsmaler, 
geb. 1787 in Genua; war Freiwilliger in der 
kaiſerlich franzöſ. Arınee u. Bedienjteter ın der vice— 
tönigl. Kanzlei zu Mailand, midmete fi einer 
ſchönen Malerin zu Liebe der Kunft u. wurde 
1838 Profeffor an der Mailander Alademie; ft. 
Ende Nov. 1869 in Mailand. Seine befannteften 
Gemälde find: Die Lombarden auf dem eriten 
— uge;die Schlachten von Parma u. Guaftalla. 

Bifignano, Stadt in der italien. Provinz 
Sojenza, im Innern des Landes; Biſchofsſitz; 
Schloß, viele Kirchen; 4450 Ew.; fonft Befidiä. 

Biskra (Bistära), Stadt im Dep. Eonftantine 
des franzöfifchen Algerien, in einer Dafe der Sa- 
bara, weldhe von dem Wadi-Bisfra bemäflert u. 
von dem arabiihen Stamme der Biskri bemohnt 
wird u. viele Datteln, Eifen, Kalfftein, Salpeter, 
producirtt. Die Stadt hat einftödige Hänfer aus 
Vadfteinen mit platten Dächern u, das ort 
St. Germain; fie ift die wichtigſte franzöftfche 
Militärftation der Sahara, fowie ein michtiger 
Verkehrspunkt für den Karavanenhandel zwiichen 
der Sahara u. dem Tell, auch ift fie berüchtigt 
durch die dort herrfchende ausichweifende Genuß- 
ſucht u. wird deshalb das Paris der Wülſte ge- 
nannt; arab, Bureau, arab.-franz. Schule, Accli» 
matifationsgarten, Hofpital; gegen 4000, als Ge— 
meinde 7367 Em., welche bei. Burnuſſe u. Tep- 
piche fabriciren. B. hieß unter den Römern u. 
in hriftlicher Zeit, wo es Sit eines Biſchofs war, 
Baba; fam 1844 in den Befit der Franzoſen. 

Bisley, Marktfleden in der engliichen Grafſch. 
Öloucefter, am Strondfanal; Yegenfhirmfabr., 
Seidenipinnerei, QTuchmeberei; 4985 Em.; Ger 
burtsort von Francis Bacon. 

Dismard, alte Familie in Pommern u. in 
der Altmark, urſprünglich weder freiherrlich, noch 
begütert; beſaß jeit 1345 das Schloß Burgftall 
als Lehn des Markgrafen von Brandenburg, 
welches Kurfürft Joachim II. 1562 von Friedrich 
von B. gegen Schönhaufen, Fiſchbeck, Erevefe, 
Brieft in der Ukermark eintaufchte, welche Befig- 
ungen die Nachkommen Friedrichs vermehrten; 
namentlih erwarb Auguft v. B. (geb. 1666, geft. 
1732) Ünglingen in der Altmark, Kniephof, Jar« 
celin, Kuͤlz in Pommern ꝛc. Durd 2 Urenfel 
Augufts u. Söhne Karl Aleranders (geb: 1727, 
geft. 1797) theilte fich das Haus B.-Schönhaufen in 
2 ginien: A)B.-Boblen, feit 1818 in den Gra— 
fenftand erhoben; befitt Karlsburg, Jaſedow, 
Steinfurt u. Niederbof im Negbez. Stralfund. 
B) B. Schönhauſen, 1865 in den Grafen- u. 
1871 in den Fürſtenſtand erhoben; befittt die Nit« 
tergüter Schönhaufen in der preußijhen Provinz 


Herzogtbums 
Schönhauſen.) 
ER Wilhelm, Graf von B., württemb. 
neral u. militärischer Schriftfteller, geb. 28. Juli 
1783 in Windheim bei Minden; trat 1796 in 
bannoverifhe, 1803 in naffauifche u. 1804 in enge 
che Kriegsdienfte. 1807 verließ er England 
wegen eines Duell$, wurde dann Oberlieutenant 
bei den württembergiſchen Chevaurlegers, zeichnete 
fih 1809 im Gefechte bei Riedau aus, machte die 
Feldzüge 1812 u. 1813 mit u. gerieth bei Yeipzig 
in die Gefangenfchaft der Allüirten; nach dem 
Übertritte der Wirttemberger wurde B. 1814 Chef 
des Generalftabes beim Herzog Adam vom Wirt 
temberg u. 1815 Generalguartiermeifter der Rei— 
terei des Kronprinzen. Zum Oberiten avancirt 
u. Flügeladjutant des Königs, wurde er 1816 in 
den Brafenftand erhoben u. Mitglied der Commilfion 
zur Organijation der württembergiihen Armee; 
1819 wurde er Generalmajor u. Brigadier, 1820 
zum Mitgliede der Kammer der Standesherren er- 
wählt u. Gefandter in Karlsruhe, 1825 auch in 
Dresden, Hannover u. Berlin; 1826 reifte er nach 
Kopenhagen, um bei Organifirung des dänifchen 
Heeres thätig zu fein; 1830 wurde er General« 
lientenant u. Commandeur der wirttembergiichen 
Gavalerie; 1835 rief ihn Kaiſer Nikolaus von 
Rußland nad Petersburg zur Befichtigung der 
ruſſiſchen Cavalerie. Nachdem er ſchon 1845 ſei— 
nen Geſandtſchaftspoſten in Berlin, Dresden und 
Hannover u. 1847 den zu Karlsruhe aufgegeben 
hatte, trat er 1848 ganz in den Ruheſtand, 1853 
fiedelte er nach Baden iiber u. ft. 18. Juni 1860 
in Konftanz. Er war feit 1848 in 2. Ehe ver- 
mählt mit Amalie Julie, geb. von Gernsbad 
(geb. 1824). Er ſchr.: Vorlefungen über die 
Taftif der Neiterei, Karlsr. 1818, 3. Aufl., 1826; 
Die Elemente der Bewegungskunſt eines Neiter- 
regiments, Karlsr. 1819, 2. Aufl., 1826; Der 
Feldherr nach Vorbildern der Alten, ebd. 1820; 
‚selddienftinftruction für die Schützencavalerie, 
Bert. 1820, 4. Aufl., 1835; Felddienſt der Reiterei, 
ebd. 1820; Syſtem der Neiterei, Berl, 1822; 
Schützenſyſtem der Neiterei, Stuttg. 1824; Weiters 
bibliothef, Karlsr. 1825—31, 1.—6. Yahrg.; 
Foeentaftif der Neiterei, ebd. 1829; Die Faijerl, 
ruſſiſche Kriegsmadt im J. 1835, ebd. 1836; 
Die preußifche Reiterei unter Friedrich d. Gr. zc., 
ebd. 1837; Aufzeichnungen, ebd. 1847. 
Bismard + Bohlen, Friedrid, Graf von, 
preuß. Generallientenant, geb. 25. Juni 1818; 
trat 1835 im die preußifche Armee, bereifte mit 
dem Prinzen Adalbert 1842 Brafilien u. bejuchte 
1846—48 mit dem Prinzen Friedrich Karl die 
Univerfität zu Bonn; er wurde 1849 Rittmeifter, 
1853 Flügeladjutant des Königs u. avancirte bis 
1864 zum Generalmajor, als welder er die 
5. Gavaleriebrigade commandirte; 1866 machte 
er im Stabe des Generalcommandos des Cava— 
leriecorps der 2. Armee den Krieg in Böhmen 
mit u. wurde dann Generallieutenant u, Goms 
mandant bon —— im Jan. 1868 Com— 
mandant von Berlin u. Chef der Landgensdar— 
merie. Bon diefem Boften wurde er im Aug. 


470 


1870 abberufen u. mit dem Generalgoupernement 


von Eliah-Lorhringen betraut, verſah dort auch 


feit Ende Mai die Stelle des Civilgouverneurs, 


bis 7. Sept. 1871 beide Poften aufgelöft u. durch 
ein Oberpräfidium erfegt wurden. 
in den fchwierigen Amtern in Hannover u. im 
Elſaß als einen umfichtigen u. ausgezeichneten 
Beamten gezeigt, deſſen Berbalten auf die Ein- 
bürgerung der betr, Eimmohnerihaften im die 
neuen Berhättniffe von großem Einfluß geweſen ift. 

Bismard » Shönhaufen, Dtto Eduard 
Leopold, Fürſt von, Kanzler des Deutichen 
Neiches u. Präfident des Preufiihen Staats» 
miniftertums, geb, 1. April 1815 auf dem elter⸗ 
lihen Gute Schönhauſen in der Altmark; ver- 
lebte die erften Jahre feiner Kindheit, von der 
durch Tiefe des Gemüthes ausgezeichneten Mutter 
erzogen, auf dem gleichfall$ elterlichen Gute Kniep- 
hof ın Pommern. Bon diefem ländlihen Schau- 
plage feiner erjten Erziebung ift ibm der ftärlende 
Hang zum Landleben geblieben. Frühzeitig lernte 
er die herben Gegenfäge des Lebens lennen; denn 
den erften Jahren einer natürlihen Entwidelung 
folgten die einer ftrengen Erziehung in der Pla- 
mannſchen Anftalt in Berlin. Aus diefer fam 
B. auf das dortige Friedrich Wilhelms-Gymna- 
fium, von wo PVrofeſſor Bonnell, dejjen humanere 
Methode das Weſen des Knaben anzog, ihn nad 
dem Gymnaſium zum Grauen Klojter binüber- 
nahın. Er zeigte bereits bier die glänzendſte Be- 
gabung, machte ernfte Studien in der Gejchichte 
n. in den neueren Spraden u. bezog Oſtern 
1832, noch nicht 17 Jahre alt, die Umiverfität 
Göttingen. Dort u. in Berlin, wobin er im 
darauftolgenden Jahre überfiedelte, ftudirte er be- 
hufs Eintrittes in die diplomatiihe Yaufbahn, für 
weiche die Mutter ihn frühzeitig bejtimmt hatte, 
die Nedte, Was er durch die ungeftüme Weile 
des damaligen Studentenlebens verfäumte, holte 
er durch Selbitftudien nach, jo daß er ſchon Oftern 
1835 feine Prüfung beftand u. Auscultator wurde, 
Die erſte juriſtiſche Praxis erwarb er ſich am 
Stadtgerichte zu Berlin, von wo er 1836 als 
Nejerendar zu der Negierung nah Aachen ging, 
deren WBräfident der confervative Graf Arnim— 
Boirenburg war; 1837 ging er zu der Negierung 
nah Porsdam u. trat 1838 behufs Ableiftung 
feiner Mitttärpflict in das Garde- Fäger-Bataillon 
daſelbſt ein. Familienverhältniſſe, welche die Ülber- 
nahme der väterlihen Gilter in Pommern wün— 
ſchenswerth machten, beitimmten ihn, fi noch in 
demielben Jahre zu dem zweiten Fäger-Bataillon 
nach Greifswald verfegen zu laffen, um gleich 
zeitig an der landwirthſchaftlichen Alademie zu 
Eldena ftudiren zu fünnen. Nachdem er von 
1839 ab die Verwaltung eines Theils der väter» 
lihen Güter angetreten u. vorübergehend Kreis. 
deputirter u. ritterichaftlicher Abgeordneter in dem 
pommerſchen Provinzial-Tandtage geworden mar, 
verliebte er bis 1845, dem Zodesjahre feines Va— 
ters, eine Zeit von Prüfungen, in melden ſich 
zwiichen Selbjtftudien u. inneren Kämpfen die 
künftige Reife feines Geiftes vielleicht am mirt- 
famften vorbereitete. Durch den Tod des Waters 
fiel ihm feine Geburtsftätte Schönhaufen zu, wo 
er Deihhauptmann wurde. Auch ward er in den 


Bismard- Schönhaufen, 


ſächſiſchen Provinzial -Landtag als Abgeorbneter 
der Ritterſchaft des Kreiſes Jerichow gewählt, in 
welcher Eigenſchaft er 1847 auch in dem erſten 
Vereinigten Landtage erſchien. Hier begann ſeine 


B. hat ſich politiſche Rolle, die zunächſt in einer kräftigen 


Vertheidigung des Königthums gegenüber den 
andringenden Wogen der Revolution beftand. 
Nachdem er ſich am 15. Juli 1847, kurz nad 
dem Schluffe des Vereinigten Landtages, mit Jo— 
banna v. Puttfammer vermäblt batte, traf er anf 
feiner Hodhzeitöreife den König Friedrih Wil- 
beim IV, in Venedig, u. dieſe Begegnung fcheint 
nit ohne Einfluß auf feine Zukunft geblieben 
zu fein. Auf dem zweiten Vereinigten Yandtage 
feffelte B. aufs Neue die AnfmerBamteit durch 
ſein kräftiges Auftreten für die Würde der Krone; 
während u. nach der März-Revolution trat er für 
fie mit männlihem Muthe in die Schranten, u. 
am 26. Febr. 1849 erihien er als Abgeordneter 
für Wefthavelland in der infolge der octroyirten 
December-Berfaffung zufammtenberufenen Zweiten 
Kammer. Er erhob fid bier u. in den folgenden 
Parlamenten mehr u. mehr zu einem Führer der 
Eonjervativen, ftimmte gegen die Annahme der 
Frankfurter Reichsverfafjung, gegen die Union u. 
gegen daß Drei-Königs-Biindnig. Auh war er 
bei der Reviſion der Berfafjung jehr thätig, wirfte 
im Erfurter Parlament u. vertheidigte die da- 
malige, zwar nicht glänzende, aber durch die Ber- 
hältniſſe gebotene Politif der Regierung, melde 
zu dem Bertrage von Olmütz führte. Deito tiefer 
aber erfannte B. ſchon während dieſer fchmerz- 
lichen Epoche die Nothwendigkeit für Preußen, ſich 
hehutſam gegen die unverſöhnliche deutſche Politik 
Oſterreichs zu rüſten. An dieſen von Olmütz, 
wenn auch nicht ohne Schwanlungen, ſich ber» 
ſchreibenden Berjüngungs- Proceß Preußens knüpfen 
ſich denn auch die Verhältniſſe, die Bes Eintritt 
in die diplomatische Yaufbahn u. zunädft feine 
im Mai 1851 erfolgte Ernennung zum erften 
Gefandtichafts- Secretär in Frankfurt a. M., mit 
dem Titel eine Geheimen Yegationsrathes, zur 
Folge hatten. Schon am 18. Aug. deil. Jahres 
wurde B. an General v. Rochows Stelle Ges 
fandter am Bundestage. 

Diefe ungewöhnliche u. lange unterihätte Wahl 
hatte einen beftimmenden Einfluß auf die Ereig- 
niffe der eben begonnenen zweiten Hälfte des 
Jahrhunderts. Sämmtlihe Mitglieder des Bun— 
destages u. die Verhältniſſe, die fie zu ſolchen ge— 
macht hatten, weit überragend, lernend u. ent» 
dedend, zerſetzte B., der uriprünglich ein Anbänger 
der öfterr. Allianz gemejen war, die in Preußen 
u. einem großen Theil Deutichlands noch herr- 
ichenden Überlieferungen von der Haltbarfeit der 
alten deutihen Bundesverfaffung u. wurde fo der 
erfte praftiiche Staatsmann, der an den Mißer— 
folgen der preußiihen Berjuche, fih mit Ofter- 
reih zu verftändigen, die Unerläßlichkeit des 
Kampfes gegen daflelbe nachmwies, Er erlebte in 
‚yranffurt deshalb auch zahlloſe Anfeindungen. 
Während der acht Jahre feiner Gelandtichaft da- 
felbft u. der nächſt darauf folgenden Zeit änderte 
fih der Zuftand Europas auch außerhalb der un- 
mittelbaren preußiihen Machtſphäre. Die Er« 
richtung des Kaiſerthums in Frankreich, der 


Biemard- Schönhaufen. 


Krimkrieg u. Später der Kampf Italiens u. Frank- zu erlangen. 
reichs gegen Okterreich eröffnete Preußen neue Wege 
zu einer felbftändigen Politik, an deren Durd 
führung B. den weſentlichſten Antheil hat. Seine 
Begegnung mit dem Kaifer Napoleon im Früh |mens mit dem großen norbiihen Reiche und zur 
jahre 1857 in Paris trug nicht wenig zur Er- Abwendung defelben von Frankreich beitrug. Trotz 
mweiterung feiner politischen Feruſicht bei. Nach ſolcher einzelnen wichtigen Vorbereitungen war fein 
dem Sturze des Minifteriums Manteuffel u. der Widermwille gegen die damaligen zerfahrenen Zu- 
Bildung einer liberalen Regierung in Berlin |ftände jedoch jo groß, daß er wünſchte, es möge 
wurde B. feines Poftens in Frankfurt enthoben irgend einer Intrigue gelingen, ein anderes Mi- 
u. ald Geiandter nah St. Petersburg geſchickt, niſterium durchzuſetzen, u. fo im Jedem, der ihn 
wo er am 1. April 1859 das neue Amt über- zu ſtürzen fuchte, einen Wohlthäter fah. Im Aug. 
nahm. Diefe urfprünglih nicht von ihm ge-/1863 wurde der ven Üfterreich berufene Frante 


471 


Am 8. Febr. defi. Jahres ſchloß 
‚er mit Rußland eine Übereinkunft zur Unter- 
drüdung des polnischen Aufftandes ab, welche 
mweientlih zur Befeftigung des alten Einverneb- 


mwünichte Beränderung trug weſentlich zur Aus» 
dehnung feiner Kenntniffe, Erfahrungen u. feines 


Einflufjes bei u. kam erft zur Geltung, als der! 
unmittelbar nad) der Verjegung B-8 ausgebrochen | 
Italieniſch⸗Franzöſiſche Krieg gegen Öfterreich, ganz | 
ohne die Parteinahme 


nah jeinen Abfichten, 
Preußens für 


Ihe Verlegung auf der Jagd verurjacht wurde, 


bei melden der Ärger u, die Aufregungen von, 


Frankfurt aber nachwirkten, ftörten während die— 
fer Sendung die Thätigkeit Bes; aber feine riefen: 
hafte Natur gewann wieder die Oberhand, und 
faum mar er hergeftellt, als er ſich mit jugend- 
lichem Eifer auf das Erlernen der ruiftichen 
Sprade legte. Schen zu jener Zeit mehrfach 
zum Dlinifter der auswärtigen Angelegenheiten 
beſtimmt u. Gegenftand der Berechnungen für ans 
dere diplomatiihe Poften, dur Berufungen und 
Krankheiten abgezogen, verlebte B. die Jahre ſei— 
ner Petersburger Geſandiſchaft in einer Art pein— 
licher Ungewißheit, die durch feine Ernennung 
zum Gejandten in Paris (23. Mai 1862) 
wicht weientlih gehoben wurde, da er angefichts 
der kritiſchen Entwidelung, der Preußen entgegen: 
ging, auch diefe Stellung nur als eine vorlänfige 
betrachten konnte. Die nahe Ausficht, der Lenker 
der Politif Preußens zu werden, brachte B. wäh- 
rend feines Aufenthaltes in Barıs kaum über ein 
umfichtiges Studium der franzöfiichen Verhältniſſe 
hinaus. B. ging nicht ohne eine gewiſſe Über— 
windung auf den jchwierigen Boten in Berlin. 
Am 24. Sept. 1862 wurde er Staatsminifter u. 
vorläufiger Präfident des Staatsminiiteriums, aber 
jhon am 9. Oct. Minifter der auswärtigen An- 
gelegenheiten u. Minifterpräfident. 

Selten hat ein Staatsmann die Yeitung der 
Politit feines Baterlandes unter fchwierigeren 
Berhältniffen übernommen. Bon der feindjeligen 
Haltung der Zweiten Kammer ganz abgeiehen, 
ftand zu jener Zeit faft die geſammte deutiche u. 
liberate ausländische Preife gegen B., während 
man in Frankreich, wohin er am 1, Novbr. zur 
Übergabe feiner Abberufungsichreiben noch einmal 
zurüdfehrte, feine deutichen Gedanken als leere 
Träume betrachtete. Er hielt nun als Haupt des 
preußifchen Minifteriums die Budgetforderungen 
u. die mit diefer zufammenhängende Heeresreors 
ganifation der Kammer gegenüber im Sinne ber 
Krone aufredt u. machte ın der Bundesangele- 


Oſterreich vorübergegangen war. 
Zwei Krankheiten, derem eine durch eine körper: | 


‚furter Fürftentag abgelehnt, im Yanie deſſelben 
Jahres die Politit Öfterreihs u. der Mittelitaaten 
weiter befämpft; währenddie Schleswig-Holſteiniſche 
Angelegenheit ein Zufammengeben Preußens mit 
Tfterreih ermöglichte, welche zur Bundes-Erecus 
tion und bald darauf zum Kriege gegen Däne- 
marf führte. Der riedensabihlug mir Dänemark 
30. Oct. 1864, weicher Breußen u. Ofterreih in 
‚den gemeinichaftlihen Befig Schleswig - Holfteins 
jegte, die Hinfälligleits- Erflärung der Bundes» 
Erecution u. die Abmweifung der Rechtsanſprüche 
des Herzogs von Auguftenburg find in erfter Linie 
das Wert Bes. Die Bedingungen nämlich, unter 
‚welchen Preußen die Errichtung eines felbftändigen 
Herzogihums Schleswig - Holftein zugeben wollte, 
wurden in einer Depeiche vom 21. Febr. 1865 
zufammengeftellt, aber von Oſterreich verworfen. 
Nah längeren Schwankungen von Zeiten des 
letteren, während deren B. einen ſchweren Kampf 
gegen Einflüffe aller Art zu bejteben hatte, wurde 
der Gafteiner Vertrag vom 14. Aug. abgeſchloſſen 
u, von B. einerjeits u. dem Grafen Blome ander- 
jeits unterzeichnet. Nah dieſem Übereinkommen 
wurde, bis auf weitere Vereinbarung, Die Aus: 
übung der für beide Theile aus dem Condominium 
bervorgebenden Rechte in der Weiſe geograpbiich 
getheilt, daß Ofterreich Holftein u. Preußen Schies- 
wig erhielt, obne daß daraus die Fortdauer diejer 
Rechte beider Mächte an dem Geſammttheil Ein- 
trag geichehen ſollte. Lauenburg wurde rg 
Seldentihädigung ausſchließlich preußiſcher Beſitz. 
Für B. war dieſes Übereinfommen eine bloße Ver— 
Hebung des Niffes. Der Berfaffungsftreit führte 
ihn am 20, Mai u. 17. Juni zu heftigen Kämpfen. 
Am 26. Juni traf er mit feiner Kanzlei in Karls» 
bad bei dem König ein, u. am 5. Juli regelte 
ein Erlaß des Königs das Budget für 1865, wel. 
ches mit der Abgeorbnetenfammer nicht hatte ver» 
eınbart werden fünnen. Am 15. Sept. deif. 38. 
wurde B. vom König in den Grafenftand er 
hoben. Augeſichts der verihlimmerten Beziehungen 
zu Öfterreih brachte B. 8. April 1866 einen 
Alltanz«Bertrag mit Jtalien zu Stande, obgleid - 
ſich demſelben innerhalb des italieniſchen Minifteri« 
ums große Schwierigteiten entgegengeftellt batten, 
Am 7. Mai erfolgte auf B. das erfte Attentat, 





i 
indem der 22jährige Ferdinand Cohen (Blind) 
mehrere Biftotenichüffe auf ihm abfeuerte, weil er 
ihn, nach feiner Ausjage, für den Ärgften Feind der 
deutihen Einheit u. Freiheit hielt. Am 14. Juni 


genheit, wie dies in der Circulardepeihe dom erffärte Preußen in Frankfurt den Bundesvertrag filr 
24. Jan. 1863 ausführlich dargeftellt ift, einen gebrochen, u. am 21. erfolgte die Kriegserllärung 
fegten Berfuh, von Ofterreich Zugeftändniffelgegen Ofterreih. Bon diefem Augenblide an ift 


472 


die Lebensgefhichte B»s mit der Geſchichte ber 
Ereiguiffe, melde die Umgeftaltung der Starte 
Europas zur Folge hatten, jo verwachſen, daß man 
die eine ohne die andere nicht darftellen kann. 
Die erften Siegesnachrichten trafen ihm noch in 
Berlin. Am 30. Juni begab er fih mit dem 
König nach dem Kriegsihauplage, u. am 3. Juli 
wohnte er in deſſen unmittelbarftem Gefolge der 
Schlacht von Königgräg bei, wo er der Erfte war, 
der die heranrüdenden Finien der von dem Kron- 
prinzen befehligten Zweiten Armee erfannte. Der 
Eindrud diefes Sieges war jo gewaltig, daß die 
Gefahr übermäßiger forderungen von Seiten 
Preußens nabe lag, u. ®. gebührt das Verdienſt, 
in richtiger Erfenntniß der Umftände die für Öfter 
reich verhältnißmäßig billigen Friedensbedingungen 
von Nikolsburg (26. Juli) u. am 23. Aug. den 
Prager Frieden abgejchloffen zu haben. Dieſer 
Friede, jo überrafchend jchnell er auch zu Stande 
efommen ift, muß als ein Rieſenwerk menjchlicyer 

nftrengung betrachtet werden u. ift ohne Wür— 
digung der damaligen franzöfiihen Machtſtellung 
unmöglich richtig zu beurtheilen. Frankreich ftand 
im Juli 1866 noch als die erfte Militärmacht 
Europas da, u. jelbft al$ man im Hauptquartier 
von ficherer Hand über feine augenblidlihe Uns 
jhlagfertigleit unterrichtet war, mußte man nod) 
ftarf mit ihm rechnen. Außerdem mahnten die im 
Heere ausgebrodhenen Seuchen/ an Innehaltung 
des richtigen Maßes. Am 4. Aug. in Berlin au- 
gelangt, mußte B. jhon am 7. mit den Zumuth— 
ungen der franzöfiihen Diplomatie, welche eine 
Wiederherftellung der franzöſiſchen Greuze von 
1814 beantragte, rechnen. Sie wurden ſelbſt auf 
die Gefahr eines unmittelbaren Krieges gegen 
Frankreich abgelehnt. Während die Nation ihn 
wegen ſo großer Siege feierte, erlebte B. in dieſem 

eitabſchnitte ſeiner Laufbahn den vollenderiten 
Triumph dadurch, daß er die in der Eröffnungs— 
rede des Landtages am 5. Aug. nachgeſuchte Ver— 
willigung der bisher verweigerten Zinanzvorlagen 
erbielt und mit dem äußeren Frieden gleichzeitig 
den inneren beritellte. Es erfolgte darauf jene 
Reihe von Verträgen mit den Nord» und Süd— 
jtaaten, von parlamentarishen Borlagen u. Ein- 
verleibungen, weldhe das Königreih Preußen um 
Schleswig-Holſtein, Hannover, Kurbejien, Nafjau 
u. Frankfurt a, M. vergrößerten und es am die 
Spige des Norddeutihen Bundes ftelten. Der 
Kampf hatte hiermit für B., der aufs Neue mehr: 
fah von körperlichen Yeiden heimgeſucht wurde, 
nicht jein Ende erreicht, jondern nur eine andere 
Wendung genommen, Die friiberen deutichen Geg- 
ner waren theils materiell, theils moraliſch befiegt; 
aber in Frankreich, wo fih das Bemußtiein immer 
mehr Luft machte, daß es mit deffen Übergewicht 
in Europa vorbei fei u, daß die locale u. inter- 
nationale Einigung Deutſchlands u. Ftaliens jeinen 
Beftand bedrohen fünne, wurde B. nunmehr als 
hauptſächlicher ‚Feind angeſehen u. angegriffen. Alle 
mit dem neuen Zuftande der Dinge Unzufriedenen, 
befondersaber Die ultramontanen Elemente, wandten 
fih Frankreich zu. Im Innern trat die Gegner- 
ſchaft B-3, ftatt in der Zweiten Kammer, im! 
Herrenhaufe auf, wo man den mit feiner Zeit u. 
deren Bedürfnifjen fortgeichrittenen Staatsmann] 


Bismard-Schönhaufen. 


als einen von den früheren confervativen Grund- 
jägen Abgefallenen behandelte. So war das Jahr 
1867 für B. nicht weniger veih an Mühen, als 
das vorige. Die bisherigen Verträge waren gleich— 
fam nur Vorarbeit zu dem Ausbau der neuen 
Berfaflung, die am 4. März dem Reichstage des 
Norddeutihen Bundes vorgelegt und bis zum 
17, Upril durchberatben wurde. In feiner Ber- 
theidigung des Berfafiungsentwurfes ſprach B. 
das geflügelte Wort aus: Segen wir Deutihland 
in den Gattel, reiten wird es jchon fünnen! Die 
durh die Gelüfte Fraukreichs auf Yurembur 
beraufbejhmworene Kriegsgefahr wurde gtidiih 
durch den Vertrag vom 11. Mai bejeitigt; aber 
hiermit war die Geduld Deutjchlands bis am ihre 
äußerten Grenzen geführt worden. B. ging An- 
fangs Juni im Gefolge des Königs zum Beſuche 
des Kaijers Napoleon u. der Weltausftellung nad) 
Paris, Am 14. Juli wurde er zum Kanzler des 
Norddeutfhen Bundes ernannt. Die Haltung 
Bayerns u. die welfiihen Umtriebe im Auslande, 
beionders in Frankreich, bedurften einer energiichen 
Begegnung. Das am 27, April 1868 eröffnete 
Deutiche Zollparlament, deſſen Zuftandefommen im 
Weſentlichen ebenfalls B-8 Verdienſt ift, warf die 
Brüde über den Main, und jedem eimfichtigen 
Deutſchen murde Har, daß die vollftändige Einig- 
ung des Südens mit dem Norden nur noch eine 
Frage der Zeit jei. B. vermied Alles, mas als 
ein Drängen nach diefem Endziel eriheinen fonnte. 
Nach abermaliger ſchwerer Krankheit febrte er im 
Dec. 1868 von jeinem neu erworbenen Gute Barzin 
nah Berlin zurüd, wo nad einander der Land⸗ 
tag, der NReihstag u. das Zollparlament feiner 
harrten. Frantreich unterhandelte im Gebeimen 
mit Öfterreih wegen der Mittel zu gemeinfamer 
Belämpfung der deutſchen Einheit. Juzwiſchen 
fam das Jahr 1870 heran, Im März gaben die 
denfwürdigen parlamentarishen Berbandlungen 
über die Todesſtrafe u. über die Gotthardbahn 
B, aufs Neue Gelegenheit, die Macht jeines Geijtes 
u. die Tiefe jeines Gedanfenlebens ftegreich gel» 
tend zu machen. Bald aber follten für ihm wie- 
der ernftere Proben, u. zwar die furchtbarſten ſei— 
nes Yebens zu beftehen fein. Die an den Erb- 
prinzen Yeopold von Hobenzollern von fpanifchen 
Parteien ergangene Kinladung, den ſpauiſchen 
Thron zu bejteigen, wurde von Preußen nicht als 
Staatsangelegenheit behandelt; die Teidenichaftlid- 
feit der franzöfiichen Regierung u. die Ungeſchid- 
lichkeit ihrer Organe machten fic aber zu einer 
Frage von europäifcher Bedeutung. Frankreichs 
Forderung an Preußen, einen fchriftlihen u. fteten 
Verzicht zu leiten, war eine übermüthige Heraus— 
forderung u. jollte der Welt zeigen, daß Napoleons 
Wille noch der mächtigfte in Europa ſei. In Paris 
triumpbirte man jhon im Stillen darüber, einen 
Kriegsfall gefunden zu haben, der abjeit® vom 
Gebiete der Deutichen Frage liege u. Preußen vom 
dentihen Nationalgefühl iſoliren werde; aber in 
Deutfchland erwedte das Auftreten Benebettis in 
Ems einen Sturm der tiefften Entrüftung, die fi 
noch fteigerte, als durch die Veröffentlichung der 
Einverleibungsentwürfe Frankreichs Far murde, 
mit welcher Geduld die bisherigen Zumutbungen 
zranfreichd ertragen worden waren, Die Näach— 


Bismard-Schönhaujen. 


473 


riht von den Emfer Vorgängen traf B. in der den beiden Hauptrichtungen der Polttil, der inneren 


Stille des Landlebens. 


In richtiger Würdigung u. auswärtigen, fräftig weiter gewirft. 


Die Ab 


ihrer Tragweite reifte er ſchleunigſt nah Berlin|widelung der Friedensbedingungen mit Frankreich 


ab, wo er mit dem König Wilhelm zujammentraf, 
Nachdem Frankreich am 19. Juli den Krieg erllärt 
batte, begleitete B. mit feinen fähigiten Näthen u. 
einer vollſtändig organifirten Kanzlei das Haupt- 
quartier des Königs in den Krieg, deilen groß» 
artige Erfolge ihn bald zum Zeugen von weltge— 
Ihichtlihen Momenten rufen follten, wie fie in 
ihrer Bedeutung u. Tragweite nicht allen Zeitaltern 
beihieden find. Die gefürchtetfte u. mit den jchred- 
lichſten Waffen ausgerüftere Kriegsmacht der Welt 
wird in einer Reibe von mörderiihen Schlachten 
geihlagen, um dann zum Theil hinter die Werfe 
einer Kiefenfeftung geworfen, zum Theil in offenem 

de ſammt ihrem Jmperator, vor dem wenige 

chen vorher noch Alles zitterte, gefangen ge» 
nommen zu werden. B. mar es vorbehalten, die 
erften Unterhandlungen mit dem behen Gefange- 
nen zu pflegen, u. jeine Schilderung dieſer Scene 
in dem befannten, vom ‚Feinde aufgefangenen Briefe 
an feine Frau gehört zu den merkwürdigſten Denk— 
malen diejer Kriegsgeihichte. Während der Be- 
lagerung von Paris entwidelte B. eine ftaumens- 
werthe diplomatiſche Thätigkeit im Hauptquartier 
zu Verfailles. Er bradte hier, mitten in den 
Mühen des Krieges u. weniger leicht, al$ die Zeit- 
gejhichte bisher angegeben hat, das Deutſche Kai— 
ſerthum zu Stande. Ein unter deutjcher Leitung 
täglich im Hauptquartier erjchienener franzöfiicher 
Moniteur verkündete den Franzoſen die deutjchen 
Siege u. gab die erfte officielle Darftellung dei 
am 18. Yan. im Schloffe zu Verſailles ftattge- 
habten Proclamation des Königs Wilhelm zum 
deutjchen Kaifer. In Berfailles wurde B. Generals 
lieutenant. Am 23. Jan. begann Jules Favre 
dajelbft die Waffenftillftands-Unterhandlungen, bei 
welchen B. nad) dem Eingeftändniffe der frauzö— 
fiihen Unterbändfer Feſtigleit und Schonung zu- 
gleih entwidelte. Es galt ein Problem zu löfen, 
wie der Diplomatie vorher wol noch feines gejtellt 
worden war. Deutjchland war Sieger, aber die 
geſetzliche Macht, mit welcher der Preis des Sieges 
vereinbart u. der Friede geichloffen werden jollte, 
mußte erft gejchaffen werden. Nachdem Jules 
Fapre am 25. von der Regierung der nationalen 
Vertheidigung zum Abſchluſſe eines allgemeinen 
Waffenftillftandes, welcher die Übergabe von ‘Paris 
zur Grundbedingung batte, förmlich ermächtigt 
worden war, erfolgte am 28. deſſ. Mis. die Un— 
terzeichnung der betreffenden Übereinkunft duch B. 
u. ihn u. am 26. Febr. die der Friedenspräli— 
minarien. Bis zu der Eröffnung der Frankfurter 
Eonferenzen am 6. Juli wurden zwiſchen Deutſch— 
land u. Frankreich nicht weniger ald 55 Überein— 
fommen, Annexen u. Yutritts- Protofolle abge» 
ichloffen, unter ihnen auch der Frankfurter Frie— 
densvertrag vom 10. Mai, nad) welchem Dentich- 
fand Eljaß-Yothringen und eine Kriegsfteuer von 
5 Milliarden zufiel. Am 22, März 1871 wurde 
dem zum Kanzler des Deutichen Reiches Ernannten 
von Wilhelm I. die erbliche Fürſtenwürde verliehen. 
Seit der Heritellung dieſes Friedens hat B. um 
ausgejegt u. ſelbſt noch während feiner Krankheiten 
die oberjte Leitung der Geſchäfte behaltend, nad) 


erforderte abermals Energie u. Mäßigung zugleich. 
In fteter Übereinftimmung mit dem Oberbefehls- 
baber der Dccupations-Armee, General-Syeldmar- 
ſchall v. Manteuffel, löfte B. nicht allein alle fich 
darbietenden Schwierigleiten, fondern erreichte durch 
jeine Thätigkeit, daß die Kriegsfteuer früher, als 
im Friedensvertrage beftimmt war, erlegt wurde, 
Nah diejem follte Franfreih am 2. März 1874 
Deutihland noch 3 Neiliarden ihulden: ftatt deffen 
aber verließ der letzte deutſche Soldat den fran- 
zöfichen Boden bereit3 am 16. Sept. 1873. In— 
folge einer anderen Reihe von Interhandlungen 
wurden die Beziehungen Deutfchlands zu Öfter- 
reich u. Rußland jo enge, daß den Franzoſen jede 
Ausficht auf eine fie begünftigende Coalition be— 
nommen wurde, Um 6. Sept. 1872 wohnte B. 
der Zuſammenkunft der drei Kaifer von Rußland, 
Oſterreich u. Deutichland in Berlin bei. Indeſſen 
jollte B. die mwohlverdiente Ruhe nah jolden 
Thaten noch nicht beichieden fein. Auf die Kämpfe 
nad außen follten N Kimpfe im Innern des Neiches 
folgen, die an Heftigicit die bereits früber beitan- 
denen weit binter fich ließen. Es waren die 
reactionären und namentlih die ultramontanen 
Elemente, welche fih mit wachſend fanatiicher Er- 
bitterung gegen das von B. aufgerichtete Wert 
erhoben und den Schwerpunkt der Regierung im 
den Parlamenten vollftändig veränderten. Somol 
im Preußiſchen Yandtage, deſſen Herrenhaus einen 
Nachſchub von 25 Mitgliedern erhielt, wie in dem 
neuen Reihstage Gefammt-Deutichlands ſtützte ſich 
B. auf die nationalen u. den Ausbau der Reichs— 
verfaffung vertheidigenden Kräite u. ertrug, wenn 
auch nicht ohne Schmerz, die Trennung der 
früheren Meinungsgenofjen von feiner Politik, 
Das liberale Element wurde im preuf. Staats— 
miniſterium durch jüngere Nefjort-Dlinifter geftärkt 
u. die Präfidentichaft defjelben, während des hier— 
mit zufammenbängenden Kampfes, zum Theil auch 
behufs Verminderung der Arbeitslaft, vom 16. Dec, 
1872 bis 9. Dec. 1873 aufgegeben. Das Schul« 
auffichts- Gefeg und der Wegfall der katholiſchen 
Schulabtheilung im Minifterium für die geiftlichen 
Unterrichts u. Medicinal» Angelegenbeiten riefen 
im ‚Febr. 1872 im preußischen Abgeordnetenhaufe 
den leidenfchaftlichiten Kampf hervor, der im März 
auch im Herrenhaufe entbrannte. B. brachte bier 
den Zujammenbang der klerilalen Beſtrebungen 
mit den franzöfiihen Rachegedanken zur Sprache. 
Die Annahme des Schulauffichts-Gejees ſetzte er 
auch im Herrenhaufe durch. Dieje oratoriichen 
Kampfe in drei Parlamenten, obgleich fie größten« 
theils innere Angelegenbeiten betrafen, fanden weit 
iiber die deutfchen Grenzen hinaus ihren Wider— 
ball. Das Gefeg gegen den Jeſuitenorden umd 
deffen Ausläufer wurde im Neichstage angenom- 
men u, am 5. Juli erlaffen. An dem Zuftande- 
fommen einer wichtigen Reihe anderer Geſetze u. 
Maßregeln, wie der Givilehe am 9. März 1874, 
des am 20, April deſſ. F. angenommenen Neichd- 
Milttärgefebes u. des Keichö«Brefgefetes, welches 
am 25. defj. Mts. durchging, muß B. gleichfalls 
ein großer Untheil zugeichrieben werden, Wäh- 


| — 


474 


rend er fih im Sommer 1874 zu einer Badekur u. kurze 


Bismark — Biffayer. 


Hörner; wird bis 22 Etr. ſchwer; lebt 


in Kiſſingen befand, verübte der ultramontane Hand» heerdenweiſe (Männchen u. Weibchen abgejondert) 


werksburſche Kullmann ein neues Attentat auf ihn. in den von den Flüſſen Arkanſas, 


ebrasca 


Bei dem. gegen Ende deſſelben Jahres gegen den Miffouri und den oberen Armen des Friedens 


ehemaligen Botichafter des Deutichen 
Paris, Grafen Harry dv. Arnim (j. d.), eingeleiteten 
Procek (im Juni 1875 wieder aufgenommen u. 
zu deffen Ungunften mit Berurtbeilung zu neun- 
monatlicher Gefängnifftrafe entichieden) wurde eine 
Anzahl von B. ausgegangener diplomatiicher 
Actenftüde, das Berhältnig zu Franfreih u. zu 
Rom betreffend, veröffentlicht, welche einen tiefen 
Blid in den Geiftesihacht des Reichstanzlers thun 
ließen. B. ift die zufammenfaflende Kraft der 
deutichen Bejtrebungen in der zweiten Hälfte dies 
ſes Jahrh. geworden. Seine Reden, die davon 
fein minder lebendiges Zeugniß ablegen, als feine 
Thaten, find in Berlin von 1867—71, in 3 Thei« 
fen gefammelt, erihienen. Biographien von: Gör« 
lach, Fürſt B., eine biogr. Stizze, Stuttg. 1875; 
v. Köppen, DO. v. B. der deutſche Reichstanzler, 
reich illuftirt, Leipzig 1875; Schlüter, Fürſt B., 
Bremen 1875; Hefeliel, Das Buch vom Grafen 
B., Bielef. u. Lpz. 3. A. 1873; A. E. Brad 
vogel, Fürſt B.; Ludw. Bamberger, Monsieur 
de B., ın deutſcher liberfegung, Breslan 1868. 
Die franzöfiihen Schriften über B. find mehr 
Pamphlete, als biftoriich mwilrdige Darftellungen; 
zu erwähnen: Vilbort, Lauvre de M. de B 
Bar. 1869, deutſch, Berl. 1870. Seine Frau 
(Johanna, geb. von Puttfammer, geb. 11. April 
1824) hat ihm 3 Kinder geboren, u. zwar: Gräfin 
Marie, geb. 21. Aug. 1848; Herbert, Graf 
von B.⸗Schönhauſen, geb. 28. Dec. 1849, Attaché 
der Gejandtihaft in Münden; Wilhelm, Graf 
von B.-Schönhaufen, geb. 1. Yug. 1852, der fich 
der juriftiichen Garritre gewidmet hat; beide jchon 
während des Feldzuges zu Yieutenants des 1. Garde⸗ 
Dragoner-Regiments ernannt. 

Bismarf, Stadt im Kreife Stendal des preuf. 
Regbez. Magdeburg, an der Magdeburg-Halber- 
ftädter Eifenbahn; Fonf Ballfahrtsort wegen eines 
der Sage nad) 1350 bier vom Himmel gefallenen 
Kreuzes; 2065 Ew. B. gehörte früher der gleich" 
namigen Familie u. wurde von derjelben 1494 
an Die v. Alvensleben verfanft. 

Bismuthum, jo v. w. Wismuth. B. hydrico- 
nitricum s. B. subnitricum, baſiſch falpeterfaures 
Wismuthoryd, durch Auflöfen des Wismuthmetalls 
in Salpeterfäure u. Fällung dieſer Löſung mit viel 
Waſſer dargeftelltes, weißes kryſtalliniſches Pulver, 


eiches in fluſſes bewäſſerten Savannen unter 53 bis 64° 


nördlicher Breite u. wird als ein wildes, unbän- 
diges Thier geichildert, das außerordentlich be- 
barılih in Berfolgung feiner Race ift. Bei den 
Jagden der Judianer werden nicht felten 300 u. 
mehr Stüd erlegt. Man jagtfiewegen ihres Felles, 
‚rleiihes u. Fettes. Der B. ift dem europäifchen 
Wifent (Bison eurepaeus Ow.) verwandt und 
ftammt mit jenem wahrſcheinlich von dem dilit- 
vialen B. priscus Bej. ab, Thome, * 

Bisquit (v. fr. Biscuit), 1) was zweimal 
gebaden ift, Zwieback. 2) Beſonders ein bloß aus 
Kraftmehl (Bisquitmehl), mit Zuder und zu 
Schnee geichlägenen Eiern, in manderlei Formen 
u. mit mancherlei Zujägen bereitetes Badwert. 
Das B. gehört zu den verdaulichfien u., einfach 
bereitet, zu den gefundeften Badwerten und ift 
daher für zarte Kinder, für Kranfe u. Recon- 
valejcenten eine angemefiene Nahrung, für legtere 
beſonders mit Wen, 3) Unglafirtes Porzellan; 
wird zu fleineren Statuetten ftatt Gips benutzt; 
ſ. u. Porzellan. 4) (Bisquitgut) Gelbes Stein- 
gut mit Glaſur u. Malerei; ſ. Steingut. 

Bisquitfartoffel, Sorte Kartoffel; ſ. d. 

Biß (Bißwunde), die Verlegung durch einen 
Biß; verhält fih im Allgemeinen wie eine ge- 
quetichte Wunde; ſ. Wunden; die vergifteren er- 
fordern eine bejondere Behandlung; f. u. Waſſer- 
hen, Giftſchlangen, Skorpion. 

Biffägo (Bidſchuga), 1) Inielgruppe vulcaniſcher 
Bildung an der Küfte von Senegambien (Afrila), 
Portugal gehörig, nur 16 Davon bewohnt; 
Schlammbänle u, Felſen, welche die Inſeln ums» 
geben, machen das Landen beſchwerlich; bringen 
Reis, Hirſe, Baumwolle, Indigo, Kaffe, Wein, 
Holz; Elefanten, Büffel, Antilopen, Affen, Fluß— 
pferde, Schlangen, Eidechſen, Termiten ꝛc. Die 
Einwohner, ein Negerſtamm, ſind gute Schiffer u. 
handeln mit Landesproducten u. Stlaven. Haupt- 
inſeln: Ourango, Bulam (Bidama, gehörte ſeit 
1792 der engliſchen Sierra-Leone-Geſellſchaft, 
wurde von dieſer verlaſſen u. 1829 von den Vor— 
tugiefen bejegt; 1838 machten die Engländer ihre 
Anrechte geltend u. fetten fich 1842 in Befig der 
Inſel, die eine wichtige Station zur Unterdrüdung 
des Stlavenhandels wurde), Formoſa, letztere die 
nördlichfte u. bevölfertite, u. a.; vorzüglich aber 


weldes als Arzneimittel gegen Magenkrampf u. Biſſao, 1662 [_km, gebildet von den beiden 
aud äußerlich als Schminkmittel angewandt wird Armen des Empernal bei der Einmündung in 
(paniſch Weiß). B. valerianicum, baldrianfaures/den Geba; Sig des Gouverneurs; portugiefiiches 
Wismuthoxyd, ein weißes, kryſtalliniſches, nach | Fort; Kirche; Hafen; 600 Em. 

Baldrianfäure riechendes, in Waffer unlöslihes) Biffayer (Bilajas), Gruppe der Philippinen« 
Pulver; wird in denfelben Fällen wie das vorige Inſeln im Indiſchen Archipel, zwiſchen Luzon u. 
gebraucht. Magindanao, im Meere von Mindoro; zufammen 
_ Bifon, 1) (Wifent) fo v. w. Auerochſe (j. d.).|55,835 km (1014 IM); bewohnt von angeblich 
2) (Bison americanus Art der Gattung|2Y/, Mil. malaiiſchen Biffayern, welche einen 
Büffel; hat eine fraushaarige Mähne auf Kopf, Dialekt der Tagalaiprade reden, u. Papua, die 
Hals u. Bruft, einen gewölbten, dadurch einen unter ſpan. Herrichaft ftehen. Die B. bilden acht 
Höder bildenden Widerrift, furzen Hals mit ges| Provinzen von denen drei auf die bebeutendfte 
ſenltem Kopfe und einen Schwanz mit —* Inſel Panay kommen u. die fünf übrigen, die 
Haarbüſchel, ſowie eine ſchmale, nur an der Mitte Inſeln Samar, Leyte, Bojol, Zebu u. Negros 
u. den Rändern der Oberlippe fahle Schnauze umfaſſen, unter denen noch mehrere Heinere Jn- 


Biſſen — Biftouri. 


475 


jeln inbegriffen find. S. u. Philippinen u. den Romane u, Erzählungen: — ————— 1840; 


kr = Inſeln. 

iſſen (Bolus), eine beſonders für Pferde 
zwedmäßige Arzneiform, welche hinſichtlich der 
Conſiſtenz zwiſchen Pille und Latwerge in der 
Mitte fteht. 

Biſſen, Bildhauer, geb. 1798 in Schleswig; 
kam 18 Jahre alt nad Kopenhagen, entichied ſich 
nad längerem Schwanken zwiihen Malerei und 
Plaftif für legtere, ging 1823 mit einem Stipen- 
dium der Akademie nah Rom u. ward dert ber 
Lieblings - Schiller Thormwaldfens, bei dem er 10 
Jahre arbeitete; er war feit 1830 Director der 
Alademie in Kopenhagen; ftarb dafelbft 10. März 
1866. In jpäteren Sabren verließ er die ideale 
Richtung feines Meifters u. folgte der naturalifti- 
jhen; jo im Denkmal für die dänischen Soldaten 
bei Fridericia u. im Löwen von Idſtedt. Haupt. 
werle: Moſes, in der Borhalle der Kopenhagener 
Frauenkirche, u. mehrere Büften berühmter däniſcher 
Beitgenoffen daran jchließen fi: die 4 Engel in 
den 4 Eden der Schloßfapelle zu Ebriftiansburg; 
die Statuen der Atalante u. des Kepbalos auf der 
Jagd; die Entwidelung des Menſchengeſchlechtes 
nah der griechiſchen Diythe, an dem Frieſe im 
großen Schloßſaal zu Kopenhagen; eine Apollo- 
ftatue (im Befige von Bernus du Fay zu rauf: 
furt a. M.); Amor über einen Stein reitend, an 
weichem er den Pfeil wet. Reznet. * 

Biffing. Die alte Familie B. theilt fich in 
3 Linien, von denen 2 gräflih u. die 3. freiherr— 
lich ift. I. Die gräfliche, in Ungarn u, Wilrttem- 
berg begüterte Familie, melde jeit 1646 infolge 
der Berheirathung Johann Friedrichs v. B. mit 
Kumigunde Kath. v. Nippenburg den Namen 
Bilfingen-Nippenburg führt u, 1646 in den 
Freiberrn- u. 1746 in den Grafenftand erhoben 
wurde, zerfällt wieder in 2, non den Grafen Ernft 
u, Cajetan, den Söhnen des 1831 verftorbenen 
Grafen Ferdinand Ernft, geftifteten Linien: A) 
Ungarijche Linie. Chef: 1) Graf Ernft, Sohn 
des 1835 verftorbenen Grafen Eruft, geb 1809; 
unvermäblt. Sein Bruder Ferdinand, geb. 1820, 
ift vermählt mit Marie, geb. Gräfin Marapiglia- 
Erivelli u. hat zwei Eöhne. B) Schwäbiſche 
Linie. Chef: 2) Graf Cajetan, zweiter Sohn 
des Grafen Ferdinand Ernit, geb. 1806, ift Be— 
figer der Herrſchaften Schramberg, Nedarburg, 
Ramftein u. Hohenftein im Königreih Wirttem- 
berg; feit 1834 vermählt mit Ludovica, geb. von 
Marsberg. Sein älterer Sohn Ferdinand ift geb. 
1837. II. Die freiherrlihe Familie, Anhalt: 
Deſſau⸗Meißniſche Linie, welche fih B. fchreibt 
u. ihon im 11. Jahrh. einen Carolus v. B. als 

entgrafen unter dem Landgrafen riedrich von 
Ihüringen aufweift, wurde mit dem Oberften Hans 
Urih von B. 1633 in den Neichsfreiberrnitand 
erhoben und im neuerer Zeit vom König von 
Preußen darin anerkannt u. beftätigt. 

Biffing, Henriette v., deutihe Romanichrift- 
ftellerin, Tochter des Arztes Krohn, geb. 31. Jan. 
1798 in Worm (Medienburg- Schwerin); heirathete 
1815 den Lieutenant v. B., lebte mit diefem in 
verjchiedenen Garnifonftädten, von 1837 ab lange 
Zeit in Nienburg a. d. Weſer und ſiedelte nach 
befien Tode nad Anklam über. Sie jchrieb die 


Bictorina, ebd. 1842, 2 Bde.; Waldheim, ebd. 
1844, 2 Bde.; Minona, ebd. 1844; die hiftoris 
ſchen Romane: Pucretia Tornabuoni, Brest. 1847, 
2 Bde.; Raimer Widdrik, Hannov. 1848, 3 Bde. 
u. a. In allen diefen Dichtungen waltet ein 
feiner mweibliher Siun, eine erwärmende Liebens- 
twirdigfeit. Die beiden lettgenannten Romane 
find ihre beften Leiftungen; in Yucretia Tornabuoni 
Ihildert fie fehr anſchaulich Leben u. Zuftände in 
giorenz zur Zeit des Cosmo de’ Medici; in Raimer 

iddrif führt fie im die Kämpfe der Dithmarſcheu 
gegen König Johann u. bietet dabei vorzügliche 
Schilderungen von Land u. Leuten. Salomon. 

Biffon, Louis Auguften. Augufte Rofalie, 
nambafte franz. Photographen, geb. 1. April 1814 
u. 29. April 1826 in Paris; Iteferten namentlich 
werthvolle Blätter aus den höchſten Alpenregionen 
u. gaben heraus die Galerie des representants 
à l’Assemvlee nationale constituante (1848 —50); 
L’euvre de Rembrandt (1852); L’»uvre 
d’Albert Dürer (1863); Reproduetions photegr. 
des plus beaux types d’architecture et de sculp- 
ture (1852—63), Regnei. 

Biſter (Rußbraun), aus geſchlämmtem Holz- 
ruße bereitete dunkelbraune, lafirende Malerfarbe. 
Am beften ift zur Herftellung der Ruß des Buchen- 
holzes zu verwenden, Der römiſche B. ijt der 
bejte. Mineralifhen B. nennt man eine braune 
Farbe die dur Fällen von einer Manganlöfung 
mit Alkali erhalten wird, indem man den erhal- 
teten Niederichlag an der Luft fih in brauner 
Manganoxydhydrat verwandeln läßt. 

Bischum, 1) Bezirk oder Sprengel, tiber den 
fih die Amtsgewalt eines Biſchofs erftredi; j. 
Diöcefe. 2) Das Land, welches ein Biſchof ver- 
möge jeines Amtes mit weltlichen Fürftenrechten 
bejaß und regierte, wie früher die Gebiete der 
deutſchen Fürftbiihöfe, 3. B. Würzburg u. Hil- 
desheim. 

Biltönen (a. Geogr.), thraliſches Volk zwischen 
dem Rhodopegebirge u. den Agätichen Deere. Hier 
die Stadt Biſtonia (jegt Biſtogna), gegründet 
von Bifton, Sohn des Ares u. der Kalirrhot 
u. Stammhelden der B., u. der fiichreiche See 
Biftönis bei Abdera (jegt Lagos Buru) mit Ab- 
fluß ins Agäiſche Meer. Römische Dichter ge- 
braudhen deu Namen hiſtoriſch oft für thrakiſch. 

Biſtouri (fr.), das gewöhnlichſte jchneidende 
Inſtrument für einfache chirurgiſche Operationen, 
beſonders zur Eröffnung von Absceſſen und Er— 
weiterung von Wunden und Geſchwilren. Seine 
weientlihen Theile find: Die nur auf einer Seite 
ſchneidende Klinge (jelten 2fchneidig, dadurch wird 
es zur Yanzette) u. der meift bewegliche Stiel von 2 
Blättern aus Horn. Die Klinge lann eutweder wie 
bei gewöhnlihen Taſchenmeſſern, od. durch andere 
Medhanismen feftgeftellt werden. Ein B. mit 
unbeweglichen Heite nennt man auch Scalpeli. 
Eingeſchlagen wird das B. in einem Beſteck auf— 
bewahrt. Es ift ganz oder nur mit der Spike 
ichneidend, breiter oder ſchmäler, gerade oder ge— 
kümmt, u. zwar conver, gemwölbt, baudig oder 
concav. Knopf-B-8 find ftatt der Spitze mit 
einem Knopfe verjehen; Fiſtel⸗Ba⸗s find fichelförmig 
mit Knopf zum Operiren von Maftdarmfifteln 


476 Biltrig — 


Bithynien. 


(die beſten find die Pottſchen B-s, B. caché); ſetzte den Homer, 1780—85, 6 Bde., 1787—89, 


Bruch-⸗B. find ebenfalls ſichelförmig u. geknopft, 
mit concaver Schaeide, zur Operation einge— 
MHemmter Brüche; das gewöhnlichſte iſt das Rich» 
terihe 8. xc, 

Biltrig 1) Neu-B., Stadt im Bezirke Neu- 
haus des ehemaligen böhmischen Kreifes Budweis, 
Bezirksgeridt; Schloß; Tuchmacherei; Flachsbau; 
3430, im Gemeindebez. 3825 Em. 2) * unterm 
Hohſtein, Stadt im mähriſchen Bezirke Holle 
zſhau (ehemaliger Kreis Neutitſchein), an der 
Fiitriza; VBezirlögeriht; Schloß; große Möbel- 
fabrif; 2225 Emw.; auf dem Hohſtein eine Wall- 
fahrtsfirche. 3) Beiztercze, DiftrictShanptftadt im 
Lande der Sachſen, im N. von Siebenbürgen, 
an der Biftriza; fatholiihes und evangeliiches 
Gymnaſium, Dinoriten- u. Piariftenflofter, Spitä- 
ler; Kornhaus; Weinbau; Pottafcheftederei; Holz- 
u. Viehhandel; als Gemeinde 7212 vorwiegend 
deutiche und proteftantiiche Emw.; dabei Trümmer 
eines Schlofjes, ehemals der Hunyadis. Um 1500 
war B. eine bedeutende Handelsftadt u. zählte über 
20,000 Ew. Bei B. 19. Febr. 1849 Niederlage 
der ungarischen Inſurgenten durch die Ofterreicher; 
10. Juli 1849 Miederlage berjelben durch die 
Ruſſen unter Grotenjbeim; 19. Aprıl 1857 große 
Feuersbrunſt. 4) Nebenfluß der Elbe in Böhmen, 
binter dem Benedel die Schladhtitellung von König- 
gräg gemählt hatte; die am ibm gelegenen Orte 
Sadowa u. Nechanitz waren Hauptpunlte dieſer 
Schlacht. 

Oifize, 300 km langer Nebenfluß des Gereth 
in der Moldau; fommt aus der Bukowinag u. ift 
goldführend. 

Bisulca, Säugethiere mit 2 Hufen (Rind, Schaf, 
Giraffe, Kamel xc.); fo v. w. Wiederläner. 

Bisulphurätum carbonici, jo v. w. Schmefel- 
fohlenftofi. 

Biſutũn (Behiftun), Berg in Kurdiſtan, un— 
weit Kermanfchah; das Bagiitanon (d. i. Aufent- 
baltsort der Götter) der Alten, mit berühmten 
Tempel. Dort die große Keilinfchrift, welche zu- 
erit 1846 von Ramlinion copirt u. erflärt worden 
iſt; fie enthält die Thaten des Darius Hyſtaſpis, 
der mit 2 feiner Feldherren hinter fi, dem ge- 
töbteten Pieudo-Smerdes u. den 9 von ihm be 
fiegten Königen u. Satrapen vor fich, über der 
Juſchrift felbft abgebildet if. Schon die Alten 
kannten diefe Sculpturen, bielten fie aber für ein 
Denkmal der Semiramis, welches fie auf ihrem 
Zuge nad jenen Gegenden bätte bilden laſſen. 
Bergl. Spiegel, Die altperfiihen Keilinfchriften, 
Yp3. 1863. 

Biſyllabiſch (v. Lat., beffer diſyllabiſch, v. Gr.), 
zweiſilbig. 

Bit, 1) Silbermünze auf Jamaica u. den Weſt⸗ 
indischen Inſeln = 7% Pence; 11 B. = 1 Piaſter 
Oder Ayo, Sgr. 2) Name der engl. 6-Pence- 
Stüde in Wejtindien. 

Bitaube, Paul Jérémie, franz. Dichter, 
geb. 24. Novbr. 1732 in Königsberg von refor» 
mirten Eltern, die fih aus Frankreich geflüchtet 
hatten; wurde Mitglied der Berliner Afademie, 
lebte fpäter in Paris, mo er während der Revo— 
lution verhaftet, aber am 9. Thermidor wieder 
befreit wurde; er ft. 22. Nov. 1808. Er über- 


12 Bde., 1819, u. Goethes Hermann u. Doro- 
tbea ins Frauzöſiſche u. fchr. die Epopöen: Joseph, 
1786, deutih von Heydenreih, Lpz. 1800, und 
en Bataves, Paris 1797. Werfe, Paris 1804, 
9 Bde. 

Bitburg, 1) Kreis des preuß. Regbez. Trier, 
von 34,4, km der Rheinischen Eiſenbahn durd- 
ſchnitten; 779,, [km (14,1 IM); 44,440 Em, 
2) Stadt ebd., zwiſchen der Nims und Koll, 
Station der Eifelbahn; Lehrerſeminar, Forftbau« 
ſchule; Papierfabril; 2360 Ew. B. war unter 
dem Namen Bedonisburgum röm. Caftell, von 
dem noch Überrefte vorhanden find. 

Biterolf u. BDietlieb, mittelhochdeutſches 
epiiches Gedicht, in feiner vorliegenden Geftalt aus 
dem Ende des 12. Jahrh., wahrſcheinlich von 
einem ſteieriſchen Spielmann. In diefem breiten 
Gedichte herricht der Geift und die Manier der 
britifhen Romane. Es ift eine ganz willfürliche 
VBermengung der dem Berfaffer genau belannten 
deutichen Heldenfage mit allen möglichen anderen 
deutihen und ſlaviſchen Elementen. Inhalt: B., 
König von Zolet, u. fein Weib Dierlind haben 
einen Sohn Dietlieb. Einft kommt ein Pilger 
zum König u. erzählt ihm von Etzels Macht ı. 
Helfens Milde u. Reichthum fo viel, daß er fi 
entichließt, ins Hünenland zu zieben. Er fommt 
zu Etzel, bleibt umter defjen Rittern, gibt fich aber 
nicht zu erlennen, kämpft für ihn tapfer gegen 
die Polen, wird gefangen in einen Thurm ges 
iperrt, befreit ſich. Unterdeſſen macht ſich Dietlieb 
auf, um ſeinen Vater zu ſuchen, zieht unter Etzel 
gegen die Polen, verliert ſich dermaßen im Kampfe, 
daß er von dem befreundeten Heere angegriffen 
wird u. mit ſeinem eigenen, ihm fremden Vater 
kämpft. Darauf erkennen fie ſich. Nun ziehen 
Beide mit Etzels Kriegern gegen König Gunther, 
Dietrich befiegt ihn vor Worms, Bater u. Sohn 
erhalten von Ebel Steiermarf. Ausgabe von’ 
Ostar Yänide im Deutjhen Heldenbucde, Th. 1, 
Berl. 1866, 

Biteſch (Grof-B. od. Bittefh), St. im öfterr. 
(mähriihen) Bezirke Trobith (ehemaliger Kreis 
Iglau); alterthiimliche Kirche; Seilerei, Töpferei; 
6 Jahrmärkte; mit Vorftadt Jauowitz 2059 Em. 

Bithersmus (v. Lat. u. Gr.), Glaube an zwei 
Götter; ſ. Dualismus. 

Bithur (Bithoor), Stadt im Diſtr. Cawnpur, 
NWPropinzen von Oſtindien, am rechten Ufer des 
Ganges; 8322 Em. Zahlreihe Tempel, dem 
Brahma geweiht, beweiſen das religiöfe Anichen 
der Stadt, das auch durch Wallfahrten und ein 
jährliches Feſt anerlannt if. - 

Bithynien, alte Landſchaft im nördlichen Klein- 
aftien, zwiichen dem Pontos Eurinos, Papbla- 
gonien, Myſien, Phrygien u. Galatien; außer 
den Flüſſen Parthenios u. Rhyndalos, welche die 
öftliche u. weſtliche Grenze bildeten, wurde es von 
dem Sangarios bemäffert, welcher es in das weſt— 
liche u. öftlihe B. trennte; das vornehmſte Ge: 
birg war der Olympos. Die Einwohner erwuchien 
aus den thrafiihen Stämmen der Thyner und 
Bithyner, welche die früheren Bewohner, Myſier 
u. Bebryker, unterjohten; doch behaupteten fich 
im N. von B. die Mariandyner. In B. waren 


Bitjuga — Bittere Mittel. 


anfehnlihe Städte: 
Ehalfedon, Heraflea, Nilomedia u. a. 


7 


—⸗ 


47 


Pruſa, Bithynion, Nikäa,Ende des 13. Jahrh. brachen die Osmanen in 
Daß in B. ein und gründeten bier nach der Eroberung 


B. auch einft die Kunſt geblüht hat, beweiſen die von Bruſa 1326 ihre erſte Niederlaſſung im By— 
ſchönen — der Städte des Landes, bei. aus|zantinischen Reiche. 


denen von Ehalledon u, Heraflea (j. d.). — 8. 
fam 560 v. Ehr. an die Lyder u. 548 durd die 
Beftegung des Kröſos mit Lydien an die Perſer; 
diefe ftellten e8 unter die Satrapen von Phrygien. 
Erft feit der Zeit Aleranders d. Gr. tritt es mit 
Bas oder Bias, Sohn des Satrapen Boteiras, 
einem einheimiichen Fürſten, der ſich gegen Aler« 
anders Feldherrn erhielt, hiſtoriſch u. jelbftändig 
auf. Sein Enfel Nilomedes I. rief 278 v. Ehr., 
da ihn Antiohos Soter angriff, die Thralien 
durdjftreifenden Kelten zu Hufe, denen er 
dafür Galatien abtrat. Er nahm den Königstitel 
u. griehiihe Sitten an u. baute Nilomedia als 
Nefidenz; er ft. 246 v. Chr, Prufias L., fein 
Enkel, führte glüdlihe Kriege, erft verbündet mit 
den Ahodiern, gegen Byzanz wegen der Zölle u. 
dann 196 gegen Heraklea u. Oalatien. Gegen 
die Römer war er mit den Mafedoniern verbun- 
den. Ihm folgte 192 fein Sohn Prufias II. 
Dieſer, obgleih mit den Römern befreundet, nabm 


Bitjuga, öftl. Nebenfluß des Don im Gouv. 
Woroneſh des Europäifhen Rußland; bekannt 
durch die nach ihm benannte, an ſeinen Ufern 
gezüchtete vorzügliche Pferderace. 

Bitlis, ſ. u. Bedlis. 

Biton, ſ. u. Kleobis. 

Bitonto (Butuntum der Römer), Stadt in 
der ital. Provinz u. im Bezirke Bari, 7 km vom 
Adriat. Meere; Bisthum; ſchöne dreiſchiffige Ka- 
thedrale, Seminar, großes Waifenhaus, Hofpital; 
Weinbau (Zagarello); ald Gemeinde 24,978 Em. 
Hier am 25. Mai 1734 Sieg der Spanier unter 
Montemar über die Öfterreicher, wodurd Neapel 
wieder an Spanien kam. 

Bitſch (die fonft Kaltenhaufen), Stadt im 
Kreife Saargemiünd des veichsländifchen Bezirkes 
Lothringen, an der Schwalbe, Station der von 
Hagenau nah Met führenden Eiſenbahn, an 
einem Morafte und einem Berg, worauf eine 
ftarfe Feſtung, mit bombenfeften, in Felſen ger 


184 den aus Carthago verbannten Hannibal auf) hauenen Kajematten; Porzellan und FFayence- 
u. befiegte durch defjen Rath u. Unterftügung den|fabrifation; einfchließlih 627 Mann Soldaten, 


König Eumenes II. vo —— mußte aber 
dem Hannibal zuletzt, auf das Drängen der Römer, 
ſeinen Schutz entziehen (ſ. u. Hannibal). Auch 
gegen den König Attalos II. von Pergamon 
führte er einen glüclichen Krieg; aber die Römer 
nöthigten ihn, alles Eroberte zurüdzugeben, 20 
Schiffe auszuliefern u. 200 Talente Kriegstoften 
zu zahlen. Da er feinem Sohne nach dem Leben 
firebte, tödtete ihm diejer, 140 v. Chr., u. folgte 
ihm als Nitomedes II. Epiphanes; diefer regierte 
graufam und ward nad langer Regierung er- 
mordet, man jagt von Nifomedes III. Philopator, 
feinem natürlihen Sohne. Diefer war anfangs 
Bundesgenofle des Mithridates gegen die Römer, 
verließ ihn aber u. ward daher zweimal von ihm 
vertrieben; doch Nilomedes ward von den Römern 
auf den Thron zurüdgeführt u. vermachte den— 
feiben bei feinem Tode 75 v. Chr. das Neid. 
Den Mithridates vertrieb Lucullus 73 aus B., 
u. das Land wurde nun römische Provinz, Pontus 
dazu gejchlagen u. durch einen Proconſul regiert; 
fpäter zu Asia Pontica gezogen, hieß es Pontica 
prima. Unter Trajanıs war der jüngere Plinius 
bier Statthalter, über defien Verwaltung der mit 


3047 Ew. — B. war anfangs Grafihaft und ge- 
hörte den Grafen von Eljaß und Flandern, 
welde diefe Grafihaft jüngeren Söhnen gaben. 
1458 belchnte aber Kaifer Friedrich III. den 
Herzog von Lothringen damit; dann den Grafen 
von Zweibrüden gehörend, fam es 1571 wieder 
an Yothringen. Ludwig XIV. bemädhtigte fich des 
Plates und ließ ihn Durch Bauban im neuer Art 
befeftigen; 1697 kam es wieder an den Herzog 
von Lothringen, aber die Werke wurden geichleift; 
endlich fam es 1738 mit Yothringen definitiv an 
Frankreich und wurde wieder ftark befeftigt. In 
der Nadıt vom 16. Nov, 1793 mißlungener lber- 
fall der Preußen unter dem Grafen Wartens- 
(eben; ſ. Franzöſiſcher Revolutionskrieg. Im 
Deutſch⸗franzöſiſchen Kriege 1870 u. 71 wurde es 
am 8. Auguſt 1870 cernirt, vom 11.—19. Sept. 
erfolglos bejchloffen, am 4., 30. u. 31. Sept. 
fanden Ausfälle ftatt, Nach abgeichloffenem Frieden 
zog die Beſatzung, etwa 1000 Dann, mit friegeri- 
chen Ehren ab, 

Bitſchurin, ruffiiher Sinolog ſ. u, Hyacinth. 

Bitter, 1) dur den Geihmadsfinn, einiger- 
maßen auch durch den Geruchsſinn erfennbare 


dem Kaifer geführte u. im 10. Buche der Briefe] Eigenihaft jhmedbarer Dinge, welche an u. für 
des Plinius aufbewahrte Briefwechſel vielfach|fih unangenehm auf das Geihmadsorgan ein« 
Auskunft gibt. Bei der Negierungstheilung des|wirkt, doch aber verbünnt, oder mit dem Gewürz— 
Neiches unter Kaifer Diocletianus war Niläa deifen|haften oder Süßen verbunden, jelbft angenehm 
gewöhnliche Reſidenz. Kaiſer Theopofios II. theilte empfunden werden fann. B. jhmeden jehr viele, 

„in Honorias, den öftl., u. B. od. Pontica prima, ſowol organische als’ unorganifche, hinfichtlich ihres 


den weftl. Theil. 258 u. 280 n. Chr. durchzogen die 
Gothen verheerend das Land. 1074 beinächtigten 
fih die Seldſchuken B-$, deren Sultane in Nıffa 
refidirten; ihnen nahmen es 1097 die Kreuzfahrer 
wieder ab. Als 1204 die byzantinischen Kaifer 


chemiſchen u. ig Se Berhaltens höchſt verfchie- 
dene Subftanzen. Aus bitteren Begetabilien hat 
man die den bitteren Geichmad verurfachenden 
Subftanzen als Bitterftofje oder bittere Ertractiv- 


fofie (f. d.) ausgeſchieden u. für ſich dargeſtellt. 
) (Med.) ©. Bittere Mittel. 
itterbdiftel ift Cnicus benedietus Gaertn. 
Bittere Ertractivftoffe, ſ. Bitterftoffe, 
Bitteres Fluchwaſſer (B. Eiferwaffer), bei 
Zu!den Juden Waifer, weldyes der Priefter aus dem 


durch die Lateiner aus Byzanz vertrieben wurden, 
feste fi ein Zweig derjelben in Nikäa feft und 
riindete unter Theodor Yajfaris das Nikäiſche 
aiſerthum; der letzte Kaiſer, Michael Paläologos, | 
eroberte 1261 Byzanz wieder; f. u. Nikäa. 





478 


Bittere Mittel — Bittermandelöf. 


Wafferbeden im Vorhofe des Tempels geſchöpft müllers Atelier, wo er in Bälde als Mintatırs 


u. mit Staub vom Fußboden des —— maler Tiichtiges Jdeiftete. 
irfung|müller und erbielt den Auftrag, die Meifterwerte 


vermiſcht hatte, 
ſ. u. Eiferopfer. 


Seine Anwendung u. 


Bittere Mittel, folhe Begetabilien, die ſich Oſterr. Floyd zu copiren. 


1854 verließ er Wald» 


der venetianifhen Galerien u. Kirchen für den 
Nah zwei Jahren 


durch möglihft rein bitteren Geſchmack u. durch |heimgefehrt, ward er 1856 Rahls Schüler, der 


den Mangel an abführenden, narfotiichen, wurm⸗ 
treibenden Kräften auszeichnen. Man unterſcheidet: 
rein bittere Mittel, 3.8. Quaſſia, Taufend- 
güldenfraut, Enzian zc., u. gewürzhaft bittere, 
adftringirend bittere, auflöjend bittere 
Mittel 2c., die durh Antbeil von ätherifchen 

len, von Salzen, Schleim zc. mehr od. minder 
modificirtt werden. In der Bollsmedicin hält 
man alle 6. M. für Appetit madend u. Wurm 
treibend. 

Bittererbe, ſ. u. Magnefia. 

Bitterfeld, 1) Kreis im preuß. Regbez. Merje- 
burg, von der Mulde u. der Magdeburg-Yeipziger 
u, Ferlin- Anhalter Bahn (50,., km) durchſchnitten; 

anz eben; 699,,, [_/km (12,5, M); 48,190 Em. 

3) Kreisftadt daf., unmeit der Lober u. Mulde 
(mit Neunaugen u. Lachſen), an der Berlin-Lpz. 
Eifenbahn u. deren Berzweigungen nad -Halle u. 
Deſſau-Zerbſt; chem. Fabr., Eifengießereien, Ma- 
fchinenfabr., Zregeleien, Induſtrie in Tuch, Töpferei, 
Schuhmwaaren; Tabak u. Küimmelbau; Pferde u. 
Biehmärfte; 4972 €. ; dabei ein Braunfohlenlager; 
Die Stadt murde im 12. Jahrh. von flamländ. 
Coloniſten gegründet. 

Bitterfiich (Bitterling, Rhodeus amarus Bl.), 
eine nur 5—8 cm lange Karpfenart in Mittel 
Deutichland ; grün-gelb, unten filberig, wegen feiner 
geringen Giöhe nur —— geſucht; ausgezeichnet 
dadurch, daß ſich beim Weibchen zur Zeit des 
Eierlegens eine ungefähr 5 cm lange Legeröhre 
entwidelt, mittel$ deren e3 feine Gier ın den 
Kiemen von Flußmuſcheln abfest. Thome. 

Bitterfalf, jo v. w. Dolomit. 

Bitterkeit des Mundes, bitterer Gefhmad 
auch nicht-bitterer Speifen, ſowie des Speichels u. 
Mundichleimes ; Folge geftörter Berdauung oder 
von Mundlatarrh. 

Bitterflee (Herba trifolii fibrini), die drei« 
zähligen, gerucdlojen, ſehr bitteren Blätter von 
Menyanthes trifoliata L.; ſ. d. Als eines der 
vorzüglichften bitteren Mittel wurde es fonft häufig 
gegen Schwäche des Magens u. Darmlanals, auch 
Stodungen im Unterleibe u. in der Yeber, Hppo- 
chondrie, bei. auch Wechielfieber, im Abjud, häufiger 
als Ertract, auch der ausgepreßte Saft mit anderen 
Kränterfäften angewendet; auch äußerlich der 
ausgepreßte Saft zur Heilung vou Geichwiren. 
Viehärzte brauchen ihn häufig bei Krankheiten des 
Nindviehes u. der Schafe. 

Bitterfleefalz, faliche Bezeichnung des Sauer» 
!eefalzes (j. Oraljäurejalze). Diejes jehr giftige 
Salz ıft nicht mit dem als Arzneimittel gebräud- 
chen Bitterfalz (ſchwefelſ. Magnefia) zu ver- 
wechſeln. 

Bitterlich, Eduard, Hiſtorienmaler, geb. 
1839 zu Stupnida in Galizien, Sohn eines öſterr. 
Hittmeifter-Auditenrs u. einer polnischen Mutter. 
Als fein Vater nah Wien verſetzt ward, ftudirte 
B. bei den Schotten vier Jahre lang, trat aber 
dam gegen den Willen feiner Eltern in Wald» 


ibm faft alle feine Skizzen u. Gartons zu zeichnen 
übertrug. Unter Rabls Leitung erlangte B. als 
Künftler erft feine Reife. Nah Rahls Tode 1865 
fanden fi von feinen Entwürfen für das Opern- 
haus erft einige Cartons u. eine Heine ‚zarben- 
ffizze, u. wurde B. mit Griepenferl mit der Aus— 
führung betraut. Infolge deflen zeichnete B. 
die Gartons zu allen Profceniums- u. Deden- 
bildern u. zum großen Vorhange für die tragiſche 
Oper, während Griepenterl die Ausführung im 
* beſorgte. B. war nicht bloß ein trefflicher 

eichner u. Maler, ſondern auch ein bedeutendes 
plaſtiſches Talent u. modellirte ſehr gut, ſo daß 
er ſich ſelbſt an der Concurrenz für das Schiller⸗ 
denlmal in Wien mit einem ſehr originellen Ent⸗ 
wurfe betbeiligen fonnte. 8. ft. 20. Mai 1872 
in Burfersdorf bei Wien. An dem Giege der 
deutichen Waffen in Frankreich nahm er begeiiterten 
Untheil. Bon feinen bervorragendften Arbeiten 
find zu nennen: DieBompejaniihen Darftellungen 
im Balafte Mpfilanti u. im feinem eigenen Pom— 
pejanischen Salon, die 20 Lunetten im Speiſeſaal 
des Grand Hötel am Ring in Wien, die Bilder 
für das von Haufen reftaurirte Sommerſchloß des 
Erzherzogs Yeopold in Görnftein, drei Figuren für 
die Dede des Speifefaal® u. Darftellungen der 
Zugenden des Habsburger Haufes, für die Dede 
des Ahnenſaals; Die Künfte, für das Tietzſche 
Haus; die Frescocompofitionen für das Treppen- 
haus, die Bibliothef u. das Empfangszimmer, das 
Frauenſchlafgemach u. Bonboir im Gutinannichen 


use, Regnet. 

Bitterling, ſ. w. Bitterfiſch. 

Bittermandelöl (Oleum ainygdalarum ama- 
rarum, Chem.), ein in den bitteren Mandeln nicht 
fertig gebildet vorfonmendes, fondern daraus als 
Zerjegungsproduct eines eigentbimlichen Körpers 
entitandenes ätherifches Ol. Die bitteren Mandeln 
enthalten nämlıh einen gäbrungsfäbigen Körper, 
das Amygdalin (f. d.), der in den ſüßen Mandeln 
nicht vorlommt, und zugleich ein Ferment, das 
Emulfin oder die Synaptaje, einen eiweißartigen 
Stoff, der aud in den jühen Mandeln enthalten 
it, Letzterer Körper bewirkt, wenn er bein Zer- 
quetihen der Mandeln bei Gegenwart von Wafler 
mit dem Ammgdalin in Berührung kommt, eine 
Gährung, wobei diejes fih in B. Blaufänre u, 
Zraubenzuder fpaltet. Zur Daritellung des B⸗s 
werden die bitteren Mandeln, nachdem fie durch 
Preſſer von fettem Ol befreit find, mit Waffer zu 
einem Brei angerührt u. nach 24ftündigem Steben 
deftillir. Das mit dem Ol übergehende Wafler 
wird abgehoben u. das rohe, blaufäurehaltige u. 
deshalb höchſt giftig wirkende B. durch Schütteln 
mit Kalilauge oder Kalfhydrat oder auch mit 
Duedfilberoryd u. Waffer, ſowie durch nachheriges 
Nectificiren gereinigt. Das reine Oi ift farblos, 
diinnflühftg, ſtark Tichtbrechend, von aromatischen 
Geruch u. brennendem Geihmad. Spec. Gew. 
1,043; Siedepunkt 180%. Es it in Waſſer (30 Th.), 


Bitterrinde 


— Bihius. 479 


Altohol u. Ätber löslich, brennt mit leuchtender Wurmfamens, u. a. m. (f. d. einzelnen Art.) Elören, 


Flamme u. gebt an der Luft durch Orydation all- 
mäblih in Benzotjäure über, deren Aldehyd es 
ift (ſ. Benzaldehyd). In der Parfümerie ift es 
jest meift durch das billigere Nitrobenzol (Fünft- 
liches B.) erfetst, welches auch häufig zur Ver— 
fälfhung des echten dient. Zur Erkennung des 
Nitrobenzols, ſowie auch anderer beigemengten 
ätherifchen Öle vermifcht man das DI mit einer 
warmen concentrirten Yöfung von zweifach fehme- 
feligiaurem Natron, wodurch das B gelöft wird, 
während die Beimengungen ungelöft zurüdbleiben. 
Zur Berfälfhung beigemengter Allohol gibt ſich 
durch das ermiedrigte fpec. Gew. zu erfennen. 
Das bei der Deftillation des roben B-8 mit über— 
gehende Waſſer war früher als Aqua amygdalarum 
amararum officinell u. befteht aus einer blauſäure— 
baltigen, verdünnten Auflöfung des B-s, Ulören. 

Bitterrinde, mericanifche, ſ. u. Croton. 

Bitterjalz (Sal amarus, Min.), Mineral in 
geraden, quadratiihen Säulen Eryitallifirt; Ge— 
Ihmad jalzigebitter,; Längenbruch fajerig; Quer— 
bruch kleinmuſchelig; it ſchwefelſaure Magnefia 
mit 7 Mol. ——* Die zarten Kryſtalle 
ſtehen biiihelig oder flockig. Fundort: auf thoni— 
gen, Talt u. Schwefellies enthaltenden Felſen 
ausgewittert (wo es gern vom Wilde geleckt wird), 
in Mineralwaſſern in Böhmen, Ungarn u. ſonſt 
noch häufig, nur ſelten in Menge. Es iſt ifo- 
morph mit dem Zinlvitriol und ſchwefelſauren 
Nickeloxydul. Man hat kryſtalliſirtes (künſtlich 
aus Bitterwaſſern), haarfürmiges (Salitre) u. zer⸗ 
fallenes oder mebliges B. Dafielbe (Magnesia 
sulphurica) ift ein gemöhnliches Abführungsmit- 
tel, entweder als Engliihes Salz (Sal anglicus 
8. epsomiensis). oder, bei uns, als das bejjere u. 
molfeilere, das Seidſchützer oder Sedliger B. (Sal 
seidschützensis, Sal sedlitzensis}, aus den Bitter- 
waflern, wovon es den Namen führt, oder als 
Nebenproduct bei der Bereitung künſtlicher Mi- 
neralwafjer (aus Magnefit u. Schwefelfäure) ger 
mwonnen; Gabe: von 15—45 g in Waſſer aufge: 
löft; auch zu Stigftieren. Iſt es, wie häufig, nicht 
rein, jo muß es im Mpotbefen durch mehrmaliges 
Kryitallifiren gereinigt werden (Magmesia sulfu- 
rica depurata). 

Bitterjpath, fo dv. w. Dolomit od. Braunfpath, 
kryſtalliſirte kohlenſaure Magneſia. 

Bitterſtoffe (bittere Ertractivſtoffe, Chem.). 
Aus vielen Pflanzen erhält man durch Austochen 
mit Waſſer, Eindampfen des Extracts, Ausziehen 


mit Allohol u. durch andere Operationen braune, ſehr 


untryſtalliniſche Maſſen, deren Haupteigenichaft 


Bitterfüß it Solanum duleamara L. 

Bitterwaſſer, Bitterjalz als einen Hanptbe- 
ſtandtheil enthaltende Mineralwaſſer, vorzugsweiie 
das Seidſchützer, Pillnaer, Sedliger, Epjomer u. 
Friedrichshaller Waffer, melde ſchwefelſaure 
Magnefia, fchmwefeljaures Natron, Chlornatrium, 
fohlenfauren Kalt u. Chlorcafcium, ſowie geringe 
Mengen von Chlorkalium enthalten; wirken ab- 
führend u. find bef. bei chroniihen Ausichlägen, 
unterdrüdter Menftruation ꝛc. heilſam. Sie wer- 
den meift in fteinernen Krügen verſendet. 

Bitter, Welterfches, j. Pitrinſäure. 

Bitterwurz ift Gentiana lutea L. 

had jo v. w. Wallfahrt. 
Bittſchrift (Bittichreiben, Supplik), fchrift- 
liches, bei. an eine Behörde gerichtetes Gefuch, 
durch welches entweder um eine Gnade, oder um 
Gerechtigkeit gebeten wird. Zu der legteren Art von 
Ben gehören: Klaglibelle, Erceptionsichriften, 
Repliken, Duplifen, Appellations- und Nevifions- 
libelle zc. Wird die B. zurüdgefendet, jo ift dem 
Bittenden unverwehrt, wegen derjelben Sache bei 
der nämlichen oder einer höheren Behörde, jedoch 
mit Zuflgung neuer Gründe einzutommen, Bgl. 
‘Betition. 

Bitumen, allgemeine Bezeihmung für der Erde 
entquellende tbeerartige Subftanzen, 3. B. Erdöl, 
Apbalt ꝛc., die fi meift durch einen theer— 
artigen, bituminöjfen Geruch auszeichnen. Bitu— 
minöfe Schiefer od. Schichten nennt man die mit 
Bitumen imprägnirte Schiefer u. Schichten, aus 
denen derjelbe öfter gewonnen wird; ſ. u. Aſphalt 
u. Stintitein. 

Bituminit, fo v. w. Bogheadkohle (f. d.). 

Bituricenſiſche Coneilien, j. u. Bourges. 

Bituriger (a. Geogr.), mächtiges keltiſchee 
Volk im Aquitaniſchen Gallien, füdl. vom Liger 
(Loire); theilte fih in Cubiſche B., nördl. von 
den Arvernern, längs des Yiger, im der Gegend 
des jetsigen Bourges, welches ihre Hcuptitadt 
war u. Biturigas oder Avaricum bieß; in ihrem 
Lande waren Eifengruben, u. die B. machten gute 
Metallarbeiten, die fie plattirten u. verzinnten; 
auch Wein wurde gebaut, u. Biviscifche oder 
Ubisciihe B., an beiden Geiten ber Ga— 
rumna (Saronne), beim jesigen Bordeaur (Bur- 
digafa). Sie ftanden unter eigenen Königen, u. 
Beide zufammen waren e8, die durd ihre Heeres« 
züge unter Belloveſus Jtalien und Germanien 
überſchwemmten. Beide waren zu Cäſars Zeit 
—— 
tz 


Bitzius, Albert, pſeudonym: Jeremias 


ein bitterer Geſchmack iſt und die man deshalb Gotthelf, ſchweiz. Vollsſchriftſteller, geb. 4. Oc— 


früher allgemein mit dem Namen B. belegte. 
Dieſelben find aber Gemenge mehrerer indifie- 
renten Körper von oft höchſt verſchiedenen Eigen— 
ſchaften, ſo daß fie in einer allgemeinen Beſchreib⸗ 
ung nidt zujammengefaßt werden können. Biele 
derjelben finden mebdiciniihe Anwendung, andere 
zeichnen fic durch giftige Eigenjchaften aus. Einige 
der mwichtigften find: das Aloin, der bittere Be— 
ftandtheil der Alod, das Abfinthiin aus dem Wer- 
mutb, das Gentianin aus der Enzianmurzel, das 
Pilrotorin, in den jog. Koffelsförnern enthalten, 
das Santonin, der wirkſame Beftandtheil des 


tober 1797 zu Murten in der Schweiz; ftudirte 
in Bern u. Göttingen Theologie, wurde 1824 
Pfarrvicar in Herzogenbuchſee, 1829 in Bern, 
1832 Pfarrer im Emmenthalihen Dorfe Lützel- 
flüh und ftarb hier 23. Det. 1854. B. fümpfte 
zu Anfang gegen die im Kanton Bern obmalten- 
den oligarhiihen Mißbräuche; feit der Anderung 
der Berfaflung jedoch trat er als Gegner des 
Radicalismus auf. Er ſah im dem politifchen 
Parteiweſen an fi ein öffentliches Übel, eine 
Schädigung des perſönlichen Werthes, ſowie des 
jamilien- u. Gemeindelebend, So trat er mit 


480 


Biuret — Bixa. 


praltiſch beftimmten Zmeden in die Iiterarifche löslich find. Die wäſſerige Löſung wird auf Zu- 
Thätigkeit ein u. wurde ein vielgelejener Voltsichrift: [fa einiger Tropfen Kupferpitriollöjung u. Kali« 


fteller, obwol er jet mehr u. mehr in Bergeffenheit [oder Natronlauge zmiebelroth gefärbt, 
gerathen ift; er fchr.: Der Bauernipiegel, od. Geih. ſchuß von Kupferpitriol tiefviolett. 


des Jeremias Gotthelf, Burgdorf 1837, 3. Aufl., 


bei liber- 
Elören. 


Bivalvis (lat.), zweillappig; daher Bivalven, 


Bern 1850; Die Waflersnotd im Emmenthal,|jo v. w, ug Schaithiere. 


ebd. 1838; Leiden u. Freuden eines Schulmeiſters, 


Bivar, Don Rodrigo Diaz, Graf v. B., 


Bern 1838, hochdeutſch, Berl. 1848, 4 Thle.; ſo v. w. Cid. 
Wie fünf Mädchen im Branntwein jämmerlih| Biveronius, Jakob, fo v. w. Biffrum. 


umlommen, 1339, 2. A., Berl. 1851; Dursli, 
der Branntweinfäufer, ebd. 1839, 4. U., hoch⸗ 
deutich, 1851; Die Armennotb, Zür. 1840, 2. A., 
Berl. 18515 Wie Uli der Knecht glüdlich wird, 
ebd. 1841, hochdeutſch, Berl. 1846, 2. A. 1850; 
Ein Spiveftertraum, ebd. 1842; Eines Schweiz. 
ers Wort am die ſchweizeriſchen Schütenvereine, 
Soloth. 1842; Bilder u. Sagen ans der Schweiz, 
ebd. 1842—46, 6 Bdochn.; Wie Anne Bäbi Jo— 
wäger hausbaltet u. wie es ihr mit dem Doftern 
ebt, ebd. 1843 f., 2 Bde.; Wie Chriften eine 
Frau gewinnt, Bafel 1845; Der Geldstag, Soloth. 
1846; Der Knabe des Tell, Berl, 1846; Jatobs 
des Handmwerlsgeiellen Wanderungen durch bie 
Schweiz, Zwidau 1846 f.; Hans Joggeli ber 
Erbvetter und Harzer Hans auch ein Erbvetter, 
Berl. 1848; Käthi die Großmutter, 1847, 2 Bde,; 
Doctor Dorbach der Wiühler u. die Bürglenheren 
Anno 1847, L8pz. 1850; Uli der Pächter, 1848, 
hochdeutſch, 2. A., Berl. 1850; Erzählungen und 
Bilder aus dent Bolfsleben der Schweiz, 1852 ff., 
5 Bde; Die Käferei auf der Behfreude, Berl. 
1850; Zeitgeift u. Bernergeift, ebd. 1851, 2 Bde. 
Seine gefammelten Schriften erfchienen feit 1855 
zu Berlin in 24 ®hn. Der Berner Kalender, 
1840—46, war voll Wit u. fharfer Satire und 
mirfte dadurch ſehr von der comjervativen Seite 
auf das politifche Yeben des Volles. Obwol einer 
— Volksbildung in feiner Weiſe zugethan, 
efämpfte doch B. vielfach die Beftrebungen des 
Lehrerftandes, dem er eine aus Halbwilfen umd 
Eitelteit hervorgehente Unruhe zum Bormurfe 
machte. Auf kirchlicher Seite ftehend, dedt er 
leichwol die Schwächen einer vornehmthuenden 
römmee auf. Sein ganzes fhriftftelleriiches 
dirfen war darauf gerichtet, die niederen Volks: 
fhichten in fittlicher w. materieller Hinficht zu heben, 
doch haben die meiften feiner Schriften neben 
diefem ethiſchen auch einen nicht geringen poetifchen 
Werth. Seine kräftige, mitunter jedoch übertrie- 
ben realiftiihe Darftellung, dazu volltommene 
Kenntnig der Menihen und Berhältniffe in dem 
Kreife, den er fi gezogen, machen ihn zum 
Meifter in der Dorfgeſchichte; ja, er bezeichnet 
neben dem von ihm im ganzen Weſen ver« 
ihiedenen Berthold Auerbah die Höhe diefer 
Gattung. Die mundartlihen Elemente treten 
in feiner Screibart nicht allzu ftörend hervor; 
von feinen Schriften wurden viele der leichteren 
Verbreitung wegen ins Hochdeutſche umgearbeitet. 
Ereigenah.* 

Binret (Allophonamid, Chem.) C,H,N,O,, 
ein Zerfegungsproduct des Harnftoffes, durch 
Schmelzen deffelben bei 150— 160° entftauben ; 
bildet lange, farbiofe, bei 190° ſchmelzende Kryftall- 
nadeln mit 1 Mol. Kryſtallwaſſer, die in kaltem 
Waſſer ſchwer, in heißem u. in Altohol leichter 


Bivöna, Stadt in der ficilianiihen Brovinz 
Girgenti, am Riforio; Steinölquelle; Getreide» 
u. Weinbau; 4020 Em. 

Bivouac (fr., vom deutichen Beiwacht), Lager 
der Zruppen im Kriege umter freiem Himmel, 
ohne Zelte oder Baraden. Die B-$ find ein Re 
fultat der neueren Kriegführung und für ben 
General höchſt bequem, der dadurch die Truppen 
zur Hand hat; fie werden deshalb gern vor oder 
nah einem Gefechte bezogen. Sie müfjen am 
trodenen Orten gewählt fein, wo Holz, Wafler 
u. Stroh in der Nähe find. Das B. wird durd 
Borpoften gefihert und ftellt ſelbſt noch Lager» 
wachen gegen Überrafgungen au. Man bir 
vouafirt mie in der Stellung, in welcher man 
fih ſchlagen will, fondern ſtets in paflender Ent- 
fernung dahinter. Je größer die Heere werden, 
defto häufiger wird bivoualirt werden müſſen, 
weil die Truppen nicht unterzubringen find, ſobald 
man irgend concentrirt marſchirt. 

Bixa L., Pflanzengatt. aus der Pflanzenfam. 
der Biraceen (XII. 1), mit 5 freisjörmigen, ge- 
färbten und abfälligen Keihblättern, 5 Blumen» 
blättern, vielen Staubblättern, einem langen, ein- 
fahen Griffel u. einer zweiflappigen, augen bor⸗ 
figen Kapfel, deren 8—10 Samen mit einer 
umen fruftigen, außen aber fleiihigen, mit rothem 
Safte erfüllten Schale umgeben find; füdamerilan. 
Bäume mit herzförmig-länglichen, ganzrandigen 
Blättern u. zu Rifpen vereinigten Blüthen. Art: 
B. Orellana Z., benannt nad) Francisco de Orellana, 
dem Beichifier des Amagzonenftromes (Orleans 
baum, Rucubaum), im tropiihen SAmerila ein- 
heimiſch, aber auch in Eentral-Amerikta, im tros 
piſchen Aften u. Afrika cuftivirt, mit eiförmigen, 
an der Bafis herzfürmigen, lang zugefpitten 
Blättern, 3—4 cm großen, röthlich gefärbten 
Blüthen und einer 3—4 cm langen, eiförmigen 
Kapfel, welche mit den em großen Samen er» 
füllt ift, deren fleifchige, nach Beilchen riechende, 
herbebittere Umhüllung einerjeitS zu erfriichenden, 
fieber u. giftwidrigen Getränken, anderſeits zur 
Bereitung eines vorzüglichen rothen FFarbftoffes, 
Orlean, Urucu, Rucu, Arnotta, Terra orleana, 
dienen. Dieſer Farbſtoff wird zum Orangegelb- 
färben der Wollen- u. Seidenzeuge verwendet, in 
England allgemein zum Färben des Käfes, wäh⸗ 
rend die ſpaniſchen Amerilaner mit demſelben 
Ehocolade färben. Auch ift der Orlean heute 
noch in Amerifa gegen Ruhr gebräudlih. Die 
bitterlih-gemürzhaften Samenlerne dienen als 
herz» u. magenftärtendes Mittel, aber auch als 
Gewürz. Endlich ift der Baft der Rinde wie Flache 
u. Hanf zur Anfertigung von Seilen, Schnüren 
u,.dgL verwendbar. Die früher wegen der weißen 
Schüpphen auf der Umterfeite der Pfätter als 
andere Art angefehene B. urucurana W, ift nur 


Biraceen 


eine der vielen Formen, unter benen B. Orellana 
vorfommt, Engler. 

Biraceen, Pilanzenfam. aus der Klaffe der 
Parietales; enthält Sträuder u. Bäume mit ab- 
mwechleinden, meift ungetheilten Blättern, mit 1 Paar 
ae, Nebenblättchen; Blüthen zmwitterig, od. 
durch Abort eingefchlehtiih, in achjelftäudigen 
Blürhenftänden vereinigt, mit freiem, 2—7theil. 
Kelche, ohne Blumenfrone, oder mit 5 und mehr 
Blumenblättern; Staubblätter Hypo» oder faft 
perigyniſch; Fruchtknoten frei, mit 2 oder mehre- 
ren wandftändigen Samenträgern, welche bisweilen 
bis in die Mitte voripringen und viele Samen- 
fnofpen. tragen; Frucht meift eine fachipaltige 
Kapiel; Samenträger auf der Mitte der Klappen; 
Samen häufig mit einem Samenmantel veriehen; 
Keimling in der Achſe des Eiweißes orthotrop. 
Gattungen: Bixa, Oncoba, Xylosma, Flacourtia, 
Roumea, Casearia, Ryania, Prockia u. a. Engler. 

Birin, Orleanrotb, der rothe, harzige Farb- 
ftoffdes Orlean, eine zinnoberrothe, amorphe Diaffe, 
die in Waffer nicht, im heißem Alkohol Leicht 
löslich ift. 

Birto, 1) Siacomo Aleffandro (Jacques 
Alerandre), franz. Publicift, geb. 20. Nov. 1808 
in Ehiavari; ftudirte im Collegium Ste. Barbe 
zu Paris Medicin u. Chirurgie u. blieb in Paris; 
er gründete 1837 das Journal d’agriculture pra- 
tique, du jardinage ete., gab mit NYjabeau 1844 
La maison rustique du XIX, siöcle, Almanach 
du jardinier, Alusnsık du eultivateur et du 
vigneron u, Annuaire de l’hortieulteur heraus, 
ward in Verbindung mit anderen Häuptern ber 
fiberalen Partei einer der Gründer des National 
u. erflärte fih beim Ausbruche der Revolution 
von 1848 gegen die Republik, wurde aber troß« 
dem zum GabinetSchef ernannt u. mit einer 
Miſſion nah Italien betraut. Vom Wahlkreife 
Doubs zum Boltspräfidenten gewählt, faß er bei 
den gemäßigten Demokraten. Am 15. Mai er- 
Härte er noch vor der Eutſcheidung für den Fall 
des Sieges der Socialiften feinen Rüdtritt aus 
dem Staatsdienfte. In den Junitagen ftellte er 
fih an die Spite einer Militärabtheilung u. wurde 
darauf fünfmal zum Bicepräfidenten der National« 
verſammlung gewählt. Napoleon machte ihn im 
December 1848 zum Handels» u. Aderbauminifter, 
doch führte er das Portefeuille nur wenige Tage. 
Infolge feiner Haltung in der Kammer jchlug 
er fih mit Thiers, unterzeichnete am 2. Dec. 
1851 das Decret über die Abſetzung Napoleons 
u. ftellte fih dann freiwillig zur Haft. Nach 
einem Monat entlaffen, übernahm er die feit- 
ung einer Druderei u. war auch bei dem Eredit- 
Mobilier weſentlich beheiligt. Er ftarb 16. Dec. 
1865 in Paris. 2) Girolamo, genannt Nino, 
italienischer eg Bruder des Vor., 
geb. 2. Octbr. 1821 in Genua; diente zuerft in 
der piemontefiihen Marine, trat 1844 aus und 
ward Eapitän eines Handelsſchiffes, nahm 1847 
an dem Aufftande von Genua theil, welcher Karl 
Albert veranlafte, eine Gonftitution zu geben, 
that fih 1848 u. 49 im Kriege gegen Oſterreich 


hervor und half Venedig vertheidigen, wie fpäter|fubjectiv Willfürlichen, 


Rom, wo er Dubdinot zuridwarf. Dann war 


481 


ribaldis Waffengefährte u. commandirte als Oberft 
ein Bataillon (Alpenjäger, nahm hervorragenden 
Antheil an den Ereigmifen in Sicilien 1860, wo 
er al3 erfter Lieutenant Gartbaldis diente u. den 
PBiemonte commandirte, der bei Marſala landete. 
Garibaldi ernannte ihn 19. Juli zum General. 
As folder focht er bei Calatafimi u. Palermo, 
wo er verwundet ward, that fich ferner bei der 
Einnahme von Reggio u. am Bolturno hergpr u. 
ward zum Generallieutenant befördert. B. trug 
durch jeinen Einfluß anf Garibaldi viel dazu bei, 
deflen Zwifte mit Cavour beizulegen und Gari« 
baldi zu einer gemäßigteren Politit zu bewegen. 
Bon Genua ind Parlament gewählt, nahm er 
als General feine Entlafjung, als er ſich durch 
General Fanti beleidigt glaubte, doch wurde er 
als General im Freiwilligencorps beftätigt und 
1862 in die Armee übernommen; 1863 wurde er 
Feſtungscommandant von Aleffandria; 1865 wählte 
ihn Ancona ins Parlament, u. 1866 machte er 
den Krieg gegen Öfterreih als Divifionsgeneral 
mit, wo er den Rückzug von Cuſtozza dedte. Im 
Jahre 1869 trat er an die Spike einer Gejell« 
Ichaft für den Handel nah der Südſee, meldete 
fi jedoch 1870 bei bevorftehender Erpedition nad) 
Rom wieder zum Dienfte, nahm Eivita-vecchia u. 
betheiligte fi am 20. Sept. beim Sturme auf 
Rom, wonach er den Kriegsdienft verließ, um 
fein früüheres Handelsunternchmen wieder aufzu« 
nehmen. Später vermiethete er zu Singapore 
fein Schiff Maddaloni der holländifhen Regierung, 
um darauf Truppen nad Atfchin zu bringen, bes 
gleitete diefe Erpedition jelbft, wurde aber glei 
den meiften Mitfahrenden von der Cholera ergrifs 
fen u. ftarb 16. Dec. 1873 bei der Inſel Pulo 
Juan, Sein Grab wurde von unbefannter Hand 
zerftört u. der Leichnam entwendet. Vgl. Val, La 
vita di Nino Bixio, narrata da Gius. Guerzoni 
con lettere e documenti, Florenz 1875. v 
Bizarr (ital.), Ertrem von abfonderlich, mit 
der Richtung anf das Phantaftifhe. Subjectiv 
gefaßt bezeichnet es eine aus urſprünglich eine 
feitiger Gemüthsanlage oder aus Verbildung ent- 
ſprungene Verzerrung des Geſchmackes u. ift dann 
ſynonym mit capricıös, launenhaft, wunderlich; 
objectiv bezeichnet es die entſprechende Eigen- 
ſchaft an Dingen, ſei es daß ſie zufällig, auf 
natürlichem Wege ſich entwickelt hat, oder daß ſie 
als Product menſchlichen Schaffens erſcheint. In 
der Natur, namentlich bei den Pflanzen, findet 
man oft Formen, welche ſcheinbar einer bizarren 
Laune entiprungen find. In der Sphäre des 
menfhlihen Schaffens, im Bejonderen in der 
Kunft, drüdt B. im Allgemeinen jede mit dem 
Schein der Willkür behaftete Abweihung von dem 
durh Sitte u. Vernunft geheiligten Geihmad 
aus. Aus foldem Grunde ericheint Daher oft eine 
Mode b., felbft wenn fie, wie in den Ausdrücken 
barod u. Rococo, einen beftimmten, duch den 
——— eingeführten Stil bezeichnet. Wenn 
. auf Anſichten u. Meinungen angewandt wird, 
erhält es eine fynongme Bedeutung mit parador, 
mit dem Nebenfinn des Ungereimten oder doch 
Schasler. 
Bize, Fleden im Arr. Narbonne des franz. 


— Bize, 


B. eine Zeit lang Handelscapitän, ward 1859 Ga-IDep. Aude, am Flüßchen Ceſſe; Tuchfabri— 


Biererd Univerfal-Eonverfations:Periton. 6. Aufl, 


11. Baud. 


31 


482 Bielaja — Björnfon. 


tation, Naunfiederei: Steinfoblengruben; Weinbau; /toje-See führt der 76 km lange Herzog-von- 
1250 Em.; dabei das Thal Las⸗Fons mit großen) Württemberg-Kanal, durch welchen die Verbindung 
gühlen, in welchen fih Menſchenknochen u. » Zähne, mit dem Divina-Spftem bergeftellt ift. 
Scherben u. Knochen von Thieren finden, welche Bjelopolje, Landftadt im Kreije Sſumy des 
jegt nur in der tropifchen Zone leben. ruff. Goub. Charlow, Station der Eifenbahnlinie 
Bielaja, 940 km langer Nebenfluß der Kama |Kurst-Kijew; Wranntweinbrennerei; Landwirth- 
in Rußland (Goup. Orenburg); entipringt auf|jhaft; 4 Jahrmärkte; (1873) 12,178 Em. 
dem Ural, nimmt rechts Inzar, Ufa u. Tanym, Bjeloſersk, Kreisftadt im ruff. Gouv. Now— 
finf3 Urſcha u. Dema auf; ift faft 500 km ſchiff⸗ gorod, am füblichen Ufer des Bjelo Dfero; ver- 
bar u fiichreich. Ichiedene alte Bauwerke, unter denen ein Kreml, 
DBielbog, ſ. Bielbog. Klofter u. mehrere Kirchen; Handel mit Lichten, 
Bleien® Kreisftadt im ruffiihen Gouv. Tula, Goldarbeiten, Heiligenbildern und Theer; Fiſch⸗ 
auf einem hohen Hügel am linfen Ufer der Ofa, fang; 4361 Em.; regelmäßige Dampfſchifffahrt 
bedeutende Handelsſtadt; viele Kirchen, Klöſter, auf der Schelsna. 
4 Schulen, wohlthätige Anftalten; ‚zabriten in) Bijelowodsk, Stadt im Kreiſe Starobjelsf des 
Leder, Lichtern, Eiſen, Stahl, Kupfer u. ſ. w.;/ruffiihen Gouvernement3 Ehartow, an der Der- 
8123 Em. Hier farb 1826 die Kaiſerin Eliſabeth knla; Talgfiedereien; Jahrmärkte; 8000 Em. 
Alexiewna, Wittwe Aleranders I., Ahf der Rüd- Wielsf, Kreisftabt im ruſſ. Gouv. Grodno, 
reife von Taganrog nad Petersburg begriffen. Jan der Bjelianfa, in fruchtbarer Gegend; mehrere 
Bjelgorod (Belgorod, d. h. Weipftadt), Kreis: | Hofpitäler ; kaiſerl. Galzmagazin; Fabriken; große 
ftadt im ruff. Gouv. Kursk, am nördl, Done u. Märkte in Kom, Vieh, Wolle, Leder, Hanf, 
der Weſelta, Station der Kurst-Eharfower Eiſen- Flachs u. Leinwand; 3985 Em, 
bahnlinie; gut gebaut; zerfällt in Alt- u. Neuſtadt; Bjelzy (Bielzi), Kreisftadt der ruf. Provinz 
Seminar, Communalbant; viele Fabriten, Seifen- | Befjarabien, am Heut (Nebenfluß des Dnjeſtr); 
fiedereien, Wajchanftalten, Gerbereien zc., berühmt ſchöne Kathedrale; Hoipital; Bazar; 6030 Em.; 
fin® die Wachslichte von B.; lebbafter Handel;/im der Umgegend ftarter Obft- u. Gemüſebau. 
(1873) 15,200 griech.-tath. Ew. Die Stadt bat| VBjerregaard, Henrik Anker, norweg. Dich- 
ihren Namen von einem Kreideberge, im defien)ter, geb. 1792 in Gudbrandsdalen in Norwegen; 
Nähe die uriprüngliche alte tatariſche Stadt lag,| verwaltete mebrere richterliche Aınter und ftarb 
welche zerftört, aber 1593 von den Ruſſen an 1842 zu Ehriftiama als Affeffor am Stiftsgerichte. 
jetiger Stelle neu angelegt ift. Da fie von den] Er gehörte zu den Norwegern, die eine nationale 
Tataren aber oft bedrobt wurde, befeftigte man | Literatur ſchaffen wollten. Seine Gedichte find ge» 
fie nicht mur, fondern benutte fie auch als Stütz- ſammelt al: Blandede Digtninger, Chrift. 1829 
punkt für die vom Doneg ca. 300 km lange,|f., 2 Bbe.; er fchrieb auch das Singipiel: Das 
im 17. Jabrh, angelegte B-er Linie, deren Abenteuer im Gebirge, u. das Traueripiel: Mag» 
Überrefte noch jest zu erfennen ſiud. nus Barfods Söhne. Werte, Chriſt. 1848. 
Bielinffi, Wiſſarion — ——— JBieſchezk, Kreisſtadt im ruſſ. Gouv. Twer, an 
ruſſ. Schriftſteller, geb. 1812 in Moskau, wo er|der Mologa Nebenfl. der Wolga); großes Invaliden⸗ 
ſtudirte u, wo er 1834 feine literariſche Thätig- haus; Eiſenwaarenfabriken; Kornhandel; 4620 Em. 
keit als Mitarbeiter am Moskauer Teleftop ber} Biörneborg, Seeftadt im Län Abo ˖ B. des 
gun u. jeit 1838 Mitherausgeber des Moskauer) GroßfürftenthHums Finnland, am Ausflug - des 
eobachter8 war; 1840 ging er nach Petersburg Kumo in den Bottniſchen Meerbufen; mehrere Fa— 
u. betheifigte fi als Kritifer an den Vaterländi- briken; Schifffahrt; bedemtender Handel mit Bal— 
jhen Memoiren, mußte aber wegen feiner Frei⸗ken, Brettern, Theer zc. (Gefammtausfubr fährl, 
finnigkeit dieſe Thätigkeit einftellen; er ft. 7. Juni über 41 Mill. M); Hafen für, B. ıft Räfſo, 33 
1848. Geine Schriften erjhienen gefammelt Mos-| km entfernt; 7270 Em. 
fau, 1859—62, 12 Bde. Bijörnfon, Björnftjerne, norweg. Dichter, 
Bjeloi, Kreisftadt im ruſſ. Gouv. Smolenst,|geb. 8. Dec. 1832; ift wiederholt als Jour— 
an der Owſcha (Zufluß der Dina); 6 Kirchen, |nalift (ziemlich wilder Art) thätig geweſen, außer« 
mwohlthätige Anftalt; zahlreiche yabrifen in Leder,|dem als Theaterdirector, 1857—59 in Bergen, 
Tauwerk; lebhafter Handel mit Getreide u. Feld- 1865—67 in Chriftiania, Geit 1863 ift er als 
früchten u. ihren Fabrilaten, mehrere Jahrmärkte;| Dichter aufgetreten; feine umſaſſendere literariiche 
(1870) 6805 Em, Tätigkeit fing etwa 1857 an. Anfangs war er 
Bjelo Dfero (Weißer See), fiichreicher Landſee in Norwegen unpopulär; in Kopenhagen aber, 
im ruff. Gouv. Nowgorod; 1123 km (20,, [IM)|mo er fich viel aufhielt, gewann er durch feine 
groß, ca. 43 km lang, 32 km breit, 1—5 m tief; | ffandinavifchen, nordischen Tendenzen ſogleich die 
weißer Mergelboden; wird, durch Stürme auf) Fournaliften der fogenannten nationalen Partei 
geregt weiß; erhält durch die Kowſcha Zufluß u. für fih, fo befonders den damals einflußreichen 
gibt der Scheisna, die fih im Gouv. Jaroslaw Kritiker Clemens Peterſen; im ſtandinaviſchen 
mit der Wolga vereinigt, den Urjprung. Er ift| Organ Faedrelandet wurde fo laut für B. Pro- 
dur den 9,, km langen Marien-Stanal, welder|paganda gemacht, daß im Kopenhagen Begeifter- 
von der Kowſcha zur Wytegra reiht, mit demjung fiir die neunorwegiſche Poeſie bald Mode 
Dnega:See verbunden. Um die gefährliche Fahrt wurde, was B. dann ferner zur Anerfennung in 
auf dem B. D. zu umgeben, bat man an dem| Norwegen verhalf. Sein bei aller Manierirtheit 
ſüdweſtl. Ufer entlang Kowſcha u. Schelsna durch | unleugbares Talent hätte fih auch ohne die An« 
den Bjelojerstifchen Kanal verbunden, Zum Kubins- | preifungen eiger leineswegs rejpectablen Coterie 


Biörnftjerna 


Bahn gebrochen. Eben in Kopenhagen trat feit 
1872 eine Reaction in der öffentlichen Meinung 
ein; jo lange B. bloß Standinave war, gefiel er 
dafelbft; dag er die Albernheiten des Grumdtvigia« 
nismus aboptirte, fonnte ihm nicht wejentlich fcha« | 
ben, u. er gewann dieje Partei für fich; aber ba 
trat er unerwartet als Pangermanift auf u. äußerte 
vernünftige Worte über die Stellung Dänemarts 
zu Deutfhland; diefes, nebft feiner immer flärker 
bervortretenden Syinpathie für die in Kopenhagen 
verhaßte Bauernpartei erwedte wüthenden In— 
rimm gegen ihn, u. feine früheren Bewunderer in 
openbagen bereuen es, feinen Ruhm geichaffen 
zu haben. Die Kritik über ihn ift übrigens auch) 
außerhalb Dänemarf® noch nicht ins Gleichgewicht 
gekommen. Sein angeborenes Talent wird durch 
ein angefünfteltes, vermeintlich” nordifches, oder 
ar altnordijches Wefen, u. überhaupt durch eine 
ffectation beeinträchtigt, worin ihn nur fein Gegner 
* übertrifft. Am grellſten tritt die Manierirt« 
eit u. Unnatürlichkeit Beider in der Sprade u. 
dem Stil hervor, u. bier wird es in Deutjchland 
Beiden zu Gute gelommen fein, daß ein Theil 
ihrer Affectation, als ſpeciell finguiftiich, im der 
deutſchen Überjegung theils wegfällt, theil wenig - 
ftend gemildert wird. Bon zwei im Drud (als 
diefer Artikel gefchrieben wurde) noch nicht erichie- 
nenen Dramen B-8, Redacteuren ü. En Fallit, 
beißt es indeſſen, daß fie den früheren Stü verlaffen 
u. eine natürlichere Sprache angewandt haben 
follen, 8-3 frühere Dramen find: Mellem Sla- 
gene, Ehrift. 1858; Halte Hulda, Berg. 1858; 
Koug Sverre, Kopenb. 1861; Sigurd Slembe, 
Kopenh. 1862; Maria Stuart, Kopenh. 1864; 
De Nygifte, $openh. 1865; Sigurd Jorsalafar, 
ebd. 1872; das altnord. Gedicht Arnljot Gelline, 
ebd. 1872, ift mißlungen. Größere Anerkennung 
verdient Manches in den Iyriichen Digte og Sange, 
ebd, 1870. Bes beite Werte find indefjen feine 
Erzählungen aus dem norwegiſchen Vollsleben, 
wie Synnöve Solbakken, Arne, en glad Gut, 
Fiskerjenten, Brudeslaatten u. einige Heinere, 
alle gefammelt unter dem Xitel Fortällinger, 
Kopenhagen 1872 u. 1875, 2 Bbe.; aber die nie 
fehlende Affectation nebft Gefühlsfchwelgerei macht 
doch diefe Darftellungen weniger echt volfsthüm- 
lich, als 3.8. die daͤniſchen von St. Blicher. Die 
falſche Borftelung von dem Sagaftil, als dem 
echt nordiihen Stil, hat, ſowie die altnordiichen 
Studienüberhaupt, auf die neunorwegiſche Literatur, 
fo auch auf B. einen weit mehr ſchädlichen alt 
nützlichen Einfluß gelibt. Mehrere von B-3 Werten 
find in deutjcher Überſetzung erfchienen, jo befonders 
—— durch Holms, Berl. 1861; durch 
Lobedanz in der Bibliothek der ausländ. Glaffifer, 
Thl. 12—13, Hildburgh. 1865, u. durch Lübbert 
(Arne), Berg. 1860 ıc. 
Biörnitjerna, Magnus Friedrich Ferd. 
Graf v., ſchwed. General, Diplomat u. Schriftiteller, 
eb. 10. Dct. 1779 in Dresden, wo fein Vater 
—88 Legationsſecretär war; fam erſt 1793 
nah Schweden, um in die Armee einzutreten, 
machte als Hauptmann den Finniſchen Krieg mit, 
wurde Major, 1809 als geheimer Botichafter 
an Napoleon geihidt, unterbandelte 1812 in 
London wegen des Berfaufes der Inſel Guade- 


— Blaas. 483 


foupe, ging 1813 als Oberft mit der ſchwediſchen 
Armee nah Deutichland, u. fämpfte dann im 
Holftein u. in Norwegen, bis infolge der Con— 
vention zu Moß, welde er mit dem Prinzen 
Ehriftian von Dänemarf abichloß, die Vereinigung 
Schwedens u. Norwegens erfolgte; er wurde 1815 
Generaladjutant u. Freiherr, 1820 Generallieutes 
nant u. 1826 Graf, war 1828—46 Gejandter in 
London; er ft. 6. Oct. 1847 in Stockholm. B. ſchr.: 
Om tillämpning af fond- eller stocksystemet pä 
Srveriges, Stodholm 1829; Om beskattningens 
grunder i Sverige, 1832, 2. A. 1833; Engelska 
statsskulden, 1833; Grunder for representationen 
möjliga ombyggnad of förenkling, 1835; Förslag 
till jury i tryckfrihetsmäl, 1835; Det Brittiska 
riket i Ostindien, 1839, deutjch 1839; Die Philos 
fophie der Hindu, Stodholm, deutſch 1843; An- 
teckningar, ebd. 1851, 2 Bd. 

Blaarer (Blarer, Blaurer), eine adelige Far 
milie in Schwaben; hatte vom 13. Jabrh. an 
ihren Sitz zu Konftanz, erwarb fi mehrere 
Schlöſſer u. Herrfchaften in der Schweiz u. jcheidet 
fih in die Zweige der B. von Gyrfperg u. der 
B. von Wartenfee. Merhvürdig find: 1) Am— 
brofius, der ſchwäbiſche Reformator, geb. 4. (12.) 
April 1492 in Konftanz; ftudirte jeit 1510 Phi— 
fologie u. Theologie in Tübingen, wo er Melane 
hthons Freund wurde, ging dann Ende 1514 in 
das Klofter Alpirsbach, wo er bald zum Prior u. 
Lefemeifter gewählt ward; hier als ein Anhänger 
Luthers vielfach angefeinder, ging er nach Konſtanz 
u. wurde 1525 Prediger dajelbit; mit Bucer u. 

colampadins vereinigt führte er die Reformation 
1531 in Ulm u. anderen Städten Ober-Schwabensg, 
feit 1534 mit E. Schnepf in Württemberg ein u. 
war 1537 mit in Echmallalden; beim Herzog 
Urih in Ungnade gefallen, lebte er jeit 1548 
wieder in der Schweiz, bei. in MWintertbur, und 
wurde 1551 Prediger in Biel; er kehrte 1559 
nach Winterthur zurüd, wo er als Prediger wirkte 
u. von wo aus er auch 1562—64 dag Pfarramt 
Grießenberg verſah; er ft. 6. Dec. 1564 in Winter« 
thur. Bgl. Ib. Keim, U. B., Stuttg. 1860; Preſſel, 
Leben u. Schriften U. B-8., ebd. 1861. Die He 
formirte Kirche befitt von ihm mehrere Kirchen« 
lieder, 3. B.: Wie's Gott gefällt, jo g’fällt mir's 
auch. 2) Hans, aus dem Wartenjeer Zweige, 
geb. 1685; ftudirte auf mehreren Iniverfitäten, 
ward 1724 in das NRathscollegium des Kantons 
Züri aufgenommen n. fpäter Mitglied des Ges 
heimen Rathes, bejeitigte viele Streitigkeiten mit 
der Geiftlichkeit in feinem Vaterlande u. befehligte 
1743 die ſchweizeriſche Grenzbefegung im Oeſter⸗ 
reichiſchen Erbfolgefriege; er ft. 1757. 

Blans, 1) Karl, deuticher Hiftorienmaler in 
Wien, geb. 28. April 1815 zu Nauders im Ober. 
innthal, Sohn eines armen Bauers, der künſtliche 
aftronomifche Uhren conftruirte u. Büchſenſchäfte 
mit prächtigen Neliefs verſah. B. fam ſchon mit 
11 Jahren an das Innsbrucker Gymnaſium, um 
fih nach des Vaters Willen für die Rechtswiſſen— 
jchaft vorzubereiten. Jufolge des ſchlechten Bor« 
unterrichtes konnte er aber nicht vorwärts fomımnen 
ur fehrte bald wieder nach Nauders zurück, mo 
er Schreiber beim Yandgerichte ward ir. Zeit genug 
fand, fich feiner Neiguug zum Zeichnen hinzugeben. 

31* 


484 


Sein Oheim, Frhr. v. Eichenberg, ſchickte ihn auf 
die Akademie in Venedig, welche ihm im zweiten 
Studienjahre den erften Preis zuſprach. Infolge 
des Aufiehens, das fein Mofes u. Aaron während 
der Schlacht der Fsracliten gegen die Amaleliter 
machte, gab ihm die öfterreihiihe Regierung ein 
Stipendium nah Kom, wohin er nad) fünfjähri« 
gem Aufenthalte in Venedig ging. In Rom wirkte 
namentlich der Umgang mit dem Landſchafter Joſ. 
Koh u. Opverbed auf ihn ein. 15 Jahre 
jpäter (1850) übernahm B. die Profeſſur der Hi- 
ftorienmalerei an der Wiener Alademie, welche er 
5 Jahre veriah. Dann fiedelte er aus Rückſicht 
für feine frante Frau nach Benedig über, ward 
jedoh nad Bollendung des Arſenals wieder nad 
Wien berufen, um dafjelbe mit Freslen ſchmücken 
zu helfen. B. gehört zu den vielfeitigiten Künſtlern 
der Gegenwart. Zunächſt der kirchlichen Malerei 
zugewendet, ward er durch Fieſole u. Overbed 
mächtig angezogen, verlor fi aber doch nie ins 
Nazarenerthum, u. in der profanen Kunft huldigte 
er, feinem lebendigen Weſen folgend, dem freteften 
Realismus in Eharakterijtil, Zormwollendung u. 
Farbe. So Borzüglihes B. in der Ölmalerei 
ſchuf, ſcheint e8 doch von feinen auferordentlichen 
Leiftungen im Fresco übertroffen zu werden u. 
ihn dieſes als Meifter in feiner ganzen fchöpferi- 
jhen Kraft u. Bedeutung zu zeigen. Seine groß- 
artige monumentale Aufjafjung mahnt an bas 
Studium der Stanzen Rafaels. Seine bedeutendfte 
Schöpfung find die Fresfen im Kuppeljaal bes 
Arſenals: Die Schlachten bei Nördlingen, Zenta, 
Turin u. St. Gotthard. Von feinen religiöfen 
Bildern wären zu nennen: Die hi. Elifabeth (Ga- 
lerie Metternih), Der Zug Jalobs durch die 
Wiifte (Belvedere in Wien), Die bi. Katharina 
von Engeln getragen (Eigenth. des Lords Shremws- 
bury in England), 3 Altarblätter u. 21 Fresken 
in der Kirche zu Foͤln in Ungarn. 2) Eugen, 
Maler, geb. 24. Juli 1843 in Albano, ältefter 
Sohn des Bor. u. einer Albanerin; erhielt feinen 
erſten Unterricht in Wien, dann feit 1856 unter 
feines Vaters Leitung in der Alademie zu Benedig, 
ward Mitglied der letzteren, bereite Italien, 
Deutichland, Belgien, England u. Frankreich umd 
trat 1863 mit einem Ultarbilde für die Valentins— 
fapelle von Obermais bei Meran vor das große 
Publicum. Dann ging er nah Rom u. malte 
dort zwei Scenen aus dem Decamerone, die Do« 
garefja u. einen Abend auf Murano (Belvedere: 
$alerie). Regnet. 
Blacas D’Aulps, Pierre Louis, Graf von 
B., franz. Diplomat, geb. 12. Jan. 1771 auf 
Schloß Berignon bei Aulps, Ablömmling einer 


Blacas d'Aulps — Blafband. 


vermittelte dort die Heirath des Herzogs dv. Berry 
mit der Prinzeffin von Neapel; er ward 1816 
Gefandter in Rom, wo dur ihn 1817 das Eon» 
cordat zu Stande fam, fehrte 1820 nad Paris 
zurüd, ward bier premier gentilhomme de la 
chambre du Roi, hatte beim Congreß von Pai« 
bady beveutenden Antheil an den Unterhandlungen, 
bef. mit dem König von Neapel, ging mit dieſem 
wieder nad Neapel u. 1821—22 als Gefandter 
nah Rom, doc) verwaltete er den Geſandtſchafts⸗ 
poften von Neapel zu gleicher Zeit. Auf Karl X, 
hatte er großen Einfluß, aber 1830 keinen Theil 
an den Fuliordonnanzen. Er folgte nad der Re» 
volution Karl X. nad Holyrood, Prag u. Görz 
u. lebte nad deilen Tode m dem Herzog u. der 
Herzogin von Angouleme auf dem Schloſſe Kirch⸗ 
berg. Er fl. bier 17. Nov. 1839. B. war ſehr 
a u. befaß jhöne Kunſtſammlungen, bef. orien- 
taliiche Medaillen (beichrieben von Meinaud, 
Par. 1828, 2 Bde). Seine Biographie ſchrieb 
Yaboulaye, Par. 1840. 

Bladymal (Bachmal) nannte man früher bei 
der Scheidung des Goldes vom Silber durch 
Schwefelantimon die auf dem gebildeten Antimon- 
golde fich abjcheidenden Maffen von Schwefelfilber, 
die durch die Niederichlagsarbeit, ein Zulammen- 
ſchmelzen mit Eifen, weiter zu Gute gemacht 
wurbeit. 

Dlad... (engl), ſchwarz ... 

Blad, mehrere Flüſſe in NAmerifa, darımter 
1) ichiffbarer Nebenfluß des Jroquois in Nem- 
York; 2) in News Feriey (f. Blad-River). 

Blad, Zojepb, berühmter Chemifer u. Phy- 
fifer, aus einer fchottiihen Familie, geb. 1728 in 
oder bei Bordeaur; war 1756—66 Profeſſor der 
Anatomie u, Chemie an der Univerfität Glasgow. 
In diefe Zeit fallen feine bedeutendften Entded- 
ungen, Er mies an feinen bejonders mit fog. 
ägender u. milder Magnefta (Experiments upon 
magnesia alba ete., Edinb. 1755) angeftellten der- 
ſuchen nad, daß die ätenden Alfalien nicht, wie 
man bis dahin glaubte, aus einer Verbindung 
der milden mit Feuermaterie beftehen, ſondern 
daß fie das Einfachere u. daß die milden vielmehr 
umgelehrt Berbindungen jener mit fog. firer Luft 
(Kohlenjänre) feien, deren Fdentität mit dem beim 
Athmen, der Berbrennung u. Gährung fidh ent» 
widelnden Gafe er erlannte. Daber ift B. einer 
der Erften, welde zum Sturze der Phlogifton- 
theorie beigetragen haben. Durd den Nachweis, 
daß die fog. fire Luft eine beiondere Luftart u. 
von der athmoſphäriſchen verſchieden ſei, begrün« 
dete B. die Erkenntniß, daß die Luftform nicht 
eine der legteren allein zulommende Eigenſchaft, 


‚ der berühmteften Familien der Provence, wanderte |fondern ein Aggregatzuftand der Körper über» 
beim Ausbruch der Revolution aus u. diente in|haupt if, u. regte damit die auf Erkenntniß der 
der Eondeichen Armee; jpäter ging er nad; Verona Safe gemwendete chemifche Richtung der nächften 
u Ludwig XVIIL, ward als Gejandter nad) Zeit an, welche als pneumatifche Chemie bezeichnet 
— geſchickt u. folgte dem wir © 1800 wurde. Auch in phyfilaliicher Hinficht hat B. um 
nach England; 1814 begleitete er Ludwig XVIII. die Kenntniß der Aggregatzuftände ein großes 
nad Paris, wurde Haus» u. Staatsminifter, ver⸗ Verdienſt durch feine wichtige Entdedung der la- 
darb e# aber, da er ſich für keine Partei beftimmt|tenten Wärme (um 1760). 1766 wurde B, Prof. 
erklärte (obgleich im Herzen der ultraariftofratiihen|der Chemie in Edinburgh u. war Mitglied der 
Partei angehörend), mit Allen u. warb deshalb|dortigen Royal Society. Er ftarb daielbft 16. Nov. 
1815 nit wieder in das Minifterium gewählt, | 1799, Wimmenauer M. 
jondern als Gejandter nah Neapel geihidt und] Bladband, die englifhe u. ins Deutſche ber- 


Bladburn — Bladwell. 


übergenommene Benennung für den in den Kohlen-|den, wenn die durch 


485 
Präfident Grant im Früh— 


gebieten Englands, Schottlands u. Weftfalens ſich jahre 1875 eimgeleiteten Unterbandlungen über 
findenden Kobleneifenftein, der aus einem durch | friedfiche Answanderung nicht zum Ziel führen. 


mehr oder minder viele Kohlentheilhen ſchwarz 


Bladmore, Richard, 1697 Leibarzt Wil- 


—— lohlenſauren Eiſenoxydul, Spatheiſenſtein, helms III. von England, zu deſſen Gunften er 


eftebt. Die befferen Sorten, die nad) ftattgejun- 
denem Röften verhüttet werden, enthalten 60 bis 
70%, tohlenfaures Eifenorybul u. 10 bis 20 %,, 
beigemengte Kohlentheilchen und liefern ein gutes 
Gießereieiſen. 

Blackburn, Stadt in der engliſchen Grafſch. 
Lancaſter, am Dervent u. am Leeds⸗Liverpool⸗Kanai; 
bier münden 4 Eiſenbahnlinien; Lat. Schule, Thea- 
ter, Bibliothel, Handwerkerinftitut, zahlreiche Wohl- 
thätigfeitsanftalten; großartige Manufacturen in 
Baummollenzeugen; 76,340 Ew. (1841 erft 86,000); 
dabei bedeut. Kohlengruben. 

Bladburn, Henry, engl. Meifefchriftfteller, 
* 15. Febr. 1830 zu Portsmouth; ausge—⸗ 

ifdet am Kings College zu London, ward er 1853 
Privatjecretär des liberalen Barlamentsmitgliedes 
Horsman. Diefe Stellung brachte ihn im häu— 
fie Berührung mit den liberalen Zeitungen u. 

agazinen Londons, für die er vielfadhe Cor— 
rejpondenzen über ausmwärtige Politit u. Kunft- 
fritifen ſchrieb. 1855 und 1857 beſuchte er 

Spanien u. Algerien u. bieft über diefe Reifen 
illuſtrirte Borlehungen in London u. in den Pro- 
vinzen, die fpäter unter dem Titel: Life in Al- 
geria im Drud erſchienen. 1870 ward er Re— 
Dacteur der Zeitichrift London Society, u. das 
nähftfolgende Jahr bradte ihm eine Anftellung 
im Minifterium des Innern. B. ſchrieb u. illu— 
ftrirte auch theilweife die folgenden Werte: Tra- 
velling in Spain, a record of adventure in that 
country, Lond. 1866; The Pyrenees, illuftrirt 
von Dore, daf. 1867; Normandy pieturesque, 
daf. 1869; Artists and Arabs, daf. 1868; Art 
in the mountains; The story _of the Passion- 
Play in Bavaria, daf. 1870; The Harz Moun- 
tains: & tour in the Toy Country, daf. 1873. 

Bartling. 

Bladfoot-Indianer (Bladfeet, d. i. Schwarz- 
füßler), ein Stamm der Algontin-Familie der Ur- 
einwohner NAmerikas; wohnen zwiſchen 46° u. 
52° n. Br., an den Zuflüffen des Saskatſchewan 
u. bis an den oberen Miffouri u. Nellowftone, 
Sie beftehen aus den Kena- oder Blut Fndianern, 
füdöftl. von Mount Hoofer, den Satfila u. Pielan, 
welche weiter füdöftl. leben. 

Bladford, County in dem oftnorböfll. Theil 
des mordamerif. Unionsftaates Indiana, unter 
40° n. Br. u. 85° w. U; 6272 Ew.; Countyfig: 
Hartford. 

BlackHawk, County im nordamerif. Unions- 
Staate Jowa, unter 42° n. Br. u. 92° w. 9; 
21,706 Em. 

Blad-Hills, Bergkette in den Ber. St. NAmeri- 
fa3; läuft ungefähr umter 40° n. Br. vom Felſen— 
gebirge (Rocky ⸗Mountains) aus nuöſtl. bis zur 
Südwendung des Miffouri unter 47’—48° n. Br. 
iu den Territorien Wyoming u. Dakotah mit Lara- 
mie Beat als höchſten Punkte 2600 m üi. d. M. 
Sie find der Wohnſitz räuberifcher Indianerftämme, 
deren Verdrängung die durch die Eiſenbahnen 
berbeigeführten Anfiedelungeu mol bewirken wer- 


die Revolution, welche diefen auf den Thron brachte, 
batte bewirken helfen; er ftarb 1729. Außer 
mediciniſchen Schriften ſchr. er: Creation (ein 
philoſophiſches Gedicht, gegen Lucretius), 1712; die 
Epopöen: King Arthur, 1697; Prince Arthur, 
1695; die theologijhen Schriften: Just prejudices 
against the Arıan hypothesis, 1725; Natural 
theology, 1728, u. a, 

DBlad-Mountaind werden die letten Aus— 
läufer der Alleghanies im nordamerif. Unionsft. 
NEarolina genannt, deren höchſte Spiten: Mount 
Mitchel 1974 mu. Potato Top 1853 m ii. d, 
M. in den Counties Yancey u. M'Dowell liegen. 

Blad-River heißen über ein Dutzend Flüffe 
im nordamerif, Unionsgebiete; davon: 1) im Staate 
Nem- York; entipringt Am Herkimer County, 
fließt durch die Counties Oneida u. Lewis nach dem 
großen Bend u. ergieft fich durch die B.-R.-Bai in 
den Ontario-See; 2) in Wisconfin; entipringt im 
Marathon County, ergießt fi in den Mifftifippi 
u, ift bis zu feinen Fällen für Mleinere Dampf- 
boote ſchiffbar. 

Blackſtone, Fabrikſtadt (Baummollenftoffe) im 
Worcefter County des nordamerif. Unionsft. Maſ⸗ 
jadhufetts; 5421 Em. 

Dladitone, Sir William, engl. Rechtsge— 
lehrter, geb. 10. Juli 1723 in London; ftudirte 
in Orford, mar jeit 1746 Mbvocat u. feit 1753 
Lehrer der Rechtswiſſenſchaft in Orford, mo 
er zuerjt über die Berfaffung u. Geſetzgebung 
Englands Borlefungen hielt, u. 1758 Profeſſor 
des Gemeinen Englischen Nechtes; er wurde 1761 
Parlamentsmitglied u. 1763 Solicitor » General; 
1766 gab er feine Profeſſur auf, trat 1768 mies 
der ins Parlament u. wurde 1770 Richter am 
Berichtshofe der Common-Plees; er ft. 14. Febr. 
1780. 8. fchr. u. a.: Commentaries on the 
laws ofEngland, Orf.1765—68, 4 Bbe., ein Wert, 
das fiber 20 Aufl. erlebte, zuletzt herausg. von 
Kerr, Lond. 1861, deutih: Handbuch des Engli- 
ihen Rechtes von Colditz, Schleswig 1823, 2 Bde; 
Analysis of the laws of England, Orf. 1754 
u. ö.; Law tracts, Lond. 1762, 2 Bde., deutich, 
Bremen 1779. 

Blad-Warrior, Nebenfl. des Tombigbee, im 
nordamerif, Unionsit. Alabama; von Tuscaloofa 
an ſchiffbar; an feinen Ufern reichhaltige Steine 
foblen- u. Eifenlager. 

Blad-Water, mehrere Flüſſe: 1) in der enge 
liſchen Grafih. Eſſer; entipringt bei Saffron« 
Walden, bildet beim Ausflug in die Nordjee die 
B.-B.-Bai (berühmt wegen der Auftern); 2) im 
jüdl. Irland; entipringt in der Grafihaft Cork, 
durchſtrömt diefe u. die Grafih. Waterford u. 
mündet bei Youghal in den Atlantifchen Ocean; 
er ift 27 km weit jchiffbar. 

Bladwel, 1) Aler., geb. zu Aberdeen in 
Schottland zu Anfang des 18. Jahrh.; war an—⸗ 
fangs Arzt in Yonden, trat als Corrector in eine 
Buchdruderei, errichtete dann jelbft eine jolche, 
machte aber 1734 Banterott u, fam in das 


486 


Schuldgefängniß, woraus er durch feine Frau be- 
freit ward, indem diefelbe durch Zeichnung, Kupfer- 
ſtechen u. Illuminiren der Kräuter des Mebicini- 
ihen Gartens in Chelfea u. Herausgabe eines 
Wertes: A curious herbal containing five hun- 
dred euts of the most useful plants, which 
are now used in the practice of physic, Lond. 
1737, 2 Bde. Fol. (au als Herbarium Black- 
wellianum [lat. u. deutſchj von ifenberger, 
6 Bbe., Nürnb. 1757—73, Fol., herausgegeben), 
wozu ihr Dann die Namen im verjchiedenen 
Spraden u. Angabe des medicinifchen Gebrauches 
beifügte, die dazu erforderlide Summe zuſam⸗ 
menbradte. Später fegte er fih auf die Yand- 
wirthſchaft, kam als Leibarzt des Königs Fried« 
rih nah Stodholm, wo er wegen Einmiihung 
in die Politif 9. Aug. 1747 enthauptet wurde. 
Er fhr.: Über die Urbarmahung unfruchtbarer 
Felder u. die Austroduung der Moräſte, Yond. 
1741. 2) Elifabeth, die erfte Frau, welche in 
den Nordamerif. Unionsftaaten das ärztl. Doctor- 
diplom erwarb, geb. um 1820 in Briftol; leitete 
bis 1843 mit ihrer Schwefter Emily eine Mäd— 
henbildungsanftalt, widmete fih aber dann ber 
Arzneitunft, erhielt 1849 die mediciniidde Doctor: 
wirde u. gewann, nachdem fie noch in Pariler 
u. Fondoner Spitälern ftudirt, feit 1851 in New— 
Dort eine ausgedehnte Praxis. Auf ihre An— 
regung wurde 1856 eine mediciniiche Bildungs: 
anſtalt für Frauen in New-York errichtet, welche 
fie mit ihrer Schwefter Emily, die ebenfalls das 
mediciniiche Doctordiplon: erworben, verwaltet. 

Bladivood (Schwarzes Botanyholz), das Holz 
ton Dalberga latifolia, das bärtefte Holz; wird 
zu Meinen Drechslerarbeiten verwendet, ergibt 
aber viel Abfall, da es frumm, voller Knorren 
u. oft ausgeböhlt ift. Friſch fiebt es blaufchwarz 
aus, bald wird es aber tief fohlichwarz. 

Bladen, County im nordamerif. Unionsſt. 
Nearolina, unter 40° u. Br, u. 78° w. V., 
von dem Cape Fear-⸗River durchſchnitten u. nord« 
öftlih von dem South-River begrenzt; Producte: 
Theer, Terpentin u. a.; 12,831 Emw.; Countyfig: 
Eliſabethtown. 

Bladensburg, Poftileden im County Prince 
George im norbamerif, Unionsft. Maryland, am 
öftlihen Arme des Potomac u. der Baltimore- 
Wafhington-Eifenbahn. 24. Aug. 1814 Sieg 
der Engländer unter Roß über die Amerikaner, 

Blaes, Gerhard, lat. Blafius, einer der 
regiten Beförderer der menjchlichen u, der ver- 
gleihenden Anatomie, geb. 1617 zu Ooſtvliet 
bei Brügge; ftudirte Medicin in Kopenhagen u. 
feyden, promovirte 1646, prafticirte in Aınfter- 
dam, wurde 1660 Profeffor dafelbft u. fpäter Arzt 
am Hofpital u. Stabtbibliothelar; 1682, im fet« 
nem Zodesjahre, wurde er Mitglied der Academia 
naturae curiosorum u, trat als Podalirius II. 
ein. Seine anatomischen Unterfahungen erftreden 
ſich namentlid auf die Fungengefäße, den Chylus 
und die Chylusgefäße, die Hirnhäute, das Nüden- 
mark nebft jeiner Höhle u. auf pathologiiche Ver— 
änderungen der Organe. Er war aud der erfte 
Deutiche, der eine vergleichende Anatomie der Thiere 
herausgab: Zootomia seu anatome variorum ani- 
malium, Amfterd. 1676 u. 1681. Zhambann. 


Blackwood — Blähungen. 


Blagoweſchtſchensk, Hauptft. der Amur-Pro» 
vinz im Afiat. Rußland, am Einfluß der Seja 
in den Amur; 21. Mai 1858 gegründet, aber bis 
jegt in ihrer Entwidelung den ruſſiſchen Hoffnun« 
en nicht entiprechend; 1867: 3107 Em. Das 

lima ſchwanlkt zwiichen Ertremen, u. bie Gegend 
ift Überſchwemmungen ausgefett. 

Blähſucht (Trommelfuht, Auflaufen, Aufe 
bläben, Tympanitis oder Meteorismus), eine 
übermäßige Anfammlung von Gafen in dem 
Berdanungswerkzeugen der Hausthiere, bejon- 
ders der Miederfäuer. Sie entmwidelt ſich nach 
dem gierigen u. reichlihen Genuſſe von Futter- 
ftoffen, melde raſch in Gährung übergehen, mo» 
bei große Mengen von Gafen entwidelt mwer« 
den, unter denen Koblenfäure, Schwefelmafferitoff 
u. Kohlenwafferftoffe die Hauptrolle fpielen. Be- 
ſonders gefährliche Futterſtoffe find: junge, üppige 
Kleearten, faftreiche junge Gräfer u. das feiide 
Kraut der Koblarten. ufolge der Gährung 
diefer Futterſtoffe entfteht —* eine übermäßige 
Ausdehnung u. Spannung des Bandes. Die 
Thiere werden dabei unruhig u. Ängftlih, ihre 
Augen bervorgetrieben; durch Drud des koloffal 
ausgedehnten Magens auf das Zwerchfell entfteht 
eine Beengung des Bruftraumes, Wird nicht 
ichleunige Hilfe geleiftet, jo gehen die Thiere an 
Berftung Des Magens oder an Erftidung zu 
Grunde. Die Entiernung der Gafe ift auf ver« 
ſchiedenem Wege zu erreichen: 1) Entfernung auf 
natürlichem Wege, entweder durch Einführen 
einer elaftifhen Röhre (Monroeiche Schlundröhre) 
in den Dlagen, oder durch Manipulationen, weiche 
Rülpfen erzeugen, Diud auf den Magen, Legen 
eines Strohſeils durch das Maul zc.; 2) durch 
Anwendung von Mitteln, welche das Gas abior- 
biren: Kaltwaflfer, Kallmilch, kohlenſaures Natron, 
Salmiafgeift ꝛc.; 3) durch Ausführung des Pan- 
jenftibes. Befällt die B. ganze Heerden, wie 
dies bei Schafen wol vorfommt, jo fuhe man 
durch Äußere Anwendung der Kälte die Gährung 
zu unterbrüden; kalte Begießungen, Zreiben der 
Heerde in kaltes Wafjer zc. Eedinidt. 

Blähungen (lat. Flatus), Luft od. gasförmige 
Flüffigleiten im Wagen u. Darmfanal, Sie ent» 
wideln fih zwar oft durch die als blähend be» 
fannten Speiien, Speiferefte u. Getränfe, als: 
Hülfenfrüchte, Kohl, Rettig, nicht ausgegohrenes 
Bier u, natürlih oder krankhaft abgejonderte 
Fzlüffigleiten des Magens u. Darmlanals, bei dem 
als bejtehende Dispofition dazu bezeichneten Zur 
ftande (Bläbfucht, Flatulentia), aber mejentlich 
duch eine abnorme Abjonderung gasfürmiger 
Flüſſigleiten an der inneren Oberfläche des Darın- 
fanals, die durch ihre Menge nachtheilig, nament« 
ih aufblähend wirken. Sn höhſten Grade er- 
fcheint die Blähſucht als Windſucht (f. d.). Sie 
ift oft eine Folge der Unmäßigkeit, Schwäche der 
Verdauung, Hypochondrie, Hyfterie u. erzeugt 
mannigfaltige Schmerzen des Unterleibes, vor« 
züglich Kolik (Blähungstolit, Windkolik, Colica 
flatulenta), Augft, Berftimmung des Gemüthes, 
Magen- u. Brufttrampf, Kopfweh ꝛc. Aufftoßen 
u. Abgang von B. bringen Erleichterung. Yettere 
fan befördert werden durch blähungtreibende 
Mittel (Carminativa), die durch ätheriiches Öl 


Blain — Blake. 


innerlich eine fräftigere Zufammenziehung des Ma- 
gens u. Darmfanals bewirken. Dergl. And Kim- 
mel, Anis, Fenchel, Koriander, beſ. Pfefferminz, 
deren ätherifhes DI, mit Zuder zu Kügelden od. 
Scheibchen gemacht (Pfefferminzkügelchen), ein ge- 
wöhnlich gutes Hausmittel abgıbt. 

Blain, Stadt im Ars. Saint-Nazaire des 
franz Dep. Nieder-Loire, am Kanal Nantes- 
Breft; Gerbereien, chem. Fabriken; Märkte; 
6825 Ew.; dabei Auinen eines alten, ehemals 
befeftigten Schloffes. 

Blainville, Henri Marie Ducrotay de 


487 


‚reiboden-Partei von 1848, ward er 1852 in bie 
Yegislative von Miffouri u. 1856 in den Congreß 
gewählt, wo er 1857 in einer langen Rebe den 
Vorſchlag machte, die Schwarzen der Vereinigten 
Staaten in Gentral-Amerika anzufiedeln. 1861 ward 
er Oberft eines Regiments Freiwilliger, 7. Aug. 
1862 Brigadegeneral u. 29. Novbr. d. J. Ge- 
neralmajor, A Feldzuge von Bidsburg befeh- 
ligte er eine Divifion u. in dem Feldzuge Sher- 
mans von Chatanooga bis Atalanta (1864) das 
27. Corps der Tenneflee-Armee, In den 38. Con— 
greß gewäblt, legte er jein Mandat nieder, um 


3., franz. Zoolog, geb. 12. Sept. 1778 in Arques | jeine Stellung in der Armee zu behalten. 1866 
bei Dieppe im franzöftfchen Dep. Nieder-Seine;|ernannte ihn Präfident Johnſon zum Steuer» 


ftudirte in Paris Naturwiffenichaften, wurde beim 
Jardin des plantes u. am Collöge de France 
angeftellt, 1812 Profeſſor der Zoologie, ver- 
gleihenden Anatomie u. Phyfiologie an der Uni— 
verfität u. zugleich Profeffor der Naturgeichichte 
am Athenäum; er fl. 1. Mat 1850. B. ſchr.: 
Prodrome d'une nouvelle distribution systema- 
tique du rögne animal, Par. 1816; Faune frang., 
1821—30, 90 Lieferungen; De l’organisation 
des animaux, 1822; Manuel de malacologie et 
de conchyliologie, 1825—27; Manuel d’actino- 
logie, 1834 ff.; Cours de physiologie, 1833, 
3 Bde.; Ostöographie, 1839 ff., u. v. a.; er re 
digirte auch 1818—23 das Journal de Physique, 
de Chimie, d’Histoire naturelle et des Arts, 

Blair, County im nordamerik. Unionsſt. Benn- 
fylvania, u. 40° n. Br. u. 78° w. L.; öſtlich be- 
grenzt vom Taffeygebirge, im W. durch die Alle— 
ghanies, durchzogen von den Dunnings- oder 
Brufbgebirgen; reih an Steinkohlen u. Eifen- 
lagern; hat verjchiedene Eifenbahn- u, Kanalver- 
bindungen; 38,051 Ew.; Countyfig: Holidaysburg. 

Blair, 1) Hugb, geb. 7. April 1718 in Edin- 
burgb; wurde 1742 Prediger zu Eolleffie w. 1743 
in Edinburgh, wojelbft er 1758 die erfte Bfarritelle 
u. 1762 auch die neu geftiftete Profeffur der Be— 
redtiamfeit u. Schönen Viteratur erhielt; er ftarb 
27. Dechr. 1800. Befonderen Ruhm erwarben 
ihm feine Predigten, welche von 1777 ab in 
5 Bon. erfchienen, ihm eine königl. Penſion von 
200 Pd. St. einbradhten u. faft in alle euro- 


empfänger im Hafen St. Youis u. glei) darauf 
zum Commiſſar der Bacific-Eiienbahn. Zwei 
‚Jahre jpäter ftellte ihn die demokratische National» 
Konvention mit Horatio Seymour als Gegen- 
candidaten gegen General Grant u. Scuyler 
Eolfar für die Präfidentichaft, reſp. Vicepräſident— 
ihaft der Berein. Staaten auf, 1871 ward er in 
Miſſouri durch eine Coalition von Demokraten ı. 
Freihändlern zum Senator gewählt, 3) Mont» 
gomery, amerif. Staatsmann, geb. um 1821 
u, erzogen zu Weſtpoint im Staate New⸗York; ftudirte 
die Rechte zu St. Louis u. folgte zuerft der Ad- 
bocatenlaufbahn. Da er ein eifriger Anhänger 
der demofratiihen Partei war, jo machte ihn 
Präfident Pierce zum Anwalt am Court of Claims, 
aus welchem einträglihen Poſten er jedoch durch 
Präfident Buchanan entlaffen wurde, weil er zur 
republik. Partei übergegangen war. 1861 ward 
er von Lincoln zum Marineminifter u. fpäter zum 
Generalpoftmeiftergemacht. 1) W. Körner, 2)3) Barıling, 

Blaife, St., proteft. Piarrdorf im ſchweizer 
Kanton Neuenburg, am nördl. Ufer des Neuen— 
burger-Sees u. an der Eijenbahn von Neuenburg 
nah Olten; Erziehungsanftalten; vortrefflicher 
weißer Wein; 1280 Em, 

Blake, 1) Robert, berühmter brit. Seeheld, 
eb. 1599 in Bridgewater in Somerjetihire, wo 
bein Vater Kaufmann war; ftudirte in Orford 
u. Tieß fih 1640 in das Parlament wählen, wo 
er die Sache der Nation vertheidigte,; warb ein 
Corps Dragoner, an deren Spige er gegen die 


päiſche Sprachen überſ. wurden, deutih von Sad|Royaliften fodht; von Cromwell erhielt er 1649, 


u. Schleiermadher, 5 Bde., Lpz. 1781— 1802. Sie 
zeichnen ſich durch eine milde Moral u. ſchönen Stil 
aus, find aber jetst vergeflen. Der Stil, vereint mit 


obgleih er vom Seeweſen nichts verftand, das 
Commando eimer Flotte u. wußte ſich durch Ge— 
wandtbeit bald fo in feinen neuen Beruf zu fin« 


gutem Geihmad, ift der Hauptvorzug auch eines|den, daß er noch im dieſem Jahre die königliche 


anderen®erfes: Lectures on Rhetorie and Belles- 


Flotte unter dem Prinzen Ruprecht ſchlug u. die 


Lettres, 2 Bde., Lond. 1783; endlich von ihm: Inſeln eroberte, welche es mit Karl II. bielten; 


Critical dissertation on the poems of Os- 
sian, worin er für die Echtheit eintrat, gedruckt 
vor der Macpberfonshen Ausg., Edinb. 1763. 
2) Francis Prefton der Jüngere, amerif, Ge- 
neral, Politiker u. Staatsmann, geb. 19. Febr. 1821 
zu Lerington in Kentudy; fam als Kind mit fei- 
nem Bater nah Washington, wo diefer als Freund 


er befiegte 1652 die holländische ‚Flotte, beſchoß 
1655 Tunis u. befreite in Tripolis u. in Algier 
alle engliihen Sklaven; dann ſchloß er mit Ve— 
nedig u. Toscana vortheilhafte Tractate, be» 
mächtigte ſich Jamaicas, befiegte 1656 die 
Spanier vor Cadir, wo er ihnen einen Theil der 
Silberflotte wegnabm, u. ſchlug 1657 wieder die 


des Generals Jadjon den Globe herausgab. Nach- | Spanier vor Santa-Eruz; er fi. 17. Aug. 1657 
dem B. feine Univerfitätsftudien vollendet hatte,|bei Plymouth u. wurde in der Weitminfter- Abtei 
fieß er ſich als Advocat zu St. Louis in Miffourt|beigejegt. Vgl. W. G. Diron, K. B., Admira) 


nieder. 1845 machte er eine Reife durch die Rody- an 


General at sea, Lond. 1852, n. U., 1856 


Mountains, diente als gemeiner Soldat im Mert- 2) William, Maler u. Kupferfteher, auch 
caniihen Feldzuge u. nahm 1847 wieder feine) Dichter, geb, 28. Nov. 1757, geft. 12. Aug. 1828, 
Advocatenpraris ın St. Louis auf. Anhänger der)Sohn eines Strumpfwirfers; jollte das Handiwerf 


488 


feines Vaters treiben, doch brach feine auffällige 
Begabung durd. B. kam zum damals berühmten 
Stecher Bazire in London in die Lehre, bildete 
fih ferner unter Flaxmann u. Füßli u. ſchr. da— 
zwifhen Oden, Yieder, Balladen u. Sonette. 
Durch feine Verehelichung mit einem armen Mäd- 
hen, Katharina Boutcer, kam B. in eine ruhigere 
Bahn. Vifionär, wie er war, glaubte er die 
2 des Heiden» u. des Chriſtenthums mit 

ugen zu feben und bielt fie mit Stift und 
Feder fe. So erhielten feine Arbeiten den Cha- 
rafıer des Ungemwöhnlichen u. Dunklen. Werke: 
The Grave (Zeihnungen für Blairs Grabmal), 
zugleid fein Hauptwert, voll Kraft und Inven- 
tion, aber ohne Geihmad und Grazie; youngs 
Nachtgedanken (Fluftrationen zu dem befannten 
Buche); Europa, eine Weiffagung, die Entdedung 
der Bücher Hiobs; Die Wallfahrt nah Canter- 
bury. Er verwarf Rubens, Titian u, Correggio 
u, rejpectirte mur Mafael, Giulio Romano, 
Michel Angelo u, Albrecht Dürer. Bgl. Gilchrift, 
Life of W. B., Yond. 1863, 2. A., 1870. 8) Joa- 
him, fpan. Offizier u. Staatsmann, geb. um 
1760 in Malaga; trat 1773 als Cadet in ſpaniſche 
Kriegsdienfte u. avancirte während des Krieges 
mit ‚zrantreih zum Brigadier. Bei dem Ein- 
falle der Franzoſen 1808 war er Chef des fpani- 
ſchen Generalftabes, übernahm dann das Commando 
der Armee von Eſtremadura, Galisien u. Xeon, 
focht aber unglüdlid gegen die Franzoſen u. legte 
das Commando nieder. Er wurde nun General« 
capitän von Aragonien, Catalonien u. Navarra, 
aber bei Beldite 18. Juni 1809 von Neuem be- 
fiegt; dennoch wurde er als Rath der Negentichaft 
zum Commandirenden der Armes, des Gentrums 
ernannt, trug als folder viel zum Giege bei 


Bläkulle — Blanc, 


gallerte durch Kochen ausgezogen ift; 5) Bruft- 
fleiih von gefochtem oder gebratenem Federvieh. 
Blane (fr., weiß), ältere franz. Silbermünze, 
zuerft unter Philipp v. Valois 1340 geprägt ; er» 
jegte die damals ablommenden Gros Tournois. 
Urſprünglich bieß das Stüd Gros blanc, Weiß- 
game Anfangs von gutem Silber, wurden die 
+3 allmäblich verfchlasbtert u. fanfen zum Billon 
berab. Man unterjchied: 1) Grand bl., anfangs 
= 10 deniers, unter Ludwig XIL = 12 d,; 
2) Petit bl. = 5, ipäter = 6 d. Den Namen 
B. führten noch mebrere franz. Silbermünzen, die 
durch befondere Beinamen gelennzeichnet werden: 
|a) B. ä la couronne, unter Johann I. feit 1354, 
Billon, = 10d.; b) B. à l’etoile, unter demjelben 
feit 1359, —= 2 sols 6 d., Sterngrofden; c) B. 
& la fleur de Lis, unter Philipp vo. Valois feit 
1340, = 8 d, —— Avers mit Kreuz 
u. einer Lilie; B. au fleur de Lis, um 1359, auf 
dem Avers ein rundes Feld voller Lilien, = 15 d.; 
d) B. à la queue, unter Johann I, um 1355, von 
gutem Silber in der Größe eines Zweigroſcheun · 
ſtückes; e) B. a la salamandre, unter Franz L. 
um 1540, nad den aufgeprägten Salamandern 
genannt, = 12d.; f) B.au soleil, unter Ludwig XI. 
um 1475, = 12—13 d., Sonnengrojdhen. Louis 
blanc ift gleih Ecu blanc oder Louis d’argent, 
franz. Species unter den Königen Ludwig XIII., 
XIV. u. XV. 1641—1726 geprägt, — 1 Neid)» 
thal. 10 Gr. Come. = 4 L 25 Pf. im Werth. 
Blane (Le-B.-en-Berry), Hauptort des — 
Arr. im franz. Dep. Indre, an der TCreuſe; 
Töpfereien, Wollenfpinnerei, Gerberei; Weinbau, 
Fiſchhandel; 5709 Em. 
Blane, 1) Ludwig Gottfried, hervorragen- 
der vomanifcher Philolog, geb. 19. Sept. 1781 





Albnera am 16. Mat 1811 bei u, wurde daraufjin Berlin; wurde 1806 Prediger bei der franzö- 


Gouverneur von Balencia; als er aber von da 
ans gegen Madrid operiren wollte, ſchloß ihn 
Suchet ın Valencia ein u, zwang ihn am 9, Yan, 
1812, zu capitultven. Nachdem er bis 1814 in 
Frankreich gefangen gemwejen, wurde er von Fer— 
dinand VII zum Generaldirector des Genieweſens 
ernannt. Nach der fpanifchen Revolution 1820 
trat er in den Staatsrat, blieb nach der Reftauration 
unangefochten und ftarb 1827 in Ballodolid. 
2) Regnet. 
Bläkulle (Jungfrun), Inſel weftlich von Öland 


fifch-reformirten Gemeinde in Halle, aber 1811 
der franzöfiichen Regierung verbädtig in Haft nach 
Magdeburg u. von da nad Kaffel gebracht; 1813 
durch die Ruſſen befreit, wurde er Feldprediger, 
erhielt jedoch nach dem Frieden fein früheres Amt 
in Halle wieder, wurde 1822 Profeffor der ro- 
manishen Sprachen, 1838 zweiter Prediger an 
der Domkirche u. legte 1860 feine Stelle nieder; er 
ft. dort 18. April 1866. 8, ſchr.: Predigten, 
Halle 18115 Die beiden erften Gejänge der Gött— 
lichen Komödie erläutert, ebd. 1832; Handbuch des 


(Schweden), mit ſchwarz bemooftem Felſen, von|Wiffenswürdigften aus der Natur u. Geſchichte der 
dem die Sage geht, daß die Heren am Grün- Erde u. ihrer Bewohner, cbd. 1824, 3 DBbe,, 
donnerſtag (mie auf dem Blodsberge im Harz zur 3. A., von Lange, Braunſchw. 1868—69; die 
Walpurgisnacht) dorthin wallfahrten. noch jetzt beſte Italieniſche Grammatik, ebd. 1844; 
Blame (fr.), Tadel, Vormurf, Mipbilligung; | Ein ausgezeichnetes Vocabolario Dantesco, Lpz. 
daher blamiren, befchimpfen, in üblen Huf|ı852; Verſuch einer bloß philologiihen Erklärung 
bringen; blamös, blamabel, ſchimpflich. der Göttlihen Komödie (Halle 1861—65 (gehört 
Blamont (Blantenberg), Stadt im Arr. Lu⸗ zu den beiten Dantecommentaren); Die Göttliche 
neville des franz. Dep. Meurthe u. Mofel, au Komödie des Dante, überj. u. erläutert, ebd, 1864 
der OBahn und der Bezoufe; bedeutende Ber-| (zeichnet ſich durch treue Wiedergabe des Origi- 
bereien, Calico-Webereien, Stidereien, Bijouterie-|nald aus). Außerdem war er Mitarbeiter an 
u. Stahlwaarenfabrifation; 2272 Ew. B. war der Erjcd- u. Gruberihen Encyflopädie für franz. 
ehem. Feſtung (geichleift 1639 vom Herzog Bern-|u. ital. Literatur. 2) Jean Fol. Youts, franz. 
hard von Weimar), hatte den Titel einer Graf- Hiftorifer u. Socialiſt, geb. 28. Det. 1813 in 
ſchaft u. gehörte bi8 zur franz. Revolution dem) Madrid, wo fein Bater damals als franzöfifcher 
Herzog von Württemberg. Flüchtling lebte; er wurde bis in das 7. Jahr in 
Inne (fr.), 1) weiß; 2) Mar, bel; 8) fo v. Torſica, dem Baterlande feiner Mutter (geb. Pozzo 

w. Blanco; 4) (Kocht.) Brühe, wovon Fleiſch- di Borgo) erzogen, ging 1830 nach Paris, wo er 


Blanca — 


fh durd ee ven nährte u. 1831 Schreiber 
bei dem Advocaten Sallot wurde. 1832—34 war 
er Erzieher in Arras, wo er die Gedichte Mira- 
beau u. das Hötel der Invaliden u. die Lobrede 
auf Manuel ſchrieb. 1834 nah Paris N 
fehrt, wurde er Mitarbeiter u. 1836 Redacteur 
des bemofratiihen Bon Sens u. gründete 1837 
die Revue du Progres. In beiden Blättern 
erſchienen Artilel von ihm, welche focialiftifche 
Theorien zur Verbeſſerung der Lage der arbeiten- 
den Klaffen predigten; dieje liefen im Wefentlichen 
darauf hinaus, dem Staate die Berpflichtung auf- 
zubiirden, jedem Arbeitfucher Arbeit zu geben; 
diefer Zwed follte durch Nationalwerkitätten er- 
reiht werden, mit deren Erzeugniffen der Staat 
alsdann Handel zu treiben hätte. Die Haltlofig- 
keit diefer allen volfswirtbichaftlichen Erfahrungen 
widerfprechenden Theorien erwies fich thatlächlich, 
als B. nad) dem Ausbruche der Februarrevolution 
1848 zu einem der 4 Regierungscommiffarien u. 
zum Präfidenten der Arbeitercommijfion ernannt 
murde, welche die fociale Frage löfen follte; doch 
muß bemerft werden, daf die National: Werkftättten, 
fo wie fie entftanden, abfihtlih ganz gegen Bes 
Feen organifirt wurden, Mit feinem Berichte 
genügte er der Nationalverfammlung am 6. Mai 
fo wenig, daß er unter allen Gliedern der Provi« 
foriihen Negierung am meiften Tadel erfuhr u. 
in das Mimterium vom 11. Mai nicht gewählt 
wurde. An den Mai- u. Jumiattentaten betheiligt, 
entging er der Verhaftung durch die Flucht nad) 
England, wo er Präfident des Vereins der ge- 
flüchteten franzöfiihen Demokraten in London wurde 
u. die Monatsichrift Le nouveau Monde heraus: 
gab. Nach dem Sturze Napoleons ILL., Sept. 1870, 
fehrte er nach Frankreich zurüd, beförderte während 
des Deutſch⸗Franz. Krieges den MWiderftand von 
Paris gegen die Belagerer, hielt 1871 im ber 
Nationalverfammlung zur Äußerften Linken, ſprach 
fi für die Berechtigung der Communebewegung 
aus, ohne deren Ausartungen zu billigen, u. hielt 
fih überhaupt in neuefter Zeit von ertremen Richt- 
ungen fern, Er ſchr. no: Hist. de dix ans 
1830—1840, Bar. 1841—44, 5 Bde., wovon 
6 deutiche Ilberfegungen, u. A. von Buhl u. int, 
erſchienen find; Hist. de la r&volution frang., 
ebd. 1847—62, 12 Bde. deutich, Leipz. 1847; 
De l'organisation du travail, 1840 u. ö.; La 
revolution de Fevrier au Luxembourg, 1849; 
Appel aux honnötes gens, 1849; Pages d’hist. 
de la revolution de Fevrier 1848, Par. 1850; 
Histoire de la r&volution de 1848, Par. 1870, 
2 Bbe.; Lettres sur l’Angleterre, Bar, 1866, 
1867,4Bbe.; Questions d’aujourd’hui et de de- 
main, ®ar. 1873. 3) Augufte Alerandre 
Philippe Charles, Kunftichriftfteller, geb. 17. 
Nov. 1815 im Caſtres (Tarn), Bruder Ludwig 
Be⸗s; war zuerjt Kupferſtecher, ward dann Bericht» 
erftatter iiber die Ausftellungen im Parijer Salon 
zt., im Bon Sens u. in der Revue du Progrös, 
die fein Bruder rebigirte; dann auch Mitarbeiter 
am Courrier Frangais, dem Artiste, dem Journal 
de Rouen; dann 1841 Hauptredacteur des Pro- 


Blanchard. 489 


Histoire des peintres frangais au XIX. siöcle, 
Bar. 1845; * &eintres des fêtes galantes 
— — Lancret, ater u. Bauchet), ebd. 1853; 
‚auvre de Rembrandt, ebd. 1853—64; Grand- 
ville, ebd. 1855; De Paris à Venise, notes ä 
crayon, ebd. 1857, u. namentlich feine Fortſetz⸗ 
ung ber Hist. des peintres de toutes les &coles, 
ebd. 1849—63. B. ıft Redacteur der Gazette des 
Beaux-arts, 3) Regnet. 

Blanca (franz. Blanche, ital. Bianca, die 
Weiße), I. Kaiferin: 1) B. von Balois, 
Tochter Karls von Balois, Schwefter des Königs 
Philipp VI. von Frankreich, vermählt 1329 an 
den nachmaligen Kaifer Karl IV. von Deutich- 
land; fie fl. 1348. II. Königinnen: a) Bon 
Caftilien: 2) B., Tochter des Herzogs Peter 
b. Bourbon, feit 1353 mit Peter dem Graufamen 
vermählt; wurde von diefem ſchon am Tage nad 
der Hochzeit aus Eiferſucht ins Gefänguiß ge 
Ihidt und 1361 in Medina Sidonia vergiftet. 
b) Bon Frankreich: 8) B. von aflilien, 
ihöne, geiftreihe und charakterfefte Tochter des 
Königs Alfons IX. von Caftilien, geb. 1187; 
wurde 1200 an Ludwig VIII von Frankreich 
verheirathet, welchen fie ganz beherrſchte; nad) 
dem Tode beffelben (1226) führte fie die Regent— 
ihaft für ihren älteften Sohn, Ludwig IX., bis 
1236; fie ftarb 1252 zu Melun. 4) 3, Tochter 
des Grafen Dtto IV. von Burgund; 1307 ver 
beirathet an Karl den Schönen, Grafen von la 
Mardie, 3. Sohn des Königs Philipp des Schönen 
von Frankreich, nahmals als Karl :V. König 
von Frankreich; fie gab fi mit Margaretha, 
Königin von Navarra, ihrer Schwägerin, dem 
leichtfertigften Leben Hin, wurde deshalb 1315 
eingeferfert und 1322 des Ehebruches gejtändig 
von ihrem Gemahl gefchieden; fie ging in ein 
Kloſter zu Maubuiffen u. ft. hier 1326. c) Bon 
Navarra: 5) B., Tochter des Königs Jo— 
bann v. Aragon; war vermählt 1440 mit Don 
Heinrich von Afturien, fpäter König von Caſti— 
hen, trennte fih aber bald von ihm und kehrte 
zu ihrem Bater zurüd; nad dem Tode ihres 
Bruders Karl (1462) erbte fie Navarra, murde 
aber von ihrem Vaters gefangen, ihrer feindlich 
geſiunten Schweſter, der Gräfin Eleonora von 
Foix, ausgeliefert und ftarb nach zweijähriger 
Haft 1464 auf dem Schloſſe zu Orthez. 

Blanc de fard (aud Blanc d’Espagne) nennt 
man als Schminke benuttes baftich ſalpeterſaures 
Wismuthoryd. 

Blanc fixe (Chem.), fo v. w. fünftlich dargeftellter 
ſchwefelſaurer Barpt. 

Blandjard, 1) Jacques, Hifterienmaler 
geb. 1600 zu Paris, Sciiter von Bolleri und 
Horace de Blauc; ging nach alien, wo er die 
venetianifhe Malerei zum Muſter nahm, Tebte 
eine Zeit lang in Tnrin, wo er für dem Herzog 
von Sapoyen 3 große Bilder (die Liebe der Venus 
u. des Adonis) malte u. ging dann nad Paris; 
er ft. bier 1638, feines trefflihen Colorits halber 
der franzöfifhe Titian genannt, als Mitglied der 
Parifer Ulademie. Seine vorziglichften Werte 


pagateur de l’Aube u. Herausgeber des Parifer|find außerdem: Ausgiegung des Heiligen Geiftes, 
Almanach du mois u. von der Februar-Revolution | Fobannes auf Patınos, St. Andreas; im Louvre 


bis 1852 Director der Schönen Künfte, 


Werte: !befinden fih von ihm eine Charitas u. 2 Heilige 





490 


Blandıe. 


Familien. 2) Jean Pierre, befannter Luft [feinem Bruder Nägel fchmiedete, eine Majchine, 
ichiffer, geb. 1753 in Andelys im franz. Depart. welche deren 500 in einer Minute verfertigte. 


Eure; fuchte die Kunft des Fliegens zu erfinden u. 
beichäftigte ſich machher mit dem Aeroftaten. Erſt 
durch Berka von Montgolfiers Entdedung 
gelang ihm 1784 feine erfte Luftreiſe. 1785 
machte er die erfte Luftfahrt (mit Fefferies) don 
Dover über den Kanal nah Calais, zu deren 
Andenken der Magiftrat von Calais in Guines, 
dem Orte der Niederkunft, eine Marmorjäule er 
richten ließ. B. ging 1796 nad Amerika; er ftarb 
7. März 1809, nahdem er bis 1807 60 Luft- 
reifen gemacht hatte. Seine Gattin (geb. 25. März 
1778), ebenfalls Luftſchifferin, fam auf ihrer 67. 
Fahrt, wo fie in ber Luft ein Feuerwerl los— 
rennen wollte, durch Entzündung des Ballons 
6. Zuli 1819 in Paris ums Leben, 3) Pierre, 
franz. Iugendichriftfteller und Buchhändler, geb. 
20. Dechr. 1772 zu Dammartin-fur-le-DMorin; 
fl. 18. Dec. 1858. Er gab heraus: Les acci- 
dents de l’enfance, 11. Aufl., Bar. 1826; Amours 
de Daphnis et Chloö, amusements de l’ado- 
lescence, ebd. 1812, 2 Bbe.; Les aventures les 
plus curieuses des voyageurs etc., 3. Aufl., 
ebd. 1822, 4 Bde.; Beautes de l’histoire de 
France, 11. Aufl., ebd. 1824; Petite biblio- 
thöque des enfants, 12. Aufl., ebd. 1825; Le 
Buffon de la jeunesse, 5. Aufl., ebd. 1817, 
4 Bde.; Catechisme de la nature, 3. Aufl., ebd. 
1796; Les delassements de l’enfance, 3. Aufl., 
ebd. 1816, 6 Bde.; Les enfants de la nature, 
ebd. 1800; Felicie et Vilmard, 6, Aufl., ebd. 
1824; Les jeunes enfants, Erzählumgen, 5. Aufl,, 
ebd. 1824; Modeles des enfants, 11. Aufl., ebd. 
1825; Modeles des jeunes personnes, ebd 1811; 
La mythologie de la jeunesse, 12. Aufl., ebd. 
1824; Mythologie @lementaire, 8. Aufl., ebd. 
1823; Le petit Chaperon-rouge, Baubdeville, ebd. 
1800; Philétas, Schäferroman, ebd, 1800; Plu- 
tarque de la jeunesse, 7. Aufl., ebd. 1822, 
4 Bbe.; Le röveur sentimental, ebd. 1796, 
2 Bde.; Richardet, le jeunewventurier, Drama, 
ebd. 1801; Rose, ou la bergöre des bords de 
Morin, ebd. 1797, 2 Bde.; Rosebelle, ebd. 
1800; Simplicie, ou les voluptes de l’amour, 
ebd. 1800; Tableaux de la nature et des bien- 
faits de la providence, par Fenelon ete., 
3. Aufl., ebd. 1824; Le tresor des enfants, 
18. Aufl,, ebd. 1826; La verit6 à ceux, qui 
ouvernent, ebd. 1799; Vies des honımes ce- 
ebres, 3. Aufl., ebd. 1818; Petit voyage autour 
du monde, 5. Aufl., ebd. 1826; Voyageur de 
la jeunesse dans la quatre parties du monde, 
5. Aufl., ebd. 1819, 6 Bde. Sein Todestag ift 
nicht bekannt. 4) Henri Louis, franzöfticher 
Componift, geb. 7. Febr. 1778 zu Borbeaur; 
ftudirte in Paris Muſik unter R. Kreuker, 
Reicha, Mehul, wirkte als Kapellmeifter am Theätre 
des Varietes 1818 bis 1829, fpäter als Director 


Er erfand gleichfalls eine Drehbant, um Gewehr⸗ 
läufe dur die Combination einer einzigen auto« 
mtatiihen Operation von einem Ende bis zum 
anderen zu breben. —— verdankt man ihm 
die Erfindung einer Drehbank zu Verfertigun 
aller nur möglihen unregelmäßigen Formen en 
automatifhem Wege, welche heute in allen grüße 
ren Zeughäufern Englands und NAmeritas ein- 
geführt ift. Auch mit der Anlage von Eiienbahnen, 
der Berfertigung von Locomotiven u. Boeten zum 
Schiffen gegen die Strömung auf reißenden 
Flüſſen — er ſich. Nicht minder war er 
Erfinder einer Maſchine, genaunt der Compound 
Bend, zum Biegen ſtarker Hölzer zur Möbel» 
fabrifation u. der Herftellung der Briefcouverts 
mittel$ einer einzigen Operation. Die Zahl feiner 
Patente beläuft fih auf 25. Lange gegen Schwier 
rigfeiten aller Art fämpfend, gelang e8 ihm end» 
ih do, ein reiher Mann zu werden. Er ftarb 
zu Boſton 16. April 1864. Bgl. Biſhops Ame- 
rican Manufacturies. 6) Henri Pierre Leon 
Pharamond, franz. Maler u. Illuſtrator, geb. 
27. Febr. 1805 zu Guillotitre (Rhönebepart.); 
ft. im Jan. 1874 in Paris, B. begann feine 
Studien 1819 an der Ecole des Beaux-arts in 
Paris, fam dann in die Atelier von Chaffelat 
u. Gros, bereifte Spanien, Afrila, Merico, Deutid- 
land u. Rußland, Auch die Stoffe jeiner zabl- 
reihen Bilder u. Zeichnungen entnabm er den 
von ihm bereiften Ländern. Hanptiädhlih aber 
verdanft B. feinen Ruhm den vielen Jlluftrationen 
in den verjchiedenften Werfen, namentlich in der 
Pariſer Jluftration. 7) Augufte Thomas 
Marie, franz. Kupferfteher der Gegenwart, 
geb. 18. Mai 1819 zu Paris; ſtach die Flucht 
nah Agypten, nad Bauchot, den Ebriftusfopf u. 
Erzengel Gabriel, nah Paul Delaroche, Chriftus, 
Fauſt und Margarethe, nah Ary Sceffer, Pas 
Porträt Napoleons III., nah Dabufe, die Raucher 
und Echadhipieler, nah Meiffonnier, Jupiter und 
Antiope, nach Correggio, u. a. 
1) 5) 6) Wegnet. 2) Gieſeler. 3) Laudharb, 
Blanche, Auguft, populärer fchwediicher 
Belletrift, geb. 1811; ftudirte in Upſala die Nechte, 
wendete fih aber bald nad Vollendung jeiner 
Studien der Literatur zu; in den Reichstagen 
1859, 1862 u. 1865 war er Mitglied der Eurie 
des Bürgerftandes u. nach Einführung der neuen 
Landesverfaffung auf den Neichstagen von 1867 
u. 1868 Mitglied der Zweiten Kammer; er ftarb 
30. Novbr. 1868 in Stodholm. B. fchrieb jeit 
1846 für die Stodholmer Bühne eine Menge 
(gegen 40) Luft» u. Pingtyiele (3. B. Magister 
Bläckstadins; Läkaren; Rika morbror; Engel- 
brecht och hans dalkarlar), welche jehr beliebt 
wurden u. fih durch Lebhaftigleit n. Leichtheit 
auszeichnen; obſchon wol die beiten der ſchwediſchen 


am Theätre Moliöre. Er ſchrieb zahlreiche por Literatur, nebmen fie doch feinen höheren litera- 
pulär gewordene Vaudevilles und feit 1833 kri⸗ riſchen oder poetiihen Rang ein (das ſchwediſche 
tiiche und mufil-Kiterariihe Abhandlungen. Auch Drama ift überhaupt von geringer Bedeutung). 
als dramatiiher Schriftfteller hatte er Erfolg. B. ſchrieb aud Novellen, wie die Sammlung 
5) Thomas, namhafter amerik. Mechaniker u.|Stockholmslifvet, taflor och berättelser, Stodh. 
Erfinder, geb. 24. Juni 1788 zu Sutton in 1842 ff.; Taflor ur verkligheten, ebd. 1863 fi, 
Maffahufetts; erfand no jung, während er mithu. größere Romane, wie Flickan i Stadsgärden, 


Blanchinus — Blankaarts. 


ebd. 1847; Välnaden, ebd. 1847; Banditen, ebd. 
1848; Första älskarinnan, ebd. 1848 xc, 

Blandinus, jo v. w. Biandini. 

Blandenburg, Morig Karl Henning v., 
parlamentariicher 'Parteiführer, geb. 25. Mai 1815 
in Zimmerhaufen bei Plathe in Pommern; wid- 
mete fih 1834—38 in Berlin dem Studium der 
Rechte u. Cameralia, ftand dann in Stettin im 
Juftizdienfte und war zulegt bis 1843 Kammer- 

erichtsrefendar in Berlin, worauf er feit 1844 
ein Rittergut Zimmerhaufen verwaltete u. fpäter 
Generallandichaftsrath wurde. Seit 1852 Mit- 
glied des Preußiſchen Abgeordnnetenhaufes, gehörte 
er zu den Häuptern der Confervativen, mie auch 
feit 1867 im Norddeutſchen u. feit 1871 im Deut« 
Ihen Reichstag. Das ihm 1874 angebotene 
Minifterium der Landwirthichaft lehnte er ab. 

Blanc-manger (jr., d. i. weißes Effen), Speife 
aus geftoßenen füßen Mandeln, Orangemwaffer, 
Eitronöl u. einem Gelde von Haufenblafe, Hirich- 
born ac, 

Blanco (Bianco, ital.), 1) weiß. 2) Auf 
Schriften unbeichrieben, unausgefüllt; daher in 
DB. laffen, 3. B. bei Wechſeln, die Summe nicht 
ausichreiben, fondern fie von dem dazu Bevoll- 
mädtigten erft hineinfegen laffen; in B. ftehen, 
in der Buchhaltung, wenn in den Colonnen ge- 
miffe Summen nicht ausgeworfen werden; in 
Wechſelgeſchäften, den Wechſel eines Anderen 
acceptirt oder ihm Promeffe gemacht haben, ohne 
für die betreffende Summe gebedt zu fein. 3) Bei 
Wechſeln, wenn beim mdofement der Name des 
Indoffaten nicht angegeben u. der Pla dafür 
leer ift (in B. giriren): Blancoaccept, ein 
Accept, für den man die Dedung noch nicht hat; 
in 8. ftellen, auf einem Wechjel oder fonftigem 
Document. die Namen der Empfänger nicht aus— 
füllen; Blancoftellen, in Affecuranzpolicen die 
unausgefüllten Zwiſchenräume; Blancocrebdit, 
Eredit, ohne borgängige Dedung gewöhnlich bis 
zu einem gewiffen Betrage gewährt. 4) So 
v. w. Blanket. 

Blanco (Cap), 1) VBorgebirg an der afrika 
nischen WEüfte, zur Sahara gehörig, u. 21° n. Br.; 
wurde 1443 von einer portugiefiichen Erpedition 
enivedt. 2) Vorgebirg an der Witüfte der cen- 
tralamerit, Republif Eofta-Rica; bildet die äußerſte 
Spike der Halbinfel Nicoya. 3) Vorgebirg an der 
NWüfte der fildamerit. Republit Peru, nördlich 
von der Bai von Segura. 4) Vorgebirg an 
der DRüfte Patagoniens (SAmertfa), füdlih vom 
Cap der drei Spigen. 5) Vorgebirg an der 
Weüſte der Infel Magindanao (Philippinen, Dft- 
indifcher Archipel). 6) B., County im nordamerif. 
Unionsftaate Teras, u. 30% n. Br. u. 98° m, W; 
1187 Ew.; Eountyfit: Coroailippa. 

Blancos, die Weißen, jpan. politiiche Partei, 
dem Abjolutismus huldigend; vgl. Negros. 

Bland, County im nordamerif. Unionsftaate 
Birginia, u. 37°. Br. u, 81° w. L.; 4000 Em.; 
Eountyfig: Mechanicsbury. 

Bland, Nathanael, ausgezeichneter engl. 
Drientalift, geb. in der erften Hälfte des 19. Jahr: 
bunderts; der einzige Sohn fehr reicher Eitern 
in London, verlor aber als leidenichaftlicher Spieler 
fein ungeheures Vermögen, u. es mußte zuletzt 


491 


auch feine meift aus werthvollen perfiihen und 
arabiihen Handfhriften beftehende Sammlung 
verkauft werden, wobei auch viele geliehene ver— 
foren gingen. Infolge diefes Unglüdes verließ er 
England u. zog fih nah Homburg u. Frankfurt 
zurüd; er ft. 10. Aug. 1865. B. hatte fich im 
Drford aus Borliebe dem orientaliiden Studium 
zugewandt u. fih namentlih im Perfiihen anss 
gezeichnete Kenntniffe erworben. Außer einigen 
Auflägen in dem Journal of the Asiat. Soc, 
gab er noch heraus: Preasury of secrets, a poöm 
by Nizami, perſ., Yond. 1844; Atesh Kedah, 
peri., ebd., u. A century of Pers, Ghazels from 
unpubl. Divaus, ebd. 1851. 

Blandiren (v. Lat.), ſchmeicheln; daher 
Blanditien, Schmeicheleien, Flatterien; Blan« 
diloguenz, Schmeicyelrede, 

Blandräta (Biandrata), Giorgio, Arzt, 
geb. um 1515 in Saluzzo (Piemont); als Pros 
teftant verfolgt, floh er 1556 von Papia, wo er 
prafticirte, nah Genf und von hier 1558 nad 
Polen; feiner unitariſchen Auſichten wegen mußte 
er 1563 nad Siebenbürgen fliehen, wurde bier 
Leibarzt des Firften Fohanı Siegmund und 
Stifter der Umitarier in Siebenbürgen. Er fol 
hier 1690 von einem fath. Berwandten ermordet 
worden fein. Er jchrieb u. a.: Confessio anti- 
trinitaria, herausgegeben von Hente, 1794. Bol, 
Malocarne, Commentario delle opere di G. B., 
PBadna 1814, 

Blangini, Giufeppe Maria ale, ital. 
Componift, geb. 18. Nov. 1781 in Zurin; lebte 
jeit 1797 in SFrankreich und der Schweiz, jeit 
1799 als Gefanglehrer in Paris, wurde 1805 
Hoffapellmeifter in München, 1806 Mufifdirector 
der Prinzeifin Borghefe und 1809 Kapellmeifter 
des Königs von Weſtfalen in Kaſſel; er lebte ſeit 
1814 in Paris; ftarb 18. Dec. 1841. Man hat 
von ihm eine Menge Opern, 3. B.: La fausse 
duögne, 1802; Chimöre et realite: Zelie et Ter- 
ville; Encore un tour de Calife; Nephtali; Le 
sacrifice d’Abraham; La fee Urgele, La prin- 
cesse de Gachemire; L’amour philosophe etc.; 
außerdem Romanzen, Notturnos u. Arien, 

Blank, Joſeph Bonavita, geb. 23, März 
1740 in Würzburg; war früher Prediger in Pas 
radies bei Straßburg, wurde 1789 Oberer im 
Diinoritenklofter zu Würzburg; ft. hier 26. Febr. 
1827 als Profeffor der PHilofophie- und Naturs 
geihichte u. Director des Naturalien- u. Kunſt⸗ 
cabinet8 der Univerfität. Er ift Erfinder der 
Moosmofait; feine Sammlung von Naturpro- 
ducten, unter dem Namen des Blanfifhen 
Gabinets befannt, trat er der lniverfität ab. 
Er jr. u. a.: Bericht vom Blankiſchen Na- 
turaliencabinet im Würzburg, Wilrzb. 1795 bis 
1803, 2 Theile; Mufiv-Gemälde, berausgeg. von 
Köl, ebd. 1796; Handbud der Mineralogie, ebd, 
1810; Handbuch der Zoologie, ebd. 1811; Ber 
fchreibung feiner Kunftgemälde, herausgeg. von 
Bentert, ebd. 1820, 2. 4. 

Blanfaart3 (Blancardus), 1) Nikolaus, 
holl. Gelehrter, geb. 11. Dec. 1625 in Leyden; 
wurde Lehrer der Geichichte in Steinfurt, 1650 
Profeffor der Geihichte u. Politif zu Middelburg 
und Hifteriograph von Seeland; ging 1666 als 





492 


Arzt nah Heerenveen, 1669 als Profeffor der,ftarben, zog Braunfchweig als Lehnsherr defien 
Geſchichte u. griehiihen Sprache nad Fraueker; Güter ein. 1690 erhielt Prinz Ludwig Rudolf, 
ftarb 15. Mai 1703. Er gab heraus den Florus, —— Sohn Anton Ulrichs von Wolfenbüttel, 
Eurtius, Arrianos, Epiftetes, Harpofration, Thomas|B. zur Apanage, weldes 1707 zum Fürftenthum 
Magifter u.a. m. 2) Stephan, Anatom, Sohnlerhoben, aber, da Ludwig Rudolf 1731 als Herzo 
des Vor., geb. im Middelburg, Arzt zu Amnfterdam | fuccedirte, mit Braunfhweig-Wolfenbittel vereinig 
im 17. u. 18. Jahrh. Er zeigte in feiner Schrift wurde. Die Stadt B., feit dem 10. Jahrh. um- 
De eirculatione sanguinis den Ubergang der klein⸗ manert, wurde 1625 von Wallenftein belagert, Im 
ften Arterien in die Heinften Benen u. juchte in|Siebenjährigen Kriege war fie nentral u. Auf. 


Blanfenberghe — Blantenftein. 


der: Venus belegert en outzet (Amfterd. 1784,jenthalt des braunichweigiichen Hofes; vom Aug. 
deutſch: Belagerte u. entfegte Venus, Lpz. 1698,|1796 bis Febr. 1798 hielt fi aud) Ludwig xvIl. 


Augsb. 1710) das hohe Alter der Syphilis durch hier auf. 
alte Belegftellen nachzımeifen. Außerdem ihr. er: | Weftfalen. 
Anatoınia reform., Leyd. 1688 u. 1695, holl., Amft.,|dey Oberherrichaft des Fürſtenthums 


1696, deutih von Peucer, Hannov. 1690 u, 1707; 
Anatomia practica, Leyd. 1688, deutſch, Hannov. 
1699; Lexieon medieum graeco-lat,, Amft. 1679 
u. ö., zulegt von Iſenflamm, 2 Bde., Lpz. 1777, 
deutih, Bern 1716, von Kühn, Lpz. 1832; Car- 
tesianische academie en de institution der 


medicynen, Amft. 1686, 1691, deutſch, Lpz. 1620|. 


u. ö,, zulegt 1735; Opera medic. et chirurg., 
Leyd. 1701, 2 Bde. Thambapın. * 
Blanfenberghe (Blantenberg), Marktfleden 
im Bezirfe Brügge der belgijhen Prov. Wylan- 
dern, an der Nordfee, Eifenbahnftation; Hafen u. 
Fiſcherei; ſehr befuchte Seebäder (jährlih etwa 
5000 Gäſte); 2400 Ew. Der Blantenbergher 
Kanal führt bei = aus dem Oftender Kanal 
durch die Dünen von B. in die Nordſee. 
Blankenburg, 1) Kreis im Herzogthum 
Braunfchweig, vom übrigen Gebiete deifelben ab: 
gejondert, auf dem Harze, den öftlihen Theil 
dejfelben umfaffend, beftehend aus dem alten 
Fürſtenthum B. und dem Gtifte Walfenried; 
474,0 [km (8,0: IM); durch den Harz gebirgig 
u. waldig; Flüſſe: Bode, Zorge u. a.; 22,400 
Emw.; liefert Eifen, Marmor, im N. Getreide. 
2) Hauptſtadt dafelbft, am NFuße des Harz- 
5 an der B.-Halberftadter Eiſenbahn, am 
lanfenberger Bade u, unter dem füdl. von 
dem Schloßberge fich erhebenden Blantenftein, 
worauf ein Schloß mit einigen Kunftichägen; 
Kreisgericht, Kreisdirection u. Amtsgericht; Gym— 
naſium; SKiefernadelbad; 3853 Ew.; dabei im 
©. der Ealvinusberg mit dem Luiſenhauſe. Die 
Umgebungen von B, find romantiſch u. be. reich 
an grotesten FFeljenpartien, fo die Teufelsmauer, 
der Wegenftein mit den Ruinen der gleichnam, 
preuß. Feſtung; eine fchöne Ausficht gewährt der 
ußerfte Theil des Harzes, der BZiegenfopf mit 
Gaftwirthihaft. — B. war früher Grafihaft und 
gehörte zur Grafſchaft Noroheim. Graf Poppo, 
vermählt mit Richenga von Nordheim, komnit 
1130—1162 als Graf von B. vor. Bon feinen 
Söhnen begründete Konrad die ältere Linie der 
Grafen von Regenftein, der jüngfte, Siegfried L, 
wurde Graf von B. bis 1173; ihm folgte 1173 
jein älterer Sohn Heinrih, dann 1186 fein jün« 
en Sohn Siegfried II., welcher um 1244 ftarb, 
ie Grafſchaft umfaßte den Broden, die Rof- 
trappe u. viele nah u. nad zu Halberſtadt ges 
ſchlagene Orte. Auch gehörte eine Zeit lang die 
Advocatie Hupyfeburg dazu, über welche es fort 
während Streit mit Halberjtadt gab. Als bie 
Grafen von B. 1599 mit Johanı Georg aus— 


1807—13 


ebörte B. zum Königreich 
8) (Son 


Blaufenberg) Stadt in 

Kamansuie: 
Audolftadt, an der Riune; Wollenipinnerei, Ba- 
pier- und syarbenfabrifation, ſchöne Marmor: 
mwaaren; Fichtennadelbad u, Kaltwaflerheilanftalt; 
klimat. Kurort; ſtarker Obftbau; 1450 Ew. Da- 
bei Trümmer der ſchon im 12. Jahrh. urkund- 
ih vorlommenden Burg Greiffenftein, fpäter 


ur Hu 


jtadt 1820, 

Blankenburg, Heinrich, Gefchichtichreiber, 
geb, 7. Dctbr. 1820 im Kölnifhen; trat im die 
preuß. Armee, in welcher er Offizier beim Genie 
wurde und 185057 den Heitaurationsbau der 
Burg Hohenzollern leitete, worauf er zur Armee 
zurüdfebrte u. bald zum Major avancırte; nach— 
ber nahm er als Oberftlieutenant feinen Abichied 
und wendete fih nad Breslau, wo er für Zeit- 
ſchriften ſchrieb. Außerdem verfaßte er: Der Dent- 
he Krieg von 1866, Lpz. 1868, u. Die inneren 
Kämpfe der Norbamerifanifhen Union bis zur 
PVräfidentenwahl 1868, ebd. 1869. Seit 1870 
ift er Mitglied des Preuß. Abgeordnnetenhaufes. 

Blankeneſe, Dorf im Kreife Pinneberg der 
preuß. Provinz Schleswig-Holftein, am nördlichen 
hohen Geftade der Elbe, neben dem 90 m boben 
Bauers- oder Sühlberg, 7 km von Altona, Eijen- 
bahmverbindung mit Altona; Zollcontrole; 3331 
Ew. Die Blankenefer Schiffer find als kühne 
Seefahrer befannt. Der Ort befitt eine bebeu- 
tende Anzahl eigener Seeſchiffe mit zufammen 
34,000 Tonnen Gehalt. 

Blanfenhain, Stadt im gleichnam. Juftiz« 
amtedesI.Berwaltungsbezirkesim Großherzogthum 
Sadhjen - Weimar, an der Schwarza; Yandes- 
Hofpital; Badeanftalt, Porzellanfabrit, Töpferei u. 

ierbranerei; Flimatifcher Kurort; 2241 Ew. 8. 
war ehemals Sit der gleihnam. Grafichaft, welde 
1803 an Preußen, 1815 aber an Weimar kam, 

Blankenheim, Flechen im Kreiſe Schleiden 
des preuß. Regbez. Aahen, an der Ahr u. Eifel- 
bahn; altes Schloß; Eifenwerk; Eijenfteingruben; 
620 Em. B. war fonft Reſidenz der Grafen 
Mandericheid, die im Neichsdeputationshauptichluß 
durch Schuffenried u, Weißenau entihädigt wurden. 

Blanfenheimer Thee, j. u. Galeopsis. 

Blankenſtein, Markt. im Kreiſe Bochum 
des preuß. Regbez. Mrnsberg; in jchöner Yage 
an der Ruhr u. der Berg.-Märk. Eiſenb.; Eiien- 
und Gußdrabtieil-, Seifen» und Feilenfabrikation; 
Eijenfteingruben; Ruine einer 1227 erbauten 


Blänfer — Blaſche. 493 


Burg, die der Große Kurfürft 1664 3. Th. nie; Verbindung in Paris am 12. Mai 1839; er wurde 
derreißen ließ; jest reftaurirt, ftark bejuchter Ziel-|verhaftet u. 1840 von dem Pairshofe zum Tode 
punft von Zouriften; 1400 Em.; in der Näbelverurtheilt, vom König Ludwig Philipp aber zur 
das um 1008 erbaute Haus Kemnate. Deportation begnadigt. Er ſaß erft auf St. Michel 
Blänfer (Pläntier), 1) (Flanqueurs) einzelne, in ſchwerer Haft gefangen, wurde aber, nachdem er 
einer Truppe vorausgefchidte Reiter, um die Be-|feine Mitichuldigen denuncirt hatte, 1841 im leich« 
megungen u. Abfichten des Feindes zu eripähen|teren Arreft nah Tours abgeführt. Durch die 
n., mit ihm fcharmuzivend, das Andringen von) Februar-Mevolution 1848 befreit, wurde er Präfi« 
einzelnen feindlichen Reitern auf eine Gavalerie-|dent des einflußreichften republifaniichen Central⸗ 
linie zu hindern. Der 4. Zug jeder Schwadron ſclubs; betheiligte fi beim Maiattentat 1848, 
ift vorzugsmeife zum Bläntern (Flankiren) be- [wurde aber ergriffen u. im dem Staatsproceh zu 
fimmt u. wird hierzu etwa 200 Schritt vor die] Bourges zu 10jähriger Haft verurtheilt, melde er 
Schwadron geihidt, wo dann diefer Zug miederfin Belle-Fgle, fpäter ın Corte auf Eorfica verbüßte. 
4—6 Motten als B. 100 Schritte verjendet.|1859 ammeftirt, ging er nach London u. kehrte 1861 
Außerdem gehören die Spigen der Avantgarden,|nad Frankreich zurüd. Wegen fortgefetster demo— 
bie Seitenpatrouilfen u. dgl. zu den B-n. Bumjfratifher Umtriebe mit Gefängnißftrafen belegt, 
Blänkern gehört Gefchidlichkeit des Meiters und floh er 1865 nach Brüffel. Bon der Aınneftie 
Pferdes, auch Übung im Schießen. 2) Die Zirail-| 1869 machte er feinen Gebraud. Er war es, der 
leurs (f. d.) der Infanterie. den Uberfall der Bompiers von La Billette 14. 
Blanfet (v. fr. Blanquet; Charta blanca,|Aug. 1870 zum Sturze der faiferlihen Regierung 
Carte blanche), Art Vollmacht, wo der Bolls[anftiftete, u. befand fi während der Belagerung 
machtgeber entweder nur feinen Namen mit bei-Jin Paris, wo er das radicale Blatt La patrie en 
gefügtem Siegel auf einen leeren Bogen ſchreibt, danger herausgab. Nad der Wahl der National- 
welche Unterfchrift die Kraft einer generellen Boll- | verfammlung confpirirte er gegen diefelbe, war bei 
macht hat, oder bei der Unterfchreibung des Na-| dem Aufftande gegen die Provif. Regierung 31. Okt. 
mens zugleich die Sache anzeigt, zu deren Filhr-⸗ 1870 u. 22. Jan. 1871 betheiligt u. ftand an der 
ung das B. dienen foll, woraus lediglich eine) Spige des revolutionären Centralcomites in Paris. 
jpecielle Vollmacht erwächſt. Vgl. Blanco. Vor dem Ausbruche der Revolution vom 18. März 
Blanfe Waffe, Gegenſatz zur Feuerwaffe, das 1871 verließ er Paris, um in den großen Städten 
Bayonnet des Fußvolfes, Säbel oder Lanze derſu. Eentren der Großinduftrie Bewegung hervor- 
Reiter; f. u. Waffe, zurufen, wurde aber auf Befehl der — 
Blank verses (engl., fr. Blancs vers, ital. Versi nach der Emeute von St. Etienne verhaftet u. im 
sciotti; Poet.), reimlofe Berfe. April 1872 vom Kriegsgerichte in Verſailles zur 
Blanpain, franz. Aftronom, geb. 1779, geft.| Deportation nah Neu» Ealedonien verurtheilt, 
6. Aug. 1846 als Director der Sternwarte zulaber feiner leidenden Gefundheit halber einftweilen 
Marſeille; entdedte den Kometen von 1819. in Feftungshaft genommen, WS Frucht feiner 
Blanqui, 1) Zeröme Adolphe, berühmter|Gefängnißhaft gab er Febr. 1872 ein aftronom. 
franz. Nationalötenom, geb. 20. Nov. 1798 in Werk: L’öternits dans les astres, heraus, 
Nizza; ftudirte in Paris, wurde hier 1825 Profeffor] Blansfo,St.imöfterr.Bez.Bostowig (Mähren), 
der Geſchichte u. induftriellen Ofonomie an derlan der Zwittama u. der Brünn-Pardımviger Eifen- 
Handelsihule u. hielt Borlefungen im Athenäum;|bahn; fürftlih Salmſches Schloß ; anfehnliche Eijen- 
nahdem er den größten Theil WEuropas bereiftiwerte, Eifengießerei, Maſchinenfabrik, Pulver» u, 
batte, wurde er 1830 Director der Handelsichule|Papiermühlen, hemiihe u, Thonwaaren-Fabrikz 
u. 1833 Brofeffor der induftriellen Olonomie am|2545 Ew.; in der Nähe ſchöne Anlagen und 
Conservatoire des arts et metiers; 1839—1841|Kalfhöhlen, ſowie die Ruinen von den Burgen 
machte er wiffenjchaftliche Reifen nach Eorfica, Algier] Baubrawig u, Holftein, auch eine von der Natur 
und der Türkei; er ft. 28. Jan. 1854 zuu Paris. gebildete Felſenbrücke, Teufelsbrüde genannt. 
Sein nationalölonomifches Syftem neigt z m Frei] Blappart (Plappart, Blappert, Blaffert), 
handel. B. jhr.: Voyage en Angleterre et en|chemal. Heine Schweizer-Münze —=1 Schilling 
Ecosse, 1824; Resume de l’'hist. du commerce|oder 6 Rappen. Davon der B. Kerieg, ein Feldzu 
et de l’industrie, 1826; Pröeis &l&m, d’&conomie|der Schweiger nah dem Thurgau, 1458 
politique, 1826, fpan,, 1840; Voyage à Madrid, |verächtlihe Bezeichnung eines B⸗s an einem Scie- 
1826; Hist. de l’&conomie politique en Europejfen zu u © veranlaßt; die Stadt Kouftanz 
depuis les anciens jusqu’a nos jours, Paris) mußte, um die Schweizer zur Rücklehr zu bewe⸗ 
1837 f., 2 Bde., 4. A., 1860, deutſch, Karlsr. 1840 
bi8 1841 (fein Hauptwerk); Consid&rationssurl'etat 
sociale des populations de la Turquie d’Europe, 
deutſch von Horb, Magdeb.; ohne fein Willen 
wurde fein Cours d’&con. pol. am Conservatoire 
1836—37 in Marfeille, Bordeaur u. Paris her- 
ausgegeben. 2) Louis Augufte, franz. Commu- 
niſt, —* des Vor., geb. 1805 in Nizza; nahm 
frühzeitig in Paris an den communiftiihen Ver— 
bindungen theil, ftand mit Barbes u. Bernard an 
der Spitze der Societe des Saisons u. war Mitan« 
flifter des erften communiftiihen Aufruhres jener 













































gen, 3000 Gulden entrichten. 

Blarer, fo v. w. Blaarer. 

San Blas, Stadt im mericanifhen Staate 
Zalisco, am Großen Ocean; Marinedepartentent; 
Werft, Magazine; geringe bedeutender 

andel; 3000 Ew.; unmeit der Stadt wichtiger 
ra von December bis Juni gefund, in der 
übrigen, naffen Jahreszeit ungefund (Fieber) 
und öde, 

Dias (Lit.), f. Gil Blas. 

Dlafche, Bernhard Heinrich, deutfcher Pä- 
dagog, geb. 2. April 1766 in Jena; flubirte. da” 


494 


Bläschen — Blafebalg. 


felbft feit 1783 Philofophie u. Theologie, war Flüifigfeitsbäutchen; wie die Haut-B-n durch ibre 
1796—1810 Lehrer an der Salzmannſchen Er-j@lafticität, fo üben auch diefe auf die von ihnen 


ziehungsanftalt zu Schnepfenthal, ging dann nad 
Unter-Wirbach bei Blanfenburg; lebte seit 1820 
zu Waltershaufen als ſchwarzburgiſcher Educations- 
ratb; fi. 26. Nov. 1832. Er jr. u. a.: Der 
Bapparbeiter, Schnepfenth.1797,5.4., 1847 ; Wert» 
ftätte für Kinder, Gotha 1800—1802, 4 Tble.; 
Grundjäge der Jugendleitung zur Induſtrie, 1804; 
Der technologiihe Jugendfreund u. unterhaltende 
Wanderungen in die Werfftätten der Kinftler u. 
gan Frantf. 1804—10, 5 Thle.; Ein 
aar Worte an Eltern über bie Frage: wie 
lönnen Handarbeiten bildend für die Jugend fein? 
Gotha 1811; Der Papierformer, Lpz. 1819, u. a. 
dal, Schriften; außerdem: Naturbildung, Lpz. 
1815; Handbuch der Erziehungswiflenichaft, Gie- 
gen 1822—24, 2 Bde; Das Böfe im Einflang 
mit der Weltorbnung, Lpz. 1827; Philojophie der 
Offenbarung, Gotha 1829; Kritik des modernen 
Geiſterglaubens, ebd. 1830; Die göttlichen Eigen- 
haften in ihrer Einheit, Erf. 1831; Philofophifche 

“"Unfterblichkeitsiehre, ebd. 1831. taudhard.* 
Bläschen (Vesicula), Anfammlung einer wäſ— 
ferigen Fluͤſſigleit unter der auf einer kleinen Stelle 
gehobenen Oberhaut: Graafiihe B. oder Graa— 
fiſche Follikel (Eifapfeln, Eijädchen, Follieuli 
ovarii s. Graafiani), geſchloſſene Säckchen, aus 
Hülle u. Inhalt beftehend, find die in dem Eier- 
ſtock (ſ. d.) enthaltenen B., aus welchen die Eier 
austreten, deren Befruchtung mit dem männlichen 
Samen der erfte Anfang der Entwidelung des 
Fötus iſt; ſyphilitiſche B. (Vesiculae syphi- 
liticae), an verjchiedenen Körperftellen erſcheinend, 
einzeln oder in Gruppen, trodnen ein, fchuppen 
fih ab, ftoßen fich jchorfartig ab, oder gehen in 
Geſchwüre über. 

Bläschenausſchlag (Herpes), ein Hervor- 
brechen von Bläschen an Lippe, Nafe, im Mund, 
an Wange u. Obr, be. das Wechielfieber beglei- 
tend, jedoch auch bei anderen Krankheiten beob- 
achtet, zumal bei Schnupfen u. Lungenkatarrh. 

j Biale, 1) eine durch einen tropfbar-flüffigen 
oder elaftiich-flüffigen (gasförmigen) Körper rund- 
fih aufgeblähte San. Dahin gehören gewiſſe 
normale Bildungen im menſchlichen u. thieriſchen 
Körper, wie die Harn-B., die Gallen-B., die 
Shwimm-B. der Fiſche u. die Gift-®. der Die 

nen; ferner frankhafte Bildungen, meift halbkuge— 
fige Erhebungen der Oberhaut, welche mit einer 
hellen oder milchigen, eiterartigen Flüffigleit, auch 
mit Blut, Jauche oder Yuft gefüllt find, von der 

Größe eines Hirfenfornes bis zu der einer halben 
Erbje (Bläschen, ſ. d.), u. darüber (Vesica) bis 
zu der einer halben welihen Nuß (Bulla). Die 
Entzündung, melche dieje B-n zumeilen umgibt, 
heißt der Hof (Halos); wenn diejer groß, die 8. 
jelbft aber Mein u. mit Eiter gefüllt ift, jo nennt 
man diefelbe eine BPuftel. Die B-n bilden eigene 
Klaſſen der Hautkrankheiten u. entftehen beim Ber- 
breimen, oder von Äußerem Drud, wie bei. von 
Schuhwerk an den Füßen, oder auch als Ausichlag, 
oder fie find willfürlidy bewirkt; vgl. Blafenauss 
Ihlag und Blafenziebende Mittel. Endlich find 
Ben in diefem Sinne die Seifenblafen, iiberhaupt 

‚ale elaftiihen, eine Luftmenge umichließenden 


eingeſchloſſene Luft infolge ihrer Oberflähenipann- 
ung einen von allen Seiten nach innen gerichteten 
Drud (Eohäfionsdruf) aus; fie runden fich des- 
halb an den freien Oberflädhentheilen u. nehmen, 
wenn fie alljeitig frei find, Kugelform an. 2) Ein 
rundliches, einer B. im eigentlichen Sinne gleich 
oder ähnlich geftaltetes Gefäß, bei. von Metall 
(Defillir-B., Branntwein-®.). 8) Eine von 
einer Flüſſigkeit umſchloſſene kugelige Luftmenge, 
z. B. eine im Waſſer aufſteigende Yuft-B.; auch 
die ſolche Luftmengen einſchließenden Räume in 
feften Körpern, die vorher flüfftg oder breiig waren, 
wie 3. B. die Ben in gegoflenem Metall, im 
Brode zc. 4) Die (getvodnete) Subftanz der Harn» 
blaſe, fo die Schweins- u. Rinder-B., die zum 
Berichluß der Gefäße dient; Subftanz der Shwimm- 
blafe, jo die Haufen-B., der aus der Schwimm- 
B. des Haufen (Acipenser Huso L.) gewonnene 
Fiſchleim. 

Blaſebalg, Werkzeug, mit welchem eine Luft⸗ 
ſtrömung herdorgebracht wird, gemeiniglich um 
Feuer zu ſchüren. Die gewöhnlichen Blaſebälge 
zerfallen in zwei Arten, einfache u. doppelte. Zur 
eriten Art gehören die in Hausmirthichaften ger 
bräuchlichen Hand-Blafebälge. Sie beftehen aus 
zwei unter fpitem Winkel durch Leder verbunde- 
nen Brettern (Baden, die dur zwei Handgrifie 
zuiammengedrüdt u. auseinandergezogen werden. 
Dabei wird durch ein mit dem inneren Raume 
verbundenes koniſches Rohr (Dife) die Luft ab- 
wechjelnd ausgeblajen u. eingefaugt. Die größeren, 
1 bis 2 m langen Blafjebälge der Handwerker find faft 
immer doppelte Blafebälge u. geben einen ununter- 
brochenen Luftſtrom. ie beſtehen aus zwei durch 
die feſtliegende Mittelwand verbundenen einfachen 
Blaſebälgen. Von dieſen iſt nur der obere mit 
einem Ausſtrömungsrohre für die Luft verſehen, 
während nur der untere Luft von außen durch 
ein im feiner unteren Wand liegendes Ventil auf—⸗ 
nimmt u. beim Zujammendrüden dur ein im 
der Mittelwand liegendes Ventil an dem oberen 
Balg abgibt. Die beweglihe Wand des oberen 
Balges wird durch Gewichte belaftet, deren Größe 
die Stärfe des ausftrömenden Yuftftromes regelt. 
Auch die bewegliche Wand des unteren Balges 
wird durch ein Gewicht berabgezogen, während 
das Hinaufziehen mittels Hebels (B-fchiwengel) 
durch einen Fußtritt oder einen Zug mit der Hand 
beforgt wird. Früher wurden auch große Gebläfe 
mit Blafebälgen in fogenannten Blaſemühlen 
durh Maſchinen betrieben. In der Neuzeit find 
fie indeffen durch Ventilatoren u. Gebläjemaichinen 
verdrängt. ylirtransportableSchmiebeherde erhalten 
die Blajebälge, um weniger Raum einzunehmen, 
eine runde Seftalt. Gute doppelte Blafebälge find mit 
einer Vorrichtung verjehen, wodurch der obere 
Balg im jeder Lage feitgebalten werden kann, 
damıt das Blafen plötzlich aufhört. Am Schluffe 
der Arbeit wird der Balg zur Schonung in feiner 
höchſten Lage feſtgeſtellt. Die Erfindungder Blajebälge 
wird dem Stythen Anacharſis zugeihrieben. Ehe⸗ 
dem hatte man auf den Hüttenwerfen auch Biajebälge 
mit ledernen Seitenwänden; doch ſeitdem Hanns 
Yobfinger, ein Nürnberger, die hölzernen ums 


Blafebalggeräufh — Blajenkrampf. 


495 


Jahr 1550 erfand, wurden fie durch diefelben[macht fich durch ihre Häufigfeit oft in Gemädhs- 


Gieſeler. 


verdrängt. 
Blefebalngeräufg (Blafegeräufh, Med.), Palmen u. YWzalien ſchwer zu vertreiben; greift 
fogen. Bintgeräufh, hörbar bei der Unterfuchung deren Blätter a u. macht fie ſchwindflichtig. 


häuſern läftig, u. ift datelbit namentlich von Farn, 


Ein 


des Herzens mittel$ der Aufcultation, bei acuten anderer, namentlich Dracänen anfallender Blafenfuß 
Blutkrankheiten (z. B. Typhus) u. Bleichſucht iſt Heliothrips Dracaenae Halid., gelbbraun. 
anſtatt des erſten Herztones, gewöhnlich auch in Zahlreiche andere Arten finden ſich, meiſt ohne 


den Arterien zu bören. 


ſonderlichen Schaden anzurichten, in Blüthen von 


Blaſenausſchlag (Pemphigus), Hautfrant-|Ampferarten, Stacelbeeren, Vrimeln ⁊c. Als 


heit, die zumeilen beſ. zu 
haupt geneigte Berjonen jedes Alters befältt. Un- 
ter Juden u. Brennen bilden fih durch Erheb— 


Hautkrankheiten über-]Gegenmittel für Gemähshausbewohner (denn für 


die ‚freilebenden gibt es feine, welche angewen- 
det werben könnten) empjeblen fih Räucerungen 


ung des Oberhäuthens u. durch Abjonderung| mit Fmjectenpufver, Abwaihungen mit Wafler, 


einer wäſſerigen Feuchtigkeit an irgend einem 
Theil des Körper Blaſen von wechſelnder Ge- 
ftalt, Größe u. Farbe, die ſich weiter verbreiten, 
aud in den Mund, nur nicht in die Handflädhen 
u. an die Fußſohlen. 


Jede Blafe füllt fich, platst| melte 


worin Tabak abgetocht wurde, endlich Wegichnei- 
den u. Entfernen der zumeift befallenen Organe 
u. Pflanzen. Thome, 
Dlafengalle, die in der Gallenblafe angefam- 
alle (zum Unterichiede von der in den 


oft u. füllt fih dann von Neuem; nach u. nach Gallengängen der Leber befindlichen), welcher der 


wird fie welt, die Oberhaut bieibt weiß u. runze— 
fig, die Haut darumter zeigt fich entzündet n. in 
manderlei Art verändert. Gie ift oft mit Fieber 
verbunden, das entweder ein einfaches Reizfieber, 
oder auch complicirt ift, wovon auch die Gefahr 
abhängt. Der Hronijhe DB. kehrt zumeilen 
periodiih wieder, Tann Monate, ja Jahre lang 
dauern, auch mol zur Berzehrung führen. Der 
B. Neugeborener berubt meift auf ererbter Syphilis. 

Blajenfühe (Thripidae), Infectenfamilie auf 
der Ordnung der Geradflügler, Unterordnung der 
ftrgfliiglerartigen G.; Kopf cylindriſch mit nad 
vorn gewandtem Scheitel u. fadenförmigen, 8- 
bis 9gliederigen Fühlern, mit 3 Punktaugen zwi 
ſchen den großen Facettenaugen; Mundtbeile zum 
Saugen eingerichtet mit borftenförmigen Ober» 
tiefern u. flachen, dreiedigen Unterkiefern, welche 
mit dem Kinne verwacjen find u. einen Fühler 
tragen; Flügel ſchmal, lanzettförmig, am ande 
mit feinen Haaren bejetst; die zweigliederigen 
Füße enden ftatt der Krallen mit einem jaugnapf- 
ähnlichen Haftlappen (daher der Name), Einige 
vermögen mittels des Hinterleibes zu ipringen. Sie 
leben auf Pflanzen; die im Freien, u. dann meift 
in den Blüthen lebenden verurjachen oft das 
Fehlſchlagen der Frucht; die auf Blättern, bejon- 
ders der Gewächshauspflanzen, lebenden verurfachen 
durch Zerftörung der Oberhaut gelbe Flecken, 
fogar das Abfterben der Blätter (Schwindſucht). 
Getreideblafenfuß (Thrips cerealium Hali- 
day), tuntelbraun, 2 mm lang; lebt in den Blü- 
then. namentlich des Weizens; wird durch jeine 
Menge oft jehr fhädlih, auch dem Menſchen oft 
läftig, indem er ihn an beißen Sommertagen 
verfolgt u. ducch fein Anfliegen gegen das Geficht 
Juden verurjadt. Roggenblajenfuß (Th. 
frumentarius Beling) wurde im Harz dem Ger 
treide jhon mehrfach dadurch gefährlih, daß er 
beim Roggen deffen eben aus der Blatticheibe 
bervortretenden zarten Fruchtlnoten benagte u. 
fo etwa die Hälfte des Ertrages vernichtete, daß 
er jpäter beim Weizen namentlih die Spelzen 
angrifj, enblih in der noch jpäter in die Ahren 
tretenden Gerfte bejonders die Blüthenjpelzen be- 
nagte u. jo den Ertrag minderte. 
liege (Heliothrips 


Schleim der Gallenblafe beigemiſcht ift. Der 
Bngang (Ductus eysticus) ift derjenige häutige 
Kanal, welcher die in der Peber bereitete Galle 
in die Gallenbtafe führt; ſ. Gallenblaſe. 

Dlafengries (Med.), Gries (ſ. d.) in der 
Harnblaje. 

Blafengrün nennt man das aus den Bee 
ven des Kreuzdorns (Rhamnus cathariticus) ge 
wonnene Saftgrün; hübſche Wafjerfarbe, 

Blafenhämorrhoiden, gleichzeitig mit den 
gewöhnlichen Hämorrhoiden des Maftdarmes; 
finden fi bei älteren Männern u, bei rauf: 
beiten der Harn⸗ u. Geſchlechtswerlzeuge. Die 
B. beſtehen in Erweiterungen (Baricoſitäten) des 
Blaſengeflechtes; bei Frauen erweitern ſich gleich— 
zeitig die Venen des oberen Theils der Scheide 
u. der breiten Mutterbänder. Die B, verurjachen 
Beihwerden beim Harnlaflen, Schmerz in dem 
Blajenhalfe u. der Harmöbre, Schleim-, Eiter« 
u. Blutharnen, Auch die Gefchlechtötheile werden 
gleichzeitig gereizt. 

Bliaſenkäfer (Pflafterfäfer, Vesicantia, Me- 
loidae, Cantharidae), Käferfamilie aus der Gruppe 
der Ungleichfüßer (Heteromera), mit breitem, 
balsförmig eingefhürtem Kopfe u. breiten, oft 
Haffenden Flügeldecken, welche den Hinterleib nicht 
ganz bededen. Die Käfer ernähren ſich meift 
von Blättern; fie werden wegen der blafer !. sen« 
den Eigenfhaft ihrer Säfte zur Bereitung von 
blajenziebenden Mitteln (ſpaniſche Fliegen) benutzt. 
Die Larven leben theils paraſitiſch an Inſecten, 
theils unter Baumrinde; einige (z. B. beim Mai— 
wurm, ſ. d.) durchlaufen einige complicirte, als 
Hypermetamorphoſe (Uberverwandlung) bezeichnete 
Verwandlung, indem ſie zuerſt 3 Fußpaare be— 
ſitzen, dieſelben aber in ſpäteren Lebensſtadien 
verlieren u, dann walzlich ericheinen. Dahin der 
Maiwurm (f. d., Melod) u. die ſpaniſche Fliege 
(j. 2.). Thome. 

Blaſenkrampf (Cystospasmus od. Spasmus 
vosicae, heftiger zufammenfchnürender Schmerz in 
der Blafengegend, der nah Art der Krämpfe in 
Anfällen auftritt umd entweder mit Harndrang, 
oder Harnverhaltung einhergeht. Bisweilen gebt 


Die ſchwarze der Schmerz auch auf Ruthe, Maſtdarm, Schentel 
haemorrhoidalis Fb.), über. Selten ift die Urſache rein nervös; 
1,., mm, ſchwarzbraun mit mweißlihen Flügeln; wöhnlich find Erkrankungen der Harn und 


de 


496 


ſchlechtswerlzeuge, Blafenftein u. ſcharfer Urin die 
Urſache. 

Blaſenkrankheit, ſo v. w. Blaſenausſchlag. 

—— jo v. w. Pimpernuß (Staphy- 
lea L.). 

Blafenpflafter (Emplastrum cantharidum 
ordinarium) befteht aus zerftoßenen Ganthariden 
(Lytta vesicatoria, Meloe ves.), welde mit Wachs 
oder Fett verrieben auf Yeinwand, Leder oder 
Wachstaffet geftrichen werden. Das Pflafter wird 
in Stüden von Thalergröße auf ber an be» 
feftigt u. bewirkt in 24 Stunden eine Blafe, die 
man auffticht, ohne die Haut abzutrennen, u. dann 
am beften mit einem Zrüdchen Watte oder einem 
mit Fett beftrihenen Leinwandläppchen bebedt, 
wenn man bloß eine porübergehende Wirkung erzie- 
len will. Will man dagegen eine länger dauernde 
Wirkung durch Eiterung bemirfen, jo ſchneidet man 
die zur Biafe erhobene —** mit der Scheere ab 
u. verbindet die entzündete Hautſtelle mit einer rei— 
zenden Salbe. Man kann auch einen Mittelweg 
einſchlagen, indem man die Oberhaut abſchneidet, 
aber nachher mit einem einfachen Fett verbindet, 
worunter fi im wenigen Tagen die Oberhaut 
miederherftellt. Eine schnellere Wirkung als 
durd das gewöhnliche Blafenpflafter erhält man 
durch Anwendung des Collodium cantharidatum, 


Blaſenkrankheit — Bläfer. 


ung mit Bildung von mit MWaffer u. Eiter ger 
fülten Blafen; höherer Grad der gewöhnlichen 
Rofe (f. d.). 
Binfenfalbe (Unguentum epispasticum s. 
cantharidum, Gantharidenfalbe), Ganthariden in 
Oliveuöl ausgezogen und diefer Lölung Wachs 
beigemifcht. Ein Fetten vermiicht dient fie, um 
Blafenpflafterwunden u. Fontanellen fließend zu 
erhalten. , 
Blaſenſchnitt (Chir.), ſ. Steinichnitt. 
Bla u lernen ſ. Drebkrantheit. 
Blafenſtaähl nennt man den durch Cementation, 
d. h. Glühen mit kohlehaltigen Subftanzen, erhals 
tenen Cementftahl, weil er auf feiner Oberfläche 
blafig ift. z 
Dinjenfteine, fette Ablagerungen, die fih von 
den Nieren ab in allen Theilen des Harnſyſtems 
bilden u. feftiegen fünnen; gewöhnlich beftehen fie 
aus Harnfäure; f. u. Harn u. Harnſäure. 
Blnjenfteinfchnitt (Chir.), ſ. u. Steinſchuitt. 
Blafenftraud, jo v. w. Colutea L. 
Blajentang iit Fucus vesiculosus. 
Blajenträger, jo v. w. Stengelblajenqualle. 
Blajenwanze, 1) Glaſenfuß, Thrips) kleine, 
fliegenäbnliche Geradjlügler, mit einem großen, bla- 
jenartigen Haftlappen ftatt der Krallen an den 
Füßen; vgl. Blajenfüße. 2) So v. wm. Rindenwanze, 


das bloß in der beabfichtigten Ausdehnung aufge-/& u. Blutwanzen, 


ftrihen zu werden braudt u. danı wie das ge- 


wöhnlihe Collodium fefttlebt. Auh das durchſ Bla 


Behandlung der Tanthariden mit Ather gewon— 
nene Ol, jowie das reine Cantharidin kann 
benuttt werben, aber ohne bejonderen Bortheil. 
Das fog. ewige Blafenpflafter (Emplastrum can- 
tharidum perpetuum) enthält eine geringere 
Quantität von Ganthariden u. bedarf zu feiner 
Befeftigung, da es jelbft klebt, feines Heftpflafters. 
Es zieht gewöhnlich erft nad) längerer Zeit eine 
Blafe. Manläßtes Wochen oder Monate fang liegen, 
wobei die ausgeſchwitzte Flüffigleit allmählich durch 
eine Heine ung am unteren Theil der Blafe 
ausfließen kann. Bei derber Haut zieht es oft 
gar feine Blaſe. Man bedient fih des B-s, um 
einen Turzen oder dauernden Hautreiz oder Ab- 
leitung zu appliciren bei allen chroniſchen Ent- 
zündungen, zur Hebung der Lebenskräfte durch 
äußeren Reiz, zur Ableitung durch Gegenveiz, bei 
Rheumatismen, Neuralgien zc. 

Blaſenpocken (Bafler-, Wind», Kryftallpoden), 
leichteſte Form der Blattern, wo der Inhalt der 
Bläschen wäſſerig bleibt, nicht eiterig wird, 
en ſ. Medufen. 

Dlajenräume nennt man in der Geologie 
bohle oder machträglih ganz od. theilweiſe mit 


verichiedenen Mineralien wieder ausgefüllte, meiftijzu Raub nad Berlin u. blieb dort 


rundliche, blafenartige Höhlungen in plutonifchen 
oder vulcanischen Gefteinen, deren Entftehung mol 
meift durch auffteigende Gasarten oder Raffer- 
dämpfe erflärt werden fann, wie beim Bimsftein, 
der Lava, dem Bafalt, oft aber aud, wie beim 
Mandelftein, den Geognoften ſchwieriger erflärbar 


ſchwerwiegende Lob Thorwaldiens, 


pn Bits ni ſ. Bandwürmer. 
enziehende Mittel (Vesicantia), Mittel, 
welche dazu dienen, um eine oberflächliche Haut⸗ 
entzündung zu erregen. Dahin gehören bei. Pulver, 
Pflafter, Salben von ſpaniſchen Fliegen; minder 
wirlſam Fodtinctur, Brechweinfteinjalbe, Erotonöl, 
Blafenfalbe, Seidelbaftrinde, Senf; in ſchwächerem 
Grade bewirken, bei reizbarer Haut, daffelbe wol 
auch concentrirte Löſungen — ——————— früher 
bediente man ſich auch des ſiedenden Waſſers zur 
Blajenbildung, doch ift dieſes Verfahren jegt ver⸗ 
laffen. Alle diefe Mittel fpielen als fogenannte 
ableitende Mittel bei Behandlung chroniſcher Ent- 
zündungen eine große Rolle, fie follen den Ent« 
zündungsproceß von feinem Site auf eine minder 
ungen Stelle ableiten u. haben aud ihren 
} “ nach den Erfahrungen guter Beobachter bes 
mährt 


läfer, Guftav, berühmter Bildhauer, geb. 
in Düſſeldorf 9. Mai 1813, geft. 20. April 1874 
in Kannftatt, Sohn eines Kaufmanns in Köln; 
erhielt den erften Unterricht im Zeichnen vom 
Porträtmafer Ag. Mengelberg, in der Plaſtik 
vom Bildihniger Stefan, arbeitete dann beim 
Bildhauer Schal in Mainz mit für die Reftau- 
ration des dortigen Domes; fam, 21 Jahre alt, 
is 1841, 


Aus diefer Zeit ſtammt feine Reiterftatuette der 
Kaiferin Alerandra Feodorowna, die elfmal in 
Bronze 
vergebli 


gef: ward. 1843 betheiligte fih B. 
an der Goncurrenz für das Beethoven⸗ 
Dentinal, doch erhielt er einen Preis u. das 


Im nädhften 


find. Bgl. Adat, Melaphyr u. Manbdelftein. Die] Jahre ging B. nad Rom, wurde aber ſchon 1845 
ausfüllenden oder die Wände befteidenden Mines |zurüdberufen, um eine Gruppe: Minerva dedt 
ralien find meift Kalffpath, Achat oder Gfliederjeinen gegen den Feind anftürmenden Jüngling, 
der großen Familie der Zeolithe. für die Schloßbrüde auszuführen. Aus der 

Dlajenrofe (Med.), rojenartige Hautentzünd-Inächften Zeit nach 1850 datiren das Modell für 


Blaſerohr — Blafius, 497 


die Bronze-Statue des Bürgermeifters Franke in Grafſchaft Bonndorf Reichsunmittelbarkeit u. Sit 
Magdeburg, die Statue Albrechts von Branden- im Schwäbiſchen Grafencollegium; 1746 murde 
burg in Marienburg u. das große Relief für die/der Abt Franciscus II. zum Weichsfürften u. 
Beichjelbrüde bei Dirſchau. Dann folgten das |faiferlichen Erb-Erzhofcaplan erhoben u. zum Vor⸗ 
Grabmal Ravenes, der Entwurf eines Guten-|figenden der Breisgauer Prälaten ernannt. Be— 
bergdenfmals, eine Statue des Königs Friedr. ſonders glänzend war die Regierung des Fürft- 
Wilhelm IV. für die Burg Hohenzollern, des⸗ abts Martin Gerbert(17654—93), welcher werthvolle 
felben koloſſale Reiterftatue für die Aheinbrüde | Schriften literarhiftoriichen, firhen- u. muſikge- 
in Köln, das Neiterdenfmal Friedrichs TIL für ſchichtlichen Inhaltes verfaßte u. Mitglied vieler 
diefelbe Stadt, die Statue Friedr. Wilhelms IV. |Afademien u. gelehrten Gejellihaften wurde. 1768 
für Sansfouci, Hymen mit Fackel, eine Gaſt- brannte das Klofter ab u. wurde glänzender wie- 
freundidaft, ein Ehriftusfind, der Neujahr-Gratu- |derhergeftellt; die Kirche wurde neu errichtet nach 
lant u. der auf dem Falle tanzende ZTrinfer, das | dem Mufter des Bantheons (Maria della Rotonda) 
Relief im Giebelfelde des Braunfhweiger Schlofjes zu Rom mit prächtiger Kuppe. Das Haus 
u. zahlreiche Porträtbüften, fo die Hegels, U. v. Habsburg ließ fich hier eine Familiengruft anle— 


umboldts, Lincolns u. des Kailers Wilhelm. 
Ban intereffant ift feine Porträtftatue der deut- 
fhen Kronprinzeffin, wegen der der Antike nad)- 
gebildeten Behandlung der Gewänder, Regnet. 


dene wohin die Gebeine der in der Abtei Königs» 
elden u. der Kathedrale von Bajel beigejetten 
absburger . 1770 übergeführt wurden, Das 
lofter wurde Dec. 1805 mit dem Breisgau 


Blajerohr, 1) bis 2 m langes hölzernes Rohr | Baden unterworfen u. von diefem Anfangs 1806 


zum Schießen mit Thonfugeln oder leichten Bol- | aufgehoben. 


Die Kloftergebäude wurden theilg 


zen; 2) dünnes eifernes Rohr, womit in derizu Fabrikanlagen (Baummollenfpinnerei), theils 


Glashütte etwas Maffe aus dem Hafen genom«! 


zumSige landesherrlicher Behörden benutzt. Die 


men und durch Blajen zu einem Gegenftande ge- Mönche (Blafianer) wanderten 1806 nad der 


formt wird; ſ. u. Glas, 

Slafewitz, 
königlich ſächſ. Regbez. Dresden, an der Elbe; mit 
Dresden durch Pferbebahn verbunden; Erziehungs- 
anftalt f. Knaben; 1577 Ew. Während jeines Aufent- 


Dorf im Gerichtsamte Dresden des nah St, Paul in Kärnthen aus. 


Abtei von Pyrhn ob der Enns u. von da 1808 
Die Kirche 
brannte mit einem großen Theil des Klofterge- 
bäudes 1874 ab. Über die gelehrten Beſchäftig— 
ungen ber Blafianer Mönde ſ. Joſ. Bader im 


te8 im dent B. gegenüberliegenden Loſchwitz Freiburg. Diöceſan-Archiv, 1874. 


ei Körner (im Sommer 1785), lernte Schiller 

die Stieftochter des dafigen Wirthes oder Guts- 
befigers, geborene Juftine Segabin (geb. 5. Jan. 
1773 bei Dresden) fennen u. verewigte fie als 
Buftel von B. in Wallenfteins Lager. (Sie hei- 
rathete 1787 den Advocaten, nachmaligen Sena- 
tor Renner in Dresden, wurde 1821 Witwwe u. 
fl. 24. Jau. 1856.) 

St. Blafien, 1) Amtsbezirt im badiichen 
Kreiſe Waldshut, in wilder Gebirgslandſchaft des 
Schwarzwaldes; 261,.: [km (4, [IM); 10,300 
Ew. 2) Gemeinde u. Flecken ebd., in eimem 
tiefen Thal zwiichen großen Tannenwäldern, 772 m 
ü.D. M., an der oberen Alb; Amtsgericht, Bezirks- 
forftamt; 950 Ew.; ehemals berühmtes Benedic- 
tinerflofter. Anfangs Ichten, angeblid feit dem 
5. Jahrh., hier die Brüder an der Alb, Einfied- 
lermönche, deren Behaufung Albzelle (Cella alba) 
geheißen haben fol. Der eigentliche Stifter wurde 

eginbert von Seldenbüren, der 945 dem Klofter 
beitrat u. demfelben alle jeine Güter vermadhte. 
Nach den im 8. Jahrh. Hierher gebrachten Aeli- 
quien des heil. Blafius von Rheinau erhielt das 
Klofter den Namen St. Blafien. Die Abtei wurde 
reih an Länderbefig u. zählte berühmte Namen 
unter ihren Abten u. Brüdern, fam aber durch 
Iururiöfe Wirthichaft ihrem Uintergange nahe. Die 
Schirmvogtei übten die Herren von Werra für 
das Hochſtift Bafel, ſeit 1125 die Herzöge von 
Bähringen, u. nach deren Ausfterben fiel dieſelbe 
wahrſcheinlich fofort an Öfterreih. 1405 erhielt 


Blasinftrumente, muſikaliſche Juſtrumente, 
in welchen der tönende Körper eine Luftſäule iſt, 
die durch Anblaſen mit dem Munde oder auch 
mit einem Blaſebalge in Schwingungen verſetzt 
wird, Sie zerfallen in ſolche, deren Schwinguns 
gen dur das Anblafen unmittelbar erregt wer« 
den (f. Lippenpfeifen), wie die Fippenpfeifen der 
Orgel, die Flöte, das Flageolet u. die Pansflöte 
der Alten, u. im ſolche, bei welden die Schwing- 
ungen elaftiiher Platten fi auf eine Luftſäule 
übertragen (f. Zungenpfeifer); dieſe Platten find 
entweder von Detall, wie bei der Mundharmonifa, 
dem Harmonium u. dem Zungenmwerfen der Orgel, 
oder es find einfache oder doppelte dünne Blätt- 
hen von italieniihem Rohr, wie bei der Oboe, dem 
Fagott u. der Clarinette, oder die auf ein feffel- 
oder trichterförmiges Mundſtück gepreßten Lippen 
des Mufifers fungiren als ſchwingende Membran, 
wie bei der Pofaune, dem Horn u. der Trompete, 
Den legtgenannten Ben jchließt fih am möchten 
der Kehltopf der Säugethiere u. des Menjchen 
an, bei melden die Stummbänder als elaftiiche 
Flächen wirlen; den Yippenpfeifen der untere 
Kehitopf der Vögel. Liber die einzelnen B. foll 
in bejonderen Artikeln, über ihre Anwendung in 
den Artifein Befegung u. Juftrumentation Näheres 
mit. etheilt werden. Wimmenauer M. 

Blafirt (v. Fr.), durch ſinnliche Gemüffe aller 
Art abgeftumpft, entnervt. 

Blafius, 1) Heiliger, Bischof zu Sebafte in 
Kappadotien, Märtyrer unter Diocletianus; Tag: 


der Abt die Würde eines infulirten Prälaten. 3. Febr. Weil er durch Gebet einen Knaben, dem 

Zur Bauernfriege niedergebrannt, wurde es durch |eine Gräte im Halfe fteden blieb, vom Tode gerettet 

den Abt Kaspar Müller (Molitor) 1550 mieder| haben fol, wird er als Schutzpatron gegen gr 

aufgebaut u. gelangte wieder zu hoher Blüthe. weh verehrt. Der Brfegen gegen Halsübel be- 

1611 erwarb das Klofter nah Erkaufung der ſteht darin, daß am feinem Tage der Priefter 
Vierers Univerjal-Eonverfations-Lerifen. 6. Aufl. 111. Band. 323 


498 


2 brennende Kerzen freuzweife den Gläubigen 
unter den Hals hält. Nah ihm nennt fi aud 
ein geiftliher Nitterorden, in Armenien mwabr» 
ſcheinlich gleichzeitig mit den Templern geftiftet, 
feit dem 13. Jahrh. erlofhen. 2) Ernit, aus- 
gezeichneter Chirurg, geb. 20. Nov. 1802 in 
Berlin; bildete fih auf dem FFrievrih-Wilhelms« 
Inſtitut zum Milttärarzte aus, ging aber 1827 
zur Givilpraris über, ließ ſich zunächſt in Berlin 
nieder u. babilitirte fih dann als Privatdocent 
an der Univerfität Halle 1829. Bereits 1830 
wurde er auferorbentlicher Profeſſor der Chirur— 
gie, übernahm 1831 zumäcit proviſoriſch Die 
Yeirung der chirurgiichen Klinik, der er von 1834 
bis 1867 als Director u. ordentliher Profeſſor 
vorftand. Im Fahre 1873 feierte er fein 50jäh— 
riges Amtsjubiläum und ftarb 11. Juli 1875 in 
Halle als Geb. Medicinalrath. Außer durch feine 
vielfache literariſche Thätigfeit hat er ſich nament« 
lich durch mancherlei Berbefferungen von Ope— 
rationsverfahren u. Inſtrumenten nah außen bin 
befannt gemadt. Bon feinen Schriften jind be- 
jonders hervorzuheben, abgeichen von Neineren 
in Zeitſchriften — namentlich Ruſts Magazine 
der Heillunde — zerftreuten Abhandlungen: Hand» 
buch der Alturgie, Halle 1830—32, 3 Bde., 2. 
Aufl., 1839—42, mit akiurgiſchen Abbildungen, 
Berl. 1831—33, 2. Aufl, 1842—44, 6 Hefte; 
Lehrbuh der Aliurgie, Berlin 1835, 2. Aufl., 
1846; Handmwörterbuch der gefammten Chirurgie 
und Augenbeiltunde, Berlin 1836, 4. Bd.; Der 
Schrägſchnitt, eine neue Amputationsmetbode, 
Berl. 1838; Beiträge zur praktischen Chirurgie, 
Berl. 1848; Neue Beiträge zur praftiichen Chi— 
rurgie, Lpz. 1857; Schlußbericht über die hirur- 
gifh-augenärztliche Klinik der Univerfität, Halle 
1831 —1867, ebd. 1868. 8) Gerb., jo v. wie 
Blaes. 4) Joh. Heinr., namhafter Zoolog, 
geb. 7. Dctbr. 1809 zu Nymbrecht im Regbez. 
Köln; von 1831 an Yehrer der Naturkunde und 
Mathematit an der Nealichule in Krefeld, dann 
feit 1836 Profeffor der Naturgejchichte am Colle- 
gium Garolinum zu Braunfchweig, jowie Direc- 
tor der naturhiftoriihen Sammlung u. des Bota- 
niihen Gartens. Er ftarb 26. Mai 1870 in 
Braunfchmweig. DB. beſchrieb in 2 Bon. die ge- 
meinfam mit Meyendorfi, Keyierlingt, Murchiſon 
w Verneuil unternommene Reife im Europätichen 
Rußland, Braunſchweig 1844; Fauna der Wir: 
beitiere Deutichlands 2c., 1. Band: Säugerbiere, 
Suohimichweig 1857; Abhandlungen in Wieg- 
upunsl! Archiv und in den Denkichriften der Ata- 
deutinı vom Petersburg und Münden. 
lol FE sn 1) Löffler. 2) Thambann. 
iBlafaumfr.), 1) Wappen, Wappenſchild. 
—— — — —— Wappenbeſchreibung, Wappen- 
erlaci rungndaher 3) jo v. m, Wappenlunde, He⸗ 
rail. hlafomirte Münzen, deutſche Münzen, 
bei. bal e Baten, auf denen in Nürnberg das 
Wappen Bad; Dean Regeln der Heralbif mit Lad 
quegemal varund die nach Indien oder China 
verſtudet pardauis 29 
„ASlasphemie (. ir, Ehrenverletzung), 1) Got⸗ 
teslaerunge Wi Echmhung gegen hohe Häupter. 
34 Schuuiches Fiuchen; · daher blasphemi⸗ 
ronvirheſchinipfen Cines Ehre tränken; der dies 
J 


Blaſon — Blatt. 


thut, heißt Blasphemiſt; blasphemiſch, 
blasphemiſtiſch, ehrverletzend, läſterlich. 

Bläſſe, die blaſſe Farbe des Geſichtes; beruht 
auf einer eigenen Beſchaffenheit der Geſichtshaut, 
bei der die zarten Blutgefäße weniger in das Ge— 
webe derjelben verflochten find, jo daß fie nicht, 
wie gewöhnlih, durch ihr Durchſchimmern dem 
Geſichte fein Colorit geben, oder die Circulation 
der Blutgefäße des Gefichtes ift gehemmt, u. es 
tritt weniger Blut im die feinften Gefäße eim; 
letzteres in Kranktbeitszuftänden, Die mit allgemei- 
ner Schwäche verbunden find u. bei denen auch 
der Blutumlauf, bei. das Strömen des Blutes 
nah dem Kopfe, gehemmt ift (jo im Fieberfroſt). 
Auch in noch geiundem Zuſtande bewirkt Alles, 
was einen Schwäcezuitand herbeifübrt, B.; fo 
beſ. Sram, Neid, unbefriedigte Liebesſehnſucht, 
Studiren, Nachtwachen, Erjhöpfung durd förper- 
liche Anftrengung, aber auch vorübergebender 
Schreden, nerpöfe Aufregung durch Zurücktritt des 
Blutes. Beiteichen ift fie harafteriftiich (Yeichen-B.). 

Bläſſe, ein mehr oder weniger gleihmäßiger 
weißer Streifen, der von der Stirn des Rindes 
oder Pferdes über die Naje bis zur Öberlippe 
ſich eritredt. 

Bläßhuhn (Bläſſe, Bleßhuhn), fo v. w. ſchwar⸗ 
zes Waſſerhuhn (Fulica atra L.); ſ. Waſſerhuhn. 

Bläßmoll (Georychus capensis Pall., Erd— 
gräber vom Cap), Art aus der Säugethier-Fam. 
der Maulwurfmäufe, mit kurzen Nägeln an den 
Vorderpfoten, 4 Badenzähnen, jehr großen Bor- 
derzähnen (die oberen obne Längsfurde), kurzem 
Schwarze und ohne Badentafhen; an Bauch umd 
Schnauze weiß, übrigens gelbbraun; Yänge 14 
em; am Gap, wo er in Gärten durch Untergra— 
ben u. Aufwerfen der Erde viel ſchadet. 

Blajtema (gr., Keim, Sproß), 1) (Bot.) nad 
Richard die Keimpflanze, d. b. das Pfläuzchen des 
Keimes für fih ohne Samenlappen; nad Wallrotb 
das Yager der Flechten, alfo fo v. w. Thallus; 
daber blastematicus (Thallodes), zum Lager ge- 
hörend oder von ihm gebildet; bei manden neue— 
ren Botanifern jo v. w. Gewebegruppe. 2) B. 
dentis, fo v. w. Zahnkeim. 3) (Bhyſ.) Der er- 
näbrende Theil der thieriichen Säfte, welcher den Ge- 
weben die zum Wachsthum nöthigen Stoffe zuführt. 

Blatna (Blatno), 1) Bezirk im öjterr. ron» 
lande Böhmen (ehemal. Kreis PifeN; 680,, [km 
(12,36 IM); 50,960 iſchech. Em. 2) Stadt ebd., 
an einem Heimen See, nordw. von Piſek; Schloß; 
Brauerei, Brennerei, Bottafcheftederei, Zuderfabrit; 
2869 Ew. 

Blatt (Folium, Bot.). Blätter find meiſt dicht 
unter dem Begetationspunkte, feltener fcheinbar am 
Ende deifelben entftehende appendiculäre Gebilde der 
Stammpflanzen (Kormopbyten), im Allgemeinen 
harakterifirt dadurch, daß fie 1) mit wenigen Aus« 
nahmen in afropetaler Neihenfolge, d. b. von un» 
ten nad oben entftehen; 2) immer erogene (dem 
äußeren Gewebeſchichten der Achſe entipringende) 
Bildungen find, u. 3) meift eine andere ‚Form 
haben, als der fie erzeugende Stamm oder deſſen 
Seitenzweige. Je nad) der Function, welche die 
Blätter auszuüben haben, find fie in verfchiedener 
Weife umgebildet; wir untericheiden demnach Keim- 
blätter, Niederblätter, Laubblätter, Hochblätter, 


Blatt. 
Kelchblätter, Blumenblätter, Staubblätter uad 


Fruchtblätter. 


499 
bei den Chlorophyll führenden Blättern iſt ſie 


Das Verdienſt, die Homologie die- mit Spaltöffnungen verſehen, welche in die Inter— 


ſer ſämmtlichen appendiculären Organe der Pflanze, cellularräume oder Luftgänge münden, und nur 


die fog. B-metamorphofe, erkannt zu haben, die unmtergetauchten Blätter entbehren derfelben 


gebührt Goethe. 

I. Anatomie der Blätter. Die Verbindung 
des Stammes mit dein B-e ift derart, daß die 
gleihnamigen Gewebe beider continuirlich in ein- 
ander übergeben. So jetzen fih Oberhaut u. Grund- 
gewebe der Achſe auf das B. fort, es erjcheint ja 
aud die Anlage des Baes nur als ein hervor: 
tretender Wulft der Achſe; auch die Gefäßbündel 
beider hängen zufammen, da fchon bei der erjten 
Entftehing jedes einzelne Bündel aus einem tie- 
feren Stengeltheil emporfteigend mit feinem oberen 
Ende in das junge B. ausbiegt (dies find die 
fogen. gemeinfamen Stränge, deren im Stengel 
verlaufender Theil die innere Bejpur genannt 
wird). Die Gefäßbündel entwideln ſich übrigens 
almählib, u. zwar fo, daß, wenn man fich das 
B. als horizontal von der Achſe ausgehend denkt, 
die Älteften Theile nach oben, die jüngeren nad) 
unten liegen. Auch zeigt ſich bei den Difotyle- 
Donen unterhalb der Gefäße eine Cambialichicht 
u. unterhalb diejer eine Baftihicht, was man fich 
alles leicht vorftellen fann, wenn man fi das 
Gefäßbündel des Stengel® nah aufen gebogen 
denkt. Die äußerften Enden des Gefäßbündeliy- 
ftems im B-e beſtehen nur als Spiralfaferzellen. 
Gewöhnlich treten die im Be verlaufenden Gefäh- 
bündel auf einer der beiden B>flächen deutlich 
berbor u. werden dann ald Nerven bezeichnet; 
man unterjcheidet nach der Anlage primäre, jer 
cundäre, tertiäre Nerven zc., oder nach der Stärke 
Hauptnerven, Nebennerven, Mern. Während die 
Nerven oder Gefäßbündel bei flahen Blättern 
meift in einer Ebene liegen, find fie bei verhält. 
migmäßig diden Blättern, wie 3. B. denen von 
Agave, Aloe, Mefembryanthemum und anderen 
Fettgewächſen zerftreut oder im Kreife georbnet. 

ie Nervatur ıft für große Pflanzengruppen cha— 
rakteriftiih; denn während bei den meijten Mo— 
nofotyledonen die Blätter parallelnervig u, dem— 
zufolge auch meift ſchmal, linealiich find, find fie 
bei den Dilotyledonen mit mannigfad verzweigten 
Nerven verjehen u. demzufolge aud von größerer 
Deannigfaltigkeitinder Geftalt. Je nach der Berzweig- 
ung ift dann die Nervatur entweder fiederfürmig (F. 
pennatinervium), wenn beiderſeits zahlreiche Seiten» 
nerven vom Hauptnerv abgehen, oder handförmig 
{F. palmatinervium), wenn der Hauptnerv ſich 
fhon am Grunde des B-e3 in eine Anzahl etwa 
gleich) ftarter, divergirender Nerven theilt; fuß- 
nervig (F. pedatinervium) heißt das B. dann, 
wenn der fehr kurze Mittelnerv 2 ſehr ftarfe Sei— 
tennerven ausjendet, welche jelbit wieder, nad 
vorn pin, Nerven Iter Ordnung ausjenden. Die 
Nervel letster Ordnung, Adern (Venae), anafto- 
mofiren u. find vergleihbar den Fäden eines 
Netzes. Das Grundgewebe des Bes wird Me» 
ſophyll genannt u. enthält mamentlih bei den 
Saub- u. Hochblättern, ſowie aud in der Regel 
bei Kelch m. Fruchtblättern ſehr viel Chlorophyll. 
Die Oberbaut (Epidermis) ift entweder nur aus 


vollftändig. Ebenjo wenig finden fich dieſelben 
bei den Blättern der Paub- u. Lebermoofe, welche 
auch in fo fern abweichen, als fie aus nur einer- 
Zellihicht beftehen und feine Gefäße befiten if. 
Moofe). Über die anatomifhen Eigenthümlich— 
feiten der Biumen-, Staubs, Fruchtblätter ſ. Blüthe. 

U. Blattftellung. Die Blätter entftehen ent— 
weder zu mehreren in derjelben Höhe der Achfe 
u. bilden im diefem Falle Quirle (Vertieillus), 
fo beionders in der Blüthenformation, oder fie 
entſtehen einzeln u. find von einander durch Sten- 
gelglieder, Internodien, getrennt; diefelben find ent» 
weder geftredt, jo daß die nfertionspunfte der 
Blätter auf einer Schraubenlinie (Spirale) liegen, 
oder geftaucdt, u. man fann auch den Duirl als 
ein Stengelftüd mit im höchſten Grade geftauch- 
ten Internodien auffaſſen. Die Stelle der Blatt- 
bafis, an melde das mittlere Gefäßbündel aus 
dem Stengel tritt, nennt man den Inſertions 
punft u. die Ebene, welche wir uns durch diefen 
Punkt, die Spitze des Bees u. die Achſe des Sten- 
gels gelegt deufen, die Mediane; der Winfel, un- 
ter dem fich die Medianen zweier in ihrer Ent« 
ftehung aufeinanderfolgenden Blätter jchneiden, be- 
zeichnet die Divergenz der Blätter, welche immer 
einen Theil des Stengelumfanges ausmadt. Es 
zeigt fi bei der Aufſuchung der Divergenzen an 
irgend einem beblätterten Stengel, namentlih an 
jolhen mit nicht allzu ſehr geftredten Internodien, 
da innerhalb einer gewiſſen Region des Sten- 
gels die bei Verfolgung der B-ipirale (nach der- 
jelben Richtung) ſich ergebenden Divergenzen ein« 
ander gleih find. Da nun die B-divergenzen 
wirflihen Bruchtheilen des Stengelumfanges, ?/,, 
Ya Yo da "aa "arr as 2. (Zähler u. Nenner 
iedes folgenden Bruches werden gefunden, indem 
man Die Zähler, reip. Nenner der beiden vorber- 
— addirt), entſprechen, ſo müſſen einzelne 

lätter über einander zu ſtehen kommen, u. zwar 
bei conftanter ?/4-Divergenz das dritte über das 
erfte u. das vierte über das zweite, bei conftanter 
!/.:Divergenz das vierte über das erfte, bei cou— 
ftanter ?/,-Divergenz das fechite fiber das erfte, bei 
conftanter %/,-Divergenz das neunte über das erite 
u. ſ. f. Diefe übereinanderftebenden Blätter bil- 
den eine gerade Reihe oder Orthoſtiche; die Zahl 
der Blätter, welche die genetiihe Spirale im fich 
aufnimmt, bis fie wieder zu derfelben Ortboftiche 
fommt, wird ein Eyflus genannt; fie entipricht 
der Zahl der Orthoftihen oder dem Nenner des 
Bruches, welcher die Divergenz angibt, während 
der Zähler defielben Bruches die Rab der Um— 
gänge bezeichnet, weldhe zu einem Cytlus gehören. 
Aufeinanderfolgende B-quirle pflegen, wenn fie 
nur Scheinguirie find, einander juperponirt zu 
fein, d. h. ihre Blätter fallen über einander, hin— 
gegen pflegen echte Quirle, wenn fie aufeinander: 
folgen, meiſt mit einander zu alterniren, woraus 
dann folgt, daß die Glieder des dritten Quirls 
über die des erften fallen müſſen; fo bejonders 


tafelförmigen Zellen gebildet, oder einzelne ihrer|bäufig im der Blüthe. Zmweigliederige alternirende 


Zellen wachſen zu Haaren verſchiedenſter Art aus; | Quirle, wie fie namentlich bei ben 


abiaten vor⸗ 
32* 


500 


fommen, heißen decuffirt u. die Blätter eines folchen 
u Quirls opponirt — ). 

II. Theile u. Geftalt des Bees. Durch 
die Medianebene wird das B. in zwei einander 
ähnliche Hälften getheilt, die meift einander gleichen 
wie Object u. deffen Spiegelbild; dann heißt das 
B. ſymmetriſch. Iſt dies nicht der Fall, wie bei 
den Begonien oder Schiefblättern, jo beißt das B. 
aſymmetriſch oder ſchief (obligquum). An dem voll« 
ftändigen B-e unterjcheidet man die Bricheide 
(Vagina), den Beftiel (Petiölus) u. die B-fläche 
oder B-ipreite (Lamina s. Limbus), doch ift nicht 
felten der eine oder andere dieſer Theile wenig 
oder gar nicht emtwidelt, u. nur felten find alle 
gleihmäßig ausgebildet. A) Die B-icheide ift ent- 
weder eine B-ftieliheide (Vagina petiolaris), wenn 
fie die Bafis eines Stiels ift, wie bei Angelica 
silvestris, oder eine B-cheide im engeren Sinne 
(Vagina foliaris), wenn fie unmittelbar mit der 
Beflähe verbunden ift, wie bei deu Cypergräſern. 
Sie kaun geichloffen fein u. eine vollitändige 
Röhre bilden, wie bei Veratrum, oder geipalten 
(V. fissa), wenn fie durch eine Yängsipalte mehr 
oder weniger in 2 Theile getrennt if. B) Der 
Beftiel (Petiolus) ift bald ftielrumd (teres), bald 
balbftielrund (semiteres), fantig (angularis), zu» 
fammengedrüdt (compressus), rinnenförmig (ca- 
naliculatus), aufgeblaien (intlatus), od. verbreitert 
(dilatatus). Häufig ift der Beftiel fcheidig (P. 
vaginans), umfaflend (P. amplexicaulis), mern 
er mit feiner Bafis den —— oder Zweig zum 
Theil umſchließt, geflügelt (P. alatus), geöhrt 
(aurieulatus), oder blattartig (foliaceus), wenn 
er jederjeit8 einen blattartigen Anhang trägt. B— 
ftielblätter (Phyllodia) endlih nennt man ver- 
breiterte, blattartige Stiele, an denen gewöhnlich 
bie eigentliche B-flähe fehlt, wie bei zahllofen 
neubolländiihen Alazien (Acacia), C) Die B— 
flähe (B-fpreite, Lamina, Limbus, B, im engeren 
Sinne, Folium) ift der ausgebilderfte Theil des 
Bees u. zugleich der für die Function defjelben 
mejentlichfte, der jedoch dann gemöhnlich fehlt, 
wenn die mehr oder weniger entwidelte B-fcheide, 
oder der ausgebreitete Beſtiel, oder jelbft der faft 
blattartige Stengel oder Zweig die Verrichtung 
der Blätter übernehmen kann. 

Will man die B-flächen genau ihrer Form nad) 
beichreiben, jo hat man dabei den Geſammtumriß 
der ganzen Fläche, die Beichaffenheit des Randes, 
ber Bafıs u. der Spige insbefondere zu betrachten. 
a) Seiner Fläche nad ift das B. freisrund (F. 
orbiculare), nierenförmig (reniforme), wenn es 
quer breiter u. dabei herzförmig ift, elliptiſch (el- 
lipticum), wenn e8 etwa doppelt fo lang als breit 
ift, eiförmig (ovatum), wenn es dabei nahe der Bafıs 
am breitejten ift, verkehrt» eiförmig (obovatum), 
wenn es nahe der Spite am breiteften ift, lan— 
zettlih (lanceolatum), wenn es mindeftens vier- 
mal jo lang als breit ift, linealifch, wenn die 
Ränder ziemlich parallel laufen. b) Hat das B. 
am Rande feine Einjchnitte, fo heit es ganz- 
randig (F. integrum). Bei den eingefchnittenen 
Blättern unterjheidet man die einwärtsgehenden 
Winlel oder Bogen des Randes u. nennt diefe 
Buchten (Sinus) u. die auswärts gehenden Win- 
fel oder Bogen, Lappen oder Zipfel (Lobi, La- 


Blatt. 


einiae). Die bogigen Lappen oder Buchten nennt 
man ftumpf, dagegen die mwinkeligen ſpitzig. Sind 
die Lappen oder Borfprünge nur Hein, jo heißen 
diefe Zähne (Dentes), wenn fie gerade u. ſpitz, 
Kerben (Crenaturae), wenn fie bogig u. fiumpf, 
Sägezähne (Serraturae), wenn fie vorwärts ge 
richtet u. jpig find; das 8. ift daun ein gezähntes 
(F. dentatum), geferbtes (crenatum), gejägtes 
(serratum). fyerner kann der Rand des Bees fein: 
wellig (F. undulatum), doppelt gelägt (duplicato- 
serratum), wenn jeder Sägezahn wieder Fleinere 
Zähne hat, doppelt geerbt, doppelt gezähnt zc. 
Ein feiner Stadel, der zuweilen an der Spite 
ftumpflicher Lappen fteht, heißt Stachelſpitze (Mu- 
ero) u. das B. ſtachelſpitzig gezähnt, geferbt zc. 
(F, mucronato-dentatum, crenatum) u. f. m. 
Sind die Buchten oder Yappen tief, jo gibt man 
mit Ausnahme der fiederipaltigen zugleich die 
Zahl der Lappen an. Das B. heißt gelappt (F. 
lobatum, 2-, 3-, 4-, 5-lobatum), wenn die Ein- 
ſchnitte nicht bis zur Mitte, geipalten (fissum), 
wenn fie etwa bis zur Mitte, getheilt (partitum), 
wenn fie bis gegen den Grund gehen. Je nad) der 
Nervatur ift das B. entweder hanbförmig ge⸗ 
ſpalten u. ſ. w. (F. palmatifidum), wie beun 
Ahorn), oder fiederförmig-geſpalten (F. pinnatifi- 
dum) zc. Wiederholen fi die Theilungen in der- 
jelben Weife, fo nennt man das B. doppelt«, drei⸗ 
u. mehrfachefiederipaltig (F\, bi-, tri-, multi-pin- 
natifidum),. Nehmen die Abichnitte eines fieder- 
theiligen B-e8 von oben nad unten an Größe ab, 
jo heißt es leierförmig (F. lyratum). Gebt die 
Theilung der Spreite jo weit, daß diejelbe in eine 
Anzahl einzelner Spreiten oder Blättchen (Foliola) 
zerfällt, welche durch einzelne Stielchen (Petioluli) 
mit dem gemeinfamen Brftiel verbunden find, jo 
heißt das B. zufammengejegt (F. compositum); 
daſſelbe ift num entweder handförmig-zui.-gef. (pal- 
matim comp.), oder gefingert (digitatum), oder 
fiederförmigszuf..gef. (pinnatim comp.). Je nach der 
Zahl der Blättchen unterjcheidet man im erften 
Fall 3«, 4+, 5rzählige Blätter (F. ternatum, qua- 
ternatum, quinatum). Am gefiederten B-e (F. 
pinnatum) bezeichnet mansdie Blätthen auch als 
Fiedern (Pinnae) u. den gemeinſamen Beftiel als 
Spindel (Rhachis); fchließt diefe mit einem End- 
blättchen, jo it das B. unpaarig-gef. (impari-pin- 
natum), im entgegengejegten ‘Falle paarig-gef. 
(pari-pinnatum). „je nad) der Zahl der Blättchen 
it das B. 2-, 3«, 4rpaarig (2-, 3-, 4-jugum); 
wecjeln große u. Feine Fiedern ab, jo heit es 
unterbrochen: gefiedert (interrupte-pinnatum). End» 
lich gibt es auch doppelt-, dreifach » gefiederte 
Blätter (F. 2-pinnatum, 3-pinnatum), ſowie Com» 
binationen der handförmigen mit der fiederfürmi- 
gen Form. c) Seiner Spite nad ift das B. 
zugefpigt (acuminatum), mit beiderſeits concaver 
Zufpigung, jpigig (acutum), mit converer Zu- 
jpigung, abgerundet (obtusum), abgeftumpft (re- 
tusum), abgeftugt (truncatum), ausgerandet 
—— wenn es vorn eine ſtumpfe Aus- 
uchtung bat, zweizähnig (bidentatum) u. ver 
fehrt-herzförmig (obcordatum), wenn die Aus— 
buchtung au der Spite tief ift. d) An der Bafıs 
farın das B. auch fpigig, zugeipigt, abgerundet 
u. ſ. w. fein, oft ift e8 aber auch herzförmig 


Platt. 


501 


(cordatum), pfeilförmig (sagittatum), wenn die Ranke zu betrachten (F. eirrhiforme) u. ımter- 
Spreite beiderjeits vom Ausſchnitt in ſpitze Yappen|icheiden fih von den Zweigranken (Capreoli) da« 


ausgezogen ift, keilförmig (cuneatum), wenn die 
Spreite allmählih in den B-ftiel übergeht. Wenn 
der Stiel der Unterſeite der Spreite eingefügt if, 
wie bei der Kapuzinerfreffe (Tropaeolum) u. vie- 
fen Begonien, fo ift das B. ſchildförmig (pelta- 
tum). Entfpringt die Spreite am Stengel obne 
Scheide u. Stiel, fo heit das B. fitend (sessile); 
greift es dabei am der Inſertion um dem ganzen 
oder halben Stengelumfang herum, fo beißt es 
ftengelumfaflend (amplexicaule) oder halbftengel» 
umfaffend (semiamplexicaule); verwachſen die 
Ränder der B-baſis an der der Inſertion gegenüber- 
fiegenden Seite des Stengels, jo heißt das B. 
durchwachſen (F. perfoliatum), nicht zu verwechſeln 
mit den zuſammengewachſenen Blättern, wie fie 
fih beim Geisblatt (Lonicera caprifolium) fin- 
den. e) Auszweigungen des B-e8 an deſſen In— 
fertion heißen Mebenblätter (Stipulae); fie find 
ou paarweife zu beiden Seiten der B— 
afis vorhanden, entweder frei, mie bei der Erbie, 
oder mit dem Bee verwachien, mie bei der Roſe, 
oder unter fih dem B-e gegenüber verwachſen, wie 
bei Astragalus, oder es find bei gegenftändigen 
Blättern je zwei einander gegenüberliegende Ne— 
benblätthen verwachſen, wie beim Hopfen. Bis- 
mweilen find auch die Blätter hohl, u. zwar ent- 
weder röhrig (fistulosus), wie beim Schnittlauch, 
oder fannenförmig (ascidiformis), wie bei Ne- 
penthes und Sarracenia; aud find bisweilen 
einzelne Theile blafenförmig (ampullacens), wie 
bei Utricularia. Gewöhnlich ift das Ende dieſer 
Blätter zu einer Art Dedel umgebildet, welcher 
fih unter beftimmten Berhältmifien jchließt, den 
im Schlau befindlichen Inſecten den Ausgang 
verfchlieft u. fo deren Tod berbeiführt. Dies u. 
ähnliche Erfcheinungen bei den Blättern von Al- 
drovandia u. Dionaea haben zu der Bezeichnung 
fleifchfreffender Pflanzen Beranlaffung gegeben. f) 
Auswüchſe an der vorderen Fläche der Blätter 
nennt man B-häutchen (Ligula), fo 3. B. das 
bäutige Schüppchen an der Grenze von Scheide u. 
Spreite der Grasblätter. Hierber gehören auch 
die fog. Nebentronen an den Blumenblättern der 
Narcite, 

Nicht immer breitet fich das B. in einer Fläche 
aus, fondern erjcheint vielmehr verdidt (F. cras- 
sum) u. ift dann bald ftielrund (teres), bald 
bafbitielrund (semiteres), fadenförmig (filiforme), 
Siege subuliforme), borftenförmig (seti- 
orme, setaceum), nadelförmig (acerosum, aci- 
culare), zufammengedrüdt (compressum), zwei: 
ſchneidig (anceps), dreiſchneidig (triquetrum), del- 
toibiich (deltoideum), vierfantig (quadrangulare, 
tetragonum), oder böderig (gibbosum) u. ſ. w. 
B-dbornen find Blätter, melde fi zufpigen, 
barten, verholzten Körpern umbilden, wie die 
Blätter an den Hauptäften der Berberite od, die 
Nebenblätter von Robinia Pseud-Acacia x, Die 


dur, daß fie die Stelle eines Bes oder Neben- 
blattes einnehmen (Bryonia). 

IV. Urten der Blätter. Außer den Kelch, 
Blumen», Staub- u. Fruchtblättern, welche den 
Blüthenfproß oder die Blüthe zufammenfeten, 
muß man 3 Formationen von Blättern unter- 
fcheiden, nämlich: 1) die Paubblätter, Blätter im 
engeren Sinne (Folia), gewöhnlich dur Größe 
u, reichen Ehloropbyligebalt vor den anderen aus; 
gezeichnet, bald Hein u. in großer Maffe vorban- 
den, bald jehr groß u. im geringerer Anzahl (wie 
3. B. bei den Bananen, Aroideen u. manden 
Balmen. 2) Die Niederblätter oder Schuppen 
(Squamae, Phyllades), mehr oder weniger jcheidig, 
ohne Beftiel u. Spreite, meift obne Chlorophyü, 
dagegen bäufig mit Reſerveſtoffen, namentlich 
Stärfe reihlih erfüllt, an den umterirdiichen 
Stammgebilden, aber auch an den oberirdiichen, 
namentlich die Winterfnoipen unferer Holzgewächſe 
bededend. Manche nicht grüne, ſaprophytiſche, d. i. 
bumusbewohnende Pflanzen, wie die Orobandeen 
u, Neottia, befiten gar feine Yaubblätter, ſondern 
nur Niederblätter. Hierher dürften auch die Keim— 
blätter, Kotyledonen, zu rechnen jein, welche bei 
den Difotyledonen häufig Stiel u. Spreite deut« 
ih ausgebildet zeigen u. fih ſchon im hoben 
Grade den Yaubblättern nähern, während fie bei 
anderen nur dide, fleifchige, mit Reſerveſtoffen er— 
füllte Yappen vorftellen; eine Pflanze (Welwit- 
schia mirabilis Hook.) entwidelt feine andere 
Blätter als die beiden faft 1 m langen Keim» 
blätter, welche nicht wie bei anderen Pflanzen 
binwelfen, jondern fortdanernd der Aifimilation 
dienen (j. u. Embryo). 3) Die Hochblätter oder 
Dedblätter (Bracteae), meift Heiner als die Yaub- 
blätter, meift figendu. bäufig anders gefärbt, der Re— 
gion des Blüthenftandes angehörig (f. Blüthenitand). 

V. Die Zuuctionen der Blätter find ver« 
ichieden, je nachdem fie der Nieder, Laub⸗ und 
Hocblattformation, oder der Blütbenformation an- 
gehören, u. je nachdem fie Chlorophyll führen, 
oder deffelben entbehren. Die wichtigſte Aufgabe 
der chlorophyllhaltigen Blätter ift a) die Aufnahme 
der Beftandtheile der Yuft. Namentlich wird das 
Material, aus welchem die chlorophyllhaltige 
Pflanze ihren. Kohlenſtoff bezieht, einzig u. alleın 
aus der Koblenfänre der atmoſphäriſchen Luft 
durch die grünen Pilanzentbeile u. bei. durch die 
Blätter entnommen (Aifimilation). Was den Stid- 
ftoff betrifft, jo find die Pflanzen gänzlich außer 
Stande, das Stidgas der atmoſphäriſchen Luft zu 
affimiliven, dagegen Fönnen fie Ammonial (als 
fohlenjaure Berbindung) in Gasform aufnehmen 
u, verarbeiten. b) Unter den gasjörmigen Aus- 
jheidungen der blattartigen u. grünen Theile 
überhaupt ift die unter Einwirkung des directen 
Sonnenlidhtes erfolgende Abgabe von Saueritoff 
die mwichtigfte. Ber der Ernährung werden be- 


B-ranten (Cirrhi folii) find entweder faden- ſtändig große Mengen von Sauerftoffverbindungen 


förmige, gemwundene BVerlängerungen des Mittel: 
neros (F. cirrhosum), oder des gemeinfamen B- 
ſtiels eines zujammengeiegten Bees (F. cirrhife- 
rum), oder fie find auch als völlige Ummandel- 
ungen eines B-es oder MNebenblattes in eine 


in die Pflanze eingeführt, u. da die aus diejen 
Berbindungen entftehenden afjimilirten Stoffefauer- 
ftoffarm find, jo wird bei der Nifimilation ein 


‚Nehr großer Theil dieſes in Berbindungen ent- 
\haltenen Sanerftofjes abgejhieden u. aus ber 


502 


Pflanze entfernt. Im Waffer untergetaucte 
grüne Pflanzentheile, getrennt oder in Berbindung 
mit der Pilanze, zeigen eine Entwidelung von 
Gasblaſen an ihrer Oberfläche u. bei Verlegung 
der Yurtbebälter ein GEntftrömen derielben aus 
diefen Organen. ec) Die Abgabe des Waflers 
an die Furt durch Verdunſtung (Transipiration) 
wird ebenfall® durch die Blätter verrichtet. Von 
ihr hängt das Gedeihen ber ——— ganz vor- 
züglih ab; denn die große Menge Waffers, welche 
Die Pflanze wegen der geringen Löslichkeit ver- 
fchiedener, ibr nothwendiger Subftanzen bedarf, 
würde. durch die Anbäufung in ihrem Innern 
mehr binderlich als förderlich fein, wenn fie die- 
ſelbe nicht wieder auf eine leichte u. unmerfliche 


Blatt — Blätterſchwamm. 


ohne Zerreifung davon trennen laffen. 3) Die 
einzelnen Blätter einer Hülle (Involucrum). 4) 
(Lamellae, Zoot.) Im 3ellgewebe u. in den von 
dieſem gebildeten Organen die kleinſten häutigen 
Gebilde, infofern fie fi in der Wahrnehmung ein⸗ 
fach darftellen. j 

Blättelfohle, fo v. w. Bogheadkohle, jpeciell 
die von Pankrazzeche bei Pillen. 

Blatten (Blätten), 1) (Jägerſpr.) die Stimme 
des Nehlalbes nahahmen, um dadurch den Bed 
berbeizuloden u. zum Schuß zu bringen. Die 
Böde jpringen aufs Blatten während ber Brunft- 
zeit, Ende Juli u. Auguft. Zum B. dient ein 
zwiichen die Lippen genommenes fteifes Blatt, ein 
Stüd Birkenrinde od. das Rehpfeifchen (Rehruf). 


Weile abgeben fünnte, Der größte Theil des durch 2) So v. w. Abblatten. 


die Wurzel aufgenommenen Waffers wird daher 


Blatter bezeichnet in der Vollsſprache die Bode 


aus der Pflanze wieder entfernt, u. alle oberfläh- |(Variola u. Variolis), m. zwar vorzugsmeiie die 
lihen Theile, bei. aber die flähenförmig ausge- Jin Epidemien auftretende betannte Ausidhlagsfranfe 
breiteten Blätter, eignen fih ganz vorzüglich zu|beit, feltener die Impfpocke. 


diefer Function, das Waffer in Form von Dampf 
auszuscheiden. Bei den Blättern erfolgt übrigens 
die Transipiration aud da, wo ſich feine Spalt- 
Öffnungen finden, wenn auch im geringerem Grade; 
dagegen haben forgfältig ausgeführte Verſuche ge— 
zeigt, daß die Pflanzen ſelbſt bei erhöhten Be— 
dürfniffen durch ihre Yaubblätter durchaus fein 
Waſſer aus der Atmofphäre aufnehmen u. eber 
zu Grunde gehen, wenn ihnen dieſes nicht auf 
andere Weife, nämlich durch die Wurzel zugeführt 
wird. d) Ganz andere Functionen haben die 
fhuppenartigen Niederblätter, welche meift häutig 
u. lederartig find u. zum Schutze der von ihnen 
bededten jungen Blätter oder Blüthen, fomwie als 
Reierveftofibebälter (Zwiebelihuppen) dienen, wäh- 
rend die buntgefärbten Blumenblätter theils als 
Schub der Serualorgane dienen, theils die Inſec— 
ten durch ihre lebhafte Färbung u. durch den von 
ihnen abgejonderten Honig zum Bejuche der Blü— 
then einladen (j. Blüthe). Engler. 
Blatt (inand. Bedent.\, was einem Blatte ähn- 
fd ift. So: 1) (Jagdw.), ſ. Blatten 1). 2) So 
v. w. Nieth am Webſtuhl. 3) An mehreren Werk— 
zeugen die Klinge, fo: B. der Säge, B. der Scheere, 
B. des Waidmeſſers. 4) Ber Bierfürern, bejon- 
ders Jagdthieren, der obere Theil des Vorderlanfes 
bis zum Rüden; daher Blattſchuß, ein dem 
Wilde an diefer Stelle beigebrachter Schuß. 5) Am 
Kindslopfe, die vordere der Fontanellen (1.d.); hier- 
von fagte man ehemals: das B. ift geichoffen (ge- 
fallen), wenn in hitzigen Krankheiten von Kındern, 
bei denen beionders das Gehirn entzündlich affi» 
cirt war, dieſer Theil fih geſenkt u. eingebrüdt 
zeigte, als ein meift töbtliches Zeichen (vgl. Siria- 
ſis) Diefer Ausdrud hat ſich ſprüchwörtlich er- 
halten als Bezeichnung der Ahnung von etwas 
Schlimmem, Bedenklichem. 
Blatta (Zool.), jo v. w. Schabe; ſ. d. 
Blattachſel, der Winlel, welchen das Blatt 
mit feinem Stengel oder Afte bildet; ſ. u. Blatt. 
Blättchen, 1) (Foliolum, Bot.) die nur durch 
ein befonderes Stielhen mit dem Hauptſtiel ver- 
bundenen Theile eines zufammengeietten Blattes. 


Blätterdurchgang (Min.), fo v. m. Spalte 
ungsrihtung, nennt man die Richtung, in ber 
fih ein Mineral mehr oder minder leicht ſpalten 
läßt. Es liegen die Blätterdurdhgänge Immer 
einer Kryitallfläche parallel u, bilden ale bei vier 
fen nicht deutlich kryſtalliſirenden Mineralien ein 
mweientlihes Mittel, das Kryſtallſyſtem zu erfennen 
u, fie von anderen zu unteriheiden; j. Mineralogie. 

Blättererz(Blärtertellur, Tellurblei, Nagyagit) 
nennt man eine tetragonal fryftallifirende med. 
jelnd zuſammengeſetzte Verbindung von Tellur, 
Blei, Gold u. Schwefel, von bileigrauer ‚Farbe, 
die bei Nagyag und Offenbanya in Siebenbürgen 
borfommt, 

Blätterig nennt man den Bruch eines Mi- 
nerals, wenn die Bruchfläche deutlih vorhandene 
Blätterdurchgänge zeigt. 

Blätterfohle nennt man Stein- od. Braun« 
foblen von dünnblätteriger Textur. 

Blätterinagen, der dritte Magen der Wiederr 
fäuer; |. u. Magen. 

Blattern u. Zufammenfetungen, ſ. u. Poden. 

Blätterpilz, jo v. wie Blätterihwamm. 

Blätterjchiefer neunt man blätterige, fehr 
bituminöfe Braunfohlen. 

Blätterſchwamm (Agaricus L. Bot.), Pilz 
gattung aus der Fam. der Hymenompceten. Die 
zahlreichen Arten wachſen auf dem Boden, od. auf 
Bäumen, befigen in der Hegel einen Stiel oder 
Strunt (Stipes), ferner einen Hut (Pileus) u. auf 
deifen Unterfläche in ftrabliger Anordnung eine 
große Anzahl längerer u. kürzerer, ſenkrecht aufge» 
ftellter Yeiften od. Plättchen (Laminae, Lamellen) 
von der Form von Mefferklingen, welche auf ihrer 

anzen Oberfläche mit dem Sporenlager überzogen 
An, Daffelbe beiteht aus Sporen (einzelligen 
Keimkörnern) von milroffopifcher Kleinheit, welche 
bei der Heife von jelbit abfallen. Sie find zu je 
vieren auf feulenförmigen Trägern (Bafidien) 
mittel Heiner Stielhen (Sterigmata) befeitigt u. 
beſitzen verjchiedene Farben, nad welchen man die 
jehr große Zahl diefer Pilze eintheilt, nämlich in 
die Untergattungen: Coprinus, Sporen ſchwarz; 


2) (Fol. calicis, Sepala) Die Heinen Blätter, aus | Pratella, Sporen braunfhwarz; Derminus, Sporen 
welchen der Kelch zufammengefegt ift, wenn fie fo |roftfarbig; Cortinarius, Sporen zimmtfarbig; Hy- 
auf dem Blumenftiel eingelentt find, daß fie fid porrhodius, Sporen röthlich; Leucosporus, Sporen 


Blätterſchwamm. 


503 


weiß. Mehrere laffen beim Anbrechen eine mweiße,fih häufig in dem Dünger der Miftbeete, welcher 
oder gelbe Milch ausfließen: Mitchblätterpilz (Ga-|dann mit weißen Fäden durchzogen erjcheint; fie 


lorrhoeus). Als weiteren Eintheilungsgrund be= 
nust man das Vorhandenfein oder Fehlen einer 
Hülle (Volva), melde, wie bei dem Fliegenpilze, 
anfangs als eine weiße, briichige Schale den ganzen 
Pilz einhüllt; ferner das Vorhandenfein od. Fehlen 
eines Ringes (Annulus) am Strunfe, welcher, wie 
beim Campignon, anfangs als eine häutige Man- 
ſchette zwifchen Strumf u. Hutrand ausgefpannt ift, 
weiterhin aber ringsum von legterem gleichmäßig 
abreißt. Sie entftehen aus einer im Boden oder 
Holze verftedten Grundlage feiner Fadengewirre 
(Bilzmutter, Mycelium), und da dieſes radial im 
Boden ſich ausbreitet, fo ftehen die im Umfange her- 
vorlommenden Schwämme oft in Ringen (Heren- 
ringe). Dan kann dies Mycelium zur fünftlichen 
Fortpflanzung benugen, indem man etwas davon 
in ein geeignetes Beet überträgt; auf diefe Weife 
werben die Champignons maffenhaft in den Kellern 
großer Hotels, in verlaffenen Bergwerfen u. na- 
mentlih in den römischen Katakomben von Paris 
cultivirt; fie bedürfen nämlich fein Tageslicht zu 
ihrem Gedeihen. Mehrere find efbar, viele giftig, 
worüber man Näheres (mit Abbildungen) in Yenz': 
Die nüslihen u. fchädlihen Schwämme, findet; 
auch gibt es colorirte Gipsmodelle, welche zur 
erften Einführung jehr geeignet find, 3. ®. von 
Büchner in Hildburghanfen: Nachbildungen eßbarer 
‚u. ſchädlicher Pilze. Ein allgemeines Erfenmungs- 
zeichen für die Giftigkeit oder Unfchädlichkeit gibt 
es nicht; imsbefondere ift es irrig, die zu einer 
Speije verwandten Pilze nur dann für giftig zu 
halten, mwenn etwa ein in die warme Speife ge- 
legter filberner Löffel ſchwarz anläuft, oder wenn 
die friihen Pilze beim Anfchneiden fi) blau ver- 
färben. Bielmehr kann bier nur die botanijche 
Kenntniß der einzelnen Arten fiher führen, in 
gleicher Weife, wie bei allen anderen Pflanzen. 
Eßbar ift der Champignon (A. campester L.), 
mit weißem Strumf, der einen hinabgeichlagenen 
Ring trägt; die Lamellen find bleicherofa u. wer- 
ben endlich faffebraun; der Hut ift weiß od, bräun- 
lich, gewöhnlich ganz glatt. Diejer Pilz kommt 
nah marmer Witterung bei ausgiebigem Regen 
in Maffe aus der Erde, auf trodenen Wiefen, in 
Wäldern, an Rainen, häufiger auf etwas ſchwerem, 
als auf leichtem Boden, u. befonders da, wo Pferde 
u, Rindvieh viel fi aufgehalten haben, wird aber 
auch in großen Mengen fünftlich angezogen, wozu 
jeder dunkle Raum, welcher eine gleihmäßige Tem- 
peratur von 12—15° R hat, benußt werden fann. 
Die Eufturmethoden find verichieden: gewöhnlich 
macht man 40—70 cm hohe Haufen von frischem 
Pferde-, Eiels - oder Maulthiermift ohne Strob, 
welche gleihmäßig u. feft angelegt werden milffen, 
hält fie durch heißes Waffer mäßig feucht u. be— 
dedt dieſelben, wenn fie nach der Erbigung fich 
auf 25° R. abgekühlt haben, mit Champignonbrut 
u. nad) einiger Zeit, wenn letztere fih im Haufen 
gleihmäßig verbreitet hat, 8 cm hoch mit durch» 
gefiebter, mehr lehmiger, als fandiger Erde und 
auch wol mit etwas Stroh, um das Austrodnen 
zu verhindern, worauf nah 4—6 Wochen die Pilze 
erjcheinen u. vorfihtig mit einem Meſſer ausges 
ſtochen werden. Die hierfür geeignete Brut findet 


wird meift fünftlih bereitet, indem man eine 
Miihung von Pferde» oder Efelsmift und etwas 
Rinder» oder Schafmift u. lehmiger Nafenerde bei 
einer gleihmäßigen Tempetatur von 15° R. in 
dunklem Raume auf feite Haufen bringt und mit 
friſchem Pferdemifte bededt 4 Wochen liegen läßt; 
die Maſſe erfcheint dann gewöhnlich mit dem aus 
weißen Brutfäden beftehenden Mycelium erfüllt u. 
fann nun als Brut benugt werden. Beiler noch find 
die Brutziegel oder Brutfteine, welche aus Pferde-, 
Rinder u. Schafmift ohne Strob, Iehmiger Hafen» 
erde u. alter Gerberlohe geformt u. mäßig ange» 
trodnet, mit der Brut, ähnlich wie vorhin ange- 
geben, in Berührung gebradt u., wenn fie von 
der Brut durchzogen find, völlig getrodnet werden 
u. fo fi verjenden u. mehrete Jahre aufbewah— 
ren laffen. Der Champignon wird leicht verwech- 
jelt mit dem fehr gefährlihen A. phalloides Fr, 
Amanita phalloides Fr. (A. bulbosus Bull., A. 
vernus Fr.), durchaus meiß-gelblih, der Strunf 
unten wulftig berdidt, der Hut anfangs mit weißen 
Feten beflebt. Bei Vergiftungen, welche mit Darm⸗ 
entzündung verbunden find, benutt man zunächft 
Bredmittel; alsdann werden große Mengen kaltes 
Waffer getrunken, darauf ftarfer Kaffe. Eßbar it 
ferner der im SO. von Deutſchland u. in Italien 
nicht jeltene Kaiferling (A. [Amanita] caesareus 
Schäff.), mit gelblihen Strunf, Ring u. Yamellen 
u, intenfiv rothem Hut, welcher weißgelbe Warzen 
trägt. Mit ihm wird leicht der Fliegenpilz 
(Ag. [Am.] muscarius Z.) verwechjelt, welcher jehr 
giftig ift, trotzdem aber in Meinen Duantitäten von 
balbwilden Bölfern im nördlichen Sibirien als 
Beraufhungsmittel verzehrt wird. Er hat rein 
weißen Strunf, Ring u. Yamellen, während der 
Hut prädtig farminrorh ift, mit dicken weißen 
Warzen bejegt. Zu den eßbaren gehören ferner 
noch folgende: der Paraſolſchwamm (Ag. pro- 
cerus Fr.), im September auf Wieſen u. in Wäl— 
dern, einer der größten, oft 23 em body; Grund» 
farbe weißlih, überall mit braunen angebrüdten 
Schuppen bejegt; der Ring lofe u. verſchiebbar; 
Strunk unten verdidt; Lamellen weiß. Ferner der 
ächte Reizker (Ag. delieiosus L.), auf Walde 
ichmeißen, namentlih im Nadelholz, unrein roft» 
gelb mit undentlihen grünfichen Ringen auf dem 
Hute, niedrig (11 em), ohne Ring, mit prange« 
gelber Milch. Ihm ähnelt der giftige od. wenig» 
ſtens verdäcdhtige Birtenreizfer (Ag. torminosus 
Schäff.); Hut röthlih, mit Ringen, am Rande 
anfangs zottig, mit weißlichen Lamellen u. röth— 
lihem Strunfe, der zulegt hohl wird; enthält eine 
weiße, icharfe Mich; wächſt in Wäldern, zumal 
unter Birken. Bezüglih des den Nabdelbölzern 
gefährlichen Hallimaſch (Ag. melleus) ſ. Rhizo- 


morpha. ferner find noch efbar: Ag. ostrea- 
tus. Der Brätling oder Goldbrätling (Ag. 


volomus Fr.), in Wäldern auf der Erde, 13 cm 
body; Hut zimmtfarbig, zuletzt trichterförmig, mit 
weißer, milder Milch, die beim Reiben zmwifchen 
den Fingern nah Häringslake riecht; Lamellen 
weiß, durch Drud bräunlih; Strunk zimmtfarbig, 
oben weißlich, ohne Ring, folid. Der Elfenbein- 
ſchwamm (Ag. ebumeus Bull.), ohne Milch, 


904 


ſchmierig, meiß; Hut 5 cm breit; Lamellen ent 


Blätterftein — Blattflöhe. 


emetica Fr.) it mindeſtens verdächtig, indeß wer— 


fernt, etwas am Stamme herablaufend; Strunk den einzelne Abarten (mit gelblichen Lamellen) ge- 


faum 1 cm did, mit Meinen Körnchen, vo bobl; 
in Wäldern. Der Maifhwamm (Ag. Pomo- 
nae Lenz, Ag. gambosus Fr.), meißgelb; Hut 
fpannenbreit, wellig gebogen, kahl, gefledt, zuletzt 
riifig, feinflodig; Yamellen ausgerandet, mit einem 
Zahne am Strunfe angeheftet, dicht, Strunk ftarf, 
cylindriſch; auf Grasplägen. Ag. pratensis Scop. 
(Ag. arvensis Schäff.), wol nur Barietät des Ag. 
campester, mit hohlem GStrumf u. doppeltem Ring, 
der äußere au ftrahlig geſchlitzt; auf Wiefen. 
Der Herbft-Mufferon (Ag. oreades Bolt.), 
angenehm viechend, lederfarbig od. blaß rehbraun; 
Hut 2—5 cm breit, fabl; Strunf bis 8 cm bod, 
jolid, unten zottig; Lamellen blaß, entfernt von 
einander; truppweile anf Grasplägen; eignet fich 
jehr zur trodenen Aılfbewabrung. Der Jungfern« 
ſchwamm (Ag. virgineus Jacg.), weiß, bei einer 
Barietät ſchwefelgelbbraun (Ag. pratensis Pers.); 
Hut oben zulett flach, nach unten Freifelförmig in 
den Strunk verlaufend, Tabl; Yamellen etwas ber- 
ablaufend, nicht Dicht ftebend; Strunk folid, glatt, 
nah unten verdünnt; der ganze Schwamm wäſſe— 
rig; auf Wiefen u, Heiden. Der Lauchſchwamm 
(Ag. scorododonius Fr.); riecht ſtark nach Zwie— 
bein, Hut über 1 cm breit; flach, runzelig, weißlich, 
papierdünn; Yamellen ungleich, wellig gebogen, die 
längften an den Strunk gebeftet, weißlich, nicht 
dicht; Zirumf 1 mm did, 2—3 em hoch, walzlich, 
fabl, glänzend, ſchwarzbraun, bobl; an jchattigen 
Stellen im Walde u. in Gärten; dient als gewür- 
ziger Zufat, wobei man die Lamellen nicht, mie 
jonft, bejeitigt. Der Nagelidwamm (Ag. esen- 
lentus Wulf); Hut jehr dünn u. durchſcheinend, 
blaßgelbbräunlich, zulett flach mit einem Budel in 
der Mitte, Fabl; Lamellen weißlich, nicht dicht, an 
den Strumf unten angewachlen; Strumt 5 cm hoch, 
2 mm did, blaß-gelblich; im Frühling u. Borfommer 
in Wäldern. Der Stodfhwamm (Ag. mutabi- 
lis Schäff.), büjchelweiie im Sommer an Laub- 
bolzftämmen; Hut röthlich-braun, ziemlich flach, 
meiſt kahl; jein Fleiſch mattweiß, von objtartigem 
Geruch; Yamellen gelblich-weiß bis bräunlich ; Spo- 
ven braun; Strunf 5 cm bob, 4—9 mm did, 
krumm, braun, hohl, fhuppig, unten dunkler, ge— 
mwöhnlich mit einem braunen Ringe. Der Muſſe— 
ron (Ag. Prunulus Scop., Ag. albellus Schäff.); 
Hut etwas ſchief auffigend, zuletzt flah, Rand hin⸗ 
abgebogen, im Umfange buchtia, werglich, waſch⸗ 
lederartig, bis 6 cm breit, fleiichig; das Fleiſch 


geilen; Hut verfchiedenfarbig, meift trüb odergelb- 
Ih od. farminroth, zuletzt flach, Tabl; Fleiſch Did, 
weiß, nad oben röthlich; Lamellen weiß od. gelb» 
lich, meift gleich lang, zuweilen gabelipaltig; Sporen 
weiß oder blaß-gelb; Strunt Tabl, meift jolid, 
weiß, gleich did, 6—8 cm body; fehr häufig in 
Wäldern; jhmedt etwas ſcharf. Der Schwefel— 
fopf, wegen des bitteren Gejhmades auch Bitter 
ſchwamm (Ag. fascicularis Huds.), ähnelt dem 
Stodihwamm (f. 0.); Grundfarbe fchmwefeigelb, 
mit hellem Braunroth; Hut dünn, zäh, kahl, ins 
Odergelbe gefärbt, 3—6 em-breit, gewölbt; Ya- 
mellen blaß-grünlich-bräunlich; Sporen braun; der 
Hutrand mit einem Schleier; an Strünfen von 
alferlei Bäumen in Haufen; it mindeftens ber» 
dächtig, wird aber auch von Manchen als eßbar 
bezeichnet. Der riſſige Blätterſchwamm (Ag. 
rimosus Bull.), deſſen Giftigkeit ebenfalls bezwei⸗ 
felt wird; Hut dünn, glodig, lederbraun; Ober- 
haut mit meiit ſtrahlig geordneten Längsriſſen; 
Yamellen nicht an den Strunk laufend, weißlich 
bis braun; Sporen braun; Strunk hohl, faft kahl, 
8 cm bob, 2—5 mm did, unten verbidt, folib, 
weiß, oben weiß bejtäubt; auf Grasplägen u. ım 
Wäldern. Näheres über die giftigen Pilze, na« 
mentlih auch in medicinifcher Beziehung, ſ. bei 
Phöbus, Deutichlands Fryptogamiiche Giftgewächſe, 
Berl. 1838, mit colorirten Abbildungen. 
(Bot.) Hoffmann. (Zucht) Wolde. 

Blätterftein, Variolit od. variolitiihen Apha- 
nit nennt man einen Aphanit, der zahlreiche Kleine, 
im Junern zum Theil radial-faferige od. concen- 
triſch⸗ ſchalige, grünlich· weiße Feldipatbconcretionen 
enthält, die beim Verwittern des Geſteines ſtehen 
bleiben u. ihm ein podenartiges Ausſehen geben, 
daher der Name, 

Blättertellur (Min.), fo v. w. Blättererz. 

Blätterwerf (Baul.), die plaftifhen Zierrathen 
für ausgehöblte Gefimfe, Säulencapitäle, Sparren- 
töpfe zc., aus dem WPflanzenreiche, beſ. Bären. 
Hau, Oliven, Eichen», Lorbeer-, Wein-, Palmen« 
B.; vgl. Baulunſt, ©. 782. | 

Blatterzeolith (Min.), fo v. w. Stilbit; |. d. 

Blatifalter, Schmetterling, ſ. u. Blattwidler. 

Blattfarbitoffe. Hierhin gehört vor Allem 
der grüne Farbſtoff (f. Chlorophyll), der fi gegen 
den Herbit hin gewöhnlich unter Umfegung braum, 
roth oder gelb verfärbt. Doch fommen aud ſchon 
im Sommer in mancden Fällen (z. B. bei der 


weiß u. zart, Geruch mehlartig; Lamellen weißlih|rothen Rübe, Beta vulgaris var.) neben dem 
bis blaß-rofa, hinablanfend, entfernt, ungleich lang; |Blattgrün, welches in feiter Form auftritt, andere 
Sporen blaß-rofa; Strunt 4 cm lang, 7 mm did, |arbitoffe, u. zwar in Löſung vor, z. B. bier eim 
oben dicker, ſchief auffteigend, weißlich, unten weiß rother. Die weißen Flecken oder Streifen der 
filzig, didfleiichig; in Wäldern. (Der Name Mufje-|panadirten Blätter beruhen auf einem örtlichen 
ron wird auch für den Ag. Pomonae Lenz. [f. o.]| Fehlen des Blattgrüns. 

—— Giftig find u. a. noch: Der Panther- Blattflöhe (Blattjauger, Springläufe, Psplli- 
chwamm (Ag. pantherinus DC.); Hut Sembreit,|dae s. Psyllodes), Familie der Inſecten aus ber 
bräunlich, mit weißen concentriichen Fetzen warzen-| Ordnung der Schnabelferfe od. Hemipteren, Unter 
artig bededt, am Rande geftreift; Lamellen weiß, ordnung der Pflanzenläufe (Phytophthires). Sie 
ungleich lang; Strunt 8 cm body, 1 cm did, weiß, |find ausgezeichnet durch die langen, 10-, felten 
zulegt hohl, mit weißem, ſchief ftehendem Ninge,|Sgliederigen Fühler, deren beide Grundglieder 
unten mit einer dicht anliegenden Scheide befleidet;|ftark verdict find. Ihr Rüſſel ift weit nach binten 
in Wäldern. Der Speiteufel oder Täubling gerückt. Die hinteren Beine dienen den Heinen 
(Ag. emeticus Schäff., Ag. integer L., Russula'Thieren zum Springen, fo daß fie dadurch floh⸗ 


Blattfüßer — Blattgold u. Blattſilber. 


artig ericheinen, obgleih fie im ausgebildeten 
Buftande ſtets geflügelt find. 


505 
Blattgold u. Blattfilber nennt man äußerſt 


Ahnlih den Blatt- dünne Gold», reip. Silberblätthen, die durch Schla— 


läufen jondern fie einen zuderhaltigen Saft ab.\gen mit dem Hammer aus Gold, bezw. Silber 


Durd ihren Stich geben fie häufig Veranlaſſung 
zu Mißbildung von Blüthen u. Blättern. Man 
kennt bis jet in Deutſchland ſchon fiber 75 Arten 
diefer ſchädlichen u. Läftigen Thiere, u. damit ift 
deren Zahl noch Tange nicht erſchöpft. Ihre Ent- 
widelung ift noch wenig beachtet, doch befitt die 
Larve meift fürzere Gliedmaßen u. ungegliederte 
Fühler, ift flügellos u. mit einem weißen, mehl- 
artigen Überzuge (zumeilen Wachs) verjehen. Die 
bervorragendite Gattung, Psylla Geoffr., ift durch 
ihre vorftehenden Augen u. die zweiäftige Rand« 
ader des Flügels charakterifirt. Dahin der Birn- 
blattfloh oder Birnfäuger (Psylla pyri 
Schmidb., Ps. pyrisuga Förster). Derjelbe jtellt 
fih an zahlreihen Orten Deutichlands alljährlich 
im Frühling maffenhaft auf Birnbäumen ein, 
fol jedoh auch einzeln auf Apfelbäumen ange- 
troffen werden. Sie fiten dann gewöhnlih an 
den jungen Blatt⸗ u. Blüthenſtielen, wo man fie 
oft in Paarung findet. Das Weibchen legt feine 
Gier in den SHaarfilz der jungen Triebe, der 
jungen Früchte, oder auf der Blattunterfeite. Nach 
der erjten Häutung ziehen fich die bräunlichen 
Nymphen von Blütben u. Blättern abwärts, um 
fib am Grunde eines ein- od. zweijährigen Schöß- 
lings ein gemeinſemes Lager zu bilden. Hier 
werden fie häufig von Ameifen u. anderen Dr 
fecten beiucht, welche begierig ihre Hebrig-flüffigen 
Ercremente, von denen Zweige u. Blattitiele ‚oft 
ganz beihmutt find, aufſaugen. Erſt nad der 
legten Häutung zerfirent fich die Gejellichaft, um 
fich einzeln unter einem Blatte in die volllommenen 
Inſecten zu verwandeln. Anfangs lieblih grün 
mit rothen Augen, färben fich diefe den Sommer, 
gt u. Winter hindurch allmählich braimroth. 

ie Larven bohren ihren langen Rüſſel im die 
von ihnen beſetzten Rindentheile ein, hemmen fo, 
infolge ihrer Unzahl, das Wachsthum der Birn- 
bäume und führen oft den Tod der jlingeren 
Triebe, jowie der Blätter u. Blüthen herbei. Der 
Apfelblattfloh (Apfeliauger, Ps. Mali Först.) 
lebt im Spätſommer bäufig auf Apfelbäumen, 
einzeln auh auf Weißdorn. Er paart fi im 
September; die Eier überwintern. Die erften 
Nymphen erſcheinen im April, fie find lichtgrün 
u. von weißen, gefräufelten Haaren bededt. Das 
volltommene Inſect eriheint Ende Mai, Anfangs 
Juni; die Larven zerftören oft zahlreiche Blüthen, 
an deren Stielen fie jangen. Die übrigen Arten 
find alle mehr oder minder ſchädlich, je nach der 
Zahl, in welcher fie grade auftreten; daher tft ihre 
Schädlichleit oft jehr local, d. h. auf beftimmte 
Orte beichräntt. Thoms. 

Blattfüßer, ſ. Kruſtenthiere. 

Blattgerippe Glattſtelet), Blatt, von dem 
nur noch die Gefäßbündel (Adern u. Rippen) vor- 
handen, die Oberhaut u. das jonftige Yellgewebe 
aber mweggenommen find. Man bereitet ſolche, 
indem man das Blatt in Waffer eimmeicht und, 
wenn es zu faulen anfängt, die erweichten Theile 


mit eimer feinen Bürſte wegnimmt, oder ſanft 5 Büchelchen & 50 Blatt beftebt. 


zwiſchen den Fingern abreibt. 
Blattgerite, Ar: der Gerfte; ſ. d. 


verfertigt u. zum Berzieren der Bücherbände, des 
Holzwerfes x. angewandt werden. Das Ber- 
fahren der Golbichlägerei ift folgendes. Das Gold 
wird meift rein u, ohne — angewendet; zu 
blaßgelbem Blattgold (Pariſer⸗, Franzgold) verſetzt 
man Gold mit */,, Silber, oder mit Y,, Silber 
u. Y,, Kupfer. Dean giebt zuerft aus dem Golde 
in einer eijernen Form einen Zain von 20— 40 
Ducaten Gewicht u. ca. 20 mm Breite, ſchmiedet 
diefen unter öfterem Anwärmen falt aus, bis zu 
ca. 5 mm Dide, und malzt dann unter Heinen 
Walzwerten noch weiter aus. Das jo dargeitellte 
Blech zerfchneidet man mit der Scheere in Kleine 
quadratiihe Stüde von ca. 25 mm |] (Quar- 
tiere) u. beginnt dann das Schlagen im Formen, 
d. h. man legt eine gewiſſe Anzahl lofe zwiſchen 
einzelne Pergamentblätter, die man in ein dop— 
peltes Futteral von Pergament (die Form) ſchiebt, 
u. "bearbeitet diefelbe dann mit 3—8 kg ſchweren 
Handhämmern mit converer Bahn. Als Amboß 
dient dabei ein Marmor- oder Sranitblod. Das 
Bearbeiten in der Form wird jedesmal jo lange 
fortgefett, bis die Blätter die volle Größe der syorın 
(100—130 mm im Quadrat) erreicht haben. Man 
nimmt fie dann heraus, zerjchneidet fie über Kreuz 
in 4 gleihe Theile u. legt fie von Neuem in eine 
Form, in der man das Schlagen fortfegt. Die 
Blätter der erften Form befteben aus Pergament, 
die der lettangewandten aus Goldichlägerhaut, der 
feinen Oberbaut vom Blinddarnıe des Ochſen, 
welche gereinigt, aufgeipannt, getrodnet, darauf 
noch mit Aamumaffer gewaſchen, mit einer Löſ— 
ung von Haufenblafe in Wein beftrihen und 
ihließlich noch mit Eiweiß überzogen wird. Die 
erftangewandte Pergamentform nennt man die 
Didanetiche, die zweite die Diinnquetfche, die erſte 
Hautform Yothform, u. die zweite, aus ber das 
Blattgold fertig hervorgeht, Dünnichlagform,. Der 
Abfall beim Beichneiden u. der Bearbeitung, die 
Kräge, beträgt faft die Hälfte Des angewandte 
Goldes; dafjelbe wird entweder wieder einge- 
ſchmolzen, oder, mit Honig angerieben, als echte 
Goldbronze, Malerbronze oder Muſchelgold ver- 
fauft. Die Dide des feinften Blattgoldes beträgt 
höchſtens den zehntaufenditen Theil eines Mills 
meterd. Zwiſchen zwei Glasplatten gelegt läßt 
dafjelbe das Yicht mit grüner Farbe durch. Blatt 
fiber wird ebenfo dargeftellt, aber weniger fein 
geichlagen, nur ca. Ya. mm did. Zwiſchgold 
it Blattfilber, das auf einer Seite einen dünnen 
Goldüberzug hat. Man erhält es, indem man 
vor Beendigung des Schlagens auf jedes Silber» 
blatt ein Goldblatt legt; beide verbinden ſich dann 
beim weiteren Bearbeiten innig. Die VBlättchen 
des Dres, wie es im Handel vorfommt, find 
Quadrate von 50—80 mm Seite; fie werden 
einzeln zwischen die Blätter Heiner Büchelchen 
von glattem, vothem, mit Bolus eingeriebenem 
Papier gelegt. 250 Blätthen beißen 1 Bud, 
welches aus 12 Büchelchen à 21 Blatt, od. aus 
Das unedte 
Blattgold (Metallgoid, Goldihaum) u. Blatt- 
filber (Metalffiiber, Silberihaum) werden wie 


506 


Blattgrün — Blattkäfer. 


die echten geichlagenen Metalle verfertigt, aber beij Thieren, bei ungemligenber Ernährung der Larven 


meiten weniger fein geichlagen; 
nur Yun mm did. Erfteres wird aus 
Tombal, letteres aus einer Legirung von Zinn 
mit etwas Zink bergeftellt. Die Legirumngen 
werden ebenfalls in eiernen Formen in Zaine 
gegoffen, unter öfterem Ausglühen bis etwa auf 
Papierdide ausgemwalzt, dann mit Glaspulver blanf 
erieben, zerichnitten u. im Formen gehämmert. 
8 nad der Yegirung des angewandten Tombaks 
ift das unechte Blanfilber mehr gelb oder röth- 
Ih. In neuerer Zeit bedient man fich auch einer 
Metallſchlagmaſchine, die das Schlagen, Wenden 
u. Verſchieben der Form felbftthätig beiorgt. Die 
Abfälle werden auf Metallbronze verarbeitet. Der 
alte Sit der Metallichlägerei ift namentl, Nürnberg. 

Blattgrün, ſ. Chlorophyll. 

Blatthäntdien (Ligula), ein Meiner häutiger 
Zipfel, welcher fih bei Gräſern u. einigen ande: 
ren Bilanzen an derjenigen Stelle, u. zwar auf 
der Innenſeite, findet, wo fi) das Blatt von der 
Blattſcheide abiekt. 

Blattheufchreden, I. Heuichreden. 

Blatthörner (Blatthorntäfer, Lamellicornia). 
An 6000, in mehr als 700 Gattungen vertheilte 
Arten bilden diefe ausgezeichnete Inſectenfamilie 
aus der Ordnung der Käfer, Unterorbnung der 
Fünfgliederigen (Pentamera). Ihre Körperform 
ift jehr mannigfaltig, meift gemölbt u. gedrungen, 
doch bewahren die Fühlhörner ftets einen cdharal- 
teriftiichen Typus, von welchem die Bezeichnung 
der Familie eutlehnt wurde: diefelben find 7- bis 
11gltederig, mit großem Gıundgliede und fächer- 
fürmig verbreiterten (3—7) Endgliedern, wie dies 
vom Maikäfer ber wol ziemlich befannt jein dürfte. 
Bei vielen find die VBorderbeine zum Graben ein- 
gerichtet. Die weihhäutigen, gefrümmten Yarven 
berpuippen ſich nad) 2» bis 3jähriger Yebensdauer 
in einem Cocon unter der Erde; fie nähren fich 
theils von Blättern, theils von faulenden pflanz- 
fihen oder tbieriihen Stoffen, von Nas u. Erere: 
menten. Desgleihen die Käfer, von denen viele 
an Dinger leben und durch die unglaubliche 
Schnelligleit, womit fie denſelben hinwegräumen, 
von Bedeutung werden, mwährend andere durch 
Blätter» oder Wurzelfraß ſehr jhädlih find. Bei 
den Ben find die Männden in der Regel nicht 
nur viel größer als die Weibchen, fondern be 
figen auch auffallende Abweichungen in der Bild» 
ung der Fühler, Kiefer u. Beine, fowie in ber 
Sculptur diefer Theile; bei zahlreichen haben die 
Männchen endlih auch noch eigenthilmliche, oft 
zangenartig gegen einander wirfende Hörner und 
Auswüchſe an Kopf u. Vorderbruft, fo z. B. beim 
Hirichfäfer. Diefe plaftiichen Unterſchiede zwiſchen 
Männchen und Weibchen find aber von der Er- 
nährung der Larve in hohem Grade abhängig 
und bei jchlecht genährten Eremplaren oft faum 
angedeutet, Sie zerfallen in 5 Gruppen, 1. Gruppe: 
Rieſenkäfer (Dynastidae), riefige, faft aus— 
ſchließlich tropiiche, namentlich amerilanische Käfer. 
Die Männden find durch eigenthümliche Aus- 
Ihmüdungen des Kopfes u. der Bruft von den 
Weibchen fo verihieden, daß ihre Zufanımen- 


ein Blatt iſt ſind Männden u. 


Weibchen faft gleich geftaltet, 
Dahin 3. B. der Herculestäfer (f. dd. Bei 
uns nur der Nashornkäfer (f.d.). 2. Gruppe: 
Blumentäfer (Cetoniariae); die Flügeldecken 
umfaffen den Hinterleib nicht; farbenprächtige 
Käfer, bei denen Männchen u. Weibchen ebenfalls 
oft bedeutende Unterſchiede zeigen, obgleich erftere 
keine Hörner u. dgl. befigen, wie die Riejentäfer. 
Zie fliegen meift mit geichloffenen Flügeldecken 
plöglih auf, juhen im Sonnenihein Blumen n. 
nähren fih von Blüthenftaub, Honig, ſowie den 
aus Bäumen u. Obft ausjtrömenden Zuderfäften. 
Bei und der Blumenfäfer und der NRofen- oder 
Goldkäfer. Rieſige Arten enthält die in Afrika 
u. Neu-Guinea vorfommende Gattung Goliathus 
(1. d.), fomwie die molulfiihe Euchirus. 3, Gruppe: 
Yaubfäfer (Phyllophaga). Nur in Fühler u. 
Beinbildung find Männden n. Weibchen oft nod 
verfchieden. Die Käfer freffen Blätter u. Vlüthen- 
theile, die Larven, ſoweit befannt, Wurzeln leben- 
der Gemwädhle. Dabin der Maikäfer, Brachkäfer 
Juni u. Julifäfer (ſ. d.). 4. Gruppe: Mift« 
fäfer (Coprophaga); Fühlerkeule kurz, Enopfe 
förmig; Fußtarſen ſchwach, oft ganz verfümmert, 
Auffallende, plaftiiche Unterfchiede zwifhen Männ- 
hen u. Weibchen meift vorhanden. Dahin die 
Miftpilfenkäfer, Starabäen (j. Scarabaeus), 
Mondhornläfer, Kotbläfer, Dungläfer, 
Roßkäfer u. a. (f. Miftläfer).. 5. Gruppe: 
K8ammbörner(Pectinicornia); Fühlerleule kamm- 
förmig. Dahin der Hirſchkäfer(ſd.) RG Hräter. 
bome. 

Blattläfer (Chrysomelinae). Das daralte- 
riftiiche Merkmal der fehr verichiedengeitaltigen, 
über den ganzen Erdfreis zerftveuten, bereits im 
10,000 Arten bekannten Familie ift die deutliche 
Entwidelung der Beine und die Yebensweile der 
Yarven, Diefe leben nämlich weitaus zum größten 
Theil auf der Oberfläche von Pflanzen, find fo 
dem Lichte ausgefegt u. von intenfiver Färbung; 
fie ernähren fih von faftreichen, weichen Pflanzen 
heilen, insbefondere von Blättern. Viele haben 
die Eigenthümlichkeit, ihre Ereremente als Schutz— 
deden auf ihrem Rüden anizuthürmen, wie 5.8. 
die Schilbfäfer, oder dieſelben zur Anfertigung 
von Gehäufen, die fie mit fi herumtragen, zu 
verwenden, wie die Sägefäfer. Die Berpuppung 
geichteht theils an der Nahrungspflanze felbit, 
indem fi die Puppe (ähnlich wie bei Tage 
ichmetterlingen) mit dem Yeibesende aufhängt, 
ftärzt, theils in Cocons im Boden oder dem 
Waſſer. Die wenig großen Käfer find im Als 
gemeinen von lebhafter, oft metalliicher Färbung. 
Der Fraß made die B, oft ſchädlich. Beſonders 
wichtige, in fpeciellen Artifeln zu betrachtende 
Sattungen und Arten find: die Rohrkäfer, die 
Zirpfäfer oder Blatthähnchen, mit dem 
Linienkäfer u. Spargelhähnden, der Wein- 
todfallfäfer, bie Fallkäfer, die Erlentäfer, 
die Erdflöhbe, mit Kohl», Naps- u. Eihen- 
erdfloh, die Sägekäfer u. die eigentlihen 
B. Die eigentlihen B. (Chrysomelini) bilden 
eine ganze Öruppe der Familie der B. Sie find 


gehörigfeit nah dem Außern nicht erkennbar iſt; ausgezeichnet durch dem bis zu den Augen in das 


doch gilt dies nur von den fräftig entwidelten 


turze, breite Halsihild eingefentten Kopf, die 


Blattfiemer — Blattläufe. 


507 


ſchnur · ober fadenförmigen, an ten Seiten der Geſchlechtsapparats u. ber Eier, melde hier 
Stirn, weit von einander eingelentten Fühler u. Keime oder Pſeudova (faljche Eier) genannt wer« 


die durch eine 
Borderbeine. ande Arten, zu denen unjere 
—— ſchwarzen gehören, find flügellos (z. B. 
imarcha tenebricosa L.) und kriechen nur am 
Boden im Grafe oder unter Steinen; andere fin- 
den fich beftändig auf beftimmten Krautpflanzen, 
noch andere auf Gefträuh, Gebiüih u. Bäumen; 
unter diefen find mehrere forſtlich Shädliche, indem 
fie zeit u, ſtellenweiſe in außerorbentlicher Dienge 
auftreten und als Käfer, weit mehr jedoch als 
Larven die DBlattflähen benagen u. jo oftmals in 
großer Ausdehnung alle Blätter der befallenen Pflan⸗ 
zen völlig fleletiven. Zeitiges Abklopfen u. Auf—⸗ 
fangen find das einzige, leider oft nicht ausführ- 
bare Bertilgungsmittel. Dahin gehört 3. B. ber 
Pappelblattfäfer (Chrysomela s. Lina populi 
L.), 10—12 mm lang, ſchwarz mit bläulichem 
Schein, Flügeldeden trüb ziegelroth, mit ſchwarzen 
Spigen; Larven geftredt, ſchwarz, mit Reiben 
vorftülpbarer Zapfen, aus denen fie, gereizt, 
Tröpfchen weißes Saftes treten laffen. Die am 
Borderrande kolbig verdidten Puppen hängen 
er Käfer, wie Larven fleletiren Pappel« 
jpen- und, Weibeblätter, namentlich an Wurzel— 
brut. Ahnliche Lebensweie zeigt der Ajpen- 
blattfäfer (Chr. s. L. tremulae Fr.), 8 bis 
10 mm lang, ähnlich dem vorigen, doch lügel- 
dedenipiten nicht fchwarz; ſowie der Weiden« 
blattfäfer (Chr. vitellina L.), 4—5 mm lang, 
erzfarben grünlih, an Weiden oft in ungebeurer 
Menge. home. 
Blattfiemer, fo v. w. Mufcheln. 
Blattkohle (Papierkohle), eine in blattvünnen 
Lagen vorfommende Braunkohle. 
fattläufe (Aphidae), Inſectenfamilie aus 
der Ordnung der Schnabelterfe (Hemiptera), 
Unterordnung der Pflanzenläufe; Heine, felten mebr 
als 6 mm lange Thiere, mit anſehnlichen, 5- 
bis 7gliederigen Fühlern; Schnabel 3gliederig, 
fang, bei beiden Geſchlechtern wohl entwidelt; 
Beine lang mit 2gliederigen Tarſen. Beim völlig 
ausgebildeten Thiere finden ſich 4 durchfichtige, 
wenig geaderte Flügel; dieſe fehlen aber meift 
dem Weibchen, jelten auch dem Männden; in der 
Regel befiten fie auch auf ihrem Rücken (auf 
dem drittletzten Hinterleibsringe) 2 jeitlih ange- 
brachte Saftröhren, Honigröhren, dazu beftimmt, 
einen hHonigartigen Saft auszufcheiden. Höchſt 
bemerfenswerth find die Eigenthimlichleiten der 
—— welche theilweiſe ſchon im vorigen 
ahrhundert von Réaumur, Degeer und Bonnet 
beobachtet wurden. Außer den in der Regel 
flügelloſen Weibchen, welche meiſt erſt im Herbſte 
zugleich mit geflügelten Weibchen auftreten und 
nach der Begattung befruchtete Eier ablegen, gibt 
es auch lebendig gebärende, meiſt geflügelte 
Generationen, welche vorzugsweiſe im Frühjahre 
u. Sommer verbreitet ſind u. ohne Zuthun von 
Männchen ihre lebendige Brut erzeugen. Bonnet 


— getrennten Hüften der den. Die echten Weibchen beſitzen nämlich eine 


Samentafche (Receptaculum seminis), im melde 
bei der Begattung der männliche Same eintritt, 
um im gegebenen Moment zu den Eiern hinzuzu» 
treten u. diefe zu befruchten, worauf die befruch- 
teten Eier abgelegt werden, um fich außerhalb 
des miütterlihen Organismus zu entwideln, Dies 
alles iſt anders bei den lebendiggebärenden; 
ihnen fehlt die Samentafche, und die Eier durch— 
laufen bereit im den Sehr langen Eierröhren 
(Keimröhren) mit fortichreitendem Wachsthum 
die embryonale Entwidelung. Die lebendigge- 
bärenden Individuen werden daher entweder als 
eiaenthümlich gebildete, auf Jungfernbrut (j. Bar- 
thenogeneje) berechnete Weibchen, wie es ſich ja 
aud bei den Drohuenmütterchen der Bienen (j.d.) 
findet, angeſehen, oder man betrachtet die ganze 
Eutwidelungsreihe als einen Generationswechſel 
(j. d.), bei welchem geichlechtliche eierlegeude 
(ovipare) Generationen mit ungeſchlechtlichen, 
lebendiggebärenden (viviparen) Generationen ab» 
wecjeln. Die Entwidelung der Rindenläufe fpricht 
indefien zu Gunften der erjteren Anficht. Yebendig« 
gebärende und eierlegende Individuen folgen in 
geſetzmäßigem Wechiel, indem aus den befruchteten 
überwinterten Eiern des Weibchens im Frühjahre 
lebendig gebärende B. hervorgehen, deren Nach— 
fommenjcaft ebenfalls lebendiggebärend ift und 
durch zahlreihe Generationen hindurch lebendige 
gebärende Formen erzeugt, bis endlich im Herbite 
Männchen u. eierlegende Weibchen geboren wer« 
den, welche einander begatten. Die Fortpflanz— 
ung der Rindenläufe weicht info fern nicht un— 
weſentlich ab, als man bei ihnen feine Männchen, 
aber 2 Arten von Weibchen, eierlegende und 
lebendiggebärende, kennt. Die meibliche, fliigels 
loſe Tannenlaus 3.9. überwintert unter weiß 
lichem Wachskleide an der Bafis der bejchuppten 
jungen Tannenknoſpe, wählt im Frilhjahre au 
derjelben Stelle beträchtlich, häntet fih mehrmals 
u. legt zahlveihe (an 200) Eier ab. Die etwa 
im Mai ausichlüpfenden Yarven ftechen die ger 
ihwollenen Nadeln des Triebes an u. erzeugen 
fo die amanasähnlide Wucherung, eine Galle, 
in deren ‚Zellen die Larven fiten, aus denen 
ſchließlich gefliigelte, lebendiggebärende Individnen 
hervorgehen. Die B, leben vom Pflanzenfäiten, 
an Wurzeln, Blättern und Knoſpen meift ganz 
beftimmter Pflanzen, häufig in den Räumen gallen« 
artiger Anichwellungen oder Blattmigbildungen, 
welche fie durch ihren Stich oder Reiz erzeugen. 
Die abgeftreiften Yarvenbäute mit ihrem weißen, 
ihimmelähnlichen Wachsflaum fleben durch den 
aus den Honigröhren ausgeichiedenen Saft oft 
an einander u. bilden das, was man im gewöhn— 
lichen Yeben als Melthau bezeichnet. Dieier, for 
wie der aus den Honigröhren abgejonderte Honig« 
thau lockt vielfach Ameiſen an, welche jedoch den 
Ben ſelbſt leineswegs gefährlih werden. Die B. 


fah bereit8 9 Generationen lebendiggebärender find außerordentlich ſchädlich, indem fie ſowol 


B. einander folgen. 


Dieje untericheiden fih vonjzahlreihe Pflanzen ſchwächen, oder gar in Maſſe 


den echten Weibchen nicht nur in Form u. Färb-|tödten, als aud indem der Honigthau gewiſſen 
ung, jowie dur den Befis von Flügeln, ſondern Pilzen die Anfiedlung auf den Pflanzen erleichtert 
auch durch mejentlihe Eigenthümtichteiten des'u. jo neue Pflanzenfeinde herbeizieht. Bei dem 


508 


außerordentlihen Schaden, den die B. anrichten, 
bat man nad Abwehrmitteln gegen fie gejucht; 


aber zahlreiche, bedentende Geldpreife, welche aufjdum 


Mittel gegen die Wurzellans der Rebe, die Blut- 
aus u. die Rojenblattlaus gejett wurden, harren 
einftweilen noch vergeblich auf den glücklichen Auf- 
finder von Gegengiften. Bon legteren wurden 
wäbrend der letten beiden Fahre ungefähr 600 
allein gegen die Wurzellaus der Rebe empfohlen. 
In Gewähsbäufern räuchert man zur Abwehr 
nit Tabak und empfiehlt, Pfd. Tabak auf je 
1 cbm Rauminhalt des Hanfes zu verbrennen; 
man räuchert abends, lieft morgens die abge» 
fallenen B. weg und fährt jo fort, jo lange es 
nöthig tft. Andere jprengen mit Ablochung von 
Zabal, oder Pfeffer, oder mit Seifenmwaffer, mit 
Theerwaſſer, mit petroleumbaltigem Wafler u. a. 
Doch bat man bei Anwendung aller diejer Vor— 
bengemittel wol darauf zu achten, daß man die 
Pflanzen nicht durch fie zerftöre. ALS trefflichere 
‚yeinde der B. ermeifen ſich Luft u. Licht, ſowie 
die nmatürlihen Gegner derjelben, die Marien- 
täferchen (Coccinellen), die ylorfliegen, die Schweb- 
fliegen u. Jchneumoniden, deren Yarven auf B. 
angewiefen find; das Sammeln von Marientäfer- 
chen u. Verſetzen derjelben in Gewächshäuſer jol 
auch bereits jehr gute Dienfte gethan haben. In 
Europa fennt man gegen 400 Arten; von diejen 
find beionder8 bemertenswerth u. an ihrer Stelle 
nachzuſehen die Rofenblattlaus, die Apfel- 
blattlaus, die Blutlaus, die TKannenblatt- 
laus, die Wurzellaus der Rebe (Phylloxera). 
Bon den zahlreichen anderen, vielfah nad ihren 
NBohnpflanzen benannten ferien noch erwähnt: die 
Bwetidhenblattlaus (Tetraneura pruni Atg.). 
welche den Zwetichenbaum bewohnt, fidh dort auf 
den Unterſeiten der Blätter anfiedelt u. bemirtt, 
Daß diefe fi abwärts umbiegen, fraus u. hoch 
mwölben; dadurch veranlaft fie oft Mißernten, doch 
it fie micht, wie Einige annehmen, die Urfache 
der Taſchen oder Warren ber Pilaumenbäume, 
da diefe von einem Meinen Pilze (Exoascns pruni 
Feke.) hervorgerufen werden. Die Pfirfihblatt- 
laus (Aphis persicae Boj. de F.), eine dem 
Pfirſichbaume höchſt nachtheilige Blattlaus, welche 
die oberen Aſt- u. Zweigblätter befällt u. dieſe 
durch ihr Saugen veranlaßt, ſich zuriidzubiegen, 
u rollen u. zu kräuſeln u. raſch zu verkümmern. 
ie Kirfhblattfaus (Aphis cerasi F.), die 
Kohlblattlaus (A. brassicae Z.), die Nelfen- 
blattlaus (A. dianthi Schrank), die Erbſen— 
blattlaus (A. pisi Kalt.), die Belargonien- 
blattlaus (A. pelargonii Kalt.), die Hafer- 
blattlaus (A. avenae L.), die Getreide» 
blattlaus (A. cerealis Kalt.) u. a. Bgl. Kal- 
tenbab, Die Pilanzenfeinde aus der Klaffe der 
Infecten, Stuttgart 1874; Tajchenberg, Entomo- 
logie für Gärtner, Lpz. 1871. Thome, 

Blattlausfliege, jo v. m. Florfliege; ſ. d. u. 
Blattläuſe. 

Blattlausküfer Aphidiphaga) ſind die Ma— 
rienfäferchen (Coccinellidae), deren Larven ven 
Dlattläufen eifrigit machitellen; ſ. Marienkäfer u. 
Blattläuſe. 

Blattlauslöwe, Larve der gemeinen Flor— 
fliegen; ſ. d. 


Blattlausfliege — Blattſchlauch. 


Blattlausmücke, ſo v. w. Florfliege. 
Blattlausſchlupfweſpe (Ichneumon aphi- 
L., Cryptus aphid. Fabr.), Gattung der 
Schlupfmweipen, Mein, ſchwarz, Vorderfüße u. Knie 
der Hinterbeine gelb; legt ihre Eier in die Blatt» 
länfe, melde von der Larve ausgefreſſen werden. 
Blattnarbe, die Stelle, welhe nad dem Ab- 
fallen des Blattes an dem Zweige fihtbar bleibt. 
Blattnafen (Phyllorhina, Phyliostomata), 
Gruppe der infectenfrefienden Fyledermäufe. Auf 
u. über ihrer Naſe breiten ſich häutige Anſätze 
aus, welche aus einem bufelfenförmigen Vorder» 
blatte, einem mittleren Sattel u. einem binteren, 
meift ſenkrechten Querblatte, Lanzette, befteben 
tönnen, Einige ernähren ſich vom Blute warm— 
blütiger Wirbelthiere, welche ſie während des 
Schlafes überfallen (Vampyre). Dahin die Fami— 
lien der Huſeiſennaſen (Khinolophidae), Zier- 
oder Leiernaſen (Megadermidae) und eigent«- 
ihen 3. (Phyllostomidae); zu legteren der 
Vamppr (f. d., Vampyrus spectrum L.), tm 
Gentraf-Amerifa, Thoms. 
Blattpflanzen (Gärtn.), alle diejenigen Pflan« 
zen, welche vorzugsweiie wegen der Schönheit ibrer 
Blätter cultivirt werden, ſowol für das jreie Land, 
als auch für Zimmer u. Gewächshaus, Die Lieb⸗ 
haberei für die B. hat im den legten Jahren ſehr 
zugenommen, da der Genuß, welchen fie gewäbren, 
weit andanernder ift, als der durch die ſchönblühen— 
den Pflanzen erzielte; es ift deshalb auch in ver- 
hältnigmäßig kurzer Zeit eine ganz erftaunliche 
Dienge folder B. eingeführt und find durch die 
Eultur neue Varietäten erzielt worden, die ſich 
dur ihre anmutbige Geftalt, durch die Größe u. 
Schönheit ihrer Blätter, deren oft brillante Färb⸗ 
ung u. auffallende Geſtalt ganz befonders zur Zu— 
jammenftellung von prächtigen Pflanzengruppen 
eignen u. dabei vielfah den Vorzug haben, daß 
fie fih auch an etwas dunfleren Standorten umd 
in Zimmern bäufig noch längere Zeit ſchön er» 
halten, wo die meiften blühenden Pflanzen micht 
gedeihen wollen. Empfeblenswertbe B. find na» 
mentlih verichiedene Palmenarten, die ſich im 
Allgemeinen durh Schönheit auszeichnen u. ver- 
bältnigmäßig wentg Pflege erfordern, ferner 
Aralia japonica, Aucuba japonica, Ficus 
elastica (Gummibaum), ——— verſchie⸗ 
dene Arten der Gattungen Begonia (Schiefblatt), 
Dracaena, Canna (Blumenrohr), Maranta, Colo- 
casia, Caladium, Achyranthes, Coleus, Eche- 
veria, Heracleum, Solanum; mande Gräjer, als 
Arundo, Gynerium (Bampasgras), Zea (Mais) 
u. v. a. Wolde. 
Blattranke, an der Spitze eines Blattes ent- 
jpringende Ranke. 
Blattränber, fo v. mw. großer Froftipanner. 
Blattrofette, eine dichtgebrängte Menge ipi- 
ralig geftellter Blätter an einem Zweigende, mwel« 
ches fich nicht ftredt (Sempervivum, Hausmwurz), 
oder am oberen Ende einer Wurzel, alio dicht 
über der Erde (Daucus Carota, Möhre, im 
Herbfte des erften Jahres. 
Blattſauger, fo v. w. Blattflöbe. 
Blattfchlaud; (Ascidium), ſchlauchartig oder 
becherartig veränderte Form des Blattes (3. B. 
bei Nepenthes, Sarracenia). 


Blattichnäbler — Blattweipen. 


Blattſchnäbler (Keiftenihnäbler, Siebihnäb- 
ler, Lamellirostres), Familie der Bögel aus der 
Ordnung der Schwimmpögel, mit breitem, am 
Grunde hohen Schnabel, welcher von einer mei- 
en, nervenreichen Haut bekleidet ift, an den Nän- 
dern durch Duerblättchen wie gezähnelt erfcheint 
und mit einer nagelartigen Kuppe endet. Die 
Blättchen ftellen eine Art Sieb dar, durch welches 
beim Gründeln im Schlamme das Waffer abfliegt, 
während die Nahrung zurücbleibt. Dahin die Fla— 
mingo, Schwäne, Bänfe, Enten u. Säger. Tbome. 

lattidyneider, 1) 8. oder Tapezirbienen 
(Megachile Latr.), Gattung der Jnjecten, u. zwar 
der bauchjammelnden Bienen (j. Bienen), mit 
8—Azähnigen Kiefern, furzen, 2gliederigen Kiefer- 
taftern, länglichem —— oben flach, unten 
abgerundet, beim Weibchen aufwärts gebogen, 
unten dicht zottig, bei dem Männchen die Vorder— 
ſchenlel verdidt u. gebogen; zerichneiden mit ihrem 
Gebiß Blätter u. tapeziren damit ihre Zellen aus; 
graben fingerstiefe Löcher in die Erde und rollen 
mehrere Blattftüce zufammen, fo daß fie eine Röhre 
bilden, wodurd die Erdlöcher künſtliche Wände be- 
fommen; in jede ſolche Röhre wird ein Ei mit 
etwas Honig gelegt u. die Zelle verihloffen. Arten: 
Zappenbiene oder Rofenjchneider (M. cen- 
tuncularis F\), ſchwarz, aſchgrau, behaart; Weib- 
hen mit weißgerandeten Leibesringen; Männchen 
mit fugeligem Hinterleibe, gelblich-roth behaart. 
Sie ſchließt ihre fingerhutförmigen Zellen von 
Rofenblättern mit einem zirfelrund abgeichnittenen 
Stüdchen eines Rofenblattes. 2) B. od. Blatt- 
roller, Blattwidler, Steder (Rhynchitidae), 
Unterfamilie der Familie der NRiffeltäfer (Cureu- 
Honidae), Unterordnung der Berborgenfünfglie- 
derigen (Cryptopentamera s. Tetramera). Sie 
rollen friihe Blätter cigarrenförmig zufammen, 
oder fie jchneiden eine Blattflädhe in der Nähe der 
Baſis quer bis in die Mittelrippe ein, verjehen 
auch die andere Seite mit einem Querſchnitte u. 
wideln diefe Stüde tutenförmig auf, dann löfen 
fie an einer Stelle der Windungen die Oberhaut 
des Blattes ab u. legen in dieſe Taſche ein oder 
einige Eier; einzelne Arten bohren auch junge 
Triebe oder halbreifes Obft an, um dort ihre Eier 
abzulegen. Die Larven nähren fih von den Blatt- 
theilen ihrer Stelle, von dem Marle ihrer Triebe, 
von der Obftirudt. Damit aber der Saftzufluß 
ehemmt werde, nagt der Mutterfäfer die Stiele, 
ezüglich den befetten Trieb halb durch, fo daß 
die — Tuten, Triebſpitzen od. Obſtfrüchte 
bald wel herabhängen u. über kurz oder lang zu 
Boden fallen. Die ſchließlich erwachſene Larve 
arbeitet fih in der Regel aus ihrer Umhüllung in 
den Boden, befteht dort ihre VBerpuppung u. er- 
fcheint im nächſten Frühjahre als Käfer. Zumeilen 
lebt jedoch die Yarve beftändig in der nicht weiter 
beihädigten Frucht, fo die von Rhynchites bae- 
chus L., gleih dem befannten Apfelwurme (der 
Raupe des Obftwidler8 (Carpocapsa pomonana 
Sr.) im Apfel. Hierher die Gattungen Apoderus 
Oliv., Attelabus L. u. Rhynchites Herbst. Bon 
diefen hat der Zweigabftedher, Giebelfteher 
od. Stengelbohrer (Rlynchites conicus Ill.), 
3 mm lang, dunkelblau, ſchwach behaart) an 
Pflaumen-, Kirfchen-, Aprilofen- u. Birnbäumen, 


509 


desgl. an Mifpeln, Weißdorn u. Eberefchen ſchon 
oft außerordentlich geichadet, indem er feine Eier 
in deren Triebe ablegte u. diefe dann abjchnitt. 
Der Pflaumenbohrer (Rh. cupreus L.), 44 mm 
lang, fupferfarben, grau behaart, findet fih an 
Pflaumen, Kirſchen u. Schlehen. Der purpur- 
rothe Apfelfteher (Rh. bacchus @yll.), mm 
lang, purpurroth, Flügeldecden grün-goldig, Fühler 
blau, löft an der Sonnenfeite von Kernobitfrüchten 
ein Stückchen Scale ab, jentt fein Ei in das 
Fleiih u. bededt die Wunde mieder mit der ab» 
getrennten Haut; die Larve gräbt fi einen Gang 
zum Kerngehäuje, da fie fih von Kernen, nicht 
von dem Fleiſche nährt. Erwachen verläßt diefer 
Wurm die Frucht u. läßt fich zur Erde nieder- 
fallen, wo er fih verpuppt. Dem Weinjtode 
wahrhaft verderblich wird oft der Zapfenwickler 
oder Bolzenfteher (Rh. betuleti Fr.), 6 mm 
lang, blau bis goldig, grün, unbehaart, indem er 
meift aus jungen Blättern an der Spike ber 
Triebe feine Gigarren dreht; doch kommt er auch 
an Birken, Bappeln, Weiden, Alpen u. anderen 
vor. Manche Arten find anch forſtſchädlich, fo der 
Birfenwidier (Rh. betulae L.), 4 mn lang, 
Ihwarz, glänzend, den Birken; Rh. pauxillus Gern. 
(blau) den Eichen; Rh. populi Z., 5 mm lang, 
grün-goldig, den Aipen u. Pappeln; Attelabus 
eureulionoides L., 5 ımın lang, ſchwarz mit blut» 
vothen Flügelveden u. Halsihild, den Eichen; 
Apoderus eoryli L., 6 mın lang, ſchwarz mit 
mennigrothen ‚zlügeldeden u. Halsihild, den Ha- 
jeln, Erlen, Kreuzdorn, Eichen, Roth» u. Hain— 
buchen, Als Mittel gegen diefe Feinde empfiehlt 
ih das im Frühjahre vorzunehmende Abklopfen 
der Käfer, jowie das Sammeln u. VBernichten der 
abgefallenen oder abgewellten Blätter, Früchte u. 
Zweigſpitzen. Siehe Altum, Forftzoologie IIL. 1, 
Berl. 1874; Kaltenbah, Pflanzenfeinde aus ber 
Kaffe der Inſecten, Stuttg. 1874. Theme. 
Blattfilber, |. u. Blattgold. 
Blattjkelet, jo v. w. Blattgerippe, 
Blattipur, die Stelle, an welcher während der 
erften Anlage u. Ausbildung eines Blattes deffen 
Gefäßbündel mit demjenigen des tragenden Zwei- 
ges in Berbindung fteht; dann auch das von 
diejer Stelle abwärts verlaufende Gefäßbündel der 
Dilotyledonen. 

Blattſteckling (Gärtn.), Bermehrungsart eini- 
ger Bilanzen, bei denen die Blätter die Eigenichaft 
haben, Wurzeln u. neue Pflanzen zu bilden; ihre 
Anzahl ift nicht groß u. ziemlich auf Pflanzen mit 
etwas diden, faftigen Blättern oder Blattftielen 
beihränft, 3. B. großblätterige Begonien, Glori- 
nien, Gesnerien, Bryopbylien u. a. Die Be 
werden entweder mit den gerade durchichnittenen 
Blattftielen in die Erde geitedt, oder das Blatt 
wird mit der Unterfeite, an welcher man die Mittel- 
rippe oft an verfchiedenen Stellen etwas einfchnei« 
det, auf die Erde gelegt, wo fih dann an den 
Einſchnitten, oder auch ohne ſolche, Wurzeln bilden 
u. junge Pflanzen erzeugen, Die B. faulen leicht, 
müffen deshalb in Kohle, Ziegelmehl, Sägeipäne 
u. dgl., mit Sand vermijcht, gelegt u. ent 
warm gehalten werben. olde. 

Blattijtiel (Petiolus, Bot.), ſ. u. Blatt. 

Blattwefpen (Tenthredinidae), Inſectenfa- 


510 Blattwickler — Blattzapfen. 

milie aus der Ordnung der Hautflügler oder zerfrißt die Roſenblätter löcherig, verpuppt ſich 
Immen; charakteriſirt durch die ungebrochenen, bald frei auf dem Boden liegend, bald aber auch 
vielgliederigen, an der Spige verdidten, beim in dem Marke junger Nofentriebe, in welches fie 
Männchen zumeilen gelämmten Fühler und den ſich hineinfrißt. Dem Steinobfte (Pflaumen, Kir- 
figenden, achtringeligen Hinterleib, an defien Bauch- ſchen, Aprikojen u. Pfirfihen) ſchädlich find Cla- 
fläche ein furzer Legebohrer entſpringt. Letzterer dius albipes Klg., welde namentlih an Kirihen- 
beſteht aus einer zweillappigen Scheide und dem | wanbjpalieren oft in 4 Generationen im einem 
eigentlihen Bohrer, welcher wieder aus einem; Fahre auftritt u. diefelben ganz zu tödten vermag; 
rinnenförmigen Nüdenftiide u. zwei jageamig ge⸗ die Larve fitt immer an der Unterfeite der Blätter, 
zäbnten, an der Bauchjeite gelegenen Borften zus welche fie jung durchlöchert, fpäter bis auf die 
ſammengeſetzt if. Mit Hufe dieſes Apparats Rippen ffeletirt; ältere Larven find oben duntel- 
riten die Weibchen die Haut von Blättern, nament- grün, matt bis fettglängend, mit vielen Querreiben 
lih in der Nähe der Blattrippen, um in diefe|haartragender Wärzchen, wogegen ihr gelber Kopf 
Wunden ihre Eier zu legen. Der Stich veranlaft| die weiglichen Seiten, Füße und der feinbaarige 
einen Zufluß von Pflanzenfäften, durch deren Auf- | Bauch ftart abftehen. Die Yarve von Blennocampa 
nahme (Fmbibition, Auffaugung) das Ei an Größe | aethiops Fb. ift grünlich-gelb mit dunllem Rüden- 
zunimmt. Die ausjchlüpfenden Yarven nähren fich |ftreif u. ſchwarzem Kopfe; fie ift unbehaart und, 





von Blättern, leben im der Jugend oft gemeinfam 
in Gejellichaften u. verpuppen ſich in einem Cocon. 
Sie ähneln einigermaßen gewifien Raupen und 
werden daher Afterraupen genannt; doc unter- 
fcheiden fie fih von echten Raupen durch zwei auf 
dem runden, hornigen Kopfe liegende Punktaugen 
u. die größere Zahl der Hinterleibsbeine, die bier 
6—8 Paar, dort 2—5 Paar beträgt, Wo fie in 
größerer Zahl auftreten, vichten fie mitunter be» 
deutenden Schaden an. Die geflügelte Weipe be- 
freit fi aus ihrer Hülle, indem fie das Ende dere 
felben in Form eines Dedels abnagt, Von den 


mehr als 1000 bekannten deutſchen Mrten find! 


etwa folgende die wichtigſten: Auf Roſen Die 
Rojenbürftweipe (Hylotoma rosarım F'b.); 
die 18füßige Raupe erjcheint jährlich in 2 Genera- 
tionen im Juli u. im October; fie ift grausgrün 
mit gelben Ringeinſchnitten; Kopf gelb, ſehr kurz 
fhwarz behaart; der Nüden über den Heinen 
ſchwarzen Stigmen (Eingängen zu dem inneren 
Athemröhren od. Tracheen) dunfelgelb mit 6 un« 
regelmäßigen Reiben jhwarzer Wärzchen, wovon 
jedes mit einem furzen Borjtenhaar gekrönt it; 
fie ift etwa 19 mm lang; die Weipe ıft 10 mm 
lang, gelb, mit jchwarzem Kopfe, Fühlern, Bruft, 
Rüden uw. fhwarzen Ringen an den Beinen. Ab- 
fhütteln u. Sammeln der Larven tit bier wie bei 
den anderen faft das einzig anwendbare Gegen— 
mittel. Eine andere Art ift H. pagana Pz. deren 
Larve von Auguft bis October den Roſen verderb- 
ich wird, indem fie die Mittelrippen von deren 
Blättern abfrift. Jene ift 18—22 mm lang, oben 
gelb, feitlid grün, fpäter ganz gelb mit vielen 
Ihwarzen Wärzchen, welche zu 6 in Querreiben 
fteben, der vorigen aljo jehr ähnlich. Die Ber: 
wandlung gebt in der Erde vor ſich, die Ent- 


‚da fie fih mit einem jchwarzen Schleime umgibt, 
ſchneckenähnlich. Sie greift alle Steinobit- u. Kern 
objtarten oft ſtark an, tit dann recht fchädlich und 
efelerregend dazu. Ihre Verwandlung durchlebt 
fie in der Erde. Da fie fich nicht abichütteln läßt, 
bat man als Gegenmittel Beipritungen mit Kalt: 
waſſer, Zabaklauge, Schwefelblüthe angewendet, 
doch nur mit mäßigem Erfolge. Lyda nemoralis 
L. wird namentlib Aprikoſen u. Kirſchen gefähr« 
ih; ihre Yarve lebt jung einzeln in einem von 
ihr gerollten Blatte, fpäter aber gejellig in einem 
blättereinfchließenden Gewebe, doch auch dann noch 
jede in einer befonderen Röhre. Die Stachelbeeren 
u. Fobannisbeeren werden von Nematus ventri- 
cosus Älg., N. ribis Scop., N. appendiculatus 
Hof., Emphytus Grossulariae Älg. u. a. Larven 
angegriffen u. total entblättert. Zahlreiche Blatt- 
welpen finden fih an den Nadelhölzern; von ihnen 
find mande dadurch charakteriftiich, dat die Yarven 
ihre Geipinufte mit ihren Ercrementen bebeden, 
ja, dieſe felbft in jene vermweben und fib dadurch 
einen Kothſack bereiten, jo Lyda hypotrophica Hof., 
die Kothiadkiefernweipe (I. campestris L.), L. 
erythrocephala L. u. a. Mitunter finden fie ſich 
jo zahlreich, daß die von den einzelnen Thieren 
bewohnten Röhren zu einem großen gemeinjamen 
Geſpinnſte verbunden werden, u. da manche, 3.8. 
die Kothſackkiefernweſpe u. die Kieferntammborn- 
weipe (Lophyrus pini Z.) nur die jungen Nadeln 
angreifen, jo werden fie recht ſchädlich. Thome. 
Blattwidler, 1) überhaupt die Thiere, Die fi 
in Blätter wideln, wie Arten von Blattweipen, 
mehrere Arten von Eulchen, Spinnern und einige 
Tagfalter (au der Gattung Hesperia); einige 
leben einzeln, jede Raupe im einen beionderen 
Blatte, andere geiellig; ſ. u. Blattichneider und 





widelung der Weipe fällt in den Inni bis Auguft.| Blattweipen. 2) Schmetterlingsfamilie der Widler 
Eine dritte Nofenverderberin ift Lyda inanita De|(Tortrieidae) ausder Gruppe der Motten; j. Wider. 
Vill. deren Larven fih aus Stüden von Rojen-) Blattzapfen nennt man im Mafhinenbau u. 
blättern eine jpivalige Nolle zufammendrehen, um namentlich in der Mühlenbauerei gußeiſerne Za- 
in ihnen zu leben; im Juli findet man diefe Nollen|pfen, die in bölzernen Wellen befeftigt werden 
oft durch 2—3 mm lange Seidenfäden in fent-|jollen u. zu diefem Zwecke mit einem flachen, 200 bis 
rechter Hichtung, die Mündung nad oben, an der 300 mm langen und 20—30 mm diden Blatte 
Unterjeite der Kofenblätter aufgehängt; dann ver-)von der Breite des ee verjeben 
puppt fih in ihr das Thier, um fich im folgenden | find. Diefes Blatt wird in einen Borber einge 
Frühjahre völlig zu entwideln, Ahnliche Rollen | ftemmten Schliv im Kopfende des Wellbaunies 
bildet fih Blennocampa pusilla Älg., deren Lar-|eingeftedt, mit Holzleilen befeftigt und dann bie 
ven nach nm. nach ihre Wohnungen verzehren, um Welle durch übergezogene ichmiedeeijerne Ringe 
fid) dann neue zu forımiren. Emphytus einetus L. |vor einem Aufipalten und Löfen der Zapfen ge 


Blattzinn — Blaubeuren. 


fihert. Hat der Zapfen zwei unter einem rechten 
Winkel fi freuzende Blätter, jo nenut man ihn 
Kreuzzapfen. 

Blattzinn, fo dv. w. Stanniol. 

Blattzweig (Phyllocladium), Zweig von Blatt» 
form, wie bei Ruscus u. Phyllocactus. Dan 
umnterfcheidet die B-e von echten Blättern dadurch, 
daß fie in der Achiel eines Blattes (oder eimer 
blattartigen Schuppe) ftehen, u. daß fie ſelbſt wie- 
der auf ihrer Oberfläche od. an der Seite ein oder 
das andere Blatt, ſelbſt Blüthe u. Frucht tragen. 

Blau, eine der 6 Grundfarben, in welche das 
weiße Licht (3.8. der Sonne) zerlegt werden fann, 
u. zwar die Sejammtheit der Farbnuͤancen zwiichen 
dem Grin u. Biolett des Spectrums, in deren 
Mitte die Fraunhoferſche Linie G liegt; f. u. Jar 
ben u, Spectrum. Wunmenauer M. 

Blau, Fluß im württemberg. Donantreiie; ent: 
fpringt aus dem blau-grünen, nie zufrierenden u. 
zu Friten anſchwellenden See Blautopf von 
23 m Tiefe, 40—42 m Breite, bei Blaubeuren, 
nimmt dort die Aach auf u. fällt bei Ulm in die 
Donau. 

Blau, I) Felir Anton, einer der kenntniß— 
volliten u. edeliten unter den Mainzer Clubiften, 
geb. 1754; war fathol. Priefter u. Prof. der Dog- 
matif an der damals blühenden Mainzer Univer- 
fität und einer der einflußreichiten Lehrer an der» 
felben; vertrat, übereinftimmend mit feiner frübe- 
ven entſchieden freifinnigen Weltanfhauung, be- 
geiftert die Principien der franz. Revolution, 
ward nad der Wiedereroberung von Mainz durd) 
tie Deutichen mit zahlreihen Genofjen auf der 
Feſtung Königftein ım Taunus im firenger Ge— 
fangentchaft gebalten; ftarb 1798 als Griminal- 
tichter des Donnersberger Depart. in Mainz, Er 
ſchrieb: Uber Bilderverehrung, Mainz 1788; Kri- 
tiihe Gejchichte der kirchlichen Unfehlbarfeit, ebd. 
1791; Kritif der feit der Hevolution in Frank— 
reih gemachten Religionsverordnungen, Straßb. 
1798, u. verſch. a. Schriften. 2) Otto, bervor- 
ragender Orientalift, geb. 21. April 1828 zu Nord» 
haufen, Sohn eines dortigen Gymnaſiallehrers u. 
fpäteren Superintendenten; widinete fi unter Rö— 
diger in Halle, Fleiſcher u. Tuch im Leipzig den 
orientalifchen, insbeſ. jemitiihen Studien. 1852 
als Attached der preuß. Geſandſchaft in Conftanti- 
nopel beigegeben, bereifte er 1854—55 einen 
Theil von Kleinafien u. die grieh. Inſeln, 1857 
BPerfien, nachdem er 1855 Bicefanzler der Gefandt- 
Schaft geworden war. 1858 als ftellvertretender 
Zegationsfecretär nach Conjtantinopel zurückgekehrt, 
fiedelte er noch in demielben Jahre als Conſul 
nah Zrapezunt über, um im J. 1864 diefe Stell: 
ung mit derjenigen eines preuß., 1870 eines deut- 
fhen Generalconful® für Bosnien in Serajemo 
zu vertaufchen. Dermalen ift er deutfcher General- 
conful in Odeſſa. Seine literariiche Thätigfeit er- 
firedt fi theils auf das Gebiet der Handelspolitif 
(Tommercielle Zuftände Perſiens, Berl. 1858), 
theils auf das der orientaliichen Sprad- u. Alter- 
thumstunde (Bosniſch⸗ türliſche Sprachdenfmäler, 
Lpz. 1868, u. viele Auffäge u. Abhandlungen in 
der Zeitfchrift der Deutihen Morgenländifchen Ge- 
ſellſchaft). 1) Kolb. 

Bläu (Cäſius), 1) Wilhelm Janszon, geb. 


511 


1571 in Alkmaar; verbrachte einige Zeit bei Tycho de 
Brabe u. kehrte dann nach Holland zurüd; er ft. 
21. Oct. 1538. B. verfertigte gute Erd» u. Him⸗ 
melsgloben und forgfältig gearbeitete Karten; er 
war gleichzeitig einer der namhafteſten Buchdrucker 
jeiner Zeit, verbefferte auch die Buchdruderprefie 
u. jchr.: Zeespiegel, 1627, gel, u. ö.; Onder- 
wijs van de hemelsche en aerdsche globen, 1634; 
Novus Atlas, 1642—55, 6 Bde. Fol.; Theatrum 
urbium et munimentorum, 1619, „ol. Bgl. 
Bandet, Leven en werken van W. J. B., Utr. 
1871. 2) Johann, Sohn des Vor.; errichtete 
in Amfterdam eine eigene Buchdruderei, mit der 
er fpäter die des Vaters verband; er ft. 29. Dec. 
1673; gab heraus: Atlas major, 1662, 11 Bde.; 
Topopraphiiche Kupfermwerfe u. Städteanfidhten von 
Belgien, 1649, 2 Bde. Fol.; Italien, Neapel u. 
Sicilien, Savoyen u. Piemont. Seine Söhne 
Johann und Peter festen das Geſchäft bis zu 
Anfang des 18. Jahrh. fort u. verlegten mehrere 
claſſiſche Auctoren. 

Blauamjel (Gebirgsamfel, Blaumerle, Blau- 
droffel, Blauvogel, Einfiedler, einſame oder tief 
finnige Drofiel zc,, Petrocinela eyanea L.), dem 
Hausrothſchwänzchen an Geſtalt ähnlih, 23 bis 
25 cm lang; fpannt 36 cm; Gefieder dunkel, mehr 
oder weniger tief fchieferblau, mit blauen Feder— 
fanten; bewohnt Siüd-Europa, kommt bis zur 
Schweiz u. Tirol als Zugvogel; wird des vor- 
trefflihen Gejanges halber gern in Gefangenichaft 
gehalten u. theuer bezahlt. home. 

Blauauge, Name einiger Schmetterlinge mit 
blauen Augenfleden, 3. B. des Papilio Philocte- 
tes.L., braun, auf den Hinterflügeln zwei blaue 
Augen mit ſchwarzem Stern u. 3 weißen Fleden, 
in SAmerika und Indien, und der Epinephele 
Phaedra Herr-Sch., vordere Flügel braun mit 
2 blauen Augen. Raupe auf Hafer. 

Blauband, Schmetterling, ſ. Ordensband. 

Blaubündchen, ein Prachrfint oder Aitrild 
(ſ. d.), jo v. w. Schmetterlingsfint od. Bengelift. 

Blaubart, in einem franzöfifhen Märchen 
ein Ritter Raoul (Chevalier Barbe-bleue), der 
jeiney Gemahlin bei einer Neife einen goldenen 
Schlüffel mit dem Befehl übergibt, das Zimmer, 
für das er beftimmt ift, nicht zu öffnen, Jene 
öffnet das Zimmer dennoch, findet bier Mordipuren 
u. läßt vor Schreden den Schlüffel in ein Gefäß 
mit Blut fallen. Zurückgekehrt, verlangt B. den 
Schlüſſel, erlennt an dem Flecken, daß die Frau 
dem Befehl zuwidergehandelt hatte, u. tüdtet fie. 
So madıt er es noch mit 5 anderen; als er die 
7. aus demfelben Grunde ermorden will, erichei- 
nen deren Brüder u. töbten ihn. Dies ift der 
Stoff zu Gretrys Oper Raoul u. Offenbachs Bur— 
testen-Oper B.; auch dramatifch ift die Sage be= 
handelt von 2. Tieck im Bhantafus. 

Blaubeuren, Stadt im gleichnamigen Ober- 
amte des württembergiichen Donaukreiſes, am Blau⸗ 
topf (j. Blau), Eiienbabnftation; Amtsfig; tbeolo» 
giiches Seminar im früheren Klofter; Bleiche, Lei— 
nenmweberei u. Spinnerei, viele Müblen, Cement- 
fabrifation; 2216 Ew. Das Benedictinerflojter 
wurde 1085 gegründet; im der zu Ende des 15. 
Jahrh. erbauten Klofterkirche vortrefflihe Chorſtühle 
von Sürlin d. Jüng. u. ein Hochaltar mit herr« 


512 


fihem Ulmer Schnigwerte u. Malereien aus der 
Zeitblomſchen Schule; auch in der Stadtlirche ein 
gutes, wel Beitblomjches Gemälde. Die Stadt 
fam mit mehreren Burgen 1447 von den Grafen 
Helfenitein an Württemberg. 

Blaubleierz nennt man Pjeudomorphofen von 
Bleiglanz nah Pyromorphit. 

Blaudrofiel, ſ. Blauamſel. 

Blaue Bücher (Blue Books), in England die 
dem Parlament von der Regierung vorgelegten 
Bücher (Folianten in blauen Einbänden), in wel⸗ 
chen die von der Staatsregierung gepflogenen u. 
zu ſolcher Veröffentlichung geeigneten diplomati— 
ſchen Berhandlungen, Noten, Berichte ꝛc. abge— 
druckt find. Solche Bücher gibt es auch in Frank⸗ 
reich (Gelbbuch), Italien (Grünbud) u. ſeit 1868 
im Ofterreih u. in der Türkei (Roihbuch). Die 
deutiche Reichsregierung bat diefe Einrichtung nicht 
aboptirt, aber bei der Offenheit ihrer Politik aud) 
nicht nöthig. 

Blaue Farbſtoffe, diejelben find theils mine 
raliſcher, theils organischer Natur. Unter den erfteren 
find es namentlih Kobalt», Kupfer u. Molybdän- 
verbindungen, 3. B. Smalte, Bergblau, echter u. 
fünftliher Ultramarin, Molybdänblau, ſowie der 
Lafurftein, die Verwendung finden. Von den or- 
ganiſchen ben Fen ift der Indigo u. feine Ber- 
bindungen, der fih in den Blättern vieler Pflanzen, 
namentlich der Indigofera tinctoria L. u. Ind. 
Anil. Z., findet, am widtigften. Andere indigo- 
haltige oder indigähnlich -blaue Pflanzenpigmente 
find 3. B. der Waid (Isatis tinctoria Z., dann 
Polygonum tinetorium Lour. u. Asclepias tin- 
gens R. Br.) u. Yadmus, ſowie andere jeltene; 
dann Campecheholz oder Blauholz, jowie neuer- 
dinas die blauen Anilinfarben, 

Blauer Fluß, 1) fo v. w. ZJanstfe-fiang. 
2) (Bahr el Azref) Der öftliche Quellitrom des Nil. 

Blaues Gebir (Blaue Berge, Blue Mon- 
tains), 1) (Blue Hidge) großer öjtlicher Zweig 
der Alleghanies (f. d. A). 2) Gebirgszug im W. 
der Vereinigten Staaten von NAmerita in dem 
Territorinn Oregon. 3) Gebirg auf der An: 
tillen Inſel Jamaica; Gipfel bis zu 2373 m hoch. 
4) Gebirgszug im SO. von Auftralien die füd« 
liche Fortiegung der Yiverpool-Kette bis zu 34°f. 
Br. 5) Gebirg im Gapland in SAfrifa, mit 
anderem Namen Maluti (f. d.). 

Blaue Grotte (ital. Grotta azzurra), eine 
mit Stalaftiten bededte Höhle an dem nördl. Felſen— 
geftade der Inſel Capri, 1832 von zwei badenden 
Engländern, nad Anderen ſchon einige Jahre frü- 
ber von den deutſchen Malern Fries u. Kopiſch ent- 
dedt, mit jo niedrigem Eingange, daß man nur 
bei ruhigem Wetter ſchwimmend oder im Kahn in 
diejelbe gelangen fann. Nur durch diefe Öffnung, 
welche als Eingang in die mit klarem Waffer an- 
gefüllte Grotte dient, erhält diefe Licht, welches 
bei Sonnenfhein allen Gegenftänden in berjelben 
einen lafurblauen Schimmer verleiht. 

Blauer Karmin (Indiglarmin, lösliher Ins 
dig, im Handel auch Judigotin genannt), indig» 
fchweielfaures Kali oder Natron; man ftellt es 
für den Handel dar, indem man die rohe Löſung 


von Indigo in Schwefelfäure ftark verdünnt und! 


filtrirt, dann mit Portafhe oder Soda fo lange 


Blaubleierz — Blaufehlchen, 


fättigt, als es noch aufbrauft. Das gebildete im 
digihwefelfäure Salz ift in der vorhandenen Flüfe 
figfeit unlösfih, aber löslich in reinem Waſſer; 
man preft e8 aus u, bringt es fo noch feudht im 
den Handel. Es löft fih in 140 Theilen kaltem 
Waſſer, leichter in heißem; dient in der Färberei, 
als Tinte, zur Bereitung von Wafchblau, welches 
damit gefärbte Stärle ift ac. 

Blaue Milch, |. Muh u. Bakterien. 

Blauer Montag, jeder Montag, an welchem 
die Handwerkögejellen den ganzen Tag oder nur 
den Nachmittag nicht arbeiten. Er murbe als 
Schadloshaltung für Handwerter eingeführt, welche 
den Sonntag Bormittag noch arbeiten mußten, ift 
aber jet im den meiften Ländern geſetzlich, doch 
keineswegs gejellihaftlih abgeihaftt. Der Name 
fol daher foımmen, weil fonft am arbeitsfreien 
Faftnachtsmontag die Kirchen mit blauem Tuche 
ausgeihlagen waren, od. von den blauen Flecken, 
welche bei dem an folden Tagen verlommenden 
Unfug u. Schlägereien davongetragen wurden. 

Blaues Ordensband, Schmetterling, ſ. Or 
densband. 

Blaue Pillen, 1) (Pilulae coeruleae) Pillen 
von jchwefellanrem Ammoniaklupfer, argen Epi- 
lepfie u. Geſichtsſchmerz. 2) (engl. Blue pills) 
Große Pillen von O,, g Gewicht, aus reinem me« 
talliihen Quedfilber (O,, g), Rojenconjerve und 
Lalrigeniaft beftehend, als Abführungsmittel (3 bis 
10 Stüd) gebraudt. 3) Scherzhajt, jo v. m. 
Gewehrlugeln. 

Blanelfenerbe (Min.), erdige Varietäten des 
Bivianit (ſ. d.); finder fih mit Hafeneifenftein zu- 
jammen, mit dem fie bei vorhandener Phosphor« 
ſäure aus thieriſchen Subftanzen, 3. B. Knochen 
oder Muicheln, gleichzeitig entfteht, 

Blaueifenerz, jo v. w. Bivianit (f. d.), nar 
türliches phosphorfaures Eifenorypul. 

Bläuel, 1) ein Theil des Feldgeſtänges; f. u. 
Stangentunft. 2) Die Stange, welche den Krumms 
zapfen der Kurbel mit dem nächſten Maſchinentheil 
vebindet. 

Blauen, Berg im Schwarzwald von 1178 m 
Höhe, im badiichen Kreife Freiburg bei Baden- 
weiler; bietet eine pracdhtvolle Ausficht. 

** fo v. w. Wanderfalk. 

Blaufarbenwerk, Schmelzhütte, in welcher 
Smalte, ein durch Kobaltoxyd blau gefärbtes und 
als Farbe dienendes Kaliglas, dargeſtellt wird. 
Die hauptſächlichſten lagen früher in Sachſen und 
Snarum in Norwegen, find aber augenblidiich 
fehr eingeihränft, da das fünftlihe Ultramarim 
dem Abjage der Smalte arge Concurrenz macht. 
Im Übrigen f. Smalte. 

Blaufelchen, Fiſch aus der Fam. der Lachie 
f. Rente, 

Blanfeuer, eine blaue farbige fylamme, erhält 
man durch Abbrennen folgender Miſchung: 54,, Th. 
hlorfaures Kali, 18,, Th. Holztoblen u. 27,, Th. 
ſchwefelſaures Kupferorydul-Ammoniaf, 

Blaufuchs, ſ. u. Fuchs. 

Blaufehldyen (Lusciola cyanecula Autor), 
Vogel aus der Ordnung der Sperlingspögel, Fa— 
milte der Droffeln; etwa 16 cm lang; Schnabel 
pfriemenförmig; Augen groß; Geftalt —* Flü ⸗ 
gel kurz, dritte Schwinge (Flügelfeder) die längſte; 


Blaufrähe — Blauſäure. 


Beine lang. Die Frage, ob alle B. eine Art 
bilden, oder ob mehrere Arten zu unterfcheiden 


513 


3. B. aus Cyankalium, durch Einwirkung von 


‚Säuren erhalten werden. Cyankalium mit Salz« 


jeien, hat zu zahlreihen Streitigkeiten Beranlaſſ- ſäure übergoffei gibt Chlorfalium u. B.: 


ung gegeben. Das alte Männchen befitt mämlich 
eine dunfelsgraubraune Oberſeite; die Schwanz⸗ 
federn haben mit Ausnahme der beiden mittleren 


KCN + HCI = KCl + HCN 
Eyanfalium Salzfäure Chlorkalium B. 
Auch ganz ſchwache Säuren, wie die Kohlenſäure 


eine roſtrothe Wurzelhälfte; über dem Ange findet, der Luft, bei Gegenwart von Waſſerdampf, machen 
ſich ein heller Strich; Kehle u. Vorderbruſt ſind aus Cyankalium B. frei, weshalb Cyankalium an 


laſurblau, an der Unterſeite geht dieſes Blau in 
ein ſchwarzes Band über, worauf ein roſtrothes 
folgt. In diefem Bruftblau- findet fih nun oft 
ein perimutterweißer led von der verichiedenften 
Größe (weißfterniges B., Cyaneenla lenco- 
cyana Br.); zuweilen fehlt diefer mol (O. Wolf 
Br.); bei einer dritten Form, dem orientali«- 
hen 8. (C. orientalis s. dichrosterna) befitt 
diefer Bruftfled einen zimmtfarbenen Mittelfled; 
bei den nörblichiten, in NEuropa und Sibirien 
vorfommenden Formen endlich wird der ganze 
Bruftfled zimmtfarben; dies ift das von Linne be- 
Ihriebene u. Lusciola suecica genannte Thier. 
Das Winterfleid des Männchens, das Kleid der 
Weibchen u. Jungen zeigt noch größere Berfchie- 
denheiten, doch fand Altum bei längerer Züchtung, 
da die verfchiedenen Färbungen nicht nur im ein- 
ander übergeben, ſondern fogar in kurzer Zeit an 
einem u. demſelben Eremplar auftreten fönnen, In 
Leben u. Bewegung fteht das B. der Nachtigall 
fehr nahe, hält ſich jedoch meift unmittelbar an 
feuchten Gräben und fumpfigen, dichtbewachſenen 
Stellen auf, huſcht mauſeartig durchs Gebüſch u. 
führt überhaupt ein verborgenes Leben, Sein Ge— 
fang ift ein Nachzwitichern der Geſänge vieler 
anderen Bögel, untermiicht mit Brummtönen umd 
lautem Schreien. Das Neft wird auf dem Boden 
— und mit 5 olivenfarbenen Eiern belegt. 
as B. ift bei und Zugvogel, welcher etwa ım 
April ericheint u. im September nah SEuropa 
u, NAfrifa hinzieht. Theme. 
Blanfrähe, io v. mie Mandelträhe. 
Blaufüpe, eine Flüſſigleit, in welcher durch 
desoxydirende Mittel der fein geriebene blaue In— 
digo, auh Waid, zu Indigweiß rebucirt wird. 
As folder verbindet er fich leicht mit der Faſer, 
u, am ter Luft tritt dann die blaue Färbung ein, 
indem fi das Indigweiß zu blauem Indigo ory- 
dir. Die Färber unterjcheiden warme (Gähr- 
ungsfüpen) für Wolfe u. kalte Küpen für Baum— 
molle (nicht Seide). Die desorgdirenden Mittel 
find Eiſenoxydulſalze (Vitriol), Kalt, Auripigment 
(Dreifah-Schwefelarfen), Zinnfalz zc., die Gähr— 


feuchter Luft nah B. riecht. Zur Darftellung 
wajjerfreier B. zerfet man trodenes Eyangued- 
filber mir concentrirter ——— u. trocknet den 
eutſtehenden B⸗dampf durch Überleiten über Chlor» 
calcium, oder man leitet Schwefelwaſſerſtoff über 
Cyanqueckſilber. Im erſten Falle erhält man Chlor« 
queckſilber, im zweiten Schwefelqueckſilber als Neben⸗ 
producte. Gewöhnlich aber handelt es ſich um Her« 
ftellung einer mehr oder minder concentrirten wäje 
ferigen Löſung der B., zu welchem Zwecke mau 
das gelbe Biutlaugenjalz mit Schwefeläure zerjett. 
Es entftchen B., ſchwefelſaures Kali u. ein weißer 
Rückſtand von Ferrocyaneiſenkalium nad der Zer— 
ſetzungsgleichung: 
2K,FeCy, + 3H,SO, = 6HCy + 3K.80. 
Blutlaugenſalz Schwefelſaure ». ſchweſelſ. Kali 
+ K,F&,Cy, 
Ferrocganeifentaliunt. 
Eine concentrirte B. erhält man aus 10 Thln. 
Bintlangenfalz, 6 Thlu. engliiher Schwefelſäure 
u.14 Thin. Waffer, während man eine verdünnte 
durch Anwendung von 30—40 Thin. Maffer dar- 
ſtellt. Synthetiſch läßt fich die V. aus Acetylen 
und Stidjtoff durch Einwirkung des elektriſchen 
Funkens bilden: CH, + 2N = 2HCN 
Aceinien Etidijtoff BD. 

Die B. fommt in der Natur nicht fertig gebildet 
vor; dagegen geben die Kerne der bitteren Mandeln, 
Pirfihe, Pflaumen, Aprifofen, Kirichen, fowie die 
Blätter des Kirfchlorbeers u, a. Pflanzen bei der 
Deitillation mit Wafler B., deren Bildung fich 
dur Gährung des Ampgdalins (f. d.) erklärt. 
Auf diefe Weiſe werden die als Heilmittel ange 
wandten Präparate, wie Aqua Amygdalarım 
amararım (Bitternandelwafjer), Aq. Laurocerasi 
(Kirſchlorbeerwaſſer) u. a., bereitet. Die B. bildet 
in wafjerfreiem Zuftande eine farblofe, bewegliche 
Flüſſigleit vom ſpec. Gew. O,07 bei 18°; fie fiedet 
bei 26,,° u. erftarrt bei —15° fryitallinifch. Läßt 
man einen Tropfen am Slasjtabe raſch verduniten, 
fo erftarrt ein Theil. Mit Waffer, Ather und 
Alkohol läßt fie ih in jedem Verhältniß miſchen. 
Die conc. wäflerige Löſung, fowie die reine B. 
breunen mit ſchwäch violetter Flamme. Reine B. 


ungsmittel Waid (früher zum Blaufärben benugt), |ift wenig haltbar, eine wäſſerige Löſung um fo 


Kleie x. Benifel. 


Blaumeiſe, |. Meilen. 


meniger, je concentrirter fie ift; es bilder ſich bei 
der Zerſetzung ameiſenſaures Ammoniak unter Ab- 


Blaumelken, das Blauwerden der Mil; f.|icheidung eines braunen Körpers. Jedoch verhindert 


Mich u. Batterien. 
Blaumerle, i. Blauamſel. 
Blaunafe, Fiſch aus der Gattung der Braf- 


fen; ſ. d. 
Blaurabe, Blaurade, fo v. w. Mandelträhe. 
Blaurer, f. v. w. Blaarer. 


der Zufag weniger Tropfen Schwefel- od. Phos- 
pborjäure diefe Zerfegung. Die B. befigt einen 
eigenthümlichen, leicht zu erfennenden Geruch nad) 
bitteren Mandeln; beim Einathmen wird fofort 
ein betänbendes Gefühl u. zugleich ein Kragen im 
Schlunde empfunden. Sie ift das am ſchnellſten 


Blaufäure (Cyanwaſſerſtoffſäure, Acidum|mwirfende Gift, welches befannt it. Der Dampf 
hydrocyanicum, A. borussicum; Chem.) HCN|der reinen Säure wirkt, eingeathmet, momentan 


oder 


Cy, höchſt giftige orgamiihe Säure, von|töbtlih, ebenfo die flüffige Säure, wenn fie mit 


Scheele 1782 entdedt, von Gay-Luffac 1811 näher|den Schleimhäuten in Berührung kommt. Ber 
unterfucht. Die B. kann leicht aus Cyanmetallen, dünnte Säure wirft je nad der Berbünnung u. 
Biererd UniverfaleEonverfations:Lerifor. 6. Aufl TI. Band. 33 


514 


Größe der Doſis nach längerer Zeit tödtlich. Bei 
der Bevergiftung laſſen ſich ganz beſtimmte Sym- 
ptome u. drei Stadien unterſcheiden. Es tritt zuerſt 
Schwindel, erfchwerte Reipiration und verftärkter 
Herzihlag ein, worauf aber bald Krämpfe folgen, 
verbunden mit einem Zurückwerfen des Kopfes, 
Erflarrung der Ertremitäten u. Berluft der Em- 
pfindung. Diefes zweite Stadium dauert länger 
u. lann je nad) der Stärke der B. eine bis fünf 
Minuten lang anbalten, wonach fi eine allge 
meine Erichlaffung des Körpers u. große Un— 
eımpfindlichkeit zeigt. Nur die Refpiration u. Herz. 
thätigfeit dauern noch fort, werden aber allmählich 
ſchwaͤcher, bis fchließlih der Tod erfolgt. Das 
fette Stadium dauert am längften u. fann bei 
verbünnter B. 10—20 Minuten anhalten. Diefe 
Symptome laſſen fih leicht erfennen, wenn man 
Thiere benugt, die fich einigermaßen widerftands» 
fähig gegen B. zeigen, wie gel oder am beften 
Ratten, Es gelingt dann fogar, ein Thier, wenn 
e3 fich noch im zweiten Stadium der Vergiftung 
befindet, dadurch wieder vollftändig zum Leben zu 
bringen, daß man ihm einen Strahl kalten Waj- 
fers auf den Kopf leitet; nach dem Eintritt in das 
dritte Stadium gelingt dies nicht mehr. Eigent- 
lihe Gegenmittel gegen B. außer diefem find 
nicht belannt u. wären fchon wegen der ſchuellen 
Wirkungsmeife des Giftes faum anwendbar. In 
ganz verdünntem Zuftande kann die B. ohne Ge- 
fahr in den Magen gebracht werden, und es ift 
außer obengenannten Präparaten eine zmeipro- 
centige mwäfjerige Löſung officinell. Zur Hadmeif- 
ung der B. in einer Flüffigleit Tann man letztere 
mit etwas Schwefelammontum verdampfen, mobei 
ſich Schwefelcyanammonium bildet. Diejes gibt 
mit Eifenchloriblöfung eine intenfiv rothe Färbung. 
Zum Nachweife der B. bei gerichtlichen Unterſuch⸗ 
ungen bat man dieſelbe zuerft durch eine ftärkere 
Säure (Weinfäure, Schwefeljäure) auszutreiben 
und durch Deftillation zu trennen, worauf man 
mit dem Deftillat die oben angegebene, ſowie 
noh manche andere Reactionen anitellen Tann. 
Die Berbindungen der B. mit den Metallen, j. 
Eyanverbindungen. Elören. 
Blaufäurejalze, ſ. Tyanverbindungen. 
Blaufpath, o v. mw. Lazulith; ſ. d. 
Blaufpecht, fo v. w. gemeiner Kleider. 
Blauftrumpf, 1) Spion, Angeber, Berräther; 
foll daher fommen, daß fonft in einigen Städten 
die mit der geheimen Wolizei Beauftragten blaue 
Strümpfe getragen hätten. 2) Die gelehrten u. 
belletriftifchen Damen, die über ihrer gelehrten 
Beihäftigung u. Schriftftellerei die eigentliche Be— 
ftimmung des Weibes als Hausfrau, Gattin und 
Mutter vergefien u. verfänmen. In der Mitte 
des 18. Jahrh. hatten fi in London mehrere 
gelehrte Damen u. Männer zu einem Club ver: 
eint, aus welchem das Kartenjpiel verbannt, und 
worin die Unterhaltung die Hauptſache fein follte, 
Solche Gejellichaften hielten bef. die Damen Eliza, 
Diontague, Ord u. A. An diefen Gejellichaften 
zeigte ſich öfter der Geiftlihe Benjamin Gtilling- 
jleet, welcher bei fonderbarer Kleidung aud blaue 
(oder vielmehr graue) Strümpfe trug. Dieje 
Strümpfe gaben dem Admiral Boscamwen die Ber- 


Blaufäurefalze — Blaye. 


Stocking-Soeieties zu nennen, Der Name 8. 
entjtand nicht erft um 1781 (denn Stillingfleet ftarb 
1771), jondern fon um 1757. 

Blaufucht (Cyanoje; Adjectivum: cyanotifd; 
Med.) nennt man einen Zuſtand, bei welchem die 
äußere Haut, bej. die hervorragenden Theile des 
Körpers (Nafe, Ohren Lippen, Wangen, Finger, 
männlihes Glied), meift auch die fichtbaren 
Schleimhäute (des Mundes, der Zunge, der Augen, 
der weiblichen Gejchledhtsorgane) infolge von Blut» 
anhäufung in den oberflädhlichften Benen u. ver- 
mindertem Sauerftofigehalte des ftagnirenden Blu- 
tes bläulich — erſcheinen. Der genannte Zu- 
ftand erftredt fich entweder nur auf einen Körper- 
theil, wenn der Blutabfluß aus demfelben gehin- 
dert ift (jo entiteht 3. B. Eyanofe des Unterarmes 
u.der Hand, wenn der Oberarım durch eine Binde 
feft umſchnürt wird), oder auf dem ganzen Körper, 
wenn die Strömungshinderniffe des Blutes in den 
lungen oder im Herzen liegen, Je nachdem bie 
Strömmngshinderniffe vorüibergehender Natur od. 
bleibende find, befteht die Cyanoſe mur kurze Zeit, 
oder die ganze Lebensdauer. Borlibergehender 
Natur find eine Anzahl Kehllopfs-, Lungen- und 
ai ii und gehören hierher ausgedehnte 

ungenentzündungen, Blähungen der Yungen- 

bläschen beim Keuchhuften, mafjenhafte Ausichwig- 
ungen in dem Bruftjelljade, Krampf der Stimm- 
rite, Bräune, Herzbeutelentzündung zc.; bleibender 
Natur find Lungenemphyfem, Lungenſchwindſucht, 
Klappenfehler des Herzens, Offenbleiben des ei- 
runden Loches im Herzen ꝛc. Sehr häufig be- 
obachtet man in den legten Lebensftunden infolge 
von Herzſchwäche, Herzlähfmung allgemeine Eya- 
noje, 3. B. bei Cholera, bei welder fi, außer 
durch Berminderung der Aufnahme von Saueritoff 
in den Lungen, durch eine vermehrte Abgabe von 
Sauerftoff u. vermehrte Aufnahme von Kohlen- 
fäure in den oberflächlichen Körpercapillaren die 
Cyanoſe zu den bekannten hohen Graben fleigert. 
Die Behandlung befteht in Entfernung der Urſache, 
ſoweit dies möglich ift, alfo in Heilung des Keuch- 
huftens, derfungenentzündung, der Herzihmwächezc,; 
Wein, Branntwein u. andere Alkoholica find in» 
folge ihrer aufregenden Wirkung im Allgemeinen 
geeignet, die Herzlraft wenigftens eine huge Zeit 
lang zu unterftügen. 

Dlautopf, Landjee; ſ. u. Blau. 

Blanvogel (Blauamjel), j. u. Weihe, 

Blauweihe, ſ. u. Weihe. 

Blavet, 133 km langer Kiüftenfluß in Franf- 
reih; fommt aus dem Dep. der NKüfte, mündet 
bei Port Louis im Dep. Morbihan ins Atlantifche 
Meer; von Pontivy bis zum Meere ift er durch 
17 Schleuſen ſchiffbar gemacht; er verichwindet 
auf feinem Laufe 600 m lang unter Felſen. 

Blaye, Hauptftabt des gleihnam. Arr. im 
franz. Dep. Gironde, am rechten Ufer der bier 
2 Stunden breiten Gironde; Feſtung 1688 von 
Bauban angelegt, dedt Borbeaur; Gericht eriter 
Inſtanz, Handelsgeriht; Seeſchule; beater; 
Aderbaugejellihaft; Zellengefängniß, Eivil- und 
Militärjpital; Leinwand» u, Fayencefabr.; Schiff- 
bau u. Schifffahrt; Handel mit Wein (Blaye, 
weißer" Franzwein), Öl, Rofinen; 4478 Ew. — 


anlafjung zu dem Wige, dieſe Gejellichaften Blue-/B. hieß im Alterthum Blavia u. war eine fefte 


Blaze — Blechfabrifation. 


515 


Stadt der Santonen im Aquitaniſchen Gallien. durch gut gewählte fomifhe Staffage. Namentlich 


Hier ſoll nah Einigen 567 Charibert v. Neuftrien 
(nad Anderen 631 Herzog Charibert od. Aribert 
von Aquitanien) geftorben, auch 778 Roland mit 
feinem Schwerte beigejeßt worden fein. Im 
Mittelalter eroberte e3 Graf Wilhelm von Angou« 
Ieıne u. wurde von dem Herzog von Aquitanien 
ald Graf von B. damit beiehnt. Ihm folgte 
fein Sohn Alduin; diefer, von feinem Bruder 
Gottfried daraus vertrieben, nahm es wieder, 
ſchenkte ihm aber einen großen Theil der Graf- 
Schaft. Nach dem Ausſterben des Gottfriedjchen 
Stammes fam B. an die Herzöge von Öuienne, 
die es mit Bordelais veremigten. 1568 wurde 
B. von den Protejtanten eingenommen; doch 
murden biefe von der Ligue wieder vertrieben; 
1593 wurbe 3. vergebens von dem Marſchall 
von Mantiguon belagert. 1832—33 jaß die Her- 
zogin von Berry in B. gefangen. 

Blaze, Heury, f. Bury. 

Blazuabatz, Milivoge Petrowitſch, fer- 
biſcher Staatsmann, geb. 1826 in dem Dorfe 
Blaznawa; trat früh ins vaterländifche Heer und 
war bereit8 1849 Major; er ging 1850 nad 
Wien, dann nad Frankreich, wo er ın der Kriegs» 
ſchule ftudirte u. in Paris in der Staatsölonontie 
fich unterrichten Tieß, u. bierauf nach Belgien, wo 
er die Waffen u. Maſchinenfabriken befuchte. 1860 
wurde er unter dem Fürſten Michael Kriegami- 
nifter, richtete die ſerbiſchen Militäranftalten nach 
franzöſiſchem Mufter ein u. brachte eine ſtarke 
Nationalmiliz auf die Beine. Nach der Ermordung 
des Fürſten Michael (1868) wurde er von der 
Stuptidina zum Mitgliede der Megentfchaft für 
den minorennen Fürften Milan ernannt, trat im 
Auguft 1872, als der Fürſt mündig geworden 
war, an die Spige des Minifteriums umd führte 
au das Kriegsportefeuille. Er ft. 5. April 1873, 

led; nennt man alle durh Hämmern oder 
Walzen von Metallen erzeugten plattenförmigen 
——— deren Dicke im Verhältniß zu Länge u. 
reite unbedeutend iſt. Die nöthigen Eigenjchaften 
find: volllommen ebene Oberfläche, ohne Beulen u. 
Falten, Glätte, volllommen gleiche Dide an allen 
Stellen einer Tafel, Zähigleit, um Biegen auszu« 
halten, u. Reinheit, d. 5. Freiſein von Brichen u. 
Riſſen oder Berboppelungen. Es werben faft alle 
in der Induſtrie angewandten Metalle zu B-form 
verarbeitet, u. zwar heute nur noch durch Walzen, 
fo daß es aljo gibt: Eiſen-, Kupfer-, Meifing-, 
Stahl-, Gold-, Silber⸗, Blei⸗, Neuftibere, — 
u. ſ. w. In manchen Gegenden Deutjchlands 
verſteht man unter B. auch wol nur das verzinnte 
Eiſen-B., ſonſt auch Weiß-B. genannt. Das 
Nähere ſ. u. den betr. Artikeln. 

Blechen, Karl, bedeutender Landichaftsmaler, 
geb. 1797; malte zuerft Decorationen, bereifte 
dann, nachdem er fid) der höheren Kuuft gewidmet, 
Italien u. wurde 1835 Mitglied u. Profeflor der 
Berliner Akademie; er ft. 1840. Das Gharal: 
teriftiiche feiner Kunſt ift, daß er die Natur nicht 
in ihrer gemöhnlihen Erſcheinung wiedergab, 
fondern das Beſondere, feltener u. nur unter be» 
fonderen Bedingungen Hervortretende, u. zwar Hu 
moriftiihe im ihr zur Darftellung wählte. Die 


in feinen italieniihen Landichaften tritt das iro— 
nische Element lebhaft hervor. Daneben pflegte 
B. aber auch das Schauerliche, bleibt jedoch dort 
wie bier geiſtreich und beſounen. Hauptwerle: 
Gegend ber Narni; Golf von Spezzia; Neapoli- 
taniſche Fiſcher; Römiſche Hirten; Anſicht von 
Neapel; Kloſterhof von Viterbo; Winterlaudſchaft 
aus der Schweiz. Weguet. 
Bledyfabrifation. Die Metalle u. Metall 
legirungen, welde zu Blech verarbeitet werden 
jollen, fommen entweder in breiten Stäben, Pla- 
tinen genannt, oder in dien gegofjenen Platten 
zur Verwendung. Die Darfiellung der Bleche 
geihieht entweder unter Hämmern, oder durch 
Walzen. Erfteres Verfahren, das geichlagenes 
Blech liefert, kann kaum jemals vollfommene, 
namentlich gleich dide u. ganz glatte Bleche lie- 
fern, ift alfo bei der heutigen Vollkommenheit 
der Walzwerfe gänzlich verlafien. Die alten 
Blehhämmer waren durch Waſſer betriebene 
Schwanzhämmer, der Hammer u. Amboß waren 
länglid vieredig u. beide etwas gemwölbt, um das 
Metall beffer zu treiben. Ahnliche Couftructionen 
findet man heute noch in den ——— wo 
Schippen und andere flache Werkzeuge gemacht 
werden. Seitdem in der Eiſenhüttenkunde das 
Puddeln u. damit die Walzwerke erfunden wur— 
den, wird auch ziemlich alles Biech durch Walzen 
dargeftellt, ı. die heutigen Keffelbiehe, Rahmen- 
bleche für Locomotiven od. Panzerplatten, in ihren 
oft ganz riefigen Dimenfionen (von 2 m Breite 
u. 5—6 m Länge, bei Diden von 10—25 mm 
u. mehr) find nur mittels ebenjo riefiger Walz. 
werfe darzuftellen. Ein Blechwalzwerf befteht wie 
alle anderen Walzwerfe in der Hauptſache aus 
den beiden Walzen, zwei genau und glatt abge» 
drehten meijt eijernen, ſelten ftählernen Eylindern, 
die jo lang, od. etwas länger find, als die größte 
Breite der damit zu mwalzenden Bleche beträgt. 
Diejelben find mittels angedrebter Zapfen horizon- 
tal u. genau parallel über einander in einem 
Gerüfte gelagert, welches von zwei mittel8 einer 
gemeinfamen Grundplatte folide mit einander ver- 
bundenen Walzenftändern gebildet wird. Die 
Zapfenlager laſſen fih dur Stellihrauben in den 
Ständern genau richten und fejtitellen. Gemöhn- 
ih wird nur die unterfte Walze in Rotation ver« 
fett, die obere dreht ſich danı durch Die beim 
Paffiren der Bleche erzeugte Reibung von felbft. 
An der oberen Walze befindet fich meift auch noch 
eine Borrichtung, um vdiejelbe nach erfolgtem 
Durchwalzen nicht plöglich auf die untere herab— 
fallen zu lafjen, indem jene mittels Federn oder 
Hebeln mit Gegengewichten, die von unten auf 
ihre Zapfenlager wirken, gehoben wird; der nad) 
jedem Durdywalzen zu verlleinernde Abjtand bei- 
der Walzen wird durch von oben auf ihre Zapfen- 
lager wirfende Drudihranben requlirt, die vei 
großen Walzwerfen dur aufgeftedte Räderwerke 
verbunden find, um beide vollfommen gleigmäßig 
u. gleichzeitig anziehen zu können, ie Walzen 
ftreden das Metall hauptſächlich nach der Yänge 
(in der gegen die Yängenrihtung der Walzen 
rehtwinfeligen Richtung), u, je dünner die Walzen 


tomiſche Wirkung der Landichaft fteigerte B. noch ſind, alſo einen je größeren Winfel ihrer Peri— 


33” 


>16 


jireden fie. Die Heinften, mit der Hand bewegten 
Walzwerke findet man in den Goldarbeiter-Werf- 
ftätten zum Streden der edlen Metalle, oder zum 
Plätten von Drähten (daher auch Plättwerfe). Die 
Walzen find nur200—300 mm lang und haben 
70—150 mm Durchmeſſer; fie find meift aus ge- 
härtetem Stahl hergeftellt und wohl polirt, um 
möglichft glatte Bleche zu liefern. Größere Walz. 
werte findet man in Münzen zum Darftellen von 
Gold- u. Silberblehen, aus denen die Münzen 
berausgefchnitten werben, od. in Neuftiberfabriten 
zur Herftellung der Argentanbleche, die größten 
aber in Eijenhütten für die ſchweren Keſſelbleche 
oder die Banzerplatten der heutigen Kriegsmarine. 
Da einzelne Metalle, um einen beftimmten Grad 
von Dehnbarteit zu erhalten, der Erbitung be» 
dürfen, jo find mit den Walzwerten auch Glüh— 
vorrichrungen verbunden. Dieje beftehen gemöhn- 
lich in Flammöfen, in denen die Metalle durch die 
über diejelben hinftreichende Flamme zum Glüben 
gebracht werden. Eijen und Stahl müfjen ftets 
glühend fein, wenn fie in die Walzen fommen, 
auch Kupfer pflegt man glühend zu verarbeiten. 
Dieſes wird zuerſt in dide Platten gegoffen, welche 
man warm zwiſchen die Walzen bringt. Ber: 
oldetes u, verfilbertes Kupferbledh, wie es im der 
opffabrifation Anwendung findet, wird fo her- 
geftellt, daß man noch ziemlich ſtarke Bleche auf 
der Oberfläche gut reinigt u. die ausgewalzten 
Gold oder Silberblehe darauf legt, ftart glüht, 
u, in ein Walzwerk mit fein polirten Stahlwalzen 
bringt. Dagegen werden Meifing, Argentan und 
Tombak, auch Gold u. Silber nur von Zeit zu 
zu Zeit ausgeglüht, um ihm die durch das Wal. 
zen hervorgerufene Sprödigfeit zu nehmen, wäh— 
rend man die leicht fjchmelzbaren Metalle, mie 
Zinn, Blei und Britanntametall, kalt verarbeitet; 
Zink wird am beften auf 100—150* 0. erwärmt, 
bei welcher Temperatur e8 am meiften dehnbar 
if. Blei gießt man erft in 25—40 mm ftarfe 
Platten u, walzt diefe aus, indem man mehrere 
über einander legt u. die Berührungsflächen mit 
Zalg beihmiert. Die rohen Blechplatten werben 
ſchließlich in Tafeln zugerichtet, indem fie durch 
Beſchneiden mitteld einer von Waffer- od. Dampf» 
fraft getriebenen Scheere die erforderliche Größe 
erhalten. Meffing- u. Zombakbiehe werden mit 
verbünnter Schwefelfäure abgebeizt, um die duch 
das Glühen entjtandene Oxydkruſte zu entfernen. 
Über Berziunen des Eifenbleches (Schwarzblech); 
zur Darftellung von Weißblech, fiehe den Artikel 
Eiſenblech. 
Blechhammer, ſ. Blechfabrilation. 
Blechleere (Technol.), Inſtrument zur Er- 
mittelung der Stärle von Metallblechen. Es be- 
fieht aus einem flahen Stahlftüde mit Ein- 
jhnitten von zunehmender befannter Weite. Die 
Einſchnitte werden auf das Blech geichoben, bis 
man deu der Bleditärke entiprecdhenden findet; 
die dabei ftehende Nummer gibt die Stärke des 
Bleches. Die Fabritanten find übereinge- 
fommen, nur nach gewiſſen feftgeftellten Maßen, 
beftimmt durch die Pormalleere, die Stärke der 
Bleche abzuſtufen. Gieſeler. 
Blechmüunzen (lechpfennige), 1) fo v. w. 


Blechhammer — Bleek. 
pherien an der Berührungsftelle bilden, deſto ſtärker Vracteaten. 


2) Nur auf einer Seite geprägte 
Scheidemünzen. 

Blechnum L. Farnfrautgattung aus der am. 
der Polypodiaceen; die zahlreichen, von einem 
Schleier bededten Sporenbäufchen find meift Finea- 
liſch u. fiehen auf der inneren Seite eines durch 
die anaftomofirenden Secundärnervs gebildeten, 
dem fruchtbaren Blatte eigenthümfihen Nerd, 
dem Mittelnero parallel. Art: B. Spicant (L.) 
Roth., mit jpivalig geftellten, einfach-fiedertheiligen 
Blättern, von denen die unfrucdhtbaren, überwin⸗ 
ternden horizontal abftehen u. zahlreiche gemäherte, 
Ihmale Abichnitte befiten, während die in ber 
Mitte des Büſchels ftehenden fruchtbaren Blätter 
viel länger u. aufrecht find u. entfernter ftehende 
Abjhnitte haben. Die Pflanze findet fi fait im 
ganz Europa in Bergwäldern, aber aud) in Kam- 
tihatlfa u. NAmerika. Zahlreiche andere Arten 
in der tropiichen u. fubtropiihen Zone. Engler. 

Bleda, Bruder u, feit 433 mit Attila König 
der Hunnen; wurde 445 von diefem ermordet; 
j. u. Hunnen, 

Bledow, Ludwig, vorzügliher Schachſpieler, 
geb. 27. Juli 1795; ft. 6. Aug. 1846 als Yebrer 
der Mathematif am Köllnifhen Realgymnafium 
in Berlin. Er war Gründer der Berliner Schad- 
ſchule u. der Schadhzeitung (1846). 

Bledfoe, County im nordamerifan. Unions- 
ftaate Tenueffee, u. 35° n. Br. u. 63° w. L.; 4870 
Em.; Countyfit: Pickeville. 

leek, 1) Friedrich, bedeutender Theolog, 
geb. 4. Juli 1793 zu Arensböd in SHolftein; 
jtudirte zu Kiel 1812, Berlin 1814— 17, ward 1818 
Nepetent zu Berlin, 1823 dajelbft außerordentlicher 
Profefjor u. lehrte feit 1829 zu Bonn; er ft. dort 
27. Febr. 1859. Seine Leiftungen in bibfiicher 
Eregeje u. Einleitung gehören zu den bedentend- 
jten der Theologie diefes Jahrh. Er jchr.: Der 
Brief an die Hebräer, erläutert durch Einleitung, 
Überjetung uw. fortlaufenden Gontmentar, Berl. 
1828—40, 3 Bde.; Beiträge zu der Evangelien- 
fritif, ebd. 1846. Nach feinem Tode erichienen: 
Einleitung in das U. T. von I. F. 2. und U. 
Bomben, 2. A., Berl. 1865; Einleitung in 
das N. T., 2. Aufl., ebd. 1866, 3. Aufl., 1875; 
Spnopt. Erflärung der drei erften Evangelien, 
herausg. von H. Holgmann, Leipz. 1862; Bor- 
lefungen üb. die Briefe an die Koloffer, Philemon 
u, die Ephejer, 1865; Über die Apofalypfe, Berl. 
1862. 2) Wilhelm Heinrid Immannel, 
Sohn des Bor,, namhafter Sprachforſcher, geb. 
8. März 1827 in Berlin; widmete fich jeit 1845 
in Bonn u. Berlin philologiſchen u. ſprachwiſſen⸗ 
Ihaftlihen Studien. Dur Erkrankung gezwungen, 
jenen urſprünglichen Plan, an der Niger-Erpedi- 
tion unter Bailie 1854 theilzunehmen, aufzugeben 
und nah England zurüdzufehren, wandte er ſich 
1855 nad dem Gaplande, wo er in Begleitung 
des Biſchofs Colenſo Natal und das Fand der 
Kaffern bereifte. 1856 wurde er von dem Gou— 
verneur Grey in Gapftabt angeftellt u. verweilt 
noch dajelbft als Bibliothelar von deſſen hinter- 
lafjener berühmter Bibliothef. Schon in Europa 
hatte er fi) der Aufbellung der füdafrifan. Spra- 
hen zugewandt (De nominum generibus lingua- 
rum Africae australis, Bonn 1851), weiches 


Blegno — Blei. 


Studium er mit Erfolg in Afrila fortfeßte (The 
Languages of Mosambique, Lond. 1856; Hand- 
book of African, Australian and Polynesian 
philology, 3 Bbe., Capſt. 1858—63; Compara- 
tive grammar of South-African languages, ebd. 
1862—65; Reynard the Fox in South-Africa; 
Hottentot fables and tales. 2ond. 1864; The 
Library of His Excell. G. Grey, 2 Bde., 
Gapft. 1858). Auch an der Forſchung über den 
Uriprung der Sprade (Weimar 1868) it er be+ 
theiligt. 1) Löffler. 2) Zhielemann. 

Blegno (Bfenio), Bezirk u. Thal des Fluffes 
Dlegno, auch Brenno, im ſchweiz. Kant. Zeifin; 
7170 kath. Einw., in 18 Kirchgemeinden; er- 
ftredt fih vom Fuße des Lulmanier im N, bis 
zum BZufammenflufie des B. mit dem Teſſin 


517 


rotben Dämpfen leicht auf, indem ſich falpeter- 
jaures B-oryd bildet. Schwächere Säuren, nament- 
lich Eſſigſäure, beichleunigen bei Gegenwart von 
Luft Die Orydation des B-c8 auferordentlich, daher 
it beim Gebraude bleierner, bleihaltiger od. mit 
bleihaltiger Glafur verjehener Gejchirre große Bor» 
ſicht nöthig. Das B. des Handels enthält ge 
wöhnlich Heine Mengen von Kupfer und Eifen, 
auch wol Spuren von Silber. Zur Erkennung 
des Bees kaun im vielen Fällen Schwefelwafler- 
ſtoffwaſſer benutzt werden. Daſſelbe färbt bleihal- 
tige Körper (Anftreichfarben zc.) intenfiv ſchwarz 
u. gibt mit bleihaltigen Flüffigkeiten einen jchwar« 
zen Niederichlag, od. bei ſtarker Verdünnung eine 
braune Färbung. 


B. Borfommen, B. findet fih in der Natur 


im ©., als Thal etwa 2 km breit, umfaßt gegen |jelten gediegen und dann meift im dünnen Blätt- 
495 km; Boden frudtbar an Wein (der jedoh|chen oder haar» u. drahtfürmig, 3. B. beim Al- 


von geringer Qualität ift), Kaftanien und Ge— 
treide. Die Eimvohner gehen im Winter als 
Kaftanienbrater ind Ausland. Ein Felſenſturz 
von 1512 warf einen Schutthaufen auf, der 1714 
vom Brenno durhbroden wurde, was die ganze 
Riviera (unterer Theil des Teſſinthals) ver- 
müftete., rüber wurde B. von den Echmweizern 
das Bollenzer- od. Polenzerthal genannt, 

Blei (lat. Plumbum, em. Zeichen Pb, Atom- 
gewicht 207). A. Eigenihaften Metall von 
bläulich-weißer Farbe u. ftarfem Metallglanze, an 
der Luft mit einem glanzlofen grauen Häutchen 
von B-juboryd fich überziehend; fpec. Gem. 11,,. 
Es ift in reinem Zuftande jehr weich (Härte = 2), 
läßt fi) mit dem Meſſer ſchneiden u. färbt fhou 
auf Papier ab; ein geringer Gchalt von Antimon 
erhöht feine Härte bedeutend. Es faun zu dünnen 
Blättern ausgewalzt, auch zu Drähten ausgezogen 
werben, jedoch haben die legteren mur geringe Fe— 
ftigleit, jo daß ein Drabt von 2 mm Durchmeffer 
ihon bei 9 kg Belaftung reift. Es jchmilzt bei 
334°, verdampft in der Weißglühhitze und kann 
dur langſames Erfaltenlafjen in undeutlichen Kıy- 
ftallen erhalten werden, Beim Erhigen an der Luft 
orydirt es ſich rafch u. verwandelt ſich zunächſt in 
ein gelblich-granes Gemisch von B-fjuboryd u. B— 
oryd (B⸗aſche), bei fortgejegtem Erhitzen im gelbes 
Beoxyd. In feuchter Lust, im Verührung mit 
lufthaltigem Waffer od. bei abwechſeludem Zutritt 
von Luft u. Waffer orydirt es fich rafch zu B-oryd» 
bydrat, welches in Wajjer etwas löslich if. Ente 
hält dag Waſſer aber, wie 3. B. Brunnen“ und 
Flußwaſſer, etwas Kohlenjäure, fohlenfaure oder 
ſchwefelſaure Salze, jo entftehen faft ganz unlös- 
lihe Berbindungen (lohlenfaures u, ſchwefelſaures 
B-oryd), die einen feft haftenden Überzug bilden 
u. jo die weitere Oxydation des Bes hindern, 


fton-Moor in Eumberland in Kallſtein, in Lava 
auf Madeira u. mit Eijenglanz u. Magneteijen 
bei Peisberg in Wermland; dagegen häufig im 
Verbindung mit Schwefel, theild für fich allein 
als Schwefelblei oder B-glanz (ſ. d.), theils in 
Verbindnug mit anderen Schwefelmetallen. Mit 
Schmefelantimon zujammen bildet Schmefelblei 
den Zinfenit oder Bleiantimonglanz, der PbS + 
Sb,S, ift, den Blagiomit der 4PbS + 3Sb,8,, 
der Jamefonit der 2PbS + Sb,$S,, u. Bou« 
langerit, der 3PbS + Sb,S, ift, ſowie mehrere 
andere feltene Mineralien; mit Schwefelarienif 
zujammen den Bleiarjenglanz oder Binnit 
PbS + As,S,, den Dufrenoyfit 2PbS + Au,S,, 
mit Schweiellupfer und Schwefelantimon den 
Bournomit 3(Cu,Pb)S + Sb,S,; mit Selen 
verbunden findet es ſich im Selenblei PbSe u. 
Selentupferblei PbCu,Se, mit Tellur im 
Zellurblei PbTe. Die Sanerftoffverbindungen 
des Dres finden fih natürlich als Glätte PbO, 
Mennig Pb,O, + PbO, jowie als Plattnerit 
PbO,; tohlenſaure Verbindungen find der B-jpath 
oder das Weißbleierz PbCO, u. der Plum— 
bocalcit (CaPb)CO,; ihwefelfaure Verbindungen 
find der Bpitriol PbSO,, fowie der Lanarkit 
Pb,SO,; hromfjanre Verbindung ift der Phöni— 
todroit Pb,Cr,O, u. das Rothbleierz PbCrO,; 
die molybdänjaure Berbindung ift das Gelbblei— 
erz oder der Wulfenit PbMoO,, die wolfram«- 
jaure das Wolframbleierz PbWO,, die vana— 
dinfanre der Dechenit PbV,O,; die arfenikjaure 
Verbindung ift der Mimetefir oder das Grün— 
bleierz, die phosphorfaure das Buntbleierz; 
beide enthalten aber noch einen beftinnmten Autheil 
der Ehlorverbindung PbCl, die ſich für ſich allein 
als Eotumnit felten findet. u. y Verbindung mit 
fohlenjaurem B⸗oxyd das Behörnerz und mit 


Ehlormetalle umd falpeterfaure Salze, namentlih|B.oryd den Mendipit bildet. Meines B. läßt 
aber fich zerjegende organische Subſtanzen erhöhen ſich auch, als B-baum (Arbor saturni), in Den- 
die Löslichkeit de8 B-ed. Dies Verhalten des Bees |driten, d. i. baumähnlihen, aus kryſtalliniſchen 
ift beſonders beachtenswertb, wenn es fi um die] Blättern beftehenden Maſſen, aus Bieifalzen aus— 
Berwendung deffelben zu Wafferleitungsröhren han- |fheiden. Man erhält den VB-baum, wenn man 
delt, da B-verbindungen ftarte Gifte find. Salz jeine Zinfftange in eine mit etwas Eſſigſäure ver» 
fäure u. Schwefelfäure greifen B. auch beim Er= |jegte Löſung von effiggaurem Bletoryd (Bleizuder) 
märmen nur wenig an, da ſich eine feit haftende eintaucht. Die Blättchen jegen fi zunächſt an das 
Dede von unlöslihem Ghiorbrei, reſp. ſchwefel- Zink an u, ftellen nun mit dieſem u. der Blei» 
faurem B-oryd bildet. Mäßig concentrirte Sals|zuderlöfung eine galvaniſche Kette dar; durch den 
peterfäure löft das B. unter Entwideluug von gelb-I Strom diefer Kette wird das ejfigfaure Bleioryd 


915 


in der Weife zerfett, daß das Blei fih an die be 
reits ausgeichiedenen u. innerhalb der Flüſſigkeit 
den negativen Bol darftellenden Bleiblättchen an- 
etzt, während der Eijjigläurereft mit dem den po» 
fittven Pol bildenden Zink fich zu eſſigſaurem Zink— 
oryd verbindet. Dadurch wachſen die Blerblättchen 
und breiten fich bald Durch die ganze Flüſſigkeit 
us, bis diefe ſchließlich nur effigiaures Zinkoryd 
entbält. 

C, Darftellung. Chemifch reines B. ftellt 
man durch Glühen von reinem B-oryd in einem 
Kohlentiegel, oder durch Glühen eines innigen 
Bemenges von reinem B-oryd und Koblenpulver 
var. Das B. wird im Großen faft ausſchüeßlich 
aus B-glanz dargeftellt, der, wenn nötbig, von 
der ihm begleitenden Gangart durch Vochen und 
Schlämmen getrennt wird, wobei fih das Erz 
wegen feines hoben fpecifiihen Gewichtes raſch als 
feines Pulver (Schlied) abfegt. Da der B-glanz 
faft immer etwas Silber enthält, fo iſt die Silber— 
u. B-gewinmung gewöhnlich eng verbunden, wie 
an den alten Sitzen der B-gewinnung, am Harz, 
in Freiberg u. im Siegenfchen. Andere bedeutende 
Begewinnung findet ftatt bei Tarnowig in Ober- 
Schlefien aus den Erzen des dortigen Muſchel⸗ 
kalkes, in Holzappel an der Lahn, in Ramsbed 
in Weftfalen, in Stolberg bei Aachen, in Kom- 
mern in der Eifel, in Billa in Krain, Przibram 
in Böhmen u, in England zum Theil aus eigenen, 
größtentheild aber aus Spanien importirten Erzen. 
Die ältere n. früher allein befannte Methode der 
Bsgewinnung, die Niederfhlagsarbeit, grün- 
dete ſich auf die Eigenschaft des Schwefelbleies, beim 
Zufammmenichmelzen mit Eifen (Waſcheiſen, Eijen- 
friſchſchlacken) Schmwefeleifen u. metalliihes B. zu 
liefern. Es wird diefer Proceß in Schadhtöfen mit 
Gebläſe ausgeführt. Da jedoch der meifte Brglanz 





Blet, 


es bededende ſchwerflüſſige Bftein (hauptſächlich 
B-fubfjulfurat) wird zurückgeſchoben u. das B. ab» 
geftohen. Das auf die eine oder andere Art ge 
wonnene B. — Werkblei — enthält feine Mengen 
von Kupfer, Eifen, Arien, Antimon, aud Zink, 
u. wenn der B-alanz filberhaltig war, alles Sil- 
ber deſſelben. Gilberfreies od. filberarmes Wert: 
blei, welches durch die genannten Dietalle jo jtarf 
verunreinigt ift, daß es nicht direct in den Handel 
gebracht werden kaun, wird raffinirt (geveinigt), 
indem man es unter Luftzutritt im einem ylamı« 
ofen ſchmilzt, wobei die fremden Metalle ſich orvdi« 
ren und als Krätze abgenommen werden können. 
Enthält das Werfblei eine genügende Menge Silber, 
jo wird e8 dem Abtreiben unterworfen (j. Sil- 
ber); die dabei entjtehende B-glätte wird entweder 
als ſolche in den Handel gebracht, od. durch Ein— 
ihmelzen mit Kohle in einem Flammofen zu 
metalliſchem B. reducirt (Friſchblei). Unreine, 
antimonhaltige Glätte liefert ein antimonhaltiges 
B. (Hartblei). Eine Aufſtellung berechnet die ge— 
ſammte B-production Europas für 1873 in rum« 
den Ziffern folgendermaßen: 


Spanien 61,600 Tonnen, 
— 19,000  „ 

ngland 76,000 u 
Deutihland 54,000 „ 
Ofterrid 8000 „ 
Belgien 11,20  „ 
Stalien 32,200 Pr 
Rußland 1250 


D. Unmwendung des B-es. Das B. findet 
eine vielfache Verwendung. Es dient in Form 
von Platten zur Bededung von Gebäuden, zu 
Siedepfannen für Schwefeljäure u. Waun, zu B— 
fammern für Schmefeljäurefabrifen; ferner zu 
Röhren u. Retorten, zur Fabrikation des Schrotes, 


noch erdige Beſiandtheile enthält, die ſich durch Hagels :c., zu Kugeln, die zweckmäßig aus Stangen 


Boden und Waſchen, die fogenannte Aufbereitung 
der Erze, nicht alle entfernen laffen, fo geftaltet 
fich der Proceß in der praftiichen Ausführung nicht 
io einfach, wie oben bemerkt; es entiteht eine ige 
von Zwiſchen- u. Nebenproducten, B-fteine, B— 
fhladen ꝛc., die alle noch mehr od. minder blei-, 
fülber-, auch fupfer- u. eifenhaltig find u. immer 
wieder mit in den Proceß eingeführt werben, um 
den nugbaren Metallgebalt zu gewinnen, worüber 
u. A. Kerls Beichreibung der Oberharzer Hütten 
procejie, Klausthal 1852, intereffante Auskunft gibt. 
Die Röftarbeit beruht darauf, daß beim Er- 
bigen von B-glanz mit B-oryd od. jhwefelfaurem 
Beoryd fih unter Entwidelung ſchwefeligſauren 
Gaſes metallifches Blei abjcheider 

2PbO + .PbS 3Pb + SO,; 

Beoryd u. B:glanz geben B. u. fhwefel. @äure; 

PbSO, + PS = 2Pb + 250, 
Schwefeli. Beorud u. Beglanz geben B. u. ſchwefel. Eäure. 
Der B-glanz wird gewöhnlid in einem Flamm— 
ofen mit einer im der Mitte vertieften Sohle unter 
beftändigen Umrühren bei Luftzutritt erhigt (ge 
röftet), wobei ſich durch theilweiſe Orydation dei- 
felben B-oryb und fchwefelfaures B-oryd bilden. 
Darauf werden alle Arbeitsöffnungen geſchloſſen 
u. ftärter erhigt. Es findet dann die oben be» 
ſchriebene Zerjegung ftatt, während deren ſich das 
B. in der Bertiefung des Herdes anfammelt. Der 


gepreßt werden; in Form von dünnem Blech (Folie) 
zum Einpaden von Schnupftabaf (der dadurch leicht 
bleihaltig wird!) u. Thee; als Draht zum Anbinden 
in feuchten Räumen. Man benugt e8 ferner zum 
Vergießen von metallenen Klammern in Stein, 
zum Einfaffen von Fenfterfcheiben, zur Herftellung 
gewiffer Legirungen (ſ. Belegirungen); endlich ftelt 
man daraus eine Reihe wichtiger B-präparate, 
wie B-zuder, Mennig, B-glätte, B-weiß ꝛc. dar. 
Bebleche u. Tafeln werden aus dideren gegoffenen 
Platten ausgewalzt; Bsröhren fertigt man im 
neuerer Zeit, indem man geichmolzenes B. in 
einen Eylinder gießt, in deffen untere Offnung ein 
Dorn hineinragt, u. mittel8 eines Stempels durch 
die fo entftehende ringförmige Öffnung hindurch— 
treibt, wobei man durch gehörige Abfühlung dafür 
forgt, daß das B, im Augenblide des Austretens 
erftarrt. Zur Fabrifation von B-jhrot ſchmilzt 
man B. mit 0,,—0,, pEt. Arjenif, wodurch es 
die Eigenfchaft erlangt, fich leichter fürnen zu laſſen, 
u. bringt es im Blechleffel mit fiebartig durch- 
löchertem Boden, die in einem ſehr hohen Raume 
(Thurme od, Schachte) aufgeftellt find. Die herab- 
fallenden Tropfen runden fih dann volllommen 
ab, werben in einem Gefäße mit faltem Waffer 
aufgefangen, dur Siebe fortirt u. in rotivenden 
Tonnen mit Grapbitpulver polirt. 

B. ift, unter welcher Form es auch in den Kör⸗ 


Bleiamalgam 


per gelangt, ſchädlich, felbit das reine metallische 
B., indem es fich im Magen ſtark oypdirt, dann 
ſowol in Dämpfen, als aud in feften Verbindun— 
gen (f. Bvergiftung). Daher erheifcht jein Ge- 
rauch als inneres Arzneimittel die größte Vor— 
fiht, Außerlich dagegen läßt ſich das B. vielfach 
als Heilmittel verwenden, weniger metalliih, als 
in B-präparaten befonders zur Mäßigung von 
Entzündung, Beſchränkung von Eiterung, bei Ver— 
brennungen, bei von Liegen oder Neibungen ent« 
ftandener Hautercoriation, bei Erfrierungen, bei 
Augenentzündungen u. in anderen Füllen. Bol. 
B-präparate, 

Bleiamalgam, f. Quedfilberlegirungen. 

Bleiaſche (Chem.), die gelb-graue Maffe, in 
welche ſich Blei beim Erhiten unter Luftzutritt 
verwandelt; ift ein Gemiſch aus Bleifuboryd u. 
Bleioryd und geht bei fortgefegtem Erhisen in 
Bleioryd über. Heper. 

Bleibadfen nennt man aus Bleibleih von ca. 
10 mm Dide gefertigte Futter für die Baden eines 
Schraubftodes, die man einlegt, um bereits be- 
arbeitete Stüde, oder leicht verletzbare Theile ein« 
zufpaunen, da man diejelben der Berührung mit 
den hart verftählten u. gerippten Eijfenbaden des 
Scraubftodes nicht ausjegen will. 

Bleibaum (Chem.), f. Blei. 

Bleiberg (Deutich-B.), Dorf (eigentlich 5 Dör- 
fer) im öfterreich. Bezirke Billa) (Kärnthen), am 
Abhange des Berges Dobracz, rechts von ber 


Drau; Drabtfeilipinnerei; 4061 Ew., wovon 2463 Ah 


in Kreuth; dabei feit länger als 300 Jahren be- 
triebenes Bergwerk, das jährlih 35—40,000 Etr. 
Blei u. Galmet ergibt. 

Bleiblech (aud Walzblei genannt) nennt man 
unter Walzen hergeftellte dünne Bleiplatten. Das 
Ausmwalzen des B-es ift jehr einfach, da das Blei 
weich ift u. während des Auswalzens nicht geglüht 
zu werben braucht. Anfangs läßt man die Platten 
einzeln die Walzen paffiren, fpäter legt man 10 
bis 12 auf einander u. beftreicht die einzelnen mit 

{, um das Aneinanderhaften zu hindern. B. wird 
benukt zu Dachdeckungen, namentlih in Eden u. 
Kehlen, zu Bitriolfanmern, die dünnen Sorten 
wol ald Enveloppen für Schnupftabat, was aber 
fchädlich u. verboten ift. 

Bleiblüthe (Min.), 1) arſenilſaures Blei, ein 
Bleiorydjalz. 2) Erdiges Blei, erbiges Fleden- 
erz, gelb, erdig; in Frankreich. 3) (Flocliges Blei- 
erz, Flodenerz, Grünbleierz) Abart des arjenit- 
fauren Bleies oder Mimetefits, zarte, nadelförmige, 
nfammengehäufte Kryftalle od. feidenartige Fäden; 
F Gew. 5—5; in Cornwall und Frankreich. 

Bleibromid (Bromblei, Chem.), Verbindung 
von Blei mit Brom von der formel Pb Br,, 
weißes, Irpftalliniiches, jchmelzbares, in Waſſer 
ſchwer lösfiches Pulver, welches fid) bei Einwirkung 
von Brommafjerftofffäure auf Bleioryd od. durch 
Füllung der Löſung eines Bleiſalzes mit Broms 
natrium od. Brommafjerftofffäure bildet. Heber. 

Bleibtreu, Georg, Schlachtenmafer, geb. 1828 


— Bleichen. 519 
zu widmen. Seine erften Bilder aus dem Deutſch- 
Däniſchen Kriege von 1848—49 fanden günftigite 
Aufnahme, namentlich feine Schladht von Koldıng 
u. feine Vernichtung der Kieler Turner bei Flens— 
burg. Nun griff B. zu dem Befreiungsfriegen 
zurüd; es folgten fi) die Schladhten von Groß» 
beeren, der Sturm aufs Grimmaiſche Thor in 
Leipzig, die Flucht Napoleons bei Waterloo u. die 
Schlacht an der Katzbach. Dann wählte B. feine 
Stoffe aus dem Öfterreichifch-Franzöfiichen Kriege 
in feiner Schlacht von Wipern. Der Deuticd- 
Dänische Krieg von 1864 gab ihm Anlaß zu ſei— 
nen Bildern: Treffen am Königshügel und bei 
Deverfee, namentl. aber zu feinem trefjlichen über: 
gange nach Alfen. Der Krieg von 1866 begeifterte 
ihn zu feiner Schlacht bei Sadowa u. der große 
Nationalfrieg von 1870—71 zu mehreren Werfen, 
darunter: General Hartmann mit den Bayern vor 
Paris, Alle feine Werke find von echt nationaler 
Begeifterung getragen. Regnet. 

leiburg, Stadt im öfterreich. Bezirke Völker⸗ 
markt (Kärnthen), an der Freiſtritz, Eifenbahn- 
ftation; Gerichtsort; Schloß; Eifenwerle; 960 Em. 
Hier 917 Sieg des Herzogs Eberhard von Kärnthen 
u. des Herzogs Gottfried won Meran über die 
Ungarn. 

leicarbonat, fo v. mw. kohlenſaures Dlei- 
oryd; j. Kohlenjäurejalze, 

Dleicerat, |. u. Bleipräparate, 

Bleichart, fo v. w. Bleichert; ſ. Nhein- und 

rweine. 

Bleichen, das Verfahren, durch welches Ge— 
ſpinnſte und Gewebe aus Baummolle, Flachs, 
Hanf, Wolle u. Seide, ſowie auch andere Pflau— 
zen- u. Thierfubftanzen von dem ihnen gewöhnlich 
anhängenden Farbſtoffe befreit u. in vollfommen 
weißem Zuftande hergeftellt werden. Die Zerftör- 
ung diefer Farbſtoffe erfolgt entweder durch den 
Einfluß des Lichtes und der Luft (Mafenbfeiche), 
od. weit fchneller durch chemische Mittel (Schnell- 
bleiche). Es gibt demnach die Luft» u. Sonnen- 
bleihe (Rajenbleide, natürliche Bleidhe), 
die ältefte u. auch vortheifhaftefte, aber Zeit und 
Mühe erfordernde, weiche anf einem der Luft u. 
Sonne ausgejegten, mit Raſen bejetten Plage an 
fließenden Waffer geſchieht. Die ausgeipannte, 
durch hölzerne Bleichnägel angepflödte Leinwand 
wird immer von Neuem mieder mit weichen, 
fliegendem oder Regenwaſſer feucht erhalten und 
vom Schlichte u. anderem Schmute befreit (ent- 
fchlichtet), auch nach einiger Zeit umgewendet. 
Garn wird zu gleiher Behandlung auf dem 
Bleihplan auf Stäben aufgehängt und durch 
ſolche ftraff erhalten. Fe milder das MWaffer ift, 
defto ſchöner weiß wird das Zeug; auch durch 
Than u. Schnee bleihen die Zeuge. Um eine 
blendende Weiße zu erhalten, wird nad been— 
digter Luftbleihe od. während derjelben der Stoff 
noch gebeucht, d. h. in den hölzernen, am Boden 
mit einer Öffnung verfehenen Beuchfäffern mit 
einer fiedenden Yauge aus Pottaſche od. Soda ı. 


zu Xanten; bezog 1843 die Akademie zu Düffel- | Kat übergoffen. Nah 2—3 Stunden zieht man 
dorf, jtieß dort auf mehrfache Hinderniffe, ſo daß die Lauge ab, gießt eine neue Portion kochende 
er jie nach fünfjährigem Beſuche verließ, kehrte |Lauge auf und fährt jo fort, bis die Lauge trüb 


aber bald wieder zurüd, um fich feinen Studien unter u. braun wird, 


Baummollene Zeuge werden 


Prof. Hildebrand, u. zwar mit befjerem Erfolgeletwa dreimal, leinene zehn- und niehrmal gebeucht. 


20 


fließendem Waſſer ausgewaihen u. durch Klopfen 
von dem durch das B. aufgeweicdhten Farbeſtoffe 
gereinigt. Für die Luftbleihe eignen ſich auch 
audere Pflanzen- u. Thierſtofſe, wie Papier (ſ. 
u. Papierfabrikation), Stroh, Knocheu (f. u. 
Beinarbeiten), Wachs (ſ. Wachsbleiche), Talg. 
Zr Schnellbleiche Ichemiſche- oder Kunſt— 
Bleiche) verwendet man Chlor (gasförmig od. in 
waäſſeriger Löſung), unterchlorigſaure Salze (in wäj- 
ſeriger Löſung) und ſchwefelige Säure; die bei— 
den erſteren Körper dienen zum B. von Pflan— 
zenfafern (Leinen u. Baummolle), der legtere zum 
B. von thierifchen Subftanzen, wie Wolle, Seide, 
Federn, Badeihwänmen, ferner Holz- u. Strob- 
geflechten zc. Da das Chlor ſowol gasförmig, als 
geröf in Waffer nicht nur die Farbſtoffe, jondern 
ei längerer Einwirkung auch die Faſern jelbft 
zerftört, außerdem aber das Einathmen beffelben 
die Gejundheit der Arbeiter in hohem Grade ge- 
fährdet, jo ift feine Anwendung auf wenige In— 
dujtriezweige (Bapierfabrifation) beſchränkt. Dian 
bringt die zu bleihenden Stoffe angefeuchtet in 
niedrige, aus Steinplatten gebildete Kammern u. 
feitet durch eine an der Dede befindlihe Öffnung 
das Chlorgas ein, welches man durch Erhitzen 
von Braunftein mit Galzfäure entwidelt. GChlor« 
waſſer (Bertholletihe Bleichflüſſigkeit) ift wegen 
ſeiner leichten Zerſetzbarleit zum B. im Großen 
ganz ungeeignet; man erſetzt es zwedmäßig durch 
eine der im Folgenden genannten Flüſſigkeiten. 
Über die Behandlung der mit Chlor gebleichten 
Flüffigleiten fiehe unten. Die oben hervorgeho- 
benen, mit der Anwendung von Chlor verbun- 
denen Übelftände treten in weit geringerem Maße 
hervor beim B. mit unterchlorigſauren Salzen, 
welche ftets in wäſſeriger Löſung angewendet wer- 
den. Unter ihnen fteht wegen — Billigkeit u. 
kräftigen Wirkung obenan der Chlorfalt (Bleich— 
falf); außerdem benugt man noch die Javelliſche 
Bleichflüſſigkeit (Eau de Javelle, Chlortali, 
eine Auflöfung von unterdlorigjaurem Kalk), die 
Labarracqueihe Bleichjlüjfigleit) (Eau de Labar- 
racque, Chlornatron, Bleihwafjer), eine Auflöjung 
von unterchlorigiaurem Natron. Die Anwendung 
der unterchlorigjauren Salze, die an und für fich gar 
nicht bleichen, beruht darauf, daß fie außerordentlich 
leicht dur Säuren, u. zwar fchon durch die Koh— 
lenfäure der Luft zerjett werden u. dabei unter» 
chlorige Säure abgeben, melde an Bleichkraft das 
Ehlor ſelbſt noch übertrifft. Das Verfahren ift 
demnach ein ehr einfaches. Man taucht die zu bleich- 
enden Stoffe in die möglichſt frijch bereitete Bleich- 
flüffigfeit (im Großen ftets ein wäjjeriger Auszug 
von Chlorfalf) ein u. fett fie einige Zeit der Luft aus, 
od. man gibt, wenn man eine vafhere Wirkung er- 
zielen will, zu der Bleichflüſſigleit eine ftärlere 
Säure (Salzjäure od. Schwefeljäure) u. zieht die 
Stoffe einige Male durh die Flüſſigleit. Die 
chemiſche Wirkung ſowol des Chlors, al$ der un- 
terchlorigen Säure bejteht darin, daß beide Kör— 
per zunächſt dem Farbſtoffe (erft fpäter der wi— 
berftandsfähigeren Faſer) Wafferftoff entziehen u. 
hierdurch, fowie durch dem gleichzeitig freimer- 
denden u. in diefem Zujtande bejonders kräftig oxy- 
dirend wirfenden Sauerjtoff die Zerftörung des Farb⸗ 


Bleichen. 


Zwiſchendurch, bei. das erſte Mal, werden fie in;ftoffes bewirken. 


Es entitebt aljo unter allen 
Umftänden Chlorwaſſerſtoff, der in den feiniten 
Poren der gebleichten Faſern fejthaftet und, wenn 
er nicht entfernt wird, diejelbe allmählich zerfrißt. 
Ale auf eine der oben angegebenen Arten ge- 
bleihten Stoffe müſſen deshalb zunächſt fergfältig 
mit Waffer gewaihen werden. Da aber bierburd 
allein die vollftändige Entfernung des Chlorwaſſer- 
ftoffes erfahrungsmäßig nicht möglich iſt, fo taucht 
man die Stoffe noch in eine Flüſſigkeit ein, Die 
den Chlorwaſſerſtoff zeriegt u. in unſchädliche 
Berbindungen überführt, Die durch Wafchen entferut 
werden können. Man benutt hierzu allgemein 
eine Auflöfung von unterjchwefeligiaurem Natron 
(Antichlor) in Wafler, in neuerer Zeit auch Löf- 
ungen von ſchwefeligſaurem und doppelt jchmefelig- 
jaurem Natron, Die oben genannten Subſtanzen 
(Wolle, Seide xc.), welche durch Chlor u. unter» 
hlorige Säure gelb gefärbt werden, bleiht man 
mit ſchwefeliger Säure, indem man fie angefeuchtet 
in hölzerne Käften od. in Kammern bringt, auf 
deren Boden Schwefel verbrannt wird. Die Seide 
muß vorher eutichält, d. h. durch Waſchen mit 
warmem Geifenwajler von ihrem gummiartigem 
Überzuge befreit werden; durch dafjelbe Mittel 
entfernt man auch das der Wolle aubaftende Fett 
(Schweiß). Bei dieiem Berfahren erfolgt die Yer- 
ftörung des Farbſtoffes Dadurch, daß die ſchwefelige 
Säure demjelben Sauerftoff entziebt u. ihn dadurch 
in eine ungefärbte od. wenig gefärbte Verbindung 
überführt, Da die jchwefelige Säure fih dabet in 
Schweieljäure verwandelt, jo müffen die gebleicy- 
ten Gegenftände behufs deren Entfernung mit 
Waffer u. alfaliichen Langen (Seifenwafjer, Soda-» 
nd forgfältig gr werden, Heger. 

Bleichen (Etiolement, Bergeilen), eine Kranf> 
beit des Getreides. Die Abren ſtehen zwar aufrecht, 
jind aber weißlich u. jcheinen weit eher reif geworden 
zu jein, als die übrigen, find jedoch förnerios. Die 
Halme folder Pflanzen enthalten ein pulverför- 
miges, gelbliches Dlart, u. die Knoten der Halme 
im Jnuern find durchbohrt. Urſache iſt die ſchwarze 
Sägeweſpe, die ſich mit ihrem Stachel in die 
Pflanzen einbohrt u. ihre Eier in dieſelben legt. 
Aehnliches kommt auch bei auderen Pflanzen vor, 
u. beruht bier in der Regel auf unvollkommeuer 
Ausbudung des Blattgrüns infolge von man« 
gelhaftem Lichtzutritt (3. B. Kartoffeltriebe im 
Keller, innere Blätter des Kopflohls u. Bind-Sa- 
lats). Auch bei Ausihluß von Eiſen von den 
Nahrungsmitteln der Pflanze bleibt die Pflanze 
blaß m. kräukelt (Bleichſucht). Normale Ausbild« 
ung bon Holz, Blüthen oder Frucht unterbleibt 
in diefem Falle. 

Das Bleihen der Küchengewächſe geſchieht, 
indem man ihnen duch Zujammenbinden, Be- 
deden mit Töpfen (Bleihtöpfen), Erbe, Stroh 
u. dgl., od. dadurch, daß man fie in den dunkeln 
Keller bringt, für längere Zeit den freien Zutritt 
des Lichtes u. der Luft entzieht, wodurch fich die 
grüne ‚zarbe in eine gelbe verwandelt u. mande 
Gemüſe erſt genießbar u. wohlſchmeckend werden, 
3. B. Endivien. Das B. wird an den ausge- 
wacjenen Pflanzen u, erſt dann borgenommen, 
menu fie bald benutzt werden follen, weil fie, da- 
durch zarter gemacht, leicht faulen; es muß Deshalb 


Bleicherode — Bleicrde. 


521 


auch bei trockenem Wetter geſchehen u. der Negen|bleiche Geſichtsfarbe muß den Verdacht rege er— 


möglicjt abgehalten werden. 

Bisiherebe, Stadt im Kreije Nordhauſen des 
preuß. Negierungsbez. Erfurt, Eiſenbahnſtation; 
Baummolen-,, Drei-, Damaft«, Leinenweberei; 
Bleichen; bedeutender Handel; 3112 Einw; in 
der Nähe befindet ſich der Podenberg und bie 
Knochenquelle. 

Bleichert (Bleichart), blaßrothe Rhein- u. Ahr- 
weine; ſ. d. 

Sleichlorid (Chlorblei, Chem.), Verbindung 
des Bleies mit Chlor nad der Formel PbCl,; 
bildet eiu weißes frgitalliniiches Pulver oder Heine 
nabelförmige Kryitalle, die in kaltem Waffer ſchwer, 
in fochendem leicht löslich find. In der Glühhitze 
ſchmitzt es w. erftarrt beim Grfalten zu einer 
weißen, hornartigen Maſſe. Es findet ſich in der 
Natur rein als Cotunnit, mit fohlenfaurem Blei» 
oryd verbunden als Bleihornerz. Künftlich wird 
es dargeftellt entweder durch Behandeln von Blei- 
oryd mit Salzjäure, od. durch Fällen der Löſung 
eines Bleiorydfalzes mit Salzjäure oder Kochjalz- 
löfung. Es verbindet fih mit Bleioryd in meh— 
reren Berbältniffen; j. Bleioxychloxid. Hexer. 

Bleichfellerie (Staudeniellerie), eine in zranl« 
reich umd England vielfahb, in Deutichland 
aber jeltener benugte Art Sellerie ohne Knollen, 
von welcher die ftarfen Blattftengel gegefien wer- 
den. Die Eultur ift ähnlich wie beim Knollen» 
Sellerie (f. d.), nur mmß er etwas weiter von ein- 
ander gepflanzt u. jpäter gebleicht werden; legteres 
geſchieht, wenn die Pflanzen im Herbſte ſtark ge- 
nug geworben find, indem fie dann bei trodeuem 
Wetter mit 3 Bändern zufammengebunden u, ent 
weder did mit Stroh umgeben, od. nah u. nad 
ganz mit Erde überdeckt werden, od. auch dadurch, 
dog man über jede Pflanze ein weites Drainrohr 
ftülpt u. dann die Zwijchenräume ganz mit Pfer- 
dedünger od. Erde ausfült. Da der B. feinen 
ftärferen Froſt verträgt, jo muß das Bleichen vor 
Eintritt des Froſtwetlers vorgenommen, od. bie 
Pflanze fann aud in einem Keller od. in Erd» 
gruben eingejhlagen werden, wo danu das Blei» 
den nad u. nach eintritt. Wolde. 

Bleichſucht (Chlorosis) ift eine faſt nur beim 
weiblihen Geſchlechte vortommende Krankheit, 
bei welcher das Blut weniger rothe Blutkörperchen 
befigt u. die Biutlörperchen weniger Blutfarbitofie 
u. Eiſen enthalten, als geſundes Blut. Das 
hlorotiiche Blut fieht heller als das normale aus, 
Die Übrigen Biutbeftandtheile können in normaler 
Menge vorhanden fein, od. das Blut iſt wäfjerig. 
Die Krankheit hat ihren legten Grund darin, daß 
zu wenig neue Blutkörperchen gebildet u, zu wer 
uig weiße Blutförperhen in rothe umgewandelt 
werden, iſt aljo wahrſcheinlich eine Krankheit der 
blutbildenden Organe, der Diilz u. Lymphdrüſen. 
Die bei manchen Sectionen Chlorotiiher gejun- 
denen Veränderungen u. mangelhafte Bildung des 
Herzens u. der großen Gejäßftämme, Berkümmer- 
ung der Gierftöde u. ber Gebärmutter müſſen 
als erfchwerende Nebenumftände (Gomplicationen) 
der Chloroſe betrachtet werden. 

Die Entwickelung der Bleihfucht lommt befon- 
ders vom 12.—18. Lebensjahre zu Stande; eine 











halten, dag man es mit einer anderen fchweren 
u. noch verftedten Krankheit zu thun habe, u. ge» 
hört namentlich fchlummernde Schwindjucht zu dies 
ien Krankheiten. Sehr häufig ift die B. erblich, 
u. häufig befommen alle Töchter folder Familien 
mit Gintritt in ein bejtimmtes Lebensjahr bie 
Bleihiuht. Zu den den Ausbruch u. die Ente 
widelung der WBleichfucht fördernden Momenten 
gebören alle ſchwächenden Cinflüffe: zu viele 
Schulftunden, zu viele häusliche Schularbeiten 
(eine Unfitte ſauler Lehrer!), zu wenig nahrhafte 
Koft, der Genuß von vielem Zuckerwerk u. Kuchen, 
während Fleiſch verihmäht wird, zu wenig Körper- 
bewegung im freier, geiunder Luft ꝛc.; bisweilen 
entwidelt fih die B. nah jchweren Krankheiten: 
nad Typhus, fieberhaftem Gelenfrheumatismus xc. 
Der fog. weiße Fluß (Fluor albus) ift ebenfo häufig 
Urſache, wie Folge der B. 

Die Erſcheinungen der B. beſtehen in wachs 
bleicher Gefichtsfarbe bei hohen Graden, in Er- 
blafiung der Schleimhaut der Lippen u. der Au— 
gen in — Graden der Krankheit, in Mat- 
tigkeit und Dlarodigleit, jo daß das Treppen 
fteigen nur mit bejonderer Mühe gefchiebt, in 
Herzklopfen bei den geringiten Veranlaſſungenen. 
meit noch im nerböjen Störungen der mannig: 
jachſten Urt.: Magenkrampf, Migräne, nervöfen 
Schmerzen im Geſichte ꝛc. Setzt man das Hörrohr 
anf die Fugularvenen, jo hört man ein vanichen: 
des Geräufh (Nonnengeräuih, fo benannt nach 
dent befannten Kinderſpielzeuge, ter Nonne, 
Kreifel). Die weibliche Periode fehlt entweder 
ganz od. beftebt in Abfonderung einer bellröth- 
lichen, ſchleimigen FFlüffigkeit. Eine Schwanger: 
haft lann bei Bleichſüchtigen ebenfo gut, wie bei 
Nicht⸗Bleichſüchtigen eintreten, doch iit das Wochen: 
bett der Erfteren häufig fehr fchwer. Die Be— 
handlung bat faft immer ſehr gute Refultate, u. 
werden Bleichſüchtige bis auf feltene Ausnahmen 
leicht mit Eiſen, fräftiger Koft u. einem fonftigen 
zwedmäßigen Verhalten geheilt. Nüdfälle find 
aber häufig. Uber die anzumendenden Mittel u. 
Heilmethoden f. Kunze, Lehrb. der prakt. Medicin, 
Leipzig bei Beit u. Comp., 2. Aufl. 1373, Band 
2, ©. 514. Kunze. 

Bleichſucht der Schafe, eine Krankheit, die 
in naffen Jahrgängen u. bei ftattgefundenen Über⸗ 
ſchwemmungen bisweilen eine feuchenartige Ber- 
breitung erlangt. ine befondere Form der B. 
ift der Anbruch (ſ. d.), mit deſſen Krankheitsbild das 
der B. die größte Ähnlichkeit hat. 

Dleide (Blide od. Blyde), f. u. Ballifte. 

Bleidenftndt, Dorf im Unter-Taunustreis des 
preuß. Regbez. Wiesbaden; Klofter, geitiftet 778, 
Srabjtätte der Grafen des Gaues Königsjondern, 
Ahnherren der Herzöge v. Naflau; wurde 1495 
von Alerander VI. ur ein meltliches WRitterftift 
verwandelt u. 1801 aufgehoben. 

Bleierde, Mineral, weiches erdige, mehr oder 
weniger dichte Mafjen, mitunter auch nur einen 
Überzug oder Anflug von gelber, grauer, brauner, 
röthliher oder grünlicher ;zarbe bilde. Sie be» 
fteht hauptjählih aus fohlenjaurem Bleioryd mit 
etwas Waſſer u. Heinen Mengen von Eifenoryd 


vor od. nah diejem Alter auftretende auffallende'u. Thonerde und ijt überall nur durch Zerjegung 


522 Dleierze — Bleikolik. 

des Bleiglanzes entſtanden, mit welchem fie ſich Spanien (Sierra Nevada) u. NAmerila (Miſſouri, 

auch immer zuſammen findet. Hetzer. Illinois, Jowa, Wisconfin), in Mexico und um 
Bleierze, diejenigen Mineralien, welche Blei ſüdlichen Afrila. Er wird faſt ausſchließlich zur 

als weſentlichen Beſtandtheil enthalten. Die wich- Darſtellnug des Bleies, der ſilberreichere auch zur 

tigſten ſind der Bleiglanz, das Bleifahlerz, der Gewinnung von Silber benutzt, in geringen 


Bleiſpath, das Grünbleierz, der Bleivitriol, das Mengen auch zur Töpferglaſur ——— 
ger. 


Bleigelb, das Mothbleierz. 
findet fi in jo großer Menge, daß er hütten · 


Nur der Bleiglanz four) u, als Streuſand. 


Bleiglätte (Lithargyram, auch Silberglätte, 


männiſch auf Blei (u. Silber) verarbeitet werden Goldglätte genannt; Chem.) wird als Nebenproduct 


tann; auf die übrigen B., welche ihn fiets im 
geringen Mengen begleiten und meift Zerſetzungs— 
producte deffelben find, wird babei feine Rüdfiht 
genommen, Hiper. 
Bleief I, u. Bleiertract, ſ. u. Bleipräparate. 
Bleifahlerz (Bournonit, Schwarzipießglanz, 
Antimonbleierz), Mineral, welches fih in tafel- 
fürmigen, dem rhombifchen Syftem angehörenden 
Kryftallen, oder in derben, formlojen Maſſen von 
bleigrauer Farbe u. ftarlem Metallglanze findet. 
Es ift fpröde; feine Härte 2,,—3; jpec. Gew. 5,.. 
Bor dem Löthrohre ſchmilzt e8 unter Rauch und 
Beichlag zu einer ſchlackigen Maffe; von Salpeter- 
fäure wird es aufgelöt. Im Mittel enthält es 
in 100 Theilen 19, Ih. Schwefel, 24,, Th. An- 


beim Abtreiben des Bleies vom Silber (ſ. d.) ge- 
wonnen. Das dabei fich bildende Bleioryd ſchmilzt, 
fließt vom Xreibherde ab, erftarrt kryſtalliniſch 
und liefert nad) dem Zerreiben die B. als ein 
röthlichrgelbes, aus zarten Schüppchen beftehenbes 
Pulver, defien fpec. Gew. 8,05 ift. Sie befteht 
hauptſächlich ans Bfleioryd, enthält aber fait immer 
geringe Mengen von kohlenſaurem Bieioryd, 
jowie Spuren von Kupfer, von Eifen, aud mol 
von Silber. Man bemutt fie zur Fabrilation 
des Kryftallglafes, zur Heritellung von Glasflüffen 
in der Porzellan- u. Ölasmalerei, zu Glafuren 
für Zöpferwaaren, ſowie zur Darftellung von 
Bleizuder, Bleieifig, Bleipflafter und Bleiweiß, 
endlich zur Bereitung von Firniß. Neine B. löft 


ttmon, 42,, Th. Blei u. 13 TH. Kupfer und iſt ſich ohne Brauſen in verbiinnter Salpeterjäure u. 


eine Miihung von 1 Molecül Schwefelantimon- 
fupfer mit 2 Moleciilen Schwefelantimonblei. Es 
findet fid) auf Blei» u. Kupfererzgängen im Harz u. 
Erzgebirge, in Siebenbürgen, in der Auvergne, den 
Sevennen, in Cornwall, Sibirien u. Bolivien. Heber. 
Dleigelb (Gelbbleierz, Wulfenit, Molybdän- 
bleijpath) bildet undurchfichtige, tafelförmige, qua- 
dratiiche Kryſtalle od. kryſtalliniſche Maſſen vongelber, 
gelblich-grüner bis hyacinthrother Farbe, von muſche⸗ 
ligem Bruce u. ftarfem Glanze, die vor dem Löth— 
robre unter Bildung von metalliichem Blei Teicht 
ſchmelzen u. von Salpeterfäure langſam aufgelöft 
werden. Härte = 3, fpec. Gew. — 6. Geiner 
hemifchen Zufammenfegung nad ift es molybdän- 
jaures Bleioryd mit 38,, Th. Molybdänfäure u. 
61,, Th. Bleioryd. Die jhönften Kryftalle finden 
ſich im Kalkftein zu Bfeiberg u. Windiſchkappel in 
Kärutben, zu Rezbanya in Ungarn, in Merico 
und Maſſachuſetts. Heper. 
Bleiglanz (bei Plinius [ft. 79 n. Ehr.] Galena, 
bei Agricola [1546] Glan u. Pleierg) ift ein 
ihon längft befanntes Mineral. Es bildet oft 
Ihön ausgebildete, reguläre, meift tafelförmige 
Kryſtalle, die nach den vylächen des Würfel aufßer- 
ordentlich Teicht fpaltbar find und eine geringe 
Härte (2,,), aber ein hohes jpec. Gew. (7,,) be- 
gen; ihre Farbe ift bleigrau, der Glanz voll: 
tommener Metallglanz. Bor dem Löthrohre ſchmilzt 
er jehr leicht unter Schmwefelgerud u. Abjcheidung 
von Blei; Salpeterfäure löft ihn unter Entwidels 
ung von Schwefelmafferftoff auf. Er ift faft reines 
Scwefelblei (13%, Schwefel, 87 %/, Blei) u, ent» 


Eſſigſäure volljtändig auf. Digerirt man fie mit 
verbünnter Schwefeljäure u. filtrirt, jo darf das 
Filtrat weder mit Schwefelwafjerftoffwafler (Kupfer), 
no mit gelbem Blutlaugenfalze (Eiſen) Nieder- 
Ichläge geben. Zur Entfernung von fohlenjauren: 
Bleioryd erhigt man die Glätte auf einem Eiſen— 
bleche. Kupferoxyd fann man duch Waſchen der 
Glätte mit einer Auflöfung von Fohlenjaurem 
Ammon entfernen, Heger. 
Bleihornerz (Hornblei, Phosgenit), ein auf 
Bleterzgängen felten vorlommendes Mineral, wel» 
ches meift fäulenförmige Kryſtalle des vierglie- 
derigen (quadratifchen) Syftems bildet; Härte = 3; 
ipec. Gew. — 6; waſſerhell, meift gqrünlich oder 
gelblich gefärbt, ftark glänzend; in Salpeterfäure 
unter Braufen löslich. Es beiteht aus einer Ber- 
bindung von Chlorblei u. kohlenjaurem Bleioryd 
(mit 89%, Bleioryd). Heper. 
Bleijodid (Jodblei, Chem.), eine Berbind- 
ung von Blei mit Jod nad der Formel PhJ,; 
entiteht in Form eines gelben, kryſtalliniſchen 
Pulvers, wenn man eine Yölung von jalpeter- 
jaurem oder effigiaurem Bleioryd mit einer Löſung 
von Jodkalium verjegt; in heißem Waffer löft 
es fih etwas auf u. fcheidet fich beim Erfalten 
der Löfung in goldgelben, ftark glänzenden DBlätt- 
hen aus; es iſt ſchmelzbar. Heer. 
Dleifacherie, |. u. Bleivergiftung. 
Bleilammern, ſ. u. Venedig. 
Bleihydroryd, j. u. Bleioxydhydrat. 
Bleihyperoryd, ſ. Bleifuperoryd. 
Bleikolik (Bleivergiftung, Colica saturnina), 


hält oft geringe Mengen von Silber (0,,—0,, %,).|Kolit durch in den Körper gelangtes Bleioryb; 


Bleiſchweif ift dichter, ohne kryſtalliniſches Ge- 
tüge, Bleimulm feinfhuppiger, leicht zerreib- 
licher B. Der B. ift außerordentlich weit ver- 
breitet u. findet fih auf Gängen u. Lagern na- 
mentlih im Harz und Erzgebirge, in Sclefien, 
Böhmen und Weitfalen, im niederrheiniichen Ge- 
bivge, dem Schwarzwalde u. in der Eifel, in Kärn- 
igen, Zirol, Ungarn zc., in großen Maffen in 


ein Symptom der —— auch der Hlitten- 
foge der Bergleute; auch Kolik von Poitou oder 
Kolik von Devonjhire genannt, weil fie an beiden 
Orten, von mit Blei verunreinigtem Cider ver» 
anlaßt, häufig vorlam; auch Malerfolit (Colica 
pietorum). meil Maler (aud Töpfer), die bei 
Farbenbereitung Bleiweiß als Staub oder Dampf 
einshluden, an jolher leicht erfranten, und Kolik 


Bleilähmung — Bleipräparate, 


von Madrid, dort fonft wegen der mit Blei aus— 
gelegten öffentlichen Gifternen für Xrinfwaifer 
endemish. Die Symptome der B. f. u. Bleiver- 
giftung. Die der B. Ausgeſetzten ſollen fich vor 
Säuren, bei. vegetabiliihen, wie Eſſig, hüten u. 
viel Milch, Fett u. Ole genießen, 

Bleilähmung, durch Bleivergiftung bedingte 
Lähmungen der Glieder. 

Bleilegirungen, Miihungen von Bfei mit 
anderen Metallen. Die wichtigſten find: das 
Schnellloth der Klempner, aus 1 Th. Blei und 
1 Th. Zinn beftehend; das Letternmetall (f. Anti» 
monlegirungen). Sie werden durch Zujammen- 
ſchmelzen der betr. Metalle dargeftellt. Peter. 

Bleimantel, ſ. u. Munition. 

Bleimulm (Bleioder, Min.), ſ. u. Blei, 

Bleinitrat, jo v. w. falpeterjaures Bleioryd; 
f. Salpeterſäureſalze. 

Bleioder (Mennige, Minium, Min.) fin- 
det fich häufig auf Bleiglanzgängen in erbigen, 
zerreiblichen, glanzlofen Maſſen, oder als feiner 
Anflug von gelber oder rother Farbe. In jeiner 
Zufammenfegung gleicht es wahrſcheinlich der 
fünftlich dargeftellten Mennige (f. d.). 

Bleiorydjlorid. Bleioryd und Bleichlorid 
liefern mehrere Verbindungen, die den gemein« 
ihaftlihen Namen Be führen. Eine derſelben 
(PbC1,+2PbO) findet ſich als Mendipit im der 
Natur; eine bleiorydreihe (PbCl,+7PbO) erhält 
man durch Schmelzen von Bleioryd od. Mennige 
mit Salmiat als goldgelbe kryſtalliniſche Maſſe. 
Sie wurde früher, ehe man das Chromgelb kannte, 
unter dem Namen Kaſſeler Gelb als Malerfarbe 
benutst. Heper. 

Bleiord, eine Verbindung von Blei mit 
Sauerftoff von der Formel PbO mit 92, % 
Dleigebalt ; bildet ein gelbes oder gelbrothes, 
ſchweres (jpec. Gew. —= 8) Pulver, welches beim 
Erhiten ſich dunkler färbt, in der Glühhitze ſchmilzt 
und beim Erkalten kryſtalliniſch erſtarrt. Beim 
Liegen an der Luft geht es durch Aufnahme von 
—— allmählıh in kohlenſaures B. über; 
in Waffer ift e8 unlöslih; Salziäure verwandelt 
es in fchwerlösliches Bleichlorid, Schwefelfäure in 
unlögliches, fchwefeljaures B.; verdiinnte Salpeter- 
fäure u. Eifigjäure löfen es leicht unter Bildung 
von falpeterfaurem, reip. eſſigſaurem B.; Kalilauge, 
Natronlauge u. Kalkwafjer löjfen es namentlich 
in der Siedehitze leicht auf u. lafjen es beim Er» 
falten in gelblichen, glänzenden Schuppen fallen. 
Geihmolzenes B. greift Glas u. Porzellan ziem- 
lich ftart an. Dean ftellt e8 dar durch vorfidhtiges 
Gtühen von falpeterfaurem oder Fohlenfaurem B. 
oder durch anhaltendes Glühen von Blei bei Luft- 
zutritt (j. auch Bleiglätte). In beiden Fällen erhält 
man e3 in gorm eines gelben Bulvers, welches 
beim Zerreiben röthlid wird. Auch beim Erhigen 
von Bleioxydhydrat entſteht B. Das auf eine 
dieſer Arten dargeftellte, aber nicht geſchmolzene, 
durch Zerreiben und Abſchlämmen gereinigte B. 
kam früher unter dem Namen Maſſicot als gelbe 
Farbe in den Handel, ift aber jetzt durch Chrom- 
gelb erſetzt. Sebver. 

Bleiorydhydrat (Bleihydroxyd) iſt eine Ver— 
bindung don Blei mit Waſſerſtoff u. Sauerſtoff, 
deren Zuſammenſetzung durch die Formel PDH,O,: 


523 


ausgebrüdt wird; meißes, feines Pulver, welches 

ich etwas in Waffer löſt (1 TH. erfordert 7000 
TH. Waffer), aus diefer Föfung aber durch die 
Kohlenfäure der Luft raſch wieder abgefchieden 
wird. Gegen Säuren u. Alkalien verhält es fich 
wie Bleioryd; beim Erhiten gibt es Waſſer 
ab u. geht in Bleioxyd über; beim Liegen an der 
Luft verwandelt es fich in fohlenfaures Bleioryd. 
Es wird erhalten dur Füllung der Löfung eines 
Bleioxydſalzes (man wählt effigfaures Bleioryd) 
mit Kalilauge, Natronlauge od. Ammon. Heper. 

‚ Bleiorydfalt (Chem.). Man erhält diefe Ber- 
bindung von Bleioxyd mit Kalkin farblofen kleinen 
Nadeln dur Kochen von Bleioryd mit Kaltınild u. 
Eindampfen der filtrirten Löſung bei Luftabſchluß. 
Seine Auflöfung färbt Wolle, Nägel, Horn uns 
Haare ſchwarz, indem ſich durch den Schwefel- 
gehalt der Hormfubftanz ſchwarzes Schwefelblei 
bildet. Bor dem Gebrauche derjelben als kos— 
metisches Mittel zum Schwarzfärben der Haare 
ift bei der giftigen Wirkung aller Bleiverbindungen 
zu warıen. Heper. 

‚Dleiorydfalze (Bleifalze, Chem.), die Ber- 
bindungen, welde durch Bereinigung des Blei— 
oxyds mit Säuren entftehen; find farblos, wenn 
die Säure farblos ift; die löslichen haben einen 
ſüßlichen, zufammenziehenden Geſchmack und find 
giftig; aber auch die unlöslichen find giftig, wenu 
fie, wie das kohlenſaure Bleioxyd (Wleimeiß), 
um Organismus in lösliche übergehen. Mehrere 
von ihnen finden ſich in der Natur (f. u. Blei); 
fünftlich ftellt man die meiften dar durch Ein» 
wirfung der Säure auf Bleioryd oder Bleioryd« 
hydrat. Ihre Löfungen geben mit Kali, Natron 
u. Ammon einen weißen Niederichlag von Blei- 
oryohydrat, der in den beiden erftgenamuten 
Fzällungsmitteln löslich iſt; Schwefelwaflerftoff be- 
wirkt einen ſchwarzen Niederichlag von Bleifulfuret; 
Schwefelfäure u. deren Salze geben unlösliches 
ſchwefelſaures Bleioryd, Salzſäure u. Chlormetalle 
ſchwer lösliches Bleichlorid. Eiſen u. Zink, auch 
Cadmium u. Zinn ſcheiden aus den Löſungen der 
B. das Blei metalliſch ab (Bleibaum, ſ. Blei, B.). 
Die einzelnen Salze f. u. den betr. Säuren. Heger. 

Bleiphosphat, jo v. mw. phosphorfaures Blei» 
oryd; ſ. Phosphorfäurefalze, 

Bleipräparate (Pharm), a) Bleieifig 
(Liquor plumbi subacetiei, Acetum plumbicun 
s. saturninum), eine Löſung von bafiich-eifigiau- 
rem Bleioryd (f. Eifigfäurefalze), welche durch Di- 
geriren von 1Th. fein gemahlener Bleiglätte mit 
einer Löfung von 3 Th. Bleizuder Ddargeftellt 
wird; daffelbe wirb au als Bleiertract bezeid)- 
net, welcher Name richtiger nur dem nad Gou- 
lards Angabe durch Einkochen des Bleieſſigs bis 
zur Ertractsdide bereiteten Präparat zulommt. 

b) Bleiwaffer (Ag. plumbi, aud Aq. satur- 
nina), Mihung von 1 TH. Bleieffig mit 49 Th. 
deftillirtem Waffer; etwas trübe. c) Goulard- 
ihes Waſſer (Ag. plumbi Goulardi, auch Aa. 
vegeto-mineralis Goul., Aq. plumbi spirituosa). 
aus 1 Th. Bleieffig, 4 Th. einfahem Weingeiſt 
u. 45 Th. bdeftillirtem Waffer bereitet; milchig. 
daher auch Bleimilch. Beide werden äußerlich 
bäufig zu Umichlägen bei Entzündungen, um Ber- 
thetlung zu bewirfen, auch verdünnt zu Augen- 


524 Bleijalpeter 
waſſer n. m geeigneten Fällen zu Einjprigungen 
angewendet und müſſen vor dem Gebrauche umge 
jchüttelt worden, d) Bleifalbe od. Bleicerat (Un- 
guenturm plumbi), wird nad) Pharm. germanica 
aus 8 Th.gelbem Wachs, 29 Th. Schweineihmalz u. 
3 Th. Bleieſſig bereitet. d) Bleitannat (Plumbum 
tannicum pultiforme, aud Cataplasma ad de- 
enbitum), Verbindung des Bleies mit Gerbeitofi, 
vorzüglich beim Aufliegen Schwertranter höchſt 
ihägbar. f)Bleimeißfalbe(Unguentum cerussae, 
U. album simplex) wird nad der Pharm. ger- 
manica aus 2 Th. Schweineichmalz u. ı Th. hoͤchſt 
fein abgeriebenem Bleiweiß bereitet. g) Blei— 
pflafter. Alle Bleiorgde vereinigen fih mit 
Oelen u. Fetten, mit denen fie gelocht werden u. 
mit deren Säuren fie feifenartige Berbindungen 


— Bleiftift. 


Bleifalpeter, jov. m. falpeterfaures Bleioryp; 
f. Salpeterjäurejalge, 

Bleifalze, jo v. w. Bleiorydialze. 

Bleifäure, fo v. w. Bleifuperorpd. 

BDleijesquioryd (Bleifesauoryd, Chem.), Ber- 
bindung von Blei u. Gauerftoff nach der Formel 
Pb,O, mit 89,, % Bleigehalt, röthlichegeibes 
Pulver, welches an der Luft Kohlenſäure anzieht 
u. beim Erhitzen in Bleioryd u. Sauerftoff zer» 
fällt, Bei zn... einer Säure liefert es 
ein Bleioxydſalz und Bleifuperoryd, weshalb es 
einige Chemifer für eine Verbindung von Blei» 
oryd mit Bleifuperoryd (PbO + PbO,) Halten. 
Es entjteht beim Miſchen einer Löſung von Blei» 
oryd in Kalilauge mit einer Löſung von unter 
hlorigjaurem Natron. Heger. 


(vgl. Seife) eingehen, u. bilden Pflafter, die auh| Bleiſpath (Weißbleierz, Ceruffit), ein Mineral, 


wieder zu Grundlagen für zufammengejettere 
Pilafterdienen. Die gebräuchlichſten Bleipflafter find: 
aa)Einfahes Bleiglättepjlafter(Emplastrum 
lithargyri simplex oder E. plumbi simpl. oder 
E. diachylon simpl.), aus gleichen Theilen 
höchſt fein gepulverter Bleiglätte, Olivenöl und 
Scyweinefett durch langjames Kochen unter bis- 
weiligem Zugießen von wenig warmem Waſſer 
bereitet; ift weiß, zähe und wird theils für fich, 
mehr no als Grundlage anderer Pflajter be- 
nut. bb) Zufammengejegtes Bleiglätte», 
Summi- oder Zugpflafter (Empl. lithargyri 
eompositum); zu feiner Darftellung werden 24 
Theile des Borigen mit 3 Th. Wachs zufammen- 
geichmolgen u. gereinigtes Ammonialgummi, Gal« 
bamım u. Xerpentin, von jedem 2 Th., zugeſetzt; 
it braungelb, zähe, nah Galbauum riechend; 
wirft fräftiger zertheilend, auch Absceſſe zeitigend. 
ec) Heftpflafter (Empl. adhaesivum), aus 10 
Theilen fein gepulverter WBleiglätte bereitet, dıe 
zuerft mit 18 Ih. Olfäure erwärmt werden; der 
Miihung werden dann entweder 8 Th. Colo— 
phonium u. 1 Th. Talg (gewöhnt. Heftpflafter), 
oder 3 Th. ſchwarzes Web (Edinburgher SHeit- 
pflafter) zugejegt; erfteres ift gelbbräunlidh, letz— 
teres jchwarzbraun; beide kleben ftart u. werden 
jur Bereinigung von Wunden u. gg’ der 
Berbandftide benugt, dd) Weißes utter» 
pilafter (Empl. lithargyri molle, aud Empl. 
ınatris album), aus 3 Th. einf. Bleiglättepflafter, 
2 Th. Schweinefett u. je 1 Th. Talg u. gelbem 

zachſe. ee) Bleimeißpflafter oder Froichlaich- 
pflajter (Empl. cerussae s. album coctum); 10 
Th. Bleiglätte werden mit 25 Th. Olivenöl unter 
tropfeuweiſem Zufage von Waſſer bis zur völligen 
Auflöſung gelodht, dann 18 Th. Bleiweiß zuge- 
ſetzt und auch dieſes umter allmählichem Wafler- 
zujage zu Pflafter gelocht. Es wirft austrodnend, 
zertbeilend, kühlend u. wird auf verbrannte Stellen, 
Geſchwülſte ze. gelegt. ſ) Schwarzes Mutter- 
pflaiter (Empl. fuscum s. Empl. matris), durd 
Zuſammenkochen von 2 Th. Mennige u. 4 Th. Dli- 
venöl bis zum Gintritt brauner Färbung u. Zu- 
fag von 1 Th. Wachs bereitet. gg) Braunes 
Murterpjlafter (Nürnberger Pflafter, Empl. 
fuseum camphoratum, Empl. fuscum s. nigrum 
8. noricum a. universale), aus 100 Th. des 
Borigen, durch Schmelzen u. Bermifchen mit 1 Th. 
m etwas Dlivenöl gelöften Kamphers dargeftellt. 


welches ſich gewöhnlich in wohl ausgebildeten, bald 
jäulenförmigen, bald tafelartigen Kryftallen des 
zweigliederigen (rhombiihen) Syſtems, feltener 
in ftängeligen und faferigen Maſſen findet. Die 
Kryſtalle find ſpröde u. weich (Härte 3—3,,); ihr 
ipec. Gem. 4,,; fie befigen ftarfen Glanz (Dia- 
mantglanz) u. find entweder waſſerhell, od. weiß, 
gran oder gelblih gefärbt; vor dem Löthrohre 
werden fie leicht zu Blei reducirt, in Salpeter- 
fäure löfen fie fih unter Braufen auf. Der 8, 
iſt faft reines foblenjaures Bleioryd (17 °/, Koblen» 
fäure, 83 %, Bleioryd), mit Spuren von Silber, 
u. fcheint fiy überall durch Zerjegung von Blei- 
glanz unter dem Einfluffe kohlenjäurehaltiger 
Waſſer gebildet zu haben, jedenfalls findet er fi 
ftets mit Bleiglanz zufammen. Heger. 
Bleiſtift (fr. Crayon), Säulchen aus reinem 
oder gemijchtem Graphit, welche mit oder ohue 
Faſſung zum Zeichnen und Schreiben dienen. 
‚rüber benutte man zum gleichen Zwecke Stifte 
aus Blei, deren Name auf das oben bezeidh- 
nete Zeichen» und Screibmaterial übergegangen 
ift. Unfer heutiger B. wurde erft im 16. 3434 
erfunden; ob in England oder Italien, iſt unge— 
wiß. Bis dahin bedienten ſich die Künſtler zum 
Entwerfen von Zeichnungen neben der Schreib- 
feder meiſt des Röthels u. der Kohle. Urſprüng— 
ih wurde ungemijchter Graphit zur Beriertigung 
von B»en verwendet; doch ift hierzu nur die aller- 
reinfte Sorte brauchbar, wie ſolchen lange Beit 
die berühmten, aber jetst beinahe erſchöpften Gra- 
phitlager in Cumberland (England) geliefert haben 
u. ſelbe noch aus den fibiriichen Gruben u. von 
der Inſel Eeylon eingeführt wird. Zu diefem 
Behufe werben entweder aus eiuem Grapbitblode 
entfprechende Säulchen gejchnitten, oder aber, ba 
ſolche B-e jehr body zu ſtehen lommen, der Gra- 
phit zu Pulver geftampft, in einem eifernen &er 
füge mit dem zweifachen Gewichte Schmwefeljäure 
u, 7 %, chlorſaurem Kali gemiſcht umd in einem 
Wofferbade fo lange erhittt, bis feine chlorige 
Säure mehr entweiht. Dur dieje Behandlung 
werden die im Graphit enthaltenen Eifen-, Kall- 
u. Thonerdetheile zum größten Theil gelöft, u. durch 
jpäteres Hinzufügen von Fluornatrium wird auch 
die Kiefelerde als Fluor-Silicium entfernt, Die 
fo gewonnene Mafje wird dann forgfältig aus- 
gewaſchen, getrodnet u. bis zur Rothgluth erhigt, 
wobei die Graphitlörner aufblättern, Die Maſſe 


Dleifuboryd — Bleifuperorvd. 


ſchwillt davon auffallend an u. bleibt fo in einem 


525 


(land jetst den erſten Rang ein, wie denn anch dem 


höchſt fein vertheilten Zuftande zurüd. Sie wird deutſchen Fabrikate in allen Welttheilen der Borr 


dann gefchlämmt u. iſt in diejer Form fo rein, 
daß fie zum Preſſen in die Hillfen geeignet ift. 
Sp erzeugte B»e find die feinften. Um weniger 
feine zu erzeugen, erfanden Hartmuth in Wien 
u. Eonte in Paris 1795 gleichzeitig u. unabhängig 
das jetst allgemein übliche Verfahren, welches die 
Berwerthung von leineren Grapbititüden wie im 
vorigen Falle möglich macht u. zugleich den Ben den 
erwünichten Härtegrad zu geben erlaubt. Man 
Pet nämlich dem feinen Braphitpulver geichlämm- 
ten Thon bei, u. zwar deſto mehr, je härter der 
B. werden joll, madt daraus einen fteifen Teig 
u. bringt diefen mittel8 einer Preffe in die Form 
von Säulen, die dann getrodnet und in ver- 
ſchloſſenen Tiegeln geglüht werden, mobei ge- 
fteigerte Hite den B. härter macht. Zum Prefien 
der Maſſe dienen Schraubenpreifen, welche dieie 
durch die runden oder vieredigen Löcher einer 
Metallmaffe treiben u. ihr die * von Fäden 
eben, die dann in die entiprechende Länge ge— 
— werden. Um dem B. einen tiefſchwarzen 
Strich zu geben, ſetzt man der Maſſe eine ent- 
jprechende Dienge Yampenruß bei. Da die Maife 
ihrer Natur nach nur von geringer Härte ift u. die 
Bee infolge defjen verhältnigmäßtg leicht abbrechen, 
jo werden die weichen Säulhen vor dem Faſſen 
mandmal mit heißem geichmolzenem Wachs ge 
tränft; doch laſſen ſich Striche, die mit foldyen 
Stiften gezogen wurden, nicht mehr völlig vom 
Papier entfernen. Zum Fuffen der B-e dient 
vorzugsmweile Holz. Feinere Sorten werden in 
fogen. Cedernholz (von dem nordamerif, Wad- 
holderbaum, Juniperus virginiana), weniger feine 
in Linden», Erlen, Fichten- u. Tannenholz gefaßt, 
das zu diefem Zmwede auf der Fournirichneide- 
mühle in dünnen Bretten von der Länge ber 
künftigen B-e geichnitten wird. In dieje ftößt 
ein Hobel eine Anzahl paralleler, der Faſer 
des Holzes nah laufende Nuthen von gleicher 
Tieie u. Breite, während er zugleich zwiſchen je 
er folcher Nuthen einen mehr tiefen als breiten 
inichnitt macht. Hierauf werden die Nuthen mit 
Leim ausgeftrichen, die Stifte eingelegt u. ichließ- 
lich ein Holzitreiichen, gleihjam als Dede darüber 
geleimt. it das geicheben, fo werden die Brett- 
hen da, mo fih die Einfchnitte befinden, ausein- 
ander gejchnitten u. die Holzftäbhen rund oder 
fantig gehobelt. In einigen B-fabriken wer- 
den runde Be erzeugt, deven Faſſung aus einem 
einzigen Stüde Holz beftebt; doc ift das bezilg- 
lihe Berfahren nicht allgemein befannt. Schilf- 
rohrfaffung fommt nur bei ganz gemeinen Sorten 
vor, deren Maffe eins jehr leicht flüffige. Die 
Prüfung der Bre geichieht außer dur den Ge- 
brauch am beften durch das Löthrohr. Die aus 
ganzen Graphiritüden erzeugten entwideln babei 
weder Ruß, noch Dampf, find nur fehr jchwer u. 
auf eine Tleine Entfernung dem Hitzpunkte zum 
Glühen zu bringen u. verglimmen ohne allen 
Geruch langfam, aber gäuzlich. Nach dem Erkalten 
hat die geglühte Spite nur den Glanz der Schnitt- 
fläche verloren u. ift hell-ftahlgrau geworden, hat 
aber die Reinheit u. Milde des Stridyes vollftändig 


zug gegeben wird. Die renommirteften und be- 
deutendjten deutihen Fabriken find tie von Faber 
in Stein bei Nirnberg, Großberger und Kurz 
in Nürnberg, Rehbach in Regensburg. (Erſtge- 
nannte Fabrik kann wöchentlich 360,000 Bre lies 
fern). Rothſtifte werden aus Rothſtein (Röthel) 
gefertigt, der zu Pulver zerftoßen, fein geichlämmt 
und mit Leim, arabiihen Gummi, Haufenblafe, 
oder auch Seife verbunden und dann wie der 
Graphit behandelt wird, wobei nur das Glühen 
wegfält. Um ſchwarze Bee zu erzeugen, wird 
eine Miihung von ausgeglühten Rußkohlen, vie 
3 Stunde über gelindem Feuer bleiben, u. von Harz 
u, Unjchlitt benutzt. Farbige Stifte werden aus 
Thon hergeftellt, der mit farbigen Subftanzen zu 
einem fteifen Teige bearbeitet worden. —* 
Bleifuboryd (Chem.), Verbindung von Blei 
mit Sauerſtoff nach der Formel Ph.O mit 96,07, 
Bleigehalt, ſammetſchwärzes Pulver, welches 
mit Waſſer zuſammengebracht unter ſtarker Er— 
wärmung in Bleiorydhydrat übergeht. Säuren 
zerlegen e8 in Blei u. Bleioryd, Man erhält es 
durch vorfictiges Erhiten von oralfaurem Blei— 
oryd bei Luftabihluß. Das graue Häutchen, mit 
welchem fih Blei beim Liegen an der Luft, 
namentlich aber wenn es geſchmolzen wird, über 
ziebt, ift ebenfalls B. Heger, 
—A88— ſo v. w. Schwefelſäureſalze. 
Bleiſulfuret (Schwefelbiei, Chem.), Verbind⸗ 
ung von Blei u. Schwefel; chem. Formel: PbS, 
Es findet fih in der Natur als Bleiglanz (ſ. d.) 
u. wird künſtlich dargeftellt entweder durch Zur 
fammenjchmelzen von Blei u. Schwefel, od. durch 
Einwirkung von Schwefelwafferftoff auf die Löfung 
eines Bleiorydialzes. Auf dem erfteren Were 
erhält man es als dunkel⸗bleigraue kryſtalliniſche 
Maſſe, auf dem letzteren als ſchwarzes Pulver, 
Es verflüchtigt fih in der Weißglühhige u. finder 
fh deshalb Häufig in ſchönen, mwürfelförmigen 
Kryſtallen in den Ofenbrüchen von Öfen, in denen 
Bleierze verarbeitet werden. Beim Erhigen an 
der Luft verwandelt es fich theilweife in fchwefel« 
faures Bleioryd; ebeufo wirft Behandlung mit 
Salpeterfäure. Die Schwärzung bleihaltiger Far⸗ 
ben (Bleiweiß) an der Luft rührt ebenfalls von 
der Bildung von B. ber, veranlaßt durch bie 
Heinen "Mengen von Schwefelmafferftoff, welche 
der Yuft häufig beigemengt find, Heyer. 
Bleifunperoryd (Bleihyperoryd, Bleiſäure; 
Chem.), eine aus Blei u. Sauerftoff mad der 
‚Formel PbO, zuſammengeſetzte Verbindung, die 
86,4%/, Blei enthält; es ftellt ein braum-fchrwarzes, 
ichweres, an der Luft unveränderliches Pulver dar, 
In der Glühhite gibt es unter Bildung von Blei« 
oryd die Hälfte feines Sauerftoffes ab; gemifie 
organische Subftanzen aber, ferner Schwefel und 
Phosphor entziehen ihm ſchon bei gewöhnlicher 
Temperatur emen Theil beffelben; ſchweflige 
Säure bildet damit unter beträchtliher Wärne- 
entwidelung ſchwefelſaures Bleioryd, man wendet 
es deshalb zur Entfernung von jchwefliger Säure 
aus Gasgemifhen an. Durch Salzfäure wird es 
in Ehlorblei verwandelt, während Chlor frei wird, 


behalten. In der Bieiftiftfabrifation nimmt Deutſch⸗ Da es fi mit ſtarken Bafen verbindet, hat mau 


526 


es auch Bleifäure genannt. Es findet ſich in ber 
Natur nur fehr jelten als Schwerbleierz; künſt⸗ 
lich gewinnt man es am einfachiten durch Be— 
handeln von Mennige mit verbünnter Salpeter- 
fäure, wobei es als unlösliches Pulver zuriidbleibt, 
das nur noch ausgewaſchen zu werben braucht, 
oder auch durch Zuſatz einer Auflöfung von Chlor- 
lalk zu einer —— von eſſigſaurem Bleioxyd 
Bleizucker). Wegen der Leichtigkeit, mit der es 
Sauerfioff an leicht orydirbare Körper abgibt, 
benutt man e8 in meuerer Zeit in großer Menge 
als Zuſatz für die Zündmaſſe der Reibzündhölzer; 
eine hierzu ſehr braudbare Miihung von Blei— 
fuperoryd mit falpeterfaurem Bleioxyd erhält man 
durch Übergießen von Mennige mit Salpeterfäure 
u. jorgfältiges Eintrodnen der Maffe. Heer. 

Bleivergiftung. Rein metalliiches Blei ift fo- 
wol an fich, als bejonders in jeder löslichen Ber- 
bindung von äußerft nachtheiliger u. giftiger Wirkung 
(auf den Körper); daher ift auch verjchluctes feſtes 
Blei (3. B. Schrotförner) nicht ganz unſchädlich, da 
durch die Wirkung des Magenfaftes lösliche Bleiver- 
bindungen gebildet werden. Die Bleiverbindungen, 
joweit fie ım Magenfafte löslich find, bilden eine 
eigene Klaſſe von Ötften, die [hleihenden Gifte, 
Am ftärkftien wirken Mennige u. Bleiglätte u. die 
Dleifalze, unter diefen bei. das eſſigſaure (Blei 
zuder) u. Bleiweiß. Yebteres bewirkt auch ſchon 
im nicht jehr großen Gaben in Magen u, Därmen, 
gleich ätzenden Giften, Entzündung, Brand und 
Tod. Alle diefe Stoffe werden meift zufällig als 
Dampf oder Staub bei Bereitung des Bleies (ſ. 
Hüttenloge), des Bleioryds, oder bei Bejchäftig- 
ungen damit in den Körper gebradit. Selbſt der 
Genuß von fauren oder fäuernden Flüſſigkeiten, 
die in zinnernen Gefäßen, deren Zinn viel Blei 
enthält, od. in fchlecht mit Blei glafirten Geſchirren 
bereitet oder verwahrt worden, jelbft das Trinfen 
von weichem Waſſer aus bleiernen Gifternen, 
häufiges Schminfen mit Stoffen, zu denen Blei— 
weiß (bei weißer) oder Mennige (bei rotber 
Schminke) fommt, u. a. m. ift nachtheilig. Wein: 
händler mißbrauchten früher, jett nur noch felten, 
Bleioryde, befonders Bleiglätte, um in faurem 
ein die Säure abzuftumpfen u. demfelben einen 
bieblihen Geſchmad zu geben. Man unterjcheidet 
eine langfam verlaufende hronifhe B. (Lithar⸗ 
gyrismus, ſ. auch Bleikolik), die endlich unheilbar 
wird u. dem ganzen Organismus untergräbt, fo 
daß ein Zuftand eintritt, den man Bleiladerie 
nennt u. der mit großer Abmagerung (Tabes satur- 


Blewergiftung — Bleweiß. 


od. häufiger Wiederkehr diefer Erſcheinungen tritt, 
in höherem Grade des Leidens, bej. bei Fortdauer 
der veranlaffenden Urfache, allgemeine Abzebrung 
ein, mit Lähmung oder auch frampfhaften Leiden 
entfernter Theile, u. endlich der Tod. Das Heilver- 
fahren ift auf Entfernung des nod im Darınfanal 
rüdftändigen Bleigiftes u. Bildung von in Magen- 
faft unlöslihen und fomit unſchädlichen Bieiver- 
bindungen gerichtet. Zur Nachweiſung des Bleies 
in thieriſchen Organen, überhaupt in organiidyen 
Maffen, behandelt man bdiefelben, zur Serftörung 
der organischen Subftanz, mit Salzjäure u. dhlor« 
ſaurem Kali nt, leitet einen Strom von Schweiel- 
waſſerſtoffgas durch die Flüſſigleit. Das entftebende 
Schwefelblei wird mit Salpeterfäure erwärmt u. 
auf Zujag von Schwefelſäure verdampft, mobei 
weißes jchwefelfaures Bleioryd in Rückſtande bleibt. 
Tetered wird nach dem Auswaſchen mit Wafler 
durch eine Löſung von kohlenfaurem Natron oder 
Ammoniak in lohlenfaures Blei verwandelt u. dieſes 
durch Zuſatz von Salpeterfäure in Löſung gebracht. 
In diefer Löfung von falpeterfaurem DBleioryd 
laffen fi die Reactionen auf Blei anftellen. Auf 
Zuſatz von gelöftem chromſaurem Kali fett fich 
nad einigem Stehen gelbes chromſaures Bleioryd 
ab. Jodkalium bewirkt einen gelben Niederichlag 
von Jodblei, das fi, nachdem es duch Kochen 
gelöft ift, beim Erkalten in goldgelben FFlittern 
abſcheidet. Auf Zuſatz von Schmwefeljäure und 
Alkohol entftcht weißes fchwefelfaures Bleioxyd 
als Niederſchlag. Zur Unterfuhung von Waffer 
oder Wein auf Blei concentrirt man die Flüſſig · 
keiten nah Zuſatz von Salpeterſäure u. ftellt die 
oben erwähnten Reactionen damit an, Nahrungs- 
mittel werden zuerſt mit Salpeter u. ſalpeter⸗ 
faurem Ammoniak erhigt, dann mit Salpeterjäure 
3335 

leivitriol (Vitriolbleierz, Angleſit, von der 
Inſel Angleſea), ein feltener vorfommendes Mi- 
neral; es bildet Feine, fäulenförmige, flächen- 
veiche, dem zweigliederigen (rhombiſchen) Syitem 
angehörige Kroftalle, die entweder wajjerhell, oder 
weiß, gelblich, grünlich oder bläulich u, durch ihren 
ftarfen Glanz ausgezeichnet find; Härte — 3; 
ipec. Gew. — 6,,. Bor dem Löthrohre ſchmilzt 
er leicht u. wird zu metalliihem Blei reducirt; 
Säuren wirken nicht darauf ein. Er beiteht aus 
reinen fchwefellaurem Bleioryd (26, Schwe⸗ 
felfäure, 73,, % Bleioryd) u. findet fih nur mit 
DBleiglanz zufammen, durch defien Zeriegung er 
jedenfalls entitanden ift. vae. 


nina) einhergebt, und eine acute B., bie duch] Bleiwaſſer, ſ. u. Bleipräparate. 


große Mengen in den Organismus gebrachten 


Bleiweif; (Cerussa, fr. Blanc de plomb, engl. 


Bleies bedingt ift u. oft fchnell zum Tode führt.|Lead white), weiße, feit den älteften Zeiten be 
Die gewöhnlichen Erfcheinnngen der B«en find: kannte MDalerfarbe, die fi) durch ihre außerordent- 
fahle, ſchmutzige Gefichtsfarbe, Trodenheit desflihe Dedtraft, d. 5. durch die Fähigkeit aus 
Diundes u. der Haut, mißfarbiger, bläuficher Nand|zeichnet, mit Ol oder Firniß angerieben, einen 
des Zahnfleiſches, übelriechender Athem, Durſt auch in fehr binnen Schichten undurchfichtigen 
ohne Fieber, bejonders aber Leiden, die ſich auf Überzug von rein weißer Farbe zu liefern. Seiner 
ben Unterleib beziehen; unter diefen die auch chemiſchen Zufammenjegung nah, die übrigens 
als eigene ſchmerzhafte Krankheitsart unterjhiedene [innerhalb gewiſſer enger Grenzen ſchwankt, ijt es 
Bleilolik (f. d.), mit Efel, faurem, bitteren od. eine Verbindung von Lohlenfaurem Bleioxyd mit 


füßem Aufftoßen, Würgen u. Erbrechen, ftark ein- 
gejegenem lnterleibe, beſonders in der Nabel- 
gegend, Berftopfung, oder Abgang von trodenen, 
khwarzen, fugeligen Maſſen zc. 


Bleioryphydrat, melde 83 — 86%, Bleioryd, 
15 — 11°, Kohlenfäure u. 1— 2%, Waſſer em⸗ 
hält, Ale Darjtellungsmeihoden des B-es beruben 


Unter Fortdauer auf der Erfahrung, daß baſiſch ejfigjaures Blei 


Dleiweißpflafter — Blenden. 


oxyd, durch Digeftion von DBleiglätte mit Effig oder 
Bleizuderlöfung dargeftellt, durch Kohlenjäure jo 
zerlegt wird, daß unlösliches B., neutrales ejfig- 
faures Bleioryd u. freie Eſſigſäure entftehen. Die 
von dem Niederichlage getrennte Flüffigkeit Tann 
durch Digeftion mit Bleiglätte von Neuem in eine 
Löſung des baſiſchen Salzes verwandelt u. mit 
Kohlenfäure gefällt werden. Nach dem franzöft- 
ihem Berfahren von Thenard u. Roard, zuerft 
in Elihy bei Paris ausgeführt, wird Bleiglätte 
mit Eſſig oder Bleizuderlöfung in einem hölzer— 
nen Bottich unter öfterem Umrühren digerirt u. 
die Löjung in einem anderen Behälter durch Koh» 
lenfäure, die man duch Berbrennen von Holz- 
tohlen oder Eoles erzeugt, zerlegt. Die Kohlen- 
fänre tritt dur zahlreihe Offnungen in Heinen 
Bläschen durch die Flüffigkeit u. fällt das B. aus. 
Man läßt abjeten, zieht die ſaure Flüſſigkeit ab, 
wäſcht das B. aus u, troduet es in Meinen Yor« 
men aus Thon oder Gips, die das Wafler auf- 
faugen. Dean benutt dabei auch wol die bei der 
Gährung der Bierwürze oder der Brammtmwein- 
maifche ſich entwidelnde oder (wie in Linz am 
Rhein), die aus unterirdifchen Höhlen ausftrömende 
Koblenfäure. Das englische Verfahren, von Ben- 
fon —— unterſcheidet ſich von dem eben 
beſchriebenen dadurch, daß nicht eine Löſung von 
baſiſch eſſigſaurem Bleioxyd, ſondern eine teig— 
artige Miſchung von fein zertheilter Bleiglätte mit 
Bleizuderlöfung in langen Trögen unter fleißigem 
Umfrüden mit Kohlenjäure behandelt wird. Die 
bollänbifche (ältefte) Methode gründet fich darauf, 


527 


welches in Form von Fleinen Stängelden in den 

ndel fommt, wird durch Anfeuchten von feinem 
B. mit einem Bindemittel — Bleizuderlöfung oder 
Gummi — u. Trodnen in thönernen Formen dar« 
geitellt. Das Benetianiihe, Hamburger u. Hol« 
ländiſche Weiß find Gemiiche von B. mit mebr 
oder weniger fein gemahlenem Schwerſpath. 
Schlechte B-forten werden auch wol durch 
Kreide verfälicht. Meines B. löſt fih in ver- 
dünnter Salpeterfäure u. Eſſigſäure unter Braufen 
vollftändig auf u. wird, vor dem Löthrohre auf 
Kohle erhitst, leicht zu metalliihem Blei reducirt, 
ohne einen erdigen Rückſtand zu binterlaffen. B— 
anftrih wird durch ſchwefelwaſſerſtoffhaltige Luft 
langjam geſchwärzt; die gelbe Farbe, welche er 
in manchen Fällen annimmt, rührt indeß von 
einem Gelbwerden des DIS her, das namentlich 
dann leicht eintritt, wenn Luft u. Licht nicht ger 
nügenden Antritt haben. Als Erjagmittel für B. 
werden in neuerer Zeit vielfach Zinfweiß u. Barpt- 
weiß (Bermanent Weiß) gebraucht. Heher. 

Bleiweißpflaſter u. Bleiweißfalbe, ſ. u. 
Bleipräparate, 

Bleiwurz, ſ. Plumbago. 

Bleizinnober, ſo v. w. Mennige. 

Bleizucker (Eifigfaures Bleioxyd, Plumbum 
aceticum; Chem.) wird durch Auflöſung von 
Bleioryd in Eſſig u. Abdampfung der röſung dar⸗ 
geſtellt. Baſilius Valentinus lehrte zuerſt die Be— 
reitung deſſelben. Der B. wird —— be» 
reitet, bei. in England, Holland u. der Schweiz, 
auch im Frankreich u. Deutſchland. Man benugt 


daß metalliiches Blei in Berührung mit Yuft,lihn häufig in der Färberei und Kattundruderei. 
Kohblenfäure, Eſſigſäure u. Wafjerdampf allmählich‘ In Apotheken wird er durch Kryftallifation gerei- 
in B. verwandelt wird. Man bringt dünne, ge-Inigt. Er dient bier als Heagens, zur Ausmittel« 
goffene Bleiplatten (gewalzte find wegen ihrerjung freier u. gebundener Schwefel. u. Salzfäure, 
größeren Dichtigkeit micht zu gebrauchen), fpiralig|des Schwefelwafjerftoffes, des Jodkaliums, der 
zufammengerollt in irdene Töpfe, die wenige Zoll| Chromjäure, and zur Darftellung von Effigfäure, 
über dem Boden einen Borfprung haben, auf dem jauch mol als äußerliches, jelten als immerliches 
die Platte ruht, füllt den unteren Raum mit Effig Arzneimittel. (S. Eifigiaurefalze.) 

u. bededt die Töpfe mit Bleiplatten. 1000—1500| Blefinge, füdöftliche, an die Oftfee grenzende 
folder Töpfe werden ſodann in großen hölzernen Prov. Schwedens, wird wegen ihrer Naturjchön- 
Berſchlägen — Loogen — in ein Bett von Mift|heiten das Paradies Schwedens genannt; bildet 
oder gebrauchter Lohe oder einer Mifhung aus|das 2975 [_|km (54 [_M) große Län B. mit 
beiden eingejetst und etwa 6 Wochen fich ſelbſtſden Städten Carlöfrona, Carlshamn u. Sölfvis- 
überlaffen, nad melder Zeit die Platten mehriborg; 129,521 Ew.; Waldproducte u. Biehzucht 
oder weniger vollftändig in B. verwandelt find. |find die Hauptnahrungszweige, der Aderbau dedt 


Das beim Aufrollen der Platten in fchieferigen 
Stüden losbrödelnde B. fommt ohme weitere Bor- 
bereitung als Schieferweiß in den Handel. Die 
aufgerollten Platten paffiren fodann zwei Walzen, 
die, um das Abftäuben von B. zu verhüten, zum 
Theil in Waffer liegen. Das hierdurch losgelöfte 
u. zerfleinerte B. wird durch Wafchen u. Schläm- 
wen gereinigt u. getrodnet, In Deutichland ift 
das bolländiihe Berfahren dahin modificirt wor- 
den, daß man die Anwendung des Miftes ganz 
umgeht. Dan hängt die Bleiplatten au hölzer— 


nicht den Bedarf; gehörte bis 1658 mit Schonen 
u. Halland zu Dänemark. 

lende (Min.), 1) Name für geichwefelte Me» 
talferze; f. Blenden (Min.); 2) gewöhnlich jo 
v. w. Binfblende. 

Dlendebaum (Blindbaum) ift Excoecaria 
agallocha L. 

Blenden, 1) des Sehvermögens berauben, ala 
Strafe u. zu politiihen Zweden, bejonders am 
griechiihen Kaiferhofe, bei den Merowingern u. 
jpäter von dem SHobenftaufen Heinrih VL in 


nen Geftellen in gemauerten Kammern auf und|Ftalien geübt. Der Modus des B-8 beftand in 
feitet durch eine Öffnung in diefelben ein Gemifh|dem Vorhalten eines glühenden Metalls, eines 
von Wafjer- u. Eiftgiäuredampf, das man durch heißen Bleches oder Bedens (ital. bacino, daber 
Erhiten von verdünntem Eifig gewinnt, durch eine|abbacinare, blenden), wodurch entweder die Horn- 
andere Öffnung Kohlenfäure, durch eine dritte haut durch die firahlende Wärme verjengt, oder 
Luft. Der Vorzug diejes Verfahrens befteht darin, |die Neghaut durch das intenfive Licht gelähmt 
dag man den Verlauf des Procefjes gemau über⸗ wurde. 2) Den Gebraud der Augen beim Über- 
wachen u. reguliren fan. Das Kremfer Weiß,'gang von greller Beleuchtung zu ſchwächerer u. 





528 


umgefehrt vorübergehend behindern. Durch län— 
geren Aufenthalt in einem bell erleuchteten Raume 
wird die Netzhaut fir ſchwächeres Yicht unempfäng- 
ih. Tritt man daher unmittelbar darauf in 
einen dunkeln, ſchwach beleuchteten Raum, jo fiebt 
man anfangs gar nichts, nach einiger Zeit jedoch 
iſt man im Stande, bei derjelben ſchwachen Be- 
leuchtung, die anfangs abjolutes Dunkel ſchien, 
Gegenftände zu erfennen. Tritt man mad) einiger 
Zeit plöglih in die helle Beleuchtung zurüd, jo 
wird man ebenfalls im erften Augenblide geblen- 
det; es vergeht eine gewiſſe Bet, bis fi das 
Auge an den ftärferen Lichtreiz gewöhnt hat. 
Stammes haus. 
Blenden oder Cinnabarite (Min.), Klaſſe der 
Mineralien, welche die Schwefelmetalle von nicht— 
metalliſchem oder nur halbmetalliſchem Habitus 
(Ausſehen) umfaßt. Sie find meiſt durchſcheinend 
u. mit Ausnahme der Zinfblende wenig ſpröde, 
haben Diamant oder Perlmutterglanz, u. ihre 
Härte überfteigt felten die des Kaltſpathes. Es 
gehören dahin die Antimonblende, Ziukblende 
(au ſchlechtweg Blende genannt), Manganblende, 
Antimon- u. Arjenfilberbliende, Zinnober, Realgar, 
Auripigment u. a. 
Blendetritt (Blender), Art Hirichfährte (1. d.). 
Blendglas, duntel gefärbtes Glas, welches, 
vor das Ocular eines Fernrohres gebradt, es 
möglich macht, die Sonne durch das letztere zu 
beobachten. 
Blendrahmen, Rahmen, auf welchen die 
Leinwand zum Malen geipannt wird, 
Diendung, 1) (Diaphragıma), Ming im In— 
nern eines Mifroflops oder Fernrohres, um ftören- 
des * abzuhalten; ſ. u. Mikroſtop u. Fern— 
rohr. 2) B. des Auges, die als Diaphragma zur 
Abhaltung der Randſtrahlen dienende Hegenbogen- 
haut des Auges mit der centralen Ofinung der 
Pupille; |. Auge. 8) So op. w. Blendglas. 4) 
(jr. Blindes, Blendwert, Kriegsw.) Beweglicher 
Schirm von ftarfen Dielen, bisweilen durch eijerne 
Schienen, Blech, rohe Häute oder Haardeden ver- 
ftärkt, duch 2 darunter befeftigte Räder und eine 
Deichſel ſchiebbar. Er dient zur Decknug der Spipe 
der Sappe gegen Flinten- und Kartätſchenkugeln 
u. wird von dem vorderften Sappeur vor ſich ber» 
eihoben., 5) Ein O5 —1, m hober deckender 
egenftand vor einer Batterie, wie ein Rain, eine 
Heime Erhebung des Bodens u. dgl, welcher den 
Feind iiber die wahre Entfernung täufcht (blen- 
det), oder ihn zum faljchen Zielen verleitet. 6) Bret- 
ter, Schanzkörbe u. a. vor Schießſcharten mäh- 
rend des Yadens geiegte Gegenftände, um die 
Urtilleriften gegen Flintenkugeln zu fchügen; fie 
werben erft, wenn das Geſchütz feuern ſoll, weg- 
genommen; daher eine Schießfcharte blenden, foldye 
Gegen ⸗ſtände vorlegen. 7) In Feltungen am In— 
nern des eg in Batterien au die Bruft- 
mehr angelchnte Balfen oder Gifenbahnfchienen, 
die, gewöhnlich noch durch Faſchinen verftärft u. 
mit Erbe bededt, den Bertheidigern Schug gegen 
das feindliche Berticalfeuer- gewähren. 
Blenheim, engliihe Gorruption von Blind» 
beim (f. d.). 
Blentleln, jo v. w. Bläntern; |. u. Blänfer, 
Blenker, Lubwig, deutſcher Nerolutionär, 


Blenden — Blcpharon. 


dann nordamerifanisher General, geb. 1812 zu 
Worms; ftand 1832—37 in griechiſchen Militär- 
‚bienften, ftudirte nach feiner Rückkehr Medicin u. 
etablirte fi nachher als Weinhäudler in Worms; 
‚er wurde 1848 Oberſt bei der Wormfer Bürger- 
garde, betheiligte ſich 1849 bei den pfälziich-bar 
diihen Unruben u. führte als Oberſt eıne Ab» 
theitung rheinheifiiher u. pfälziiher Freiſchaaren. 
Seine Frau, aus dem Anhaltiſchen gebürtig, ber 
gleitete ihn. Beſonders war der Butih in Worms 
17. Mai u. der übel ausgeführte u. völlig miß- 
glüdte Angriff auf Landau 19./20. Mai ſein 
Werk, Nachdem der Juniaufitand in Baden miß— 
fungen war, ging B. mit feiner Schaar in die 
Schweiz und hielt fih im Bern und Bafel auf, 
Bon bier im Sept. 1849 ausgewiefen, ging er 
über Frankreich nach Nordamerifa. Hier lebte er 
als Farmer u. Handelsinann im County Rode 
land (New-Pork). Beim Ausbruche des Bürger» 
frieges (1861) fammelte er ein deutiches Jäger» 
regiment, welches er als Oberft ins Feld führte 
u. mit welchem er den Nüdzug der Unionstrup- 
pen nach der Schlacht bei Bull Run dedte; dann 
zum General ernannt, ftand er 1862 mit feiner 
Divifion unter Fremont in WVirginien u. zeidh- 
nete fich in der Schlacht bei Erof Key aus. Radı- 
dem M’Clellan im Juli 1862 wegen mangel« 
bafter Verwaltung des Berpflegungsdepartements 
verabfhhiedet worden war, erhielt auch B. feine 
Entlaffung u. zog fih auf ſeine Farm zurüd, wo 
er 81. Octbr. 1863 jtarb. 

Bleun...,v. gt. Blenna, Schleim, daher 
die folgenden Wortbildungen. 

Diennophthtiis, 1) Schleimſchwindſucht; 2) 
Schleimhuſten. 

Blennopijra (Blennopyrie), Schleimfieber. 

Blennorrhägie (Blennorrhöe), 1) ein ftarfer, 
anch ein emzündlicher acuter Schleimfluß; 2) der 
entzündliche Tripper; daher Blennorrhagiich. 

Blennorrhöe, 1) io dv. mw. Blennorrhagie. 
2) B. der Augen, f. Augenentzündung u. Augen- 
pflege (beim Neugeborenen). 

lennotorrhoe, Ohrenihleimfluß. 

Bleunurethrie, jo v. w. Gonorrhöe. 

Blennurie, fo v. w. Schleimharnen. 

Blepharis Juss., Pflanzengatt. aus der Yan. 
der Ucanthaceen (XIV. 2, fonft zu Acanthus 
gerechnet); Blüthen ſymmetriſch, anfehnlich; Kelch 
4fpaltig mit 2 größeren u, 2 fleineren Abjchnitten; 
Bluntenfroneverwadjien-blätterig, lippenförmig, mit 
fleinerer Mleinzähniger Oberlippe u. großer 3lap- 
piger Unterlippe; 2 lange u. 2 furze Stanbblätter, 
der duch Schüppchen geidloffenen Kronenröhre 
eingefügt; Frucht eine eiförmige, 2fächerige Kapiel, 
deren Fächer 1—2lamig find, Erwähnenswerth 
B. edulis Pers., deren junge Triebe u. lineal« 
lanzettliche, fcharf gezähnte Blätter in Arabien u. 
Berfien als Gemüſe dienen. 2) So v. w. Spie- 
gelfiſch. 1) Engler. 

Dlepharon (gr.), Augenlid; daher Blepha⸗- 
ritis, Augenlidentzündung; Blepbaroplaftif, 
die Bildung neuer Augenlider aus ber Stirn- oder 
BWangenhaut an Stelle der narbig gefhrumpften 
oder durch ausgedehnten Subjtanzveriuft verloren 

egangenen Augenlider; Blepharojpasmus, 
ugenlidframpf, krampfhafter Berfchluß der Augen⸗ 


Bléré — Bley. 


lidſpalte, Zeichen von ftarker Lichtſcheu, beionders 
häufig bei Augenentzündungen im kindlichen Alter; 


ſ. Augeupflege. Stammeshaus. 


Blerd, Stadt im Arr. Tours des franz. Dep. 
Indret-Loire, an der Orleans-Bahn u. am Cher; 


3560 Emw.; in der Nähe 
Dles, Henry de ®. ( 
ri u. Landſchaftsmaler, geb. 
ovines; war einer der Erften, melde die Land⸗ 
ſchaft als ein felbftändiges Kumftobject betrachteten. 
In der Hiftorienmalerei ward er von Yulas 
von Leyden u. Mabufe beeinflußt, in der Land- 
fhaftsmalerei ging er ganz felbftändige Wege. 
Er hielt fih eine Zeit lang in Italien auf, malte 
Landihaften zu Benedig u. eim Kirchenbild zu 
Brescia; ft. zu Pütti 1550. Bilder von ihm in 
den Galerien von Kopenhagen, Berlin, Wien, 
Pommersielden, London u. Dresden, auch im 
Diufeum zu Bafel u. in der Münchener Pinatothek. 
Er hieß bei den Italienern Civetta, weil er feine 
Bilder mit einem Käuzchen kennzeichnete. Regnet.* 
Bleßberg, 1) Berg des Thüringer- Waldes 
bei Eisfeld, an welchem Werra u. JB entitehen, 
867 m ho. 2) Ein Berg des Vorder⸗Rhönge— 
birges, bei Salzungen, 697 m bod). 
Dieffington Marguerite, Gräfin von B., 
geb. Power,‘ engl. Schriftftellerin, geb. 1. Sept. 
1790 zu ae in Irland. 1806 von ihrem 
Bater zur Heirath mit einem Capitän Leger-zar- 
mer gezwungen, führte fie eine jehr unglückliche 
Ehe, trennte fih von ihrem Manne, welcher fpäter 
im trumfenen Zuftande durch einen Fall 1817 
ums Leben fam. Im folgenden Jahre beirathete 
fie Charles John Gardiner, Graf von B. Mit 
diefem machte fie Reifen in Stalien, wo fie mit 
Byron befreundet wurde, u. Frankreich u. kehrte, 
1829 wieder Wittwe geworden, 1831 mit dem 
Grafen d'Orſay, dem gejchiedenen Manne ihrer 
Stieftochter, nach England zurüd, wo fie in Gore» 
houſe zu Kenfington ein anfangs äußerft ver- 
ſchwenderiſches Yeben führte. Das Zuſammenleben 
mit Jenem dauerte bis zu ihrem Tode u. erregte 
vielen Anſtoß. Mit Schulden überladen, fonnte 
fie fih in London nicht mehr halten u. floh 1849 
nad Paris, wo fie 4. Juni deſſ. J. ftarb. Sie 
fhr.: Kleine Erzählungen aus den Kreifen der falhio- 
nablen Welt; ferner: Conversations with Lord 
Byron, 1834; Grace Cassidy, or The Repealers, 
1833, 3 Bbde.; The Confessions of an elderly 
Gentleman, 1836, deutſch, Berl. 1837; The 
Vietims of Society, Yond. 1836, 3 Bde; The 
Confessions of an elderly Lady, 1838; The 
Idler in France, 1839 f., 2 Bpe.; Desultory 
Thoughts, ebd. 1839; The Idler in Italy, ebd. 
1840, 3 Bde.; The Governess, deutſch, Braunic. 
1840, 2 Bbe.; The Lottery of Life, 1842; 
Meredith, 1843, 3 Bbe.; Strathern, 1846; 
Memoirs of a Femme de chambre, 1847, 3 Bbe.; 
Country Quarters, 1850. 
Berlen find ihre Erinnerungen aus Italien und 


e_ Rothwein. 


De U bemerkenswerth ihr Sarkasmus; für 
eutigen Geihmad find ihre Schriften veraltet. den 







endrik met de Bles), 
1480 zu 


Das beite in ihren 


529 


Dleffon, Ludwig Johann Urban, Militärs 
Ihriftfteller, geb. 27. Mai 1790 in Berlin; mid» 
mete fih dem Bergbau, trat als Freiwilliger 1813 
in preußiſche Militärdienfte, wurde bald Offizier 
im Ingenieurcorps, war 1815 Adjutant beim Ges 
neralcommando des die franzöfifchen Feſtungen des 
Nordens befagernden Corps, wurde Hauptmann 
u. nach dem Frieden Yehrer an der Allgemeinen 
Kriegsihule zu Berlin u. Mitglied der Ober-Era- 
minationscommiffion, nahın aber 1829 al3 Major 
jeinen Abſchied. Er commandirte 1848 die Bür— 
gergarde in Berlin, trat aber nad dem vergeb» 
hen Berfuche, ven Sturm auf das Zeughaus zu 
hindern, zurüd; fpäter wurde er Divector der 
Preußifhen Rentenanftalt. Er ft. 20. Jan. 1861. 
B. war Mitherausgeber der Militärkiteratur, Berl, 
1820, u. der Zeitſchrift für Kunft, Wiſſenſchaft u. 
Geſchichte des Krieges, ebd. feit 1824, u. fhr.: 
Beitrag zur Geſchichte des Feſtungskrieges in 
Frankreich 1815, Berl. 1818; Treldbefeftigungs- 
tunft für alle Waffen, ebd. 1825; Überſicht der 
Befeftigungstunft, ebd. 1827—34, 2 Hefte; Lehre 
vom graphiichen Defilement, ebd. 1828; Geſchichte 
der großen Befeſtigungslunſt, 1830— 35, 3 Bde.; 
Große Befeftigungstunft für alle Waffen, Berl. 
1830—35, 2 Be. 

Bletia Ruiz & Pav., Pilanzengatt., benannt 
nah L. Diet, ſpaniſchem Botaniler, zur Fam, 
der Orchideen (XX. 1); die 3 äußeren Peri— 
gonblätter länglidy » Tanzettlih, faft gleich groß, 
2 innere etwas breiter, das lippenförmige unter- 
wärts gefielt u, mit 3lappiger Unterlippe, deren 
mittlerer Abſchnitt größer; die Anthere iſt dadurch 
ausgezeichnet, daß ihre Fächer durch Quertheilung 
4fächerig werden u. dem zufolge die ganze Anthere 
8fächerig wird. Arten: 1) B. verecunda R. Br., 
aus Weitindien; liefert in der Wurzel ein gefchäg- 
tes Dagenmittel. 2) B. florida R. Br,, durd 
ihöne purpurrothe Blüthen ausgezeichnet, in un— 
jeren Warmhäuſern. Engler. 

Bleu (fr.), Blau; fo: B. de France, Kaliblan 
(f. u. Blaufärben). B. mourant (das im Dentichen 
verderbte Blümerant, mit der Nebenbed. ſchwäch— 
ch, langweilig), blaßblau. B. Thenard (Kobalt- 
ultramarin), eine aus Thonerde u. Kobaltorydul 
beftehende Farbe, die man darftellt, inden man 
eine Aaunlöfung mit foblenfaurem Natron fällt, 
die niedergeſchlagene gallertartige Thonerde mit 
phosphorjaurem oder arienfanrem Kobaltorydul 
mengt, das Gemenge trocknet u. ſodann anhaltend 
glüht. Sie kommt bei Tageslicht dein Ultrama- 
rin faft ganz gleich, bei Kerzenlicht aber erſcheint 
fie, wie alle Kobaltfarben, ſchmutzig violett. Das 
B. Tb. ift, Inft- u. feuerbeftändig u. wird in der 
Waffer-, Ole u. Porzellanmalerei benutt, 

Bley (Abramis Brama L.), larpfenartiger 
Fiſch aus der Gattung der Braffen (f. Abramis); 
die Schlundzähne ftehen in 2 Neihen zu 2 m. 
zu 5; 20 bis 30 cm fang u. $ kg ſchwer; 
Leib ſtark zufammengedrüdt u. dafür verhältnig« 
mäßig body; Oberkopf u. Rücken ſchwärzlich, an 
eiten gelblich - weiß, filberglänzend, Kehle 


Bol. Madden, The literary life and corresp. of|röthli, Floſſen jhwarz - blau; in der Afterfloffe, 


the Countess of B., Fond. 1855, 3 Bde. Kürner.* 


Bleffiren (v. Franz.), verwunden; Blefjur, 
Berwundung. 


vbierers Univerſal⸗Converſations⸗Lexilon. 6. Aufl. III. Band, 


welde vor dem Ende der Nidenfloffe beginnt, 
finden ſich 27 bis 29 Strahlen; häufiger, aber 
wenig wohljehmedender Fiſch, welcher fich nament- 
24 


930 


lich in der Teichwirtbichaft als Nährfiſch für an- 
dere Fiſche mit Vortheil verwenden läßt. Thome. 


u. Novellift, geb. 11. October 1782 zu Bium 
im Stifte Biborg; wurde 1819 Pfarrer zu Thor— 
ing, 1825 zu Spentrup in Jütland, wo er 
26. März 1848 ftarb, Nachdem er 1807—9 eine 
Brofa-lberfegung des Macpherfonihen Offian in 
2 Bodn. geliefert, trat er jeit 1814 als Iygrifcher 
Dichter auf, in welcher Eigenfchaft er nad) u. nad 
vecht beliebt wurde, ohne doch einen bedeutenden 
Nang einzunehmen. Seine dramatiichen Berjuche 
(3. B. Johanna Gray, Trag., 1825) find miß- 
lungen uw. gefielen nicht. Seine eigentliche Po- 
pularität gewann er durch feine zahlveihen No— 
vellen, mit denen er feit 1825, anfangs in Zeit— 
fchriften (3. B. der von ihm herausgegebenen 
Nordlyset), auftrat. Unter ihnen haben diejeni- 
en, die das Leben jütifcher Bauern, Pächter, 
J—— Gauner ſchildern, einen hohen u. bleiben— 
den Werth (3. B. Hosekremmeren, Ak hvor 
forandret, Röverstuen zc.); die übrigen find im 
Ganzen kaum höher als gewöhnliche Leihbiblio- 
thef-Yectüre zu ftellen. Einige Erzählungen und 
Gedichte lieferte B. in jütifchem Dialelt, bei. die 
Heine Sammlung Bindstouw (die Stridftube), 
Nanders 1842, 3., Ausgabe 1854. Bon feinen 
Schriften erſchienen nah u. nah Sammlungen, 
die neuefte Gefammtausgabe der Novellen (nebft 
Selbitbiographie), Kopenh. 1861—62, 8 Bbe., u. 
der Gedichte, Kopenh. 1870, 2 Thle.; eine Aus- 
wahl der Novellen, beforgt von P. Haufen, Ko- 
penh. 1871, 3 Bde. Deutich bat man Novellen 
überf. von Zeife, Altenb. 1846, 2 Bde, u. von 
Diezmann, Lpz. 1849, 4 Bde. Die Nordjeebilder, 
Kiel 1841, find Überf. der Neifebefhr.: Vestlig 
profil af den Cimbriske Halvö, Kopenh. 1839. 

Blide (Güſter, Abramis blicea L.), Fiſch aus 
der Fam. der Karpfen; Yeib breit, dünn; Maul 
Hein; Schuppen mittelgroß; Rücken bläulich, unten 
filberig, Floſſen, Bauh u. Bruft vorb; im der 
Aiterfloffe, welche unter dem Ende der Nüdenflofie 
beginnt, finden fi 24 Strahlen; legt über 108,000 
Eier; ſchmedt ſchlecht; geichätter ‚zutterfiich in der 
Teihwirtbichaft; in fand. Seen Deutfchlands häufig. 

Blickfeuer, Nachtſignale, durch ein wenig auf 
einem Brett angezündetes Sciehpulver hervor: 
gebracht; bej. zum Zufammenhalten der einzelnen 
Schiffe einer Flotte; auf Leuchtthürmen das Dreh— 
feuer, 

Blidgold, feingebranntes Gold, welches noch 
einiges Silber enthält. Blidjilber, das aus dem 
Werlkblei nah dem Abtreiben erhaltene Silber, 
welches zwar geblidt hat, aber noch nicht ganz 
rein von Blei ift. 

Blidah (Beliva), Stadt in dem algeriichen 
Depart. Algier, 259 m über d. M., 49 km von 
Algier u. mit diefem durch Eiſenbahn verbunden, 
tiegt angenehm in der Ebene Metidicha; fchöne 
Orangenhaine und eine Gitadelle; Gericht L In— 
tanz; Kirchen aller Eonfeffionen; arab.»franzöftiche 
Schule, Kupfer u. Bleigruben, Mineralguellen; 
Kalköfen, Eſſenzenfabril; Märkte; 8113 Einw,, 
die theilweife von den aus Spanien vertriebenen 
Manren ftammen, B. war oft Schanplag von 
rämpfen in dem Franzöſiſch-Arabiſchen Kriege in 


Blicher — Bligny. 


Algier. Am 23. Juli 1830 wurde es vom Mar— 
ſchall Bourmont bejett, aber bereits am 24. infolge 


Blicher, Sten Steenfen, dänischer Lyriker eines Überfalles durch die Araber wieder geräumt; 


am 13. Nov. d. J. wurde es abermals durch bie 
Franzoſen befeßt und der am 19. Nov, erfolgte 
leberfalle der Araber zurüdgeihlagen, aber nad 
einem zweiten Überfall, am 26., verließen die 
Franzoſen die Stadt abermals, Am 15. Dechr. 
1839 Zieg des Generald Rulhidre über die Ara» 
ber, u. am 31. Dec. abermalige Affaire, wo B. 
in den Händen der Franzoſen blieb. 

Blies, 74 km langer rechter Nebenfluß der 
Saar im preuß. Negbez. Trier, im bayerischen 
Negbez. Pfalz u. im Reichslande Eljaß-Yothrin 
gen; entipringt bei Blieshorn, nimmt die Wallab, 
Eisbach, Erbad, Hornbach u. a, auf, fließt bei 
St. Wendel, Ottweiler, Bliestaftel vorbei umd 
mindert bei Saargemünd. 

Bliesfaftel, Stadt im Bezirksamte Zweibrüden 
des bayeriihen Regbez. Pfalz, an der Blies, 
Eifenbahnftation; Landgericht; an der Stelle des 
in der Mepolution zerfiörten Schloffes jest ein 
Hospital, Waifenhaus, Wallfahrtsfapelle; Sand— 
fteinbrüce; Bierbrauerei; 1542 meift fatbol. Ew. 
er ftand zur Römerzeit das Castellum ad Blesam. 
B. gab im Mittelalter einer Grafichaft den Namen, 
melde Dtto d. Gr. dem Bisthum Met fchentte; 
jeit 1654 gehörte fie den Herren von der Yeven, 
welche 1715 im den Grafenftand erhoben wurden 
u. 1781 die franzöfifihe Souveränetät über einen 
Theil ihrer Befigungen anerlannten; wurde 1802 
Frankreich einverleibt, aber 1814 wieder deutſch. 
Hier im Franzöſiſchen Revolutionskriege 26. Sept. 
1793 Sieg der Preußen über die Franzoien. 

Bligh, Willtam, britiiher Seemann, geb. 
1753; madhte unter Coof eine Reife um die Welt 
mit; als er 1787 als Gapitän auf dem Schiffe 
Bounty nah Dtaheiti ging, um von da ben 
Brodbaum nah Weftindien zu verpflanzen, ber 
handelte er die Manufchaft feines Schiffes Bounty 
jo bart, daß fich diefelbe unter Fletcher Chriftian 
u. John Adams empörte u. ihn mit 18 Mann 
in einem Boote ausfegte, auf dem er nach Bata— 
via gelangte. Nach England zurüdgelebrt, erhielt 
er im Franzöſiſchen Nevolutionskriege das Com- 
mando eines Schiffes, wo er durch feine Härte 
wieder eine Meuterei bervorrief. Er wurde 1806 
Gouverneur von Neu-Sid-Wales, wo ihn die 
Goloniften 1808 wieder abjebten, u. jpäter Admi- 
ral; er ft. 7. Dec. 1817. B. fchrieb: Narrative 
of the mutiny on board H. M. ship Bounty, 
London 17905 Voyage to the South - Sea, 
ebd, 1792, 

u. König, |. Cupania, 

Bligny, Nicolas de B., anfangs Chirurg in 
Paris; wurde 1678 Chirurg der Königin, ftieg 
bis zum föniglichen Leibarzte empor u, errichtete 
zu Pincourt ein Hofpital, das ibm zum Ded- 
mantel feiner Ausjchweifungen diente; er ward 
deshalb 8 Fahre eingefertert; ftarb 1722 als 
Arzt in Avignon. Er ſchr.: L’art de guerir les 
maladies veneriennes, Paris 1673; L’art de 
guerir les hernies, Bar. 1676. Er ftiftete 167 
die Akademie für nene Entdedungen in der Me- 
dicin, die das Jeurnal Nouvelles decouvertes 
dans la medeeine, Par. 1679—82 (überjegt von 


Blind — Blindenanftalten. 


531 


Bonet, Zodiacus medico-gallieus, 4. Jahrgang, hatten. Schütz rettete ſich nach dieſer Kataſtrophe 


deutſch, Hamb. 1680 u. Lpz. 1690—98) heraus⸗ 
gab; unterdrückt erſchien es als Mercure savant, 
Amfterd. 1684, 1. Jahrg. 

Blind, 1) des Schvermögens beraubt; ſiehe 
Blindheit. 2) Seines Ganzes oder Rüchſcheines 
beraubt; fo von Spiegeln. 8) Beim Schießen, 
ohne Kugel oder Geihoß; fo blinde Patrone, 
blinderSchuß. 4) Perjon, die, ohne gerechnet 
oder vergütet zu werden, bei etwas mitzählt; fo 
blinde Rotte, d. i. unvollftändige Motte, in 
ber alfo nicht 3 ober bei der zweigliederigen Auf- 
ftellung nit 2 Mann binter einander ftehen, 
fondern in der der Dann des zweiten Gliedes, 
oder and beide Leute des zweiten und dritten 
Gliedes fehlen; blinde Pafjagiere, melde 
auf der Poft oder Eiſenbahn mitfahren, ohne zu 
bezahlen. 5) Bloß der Symmetrie wegen ange: 
bracht; fo blinde (vermauerte) Fenſter und 
Thüren. 6) Nur ſcheinbar, nicht wirklich, falich; 
fo blinder Kauf, jo v. w. Scheintauf; blin- 
der Angriff, ſo v. m. Falſcher Angriff. 7) (Anat.) 
Ein Kanal, der feinen Ausgang hat, 3.8. Blind» 
darm; blindes Loch (Foramen caecum), lodh- 
artige, jcheinbar durchgehende, am Ende aber 
geſchloſſene Vertiefung, beſ. am Stirnbein u. der 
Zunge; bei Krankheiten, welche mit dem Ausfluf 
von Kranfheitsftoffen verbunden find, die Erjchein- 
ungen, wo jene Ausflüffe unterbleiben, jo blinde 
Hämorrhoiden, diejenigen Hämorrhoiden, welche 
den gewöhnlichen Bluterguß nicht zeigen (ſ. Hä- 
morrhoiden); blinde Driüfe, f. u. Drüfe. 

Blind, Karl, deutiher Schriftfteller, geb. 
4. Sept. 1820 zu Mannheim; ftudirte in Heidel— 
berg u. wurde im Aug. 1847, weil er im Bade 
Dürkheim revolutionäre Pamphlete (Deuticher 
Hunger u. deutſche Fürften) ausgetheilt hatte, im 
Nenftadt a. d. Hardt verhaftet, im November 
aber wieder freigegeben. Im Febr. 1848 gehörte 
er zu den Deputationen, welche die Zweite Kam— 
mer in Karlsruhe mit den Forderungen der 
Bolkspartei beftürmten; im September d. J. be 
theiligte er fih an dem Einfall, den Struwe von 
der Schweiz aus nad Baden machte; nad dem 
fchnellen Scheitern des Unternehmens von der 
Birgerwehr in Wehr gefangen, wurde er Ende 
März 1849 von den Gejchworenen zu Freiburg 
zu 8 jahren Zuchthaus verurtheilt u. nach Naftatt 
transportirt, Als bier im Mai d, J. die Militär- 
revolution für die Durchführung der Frankfurter 
Reihsverfafjung ausbrach, wurde er nah Bruchſal 

ebracht, hier aber von den Aufſtändiſchen befreit. 

oh in demfelben Monat wurde er von den 
revolutionären Regierungen von Baden u. Rheiu— 
bayern mit Friedrih Schüt, Mitglied der Frank- 
furter Nationalverfammlung, nah Paris geichidt, 
um die officiele Anerkennung jener Regierungen 
von Seiten der Franz. Nepublil zu erwirten und 
mit denjenigen Parteiführerın in Verbindung zu 
treten, die mit der deutschen Nevoiution ſympa— 
thifirten. Beide Bevollmächtigte übergaben zwar 
dem damaligen Dinifter des Auswärtigen, Herru 
von Tocqueville, ihre Greditive, wurden aber 
von demfelben kalt aufgenommen; zugleich waren 
fie Zeugen vom Sturze der Partei Ledru-Rollins 


(13. Juni), auf deren Sympathie fie gerechnet’ ſunden Zinne, 3. 


durch die Flucht mach Belgien, B. wurde jedoch 
gefangen nad La Force abgeführt und erft nach 
längeren Bedrohungen mit der Auslieferung au 
die in Baden ftehende preuß. Armee unter der 
Bedingung, nad London abzuveifen, in Freiheit 
gejegt. (Siehe die 1860 in Hamburg erjchienene 
Broſchüre: Franzöſiſche Aheingrenzgelüfte, 1849, 
1858, 1860.) Seitdem lebt B zu Yondon als 
Correſpondent deutjcher Blätter und Mitarbeiter 
englifher Journale, Im Laufe des Franz. Krieges 
1870 veröffentlidte er im October: A Defence 
of the German Cause, 2) Ferdinand, der 
Stieffohn des Bor., deſſen Namen er nad) der 
Berheirathung feiner Mutter mit B. angenommen 
hatte. Sein verftorbener Vater hieß Kohn. Er 
hatte auf der Akademie zu Hohenheim Landwirth- 
Ihaft ſtudirt und jeit den Ofterferien 1866 eine 
landwirthſchaftliche Studienreife unternommen, als 
er am 7. Mai jenes Jahres zu Berlin unter den 
Linden in der nächften Nähe auf den Minifter- 
präfidenten Bismard 5 Revolverſchüſſe abſchoß, 
die wirfungslos abprallten. Im GriminalComs 
miffariat, wo die erfte Vernehmung ftattfand, 
durchichnitt er fih während einer Pauſe mit einem 
Zafchenmeffer den Hals u. fl. am Morgen des 
8, Mai, Bauer. 

Blinddarm (Anat.), Aırfangstheil des Did- 
darmes; ſ. Darm. 

Blindenanftalten, 1) Blindeninftitute, 
Blindenverjorgungsanftalten, Anftalten, wo 
ſolche Blinde verforgt werden, deren Heiluug nicht 
zu erwarten ift; fie find gewöhnlich mit den Bild- 
ungsanftalten für Blinde verbunden. Die erfte 
derartige Anftalt wurde von Ludwig IX. nad 
feinem Kreuzzuge 1260 als Quinze-vingts in 
Paris zunächſt für 300 in Agypten erblindete 
Soldaten errichtet; in neuerer Yeit verband ber 
Blindenlehrer F. W. Klein in Wien (geb. 1765) 
mit feinem 1808 errichteten u. 1816 zur Staatd- 
anftalt erhobenen Blindeninftitut eine Anftalt für 
männliche und weibliche aus dem linterrichte ent» 
laffene Blinde, und diefe war Mufter für ähnliche 
Anftalten in Freiburg, Münden, Dresden, Han« 
nover, Gmünd u. a. DO. 2) Blindenunter- 
rihtsanftalten, in denen Blinde unterrichtet 
u. gebildet werden, wobei e8 Erziehungsmarime 
it, in der Regel eine höhere wiſſenſchaftliche oder 
fünftlerifche Bildung nicht anzuftreben. Bereits 
1667 lehrte J. Bernoulli in Genf ein blindes 
Mädchen auf eine von ihm erfundene Art fchrei« 
ben. Der blinde Saunderjon bezeichnete auf einem 
von ihm erfundenen Rechenbrette durch Nadeln 
die Zahlen und löſte durch gezogene Schnüre 
mathematische Aufgaben. Ebenjo erfand der blinde 
Weifenburg in Mannheim einen Apparat zum 
Leſen, Schreiben, Rechnen u. Motenjegen. Ein 
bejonderes Alphabet (Knotenalphabet, Blinden— 
alphabet) fiir Blinde erfanden 1822 die blinden 
Engländer Robert Milne und David Macbeath, 
wodurch Blinde in den Stand gejegt werden 
jollten, gegenjeitig zu correſpondiren. In neuerer 
Zeit gibt e8 viel beflere Hilfsmittel. Bei dem 
Unterricht der Blinden gelten die eriten Übungen 
der Unterſcheidung der Segenftände durch die ges 
B, Steine, Holz und Metalle 

34? 


532 


durch das Gehör und Gefühl, Hanf, Seide und 
Baummolle bloß durch das Gefühl. Beim Leſen 
benutt man ftatt der Ddurchitochenen Schrift 
(Stadelichrift), die viel Raum wegnimmt m. nicht 
lange dauert, lieber die Preßichrift, bei welder 
die Lettern durch eine ftarle Preſſe in Bapier, 
welches durch Yeim erweicht ift, abgedrudt werden 
jo daß es ein Melief gibt. Die von Lulas in 
England erfundene Ehiffernfchrift hat in Deutich- 
land nicht viel Beifall gefunden; befjer ift die von 
den Engländer Moon erfundene Blindenfchrift, 
die theilweiie im deutſchen Anftalten Eingang ge» 
funden bat. Beim Schreiben wird entweder die 
Braillefhe Punktirihrift, der Telegrapbenichrift 
ähnlich, oder die Heboldihe Buchſtabenſchrift an- 
gewendet, lettere namentlih im Verkehre mit 
Sehenden, da diefe die Brailleihe Schrift micht ver- 
fteben. Beim Rechnen gebraucht man ein mit vielen 
Löchern veriehenes Brett, worin die Zahlen, Heine 
Holzpfoften mit ebenfo vielen Spigen, als Einheiten 
bezeichnet werden follen, geftedt werben. Bei der 
Geographie wurden von Zeune ſtatt der geftidten 
Karten die Nelieflarten eingeführt. Es ift eine 
irrige Annabme, daß die Blinden ganz hervor» 
ragend muſilaliſch befähigt feien; weil aber in 
allen B. viel Muſik getrieben wird, fo ift e8 ganz 
natürlich, daß Einzelne auf dieſem Gebiete ſich 
auszeichnen u. fih als Birtuofen auf der Orgel 
oder der Bioline, der Harfe 2c. einen Namen 
gemacht haben. Der Unterricht in Handarbeiten 
erfiredt fih auf Spinnen, Striden, Flechten, 
Bandweben, Leder-, Papp⸗, Korb» und Stroh 
arbeiten, u. felbit auf Stiden u, Drechsler u. 
Tiſchlerlunſt. Durch diefe Beichäftigungen werden 
den Blinden die Mittel zu ihrer weiteren Aus- 
bildung bei Handwerkern, welche in manden 
Fändern Prämien aus Staatskaſſen erhalten, und 
zu ihrem künftigen Erwerbe an die Hand gegeben. 
Die geeignetften Beichäftigungen bleiben immer 
das Korbinahen, Rohrſtuhlbeziehen, Strohdeden- 
fertigen u, Seilerei. Die Eoncurrenzfäbigkeit der 
Blinden gegenüber den Sehenden wird jedoch 
ftets eine beichräntte fein; fehr förderlich für das 
bürgerliche Fortlommen der Blinden hat fich der 
von — dem früheren Director der Blinden— 
anftalt zu Dresden, aufgeftellte Grundfag bewiejen: 
dem ausgebildeten Blinden and nad) der Ent- 
laffung aus der Anftalt eime ftete Fürſorge an- 
gedeihen zu laffen. Schon das Alterthum kannte 
blinde Seher und Dichter. Hervorragend durch 
wiffenfchaftlihe Bildung waren die Engländer 
Saunderfon, der als Profeffor der Mathematik in 
Cambridge wirkte; ferner Thom. Bladiod, Pre- 
diger in Edinburgh, u. Zoh. Metcalf in Manche— 
fer, welcher den Straßenbau beauffichtigte und 
nad) felbftändigen Plänen u. Berechnungen meh— 
rere neue Straßen anlegte. Die Anftalten zur 
Bildung der Blinden entjtanden zuerft in Frank⸗ 
veih, wo Balentin Haug, angeregt durch die 
blinde Pianiftin von Paradies, 1784 in Paris ein 
Yehrinftitut für Blinde gründete. Aus Verdruß 
darüber, daf feine Anftalt mit den Quinze-vingts 
verbunden wurde, folgte er mit feinem Schüler 
Fournier 1806 einem Rufe nah Rußland, wo 


er 1807 in Petersburg auf Befehl des Kaifers 


Blindenanftalten. 


lin wurde er dem König Friedrich Wilhelm TIT. 
vorgeftellt u. dadurch die Beranlaflung zur Erridt- 
ung der erften Blindenanftalt in Preußen zu Berlin 
gegeben, deren erfter Borfteher Aug. Zeune wurde. 
Andere derartige Anftalten entftanden 1818 in 
Breslau unter dem blinden Job. Knie, einem 
Schüler von Zeune, der eine Beichreibung feiner 
ohne einen Begleiter unternommenen Reife durch 
Deutihland berausgab; 1829 in Halle durch die 
Brüder Kraufe; 1846 in Königsberg durd den 
blinden Flötenpirtuofen Friebe, bei. unterſtützt 
dur Billow v. Dennewig u, den als Schriftfteller 
belfannten Blinden Ludwig v. Barzlo. In Defter- 
reih wurde das von Klein zu Wien errichtete 
Inſtitut Borbild für ähnliche Anftalten im Kaifer- 
ftaate, 3. B. in Prag, die v. Platzer 1807 be— 
gründete, 1824 in Linz, durch Engelmann begründet 
und feit 1836 Provinzial» Blindenanftalt; 1847 
in Brünn, 1825 in Presburg, jeit 1827 in Be. 
Während man fih nun in SDeutidland, 3. B. 
in Baden, wo die 1826 von Müller in Mariahof 
bei Donaueſchingen gegründete und 1828 zur 
Staatsanftalt erhobene Blindenanftalt nach Bruch- 
fal, 1837 nach Freiburg verlegt wurde und ſeit 
1868 fih auf dem Scloffe von Ilvesheim be- 
findet; in Bayern, wo die 1826 in Freifing ges 
gründete Blindenanftalt jett in München fich be» 
findet, und in Württemberg, wo die 1823 im 
Gmünd gegründete Blindenftalt jegt mit der Taub⸗ 
ftummenbeilanftalt verbunden ift, die öfterreidhie 
ihen Anftalten zum Mufter nahm; richtete man 
fih dagegen in Sachſen mehr nah den Berliner 
Einrichtungen, -fo in der B. zu Dresden, geitiftet 
1809 von Flemming, zuerſt geleitet von Stedling 
und feit 1829 mit der Blindenverforgungsanitalt 
verbunden. Sonft gibt es in Deutjchland noch 
B.: feit 1818 zu Breslau, 1829 zu Braunichweig, 
Hamburg 1830, Frankfurt a. M. 1837, Weimar 
1839, Friedberg in Hefien 1850, Hannover 1843, 
Soeſt u. Paderborn 1847, Düren 1845, Wollitein 
in Poſen 1853, Stettin 1850, Barby 1858, Wies- 
baden 1861, Hubertusburg in Sadfen 1862, 
Leipzig 1865 x. Deutichlaud hat etwa 30 9, 
Auch im Auslande fehlt e8 nicht an dergleichen 
Anftalten: Mailand 1837, Neapel 1818; Briftot, 
Dublin, Edinburgh, Liverpool jhon aus dem vor, 
Jahrh., York 1835, Mancheſter 1838; Bordeaux, 
Caen zc. im Frankreich; Kopenhagen 1811; Stod- 
holm »1808; Amfterdam 1808 u. a. Bol. Hauy, 
Essai sur l’&ducation des aveugles, Par. 1786; 
A. Beune, Belifar, Berl. 1808, 4. Aufl., 1834; 
Klein, Lehrbud zum Unterrichte der Blinden, Wien 
1819; Ludwig v. Baczlo, Über mid felbft und 
meine Unglüdsgefährten, die Blinden, Lpz. 1807: 
Derjelbe, Selbitbiographie, Königsb. 1824; Jä- 
ger, Die Behandlung blinder Kinder, Stuttg., 2. 
U, 1831; Klein, Geih. des Blindenunterrichtes 
u. der B., Wien 1837; Matthias, Organ für 
Taubftummen- u. Blindenunterricht, Friedb. 1855 
fi.; Georgi, Anleitung zur zwedmäßigen Behand- 
lung blinder Kinder im Kreife ihrer Familie bis 
zu ıhrer Aufnahme in die Blindenanftalt, Dresd. 
1857; St. Marie, Der Blinde u. feine Bildung 
Lpz. 1869; Pablafel, Die Fürforge fiir die Blin— 
den, Wien 1867. Schriften für Blinde, ſowol 


Alerander eine gleiche Anftalt gründete. In Ber-I Schulbücher wie Unterhaltungslectüre, find zu be- 


* 


Blinder Fleck 


ziehen aus dem Verlage der Blindeninftitute zu 
Berlin, Wien, Breslau u. Philadelphia, außer- 
dem: Die heil. Schrift für Blinde, zu Stuttgart 
in der Bibelanftalt. 

Blinder Fleck, die für Licht unempfindliche 
Eintrittsftelle des Sehnerns ins Auge; ſ. Auge. 

Blindheim (Bienheim), 1) Dorf im Bezirks- 
amte Dillingen des bayer. Negbez. Schwaben, an 
der Donau bei Höchſtädt; 710 Em. Hier u. bei 
Höchftädt 13. Aug. 1704 Sieg der verblind. Öfter- 
reicher, Engländer u. Holländer unter Marlborough 
u. Prinz Eugen über die Franzoſen u. Bayern 
unter Tallard, Marfin u. dem Kurfürſten v. Bayern. 
Tallard wurde mit 15,000 Franzoſen gefangen, die 
Übrigen flohen über den Rhein. (S. Spanijcher 
Erbfolgelrieg.) Hiernach 2) B. Houfe, Marktfl. in 


— Blindheit. 


33 
können. 2) B., welhe auf Störung des 
nerpdjen, Hlihtempfindliden Apparats 


(Negbaut, Sehnern, Gehirn) beruht u. im Al- 
gemeinen als Schwarzer Staar (Amauroie) 
bezeichnet wird. Diefelbe ift meiſt der Ausgang 
von inneren Entzündungen des Augapfels (Ader« 
haut», Netbantentzündungen) od, Sehnerven⸗, Ger 
birn-, Rüdemmarkieiden. Der optiiche Theil des 
Auges kann dabei ganz normal fein, in anderen 
Fällen tritt zu Schwarzem Staar, bejonders dem- 
jenigen, welcher durch innere Augapfelerkrankungen 
bedingt ift, fpäter noch Grauer Staar hinzu. Die 
äußere Form des Augapfels kann fowol bei dem 
erjten, al$ zweiten Erblindungsmodus volitändig 
erhalten jein, auderjeits ift es Har, daß ein in— 
folge heftiger Entzündungen oder Verletzungen 


der engl. Grafſch. Orford, mit prächtigem Schloß |zufammengeichrumpfter, atrophiicher Augapfel meiſt 
u, Park, weicher dem Herzog von Marlborongh ohne jede Spur von Lichtempfindung fein wird. 
vom britifhen Volle zu Ehren der Schlacht bei B. Die obige Eintheilung ift aud von Werth bin« 
gejchentt wurde, In der Schloßfapelle Marlbo- |jichtlih der etwaigen Heilbarfeit der verjchiedenen 
roughs Grabmal u. im Park deifen Standbild, | ötxten von B. Denn während der ärztlichen 
lindheit (lat. Caecitas), Unvermögen, Licht Kunſt gegenüber dem eigentlichen Schwarzen 
zu empfinden, u. demnach Unfähigkeit, mittels des | Staar nur wenige Hilfsmittel zu Gebote ftehen, 
Gefichtsfinnes Objecte wahrzunehmen u. zu unter- feiert diefelbe oft Triumphe in Bejeitigung der 
ſcheiden (abfolute B., Amauroje, Stodbiindheit). | mechanischen Ambiyopien; jo ift der Graue Staar 
Der gewöhnliche Sprachgebraud (u. die Statiftit)|heilbar durch Operation; bei Verſchluß der Pu— 
nennt jedod auch ſchon Denjenigen blind, deſſen pille oder bei Berdedung der normalen Pupille 
Lichtempfindung fih auf Unterſcheidung von hell durch große ceutrale Hornbautfleden, wobei 
und dunkel beſchränkt (fogen. quantitative Licht- |die Peripherie der Hornhaut noch durchſichtig ge» 
empfindung), oder jelbft no zur Erkennung ganz |blieben iſt, kann durch Anlage einer neuen Pupille 
grober Unterſchiede in allernäcdhiter Nähe (Beweg: dem Lichte wieder Zugang zur Netzhaut geſchaffen 
ung der Hand, Zahl der Finger zc.) ausreicht. | werden (dur Wusjchneiden eines Stüdes der 
Indem nämlich ſolche noch nicht völlig Blinde) Regenbogenhaut mittels der Operation der Jrid— 
durh den noch vorhandenen Heft von GSeh-|eltomie),. Lange Dauer der Erblindung jchließt 
vermögen nicht befähigt werden, an fremdenjan ſich die Heilbarfeit nicht aus. Wie es aber 
Orten fih jelbjt zu führen und zurechtzufinden, |einerjeits Erblindungen gibt, die nach jahrzehnte— 
nehmen fie theil an der mit Blindheit (beider laugem Beitande fih nod als beilbar erwiejen 
Augen) verbundenen u. für das fociale Yeben|baben, jo gibt es anderjeits Augenerfranfungen, 
fo jchwer in die Wagichale fallenden Hilflofig-|die innerhalb weniger Tage das Sehvermögen 
keit und Abhängigkeit von Anderen. Entſprech- dauernd zerjtören. 
end ben zwei Yanptbedingungen, welche beim) B. kommt ſchon als angeborenes Leiden vor 
phyſiologiſchen Sehact erfüllt jein müſſen (nor u. iſt dann nicht felten mit angeborener Taubheit 
males Berbalten des optifchen Apparats, mit-|u. Störungen der Intelligenz bis zu vollftändiger 
bin jelbftverftändlich Durchfichtigleit der optifchen Idiotie vergejellichaftet. Außer den feltenen Fällen, 
Medien des Auges, wm. zweitens Integrität der daß Kinder ganz ohne Augen geboren werden, 
lihtempfindlichen nervöjfen Beftandtheile des Sch- |find es hauptiächlich angeborene Atropbien des 
apparats), kann mandie B. nad ihrer anatomisch |Schnervs (Schwarzer Staar), oder Trübungen 
phyfiologiichen Grundlage in zwei Gruppen theilen: |der Kryftalllinie, welche die DB. bedingen, Im 
1) B. welde bedingt iſt durch Undurch- letzteren alle ift Heilung, reip. Befjerung möglich, 
fihtigfeit der optifhen Theile des Auges|Bemerfenswerth iſt, dag nahe Berwandtichaft der 
(Hornhaut, Linſe, Glaskörper). Undurdfichiige | Eltern bei den Kindern neben anderen Gebrechen 
Hornhautfleden, welche den größten Theil od. die häufig Schwarzen Staur zur Folge hat, ſei es 
ganze Hornhaut einnehmen, Berfchluß der Pupille daß derjelbe jhon augeboren vorlommt, oder ſich 
infolge von Negenbogenhautentzündung, Trübung erſt in jpäteren Leben entwidelt. Häufiger als 
der Kryſtalllinſe (Grauer Staar) find ein mecha- vor der Geburt tritt Erblindung unmittelbar nach 
niſches Hindernig für Das Licht u. ſchneiden dem⸗ der Geburt ein in den erſten Tagen od. Wochen 
jelben den Zugang zu der üchtempfindlichen Netz- des Lebens infolge der fogen. Augenentzündung 
haut ab. Man mennt daher auch durch ſolche der Neugebornen (Blennorrhoea neonatorum, ſ. 
Urfahen bedingte Aufhebung des Sehvermögens |Augenpflege). Im Kindesalter entſteht Erblind« 
mechanische Ambigopien, Immerhin ift in den ung durch Bernachläffigung der jog. feropbulöien 


meiften diefer Fälle das Hinderniß für den Licht 
einfall nicht derartig, daß nicht wenigjtens Spuren 
von Licht zur Netzhaut gelangen Fönnten, u. ſolche 
Patienten werden daher, im Falle der licht: 
empfindliche Theil des Sehapparats intact iſt, 
zum mindeften Yicht und Duntelheit umterfcheiden 





Hornhautentzändung, ferner infolge von Berlet- 
ungen der Augen und nah Gehirnentzündungen. 
In Ländern, wo die Poden noch epidemiſch auf- 
treten, erblinder jährlih eine große Anzahl von 
Perfonen durch totale Hornbauttrübungen. Ein 


großes Gontingent zu Erblindungen liefert ferner 


534 Blindholz — Blinzen. 

and bei uns die fog. Agyptiſche Augenentzündung gattung aus der Familie der Maulwurfmäuſe; 
oder Körnerkrankheit (pannöje Hornhauttrübung). | Schneidezähne lang, breitfchneidig, von der kurzen 
Diele Augen erblinden durch die fortdauernd ein-| Oberlippe nicht bededt, die oberen mit ſchwacher 
wirkenden Schädlichkeiten mancher Gewerbe, ferner Längsfurche; 3 Badenzähne; feine Badentafchen; 
durch Berlegungen. Auch wenn uriprünglih bloß auch äußere Obren n. Schwanz fehlen; Augen ſehr 
ein Auge verlegt war, geben doch häufig beide/Mein u. von der Oberhaut überzogen, fo daß man 
zu Grunde, inden das zweite Auge auf demifie von anfen nicht fehen fann; fie leben unter 
Wege der ſympathiſchen Entzündung erblindet (f.|der Erde u. graben u. nähren fi wie Maulmwürfe. 
Augenverletzungen). Der Schwarze Staar tritt|Art: Gemeine B. ESlepetz, S. typhlus Pall.), 
bejonders im Mannesalter u. höheren Alter auf;|in SRufland und Ungarn; Kopf groß, edig; 
hochgradige Kurzfichtigfeit führt leider oft gend brännlih aſchgrau, weißer Rand um den Mund; 
durch Ablöſung der Netzhaut zu völliger Erblind-|22 cm lang; wirft die Erde auf, wie der Manl- 
ung. Borzugsweife dem Aiter eigenthümlich iſt wurf. 

aud der Graue Staar, Überhaupt zeigt es fih,| Blindſack des Magens (Blinder Sad des 
daß B. vorwiegend ein Leiden des höheren Alters] Magens), Magengrund, Fundus ventrieuli), halb» 
ift. Während diefelbe in der Jugend relativ felten|kugelige Wölbung des Magens nad linfs bin; 





it, wählt die Zahl der Blinden bis zum 70.]j. Magen. 


Jahre in fteigender Progreifion, um im böchften 
Alter wieder abzunehmen, Etwa die Hälfte aller 
Blinden ift älter als 50 Jahre. Die Statiftik 
hat ergeben, daß in Mittel-Europa durdichnittlich 
1 Binder auf 1350 Ew, kommt. Ju manchen 
Ländern ift das Verhältniß viel ungünftiger, fo 
3. 2. in Agypten, wo man auf 100 Sehende ſchon 
1 Blinden rechnet, Auch Finnland hat eine fehr 
bobe Blindenziffer, die Blindenzahl nimmt über- 
haupt mit dem Steigen der Breitengrade nicht 
ab. Die Blinden erfreuen fi) durchſchnittlich 
einer guten Gejundheit, fie fteben in Bezug auf 
?ebensdauer ihren ſehenden Mitmenschen nicht 
nad. Daß die Sterblichkeit unter ihnen groß ift, 
lommt einfach daher, daß die meiften Blinden 
den höheren Alter angehören. Obwol man ver» 
mutben follte, daß der Verluft des Sehvermögens 
von allen Leiden des Körpers am fchmwerften 
enpfunden würde („Sterben ift nichts, doch leben 


Blindfchleiche (Anguis Cur.), Gattung aus 
der Ordnung der Eidechſen, Unterordnung ber 
Kurzzüngler, Familie der Sandechſen (Scincoi- 
deae). Der fchlangenähnliche, Tanggeftredte, nicht 
mit Gliedmaßen verjehene Körper ıjt mit glatten 
Kunochenſchuppen beſetzt, der Scheitel mit größeren 
Schildern beffeidet; Schultergirtel, Bruftbein u. 
Bedengürtel find rudimentär,; die Augen befigen 
(u. daran ift das Thier fofort von einer Schlange 
zu untericheiden) bewegliche Lider, von denen das 
untere wie ein burchicheinender Vorhang empor- 
gehoben werden kann; das Paukenfell if unter 
der Haut verftedt. Dahin die gemeine B. 
(Brudichleiche, Glasichlange, Hafelmurm, Anguis 
fragilis L.), 40—45 em lang; Schuppen glänzend 
fupferbraum, doch ſehr variirend, unten jchwärzlich, 
über dem Rücken drei ſchwarze Streifen, die fid) 
im Alter verlieren, ganz jung oben milchweiß, 
mit ſchwarzem Längsſtriche, unten ſchwärzlich; 


u. nicht ſehen, das iſt ein Unglück“), ſo wird doch Schwanz leicht abbrechend, aber nicht wieder 
die Blindheit von den meiſten mit auffälligem|wachiend; ihre Haut ſtreift die B. jährlich fünfmal 


Gleichmuthe ertragen. 
allerdings die Hoffnung auf Beſſerung groß, und 
fie tröften fich jo lange mit dem Gedanken an 
Heilung, bis auch fie in das Alter der Entfagung 
treten. Übrigens erlangen die Blinden bei gut 
geleitetem Unterrichte (j. Blindenanftalten) durch 
erhöhte Ausbildung des Gefühls- u. Gehörsfinnes 
oft einen hoben Grad geiftiger u. technifcher Bild- 
ung. B. bat im rechtlicher Beziehung nach den 
abweichenden Beftimmungen der einzelnen Landes— 
geſetze verfchiedene perfönliche Beſchränkungen zur 
‚zolge, 3. B.: Ein Blinder ift der Lehnsſucceſſion 
unfähig; das Teſtament eines Blinden bedarf 
mehrerer Solemmitäten, als Teftamentszeuge fann 
jeine Concurrenz wenigftens Teicht angefochten 
werden; er bedarf für Bermögensübernahme, eines 
Curators; erift zur Übernahme öffentlicher Amter, 
einer Nichterftelle, einer Vormundſchaft u. a. une 
fähig; er lann nach Kanoniſchem Rechte nicht Kleriker 
werden (das linfe Auge ift das fanonijche Auge); 
Blinde Perfonen find durch das Staatärecht meift 
von der Regierung ausgeichloffen, doch kommen 
Ausnahmen vor (f. Hannover). Über die Zurech— 
nungsfäbigfeit der Blinden ſ. u. Zurech 
nung. Stammes haus. 
SBlindholz (Bloßholz, Weinb.), jo v. w. Steck⸗ 
ling. 


Bei jüngeren Blinden ift|ftüdweile ab. 


Dieies bübfche, durchaus unſchäd— 
liche Thier lebt in faft gang Europa, ſowie in 
Border-Afien; hält fi in Waldungen unter Moos 
und Laub auf, mährt fih vorzüglich von Negen- 
würmern, Schneden u. Inſecten u. wird daher 
auch durch feine Nahrung mütlih. Sie bringt 
etwa 12 lebendige Junge zur Welt. Im Spät« 
herbfte verkriedht fie fi in die Erde und liegt 
dafelbft, mitunter zu größeren Geſellſchaften ver- 
eint, bis zum nächiten Frühjahre. Tbome.* 

Blinzeln (lat. nieltijtare), das unwilllürlich 
eintretende, abwechfelnde Schüeßen n. Öffnen ber 
Augentidipalte, wodurch die Thränenfeuchtigkeit 
über den Augapfel vertheilt u. der Augapfel jtets 
feucht u. glänzend erhalten wird. Stammeshaus. 

Blinzen, die Augenfidfpalte durch Zufammen- 
ziehung der Augenlider verengern, mwodurd die 
Pupille gleichſam in eine jchmale, horizontale 
Spalte verwandelt wird. Berengerung der Pupille 
ift aber bei jeder Art von Undentlichiehen, welches 
auf optische Fehler des Auges zurüdzuführen ift, 
ein Mittel, Die Sehfhärfe zu heben (f. d. Art. Brille). 
Nur darf die Verengerung nicht zu weit geben, 
weil font die Helligkeit der Nethautbilder zu fehr 
abnehmen wiirde. Der Kurzfichtige (welcher feinen 
griechtichen Namen Myops — Miyopie — dem B. 
— gr. myein — verdanft), ficht durch B. fchärfer 


Blindmans (Spalax Güldenst.), Nagethiers in dev Ferne, der UÜberfihtige und Weitfichtige 


Blinzhaut — Blitz. 


fhärfer in die Nähe. Sobald die Augen mit der 
pafiende Brille bewaffnet werden, verichwindet die 
Angemohnheit des B-8. Stammestaus. 

Dlinzhaut (Membrana nictitans), jo v. mw. 
Nidhaut; ſ. Auge (der Thiere). 

Blittersdorf, eine katholiſche, urfprüng- 
fih in Bliderftorp bei Horneburg ım Stifte Bre- 
men, feit der Mitte des 13. Jahrh. im Erzjitifte 
Köln auf dem Hofe Bliderinendorp, jetzt in Baden 
und Pommern anfäjfige und 1664 in den Heichs- 
freiherenftand erhobene Familie; blühte fonft im 
3 Linien, von denen nur noch die Miühlendorfer 
beſteht, Freiherr Friedrich, Sohn des 1798 ver- 
ftorbenen Freiherrn Wilhelm Föjeph Friedrich, 
geb. 10. Febr. 1792 in Mahlberg im Breisgau; 
wurde 1813 Gejandtichaftsjecretär zu Stuttgart, 
1814 mit dem badifchen Kriegsminifter v. Ber— 
ftett im Hauptquartier der Berbiindeten accreditirt, 
1816 Legationsrathb und Gefandtichaftsiecretär in 
Frankfurt, 1817 im Geheimen Cabinet des Groß— 
herzogs angeftellt, 1818 Geichäftsträger am rujj. 
Hofe u. 1821 Bundestagsgejandter in Frankfurt; 
1835 trat er als Minifter des Großherzoglichen 

aufes u. der Auswärtigen Angelegenheit in das 

adiſche Minifterium; 1843 gab er feine Entlaffung 

u. ward im November wieder Bundestagsgejandter 
in Frankfurt, im December auch Gejandter am 
belgischen und niederländiſchen Hofe. Seit der 
Märzrevolution 1848 privatifirte er meift in Frauk⸗ 
furt, wo er 16. Aug. 1861 ftarb. Er ſchrieb: 
Einiges aus der Mappe eines alten Staatsmannes, 
Franff. 1849. 

Blitum, ſ. Chenopedium L. 

Blitz, 1) feurige Luftericheinung, ftarker elef: 
triſcher Funken, welder bei einem Gewitter ent- 
mweder zwiſchen zwei eleltriihen Wolfen, oder 
zwifchen einer ſolchen Wolfe u, der durch Bertheil- 
ung gleichfalls elektrisch gewordenen Erdoberfläche 
überjchlägt. Die Alten glaubten (nach Ariftoteles), 
daß der B. eine Entzündung brennbarer Dünfte 
in der Luft fei. Nach der Erfindung des Schieß— 
pulvers erflärte man den B. aus einer vermeint- 
lihen Entzündung von falpetrigem Salz umd 
Schmefel, um für das Berfchmettern durch den 
B. beim Einſchlagen u. für den Donner eine Er: 
eg. zu erhalten. Wenn auch gegenwärtig 
noch iiber viele einzelne den B, begleitende Umftände 
Meinungsverihiedenheiten beftehen, jo ift doch 
das Wefentlihe durch die Unterfuchungen neuerer 
Phyſiler, namentlich Aragos u. in der neueften Zeit 
Doves, feftgeftellt, u. bef. ſteht es feſt, daß der B. 
eine eleftriihe Entladung zwiſchen entgegengefett 
eleftriihen Wollen, od. auch zwifchen einer Wolfe 
u. einem Punkte der Erdoberfläche iſt. Windler 
in Leipzig ftellte zuerft (wenig beachtet) 1746 u. 
Franklin 1747 die Eleltricttät als Urſache des 
B:e8 auf; Letzterer bildete 1751 diefe Theorie mehr 


aus. Berühmt find Franklins Berjuche mit einem 
Papierdrachen. Diefer war mıt einer Spige ver: 


fehen, welche die Eleftricität einer Gewitterwolle 
anflaugte, oder durch welche vielmehr die Aus» 
gleihuug dieſer u. der ungleihnamigen Elektricität 
des Erdbodens bewirkt u. dadurd) die gleichnamige 


Eleftricität frei wurde, jo daß die Schnur des 


Diefe Verfuche gaben den unzweideutigen Beweis, 
daß der B. ein eleltriſcher Funken im Großen ift, 
welder, da er mit unberehenbarer Schnelligleit 
fih fortbewegt, der Dauer des Lichteindrudes im 
Auge zufolge (wie eine Rakete), langgezogen, als 
Strahl (B-ftrahl) ericheint. Die Bildung der B-e 
als eleltriſcher Funken geht im der Hegel von einer 
Ihon gebildeten Wolfe aus und ftrömt meift zu 
einer anderen Wolfe in geringerer oder weiterer 
Strede, in einem od. in mehreren Strahlen, mit 
weißem, röthlichem oder violettem Lichte über. Sie 
erregen dort nene B-ausftrömungen, fo daß bis- 
weilen die Erleudytung durch den B. als eine kurze 
Zeit andauernd erjcheint. Durch Berſuche mit 
den fich drehenden Farbenkreiſel, bei welchen die 
Fzarben nicht zu Grau verſchwammen, jondern auf 
der Scheibe umberjprangen, bat aber Dove dar» 
gethban, daß folhe fladernde B-e aus einzelnen 
getrennten Entladungen beftehen. Ihrem Aus— 
jehen nad) find die Be jehr verfchieden. Arago 
unterjcheidet drei Arten von Ben: a) Zickzach⸗Bee, 
b) Flächen-B⸗e, c) Kugel-Bee. Die der erſten 
Klaffe ericheinen als fehr ſchmale Yichtlinie mit 
ſcharf begrenzten Rändern, welche in zidzadför- 
miger Bahn von Wolfe zu Wolle, oder aus den 
Wollen zur Erde fahren, in welch letsterem Falle 
man fagt, daß der B. eingeichlagen habe. Ihre 
‚Farbe it gewöhnlich weiß, felten purpurröthlich, 
violett oder bläulih. Die Bee der zweiten Klaffe 
find weit häufiger, als die der erften. Sie ver 
breiten ihr meift röthlich gefärbtes Licht iiber grö- 
Bere Flächen umd zeichnen fich durch eine etwas 
längere Dauer der Lichterfheinung aus. Arago 
jelbft jagt über diefe zweite Klaffe von Been: „Sie 
iheinen manchmal nur die Umriffe der Wolken 
zu erleuchten, aus denen fie hervorbrechen. Manch— 
mal aud umfaßt ihr lebhaftes Licht die ganze 
oberflählihe Ausdehnung diefer Wolfen u. fcheint 
fogar aus ihrem Innern zu kommen, Alsdann 
gehen die Wolfen auf, wie man zu jagen pflegt: 
eine paffendere Bezeichnung als diefer Vollsaus- 
drud dürfte für diefe Erjcheinung wol kaum ge 
funden werden.” Beide Klaffen können mittels 
unferer Elektrifirmafchine im Kleinen nahgeahmt 
werden. Die erfte Stlaffe entipricht den gewöhn— 
lichen eleltriſchen unten, die zweite ift den Büſchel— 
u. Glimmentladungen der Maſchine analog. Diefe 
Anſicht wird auch durch die fpectroftopifche Unter» 
ſuchung des Lichtes der DB-e beftätigt. Nach Kundts 
Beobadhtungen befteht das Spectrum der BZidzad- 
Bee, gleich dem Spectrum des Funkens der Eleftrifir- 
maschine, aus einzelnen ſchmalen, ſcharf begrenzten 
Linien, während das Spectrum der Flächen: Be, 
wie dasjenige des Bilfchel- u. Glimmlichtes, durch 
breitere Lichtbänder gebildet wird. Die B>e der 
dritten Klaſſe find kügelförmig. Sie werden viel 
jeltener beobachtet, als die der "beiden erjten 
Kaffen, obgleih fie während des Gewitters die 
Atmoſphäre mit einer verhältnigmäßig fo geringen 
Geſchwindigkeit durchlaufen, daß man fie oft mehrere 
Secunden lang mitden Augenverfolgen kann. Ihre 
Farbe ift verjchieden von mattem Wei bis zum 
lebhaften Hochroth, u. ihr plögliches Verſchwinden 
erfolgt manchmal ohne Geräuih, manchmal aber 


Draden am unteren Ende bedeutende Funken iſt es mit einer dem Kanonendonner ähnlichen 
gab, wenn er einer Gemitterwolte ſich näherte, | Detonation begleiter, wobei fie nah allen Richt⸗ 


936 


ungen Zidzad-B-e ſchießen, welche furchtbare Zer— 
ſtörungen anrichten. Liais beobachtete bei einem 
Gewitter drei folder Kugel-B-e, die wie die me— 
teoriihen Feuerlugeln einen Lichtſchweif hinter 
fich zurüdtießen u. am Himmel 13 Grade in einer 
halben Secunde durchliefen. Arago zählt eine 
große Anzahl ſolcher Feuerkugeln auf, deren elef- 
triſche Natur zweifellos ift, deren Entftehungsmeije 
wir aber noch nicht erflären können. Auch über 
die Bildungsart der beiden erften Klaſſen bericht 
noch Meinungsverjhiedenheit. Das Zidzad der 
Bee der erjten Klaffe entiteht wahricheinlich , in— 
dem der B. wegen der Berdichtung der raſch ge 
drängten Luft plöglih von feinen Wege abge: 
leitet wird, vielleicht auch durch Einwirkung der 
Geftaltung des unter der Wolfe befindlihen Bo- 
dens. Auch ift es möglich, dag bisweilen der plötzlich 
icharf beleuchtete Nand einer dunklen Wolke, binter 
welcher der B. ausbridht, fir die Bahn des Bees 
gehalten wird. Selten und nur bei ſehr ftarler 
eleftriicher Spannung wendet fi der B. von der 
Wolfe erdwärts, u. 08 erfolgt das als Einichlagen 
des B-e8 befannte Phänomen, wobei der B. wie 
ein anderer eleftrifcher Funken nad Umftänden 
zündet, oder jchmelzend, oder mechaniſch durch 
Riſſe oder Zeriplitterung zerftörend wirkt. . Zu: 
weiten fahren Bse auch in die Höhe; jo murde 
an 1. Mai 1700 in Steiermark auf dem Gipfel 
eines von der Sonne beſchienenen Berges fieben 
Perfonen durch einen B. erſchlagen aus einer 
Wolfe, die auf der halben Höhe des Berges lag. 
Dit einem B-ichlage zwiichen Wolfen ift mım häufig 
ein Nüdichlag, d. h. ein plögliches Zuſammen— 
ftrömen der vorher vertheilten Elektricitäteu im 
den genäherten Punkten der Erde verbunden, der 
Par nie zündend, oft aber für Menichen und 
Thiere tödtlih gemweien if. Der B. leitet das 
Phänomen des Donners ein, den man fi ge- 
wöhnlich dadurch entftehend denkt, daß eine große 
Zahl faft völlig gleichzeitiger Erplofionen, welche 
auf einer Linie hinter einander und alfo in ver: 
ihiedenen Entfernungen vom Beobachter liegen, 
wegen der verbältnigmäßig langfamen ‚Fortpflanz» 
ung des Schalles nach einander gehört werden; 
doch berubt er wol aud noch auf auderen Be- 
dingungen. In feltenen Fällen find fogar in 
großer Höhe über dem Beobachter B-e ohue 
Donner gejehen worden. Dagegen ijt das 
Üetterleuchten am ſcheinbar hellen Horizont, bei 
welchem man keinen Donner hört, nach zuverläffigen 
Erfahrungen nur der Widerihein ſehr entiernter 
Gewitter, was um fo wahrfcheinlicher ift, als man 
noch nie einen Donner eines mehr als 30 km 
entfernten B=e8 gehört, wol aber den Schein von 
Gemittern bis auf 187,, km geſehen hat. Bei der 
Entftehung des B-e8 wird die eleltriihe Spannung 
u, die damit verbundene gegenfeitige Abſtoßung 
der Wollentheilchen plöglich aufgehoben. Dieſelben 
ftürzen zufammen u, verurſachen meist momentan 
einen reihliheren Regen. Nah einer anderen 
Erklärung ift das Zufammentreten der Beinen 
Dunftlügelhen der Wolfe die Urfache des Bres; 
daß der Regen erft nach dem B:e beobachtet wird, 
bat einfah darin feinen Grund, daß die Ficht- 
erſcheinung des B-s, um bis zur Erde fich fort 
zupflanzen, eine verſchwindend Heine, die Negen« 


Blitz. 


tropfen aber, um von der Wolfe zur Erde herab«- 
zufallen, eine weit größere Zeit gebrauden. Wenn 
die mit Elektricität von geringer —— gela⸗ 
denen ſehr Heinen Dunftkügeichen zu größeren —— 
tropfen zuſammentreten, ſo muß ſich die Elektri— 
cität derſelben auf der Oberfläche des Tropfens 
anfammeln, Nun ift aber diefe ſehr viel Feiner, 
als die Summe der Oberflächen der einzelnen 
Dunfttügelhen, woraus ſich ergibt, da die Spann 
ung der Eleftricität auf dem NRegentropfen eine 
ſehr viel größere fein u. fomit eine raſche Bildung 
von Negentropfen auch eine ebenjo plögliche elek» 
trifhe Entladung zur Folge haben muß. ft der 
B. aber gebildet u. findet er einen elektriſchen 
Leiter, jo nimmt er an ihm feinen Fortgang. Als 
ſolche Yeiter find bef. Metalle u, Waſſer befannt. 
Ob ein zu eimem brennbaren Körper gelangender 
B. zündet, od, nicht (heißer oder kalter Schlag), 
bängt nicht bloß von der Zündbarkeit der Körper, 
fondern auch davon ab, ob die Leitung verfchieden« 
artig u. zu mehreren Malen unterbrochen if. So 
bat man Fälle, daß felbft an Schiegpulver ein B., 
ohne zu zünden, herabgefahren ift; Dagegen bildet 
fi) in trodenen, mit eifernen Nägeln befeftigten 
Brettern, wenn fie der B. trifft und von einem 
Nagel zum anderen überſchlägt um jeden Nagel 
eine Flamme, Bei Entzündung von Häufern 
bricht oft die Zlamme an mehreren Orten zugleich, 
oft aber auch mehrere Stunden fpäter aus; bis 
dahin ift es nur ein glimmender Funke, weidhen 
der B. entzündet hat. Metalle ſchmelzen gemwöhn« 
ih vom B. nur da, wo die Leitung unterbroden 
(wie durch Moften) oder wo der Baſtrahl der Leit» 
ung übermädtig war, Der B. ſchlägt aus 
Wolfen wegen größerer Nähe leichter auf hohe 
Erdgegenjtände, al3 auf niedrige; Bäume find 
duch ihren Saft gute Leiter für den B., na- 
mentlich Eichen, Nadelhölzer (vielleicht wegen ihrer 
barzigen Theile) weniger; Raud u. Waflerdampf, 
alfo auch die dur das Athmen vieler Menſchen 
oder Thiere feuchte Luft Teiten den B. ebenfalls 
leicht, deshalb fchlägt er oft in Eſſen, Ställe, volle 
Kirchen, felbft wenn zu einem anderen Erdgegen«- 
ftande, 3. B. einer Berghöhe oder einer Thurme 
jpige, fein Weg näher gewefen wäre. Sider- 
ungsmaßregeln gegen den B.: man vermeide 
während der Gewitter den Aufenthalt an höheren 
Drten u. die unmittelbare Nähe von guten Yeitern, 
itelle fih 3. B. nicht unter Bäume, bei. Eichen, 
namentlich auch nicht unter größere herabhängende 
Zweige, ferner nicht in die Nähe von Gemäner, 
befond, wenn an jolhem metallene Stoffe (3. B. 
Klingeldrähte) find; man vermeide das Zufammeit- 
jein mit vielen Menichen oder Thieren; hüte fich, 
während Gewittern an zugige Orte, unter Schorn« 
fteine, im Zimmer, wo an zwei Seiten Fenſter 
geöffnet find, zu gehen. Ganz befonders aber 
vermeide man die Nähe metalliiher Leitungen, 
3. B. der Gasröhren, ftelle fih nicht unter Die 
von der Dede herabhängenden Gaslampen. Die 
Wirkung des B-fchlages auf den menſchlichen 
Organismus ift eine heftige Erichütterung der 
Nerven, wodurch das Bewußtſein genommen, 
wirklicher Tod oder auch Scheintod (Asphyxia 
de fulmine tactorum, Sideratio) bedingt werden 
fann. Nur auf der Haut des Getroffenen zeigen 


Blitzableiter. 537 
ſich gewöhnlich Brandfleden od. entzündete Streifen] Grube, deren Seiten ausgemauert waren, deren 
mit ausgezadten Rändern oder ftrahlenförmigen | Boden aber frei blieb m. über melde ein fchhorn- 
Ausläufern, während innere Organe ihrem Ane|Beinartiger, oben ofjenbleibender Schacht mit der 
fammenbange nad unverlegt bleiben; felbft die | Inſchrift? Fulgur conditum errichtet wurde, Gin 
Kleider bleiben bei vom Bee getroffenen Perſonen ſolches Grab, von feiner Ahnlichleit mit einem 
oft völlıg unbeſchädigt; oft aber werden fie ftellen- Brunnen Puteal, oder von dem dabei von ben 
weije verbrannt, zerriffen u,, was von Metall an) Harujpices gebradhten Opfer Bidental (j. d.) ge- 
ihnen ift, zumeilen geſchmolzen. Manchmal erfolgt inannt, wurde zu dem Loca religiosa gerechnet, 


auch nur eine Nervenlähmung. Der vom B. Ge-| 
troffene empfindet während des B-jchlages leinerlei 
Schmerz. Bei Rettungsverfuhen an vom 
B. getroffenen Menſchen muß man die viel- 
leicht nur unterdrücte, nicht vernichtete ebensthätig« 
leit durch einen fchnellen Reiz wieder anfachen. 
Liegt der Getroffene im Zimmer, fo muß zunächſt 
durch Fenſter u. Thüren frische Yuft eingelafien, 
das Geficht mit faltem Waſſer beiprigt, die Naſen— 
löcher mit einigen Tropfen Salmiafgeift benett, 
Stirn u, Wangen mit Branntwein od. Kölniſchem 


welche Niemand betreten dınjte. Ein vom B. Er- 
fchlagener wurde an der Stelle, wo er gefunden 
wurde, begraben. In der nordiſchen u, deutichen 
Mythologie ift der B-gott Thor od, Donar; als feine 
berabgeworfenen und in die Erde gefandten Bre 
galten die Domnerleite (ſ. d. u. vgl. Blitzröhren); 
in der indiihen hat Siwa den B. als Attribut. 
Eine Ableitung ſämmtlicher Mythologien aus 
poetifcher Betrachtung des Bres und Donuers 
verſuchte Schwart (Urfprung der Mythologie, 
Berl. 1860). In Wappen foll der B. die blitz— 





Waſſer eingerteben, Hände u. Füße kräftig mit 
Tüchern gerieben werden. Bleibt dies Alles er- 
folglos, jo drüde man mit beiden flach auf den) 





ſchnell überfallenen yeinde bedeuten; man nannte 
früher auch wol Pfeilſpitzen B+e. Auf dem 
Theater wird der B. meift durch in ein Yicht ge- 


Leib gelegten Händen denfelben längere Zeit (nöthi- |blafenen Bärlappenſamen oder Eolophonium nad) 
genfalls eine halbe bis ganze Stunde lang) gleich- |geahmt,. 2) B. im Auge, f. u. Augentäufhungen, 
mäßig auf und mieder, um auf diefe Weiſe das ESpedit.* 
Athmen wieder in Gang zu bringen. Blitzableiter, Vorkchrung, den einichlagenden 
Die Griechen betrachteten den B. (Astrape) als Blitz ohne Verlegung der Gebäude zur Erde hiyab- 
unmittelbare Wirkung des Zeus, welchem die|zuleiten. Franklin, der Begründer einer umfaſſen— 
Kyliopen die B=ftrablen (Keraunoi) verfertigten;)den Elektricitätslehre, ſuchte zuerſt (1749) durch 
mit dieſen war feine Rechte bewehrt, und er|Aufitellen metallener Spigen auf die höchſten Theile 
jhleuderte fie herab, um Frevler zu züchtigen) eines Gebäudes eine vorüberziehende eleftwiiche 
und den Menihen Zeichen zu geben. In leg: |Wolfe, ohne daß es zu einem eleftriichen Funken 
terer Beziehung wurden die B-e mantentlich bei komme, zu entladen; 1753 aber erklärte er fi 
den Etrusfern von bejonderen Prieftern beobach- dahin, daß dergleihen Spigen den Ausbruch eines 
tet u. gefühnt, umd im ihrer Religion hatte ſich eleltriſchen Lichtfuntens in der Nähe derielben ver- 
dazu eine ganz bejondere B-theocie (Ars fulgu-|büteten u. auch einen durch die Wolfen bis in ihre 
ratoria) ausgebildet, welde in beſond. — ————— geleiteten Blitz auffingen u, num fo weit lei— 
(Libri fulgurales) aufgezeihnet war. Von den!teten, als die Gontinuität der metallischen Diafie 
Etrusfern war diefe Lehre auch zu den Römern nicht unterbrochen würde, daß dDaber, wenn die 
übergegangen. In alter Zeit war es bei den/metalliihe Yeitung, in einiger Entfernung von 
Römern bloß Sitte, die Be zu fühnen; zurlanderen Gleftrictätsleitern, bis zum Erdboden 
Kaiferzeit wurden fie auch befragt, abgehalten u. |veiche, auch der Blitz dahin gelangen werde, ohne 
berabgezogen. Zunächſt unterſchied man die bei den Gebäuden Schaden zuzufügen, od. das Yeben 
Zage erjheinenden u. die nächtlichen und fchrieb |der Bewohner derjelben zu bedrohen. Ju Deutich- 
dieje dem Summanus, jene dem Jupiter zu; dielland wurden gleichzeitig (1753) von Windler in 
eigentlichen B=e biegen Fulmina, das bloße Wetter-|Yeipzig VBorichläge zur Bligesableitung gemacht, 
leuten aber Fulgura. Die Deutung der Bre,jaud 1754 von Proc. Diviſch in Mähren zur AUus- 
welche in das Gebiet der Harufpices (ſ. u. Auguren) führung gebracht. Doch biürgerte fih der B. 
gehörte, gab von jedem Bee an, ob er warnend, mit entſcheidendem Erfolge zuerſt in NAmerila 
Gefahr verlündend, Erwartung täuſchend, Ver- ein. In England wurde der erſte B. 1762 zu 
derben anzeigend ꝛc. ſei. Als glücklich galten die Payneshall von Walſon errichtet, in Hamburg erſt 
von lints, als unglücklich die von rechts fommen-|1769 auf dem Jakobithurm. Judeſſen fehlte es 
den. B-beobadhtungen wurden bejonders bei In⸗ auch nicht an Bedenklichkeiten, beſ. ſeitdem 1753 
augurationen u. beim Amtsantritte der Magiſtrate, Richmann in Petersburg, als er mährend eines 
nie bei Gomitien angejtellt. Bon den Mitteln, | Gewitters durch eine metallene Stange den Blitz 
melde man zur Abhaltung des B-es ammendete, in fein Zimmer zu, alfo nicht ableitete, durch 
ift wenig befannt; das Bepflanzen der zu ſchützen- einen ſeitwärts übergeihlagenen Funken getödtet 
den Stellen mit weißen Weinjtöden ſollte dazu wurde. Selbft Phyſiker (mie Nollet 1764) er— 
dienen. Aber das Herabzieben des B-es, welches klärten fih gegen die Nugbarteit der B. Beſon— 
ſchon die Könige Numa u. Tullus Hoſtilius ver-|ders wurde geltend gemacht, daß metallene Spigen 
jucht hatten, wollten die Prieſter noch zu Alarichs |elektrifhe Wolfen anzögen, zu ihrer Entladung 
Zeiten verfiehen. Die Sühnung der B-e, welde) aber nicht hinreichten. Wilfon (1773) glaubte in 
eingefchlagen hatten, geſchah durch Beftattung, in ſtmpf endenden metallenen Stangen auf der Höhe 
alter Zeit nad der Anweifung der Pontifices, der Gebäude einen fiheren Schu für Gebäude 
fpäter unter Zuziehung etrustifher Haruſpices gegen den Blig gefunden zu haben. Dod bat 
(Fulguratores). Das B-grab beftand in einer|die Erfahrung gelehrt, daß über ein Gebäude ſich 





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38 


Blitzableiter. 


erhebende (zum Schutze gegen Roſt vergoldete) ſu. feuchter ein zweifelhafter Elektricitätsleiter iſt, 


Metallſpitzen (Auffangeſtangen) den Vorzug be— 
haupten u. ſicher leiten, wenn nur die metallene 
Yeitung (Ableitungstette) ſelbſt völlig unumter» 
brodhen ift u. keine zu Meine Oberfläche darbietet. 
Nah einem Berichte der Franzöftihen Alademie 
der Wiffenfchaften jollte die ſchützeude Kraft eines 
B⸗s fih auf einen freisförmigen Raum erftreden, 
deifen Durchmeſſer viermal jo groß, als die Höhe 
des Bes jet, fo daß aljo ein Dach von 28m Yänge 
eine Auffangeftange von 7 m Höhe, in der Mitte 
deifelben errichtet, erhalten müſſe, um geſchützt zu 
fein. Doch hat ſich dieſe Hegel keiuneswegs in 
allen Fällen als fiihhaltig erwieſen. Damit der 
B. feinen Zmwed vollitändig erfülle, muß er mit 
großer Sorgfalt conftruirt werden. Nach einer 
unter den Aufpicien der Franz. Akademie der Wifjen- 
haften von Gay-Luſſac verfaßten Inſtruction 
muß die Spitze des Bes folgendermaßen beſchaffen 
fein: Auf einer 8—10 m langen Eiſenſtange wird 
ein O,, cın langer, etwas Toniicher Meijingitab 
eingeſchraubt u. dann noch mit einem Querſtifte 
befestigt. Oben in diefem Mejfingitabe iſt eine 
Platinnadel von 5 cm Länge mit Zilber einge 
löthet und die Verbindungsftelle mit einer Hille 
von Meifing umgeben, wodurch fie geihütt und 
die Verbindung der beiden Stüde feſter wird. 
Auch wird, namentlid in Deutichland, die Spite 
ans Eiſen gemacht u., um zu verhindern, daß fie 
roftet, oben vergoldet. Am Fuße der Stange ift 
ein hervorragender Rand aus Dietall zum Schutze 
des Holzes, in welches fie befeftigt wird, gegen 
die aus herabrinnendem Waſſer entftehende Fäul— 
niß angebradt. Die Stange des B-8 muß dann 
nit dem Boden durch eine metalliihe Leitung 
verbunden werden, Dieſe Leitung bejteht am beiten 
aus Ztabeifen; weniger gut find dide Seile von 
Meſſing- oder verzinttem Eifendrabte. Um das 
Orydiren, welches ftörend aufdie eleltriſche Leitungs- 
fähigfeit einwirken kann, zu verhindern, wird Die 
Yeitftange mit einem Ölfarbenanftric oder Yad- 
firniß überzogen. Statt des eifernen Yeiters bes 
dient man fi im neuerer Zeit auch kupferner 
Blechſtreifen, da Kupfer ein viel bejjerer Eleltri— 
ertätsleiter iſt und fich außerdem durd geringere 
Oxydationsfähigleit empfiehlt. Die durch eiferne 
Klammern getragene Yeitung wird über das Dad) 
u, längs der Mauern bis zum Boden herabge- 
führt. Befinden ſich Schornfteine auf dem Ge- 
bäude, fo thut man wohl, diejelben noch extra mit 
einer Anffangeftange zu verjehen u. diefe mit der 
Zeitung in Verbindung zu jegen; find Gebäude 
ganz mit Kupfer gededt, jo hat man nur für eine 
Verbindung des Daches mit der Erde durch eine 
Kupferteitung zu jorgen. Sind in oder an einem 
Gebäude beträchtliche Metallmafjen, z. B. bleierne 
Möhren, Dachrinnen, jo jege man fie mit dem 
B. in metallene Verbindung; daſſelbe thut man, 
wo auf einem Gebäude mehrere B. errichtet wer- 
den, Ber Pulvermagazinen werden zwei od. auch 
mebrere hohe Auffangeftangen neben dem Gebäude 
errichtet, das Magazin felber aber nur mit Ab» 
leitern verjehen. Die Bodenleitung ift bei der 
Errichtung eines B-8 von der höchſten Wichtig: 
feit, da feine Wirfiamteit weientliih von ihr ab- 


jo jollte man fters fo tief graben, bis man auf 
Grundwafler fiößt und das Ende der Yeitung 
1—2 m tief in daflelbe einfenfen, Ein in der 
Nähe befindliher Teich, Bach od. Brunnen feiften 
diefelben Dienjte. Um die Berührungspunfte zu 
verinehren, führt man die Leitung durch Wind» 
ungen, welche man mit Holzkohlen ausfüllt, zu 
dem betreffenden Wafferbehälter. Dies ift injo- 
fern vortheilhaft, als die Kohle nicht nur ein guter 
Leiter der Eleltricität ift, jondern auch das Metall 
vor Roſt jhüge Im Falle ſchlechterdings fein 
Waffer zu erreichen ıft, muß man menigitens bis 
zu einer feuchten Erdſchicht verdringen und der 
größeren Sicherheit wegen die Yeitung noch in 
Seitenfanäle verzweigen. Außer an hoben und 
wichtigen Gebäuden werden B. auch an Maften 
von Schiffen angebradt. Der von dem Engländer 
William Harris für Seeſchiffe conftruirte B. hat 
ih jo gut bewährt, daß die engliihe Marine 
Millionen dadurh erjpart. Da die Alten be- 
obachtet hatten, daß der Blig nie über 5 Fuß 
tief in die Erde fährt, fo glaubten ſich Furchtſame 
in Kellern u. tiefen Höblen vor Gemittern ficher, 
oder gingen unter Zelte von Seelalbfellen, weil 
diefe Thiere nicht vom Blitz getrofien werben 
jollten. In Indien hatte man eine Art B., in- 
dem man aus dem am Grunde einer Gold aus 
ftrömenden Duelle gefundenen Eiſen Schwerter 
machte, die, in die Erde geftedt, wie Wolfen uud 
Hagel, jo auch Blitzſtrahlen abwenden jollten. Die 
Berjer glaubten, der Dampf des Adats fünne 
Blige abwenden. Die Sage, daf die etrustiichen 
Aulguritoren Blige vom Himmel hätten leden 
tönnen (j. Etrustiihe Religion), hat cs Einigen 
wahrſcheinlich gewacht, daß die Emuster ſchon 
B. gehabt u. die Kömer fie von dieſen kennen 
gelernt hätten. Vgl. Yuz, Lehrbuch der Bligab- 
teitungslehre, neu bearbeitet von J. 8. Gütte, 
Nürnb. 1804, 2 Thle.; Eijenlohr, Anleitung zur 
Ausführung u. Pifitarion der B., Karlsr. 1845; 
Buchner, Die Construction u. Anlegung der B., 
Deimar 1867; Strider, Der B. u. feine Wirt 
ungen, Berl. 1872. Epedt.* 
ligableiter für eleftriiche Telegrapben 
jollen vie Zelegraphenapparate u. Zelegraphen- 
leitungen gegen die Beihädigungen durch die at» 
moſphäriſche Elektricität ſchützen; fie werden theils 
in den Apparatzimmern, theil$ an den Yeitungen 
jelbit angebradt. Die B. im Apparatzimmer 
bewirfen entweder, daß jeder in der Yeitung jort» 
chende Strom atmoſphäriſcher Elektricität und 
jeder durch die letztere in die Leitung inducirte 
Strom, weicher jo kräftig ift, daß er den Appa— 
raten oder jelbjt den Beamten jchaden könnte, fich 
jelbjt den Weg nad den Apparaten abbricht, od. 
fie verwerthen die Eigenichaft der atmoſphäriſchen 
Elektricität, durch Heine iſolirende Zwiſcheuräume 
auf andere mit der Erde verbundene Leiter leicht 
überzuſpringen, während die galvaniſche Elektri— 
cität wegen ihrer geringen Spannung eher einen 
ununterbrochenen Stromkreis von hundert Meilen 
durchläuft, als daß fie auf kurzem Wege eine im 
der Yeitung befindliche, noch jo Feine Unterbrech- 
ung überipringt. Im Jahre 1846 murden zwei 


hängt; da nämlich tredener Boden ein ſchlechter B. der erften Art von Breguet in Frantreih m. 


Blikplatten — Blod). 


James D. Reid in Philadelphia, zwei der anderen| Sanblörner. Sie find oft 8—10 m lang; 
Art von Steinheil in Münden u. von Highton äußerer Durchmeffer beträgt meift 5 cm, ihr 
in London angegeben. Steinheil verband dielinnerer einige mm. Dft erſcheinen fie im zwei 
Leitung zuerft vor u. hinter dem von der Leitung |faft gleiche Arme getheilt u. find noch mit Neben- 
nad) den Apparaten geführten Drahte mit einer|äften verfehen. an findet fie bafd im verticaler, 
Metallplatte; beide Platten waren nur durch einen bald im fchräger Richtung im Sande, nach dem 
Heinen Zwiſchenraum getrennt, damit die atıno- | unteren Ende bin fich verzweigend u. enger u. ſpitzer 
ſphäriſche Eleftricität, von einer auf die andere /zulaufend Die innere Fläche ift vollfommen ver« 


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ihr 


überjpringend, aus einem Leitungszweige in den 
anderen übergeführt werde; ſpäter wurden zwei 
durh dünnes Seidenzeug von einander getrennte 
Platten angewendet, von denen die eine mit der 
Leitung, die andere mit der Erde in leitender 
Verbindung fand, damit die atmoſphäriſche Elel- 
tricität aus der Leitung unmittelbar zur Erde ge 
führt werde. Highton umwidelte den Leitungs— 
draht einige Zoll lang mit Seide u. Papier und 
umgab diefe Hille mit mehreren nad) der Erde 
führenden Metallprähten. Breguet ftellte den 
Leitungsdratd in der Nähe der Stationen aus 
ganz feinem Drahte her, damit diejer, falls ein 
ftarter Strom atmofphärifcher Elektricität der Pinie 
entlang kommen follte, durch denſelben abſchmelze 
und der Strom nicht in die Apparate gelange. 
Reid führte die Luftleitung nach dem einen Ende 
der Ummidelung eines Eleftromagneten, verband 
das andere Ende mit der Achſe des Anferhebels, 
durch welchen im feiner Nubeftellung die Tele: 
graphirftröme zu den Telegraphen gelangten, wäh— 
rend die ftärferen atmoſphäriſchen Ströme den 
Anfer anzogen, den Ankerhebel auf einen zur 
Erde abgeleiteten Contact legten u. ſo ſich ſelbſt 
den Weg zu den Apparaten abbrachen, zugleich 
aber einen anderen zur Erde herftellten. Die jest 
üblihen B. find entweder Bligplatten, d. h. 
geriefte Eifenplatten, von demen die eine mit der 
Erde, zwei aubere, diefer nahe gegenüberftehende 
mit der TZelegraphenleitung, die eine vor, Die 
andere hinter den Apparaten, verbunden find; 
oder fie find Spiten- oder Schneiden-Ab- 
leiter, in denen die eben erwähnten drei Platten 
durch drei mit vorjtehenden Spiten od. Schneiden 
veriehene Metallichienen erjett find, wobei jedoch 
die nah den Apparaten führenden Drähte jo 
diinn gewählt zu werden pflegen, daß fie durch 
ftärtere Ströme abſchmelzen. Zu noch befierem 
Scuge der Leitungen u. Apparate gegen die Wirk— 
ungen ftarler atmoſphäriſcher Ströme werden auch 
außerhalb der Stationen auf den Telegraphenfäulen 
B. angebradıt. ES geichah dies zuerft 1849 auf 
der Linie Wien-Lundenburg. Solche B. beftehen 
aus Metallbändern oder Seifen, welche unten tief 
in die Erde eingegraben find, während fie oben 
in zwei gabelförmige Spiten enden u. mit diejen 
zwei anderen Spigen einer mit der Leitung ver 
bundenen eifernen Gabel ſehr nahe gegenüber- 
ftehen; oder die Bänder werden mit den an bie 
Säulen angeihraubten Eifenbügeln oder Eifen- 
gloden verbunden. Zetſche. 

Blitzplatten, ſ. Blltabfeiter für Telegraphen. 

Blitzrad, ſ. Galvanismus. 

Blitzröhren Glitzſinter) heißen die im den 
ſandigen Ebenen von Weſtfalen, Schleſien, Oft- 
preußen, Cumberland, Braſilien u. a. a. O. vors 
fommıenden, durch Blitzſchläge erzeugten, vöhren» 
fürmigen Maſſen halb zuiammengejchmolzener 


glaft, die äußere rauh u. böderig u. fieht aus 
wie eine mit zufanmengebadenen Sandlörnern 
bededte Krufte. Die Maſſe ift jo hart, daß man 
Glas damit rigen fanı. Ihre Entftehung durch 
den Blitz wurde lange bezweifelt, bis man „bie 
Natur auf der That ertappie“, indem man zu 
wiederholten Malen folhe Nöhren da fand, wo 
der Blitz eingefchlagen hatte. Fiedler, der viele 
Beobadhtungen über dieſen Gegenftand machte, 
betrachtet (Gilberts Annalen, Bd. LV. u. LXL) 
die B. dadurch entſtanden, daß ſich in einer ge» 
wiſſen Tiefe unter der Oberfläche der Sandebenen 
Waſſermulden befinden, nach welchen der Blitz 
durch den Sand hindurch ſchlägt. Auch künſtliche 
Verſuche haben dargethan, daß die B. elektriſchen 
Urſprunges find. Bol, Ribbentrop, Über B., 
Braunſchw. 1830. Specht. 

Blitztafel, ſ. Elektriſirmaſchine. 

Blitzvogel, ſ. Steißfuß. 

Bloch, 1) Marcus Elieſar, bedeutender 
Ichthyolog u. Arzt, jüdiſcher Ablunft, geb. 1723 
in Ansbach; fam als armer Hauslehrer nad Hanıs 
burg zu einem jüdifchen Chirurgen, durch den er 
angeregt wurde, Medicin zur ſtudiren. Unter vielen 
Sorgen, aber mit eifernem Fleiße lag er in Berlin 
dem Studium der Anatomie u. der Naturwiſſen— 
fchaften ob, promopirte in Frankfurt, ging als 
praftiicher Arzt nach Berlin u. blieb hier bis zu 
feinem Tode 6, Aug. 1799 (nad Anderen foll cr 
in Karlsbad geftorben fein). Seine Okonomiſche 
Naturgeichichte der Fiſche, bejonders in den preus 
ßiſchen Staaten, Berl. 1781— 82; ber Fiſche 
Deutſchlands, ebd. 1782—83, u. der ausländiichen 
tjche, ebd. 1785—95, ift noch heute muftergiltig 
u. reiht den Verfaſſer unter die vorzüglichiten 
Naturforicher ein; ebenjo gediegen ift feine Ab- 
handlung von der Erzeugung der Eingeweidewür— 
mer u. den Mitteln wider diefelben, ebd. 1782, 
von der Königl. Alademie in Kopenhagen preis- 
gelrönt. Sein Systema Ichthyologiae blieb leider 
unvollendet u. wurde von Schneider herausge— 
geben, Berl. 1801. 2) Morik (ungar. Ballagi), 
Sprachforſcher, geb. 17. April 1816 in Tarnoka 
in Ungarn, jüdiſcher Abkunft; widmete ſich in 
Presburg und Paris dem Studium der Sprachen 
u., nachdem er 1840 zum Mitgliede der Ungar. 
Afademie ernannt worden war, 1843 in Tübingen, 
wo er zum Proteftantismus übertrat, der Theologie, 
Nah Ungarn zurüdgelehrt, wurde er 1844 Lehrer 
an dem evangeliihen Gyınnaflıum zu Szarvas; 
mwährend der ungarischen Revolution von 1848 war 
er Secretär des Kriegsminifteriums. 1851 fehrte 
er nad Szarvas zurüd, wurde dann fpäter Leh— 
rer an der Reformirten Anftalt in Peſt. Er ſchr.: 
A Zsidökrol (über Fudenemancipation, weldye er 
nur durh Magyarifirung der Juden für möglich 
hielt), Bet 1840; Möses öt Könyve (Die Bücher 
Mofes u. Joſna), ebd, 18140—43, 5 Bde.; Magyar 





540 


peldabesz6ödex gyüjtemenye (Sammlung ungar, 
Sprüdwörter), Szarwas 1860; Uj teljes nemet- 
magyar ds magyar-nemet szötar (Neues voll- 
ftändiges ungartich-deutfches u. deutih-ungariiches 
Wörterbuch), 3. Ausg. in 2 Bon., Peſt 1871— 72; 
ein ungarisch» deutiches Tafhenbudh (Zsebszötär); 
Deutſche Sprachlehre für Ungarn (Nemet nyelstan), 
7. Aufl., Peſt 1868, ac, 3) Karl, dän. Maler, 
geb. 1834; ſeit 1866 Profeſſor und Mitglied der 
Kunftalademie in Kopenhagen, Ungewöhnlich pro- 
ductiv u. von großer Beweglichkeit des Talents, 
bewegt er fi in dem verichiedenften Gebieten u. 
Werfen, bewahrt ſich aber dabei feine Eigenart u. 
ein entichieden malerisches Gefühl. Werte: Niels 
Ebbeſen überraſcht 1340 den bolfteiniichen Grafen 
Geert in Randers; Graf Moltke Glorup in Fünen; 
Befreiung des Prometheus, vielleicht das bedeu- 
tendite Wert dänischer Dealer; bibl. Stoffe genre: 
haft nach franz. Mufter. 1) Tbambayn. 3) Regnet. 
Blochmann, 1) Rudolf, geb. 13. Dec. 1784 
in Keichitadt bei Dippoldiswalde (Königr. Sachſen); 
bildete fih in Dresden zum Mecaniter u. wurde, 
nachdem er feit 1806 in München im Neichenbach- 
chen u. jeit 1809 in Benedictbeuren im Utichneider- 
Fraunhoferſchen Inſtitut gearbeitet hatte, 1818 In— 
jpector des Mechanisch-phufifaliichen Salons u. der 
Kunjtfammer in Dresden, wo er auch ein eigenes 
mechaniſches Inſtitut begründete, Er machte ſich 
um die Einführung u. Verbefferung der Gasbe: 
leuchtung in Sachſen u. weiterhin in Deutichland 
ſehr verdient, namentlich dadurch, daß er Gasbe- 
reitung u. Beleuchtung, unabhängig vom Auslande, 
mit deutichen Mitteln n. Kräften ausführte; auch 
erfand u. verbefjerte er mehrere technifche Gegen 
ftände, 3. B. eine Laterne, welche fait feinen 
Schatten wirft. Im Mai 1969 trat er aus dem 
Staatsdienfte u. ft. 21. Mai 1871 in Dresden, 
2) Karl Juftus, Pädagog, Bruder des Vor., 
geb, 19, Febr. 1786 in Neihitadt bei Dippoldis- 
walde (Königr. Sachſen); ftudirte in Leipzig Theo- 
logie u. Pädagogif u, war 1809— 1816 an der 
Peſtalozziſchen Erziehungsanftalt in Mperdon Leh— 
rer; er durchreifte dann bis 1818 als ‚Führer eines 
jungen Briten Italien, kam 1819 als Bicedirector 
an Die neue Friedrich-Auguſt-Schule in Dresden u. 
begründete 1824 mit lönigliher Unterftügung in 
Dresden eine höhere Bildungsanftalt für Knaben 
der bemittelten Stände, die als B-jches Inſtitut 
noch befteht u. mit welchem 1828 das von Bit: 
thum von Edftädt 1638 gegründete Bitzthumſche 
Geſchlechts-Gymmaſium zu einem noch jet ve 
nommirten Gymmafial-Erziehungshanfe verbunden 
wurde. Im J. 1851 übergab B. die Direction des 
Inſtituts feinem älteſten Schwiegerfohne Bezzen- 
berger u. behielt fih nur die Ertbeilung des Re— 
igionsunterrichtes vor; Oftern 1855 gab er aud 
dieſe auf m. ging zu feinem dritten Schwiegerjohne, 
Haccins, nah Chaͤteau-Lancy bei Geuf, Er ft. in 
Senf 31. Mai deſſ. 38. Bal. B., Uber die Grund— 
füge ꝛc. meiner Erziehungsanftalt, Dresd. 1826, 
Er ſchr. u. a.: Heinrich Peſtalozzi, Ypz. 1846; 
Ein Wort über die Bildung unferer Jugend zur 


Blochmann — Blodsberg. 


1805 das Gut Obermwittgendorf bei Haynan und 
1811 Schierau, wo er eine landwirtbichaftliche An- 
ftalt anlegte; feit 1835 war er Amtsrath, Director 
des Schlefiichen Creditvereins u. Intendant der 
Schleſiſchen Stammſchäferei in Liegnitz; er flarb 
21. Nov. 1847 zu Karolath in Schlefien. 2. 
führte 1812 die Sommerftallfütterung für Schafe 
ein u. wendete zuerft die Erdftren in Ställen an. 
Er ſchr. u. a.: Mittheilungen landwirtbichaftlicher 
Erfahrungen zc., Brest. 1830, 3 Bde., 3. A. 1842. 
2) Morig, franzöſiſcher Statiftifer, jüdischer Ab- 
funft, geb. 18. Febr. 1816 in Berlin; wurde in 
Paris erzogen u. ftudirte hier, in Bonn u. Gießen 
Staatswifjenichaften; 1844 wurde er im Minifte- 
rium des Aderbanes in Paris angeftellt u. 1852 
Mitarbeiter im Statiftifhen Bureau, ward aber 
1864 durch Zerwürfniß mit feinem Chef Legoyt 
veranlaßt, dieje Stelle aufzugeben. Er überjegte 
Roihers Buch fiber den Korubandel ins Frans 
zöſiſche, Bar. 1854, u. fehr.: L’Espagne en 1550, 
ebd. 1851; Des charges de l’agrieulture dans 
les divers pays de l'Europe, ebd. 1850; Diction- 
naire de l’administration fraugaise, ebd. 1856, 
3.4., 1862; dazu Annuaire de l’administration 
frangaise, 1858 fj.; Statistique de la France, 
ebd. 1860, 2 Bde. (Preisihrift); Die Bevölkerung 
des franzöſiſchen Kaijerreiches, Gotha 1861; Die 
Bevölferung Spaniens u. Portugals, ebd. 1861; 
Die Machtftellung der europäiſchen Staaten, ebd. 
1862, franzöfiich, ebd. 1862; Die Finanzen des 
franzöfiichen Kaiferreiches, ebd. 1869. Er .bear- 
beitete Frankreich für das Handb. der Geogr. von 
Stein u. Hirihelmann, u. gab heraus: Dietion- 
naire general de la politique, Bar. 1863 f., 
2 Bpe., u. 1860—64 mit Guillaumin: Annuaire 
d'économie politique et de statistique. 

Blockdecke, 1) (Bauf.) Dede aus Ballen. 
2) (Kriegsm.) Dede von Ballen, mit Erde oder 
Dünger überlegt, um dadurch den Feſtungen 
und Feldihanzen einen bombenfiheren Raum 
für Munition, and wol für Mannjchaft zu ge 
winnen. 

Blockhaus, 1) ein ganz von über einander ge— 
fegten Balfen duch Schränfwände ervichteres 
Wohn. od. Wirthſchaftshaus. 2) (Kriegsw.) Ein 
hölzernes, aus 1 oder 2 (dann der Zwiſchenraum 
mit Erde ausgefüllt) Schränfwänden aufgefübrtes, 
mit Balfen u, Erde bombenfeft bededtes u. rings 
um mit Schießfcharten verjehenes, meift etwa 1m 
tief in die Erde verjenftes, außen bis zu ben 
Schießſcharten mit Erde befleidetes u, mit einem 
Graben, aud wol mit dedendem Glacis ringsum 
verjehenes Gebäude für 20 bis 100 Mann, Man 
hält damit ifolirte, weit entfernte Poſten, Gebirgs- 
päffe, detachirte Werke vor Feſtungen u. dgl. feit, 
legt fie auch, von Stein gebaut, im die ein» und 
ausipringenden Winfel des bededten Weges in 
Feftungen zum Zufluchtsorte, oder als Reduit in 
erponirten Außenwerken. Blodhäufer wurden zu— 
erit bei den Ettlinger Linien 1743 angelcat; 
häufiger aber feit dem Kriege von 1778, wo das 
Schweblendorfer B. bei Glay von den Ofterreichern 


Wohfredenheit u. öffentlichen Beredtfamkeit; Au- genommen wurde. Bgl. Maiborgbetto. 


ſprachen an die Confirmanden. 


Blod, 1) Albrecht, verdienftvoller deutſcher Brocken. 2) 


1) (Blorberg), Berg, fo v. mw. 
g in der Nähe von Ofen, aud 


— — 
er 


Landwirth, geb. 5. März 1774 in Sagan; kaufte Gerhardsberg gen., 237 m hoch, mit einer Citadelle; 


Blockſchiff — Blocmaert. 


die heißen Schwefelquellen des Blodsbades, 
Brüd- u. Raizenbades, f. u. Ofen. 

Blockſchiff od. Huik (engl. Hulk) werden alte, 
für den Seedienft untaugliche Schiffe genannt, welche 
aber in den Häfen als Kaſerneuſchiffe oder zum 
Wachtdienfte, als Kohlen» u. Vorrathsſchiffe jeder 
Art od. als Krahnſchiffe (Schiffe mit großen Krah- 
nen zum Hiffen ſchwerer Gewichte, bejonders zum 
Ein- u. Ausfegen der Maften), ferner auf den 
ausländifchen Stationen wol auch als Hofpitals, 
bezw. Quarantäneſchiffe noch Berwendung finden. 
In Frankreich wurden diefe Schiffe außerdem als 
Gefängniß für die Gafeerenfträflinge (Bagno) bis- 
her benugt; während ihre Verwendung als Ka- 
fernenichiffe, wie vorzugsweife in England, ein 
dem dortigen Klima ähnlich mildes zur Boraus- 
ſetzung hat. In England wurden die B-e wäh. 
rend der altnapoleonifchen Kriege bäufig zur Unter 
bringung der (namentlih in Spanien) gefangenen 
franz. Soldaten verwendet, ' 
Blodfinnalapparate, ſ. Blodiyftem. 

Blo ultem, ein befonderes Syftem im Eifen- 
bahnbetriebe, mittels defien man einen Zufammen- 
ftoß zwifchen zwei Zügen hinter einander in der- 
felben Richtung auf demjelben Geleife zu verhüten 
beabfichtigt. Die Strede zwiſchen zwei Stationen 
wird in eine paflende Anzahl Theilftationen ge 
theilt u. vorgeichrieben, daß fein Zug in eine ſolche 
Theilftrede einfahren darf, jo lange noch ein an: 
derer Zug auf ihr fährt. Beim Zeit-B. läßt 
der Bahnwärter am Anfange einer Xheilftrede 
einen zweiten Zug erft nad Berlauf einer fo 
langen Zeit einfahren, daß der vorausgegangene 
Zug fahrplanmäßig die Theilftvede wieder ver- 
laffen haben faun u. joll; bei dem allein zuver— 
läffigen RAaum-B. dagegen erft daun, wer der 
erjte Zug wirklich die Theilftrede verlafien hat, was 
durch elektrische Signale gemeldet wird. Der Bahn— 
wärter bliodirt die Theilitrede beim Einlaffen eines 
Zuges in diejelbe dadurd für jeden nachfolgenden 
Zug, daß er das für den Zugführer geltende op 
tiihe Signal auf Halt ftellt; iſt der * an dem 
Bahnwärter am Ende der Theilftrede vorüber— 
gefahren, fo telegraphirt diefer Wärter dies nach 
dem Stredenanfange, u. der dortige Wärter ent 
blodirt nun die Strede wieder, d. h. er ftellt das 
optifhe Signal wieder auf Bahn frei. Zu em- 
pfehlen ift e8, daß der Wärter das eleltriſche Sig- 
nal nicht früher geben fünne, als bis er das op» 
tifche Haltſignal geftellt, u. daß er durch das dem 
vorhergehenden Stredemmärter gegebene eleltriſche 
Signal zugleich fein optifches blodire, d. h. im der 
—— feſt mache, bis daſſelbe vom nächſten 
zätter wieder entblodirt wird. Außerdem find 
diefe eleftriihen Signale einer Störung oder 
Fälſchung durd den Einfluß der atmosphärischen 
u. tellurischen Eleftricität möglichft zu entziehen, 
Deshalb reichen im Allgemeinen gewöhnliche Tele: 
graphenapparate bier nicht aus, fondern es find 
befondere Blodjignalapparate zu verwenden. 
Den eben aufgeführten Anforderungen entiprechen 
die Blodfignalapparate von Siemens u. Halsfe in 
Berlin. In ähnlicher Weife laffen fi auch Weir 
hen, Drehbrüden u. dgl. blockiren. Zetzſche. 


541 


ſſel, an der Aa; Hafen, Schleußen; 1700 Em. 
B. wurde 1672 von den Franzoſen erobert, aber 
dur Unterftügung friesländifher Truppen wie 
der befreit. 

Blödigfeit, 1) Schwäche des Berftandes, welche 
eine Unklarbeit u. Verworrenheit der Borftellungen 
veranlaßt. 2) Die aus Mangel an Selbftvertrauen 
entſprungene Furchtſamleit im geſelligen Umgange, 
Augſtlichteit, durch fein Benehmen gegen den Tact 
oder die feine Sitte zu verftogen. 

Blödfichtigkeit, jo v. w. Stumpffichtigfeit, 
Schwachſichtigkeit; ſ. Amblyopie, Aſthenopie. 

Blödſinn (Idiotismus) iſt eine Geiſteskrankheit 
u, beſteht in völligem Berlufte der Verſtandeskräfte, 
fo daß der Betroffene nicht mehr zu einem Urtheil 
jelbft der Teichteften Art fähig ift. Die Borftufen 
des Bees, refp. die geringeren Grade der Beein- 
trächtigung des Verftandes bilden die Shwad- 
finnigfeit (Dementia), die Dummheit. Bei 
diefen geringeren Graden ift noch ein Urtheif über 
einfache, alltägliche Dinge vorhanden. Solche ge 
ringere Grade dürfen nicht mit Unwiſſenheit vers 
wechjelt werden; der Ummiffende kann ſehr qute 
Geiftesgaben haben, kann aber über gewiſſe eins 
fadhe Dinge nicht urtheilen, weil er feine Kent» 
niß von denfelben hat; der Schwachſinnige ift, jelbit 
wenn er Kenntniß von diefen Dingen bat, nicht 
mehr fähig, fie zu beurtheilen. So werden alte 
Yeute öfter ſchwachſinnig u. unfähig zum Urtheil. 
Dem Bee liegen immer organiihe Störungen im 
Sehirne zu Grunde, doch ift unfere Kenntnig über 
die fpecifiichen Hirnveränderungen noch zu dürftig, 
um ein feites Urtheil ausfprechen zu können. Na» 
mentlich häufig findet man bei Bfödfinnigen einen 
Schwund der Hirmmindungen, die man befannt- 
ih als eigentlihen Sig der Denkkraft betrachtet. 
Häufig ift der B. angeboren, in anderen Fällen 
entwidelt er fi nad einer Hirnentziindung, mad) 
einem rheumatischen Fieber, im Berlaufe der 
Epilepfie. Sehr oft gehen andere Beiftesfrantheiten 
in B, über, und dann find diefelben, wie der B. 
überhaupt, ſtets unheilbar. Schon äußerlich gibt 
id der Blödfinnige leicht zu erkennen, Er ift in 
feinen Bewegungen plump, ungeſchickt, weiß; nicht, 
was er thun fol, und madıt Alles verkehrt. 
Die Sprache ift erjchwert, in hobem Grade der 
Krankheit fpricht der Kranke gar nicht; das Auge 
ift nichtsfagend, ftier, gedanfenlos; eine Beichäftig: 
ung übernimmt der Schwachſinnige entweder nie: 
mals ſpontan, oder ift zu einer folchen gänzlich ım- 
fähig. Nicht felten treten von Zeit zu Zeit Aufe 
wallungen ein, der Kranfe wird erregt, withend, 
Ihlägt finnlos um fih, befommt Morbluft, die 
Wuth, Feuer anzulegen zc. Bor dem Geſetze ift 
der Blödfinnige unzurehnungsfähig, der Shwad)- 
finnige wird Kindern N geachtet. Kunze. 

Bloemaert, 1) Abraham, miederländifcher 
Maler, Kupferfteher u. Formſchneider, geb. um 
1567 in Gorfum; lernte in Paris u. hielt fich 
dann eine Zeit lang bei Hier. Frank in Herenthals 
auf; lebte zulegt im Utrecht u. fl. bier 1657. 
Autodidaft, wie er war, zeigte er ein gewiſſes 
Streben nah kräftiger Au affung der Natur, 
energiſchem Colorit u. faftigem Pinfel. Werte: 


Blodzyl, Stadt u. 1581 angelegte Schanze im Anbetung der Hirten; Heilige Familie, tm Mufeum 


Bezirke Zwolle der niederländifchen Provinz 


ber-!zu Berlin; außerdem befinden fi Gemälde und 


— 


542 


Kupferftihe von ihm in den Galerien vom Haag, 
von Kopenhagen, München u. Paris. 2) Cornelis, 
Cohn des Vor., geb. 1603 in Utrecht; widmete 
fi der Malerei u. Kupferftechlunft, war eine Zeit 
lang in Paris, dann in Rom, wo er 1680 ftarb. 
Er ſtach vorzüglich nach italienischen Meiftern, u. 
gehören feine Stide zu den beten feiner Heit. 
Er hatte noh 3 Brüder, Hendrik, Adrian u. 
Frederik, von deuen der Erjtere als Maler, die 
beiden Letteren als Kupferſtecher befannt find. 

Bloemen, 1) Zul. Franz van B., Land» 
ihaftsmaler, geb. 1656 in Antwerpen; erhielt 
wegen feiner Meifterjhaft in der Wiedergabe der 
Lufttinten den Beinamen Orizonte; er jt. 1748 
(1749) in Rom. Gemälde von ihm, meift in 
Ponffins Manier gehaltene, durch getreue Wicder- 
gabe der Natur werthvolle Anfichten von Zivoli 
u. Umgegend, Berg- u. Waldpartien, Wafler- 
fälle xc. Anden fi in faft allen größeren Galerien. 
2) Peter van B., gen. Standaert, Maler, 
Bruder des Bor., geb. 1649; wurde nad) feiner 
Nüdtehr aus Rom, wo er lange bei feinem Bru- 
der war, 1699 Director der Maleralademie in 
Antwerpen; er ft. 1719. Nach feinen Gemälden, 
meift Schlachten, Pierdemärfte, Karavanen und 
römifche Feſte, ftachen T. Major, Guelard, Rott- 
wpt, Aquila in Kupfer; einige hat er felbft geätt. 

Bloemfontein, Hauptftadt der ſüdafrilaniſchen 
Oranjefluß -Republit, unter 29° 8° jüdl. Br. und 
43° 47° öjtl. L., lints am Modderfluß; Sit der 
Regierung; holländische und anglicaniſche Kirche, 
Methodiften- u. katholiiche Kapelle; Schule; Thea- 
ter, Clubhaus; lebhafter Handel, bei. mit Wolle; 
1000 —1200 Em, 

Blois, Hauptftadt des gleihnam. Arr. u. des 
franz. Dep. Yoir-et-Cher, an der Orleans-Eijen- 
bahn u. an der Loire, über welche eine 305 m 
fange Brüde nach der Borjtadı Vienne führt, 
102 m ü. d. M.; Biſchofsſitz, Gericht 1. Inſtanz, 
2 Friedensgerichte, Departementalbehörden, Han— 
delsgericht; Kathedrale, Kirche S. Laumer (aus 
dem Ende des 12. Jahrh., ein früh⸗gothiſcher Bau); 
Schloß (worin Kömg Ludwig XII. geboren wurde; 
Aderbaugejellihaft; geiftlihes Seminar, öffentliche 
Bibliothet, Phyſikaliſches u. Naturbiftorisches Cabi— 
net, Botauiſcher Garten; Hoipital; Getreidehalte, 
Börie ; Handſchuh-, Meſſer⸗, Eifige, Fayence- u. 
Zeppicdhfabrifation, Gerberei; Bich-. Korn-, Wein-, 
Branntwein- u. Holzhandel; 19,860 Ew. Eine 
in Felſen gehauene Wafferleitung (Arnon) iſt 
Überbleibfel aus der Nömerzeit. In B. ſoll das 
reinste Franzöſiſch geſprochen werden. — B. fommt 
in alten Zeiten nicht vor. Im Gebiete des nach— 
herigen B, ftießen die Völlerſchaften der Turoner 
und Garnuter zufammen. Die Grafihaft B. 
(Pagus Blesensis, ſeit dem 15. Jahrh. Blai— 
ſois), mit dem Orte Bleza (fpäter Bleſis, jett 
B.) am Liger, entftand unter den Karolingern. 
Das alte Grafengeichlecht, mit dem Ahnherrn Thi- 
baut I. (ftarb 843), welches in Stephan (1135 
bis 1154) England einen König gab, ftarb mit 
Thibaut VI. 1218 im Mannesftamme aus; B. 
fiel 1230 an die Erbin jeiner Tante Margarethe, 
Maria dv. Chätillon, deren Sohn Johann 1268 
auch Chartres wieder hinzufügte. Ihm folgte 
1279 feine einzige Tochter Johanna, vermählt an 


Bloemen — Blofade. 


den Grafen Peter v. Alençon; nah deſſen Tode, 
1284, verfaufte Johanna 1286 die Grafichaft 
Chartres an den König Philipp den Schönen (f. 
u. Ehartres). Unter ihren Nachlommen in 8. 
befand fih Guido II., Graf v. Seiffons, und fo 
wurde durch ihn Soiffons mit B. verbunden, u. 
als er ohne Nachlommen 1391 ftarb, lam B. durch 
Kauf an Herzog Yudwig von Orleans, und nad 
defien Ermordung 1407 an feinen Sohn Karl; 
unter deffen Sohn, König Ludwig XII., wurde 8. 
mit der Krone verbunden. In der Folge gab Lud- 
wig XII. B. feiner Tochter Claudia als Heiratbe- 
gut; ihr Sohn, König Heinrich IL., verleibte es 
wieder der Krone ein, — In der Stadt B. wurde 
das Schloß feit 1516 ganz neu gebaut. Am 15, 
April 1499 wurde bier das Bündniß zwiſchen 
sranfreid u. Benedig (f. d., Geſch.) u. wieder 
14. März 1513 gegen den Papft u. den deutſchen 
Kaifer eine Offenfiv- u. Defenfiv-Allianz (f. ebd.) 
geichloffen. Hier 1, Dechr. 1513 Friede zwiſchen 
Yudwig XII. von Franfreich u. Ferdinand d. Kath. 
von Spanien. 1588 berief König Heinrich III. 
bierher einen Reichstag, bei welchem Anlaß die 
Ermordung des Herzogs Heinrid I. von Guiſe ı. 
des Cardinals von Guife beichlofien u. 23. Dec. 
auf dem bafigen Schloffe auch ausgeführt wurde. 
1626 gab Ludwig XIII. 8. feinem Bruder Jobann 
Gaſton u. 1661 mach deffen Tode Ludwig XIV. 
feinem Bruder Philipp. 1697 errichtete Papft 
Innocenz XII. das Bisthbum zu B. Bor Rapo- 
leons Sturz ging die Kaiferin Marie Luiſe am 
1. April 1814 mit der Regentſchaft nah B., u. 
bier endete die faiferliche Regierung. Im Deutich- 
Franzöſiſchen Kriege von 1870—71 wurde um B. 
heftig gelämpft, u. fiegten heffiiche Truppen 28. an. 
1871 dafjelbft. Den Namen Mademoifelle de 8, 
führte Francisca Marie, eine der natürlichen 
Töchter Ludwigs XIV. von der Montefpan, Ge— 
mablin Philipps IL, Herzogs v. Orleans. 
Blokade, das enge Einſchließen einer Feſtung, 
um dieſelbe von jeder Verbindung mit außen ab- 
zuiperren (f. Feſtungskrieg). Die B. ift nament— 
lich im Seelriege von groger Wirkfamfeit, die Ab- 
fperrung eines Hafens oder einer Küfte durch 
Kriegsichiffe, um das Ein- oder Anlaufen wicht 
nur neutraler Schiffe, fondern auch der des eigenen 
Landes in u. an demfelben zu verbindern u. io 
duch Schwächung des Handelsverfehres der feind» 
lichen Macht zu ſchaden. Im Eugliſch-Franzöſiſchen 
Kriege von 1806 u. 1807 erllärten die Engländer 
zuerſt durch Bekanntmachung die Häfen u. Küjften 
Frankreichs in B»zuftand, jedoch ohne dieſelbe auch 
in der That aufrechterhalten zu lönnen. Dieje 
Mafregel, al$ Blocus sur papier (Papier-B.) be- 
zeichnet, wurde fofort von dem meiften ſchwächeren 
Seeſtaaten als unzuläffig erflärt; er widerftreitet 
auch jo ſehr den Grundfäten des Völlerrechtes, 
daß in der Convention der eunropäifchen Groß— 
mächte von 1856 bezüglich des Seekriegsrechtes 
der Sat aufgeftellt wurde, daß eine B. auch 
wirflih durchgeführt werden miüfle — .„.. pour 
ötre obligatoires doivent ötre eflectifs — durch 
Anfbietung einer für wirkliche Abiperrung der 
in B-zuftand erflärten Objecte binreichenden Macht. 
Eine zweite Bedingung der Wirkiamteit der B. 
ift die Verkündigung der B. von Seiten der blo» 


Dlomberg — Blondel. 


543 


tirenden Macht an die neutralen Regierungen ;|ichlesmwig-hoffteinifche Ritterfchaft begründeten, und 
ſobald diefe Notificirung erfolgt it, tritt auch die iſt feit 1819 in den dänischen Lehnsgrafenſtand 


B. in Kraft, u. bleibt in der Negel nach Ablauf 
einer gewiffen Friſt eine Einrede der Unkenntniß 
ausgeichlofien, es jei denn, daß die Nachricht von 
der B:erflärung den Hafen, aus welchem das 
Schiff ausgelaufen, im Moment des Auslaufens 
noch nicht hatte erreichen können. In diefem 
— lann das Schiff vom Einlaufen in den blo— 
irten Hafen, reſp. Anlaufen an der betreffenden 
blolirten Kiüfte nur zuridgewiefen werden. Schiffe 
dagegen, welche die B. nicht achten, einen Bebruch 
begeben, unterlegen der Eonfiscation, u. zwar fammt 
der Ladung, es jei denn, daß bei einem neutralen 
Schiffe der Eigenthümer der Ladung glaubhaft nad) 
weiſen kann, daß der Bruch gegen feinen Willen, 
obne fein Wiffen verfucht fer; in diejem Falle 
trifft die Confiscation nur das Schiff. Der B- 
En hört auf entweder durch officiell publicirte 

ufbebung derjelben von Seiten der B-madıt, od. 
durch Vertreibung der B-ichiffe von Seiten feind- 
liher Gewalt — wo übrigens eine Erneuerung 
eintreten kann — nie aber durch Wirfung einer 
Force majeure, 3.8. infolge Verſchlagung der B» 
Schiffe durh Sturm zc. Vgl. Heffter, Das euro- 
pätiche Bölferredht der Gegenwart, 5. W., 1867; 
Bluntſchli, Das moderne Völkerrecht xc., 2. A., 
1872; Wheaton, Elements of international law, 
herausg. von William Beach Lawrence, tem. 1008. 

agai. 

Blomberg, Stadt im Fürſtenthum Lippe (Det- 
moly), an der Diitel; Wollenmanufactur, Dampf: 
byaunmveinbrennereien; 2104 Em. 

Blomberg, alte deutfche Familie, die feit 1670 
freiberrlich iſt; theilt ſich in die weftfäliiche u. kur— 
ländische Linie; aus legterer: Hugo, reiberr von, 
Hiftorienmaler u, Dichter in Weimar, geb. 26. Sept. 
1820 zu Berlin; bejuchte erft ſpät die Berliner 
Akademie u, ftudirte dort unter Wach, nebenbei 
an der Univerfität Rechtswiffenfchaft, befuchte 1847 
bis 1848 Paris und ward dort Schüler Yeon 
Coignets. Werke: Dornröschen; Neptun und 
Amymone; Eine mittelalterliche Stadt; Kaufmann 
von Venedig; Benvenuto Cellini in dev Engels— 
burg; König Wilhelm I. bei Sadowa; Compofitio- 
nen zu Dante; Zeichnungen zu feinem humoriſti— 
fchen Gedichte: Stimmen aus dem Kumftpublicum, 
Berl. 1853. Er jhr.: Bilder und Romanzen 
(Dichtungen), Brest. 1860; Die Fabel der Piyche 
den Bildern Rafaels in der Farneſina nacherzählt, 
Berl. 1862; Der Teufel u. feine Gejellen in der 
bildenden Kunft (Studien zur Kunftgeichichte und 
Afthetif), ebd. 1867; Pſyche, ebd. 1869; auch den 
Tert zum Eorreggio-Album, ebd. 1861, u. zum Al— 
bum der Niederländer, ebd. 1862, 2 Hefte, Regnet. 

Blomberg, Barbara, die ſchöne Tochter eines 
Regensburger PBatriciers, welche 24. Febr. 1545 
vom Kaifer KarlV. Mutter des Don Juan d'Auſtria 
wurde. Sie erhielt nach ihres Sohnes Tode von 
deſſen Halbbruder, dem König Philipp II. von 
Spanien, eine Penfion. 

Blome, eine aus Braunſchweig ftamınende, 
von da zu Anfang des 14. Jahrh. unter Ritter 
Dietrih in Holftein eingewanderte u. dort, ſowie 
jpäter auch in Ungarn anfälfig gewordene Familie; 


erhoben. Aus ihr: Graf Guftap, geb. 18. Mai 
1829; ftndirte zu Bonn, betbeiligte fih 1849 am 
Kampfe der Schleswig-Holfteiner gegen Dänemart, 
trat dann in den öfterreichiichen diplomatischen 
Dienft, war 1851 als Gejandichaftsattahe in 
Petersburg, 1856 in Paris, wo er zur Katholischen 
Kirche übertrat; 1861 wurde er Gejandter bei 
den Hanfeftädten in Hamburg, 1864 in Münden; 
1865 unterzeichnete er die Convention von Gaftein, 
bei deren Abſchluß er befonders thätig war. Bon 
dem diplomatischen Dienfte zurlidgetreten, ift er 
feit 1867 — des Oſterreichiſchen Herrenhauſes, 
wo er einer der Hauptvertreter der ſog. feudalen 
Partei iſt. 

Blomfield, 1) Charles James, engliſcher 
Theolog n. Philolog, geb. 26. Mai 1786 in Bury 
St. Edmunds in Suffolt; ftubirte in Cambridge, 
wurde 1810 Pfarrer in Warrington, 1819 Haus» 
caplan des Biſchofs von London, 1824 Biſchof in 
Chejter u. 1828 Biichof in London. Früher der 
gr zum Puſeyismus verbädtig, hat er 
ich doch jpäter gegen alle frypto-Tatholischen Sec- 
tirer entfchieden ausgefprocden. Er trat 1856 in 
den Ruheſtand u. ft. 5. Aug. 1857 in Fulham. 
Er gab heraus den Kallimachos u. 5 Stüde des 
AÄſchhlos; ferner Adversaria Porsoni, 1814; mit 
T. Rennel Musae cantabrigienses; mit Monf die 
Posthumous tracts of Porson, 1812, Bgl. Alired 
B. (feines Sohnes) Memoir of Ch. J. Blomfield, 
Lond. 1863, 2 Bde., n.., 1864. 2) Edward 
Balentin, Bruder des Vor., geb. 14. Febr. 1788; 
bereifte 1813 Deutfchland. Er jchr.: Museum criti- 
cum; überſetzte Schneiders griech. Perifon u, Mat- 
thiäs griech. Grammatik ins Englifche, war Univer— 
ftätsprediger in Cambridge u. ft. 1816. 1) Brambad.* 

Blommaert, Philipp Marie, flämifcher 
Schriftfteller, geb. 1808 in Gent; ſtudirte in feiner 
VBaterftadt die Nechte u. lebte dafelbft als Privat- 
mann, bejchäftigt mit dem Studium der flämifchen 
Sprade u. Literatur u. Nordiihen Mythologie; 
gründete 1839 die Flämiſche Bibliographiſche Ge— 
jellichaft in Gent, wo er 14. Aug. 1871 ftarb, Er 
gab Sammlungen Älterer fläm. Dichtungen heraus, 
jo: Tleeophilus, Gent 1836, 2. W., 1858; Oud- 
vlaemische gedichten, ebd. 1838—51; der Grim- 
bergiche Krieg, 1852—54, u. jhr.: Aloude ge- 
schiedenis der Belgen of Nederduitscher, 1849; 
Vermifchte Gedichte, 1853; De nederduitsche 
schryvers van Gent, 1861; überfetste theilweife das 
Nibelungenlied u. bearbeitete Beowulf u. die Edda. 

Blond, mit lichtgelben Haaren u. hellblauen 
Augen verfehen; daher Blondin u. Blondine. 

londel, 1) (Blondiaus) aus Neele, altfran- 
zöfifcher Liederdichter ‚des 12. Jahrh., Liebling des 
Königs Richard J.; begleitete, ihn nach dem Heir 
ligen Yande u. burchwanderte dann (nad) der Sage) 
als Pilger Deutfhland, um feinen Herrn, welchen 
der Herzog Leopold von Öfterreich gefangen hielt, 
zu ſuchen; er entdeckte deſſen Aufenthalt auf Diirren- 
jtein durch feinen Geſang, fehrte nach England zu» 
riid und bewirkte die Yosfaufung feines Königs, 
B-8 24 erhaltene Yieder find volftändig heraus» 
gegeben von P. Trorbe, Oeuvres de B., Reims 


fie gehört zu den 5 adeligen Familien, welche die! 1862, u. von Neuen in Brafelmanns Trouveres 


344 


frangais, S. 187—192 (bisher noch unveröffent« 
licht). 2) David, gelehrter Theolog der franz. 
Neformirten Kirche, geb. 1591 in Chalons im der 
Champagne; wurde 1614 reformirter Prediger in 
Houdan bei Paris u. 1650 Profeifor der Gejchichte 
in Amfterdam, wo er, feit 1653 erblindet, 6. April 
1655 ftarb, Er ichr.: De la primaute de l’eglise, 
Senf 1641, 4 Bde., Fol.; Pseudo -Isidorius et 
Turrianus vapulantes, ebd. 1628, 1635; Apolo- 
zia pro sentent. Hieronymi de episcopis et pres- 
byteris, ebd. 1646; De la question si une femme 
a te assise an siöge papal de Rome entre 
Leon IV, et Benoist IIl, (gegen die Annahme 
einer Päpftin Johanna), ebd. 1647, n. A. 1649; 
De jure plebis in regimine ecel., Par, 1648; 
De Sybillis, Charent. 1649; Actes autbentiques 
des eglises reformees, Amſt. 1651; Genealogiae 
Francicae assertio, Amſt. 1655, 2 Bde., Fol 
3) Marie Joſeph, franzöfifcher Hiftorienmaler, 
geb. 1781 in Paris; Schiller Regnaults, war un— 
gemein productiv; er ft. 1853 in Paris, Werfe: 
Homer; Zenobia am Ufer des Nrares, 1812; 
Der Sturz des Jfaros, an der Dede des Mu— 
feums; Frankreich erhält die Berfafjung, im Saal 
des Staatsrathes; Die Yulirevolution 1830, 

Blonden, jeidene Spigen (f. d.), von ihrem 
gelblihen Schein jo genannt. 

Blood, Thomas, Irländer, leder Abenteurer; 
diente unter Cromwell als Oberft, fam dann außer 
Dienft u. ftellte fih an die Spike einer Bande 
von Abenteuern, um eine Nebellion in Irland 
anzuftiiten, was aber mißglüdte. Später trat er 
in England wieder auf, wo er in Yondon den 
Herzog von Ormond jpielte u. unter der Maske 
eines Geiftlichen die Krone u. den Neichsapfel aus 
dem Tower ranbte. Er ward endlich gefangen, 
aber König Karl II. begnadigte ihn nicht nur, 
jondern zog ihn auch an feinen Hof und braudte 
ihn zu maucherlei Unternehmungen. Der Herzog 
von Budingham war fein Beichiiger, mit dem er 
ſich aber endlich entzweite. Er fl. 1680, 

Bloomer⸗Coſtüm, eine der männlihen Tracht 
fih annähernde weibliche, mit furzen Nöden und 
Beinfleidern, welche 1850 im nordamerilanifchen 
Staate New-Nork durch eine Miftreß Bloomer auf- 
fam u, auch ın England, dody nur vorübergehend, 
Beifall fand, während fi in Amerifa damit unter 
dem Namen Bloomerismus eine Tendenz zur 
Emancipation der rauen verband, 

Bloomfield, Stadtbezirk im Eifer County des 
nordamerifan. Unionsftaates News jerfey; Baum— 
wollen- u. Bapierfabrifation; 4530 Ew. 

Bloomfield, 1) Robert, engl. Naturdichter 
von großer Begabung, geb. 3. Dec, 1766 in 
Honington in Suffoll; verbradte als Kind nad 
jeines Vaters Tode 2 Jahre bei einem Onfel, einem 
Yandmanne, fam 1781 nad London u. erlernte 
das Schuhmacherhandwert; ftarb erblindet und in 
North 19. Aug. 1823 zu Shefford. Sein Haupt: 
werf: The Farmers Boy, Yond. 1800; Rural 
Tales, 1810; fpäter erfcyien: Hazlewood Hall, 
ein ländliches Drama. Werke, Yond. 1814, 2 Bde. ; 


Poems, zulegt Lond. 1866. Seine Eorreipondenz dem jchon 1290 


herausgegeben von Hart, Lond. 1871. John 


Blonden — Blüder. 


wurde 1824 Attaché feines Vaters, des General- 
lienutenants u. irischen Peers Benjamin B., wel⸗ 
her als englifher Gefandter nah Stodholm ging 
u. nachher von bier als Legationsfecretär nad 
Petersburg verfegt, wo er 1845 den Poſten als 
Sefandter erhielt; 1851 wurde er englifcher Ges 
fandter in Berlin u. war von 1861— 71 Botſchafter 
in Wien. 

Bloomington, 1) Stadt u. Hauptort des 
County Dac Lean im nordamerifan. Unionsftaate 
Illinois, an der Kreuzung der Central» Fllinois- 
u. der Ehicago-St.-Fouts:Bahn; höhere Tehranftalt 
(Wesleyan-University); 17 Kirchen (wovon drei 
deutiche); 3 Banken; große Mafchinenwerfftätten; 
15,000 Emw., darunter etwa 3000 Deutiche; im 
der Nähe die State Normal University, mit 500 
Studirenden. 2) Hauptort des County Monroe 
im nordamerifan, Unionsftaate Indiana, zwiichen 
dem Oft u. Work des White-River u. an der 
Eiſenbahn; 7 Kirchen; höhere weibliche Lehranitalt; 
1829 gegründete Staats-Univerfität (State Uni- 
versity); 1 Bunl, 2 Wollenfabriten; 2900 Ew. 

Bloomsburg, Sit des Blooms County im 
nordamertlanifhen Unionsſtaate Penuſylvania; 
3341 Ew. 

Blöſch, Eduard, ſchweiz. Staatsmann, geb. 
1. Febr. 1807 in Biel; ſtudirte ſeit 1823 in Bern 
u. Heidelberg die Rechte, wurde 1832 Anwalt im 
Burgdorf, 1839 Mitglied des Großen Rathes in 
Bern, 1840 Landamman u. 1841 eidgenöjfiicher 
Oberauditor; obgleich einer Reform der Berfafjung 
der Eidgenofjenihaft zugethan, -war er doch ein 
Gegner der radicalen Partei u. trat, als dieje die 
Oberhand gewann, 1846 ins Privatleben zurüd; 
er wurde 1850 Regierungspräfident in Bern u. 
1855 Präfident des Nationalrathes, trat aber 1858 
aus der Regierung u. fl. als Berwaltungsrath der 
ſchweiz. Gentralbabn 7. Febr. 1866 zu Bern. 
Vgl. Ed. Blöſch, Bern 1872. 

Blount, 1) County im nordamerif. Unionsſt. 
Alabama, unter 34° n. B. u, 86° w. L.; 9945 Em.; 
Countyſitz: Blountville. 2) County im nordamerit. 
Unionsft. Tenneffee, unter 35° 1.8. u. 63° w. %,; 
14,237 Ew.; von mehreren Gebirgstetten durch— 
zogen; Eifenerz, Marmor u. Kallſtein; Gounty- 
fig: Marysville. 

Bloufe, 1) weites, faltiges, meift blaues, hanf- 
feinenes überhemd, mit bunten (rothen u. grünen) 
Näbhtereien im Kragen, in Deutjchland von Fuhr— 
leuten, in Franfreih von Bauern u. den Arbeitern 
in den Städten, ſelbſt in Paris, getragen (daher 
B-nmänner, die parifer Proletarier), jonft auch 
auf Reifen als Übertieid gebraucht. In neuerer 
Zeit häufig in Kriegen getragen, 3. B. in Merico, 
dem amerilanifchen Secejfionsfriege, von den Ga— 
ribaldianern, Freifhaaren zc. Ihre Bequemlich- 
feit ift nicht zu verfennen, fo daß fie auch in re 
ulären Armeen (Ofterreich 2c.) Eingang gefunden 
Eat. 2) Damenlleid, um die Bruft u. den Leib 
herum in Heine Falten gelegt. 

Blorberg (Blodsberg), |. u. Broden. 

Blücher, altes niederdeutfches Geſchlecht, ans 
ermann dv. B. genannt wird; 
es theilt fih jet in 3 Linien: B.-Wahlftadt, B.- 


2 
Arthur Douglas, Lord B. von ———— Altona u. B.⸗Finlen. A) B.-Wahlſtadt iſt evan- 
u. Redwood, brit. Diplomat, geb, 12. Nov. 1802;!gelifch, 1814 in den Grafen⸗ u, Fürſtenſtand u. 1861 


Blücher. 


nach dem Rechte der Erſtgeburt in den Fürſtenſtand 
erhoben u. in Preußiſch- u. Oſterreichiſch -Schle⸗ 
fien begütert; Wohnfige find die Schlöffer Radun 
u. Krieblowig: 1) Gebhard Lebrecht v. B., 
Fürſt von Wahlſtadt, preußischer Generalfelomar- 
ſchall, aus dem Haufe Groß-Ranzow in Medien: 
burg ftammend, Sohn eines Turheffiichen Witt: 
meifters, geb. 16. Dechr. 1742 zu Noftod. Als 
14jähriger Knabe kam er nach der Inſel Rügen, wo 
der Anblid ſchwediſcher Hufaren ihn fo begeijterte, 
daß er gegen den Willen feines Baters u, feiner 
Verwandten als Junker bei denfelben eintrat. Bei 
den Streifzügen der Schweden in der Udermart 
zu Beginn des Siebenjährigen Krieges gerieth er 
in preußiſche Kriegsgefangenihaft deſſelben Hu- 
farenregiments, welches er ſpäter commandirte. 
Der Oberſt von Belling bewirkte ſeinen Austritt 
aus ſchwediſchen Dienſten, worauf er 1760 bei 
deſſen Regiment eintrat; er ward deſſen Adjutant u. 
bald ältefter Stabsrittmeifter, nahm aber, da er 
fi beim Avancement zurückgeſetzt glaubte, 1772 
jeinen Abfchied, den ihm Friedrich IT. in fehr har- 
ten Ausprüden ertheilte. Er widmete ſich darauf 
mit Erfolg der Landwirthichaft, faufte das Gut 
Groß · Raddow in Preußiſch Pommern u. ward Depu⸗ 
tirter der Landſchaftsdirection. Friedrich II. nahm 
bei feinen Revilen in Pommern faſt jedesmal Ge- 
legenheit, B. zu ſehen, lieh ihm auch zur Ber- 
befierung feines Gutes 15,000 Thlr., die er ihm 
fpäter ſchenlte. Doch erft deffen Nachfolger Friedrich 
Wilhelm IT. ftellte ihn 1787 wieder an, u. zwar 
als Major unmittelbar vor v. Jägersfeld, der 
ihm einft vorgezogen worden war, in bemfelben 
Regiment. 1790 deffen Commandeur geworden, 
zeichnete er fih in den Nheinfeldziigen von 1793 
u. 1794 namentlich bei Edesheim, Kirrweiler u. 
Kaiferslautern als kühner Reiterführer allentbalben 
aus, kehrte 1794 als Generalmajor zurüd u. erhielt 
1795 ein Commando bei der Objervationsarmee, 
wurde 1801 zum Generallieutenant befördert, nahm 
1802 Erfurt u. Mühlhaufen für Preußen in Befit 
u. ward alsdann Gouverneur von Münfter (1803). 
In der unglücklichen Schlacht bei Auerſtädt 1806 
führte er die Avantgarde; auf dem Rückzuge war 
er der Einzige der preußischen Generale, der feine 
Truppen in geichloffener Ordnung und unter 
fiegreihen Gefechten zurüdführte, bis er in Lü— 
bed, vollftändig umzingelt und aus Mangel an 
Munition, Proviant und Fourage, welche Be- 
mertung der Gapitulation zugeſetzt wurde, am 
7. Nov. fi) ergeben mußte. Im Febr. 1807 
gegen den franzöfifchen General Victor, der von 
Schill gefangen genommen worden war, ausge: 
wechſelt, befehligte B. das Corps Preußen, das 
zu einer Diverfion in Pommern beitimmt war, 
wurde aber dur den Waffenftillftand an weiteren 
Unternehmungen gehindert. Nach dem Frieden von 
Tilſit war er Generalkommandant in Pommern, 
jedod auf Napoleons Begehr blieb er 1811 außer 
Thätigfeit geſetzt, worauf er feinen Aufenthalt in 
Breslau nahm. 1813 übernahm er, 70 Jahre alt, 
den Befehl der preußiſchen Armee von 25,000 
Dann in Schlefien, wozu noch 11,000 Ruſſen 


945 


Ruhmes zu erreichen, bot ihm nach dem Waffen- 
ftilfftande der Oberbefehl über die aus dem preuß- 
Eorps von York u. dem ruſſiſchen von Saden u. 
Langeron zufammengefetste jchlefische Armee, mit 
der er 26. Aug. Macdonald an der Kakbacı voll- 
ftändig befiegte, am 3, October den Eibübergang 
bei Wartenburg erzwang u. durch das Gefecht bei 
Mödern 16. u. 18. Oct. mejentlih zur Enticheid- 
ungsſchlacht bei Leipzig beitrug. Er wurde nach 
der Schlacht zum Feldmarſchall ernannt, nachdem 
ihm die unter feinem Commando ftehenden Ruffen 
Ichon zu Anfang des Feldzuges den Namen Mar— 
ihall Bormwärts beigelegt hatten, welcher von 
den Dentfchen adoptirt wurde. Auch in dem Win- 
terfeldguge 1814 war er das vorwärtsdrängende 
Element; er überfchritt 1. Januar 1814 bei 
Kaub u. Mannheim den Rhein, rüdte nah Nancy 
und Brienne, wo er 29. Januar ülerfallen 
u, bald jelbft gefangen wurde, fiegte 1. Febr. bei 
(a Rothiere, ſchlug ſich, da er, zu iſolirt gegen Paris 
vordringend, während Fürſt Schwarzenberg zu 
langſam parallel folgte, abgefchnitten wurde, bei 
Etoges u. Montmirail nit ohne große Verlufte 
(32,000 Dann und 67 Kanonen) dur, ging bei 
Sciffons über die Aisne, verband ſich mit Bülow, 
fiegte 9. März bei Laon u, bildete 31. März den 
rechten Flügel der Sturmcoloune auf Paris. Fiir 
feine Berdienfte wurde er von feinem König 
3. Juli 1814 in Paris zum Fürften von Wahl- 
ſtadt (zur Erinnerung an jenen Sieg au der 
Katzbach in der Nähe des im Mongolenfriege 
1241 als Schlachtfeld berühmten Dorfes Wahl- 
ftadt) ernannt und mit den Gtiftsgütern von 
Trebnig in Schlefien bejchenft. Er begleitete num 
Friedrich Wilhelm III. nad) England u. ward 
dort mit Begeifterung empfangen; die Univerfität 
Orford frönte ihm mit dem juriftifchen Doctore 
hute. Bon London zuridgefehrt, ging er auf 
feine Güter nah Schleſien. Nach der Rückkehr 
Napoleons ans Elba 1815 befehligte er die 
112,000 Mann ftarke preußifche Armee in Bel- 
ag Er wurde von Napoleon am 16. Juni 
ei Liguy befiegt, u. faft wäre er bier bei einem 
Cavalerieangriffe mit dem Pferde ftürzend gefan- 
gen worden. Seine Niederlage hielt ihn nicht ab, 
den Franzofen unerwartet, zur Entſcheidungsſchlacht 
einzutreffen: am 18. Juni erfocht er mit Welling« 
ton den Sieg von Belle-Alliance und rückte ſchon 
29. Juni wieder vor Paris, Friedrich Wilhelm ſchuf 
einen befonderen Orden, das eiferne Kreuz ineinem 
Stern mit goldenen Strahlen, für ihn. Nach 
dem Frieden zog ſich B. auf feine Güter zurück 
u. ft. 12. Sept. 1819 zu Krieblowitz in Schle— 
fien, wo ihm Friedrich Wilhelm IV. ein Manſo— 
feum errichten ließ, welches 28. Aug. 1853 ein- 
geweiht wurde. Bei rauhen u. ſchroffen Manieren 
war B. ein offener u, fefter Charakter, voll von 
Humor, mit glühender Begeifterung u. vollton« 
mener Gelbftlofigfeit feinem Baterlande dienend. 
Dentmäler wurden ihm gejeßt 1819 in Roſlock 
noch zu feinem Lebzeiten, 1826 in Berlin auf 
dem DOpernplage und 1827 in Breslau, wo 
der B-plag nad ihm genannt ift. An feinem 


unter Wingingerode ftießen, focht mit derfelben bei} 100jährigen Geburtstage, 16. Dec. 1842, er- 
Lügen, Bauten u. lieferte das fegreiche Rüdzugss hielt das 5. Hufarenregiment den Namen der B— 


gefecht bei Hanna. Die Höhe 


Pierers UniverjalsGenverjationd:Pgiten. 6. Aufl. 


es kriegeriſchen ſchen Hufaren. 


Ill. Vand. 


Vgl. Borott, Leben des Feld— 
35 


346 


marſchalls Fürſt B., Bittan 1819; Fr. Förfter, 
Der Fürſt B. von Wahlftadbt, Lpz. 1821, Barn« 
hagen von Eufe, im 3. Bd. der Biographien 
Dentmale, n.A., Lpz. 1873; Biesle, B. v. Wahl- 
ftabt, Berl. 1862; Keller, ©. 5. v. B., Glogau 
1862; Schöning, Geichichte des fünften Hufaren- 
regiments mit bejonderer Rückſicht auf B., Berl. 
1843; J. Scerr, B., feine Zeit u. fein Leben, 
Lpz. 1862, 3 Bbe., 2. A., 1865. Seine Nadı- 
fommen wurden im den Grafenftand erhoben, 
Seine Söhne waren: 2) Graf Franz, geb. 
10. Febr. 1778; trat früh im die preußiſche Gas 
valerie, war 1813 Stabsoffizier im 1. ſchleſiſchen 
Hufarenregiment, ward bei Nollendorf verwundet u. 
gefangen; fpäter befreit, wurde er Gommandenr 
defjelben Regiments u. Generalmajor; er ft. an den 
Folgen der 1813 erhaltenen Kopfwunden geiftes- 
 Trant 10. Oct. 1829 zu Köpenid, 8) Fürft 

Gebhard, Sohn des Vor., Befiter der Majo— 
vatsherrichaft Krieblowig u. Wahljtadt in Scle- 
jien, erbliches Mitglied des Herrenhaufes, geb. 
14. juli 1799, vermählt feit 1832 mit Marie, 
geborener Gräfin von Lariſch-Moenich (geb. 3. Sept. 
1801), geft. 8. März 1875 auf Schloß Radun 
bei Troppau. Gein älterer Sohn Gebhard, jetst 
Chef der Familie, ift geb. 18. März 1836 und 
gleich jeinem Bruder Guſtav (geb. 11. Juli 1837) 
fatholiich erzogen; vermählt feit 1860 mit Marie, 
Prinzeifin v. Lobkowitz (geb. 18. Juli 1841, geft. 
7. Oct. 1870). Sein ältefter Sohn Gebhard Yeb- 
vecht ift 9. Juli 1865 geboren. 4) Friedrid 
Gebhard, Graf B. von Wahlftadt, geb. 1780, 
Sohn von B. 1); machte einen Theil der Feld— 
züge 1813 —15 ald Adjutant feines Baters mit, 
nahm den Abichied als Oberftlieutenant und ft. 
14, Jan. 1834. B) B.-Altona, ftammt von 
Karl vo. B., einem medlienburger Edelmann und 
Better von B. 1), welder im dänische Dienfte 
trat; Diefer Zweig wurde 1818 in deu Grafen- 
ftand erhoben. 5) Graf Konrad Daniel, geb. 
29. Febr. 1764; trat früh im dänische Dienfte, 
wurde Hofmarſchall in Kopenhagen, 1801 Amt» 
mann in Apenrade u. 1808 Oberpräfident von 
Altona, um welche Stadt er fih durch Muth u. 
Energie während ‚der Bejegung von Hamburg 
durch die Franzoſen große Berdienfte erwarb, 
weshalb ihm nach feinem Tode (1. Aug. 1845 
bier ein Denkmal errichtet wurde, Eine dritte Linie: 
©) B.⸗Finken, it lutheriſch, 1815 in den 
preußischen Grafenftand erhoben u. in Medien- 
burg begütert, wo B. und Finken ihre Wohnfik 
find, Bol. Fr. Wigger, Geſch. der Familie von 
B., Schwerin 1870, BR. 1. 

Bludenz, betriebfane Stadt im gleichnam. 
Bez. in Boralberg, Öfterreih (im früheren Wal- 
gan), Eiienbahnftat.; Bezirkshauptmannſchaft, Be— 
zirlsgericht, außer anderen Fabrikzweigen große 
Weberei; 2166 Em, 

Bludoff, Dimitri Nilolajewitich, ruſſi— 
[her Staatsmann, geb. 1783; trat 1801 in den 
ruf. Staatsdienft, wurde, nachdem er die unteren 
Stufen der Diplomatie an verfchied. Höfen durch— 
laufen hatte, Geſandter in London, dann Secretär 
im Unterrichtsminifterium, 1832 Minifter des In⸗ 


— 





Bludenz — Bluhme, 


liberalen Partei angehörig, ging er 1825 in das 
Lager der Militär-Abfolutiften über u. war als 
geiftigebedeutender vertrauter Nathgeber des Kai- 
jers Nikolaus u. auch unter feinem Nachfolger 
(1858 Vorfigender des Comites für Aufhebung 
der Yeibeigenichaft, die er 1863 geicklich zum Ab- 
ihluß brachte, u. 1861 Präfident des Minifter- 
rathes) bis zu feinem Tode, 2. März 1864, einer 
der einflußreichiten Männer des Petersburger 
Hofes. Sein Sohn Andreas hat fi Der Diplo 
matiſchen Carridre gewidmet; feine einzige, unver⸗ 
mählt gebliebene Tochter Antoinette gilt für eine 
Hauptvertreterin der altruffischen Partei. 
-  Kbielemann, 
Blue-Carth, County im nordamerif. Unionsi. 
Minnefota, unter 43° n. B. u. 94° w. L.; batte 
ihon 1871 19,680 Ew.; Boden überaus frucht- 
bar u, durch blaue Erde gelennzeichnet; ſehr qut be= 
wäflert; reiche Kalfiteinlager; Countyfig: Manlato. 
Blue⸗Fields (Blewfields), 1) (R. Lama) Fluß 
in ‚dem ehemaligen Mosanito- Territorium im 
Gentral-Amerifa, jest zu Nicaragua gehörig; er- 
gießt fi) nad) einem Laufe von etwa 400 km in 
eine Bucht des Caraibiihen Meeres. 2) Stadt 
u. ehemal. Reſidenz des Königs von Mosquite, 
an der Mündung des gleichnam. Fluſſes, auf 
einer Anhöhe; guter Hafen; 18. Oct. 1865 dur 
einen Orkan faft ganz zerftört. 
BlueStodfings(engl.),jov. w.Blauftrumpf?2). 
Bluette {fr.), Fünlchen; eine Heine wigige Schrift. 
Bluhme, 1) Friedrich (auf dem Titel jeimer 
eriten Schriften Blume), ausgezeichneter Rechts- 
gelebrter u. Forſcher auf dem Gebiete des hiſto— 
riſchen Rechtes, geb. 29. Juni 1797 zu Hamburg; 
ftudirte in Göttingen, Berlin u. Jena, promovirte 
1820 in Jena u. machte 1821 eine wiljenjchaft« 
liche Reiſe nach Italien, deren Ergebnifie er im 
feinem Iter italicum, 4 Bde., Berl. 1824—36, 
u. der Bibliotheca librorum manuscriptorum 
italica, Gött. 1834, darlegte. 1823 zu einer 
Profefiur in Halle berufen, fiedelte er 1831 in 
gleicher Eigenihaft nad Göttingen, 1833 als 
Oberappellationsgerichtsratb nah Yibed über. 
1843 vertaufchte er dieſe Stellung mit einer Pro- 
feffur in Bonn, mo er 22. Nov. 1874 ftarb. 
Seine wiffenichaftliche Thätigfeit erftredte ſich auf 
Erforihung u. Herausgabe römiſcher u. deuticher 
Rechtsdenkmäler (der Lex Dei im Corpus juris 
Romani antejustinianei, Bonn 1834; der Lex 
Burgundionum u. Lex Langobardorum in den 
Monumenta Germaniae, Leges Bd. IV., Han- 
nover 1868; Die weſtgoth. Antiqua, Halle 1847; 
die Gens Langobardorum, 2 Hefte, Bonn 1865 
u. 1874); theil$ auf ſyſtematiſche Darjtellung des 
Rechtes (Kirchenrecht der Juden u. Ehrijten, 2. Q., 
Halle 1851; Grundriß des Pandektenrechtes, 2. A., 
Halle 18433 Gncpflopädie der in Deutſchland 
geltenden echte, 3 Bde, in 4 Abth., Bonn 
1847 —58 u. ö.). Yange „Jahre hervorragendes 
Mitglied der Rheinischen Provinzialignode, bat er 
fidh große Berdienfte um die rheiniiche Evangel. 
Kirche erworben (Rhein.⸗Weſtphäl. Kirchenorduung, 
3. A., Bonn 1867; Das Rheinpreuß. Gejet über 
Pfarrwohnungen, ebd. 1859, Goder des Rheim. 


nern, 1839, Präfident der Commiffton zur Co« | Evangel. Kirchenrechtes. Eiberf. 1870). Auch war 


dification des Rechtes. 


Unter Alerander I. der 


er Diitheransgeber des Rhein. Muſeums für Juris— 


Blum, 


prudenz. 2) Chriftian Albert, dänifher Mi— 
nifterpräfident, geb. 27. Dec. 1794 in Kopen- 
bagen; ftubirte 1811—16 die Rechte u. wurde 
zuerft 1822 Affeffor im Oberlands- n. Hofgericht 
u, 1824 Secretär, Kaffırer u. Oberpormund im 
Sonvernementsrath für das däniſche Oftindien; 
1831 wurde er Hardesvogt, 1838 Stiftsamtmann 
in Walborg u. 1843 Director der Generalzoll- 
fammer u.des Commerzcollegiums. Bei der Neuge- 
ftaltung der Hegierung im März 1848 ins Cabinet 
Moltfe berufen, übernahm er das Zoll- u, Han- 
delsminifterium, was er bis Novbr, d. J. ver- 
waltete, blieb aber noch Cabinetsfecretär u. wurde 
1850 Director der Sundzollangelegenheit, 1851 
Minifter des Außern u. ım Yan. 1852 zugleich 
Minifterpräfident. Im April 1853 behielt er fein 
Bortefenille im Minifterium Orſtedt, wurde jedoch 
wegen eigenmächtiger Überfchreitung des Finanz. 
etats mit feinen Gollegen am 12. Dec. 1854 in 
Anklageftand verfett, aber vom Reichsgerichte Br 
geiprochen. 1855 wurde er Director der Ore— 
jundzollfammer, 1856—57 bei den Sundzoll- 
verhandlungen Borfigender und im Juli 1866 
wieder Minifterpräfident. Er fl. 17. Dec. 1866 
in Kopenhagen. B. gehörte während der Seit 
feiner pofitiichen Thärigleit zu der Schule der 
Gefammitftaatsmänner, welde ſich die Aufrecht- 
haltung der dänischen Geſammtmonarchie zur Auf—⸗ 
gabe geftellt hatten, aber freilich ſchließlich ihren 
Plan Vneltern fehen mußten. 

Blum, 1) Karl Ludwig, deuticher Compo— 
nift u. Bühnenfchriftiteller, geb. 1785 (nad Ans 
deren 1790) in Berlin; widmete fih dem Stu— 
dium der Mufik, trat auch als Sänger u. Schau« 
fpieler auf u. componirte mehrere Opern, von 
denen bejonder8 Das Nojenbütchen in Wien mäb- 
rend des Eongrefies 1815 außerordentlihen Bei— 
fall fand. Bon 1817 ab bereifte er Frankreich u. 
Italien; 1820 kehrte er nach Berlin zurüd, wurde 
tönigl. Hofcomponift, fpäter Regiſſeur der königl. 
Oper dafelbft u. entmwidelte nun eine außerordent- 
fihe Thätigleit. gmäat verpflanzte er das 
frangzöfiihe Vaudeville nah Deutjchland u. errang 
mit feinen Stüden diefer Gattung: Der Scifis- 
capitän, Bär u. Baffa, Der Spiegel des Taufend- 
ſchön u. a. große Erfolge. Außerdem verfuchte 
er fid) auch in Yuftfpielen, die er mit vielem Ge- 
ſchick nach franzöfiihen, englifhen u. italienischen 
Stoffen bearbeitete u. jo umſchuf, daß fie den Ein- 
drud deutſcher Originalftüde machen. Zu nen. 
nen find: Der Fächer (1832), Das laute Ge- 
heimniß, Der Ball zu Ellerbrunn (1839), Die 
Herrin von der Elſe, Ich bleibe ledig (1840) ꝛc. 
Endfich componirte er noch verfchiedene Ballete, 
Goncertftüde, ſowol fiir das ganze Orcheſter, mie 
für einzelne Juftrumente, Geſänge zc. Er ftarb 
zu Berlin 2. Juli 1844. Im Buchhandel erſchieu 
von ihm: Luftipiele für deutſche Bühnen, Berl. 
1824; Neue Bühnenfpiele, Berl. 1828; Vaude— 
villes für deutſche Bühnen u. gefellige Eirfel, 
Berl. 1825; Neue Theaterjpiele, Berl. 1830; 
Theater, Berl. 1839—44, 4 Be. 2) Karl 
Ludwig, Dichter. Geichichtichreiber, geb. 25. Juli 
1796 in Hanau; madte 1514 u. 1815 den Feld— 
zug gegen Frankreich unter den bejfiichen Jägern 
mit u. ſtudirte ſeit 1816 in Landshut, Heidelberg 


047 


u. Berlin die Rechte, arbeitete auch in letter Stadt 
eine Zeit lang als Aufeultator am Stadtgerichte, 
wendete ſich aber dann der Bhilologie zu u. wurde 
1826 Profeffor der Gefchichte u. Geographie in 
Dorpat; 1851 gab er diefe Stelle auf u. priva- 
tifirte in Heidelberg, wo er 28. Juni 1869 ſtarb. 
Er ſchr.: Heinrihs Dichten u. Trachten (Gedichte 
mit Ullrich), Berl. 1819; Klagen Griechenlands 
(Gedichte), 1822; Einleitung in Noms alte Ger 
Ihichte, ebd. 1828; Herodotos u. Kteſias, die Älte- 
ften Gejcyichtichreiber des Drients, Heidelb. 1836; 
Andreas dv. Löwis of Menar, ein Bild aus den 
Oftfeeprovinzen, Berl. 1846; Gedichte, Heidelb. 
1853; Ein ruffiiher Staatsmann (des Grafen 
Jakob Joh. von Sievers Dentwürdigfeiten zur 
Geſchichte Rußlands), Lpz. 1857 f., 4 Bde, Aus⸗ 
zug, ebd. 1864; Fran; Lefort, Peters des Großen 
Günftling, Heidelb. 1867; gab auch heraus: Dor- 
pater Jahrbücher fiir Piteratur, Statiftit u. Kunſt, 
Niga 1833. 8) Johann Reinhard, namhafter 
Mineralog, geb. 28. Oct. 1802 zu Hanau; ftu- 
dirte feit 1821 im Heidelberg Staatswifjenjchaften 
u, nebenbei Mineralogie; babilitirte fih 1828 als 
Privatdocent zu Heidelberg, wo er 1838 Profefior 
der Mineralogie murde. Er hat bei. durch feine 
Unterfuhungen über Pjendomorphofen fib Ver- 
dienfte um die Mineralogie erworben. Er jchrieb: 
Tafchenbuch der Edelfteinfunde, Stuttg. 1828, 
2.4.,1834; Lehrbuch der Orpftognofie, ebd. 1833, 
4. U., 1873; Lithurgik oder Mineralien u. Ge 
birgsarten in ihrer techn. Anwendung, ebd. 1840; 
Piendomorphofen des Mineralreiches, ebd. 1843, 
Nachträge 1847, 1852 u. 1863; Grundriß der 
Mineralogie u. Geognofte, ebd. 1850; außerdem 
zablreihe Abhandlungen, namentl. in Leonhards 
u. Bronns Jahrb. u. in Poggendorfis Annalen. 
4) Robert, deutjcher Bolititer, Schriftiteller u. 
Bolfsredner, geb. 10. Nov. 1807 in Köln; lernte 
als Gürtler und fam in eine Laterıenfabrif, 
1830 wurde er Theaterdiener in Köln u. ging 
1831 mit Ningelhardt als Theaterfecretär und 
Hufsfaffirer nach Leipzig. 1840 wurde er Mit- 
ftifter des Schillervereins; ebenjo hatte er theil 
an der Leitung des Yiteratenvereins. Der Bolitif 
batte er fih ſchon 1830 in Köln zugemwendet; in 
Leipzig gab ihm die Oppofition des Yandtages 
1837 Gelegenheit, bef. in der Staatsbürgerzeitr 
ung in deren Sinne zu ſprechen. Im Febr. 1845 
wurde er Mitbegründer der deutich-Fatholiichen 
Gemeinde in Yeipzig u. Gemeindevorftand, Bei 
den Auguftereignifien 1845 in Leipzig war er für 
Wiederberftellung der Ruhe tbätig. 1847 gab er 
feine Stelle am Theater auf u. begründete eine 
Buchbandlung. 1848 nad den Februarereigniffen 
jpielte er eine große Rolle als das Haupt der 
Demofraten u. gründete den Redelibungsverein ır. 
den Baterlandsverein; dann ging er nah Frank— 
furt, wo er Vicepräfident im Vorparlament, dann 
Mitglied des Fünfzigerausſchuſſes u. von Leipzig 
zum Mitgliede des Parlaments gemäblt wurde; er 
ftand bier an der Spite der Finfen. Als der 
Aufftand im Octbr. 1848 in Wien ausbrad, 
brachte er mit Fröbel den Wienern eine Beifalld- 
adrefie der Linken der Nationalverfammlung u. 
betheiligte fih am 26. Oct. an der Spitze einer 
Elitencompagnie am Kampfe gegen die Regierungs- 
35* 


* 


548 Blumauer — Blumen. 


truppen. Nah der Übergabe Wiens zog er fih| Dichteru.Redener wohl anftebt, aber in der twiffen- 
am 29. Octbr. zuriid, wurde aber am 4. Rovbr. ſchaftlichen Rede nicht angebracht iſt; durch die B. 
gefangen, am 8. Novbr. vor ein Kriegsgerichtiiprecdhen, d. b. den Sinn einer Rede unter Wor- 
geftellt u. zum Strange verurtheilt, was jedoch in|ten verfteden, die durch die Beziehung auf einen 
das Todesurtheil dur Pulver u. Blei winge-)beftimmten Gegenftand eine andere als die ger 
wandelt u. am 9. NRopbr. auf der Brigittenau |wöhnlihe Bedeutung haben (verbliimte Phrayen). 
vollzogen wurde. Diefe Hinrichtung, ald aneinem| Blume, Friedrich, fo v. w. Bluhme 1). 
Barlamentsgliede vollzogen, bradhte große Auf-| Blumea DC., Pflanzengattung (benannt nad dem 
regung hervor; noch bis in die neuefte Zeit wur- holländiſchen Botaniker Blume, dein Verfaſſer der 
den au feinem Todestage Kränze auf fein Grab] ;zlora von Java), aus der Familie der Compofiten 
gelegt, ebenfo in Frankfurt a. M. ſchwarze Fah- (XIX. 4), mit linealiichen, jpigen Hüllblätteru, 
nen aufgeftedt. Für B-8 Hinterbliebene wurde | weiblichen Strahlenblüthen u. männlichen Scheiben- 
durch Subfeription eine Summe von etwa 40,000 blüthen, geihwänzten Autheren u. runden Schließ- 
Thlr. zufanmmengebradt. Seine Frau Eugenie, früchtchen, mit einfachem Haarlelche. Bon den 
geb. Günther (geb. 13. Jan. 1810 in Penig, Sad» |zahlreichen (nahezu 100), meiſt in Oftindien, theil- 
fen), ft. 15. März 1874 in Leipzig. Er for. u. a.:|werfe auch in Afrika einheimifchen Arten ift zu 
das Schaufpiel: Die Befreiung von Candia, Lpz. erwähuen B. grandis Wall., mit eiförmigen, 
1835; Der Weihnachtsbaum, Biographien frei-|ipiten, oberwärts fablen, unterſeits behaarten, ge- 
finniger Dichter, 1847 zc.; gab mit Herloßlohn|jägten Blättern; diefelbe liefert eine Art Kampber 
u. Marggraff das Theaterlerifon, Altenb. 1838 Jin veichliher Menge u. gilt als Fräftiges, ſchweiß 
fi., 7 Bde.; mit Steger das politifhe Tafchenbuch |treibendes Mittel, auch bedienen fi ihrer die 
Borwärts, 1843—47, 5 Bbe., und das Staats-| Birmanen bei Magenſchwäche. Engler. 
lexikon für das deutiche Vol, 1847, berans. Sein) Blumen, fo v. w. Blüthen; dann auch ſchön 
ältefter Sohn Hans, geb. 8. Juni 1841 zu LYeipr blühende Zierpflanzen. Die B., vorzugsweiſe die 
zig, hat ſich als Publicift einen Namen gemadht.| Blumenfron- oder Gorollenblätter, zeichnen ſich 
Er ftubirte in Leipzig u. Bern die Rechte, ſaß durch mannigfaltige Farben aus, bei denen blau, 
1867— 70 im Norddeutſchen Neichstage, ſchloß ſich roth u. violett, gelb u. weiß die gemöhnlichften, grün, 
der nationalliberafen Partei an, wohnte dem Kriege /grau, braun n. vornehmlich ſchwarz die feltenften 
1870/71 als Eorreipondent des Daheim im Großen ſind; nur aus wenigen B. läßt ſich ein dauerhafter 
— bei u. redigirt ſeit Anf. 1871 die] Farbſtoff gewinnen (vgl. blau, B-gelb, Carthamin 
Grenzboten. Er ſchr. Commentar zum Deutichen |u. Pflanzenfarben). Der Geruch ift den B. mebr 
Strafgefegbucdhe, Zür. 1870, u. Sächſiſcher Nechts- [als anderen Pflanzentbeilen eigen; verhälmigmäßig 
freund, ebd. 1870, 1) Salomon. 4) Echroot.* befitgen jedoch nur wenige einen Geruch; von diefen 
Blumauer, Aloys, deutiher Dichter, geb.)find einige wohlriehend (angenehm, licblich, ge- 
21. Decbr. 1755 zu Steger im Lande ob der Ens;|mwürzbaft, zumeilen auch ſcharf oder betäubend), 
ſtudirte in feiner Baterftadt, wurde 1772 in Wien andere find ftinfend, ſelbſt efelriehend. Der B- 
Jefuit, mußte nad Aufhebung des Ordens meh-|gerud wird Durch ;Feuchtigfeit u. Erhöhung der 
rere Jahre lang durch Unterricht fein Brod ver-| Temperatur vermehrt. Die Ausdünftung der B— 
dienen, wurde dann unter dem Baron van Swieten überhaupt, B-duft, ift meift erregend und er- 
als Hofcenfor angeftellt, legte beim Einbruche derjauidend, daher auch Kranfe ihn lieben; doch iſt 
Neaction diefes Amt 1793 nieder u. übernahm die ſtarker B-duft, namentlich in verichloflenen Zim- 
Rudolf Gräfferfche Buchhandlung ; er ft. 16. MärzImern, Berfonen mit ſchwachen Nerven häufig läftig, 
1798. Eiferer gegen Aberglauben u. Pfaffenthum, indem er betäubt u. Kopfichmerz verurfadt; ja, er 
der beliebtefte Dichter Wiens in jener Zeit; ma-|töbtet Infecten u. größere Thiere, u. Menſchen, 
mentlih wurde feine traveftirte Äneis (Wien die in Zimmern fchlafen, wo ſtark riechende 8. 
1784 f., 3 Bde. u. Ö., neueſte Ausgabe von E.|jteben, erleiden wol Ohnmachten, ſelbſt Schlag- 
Grifebah, Lpz. 1872), ein von Wit u. Yame|flüffe. Aus den Blüthen des weißen Diptam ent- 
überiprudelndes, aber auch die Rohheit u. Gemein |binden fich brennbare Diinfte, die fih an einem 
beit nicht fcheuendes Werk, mit raufhendenm Wei» nahe gehaltenen Lichte entzlinden; auch geben 
falle aufgenommen. Sämmtlide Werke, Lpz.|mande gelbe Garten-B. (indianifhe Krefle, Rin- 
1800—1802, 8 Bbe., u. Ö., zulett 1871, 3 Bde. |gelblume, Feuerlilie, Sonnenblume, Lad u.mt, a.) 
Blume, 1) iiberhaupt die farbige Blüthe einer|in heigen Sommermonaten, furz nah Sonnen— 
Pflanze, bef. aber die Blumentrone; ſ. u. Blüthejuntergang, bei heiterer, trodener Luft, mitunter 
und Blumen. 2) Das Feinſte und Befte einerjeinen blitzähnlichen Schein, oft 2—3mal hinter 
Sade, daher 3) B. des Weines, Ausftich des einander: man nennt dies B-leucdten. 
Weines; fo v. w. Bouquet. 4) Bei gemäftetem] In der Gärtnerei heißen B. vorzugsweiie alle 
Federvieh Die Fettlappen inmwendig im Bauche. |diejenigen Pflanzen, welche uns durd die Schön- 
5) (Chem.) Sublimate, die einen loderen Zu-|heit oder Annehmlichkeit ihrer Blüthen erfreuen: 
jammenhang ihrer Theile u. wenig Gewicht haben, im meiteren Sinne bezeichnet man aber auch ſolche 
3. B. Schwefel», Zint-, Ziun-Bn x. 6) Der in Pflanzen, befonders Krautpflanzen, als B., die 
5 u. Textur vollendete Stapel furzgebrängter|bauptiächlich des Bergnügens wegen u. zur Zierde 
Wolle. 7) Beim Hafen, auch beim Noth- u. Dam-Jin den Gärten, Zimmern u. Gewächshäufern ge- 
wilde der Schwanz; beim Fuchſe u. Wolfe diejzogen werden; wogegen die nugbringenden Bflan- 
Spige des Schwanzes. 8) (Rhet.) Bild, im Aus-|zem, auch wenn fie ſchöne Blüthen tragen, ebenjo 
prud des Angenehmenu. Schönen; daher blumiger/mwenig, als die meiften bolzartigen Gewächſe bes 
Stil, ein mit vielen Bildern geihmiüdter, der dvemifreien Landes, diefe Benennung erhalten. Die B— 































Blumen. 


549 


liebhaberei beſchränkte ſich anfaugs auf die Pflanzen, welche viel Waſſer verlangen, zum Be— 
wildwachſenden, ſchönblühenden Pflanzen, dehnte gießen beuuntzt werden dürfen, während in der Regel 
ſich aber bald auch auf ſolche Gewächſe aus, die das nöthige Waſſer oben auf die im B-topfe be— 
in den betreffenden Gegenden nicht urſprünglich findliche Erde gegeben werden ſoll, u. zwar nur 
heimiſch waren u. daher mit größerer Sorgfalt|fo oft, als fie ziemlich ausgetrodnet ift, dann aber 


angezogen u. gepflegt werden mußten, wodurch 
fib die Bzucht oder B-gärtnerei ausbildete, 
welche jegt die Eultur der B. im meiteften Sinne 
in ſich begreift u. wol als der am nteiften aus— 
gebildete u. einträglichjte Zweig der Gärtnerei be- 
zeichnet. werden fan. Sie beichäftigt ſich nicht 
allein mit der Erziehung u. Ausbildung der B. 
nach den befannten Erfahrungen, fondern fucht 
durch genaue Beobachtung der Eigenthümlichkeiten 
u, Bedirfniffe derjelben u. mit Anwendung der 
verſchiedenartigſten Hilfsmittel fie zu einer immer 
größeren Schönheit u. Vollkommenheit zu bringen 
und aus ihnen weitere nene ‚Formen, bejonders 
dur Auwendung der Fünftlihen Befruchtung, zu 
erzielen; auch die weitere Verwendung u. Ver— 
vielfältigung der B+producte (Blüthen, Blätter, 
Samen x.) rechnet man mit dazu. Früher um- 
faßte die Brzucht nur verhältwigmäßig wenige 
Arten von B., befonders ſolche, deren Gultur 
nicht jehr jchwierig war u. welche eine große Neig- 
ung zur Bildung neuer Formen zeigten, 3. B. 
Zulpen, Hyacinthen, Ranunkeln, Auritein, Nelten, 
Leployen, Nofen u. a., und babei ſich im Freien 
ziehen ließen, ſowie auch eine Anzahl ſolcher Bflan- 
zen, die ohne Schwierigkeit im Zimmer gedeihen. 
Bei der ungemein großen Mannigfaltigleit der 
DB. in jetiger Zeit ift die Brzucht fünftlicher ge- 
worden u. nicht mehr im der einfachen Weije wie 
früher zu betreiben; allgemeine Regeln laffen fich 
dafür jchwer aufjtellen, da der B-Züchter oder 
Blumift die B. möglichft in diejenigen Berbält- 
niſſe zu bringen ſuchen muß, welche jeder Eigene 
art am meiften zufagen, wobei er jein Augenmerf 
ganz bejonders auf die Beichaffenheit, Feuchtigkeit 
u. Wärme des Bodens u. der Luft zur richten bat, 
in welchen fie ſich entwideln jollen, m. forgen muß, 
daß ihnen das erforderliche Licht nicht mangele, 
in welchen Beziehungen fie durchaus verſchiedene 
Anjprücde maden. Die B-zucht wird im Freien 
in bejonderen Begärten betrieben, oder in Zim— 
mern, welhe Braimmmer. genannt werden, wenn 
fie faft ausschließlich diefem Zwede dienen, u. wo— 
bei man aud vor dem Feuſter angebrachte B- 
bretter zu Hilfe nimmt; oder in Gewächshäuſern, 
die dann auch wol B-häuſer heißen; Kleinere, mit 
Feuſtern bededte Räume, in denen vorzugsweife 
die jungen B. angezogen werben, nennt man B— 
fäften. Die nicht im Freien cultivirten B. wer- 
den faft immer in die aus gebrauntem Thone, 
weniger zwedmäßig aus Porzellan oder Steingut 
gefertigten B-töpfe gepflanzt, denen eine Off- 
nung im Boden zum Nbfinfje des überflüffigen 
Waſſers nicht fehlen darf; fie müfjen im richtigen 
Berhältyiffe zur Größe der Pflanzen fiehen, eine 
runde, nad unten etwas verjüngte Form haben, 
damit fih beim Berpflanzen die Erdballen leicht 
herausnehmen laffen, und im dem weiten Fällen 
ehwas tiefer als breit fein. In ſolchen Räumen, 
welche durch das ablaufende Waſſer wicht 


Unterjegnäpfcdyen, welche aber nur bei denjenigen 


bes | 
ſchmutzt werden jollen, fegt man uuter die Töpfe, 


in geniügender Menge, damit fie biß zum Grunde 
durchfeuchtet werden, wobei ja das etwa über— 
flüſſige Waffer ımten abläuft. Die Erde, mit 
weicher die Brtöpfe gefüllt werden (B⸗-erde) 
muß für die einzelnen B. verſchiedenartig zufam« 
mengeſetzt ſein; im Allgemeinen ſoll ſie mehr leicht 
u. loder, als ſchwer und bindend ſein, weshalb 
häufig Sand beigemifcht wird. Viele B., ſowol 
im freien Yande, als auch in Töpfen, bindet man 
an mehr oder — zierlich gearbeitete, häufig 
angeſtrichene B-ftäbe, damit ſie nicht umfallen. 
In den Gärten vereinigt man die B. gern auf 
Bebeeten, welche ſo angelegt werden müſſen, 
daß fie den Eigenthümlichleiten der betreffenden 
B. entſprechen u. mit Leichtigkeit behandelt were 
den können; ihre Form, Yage und Bepflanzung 
bleibt dem Gejhmade des Züchters überlaffen, 
jedoch find die einfachen Formen, befonders der 
Kreis u. die Ellipfe, die durchgängig beliebteften; 
bei der Bepflanzung iſt fowel auf die Blüthezeit 
der betreffenden Pflanzen, als auf deren Höhe u. 
die geſchmackvolle Zufammenftellung der Farben 
gebührende Nüdficht zu nehmen. Die feit einiger 
Zeit jehr in Aufnahme gekommenen Teppichbeete 
ud in regelmäßige Abtheilungen eingetheilte B- 
beete; jede Abtheilung derjelben wird nur mit 
Pflanzen einer u. derjelben Farbe bejett, welche 
gewöhnlid von der Farbe der anftoßenden Ab« 
theilung ſtark abftiht, wodurh dann durchaus 
regelmäßige Figuren, 3. B, Sterne, einander um— 
ichliegende Kreife, Kreuze u.a. mit ſehr auffallen« 
den Farben gebildet werden; zu ihrer Bepflanz- 
ung werden vorzugsweife auch niedrig bleibende 
Pflanzen mit lebhaft gefärbten, nicht grünen Blät- 
ten verwendet, Wenn die Bebeete mit eingefted« 
ten biegſamen Muthen, Drahtgeflehten, Thon—⸗ 
platten u. dgl. geſchmackvoll eingefaßt werden, fo 
bezeichnet man jie als B-körbe; werden fie fehr 
erhöht u. jelsartig duch Schladen oder Stein— 
broden vorgerichtet, zwischen welche daun dazu 
paffende Pflanzen zu ftehen fommen, fo haben 
wir Beberge. Ju den Zimmern fett man die 
B. vielfah auf Betifche, welche durch ihre mehr 
oder weniger elegante Arbeit an fih jhon eine 
Zierde derjelben ausmachen; fie müſſen mit einem 
Einfage von Zinfbieh verjehen fein, damit beim 
Begießen der B. fein Waffer auf den Fußboden 
laufen fan. Pflanzen mit überhängenden Blättern 
u. Zweigen eignen ſich vorzugsweiſe zur Bepflanz- 
ung der B-ampeln, welde an Schnüren auf 
gehängt werden. Die ald B+geftelle befannten 
treppenartigen Gerüſte werden zur Aufftellung ver 
B. bejonders gern verwendet, weil auf ihnen bie 
einzelnen Pflanzen möglichſt frei zu ftehen kommen 
u. beobachtet werden können. Durch die Bereinig- 
ung einer großen Menge gleichzeitig blühender, 
geihmadvoll geordneter B. bildet fi ein B-flor, 
weshalb auch alle diejenigen B., welche bejonders 
häufig u. in vielen ‚sormen u. Farben gezüchtet 
werden, die Bezeichnung ylor-B, erhalten haben. 
Noch größere Zufammenftellungen von B. hat man 


950 


Blumenau — Blumenbad. 


in den B- ausftellungen, melde von Zeit zulichönen B-fträußen uw. B-fränzen vereinigt; 


Zeit in vielen größeren Städten zur Hebung der 
Bzucht veranftaltet zu werden pflegen, u. auf 
weldyen hervorragende Leiſtungen der Ausjteller 
in der B-cuftur Durch Preife- in Geld oder Me— 
daillen ausgezeichnet werden; in manden Städten 
finden auch vegelmäßig B-märkte flatt, auf wel- 
den die zum Verkaufe beftimmten B. von den 
B-bändlern feilgeboten werden. Die B»trei- 
berei, durch welche unter Anwendung vermehrter 
Wärme der Gintritt der Blüthe beichleunigt wer- 
den fann, bietet ein Mittel, auch in den Winter: 
monaten feinen Mangel an B. zu haben; es eig- 
nen ſich dafür außer den Bezwiebeln bejonders 
ſolche Pflanzen, welche leicht u. veichlih u. vecht 
zeitig im Frühjahre zu blüben pflegen; zur Trei- 
berer der Bezwiebeln bedient man jich häufig der 
hoben, runden, oben etwas verengten u, mit einem 
Haude um Die Offnung verichenen B-gläfer, 
auf welchen die Zwiebeln, mit der unteren Seite 
um Waffer ftehend, zum Blühen gebracht werden. 
Unter B-zwiebeln verfteht man (im Gegenjate 
zu anderen, theils mugbaren, theils unbenutzten) 
die Zwiebeln folder Gewächſe, welche wegen ihrer 
Ihönen Blüthen angezogen werden, vorzugsweiſe 
derjenigen, Die fich im freien Yande erziehen laffen, 
als Hyacinthen, Tulpen, Narciffen, Crocus u. a. 
Die Cultur diefer legteren ift nur erfolgreich auf 
leichtem, loderem, kräftigem Boden u. ſchon feit 
Jahrhunderten vorzugsweife in Holland in der 
Gegend von Haarlem im jehr großem Maßſtabe 
betrieben worden, in neuerer Zeit aber auch auf 
den Zandboden der Mark Brandenburg mit gün— 
fiigem Erfolge eingeführt. Die Liebhaberei dafür 
war früher ın Holland jo übertrieben, daß man 
oft fiir einzelne jchöne u, feltene Zwiebeln unge— 
heure Preife zahlte, wie 3. B. in den Jahren 
1636 u. 1637 für einzelne Tulpen bis zu 18,000 fl. 
das Stüchk, u. felbit für unerhörte Summen mit 
ſolchen Zwiebeln, welche man felbft nicht einmal 
beiaß, mit der Bedingung, fie zu einer feſtgeſetzten 
Zeit abzuliefern, ſchwindelhaften Handel trieb ;-übere 
baupt war e8 zur Modejucht bei reihen Kaufleu- 
ten geworden, möglichit ſchöne u. werthvolle Zwie⸗ 
belſammlungen zu befigen, in fo hohem Grade, 
daß viele vermögende Leute dadurch zu Grunde 
gegangen find. Damals beichränkte ſich der bes 
rühmte B- handel Hollands fait ausſchließlich auf 
die Brzwiebein, u. wenn dieſe auch gegenwärtig 
immer noch einen erheblichen Antheil an demiel- 
ben nehmen, jo hat fich der Handel mit B. auf 
die meiften anderen Länder Europas ausgedehnt 
u, über alle Zweige der Bezucht verbreitet. Auch 
die Anfertigung künftliher B. aus Zeugjtofien, 
Federn, Papier xc., u. namentlich das Trodnen 
natürlicher B. wird in neuerer Zeit großartig be— 
trieben; zu letsterem Zwede benutzt man jet die 
verfchiedenften Arten von B. u. anderen Pflanzen, 
namentlich aud eine große Menge zierlicher Gras— 
arten, u. weiß ihnen beim Trocknen ihre natür- 
liche Geftalt u. oft auch die Farbe zu erhalten, 
noch häufiger aber lettere durch die Kunft zu er- 
jegen, wodurch fich das Vtrodnen n. Bsfär- 
ben als ein eigener Induſtriezweig herausgebildet 
hat. Dieje getrockneten B. werden wie die künft- 
liden u, die abgeichnittenen lebenden B. zu jehr 


die natürlichen behalten vor den anderen aber 
ftets den Vorzug der Friſche, Natürlichleit u. des 
Wohlgeruches, wenn fie ihnen auch hinfichtlich der 
längeren Dauer nachftehen müſſen. Das Shmüden 
der Zimmer u. Menſchen mit B. bei feitlihen Ge- 
legenheiten ift eine alte, fehr verbreitete Sitte, 
ebenio die Gräber der Dahingefchiedenen damit 
u zieren; durch Beftreuen auf den Wegen u. 
Ar im Theater u. a. O. ſucht man ge- 
feierten Berfonen jeine befondere Verehrung zu 
beweifen. Ju den B-fpielen (Jeux floraux) 
der Stadt Toulouje werden die beiten Erzeugniffe 
der Poeſie durch wertbvolle, aus Gold u. Silber 
angefertigte B. belohnt. Bei der im Orient ſehr 
ausgebildeten und beliebten Beſprache find Die 
B., wovon einer jeden ein beionderer Sinn bei: 
gelegt ift, die Vermittler der Gedanken, beſonders 
der Yiebenden, B. im Wappen follen Hoffnung u. 
Freude bedeuten. Wolde. 

Blumenau, 1) Dorf im Comitat u, bei Pres- 
burg in Umgarı, nahe der mährifchen Grenze u. 
an der Eifenbahn Wien» Presburg. Hier am 
22, Juli 1866 das legte Gefecht im Preußiſch— 
Oſterreich. Kriege, das durch die Nachricht vom 
Waffenſtillſtande von Nilolsburg abgebrochen wurde, 
als der preußifche General von Boſe bereits im 
Rücken der Ofterreicher fand. 2) Wichtige, nur 
von Deutichen bewohnte Colonie in der brafil. 
Prov. Santa Catarina; 12 Schulen; Botanifcher 
Garten; (1869) 6000 Ew., meift Proteftanten; 
in ftetem Wachſen begriffen.; ftarfe Eultur von 
Knollengewächſen und Zuderrofr; 1852 von 
Dr. Blumenan aus Kubdolftadt gegründet u. nach 
ihm benannt; 1859 von der brafil, Regierung zur 
Ztaatscolonie erhoben. 

Blumenbady, Johann Friedrich, berühmter 
Naturforfher, geb. 11. Mai 1752 in Gotba; 
jtudirte in Jena u. Göttingen Medicin, wurde 
1776 Profeſſor der Medicin und Aufſeher des 
Naturaltencabinets in Göttingen; er gab 1835 
feine afademifche Thätigfeit auf u. ftarb 22, Jan. 
1840. 8. ftand als Magister Germaniae hoch 
gefeiert unter den Lehrern der Naturwiſſenſchaften 
da u. 309 durch feinen fejlelnden, belebenden Bor, 
trag ans aller Herren Ländern die Zuhörer berbei. 
Die größten VBerdienfte hat er fi vor Allen um 
die vergleichende Anatomie erworben. Seine glän- 
zenden Erfahrungen u. Beobachtungen find theils 
in einzelnen Heineren Schriften, 3. B. feiner Differ- 
tation: De generis hum, varietate nativa, Gött. 
1775, theils in dem Handbuche der vergleichenden 
Anatomie u. Phyfiologie, ebd. 1304, niedergelegt. 
Der Zoplogie gab er durch Heranziehen der ver- 
gleichenden Anatomie exit feiten Halt und wiſſen— 
Ichaftliches Gepräge. Auch war er der Erſte, der 
die bis vor Kurzem meift adoptirte Eintheilung, 
von 5 Menjchenvacen aufftellte. Sonftige Werte: 
Handb, der Naturgeidichte, Gött. 1779, 12. A., 
1830; die Phyfiologie bereicherte, er weſentlich 
durch fein epochemachendes Werk: Über den Bild» 
ungstrieb u. das Zeugungsgeihäft, ebd. 1781, 
und durch die Institutiones physiologicae, ebd, 
1787. Ferner werthvoll find: feine Medicinifche 
Bibliothek, ebd. 1793— 95; Kleinere Schriften zur 
vergleichenden Phnfiologie, Anatomie u. Natur- 


Blumenbachia — Blumengelb. 


geichichte, ülberf. v. Gruber, Lpz. 1804; Beiträge 
zur Naturgeſchichte, 2 Bde., Gött. 1806— 11; 
Geſchichte u. Beichreibung der Knochen des menſch— 
lichen Körpers, ebd, 1786 u. 1807. Weltberühmt 
war feine Schädelfammfung: Colleetionis eranior. 
diversarım gentium decades VII, ebd. 1790 
bis 1828, und: Nova pentas collectionis suae 
craniorum, ebd. 1828, nen bejorgt 1873 von 
Thöring, durch welche der Echädellchre ein feiter 
Grund u. UÜberfichtlichleit gegeben murde,. Mit 
Born gab er heraus: Preisichrift von der Nu— 
tritionstraft, nebft Erläuterungen von Wolf, Petersb. 
u. Lpz. 1789. Bgl. Marr, Andenten an B., 
Gött. 1840, Thamhayn. 

Blumenbachia Schrad., Pflanzengatt. aus der 
Familie der Yoafaceen (XIIL. 1), der Gatt. Loasa 
verwandt, aber durch den zehnrippigen gedrehten 
Fruchtlelch unterfchteden, der ſich in zehn Theile 
trennt, nämlich in fünf vollfommene u. fünf un— 
ausgebildete Theilfrüchte. In - unferen Gärten 
findet man vorzüglich B. insignis Schrad., aus 
Montevideo, Dieje;fowieauhB.latifolia Cambess., 
von Paraguay, haben Brennhaare, wie die Brenn- 
neſſeln, u, werden, wie diefe, zur Urtication, d. i. 
zum Schlagen gelähmter Glieder angewendet, 

Blumenbalg (Bot.), jo v. w. die Blumen« 
ſpelzen der Gräſer; ſ. Blüthe. 

Blumenbarometer, die Zuſammenſtellung 
von Blumen, deren Kelche ſich bei verſchiedenen 
Witterungsverhältniſſen öffnen od. ſchließen. VBgl. 
Blumenuhr. 

Blumenbienen (Andrenetao Latr., Andre- 
nidae Auct., Gruppe (Familie) der giftſtache— 
hgen Hautflügler, welche zwifhen den eigent- 
fihen Bienen und den Welpen die Mitte bält; 
Zunge meift kurz u, breit; Glieder der Lippen— 
tafter gleichgeftaltet. Sie find nur zweierlei Ger 
ſchlechtes u. leben einſam; die Weibchen fammeln 
Blumenſtaub u. legen ibn, mit Honig vermischt, 
in ein oft in den fefteften Boden felbftgemadhtes 
Erdloch, darauf ein Ei und verftopfen das Loch. 
Zu den B. gehören die Gattungen: Forftbiene 
(Waldbiene, Hylacus Fabr.); Oberkiefer ungezähnt 
oder zweizähnig; Unterlippe dreillappig; Taſter 
borftenförmig; Hinterleib ovalstugelförmig. Sehr 
artenreih, Dahin die im Spätſommer häufige H. 
arbustorum Panz.; Männchen mitweißen, Weibchen 
mit gelblihen Querringen auf den glänzend 
ſchwarzen Hinterleibe. Hü ge Ibiene (Seidenbiene, 
Colletes Latr.), Körper behaart, drittes Fühler— 
glied länger als das zweite. Röthliche Hügel— 
biene(C. suceinetus), Schwarz, Bruftftiid weißlich, 
röthlih behaart; das Weibchen überzieht ihr Erd- 
loch mit gummiartiger, glänzender Maſſe u. baut 
eine Anzahl Zellen hinein. Eigentliche B. 
Sandbiene, Andrena Fabr.); Oberkiefer zmeis 
zähnig; Lippen- u. Kiefertafter gleichförmig. Ge- 
meine Sandbiene (A, flesae), ſchwarz, Füße 
violett u. weißhaarig; in Gartenmauern; legt ein 
Ei anf jchmierigen Honig. Wollfußbiene (Da- 
sypoda Latr.); Kinmlade gebogen; ein Fußglied 
der Hinterbeine mit langen Haaren. Ballen» 
biene (Halietus Latr.); Mittellappen der Inter: 
lippe nad unten gebogen und fait gerade; Ober- 


551 


Latr., Diehroa Nlig.); der faſt gerade Mittel- 
fappen der Lippe ift den Seitenlappeit gleich. Sph. 
gibba L., in Seitenwänden von Gräben; Männ— 
hen ftachellos; Weibchen mit Stachel. Schsgür- 
teliger Halictus (H. sexcinetus, Hylaeus s, 
H. grandis), in Auguft; baut in Sandwege; hat 
in jedem Loche mehreren Hülfen, jede mit mehre- 
ren Buppen. Thome.* 

Blumenblau. Durch Berdunften des alfoho- 
liſchen Auszuges der blauen, rothen u. violetien 
Blüthen und meiteres Neinigen läßt fich eine 
blaue, bygroffopifche, im feuchten Zuſtande nicht 
beftändige Maffe erhalten, Anthocyan genannt, 
die als der Farbſtoff diefer Blüthen angejehen 
wird u. in den rothen Blüthen fih in Verbindung 
mit ftärferen, im den violetten mit ſchwächeren 
Säuren vorfindet. Ein auf ähnliche Weiſe aus 
Kornblumen, Beilchen u. ſ. w. dargeftellter, mehr 
gereinigter yarbftoff wird mit dem Namen Cyanin 
bezeichnet. Elöven. 

Blumendecke (Bot.), fo v. w. Perianthium; 
j. u. Blüthe ce). 

Blumeneck (Blumenegg), Herrichaft u. Schloß 
im Bezirke Bregenz des öfterreich. Yandes Boral- 
berg; 10 Dörfer, mit der Propftei St. Gerold. 
B. gehörte ehemals dem Abte von Weingarten, fam 
1802 an Naffau-Oranien, 1804 an Ofterreich, 
1806 an Bayern, 1814 wieder an Oſterreich. 

Blumeneſche ift Fraxinus ornus L. 

Dlumenfliege (Anthomyia Meig.), Jnfectens 
gattung ans der Ordnung der Zweiflügler, Unter 
ordnung der ‚liegen, Gruppe der wahren ‚liegen; 
ähneln in ihrer Geftalt den Stubenfliegen. Die 
Larven, denen ein deutlich abgefetter Kopf fehlt, 
leben vielfach im Dinger, andere finden ſich auf 
beſtimmten Nährpflanzen, denen fie, wenn fie in 
größerer Menge auftreten, oft fchädlich werden, 
Die Wurzelfliege (A. radieum ZL.). Die Larve 
diefer den ganzen Sommer bindurd häufigen 
Fliege zerftiört Kohlraben, Nettige und Rüben; 
jene der Kohlfliege (A.brassicae Bouche) lebt 
den Sommer hindurch in den Wurzeln und 
Strünfen der verichiedenen Kohl-, Rüben- und 
Rettigarten, in welchen fie Gänge frißt u. Fäulniß 
erzeugt. Die Yarve der Lattichfliege (A. lac- 
tucarum Bouche) lebt an u. von den Früchten des 
Kopfialates u. anderer Yatticharten u. verurlacht 
deshalb in manchen Jahren Samenmißernte. Die 
Yarve der Zwiebeltliege (A, ceparum Meig.) 
findet fi in einer Frühlings- u. einer Sommer» 
generation im Mai u. im September an den ver- 
ſchiedenſten Zwiebelgewächſen und benagt gejellig 
den Grund der Zwiebeln; jene von A. furcata 
Bouche findet fi einzeln im Innern der Zwie— 
bel; die von A. platura Meig. wird mitunter 
dem Breiflauch u. der Schalotte gefährlich. Thome. 

Biumengelb. Die meiften gelben Blüthen 
verdanten ihre Farbe einem Anthoxanthin ge» 
nannten gelben yarbftoffe, der auch wol in Kan- 
thin und Kanthein unterjchieden wird. Erfteres 
läßt fi aus den Blüthen von Helianthus annus 
mit kochendem Weingeifte auszieben u. bildet nad) 
dem Heinigen eine ſchöne gelbe, amorphe, harz— 
artige Maſſe. Das Kanthein, meift aus Dahlien 


tiefer der Weibchen einzähnig; das Männchen un⸗ (Seorginen) dargeftellt, bildet einen ähnlichen Farbe 


gezähnt. Dazu die Budelbiene (Sphecödes 


ſtoff. 


Elören. 





952 


Blumenhagen, Philipp Wilhelm Georgj®emüfe belanut find. 


Auguft, deutſcher Schriftfteller, geb. 15. Febr. 
1781 in Hannover; ftudirte 1799 — 1803 in 
Göttingen u. Erlangen u. war Arzt in Hannover; 
ft. 6. Mai 1839. Er ſchrieb: Freia (romantifche 
Ditungen), Erf. 1805, n. Aufl., 1810, 2 Bbe.; 
Die Shladht ven Thermopylä (Tragödie), Hann. 
1814; Simfon (dramatifches Bericht), ebd. 1816; 
Gedichte, ebd. 1817, 2 Bde., 2. Aufl., 1826; 
Alazienbläthen (Auffäge, Vorträge und Gedichte 
für Freimaurer), ebd. 1815; Der Mann u. fein 
Schupengel (Roman), Lpz. 1823; Novellen und 
Erzählungen, Hannov. 1826 f., 4 Bde; Neuer 
Novellentvanz, Braunfhw. 1829 f., 2 Bde. Ge- 
fammelte Werte, Stuttg. 1836 —40, 25 Bbe,, 
1843 f., 16 Bde. 

Blumenholz (eugl. Flower wood), buntes, 
ſchön geblümtes Holz; kommt aus Geram (Siram), 
einer moluffiihen Inſel, u. wird zu Kunfttiichler- 
arbeiten verwendet. 

Blumenfäfer (Cetoniariae), Gruppe der In— 
jectenfamilie der Blattborntäfer (Lamellicornia); 
die Flügeldeden umfaffen den Hinterleib nich. 
Es find farbenprädhtige Käfer, bei denen Männ: 
hen u. Weibchen oft bedeutende Unterſchiede in 
der plaftiihen Geftaltung von Kopf und Bruft 
zeigen. Sie fliegen meift mit geſchloſſenen Fliigel- 
deden plöglih auf u. geben während des Fliegens 
einen ftart fummenden Ton von fih. Sie fuchen 
im Sonnenjchein Blumen auf, ernähren fih von 
Blüthenftaub u. Honig, fowie von den aus Bäumen 
u. Obſt ausftrömenden Zuderfäften. In Deutſch— 
land finden fi: die Schirm-B. (Trichius Fabr.); 
der Unterkiefer endigt in ein Tinienförmiges, pinfel- 
artiges Stüd; Kopfſchild ift ganz; das Kinn faft fo 
lang als breit, das Halsſchild vieredig abgerundet; 
Eremit (T. eremita Scop.), 3 cın groß, ſchwarz— 
braun, mit 3 Furchen auf dem Halsſchilde; riecht 
aprifofenartig, daher er auch wol Apritojenfäfer 

enannt wird; im Mulm alter Buchen u. Eichen. 
Bandfireif (T. faseiatus L.), ſchwarz, gelb» 
haarig; auf Doldenblüthlern. T. nobilis F", 
goldgrün, unten haarig; im Mulm von Pflaumen: 
bäumen und Weiden, u. v. a. Metallfäfer 
(Goldfäfer, Rofenfäfer, eigentlider B., Cetonia 
Fabr.); Kinn Hein, Halsſchild dreiedig; Flügel— 
deden eingebogen. Dahin der gemeine Roſen— 
füfer oder Goldfäfer (C. aurata L.), gold» 
grün; erfter Ring des SHinterleibes gezäbnt, 
auf den FFlügeldeden einige weiße Striche; leckt 
Blumenftaub, vorzüglih von Rojen u. Hollunder; 
die Larve lebt wol vier Fahre unbefhädigt in 
Ameifenhaufen und wird Ameifenfönig genannt 
Seltener find der pracdtvolle ©. speciosissima, C. 
marmorata u. a. Don ausländischen Arten find 
befondersdie riefigen, in Afrika u. Neu-Guinea vor» 
tommenden Soliathfäfer (ſ. d.) zuerwähnen, Thome.* 

Blumentohl(Brassica oleracea var. botrytis), 
eine Abart des Winter- od. Kransfobls (ſ. Brassica). 
welche fi durch eine muchernde feitlihe Ausbreit- 
ung der Blüthenftengel vor ihrer Entwidelung 
auszeichnet, wodurch ſich eine weiße geſchloſſene 
Maſſe dicht zufammengedrängter, verlürzter und 
verdidter Biüthenftiele bildet, die oft 20 cm im 
Durchmeſſer halten, Blumen, Köpfe oder Käfe 
genannt werten und als feines, wohlichmedendes 


Blumenhagen — Blumenmalerei. 


Man verftebt unter B. 
nicht allein den gewöhnlichen B. oder Carviol, 
fondern au den in England, Italien und dem 
ſüdlichen Franfreih viel gezogenen Broccoli oder 
Spargelfohl. Von dem gewöhnlichen B. gibt es 
mehrere Abarten, bie ſich durch die Zeit ihrer 
Ausbildung u. ihre Größe, fonft aber wenig unter» 
jheiden; nur der ſchwarze oder ficiliihe B. 
weicht von den übrigen durch die dunfle Farbe 
der Köpfe ab. Für die befte Sorte gilt jetzt der 
feit 1855 befannte große Erfurter Jwerg-B. 
Ale Arten von B. verlangen einen jehr guten, 
Ioderen, tiefgründigen, reihgebüngten Boden und 
Waffer in Menge, gedeihen deshalb eigentlich 
nur in niedrig gelegenen, mit Wafler durdh- 
zogenen Gegenden u. im Frühjahre oder Herbite 
gut, dabei beffer auf freiem, etwas gegen Wind 
geichlitstem Felde, als im geichloffenen Gärten, 
Er verlangt viele Diingung, liebt befonders alten 
Rindermift u. fräftigen flüſſigen Dünger, welcher 
namentlich bei trodenem Wetter zum Gießen be» 
nutzt jehr günftig wirkt, Die Ausfaat der Samen 
geihhieht entweder Ende Auguft, oder im Septem- 
er: die jungen Pflanzen werden dann dicht zite 
fammengepflanzt in falten Miftbeeten u. dal. über- 
mintert u. im Frühjahre ausgepflanzt (Winter-B.), 
wodurh man den frübeften u. jchönften B. er- 
zieht; oder die Samen werden im Frühjahre in 
Miftbeete u. von April-bis Mitte Juni ins freie 
Land gefäet u. dann die Pflanzen fpäter auf friich 
und tief ummgearbeitetes Yand 60— 70 cm von 
einander gepflanzt. Häufiges Behaden und Be- 
gießen iſt notbwendig, and das Bebeden des 
Bodens zwifhen den Pflanzen mit kurzem Mifte 
u. dgl. deren Ausbildung jehr zuträglih. Um 
das Nuseinandergeben der Köpfe zu verhindern, 
werden, wem fie fichtbar werden, die inneren 
Blätter über diefelben eingelnidt u. nach völliger 
Ausbildung die ganzen Pflanzen abgefchnitten, 
wonach fie fi) noch einige Zeit lang im Keller 
aufbewahren laffen. Im Herbſte pflanzt man 
den B. mit noch Meinen Köpfen in den Keller, 
um ihm dort fich noch weiter entwideln zu laffen. 
Die Anzucht des B»famens gelingt nur unter 
befonders günjtigen Berhältniffen; fie wird im 
Deutichland befonders bei Erfurt u. aud in Eng- 
land im Großen betrieben u. liefert in günftigen 
Jahren einen fehr hohen Ertrag. Es müjjen die 
ihönften u. früheiten Köpfe verwendet werden; 
am ficherften befommt man ihn von Übermwinterten, 
im Miftbeete gezogenen Pflanzen, da fih ver 8, 
überhaupt gut treiben läßt. Wolde. 
Blumenkrone, ſ. u. Blüthe. 
Blumenküſſer, Blumennymphen, ſ. Kolibri. 
Blumenmalerei, untergeordnete Art von 
Malerei, zu dem Stillleben gehörend. Nächſt einer 
bis zur Täuſchung treuen Nachahmung der Natur, 
welche durch correcte Zeichnung u. durch Wieder— 
gabe der Farbe m. des Farbenſchmelzes in den 
durh Beleuchtung u. Blätterlage hervorgebradten 
Nüancen erreicht wird, gehört gute Auswahl der 
darzuftellenden Blumen Ka in Bezug auf die 
Farben, als auf die Formen u. eine harmoniſche 
— — derſelben zu einem guten Blu—⸗ 
menftüde.. Im Alterthum, das fih gleich dein 
Mittelalter auf täufchende Nahahmung der Natırr 


Blumenorder der Schäfer an der Begnig — Blumenuhr. 


bejchräufte u. die B. noch nicht als felbftändigen 


Kumftzweig fannte, war Paufias durch das ber 
rühmte Blumenmädcden Glycera als Blumenmaler! 


553 


ſchlößchen für den Tod u. ſ. w. Auch die Lage 
der Blumen hat Beziehung: ſo kaun eine Blume, 
durch welche man den Charakter einer Perſon aus— 


bekannt; im 16. Jahrh. bildete ſich unter Rafael, drüdden will, rechts geneigt „ich“, linls geneigt 


beſonders für deſſen Loggien im Vatican, Giop. 
da Udine, als Blumenmaler aus. Im 17. Jahrh. 
zeichneten ſich beſ. Niederläuder in dieſem Fache 
aus, ſo: Jan van Huyſum, Verelſt, David und 
Cornelis de Heem, Rachel Ruyſch, Verendael, van 
Aelſt, Havermanns, Röpel, Seghers, van Royen 
u. P. Faers; daneben die Deuiſchen Maria Me— 
rian, Mignon, Tamna u. Bernetz, van Dael, van 
gun) Senff, Knapp, Frz. Peiter, A. Peter, 
uchdre, Danner, Redoute, E. Desportes, Looſchen, 
Schult, van Spaendont, Ehazelles, Bonneval, die 
Mureau, Waldmnüler, Wegmayer, Mayrhofer, 
Nachtmann, Preyer, Blantenburg, Adelheid Diet: 
ri, Elije Wogner, Saint-Juan u, A. m. vor: 
züglich. Zur J werden ſehr oft Waſſerfarben 
verwendet, und ſind als Blumenmaler in dieſer 
Techmif namentlich die A, Dietſch, Heinrich Thomas 
u. Katbar, Fiſcher, Magdal. Fürft, Jo. Harrath, 
Fat. Hufnagel, Ramont Manzint, Giov, Neri, 
Prevoft, K. Nobb und A. Jak. Röſel berihmt. 
Mit Blumen noch andere Gegenftände auf ein 
Gemälde zu bringen, kann nur zuläffig fein, wenn 
diefe in einer gewiſſen Verwandiſchaft oder Be- 
ziebung zu jenen ftehen, jo: Früchte, Schmetter- 
linge, auch Heine farbige Vögel; verwerflich aber 
ift 08, ganze Figuren gleichſam als Staffage zu 
einen Blumenſtrauß zu malen, u. eine Berirrung 
des Geichmades, aus Blumengeranfe menſchliche 
Figuren zu formen, wie die Fleurs animdes ber 
Franzoſen. Bei der fogen, orientaliihen B. 
bedient man fich felbft erzeugter Schablonen aus 
geöltem ftarfem Papier u. ftumpfer Borftenpinjel, 
mit denen die Farbe halb troden von der Schablone 
aus mittel Reibung auf Papier, Holz, Seide, 
Marınor, Alabafter 2c. aufgetragen wird. 

Blumenorden der Schäfer an der Pegnis, 
j. Pegnitorden. 

Blumenrohr, Pflanzengatt. aus der Familie 
der Gannaceen; ſ. Canna; Blumenrohre, 
Pflanzenfamilie aus der Klaffe der Scitamineen, 
j. Cannaceae. E 

Blumenfpelze (Glumella), Spelze der Gras: 
blütbe; ſ. Blüthe. 

Pte f. Jeux floraux. 

Blumenjpradje (Selam), die Kunſt, Gedanken 
u. bei. Empfindungen durch natürliche Blumen 
auszudrüden. Sie entftand im Orient, wo fie 
den Frauen des Harems zur Unterhaltung u. zur 
Eorrejpondenz der Liebe dient. Die morgenlän- 
difhen Blumennamen find meift ſehr bezeichnend 
u. für den beabfihtigten Ausdrud genügend. Da— 

egen find bei uns die Namen der Blumen häufig 
A nichtsfagend, daß wir die Bedeutung noch ver: 
fchiedenen, meift fehr zufälligen u. eingebildeten 
Eigenschaften derfelben entlehnen müſſen. Daher 
ift es zu einer durchgreifenden Verftändigung über 
die. B. bei uns noch nicht gelommen. Doc haben 
wir im biefer Hinſicht vieles Gemeinichaftliche: 
das Vergißmeinnicht fir das Andenken, das 
Tauſenſchön fir die Anmuth, das Veilhen für die 
Beſcheidenheit, die Ringelblume für den Kummer, 
den Rosmarin für die Thränen, das Himmel» 


„du“ bezeichnen; eine Roſenknoſpe mit Dornen u. 
Blättern beißtzgich fürchte, aber hoffe auch; die 
Knoſpe nad unten gehalten aber: man muß nicht 
fürchten, noch hoffen; dieſelbe nach Abftreifuug der 
Dornen: es ıft Alles zu fürchten. Vgl. Bratvanet, 
Beiträge zu einer Äſthetik der Pflanzenwelt, Lpz. 
1853; Nathufius, Die Blumenwelt nah ihren 
deutfhen Namen, Sinn u. Deutung, 2. A., Lpz. 
1869, — Durd die Blume fpreden, einen 
derben Ausdrud durch zarte Wendungen verhüllen. 

Binmenftein, Pfarrdorf im Bezirke Nieder: 
Simmenthal des fhweizer Kantons Bern, am 
Fuße des Stodhorns und am Ausgange einer 
Schlucht, in welche der Fallbach ſchäumend herab» 
ſtürzt; 930 proteft. Ew.; nahebei Nefte der Burg 
B., mit ſchöner Ausfiht; 1 km davon B-er Bad 
mit foblenfaurer Quelle, 

Blumenthal, 1) Joſeph v., Biolinfpieler u. 
Componift, geb. 1. Nov. 1782 zu Brüffel; wid« 
mete fih der Mufil, wurde im Theaterorchefter 
in Wien angeftellt; fpäter wurde er Chordirigent 
an der Kirche der Piariften dafelbit; er fl. 9. Mat 
1850. B. componirten.a.: Gamma u. Menasto, 
Elwira (Melodramen), Don Sylvio von NRofalva 
(Oper); außerdem Ouverturen, Märjche, Ballete 
u.f.w. 2) Leonhard v., preußiicher General, 
geb. 30. Juli 1810 zu Schwedt a/D.; aus dem 
Sabdetten-Corps hervorgegangen, wurde er 1827 
Offizier, befuchte die Kriegsichule in Berlin und 
fam 1846 in die topographiihe Abtheilung des 
Generalftabes, wo er 1849 zum Hauptmann avan- 
cirte. B. fungirte als Stabschef des Generals 
v. Bonin bei der ſchleswig-holſteiniſchen Armee. 
1850 ftand er al3 Generalftabsoffizier bei der gegen 
Heſſen vorgefhobenen mobilen Divifion, ward 
1853 Major, 1858 Oberftlieutenant u. perſön— 
licher Adjutant des Prinzen Friedrih Karl. Am 
Däniſchen Kriege 1864 hatte er als Chef des 
Seneralftabes weientlihen Antheil, ward zum 
Generalmajor befördert n. übernahm das Com— 
mando der 7., fpäter der 30. Jnfanterie-Brigade, 
Bei Ausbruch des Krieges 1866 ward er als 
Seneralftabschef der I!. Armee dem Kronprinzen 
beigegeben, deren geſchickte Operationen ımd die 
daraus rejultirenden Siege von Nachod, Slalitz, 
Soor, Königinhof u. zuletst Königgräg zum anten 
Theil fein Wert find. Im October 1566 ward 
er Generallieutenant u. Commandeur der 14. Di- 
vifion; im Franz. Kriege 1870 aber trat er wieder 
unter dem Kronprinzen an die Epite des General— 
jtabes der III Armee, Es folgten die Siege 
von Weißenburg u. Wörth, dann Zedan u. Cer— 
nivung der SZeite von Paris. Zur Feititellung 
des allgemeinen Kriegsplans wurde er wiederholt 
ing große Hauptquartier berufen. Nach dem Frie— 
den erhielt er das General-Gommando des 4. preuß. 
Armeecorps in Magdeburg. 2) Dieinarous, 

Blumenthierdjen, jo dv. w. Rorallentbiere. 

Blumenuhr (Pflanzenuhr, Horologium florae), 
Zufammenftelung von Pflanzen nach der Zeit, in 
welcher fie nach einander aufblüben. Während 
nämlich bei den meiften Pflanzen das Aufblühen 





554 


nicht an beftummte Tagesſtunden gebunden ift, fo 
dag man zu jeder Stunde des Tages das Auf 
brechen der einen oder anderen Knoſpe erwarten 
tann, gibt es doch gewiſſe Pflanzen, die hiervon 
eine Ausnahme machen u. ſich nicht nur zu ber 
ftimmten Tagesftunden öffnen (Machen), fondern 
fih auch zu einer beſtimmten Zeit wieder ſchließen 
(Schlafen). Linné bradıre Die Pflanzen, je nad» 
dem fie fih in Bezug auf das Öffuen nad) den 
Witterumgsverhältmiiien oder nad) der Tageslänge 
richten, oder von beiden nicht abhängig find, ın 
3 Abtheilungen: a) meteoriiche, welche ſich beim 

finen u. Schließen der Blütben weniger nad) 
einer gewiffen Tageszeit, als nach den Witterungs- 
verhäftniffen rigten; b) tropijche, deren Blüthen 
fi täglid) des Morgens öffnen und des Abends 
ſchließen, aber je nad der Tageslänge zu ver: 
fchiedenen Stunden, u. e) Nauinoctial- (Nacht 
gleihe-) Pflanzen, deren Blüchen ſich ftets zu 
einer beftunmten Stunde auf u, zuthun. Hat 
man uunn eine hinreichende Menge von Bilanzen 
letter Art aufgefunden u. beobachtet, u. zwar jür 
jede Stunde des Tages eine oder, mehrere u. ftellt 
diefe nad den Stunden ihres Offnens an einen 
paffenden Ort zufanmen, jo hat man eine B. 
Schon Linné fam auf den Gedanfen, eine folche 
in feinem Garten zu Upfala aufzuftellen. Um num 
eine B. einzurichten, fei es nun in einem Zimmer, 
anf einem Baifon oder im Garten, jo reicht für 
jede Stunde eine diefer Pflanzen hin. Man ftellt 
fie, der Sonne hinlänglih ausgefest, in Blumen- 
töpfen auf, oder pflanzt fie auch ım Garten auf 
einem freien, von der Sonne beichienenen ‘Plate, 
geordnet nach deu Stunden, in denen fie auf 
blühen, am bejten in einem Kreife, wie die Zahlen 
auf dem Bifferblatte einer Uhr. Zu den Pflanzen, 
die zu beftimmter Zeit ihre Blüthen öffnen, ges 
böven: ayPfanzen, deren Blüthen ſich Bor: 
ziehe öffnen, von 3—5 Uhr: Wiefenbods: 
bar (Tragoprogon pratensis); von 4—5: der 
otterföpfige Wurmlattich, (Helminthia s. Pieris 
echioides), die gemeine Cichorie (Cichorium in- 
tybus), die braunrothbe Taglilie (Hemerocallis 
fulva) u. das feine od. Dahhabichtsfraut (Crepis 
tectorum); 5—6 Uhr: die Kohlgänfediftel (Son- 
chus oleraceus); der gemeine Löwenzahn (Taraxa- 
cum oftieinale), der crorusblätterige Bodsbart 
(Tragopogon cerocifolius), u. die Jaunwinde (Con- 
volvulus sepium); 6—7 Uhr: Mauerhabichtsfraut 
(Hieraciam murorum) die Ader- u. Sumpfgänie- 
diftel (Sonchus arvensis u. palustris); 6—8 Uhr: 
Vesicaria sinuata u. der Herbftlöwenzahn (Leon- 
todon autumnalis); 7—8 Uhr: der Staudenfalat 
(Laetuca sativa). die weiße Seerofe (Nymphaea 
alba), die äftige Zaunlilie (Antherieum ramosum), 
die Alpengänfediftel (Mulgedium alpinum); 8—9 
Uhr: Hieracium Pilosella, Gauchheil (Anagallis 
arvensis), Die jproffende Nelke (Dianthus prolifer); 
9—10 Uhr: die Aderringeibliime (Calendula ar- 
vensis), der gemeine Bortulat (Portulaca oleracea), 
(nad) Anderen um 11 Uhr); 9—11 Uhr: der 
rundblätterige Sonnenthau (Drosera rotundifolia) ; 
10—11 Uhr: das rothe Sandkraut (Spergularia 
rubra), die Eispflanze (Mesembryanthemum ery- 
stallinum u. Mesembr. linguiforme), der nadtften- 
gelige Mohn (Papaver nudicaule), die gelbe Tag: 


Blumhardt — Bluntjdli. 


lilie (Hemerocallis flava}; 11—12 Uhr: der gofvene 
Milchſtern (Ornithogalum umbellatum) und die 
Tigerlilie (Tigridia pavonia). b) Pfanzen, deren 
Blüthen ſich abends öffnen, um 5 Uhr: 
die gemeine Wunderblume (Mirabilis jalapa; Pe- 
largonium tri:to); von 6—7 Uhr: der großblu— 
mige Cactus (lereus grandiflorus); 7—8 Uhr: 
Mesembr. noctiflorum (nad Anderen von 10—11 
Uhr). Bon denjelben und anderen Pflanzen bat 
man auch ermittelt, zu welcher Zeit fi ihre Blü— 
then zu Schließen pflegen u. dieſe Berhältniffe eben- 
falls zur ungefähren Zeitbeftimmung benutzt. So 
fann man fi) alio aus einigen diefer Pflanzen 
eine Art Zeitzeiger zufanımenftelleu, welcher in der 
längiten Zagen die Stunden von früh 4 bis 
Abends 8 Uhr angibt, aber freilich fehr unzuver⸗ 
läffig; denn die Dauer des Schlafens u. Wachens 
richtet fich nad der Länge des Tages u. nach der 
Witterung. Iſt die Nacht Kurz, jo iſt auch der 
Schlaf von kürzerer Dauer; wenn daher eine ſolche 
Blume im Sommer ſchon vor 4 Uhr Morgens 
erwacht, fo wird fie nad einigen Wochen erft 
egen 5 Uhr erwachen und weiterhin noch jpäter, 
Andere beginnen zwar gewöhnlich ihr Schlafen u. 
Wachen zur beftunmten Stunde, aber nur wenn 
die Luft heiter u. fein Megenwetter zu bejorgen ift. 
Den bervorragendften Einfluß auf das Offnen der 
Blürhen bat das Licht, infofern die vom Lichte 
nicht getroffene Seite der Blätter ftärfer wächlt, 
als die andere; die einfache Folge davon ift, daß 
die anfangs nad innen zufammengefalteten Blu— 
menblätter fi) allmählich ausbreiten (. auch Helio— 
tropismus). 

Blumhardt, 1) Chriſt. Gottlieb, proteſt. 
Theolog, geb. 29. April 1779 in Stuttgart; ſtu⸗ 
dirte in Tübingen, wurde 1803 Secretär der 
Deutihen Chriftenthumsgeiellichaft in Baſel, 1809 
Pfarrer in Bürg bei Heilbronn, 1816 Director 
der Miffionsgejellihaft in Baſel, als welcher er 
mehrere deutihe Miſſionsgeſellſchaften, bejonders 
aber die Heidenmiffion, ins Leben rief. Er jtarb 
19. Dechr. 1838, B. ſchrieb u. a.: Verfuch einer 
allgemeinen Miſſionsgeſchichte der Kirche Chriſti, 
Baſel 1828—1837, 4 Bde.; gab heraus: Miſ—⸗ 
ſionsmagazin, 23 Jahrgänge. 2) Johann Chri— 
ſtoph, geb. 1805 in Stuttgart; wurde 1830 
Lehrer an der Bajeler Miifionsanftalt, 1836 Pfar⸗ 
ver in Möttlingen bei Kalm u. 1852 Inhaber u. 
Hausvater eines Aſyls insbeiondere für Gemüths- 
leidende im Bade Boll bei Göppingen. Er ſchr.: 
Pſalmlieder, Propbetenlieder zc. u. gibt heraus: 
Blätter aus Bad Boll, 

Blümlisalp, prachtvoller dreigipfeliger,3670m 
hoher Gebirgsitod im Berner Oberland in der 
Schweiz; 1860 zuerſt erftiegen, 

Blümtlerche, jo v. w. 
Braunelle, 

Bluntſchli, Job. Kaspar, berühmter Staats 
wifjenichaftlehrer, geb. 7. März 1808 in Zürich; 
ſtudirte im feiner Baterjtadt, in Berlin u. Bonn 
bis 1829 die Rechte, wurde 1830 beim Bezirks— 
gerichte in Zürich angeftellt, habilitirte ſich dajſelbſt 
und wurde 1833 außerordentliher, 1836 ordent 
licher Profeffor der Rechte, 1837 Mitglied des. 
Großen Rathes, betheiligte fih an den September 
ereigniffen 1839 in Zürich u. trat in den Megier- 


Alpenfliievogel; 1. 


Bluſe — Blut. 555 


ungsrath. Er wurde Gründer u. Haupt der liberal- 
confervariven Partei, melde aus Proteftanten 
beitand u. den Radicalismus befämpfte; er legte 
1845, als die radicale Partei fiegte, feine Stelle 
nieder. 1847 verließ er fein Baterland u. ging 
nad) Miüuchen, wo er 1848 Profeffor des Staats- 
u. Deutfhen Privatrechtes wurde; 1861 folgte er 
einem Rufe als Profeſſor der Staatswiſſenſchaften 
nad Heidelberg. Hier wirkte er thätig für das 
Zuftandefommen des Deutſchen Abgeorbnetentages, 
ſchloß ſich den nationalfiberalen Beftrebungen an 
u, fteht feit 1864 an der Spite des Proteftanten- 
vereins. Er fchrieb: Entwidelung der Erbfolge 
A gegen den fetten Willen, Bonn 1829; Über die 
erfaffung des Staates Zürich, ebd. 1830; Das 
Bolf u. der Souverän, ebd. 1831; Staats- u. 
Rechtsgeſchichte der Stadt und Landichaft Zürich, 
1838, 2 Bde, 2. A. 1856; Die neueren Hedts- 
ſchulen der deutſchen Juriften, 2, M, ebd. 1862; 
Die Communiften in-der Schweiz, 1843; Pſycho— 
logishe Studien über Staat und Kirche, 1844; 
Erfter Entwurf des privatrechtlichen Geſetzbuches 
für den Kanton Zürich, 18445 Geſchichte des 
Schweizer Bundesrechtes von den erſten emigen 
Bünden bis auf die Gegenwart, 1846—1852, 
2 Bde.; Gefchichte der Republit Züri, 1847 f., 
2 Bde.; Allgemeines Staatsreht, Mind. 1852, 
3. A., 1863; Deutſches Privatrecht, ebd. 1854, 
2 Be, 3. A., 1864; Privatrechtliches Geſetzbuch 
für den Kanton Zürich, Zür. 1854—56, 4 Bde.; 
Das moderne Kriegsreht, Nördl. 1866, 2. A., 
1874; Altafiatiiche Gottes» und Weltideen, ebd. 
1866; Das moderne Völterrecht, ebd. 1868, 2. A., 
1872, franzöfifh von Lardy, Bar. 1869, 2. U, 
1873; Das moderne Böllerreht in dem Franuz. 
Deutichen Kriege von 1870, Heidelb. 1871; Ge- 
fchichte des Staatsrechtes u. der Bolitif, München 
1864 (in der Gejchichte der Wiffenfchaften); zu— 
leih war er mit Brater Redacteur von dem 
Deutichen Staatswörterbuch, 1856— 70, 11 Be. 
Bgl. jeine Autobiographiiche Skizze in der Gegen- 
wart, 1874, 

Bluſe, jo v. w. Blouſe. 

Bluſſard, blauer u. weißer (Cibebe, blauer 
Malvaſier), am Oberrhein u. Geufer⸗See häufig 
cultivirte, ziemlich frühreife Tafeltraube von vor— 
züglichem gewürzhaftem Geſchmack u, mittelmäßi— 
gem Wuchſe. 

Blut, I. (Phyſiol. und Pathol.) Blut bezeich- 





























einfachſten * (Amöben) in den noch aller ge— 
fonderten Organe entbehrenden, aus formloier, 
balbfefter, fchleimiger Sartode (Protoplasına) bes 
ftehenden Körper an einer beliebigen Stelle; von 
den die Körperfubftanz durchtränfenden Fliiſſig · 
feiten wird im letzteren Falle der lösliche u. ſomit 
als Nahrung verwendbare Antheil der feften Nahr⸗ 
ungsmittel aus efogen, während diefe durch die 
Körpermaffe fi eınen Weg bahnen, bis zulegt 
die unbrauchbaren Refte an einer gleichfalls belie» 
bigen Stelle aus dem Körper wieder austreten, 
Die meiften Infuſorien befiten bereits Mund u. 
After. Die Pflanzenthiere (Darmlojen, Cö— 
fenteraten und Spongien) haben zwar einen zur 
Aufnahme u. Verdauung (d. i. Löſung des los— 
lichen Antheils) beftimmten Peibesraum, die Ab» 
gabe der Nährftoffe aus der durch die Verdau— 
ung vejultirenden Flüſſigkeit erfolgt aber gleichfalls 
in diefem Yeibesraum, der demnach gleichzeitig 
den Darmkanal u. das B-gefäßiyften der höheren 
Thiere repräfentirt. Erſt bei den Würmern u. 
Stadelhäutern, bei erfteren fogar erſt im den 
höher entwidelten Formen (Eingeweidewürmer 
3. B. find noch biutlos) tritt eine Differenzivung, 
Sonderung des anfnehmenden uud verdauenden 
Apparats (Darmfanals) von demjenigen Raume 
ein, in welchem die Circulation und Äſſimilation 
ıd. 5. Verwendung der gelöften Nährftoffe zum 
Aufbau der Organe) ftattfindet. Die in dent 
letzteren Naume circulirende Flüffigkeit ift das 
B. Im einfachſten Falle (Würnter) dringt diejes 
durch die Darmmwandung im den Leibesraum eur, 
umſpült alfo einfady die Organe des Körpers, 
u. jeine Circulation wird Da Zuſammenziehun— 
gen der Haut, od. durch rhythmiſche Bewegungen 
anderer Körperorgane bewirkt. Eine höhere Ent— 
wickelungsſtufe charakterifirt ſich dadurch, daß 
einzelne Theile der B-bahn fi) mit bejonderen 
musculöfen Gefäßwänden umkleiden; die zuerit 
einfachen, bei weiterer Ausbildung mehr oder 
weniger verzweigten Begefüße * indem ſie 
pulſiren, eine regelmäßige Strömung auch des 
in der Leibeshöhle noch frei enthaltenen Bees; 
jo bei den Gliederfüßlern und Mollusten, 
Ein vollkommen geichloffenes Begefäßiyiten, d. i. 
ein ſolches, weldyes die geſammte circulirende 
Bemaife einfchließt und nirgends mehr mit der 
Yeibesböhle in offener Verbindung fteht, findet 
fh erit bei den Wirbelthieren. Während aber 
net die im den Adern des lebenden Körpers civ- [bei den mwirbellofen TIhieren die Farbe des Bees 
culivende und das Material für die gefammtelaud innerhalb einer u. derfelben Klaffe eine wech» 
Ernährung des Körpers bildende Flüffigleit. Die- |feinde ift (fo findet fich grünliches, grün-gelbes, 
felbe erzeugt ſich fortwährend von Neuem durch|gelb-röthliches u. anders gefärbtes B.), zeigt dag 
Aufnahme von Nährbeftandtheilen ans den ge- B. der Wirbeithiere überall mit Nussnahme 
noffenen Nahrungsmitteln, während fie im den einiger niedrigften weißblütigen Formen (Am- 
einzelnen Geweben und Organen die durch den|phioxus, Leptocephalus, Helmichthys) vie 
Berbraud verloren gegangenen Subjtanzen erfet. |allgemein befannte rothe, früher für das B. über 
Gleichzeitig nimmt das Blut die verbrauchten] haupt als charakteriftifh angenommene Farbe; 
Stoffe aus den Organen mit fort u. fondert fie|diefelbe hat ihren Grund in dem VBorhandenfein 
durch Schweiß u. Urin nach außen ab, zahlreicher rother WBlutlörperchen. Überall wo, 

A. Das B. zeigt bei den verfchiedenen Thier-jwie bei den Wirbelthieren (nur Amphioxus aus« 
klaſſen große Berfchiedenheiten der Entwidelung, |genommen), die Circnlation der B-mafje durch 
der Zufammenfegung und der Eigenfchaften. Die rhythmiſche Contractionen eines Herzens bewirkt 
niedrigften Thiere, die Urthiere, nehmen ihrejwird, nach weichem das B. durch beftimmte Ge- 
Nahrungsmittel theils in flüffiger Form — endos- |fäße auf der einen Seite hin-, und von weldent 
motish — theils in fefter Form auf, u. zwar im es durch andere Gefäße nach der anderen Seite 


556 


Gefäße als Venen von den letzteren, den Arte 
rien. Ferner tritt dann in der Regel noch ein 
beionderes, dem Be die Nährftoffe und gewiſſe 
Abjonderungsproducte der Körperorgane zufilbhren- 
des Lymphgefäßſyſtem hinzu. Außer der Zu- 
fuhr von Näbrftoffen, welche die durd den Stoff- 
wechlel verbrauchten Antheile der Körperfubftanz 
zu erfegen beftimmt find, bedarf das B. aber 
auch der durch die Athmungsorgane vermittelten 
Zufuhr von Sanerftoff, defien chemiſche Ein— 
wirkung jenen Berbrauch veranlaßt, u. es liefert 
endlich Das B. auch die Orydationsproducte, ins- 
beicudere die Kohlenſäure, an die eng = 
organe, andere Immanblungsproducte an die Ab- 
fonderungsorgane ab, welche dieſelbe dann aus 
dem Körper ausfcheiden. Durch den Orydations- 
procch des Stoffwechjels wird Wärme frei, und 
Diefe Wärmezufuhr fteigert fih bei den beiden 
höchſten Wirbelthierflafien, den Säugetbieren 
n. Vögeln, derart, daß ihr B. eine hohe con— 
ftante, d. h. von der Temperatur der Luft ober 
des Maffers, in welchen fie leben, nahezu unab- 
hängige Temperatur befigt: dieſe beiden Wirbel- 
thierflaffen beißen deshalb Warmblüter. Bei 
ihnen ift das die Nährftoffe und den Sauerftoff 
enthaltende hellrothe, ſogen. arterielle, von dem 
dunkelrothen, jog. venöfen B-e, welches die Nähr- 
ftoffe u. den Sauerftoff abgegeben hat u. Kohlen- 
ſäure führt, volltommen getrennt; dies, jowie die 
die reichlichſte Sauerftoffzufuhr bedingende Form 
ihrer Athmung, die Lungenathmung, find die Ur- 
fachen der geiteigerten Wärmeproduction. Die 
Fiſche entnehmen ihren Sauerftoffbedarf wicht 
unmittelbar aus der Yuft, fondern aus der bom 
Waſſer abforbirten Luft; ihre Sauerftoffquelle ift 
bei weiten meniger ausgiebig, fo daß bei ihnen 
aus dieſem Grunde eine conftante hohe Körper« 
temperatur nicht zu Stande fommt. Einen ande— 
ren Grund hat dies bei den Reptilien. Gie 
befißen eine, wenn auch weniger intenfive, Lun— 
genathmung; aber ihre beiden Herzkammern find 
unvellftändig von einander geichieden, jo daß in 
der Wentricularabtheilung des Herzens (bei den 
Krofodilen erſt zwifchen der Aorta u. Lungenarterie 
durch den bier offenen Ductus Botallii) das 
arterielle u. venöfe B. fi vermifchen; die Folge 
ift, daß weder den Lungen nur janerftoffarntes, noch 
ach dem Körper nur mit Sauerftoff u. Nährftoffen 
geihmwängertes B. zugeführt wird, daß alfo die 
Oxydationsproceſſe, ſowie die geſammte Ernährungs 
thätigleit eine minder energiiche iſt. Die zwiſchen 
den legtgenannten beiden Thierklaſſen mitten inne 
ftehenden Amphibien verhalten fich tm Jugend— 
zuftande mie die Fiſche, machen dann meift eine 
Metamorphofe durch u, verhalten ſich nach dieſer, 
im gefchlechtsreifen Zuftande, den Neptilien ähnlich. 
Die 3 niederen Wirbeithierflaffen werden demnad) 
als Kaltblüter bezeichnet, Auch Die wirbellofen 
Thiere find im der Regel Kaltbläter, doch nicht 
ausuahmelos (vgl. den Art. Bienen), 

B. Das B. des Menihen hat eime rothe 
Farbe, allalifche Reaction, ein ſpec. Gewicht von 
1,4; —lrors Und, jo fange e8 im gefunden Men- 
fchen cireufirt, eine mittlere Tenrperatur von 37 
bis 37,,°C,, bei Kranfen oftmals bedeutend mehr 


Blut. 


mweggetrieben wird, unterſcheidet man bie erſteren 


oder weniger. Seine Menge beträgt beim Men— 
Ihen Ya —Yı, des Körpergewichtes, bei einem 
Erwachſenen alfo etwa 5—6 kg. Es enthält 
weiße und rothe B-körperhen als Formbeſtand— 
theile und befteht hemiih aus Wafjer, Hänıoglo- 
bin, Eiweißftoffen, Fett, Salzen und Gajen. 1. 
Die geformten Elemente des B-es. Bringt 
man einen durch dünne Eiweißlöſung vertünnten 
B⸗stropfen unter das Mikroſtop mit einer Ber 
größerung von etwa 300, jo fieht man auf dem 
Objectglaje ein lebhaftes * u. Herbewegen von 
runden, gelblich-rothen Scheiben, zwiihen denen 
fi einzelne größere Scheiben ohne diefe Färbung 
ertennen laffen. Die legteren Scheiben find farb«. 
loje, die erfteren rothe B-förperhen. a. Die 
farblofen B-körperchen find im gefunden B-e 
nur in geringer Zahl vorhanden, auf etwa 350 
bi8 500 rothe B-törperchen kommt erft ein farb» 
lofes, in manchen Kranfheitszuftänden (Leukämie) 
nimmt ihre Zahl jedoch bedeutend zu, und man 
bat Beijpiele, in denen ſchon auf 5, ja ſelbſt auf 
2 rothe B-körperchen ein farblofes fam. Auch in der 
Milz ift die Zahl der farblojen B-körperchen groß 
u. beträgt nad Hirt Y/,,. Die Größe der farb- 
lojen B-körperchen beträgt "/,. mm, ift etwas be— 
deutender als die der rothen, die Geftalt ıft ſphä— 
rifch, die Oberfläche meift granulirt. Eine farbige 
Subftanz (Hämoglobin) befigen fie nicht. Sıe 
beftehen aus einer feinkörnigen contractilen Maffe 
(Protvplasma). von anferordentliher Weichheit u. 
Elaſticität, u. können infolge diejer Eigenſchaft die 
farblofen B-körperchen durch Hervorftreden und 
Wiedereinziehen von gen die verichiedenften 
Formen annehmen; fo erjcheinen fie bald rund, 
bald oval, bald feulenförmig, bald in Form eines 
Sterneß cc. Dur diefe Biegſamkeit in jo ver- 
jchiedene Formen ift es ermöglicht, daß die farb» 
ofen B⸗körperchen leicht dDurdy die Poren der eins 
zelnen Gewebe bindurchichlüpfen fönnen, eine That» 
ſache, die fir die Wanderung der farblojen B-lör- 
perhen von der meittragendjten Bedeutung ift. 
Da nämlich die neueren Unterfuchungen die re 
tität der Eiter-, Iyınph- u. weißen B-körperchen 
feftgeftellt haben, jo müſſen wir eine locale Ent: 
ziindung, reſp. Eiterung im Wefentlichen als durch 
Einwanderung farblofer B-körperchen an dieſen 
Ort entftanden, jowie die Zertheilung localer Ent— 
züundungsherde als die Wiederaufnahme der ange= 
häuften farbloſen B-förperchen in die allgemeine 
Bemaſſe betrachten. Bon großem Intereſſe war 
von jeher die Frage, ob deu farblofen B-törper- 
hen eine Zellmenbran zufäme; hierüber haben 
neuere Beriiangen gleichfalls Auskunft gegeben. 
Es gelang von Recklinghauſen u. Preyer, an den 
farblofen B-körperhen des Froſches innerhalb n. 
außerhalb des Körpers den Cintritt von Milcy« 
fügelhen u. Farbftoffpartifeihen, u. M. Schulte, 
den Eintritt von Zinnober u. Amifinblau in die 
friechenden Körperhen des erwärmten Menichen- 
biutes zu beobachten, Fa felbft in farbloje B— 
lörperchen eingedrungene rothe B-körperden bat 
man gefehen. Diefe Borkommmifje find felbftver- 
ftändfih nur möglih, wenn eine Zellmembran 
fehlt, u. e8 ift daher ausgemacht, daß die farblofen 
B-förperchen des Menſchen wie der Wirbelthiere 
hüllenlofe, maffive Protoplasmallumpen (Hädel) 


Alut, 


Die Entftiehungsftätten der farblofen B-!(einem Eiweißlörper), meldes mit fibrinogenen 


bilden. 


597 


förperchen find die Milz, die Leber, die Lymph⸗ Subſtanzen zufammengebradht die Fibrinbildung 
drüfen u. das Knochenmark. Wahrſcheinlich bilden |herbeiführt, u. dem Protagon, einer den Albumi« 


die farblofen B-körperchen die Borftufe der rotben; 
namentlich im der Milz u. im Knochenmarfe find 
Ummandlungen der farblofen in farbige B-kürper- 
hen beobachtet worden (Funke, Kölfiter, Neumann). 
b. Die rothen B-körperchen bilden beim Men» 
jhen runde, münzenförmige, in der Mitte ver« 
dünnte (biconcave) Scheiben, von gleihmäßig gelb» 
lich-rother Farbe, die eine mittlere Breite von "5, 
mm u. eine mittlere Dice von ca. O,o017 mm haben. 
Bei der mifroflopifhen Unterfuhung ficht man, daß 
die auf ihrer breiten Fläche liegenden B-körperchen 
einen balbmondförmigen Schatten im Centrum 
befigen, der dadurch entfteht, daß diefe Stelle von 
der Objectlinfe des Mikroſtops weiter entfernt ift, 
ald der Wand des B-lörperchens. Gleichzeitig 
bemerkt man, daß eine größere Auzahl der rothen 
B-lörperhen fih mit ihrer Fläche an einander 
legen u. geldrollen -ähnlide Konglomerate bilden, 
während andere ih um ihre Kante umfchlagen, 
Legt man ein dünnes Stüdden bluthaltiges Fleisch 
unter das Mikroftop, jo gelingt es häufig, rothe 
Belörperchen angehäuft zwifchen dem Gewebe des 
Fleiſches zu entdeden u. wahrzunehmen, daß fie 
ihre Figur geändert haben; es geht daraus ber- 
vor, daß ihre Maffe elaftiich, weich und biegſam 
ift. Läßt man ein Gefäß mieB, eine Zeit fang ruhig 
ftehen, jo jenlen fich die rothen V-körperchen zu Bo— 
den; fie find alſo ſchwerer als die B-flüfftgkeit. Läßt 
man B. gefrieren, od. Elektricität auf daſſelbe ein— 
wirfen, oder mifcht man Tannin, oder fiedendes 
Waſſer, oder Sauerftoff, oder Schwefellohlenſtoff, 
oder Ehloroformdämpfe demfelben bei, oder end: 
lih pumpt man die Gafe aus dem B-e heraus, 
fo tremmt fi die Maſſe des rotben B-körperchens 
in 2 Eubftanzen: im eine farblofe Grundſubſtanz 
(Stroma) u. im einen Farbſtoff (Hämoglobin); 
der letztere diffundirt in die umgebende Flüſſigkeit, 
u. zwar wird zuerft der im der Peripherie des B: 
körperchens befindliche Farbftoff gelöft. Eine Zell 
membran ift aber bei den rotben Bekörperchen des 
Menſchen ebenfo wenig wahrnehmbar, wie bei den 
weißen, das rothe Belörperchen bildet daher aleich- 
falls eine folide, maffive Maſſe. Na, Wirtich, 
Rollet, Neumann, Schmidt haben directe Beweiſe 
ber Solidität der B-lörperchen beigebracht. Be- 
handelt man nämlich rotbe Bslörperchen mit In— 
Ductionsftrömen, fo nehmen fie eine ſphäriſche 
Geftalt au und bilden wahre Hämoglobintropfen, 
die in größere Tropfen zuſammenfließen. Bon 
dieſen größeren Tropfen laſſen ſich beliebig Meine 
Theile ablöfen. Anders verhalten ſich allein die 
erften B-förperhen der Embryonen; Ddielelben 
find bei allen Thierfiaffen kernhaltige, farbiofe 
Zellen mit feinförnigem Juhalte; erjt fpäterh’n 


färben ſich diefelben beim Säugethiere (aljo auch |feinförniges Protoplasna von 


beim Menfhen), platten fih ab, verlieren ihren 
Kern, und die Zellmembran verjchwindet, womit 
die Ausbildung zum rothen B-körperchen beendet 
it. Doc fehren wir zum Stroma zurüd. Unter— 
ſucht man chemiſch das Stroma, welches übrigens 
Diejelbe Elaſticität u. Biegſamkeit wie die intacten 
rotben B-förperhen befist, jo ergibt fi, daß 


naten nabeftebenden phosphorhaltigen Subftanz, 
beſteht. Das Hämoglobin, der B-farbftoff, ıft 
der färbende Beitandtheil des rothen B-körper- 
chens; wird er gelöft, fo miſcht er fih dem B— 
ſerum bei, u. num fieht die B»flüffigleit ladiarben, 
d.h. dunkelrotb, u. auf ihrer Oberfläche glänzend 
aus, In welcher Weife das Hämoglobin mit dem 
Stroma verbunden ift, ob chemiſch oder biof 
unprägnirt, d. b. mechanifch beigemengt, ift noch 
unbefannt. Dagegen wiffen wir, daß das Hämo— 
globin der Träger des Sauerftoffes des B-e8 und 
daß namentlih das arterielle B. fehr faueritoff- 
reich ift, daß es die Eigenfchaft befitt, Antozon in 
Ozon zu verwandeln, ozonbaltigen Flüffigkeiten 
das Ozon zu entziehen und aus gewöhnlichen 
Sauerjtoffe Ozon zu bilden; ferner, daß es (u. 
zwar meift im rhombiſchen Syſtem) kryſtalliſirt 
u. endlich daß es eifenhaltig tft. In 100 Theilen 
Hämoglobin find O,, Eifen enthalten. Hämoglo— 
binfryftalle findet man bäufig im Magen von 
Blutegeln, welhe 14 Tage zuvor gejogen hatten, 
in großer Menge (Budge). Leitet man einen 
Lichtſtrahl duch Hämoglobinkryſtalle, fo wird der- 
jeibe in zwei Strahlen gejpalten, u. die Kryſtalle 
zeigen drei verfchiedene Flächenfarben umd drei 
verjchiedene Achſenfarben. Durhd Säuren und 
Allalien zerfällt das Hämoglobin in Hämatin u. 
eine Eiweißfubftanz. Das Hämatin ift ein kry— 
ftallinifcher, blau-fchwarzer, metallglänzeuder Farb- 
jtoff, der in Waffer u. Alkohol nicht löslich, mol 
aber in wäfferigen Säure u. Alfalilöfungen lös— 
ih ift. Setzt man einer Miihung von B. und 
Eiseſſig Kochſalz zu, fo entjteben die ſog. Teich» 
mannjhen Häminkryſtalle, gerſtenkornähnliche, 
braume, rhombiſche Kryſtalle, die in gerichtlich- 
mediciniſcher Beziehung den ſicheren Nachweis von 
B. ergeben u. von um ſo größerer Wichtigkeit 
ſind, als ſich dieſe Kryſtalle aus dem kleinſten 
B⸗stropfen, ob friſch oder vertrocknet oder zerſetzt, 
mit großer Deutlichkeit herſtellen laſſen (ſ. Kunze, 
Über Häminkryſtalle in Caspers Vierteljahrsichrift 
für gerichtliche Medicin). Was endlich die Ent- 
widelungsgeichichte der rothen B-körperchen betrifft, 
jo ift ſcon oben erwähnt, dag im Embryonalleben 
die Entwidelung der farbigen B-törperchen aus 
den farblofen geſchieht. Anch beim Erwachſenen 
findet wabricheinlich derſelbe Modus jtatt, man 
benutte namentlich leutämifches B., um dieſes 
feftzuitellen. So konnten Klebs, Eberth u. Bött⸗ 
cher im B»e Leukämifcher feruhaltige ſchwachrothe 
Beförperchen als Mittelglieder, veip. Übergangs» 
formen zwiſchen farblofen u, völlig correct aus» 
gebildeten rothen, B-körperchen nachweiſen. Bei 
manchen Ddiefer LÜbergangsformen ſah man ein 
eine ſchmalen 
balbmondförmigen Saume von Hämoglobin um— 
geben, bei anderen rüdte die Zone immer mehr 
gegen das Centrum vor, bis fchließlich das ganze 
Protoplasma, welches nun die körnige Beſchaffen— 
heit verlor, von Härnoglobin gefärbt war, Wenn- 
gleich hiermit bewieſen ift, daß alfo auch bein 
erwachſenen Menfchen die rohen Bekörperchen 


daffelbe aus zwei Subftanzen, dem Paraglobulin fi aus den farbiofen, u. zwar ganz in der Weife 


598 


wie im Embryonalleben, entwideln fönnen, fo iſt 
damit jedoch noch nicht ermwielen, daß Dies der 
alleinige Modus ift, u. wenn man z. B. au die 
Theilungen der B-lörperhen bei Embryonen 
denkt, iſt es wahrſcheinlich, daß es noch manche 
andere Bildungsweiſen gibt. 2. Die chemiſchen 
Beſtandtheile des B-es. Go fange das B. 
in den Adern rollt, lebendes B. ift, ftellt es ein 
inniges Gemenge von Flüſſigleit — Plasma san- 
guinis — u. von Blörperchen dar; fobald es die 
Adern verlaffen bat, gerinnt es, d. b. es jcheidet 
fich der SFaferftoff oder das Fibrin aus, und das 
zuvor flüffige B. verwandelt fih in eine loder 
zufammenhängende, weiche, rothe Mafje (Cruor). 
Nach einiger Zeit zieht fi das Gerinnjel immer 
mehr zufammen u. preßt feinen wäflerigen Be— 
ftandtheil, das B-ferum, aus. Die nun in der 
Flüffigteit ſchwimmende, dichte, rothe Mafje be 
zeichnet man mit dem Namen B-fuchen (Placenta 
sanguinis); dieſe enthält den geronnenen Faſer— 
ftoff und die Beförperchen, das Serum dagegen 
die übrigen Beftandtheile des B-es. Berzögert 
man die Gerinnung des Bres u. läßt das in ein 
Gefäß gelaffene B. ruhig ftehen, jo ſenken ſich 
die rothen B»körperchen etwas, u. die oberfte Schicht 
des Befuchens befteht nur aus Falerftoff u. ſieht 
weiß-gelbih aus (Spedhaut), Man betrachtete 
früher die Speckhaut als eine Entzündungs- 
ericheinung u, nahm an, je dider die Spedhaut 
fei, um jo mehr Entzündung fei vorhanden (Crusta 
phlogistica s. inlammatoria), Es iſt längſt erwieſen, 
daß die Spechhaut um ſo marlirter angetroffen wird, 
je mehr das B. an rothen B-körperchen eingebüßt 
bat, und wir finden eine ſolche ſogar bei Krank— 
heiten, die gar nichts mit Entzündung zu thun 
haben, 3. B. bei Bleichjucht, bei Blutverfuften. 
In anderen Fällen fcheint eine Bermebrung des 
Faferftoffes im Be (Hyperinofe) bei gleichbleiben- 
der Zahl der B-lörperchen vorzulommen. Schlägt 
man frisch entleertes B. mit Beſenreiſern, jo 
bängt fih der gerinnende Faſerſtoff an diejelben 
an, während die B-körperchen im Serum bleiben 
(defibrinirtes B.). Der dadurch gewonnene Fyafer- 
ſtoff ift ziemlich rein, fieht weiß aus, ift elaftiich, 
formlos u, befteht aus verwodrrenen Fäden. Er 
iſt unlöslich in Waffer, Altohol, Ather; löslich in 
Alfalien u. ift eine dem Eiweiß nabeftehende Sub- 
ftanz. Seine Ausiheidung aus dem B-e geſchieht 
nicht fpontan, jondern unter Einwirkung einer 
anderen im DB-e vorhandenen Subſtanz, der 
fibrinopfaftifchen Subftanz. Zum Unterjchiede 
von dieſer letteren bezeichnet man den im Be 
noch umgeronnenen Faſerſtoff als fibrinogene 
Subftanz. Schon geringe Mengen der fibrino- 
plaftiichen Subſtanz gemügen, größere Mengen 
Fibrinogen in Fibrin, den geronnenen Faſerſtoff, 
zu verwandeln. Die fibrinoplaftiihe Subftanz 
(Sobulin, Paraglobulin) fommt außer im B- 
plasma aud noch im Chylus, in der Lymphe, im 
Kiter, im Speichel u. ın den Geweben vor ıı. 
Icheint ein Product der Zellen der Gewebe zu 
fein. Dan kann fie darftellen durch Verdünnung 
des Beferums mit Waffer und Hineinleiten von 
Koblenfäure, fie fällt dann als flodige Subjtanz 
zu Boden. Sie befitt die Eigenthiimtichkeit, durch 
sbieriihe Membranen fehr leicht zu einer fibrino- 


Blut. 


genen Flüſſigkeit überzutreten, während das 
Fibrinogen dieſe Diffuſionsfähigkeit nicht beſitzt. 
Es iſt nun eine intereſſante Frage, warum, obwol 
beide Subſtanzen (die fibrinogene u. die fibrino- 
plaftische) gleichzeitig im B-e vorbanden find, den» 
noch im den Begefäßen des lebenden Menicen 
feine Gerinnung eintritt, fondern erſt, nachdem 
das B, die Adern verlafien hat, oder wenn ein 
Begefäß unterbunden wird, oder wenn fremde 
Körper (Heine Eitergerinnjel, Glasjtüde, Qued- 
füberfügelden ꝛc.) in den B-ftrom gebracht wer- 
den. Nah Brüde wird die Gerinnung des B-es 
beim Lebenden durch einen Stoff verbindert, 
der von der Gefäßwand abgejondert wird, oder 
durch einen anderen, noch rätbjelhaften Einfluß 
der lebenden Gefäßwand; nach Anderen bildet fich 
die fibrinoplaftiihde Subftanz (das Globulin) erft 


um todten B-e aus verwandten Subftanzen: Nach 
Unterfuhungen von A. Schmidt geihieht die Ge⸗ 


rinnung erjt nach Hinzutritt eines dritten Körpers, 
eines Ferments, weldyes ſich erft nach dem Tode 
entwidelt. Befchleumgt wird die Gerinnung durch 
Yuftzutritt (3. B. in offenen Gefäßen), durch eine 
höhere Temperatur als die Körperwärme, durch 
fremde Körper (durch Schlagen des B-es); ver- 
zögert wird fie durch Zuſatz von Alfalieu, durch 
Ehlornatrium, fohlenfaure und andere alkalische 
Salze, durch Kohlenjäure, Zuderwafler, Gefrieren 
des Bees x. Die Denge des im B-e enthaltenen 
Fibrins beträgt mur etwa O,, %, des Gejammte 
Bee. Außer dem Fibrin und dem etwa 16 ®%, 
betragenden Hämoglobin enthält das B. etwa 78%, 
Wafler, ferner 4%, Albumin, 2%, Fett n. 0, %, 
Salze. Die Salze bejtehen hauptſächlich aus 
Kochſalz — diejes ıjt bei. im Serum eutbalten — 
u. aus GChlorfalium, welches beionders in den 
B-lörperhen vorlommt. Ferner find im Bee 
Gaſe enthalten; Sanerftofi, Kohlenſäure u. Stid- 
ftofj. Der Sauerftoff ift im arteriellen Bee zu 15,,= 
Bolumenproc,, im venöfen Bre zu 5,0, Bolumen- 
procenten, und zwar zum größten Theil chemiſch 
mit einem im Bekörperchen enthaltenen Stoffe 
(Häimoglobin) verbunden vorhanden, Koblenjäure 
zu 30—35 Volumenprocenten, Stidjtoff zu 1—2 
Bolumenprocenten, Als Zerjebungs- od. als franl- 
bafte Producte fommen ım Be vor: Harnitoff, 
Harnfäure, Hippurfäure, Kreatin, Kreatinin, Milch» 
jäure, Zuder,Gallenfarbitoff,Gallenfäuren. Wie ſchon 
oben erwähnt, umtericheidet man ein arterielles 
u. ein venöſes B. Das erjtere ift entbalten in den 
Pulsadern, im linken Herzen u. in den Jungen» 
venen, das legtere in den B-adern, alſo in den 
Adern, welde das B. wieder von der Peripberie 
zum Herzen führen, im rechten Herzen u. ın ben 
Yungenarterien. Beide B-arten unterjcheiden fich 
befonder8 durch den verichiedenen Gasgehalt — 
arterielles B. ift fjauerftoffreih, venöfes foblen- 
fäurereih — und durch die verichtedene Farbe: 
arterielles fiebt_ hellroth aus und gerinnt rajch, 
venöjes fieht blausroth aus und gerinnt langſam. 
Die rothe Farbe des arteriellen Bies rübrt ber 
vom Gauerjtoffe, u. man kann venöjes B. durch 
Zuleitung von Gauerftoff hellroth machen. Es 
erübrigt, noch Einiges über die Methoden zur 
Beitimmung der Beftandtheile des B-es anzu— 
führen. Die Beſtimmung des Faſerſtoffes ift 


Blut, 


hemifch äußerſt Schwierig, weil die Gerinmung 
des Be⸗es nicht genügend verzögert u. dadurch die 
Senkung der B-förperhen nicht vollftändig her— 
beigeführt werden kann. Nur beim Pferde-B:»e, 
welches ſich durch langſame Gerinnung auszeich- 
net, ift es bisher gelungen, das Plasma 
eract von den B-förperchen zu tremmen u. nun 
im Plasma, welches allein das Fibrin enthält, 
den Fibringehalt genau zu beftimmen. Es ergab 
die in dieſer Hinfiht von Hoppe angeftellte Unter- 
fuhung 35,, B-förperchen u. 64,, Plasma. Beſſer 


ift es Vierordt u. Welfer gelungen, durch Zählung |fchen leiſten. 


der Bekörperchen unter dem Mifroflop die Maffe 
der B-förperchen in einer B-probe zu beftimmen, 
Es ergab fih, daß auf 1 cbmm Menichenblut 
nabe an 5 Millionen rothe und 14,000 farblofe 
B-törperhen kommen. Intereſſant iſt der Nach— 
weis, daß das Murmeltbier im Aufange des 
Winterfchlafes 5,800,000, zu Ende nur 2,300,000 
rotbe B-förperchen in 1 cbmm B. bat, was von 
großer Bedeutung für das B-leben iſt. 

C. Blutumlauf (Kreislauf des Bes, Cir- 
enlatio sanguinis). Das in den Begefäßen ent- 
baltene B. ift während des Yebens in bejtändiger 
Bewegung, indem es vom ge ausftrömt, im 
alle Theile des Körpers ſich vertheilt u. in das 
Herz wieder zurüdfehrt. Es ift aber dieſer Kreis- 
lauf, wie durch Harvey zuerft deutlich nachgewie⸗ 
jen worden ift, ein doppelter: a) Der kleine 
Kreislauf. Aus der rechten od. vorderen Herz: 
kammer (i. Herz), in deren Borhof die Hohlvenen 
das aus dem Körper zurüdfommende Blut er— 
gießen, wird es durch die Yungenarterien im die 
Yımgen getrieben, vertheilt ſich dajelbft im den 
feinjten Verzweigungen in der Subftanz dieſes 
Organs, jammelt fih aus diefer durch feine, bei 
ihrer Bereinigung immer ftärker werdende Venen- 
äfte endlich in 4 große venöſe Stämme (Lungen- 
venen), die dafjelbe in den linken od. hinteren Bor- 
hof des Herzens ergießen. Diefer Heine Kreis: 
Tauf bezwedt nur, das aus dem Körper durch die 
Benen zurüdtehrende B. in den Lungen mit der 
atmosphärischen Luft im Berührung zu bringen 
(vgl. Ahnen). Zu ihrer eigenen Ernährung er: 
halten die Lungen, wie jedes andere Organ, durch 
eigene Arterien B. aus dem Aortenſyſtem. b) Aus 
der linken Herzlammer geht das aus den Lungen 
zurückkehrende arterielle B. in einen großen Ar— 
terienftamm, die Norta, aus welcher unmittelbar 
oder mittelbar alle übrigen Arterien entipringen, 
Die Capillargefäße, melde die Fortſetzungen der 
Enbverzweigungen der Arterien u. das Ilbergangs- 
gelißforem vom arteriellen zum nervöſen Syftem 

ilden, vertheilen fih Durch die ganze Maſſe des 
Körpers u. führen das B. dahin, wo fih aus 
ihm die durch den Lebensproceß conjumirten Or- 
gane neu bilden u. die Producte der organiſchen 
Rüdbildung abgejchieden werden (vgl. Capillar— 
gefäße). Aus dem Parenchym der verichiedenen 

rgane ſammelt fih das nad Abgabe nährender 
Subftanzen mit Kohlenſäure gejättigte, daher 
dunklere B. in feine, durch ihre Vereinigung im— 
mer ftärfer werdende Benenzweige, Aiteu. Stämme, 
u. endlich in die beiden Hobladern, ans denen e8 
fih in die rechte Borfammer des Herzens ſ. oben) 
ergießt und jo den großen Kreislauf voll 


559 


endet. Im noch nicht geborenen, nicht athmen— 
den Kinde rubt, da daſſelbe jein B. bereits völlig 
gebildet Durch die Nabelſchnur erhält, der Heine 
Kreislauf, u. das in das rechte Herz gelangte B. 
geht durch das eirunde Loch unmittelbar in das 
linle u. aus der Lungenarterie durch den Botalliſchen 
Gang ebenfo in die Aorta über; der zum Leben 
nöthige Sauerftoff wird dem Kinde von dem Be 
der Mutter durch den Nabelftrang zugeführt; der 
letstere leiftet aljo für das neugeborene Kind das- 
felbe, was die Lungen für den geborenen Men- 
Damit das B. in geregeltem Laufe 
aus einem Gefäßſyſtem in das andere übertreten 
fünne, muß ein Organ vorhanden fein, welches 
einen der Schnelligkeit der Bewegung entiprechen- 
den Drud auf die ganze B-maffe ausübt; dieſes 
Organ ift das Herz. Die Formveränderungen, 
die es im lebenden Organismus erleidet u. welche 
den regelmäßigen Drud auf das B. mit ſich füb- 
ron, find a) Zuſammenziehen feiner Wände nad) 
allen Dimenfionen, daher Verkleinerung feiner 
Höhlen, und b) Vergrößerung feines Umfanges, 
daher GErmeiterung feiner Höhlen; man nennt 
den erfteren Zuftand Syftole, den anderen Dia— 
ſtole. Der Grund diefer yormperänderung liegt 
einestheil8 im der Verkürzung der Mustelfajern 
bes Herzens, anderntbeild in dem Gegendrud, 
welchen das in ihm enthaltene B. gegen die Herz« 
wandungen ausübt. Diefe Ericheinungen find 
ſchon von Harvey, dem eigentlihen Entdeder des 
B-umlanfes, ftudirt worden. Die Thätigfeit des 
Herzens gibt fih durch den Herzihlag (Spitzen— 
ftoß) u. durch die Herztöne hund, Die Zahl der 
in einer Minute fich wiederholenden Herzichläge 
iit verfchieden nach dem Alter, fo bei Neugebore- 
nen 130—140, bei Kindern in den erften Yebens- 
jahren 100—120, in der Jugend 80—100, in 
mittleren Yebensjahren 70—80 u, im Greifenalter 
60-70. Die Herztöne fann man durd Auflegen 
des Obres an die Bruftiwand, oder durch den Ge— 
brauch des Stethoſtops (j. d.) wahrnehmen, 
Dur die Bewegung des Herzens u, die daraus 
refultivende Erihütterung der B-maffe in den 
Arterien entjtcht eine Wellenbewegung des Arte: 
vienblutes, der fog. Pulsſchlag oder — * 
Die Länge dieſer B-wellen hängt ab von der 
Syſtole u. von der Beſchaffenheit der Arterien— 
wand, ob dieſelbe mehr oder weniger geſpannt iſt; 
die Frequenz der Pulsſchläge ändert ſich propor— 
tional der Zahl der Herzichläge. Als meientliche 
Eigentbümlichkeit der Arterien iſt ihre Elafticität 
u, der Drud hervorzuheben, den ihre Wände auf 
die in ihnen befindliche B-menge ausüben, denn 
das Herz allein n. feine Formveränderung find 
nicht im Stande, den Lauf des Bees auf jo weite 
Streden zu requliren; fomit fteht das B. im 
Arterienipitem unter einem doppelten Drude: unter 
dem des Herzens u. dem der elaftiichen Arterien» 
wände. Durch den Sphygmographen läßt ſich 
die Kraft des Herzens u. die Elaſticität der Ar— 
terien bildlich darftellen, daber haben die ſehr deut- 
lihen u. fihberen Nachweiſe diejes Inſtruments 
eine große Wichtigkeit bei Beurtbeilung von be: 
drohlichen Schwächezuſtänden in Kranfbeiten (ſ. 
Spbygmograph). Die Venen find ähnlich mie 
die Arterien gebaut; fie befigen, wenn auch in 


560 


Blutader — Blutalbuminate, 


geringerem Grade, Elafticität u. Eontractilität, u. hier geben mit diefen Flüffigkeiten Veränderungen 


nur der Brlanf in ihnen weicht von dem in den 
Arterien ab; hier bemerft man nämlih feine 
mellenförmige Fortbewegung des B-ftromes, das 
B. aus einer geöffneten Bene fließt nicht ſtoßweiſe 
bervor, wie aus den Arterien, fondern ruhig, in 
einem continnirlihen Strahl. Die Schnelligkeit 
des DB-laufes hat man theil® durch Berechnung, 
theils durch Beobachtung ermittelt u. auf beide 
Arten bedeutende Gefhmwindigfeiten gefunden. So 
bedarf 3. B. eine B-menge von 15,293 g 
bei 70 Bulsichlägen pro Minute nur 14 Minute, 
um das Herz einmal zu paſſiren. Die Menge 
des im lebenden Körper circulirenden Bees ıft 
ziemlich fchmer zu ermitteln, weil das B. der 
Capillargefäße bei Berblutungen niemals ganz 
entfernt u. durch das Gewicht beftimmt werden kann. 

D) B-bildung. Da das B. dazu beftimmt 
ift, die durch den Vebensproceh confumirten Or— 
gane mieder zu erzeugen, u. diefe Bildung neuer 
Organe ftetig fortgebt, fo muß aud dem Dre, 
wenn das Gleichgewicht des allgemeinen thierifchen 
Stoffmechiels nicht geftört werden fell, fortmäh- 
rend Nahrung zugeführt werden, u. dies geſchieht 
dur die Speifen. Die Umbildung derfelben zu 
dem fpäter in B. zu verwandelnden Speijebrei 
erfolgt zum Theil ſchon in der Mundhöhle, indem 
der Speichel die in der Nahrung enthaltene 
Stärke in Dertrin u. Traubenzuder umzuwandeln 
beginnt; demnächſt im Magen durch Bollendung 
der Stärleummandlung, bauptfählich aber durch 
Aufquelung der Eimeiflörper infolge der Be— 


rührung mit der Magenfäure u. —— Um⸗nach der Zeit des Numa Pompilius. 
dagen⸗ häufig als Erſatzopfer für das Leben. Auch beim 


wandlung dieſer Eiweißlörper durch den 


der Art vor ſich, daß ſie ſelbſt dem Blute ähnlich 
werden. Ob nur gewiſſe Stoffe von den Lymph⸗ 
gefäßen aufgenommen, andere nur durch die 
Darmzotten aufgeſogen werden können, iſt noch 
nicht mit Beſtimmtheit ermittelt worden. Bgl. 
Verdauung, Ernährung, Reſorption, Stoffwechſel. 

II. Geſchichtliches. Der innige Bezug des 
Bees zu dem Leben mwedte ſchon in frübefter Zeit 
eine Art religiöfer Schen. Nah den Mojarichen 
Urkunden wurde der Genuß des B-es u. des blu—⸗ 
tigen Fleiſches durch ein Noachitifches, ſpäter durch 
das Moſaiſche Gefe verboten, da des Leibes Les 
ben im Be u. das B. die Seele fei. Die ägup- 
tiſchen Prieſter tranfen nicht einmal Milch, wäh— 
nend, daß fie nur werges ®. fe. Bei den Brabma- 
nen u. Buddhiften ift die Scheu vor B- u. Fleiſch- 
genuß tief gewurzelt u. mit deren religiöfen An- 
fibten auf das Innigſte verflochten. Unter den 
Philoſophen Griehenlands glaubte Pythagoras, 
es ſei des B⸗es Beſtimmung, ſelbſt die Seele, 
ihrem ſinnlichen Theil nach, zu ernähren. Ho— 
meros’ Götter hatten fein (dickes, rothgefärbtes) B., 
fondern einen (feinen, farblofen) Ichor. Die 
Schatten in der Unterwelt der Griechen waren 
blutlos u. daher ohne Erkennmißfähigleit. Um 
diefe zu erlangen, mußten fie mit Opferblut ge- 
tränft werden; fo beim Befuche des Odyſſeus in 
der Unterwelt, Beim Opfercultus, beſ. bei Suühn⸗ 
opfern, hatte das B. im Altertbum allgemeine 
Anwendung; bei den Hebräern, Griechen u. Ser- 
manen feit der Älteften Zeit, bei den Römern erft 
Es diente 


faft in Peptone, u. endlih im Darme, wo der) Zuftandelommen von Bündnifien gehörte B. zur 


faure Speifebrei (Chymus) mit Galle u. Pankreas: 
ſaft m. Darmfaft in Berührung fommt. Ungelöft 
bleiben ſolche Materien, welche nicht an der up. 
ung neuer Organe u. Gefäße theilnehmen können, 
In diefer Beziehung unterfcheidet fi die Magen- 
verdanung der fleischfreffenden Thiere weſentlich 
von der des Menichen u. der Pflanzenfrefler: 
während 3. B. Knochen, Sehnen, Horngebilde ꝛc 
im menfchlihen Magen nur in faft verſchwindend 
Heinen Mengen aufgelöft werden, verbauen größere 
Naubthiere Diefelben ziemlich ſchnell ſelbſt ohne 
vorbergegangene Zerfieinerung; ebenfo werden die 
ieften Pflanzentheile (Geltutole) vom menschlichen 
Magenſafte nicht aufgelöft. Manche gelöft im den 
Zpeifefanal gebrachten Stoffe verbreiten ſich ohne 
Weiteres in die allgemeine Säftemafje des Kör- 
pers, andere werden erft unlöslich u. dann wie— 
der durch die VBerdaunngsfäfte gelöft; jo gerinnt 
die Milch im Magen, indem die Säure des Ma- 
genfaftes den Käſeſtoff in Flocken abjcheidet, ber 
vor ihn das Pepfin wiederum auflöf. Sobald die 
Nahrungsmittel theils auf phufifalifche, theils 
chemische Weiſe genügend zur Auffaugung der im 
Körper verwendbaren Stoffe vorbereitet find, ger 


Geremonie, u. bei dem Abihluß von B-brüder- 
haften tranten die Betheiligten wechlelfeitig von 
ihrem Be. Goethe läßt den Fauſt durch Unter- 
ichrift mit feinem Be fih dem Teufel opfern, weil 
B. ein ganz befonderer Saft ſei. Ein alter Bolts- 
glaube in Deutſchland legt dem Trinken frischen 
Bees von Enthaupteten große Wirfung gegen 
‚Fieber u. bejonders gegen Epilepfie bei. Ein Tud, 
in das B. von Hingerichteten getaucht, wurde für 
glüdbringend gehalten, daher das bis in die 
nenefte Zeit (fo lange die Hinrichtungen öffent- 
lid waren) beobachtete eifrige Beftreben, eines 
ſolchen Mittels babhaft zu werden. Auch in Ruf- 
land herrſcht ein äbnliher Glaube. Die alten 
Römer hielten das B. gefallener Gladiatoren ge- 
gen Epilepfie für beilfräftig. Zur Heilung des 
Ausjages wurde in älterer Zeit das Baden in 
friihem Menjchenblute angewendet. Die Sagen 
des Alterthums berichten, daß Tyrannen fih im 
B-e von Kindern badeten, um verlorene Körper» 
fräfte wieder zu erlangen. Das Gleihe wird von 
der Elifabeth Bathori if. d.) erzählt, melde da- 
dur ihre Schönheit erhalten zu fünnen glaubte, 
Gegen Yähmungen wurden früher Bäder ım B«e 


ſchieht theils durd die Darmzotten, theils durch |frifch gefchlachteter Thiere empfohlen. 


die Lymphgefäße des Darınes ihre Aufnahme in 
den Säfteftrom, während die unbrauchbaren oder 


1. A. Wimmenauer M. I. B—D. Sunze.* II. Ehroot.* 
Blutader, jo v. mw. Hafeldama. 


ungelöften Subftanzen der Nahrungsmittel durh| Blutadergeſchwulſt (Blutaderknoten, Med.), 
die Stublentleerung aus dem Körper entfernt|jo v. w. Varix. 


werden. Bon den Lymphgefäßen werden die res 
forbirten Stoffe zu den Lymphdrüſen geführt, u. 


Biutaderprefie, jo v. w. Tourniguet; f. d. 
Blutalbuminate, im Blute enthaltene Eiweiß- 


Blutandrang — Blutarmuth). 


ftoffe. Diefelben find: Fibrinogen, reip. Fibrin 
im Plasma; Slobulin im Serum u, im Plasma; 
Serumcafein, durch Eſſigſäure aus dem Serum 
fällbar; Serumalbumin zeigt eine ftärfere Dreh— 
ung des polarifirten Lichtes nach Iinfs, als Eier- 
albumin. Es trübt ſich beim Erhitzen, gibt aber 
fein Coagulum u. wird durh CO, gefällt; Hä— 
moglobin in den Blutkörperchen, 

Intandrang (Biutanhäufung, Blutanfhopp- 
ung), jo v. w. Gongeition, 

Diutarmuth (Anämie, Jschämie) bezeichnet 
die Verminderung der Blutmenge im Körper, u. 
zwar ift das Blut entweder in feiner Geſammt— 
menge n. im feinen fänmtlihen Beftandtheilen 
(f. Blut), oder nur in feinen wejentlichen Beitand« 
theilen (Blutlörperchen, Eiweiß) vermindert. Die 
Berminderung der Gefammtmenge ift meift ſchnell 
vorübergehend u. kommt bei Blutverluften vor; 
durh Aufnahme von Flifigleit aus den Geweben 
des Körpers werden die wäſſerigen Beftandtheile 
fehr bald wieder erjegt. Die B. kann eine ört- 
liche, fihb nur auf ein Organ des Körpers 
erftredende, oder eine allgemeine, alle Körpertheile 
umfaffende jein. 

1) Die örtliche B. harafterifirt uh durch 
Leere der Blutgefäße, fo daß aus Dunst. mitten 
durch bfutleere Organe fein Blut ausfließt, durch 
bleiche Farbe, vermindertes Gewicht u. vermin— 
derten Umfang des betreffenden Organs. Die 
Urſachen können liegen a) in mechanischen Drud 
auf ein Organ, Widelt man mit einer aus 
Gummiftoff beftehenden elaftiichen Binde 3. B. 
einen Arm von unten nad oben eim u. nimmt 
man nah furzer Zeit die Binde wieder ab, jo 
fiebt man, daß der Arm ein leichenbaftes Anſehen 
befommen bat, biutleer ift, u. kann nun tiefe 
Einfchnitte in die Weichtheile deſſelben u. andere 
blutige Operationen an demfelben auf eine faft 
völlig unblutige Weife ausfiihren (Esmarchſche 
unblutige Operationsmethode). In inneren Or- 
ganen kommt es ſehr häufig zu localer B. durch 
mechaniſchen Drud, 3. B. bet großen Ergüſſen in 
den Bruftfelliad zu B. der anliegenden Yunge, 
bei Ausihwisungen in die Hirmhöhlen oder im 
die Hirmbäute zu B. des Gehirnes. Ya felbit in 
den einzelnen Organen kann es durch mechanischen 
Druchk zu umſchriebener B. kommen, 3. B. bei 
Geſchwülſten, bei Blutergüffen in die Hirnfubftanz, 
in die Lungen. b) Durch Berftopfung der zu« 
führenden Schlagader. Solche Berftopfungen ent- 
ftehen entweder durch Einfhwenmung von Pfröpfen 
durch den Blutftrom aus entfernten Körpergegen- 
den (Embolie), u. find namentlich die aus dem 
Herzen ftammenden u. gewöhnlid in von er- 
tranften Herzklappen abgeriffenen Stüden be— 
ftehenden Piröpfe von großer Wichtigkeit, da fie 
fehr häufig Berftopfungen int Gebirne u. in ber 
Milz herbeiführen, oder durch Gerinnfelbildung 
an Ort u. Stelle der Berftopfung infolge von 
Berlangfamung uw. Behinderung des Blutitromes 
dur Rauhigleiten auf der inneren Fläche der 
Arterienhäute (Thrombofe). Der nächſte Erfolg 
inner embolifchen Berftopfung ift jchnelle Unter: 
drüdung des Blutzufluffes zu dem Diftrict ber 
verftopften Arterien u. B. diefes Diftricts; die 
meitere Folge Untergang u. Zerfall der blutarmen 


Pierers Univerfal-Eonverfationd-Periton. 6. Aufl. II. Band. 


561 


Stelle, wenn die B. fortdanert. Gewöhnlich aber 
übernehmen, jehr bald die benachbarten gefunden 
Arterienäfte die Zufuhr zu der biutarmen Stelle, 
erweitern fi, u. es lann durch einen jolchen feit- 
lichen Blutzufluß zu völliger Ausgleihung der 
Girculationsftörung fommen. Im Gehirne freilich 
ift das feltener der Fall, daflelbe verträgt ſelbſt 
Meine Embolien fchlecht; meist erfolgt bier Er— 
weihung des Diftricts der urſprünglich verftopften 
Arterie. In der Milz, in den Lungen, in den 
Nieren hat man aber öfter Gelegenheit, Verſtopf⸗ 
ungen von Arterienzweigen durch eingeſchwemmte 
Pfröpfe ohne diefen üblen Ausgang zu beobachte, 
Die thrombotiiche Verſtopfung, die meift ihre Ur— 
fahe im einer eigenthümlichen, bejonders dem 
höheren Alter eigenen u. in fettiger Entartung 
u. eh beitehenden Entzündung der Arterien- 
häute hat, fan zwar auch eine plötliche Unter 
bredung des Blutzufluſſes herbeiführen u. dann 
völlig einer emboliſchen Verſtopfung gleichen, häu- 
figer jedoch ift ihr Eintritt allmählich, zunächſt 
öfter mit Ausgleihung der Strömung abwech— 
jelnd uud erit fpäter zu einem definitiven und 
bleibenden Berjchluffe führend. Dieſe throm— 
botische Berftopfung kommt fehr häufig im Gehirne 
alter Berfonen vor und hat ausnahmelos Er— 
weihung des Gehirnes zur Folge, da die Gefäß— 
erfranfung eine unbeilbare ift u. ſtets mehrere, 
häufig alle Hirmarterien betrifft. e) Die dritte Ur— 
ſache der örtlichen B. endlich beſteht in krampf— 
haften Zufammenziehungen Heinerer Arterien u. 
Gapillargefäße. Dieſe Urſache fommt jehr häufig 
vor. Auf fie ift die plöglice Erbleichung des 
Geſichtes beim Schred, die Bildung von Gäuſe— 
baut beim Fieberfroſt ꝛc. zurüdzuführen. Dur: 
bam beobachtete bei Thieren durch ein Trepanloch 
den Blutgehalt des Gehirnes während des Chloro- 
formſchlafes u. fand, daß während des Sclafes 
das Gehirn biutarm war, fobald das Thier ges 
wedt wurde, röthete ſich die Hirmoberfläche. Nach 
Kußmaul u. Tenner treten fallfuchtartige Krämpfe 
ein, jobald bei Verblutungen das Gehirn, u. zwar 
der hinter den Sehhügeln liegende Hirnabjchnitt 
plötlich blutarm u. dadurch in feiner Ernährung 
geftört wird, während B. der vor den Großhirn- 
ihenfeln liegenden Hirntheile Bewußtloſigleit, Un— 
empfindiichkeit u. Lähmung zur Folge hat. Ge— 
ringere Grade von plöglicher B. des Gehirnes 
bewirten Ohnmacht; wir beobachten ſolche beim 
Aufrichten im Bette bei Neuentbundenen u, Re— 
convalejcenten von ſchweren Strankheiten. Bei 
der befannten Krankheit Migräne hat man ermit- 
telt, daß fie entweder durch einen auf einem Reiz— 
zuftande des Halsiympathicus beruhenden Gefäp- 
fvampfe, oder durch eine auf geftörter Function 
defjelben Nervs beruhende Gefäßlähmung herbei» 
geführt wird u. man im erfteren ‚zalle eine B. 
der betreffenden Gefichtshälfte antrifft, eine That« 
jache, welde für die Behandlung der Migräne 
von größter Wichtigkeit if. Bei B. der äußeren 
Haut entfteht Abjtumpfung des Gefühle; daher 
benugt man Eiswafler u. andere ſtark durchlüh— 
lende Flüſſigleiten (Ather zc.) bisweilen zur Un— 
empfindlihmahung umjchriebener Hautftellen; bei 
plöglider B. der ganzen Hautoberfläde tritt das 
Blut in die inneren Organe zurüd u. lann da: 
36 


562 


jelbft mehrfache Krankheitserſcheinungen hervorru«- 
fen; daher die Schädlichfeit plöglicher Abkühlung 
des Körpers, mamentlih wenn einzelne innere 
Drgane (3.8. diefungen)durdeinevorangegangene 
angeftrengtere Thätigfeit die Widerftandsfähigfeit 
gegen einen größeren Blutreichthum zum Theil 
eingebüßt haben. In Bezug auf die Folgen der 
B. der einzelnen Organe des Körpers verweilen 
wir auf die Arbeiten von Pelechin, Virch. Arch., 
1869, XLV,; Saviotti, Bird. Ard,, L.; Sas 
muel, Virch Ar. LI.; Horvath, Med. Gentralbl,, 
1873, XIV.; MNotbnagel, Arch. f. klin. Med., 
1866, II; Rofentbal, Wien. med. Jahrb., 1872; 
Bezold, Gentralbl., 1867; Dfer u. Schlefinger, 
Gentralbf., 1871, u. Öfterr. Jahrb., 1872; Kuß- 
maul u. Tenner, Molejchotts Unter. z. Naturl., 
1857, III. Leyden, Virch. Arch., 1865, XXX VIIL; 
Kußmaul, Berl. Hin. Wochenſchr., 1872; Bartels, 
Arch. f. Hin. Med. IV, 

2) Die allgemeine B. ift entweber eine 
plößlih, oder allmählich ſich entwidelnde Die 
plößlic entftebende (acute) B. iſt Folge von 
Blutverluſten aus dem Gefäßſyſtem, bei denen 
das Blut entweder nah außen abfließt, oder im 
Körper verbfeibt. Nah außen fließt das Blut 
ab beim Aderlaß, bei Blutungen aus der Gebär- 
mutter bei Entbindungen, bei Lungenblutungen zc. ; 
um Körper verbleibt das Blut, jedoch auperhalb 
des Gefäßſyſtems bei Blutungen in den Bruft- 
fellfad, in die Bauchhöhle x. Das Nefultat bei 
beiden Arten Bintungen ift dafjelbe: es tritt bei 
allen größeren Blutungen eine allgemeine B. ein, 
der Kranfe wird plöglih blaß, ohnmächtig; 
überfteigt der Blutverluft bei Erwachſenen die 
Hälfte der gefammten Blutimenge (2 bis: 3 kg), fo 
wird derfelbe tödlich. Bei Kindern u. Greifen 
genügt oftmals ſchon ein geringer Blutverkuft zum 
tödtlichen Ausgange; ebenfo vertragen Herzkranke 
u. jehr fette Menſchen eine plöglich eintretende B. 
chlecht, während für rauen bei der Geburt felbit 
große Blutverlufte meift ohne Nachtbeil find. Ber 
trachten wir die Folgen plötzlich eingetretener B. 
für die einzelnen Organe des Körpers, fo ergibt 
fid namentlich, daß durch die Blutverminderung 
das Herz n. die Gefäße fich anf kurze Zeit ver- 
engern, daß demnächſt aber ſchnell eine Aufſaug— 
ung von Flüſſigkeit aus den Geweben des Kür: 
pers u, dem genofjenen Getränle ftattfindet, mo» 
durch die frühere Spannung im Gefäßſyſtem wie- 
der herbeigeführt wird. Das Blut it jest dünn, 
wäfferig, gerinnt leicht u. enthält eine größere 
Anzahl Lymphlörperchen, die fhnell aus den 
Lymphgefäßwurzeln in die Blutmaſſe aufgenom— 
men werden; es iſt aber verarmt an rothen Blut— 
körperchen u. Faſerſtoff (Blutwäſſrigkeit, Hydrä- 
mie). Der Herzmuskel iſt in feiner Kraft ge— 
ſchwächt, u. bei feinen Zuſammenziehungen wird 
häufig ein ſauſendes, mit dem erſten Herztone 
zufammenfallendes Geräuſch gehört (anämiſches 
Herzgeräuſch). Ebenſo kommt es durch Schlaff- 
heit u. geringere Füllung der großen Venen am 
Halſe zu einem eigenthümlichen Geräuſche, welches 
man wegen feiner Abnlichleit mit dem Geräuſche 


des bekannten Kinderſpielzeugs, des Kreiſels oder, 
Wegen | 


der Nonne, Nonnengeränſch genannt hat. 


Blutarmuth. 


der geringeren Füllung des Gefäßſyſtems beob- 
achtet man öfters eine Bermindernug der natür« 
lihen Ausiheidungen, namentlih des Using und 
der wäſſerigen Ausihwigungen in Körperhöblen, 
während Krankheitsproceife ın inneren Organen, 
welche mit einer größeren Blutanhäufung ver« 
bunden find, z. B. Yungenentzündung, Unterleibs- 
entzündung 2c. durch plötzlich eingetretene B. zur 
Zertheilung angeregt werden. Der letztere Erfolg 
it jedoch aus dem oben angegebenen Grunde nur 
ein momentaner; fobald die Spannung im Ge- 
räßipftem fich wieberbergeftellt hat, ift auch der 
Erfolg einer künſtlich herbeigeführten piößlichen B. 
vorbei. Man hat deshalb mit Medt in der letz 
ten Zeit von ärztlicher Seite die früber jo be- 
liebte wiederholten Aderläffe bei inneren Ent- 
zündungen ſehr beſchränkt u. wendet fie nur noch 
an, um eine augenblidliche, durch hochgefteigerten 
Blutdrud bedingte Gefahr zu befeitigen. In— 
tereffant find die Berjuhe an Thieren, denen man 
durch wiederholte Blutentziehungen B. beibradhte, 
Es ftellte fich heraus, daß die Thiere fetter wır« 
den. Nach Bauer fommt die daher, daß fich 
das Eiweiß in den Organen in vermehrter Weiſe 
zerjett und im Fett wandelt (fettige Metamor- 
phoſe) ıt. das lettere durch dem geringeren Ge— 
halt des Blutes an Sauerftoff iniolge der Ber- 
minderung der rothen Blutkörperchen nicht ver— 
brannt wird, fondern fi aufipeichert. Diefe Auf- 
faffung ſcheint fi) durch die Erfahrung zu be» 
fätigen, daß es gelingt, bei der Mäftung von 
Thieren. durch wiederholte Blutentziehungen einen 
größeren Fettanſatz herbeizuführen, u. ferner, daß 
Berjonen, die in ihrem Yeben viel zur Ader ger 
fafien haben, häufig dennoch fehr did find. And 
bleihfüchtige Mädchen find nicht ſelten ziemlich 
fett. Über die Neubildung der Blutkörperchen ſ. 
den Art. Blut; wir wollen bier nur hinzufügen, 
daß die Zeit, die zur Hegeneration der Blut— 
förperdhen bei einigermaßen erheblichen Blutver- 
Inften nöthig ift, fih auf ca. 3—5 Woden er- 
jtredt, daß dagegen die Reproduction des Faſer- 
jtoffes mur etwa 48 Stunden erfordert (Banum). 

Die fih allmählich entwidelnde (chroniſche) B. 
entftehbt entweder dur Säfte, oder wiederholte 
kleinere Blutveriufte (häufiges Najenbiuten, ftarfe 
u. zu langdauernde Menftruation, Blutungen der _ 
Harnblafe bei Harnblajenpolypen u. Blafenfteinen, 
chroñiſche Diarrhöe, weißen Fluß, raſch auf ein- 
ander folgende Wocenbetten, zu langes Stillen 
der Säuglinge, langwierige Eiterungen, Onanie) 
oder durch Mangel an paſſendem u. genügendem 
Ernährungsmaterial (häufig bei Säuglingen und 
fleinen Kindern, die mit Mehliuppe, Kaffe, mit 
grobemBrode, Kartoffeln anftatt mit Muttermilch 
u, Kuhmilch aufgefüttert werden, ferner bei frei» 
willigem oder unfrenpilligem Hungern, wıe es 
bei Geiſtesktanken oder zu Zeiten von Hungers- 
noth, Krieg zc. vorkommt [Nuanition]), oder end» 
lich durch krankhafte Beichaffenheit der blutbilden- 
den Organe, alfo der Milz, Lymphdrüſen Bleich— 
jucht, Yeufämie, progreffive perniciöjfe Anämie]). 
Nah Berfuhen von Ranke jet auch lange 
Muskelruhe die Gefammtmenge des Blutes herab. 
Die Ericheinungen dev allmablih ſich entwideln- 


Blutauffriihung = Blutdrüſen. 


563 


den B. ſind im —— denen der acuten B.jderjelben gleichkommenden anderen reinen Race 


gleich: bleiche Farbe der äußeren Haut und ber 
Schleimhäute, Schwäche u. Mattigleit, Heine Puls- 
mwelle u. ſchwacher Herzſtoß, doch gefteigerte Er» 
regbarkeit des Herzens, jo daß es leicht zu Herz⸗ 
Hopfen u. zu Schamröthe im Geftchte fommt, ger 
fteigerte Erregbarfeit der Empfindungsnerven; da⸗ 
ber bildet die hroniihe B. den günftigften Boden 
für alle Arten von Nervenfrankheiten, Hyſterie, 
Nervenſchmerzen, ferner Bruftbeflemmung infolge 
—* Herzlraft u. von dieſer abhängigen 

lutſtauung ın den Lungengefäßen; ebenjo ik die 
Verdauung geftört, der Appetit fehlt, der Stuhl 
ift verftopft, weil bei chronischer B. nur ein man« 
gelhafter Magen- u. Darmſaft abgefondert u. die 
der Regulirung der Verdauung vorftehenden Ner- 
ven durch die anhaltende Ernährungsftörung ge- 
ſchwächt u. functionsunfähig find. Da die chro- 
nische B. weſentlich in einer erheblichen Bermin- 
derung der rothen Blutkörperchen, des Eiweißes 
u. Zunahme der wäfferigen Beftandtheile befteht, 
fo ift es erflärlich, warum wir in der chron. B. 
häufig mafferfüchtige Anfchwellungen an den 
Knöcheln un, an den unteren Augenlidern finden 
(mäfferige Blutbejchaffenheit, Hydrämie), die bei 
der acuten B. zu fehlen pflegen. Endlich ift bie 
Körpertemperatur bei der chron. B. herabgejekt, 
eine Erſcheinung, die namentlich beim Hungern 
bervortritt (Choſſat). Verſuche an Thieren er- 
gaben, daß 3—4 des Körpergewichtes verloren 
geht, ehe e8 zum Hungertode kommt. So ftarb 
Bidders Kate am 18. Tage, nachdem ihr Kör- 
pergewicht von 2464 g. auf 1267 g. herabgefunten 
war; junge magere Tauben ftarben jchon nad) 
3 Tagen, nad Berluft von 4 ihres Gewichtes, wäh- 
rend fette u. ältere erft nach, 13 Tagen u. nad 
einem Berlufte von fast Zihres Gewichtes zu Grunde 
gingen. Über die nöthige Zufammenjegung un— 
jerer Nahrungsmittel, wenn fie zur Ernährung 
genügen jollen, u. tiber die Nachtheile der Ent- 
ziehung der einzelnen Nährftoffe ſ. d. Art. Er» 
nährung. Die Behandlung der chron. B. hat es 
theils mit Befeitigung der Urſachen zu thun, 
tbeil8 mit der Auswahl der pafjenden Nährſub— 
tanzen, theils mit der Darreichung gewiffer Arz— 
neiftoffe, die erfahrungsgemäß die Blntbildung 
unterflügen. Wir wollen bier nur anführen, daf 
der Menſch namentlich die Eiweißftoffe zu feiner 
Ernährung gebraucht u. im Allgemeinen der Aus— 
fpruch gilt: Fleiſch macht FFleiih. Inwieweit 
eine Erjparung der Eiweißſtoffe durch gleichzeitige 
Darreihung anderer Nährftoffe möglich it, ſ. 
unter Ernährung. Als weſentlichſtes Beförder- 
ungsmittel der Bildung der rothen Blutlörperchen 
fennen wir das Eifen, u. diejes bildet daher das 
Hauptmittel bei Befeitigung der chroniſchen B. 
Natürlich muß diejenige Form defjelben gewählt 
werden, welche dem Berdauungszuftande des 
Kranfen angemefjen ift. Eine vortreffliche Unter- 
ſtützung der Beftrebungen zur Blutverbeiferung 


TIhiere -zur Züchtung vorübergehend zu verwen- 
den. Eine möglichit häufige B. ift namentlich 
bei der Schweinezucht nicht dringend genug an- 
zuratbhen, wenn man glüdlidhe Rejultate bei ber- 
jelben erzielen will. 

Blutauge ift Comorum palustre L. 

Blntbann, das Recht eines Fandesherrn- über 
Leben u. Tod feiner Unterthanen; ſ. u. Eriminal« 
gerichtsbarfeit u. Landeshoheit. 

Bintbehälter, jedes Blutgefäß, beſonders B. 
des Gehirnes (Sinus venosus); ſ. u. Gehirn; B. 
des Herzens, jo v. mie Vorlammern; ſ. u. Herz, 

Biutbeule, eine an der Peripherie harte, in 
der Mitte etwas weichere Geſchwulſt, meift nach 
Duetfhungen entftanden, Es handelt fich bierbei 
um einen wirklichen, umſchriebenen Bluterguß in 
die durch die Äußere Gewalt bewirkte Lücke der 
Gewebe, welche eine beträchtliche Erhebung bewirkt. 
Ben fünnen an allen Stellen des Körpers vor- 
fommen, befonders Teicht aber da, wo Knochen 
oberflädlicher liegen, 3. B. am Schienbein, am 
Schädel, Am Kopfe gewinnen fie eine bejondere 
Bedeutung u. erfordern befondere Aufmerlfamteit, 
da fte jchon ung für Kopfeindrüde gehalten wor» 
den find. Ihr Ausgang beftebt meift in Ber- 
theilung, die man uoch durch fogen. zertheilende 
Umjchläge und mäßige Compreffion beſchleunigen 
fann. Tritt feine Zertheilung ein, jo muß man ſich 
zur Eröffnung mit dem Meffer entjchließen. 

aas M 


Blutblajfe (Haematocystis), Erhebung der 
Oberhaut in Form einer Blafe, unter welcher fich 
ausgetretenes Blut befindet; meift Folge äußerer 
Quetſchung. 

Blutblume iſt Hämanthus T. 

Blutbruch (Haematocele), Blutgeſchwulſt in 
der Subſtanz des Hodens, od. zwiſchen den Häuten 
deſſelben u. denen des Samenſtranges, oder auch 
in den Höhlen des Hodenſackes od. in deſſen Wand; 
meiſt Folge von Verletzung. 

Blutbrüderſchaft, alte Sitte, ſich auf Leben 
u. Tod ſo zu verbinden, daß die Verbundenen 
für einander wegen erlittener Beleidigungen Blut⸗ 
rahe nahmen u. daß, wenn Einer ftarb oder fiel, 
der Andere fich ſelbſt tödtete, Beim Schließen 
einer B. Inieten die Blutbrüder auf die mit ihrem 
Blute benette Erde, u., einander die Hände gebend, 
ichmuren fie bei allen Göttern, fich einander wie 
Brüder zu halten u. zu rächen. Diefe Sitte bes 
ſtand bei den Germanen, Keltiberern u. Galliern 
(vgl. Soldurier); bei den flavijchen Völkern u. in 
Dalmatien wurden noh ähnliche Ben zu Ende 
des vorigen Jahrh. an chriftlihen Altären ger 
ſchloſſen. Noch bis weit in hiftorifche Zeiten bat 
fi bei vielen Böltern das gegenfeitige Bluttrin 
fen als das feftefte Band geheimer Gejellichaften 
erhalten, ein Reſt der uralten Anſchauung von 
der geheimnißvollen Kraft des Blutes. 

Blutoralen j. u. Fagus, 


Hiegt in der Benutzung guter, reiner (wo mögih| Blutdrüſen, die Drüſen, welche fih durch 


Land» oder Sebirgs-JLuft. Kunze. 


zahlreiche u. große Blutgefäße auszeichnen u. im 


Blutauffrifchung, das Verfahren, von einem Innern Höhlungen haben, die mit Blut od. einer 


Stamme oder einer Hace, die früher zur Bildung anderen Flüſſigkeit angefültt und volllommen ge— 

einer Heerde oder Zucht mwejentlich beigetragen bat, |ichloffen find. Zu ihnen gehören die Milz, Schild- 

wieder aus der Heimath derjelben oder aus eineridrüfe, Thymusdrüje u. die Nebennieren (j. d. a.). 
36* 


564 


Blutdunft, die dem Blute den Geruch erthei- 
fenden flüchtigen Beftandtheile deffelben, 

Blutdünger, zum Dinger verwendetes Blut, 
Die chemiſche Zufammenjegung des Blutes — 
friihes Blut befteht in 100 Theilen aus 79 TH, 
Waffer, 20 Th. organischer Subftanz, 1 TH. 
er Subftanz — legt e8 nahe, daffelbe 
al8 Dinger zu verwenden; der Stidftofigehalt, 
(2, —3, pCt.) weiſt dem Blute fogar eine hervor« 
ragende Stelle unter den Stidftoff liefernden Dilnge- 
mitteln an. Die geringe Menge Blut, melde für 
gewöhnlich in einer Wirthſchaft vorlommt, dient 
zur Bereicherung des Stalldiingers od. als Bähr- 
ungsmittel für Kompofte, Dit der 10fachen Menge 
Wafier verdünnt, kann das Blut auch als Gup- 
dünger für Blumen, Gemife u. junge Obftbäume 
verwendet werden. Die fäuflihen B. find die 
Bintabgänge großer Schlachthäuſer. Stehen dem 
Fandwirthe folde größere Mengen zu Gebote, fo 
können fie in flüffigem Zuftande verwendet, oder 
aber durch entfprechende Zufäge (Bips, Kalk, Aſche, 
Adererde) in feiten Dünger verwandelt werben. 
Der fo refultirende Dünger ift natürlich nad den 
Zuſatzmitteln mehr oder weniger werthvoll; im 
Allgemeinen kaun man annehmen, daß 4 Etr. jo 
viel Stidftoff enthalten als 1 Ctr. Guano, Parr. 


Blutdunft — Blutegel. 


nenden Abjchnitte finden fich meift 3 gezähnelte, 
d. h. an ihrem Rande nach Art einer Säge aus 
gejchnittene Yeiften, fogenannte Kieferplatten, jo bei 
den Kieferegelu; jeltener find deren nur 2 vor 
—— ſo bei einigen Fiſchegeln; die Rüſſelegel 
aben ſtatt deſſen einen vorftülpbaren Rüſſel. 
Magen u. Darm ſind nicht von einander getrennt, 
das am Schlunde beginnende Verdauungsrohr wird 
daher Magendarm genannt. Dieſer iſt entweder 
ein bald gerades, bald durch Einſchnürungen in 
hinter einander liegende Hohlräume zerfallendes, 
die Leibesachſe einnehmendes Rohr, oder es ent- 
ſpringen von ihm nach beiden Seiten hin Blind- 
jädchen von verjchiedener Zahl; der mediciniſche 
B. hat deren 11 Paare, welche es ihm ermöglichen, 
34 bis 44mal fo viel Blut in fih aufzunebmen, 
als fein ganzes Körpergewicht beträgt. Der Magen- 
darın endet am hinteren Yeibesende, oberhalb der 
—— In den mittleren Körperringeln finden 
ich Harn ausſcheidende Organe, die ſog. ſchleifen - 
förmigen Kanäle. Zu dieſen Ausiheidungsorga- 
nen gejellen fih zahlreiche, unter der Haut liegende 
Heine Drüfen, welche eine feinförnige, fchleimige, 
die Haut überziehende u. ſchlüpfrig machende Flüj⸗ 
ſigleit abſcheiden; dazu fommen noch tiefere, umter 
den Mustelihichten der Haut gelegene Drüfen- 


Blutegel (Hiradinei, Discophori). A. (Zool.) ſchläuche, in welchen ein zäher, heller Saft bereitet 


Die B. bilden eine Unterflaffe der Ringelmürmer 
(Annelides), d. h. der cylindrifchen oder abge- 
platteten Würmer, deven Leib aus hinter einander 
liegenden Ringen beftebt. Die B, find im Allge- 
meinen charakterifirt durch den furzgeringelten 
Körper, dem ein befonderer Kopfabſchnitt u. Fuß— 
ftummmel fehlen, der aber am feinem Ende eine 
bauchjtändige — 2 beſitzt. Bei genauerer 
Betrachtung fällt zunächſt die kurze Ringelung auf, 
welche übrigens auch in verjchiedenem Grade un— 
deutlich —* ſelbſt gauz wegfallen kann. Die 
äußeren, kurzen Körperriugel entiprechen aber feines» 
wegs den eigentlichen inneren Yeibesringeln (Leibes— 
jegmenten), fondern find vielmehr gewifjermaßen 
Theilftüde, von denen 3, 4 od. 5 auf ein inneres 
Segment fommen. Als Hauptbefeftigungsorgan 
fungirt eine große, am hinteren Veibesende und 
zwar bauchſtändig gelegene Hafticheibe. Diefe hat 
man auch wol Saugnapf genannt, aber mit Un— 
recht, da ihre alleinige Aufgabe darin beftebt, das 
Thier feftzuhalten; zu dem Ende wird fie feit an 
die Unterlage angebrüdt, jo die Luft größtentheils 
verdrängt, u. indem der Wurm darauf das mittlere 
Stüd der Scheibe durch feine Mustelkraft etwas 
emporzieht, entitcht ein luftverbünnter Raum, ver» 
möge deifen das Thier ziemlich feft auf feiner Un— 
terlage haftet. Zu dieſer Hafticheibe gefellt fich 
meift noch eine zweite, Heinere, welche vor dem 
Munde, oder, wie bei den medicin. Ben, um den— 
jelben herum liegt. Fußſtummel fehlen durchaus, u. 
die bei zahlreichen anderen Würmern auftretenden 
Borften werden nur felten gefunden, Niemals 
tommt e8 zur Bildung eines von dem Leibe ge— 
fonderten Kopfes, da ſich die vorderen Leibesringel 
von den folgenden nicht weſentlich verjchieden 
zeigen, auch feine befonderen Fühler oder Fäden 
tragen. Der Mund führt in einen musculöfen, 
mit zahlreichen Drüſenſchläuchen beiegten Schlund. 
In defjen vorderen, als Mundhöhle zu bezeich- 


wird, welcher an der Luft raich erhärtet und von 
den Würmern bei der Eierablage zur Bildung von 
Cocons bemugt wird. Befondere Athmungsorgaue 
fehlen in der Regel, dann muß die Haut dem 
Athmungsbedürfniſſe genügen (Hautathmung), 
jeltener, Fei einigen Fiſchegeln, finden ſich blatt- 
fürmige Kiemenanhäuge. Das Blutgefägigftem 
it jehr verichieden entmwidelt, aber, wie es jcheint, 
niemals gänzlich von der Teibeshöhle getrennt, jo 
daß das Blut im diefe eintritt. Das lektere ift 
meift roth gefärbt, doch rührt diefe Färbung nicht 
von rothen Bluttörpergen ber (wie 3.8. bei dem 
Menſchen), gehört vielmehr der Blutflüfftgfeit an. 
Das Nervenſyſtem erlangt durdweg eine hobe 
Ausbildung, es befteht meift aus eimem Gehiru, 
einem den Schlund umgebenden Nervenhalsbande 
u. einer aus Nervenfäden u. Nervenknoten ftrid- 
leiterartig zufammengefetten Bauchkette; daneben 
fennt man noch ein Eingeweidenervenfyftem. Bon 
Sinnesorganen fommen faft allen B-n Augen zu; 
diefelben beftehen aus Farbſtoffanhäufungen mit 
einem lichtbredienden Körper und binzutvetenden 
Sehnerven, gewähren indeffen nur eine Unter 
ſcheidung von Hell u. Dunkel, aber fein Bild eines 
Gegenftandes, Außerdem finden fih auf den Kopfr 
ringeln bederförmige Gruben, beim mediciniichen 
B. eima 60, welde große belle Blafen enthalten 
u. mit eigenthüimlichen, mit feinen Haaren enden- 
den Nerven in Berbindung flehen; die Qualität 
diefes Sinnesorgans ift bis jetzt noch nicht erforicht, 
es ift unbefannt, ob es Geidhmads-, Gehör- oder 
Gefühlsorgan if. Die B. find meift Bitter: 
männliche u. weibliche Geſchlechtswerlzeuge min: 
den in der Mittellinie des Vorberleibes hinter 
einander; bei dem mediciniſchen B. liegt die männ- 
liche Offnung zwiſchen dem 24. u. 25., die mweib- 
lihe zwijchen dem 29. u. 30. Leibesjegment. Die 
B. begatten ſich vielleicht vornehmlich wechſels— 
weife; die männlichen Organe geben dabei einen 


Blutegel. 


von gemeinfamer Hülle umſchloſſenen Samenballen! 
Spermatophore) ab. Die Vefruchtung der Eier 
findet im Inneru des mütterlichen Körpers ftatt; 
bald daranf fommt es zur Eierablage, welche mit 
eigenthiimfichen Vorgängen verbunden ift. Yu die- 
fem Zwede fuchen die Thiere geeignete Stellen an 
Steinen u. Pflanzen auf, od, verlaffen das Waſſer 
u. wählen fi, wie der mediciniſche B., in feuchte 
Erde ein. Diejenigen Leibesringe, in melden die 
Fortpflanzungsorgane liegen, die Geſchlechtsringe, 
erſcheinen zu dieſer Zeit ſattelförmig aufgetrieben. 
Während des Eierlegens haftet ſich der Leib des 
B⸗s mit feiner Baudicheibe feft u. umbüllt feinen 
Borderleib unter den mannichfachiten Drehungen 
nu. Wendungen mit einer fchleimigen Maffe, welche 
bejonders die Geſchlechtsringe gürtelförmig über- 
dedt u. allmählich zu einer fefteren Hille erftarrt. 
Daun treten eine Anzahl Heiner Eier nebſt einer 
anfehnlihen Menge von Eiweiß aus, und der 
Körper zieht fein Kopfende aus der nun gefüllten 
tonnenförmigen Hülle, welche ſich nach ihrer Ab- 
ſtreifung durch Berengerung der endftändigen Öff- 
mung zu einem ziemlich vollftändig gejchloffenen 
Cocon umgeftattet. rüber hielt mau irrthüm— 
licher Weiſe die Eocons für die Eier, während fie 


565 
Die Unterllaffe der B. zerfällt in mehrere Fa⸗— 
milien, von denen die Rifjelegel, Fiſchegel 
u, Kieferegel bereits gelegentlich genannt wurs 
den. Bon hervorragenden Intereſſe iſt die leßt- 
—— Familie der Kieferegel (Gnatho- 
dellidae). Sie iſt charalteriſirt durch dem mit 3, 
bänfig gezähnten Kieferplatten bewaffneten, längs» 
gefalteten Schlund, durch den vor der Mundöffuung 
gelegenen geringelten, Löffelförmig vorfpringenden 
Kopfihirm, mwelder eine Art von Mundfaugnapf 
bildet, endlich durch die ſchwammige Beichaffenheit 
ihrer Cocons. Dahin gehören die Pferdeegel 
(Haemopis Sar.); ihr Darm ift mit Blindfädchen, 
ihr Kiefer mit 30 gröberen, ſtumpfen Zähnchen ver 
jeben, welche feine harte Haut, fondern nur weiche 
Schleimhaut durchichneiden können, u. Aulaco- 
stomum Moqg.-Tand., deren Darm ohne Blinde 
jädchen iſt. Thiere beider Gattungen finden ſich 
in unferen Teichen fehr bäufig; legtere werden mc 
den Schneden gefährlich, erftere aber den Pferden 
u, Rindern, ſelbſt badenden Menſchen, inden fie in 
deren Naſenhöhlen, Schlund u. Yuftröhre eindrin- 
gen, um dert Blut zu fangen. In der Medicin 
verwendbare Egel Tiefert nım die Gattung der 
eigentlihen ®. (Hirudo L., Sanguisuga Sar.). 


doch in Wahrheit Eibehälter find, welche die ſich Ihr Leib zeigt meift 95 deutliche Ringel, von 


bildenden Embryonen jchligen u. während ihrer 
Entwidelnmg mit dem nöthigen Nabrungsmaterial 
versorgen follen. So Hein auch die Eier ſind, die in 
ehr verichiedener, niemals bedeutender Zahl in die 
Cocons abgejegt werden, jo befißen doc) die jungen 
B., menu fie den Cocon verlaffen, eine anſehn— 
lihe Größe, Die Jungen des mebicinifhen B-s 
3. B. eine Länge von ungefähr 17 mn, u, haben 
bereits im Wejentlihen, bis auf die mangelnde 
Geichlechtsreife, die Organifation der ausgewach— 
jenen Thiere. Nur die eigentlichen Hüffelegel wer- 
den ıumreifer geboren, leben längere Zeit an der 
Bauchflähe des Mutterthieres angebeftet und er- 
reichen erft unter fortwäbrender Aufnahme neu 
abgeichiedener Ciweißmaſſen ihre volle, zum freien 
Leben taugliche Organifation, Die B. leben großen- 
theils im Waffer, aber auch zum Theil gelegent- 
th im feuchter Erde, Gie bewegen fich theils 
fpannerartig friechend mit Hilfe der Hafticheiben, 
theils ſchwimmend unter lebhaften Schlängelungen 
des meift abgeflachten Körpers. Viele halten fich 
parafitiih an der Haut oder an den Kiemen bon 
Wafferbewohnern, 3. B. von Fiſchen u. Fluß— 
frebfen, auf; die meiften aber find gelegentliche 
Schmaroter, welche mur zur Befriedigung ihres 
Nahrungsbedürfniffes die innere oder äußere Haut 
von Warmblütern auffuchen. In der Megel reicht 
bei dem letzteren die im beträchtlicher Menge auf- 
genommene Nahrung auf geranme Zeit hin aus, 
Einzelne endlich find wirkliche Naubtbiere, welche, 
wie 3. B. der Pferdeegel, Schnecken u. Regen- 
würmer verzehren, od., wie die eigentlichen Ritffel- 
egel, Schneden ausſaugen. Auch ſcheint die Nahr- 
ung feineswegs überall auf eine beftimmte Thier- 
art beichränft, auch nicht in jedem Lebensalter die— 
jelbe zu fein. Der mebicinifche B. nährt ſich 3. B. 
in der Fugendzeit von Inſecten⸗, dann von Froſch— 
biut, u. erſt jpäter wird ihm zur vollen Beichlechts- 
reife der Gem warmen Blutes nothwendig. (Nach 
Clans, Grundz. d. Zool. Marb. u. Ypz. 1872.)' 


denen 4 auf die löffelförmige Oberlippe kommen, 
Die hafbrumden, jcheibenförmigen Kieferplatten find 
mit zahlveihen, jehr feinen, jtumpfipitigen Zähn- 
chen bejegt; fie find nach Art einer Kreisſäge bes 
weglich u. jehr geeiguet, eine leicht vernarbende 
Wunde in die Haut des Menjchen zur fchlagen. 
‚Ihre Dreizahl bedingt die dreiedige Wunde. Der 
Magen befitst jederfeits 11 Blindſäckchen, von denen 
das letzte jehr lang u. rückwärts gebogen if. Vor 
dem Saugen durchſägen die Kiefer die Haut; durch 
Andrüden des um den Mund gelegenen Saug— 
napfes an die Haut u. darauf folgende Erhebung 
der inneren Partien wird ein Iuftleerer Naum ges 
bildet, in welchen das Blut ftrömt, u. von wo es 
in den Magen gleihjam gepumpt wird. Vollge— 
jogene Thiere fallen von felbit ab. Junge nehmen 
etwa das 45fache ihres Körpergewichtes, ım Ganzen 
etwa 6, & Blut auf, u. es dauert dann 2 bis 
3 Monate, bis der Berdauungsproceß vollendet 
ift; alte faugen dagegen bis 9 g Blut, das 34- 
fache ihres Körpergewichteß, u. find erfi nach 5 bis 
y Monaten wieder im Staude, neue Nahrung 
aufzunehmen, Die 10 Augen find wenig deutlich; 
von ihnen ſtehen 6 vorn in einer krummen Yinie 
beifammen, dazu gejellen fich jederjeits 2 davon 
abgetrennte, im Naden befindlihe., Die walnu- 
großen Cocons, deren jeder 10 bis 15 Eier ums» 
jchliegt, werden im Mai bis Juli in feuchter Erde 
abgelegt; jedes Thier bildet deren mehrere, größere 
Würmer jelbft bis 10, u. zwar in Zwiichenräumen 
von 6—12 Tagen. Die Jungen kriechen etwa in 
6 Wochen aus dem Gi, verbleiben aber noch 
längere Zeit im Gocon, der ihnen Schub u. Nahr: 
ung gewährt, Es dauert 3 Fahre, bis fie zu 
mediciniſcher Berwendung taugen, u. 5 Jahre, bis 
fie ausgewachſen find; fe erreihen ein Alter von 
18 bis 20 Fahren. Hierher der mediciniſche 
B. (Hirudo medieinalis Z.), im ausgedehnten 
Yuftande, wenn er fi) vollgefogen bat, etwa 10 
bis 12 em lang; mac feiner Färbung hat mau 


566 


zahlreiche (64) Varietäten unterſchieden, deren 


hervorragendere Glieder von Mauchen als beſondere 
Arten angeſehen wurden; jo der deutſche B. (H.| 
medieinalis Sar.), mit dunkelgrünem, ſchwarz 


Blutegel. 


Mundtbeile raſch abgenommen, diejenigen aber, 
welche fich bereits angefogen haben (u. dieſer Fall 
ift eben nicht allzu felten) find einftweilen untaug- 
lich. Die beften Arten des Transports find die 


gefledten u. olivengrünem Rüden, der mit 6 roft⸗ in feuchten leinenen Säckchen, oder in feuchten 


rothen, ebenfalls ſchwarz gefledten Yängsitreifen be⸗ 
jegt ift; der ungarifhe B. (H. offieinalis Sar.), 
mit olivengrünent, ungefledtem Bauche u. grün» 
lichem, vierfach roftroth geftreiftem Rüden; der 


Movie, welches in durchlöcherten Kifthen einge» 
ſchloſſen it. Nah Deutichland kommen die meiften 
Egel aus Polen, von den Grenzen Rußlands, aus 
Ungarn u, der Türkei. Das Aufberahren zum 


polnifche oder galiziſche B. (H. chlorogaster | Handgebrauche geichieht am beften in einem weiten 


Sar.), mit hellgrünem, mitunter rothbraun gefled- 
tem Bauche u, grünlich-grauem, gelblich-roth ge- 
ftreiftem Rüden, u. a. Früher waren biefe medi- 
einiichen B. in Seen, Teihen u: Bächen Mittel- 
n.SEuropas häufig; jett find frei lebende infolge 
des Starten Verbrauches im weftlihen Europa faſt 
ganz verſchwunden; um fo wichtiger ift ihre Zucht 
(f. unten). Außer den genannten, tim Wafler leben» 
den Ben gibt e8 auch noch Land-B., weldye auf 
Geylon, den Sunda-nieln, Philippinen u. in Süd— 
Afien eine förmliche Yandplage bilden; fo 5.8. 
die berüchtigte Hirndo ceylonica Mogq.- Tand., 
welche auf Genion lebt u., im Grafe, unter Blatt» 
werf u. Steinen, jelbjt auf Bäumen u. Sträuchern 
fisend, ihre Beute, Menjhen und warmblütige 
Thiere, maſſenhaft anfällt. Die Eingeborenen be» 
ftreihen die Sangftellen mit Kalt, den fie in ihrer 
Betelbüchſe mitführen, oder mit dem durch das 
Betellauen ſcharf gewordenen Speichel, Andere be- 
trachten den Saft einer Citrone, welche fie zu 
dem Ende bei fih tragen, als Hilfsmittel; doch 
reizen beide Mittel die Wundftellen u. find gewiß 
vielfach Urfache der tiefen Geichwüre, welche der 
Biß hinterläßt. 

Gewäſſer, im denen der B. gezüchtet werden 
fol, müflen vor allem ruhig u. mit Bflanzen be- 
wacien ſein, fie Dürfen keine Raubfiſche u. grö 
ßeren Fröſche, welche der Brut gefährlich werden 
fönnten, enthalten, endlich darf fih and kein 
Erlengeſträuch, deſſen Rinde dem Waſſer einen 
eigenthimlichen Geſchmack verleiht, am Ufer finden; 
auch iſt es felbitverftändlich, daß Thiere, denen der 
B. zur Beute fallen kann, wie dies bei Ratten, 
Enten, Hühnern, Schnecken u. a, der Fall ift, von 
Bsteihen fernzuhalten find. Sole Teiche 
find nun nicht eben häufig, u. man legt daher in 
.Sfrantreih zur B>zucht befondere B-colonien 
an; dies find quadratiihe, 10—20 Im große, 
ziemlich feichte Teiche, deren Ufer nach dem Boden 
hin abgejchrägt u. mit Gras bepflanzt, deren Boden 
mit Thon» u. Moorerde bededt ift u. im welche 
man einzelne Weiden- u. Kalmusſträuche, den Ben 
angenehme Gewächſe, pflanzt, Yangjam fließen; 
des, weiches, nicht zu faltes Waffer iſt legte Haupt- 
bedingung zur gedeiblihen Zucht. Feder joldye 
Teich (deren zahlreihe durch jchmale Wege ge 
trennt u. nach Art der Felder eines Schadbrettes 
vereint find) wird mit 5—8000 Egeln beiett; 
Froſchlaich, Heine Fröſche u. Fiſche, im Notbfalle 
Blut dienen Diefen zur Nahrung. Die Egel wer» 
den gefangen, indem Fänger mit nadten Beinen 
in das Waſſer gehen, diefes möglichſt beunruhigen 
u. fo die Egel aufſcheuchen; dann können die meijten 
mittels eines feinmashigen Neges oder der Haud 
gefangen werden, andere fallen aber den Fänger 
an, fie werden mit möglichfter Schonung ihrer 





Safe, welches etwa zu $ mit weichen Megen- 
oder Flußwaſſer angefült und mit Leinwand zu— 
gebunden ift. Beim Wechfeln des Waſſers, und 
dies muß geichehen, jobald man Zeichen des Ber- 
derbens bemerkt, ift darauf zu achten, daß das 
frifche u. das alte Waffer gleiche Temperatur be» 
fite; wenn man gut wachſende Pflanzen, 3. B. 
die in Bächen gemeinen Yaih- und Hornfräuter, 
oder die im letter Zeit fo verbreitete Waſſerpeſt, 
in dem Aufbewahrungswaſſer cultivirt, alſo gleich" 
ſam ein Heines Aquarium berftellt, braudt mau 
das Waffer weniger, unter Umftänden mie zu 
wechſeln u. erhält auch jeine Egel friiher u. ge» 
funder. Größere Hitze oder Kälte ift dieſen ſchäd— 
ich. Ein zu medicinifcher Berwendung zu kau— 
fender B. muß, wenn er gut jein ſoll, einen 
langen, zufanmengedrüdten Körper u. eine eigen- 
thümlich ſammetartig glänzende Haut haben, ſich 
in Waſſer lebhaft bewegen u. verlängern fünnen. 
Im Handel werden oft ſchon gebrauchte, künſtlich 
entleerte od. vollgeſogene B. unter friſche gemengt, 
oder auch unechte Sorten, fogenannte Baftard- 
B. mit echten vermiſcht. Die Haut bereits ge- 
brauchter B. ift faltig u. fchlecht, das Sauglod 
geihwollen u. weißlich, Die Körperbewegung lang» 
jamer, Kranke B., deren Eudtheile aufgeſchwollen 
find, während jie aus dem Saugloche eine rothe, 
jeröje Flüſſigleit oder Schleim abjondern, müſſen 
entfernt werden. Die erwähnte künftliche Entleer- 
ung vollgefogener Egel geſchieht gewöhnlich durd 
vorfihtiges Ausdrüden, wobei mau, da das Blut 
am Munde wieder ausftrömen muß, von der grö— 
ßeren Hafticheibe nach der Richtung des Kopfes, 
der kleineren Hafticheibe, Hinftreihen muß, noch 
weniger anzurathen als diejes oft tödtlidhe Ber: 
fahren ift Beftreuen mit Salz oder Zuder; befier 
ıft ſchon das Eintauchen der Egel in verdünnten 
Wein oder in ziemlich verdünnten Eifig; das befte 
Mittel ift das Aufichneiden der Egel an ihrer Unter- 
feite mittel8 eines jcharfen Mefjers; der Schnitt 
öffne den Magen u. jei etwa 2—3 mm lang, das 
Blut tritt aus ihm aus, u. er heilt in wenigen 
Zagen wieder zu. 

B. In der Medicin werden die B. hauptſäch— 
ih dann angewandt, wenn man einem bejtimmten 
Bezirle oder einem Organ in kurzer Zeit eine 
Quantität Blut entziehen will, bejonders wenn 
dort entzündliche Procefie beitehen; jo nament- 
th bei Gehirnentzündungen, bei gewiffen Fällen 
von Lungenentzündung, befonders bei Heinen Kin- 
dert, dann bei friichen Bruſtfell- und Nierenent- 
zündungen ꝛc. Die Quantität des von einem B. 
entleerten u. bei dem jog. Nachbluten noch aus— 
fliegenden Blutes hängt jehr von der Größe des 
Ihieres u. der Dauer des Nachblutens ab. Bei 
größeren Ihieren fann man, alles zufanmen ger 


1 


Bluteigene — Bluterbrecdhen, 567 


nommen, mindeftens auf 15—20 g, nach einigen 
Autoren jelbft auf 30 g rechnen. Die Blutent- 


derſelben mit Recht ſehr eingeſchränkt, da die Er— 
fahrung lehrt, daß ſich ſehr ſchnell die entzogene 


leerung durch den B. beruht darauf, daß das Blutmaäſſe wieder erfetzt, wenigſtens in Bezug auf 


Thier nach dem ſog. Anbeißen durch abwechſeln— 
des Zuſammenziehen uw. Ausdehnen feines mus- 
eulöfen Schlundes einen Inftverbünnten Raum im ſich 
Ihafft, im den das Blut aus den unter dem ge 
mwöhnlichen Luftbrude ftehenden feinften Gefäßenden 
(den Haarröhrhen, Eapillaren) infolge dieſes 
Drudes fih ergieft. Da man im der neueren 
Zeit aber nicht mehr fo häufig u. bei allen mög- 
lichen Krankheiten zu Blutentziehungen feine Zu- 
flucht nimmt, wie am Ende des vorigen und in 
den erften Yahrzehnten unferes Jahrhunderts, fo 
werden aud die B. jett verhältnigmäßig feltener 
angewandt, In den legten Jahren hat man die 
Beobachtung gemacht, daß bei gewiffen Krankheiten 
der Gebärmutter u. ihrer Umgebung die Anwenv- 
ung von Ben Äußerft günftig wirkt, fo daß dem 
B. bei der Behandlung diefer Krankheiten im der 
nächſten Zeit vielleicht noch eine große Rolle zu- 
fallen wird. A) Zbome. B) Berns. 
Bluteigene, eine Art Leibeigene; ſ. u. Leib- 
eigenſchaft. 
Bluten (Thränen) des Weinſtodes, Aus— 
laufen des Saftes aus der Schnittfläche der Re— 
ben, wenn der Weinſtock im Frühjahre zu ſpät 
beſchnitten wird; es iſt dem Wachsthum u. der 
Fruchtbarleit nachtheilig, muß deßhalb durch recht— 
zeitiges Beſchneiden vermieden werden. 
lutendes Brot, ſ. Blutwunder u. Balterien. 
Blutentziehung. Sie ift entweder eine all- 
emeine, wem man dur Berminderung der 
efammtmenge des Blutes die Spannung der 
Blutſäule in den Gefäßen herabiegen will, oder 
eine örtliche, wenn man bloß in einem Körper» 
theil die Blutmaffe zu vermindern beabfichtigt. 
Die erſtere gefchieht duch Eröffnung einer Vene 
(Aderlaß, Benäfection, Phlebotomie), vie lettere 
durch Anfegen von Blutegeln, Einfchnitte od. Ein- 
ftihe, Schröpftöpfe. Früher eröffnete man auch 
Arterien (Arteriotomie), namentlich bei jchlimmen 
Augenentzündungen die Schläfenfchlagader, beging 
jedod damit einen großen Jrrthum, da die dar- 
auf nöthige Unterbindung eine Überfüllung von 
Blut in den benachbarten Blutbahnen zur Folge 
bat. In nenerer Zeit wendet man bei örtlicher 
Dlutentieerung öfters die Vdellotomie an, wenn 
man eine mäßige Blutentleerung verlängern will, 
3. B. bei Blutandrang nach dem Kopfe; man fett 
nämlich mur einen oder ein Paar Blutegel an die 
Nafenicheidewand u. ſchneidet diefelben, fobald fie 
ſich feftgefogen haben, mit der Scheere quer durd). 
Die Bintegel fallen trot diefer Verlegung nicht ab, 
fondern faugen fo lange weiter, bis man durch 
Aufftreuen von Salz fie zum Abfallen bringt. 
Die örtlichen Blutentleerungen, namentlid Die 
Schröpflöpfe, wirten außer dur die Verminder- 
ung der örtlihen Blutanhäufung durch einen ftar- 
fen Hautreiz, der durch die vielfahen Heinen 
Verletzungen durch den Schröpfichnepper verur- 


die Spannung der Blutfänle; man wendet fie 
daher gegenwärtig faft mur als ein Mittel zur 
Befeitigung einer augenblidlihen Gefahr au, 
3. B. bei drohendem Schlaafluß, enormer Blut 
überfüllung der Lungen u. j. w,, während man 
mit Recht darauf Werth legt, die Kräfte der iranı 
fen foweit wie möglich zu jparen. Die j. 3. 
namentlich von Bonillaud beliebten Aderläffe Schlag 
auf Schlag, ebenfo die Aderläffe bei Typhen u. 
anderen jchweren confumirenden Krankheiten find 
längft verurtheilt, ein jolher Mißbrauch ift heut» 
zutage mur nocd bei ummifienden Menſchen u. 
Böllern beliebt. Kunze. 
Bluterbrechen (Haematemesis, Vomitus 
eruentus, Morbus niger Hippocratis, Melaena) 
nennt man die Entleerung einer mehr od. weniger 
großen Blutmenge durch Erbreden, Das entleerte 
Blut ftammt immer aus dem Magen. Es bildet 
entweder nur rothe Streifen in erbrochenen Speifes 
maffenod. Schleim, od, die Blutmenge iſt viel größer, 
beträgt einen Taſſentopf voll und darüber. Es 
ſteht faft immer dunkel, ſelbſt Schwarz aus und 
reagirt ſauer von dem beigemiichten Magenſafte. 
Bei den meiften Magenblutungen entleeren die 
Kranfen nah ein Baar Stunden auch blutige 
Maſſen durch den Stuhl, u. diefe ſehen theerartig 
ihwarz aus. Bisweilen wird bei den Magen- 
blutungen das Blut gar nicht nach oben durch 
Erbrechen, jondern mur durch den Stuhlgang ent 
feert (M, niger Hippoeratis), eine Erſcheinung 
von großer diagnoftiicher Wichtigfeit, infofern man 
daraus oftmals allein auf eine ftattgehabte Magen— 
biutung ſchließen kann. Dem B. geht ftets ein 
ohnmachtähnliches Gefühl voraus; daſſelbe iſt oft« 
mals jo ftarf, als wenn das Yeben vergeben follte, 
Immer bleibt nach copiöfen Magenblutungen eine 
hohe Bläffe des Kranken zurück. Die Urſachen des 
Bes liegen ftets in Verletzungen von Magengefäßen; 
diefe können beitehen in Zerſtörungen von Ge» 
fäßen durch den Genuß äßender Gifte, durd kreb— 
fige oder runde Geſchwüre u. in Zerreißungen 
von Magenggfäßen durch geiteigerten Blutdruck. 
Das B. bei Magentrebs hat meift das Eigen- 
thümliche, daß die Blutmaflen ein kaffeeſatz-ähn— 
liches Ausiehen haben, während bei Magenger 
ſchwür das Blunt etwas heller ausfieht u. meiit 
in großen Mengen entleert wird. Das B. durd) 
gefteigerten Blutdrud im den Magengefäßen be- 
obachtet man beſonders bei Berjtopfungen der 
Pfortader, bei Yeberverhärtungen u. bei den jog. 
vicariirenden Blutungen, d. h. Blutungen, die an 
Stelle von phufiologiihen oder gewohnten patho» 
logifhen treten, 3. B. an Stelle der monatlichen 
Blutung bei Frauen oder der Hämorrheidal- 
bfutungen aus dem Majtdarme. Das B. iſt nad 
dem Geſagten ſtets Symptom einer anderen Krank— 
beit, niemals ein felbftändiges Leiden, u. feine 
Wichtigkeit hängt ab von der Wichtigkeit der ur— 


facht wird, und dieſelben werden deshalb Häufig ſächlichen Erkrankung. Zur Stillung des Bes ift 
als Ableitungsmittel benutzt. Beranlaffung zu/abjolute körperliche u. geiftige Ruhe des Patienten 


allgemeinen Bilutentziehungen geben namentlich 
heftige Entzündungen febenswichtiger innerer Or— 


erforderlich, der Patient muß möglichſt unbereg- 
lich im Bette liegen u. fi zunächſt aller Nahr— 


gane, doch hat man in letter Zeit den Gebraud) ungsmittel enthalten, um die Magenbewegung nicht 


Öse 


568 


Bluterkrankheit — Blutfleckenkrankheit. 


anzuregen. Außerdem läßt man zur Stillung des ſerblich zu fein, während die weiblichen nicht ſelten 
Durftes u. der Blutung Eisſtückchen verſchlucken verſchont bleiben, Man fagt den Biutern mad, 
(fein Selterswafjer!) u. verordnet Eiswaſſercom- daß fie jehr fruchtbar jeien, u. nah Wachsmuths 
prefjen oder den Eisbeutel auf die Magengrube. | Zufammenftelung fjollen von 12 Biuterfamilien 


Erſt nad 24—36 Stunden darf dem Kranken der 
eßlöffelweiſe Genuß von ftarker, alter Fleiſchbrühe 
gejtattet werden, u. hat jetst der Kranfe die in den 
Darm berabgefloffenen Blutmaſſen noch nicht durch 
den Stuhlgang entleert, fo mag man nun ein 
Klyſtier von laumwarmen Seifenwaffer erlauben. 
Außer Dielen Mitteln befigt der Arzt noch eine 
Anzahl innerer blutftillender u. die Magenbeweg- 
ung hemmender Mittel; ebenjo bat derfelbe die 
bejondere Aufgabe, jpäterhin das urſächliche Lei— 
den feiner Behandlung zu unterzieben u, dadurch 
event. der Wicderfehr des B-8 vorzubeugen. Kunze. 

Bluterfranfheit (Haemopbilie) bezeichnet 
eine angeborene u. das ganze Yeben bejtehende, un: 
heilbare Neigung zu Blutungen aus allen mög- 
hen Geweben. Die Blutungen find meift jehr 
maffenhaft u. äußerft Schwer zu ftillen. Die Kranl- 
heit kommt in dev Hegel erft zur Cognition bei 
Gelegenheit irgend einer Heinen Verlegung, nament: 
lich häufig beim Ausziehen eines Zahnes, Ohne 
Verlegung kommt e8 bei der Bluterkrankheit nicht 
zu Blutungen u. unterjcheidet fi) hierdurch die- 
jelbe von der Blutjledentvanfheit (Morb. macu- 
losus Werlhofii) ; ebenſo kommt es nicht jpontan 
zu Blutungen aus dem Zahnfleifche oder zu ge- 
ſchwürigen Yerftörungen deffelben, wie beim Scor— 
but. Außer bei Heinen Berlegungen irgendwo 
am Körper (3. B. durch Blutegelfiiche, Aderlaß— 
wunde, Stiche u. ſ. w.) beobachtet man bei der 
Bluterkrankheit bejonders unftillbares Nafenbiuten, 
doh kommen auch Blutungen in der Bauchhöhle, 
in dem Darme u. anderen Organen vor; die 
monatliche Reinigung pflegt überaus copiös zu 
fein. Schon in den ſogen. Entwidelungsjahren 
(vom 15. bis 20. Yebensjahre), noch mehr im 
Biüthealter entftehen knollige Berdidungen der 
(Selenfe, Die den rheumatischen Gelentaftectionen 
ähnlich u. wie diefe mit Schmerzen bei umschlagender 
Witterung verbunden find; diefelben beftchen vor- 
zugsmweife in chroniſch entzündlichen Verdidungen 
der jehnigen Theile der Gelenke; maygentlich leiden 
tie. Gelenle der Interegtremitäten® Die Bluter 
find im Übrigen gejund, haben meift eine gute 
Verdauung u. gute geiftige Anlagen. Durch die 
von Zeit zu Zeit eintretenden Blutungen kommen 
fie zwar momentan fehr zuriid, werden hoch 
gradigſt blutarm, u. es Tann theils durch die 
Blutungen, theils durch die Gelentaffectionen ein 
ſcheinbar höchſt bedrohliher Zuftand eintreten, in 
den hänfigiten Fällen jedoch wendet ſich derjelbe 
zum Bejjeren, u. jelbft copiöfe blutige Ergüfje in 
die Umterleibshöhle kommen fchnell wieder zur 
Aufaugung. So erlangt der Bluter meift ein 
ziemlih hohes Alter, ı. die Krankheit gefährdet 
an fi das Leben fehr wenig. Nur in den Kin- 
derjahren, etwa bis zum 10.—12. Lebensjahre, 
it fie bedenklicher und führt öfter zum Tode. 
Die B. ift immer angeboren, häufig ererbt, und 
es gibt fogen. Bluterfamilien, in denen alle Ge: 
nerationen derjelben Vertreter der Bluterkrankheit 
aufzumeifen haben; namentlich jcheint die Krank— 
beit für die männlichen Glieder der Bluterfamilien 


auf jede 9'/, Kinder kommen. Schreiber dieſes 
lennt aber auch eine kinderloſe Bluterfamilie, 
Das Weſen der Krankheit ift noch nicht gemau 
befannt. Man nimmt eine leichte Zerreißlichkeit 
der Blutgefäße als Urſache der Blutungen an, 
doch kennt man nicht die genaueren Details der 
Beichaffenheit der Gefäßwände, ebenjo nicht Die 
Urfachen, welche der Entwidelung biejer leichten 
Zerreißlichkeit zu Grunde liegen. Die Behandlung 
bat e8 mit -Stillung der Kisten zu then. 
Dieje wird verfucht durch Eiswaſſerumſchläge, Ein- 
iprigungen von Eiswaſſer in die Naſe bei Najen- 
bintungen oder Zuftopfen der vorderen u. hinteren 
Nafenöffnung; durch feſt angedrüdte Comprefien von 
gezupfter Leinwand, die mit ftarler Gerbjäurelöfung 
od, ſalzſaurem Eifenliquor getränkt ift, auf Die bint- 
ende Zahnfleiſchwunde oder auf blutende Blut- 
egelftihe u. ſ. w. Iſt die Blutung geftilt, jo iſt 
durch nahrhafte Koft u. Eifen auf Blutverbeffer- 
ung hinzuwirken. Virchow, Handb. der Path. u. 
Therapie, Bd. I., ©. 263; Reinert u. Amann, 
Virch. Jahresber. 1869, IL, 268; Grandidier, 
über Hämophilie, Hannov. An. 18395 Wachs— 
muth, Die Binterfrankheit, Magdeb. 1849; Legg, 
Wickham, Four cases of Haemophilia, St. Barthol 
Hosp. Rep.V II; DMomberger, Beitrag zur Lehre von 
der Hämophilie, Diff., Gießen, 1862. Kunze. 

Blutfahne, 1) vothe Fahne, welche den Blut: 
bann fymbolifirte m. mit welcher diefer ſonſt vorn 
Kaifer zum Lehn gegeben ward. 2) Das in 
dem ſächſiſchen, brandenburgiichen, anbaltidhen 
us. mw. Wappen befindlide, den Blutbann be 
zeichnende, leere oder mit einer Arabesle ver- 
zierte vothe Feld. 

Blutfajerftoff, der im Blute enthaltene Faſer⸗ 
off; ſ. u. Blut. 

Blutfeld, 1) fo v. w. Haleldama. 2) So v. w. 
Blutfahne 2). 

Blutſink, jo v. w. Gimpel. 

Blutfläſchchen (Blutampullen, Blutgefäße), 
Glasfläſchchen an der Außenſeite von Gräbern 
chriſtlicher Märtyrer angebracht, deren Blut man 
in denſelben enthalten glaubte. Bgl. Kraus, Die 
Blutampullen der römiſchen Katalomben, Fraukf. 
1868; Derf., Über den Inhalt u. die Bedeutung 
Ber röm. B., Freib. 1872, 

Blutflecken, Bıiutaustritte in die oberflächlichfte, 
gefäßreichſte Schicht der Lederhaut, feltener in das 
Unterhautzellgewebe, gemwöhnlih glatt und nicht 
über die Hautoberflähe erhaben, nicht wegzu- 
drüden, von der Größe eines Nadellopfes bis zu 
der einer Linſe, od, auch größer u. unregelmäßig 
ftriemig, mit Fieber verbunden (f. Petechien), od. 
ohne diefes, infolge von Scorbut, Milzleiven zc., 
gruppenweife u. ohne Ordnung auftretend, ohne 
Schmerz u. ohne Abſchuppung. — Blutfleden auf 
Dielen, Kleidungsftüden u. f. w. find oft von ger 
richtlicher Wichtigkeit; ſ. Hämin. 

Blutfleckenkrankheit (Werlhofſche Krankheit, 
Purpura haemorrhagica), ein Kranfheitszujtand, 
bei welchem infolge einer leichten Zerreißlichteit 
der Blutgefäßwände oder infolge einer eigenthim«- 


Blutfluß — Blutgeſchwulſt. 


569 


lichen Beſchaffenheit des Blutes maſſenhafte klei-des Herzens, od. das Blut tröpfelt nur ab (Stil- 


uere u. größere- Blutaustritte in die äußere 


ut|lieidium sanguinis), 3. B. beim Nafenbluten. 


u. in alle möglihen Schleimhäute (alfo der Naſe, Die Urfachen der Biutflüffe find entweder phyſio— 


der Puftröhren, des Magens u. Darmes, der Harn- 
blafe, des Nierenbedens, der weiblichen Geichlechts- 
organe) auftreten. Die Blutungen erfolgen aus 
den Haargefäßchen; die auf der äußeren Haut 
vorfommenden bilden Heine ftippcbenförmige oder 
Iiniengroße ſchwarzrothe Flecke, die Durch Finger— 
druc nicht verichwinden. Aus den Schleimhäuten 
finden häufig ſehr copiöje u. gefahrnolle Blutungen 
ftatt, namentlich find die Blutungen aus der Naſe 
durch die Maflenhaftigleit des ergoffenen Blutes 
in der Megel jehr bedenflih. Die Krankheit hat 
Ahulichfeit mit dem Scorbut, doch fehlen ihr die 
geihmürigen Zerftörungen am Zahnfleiſch, die für 
letsteren daralteriftiich find, u. Die Blutergüſſe in 
die tieferen Zellgewebsſchichten, in die Muskeln, 
Kunochen, Gelenke 2c.; ebenfo mit Binterfrankheit 
(Hämophilie), do kommen bei diejer feine ftipp- 
den» oder Iinjengroße Blutaustritte in die Hant 
(Betechien) vor, auch find die Urſachen und der 
Berlauf der Krankheiten verjchieden. Als Urſachen 
der B. kennt man confumirende, ſchwere Kranl- 
heiten: Typhus, Wechielfieber, Boden, ferner den 
Mangel an genügenden Nahrungsmitteln, man 
beobachtet deshalb die Krankheit in Gefängniffen, 
lange cermirten Feſtungen u. ſ. w., namentlich 
wein jchlechte Koft im Berein mit dumpfiger, un— 
gefunder Wohnung einwirken konnte, Der Ber 
lauf iſt meift fo, daß fich zuerft auf der Haut der 
Unterertremitäten, demnächſt am Rumpfe u. an 
ten Oberertremitäten dunkelrothe, flohjtich- oder 
erbjengroße Fleden im mehr oder weniger großer 
Zahl einftellen, die jedoch meift das Geſicht ver- 
fchont lafjen. Die Fleden entfärben ſich nad eini« 
gen Tagen, werden grün, dann gelb. Auch in 
der Mundhöhle finden ſich dieje Fleden. Demnächſt 
fommen Blutungen aus der Naſe oder aus dem 
Darme u. j. w., u. dieje erichöpfen den Kranken 
jehr. Die Gefichtsfarbe wird nun bleich, der Puls 
klein, es tritt eine waſſerſüchtige Anichwellung an 
den Knöcheln ein, der Kranke ift jehr matt, hat 
wegen Blutleere Herzklopfen, Schwindel u. Ohn⸗ 
machten u, ſ. w. Zrog diefer anſcheinenden Ge- 
fährlichkeit des Zuftandes erfolgt gleihwol in den 
meiften Fällen Heilung, doch dauert die Erholung 
meift jehr lange. Die Behandlung hat es theus 
mit angenblidlichen Gefahren der Blutung od. der 
Erſchöpfung zu thun, u. paſſen in dieſer Hinficht 
event. Eiswafferumichläge äußerlich u. falzjaure 
Eifentinctur innerlich, tropfenweile dem Trintwaffer 
zugejegt, Hofmanns Tropfen, Wein; theils mit 
Berbejjerung der Ernährung u. der fonftigen 
hygieiniſchen Berhältniffe duch Darreihung fräf- 
tiger Fleiſchbrühe, Milch, weiche Eier u. f. w. u. 
durch geſunde Wohnräume, Bäder. Kunze. 
Blutfluf (Haemorrhagia), Austritt von Blut 
aus feinen natürlichen Behältern, dem Herzen, den 
Schlag: u. Blutadern u. Haargefäßen, Jeder grö- 
Bere B. erfolgt durch Zerreißung der Gefäßwände, 
Heinere Blutflüſſe entftehen öfter durch Austritt von 
Blut durch die unverlegten Gefäßwände, durch die 


logischer Natur, 3. B. der monatliche Blutfluß beim 
weiblichen Geſchlechte, u. finden diefe immer aus 
den Haurgefäßen ftatt (capilläre Blutungen), oder 
fie find pathologifher Natur u. entiteben durch 
Berlegungen von Gefäßen durch Schnitt, Stich 
dur Anätungen mit concentrirten Säuren, Ber: 
ften fettig entarteter Gefäßwände (befonders im 
Sehirne), durch zu ſtarken Blutdrud infolge fehr 
geReigerier Herzaction od, behinderten Abflufjes des 

futes aus Gefäßbezirken, 3. B. bei heftigem Hu— 
iten, Preffen beim Stuhlgange. Bismweilen beo- 
bachtet man bei fehlender Menftruation od. ausge- 
bliebener hämorrhoidaler Blutung Blutflüffe aus 
dem Magen, aus den Luftwegen zur Zeit der 
erwarteten Blutung (vicariirende Blutflüffe). Eine 
befondere Dispofition zu Blutflüſſen (hämor— 
rhagiſche Diathefe) haben die Kranken mit der 
Blurfledentranfheit u. der Bluterkrankheit (ſ. d.). 
Die Blutflüſſe find für die Geſundheit nachtheilig, 
wenn durch diejelben eine bedrohliche Blutleere 
(bfeihe Lippen, Ohnmacht, Herzklopfen) entiteht, 
u. find in diefer Hinficht namentlih Blutungen 
aus den Schlagadern mit ihrem ſpritzenden Strahl 
gefährlih. Kleinere Blutungen aus den Haarge- 
fäßen haben nur unter befonderen Umftänden eine 
Gefahr, 3. B. bei Säuglingen. Nicht felten haben 
Blutflüffe einen mwohlthätigen Einfluß auf Krank— 
beitsverhältniffe, 3. B. Nafenbinten bei Biutanhäuf- 
ung im Kopfe, u. muß man bei diefen die Blut— 
ung nicht fo leicht hemmen. Die biutftillenden 
Mittel find bei Verlegung von Schlagadern die 
Unterbindung, die Umftechung, bei den übrigen Blut« 
ungen Eiswaſſercompreſſen, ftraffe Umwickelung 
des biutenden Theils ꝛc. Das im Bolfe übliche 
Blutbeſprechen gehört dem Aberglauben an. Kunze. 

Blutgefäfe, 1) (Vasa sanguinea) die röh- 
venförmigen, Blit vom u. zum Herzen filhrenden 
Organe (Arterien, Venen, Capillargefäge). Ihre 
Sejammtheit mit Fnbegriff des Herzens wird als 
Blutgefäßſyſtem bezeichnet. Die Heineren B. 
gehen oft durch Seitenverbindungen (Anaftomo« 
jen) in einander über, welche, wenn fie fi) netz— 
artig vervielfältigen, Adernete (Rete vasculo- 
sum, arteriosum, venosum), oder wenn die Ges 
fäße gleihiam verflochten find, Adergeflechte 
(Plexus) beißen. 2) So v. w. Blutfläſchchen. 

Blutgeld, 1) jo v. mw. Wehrgeld. 2) Seid, 
welches für Entdedung eines Verbrechers u. für 
Zeugniß gegen ihn gezahlt wird. Dies ift bei. in 
England gewöhnlich. Den Juden verbietet ein Ge— 
ſetz, ſolches B. zu nehmen. 

Blutgefchwulft (Hämatom), eine durch Blut- 
austritt aus einen Gefäße in lares Bindegewebe 
entjtandene, mehr oder weniger umfchriebene Ge» 
ihmwulft, die meift nach traumatischen Einflüſſen, 
Quetſchungen ꝛc. entjteht. Ob dabei fih die Haut 
verfärbt, hängt davon ab, wie tief das Blur unter 
derjelben liegt; bei tiefen Bintergüffen, den aus» 
gebreiteten ſowol, als den umſchriebenen, findet 
man oft, zumal glei nach der Verlegung, gar 


jog. Stomata, d. bh. LYüden in den Gefäßmwänden. |feine Berfärbung der Haut, diejelbe trirt erſt nach 
Die fi ergießende Blutmenge kann jo bedeutend einigen Tagen ein. Der umgrenzte Bluterguß 
fein, daß ſchnell der Tod erfolgt, 3. B. bei Berftung | bietet das charakteriftifche Gefühl der Schwappung, 


570 Blutgerüft — Blüthe, 


polygamifche (Pl. polygamae)bezeichnet werden. 
Ben, welche nur die weientlicherr Theile, die Ge— 
ſchlechtsorgane, tragen, heißen nadteB-n, aud 
dann, wenn die zu der Blüthenachſe gebörigen 
Tragblätter u. Vorblätter blumenfronenartig ums» 
gebüder find. Bei den meiften Pflanzen aber 
find die Geichlechtsorgane noch von unmwejentlichen 
Organen, die jedoch dem Laien vorzugsmweiie in 
die Augen fallen, umgeben, nämlid von den Blät⸗ 
tern der Blütbenhülle (Integumentum florale). 
Daffelbe beiteht entweder aus nur einem Cyklus 
von Blättern u. ift dann eine einfahe Ben 
hülle (Perigonium simplex), welche jedoch in ſehr 
vielen Fällen dadurch zu Stande gelommen ift, 
daß eine zweite B-n-hiülle abortirt ıft; Derartige 
Ben pflegen als biumenblattlofe (Flores ape- 
tali) bezeichnet zu werden. Ihnen gegenüber ftehen 
diejenigen B-n, welche 2 Benhüllen oder 2 Cyllen 
von Benhüllbiättern tragen; find Diefelben im 
gleiher Weiſe ausgebildet, fo pflegt die Hülle 
doppeltes Perigon (Perigonium duplex) ge 
naunt u. ein Äußeres u. inneres Perigon 
(Perigon. externum u. internum) unterichieden 
zu werden (wie bei der Zulpe). In den meiften 
‚Fällen jedoch find die äußere u. die innere Hülle auch 
äußerlich verichieden, dann wird die innere, meift 
bunt gefärbte Hülle als Blumentrone (Corolla), 
die Äußere, meift grüne Hülle als Kelch (Calyx) 
bezeichnet; den jelten vorlommenden, unterhalb 
des Kelches ftebenden Kelh nennt man Außen- 
feld (Calyeulus). Die fänmtlihen Blattorgane 
der 8, werden mit dem gemeinjamen Namen B-n- 
phyllome bezeichnet, 

II. Die B-nadhje(Axisfloralis, Receptacnlum) 
ift nach meiner Anficht ftetS nur der Träger der 
B⸗nphyllome, jedoch find einige wenige Autoren 
der Anficht, daß fih auch bisweilen ihr Ende an 
der Bildung des männlichen u. weiblichen Zeug» 
ungsapparats betheilige. In den meiften Fällen 
it die Benachie verkürzt u. kaum ftärfer, als 
der Benftiel, häufig iſt fie jedoch erweitert, jcheir 
benförmig (discoideum), polfterfürmi g (pul- 
vinatam), bisweilen auch geitvedt u. walzen» 
förmig (cylindroideum). Während in den meiften 
Füllen die B»nphyllome dicht auf einander folgen, 
find doch häufig auch zwischen den einzelnen For— 
mationen der B. größere Zwiſchenräume 
den, namentlich zwifchen Staub» u. Fruchtblättern, 
fo daß fettere von dem verlängerten Achſengliede, 
dem Gynophorum, über die anderen Theile 
der B. emporgeboben werden, fo namentlich bei 
den Gapparideen. Bismweilen ragt auch das Ende 
der B-nachfe iiber die Einfügungsitellen der Frucht» 
blätter hinweg, oder diefelben lehnen fich an dafjeibe 
an, wie bei den Zygophylleen u. Autaceeen. An- 
derfeits ift die B-nachſe nicht felten aAusgehöhlt 
(excavatum), od. beherförmig(ceupuliforme); die 
Folge davon ift, daß die Adhienipige am Grunde 
der Hödlung fiegt, während die Theile der Achſe, 
welche ſich bei normaler Stredung derfelben unter 
der Spitze befinden würden, ſich jett über die 
Achſenſpitze erheben, wie man fich leicht vorftellen 
fan, wenn man fi einen Handſchuhfinger ein» 
geftäipt denkt. Demzufolge miülſſen auch die faft 
immer am Ende ftehenden frudftblätter in die 
Tiefe der Höhlung, dagegen die Staub-, Blumen- 


(Fluctuation) dar. Je nad den Pocalitäten, an 
denen fie vorkommt, hat fie befondere Namen er» 
halten, 3. B. am Kopfe Cephalbämatom, an den 
Schamlippen Epiſiohämatom. Sie endet meift 
in Zertheilung. 

lutgerüſt, ſ. Schaffot. 

Blutharnen (Haematuria), Abgang von rei 
nem oder mit Harn vermifchtem Bluie aus der 
Harnröhre. Das B. ſtammt entweder: a) aus den 
Nieren, tritt dann unter Schmerzen auf und 
rührt ber von Berlegungen der Nieren, Blutan- 
drang nad denjelben, Steinen darin zc.; das 
abgehende Bint ift innig mit dem Harne gemischt; 
b) ausden Harnleitern; e8 eutiteht dann vor- 
züglih beim Durchgange von Nierenfteinen durd 
diefelben u. ift mit Schmerzen die Harnleiter ent: 
fang, oft auch Elel u, Erbreden verbunden; c) aus 
der Harnblaje; das Blut ift hier weniger mit 
dem Harne gemengt, als in den beiden vorigen 
Fällen; der zuerft entleerte Harn ift ohne Blut, u. 
erft die zulett entleerte Maſſe enthält daflelbe u, 
befteht nicht felten aus reinem Blute; die Blaſe ift 
ſchmerzhaft; die häufigſten Urſachen der Blafen- 
biutungen find Blafenfteine; d) aus der Harn- 
röhre, bei. beim männlichen Geſchlechte infolge 
von Hämorrhoiden, Berlegungen,, Zripper; das 
Blut gebt allein, feltener mit dem Harne ab. Das 
B. ift in vielen Fällen bedenklich, weil es gemöbn- 
lich Folge anderer ſchwere Leiden der Harnwerlzeuge 
ift. Es herrſcht mitunter im Frühjahre bei Schafen u. 
Rindern enzootiſch u. rührt in dieſem Falle von beim 
Weidegange aufgenommenen Schädlichleiten her. 

Dlüt e (Flos). I. Begriff u. Theile dei 
Blüthe. Im weiteren Sinne gilt die Bezeidh- 
nung Blüthe für die Organe, welche bei der ge- 
ſchlechtlichen Zeugung zufammenmirfen und bie 
Bildung eines neuen Individuums zur Folge 
haben; daher fann man auch bei den anderen 
Pflanzen, ben Algen, Pilzen u. Moofen, ſowie 
bei den Gefäßfryptogamen, deren männliche und 
mweiblihe Organe wir fennen, von Ben jprecen, 
doch) begnügt man fich hier meift damit, von männ- 
lihen (Bollinodien, Antberidien) und weiblichen 
Organen (Oogonien u. Archegonien) zu jpreden, 
während man den Begriff B. im engeren Zinne 
fin die Phanerogamen vorbehält u. darunter eine 
Achſe verjteht, weldhe entweder Staubblätter 
(Stamina), d. i. die Träger der männlichen Zeug- 
ungszellen (männliche B., Flos masculus), oder 
Fruchtblätter (Carpidia), d. i. die Träger der 
weiblichen Zeugungszellen (weibliche B., Flos fe- 
mineus), oder endlich beide Arten von Blättern 
(Zwitter-®., Flos hermaphroditus) trägt. Die: 
jenigen Pflanzenindividuen oder Pflanzenftöde, 
welche eingeſchlechtliche Ben tragen, heißen Di » 
Hinifhe, zum Unterichiede von den monofli- 
nifhen, weiche hermaphrodite Ben tragen, und 
diejenigen Individuen oder Stöde, welche immer 
nur Ben einerlei Gejchlechtes hervorbringen, heißen 
diöciſche (Plantae dioicae), zum Unterichiede von 
den mondcifchen (Pl. monoicae), welche einge- 
fchlecht liche Ben beiderlei Geſchlechtes hervorbringen, 
während endlich diejenigen Pflanzenftöde, welche 
außer eingefchlechtlichen Ben auch noch Zwitter-B-n 
tragen, aus denen ſich die erſteren durch Verlümmer— 
ung des einen Geſchlechtes entwidelt haben, als 























Blüthe, 571 


u. Kelchblätter mehr an den Raud der Höhlung] einzelne angelegte Blüthenbhyllome nicht zur Ent- 
zu ſtehen kommen. Hierbei kann nun die Jnnen-|widelung gelangen, jo wird dies als Abort be- 
wand der ausgehöhlten Achſe von den Tzrucht-| zeichnet; jedoch kann fich derſelbe auch in der 
blättern durch einen Zwiſchenraum getrennt fein, Weife vererben, daß fchließlich die Anlage diefer 
n. dann ift die B. eine perigynifde (Fl. peri-| Organe gar nicht mehr erfolgt u. nur die dor» 


gynus), oder die Innenwand der Achſe kaun an 
die Garpelle angewacien fein, u. dann ift die B. 
eine epigynifche (oberftändige, Fl. epigynus). Er- 
ſteres ift 3. B. der Fall bei der Kirſche, letzteres 
bei allen Doldenpfianzen. B-n mit normaler 
Ausbildung der Achſe u. nicht verfchobener Stell: 
ung der B-nphyllome heißen hypogyniſche 
(unterftändige). Häufig fommt die Achfe zwiichen 
den Einfüqgungsftellen der Blumen- und Staub- 
blätter, ſowie auch diefer und der Fruchtblätter 
in Form eines mehr oder weniger hervortretenden 
Wulftes (Discus oder Torus) zum Vorſchein, wel 
er zur Zeit des Auffpringens der Staubbeutel 
von ausgefondertem Honig ftarf glänzend erfcheint 
u. von Inſecten bejucht wird; derjelbe ift entweder 
ringförmig (annulatus), oder frugförmig 
(urceolatus), oder polfterfürmig (pulvinatus); 
nicht felten dringt er mie eine weiche Maffe in 
alle Zwifchenräume zwifchen den Stanbblättern u. 
ift dann geferbt (crenulatus), od. gefurcht (ere- 
natus); nicht felten wächſt er auch zu fadenförmi- 
gen oder köpfchenförmigen, mit den Staubblättern 
abmecjelnden Organen aus, die man als Drüfen 
(Rektarien, Glandulae) bezeichnet; auch erfcheinen 
fie als Schüppchen (Squamulae); bisweilen find 
fie auch verfünnmerten Staubblättern ähnlich. Je 
doch find nicht alle Neltarien ſolche Gebilde, es 
fönnen auch Blumenblätter, jelbft Keldhblätter zu 
foihen umgewandelt werden. Endlich kommt es 
vor, daß der Discus zu einem mächtigen, becher- 
förmigen Wall (D. cupulatus) anwächſt, welcher 
die reife Frucht vollftändig oder theilweife um— 
ſchließt, wie bei Tarus. Ebenio fann der B-nboden, 
das Reveptaculum, zur Zeit der Fruchtreife fich 
ftarf vergrößern, fleiichig werden u. eine Schein- 
frucht bilden (ſ. Frucht). 

I. Die Entwidelung der Blüthenphyl— 
lome ift meift afro» oder centripetal, d. h. 
allermeift entiteben die Enflen des Kelches, der 
Binmentrone, der Staub- u. Fruchtblätter in der 
angegebenen, ihrer Stellung von unten nach oben ent» 
jprechenden Reihenfolge. Sie find bald frei (liber), 
bald verwachſen (connatus); im letteren Falle 
hat man zu untericheiden, ob die Berwadhfung 
eine nachträgliche, oder ob fie eine congeni 
tale ift, d. b. ob die Theile bei ihrer Entjtehung 
nur mit einem einzigen gemeinfamen Wirfte in die 
Erſcheinung treten, an dem erft jpäter die einzelnen 
Theile fihtbar werden. Die Benphyllome zeigen 
ebenfalls bisweilen Nebenblattbildiungen, wie 
die Laubblätter, jo die Kelhblätter der Dryadeen, 
. die Staubblätter der Yauraceen u. von Ornitho- 
galum. Eme an den Be⸗nphyllomen, namentlich 
den Staubblättern, nicht jelten vortommende Er: 
jcheinung ift die Spaltung (Chorisis, Dedouble- 
ment), die entweder eine einfache Halbirung der 
betreffenden Bhyllome zur Felge hat (Staub- 
blätter von Adoxa, Corylus, Betula x.), oder 
vollftändige Berdoppelung oder Multiplicirung 
der von der Ehorife betroffenen Organe bewirkt 


handenen Yüden auf den Abort (in diefem Falle 
auch Ablaft genannt) ſchließen laſſen. 

IV. Stellungsverbältnifje der B-nphyl- 
(ome. Um fi in den Bu zu orientiren, muß 
man folgende technifche Ausdrüde merken: Me— 
diane iſt die Ebene, welche wir uns durch die 
Abſtammungsachſe u. die Benachſe gelegt denen, 
die darauf ſenkrecht ftehende, durch die Benachie 
gelegte Ebene ift die Transperjale; was der 
Abſtammungsachſe zugelehrt ift, heißt oben oder 
binten, was ihr abgefehrt ift, unten oder vorn. 
Ben, welche ſich durch mindeftens eine Ebene in 
gleihe Hälften zerlegen laffen, heißen jonmes» 
trifch, im Gegenfate zu den ſelteneren aſymme— 
triihen B-n. Die ſymmetriſchen Ben zerfallen 
in zygo morphe, zweieitig-fymmetriiche, welche 
nur durch eine Ebene im zwei gleiche Hälften zer- 
legt werden können, und in aftinomerpbe, 
ftrabfige, mehrfach ſymmetriſche, Die durch minde— 
ſtens 2 Ebenen in gleiche Hälften zerlegt werden. Ye 
achdem bei denzygomorphen B-ndie Theiluugsebene 
mit der Mediane od. Transverjale zufammenfält, 
zod. wiſchen diefe zu liegen kommt, heißen die Ben 
median-, transverfal- oder ſchräg-zygo— 
morph. Eine vollftändige Umkehrung der Ben 
aus ihrer urſprünglichen Stellung in die entgegen⸗ 
geſetzte, wie fie bei den Orchideen vorkommt, wird 
als Rejupinationm bezeichnet. In der Benknoſpe 
haben die jungen B-nphyllome zu einander eine be» 
jtinumte, oft für große natürliche Gruppen charaf- 
teriftiiche Lage, De man Knofpendedung 
(Aestivatio) nennt; dieſelbe ift reitend (eqni- 
tativa), wenn fih die Blattränder gegenſeitig 
deden, klappig (valvata), wenn fie ſich gegen« 
jeitig berühren, eingefaltet (induplicativa), wein 
die fi berührenden Ränder nad innen gebogen 
find, dachig (imbricata), wenn beide Ränder 
der äußeren Blätter über die inneren gededt find, 
gedreht (contorta), wenn immer der rechte Hand 
des einen Blattes den linfen des benachbarten 
det od. umgekehrt, fünfſchichtig (quincuncialis), 
wenn 5 Blätter fo liegen, daß zwiichen 2 äußeren 
ganz unbededten u. 2 inneren ganz bededt liegen» 
den Blättern ein fünftes (dev Entitehung nach 
das dritte) fo eingefchoben tft, daß es mit dem 
einen feiner beiden Ränder iiber eines der inneren 
Blätter übergreift; liegen die Blätter unregelmäßig 
zerfnittert in der Knoſpe, fo ift die Dedung eine 
zerfnitterte (corrugativa). 

In manden Fällen verhält ſich der Benſproß 
wie ein Laubiproß mit fpiraliger Bflattjtellung, 
d. h. ſämmtliche B-nphyllome der verſchiedenen 
Formationen folgen auf einander in continnirlicher 
Spirale mit conſtanter Divergenz, ſo bei Coni— 
feren, Cycaceen, den Calycanthaceen u, einzelnen 
Ranuncunlaceen; ſolche Ben heißen acykliſch; häu— 
figer finden wir die Benbillle quirlich gebildet u. 
die Spiralitelling nur in der Staubblatt- umd 
Fructblattiormation erhalten; Dies find hemi— 


eylliſche Ben, Die meiſten Ben dagegen zeigen 
j 


(Staubblätter der Eruciferen u. Auvantieen). Wenn ſowol bei ihrer Entwidelung, als im ausgebildeten 


- 
572 


Auftande Onirle, welche mitt einander alterniren 
(j. Blatt, Abſchnitt Blattſtellung); nur der Kelch 
ift häufig jo, mamentlih der Bzählige, daß er 
ebenio gut als jpiralig, wie als aus 2 Quirlen, 
einem 2gliedrigen u. einem Ialiebrigen , gebildet | 
angejehen werben kann. Diefe am häufigften vor- 
lommenden B-n nennen wir insgeſammt cykliſche, 
wobei es freiſteht, ſich die Quirle als zuſammen⸗ 
gezogene Spiralen zu denlen. Die Zahl der 
Quirle in den cplliichen Bu ift eine jehr ver- 
ſchiedene, fie ſchwanktt zwifhen ı (Carex) u. 16 
(Aquilegia). Am bänfigften ſtimmen die Kelch- 
u. Binmenblätter in der Zahl überein, während 
die Staubbläner ans 1 oder 2 gleichzähligen 
Quirlen befteben, die Fruchtblätter aber ın gerin— 
ger Zahl vorhanden find, Es gibt aber aud 
Blüthen mit Kelchen, welche ans 8 Quirlen be» 
ftehen (Nandina) u. andere, bei denen die Staub 
blattforwmation viele Quirle zählt (Yauraceen, Ro- 
jaceen). Die Zahl der Glieder tmerhalb eines 
einzelnen Benquirles varlirt von 2—30, abgejeben 
von den durch Spaltung entftandenen Bermehr» 
ungen, jo gibt es 9:—80zählige Duirle bei ein» 
zeluen Graffulacen, namentlid Sempervivum. 
Cytliſche Ben mit gleihzähligen oder ifomeren 
Quirlen heißen encykliſch, mit ungleichzähligen 
Quirlen beterocyllifch oder heteromer. Die 
Heteromerie dann entweder durch nachträgliche 
Verwachſung, Dedoublement, oder Abort veraulaßt, 
oder urjprünglih, typiſch fein. Co tft z. 2. 
tppiich fehr oft die geringere Zahl der Frucht: 
blätter oder die jog. Oligomerie des Fruchtknotens. 
Sehr viele große Pflanzenfamilien halten an ihren 
typiſchen Zahlen feft, wie z. B. die Eruciferen, 
Umbelliferen, Sompofiten, während wiederum an- 
dere jehr variiren. Die gleihzähligen B-nquirle 
pflegen zu alterıiren, u, wem fie fuperponirt 
find, fo ift das gewöhnlih durch Abort eines 
zwiſcheuliegenden zu erflären. Quirle mit fecums- 
därer (nachträglicher) Heteromerie zeigen wenig 
Störung in den normalen Berhältniffen, Hingegen 
ftellen ſich typisch heteromere Quirle meiſt jo zu 
einander, Daß cine möglichit annähernde Alter: 
nation, ein möglichit vollftändiges Ausweichen der 
Theile erzielt wird. 

V, Der Kelch (Calyx) befteht zumeift aus grünen 
Blättern, kommt jedoch aud gefärbt, froneus 
artig (corollinus) vor, wie 3. B. bei vielen Ra— 
uunculaceen u. den Monokotyledonen, denen ein 
fog. doppeltes Perigon zugejchrieben wird, Bis— 
weilen ift er nur wenig entwidelt (obsoletus), 
wie bei den Umbelliferen, wo jeine von der aus- 
gehöhlten Achſe emporgehobenen Zähne am Rande 
des unterftändigen Fruchtknoteus kaum bemerf- 
bar find. Die einzelnen Kelchblätter (Sepala) 
Founen mit einander verwadjen, u. damı heit 
der Kelch verwacdhfenblätterig (gamosepalus, 
jdlechter monophyllus); jedoh iſt e3 manchmal 
Schwer zu emticheidben, ob die Kelchabſchnitte 
(Laciniae) am Rande eier ausgehöhlten Adhie 
ſtehende, freie Kteichblätter, oder die Enden meh— 
rerer mit einander verwachfenen Keichblätter find, 
Der Form uach ift ber verwachſene Theil des 
Kelches, die Röhre (Fubus), häufig glodeu« 
förmig (campanulatus), röhrenförmig (tu- 
bulosus), baudig (inflatus), trichterfürmig 


Blüte. 


(infundibuliformis), frugförmig (urceolatus) 
u, ſ. w.; dagegen adhtet man beim Saume (Lim- 
bus) darauf, ob derjelbe gezähnt, geipalten 
od. getheilt ift; nicht jelten iſt derſelbe Iippen- 
förmig (labiatus) u. läßt deutlich Ober- und 
Unterfippe, eine obere u, untere —* erlennen. 
Nicht gerade ſelten ſind einzelne Kelchblätter am 
Grunde ſackig (saccatus), oder geſporut (calca- 
ratus). Seiner Dauer nach iſt der Kelch ſchon 
beim Aufblühen hinfällig (caducus), fpäter ab- 
fallend (deciduus), oder bleibend (persistens). 
retzterer wächſt bisweilen weiter, wie bei deu Ola— 
cineen oder Physalis, wo er um die Frucht einen 
häutigen Sad bildet; auch nimmt er bisweilen 
an ber Fruchtbilſdung theil, Nachträglich entwidelt 
fih auch aus den Saume des Keiches bei den 
Compoſiten, Balerianeen, Dipfaceen ein ſogenaunter 
Federkelch, Fede rkrönchen (Pappus) ; berfelbe 
it entweder ein Kranz einfacher Haare (Pappus 
pilosus), oder befteht aus federförmigen Haaren 
(P. plumosus); er ift entweder figend (sessilis), 
oder durch die röhrenförmige Verlängerung des 
oberen Kelchtheil8 geftielt (stipitatus). 

VI Die Blumentrone (Corolla) ift meift 
aus zarteren Blättern zuſammengeſetzt, als der 
Kelch, welche meift eine Oberhaut mit pas 
pillenartigen Zellen u. ohne Spaltöffnungen be» 
fiten; fie find entweder farblos (weiß), oder bunt, 
nur felten grün; die gelbe Färbung wird bedingt 
dur einen eigenthümlichen, dem Chlorophyll eini« 
germaßen verwandten, an das Protoplasma ge» 
bundenen Farbfteff, das Blumengelb oder 
Authoranthin; die Farbſtoffe jedoch, welche die 
blaue oder rothe Farbe der Blumen bedingen, 
find mit wenigen Ausnahmen im wäfferigen Jell— 
jafte gelöft, u. die verfchiedenften Nüancen, vom 
Scharladyroth des Papaver Rhoeas bis zum Blau 
der Gentiana, zeigen in ihrem Berhalien gegen 
hemifche Heagentien eine fo große Übereinftumme 
ung, daß die Annahme identischer Zufammenfegung 
gerechtfertigter ift, als die übliche Unteriheidung 
von Erythropbyli u. Anthocyan (Nägeli m. 
Schwendener, Das Mikroſtop, S. 500). Bei den 
nicht feltenen Bergrünungen nähern fi die 
metamorphofirten Blumenblätter fowol in Geftalt, 
als anatomifher Bejchaffenbeit den Laub- ober 
Hochblättern u, laſſen danı häufig erft die Be— 
deutung der einzelnen Theile erkennen; daſſelbe 
giit von den Staub» u. Fruchtblättern (Antho— 
Infe). Die Blumenblätter (Petala) bleiben ent» 
wedergetrennt(Flores eleutheropetali, dialypetali, 
polypetali), od.verwachſen zu einerfog. einblätterigen 
Blumenfrone (Flores sympetali, gamopetali, mo- 
nopetali),. Bei den gamopetalen Blumen- 
fronen untericheidet man ebenfalls, wie bei dem 
gamofepalen Kelche, die Nöhre (Tubus) u. die Ab» 
ſchnitte (Laciniae) u. wendet diejelben Bezeich- 
nungen an; uur fei noch bezüglich der lippen- 
förmigen Blumenfrone(Fl. labiatus) bemerkt, daf 
man unterſcheidet rahenförmige (Fl. labiatus 
ringens) mit weit geöffneten Lippen und offenem 
Schlunde (Faux) u. maslirte Blumentrone (Fl. 
labiatus personatus), deren Schlund durch eine wulſt⸗ 
fürmige Ausbildung der Unterlippe, Gaumen 
(Palatum) genannt, verichloffen ift. Wei den viel- 
blätterigen Blumenfronen wird vorzugsweije 


Blüthe. 573 


Stellung, Zahl u. Geftalt berüdfichtigt; be-|zellen des Pollens od. Blüthenftaubes; fie pflegen 
züglih der legteren unterfcheidet man dem brei-|fih meift im einige Tochterzellen, die Mutter- 
teren, oberen Theil, die Platte (Lamina) u. den zellen des Pollens, zu theilen, u. diefe wiederum 
unteren, ſchmäleren Theil, den Nagel (Unguis),|erzeugen durch Theilung je 4 Tochterzellen, die 
welcher bejonders deutlich bei den Nellen hervor-| Bollenförner (Granula pollinis), weiche meift 
tritt, bei vielen anderen Pflanzen nicht unter-|wie die Eden eines Tetraederg geordnet find 
ſcheidbar if, Am Grunde der Platte finden ſich (. Zelle). Diefelben bleiben bei den fog. Angio- 
bisweilen ne ap (j. Blatt), welche eine|ipermen oder Metajpermen einzellig, hingegen 
Art Nebentrone (Paracorolla) zufammenjeten,|finden bei den fog. Gymnoſpermen od. Ärchi— 
jo befonders bei den Fichtnelfen (Lychnis, Sapo-|ipermen, d. i, den Coniferen u. Eycadeen (f. d.), 
naria) u. ber Narciſſe. Man bat veridhiedene|nod) weitere Theilungen ftatt, wie überhaupt die 
Typen von vielblätterigen Blumenkronen aufge | Staubblätter diefer Familien auch andere Abweich— 
fellt, fo die nellenartige, die malvenartige,jungen zeigen. Die Haut des Pollentornes diffe- 
die Kreuzblume, die Sh Metterlingsblume,)renzirt fih in eine äußere, bderbere, oft mit 
welche wir bei den betreffenden Pflanzenfamilien-|zierlihen VBerdidungen verſehene Schicht, die 
erläutern (f. Caryophyllaceae, Malvaceae, Cruei|&rine, welche an einzelnen Stellen dünner ift, 
ferae, Fumariaceae, Papilionaceae, ebenfo Lilia-|u. in eine innere, zartere Schicht, die Intine, 
ceae, Orchideae, T,abiatae, Scrophnlariaceae :c.|welde mit ihrem Inhalte zur Zeit der Befrucht- 

VI. Die Staubblätter (Stamina) findjung die Erine an den dünneren Stellen durch 
Blätter, welche fih im folgender Weile zu männ-|bricht und zum Pollenſchlauche auswächſt (ſ. Pha⸗ 
lichen Gejchlechtsorganen umbilden: Sehr früh,|nerogamen). Während im dem meiften Füllen 
wenn das Staubblatt noch als Feiner Höder auf-|die Pollenkörner frei find, fi abrumden und zur 
tritt, treten im der unmittelbar unter der Epidermis |Feit der Reife ausftäuben, bleiben in anderen 
liegenden Zellſchicht Theilungen ein, welche von|sällen die Tochterzelen der Mutterzelfen u. der 
augen nad innen geradlinig fortichreiten; da mit Urmutterzellen mit einander verbunden, fo bei 
fehr wenigen Ausmahmen dieſe Theilungen anjvielen Mimofeen, od. fie bilden eine compacte 
den beiden Eden der Nüdfeite und den beiden|wacdsartige Maſſe, wie bei den Msclepiadeen u. 
Eden der Vorderjeite erfolgen, fo treten an dem] Orcideen (j. d.). Diefe Bollenmaffen können nur 
jungen Staubblatte bald 4 deutliche Wülſte hervor, |durch Inſecten auf die Narben anderer B-n ge» 
Den Theil des Staubblattes, welcher diejelben [langen (ſ. Fortpflanzung). Noch fei bemerkt, 
trägt, nennen wir die Antbere (Anthera), den daß die Antheren ſich binfichtli des Aufſprin— 
darunter befindlichen, häufig fadenförmigen den gens (dehiscentia) verſchieden verhalten; wäh— 
Staubfaden (Filamentum). Jeder der 4 Wülftelrend die meiften fi mit Längsfpalten öffnen 
wird zu einem Fache der Anthere (Loculus), 2|(Antherae rimis lungitudinalibus dehiscentes), 
find die hinteren (dorsales), 2 Die vorderenlöffnen ſich einzelne durch Duerfpalten, viele durch 
(ventrales); je ein vorderes und ein hinteres]Töcer an der Spitse (Antherae biporosae), andere 
bilden eine Antherenbälfte (Theca); der zwiſchen durch Klappen (Valrae). Was die Geftalt der 
den beiden Hälften liegende Theil wird das Antheren betrifft, fo gelten für diefelben im All- 
Mittelbaud (Connectivum) genannt. Bei man-|gemeinen die nämlichen Bezeichnungen, wie für 
hen Pflanzenfamilien, 3. B. den Orchideen und|die Blätter; bervorgehoben follen bier nur were 
einzelnen Arrideen ; fommt es vor, daf die beiden|den die zweihörnigen Antheren (Antherae bi- 
Fächer einer Hälfte mit einander verſchmelzen (jog.|cornes), d. h. ſolche mit 2 hornförmigen Fortfägen 
Antherae biloculares), anderfeit8 werden beil(Monotropeen, Rhododendron, Azalia), ſowie die 
manchen auberen Pflanzen die Fächer quer getheikt, | gegrannten Antheren (Antherae aristatae), d. h. 
jo daß jcheinbar vielfächerige Antheren (An-Jin einen borftenförmigen Fortſatz auslaufende 
therae multilocellatae) entjtehen, wie bei vielen); Autheren; endlich die labyrinthförmigen A. (A. 
Mimofen und Rhizophoren. Während häufig|maeandriformes), bei denen die Fächer jchlan- 
die beiden hinteren Fächer nad außen, die beiden |genförmig gewunden find (Eucurbitaceen). Wichtig 
vorderen Fächer nad) innen gekehrt find, erfolgtiſt die Anbeftung der Antberen an den Träger, 
bisweilen eine folche Ausdehnung der Rücſeite, das Filament; fie heißen aufliegend (A. ineum- 
daß beide Antherenhälften mit ihren Fächern ganz|bentes), wenn fie ſcheinbar mit einer Seite 
nad) innen gelehrt werden (Antherae introrsae). |vem Ende des Trägers horizontal ‚aufliegen, 
wie bei den Orchideen; umgefehrt werden andere|bemwegli (versatiles), wenn fie dabei mit faft 
Antheren (3. B. die der Frideen u, vieler Or- nur einem Punkte ihrer Mitte der Spige des 
chideen) durch ftarke Ausdehnung der Borderjeite | Filaments auffigen, angewachſen (adnatae), wenn 
zu Antherae extroreae. In der dur Theilung|fie ſcheinbar mit einer Geite der Endfläche 
der fubepidermoidalen Schicht entjtandenen Zell-|des Filaments angewachſen find. Sibende ein» 
gruppe werden die Zellen der äußerften Schicht |zeinftehende Antheren jcheinen bisweilen Achſen— 
zu Spiralfaferzellen, welche die Pollenfäde oder|gebilde zu fein, wie 3. B. bei Casuarina u, Najas, 
das Gehäufe (Endotheeium), refp. die Wandung doch wideripridht dies vollftäudig einer einheitlichen 
der Fächer bilden und zur Beit der Antheren- | morphologiihen Auffaffung. Der Staubträger (Fi- 
reife anfreißen, um den Blüthenftaub zu entlaffen; |lamentum) ift feiner Geftalt nach meift fadenför« 
die darauf folgende ein- oder mehrzellige Schicht mig (filiforme), oder pfriemenförmig (subulatum), 
befteht aus fehr dünmmandigen, häufig mit SI) feltener verbreitert (dilatatum), miteinem Anhängſel 
erfüllten Zellen u. wird Tapete genannt; bie |verjehen (appendieulatum), oder blattartig; ferner 
von ihr eingejchlofjenen Zellen find die Urmutter- |entweder einfach (simplex), od. gefpalten (fissum), 




























































-—- 


Of 


manchmal aucd verzweigt (ramosum), wie bei 
Hibiseus u. Rieinus. Nach dem Berhältniß derjel- 
ben zu einander hat mandie Länge zu berüdjichtigen; 
wenn von vieren 2 länger find, als die beiden 
anderen, jo heißen fie didynamiſch, wenn dagegen 
von ſechſen 4 länger find, jo heißen fie tetradyna— 
mifh. Häufig find die Staubträger mit der 
Krone jo verwadien (adnata), daß fie entweder 
gar nicht, oder nur durch einem leichten Wulſt 
fihtbar werden, während die Antheren der Krone 
eingefügt zu fein jcheinen. Wenn die Staub» 
fäden unter einander in ein Bündel, richtiger eine 
Röhre verwachſen find, fo beißen fie mona- 
delphiſch, bilden fie 2 Bündel, fo heißen fie diadel- 
phiſch. Die Polyadelphie der Staubfäden, d. h. 
das Vorhandenfein mehrerer Bündel vn Staub» 
blättern in einer B., ift wahrjcheinlih in den 
meiften Fällen als das Nefultat der Verzweigung 
einzelner Staubblätter zu erflären. Endlich fommt 
es auch vor, daf die ganzen Staubblätter, Fila- 
mente u. Antheren, mit einander verwachſen, dann 
entjtehbt ein Synandrium, wie bei vielen Aroi— 
deen. Hierbei können auch ſämmtliche Fächer 
mit einander verfchmelzen, jo daß jcheinbar nur 
eine einzige Anthere vorhanden ift, jo bei Cyclan- 
thera. Gämmtlihe Staubblätter einer Blüthe 
zuſammen können als Andröceum bezeichnet wer» 
den, Die nicht felten verfümmernden, bisweilen 
auch zu Mektarien umgebildeten Staubblätter 
heißen Staminodien. 

VII. Die Fruchtblätter (Carpella) und 
ihre Theile werden am leichteften verftändlich, wenn 
wir von einem Fruchtblatte oder Stempel (Pistil- 
lum) irgend einer Schmetterlingsplume (Exbje, 
Bohne) oder einer Päonie ausgeben; hierbei ftebt 
man deutlich, daß Ddiefelben durch Verwachſung 
der beiden Ränder eines Blattes zu Stande ge- 
fommen find, die Verwachſungsſtelle wird durch 
die der Achſe zugelehrte Naht, die Bauchnabt, 
bezeichnet, während der Mittelnerv des Frucht— 
blattes Nüdennaht genannt wird. Der oberfte, 
die Spite des Früchtblattes einnehmende, mit 
Heinen papillenförmigen Zellen bejegte, eine kle— 
brige Flüſſigkeit ausjondernde Theil ift die Narbe 
(Stigma), der darumter befindliche fadenförmige 
der Griffel (Stilus), feine Höhlung der Griffelfanal 
(Canalis stilaris), der unter dieſem befindliche an- 
geihwollene baudige Thel der Fruchtknoten 
(Germen); im Innern dejlelben verläuft längs 
der Bauchnaht eine mehr oder weniger vorjprin« 
gende Peifte, die Samenleifte (Placenta), an wel: 
cher mittel® eines mehr oder weniger ausge 
bildeten Stiels, des Nabelftranges (Funieulus), 
das Eichen od. die Samenknoſpe (Ovulum) be- 
feitigt ift, am welchem man ftetS einen Kern 
(Rnofpentern, Nucleus), ein inneres Integument 
(Integumentum internum) u. meift auch ein äu— 
ßeres Intement (Integumentum externum) unter- 
icheidet, liber welches bisweilen der mantelförmig 
erweiterte Nabelſtrang als Samenmantel (Arillus) 
hinwegwächſt. Die Stelle, wo die Jutegumente 
ih an der Baſis mit dem Kern vereinigen, iſt 
der Knoſpengrund oder Hagelfled (Chalaza). Die 
Jutegumente find vorn nicht vollftändig geichloffen 
u. laſſen einen furzen Gang, die Mikropyle, frei, 
durch welche fpäter der Pollenſchlauch eindringt, 


Blüthe. 


um die Befruchtung zu bewirlen (ſ. Phanero— 
gamen). Der Kern enthält eine ſich ſtark ver— 
größerude Zelle, den Embryoſack (Saceus em- 
bryonalis), äußerſt felten 2; in ihm entjteben 
durch freie Zellbildung die Keimbläshen oder Ei» 
zellen, melche beiruchtet werden und aus denen 
der Keimling (Embryo) hervorgebt (j. Pha— 
nerogamen). Was die morphologiihe Bedeutung 
des Eichen betrifft, fo fteben ſich zwei Anfıchten 
gegenüber, von denen die eine dafjelbe für eine 
Knofpe erklärt, deren Achſe der Kern voritellt 
und deren Blätter die Integumente jein follen, 
während die andere alle Eichen als nmgebildete 
Abjchnitte des Fruchtblattes deutet, die fi wie 
die Yappen eines Blattes verhalten. Yebtere An- 
ficht dürfte nach unjerer Meinung faun noch ums 
zuftoßen fein; denn man bat wiederholt Meta- 
morphojen der Fruchtblätter beobachtet, bei wel⸗ 
chen der Funieulus allmählih in einen Blattab- 
jchmitt übergeht, an welchem das innere Integu— 
ment ebenfalls als Blattabjchnitt figt, welcher eine 
Emergenz, den Nucleus, trägt, „während das 
mebr ummwejentliche und aud unter normalen 
Verhältniſſen fih fpäter entwidelnde äußere Inte» 
gument ganz ſchwindet. Der Umftand, dag an 
denjelben Monftrofitäten auch neben dem Nu- 
eleus fich Heine Sprößchen entwideln, zeigt, daß 
diefe bisweilen für metamorphofirte Eichen ger 
baltene Sprofie fi nebenber entwickeln können. 
Auch ehrt Die Entwickelungsgeſchichte, Daß die 
Embryofäde bei ihrer früheiten Entjtehung fich 
analog den Urmutterzellen der Pollenförner ver- 
halten. Wenn die Zahl der Eichen eine ge 
ringe wird u. namentlih nur eim einziges am 
Grunde der Fruchtinotenhöhle entfteht, jo hat es 
häufig den Anfchein, als fei das Eichen das um— 
gebildete Ende der Bade; in diefem Falle if 
e8 aber nur als ein bafitärer Yappen des Frucht- 
blattes anzufeben, ach werden bisweilen in dem 
‚Fällen, wo mehrere Fruchtblätter mit einander ver» 
wachſen, die uriprünglichen Verhältniſſe verwiſcht. 
Nicht ſelten entwickeln fih an mehreren Stellen 
der Innenſeite des Fruchtblattes wandftändige 
Eichen (Ovula parietalia), die fi wie Blattab- 
ſchnitte verhalten, welche auf der Blattfpreite fteben, 
eine keineswegs feltene Ericheinung. Uber die 
offenen Fzruchtblätter der Gymnoſpermen ſ. Co— 
niferen u. Eycadeen. Die Stempel od. Carpelle 
einer Blüthe fünnen als Gynäceum zuſammenge— 
faßt werden. Wenn nur ein Fruchtblatt vorhan- 
den ift, od. fämmtliche mit einander verwachien, 
yo it die Blüthe monocarpiid (etwas Anderes als 
monocarpiſche Pflanzen, d. i. ſolche, Die nur 
einmal Frucht tragen); wenn Dagegen mebrere 
zruchtblätter vorhanden find und jedes einzelne 
‚sruchtblatt feinen Stempel bildet, fo ift die 8. 


polycarpiih. Der Fruchtknoten (Germen) ift 
entweder monomer, wenn er nur von einem 


Fruchtblatte gebildet if, und dann meiſt ein- 
fächerig (unilocularis), wenn nicht durch Wu— 
cherung oder tiefes Einſpringen der Ränder 
falſche Scheidewände (Septa falsa) entjtehen, oder 
er ift polymer, wenn er von mehreren Frucht⸗ 
blättern gebilder tft. Wenn deren Ränder nicht, 
od. nur wenig nad innen gebogen find, wie die 
Blattränder einer Happigen oder eingefalteten 


Blutheil — Blüthenftand. 


Knoſpe, fo bleibt er auch einfächerig, u. dann 
pflegen die Placenten woandftändig (parietales) 


od. central (jcheinbar aril) zu fein, indem ſich dünnen, wenig gebogenen Rüſſel, vor defien 
























die Frruchtblattbafen in der Mitte auf der Achſen— 
fpite mit ihren Eichen erheben, Wenn aber die 
Ränder weit nach innen vorjpringen u. die Ver— 
einigung aller in die Mitte der Achſe fällt, fo 
wird der Fruchtknoten mehrfächerig (plurilocu- 
laris), u. zwar richtet fi die Zahl der Fächer 
nad) der Zahl der Garpelle; die Fächer find nun 
durch Sceidewände (Septa) geſchieden und tragen 
die Eichen entweder in dem arılen Winfel, od, an 
den unngebogenen, bismweilen polfterförmig ver- 
didten Nändern der einzelnen Fruchtblätter. Auch 
in den polymeren Fruchtknoten fünnen durch 
Wucherung falihe Scheidewände entjtehen. Die 
. Eichen find in den Fächern entweder einzeln (ovula 
solitaria), od. zu mehreren, 1*, 2-, mehrreibig (1+*, 
2-, pluriseriata), nach ihrer Befeftigung entweder 
aufrecht (erecta), od. auffteigend (ascendentia), od. 
berizontal oder hängend (pendula). Dabei ift 
noch Folgendes zu berüdfichtigen: Das Eichen ift 
1) geradläufig (orthotropum), wenn der Keimmund 
(Mieropyle) der Anheftungsitelle des Eichens ge- 
rade gegemiber liegt; 2) umgewendet (anatropum), 
wenn der Kern jammt den Hüllen von feiner 
Bafis an umgewendet und die Hülle mit dem Na— 
belitrange der Länge nad) an der ſog. Naht (Kaphe) 
verwachſen ift, wobei die lettere dorjal od, ven» 
tral jem kann, je nachdem diefeibe der Achſe des 
Fruchtknotens zugekehrt od. abgefehrt ift; 3. fam- 
pylotiop (campylotropum), wenn der Kern ſammt 
jeinen Hüllen ſelbſt gekrümmt ift! Der Griffel 


575 


der verborgen-fünfgliederigen (oder fogen. vier« 
gliederigen) Käfer; charafterifirt durch den langen, 
i Dite 
die Fühler eingefügt find; Die legteren haben an 
ihrem Grunde eine Tgliederige Geißel, auf melde 
5 jehr kurze Endglieder folgen. In Deutichland 
beobachtete man bis jet etwa 10 pflanzenfeind- 
liche Arten. Der Apfel-B. (A. pomorum L.) lebt 
bauptiächlih auf Apfelbäumen, feltener auf Birnen, 
Werfdorn und Ablfirihen. Das Weibchen fticht 
ihon früh die Blüthenknoſpen an, um in jede 
ein Ei zu legen. Die ausſchlüpfenden Lärvchen 
zerftören raſch die Befrichtungsorgane und den 
Blüthenboden. infolge davon gehen die Blüthen 
ein, und die Wlumenblätter bertrodnen, ebe fie 
fh entfalten können. Unter dieſer ſchützenden 
Hülle entwidelt fih in etwa 4 Wochen die Yarve 
voltändig. Mitte Mat findet man bereits Puppen, 
welche nach acht Tagen dem Käfer liefern, der ſich 
durh die Blumendecke ein Loch beißt u. das Weite 
ſucht. Er bat häufig völlige locale Mißernten 
herbeigeführt. Ahnlich wirkt der A. pedicularius 
L. Der Kirſch-B. (A, druparum L.) greift 
Kirſchen an, zerftört deren Kerne u. hindert dadurch 
die Fyruchtreife. A. Ulmi de Geer. verzehrt die 
Knoſpen von Ulmen. A. pubescens Pk. und 
A. varians Pk. find den Kiefern gefährlich, Thome. 
Blüthendede, 1) jo v. w. Blüthenhülle (In- 
tegumentum florale), d. b. die Blüthentheile, 
welche die Befruchtungswertzeuge umſchließen; |. 
Blüuthe IT. 2) Die Blüthentheile, welche einen 
ganzen Blitbenftand (ſ. d.umgeben (Perianthium). 
Blüthenhülle, 1) (Bot., Tegmenta floralia), 


(Stilus) ift beim monomeren Fruchtlnoten immer ſo v. w. Blumenfrone u. Kelch; ſ. u. Blilthe IL, 
einfach (simplex), dagegen find beim polymeren]2) (Perigoninm) Ein einfacher, die Staubblätter 
entweder fo viele, als Carpelle vorhanden find, u. Stengel umbiüllender Blattfreis, wie bei Daphne, 
od. diejelben find bis zur Spike, od, zur Mitte, | Lilium, Iris u. f. w. 

od. nur an der Baſis vereinigt, od. ganz frei;); Blüthenſtand GBlumenſtand, Inflorescentia) 
in den meiften Fällen fteht der Griffel am der iſt das die Blüthen tragende Berzweiqungsigftem 
Spitze (stapicalis), bisweilen feitlih (lateralis),|der Pflanzen. Dajfelbe ıft A) feinem Standorte 
od. infolge noch ftärferer Verſchiebung fat an der nach entweder endſtändig (terminalis), oder achſel— 
Baſis des Fruchtknotens (basilaris); jo fommt|ftändig (axillaris). B) Theile des B-es. Der 
er bisweilen zwischen die einzelnen Carpelle in Theil der Achſe, an welcher die Blüthenzweige ent- 
Die Verlängerung der Achſe zu liegen u. heißt stehen, wird als. Hauptachſe Rhachis)bezeichnet; von 
dann central. Häufig bleibt er ſehr furz, fo daß ihr gehen die Nebenachſen (Peduneuli) ab; das Blatt 


Die Narbe dem Fruchtknoten unmittelbar anfzı« 
figen ſcheint. Selten iſt der Griffel innen hohl, 
fondern meift von einen loderen Gewebe durch 
zogen, durch welches die Pollenſchläuche leicht hin— 
durchwachſen fünnen. Die Narbe (Stigma) macht 
entweder nur das jpite, mit Papillen bededte Ende 
des Griffel? aus (Stigma simplex), od. fie ift lappig 
(lobatum), pinſelförmig (penieillatum). blumen- 
blattartig ausgebreitet (petaloideum), fopfförmig 
(capitatum), jchildförmig (peltatum). Engler. 
Iutheil it Androsaemum offieinale All. 

Blüthenblatt (Bot.) iſt I) ein Blatt, mel» 
ches die Corolle, den blumenartigen Kelch, oder 
Nebentheile der Blüthe bildet; 2) im engeren‘ 
Sinne das Blumenfronen« oder Corollenblatt. | 
Val. Blüthe u. Blatt. 

Blüthenboden (Thalamus, Receptaculum) 
ift das oft verdidte Ende des Blüthenftield. Vgl. 
Blütbhenftand. 








Blüthenbohrer (Blütbenitecher, Antlionomus 
Germ.), Öattung der Fam. der Hüffelläfer, Gruppe, 


der Hauptachfe, aus defien Achjel ein Blüthenzweig 
hervorgeht, wırd Zragblatt (Fractea) genannt; 
die Blätter, mit denen die Blüthenzweige oder 
Blüthenitiele (Perlicelli) anfangen und auf welche 
entweder die Blüthen unmittelbar, oder nach Vor— 
angehen einiger Hochblätter folgen, beißen Vor— 
blätter (Prophylla, Bracteolae), Meift findet 
fih bei den Monolotyledonen nur ein infolge von 
Drud oft 2fieliges Borblatt, bei den Difotvledonen 
dagegen meiſt deren zwei, die um Y, divergiven, 
Bisweilen find auch die dem ganzen B-e voran 
gehenden, alfo unter den Tragblättern ftehenden 
Blätter eigenthünlich geftaltet; jo iſt namentlich 
bei den Aroideen das letzte Blatt häufig zu einer 
den ganzen Blütbenfolben einbüllenden, weiß od. 
bunt gefärbten Scheide (Spatha) umgebildet. 
C) Eiutbeilung der Blütbenftände Man 
unterscheidet einfache u. zuſammengeſetzte Blüthen— 
ſtände. Die erſteren laſſen ſich auf 2 Typen zu— 
rückführen: den botrytiſchen und Den cymöſen 
Typus. J. Botrytiſcher (d. i.tranbiger) Typus, 


576 Blüthenſtaub — Blüthezeit. 


charakterifirt dadurch, daß die Zahl der vom einer (Glomerulus), oder auch Ibauirfe (Semiverti- 
relativen Hauptachſe gebildeten Nebenachſen un-'cillus) im den Achſeln der Zragblätter. Die zu- 
beftimmt ift. Hierher gehören: 1) die Ahre fammengefegten Blürhenftände find der mannig- 
(Spiea), mit geftredter Hauptachie und fitenden faltigften Art und laſſen ſich rn 
Blüthen; aud der früher als befonderer B. an«'gruppiren: 1) Der botrytifhe Typus im 
geiehene Zapfen (Conus) vieler eg und beiden Graden, d. b. traubenartige Blüthen- 
Cycadeen ift eine Form der Ähre; 2)die Traube ftände, aus traubenartigen zufammengejegt: Köpfe 
(Racemus, Botrys), mit geftredter Hauptachſe u. henähre,, wie bei manden Gompofiten, Abren- 
geftielten Blüthen; 3) das Köpfchen (Capitulum), |traube, Abrentöpichen, Ahrendolde, Köpfchendolde, 
mit verfürzter Hauptachſe u. fienden Blüthen; wobei das erfte Wort immer das zuſammenfetzende 
4) die Dolde (Umbella), mit verfürzter Haupt-| Element bezeichnet; bierber gehören auch Ahren- 
achſe u. etwa gleich lang geftielten Blütbhen. — Ahre oder zuſammengeſetzte Ahre (häufig bei den 
gehören dahin: 5) der Kolben (Spadix), welcher Getreidearten), zuſammengeſetzte Traube, zu— 
eine Ähre mit ſtark verdidter Hauptachſe vorftellt, | fammengefette Dolde (bei den meiften Dolden- 
ſowie manche der früher als Kätzchen (Amentum)| pflanzen od, Umbelliferen), zufammengef. Köpfchen 
bezeichneten Blüthenftände, Eine Form des Köpf-|(bei einzelnen Compofiten). 2) Der botrytiſche 
chens ift auch der Blüthenkorb (Calathidium),| Typus im erften, der cymöje im zweiten 
den man fich leicht als einen deprimirten Kolben Grade: Schraubeldolde, Schraubelföpfhen, Widel- 
vorftelen kann und der ſich namentlich bei den köpfchen, Wideltraube, Dichafienähre (entipricht 
Compofiten (ſ. d.) findet. Die deprimirte ſcheiben dem früheren Kätschen [Amentum] bei den Betu- 
oder fegelförmige Achſe wird Blüthenboden (Re-|laceen). 3) Der cymöfe Typus im erjten, 
eeptaculum) genannt. Bei einzelnen Pflanzen, der botrytifhe imzmweiten Grade: Köpfcden- 
fo bei Dorstenia, ift die Hauptachfe vertieft dichaſien, Köpfhemwidel, Köpfchenſchraubel, Do!- 
ſcheiben- oder becberförmig, bei anderen, wie beildenichraubel ꝛc. 4) Der cymöfe Typus in 


Ficus, ſehr vertieft u. oben geſchleſſen, keulen⸗, 
birn- oder fugelförmig; einen ſolchen B. nennt 
man Hypanthodium. Bei den Blüthenftänden 
mit verfürzter Hauptachſe, wie bei den Köpfchen 
u. der Dolde, find häufig die Xragblätter der 
Blüthenzweige mit einander zu einer Hülle (In- 
voluerum) vereinigt, an deren Bildung bei dem 
Köpfchen oder Blütbentorbe der Compofiten auch 
die den Zragblättern vorangehenden Hochblätter 
theilnchmen; ebenſo find die auf dem Blüthen- 
boden der Compofiten häufig ſich befindenden 
Spreuſchuppen (Paleae) nichts weiter, als die 
Zragblätter der einzelnen Blüthen. II. Ey- 
möjer Typus, charafterifirt dadurch, daß die 
Zahl der von einer relativen Hauptachſe gebil 
deten Nebenachjen beftimmt ift, meift mur eine 
oder zwei. Hierher gebören: 1) Das Pleioda- 
fium, mit mehr als zwei weiter verzmweigten 
Nebenadjien; feltener, vorzugsweiſe bei Euphorbia 
auftretender B,. 2) Das Dihafium, mit je zwei 
gegenftändigen oder etwas von einander ent: 
fernten Vorblättern an der relativen, dur eine 
ausgebildete oder verkümmernde Terminalblüthe 
abgefchloffenen Hauptachfe. Bei vollftändiger Unter- 
driüdung der Terminalblüthe oder nach Abfallen 
derjelben erjcheint das ganze Verzweigungsſyſtem 
wiederholt gegabelt; feine legten Auszweigungen 
gehen gewöhnlich in Monochafien über. Diefelben 
find 3) Schraubel (Bostryx), mit Seitenachſen, 
welche quer zur relativen Abftammungsachle und 
immer auf diejelbe Seite derjelben fallen. 4) Widel 
(Cieinnus), mit ebenfolhen Seitenachſen, welche 
abwechſelnd auf entgegengejette Seiten der rela- 
tiven Hauptachfe fallen. 5) Fächel (Rhipidium), 
mit Seitenachſen, melde median zur relativen 
Hauptachfe und immer auf die Rüdſeite der rela- 
tiven Abſtammungsachſen fallen. 6) Sichel (Dre- 
anium), mit ebenfolhen Seitenadhfen, welche 
immer auf die Borderfeite der relativen Ab» 
ftammungsadjfen fallen. Durch Berfürzung ber 
primären Achſen achfelftändiger Blüthenftände ent- 
ftiehen bisweilen Bilndel (Fasciculus), od. Knäuel 


beiden Graden, 3.8.: Widelichranbel, Schrau- 
beiwidel x. Einzelne ältere Bezeichnungen be— 
ziehen fih mehr auf den Geſammthabitus zus 
jammengejegter Blüthenftände; fo verftehbt man 
unter Riſpe (Panicula) einen reich zuſammen— 
geliebten B. von pyramidalem Wuchfe, unter Dol« 
denriipe (Corymbus) einen folhen von fchirm- 
förmigem Habitus (Schafgarbe), unter Spirre 
(Anthela) einen folgen, bei welchen die Nebeit- 
achſen die Hauptachſen überragen. Engler. 

Blüthenftanb (Pollen), die Haubartigen ein- 
zelnen u. meift freien Zellen, weile ber Staub« 
beutel enthält; ſ. Blüthe. 

Sa — ſ. Blüthenbohrer. 

Blüthenſtengel (Blüthenſchaft, Scapus; Bot.), 
ein aus der Achſel eines Blattes, meift eines Grund- 
blattes, hervortretender, mehr oder weniger ge 
firedter u. kräftiger Blüthenftand, 

Blüthentange, fo v. w. Florideae. 

Blüthenwidler (Cheimatobia brumata L.), 
Froftipanner (f. d.), deſſen Raupe ben Knoſpen 
u, Blättern der Roſen, Obitbäume aller Art, 
Eichen, Buchen, Linden, Ulmen, Walnußbäume 
u. Free ſehr ſchädlich ift. 

lüthezeit (Anthesis), die jedem Gewächſe 

eigenthümliche, jowol der Jahreszeit, als der 
Wiederkehr, als der Dauer nach verſchiedene Zeit 
der Blithe. Diefelbe ift abhängig a) von der 
inneren Gntwidelung der betreffenden Theile; 
b) von der Jahreszeit, genauer von der Wärme, 
fo daß die Blüthen erjt bei einer beftimmten 
Summe aufgefammelter Wärme fih entfalten 
(3. B. Schlehen), oder, wo die Wärme in wär— 
meren Klimaten ununterbrochen genügend ift, auch 
wol fortwährend ſich entwideln, 3. B. die Eitrone 
in Portugal, während wieder andere felbit bier 
eine Rubepanfe haben. Der Einfluß der Wärmer 
aufjpeicherung für die Blüthen zeigt fih nament- 
ih darin, dag man diefelben (Hyacinthen, Aprir 
fojenzmweige, Weidenzweige) im tiefiten Winter im 
warmen Zimmer zur Entwidelung u. Entfaltung 
bringen kann; ferner darin, daß ın ungewöhnlich 


Bluthirfe — Blutlaugenfalz. 


577 


warmen Herbften manche Pflanzen zum zweiten; Karlsbader Inſectennadeln, Metallprähte, 


Mai blühen, 3. B. Hollunder. D 
Pflanzen mertwürdige Anpafjungsfähigteit, 3. B. 
der Pfirfich, indem derfelbe am Gap der guten 


i zeigen die den aus Seide, Zwirn od. Pferbehaaren rast) 


Biutflee, jo v. w. Incarnatklee. 
Blutkrankheiten (Med.), kranthafte Berän- 


offuung im SHerbfie blüht, was eben dort der |derungen der Blutbefchaffenheit, entweder bezüglich 
rübling ift, und die Silßlirſche ift auf ECeplon|der Menge, oder der Beftanbtheile, 


u. Java ſogar immerblühend "geworben, wie die 


Blutkraut, 1) Chenopodium rubrum L.; 


Citrone. Man kann die Wärmefumme, die ver-|2) Scleranthus perennis L.; 3) Lythrum sali- 
braucht wird, fogar mefjen, wenn man von der|caria L.; 4) Sanguisorba officinalis L.; 5) San- 


Winterszeit an (3. B. vom 1. Januar) täglich|guinaria canadensis L.; 


rothe oder biutftillende 


die höchſten Temperaturftände (über 0°) an einem | Pflanzen. 


der Sonne ansgeſetzten Thermometer ablieft und 
bis zu dem Aufblübtage ſummirt; man erhält fo 
in vielen Fällen Werthe, weiche von Jahr zu 
3% identisch find. Hoffmann. 
Inthirfe ift Panicum sanguinale L. 

Blüthling, |. Braunelle. 

Blutholz iſt Haematoxylon eampechianum ZL. 

Diuthund, große englische Doagen, auf Men« 
[chen dreffirt; wurden be von den Spaniern gegen 
die Einwohner Amerifas nad) deſſen Entdedung 
gebraucht. 

Bluthuften (Haemoptisis), Auswurf von 
Blut aus der Puftröhre u. ihren Berzweigungen 
(Tracheorrhagia), oder aus den Lungen felbft 
(Pneumorrhagia), in welche es gewöhnlich durch 
Ausihwigung oder Abfonderung ſich ergoſſen bat. 
Dafielbe it bald rein u. hellroih, feltener dunkel; 
bisweilen ift es, vorzüglich zuletzt oder bei Lungen- 
entzändung (blutiger Auswurf, Sputa cruenta), 
mit Schleim vermisht. Das Blut wirb bald in 
mäßiger, feltener im jehr großer Menge ausger 
worfen (Blutfturz); es treten mit dem Huſten zu- 
gleich Bruftbellemmung, Bruftihmerzen, Herz 
lopfen, Wärmegefühl in der Bruft, Kitel in ber 
Luftröhre u. im Kehllopfe, ſüßlicher Geſchmack, 
oft gedämpfter Ton der Bruſt bei der Percuſſion, 
wahrnehmbares, feuchtes Raſſeln bei der Auſcul⸗ 
tation, ſpäter Röhrenblaſen auf, anfallsweiſe wieder⸗ 
fehrend u. ſehr zu Rückfüllen geneigt. Die An— 
lage zum DB. fällt häufig mit der der Lungen— 
ſchwindſucht zufammen und trifft vorzüglich das 
Jugendalter; die demnächſt häufigſten Urjachen 
des B»8 find Herzfehler; in feltenen Fällen liegt 
die Urſache in ftodender Menſtruation. Gelegent- 
lihe Beranlaffungen geben bisweilen ftarfe An- 
firengungen, Erſchütterungen u. Verletzungen des 
Körpers und der Bruft, befonders Tanzen, Sin. 
gen, Blafen von Fnftrumenten. Der B. töbtet 
zwar feltener durch den Blutverfuft od. Erftidung 


Blutkreislauf, |. u. Blut. 

Blutkropf (Struma vasculosa, Med.), Ber- 
größerung der Schilddrüſe mit oder durch Er» 
meiterung ber Blutgefäße; f. u. Kropf. 

Bluttrnftalle, a) Hämoglobinfryftalfe werden 
als vierfeitige Prismen erhalten, wenn man ge 
quirites Blut mit 1 Bol. Wafler u. ?/, Bol. Al⸗ 
kohol miſcht und 24 Stunden bei 0° ftehen läßt. 
b) Häminfryftalle find dünne, rhombiſche Blätt⸗ 
hen: man reibt getrocknetes Blut mit etwas Koch⸗ 
jalz, fetst im Uhrglaſe etwas Eſſigſäure zu, erhitt 
gelinde u. erhält fie in dem zum Vorſchein kom— 
menden bautartigen Gebilben. 

Blutlaugenſalz. 1) Gelbes B. (Ferrocyan- 
falium, SKaliumferrocyanid, SKalinmeilencyanir) 
K,FeCy,. Das Salz wird fabrifmäßig auf die 
Weiſe dargeftellt, daß man thieriiche, ftidftoffhaltige 
Kohle, die durch Berfohlung von Horn, Leder, ge- 
trodnetem Blut u. |. w. entfteht, mit Pottafche 
u. Eifentheilen in eifernen Tiegeln oder in fchalen« 
fürmigen Flammöfen zufammenfchmilzt. Der hier» 
bei ftattfindende chemiſche Proceß ift folgender: 
Wenn Stidftoff und Kohlenftoff in der Glühhite 
mit Allalien zuſammenkommen, fo bildet ſich 
Eyankalium. Gleichzeitig entfteht aber hier durch 
Reduction der ſchwefelſauren Salze, die der Pott- 
afche immer beigemengt find, Scmwefelfalium, 
welches fi mit dem Eifen zu Scmefeleifen ums 
fett. Die Schmelze befteht daher hauptſächlich 
aus Eyanfalium u. Schwefeleifen. Wird dieſe 
mit Waffer ausgelocht, fo tritt eine Reaction 
zwiichen den beiden Körpern ein, derart, daß fi 
Ferrocyantalium u. Schwefelfalium bildet: 

Fe8 + 6Kly = K;,FeCy, + K,s 
oefel: u. Cyan⸗ geben Ferrochau⸗ u. Schwefel⸗ 
Talium kalium kaliun. 
Nah dem Eindampfen der Lauge Irpitallifivt nun 
das gelbe B. aus, während das Schwefelfalium 
in der Mutterlange gelöft bleibt. Das Salz kry— 


unmittelbar, ift aber deshalb bedenklich, weit fihlftallifiet in großen eitronengelben, weichen, gläns 


nad) ihm meift ſchnell die Erfcheinungen der Lun- 
irre entwideln u. fteigern. Blutſtillende 

ittef find Kalte Umſchläge auf die Bruft, Ruhe, 
Opinm. 

Blutige Hand, 1) fo v. w. Eriminalgerichts- 
barkeit. 2) Der einen Anderen getöbtet oder ver- 
wundet hat; daher das Spridwort: B. H. nimmt 
fein Erbe. 

eat Naht (Satura vera, $. cruenta; 
Ehir.), Bereinigung der Wundränder mit Nadel 
u. Faden, im Gegenſatze zu der Bereinigung durch 
rd era Man untericheidet: 


1) die Blaufäure 


zenden Kryftallen des quadratiihen Syftems, die 
zugleich 3 Mofeciile Kryftallwafler enthalten. Letz⸗ 
tere fünnen durch Erhitzen ausgetricben werden, 
wobei das Salz feine gelbe Farbe verliert, undurd 
ſichtig u. weiß wird, Es löſt fi in 4 Th. falten, 
in 2 Theile kochenden Waſſers und ift in Ailohol 
unlöslich. Bein ftärkeren Erhitzen ſchmilzt es u. 
zerfett fih in Cyaukalium, Koblenftoffeifen und 
Stichſſtoff. Das Salz befittt die giftigen Eigen- 
ſchaften der meiften übrigen Cyanverbindungen 
nicht, entwidelt aber mit verdünnten Gäuren 
(. d.). Mit comcentrirter Schwefel« 


nopfnaht, 2) die umfchlungene oder Haſenſcharten⸗ ſäure erhitzt, entwidelt es Kohlenoryd; mit Schwefel 


naht, 3) die Zapfennaht. Zur b-n M. 


ver⸗ geſchmolzen, bildet es fulfocyanjaures Kali; Chlor 


wendet man gewöhnliche Heftnadeln oder fogen.!führt es in rothes B. über (j.u.). Die wäſſerige 


Pierers Univerſal⸗Converſations Lexilon. 6. Aufl, III. Baud. 


37 


578 


Löſung gibt mit vielen Metallfalzen charakteriftiich 
gefärbte Niederichläge, weshalb es als Reagens 
namentlich auf@ifen (blauerRiederſchlag von Berliner | 
Blau, ſ.d.) u. Kupfer (brauner Niederfchlag) An- 
wendung findet. Das gelbe B. dient außerdem als 
Ausgangspunkt für die Herftellung faft aller übrigen 


Blutlaus — Blutradhe, 


nah u. nach aus der Baumfchule los zu werden; 
aud) bei vereingelten, ftarf damit behafteten älteren 
Apfelbäumen ıft diefeg Mittel anzurathen u. da— 


‚nad der Boden durch Kalkwaſſer u. dgl. zu des- 


inficiren. Thoms.* elde. 
Blutmelken, ein Fehler in der Beſchaffenheit 
der Much, der beſonders häufig bei Milchfüben 





errocganverbindungen, zur Darftellung des rotben 
Dres, des Berliner Bons, des Cyanfaliums, der‘ 
Blaufäure, in der Färberei, Zeugdruderei u. zum, 
Stählen des Eiſens. 2) Nothes B. (erricyan- | 
falium,, Kaliumferricyanid, Kaliumeijenchanid) | 
K, Fe, Cyn. Durch Einleiten von Chlorgas in die, 
Löſung des gelben B-es werden je 2 Molecülen 
deffelben 2 Atome Kalium unter Bildung von 
Chlorkalium entzogen, und es enfteht eine grün. 
braune Löſung, aus welder nad) dem Koncentriven 
fih große Kryftalle von rothem B. abicheiden. 
Dan hat dabei das Einleiten von Chlor fo lange 
fortzufeßen, bis eine Probe der Löſung mit Eijen- 
hlorid keine blaue Fällung mehr gibt. Die Kry 
ftalle enthalten kein Waffer, löfen jich in 2,, Tb. 
taltem u. in 1,. Th. kochendem Waſſer, in Allo— 
hol nicht, Beim Erbigen verbrennen fie unter 
Funkenſprühen. Die Löjung des rothen B-es gibt 
nit Metallfalzlöfungen ebenfalls charakteriftiich ge— 
färbte Niederſchläge von Ferricyganmetallen. Es 
dient daher ebenfalls als Reagens, namentlich auf 
Eiſenoxydul (ſ. Turnbulls Blau unter Berliner 
Blau). Elören, 
Blutlaus (Apfelrindenlaus, Wolllaus, Schizo- 
neura lanigera Hausm.), eine der jhädlichiten 
aller Blattläuſe (f. d.), honiggelb, mit weißlicher, 
flodiger Wolle bededt, beim Serbrüden einen blut⸗ 
votben Fleck zurüdlaffend; Tebt an der Rinde der 
Apfelbäume, zieht dabei feinere Obftarten den 
Wildſtämmchen vor. Im Spätherbite legen die ge 
flügelten Weibchen ihre Eier an die Wurzeln, von 
wo aus die auslommenden Jungen dann immer 
höher fteigen n. dadurch ſchädlich werden, daß fie, 
zu zahlreichen Gejellichaften vereinigt, junge Rinde 
n. Holz, namentlih in ben Wiffen u. Wunden 
(da fie alte Rindentheile mit ihrem weichen Rüſſel 
nicht durchbohren künnen), auftehen, wodurch die 
Bäume unter Umftänden abfterben. Diejes ben 
Apfelbäumen ungemein ſchädliche Inſect iſt feit 
etwa 40 Fahren in Deutichland bekannt, hat fich 
ſeitdem allgemein verbreitet u. ift beſonders in den 
Baumfchuien ſehr verderblich geworden. Die Ber» 
tilgung ift ſchwierig; vechtzeitiges Abbilrften mit 
Seifenlauge, Tabahwafier, Kallkwaſſer, Holzeifig 
u. anderen den Bäumen nicht jhädlichen Stoffen 
Tann beim erflen Auftreten nützen, fette u. ägende 
Saden dilrfen aber nicht dazu verwendet werben, 
Bei ftärlerem Vorkommen, u, wenn fih an den 
Stämmen jhon größere, mit Brut gefüllte An- 
Ihwellungen der Haut gebildet haben, find ſolche 
Waſchungen felten von dauernden Erfolge, treffen 
auch die im Boden, vorzugsweie am Wurzelhalſe 
fih aufhaltende Brut u. die Eier nicht, weshalb 
außerdem ein Aufguß von Kalkbrei auf den Bo— 
den um den ag di empfohlen wird. Da 
noch fein ficheres Mittel befannt geworden, fo ift 
fir die Baumſchule wol das gerathenfte, alle 
ftärfer befallenen Stämmchen fogleih auszugraben 
u. zu verbrennen, um dadurch wenigftens die an— 
teren gefund zu erhalten u. das läftige UIngeziefer 





borlonmt, u. zwar bei Entzündungen u. inneren 
Verlebungen des Euters, nah rohem Mellen, 
während des Rinderns, nach dem Genuſſe jcharfer 
Pflanzen (in letterem ‚alle ijt es in der Hegel 
mit Blutharnen complicırt). Die Behandlung ift 
je nach den Urfacdhen eine verſchiedene: bei Con- 
geftivzuftänden kühlende, fonft einhüllende Mittel, 
janftes Ausmellen, bei großer Schmerzhaftigkeit Ent- 
ferunng der Mitch durch Milchröhrchen ꝛc. Schmidt. 

Blutnuß, 1) jo v. mw. Nothe Lambertsnuß 
(Corylus tubulosa L.). 2) Art der Walnuf, 
mit rother Schale. 

Blutpfropf, Gerinnjelbildung in Blutgeſäßen. 
Derjelbe bilder fidh infolge von Berlangjamung oder 
Aufbören der Blutbewegung beim Übergange im 
den Zod u. bei gewiffen Beranlaffungen im Leben. 
Die bei Lebzeiten gebildeten Blutpfröpfe nennt 
man Thromben, uud haben dieſelben eine bobe 
Bedeutung in der Krankheitsiehre. Wird ein Blut- 

efäß durchſchnitten u. das Blut gehindert, abzu- 

Hieken, fo ftaut es vor der Schnittöffnung an, u. 
infolge davon gerinnt es. Dieſe Gerinnung des Blu» 
tes vor dem geöffneten Gefäße kann durch mechaniſche 
Mittel (wie durch Auflegen von Spinneweben, 
Schwamm u, anderen auflaugenden Körpern) und 
durch chemiſche Mittel (die jogen. biutftillenden 
Mittel (wie Eiſenchloridlöſung, Gerbfäure u. |. mw.) 
befördert, bejchleunigt werden. Wird eine Schlag» 
ader unterbunden, jo bört damit die Blutbewegung 
oberhalb der Unterbindungsitelle bis zu dem näd)- 
ften noch wegbaren Seitenafte auf, und es bildet 
fih ein falerftoffiger Niederichlag aus dem Blute 
in dieſer Strede der Schlagader, während das 
unterhalb der Unterbindungsitelle liegende Schlag— 
aderftüd duch Aufſaugung des Darin befind- 
lichen Blutes in die Blutadern leer wird; durch 
die Pfropfbildung wird die Unterbindung zu un— 
ferem bejten blutſtillenden Mittel. Nicht ſelten 
entftehen Gerintnfelbildungen in Schlagadern durch 
vom Herzen oder anderwärts ber eingeſchwemmite 
Pfröpfe u. veröden die hinter dem Pfropfe, liegende 
Schlagaderjtrede durch Abichluß des Blutes ihres 
Ernährungsmaterials. Diefes Vorkommniß iſt 
beſonders im Gehirne wichtig, u. entſtehen Dadurch 
ſchlagflußähnliche Zuſtände u. Gehirnerweichung. 
In den Blutadern kommt es nicht ſelten zu ſponta— 
ner Gerinnung des Blutes bei Strömungshinder- 
niffen in der venöſen Blutbahn, oder durch Drud 
von außen, oder durch Einwirkung von Stoffen, 
die auf das Blut zerjegend wirken (autochthone 
Thrombofe). Findet in thromboftrten Gefäßen 
ein Zerfall des Pfropfes ftatt, jo wird die zerfallene 
Mafie gewöhnlich in den Blutftrom aufgenommen, 
u. haben die zerfallenen Maflen eine jaudige Be— 
ichaffenheit, jo entiteht Blutvergiftung (f. d.) und 
deren gefahrvoller Syniptomencompler. Kunze. 

Blutrache, die Sitte, nah welcher die Fami— 
lienangebörigen u. Anverwandten eines Erſchlage ⸗ 
nen das Hecht u, die Pflicht haben, am Mörder 


Blutreinigung 


blutige Rache zu nehmen, ein Gebot, welches, in 
der Borzeit von faft allen Böllern befolgt, nicht 
als ein Zeichen uncultivirten Lebens, fondern als 
ein Verſuch zur Feſtſtellung rechtlicher Verhältniſſe 
zu betrachten if. Obwol eine Sitte von äufer- 
fter Barbarei, wurzelt fie doch in dem heiligiten aller 
Gefühle, der Familienzubörigfeit, in der jedes ge- 
ſellſchaftliche Weſen begründet u. aus der es ent- 
ſproſſen ift. Die Berlegung diefer Zugehörigkeit 
forderte deshalb die ſchwerſte Ahndung, u. jo konnte 
fih die B. als ein Recht auf das Leben des 
Mörders geftalten, wo u. fo lange Recht u. Geſetz 
noch nicht die Strafgewalt des Staates anerkannt 
u. geregelt hatten. Bei den Chinefen war fie 
durch Confucius legalifirt, im Mofaifchen Rechte 
als alte Sitte fanctionirt; wenn fein Anverwandter 
fie üben konnte, jo trat das Gericht ein. Aber fie 
ft mur für dem vorfäglichen Mord geftattet. Fiir 
den unabfidhtlihen Mörder waren Freiſtätten (j. 
Aſyl) beftimmt, wohin er fliehen fomute, dort 


979 


Körper wegzuführen. Diefelbe befteht zumeiſt ir 
Darreihung von Abführe, od. harntreibenden Arz« 
neien, Wir fennen jedoch bis jetst fein Mittel, 
welches im Stande wäre, fremde im Blute freifende 
Subftanzen (3. B. faulige Beimifhungen, Bats 
terien u. f. mw.) aus dem Körper zu entfernen. 
Bluiruhr (Med.), f. u. Ruhr. 
Blutſchande (Incestus), in einen verbotenen 
Grade eingegangene Ehe oder vollzogene fleifch- 
liche —— ſ. Fleiſchliche Verbrechen. 
Blutſchlag, 1) ij. Schlagfluß. 2(Thierarzneit.) 
So v. w. Rüdenblut. 
—A ſ. u. Blutwunder b). 
Blutſchwamm, populäre Bezeichnung für eine 
faſt in allen Geweben u. Theilen des Körpers 
mögliche, umſchriebene, anfangs elaſtiſche, ſpäter 
ſchwappende Geſchwulſt. Sie beſteht aus zahlrei— 
chen, durch ſehr feines Zellgewebe verbundenen, 
ſehr dünnwandigen Gefäßen u. erſcheint bald von 
einer eigenthiimlichen Haut eingeſchloſſen, bald vom 


— Blutjpath. 


wurde die Sache gerichtlih unterfucht, u. hatte] Zellgewebe ver Theile umgeben oder in das Ges 


er unvorfichtig getödtet, fo fonnte er ſich in der 
Sreiftätte aufhalten bis zum Tode des Hohen— 
priefters, wo der Blutbanı aufgehoben war; wo- 
gegen abfichtlihe Mörder, welche eine Freiſtätte 
aufgefucht hatten, dem nächſten Verwandten u. 
Erben des Gemordeten zur B. aus geliefert wur- 
den. Wie lange die B. bei den Juden beftaud, 
it ungewiß, zu Davids Zeit bejtand fie noch. Bei 
den Griechen war die B, fir vorfäglichen u. un— 
vorfäglichen Mord geftatter; um ihr zu entrinnen, 
mußte der Mörder ins Ausland geben u. fi) dort 
ein Aſyl ſuchen, oder durch ein Löſegeld Sicherheit 
erwerben. Mit der allmählichen gefeßlichen Geitalt- 
ung der einzelnen Staaten fiel die B. weg, die 
Mörder mußten durch religiöſe Weihungen ent 
fühnt werden. Noch lange indeß verlangte das 
Gefühl des Bolfes eine Sühne des vergoffenen 
Blutes von den Verwandten u. verpflichtete fie, mit 
Hilfe der Gerichte fie durchzuſetzen. Platon ver- 
warf fie vollftändig. Bei den älteften Römern 
wurde die B, duch ſtrenge Zalion (ſ. d.) voll» 
zogen. Auch den Germanen war die B, eigen, 
doch konnte diefelbe durd Geld (Biutgeld), oder 
Geldeswerth abgewendet werden; ſ. Wehrgeld, 
Bei den alten Standinaviern beftand die B. darin, 
daf der Rächer dem zu Beftrafenden die Rippen 
vom NRüdgrate losſchnitt u. die Yunge herausholte 
(den Blutaar rigen). Wie tief bei den Deutjchen 
die Erinnerung an die B. wurzelte, zeigen der 
Juhalt der Nibelungenfage und einzelne in die 
biftorifche Zeit fich erftredenden Fälle. Bei den 
Arabern war fie in ein förmliches Rechtsſyſtem 
ebradht, der Urſprung einer endlofen Kette von 
Stammesfebden, bis Mohammed fie dahin milderte, 
daß der Mörder fih durch ein Blutgeld löſen 
konnte. Ebenjo kennen fie die Eingeborenen Bra— 
filiens, die Ureinwohner Auftraliens, die Caraiben, 
die Kaffern, die Tfcherkeffen; in Europa, wo bei 
den Germanen, ren, Schotten, Rufien das Ge- 
fühl jetzt vollftändig erloſchen ift, halten fie noch 
bis in die jegige Zeit die Albanejen u. Czerna— 
gorer u. (trog aller Beitrebungen der franz. Re- 
gierung) die Corficaner aufrecht. 


mwebe der Organe infiltrirt. Die Geſchwulſt iſt 
röthlich, blau oder dunkelroth, felbit ſchwärzlich 
oder ſchwarz (F. haomatodes). Der 8, entſteht 
aus einer unbekannten Anlage, die vorzüglich nach 
langem Beftehen des Übels leicht fo verbreiter 
wird, daß ſich in mehreren Theilen nach einander 
Geſchwülſte bilden, oder nah Wegnahme einer 
einzelnen an anderen Stellen neue hervorlommen, 
Kinder u. Alte find vorzüglih dazu geneigt. Die 
Seihwulft dauert mehrere Monate, jelten Jahre 
lang. Judem diefelbe fortwährend wächſt, wird 
fie auf der Oberfläche böderig, weich, ſchwap⸗ 
pend; die Hautvenen werden varicös; die Haut 
wird vojenartig oder bläulich geröthet, bricht auf 
u. ſchwitzt eine jeröfe oder biutig-feröfe Flüſſigkeit 
aus feinen Öffnungen aus. Bald flieft aus den 
entjtandenen Geſchwüren ſchmutzigblutige Jauche, 
oft auch reines Blut; bald entſtehen nach Zer— 
ſtörung ſchnell wieder emporichießende, ſchmutzigrothe 
Fleiſchauswüchſe. Der Erſchöpfung der Kräfte folgt 
bald⸗der Tod. Der auf inneren Theilen haftende 
B. tödtet gewöhnlich, ſchon ehe es zum Aufbrechen 
fomımt, durch Störung der Berrichtung der Theile, 
Abzehrung ꝛc. Der B. wird jelbft durch eine 
zeitig horgenommene Ausrottung nicht getilgt; 
Aetzmittel u. die Unterbindung können nur jchädr 
li werden. 

Blutſchwär, Entzündung einer od. mehrerer 
Talgdrüjen der Haut, wodurch die betreffende 
Stelle auſchwillt, ſich röthet, bremmend fchmerzt, 
bis fih mad einigen Tagen unter Eiterung die 
entzündeten Pfröpfe nah außen entleeren. Der 
B. hinterläßt immer eine Narbe. 

Blutſchweift, 1) (Sudor eruentus) Austritt 
von Blut dur die Haut während eines heftigeit 
Schmweißes; jedenfalls höchſt felten vortommend 
infolge heftiger Angft, ungewöhnlicher körperlicher 
Anftrengungen, oder von Krankheiten, als Scor- 
but, Faulfieber, Blutfledentrantheitzc. 2) S. Stig- 
matijation. 

Blutſenkung (Hypostasis), Anfammlung des 
Blutes an den tieferen Stellen des Körpers u. jeir 
ner Organe, bei Leichen z. B. am Rüden (Todten- 


Blutreinigung, eine von jeher als beftreitbar|flede, Leichenhypoſtaſe). 


angenommene Methode, Krankheitgjtoffe aus dem; 


Blutſpath (Biutichwelle), bei Pferden eine 


37* 


580 Blutfpuden — 
varicöfe Ermeiterung desjenigen Theil der in- 
neren Hautvene bes Unterſchenlels, welcher über 
die innere Fläche des Sprunggelentes läuft. 
Dieſes Leiden veranlaft feine Lahmheit. 

Blutfpuden, 1) (Blutipeien) Blutauswurf 
aus dem Munde infolge von Bluthuſten, Blut 
erbredhen. 2) Durh Austritt von Blut in die 
Mundhöhle aus Theilen derielben oder aus ber 
nadhbarten, wie Nafenhöhle u. Speiferöhre, ver- 
anlaftes biutiges Auswerfen durch den Mund 
(Mundhöhlenblutung), ohne Huften u. Erbrechen. 

Blutſtein, die faferigen Varietäten des Hä- 
matits (was wörtlich B. bedeutet) oder Eiſen— 
glanzes, die vielfach als Polirfteine benutt werben, 

Blntftillende Mittel (Hacmostatica) wirlen 
theils, indem fie die Gefäßöffnungen jelbft, oder 
den Kanal derielben über diefen zulammendriiden, 
Verwachſung derjelben oder Kräufelung u, Zurüch 
ziehung der Gefäßwunden erzeugen, oder das Blut 
darin im ihrer Nähe gerinuen machen, bald me- 
chaniſch, bald dynamiſch, bald chemiſch, oder auf 
mehrere diefer Arten zugleih. Die michtigften 
find: die Ligatur oder Unterbindung des biuten- 
den Gefäßes, indem entweder diejes allein, oder 
das umliegende Gewebe mit unterbunden wird 
(wird ein Gefäß entfernt von der Wunde unter- 
bunden, jo nennt man dies Unterbindung in der 
Coutinuität); die Torfion; die Gefäßdurchſchlingung; 
die Zamponade; Compreffion, entweder digital, 
wenn das Gefäß fortgefeit mit dem Finger zur 
fammengedrüdt wird, oder inftrumentell, wenn 
dies mit Hilfe eines Inſtruments, 3. B. Tour: 
niquet, geihieht; zufammenziehende und ſtyp— 
tiſche Mittel (v. gr. styphö, ich ziehe zufam« 
men), wie faltes Waffer, Eis, Schnee, Eſſig, 
Branntwein, Thedeus Schußwaſſer, Alaun, Mi— 
neralſäuren, beſ. verdünnte Schwefelſäure, Eiſen— 
chloridz aufſaugende u. aufklebende Mittel, als 
Feuerſchwamm, Waſchſchwamm, Spinnengewebe, 
geſchabte Charpie, Colophonium, Mehl, arabiſches 
Gummi, Bolus, Kino, Drachenblut, Collodium. 
Dieſe Mittel werden mittels Leinwaud, Com— 
preſſen, Charpie, Waſchſchwamm oder unmittelbar 
in Tropfen ꝛc. angewendet, u. ihre Wirfung wird 
gewöhnlid durch Drud unterſtützt. Sie wirken 
theil8 zuſammenziehend auf die Gewebe, theils 
erzielen fie eine feſte Gerinnung des Blutes, 
Abmittel u. das Glüheiſen (ſ. Kauterien) paffen 
für befondere Fälle. Für innere Blutungen die- 
nen vorzüglich das Hallerſche Sauer, Eifig, Myn- 
fihts Elirir, Maun, Ipecacuanha in fleinen Ga— 
ben, oder auch Opium, Eisftüdchen, Mutterforn ꝛc. 
Bei großen Blutverluften hat man die Trans— 
fufion verſucht. 

Blutſtockung, Beihräntung oder Aufhebung 
der Bewegung des Blutes, in höherem Grade zu 
Schein» oder wirflihem Tode führend, in ge- 
ringerem u. mehr als örtliches Übel (Entzündung) 
bald durh Schwäche der Organe der Blutbeweg- 
ung, Berdidung des Blutes, mechanische Hinder- 
niffe der Blutbewegung zc, erzeugt u. daun vielerlei 
franfhafte Zuflände bewirlend. 

Blutstropfen (Blutströpfchen), Pflanze, ift 
Sanguisorba offieinalis L. 

Blutſtuhl (Blutiger Stuhl), Entleerung reinen 
Blutes ftatt Koth oder einer Mifhung des Kothes 


Blutüberfüllung. 


= Blut aus dem After (fo bei Hämorrhoiden, 
uhr). 

Blutfturz, 1) ſ. u. Bluterbrechen, Bluthuſten. 
2) Bei Pferden mitunter vorfommende Krankheits- 
eriheinung, die man durch ftarfe Blutentzichung 
oft bejeitigen kann. 

Blutſücht, fo v. m. Bluterfrankheit. 

Blutvergiftung, im meiteren Sinne die Auf- 
nahme giftiger Stoffe in das Blut u. dadurch be» 
dingtes gefährliches acutes Allgemeinleiden, im 
engeren Sinne die Aufnahme von jaudigen u. 
verwefenden Subftanzen in die Blutmaffe mit 
ihren Folgen. Bu den B-en im weiteren Sinne 
gehören die Bergiftungen durch Milzbrandgift, Rot 
u. andere Krantheitsgifte; zu den B-en im enge- 
ren Sinne die fog. ſeptikämiſchen Erkranfungen, 
d.h. Diejenigen ſchweren Erfranfungen, bei denen 
von außen eine jaudige Subſtanz in die Blut- 
maſſe gelangt ift, a. die Jchorrhämie, wenn 
die faulige, jauchige Subftauz im oder am Körper 
jelbft entftanden ift u. von da fidh in die Blut— 
mafje weiter verbreitet. Die beiden letzten Klaſſen 
find nur ſchwer von einander zu halten u. von 
einander zu umterfcheiden, da im Grunde genom« 
men der wejentlihe Vorgang bei der B. derjelbe 
ft. Wir wollen fie daher aud hier für gleich" 
bedeutend nehmen. Der jauchige Stoff biltet ente 
weder eine Flüffigteit, und foll diefelbe nach den 
neueren Unterfuhungen der Träger fpecifiicher 
pflanzlicher Gebilde (Sugelbakterien) fein, oder er 
ft an Gerinnjel gebunden, die von dem Blut- 
firome in alle möglihen Blutdiſtricte einge» 
ſchwemmt werden u. mun an dieſen Stellen jau«- 
chige Entzündungen veranlaffen. Die Urſachen 
der Septifämie Tiegen theils in brandigen, jaudi«- 
gen Herden des Körpers u. find namentlich Ge⸗ 
bärmutter- u. Maftdarmfrebs, Koth- und Harıs 
infiltrationen, ausgebehnte Duetihungen von 
Weichtheilen, wie Re nad fchweren Berlegungen 
u, (an den Gebärorganen) nah ſchweren Entbind- 
ungen vorlommen, Knochenvereiterungen in dieſer 
Hinficht berüchtigt; theil$ in der Übertragung von 
fauligen Stoffen auf den bisher gefunden Körper. 
In letzterer Beziehung ift namentlich die Leichen« 
vergiftung, das Eindringen von jandiger Flüjſig · 
feit aus einer verweſenden Leiche in Schnittwun⸗ 
den bei Leichenöffnungen, u. die nicht feltene Ent- 
ftehung u. Weiterverbreitung des gefährlichen Kind- 
bettfiebers durd Einführung umjauberer, mit jau⸗ 
digen Subftanzen verunreinigter Hände der Ge 
burtshelfer und Hebammen in die Gebärorgane 
Kreißender von großer Wichtigkeit. Die Ericyein- 
ungen beftehen in Schüttelfroften, hohem continuir- 
fihen Fieber, bald eintretender Betäubung, und 
meiſt erfolgt jebr jchnell das tödtlihe Ende, Kunze. 

Blntüberfüllung (Hyperämie) bezeichnet in der 
Kranfheitsiehre das Vorhandenſein einer größeren 
Menge Blut in einem Organ oder au einer Kör- 
perftelle, als dem normalen Gehalte entiprict. 
Diefelbe ift entweder Folge eines gefteigerten Zu— 
fluſſes (Congeftion, active Hyperämie, Wallung), 
oder eines erjchwerten Abfluffes (Stauung, Stod- 
ung, paifive Hyperämie). a) Der gefteigerte 
Zufluß (die Congeſtion) kann bedingt ſein durch 
Steigerung des Blutdruckes oder durch Ericlaff- 
ung oder Erweiterung der Gefäßwände; im let- 


Blutung — 


Blutwunder. 581 


teren Falle genügt der gewöhnliche Blutdruck zur d. h. die bei manchen Perſonen häufig wieder- 


goreu einer Blutüberflillung, 


da berjfehrenden Blutwallungen nad dem Sopfe, der 


tangel an Kfafticität der Gefäßmwände dem Ein-|Bruft u. f. w. b) Die Blutftauung, Blut- 
frömen des Blutes fein Hinderniß entgegenjegt.|todung fann ihre Urſache haben in verminder:- 


Die Steigerung des Blutdrudes in emer 
Körperftelle, vejp. in einen Organ kann herbeige- 
führt werden dur Strömungshinderung in benach- 
barten Gefäßfyftemen (collaterale B.). Wird 3. B. 
eine Arterie unterbunden, fo fteigert ſich in den 
benachbarten der Blutdrud um fo viel, als der 
Blutmaſſe entjpricht, die zuvor in der nunmehr 
unwegſamen Arterie zum Abflug fam; ober wird 
die äußere RAT durh ftarfe Abkühlung oder 
frampfhafte Zuftände (Fieberfroft, Schred) blut⸗ 
leer, jo bildet fih B. in inneren Organen; oder 
it bei Lungenentzündung ein Lungentheil durch 
Ausihwigungen verdichtet u. für den Blutftrom 
unwegjam, jo entwidelt fi eine häufig ſehr be- 
drohlihe B. in dem noch Iufthaltigen, noch func- 
tionivenden Lungentheil. In Krankheitszuftänden 
benugt man öfter bie künſtliche Etablirung einer 
collateraleu B. zur Ableitung, zu Gegenreizen; 
fo legt man bei Zahnſchmerz infolge von B. des 
Kiefers u. des Zahnfleiſches ein Span. Fliegenpflafter 
ins Genid oder hinter die Ohren, läßt bei Kopf- 
ſchmerz infolge von B. in der Schädelhöble heiße 
Fußbäder nehmen, verordnet bei Mustelrheuma- 
tismus heiße Bäder x. Die Erihlaffung oder 
Erweiterung der Gefäßwände kann herbeige- 
führt fein durch Erkranfungen der Gefähmände, 
durch Lähmung der Gefäßnerven u. Durch Verluſt 
des unterſtützenden äußeren Gegendruckes gegen die 
Arterienwände. Auf Erkrankung der Gefäßwände 
müſſen wir theil$ die vielfachen localen B-en ins 
merer Organe mit nachfolgender Entzündung, 
3. B. Lungenentzündung, Brufifell-, Unterleibgent- 
zündung zc. zurüdführen, theils eine Anzahl von 
Erſcheinungen im höheren Alter, wie Schwindel, 
Ohnmacht, afthmatische Anfälle, bei denen man 
eine fettige Entartung der Hirnaterien u. des 
Herzens un der Leiche findet. Auf Nervenlähm: 
ung u. zwar auf Lähmung von Faſern des Sym- 
pathicus find jene Ben zu beziehen, die man bei 
der jog. paralytiſchen Form der Migräne beobadh- 
tet; mit Eintritt des halbfeitigen Kopfſchmerzes 
röthet fich bei diefer Krankheit die betreffende Ge— 
fihtshäffte, die Augengefäße füllen fi, u. man 
fühlt u. fieht das vermehrte Eindringen von Blut 
in die Gefihtsarterien. Auch die gefteigerte Er- 
regung von Empfindungsnerven ift häufig mit 
Iocaler B. verbunden; fo röthet fich das Auge der 
betrefjenden Seite u. thränt beim Geſichtsſchmerz 
(der Neuralgie des 5. Hirnnervs). Als charal- 
teriftiiches Beifpiel der B. durch Erweiterung der 
Gefäße infolge Berluftes des unterftügenden Gegen: 
drudes gegen die Arterienwände kann dienen die 
nicht felten tödtlihe B. in den Unterleibsgefäßen, 
wenn auf zu fchnelle Weife bei Unterleibswaſſer— 
ſucht das Waſſer abgezapft, oder wenn die Gebär- 
mutterhöhle durch eine rapide verlaufende Geburt 
zu ſchnell entleert wird. Jede Iocale B. mird 
gefteigert duch vermehrte Herzaction, alfo in fie- 

erbaften Zuftänden u. bei Vergrößerung oder 
franfhafter Neizbarkeit des Herzens. Auf letterer 
u. auf localen Ernährungsftörnngen beruhen haupt- 
fählih die fog. habituellen Eongeftionen, 


tem Blutdrude von Seiten des Herzens, oder in 
Hinderniffen der Blutabftrömung aus den Benen 
des Körpers, oder endlich in beiden Berhältniffen 
zugleich. Den verminderten Blutdrud finden wir 
bei Herzſchwäche infolge fettiger Entartung des 
Herzens oder allgemeiner Erfhöpfung, alſo bei 
allen fhweren, conſumirenden Krankheiten, na- 
mentlich kurz vor dem Übergange in den Tod; 
Beifpiele hierzu find die Bintfenfungen im deu 
Lungen (die ſog. Lungenbypoftafen), der Decubi« 
tus, das befannte Durchgelegenfein im Krenze bei 
Typhus. Hinderniffe in der Blutabſtrömung bil- 
ben vorzugsweiſe Leber, Herz» u. Lungenfrant- 
heiten; Beiſpiele hierzu find die Hämorrhoidaltuo- 
ten am After, die Krampfadern an den linter« 
ihenfeln, die Blutanhäufungen in den Hirnger 
fäßen bei Kropf u. f. w. Bei Klappenfehlern 
des Herzens bildet ſich eine Blutſtauung im dem 
vor dem Mappenfehler liegenden Gefäßſyſtem, 
bei Fehlern der zweizipfeligen Klappe im linken 
Herzen aljo Blutſtauung in den Lungen, in ben 
Hohivenen u. allen fi in die Hohlvenen ergießen- 
den Heineren Benen. Die Erſcheinungen der B. 
beitehen in bläulicher Färbung der Haut, nament« 
lid} der Lippen u. des Gefichtes (Tyanofe) beige 
bindertem Blutabfluß aus den oberen Hohlvenen, 
in Schwindel, Benommenbeit, u. es lanır, wie 
wir Dies z. B. bei Neugeborenen, die bei der 
Entbindung mit dem Kopfe zuletst die Geburts« 
wege verlaffen, nicht felten beobachten, die Blut- 
ſtauung im Gehirune ſelbſt zu tödtlichem Hirn— 
ſchlagfluſſe führen. Starle Blutſtauungen im Un— 
terleibe, z. B. bei Leberverhärtung, haben Au— 
ſchwellungen der Milz u. der Darmvenen zur 
Folge, u. es kommt dadurch häufig theils zu mwäjie- 
tigen Darmentfeerungen, theils zu wäſſerigen 
Durchſchwitzungen in die Bauchhöhle, zu Bauch. 
waſſerſucht. Blutſtauungen in den Lungen haben 
Bruſtbellemmung u., wenn es zu Zerreißungen 
von Blutgefäßen komme, Bluthuſten u. Lungen⸗ 
ſchlagfluß zur Folge. Kunze. 

Blutung, ſ. Blutfluß. 

Blutwaſſer, ſo v. w. Serum; ſ. Blut. B. 
dient ſtatt Eiweißes zur Bindung erdiger (nicht 
metalliſcher) Pigmente, Buchbindern, Gold auf 
Büchereinbände aufzutragen, in Zuckerraffinerien 
(wie auch Blut) u. auf Salinen zum Abſchaumen. 

Blutwunder. Schon feit den frübeiten zeiten 
hat man verjchiedene roth gefärbte Nicderichläge 
aus der Luft u, fehimmelähnliche Bildungen auf 
Speijen, namentlic) auf Brod, gefochten Kartoffeln, 
Hoftien zc., ſowie rothe Färbung des Meeres u. 
ftebender Gewäſſer für Blut gehalten u, diefe Er- 
fcheinungen meift als Vorbedeutungen jchrediidher 
Ereigniffe oder als göttliche Strafen für begangene 
Frevel angejehen. Es zeigte fih plöglih das Dieer 
oder der ganze Erbboden wie mit Blut bededt; 
an Kleidern u, Speifen beobadhtete man Bluts» 
tropfen, welche größer wurden, nad u. nach alle 
in der Nähe befindlichen Gegenſtäude voth fürb- 
ten u. dann plötzlich wieder verihwanden; Regen 
u. Schnee jchienen mit Blut vermiſcht zu ſein, u. 


582 


man glaubte allgemein, daß Blut als Zeichen 
göttlichen Bornes vom Himmel gefallen ſei. Die 
mifroffopifchen Forihungen der Gegenwart haben 
die bereits früher subachredienen Bermuthungen 
u. theilweifen Unterfuchungen betätigt, nach welchen 
ein Theil jener blutigen Erfcheinungen unorga- 
nifhen Urfprunges, u. zwar einem ſehr eijen- 
reihen Staub zugeichrieben werden muß u. ein 
anderer Theil fih durch das plögliche Entftehen 
der Heinften Pflanzenformen erflären läßt. Hier— 
ber gehört a) ber Blutregen, welden man 
fhon im Alterthum erwähnt findet u, welchen 
Cicero (de Divin. II. 27 sq.) zu erllären fuchte. 
In neuerer Zeit beobachtete man 1813 in Cala— 
brien, 1819 in Flandern Blutregen, Wo fie 
größere Streden einnehmen, wie in Emden 1571, 
oder wie in Calabrien 1646 den ganzen Himmel 
röthen, müſſen fie von ftaubartigen meteorischen 
Niederichlägen, in denen man Eifenoryd u. fal- 
peterſaures Kobaltorydul antraf, abgeleitet werden. 
b) Blutſchnee, der ſich in den Alpen vom März 
bis Juni, häufig in Schweden, Rußland, am 
Nordpol u. überhaupt nur da, wo der Schnee 
nicht ſchmilzt, findet. Sauffure, der ihn 1760 
zuerft unterfuchte, erflärte ihn durch einen vothen 
Staub oder dur Kryptogamen (Lepraria ker- 
mesina, Uredo nivalis), die man zumeilen auf 
ihm fand. Es iſt eine Meine, einzellige, fugelige 
roth gefärbte Alge (Protococcus nivalis Ag.), 
weiche ſich fehr raſch Durch Zelltheilung vermehrt. 
c) Blutteiche entjtchen von Anfammlungen mit 
röthlichem Eifenoder gefärbten Negenwaflers; auch 
füllt bisweilen eine dem Protococeus nivalis ver- 
wandte Alge (P. pluvialis oder Haematococcus 
pluv.) durch Regenwaffer ausgehöhlte Steinplatten 
an; da die Alge vertroduen u, jederzeit nach ge- 
nügender Befeuchtung fich mweiterentwideln kaun, 
fo erflärt fich Teicht ıhr mitunter ſcheinbar plöß- 
liches Auftreten. Eines der am meiften ange 
ftaunten u. nicht weniger natürlichen B. ift d) das 
Erfheinen von Blut anf Speifen u, Hoftien, 
ein Phänomen, wie e8 Schon zur Zeit Aleranders 
des Großen beobadhtet u. von den Prieftern als 
Propbezeihung gedeutet wurde, Als im J. 1264 
zu Bollena ein Wriefter, mwelder an der Ber- 
wandlung des Brodes in den Yeib Ehrifti ge» 
zweifelt hatte, das heilige Abendmahl hielt, fielen 
Blutstropfen auf fein Kleid. Zahlreiche Beiipiele 
werben auch vom Auftreten des Blutes an Hojtien 
erzählt, welches immer als Anzeichen furchtbarer 
Verbrechen augejehen wurde, So follten im 
J. 1453 Breslauer Inden von einem Bauer 
reg gefauft haben, welche derjelbe aus einer 


Blutwurz 


— Bmi. 


n. anderen Speilen eine Thatfache, welche Ehren- 
berg als von einer Bafterie (Monas prodigiosa 
nach feiner Anfiht einem Infuſorium) berrübrend 
erfannte (f. Bakterien). e) Meteorftaub (Pal- 
jatftaub) ift ein mebelartig die Luft trübender 
Stanbregen. Der Fall defielben findet ſich regel- 
mäßig an der Wfüfte von Afrifa zwiſchen 8° u. 
29° n. Br., bei. bei den Inſeln des Grünen Bore 
ebirges vom Januar bis April bei herrſchendem 
DPoflatwind. Am 16. Jan. u. 18, Febr. 1833 
fiel im Atlantiſchen Meere ein rörhli-brauner, 
vor dem Löthrohre leicht zu fehwarzer Koble 
Ichmelzender Staub, der eine Menge milroſtopiſch 
Meiner Kroftalle enthielt, wie fie ın Maſſen aus 
den Bulcanen auffteigen, daher Ehrenberg aud 
den Urfprung des Meteorftaubes von vulcanischen 
Eruptionen berleiten zu können glaubt. Außer- 
dem fand Ehrenberg 32 Species von Kiejelpanzern 
von Thieren u. 35 Species Bilanzenftejel (Phy⸗ 
tolitbarien) darin. Doch auch anderwärts ereig- 
nen fi Meteorftaubfälle. So bededte am 31. Jan. 
1848 ein folder in der Gegend von Salzburg 
bis Schlefien das Fand mit Staub, melden der 
Sturm aus fernen Gegenden entführt haben mußte. 
In einem bei Windftile nah Föhn am 17. Febr. 
1850 auf den höchſten Gotthardbalpen gefundenen 
rotben Schnee hat Ehrenberg 30 polygaftrifche 
Infuforienshalen, 17 Phytolitharien, dazu fry- 
ftallhelle Glimmertheilchen, chryſolithartige Split 
ter u, Mineralien gefunden. Auf Gleiſchern er 
fennt man oft ſolche Meteorftanbfälle an röthlid- 
braunen Schichten wieder, die beim Wegſchmelzen 
der Schneebede hervortreten. f) So v. w. Stig- 
matifation (f. d.). 8—d) Engler.” e) Epedt.* 

Blutwurz (Bot.), 1) jo v. w. Tormentilla. 
2) Geranium sanguineum L. 8) Iris Pseuda- 
corus L. 

Blutzehnt (auch Fleiſchzehent) war die von 
den umnterthänigen Bauern an die Herrfchaft zu 
entrichtende Abgabe vom Schlachtvieh, wobei nad 
dem Sadjenipiegel in Anbetracht der verichiede- 
nen Größe der Thiere geftattet war, vor Hebung 
des Ben von je ſechs Thieren zwei u. von je 
neun Thieren drei bei Seite zu ftellen. Mit 
Aufhebung des bäuerlichen Unterthänigkeitsver- 
hältniffes wurde auch der B. dort, wo er nod 
beftand, abgelöft, oder, wie in Frankreich u. durch 
diefes in den Ländern auf dem linken Aheinufer, 
ohne Entihädigung aufgehoben. 

Blutzerſehung (Putride Blutkraſe, Disso- 
lutio sanguinis, Haematosepsis), hypothetiſch 
angenommene Zerſetzung des Blutes, wenn die 
Frlüffigleit bräunlich war, nicht mehr gerinnt. Die 


iche geftohlen hatte; fie follten die Hoftien auf) B. nahm man bei heftigem Typhus, Jaucheauf- 


ein Tuch gelegt u. geichlagen haben, worauf Blut 
aus ihnen gefloffen fei. 41 Juden wurden wegen 
diefes Frevels verbrannt, die Anderen aus dem 
Lande gewiefen. Kaifer Albrecht ließ 2000 Ju— 
den, weiche eines Ähnlichen Verbrechens angellagt 
waren, an einem Tage verbrennen. Noch 1510 
wurden in Berlin 88 Juden hingerichtet, weil fie 
Zen fo lange gemartert hätten, bis fie bluteten. 

enn auch viele von dieſen Berichten als Un— 
wahrheiten angejchen werden müſſen, welche der 
Haß gegen diefe Juden erdichtet hatte, jo bleibt 


nahme ins Blut, Säuferdyskraſie, bei Scharbed 
u. Blutfledentrankheit u. ſ. w. an. 

Bluzger (Blutger, Blozzero), Meine Kupfer» 
miünze, ehedem in der Schweiz (Graubünden) ge» 
bräuchlich; 70 B. gingen auf 1 Gulden. 

Blyde (Blive, Kriegsw.), jo v. w. Bleide; f. 
u. Balliſte. 

B. m, —— 1) für beatae memoriae, 
feligen Andentens; %) auf Recepten für bene mi- 
sceatur, es werde gut gemiſcht. 

B mi (Mufit), nad der Solmifation der Ton b 


dod das Auftreten einer rothen Färbung an Brod|(unfer Eb = h) vom Heradord g. 


B moll — Bobbinnet. 


58 


*n 


B moll, Molltonart, deren Grundton b ift, Pa-! Schillers Werten, Stuttgart 1838—40, 3 Bde.; 


ralleltonart zu Des-dur; hat 5 


vorgezeichnet. | Schiller u. Goethe im Zenienkampfe, 1851, 2 Thle.; 


Bnin, Stadt im Kreife Schriumm des preuß. Schillers Jugendjahre, heransgegeben von W. v. 


Negbez. Polen, am gleihnam. See; 
1304 Em., meift Polen. 

Bo (Muf.), f. u. Solmifation. 

Bö, in der Scifisipr. jede ſchnell eintretende 
Störung von fürzerer Dauer des bisherigen Zu- 
ftandes der Atmofphäre, welche fi) entweder allein 
auf plötliches Auftreten von Wind, oder von 
Niederſchlag beihränfen mag, oder wobei Beides 
vereint ftattfindet. Wenn mit Niederfchlag oder 


Weberei; 


Malgahn, Hannov. 1856, 2 Bde.; Schillers und 
Goethes Kenienmannfcript, herausgeg. von Demſ., 
Berl. 1856. 

Boavifta, 1) (Bonavifta, Buenavifta) die öft- 
lichſte und größte der Gap» Berbifchen Inſeln, an 
der Weftküfte Afritas, mit dem gleichnam. Haupt« 
u. Hafenorte; Indigo, Baumwolle, Ziegen, Schild⸗ 
kröten; 2650 Ew. 2) Ein Theil von Pernam- 
buco (f. d.). 


Gewitter verkumbden, werden die B-en danad) Bobbinnet (enal., von bobbin, Spule, u. net, 


ald Hagel», Regen», Schnee- oder als Ge- 
witter-B-en bezeichnet. 

Boa (B. Constrietor), ſ. Riefenichlange. 

Bonbab, jo v. w. Baobab; ſ. Adansonia. 

Bonbdil, Abu Abullah, feit 1482 legter mau- 
riiher König von Granada; 1492 von Ferdinand 
dem Katholiihen, König von Aragonien, entthrout 
(j. Spanien), floh er nad Afrifa u. blieb angeb- 
lid als Anführer eines Heeres des Königs von 
Fez gegen den Kaifer von Marofto, 

Board (engl.), 1) Tiih, Tafel; daher Board- 
inghouse, ein Speifehaus. 2) Collegium, Be- 
börde; daher z. B. B. of control, Behörde, welche 
1784, jeit der von Pitt durchgefegten veränderten 
Berfafjung der Oſtindiſchen Compagnie, als oberfte 
Inſtanz in politiichen, milttärifhen u. finanziellen 
Angelegenheiten der britiihen Beſitzungen in Oft- 
indien beftand, bis fie 1858 mit der Aufhebung 
der Compagnie mit dem Minifterium fir Indien 
verjhmolzen wurde; B. of visitors, in den nords 
amerifanifchen Umniverfitäten der Senat. 3) So— 
cietät, Gejellichaft, 3. ®. B. of agriculture, land» 
wirtbichaftlihe, von John Sinclair 1793 geitiftete 
Societät in London, die auf Aderbau, Viehzucht, 
technifche Induſtrie u. Handel Bezug habende Ge- 
fee vorbereitet. 

Bond, eine der beiden ehernen Säulen, welche 
Calomon vor den Tempel in Jerufalem ſetzen ließ. 
Sie war auf der linken Seite; die andere, Jachin, 
auf der rechten. 

Bons, 1) (Boaz) wohlhabender Berhlehemit, 
aus dem Gefchlechte Eli-Melechs; beirathete die 
Wittwe Ruth, um nad) dem Yeviratsrechte das 
Gut ihres erſten Gatten einzulöfen; er wurde ber 
Stammvater Davids; ſ. Ruth. 2) Eduard, 
Shhriftfteller, geb. 18. Jan. 1815 in Landsberg 
an der Warthe; erlernte die Kaufmannjcaft, wen⸗ 
dete fich jedoch jpäter der Schriftftellerei zu und 
lebte in Dresden, Berlin und Landsberg a. d. W.; 
fiarb an leßterem Orte Juni 1853. Er ſchrieb: 
Neifeblüthen aus der Oberwelt, Grimma 1834, 
2 Bode; Reiſeblüthen aus der Sternenwelt und 
Mondnovelle, Altenb. 1836; Reifeblürhen aus der 
Unterwelt, ebd. 1836; Deutiche Dichter (Novellen), 
Berl. 1837; Literaturftoffe, Yandsb. a. d. W, 1840, 
1. Heft; Pepita (idylliſches Gedicht), 18445 Des 
Kriegscommiffärs Pipig Reife nad) Italien (fomi- 
cher Roman), 1841, 4 Bde; In Skandinavien, 
1845; Sprüde u. Lieder eines nordiihen Brah- 
minen, 1842; Franzöſiſche Thronfolger, eine Bi- 
fion, 1844. Geſammelte Schriften, 1847—49, 5 
Bde. Ferner:Nachträge zu Goethes ſämmtl. Werten, 
Lpz. 1841, 3 Thle,, n. A., 1846; Nachträge zu 


Netz), engliicher Tüll, zierliches Gewebe, ähnlich 
dem gellöppelten Spigengrunde, aber mittel$ Ma— 
ſchinen fabrifmäßig erzeugt; viel mohlfeiler als diefer. 
Das Gewebe bildet jechsedige, durch Verſchling— 
ung der Fäden hervorgebradhte Maſchen u. con— 
ſtruirt ſich aus drei Fädenabtheilungen, von denen 
die eine in geſchlängelten Linien in der Längen— 
richtung des Stüdes läuft, die anderen beiden, die 
eine von rechts, die andere von links, die Yängen- 
fäden im jchräger Richtung fie umſchlingend durch— 
frenzen. Dan verwendet z.B. zweifädig gezwirn- 
tes, in Gasflamme glatt abgefengtes Baumwollen- 
garn u. nimmt zum Einichuß etwas feineres Ge- 
webe als zur Kette. Die Berfertigung des Ge— 
webes auf dem B ⸗ſtuhl unterfcheidet fi vom 
eigentlihen Weben weſentlich dadurch, daß nicht, 
wie bei diefem, durch die getheilte Kette (Sprumg) 
ein Schütze mit dem Schußfaden von einer Sahl- 
feifte zur anderen, aljo iiber die ganze Breite des 
Gewebes geworfen wird, fondern daß jeder Ketten« 
faden auch einen ihm beigehörigen Schußfaden zur 
Seite hat, welcher auf einem dünnen Scheiben 
(Bobbin) gewidelt it. Diejes dreht fi in einer 
feinen Platte (Schlitten, Carriage), gibt dadurch 
den Faden ab u. läßt fich durch die Kette auf Heinen 
bogenförmigen Eiienbahnen (Riegeln) ſchieben. 
Jede der zwei Heihen von Riegeln nennt man 
Kamm. Zu 4000 Kettenfäden (einer Breite von 
5 Ellen Zeug) gehören auch 4000 Spubhlen mit 
Schußfäden, melde die Kettenfäden umjchlingen, 
fih kreuzen u. fomit das Gewebe bilden. Später 
hat man den Petinet- u. Jacquard-Mehanisınus 
mit dem des B. in Verbindung gebracht, wodurd 
es möglich wird, verſchiedene Muſter in den Grund 
zu wirken. Der Beftuhl wird theils durch Hand 
u. Fuß des Arbeiters, theils rotirend durch Danıpf- 
fraft bewegt. Er wurde von einigen Arbeitern 
erfunden, aber erft 1809 von John Heathcoat 
mechanisch ausgebildet. Bon ihm und Anderen, 
Morlay, S.Mart, Turton, allmählich verbefiert, 
erhielt er durch Heathcoat 1818 die drehende Be- 
wegung, u. die Mafchinen konnten nun mit Dampf 
getrieben werden. Die Einrichtung der B + ma- 
ſchinen ift complicirrer, als die jeder anderen tech- 
niihen Maſchine. Gute Mafchinen weben in einer 
Stunde etwa 20 Racks, d. h. eine Yänge von 
240 Duerreihen Mafchen, wenn man die größte 
Schnelligleit anwendet. Da dies aber der rajchen 
Abnugung wegen nicht geichiebt, jo fanır man 74 
Rad (1 m oder bei mirtelbreitem 2 bis 2,, m) 
Gewebe auf die Stunde rechnen. Aus der großen 
Schnelligleit der Fabrifation erltärt fi der billige 
Preis des Stoffes. Die B-manufactur wird vor» 


584 


Bobbio — Boccaccio. 


nehmlich in England, dann auch in Frankreich u. 83) Ein Theil der aufrühreriihen Bendee in der 
Belgien betrieben. Der Verfuch, diefelbe in Sach |franzöfiihen Revolution. 


fen einzuführen, mißlang, da die Fabrikanten mit 
der Maichinenverbeferung in England nicht glei- 
en Schritt halten konnten und der Goncurrenz 
unterlagen, 

Bobbio (Bobium castrum), Stadt im gleich. 
Bezirke der italienischen Provinz Pavia, in einem 
Thal der Apenninen u. an der Trebbia; 4632 
Ew. Das durch Eolumban 612 geftiftete Bene— 
dietiner-Klofter zeichnete fich durch gelehrte Mönde 
aus. Hier wurden u. a. die jet in Mailand bes 
findfichen Palimpfefte, welche die gotbiiche Über: 
fegung der Pauliniſchen Briefe enthalten, aufge- 
funden. Im 3. 1014 (n. 4. 1015) wurde hier 
ein Bisthum geftiftet. 

Bober, 1) 255 km langer Iinfer Nebenfluß der 
Oder in Schleſien; entjpringt auf dem Wiejen- 
gebirge in 743 m Höhe, nimmt die Tſchirna (aus 
Bunzlan), Sprotte, Haden und Queiß auf, fließt 
an den Städten Hirihberg, Bunzlau, Sagan vor- 
bei und minder bei Kroilen; hat einen ungleich 
mäßigen Waflerftand. 2) (Bobra) Edifibarer 
Nebenfluß der Narew in Polen. 

Boberellen, jo v. w. Judenlirſchen; f. unter 
Physalis. 
Boberfeld, Martin Opitz von, ſ. Opitz. 

Bobersberg, Stadt im Kreiſe Kroſſen des 
preuß. Regbez. Frankfurt, am Bober; 1500 Em. 

Böblingen, Stadt im gleihnamigen Oberamte 
des württemberg. Nedartreijes, am Rande des 
—— Schönbuch; gewerbliche Fortbildungsſchule; 

ollenſpinnerei, Wollen-, Baummollen- u. Leinen⸗ 
weberei, Zuder-, Eſſig⸗, chemiſche Yabrif, Yad- 
firniß, Kinderjpielmaaren; 3826 Ew. Bei ®. 12. 
Mai 1525 Sieg der Bündifhen im Banernfriege. 

Böblinger, 1) Hans, wahriceinfich aus Boͤb⸗ 
lingen gebürtig; baute jeit 1440 an der Frauen— 
firhe zu Eßlingen und ftarb daſeldſt 1482, 2) 
Matthäus, Som des Vor., arbeitete jeit 1474 
am Münfter zu Um und wurde 1480 Sirchen- 
meifter; baute feit 1485 zugleich die Katharinen- 
firde zu Eplingen; am Ulmer Münfter führte er 
den Thurm bis zu feiner jetzigen Höhe, mußte 
aber, da derfelbe einzuftürzen drohte, aus Ulm 
fliehen. Er baute dann in Eßlingen feit 1496 
an der Frauenkirche; ftarb daſelbſt 1505. 

Bobrinez, Kreisftabt des ruf. Gouv. Cherſon, 
am Flufje gl. N.; bedeutender Handel mut Vieh, 
Getreide u. Fleiſch; 6560 Em. 

Bobrow, Kreisftadt im ruff. Gouv. Woroneib, 
am rechten Ufer der Bitjuga; Steppenviehzudt; 
Gartenbau; 3140 Em, 

Bobrowitſchka, Wahholderbrantwein; f. Ju- 
niperus. 

Bobrujsk, Kreisftadt des ruff. Gouv. Minsk u. 
ſtarle Feſtung, an der Berefina und Bobrujfa, 
Eijenbahnftation; Gewerbe und Handel, bej. mit 
Getreide u. Holz; 24,681 Ew. B. wurde im den 
Jahren 1810—12 von den Ruſſen befetigt umd 
1812 vergeblih von den Franzoſen belagert. 

Boca (ipan., ital. Bocca), ſo v. w. Mindung, 
Einfahrt, Bufen, ein Ausdrud, der vielen Meer- 
engen u. Fliiſſen beigegeben ift. 


Bocage (jt.), 1) &ebitjch, Gehölz. 2) (M. Geogr.) noch 4 Eremplare 


Bornge, 1) j. Barbie du Bocage. 2) Ma- 
noel Maria Barbofa de B., portugief. Dichter, 
geb. 17. Sept. 1766 in Setubal; wurde Soldat 
u. ging 1785 als Offizier mit den portugiefiichen 
Truppen nad Oftindien; 1790 entlaffen, febrte er 
nad) Liſſabon zurüd, wo er Mitglied des Dichter» 
bundes Segunda Arcadia wurde. Wegen feiner 
Pinmeigung zu den Principien ber franzöftichen 

ebolution wurbe er 1797 verhaftet, aber 1798 
freigelaffen u. als Revifor von Kupferftichproben 
mit ber Verpflichtung angeftellt, gute ausländiſche 
Schriftwerle ins Bortugiefiice zu überfegen. Er ft. 
Dec. 1805 in Liſſabon. Seine Gedichte, Rhyth- 
mas (meift maritime Idyllen, Fabeln, Epigramme, 
Sonette, Gelegenheitsgedichte), erſchienen zuerſt 
riſſabon 1791, 3. Aufl., 1806—14, 5 Bde. Nach 
jeinem Didyternamen Elmano murden feine Rad 
ahmer in dem Streben nad Bolksthümlichkeit El- 
maniftos genannt (j. Bortugiefiihe Literatur); fie 
bildeten den Übergang zu der nationalen Dichter 
ihule Portugals. 3) Paul, franz. Schriftfteller, 
geb. 1824 in Paris; findirte mit Octave Feuillet 
am Collöge Louis le Grand, der fein literariicher 
Mitarbeiter wurde, fehrieb mit ihm feit 1845 meh» 
rere Romane u. Dramen, unter welchen letteren 
La vieillesse de Richelieu (1849) bervorragt, ans» 
dere dramatifche Werke feit 1866 mit Theodore 
Eogniard u. A. Als Redacteur des Monsquetaire 
veröffentlichte er eine große Anzahl Novellen und 
Phantafie-Artifel u. in der Brefje den jechsbändi« 
gen Roman Les Puritains de Paris (1862). An 
mehreren Werken ift feine Autorfhaft ungewiß. 

Borcaceio, Giovanni, der berühmtefte ita- 
lien. Novellendidhter u. herporragender Humanift, 
der natürliche Sohn eines Kaufmännes in Florenz, 
geb. 1313 in Paris; widmete fi in Florenz, 
Paris u, Neapel dem kaufmänniichen Berufe u. 
jtudirte dann die Rechte. Nach dem Tode jeines 
Vaters (1348) lebte er ganz poetiihen Studien, 
ichloß enge Freundſchaft mit Petrarca u, hatte die 
Prinzeffin Maria, natürliche Tochter König Ro- 
berts von Neapel, ſowie die junge Königin Jo— 
banna zu Gönnerinnen,. Erſtere feierte er umter 
dem Namen Fiammetta. Bon Neapel kehrte er ſpäter 
nach Florenz zurüd und wurde zu diplomatiichen 
Sendungen nad Ravenna, 1351 zu Ludwig von 
Brandenburg u. 1353 u. 1354 nad Avignon zum 
Papfte'u, a. verwendet; 1363 bejuchte er auf kurze 
Zeit Neapel u. lebte dann ganz den Studien auf 
jeinem Yandgute zu Gertaldo (namentlich interej- 
firte ihn die Yecrlive der Jliade u, Odyſſee), n. er 
behielt, um fihim Griechischen zu vervolllommnen, 
den Griechen Yeontios Gilatos 3 Fahre lang bei 
fih; außerdem beſchäftigte er fih hauptſächlich mit 
Dantes Divina Commedia u. erhielt 1373 den in 
Florenz neu errichteten Lehrftuhl zur Erklärung 
dieſes Werkes. Er ft. 21. Dec. 1375 in Certaldo. 
B. gilt als Erfinder der belichtejten Stropben« 
form der Ftaliener, der Ottave rime, welche in dem 
romantischen Epo® La Tescide zum erften Maf 
nachweislich begegnet. Sein Hauptwerk ift der 
Decamerone, 1. me 5 Bened. 1471 (wovon nur 

efaunt find), Es iſt eine 


Waldiger Landftrih des franz. Dep. Calvados. Sammlung von 100 Erzählungen, welche an 10 


Boccage — Bocconia. 


985 


Zagen von je 10 Perfonen, Männern u. rauen, Lucca, Schüler von Banucci; ging nach Rom, 
die vor der Peft in Florenz geflohen u. anf einem| Paris u. zulett nach Madrid, wo er am Hofe au- 


Landgute fih zufammengefunden haben, mritge 
theilt werden. Sie find der Mehrzahl nad alt- 
franz. Fabliaux u. den Cento novelle antiche, 
zum Theil aber auch den Zeitereignifien des Dich- 
ters entiehnt u. zum großen Theil höchſt unzüch— 
tigen Inhalles. Bgl. Yandau, Quellen des De- 
camerone, Wien 1870. Eine ÜÜberficht ber großen 
Zahl von Ausgaben und Überſetzungen des De- 
camerone gibt Dibdins Bibliographical Decame- 
rone; beutjche Überſetzungen: von Steinhövel, 1471, 
berausg. v. Keller, Stuttg., Literar. Berein., Tüb. 
1860; Soltau, Berl. 1803; Witte, Lpz. 1859,3. A.; 
Diezelu. ©. Kurz, Stuttg. 1855. Der Decamerone 
ift für die fpäteren Dichter Italiens u. des Aus- 
landes eine der hauptjählichften Quellen erzählen 
der u. dramatifcher Stoffe geworden. Außer ihm 
ſchr. B. noch: Amorosa visione, Gedicht; Il Filo- 
strato; Nimfale Fiesolano; Rime; die Romane: 
ID Filocopo und L’amorosa Fiammetta, deutſch 
von Sophie Brentano; Nimfale d’Ameto, Schä- 
fergedicht; II Corbaccio oder Labirinto d’amore; 
Origine, vita e costumi di Dante Alighieri; 
Commento sopra la commedia di Dante (bis 
zum 17. Gejfang); De genealogia Deorum ; De 
casibus virorum et feminarum illustrium; De 
claris mulieribus; De montium, silvarım ete. 
nominibus; Eelogae u. Epistolae. Seine Werte, 
mit Ausnahme des Decamerone, der Teseide, des 
Filostrato u. der Briefe, Neap. 1723—24, 6 Bbe.; 
Jämmtlihe Werke, herausgeg. von Moutier, Flor. 
1827 fi., 17 Bde. Eine Auswahl in deuticher 
Überjegung von Schaum, Quedlinb, 1936, 6 Bde. 
Lebensbeihreibung von Baldelli, Flor. 1806, welche 
duch die von Ciampi aufgefundenen u. heraus» 
gegebenen eigenhändigen Aufzeihuungen B-8: Mo- 
numenti d'un manoseritto autografo di G. B., 
Florenz 1827, ergänzt wird, 

Bocenge, Marie Anne, geb. le Page, franz. 
Dicterin, geb. 22, Oct. 1710 in Rouen; erft an 
Pierre Joſ. de B. verheirathet, fpäter Gat- 
tin eines Steuereinnehmers in Dieppe; ft. in 
Paris 8. Aug. 1802; fie jehr.: Paradis terrestre, 
Bar. 1748, nah Milton; das Trauerſpiel: Les 
Amazones; das Epos La Colombiade, 1756; 
Voyage en Angleterre, Hollande et Italie, deutich, 
Dresd. 1776; Oeuvres podtiques, yon 1762, 
3 Bde., ins Engliihe, Deutiche, Ftalienifche und 
Spanifche überjegt; Oeuvres politiques, Par. 
1788, 2 Bde. 

Boceäle, ehemaliges Weinmaß, meift in Ober- 
u. Mittel-Ftalien; nah den Städten u. Gegenden 
verschieden von 0,15 —1,, 1. 

Docca - Tigris (im chinefiihen Humen, d. h. 
ZTigerpforte), ein Theil des Mindungsgebietes des 
Si⸗Kiang od. Perlenfluffes, der unterhalb Kanton 
den Namen Tiger erhält, mit vielen kahlen und 
hoben, der Schifffahrt gefährlichen Felſen u. Ei- 
landen. Die Tigermündung wird durch zahlreiche 
Befejtigungsanlagen auf den Inſeln und Felſen 
beherrſcht. 

Bocchereccia poesia (ital.), in der italieniſchen 
Literatur eine Gattung von Gedichten, welche in 
ironifshem Tone die falihe Gelehrſamleit geißeln. 

Bochherini, Luigi, Componift, geb. 1740 zu 


gejehen war u. 1805 ftarb. Er gab als Eomponift 
dem Trio zuerft einen feften Charakter, ſchrieb 
ferner Quartette, Duintette, Sertette, Sympbonien, 
aber auch Duette, Soli und fette für die Kirche 
ein Stabat mater. B. erfreute ſich eines großen 
Rufes, war mit Joſeph Haydn befreundet u. be— 
309 von König Friedrich Wilhelm II. von Preußen 
eine Penfion unter der Bebingung, daß er jährlich 
einige Quartette u. Quintette nach Berlin ſchicke. 
Ein Ouartettverein im Florenz (feit 1856) nennt 
fih B., u. eine Mufilzeitung daſelbſt heißt Il Boc- 
eherini, Brambad.* 

Bocrcheſen, Bezeihnung der Bewohner in ©: 
Dalmatien um Cattaro, befannt durch ihren Hart: 
nädigen Widerftand gegen Einführung des öfterr. 
Landwehrgejetes im J. 1873 (f. Dalmatien). 

Bockhhetta, Paß über die Apenninen, zwiſchen 
Novi u. Genua, 780 m hoch, mit gepflaftertent, 
nur für Maulthiere gangbarem Hohlmwege und 3 
ihn dedenden Redouten vor Genua; fie it der 
Schlüffel dieſer Stadt bei einem Angriffe von NO, 
her und war daher oft Gegenftand des Kampfes; 
jetst führt die Eiſenbahn von Alefjandria nach Ge— 
nua dariiber, 

Bockhus, 1) im 2. Jahrh. v. Chr. Köuig von 
Mauretanien. In dem Kriege der Römer gegen 
feinen Schwiegerjohn, den König Jugurtha von 
Numidien, jpielte er eine zweideutige Rolle: ein- 
mal den Nömern feine Hilfe anbietend, dann mit 
Jugurtha verblindet, endlih von Sulla beredet, 
ud er den Jugurtha 106 unter dem Vorwande, 
den Frieden zwiichen demfelben u, den Römern 
vermitteln zu wollen, zu ſich ein und lieferte ihn 
dem Feinde aus. Zum Lohne wurde jein Meich 
dur Theile Numidiens, ungefähr das heutige 
Algier, vergrößert. 2) B., König von OMaure— 
tanien, von 49 v. Ehr. an genannt, Anhänger 
Cäfars und fpäter des Octavianus, weshalb jein 
Neid) vergrößert wurde. 

Boccöne, Baul, Botaniker, geb. 24. April 1633 
in Palermo, machte viele botanishe Reiſen in 
Europa, wurde nachher großherzoglich toscaniſcher 
Botanifer, ging 1682 in Florenz unter dem Na— 
men Sylvio in ein Ciſtercienſerkloſter u. ftarb 
22, Dec. 1704 in einem Klofter nahe bei Balerıno. 
Er hinterließ viele naturhiſtoriſche und botanifche 
Werfe, worin er mehrere Arten neu aufftellte. 

Bocconla L., nach B. Boccone benannte Bilanzen» 
gatt. aus der Fam. der Bapaveraceen (XIIL.1); der 
Stengel und die gelappten Blätter find grau-grün ; 
Blüthen zahlreich, Hein, in endftändige, zuſammen— 
geſetzte Riſpen geordnet, mit 2 Kelchblättern, ohne 
Blumenblätter, mit vielen Staubblättern, einem 
Fruchtknoten; Frucht eine geftielte, elliptifche, bis zur 
Bafis auffpringende, ein- bis wenigfamige Kapjel. 
Wichtig ift B. frutescens L. (Papageieufraut, 
Schmwalbenbaum), 3—4 m hoher Strand) aus Wejt« 
indienu,.Merico; enthält in den Blättern einengelben 
Iharfen Muchfaft, welcher zur Vertreibung der 
Warzen u. Augenfelle dient; die Wurzel dient zu 
Umfchlägen bei Gefhwüren u. Wunden, im denen 
fi) wildes Fleiſch gebildet; neuerdings ift auch die 
Pflanze in Parkanlagen und Gärten beliebt ge- 
worden, Engler. 


586 


Bodjära, Stadt, fo v. w. Bolhara. 
Bodjari, Abu Abdallah Mohammed, 
eb. 810 in Bolhara; fl. 870 zu Kharganf bei 
Samarland; berühmt durch feine Sammlung von 
Sentenzen Mohammeds, die faft daffelbe Anjehen 
wie der Koran genießt. 

Bocher u. Bocherim (bebr.), fo v. w. Bachur. 

Bochnia, Stadt im gleichnamigen Bezirke des 
Königreichs Galizien (Öfterreich), unweit der Haba, 
öftl. von Krafau, an der Eifenbahbn von da 
nach Lemberg; Kreisamt; Salinenadminiftration; 
Symnafium; mit Podedworze 7480 Ew. Großes 
Steinfalzbergwert, deffen Einfahrt auf dem Martte. 
Daifelbe hat 4 Stodwerle u. gebt bis zu 324 m 
Tiefe; jährliche Förderung etwa 300,000 Etr. im 
Werthe von 13 Mil. M. Das Salzflög wurde 
im 13. Jahrh. duch einen Schufter, der einen 
Brunnen graben ließ, entdedt. B. wurde 1467 
durch Feuersbrunſt vernichtet; 1702 von Karl XIT. 
von Schweden eingenonmen. 

Bocholt, 1) fürftlih Salm⸗Salmiſche Standes- 
berrichaft, zum Theil im Kreiie Borken des preuß. 
Regbz. Münfter; 1266 [_|km (23 [_ IM); 75,000 Ew.; 
2) Stadt an der Aa dafelbit; Refidenz des Fürften; 
Schloß, höhere Bürgerfhule, Synagoge, Armen- 
haus, Wailenhaus; mehrere mechaniſche Baum— 
wollenipinnereien, «Webereien u. »ärbereien, Ger— 
berei; Bleicherei, Eichorien« u. Wattefabrit, Eifen- 
gießerei u. Mafchinenfabrit; 6127 Em. Bei B. 
7179 Sieg Karls des Großen ber die Sadien, 
welcher deren Unterwerfung zur Folge hatte. 

Bodjolt (Bocholt), Franz van B., aus dem 
Herzogtbum Berg, einer der Älteften Kupferftecher; 
lebte in der 2. Hälfte des 15. Jahrh. Bon feinen 
‘Blatten find 838 belannt, darunter: Das Urtheil 
Salomonis; Die Berfuhung des St. Antonius; 
St. Yucas; Sta, Maria; fie find höchſt felten. 

Bodum, 1) Kreis im preuß. Regbez. Arns- 
berg in Weftfalen, zwiſchen Emſcher u. Ruhr, von 
der Köln-Mindener, Bergiih-Märkiichen u, Rheini— 
ſchen Bahn (162, kın, einfchließlich 45 km Neben- 
bahnen) durchzogen, die 1873 einen Perfonenverfehr 
von 3,772,000 Köpfen un. einen Güterverkehr von 
166,873,000 Etr, aufwiejen. Der Kreis B. ift 
einer der induftriellften u. bergmänniſch wichtig- 
fien Kreiie des preußiichen Staates. Ende 1873 
waren 100 Koblengruben in Betrieb, deren För— 
derung nahezu 123 Mill, Ctr. (38 pEt. von der 
Förderung des ganzen Oberbergamtsbezirfes Dort- 
mund) erreichte. Die metallurgiihe Induſtrie 
zählte 16 Werfe (davon 3 combinirte mit Hob- 
Öfen, Walzwert u. Stahlwerl), welche 10 Cofes- 
boböfen, 250 Puddel- u. Schweißöfen, 16 Con— 
verter betrieben und einen Productionswertb von 
etwa 70 Mill. M darftellten. Die Zahl der Ar- 
beiter betrug einschließlich der Bergleute 41,000. 
Außerdem mehrere Fabrilen feuerfefter Steine (23 
Mill. kg Product.) u. 5 Kallbrennereien (300,000 
hl Product.) :c., endlich 47 Bierbrauereien (87,110 
hl Prod.) u. 52 Brennereien (15,581 hl Prod.). 
359,5. ikın (6,5: IM); 148,938 Em. 2) Haupt- 
ftadt dajelbit, an der Bergiſch-Märkiſchen u. der 
Rhein. Eiſenbahn; Gymnaſium, Nectorat-, Pro: 
vinzialgewerbe=, Handwerkerfortbildungs: u. Berg⸗ 
ſchule; Freimaurerloge zu den 3 Roſenknoſpen; 


Bochara 


Gußſtahlfabrikation, namentlich des Ber Vereins Jägers; 


— Bock. 


für Bergbau und Gußſtahlfabrikation, nächſt der 
Kruppſchen die größte Gufftahlfabrif auf dem 
Eontinent; e8 werden beiond. Kanonen, Gloden sc. 
gefertigt (1873 für 21 Mill. M), Drabtzieherei, 
Eifengießereien u. mehrere mechaniſche Werfftätten, 
Fabrifation von Stahl u. Eifenwaaren, Tapeten, 
Dahpappen, Aiphaltröhren, Firnig-, Yad-, Theer- 
u. Harzdeftillation, Dampfmüble, Waſſerwert (1 
Mill. cbm jährlihd. Güterverkehr auf der B.-M. 
Station 1873 19,566,171 Ctr.; (1871) 21,192 
Em.; 1840 etwa 4000; Anf. 1875 über 30,000). 
— Die Gejhichte der Stadt B. reicht weit ins 
Mittelalter zurüd. Ihr Uriprung wird auf einen 
Grafen Cobbo zurüdgefübrt, nah dem der Ort 
Villa Cobbonis u. Cobbonisbuchen bie; no im 
14. Jahrh. kommt der Name Kopfbuchheim ur— 
hındlih vor. Seit 1243 unter der Oberbobeit 
der Grafen v. d. Mark, erbielt fie ihr Privile- 
inm 1321 durd den Grafen Engelbert v. d. 
art. Sie genoß viele Freiheiten und übte fac- 
tiih Gelbjtverwaltung, die jedodh gegen das 18. 
Jahrhundert hin wieder verloren ging. Im Drei— 
Bigjährigen Kriege hatte die Stadt viel zu leiden. 
In B. lebte von 1770—1824 Kortüm (}. d.), der 
bier u. a. die Jobſiade jchrieb u. die Hermetische 
Geſellſchaft ftiftete, Echrost. 
Bock, 1) ein Geſtell, Etwas zu tragen, gemöhn« 
lid; mit einem horizontalen Haupttheil ı. Füßen, 
fo: Rilft-, Eis-, Säge-B., Brand- od. Feuer⸗B. ꝛc. 
2) (Bauf.) Beim Lehrgerüfte das Gerüft, worauf 
der Lehrbogen ruht. 8) (Bergb.) 2 in die Erde 
gegrabene Ballen, oben mit einem Querbolze 
(Bodholm) verbunden, welche die Stege der Feld» 
fünfte tragen. 4) Eine Art Dachſtuhl; ſ. u. Dach. 
5) (Mafchinenm.) Gerüfttheil, der nad unten bin 
an Ausdehnung zunimmt, am Boden feine Stütze 
findet u. meift dazu dient, Lager od. andere Ma— 
jchinentheife zu tragen. 6) Spaniſcher B., eine 
Art der Tortur (f. d.). 7) Polniſcher Bod, ein 
Strafart (ſ. Polniſcher Pod). j 
Bor, 1) (Zool.) das männliche Zuchtthier bet 
Schafen, Ziegen, Kaninchen (bei legteren auch 
Rammler); ebenfo das Männchen von Web, 
Gemje x. Ungarifher B., ſo v. w. Saiga; 
f. Antilope ©. 718. Auch ein Käfer führt den 
Namen B.; |. u. Bodfäfer. 2) (Sittengeid.) Der 
B. (Widder) war bei den Juden Opferthier und 
daher heilig. Dieje Bedeutung ging im der chrift- 
lichen Symbolik verloren; er wurde, im Gegenlage 
zum Schafe, das Sinnbild der Siindhaftigkeit u. 
Verdammniß. Wenn foldhe Bedeutung unzweifel 
baft mit dem beiderfeitigen Weſen diefer Thiere 
im Zufammenbange jteht, jo ift jedenfalls der Ilm« 
ftand nicht ohne Wirkung geweſen, daß der B. im 
Heidenthum eine Rolle jpielte. In Agypten wurde 
dem Ziegenbode göttliche Verehrung zu Theil; auch 
in der griech. Mythologie lommt er mehrfach vor; 
in der nordiihen Mythologie ift er das Zugthier 
vor dem Wagen Donars. Daß er in der chrift- 
lichen Bedeutung in enger Beziehung zum Teufel 
u. zu den Heren fteht, tft jelbftverftändlih. Der 
Teufel hat vom B. jeine Hörner, oft erfcheint er 
auch mit einem Bosfuße (ftatt des Pferdefußes), 
der auch fein Siegel ift. Beim Herenjabbath feblt 
nie der B.; er iſt ein Begleiter des Wilden 
Kobolde nehmen oft B⸗sgeſtalt an; 


Bock. 
mediciniſchen Wiſſenſchaft ih damals geltend mach⸗ 


eine Bahexe erſcheint als Alp; B⸗sblut gilt als 
Heilmittel gegen Epilepſie ꝛc. Viele aberglaͤubiſche 


587 


ten, kämpfte namentlich für die Einführung der 


BVorftellungen kuüpfen fi außerdem an den B. phyſikaliſchen Diagnoftit, in welcher er Weltruf 
Bol. Henne-Am Rhyn, Die deutſche Vollsſage, hatte, u. fette auch Oppolzers Berufung nad) 


1874. 2) Schroot. 


leipzig dur. B. ftrebte vor Allem danach, „wer 


Leipz. 

Bot, 1) Hieronymus (Tragus), Arzt und nigſtens als Lehrer, aber nicht bloß den Studi» 
namhafter Botaniker, geb. 1498 in Heydesbach renden, fondern aud den Laien durch Wort und 
(Unterpfalz); ftudirte auf mehreren Univerfitäten) Schrift nützlich zu fein, da in ihm die Ülberzeug- 


Philofophie, Theologie, Medicin, interefjirte fich 
namentlich für botaniſche Studien, wurde Schul« 
lehrer in Zweibrüden u. Auffeher des herzogl. 
Gartens, ging nad feinem lÜbertritte zur lutheri— 
ſchen Gonfeffion als Paftor u, Arzt nach Hornbach, 
mußte imdeß wieder flüchten, ging nach Zwei— 
brüden, wurde Feibarzt des Grafen v. Naffau n. 
fehrte jpäter nach Hornbach zurüd, wo er 1554 
farb. Er machte weitere Sammelreifen u. fing 
an, die Pflanzen wiffenschaftlich zu ordnen. Bon 
ihm ein: New Kräuterbuch vom Unterſcheide, 
Wirkung u. Namen der Kräuter, fo in Deutſchland 
wachſen, Straßb. 1539, 12. Aufl., 1630. Die 
vielen Auflagen SHezeugen den Werth, den man 
diefem Buche beilegte; die befte Ausgabe ift die 
von 1595. Die beigegebenen Abbildungen erichie- 
nenauch für fi: Vivae atque ad vivum expres- 
sae imagines omniaum herbarum in H. Bock 
herbario depietarım, 2) Aug. Karl, geb. 25. 
März 1782 in Magdeburg; wurde 1814 Pro» 
fector des Anatomiſchen Theaters in Leipzig; 
fl. 30. Jan. 1833. Er ſchr.: Beichr. des 5. Ner- 
venpaares, Meißen 1817, Fol.; Nachtrag dazu, 
ebd. 1821; Tabellar. Überfiht der Anatomie, 
Lpz. 1817; Darftellung der Venen, ebd. 1823; 
Darftellumg der weibl. Geburtsorgane, ebd. 1825; 
Darftellung des Gchirnes, Nüdenmarles und der 
Sinneswerfzeuge, ebd. 1824; Darftellung der 
Organe der Reſpiration, des Kreislaufes des 
Blutes, der Verdauung, des Harnes u. der Fort 
pflanzung, ebd. 1825; Handbuch der praft. Ana» 
tomie, Meißen 1819—22, 2 Bde., 2. A., 1831; 
Nachtrag: Über gerichtliche Sectionen, ebd. 1831; 
Katehismus der praktifchen Anatomie, 1826; Der 
menihlihe Körper nad feinem äußeren Umfange, 
1823; Die Rüdenmarksnerven, Lpz. 1827, Fol., 
lat. von Hänel, ebd. 1828; Darſt. der Saug- 
adern, ebd. 1828; Der Profecter, Lpz. 1829; 
Tabulae chirurgico-anatomicae, ebd. 1833, Fol. 
(unvollendet). 3) Karl Ernit, berühmter Arzt 
u. medicin. Schriftfteller, Sohn des Borigen, 
geb. 21. Febr. 1809 in Leipzig; ſindirte dafelbft 
von 1827—30 Medicin u. ging 1831 nach Aus» 
bruch der polnischen evolution nah Warſchau, 
wo er in einem der größten Hofpitäler als Stab$- 
arzt angeftellt wurde u. auch nach Übergabe der 
Stadt an die Ruffen in diefer Stellung noch einige 
Zeit verblieb, Am Ende des Jahres 1831 kehrte 
er nad) Leipzig zurüd, habilitirte fi als Privat» 
docent u. ließ fich als praftiicher Arzt nieder. 
Nah dem frübzeitigen Tode feines Baters mußte 
er 24 Jahre alt die Sorge für Mutter u. Ge— 
jhwifter übernehmen, eine Sorge, die ihn von 
ftreng wiſſenſchaftlichen Arbeiten abbielt u. zum 
Broderwerbe drängte. 1839 erhielt er eine Pro— 
feffur fir Mebicin u. Chirurgie, 1847 die der 
pathologiihen Anatomie, Mit Eifer widmete er 


ung feftwurzelte, daß Krankheiten in der Zukunft 
auch nicht befjer als jet und am allerwenigften 
durch Arzmeimittel geheilt, wol aber recht gut durch 
eine maturgemäße Lebensweife verhütet werden 
fönnen u. daß durch Belehrung des Bolfes über 
die Natur u. den menjchlichen Körper ein ver» 
ftändigeres, willensträftigeres, weniger abergläubi« 
ſches, moralifch befferes u. gejunderes, kurz ein 
glücklicheres Menſchengeſchlecht als das jegige here 
angezogen werden könne“. Sein innerer Trieb, 
gegen Borurtbeil u. Aberglauben, gegen das Uns 
weien der Gebheimmittel x. anzulänpfen, fand in 
der Gartenfaube einen genügenden Zummelplag. 
Hier hat er muthvoll w. treu feiner Überzeugung 
einen vüdfichtslofen Kampf geführt u, vor Allem 
betont, daß der Schwerpunft aller ärztlichen Thä- 
tigfeit in das Beftreben gelegt werden müſſe, 
dur geeiguete Maßregeln die Eutftehung der 
Krankheiten möglichft zu verbüten; diefe Anſchau— 
ungen find hauptfächlich im Buche vom gefunden 
u, franlen Menſchen (Ypz. 1854, 10. Aufl. 1875) 
niedergelegt. Bon feinen populären Schriften find 
ferner zu erwähnen: DieHomöopathie, daf. 1853; 
Der Bollsgeiundheitsiehrer, dai. 1865, der jechs 
Auflagen erlebte; denen die ftreng mediciniſchen 
anzufchpließen find: Handbuch der Anatomie des 
Menſchen, daf. 1840, 6. Aufl., daf. 1871; Ana— 
tomiſches Taſchenbuch, daf. 1839; Handatlas der 
Anatomie, daſ. 1840; Gerichtliche Sectionen, daj. 
1843; Lehrbuch der pathol, Anatomie u. Diagnoftik 
u. der Atlas der patholog. Anatomie, daf. 1855. 
Weiter hat fih B. dadurch fehr verdient gemadht, 
daß er die Geſundheitslehre als Yehrgegenftand in 
die Volksſchule einführte. Er ſchr. hierzu: Baur, 
Leben u. Pflege des menfclichen Körpers, Lpz. 
1868, 9. Aufl., 1874, das in vielen Schulen Ein- 
gang fand. Ein anderes Schriften: Die Pflege 
des Schullindes, vertbeilte ev in vielen tauſend 
Eremplaren umentgeltlih an Deutichlands Lehrer. 
Berühmt find feine plaftifchen, naturgetreuen u. 
äußerft billigen Lehrmittel zum anthropologiſcheu 
Unterridhte, die er aus Gips durch die Gebr, 
Steger in Leipzig anfertigen ließ. Diejelben foll- 
ten ın feiner Schule fehlen. Leipzig verdankt ihm 
noch die Einführung des Turnens. In den legten 
Jahren Fränfelte er infolge früherer Yırıgenleiden 
u. fegte 1873 feine Profeffur nieder. Er itarb 
19. Febr. 1874 in Wiesbaden, bis zum letzten 
Augenblide fich feine geiftige Kraft wahrend. Im 
hitzigen Kampfe zuweilen heftig und ſchroff, war 
er ein von echter Wahrheitd- und Menſchen— 
liebe durchdrungener Charakter, der auf idealen 
Grundſätzen ftehend mit den Waffen der modernen 
Naturwiſſenſchaft den Spiritualisinus unerbittlich 
u. mit Freimuth befämpfte u. in der tüchtigen 
BVBollserziehung u. Bollsaufllärumg das höchſte 
Ziel ſah. Sein volles Mannesitreben ging nad 


fih den reformatorischen Beftrebungen, die in der Erkenntniß, Humanität u. Wahrheit. Vgl. Garten- 


588 Bockau — 


laube 1874, ©. 479. 4) Cornelius Peter, 
Kımftichriftfteller, geb. 8. Juni 1804 in Aachen; 
ftudirte in Bonn u. Heidelberg Philofophie und 
Philologie n. lebte dann drei Jahre in Italien; 
nad jewer Rücklehr war er kurze Zeit Profeffor 
in Marburg, worauf er in Aachen u. Brüffel 
privatifirte u. an letzterem Orte 1846 Mitglied 
der Königlichen Alademie wurde; ſpäter lebte er 
in Stuttgart u. zuletst im Freiburg i. B., wo er 
Brofefjor an der Univerfität war u, 18, Dt. 
1870 ſtarb. Die Ergebniffe feiner antiquarifchen, 
kunſtgeſchichtlichen u, literaturhiſtoriſchen Zorihun- 
gen hat er zumeift in den Schriften gelehrter Ge- 
jelljchaften niedergelegt. Er gab auch noch unedirte 
Fragmente des Boethius (1856) heraus u. ſchrieb 
unter dem Pſeudonyin Chriſtodor Gedichte in 
Mufenalmanaden u. Zeitichriften, 5) Franz, 
Schrijtfteller im Gebiete der kirchl. Wlterthums: 
funde u. Kunftgefhichte, geb. 1823 zu Burtſcheid; 
ftudirte in Bonn Theologie u. Geſchichte der chrift- 
lichen Kunft; ward 1850 Priefter, dann Canonicus 
in Aachen, veranftaltete 1852 im Krefeld die erfte 
Ausftellung von alten Werfen der hriftlihen Kunft, 
gründeteein Inſtitut für Anfertigung kirchlicher Stoffe 
nach mittelalterlihen Muftern, bereifte Deutichland, 

rankreich, Jtalien u. England zum Ywede des 
Studiums der mittelalterlihen Paramentil und 
Toreutit, gründete 1857 das erzbifhöfl. Mufeum 
in Köln, den Diöcefantunftverein dafelbft, Mufter- 
ſchulen für Anfertigung kirchl. Stidereien in Köln 
u. Aachen, Krefeld u. Kempen, bereifte 1861 
Stalien noch einmal, ging dann nah Rumänien 
u. ward für feine Thätigleit vielfach ausgezeichnet. 
Werle: Gefchichte der liturgischen Gewänder, Bonn 
1859—66; das heil. Köln, Leipzig 1859—61; 
Die Mufterzeichner des Mittelalters, Leipzig 1859 
bis 1861; Der faroling. Münfter zu Wachen, 
Bonn 1859; Der Reliqulenſchatz des Liebfrauen— 
Minfters zu Aachen, daf, 1860; Der Kronleuchter 
Friedrich Barbarofias im Miünfter zu Nacen, 
Yp3. 1863; Die Kleinodien des Heil. Röm. Reiches 
deutfcher Nation nebft den Kroninfignien Böhmens, 
Ungarns u. der Yombardei, Wien u. Lpz. 1864; 
Karls des Gr. Pfalzlapelle zu Aachen, daf. 1864; 
Geſchichte der liturg. Gefäße und Geräthe des 
Mittelalters, Lpz. 1864; Album  mittelalterlicher 
Ornamentftiderei, Lp3. 1866; Das monumentale 
Rheinland, Lpz. 1866. 

1) Thamhayn. 3) Thamhahn u. Etötner, 5) Regnet. 

Bockau, Bergfleden im Gerichtsamte Schwar- 
zenberg des Löniglich ſächſiſchen Regbez. Zwidan, 
an der Mulde u. der Chemnitz-Adorfer Bahn; 
Bergbau, Arzueifräuterbau; Stiderei, Handſchuh⸗ 
macherei, Korbflechterei, Olitätenbereitung, Bitriol« 
brennerei;z 1854 Ew.; in der Nähe Silber u, 
Kobalt- u. Schmirgelbrud). 

Bockbier (Bol), ein vorzüglich in Bayern im 
März gebrantes Bier mit Y/,—!/, mehr Malz- 
zufag als das gewöhnliche Bayerische Bier (bei 
100 Theilen T—8 Theile Malzertract); es wird 
bei. gut in Minden gebraut, Das B. war ſchon 
im 16. Jahrb. in Bayern befaunt; urſprünglich 
war es aus Eimbed in Hannover dorthin gelom- 
men u. wurde daher zuerjt Aimbodbier, jpäter ab» 
Bet B. genannt. 

Bödel (Bodelius), 1) Zoh., Mediciner, geb. 


Bodenheim. 


1. Nov. 1585 in Antwerpen; prafticirte erft im 

amburg, wurde 1575 Profeffor der Medicin im 
2 lehrte aber 1592 nad Hamburg zurüd, 
wo er 21. Mai 1605 ftarb. Er ſchr.: Synopsis 
novi morbi, quem plerique catarrhum febrilem 
vocant, Helmft. 1680; Anatome, ebd. 1585, n. 
Aufl., 1588; De philtris, Hamb. 1599, 1614; 
De peste Hamburgensi anno 1565, Straßb. 
1565 u. m. 2) Ernft Gottfried Adolf, Theo» 
fog, geb. 1. April 1783 in Danzig; wurde 1804 
Lehrer an der deuifchereformirten Schule u. 1805 
am Fridericianum im Königsberg, 1808 Prediger 
in Borchersdorf, 1809 Paſtor in Danzig, 18520 
Profeffor der Theologie in Greifswald, 1826 
Hauptpaftor an der Jalobslirche in Hamburg, 
1833 an der Ansgariilirche zu Bremen u. 1836 
Generaljuperintendent, Oberhojprediger u. Gehei— 
mer Kirchenrath in Oldenburg; wurde 1852 in 
Aubeftand verfegt u. ft. 5. Jan. 1854, Cr ſchr.: 
Hofeas, überjegt und exrllärt, Königsb. 1807; 
Religionsvorträge bei beionderen Gelegenheiten, 
Berl, 1816; Nova elavis in graecos interpretes 
vet. testamenti seriptoresque apocryph., Lpz. 
1820; Feitpredigten, Berl. 1822; Epijtelpredigten, 
Halle 1823; Predigtentwirfe iiber die Epifteln u. 
Evangelien, Greifsw. 1824 f.. 2 Bde., neue Folge, 
Hamb. 1827—33, 7 Bde.; Predigten zum Theil 
bei bejonderen Beranlafjungen, Hamb. 1828—51, 
3 Bder; Audachtsbuch für denkende Chriften, 
Hanıb, 1833; Baffionspredigten, Hamb. 1829 —37, 
6 Bde., 2. Ausg., Hamb. 1835—40; Biblische 
Zittengemälbe, Bremen 1835 f., 2 Bde.; Das 
Yeben Fein, ein Erbauungsbuch, Berl. 1838 —0, 
2 Bde. Er gab aud die Zeitihrift Frenifon (für 
die Union) 1822 f., 2 Bde, u. eine beutiche 
Ausgabe der reformirt-fymboliihen Schrifien, Lpz. 
1849, beraus, u 

Boden, 1) die Äußerung des Geſchlechtstriebes 
bei weiblichen Schafen u. Ziegen, welde ſich in 
Zwiſchenräumen von 2—3 Wochen bis zur er- 
folgten Befruchtung wiederholt u. bei gefunden 
Thieren etwa 6—8 Wochen nach der Geburt des 
Jungen gewöhnli wieder eintritt. 2) Eine 
böje Angewohnheit der Pferde, bei welcher diejel- 
ben wiederholt fi abwechſelnd heben u. binten- 
ausfchlagen, den Rüden krümmen u. Kopf u. Hals 
fteif nah unten fireden, wobei der Reiter ſehr 
häufig abgeworfen wird. Iſt dies einem Pferde 
einmal gelungen, jo wiederholt es den Verſuch 
fehr gern, u. diefe Unart ift demfelben nur jehr 
ſchwer u. durch vorfichtige Behandlung wieder 
abzugewöhnen. Die Ejel verſuchen ebenfalls ſich 
durch B. ihres Weiters zu eutledigen, u. faft 
durhgängig mit Erfolg, weil e8 dem Neiter viel 
ſchwerer fällt, fih auf einem Eſel, als auf einem 
Pferde zu halten. 

Bodenem, Stadt u. Amtsfig im Kreife Lies 
benburg der preuß. Yanddroftei Hildesheim; 1860 
Em.; bier am 9, April 1847 große Feuersbrunſt. 

Bockenheim, früher Dorf, feit 1819 Stadt 
im Amte gleihen Namens, im Kreife Hanau des 
preuß. Regbez. Kaflel, 2 km von Franffurt a. M., 
mit dem e8 durch die Main-Weſerbahn u, eine 
Pferdeeiſenbahn verbunden iſt; neue Cavalerie- 
faferne; Fabrilen in Eiſenbahnwagen (450 Ar- 
beiter), Nähmaschinen, Pianos, Bortefeuilles, Tabak 


Bödh — 


Bockkäfer. 589 


u. Cigarren, Bijouterie, Bronze- u, Blehwaaren, bat in feinem Leben viele Anerlennung gefunden; 


Hüten, Möbeln, Schriftgießerei, Branntweinbrens 
nerei; Steinbrüche; Viehmärkte; ſchöne Yandfite; 
Hauptvergnügungsort der Frankfurter; 1871: 
8483, 1875: etwa 11,000 Ew. 

Böckh, 1) Chriſtian Friedrid v. B. bad. 
Finanzminiſter, geb. 13. Aug. 1777 in Karlsruhe; 
wurde 1803 Gecretär bei der Befitergreifungs- 
commiffion u. Hofratbsaffeffor, 1807 Kamnterrath 
in Mannheim, 1810 Finanzrath in Karlsruhe, 1815 
Geheimer Referendar, 1820 Director der Oberrech⸗ 
nungslammer, 1821 wirflider Staatsrathb und 
Director des Finanzminifteriums, u. nachdem er 
1825 geabelt worden, 1828 Finanzminiſter, als 
dererdenStaatshaushalt im Großherzogth. Baden 
ordnete u. fehr thätig bei dem Anſchluß Badeus 
an den Zollverband war; 1844 wurde er Mini- 
fterpräfident, zog fi} aber jchon 1846 von den 
Geſchäften zurüd n. ft. 21. Dec. 1855 zu Karls— 
rube. 2) Yuguft, Bruder des Bor., berühmter 
Philolog, geb. 24. Nov. 1785 in Karlsruhe; ſtu⸗ 
dirte ſeit 1808 in Halle, wo er durch F. A. Wolf 
zum Stubium der Alterthumswiſſenſchaft .. 
wurde, ging 1806 nad Berlin, um eine Stelle 
am Seminar für gelehrte Schulen einzunehmen, 
febrte aber bald darauf nah Baden zurüd und 
wurde jchon 1807 auferordentlicher, 1809 ordent- 
liher Profeffor der Philologie in Heidelberg. Im 
Jahre 1810 wurde er als Profeffor der Beredt- 
ſamkeit u. alten Literatur nach Berlin berufen u. 
wirfte hier zugleich als Director des philologischen 
u. feit 1820 des pädagogischen Seminars jegens- 
reich bis zu feinem Tode, 3. Aug. 1867. Er er 
warb ſich großes Berbienft um die Alterthums— 
wiſſenſchaften durch feine Specialforfchungen auf 
dem jprachlichen u. biftorifchen Gebiete. Er ging 
dabei von der Aufiht aus, daß die eigentliche 
Philologie nit Zweck, fondern nur Mittel fei 
zum Berftändniffe der ftaatlihen u. focialen Ber- 
bäftniffe u. der übrigen Eulturmomente des Alter- 
thums. Außer vielen zerjtreuten Abhandlungen 
jhrieb er: In Platonis Minoem eiusdemque 
libros priores de legibus, Halle 1806; Graecae 
tragoediae principum num ea, quae supersunt, 

enuina sint, Heidelb. 1808; Über die Versmaße 
Bindars, Berl. 1809; Die Staatshanshaltung der 
Atrhener, Berl. 1817, 2 Bde., 2. Aufl., 1851, 
engl. von Lewis, Lond. 1828, franz. von Laligant, 
Par. 1828; Philolaos des Pythagoreers Yehren, 
ebd. 1819; Metrologifche Unterſ. über Gewichte zc. 
des Alterthums, Berl. 1838; Urkunden über das 
Seeweſen des attiihen Staates, Berl. 1840; Uber 


das Verhältniß der Wiffenfchaft zum Leben, Berl. 


1845; Manetho u. die Hundsfternperiode, ebd. 


er wurde 1830 zum Geh. Reg.-Rathe ernannt, 
zum Mitgliede der meiſten deutfchen u. europäiſchen 
Akademien erwählt. Bgl. Unfere Zeit 1868, 
3) Richard, namhafter Statiftifer, Sohn d. Vor., 
eb. 24. März 1824 in Berlin; ftudirte in feiner 
aterftadt u. in Heidelberg bie Rechte u. Staats» 
wiffenjchaften u. trat dann in den Staatsdienft; 
er fand feit 1852 einige Jahre Berwendung im 
Statiftiichen Bureau zu Berlin u. arbeitete darauf 
bei der Regierung in Potsdam u. dem Ober- 
präfidium der Prov. Brandenburg; 1861 erhielt 
er wieder Anftellung beim Statiftifchen Bureau u, 
wurde 1864 Negierungsrath u, in der Folge Lehrer 
der Bevölferungsitatiftif am Statiftischen Seminar. 
1875 wurde er an Schwabes Stelle Director des 
Statiftiichen Bnreaus der Stadt Berlin. Er ſchr., 
außer gehaltreihen Auffägen in der Zeitihrift für 
Erdkunde, im Arbeiterfreund, in der Zeitfchrift für 
Völkerpſychologie, beſ. Ortfchafteftatiftif u. hiftoriich- 
geographijc-nasinijce Überficht des Regierungsbez. 
Potsdam, Berl. 18615 Geſchichtliche Entwidelung 
der amtlichen Statiftif des preußiſchen Staates, 
ebd. 1863; Der Deutichen Volfszahl n. Sprachge- 
biet, ebd. 1869; auch entwarf er die Spradlarte 
vom preuß. Staate, ebd, 1864. 2) Brambadı.* 
Böding, Ednard, Nechtsgelehrter, geb. 20. 
Mai 1802 in Trarbach; ftudirte feit 1818 im 
Heidelberg, Bonn u. Berlin; wurde 1826 Privat- 
docent der Rechte in Berlin, 1829 auferordent- 
licher, 1835 ordentlicher Profeffor in Bonn; ft. 
3. Mai 1870. Er widmete fi) vorzugsmweife der 
Erforfchung römischer Rechtsquellen u. ift einer der 
erften Vertreter der hiſtoriſchen Rechtsſchule. Er gab 
heraus: des Aufonius Mosella fat. u. deutich, Berl. 
1828, m. A., 1845, mit Benant. Fortunatus; mit 
Klenze Gaji et Justiniani institutiones, ebd. 1829; 
den Brachylogus, Bonn 1829; Maeciani assis dis- 
tributio u, Balbi mensoris de asse lib., ebd, 1831; 
das 3. Bud) des Dofitheus Mag., ebd. 1832; Gaji 
institut. lib, II et fragm. Papiniani ex leg. 
rom. Visig., ebd. 1834; Ulpiani fragm., 1851, 
4.4. 1855; Gaji institut., ebd. 1837, 4. A., 
1855; die Notitia dignitatum utriusque imperii, 
ebd. 1839—50, 2 Be; U. W. v. Schlegels 
Werke, 1845 ff., 12 Bde.; die Epistolae obsen- 
rorum virorum, Lpz. 1858; Huttens Werfe, ebd, 
1859 —62, 5 Bde., dazu Zupplemente 1864— 70, 
2 Bde. Er ſchr.: Über das Inſtitutionenſyſtem 
des Gajus, ebd. 1841; Inſtitutionen des Röm. 
Civilrechtes, ebd,, 2. A. 1862; Grundriß der Pan— 
deften, 5. A. 1861; Röm. Privatrecht, Bonn u. 
1843—52, 2 Bde., 2. A., 1862, 
orfäfer (Longicornia, Cerambycidae), Käfer- 


1845; Über Friedrichs d. Gr. claff. Studien, ebd. |fanriiie aus der Gruppe der Berborgenfünfgliede- 
1846; Unterfuchungen iiber das tosmifhe Syſtem rigen (BViergliederigen); ihr Körper ift langge« 
des Platon, ebd. 1852, Er gab heraus diejftredt; ihr Kopf vorgezogen, mit langen, fadenför- 
Dialogi IV des Sofratiferd Simon, Heidelb. 1810; migen, gelägten oder gefänmten, elfgliederigen 
den Pindaros, Lpz. 1811—22, Handausg., 1817, | Fühlern verfehen; Schienen mit Gnddörnen. 
2, Ausg., 1825; Sophokles' Antigene mit Über- | Männden u. Weibchen find oft jehr verfchieden 
ſetzung, Berl. 1843; im Auftrage der Berliner|geftaltet, nit mur, daß bei erfteren die Fühler 
Atademie Corpus insceriptionum graecarum, oft außerordentlich verlängert erjcheinen, nicht jel« 
1824—59, 3 Bde. (fortgejegt von Joh. Franz u. ten gejägt, gewedelt oder gefämmt, auch die Ober- 
Kirchhoff). Seine atademiſchen Reden, Schriften, kiefer meiſt bedeutend länger find, ift oft die ganze 
Krititen find herausgegeben von Aicherfon, Bratu- |Körperform, felbft die Färbung verſchieden. Mau 
ſchel u. Eihholg in 7 Bon., Lpz. 1858— 72. DB, leunt an 7600 Arten, von denen die größten u. 


590 Bodlamm — 
farbenpräcdtigiten mwärmeren Gegenden angehören. 
Während die Icbhaft gefärbten Tagetbiere find u. 
fi gern fonnen, verlafien die meiſien der düfter 
gefärbten erjt in der Dämmerung die Höhlen, 
welche, von den Yarven bewohnt, auch ihnen als 
Zufluchtsort dienen. Durch Reiben des Randes 
der Borderbruft über die auergeriefte Oberfläche 
der Mittelbruft fönnen die meiiten Arten ein zir- 
pendes Geräuſch, das ſogenannte Geigen, bervor- 
rufen. Manche werden durch Zerftören von Holz 
ſchädlich, namentlid gilt Pics von den madenjör« 
migen, langgeftredten, gelblih-weißen, durch ge- 
ringe Entwidelnng der Beine aufjallenden Yarven, 
welche ausfchließtih Pflanzenfrejier find u. fich der 
Mehrzahl nach von Holz, feltener von Wurzeln oder 
Krautftengeln ernähen. Bon den deutichen Arten 
find die wichtigsten: Der große Eihenbodfäfer, 
Spiefbod, Gerberbod (Cerambyx Heros 
L), 4'/, em lang, dunfel gefärbt; ift auf alte, 
ftarte Eichen angemiejen, deren Holz die Larven 
nach allen Richtungen durchnagen. Der Moſchus— 
oder Bifambod (Aromia moschata L.), 2—3 
em lang, metalliih grün; riecht bereit$ auf meh- 
rere Schritt ftarf nad Moichus; feine Larve durch— 
fegt das Holz ftärterer Weiden, namentlich von 
Kopfweiden. Der Ahornbock (Callidium in- 
subricum Germ.), 2'/, bi$ 3 cm and ſchwarz, 
mit tief metalliſch grünen Decken; wird dem Ahorn 
ſehr geſährlich. Die Larve des Weberbockes 
(Lamia textor L.) zernagt das Weidenholz, 
namentlih in der Mitte der Stämme; bie des 
ihönen Zimmerbodes (Astynomus aedilis L.) 
ift Dagegen unſchädlich; bei diefem nur 12—17 mm 
langen Käfer find die Fühler des Männchens oft 
mebr als 5mal fo lang wie der Körper, die des 
Weibchens dagegen höchſtens 2mal fo lang. Der 
Große Pappelbod (Saperda Carcharias L.), 
21/7, bis 3 cm lang, gelblich; ift ein fehr gefähr- 
licher Feind der Pappeln. Der Ajpenbod (S. 
populnea L.), 10 bis 12 mm lang, grünlidh- bis 
gelblid)-grün; wird den Aſpen verderblih. Der 
Schrotbod (Rhagium mordax F\), 18—22 mm 
lang, odergelb, filzig, ſchwarz geiprenfelt; lebt umter 
Eichenrinde, meift an feucht liegenden Stämmen. 
Zu dieſen gejelen fih noch die minder fchädlichen 
Sägebodfäfer (Prionus Groff.), Widderböde 
(Clytus F\), Erdböde (Lamia F\), Kragen. 
böde (Saperda F\.), Schmalböde (Leptura 
F') un. a. Thome. 

Bocklamm, ein unverſchnittenes männliches 
Lamm; ein verſchnittenes heißt Hammellamm. 

Bocklet (Bodelt), Dorf im Bezirfsamte Kiffin- 
gen des bayerischen Regbez. Unterfranfen, an der 
Saale; 362 Ew. Ju der Nähe 1727 entdedter 
ſaliniſcher Eifenfäuerling, der für fich, in Berbind- 
ung mit u. nah dem Kiſſinger Waſſer gegen 
Bleichſucht, Schleimflitfie, Lähmungen zc. gebraucht 
wird, mit guten Badeanftalten u. ſchönem Kurbaufe, 
Es gibt 4 Quellen: die Ludwigs, Karls-, Fried- 
richs u. Schmefelquelle ; Ietsteve enthält nur eine 
Spur von Schwejelwafjerftofigas u. riecht nicht 
nah Schwefel. Seit 1787 iſt auch ein kräftiges 
Stahlbad angelegt, jowie man auch Gas-, Douche- 
u. Schlammbäder daſelbſt finde, Rubach, das 
Stablbad B., Wiürzb. 1867. 

Böklin, Arnold, Hiftorien- u. Landſchafts— 


Bockspeterſilie. 


maler, geb. 1827 in Baſel; ſtudirte unter Schirmer 
in Düſſeldorf, dann in München u. Rom, ward 
1860 Profeſſor an der Kunftichule in Weimar, 
legte aber fein Amt bald nieder, fehrte mad 
München zurüd u. lebt ſeitdem abwechſelnd da, 
in Baſel u. Italien. Hochpoetiſch, genial angelegı, 
iſt er auch mit ungewöhnlich entwideltem colorı- 
ftiihern Sinne begabt, aber nicht frei von ercen- 
triſchem Weſen, das nicht bloß in der Farbe, ſon— 
dern auch in der Eonception zu Tage tritt und 
vielfadh verlegt. Zumächft widmete fih B. der 
Landichaftsmalerei, Doch wurden die Figuren bald 
vorwiegend. Hauptwerke; Villa am Meere mit 
Corſaren; Faun im Schilf; Nubende Venus; Pan 
u. Hirte; Antazonenjagd; Sich geigelnder Anachoret; 
Wandgemälde im Muſeum zu Bajel; Fresfen in 
der Villa Saratin dafelbft: Götter Griechenlands, 
zu Schillers Gedicht; Pietd ; Selbftporträt; Ken- 
tauren«Kampf. Regnet. 

Bodold (Bodel, Bodelion), Joh., geb. um 
1510 im Haag; ließ ſich als Schneider in Leyden 
nieder (daber Arne von Leyden), wo er auch 
eine Schenfe unterhielt u. als Theaterdichter und 
Schaufpieler auftrat; feit 1533 befannte er fi 
zu den Wiedertäufern u. ging 1584 nah Münfter, 
wohin diefe Secte ſich geflüchtet hatte u. wo fich 
B. nad Matthiefens Tode zu Oftern 1534 zum 
Propheten der Secte aufwarf m. endlich als König 
von Zion ausrufen Tieß; ſ. Münſter. Nachdem 
Miünfter 1535 von dem Bifchof eingenommen 
worden war, wurde B. am 23. Januar 1536 
dort hingerichtet. Er ift der Gegenftand von 
Meyerbeers Oper: Der Prophet. 

Dodsbart, j. Tragopogon. 

Bodäbeere, jo v. w. Rubus caesius Z. 

Bodsbentel, kurze, breite, kurzhalſige Wein- 
flafche, auf welche gemöhnlid Steinwein (f. d.) 
abge en wird. 

ockichnitt, eine Erziehungsart des Wein. 
ftodes in den Weinbergen, wobei die niedrig über 
dem Boden gehaltenen Rebeü ohne Pfahl fegel- 
fürmig zufammengebunden u, theilweife nahe über 
dem Boden feitwärts geleitet werden; wird nas 
mentlich beim Rießling auf fruchtbarem Boden in 
heißen Yagen als fehr zweckmäßig empfohlen. 

Bodsdorn, ſ. Lycium. 

Bockshorn (blauer Gänsfüher oder großer 
blauer Ungar), eine mittelfrühe, ſehr großfrüchtige 
und eintwäglihe Traubenart, melde fi vor 
allen anderen Durch ihren außerordentlich kräftigen 
Wuchs auszeichnet u. deshalb ganz bejonders zur 
Belleidung von großen Wandflächen fur. Lauben- 
gängen geeignet ift. 

Bodshornbaum, fo v. w. Johannisbrodbaum 
(Ceratonia Siliqua L.). 

Bodshornflee, jo v. mw. Trigonella Foenum 
graecum L 

Bodsfnie, ein gebogenes, vorwärts gefrümm- 
tes Knie, Fehler des Prerdes. 

Bockskraut, Pflanze, it 1) Hypericum hirei- 
num L.; 2) Chenopodium vulvaria L.; 8) Sal- 
sola tragus L. 

Bodsmelde, jo v. mw. Chenopodium rul- 
varia L. 

Bordspeterjilie, jo dv. w. Pimpinella saxi- 
fraga L. 


Bodum» Dolffis — Bode. 591 


Bodum-Dolffs, Florenz Heinrich Gott-|furrection vom 1604—1606, geb. 1555, mütter⸗ 
fried v., preuß. Staatsmann, geb. 19. Febr. |liher Oheim des Fürſten Siegmund Bathory von 
1802 in Weſtfalen; ftudirte in Heidelberg u. Berlin | Siebenbürgen. Als „Feitungscommandant von 
"die Rechte u. Cameralia, wurde dann Referendar | Großwardein im VBerdachte eines Einperftändifies 
in Goeft u. bei der Negierung in Miünfter; bier | mit den fiebenbürgifchen Aufrührern u. 1598 jeines 
gebörte er zu dem Wejtfälifchen Landtage, nad) Poftens eutſetzt, vertheidigte er fi 1604 gegen 
Verjeburg verfett, zum Landtäage der Provinz die faiferlichen Truppen, die ihn im feiner Burg 
Sachſen; jpäter kehrte er als Landrath des Kreifes|gefangen nehmen wollten, bradte einen The 
Sorft nah Weſtfalen zurüd u. war 1847 Mit- derjelben auf feine Seite u. nahm nun ſelbſt den 


* des erſten Bereinigten Landtages. Unter dem 
inifterium Manteuffel wurde er als überaler 
zur Dispofition geftellt, blieb aber Mitglied der 
Landesvertretung; 1858 wurde er Oberregierungs» 
rath in Koblenz u. 1861 zweiter Vicepräfident 
des Haufes der Abgeordneten. Er gebörte bier zu 
dem linfen Centrum, ſtimmte mit fiir den befannten 
Hagenfchen Antrag, welcher den Rücktritt des Mi- 
nifteriums Auerswald-Schwerin zur Folge hatte, 
u, bildete nad der Theilung der Fraction Binde 
die Partei des linken Gentrums, welche gewöhn— 
ih mit der Fortſchrittspartei ging. Als er 11. 
Mai 1863 der Sikung präfidirte u. der Kriegs 
minifter von Moon fi der Ordnung des Haufes 
nicht fügen wollte, ſchloß B. die Sigung, worauf 
der Yandtag aufgelöft u. B. nad Gumbinnen ver- 
jegt wurde. Im Auguft 1865 trat er aus dem 
Staatsdieuſte u. zog fich auf feine Güter zurüd. 
Seit 1867 Mitglied des Norddeutjchen, dann des 
Deutſchen Reichstages, Hielt er ſich zur Freien 
Bereinigung. 

Bocoholz, jehr dichtes u. ſchweres Holz, von 
bräunlich-grauer Farbe; wird in der Kunfttiichlerei 
ſehr geibägt, weil es eine ſchöne Politur annimmt. 
Es ſtammt von der in Guiana heimiſchen Bocoa 
prouacensis Aubl,, au$ der familie der Papilio- 
naceen, ausgezeichnet durch Verwachſung der 5 
linealiichen, gelben Blumenblätter unter einander 
u. mit den 10 Staubblättern, ſowie durch eine 
einfamige verfehrt-eiförmige Hülfenfrucht; Blätter 
einfach, lederartig. Engler. 

Bocquillon-Üilhelm, Louis (eigentlichLonis 
Wilhelm B.), Mufiter, geb. 1781 in Paris; be- 
fuchte ſeit 1795 die Nationalfchule zu Liancourt 
u. erhielt im December 1799 die Erlaubniß, in 
das Conſervatorium zu Paris einzutreten. 


faiferlihen Befehlshaber gefangen. Unterftügt von 
dem proteftantischen Adel Ungarns, der die Reli— 
gionsfreiheit gegen den von den Jeſuiten gelei- 
teten Kaifer Nudolf II. vertheidigte, fand er immer 
größeren Anhang auch unter den Szellern und 
wurde von denfelben auf dem Yandtage zu Szermefe 
(Ungarn) zum Fürften ausgerufen, jo daß es Kaifer 
Rudolf für geratben fand, 23. Jan. 1606 mit 
ihm in Wien Frieden zu fchließen. Durch diefen 
Frieden wurde B. als Erbfürſt von Siebenbürgen 
u, einigen ungarifchen Comitaten beftätigt u. dem 
Proteftanten Neligionsjveiheit gewährt. Er ftarb 
29. Dec. 1606. - Gicalel.* 

Bod (Bodihi), einheimische Bezeichnung für 
Yaud u. Boll v. Tibet (i. d.). 

Bodden heigen mehrere Meeresarme u. »Bufen 
der Dftiee: der Jasmunder B., eine tiefe Bucht 
in der Inſel Rügen, zwiſchen den Halbinfeln Jas— 
mund u. Wittow; der Kubiter B., im pommer. 
Kreife Franzburg, zwifhen der Inſel Rügen u. 
dem Feſtlande; der Rügenſche B., zwifchen 
der Juſel Nügen u. dem Feſtlande, im preuß. 
Kreife Greifswald, an 450 [km groß, aber au 
vielen Stellen nur 3 m tief, deshalb von größeren 
Schiffen mit voller Ladung micht zu befahren; 
der Camminſche ®., zwiüchen der Inſel Wollin 
u. dem Feſtlande, bei der Stadt Cammin, von der 
Divenowmündung gebildet. 

Bode, 133 km langer linfer Nebenflußder Saale; 
entipringt am Broden (Harz) bei Königshof, im 
Kreife Wernigerode des preuß, Regbez. Magde- 
burg, aus 4 Quellen (Kalte, Warıne, Yupps», 
Rapp-B.); macht bei Stadelberg einen Wajfer- 
fall, durchfließt ein vaubes, oft wildromantifches 
Thal, das in feinem unteren Theile Hocdgebirgs- 


Ericharalter annimmt u. von Zouriften ſtark befucht 


aber ftudirte weiter zu Gompitgne u. St. Cyr. wird, tritt zwifchen der Noßtrappe u. dem Herens 


1806 wurde er in Paris zur Mitarbeit an dem 
Verichte über die Agyptifche Erpedition herange- 
zogen. Hier trat er mit mehreren jungen Schrift. 
ſtellern, jo mit Beranger, Lebrun u. Jomard, 
in Verbindung, componirte einige Boltslieder, 
wurde 1810 Brofeffor der Muſik am Lyceum Na- 
poleon u. 1819 Lehrer des Gefanges am einer 
Parifer Volksſchule, 1826 Leiter des Muſikunter—⸗ 
richtes in den von der Gefellichaft zur Förderung 
der Schulen gegründeten Schulen, u. 1835 Ge- 
ueralinipector des Gejangunterrichtes in den Pa- 
rifer Stadtſchulen. Privatim wirkte er für die 
Hebung des Voltsgefanges in Handwerker» u. an« 
deren Bereinen. Er ftarb in Chaillot bei Paris 
1842. Schrieb: Guide de la methode elömentaire 
et analytique de musique et de chant, Paris 
1821—23; Tableaux de lecture musicale et 
d’exdeution vocale, ebd. 1827—32, u. öfter be- 
arbeitet; Manuel musical, ebd. 1836 u, a. Brambach. 

Bocskai, Stephan, Haupt der ungar. In— 





tanzplag aus dem Harz, nimmt die Selle, Holz— 
emme u. a. auf u. mündet bei Nienburg im Au— 
halt; ift reich an Forellen. R 
Bode, 1) Zob. Joachim Chriſtoph, Über- 
jeßer, geb. 16. Jan. 1730 in Brauufchweig; 
lernte erjt die Muſik uw. wurde 1750 Hautborft 
dafelbft u. 1752 im Celle; 1756 ging er nad) 
Hamburg, wo er 1759 zuerſt als Überſetzer auf: 
twat u. den Hamburger Gorveipoudenten 1762 
bis 1763 herausgab. Dur eine reiche Heivath 
in eine unabhängige Lage verfeßt, errichtete er 
eine Buchdruderer und entwarf mit Lejfing deu 
Plan zu einer Buchhandlung der Gelehrten, in 


welcher die Werke des Genies u. Geichinades zum 


Bortheil der Berfaffer gedrudt werden follten; 
allein das Project mißlang. 1778 ging er als 
Secretär der verwittweten Gräfin von Beruftorfi 
nah Weimar uw. bejchäftigte fi viel mit der 
Freimaurerei. Er ftarb dort 13. Dec. 1798. 
Seine Schriften beftehen faft nur aus anonym 


- 


592 


Vodegraven — Boden, 


erfchienenen Überjegungen, in denen er zuerſt ſdes Krieges in bie Landwehr über; zugleich fette 


glänzend zeigte, weflen bie beutihe Sprache in 
diefev Hinficht fähig fei. Er überfegte Yorils em- 
pfindfane Reife, Hamb. 1768, 5. Ausg., 1804; 
Triftram Shandys Leben, Hamb. 1774, 9 Thle.; 
Goldſmiths Dorfprediger von Walefield, Leipzig 
1776; Fieldings Tom Jones, ebd. 178688, 6 
Bde.; Montaigues Gedanken u, Meinungen, Berl, 
1793— 97, 7 Bde. Bgl. Böttiger, B-8 literarisches 
Leben, Berl. 1796. 2) Johann Elert, deutſcher 
Aftronom, geb. 19. Jan. 1747 in Hamburg; flur 
dirte Mathematif, wurde 1772 Aſtronom der 
Alademie der Wiſſenſchaften zu Berlin; er fl. 23. 
Non. 1826 als penfionirter Director der Gtern- 
warte in Berlin. Er ſchr. u. a.: Über die Sonnen- 
finfterniß im Jahre 1766, Berlin 1766; Anleit- 
ung zur Keuntuiß des geftirnten —— Berl. 
1768, 11. Aufl., herausgeg. von Bremiler, Berl. 
1858; Erläuterung der Sternfunde, Berl. 1773, 
3. Aufl., 1808, 2 Thle.; Aſtronomiſche Jahrbücher 
für die Jahre 1776—1829, Berl. 1781—1828, 
54 Bde., fortgef. von Ende, jpäter von Förfter ; 
Reprösentation des astres auf 34 Kupfertafeln, 
ebd. 1782, 2. Ausg., 1805; Anleitung zur allge 
meinen Kenntniß der Erdfugel, ebd. 1786, 8. 
Aufl. 1820; Entwurf der aftronomischen Wiffen- 
ichaften, ebd. 1794; 2. Aufl., ebd. 1825; Urano- 
graphia, ebd. 1801, Fol., n. Aufl., 1818, worin 
17,240 Sterne, d. h. 12,000 mehr, als vorher 
befannt waren, verzeichnet find; Allgemeine Be— 
tradhtungen über das Weltgebäube, ebd. 1801, 
3. Aufl., 1834; Bon den neu entdedten 8 Haupt- 
planeten, ebd. 1802; Erläuterungen über die Ein- 
richtungen u. den Gebrauch feiner aftronomijchen 
Jahrbücher, ebd. 1812, 2. Aufl., 1817; Betradt- 
ung ber Geftirne u. des Weltgebäudes, ebd. 1816, 
2. Aufl., 1823, u. v. a. 3) ®. Körmer.* 2) Specht. 

Bodegraven, Martifleden im Bezirte Leyden 
der niederländischen Provinz Shollend, am Rhein; 
Seilerei; i. d. Gem. 3030 Ew. B. ift hauptjäch- 
ih befaunt durch die 1672 von den Franzoſen 
dajelbft verübten Gräuel, Jm Fahre 1870 brannte 
B. beinahe ganz ab. 

Bödeli, Gegend im Bezirke Interlafen des 
jchweiz. Kantons Bern, Centralpunft des Ober- 
landes, zwiſchen Thuner- u. Brienzer-See, 560 m 
ü. d. M.; von der Aare durchflofien, auf welchem 
bef. die Kirchgemeinden: Aarmühle mit Juterlaten, 
Unterfeen, Bönigen, Matten und Gfteigwyler zu 
fammen mit 7030 Ew. leben; im Sommer von 
Fremden überfüllt ; palaftartige Gafthöfe 1. Ran— 
ges; eine der jhönften Stellen der Schweiz, mit 
voller Anficht der Jungfrau; uralte Nußbaumallee; 
Eifenbahn von Därligen über Juterlafen nad) 
Bönigen (Bödeli-Bahn, melde als Brünig-Bahn 
ſorg5 werden foll). 

odelfdywingi-Belmede, 1) Eruft v. B., 
preuß. Staatsmann, geb. 26. Nov. 1794 zu Bel- 
mede in der Grafihaft Mark; ftudirte feit 1812 
Jurisprudenz u. Cameralwifjenfchaften zu Berlin, 
machte den ‚Feldzug 1813 uuter den freiwilligen 
Jägern mit, nahm 1814, gemöthigt durch eine 
ſchwere Verwundung bei Freiburg a. d. Unftrut, 


21. Oct. 1813, als Premierlieutenant feinen Ab- | Site einer Adererde. 


er feine Studien in Berlin fort; 1817 in den 
Cipildienſt getreten, wurde er erft Referendar in 
Münfter, dann Affeffor bei den Regierungen in 
Kleve u. Arnsberg, 1822 Landrath des eiſes 
Zedienburg, 1831 Oberregierungsrath in Köln 
u, bald darauf Regierungspräfideut in Trier, 1834 
Oberpräfident der Rheinprovinz; 1842 —44 mar 
er Finanzminifter, worauf er das Portefenille des 
Innern übernahm, trat im März 1848 zurüd u. 
lebte auf feinem Gute in Weftfalen, 1849 wurde 
er in die preußische Zweite Kammer gewählt, im 
Sept. deff. J. mit der Leitung der Gejchäfte des 
Deutfhen Verwaltungsrathes betraut, 1850 Mit- 
glied der Bollslammer beim Erfurter Barlament, 
1852 Negierungspräfident in Arnsberg. Er ft. 
18. Mai 1854 zu Medebach, auf einer Dienftreiie. 
2) Karl, Frhr. von, geb. 16. Dec. 1800 in 
Hamm; fiudirte in Berlin u. wurde, nachdem er 
1837 —44 Yandrath in Hamm gemweien war, Ober- 
vegierungsrath in Minden, 1845 Regierungswice- 
präfident in Münfter u. 1849 Regierungspräftdent 
in Arnsberg; vom Juli 1851 bis Nov. 1858 u. 
vom Gept. 1862 bis Juni 1866 war er preußi- 
Icher Finanzminifter; feit 1867 war er Mitglied 
des Norbdeutihen u. 1871 des Deutſchen NHeichs- 
tages, wo er zu den Confervativen gehörte. Er 
ft. 10, Mai 1873 zu Berlin. 

Boden it der durch Verwitterung von Ge— 
fteinen entftandene, zu Tage gehende Theil der 
feften Erdrinde, welder, eine mehr oder weniger 
erdige, mit et Subſtanz durchſetzte Maſſe 
bildend, die Wohnung u. die Nahrung für die 
Pflanzenwelt liefert. Bisweilen läßt fih das Mut» 
tergeftein noch deutlich im Boden erfennen u. mit 
Sicherheit beſtimmen, aus welchem Gejtein der- 
jelbe entſtand, oft ift es aber auch fchon fo weit 
zerſetzt u. verichlämmt, daß fi} der Urſprung mur 
noch vermutben läßt. Iſt der ®. vermöge jeiner 
Beichaffenbeit u. Lage zum Ackerbau geeignet, fo 
nennen wir ihn Aderboden. Die Beftandtbeile des 
B⸗s zerfallen in Bezug auf Pflanzenproduction in 
drei Gruppen: 1) bodenbildende Beftandtheile, 
2) mineraliihe Pilanzennährftoffe, 3) Humus mit 
feinen Beriegungsproducten. Die Beftandtbeile, 
welche durch die unbewaffneten Sinne wahrnehm⸗ 
bar, in erheblicher Menge vorkommen, die wejent- 
lichen Beftandtheife, find: Thon u. Sand, nächſt 
den Kall, Humus, Berbindungen des Eiſens, 
‚yelstriimmer u. Steine. Das relative Auftreten 
diefer bodenbildenden Beftandtheile kann nur die 
genaue Arbeit des Ehemifers feftitellen,, welcher 

leichfallis den qual. u. quamt. Nachweis der 
 lanzennährftoffe durh die B-analyfe liefert. 
Sie hat den Zwed, feftzuftellen, ob in chemiſcher 
Hinfiht die zum Wachsthum der Culturgewächſe 
nöthigen Bedingungen vorhanden. Es genügt wicht, 
nachzuweiſen (qualitativ), daß die Mineralbeitand« 
theile überhaupt vorhanden, denn dieſes ift im 
jedem B., jelbit dem fterifen, der Fall, fondern 
die Analyje muß quantitativ geführt werden. 
Schon Wallerius (1778) betonte die Wichtigkeit 
der chemiſchen Analyfe für die Beurtheilung der 
Im Laufe der Zeit find 


ſchied und ftudirte in Göttingen weiter, ging aber ſeitdem eine große Menge B-analyfen ausgeführt. 
1815 wieder zur Armee u. trat nad Beeudigung|Die erwarteten Aufſchlüſſe über die Fruchtbarkeit 


Boden. 


593 


der Erden ergaben fi aber nicht u. fonnten fihlstenntnig von der Entftehung des B-8; jeinen 


nicht ergeben, weil man Durdjchnittsproben der 
anzen Erde analyfirte u. die gefundenen Zahlen 
$ geringe Unterjchiede zeigten, daß aus ihnen 
feine Schlüffe auf die Fruchtbarkeit zu ziehen 
waren. Um die Mitte diefes Jahrhunderts ver- 
warf man daher die B-analyfe ganz u. legte ſich 
auf das Studium der pbyfifaliihen Eigenfchaften. 
Diefe find num aber offenbar bedingt durch die 
Diineralbeftandtheile u. das Mengenverhältniß, in 
welchem diefelben vorhanden find, Bei der Ab» 
fhätung eines B⸗s ift fein derzeitiger, durch Be- 
arbeitung u. Düngung bedingter Aufland allein 
nicht maßgebend, auch auf feine zukünftige Taug« 
lichkeit zur Pilanzenproduction muß unbedingt 
Rüdfiht genommen werden. Auch hierüber fann 
nur die chemiſche Prüfung Aufſchluß geben. Nach— 
dem diefes mehr u, mehr erfannt war, wurde in 
neuer Zeit der jegt richtiger angewandten B-ana- 
Iyje wieder größeres Gewicht beigelegt. Zunächſt 
wird auf mechanischen Wege (mechanische Analyſe) 
die Adererde getrennt in Feinerde u. Beilelet. 
Dies geſchieht befonders durch Schlämmen (f. d.), 
oder aud, indem man ein Quantum Adererde 
dur ein äußerſt feines Drahtfieb wäſcht. Die 
auf dem Siebe verbleibenden Mineralfragmente 
gelten als B-ffelet, u. über ihren Werth entjcheidet 
die mineralogifche Prüfung, welche erfennen läßt, 
ob durch Berwitterung derfelben die Feinerde an 
Pflanzennährftoffen bereichert werden fan. Eine 
‚ Zrennung in Fein-, Mittel- u. Grobkies wird 
durch entiprechende Siebe leicht bewerkftelligt. Die 
durch Schlämmen oder Sieben erhaltene Feinerde 
wird der chemischen Analyſe unterworfen, welche 
nachzuweiſen hat: a) das hygroſtopiſche Waffer, 
b) das chemiſch gebundene Waſſer, c) den Hu- 
musgehalt, d. b. die organiſchen Beſtandtheile 
unter Berüdfichtigung des darin enthaltenen Stid- 
ſtoffes, d) den Gehalt an Mineralbeftandtbeilen. 
Diefer Nachweis muß fid) ſowol auf die Baſen: 
Thonerde, Eifenoryd, Eijenorydul, Manganorydul, 
Kalf, Magnefia, Natron u. Ammoniak, als auch 
auf die Säuren, am welche dielelben gebunden: 
Phosphor-, Schwefel-, Kiejel-, Koblen- u. Salpeter- 
ſäure, u.endlich auf das Ehlor erfireden. Seltene®- 
beftandtheile find: Strontian, Baryt, Kupfer, Bint, 
Schwefel, Arfen. Die genannten Körper werden 
qualitativ wie quantitativ nach den allgemeinen 
Regeln der chemiſchen Analyſe nachgewieſen und 
beſtimmt; nur wenn aus der größeren oder ge— 
ringeren Löslichkeit einzelner oder aller auf die 
Fruchtbarkeit gefchloffen werden foll, find fpecielle 
Verfahren einzuſchlagen. Die üblichſten Methoden 
find: Auszieben des B-s mit Waſſer oder Salz: 
fäure oder Ejfigjäure oder Oralfäure von beftimmter 
Eoncentration u. Unterfuchung des erhaltenen 
Auszuges. Meift wird nur der quantitative Nach— 
weis des Kalis, der Phosphorjäure, des Gtid- 
ftoffe® u. des Kalfes verlangt. Wird ein Ader- 
boden auf diefe Weiſe analyfırt, fo läßt fih aus 
den gefundenen Refultaten oft mit größter Wahr- 
fcheinlichfeit auf feine phufitafifhen Eigenſchaften, 
die indeſſen auch direct vermittelt werden fünnen, 
auf feine Abftammung, Ertragsfähigteit u. a. 
ſchließen. Die B-änalyje ift fomit nur ein wich⸗ 
tiger Theil der Befunde, welche im Allgemeinen 


, Pierers Univerfal-Eonverfations-?eriton. 6. Aufl. II Band. 


Beftandtheiten, feinen chemiſchen u. phyfitalifchen 
Eigenfhaften, feiner Eintheilung u. endlich feiner 
rationellen Benutzung gibt. Die Gefteine, welche 
den B. für unſere heutigen Eulturpflanzen ge« 
liefert haben, find reich an Thonerde, Quarz u. 
Kalf, Granit, Syenit, Granulit, Gneis, Porphyr, 
Trachyt, Glimmerſchiefer, Schieferthon, Maun u. 
Thonſchiefer, Graumade, Diorit, Diabas, Mela⸗ 
phyr, Gabbro, Hyperſthen, Baſalt, Sand, Sand- 
fein. Die für den B. wichtigſten einfachen Mines 
ralien, aus welchen diefe Gefteine befteben, find: 
Feldſpath, Thon, Glimmer, Chlorit, Tall, Ser: 
pentin, Augit, Hornblende, Ouarz, Kallſtein, 
Gips, verfchiedene Eifenerze, Apatit, Wamellit, 
Vivianit. Durch den Einfluß der Athmofphärilien 
(des Waffers, Sauerftoffes, der Kohlenſäure), 
ſowie durch mechaniſche u. phyſikaliſche Kräfte 
(Schwere, Stoß, Wärme) werden diefe Gefteine 
zertrümmert, verändert, fortgeführt u. liefern im 
Lanfe der Zeit die Materialien des B⸗s (vgl. 
Veritterung). Hierzu kommt nody die weiter 
unten berührte B-bildung durch Verweſung tbieri- 
ſcher oder pflanzlicher Organismen (Humus, 
Torf- u. Moorboden). Die geognoftiihe Claffifi- 
cation, d. h. die Eintheilung der Brarten nad 
den Gefteinen, aus welchen der B. entftanden if, 
unterſcheidet hiernach zunächſt: Granit, Syenit-, 
Gneis⸗, Glimmerſchiefer-⸗, Thonmergelſchiefer-, 
Thonjchiefer-,, Thonſtein-⸗, Quarzit-⸗, Quarzcon⸗ 
glomerat-, Kieſelſchiefer⸗, Grauwackeſchiefer⸗ Chlorit= 
ſchiefer⸗ Grauwadeſandſtein⸗, Rothſandſtein⸗, Grün⸗ 
ſtein⸗, Serpentin⸗, Quaderfandftein-, Keuperiand- 
ftein«, Granulit⸗, Felſitporphyr⸗, Trachyt⸗, Jura⸗ 
falf-, Juradolomit⸗, Bajalt-B, 

Diejes find die unmittelbar aus ihren Grund« 
gebirgen entftandenen, angeftammten B-arten oder 
Srundfehuttformationen; mittelbar ans dem einen 
oder anderen oder mehreren ®efteinen entftanden 
die angefhwenmten B-arten oder Fluthſchuttfor⸗ 
mationen : 


2. Thonmoor« 

—— v Braafınoor« 
en J Boden. | Sandinoor- ; Boden, 
allmergel⸗ Sandmergel⸗ 
Thonmergel- Kaltmoor- 
Loßmergel⸗ 


Welcher von dieſen Böden es auch immer ſei, feine 
Hauptbeftandtheile, die bodenbildenden Beftand- 
theile, find: Thon, Sand, Kalf und Humus, 
1. Thon, das ſich fett anfühlende VBermitterungs- 
product von Feldſpathgeſteinen, ift kieſelſaure 
Thonerde in jo feiner Bertheilung, daß fie fi 
durch Schlämmen vom gröberen Sande treunen 
läßt. Der Thon nimmt vermöge feiner vielen 
Heinen Zwifchenräume viel Wafjer auf (70 bis 
80%, feines Gewichtes) u. wird zu einer plajti« 
jhen Mafje; er hält dies Waſſer ſehr feft und 
trodnet darım langfam aus, hat große Capillari« 
tät u. Abforptionsfähigfeit; das jpec. Gew. 2,un2« 
Der Thon ift in reinem Zuftande (als Porzellan— 
thon od. Kaolin) von weißer Farbe; er wird dur 
Eifenoryd gelb bis röthlich, durch Eifenorydul grau—⸗ 
bläufih, durch Bitumen u. Humus grau⸗ſchwärzlich 
efärbt. 2. Sand, die Trimmerzerfallener Gefteine, 
Befeht im Wefentlihen aus unlöslicher Kiefelfänre 
38 


594 


— Duarzjand — von verjchiedener Farbe und 
Größe, er hat wenig Flächen und Zwiichenräume, 
nimmt deshalb nur 10—40 %, jenes Gewichtes 
Waſſer auf und trodnet wieder raſch ab; jeine 
Abjorptionsfähigfeit ift gleichfalls gering; das 
fpec. Gewicht im Durchſchnitt 2,,.. Man nennt 
Sand aus Kömern von 
1,,—3 mm Durchmeſſer Kiesfand 


Ol n [2 Grobfand, 
0:5 m ine, Flugſand, 

unter OO, „ z Staubfand. 
3) Der Kall lommt im B. au mehrere Säu— 


ren gebunden vor, namentlih an Kohlenfäure, 
Die koblenfaure Kalkerde nennt der Yanbmwirth 
ſchlechthin Kalfl. Diefer beftebt aus ſehr feinen 
Theildien, welche häufig zu größeren Körnchen ver- 
einigt find. Bon jeiner feinen Bertheilung ift die 
Wafjeraufnabme (B0—90 %, ſeines Gemichtes), 
Wafferabgabe, Capillarität u, Abforptionsvermögen 


abhängig. Mit viel Waffer wird der Kall breug, 
jhmierig. Sein fpec. Gew, ift im Durchſchnitt 


2a 4 Humus. Mit diefem Namen werben 
die organischen UÜberreſte früherer Begetationen 
bezeichnet, welche fih im B. in allen Stadien des 
Verweiungsprocefies vorfinden. Bon dem jemei- 
ligen Zuftande der Zerſetzung find bie Eigenfchaften 
abhängig. Wenig zeriegier Humus hat meite 
Poren, nimmt wenig Waſſer auf u. trodnet raſch 
ab; ftarf zerjegter ift im naſſen Zuſtande jpedig, 
im trodenen pulverig, nimmt bis 200 %/, feines 
Gewichtes Waffer auf und hält daffelbe jehr feit. 
Das Abjorptionsvernögen , befonders für Gaſe, 
ift ftark; humusreicher B. erwärmt ſich deshalb 
jebr bo. Farbe ſchwarzbrann bis ſchwarz; das 
fpec. Gewicht mechjelt mit dem Grade der Zer— 
ſetzung. Chemiſch unterſcheidet man a) in Waſſer 
lösliche, ſaure Humusſubſtanzen od. Humusſäuren: 
Geinſäure, Quellſäure, Quellſatzſäure, Ulminſäure 
und b) in Waſſer unlösliche: Ulmin, Humin und 
Humuskohle. Ähnlich unterſcheidet der Landwirth 
ſauren Humus, welcher feiner freien Säure wegen 
der Negetation ſchädlich iſt (Moor- oder Bruch— 
boden) u, milden Humus, in welchem die Säure 
an Bafen gebunden’ift. Nächft dem Thon, Sand, 
Kalt u. Humus fommen im größerer Menge nur 
noch Bittererde u. Eifenoryd vor, jedoch rechnet 
man fie nicht mehr zu den bodenbildenden Be- 
ftandtheilen, wol aber gebört dazu der Pehm und 
der Mergel. 5. Eine innige Miihung von Thon, 
Sand u. Eifenoryd, bei welher die Eigenichaften 
weder des Thons, noch des Sandeshervortreten, deren 
Farbe abergleihmäßigrotbgelbift, heißt in der Land⸗ 
wirtbichaft Lehm. Derfelbe enthält 30—50°/, Thon, 
20—30 Sand und 5—15 °,, Eijenverbindungen 
u, unterfcheidet fi vom Thon durch höheren Kiejel- 
fäuregehalt und meift höheres fpec. Gew., das 
zwifchen 2,0 umd 2,5, ſchwankt. 6. Mergel ift 
ein Gemenge von fohlenfaurem Kall, Thon und 
Sand- von aufßerordentlicher Berfchiedenheit. Er 
it durch Waſſer aus Gebirgsformationen ent- 
itanden u. bildete fi als Abjat aus Waffer. Es 
gibt weißen, grau-mweißen, grauen, blauen, gelben 
u, röthlihen Mergel, und nach dem Borherrichen 
des einen oder anderen Beſtandtheils untericheidet 
man Kalt-, Thon-, Sand-Mergel ꝛc. (j. Mergel). 
Durch das Vormalten des einen od. anderen dieſer 


Boden. 


bodenbildenden Beftandtbeile find die phyſikaliſchen 
Eigenschaften des Bodens, insbejondere deſſen 
Zufammenbang, in jo hohem Maße bedingt, daß 
es nahe lag, diefelben bei der Gintheilung des 
B-8 zu Grunde zu legen. Man untericheider hier» 
nad, wie folgt (phyſitaliſche Elaffification). 


| entbält Brocente: 
Bodenart. Thon. Kalt. | Humus. Saud. 
1. Thonboden. Dumm: bis 6bis dRetſt. 
2. Sandboven . . bus 10 | Bid | bis 5 z 
3. Kalfboden . . . | 10-0 | u.m.| bis 5 . 
4. Humusboben . „. | WW | Epuren | du.m. * 
d. Lebinboden .. 30 0 Bid bis 5 u 


Diefe 5 Bodenarten zerfallen wieder in fol« 
gende Unterabtheilungen ; 


1. gemeiner Thonboben, 3. gemeiner Kaltboden. 
anbiger = tboniger r 
Kall⸗ fanbiger P 
Wergel- r Bayer ” 
bumsofer ” eide * 
eifenbaltiger „ Dolomit r 
fteiniger E Wergel: r 

4. milder Humußboden, 

2, gemeiner Saubboden, eibes 5 
tboniger A orf:u. Mocr;. 
Kalt: u b. gemeiner Lchmboben, 
Mergel⸗ tboniger E 
bunnofer — ſandiger 
eifenbaltiger „ Fall: # 
Papa: um pi Mergel: ji 

Gimme „ bumofers Be 
eifenbaltiger „ 


Je nachdem Thon od. Sand vorherrſcht, ift das 
Gefüge mehr bündig od. körnig, der B. dicht od. 
loder. Danach .ift auch das fpecifiiche Gewicht des 
Bes verſchieden, doch ſchwankt es im Allgemeinen 
zwiſchen 2 und 3. Jeder B. beſitzt —— 
doch find nur bei lörnigem B. (Sand) die Zwifchen- 
räume mit dem bloßen Auge wahrnehmbar. Von 
der Poroſität ift der Zutritt der Atmofphärilien 
und deren Einfluß auf den B. abhängig, ſowie 
deſſen Durchdringlichleit (Penetrabilität) für Wafler, 
auf welcher GEigenihaft der Feuchtigleitszuſtand 
des B=- 8 beruht. Infolge diejer Eigenichaft 
nimmt der B. ſowol atmoſphäriſches, als Grund- 
waſſer bis zu einem beſtimmten Procentſatze auf 
u. gibt den ſchädlichen Überſchuß an atmotpbärt- 
ſchem Waffer an das Grundwaſſer ab. Der B. 
wird alddann mehr od. wenig durchläffig genannt. 
Je mehr ausfüllbare Zwifchenräume im B. vor» 
banden, je mebr er aljo Waſſer aufnehmen kann, 
defto größer ift eudlich die Solubilität, die Yöse 
lichkeit einzelner Beitandtbeile des B-8. Je nad 
dem größeren od. geringeren Gehalte des Bes an 
Waſſer nennt man denjelben naß — wenn er mit 
Waſſer überfättigt ift — troden — wenn er mur 
bugroffopiiches Waffer enthält — u. in dein der 
Begetation bauptiählih günftigen Mittelzuftande 
feucht. Der Feuchtigkeitsgrad des B-8 ift abhängig 
von der Menge des ihm zur Aufnahme dargebo- 
tenen Waffers, von feiner Lage — ob horizontal, 
ob geneigt — der Yufttemperatur, der Windridht- 
ung, der Jahreszeit, bauptiächlich aber von feiner 
größeren oder geringeren Fähigleit, Wafler in 
flüſſigem oder dampfförmigem Zuftande aufzu- 
nehmen und feitzubalten. Diefe von der Zuſam— 
menſetzung des Bes weſentlich bedingten Eigen- 
ſchaften — wafferfaffende Kraft oder Waſſerauf⸗ 
nabmefäbigfeit, woafferzuriidbaltende Kraft und 
Wafferdampf » Abjorptionsfähiglet — find zuerft 


Boden. 595 


von Schübler eingehend gewürdigt und beftimmtjrajcer, als feuchter, weil das Waſſer eine größere 
worden. Die Ergebniffe der hierüber angeftellten| jpecifiihe Wärme befitt, als die Erdarten, u. weil 
Unterfuhungen find nachſtehend für die wichtigften ein Theil der aufgenommenen Wärme durch die 
B-arten zufammengeftellt: Verdunftung des Waſſers verloren gebt; duntel 
affermurid: —— B. leichter, als heller, weil letzterer die 
Itendern —— ärmeſtrahlen mehr zurückwirft, erfterer fie auf« 


Waſſerfafſende Kraft. 














a 
B. 100 z01. MN nimmt; ſüdlich geneigte 2 18 Eb 
j . | "Fäbiafeit. ; fü eneigte Lagen mehr, a enen 
100 Gewichtstheile Erde en — ab: [oder noͤrdliche Ybbän e, * jene von den Sonuen— 
s dımften forbiren in 24 [ftrahlen annähernd oder-ganz im rechten Wintel, 
nehmen auf: A | Stum . Pa Je ) 
bei 409 R, in Bofferbampf. dieje ſchiefwinkelig, oder gar nicht getroffen werden. 
ri -— — [Shibler beftimmte die Erwärmungsfäbigfeit ver- 
* — * Theile. °g ſchiedener Bsarten in feuchtem u. trodenem Zur 
er ae d,,  jffande bei natürlicher und künſtlich veränderter 
Suarsfand (aßger. Körner) 25 3 0,0 —* ker den Refultaten feiner Verſuche läßt 
nr DI Tin 1,5 ich für die 4 Hauptbeftandtheile folgende Reihen— 
—— — a - ar 155 |folge von der größten bis zur geriugſten Ermärnts 
. 4 — 
—— —— n al. 210 ungsfäbigfeit aufitellen: 
rehmari on d, ‚ 1, i 
Sonbiger hen se 3 3 Tr ſchwarz gefärbter trodener — 
Weiher Thon - . .. 74 _ _ W aut, 
Geſchlammter Feldſpatz 54 — — 3. " — umus, 
—— Torf 1200 20, 48,5 4, — hon, 
— 8,0 5. ungefärbter trodener brauner Humus, 
alf- und Talterde) . 5 _ — 6. ” „ bellgrauer Sand, 
Strenger Weigenboden . 61 _ — 7. S ”„ gelblic-grauer Thon, 
Bon den mebhrgenamnten Hauptbodenbeftandtheilen] 8. * a weißer Kal, 
(Thon, Sand, Kalt u. Humus) ift hiernacdh der] 9. weiß gefärbter trodener Quarzſand, 
g 3 


Humus bei weitem am meiſten, der Sand am 
wenigſten zur Aufnahme und zum Feſthalten des 
Waſſers befähigt. Speciell für den Feuchtigkeits- 
gehalt des Ader- oder fonftigen Eulturbodens tft 
von größter Bedeutung die Beſchaffenheit des 
Untergrundes, den man als untere Bſchicht von 
der darüber gelagerten Aderfrume, in welcher die 
Pflanzen wurzeln, unterjcheidet. Ein undurdläf- 


1 ° ” ” 7 Kalk, 
1 * ö Humus, 
12. Thon, 


2 
naſſer brauner Humus, ungefärbt, 
14. „ elblih-grauer Thon, „ 
1: „ Bellgraner Sand, — 
16. „ weißer Kalk, 


Die Differenz in dem unter fonft gleichen Ums 


figer Untergrund (Thon, Humus) bewirkt Näffe,|ftänden erreichten Qemperaturmarimum betrug 


ein durdläffiger (Sand) Trodenheit der Ader-|zwifhen Nr. 1 und 16 : 


frume; beides kann, je nach der Lage, Beichaffen- 
heit u, Tiefe der leteren, ſowol vertheilbaft, als 
nachtheifig fein. Je flacher der Aderboden ift — 
bis O,, m Tiefe nennt man ihn feicht; von O,, 
— im mitteltief und tief; über 1 m mädtig — 
defto mehr macht fih der Einfluß des linter- 
grundes geltend. So kann beifpielsweife eine nicht 
zu tiefe, fandige Aderfrume durch einen feiten 
Untergrumd u. das von demſelben bis zur capil« 
laren Erhebungszone auffteigende Wafler auch in 
trodener Jahreszeit fortwährend feucht u. dadurch 
fruchtbar erhalten, oder ein thoniger Aderboden 
durch fandigen Untergrund entwäfjert und verbeſ— 
fert; anderjeits kann bei fortwährend verhindertem 
Abzuge des Waffers Verjumpfung, ım entgegen» 
gejeten alle vollftändige Austrodnung u. biers 
mit Unfruchtbarfeit bewirlt werden. Je nad 
dem Grade feiner Durchläſſigkeit wird der Unter» 
grund bezeichnet als: anhaltend, ftreng, verichloffen, 
Talt, naßkalt, oder loder, faugend, warm, hitzig. 
Durd Aufnahme von Wafjer vergrößern die meijten 
B-arten ihr Bolumen, durch Austrodnung schwinden 
fie, u. zwar nad Schübler der Humus am ftärf- 
ften (um 20 %,), dann der Thon (um 18 ®/,), 
Kalt (5 %/,), Sand gar nit. Weiter ift der 
Feuchtigkeitsgehalt von großem Einfluß auf die 
Kärme des B⸗s, melde außerdem noch von jeiner 
jpeeifigen Wärme, die übrigens bei den einzelnen 


15,,° R. Aus obiger 
Zufammenftellung gebt hervor, daß der Sand an 
fiıh die größte Erwärmuungsfähigkeit befitt, der 
Thon die geringfte; umgefehrt nimmt nad wei— 
teren Verſuchen deſſelben yorichers die Tempe— 
ratur beim Sande am langjamjten, beim Humus 
am jchnellften ab. Die Temperatur der Bsober- 
flädhe ftimmt, wenn fie befchattet ift, mit derjenigen 
der unteren Luftichichten im Wllgemeinen annä— 
bernd überein. In der Tiefe verfchwinden die 
Temperaturverfchiedenheiten immer mehr; jo in 
unferen Gegenden die täglihen Schwanfungen des 
Thermometer bereits bei 4 m, die wöchentlichen 
bei 1, die monatlichen bei 2 m unter der Ober- 
flähe. Bei 8m findet jährlich nur ein einmaliges 
Fallen u. Steigen ftatt; das Maximum u. Mini 
mum der Temperatur tritt bier jedoch etwa erit 
ein halbes Jahr fpäter, als auf der Oberfläche 
ein. Bei 20 bis 24 m Tiefe herricht fortwährend 
gleihe Temperatur, und zwar eine etwas höhere 
als die durdichnittliche Fahrestemperatur am be+ 
treffenden Orte. In den Tropengegenden iſt das— 
ſelbe ſchon bei 43—} m Tiefe der all. ber 
Abforptionsfähigteit des B-8 fr Safe, wie Saner- 
ftoff u. Ammoniak, oder andere Stoffe ſ. u. Ab- 
forption. Über den Einfluß der Eleltricität ift bis 
jet wenig befannt. 

Nach den Früchten, zu denen der B. bei. geeig- 
net it (öfonomische Claſſification) untericheidet man: 


‚arten nicht jehr verſchieden ift, von feiner jyarbeja. Weizen-B.: aa) ftarfen, der nad einmaliger 
u. Lage abhängig if. Trockener B. erwärmt fih! Düngung innerhalb 6 Jahren 2 Weizenernten 


38* 


996 


Bodenbah — Bodenbcarbeitung. 


geben kann; er ift felten, meift nur an Strömen ſKettenbrücke führt; Zollamt; Steingutfabrifation; 


und Flüſſen; bringt Raps, Weizen, Gerfte und 
Bohnen u. ıft ſchwer zu bearbeiten; bb) ſchwachen, 
der in diefem Zeitraume nur einmal Weizen trägt; 
man trifft ihn ſowol in Flußniederungen, als auf 
der Höhe; ein ſtarker Gehalt ven Humus u. Kalt 
gibt ihm erft feinen Werth. b) Gerften-B,.: aa) 
ftarten, welcher Thon u. Sand in richtigem Ber: 
hältniſſe hat, fo daß er bindend gemug ift, aber 
auch das Verhärten der Oberfläche —— u. 
bb) ſchwachen, der gewöhnlich aus lehmigem Sand- 
boden befteht, außer Gerfte auch für Had- und 
Hülſenfrüchte u. weißen Klee geeignet ift u. fich gut 
bearbeiten läßt. ec) Hafer-®., der nad Winter 
früchten feine Gerfte, wol aber Hafer tragen 
tann, meift aus lehmigem Sandboden befteht, in 
der Düngung vernadlälfigt u. feiner trodenen Yage 
wegen nicht für Gerfte geeignet ift, u. d) Rog- 
gen-®,, der entweder fiher nad jeder Düngung, 
oder erjt nah 3 oder mehr Jahren nur einmal 
nothdürftig Hoggen trägt u. in legterem Falle aus 
dürrem, lehmigem oder lofem Sandboden beftebt. 
Nah der Kleefähigkeit: a) Ausgezeichneten Yur 
zerneboden, der jährlich in 4 Schnitten bis 48 Etr.; 
b) quten Yuzerneboden, der jährlich in 3 Schnit- 
ten bis 36 Etr.; e) ausgezeichneten Kopfklee— 
boden, der in 2—3 Schnitten bis 40 CEtr.; d) quten 
Kopflleeboden, der bis 24 Etr.; e) guten Espar- 
jetteboden, der in 2 Schnitten bis 26 Cir.; 
f) geringen GEsparfetteboden, der in 1 Schmitt 
bis 15 Etr. Heu vom Morgen liefert. Bon Wich— 
tigfeit ift aud) die Geftalt u. Lage des B-s. Man 
unterſcheidet gleihen oder ungleichen, ebenen oder 
abhängigen, Höhe u. Niederungs-B., nad Often, 
Weiten, Süden, Norden gerichteten B., mwage- 
rechten, erböbten, vertieften, eingeichloffenen B. 
Von diefen Yagen find die beften die gleiche, ebene, 
Öftliche, wagerechte, umftellte, wenn er namentlich 
auf der nördlichen und öftlihen Seite von hoben 
Gegenftänden umgeben if. Den B. kann man 
verbeffern; es geichieht dies theils durch Diüng- 
ung, theils durch zweckmäßige B-bearbeitung (j. d.), 
geeignete B-meliorationen, wie Drainage, Tief— 
eultur (ſ. d.) u. a., theils durch Auffabren und 
Vermiſchen derjenigen Erdarten, in deren Ber+ 
bindung er erjt zu einem fruchtbaren umgeichaffen 
wird. Bei der Beurtheilung des B⸗s Bat man 
auf die Tiefe der Adertrume, Beichaffenheit des 
Untergrundes, Feuchtigkeit, Temperatur, Yage, 


Klima, Reinheit, Beidyattung zc. zu jehen, nad ſecten vertilgen u. 


dem fichtlih größeren oder Heineren Zufammen- 
hange, wie er fi beim Pflügen und Eggen im 
balbvertrodneten Zuſtande darftellt, u. nad) feiner 
waflerbaltenden und auffangenden Kraft. Bol. 
Krome, Der B. und fein Verhältniß zu den Ger 
wäſſern, Hannov. 1812; Sprengel, Die Lehre vom 
B., 2. 4, Lpz. 1844; Prog, Der B., Lpz. 1855; 
Trommer, Befunde, Berl. 1857; Fallou, B-funde, 
Dresd. 1862; Hager, Unterfuhungen, Ypz. 1871; 
Knop, Bonitirung der Adererde, Ypz. 1872. 
Bodenbach, Grenzdorf zwiihen Sadien u. 
Bönmen, zur öſterreich. Bezirkshauptmannſchaft 
Tetſchen gebörig, wichtiger Eiſenbahnknotenpunkt 
Sächſ. Staatsb., Böhm. Nordb., Dur-Bodenbadh, 
Oſterr. Nördl. Staarsbahn), liegt Tetichen gegen- 
jiber, links an der Elbe, über welche feit 1855 eine 


lebbafter Tranfitverfehr; i. d. Gem. 3742 Em. 
Bodenbenrbeitung, geſchieht, a)um den Boden 
zu lodern, damit die Atmoſphärilien beſſer ein- 
dringen u. fi dort verdichten können, die Ver— 
witterung leichter vor fi gehe, die Pflangen- 
wurzeln leichter einzubringen vermögen u. die im 
Übermaße vorhandene Feuchtigkeit ſchneller ver» 
dunſte; b) um Unkraut zu vertilgen; c) den 
Dünger mit der Aderkrume zu mifchen u. d) dem 
Samen eine günſtige Wohnftätte zuzubereiten, die 
Saat zu pflegen u. in ihrem Wachsthum zu unter« 
ftüten. Zu den verſchiedenen Arbeiten, welche vor« 
genommen werden müffen, um jene Zwede zu er» 
rüllen, bedient man ſich verfchiedener Handgeräthe, 
wie Spaten, Schaufel, Gabel, Hade, Haue x., 
noch mehr aber der Spanngeräthe, wie Pflug, 
Haden, Egge, Walze, Eultivator ꝛc. Die wichtigſte 
aller hierher gehörigen Arbeiten ift das Pflügen 
(j. d.). Soll der Boden nur gelodert, nicht ge» 
wendet werden, jo benußgt man ein dem Pfluge 
ähnliches, jedoch unvolllommeneres Adergeräth, 
den Haden (ſ. d.), oder auch im neuerer Zeit ver« 
ihiedene Eultwatoren, wie Scarificator, Erftir- 
pator oder Grubber u. a. Das Eagen (j. d.) 
wird gewöhnlich einige Tage oder Wochen nad 
der Pflugarbeit borgenommen, gleih nachher nur, 
wenn der Boden ein fehr ftrenger tft u. eine Er— 
bärtung befürdten läßt. Hat auch die Egge den 
Zwed, den Boden zu zerfleimern, jo ift doch, mar 
mentlih beim lnterbringen des Samens vor 
Winter, ein feines Pulvern des Bodens zu ver- 
meiden. Dean eggt der. Länge nach, d. b. längs 
der Pflugfurchen, jchräg gegen diejelben, fchlangen- 
fürmig u. rund. Auch jelbit nach der Aderbeitells 
ung, wenn Die Saat bereits aufgelaufen, wird die 
Egge, obwohl leider noch zu wenig, angewendet. 
Es geichieht dies, um Unkraut zu vertilgen und 
die Oberfläche der Atmojpbäre zugänglicher zu 
machen, Für Wiefen hat man bejondere Eggen 
conftruirt. Auch die Walze (f. d.) hat für die B. 
einen höheren Werth, als ihr bis dahin von den 
meiften Yandwirthen beigemefien wird. Sie fol 
dem Boden die mechanische Bindung geben, da- 
durch die Feuchtigkeit in demfelben erhalten, die 
Erdflöße zertrümmern, den ausgeftreuten Samen 
auf loderem Boden leicht bedecken, das Unkraut 
zum Aufgehen bringen, die durch den Froſt ber» 
ausgehobenen Wurzeln andrüden, ſchädliche In— 
hi w. Um dieſe Zwede erfüllen 

u. den Bodenverbältniffen Rechnung tragen zu 
fünnen, bat man leichtere u. jchwerere hölzerne 
u. eiferne Walzen der verjchiedenften Eonftruction. 
Die einzelnen Arbeiten mit dem Pfluge werden 
Furchen oder Fahren genannt, die der Egge Striche. 
Eine Acderbeftellung beißt ein-, zwei⸗ 'drei- und 
mebrfurdhig (fährig) je nach der Anzahl der anfe 
einanderfolgenden Pflugarbeiten, die bei derjelben 
ausgeführt wurden. Leider hält man gewöbnlich 
noch an beftimmten Vorſchriften im diejer Bezich- 
ung feft u. beftellt beifpielsmweife, weil es ortsüb- 
lich, den Weizen drei- oder vierfährig. Nicht die 
Zahl der Furchen, fondern der Zuſtand des Bo- 
dens fichert die Erträge. Durch zu häufiges Be— 
arbeiten, Rühren, wird der Ader in der Erlang- 
ung jeiner Gahre (j. d.) geftört u. zeigt öfter 


Bodenerfhöpfung — Bodenſchutzholz. 


597 


eine ſchlechtere Beſchaffenheit, als wenn er nichtj@iner endlichen B. beugen alle dieſe Mittel nicht 


ſo oft bearbeitet worden wäre. Sämmtliche Ar— 
beiten, welche mit dem Pfluge, der Egge, der 
Walze u. f. mw. vorgenommen werden müſſen, 
ſollen, wenn dies nicht vor Winter geſchieht, bei 
jhweren Bodenarten im trodenen Zuftande der- 
felben ausgeführt werben. Iſt ein Boden ſchwer, 
undurdlaffend, naßtalt, jo wendet man die Beet- 
enltur an u. pflügt bald breite, bald ſchmale, 
hohe, gewölbte oder flache Beete. Bei durchlaffen- 
dem Boden findet Ebencultur ftatt. Bar Drill- u. 
Hadcultur (f. d.) kommen auch jelbit während 
der Wachsthumperiode noch verjchiedene Arbeiten 
vor, welde den Zwed haben, die Pflanzen in 
ihrem Wachsthum zu unterftügen. hode. 
Bodenerſchöpfung, der Zuſtand der Ertrags— 
loſigleit des Aderbodens, in welchem derſelbe be— 
ſonders durch fortgeſetzten Anbau derſelben Frucht 
verſinkt. Wenn früher dieſe Erſcheinung eintrat, 
daß trotz Düngung, die wol die erſie Abhilſe 
geweſen fein mag, ein Ader Leinen Ertrag lieſerte, 
jo hielt man ibn der Ruhe, Bradıe , ri d.) ber 
dürftig, wie Menih u. Thier nach harter Arbeit. 
Man wußte damals nicht, daß durch jede Ernte 
dem Boden Mineralftofje entzogen werden, oder 
bielt doch die Entnahme für zu unbedentend, als 
daß Erfhöpfung des Bodens infolge derjelben ein— 
treten könnte. Jetzt, wo wir wifien, daß einem 
Heltar Boden durch eine Durchſchuittserute (in 
runden Zahlen) 
an Weizen etiva 33 kg Kali u. 
„ Roggen „ 39, „ 
" Hafer ” 21  „. nn 9 " ” 
„ Aunleln „290, „ „ 50 „ r 
„ Kartoffeln, 130, „ „36 „ " 
{u. die anderen Nährftoffe in ähnlichen Mengen) 
entzogen werden, kann fein Zweifel darüber herr- 
hen, daß eine Beraubung des Bodens von Jahr 
zu Jahr ftattfindet, u. es wird erflärlich, daß die— 
jelbe Frucht nicht ſehr oft Hinter einander angebaut 
werden fann, weil fie dem Boden die nämlichen 
nährenden Beftandtheile in gleiher Menge ent- 
zieht. Es liegt amı nächiten, der B. durch den aus 
der Ernte entſtandenen Dilnger vorzubeugen, da 
diefer die dem Boden entzogenen Stoffe enthält, 
So er ein Erportiren nicht ftattfindet, wird 
diefer Erfag genügen. Nicht lange wird aber 
Aderbau ohne Erport eriftirt haben, denn jchon 
bei den alten Griechen, Römern, Israeliten zc. 
finden wir ein zweites Gegenmittel der B. in 
Anwendung, die Brade. Die während der (ein- 
jährigen) Ruhe des Aders ungehindert fortſchrei— 
tende Bermwitterung bringt neue. Dlineralftoffe in 
die den Pflanzen zufagende Form. Es entjtand jo 
anz natürlih ein Wechjel im Bebau der Ader, 
Ferdwirthfhaft-Fruchtfolge, u. zwar zunächſt bie 
Dreifelderwirtbichaft. Gleichzeitig findet eine Ver— 
mehrung der Eulturpflanzen ftatt; man erfennt, 
daß nicht alle Pflanzen den Ader glei angreifen, 
und untericheidet die Pflanzen in a) bereichernde 
(Klee, Luzerne, Esparfette), b) jchonende (Hiiljen- 
früchte), e) erihöpfende (Halmfrücdte, Rüben, 
Kartoffeln), d) ftark angreifende (Ol- u. Handels- 
pflanzen); e8 finder Wechfel ftatt zwiſchen Bilanzen, 
welhe ihre Nahrung aus dem Untergrunde, und 
foldeu, die ihren Bedarf dem Oberboden entziehen. 


21 kg Phosphorläure 


4 
" 23 ” " 


ver, wenn Erport von Körnern, Fleiſch, Butter, 
Käſe, Gefpinniten u. ſ. w. ftattfindet. Dieje Artikel 
für den Markt u, in größter Menge zu produciren, 
iſt aber das Ziel der modernen Landwirthichaft. Die 
Phosphorjäure, der Stidftoff, das Kali der Markt 
maaren ift dem Boden geraubt, wenn für Erfag 
nicht geforgt wird; der Boden wird erihöpft, wenn 
auch erft nad hundert u. mehr Jahren, wenn 
die Berhältniffe befonders günftig find. In ſolchem 
Zuftande der Erihöpfung ſehen wir ehemals bii- 
hende Yänder u. Provinzen. Erjat des Entzogenen 
muß daher die Hauptaufgabe jedes verftändigen 
Landwirthes fein, u. je mehr Ausfuhr, deito grö— 
Bere Einfuhr befonders von Stidjtoff, Phospbor« 
fäure u, Kali muß ftattfinden. In den fpeciellen 
Diüngern, den Hilfsdiiugern oder relativen Diüng« 
mitteln (ſ. d.) find Bezugsquellen geboten, die 
aud) bei jehr intenfiven Wirthſchaften der B. vor- 
beugen. In Ivon Kirchbachs Handbud für Lands 
wirthe, Berlin, Wiegandt u. Hempel, 1870, find 
die Aufichten der namhafteſten laudw. Schriftteller 
zufanumengeftellt. | Viarz. 

Bodenheim, Dorf im Kreiſe Mainz der große 
herzoglich heſſiſchen Provinz Rheinheilen; viel 
Weinbau (Bodenheimer, fiehe unter Rheinweine); 
1976 Em, 

Bodenholde Pflanzen find jolche, welde vor- 
zugsweiſe auf Boden von beftimmter Beidhafien- 
beit vorlommen, 3. B. der rothe Fingerhut auf 
fiefelljäurereihem Grunde, die zahıne Kaftanie auf 
Kalfboden. 

Bodenlüftung (Gärtn.), Einführung von at« 
mojpbärifcher Zuft in den Boden, Dadurch, daß 
man 60—100 em unter der Oberfläche deſſelben 
ein fürmliches Neg von Thonröhren mit Luftöff- 
nungen nach unten legt u. durch jenkrecht auf dies 
jelben ‚geftellte Möhren mit der äußeren Luft in 
Verbindung bringt; im den Röhren entjtebt eine 
Luftftrömung,, Die dem Boden u, den darin bes 
findlihen Pflauzenwurzeln beftändig neue Yuft zus 
führt, was auf das Wachsthum der Pflanzen uns 
gemein günftig wirkt. Wolde. 

Bodenmals, Marktfl. im Bezirksamte Regen 
des bayeriſchen Negbez. Nieder-Bayern; Berg: u. 
Hüttenamt; Bitriolbau, Glashütten; 1792 Ew.; 
dabei Wafferfälle des Riß- u. Moosbaches. 

Bodenmelioration, jede auf eine Reihe von 
Jahren dur einen größeren Aufwand von Gar 
pital u. Arbeit berbeigeführte Verbeſſerung des 
Bodens. Hierzu gehören: Drainage, Ziefcultur, 
Erd» u. Dergelauffuhr u. j. w. Im Gegenſatze 
zu diefen bezeihuet man mil Deteriorationen 
Verſchlechterungen des Bodens, verurjacht durch 
Kriege und fonftige Galamitäten; durch Ausſau— 
gen der Bodenkraft, Nachläſſigleit und Trägbeit 
des Wirthichafters oder Diangel an Betriebs: 
capital. Rhobe. 

Bodenrente, ſ. Örundrente. 

Bodenrif, bei aufgefchütterem Getreide das, 
was durch Eintrodnen, Verſchütten, Mäufe- und 
Inſectenfraß abgeht; meiſt wird den Auffebern 
des Getreidebodens etwas dafür gut gethan. 

Bodenſchutzholz (Foritw.), das Unterbolz im 
Hochwalde, das nicht genugt, jondern nur zur Ber 
dedung des Bodens erhalten wird, um denſelben 


598 


gegen Austrodnung, Verwehen des Laubes, Gras— 
wuchs u. dgl. zu jchligen. 

Bodenfee, bedeutender Landſee, zwischen dem 
Kaiſerthum Öfterreih ( Vorarlberg) füböftlich, deu 
Königr. Bayern (Schwaben) u. Württemberg (Do- 
naufreis) u. dem Großherz. Baden (Kreis Konftanz) 
nördi. u. der Schweiz (Kant. St. Ballen u. Thurs 
gau) jüdl.; 398 m ü,.d. M. Seinen Namen leitet 
man von der am nordweſtl. Ende gelegenen alten 
Pfalz Bodmann ab, welche ſchon zu der Karolinger 
Zeiten eriftirte u. zuweilen den Kaiſern als Aufent- 
F diente. Bei den Römern wurde der B. Lacus 

rigantinus u, im Mittelafter auch das Schwä- 
biſche Meer genannt; andere Bezeihuungen waren: 
Lacus Rheni, L. Venetus, Konftanzer-See (Lac 
de Constance franz.) u. f. w. Seme Ufer, an 
denen Bfahlbauten gefunden wurden, waren jeden- 
fals Stätten der früheften deutſchen Cultur; denn 
von dort aus drangen die fchottifchen u. iriichen 
Glaubensboten Gallus, Willimar, Columban, Otb- 
mar u. Andere in die umgebenden Bergthäler ein, 
Genährt wird er durch den aus dem Kanton Grau— 
biinden fommenden Rhein, der ihn bei Stein am 
Rhein wieder verläßt. Nad feinen Verzweigungen 
unterfcheidet man wieder mehrere befondere Beden, 
von denen das größte, zwischen Lindau, Friedrichs: 
hafen, Konftanz u, Rorſchach gelegene, der Oberſee, 
der nordweſtl. fih einbuchtende Theil der Überlin: 
ger:See, der weſtl. von Konftanz abgetrenute Theil 
der Unter-See u, der abermals gegen das ba» 
diihe Städchen Radolfzell abzmweigende, der Zel! 
ler- See geheigen wird. Die Oberfläche des Ge- 
fammtipiegels mißt 539,,, [km (94 IM). Die 
Uferlinie ıft 250 km lang; die größte Direct zus 
fammenhängende Yängenausdehnung, zwifchen den 
Ztädten Bregenz u. Ludwigshafen, mißt 63 km. 
Die größte Breite im Winfel der größten Yängen- 
achſe, zwiſchen Egnach im Kanton Thurgau u. 
‚riedrichshafen in Württemberg, mißt 14,, km. 
Der 8, ift demnach Heiner, als der Genfer: See, 
Als größte Tiefe im Kreuzungspunfte feiner größ- 
ten Breite werden 276 ın angegeben. Die Höbe 
bes Waflerftandes differirt zwiſchen Spätberbit u. 
Frühſommer (Zeit der allgemeinen Schneejchmelze 
im Gebirge) bi$ 3 m. Der tiefite Wafferftand 
zeigte fi) jeit 200 Jahren im Winter 1857 bis 
1858, mo ein Theil feines Bettes bei Konitanz 
jo troden gelegt war, daß man ein Freiſchießen 
auf demfelben halten fonnte. Rings um den B. 
herum ift das Klima jo mild, dag ein vollftändi« 
ges Zufrieren innerhalb der legten 4 Jahrh. nur 
5mal ftattfand, das legte Mal im Februar 1830, 
Die Winde gehen ziemlic) regelmäßig. Das größte 
Srundgemwelle erzeugt der Föhn, wenn berielbe 
aus dem Mheinthal herporbricht; wilden Orlanen 
zieht immer ein mwarnender Bote in Geftalt einer 
wergen Webelwolfe vorauf, der eine dunklere, 
ſchwerere folgt, von Fiichern die Brehme genannt. 
Bisweilen zeigt fi aber auch bei fonft völlig 
windftiller Yuft eine große, fteigende u. fallende 
Schwantung des Haren, wellenlofen Seeipiegels, 
welchen die Anwohner Ruhs nennen; man jchreibt 
es den gleichen Factoren zu, welche auf den Meere 
Ebbe u, Fluth bervorbringen. Jnfolge der jechs 
am 8. mündenden Eijenbahnen (zu Konftanz, 
Friedrichshafen, Lindau, Bregenz, Rorſchach u. 


Bodenjee — Bodenftedt. 


Romanshorn, fowie der Gürtelbahn um feine öft- 
lichen, füdlihen u, weftlihen Geftade von Lindau 
über Bregenz, Romanshoru bis Konftanz) ift der 
Verlehr zwiſchen feinen Ufern außerordentlich leb⸗ 
baft. Derielbe wird dur 25 Dampfboote u. meh⸗ 
vere Trajectichiffe vermittelt. Außerdem befabren 
den See 60—70 Segelſchiffe von 1000— 1490 Etr. 
Tragfähigkeit. Die hauptſächlichſten Handelspläge 
find: Yindau, Friedrichshafen und Konftanz deut⸗ 
icherjeits, Romanshorn und Rorſchach jchweiger- 
feits; dann aber find noch Punkte von bedeu⸗ 
tendem Verkehr: Bregenz, Überlingen, Meersburg, 
Rabolizell u. Ermatingen. Die Dampfidifffahrt 
ift jehr zuwerläffitg u. bei hellem oder nicht gar 
zu wüſtem Wetter ohme jede Unbequemlichkeit; nur 
wenn das Grundgemwelle gebt, empfinden ſchwach 
conftituirte Perſonen einen Anfall von Seefrant- 
beit. Zwei Dampfer gingen bis jet erft unter: 
der Ludwig am 10, März 1861 mit 14 Berio- 
nen, welcher vom Marinetechnifer Wilh. Bauer 
G. d., geil. 18, Juni 1875) 1867 wieder ge- 
hoben wurde, u. der Jura, am 12. Februar 1864. 
Die Telegraphenfabel zwiihen Friedrichshafen u. 
Romanshorn u. zwiſchen Yindau u. Rorſchach 
liegen ſeit 1856, reip. 1867. Man für ge- 
mwöhnlih 26 Arten von Fiſchen an, die der B. 
nährt, umter denen Welfe u. Lachſe bis zu 1 Eir. 
Gewicht u. Hechte bis zur Schwere von 4 Etr. 
gefangen wurden. Außerdem find Blaufelchen 
(Coregonus Wartmanni), von denen im Sommer 
mitunter 3000 Stüd an einem Tage gefangen 
merden, die Grundforelle (Salmo lacustris), die 
Lachsforelle (Salmo trutta) u. die Triihe (Lota 
vulgaris) die befannteften. Dreijährige Blaut- 
felhen werden Gangfiſche genannt u. kommen ge— 
räuchert in den Handel. Der ſüdöſtl. Theil ift der 
ihönfte, weil ihn die Vorberge der Appenzeller 
u. Vorarlberger Alpen einschließen. Im See find 
3 Inſeln, deren eine die Stadt Lindau trägt, die 
andere Sommerfit des Großherzogs von Baden ift 
u. Mainau beißt, u. die dritte, Keichenan (f. d.) im 
Unter-See, ſchon feit dem 8. Jahrh. die drei Dörfer 
Ober-, Mittel- u. Unterzell enthält. Der Verein 
für Geichichte des B-8, 1868 gegründet, aus An« 
gehörigen aller Uferftaaten beftehend, wirft ſowol 
für die Kenntniß der Gefchichte der B-ufer, als 
für Erforſchung der fimat. u. hydrograph. Berbält- 
niffe des Sees. Vgl. G. Schwab, Der B., Stuttg. 
1840, 2 Bde; C. W. Schnars, Der B. u. feine 
Umgebung, 2. Aufl., ebd. 1859; Schriften des Ber- 
eins für Geſchichte des B-8, Lindau 1869 ff.; W. A. 
Grube, Vom Bodenjee xc., Stuttg. u. Lpz. 1875. 

Bodenfpiegel (Treibipiegel), runde Scheiben 
von Zink, welche die Kartätſchbüchſen an beiden 
Enden fchließen und den Stoß der Pulvergaie 


‚gleihmäßig auf die in der Büchſe befindlichen Ku 


geln übertragen jollen, 

Bodenitedt, Friedrich, deuticher Dichter, 
geboren 22. April 1819 zu Peine in Hannover; 
widmete fih erft dem Kaufmannsftande, verlieh 
aber feine Lehrftelle und bezog die Göttinger Uni— 
verjität, um Gejchichte u. Philofophie zu ſtudiren. 
1840 ging er nah Moskau, wo er als Erzieher 
in die Familie des Fürſten Galizin eintrat, blieb 
bier 3 Jahre u, beichäftigte fich im feinen Frei— 
jtunden mit dem Stubimm der ruſſiſchen Sprade 


Bodenftein. 


und ſlaviſchen Poefie; 1844 murde er Director 
eines Lehrerinftituts in Tiflis. Er bereifte 1845 
den Kaufafus, die Krim u. Kleinaſien u. kehrte 
über die Europäifhe Türfei und Yie Joniſchen 

njeln 1846 nach Deutſchland zurüd, wo er in 

ünden und 1848 in Trieſt als Rebacteur des 
Ofterreihiihen Floyd und dann längere Zeit in 
Berlin lebte. 1849 war er im ntereffe der preu— 
Bifchen FFreihandelspartei in Paris u, nahm 1850 
theil am Frankfurter Friedenscongreß, um für die 
deutſche Sade in Schleswig-Holftein zu ſprechen. 
Am 10. Febr. 1850 vermählte er fih mit Mathilde 
Dfterwald aus ‚Fulda, deren Borname unter dem 
Anagramm Edlitam in feinen Werten vorkommt. 
Ende 1850 übernahm er in Bremen die Redaction 
der Weferzeitung, gab diefe Stellung jedoch bald 
wieder auf und wandte ſich 1854 nah München, 
wo er anfangs Collegien über flaviihe Sprachen 
u. Literaturgeichichte, feit 1858 “aber über ältere 
engliſche Literatur las und bis Ende April 1866 
Dramaturg an der Hofbühne war, Bu Neujahr 
1867 fiebelte er nach Meiningen über, um Die 
Leitung der dortigen Hofbühne zu übernehmen, u. 
wurde zugleih vom Herzog in den Adelftand er— 
hoben; doch fand der Erreichung feiner künſt— 
leriihen Ziele Manches entgegen, daß er nach 
einigen Jahren zurücktrat; er behielt jedoch ſeinen 
Wohnfitz in Meiningen. B. ſchr.: Die Völler des 
Kanfafus u. ihre Freiheitslämpfe gegen die Ruſſen, 
Frtf. 1848, 2. A. 1855; Taufend u. ein Tag im 
Orient, Berl. 1850, 2 Bde., 4. A., 1864; Die 
Lieder des Mirza Schaffy, die zuerft 1851 in 
Berlin erfchienen u. lange Zeit für Überſetzungen 
aus dem Perſiſchen galten; Die Einführung des 
Chriſtenthums in Armenien, Berl. 1850; Ruſſiſche 
Fragmente, Lpz. 1856; unter dem Pſeudonym 
Martin Redenlob: Die neuen Nibelungen, 
1851; ferner: Ada, die Lesghierin (Gedicht), Verl, 
1853; Gedichte, 2. A., Bremen 1853; Aus der 
Heimath, Berl. 1857; überſetzte mit feltener 
Meifterichaft: Gedichte von Kaslow, Puſchlin u. 
lermontow (aus dem Wuff.), Lpz. 1843; Die 
poetifhe Ukraine (ruſſiſche Vollslieder), Stuttg. 
1845; Michail Lermontows poetifcher Nachlaß (a. 
d. Ruff.), Berl. 1852; Alex. Puſchlins poetische 
Werle (a. d. Ruff.), Berl. 1854 f., 3 Bbe.; 
Shafejpeares Sonette in deutjcher Nachbildung, 
4. A., 1873, Berl., v. Deder. Theil aus Über: 
fegungen, theils aus literariichen Erörterungen u. 
Charafterifiifen befteht das dreibändige Wert: 
Shafeipeares Borläufer und Zeitgenoffen, Berl. 
1856—60. Für diefe Arbeiten wurde B. von der 
Royal Society in London zum Ehrenmitgliede er: 
nannt. Als dramatischer Dichter trat B. auf mit 
der gefhichtlihen Tragödie Demetrius u. dem Luft- 
ipiel Autharis Brautfahrt, das in der Yongo: 
bardenzeit jpielt; beide famen in Münden, das 
fetstere auch am anderen Orten zur Aufführung, 
doch nahm fie der Berfaffer nicht in feine Geſam— 
melten Schriften auf, von denen bei Deder in 
Berlin 1865—69 eine Ausgabe in 12 Bon. er: 
ſchien. Ferner übernahm er die Leitung der neuen 
Shafeipeare-Überfegung, welche bei Brockhaus in 
Yeipzig unter Mitwirkung von Otto Gildemeifter, 
Paul Heyſe, G. Herwegh, Hermann Kurz, Wils 
brandt u. A. erſchien und für welche B. jelbft den 


99 


Macheth bearbeitete. Eine reiche Thätigfeit ent- 
widelte ev als Novellift u. Erzähler; hierher ge: 
hören: Ernft Bleibtreu, Münch. 1863; Vom Hofe 
Eifabeths u. Jakobs, Jena (bei Koftenoble) 1871, 
2 Bde.; Aus deutfchen Gauen, 1871, 2 Bbe.; 
Das Herrenhaus in Ejchenwalde, 1872, 3 Bde 
Mirza Schaffy, bei welhem B. zu Tiflis Unter: 
richt in perfiiber Sprade u. Literatur nahm u. 
defjen originelle Perjönlihfeit er in 1001 Tag im 
Orient mit freundlihen Humor fchildert, bot eine 
willflommene Anlehnung, um diejenigen früherer 
Gedichte B=8, welche in Form oder Anhalt einer 
morgenländ. Anflug haben, zu vereinigen; die Lie, 
derfammlung, die jeinen Namen trägt, enthält durch⸗ 
aus jelbftändige Schöpfungen des deutſchen Dichters 
Sie ift bis jett (Juli 1875) in 50, theils pradıt- 
voll ausgeftatteten, theils ſehr billigen Auflagen 
erichienen, jo daß keine lyriſche Sammlung jeit 
Uhlands Gedichten ihr an vwolfsthiimlicher Berbreit- 
ung gleihfommt. Die Vorzüge des Dichters, die 
ihn gegeniiber mancher verfehrten u. überſpannten 
Zeitrichtung ferunzeichnen: Wohllant u. hohe Form 
gewandtheit, Klarheit u. Wärme, ſchlichte männliche 
Kraft u. freier Blick in die Welt, treten in diefem 
Büchlein zumeift hervor. Ein neues Liederbud: 
Aus dem Nachlaß des Mirza Schaffy, erfchien 1874 
in Berlin. Die neuefte Arbeit B-3 ift Shakeſpeares 
Frauencharaltere, Berl, 1874. Ereizenadh.* 
Bodenftein (Hüttenw.), Quaderſtein von bes 
trächtliher Größe, welcher zur Herftellung des Ge- 
ſtellbodens an Schmelzichachtöfen gebraucht wird; 
in neuerer Zeit vielfach erſetzt durch genaue Pflafter- 
ung mit keilförmigen feuerfeften Steinen. 
Bodenitein, I) Andreas Rudolf, gewöhn- 
ih Karlſtadt, berühmter Theolog der Refor— 
mationszeit, geb. um 1480 in Karlftadt in Fran— 
fen; ftudirte ın Nom Theologie, ging 1504 nad) 
Wittenberg u. wurde hier Yehrer an der Univerſität, 
1513 Profeffor der Theologie u. Archidiaconus an 
der Stiftskirche dafelbft; er war 1515—16 in Rom, 
ichloß fich feit 1517 an Luther an und betheiligte 
fi) 1519 an der Disputation gegen Ed zu Yeip- 
zig. Nachdem er 1521 kurze Zeit in Kopenhagen 
gewefen war, um dort in reformatoriichem Sinne 
zu predigen, trieb er nad) feiner Rüdkehr u. wäh— 
rend Luthers Aufenthalt auf. der Wartburg in 
Wittenberg das Reformationswerk mit ſtürmiſchem 
Eifer, kämpfte gegen den Eölibat, die Mönchsge- 
lübde u. den alten Eultus, jpendete das Abend— 
mahl unter beider Geftalt u. verheirathete fih im 
Jan. 1522; darauf predigte er gegen die Bilder- 
und Heiligenverehrung, wollte eine neue fociale 
Stadtordnung einführen, wodurd eine große Gähr- 
ung in der Stadt und Umgegend bervorgernien 
wurde. DaB., wie Melanchthon, den neu auftreten- 
den Zwickauer Propheten nicht gewachſen mar, 
hielt Zuther für uörhig, von der Wartburg nach 
MWittenbera zurüdzufehren. Obgleih nun Yuther 
B. viel weniger bie Uberftürzung der Reform, 
als feine Schwäche gegen die „Schwarmgeifter” 
zum Vorwurfe machte, fühlte ſich doch B. perfönlich 
gekränkt, erbitterte fich mehr u. mehr gegen Yuther, 
trat mit Münzer in Verbindung, wollte Schulen 
u. Gelehrſamkeit abgeichafft wiiten und gab ſich 
ganz einer unllaren Myſtik hin. 1523 ging er nad 
rlamünde, deffen Pfarrei zu jeinem Archidiakonat 





600 


gehörte, u. begann hier fein früheres leidenjchaft- 
liches Reformiren mit Zerftören von Kirchenbildern, 
Abſchaffung des alten Cultus u. der Beichte wieder, 
u. als Luther in Jena öffentlich gegen ihm predigte, 
fagte fih B. ganz von ihm los. Seine VBerbind- 
ung mit Münzer, die fi jedod nicht auf deilen 
politijche Beftrebungen erfiredte, namentlich aber 
feine heftigen Angriffe auf Yuthers Abenbınabls- 
lehre führten 1524 zu feiner Vertreibung aus 
Sadjeu. Er trieb fih nun in Frauken unter den 
rebellirenden Bauern umher, ſah ſich aber auch 
von dieſen verlaſſen, u. ſuchte nun, in tiefes Elend 
verſunken, Luther wieder auf und gab demſelben 
befriedigende Erflärung über feine Meinungsänder: 
ung; er erhielt Ende Sept. 1525 die Erlaubnif, 
nah Sachſen zurüdzufehren, u. wohnte erjt zu 
Segrena bei Wittenberg, wo er eine Heine Wirth: 
jchaft betrieb, u. dann in Kemberg. 1528 wieder 
rüdfälig geworden u. mit Schwärmern im Ber 
bindung getreten, verließ er Sachſen, lebte erſt in 
Holftein, dann in OFriesland u. ging 1530 über 
Straßburg nah Zürich, wo er Diaconus am Spi— 
tal wurde, 1531 nach Altftätten, wo er die Pfarrei 
erhielt, fehrte 1532 nah Zürich zurüd u. wurde 
endlich 1534 Profeffor der Theologie it. Prediger 
an der Pererstirche in Bafel, wo er Ende 1541 
ftarb. B. war cin Mann, dem es an Klarheit 
und Maß fehlte, öfter auch umlanter und unver- 
träglich. Luther, der gegenüber jeinen veforma- 
toriſchen Ertravaganzen und feinem Myſticismus 
im Rechte war, hat mur im Abendmahlsjtreite ihn 
mit den übrigen Gegnern unbillig, allzu ſchroff u. 
leidenschaftlich befämpft. Er ſchrieb u. a.: De 
utraque specie coenae; De pontifice Romano u. 
a. m. YVebensbeihreibung B⸗s v. Füßlin, 1776, 
u. von Jäger, Etuttg. 1856. 2) Adam, Sohn 
des Bor., geb. 1528 in Karlftadt (Franken), da- 
ber auch Caroloftadius genannt; ftudirte Medicin 
und war Einer der Erjten, der die Lehrſätze des 
Paracelfus mit Mund u. Feder zu verbreiten juchte, 
deifen Schriften in das Deutiche, rejp. das Yatei- 
nische überlegte u. mit Borreden berausgab; aud 
fhrieb er ein Wörterbuch der eigenen Ausdrüde 
defielben: Onomastikon, Bafel 1547. Er batte ein 
„untrügliches" Mittel gegen die Beft, ftarb aber 
ſelbſt an Diefer Krankheit 1577 in Bajel, nady einem 
wüſten, unrubigen Leben. 1) Löffler.‘ 2) Thamhayn. 

Bodenitete Pflanzen find joldye, von welchen 
man annimmt, daß fie ausschließlich auf Boden von 
beſtimmtem chemiſchem od. phyſilaliſchem Charal- 
ter vorlommen, 3. B. Bupleurum falcatum auf 
Kalfboden, Huflartig auf Yehmboden, Plantago 
maritima anf Salzboden, Armeria elongata u, 
Herniaria glabra auf Sandboden. Es hat fi 
indeß berausgeftellt, daß dieſe eigenfinnige Anhäng-» 
lichkeit in den meiften Fällen nur localen Werth 
hat u. auf phyſilaliſchen Borausjegungen beruht, 
welche in der einen Gegend auf biefe, in der an- 
deren auf andere Weiſe erfüllt werden fünnen, 
Ja, es ift gelungen, ſehr veridhiedenartige Yand- 
pflanzen vom Samen an in wäſſerigen Yöfungen 
von geeigneten Mineralftoffen bis zu vellfommener 
Ausbildung zu erziehen, Hoffmann. 

Bodenitid, der hintere Theil der Kanonen- u. 
Mörferrohre; ſ. u. Geſchütz. 

Bodenwerder, Stadt im Kreije Hameln der 


Bodenitete Pflanzen — Bodin. 


preuß. Landdroftei u. Brov. nnover, lint3 «an 
der Wefer, Enclave in Braunſchweig; Kunftwollen- 
fabrifen; Sandfteinbrüde; Schifffahrt; 1307 Em. 
B. wurde erbaut vom Biſchof Bodo von Hamı- 
burg u, faım 1445 durch Heirath an Braunſchweig. 

odenwöhr, Dorf in Bezirksamte Neunburg 
des bayer. Regbez. Ober- Pfalz; Berg. u. Hütten- 
amt; Bergbau auf Eijen; ein ſeit länger als 500 
Jahren beftehendes Eifenwerf, Dampflägenrüblen; 
600 Em. 

Bodenzins (Grundzins), ift die von den Be— 
ſitzern umterthäniger Güter an die Gutsherrſchaft 
als Auerlennung ihres Obereigerthumsrecdtes zu 
leiftende feite, jährliche Geldabgabe, im Unterichiede 
von den ebenfalls jährlich wiederkehrenden unver» 
änderliden Abgaben landmwirthichaftlier Erzeug- 
niſſe, wie Obft, Federvieh, Eier, Butter :c., welche 
Gülten genannt werden. Mit der Aufhebung 
des Untertbansperhältuiffes der Bauerngüter find 
in den meijten europätfchen Staaten auch die Bo» 
denzinfe ı. Gülten von Seiten der Berpflichteten 
bereits ablösbar erllärt worden u. bermalen gr 
Bentheil$ wirklich abgelöft. Waurus. 

Bodfeld, chemalige Burg im Kreife Zellerfeld 
der preußifchen Landdroſtei Hildesheim, im Harz, 
bei Elbingerode; gehörte den jächfiichen Kaijern; 
jetzt ſpurios verihwunden. Hier ftarb Hein— 
rich III. 1056. 

Bodhiſattwa (db. h. Erlöfer, Beichüter der 
Menſchen), Ehrenbenennung der Candidaten zur 
Buddha-Wiürde, d. b. jeliger Geifter, welche aus 
Erbarmen mit der Menſchheit wiedergeboren wer⸗ 
den, um fie ald Buddha (j. d. A.) zu erlöjen. 

Bodin, Eonftantin, Sohn des Könige Mi— 
chael von Serbien; wurde König von Serbien u. 
regierte 1071—97; fein Sig war in Dioclea (j. d.). 
Bergebens bemühte er fi um die Eroberung des 
bulgarischen Kaiferreiches; e8 gelang ihm nur, die 
abtrünnigen Gzupane von Bosnien u. Hascien unter 
jeine Oberherrſchaft zu bringen. Durch jeine Ge» 
mahlin Jaquinte, eine geb, Italienerin, ließ er 
fih dazu bewegen, alle jeine Verwandten hinrich- 
ten zu laffen. Er ft. in Sfutari. 

Bodin, 1) (Bodinus) Jean, franz. Publicift, 
ge, 1530 in Angers; ftudirte in Toulouje die 
Rechte, befaßte fi außerdem mit der Philologie 
u. Geſchichte u. ging dann nach Paris, wo er 1561 
als Advocat fungirte. Seinen Ruf begründete er 
mit einem Schriften über die Wechſelbeziehung 
zwifchen dem Gefdwertbe und der Lebensmittel» 
theuerung. 1571 trat er ald Kath in die Dienfte 
des Herzogs von Mengon, dann ging. er nad 
Yaon, wo er Procurator u. 1576 in die Stände. 
verſammlung ig Blois gewählt wurde. Hier ſprach 
er in der Adrefberathung mit Entichiedenheit für 
Freiheit des Glaubens und zog fi dadurch viel 
eindichaft zu. Als der König, der mehr u. mehr 
zur gewaltjamen Unterdbrüdung der Proteftanten 
gedrängt wurde, einen Theil der Domänen ver- 
äußern wollte, war es B., welcher den Drüten 
Stand vermochte, das Fönigliche Geſuch abzujchla- 
gen, weil die Domänen Boltseigentbum ſeien. Er 
fiel infolge defien in Ungnade u. bereifte num mit 
dem Herzog England und die Niederlande. As 
dieier 1583 ftarb, kehrte B. nach Yaon zuritd, mo 
er Öeneralprocurator wurde u. ſich der Yigue an— 


Bodinus — Bodmer. 


ſchloß. Als Heinrich IV. ſich der proteſtantiſchen 
Sache annahm, ging er zur Partei deſſelben über. 
Er ſtarb 1596. Bon feinen Schriften find zu er— 
mwähnen: Methodus ad faeilem historiae cogni- 
tionem, Paris 1566; Röponse aux paradoxes de 
Malestroit, Paris 1586; D&emonomanie, Paris 
1579, lat.; De magorum daemonomania, Bafel 
1581, worin er die Herenproceffe gegen Beier, 
der fie angriff, zu feiner Schmach vertheibigte; 
Universae naturae theatrum, Lyon 1596, franz., 
ebd. 1597; La republique, Par. 1577, $Fol., lat., 
Par. 1586, Fol. (das erfte Werk, worin die Staats» 
kunſt wiffenfchaftlih behandelt ift); überſetzte Op- 
pianos’ Cynegetica, Paris 1855. Seine deiftifche 
Schrift: Colloquium heptaplomeres de abditis 
rerum sublimium arcanis (erft 1857 zu Schwerin 
von Noad vollftändig herausgegeben). Vgl. Guh— 
rauer, Das Heptaplomeres Bes, Berlin 1841; 
Colombet, Jean B., Nantes 1845; Baudrillen, 
Bodin et son temps, Par. 1853. 2) Felir, 
franzöfiiher Schriftiteller, geb. 1795 zu Saumur; 
redigirte während der Reftauration den Mercure 
du 19. siöcle, faß 1830 und 1834 in der Depu- 
tirtenfammer u. ftarb 1837. Er fhr.: Resume de 
V'histoire de France, Par. 1821 u. ö., deutich 
v. Hermann, Dresd. 1827; Resume de l’histoire 
d’Angleterre, Bar. 1824; Etudes-sur les assem- 
blees reprösentatives, Par. 1823, und einen 
Roman: Eveline, Bar. 1824. 

Dodinus, Heinrich, deutiher Zoolog, geb. 
1814 in Drewelomw bei Anklam; ftudirte in Greifs- 
wald u. Berlin Medicin u. Naturwiſſenſchaften, 
wurde in Bergen auf Rügen pcealtifcher Arzt, 
fiedelte 1852 nad Greifswald über, wo er fi 
jpeciell der Zoologie widmete, 1859 legte er den 
Zoologiſchen Garten in Köln an u. leitete denjelben 
mit jo viel Verftändnig u. Erfolg, daß er 1869 
zur Reorganiſation des Zoologishen Gartens nad) 
Berlin berufen wurde; es gelang ibm, denjelben 
in furzer Zeit derart umzugeftalten, daß er den 
erjten Anftalten diefer Art ebenbürtig wurde, 

Bodley, Thomas, englücher Bibliophil, geb. 
2. März 1544 zu Ereter in Devonjbire; verließ 
1556 mit feinen Eltern wegen religiöfer Verfolg— 
ungen fein Vaterland, ftudirte in Genf u, fehrte 
unter der Negierung der Königin Elifabeth zunüd, 
ftudirte weiter in Orford, machte 1576—80 eine 
Reife durch Europa u. ging dann in diplomati- 
fhen Sendungen an die Höfe von Frankreich, 
Dänemark und Holland. Seit 1597 lebte er in 
Oxford, widmete fih ganz den Wiffenfchaften 
und vervollftäldigte die dortige, nach ihm Bod— 
leyaniſche Bibliothek genannte Univerſitäts— 
bibliothet. Er ſtarb 28. Jan. 1612. Zur Be— 
reicherung dieſer Bibliothek ſoll B. gegen 200,000 
Pf. St. geopfert haben. Die von ihm den In— 
ftituten geſchenlten, zum größten Theil ſeltenen 
u. wertbvollen Werke, welche er im Auslande von 
Agenten auflaufen ließ, werden auf 24,000 ange- 
geben. Für die Verwaltung der Bibliothek fette 
er in feinem Zeftament ein Capital aus, u. nod) 
alljährlich feiert die Univerfität am 8. Nov. das 
Andenten des Stifters mit einer Öffentlichen Rede. 
Den Grund zu der Bibliothek hatte Humphrey, 
Herzog von Öloucefter, in der erjten Hälfte des 


601 


über 350,000 Drudwerfe u. 25,000 Handicriften. 
B⸗s Briefe und andere Schriften als Reliquiae 
Bodleyanae, Yond. 1703, von Thomas Hearne 
herausgegeben, mit einer bis 1609 reichenden 
Gelbftbiographie. Brambad.* 

Bodbman (Bodmen), Marktfleden im Amtsbez. 
Stodad des badischen Kreifes Konftanz, am Unter» 
(Boden-)See; 900 Ew. Dabei altes Bergſchloß glei⸗ 
hen Namens, wovon der Bodenfee feinen Namen 
führt. Das Schloß, zur Zeit der fränkischen Kai— 
jer eine Pfalz, wurde um 917 zerftört; wieder 
aufgebaut von den Herren von B., brannte es 
1307 ab. Die Familie B. ift noch in Baden an 
ſäſſig, u. der zu B. wohnbafte Freiherr Franz ift 
Abgeordneter des grumdherrlihen Adels in der 
1. Kammer der Stäudeverfammlung. 

Bodmer, 1) Job. Jakob, literar-äfthetischer _ 
Theoretifer und. Kritifer, geb. 19. Juli 1698 zu 
Greifenjee im Kanton Bilcie, Sohn eines dortigen 
Predigers; findirte in Zürich Theologie, lernte in 
Bergamo die Handlung, arbeitete fit 1719 auf 
der Züricher Staatstanzlei u. fette daneben feine 
literariſchen u. biftorifchen Studien fort, erhielt 
1725 die Profeffur der eidgenöffishen Geſchichte u. 
Politif am Züriher Gymnaſium u. etwa in der- 
jelben Zeit das —— einer Buchhandlung 
u. Buchdruderei, wurde 1737 in den Großen Rath 
aufgenommten, betheiligte fich lebhaft an allen 
vaterländiſchen Intereſſen, legte 1775 feine Pro— 
fefjur nieder u. zog fich auf jein Gut im der Nähe 
der Stadt zurüd; er ft. hier 2. Jan. 1783, Seine 
äftbetifchefritifche Wirffamkeit ift von der feines 
Freundes Johann Jakob Breitiuger (f. d.) 
nicht zu trennen. Ihr erftes literariſches Hervors 
treten fällt in Die Jahre 1721—22, wo fie u. a. 
junge Gelehrte nah dem Muſter des englischen 
Zufchauers eine Wochenſchrift: Die Discurje der 
Maler, berausgaben, die durch neue äjthetiiche 
Principien u. ſcharfe Urtheile über die berühmtejten 
deutichen Dichter Aufjehen erregten, Die Zueig« 
nung der Schrift: Bon dem Einfluß u. Gebrand 
der Einbildungskraft zur Ausbeiferung des Ges 
Ihmades oder genaue Unterfuhung aller Arten 
Beichreibungen, worin die auserlefenften Stellen 
der berühmteſten Poeten diefer Zeit mit gründ— 
licher Freiheit beurtheilt werden, Frankf. u. Ypz. 
1727, iſt mit den Anfangsbuchitaben beider ‚Freunde 
unterzeichnet. 1732—37 veröffentlichte B. jeine 
Überjegungen von Miltons Berlorenem Paradieſe 
u. Butlers Hudibras. Es war von großer Ber 
deutung, daß in einer Zeit, wo der Deutiche fich 
in feinen geiftigen Beftrebungen an die Vorbilder 
des Auslandes anlehnen zu müſſen glaubte, die 
Schweizer den von Gottſched eingeichlagenen Weg 
verließen, indem fie nicht den Franzoſen, fondern 
den Engländern in ihrem Geichmade jolgten, ſowie 
denn DB. im Gebiete der deutihen Sprache das erfte 
Borgefühl von Shafeipeares Größe gebabt zu haben 
fcheint. 1736 erſchien B⸗s Briefmechel von der 
Natur des poetiichen Geſchmackes, 1740 feine Kri— 
tiiche Abhandlung von dem Wunderbaren in der 
Poeſie u. deffen Verbindung mit dem Wahrjchein- 
lichen, in einer Bertheidigung des Gedichtes Joh. 
Miltons von dem Berlorenen Paradiefe, u. Brei— 
tingers Kritifche Abhandlung von der Natur, den 


15. Jahrh. gelegt. Im J. 1867 umfaßte diejelbe |Abfichten und dem Gebraudye der Gleichniffe, und 


602 


Bodmer. 


Kritiſche Dictfunft, 1741 B-8 Kritische Berracht- Lehre zu geben, fondern ein gewiſſes Gefübf, 


ungen über die poetiihen Gemälde der Dichter, 
1746—49 feine Kritiihen Briefe u.Neuen fritiichen 
Briefe. Nachdem B. u. Breitinger mit Gottſched 
Jahre lang im beiten Bernehmen geftanden hatten, 
erwedten Gottichebs heftige Angriffe gegen Ende 
des J. 1740 einen Federkrieg zwiſchen den Yeip- 
zigern u. Schweizern, der länger als ein Jahr» 
zehnt von beiden Seiten mit der höchſten Erbit- 
terung geführt wurde u, allmählich die principiellen 
Gegenjäge vor den perfünlihen verichwinden lieh. 
Auf der Yeipziger Seite finden wir eine trodene 
u. äußerlihe Berfiandesanffaflung; fie legt den 
Hauptaccent auf die Hegel, für deren Befolgung 
die deutiche Literatur wieder erzogen werden müßte; 
fie thut es mit pedautiſcher Strenge und fchöpft 
die Regel nur aus dem theoretiihen Herlommen 
u. aus Reflerionen, die au den Gegenjiand nicht 
hinanreihen. In den Schweizern dagegen ar» 
beitet fi aus ſchulmeiſterlichen Borurtheilen, die 
von ihnen nicht ganz überwunden werden, aus 
altmodischen Beguifisbeftimmungen und Wortbild- 
ungen, die wir abzuftreifen baben, eine lebendige 
Gemüthsanſchauung heraus; fie erfennen die Rechte 
des Genius u. der Begeifterung an u. zeigen ein 
feines Verſtäudniß für die äfthetiihe Natur des 
Menihen. B. und Breitinger waren unter den 
deutschen Schriftftellern die erften, die auf dem 
Wege der Kritit u. Speculation zur Einſicht in 
die lebendige Quelle der Schönheit gelangten u. 
die univerfelle Idee der Poeſie als einer Kunft er- 
griffen, während Gottſched im Wejentlichen nur die 
Cultur des poetiihen Stils beabfichtigte. Bei 
Gottſched nahm die Poeſie ihre Stelle neben der 
Beredtſamkeit ein; Die Schweizer verglichen fie mit 
der Malerei, indem fie von dem Dichter die Eigen- 
ſchaften des Malers verlangten, aber nur in jo 
weit, als eine folhe Forderung fih mit den gegen- 
jeitigen Unterfchieden beider Künſte vertrug. . Das 
Malerifche, was die Schweizer dem Dichter em- 
pfeblen, bedeutet gründliche Conception, Energie 
der Auffaffung, wirkliche Prägnanz des Objects, 
unmittelbare, lebendige Darftellung. Das Haupt 
anliegen Gottfcheds, die Hegel, wurde von den 
Schweizern auf ihren lebendigen Urjprung zurid: 
geführt u. im ihren Anſprüchen durch die Hechte 
des Genius eingeſchräukt. Nach ihrer Lehre bat 


3. B. Baterlandsliebe, zu erweden; die ibeale Be— 
wegung des Gemüthes durch die Phantafte ift 
mit anderen Worten ihre Aufgabe. Breitinger jagt 
„Ih nenne die Poefie eine —— Malerkunſt, 
weil dieſes lebhafte und herzbewegende Schildern 
das eigenthümliche Werk der Dichtfunft iſt.“ Die 
Poeſie heilt mit der Malerei die Aufgabe der 
Darftellung; aber fie löſt diefelbe mit größerer 
Lebendigleit u. mit beftimmteren u. ftärferen Ein- 
brüden auf das Herz. Der Umfang ihrer Thätig- 
feit ift viel weiter, al® die Sphäre der Malerei, 
u. ihre Wirkung ift höher. Dieſe Wirkung erreicht 
fie aber nur, wenn fie für ihren Gegenftand (für 
das von ihr ins Auge gefaßte Thema) begeiftert 
iſt; die Grundbedingung dichteriſchen Schaffens ift 
der Affect, ſei es eim wirklicher, jei es ein er— 
träumter (f. d. A. Dichtlunft). Und an was ent» 
flammt fi diefer Affect, dieſe Begeifterung am 
erfien, u, wodurd wird die Phantafie, das Ger 
mütbh des Leſers u. Hörers am leichteften ergriffen? 
Durch das Neue; u. das Neue im firengften Sinne, 
das immer u. für fih Nene iſt das Wunderbare. 
Aber das Wunderbare fann und nur ergreifen, 
infoweit es fih in die Grenzen des Mahrichein- 
lihen einjchränft, imfoweit e$ ein „vermummtes 
Wahrfcheinliches“ ift. — Sehr verdient machte fi 
B. durch Herausgabe u. UÜberſetzung älterer deut- 
ſcher Didtungen: ‘Proben der alten ſchwäbiſchen 
Poeſie des 13. Jahrh., aus der Maneffiichen 
Sammlung, Zür. 1748; Der Parcival, ein Ge— 
dicht in Wolframs von Eſchinbach Denfart, eines 
Poeten aus den Zeiten des Kaiſers Heinrih VL, 
Zür. 1758—54; Fabeln aus den Zeiten der Minne⸗ 
länger, Zür. 1857; Chriembilden Rache und die 
Klage, zwei Heldengedichte aus dem ſchwäbiſchen 
Beitpunfte, fampt Fragmenten aus dem Gedichte 
von den Nibelungen u. dem Joſaphat, Zür. 1757; 
Zammlung von Minnefingern aus dem ſchwä— 
biſchen YZeitpunfte, 140 Dichter enthaltend, durch 
Nüdger Maneffen, Zürih 1758—59, 2 Theile; 
Altenglifche u. aliſchwaͤbiſche Balladen, in Eſchinbachs 
Versart; Zugabe von Fragmenten aus dem alt- 
ſchwäbiſchen Zeitalter und Gedichten, Zür. 1781, 
2 Bdchn., ꝛc. Be⸗s zahlreiche epiiche u. dramatiſche 
Dichtungen (etwa mit Ausnahme, der Noachide, 
Zür. 1753, Baf. 1781) u. feine Überſetzung des 


ſich die ſchöpferiſche Thätigkeit allerdings der Ne- |Homeros, Zür. 1778, 2 Bve., hat die Nachwelt ver- 


gel zu unterwerfen; aber fie hat die Negel nicht 
von außen ber, fondern aus ihrer eigenen inneren 
Gejegmäßigleit zu empfangen. Es tft dann aller- 
dings die Sache der Kritik, dieſe dem jchaffenden 
Geiſte einmohnende Regel aufzufaffen u. nadzucon- 
ftruiren, Heißt es nun bei den Schweizern, der Jwed 
der Dichtung fei fein anderer, als das finnliche Ergö- 
en, u. fie nüße nur, infofern fie diefes als Erholung 
befördere, fo liegt hierin der Gedanke, daß die Poeſie 
zunädft unfere finnliche Natur ergreife, alfo durch 
anschauliche Darftellung u. durch Belebung der Ger 
fühle auf uns wirfe u. hierdurch unfer Inneres 
in Freiheit fege. In diefer Befreiung erbliden 
die Schweizer den eigentlichen Nutzen der Poeſie, 
u. fie machen menigftens einen Anfang zur Be- 
feitigung des Tehrzmedes, den ihr das Herlommen 
aufgedrängt hatte. Bon der Tragödie jagt B. 
ausprüdlih: ihr Zwed fer nicht, eine beftimmte 


gefien. Bgl. Leonhard Meifter, über B., nebit 
Fragmenten aus feinen Briefen, Bür. 1763; 
Ih. W. Danzel, Gottiched u. feine Zeit, Auszüge 
aus feinem Briefwechiel, Lpz. 1848, ©. 185 ff., 
Mörilofer, Die ſchweizer Literatur des 18. Jahrh., 
Yp3. 1861; Hettners Pıteraturgeich. des 18. Jahrh., 
II. 1., ©. 365 ff. Sehr ſchätzbare Auszüge aus 
B⸗s u, Breitingers äfthetiich » fritiichen Schriften 
enthalten die 4. u. 5. Aufl. von Koberfteins Grund» 
riß der Gefchichte der deutſchen Nationalliteratur. 
2) Georg, ausgezeichneter Mechaniker, geb. 1786 
in Züri; fam in feinem 16. Jahre in Hauptweil 
in Thurgau zu einem Mechaniler in die Lehre, 
erfand bier jchon 1803 die Schrauben» od. Kreuz« 
räder und verbeiferte 1805 die Baummollenipinn- 
maſchinen. Zu Küßnacht im Kanton Zürich legte 
er eine eigene mechaniſche Werfftätte an u. fertigte 
hier 1808 eine gezogene einpfündige Kanone für 


Bodmerei 


Granaten (Hinterfader), deren Modell aber bei 
einem Brande verloren ging. Seit 1809 nad 
St. Plafien übergefiedelt, murde er 1816 Capitän 
der Artillerie u. erhielt die technifche Leitung der 
großherzoglichen Eiſenwerke u. der Gemwehrfabrif 
in St. Blofien, während er auch einer Werfftätte 
und Spinnerei vorjtand. 1822 fehrte er in bie 


— Bodo. 603 


der aänten richtete fih nach ber Länge der Zeit, 
der Weite der, Fahrt, der Wefährlichleit der Ge— 
wäſſer zc., auch je nachdem man auf Heteroplun 
oder Amphoteroplun lieb, u. fo ftiegen die Zinſen 
von 10—334 pCt. Waijengelder durften geſetzlich 
nicht auf B. gegeben werden. Im Röm. Rechte ent: 
ſprach das Foenus nauticum dem B»vertrage. Nach 


Schweiz zurid, entwarf den Plan zum Bade heutigem Rechte ift die B. ein handelsrechtl. Ge- 
Schinznad in Aargau u. war für bie Herzogicen|ichäft, u. zwar eine Art ber gemagten (Affecuranz.) 
Spiunfabrifen in Aarau fehr thätig. 1824 ging Geſchäfte. Die darauf bezüglihen Beftimmungen 
er nah Manchefter, errichtete hier eine Werkſtätte des D. Allg. H.“G.“B. (Art. 680—701) find 
zum Bau von Mafchinen, brachte das ſogenannte im Wejentlihen: a) 8, it ein Darlehensge- 
Banbvereinigungsigftem zur Ausführung, wodurd|fchäft, welches von dem Schiffer als ſolchem kraft 


die Baummollenjpinnerei wejentlich vervollfommınet 
wurde, baute das erfte größere Wafferrad zu Bol— 
ton von 20 m Durchmeſſer, vervolllommmete die 
Pocomotiven un. erwarb im Laufe von 20 Jahren 
viele Patente über mehr als 80 Maichinen und 
Werkzeuge zum Drehen, Bohren, Walzen zc., von 
denen die meiften in Anwendung find; 1847 ging 
er nach Öfterreich u. betheiligte ſich bei den dor« 
tigen Eifenbahnbauten, bef. bei der Sömmering— 
Bahr. B. ft. im Juni 1864 in Züri. 
Bodmerei, 1) (Bobmereicontract, engl. Bot- 
tomry, frz. Contrat de grosse-aventure od. C. a la 
grosse, ital. Cambio Maritimo) Seecontract, nad) 
welchem ein Schiffer (Bnehmer) in fremden Häfen 
Geld zur Ausbefjerung feines Schiffes, od. zur Fort⸗ 
ſetzung der Fahrt (Brgelder) aufnimmt, fir deren 
BWiederbezahlung er jeine Fracht u. fein Schiff 
verpfändet. So lange alfo die Wiederbezahlung 
nicht erfolgt, od. im Falle felbige verweigert wer- 
den follte, kann fi) der Begeber (Bodmerift) 
an das Schiff felbft haften; dagegen geht das Geld 
verloren, wenn das Schiff untergeht, u. deshalb 
ift der Darleiher berechtigt, hohe Intereſſen (B— 
prämien), meift 10—12 pEt., zu nehmen. Die 
B. wird auf ein digenes B-conto (Berechnung) 
eingetragen. Der B-nehmer gibt einen B-brief 
(Kielbrief, B⸗wechſel) zur Anerkenntniß der en- 
pfangenen Summe, weicher Wechſelrecht Hat; tm 
alle eines Concurſes geht ſtets der jüngere dem 
älteren vor, um bei neuen, unterwegs vorkommen: 
den Schwierigfeiten die Fahrt nicht zu hindern. 
Der Schiffer fol jo lange wie möglich vermei- 
den, B. einzugehen; u. vorher verjuchen, Geld 
auf Wechjel zu gewöhnlihen pCt. durd Ber: 
fauf der dem Schiffe gehörigen Waaren u, ſ. w., 
zu erhalten. 2) Darleihen gemwiffer Summen 
gegen hohe Zinfen an einen Schiffer, um damit 
eigenen Handel zu treiben, mit oder ohne Ber- 
pfändung des Schiffes. Liber diefe Art B. ſpre— 
en fi die Geſetze anders aus, als über die 
vorige; jo geht hier meift der ältere Contract 
dem jüngeren u. Havarie der B. vor, — Died. 
war jchon im Altertfum gebräuhiih; man lieh 
nad griehiihem Brauche gemeiniglicd auf die 
Waaren, jeltener auf das Schiff u. das Fahr- u. 
Frachtgeld. Über ſolche Verträge wurden Urkunden 
niedergeichrieben u. dieſe bei einem Wechsler nieder: 
gelegt. Die Summe murde auf bejtimmte Zeit 
u. für die Fahrt nach einem beftimmten Orte ge: 
lieben; Zahlung wurde geleiftet bei dem Hetero- 
plun (Leihuug bloß für die Hinfahrt) an dem Orte 
ihrer Beftimmung; bei den Amphoteroplun (für 


der im Handelsgeſetzbuche ihm ertheilten Befug- 
niffe, unter Zuſicherung einer Brämie und unter 
Berpfändung von Schiff, Fracht u. Ladung oder 
von einem oder mehreren diefer Gegeiftände in 
der Art eingegangen wird, daß der Gläubiger 
wegen feiner Auſprüche nur an die verpfändeten 
(verbodmeten) Gegenftände nah Ankunft des 
Schiffes an dem Orte ſich halten könne, wo die 
Reife enden fol, für welche das Geſchäft einge, 
gangen tft (Brreife). b) B. kann von dem Schiffer 
nur eingegangen merden: während das Schiff 
außerhalb des Heimathshafens ſich befindet, zum 
Zwecke der Ausführung der Reiſe und während 
der Reiſe im alleinigen Intereſſe der Ladungs— 
betheiligten zum Zwecke der Erhaltung u. Weiter« 
beförderung der Ladung. c) Die Höhe der B— 
prämte ift ohne Beſchränkung dem Übereinkommen 
der Parteien überlaffen. d) Iſt ein B-brief von 
dem Schiffer nicht ausgeftellt, jo hat der Gläu— 
biger diejenigen Rechte, welche ihm zuftehen wür— 
den, wenn der Schiffer zur Befriedigung des Be— 
dürfniſſes ein einfaches Srevitgeichäit eingegangen 
wäre. e) Die B-fchuld iſt, ſofern nicht in dem 
Bebriefe jelbft eine andere Beſtimmung getroffen 
worden it, in dent Beftimmmmgshafen der Bereife 
u. am 8. Tage nad der Ankunft des Schiffes in 
diefem Hafen zu zahlen; von dem Zahlungstage 
laufen faufmänntiche Zinfen von der ganzen B- 
ihuld einfchließt. der Prämie, u. kann der Gläu— 
biger im Falle der nicht rechtzeitigen Zahlung den 
öffentlihen Berfauf. des verbodmeten Schiffes u. 
der verbodmeten Ladung, fowie die Überweifung 
der verbobmeten Fracht bei dem zuftändigen Ge- 
richte beantragen. f) Die ſämmilichen verbod» 
meten Gegenftände haften dent B-gläubiger ſoli— 
dariſch. Grotefend 

Bodmereiaſſecuranz, 1) das Berſichern des 
einem Schiffer auf jein Schiff geliehenen Capitals 
bei einer Affecuranz durch den Darleiher. 2) Die 
ſes Berfihern durch den Schiffer, wo er dann 
dem Bodmereigeber den Verſicherungsſchein ein- 
händigt, damit derfelbe, im Falle das Schiff 
verloren ginge, fich durch Die Aſſecuranz jchadlos 
halten kann. 

Bobmin, Wahlfleden (Borough) der engl. 
Grafſchaft Cornwall; Sig der Sommeraifiien; 
Hofpital, Irrenanſtalt; Wollenzeugmanufacturen; 
Sarnhandel; 4672 E.; in der Nähe die Hurlers, 
fteinerne Druidenmonumente. 

Bodd, Hauptort des norweg. Stiftes Nordland, 
auf einer Yandfpige, am Eingange des Galten- 
Fiörd, wo 1875 großartige Eijenfteinlager aufger 


Hin⸗ u. Rüdfahrt) nad) der Rüdtehr. Die Höhe: fchloffen wurden; 300 Em. Hier wohnte einige 





604 
za der landesflüchtige Prinz Ludwig Philipp von 


Bodont — Boerhaave. 


Bokdromion nah der Mythe Über die Amazonen 
xleaus, nachmals König der ‚zrangofen. gewonnen hatte. (In Böotien ftand der Name 
Bodöni, Giambattifta, berübmter Buch- des Apollon B. in Verbindung mit dem Kampfe 

druder, geb. 16. Febr. 1740 zu Salnzgo; arbeitete|der Thebaner gegen die Orchomenier unter Er- 

feit 1758 als Setzer in der Officin der Propa-|ginos.) Der Grund des Feſtes u. der Beiname 
ganda u. wurde 1766 Director der Druderei indes Apollon jcheint in feiner Auffafiung als eines 





Parına, aus welcher griechiiche, römiſche, italieniſche 
u. franzöfiche Claſſiker, wie Homeros, Birgilius, Ho⸗ 
ratius, Dante ꝛc. hervorgingen, die fi aber mehr 
durch prachtvolle Ausftattung, al® durch Correctheit 
u. gute Texte auszeichnen. Er legte 1790 eime 
eigene Druderei n. eine Schriftgiegerei an. B. 
ft. 29. Nov. 1813 in Padua. Seine größte Kumft 
war das Schriftfchneiden; Proben feiner Schriften 
in Manuale tipografico del G.B., 1818, 2 Bde. 
Lebensbeichreibungen von Giuſ. de Lama, 1816, 
2 Bde., u. Bernardi, Saluzzo 1873. 

Bodrog, 1) (Bodrogh) Fluß in dem ungar. 
Comitat Zemplin, an der polnischen Grenze; ent- 
fteht aus den Flüſſen Laborcza, Ondawa, Tapolcz, 
u. mündet bei Today in die Theiß; ſehr fiſchreich. 
2) B. Kereftur, Marlıfleden am B. in dem 
ungariihen Comitat Zemplin; Synagoge; vor- 
züglicher Wein; Biehhandel; 4600 Em. 3) Schloß 
u. Dorf in dem Comitat Bacs, an der Donau; 
gab dem Eomitat den Namen Bacs-B. (ſ. d.). 

Bodt, Jean de B., Architelt, geb. 1670 zu 
Paris; wurde 1700 branbenburgiiher Hofbau- 
meifter, fpäter preußifcher Generalmajor u. Com: 
mandant von Wefel; trat 1728 in ſächſiſche Dienfte 
u. ftarb als Generaffeldzeugmeifter 1745 in Dres» 
den. Er vollendete das Yengbaus zu Berlin, 
baute das Schloß zu Potsdam, die Feitungswerte 
von Wefel u. mehrere Baläfte in Berlin u. Dresden. 

Boe, Franc. de le B. (Sylvius), medicin. 
Schriftfteler, geb. 1614 in Hanau; ftudirte in 
Leyden u, Paris Medicin, prafticirte jeit 1786 in 
Hanau, Leyden u. Amfterdam und wurde 1658 
Profefior der Medicin in Yeyden; er ft. 14. Nov. 
1672. B. ift Begründer des cdhemiatriichen 
Syſtems (f. d. u. Ehemiatrie), hielt in Holland 
zuerit Hinifche Borlefungen u. nahm häufig Yeichen- 
Öffnungen vor. Er ſchr.: Disputationum medie. 
decas, Amfterd. 1663; Praxcos medicae idea 
nova, 1667— 74, 3 Bücher. Werte, Aınfterd. 1679, 
Genf 1731. 

Boedromios (gr., d. i. der mit Geſchrei Yau- 
fende), Beiname des Apollen, namentlich bei den 
Böotern, wo er in Theben neben der Artemis 
Eufleia verehrt wurde, u. zu Athen; hier war 
neben anderen Erklärungen die Legende geläufig, 
daß er den Athenern eingegeben babeu follte, bei 
einem Kampfe mit den Gleufiniern die Schlacht 
mit großem Gefchrei zu beginnen, was jenen den 
Sieg verſchaffte. Daber hieß der 3., ihm geheiligte, 
vom 13. Sept. bis 11. Oct. unferes Kalenders 
reihende Monat des Attiſchen Kalenders Bok— 
dromion. Ju diefen Monat wurden die großen 
Eleufinien (ſ. d.) u. (nach dem Feſte der Artemis 
Agrotera) am 7. Tage defielben Die Bokdromſta 
gefeiert, Tetstere nach Einigen dem Apollon, nad 





Anderen dem on oder jenem Water Xutbos, 
welcher den Athenern in jenem Sampfe unter! 
Erechtheus gegen die Eleufinier des Eumolpos beis 
ftand, zu Ehren gefeiert, nad Anderen zum Ans 
denlen des Sieges, welchen Theſeus im Monat 


ſtreitbaren, kampfrüſtigen Gottes, reſp. in der 
Erinnerung an die durch feine Oralel in Kriegs— 
notb gefeifteten Hilfe zu ſuchen zu fein. Herpberg- 
Boer, in Rußland ein aus Brettern zufammen- 
geſetztes Schiff, anf eiſerne Schienen od. Schlitten» 
fufen geftellt und mit einer Leulſchiene verieben; 
dient zum Befahren zugefrorener Ströme od. Seen. 
Boerhaave (Boerbaaven), Hermann, einer 
der bedeutendften Arzte aller Zeiten, geb. 31. Der. 
1668 in Voorhout, einer Vorſtadt Leydens; von 
feinem Bater, einem Prediger, jehr forgfältig er— 
zogen, ftudirte er von 1682 an in enden Theo— 
logie, trieb namentlich orientaliihe Sprachen und 
Kirchengeſchichte, wurde 1690 Doctor der Bbilo- 
fopbie, ging nach Bandebergs Rath zur Medicin 
über, eignete ſich die Ausgebreitetften Kenntniſſe 
in allen Zweigen derjelben an, war aufererdentlich 
beleſen in der Gejchichte der Medicin u. der Hilfs: 
wiſſenſchaften u. jchöpfte vor Allem aus gemiifen- 
bafter Beobachtung der Natur. 1693 promorirte 
er in Harderwyck, prafticirte ein Jahr lang und 
trat 1701 an Drelincourts Stelle als Profeffor 
der theoretischen Medicin in Leyden. Einen Auf 
nah Groningen abichnend, wurde er 1709 Pro- 
feffor der Botanik u. Mediciu. In der damals ge» 
baltenen Antrittsrede (Öratio qua repurgatae 
mediciuae facilis asseritur simplieitas) zeigte 
er, mit wie menig SHeilmitteln man ein guter 
Arzt jein könne, wenn man fich frei halte von 
alten Hypotheſen. Seinen Ruf nah außen be- 
gründete er namentlich durch feine: Institutiones 
medicae in usus exereitationis arinuae domesticos, 
Leyden -1708, 18, 20, 27, 34, 46; außerdem 
Frankf., Paris, Duisburg zc., u. die: Aphorismi 
* cogmoscendis et curandis morbis, in usum 
doetrinae medicae, Leyden 1709, 15, 22, 37 
u. ſ. f., jene die Theorie der Medicin in meifter- 
bafter Weife umfafiend, dieſe als ein Leitfaden 
für feine Borlefungen. 1715 übernahm er an 
Bidloos Stelle die Profeffur der praftiihen Me» 
dicin u. die Leitung des Kranfenhanjes, 1718 die 
Profeffur der Chemie; das Intereſſe fiir diefelbe 
zeigte er durch feine: Elementa chemiae, quae 
universario labore docuit in publieis privatisque 
scholis, feyden 1732, u. in vielfadhen Ausgaben. 
1714 war er zum erftien Mal Rector mammificus 
geworden u. hatte dabei geiproden: De compa- 
rando certo in physieis, 1730 zum legten Mal, 
wobei er in feiner Nede: De honore medici, ser- 
vitute, enden 1731, nachwies, daß die höchfte 
Ehre des Arztes darin beftehe, daß er ein Diener 
der Natur fei. 1727 befam er einen Rüdfall 
einer gichtifchen Lähmung, vie fidh bereits 1712 
einmal gezeigt hatte, gab infolge deffen 1729 den 
Fehrftuhl der Botanif u. Chemie auf; Oratio cum 
cathedrae chemiae et botanices valediceret, Ley— 
den 1729. Erft. am 23, Sept. 1738. Das ihn von 
der Stadt Yenden geſetzte Denkmal trägt feinen 
Wahripruch: Simplex sigillum veri, und die De» 
dication: Salutifero Boerhaavii genio sacrum« 


Boerhavia — Bogaers. 


DB. hatte, wie Haller fagt, ein faft göttliches Ge- 
müth, auch dem Feinde wohlmollend zu jein, u. 
eine folofjale Arbeitsfraft, als Arzt seinen Welt« 
ruf, als Lehrer das Genie, „auf den geiftreich zu— 
fammengefügten Grundlagen der rationellen Em— 
pirie u. eines dem iatro-mathematifchen u. iatro« 
hemifhen Dogmatismus wur vorfichtig zugemwen- 
deten Synkretismus eine phyſiologiſch⸗mediciniſche 
Theorie wiederherzuftellen”, u. einen wunderbaren, 
überzeugenden Bortrag. Außer ben bereits ge- 
nannten Werfen u. vielen Differtationen u. Reden 
mären noch anzuführen: Libellus de materia 
medica et remediorum formulis, Yondon 1718 
u, ſ. f.; Epistola ad Ruyschium pro sententia 
malpighiana de fabrica glandularum in cor- 
pore humano, Amfterd. 1722. Die Gejamnit« 
werfe: Opera omnia medica, erſchienen Venedig 
1766. Ferner gab er, zum Theil auf eigene 
Koften u. mit vielem Aufwande, eine Menge guter 
Werke anderer Autoren heraus, 3.B.: Smanmer- 
dams Historia inseetorum ete. Diele unter 
feinem Namen herausgeg. Schriften find von ihm 
nicht anerlannt worden. Zu jeiner Lebensgeſch. 
vgl. außer der oben angeführten Rede: Cum 
eathedrae „.. valediceret: Schultens oratio aca- 
demica in memoriam H. B., Leyden 1738; 
Maty, Essai surlecaractere du grand medeeinete., 
Köln 1747, deutſch, Lpz. 1748; Memoires de 
Vacadémie, 1738, von Fontenelle; Encyklopädie 
von d'Alembert u. Diderot, Artikel Voorhout von 
Jancourt; Burton, An account of thelife of Boer- 
haave, Lond. 1743; ebenjo von Johnſon, ebd. 
1834, u. Kefteloot, Yeyden 1825. Thamhayn. 

Boerhavia L., Pflanzengatt., nad H. Boerhaave 
benannt, aus der Fam. der Noktagineen (L 1), 
einjährige od. perennirende Kräuter, jelten Halb- 
ſträucher, mit gegenftändigen Blättern und zahl- 
reichen, in Rifpen vertheilten Blüthen, letztere mit 
röhrenförmigen, gefärbtem Perigon, 5theiligen 
Saume, 1—4 hypogyniſchen Staubblättern, ein» 
fädherigem, verfehrt » fegelfürmigem Fruchknoten, 
einem aufrechten Eichen, nicht aufipringender, von 
dem'verhärteten Perigon eingeschloffener, einfamiger 
Frucht. Arten: B. erecta L., in Mittel-Amerifa 
u. an der WKüſte Afrifas; ihre Wurzeln wirken 
brechenerregend, die Blätter dienen als Gemüſe. 
B. procumbens Roxb., in Oftindien; B. hirsuta Z., 
in Brafilien; B. tuberosa L., in Peru, u. a., 
finden ähnliche Berwendung. 

Boers (d. h. Bauer) werden die Coloniften 
europäifchen (meift holländischen) Urfprunges auf 
der DScite des füdlihen Afrifa genannt, denen 
fi) auch eimmandernde franzöf. Hugenotten an— 
ſchloſſen, welche die holländ. Sprache annahmen. Als 
England das Capland eroberte, wohnten B. bereits 
an der OKüſte des Landes; fie wurden von Eng— 
land vielfach bedrüdt u. gegen die befiegten Kaflern 
benachtheiligt, zogen nah N. u. gründeten nach 
vielen blutigen Kämpfen die Oranjefluß- u. Trans- 
vaalishe Republit, wo in neuefter Zeit Gold» u. 
Diamantenfelder entdvedt wurden. Die B. leben 
in Heinen Landftäbtchen, od. auf einzelnen Höfen, 
meift von Viehzucht, weniger von Aderbau, da 
die Hochflächen große Weiden bieten, dagegen 
der Mangel an Regen u. Duellen den — 
auf Heine Streden beipräntt, S. Capland. 


605 


Boẽthos, griechiſcher Erzgießer aus Carthago, 
oder, wie Müller meint, aus Chalkedon; lebte 
in der erften Hälfte des 2. Jahrh. v. Ehr. u. ar» 
beitete in Griechenland. Plinius erwähnt von 
ihm mehrerer Werte im Athenetempel zu Lindos. 
Die Marmorcopie einer feiner Kinderftatuen (ein 
Knabe, weldher eine Gans würgt) im Louvre. 

Boetius, 1) Anicins Manlius Torgua: 
tus Severinus, röm, Staatsmann u. Philofopb, 
geb. um 470 n. Chr. in Kom; ftudirte in Athen 
Philofophie, war unter dem Oſtgothenlönig Theo» 
der.ch einflußreicher Staatsbeamter u. 508 od. 510 
Eonjul; aber da er den eines Majeftätsverbrechens 
angeflagten Senator Albinus vertheidigte, wurde 
er jelbit dem König Theoderich verdächtigt und 
von diefem feiner Würde entjegt u. in Pavia 524 
oder 525 hingerichtet. Merkwürdiger Weife wird 
B., der nie Ehrift war, als Bertheidiger u. Mär- 
tyrer des Kathol. Glaubens gegenüber dem Aria- 
nismus u. als Heiliger verehrt u. der 23. Oct. als 
jein angeblider Todestag gefeiert, Einer der legten 
Neuplatoniker, vermittelte hauptfächlich erdurch feine 
Überjegungen und Grläuterungen der logifchen 
Schriften des Ariftoteles u. durch jeine Schriften die 
Belanntichaft des früheren Mittelalters mit der 
grieh. Philoſophie. B. ſchrieb rhetoriiche (zuerſt 
herausgeg. von A, Mai in den Classici aucto- 
res, 1831, welche unecht find) und philofophiiche 
Schriften, namentlih: De consolatione philoso- 
phiae (vor feinem Tode im Kerfer), theils in Proſa, 
theil8 in Verſen, herausgeg. Nürnb. 1473, von 
Bertius, Leyden 1623, von Bulpius, Par. 1721, 
von Helfrecht, Hof 1797, von Freitag, Riga 1794, 
von Weingartuer, Linz 1827 (beide mit Überje- 
ung), von Obbarius, Jena 1843, überjegt ins 
Augelſächſiſche von Alfred, in althochdeuticher, im 
Anfange des 11. Jahrh. verfaßter Überſetzung mit 
lateinighem Text, herausgegeben von Graff, Berl. 
1837; ein Fragment: De arithmetica, gab 
Weber, Kaffel 1847, heraus, Werke, Ben. 1797 f., 
2 Bde., Bajel 1546, Fol., 1570, Leyden 1656; 
im Patrologiae eursus compl., 63. u. 64. Bd., von 
Migne, Par. 1847. Lebensbeichreibung von Ger- 
vaife, Par. 1715; Baur, De Bo&thio, 1841; 
Nigih, Das Syftem des B., Berl. 1860. 2) Se— 
baftian, geb. 1515 zu Guben in der Yaufig; 
war 1536— 43 Nector in Eiſenach, wurde 1544 
Zuperintendent in Mühlhaufen, 1547 Diaconus 
in Halle u. jpäter Superintendent ebd.; 1567—68 
war er wieder Superintendent in Miüblhaufen, | 
worauf er nah Halle zurüdtehrte; er ft. dafelbft 
1574. B. trug viel bei zum Übertritte des Erz- 
biſchofs Siegmund zur Luth. Kirche, beförberte 
bejonders in Halle das Schulwefen u. gründete 
dafelbjt die Marienbibliothel. Er jchr.: Index 
Cinghanorum quorundam errorum in eatechesi 
wittebergensi nova comprehensorum, 1571. 

Bog (jlav. Myth.), allgemeiner Name für den 
höchſten Gott; bei allen Slaven im Sing. ge: 
bräuchlih u. int hohen Altertum wurzelnd; meil 
mit altperj. baga u. altbaltr.. bagha identijch, 
wird die Mittheilung Profops beftätigt, die Slaven 
hätten an einen Gott geglaubt. 

Bog, I. Bug. 

Bogaers, Adriaan, reichbegabter holländ. 


r. Körner. | Dichter, geb. 1795 im Haag; war zuerft Advocat 


606 Bogaſi — Bogdo. 


in Rotterdam; ſtarb 10. Auguſt 1870 in Spaa. Überſetzer bei dem Stabe des Grafen Panin, 
Bekannt find ſeine Gedichte: Jochébed, u.: De 1765 im Auswärtigen Collegium und 1766 Ge— 
tocht van Heemskerk naar Gibraltar, für wel · ſandtſchaftsſecretär am kurſächſiſchen Hofe, kehrte 
ches leßtere er von der Holländiichen Gefellichaft/1768 nach Petersburg zurüd u. biieb im Givil- 
für fhöne Künfte u. Wiffenfchaften gekrönt wurde dienſte; 1780 wurde er Mitglied u. 1788 Bor« 
(1836). Hierauf folgte: Adams Erfigeborener ; jo. |figender des Neihsardivs, mahm aber 1795 
dann ein Band Balladen u. Nomanzen; ferner: ſeine Entlaffung, ging nah Sumy und von da 
Dichterblumen aus der rende (1852), An die|1798 nach Kurst; er ft. 18. Jan. 1803 auf feinem 


Bertheidiger der Eitadelle von Antwerpen. Ebenjo 
ausgezeichnet war B. als bolländ. Sprachforſcher. 
ogafi, Gefammtname der Donaumündungen 


(f. u. Donan). 
Bogatzky, Kari Heinrich v., deutſcher Er— 
bauungsichriftfteller in Bocfte u. Profa, geb. 7. Sept. 


1690 zu Jankowo in Nieder-Schlefien; ſtud. in Jena 
Rechtswiſſenſchaft, in Halle Theologie, lebte dann 
in Glaucha (Sclefien), jeit 1740 am Hofe des 
Herzogs von GSadjen- Saalfeld, privattfirte ſeit 
1746 im Halliſchen Waiſenhauſe, wo er zur pie 
tiftischen Richtung überging; er ft. 15. Juni 1774. 
B. ihr. unter vielem a.: Gildnes Schaßläftlein 
der Kinder Gottes, Halle 1718, häufig aufgelegt 
u. überfegt; lÜbungen der Gottjeligteit in allerlei 
geiftlihen Liedern, ebd. 1749, 75; Lieder, ebd. 
1756, u. f. w. Bon ihm ift u. a. das Kirchen⸗ 
lied: Wach’ auf, du Geift der erften Zeugen. Bal. 
8.9.0. 8-8 Lebenlauf, von ihm jelbft beichrieben, 
berausg. von Knapp, Halle 1801, neue A., Berl. 
1782; Ledderhoſe, Das Leben K. H. v. B⸗s, 
Heideib. 1846. 

Bogdan (ſav., Geſchent Gottes, jo v. mw. 
Theodor), I) Name der alten chriſtlichen Fürſten 
von Möfien. 2) Slav. Borname. 3) Name von 
5 Domnus od. Fürften der Moldau (ſ. d. Geſch.). 

Bogdanich, Emmerih Daniel, Aitronom 
u, Mathematiker, geb. 1762 zu Veröcze oder Be- 
rovitig in Slawonien; ſtudirte theils zu Ofen, 
theils privatim Mathematik, wurde 1785 aufer- 
ordentlicher Profeffor der Mathematif an der Kö— 
niglihen Alademie zu Großmwardein u. nachdem 
er fih no in Wien aftronomifhen Studien ger 
widmet, wurde er 1796 als zweiter, 1798 als 
erfter Adjunct der Königl. Sternwarte in Ofen 
angeſtellt. In diefer Stellung unternahm er im 
Auftrage des Kaifers eine aftronomiiche Reiſe 
durch Ungarn, zur Beftimmnng der Yänge und 
Breite vieler ungarischen Städte und Grenzorte, 
durch welche er ſich großes Berdienft um Aus— 
bildung der geographiſchen Kenutniß Ungarns er- 
warb; feine Bejtimmungen find bei der Aus— 
arbeitung der vortrefflihen Lipßlyſchen Starten 
verwendet. Als Profeffor in Großwardein jchr. 
er: Formulae pro spatiis rectilineis aut quae in 
hac resolvi possunt, per lineas parallelas di- 
videndis, Bert 1786; feine auf der Ofener Stern- 
warte angejtellten aſtronomiſchen Beobachtungen 
find in; Ephemerid. Vindebon. niedergelegt; 
teine geographifchen Ortsbeftimmungen in: v. Zach, 
Seograph. Ephemeriden III., u. deffen Monatl. 
Gorrejpondenz I., III.,IV., VII. In jeinen Duße- 
ſtunden verjuchte er fich mit Glück in der latein. 
Poeſie. Er ft. 31. Jan. 1802 in Peſt. 

Bogdanowitſch, Hippolyt Fedoromitic, 
ruſſiſcher Schriftiteller, geb. 23. December 1743 
in Perewolotichna in Klein-Rußland; wurde 1761 
Klaffen-Anfjeber an der Univerfität Mostau, 1763 


Dagh 


Gute bei Kursk. Seine Neigung zur darftellen 
der Kunft beichwichtigte Cherasfom, Director der 
Theater in Moskau, u. lenkte jein Talent auf die 
Gebiete der Poefie: er dichtete in feiner Iluiver- 
ſitätszeit ſchon Bieles u. Mannigfaltiges, verfaßte 
aber erft in Dresden das Gedicht Dujcbenla, ber- 
ausgeg. 1775, welches feinen Ruhm begründete. 
Es iſt eine poetifche Nahahmung von Yafontaines 
Pipe, die jo viel Aufiehen erregte, Daß die 
Kaiſerin Katharina II. u, das Publıcum ihn mit 
den größten Gunſtbezeugungen überhäuften. Die 
Ipäteren Dichtungen: Duſchenkas Freude und Die 
Slaven (1782) jind ſchwach. Er verfaßteaußerdem: 
Hiftorifhe Schilderung — (1777); überſetzte 
Bertots Geſchichte der Veränderungen in Rom, 
in 3 Theilen, u. gab ruſſ. Sprüchwörter heraus. 
Sämmtliche Werke, 1809 in Moslau, 6 Bde., 
1818, 4 Bde. 2) Modeſt Jwanowitſch, Neffe 
des Bor,, ruf. Generalmajor; jchrieb mehrere 
Werte aus dem Gebiete der Kriegäkunft u. Kriegs- 
geſchichte, darunter: Geichichte der Kriegstunft 
(Jstorya vojennego is Kusstva etc.), Petersb. 
1853; Der Krimer Feldzug der Franzoſen und 
Engländer (Opisanye expedieii Anglo-Francezov 
v Krim), 1856; Feldzüge Suwarows in Italien 
und der Schweiz, 1846; Feldzug des Generals 
Bonaparte vom Jahre 1796 nah alien, 1860, 
2. A.; Geſchichte der Beirciungsfriege Deutich- 
lands: Jstorya 1813 g. za nezavisimost Ger- 
manii, 2 Bde., 1862—63. Sein angefchenftes 
Bud iſt: Geſch. des vaterländiichen Krieges vom 
jahre 1812: Jstorya otecestrennoj vojny 1812 
&., 3 Bden Petersburg 1859—60, weldyes mit 
dem Demidoffihen Preiſe ausgezeichnet u. ins 
Deutiche von &. Baumgarten, Yeıpzig 1863, über— 
jet worden if. Die meiften Arbeiten von B. 
ftügen fi auf gutes, von Staat? wegen ihm zur 
Benutung überlaffenes Material u. find oft auf 
allerböchftes Geheiß unternommen. Viele Artikel 
von ihm Friegsgeichichtlichen Juhaltes find in ruſſ. 
Journalen erſchienen. Nebring. 

Bogdo (mongoliih, d. i. herrlich, erbaben, 
alleinherrichend), Ebrentitel mongoliicher Großen 
und Helden, jo des Dſchaldſchimuni; daher B. 
Lama, der geiftlihe Regent von STibet; j. u. 
Lamaismus u. Tibet. 

Bogdo- (Boldo-)Oola, 1) dreigipfeliger Berg 
des Thian-Schan, im N. des Yop-Sreß, ca, 
6100 m hoch, nah Pallas Gentralfnoten aller 
Gebirge Inner-Aſiens. Auf feiner Weite liegt 
die Solfatara don Urumtfci, die Schwefel u. Sal» 
mial abſetzt. Dieſe gleticher- u. jchneereihe Maſſen⸗ 
erhebung liegt uördlich vom Bulcan von Ho-ticheu; 
von ihr beginnt der OFlügel des Thbian- Scan, 
den man früher Bogda oder Siari-Schan nannte. 
Die Türken nennen ihn Cbatun-Bogdo od. Tengrie 
D (Himmelsberg), Ihm entflteßen viele 
Gletſcherflüſſe (Gol); im NW, fett ſich das nadel- 


Bogen. 


waldreiche Fren-Kbabirgan-Gebirg an, mit 2Kunft-]B. auf 
firaßen, u. am SFuße meiden Mongolen des| gleich. 


607 


—— Centri⸗ od. Peripheriewinkeln find 
Man bezeichnet den B. durch das Zeichen 


Stammes Tſchakhar ihre Kamel-, Rinder- und are; fo daß arc ab z. B. den B. mit den End- 
Pierdeheerden bis zum großen Salzjee Sairamful.|punften a und b; are w den auf deu Centri— 


Ueber das Gebirg Fren-Khabirgan 
des Zalfi eine gangbare Straße. 2) Gewöhnlich 
Baskunſchatskiſche See genannt, einer der vielen 
Salzfeen im rufj. Gouv. Aftrahan, Kreis eno- 
tajewsl, an der DSeite der Wolga, der viel 
trefiliches meißes Salz abfett, melches die Re— 
gierung nad Aftraham abliefern läßt. 

Bogen (lat. Arcus), 1) Borrichtung zum Ab- 
fhießen von Pfeilen, beftehend aus einem bieg- 
ſamen Stabe u. einer Sehne, melde, beide Enden 
des Stabes verbindend, jo angezogen wird, daß die⸗ 
fer eine mehr od. weniger fihelfürmige Geftalt an: 
nimmt, Der Stab ift aus Holz, Horn, Fiſchbein, 
Stahl zc., die Sehne aus Pilanzenfafern od. Thier- 
ſehnen. Der. ift eine nralte.u. bei den Natur- 
völfern weit verbreitete Waffe; er kommt unter 
den Hebräern chen zu Abrahams Zeit als 
"Kafcheth vor, u. berühmt waren im Orient zu 
allen Zeiten die Barther u. Stytben, jpäter die 
Araber u. Saracenen als Bogenjhüten, daher 
Plinins den Erfinder des B-8 Stythes nennt. 
Unter den (Europäern galten die Germanen, 
Tbrafer und Kreter, unter den Afrifanern die 
Numider als gute B⸗ſchützen. In Griechenland 
war der B. (Toxon) weniger Kriegs-, als Jagd⸗ 
wafje, daher die Jagdgoͤttin Artemis den B. 
führt, Apollon trägt den B. als Todesgott. Wenn 
fpäter Beſchützen (Töxotai) in griehiihen Heeren 
austreten, jo find es ſtets Barbaren, wie auch die 
Bolizeifoldaten in Athen. Auch bei den Römern 
waren die B⸗ſchützen (Sagittarii) ſtets Ausländer, 
bejonders Kreter u. Thrafer, u. gehörten zu den 
Beliten. Im Mittelafter war der B, eine National- 
waffe der Engländer, in deren Heeren fi die 
Beihligen bis ind 16. Jahrh. erhielten; ebenfo 
in Frankreich, wo diefe Schüten Archers hießen. 
Die Armbruft und noch mehr das Feuergewehr 
verbrängte jeit dem 15. Jahrh. im chriftlichen 
Europa den B. Dagegen kommt der B. im 
Orient, wo Mohammed den Gebrauch deffelben 
im Koran oft als Zierde des Mannes anbefohlen 
hatte, befonders bei Türken und Berfern in der 
Neiterei u. bei den Völlern des Aftatiihen Ruß— 
fand, 3. B. bei den Baſchkiren, u, Mittel-Afiens 
vor; auch die Indianer Amerikas führen nod) 
einen B. von 1—2 m Länge ımd treffen auf 
150—200 Schritte gefchidt ihr Ziel; ebenſo find 
die Papua auf Neu-Guinea u. den umliegenden 
Inſeln geſchickte B-jchügen. 

2) In der Mathematik ein begrenztes Stüd 
einer krummen Linie, vorzugsmeile ein folches, 
das in Beziehung auf einen Punkt außerhalb 
deflelben nur concad, oder nur conver tft. Die 
Gerade, welche feine Endpunfte verbindet, heißt 
Sehne des B-8. Beim Kreife wird er gemefien 
durch den Centriwinkel, den die nad feinen End- 
— gezogenen Radien einſchließen. Da die 

eripherie des Kreiſes m — Buuuısogr mal jo 


ührt im Thal 


winkel w; arc sin x den B. bebeutet, welcher 
zu einem Winfel gehört, defien Sinus — x if. 
Da einem Kreis ogen von beftimmter Größe 
immer ein Centriwinkel von beftimmter Größe 
entipricht, fo rechnet man in der Analyſis, anftatt 
mit den durh Grade gemefjenen Winkeln, mit 
den ihnen entiprechenden Bögen eines Kreifes vom 
Radius 1. Die Peripherie diejes Kreifes ift Zr; 
unter 2r verfteht man alfo einen Winkel von 360°; 


rs bezeichnet einen Winkel von 180°, 5 einen von 


180° 


90°, 1 einen von — 57° 17' 45“, a einen 


1808 Grad. 


von —_—_ 
re 
‚3) In der Mufif, a. Werkzeug, mit welchem 
die Darmfaiteninftrumente geftrichen werden. Er 
beſteht aus einem hölzernen, fich oben etwas ver- 
jüngenden, geraden Stabe von hartem, elaftifchem 
(Fernambuf- oder Schlangen») Holz, in deſſen 
obereö Ende (Kopf) die Spigen von Pferdehaaren 
eingeflemmt werden, während - man das andere 
Ende jo in dem umteren Theif des B-8 (Froſch) 
befeftigt, daß mittels einer Schraube die Haare 
mehr oder minder angeipannt werden fönnen. 
Gewöhnlich nimmt man weiße, nur bei dem Biolon 
ſchwarze Pferdehaare zu dem B.; ihre Zahl ift 
100-120. b) Die Art, diefen B. zu führen; fo 
von einem Biolinjpieler: er bat einen quten 
B.; bei Blechinftrumenten längere oder fürzere 
Röhren, die eingefegt werden, um den Ton des 
Inſtruments zu erhöhen oder zu erniedrigen ; vgl. 
Krummbogen. e. Als Zeihen über Noten gejekt, 
Andeutung, daß fie gebunden vorgetragen werden 
folfen; ' fteben zwei dur einen B. verbundene 
Roten auf der gleihen Stufe, jo wird die zweite 
mit der vorhergehenden zu einer Zeitdauer ver— 
einigt. d) S. Fermate. e), Über einem Tactftrich 
Beichen, daß das Stüd hier ende. f) Über einzelne 


Stellen mit darunter gejeßtem bis ( bis ). od. 


_ an ER —— 

über doppelte Schlußacte Ima, 2da (d. i. prima 
volta, seconda volta, das 1., das 2. Mal), Zei- 
hen, daß dieje Stelle wiederholt werden joll, 
wozu aber jegt gewöhnlih Klammern jtatt B. an« 
gewandt werden. g) In der Generalbaßichrift 
über Ziffer 5, Zeichen des verminderten Drei- 
Hanges, oder Zeichen eines unvollftändigen, oder 
eines durchgehenden, od. Sftimmig zu nehmenden 
Accords, od. eines Vorhaltes. 


4) In der Baukunſt (lat. Arcus, franz. Arc, 
engl. Arch, Bow), eine auf Miderlagern, aus 
feilförmig geformten oder behauenen Steinen (B- 
fteinen, Beftiiden), auf Lehrgerüften aufgeführte, 
Zwiſchenräume (B-weite, Spannung, Sprengung) 
überdefende Mauer, Der B. ift wol zu unter- 


groß ijt als der doppelte Radius, aljo — . 2r, ſcheiden von dem Gewölbe, der maffiven Dede eines 
jo ift eim B., welcher auf dem intel 1% ftebt von Manern eingeichloffenen Raumes. Die Bögen 
zur und der auf dem Winkel ae — “T, dienen entweder zur —— der Communi— 
60 180 Ication (Brüdenbögen, B-gänge), um Mauern zu 





608 


tragen (Erbbögen, Gurtbögen), zum Abfteifen ır. 
Verſtreben (Strebebögen), oder um Mauertheile 
zu entlaffen (Eutlaſſungsbögen). Man unter« 
jcheidet in der Baufunft Rundbögen, Flahbögen, 
Spigbögen u. a. Der Rundbogen, bejonders in 
der römiſchen, altchriftlichen, romanischen und 
Renaiſſance⸗ Architektur angewandt, bildet im der 
Stirnanfiht die Hälfte eines Kreiſes. Iſt die 
B-wölbung weniger als ein Halblreis, jo wird 
der B. zum Flachbogen (bejonders in der goth. 
Ziegelardhiteltur verwendet); iſt der Radius der- 
jelben ſehr groß im Berbältnig zur B-weite, jo 
ftellt er nahezu eine gerade Linie der (jcheitrechter 
B.); lüberfcreitet dagegen der B. den Halbireis 
in der Richtung der ‘Peripherie, fo entiteht der 
mauriſche (arabiihe) oder Hufeifenbogen (orien- 
taliihe Bauform); befteht dagegen -der B. aus 
2 gegen einander gefehrten, oben unter einem 
Winkel zufammentreffenden Beftüden mit ver 
Ichtedenen, auf derſelben Grundlinie befindlichen 
Mittelpunkten, fo entjtehbt der Spigbogen, eine 
bervorftehende Kigenthümlichleit der gothiſchen 
Baukunſt. Die Form der Beftüde weicht nicht 
jelten von der Kreisbogenform ab und erfcheint 
bisweilen gejchweift, geichweifte Bögen, Kielbögen. 
Nach der Verſchiedenheit der Wölbungslinien find 
die Bögen: flache (gebrüdte), deren Höhe weniger 
als die Hälfte ihrer Weite, u. überbobene (auf 
geftelzte) Bögen, deren Höhe mehr als die Hälfte der 
Weite beträgt; fteigende Bögen, u. hohe ellip« 
tiſche Bögen; Korbbogen (Kettenbögen), nad 
einer Linie, die eine an Beiden Enden aufgehängte 
Kette bilder. Gin halber B., der unten auf dem 
Widerlager fteht u. fih oben an eine Mauer an- 
lehnt, um dieſelbe im jenfrechten Stande zu er- 
halten, beißt Strebebogen. Die Bögen heißen 
verihoben, wenn die innere Fläche mit der äuße- 
ren einen jchiefen Winkel macht, abihiüifig, wenn 
die Widerlager von ungleicher Höhe find. Bgl. 
Zriumpbbogen. Kreisbögen u. Flachbögen werden 
im Bejcheitel vielfach mit einem Schlußitein (f. d.) 
verichen, 1) Schroot.* 3) Brambach.“ 4) Emerbed.* 

Dogen, Marktjleden mit ſtädtiſcher Verfaſſung 
im gleichnam. Bez.⸗Amte des bayerifhen Regbez. 
Nieder-Bayern, an der Donau; Bez.-Amt, Yand- 
gericht; Bierbrauerei; 1300 Ew.; liegt am Fuße 
des 432 m hohen B-berges (Pogenberg), auf wel- 
chem ein gleihnam. Pfarrdorf mit befuchter Wall: 
fahrtslirche fteht, jonft aber die Burg der Grafen 
von B. fand. Die Grafihaft B. kam durch 
Ausfterben der Grafen 1242 an Bayern. 

Bogenbündel, Bogenwindung, Bogen- 
wulſt, j. Gehirn. 

women teuer, ſ. u. Fenſter. 

Bogenführung, ſo v. w. Bogenſtrich; ſ. u. 
Bogeninſtrumente. 

ogengang, 1) ſo v. w. Arcade. 2) B-gänge 

im Ohr (Canales semicirculares), drei im in⸗ 
neren Ohr gelegene Gänge; ſ. Gehörorgan 

Bogen 4 (Baut.), ſo v. w. Lehrgerüſt. 

Bogenhauſen, Pfarrdorf im Bez.Amte Mün— 
hen, des bayer. Regierungsbez. Ober » Bayern, 
knis an der Jar; jeit 1817 Sternwarte der Unis 
— Münden; Kaltwaſſeranſtalt Brunnthal; 
972 Em. 

Bogeninftrumente (Geigen), Darmfaiten- 


Bogen — Bogeninftrumente. 


inftrumente, auf denen der Ton durch Streichen 
mit einem Bogen hervorgebracht wird (dadurch 
unterſchieden von Kruftiichen Inſtrumenten, ſ. d.), 
jo: Bioline, Bratihe (Viola), Violoncello und 
Bafgeige (Biolon); fonft auch das Barpten, die 
Viola di Samba, Biola d'amore u, dgl. Die B. 
befiehen aus: Boden (Rüden); Zargen als 
Seitenwänden, beide meift von Ahorn; Dede 
mit eingejchnittenen Schalllöchern, diefe (aus 
Fichtenhol;) bilder die Hejonanz, Den jo ent 
jtehenden Kaften ſtützen an beiden Enden an den 
Eden Klögchen; an den Zargen find Holzftreifen 
angeleimt ü. unter der tiefiten Saite der Ba 
fteg; unter ber höchſten Gaite, in ber Gegend 
des Steges, ein aufrechtfiebendes Stäbchen 
(Stimmftod, Stimme). Am unteren Theil jedes 
Inſtruments läuft ein jefter Zapfen duch ben 
Zargen in den Klog, an welchem mittels eimer 
ftarfen Schlinge das Zugblatt (der Saitenhalter) 
befeftige ift. Au defien oberem Theil werden 
die unteren Enden der Saiten befeftigt, u. dieſe 
laufen über das anf 2 Füßen rubende dünne‘ 
Brettchen (Steg) nah dem in den oberen Theil 
des Kaftens eingezapften Halfe, we fie mittels 
Wirbel an dem oberen, gewöhnlich mit einer 
Schnede verzierten Theil des Halſes (Wirbel- 
faften) bejeftigt werden. Auf den Hals ift nahe 
unter den Saiten das Griffbrett anfgeleimt, 
Ein Heiner Wulſt (Sattel, Kiffen) hindert das 
Aufliegen der Saiten auf dem Grifibrette, 

das Inſtrument am Rande der Dede und des 
Bodens noch eine Einlegung von ſchwarzem od. 
anderem Holze, jo heißt es eine Meiftergeige; 
wogegen die, denen dies fehlt, Schachteln oder 
Schadtelgeigen beißen. Die Schönheit des 
Klanges eines B-8 beruht auf einem Anjprechen 
des Kefonanzbodens u. einem Brechen der Klang 
ftrahlen im Innern des Corpus. Haupriache 
ift, zu allen Beftandtheilen der Geigen möglichft 
altes u. trodenes Holz zu nehmen, und dies ift 
ein Hauptgrund, warum die Geigen von Amati, 
Suarnerio, Stradivari, Stainer, Rauch u. Klotz 
fo vortrefflih find. Das MWichtigfte beim Spielen 
der B. ift der Bogenftrid, wobei die Saiten 
mit dem Bogen am rechten Orte (bei Biolinen 
meift etwa 2 Finger breit über dem Stege) zu 
berühren, genau quer über die Saite zu ftreichen 
u. der Bogen mit pafjender Schnelligkeit ;u. ge» 
börigem Drude zu handhaben find, worauf be. der 
Ausdrud, die Bebung, das Grejcendo 2. beruhen. 
Meift führt ‚man die Töne mit der Mitte des 
Bogens aus; doch braudt man zu ftarlen, Träfs 
tigen Stellen die mehr nah unten zu liegende 
Gegend, zu ſchwachen aber den oberen Xbeil. 
Da dies in der Natur des Bogens liegt, jo muß 
auch das Streihen von der Spite des Bogens, 
der Hinaufftrich zu bderjelben Stärle, we der 
Ton von Piano in Forte übergeht, eine andere 
Wirkung thun, als der Herabftrich, wo der ent» 
gegengejette Fall eintritt. Auch das Schleifen u. 
Abftopen der Noten hängt von einem richtigen 
Bogenftrih ab, u. zwar wird beim Schleifen od, 
Binden (legato) eine beftimmte, ausdrücklich durch 
Bogen bezeichnete Anzahl von Noten auf einen 
u. denfelben Bogenzug genommen, wäbrend beim 
Abjtoßen (staceate) nur ein Heiner Theil des 


Bogenklavier — Bogheadkohle. 


Bogens über die Saite je nach ber Dauer der 
Staccato-Noten, geführt, wird. In der Mitte fteht 
ber getragene od. gezogene Bogenſtrich (portamento), 
wobei der Bogen in ganzer oder größtmöglicher 
Ausdehnung verwendet und die einzelnen Töne 
in ruhigem Anſchluß an einander hervorgebracht 
werden. Die B. bilden jet die Grundlage der 
Orcheſtermuſik, da fie minder raufhend, als bie 
Blasinftrumente, von größerem Umfange u. voll- 
fommtener in ihrer Einrichtung find, als jene, 
auch dem Spieler eine längere Ausdauer ger 
ftatten, Die oben genannten 4 Ynftrumente find 
hierzu eingeführt, u. die Violinen führen ge- 
wöhnlich die 1. und 2., die Bratſche die 3., das 
Violoncello und Violon zufjammen die 4. oder 
Baßſtimme. Brambad.* 

Bogenklavier (Bogenflügel), Tafteninftrument 
in Klavierform, mit Darmfaiten bezogen, die durch 
den Niederdrud der Taften auf Heine hölzerne, 
mit Pergament fberzogene u. mit Colophonium 
beftrihene Rädchen gezogen wurden, die wieder 
duch ein mit dem Fuße getretenes® Hauptrad 
beliebig jchnell gedreht werden konnten, fo daß 
der duch Reibung hervorgebradhte, geigenartige 
Zon auch des Crescendo u. Deerescendo fähig 
mar. So war 1610 das B. des Hans Haydn 
in Nürnberg beichafien (Nürnbergſches Geigen- 
oder Gambenwerf), Mancherlei Berbefferungen, 
bejonder8 um das Geräufch zu vermindern, er» 
folgten im 18. Jahrh. durch Gleihmann, Le Voirs, 
Hohlfeld, Garbredt, Kunz, Rölling (der fein In— 
ftrument Xänorphica nannte). Nach den Angaben 
Chladnys fol Mayer 1795, in Görlig jeinen 
Bogenflüigel gebaut haben. Ahnlich ift das Bo— 
genhammerflapier, Klavier mit 2 Klaviaturen, 
von denen die obere mittel Hämmer an Metall 
faiten anjchlägt, die untere mittel3 eines künſtlich 
angebradten Bogens Darınfaiten anftreidht. Beide 
Klaviere können einzeln oder gefoppelt geipiei 
werben. Daffelbe ift von Greiner in Weblar 
oder von Schmidt in Noftod erfunden. 

—— (Bauk.), jo dv. w. Gratbogen; 
ſ. u. Gewölbe. 

—— ſ. u. Schießen. 

Bogenſe, Stadt an einer Bucht des Kattegats 
auf der NWSeite der dän. Inſel Fünen; Boll» 
ſtätte; Eifengießerei, viele Brennereien; ftarker 
Kornhandel nah England und Holland; über- 
fahrtsort nach den Städten Fridericia u. Beile in 
Jütland; 1930 Ew. 

Bogenftülper, eine aus Stroh gefertigte, 
oben abgerundete Bienenwohnung mit beweglichen 
Wabenbau, welche von allen Seiten geichloffen 
u. wie die Stülpförbe nur am Boden offen ift, 
deshalb bei der Behandlung der Bienen ftets 
berumgenommen werden muß (j.Bienemvohnungen). 

Bogentrepan (Ehir.), ein dem Windebohrer 
der Tiſchler ähnliches Trepanationsinftrument; |. 
Trepan. 

Dogenzirkel, fo v. w. Stellzirkel; ſ. u. Zirkel. 

Boggis, Pier Carlo, italien. Publicift und 
Patriot, geb. 3. Febr. 1827 zu Zurin; machte 
ſchon im jungen Jahren durch fein publiciftifches 
Talent Auffehen, u. Cavour beionders war es, 
welcher ihn hochhielt. Als die feiner Zeit von 
Eavour, feit deifen Eintritt ing Minifterum von 


Pierers Univerfal-Eonverfations-teriton. 6. Aufl. IT. Band. 





609 


Farini geleitete bahnbrechende Zeitung Tl Risor- 
gimento im Jahre 1856 wegen Abgangs Farinis 
aus der Hedaction einzugeben drohte, wurde 8. 
ald Redacteur anserjehen (die Zeitung hatte 
mittlerweile den Namen Il Piemonte angenom» 
men, B. ftellte den altbewährten Titel Il Risor- 
gimento wieder her). Als Mitarbeiter an der 
Zeitung war er ſchon feit 1847 thätig geweſen. 
Sleichzeitig hatte er auch politifche Broſchüren bef. 
ſtaats⸗ u. firchenrechtlichen Inhaltes veröffentlicht. 
Sein Hauptwerf ift: Stadio e chiesa in Piemonte, 
Zurin 1354, 2 Bde. Hier m. auch als Lehrer 
an der Hochichule zu Turin vertrat er die volle 
Trennung des Staates von der Kirche. In dieſem 
Sinne furhte er auch in einer vertraulichen Miſ— 
fion 1865 in Nom zu wirten. Alle dafelbft von 
ihm gepflogenen Berbandlungen find in der Storia 
documentata von Bianchi zu diefem Jahre ent» 
halten. Mit Unrecht bat man diefe Nachrichten 
für unvollftändig erflärt. B. war, wie das fi 
in der politiihen Geſchichte Ftaliens oft wieder 
boft, zwar ſehr kirchlich gefinnt, a er gleichwol 
im Grunde wahrhaft liberal, wenn er and, viel 
feiht von feiner Anfangsthätigfeit als Advocat 
her, etwas gewalttbätig u. überftiirzend zu Werle 
ging. In jeder Beziehung zeichnet ihn ein uns 
erfchüitterliher Muth aus. Geine warme italien. 
Vaterlandsliebe ließ ihn bei dem Kriege von 1866 
nicht unthätig zufehen. Er nahm bei der pie 
montefiichen Marine Kriegsdienfte u. ftarb in der 
Seeſchlacht bei Fiffa, 20. Juli 1866, den Tod 
bes Helden. Bezold. 

Böph, Erik, däniſcher Bühnenſchriftſteller u. 
Journaliſt, geb. 1822; hat für die Kopenhagener 
Secondtheater eine Menge Luft- u. Singſpiele ge⸗— 
fiefert (meift Umtarbeitungen franzöftiher und 
deutfcher); producirt auch Preder, gibt die Zeitung: 
Folkels Avis (national u. flandinavifh) Heraus, 
worin er felbft befonders die Feuilletons beforat. 
Seine quantitativ umfängliche ſchriftſtelleriſche 
Thätigkeit hat einen ziemlich induftriellen Charafter. 

Boghari, Ort im algerijhen Depart. Algier, 
in gebirgiger Gegend, waffer-, wald» und wild» 
reich; wichtiger Militärpoften; wichtiger Handel 
zwiichen dem Zell u. der Sahara; 1093 Em. (} 
Eingeborene). 

Bophaz, 1) (Bogbas) türk. Name für Meer« 
enge; daher, heißt B. Hiffari (Schlöſſer der 
Meerenge) der auf afiat. Seite liegende Theil der 
Dardanellen; B. Itſchi, die Straße von Con— 
ftantinopel. 2) B., die gefährliche Roſettemünd— 
ung des Nil, welche man mittel des Mahmu—- 
diehlanals umgeht. 3) Eine Yagune (EI Bas» 
heira) bei der Stadt Tunis; 824 km im Umfang, 
34 m tief, darin eine Inſel mit altem Schloß 
(Yazareth). Ein Kanal führt zum Hafen und 
Fort Goletta an einer Meeresbucht, deren OCap 
Baffran beißt, auf deren WKap Carthago jtand. 
S. Tunis. 

Bogheadkohle (Bituminit), ein eigenthümlicher 
braunſchwarzer, weicher Schiefer, vom ſpec. Gem. 
1,g54, der infolge feines hohen Sehaltes an orga— 
nischen Subftanzen (von 75 pEt.; der B. enthält 
61—65 Kohlenftoff, 9,, Waflerftofi, 4,,—5,, Sauer« 
ftoff, 18—24 Aſche u. Meine Mengen Stiditoff u. 
Schwefel) ſich leicht entzünden läßt u. mit ftarf 
39 


610 


Bogislaw — Bogota, 


rußender Flamme fortbrennt. Durch trodene De-|fchen, deren Fall er auch bewirkte, u. regierte fie fa 


ftillation defielben gewinnt man verſchiedene Leucht- 
ftoffe (Paraffin), ferner eine farblofe, leichte, bei 
143° fiedende B-naphtba. Die B. finder ſich als 
berbes Material in Flöten von O, m u. mehr 
Mächtigkeit bei Bathgate (Linlithgowſhire) in Schott- 
land, auch auf den Hebriden. 

Bogislaw, Fürften u. Herzöge von Pommern; 
. d. A. 

Bognar, Friederike, befannte Schauſpielerin, 
geb. 6. März 1844 zu Gotha, die Tochter eines 
daſigen Kammerjängers. Bon glänzenden muſi⸗ 
faliihen Anlagen unterſtützt, bildeten fie ihre 
Eltern zur Sängerin und Klaviervirtuofie aus, 
als welche fie fo lange ertolgreich wirkte, bis ihr 
ein Gaftipiel der Mad. Grelinger den Gedanken 
eingab, fi dem Scaufpiel zu widmen. Der 
Unterricht der Eltern, wie einer anderen Ber: 
wandten, der Münchener Hoflängerin Behrendt- 
Brandt, reiften das bis dahin jchlummernde Ta- 
Ient in einer Weife, daß ihr erites Auftreten in 
Zürich zugleich ihr erfter Triumph anf der Bühne 
wurde. Nah einem glüdlihen Gaftipiel in Frank⸗ 
furt u. halbjährigem Engagement am Hamburger 
Stadttheater babnte ihr Laube den Weg auf die 
bewährten Bretter des Wiener Hofburg-Theaters, 
an dem fie bis 1873 thätig war, Geit jemer 
Zeit gaftivend, hat fie fein feſtes Engagement 
wieder geſchloſſen, aber überall, wo fie binge- 
fonımen, durch die Mächtigkeit ihres Spiels, die 
Gewalt ihres Organs, wie ihr beredtes Mienen- 
fpiel fih die Anertenmung der Kunfttenner, wie 
des großen Publicums erworben. Während fie 
bis zum Ablaufe ihrer Wiener Periode in Rollen 
wie Luiſe, Gretchen, Kriemhilde ercellirte, fpielt 
fie jet die Sappbo, Judith, Hero, Marie Stuart, 
Yady Zartuffe, Gräfin Stlotilde im Fernando, 
Deborah u. a. Kürjdmer. 

Bogoduchow, Kreisftabt im ruffiichen Gouver- 
nement Chartow, am rechten Ufer des Merla; 
Viehzucht; Gerberei; Lederhandel; faft 10,000 Ew.; 
demnähft auch Eifenbabnftation. 

Bogoljuboff, Alexis, ruffiiher Marinemaler, 
geb. 1824; früher Marineoffizier, jpäter Schüler 
der Petersburger Alademie und And. Achenbachs 
in Düffeldorf, feit 1861 Alademieprofeffor in 
Petersburg. Seine Bilder zeichnen ſich durch große 
Yebhaftigkeit der Action, Friſche des Colorits und 
gründliche Sachkenutniß aus, 

Bogomilen (aud; Maffalianer und Eucheten, 
wegen der Abnlichkeit mit dieſen), chriitfiche Secte, 
die mit den Baulictanern im Zufammenhange, aber 
auch gleichzeitig mit den Katharern in Berwandt- 
ſchaft ſteht. hr Name ſtammt entweder von 
einem ſlaviſchen Prieſter Bogomil (um 950), oder 
von der Gebetsformel Bog-milui (ſſav., d. i. Gott 
erbarme dich); ihr Sit war beſ. Thralien, ihr 
Haupt der bulgarifche Arzt Bafılius, der zwölf 
‚jünger (Apoftel) zur Geite hatte, Sie glaubten, 
Bott habe eine menschliche Geftalt ohne Leib uud 
zwei Söhne, Satanael u. Jeſus. Der Erſtere 
erhielt die Regierung des Himmlifchen Reiches u. 
die fchaffende Macht. Um fih gegen Gott Vater 
zu empören, verführte er mehrere himmliſche 
Seifter u. ward deshalb aus dem Himmel ver- 


lange, bis Gott feinen zweiten Sobn, Jeſus, 
jandte, weldher die Macht des Satauael brad u. 
nur ſcheinbar ftarb u. auferftand. Satanael fonnte 
nur noch ſchaden u. galt den B. als Jehevah; 
daber vermwarfen fie das A. T., außer den Pial- 
men u. Propheten, ebenjo das Kreuz, die Nelt- 
auien, Bilder, bie Waſſertaufe (weil diefe nur eine 
Fohannistaufe wäre), das Abendmahl u. die Kir- 
chen als Tempel u. Opfer ber Dämonen, die Auf« 
eritebung der Todten. Beſonders ſchätzten fie ein 
apofrypbes Fohannis-Evangelium, das bei der 

nfnahme dem zu Weihenden auf den Kopf ge- 
legt wurde, fafteten dreimal in der Wochen. biel- 
ten die Ehe für ımrein. Sie wurden vom Kailer 
Alerios Kommenos verfolgt, welder den Bafılios 
1118 verbrennen und feine Anhänger einterfern 
ließ. Nach feinem Tode erhielten fi die B. bei. 
bei Philippopolis bis ins 13. Jahrh. Bal. Eutby- 
mius Zygadenus, Narratio de Bogomilis, grie- 
chiſch herausgeg. von Giefeler, Gött. 1842; außer- 
dem fchrieben ihre Gejchichte Wolf, Wittenb, 1712, 
u. Oder, Gött. 1743, 

Bogorodizk, Kreisftabt im ruſſiſchen Gouver⸗ 
nement Tula, am linfen Ufer bes Upat und ber 
Wiaſowla; Eifenbahnftation der im Bau begrif- 
fenen, von Tula nah SSO. laufenden Linie; ſchön 
geisgen, regelmäßig gebaut; Commumalbant; Fa⸗ 

riten; Getreibehandel; (1870) 7982 Ew. 

Bogorodsf, Kreisitadt im ruffiichen Gouper- 
nement Mostau, an der Kliasma; Aderbau, vor- 
züglich Hopfen u. Gemilfe; Gommunalbanf; Fa 
brifen; 2200 Ew. (1873). 

Bogos, Voll in OAfrifa, von der äthiopiichen 
‚Familie des hamitischen Stammes; bewohnt neben 
den Menja die metallreihen Alpenlandichaften 
OAbeſſiniens zwifchen dem Hodhlande Hamajen im 
S., Habab im. u. dem Dablat-Archipel im D. Sie 
leben patriarchalifch in ihrem Yande voll frucht- 
barer Thäler u. malerischer Ebenen. Munzinger 
und Heuglin drangen zuerft in das Land ber B. 
ein u. entdedten es wiſſenſchaftlich. Vgl. Mun- 
jinger, Sitten u. Recht der B., Winterthur 1859. 

Bogoslowsk, Stadt im ruffiihen Gouver- 
nement Berm, am Turia; Sit der Bergbebörden; 
3000 Ew.; bier die bedeutenden Schmelzwerle der 
Turginstifchen Kupfergruben, welche das befte ura- 
liſche Kupfer liefern; in der Nähe Goldwäſchereien. 

Bogotä (jonft Santa⸗Féè de B.), Hauptſiadt u. 
Sig der Regierung der Vereinigten Staaten von 
Eolumbia und des Staates Cundinamarca, am 
weſtl. Abhange der OUnden (Kette von Sıuna- Paz), 
auf einer reichen, 375 km langen, 150 km breiten 
u. ca. 2700 m hohen Ebene, am linken Ufer des Rio 
de B., am Fuße der Berge Montſerrat u. Gua- 
deloupe, von deren auf 700 m hoher Spige gele- 
genen Klöftern man herrliche Ausfiht bat; ger 
mäßigtes, geſundes Klima; ſchöne Hegierungsge- 
bäude, prachtvolle Kathedrale, außerdem 29 Kirchen, 
12 Klöfter; Univerfität, 3 Collegien u. Alademien, 
Eolegio Nacional de ©. Bartolome (jonft Klofter) 
mit Concertjaal, jet verlaffene Sternwarte, Mili» 
tär · u. andere Schulen, ältefte höhere Töchterſchule 
SAmeritas, öffentliche Bibliothek und Naturalien- 
cabinet, Botaniſchen Garten, Münze, Schau- 


ſtoßen; num ſchuf er die fihtbare Welt u. die Men-ljpielhaus, 4 Hofpitäler. B. ift eine der fhönften 


Bogra — Bohemund. 


*- Städte SAmerikas, größtentheils in ſpaniſchem Bühne zurlidzo 
Geihmad gebaut, reich an Gärten u. Plägen, hat bedeutend als 2 


Schöne, fi rechtwinkelig durchichmeidende, gut ge- 
pflafterte (Calle de la Republica die ſchönſte), 
theilmeife mit Bäumen bepflanzte Straßen, melche 
nachts erleuchtet werben, 4 große öffentliche Plätze 
mit Springbrunnen. Da B. öfters von Erdbeben 
heimgefucht u. theilweiſe zerftört wurde, fo find die 
Häufer größtentheils nur einftöcdig. In der Nähe 
der Stadt ſchöne Landhäuſer. Berlihmt find die Fa- 
briten von Gold» u. Silberwaaren, aber im Gan- 
zen find Gewerbe, Wohlftand u. Vollszahl herimter- 
gefommen. B. zählt mur noch etwa 40,000 Em. 
Auf einem Pfade nah dem Magdalenenftrom liegt 
die jchaurige Thalſchlucht von Icononzo od. Pandi, 
die ein Wildbad) durchtobt, über den zwei Natur: 
brücden aus Felsblöden geben. Handel u. Bergbau 
find lebhaft; nach N. über Honda am — —— 
ſtrom u, nah DO. über den Orinocozufluß Meta führt 
eine Straße weitlich zum Südſeehafen Bunaventura, 
wohin eine Eifenbahn gebaut werden fol. — B. 
wurde 1537 von dem Spanier Gonzalo Ximenes 
de Queſada gegründet u. Refidenz des jpantichen 
Bicelönigg von Neu-Granada, wuchs raid an 
Größe, Bollszahl u. Bedeutung, wurde 1811 Sit 
des Congreffes, welcher die Republik proclamirte, 
1816 von den Spaniern zurüd erobert, 1819 
dur Bolivar wieder befreit, bald darauf Haupt« 


611 


u. 23. Juli 1829 ftarb. Hoch— 
chauſpieler, bildete B. eine große 
Anzahl junger Kräfte, unter denen auch fen Sohn 
zu nennen if; ferner bradte er die itafienifche 
Oper auf die polnifche Bühne und erwarb ſich 
Berdienft um guten Gefhmad u. Reinheit in der 
polnishen Sprade. Geine Theaterftide, 80 an 
der Zahl, theild Originale, theils Überſetzungen, 
erjhienen zum großen Theil gefammelt als Dziclä 
dramat., Warſchau 1820, ın 10 Bon, deren 
erfier eine Gefchichte des poln, Theaters enthält. 
2) Palon Heinrih Ludwig von ®., deutfcher 
Aftrenom, geb. 7 Sept. 1789 in Magdeburg; be» 
ſchäftigte ſich beic mit der Aſtronomie, trat 
1809 in preußiihe Militärdienfte, wurde 1811 
Artillerie-Pientenant, nahm aber nach dem Kriege 
von 18183—15 ben Abſchied als Hauptmann und 
widmete fich feitdem der Landwirthſchaft. 1829 
nahm er als Mitgfied der Generalcommiffion zur 
Regulirung der —— u. bäuerlichen Ber- 
hältmiffe feinen Wohnſitz in Breslau, wurde bier 
1831 Gonfervator u. 1843 Director der Stern- 
warte und war feit 1836 zugleich Profeſſor der 
Aitronomie an der liniverfität daſelbſt. Er ft. 5. 
Juni 1851. B. beobachtete 1833 die Berfinfterung 
des 6. Saturmustrabanten, den Bielafhen, Ente» 
ihen u. 1835 den Halleyichen Kometen u. entdecfte 
auch 1834 den nad ihm genannten B-ſchen 


ftadt der Vereinigten Republik Columbia, bis dieſe Kometen. Vorzüglich aber machte er fi um die 


fih 1831 in drei felbftändige Republiken theilte, | Sternfhnuppen-Beobadhtungen verdient. 


Er gab 


2) Rio de B. (Papyti), 236 km langer Fluß heraus: Uranus, Glog. 1846—52, u. lieferte meh» 


in der Prov. B.; eutfteht aus dem Sce von Gua— 
tapita, durchbricht (vor feinem Falle 50 m breit, 
aber durdy die Felfen bis auf 12 m Breite zu- 
fammengedrängt) im einer wilden Felsgegend bie 
Anden u. bildet, 190 m hoch ſenkrecht in einen 
finfteren, mır in den Mättagsftunden von der 


rere Abhandlungen in Bodes Aftronom, Jahr— 
bücher u. in Gruithuifens Analekten. 3) Guftav v., 
Sohn des Bor., geb. 7. Dec. 1827 zu Groß-Rake 
bei Breslau; war erft Yehrer an der Navigations» 
ſchule bei Stettin u. Mitarbeiter an der Neuen 
Stettiner Zeitung; wurde 1874 als Redacteur der 


Sonne bejchienenen Keſſel herabftürzend, den be- | Hydrographiſchen Mittheilungen u. der Nachrichten 


rühmten Kataraft bei der Hacienda Tequendama; 
er fällt in den Magdalenenftrom. An dem Quell . 
fee liegt Guatavita, früher die reichite u. fefteite 
Stadt der Edelmetall fhmelzenden Indianer. Die 
Schäte des Tempel3 am See verjenften fie bei 
Ankunft der Spanier in denfelben. Br. Körner. 

Bogra, Diftr. in Hindoften, Präfidentichaft 
Bengalen, Dir, Nadſchſchahi, zwischen 24% 36° bis 
25° 19° n. Br. u. 88° 45° bis 89% 48° 5. 2; ein 
von zahfreihen Flüſſen —— Alluvialland, 
welches Reis, Zucker, Indigo, Baumwolle, Opium 
hervorbringt; 3887 )km; 689,467 Ew.; gleich- 
nam. Hauptſtadt. 

Boguslawski, 1) Adalbert, polu. Schau⸗ 
ſpieler und Schauſpieldichter, der Talma ſeines 
Bolfes, geb. 1764 zu Glinna bei Poſen; trat 
zuerſt in Kriegsdienſte, widmete ſich aber ſeit 1778 
in Warſchau der dramatiſchen Kunſt, um deren 
Verbreitung in Polen er große Verdienſte hat. 
1780 brachte er die erſte Oper mit polniſchem 
Tert zur Aufführung, wirkte als Theaterdirector 
in den Städten Grodno, Wilna, Dubna u, Lem— 
berg u. übernahm 1790 die Direction des War- 
ſchauer Nationaltheater. Gezwungen durch Su- 
warows Eroberung Warſchaus, wandte er ſich 
nach Kralau, von da nad Lemberg, kehrte 1799 
nad Warſchau zurück, wo er fich nach 14jähriger 
Thätigfeit infolge ungünftiger Verhältniffe von der 


für Seefahrer nach Berlin berufen. Er bat fi 
bef. um die hronologiihe Zufammenftellung aller 
beobachteten Dieteore, fowie um die Theorie der 
Sternichnuppen verdient gemacht u. überſetzte das 
Wert Schiaparellis über die Sternfhnuppen ins 
Deutſche, Stettin 1871. 1) Kurſchner. 2)*3) Specht. 

Bogutſchar, Kreisſtadt im ruſſiſchen Gouver— 
nement Woronefch; mehrere Fabriken, bedeut. 
Schlächtereien, Salzmagazin; 5150 Ew. 

Bohain, Stadt im Arrond. St. Quentin des 
franzöſ. Dep. Aisne; Fabrikation von Uhren u. 
Kaſchmir ⸗Shawls; 5931 Em. 

Boheafäure C,H,,O,, eine in den Theeblät— 
tern vorfommende organiſche Säure. 

Bohemia, lateinischer Name für Böhmen (f. d.). 

Bohömiens (fr.), jo v. w. Zigeuner, : 

Bohemund (Boemund), Fürften von An— 
tiobien: 1) B. IL, Sohn Wobert Guiscards, 
des Herzogs von Apulien, Calabrien u, Sicilien, 
Entel des Grafen Tancred d'Hauteville aus der 
Normandie, geb. um 1065; focht ſchon als Jüng— 
ling tapfer gegen den byzantiniichen Kaifer Alerios 
1081—85; nach des Vaters Tode machte ihm, dem 
Älteften Sohme, die Stiefmutter zu ihres eigenen 
Sohngs Roger Gunften das väterlihe Erbe jtrei« 
tig, u. erft nach vierjährigem Streite gelang es 
ibm, fi) wenigftens einen Theil defjelben zu 
fihern, das Fürſteuthum Zaranto. Um fih ein 

39 


0 


612 
größeres Reich zu erobern, nahm er am erſten gleiche Schirrmacher, A. B. v. Poſſemünſter, 
Kreuzzuge theil, ſiegte bei Doryläum in Kilikien, Weimar 1871. 

führte den Vortrab des Kreuzheeres über den; Böhl von Faber, 1) Nicolas, geb. 9. Dec. 
Taurus, eroberte 1098 duch Einverftändniß mit 1770 in Hamburg; wanderte mit feinem Bater 
einem armenifchen Kenegaten Antiochien u. blieb, nach Spanten ans, wo diejer ein großes Haubels- 
nachdem ihm daffelbe als Fürftenthbum übertragen haus in Gadiz gründete; er lebte feit 1803 zu 
mar, dort, um fich im feinem ihm vielfach beftritte- - Görslow in Medtenburg umd fehrte 1813 nad 
nen Beſitze zu befejtigen. Indeß gerietb er im Spanien zurüd, wo er das väterliche Handelshaus 
Aug. 1100 im feindliche Gefangenjchaft, aus der|erbteu.9. Nov. 1836 flarb. Ergab heraus: Floresta 
er fich erft im Mai 1104 losfaufen konnte, ging de rimas antignas castellanas, Hamb. 1821—25, 
dann nad Europa, um neue Truppen zu ſam- 3 Bde., u. Teatro espanol anterior à Lope de 


Bohemus — Bohlen. 


meln, die Bertheidigung Antiochias dem Grafen 
Tancred überlaffend, u. zog, nachden”er fich in 
Fzrantreih mit König Philipps I. Tochter Con— 
ftanze verheivathet, mit feinem Heere nah Grie- 
henlaud, mußte aber infolge der unglüdlichen 
Belagerung von Durazao 1108 mit Kaiſer Alexios 
einen ungünftigen Frieben jchließen u. ohne jein 
Heer Griechenland verlaflen. Um wieder Truppen 
zu jammeln, ging er nach Italien, ft. aber 1111, 
im Begriffe, nad) Antiochien zurädzufehren, in Gas 
noſſa. 2) 8. IL, Sohn des Vor., geb, 1108; 
folgte feinem Bater unter Vormundſchaft Tancreds 
u, nad dejien Tode 1112 unter der Rogers von 
Salerno. Nachdem das Fürſtenthum gegen die 
Mohammedaner nur durch den Sieg König Bal- 
duins II. von Jeruſalem am Berge Danim (14. Aug. 
1120) gerettet war, trat B. ſelbſt 1126 die Hegier- 
ung anu vermählte fih mit Baldums Tochter Eliſa 
von Jerufalem, jenem vänle- u. herrſchſüchtigen 
Weibe, das jo häufig Unruhen jtiftete. In der 
Unterftügung feines Schwiegervaters fiel dieſer 
edle Fürſt 1180 im Kampfe gegen den Sultan 
von Aleppo. 3) B. III., Sohn der einzigen 
Tochter des Bor., Conftanze, u. des Raimund von 
Poitiers; folgte dieſem 1163 in der Regierung, 
gerieth aber ſchon furz darauf in Gefangenschaft des 
Atabet Nureddin von Syrien, gegen welchen König 
Amalrih von Jeruſalem das Fürſtenthum Ans 
tiochien vettete. Freigelaſſen gegen bedeutendes 
Löſegeld, verftieß er feine Gemahlin Theodora, 
Kater Manuels Tochter, um die böfe Sibylla, 
feine Buhlerin, zur yürftin zu machen, weswegen 
er von der Geiftlichleit in Bann gethan wurde. 
Da aud die Bajallen fich gegen ihn erhoben, konnte 
er nur durch einen jchimpflichen Frieden mit Sa— 
ladin u. durch deffen Gnade fi in der Herrichaft 
erhalten. Er ft. 1201. 4) B.IV., Entel d. Vor., 
Sohn des Fürften Raimund, Grafen von Tripo— 
lis, u. Erbe defielben (1233—51); war ohue alle 
u. jede Bedeutung, ebenjo 5) B. V., der feinen 
Vater 1251 folgte, aber bald jchon feinem Sohne in 
der Negierung Play machte u. 1275 ftarb. 6) B. VL; 
ſah zwar 1262 ein ägyptiſches Kriegsheer unver: 
richteter Dinge von der Belagerung von Antiochia 
abziehen, verlor aber die Hanptitadt u, damit das 
Fürſtenthum 17, Mai 1268 an den Mamelufen- 
Sultan Seifeddin, worauf er fih nah Tripolis 
zurüdzos, bis ihn 27. April 1259 der Sultan 
Kelaun dort vermichtete, Lagai. 
Bohemus, Albertus, Decan des Capitels 
in Paſſau, ſeit 1239 päpſtlicher Legat in Deutich- 
land und als ſolcher wüthender Geguer der 
Hohenſtaufen, wie fein Diiifiv- und Notizenbuch, 
herausgegeben in ber Bibliothel des Literariſchen 
Vereins in Stuttgart, 1847, gezeigt hat. Ver— 


Vega, ebd. 1832. Bgl. Lebensikizze von R. B. 
nah feinen Briefen, Lpz. 1858. 2) Cecilia, 
ſpan. Novelliftin, Tochter des Bor., geb. 1797 zu 
Morges in der Schweiz u. in Deutſchland erzogen; 
lehrte 1813 mit ihrem Bater nah Spanien zu« 
rüd und heirathete zuerft 1814 den Hauptmann 
Blanells, weicher nach eittigen Jahren in Amerika 
ftarb, dann den Marauis * Arco⸗Hermoſo (ft. 
1835) u. in 3, Ehe 1837 v. Arrom, welcher 1863 
als ſpaniſcher Conſul in Auftralien farb. Sie 
ſelbſt war nicht mit ihrem Gatten nad Auftralien 
gegangen, ſondern in Sevilla geblieben, wo ihr 
vom Herzog d. Montpenfier eine Wohnung im 
fönigl. Schloffe eingeräumt wurde. Sie ijt die 
Begründerin des Sittenromans in Spanien u. 
jchrieb feit 1849 als Fernan Gaballero: La 
gaviota (die Möve), Elia, Clemeneia, La familia 
de Alvareda, Lagrimas, Cuadros du eostumbres 
populares Andaluces (Erzählungen), Relaciones, 
Cuatro novelas, La Farisea, Las dos Gracias y 
otras novelas, Werke, Madrid 1860 fi., 13 Bbe., 
u. in der Leipziger Coleccion de autores espaho- 
les, 1860 fi.; außerdem Coleceion de articulos 
religiosos y morales, Cad. 1862. Die Romaue 
und Erzählungen wurden deutſch von Lende, 9. 
Wolf, Elarus u, Hoſäus, Paderb. 1859—64, 17 
Bde., u. von A. Geyder, Bresl. 1860, die Reli— 
giöfen Aufjäge von H. Wolf, Wien 1865, überſetzt. 
Auch gab fie heraus: Cuentos y poesias popula- 
res Andaluces (eine Sammlung jpanifcher Mär- 
hen u. Bolfslieder), Sev. 1859. Ihre Schriften 
zeichnen ſich dur naturwahre Schilderung des 
ſpaniſchen Vollslebens und durch edle moralifche 
Haltung aus, leiden aber durch ihre einfeitige fa- 
tholiſche u. legitimiſtiſche Tendenz. 

Bohlen, Beter v., verdienter Orientalift, geb. 
13. März 1796 in Wippels im Oldenburgifcyen; 
fam als Waije 1811 in das Gefolge eines fran- 
zöfiichen Generals u, 1814 nad Hamburg; ftudirte 
jeit 1821 in Halle u. Bonn, wurde an leßterem 
Orte Privatdocent, 1825 Profeffor der orienta— 
lichen Spraden in Königsberg, bereite 1831 
England, erfranfte 1837 auf einer zweiten dahin 
beabfichtigten Reife, begab ſich zur Herſtellung 
jeiner Gejundheit ins füdlihe Fraukreich, kehrte 
nach Halle zurüd u. ft. bier 6. Febr. 1840. Er 
jchr.: Symbola ad interpretationem sacri codi- 
cis ex lingua persica, Ypz3. 1822; Commentatio 
de Motenabbio, Bonn 1824 (gefrönte Preis: 
jchrift); Vermiſchte Gedichte und Lberjegungen, 
Königsb. 1826; De Buddaismi origine et aetate, 
ebd. 1827; Das alte Indien, ebd. 1830 f., 2 
Bde.; De origine linguae Zendieae e Sanscrita 
repetenda, ebd. 1831; gab heraus: Bhartrihari 
sententiae, Berl. 1833, deutih, Hamb. 1835; 


Bohlenbeute — Böhme. 
Die Genefis, biftoriich-Fritiih erläutest, Königsb. 


1835; Kalidafas Ritusanhära, Lpz. 1840. Selbit- 
biograpbie, herausg. von Boigt, 1341, 2. A., 1843. 

Bohlenbeute (Bienenz.), ſ. Bienenwohnung. 

Bohlwerk (Wafjerb.), beitebt aus ſtarken, ein- 
gerammten Pfählen, hinter welchen eine Holzwand 
angebracht wird, u. dient zur Sicherung des Erd» 
drudes namentlich bei Gemwällern. Zur größeren 
Sicherheit werden die Piähle oben durch eimen 
Holm mit einander verbunden und auch durch 
feitlih in das Erdreich eingreifende Holzbalten u. 
Querbäume veranfert, 

Böhme, 1) Jakob, deuticher Myſtiker, geb. 
1575 zu Altſeidenberg bei Görlig in der Ober— 
Yanfig, ‚der Sohn armer VBauerslente; wurde 
Schuhmacher, las auf der Manderichaft neben der 
Bibel myftiiche Schriften von Paracelfus, Schwenk⸗ 
feld zc., wurde 1594 Meifter in Görlig u. ſchloß 
in demjelben Fahre eine mufterhafte, glückliche 
Ehe. Schon frühe glaubte er. göttliche Snfpiras 
tionen zu erfahren. Die dritte (1612) gab ihm 
die ‚jeder in die Hand: er jihrieb feines Morgen» 
röthe im Aufgang (nachher Aurora genannt). 
Der Oberpfarrer von Görlig, in deflen Hände 
das Buch gerietd, verdammte e8 anf der Kanzel, 
der Magijtrat confiscirte e8 und unterjagte dem 
Verſaſſer das Bücherjchreiben. B. gehordite 7 
„Jahre fang. Aber eine vierte Eingebung u. die 
Zureden vieler gottesfürdhtigen Leute beivogen 
ihn, 1619 die fchriftftellerische Enthüllung feiner 
mächtigen Geifteswelt wieder aufzunehmen, ja, 
dem Drude zu übergeben, Er kam im feinem 
Handwerfe herunter, war viel auf Reifen und 
murde von Gleichgeſinnten unterftügt. Vor neuen 
Angriffen der Ortsgeiftlichfeit fand er 1624 Schub 
duch eine Reiſe nad Dresden, Hier wurde er 
von 4 Doctoren der Theologie eraminirt; fie er— 
Härten, ihn nicht zu verjtehen u. nicht verdammen 
zu wollen. Er ft. 7. (17.) Nov. 1624 in Frie⸗ 
den mit der Kirche; doch nur auf Befehl des 
Magıftrats wurde ihm ein anftändiges Begräbniß 
zu Thei. Ohne alle Gelehrjamfeit, neben der 
Heiligen Schrift als der Hauptqnelle feiner Geiftes- 
bildung nur auf die Werke einiger Myſtiker umd 
auf den allerdings weitverzweigten Ideenaustauſch 
mit Sleichgefinnten angewiefen, ſchuf B. aus eigener 
Kraft feines Geiftes ein Syſtem, das in vielen 
Gemüthern Eingang fand und von den ausge 
zeichnetiten Dentern bewundert u. benutzt wurde, 
Die eigenthümliche Stellung B-3 innerhalb der 
Theojophie grümdet fi vorzugsweife auf den 
Tieffinn, mit dem er den Gegenjat des Guten u. 
des Böſen zu erflären und den Kampf beider zu 
verfolgen fi anftrengte. Bet feinem janften u. 
friedfertigen Charakter nahm er fih das im ber 
Welt überwuchernde Böfe tief zu Herzen; feine 
Zeit jchien ihm das Maß gefüllt zu haben; er 
tröftete fih mit dem Gedanken, daß es bald über» 
laufen werde, Das Böſe fteht ihm auf dem 
Gipfel; aber ein Blig wird es herunterfchleudern, 
u. das ewige Vichtreich wird von dem Höllenreiche 
gefondert werden, DB. gibt al$ die Quelle feiner 
Lehre die unmittelbare Offenbarung Gottes an. 
Sort it nach B⸗s Lehre urjprünglic die ewige 
Ruhe, Urgrund, gegenftandslofer Wille, ohne Eigen- 
ſchaft u, Trieb, Nichts u. Alles, das ewig Eine, 


613 


nicht Weſen, fondern Urftand aller Wefen, nicht ein- 
mal fich jeiber offenbar. Darm aber ſchaut Gott in 
ſich jelber, macht fid) zum eigenen Spiegel, ſcheidet 
ſich in Dreiheit des Willens, die zugleich Einheit 
bleibt. Die Dreifaltigleit erlangt —* u. offen⸗ 
bart ſich, indem der ewige Wille in die Natur 
eingeht. In der ftillen Luft der göttlichen Be- 
Ihaulichkeit oder Weisheit, die fich mit den Bild- 
niſſen (Ideen) beſchäftigt, erwacht die Begierde, 
das euer, durch welches Gott fich offenbart und 
überhaupt alles Leben erwacht; dieſes göttliche 
Feuer theilt fi in zwei Principia, den Zorn oder 
die Finjterniß u. die Liebe oder das Licht, damit 
jedes an dem anderen offenbar werde. Der Zorn | 
ift die ewige Natur, aus welder die Schöpfung 
hervorgeht; der Zorn oder die Natur wird be» 
jänftigt von der Liebe; in Gott ift die Herrichaft 
der Liebe; das Licht ift Gott als A u. O. Durch 
diefe Unterfcheidung wird die abftracte Dreifaltig- 
feit zu drei Wejen, drei Perfonen. Der Menich 
war nad B. urſprünglich dazu beftimmt, über die 
vier Elemente zu herrſchen un von thieriicher Ge— 
ichlechtlichkeit frei, mit der jungfräulihen Weis- 
heit Nachtommen zu erzeugen. Er vergaffte fich 
aber in die vier Elemente und ſetzte ſich auf die 
Stufe des thierifchen Lebens herab. Da ihm nun 
gelüftete, fiihrte Gott ihn das Weib zu, das fiir 
den Menſchen fortan die Stelle der jungfräulichen 
Weisheit einnimmt. Urſprünglich auf die Nabr- 
ung aus dem Gottesworte angemwiejen, wird er 
uam verſucht, irdiſche Frucht zu koſten. Er folgt 
der Yodung, wird vom Erdgeiſte verhaftet. Aber 
Sort läßt fein eigenes Herz, den Sohn, zum Mens 
ſchen werden, damit er den Tod in der Menichen- 
jeele tödte. Chriftus wird als Menih von der 
nicht fündlofen, aber reinen menschlichen Jungfrau 
geboren und, weil er den Berfuchungen Lucifers 
widerfieht, Herr der Elemente. Was er it, das 
wird jeder Menfch, der an ibm glaubt, d. b. ihm 
nachlebt. Durch die Scheidung des Guten u. des 
Böjen werben die in Gottes Natur verborgenen 
Kräfte geoffenbart; fie führt uns zum Wiſſen. 
Das nahe bevorftehende Ende aller Dinge joll unſere 
Einheit in Gott u. mit Gott offenbaren, Erſte 
Sammlung der Schriften B-s von Heinrich Belte, 
Amfterdan 1675, voljtändiger bon Johann Georg 
Gichtel, ebd. 1682—83, 10 Bre., und %. N. 
Glüſing, ebd. 1715; darauf erſchien mit Benutzung 
von Gichtels Randbemertungen: Theologia re- 
velata, das ift Alle göttliche Schriften des Gottiel. 
u. Hocerleuchteten Deutihen Theoſophi Jakob 
Böhmeus, Hamburg 1715, verbeſſert, daſelbſt 
1730; neueſte Ausgabe von K. W. Schiebler, 
Leipz. 1831—47, 7 Bde. Vgl. Sillig, J. B., ein 
biographiicher Berfuh, Pirna 18015 Fouquéè, 
J. B., ein biographiſcher Deufftein, Graz 1831; 
Wullen, Jakob B-8 Leben n. Lehre, Stuttgart 
1836; Derjelbe, Bllithen aus Jalob B-8 Myſtik, 
ebd. 1838; Hamberger, Die Lehre des deutichen 
Philoſophen J. B., in einen foftematiichen Aus— 
zuge, Münden 1844; Fechner, J. Bi, Görlitz 
1857; Harleß, 3. B. n. die Alchemiſten, Berl. 
1870; Erdmann, Grundriß der Geichichte der 
Philofopbie, 1 Bd., S. 485—501. DB. beabſich⸗ 
tigte feine Trennung don der Landesfirche, dies 
thaten erft feine Anhänger, Böhmiften, im 17. u. 





614 


Böhmen (Geogray hie). 


18. Jahrhundert, namentlih Kuhlmann, Hoburg, glied zwifchen dem morböfl. und dem nordweſtl. 


Bredling, ſowie dur Gichtel, den Stifter der 
Secte der Engelsbrüder (f. d.), an B-8 Namen 
viele ihm ſeibſt fremde Schwärmereien gefmüpft 
wurden. Gegen fie fchrieben im den Böhmi- 
ftiihen Streitigkeiten (1676 bis 1697) in erreg« 
ter Weile die orthodoren Theologen Fabricius, 
Tob. Wagner, 3. Müller, Calov, Holzhaufen, 
Hintelmann, Frid zc. In England verbreitete feine 
een Bromſey umd die von Johann Yeade ge- 
ftiftete Gejellichaft der Philadelpbier. In neuerer 
Zeit find B-$ Grundanfhauungen wiſſenſchaftlich 
entwidelt worden, jo in Deutihland von Otinger, 
Franz Baader u. Schelling, in Frankreich von Elaude 
de St. Martin, ſowie Friedrich Schlegelauf die Fülle 
des Gefühls, die Tiefe ver Phantafie u. die poetijchen 
Schönheiten in feinen Schriften hingemwiejen bat. 
2) Albert, ſ. Bohemus. 8) Johann Daniel, 
Bildhauer, Medailleur und Steinfchneider, geb. 
16. März 1794 in Wallendorf in Ungarn; war 6 
Jahre lang Handlungslebrling in Iglo (Neudorfi), 
dann Schiller des Malers Zaufig in Yeutichan u. 
ging 1813 nach Wien an die Akademie, ward 
Fiſchers Schüler, ſchnitzte ein Halsband mit 
Köpfen, ganzen Figuren u. Emblemen aus Obit- 
fernen u. lernte bei Strant Holzichnigen u. dann 
Steinfchneiden; ftudirte 1821 u. 1822 in Italien, 
ward dort Katholif u. Thorwaldfens Freund, lebte 
von 1825—1829 wieder in alien, warb 1831 
Kammermedailleur und giug 1844 zum 3, Mal 
nach Italieu. Kelheimer Kallſtein wußte er Durch 
Einlaſſen von Wachs eine jo angemefiene Farbe 
zu geben, da folche Arbeiten jehr beliebt wurden, 
B. ſchuitt in Stein, Holz u. Metall. Er lebt zur Zeit 
als Director der Münzgraveur-Afademie zu Wien. 

Böhmen, Geogr. u. Statift. (Hierbei eine 
Karte.) B., ehedem jelbftändiges Königreich, jett 
Krontand des öfterreichiichen Ratierftaates, liegt zwi⸗ 
{hen dem Königreih Sachſen im NW., der preu- 
Biihen Provinz Schlefien ım NO., dem öfterreich. 
sronlande Mähren im SO., den Erzherzogthü— 
mern Ofterreich Unter u. Ob der Enns im SO. u. 
S. u. dem Königreih Bayern im SW.; hat einen 
Flächeninhalt von 51,955, [_jkm (943,,, geogr. 
od, 902,, öſterr. M). B. bildet nach feinen natürl. 
Grenzen, die mit den politifhen zujammenfallen, 
die Geftalt eines verjchobenen Bieredes, deſſen 
Seiten von Gebirgen rings umlagert werben. 
Diefe Randgebirge find: im SW, der Böhmer: 
wald, von der Eger nah SO. verlaufend; hier 
der Dreifeifelberg 1490 m. Parallel mit dem 
Böhmerwalde in NO. erftreden fi) das Glatzer 
Gebirg (Spiegliger Schneeberg 1417 m); das 
Adler-Gebirg oder die böhmiſchen Kämme (Deich: 
naer-uppe 1111 m); das Falten» und Aders— 
bacher ⸗Gebirg (Spigberg 766 m); das Nielen- 
gebirg (Brunnberg 1555 m, Schneeloppe 1601 
ın, Hohes Rad 1506 m); das Iſer-⸗(Tafelfichte 
1124 m) und das Lauſitzer-Gebirg (Jeſchken 
1013 m). Zwiſchen dieſen beiden paralletien Zü— 
gen ftehen als Verbindung, von SW. nah RO. 
jich eritvedend, an der mährifchen Grenze der flache 
Rüden des böhm.-mähr. Höhenzuges u. au der 
ſächſiſchen Grenze Das Fichtel- und Erzgebirg, 
deijen weſtlichſter Theil Eiſter-Gebirg heißt (Keil— 
berg bei Gottesgab 1275 m); das Berbindungs- 


Handgebirge bildet das von der Elbe durchbrochene 
Eibefandftein-Geb, (Tetſchner · Schneeberg 724 m). 
Das Innere des Landes ift feine Keffellandichaft, 
ſondern bejteht aus Tertafien, die fih von ©. 
nah N. abjenfen, fehr ımeben find und meiſt 
lade Kuppen haben. Am rechten Moldauuier, 
an der Grenze von. Oſterreich liegt der Jäger- 
hüttenberg 1127 m; nörblid davon der Stre- 
mernif bei Pilgram 769 m und der Kellenberg 
bei Policzla 769 m, am finfen Moldauufer, fild⸗ 
id von der Beraun die Brody- Berge (Trzemczin 
822 m); zwifhen Beraun u. Eger der Kaiſerwald 
(Slape 974 m), das Xepler - Gebirg (Czrbon 
811 m) und der Czbanwald (528 m). An bie 
Zerraffen ſchließt fih im N. das Efbebeden 
zwilchen Leitmeritz und Königgrätz, an deflen 
Nordrande jenjeits der Eger, zu beiden Seiten 
der Elbe, fih das böhmiſche Mittelgebirg mit 
dein Donnersberge (Millefhauer 835 m) und 
dem Geltih 720 m erhebt. Bon den Ebenen 
hat die von Frauenbergen. Wittingan im SW. 
von B. 350 m Meereshöbe; das Flachland bei 
Pilfen fiegt 65 m tiefer, und das Eibebeden 
jenft fih von 242 m bis 150 m herab; Meeres- 
böhe der Elbe bei Hermsfretihen 113 m. Die 
Hauptmaffe der Gebirge befteht aus Urgebirge. 
Die fat durchgängig vorfommende Felsart ıft 
Gneis, durchbrochen von Kalkftein, Hornblende- 
ſchiefer, Magneteiienftein, auch abwechſelnd mit 
großen Streden Granit, welcher im Norden den 
Gueis faft ganz verdrängt. In der Ebene von 
Budweis u, Wittingau berrfchen mittlere Tertiär- 
gebilde. Im Selten von Prag bededt Grau» 
made, Thonfchiefer u. Ubergangstalt das Urge— 
birg, mährend jtellenmeile auf diefer Felsſchicht 
mieder Yager von Steinfoblen u. rothem Sand- 
ftein vorfommen,. Die Steinfohlenformation findet 
fih bei Pilſen u. Radnig, ferner norbweitl. von 
Prag zwifhen der Berann u. Eibe, endlich bei 
Schatlar zwiſchen dem Adersbader- u. Riejenge- 
birge; die Braunfoblenformatioun an der Biela zwi— 
hen dem Erz- u. dem Mittelgebirge. Das Ger 
birg am Durchbruche der Elbe, jowie das Adersba> 
cher⸗ u. das Faltengebirg beftehen aus Quaderſand⸗ 
ftein. Baſalt ift der Hauptbeſtandtheil des Mittel» 
gebirges, welcher aud häufig den Sanditein durd- 
bridt. Das Geſtein des Jeſchken it Thonichiefer, 
die Vorkette des Rieſengebirges Glimmericiefer. 
Sämnttlihe innerhalb B-8 entjpringende und 
daffelbe durdhftrömende Flüſſe gehören mit Aus— 
nahme der Neiße, welche nach kurzem Laufe aus 
B. herausbridt, zum ÖStromgebiete der (Elbe, 
welche, aus mehreren Quellen 1385 m hoch an 
dem ſüdlichen Abhange des Rieſengebirges (Die 
Siebengründe genannt) entipringend, bei Herrns- 
fretichen nach Sachſen tritt, rechts mit Eydlina, 
Jier, Bolzen, lints mit Aupa, Mettau, Adler, 
Chrudimfa, Moldau, Eger, Biela. Die Neben» 
flüffe der Moldau find linls Wattawa u. Beraun, 
rechts Yucznig u. Sazawa. Kleine Seen finden 
fih im Böhmerwalde; große Teiche im Gebiete 
der oberen Lucznitz bei Frauenberg u. Wittingau, 
zufammen 415 mit einer Größe von 75 [km 
(Rofenberger T. 5, km). Der Schwarzen» 
berg» Kanal von der oberen Moldau zur Mühl 


Böhmen (Geogr. u. Statift.). 


615 


Fe wird nur zum Holzflößen benußt.]beftände des Böhmerwaldes find durch die Ber- 


ahlrei find die Mineralquellen, bejond. in der 


ente füdl. vom Erzgebirge. Das Klima ift bereits 
continental, am mildeften am SFuße des Erzge- 
birges u. an der Elbe abwärts von Leitmerig. Mit 
dem Anfteigen des Bodens nah S. nimmt die mittlere 
Jahrestemperatur ab, nur das tiefliegende Mol— 
dau-Thal macht eine Ausnahme. Mittlere Fahres- 
temperatur: Prag 7,,° R., Bubmweis 6,°, Stu- 
benbah im Böhmerwalde 4,,°%, Eger 5,,°%, Senf- 
tenberg 5,,° R. Die Broducıe des Minerals 
reiches find mannigfaltig, u. der Bergbau wird 
in feiner Provinz Oſterreichs fo vationell be— 
trieben, wie bier. Productionszifiern von 1873: 
Silber bei Pızibram, Tabor, Joahimsthal u. 
a. O. 38,129 Pid.; Blei u. Glätte bei Przibram, 
Joachimsthal u. Mies; Blei 18,789 Etr., Glätte 
38,086 Ctr.; Zinn bei Graupen im Erzgebirge 
u. bei Schlaggenwalde 471 Etr.; Schwefel 4090 
Etr. aus Schwefeltiefen; Antimon vom Milleſchauer 
1387 Etr.; Alaun 10,742 Ctr.; Eifenvitriol 45,644 
Etr.; ferner im Heineren Mengen Gold, Nidel, 
Wismuth, Arfenit u. Uran; Graphit in Süd-B. 
bei Krumman nu. Schwarzbad 458,161 Etr.; an 
Frifchroheifen wurden 842,716 Etr., an Gußroh- 
eiien 567,546 Etr., zufammen 1,410,262 Ctr. er» 
zeugt; das ptlager zu beiden Seiten der Be— 
raum von Williſchen bis Prag; Hohöfen 1873 
50, davon 37 im Betriebe; Steinfohlen 50,,, Etr., 
davon 28 Mill. Ctr. in dem Revier von Schlan, 
Kladno u. Rakonitz nordmweitl. von Prag; werth— 
vollfte Kohle bei Buſchtiehrad; 180 Coleöfen bei 
Kladno; andere Lager find die von WPilfen, 
Radnitz und die Fortiegung des Waldenburger 
Bedens in Preußiſch⸗Schleſien bei Schatlar und 


twilftungen des Borfenfäfers in manden Theilen 
elichtet; mehr als 60%, des Bodens nehmen die 
Kar er noch ein in der Gegend von Pirglig a. d. 
Beraun, im Erzgebirge bei Platten, Sebaftians- 
berg u. Kathartnaberg u. im Miefengebirge bei 
Tannmwald, a In der Nindviehzudt 
ift die befte einheimtiche Race die Egerländer, jonit 
überwiegt der gewöhnliche Landfchlag (1869 wa— 
ren 1,602,015 Gtüd Rindvieh vorhanden); die 
Pfefdezucht ift am beften in der Gegend von Chru · 
dim u. Parbubig, im Hofgeftüte zu Kladrub Zucht 
der fpan. Race (1869: 189,337 Stüd); Schafe 
zur Hälfte veredelt, 1869 1,106,290 Gtüd; be— 
deutend ift auch die Hühnerzucht (3 Stüd auf 
jeden Bewohner) u. die der Gänſe. Die Jagd 
ift wegen den vielen Fafanen- u. Thiergärten von 
ziemlicher Bedeutung; in B. die größte Zahl der 
Faſauen unter allen öfterr. ‘Ländern. Die Teich- 
wirtbichaft, def, auf Karpfen, wird am umfang» 
reichſten im fildweftfihen B. um Wittingau und 
Frauenberg betrieben. Einwohnerzahl 1869: 
5,140,544, alfo 5446 per geogr. [IM. Am dichte 
ften wohnt die eg Ba den indnftriellen Ge⸗ 
enden des Nordens, in den Bezirken Rumburg, 
hludenau u. Gablonz, am mwenigften dicht im 
SW. im Bezirke von Krummau, Der Natio- 
nalität nach find 38°, Deutiche, 60,5%, Tichechen 
u. 1,4%, sraeliten (meift um Brag). Eine ans 
dere Berechnung ergibt 36, %/, Deutiche, 61,2, 
Tichechen, 1,,, Juden. Während die Tſchechen 
die Mitte des Landes einnehmen, wohnen die 
Deutihen an den Grenzen B-8 mit Ausnahme 
der mährishen Seite; bei Heinrichsberg im Böh— 
merwalde ift die Verbindung der Dentihen von 





Schwadowitz; Braunkohle 71, Mill. Gtr., meift|N- u. SBöhmen faft unterbroden. Die größere 
aus dem Lager, welches fi von Saatz längs| Menge wohnt im N. Die Tichehen find am mei- 
der Biela über Komotau, Hoftanig, Dur und|ften vorwaltend in den Kreifen Tabor 96,5, °/,, 


Teplitz nach Auffig erſtredt; kleinere Lager im N. Prag 96,,, (in der Stadt Prag jedoch nur 55,5.) 


bei Zittau, Karisbad-Fallenau und im ©. bei 
Budmweis-Wittingan; Porzellanerde findet fich bei 
Karlsbad; Granaten, Topaſe, Jaspiſe, Achate xc. 
in der Umgebung von Turnau. Der Werth der 
Producte des Bergbaued u. Hüttenweſens wird auf 
mehr als 30 Mill. Gulden angegeben. Der Ader- 
bau u. die Forjtwirthichaft werden in Böhmen 
meift gut betrieben, nur 3,04°/ des ganzen Yan 
des gelten als unproductiv; 48,05%/, find Aderland, 
12,00%/, Wiefen u. Gärten; 7,,,%/0 Weiden, 29,04 
Waldungen, O,5%/, Weingärten. Die frühere Be- 
ftellungsart der Dreifelder-Wirthichaft ift von dem 
Fruchtwechſelſyſtem faft gänzlich verdrängt; die reine 
Brache nahın 1873 mur 4,9%, des Uderlandes 
ein. Weizen in den Ebenen an der Elbe, Eger 
u. Beraun; im Hlgellande Roggen; Hafer bei. 
im SD. an der mähriihen Grenze; Gerjte an 
der unteren Eger u. in der Eibeebene; ebenda- 
ſelbſt u. um Gitſchin Zuderrüben; Hülſenfrüchte 
beſ. Erbſen; Flachs in den Sudeten bei Arnau u. 
im unteren Egerlande; ann opfen bei Saat 
an der Eger und am Goldbache (j. Stadthopfen), 
eringere Sorten am rechten Elbeufer bei Aiſcha 
8 u. Dauba (Grünb.) 1873 49,462 Ctr.; 
Raps in demjelben Jahre 219,254 hi; Wein (j. 
Böhmische Weine); Obſt, bei. Pflaumen, an der 


u. Gzaslau 93,1, °/o5 die deutſche Bevölkerung ift 
am reinften in den Kreifen Eger 98,,,, Leitmerig 
37,00 u. Saat 87,55 %. Spradinfeln find um 
Burmweis u. an 2 Stellen aus Mähren hereit- 
reichend: 1) nördlih von DeutſchBroden. 2) von 
Wildenſchwert bis Landsfron. Der Religion 
nad find 4,943,897 (96°%/,) Tatholiih; 46,415 
Lutheraner (meift in den Bezirken Aſch, Eger, 
Friedland); 59,700 Neformirte zerftrent von der 
Grenze Mährens u, der Grafihaft Glatz au längs 
der Elbe bis Melnil. In der Induſtrie nimmt 
B, neben der Stadt Wien den erjten Nang in 
Öfterreich ein, u. der Hauptſitz ift in dem noͤrdl. 
Bezirken, welche meift von den Deutichen be» 
wohnt find. Die Banmmwolleninduftrie zählte 1871 
in B. 705,729 Spindeln in 86 Fabrifen (wovon 
62 im Reichenberg u. 15 in Eger); in der Weberei 
berricht noch theilweife Handweberei; Drudereien 
in Zofefsthal bei Kosmanos und Prag, dann in 
Böhm.⸗Aicha u. Warnsdorf, Kattun der Haupt: 
artitel. Die Schafwolleninduftrie liefert um Rei— 
henberg Tuch; um diefe Stadt find auch die be- 
deutenditen Rammgarn-Spinnereien u. «Webereien; 
gemischte Gewebe werden im Aicer-Vezirke, in 
Auffig und Warnsdorf, Teppiche in Maffersdorf 
bei Neichenberg verfertigt; Trautenau im Rieſen⸗ 


Eibe abwärts von Jofefftadt. Die großen Wald |gebirge ift der Mittelpunkt der Flachsipinnerei, 





616 


240,000 Spindeln; bie. feinften Leinengemwebe 
tommen uuter der Bezeichnung der Humburger 
von Georgswalde und Schönlinde; Wirkwaaren⸗ 


Böhmen (Geogr. u. Statijt.). 


im Prag, unter ihr 89 Bezirfshauptmannichaften 
u. 2 Städte mit felbitändigem Statut, Prag u. 
Neichenberg. Für die Nechtspflege beiteben 


Induſtrie blüht im Micher-Bezirfe, um Teplitz 15 Gerichtshöfe 1. Inſtanz (1 Yandes- und 14 


und bei Strafonig, Epitenflöppelet im Erzge- 
birge bei Graßlig. Die Induſtrie in Metall- 
waaren folgt nad ihrer Bedeutung zumädhit: 
Eijengußmwaaren (nm Klabno), Beifemerhütten (um 
Teplig), Eiſenbahnſchienen (um Nürſchan-Wil- 
liſchen, Kladno, Teplis), eiſerne Kochgeſchirre o= 
Piljen), die Nägelfabrifation (um Horzomis), 

durch Kleingewerbe betrieben, gebt conftant zurüd; 
Prag liefert Dampfmaſchinen u. Einrichtungen von 
Zuderfabrifen und Bierbranereien. Die Glasin- 
duftrie hat 2 Hauptgebiete: im Böhmerwalde um 
Winterberg und im NR. um Haida; den Glanz- 
punkt bildet die Erzeugung von Kryſtallglas; 
um Haida und Gteinihonau Schleifereien; um 
Gablonz Fabrifation von Perlen und Knöpfen; 
Spiegel in Neuhurlenthal, VBürgftein u. Deffernit, 
Die Porzellaninduftrie beſchäftigt bei Karlsbad 
14 Fabrilen; chemiſche Fabrilen find die größten 
in Auſſig und Kralup; ſolche in Leder, Schub- 
waaren u. Handſchuhen zu Prag; bei. ausgezeich- 
net die Gerberei und Färberei von Lammleder; 
im Böhmerwalde werden Holzwaaren und bei 
Schüttenhofen Zündhölzchen gefertigt. Bierbraue— 
reien beftanden Ende 1873 939, davon 86 mit 
Dampf betrieben, die größten im Pilfener, dann 
im Prager u. Leitmeritzer Bezirke; die Production 
betrug ſchon 1872 7,815,816 inter, mit einem 
Steuererträgniß von 7,995,317 fl., u. tft ſeitdem bier 
geftiegen, während fie im übrigen Reiche (namentl. 
Nieder-Ofterreich) abnahın. 1872/3 waren in ®. 
344 Spiritusbrennereien u. 164 AZuderfabriten, 
die letsteren Überwiegend an der Elbe u. Beraun. 
Die Straßen (15,403 km) find am bejten in 
NBöhmen, im Gebiete des Bajaltes; die Eijen- 
bahnen (1872: 2468 km) haben ihr Centrum 
in Brag u. find: die der Ofterr. Staatseifenbahn- 
gejelliaft; die Ofterr. NWbahn und die mit ihr 
vereinigte Siid-Norddentiche Berbindungsbabn; die 
range fofefs-Bahn; die Böhm, Weft-, Nordweit- 
u, Nord-Bahn; Die Auifig-Tepliger Bahn; Die 
Dur-Bodenbadher Bahn (die 2 legteren bis Komo— 
tau); die Biclathal-Bahn; die Piljen- Priejner 
Bahn mit der Fortſetzung nach Bayern; endlidy die 
Dur- Prager, Turnau⸗Kraluper und die Elifabeth- 


eift Ferner find für B, die 


Kreisgeridhte), bei welchen Geichmorenen-Serichte 
gebildet werden, ein bei, — —— in Prag 
u. 208 Bezirksgerichte. Die 2. Inſtanz bildet 
das Oberlandesgericht in Prag. An der Spite der 
Finanzverwaltung ift die Finanz-Landesdirection 
in Prag; unter ihr 13 Finanz-Bezirlsdirectionen. 
oft- u. die Telegraphen« 
direction in Prag, die Handelstammern in Prag, 
Neichenberg, Eger, Pilfen u. Budweis; die — 
hauptmaunſchaft u. der Landesculturrath für B. 
in Prag. In militäriſcher Beziehung unterſteht 
das Land dem General-Commando in Prag und 
zerfällt in 10 Ergäuzumgsbezirte. Für das Kir» 
henmwejen der Katholiken beftehen das Erzbisthum 
Prag u. die 3 Bisthümer zu Königgrätz, Yeitmerig 
u. Budweis; für die Evangelifhen Augsburgiiher 
u. beivetticher Confeſſion befteht je eine Superinten» 
benz. Für den Unterricht beftanden 1871/2: 
4190 Bolfsichulen, darunter 24 Bürgerfchulen ; von 
887,000 ſchulpflichtigen Kindern beſuchten 684,700 
die Schule; die Schulpflicht dauert vom vollen- 
deten 6. bis zum vollendeten 14. Lebensjahre; 
1373/4- beftanden 6 deutſche und 5 tichedhiiche 
Vehrerbildungsanftalten; an Mittelſchulen gibt es 
13 deutiche u. 13 tichechiiche Gymnaſien, 6 deutiche 
und 8 tſchechiſche Realgymnaſien, 5 beutiche, 8 
tihechiihe und 2 fpradhlid gemiichte Realſchulen; 
an Hochſchulen hat B. die Deutihe Univerfität, 
das Deutſche u. das Böhmische Polytechniſche In—⸗ 
ftitut, alle in Prag; Specialſchulen find 5 tbeo- 
logiſche Lehranſtalten, die Handelsafademie im 
Prag, 2 Hanbelsihulen, die Gewerbeſchule im 
Prag, die landbwirtbichaftlichen Lehranftalten von 
Zetichen-Liebmwerd (deutih) u. Tabor (tichechiich) ; 
die Forftichule zu Weißwaſſer; die Bergatademie 
in Praibram; die Kunft-Alademie u. das Mufife 
Conjervatorium in Prag. In letzterer Stadt, dem 
Dittelpunfte des Geifteslebens B-8, beiteht das 
1818 geftiftete Böhm. Nationalmufenm und die 
Böhm, Gejellihaft der Wiffenfchaften. Wappen: 
ein filbener Löwe mit goldener Krone u. Doppel» 
tem Schweife im rothem Felde. Die nicht mebr 
beftehende politiihe Eintheilung in 13 Kreiſe 
wird noch ſehr häufig gebrauct; ihre Hauptorte 


W Bahn; NBöhmen hat das Pdichtefte Bahnnek|find: Prag, Budweis, Pijel, Pillen, Eger, Saat, 


in Ofterreih. Schifibar find die Elbe u. Moldau, 
zuf. auf 353 km Länge; auf der erfteren gebt die 
Dampf» u. die Kettenichleppichifffahrt bis Auffig. 
Poftanftalten beftanden 1874 1111, welche 65 Dill. 
Briefe u. 1,, Mill. Palete beförderten. Die Werth- 
fendungen betrugen 1093 Dill. Fl. Telegrapheu— 
Iimen 1872: 7544 km, 230 Stationen, Depe: 
jhen 1873: 1,762,300, Bollsvertretung: B. 
ſchict in das Abgeordnetenhaus des Eisleithani- 
fhen Reichsrathes in Wien 92 Vertreter; der 
Landtag bejteht aus 241 Mitgliedern, Darunter 
5 Birilftimmen, 70 Abgeordnete des Großgrund- 
befiges, 72 der Städte, Märkte u. Induſtrialorte, 
15 der Handelslammern u. 79 der Landgemein- 
den. Außerdem beitehen in den einzelnen Ge— 
richtsbezirfen Bezirlsvertretungen. An der Spite 
der politiichen Berwaltung fteht die Statthalterei 


Yeitmerig, Jungbunzlau, Gitſchin, KHöntggräß, 
Chrudim, Tſchaslauu. Tabor. Literatur: Schaller, 
Topographie von B., Prag 1785—90, 16 Thle.; 
Sommer, Das Königr. Böhmen, ftat.-topogr., 
Prag 1838—47, 16 Bde.; R. Andres, Nationalis 
tätsverh. und Spradgrenze in B., 2. Aufl., 
Leipz. 1872; Mittheilungen des Gomites für 
land» u, forjtwirthichaftlihe Stat. von B., Prag 
jeit 1870; Archiv für Die natnrwifjenichaftliche 
Landesdurchforſchung B-s, Prag 1869, 1. Bd.; 
Harlader, Beiträge zur Hydrographie des König» 
reichs B., Prag 1872; R. Andree, Tſchechiſche 
Gänge, Bielef. 1872. 

Geſchichte. J. Früheſte Zeit bis zur Ein— 
führung des Chriſtenthums. Die erſten bei 
fannten Bewohner B-$ waren die keltiſchen Bojer, 
nad denen das Yand Bojehemum od. Bojohemum 


% 


Böhmen (Geſchichte). 617 


(Bojenheun) hieß, Um Chriſti Geburt wurden die) Deutfchen Reiche zinspflichtig. Boleslaw I. ver 
Bojer durch germaniſche Markomannen unter) Graufame, der aus Herrichlucht feinen älteren 
Marbod aus B. vertrieben, der dajelbft ein Reich Bruder Wenzel, den Förderer des Chriftenthums 
errichtete. Zu den Stürmen der Völtermander-|(28. Sept. 935), ermordet hatte, vertrieb die 
ung verloren aber die Darkomannen ihre Bedeit- | deutfchen Priefter aus B., fagte fi vom Deutſchen 
ung, und Thüringer und Franken nahmen nach Reiche los u. wurde erft nad) 14jährigen Kämpfen 
‚einander B.; zulegt überließen die Letzteren ge-|(950) von Kaifer Otto I. zur Anerfennung der 


gen einen jährlichen Tribut das arg geſchädigte Oberhoheit defjelben gezwungen. Sein Sohn ır, 
a 


and fremden Böllern. Unter diejen traten in der 


Nachfolger, Boleslaw II. der Fromme (967 bis 


weiten Hälfte des 6. Jahrh. die flavifhen Tſchechen 999), dehnte fein Reich über Ober- und Mittel- 
— u. behaupteten ſich in B., mo fie auch jetzt Schlefien u, dem weſtlichen Theil von Mähren aus, 


noch ſeßhaft find. Der Sage nad joll ihr erfter 
Anführer Tiheh aus Groß+-Chrowatien (im N. 
der Karpathen) gelomumen jein u, fich zuerft auf 
dem Berge Rzip (Georgenberg bei Raudnitz) nie 
dergelafien haben. Im Anfauge des 7. Jahrh. 
eriheinen die Tichechen von den Avaren in Un. 
garn abhängig, 623 machten fie fih unter Samo 


wieder frei u, wählten denjelben zu ihrem Herzog. |Bater in der Regierung. Mißtrauif 


ftiftete das Prager Bisthum (ca. 978) u, eroberte 
Gro߻Chrowatien mit der Hauptitadt Krakau. 
Nach feinem Tode zerfiel fein großes Meich durch 
Bruderzwift, u. der Polentönig Boleslaw Chrobry 
(d. 5. der Tapfere) vereinigte Schlefien, Krakau, 
Mähren u. die Siowalei mit Polen. Boleslaws II. 
Sohn, Boleslaw III, Rothhaar, folgte jeinem 
u. hab» 


Er vereinigte während feiner 35jährigen Hegier- |jüchtig, verjagte .er feine Brüder Jaromir und 
ung B. u. gründete eine befonders den Frauken Udalrich, welche mit Meinen Befigungen unter 
geläbrlighe Monarchie, welche jedoch nach ſeinem Oberhoheit des Herzogs abgefunden waren, ı. 


ode (662) wieder zerfiel. 


Einer feiner nächſtenließ den Erfteren 


entmannen. Infolge feiner 


Nachfolger war Krof, der weiſe Richter, u. nach|ichlechten und graufamen Regierung brach im 


ihm defien jüngfte Tochter, die in der Sage be 
kannte Seherin u. Zauberin Yibufja (j.d.). Diefe 
vermählte fi mit Praemysl u. wurde die Ahn- 
frau desjenigen Geſchlechts, welches B. bis zum 
J. 1306 beherrichte. Praemysl u. Libuſſa jollen 
die Hauptftadt Prag erbaut u. die alte böhmifche 
Gejeggebung geregelt haben. Nad) Libuſſas Tode 
ſoll unter der Anführung einer ihrer Freundin— 
nen, Wlafta (ſ. d.), der fabelhafte Böhmifche 
Mägdekrieg entitanden fein, eine blutige Empörung 
der Frauen gegen die Männer (mol nur gegen 
Przemysls Alleinherrihaft). Neben den Herzögen 
gab es auch viele Heinere Fürften im Yande, Karl 
d. Gr. führte 805 u. 806 gegen B. erfolglos Kriege. 
Ludwig des Deutschen Heer wurde 849 faft gänz⸗ 
fich aufgerieben. Als bald darauf das benachbarte 


3. 1002 eine Empörung gegen ibn aus: die Un— 
zufriedenen riefen den polnischen Prinzen Wiadi- 
moi, Boleslaw Chrobrys Bruder, in das Land 
u. machten denjelben nach Boleslaws III. Ver— 
treibung zum Herzog. Nach deſſen frühem Tode 
bemädhtigte fid 1003 der Polentönig ganz B-8, 
wurde aber 1004 von Yaromir u. Udalrich, mit 
2 des Kaifers Heinrich II., wieder verdrängt. 
Jaromir regierte nım vom 1004—1012, u. Udals 
vih, nachdem er feinen Bruder verdrängt hatte, 
1012— 1037 über das auf feine engiten Grenzen 
beichränfte B. allein. Udalrich war der erfte böh— 
miſche Fürſt, der fih an der deutfchen Kaiſerwahl 
betheifigte. Sein Sohn, Brzetislaw I., der böh— 
miſche Adilleus (1037—55), eroberte 1029 Mäh— 
ven u. vereinigte e8 mit B. Bor feinem Tode 


Mähren unter Raftiz u. Swatopluk (Zwentibold) |führte er noch in B. die Senioraterbfolge ein, 


zu großer Macht ſich bob, trat 869 auch B, in 
Verbindung mit demjelben gegen Deutjchland, 
Ceit 871 ftand B. unter Swatopluls Gewalt, u. 
zwar, wie e8 jcheint, bis zu defien Tode (894). 
Die Folge davon war die jchnellere Verbreitung 
des Chriftentbums in B., bejonders die Taufe 
Borziwois, des erften Fürſten aus dem Haufe 
Przemysls, deſſen Name hiſtoriſch beglaubigt iit, 
894 durch den Erzbiihof Methodius am Hofe 
Smwatopluls in Mähren. Borzimoi, der erfte chrift« 
liche Herzog B⸗s, refignirte 902 u. ft. 910; deſſen 
Gemahlin, die heilige Ludmilla, ft. 15. Sept. 927, 

U. Böhmen als Herzogtbum unter dem 
Einflujje Deutihlands, 895—1197. Nach 
dem Tode Borziwois u. Swatopluks traten die 
tſchechiſchen Häuptlinge unter dem Bortritte Spi— 
tihnievs, des Sohnes Borziwois, u. Witizlaws im 
Juli 895 zu Megensburg freiwillig unter den 
Schutz des Deutichen Reiches. Auf Spitibniev 
folgte fein Bruder Wratislaw. Nad feinem Tode 
bemächtigte fich feine herrifhe Wittive, Drahomira, 
um 920 der Regierung des Yandes u. der Vor— 
mundichaft über ihre Söhne Wenzel u. Boleslaw; 
aber 929 309 der beutihe König Heinrich J. 


gegen fie, rüdte vor Prag und machte B. dem 


ernannte Spitihniev zum Nachfolger in B., wies 
beffen Brüder Wratislam, Konrad u. Otto Mäh- 
ren an u, beftimmte den jüngften, Jaromir, zum 
geiftlihen Stande. Spitihniev II. (1055—61) vers 
trieb alle Deutiche, Jelbft feine Diutter, aus Böhmen, 
nahm feinen Brüdern Mähren wieder u. fette Kon» 
rad u. Otto als Hofbeamte ein. Wratislaw floh zum 
König Andreas von Ungarn, wurde deſſen Schwier 
gerjohn, erhielt dann Olmig zurüd, wurde nach 
Spitihnievs Tode als Wratislaw II. (1061—92) 
Herzog von B., trat 1075 im ein enges Bünd— 
niß mit Kaifer Heinrih IV., nahm an den Käm— 
pfen dejjelben gegen den Papſt u. die Reichsfürften 
Antheil u. erbielt 1086 die Königswürde, die aber 
der Papſt nicht anerkannte, Nach dem Tode des 
Königs und feines Bruders Konrad, der nur 8 
Donate regierte, brachen Thronftreitigleiten in 
B. aus, indem Brzetislaw II. (1092—1100) die 
Nachfolge im Meiche feinem Bruder Borzimoi, 
mit Hintanfegung der nach dem Genoriatgejete 
näher berechtigten Söhne Konvads, zu fichern fich 
bemühte. Aus den nun folgenden Thronitreitig« 
feiten ging W adislam I., Borzimois Bruder (1110 
bi8 1117), als Sieger hervor, der 1117 freimillig die 
Krone an den aus der Gefangenſchaft zurückgekehrten 


618 


Borzimoi abtrat, 1120 aber fi wieder derſelben 
bemächtigte u. fie bis an feinen 1125 erfolgten Tod 
behauptete. Hierauf wurde mit Übergehung Ottos, 
von der böhmifchen Partei begünftigt, fein Bruder 
Sobieslaw IL. (1125—40) Herzog. Dagegen hatte 
Kaifer Lothar den Klagen des Herzogs Otto von 
Dlmiüt Gehör geihenft u. zum Herzog von 
B. befiimmt, wobei der — ——— 
wurde, daß die Herzogswahl in B. von dem 
deutſchen König beſtätigt werden ſollte. Doch 
wurde das deutjche Heer, welches zu dieſem Zwecke 
nah B. entjandt wurde, bei Kulm geihlagen; 
Dtto jelbft fiel, u. num wurde 1126 Sobieslam, 
nachdem er fi von Lothar im feinem Herzog— 
thum hatte bejtätigen laffen, aud von dieſem 
anerfannt. Gegenüber der ftreng nationalen Par« 
tei, melde dieler Borgänge wegen dem Herzog 
nad dem Leben trachtere, fügte er fih auf das 
dentiche Element in B., weiches er durch Herbei— 
ziehung zahlreicher deuticher Goloniften verjtärkte. 
Seımem Sohne Wladislaw, der von Konrad II. 
zum Herzog beflimmt war, machte Wladislaws I. 
Sohn, Wladisiam II, (1140— 73), den Thron 
ftreitig, u. Jener mußte mit feinen Brüdern Udal— 
rih u. Sobieslam aus dem Lande fliehen. Aber 
der herrſchſüchtige Adel erhob fid) gegen das ftrafie 
Regiment des neuen Herzogs. Die Auſſtändiſchen 
erwählten Konrad von Znaim zum Herzog, der 
in B. vordraug u. Wladislam am Berge Vyſola 
bei Kuttenberg ſchlug; dieſer fonnte jedoch mit 
Hilfe Konrads ILL. ın kurzer Zeit wieder B. u. 
Mähren erobern, Im J. 1147 begleitete er den 
Kaifer Konrad nad dem Gelobten Lande. Die 
Regierung führte einftweilen fein Bruder Theo- 
bald. Diejer nahm den Prinzen Sobieslam, bes 
Herzogs Sobieslam I. Sohn, welcher nad B. 
zurüdtebrte, um fich der Herrſchaft zu bemächti- 
gen, gefangen. Dem Kaifer Friedrich I, mit 
welchem Wladislaw II. auf geipanntem Fuße ge- 
lebt hatte, leiftete er, nachdem er fi) 1156 mit 
ihm verjöhnt hatte, gegen Mailand jo mejentlicye 
Dienfte, daß derjeibe ihm, jedoch mur für feine 
Perion, den Titel eines Königs verlieh. Als aber 
der Kaifer mit dem Bapfte zerfiel, trat Wladis- 
law auf die Seite des Papftes, weil fein Sohn 
Adalbert Erzbifchof von Salzburg geworden war, 
Um bei diefer politiihen Yage die Nachfolge zu 
fihern, refignirte er 1173 zu Gunften feines Soh— 
nes Friedrich. Der Kaifer berief hieranf Fried— 
rih, ſowie den bereit® aus der Haft gegebenen 
Sobieslam zu fih umd ernannte am Hoftage zu 
Ermendorf Sobieslam zum Herzog. Sobieslaw 11. 
(1173—78) hinderte die Magnaten in ihren Räu« 
bereien u. jchütte die Bauern, weshalb ihn der 
Adel den Bauernfürften nannte. Wegen eines 
Krieges gegen Ofterreih wurde er vom Papſte 
in den Bann gethan un. von dem Saifer der er 
zogswürde beraubt. Dieje erhielt Friedrih, Wla— 
dislaws II. Sohn. Sobieslaw II. floh nad) ver- 


— Verſuchen, ſich in B. zu halten, nach Ottokar II. (1253—78) erlangte dur 


Böhmen Geſchichte). 


theilte fie Konrad Otto. Ein neuer Aufftand des 
Adels 1184 gegen Friedrich wurde bald gläd- 
lich unterdrüd.. Minder glüdiihd war Friedrichs 
Zug gegen Konrad Dtto von Mähren. Als im 
3. 1189 Friedrich farb, beiehnte der Kaiſer den 
bisherigen Markgrafen von Mähren, Konrad, mit 
B. Dieſer fl. 1191 im Italien, wohin er ben 
Kaifer Heinrih VI. begleitet hatte. Der Kaifer 
iibergab nun die Lehensfahne dem Biſchof Hein- 
rih Brzetislamw für Ottofar Przemysl; da diejer 
jedoch jeinen Geldverpflidtungen, nämlid 6000 
Mark zu zahlen, nicht nacdlaın u. mit den Welfen 
in Berbindung trat, fo entjette ihn der Kaifer 
feiner Würde und ernannte den Biihof Heinrich 
von Prag zum Herzog. Diefer unterbrüdte einen 
von DOttofars Bruder, Wladislam, erregten Auf- 
ftand in Mähren u. ft. 1197 in Eger, wohin er 
vor Ottofars Anzuge gegen Prag, den jedoch Fürft 
Spitihniew zurüdichlug, geflohen war. Die Böh- 
men wählten nun Wladislaw III., Ottofars Bruder, 
Dearfgrafen von Mähren, zum Herzog; doch er- 
griffen nad Heinrihs VI. Tode Dttofars An- 
hänger die Waffen, Wladislaw entfagte zu Gun— 
ften feines Bruders u, begnügte fih mit Mähren 
unter böhmiſcher Oberhoheit. 

III. B. als erbliches Königreich bis zum 
Erlöſchen des Hauſes Przemysl, 1198 bis 
1306. SDttofar J. (1197 - 1230) erhielt im J. 
1198 die Königswürde, die er durch ſchlaues Ver» 
halten in den Kämpfen zwifchen Philipp u. Otto 
zu behaupten wußte, Als Friedrich in Deutich- 
land erſchien, eilte Ottolar ihm entgegen u. er⸗ 
bielt für feine Bereitwilligfeit 26. Sept. 1212 
ein für B. bedeutendes Privileg, duch welches 
ihm nebft vielen anderen Freiheiten die erbliche 
Königswürde ertheilt u. B. von allen Abgaben 
an das Reich befreit wurde. Ottolar führte nun 
in B. die Primogeniturerbfolge jtatt des Senio— 
rats eim u. ließ feinen älteften Sohn fogleich zum 
Thronfolger wählen (1216). Das Beftreben des 
Fe Biſchofs Andreas, eine reichsunmittelbare 
Stellung zu gewinnen, führte zu einem vollitän« 
digen Bruce zwiſchen der Regierung u. der Kirdye 
in B. (1217—22), welchen Papſt Honorius IL. 
nur mit Mühe zu heilen vermodte; der Biſchof 
blieb des Königs Untertban, erhielt aber beſon— 
dere Privilegien. Ottolars Sohu, Wenzel I. der 
Einäugige (1230 —53), beförderte die ſchon von 
feinem Borgänger begünftigte Niederlaffung deut- 
her Eoloniften in B. u. die Einführung Deutſchen 
Rechtes. In zahlreiche Kriege mit dem Kaiſer 
u. feinen Nachbarn verwidelt, trug fein kriegeri⸗ 
jher Sinn im 3. 1241 zur Rettung von den in 
dafjelbe einfallenden Mongolen das Meifte bei. 
Nachdem er einen Aufjtand feiner unzufriedenen 
Großen, an deren Spite fein Sohn Ottolar ftand, 
aedämpft hatte, vermochte er 1251 die Stände 

ſterreichs, feinen Sohn zum Herzog von Oſter⸗ 
reich zı wählen. Diefer als Kong Przemysl 
feine Ver⸗ 


entichland, wo er 1180 ftarb. Die mit Fried» | mählung mit der alternden Margaretha von 


rich unzufriedenen Großen beriefen ſchon im J. 


Ofterreich ein Erbrecht auf Öfterreih u. Steier- 


1182 Herzog Konrad Otto zur Regierung. Die-| mark, wußte diefe Länder gegen die Ungarn zu 
fer verließ aber B. auf des Kaifers Befehl, und behaupten und blieb auch nad feiner Scheidung 


Friedrich kehrte zurüd. Der Kaifer erklärte Mäh— 
ren für eine reihsunmittelbare Grafſchaft u. er» 


von Margarethe im Befige derſelben. Auf 
einem 1255 gegen die Preußen unternommenen 


Böhmen (Geichichte). 619 


Kreuzzuge gründete er Königsberg u. errang die kennung der böhmifchen Oberhoheit und vertrug 
Oberhoheit über Preußen u. einen Theil Polens. |fih mit Polen über die bisherigen Mechte auf 
Den Bayern entriß er Eger u. Waldfaffen, er-/Schlefien. Kurz vor feinem Tode wurde fein 
langte 1269 von dem erblofen Herzog Ulrich Kärn-| Sohn Karl (1346—1378) zum Römischen König 
ten, Krain, Friaul u. Portenau u. dehnte durch | gewählt. Diefer mendete Feine meiſte Sorgfalt 
diefe Eroberungen B. von der Oftfee bis zum ſeinen Erbftaaten zu, u. B. blühte unter feiner 
Adriatiichen Meere ans. Dabei war er gegen|Regierung herrlich auf. Er ließ die Elbe m. die 
Bürger u. Bauern mild u. begifnftigte ihre Ge- Moldau ſchiffbar machen, Wälder ausroden, forgte 
werbe, gegen die Großen aber war er unerbittlich für die Sicherheit der Straßen, befürberte den 
ftreng. Bu ftolz, um vom Grafen von Habsburg | Weinbau ı. ſchloß 1358 Handelsverbindungen mit 


die öfterreichifchen Länder zu Lehn zu empfangen, 
ward er mit Rudolf im Krieg verwidelt und in 
der Schlacht auf dem Marchfelde (1278) um Thron 
u. Leben gebradjt. Nach dem Tode des mächtigſten 
böhmischen Königs Ottofar II. beginnt der all 
mählige Berfall B-8. Wenzel IL. der Fromme 
(1278— 1305) war bei dem Tode feines Vaters 
minderjährig; fiber die vormundſchaftliche Regier- 
ung fam es jedoch zwiſchen der Königin Mutter 
u. dem Markgrafen Dtto von Brandenburg zu 
Streitigfeiten, welche Duelle vieler Kriege u. in- 
nerer Unruhen waren. Wenzel Bermählung mit 
Jutta, Rudolfs von —— Tochter, brachte 
ihm u. dem Lande manche Vortheile. So wurde 
Wenzel 1290 von Rudolf in der Kurwürde be» 
fätigt, erlangte das Erzmundichenfamt u. die Be- 
ftätigung der Erbverbrüderung mit Breslau, Sein 
Reich vergrößerte er noch durch Erbfchaft von tra- 
fau u. Sandomir nnd erwarb durch feine zweite 
Vermählung mit der polnischen Prinzeifin Mira 
Polen, wo er jedod ſchon 1304 abgelegt wurde, 
Sein Sohn Wenzel III. ſchloß mit dem Kaifer 
Albrecht Frieden, in welchen dieſer ihm die meiß- 
nischen Beſitzungen beftätigte. Als er aber mit 
Heeresmadht nach Polen z0g, um Wladislaw Lo— 
tietets Fortichritte dafelbit zu hemmen, wurde er 
unterwegs zu Olmitg 4. Aug. 1306 meuchlings 
erftochen, Dir Wenzel III. erloſch das Gejchlecht 
der Przemysliden. 

IV. 8. unter Regenten aus dentſchen 

ürftenhäufern bis zum Ausbrude des 

ujfitenfrieges, 1306-1419. Eine ſtrei— 
tige Wahl nad) Wenzels III. Tode führte Herzog 
Rudolf von Öfterreihh, den Sohn Albredts I., 
nach feiner Vermählung mit Wenzels II. Wittwe 
auf den Thron. Diefer ſtarb aber ſchon 1307, 
u. an feine Stelle wurde nun fein früherer Mit— 
bewerber, Herzog Heinrich von Kärnthen, zum 
König gewählt, der mit Anna, der Schwefter 
Wenzels III., vermählt war und fi fogleich zu 
Prag huldigen ließ. Durch feine willfürtihe Re— 
gierung u. feine Schwäche verhaßt, mußte er bald 
den Thron verlaffen, nadhdem auf Antrag des 
größten Theils der böhmischen Stände König Hein- 
rih VII. von Luxemburg feinen Sohn Johann, 
der ſich mit Wenzels II. zweiter Tochter, Elifa- 
beth, wermählt hatte, mit B. belehnt hatte. So 
gelangte die luxemburgiſche Dynaftie zur Wegier- 
ung über B. Johann (1310—46) murbe mit 
feiner Gemahlin Elifabeth 1311 in Prag gelvönt, 
brachte Mähren von den Herzögen von Ofterreid), 
ferner Troppau von den Herzögen von Breslau 
wieder an B. zurüd. Wenngleich feine Kämpfe 
um Kärnthen u. Tirol für B. ohne Bortheil blie— 
ben, jo brachte er dagegen die Lauſitz an B. zurüd, 
nöthigte die meiſten jchlefiichen Herzöge zur Aner- 


Benedig u. den Niederlanden. Breslau u. Prag 
wurden Stapelftädte u. erreichten dadurch eine hohe 
Blüthe. 1348 ftiftete er die Univerfität in Prag. 
Alle Privilegien, die B. von den beutichen Kaiſern, 
bejonders von ‚Friedrich II., erhalten hatte, wurden 
von Karl duch die Böhmische Goldene Bulle ber 
ftärtgt; e8 wurde den Ständen durch dieſes Neichs« 
grundgefeg namentlich bie freie Wahl ihrer Fliriten 
(u. zwar wicht bloß der Dynaſtie, fondern eines jeden 
einzelnen) ausoridiich verbrieft. Mähren überließ 
Karl feinem Bruder Johann als erbliches Lehn 
(1349), dagegen ließ er fih 1353 von dem Marks 
grafen Ludwig von Brandenburg das Einlöfungs- 
recht auf die an Meißen —— Lauſitz ab⸗ 
treten ar; erhielt theils durch Kauf, theils durch 
die Abtretung von feinem Schwiegervater, dem 
Kurfürften Ruprecht von der Pfalz, die Ober- 
pfalz, welche er 1355 mit B. vereinigte, m. fpäter 
— er auch Brandenburg. Nach dem Tode 
einer zweiten Gemahlin, Anna von der Pfalz, 
vermählte er fih mit der Prinzeffin Anna von 
Jauer, wodurch er Anſprüche auf die Fiirften« 
thümer Jauer u. Schweidnig befam. 1355 ver- 
einigte Karl die Lauſitz, Schlefien, Mafowien ı. 
Plozt (lettere von Polen getrennt) mit B. 1376 
beſtimmte Karl, daß nad) feinem Tode fein Ältefter 
Schn Wenzel B. u. Schlefien, Siegmund Bran- 
denburg und der dritte, Johann, Görlitz u. die 
Niedersfanfit erben follten. Unter der Regierung 
feines Sohnes Wenzel IV, (1378—1419 als Kaiſer 
Wenzel 1.) gingen viele der vortrefflichen Einricht- 
ungen Karls unter. B. wurde feit 1389 infolge 
der Schwäche u, willlürlichen Herrſchaft Wenzels 
Schauplatz der blutigſten inneren Kämpfe. Die 
Böhmen ſelbſt nahmen ihn zweimal gefangen, das 
dritte Mal fein eigener jüngerer Bruder Sieg- 
mund. Im J. 1400 wurde er wegen feiner line 
thätigfeit von den Kurfürften feiner Katferwiirde ent« 
fest; gegen das Ende feiner Regierung entbrannte 
in B. der Aufftand der Huffiten, durch welchen 
B. u. die benachbarten Länder verheert wurden. 
V. Bon den Huffitenunruben bis zur 
Shladt am Weißen Berge, oder dem 
änzlhichen Erlöſchen der böhmiſchen Wahls 
————— 1419 — 1620, Auf Wenzel ſollte 
ſein Bruder Siegmund, deutſcher Kaiſer u. König 
von Ungarn, folgen; aber weil dieſer Huß (f. d. 
Art.) in Konftanz hatte verbrennen laffen u. nicht 
zugegen war, * ſich die Freunde der neuen 
* gegen ihn, und nur mit Mühe gelang es 
Sophien, der Wittwe Wenzels, einer eifrigen Hufe 
ſitin, im November 1419 einen Waffenſtillſtand 
zu Stande zu bringen. Durch Siegmunds 
ihwantendes und fehlerhaftes Benehmen wurde 
der Huffitenfrieg (ſ. Huffiten) genährt, und erft 
nachdem 16 Jahre hindurch B. verwüſtet u. ver« 


620 


Böhmen (Gejchichte). 


heert worden, gelang es ihm durd die Spaltung |religiöjem Hader, bis der Neligionsfriede von Kırt« 


der Anhänger, nah langen Berbandlungen auf) 
dem Iglauer Pandtage, der die Unterhaudlungen 
mit der Beröffentlihung der Prager Compactate 
endete, B. 1436 zu beruhigen. Unter feiner Re— 
gierung trat Brandenbnrg aus dem Lehnsverband 
der böhmiichen Krone, in dem 1417 Siegmund 
fih genöthigt ſah, den Burggrafen Friedrich von 
zen ınit dem an denſelben verpfändeten 

randenburg zu beiehnen. Als mit Siegmund 
das Iuremburgifche Haus in B. erlofh, jo folgte 
ihm gemäß den Erbverträgen u. mit Zuſtimmung 
der Fatholiihen Stände des Königreiches der Ge» 
mahl feiner Tochter Elifabeth, Herzog Albrecht V. 
von Öfterreih (1437—39) auf den Thron. Aber 
fein frühzeitiger Tod führte zu neuen Unruhen. 
Die Mehrzahl der Stände beichloß die Niederfunft 


der Wittwe Albrechts II. abzuwarten und drang |binterließ, jo 


nach der Geburt eines Sohnes, Yadislaus (Wlar 
dislaw) Poſthumus (1440 — 57), auf die Wahl 
diefes nachgeborenen Schnes Albrecht3 II. Aber 
die Huffiten ſuchten die Wahl zu hindern. As 
jedoch Herzog Albrecht von Bayern und Kaifer 
Friedrich ILL. die ihnen bargebotene Krone ausge- 
ſchlagen hatten, wurde Ladislaus als König aner— 
fannt, u. Dis zu deſſen Bolljährigfeit die Regier— 
ung einem Reichsgubernium, gebildet aus Ulrich 
v. Nofenberg, Meinbatd v. Neuhaus u. Heinr. Ptaczet 
(1444 ft. Ptaczeleu. an feiner Stelle wurde Georg 
Podiebrad ermwählt) übertragen. Nah dem Ein» 
tritte Bodiebrads in das Gubernium fam es zu 
einem längeren inneren Kriege, der damit endete, 
daß 1452 endlich Podiebrad von allen Ständen 
als Gubermator des Reiches anerlannt wurde, 
Hierauf wurde im October 1453 Ladislaus in 
Prag gefrönt. Als er 1457 wieder nah Prag 
fanı, mm dort feine Bermählung mit einer Toch— 
ter des Königs Karl VII. von Franfreih zu voll 
ziehen, jtarb er fon im November, bevor feine 
Braut in Prag angelommen war. Auf die Krone 
Bes machten num der Kaijer Friedrich III., jein 
Bruder Albrecht, fein Vetter Siegmund von Dfter- 
reich, der Herzog Wilhelm von Sachſen, der König 
Kaſimir von Polen u, der König von Frankreich 
für einen feiner Söhne Anfprud; aber feiner der- 
felben erbielt fie, fondern aın 2. März 1458 brachte 
es der Erzbiichof Rofyczana von Prag dahin, daß 
Georg Podiebrad (1458— 71) einftimmig zum Kö— 
nig gewählt wurde. Er behauptete ſich durch klu— 
ges u. thatfräftiges Vorgehen gegen den püpit- 
lihen Bannſpruch und gegen Matthias von Un— 
gar, welcher, vom Kaifer zum Gegenlönig erbo- 
en, 1469 den Titel eines Königs von B. an» 
nahm, auf dem Throne bis an jein Lebensende, 
Jedoch durch doppelziingige Bolitit nach außen, 
ſowie Unentichloffenbeit in den religiöſen Partei- 
fragen verhinderte er die Bildung einer nationa« 
len Dynaſtie, jowie eine vadicale Heilung des all- 
gemeinen Elendes. Nach feinem Zode wurde der 
15jährige Prinz Wladislaw von Polen (1471 bis 
u zum König gewählt. Darüber wurde er 
mit Matthias in einen nachtheiligen Krieg ver- 
mwidelt, der 1479 durch den Frieden von Olmütz 
beendet wurde, nach welchem Wladislaw DB, be- 
bielt, Mähren, Schleſien u. die Yaufits aber an 
Matthias fielen. Hierauf Fam es in B. zu neuem 


tenberg 1485 dem Kirchenftreite ein Ende machte. 
Nach dem Tode des Matthias Eominus (1490) 
wurden Sclefien, Mähren u. die Laufib wieder 
mit B. vereinigt u. Wladislaw felbft zum König 
von Ungarn gewählt. Er verlegte darauf zum 
großen Schaden B-8 jene Reſidenz nah Dfen; 
denn in jeiner Abwefenheit bemädhtigte ſich ber 
Adel der Herrſchaft u. führte durch ſeine Willfür 
einen 16jährigen inneren Krieg herbei. Ungeachtet 
der Barteiungen erfannten dennoch die böhmiſchen 
Stände die Nachfolge feines Sohnes Ludwig 
(1516—26) au, der aber erft 1522 nach B. kam. 
Unter feiner Regierung famı es im B. bereits zu 
heftigen Streitigfeiten zwiichen den Yutheranern 
u. Katboliten. Am 29. Aug. 1526 fiel er bei 
Mobacs gegen die Türken, n. da er feinen Sobn 
gebührte nah der Erbfolge dem 
Erzherzog Ferdinand (1526 — 64), Bruder des 
Kaifers Karl V., oder eigentlich deſſen Gemahlin 
Anna, Schweſter des Königs Ludwig, die Nach- 
folge. Da aber nicht das Grbfolge-, jondern das 
Wahlreht Grumndgeie war, jo entidied diefes 
letzte. Gegen eidliche Gelobung der Wahlverträge, 
welche die ansgebehnteften Freiheitsrechte zufiber- 
ten, wurde dann Ferdinand 4. October 1526 
zum König von B. gewählt. Derielbe mußte 
durch perjönlihe Energie das königliche Anſehen 
im Lande wieder zur Geltung zu bringen und 
religiöje nud andere Zwiſtigkeiten durch kluge 
VBermittelung beizufegen. Im Schmallalbiichen 
Kriege (1546) verlangte Ferdinand von B. die 
Aufftellung eines Heeres gegen den Schmaltal- 
diihen Bund. Er ftieß aber bei den böhmiſchen 
Ständen auf Widerftand, welche die Sache des 
Kurfürften von Sachſen nicht verlaffen wollten, 
Sa, es batte jeit März 1547 den Anichein, als 
ob die Stände mit den Sachfen gemeiniame Sache 
machen wollten. Die Schlacht bei Miübhlberg än- 
derte die Sachlage. Nah einem kurzen inneren 
Kriege wurde auf dem fogen. Blutigen Landtage 
(Auguft 1547) B. fir ein Erbreich erflärt u. dem 
habsburgiichen Haufe zugeiproden. 1548 ftiftere 
Ferdinand das Appellationstribunal in Prag u. 
lam jeitdem jährlih nad B., aber nur um Geld 
u. bejonders feit 1551 Truppen gegen die Türken 
u, gegen Johann, feinen Gegenkönig in Ungarn, 
zu erhalten. Inzwischen dachte er daran, die fa» 
tholiiche Religion zur alleinherrfhenden in B. zu 
machen, aber befonders die Utraquiſten waren ihm 
noch zu mädtig u. nöthigten ihn 1554 auf dem 
Landtage, ihrem Conſiſtorium bejondere Beichüter 
aus dem Herren» u. Nitterftande zu geben; da— 
gegen wurde 1556 auf Bitten der fatholifchen 
Stände zur Erziehung ihrer Söhne ein Jeſuiten— 
collegium zu Prag eröffnet. 1562 wurde auch 
wieder ein. katholiſcher Erzbischof in Prag (jeit 
1521 der erfte) angeftellt. Auf Ferdinand I. folgte 
fen Sohn Marimilian (1564—76, als Kaifer 
Maximilian IL), der ſchon 1563 gefrönt worden 
war. Den Proteftanten geneigt, ftellte diejer die 
Einigfeit unter feinen Untertbanen in B. wieder 
ber. Unter ihm wurden die Compactater, zum 
Schutze der Utraquiſten aufgeitellt, aufgehoben, da 
der Papſt dieien den Genug des Kelches erlaubte, 
wogegen fie die Priefterehe aufgaben; er ;:b 


Böhmen (Geſchichte). 


Lutheranern Superintendenten, die einen Theil 
der biſchöflichen Rechte genoffen. Alle Jahre wurde 
während feiner Negierung in Prag Yandtag ge: 
halten. Auf dieſem Landtage vereinten ſich die 
Lutheraner, Reformirten u. Böhmifchen Brüder 
zu einer Confeſſion, da der König freie Religions- 
ausitbung bewilligt. Sein ältefter Sohn, Ru— 
dolf I. (als Kaifer Rudolf II.), jhon 1575 zum 
König gewählt, folgte ihm 1576. Bon Natur 
rubheltebend u, den Wiſſeuſchaften u. fchönen Kün— 
ften zugethan, geftattete er vor 1602 feine Stör— 
ung des durch Marimilian II. befeftigten Reli— 
gionsfriedend. Die Proteftanten und Katholifen 
lebten einträchtig unter einander, u. die Stände 
hielten auf ihre Geredtiame. Dem Model u. den 
Städten verlieh Rudolf große Privilegien. Die 
Eibe wurde während jeiner Regierung noch weiter 
aufwärts jchiffbar gemacht, die Polizei und der 
Bergbau verbefiert, u. Prag, das er zu jeiner be- 
ftändigen Reſidenz erwählte, blühte mächtig auf. 
Der Vohlftand des übrigen Landes fing aber an 
zu verfallen, da Rudolf fich immer mehr von allen 
Negierungsgeihäften zurüdzog u. die Berwaltung 
feinen Geheimräthen überließ. Die Thronfolge in 
B. wollte er, mit Übergehung feiner Brüder, den 
Erzherzog Ferdinand von Stetermarf zuwenden, u. 
diejer, eim eifriger Katholik, bewog Rudolf, die 
Proteftanten ſchon bei feinen Lebzeiten zu unter- 
drüden, 1602 befahl ein Edict die Schließung 
einiger proteftantiichen Kirchen, wurde aber nicht 
ausgeführt, weil die Mehrzahl der Stände Pro- 
teftanten waren. Ein Berfuh, 1605 eine Art 
Inquiſition einzuführen, mißlang ebenfalls und 
führte, zu einer Verbindung zwiihen den Ständen 
von Öfterreih, B., Mähren, Schlefien u. der 
Laufig zum gegenfeitigen Schutze (Sept. 1606). 
Matthias benutzte diefe Unzufriedenheit u. trat 
mit den proteftantiichen Ständen B-$, Ungarns 
u. Oſterreichs in Verbindung. Er brachte ein 
Heer von 20,000 Mann zufammen u. zog damit 
graen Prag, um Rudolf vom Throne zu ftoßen. 

udolf erhielt wol 1608 die von B. auf einem 
Landtage in Prag erbetene Hilfe, doch erſt nad 
dem er bie Beftätigung der Vorrechte B-8 zuge- 
ftanden u. auf dem nächſten Yandtage Religions» 
freiheit verfprochen hatte. In dem noch in dem— 
jelben Jahre gejchlofienen Frieden verlor Rudolf 
alle feine Länder bis auf B. u. einen Theil von 
Tirol; ihm blieb nur der Königstitel u. ein klei— 
nes Jahrgeld. Matthias aber wurde zum Nach» 
folger Rudolfs beſtimmt. 1609 berief Rudolf 
einen Landtag. Die Stände weigerten fich indeß, 
eher irgend einen Act vorzunehmen, bis über die 
veriprodene NReligionsfreiheit berathen und bes 
fchloffen fei. Der König fuchte indeß die Berath- 
ung binauszufchieben, aber die Protejtanten ber 
ftanden auf Wiedereinräumung ihrer Kirchen u. 
auf Wiederherftellung der WReligionsfreiheit, wie 
fie unter Darimilian gemwejen war, Erjt nad) 
einem neuen Aufftande der Proteftanten im Mai 
u. dem Zuſammeuntritt einer Berjammlung der 
epangeliihen Stände zu Neuſtadt unterichrieb Ru— 
dolf 12. Juli 1609 den Majeftätsbrief, worin 
den Evangeliihen volltommene NReligionsireiheit, 
ein Unterconfiftorium u. das Recht, Defenforen 


621 


ftät eingeräumt wurde. Dem Rechte der Erbfolge 
zuwider gedachte nun Rudolf feinem Better Leo» 
pold, Ferdinands Sohn, Die Erbfolge in 8, zu 
vecſchaffen. Audolf ließ zu dem Ende das jog. 
Vaſſauer Kriegsvolt, ein Heer, welches Erzherzog 
Leopold für ihn zur Bejegung der Jiluͤchſcheñ 
Yande geworben Bette nicht, wie veriprochen, 
auseinandergehen, fondern ertbeilte dem Com— 
mandeur deffelben den Befehl, mit demielben ge— 
gen B. vorzuriden, ohne fich genau über Zıved 
u, Biel dieſes Zuges zu erflären, Derjelbe wandte 
fih gegen B., plünderte Budweis, rückte gegen 
Prag und nahm auch die Kleinfeite von Prag. 
Aber die Altſtadt vertheidigte fich bartnädig u. 
mit Glück, u. die Stände, da fie den Kaiſer nicht 
zum Zurüdziehen der Truppen zu bewegen ver- 
mochten, ernannten am 27, Febr. 1611 eine Re— 
gentihaft von 30 Perjonen, welche in des Königs 
Namen regieren follten. Als inzwiſchen auch Kö— 
nig Matthias mit 18,000 Mann gegen das Heer 
des Erzherzogs Leopold beranzog, fo brach das 
Paſſauer Bol bei Nacht zum Nüdzuge auf und 
ging, vom Erzherzog Leopold verlaflen, bei Bud 
weis ans einander. Nun rückte König Matthias 
24. März in Prag ein, und Rudolf ſah ſich 
genötbigt, ihm auch B. abzutreten, ſich bloß den 
Königstitel u. das Schloß zu Prag vorbehaltend 
(11. April 1611). Rudolf ft. im Januar 1612, 
u, Matthias (1612—18), der ſich kürz zuvor mit 
der Prinzeffin Anna von Zirol vermählt hatte, 
um wo möglich felbft nod Söhne zu erzeugen u, 
jo den Erzherzog Ferdinand von der Erbfolge 
auszuſchließen, war nun allein König von B. u. 
römtch-denticher Ktaifer. Die Gemahlin des Kai— 
jers veränderte deffen Sinn, fühnte ihn mit Fer— 
dinand, meiden er au Sohnes Statt annahm, 
aus und machte ihn den Protejtanten abgeneigt, 
Die Jeſuiten befamen nun mehr u. mehr Eins 
fluß, u. der Erzbifchof verfuhr mit offener Gewalt 
gegen die Proteftanten, fo daß dieſe, wiewol ver» 
geblich, über Verlegung des Majeftätsbriefes Klage 
erhoben. Als Matthias im December 1617 fi 
von Prag nah Wien begab u. eine Regeutſchaft 
von 7 katholiſchen u. 3 proteſtantiſchen Statthal« 
tern einfegte, hielten die evangelifchen Stände die 
Neligionsfreigeit fir ernftlich bedroht u. traten im 
März 1618 im Garolinum zu Prag zuſammen, 
um dem Kaifer Borftellungen zu machen. Der 
Kaiſer gebot den Ständen auseinanderzugehen 
u. bedrohte die Häupter derfelben, die Religions» 
defenforen, mit ftrenger Strafe. Die Stände ge- 
bordhten nicht, u. am 23. Mai fam es zu beim 
Auftritte in der Gtatthalterei, bei welchem die 
proteftantischen Stände unter Führung des Grafen 
von Thurn, welcher befonders dur die Abnahıne 
der Krönungsinfignien beleidigt war, die Statt- 
halter Slawata u. Martiniz und den Gecretär 
Fabricius durch das Fenſter hinab warfen. Nach 
diefer Selbithilfe fegten fich die böhmischen Stände 
in Bertheidigumgszuftand u. ernannten eine Re— 
gierung von 30 Perjonen u. den Grafen Thurn 
zum Anführer des ftändiichen Heeres, Kaiſer 
Matthias wollte es anfangs vermeiden, mit 
Waffengewalt gegen die Empörer einzufchreiten, 
und ftarb, ehe er zu einem Entichluffe kommen 


für daffelbe zu ernennen, fowie aud die Univer-konnte. Nach feinem Tode verfuchte Ferdinand 


622 


(1619— 37) ebenfalls auf dem Wege der Milde, 
den böhmischen Thron wieder zu erlangen; aber 
die Stände würdigten feine Forderungen feiner 
Antwort, und Graf von Thum zog mit feinem 
Heere bis nah Wien. Graf Dampierre rettete 
mit 500 Neitern die Stadt u. den bedrängten 
Kaifer. Der böhmiſche Feldherr zog auf den 
Ruf der Stände nah Prag zurüd, u. dieſe wähl- 
ten 10, März 1619 den Kurfürften ‚Friedrich von 
der Pfalz zum König. Bwei Tage jpäter erfolgte 
in Frankfurt Ferbinands Wahl zum deutichen 
Kater. Die nun folgenden Ereigniffe, der un— 
glüdliche Krieg des jungen Königs Friedrih mit 
‚zerdinand, fallen zufammen mit der Gejchichte 
des Dreißigjährigen Krieges; |. d. 

VI. Bom Ende der Selbftändigleit B-s 
bis zur Gegenwart Mit der Schlacht am 
Weißen Berge (1620) hörte B. auf ein jelbitän« 
diges Königreich zu fein u. wurde nad u. nad) 
ganz mit den öfterreichifchen Yanden verſchmolzen. 
Zugleich vollzog fihb in B. eine vollſtändige Um— 
wälzung. Die Jeſuiten kehrten wieder zurüd; 
die Proteftanten, welche bis dahin 3 Biertheile 
der Bevölferung ausgemacht hatten, murden ver» 
trieben; das Land durch diefe Mafregeln, fowie 
die Drangfale des verheerenden Krieges verödet. 
Wol fuchte Ferdinand III. (1637—57) durch An- 
fiedefung deutſcher Coloniften die Vevölferung zu 
mebren, durch eine jortwäbhrende Thätigleit nach 
Kräften die Schäden zu heilen; dod war er zu— 
gleich bemüht, den deutſchen Geiſt in B. zu für« 
dern u, allenthalben öfterreihiiche Formen einzu« 
führen. Dies war auch die maßgebende Politit 
feiner Nachfolger, Teopolds I. (1657— 1705), un« 
ter welchem B. wieder infolge des Banernanfitan- 
des im Yeitmeriger, Piliener u. Czaslauer Kreiſe 
u. der verheerenden Peft zu leiden hatte, Joſefs 1. 
(1705—11) u. Karls VI. (171140). Nach des 
Letzteren Tode machte Karl Albert von Bayern 
Anfpriüche auf B., aber Maria Therefia (1740 
bis 1780) gelangte nah kurzem Kriege in den 
Beſitz B-8 u. behauptete daffelbe. Freilich war 
fie im Anfange ihrer Regierung nicht im Stande, 
für das Yand Etwas zu thum. Im Öfterreichifchen 
Erbfolgefriege (1740—45) litt B. viel; Preußen, 
Sachſen, Bayern u. Franzoſen fielen dort ein (I. 
Oſterreichiſcher Erbfolgelrieg) und belagerten u. 
nahmen Prag mehrmals; auch im Siebenjäbrigen 
Kriege (ſ. d.), 1756—63, wurde B. mehrmals 
Schauplatz des Kampfes, u. Brag ward 1756 
von den Preußen belagert, jedoch nicht genommen, 
Die Friedensjahre aber zeigen die thätige Fürſtin 
auch in ®. als wahre Yandesmutter, die jeden 
nachtheiligen Einfluß abwehrt u. für die Gründ- 
ung eines Wohlftandes bemüht war. Joſefs II. 
Negierung (1780— 90) rief in B. diefelben Er- 
ſcheinungen hervor, welche aud im den übrigen 
öfterreichifchen Ländern Folge feines zu raſchen 
Vorgehens waren. Er linderte zwar jeden Drud 
u. ftenerte jedem Unfuge, erregte aber durch jein 
raſches Borgeben Unzufriedenheit, melde dann 
unter der Regierung feiner Nachfolger Leopold LI, 
(1790—92) u. Franz II. (1792—1835) zur Ab— 
fhaffung mander heilſamen Inſtitutionen führte. 
Die lange Friedenszeit entwidelte jedoch B-s In— 
duftrie, verpollfommete den Aderbau u. fürderte 


Böhmen Geſchichte). 


eine bisher nie vorhandene Regſamleit in allen 
Zweigen der Ofonomie zu Tage, welche unter 
der Regierung Ferdinands I. (1835 —48) noch 
weitere ;yortjchritte machte. In der bewegten Zeit 
des J. 1848 ergriff die Böhmen noch einmal das 
Verlangen nad nationaler Selbftänbigfeit; die 
Idee des Panſlavismus fand auch bei ihnen 
lebhaften Anklang, und 2. Juni trat in Prag 
der Slavencongreß zuſammen. Während des Gon- 
grefied erhob ſich Die tichechifche Partei der Stadt 
in offenem Aufruhr, welden der Fürſt Windiich« 
gräs am 15, u. 16, Juni mit Waffengewalt un- 
terdrüdte,. Während des erften Conftitwirenden 
Reichsſstages OÖſterreichs bildeten die tichechiichen 
Deputirten eine compacte Mafje u, unterftütsten 
die Regierung in der Belämpfung der magyari« 
ſchen Inſurrection. Sie übten auf den Gang der 
Dinge insbejondere feit der Verlegung des Reichs— 
tages nad Kremſier den größten Einfluß. Zu 
gleiher Zeit fteigerte fih in dieſen Tagen die 
‚Feindjeligleit zwiichen dem deutſchen u. flapiichen 
Element in B. Zwar wurde dieſe jeit der 
Schöpfung des öfterreichiichen Gefammmtjtaates unter 
Franz Joſef I. (feit 1848) mieder gemindert; jer 
doch im J. 1865 vollzog ſich infolge Belcredis 
Scptembermanifeft das gegen die Deutich- Böh- 
men gerichtete Bündniß der National» Kleritalen 
u. Feudalen; doc führte diefer Bund zur Spalt 
ung im eigenen Lager zwiſchen ben Alt- und dem 
JungsZichehen. Während die Alt⸗Tſchechen (Rie- 
ger u. Baladi) an der Verbindung mit der Heritals 
teudalen Partei (Clam Martinicz) feftbielten, ſon— 
derten fich die Jung-Zichehen (Zladfovsty), welde 
die Einführung freiheitlicher Inſtitutiouen anſtre— 
ben, immer mehr von den erſteren. Beſonders 
als die Feudalen durch ihre überſpaunten Forder- 
ungen das Miniſterium Hohenwart October 1871 
zum Falle gebracht hatten u. die alt⸗tſchechüche 
Partei wieder zur Abstinenzpolitit zurückkehrt, 
wurde der Öegenjag immer größer, u. gegenwär— 
tig nehmen die JungTſchechen, deshalb heftig an- 
gefeinder, mit den Deutſchen wenigitens Antheil 
an den Yandtagsfitiingen in B. Im J. 1866 war 
B. wieder in bedeutendem Maße Kriegsichauplas, 
indem auf feinem Boden die Schlachten von Kö- 
niggräb u. a, ansgefodhten wurden. Das Aus- 
führliche iiber die Geichichte des Yandes ſeit 1620 
J. unt. Öjterreih (Geſch.). 

Literatur. M. Boregk, Böhmiſche Chronik, 
Wittenbeeg 1587, 2 Thle., Fol.; Marq. Freher, 
Rerum bohemicarum antiqui seriptores, Hann, 
1602, Fol.; W. Hagecius, Böpmifce Ehronit, aus 
dem Böhmiſchen von J. Sandel, Nürnb. 1697, Fol; 
G. Dobner, Monumenta historica bohemica, Brag 
1764—68, 2 Thle,; Fr. Pubitichla, Chronologiſche 
Geſchichte von B., ebd. 1770—84, 6 Bde.; Scrip- 
tores rerum bohemicarum, 1. u. 2. Thl., ber- 
ausgegeben von Pelzel u. Dobrowsty, Prag 1783 
bis 1784, 3 Thle., herausgeg. von Palady, ebd. 
1829; F. M. Belzel, Gejhichte von B., ebd. 1772, 
4. Aufl., ebd. 1817, 2 Thle.; K. L. v. Woltmann, 
Inbegriff der Geſchichte B-s, ebd. 1815, 2 Bde. 
J. F. Schneller, Geichichte von B., Dresd. 1827, 
3 Bohn; F. Palady, Gedichte von B., Prag 
1836— 67, 5 Bde; Jordan, Gejcichte des böh— 
miſchen Volles, Lpz. 1845—47, 3 Bde; Schmal- 


Böhmer — Böhmert. 


623 


fuß, Die Deutſchen in B., Prag 1851; Schlefinger,|1869. 3) Georg Wilhelm Rudolf, nambafter 


Geſchichte von B., Prag 1869. 1@eogr.) Eicalel. 


Böhmer, 1) Georg Rudolf, berühmter Arzt|deburg; wurde 1824 Privatdocent der Theologie 
n. Naturforjcher, geb. 1. Octbr. 1723 in Liegnitz; in Berlin, 1825 Profeffor der Theologie in rein 
ing 1742 nach Leipzig, um Medicin u. Philo- wald, 1828 in Halle, 1829 wieder in Greifswald 
* ie zu ſtüdiren, wurde 1749 Magiſter, promo-|und 1832 in Breslau; ft. 25. Nov. 1863. 


Theolog, geb. 5. März 1800 in Burg bei Mag« 


Er 


virte 1750 als Doctor der Medicin u.verlegte fihlichr.: De Hypsistariis, Berl. 1824 (Bemerf. 
num befonders auf Botanif, als deren würdigfter| dazu, 1826); Isagoge in epist. a Paulo apost. 


Vertreter er bald galt. 1752 
der Medicin n. Botanik nad Wittenberg, wo er 
unter den traurigften Berhältniffen die Facultät 
faft allein vertrat u. zu Ehren bradte — er las 
auch die gänzlich vernachläffigte Chemie — fchlug 
einen Auf nah Gießen u. Erlangen aus, unter» 
hielt faft auf eigene Koften den Botanischen Garten 
u. legte eine ziemlich bedeutende Inſtrumenten · 
famnmlung an, wurde 1766 Kreisarzt, 1783 Prof. 
der Therapie, 1792 Phyſikus in Kemberg; er feierte 
unter Berheifigung der Facultäten fein 60jähriges 
Doctorjubiläum u. ftarb am 4. April 1793 als 
Senior. Außer zahlreihen Programmen und 
Differtationen botanischen u. medicinischen Inhaltes 
bat er noch geichrieben: Spermatologia vegetalis 
I.—VIL, £pz3. 1777—84, 1785 vereinigt umd mit 
einer Differtat.: De contexta celluloso vegeta- 
bilium, vermehrt, herausgeg.; Flora Lipsiae indi- 
gena, ebend. 1750; Spftematiiches literarifches 
Handbud der Naturgefhichte, Olonomie und ar» 
derer damit verwandten Wiffenihaften u. Künfte, 
ebend. 1785—89; Technische Gejchichte der Pilan- 
zen, weldje bei Handwerken 2c, gebraucht werden, 
ebend. 1794; Lexicon rei herbariae, ebend. 1802. 
Außerdem betbeiligte er ſich an der deutſchen Be- 
arbeitung dev Philoſoph. Transactionen und an 
den Commentarii Lipsienses de rebus in historia 
naturali et medieina gestis. 2) Joh. Friedr., 
deuticher Geichichtforfcher,, geb. 1795 in ‚Frankfurt 
a. M.; ftudirte in Heidelberg und Göttingen Ju- 
risprudenz, lebte feit 1818 einige eitin Non und 
mwurde 1822 bei der Stabtbibliothef zu Frankfurt a. 
M. u. als Mitadminiftrator des Städelichen Kunft- 
inftituts, feit 1825 aud beim Archiv angeftellt 
u. feit 1830 erfter Stabtbibliorhelar; ft. 22. Oct. 
1863. Er fhr.: Die Urfunden der römischen Kö— 
nige u. Kaifer von Konrad I. bis Heinrich VIL., 
911—1313, Frankf. 1831; Die Reichsgeſetze von 
900—1400, ebd. 1832; Die Urkunden ſämmt— 
liher Karolinger, ebd. 1833; Urkundenbuch der 
Reichsſtadt Frankfurt, ebd. 1836; Die Urkunden 
Lubwigs des Bayern ꝛc., 1889; dazu 2 Ergänz- 
ungsbefte, 1841 u. 1846; Wegeften des Kaijer- 
reiches von 1246—1313, 1844; dazu Er⸗ 
änzungsheft, ebd. 1849; die Regeſten des Kai— 
——— von 1198— 1254, ebd. 1847—49, 2 Bde.; 
Fontes rerum german., 1843—51, 3 Bde. Wit- 
telsbachſche Regeſten von 1180 bis 1340, Stuttg. 
1854; unvollendet Hinterließ er die Negeften des 
Erzbisthums Mainz. Aus feinem Nachlaß gab 
zu den Urkundenregeften Ludwigs von Baiern zc. 
u. zu deren zwei Ergänzungsheften Ficker das 3, 
Ergänzungsheft, Insbr. 1865, u. Acta imperii 
selecta (Urtunden deutfcher Könige u. Kaifer mit 
einem Anhang von Reichsſachen), ebd. 1866 ff.; 
jein Leben, Briefe und Heinere Schriften Koh. 
Janſſen, Freib. 1868, 3 Bde., heraus; der Vet- 
tere ſchrie 


ing er als Prof. ad Coloss. datam, ebd. 1829; Hermogenes Afri- 


canus, Stralſ. 1832; Symbolae biblicae ad 
dogmat. christ, Bresl. 1833; Auslegung des 
Paulinifchen Sendichreibens an die Koloffer, ebd. 
1835; Die chriftlich-Firdhlihe Alterthumswiſſen⸗ 
ichaft, ebd. 1836—39, 2 Bbde.; Die chriftliche 
Dogmatif, ebd. 1840—43, 2 Bde.; Theologiſche 
Erhif, Bresl. 1848; Syſtem des chriftlichen Le— 
bens, Berl. 1853; Die Lehrunterſchiede der Ka— 
tboliichen u. Evangeliihen Kirchen, ebd.r1857 bis 
1863, 2 Bbe. . 1) Thampayn. 
Boehmeria Jacgq., Pflanzengatt. aus der Fam. 
der llrticaceen (XXII. 4), perennirende Kräuter, 
mit gegenftändigen, ungleichjeitigeu, zugeipisten, 
gejägten Blättern und eingejchlechtlichen, zweihäu— 
figen, zu Köpfchen zufammengedbrängten Blüthen; 
männl. Blüthen mit Atheiligem Kelche u. 4 Staub- 
blättern; weibliche Blüthen ohne Kelch u, Blumen— 
frone, nur aus einem Stempel mit 2 Griffen 
beftehend; die bisweilen 1—1"/, m langeu Sten- 
gel befiten mie alle Urticaceen einen jtarl ent» 
widelten Baft, daher werden die Baftfajern diefer 
Pflanzen vielfach wie Hanf u. Flachs verwendet; 
vor Allem liefert B. tenacissima Rorb., (B. 
utilis Bl.), von Sumatra, das Material (Ramie- 
fajer, Rameh) zu jehr dauerhaften Seilen; aus 
dem Bafte der in China u, Japan cultivirten B. 
nivea Hook. et Arn. (Chinagras, chineſiſcher 
Hanf) wird bie chinefiihe Leinwand verfertigt. 
Auf den Sunda-mjeln wird jet auch vielfach B, 
sanguinea Hank. angebaut; auch manche andere 
Arten, wie B. frutescens Bb. u. B. clidemaides 
Migq., werben in Oftindien verwendet, nah Eu— 
ropa fommen aber nur die Faſern der beiden 
erfigenannten Arten; namentlich jtellt man im 
Englaud, Frankreich, in Deutjchland in Chemnig 
u. Oldenburg ſchneeweiße, feidenartige Stoffe aus 
dem Chinagras dar. Engler. 
Böhmert, Karl Bictor, deutſcher Natio— 
nalöfonom, geb. 23. Aug. 1829 zu Quefig bei 
Leipzig; docirte nach vollbradten Studien in Hei: 
deiberg, führte 1856—1860 die Nedaction des 
Bremer Handelsblattes, war darauf Syndicus 
der Bremer Handelsfanımer, wurde 1865 Pro- 
feffor der Vollswirthſchaft an der Unwerfität u. 
am Polgtechnicum zu Züri, bis er 1875 den 
Ruf als Profefior derjelben Wiffenihaft am Poly« 
technicum und Director des Statift. Bureaus nach 
Dresden erhielt. Er iſt einer der eifrigften Ver— 
treter der fog. Mauchefterpartei und wirkte viel 
für Gemwerbefreibeit u. Freizügigkeit. Er ſchrieb: 
‚Freiheit der Arbeit, Brem. 1858; Beitrag zur 
Geſch. Des Aunftwejens, Lpz. 1861; Unterſuch. 
über die Yage der yabrifarbeiter in der Schweiz, 
Zürih 1872; Der Soctalismus u. die Arbeiter- 
frage, ebd. 1872, u. m. a, Schriften; Arbeiter: 
verhältniffe und Fabrifeinrihtungen der Schweiz, 


D-8 Leben und Anfhauungen, ebd.!Bericht, erftattet im Auftrage der eidgen. Gene- 


624 


ralcommiffion für die Wiener Weltausftellung, 2]tin. 
Seit 1873 redigirt B. in iſt der fog. Pfahl im Bayer. Walde, ein Quarz 


Bde., Zürich 1873. 


Böhmerwald — Böhmiſch-Brod. 


Eine merfwürdige geognoftifhe Erſcheinung 


Verbindung mit R. Gneift den Wrbeiterfreund, | felsiager, welches fi 112 km weit ziemlich par 


Gentralorgan für 
Klaffen, u. hat mit glüdlihem Erfolge die Me- 
thode der eracten Unterfuhung und Bergleihung 
von wirklichen Thatſachen eingeſchlagen. Bal. 
noch beſ. ſeine Abhandlung: Über die Methoden 
der focial-ftatiftifhen Unterfuchungen, mit befonde- 
rer Berüdfihtigung auf die Statiftif der Löhne 
u, Preife, Separatabdrud aus dem 3. Onartalbefte 
der Zeitſchr. für ſchweiz. Statiſtik, 1874. Gongen. 

Böhmerwald Böhmiſch-bayeriſches Waldge- 
birg), Gebirgszug an der Grenze Deutichlands 
u. Oeſterreichs; ſtreicht von der Eger in ſüdöſtl. 
Richtung zum Mübifiuffe und zur Donau und 
bildet dig Wafjerfcheide zwischen diefem Strome 
u. der Möldau, ſowie die politiiche Grenze zwiſchen 
Bayern u. Böhmen. „einer formation nach ift 
der Gebirgszug vielfach veräftelt in mit einander 
parallel laufende od. zu einem Gebirgsftode zujam- 
menſchießende Zweige. Ein ununterbrocener Ger 
birgsrüden ift mur bei dem mittleren Theil von 
den Quellen der Moldau bis zu dem Einſchnitte, 
der durch das Thal des Chambadhs zwiſchen 
Eſchllam u. Neumarkt gebildet wird, wahrzuneh- 
men, Diefer Theil trägt auch die höchſten Berg: 
fuppen bes ganzen Gebirgszuges, nämlid den 
Offer 1239 m, an der öfterr.-bayer. Grenze, den 
Arber 1476 m, den Rachelberg 1448 m, beite auf 
bayer. Boden, u. verzweigt fich gegen NOften in 


das Wohl der arbeitenden rallel mit dem Regen von Schwarzenfeld bis nach 


Klafferftraß am Dreifeffelberge hinzieht und eine 
ftellenweife hoch über den Erdboden bervorra- 
gende Felſenmauer bildet. Edle Metalle findet 
man an feiner Stelle des Bees. Das ganze Ge— 
birg trägt einen vauben Charafter, u. die Nieder- 
ſchlagsmenge ift jehr bebeutend, Die Waldregion 
reicht faft bis auf die Gipfel; Tannen, Fichten 
u. Buchen Eilden den Hauptbeftand des Hodmal- 
des, der durch irrationelle Entbolzung u. durch die 
Verheerungen des Borkenkäfers ſtellenweiſe ſehr ge- 
lichtet iſt. Die zahlreichen reißenden Berggewäſſer 
erhalten einen großen Theil ihrer Waſſermaſſe 
aus den fogenannten Filzen, weiten Moorgründen 
in den hochgelegenen Thälern, welde von den im 
Juni ſchmelzenden Schneemaffen getränft werden. 
Diefe Filze find an einigen Stellen 4 bi$ 6 m 
tief u. verdrängen, fich ausdehnend, die Baum- 
vegetation. Die Bewohner des Bres find meift 
deuticher Abftammung; an der böhm. Grenze 
berricht theilweife das tſchechiſche Element. Eritere 
reden einen eigenthiimlichen, von der bayer. Mund⸗ 
art abweichenden Dialelt u. fchließen fi, an Sitte 
u. Brauch der Roreltern hangend, ftreng gegen 
Fremde, ja, einzelne Dörfer auch gegen einander 
ab. Ihren Hauptunterhalt ziehen fie aus den 
Wäldern, deren Holz fie entweder roh od, verarbeitet 
in den Handel bringen. Sie fertigen daraus Zünd- 


mebrere allmählich gegen das Thal der Wattawa ab- |hölzchen, Refonanzböden, Schindeln, Schachtelholz, 
fallende, von den Quellbächen diefes Fluſſes durch | Holzihube, Kiichengeräthe zc.; im Südoſten zabl- 
furdte Gebirgszüge. In der füdöftl. Fortfegung|reihe Glasfabrifen. An den Abhängen finden 
jenfeits der Straße von Winterberg nad Freiung ſich oft jchöne Bichweiden; Hafer, Flachs u. Obft 


erheben ſich der Dreifefjelberg 1490 m und der 
Plödenftein 1376 m. Auf der Fortiegung, dem 
Thomasgebirge, liegt die Ruine Wittinghaufen 
(1040 m). Jenſeits der oberen Moldau fteigt 
über einem vom Windbruche zum Theil zerftörten 
Urwalde der Kubani 1357 m auf u. bei Krum— 
mau der Planster- Wald mit dem Schöninger 
1080 m. Zn Ober-Öfterreich jenfeit$ des Schwar« 
zenberg-ftanals (772 m) wird das Gebirg pla- 
teauartig, erhebt fi) wieder im Sternwalde bis 
1124 m und an der Donau im Greinerwalde. 
Die ſüdweſtl. Borfette nördl, von der Donau 
heißt zwiſchen Mühl u. Ilz Paffauer- u. zwifchen 
I; u, Regen Bayeriſcher Wald. Der Theil des 
Be⸗es nördli vom Neumarkter Sattel zertheilt ſich 
gleichfalls in mehrere neben einander herlaufende 
Bergrüden mit geringer Gıpfelbüdung. Diefelben 
find meift durch flache Sättel mit einander ver- 
bunden, haben eine burdhichnittlihe Höhe von 
faum 700 m u. verflachen fi) gegen den Fuß des 
‚sichtelgebirges bis auf 500 m. Die höchſten Er- 
bebungen bier find der Czerkow 1069 m am 
Sid» und der Dillenberg 915 m am NEnbe. 
Getrennte öftl. Gruppen enthalten den Michels« 
berg bei Plan 726 m. Die Hauptmaffe des gan- 
zen Gebirgszuges befteht aus Gneis und Granit; 
Glimmerſchiefer zeigt fih nur auf dem Gebirgsftode 
des Kunischen Gebirges bei Eifenftein. Der Plans- 
fer Wald ift ein Öramutitgebirg, umgeben von 
einem Gürtel von Hornblendefchiefer u. Gneis, mit 
Einlagerungen von Kalkftein, Graphit u. Serpen- 


fommt an einzelnen Stellen, aber meift nur lüm— 
merlih fort. Graphitbergwerfe find in der Ge— 
end von Schwarzbah u. Paſſau angelegt. Die 
Sagd if ergiebig. Die widtigften Päſſe find: 
Der Kerihbaumer-Paß 772 m (früher ging über 
denjelben die Pferdebahn von Linz nad Judweis): 
der B. von Bhilippsreut oder Kufchwarta 812 m, 
die Straße von Winterberg über Freiung nad 
Paffau; der P. von Eifenftein, am Wege von Klat« 
tau nach Zwieſel am Regen, an ber Fortſetzung der 
Pilfen + Priefener Eifenbahn; hier der Spitberger 
Zunnel, 2000 m lang, einer der längften in Ofter« 
reich; der Neumarkter PB. von Klattau nah Furth 
448 m; nördl. von ihm das Trace der Böhm. 
WBahn; nördl. vom Cerkow der P. von Wald» 
münden 670 m, der von Pfraumberg 975 m 
u. endlich der von Eger nah Waldſaſſen (Bahn). 
In hiſtoriſcher Beziehung ift der B. als Böller- 
iheide merkwürdig, indem er dem Bordringen 
der Slaven gegen das Innere von Deutichland 
einen Damm entgegenjete. Seiner Unzugänglich- 
feit wegen diente der B. oft zum Berftede für 
Flüchtlinge in kriegeriſchen Zeiten, für Raubge- 
findel u. dgl. Bergl. Rank, Aus dem B., Lpz. 1551, 
3 Bde.; Stifter, Der Hochwald, Lpz. 1852; Hod- 
ftetter, Bd. 6, 7 im Jahrbuche der 8. 8. Geol. 
Reichsanftalt (Wien 1855—56); Frhr. v. Helfert, 
Der vermüftete B., in den Mitth. der K. 8. Geogr. 
Gef. XVIL, 529 ff. Eicalet. 
Böhmiſch⸗Aicha, ſ. Aicha. 
Böhmiſch⸗Brod (Ozesky Brod), Bezirks- 


Böhmische Brüder — Böhmifches Gewölbe. 


hauptftabt in Böhmen, an der Sembera ur. öfterr, 
Staatsbahn; Sit eines Bezirfsgerichtes; Zuder- 
fabrit; im Gemeinbebezirte 3141 Em. rei 30, 
Mai 1434 Sieg der Ealirtiner u. Katholifen iiber 


625 


anderen Evangelifchen u. wurden in demfelben Jahre 
mit ihnen vertrieben. Sie zerftreuten ſich in alle 
proteftantifchen Länder u. verſchmolzen nach u. nad) 
mit den daſelbſt herrſchenden Religionsparteien. 


die Taboriten, in welcher die beiden Prokope fie- Amos Comenius ward 1632 auf der Synode zu Liſſa 


len u. die Macht der Zaboriten gebrochen wurde)zum Biſchof der zerftreuten Brüder geweiht. 


(f. Huffiten). 
öhmifche Brüder (feit Zinzendorf, eigentt. 
unberedtigt, auch Mährifhe Brüder genannt). 
Ein Neffe des ntraguiftiichen Erzbifchofs Rofyczana, 
Gregor, aus ritterlihem Gefchlechte, friiher Bar- 
füßermönh in Prag, ſammelte die Reſte der 
ZTaboriten, die ftrengeren Calirtiner u. die Ehel- 
eziter Brüder zu einer gegenüber den freieren 
Huffiten (Ealigtiner, Utraquiften) felbftäudigen 
religiöfen Gemeinſchaft, die 1457 mit Erlaubnif 
des Königs Georg von Podiebrad u. mit Begün- 
figung Rokyczanas eine Eolonie im Dorfe Kun- 
wald gründete und bald auch an dem Pfarrer 
Mid. Bradacz einen kräftigen Förderer ihrer 
Sache gewann. Sie nannte ſich Unitas fratrum, 
Brüpdermmität, ihre Anhänger Fratres legis Christi, 
Br. vom Geſetze Ehrifti, Fratres unitatis, Bril- 
der von der Unität, auch Brüder ſchlechweg. Da 
ihr Wachſen Furcht erregte u. fie in den Verdacht 
lamen, den Zaboritenaufftand erneuern zu wollen, 
verhängten Podiebrad u. Rokyczana Berfolgun- 
gen über fie, welche die Brüder zwangen, ſich in 
Einöden u. Höhlen zu verbergen, woher ihr Name 
Yamnici od. Grubenheimer ſtammt. Dennoch 
breiteten fie fi aus u. wählten jelbft 1467 zu 
Ehota bei Reichenau 3 Obere, die ſich durch den 
in Oſterreich lebenden Biſchof der Waldenfer, 
Stephamus, zu Bilchöfen weihen Tiefen. Bei 
jpäteren Berfolgungen (bef. 1499 u. 1503—8) 
reichten die Ben B. VBertheidigungsichriften ein, 
u. diefe Schriften, Kr ihr lobenswerther Wan- 
del ſchafften ihnen biele Freunde; viele Galirtiner 
und faft alle Waldenfer (weshalb fie jelbft auch 
Waldenſer genannt wurden) gingen zu ihnen 
über, u. bei Anfang der Reformation zählten fie 
bereits 200 Bethäufer. Als fie ih im Schmal- 
laldiſchen Kriege weigerten, gegen die Prote— 
ftanten zu ftreiten, wurden fie von dem König 
Ferdinand des Yandes verwieſen. An 1000 wants» 
derten - daher 1548 nah Polen u. von da nad 
Preußen aus und erhielten von Herzog Albrecht 
Wohnfitze in Marienwerder angemiefen. Die Re— 
formation zog ihre Aufmerkſamleit fehr auf ſich, 
u. fie verhandelten viel mit Luther, Melanchthon, 
Ealvin un. WU. Eine übrigens nur borüberge- 
hende Einigung der Lutheraner, Reformirten u. 
Ben Br. in Polen fam 1570 dur den Ber- 
leih von Sendomir zu Stande, in welchem unter 
rierfennung der mejentlihen TÜbereinftimmung 
in den Sonderſymbolen die Abendmahlslehre 
melanchthoniſch gefaßt war. Die evangelifchen 
Kirchen in Böhmen vereinigten fi 1575 zu der 
Confessio Bohemica, in welcher fiir die Contro- 
verspunfte unbeftimmte, dem Streite ausweichende 
Formeln gewählt waren. Auf Grund diejer Gon- 
feifion erhielten fie in dem vom Kaiſer den ev. 
Ständen bemilligten DMajeftätsbrief das Recht, in 
"das allen Evangelifchen gemeinjame Confiftorium 
einen Senior zu ſchicken. Nah der Schlacht am 
eigen Berge 1620 theilten fie das Schickſal der 
Pierers Univerfal-Eonverfatio ns-Periton. 6. Aufl. 


IT Band. 


Er 
weihte 1662 feinen Eidam Petrus Figulus, ges 
wöhnlih Jablonsky genannt, und dieſer feinen 
Sohn Daniel Ernft Jablonsky 1699 zum Biſchof, 
welcher die Weihe dan den 1722 aus Bühmen 
u. Mähren nad Herrnhut gefommenen Brüdern 
zurüdgab (f. Brüdergemeinde). Die Ben B. er- 
lofhen als Gemeinde. Ihre Kirhenordnung ftellt 
4 Stufen des geiftlichen Amtes feft, Episcopi od. 
Seniores, Ministri, Diaconi, Acolutli. Die Zahl 
Ser Biſchöfe, melden das Kirchenregiment zulam, 
mar eine wechſelnde. Ihre Gebilfen waren die 
Mitbifchöfe, die aus den Ministri gewählt wurden. 
Die Ministri, auch Presbyter genannt, hatten 
die Predigt u, die Sacramentsverwaltung. Die 
Presbptergehilfen waren die Diafonen u, die Afo« 
luthen, junge Lente, die zum Lehramte erzogen 
wurden. Dieſe Lehrer bildeten feinen eigentlichen 
eiftlihen Stand, fondern oft waren felbft bie 
Presbuter Handwerker. Die Gemeinde war in 
Anfänger (die Kinder und neu befehrte Katechu- 
menen), Fortichreitende (die das Abendmahl ge- 
noffen hatten) und Volllommene (die ſich Durch 
fitttihen Wandel anszeichneten) getheilt; aus Lep- 
teren wurden Witefte und Alteftinnen gewählt, 
welche das Gemeinwohl beriethen, auf die Zitt« 
lichfeit achteten, im jedem Bierteljahre die Fami— 
lien einmal befuchten, Streitigkeiten fchlichteten zc.; 
ihr Cultus bejtand in gemeinſchaftlichen Andachten 
an Sonn u. Wochentagen mit Gebet u. Predigt; 
das Abendmahl mit Brodbrecheu ward in beiden 
Seftalten an einem mit weißem Tuche bevedten 
Tiſche gereiht und knieend empfangen. Die 
geiftlihen Yieder der B., die feit der Reforma- 
tonszeit in der Evang. Kirche vielen Eingang 
fanden, find zuerft von Lulas von Prag 1505 in 
der Zahl von 400 in czechiſcher Sprache zufanı- 
mengeftelt u. in den Verdeutſchungen von Mich. 
Weiſſe Schon in die früheſten luth. Gefangbücher 
aufgenommen. Sirchenzucht wurde ohne Anſehen 
der Perfon geübt; Strafen waren Erinnerung 
durch die ÜÄlteften oder die Pfarrer, Ausfchliep- 
ung vom Abendmahl, öffentliche Abbitte der Sün- 
den und Ausſchließung von der Gemeinde. Die 
Biſchöfe oder ihre Gehilfen mußten die Gemeinde 
jedes Jahr beſuchen; befondere Synoden berie⸗ 
then fi über das Wohl einzelner Kreiſe, allge« 
meine über das der ganzen Umität. Bgl. Amos 
Comenius, Historia fratrum Bohemorum, Halle 
1702; ob. Gottl. Carpzov, Religionsunterſuchung 
der Ben B. :c., Lpz. 1742; Lochner, Entftehung 
der Brüdergemeinde in Böhmen u. Mähren, Nürnb. 
1832; Gindely, Geſch. der Ben ®., 1857. Bezichwit, 
die Katechismen der Waldenfer u. B-n B., 1863; 
Köppern, Kirchenordnung u. -Disciplin der alten 
B.-Brüder-flirhe 1844. Löoffler. 

Böhmiſche Dörfer, jo v. w. unbekannte, um« 
verſtändliche Dinge, weil die (laviſchen) Namen 
der Dörfer in Böhmen den Deutichen fremd tönen 
u. oft Schwer auszufprechen find. 

Böhmifches Gewölbe (Kappe), ein gewöhn- 
40 


626 


Böhmisch Kamnig — Bohnapfel. 


liches, über einem quadratiihen Naume angebrad- Flachsbau, Flachsſpinnerei und Lohnmweberei in 


tes flaches Kuppelgewölbe, welches an den Wider» 
lagsmauern als Flachbogen anfängt; das Böhm. 
G. maht den Eindrud eines an den 4 Zipfeln 
aufgehängten Tuches. 

Böhmifch- Kamnis, Stadt in NBöhmen, 
Bezirlshauptmannſchaft Tetſchen, Station der böh- 
miſchen NBahn; Bezirksgericht; großes Bräubaus, 
in der Stadt und im Steuerbezirte 2000 Glas— 
jchleifftühle; in der Gemeinde 3841, davon im der 
eigentlihen Stadt 2970 Ew. Ju der Nähe die 
beiden Dörfer Ober-K,; 738 Ew.; Maſchinen- 
papierfabrif, und Nieder-K.; 591 Ew.; Baum— 
wollenipinnerei. 

Böhmifche Kappe (Baut.), jo v. w. Böhmi- 
ſches Gewölbe. 

Böhmiſch » Leipa, Bezirkshauptſtadt im ehe— 
maligen Kreiſe Leitmeritz in Böhmen, am Polzen— 
fluffe und an der Haupttheilungsſtelle der Böh— 
miſchen Norbbahn; Kreisgericht, Bezirksgericht; 4 
Kirchen; 8. K. Obergymnafium, die Yebrer vom 
Auguitiserorden, Communal-Oberrealihule; Spar» 
tajle; 9244 Em., wovon 8514 in der Stadt felbit, 
weldye meift von der Induſtrie leben; Baum— 
wollenipinnerei, 4 Gottondrudereien, 1 Flachs- 
garnjpinnerei, 1 Zuderraffinerie. Die Stadt wurde 
öfter von Bränden heimgeſucht. 

Böhmische Literatur, j. unter Gzechiiche 
Sprade u. Yiteratur. i 

Böhmiſcher Mägdekrieg, ein fagenhafter 
Aufſtand in Böhmen, den um 740 Wlafta, Ver— 
traute der verftorbenen Königin Libuſſa, u. ihre 
Senoifinnen erhoben haben jollen, um ſich von der 
Herrichaft der Männer zu befreien. Es wird er 
zählt, der beabfichtigte Zweck wäre erreicht und 
eine Frauenherrſchaft errichtet worden, welder 
aber nach einigen Jahren die Männer durch Yılt, 
mittel® Eroberung der Mädchenburg (Dewin) ein 
Ende gemacht hätten. Ban der Velde ſchrieb eine 


Novelle, welche diefen Krieg zum Gegenjtande hat. | 19. | 
lehrteſten Arzten feiner Zeit u. bat ſich durd die 


Bol. Wiafta. 

Böhmiſche Nordbahn (1873): Yänge 180,, 
km. Anzahl der Yocomotiven 28; der Perſonen— 
wagen 70; der Güterwagen 596. Einnahme 
1,426,835 Fl. Benennung der Yinien: Bafov- 
Ebersbah (98,, km), Bodenbad-Tannenberg 
(40,, km), Kreibig-Warnsdorf (11,, km), Rum— 
burg-Schludenau (9,, km), Benſen-Leipa (20,, 
km); Schleppbahn O,, km. Zeit der Gründung 
1865; der Jnberriebjegung 1867—1873. Unlage- 
capital bei der Gründung 14,000,000 Fl.; heutiges 
Anlagecapital 18, Mil. Privar Verwaltung; Die 
rectionsſitz Prag. 

Bohmi h.Etalis, ſ. u. Stalig. 

Böhmische Sprache, ſ. u. Czechiſche Sprade 
u. Yiteratur. 

Böhmiſche Steine, Edelfteine, bei. die fehr 
ſchönen diamantähnlichen Bergfryitalle, daun Gra- 
naten, auch Rubine, Topaſe, Saphire und Jas— 
piſe aus Böhmen. 

Bohmiſch⸗Trübau (Trebovä Uzeskä), Stadt 
in der Bezirlshauptmannſchaft Yandestron in 


Böhmen, nahe der mähriſchen Grenze, Station an 
der Bereinigung der Staatsbahnlinien Brünn-B.⸗ 


Tr. Prag u. Olmütz-B.“Tr.; bier wie in den 
benadyvarten Gegenden von Böhmen u. Mähren 


Yeinen; 5141 Em, 

Böohmiſche Weine, rotbe u. weiße Weine 
von mittlerer, aber mit Rückſicht auf Die geogr. 
Breite fehr guter Qualität aus Burgunder Trauben; 
fie wachen nördlih von Prag. Die beiten Sorte 
find der rothe Melmder u. der weiße Czerno- 
leder; erjterer hat große VBerwandtichaft mit dem 
Burgunder, der zmeite mäbert fich den befferen 
Frankenweinen. Auch bei Leitmeritz, Auſſig, Chru— 
dim, Loboſitz, Schreckenſtein u. a. O. werden ver» 
hältu ißmäßig gute Sorten gezogen, die aber des 
hohen Zolles wegen faſt ſämmtlich im Lande cou- 
ſumirt werden. Schroot. 

Böhſmiſche Weſtbahn (1874): Länge 200,,, 
km. Anzahl der Locomotiven 41; der Berionen» 
wagen 80; der Güterwagen 1300, Ende 1874: 
Netto-Einnabme 2,956,663 Fl. 714 Kr. Benenn- 
ung der Linien: Prag-zurtb (190,, km), Chraſt· 
Nadnig (9,, km); außerdem Privarınduftriebabnen 
32,, km. ‚Zeit der Gründung 5. Sept. 1859; der 
Inbetriebsſetzung: Sttede Sturniau⸗Furth 15. Oct. 
1861, Prag⸗Furth 15. Juli 1862, Chraſt⸗Radnitz 
2. April 1863. Anlagecapital bei der Gründung 
24,000,000 51.; heut. Anlagecapital 28,500,000 Fl. 
Privat- Verwaltung; Direcnonsfig Prag. 

Böhmijten, Anhänger des Theoſophen Jak. 
Böhm (j. d.). 

Bohmte, Dorf im Kreiſe u. der preuß. Land⸗ 
droftei Osnabrüd, Station der VBerlin- Hamburger 
Eiſenbahn; 1600 Emw.; in der Nähe Steinfoblen« 
lager u. bedeutende Moore. 

Bohn, Johann, Profefjer der Anatomie u. 
Chirurgie, geb. 20. Juli 1640 in Yeipzig; ftubirte 
bier u. in Jena, bejudhte dann die Hauptuniver« 
jitäten Deutichlands, Dänemarks, Englands, yrant- 
reichs u. der Schweiz, promovirte 1666, wurde 
1668 Prof, der Anatomie in Yeipzig, 1691 Vrof. 
der Iberapie, 1700 Decan der Univerſität; er jt. 
Dee. 1718. B. gehört unftreitig zu den ge 
Widerlegung der Grundfäge der Chemiatrides, vie 
Bearbeitung einer werthvollen Phyſiologie, im der 
namentlich des großen Harvey Entdedungen dar- 
geftellt u. gerechtfertigt find (Circulus anatomico- 
physiologieus, Yp3. 1680, 86, 97, 1710), endlich 
durch zwei claſſiſche Schriften über die gerichtl. 
Medicin (De reuniatione vulnerum letalium, 
Yps. 1689, 1711, 1755, u. De officio mediei du- 
pliei, Lpz. 1704) ein großes Verdienſt um die 
Wiſſenſchaft erworben (Brüggemann, U. %-, 
Biogr. ©. 500). Außer den genannten Werten, 
vielen Difjertationen, Programmen u. Beobacht- 
ungen gab er noch die Schriften des Fabricius 
ab Aquapendente u. Bellines De pulsibus et 
urinis heraus, Tham hayn. 

Bohnapfel, zur Familie der Streiflinge ge» 
börender, ſehr haltbarer Wirtbicafts-Apfel, von 
länglicher Geftalt, mit glatter, geib-grüner, an der 
Samenjeite geitreifter, ftarl punktirter Schale u. 
feftem, weinſäuerlichem, jaftreihem Fleiſche. Der 
Baum eignet fi wegen feines leichten Gedeihens 
u. aufgebenden Wuchſes "befonders zur Bepflanz- » 
ung dev Wege u. iſt am Rheine wegen feiner 


‚großen Fruchtbarkeit u, wegen der Bortrefflichkeit 
‚der Frucht für den Haushalt m, zur Mojtbereit- 


Bohne — Bohnenbaum. 


ung eine der am häufigften angepflanzten Apfel- 
forten. 
Bohne, 1) (Bot.) die Pflanzengatt. Phaseolns 


627 


Ende April, für die Hanpternte erft gegen Mitte 
Mai, u. fpäter bis Ende Juni ausgelegt werden, 
u, zwar fiets bei trodenem, warmem Metter, in 


u. deren Samen (f. Bohnen); dann Vicia faba friſch gegrabenes, feuchtes Land. Die Stangen-B, 


L.; ferner mehrere Arten der Gattungen Dolichos 
u. Lupinus,. u. namentlih die Samen derjelben, 
welche in Geftalt, Eigenſchaften u. Benutung als 
Speife den Samen von Phaseolus gleichen; end- 
fih wegen der Ahnlichkeit die Samen anderer 
Pflanzen, fo Kaffer u. Cacaobohnen. 2) (Kunde, 
Marke, Zeichen, Kern). Eine Vertiefung in der 
Meibeflähe der Schneidezäbne bei Pferden. Die 
B. ift bei Beurtheilung des Alters von bejon- 
derer Bedeutung. Näheres hierüber f. Pferd. 

Bohnen, Bot glätten, indem man es mit 
einem Lappen reibt, der in eine Miſchung von 
Terpentin u. Wachs getaucht iſt u. vom Zeit zu 
Beit wieder erwärmt wird. Man fetst das Reiben 
fort, bis die Maffe baften bleibt. und reibt dieje 
erft mit emem wollenen Tucde oder auch der 
Bohndürfte (Bohner, einer runden Bürfte von 
Scmeinehaaren, mit einem Heinen Stiel) 1. dann 
mit feinenen Lappen, oder auch einem Polirholze 
glatt; ſ. Wichſen. 

Bohnen GFiſolen, Biets-, Schminf-, grüne ®.; 
Landw. u. Gärtn.), die Früchte u. Samen von 
Phaseolus vulgaris L., welche in jehr vielen Ab- 
arten allgemein gezogen werden; fie werden bpr- 
zugsweiſe im unreifen Zuftande mit den grünen 
(oft fälſchlich Schoten genannten) Hülfen als Ge— 
müſe, aber auch 'reif ald weißt B. gegeflen; 
ferner die Samen von Phaseolus multiflorus 
u. Vieia Faba. Von Phaseolus vulgaris unter» 
cheidet man: a) Stangen-B., mit Hettern- 
en, 1—4 m hoben Stengeln, u. b) Straud-, 
Buſch-, Zwerg», Krup- oder Stauden-B,, 
ohne Ranten (Phaseolus vulgaris var. nanus), 
Bon beiden gibt es viele Sorten, welche ſich durch 
die Größe, Geftalt u. Farbe der Hülſen u. Samen, 
durch ihre Tragbarkeit u. die Zeit ihrer Ausbild- 
ung umterjcheiden u. von melden die gleichen 
Sorten gemöhnlih bei den Stangen-B, wohl. 
ſchmeckender zu fein pflegen, als bei den Straud- 
B. Um bäufigften angebaut werden die breiten 
Schwert-®., mit 2 cm breiten, oft 15 cm 
langen, platten Hiülfen; die gleich langen, aber 
ſchmaleren, dideren u. längere Zeit zart bteiben« 
den Zuderbred- oderöped-B., die Wadhs- 
B., mit fleiichigen, zarten, gelben Hülfen, die ver- 
fchiedenen Heinen, volltragenden Prinzeh-, 
Berl- oder Salat-®, u. v. a. Die große 
türfifhe oder Feuer-B. (Phaseolus multi- 
florus), mit ſehr großen, bunten oder meißen 
Samen u. ſcharlachrothen oder weißen Blüthen, 
ift weniger wohlichmedend u, zart, aber wegen 
ihrer Einträglichkeit u. geringeren Empfindlichkeit 

egen die Kälte für die Yandbevölferung u. vau« 
En Gegenden febr zu empfehlen. Die wegen der 
Zähigleit ihrer Hülfen nicht grün, jondern nur 
als reife B. zu genießenden Sorten von Paal— 


B. werden größtentheils al Feld-B. cnitivirt. | 
Ale B. lieben loderen, warmen Boden ohne frische: 
Düngung, gedeihen am befien ın einem an Alfali- | 
falzen u. Phosphaten oder auch Kalk reichen, kräf- 


tigen, humusreichen Boden ohne zu große Näſſe 
u, verlangen große Wärme, weshalb fie nicht vor 


werden um ihrer Höhe entiprehende B-ſtangen 
gepflanzt; fie dürfen nicht zu dicht ftehen, um ein- 
träglih zu fein; am beften ftedt man die Stangen 
60—70 em von einander auf fchmalen Beeten 
von nur 2 Reiben u. mit Beeten mit niedrigen 
Gemüſen abwechſelnd, damit Luft u. Sonne überall 
einwirken fönyen, kreuzweiſe einander gegenüber 
ein u. befeftigt fie an dazwiſchen gelegte Quer— 
ftangen, oder in anderer Weife, damit fie nicht 
umfallen können; um jede Stange werden 8—12 
B. 2 cm tief gelegt. Die Straud-B. gedeibeu 
leichter, vertragen noch weniger Düngung, als die 
Stangen-B., bei welchen dieſelbe in einzelnen 
ſchweren Bedenarten nicht ganz zu verwerfen iſt, 
u. werden in 35 cm entfernte Reihen, oder in 
Stufen bei 45—50 em Üntfermung u. jede mit 
3—6 B. belegt, gepflanzt. Lockern u. Anhäufeln 
des Bodens ift nöthig, auch Begießen bei trodenem 
Wetter, beſonders mährend der Blüthezeit jehr 
zuträglih. Bon dem frühen niedrigen Sorten fiud 
mehrere zur Frühtreiberei auf Miftbeeten u. ın 
Treibhäufern (B-häufer) jehr geeignet. Die jungen, 
noch zarten Hülfen der B. werden, nachdem: man 
ihnen die Gefäßbündel an beiden Näbten (og. 
Fafern) abgezogen u. die großen Sorten zerichnitten 
bat, abgekocht u. dann auf verjchiedene Weile zu— 
bereitet, aud mit DI u. Ejfig zu Salat angemacht 
(B-falat), oder roh oder rasch abgequellt mit Salz 
(Salz-B.) oder Eifig eingemadt; die Meinen 
Sorten eignen ſich vorzüglih auch zum Trodnen, 
nachdem man fie abgezogen u. abgequellt bat; 
getrodnet find fie ſehr ſchmackhaft u. laſſen fidh 
mehrere Jahre aufbewahren. Die reifen Samen 
der B. find mohl etwas blähend u. Schwer ver- 
daulih, aber fehr nahrhaft u. werden zu Br 
fuppe und did gekocht verwendet; fie müſſen 
etwas vor der vollftändigen Reife geerntet fein, 
wenn fie beim Kochen raſch weich werden jollen; 
von den Thieren werden fie nicht gern gefreiien, 
weshalb B-mehl unter das Gerreidemehl gemiſcht 
wird, um es bei längerer Aufbewahrung gegen 
die Mäufe zu ſchützen. Die Puff-B. (dide oder 
große B., Vicia Faba L.) find ein fehr einträge 
liches, frübzeitiges un. nahrhaftes Gemüfe, weiches 
in einzelnen Gegenden Deutſchlands ſehr viel, int 
anderen gar nicht bemugt wird. Die wenig von 
einander verichiedenen Sorten gedeihen gut im 
faft jedem Boden, wenn er nicht zu leicht u. trocken 
ift, jelbit in ganz ſchwerem Kleiboden, u. vertragen 
etwas Düngung. Sie dürfen nicht zu Dicht ſtehen, 
werden deshalb vielfah am Nande von Gemife- 
feldern, zwiſchen Kartoffeln u. dgl. im einzelnen 
Reihen ſchon im erften Frühjahre gepflanzt. Nah 
faft vollendeter Blüthe iſt es gut, Die Spigen der 
Pflanzen abzuſchneiden (köpfen), um die Hülfen 
befier auszubilden u. zugleidy dem Überhandnehmen 
der Blattläufe vorzubeugen. Über die Heineren 
Feld» oder Pferde-B. f. Sau⸗B. Wolde. 
Bohnenbaum, mehrere Bäume mit Schmet— 
terlingsbtüthen u. Hülfenfrüchten oder jonft bohnen⸗ 
förmigen Früchten, a) bejonders die Pflanzengatt, 
Cytisus; daher B-holz, Holz von Cytisus La- 
" 40 


2 


— 


628 
burnum; b) Cajanus indieus indiſcher B.; e) 
Gleditschia triacanthos. 

Bohnenberger, 1) Gottl. Chriſtian, geb. 
4. März 1732 zu Neuenbürg in Württemberg; 
wurde Pfarrer in Meinen Schwargmaldorten ımd 
beichäftigte fich viel mit Elektricität; ft. 29. Mat 
1807 im Altburg bei Calw, Er beichrieb feine 
nene Eieftrifirmaichine, Sruttg. 1784, mit 6 Nach— 
trägen; gab heraus: Beitrag zur theorenfchen n. 
praftiichen Elektricitätslehre, ebd, 5 St., 1793 bis 
1795; Beitrag zur höheren Drebfunft, ebd. 1799; 
ſchrieb auch Abhandlungen in Grens Journal. 
2) Joh. Gottl. Friedr. v. B. deuticher Aftro: 
nom und Mathematiker, Sohn des Bor., geb. 5. 
um 1765 in Eimmopheim im Schmwarzwalde ; 
ftudirte erft Theologie, wurde 1789 Prediger, 
wandte fih aber fpäter der Aftronomie zu; er 
lebte, um aftronomische Studien zu machen, jeit 
1793 längere Zeit in Gotha n. Göttingen, wurde 
1796 bei der Stermwarte in Tübingen angeftellt, 
wo er 1803 eine Brofeflur der Mathematik und 
Aftronomie an der Univerſität erhielt; er ft. daſelbſt 
19. April 1831. B. legte den eriten Grund zu 
tkigonometrischen Meſſungen in Württemberg (Karte 
von Schwaben mit J. A. Amman in 60 Bt.). 
In feiner Aftronomie (Tüb. 1811) beichrieb er 
zuerft das Neverfionspendel u. flug die jpäter 
von Kater ausgeführte Methode für Beftimmung 
der Beſchleunigung der Schwere mittels deſſelben 
vor. In den Tübinger Blättern für Naturmwifjen- 
ichaften u. Arzueitunde (Tüb. 1815—17) beichrieb 
er das von ıhm verbefierte Säulen-Elektrometer 
(Beihr. u. Gebrauch eines jehr empfindl, Elektro» 
meters ıc.) u. den nach ihm benannten Rotations- 
apparat u. machte dabei zuerft auf die Erhaltung 
der Wotationsebene aufmerfiam (Beſchr. einer 
Maſchiue z. Erläut. d. Gef. d. Umdr. d. Erbe). 
Auch in der Zeitichr. für Aftron, u. verwandte 
Wiſſenſch. (Tüb. 1816—18), in Zachs Monatl. 
Corr. u. in den Aſtronom. Nachrichten find zahl- 
reiche Abhandlungen von ihm enthalten. 2 Spehit.* 

Bohnenfeft, ſ. u. Bohnentönigsfeft. 

ee ſ. Samentäfer. 

Bohnenfönigäfeft. Am heiligen Dreilönigs» 
tage wird unter die Glieder einer bei fröhlichen 
Mahl verlammelten ‚Familie oder Gefellfchaft ein 
Kuchen, in welchem eine einzige Bohne eingebaden 
ift (GBohnenkuchen), ſtückweiſe unter die Anweſen— 
den vertheilt, u. die Perjon, welche die Bohne in 
ihrem Stüce findet, ift fir das nächte Jahr Boh- 
nenlönig, beziehungsmweife Bohnenkönigin, wählt 
fih im Scherze einen Hofftaat, erhält gewiſſe 
ſcherzhafte Huldigungen zc. Für diefe Ehre ift er 


Bohnenberger 


— Bohnitedt. 


Bohnenkraut (Pfefferkraut od. Kölle, Satureia 
hortensis L.), einjährige, aromatiiche Pflanze, die 
häufig als Gewürz an grünen Bohnen u. anderen 
Hiüljenfrücten u. Saucen gebraudt wird; man 
fäet es vom März bis Ende Mai an fonnige, 
nicht feuchte Plätze, mo es leicht gedeiht u. zum 
Bebrauche abgeichnitten wird, 

Bohnenlied hieß ein altes deutiches Volls— 
lied, das nebſt vielen Nahahmungen jo anzüg- 
lihe Stellen enthielt, da davon das Sprüchwort 
auffam: das geht über das B., d. h. das ift zu 
arg. Es find nur nod wenige Proben vom Be 
vorhanden. 

Döhner, Johann Ludwig, talentvoller Kia- 
vier-, Orgelfpieler u. Componift, geb. 8. Jan. 
1787 zu Xöttelftädt im Herzogtb. Gorha; wurde 
in Erfurt ausgebildet u. hatte fih der Anweiſungen 
Spohrs zu erfreuen, als er fib in Gotha als 
Muſillehrer niederließ. Er zog 1808 nad) Jena; 
1810 begann er größere Kunftreifen zu machen, 
zog ih 1820 in jeinen Geburtsort zurüd u. lebte 
feitdem in ungeordneten Berhältniffen; er ft. 28. 
März 1860 in Gotha. Schr.: 5 Klapiercomcerte, 
Sonaten, Tänze, Variationen, 1 Streichquartett, 
Selangftüde, 1 Ouvertüre u. Die Oper: Der Drei- 
berrenjtein, welche nicht zur Aufführung gelangte. 

Bohnerz, gemeinichaftlicher Name verichiedener, 
in meift Meinen, concentriih-dünnidhaligen Kugeln 
vorlommender gelbbrauner bis jhmugig- dunkel 
grüner Eifenerze. Die grünen find wejentlich mafier- 
enge Eifenorpdul: Thonerdefllicate, die brannen 
mit Thon verumreinigter Braunneifenftein; einige 
enthalten Chrom u. Banadin. Spec. Gew. 3,, 
u. höher. Das grüne B. von Kandern enthält 
62 9%/, Eiſenoxydul, 21,,%0 Kiejelläure, 8, %, 
Thonerde u. 7,,%, Waſſer (Waldner). Be fin 
den fih, außer dem ſchon genannten Fundorte 
Kandern in Baden, im franzöfifchen, ſchweizer u. 
deutihen Jura, in Böhmen, Mähren, Ungarn, 
Rußland ꝛc. 

ohnjtebt, Ludwig Franz Karl, deuticher 
Architekt, geb. in Petersburg 27. Oct. 1822, Sobn 
eines Kaufmannes aus Stralfund u. einer Bam- 
bergerin; ging nad) erlangter er Schulbild⸗ 
ung 1839 nach Berlin, wo er bei Ranke, Ritter, 
Steffens u. Mitſcherlich Vorleſungen hörte u. zu: 
gleid an der damaligen Baufdhule u. der Ala— 
demie ſich fortbildete u. Stier u. des Malers 
Biermann Unterricht genoß. Nach beenbigten Stu- 
dien ging B. 1841 nad Italien, blieb dort ein 
Fahr u. wollte Bildhauer werden. Nachdem er 
es zwei Monate gemwefen, führte ihn Hallmann 
zur Architeftur zurüd. 1858 zum Profeffor der 


gehalten, zum nächſten Dreilönigstage (6. Jan.) Architektur an der Petersburger Alademie, von 
ein Feſt zu geben, wobei die Königswahl durch der Großfürftin Helene zu ihrem Hofarditelten 
die Bohne von Neuem vor fih geht. Man leitetjernannt u. von der ruffiihen Regierung zum 
dieje vorziiglih franzöfiiche, jogar fonft am bonr- |gleihen Grade erhoben, nahm er ihn nur unter 
boniſchen Hofe gemößnliche, auch nach Deutſchland der Bedingung an, bayeriicher Staatsangeböriger 
üibergegangene Sitte von den römischen Satur- zu bleiben. In Petersburg beſchäftigte ſich B. 
nalien ab, wo u. a. die Kinder einen König unter neben vielen Staatd- u. Privatbauten bejonbers 
ſich wählten, der gewiſſe fcherzhafte Rechte genoß. mit der Löſung von Concurrenzanfgaben , verlieh 
In Frankreich nannte man das Feſt le Roi boit/aber 1863 den ruffiichen Staatsdienft u. ward 
(der König trinkt), was die ganze Gefellichaft unter der Leitung von Em. Yalobs in Gotba 
rufen mußte, wenn er trant. Im 17. Jahrh. Porträt- u. Figurenmaler, wie er früher Land— 
eiferte die Geiftlichkeit in Frankreich, jedoch ohne ſchaften gemalt. Seine Hauptwerle find in ber 
Erfolg, gegen die Bee. Arditeltur: Das neue Stadthaus, das Haus für 





Bohol — Bohrer, 


629 


den Dinifter der Reihsdonlänen, das Palais der|deren Klinge mehr als halbrund gebogen ift und 


Fürſtin Juffupow, ein wahrer Feenpalaſt, ſämmt- 


nad der Schneide zu nicht ſchmäler wird; ift die 


Ih in Petersburg, u. das Theater in Riga, in Klinge nicht ganz eine halbe Walze, fo nennt man 


dem der Zufchauerraum durch Gasflammen über 
dem mit mattem Glafe belegten Plafond ohne 
Kronleuchter beleuchtet wird; dann das Rathhaus 
in Hamburg, die Kathedrale der. Stadt Guima- 
rang in Portugal u. das mit dem Bildhauer 
Salomon gemeinjhaftlih ausgeführte Monument 
zu Nowgorod für die Feier des taufendjährigen 
Jubiläums des Ruſſiſchen Reiches, die Billa Frit 
Reuters bei Eiſenach. Nad feinen Entwürfen wird 
auch das Deutjche Neichstagshaus in Berlin aus- 
geführt. Regnet. 
Bohol (Bojol), Inſel der Biffayas-Gruppe im 
Bhilippinen-Archipel, zwischen den Inſeln Gebu u. 
Leyta; 3249 [ km (59 IM); Perlenfischerei; 
wenig fruchtbar, nur die Bienen liefern viel Wache. 
Bohraffel (Limnoria Leach.), Gattung der 
Affeln, einer Unterordnung der Kruftenthierordnnung 
der Hingelfrebje, mit Fühlern u. Augen, aber 
ohne freibewegliche Geitenihuppen an dem vor- 
deren*Beinpaar, L. terebrans Leach., 4 mm 
lang, grau; vermehrt ſich ſehr ſtark u. wird durch 


fie Hohleifen; hierher gehören auch die Schemel« 
B., Die breit find u, mit demen Löcher zu den 
Beinen der Bänke (Banf-B.) ꝛc. gebohrt werden; 
die Löflel-B., deren ſchneidender Theil die Geftalt 
eines eirunden Löffel, oder eines halben hohlen 
Kegels hat; wenn derfelbe an der Spibe einen 
bafenförmigen Einfchnitt hat, fo heißt er Hafen» 
B.; zum Bohren von Löchern in Balken u. re 
Gewinde-B.; die Zapfen-B, zum Bohren der 
BZapfenlöcher in Fäfjern; ferner der englifche ge- 
wundene B., der von den gewöhnlichen Hohlbohrern 
eine abweichende Geftalt hat: er beiteht aus 
einem fegelförmigen Schraubengewinde, welches 
in einer jchraubenartig gewundenen Stahljchiene 
endigt; die Windumgen der Stahlſchiene Taufen 
hart über der Bohripige in vier Scharfe Schneiden 
aus, von denen zwei mit der Bohrachſe parallel 
find, zwei andere nach unten einfchneidend mit 
ihr im rechten Winkel ftehen. Diejer B. gewährt 
den Bortheil, daß er auch bei den tiefften Löchern 
nicht zum Reinigen berausgezogen zu werden 


Zerbohren des unter Wafjer befindlihen Ban-|braudt, da die Späne ſich durch das Geminde 
bolzes an Englands Küften ſchädlich; bleibt noch |heraufichieben; emdlich der Centrum-B., läuft 


8—14 Tage in dem aus dem Wafjer genomme-|in drei Theile aus. 


sen Holze lebendig. 

Bohrbrunnen, jo dv. mw. Artefiiher Brunnen. 

Bohrer, im weiteren Sinne ein Inſtrument, 
welches angewendet wird, um runde Löcher Durch 
Drud u. Drehung in harten Körpern hervorzu— 
bringen; befteht aus 2 mwejentlichen Theilen, näm« 
lich der Bohripige (B. im engeren Sinne), welde 
zum Ginfchneiden ‚dient, u, dem Schafte, durch 
welchen es möglid wird, dem B. die drebende 
ea u. den Drud zu geben. Je nad der 
Härte u. der Structur des zu bohrenden Mate- 
rials, nach der Größe der Löcher u. nach der Kraft, 
die zur Ausübung des Drudes verwendet werden 
kann, ift die Beichaffenbeit des B-8 eine vericie- 
bene, Die gebräudhlichften u. befannteften B. find: 
A) B. zum Gebraud'auf Holz, entweder 
durch einfahen Handariff zur Umdrehung gebracht, 
oder bei größeren Yöchern mittels einer Bohr- 
winde, welde mit der Bruftleier der Metall- 
arbeiter in Form u. Gebrauch übereinſtimmt. 
Die Bohrwinde dreht fi mit dem Zapfen in 
einem Knopfe, der gegen die Bruft geftemmt wird. 
Das Mittelftüd ift nah 2 rechten Winteln aus- 
gebogen u. bildet den Griff zum Drehen, während 
die Bohrfpige in dem unteren Ende deifelben 
befeftigt ıft. a) Nagel-B,, furzes, kegelförmiges 
Schraubengewinde; endigt mit einer Nine, deren 
fharfe Kanten zum Einjchneiden dienen, aber bei 
der Breite des Gemwindes wenig zur Wirkung 
fommen; arbeitet ſchwer u. jprengt leicht das Holz 
aus einander; er ift zu größeren Löchern untaug« 
fih. b) Shneden- B. in Heinerem Maßſtabe auch 
als Nagel-B. zu gebrauchen, in größerem bis zu 
16 cm zum Bohren von Wafjerröhren (Röbren-B.) 
verwendbar; ganz kurzes Schraubengemwinde, mel« 
ches fih ohne großen Drud in das Holz ziebt; 
endigt in einer Aushöhlung, die in fteiler Schrau- 
benlinie anfteigt u. eine geſchärfte Schneidelante 
hat. e) Hohl⸗B., zumBohren cylindriicher Löcher, 


Der längjte deſſelben ift die 
dreifantige Gentrumfpige, an deren einer Seite 
ein ſcharfſchneidiger Zahn angebracht ift, welcher 
beim Dreben eine Kreisiurche ins Holz zieht. An 
der anderen Seite befindet fid) eine fharfe Schaufel, 
welche die Späne innerhalb des Kreijes heraus» 
hebt. Das damit gearbeitete Loch wird volllommen 
glatt u. befommt, wenn es nicht durchgeht, ebene 
fall3 einen glatten Boden. B) Zum Gebraud 
auf Metall; die Bohripigen haben gewöhnlich 
die Geftalt einer Lanzenipige; der Winkel, unter 
dem fie fi zujpigen, ijt im dem meiften Fällen 
feiner als cin rechter u. bisweilen durch einen 
Bogen erjett. Größere B. für genaue Arbeit er- 
halten eine Gentrumfpige in der Mitte u. Schneiden 
ſenkrecht zur Bohrare (Centrum⸗B.). B. find ent» 
weder einſchneidig u. danı nur nad einer Seite 
drehbar, oder zweiſchneidig. Die Drehung der 
legteren wird mit Hilfe einer Bohrrolle, melde 
gegen das obere Ende des Schaftes angebracht 
ft, u. des Bohrbogens hervorgebradt. Diefer 
ift einem Biolinbogen nicht unähnlich u, mit einer 
Hanfſchnur oder Darınfaite beipannt, » weldhe um 
die Bohrrolle geihlungen wird. Dan ftemmt das 
Schaftende des B-8 entweder gegen ein Bruftbrett, 
oder gegen einen Schraubjtod u. bringt alsdann 
dur Hin- u. Herziehen des Bogens eine nad 
inf u. rechts abwechſelnde Drehung des B⸗s 
hervor. Einjchneidige B. werden mittels der, Kurbel, 
der Bruftleier, oder auch in der Drehbank oder 
Bohrmaschine in Thätigkeit geist. Die Bohrkurbel 
hat ganz die Geftalt der Bohrwinde (j. oben), 
wird wie dieſe mit den Händen gefaßt und im 
Kreife herumgeführt. Der nöthige Drud wird 
durch die Bohrichraubenpreffe (Bohrgeftell) hervor: 
gebracht. Dieje befteht aus einer auf einem Ge— 
ftell ruhenden oder am Fußboden befeftigten runden 
Eijenftange mit einem darauf fchiebbaren und 
drehbaren Seitenarme. Auf dem Seitenarme ift 
eine bewegbare Hilfe angebracht, durch welche die 





630 


Bohrer — Bohrmaschinen. 


Preßſchraube geht, in deren ausgehöhltes Enbe!heiratheten 1824 in München das als Klavier« 


der obere Zapfen der Kurbel faßt. Die Bruftleier | 


wird angewandt, wenn nur ein geringerer Kraft 
anfmwand nöthig tft. In neuerer Zeit verwendet 


virtuofinnen befammte Schmwefternpaar Yuife (geb. 
1805) u. Fanny (geb. 1807) Dülten. Aud Au— 
tons Tochter, 6) Sophie, geb. 1828 in Parıs, 


man auch amerikanische Spiral-®B., welche ähnlich trat jhon als 10jähriges Kind in Wien als Kla- 
den Schneden-B-n auf Holz mit fteilen doppelten | viervirtuofin auf; fie erregte auf ihren Kunftreifen 
ZSchraubengewinden verjehen find, die von den ſich ſo viel Aufjehen, daß man fie den meiblichen 


in einer NKegelflähe befindenden Schneidlanten 
ausgehen u. den Bortbeil gewähren, daß die 
Späne auch bei tiefen Löchern ausgeworfen wer: 
den u. der B. auch bei ungleichem Material nicht 
aus der Hichtung kommt (fich verläuft). Sie er- 
jegen zum Theil die Kanonen-B., welche aus einem 
ftählernen Halbeylinder mit faft rechtwinfelig zur 
Achſe geneigter Schneide beftehen u. namentlich zur 
Hervorbringung langer genauer Löcher Anmwend- 
ung finden. Behufs Herftcllung jehr großer Löcher 
wird zuerjt ein Meines Loch vorgebohrt, in dem 
der folgende größere B. (Zapfen-B.) durch einen 
angefegten Zapfen einen Stützpunkt findet. C) B. 
auf Glas; Heine ftählerne B. arbeiten auch 
Löcher in Glas, wenn die Bohrftelle fleißig mit 
Terpentinöl benegt wird. Sonft wendet man 
Diamant-B. an, melde von den beim Spalten 
rober Diamanten abfallenden Splittern gebildet 
werden. Auf der Drehbank der Glasichleifer wer» 
den durch Anwendung des Schmirgels Locher in 
Glas gebohrt. D) B. auf Stein; da Stahl-B. 
auf Stein zu leicht abjtumpfen, jo treibt man Löcher 
in die groben Steinforten faft nur mit Hilfe des 
Meigels. Auch das Bohren der Wafferleitungslöcer 
wird ähnlich wie das Bergbohren durch die Schwer- 
fraft herabfallender Meigel bemwerkftelligt. Die B. 
der Steinbohrmaichinen werden neuerlich oft aus 
Diamanten zufammengejett. Giefeler. * 
Bohrer, verdienftvolle Mufilerfamilie, deren 
lieder fid) als Birtuofen u. Componiſten ausge- 
zeichnet haben: 1) Kaspar, Kapellift, geb. 1744 
in Mannh,; wirkte zuerft in feiner Baterftadt, dann 
in Dlünchen, wo er 1809 ftarb. Er war bedeutender 
Eontrabaffift und bildete feine 4 Söhne auf ver- 
fchiedenen Inſtrumenten aus und vereinigte fie zu 
einem Quartett. Bor ibm ftarben 2) Peter, 
der Biolinift, u. 3) Franz, der Violift, geb. 1806 
in Minden. 4) Anton, Biolinift, geb. 1783 
in Münden; war früher fchon mit Vater und 
Brüdern gereift, machte 1806—8 mit dem FFol- 
genden eine Kunftreife durch Deutichland u. Polen, 
1810—18 durd) das übrige Europa, wurde 1818 
Eoncertmeifter in Berlin, nahın 1824 wegen Miß— 
heiligfeiten mit Spontini feine Entlaffung u. wurde 
in Baris erfter Solofpieler bei Karl X., ging aber 
1830 nad Yondon, von da nad Deutichland ır. 
Ipäter wieder nad) Paris u. wurde 1834 Goncert- 
meifter in Hannover; ft. 1852; componirte Vieles 
für jein Inſtrument u. für Orchefter, ſowie Streich— 
guartette, Trios, Duos für Violine u. Cello. 
5) Mar, Bruder des Vor., geb. 1785 in Miün- 
hen, Cellift; begleitete feinen Bruder faft auf allen 
Reifen, wurde gleichzeitig mit ihm als erfter Cellift 
in Berlin, danı in Paris angeftellt u. 1832 Cou— 
certmeifter in Stuttgart. Noch im Jahre 1842 
unternahm er eine erfolgreiche Concertreife nad) 
Amerika, Er ft. 1867. B. componirte Mehreres für 
jein Inſtrument u. Duos für Klavier u. Violon- 


Liſzt nannte; 1848 ließ fie fi in St. Petersburg 
nieder, mo fie im folgenden Jahre farb. Brambad. 

Bohrfliege (Trypeta Meig.), Injectengattung 
aus der Gruppe der wahren fliegen; Flügel 
meiſt auffallend bunt, gebändert u. gefledt. Die 
Larven leben vorwiegend in den Samen, dem 
Marf u. den Stengelnder wild wachjenden Köpfhen- 
träger (Compofiten), einige in Früchten oder 
Blättern. Bon den ungefähr 100 Arten, welche 
bisfang in Deutihland gefunden murden, find 
folgende die bemerfenswertheften: Die Spargel- 
bobrfliege (Trypeta poeciloptera Schrank). 
Die Fliege ift 44 bis 54 mm lang, mit großen, 
glashellen, jhwarzbraun gezeichneten Flügeln. Die 
darve wird bis 7 mm fang, ift glatt u. topflos; 
fie lebt vom ‚Mai bis September in argel⸗ 
ſtengeln, welche ſie der ganzen Länge nach bis 
zur Wurzel hin durchbohrt u. zum Abſterben bringt; 
un diefer Höhlung befteht fie ihre Berwandlung, 
aus welcher im folgenden re das vollfom- 
mene Juſect hervorgeht. Zeitiges Ausreißen ab» 
fterbender Spargelitengel u. im Frühjahre Sam— 
mein der am Morgen ziemlich erftarrt u. träge 
auf den Spargelpflanzen figenden Fliegen find 
gute Mittel gegen diejen, einſtweilen nur nod 
local, dort aber verderblih auftretenden Spargel 
feind, Die Kirfhbohrfliege (T. cerasi Z., 
T. signata Meig). liege 34 bis 4 mm lang; 
Flügel mit 4 braunen Binden u, braunem Rand» 
ſtriche. Larve geiblih, kopflos; findet fih jehr 
häufig im füßen Kirſchen (Wurm in der Kiriche) ; 
verläßt diefe aber, um ſich in der Erde ‘zu ver- 
puppen, worauf im nädjiten Mai bis Juni die 
Fliege erfcheint. Da die Larve fich ſtets im unmittel- 
barer Nähe des Kirihbaumes verpuppt, jo ift das 
Umgraben des Bodens um den Baum herum ein 
gutes Mittel, um die Puppen zu vernichten. Will 
man wurmſtichige Kirfchen benuten, dann fann 
man die Fyliegenlarven dadurch aus ihnen ber- 
austreiben, da man fie einige Stunden in Waf- 
fer legt. Die Yarven der Diftelbohrfliege (T. 
eardui L.) leben in Diftelftengeln u. verurſachen 
gallenartige Anſchwellungen derſelben. Theme. 

Bohrfäfer, jo v. w. Klopfkäfer. 

Bohrfolben, kupferner Eylinder, auf welchen 
Aſeitige Stüde Stahl aufgeijhoben werden, vie 
das Ausbohren des Rohres verridhten; j. u. 
Stüdgieperei. 

Bohrmafcinen, mechaniſche Vorrihtungen, 
um die beim Bohren erforderliche drebeude u. m 
der Richtung des zu bohrenden Loches fortichrei- 
tende Bewegung des Bohrers hervorzubringen. 
Es fan dabei der Bohrer ſowol die drebende, 
als die fortichreitende Bewegung machen, oder eine, 
fowie auch beide Bewegungen können durch das 
Arbeitsſtück ausgeführt werden. Danad zerfallen 
die Bohrmafchinen in vier Abtheilungen. Werben 
die Bewegungen bis auf das Fngangjegen ohne 


cell, jowie für Bioline u. Bioloncell. Beide Brüder |Hilfe eines Arbeiter ausgeführt, jo nennt man 


Bohrmuſcheln. 


die B. ſelbſtthätige oder automatiſche. 
Die einfachſten B. werden mit der Hand in 
Thätigleit geſetzt. Unter dieſen find Kurbel u. 
Bruftleier unter d. Art. Bohrer bejchrieben. Zu er: 
wähnen wären noc Kleine Bohrporridhtungen, bei 
denen man ben Drud dur die Bruft ausübt, 
die drehende Bewegung aber der Bohrfpindel 
durh Kurbel u. koniſche Näder oder Univerſal— 
gelenfe mittheilt, oder dadurd, daß man auf der 
mit einem jehr fteilen pa ea verjebenen 
Spindel eine paffende Schraubenmntter mit der 
Hand hin= u. berziehbt. Eine von Mafchinen- 
dauern, namentlich für fchwer zugänglihe Stellen 
der Arbeitsjtüde viel benutte Bohrvorrichtung ift 
die Bohrknarre oder die Bohrratiche. Der 
Bohrer fitst dabei in einer kurzen Welle, welche 
ein Sperrrad, einen dafielbe umgebenden Hebel mit 
Sperrflinfe u. eine Schraube zur Hervorbringung 
des Drudes trägt. Durch Hin- u. Herbemwegen 
des Hebels wirft die Sperrflinfe auf das Sperr- 
rad u. drebt den Bohrer in einer beſtimmten 
Richtung, während man durch Anziehen der mit 
einer Spite gegen einen widerftehenden Körper 
eftügten Schraube den Drud regulirt. Bei 
leineren B., die durch Mafchinenfraft bewegt wer- 
den, wird der Bohrer in eine Spindel (Bohr: 
Ipindel) geitedt, welche durch Zahnräder oder 
Riemen ihre drehende Bewegung erhält, während 
fie gleichzeitig Durdy einen Hebel, eine Zahnſtange 
oder eine Schraube in der Richtung des Bohr- 
Ioches bewegt werden kann. Bei ganz Heinen 
Löchern ift Die Hebelbewegung mit Handgriff oder 
Fußtritt deswegen vorzuziehen, weil man dadurch 
den Bohrer in ganz kurzer Zeit heben u. fenfen 
fan. Das NArbeitftüd Legt dabei auf einem 
ſenkrecht zur Bohrſpindel ftehenden ebenen Tijche 
(Bohrtiſch). Fe nah der Yage der Spindel 
untericeidet man horizontale, verticale u. 
geneigte B. Kommt e8 auf große Genanigkeit 
an, jo läßt man nicht gern die Bohrfpindel die 
hin- u. bergebende Bewegung maden, weil die 
Yager dadurch ſchnell verichleigen, jondern über: 
trägt diefe Bewegung auf das Arbeitsſtück, indem 
man den VBohrtifh mit einer genauen Führung 
verfieht und durch Hebel, Zahnverbindungen, 
Schrauben, Wafjerdrud, oder dal. Mechanismen 
beweglich macht. Bei fabrilmäßigem Betriebe hat 
man dann über demfelben Tiſche häufig michrere 
Bohrfpindeln mit Bohrern von verſchiedener Größe. 
Das Arbeitsftüd wird dann in eiferne Käften ge- 
fett, deren Wände an den Stellen, wo Yöcer 
hinfommen follen, durchbohrt u. mit glashartem 
Stahl eingefaßt find. Bohrt man durch dieje 
Öffnungen, jo trifft man genau die beabfichtigten 
Stellen des Urbeitöftüdes u. jpart das zeitrau: 
bende BVorzeichnen der Löcher. Hohl-B. oder 
Eylinder-B. für Eylinder zu Dampfmaſchinen, 
Gebläſen, Pumpenftiefeln u. dgl., dienen nur zur 
Glättung der ſchon vorhandenen Höhlung; man 
unterjcheidet an ihnen die Bohrfpinvel, auf welcher 
fi) der Bohrfopf, eine qufeiierne Scheibe, befin- 
det, auf deren Rand 4—8 Meſſer vertbeilt find, 
Kanonen-B. arbeiten die Höhlung in das maj- 
five Metall. Die gebräuchlichſte Einrichtung dabei 
ift die, den Eylinder in langjame Umdrehung zu 
jepen; der Bohrer wird alsdann dur Drud vor» 


631 


wärts in das drehende Metall getrieben. Wie bei 
dem Ausbohren der rohrförmig gejchmiedeten 
Alintenläufe fommen aud bier eine Anzahl Boh— 
rer von fteigenden Durchmeſſern nach u. nach zur 
Anwendung. Der horizontalen Bohrung wird in 
neuerer Zeit vor der verticalen, bei welcher der 
Geſchützcylinder durch fein eigenes Gewicht auf den 
drebenden Bohrer oder feldft drehend auf den ru— 
benden Bohrer drüdt, der Vorzug gegeben, weil 
die Erſchütterung des Metallcylinders geringer ift 
u. die Bohrrichtung daher genauer beibehalten werben 
fann. Eine Steinröhren-Bohrmaſchine ift zu— 
erft in Prag zur Anwendung gelommen. Sie treibt 
ein eijernes Rohr, deſſen unteres Ende mit ſchar— 
fen Stahljchneiden beſetzt ift, in der Art drehend 
durch den Stein, daß innerhalb ein Steincylinder 
abgejondert wird, der fich zulett herausheben u. 
wieder zu anderen Zweden benugen fäßt. Stein» 
B. zum Tunnel-u. Bergbau, um Sprenglöcher 
in fejtes Gejtein zu bohren, werden vielfach ver- 
wendet, Es wirft dabei der Bohrer entweder durch 
Schlag u. nachfolgende Drehung, oder continuirlich 
drebend u. drüdend (Diamantbohrer). As Be- 
triebsfraft verwendet man gern comprintivte Luft 
ftatt Dampf oder Waifer, weıl fo die Arbeitsräume 
ohne bejonderen Aufwand mit friiher Luft verjorgt 
werden, Biefeler.* 
Bohrmuſcheln (Pholadidar), Familie aus 
der Klaſſe der Diufchelthiere, Schalen nach beiden 
Seiten anseinanderftehend, ohne ineinandergreifende 
Schloßzähne und ohne die Schalenftüde verbinden- 
des Band, mie beides bei den meiſten Muſcheln 
vorhanden if. Dafür finden fih tbeils am 
Schloſſe 1 bis 3 (bei Pholas), theils an der 
Athemröhre (bei Teredo) noch bejoudere feine 
Kaltſtückchen. Der Mantel ift cylindriſch, wurm— 
förmig geichlofjen, vorn mit einem feinen Schlige 
zum Durchtritte des Heinen, ftempelartigen Fußes; 
er verlängert fich nach hinten in eine lange Röhre 
(Athemröhre , Sipho), Eine Kalfröhre kleidet 
zuweilen die Gänge aus, melde ſich das Thier 
un Schlamme, Holze, Felſen u. ſ. mw. gebohrt hat. 
Hierher die beiden Gattungen eigentliche 
Bobrmufhel und Bohrwurm. Bei den 
eigentlichen 8. (Pholas L.) tt die Mufchel längs 
lich, bauchig, Haffend, vorn an der Rückenſeite 
auswärts umgeſchlagen, weil hier der Mantel über 
den Wirbeln beraustritt u. fib auf ihnen ums 
ihlägt ; innen, unter den Wirbein befindet fich ein 
löffelförmiger, kalfiger Fortſatz; die beiden Athens 
röhren find mit einander verwachſen. Cie bohren 
in Felſen, Korallenriffe, Holz oder Schlamm. 
Dabın der Steinbohrer, Dattelmujdel, 
Steinfingermufjchel (Ph. dactylus L.); findet 
fih in europäifchen Meeren, namentlich den Kalk— 
feljen der italienischen u. frauzöſiſchen Küſten. Sie 
wird gegeffen u. jtellenmweife den Auftern vorges 
zogen. Die oft erwähnte Behauptung, dag fie jelbft 
volllommen friih im Munde des Eifenden leuchte, 
wird von den beiten Beobachtern durchaus nicht 
beſtätigt. Es ift ebenfalls noch unentichieden, ob 
ihr Bohren mittels der feilenförmigen Schale ge— 
fchieht, oder durch einzelne Heine, ſcharfe Kieſel— 


‚fplitterchen, welche ſich zerftreut auf der Fußfläche 


vorfinden, bemwirft wird, oder ob gar ein von der 
Muſchel ausgeichiedener Stoff den Stein auflöft 


632 


u. Rafpeln u. Reiben erleichtert; doch dürfte die 
erftere Annahme die wahricheinlichere fein, zumal 
die Heinen Nafpelzähne am vorderen Ende ber 
Schale bei älteren Eremplaren ſtets deutlich ab- 
genutzt erfcheinen. Der Bohrwurm (Teredo 
.) befitst einen regenwurmartigen, langgeftredten, 
cylindriichen Körper; die beiden Athemröhren find 
an ihrem freien Eude auf eine furze Strede von 
einander getrennt; an ihrem Grunde finden fich 
ein paar hornig-fallige, jhaufelfürmige Anhänge; 
die kurze, aber ſehr dide, weit Haffende, faft ring- 
fürmige Muſchel umgibt nur das äußerſte Vorder» 
ende des langen Thieres. Sie graben fih in 
Holz vöhrenförmige, gefrümmte Gänge, welde 
innen mit einer vom Mantel abgefonderten Kall— 
röhre ausgelleidet find. Diefe Kalfröhre und die 
vorhin erwähnten fchaufelförmigen Anhänge find 
mit einander verwachien. Die 8 bis 10 befannten 
Arten faßte Linne umter dem gemeinfamen Namen 
Teredo navalis zufammen. Das Thier ift bis 
35 cm lang u. foll etwa um die Mitte des 17. 
Jahrh. durch Schiffe aus oft- u. weftinbiichen 
Meeren in die europäiichen, im denen es jett 
häufig ift, eingeichleppt worden fein, Es zerftört 
das Pfahlwerl der Hafenarbeiten, das Bretterwert 
der Schiffe un. hat ſchon zahlreiche Unglüdsfälle 
herbeigeführt, jo 3. B. die großen holländiſchen 
Deihbrüche im Jahre 1830. Imprägniren des 
Holzes mit Kreofot leiſtet gute Dienfte gegen dieſes 
Thier, weniger eımpfehlenswertb ift Theeren. Bei 
ihrem Bohren zerihneiden die Thiere das Holz in 
zahlloſe Stüdchen mit rechtediger Oberfläche, u. zwar 
in der Weije, daß fie ihre mit zahlreichen, äußerſt 
feinen Zähnchen beſetzten Schalenftüde über die 
anzugreifende Stelle reiben, wobei die Richtungen, 
in welcher die beiden Schalen bewegt werden, 
rechtwinfelig aufeinanderſtehen. Ihre intereſſante 
Fortpflanzungsweiſe iſt die der Seemuſcheln im 
Allgemeinen (j. Muſcheln.) Thome. 
Bohrwurm, ſ. u. Bohrmuſcheln. 
Böhtlingk, Otto, geb. 11. Juni 1815 in 
Petersburg, einer der ausgezeichnetſten Sanstrit- 
phüologen der Gegenwart; ftudirte feit 1833 in 
Petersburg, dann ın Berlin u. Bonn orientalische 
Spraden; 1842 nah Rußland zurückgekehrt, 
wurde er Mitglied der Akademie der Wiffenfchafr 
ten, GCollegienrath u. jpäter wirfl. Staatsrath. 
Seit 1868 hält er fi insbefondere zu dem Zwede 
der Vollendung des Sanskritwörterbuches (ſ. u.) 
mit Erlaubniß der rufjifshen Regierung in Jena 
auf. Er ſchrieb viele Abhandlungen aus dem Ge- 
biete der Sanstrit-Philologie, die in den M&moires 
ber Petersburger Alademie erſchienen find, u. gab 
heraus: Paninis Grammatifhe Negeln, Bonn 
1840, 2 Bde.; Die Sakuntala (mit Ueberſetzung), 
ebd. 1842; Sansfrit-Chreftomathie, Petersb. 1845; 
Bopadevas Grammatik, ebd. 1846; Hematjchandras 
Wörterbud, 1847; Die Sprade der Yakuten, 
1849—51, 3 Bde.; Indiſche Sprüche, fanstr. u. 
deutich, Petersb. u. Lpz. 1863—65, 3 Bde., 2. A., 
1870— 73; mit R. Roth zufammen: Wörterbuch 
der Sanskritſprache, Petersb. 1853— 75, 7 Bbe,, 
mit Nachträgen. 
Bohtori al Walid, genannt al Bohteri von 
dem Stamme gleichen Namens, einem Zmeige der 


Bohrwurm — Boie, 


bielt fih lange zu Bagdad auf u. fehrte danız 
nah Syrien zurüd. Er war einer der berübm- 
teften arabiihen Dichter, u. fein Divan übertrifft 
an Umfang die Divane aller großen arab. Dich- 
ter ber erften 3 Jahrh. d. H., denn er entbält über 
6000 Diftihen u. 850 längere u. kürzere Ge— 
dichte, aber weder nad den Enbreimen, noch nach 
den Segenftänden, noch nach den Verjonen, an 
welche fie gerichtet find, geordnet. B. bejang das 
halbe Dutzend Khalifen, unter demen er lebte, kei— 
nem aber find zablreichere Tobgedichte geweibt, 
als dem Khalifen Motawalfil; er hinterließ auch 
eine Hamafa, wie fein Vorgänger Abu Temman, 
zum Unterjchiede die Kleine genannt. Sein Ted 
fällt in d. %. 897, nachdem er 80 oder n. 4. 
einige achtzig Jahre alt geworden war. 

Bohs, Auguſt Wilhelm, deuticher Aftbetiker, 
geb. 17. Juli 1799 in Stettin; findirte in Halle, 
Berlin, Göttingen erft Theologie, dann Philologie 
u. Philofopbie, habilitirte fi 1828u. wurde 1837 
auferordentl., 1842 ordentl. Profeffor daſelbſt. 
Schriften: De Aristophanis ranis, Hamb. 1828; 
Borlefungen über die Gefichte der neueren dbeut- 
ichen Poefie, Gött. 1882; Die dee des Tragi- 
ihen, daf. 1836; Über das Komiſche u. die Komö- 
die, daf. 1844; Leſſings Proteſtautismus u. Na— 
than der Weiſe, daſ. 1854. 

Bohuns (B.-Län [Lehn]), das ſchmale ſchwe⸗ 
diſche Kiüftengebiet, welches fich von der Götaelf 
bis an die Grenze von Norwegen exftredt, zu 
welchen Königreiche e8 lange gebörte; feit 1657 
ſchwediſch u. jett dem Län Göteborg (Gotenburg) 
zugetheilt. Darin das alte, 1303 gebaute Schloß 
Bohuus auf einem von der Götaelf umflofienen 
Felſen, das in der nordiihen Kriegsgeichichte oft 
eine Rolle jpielte. Das ganze Län ift reich am 
Seebhäfen des Kattegats u. zählt mehrere Städte 
u. mehr als 30 Fiſcherdörfer. 

Boichot, Jean, frangöfifher Bildhauer, geb. 
1738 in &hälons-fur-Sadne; ward Mitglied der Ata- 
demie der Plaſtik u. Malerei, dann des Jnftituts; 
ftarb 9. Dec. 1814 in Baris. Berühmt iſt jeine 
Gruppe des St. Michael, die Statue des St. Rod 
u. jene des fitenden Hercules; von ihm find aud 
die Basreliefs der Flüſſe am Zriumphbogen des 
Carouſſel. 

Boi, jo v. w. Boy. 

Boie (Boje), Heinrich Chriſtian, deutſcher 
Kritiker, geb. 19. Juli 1744 zu Meldorf im Holitei« 
nischen, Eon eines Paftors; ftudirte feit 1763 in 
Göttingen Rechtswiſſenſchaft, war dort 1771 Hof- 
meijter,von jungen Engländern, wurde 1775 Stab 
jecretär in Hannover, 1781 däniſcher Yandvogt in 
Meldorf, 1790 dänischer Etatsrath; ft. in Meldorf 
3. März 1806. Er nahm in Göttingen unter 
den jungen Dichtern des ſog. Hainbundes (j. d. 
Art. Göttinger Dichterbund) als Kritifer eine jehr 
angejehene Stelle ein, rief 1770 mit Gotter den 
Göttinger Muſenalmanach (j. d.) ins Leben, re 
bigirte denfelben 1771 —75 allein, gründete 
1776—77 mit Dohm das Deutihe Muſeum, gab 
es 1778—88 allein heraus u, ſetzte e8 unter beim 
Titel: Neues Deutsches Mufeum 1789 —91 fort. 
Bol. Karl Weinhold, H. Chr. B., Beitrag zur 
Gejchichte der deutſchen Literatur im 18. Jahrh., 


Zaij, geb. zu Menbedſch in Syrien; zoq nad Jrat, Halle 1868. 


633 


Doieldien, François Abrien, berühmter |fionsverhältniffe und pecumiäre Berlufte trübten 
Dperncomponift, geb. 15. Dec. 1775 zu Rouen; feine fetten Jahre. Er ft. 8. Oct. 1834 auf ſei— 
empfing jeinen eriten Unterricht vom Organiften/nem Landgute Jarci bei Grosbois. Die Stadt 
der dortigen Kathedrale, Broche, einem Schüler) Rouen errichtete ihm 1839 eine Statue, u. der 
P. Martini, ging mit 19 Jahren nad Paris, Parifer Stadtrath gab 1852 einem Plate jeinen 
wo er anfangs jeinen Unterricht durch Klavier Namen. Sein Sohn Adrien B. hatte ebenfalls 
ftimmen verdienen mußte. Im Haufe Erards ſah Talent zur Compofition; er jchrieb: Marguerite, 
er Eherubini, Mehul u. den Sänger Garat, der L’aieule, Le bouquet de l’Infante für die Komiſche 
B⸗s Lieder in Gejellichaften fang u. dadurdy auf Oper; La butte des moulins für das Theätre 
das junge Talent aufmerffam machte. Im J. 1795 |1yrique. Brambach. 
erzielte B. einen Erfolg durch die Dot de Su- Boileau, Nicolas B. Despreaur, geb. 
zette, 1796 durch bie Famille Suisse, wogegen|1. Nov. 1686 in Paris (oder in Crosne bei 
1797 Monbreuil et Merville durchfiel. Erjt 1798| Paris?) ; ftudirte anfangs die Rechte, dann Theo- 
trat in Zoraime et Zulnare feine Fünftlerifche Be-|logie u. gab auch diefe auf, um fich der Poefie 
gabung, befonders bie eigenthlimliche Anmuth u. zu widmen. Er’ machte fih früh durch jeine 

larheit jeiner Melodienfhöpfung entjchieden zujSatires (die erfte: Les adieux & la ville de 
Tage u. fand entiprechende Anerkennung. Doch Paris, erfchien 1660) befannt, wurde 1677 von 
fanden die Möprises espagnoles u. anfangs auch Ludwig XIV., an defien Hofe er fehr beliebt war, 
Beniowsky nur eine falte Aufnahme, dagegen zum Hofhiftoriographen ernannt, lebte feit 1687 
war der Erfolg des Calife de Bagdad ein durch- meift auf feinem Gute Auteuil und fl. 13. März 
ſchlagender u. außerordentliher. Wiederum fand/1711 an der Bruftwafferfucht im Klofter Notre- 
1802 Ma tante Aurore anfangs wegen des Dame. Er jhrieb: (12) Satires, von denen die 
ſchlechten Tertbuches feine günftige Aufnahme, trog |8. u. 9. die beften find, 16601705; (12) Epi- 


Boieldien — Boileau. 


der reizenden mufifalifhen Erfindung u. guten 
Arbeit; nach Berbeflerung des Tertes ftellte fich 
aber auch die verdiente Anerfennung ein. In— 
zwiſchen war B. 1797 Profeffor des Klavierjpiels 
am Confervatorium geworden; 1803 bewog ihn 
das Unglüd in feiner Ehe mit der Tänzerin Elo- 
tilde Malfleuroy einen Ruf als kaiſ. Kapellmeifter 
nadı St. Petersburg anzunehmen. Hier jchrieb 
er die Opern Rien de trop, ou Les deux para- 
vents; La jeune femme colere; Amour et 
mystöre; Abderkan; Calypso; Aline, reine de 
Goleonde; Les voitures versdes; Un tour de 
soubrette u. die Chöre zu Nacined Athalie. Im 
3. 1810 nahm er Urlaub, fehrte aber infolge der 
politifchen Ereigniffe nicht mehr nad Et. Peters- 
burg zurüd. In Paris begann fein Glück wie— 
der 1812 mit Jean de Paris; es folgte 1813 Le 
nouveau Seigneur du village u. ein mit Che- 
rubini, Catel u, Nicolo Iſouard gemeinfam ab- 
gefaßtes Gelegenheitsftüd: Bayard à Mezieres; 
1814 der mit Kreußer zuſammen componirte 
Bearnais; 1815 Angela, ou l’atelier de Jean 
Cousin, wozu Madame Gail ein Duett lieferte; 
1816 in Gemeinfchaft mit Herold die Compofition 
der Gelegenheitsoper Charles de France. Eben- 
falls 1816 jchrieb B. La föte du village voisin, 1818 
Le petit Chaperon-rouge, 1821 mit Cherubini u. 
Berton Blanche de Provence, 1824 mit Berton 
u. Keuter Pharamond, beides Gelegenheitsopern. 
Am 10. Dec. 1825 wurde zum erjten Mal La 
Daine blanche gegeben, die feinen Weltruf be- 
gründete; 1829 erichien noch die Oper Les deux 
nuits, ohne erfichtlihen Erfolg, B. war 1817 
nah dem Tode Mehuls Mitglied der Alademie 
eworden, 1821 wurde er zum Compositeur de 
a musique de la duchesse de Berry u. zum 
Ritter der Ehrenlegion ernannt. 


tres, 1669—95; Odes, chansons, sonnets, &pi- 
grammes ete.; R£flexions critiques sur Longin, 
1693; eine Überjegung des Traité du sublime 
von Longinus; De l’art postique, 1669— 1674; 
die komiſche Epopöe: Le lutrin, 1672—83; Les 
heros de roman, 1664—65; Lettres. Als Kri« 
titer hatte B, ſowol durch feine Werke, wie dur 
feinen Umgang mit Racine, Yafontaine u. Molidre 
einen nicht hoch genug anzufchlagenden Einfluß 
auf feine Zeitgenoffen u. die Nachwelt, Er be- 
fimpfte mit Erfolg die falfchen Größen der das 
maligen Literatur (Chapelain, Galprendde, Scu—⸗ 
dern, Cotin, Benjerade, Menage, Colletet), ver» 
fpottete ſchonungslos ihre Manirtrtheit (Concetti), 
Sentimentalität u. Schwülſtigkeit, empfahl die 
Nahahmung der Alten, wies auf die beiten Bor- 
bilder feiner Zeit hin (Macine, Molidre) u. ſchuf 
in feiner Art podt. einen Coder des guten Ge— 
ichmades, der lange Zeit für die franz. Fiteratur 
maßgebend war (Le —— du Parnasse\. 
Doch bat er auch derſelben fehr geſchadet durch 
die Nüchteruheit jeiner weſentlich negativen, allen 
Schmwunge der Phantafie feindlihen Kritik (Le 
poete du bon sens) u. durch Beichränfung der 
Poefie auf gewiffe Stoffe u, Formen (Mots nobles, 
Cäfur, Enjambement, Geringſchätzung der altfr. 
Literatur u. der chriftlichen Yegende). Auch tadelt 
man feine Vorliebe für Boiture, Balzac, Segrais, 
die Ungerechtigkeit oder Ungleichheit feines Ver— 
haltens gegen Corneille, Brebeuf, Ouinault und 
Lafontaine, deffen er in der Art poet. nicht einmal 
erwähnt hat. Auch fehlt es ihm an jedem tieferen 
Verſtändniß der Alten. Gegen B-8 faft unum— 
Ihräntte Herricaft über die franz. Poeſie machte 
fi in der 2. Hälfte des 18. Jahrh. eine ftarte 
Reaction geltend, befeitigt wurde fie aber erft 


Nah dem Tode durch die Romantifer des 19. Jahrh. (doc ift 


feiner erften Frau (1826) verbeirathete er ſich die Art poet. noch heute Schulbuh in Frank— 
wieder, fränfelte aber jeit 1829, legte die ihm reich). Als Dichter ift B. weniger bedeutend, u. 
übertragene Profefiur der Gompofition am Con: |fein Borbild Horatius erreicht er nicht. Er tft zwar 
fervatortum nieder u. fuchte Erholung auf eimer|geiftreih, fehr correct u. ein Meifter in der Ber 
Reife nah Piſa. Die nah der politiiden Um-|bandlung der Form, aber es fehlt ihm an ge 
mälzung 1830 eingetretene Unordnung feiner Pen-Inialer Ziefe, Phantafie, Anmuth u. Liebe zur 


634 


Natur. 


Bois — Boifferde. 
Seine Sonette, Oden u. Epigramme ſHaus Albret fam, bei dem es bis ins 18. Jahrh. 


find faft m. ſchwach; am Lutrin lobt man zwar verblieb. 


die Schönheit der Berfe u. die Beichreibungen, 


Boijerie (fr.), jo v. w. Täfelwerl. Daher 


tadelt aber die —— des Stoffes. Auch boiſeriren, mit Täfelwerk bekleiden. 


ift er ungleich in feinen Productionen; der 6. Ge- 
fang des Lutrin, die legten Satiren u. Epifteln 


Bois-le-Due, jo v. w. Herzogenbuſch. 
Boiffeau, 1) Schefiel, franzöfiihes Kornmaß, 


ftehen den erften fehr nah. B⸗s Werte find in|früner in allen Provinzen verjchieden. Der Pa- 


viele Sprachen überfegt worden u. in Hunderten 
von Ausgaben mit oder ohne Gommentare er- 
ſchienen. Die beften find: die Amfterbamer von 
1772, mit Anmert. von Renaudot, Broffette, Du- 
monteil, Souhay, Saint-Darc; Par. 1813—25; 
von Deaunou, nu, namentlid die von Saint-Sor- 
Iın, Par. 1821. Bolchert. 

Bois, 1) Jacques de, lat. Sylvius, beliebter 
Lehrer der Anatomie in Paris, geb. 1478 in 
Louville bei Amiens; erwarb ſich bedeutende gen 
tigfeit in den alten Spraden, ftudirte dann ® 
dicin, laß über Galenos u. Hippofrates mit foldem 
Erfolge, daß die Facultät es ihm unterfagte, an- 
geblich weil er noch nicht promovirt fei; wurde 
1525 Doctor in Montpellier, dann in Paris u. 
las über Anatomie, Botanit u. Pharmafologie, u. 
zwar in fo glängender Weile, daß er den be 
rühmteſten älteren Brofefforen, z. B. Fernelius, Ab- 
bruch that; 1550 wurde er Profeſſor am College 
royal. Er ft. 13. Jan. 1555. B. war der Erite 
in Frankreich, der die Zergliederungsfunft von 
Menichen einfübrte, u. vielleiht auch der Erfinder 
der Yeicheninjectionen (um die Gefäße fichtbarer 
bervortreten zu laſſen), legte vielen Theilen des 
Körpers eigene Namen bei, entdedte die Benen- 
Happen u. würde vielleicht noch Größeres geleiftet 
baben, wenn er nicht ein blinder Anhänger des 
Galenos geweien wäre, Bei fieberhaften Krank— 
heiten empfahl er bereits Spirituosa (De vini ex- 
hibitione in febribus, Lyon 1535). Er war be- 
rüchtigt durch feinen Geiz, weshalb am Tage der 
Beerdigung an der Kirche folgendes Diftihon an- 
geihlagen war: 


Sylvius hie situs est, gratis qui nil dedit unquam, 
Mortuus et gratis quod legis ista dolet. 


Er hat eine Menge anatomifcher n. medicinifcher 
Schriften hinterlaffen. Seine Geſammtwerke er- 
ichienen in Genf 1630 u. 1635. 2) S. Dubois- 
Reymond, Zhambayn. 
Boifard, 1) Jean Jacques Franc. Mar 
rie, geb. 1743 in Caen; war feit 1772 Secretär 
bei des Königs Bruder u. zog fih dann ind Pri- 
vatleben zurüd; er fl. 1831. Die erfte Samm- 
fung feiner Fables, 1773 (im Mercure de France 
u, a. Beitichriften); Fables et podsies diverses, 
Gaen 1804; Nouveau recueil de fables, Caen 
1805, neue Sammlung 1803; Mille et une 
fables, 1806. Seine Kabeln find in einem hüb— 
ſchen einfahen Stil geichrieben. 2) Jacques 
Frang., Nefje des Vor., geb. 1762 in Gaen; 
war erſt Maler, dann Dichter (Todesjahr unbe- 
fannt); fchr.: Fables, 1817—22, 2 Bde. 
Boisbelle (lat. Boscabellum), ehemaliges 
Fürſtenthum mit der Hauptfiadt Henrichemont, 
im jegigen Arrondiffement Sancerre des fran- 
zöffchen Departements Cher, mit allen Hoheits— 


riſer B. war — 13,,, 1, jest = 4 hl; man 
teilte ihn in 4 Picotins u. 16 Litrons. 2) In 
a it B. Benennung des niederl, Schepels 
— bes Delaliter. 

Boifferde, 2 Brüder, Sulpice, geb. 2. Aug. 
1783 in Köln, u. Meldior, geb. 23. Aprıl 
1786 ebenda; machten 1803 mit oh. Bapt. 
Bertram eine Reife nah Paris, wo fie 9 Mo— 
nate verweilten. Dort durch Fr. von Schlegels 
Borlefungen zu Kunftitudien angeregt, wandten 
fie ihre Aufınerfiamfeit der — Sammlung 
namentlich altdeutſcher Gemälde zu, welche Na— 
poleon damals in Paris zuſammengebracht hatte. 
Sie faßten infolge deſſen die Idee, die zerſtreuten 
Bilderſchätze aufgebobener Klöſter in Deutſchland 
zu fammeln u. alles Werthvolle an altdeutſchen 
Gemälden aus den Händen der Händler aufzu- 
faufen. Dieſen Vorſatz führten fie bei ihrer Rüd- 
kehr nah Deutſchland mit großem Eifer u. glüd- 
lichem Erfolge durd u. unternahmen Reifen nad 
den Niederlanden, Franken, Sachſen, Böhmen, 
SDeutihland sc. So entjtand die Bıihe Ge— 
mäldefammlung, die wertbvollite für Die deutiche 
Schule, deren genauere Kenntniß ihren Beſtreb— 
ungen zu danken if. 1814 gingen fie nach Hei— 
delberg, um ihre Studien über Kunjt u. Alter« 
thum dort fortzufegen, 1819 aber nah Stuttgart, 
wo ihnen der König ein eigenes Gebäude zur 
Anfftellung ihrer Sammlung fojtenfrei überließ. 
Dort acquirirte 1827 der König Yudwig von 
Bayern die Sammlung um 420,000 Gulden, 
Dieje fam erft nad Schleigheim, dann in ihren 
werthvollſten Zchäten 1836 in die Pinalothet in 
Minden; 40 Gemälde wurden in der Morit- 
fapelle zu Nürnberg anfgeftelt. Die Samınlung 
beginnt mit Anfang des 13. Jahrh. u. zerfällt 
in drei Abtheilungen, von denen die erſte die alt« 
tölniſche Malerihule bis zum 15. Jahrh.; Die 
zweite die Werte Jans van Eyd u. feiner Zeit- 
genoffen H. v. der Goes, Hemling, Isr. v. Me— 
fenen, Martin Schön, Mich. Wohlgemuth u. A. m.; 
die dritte endlich Werke aus dem 15. u. 16. Jahrh., 
vorzüglich von Dürer, Lulas von Leyden, Holbein, 
Heemstert, L. Cranach, Mabufe, Schoreel u. A. m. 
enthält. Sulpice, der ſich hauptfächlid der Archi- 
teftur zugewandt u. durch feine Forfhungen auf 
dem Gebiete der altdeutihen Kirchenbaukunſt ſich 
um die Kımftgefhichte großes Berdienft erwarb, 
mwirfte mit lebhaften Jntereffe für den Weiterbau 
des Kölner Domes, deſſen Originalplarn er auf» 
fand, ging 1827 mit nah Münden u. wurde 
1835 Gberbanrarh u. Generalconfervator ber 
plaftiihen Denkmäler Bayerns, nahm aber ſchon 
1836 jeinen Abichied u. hielt fi) eine Zeit lang 
in SFrankreich u. Italien auf; 1845 murde er 
preußifcher Geheimer Hofrath u. lebte in Bonn, 


rechten; es gehörte lange den Sully, von denen |wo er 2, Mai 1854 ſtarb. Melchior, der jeine 


e8 durch die re von Daria de Sully 
mit dem Gonnetable Karl d 


Albret 1400 an das 


äfthetiichen Studien vorzugsweiſe der Dlalerei zu« 
wandte, begleitete feinen Bruder nah Münden, 


Boijfien — Boivin. 


635 


mo er bei. der Wiederbelebung der Glasmalerei|bei Einberufung der Etats-gendraux u. fpäter bei 
Vorſchub feiftete, u. dann nach Bonn, wo er am der Nationalverfammlung Deputirter von Anno» 


14. Mai 1851 ftarb. Seine Sammlung von Glas- 
malereien vermadte er der Stadt Köln. Die 
Brüder, beſ. Melchior, gaben mit dem Lithographen 
Strirner vereint ihre Sammlung dur Steindrud- 
copien, Stuttg.u. Münden 1821—40, 40 Lief. unter 
dem Titel: Sammlung alt, nieder- u, oberbeut- 
Iher Gemälde der Brüder B. umd Bertram, 
lithogr. von 3. B. Strirner, mit Nachrichten über 
die altdeutichen Maler von den Befitern, heraus. 
Sulpice gab heraus: Geihichte u. Befchreibung 
des Domes zu Köln, 1823—31, in 4 Pief., deutich 
u. franz., von welchem Prachtwerke 1842 Aus- 
aben in verfleinertem Maßſtabe der Kupfer er- 
hienen; Die Dentmale der Baufunft am Nieder- 
rhein vom 7.—13. Jahrh., 1831—33, 2. Aufl., 
1842, mit franzöfifcheın u. (1842—44) mit deut— 
ſchem Text; er jchr.: Über den Tempel des beit, 
Graals, 1834; Die Kaiferdalmatica in der. Pe— 
tersfirche zu Rom, 1842. Vgl. Sulpiz B., Stuttg. 
1862, 2 Bde, 

Boiffien, Jean Jacques de B., Landichafts- 
maler u. ausgezeichneter Kupferäger, geb. 1736 in 
Yon; war zum Beamten beftimmt, bildete ſich 
aber in Paris u. auf Reifen in Italien zum 
Kiünftler; fl. 1810. Er lieferte gegen 120 Blätter, 
die er größtentheil® nach eigenen Zeichnungen 
ausführte. Seine Hauptftärte liegt im Stich. 
Eine vollftändige Sammlung feiner Blätter befitt 
Hr. Hertel in Nürnberg. B. zählt zu den be 
deutendften Kiünftlern, die Frankreich je beſaß, u. 
nimmt als Vorfämpfer der von David eingeleite- 
ten Reformation der Kunft eine hervorragende 
Stellung ein. 

Boiljonäde, Jean Srancois, franz. Hel: 
fenift, geb. 12. Aug. 1774 in Paris; war erft im 
Eivilfache beichäftigt u. wurde 1809 adjumgirter 
u. 1813 wirflicher Profeffor der griehiichen Sprache 
an der Univerfität in Paris u. 1828 am Collöge 
de France; ft. 8. Sept. 1857 in Pafiy. Er gab 
berans des Whiloftratoes Hersika, Par. 1806, 
vpz. 1814, u. deffen Briefe, Par. 1842; den Tis 
berios Rhetor, 1815, Marinos, 2pz. 1814; des 
Altos Herodianos Epimerismoi, Lond. 1819; Ni— 
fetas Engenianos, 1819; 2 Bde.; Proflos’ Scholien 
zu Platons Kratylos, 1820; Ariftänetos, Par. 1822; 
Eunapios, Amft. 1822, 2 Bde; Sammlung der 
griech. Dichter, 1823—32, 24 Bde.; Das Neue 
Teftament, 1824, 2 Be; Syutipas, Par. 
1828; Anecdota graeca, Par. 1829—40, 5 Bde. 
Anecdota nova, 1844; Theophylacti quaestion. 
phys. et epistolae, ebd. 1835; Dich. Pjellos, 
De operatione daemonum, 1838; VBabrios, 18414; 
Chorilios Gazäos Neben, 1846; Pachymeres De- 
clamationen, 1848; Tzetzes' Allegorien der Jlias, 
1851; Zacharias Mitylenenfis, De immortalitate 
animae u. De mundi consummatione, Par. 1836. 
Eine Auswahl feiner literaturhiftoriihen Aufjätze 
gab F. Colincamp al$ Critique litteraire sous 
ie premier empire, Par. 1863, 2 Bde., heraus, 

oiſſy, 1 Frangois Antoine, Graf B. 
d’Anglas, Anhänger der franz. evolution, 
geb. 8. Dec. 1756 in St. Jean Chambre im 
Departement Ardöche; wurde Maitre d’hötel bei 
dem Grafen von Provence (Ludwig XVIIL) u. 


nay; bier war er der Erſte, welcher erflärte, daß 
der 3. Stand die wahre Nationalverfammlung 
conftituire. Zum Generalprocurator des Depar- 
tements Ardeche ernannt, milderte er manche 
Gräuel der Revolution, flimmte gegen den Tod 
des Königs u. wurde fpäter Secretär des Raths 
der 500. 1797 zog er fih als Gegner des Di— 
tectoriums zurid, wurde aber von Bonaparte zu- 
rüdgernfen u. 1803 Mitglied des reformirten 
Confiftoriums zu Paris u, 1805 Graf u. Senator; 
1814 außerordentliher Commiffar in der 12, Mi— 
(ttärdivifion, erkannte er dort die Bourbon an u. 
ward nun Pair; er trat 1815 wieder auf Napoleons 
Seite, wurde von dieſem in die ſüdlichen Departe- 
ments gejchidt u. dann zur Kammer der Pairs 
einberufen. Deshalb wurde er nah Yudwigs XVIII. 
Rücklehr aus der Kammer geftoßen, bald aber 
wieder aufgenommen, Er ft. 20. Dct. 1826 in 
Paris. B. ſchrieb u. a.: Recherahes sur la vie 
et les &crits de Malesherbes, Bar. 1819, 2 Bde; 
Les ötudes lit. et poét. d’un vieillard, Bar. 
1826, 6 Thle. 2) Hilaire Etienne Oct. 
Rouilld, Marquis von B., geb. 4. März 1798 
in Paris; wurde 1839 in die Pairstammer be» 
rufen, wo er wegen feiner freimüthigen Reden 
oft zur Ordnung gerufen wurde u. vergebens dem 
JFulikönigthum jeinen nahen Sturz vorausfagte; 
als Yegitimift fiel er unter dem Kaiferreiche bei den 
Wahlen dur, wurde aber 1853 Senator ır, jette 
jeine rüdfihtslofe Beurtheilung aller politiſchen u— 
focialen Eriheinungen inner und auferbalb des 
Yandes fort. Er ft. 26. Sept. 1866 auf feinem 
Landgute Marly-fe-Roi. Seit 1851 war er mit 
der Gräfin Guicctoli, der befaunten Freundin Lord 
Byrons, vermählt. 

Boite(fr.), 1) Schachtel, Käftchen, Büchſe. 2) Ge— 
tränf aus ausgepreßten unreifen Weintrauben, durch 
einen Aufguß mit Waſſer bereitet; hält fih von 
einer Weinleje bis zur anderen, dem Kovent ähnlich, 

Boitout (fr.), Becher ohne Fuß. 

Boisenburg, 1) Stadt im Großherzogthum 
Medlienburg-Schwerin (mwendifcher Kreis), am der 
Boike u. Elbe, Station der Berlin-Hamburger 
Eiſenb.; Amtsfig; Freimaurerloge: Veſta zu den 
3 Thürmen; Eifengiegerei u. Maſchinenfabrik, Bier- 
brauerei; lebhafter Handel mit Getreide, jährlich 
Wollmarkt; Schifffahrt u. Fifcherei; 3635 Em. — 
B. ift fehr alt. 1191 ſchlug hier Graf Beruhard der 
Jüngere von Ratzeburg Heinrih den Löwen; 
1207 wurde das Schloß von dem Dänenkönig 
Maldemar zerfiört. Der Ort wurde in der Mitte 
des 14. Jahrh. zur Stadt erhoben, 1628 wurde 
B. mit den anderen medlenburgiihen Städten von 
Wallenftein eingenommen, 1631 aber von Guftav 
Adolf zurücerobert. 2) Marktfleden im Kreife 
Templin des preuß. Regbez. Potsdam; gräflich 
Arnimihes Schloß nebft Park, Thiergarten und 
Fafanerie; ftarte Fischerei in den 22 umliegenden 
Seen (Teichforellen); 1100 Ew. Im Schloffe 
wurde der Feldmarſchall Georg Abraham v. Ar- 
nim geboren. 

Boivin, Marie Annettte Gillain, geb. 
1793 in Berfailles, Oberbebamme an der Pariſer 
mediciniichen Facultät; erhielt den Ehrendoctor- 


636 


titel von der Univerfitit Marburg. Sie fhr.: 
M&morial de l’art des accouchements, 4. Ausg., 
Par. 1836, deutih von Nobert, Marb. 1830; 
Sur l’origine etc. de la möle vesieulaire, Par. 
1827, deutich, Weimar 1828, ꝛc. 

Bojädor, Cap an der Küfte der Wüſte Sa- 
hara (Afrifa); in der Näbe find 100—140 m 
bobe Dünen, melde oft bis tief ins Land ſich 
zieben; die Küften dabei find gefährlich zu befah— 
ren wegen der geringen Geetiefe u. wegen ber 
häufigen Trübung der Atmoſphäre. 

Bojäna, Fluß in Albanien (Europ. Türkei); 
entfteht in den Dinarifchen Alpen, durchfließt den 
See von Sfutari u. mündet, nachdem er dem 
Drin .den Arm des Neuen Drin zugefandt, in 
das Adriat. Meer. 

Bojäno, Stadt im Bez. Iſernia der italieni- 
ſchen Provinz Campobaflo, am Biferno, in einer 
tiefen Schludt am Fuße des Berges Matefe, der 
4 Dionate lang den Sonnenftrahlen den Eingang 
verwehrt; letzterer wurde beim Erdbeben 1783 
verjchiüttet, wobei das Thal dur den Biferno 
verjumpft ward; Suffragan-Bifchof von Benevent; 
Geminar, Kathedrale, 5 Parochialkirchen, Klöfter; 
6706 Ew. 8. ift die alte Stadt der Sammiter 
Bovianum oder Bojanum, die aud durch Erd- 
beben viel litt, zuletzt 1805. 

Bojanowo, Stadt im Kreife Kröben der preuf. 
Prov. Poſen, Station der Breslau-Pojener Eiien- 
bahn; höhere Bürgerfihule; Vollsbank; Strumpf- 
wirferei; 2017 Em.; Geburtsort von Guhrauer 
u. Frauenſtädt. — B. wurde 1638 von Stephan 
Bojanowski angelegt u. brannte 12. Aug. 1857 
faft ganz ab. 

Bojar, im alten Rufland u. in den füdjlavi- 
jhen Yändern Bezeichnung für die erften Kriegs— 
beiden des Volles, fpäter für freie Grumdbefiger, 
Adelige. In Rußland, im Großfürftenthum Mos— 
fau, waren bie B-en im Beſitze der höchften Mi- 
Iitär- u. Givilämter, u. da fie noch dazu die 
nächte Umgebung der Großfürften bildeten, übten 
fie, namentlich wenn diefe ſchwach waren, bedeu— 
tenden Einfluß vermöge ihrer politiichen Nechte, 
fo daß, ohne ihr Gutheißen ausprüdlich zu beto- 
nen, auch fein Ulas hinansging. Die Rangord— 
nung unter den B-en felbjt richtete fich nach dem 
Dienftalter u. wurde aufs Strengfte eingehalten, 
ja fogar unter Peter Berüdfichtigung der von den 
Borfahren eingenommenen Stellung. Durch dieje 
Eigenthilmlichleiten, beſonders aber durch Die 
Mactbefugniffe, welche fie ih nach u. nah an— 
eigneten, wurden fie den Fürſten immer läftiger, 
ohne daß es jedoch den letsteren gelungen wäre 
fie in ihre Schranken zurüdzumeifen, ihre Macht 
zu brechen, bis emblich Peter d. Gr. die B-ens 
würde ihrer ſämmtlichen Vorrechte u. Befugniffe 
entkleidete u. nur mehr als Titel beließ. Der 
feste ruſſiſche B. war der am 16. Jan, 1750 
verftorbene Fürſt Iwan Jurjewitſch Trubetzkoi. 
Von den Ruſſen nahmen die Romanen in der 
Moldau u. Walachei den Titel u. die Würde der 
B-en an, u. bildeten die Ben bier den hohen Adel, 
deſſen Machtbeftrebungen u. ſelbſtſüchtige Politik 
indeß Fürſt Cuſa durch den Staatsſtreich v. 2. Mai 
1864 brach u. die dort herrſchende demokratiſche 
Berfaſſung auch nicht mehr auflommen läßt. *agai. 


Bojador 


— Boje. 


Bojardo, Matteo Maria B., Graf von 
Scandiano, ital. Dichter, geb. 1434 in Scandiane ; 
murde unter — Hercules I, von Eſte Gou- 
verneur von Reggio u. 1481 Capitano von Mo- 
dena, fehrte aber fpäter auf feinen früheren Boften 
nah Reggio zurüd; er ft. dort 21. Dec. 1494. 
B. ſchr. das romantische Gedicht: Orlando in- 
namorato, Scand. 1495, fortgejett von Niccolo 
degli Agoftini im 16. Jahrh.; Bermi arbeitete 
das Gedicht unter dem Titel: Orlando rifatto um, 
u. erft von Panizzi wurde das urjprüngliche Ge» 
dicht, Yond. 1830, 9 Bde., wieder herausgegeben; 
ins Spaniſche ward er zweimal, ins Frauzöſiſche 
viermal überſetzt, deutſch von Gries, Stuttg. 
1835—37, 3 Bde., von Regis, Berl. 1840; er 
ſchrieb außerdem Sonetti e Canzoni, Reggio 1499 
u. ö.; Il Timone (Luftipiel), 1500, Ferrara 1809; 
Carmen bucolicum, 1500; Cinque capitoli, Ben. 
1523 u. ö.; L'Asino d’oro, nad Pufianos, 1518, 
u. Apulejus, 1523, überſetzte auch den Herodotos, 
Ben.1533. Auswahl feiner Gedichte, Modena 1820. 
—8* alter Name für Bayern. 

Boje, ſ. Seezeichen. Anler«B. iſt eine Meine 
Boje, welche an dem im Grunde liegenden Anker 
mittels eines ſtarken Taues, dem B-reep, befeſtigt 
iſt und die Stelle, wo der Anker liegt, anzeigen, 
jowie dag B»reep tragen fol, Falls der Anter 
aus irgend welcher Urſache hat un Grunde zurüd- 
gelaffen werden müſſen (beim Brechen od. Schlip- 
pen der Anfertette, bezw. des Anfertaues) kann die 
Stelle durch die Anfer-B. wiedergefunden u. der 
Anfer mit dem B-reep gelichtet werden. Ret- 
tungs⸗B., Körper von genügender Schwimm- 
fähigfeit, um wenigftens zwei Mann im Wafler 
zu tragen. Die Rettungs-B-n werden den über 
Bord fallenden Perfonen vom Schiffe aus zuge- 
worfen, damit fich diefelben an den Bu mit 
Sicherheit jo lange über Waffer halten können, bis 
das vom Schiffe entiandte Nettungsboot Mann 
u. B. erreicht u. aufnimmt. Die Kettungs-Ben 
find meift in der Form von breiten Ringen, mit 
ungefähr 1-m äußerem Durchmefier, aus Korf- 
ftücden bergeftellt, welche durch einen aus ſtarkem 
Segeltuch gefertigten u. durch Anftreihen mit Ol— 
farbe waſſerdicht gemachten Überzug in dieſe Form 
gebracht find. An dem äußeren Rande des circa 
O,, m breiten Ringes befeftigte Handhaben (Strog- 
gen) aus dünner Yeine dienen zum leichteren Er» 
faffen der Rettungs⸗B., durd welche man fib 
für längere Zeit und im Seegange am beten auf 
die Weife tragen läßt, dag man fich diefelbe über 
Kopf u. Schulter wirft u. danach beide Arme jeit- 
wärts darüber legt. Solche und andere ähnlich 
bergeftellte Rettungsbojen, welde, der bejjeren 
Sichtbarkeit im Wafjer wegen, am zwedmäßigften 
mit hellrother Ölfarbe angeftrichen find, können ibren 
Zwed allerdings vorzugsweife nur am Tage voll» 
fommen erfüllen, ‘u. deshalb find Kriegsicifie u. 
ebenjo gewöhnlih die größeren transatlantiichen 
Poftdampfer, außerdem mit Nacht: Rettungs-Ben 
ausgerüftet. In der Regel beftehen diefe Nacht» 
Nettungs- Ben aus 2 hohlen Meifingkugeln von 
ungefähr O,, m Durchmeſſer, die mitteld eines 
breiten und gleichzeitig als Sit Dienendeu Holz- 
ftüdes von ungefähr 1 m Länge mit einander ver: 
bunden find u. genügende Schwimmlraft befigen, 


Boje — 


Bokhara. 637 


um 2 Mann mit Sicherheit im Waſſer zu tragen. Mal Schillers Franz Moor u. Fiesco auf die 
In der Mitte des die Kugeln verbindenden Sitbrettes | Bühne brachte; er ft. 18. Juli 1793. B, war ein 
— eine ungefähr 1 m hohe Röhre einen eiſernen vorzüglicher Darſteller von Helden-Charakter- u. 
Teller, ber ein circa $ Stunde brennendes Zünblicht |Tiebhaberrollen u. erhält noch dadurch ein gemiffes 
in einer Blechröhre enthält, welches fich gleichzeitig | Intereffe, daß er der erfte gaftirende Schauspieler 


mit dem Fallenlaſſen der B. entzündet, mwährend|(1777) in Deutſchland geweſen ift. 


des Treibeus der B. im Waffer abbrennt, ohne den 
etwa auf dem Sigbrette befindlichen Mann zu ver- 
legen, u. durch die große Leuchtkraft den Ort der 
Rettungs=B. in der Dunkelheit der Nacht erfennen 
läßt. Als Gegengewicht gegen die Röhre mit 
Bünderteller und zur Berhütung alſo eines jonft 
vorfommenden Umſchlagens der B. im Waffer 
dient eine beim Werfen der B. aus der Röhre 
um deren Länge nach unten fallende u. unten bes 
Schwerte Metallftange. Die Endzündung des Zünd- 
lichtes geichieht mittels einer Percuffionsichlagröhre 
u. eines Ähnlichen Hammerfchloffes, wie e8 bei den 
mit Bercuffions-Schlagröhren abfenernden Sciffs- 
geihügen in Anwendung kommt, 
So re Ehr., j. Bote. 
Bojeleiſchi, Dorf bei Krajoma in Bulgarien, 
wo der ruffiiche General Geismar mit 4300 Mann 
das mit 36,000 Türken befegte und verſchanzte 
Lager des Beziers von Widdin in der Nacht zum 
27. Septbr. 1828 überfiel; j. Türken (Geſch.). 

Bojer, Feltiiches Volt, welches wahrſcheinlich 
im jüblihen Belgien wohnte u. fih durch mehr- 
fahe Wanderung an verſchiedenen Orten anfiedelte; 
eine Abtheilung (evft um 500, ſpäter 390 v. Chr.) 
mar in Italien bis nach Umbrien und Etrurien 
vorgedrungen u. ließ fich zwijchen dem Po u. den 
Apenninen nieder, woher ein Theil der jegigen 
Emilia Bojus ager hieß. 222 wurden fie durch 
Claudius Marcellus den Römern unterworfen; 
219 jedoch ermuthigt durch die Rom angreifenden 
Punier, errangen fie für kurze Zeit ihre Selbftän- 
digfeit wieder, wurden aber 191 duch P. Cornelius 
Scipio dauernd unterworfen. Theile von ihnenmwan- 
derten feitden an die Donau aus, wo fie die dort 
eindringenden Kimbern und Teutonen befiegten. 
In einem Kriege, welchen fie 87 v. Chr. mit den 
Dalern u. Stordisfern führten, wurden fie auf- 
gerieben, oder zerftreuten ſich; ihre Wohnfite hier 
zwischen Mur u. Donau blieben verlaſſen, daher 
Bojorum deserta (Bojiſche Wüſte). Ein Haufen, 
220,000 Köpfe ftarf, zog mit den Helvetiern nad 
Gallien, warb aber von Cäſar geichlagen u. der 
Überreft in das Land der Äduer verfekt, unter 
welchen fie fi in ber ‘Folge verloren. Ein an— 
derer Haufen ftiftete das Reich Bojohemum, wel⸗ 
es der Markomanne Marbod ftürzte u. die Na- 
tion mit der jeinigen verband, doch blieb dem 
Lande der von ihnen herrührende Name Bojoher 
mum, das nachherige Böhmen (j. d.). 

Böf, Johann Mid., berühmter denticher 
Schaufpieler, geb. 1743 zu Wien; war anfangs 
Barbier, betrat aber 1762 unter Adermann ın 


Kürſchner. 
Bökel, Willem, ſo v. w. Beulelſon. 
Böfeln, ſ. Pöleln. 

Bokelſon, jo v. m. Bockold. 

Boker, George Henry, amerikanischer Dich—⸗ 
ter, geb. 1823 in Philadelphia; ftudirte im Prins 
ceton College im Staate New Jerſey, machte 
dann eine Reiſe nach Frankreich u. England und 
lebt jeit feiner Müdtehr in Philadelphia, wo er 
ihriftftellerifch thätig ift. Er fchr.: Gedichte und 
Dramen, die meift von dunflem Colorit, aber aus 
erfennenswerther Formengewandtheit find; von den 
erfteren find zu nennen: The Lesson of Life, 
1848; The Podestas Daughter, and other mis- 
cellaneous poems, Bhilad. 1852; Plays and' 
Poems, Bofton 1857, 2 Thle; Poems of the War, 
Bofton 1864; Konigsmark, the legends of the 
Hounds, and other poeıns, Philad.1869; von den 
letzteren die Tragödien: Calaynos, 1848; Anne 
Boleyn, 1850; The Bethrodal; Leonor de Gus- 
man und die Komödie: All the World a Mask. 
Die letteren beiden Dramen haben in den Ber- 
einigten Staaten großen Beifall geerntei. Kurſchner. 

Bofhara (Bodhara, Buchara), 1) Khanat oder 
Emirat in Zurkeftan, jegt ruff. Bafallenftaat zwi» 
ihen 37 u. 43° n. Br. u. 79—87 8. 8.; ca. 220,000 
km (4000 [_M), hatte früher eine weit grö- 
Bere Ausdehnung. Den nördlichen Theil mit 
Dſchiſſak u. Utſch-Tübe, ſowie Samarland haben 
jetst die Rufen genommen. Man nennt B. u, dar 
mit ganz Turan aud die Große Bucharei oder 
Usbeliſtan, im Gegenfage zu der Kleinen, der frü— 
beren dinefiishen Prov. am Thian-Schan, Tarim 
u. Lopſee, die bei den Chinejen Ginkiang, bei den 
Ruſſen OTurfeftan genannt wird. Die Alten narın- 
ten B. und deſſen Umgebung Sogdiana, die Mo» 
bammedaner Mawar al Nahr, u. unter der Herr- 
ſchaft Yegterer im Mittelalter war B. nebſt Balth 
und Samarland Mittelpunkt der Wiffenfchaft u. der 
Ihönften Bauwerke. Die Grenzen find faum ges 
nau anzugeben. Im N. liegt die Sandwüſſte Kifftl- 
Kum, zur ruſſ. Prov. Amu-Darja gehörend, im O. 
das ruſſ. Gebiet von Samarkand, ſowie die Heinen 
Staaten Karategin, Darwaz u. Badalh-Schan, wel- 
ches nebft den ſüdl. Gren — Kunduz u. Balth 
jetzt unter afghaniſcher Oberherrichaft ftebt, im W. 
jenjeits des Aınu das Turfmanengebiet u. Khiwa, 
Zopograpbie. Der größte Theil des Landes 
ift Steppe u. wird von Nomaden durchzogen, die 
bald Tribut zahlen, bald nit. Die Culturflächen 
bilden fein gejchloffenes Ganzes, ſondern liegen 
zerftreut an den Flüffen u. auf deren falzhaltigem 
Lehmboden, geihieden duch Wüſten u. Bergreiben, 


Mainz die Bühne, begleitete ſodann Seyler auf Das Land jenft ih nah W. u. it im N. u DO. 
jeinen Wanderzügen, bis er in Gotha für das von Bergletten gejperrt. Ein weſtl. Ausläufer des 
erfte deutſche Hoftheater engagirt u. nah Edhofs | Thian-Schan, der Kara-Dagh (Agalil-Dagh) in fei- 
Tode ihm die Direction deſſelben übertragen |nen — ———— zwiſchen Seraf ⸗Schan u. Amu, 
wurde. Nah Auflöſung dieſes Inſtituts, als auch Fon-u. Waſſan-Dagh genannt, füllt mit Schnee⸗ 
deren Urſache zum Theil fein efſectſuchendes Spiel bergen den Oſten, reicht im — Parallel⸗ 
angeſehen wird, ging B. nah Mannheim, wo er|fetten bis Samarkand u. ſinlt im W. zu Hügeln 
auf dem neu errichteten Nationaltheater zum erſten herab. Bon der SSeite laufen die Hiffarer und 


638 


Bofhara. 


Karſchiner Berge aus, ein nordweſtl. Zug feheidet | Hauptbandelspläte find B. und Karſchi, die den 


Syr u. Seraf-Schan, bis er an der Amumündung 
endigt. Karten nennen ihn Al-Dagb, Kufertly zc. 
Den Lebmboden der Thäler bededt oft bemeg- 
liher Sand, Flüſſe: an der ganzen © u. W— 
Grenze der Aınu-Darja, im Innern aber der gold» 
haltige Seraf-Schan (652 km lang); dieler ent— 
fpringt im D. auf dem YFon-Dagb, durchſtrömt 
Samarlands offene Ebenen, danı B⸗s Sant: 
fteppen und ergießt fih in den See Denghiz. 
Er wie Amu, Debas und Kafchla dienen zur 
Bewäflerung, ſpeiſen viele Kanäle, und an ihnen 
bin liegt Ortihaft an Ortſchaft, Obft-, Plaul- 
beer-, A rc u. Felder mit Kürbis, 
Melonen, Gerfte, Weizen u. Mais, Das Klima 
des Landes ift troden u. gefund, im Sommer 26 
bis 30° R. Hite, aber im Winter fo ftreng, daß 
die Flüſſe zufrieren u. der Schnee 4—4 m bod 
liegt; die Jahreszeiten verlaufen ſehr regelmäßig, 
im Octbr. u. Febr. wehen heftige Nord» u. Nord- 
weftwinte, die dadurch vielen Schaden anrichten, 
daß fie den Wüſtenſand aufwirbeln u. in das an- 
gebaute Land treiben. PBroducte: Baumwolle u. 
Seide erzeugt man in Menge. Die Berge liefern 
Gold, Salz, Schwefel, Alaun, Salmial; von den 
Hausthieren geben die Ziegen vortrefilihde Sharl- 
wolle, die Schafe mit Feitſchwänzen ſchwarze elle, 
aus denen die Perſer ihre Mützen machen. Außer— 
dem gibt es die Galeria africana, ein Wiüflenfrant, 
von dem man u, a. Manna zur Nahrung fam- 
melt, eine Indigopflanze, auf der aud) ein Code» 
nille-Inſect lebt, Rhabarber; Reiher, Heufchreden, 
Bären, Wölfe, Füchſe, Schatale, wilde Eſel, Hiriche, 
Antilopen, Ejel, Kamele, Dromedare, vorziig- 
lihe Pferde (def, um Samarkand). Angebaut 
werden Weis, Roggen, Gerfte, Hirje, Mais, Se— 
ſam, Melonen, Feigen, Baumwolle, Krapp, Tabat, 
Jaulı Kohl, Hülſeufrüchte, Zwiebeln, Kürbiffe, 

urken, feines Obſt, faure Kirihen, Maulbeeren, 
Wein (man verarbeitet die Trauben größtentheils 
zu Eifig, Rofinen, Syrup, zu Naſchwerk, Confect, 
und gebraucht fie zum Berfüßen des Waffers. 
einwohner find die aderbautreibenden Tadjchit 
(Stammwerwandte der Perjer), geringer an Zahl 
die türfischen Usbelen, die Eroberer, noch ge 
ringer Kirgifen, Juden, Hindu 2c. Die Haupt« 
fpraden find Türkisch u. Perfifch, der Islam bie 
allein herrſchende Religion, feine Belenner ftrenge 
Sunniten. Die Bollszahl des Yandes wird auf 
2— 24 Dill. geſchätzt. Die Hälfte diefer Benölferung 
lebt als Nomaden, die andere von Yandbau und 
Gewerben, welche Gewebe aus Bauınwolle, Seide, 
Kamel» u, Ziegenhaar, Yeder, vorzüglich Chagrin, 
Säbel, Meſſer, Feuerwaffen, Wertzeuge u. Putz— 
jachen fertigen. Der Handel mit diejen eigenen 
Erzeugniffen nach dem Auslande ift beträchtlich; 
dagegen wird eingeführt: von Rußland her Muſ— 
jelmm, Leder, Metalle, Farben, Papier; aus Afgha- 
niftan u. Indien engliihe Waaren, Kaſchmirſhawls, 
Zuder; aus China Thee u. Porzellan; der Werth 


Ur⸗zu 20 pCt. 


Verkehr nach Kabul, Indien, OTurkeſtan u. Ruß 
land vermitteln, und Kerfi am Orus, Grenzfefte 
an der Karapanenftraße nah Herat, gilt für den 
Schlüffel zum Khanat. Man braudt 3000 Ka- 
mele für den Handel über Khima nah Aſtrachan 
und Orenburg, 7—800 für den nad Kaſchgar, 
ebenfo viel für den nah Kabul u. Indien. Jede 
Karavane muß ihre Ankunft vorber anzeigen u. der 
Behörde fo lange die Waare überliefern, bis diefe 
die Steuer berechnet und eingezogen bat. Jeder 
Rechtgläubige darf Handel treiben ohne Steuer; 
die Anderen geben Steuern. Juden find redt- 
los, wohnen in bejonderen Bierteln, dürfen nur 
Pelzmütze und Strid als Gürtel tragen, find 
aber reih. Münzen. Goldene Tilla — 13 M 
25 Pig., filberne Tonga — 65 Pig, fupferne Pul 
oder Puldſch — 2 Pig. Maß: Altihin = $ m, 
Gäs — 14 m, Taſch oder Farſang oder Sſäng 
== 99km. Gemidt: Batman od. Män — 160 
bis 190 kg., 1 Batnıan Sir = 4 Batman oder = 
64 Tihairit — 4 Nimtiha oder = 16 Sfäng, 
1 Sſäng = 5 Miskal. Verfaſſung: despotiiche 
Monarchie, beichränft durch die Macht der Priefter. 
Der Herriher ift erbfih und nannte ſich früher 
Khan, jett aber Emir el Mumenin (Beberricher 
der Gläubigen), ſieht aber doch den Sultan von 
Gonftantinopel als feinen geiftlihen Oberen an. 
Er bat zu Berathern den Steuermmifter (Kuſch- 
Begi), den Kriegsminiſter (Inal) u. Obergeiftlichen 
Schäch el Islam), u. ein Geiftlicher forgt auch für 
die öffentliche Sicherheit; Geiftliche find Richter n. 
urtheilen nah dem Koran u. nad Willlür. Man 
ftudirt auf der hoben Schule 15—30 Jahre. Das 
neben gibt es 2000 Boltsjchnien mit 160,000 
Schülern, u. 200 Medreffeb mit je 80 Schülern. 
Die Polizei wird auf das Strengfte u. Graufamite 
gehandhabt; die Stenereinfünfte belaufen fib auf 
3—6 Millionen M aus den Böllen, aus der Kopf» 
jteuer, welde die Nicht-Mohammedaner zn ent» 
richten haben, u. aus dem Ertrage des Landes bis 
Das Heer beiteht aus 20,000 Reis 
tern u. nur 5000 Fußgängern u. etlichen 40 Ka- 
nonen und ift Schlecht disciplinirt. Der Soldat 
wird in Getreidelieferungen bezahlt (jährlich 1000 
kg pro Mann); die Fußgänger führen Yunten« 
flinten, die Reiter Säbel u. Yanze; die Kanonen 
find von Bronze, in jchlechtem Stande u. gemöbn« 
lich noch jchlechter bedient. he 

Geſchichtliches. Bolbara (bei den Griechen zu 
Sogdiana gehörig, von den Ehinejen Anſi genannt), 
der Zielpunft perfiicher Eroberungszüge, ſtand bis 
zum Sturze der Perfiichen Monarchie in Abhängig- 
feit von diefer. In der Folgezeit ein Durchgangs— 
punkt erſt mongoliſcher Herden, dann der Araber, 
gelangte e8 jelten zu ruhiger politiicher Selbftän- 
digkeit. 909 wurde es Hauptitadt der Samani« 
den u. fam nad deren Sturz 993 an die Herr— 
icher von Kathai; 1197 nahm es ihnen Moham— 
med Khan von Kharesn wieder ab; 1219 ging 


des gefammten Umfatses foll 30 Mil. M im!es an Dicingis Khan über, der die Stadt vers 


Jahre überfteigen. Die Mefjer von Hiffar find 
berühmt u. werden von Meflapilgern nach Per— 
fien, Arabien u. der Türkei ausgeführt; auch die 
Ihön damascirten Degenklingen haben Ruf, ebenfo 
Gewebe (Shawis, Tiiher) u. Metallwaaren. Die 


brenuen ließ. Bon Diehingis Khans Sohn, Dſchia— 
gethi, wiederhergeftellt, wurde B. 1370 von Tas 


‚merlau erobert u. blieb den Timuriden bis 1498, 
wo Babur von Schaibel Khan vertrieben wurde, 
Schaibel Khan regierte bis 1510, wo er in der 


Bofharafelle — Bolan-Paß. 


639 


Schlacht bei Merw gegen die Timuriden fiel. Mit|fen u, enthält enge, Frumme u. ſchmutzige Straßen, 


ibnen famen die Usbekiſchen Khane wieder auf den 
Thron von B. Sein Nachfolger Kuſchandſchi ft. 
1529; nad) dem Tode von deſſen Sohn Abu Said 
folgte der Schebainide Abdullah Khan (f. d.), deflen 
fegensreihe Regierung bis 1597 dauerte. Dieje 
Dynaſtie endigte 1599 mit Abdul Mumin, deſſen 
Mörder, Imam Kuli Khan, B. einnahm; diejer 
regierte bis 1642, Nachher wurde das Khanat 
in das von B. u. von Samarfand getheilt, jpäter 
aber wieder vereinigt. 1770 mußte Abdul Feis 
Khan die Oberherrſchaft Perſiens anerkennen, 
wurde jedoch bald von Rahim ermordet, der fich 
losmachte; in der Regierung folgte ihm Murad 
Schah u, defien Sohn Haider Turah (1800— 25). 
Die Khane von B. waren im ftetem Kriege mit 
den Khanen von Khiwa u. von Kholand; auch die 
ihm untergeordneten Fürften von Scher Schabaz 
u. Hiffar erfannten ihre Oberherrlichfeit nicht an, 
u. der von Khunduz plünderte das B, unterworfene 
Balth. 1825 fam Naſſir Schah (Mefjer Ullab) an 
die Negierung. Er regierte gufanglich mit jenem 
Minister Kuſch Belt geredt u. gut, bob das ge- 
ſunkene Anjeben feines Staates nad innen u. außen, 
fiel aber nach deſſen Sturze in wüſte, fanatifche 
Grauſamkeit. Die von der engl. Regierung in diplo- 
matiſcher Miſſion, Freigebung von Gefangenen zu 
erwirken, u. A. an ihn geſchickten Difiziere Stod- 
dart u. Conolly, ließ er nach furchtbaren, jahre: 
langen Quälereien in der Gefangenichaft 1842 
hinrichten, ohne daß Drohungen und Bitten ver- 
mocht hätten, ibn davon zurüdzubringen. Allein 
dem Miſſionär Wolff gelang es, unverjehrt zurüd- 
ufehren. 1853 wurde der Khan von einer Bande 
— * meiſt aus Afghanen beſtehend, er—⸗ 
mordet, und Ildhirim, der bisherige Bezier, ein 
Afgbanenrürft, zum Emir erhoben. Der Krieg 
nut den Ruſſen 1868, durd den er die Provinz 
GSamarland verlor, ſchwächte das Aufeben des 
Emirs bedeutend; Empörungen in allen Thei— 
len feines Heiches braden aus, deren er mur 
mit Mühe Herr wurde. Da er fih in dem ruſ— 
ſiſchen Feldzuge gegen Khiwa 1873 als zuperläj- 
figer u. nügliher Bundesgenoffe bewies, wurde 
ihm ein Theil des von dieſen eroberten Yandes 
am rechten Ufer des Amu zur Belohnung über: 
geben. Indeß ift das Yand durch Verträge und 
Berhältnifie dermaßen von Rußland abhängig, 
daß es kaum mehr als einen ruſſiſchen Vaſallen— 
ftaat vorſtellt. S. Vambery, Gejhichte Trans- 
oraniens, 2 Bde., Stuttg. 1873. Vgl. Örover, 
The Bokhara vietims, Yonden 1845; Wolff, Tu 
ascertain the fate of Col. Stoddart and Cap. 
Conolly, ebd. 1845. Vgl. Mongolei u. Turfeftan. 
2) Hauptitabt des Yandes, 400 m ü.d. M., in 
einer fruchtbaren, an Gärten u. Obſt reichen Dafe 
der MWiüfte, an dem in den Seraſſchan fliegenden 
Waflan u, am Kanal Scheri-Huth, den 12 Brüden 
überjchreiten u. der viel Seitentanäle u. an 90 
Teiche fpeift; 66— 70,000 Ew.; 2500 einftödige 
um ein Hofviered aus Badjteinen gebaute Häufer; 
nur die Karavanferat und Hochſchulen find mehr» 
fiödiqg, da in dem oberen Zimmern der legteren 
Die Studenten wohnen, 
Dreied von 12 km Umfang, it von 7 m bobem 
Erdwall, runden Thürmen u. Baſtionen umfchtojr 





über 360 Moſcheen, Bäder, 110 Schulen, reiche 
Bazar und geräumige Karavanferai. Auf einem 
pügel fteht der zweithürmige Palaft des Emirs. 
As Wunder des Orients gilt die Moſchee Mir« 
gharab, ein Bieret von 100 m, mit einer 34 m 
hoben Kuppel von bimmelblau glafirten Biegeln 
u. einem Minaret, defien Ziegel zu Arabesten zur 
fammengejtellt find. Die Karavanenherberge Ab- 
dallah Dſchanſerai foll die größte der Welt, die 
hohe Schule Kokaltach die berühmtefte jeın, denn 
in B. ftudiren 10,000 Jünglinge Medicin oder 
Theologie. Auch it B. ein Wallfahrtsort wegen 
der zahlreihen Heiligengräber,. einer der größten 
Meppläge Inner-Aſiens, ſowie Sig vielartiger In— 
duftrie. Man verjender nach China, Indien, lit 
tel-Ajienu. Rußland Badobft, Früchte, Glas, Leder, 
Metallwaaren, Reit: u. Zugthiere, Pelze, Läm— 
merjelle, gefärbte und rohe Seide, Rhabarber, 
Daummolle, Baumwollen- u. Seidenzeuge, In— 
digo, Mojhus, Papier, türkiiche Juwelierarbeiten 
u. j. w. und verkauft geraubte Berier auf den 
Stlavenmärtten. In der Stadt ſelbſt wohnen viele 
Tadſchik (Bucharen), aber auch Usbeken, Berier, 
Türfen, Rufen, Afghanen, Kalmüden, Hindu 
Juden ıc, (Geogr.) Fr. Körner.* 

Bokharafelle find feine Felle ungeborener 
jhmwarzer Lämmer, deren Wolle man künftlich glät- 
tete u. fräufelte. Bofhara u. Khiwa verfenden die 
beften, Schiras u. Rum in Perfien geringere. Aus 
ihnen macht man die fußhohen, fegelartigen Pelz« 
mützen der vornehmen Perſer. 

Bokhari, Abu Abdallah Mohammed ben 
JIsmail al B., geb. 810 in Bokhara und geit, 
870 in Chartane bei Samarland; berühmt als 
Sammler mohanmmedanifcher Traditionen, deren 
Zahl fih auf 4000 beläuft; arabiſch herausgeg. 
von Krebl, Leyd. 1862—64, 3 Bde. 

Bokkeveld, drei Landſchaften im meitl. Cap- 
land; das Kalte B. im Norden ift gebirgig und 
vaub; das Warme B., mit fehr milden Klima 
u, vorzüglihen Weideplägen, tft einer der ange— 
nehmſten Diftricte u. läßt, rings von Bergen ums 
ſchloſſen, enropätihe Garten» und Südfrüchte ger 
deihben; das Onder-B,, an der Mündung des 
Olifant-River, liegt hoch u, ift nur zur Viehzucht 
geeignet. 

Bol (Min.), jo v. w. Bolus. 

Bol, Ferdinand, Geſchicht- und Porträt- 
maler, aud Kupferäger, geb. 1611 in Dortredt; 
einer der bedeutenditen Schiller Kembrandts, dem 
er in Färbung, Yichtwirkung und Naturwährheit 
zum Berwechſeln nahe kommt; er ft. zu Amſter— 
dam 1681 (1686). Werke in den Galerien zu 
Dresden: Jakob mit der Himmelsleiter, Alter in 
einem Buche leiend; zu München Pinakothek): 
Das Opfer Abrahams; zu Frankfurt (Städeliches 
Inſtitut): zwei Porträts. 16 Radirungen find von 
ihm belannt. 

Bolaböla, Inſel des Geſellſchaftsarchipels (f.d.). 

Bolanden, ſ. Kirchheim⸗Bolanden. 

Bolanden, Konrad v,, ſo v. w. Biſchoff 8). 

Bolanos, Stadt im mexican. Staate Jalisco; 


Die Stadt bilder ein reiche Silberminen; 1500 Ew. 


Bolan⸗Paß (Bholan), Paß des Brabut oder 


Hala-Gebirges in Belutſchiſtan, über den die 


640 Bolax — 
Straße von Schiharpur in Sindh (Border - Jn- 
dien) einerjeits nach Kandahar (Afghaniftan), uud 
Kelat (Belutiiftan) anderjeits führt. Die Paßhöhe 
Sir-Bolan) 1740 m. Der Paßweg von Dader 
bis zu der fogen. unfrudtbaren Ebene, ungefähr 
85 km lang, an beiden Seiten von fteilen Gipfeln 
eingefaßt u. an manden Stellen nur 15—18 m 
breit, läuft neben dem auf der Höhe des Berges 
entipringenden B.Fluß. Bon 16. März 1839 an 
durdzog die engliihe Armee in mühevollem 
Maridy diefen Weg. As Handelsſtraße fteht er 
hinter den Päſſen am Kabul zurüd. 

Bolax Commers. (Azorella Lam., Chamitis 
Banks), Pflanzengatt. aus der ‚Fam; der Dolden- 
gewächſe oder Umbelliferen (V, 2), perennirende 
Kräuter oder Halbjträucher, ungemein rei ver- 
zweigt, mit dicht beblätterten Grundrojetten, jehr 
compacte, fefte Polfter bildend, jeltener mit auf- 
rechten und beblätterten Zweigen; Blätter unge 
theilt, gezähnt gder handförmig eingejchnitten; bie 
mit feinen Jnvolucralblättern verjehenen Dolden 
find entweder figend, oder geftielt. Bon den 35, 
die Anden SAmerilas, Neu-Seeland und Auftra- 
lien bemohnenden Arten find bervorzubeben: a) B. 
Gilliesii Hook., von den peruaniichen Anden, 
mwelhe ein dem Opoponar ähnliches Harz aus- 
ihmwist, das als ausmurfbefördernd bei WVerjchleim- 
ungen, fowie gegen Kopfihmerzen, äußerlich bei 
Dritfenverhärtungen gebraucht wird; b) der eben— 
falls B-harz liefernde B. glebarius Commers. 
(B. complicatus Spr.), aus dem ſüdlichen Chile, 
von Patagonien u. der Magelhaensſtraße. Engler. 

Bolbee, Stadt im Art. Ye Havre des franz. 
Depart. Nieder- Seine, am gleihnam. Fluſſe, an 
der Weftbahn; reformirte Kirche; Fabriken im 
Baummolle, Judienne, Tafchentüchern, Leinwand; 
BVieh- u. Kornhandel; 12,204 Em. 

Boldyen (fr. Boulay), 1) Kreis im reiche» 
ländiihen Regbez. Lothringen; 730 [km (13’/, 
geogr. [_ JM), an der Nied, von der Eijaß-Lothrin- 
ger Bahn durdzogen; 47,735 Em. %) Stadt 
ebendaf,, Eifenbahnftation; Kreispdirection, Frie—⸗ 
densgeriht, Oberförfterei; chemiſche Stahlwaaren-, 
Leder- und Lackirfabrik, Gerberei; 2376 Ew. 

Bolchow, Kreisftadt im ruſſ. Gouv. Orel, an 
der Nugra; bedeutende Strumpfwirlereien u. Hand» 
ſchuhmachereien, Fabriten in Yeder u. Seide; Han- 
del, 3 ftarf beſuchte Jahrmärkte; 18,491 Em, 

Bole, 1) in Schlefien eine Aderhufe; 2) in 
Schleswig Adermaß; die volle B. wird in halbe, 
viertel u. achtel B. eingetheilt. 

Bolero, jpanifcher Nationaltanz , von zärt- 
lichem Charakter u. mit dem Bewegungen des 
Menuets; beftehbt aus den drei Theilen: Pafeo 
(Promenade), Traverfias (Zraverjs) u. Finale. 
Er wird im ®%, Tact, mit Caftagnetten getanzt u. 
begleitet von einer Either oder mehreren Inſtru— 
menten, auch wol mit Geſang. Zu .3 ober 4 
Paaren getanzt, heißt er Mandyetta, von der 
Provinz Manda, wo er entitand. Geguibdillas 
B. iſt ein von der Guitarre begleitetes Lieb, im 
Tact u. der Anlage des gewöhnlichen B. Kürfäner. 

Boleslaw (Boleslaus), jlav. Name, fo v. w. 
Bogislam u. Boguslav. A. Könige von Po- 
len: 1) 8. 1. Chrobry, d. i. der Tapfere, Sohn 


Boleslaw. 


behauptete fi 992 nad) feines Baters Tode gegen 
deſſen Willen mit Übergebung feiner Brüder im 
ungetheilten Befite des väterlihen Erbes, wurde, 
nachdem er fein eich bereits wefentlich vergrößert, 
von Kaifer Otto III. zum König gefrönt, jagte 
fi aber, als der ſächſiſche Kaiferftamm erloſch, von 
feinen mit diefer Krönung übernommenen Berbind» 
lichkeiten gegen das Reich los. B., der Begründer ber 
Macht Polens u. eifrige Verbreiter des Ehriften- 
thums, ft. April 1025. 2) ®. II. der Kühne, 
eb. 1042, Sohn Kafimirs I.; beftieg 1058 den 

bron, ließ nah Niederlämpfung verjchiebener 
Fehden ſich 1077 zum König frönen, mußte jedoch 
ſchon 1079 wegen jeiner empörenden Gemaltthaten 
— er erihlug den Biſchof Stanislaus v. Krafau 
am Altar — flüchten uw. ft. im der Verbannung. 
3) B. III. Krzywouſti (Krummmaul), Nefie 
des Bor. u. Sohn des Wladislam Hermann, geb. 
1085, ein heidenmüthiger Fürſt; theilte, 1102 zur 
Regierung gekommen, erft mit feinem natürlichen 
Bruder Shigniew, indem er ihm Majovien als 
Lehn gab, verjagte ihn aber nachher, unterftüste 
den Otto von Bamberg in Verbreitung des Chri- 
jtenthbums, gelobte dem deutſchen Kalter Bins u. 
huldigte ihm wegen Pommern u. Rügen; er ft. 
1139, nachdem er 1138 das Neich unter feine 4 
Söhne getheilt. 4) B. IV., Erifpus der 
Braustopf, Sohn des Vor., geb. 1127; befam 
bei der Theilung Mafovien, Eujavien, Kulm u. 
Dobrgzin, erhob fi mit zwei Brüdern gegen den 
4., Wladislam, dem das Hecht allgemeiner Ober- 
berrichaft vom Vater verliehen war, vertrieb die⸗ 
fen u. ward 1146 ſelbſt König, mußte jpäter aber 
deffen Söhne mit Schlefien abfinden; er ft. 
1173. 5) 8. V. der Keuſche, Sohn Leiczels 
des Weißen, geb. 1219; folgte, 9 Jahre alt, die⸗ 
jem unter Vormundſchaft Heinrichs des Bärtigen, 
zeigte fi aber nachmals als ſchwacher Fürſt, un« 
fähig, den andrängenden Mongolen zu mehren, 
wie den fortwährenden Fehden im Innern u, 
namentlich dem Emporftreben des Adels; er ft. 
finderlo8 1279, da er die Ehe mit der 1237 ihm 
angetrauten Kunigunde, Tochter Belas IV. von 
Ungarn, nie volljog. B. Andere Fürſten: a) 
Herzöge von Böhmen: 6) B. L der Gram 
jame, Sohn des Herzogs Wratisiaw u, der Dra- 
homira, die anfangs über ihn u. feinen Bruder, 
den heiligen Wenceslam, die Vormundſchaft führte 
u. ihn bewog, den Legteren zu ermorden, wegen 
defien Ehrifteneifers. 8. folgte dem Bruder 936, 
befannte fih dann jelbft zum Chriftenthum, mebrte 
u. vergrößerte feine Macht gegen die andringenden 
Hunnen; ft. 967. 7) 8. II. der yromme oder 
Keuſche, Sohn u. 967 Nachfolger des Vor., ein 
tapferer Heerführer u. Kämpferfürdas Ehriftenthbum; 
ft. 999; j. Böhmen (Gefch.). Unter ihm wurde die 
lateinische Schrift u, Yiturgie eingeführt. 8) 8. IIL. 
Rothhaar, Sohn u. 999 Nadyfolger des Vor., 
ein mißtrauischer, habfüchtiger w. graufamer Herr- 
jcher, der deshalb auch 1002 einer inneren Eunpör- 
ung weichen mußte u. erft nad) einem Jahre wie- 
der zur Herrichaft gelangte, durch Hufe des Polen- 
fönigs, der ihn aber, nachdem fi aufs Neue die 
Großen wegen feiner Grauſamkeiten empört, bien- 
den u. in den Kerker werfen ließ; er ftarb 1037. 


des Mieczyslaw I., aus dem Haufe der Piaſten; 9) B. I. der Lange, ältefter Sohn des Königs 


Bolcetus — 


Wladislaws II., u. Herzogs von Schlefien, Stamm- 
vater der piaftiihen Herzöge in Nieder-Schlefien; 
erbielt 1163 nebft feinen Brüdern von ihrem 
Oheim, König Boleslaw IV., der ihren Vater 
vertrieben hatte, Mittel-Schlefien mit Breslau u. 
mwurde Stammmvater der Herzöge von Nieber-Schle- 
fien; er fl. 1200. 10) 8. II. der Kahle oder 
der Tolle, Sohn Heinrihs II. von Nieder-Schle- 
fien; war 1241—43 Herzog v. Groß- Polen, erhielt 
dann in der Theilung Liegnitz u. wurde 1251 
Gründer der älteren Yinie Liegnitz; er ft. 1278. 
11) 2. ILL, Hergog von Brieg-Fiegnig, ältefter 
Sohn Heinrihs V., geb. 1291; folgte feinem 
Bater 1296 zu Brieg unter Bormundfchaft bis 
1311 u. 1331 nad) feines Bruders Yadislam Tode 
zu Liegnit; Stifter der Linie Brieg; ft. 1353. Lagai. 
Boletus Dill., Hutpilzgattung der fyam. Hyme- 
nomycetes, Abth. Pileati-Polyporei Fr., mit 
dichtitehenden, leicht abzufchabenden Röhrchen auf 
der Unterfeite des Hutes, worin die Sporen — 
wie auf ben Lamellen des Blätterſchwammes — 
befeftigt find, u. mit centralem Strunke. Eßbar 
find: a) Schmerling (B. granulatus L.), mit 
diden, gelblihen, 8 cm hohem, oben mit Körnchen 
befegtem Strunfe ohne Ring, anfangs braunem u. 
ſchleimigem, dann gelbem Hute, weiß-gelbem, unver- 
änderlihem Fleiſche; Porenſchicht hellgelb. b) 
Steinpilz, Herren pilz, Bilzling (B. edulis 
Bull.), mit halblugeligem, hellem oder dunfel- 
braunem Hute, weißer, Später gelbliher Röhren- 
ſchicht, eirund⸗kno —* Strunfe, der oben netzig 
bezeichnet ift; in Wäldern. (Nah Lenz ift der 
Steinpilz einer der wichtigften eßbaren Schwämme, 
der ſelbſt roh genoffen werden fann.) c) Königs: 
pilz (B. regius Krombh.); Hut blutroth mit gel- 
bem, unten purpurnem Strunfe u. goldgelben Röhr- 
hen. Giftig ift: d) Donnerpilz, Herenpilz 
Saupilz (B. luridus Schäf.); Hut bräunlich, 
Strunk roth; läuft angefchnitten blau an; Röhr- 


hen mit mennigrother Mündung. Eine Barietät 


davon ift der Satanpilz (B. satanas Lenz.), 
mit hellem, bolzfarbigem 8—19 em breitem, ge» 
wölbtem, didem Hute; 5—8 em hohem, 5—10 em 
diem, dunlelrotbem Strunte, 

Boleyn, Anna, j. Ana 9). 


Bolgary (Bolgbar), Dorf im Kreife Spast 


des ruſſ. Gouv. Kafan, an der Wolga; ftebt auf 
den Trümmern der alten tatarifchen oder bulga- 
rischen Stadt Bolghar, von welcher nod) Überbleib- 
fel von Willen, einem merkwürdigen Thurme, 
Bädern, arab. u, armeniihe Grabichriften ꝛc. vor« 
handen find u. wo Waffen, Münzen, Geräthe 
verſch. Art gefunden wurden. 

Bolgrad, Stadt in der unteren Moldau (Ru- 
mänien), am Nordende des Jalpul-Sees; ehemals 
Hauptft. einer bulgariichen Colonie, bis 1856 im 
rufjishen Nieder-Budjater Bezirke (Beflarabien), 
feit dem Parifer Frieden aber mit dem gleichnam. 
Kreife zu Rumänien (Moldau) gehörig; gut ge 
baut; präctige Kathedrale, Friedhofskirche mit 
dem Grabmal des ruſſ. General® Inſow, des 
Gründers der Eolonie; jchöner öffentlicher Garten 
u. viele Privatgärten; Thonwaaren; Talghandel‘ 
etwa 6100 Em, j 

Bolt, Hauptft. des gleihnam Liwa im Bilajet 
Kaftamuni der Aftat. Türkei, 750 km nordweſtl. von 

Pierers Univerfal-Eonverfationseterifon. 6. Aufl. 


III. Band. 


641 


Angora, am Fluſſe Filias; Feder u. Wollenfabrilen, 
Goldſchmieden; 5000 Em, 

Bolingbrofe, Dorf mit Schloß in der eng: 
liſchen Grafichaft Lincoln; 800 Em. Das Schloß 
wurde im 12. Jahrh. von Wilhelm von Romara, 
Grafen von Lincoln, erbaut; der Ort felbft fam 
von den Grafen von Lincoln an die von Lancafter; 
aus diefer Familie war König Heinrich IV, 
der von jeiner Geburt auf dem dafigen Echloffe 
den Beinamen Bolingbrote erhielt. Seitdem mar 
B. eine der Honours der Krone. Im J. 1624 
wurde Pord Olivier St. John Graf v. B. 

Bolingbrofe, 1) früherer Name des Königs 
Heinrich IV. von England. 2) Henry, Baron 
St. John, Biscount von B., geb. 1. Oct. 1678 
zu Batterjea in Surreyſhire; ftudirte zu Oxford 
u. filhrte ein ſehr loderes Leben; er wurde 1701 
Parlamentsmitglied, 1704 Kriegsfecretär, erhielt 
aber, weil er gegen Mariborough intriquirte, 1708 
feine Entlaffung u. hielt e8 nun mit den Xories; 
nachdem er durch Einfluß auf die Königin das Whig- 
Minifterium geftürzt hatte, wırrde er 1710 Staats— 
fecretär u. 1712 zum Baron St. John u. Bis- 
count von B, ernannt. 1712 unterzeichnete er 
in Frankreich die Convention wegen des Waffen- 
fillftandes, welchem der Utrechter ‚Friede folgte. 
AS das Haus Hannover, dein er entgegengear« 
beitet hatte, 1714 den Thron beftieq, verlor er 
fein Amt u. floh nach Frankreich, wurauf er 1715 
des Hocdverrathes ſchuldig u. feiner Güter verluftig 
erflärt wurde. Er trat nun bei dem Prätendens 
ten Zalob III. als Minifter in Dienfte; diefer 
entlieg ihn aber nach der verunglüdten Yandung 
in Schottland. Später wandte er ſich durch Ber: 
mittelung der Herzogin v. Kendal an Georg I. 
u. erhielt die Erlaubniß, nah England zurüdzu« 
fehren, befam aud 1725 feine Güter wieder. 
Er hielt fih nun in England zu Dawley bei 
Urbridge als Privatmann auf, eilte aber, als ſich 
für die Oppofition günftige Ausfihten zeigten, 
nad London, wo er, da ihm das Oberhaus die 
Aufnahme beharrlih verfagte, durch Schriften, 
die bei. gegen Walpole gerichtet waren, auf das 
Volk wirkte. 1735 ging er von Neuem nad 
Frankreich, febrteaber, um bie Erbichaftfeines Vaters 
anzutreten, nad England zurüd, lebte nun im 
Ruhe auf feinen Gütern u. ft. zu Batterſea 18. 
Dec, 1751. Seine Bibliothef u. feine Werte 
(darunter Dissertation on parties; Idea of a 
patriot king; Letters on the study and use of 
history, Lond. 1738 u. ö., deutfch von Betterlein, 
1794) vermadte er dem Dichter Mallet, welcher 
letgtere in Yond. 1754, 5 Bde., herausgab, m. 
Ausg., ebd. 1769, 11 Bde., 1809, 8 Bde. Gie 
enthalten außer den genannten: Betrachtungen 
über das Eril; Geheime Memoiren über die Ans 
gelegenheiten Englands, von 1710—16; Betradht- 
ungen über ben jetzigen (nach dem Aachener Frie- 
den) Zuftand der Nation. In jeinen philofophi« 
ihen Schriften zeigte er fih als Freigeiſt und 
Feind des Ehriftenthbums. Seine Correspondence 
erichten London 1798. In Scribes Yuftipiel: 
Le verre d'eau ift B. eine eig Dal. 
Th. Mac Knight, The life of Henry St. John, 
Viseount B,, Yondon 1863. 

Bolintineanu, Demeter, rumäniicher Dichter, 
41 


Bolintincanu. 





642 


geb. 1826 zu Bolintina in der Walachei; ftudirte 
in Bukareſt u. erhielt dann ein öffentliches Amt, 
verlor daffelbe aber wegen feiner feindjeligen Richt- 
ung gegen die Regierung. Er ging mum 1847 
nah Paris, kehrte aber in der Hevolution 1848 
in fein Baterland zurüd u. redigirte das national» 
demotratiſche Blatt Populul suverano. 1849 
mußte er unter Stirbey das Yand wieder verlaf- 
fen u. lebte in Paris bis zum Ausbruche des 
Ruſſiſch · Türkifchen Krieges, wo er fi nad der 
Türtei wendete u. 1859 von da nad) der Walachei 
zurüdtehrte. Er erhielt im Minifterium des Für- 
ften Cuſa im Mai 1864 das Portefeuille des 
Eultus, gab daffelbe aber nah 3 Monaten wie» 
der ab u. wurde Mitglied des Staatsrathes, ft. 
aber ſchon 1. Sept. 1872 zu Bukareſt. Er ſchr.: 
Gedichte, 1852 u. Ö.; den Roman Manilu u. 
VBeichreibung feiner Neife nah Paläftina. 
Bolivear, 1) County im nordam. Unionsftaate 
Miſſiſſippi, u. 33° n. Br. u. 91° w. L.; 9732 Ew.; 
Countyſitz: Bolivia. 2) B., feit 1857 einer der 
Staaten der Föderativrepublif Columbia; Flächen— 
gehalt 46,000 [jkm (etwa 1000 M); 247,100 
Ew., meift Miihlinge; zerfällt in den eigentlichen 
Staat u. in das Territorium B.; Hauptft. ijt 
Cartagena, bedeutenditer Handelsplat Barranquilla. 
Bolivar, Simon, genannt El Libertador 
(der Befreier), geb. 24. Juli 1783 in Caracas, 
aus einer altipaniichen, reichen Familie; erbielt 
feine Bildung in Madrid u. Frankreich, ſowie 
durch Meifen im übrigen Europa und kehrte 
um 1803 nad Garacas zurüd. 1804—1809 
lebte er wieder in Paris u. focht beim Ausbruche 
der evolution des ſpaniſchen Amerifa (1810) 
u, nachdem er 1811 Waffen aus England erhal- 
ten, ald Oberftlieutenant unter Miranda für die 
Unabhängigkeit jeines Vaterlandes, mußte aber, 
nahdem die Spanier Benezuela unterworfen bat- 
ten, flüchten u. lebte auf Guragao. 1812 nabm 
er wieder theil an dem Kampfe in Neu-Oranada 
u. ward die Seele des Krieges, nahm 1813 
Caracas u, wurde Präfident der Republik Vene— 
zuela, Als die Spanier unter Morillo 1815 wie. 
der anrüdten, enttam er nah Jamaica, wo er zu 
Kingiton faft von einem Meuchelmörder, der feinen 
Bertnachbar ftatt feiner erdolchte, ermordet worden 
wäre; 1816 mit einer Heinen Schaar Abenteurer 
urücklehrend, eroberte er Venezuela u. wurde zum 
berdirector diejes Staates mit Ddictator, Gewalt 
ernannt, als weicher er die Sklaverei als aufgehoben 
erflärte. Morillo u, die Spanier ſchlug er 1818 u, 
1819 mehrmals, zog nad einem kühnen Marſch 
über die Gordilleren in Santa-Féè de Bogota ein, 
fiegte 1821 bei Carababo, befreite 1824 Nieder- Peru 
u. wurde, als er 1825 einen entſcheidenden Sieg über 
die Spanier bei Tamasja erfochten hatte, 1825 zum 
Dictator von Peru ernannt; 1826 wurde er von 
Neuem (mie fchon 1819) zum Präfidenten der 
von ihm aus Benezuela u. Neu-Öranada gebildeten 
Republif Columbia erwählt; da fi aber bald 
darauf Peru u. der nah ihm benannte Staat 
Bolivia, endlih auch Venezuela von der Union 
losfagten, weil man ihn wegen feines willfürlichen 
Berfahrens monarchiſcher Gelüfte beichuldigte, jo 
dankte er am 27. April 1829 ab. Er ftarb 10. 
Dec. 1830 in Santa-Marta. 








Seine Leiche wurde 


PBolivar — Bolivia. 


1832 nach Caracas gebradt und ihm bier 
ein Denkmal errichtet; auch in Lima wurde feine 
eberne Reiterſtatue aufgeftellt. Bgl. Tarrazabal, 
B-8 Yeben, Nem-Port 1866, 2 Bde. ; Correspon- 
deneia general de Libertador Simon B., ebd. 
1865— 1871, 2 Bde. 

Bolivia. I. Geogr. u. Statift. B., Republif 
in SAmerifa; grenzt im N. u. O. an Brafilien, im 
©. an Baragusy, die Argentiniiche Conföderation 
u. Ehe, im W. an den Stillen Ocean u. Peru; 
‚slächengebalt: ungef. 1,300,000 km (23,600 
IM). Das Gebiet Bes beftebt naturgemäß aus 
zwei ſehr verichiedenen Hälften, dem Gebirgslaude 
der Eordilleren im SW. u. dem Flachlande längs ber 
brafiliichen Grenze im NO. jede diefer beiden 
Hälften ift etwa fo groß wie Deutichland. Die 
erftere zerfällt wieder in die regen- u. pflanzenlofe 
Wüſte Atacama am Stillen Meere u. in Das 
Hodhplateau der Cordilleren. In Atacama tritt 
die weftlihe Haupttette dieſes Niefengebirges aus 
Argentina in das Yand ein u. verläßt es wıter 
dem 20. Grade f. Br. wieder, um erft die Grenze 
zwilchen Beru u. B. zu bezeichnen uw. danıı ganz 
Peru anzugehören. Hier bilden die Gordilleren 
bis zu dem 22. Grade ſ. Br. eigentlich feine Kette, 
fondern einen 450 km breiten, gewölbten Rüden, 
aus dem fich zerftreute, mei vulcaniſche Berge 
erbeben, nehmen dann aber Kettenbildung an. 
Die Höhe jenes Rückens beträgt zwiſchen 4000 
u. 4500 m, die der Gipfel dieſes Gebirgstbeils 
überhaupt bis zu 68310 m (im Sajama). Oftlich 
daran fließt fih,"von Ketten der GCordilleren 
umgeben, an der Grenze von Argentina Die 
Hochſteppe El Despoblado (die unbewobnte), mit 
großen Salzlahen, in denen die Flüſſe enden. 
Nördlich von derjelben dehnt fi zwiſchen der 
weſtl. u. der öftl. Hauptlette der Gordilleren, die 
ſich im Gebirgsfnoten von Lipes trennen, Die 
Hochebene von B. oder Oruro aus, welde bis 
zum Titicaca-See an der Grenze von Peru reicht 
u, durchichnittlih 4000 m über dem Meere erha- 
ben u. von fleineren eig Ar durchzogen iſt. 
Die öftlihe Hauptlette der Gordilleren fteigt zu 
ihrer bedeutenditen Höhe öftl. vom Titicaca-See, 
mo mit erwigem Schnee bededte Gipfel emporra- 
gen, der Sorata 7566 m, der Illimani mit 
6503 m xc. Im N. u. O. des Yandes gebt der 
Abfall der Cordilleren nad) u. nach in unabſehbare 
Tiefebenen (Llanos) über. Die geologiiche Be- 
ihaffenbeit B-s ſ. u. Brafilien. Die Gewäſſer 
Bes gehören verſchiedenen Syſtemen au. Dem 
Großen Ocean fließen in Atacama nur Bäche zu. 
Die Flüſſe der Hochebenen, an fih ohne Bedeut- 
ung, enden in Salzlahen. Aus dem großen 
Süßwafler-See Titicaca, welchen B. mit Peru 
theilt, fließt der Desaguadero in den kleineren 
Salzjee Aullagas ab. Der größte Theil B-8 
aber ift dem Amazonenftrome u. dem Ya Plata tri« 
butpflichtig, jenem durch den Beni u. den Rio 
Grande oder Mamore, die, an der Grenze Bra- 
ſiliens ſich vereinigend, den Namen Madeira 
annehmen, diefem Durh den Pilcomayo, einen 
Nebenfluß des Paraguay. Das Klima betref- 
fend, zerfällt B. in drei Stufen: Die kalte bobe 
Puna, wo das Athmen Beichwerde verurjadt, 
über 3350 m body, unfruchtbar, troden, aber ge 


Bolivia. 643 
fund; die Thäfer (Valles), von 3350 bis 1620 m Peſos. B. wird in neun Departamientos einge 
Höhe, warın, ge t u. fruchtbar, u. die NYungas theilt: 1. Atacama (Hauptort Cobija) am Großen 
(tiefe Gegenden), mit iippiger Vegetation, wo Ca. Ocean, 2. Potofi, 3. Oruro, 4. Ya Paz, 5. Cocha- 
cao, Zuder, Ananas, Coca ꝛc. gedeihen; reih an) bamba, 6. Sucre, 7. Tarija im Gebirgsiande, 
Wäldern, aber ungefund, Fieber erzeugend und 8. Beni oder Beni (Hauptort Apolobanıba) u. 
Überſchwemmungen ausgejegt. liber Flora und|9. Santa-Eruz de la Sierra in den öftlichen 
Faund f. u. Amerifa, S. 548 u. 550. Die Ge-|Ebenen. Hanptfiadt u. Si der Regierung ift 
famımntzahl der Bevölkerung belief fich im Jahre) Sucre, früher Chuquiſaca genannt. Die Bere 
1858 angebl. auf 1,987,352 Menſchen, ungerechnet faſſung ift nach der Berfaffungsurfunde (Code 
die nicht getauften Indianer. Davon find nur die|Boliviano) vom 25. Aug. 1826 repräfentativ. 
geringere Hälfte ſpaniſche Ablömmlinge, die gqrö-) An der Spige der Regierung fteht ein auf 4 Jahre 
Bere Hälfte Indianer, unter denen viele, nament- gewählter Präfident, welchem die Wahl eines 
lih von den Stämmen der Chiriguanos (Firigua- | Bicepräfidenten, die vollziehende Gewalt, der Ober- 


nos), Chiquitod u. Mojos (Moros) im O., noch 
mehr aber der Aymara im W. zum Ehriftenthum 
befehrt u. civilifirt find u. ſich durch geiftige 
Fähigkeiten u. mechanische Fertigkeiten — 
nen; andere leben noch unabhängig u. roh an den 
N- u. OGrenzen. Sie ſprechen meiſt das Quichua 
u. Aymara in vielen einzelnen Dialelten. Gin 
nur jehr geringer Theil der Bevöfferung befteht 
aus Negern, Mulatten, Meftizen u. Zambos. Der 
Landbau, meift im O,, gebt beſ. auf Coca (Staats- 
betrieb, jährlih etwa 5 Mill, kg im Werthe von 
3 Mill. Bolivianos) u. Fieberrinde (jöhrlich etwa 
15,000 Etr. zum Werthe von 14 Dill. Bol.), fer- 
ner auf Kaffe, Cacao, Tabak, Baumwolle, Mais, 
Indigo, Zuderrohr xx. Am Titicaca-See baut man 
Kartoffeln, Bambus, Papiermaufbeerenbaum, deffen 
innere Rinde man zn Hemden verarbeitet, perna» 
niihen Balfamftraud, Chinchina ꝛc. Bon Thieren 
werden Rinder, Ziegen, Schweine u. Lama (Bi- 
cuña, Guanako u. Alpala) gezogen. Der Berg. 
bau ift, obſchon feine Producte immer noch jehr 
reichlich vorhanden, durch die Unſicherheit der öfjent- 
lichen Zuftände ſehr heruntergelommen. Bor 300 
Jahren Lieferte Potofi allein für 1 Mill. Pefos, 
jetzt nur noch 150,000; Ende 1871 find jedoch bei 
Eoracoles im Küftendepart. von Cobija neue La- 
ger entbedt worden, bie 1872 bereits eine Aus» 
beute ergaben, weldhe man auf 7—10 Mill, Bol. 
Ihägen fann. Die Ausbeute an Gold ift gering, 
bedeutend dagegen die an Kupfer (1873 Ausfuhr 


befehl über die bewaffnete Macht, die Ernennung 
der Djfiziere, der Minifter u. einiger Finanzbe⸗ 
amten zufteht. Präſident des Staatsrathes iſt der 
jedesmalige Vicepräfident. Das Minifterium (de 
Junern u. der auswärtigen Angelegeubeiten, der 
Finanzen, des Krieges u. der Marine) ift den 
Repräfentanten des Volles verantwortlich.* Die Re- 
präjentanten find in drei Kammern getheilt: Tri» 
bunen, mit der Aufficht über die Finanzen u. die 
auswärtigen Angelegenheiten; Senatoren, mit der 
Anffiht über den Eultus u. die Juftiz, u. Gen- 
foren, die zugleich eine vermittelnde u. ſchieds 
richterlihe Behörde bilden, die Aufrechterhaltung 
der Berfaffung —— u. das Amt haben, 
politiſchen oder ſittlichen Einfluß auf das Bolf zu 
äußern, üben die eigentliche Gejeggebung. Die 
Rechtspflege liegt jehr im Argen, u. es ift fein 
Recht zu erhalten. Landesreligiom ift die fatho- 
liſche; an der Spite fteht ein Erzbiichof, unter 
ihm drei Biſchöfe. Der Unterricht ift jehr mans» 
gelhaft u. nur von 8—10,000 Kindern beſucht; 
von Bildungsanſtalten beſtehen 3 Univerſitäten für 
Juriſten, 24 höhere, 6 Gewerbe» u. Real⸗, 4 höhere 
Töchter u. 400 Elementarjchulen. Die Finan— 
zen befinden fi in ſchlimmem Zuftande; Betrü« 
gerei ift allgemein. Der Staat ift längft banfe» 
rott u. verfchlechtert das Geld. Die Einnahmen 
wurden im Budget für 1873/74 veranſchlagt zu 
2,929,574 Bolivianos (zu 4 M), die Ausgaben 
zu 4,505,504, die Staatsjhuld beträgt 16'/, Mil. 


nad) England 88,750 Etr. Erze); Zinn ift auch Bolivianos. Militär, ausfchließlih der Miliz, 


vorhanden (etwa 12,000 Etr. in Barren jährlich). 
Kupfer fommt vor auf meterdiden Gängen, wird 
auf Pochmwerten zerkleinert u. nad Europa ver- 
fandt. Stein- u. Braunkohlen find in neueſter Zeit 
entdedt worden, ebenjo reiche Galpeterlager an 
der Grenze von Ehile. Guanolager find ebenfalls 
vorhanden, u. zwar im der Nähe der Küſte. Die 
Induſtrie entwidelt fi bloß in Branntwein- 
brennereien u. einigen Wollen- u, VBaummollen- 
webereien. Der Handel ift weniger wichtig, als 
er nad dem Reichthum des Landes (f. o.), fein 
könnte; er wird nur durch einen umbebeutenden 
Hafen (Cobija) unterftütt, der aber vom Inunern 
durch unmwegfame Gebirge abgefchnitten ift. Die 
Aus- und Einfuhr geht daher meift über Arica 
u. Arequipa in Peru. Die Straßen find jchlecht, 
oder fehlen ganz; Eifenbahnen find zwar projec- 
tirt, aber erft einige Meine Streden in Atacama 
fertig; eröffnet ift bis jegt, foviel man weiß, noch 
feine. Wusgeführt werden Silber, Kupfer, Bo» 
rar, Salpeter, Guano, Apafa-Wolle, Ehindilla- 
felle; eingeführt europ. Waaren für etwa 7 Mil. 


gegen 2000 Mann, dazu 8 Generale, 359 Ober- 
u. 654 Subaltern-Offiziere, welche eine jährliche 
Ausgabe von 2 Mill. Peſos verfhlingen. Wap⸗ 
pen, in 4 Felder getheilt, oben: fünf Sterne in 
himmelblau; ‘in der Mitte (rechts): der Brodbaum 
u. (linls) das Pato (eine Art Lama); unten eine 
Abbildung von Potofi; über dem Schilde halten 
zwei Genien das Diplom der Freiheit mit dem 
Namen der Republit. Flagge: dunfelroth mit zwei, 
'/, m breiten, jenfrechten, grünen Streifen; in dem 
rothen Grunde fünf von Ol⸗ u. Lorbeerzweigen um» 
wundene Kronen. Orden der Ehrenlegion, geſtiftet 
1836 von dem damaligen Präſidenten Santa Cruz. 
Münzen: Man rechnet jetzt nach Bolivianos (zu 
4M). Maße u. Gewichte find noch die alten 
ipan.«caftilifchen. Vgl. Bach, Descripcion geogra- 
fica, historica y estatistica de B., Par. 1845, 
nebft Atlas; Boih-Spencer, Statistique commer- 
eiale du Chile, de la Bolivie, du P£rou etc., 
Brüff. 1848; Pentland, The laguna de Titi- 
eaca and the valleys of Yucay, Callao and 
Desaguadero in Peru and B., Lond. 1848; 
41* 


644 


Tſchudi, Neife durch die Anden von Cordova 
nah Gobija, Gotha 1860; Menendez, Manual 
de geografica y estatistica del Alto Peru ö 
Bolivia, Par. 1860; Red, Geogr. u. Statift. der 
Nepubtit B. in Petermanns Mittheil. 1865. 

II. Geſchichtliches. B. bildete ehedem einen 
Theil des alten Reiches der Inka von Euzco. 
Die Spanier drangen 1538 bis in das Hochland 
des jetsigen B., eroberten daſſelbe nad) verzmei- 
felter Gegenwehr der Bewohner, vereinigten es 
mit Peru zum Spanischen Bicelönigreich Peru, 
1780 aber mit Buenos-Ayres zum Bicefönigreich 
La Plata. Ein Aufftand der indianischen Bevöl— 
ferumg, der um diefe Zeit ausbrach, lonnte nur 
durch Die äußerſten Gewaltmaßregeln unterdrüdt 
werden. Beim Ausbruche der ſüdamerilaniſchen 
Revolution hatte ſich bereits im Juli 1809 zu 
ta Paz eine Junta governativa gebildet, 1818 
wurde indeß B. vou den Spaniern wieder in 
Beſitz genommen, erklärte jih jedoch nad dem am 
9. Decbr! 1824 durch den columbiichen General 
Sucre erfochtenen Siege bei Ayacucho zu Anfang 
1825 unabhängig u. brach in der Schlacht von 
Tamasla (1. April 1825) unter Bolwar die 
Macht der Spanier gänzlib. Im Aug. 1825 
erflärten fih die 4 Provinzen Ober Berus: 
Charcas (Potofi), La Paz, Cohabamba u. Santa- 
Eruz, auf dem Eongreß von Ehuquifaca für unab- 
hängig, vereinigten fich zu einem Föderativfrei— 
ftaate u. nannten fidh au Ehren Bolivars Republik 
Bolivia (11. Aug.). Chuquiſaca wurde zum Sige 
der Hegierung u. des Congreſſes beftimmt u, am 
25. Aug. 1826 die von Bolivar entworfene Ver: 
faffungsurtunde (Code Boliviano) angenommen. 
Nach derjelben wurde Sucre (bereits als Groß— 
marichall von Ayacucho an die Spige der Provi- 
ſoriſchen Regierung geftellt) zum lebenslänglichen 
Präfidenten erwäblt, nahm aber die Präfidentichaft 
nur für 2 Jahre an. Das Boll, mit der zu 
wenig demokratischen Berfaffung nicht zufrieden, 
erregte bald Aufjtände, durch welche 1828 Sucre, 
mweihem man herrichiüchtige Abfichten Schuld gab, 
ezwungen murde, feine Würde nicberzulegen u. 
» mit feinen fremden Truppen zu verlaffen. 
Ein neuer Congreß zu Chuquiſaca (1828) revi— 
dirte die Berfafjung u. wählte den General Santa 
Eruz zum Präfidenten, diefer lehnte ab; da maßie 
fih General Belasco deffen Amt an, ward aber ab- 
gelegt, fein Nachfolger, General Blanco, in der Neu- 
jahrsnacht (1828—29) ermordet, worauf Santa- 
Eruz auf Bitten der Proviſ. Negierung die Präſi— 
dentichaft übernahm. Er gab 1831 ein neues Geſetz— 
buch (Codigo Santa-Cruz), ordnete die Finanzen, 
beförderte Aderbau, Gewerbefleiß, Wiffenichaften u. 
Künfte, begünftigte die Einwanderung, ſchloß einen 
Friedens- u, Handelsvertrag mit Peru, verwidelte 
aber B. durch feinen Verſuch, e8 mit Peru gänzlich 
zu conföderiren, in mehrjähr. Kämpfe. Er benutzte 


Bolfenhain — Boll. 


der mit feiner Niederlage 20. Yan. 1839 bei 
Yungay u. feinem Sturze endete, worauf in B. 
Velasco 16. Jumi 1839 zum proviſoriſchen Prä- 
fidenten erwählt wurde. Dieſer ſchloß Frieden 
mit Chile u. bob die Comföderation mit Peru auf, 
fonnte fich jedoch nicht lange halten, da Santa- 
Cruz, der fi unterdeß nah Ecuador begeben 
batte, von feiner Partei wieder zum Präſidenten 
ausgerufen wurde; u. als diejer nicht bald gemug 
'zurüdfehrte, jo ergriff General Ballivian die Zügel 
‚der Regierung. F Präſident von Peru, General 
Gamarra, ſuchte dieſen Parteiſtreit zu benutzen, 
um Ya Paz von B. loszureißen, beſetzte dieſes 
Departamiento im Herbſte 1841 mit 5200 Perua- 
nern, wurde aber am 18. Nov. 1841 von Ballı- 
vian mit 3800 Bolivianern auf der Pampa von 
Ingavi (Incague) geſchlagen u. fiel jelbit auf 
dem Schlachtfelde. Ballivian rüdte nun in Beru 
ein, u. erft im Juni 1842 fam es dur Ber- 
mittelung Ehiles zum Frieden von Pasco (Puno) 
wodurd der Stand vor dem Kriege wiederher- 
geftellt wurde. Ballivian blieb nun nach einem 
‚mißfungenen Berfuche Santa» Eruz’ (1844), fi 
‚von Peru aus der Präfidentichaft zu bemächtigen, 
‚bis 1847 Bräfident u. zog fih dann nah Chile 
zurück, worauf Belasco proviforisch wieder gewählt 
wurde, Die Regierung deffelben war nur von 
furzer Dauer, da er gegen Ende 1848 durch eine 
Milttärrevolution unter dem Kriegsminifter Belzu 
\abgefetst u. diefer zum Präfidenten ernannt wurde. 
Die Folge davon war eine allgemeine Berwirr- 
ung u. ein Bürgerkrieg, bis Belzu 15. Aug. 1855 
dur eine Emeute geftürzt u. General Jorge Eor- 
dova zum Präfidenten gewählt wurde; diefer wich 
im Nov. 1857 dem oje Maria Pinares, diefer 
1861 dem Joſé Maria de Acha, diefer 1864 dem 
General Mariano Melgarejo. Den Legteren fuchte 
im März 1865 der aus Peru einfallende Belzu 
zu ftürzen, wurde aber erſchoſſen, u. Melgarejo 
wußte fih gegen noch mehrere Aufftände als Dic- 
tator bis 1871 zu halten, wo es Morales gelang, 
ihn zu ftürzen, der aber jchon 1872 von feinem 
Neffen (m. in demjelben Jahre Melgarejo von 
feinem Schwiegerfohne) ermordet wurde. Darauf 
trat Tomas Frias als proviforifher, 1873 aber 
Adolf Ballivian als definitiver Präftdent u. Febr. 
1874 wieder Frias an die Spige des Staates, 
welcher bei den fortwährenden Unruhen zu feiner 
glücklichen Entwidelung fommen zu follen ſcheint. 
(Beogr.) F. Körner. Geſch.) Henne-Am Rbyn.* 

Bolkenhain, 1) Kreis im preußischen Regbez. 
Liegnig, Prov. Schlefien; 358, [km (6,20 [IM); 
32,680 Ew.; gebirgig u, zum Theil waldig, aber 
fruchtbar; bewäffert dur Bober und wüthende 
Neiße; Aderbau, Viehzucht; Schwefel, Bitriol, 
‚Kalf,Öranit u. Bolus; Leinenweberei, Baummollen- 
ipinnerei, Garnbleihen; von 14,0 km der jchle- 
ſiſchen Gebirgsbahn durchichnitten. 2) Kreisitadt 














innere Streitigfeiten im Peru dazu, mit einem darin, an der wüthenden Neiße; mechaniſche Webe- 
Heere dort einzurüden, ſchlug den peruan. General fabrit, Cigarren- u. Lederfabrik; 2634 Ew. Die 
Samarra 8. Auguft 1835 bei Euzco, vereinigte, Bolloburg erhebt ſich dicht über der Stadt, und 
die beiden Provinzen N- u. SPeru u. mit ihnen in weiterer Ferne die alte Feſte Schweinhaus, 
B. als Staaten zu einem Gefammtbundesftaate, beides Ruinen. 

unter einer Gentralvegierung, welche ihm als Pro-) Bol, Marttileden im Oberamte Göppingen 
tector auf 10 Jahre übertragen wurde, rief aber des württembergiſchen Donaufreifes; 1450 Em.; 
einen Krieg mit dem eiferfüchtigen Chile hervor, viele Berfteinerungen; Schwefelquelle (Bollerbad) 


Bolland — Bollwerf. 


645 


im oberen ſchwarzen Jura; das Bad jest Aſyl Cheſhire, unweit Macclesfield; ftarfe Seidenweberei; 


für Gemütbstranfe (f. Blumbardt). 

Bolland (Bollandus), Johann von, geb, 
13. Aug. 1596 in Tirlemont, geft. 12. Dec. 1665. 
Er war Jeſuit m. der erjte Bearbeiter der Acta 
Sanctorum, daher feine Nachfolger in dieſer Ar- 
beit Bollandiften genannt werden; ſ. u. Acta 
sanctorum. 

Bollati, Siufeppe, italien, Architeft, geb. 
21. Juni 1819 in Trecate bei Novara; wurde 
zuerft Affıitent an der Ingenieurſchule Brumatis, 
dann an der liniverfität, und zwar zunädhit für 
Architektur, 9 Jahre jpäter für Conſtruction und 
praftiihe Geometrie und jchließlich Vorftand der 
Zeihnungsabtbeilung des 3. Architelturcurſes; er 
ft. 24. Aug. 1869. DB. ift der Erbauer des Pa- 
lazzo San Giorgio in Turin, des Badeetabliffe- 
ments in Valdieri, ferner des Teatro Seribe in 
Zurin u. des Teatro sociale in Biella, fowie des 
Bahnhofes der Eijenbahn Turin⸗Cirie. 

Bollene, Stadt im Arr. Orange des franz. 
Dep. Bauclufe, am Lez (Nebenflng der Rhöne); 
Seidenſpinnerei, Ricinusöl-Bereitung, Ziegelei; 
5703 Em, 

Böller (auch Meertbier genannt) war im 
Mittelalter die Bezeichnung für eine Art Meiner 
Mörſer. Im Kriegsweien fommt diefe Benenn: 
ung nicht mehr vor; noch gebräuchlich für fleine 
Mörfer zum Salutſchießen bei bürgerlichen u. kirch— 
lichen Feiten. 

‚ Bolleta (ital.), Zollihein; daher Bolleten in 

fterreih u. Bayern Begleitfcheine von Waaren, 
welche nach den Zoll- oder Malzfteuergejegen ab- 
gefertigt find. 

Bolletricholz, Holz aus Surinam; gleicht frifch 
rohem Fleiſche, wird aber an der Yuft bläſſer, ift 
ſehr feſt u. dient zu Wollen u. anderen mecha» 
niihen Werkzeugen. 

Bolley, Bompejus, bedeutender deutſcher 
Chemiler, geb. 7. Mai 1812 zu Heidelberg; wurde 
in der Zeit der Demagogenverfolgung wegen Be- 
theiligung an der Burſchenſchaft längere Beit in 
Haft gehalten, ging dann nad der Schweiz und 
wurde Profefior der Chemie zuerft an der Kan: 
tonsichule zu Aarau, dann am Polytechnicum zu 
Züri, wo er 3. Aug. 1870 ſtarb. Er ſchrieb 
iiber den Farbſtoff des Mandelholzes, Aarau 1847, 
und verſchiedene andere Abhandlungen aus dem 
Gebiete der Farbenchemie, im der er Autorität war; 
eine Überſicht über diejelbe gab er in: Altes und 
Neues aus der Farbenchemie, Berl. 1868. Sein 
Handbuch der hem.-techn. Unterfuchungen, 3. A., 
Lpz. 1866, fowie fein im Bereine mit anderen Ge- 
lehrten heransgegebenes Handb. der chem. Tech— 
nologie, 8 Bde., Braunſchw. 1862 ff., find aner- 
fannt vortrefflich u. weit verbreitet. Zahlreiche Ab- 
bandlungen finden ſich auch in Liebigs Annalen, 
in dem 1841 —54 von B. herausgegebenen 
Schweizeriſchen Gemwerbeblatt; 1856 trat an die 
Stelle des letteren die von B. mit Kronauer ber- 
ausgegebene Schweizer. Polytechnifche Zeitichrift. 

ollgarn, jo v. wie Bremer Garı. 

Bollinger, County im nordamerif. Unionsſtaate 


3668 Em, 

Bollmann, Erich, geb. 1769 in Hoya; ſtu— 
dirte Medicin, lebte eine Zeit lang in Karlsrube u. 
ging 1792 als Arzt nad) Paris; bier wurde er in 
die Revolution gezogen u. führte den geächteten 
Grafen Narbonne nah London. Wegen feines 
Berfuches, Yafayette in Olmütz zu befreien, wurde 
er mit Berweiſung beftraft u. ging nach Amerifa, 
1814 fam er nah Europa zurüd, war beim 
Congreß zu Wien und bei der neuen Eirrichtung 
des öfterreichiihen Bapiergeldes mit feinem Rathe 
betheiligt; er lebte dann zu London u. ft. 1821. 

Bollweiler, Dorf im obereliähiichen Kreiie Geb— 
weiler, an der Eljäffer-Bahn; Baummollenweberei; 
Handelsgärtuerei, großart. Baumſchulen; 1231 Em. 

Bollwerk, 1) eigentlich ein Pfahlwerk, d. h. 
ein Werk aus eingerammten Pfählen, welches zur 
Bertheidigung eines Ortes dienen foll. Jetzt 2) io 
v. w. Baftion, welches Wort gebräuchliher, ein 
vorjpringender Theil des Hauptmwalles einer Syeft- 
ung, von dem FFrontal- u. Seitenfeuer (flanfıren« 
des) ausgeht. Das B. befteht aus 2 Facen (Ge- 
ſichts- od. Vorderlinien), deren Feuerwirkung nad 
dem Außenterrain, u. 2 Flanken, deren Feuer— 
wirkung nach dem Seitenterrain gerichtet ift. Der 
Winfel, den die Facen eines Bees mit einander 
bilden, heißt B-swinfel (Baftionsfaillant), die Spitze 
defielben B-sipige (Baftionspunkt, Pünte), die 
Halbirumgslinie des Beswinkels B-scapıtale. Der 
Winfel, den die Facen und Flanken mit einander 
bilden, heißt Schulterwinfel, die Spite deffelben 
Schultewpunkt. Die Flanlen zweier mebenliegen« 
den Bee find durch einen Mittelmall, die Courtine, 
verbunden. Eourtine u. Flanken bilden die Flan— 
fen- od. Courtinenwinfel, deren Spiten Eourtinene 
punkte. Die Berbindungslinte der beiden Courtinen- 
punfte eines umd deffelben B-es wird Kehle oder 
Kehilinie genannt. Der Punkt, wo ſich die beiden 
verlängerten Gourtinen ſchneiden, beißt Keblpunkt, 
der Winfel dabei Kehlwinkel, die Entfernung des 
Kehlpunktes vom Courtinenpuntte halbe Kebllinie. 
Das Innere des Bes iſt der Hof deſſelben. Liegt 
der Hof niedriger, als der Wallgang, fo iſt das 
B. ein bobles, liegt er gleich boch od. höher, ein 
volles.% Der Theil einer baftionirten Befeſtigung 
(. Befeftigungsmanier ©), zwifchen zwei benach— 
barten B»scapitalen beißt eine baftionirte Front. 
Die Linien derjeiben liegen jo zu einander, daß 
die Flanken jowol die Courtine, wie die Facen der 
Neben-B»e beftreihen. Die wirkſame Gemehr-, 
refp. Kartätichihußweite (270, reip. 450 m) ift 
maßgebend für die Entfernung der Flanle des 
einen Bres bis zur Spige der anderen, oder für 
die Fänge der Defenslinie (VBerbindungslinie der 
Spitze des einen Bed mit dem Courtinenpunfte des 
nebenliegenden). Die Länge der legteren ift ge- 
wöhnlich $ der Länge der Frontlinie, d. h. der 
Verbindungslinie zweier B-sipigen. Die Front- 
Iinien haben ſomit meiſt eine länge von 400, 
reſp. 700 m. Die Facen find ungefähr # der 
Frontlinie, alfo 100, rejp. 200 m lang, die Flanken 
4—4 jo lang als die Facen. Die Flanken fteben 


Miffouri, unter 37° n. Br. u. 90° w. Y.; 8162 in den meiften Fällen ſenkrecht zur Defenslinte, 


Em. ; Eifenerz ı. Porzellanerde; Countpfig: Ballas. | 
Bollington, Städtchen in der engl. Grafſchaft 


oder bilden mit derjelben einen ftumpfen, bet 
älteren Bejejtigungen auch wol, aber fehlerh ft, 





646 


einen ſpitzen Winfel. Um die Feuerwirkung der 
Flanken zu vermehren, hat man mehrere, bıs zu 
dreien, binter einander u, über einander angelegt 
(bobe, mittlere u. niedere Flanke), und um Die 
Bertheidigungsmittel derſelben beſſer zu ſchützen, 
beſonders gegen Enſilade zu decken, die Flauken 
zurüdgezogen, od. doppelt gehrümmt geführt. Das 
ın legterem Falle nah außen gebogene, an die 
Facen ftoßende Drittel der rlanfen heißt Orillon 
(Bollwertsohr), von Bauban im feinem erjten 
Spftem u. Eoehorn häufig angewendet. Die Cour- 
fine ift geradlinig, oder nach vorn gebrochen ge 
führt, jelten u. fehlerhaft gefrümmt. Durd die 
felbe hindurch führen die Thorpaffagen. Trifft die 
Verlängerung der B-sface über den Schulterpuntt 
hinaus noch auf die Gourtine, fo heißt das Stüd 
Courtine zwiſchen dem auftreffenden Punkte u. dem 
Eourtinenpunfte Nebenflante (Seconde-zlante), in 
der älteren italienischen ımd niederländischen Be— 
feftigung vielfady angewendet. Später brad man 
die Courtine in der Richtung diefer Berlängerung, 
bis fie mit der Flanle zufammentraf. Das ge 
brochene Stüd der Eourtine heißt Brifüre. Liegen 
die B-e vor dem ununterbrochen um die Feſtung 
berumlaufenden Walle, jo heißen fie abgejonderte 
(detachirte) Be (Vaubans 2. u. & Syſtem); fie 
find ſpitze oder ftumpfe nach der Form des Bes— 
winkels u. abgeftumpite, wenn die Spige defjelben 
abgeftumpft it. Liegt in der Mitte der Courtine 
noch ein gewöhnlich Meineres B., fo heißt daſſelbe 
Mittel-B. Iſt ein ®. Halbirt, fo daß es nur 
1 Flanfe u. 1 Face hat, fo Heißt es Halb-B. 
B-e wurden wahrſcheinlich zuerft von Micheli 1527 
in Berona angewendet. Diejelben waren veränderte 
Thürme (Rondele), deren Rundung zur befferen 
lanfirung gebrochen wurde. Später madıte man 
-e größer, die Courtinen Meiner. Weiter ausge- 
bilder wurde die Befeftigung mit B-en im der Folge 
duch Spedle, Pagan, Freitag, Coehorn, Bauban, 
Gormentaigne un. A. Die Franzoſen haben fie bis 
auf die neueſte Zeit mit Vorliebe angewandt. 
Bol. Prittwis, Lehrbuch der Befeftigungstunft u. 
des Feſtungskrieges, Berl. 1865; Wagner, Grund» 
riß der Fortification, Berl. 1870, 
Bollwerfäthurm (Tour bastionnde), ein von 
Zauban vorgeichlagener baftionartiger, gemauerter 
u. bombenficher eingewölbter, 5feitiger Thürm, aus 
deilen Flankenkaſematten die Gräben der neben- 
liegenden Courtine mit je 2 Geſchützen beftrichen 
werden. Die Plattform des Bes ift auf den Facen 
mit einem Banlet für Infanterie, auf den Flanken 
mit je 2 Scharten fir Gefchüg-Bertheidigung ver- 
ſehen. Eine Stufenpoterne führt in das Innere, 
welches außer den Geſchützkaſematten hinter den 
Flanken noh 5 bis 6 kaſemattirte Vorraths— 
räume hinter den Facen enthält. Den Kern 
bildet ein großer, 5ediger Pfeiler parallel mit den 
Stirnmauern des Thurmes, in welchem 2 Bulver- 
magazine und 1 Borrathsfammer liegen. Das 
Mauerwerk des Thurmes wird durch einen porlie- 
— detachirten Baſtion gededt. Bauban wandte 
ie Bollwerfsthürme 1687 bei der Befeftigung 
von Belfort, 1688 in Landau u. 1697 in Neu— 
Breifah an. 
Bolmen, See in den ſchwediſchen Läns Jön— 
föping u. Kronoberg, 37 km lang u. 7 km breit; 


Rollwerksthurm — Bologna. 
fließt durch den Faga-H in das Kattegat ab; im 


demfelben die lange Inſel Bolmesö, mit vielen 
alten Grabhügeln. 

Bologna, 1) Provinz des Königr. Jtalien, in 
der Romagna u. Emilia, umgeben von den Pro- 
vinzen Modena, Ferrara, Ravenna u. Florenz ; 
3602,, km (65,, [M); 439,232 Ew.; im füd- 
lichen Theil gebirgig dur die Apeninnen, im 
N. in die Niederung der Yombarbei übergebend; 
mehrere Heine Flüſſe (Reno, Pomaro, Silaro, 
Quaderno u. a., die zum Bo abfließen), viele 
Kanäle,, ſowie mehrere wichtige Eifenbahnlinien 
(J. u. 2); eingetheilt in die Diftricte B. Imola 
n. Bergato. Klima im Winter troden u. raub, im 
Sommer heiß. Erzengnifie des fruchtbaren Bodens, 
außer Marmor, Gips, Kreide, Farbenerde u. phos- 
phoriidem Stein, find Reis, Getreide, Hanf, 
Safran, Ol, geringer Wein; außerdem jehr be- 
trädhtlihe Schweine- und Seidenwurmzucht (die 
Bolognefer Seide, die befte im Abendlande); Ge- 
werbthätigfeit befonders in Seidenzeugen, Lein- 
wand und Seilerwaaren. 2) Hauptftadt darin, 
am gleihnam. Kanal, zwifchen den Flüffen Reno 
(über den eine große Brüde von 22 Bogen führt), 
Opoſa u. Savena u. der nad Brindifi führenden 
Überlandsroute, welche hier durch die von Benedig 
nah Livorno führende Linie gefreuzt wird, im 
einer fruchtbaren Ebene am Fuße der Apenninen. 
B. ift eine der älteften, größten u. reichften Städte 
Italiens; 12 Thore, frumme u. enge, aber rein- 
Ihe Straßen; charalteriſtiſche u. originelle Bau- 
art, die Häufer fait alle 3 Stod hoch, viele Stra- 
Ben haben bededte Gänge (Yauben); der Haupt- 
plat ift Piazza maggiore od. Piazza del Gigante, 
jest Piazza Vittorio Emmanuele, verlängert durd 
die Piazza Nettuno, mit dem Neptunsbrunnen, 
zu melden Johann von Bologna die ehernen 
Figuren goß; am demjelben ift das Rathhaus 
(Palazzo pubblico, wo der Yegat wohnte) u. die 
Hauptfirde St. Betronio, mit unvollendeter Bor- 
derfeite (in ihr wurde Karl V. von Clemens VII. 
gefrönt, u. von Caſſini 1653 die Mittagslinie auf 
eine Kupferplatte eingegraben); fat alle Kirchen, 
deren noch 75 find, enthalten jchöne Gemälde; im 
Klofter ©. Stefano, einem Compler mehrerer Kir- 
hen u. Kapellen, find unterirdijche Kapellen, und 
in der Kirche S. Domenico liegt König Enzio be» 
—— der im Palaſte des Podeſta 23 Jahre ge- 
angen aß. Zu den Merkwürdigkeiten B-8 — 
die nahe beiſammen ſtehenden ſchiefen Thürme 
Torre degli Asinelli (67 m hoch, 1,, m abwei— 
hend von der ſenkrechten Linie) und Garisenda 
(52 m bod, 2,,; m abweichend u. abfidhtlich ſchief 
gebaut), beide nach den Erbauern benannt. B. ift 
der Sig eines Präfecten, Erzbiichofs, Appellations» 
hofes, Generalcommandos, eines Handelstribunals, 
einer Minze, einer Bank, Handelsbörje (1856 er- 
öffnet) u. einer Univerfität, welche aus der 425 
n. Chr. vom Kaifer Theodofios II. gegründeten 
Hectsichule 1119 dadurch entftand, daß die an« 
deren Facultäten fih mit derſelben verbanden; 
ehedem zählte fie 5—6000, jest kaum 600 (1872 
bis 1873 577) Studenten; Irnerius, Wo, Gras 
tianus, Accurſius, Malpighi, Caffini, Mezzofanti 
machten fie berühmt; fie war lange die bedeu⸗ 
tendjte Rechtsſchule in ganz Europa, aber der 


Bologna. 


647 


fteife, pedantifche Bolognefer Doctor ift auf dem|Aftronomen Marfigfi, der Malerin Girani, des 


italienischen Theater fiehende Maske; an ihr lehr- |fprachlundigen Meszofanti. 


ten auch bis in die neuere Zeit mehrere Frauen 
in verfchiedenen Wiffenfchaften, fo Laura Baffı 
(j. d.); der Graf Marfigli wendete um 1712 fein 
ganzes Vermögen an die Umiverfität u. das damit 
verbundene Inſtitut der Wiffenfchaften, Accademia 
od. Institutum artium et ecientiarum, 1690 von 
Manfredi geftiftet u. von Jenem erweitert, wo in 
einem Palafte die Sternwarte, das Anatomifche 
Theater mit ſchönen Wachöpräparaten, das von 
Aldrovandi errichtete Naturaliencabinet, phyfifali- 
ches Eabinet, hemifches Laboratorium, Antiten- 
fammlung, Modelllammer für Kriegs- u. Marine 
wiſſenſchaft befindfich find. Die Univerfität befitst 
außerdem noch eine Bibliothek von 150,000 Bäns 
den u. 6000 Handichriften, die Bibliothef Mag- 
nani mit 30,000 Bänden, ein Medaillencabinct u. 
einen ber reichften Botanischen Gärten. In B. 
find noch eine Ingenieur- u. Artilferiefchule für 
30 Böglinge, auch eine Medicinifhe u. Aderbau- 
gefellichaft, mebrere Akademien, außer der jchon 
erwähnten die Philharmonishe Akademie (Mufik- 
fchule) u. die Accademia delle #elle arti, die von 
Bapft Clemens XIII. einen geborenen Bolognejer, 
ihrem Stifter, den Namen Acvademia Clementina 
bat, von ihm mit vielen Kunftfachen bereichert u. 
mit jenen Institutum artium et seientiarum ver- 
einigt wurde; enthält jetst in ihrer Pinacoteca die 
aus Kirchen nah Paris u. Mailand geichafften u. 
von da 1815 zurüdgeforderten Kunftgegenftände, 
und fonft die fchönften Werte der Bolognefischen 
Schule, ebenjo eine Wafjenfammtung; mit ihr ift 
eine Unterrichtsanftalt fiir Maler verbunden. Andere 
Gemäldegalerien in verfchiedenen Paläften. Auch 
das Rathhaus enthält manche Kunftgegenftände u. 
das Arciginnafio, eine Bibliothef von 100,000 
Bänden, u, ein Museo Civico mit ägypt., etrusf. u. 
urgefhichtlihen Sammlungen. B. hat fünf Theater, 


Val. Gatti, Guida 
delle piü rare cose di B., 1813; Bannoni, Sugli 
scavi della Üertosa, Bol. 1871. 
Geihichtlihes. B. war unter dem Namen 
Felſina ſchon vor Roms Entftehung gegründet 
worden u. fcheint eine Hanptitadt Etruriens ge- 
weien zu fein. Nach der Einwanderung r Bojer 
in Ober-talien nahmen diefe von Felfina Beſitz 
und machten e8 zu ihrer Hauptſtadt. Nach dem 
zweiten Puniſchen Kriege wurden die Bojer ver- 
trieben, u. die Römer fchidten 189 v. Chr. eine 
Eolonie nad Felfina, mwelhe den Namen Bononia 
erhielt, von Auguftus vergrößert wurde u. oft die 
Nefidenz von Kaiſern u. Ufurpatoren war. Nad)- 
ber gehörte B. zum Bezirke des Exarchats u. kam 
mit demfelben unter die Yongobarden, nad) deren 
Untergang Karl d. Gr. e8 zu einer Freien Stadt 
erhob, die nad u. nach ein bedeutendes Gebiet 
gewann. Seit diefer Zeit fchreibt fich ihre Wich— 
tigkeit durch den Handel u. ihre Berüihmtheit Durch 
die 1119 geftiftete Univerfität (Nechtsichule) her; 
fie wurde unter Leitung des Irnerius (geft. um 
1140) die Hauptftätte des Studiums Römiichen 
Rechtes u. erhielt von dem ihre Bedeutung ſchätzen— 
den Kaifer Friedrich I. 1158 auf dem Roncaliſchen 
Reichstage die erften Privilegien. In dem Streite 
zwifchen den Guelfen u. Ghibellinen ſtand B. als 
Glied des Lombardiihen Bundes meift auf Seiten 
der erjteren u. wuchs dabei durch Eroberung der 
Nahbarftädte zu folder Macht, daß es ftets 
40,000 Dann in das Feld ftellen konnte, den 
beften Theil der Romagna an fi riß u. in dem 
13jährigen Kampfe des Kaijers Friedrich II. gegen 
den Lombardiichen Städtebund nicht nur deſſen 
Macht trotzte, jondern auch feinen Sohn Enzio ſchlug 
u, gefangen nahm. Indeß führten Parteiungen 
im Innern den Sturz der Republik herbei; mehrere 
einflußreihe Familien befämpften einander heftig 


darunter das Teatrg Comunale, eines der größten|u. vertrieben ſich gegenfeitig aus dem Beſitze der 
in Italien; Muſik wird hier fehr cultivirt, m. audh| Gewalt, welche unter diefen Umftänden bald ein- 
die Malerei hatte hier einen Hauptfig. Wohlthätig- |zeinen Dynaften, bald den Päpften anheimfiei. 
feitsanftalten: mehrere Spitäler, Waifenhäufer, ‘fm 14. Jahrh. kämpften die Pepofi mit den 
Findelhaus, Jrren- u. Taubftummenanftalt, Alter» | Päpften um die Herrichaft, u. feit 1401 war diefe 


thiimer: Bäder des Marius, Tempel der Ffis, jett 
eine Kirche; in der Nähe das Dlivetanerflofter ©. 
Michele in Bosco u. auf einer Anhöhe die Wall- 
fahrtstirhe Madonna di S. Luca, mit einem an— 
geblih vom Evangeliften Lucas gemalten Bilde 
der Madonna, wohin faft 1 Stunde von der Stadt 
ein bededter Sänlengang von 635 Bogen führt. 
Ein anderer Säulengang führt, fi) von diefem ab» 
zweigend, zu dem auf Napoleons Befehl erbauten 
Begräpnigplage (Campo Santo) in der Certosa 
(ehemal. Karthäuſerkloſter, mo der alte Begräbniß- 
plag von Felſina ausgegraben wurde) mit Schönen 
Dentmälern an den Umfaſſungsmauern. yabrilation 
von Salami, Maccaroni, Yilören, wohlriechenden 
Seifen, kiinitliben Blumen, Papier, Tabat, Glas, 
Strohhüten, Seidenjpinnerei u. Weberei; anfehn- 
licher Handel mit diefen Erzeugniffen, 115,960 Ew. 
in der Gemeinde, davon jedoch nur 89,104 in der 
Stadt jelbft. B. ift der Geburtsort von 8 Päpften, 
vielen Gardinälen, Gelehrten u. Künftlern, als des 
Aldrovandi, Adillini, der Garraccı, des Guido 
Neni, des Galvani, des Anatomen Malpighi, des 


in den Händen des Haufes Bentivoglio, bis das— 
felbe 1512 von den Päpftlihen vertrieben u. B. 
unter dem Papſte Julius II. mit dem Kirchen» 
ftaate vereinigt wurde, B. wurde nun zur päpft- 
lichen Delegation gemacht und gemeiniglih von 
einem Cardinal verwaltet, es hatte fich aber nur 
gegen fürmliche Berbriefung feiner Freiheiten un- 
terworfen. Hier wurde 22, u. 24. Febr. 1530 
Karl V. durch Papft Clemens VII. gekrönt (letzte 
in Ftalien ftattgefundene Kaiferfrönung). 1547 
wurde das Concil von Trient hierher verlegt u. 2 
Situngen dafelbft gehalten (ſ. Tridentiner Concil). 
1796 fam B, durch die Franzoſen zur Cisalpini— 
hen Republit (f. Franzöſiſcher Revolutionstrieg), 
jpäter fanımt Gebiet al$ Departement Reno zum 
Königreih Ftalien; 1815 wurde es wieder mit 
dem Kirchenftaate vereint. Am 5. Februar 1831 
brad in B., dem Mittelpunfte des Vereinigten 
Italien, eine Revolution aus, infolge deren der 
päpftl. Delegat floh u. von den Empörern eine pro- 
viforifche Regierung eingejegt wurde. Durch Öfter- 
reichs Fntervention wurden zwar bie empörten 





648 


Bologna — Boljena. 


Städte umter bie päpftl. Regierung zurüdgebracht, | Reiterftatue Coſimos I. auf der Piazza del Gran⸗ 
da aber im Dec. 1831 neue Unruhen bier ausbra- |duca in Florenz; die Zeichnungen zu den Bronze- 


chen rüdten am 28. Jan, 1832 die Öfterreicher 
abermals unter Grabomsti in B. ein, ftellten das 
frübere Regiment wieder ber u. räumten die Stadt 
erit 30. November 1838 wieder; |. Rom GGeſch.). 
Infolge neuer Unruhen 1843 wurde eine Mili- 
tärxcommiffion in B. eingelegt, melde durch ihre 
Strenge, durch die Berbaftung einer Menge von 
Bürgern die Unzufriedenheit nur noch mebr fteigerte, 
jo dag B. an dem italienischen Bewegungen der 
folgenden Jahre nod Icbhaften Antheil nahm u. 
zu dem Unabhängigfeitstampfe des Jahres 1848 
eine ftarfe Anzahl Freiwilliger ftellte. Nachdem 
Anfangs Mai neapolitaniihe Truppen die Stadt 
bejetst, gab deren Abzug Ende Mai Anlaß zu neuen 
Unruhen. 5. Auguft erichien der öſterreichiſche ‚Feld: 
marſchalllieutenant Weiden vor B. u. ſandte Offiziere 
in die Stadt, um wegen der Beſatzung zu unter— 
handeln; da dieſe aber ermordet wurden, ließ 
er die Stadt mehrere Stunden beſchießen u. be» 
fegte fie am 7., um fie jedoeh ſchon am nächſten 
Tage zu räumen unter großem Berlufte an Todten 
u. Sefangenen. Am 8. Dat 1849 kam wieder ein 
öfterreichiiches Corps unter Feldmarſchalllieutenant 
Wimpfen vor B., das fi ihm 16. Mai nad 
wiederboltem Bombardement ergeben mußte, von 
5000 Oſterreichern neu bejett wurde u. von da 
ab eine öfterreichiiche Garniſon behielt, bis zum 
Ausbruch des Krieges von 1859, infolge deſſen 
B. fih vom Kirchenſtaate trennte, der Emilia ſich 
anichloß u. 11. März 1860 den Anſchluß an Sar— 
dien erflärte. Vgl. Savioli, Annali della eittà 
di B., Baſſano 1788— 95, 3 Bde.; Guidicini, 
Cose notabili della eitta di B., Bol. 1869 — 74, 
bish. 5 Bde. (Geogr.) Henne am Rhyn.“ EGeſch.) Lagai.“ 

Bologna, Giovanni da, berühmter Bild- 
bauer, geb. 1524 zu Douat in Flandern, geit. 1608 
zu ‚Florenz; Sohn eines Bildhauers, ward er ein 
Schüler dejjelben u. des J. de Breuf, ging 1544 
nad Rom, wo er 2 ‚Jahre lang unter Michel Angelo 
arbeitete, In Florenz fand er einen bedeutenden 
Wirkungskreis u. ſchuf feine bedeutendften Werte, 
Im Leben von Fürſten hochgeehrt, fand er nad 
feinem Tode im der von ihm reich ausgeftatteten 
Kapelle in Sta. Annunciata zu Florenz feine Ruhe— 
ftätte. B. zählt zu den bedeutendften Nachfolgern 
Michel Angelos, den er an Harmonie der Geftalt- 
ung u, an Vollendung der Technik fogar übertrifft, 
wie er auch fi mehr von Manier u. Übertreib— 
ung freizubalten wußte, als Bandinelli u. jeine 
übrigen Zeitgenofien, Mit einem glüdlihen Talent 
für Anordnung u. Gefammtwirkung begabt, zeigt 
er überall eine tiefgebende Kenntuiß der Anatomie 
des menſchlichen Körpers. Aber der Kühnheit u. 
Schönheit der Anlage u. der meifterhaften Dar- 
ftellung entfpricht der geiftige Inhalt nur felten; 
die Form wiegt über das Weſen vor u. entbehrt 
meiſt der Individualität. Hauptwerfe: der Neps 
tunsbrunnen in Bologna ; der Raub der Sabinerin- 
nen, in der Yoggia de Lanzi in Florenz; Mercur 
u. Piyche, in Verfailles; der Ofeanos u. die drei 
Stromgötter, im Garten Boboli zu Florenz; der 
Niegende Mercur, in den Uffizien zu Florenz; die 
Koloffalftatue des Apennin im Pratolino; Hercules 
u. Nefjus, in ber Loggia de Yanzi zu Florenz; die 


tbüren des Domes in Pija. Regnet. 

Bologneſer Flaſche (Springfolben), Meine, 
raſch (nicht im Kühlofen) gekühlte, kolbenförmige 
Flaſche aus ſehr dickem Glaſe; der Bauch derſelben 
widerſteht einem ziemlich ſtarken Stoße od. Schlage 
mit dem Hammer oder einem abgerundeten Körper 
von außen; läßt man aber einen harten u. edi« 
gen Körper, 3. B. ein Stüdchen Quarz, Feuer 
jtein u. dgl, in Die Höblung fallen, jo zeripringt die 
Flaſche mit einem Knall in ganz Heine Bruchſtücke. 
Bol. Hartalas, 

— ade f. u. Hund. 

Bolognejer Kreide (Bononiihe K.), eine 
leichte, in Kuchen geformte, geſchlämmte Kreide, 
die über Trieſt ausgeführt wird u. als Anftrich- 
farbe dient. 

Belognefer (Bononiiher) Leuchtſtein, pbos- 
phorefcirendes Schwefelbargum, ‚aus gepulvertem 
ſchwefelſaurem Baryt (Schweripath) mit Tragantbh- 
ſchleim oder Eiweiß und Kohle durch Glühen dar- 
geitellt; von dem Bolognejer Schuhmacher Bin- 
cenzio Gascariofo erfunden. 

Bolognejer Spath, eine bei Bologna vor« 
fommende Barietät des Schwerjpatbs (ſ. Baryt); 
bildet faferig-ftrablige, fugelige Concretionen. 

Bologomwo, Station der Betersburg-Mostauer 
Eiſeubahn u. der Yinie Rybinst-Bologowo, im 
ruſſ. Gouvern. Nowgorod, 

Bolor⸗Dagh, ſ. Bolur-Dagh. 

Bolſchaja, ein im füdlichſten Theil Kam— 
tichatfas entſpringender ſchiffbarer Fluß, der ſich 
in das Ochotskiſche Meer ergießt; an feiner Münd— 
ung ein Leuchtthurm. Die Stadt Boljherezf an 
der B. (600 Em.) war früher Sit der Vermalt- 
ung don Kamticatla. 

oljee, Hieronymus, zuerft Karmeliter- 
mönch; verließ Frankreich um der Religion willen 
u. ftudirte in Genf Medici. Bon Calvin wegen 
jeiner Bedenken gegen die Prädeftinationslebre zur 
rechtgewiejen, begab er fih von da 1551 nad 
Vevey, jpäter wieder in die Nähe von Genf. Als 
er bier öffentlich in einer Kirche in den ftärfiten 
Ausdrüden Calvins Prädeftinationslehre anarifi, 
ließ fih Calvin, der ohne fein Wiflen zugebört 
hatte, in eine öffentliche Disputation mit ihm ein 
u, veranlaßte feine Ausweifung aus Genf unter 
Androhung der Prügelftrafe. B. ließ ſich hierauf 
in Thonon nieder, Aud von hier vertrieben 
ging er nad Frankreich zuriid u. wurde wieder 
fatholifh. Seine Histoire de la vie de Jean 
Calvin (1577) ift ein Bamphlet. Seiner Präbe 
ftinationslehre, die ungefähr die Tridentiniſche ıft, 
jegte Calvin, da B. anderwärts in der Schweiz 
Anklang fand, 1552 den jog. Consensus Gene- 
vensis entgegen. Loffler. 

Bolſena, 1) Marltflecken im Diſtr. Viterbo der 
ital. Prov. Rom, am See gleichen Namens; 2692 
Ew.; uralte, einft reiche Stadt der Etrusker, Vol: 
finit oder Bulfinii genannt, 294 dv. Chr. von den 
Römern erobert und zerftört, fpäter an jetiger 
Stelle wieder erbaut. 2) See von B. (Lago di 
Bolsena, fonft Lacus volsiniensis, L. tarquinius), 
37 km in Umfange; fließt durch die Marta 
in das Tyrrhen. Meer ab und war ſonſt wegen 


Boljon de Mapimi — Bolzano. 


feiner Male berühmt; von feinen 2 Infeln Bijen- 
tina u, Martana hatte Bapft Leo X. feinen Herbit- 
aufenthalt auf erfterer, u. auf legterer lebte Ama— 
laſuintha, Theoderihs Tochter, in der Berbann- 
ung und wurde 534 auf Befehl ihres Gatten 
Theodatermordet. Die hübſche Umgegend ift ſehr un— 
gejund u. hat mehrere Alterthümer des alten Volſinii. 
Bolfonde Mapimi, ein wilder, felfiger Diftr. in 
den Staaten Coahuila u.Chihuahua der mericanifchen 
Republif; nur von Fndianerflämmen bewohnt. 
Dolsward (Bolswerd), Stadt im Bezirke 
Sneek der holl. Prov. Friesland, an der Bols- 
warder Treefwaard, Seitentanal des Kanals Sneel; 
Ihöne Kirche mit einer meifterhaft geichnitten 
Kanzel; lateinische Schule; Fertigung von Wollen- 
zeugen; Butter u. Käfehandel; Schifffahrt; 4630 
Ew., wovon 3900 im Orte felbit; Geburtsort des 
friefifchen Dichters Gysbert Jakobsz (ft. 1666). B. 
war früher befeftigt u. gehörte zu den Hanjeftädten, 
Bolswerd, 1) Boktius v. B., geb. 1580 in 
Bolswerd, u. 2) Schelte, geb. um 1586 ebd., 
Bruder des Vor., beide treffliche Nupferftecher. 


649 


nen u. beichäftigte 1871 Schon an 900 Arbeiter. Die 
Eifeninduftrie ift ebenfalls erheblich und beſchäftigte 
1871 in 30 Gießereien u. Mafchinenfabriten über 
4000 Arbeiter. Außerdem find noch Seifenfiedereien, 
Papiermühlen und chemiſche Fabrifen vorhanden. 
82,853 Ew.; in der Umgegend Gteinfohlenlager, 
Die Tertilindnftrie (urfprünglih Wollenntanufactur 
blühte ſchon im 14. Jahrh.), hier conftruirte Ark— 
iwright eine Spinn- u. Water Frame-Mafhine u, 
Erompton erfand die Mulemafchine. Hier wurde 
1651 Graf Derby enthauptet. Schroot. 

Bolur-Dagh (Belur-, Bolor-D.), ein unter 
91° 5. L. u. zwiſchen 35° bis 40° n. Br. von 
SO. nah NW, ſich erftredender, im Zaghalma 
die Höhe von 6384 m erreichender Gebirgszug 
des centralen Afiens, der die Berbindung zimi« 
ihen dem Himalaja u. Thian-Schan bildet. Die 
näheren Berbältniffe dieſes Gebirges find noch fehr 
dunkel. (Bgl. Afien u. Centralaften.) 

Bolus (lat., Biffen), Arzneiform für Menichen 
u. Thiere, pillenartig u. von Pillen nur durch 
Größe u. etwas weichere Gonfiftenz verichieden; 


Der erftere, auch Romandichter, ſtach bei. nach] bis 2 Dradmen wiegend, um fie anf einmal 


Rubens, u. a. defien Abendmahl u. Erwedung 
des Lazarus, Kreuzigung u. Urtbeil des Salomon 
u. veridiedene Bilder von Bloemaert; der zweite 
ſtach ebeufall3 mehrere Platten nad jenen Mei- 
ftern, auferdem aber nad van Dyd (Engelfönigin, 
Ehriftus am Kreuze), nah Jordaens (‚Fzamilien- 
concert) 2C., 

Bölte, Amely, deutſche Romanicriftitellerin, 
geb. 6. Oct. 1811 zu Rehna in Medienburg« 
Schwerin; erhielt eine forgfältige Erziehung, bil? 
dete fi zur Lehrerin aus, ging als jolche 1839 
nah England, kehrte 1851 nah Deuiſchland zu: 
rüd, lebte längere Zeit in Dresden, jpäter im 
Marburg, Stuttgart zc. u. jchrieb num eine Reihe 
von Nomanen n, Erzählungen, in denen fie fich 
jedoch jelten tiber die Mittelmäßigfeit erbebt. Die 
Werke: Das Bifitenbuch eines deutihen Arztes in 
London, Berl. 1852, 2 Bde.; Eine deutiche Pa- 
lette in London, Berl. 1853, bieten nur oberfläch— 
liche Schilderungen des Lebens in England; Die 
biographiihen Romane: Frau von Stakl, Prag 
1859, 3 Bde; Juliane von Krüdener u. Kaifer 
Alerander, Berl. 1861, 6 Bde; Windelmann, 
ebd. 1862, 4 Bde.; Vittorio Alfieri, ebd. 1862, 
2 Bbe., u. a. find zwar mit vielen biftorifchen 
Nachweifungen ausgeftattet, liefern aber dennoch 
feine jcharfen, Iebenswahren Charakterzeichmungen, 
eben auch kein anichanlıches Bild der betreffenden 
Beit Neuerdings beichäftigt fih Amely B. an— 
gelegentlich mit der Frauenfrage u. ſchrieb noch: 
Wohin führt es? Wien, Peſt u. Lpz. 1874, 2 Bbe. 

Salomon. 

Bolton (B.-le-Moors), Stadt in der engl. 
Grafſchaft Lancaſter, am Croach, in jumpfiger Gegend 
am Manchefter-Bury- Kanal; einer der eriten Fabrik⸗ 
orte Englands; zahlreiche Eiienbahnverbindungen 
(Brefton, Liverpool, Mancheſter, Leeds) u. Kanal 
nach Manchefter; ift ſchön gebaut; großartige Martt- 
halle ; bedeutende Baunwollenmannfacturen, welche 
über 20,000 erwachſene Arbeiter beichäftigen und 
hauptſächlich Muffelin, Calicot, Pigque, Barchent 
u. ſ. w. berftellen; große Bleichereien dienen diefer 
Induſtrie. Auch die Seidenmannfactur hat begon- 


zu verihlingen u. übel jchmedende Ingredienzien 
auf diefe Weiſe leichter beizubringen. 

Bolus (Bol, vom gr. bölos, Scholle), erdiges 
Mineral von ſchwachem Glanze u. mufcheligem Bruch, 
welches ſich fettig anfühlt, an der Zunge klebt u. 
in Waſſer, ohne zu erweichen, in edige riice zer⸗ 
ſpringt; jpec. Gem. — 2; e8 ift gelblich, röthlich, 
rothbraun bis ſchwarzbraun gefärbt. Sein Vor— 
fommen auf Klüften u. in Neftern, im Bafalt u. 
ähnlichen Gefteinen, ſowie feine ſehr wechſelnde 
Zuſammenjſetzung (durchſchnittlich 42 pCt. Kiefel- 
erde, 24 pCt. Thonerde, 10 p&t. Eiſenoxyd und 
24 pCt. Wafjer) machen es höchſt wahrſcheinlich, 
daß er ein Zerſetzungsproduct eiienhaltiger Silicate 
ft. Fundorte: Siena bei Toscana (Sienifche Erde, 
Terra di Siena), Striegan in Schlefien (Striegauer, 
Erde), auf der Inſel Lemnos (Lemniſche Erde) 
Sinope in Klein-Ajien (Zinopiiher B.), Habichts- 
wald u. Marburg in Heſſen, Dransfeld bei Göt- 
tingen, Scheibenberg, Deiltiz u. Stolpen in Sachien, 
Koſſalow bei Gabel in Böhmen, Futſchenrod a. d. 
Rhön, Montaleger im Balais u. Berry in Frankreich, 
Grafſchaft Antrim in Irland, Ungarn, Armenien 
(armenicher B.), Norwegen zc, Wo er in großen 
Mengen auftritt, wie bei Leimnitz, wird er gewöhn— 
lich mit Lehm vermiſcht u. zu Ziegeln gebrannt, fonft 
zur Anfertigung von Pfeifenföpfen u. Thonwaaren, 
zum Grundiren vergoideter und verfilberter Holz= 
waaren, in der Fresco-, Tapeten» u. Olmalerei, 
auch als Manrerfarbe, als Kitt, zur Bertilgung 
von Fettiflecken, die Terra di Siena als Farbe zu 
brammen Kupferftiben angewendet; der aus Berry 
in Frankreich bezogene B. wird durch Galciniren 
in eine vothe Farbe verwandelt, die als Englifches 
Noth in den Handel kommt, Früher fand der B, 
als Arzneimittel unter dem Namen Siegelerde 
(Terra sigillata) Verwendung; man formte Heine 
Kuchen daraus u. verſah diefelben zum Zeichen der 
Echtheit mit einem Siegel. Heger.* 

Bolzano, Bernhard, Theofog, Philofoph, 
Mathematiker, geb. 5. Oct. 1781 zu Prag; murde 
1805 Profefior der Religionsphilofophie an der 
dortigen Univerfität, aber 1820 auf die Weiger- 


# 


650 


Bolzen — Bombax. 


ung, 4 in feiner Lehre als ketzeriſch bezeichnete/guft 1854 mährend des Krieges von der Dftiee- 


Punfte zu widerrufen, abgefegt; lebte jeitbem zurüd- 

ezogen u. entridelte eine große fchriftftelleriiche 
Thätigfeit, deren Früchte ihm durch die öſterrei— 
chiſche Cenſur verfümmert wurden; er ft. 18. Dec. 
1848. B. mar äls Theolog ratienaliftiich, in Fra— 
gen der Kirchenverfaffung Weffenbergifh gefinnt, 
in der Philofophie zumeift von Leibniz befriedigt. 
Viele feiner Schriften find noch ungedrudt. Er- 
fchienen find: Erbauungsreden, Prag 1815, 2. 
A., Sulzbah 1839; Schreiben an Theiner 1827, 
an Tzichirner 1828; Lehrbuch der Religionswiffen- 
ſchaft, Sulzbach 1834, 4 Bde.; Athanaſia oder 
Gründe für Die Unſterblichkeit der Seele, ebd. 
1827, 2.4, 1838; Wiffenichaftslehre, Verſuch 
einer neuen Darftellung der Logik, ebd. 1837, 4 
Boe.; Krug u. B. ebd. 1837; B. u. feine Geg- 
ner, ebd. 1839; Schreiben an Röhr, 1837; Prüf: 
ung der Philoſophie von Hermes, 1840; ber 
den Sat der Zufammeniegung der Kräfte, 1842; 
Über den Begriff des Schönen, Denfichriften der 
Königl. Böhmiſchen Gefellichaft der Wiffenichaften, 
1843; Über die Perfectibilität des Katholicismus, 
Lpz. 1845; Über die Emtheilung der Kiünfte, 
Dentichriiten n. ſ. w, 1849; Ras iſt Philoſophie? 
Wien 1849; Erbauungsreden, Prag 1849 fi., 4 
Bde.n; Vgl. B⸗s Selbftbiographie, herausg. von 
Tel, Sulzbah 1836; Wißhanpt, Skizzen aus 
dem Yeben B»8, Lpz. 1849; Robert Zimmermann, 
Über Bes mwiffenihaftlihen Charakter u. philoſo— 
phiihe Bedeutung, Sigungsberichte der kaiſerl. 
Alademie der Wiffenjchaften zu Wien, 1840; Ne- 
frofog der Deutſchen, Weimar 1850, 

Bolzen, ein 4ediges oder rundes, längliches 
Stück Holz oder Eiſen, beffonders wenn es dazu 
dient, 2 Sachen zufammenzubalten. Die B. find 
häufig an einem Ende, wie Nägel, mit Köpfen 
verieben, wonach man unterjcheidet: rundköpfige; 
flachlöpfige; mit edigen Köpfen; Ring-®., mit 
eiſernem Ringe am Kopfe; Augen-B., mit rum- 
dem Loche ftatt des Ringes in dem Kopfe; Halen- 
B,, mit Hafen ftatt des Kopfes; Spig-®. Am 
anderen Ende haben die B. häufig Schrauben: 
gewinde u. Mutter: Schrauben-®., oder fie ent» 
halten eine runde oder längliche Öffuung, durch 
welde ein Stift oder Splint geftedt wird: Splint- 
B.; Klink⸗B. werden in Holz dur Umſchlagen 
des ſpitzen Endes befeftigt; Anfer-B. find lange 
Schrauben-B., welde Maſchinentheile mit Funda— 
menten oder Wänden verbinden, auch B., die zum 
Zufammenhalten (Berantern) von Wänden jelbft 
dienen; Hänge-B. find tragende Stangen im Hänge- 
werfe; Bodshörner haben oben einen Hafen und 
unter demjelben einen Ring, um daran 2 ver« 
ſchiedene Taue befeftigen zu können; in der Ar- 
tilferie ftehende und liegende B., dann B.- oder 


Spitgeichoffe für gezogene Geſchütze allgemein;| F 


endlich Cylinder von Kupfer od. Eifen, als Kern 
zu einer Form, um eine Röhre darüber au gießen. 
efeler, * 

Bolzenbüchfe, eine Art Windbüchfe mit Bol- 
zen als Geſchoß. 

Bomarſund, Meerenge in der Oſtſee, am 
Eingange in den Bottniſchen Meerbuſen, zwiſchen 
den Inſeln Aland u. Vardd. Die Feſtungswerle 
an der DXüfte der Inſel 


flotte der Alliirten unter Napter zerftört; ſ. unt. 
Alandsinſeln. 

Bombaceae, ſ. Malvaceae. 

Bombarde, veraltete, namentlich in ſüdlichenLän⸗ 
dern gebräuchlich geweſene Bezeichnung für Geſchütz. 

Bombarbement, j. u. 5* rieg. 

Bombardier, veraltete Benennung derjenigen 
Artilleriften, die vorzugsweile zur Bedienung ber 
Dörfer u. Haubigen beftimmt u. in einigen Hee- 
ren zu befonderen Bombarbier-GCorps formirt 
waren. In der preußiichen Artillerie war der 
B. eine dem Gefreiten entiprechende Charge. 

Bombardirgaleote, ehemaliges zum Bom- 
benmwerfen beitimmtes, mit 1—2 Mörſern beſetztes 
Schiff von fehr ftarfem u. plättem Bau, wie die 
Kanonenboote für ein Fahrwaſſer von geringer 
Tiefe, aljo namentlich zum Angriffe u. zur Ber— 
tbeidigung von Kiften beftimmt; führte meift 2 
Maften u, Bugipriet; die vor dem großen Mafte 
itebenden Dörfer warfen ihre Bomben nah porn, 
bei den dreimaftigen B-n wurden die Bomben 
von der Seite geworfen. Bernard Renaud erfand 
fie gegen das Ende des 17. Jahrh. 

Bombardirfäfer (Brachinus Web.), Gatt. 
der Yaufkäfer, Abtheilung der Fünfgliederigen; 
Lippe faft dedig, vorwagend, hornig ansgerandet; 
Endglied der Kiefertaſter walzig « legelförmig; 
Bruftftüd hinten und vorn abgeftumpft, breit 
gerandet; Flügeldeden abgeftugt; Schienbeine vorn 
ansgerandet. Sie leben geiellihaftlidh unter Stei« 
nen; jcheiden zu ihrer Bertheidigung aus dem 
After einigemal hinter einander cine Flüffigfeit ab, 
welche an der Yuft mit einem börbaren Geräuſch 
fofort erplodirt (woher der Name). In Deutich- 
land findet fich häufig der gemeine B. (Brachinus 
crepitans L.), 8 mm lang, gelbroth. Thome. * 

Bombardon, großes Blech- Blasinftrument, 
ähnlid der Baftuba, durch welche es übrigens 
in neueſter Zeit faft gänzlich verdrängt ift; bat 
drei Bentile und den Umfang von B bis g; dient 
zur Verſtärkung des Baſſes. 

Bombafin (Bombaifine), geföpertes Zeug. 

Bombaſt (engl., vom mittellatein. — 
Baumwolle), mit Baumwolle ausgeſtopftes und 
durchnähtes Zeug; uneigentlich: Schmulft (f. d.); 
daher: bombaſtiſch, fo v. mw. ſchwülſtig. 

Bombax L. (Baummollenbaum), Pflanzengatt. 
aus der Familie der Malvaceen (XVI, 6); —* 
Bäume mit gefingerten, 3—Htheiligen Blättern, 
einzelnen oder zahlreichen vereinigten, einblüthigen 
Blüthenftielen; Blüthen öfters weiß, ziemlich groß 
mit bedherförmigem Kelch, 5 ſchmalen od. verkehrt⸗ 
eiförmigen Blumenblättern, zahlreihen, zu einer 
Röhre verwachſenen Staubblättern, einem 5fäche- 
rigen, vieleiigen Fruchttnoten u. ötheiligen Griffel; 
Frucht eine holzige oder lederartige, 5flappige, 
innen ſehr wollige Kapfel mit verfehrt-eiförmigen, 
dichtwolligen Samen. Bon den 10 befannten 
Arten findet ſich eine im tropiſchen Afien, eine im 
tropischen Afrifa, die übrigen im tropifchen Ame- 
tifa; von letteren ift hervorzuheben: B. Ceiba 
Mill. (Käjebaum), deffen Stamm eine Höhe von 
40 m u. einen Durchmeſſer von 3—5 m erreicht; 
bie jungen, 5fingerigen, jchleimigen Blätter, ſowie 


land wurden im Au-|die mandelartig ſchmedenden Samen dienen den 


651 


Negern als Speife, während die feidenartige graue'von den Mohammedanern erobert, 1470 Concana, 
Samenmwolle zum Polftern bemugt, aud mit Zu- 1556 das Brahmanifche Reich von Bidichnagar 
fag von Baumwolle zu Stoffen verarbeitet wird; |zerftört, nachdem jhon im 14. Jahrh. Puna und 
die Wurzelrinde dient äÄußerlih al Wundmittel. das alte Reich Gudſcherat untergegangen waren, 
Aus den ausgehöblten großen Stämmen werden Im 16. Jahrh. beginnen die Anftedelungen der 
Kähne verfertigt, melde bis 150 Menfchen fallen Europäer; der Portugiefen in Diu 1508, in B. 
fünnen. Ahnliche Anwendung finden B. septena-|1509, in Baffein 1534, der Engländer in Surat 
tum Jacq., B. globosum Aubl., aus Öuiana; B./1601. Die Gebiete waren größtentheil® unter die 


Bombay, 


villosum Mill., B. Mungaba Mart., in Brafilien, | 
u. andere, Engler. 
Bombay, 1) die weſtliche der drei Präfident- 
haften des britiichen Border- Indien, nad) ihrer 
Hauptftadt benannt, in der Hauptjadhe die Geftade- 
landichaften der Wiifte von 14%—24° n. Br., 
wozu in den legten Jahren noch das bie zu 28° 
fih erftredende Land um die Jndus-Mündung, 
Sindh (f. d.), Hinzugefügt worden ift, begreifend; 
umfaßt ein direct unter brit. Verwaltung ftehen- 
des Arcal von 330,294 [km (5998 (JM); 
14,042,596 Em. (meiſt Hindu, 24 Mil. Mo- 
hammedaner, etwa 100,000 Ehriften, gegen 80,000 
Parfen), welches fih, die unter brit. Oberhoheit 
ftehenden Fürftenthümer (Banda u. f. mw.) hin— 
zugerechnet, um 185,000 [km mit 63 Mill. 
Em. vermehrt. Die Präfidentfchaft zerfällt jett 
in 3 Divifionen (NR.-, S.- und Sindh - Divifion) 
mit 24 Diftricten, zwifchen und inmitten deren 
die Gebiete der tributären Fürften u. die portu- 
giefihen Befigungen Diu und Goa liegen. Deu 
ortheil der langgefiredten Küfte von 1500 km 
vom S. bis zum Golfe von Cambay, wozu nod 
das an diefem meftlich fich erftredende Geftade von 
125 km fonımt, erhöhen zablreihe gute Häfen, 
u. a. Carwar, Geriah, Radſchapur, Bombay, 
Baffein, Damaun, Surat, Broadh, deren Verkehr 
jedoch für Segelichiffe, mit Ausnahme Bombays, 
dur die Weſtmonſune erheblich erfchwert wird. 
Eine fteile, hohe Gebirgstette, die What, im N, 
von den Eingeborenen die Sihadri-Berge genannt, 
durchzieht die Präfidentfhaft von N. nah ©.; 
von Flüſſen find in Sindh der untere Indus, in 
der NDivifion die Mündungen des Nerbudda, 
Tapti u. Godavery zu nennen, während im der 
des S. mur unbedeutende Kiüftenflüffe u. erft in 
ihrem meiteren Laufe werthvolle Quellftröme fi 
finden. Das Klima ift mit Ausnahme der Berg- 
gegenden drüdend heiß u. ungefund, vorzüglich ın 
den nördlicheren Diftricten. Der noch nidt zur 
älfte angebaute Boden, eine ſchwarze Erde, eignet 
ch vorzüglich für den Baummollenbau; dieje nebit 
Reis, Zuder, Kaffe, Indigo, Opium, find die Haupt: 
producte. Die Flora u. Fauna ift im Ganzen mit 
der indischen übereinftimmend; eigenthümlich find 
eine Art Löwen in Gudfcherat u. die berühmten 
Pferde von Kattiawar. Die Manufacturthätig- 
feit ift gering; der Handel (ſ. u. 2) bedeutend; die 
Ausfuhr befteht hHanpriählich aus Baummolle, Kafch- 
mirſhawls, Opium, Kafie, Piefter, Salz. Die Be- 
völkerung der ſüdl. Diftricte bilden aderbauende 
Mahratten, in dem Gebirge Bhil, in Sindh 
Mobammedaner, Eifenbahnen führen von B. nad) 
Allahbabad u. weiter nah Calcııtta, von B. nad 
Madras u. nah der Inſel Gudfcherat; in Sindh 
ift eine Bahn längs des Indus projectirt. Die alte 
Geſchichte der Präfidentichaft ſ. Indien (Geſch.). 
Bon 1204 an wurden dieſe Gehbiete nach u. nad) 


Herrichaft des Großmoguls von Delhi gefallen. 
1661 wurde die Inſel B. als Brautſchatz der för 
nigin den Engländern abgetreten, 1676 der Dftin« 
diihen Compagnie zugetbeilt, welche 1683 den 
Sit des Präfidenten aller Befigungen dorthin ver- 
legte. In der 2, Hälfte des 17. Sahıh. dehnten 
die Mahratten ihre Herrichaft über die Nachbar— 
gegenden von B. aus; während der Kämpfe um 
diejelben mit dem Großmogul Aureng-Zeyb kam 
es 1688 zu einer Belagerung B-3. Die Befit- 
ungen der Compagnie an der MWfüfte Indiens 
blieben auf Bancoote u. Fort Victoria, die Inſel 
B. u. die Factoreien zu Surat, Broach u. Ahma« 
dabad beichränkt, bis fie 1775 von den Mabratten 
die Infeln Salfette u. Karanja, im März 1776 
duch den Vertrag von Purunder das Gebiet der 
Stadt Broach, 1780 Ahmadabad, 1781 Bafjein 
u. einige Gebiete in Gudjcherat u. 1799 die Stadt 
Surat mit Territorium erwarben. Diejen folgten 
größere Gebiete, melche der Guicowar, der Peiſchwa 
(Tannah, Belgaum, Gandeiih, Sattwa 1818), 
der Scindia, Holkar umd andere Fürften der 
Mahratten abtreten mußten, endlich "nah Ver— 
treibung der Zaipurfürften, die Gebiete an der 
Indus-Mündung. 2) Hauptftadt der gleich 
namigen Präfidentichaft in O'yndien, auf der S— 
Seite der gleichnamigen, einen trefflihen groß- 
artigen, Hafen nah dem Feſtlande zu bildenden 
Juſel, ſchön aber ungelund gelegen, zerfällt in die 
befeftigte Alte Stadt od. das Fort u. die Schwarze 
Stadt, Die Alte Stadt hat zwar enge Straßen u. noch 
viele hölzerne Häufer, jeit dem großen Brande von 
1803 aber auch viele ſchöne Gebäude. Zu letzteren 
gehören das Gouvernementsgebäude u. die Kirche 
am Hanptplage (Green-place), mehrere Pagoden 
u, Mojcheen, ſowie Privatwohnungen der reichen 
Kaufleute. Die Schwarze Stadt (Black-town), 
meift von Eingeborenen bewohnt, liegt jehr niedrig 
u. fteht zur Pegenzeit öfter unter Wafjer. In 
beiden Städten wohnen für die Dauer des Jahres 
nur wenige Europäer, welche vielmehr auf der In— 
jel zerftreut leben, wie es denn auch auf derſelben 
noch zwei Wohnungen des Präfidenten zu Parell 
und am Borgebirge Malabar Point gibt. Der 
Genfus von 1873 ergab fir Stadt und Inſel 
644,405 Em., darunter 408,680 Hindu, 137,644 
Moslemin, 44,501 Barien, 23,534 Yndo-Portu« 
giefen,. Außer der gewöhnlichen Induſtrie der 
größeren indischen Städte wird in B. viel Sciff- 
bau getrieben. Die Bedeutung des Plates liegt 
jedod in feinem wichtigen Ein» u. Ausfuhrhan— 
del, der fich vorzugsweife in den Händen der Parſi 
befindet u. 96°, von dem der ganzen Präfident- 
haft begreift; er wird jedoch in letter Zeit durch 
den von Galcutta überflügelt. Im J. 3872 bes 
trugen Ein- u. Ausfuhr 17,,, reſp. 2ö,, Mill. Pfd. 
St. Bei der Einfuhr figurirten Zuder mit 6,,, Thee 
mit 13, geiftige Getränfe mit 4, Droguen u. Farb⸗ 


Bombe — 


ftoffe mit je 14 Mill. Pfd. St. ꝛc. Bei der Aus- 
fuhr nimmt die Baummolle die erfte Stelle ein u. 
erreichte 1 Dill. Ballen a 175 kg, wovon 75%, 
nad England gingen. Es folgt Opium (43,909 
Kiften für 6, Mill. Pfd. St. faſt ausschließlich 
nach China u. Eingapere), Wolle mit $, Häute 
u. Felle mit 4 Mill. Bid. St. Der Küftenhandel 
repräfentirte nebenbei einen Werth von 4—5 Mill. 
Pr. St. In 1872—73 famen im Hafen von ®. 
3043 meift engliihe Schiffe an. Die Dampfer- 
verbindung mit Europa bat feit Eröffnung des 
Suezlanals einen großartigen Auffhwung genom- 
men. Es beiteben 5 große Dampfidifffahrtsge- 
fellichaften, welche den Berfehr ſowol direct mit 
Europa (nach dem Mittelmeere in 24, nad Yondon 
in 30 Tagen), als mit dem übrigen Jndien, O— 
Aſien u. Afrifa vermitteln. Eifenbahnverbindungen 
mit Madras, Benares, Baroda »xc.; eine Menge 
Telegrapbenlinien u. Kabel nad Suez. Unter den 
vielen reichen Parſikaufleuten hat fi vor Allen Sir 
Dſchamſetſchi Dſchidſchibhoy durch feine unbegrenzte 
Freigebigkeit für gemeinnügige Anlagen befannt ge 
macht. Der Hafen ift ſehr gut u. hinreichend mit 
großen Dods u. Werften verfehen. B. iſt der Sit 
des anglicanischen Biichofs, fowie des höchſten Ge- 
richtsbofes für die Präfidentichaft. Souft befinden 
fih dafelbft eine Handelslammer, die B-bant, die 
Drientaliihe Bank (Hauptburean in Yondon), ein 
Zweig der Agra and United Service Bank, die 
Savings Bauk, verichiedene Berficherungsgeiell- 
haften, die B-er Dampfiifffahrtsgejellichaft. Un— 
ter den verichiedenen Hofpitälern iſt das 1845 er» 
öffnete große Kranfenhaus für Belenner aller Re- 
ligionen hervorzuheben. Außer zahlreichen niederen 
Schulen beftehen zu B. eine 1857 errichtete Uni— 
verfirät, eine Afiatische Gefellichaft, eine Geogra» 
phiſche u. eine Mediciniſche Gejellichaft, die Agri» 
culturgefellichaft für das norbweftl. Indien, von 
Bibliothefen die Bombay diecesan Library u. die 
Native general Library, endlih ein Muſeum für 
naturhiftorifche u, agrariſche Producte, Verſchiedene 
Miffionsgefellichaften der Engländer u. Amerikaner 
haben hier wichtige Stationen mit ſehr thätigen 
Drudereien. In 3. erjcheinen mehrere politische 
und literarifche Zeitichriften, u. a. die Bombay 
Times. Die Stadt B. (vom portugief. bom bahia, 
d. b. guter Hafen) wurde Anfang des 16. Jahrh. 
von den Portugiefen gegründet; ihre weiteren 
Schichſale f. o. 1) und unter Indien (Geſchichte). 
In zahlreichen Beifebeichreibungen ift der über 
wältigende Eindrud, den ihre jchöne Lage auf 
den anlommenden Seefahrer macht, gefeiert. 
Zbielemann.* (Handel u. Berk, Schroot. 
Bombe, eiferne Hohlfugel, die aus glatten 
Mörſern gefchoffen wird. Zum Einbringen ber 
Sprengladung u. Zündung find die B»n mit einer 
runden Öffnung, dem Mundloch, u. zur leichteren 
— mit 2 eingegoffenen Oſen verſehen. 
er innere hohle Raum der B. ift mit Pulver, 
ber jog. Sprengladung, gefüllt, die, durch einen 
ünder entzündet, das Zeripringen (Erepiren) der 
. bewirtt. Der Zünder befteht aus einer mit 
langjam brennendem Pulverjage gefüllten, hölzernen 
Nöhre, die durch das Mundloch eingepreßt wird 


652 


Bombelles, 


zündet, überträgt das Feuer auf den langfam 
brennenden Zünderfat u. von dieſem auf Die 
Sprengladung. Da die Ben ganz in der Nähe des 
Ziels, oder kurz nachdem fie das Ziel getroffen 
baben, zerjpringen follen, fo muß die Brennzeit 
nach der Entfermung, auf welde man ſchießt, re- 
gulivt werden; dies gejchieht durch das Tempiren 
des Zünders, indem man denjelben vor dem Ein— 
preflen auf eine für die betreffende Entiernuug 
ermittelte Länge abichneidet. Brand-B«n find 
ftatt mit Pulver mit einem leicht brennenden 
Satze gefüllt u. haben den Zwed, Gebäude u. ſ. w. 
in Brand zu fteden; in der preußiſchen Artillerie 
nicht mebr verwendet, Ercentriihe Beu haben 
an der einen Seite der Geſchoßwaund eine größere 
Eiſenſtärke, als an der anderen, während die com 
centrifhen B. überall gleiche Eiſenſtärken haben. 
Bei dem erceutriichen B-n wird der Endpunkt des 
Durchmefjers, in welchem der Schwerpunft Tiegt, 
auf dem äußeren Sefchoßumfange u, zwar auf der 
leichteren Zeite durch einen Pfeilftvich bezeichnet, 
defien Spite den leichten Bol der Echweradie be- 
ſtimmt. Die Ben werden nad dem zugebörigen 
Deörjerfaliber benannt. In der preuß. Artiller.e 
find 3. 3. noch 15>eme, 23:cm- u. 28:cm-B-n 
vorhanden, von denen nur Die erfteren beim An» 
griffe von Feſtungen gebraucht werden. Durch die 
Varvolllommmung der gezogenen Geſchütze hat der 
Benihuß oder Benwurf, wie er früher genannt 
wurde, an feiner bisherigen Bedeutung weſentlich 
verloren u. wird wol mit der Zeit ganz verihmin- 
den. Über den Benſchuß u. deſſen Wirkung f. u 
Schießen. 

Bombelles, alte, eigentlich aus Portugal ftam- 
mende, jet in Frankreich u. befonders Ofterreich 
verbreitete Familie: 1) Henri Franc., Graf 
v. B., geb. 1680; zuerft in der franzöftichen 
Marie, jeit 1701 im Landheere angeftellt, machte 
er den Spanifchen Erbfolgelrieg u. als Oberft den 
Krieg gegen die Türken in Ungarn mit; fpäter 
war er Inſtructor des Herzogs von Ehartres u. 
Commandant in der Grafihaft Bitih; er ftarb 
als Generallieutenant 1766. 2%) Mars Marie, 
Marquis de B., Sohn des Vor., geb. 1744 in 
Bitſch; mahın Kriegspdienfte u. ftieg bis zum Mas 
rehal de camp; 1780 wurde er franzöfticher Ge» 
fandter in Regensburg, jpäter in Liffabon u. Ver 
nedig, emigrirte nach der Revolution u. diente im 
Condeichen Corps; nad) deſſen Auflöfung ward er 
Geiftliher, nah der Rücdlehr der Bachs 
Aumdnier der Herzogin von Berry, und 1819 
Biſchof von Amiens; er ftarb 5. März 1822. 
3) Louis Philippe, Sohn des Bor., geb. 1. Juli 
1780 in Regensburg u. wegen der Emigration 
feines Baters in Neapel erzogen; er wurde bier 
Dffizier; von da durch die Ankunft der Franzoſen 
vertrieben, ging er nach Wien u. erhielt daſelbſt 
eine diplomatiiche Anftellung. 1813 war er öfter 
reihiicher Geſandter in Berlin u. wirkte zum 
Beitritt Oſterreichs zur Allianz gegen Napoleon. 
1814 wurde er öfterreichifcher Gejandter in Kopen« 
hagen, 1816 in Dresden, 1819 beim Karlsbader 
Congreß u. 1820 in Neapel, wo ibn die Revolu- 
tion vertrieb, danı in Florenz, Lucca u. Modera, 


u. in deren freiem Ende die Zündſchnur eingelegt iſt. hatte 1829 eine Miffion zur portugiefiihen Kr 


Letztere, durch die Flamme der Geſchützladung ent« 


nigin Maria in London, wurde dann 1834 Ger 


Bombenfanonen — Bomilfar. 


fandter in Turin u. 1837 in der Schweiz. 


653 


Er) Bomfim, Joe Lucio Travaffor Baldes, 


ftarb 7. Juli 1843 in Wien, wo er eben auf Ur» | Graf v., portugieftfcher General u. Führer der Con- 
laub u. zum Gefandten in Florenz ernannt war. |ftitutionellen, geb. 23. Febr. 1787 zu Beniche; ſtu— 


4) Graf Karl, Bruder des Bor., geb. 6. Nov, 
1785; war Oberjthofmeifter u. dritter Gatte der 
Kaiferin Marie Luife, Herzogin v. Parma u. dann 
Oberhofmeifter des Katjers Grin; er ft. 30. 
Mai 1856 in Berfailles. 5) Graf Heinrich 
Franz, Bruder des Vor., öfterreichifcher Geheim- 
rath; geb. 26. Juni 1789 in Berjailles, leitete 
die Erziehung der Söhne des Erzherzogs Franz 
Karl, mit denen er 1848 vor der Hevolution nad 
Innsbrud floh; er ftarb 31. März 1850 auf fei« 
nem Schloffe Savenftein in Krain. 

Bombenfanonen, glattes Geſchütz von fehr 

roßem Kaliber, von dem franzöfifchen General 
Bairbans 1819 confteuirt u. umter berichiedener 
Bezeihnung faft bei allen Heeren eingeführt; wa- 
ren vorzugsmeife beftimmt, Bomben auf größere 
Entfernungen zu fchießen, al$ dies bis dahin ans 
Mörfern möglid war; dabei hatten fie, wie die 
Kanonen, noch den Bolllugel- u. Kartätſchſchuß. 
Durch die gezogenen Gejchüte überholt, find die 
B. jet wol in allen Artillerien ausgefchieden. 

Boiurbenfiher (Bombenfeft), Beichaffenheit 
eines zu Kriegszweden (zum Angriffe, zur Ver— 
theidigung oder zur Aufbewahrung von VBorräthen) 
errichteten Baumerfes (Blodhaus, Batterie u. dgl.), 
der zufolge daffelbe gegen die Beihädigung dur) 
Wurfgeſchoſſe gefichert ıft. Die Dede eines joldhen 
Gebäudes ift entweder gemwölbt, wobei die Stärle 
des Gewölbes J—4 der Spannung beträgt, oder 
mit Eiſenbahnſchienen, reip. eifernen I-Trägern ein» 
gededt, deren Zwiſchenräume mit Beton ausgefüllt 
wird, oder befteht endlich aus einer Lage von 
30—40 em ftarten Holzbalten; darüber wird in 
jedem Falle eine 1,, bis 1,,, m ftarle Erddecke 
angebradit. 

Bombinator Meer. (linfe), Gattung ber froſch— 
artigen Amphibien, mit vorn — hinten 
freier Zunge, ohne Paukenfell u. Ohrdrüſen, Zäh— 
nen wie bei den Fröſchen, langen Hinterbeinen 
mit ganzen Schwimmfüßen. Art: die Feuer— 
fröte (B. igneus), ſ. d. 

Bombra, 1) Kleines Fürſtenthum an der ſüd— 
weftl. Grenze der Präſidentſchaft Bengalen, un— 
ter engliſcher Oberhoheit; 2330 [km ; 60,000 
ziemlich uncivilifirte Ew. 2) Hauptort darin, an 
der Brahmint (Wani). 

Bombus (lat.), das Braufen vor den Ohren; 
ſ. u. Obrtönen. 

Bombus, Inſect, fo v. mw. Hummel, 

Bombycidae, Fam. der Nachtſchmetterlinge; f. 
Spinner. 

Bombycilla, fo v. w. Seidenſchwanz. 

Bombycinus (v. Gr.), atlas⸗, ſeidenartig anzu⸗ 
fühlen; daher Bombyeinae (röm. Aut.), feidene 
Kleider. 

Bombyx, 1) Gatt. der Spinner, die Seidenfpinner 
(f. d.) begreifend, deren in der Ruhe dachförmige 
dm ohne Augenflete u, deren nadte Raupen 

inten mit einem Heinen Horne verjehen find. 
Kennzeichen: Raupe 16füßig, oft haarig; Puppe 
am Ende zugeipigt; Schmetterling mit aufliegenden 
(fih dedenden) Flügeln u. fammartigen Fihlhör- 


nern, 2) Seide u. jeidenartige Stoffe; ſ. Spinner. |fehrte nah Afrika zurü 


dirte zu Coimbra, trat aber, als die franz. Armee 
1807 in Portugal einrüdte, zur militärischen Car— 
ridre über, wurde 1828 Oberft u. fämpfte für 
Maria da Gloria gegen Dom Miguel, unterlag 
aber endlich auf Madeira. Als Dom Pedro 1832 
landete, jchloß fih ihm B. jofort an u. kämpfte 
für ihn gegen den Ufurpator, jchlug, in den in— 
neren Kämpfen auch ein Conjtinmtioneller auf Sei— 
ten der Königin, 1837 auf Befehl der Cortes 
den Septemberaufftand nieder u. übernahm im 
Cabinet Bandeira das Kriegsminifterium. In— 
folge der Madinationen der Abſolutiſten u. Ra— 
dicalen legte er 1841 fein Bortefeuille nieder. Als 
die Abjolutiften im Januar 1842 gefiegt, ftellte er 
ſich gegen diefe an die Spite der Truppen in den 
Provinzen, ließ fich jedoeh durch Coſta Cabrals 
Verſprechungen, daß bei Anderung der Eharte den 
Septembriften möglihft Rechnung getragen wer- 
den folle, zur Niederlegung der Waffen bereden. 
Da aber das Minifterium Cofta Cabral nicht Wort 
hielt u. die Cortes auflöfte, ftellte fih B. an die 
Spige der Kämpfer für die Verfaffung von 1837, 
ja, 1844 felbft an die Spite einer dahin abzielen- 
den Militärverfhmwörung, mußte jedoch am 28. 
April, dur Hunger gezwungen, in Almeida capi— 
tuliven u. flüchtete nad Spanien. 1846 zurüd- 
getehrt, nahm er theil am Maiaufftand u. erhielt 
unter dem Minifterium Palmella wieder eine Di- 
vifion, wurde jedoch 4. October, als das Mi- 
nifterium Saldanha berufen wurde, mit Balınella 
im königlichen Palafte verhaftet, aber nur furze 
Zeit gefangen gehalten, Nach feiner Entlaffung eilte 
er in die Provinz u. ftellte ſich an die Spite der 
Bewegung gegen das Minifterium Saldanba, 
Ihlug die königlichen Truppen November 1846 
bei Marcella, wurde aber am 22. December bei 
Torresvedras von Saldauha geihtagen, gefangen 
u. vor ein Kriegsgericht geftellt, das ihn zur Der 
portation nad Afrila verurtheilte. Im Mai 1847 
eben im Begriffe, auf einem britifhen Schiffe zu 
entfliehen, traf ihn die Kunde von der Amneſtie, 
infolge deren er nach Portugal zuriidtehrte. Eude 
1848 betbeifigte er fich wieder an dem politifcheu 
Aufftande, zog fi aber nachher vom öffentlichen 
Leben zurüd u. fl. 15. Juli 1862, ein Mann voll 
Kiühnheit u. Ehrgeiz, der bei feiner militärischen 
Tüchtigkeit unter amderen Berhältniffen einer 

größeren Aufgabe gewachſen war. Lagai. 
Bomilkar, 1) Tarthager; war erſt Feldherr 
im Kriege gegen Agathokles von Syrafus und 
machte 308 v. Ehr. einen mißlungenen Verſuch, 
fi der Oberherrſchaft in Carthago (ſ. d., Geld.) 
zu bemächtigen. Mit feinem Anhange aus der 
Stadt vertrieben, wurde er vor derjelben gefangen 
und ans Kreuz geichlagen. 2) B., Befehlshaber 
der carthagiſchen Flotte im 2, Puniſchen Kriege; 
führte 215 v. Chr. Hannibal nad der Schlacht 
von Cannä Berftärfungen zu. Da er im folgen- 
den Jahre den durch Marcellus bedrängten Sy- 
ratufanern Hilfe bringen jollte, lief er zwar in 
den Hafen von Syrafus ein, verließ aber vor der 
viel ftärferen römischen Flotte feine Station u. 
& 3) B., Numidier, 


654 


Berwandter u. Anhänger des Yugurtba, auf deffen 
Antrieb er 110 dv. Chr. zu Rom den Maifiva er- 
morbdete. Darauf Feldherr des Jugurtha gegen 
Metellus, ward er von dieſem beftochen, feinen 
Herren den Römern zu verratben, Er verband 
ih dazu mit Nabdalfa, wurde aber von Jugur— 
tha verrathen u. 107 v. Chr. hingerichtet. 
Bommel, Stadt im Bezirke Tiel der Provinz 
Geldern (Niederlande), fonft jtarke Feſtung (jet ver- 
fallen), Kinfs von der Waal, auf einer von der Waal 
gebildeten Inſel (Bommelmaard, Bommelinfel), 
4318 Emw.; dabei das Fort Andreas (Andries), 
1599 von den Spaniern erbaut u. nach dem Garbinal 
Andreas von fterreich genannt. B. wurde 999 
vom Kaifer Otto III. der Martinslirche zu Ut— 
recht gefchenkt; darauf erhielten es die Grafen u. 
Herzöge von Brabant, welche die Grafen von 
landern damit belebnten. Es wurde 1229 be- 
feftigt ; 1572 dur Die von Gorkum eingenommen, 


1599 von den Spaniern vergebens belagert; 1600 |d’un amico; 


Bommel — Bona. 


royaux, biegen in Frankreich die Schatanweiie 
ungen. 

on, Francesco Augufto (eigentlih Frau— 
cesco Giorgio Maria), ital. Komödiendichter, geb. 
7. Juni 1788 in Venedig; trat nah Vollendung 
feiner philofophifhen Studien in die venetianiiche 
Marine; widmete fi) aber bald der Bühne u. trat 
in DMantua, Turin, Modena u. Neapel mit Bei- 
fall auf, wurde auch Director einer Schauipteler- 
truppe, u. die von ihm gegründete Truppe Bon, 
Romagnoli u. Berlaffa regenerirte die italienische 
Komödie. Er ftarb 16. Dez. 1858 in Padua. 
B. jchrieb die Komödien: Cosa faceva mio padra; 
L'importuno e l’astratto; Il vagabondo e la 
sua famiglia; Dietro alle scene; L’anello della 
nonna; Niente di male; S’io fosse riceo; Lu- 
dro e la sua gran giornata; Il matrimonio di 
Ludro; La vecchiaia di Ludro; Il testamento 
di Figaro; I compagi di viaggio; Il dovere 
Il ritorno del marinajo; L’addio 


das Undreasfort von den Generalftaaten erobert;jalle scene :c.; auch feine Biographie in Roman 
1672 von Turenne nad) langer Belagerung durch |zenform. 


Capitulation genommen ; als die Franzoſen 1674 


Bona (lat., Rechtsw.), Güter, d. h. Alles, was 


abzogen, fprengten fie die Werke, doch ftellte Graflfih im Eigenthum des Menschen befinden fan, 


orn diefelben wieder ber. 1794 bejetten bie 
— die Bommelinſel, die Stadt aber ver: 
theidigte fih damals nicht. 

Bommel, 1) Cornelins Rihard Anton 
van, beigiiher Theolog, geb. 5. April 1790 in 
Herzogenbujh; war Director des Seminars von 
—— bei Leyden, mußte aber infolge des 

ecreis der niederländiſchen Regierung vom 14. 
Juni 1825 feine Anftalt fließen. 1829 wurde 
er Biſchof von Lüttich u. päpftliher Hausprälat 
u. nahm anfangs eine vermittelnde Stellung ein, 
wurde aber nad der belgischen Revolution Par- 
teiführer der Ultramontanen, befonders in der 
Drofte-Bifcheringihen Sache gegen Preußen. Er 
begünftigte die Jejuitenmiffionen, dod trug er 
zur Berbefferung des Ilnterrichtes im feinem 
Sprengel mejentlih bei. B. ft. 7. April_1852. 
2) Elias van, holländ. Arditeftur- u. Marine: 
maler, geb. 1824 in Amfterdam; fudirte an der 
dortigen Afademie, dann in Paris u. Brüſſel, be- 
teifte Ungarn, arbeitete in Benedig u. Prag u. 
lebte dann in Wien. Seine Stoffe entmimmt er 
vorwiegend Holland u. Deutfchland. Man rühmt 
an feinen Bildern, namentlich an feiner Anficht 
von Dortrecht, Straße in Amfterdam (1866), 
ge von Blieffingen (1867), Stilles Waffer von 

miterdam (1868), Anficht am Rhein zc., reiche 


Zeichnun 2) Regnet. 


u. kräftige Farbe. 


Bomit, 1) Kreis im preuß. Megbez. Poſen; Biſchof hier. 


bei. das äußerlich wahrnehmbare Bermwgen. 
Bona (Bone), befeftigte Stadt im Dep. Eon- 
ftantine in Algerien (Afrita), an der Mündung 
der Seybouſe ins Mittelmeer, feit 1832 neu u. 
auf europäifche Weife gebaut; eine Eitadelle (feit 
1850 Staatsgefängniß für Deportirte); Gericht 
erfter Inſtanz, Handelsgericht; eine protejtantifche 
u, zwei fatholiiche Kirchen, Synagoge, zwei Mo— 
iheen; wiffenfchaftl. Gejellichaft, Hipponiſche Ata— 
demie genannt, Militär und Civil» Hojpitäler; 
afen; anfehnliher Handel mit Eifenerzen zur 
Stahlfabrifation (Ausfuhr 7—8 Mill. Etr. in 1874), 
Vieh, Fiſchen, Getreide, Wachs u. Leder; Werth 
der Ein» u. Ausfuhr 1872 46 Mill Fes., je zur 
gälte: Schiffsverkehr: 967 Schiffe mit 313,415 T. 
. if dem Range nad) die vierte Handelsjtadt in 
Algerien und durch Kabel mıt Marſeille u. Malta 
verbunden; 16,196 Ew,, wovon $ Europäer. Die 
anliegende Ebene von B., 100,000 ha groß, ift 
jehr fruchtbar u. erzeugt Getreide, Hanf, Oliven u. 
andere Südfrüchte, Tabak, Wein ꝛc. u. enthält eine 
Baumschule. Reiche Eifen- u. Kupfergruben find in 
der Umgebung vorhanden u. mit B. dur Eiſen— 
bahn verbunden. — B. war die Refidenz numidijcher 
Könige, gehörte feit 46 v. Chr. den Nömern u. 
hieß Hippo regius oder, feit Auguftus mit einer 
römischen Colonie beidhidt, Colonia Gemella Julia 
Hipponensis Pia Augusta. St. Auguftin war 
393 wurde bier eine Generaliyuode 


1035, [km (18,4 [M); 55,100 Ew., #igegen die Manichäer gehalten; 430 wurde B. von 


Deutihe, # Polen; eben u. jumpfig; von- 11 
km der Märtifch-Bofener Bahn durchſchnitten; 
Hopfen- u. etwas Weinbau. 2) Kreisftadt darin, 
an der Faulen Obra, zwiſchen mehreren Scen, 
Eijenbahnftation; 1 katholische und 1 evangeliſche 
Kirche, Synagoge; Schubmacherei; Hopfen: und 
Weinbau; 2273 Em. 

Bon (ir.), 1) gut. 


den Bandalen erobert u. verbrannt. Bier 11. 
Februar 435 Friede zwifchen Geiferih u. dem Rö— 
men; December 535 wurde die Stadt von 
Belijar u. 647 von den Arabern genommen u. 
von Letzteren gänzlich zerſtört. Etwas nördlicher 
wurde Das jetige B. von Belad el Anab aufge» 
baut. Die Spanier eroberten es nach Vertreibung 


2) Schein für Waaren- der Mauren aus Europa, u. Karl V. errichtete 


Tieferung oder Arbeitsleifiung, auch Geld; in!bier ein Fort, doch räumten es die Spanier wie- 
Kriegszeiten für erzwungene unbezahlte Yiefer-|der. Hier 1816 Blutbad, wobei mehrere hundert 


ungen und feiftungen. 3) Im Franzöfiichen 
jeder Geldſchein; Bons du tresor, ehedem B-s 





Ehriften umter den Dolchen fanatifher Mauren 
fielen. 1830 beſetzte es der franzöfiihe Gene» 


Bona — Bonaparte, 


655 


ral Damvemont, räumte es jedoch fpäter infolge/(4,, [_M.); (1867) 3816 Ew.; Hauptort glei« 


der YJulicevolution ; erft im März 1832 wurde es 
von den Franzoſen dauernd bejett. Bon dem al« 
ten Hippo find mächtige Ruinen vorhanden, Scroot. 

Bona (lat., die Gute), 1) Judith, Tochter 
des Königs Johann von Böhmen; wurde 1332 
mit König Johann von Frankreich vermählt u. 
gebar 4 Söhne u, 7 Töchter u. wurde Stamm- 
mutter der geist von Anjou u. Burgund; fie 
ft. 1349. 2) B., Tochter des Herzogs Johann 
Galeazzo Sforza von Mailand u. Iſabellas von 
Aragonien; 1518 mit Siegmund I. von Polen ver- 
mäblt u. Mutter von Siegmund Auguft; widerſetzte 
fih, wiewol erfolglos, deſſen Berbindung mit Bar- 
bara von Radziwill u. fteht in dem Berdachte, dieje 
vergiftet zu haben; fie ft. 1558 in Apulien. 

Bona Dea (lat., die gute Göttin), gebeimnißvolle 
Göttin der Fruchtbarkeit in Rom, ſowol der weibl., 
als der des ‚zrühlings. Sie ward daher ſowol mit 
zauna, der Geliebten oder Tochter des üppigen 
Naturgottes Faunus, ald mit Ops, der Gemab- 
in des Saturnus, mit Maia, der Geberin des 
Wahsthums, u. a. identificirt; da fie der Zauberei 
u. Weiffagung fundig war, auch mit Fatua. Sie 
ward von deu römiſchen ‚rauen ald Hausmutter 
verehrt u. ihr Feſt am 1. Mai in der fruchtbaren 
Jahreszeit in allgemeiner Luft gefeiert. Außerdem 
wurde ihr im December ein ausgelaffenes 
Feſt in der Wohnung des oberjten Prätors oder 
Gonfuls gefeiert. Da aber B. D. als keuſche 
Göttin galt, war den Männern die Anweſenheit 
dabei gewehrt, u. jelbit männliche Bildniffe in 
dent Saal, wo die Feier Statt hatte, wurden 
verdedt; daher wurde es dem Clodius, der die 
Pompeja, die Gemahlin Cäjars, liebte, als Ber- 
brechen gegen die Neligion vorgeworfen, daß er 
in Frauenkleidern bei dem Feſte überraſcht worden 
war. Die B. D. batte einen Tempel zu Rom 
am Aventinus, einen bei Aricia, in deſſen Nähe 
Elodius jpäter umlam, u. v. a, Riefe-* 

Bona fides (lat.), die Handlungsweife, welche 
aus der Überzeugung, innerhalb der Örenzen feines 
Rechtes zu handeln, hervorgebt. Daher Bonae fidei 
possessor, ein Befiter, der fi) in dem Glauben 
befindet, daß der Käufer der von ihm bejeffenen 
Sache der wirkliche Eigenthümer derjelben geweſen 
u. überhaupt der Bejigtitel ein rechtmäßiger jei; 
nur der B.-f.-Befit fann das Recht der Erfigung 

ewähren. Feruer Bonae fidei emptor, ein Käu— 
I auf Treu u. Glauben, u. Bonae fidei nego- 
tium, ein ohne feierliche Formeln abgejchloffenes 
Geſchäft. Daher b. fide, mit gutem Gewiſſen, 
aus Überzeugung , auf Treu u. Glauben; in 
England Bona-fide-bills, Wechlel über empfangene 
MWaaren, u. Bona-fide-capital, Capital, welches 
aus Waaren u. anderen verfäuflihen Saden be» 
ftehbt. Der B. f. fteht die Mala fides u. Fraus 
entgegen, 

onafides (Biogr.), j. Buonafede. 

Bona gratia (Röm. Recht, franz. de bonne 
gräce), aus freiem Willen, bejonders bei Ehe— 
jheidungen gewöhnlich. 

Donaire, Antillen⸗Inſel in der Nähe von Cura— 
ga0, 
Sun: Cochenillezucht; producirt viel Bauholz, 
Salz, 





Sig eines niederländifhen Gouverneurs; ung 
Zeit der Hundert Tage 22. 
Kartoffeln und Hülſenfrüchte; 248 Jkm|der zweiten Reftauration wurden die B. von den 


hen Namens, 

Bonald, 1) Louis Gabriel Ambroife, 
Vicomte de B., franzöfiiber Schriftiteller, ge— 
boren 2. October 1754 in Monna bei Milhaud in 
Suienne; ſchloß fih anfangs der Revolution an u. 
wurde Präfect der Adminiftration des Devarte- 
ment? Aveyron. 1791 als Gegner der meiteren 
Entwidelung der Berbättniffe gezwungen, Frank— 
veich zu verlaffen, kämpfte er unter dem Emigrans 
tencorps u. lebte nachher im Heidelberg ; wurde, 
unter Napoleon zurüdgelebrt, 1808 Rath bei der 
Unwerfität, nad) der Reftauration Mitglied der 
Deputirtenfammer, wo er zu den entichiedenen 
Ultramontanen und Neactionären gehörte; 1816 
wurde er Mitglied der Akademie, 1823 Pair von 
Frankreich, 309 fi) aber nach der Julirevolution 
1830 von den Staatsgejchäften auf fein Schloß 
zu Monua zurüd, wo er 23. Novbr. 1840 ftarb. 
B. jhrieb: Theorie du pouvoir polit. et rel,, 
1796, 3 Bde.; Legislation primitive, 1802, 2, 
Ausg. 1821, 3 Bde; Recherches philos. sur les 
premiers objets des connaissances morales, 
1818, 2 Bde.; Melanges litter., polit. et phi- 
los,, 1819, 2 Be.; Sur la libert& de la presse, 
1826; De la famille agrieole, 1826; Werte, 
Paris 4817—19, 12 Bde. 2. war einer der 
Hauptgegner der Yehren der franz. Revolutionäre 
über Staat, Neligion u. Philofopbie. Bon jehr 
willfürlihen Vorausfegungen ausgehend, in vielen 
Einzelheiten aber durchaus geiftreich, erhebt er den 
Papſt zur höchſten u. einzigen intellectuellen Macht 
u. befürwortet einen gemäßigten Despotismus u. 
Bevorzugung des Adels. 2) Tonis Jacques 
Maurice de B., Sohn des Vor., geb. 1787 in 
Milhaud; war früher Generalvicar von Chartres 
u. Coadjutor des Cardinals Feſch im Erzbisthum 
yon, wurde 1823 Bifhof von Buy, 1840 Feſchs 
Nachfolger als Erzbiihof von yon u. Cardinal 
uw. nad dem 2. December 1851 Senator. B. 
war ein eifriger Anhänger der Jeſuiten u. heftiger 
Gegner des öffentlichen Unterrichtswejens, Er jtarb 
25. Februar 1870 zu Lyon. 

Bonaparte, altes italienisches Gefchlecht, deſſen 
Urfprung nicht mit Sicherheit nachweisbar ift; es 
wohnte urjprünglich auf dem Feſtlande, und fein 
Name lautete Buonaparte; die Anderung rührt 
von Napoleon I. ber. Ein Zweig des Geſchlechtes, 
der fi von dem Grafengefchlechte von Piftoja her— 
leitete, fiedelte zu Ende des 15. Jahrh. von 
Toscana nah Korfica über, wo es mit Sider- 
beit auf Francesco B. zuridzuführen tft, der 1567 
in Ajaccio ftarb. Es jpielte jedodh im der corfi« 
ſchen Geſchichte feine Rolle, jo lange Ajaccio ge» 
nuefish blieb; erſt mit Carlo B., dem Bater 
Napoleons I., greift e8 in Die Geſchichte der Inſel 
ein. Die Familie B., zu welcher auch die von 
Napoleon adoptirten Beauharnais (ſ. d.) ger 
rechnet werden, fam mit Napoleon (f. unten 5), 
nach welchem die Glieder derjelben auch Was 
poleoniden beißen, dur Senatsbejchluß vom 
16. Mai 1804 auf den Thron von Frankreich, 


verlor denielben aber durch Napoleons Abdanf- 


11. April 1814 und abermals nad der‘ 


ung 
Juni 1815. Nach 


656 


Bonrbonen dur Decret vom 12. Yan. 1816 u. 


Bonaparte. 


A) Joſephſche Pinie: 2) Joſeph B., 


nach der Yulirevolution von den Orleans durh'Grafv. Survilliers, ältefter Sobn von B 


Decret vom 10, April 1832 aus 
ba:nt u. lebten indeffen meift in 
waren nah Norbamerifa ausgewandert, Die 
Nationalverfammlung der Republik hob nad der 
Februarrevolution durch Decret vom 11. Octbr. 
1848 die Verbannung auf, worauf die männ- 
lihen Glieder der Familie nach Frankreich * 
rückkehrten u. faſt alle als Deputirte in die Ra: 
ttonalverfammlung gewählt wurden. Bon Neuem 
beftieg diefe Familie in der Perfon Ludwig Na- 
poleons (f. unten 31) den franzöfifhen Thron 
2. Dec. 1852, doch erreichte auch das zweite 
Kaiferthum nah der Schlacht von Sedan u. Ra- 
poleons Gefangennehmung fein Ende durch die 
Revolution vom 4. Sept. 1870. Die kaiferliche 
Familie begab fih nah England, und die Natio- 
nalverfammlung in Bordeaur erflärte durch De- 
cret vom 1. März 1871 die Abſetzung der B. 
Außerdem faßen Napoleoniden auf den Thronen 
von Neapel, von Spanien (Joſeph, ſ. u. 2), von 
Holland (Ludwig, |. u. 28) und von Mejtfalen 
(Jeröme, ſ. u. 35). Bon den von den 5 Söhnen 
des Stammmpaters, Carlo B., gegründeten 5 Linien 
B. ift die Joſephſche im Mannsftamme u. die Na- 
poleoniihe ganz erloſchen; noch beftehen die Lu⸗ 
cianſche, Ludwigſche u. Ferdmeiche Linie. Mert- 
würdig find: 1) Carlo, geb. 29. März 1746 zu 
Ajaccio auf Eorfica; ftudirte in Padua die Rechte, 
ging 1768 nach Corte, wo er Gecretär Paolis 
wurde, mit ihm für die ilnabhängigfeit feines 
BVaterlandes focht und ihm nad der Kataftrophe 
von Ponte-nuovo nah England folgte. Bon 
Ludwig XV. ammeftirt, kehrte er nad Corfica 
zurüd, wurde durch den Gouverneur Graf Mar- 
boeuf 1773 Beifiger des föniglichen Gerichtshofes 


in Ajaccio, 1777 als Deputirter des Adels nach Invalidenhotels beigejegt. 


rankreich ver-|1), geb, 7. Yan. 1768 in Corte; murbe 1806 
talien, einige | König von Neapel, 1808—13 König von Spa» 


nien, ging, fpäter nad Norbamerifa, wo er ben 
Namen Graf von Survilliers annahm, 1832 
nad) England u. 1841 nach Ftafien; er ft. 28. Juli 
1844 in Florenz; j. Joſeph (König von Spanien). 
Er war vermählt feit 1794 mit Julie Marie, geb. 
Elary, geb. 26. Dec. 1777, Tochter eines Kauf- 
manns zu Marfeille, Schweiter der 1860 geftor- 
benen Königin von Schweden (Bernadotte). Dieſe 
begleitete ihren Gemahl weder nad Spanien, noch 
nah Amerika, jondern lebte in Frankfurt a. M., 
Brüffel u. feit 1823 in Florenz, wo fie 7. April 
1845 ftarb, Sie gebar ihrem Gemahl 2 Töchter, 
Zenaide u. Charlotte. 3) Zenaide Charlotte 
Julie, geb. 8. Juli 1801, feit 1822 vermählt mit 
Charles B. (f. u. 10), Fürſt von Canino; lebte 
—— in Rom u, fl. am 8. Auguſt 1854 in 
teapel. Sie überſetzte mehrere Dramen von Scil- 
fer. 4) Charlotte Napoleone, Schmweiter der 
Bor., geb. 31. Oct. 1802; war feit 1825 mit 
Napoleon Louis B. (f. u. 30) vermählt, wurde 
1831 Wittme u. ft. 3. März 1839 in Sarzana. 

B) Napoleonjhe Linie: 5) Napoleon, 
2. Sohn von B. 1), geb. 15. Auguſt 1769 in 
Ajaccio; wurde 1799 Eonful, 1804 als Napoleon I. 
Kaifer der Franzoſen, entfagte 11. April 1814 
dem Throne u. ging nach Elba, fehrte am 1. März 
1815 nach Frankreich zurüd, entfagte nach der 
Niederlage bei Waterloo nochmals am 22. Juni 
1815 zu Gunften feines Sohnes (f. B. 6), wurde 
von den Engländern nah St. Helena gebradt u. 
ftarb hier 5. Mai 1821; f. Napoleon 1). Am 
15. Oct. 1840 wurden feine irdifhen Überreſte 
nah Paris zurüdgebradht und in der Kirche des 
Er war feit 9. März 


Paris gefandt und trat mach feiner Rückkehr im 1796 vermählt mit Marie Franc. Joſephine 
Jahre 1781 in den Rath der zwölf Edlen von (ſ. d.), geb. Zafcher de la Pagerie, verwittwete 


Eorfica. Er ft. 24. Febr. 1785 in Montpellier, 
wie fein Sohn Napoleon, am Magenkrebs. Er 
war feit 1764 vermählt mit Maria Yätitia, 
eb. Ramolino, geb. 24. Aug. 1750 in Ajaccio ; 
e flüchtete 1793, nad der Einnahme Corficas 
durd die Engländer, nach Marfeille, wo fie ver- 


borgen lebte; 1799 begab fie fich zu ihrem Sohne/Rom u. 1817 denjenigen eines Herzogs von 


Napoleon nah Paris, erhielt nad) Erhebung 
deffelben auf den Kaiferthron 1804 den Titel 
Kaiferin Mutter (Madame-Möere) und einen Hof» 
ftaat u. wurde Beſchiltzerin aller milden Anftalten 
des Reiches. Nah dem Sturze ihres Sohnes 
1815 zog fie ih nah Rom zu ihrem Stiefbru- 
der, dem Cardinal Feſch, zurüd u. ftarb daſelbſt, 
feit mehreren Fahren erblindet, mit Hinterlaffung 
eines großen Bermögens, 2. Februar 1836; 
1857 wurde ihre Aſche nah Ajaccio gebradit. 
Sie gebar ihrem Gemahl 13 Kinder, wovon 8 am 
Leben blieben, nämlich 5 Söhne: Joſeph, Napoleon, 
Yucian, Louis u. Zeröme, u. 3 Töchter: Marie 
Anna (Eltfe), Carlotta (Marie Pauline) u. Annun- 
ciata (Caroline). Vgl. Storia geneal. della fa- 
miglia B., Flor. 1847; La famiglia B. 1183 
bis 1834, Neap. 1840; Stefani, Origine des B., 
Zur. 1859. Giünther, Stammbaum der Napo— 
leonifhen Familie, Jena 1840. 


Beauharnais, u. nachdem er fih 16. Dec. 1809 
von ihr hatte fcheiden Taffen, in 2. Ehe feit 
2. April 1810 mit Erzberzogm Marie Luiſe (f. d.) 
von fterreih. Einziger Sohn zweiter Ehe mar: 
6) Napoleon Franz Joſeph Karl, geb. 20. März 
1811, der bei der Geburt den Titel König von 
eich- 
ſtadt erhielt; ftarb zu Schönbrunn bei Wien 22. 
Juli 1832 (f. Napoleon 2). Einer der vielen 
natürlihen Söhne Napoleons I. war der Graf 
Walewski; j. d. 

C) Lucianiſche Linie: 7) Lucian B. Fürſt 
von Canino, 3. Sohn von B. 1), geb. 21. Mai 
1775 in Yjaccio; war 1793 bei der Armeevermalt« 
ung —— mußte jedoch als eifriger Republi⸗ 
faner, Mitglied des Nevolutionsausichuffes zu Et. 
Marimin im Depart. Bar, diefen Boten nach Ro- 
bespierres Sturz verlaffen und lebte in Marſeille 
in Dürftigleit; 1795 ward er durdy ſeinen Bruder 
Napoleon Kriegscommifjär u. 1797 Abgeordneter 
im Rathe der Fünfhundert, 1799 aber, furz ver 
dem 18. Brumaire, Präfident deffelben. Zum 18. 
Brumaire wirkte er bedeutend mit (j. Frauzöſiſche 
Revolution) u. wurde nach demjelben Minifter des 
Inmern u. 1800 Gefandter in Spanien, two er gro · 
ben Einfluß auf den König und beſ. die Königin 


Bonaparte. 


gewann. 


657 


1801 ſchloß er den Frieden von Ba— ſignand, ftudirte auf den beſten italien. Univerſi— 


dajoz zwiſchen Portugal u. Spanien u. vermittelte täten Naturwiſſenſchaften, heirathete feine Cou- 


das Concordat mit 
ſtets gewogen blieb. Nah Paris zurüchgelehrt, 
trat er 1802 in das Tribunat u. ward Senator, 
Sein Widerftreben gegen die Schritte, welche Na- 
poleon zur unumfdränften Herrſchaft tbat, und 
feine Weigerung, ſich von feiner zweiten Frau (der 
Wittwe eines auf St. Domingo geftorbenen Wech⸗ 
felagenten) zu trennen, entzweiten ihm mit dem— 
felben, und Yucian zog fih 1804 nah Stalien 
zurüd, Bergebens bot ihm Napoleon fpäter einen 
Zhron unter der Bedingung der Trennung von 


om, weshalb ihm der Bapft|fine, die Tochter des Königs Joſeph (j. Bona- 


parte 3), die ihm 8 Kinder gebar (f. 8. 11—18), 
lebte dann lange in Norbamerifa, wo er aufs 
Eifrigfte Ornithologie trieb. 1825 begann er mit 
der Herausgabe feiner Ergänzungen zu dem be- 
rühmten ornitbologiihen Werte von Wilfon. 1828 
nad Europa zurüdgelebrt, lebte er in Rom und 
machte mehrere wifjenichaftliche Reifen dur Eu- 
ropa, begann 1833 mit jeiner berühmten [cono- 
grafia della fauna Italica, war 1887 u. 1838 
logar in Paris, ohne von der Regierung Er- 


feiner Gemahlin: Lucian ſchlug alle Anerbiet- laubniß zu haben, oder geftört zu werden, wurde 


ungen aus u. ſchiffte ſich 1810 nah NAmerika 
ein. Trotz engliſcher Päſſe warb er aber bei 
Cagliari angehalten und gefangen nah England 
gebracht u. lebte bier unter Auffiht eines Offi- 
ziers bei Pondon. 1814 kehrte er nach Rom zu« 
rüd auf das ſchon 1808 von ihm erlaufte u. vom 
Papſte darauf zu einem Fürftentbum erhobene 
Landgut Canino, 1815 begab er fi zu dem 
vou Eiba zurüdgelehrten Napoleon u. ward von 
ihm zum Pair u. franzöf. Bringen ernannt. Nach 
Ludwigs XVII. zweiter Rüdtehr ging er nad 
Italien, ward hier von dem öfterreichiichen General 
Bubna angehalten u. auf die Eitadelle von Turin 
eſetzt, jedoh auf Verwenden des Papftes losge- 
affen, kehrte nach dem Kirchenftaate zurüd u. lebte 
in und bei Rom. Lucian hatte fi in früheren 
Zeiten, beſ. während feiner Gejandtichaft in Spa- 
nien und als Minifter des Innern, ein großes 
Bermögen erworben. Er ft. 29. Juni 1840 in 
Viterbo ebenfalls am Magentrebs. Lucian jr. 
einen Roman: La tribu indienne, on Edonard 
et Stellina, Bar. 1799; die Heldengedichte: Char- 
lemagne, ou l’Eglise delivree, Lond. 1814, und 
La Cyrneide, ou la Corse sauree, Bar. 1819. 
Seine Memoiren, deutich, Leipz. 1836, u. Möm. 
secrets, von Alph. de Beauhamp, Fond. 1819, 
2 Bde. Er war vermählt feit 1795 mit Chri- 
fine Boyer aus St. Marimin u., von ihr 1801 ge 
ſchieden, feit 1802 mit Alerandrine Laurence de 
Bleshamp, verw. Jouberton (geb. 1781 in Ca— 
lais); dieſe lebte als Wittwe vor der Februar— 
revolution mit Erlaubnif des Königs Ludwig Phi« 
fipp in Paris, wo fie die Celebritäten der fran- 
zöftihen Yiteratur in ihren Salons verjanmelte, 
dann in Rom u. fl. 12. Juli 1855 im Siniga« 
glia. Yucian hatte aus 1. Ehe 2 Töchter, aus 
2. Ehe 5 Söhne u. 4 Töchter. 8) Charlotte, 
ältefte Tochter des Bor., von feiner erften Ge— 
mablin, geb. 13. Mai 1796; vermählt jeit 1815 
an den Fürſten Marco Gabrielli in Rom; 1841 
Wittwe geworden, heirathete fie 1842 den römi— 
Ihen Arzt Gentamori, verließ ihre Befitung 
Dionte Giordano und mohnte in Rom, wo fie 
6. Mai 1865 ftarb. 9) Chriftine Egypte, 
Schwefter der Bor., geb, 19. Oct. 1798; ſeit 
1818 mit dem ſchwed. Grafen Poffe, u. als dieſe 
Ehe für nichtig erflärt wurde, 1826 mit Lord 
Dudley Stuart vermäbhlt; fie ft. 18. Mai 1847 
in Rom. 10) Charles Lucien Jules Lau— 
rent, Fürſt von Canino, Sohn Yucians, aus 
2. Ehe, geb. 24. Mai 1803 in Paris; führte bis 


zu feines Vaters Tode den Titel Graf von Mu⸗ Cardinal ernannt. 18) Julie, 
PVierers Univerfal-Converfationd-?eriton. 6. Aufl. III. Baud. 


das letzte Mai felbft Ludwig Philipp vorgeftellt u. 
folgte 1840 feinem Bater als Fürſt von Ganino. 
Er machte ſich durch fein wiſſenſchaftliches Stre- 
ben in Jtalien einen Namen und nahm an den 
meiften wiljenfchaftlihen Congreſſen theil, präfi« 
dirte fogar denfelben öfter; als er aber 1847 auf 
dem in Venedig abgehaltenen Kongreß Politik in 
jeine Reden einfließen ließ, wurde er von der 
öfterreihiihen Regierung ausgemwiefen und fehrte 
nah Rom zurüd. Hier betheiligte er ſich bei den 
politifchen — — im Kirchenſtaate, ſtellte 
ſich 1848 an die Spitze der Republikaner, unter- 
ftügte durch Geldmittel die Bildung eines Corps 
Freiwilliger zur Befreiung der Yombardei von 

fterreich u. wurde jeit Februar 1849 abwechſelnd 
Bicepräfident und Präfident der Eomftituirenden 
Berfammlung in Rom. Nah der Einnahme 
Roms durch die Frauzoſen Juli 1849 floh er 
nach Frankreich, wo er in Rouen eine Protefta- 
tion gegen die franzöſiſche Futervention in Rom 
publicirte, aber in Orleans verhaftet und nad 
Hapre gebracht wurde, von wo er fi nad Eng- 
land eimfchiffte. Seit 1850 lebte er in Paris, 
wurde 1854 Director des Jardin des plantes u. 
ft. 29. Juli 1857. Er gab heraus: American 
Ormithology, Philad. 1825—33, 3 Bde., Orni- 
thology of North-America, New-Yort 1826; 
Observations on the nomenclature of some 
species, Philad. 1826; Specchio comparativo 
dell’ ormithologia di Filadelfia e di Roma, Pifa 
1827; Sulla seconda edizione del regno ani- 
male di Cuvier, Bologna 1830; Saggio di una 
distribuzione degli animali vertebrati, Rom 
1831; Iconografia della fauna Italica, ebd. 
1833—41, 3 Bbe,, Cheloniorum tabula analy- 
tica, Rom 1836; Catalogo metodico dei mam- 
miferi europei, Mail. 1845, und Cat. dei pesei 
europ., Neap. 1846; (onspectus systematum 
mastozoologiae, Leyden 1850; Conspectus gene- 
rum avium, Leyd. 1850, u. a. zahlreihe Son- 
derbearbeitungen einzelner Familien u. Gattungen, 
namentlich von Vögeln. Seine 8 Kinder waren: 
11) Joſeph, Prinz v. Mufignano, geb. 13. 
Febr. 1824 in Philadelphia. Auf ihn, einen Gegner 
der politifhen Anfichten jeines Vaters, wurde am 
9. Febr. 1850 in Rom ein Attentat gemacht, dem er 
unverlegt entging; er ft. 2. Sept. 1865 in Rom, 
12) Zucian, geb. 15. Nov. 1828 in Rom; trat 
1853 in den geiftlihen Stand, wurde 1855 zum 
Geheimtämmerer des Papftes, 1865 von Napo- 
leon III. zum faiferliden Prinzen u. 1868 zum 
geb. 6. Juni 
42 


658 


1830; feit 1847 mit Alefiandro del Gallo, Mar- 
quis don Noccagiovine, vermäblt. 14) Char- 
flotte, geb. 4. März 1832 in Rom; vermäblt 
feit 1848 mit Graf Pietro Brimoli. 15) Marie, 
geb. 18. März 1835; vermäblt feit 1851 mit 
Graf Paul von Campello. 16) Augırfte, geb. 
9. Nov. 1836; vermäblt feit 1856 mit dem Prin- 
zen Gabrielli, Sohn der Prinzeffin Charlotte B. 
8). 17) Napoleon Karl, geb. 5. Febr. 1839 
in Rom; nahm als Offizier ın der franzöfiichen 
Armee an verjchiedenen Kämpfen im Algier und 
der mericanifhen‘ Erpebition tbeil, wurde 1870 
im Kriege gegen Deutichland gefangen u. zuerft in 
Braunſchweig internirt, nachdem er aber im 
Jan. 1871 jein Berſprechen, im dieſem Kriege 
nicht mehr gegen Deutſchland zu fechten, wiber- 
rufen, bis zum Frieden im Fort Boyen ein- 
eſperrt. Er ift feit 1868 vermählt mit einer 
rinzeffin Ruspoli. Seine Tochter Marie ift 1870 
geboren. 18) Mathilde, geb. 26. Nov. 1840; 
vermäblt feit 1856 mit dem Grafen Gambacerds; 
fl. 8. Juni 1861. 19) Lätitia, Schweſter von 
8.10), ältefte Tochter von Lucian B., aus 2. Ebe, 
eb. 1. Dec. 1804; feit 1821 an den Irländer 
Thomas Wyſe, brit. Gefandten zu Athen, ver- 
mäblt ; lebte, von diefem 1828 wieder getremmt, 
nm mehreren Orten, bef. in Aachen, u. ftarb im 
März 1871 in Florenz. Cie hatte von ihm 2 
Söhne: William Charles, geb. 1826 in Wa- 
terford, und den geiftestranten Alfred Napo- 
leon Wyſe, geb. 1821 in Rom; f. u. Wyſe. 
Später wurden von ihr noch zwei Töchter geboren: 
Marie u. Adele Wyje-B,, von denen die er- 
ftere, geb. 25. Aug. 1833, mit einem Fürſten 
von Solms — wurde, aber ſich bald von 
ihm trennte und 1862 den italien. Miniſter Ra— 
tazzi beirathete, der 1873 ftarb, die zmeite mit 
dem ungariſch⸗italien. General Türr (f. d.), einem 
reunde Garibaldis, vermäblt it. 20) Jeanne, 
wefter der Bor., geb. 22. Juli 1806 in Rom; 
vermählt an Marcheſe Honorati; ft. 1829 in Jefi, 
mit Hinterlaffung einer Tochter, Elelia. Ihre Ger 
dichte wurden als Inspirazioni d’affetto di una 
giovine Musa herausgegeben. 21) Paul Maria, 
Bruder der Bor., geb. 1808 in Rom; diente un- 
ter Lord Cochrane auf der Flotte im griechifchen 
Befreiungstriege und tödtete fih unwilllürlich im 
Hafen von Nauplia Dechr. 1827. 22) Lonis 
Lucian, Bruder des Vor., geb. 4. Yan. 1813 
zu Thorngrove in England; ftud. Chemie und 
Mineralogie, zeichnete fih auch durch verichiedene 
Werte ſprachvergleichender Wiſſenſchaft aus; trat 
1849 für Corſica in die Nationalverfammlung u. 
wurde 1852 Senator; er fl. 1857. B. verfaßte 
Specimen lexiei comparativiomnium linguarum 
europaearum, Flor. 1847 u. eine Überjegung der 
Parabel vom Säemann in 72 europ. Spraden 
u. Dialekte, Lond. 1857. 23) Pierre Napo— 
leon B., Bruder des Vorig., geb. 12. Sept. 
1815; lebte im Jtalien, betbeiligte fib 1831 
bei dem Auffiande in der Nomagna, wurde er 
griffen u. ſaß 6 Monate, in Fivorno; dann ging 
er nad Amerika, wo er in Neu-Granada gegen 
Ecuador diente; 1834 fehrte er nah Europa zus 
rück umd lebte in Italien. Er murde in Gept. 


1836 in Rom zum Tode verurtheilt, weil er‘ 





Bonaparte, 


einen Gensdarmerieoffigier erichofien hatte, der ihn, 
als der Theilnahme am Aufftande in der Romagna 
verbädtig, gefangen nehmen wollte. Bon dem 
Papfte begnadigt u. des Landes verwiefen, ging 
er nah Nordamerika u. dann nad den Joniſchen 
Inſeln. Auch von da wegen mehrerer Ercefie 
verwiefen, lebte er feit 1838 in Belgien, wurde 
bier aber, da er mit Mazzini in Pondon in brief- 
lihe Verbindung getreten war, 1415 ebenfalls 
ausgewiefen. 1847 erſchien er plöglih in ber 
Schweiz, um gegen die Sonderbündler zu dienen, 
aber General Dufour nahm feine Dienfte mich 
an. 1848 febrte er nach Paris zurüd, hielt fich 
zur republifanifchen Partei und murbe von der 
Inſel Gorfica zum Mitgliede der Wationalver- 
jammlung gewählt. Bon der Megierung der 
Armee in Afrika als Bataillouschef zugetheitt, 
verließ er 1849 plötzlich Algier ohne Urlaub und 
fehrte nad Paris zurüd, weshalb er feines Gra- 
des entjegt wurde. Nach der Thronbefteigung 
feines Vetters wurde er durch das kaiſerliche Haus- 
gejeg vom Sept. 1855 als franzöfiiher Prinz 
amerfannt, vwertehrte aber wenig mit dem Hofe 
u. heirathete 1869 feine bisherige Mätreſſe, die 
Tochter eines Arbeiterd. Wegen einiger Artikel 
in einem corfiichen Blatte ließ ihn Pascal Grouſſet 
durch Ulric de Fondielle u. Bictor Noir fordern, 
die am 10. Jan. 1870 zu dieſem Bmwede fih im 
das Yandbaus des Prinzen zu Autenil begaben, 
beide mit Mepolvern veriehen. Pierre gab auf 
die Beſuchenden Feuer, und Noir wurde tödtlich 
verwundet. Die Behauptung des Prinzen, dag der 
Gerödtete ihm thätlich imfultirt habe, wurde durch 
das freiſprechende Erfenntuiß des in Tours ver⸗ 
fammelten Staatsgerichtsbofes 27. März 1870 
anerkannt, doch mußte er wegen der entftandenen 
Aufregung auf den Wunſch des Kaifers Frankreich 
verlafjen u. begab fich nach Belgien, 1871 nach Xon- 
don. 24) Antoine, Bruder des Bor, geb. 31. Oct, 
1816; lebte mit jenem Bruder Pierre in Italien 
un. floh, politiich verdächtig, 1836 nad Amerika; er 
lehrte 1838 nach Europa und 1848 nad Paris 
zurüd, wo er 1849 ebenfalls in die Nationalver« 
ſammlung gewählt wurde; vermäblt jeit 1839 mit 
Marie Anna, geb. Cardinali aus Yucca. 25) Aler- 
andrine Marie, Schwefter des Bor., geb. 
12. Oct. 1818; vermäbhlt jeit 1836 mit Vincenzo 
Balentin von Canino, Wittwe feit 1858. 26) Con- 
ftanze, geb. 30. Jan. 1823; nahm den Schleier 
u, ift Abtıffin des Klofters zum Heiligen Herzen 
in Rom. 

D) 27) Marie Anna (Elife), Schweiter des 
Kaifers Napoleon I., ältefte Tochter von B. 1), 
geb. 3. Januar 1777 in Ajaccio; vermäbft feit 
1797 an Fel. Pasq. Bacciochi (f. d.), einen ade» 
ligen Corjen; wurde 1805 dur ihren Bruder 
Napoleon zu einer Frftin von Piombino erhoben, 
dann auch von Pucca, fpäter zur Großberzogin 
von Hetrurien (Toscana); fie führte unter man- 
herlei Ercentritäten wirklich die Regierung. Rad 
ihres Bruders Sturze 1814 verlor fte das ‚Fürften- 
tbum, lebte erft in Bologna, dann als Gräfin von 
Gompianiano in Trieft; ftarb 7. Aug. 1820 auf 
der Billa Vicentina bei Trieft. Bon ibrer Toch— 
ter Napoleone Elife und ihrem Enfel Napoleon 
Graf Camerata j. Bacciochi. 


Bonaparte. 


E) Ludwigſche Linie: 28) Louis Graf 
von St. Leu, 4. Sohn von B. 1) und Bruder 
des Kaifers Napoleon I., geb. 2. Sept. 1778 zu 
Ajaccio; wurde 1806 Kömg von Holland, legte 
1810 die Regierung nieder u. lebte ald Graf von 
St. Leu an mehreren Orten; er ſt. 25. Juli 1846 
in Livorno; ſ. u. Ludwig (König von Holland). 
Er war vermählt feit 1802 mit Hortenfie Eug. 
Beauharnais (j. u. —— ſpäter von ihm ge⸗ 
tremmt, lebte fie in Augsburg u. Jialien u. zur 
fett in Arenenberg in der Schweiz; fie ftarb 30. 
Oct. 1837: 29) Napoleon Youis Charles, 
officiell Sohn des Bor. (nad weit verbreiteter 
Behauptung Napoleons 1.), geb, 10, Dct. 1802; 
als ältefter Entel der Kaiferin Joſephine wurde 
er von dem kinderloſen Kaifer adoptirt, ftarb aber 
ſchon 5. Mai 1807. Sein frübgeitiger Tod war 
eine der Beranlaffungen zu der fpäteren Scheid— 
ang Napoleons von Joſephine. 80) Louis 
Napoleon, Bruder des Bor, geb. 11. Det. 
1804; war von dem Kailer 1808 an Murats 
Stelle zum Großherzog von Berg beftimmt, fam 
jedoch, da diejes Land 1813 von den Allürten er- 
obert u. 1814 aufgelöft wurde, nicht zur Megier- 
ung, ging nad Ftalien, wurde mit feinem Bru« 
ber in Florenz erzogen, heirathete Charlotte B. 
»(j. oben 4), nahm 1830 und 1831 an der Erheb— 
ung im ig eg theil u. organifirte in ber 
Mark Ancona die Fmjurrection; er ftarb aber 
17. März 1831 in Forli. BI) Charles Fonis 
Napoleon, gewöhnlich Lonis Napoleon, Bruder 
des Bor. u. jüngſter Sohn Ludwigs u. Horten- 
fiens, geb. 20. April 1808; 10. Dec. 1848 Prö- 
fident der Franz. Republik, 1. Dec. 1852 Kaifer als 
Napoleon III., 2. Sept. 1870, nad der Schlacht 
bei Sedan, als ——— des Königs von 
Preußen nach Schloß Wilhelmshöhe bei Kater ab: 
geführt; ft. in Ehiflehurft (England) 9. Jan. 1873 
:(f. Napoleon III.). Er vermählte fih 30. Januar 
1853 mit Eugenie dv. Montijo, Gräfin v. Teba 
(f. u. Eugenie). Sein Sohn ift 32) Napoleon 
Eugen Lonis Jean Joſeph, geboren 16. 
‚März 1356 (j. Napoleon IV.). 

F) 88) Carlotta, fjpäter Marie Pauline, 
2. Tochter von B. 1), geb. 20 Oct. 1780; hei- 
rathete 1797 den General Leclerc, mit welchem fie 
1801 nah S. Domingo ging, und nad) defien 
Tode 1803 den Fürſten Camillo Borgheſe; 1806 
erbielt fie von ihrem Bruder, dem Kaifer Napo- 
leon, das Fürſtenthum Guaftalla und behielt es 
bis zu deifen Sturze. Sie lebte dann, von ihrem 
Gemahl getrennt, in Rom u. fl. 9. Juni 1825 
in Florenz. Bon Leckere hatte fie einen Sohn, 
der bad nah dem Vater ftarb. Sie war des 
Kaiſers geliebtefte Schweſter. 

G) sd) Annunctata, fpäter Caroline, 3. 
Tochter von B. 1) u. jüngfte Schweiter des Kai— 
ſers Napoleon I., geb. 26. März 1782; wurde 
1800 an Joachim Murat verheirathet, den Na- 
poleon jpäter zum Pet von Berg, dann 
zum König von Neapelerhob. Nach der Flucht Diu- 
rats im Mai 1815 lebte fie auf der Billa Campo 
Marzo bei Trieft, zuletzt in Florenz, der Erzieh- 
ung ihrer 4 Kinder (j. u. Murat), nah Murats 
Hinrihtung als Gräfin Lipona; ft. 18. Mai 1839 
in Florenz. 


659 


H) Jerdmeſche Linie: 85) Jerdme oder 
Hieronymus, Fürſt von Montfort, 5. und 
jüngjter der erwachjenen Söhne von B. 1), Bru⸗ 
ber- des Kaifers Napoleon I., geb. 15. Nov. 1784 
in Ajaccio.. Er widmete fid) dem Seedienfte, war 
1801—1805 in den Weſtindiſchen Gewäſſern, ging 
dann nad Aigier, wo er die genuefiihen Gefan- 
— befreite, u. commaudirte im Kriege gegen 

reußen feit 1806 mit Vandamme ein Corps in 
Schiefien; er wurde 1807 König von Weſtfalen. 
1813 vertrieben, lebte er in Paris u. nach dem 
Sturze feines Bruders Napoleon in der Schweiz. 
In den Hundert Tagen fehrte er nad) Frankreich 
zjurüd, wurde zum Pair ernannt u. focht an der 
Spige eines Corps bei Waterloo; nad Napoleons 
Abdanfung lebte er als Herzog von Montfort im 
der Schweiz, SDeutichland u. Ftalien. Schon vor 
der Februarrevolution hatte er die Erlaubniß zur 
Rüdtehr .nah Frankreich erhalten, wurde 1848 
kurze Zeit franzöfifcher Gejandter in Spanien, im 
Dec. 1848 als franzöſiſcher Divifionsgeneral zum 
Gouverneur der Invaliden, 1. Jan. 1850 zum 
Marſchall von Frankreich, im Dec, 1851 zum 
Präfidenten bes Staatsrathes und durch Decret 
vom 24. Dec. 1852 zum eventuellen Thronfolger 
ernannt; er ft. 24. Juni 1860.u. wurde neben 
Napoleon I. im Dome der Invaliden beigefegt. 
®gl. Memoires et correspondence du roi Jeröme 
et de la reine Catherine, Paris 1861—1864, 
5 Bde. Er war vermählt 1803 mit Elifabeth, 
geb, Paterfon, aus Baltimore, von welder er 
einen Sobu (f. B. 36) hatte; auf des Kaiſers 
Napoleon I. Befehl ließ er fih 1805 von ihr 
ſcheiden u. heirathete 1807 die Prinzeffin Kathas 
rine von Württemberg, Tochter des Königs Fried» 
rih I; fie folgte ihrem Gemahl nah dem Ber« 
Infte des Königreichs Weftfalen überall bin u. ft. 
28. Oct. 1836 in Lauſanne. 36) Jerdöme B.⸗ 
Paterjon, Sohn des Bor. aus 1. Ehe mit Elifa- 
beth Baterjon, geb. 7. Juli 1805 in England; 
beirathete 1829 eine Amerikanerin, Suſan Wils ° 
liams, lebte in Baltimore den Wiflenfchaften und 
der Landwirthſchaft; ftarb dort 1. Juni 1870, 
Sein älterer Sohn, Jeröme Napoleon B., ift. geb, 
1832. Vater u. Sohn famen 1853 nad) Frank⸗ 
reich, wurden vom Kaifer empfangen, u. der Sohn 
trat als Offizier in die franzöfiiche Armee und 
nahm theil an den Feldzuge in der Krim. 
37) Zeröme Napoleon, Prinz v. Mont 
fort, Stiefbruber des Bor., Sohn Jerömes aus 
2. Ehe mit Katharina, geb. 28. Aug. 1814 in 
Graz; war württembergiſcher Oberft; ftarb 12, 
Mai 1847 in Caftello bei Florenz. 38) Mathilde 
Fätitia Wilhelmine, Prinzeſſin von Mont 
fort, des Vor. Schwefter, geb. 27. Mai 1820; 
1841 in Nom an den ruffifhen Grafen Anatole 
Demidow vermäblt, aber 1845 gejchieden; fie 
unterftügte ihren Better während jeiner Präfi- 
dentichaft mit reichlichen Geldmitteln, wurde nad) 
deffen Thronbefteigung zur Prinzeffin von Frank⸗ 
reich erflärt u. machte bis zu feiner Bermählung 
die Homneurs am Hofe. Seit 1873 ift fie aber- 
mals morgamatiich vermählt. 39) Napoleon Jo⸗ 
jepb Charles Paul, Prinz von Montfort, 
gewöhnlich Prinz Napoleon oder mit feinem Spitz- 
namen Plon-Plon’ genannt, Bruder der Bor. u. 

42” 


660 


jüngfter Sohn Jerömes, geb. 9. Sept. 1822 in 
Trieft. - Er wurde im Februar 1831 aus dem 
Kirdenftaate verbannt, obgleih er noch ein Kind 
war; trat 1837 in württembergifhe Militärdienfte, 
bereifte feit 1840 Europa, hielt fih 1845 einige 
Zeit in Paris auf, wurde aber ausgemwiejen, weil 
er mit den NRepublilanern in Verbindung ftand; 
fam 1847 wieder mit feinem Bater 274 Paris, 
murde nach der fFebruarrevolution 1848 in Corfica 
für die Gomftituante, dann für die Fegislative ge- 
wählt u; geiellte fi zu der demokratiſchen Partei. 
Er wurde im Jan. 1849 Oberft der Nationalgarde 
in der 2, Legion u. ging im März 1849 als Ge- 
fandter nad Madrid, verließ jedoch diefen Poſten 
bald wieder u. lebte in Paris, wurde im Dechr. 
1852 zum franz. Prinzen u. im Jan. 1853 zum 
Divifionsgeneral ernannt. Er war 1855 Borfigen- 
der des Directionscomites der Juduftrieausftellung, 
nahın 1854 an der Erpedition nach der Krim theil, 
tehrte aber Anfang 1855 zurüd und foll wejent- 
lihen Antheil an der 1855 in Brüffel heransge- 
tommenen Schrift haben, melde jene Erpedition 
ſcharf beurtheilte; 1856 untermahın er eine See- 
reife nach dem Norden u. beſuchte 1857 den Hof 
in Berlin. 1858 war er kurze Zeit Minifter für 
Algier und die Colonien. Während des Jtalie- 
niſchen Feldzuges 1859 befehligte er ein abge- 
fondertes Corps in Toscana, jedoch ohne Ruhm, 
Schon vorher, 30. Jan. 1859, hatte er fich mit 
der Prinzejfin Clotilde, Tochter Bictor Emanuels, 
vermäblt. Seine Verbindungen mit der. demo- 
fratischen Partei umterbielt er auch als Prinz fort 
u. widerſetzte fih mebrfah dem klerikalen Ein- 
fluffe der Kaiferin Eugenie, was ihm öfters die 
wol nur jheinbare Ungnade feines Betters zu- 
320g. Wenigftens wurde er von diefem auch fpä- 
ter mit diplomatifhen Sendungen vertraulicher 
Art beauftragt, jo 1868 nach Berlin, um dort 
wegen der Stimmung betrefiß der franzöftlichen 
Gelüſte nad der Annerion Belgiens zu fondiren, 
1870 zu feinem Schwiegervater, um dieſen zum 
Bündniffe gegen Deutichland zu bewegen — beides 
ohne Erfolg. Der Sturz bes Raikers vertrieb 
auch ihn aus Franfreih, aber in Eorfica wurde 
er für die Nationalverfammlung gewählt, die 
Wahl jedod von diefer caffirt. Erſt nah dem 
Rüdtritte von Thiers, der ihn bei einem Beſuche 
in der Nähe von Paris im Oct. 1872 hatte aus- 
weiſen lafjen, Lehrte er auf längere Zeit nad 
Frankreich zurüd u. nimmt dort lebhaft an ben 
bonapartiftiihen Agitationen theil. Aus feiner 
Ehe ftammen drei Kinder: 40) Bictor, geb. 
18. Juli 1862; 41) Louis, geb. 16, Juli 1864, 
u. 42) Marie, geb. 20. Dec. 1866, 
Treuiler· (aufer B. 10). 

Bonapartea R. & P.; umfaßt einige merica- 
niihe Pflanzen, melde jegt zu Agave gerechnet 
werben, wie 3. B. A. geminiflora Juss., u. welche 
fi durch fehr ſchmale, prriemenförmige u. in eine 
lange Spige endende Blätter auszeichnen. Engler. 

Bonar, Horatius, namhafter und eifriger 
Geiftlicher der Freien Schottiichen Presbyterialkirche, 
geb. um 1808; erhielt feine Ausbildung zuerft in 


Bonopartea — Bonaventura 


byterialfirhe mit Keith, M’Cheyne ausgefanbt, 
um eine Unterfuchungsreife in Europa u. Aſien 
zu machen, den Stand der Juden zu erfunden u. 
zu erforfhen, „was für ihr Seelenwohl künnte 
ethban werden“. Der hauptfählih von B. ver- 
aßte Bericht diefer Meife erſchien 1843 in London 
unter dem Titel: The Jews of Europe and Pa- 
lestina. Bereits kurz nach feiner Anftellung zu Kelio 
hatte B. eine reiche luerariſche Thätigfeit begonnen: 
zuerft gab er auf furze Zeit The Presbyterian 
heraus u. begann feine befannten Kelso Traets zu 
veröffentlichen; 1846 ſchrieb er: Truth and Error 
u, murde von da ab ein bedeutender Hymmolog. 
Bon feinen übrigen Schriften verdienen noch ge- 
nannt zu werden: Hymns of Faith and Hope, 
1857; The Night of Weeping, or words for the 
suffering Family of God, 1853, aud ins Franz. 
überjegt, wovon mehr als 60,000 Eremplare ver« 
fauft wurden; Prophetic Landmarks, 1847; 
The Morning of Joy, 1850; The Eternal Day, 
1854; Light and Truth, or Bible Thoughts and 
Themes, 1868— 72, 5 ®be.; The Song of the 
New Creation, 1872; Life of J. Milne, 1872; 
The everlasting Righteousness, 1873; The 
Christ of God, 1874. B. überfegte auch Tholuds 
Stunden Kriftficher Andacht. 1856 machte er eine 
Reife durch Paläftina m. die Wilfte von Sinai, 
über welche er The Desert of Sivai u. The Land 
of Promise, 1857, veröffentlichte. 1859 folgte er 
Cameron als Herausgeber des Christian Trea- 
sury, ſowie er auch jeit länger als 20 Yabren, 
von feinem Anfange an, das myſtiſche Quarterly 
Journal of Prophecy beransgibt.  Bartling. 

Bonasia, jo v. mw. Haſelhuhn. 

Bonaföne, Giukio, Maler u. Kupferftecher, 
eb. in Bologna, geit. in Rom; blühte von 1521 
i8 1574 u. muß als der Erfie genannt werden, 

der danach firebfe, den Farbeneffect auch im Kupfer- 
ſtich wiederzugeben. Bon ihm find über 350 
Stiche befannt, die meift etwas manierirt find. 


Bona venia (fat.), mit Grlaubniß, mit Ge— 
nehmigung; vgl. Salva venia. 

Bonaventura St. (eigentlih Johann von 
Fidenz a), myſtiſcher Scholaftifer, genammt Doctor 
seraphicus, geb. 1221 zu Bagnarea in Toscana; 
trat 1248 in den Franciscanerorden, wurde 1253 
Profeffor der Theologie in Paris, 1256 General 
des Ordend, 1273 Gardinal u. Biſchof von Al— 
bano; fi. als Legat für die Lyoner Kirdhenver- 
ſammlung 15. Juli 1274 u. wurde 1482 fanoni» 
firt. Die Theologie ift ihm Gebieterim aller welt» 
lichen Wiffenichaften, die er unter dem Begriffe 
der Philojophie zufammenfaßt. Alle find nur 
——— auf das höhere Licht der Gnade. 

ir empfangen e8 durch die Heilige Schrift, die 
eigentlihe Grundlage alles wahren Wiſſens, die 
neben dem hiſtoriſchen einen allegorijhen, mora- 
liſchen oder tropologifhen und auagogifchen oder 
myſtiſchen Sinn bat, alſo Geheimnijje des Glan- 


bens, der Sittenlehre u. der Führung zur gänz- 
lihen Einheit mit Gott aufbewahrt. Die Heils- 
ordnung entwidelt B. nach der katholiihen Lehre 


der High School u. jpäter auf der Univerfität in u. fegt ihre Nichtwidervernünftigfeit aus einander. 


Edinburgh. 


1837 zum Paſtor der Nord-Kirche In philoſophiſchen Dingen beruft er fih auf Ari» 


zu Keljo ernannt, ward er 1839 von der Pres- |ftoteles u. folgt der peripatetifchen Lehre in ihrer 


Bonbon — Bon-Compagni di Mombello, 


uneuplatouiſch · arabiſchen Geftaltung, die er mit der 
Heiligen Schrift nicht im Wideripruche ficht. Weit 
über die Erleuntuiß der Dogmen 
die Neligion als Affeetus. Er for 
auf, ihr ganzes Verlangen fich und der Welt zu 
entfremden und. auf Gott zu richten, fchildert die 
9 Tagereifen der Seelen bis zum — und 
zum Himmel, die Verdammniß und die Seligfeit, 
führt den Geift auf 6 Borftufen religiöfen Er- 
tennens hinau, die dem Sechstagewerle glei— 
hen. Den Sabbath des Lebens, die Ruhe, den 
Schlaf des Friedens genießt ber Menſch, wenn 
er Gott erlebt, ihn ſchinedt, von ihm trunfen ift, 
ihn anzieht, im Gott übergeht und verwandelt 
wird. Erreichbar ift diefer — in Rangftufen ein- 
geiheilte — 
erichienene Gnade. 
völligen Einswerden mit ihm ift bas Sichein 
leben in: feine Gefchichte, namentlich im feine Lei« 


661 


u, darauf an der Turiner Univerfität feine juri« 
fiihen Studien vollendet, 1826 in den Staats- 


geht ihm aber dienſt und begann hier ſchon feine Studien und 
ert die Seele Beſtrebungen für Gründung von Kinderaſylen u. 


Kinderbewahranftalten u. für Hebung des Bolts- 
unterrichtes, in meld, letsterer Beziebung er 1829 
um die Genehmigung fiir Bildung eines desfall«- 
figen Bereins nachfuchte, aber die von der Re— 
gierung geforderte Überlafjung der Leitung an 
einen geiftlihen Orden ablehnen mußte; feine 
Ideen fiber Die ganze Sache legte er in der 
Schrift Saggio di lezione per l’infanzia nieder. 
Ein weiteres Feld für diefe Thärigleit eröffnete 
fih ihm mit Übernahme der Stelle eines Arınen« 
advocatsfubftituten in Savoyen, aus der er 1833 


uftand nur durch die in Chriſtus zum Staatsanmwalte in PBallanza u. darauf 1834 
Das wirkjamfte Mittel zum zum Gubftituten des Generalftaatsanmwaltes im 


Zurin ernannt wurde, Seitdem begann auch 
feine journaliſtiſche Thätigleit, neben welcher er 


densgeichichte. Die Jungfrau Maria und Fran⸗ ſeine Storia della letteratura eristiana degli 


ciscus, der Orbenzftifter, find die Beiſpiele ber 
allerinnigften Gottvereinigung. Werte: Commen- 
tare zu den Sententiae des Petrus Lombarbus ; 
Diaetae salutis, Itinerarium mentis in Deum 
(entworfen 1268) x. Gefammtausgaben: 1482, 
Rom 1588, in 7 Folianten, Lyon 1668, ebenfalls 
in 7 Folianten, leider mit vielen Drudjehlern, 
Venedig 1751, in 13 Duartanten. Bgl. Bes 
Leben von Fehler, Berlin 1807; Hollenberg, Stu: 
dien zu B., Berlin 1862. 

Bonbon (fr.), 1) Zuderplägchen, dadurch be 
reitet, daß man zu Caramel eingelochten, auch wol 
noch mit gefärbten u. wohlichinedenden Ingredien 
zien (DOrangeblüthenwafler, Banille, Zimmt- 
oder Nellenöl ꝛc.) verjetten Zuder auf ein mit 
Mandelöl beftrihenes Blech gießt u. die noch 
warme Mafje mittels eines ebenfalls mit Dans 
delöl beftrichenen Mefiers in 4eclige Stüde jchneidet. 
Diefe werden dann in meift buntes, zumeilen mit 
Devijen verjehenes Papier gewidelt. 2) Zuder- 
wert in Heinen, niedlichen Formen verſchiedener 
Art, Färbung u. Miſchung. Knall-B-$ find mit 
einem Papier umhüllie B.3, worin fich zwei 
Heine Streifen Pergament oder Papier befinden, 
Die mit einer erplofiven Maſſe, nah Art der Zünd- 
bütchenmaffe, an einander geltebt find; zieht man 
diefe B⸗s aus einander, fo erplodirt diefe Maſſe 
und gibt einen Knall. Daher Bonbonnitre, 
Behältniß zu Bonbons, in Dojen- oder anderer 


orm, 
———— Charles Melchior Arthur, 
Marquis de B., vendéeiſcher Anführer, geb. 
10. Mai 1760 zu Jouverteil in Anjou; diente 
erft im NAmerilaniſchen Freiheitskriege gegen die 
Engländer; wurde beim Anfange. der franzöfiichen 
Revolution zum Anführer der Inſurgenten der 
Provinz Anjou gewählt u. focht glüdlih für den 
König in der Bendee, fonnte aber enblid den 
Nepublifanern nicht Stand halten und blieb 
17. Oct. 1793 beim Übergange über die Loire 
bei Chollet. Ihm wurde zu St. Florentin eine 
von David gefertigte Statue errichtet. 

Bon-Compagni di Mombello (Buoncom- 
pagni), Karlo, ital. Staatsmann, geb. 25. Juli 
1804 zu Saluggia in Piemont; trat, nachdem er 


in einem Collegium zu Florenz mit Antonelli zugleih | 11. Mai das Minifterium bildete. 


undiei primi secoli und dann fein Hauptwerk: 
Introduzione alla scienza del diritto, Zurin 
1848, abfaßte und aud an den piemontefiihen 
Annali di giurisprudenzia mitarbeitete. Nach 
dem er 1845 Senator geworden u. unter Alfieri 
di Softegno im Unterritsminifterium Generals 
fecretär geweſen, erhielt er im erften conftitutio« 
nellen Miniſterium das Portefenille des Unter» 
vichtes; bier brach er nun volftändig mit dem 
alten Syftem, indem er das organiſche Schulgejeg 
vom 4, Oct. 1848 gab. Da indeß die Kammer 
die Petition der Studenten um Aufhebung des 
Verbotes der Theilnahme an, politiihen Bereinen 
trog feiner Gegenvorftellungen annahm, trat er 
3. Dechr. 1848 mit feinen ſämmtlichen Collegen 
zurüd. Später übernahm er im Minifterium 
Alfieri die öffentlichen Arbeiten u. dann nochmals 
das Portefeuille des Unterrichtes u. erhielt bier die 
wichtige Miſſion nach Rom, da diejes in Sachen 
der italienischen Liga Schwierigkeiten machte, aller« 
dings ohne einen Erfolg zu erzielen. Nah dem 
Frieden zu Mailand 6. Aug. 1849, über den er 
gemeinichaftlihd mit Dabormida mit OÖfterreich 
unterhandelt hatte, trat er ins Parlament und 
unterftügte hier das Minifterium, namentlich "bei 
Berathung des Preßgeſetzes, Dechr. 1851. Im 
Mai 1852 trat er für die YJuftiz in das Miıni« 
fterium d’Azeglio u. brachte hier das Civilehegeſetz 
ein, das er auch in einem Memoire glänzend 
gegen die Angriffe Roms vertheidigte. Als 
d’Azeglio im November mit feinen Collegen zu« 
rüdtrat, ging B. allein in das Minifterium Ca— 
vour über u, ward zugleich auch Kammerpräfident 
bis 1857, wo er ald bevollmächtigter Miniſter 
nach Florenz ging, um den Großherzog, für liberale 
Reformen zu gewinnen, in der That aber, um 
für Cavours Plane zu arbeiten, Am 27. April 
1859 erklärte er dem Großherzog von Toscana, 
dag nun alle Reformen zu jpät lämen, ba die 
Revolution bereits fertig fei, fiherte demfelben 
freien Abzug aus Florenz zu u. übernahm, nad)» 
dem er den Eintritt in die Proviſoriſche Regier— 
ung Toscanıs abgelehnt u. Victor Emanuel die 
Dictatur Toscanas angenommen, von diefem die 
Stelle eines Generalcommifjarius, als welcher er 
Nah dem 


662 


Bond — Boner. 


Frieden bon Allafranca abberufen, kam er ſchon Die 30,000 Ew., vorherrſchend mohammedaniſche 
im November wieder, nachdem Prinz CarignanFulah, find fleißige Aderbauer, ſehr gewerbſam, 


die Regentſchaft in der Emilia u. in Toscana et- 


ereiten vortreffliche Baummollenftoffe u. treiben, 


halten, als defien Stellvertreter mit dem Titel durch die Lage des Yandes begünftigt, Tebbaft 


eines Generalgouverneurs des Bundes der mittel-| Handel. 
Mi welchen Poften er bis fürſtenthum anter einem Almamy; 


italieniſchen Provinzen, 
2. März 1860 bekleidete, wo er ind Privatleben 
urüdtrat. Indeß berief ihn Bictor Emanuel 
ald an die Spige einer Commilfion für Reor» 
anifation des Schulmejens und dann, als den 
erfaffer des inzwiſchen erichienenen Buches Sulla 
potenza temporale del Papa im October 1870 


an die Spige einer Commiſſion zur Beratbung|gelungenen Ende führte. 


der Garantien der geiftl. Herrichaft des Papftes; 
im Zuſammenhange mit diefem Auftrage arbeitete 
er den Gefegentwurf über die Beziehung zwi— 
ſchen Kirche u. Staat aus, worauf er wieder ins 
Privatleben zurüdtrat. Er ſchrieb aufer dem 
Genannten noch L'Unita d'Italia e l’elezioni, 
Zur. 1861; Il ministerio Ratazzi ed il parla- 
mento, ebd, 1862; -La traduzione liberale pie- 
montese, ebd. 1867, u. mehre Heinere politiiche 
Schriften. ragai. 

Bond, William Crauch, nordamerik. Aftro- 
nom, geb. 1790 zu Portland in Maine; erlernte 
die Uhrmacherkunſt, beichäftigte fi) aber auch mit 
Aftronomie n. errichtete zu Dorcheſter eine Pri— 
vatſternwarte. 1838 begleitete er die Willesiche 
Erforfhungserpedition als Aftronom, um eine 
Serie aftronomifcher u. meteorologiſcher Beobacht⸗ 
ungen zu machen. 1839 leitete er den Bau dei 
Sternwarte des Harvard College, murde zum 
Director derjelben erwählt und entdedte am 
16. Sept. 1848 den adten Saturnsmond. Er 
fi. 28. Jan, 1859, Seine wiſſenſchaftlichen Ab- 
bandlungen u. Schriften finden ſich in wiſſenſchaft⸗ 
lichen Zeitſchriften ac. zerſtreut. 

Bonde (Bauender, Bauer), in den 3 nord, 
Neichen jeder Hofbefiger; im alten Standinanien, 
bejonders in Norwegen, dem Adelftande gleihende 
Erbfafien, Ddelsbönder; in Schweden jogar 
ein Dpnaftengefhleht, das nod im Familien- 
namen B. fortlebt nah dem König Karl Kuud- 
fon,3. (1449). » 

ondi, Elemente, ital. Dichter, geb. 1742 

8 Mizzano in Parma, Jeſuit; wurde Lehrer der 
eredtſamteit in Parma; verfolgt wegen eines 
Gedichtes, worin er die Aufhebung des Jeſuiten— 
ordens gefeiert, hielt er fich lange in Tirol ver- 
borgen, wurde 1795 Bibliothefar des Erzherzogs 
Ferdinand in Brünn und Erzieher der Söhne 
deifelben u. fam 1816 nad’ Wien; er ftarb bier 
20, Juli 1821. Seine poetifhen Werte ericie- 
nen: Venedig 1798, 6 Bde.; Pija 1799; Wien 
1808, 3 Bde. (vom denen der 1. feine längeren 
Gedichte: La conversazione, La felieita, Il go- 
verno pacifico, La moda u. La giornata ville- 
reccia; der 2. u. 3, feine Sonette, Elegien, Can« 
zonen ꝛc., nebft einer Überfegung von Virgilius' 
Georgica enthalten). Außerdem tiberjegte er Meta— 
morphofen des Ovidius u. die Anetde des Virgilius, 

Bondu, afritanisher Staat in Senegambien, 
von Kadidaga, Bambuk, Tenda und Futa-Toro 
begrenzt; ſehr mafferreih, von mäßig hoben 
Gebirgen erfüllt u. fruchtbar; Hauptproducte find 


Das Land ift ein monarchiſches Wahl- 
Hauptort ifi 
Bullibanııy od. Buldband, 1800 Em. Zu Sam: 
bafolo wohnen geichidte Eifen- u. Goldarbeiter. 
Bond- u. Forfter-Majchine ift die Drud- 
mafchine, bei meldher man das Prineip des end- 
(ofen Papiers mit dem rotirenten Schriftſatz- 
cylinder zuerft in Verbindung bradjte u, zu einem. 
Le fand jedoch nicht 
die Verbreitung, die ihre Erfinder porausiegten, 
u. ift von den Rototionsmaichinen, welche von 
Stereotypplatten druden, faft ganz verdrängt wor: 
den. Bon ihren Erfindern zu Prefton in Yanca- 
ihire in England auch Preftonian genannt, 
Bone, Henry, engl. Emailmaler, geb. 1755, 
geft. 1834, Sohn eines armen Tiſchlers in Corn- 
wallis; arbeitetezuerftinden Porzellanfabrilen feiner 
Heimath, trat 1780 zum erjten Mal als Künſtler 
auf, ward 1800 Hofinaler des Prinzen von Wales 
u. malte zahlreiche Porträts von Zeitgenoffen ır. 
viele Bilder nah alten Meiftern. Werle: Amor 
u, die Muſe; Tod der Dido; Venus; Bachus n. 
Ariadne, nah Titian; Himmelfahrt Mariä, nad 
Murillo ꝛc. Regnet. 
Bonelli, Gaktano, italienischer Phyfifer, geb. 
1815 in Mailand; wurde nad Bollendung feiner 
Studien bei der Steuerdirection beichäftigt und 
fam dann nad Turin, wo er vom linterricht in 
der Benutzung des Morſeſchen Telegraphen lebte 
u, eine Menge junger Leute für den Zelegraphen- 
dienft vorbereitete, deſſen Vorftand er nachmals 
murde. Bon feinen Erfindungen machte nament» 
li 1853 die der Anwendung der Eleftricität zur 
Bewegung der auf die Platinen wirfenden Nadeln 
im Jacquard-Webſtuhl großes Aufichen, da fie 
auch diejen legteren nambaft zu vereinfachen ver- 
ſprach. Hierauf erfand B. 1855 feinen Yocomo- 
tivtelegraphen, der e8 möglich macht, daß die Züge 
auf den Bahnen in ununterbrohenem Berfehre 
mit den Stationen bleiben (vgl. Eiienbahntelegra» 
phen). Die erfte Probe ward auf einem Sepa- 
ratzuge zwifchen Turin und Moncalieri gemacht. 
Darauf bemühte fih B., einen Copirtelegraphen 
($. d.) berzuftellen, und wollte dazu 50 Yeitungs- 
drähte verwenden. Später beichränfte er fih auf 
das eleltrochemiſche Copiren von erhabenen röm. 
Metalltypen; mit einem folhen Telegraphen bes 
ihidte er die Londoner Induftrieausftellung 1862; 
in demſelben kamen 10 (fpäter nur 5) gegen ein- 
ander tolirte Leitungsbrähte zur Bermendung, 
unter deren 10 Enden auf ber telegrapbirenden 
Station die Metalltypen, auf der Empfangsitation 
chemiſch präparirtes Papier mit gleiher Geſchwin— 
digkeit .hinbewegt wurden, wobei die eleltriſchen 
Ströme die Typen auf dem Papier copirten. lm 
ganz feinen Berjuhen fih widmen zu können, 
legte B. fein Amt nieder. Er ft. 20. Sept. 1867 
in Zurim. Zetzſche. 
Boner (Bonerius), 1) Ulrich, deutſcher Fabel- 
dichter, Predigermönch aus Bern. Er ſchrieb in 
der erſten Hälfte des 14. Jahrh. unter dem Titel; 


Baummolle, Tabak u. Indigo, Eifenerze u. Gold. Edelſtein 100 Fabeln (bispel, bischaft) wa dem 


Bonefize — Bönhaſe. 


663 


Anonymus des Nevelet, dem Aoianus u. f. w. richs IV., als berjelbe noch König von Navarra 
In einer Sprade, die fih unter Feſthaltung war, u. wurde von demfelben 30 Jahre lang als 
vieler jhmäbiihen Eigenthümlichkeiten durch an«| Gefchäftsträger bei vielen deutſchen Höfen gebraucht; 


ſpruchsloſe Naivetät auszeichnet, verfolgen dieſe 
Gedichte ihr Hauptziel, die Einprägung allge- 
meiner Sittenlehren, mit Beftimmtheit und heller 
Einſicht. —* deutſche Bücher haben eine Ber- 
breitung wie der Edelſtein gefunden. Die 1. 
Ausg., Bamberg 1461, Hein Fol., ift wahrſchein⸗ 
ih unfer älteftes Druckwerk (mir noch in 2 
Eremplaren vorhanden). Ausgaben von Bobmer 
(Fabeln aus den Zeiten der Minnefänger), Zür. 
1757; von ©. 5. Benede, mit Wörterbuch, Bert. 
1816; von Franz Pfeiffer, in den Dichtungen des 
deutihen Mittelalters, Bd. 4, Lpz. 1844. Val. 
Oberlin, Bonerii gemma, Straßb. 1782. 2)Char- 
les, engl. Dichter u. Neifender, geb. 29. April 
1815 zu Bath (Somerjetihire); lebte lange im 
Regensburg als Erzieher am Hofe des Fürſten 
von Thurn u. Taris, mit defjen Kindern er die 
Alpen beſuchte, u. fiedelte dann nah München über, 
von wo aus er Reiſen nah England und 1863 
nah Siebenbürgen machte. Nachdem er aud 
einige Jahre in Wien fernen Aufenthalt genom- 
men hatte, fehrte er nah München zurüd, wo er 
7. April 1870 ftarb. Er fchrieb außer Boners 
Book (ein Kinderbuh mit Sluftrationen von 
Grafen Pocci) u. The little Tuck, noch Chamois 
hunting in the mountains of Bavaria, London 
1853, 2. W., 1861; Verses. 1834—1858, ebd. 
1858; Dance of Death, and other poems, ebd, 
1859; Forest Creatures, ebd. 1861 (deutich als 
Theorie des Waldes, Yeipz. 1862); Transylvania 
(feine Reife nach Siebenbürgen), deutſch, Lpz. 1868, 
u. überfegte Anderjens Märchen u. Mafius’ Natur- 
ſtudien ins Engliſche. 

Boneſize, eine in der Tuchweberei angewen— 
dete, aus Pferdefleiſch hergeſtellte neue Schlichte, 
welche immer flüffig bleibt und nicht in Fäulniß 
übergehen fol. 

Bonet, 1) Joh. Paul, in der erften Hälfte 
des 17. Jahrh. einer der erftien Taubftummen- 
lehrer. 2) Theophil, geb. 1620 in Genf; Arzt 
dafelbit; er farb 1689; ſchrieb: Sepulchretum 
anatomicum, Genf 1679, 2 Bbe., Fol., vermehrt 
von Mangel, ebd. 1700 (das erfte Hauptwerk der 
pathologifhen Anatomie), u. m. a. 

onfini, Antonio, geb. 1427 in Adcoli; war 
Rector am Eollegium zu Pecanati u. wurde 1484 
wegen feiner großen Kenntniß der claffiihen Spra- 
hen, bei. der griedifchen, von Matthias Corvinus 
nad) Ungarn berufen; er ft. dort 1502. Er ſchr.: 
Res hungaricae (bi$ 1495), Bajel 1543, voll- 
ftändiger, Bajel 1568, Köln 1690, 2pz. 1771, 
Fol.; Symposion Beatrices, Bajel 1572 u. 1621; 
In Horatium commentarii; überfegte den Heror 
dianos ins Lateinische u.gab Heraus des Philoftratos 
Vitae sophistarum, 1516, u. des Hermogenes 
Ars rhetorica, yon 1538. Bol. Moller, De 
Bonfinio, Altd. 1698. 

Bonfol (Bumpfel), Pfarrdorf im ſchweizeriſchen 
Kanton Bern, Amt Pruntrut; Fertigung von 
fteinernem Küchengeſchirr, weldes weit verführt 
wird; 1250 Em. 

Bongars, Jacques, geb. 1554 in Orleans; 
findirte die Rechte, trat dann in die Dienfte Hein 


machte auch 1585 eine Reife nach Conftantinopel; 
er ft. 1612 in Paris. B. gab heraus den Juſtinus, 
Par. 1581; Seriptores rerim hungaricarum, 
Franlf. 1600; Gesta Dei per Francos, Hanan 
1611, 2 Bde.; feine Epistolae (theils politifchen, 
theils literariſchen Inhaltes), herausg., Leyd. 1647, 
Straßb. 1660, mit franzöſiſcher überſetzung von 
Brianville, Par. 1668 u. vermehrt Haag 1695; 
feine Extraits de quelques poésies (aus franzö⸗ 
fiihen Gedichten des 12.—14. Jahrh.) gab Sinner, 
Yauf. 1759, heraus. Vgl. Lothholz, De Bongarsio, 
Weim. 1857, 

Bon genre (fr.), gute Art. 

Bonghi, Ruggiero, geb. 1828 zu Neapel; hat 
fi) als Gelehrter einen bedeutenden Namen er- 
worben, wobei ihm jein Eritifher Kopf und eime 
ebenfo vieljeitige als tiefe allgemeine Bildung vor 
Allem zu Statten fam. Zuerſt claffiiher Philolog 
(er hat fich als Überfeger befonders um die Kennt 
niß der Werfe Platons in Italien bleibende Ber: 
dienfte erworben), war er von der ftürmifchen Zeit 
in den Strudel der Politik hineingezogen u. wirkte 
nun als Fournalift. 1870 wurde er als Profefior 
der alten Geſchichte an die Univerfität Rom berufen. 
Aber auch jetst noch blieb er publiciftiich thätig. 
Nachdem er jeit 1867 an der Spike der Redaction 
ber Mailänder Perseveranza geftanden hatte, lei⸗ 
tete er jeit 1872 die Neapolitaner Unita nazio- 
nale und fchrieb in die Nuova Antologia von 
Florenz. Die von ihm 1873 zu Neapel. heraus: 
gefommene Sammeljchrift Frati, papi e re ent 
hält feine in der Nuov. Ant. erjchienenen Auffäge, 
ſowie feine Parlamentsreden über religiöfe Körper» 
haften, das Gonclave u. die Anwendung der 
firhlichen Gefete von 1866 u. 1867 auf die 
römische Provinz. Obwol fein Redner, wurde 
er gleihwol bei dem Mangel an Staatsmännern 
ein angejehenes Parlamentsmitglied der rechten 
Seite des Haufe, Er wurde daher 1874 als 
Cultusminiſter in das Minifterium berufen. Sein 
Charakter gilt als nicht durchaus zuverläffig. In 
feinem ausgeſprochenen Selbftgefühl läßt er feine 
Überlegenheit überall fühlen, wodurch er fidy viele 
Feinde zugezogen hat u. Schwierigfeiten finder, 
fi als Minifter zu behaupten. In der Kirchen» 
frage theilt er die Halbheit mit den meitaus 
meiften ital, Staatsmännern. Bezold. 

Bon gré (fr.), mit gutem Willen, entgegengeſetzt 
dem mal gre. Bon gre, mal gré (mit Willen 
u. wider Willen), dem beutjchen: mir nichts, dir 
nichts, entiprechend. 

Bönhafe (vom niederbeutihen beun, Bühne, 
oberer Boden eines Haufes), 1) eigentlih Einer, 
welcher, ohne ein zünftiger Meifter zu fein, auf 
der Bühne, oder dem Boden heimlich zünftige 
Arbeiten verfertigt, od. Einer, der ohne Bollmadıt 
der Zunft im einer oberen Kammer arbeitet und 
deshalb als Pfnfcher von dem Ober- od. Amts 
meifter verfolgt wird; daher auch B. ſo v. w. Pfufcher. 
2) In niederdentihen See- u. Handelsftätten ein 
Mafter, welcher fein Geſchäft ohne obrigfeitliche 
Erlaubniß betreibt. Auch 3) nichteangejefiene Ein- 
wohner in Städten. 


0604 
Bonheur (fe) Süd, glückliches Ereignif. 
Bonhenr, I)Roja, franzöfiihe Thiermalerin, 


geb. 22. März 1822 zu Bordeaur; verlor früb- 
zeitig ihre Mutter und fiedelte nad deren Tode 
mit ihrem Bater, dem MalerRaymondB., 1830 nad 
Paris über. Sie fam 1832 als Lehrinäbchen zu 
einer Näberin, bei ber fie aber nur ein paar 
Tage aushielt. In dem Penfionat, in dem fie 
nun untergebracht wurde, litt fie es ebenfo wenig, 
n. fie ergab fih num der Malerei, in welcher fie 
zuerft der idealen Wichtung folgte und Tizian, 
Rafael, Rubens u. a. copirte. Ihr einziger Leb- 
rer war ihr Vater. Erft nad 6 Jahren (1841), 
während welcher ihr Beifpiel auch ihre Geſchwiſter 
Auguft, Iſidor u. Julie der Kunft zugeführt hatte, 
ftellte fie aus, Bier Jahre malte fie hiſtoriſche 
Bilder, dann wandie fie ſich entfchieden der Thier- 
malerei in Berbindung mit der Landichafts- und 
Genremalerei zu. on 1842 zählten ihre Ge- 
mälde zu ben geſchätzteſten u. gefuchteften ihres 
Faches, u. fie erhielt 1848 die Medaille erfter Klaſſe. 
1849 ward ihr Bild: Die pflügenden Stiere, für 
deu Luxembourg erworben. In ihren Arbeiten 
it nichts gefucht, oder auf den Effect berechnet, 
vielmehr alles u. jedes der Ausbrud der tiefften 
Ertenntniß, derreinften Empfindung, der fiebevoliften 
Sorgfalt un. Gemifienhaftigkeit. Ins Weſen der 
Thiere aufs Tieffte eingeweiht, weiß fie mit ſiche⸗ 
rer Hand diefes bis auf den feinften Charafterzug 
wiederzugeben. Menſchliche Figuren bringt fie 
auf ihren Bildern nur im fo fern an, als fie zum 
Ausdrud des ganzen Gedanfens nothwendig find. 
Auch die Landichaft behandelt fie mur als Neben⸗ 
ſache, aber Menſchen u. Landichaft find auf das 
‚Fleißigfte ftudirt und mit dem Thiere zu einem 

armoniſchen Ganzen verarbeitet, deifen äftheti« 
ſchen Gipfelpunft allerdings das Thier bildet. 
DB. bereifte England u. Spanien. Ihre Farbe, 
anfänglich etwas kalt u. troden, ward fpäter fatt 
u. warm, "Bon ihren Werfen find zu nennen: 
Der Morgen; Der Pferdemarkt; Die Heuernte; 
Die — in der Auvergne u. Die pflügen- 
den Stiere, befannt unter den Namen Labourage 
dans le Nivernais, letstere beide im Lurembourg. 
2) Angufte, franz. Landjchafts- u. Thiermaler, 
Bruder der Rofa 8, geb. 4. Nopbr. 1824 zu 
Bordeaur; lernte bei feinem Bater, bereifte die 
Pyrenden u. die Auvergne; fehr fruchtbarer Künft« 
ler; lebt in Paris und malt auch gute — 

net, 


Bon homme (fr.), aus Dummbeit guter, gut- 
mütbiger Menſch; daher Bonhommie, natürliche 
Gutberzigteit, Leutſeligkeit. 

Boni, 1) einheimiiher Staat an der gleichn. 
Bai im nördl. Theil der ſüdweſtl. Halbinjel von 
Gelebes; ftart bevöltert; 200,000 Em. vom 
Stamme der Bugi, welche ftarten Handel treiben; 
ein Wahltönig, welcher unter niederländiicher Ho- 

eit ftebt; gleihn. Hauptft., Verkehrsplatz Badſchoa. 

) Fürftenthum im S. der Präfidentichaft Ben- 
galen, unter britifher Oberhoheit; 2750 [_ km; 
47,000 halbwilde Em, 

Bonifacio, fefte Stadt im Arr. Sartöne des 
franz. Dep. u. der Inſel Corfica, an der Meer- 
enge gleihen Namens (Bonifaciusftraße), auf einer 
Heinen Halbinfel Sardinien gegenüber; guter, 


Bonheur — Bonifacius. 


aber ſchwer zugänglicher Hafen; Hanbelsgericht ; 
Wein u, Olbau; Korallenfiicherei; Handel mit 
Dlivenöl, del) x; 3616 Ew.; an ber Küſte 
mertwürdige Grotten, mur zu Hafer erreichbar, 
aber rei an Gras u. Blumen, Süßwaflerquellen, 
Stalaftiten u. Taubenneftern. — B. wurde 833 
von dem Markgrafen Bonifacins von Toscana 
gegen die Einfälle der Saracenen gegründet, 
1195 don den Genuefen in Beſitz genommen 
n. erhielt viele Freiheiten von ihnen eingeräumt. 
Die Stadt wurde 1420 vergebens von Alfons V. 
von Aragonien belagert u. 1553 vom den Frau— 
zofen erobert, jedoch nicht behauptet. 

Bonifacto, 1) Beneziano, Hiftorienmaler 
der Benetianifchen Schule; blühte von 1530—63 
in Venedig und ift zu wmterfcheiden von einem 
anderen Maler gleihen Namens, der 1553 ftarb, 
Er war vermuthlih ein Schüler Tizians, wenig. 
fiens zeigen manche feiner Gemälde eine große 
Ähnlichkeit mit diefem Meifter, deilen Beband- 
lungsweife der Färbung mamentlih ihm eigen 
ift, wenn er ihn auch am Energie u. Tiefe des 
Geiftes nicht erreicht. Die Galerien zu Benedig 
befigen die meiften feiner Werke, unter denen 
mehrere Heiligenbifder u. Heilige Familien. Im 
Mufeum zu Berlin befinden fi von ihm: Chri— 
ſtus u. die Ehebredherin; im Lonbre: Maria mit 
dem Kinde u. a., und eines feiner vorzüglichften 
Bilder: Rückkehr des verlorenen Sohnes, im 
Schlofie zu Alton Tower in England. 2) Bal- 
dafjare, geb. 5. Jan. 1586 in Crema; jtudirte 
die Rechte ın Padua u. hielt dajelbft Vorleſungen 
über die Inſtitutionen; begleitete den päpftlichen 
Nuntius Borgia als Secretär nah Deutjchland, 
wurde dann Profeffor in Rovigo, 1620 in Bene- 
dig, 1637 Director der Benetian. Afademie, 1653 
Bıldof von Capo d'Iſtria; er ftarb hier 1659. 
®. ihr. u. a.: Dell’ immortalitä dell’ anima, 
Bened. 1621; Amata (Tragödie), ebd. 1622; 
Lettere poetiche, ebd. 1622; Elogia Contarena, 
ebd. 1823; Historia Indicra, ebd. 1652, Brüſſel 
1656; Panegyriei sacri, Beneb. 1657 u. a.; gab 
heraus Eontarini, De rebus et bello in Etruscos 
et Senenses gesto, u. C. Gigonius, Judicium de 
historicis, qui res Romanas scripserunt, ®ened. 
1627, Helmft. 1647. Bon feinen 2 Drillings- 
brüdern bat fih noch Kaspar als Dichter bekannt 
gemadht. 1) Regnet.* 

Bonifacius. I. Heiliger: I)B.,derApoftel der 

Deutſchen, urſprünglich Winfried genannt, geb. zwi⸗ 
hen 675 u. 683 zu Kirton (Devonigire); erbielt 
jeine Bildung in den Klöftern Ereter u. Nbutscelle, 
In der Abficht, die Deutihen zu belehren u., was 
ihm eins damit war, dem Römischen Stuhl zu unter« 
werfen, machte B. zuerft 715 einen vergeblichen 
Miffionsverfuc in Friesland, ging dann 718 nad 
Rom, um fi zu feinem Werke die päpftliche VBol- 
macht geben zu laffen. Es gelang ihm zuerft bei den 
Seflen um Amöneburg 722, worauf er vom Bapfte 

regor II. zum Biſchof geweiht wurde. Obmol 
vom Papſte an Karl Martell empfohlen, erbielt er 
von diefem feine Unterftügung für fein Vorhaben; 
doh vollendete er mit Füllung der Donnereidye 
bei Geismar fein Werk bei den Heflen u. fette 
e3 in Thüringen fort, 732 von Papft Gregor II. 
zum Erzbiihof und apoftoliihen Bicar ernaunt, 


Bonifacius. 665 


ordnete er nah einer 3. Romreiſe (738) dieıderd der neu aufblühenden Kirche Englands zu, 
firhlien Berhältnifje Deutſchlands zuerft durch z. B. durch Verleihung des Palliums (f. d.) an 
Eintheilung Bayerns in die 4 Diöcefen Salzburg, |den Erzbifchof von Canterbury. 7) B. VI., der 
Freifing, Regensburg, Paſſau; dann nad Karl 116. Papft; regierte, von den Römern mit Gewalt 
Martels Tode 741 von Pipin dem Kleinen, noch erhoben, nur 15 Tage, lange genug, um fich als 
mebr von Karlmann unterjtütt durch Errichtung gänzlich unwürdig zu erweifen. 9 B. VII., 
von 4 Bisthümern für OFranken, Würzburg, Römer u. Cardinaldiafon, der 141. Papſt; wurde 
Eihftädt, Buraburg (bei Friglar, 787 mit Mainz von dem Römern nah Benebictd VI. (f. d.) Er- 
pereinigt), Erfurt. Auch errichtete er die Klöſter mordung 974 gewaltſam auf den Hl. Stuhl ge» 
Ohrdruf, Friglar, Amöneburg, Fulda. Seit ſſetzt. Seine Zeitgenoffen nannten ihm ſpottweiſe 
745 war B. Erzbiſchof von Mainz, übergab aber |Malifacius u. zeichneten ihm als abſcheuliches Un- 
dieje Würde 753 feinem Schüler Yullus, um fih|gerhüm, alle Sterblihen an Bosheit übertreffend, 
der Belehrung der Fzriefen zu widmen, u. fand/u. von dem Biute feines Vorgängers triefend. Er 
bei diefem Unternehmen 5. Juni 755 den Mär-|floh bald vor feinen Gegnern nad Conftantinopel, 
tyrertod in der Nähe von Dodum. Sein Kampflfehrte aber 984 nad Rom zurüd und ftie Jo— 
gegen die beiden Ketzer Adelbert den Gallier u. hann XIV, (f. d.) von dem Stuhl Petri ın die 
Clemens den Schotten läßt mit Grund ver-|Verließe der Engelsburg, wo er ihn bis zu deſſen 
muthen, daß des B. Arbeit zum nicht geringen | Tode vr Hunger oder Gift 4 Monate lang 
Theil in der Ausrottung des von den irifch-fchotti- |jchmachten ließ. Wegen diefer Unthaten wurde er 
ſchen Miſſionären früher in Deutſchland gepflanzten|985 durch einen Aufftand der Römer geftürzt, 
reineren, mehr evangeliich freien Chriſteuthums erſchlagen u. fein Leihnam vom Bolte mißhandelt 
beftand u. daß fein Hauptintereffe die Ausbreit-|u. durch die Straßen geichleif. 9) B. VIIL, 
ung der päpftlihen Macht liber eine nene Provinz |der 199. Papft, vorher Benedict Baktani aus Ana- 
war. Gejammtausgabe feiner Briefe von Giles,|gni, päpftlicder Notar unter Ritolaus IV., Car» 
Lond. 1842, 2 Bde. Seine Briefe, geſchichtlichſ dinal unter Martin IV. und mehrmals Legat; 
fehr wichtig, von Serrarius, Mainz 1605, 1629; | zeichnete fih durch Beredrjamteit, Kenntniß beider 
von Würdtwein, Mainz 1790, Altefte Biographie | Rechte, diplomatischen Geift, würdevolles Anſehen 
von Willibald, in Perg’ Monumenta II,, ©. 833; bei ſchönſter Wohlgeftalt ebenfo wie durch Mangel 
von Othlo im 11. Jahrh. in demſ. Werke; Letzner, jeder geiftlichen Tugend aus. Seine Zeitgenofjen 
Hist. S. Bon., Hilvelsh. 1602; Löffler, Bonifacius, |nannten ihn den großherzigen Sünder, Nachdem 
Gotha 1812; Geiter, B., der Apoftel der Deut-|er 13. Dec. 1294 durch Liſt u. Gewalt die Ab- 
ihen, Mainz 1845; Ebrard, Die irifhfchottifche |danfung oder eigentlih Abſetzung Cöleſtins V, 
Miſſionskirche, Giltersioh 1873. (j. d.) erzielt hatte, beftieg er felbit, mit Karls LI. 

II. Bäpfte: 2) St. B. J., der 43. Papſt, ein|von Neapel Bewilligung mehrheitlich gewählt, 24. 
Nömer, 418 als Nachfolger des Zofimus von der|Dec. 1294 den Stuhl Petri, melden er fofort 
Mehrheit in Hom gewählt, ihm gegenüber Eula-jallen Einflüffen zu entziehen fuchte, denen er in 
lius. Kaifer Honorius ſprach ſich, da Letzterer ihm letter Zeit ausgejegt wur. Daher ließ er zumächft, 
nicht gehordhte, für B. aus, der feit 419 alleinjebenfalls mit Karls Einwilligung, feinen Bor« 
regierte. Er war eifrig beftrebt, das Anfehen des gänger Eöleftin feſtnehmen u. bis zu deſſen Tode 
Römischen Stuhls zu befeitigen, indem er zuerft|(1296)in ſtreugſtem Gewahrjam halten. Zu Anfang 
den römischen Biſchof als Primas der Chriftenbeit| Januar 1295 ging B. von Neapel nah Anagni, 
bezeichnete. Er fl. 422. Die Kirche verehrt ihn um von da am 23. Jan, mit unerhörtem Pomp 
als Heiligen am 25. October. 3) B. II., der 56.|in St. Peter zu Rom einzuziehen, u. vereitelte 
Barı Eohn eines Gothen, aber geb. zu Rom;|fo die Hoffnung Karls II, das Papftthum in 
wurde 580 durch Einfluß des oſtgothiſchen Königs | Neapel feftzuhalten. B. wurde von Pifa zum 
Bapft u. hatte kurze Zeit einen Gegenpapft in Rector, von — Communen zum Podeſta 
Dioscurus. Auf Befehl des Königs Athalarich| gewählt u. bei Lebzeiten mit Bildſäulen beehrt, 
mußte er auf das Recht, ſelbſt feinen Nachfolger | weshalb ihm feine Gegner vorwarfen, er laſſe fi) 
zu ernennen, verzichten. Er ft. 582. 4) B. III., in Kirchen filberne Budfäulen aufrichten, um das 
der 67. Papſt, ein Grieche, nah dem Tode Volk zum Götzendienſte zu verführen. Er gründete 
des Sabinus. im Febuar 607 gemählt; ftarb|1303 die römiſche Univerfität (jet Sapienza). 
10. November deſſ. Jahres, nachdem er vom|fndem er feine eigene Familie zu dem eriten 
griechiſchen Kaifer Photas, dem Mörder des Mau-| Stellen im Kirche u. Staat zu erheben fuchte, 
ritius, welchen er, wie Gregor I. ſchon als Ge-|fam er in Streit mit dem Haufe der Colonna, 
fandter in Conftantinopel, durch Schmeicheleien zu deſſen Häupter flohen umd welches er 1297 mit 
gewinnen wußte, ein Decret erlangt hatte, wodurch |dem Baune belegte u. durch Gewalt u, Lift 1298 
der Biſchof von Nom den Titel: Allgemeiner |zur Huldigung zwang, worauf er den Zufluchts- 
Bifchof der Chriftenheit erhielt. 5) B. IV., derjort der Colonna, Paleftrina, von Grund aus zer« 
68. Bapft, ein Marfe, unmittelbarer Nachfolger |itören ließ. Nah einer zweiten Flucht der Go» 
des Borigen; fi. 7. Mai 615. Das freundliche |lonna zog er deren Bermögen ein u. verbot allen 
Berhältnig mit Phofas feste er fort u. erhieltvon | Städten u. Ländern, fie aufzunehmen. Hierauf 
diefem das Pantheon gejchentt, welches hierauf |veröffentlihte B. 22. ‚zebr. 1300 das Jubel 
zur Kicche der immerjungfräufien bl. Maria u. jahr mit vollem Ablaß für Alle, die während des 
aller Märtyrer geweiht wurde. 6) B. V., Near Jahres die Bafiliten von St. Peter und Paul 
politaner, der 70. Papft; regierte vom Dec. 619 |vorihriftsmäßig beiuchten, ausgenommen Die 
bis Oct. 625. Er wandte jein Augenmerlk befon- Feinde der Kirche, darunter auch alle Chriſten, 


666 


welche mit Saracenen Handel trieben. Der Chro- 


nift von Afti zählt für das ganze Fahr 2,000,000 | 


Pilger; nur die Könige fehlten, außer Karl Mar- 
tell, Titnlarfönig von Ungarn, Obwol die Könige 
von Ungarn u. Sicilien ihm bei feinem Einzuge 
in den Yateran die Yügel gehalten u. mit den 
Kronen auf dem Hanpte ihn bei Tafel bedient, 
war doch der Stern der päpftlihen Weltberrichaft 
bereits im Erbleihen: es wurde ihm die Lehns— 


herrlichkeit ilber Sicilien verweigert u. trotz feines | 


Bannfluches Friedrich II. von Aragonien Köni 
von Sicilien. Philipp der Schöne von ——— 
wies B⸗s Einmiſchung in den Streit zwiſchen 
Frankreich u. England zurück, wie er ſich auch 
vo die Bırlle auflehnte, in welcher der Papft 

ehauptete, der König fei ıhm in mweltlihen Din- 
gen ebenfo wie im geiftlihen unterworfen, u. die 
Senerafftaaten von Frankreich erflärten, daß fie 
in meltlihen Dingen ſich nädft Gott nur dem 
König unterwerfen müßten. Der Papft antwortete 
darauf mit der Bulle Unam sanctam v. 18, 
Nov. 1302, nach welcher jede menſchliche Creatur 
dem Papſte unterworfen fei, u. ſprach 13. April 
1303 den Bann über Philipp aus u. bot Albrecht 
von Öfterreicdh, welcher die Lehnsherrlichkeit des 
Papftes anerkannt hatte, wenn auch vergeblich, 
die franzöfiihe Krone an, Die Folge war, daß 
diefer ihm vor die Generalftaaten lud, um ihm 
den Proceß zu maden, und an ein allgemeines 
Eoncil appellirte. Sich des Papftes zu bemäd)- 
tigen, fandte Philipp feinen Bicefanzler Nogaret 
nah Italien, der mit Sciarra Colonna vereint 
den Bapft in der Naht vom 7. zum 8. Sept. 
1303 in Anagni gefangen nahm, u. zwar unge: 
achtet derfelbe in vollem päpftlihen Schmude, das 
Krenz u. die Schlüffel in der Hand, auf dem päpft- 
lihen Throne ſaß; nah 2 Tagen befreiten ihn 
die Bewohner von Anagni, u. B. ging nun mwie- 
der nad) Rom, ftarb aber ſchon nad einem Monat, 
11. Oct. 1303. Bgl. Drumann, Geſch. B⸗s VIIL, 
Königsb. 1852, 2 Bde. 10) B. IX., der 209, 
Bapit, vorher Pietro Tomacelli, ein Neapolitaner, 
Carbinal von S. Anaftafia; wurde 2. Nov. 1389 
in Rom gewählt. Kaum 30 Yabre alt, verband 
er bei höchft mangelhafter Bildung ſcharfen Ber- 
ftand u. fefte Willenskraft mit grenzenlojer Yab- 
fucht u. Gemiffenlofigteit. Ihm bingen Ftalien, 
Deutihland, Ungarı, England u. Polen an, wäh— 
rend Frankreich u. feine Serbündeten e8 mit den 
ſchismatiſchen Gegenpäpften zu Avignon, Clemens 
VII. u. Benedict XIII. (f. d.) hielten. B. trieb 
in rüdfichtsiofefter Weife Handel mit geiftlichen 
Ämtern u. Pfründen, führte die Annaten (f. d.) 
als ſtehende Abgabe ein (1392), u. wie er wucher⸗ 
ten feine Verwandten u. Agenten; Alles war um 
Geld oder Naturalien von ihm zu haben, u. wie 
Urban VI, verpfändete, verfaufte ec römiſche 
Kirdengüter u. Kircheuſchätze, ja, er ertheilte für 
Anerkennung feiner Oberhoheit u, jährlichen Tri» 
but Magiftraten n. Tyrannen Bicariate im Kir— 
chenſtaate. Zweimal, 1392 u. 1394, wurde er von 
den über feine Herrichaft erbitterten Römern ver« 
trieben u. das legte Mal nur durch König Ladis— 
laus von Neapel vor gewaltſamem Tode gerettet. 
Derjelbe Ladislaus ſchützte den gefährdeten B. 
auch miber die limtriebe Benebict# XIIL, der 


Bonifaciusftraße — Bonifaciusverern. 


Ina Glemens VII. in Avignon zum Gegenpapite 
gewählt worden war. So mehr u. mehr Herr 
‚Sampaniens, erhielt B. 1398 auch das volle 
Dominium in Rom, deſſen Bürger im Hinbiid 
auf das geminnreihe Jubeljahr 1400 zu Ber- 
räthern ihrer Freiheit wurden, Eine neue Er- 
bebung gegen den Papſt wurde von diefem durch 
Hinrichtung der Hauptverihmworenen auf den Stu— 
ſen des Capitols im Keime erftidt. Nun lieh B. 
zur Befeftigung feiner Herrihaft die zertrümmerte 
Engelsburg, den Batican u. den Senatorenpalaft 
auf dem Gapitol in Zmwingburgen verwandeln. 
Das Jubeljahr 1400 zeichnete ſich befonders durch 
die Erfcheinung der Flagellanten (f. d.) od. Com⸗ 
pagnien der Beißen aus, die 30,000 Köpfe ftarf 
in Rom erſchienen u. Unfug aller Art verübten, 
fo daß B. fich gezwungen jab, dieſelben zu ver- 
bieten, Alsdann befiegte er, den König Yadislaus 
zur Eeite, durch Bann u. Blut die ihm feind— 
lihen Barone u. beherrſchte die Römer mit eifer- 
ner Strenge. Außerdem betrieb B. die Abjegung 
des Königs Wenzel am 20. Aug. 1400, beftätigte 
im ‘jan. 1401 den Pfalzgrafen — als römi«- 
ihen König, gewann Perugia wieder u. ftarb jo 
als Herr des ganzen Kirchenſtaates im Oct. 1404, 
an einer ſchrecklichen Krantbeit. . 

III. Andere Berfonen: 11) B., römischer Felb- 
berr; wird zuerft als rubmeoller Vertheidiger von 
Marfeille gegen die Gothen, dann als Feldherr 
gegen ebendiefelben in) Spanien erwähut, dann 
wurde er Befehlähaber der Provinz Afrika. Aetins 
war fein geheimer Feind und verleitete ihm zur 
Empörung gegen den Kaifer Balentinianus. Als 
nun römiſche Heere gegen ihn vorrüdten, rief 
B. die Bandalen aus Spanien nad Afrila, gegen 
die er, über die Intrigue aufgellärt u. wieder ver: 
jöhnt mit dem Kailer, die Provinz nicht balten 
tonnte. 432 kehrte er an der Spite jenes 
geichlagenen Heeres nach Italien zurüd und be- 
jtegte jeine Nebenbuhler Aëtius, ftarb aber ſchon 
wenige Tage nad der Schlacht an feinen Wunden. 
12) 8. II, Sohn Wühelms III., Marlgraf 
von Montferrat; folgte 1192 feinem Bruder 
Konrad, nahm 1202 theil an dem Kreuzzuge, zeich- 
nete fich bei der Eroberung Gonitantinopels (1204) 
aus, erhielt dann das Königreich Theſſalonich u. fiel 
1207 im Kriege gegen die Bulgaren, 1) Löffler. 

Bonifaciusijtraffe (Bocche di Bonifacio), 
die Meerenge zwiihen Gorfica u. Sardinien, von 
den Römern Fretum Gallicum genannt; führt 
ihren Namen von der Feſtung Bonifacio an 
der SKüſte Corficas, ift zwiihen Cala Fiumara, 
der Südſpitze diefer Jnfel, u. dem Cap Longoſardo, 
dem Nordende von Sardinien, etwa 12 km breit. 
Zahlreiche zerftreute Klippen machen die Schiff- 
fahrt gefährlid, find aber der Korallenfiicherei 
günftig. Außer diefer treiben die Anwohner der 
beiden großen u. der großen Dienge Meiner Inſeln 
Thunfi fang. 

Bonifacinsverein, katholiiher Verein, Nach— 
ahmung des protejtantiihen Guftan-Adolf-Bereins, 
Derjelbe wurde bei der 3. Verſammlung des Pius- 
vereins (j. d.), deſſen eigentliher Sprößling er 
ift, hauptfächlich durch das Bemühen des Grafen 
Joſeph von Stolberg 1849 zu Regensburg gegrün- 
det u. mit ber Aufgabe betraut, die Röm.-Katbol. 





Bonificiren — 


[27 


Bonin-Inſeln. 667 


Kirche nach Lehre u. Verfaſſung, beſonders in den|dann das der Provinz Poſen, ward aber, als er 
proteftantiihen Gegenden Deutfchlands und der die Ausführung der Minifterialrefcripte vom 18. 


Schmeiz, aufrecht zu erhalten u. deren treue An⸗u. 


Danger werkthätig zu unterſtützen. 

onificiren (v. Lat.), entſchädigen, vergüten; 
daher Bonification, 1) Vergütung, Entihädig- 
ung; 2) Ausfubrprämie, 

Boni homines (d. i. gute Männer), 1) Auguſti- 
nerherren, 1259 dur Edmund in England ge 
fiftet; fie trugen eim blaues Kleid. 2) (Fr. Les 
bons hommes) So v. w.Grandmontaner. 8) So 
v. w. Minimen. 4) Jm 12. u. 13. Jahrh. jo 
v. mw. Albigenfer, Waldenfer u. andere Keger, 

Bonin, ein urjprünglih Pommern und der 
Neumark angehöriges, jet mit mehr als 15 Glie— 


27. Mai 1851, melde die Provinzialftände 
wieder einführten, mit feinen Grundfägen nicht 
vereinbarlich fand, zur Dispofition geftellt. Unter 
dem Miniftermm Auerswald übernahm er 1859 
von Neuem dag Oberpräfidium- von Polen, welche 
Stellung er bis zum Jahre 1864 bekleidete, Seit 
1848 warer in mehreren Wahlperioden Mitglied des 
preußischen Abgeordnetenhauſes (Aftliberaler), feit 
1871 des Deutichen Reichstages (liberale Reiche - 
partei), 8) Adolf v. B., preuß. General, geb. 
11, Nov. 1803; 1821 in die prenß. Armee ge: 
treten, war er längere Zeit zur Kriegsſchule com« 
mandirt, bis er 1838 Flügeladjutant des Königs 


dern in der preußiichen Monarchie angefeffenes|Friedrih Wilhelm IIL. wurde; bis 1858 avan- 


Geflecht. 1) Eduard v. B., preußifcher General, 


cirte er zum Generallieutenant u. wurde zugleid) 


geb. 3. März 1793 zu Stolpe in Hinterpommern ;|Generafadjntant des Königs u. 1864 General der 
trat 1806 in preußiiche Kriegsdienfte u. gerieth Infanterie, als mwelder er das Generalcommando 


bei Lübel 5. November im Gefangenschaft; er 
wurde 1809 Bortepeefähnrih im 1. Garderegi- 
ment u. 1810 Lieutenant, machte als Apjutant 
den Befreiungsfrieg mit u. abancirte bis 1842 
zum Oberften; er commandirte 1848 als General« 
major die preußifhe Brigade in Schleswig-Hol« 
ftein gegen die Dänen u. focht bei Schleswig u. 
Diüppel u. a. DO. Nah dem Malmöer Waffen- 
ftillftande ernannte ihn die damalige deutſche Cen- 
trafgewalt zum Commandanten der Reihstruppen 
in den Herzogthümern, die Statthalterfchaft aber 
zum General u. gab ihm den Auftrag, die Armee 
der Herzogtbümer zu reorganifiren, welche er im 

eldzuge 1849 commanbdirte, Nach dem auf den 
Überfall bei Fridericia im Juli folgenden Waffen- 
fillitande dankte er ab, trat im April 1850 in 
preußiiche Dienfte zurüd u. wurde Commandant 
von Berlin; er befehligte hierauf das Armeecorps, 
welches fi im Octbr. 1850 bei Wetzlar an der 
heſſiſchen Grenze zufammenzog, und erhielt nad 
Auflöſung deffelben das Commando der 16. Divi- 
fion in Trier. Im Jan. 1852 wurde er Kricgs- 
minifter u. bald darauf Generallientenant, Das 
Kriegsminifterium gab er Anfang Mai 1854 ab 
u, erhielt das Divifionscommando in Neiße. Im 
April 1856 murde er Feftungscommandant von 
Mainz. Als der Prinz Wilhelm von Preußen 
9. Octbr. 1858 wegen Krankheit des Königs 
Friedrih Wilhelm IV, die Regierung felbftändig 
übernahm, murde B. zum zweiten Mal zum 
Kriegsminifter ernannt, jedoch ſchon 5. Deceniber 
1859, weil er fih der Durchführung der Armee» 
reorganiſation nicht gewachſen zeigte, durch den 
General v. Roon erjett und commandirender 
General des 8. Armeecorps in Koblenz, wo er 
13. März 1865 ftarb. Er fehr.: Grundzüge fiir 
das zerftrente Gefecht, Berl. 1839. 2) Guftan 
v. B., preuß. Staatsmann, geb. 23. Nov. 1797 
zu Heeren in Weftfalen; ftudirte in Berlin und 
Göttingen die Nechte, bildete fih durch Reifen in 
der Schweiz, Franfreih, England u. Jtalien wei: 
ter aus, begann feine Carriere bei den Regier- 
ungen zu Stettin, Köglin u. Magdeburg, ward 
1845 Oberpräfident der Provinz Sachſen, ım Sept. 
1848 im Cabinet Pfuel Finanzminifter, übernahm 
im Nov. beim Eintritt des Cabinets Brandenburg 
wieder das Oberpräfidium der Provinz Sacjfen, 


des 1. Armeecorps in Königsberg führte. Mit 
feinem Corps machte er 1866 den Krieg in Böh— 
men mit u. wurde hernach bis Ende Mat 1867 
bödhftcommandirender General in dem von deu 
Preußen beſetzten Königreih Sachen u. Gouver+ 
neur von Dresden. BeimBeginne de Kriegs mir 
Frankreich 1870 wurde er Gouverneur von Ber- 
lin u. Commanbdant der beiden Eriagarmeecorps, 
im Auguft d. J. nach der Beſetzung Yothringens 
GSeneralgonverneur diefes Yandes in Nancy und 
jpäter in Met u, trat, nachdem dieſes Gouvernement 
im März 1871 aufgehoben worden war, im fein 
früheres Verhältniß als dienftthuender Generale 
adjutant des Königs u. Chef des reitenden Feld— 
jägercorps zurüd, Er ft. 16. April 1872 zu Berlin. 
Bonington (Bonnington), Rihard Parkes, 
englischer Genre, Ardhitektur- u. Landihaftsmaler, 
geb. 25. Octbr. 1801 zu Arnold (Nottingham), 
geit. 23. Sept. 1828, Sohn eines Porträtmalers, 
der nach Paris überfiedete, wo B, in das Atelier 
von Gros trat, der ihn abeg wegſchickte. Nun 
ſtudirte B. für ſich allein, befuchte 1821 Italien, 
dann auh SFrankreich. Um zu leben, warf er 
fih auf die Pithographie u. cultivirte die Aquarelle 
mehr als die Olmalerei. Hauptwerfe: Ruhender 
Türke; Heinrich IIL.; Das Grab Omars; Anfidy- 
ten von Venedig u, Bologna; Reiſeſtizzen. Am 
meiften gefucht find feine Aquarellen. Regnet. 
Bonin-AInfeln, eine Infelgruppe des Stillen 
Meeres, fitdöftl. von der Inſel Nipon, u. 26% 30° 
bis 27° 45° n. Br. u. 160% ö. %,, 89 Inſeln ent« 
haltend, von ſehr geringer, aber nicht genau bes 
fannter Größe. Diejelben find gebirgig, vulcaniſch, 
von milden Klima; Producte find Palmen, Fiſche, 
Schildfröten, Geflügel. Die B.⸗J. werden in die 
Gruppen getheilt, welche je zwanzig Gradminuten 
von einander entfernt find. Die nördl. derjelben 
ift die der Parry-fufeln, nebft der Fleineren Kater- 
Inſel, füpdfiipöftl. davon, die mittlere die der 
Beechey⸗Inſeln, worunter die bedeutendften Stap- 
leton, Budland u. Peel, letztere die größte aller 
B.⸗J., u. die füdl. die der Coffin-Inſeln, deren 
größte Hillsborougb heißt. Der befte Hafen it 
Yoyd, im W. der Inſel Peel, 1827 von Eng- 
ländern in Befig genommen, aber von der engl. 
Regierung nicht angeiproden. Die B.⸗J., ſonſt 
unbewohnt, wurden zeitweile von Japan zu Ber- 


668 


breder-Golonien benutt uw. erbielten fpäter An-joder Pfähle abgeiondert, gemeſſen u. ge st. 
fiedelungen verfchiedener Nationen, namentlich von | Das gefundene Reſultat der ciuzeluen Besab- 
Hamaii aus, find aber thatſächlich herrenlos. ſchnitte wird von dem Feldmeſſer in das B»3- 
Da indeflen die Vereinigten Staaten bort eimejjourmal eingetragen u. durch Nummern vi. Linsen 
Koblenftation befigen, jo werden die B.J. wol auf der Karte vermerlt u. an jedem Abend zum 
der Herrichaft der Union nicht entgehen. Brotokoll getragen, Fit das Abſchätzen geicheben, 

Boni puöri (Kirchengeich.), jo v. w. m jo werben bie erhaltenen Abſchnitte geouretriſch 

Bonis avibus (lat., mit guten Bögeln, d. b. in-|berechnet ꝛc. Die B. wird hauptfählid auch zur 
dem die bei den Augurien befragten Bögel glück- Aufftelung der Grundſteuerlataſter vorgenommen. 


Boni pueri — Bonitz. 


lichen Erfolg verfündigen; vgl. Augurium), ſprüch⸗ Gewöhnli 


wörtlich: mit Glüclk. 

Bonitarium dominium (lat.), nah einer alt- 
römischen Eintheilung das Eigenthum, welches 
von einem Jeden ohne Unterſchied auf jede be— 
liebige Art erworben werden konnte; ibm ent ⸗ 
gegengeſetzt iſt das Quiritarium do „inium; ſ. u. 
Ligenthum. 

Bonite (Bonito, Bonites), 1) geſtreifter 
B. (Atlantiſcher B. Thynnus pelamys Cuv. Val.), 
Art der Fiſchfamilie der Makrelen; hat am Bauche 
7 lleine Floſſen, an den Seiten 4 Mwarze Siriche; 


unterſcheidet man beim Aderlande 
Thon-, Lehm⸗, Sand», Kall- u. Humusboden u. 
theilt diefe Hauptflaffen wieder ın mehr oder 
weniger Unterllaffen. Der franzöfiihe Katafter 
z. B. beichräntt fi für Aderland auf 5, für anderes 
Yand auf 3 Klaſſen; bei der neuen preußischen 
Kataftrirung find 8 Bodenklaſſen angenommen, in 
Sadjen werben 12 Klajien Aderland, im Baden 
6, in Heſſen 5 unterfchieden. Auch in dem Ge: 
meinheitstheilungs- oder Separationsverfahren, 
fowie in dem Berloppelungs- (Zufammenlegungs-) 
Berfahren ift die B, ein wichtiger, die Nichtigkeit 


auf dem Rüden blau, fat jchuppenlos; im At-|der Uuseinanderjegungen, ſowie der Berfoppelung 


lantishen Meere; treibt die fliegenden Fiſche auf;|der Grundftiide bedingender Act. 


ift 
2) 
nitol, Thynnus Sarda Bloch), dem vorigen nahe» 
ftehend; Rücken blau, mit dunklen, krummen 
Querftreifen ; oben 7, unten 6 Heine Floſſen, 2 
NRiüdenflofien; Zähne fpisig; Schuppen Hein; im 
Mittel, Schwarzen u. im Atlantiſchen Meere‘; 
wird wegen des Wohlgeichmades gefangen; hält 
fih des Fettes wegen ungejalzen nicht lange; 
wird 60 cm lang, 6 kg ſchwer. Zbome.* 
Bonitirung (v. Lat.), Prüfung, Unterjuchung 
n. Beitimmung der Güte einer Sade, bei. des 
Bodens. Unter B. des Bodens verftebt man 
die nähere Bezeichnung der Ertragsiäbigteit des- 
jeiben und die Feiftellung des durchſchnittlichen 
Nobertrages, welchen der betreffende Boden bei 
der ftattfindenden Beuutzungsweiſe gewährt oder 
gewähren kann. ie gründet fi darauf, daß 
der Yandihäger (Boniteur), durch praftiiche Er- 
fahrungen belehrt, im Stande it, Die verfche- 
denen Bodengattungen nadı äußeren Mertimalen 
u. Eigenſchaften zu erlennen. Dieje ergeben ſich 
aus den verſchiedenen Erdarten, aus welchen der 
Boden beſteht, deren Beſchaffenheit während und 
nach der Bearbeitung, dem Geruche u. der Farbe, 
der natürlichen Begetation u. j.w. Als beſondere 
Umftände werden im Betracht gezogen: angren— 
zende Wälder, Baugruppen, Gewäſſer, injofern 
deren Höbezuftand oder Austreten auf die Grund» 
ftüde eunmwirten tan, u, der augeublickliche Eultur- 
zuftand, Der B. gebt gewöhnlidy eine Berimefl- 
ung u. Kartirung voraus. Bei der fpeciellen B. 
werden die Grundſtücke ſtrichweiſe nach allen Nicht: 
ungen durch die Boniteure übergangen und etwa 
alle 100— 150 Schritte mittels des Spatens O0,,m 
tiefe Gräbchen gemacht, um den Boden in Bezug 
auf Beſchaffenheit der Aderkrume u. des Unter: 
grundes zu unterfuhen. Auch die Hade u. der 
Handbohrer finden bier Verwendung. Die vor: 
gefundenen u. anzunehmenden Bodenklaffen werden 
namentlich beſtinnnt, ausgeiprochen u. aufnotirt. 
Durd einen binzugezogenen Feldmeſſer werden 
die gleidyartigen Flächen mittels Marguirfahnen 


ejuchte, aber mitunter ungefunde Speife, 


ter B. (Mitteländiiher B., Sarbe, Bo-|die zur Veranlagung der Grundſteuer. 


Die Grundiäge 
der B. find hier im Allgemeinen —— 
gl. 
Schmidt, Leitfaden zum Bouitiren u. Taxiren der 
Grunditüde, Wien 1823; Schnalg, Berf. u. An- 
leitung zum Bonitiren u. Glajfificiren des Bodens, 
p3. 1833; Lange, Über B-en, Lpz. 1827; Bod, 
Beiträge zur Landgüter- Schägungstunde, Brest. 
1840; Khachl, Vlaterialien zum Gebrauche bei 
Abihätung landw. Güter, Klagenf. 1850. Rdede 

Bonit, Hermann, tüchtiger Philolog n. Schul: 
mann, geb. 29. Juli 1814 zu Langenſalza; ſtu- 
dirte auf der Pandesichule zu Piorta 1826 — 32, 
dann auf dem Univerfitäten zu Leipzig u. Berlin, 
wo er G. Hermann, A. Bödh u. Lachmaun börte. 
Nachdem er am Blochmannſchen Juftitut 1836 bis 
1838 als Lehrer thätig geweſen war, wurde er 1838 
zu Berlin am Friedrichs - Wilhelms ⸗Gymnaſuum, 
jpäter am Gymmafium zum Grauen Kloſter als 
Oberlebrer u. 1842 am Gymmafium zu Stettin 
als Profeſſor angeſtellt. Im J. 1849 nad Wien 
berufen, lehrte er an der Univerſität, leitete das 
Philologiihe Seminar u, wirkte ald Mitglied der 
Brüfungscommijfion. Durch den mit Eyner 1849 
verfaßten Organifationsentwurf für die öſterreich. 
Symnafien, welder 1854 angenommen wurde, 
übte er einen großen Einfluß auf bie gefehrten 
Mittelſchulen, deren Lehrer er auch durch die 1850 
gegründete Zeitjchrift für das öjterr, Gymmafial- 
mwejen anzuregen ſuchte. Er wurde Mitglied der 
K.K. Alademie (1354), deslinterrichtsrathes (1864), 
fehrte aber 1867 nach Berlin zurüd, wo er als 
Director des Gymnaſiums zum Grauen Kloſiet 
u. Mitglied der K. Alademie thätig ift u. fich ſeit 
1869 an der Leitung der Zeitichr. für das Gym— 
nanalwejen betheiligt. 1875 wurde er zum vor: 
tragenden Mathe für das Gymnaſialweſen im 
Eultusminifterium (Nachfolger Wiejes) ernannt. 
Seine Hauptarbeit ift Die Ausgabe der Metaphysica 
des Ariftoteles, Bonn 1848 f., 2 Bde, u, des 
dazu von Alerander Apbrodifienfis verfaßten Kom- 
mentars (ſchon Berl. 1847). Außerdem verfante 
er eine Reihe Heiner, gediegener Abhandlungen: 
Über die Ariftotelifchen Kategorien, Wien 1553; 


;& 


Bonivard — Bonn. 669 
Platonifhe Studien, ebd. 1858—60; Ariftotelifche| Cuſtos an der Bibliothek Sainte-Genevieve, Er 
Studien, ebd. 1862 f.; Beiträge zur Erklärung ſt. 24. Juni 1856 zu Paris, Man hat von ihm 
des Thufgdides, ebd. 1854, des Sophokles, ebd. |ziemlih gute Luftipiele: Le proteeteur et le 
1855—57; liber den Urſprung der Homeriſchen mari, 1819; La möre rivale, 1821; Les deux 
Gedichte, Bortrag, Wien 1860, 3, A., 1872; Zur cousines, 1823; Le mari à bonnes fortunes, 
Erinnerung an F. A. Trenbelenburg, Berl. 1872;|1824 (fein beftes Werk); Le presbytere, 1833; 
Zur Erflärung des Platon + Dialogs Phädrus,|Le bachelier de Segovie, 1844; Naissance, for- 


ebd. 1874. 


tune et merite, 1831 (in Profa), u. einen Sitten« 


Bonivard (Bonnivard), Franz, eine Perfön-|roman: Le malheur du riche et le bonheur du 


fiehfeit der Genfer Gefchichte; geb.1496 warſcheinlich pauvre, 1836. 


zu Seiffel, aus einer alten Familie ſtammend, welche 


Volchert. 
Bon mot (fr.), Witzwort, launiger, ſinnreicher 


am Genfer-See mehrere Güter unter ſavoyiſcher | Einfall, 


Herrſchaft befaß; widmete ſich dem geiftlichen Stande 


Donn, 1) Kreis im Negbez. Köln der Preuf. 


u. ftudirte im Freiburg die Rechte; 1514 folgte) Rheinprovinz, meift. am ünken Rheinufer, den 


‚er feinem Oheim als Prior von St. Bictor bei 


Genf. In den Kämpfen Genfs gegen die An- 
maßungen Savoyens hielt er, nachdem Herzog 
Karl III. ihm mehrere Familienbeneficien ent- 
zogen hatte, zur patriotifchen, nad Unabhängigkeit 
von Savoyen ftrebenden Partei. Ald am 5. April 
1519 der Herzog in Genf feinen Einzug hielt, 
um das Sindaik zwiſchen diefer Stadt u. Frei« 
burg zu löjen, entfloh B., wurde aber gefangen 
u. dem Herzog ausgeliefert u. mußte auf ſeine 
Priorei verzichten. Nach faft zwei Jahren frei. 
gelaffen, lebte er am verfchiedenen Orten, bis er 
1522, die Zeitumftände bemutend, ſich wieder in 
den Beftt feiner Abtei fegte. Um ſich darin zu 
erhalten, unterwarf er ſich dem Herzog, aber 
dadurch verdarb er e8 mit den Genfern. Als er 
fih 1530 den Genfern wieder nähern wollte, lieh 
ihn der Herzog am 26. Mai aufheben u. nach dein 
Scloffe Ehillon in harten Gewahrfam bringen. 
Erft Ende März 1536 wurde er bei der Einnahme 
des Schloffes durch die Berner befreit u. erhielt, 
da inzwifchen jein Klofter fäcularifirt worden war, 
eine Benfion von dem Genfer Rathe. Er verhei- 
rathete fih mun u. lebte fortan in Ehezwiften u. 
Geldverlegenheiten u. war ein eifriger Bertheidiger 
der Willtürherrfhaft Calvins. Er fl. 16570. 8. 
war Dichter, fette auch Amé Porrals Chro- 
nique de Geneve fort, herausg. Genf‘ 1826, u. 
ſchrieb: Advis et devis a l'etat ecclösiastique et 
a ses mutations, zum Theil herausgegeben Genf 
1856, u. v. a. ein Schidjal gab 
Beranlaffung zu dem Gedichte: 


Übergang von der Ebene zum Gebirge bildend; 
um W. Die Boreifel u. die Bille, fruchtbar; von 
37,4. km der Rheinischen Bahn durchſchnitten; 
308,, [km (5,, [IM ); 69,630 Em.;, ſonſt zum 
Erzfifte Köln gehörig. 2) Hauptftadt darin, Iınts 
am Rhein u. der Rheinischen Eiſenbahn; der 
Verkehr über den Rhein wird durch eine fliegende 
Brüde vermittelt; Sig bes altfatholifchen Bifchofs; 
Kreisbehörben, Landgericht, Oberbergamt, Hypo» 
thefen- und Steueramt; 7 Ktirhen, darunter das 
Münſter, mit eherner Bildſäule der St. Helena als 
Mitftifterin, eines der prächtigften Werte romanischen 
Bauftils, ſtammt zum Theil ans dem 11., zum Theil 
aus’dem 12, u. 13. Jahrh., hat einen Haupt- u. 
vier Edthiirme, erjterer 95 m hoch; die neue 
proteft. Kirche, 1866— 70 nad} dem Plan von Diekhoff 
im gothiſchen Stil erbaut, mit 80 m hohem Thurme. 
B. hatte jchon 1777 eine Wlademie, die, 1786 
zur Umiverfität umgewandelt, nuter der franzöl. 
Herrihaft zu Grunde ging; am 18. Oct. 1818 
wurde vom König Friedrich Wilhelm III. die 
Preußiſche Rheinuniverſitat (mit 5 Facultäten, 
darımter einer proteftantiichen u. Fatholiichen theo- 
logiſchen) dafelbit geftiftet; das ehemalige fur» 
fürjtlich» kölniſche Schloß wurde als eines der groß- 
artigften Univerfitätsgebände in Deutſchland dazu 
eingerichtet u. ausgebaut. In demjelben befinden 
fih außer den Hörfälen u. der mit Freslen (unter 
Cornelius’ Yeitung von Götzenberger, P. 9. Her- 
mann u. E. Förſter) geſchmückten Aula viele Samm⸗ 


yron diellungen: die Bibliothef von 200,000 Bänden, das 
e prisoner of| Afademifhe Kunſtmuſeum, das Mufeum vaterländ. 


Chillon, das aber mit feiner Perfon nichts zu Alterthümer, die Münzfammlung (meift römiſche 


thun hat. 

Bonizo (Bonitho), Biihof von Sutri und 
Piacenza, Zeitgenoffe u. Anhänger des Bapftes 
Gregor VII; fhr.: Liber ad amicum de perse- 
eutione ecclesiae (handſchriftlich in München), 
berausg. von Jaffe in den Monumenta Grego- 
riana, Berl. 1865. Bgl. Hermes, De fide Bo- 
nizonis libro tribuenda, u. Krüger, Bonizonis 
liber, Bonn 1865. 

Bon jour (fr.), guten Tag. 

Bonjour, Cafimir, franzöf. Dichter, geb. 
15. März 1795 zu Clermont in den Argonnen; 
wurde Pehrer (Maitre d’etudes) am Lyceum zu 
Brügge u. jpäter zu Paris im Muironſchen In⸗ 
ftitut. Dann erhielt er eine Stelle im Finanz. 


minifterium, die er aber bald verlor, da er fih| 1868 neu erbaute 


Münzen), das phufitaliihe Gabinet ꝛc. Eine ſehr 
reihe Naturalienfammlung befindet fih in dem 
1 km entfernten, durch ſchöne Alleen mit B. ver« 
bundenen Boppelsdorfer Schloffe; um daffelbe der 
Botanische Garten mit einem der Vollendung nahen 
Zropenhaufe. 1847 wurde eine landwirthicaft« 
liche Lehranftalt errichtet u. feither die dazu ge» 
hörigen Gebäude zu Poppelsdorf in der Nähe des 
Sclofjes erbaut. An der Poppelsdorfer Allee 
liegt die Sternwarte, u. in dem Univerfitätsgebäude, 
hinter welchem ſich der Hofgarten ausbreitet, be» 
findet fi die medicinifhe u. chirurgische Klinik, 
während die gynälologiſche Klinik in einen geräu- 
migen Neubau am Aheinwerfte u. die Anatomie 
nad PBoppelsdorf verlegt worden ift, wo aud das 
emifche Laboratorium liegt. 


zu viel mit Verſemachen u, zu wenig mit ſeinem Die Hochſchule wird jährlih von 800—850 Stu- 
Amte beichäftigte; 1830 wurde er Studienanffeher|denten beſucht u. Hat gegen 100 Lehrer. In B. 
an der Militärfchule de la Fleche und fpäter|beftcht außerdem 1 Gymnaſium; Niederrheinifd;e 


670 


Geſellſchaft flir Natur- und Heiltunde, Berein der 
Alterthumsfreunde und and; Theater, großartiger 
Goncertjaal in der Beethovenballe; 3 Hoipitäler. 
Auf dem Miünfterplage befindet fih das eherne 
Denkmal von Beethoven, der hier (Bonngafie 
20) geboren wurde; auf dem alten Zoll das 
Arndt» Denkmal; auf dem Friedhofe der Stadt 
find die Gräber vieler bedeutenden Männer und 
viele prachtvolle Momumente, u. a. Niebuhrs 
Dentmal, Bon der Gewerbethätigleit ift zu er- 
wähnen: Weberei, Fabrifation von Gteingut, 
Bitriof und Chemilalien, Mineralwafler, is, 
Liqueur, Eifig, Firmiß, Seife u. Fichten, Tapeten 
u. Fahnen, Goldleiften, Gement u. Bachkſteinen, 
chirurgiſchen u. optifhen Inſtrumenten, Leder; 
jerner: Porzellanmalerei, a ren Bie- 
elöfen u. Halfbrennereien, Kunftgärtnereien zc. Die 
Stadt bat 26,030 Em., außer der Garnifon. In 
der Umgebung der Stadt Baumzucht, Wein- u. Berg- 
bau (Braunfoblen). Die Stadt bat ſich in den lebten 
Jahren namentlich nach der S-u.WSeiteausgedehnt, 
wo die Koblenzerftraße, die Poppelsdorjer Allee u. 
der Kaiſerplatz, mit prächtigen Hötels befett, den 
elegantejten Gtadttheil bilden; nördl. von der Stadt 
wird ein ausgedehnter Neubau für die Provinzial 
Irrenanſtalt errichtet. Die reizende Lage ber 
Stadt mit ber prachtvollen Ausficht auf das Sieben- 
gebirg (vom alten Zoll aus) und das rege Tite- 
rarifche Leben bat viele reiche Privatleute ver- 
mocht, ſich hier niederzulaffen; von Fremden haben 
fi) hier vorzugsmeife Engländer angefiedelt, ſowie 
auch mehrere engliſche Grziehungsinftitute ent 
ftanden find. — B., bei den Kömern Bonna, 
mar eim fefter Ort im Lande der libier (Germania 
secunda) ı. ein Stützpunlt der Römer gegen die 
Bataver u. daher ſtets Standquartier einer rö- 
miſchen Legion, die 66 n. Chr. nnter Gallus von 
den Batavern geidjlagen wurde. Im 4. Jahrh. 
wurde es bei der Wahl des Gegenlaifers Silvamıs 
zerftört, jedoch von Julianus wieder erbaut u. be» 
feftigt. Später litt es durch die Hunnen, Franlen, 
Sadfen u. Normannen fehr. 926 u. 986 ſchloß 
Heinvih I. mit Karl dem Eiufältigen u. Rudolf 
hier einen Bertrag, wodurch Yothringen wieder an 
Deutihland fam. 942 war bier eine große Sy— 
node. 1240 erhielt es Stadtmianern; feit 1273 war 
es Mefidenz des KHurfürften von Köln bis 1794. 
B. litt viel im Truchſeßſchen Kriege im 16. Jahrh.; 
1587 wurde e8 von Martin Schenk, dem nieder: 
ländifchen Parteigänger, beſetzt, 1588 von den 
Spaniern wiedergenommen und dem Kurfliriten 


Bonn — PBonndorf 


Wiesbaden, Aachen, Köln, Düffeldorf u. Arnsberg 
mit Ausnahme der zum Oberbergamte Dortmund 
(5. d.) gehörenden Theile; e$ murden im J. 1873 
efördert: an Steintoblen 108,247,950 Etr. (48 

if. M), an Braunfoblen 8,451,803 Etr. (752,000 
M), u. probucirten feine Hüttenwerte: 12,057,626 
Er. Robeifen u. Robftableiien, 849,610 Ctr. Blei 
u. Glätte, 227,665 Ctr. Zint, 27,297 Cr. Kupfer 
u. 585,,, CEtr. Silber. 

Bonn, 1) Hermann, geb. um 1504 zu 
Duadenbrüd in Weftfalen; ftndirte ſeit 1521 im 
Wittenberg u. wurde 1525 in Greifswald Magister 
legens; nachdem er darauf Lehrer in Stralfund 
u, Juformator des Prinzen Johann von Däne» 
marf gemwejen war, wurde er 1530 Rector und 
1531 erfter evangel.»Iuther, Superintendent im 
Yübed u. führte 1542 in Osnabrüd die Refor— 
mation ein; er ft. 12. Febr. 1548. B. iſt der 
Gründer des niederbeutichen Kirhengefanges, über» 
feste lateiniſche Hymnen u. gab ein Gefangbud 
heraus: Geiſtlike Geſange u, Yider, de nicht m 
dem Wittembergejchen Sangböckeſchen ftan, Parchim 
1547. Bgl. Spiegel, H. B., Lpz. 1864. ©) An 
dreas, geb. 1738 in Amfterdam; promovirte in 
Leyden 1763 auf Grumd feiner vorzügl. Jnangural- 
difjertation: De continuationibus membranarum. 
u. übernabm 1771 die Profeffur der Chirurgie 
u. Anatomie in Amfterdam, bei weicher Gelegen- 
beit er die intereffante Schrift berausgab: De 
simplicitate naturae, anatomicorum admiratione, 
chirurgorum imitatione dignissima. Die Yebre 
von den Berrenfungen, der Heilungsmeife zer- 
brochener Knochen u. des Blaſenſtiches oberhalb 
der Schambeine erhielt durch ihn mejentliche Ber: 
befierungen. Er ft. 1818. B. gab beraus: 
Deseriptio thesauri ossium morbosorum Hoviani, 
Umfterd. 1783; Thes. ossium morbosorum Ho- 
vianus, Leyden 1785— 88, Fol., 3 Hefte; De 
humero luxato, ebd. 1782, deutſch 1783; Be 
merfungen über die Harnverhaltung und ven 
Blafenftih, aus dem Holländiihen, Gött. 1792, 

2) Thambann.* 

Bonnaffienr, Jean Marie, franz. Bild- 
bauer, geb. 19. Sept. 1810 in Panniffitres (Loire- 
Depart.); (päter Schüler von Foyatier u. Dumont; 
bejuchte 1841 Italien und folgte der idealiſtiſchen 
Richtung. Werte: Der verwundete Hyacintb; Sos 
frates trinkt den Giftbecher; Amor fchneider ſich 
die Flügel; Die Meditatiog; aud gejhägte Büſten. 

onnat, Florentin, franzöſiſcher Hiftorien- 
maler ber Gegenwart; hatte im Salon 1866 den 


Ernft von Bayern übergeben; 1673 hielten fih|Haupterfolg. Seine Bilder find in der Weiſe der 


die Franzofen gegen die Holländer, Spanier und 
Öfterreicher in B., das damals ftarfe Feſtung 
war; 1689 entriß es der Kurfürft Friedrich III. von 
Brandenburg nad viermonatlicher Belagerung den 
Franzoſen; 1708 nahmen es die Holländer unter 
Eoehorn; bis 1715 blieben die Holländer hier, 
worauf es die Kölner wieder befeßten; 1717 
wurden die Feſtungswerke zum Theil geichleift u. 
dagegen das furfürftliche Schloß erbaut. 
1801 durch den Yuneviller Frieden franzöfifch, 1814 
fam e8 durch den Wiener Congreß an Preußen. 
Bol. Würft, B. u, feine Umgebung, Bonn 1869. 
3) Der Oberbergamtsbezirf B.; umfaßt die 
Regierungsbezirte Sigmaringen, Trier, Koblenz, 


italienischen Naturaliften gebalten, u. er weiß im 
der Heftigleit der Darftielung, jowie im Gegen- 
jage von Licht u. Schatten Maß zu halten. An- 
muthig und von warmer, jchön durchgeführter 


Stimmung find feine Genrebiider aus dem ita- 
lieniſchen Vollsleben: in voller Natürlichleit, in 


feinem träumerifchen Hinleben ift der jhöne Men- 
ſchenſchlag erfaßt u. das Ganze in ein feines 


B. wurde Helldunkel gehüllt. 


Bonndorf, 1) ſonſt Graffchaft im Schwarz 
walde, früher Befis mehrerer gräflihen Familien; 
fam 1612 durch Kauf an das Stift St. Blafien, 
2) Hauptort des gleihnam. Bez.-Amtes im bad. 
Kreite Waldshut; Himatifher Kurort; Schloß; 


Bonne — Bonnet, 


671 


Tandeshofpital (von Abt Gerbert 1765 gegründet);|bannes; Antiope; Daphnis u. Ehlod; Amor und 
Aderbau; Muffelinweberei u. Stiderei; 1300 Ew. Pſyche u. f. w. 


Bgl. Meyer-Ahrens, B. u. Steinamühle, zwei 


Bonnemere, Jojeph Eugene, frangöf. 


imatifhe Kurflationen auf dem Schwarzwalde, Literat, geb. 20. Febr. 1813 zu Saumur im Dep. 


Freib. 1873. 
Bonne (v. Franz., Die Gute), 1) Erzieherin, 
Wärterin von Kindern; bejonderd 2) eine Wär- 
terin, die franzöſiſch fpricht, um den Kindern dieſe 
Sprade in früher Jugend beizubringen. Solche 
Bonnen werden gemwöhnlih aus der franzöfifchen 
Schweiz berufen. Da aber Bonnen fehr oft mehr 
ſchaden, als nüten, jo ift man mit Recht in neu» 
erer Zeit im diejer Beziehung etwas vorfichtiger 
geworben. 
Bonnedhofe, 1) 
franz. Erzbiſchof u. 


enri Marie Gafton de, 
rdinal, geb. 30. Mai 1800 
zu Paris; ftudirte zuerft die Rechte und erhielt 
einige ſehr einträgfid)e öffentliche Amter; doch im 
Alter von 30 Jahren befchloß er, fein Yeben der 
Sade der Religion zu widmen; infolge deſſen 
ftudirte er En Straßburg katholiſche Theologie u. 
ward dafelbit 1834 zum Briefter ‚geweiht. Im 
J. 1847 empfing er die Biſchofswürde und den 
Sit von Carcafjonne, 1854 den von Evreug, und 
1858 ward er zum Erzbiſchof von Rouen erhoben. 
1863 verlich ihm der Papſt den Cardinalshut. 
Unter dem zweiten franzöfiihen Kaijerreihe faß B. 
als Cardinal im Senat und mar dort eine der 
Hauptftügen der mweltlihen Macht des Papftes u. 
fpäter einer der eifrigiten ‚Förderer der Unfehl- 
barfeitserflärung des Papftes auf dem öfume- 
nifhen Concil von 186970. DB. ift einer 
der hervorragendften Kanzelredner Frankreichs. 
2) Francais Paul Emile Boisnormand 
de 8, franzöf. Literat, geb. 18. Aug. 1801 zu 
Leyderdorp in Holland; war unter der Reſtau— 
ration Stabsoffizier, wurde 1829 Bibliothelar des 
Balaftes von Saint-Cloud, war 1850—53 Euftos 
verjchiedener Bibliothelen, 3. B. der von Ber- 
faille8 u. des Trianon. Er ft. Anfangs 1875, 
Man hat von ihm das Traueripiel: Rosemonde, 
ferner: La mort de Bailly, ein von der Alademie 
mit dem Preiſe bedachtes Gedicht; eine populäre 
Histoire de France, 2 Bbde., 1834, 16. A., 1874; 
Christophe Saural ‚ ou la Soeiete en France 
sous la Restauration, 1836, 2 Bde., 2. Aufl., 
1864; Histoire sacree, 1838; Les reformateurs 
‘avant la reforme du XV. siecle, 1844, 2 Bde.; 
Chances de salut et conditions d’existence de 
la societ& actuelle, 1850; Histoire d’Angle- 
terre, 1858—59, 4 Bde., ins Englifche überf., zc. 
Auch hat B. Beiträge geliefert zum Complement 
du Dictionnaire de l’Academie u. zur Revue 
contemporaine. 1) Bartling. 2) Boldert. 
zuen) Sean Claude, franzöf. Genre 
maler u, jeit 1834 Director der Lyoner Kunft- 
ſchule, geb. um 1790 zu Lyon, er fl. 1860. ®. 
bildete fih daheim und in Italien, wo er bie 
Richtung Roberts annahm. Bilder: Die Heinen 
Savoyarden; Zimmer zu vermiethen; Schäfer in 
der römischen Campagna; — x. 
Bonnegrace, Adolphe Charles, franzöf. 
Hiftorienmaler,geb.2.April 1812 zu Toulon; Schüler 
von Gros, ſehr fruchtbarer Künftler, dem es in 
feinem Baterlande niht an Anerkennung feblt. 
Werle: Ehriftus im Grabe; Bifton des hi. Jo— 


Dlaine-et-Foire, Man hat von ihm: Les pre- 
miers fiacres, ein Baubeville; Micromegas, ein 
Feenftüd; eine bemerkenswerthe Histoire des 
paysans, 1857; La Vendde en 1793, 1866; 
Le roman de l’avenir, 1867, u. mehrere preis- 
ge Dentichriften: Paysans au XIX. siecle, 
tantes 1847; Histoire de l’association agricole 
et solntion pratique, ebd. 1849; Le morcelle- 
ınent agricole et T’association. Auch war er 
Mitarbeiter an der Democratie paeifique, der 
Revue de Paris u. ſchr. 1868 für den Messager 
russe eine Reihe von Lettres a la Russie sur 
la situation actuelle des paysans et de l’agri- 
eulture en France. Boldert. 

Bonner, Edmund, Günftling des Cardinals 
Wolfeyg; wurde 1538 Biſchof von Hereford und 
1540 von London; verfocht Heinrichs VIII. Che» 
Iheidung von Katharina von Aragonien u. ver« 
trat jeinen König dem Papſte gegemüber als Ge— 
jandter zu Rom, Wien, Kopenhagen u, Marfeille, 
verließ nach Heinrihs Tode die Sade der Re— 
formation u. trat plöglich als Verfechter der Ka— 
tholifchen Kirche auf, wiithete unter der Königin 
Maria gegen die Heformirten, wurde aber unter 
Glifabetd, da er den Suprematseid verweigerte, 
ins Gefängniß gebradt, wo er am 5. September 
1569 ftarb, 

Bonnet (franz.), 1) Mütze; daher: Bon« 
netade, das Hutabnebmen, Höflichleitsverbeug- 
ung; Bonnetier, Mützenmacher; Bonne» 
tidre, Mützenmacherin; bonnetiren, ſich ver- 
beugen. 2) Kriegsw.) Eine auf dem ausſpringen · 
den Winkel eines Befeſtigungswerkes angebrachte 
Erhöhung der Bruftwehr gegen das Feuer nahe 
liegender Anhöhen, die ſich entweder flach verläuft, 
oder auf der eigentlihen Bruftwehr mit einer 
Böſchung abjegt; davon: bonnetirte Linien, 
Werke, deren ausjpringende Winkel mit folchen 
Bes verjehen find. 

Bonnet, I) Charles, Naturforfcher u. Phi- 
(ofoph, geb. 13. März 1720 in Genf; urfprünglich 
Juriſt, wurde er auf Grund feiner zoologiſchen Un— 
terfuchungen jhon 1740 Gorrejpondent der Pa- 
rifer Afademie der Wiſſenſchaften, 1742 Mitglied 
der Londoner Societät, wandte fih aber, da ihm 
Augenleiden den Gebrauh des Mikrojlops ver- 
fagten, der Philofophie zu; war 1752—68 Mit. 
glıed des Genfer Großen Rathes, 309 fih dann 
auf fein Landgut am Genfer-See zurüd und ft. 
hier 20. Mai 1793. Nach feiner Lehre gibt es 
fein Wiffen, das nicht anf Beobachtung und Er» 
fahrung —— iſt; die natürliche Quelle 
unſerer abstracteſten Ideen (Vorſtellungen) find 
Idées sensibles, Die Seele wohnt im Centrum 
des Gehirnes, wo die jeinften Enden aller Sin- 
nennerven einander am nächſten fommen u. ihre 
Berbindungsglieder fich befinden. Auf dem Zur 
jtande des Gehirnes beruht der ganze Mechanis« 
mus des Denkens u. Wollens. Im Gebirne 
wird die Seele durch die Oſcillation der Faſern 
veranlaßt, fih Ideen zu bilden, m. ihr Wille jest 
von bier aus die Gehirnfibern in Bewegung. 


672 


Ein in Bewegung geſetzter Nero neigt fortan zu |Baummollenmweberei, Siamoiſe u. Etaminefabri» 
diefer Bewegung und fann fie anderen Nerven ten; 4637 Em. 

mittbeilen. Erinnerung u. Jdeenaffoctation find | Bonnets-rouges (fr.), Rothmiüten, die Jacobiner. 
ausichließlich eine Folge von materiellen Spuren,\ Bonneval, Stadt im Arr. Ehäteaudun des 
welche die Borftellungen im Gehirne zurüdgelaffen franz. Dep. Eure-et-Loir, am Einfluß der Oyanne 
haben. Die wichtigſte Form der Fdeenaffociationen in den Loir und an der WBahn; Druidenmonn- 
u. die bedeutendfte Quelle ihrer Bermehrung ift mente; Baummollen- u. Wollenweberei, Gerberei; 
die Sprache; erft in ihr kommen eigentlihe Be-Jam 1. Sept. anſehnlicher Markt (St. Gillesmartt), 
riffe, d. b. Zeichen für eine Vielheit ähnlicher Korn: und Biehhandel; 3348 Em. 

Ideen, zur Entwidelung. Der terialismus) Bonneval, Claude Alegandre, Graf von 
u. der Spiritualisınus werden zugleih durch den B., einer der merlwürdigſten Abenteurer des 18. 
Sat abgefchnitten, daß die Seele weſentlich und Jahrh., geb. 14. Juli 1675 in Paris (nah Ant. 
ewig an einen ätherischen Leib gebunden ſei. in Couffac-®.), aus einem mit den Bourbonen 
Im fittlichen Gebiete huldigt B. dem Deter-|verwandten Haufe; trat im 13. Jahre ſchon in 
minismus (ſ. d.), den er mit dem chriftlichen|die Marine und nad einigen Jahren als Fiente- 
Glauben in Verbindung bringt, fowie er denn nant in die Garde, focht in dem Niederländifchen 
ausdrüdlih als Apologet deffelben auftritt. Auf Kriege Anfangs der 90er Jahre u. dann im Re 
Deutihland bat er unter den Senjualiften den giment Latour im Spanifhen Erbfolgelriege unter 


St.» Bonnet-le-Chatean — Bonneval. 


bedeutendften Einfluß geübt. Schriften: Traite 


d’insectologie, Par. 1745, 3 Bbe.; Recherches | jeiner glänzenden Kriegstalente u. bewieſener 


sur l’usage des feuilles dans les plantes, Gött. 
u. Leyden 1754; Essai de psychologie, ou con- 
siderations sur les operations de l’äme, Yondon 
1755; (anonym) Essai analytique sur les ſacultés 
de l’äme, Kopenh. 1759, 3. Aufl., 1775; Considera- 
tions sur les eorps organises, Genf 1762; Con- 
templation de la nature, Amfterd. 1764, 2 Bde. ; 
Idees sar l’etat futur des etres vivants, ou Pa- 
lingenesie philosophique, Genf 1769, 2 Thle., n. 
A., von Migne, Paris 1845; Oeuvres de l’histoire 
naturelle et de philosophie, Neufchätel, 1779 ff., 
18 Bde. Uber B-3 Yeben und Werte jchrieb 
Tremblay, Bern 1794. 2) Gisbert, Theolog, 
geb. 1723 in Naarden; ftudirte in Utrecht, war 
erſt Prediger in Amersfort, Rotterdam umd im 
Haag und zulett feit 1761 Profeffor im Utrecht, 
wo er 1805 ftarb. B. gehört zu den nambaf- 
teften reformirten Theologen des 18. Jahrh. in 
rg u, wirkte, jelbft ein berühmter Prediger, 
ei. jehr wohlthätig auf die Verbeſſerung der Pre— 
digtmethode in feinem Baterlande, Er ſchr.: Leber 
die lirchliche Toleranz, ltr. 1770; Erklärung des 
Predigers Salomon ; Commentar über den Brief 
an die Hebräer; Leerredenen (Predigten), 4. 
Samml., Utr. 1774—1792. 8) Youis, franzöl. 
Kupferftecher, geb. 1743 zu Paris; bildete ſich da» 
ſelbſt, ftah dann im Petersburg mehrere Por» 
träts, kehrte 1768 nach Paris zurüd und ahmte 
Paftell-, Tuſch u. Erayonzeihnungen nad, wo» 
bei er theils nad eigenen, theild nad fremden 
Blättern arbeitete, jo nah Boucher, C. Banloo, 
La Grende. Bon feinen 800 Stihen find bie 
befannteften: die Porträts Ludwigs XIV., Katha- 
rinas II. und des Großfürften Paul Petrowitſch, 
fowie einige Blätter aus der Mythe von Benus 
u. Amor. Er jchrieb: Le pastel en gravure in- 
vents et ex&cut@ par L. Bonnet, 1769. Seine 
Todeszeit ift unbefannt. 2) Löfiler.* 3) Regmet. 

&t.-Bonnet -le» Chätean, Stadt im Arr. 
Montbrifon des franz. Dep. Loire; Spigen- und 
Meſſerfabrilen; bedeutender Vieh- u. Holzhandel; 
2237 Em. 

Bonnetable (Bonneftable, früher Maleftabte, 
von der dortigen jchledhten Herberge), Stadt am 
Tripoufin u. an der WBahn im Arr. Mamers 


tinat u. Bendöme in Italien. Indeß ungeadhter 
pier- 
feit wurde er wegen Erprefjungen im Apancement 
übergangen, u. da er deshalb fi gegen den Kriegs 
minifter Chamillard verging, fieß ihn diefer 1704 
vor ein Kriegsgericht ftellen, welches das Todes 
urtbeil über ihn ausiprad; indeß B. war vorher 
nah Deutjhland entlommen, in öſterreichiſche 
Dienfte getreten u. focht als Öfterreichiicher Geue 
ralmajor unter Prinz Kar in Ftalien u. Flan- 
dern gegen Frankreich. Durch GEugens Bermit- 
telung wurde 1714 fein Proceß niedergeichlagen. 
Von Karl VI. zum Generallieutenan: u. Mitgliede 
des Reichshofrathes u. 1716 zum Feldmarſchall— 
lientenant befördert, nahm er am Türkenkriege 
tbeil, in welchem er bei Peterwarbein ſchwer ver- 
minder wurde. Nach feiner Genefung ging er 
nah Paris und nah dem Paſſarowitzer Frieden 
wieder nach Wien, wo er 1718 in den —— 
rath eintrat; aber bald wegen leichtſinnigen Ye- 
bens u. unbefonnenen Benehinens gegen den Prin- 
zen Eugen diefem unangenehm, wurde er 1723 
als Generalfeldzeugmeifter nad den Niederlanden 
geihicdt. Indeß gerietb er auch bier in Zwiſt 
mit dem Gouverneur Marquis de Prie, infolge 
deffen er zur Rechtfertigung nah Wien gernfen 
wurde; da er aber diefem Befehl erft nach einem 
Monat, während deifen er im Haag mit dem 
franzöfiihen u. ſpaniſchen Gefandten in intimem 
Berfehre geftanden, nadlam, wurde er unterwegs 
verhaftet und auf den Spielberg bei Brünn ge- 
bracht, wo er, nachdem der Kalle das über ihn 
ausgefprohene Todesurtheil geändert, ein Jahr 
faß u. dann des Landes vermiejen wurde. Run 
ging er nad Conftantinopel, trat 1730 unter bem 
tamen Ahmed Bajha zum Islam über und 


wurde gleih danah vom Sultan zum Paſcha 
mit 3 Roßſchweifen u. Chef der Bombardirer er- 
nannt, in welcher Eigenfhaft er die türkiſche Ar- 


tifferie auf europäifche Weife zu organifiren fuchte. 
Nachdem er fiegreich gegen Rußland und Berfien 
gefochten und dafür zum Statthalter von Chies 
ernannt worden, fiel er durch Intriguen der 
Großen in Ungnade, warb abgejegt und 1738 im 
eine Provinz am Schwarzen Meere vermiejen. Nah 
faft Hjährigen Aufenthalte dafelbft im Begriffe nad 
Europa zurüdzutehren, fl. er 27. März 1747 zu 


des franzöfiihen Depart. Sarthe; altes Schloß; |Conftantinopel. B-8 Memoiren, Lond. 1755, 5 





Bonneville — Bonpland. 
Dre,, u. U. von Desherbiers, Bar, 1806, 2 Bde., 


find unecht. Lebensbeichreibungen, Hamb. 1737 
n. Frif. u. Lpz. 1738, 4 Be. Fagai.” 

Donneville, Hauptft. des gleichnamigen Arr. 
des franz. Dep. Hoch-Savoyen u. der früheren 
Landichaft Fauciguy, an der Arve; Gericht erfter 
Inſtanz; Fabrikation von Ubrenbeftandtheilen, 
Eollöge; 2185 Em. 

Bonneville, Nicolas de B., franz. Publicift 
u. Viterat, geb. 13. März 1760 in Evreur; lebte 
früher der Yiteratur u. machte fich be. als liber- 
feer um bie Kenntniß der deutichen u. englifchen 
Literatur in Frankreich verdient, indem er mit 

riedel deutſche Theaterftüde in dem Nouveau 
'heätre allemand, Par. 1782—85, 12 Bde., u. 
mit Yetourneur den Shatejpeare überjegte. In 
der Mevolution wendete er fich der Politik zu, 
ftiftete mit Fauchet den Cercle social, gab Les 
tribuns du penple u. La bouche de fer heraus; 
er wurde Diftrictspräfident und joll als folder die 
Bildung der Narionalgarde veranlaft haben. Da 
er bei aller Freiſinnigkeit doch gegen alle Gewalt- 
maßregeln der damaligen Wlachtaber ſprach, 
z. B. in ben Poésies, 1793, jo wurde er bis zum 
9. Thermidor eingeferfert. Er gehörte dann zu 
den Gemäßigten; aber eine Bergleihung Napo» 
leons mit Erommell bradte ihn wieder ins Ge- 
fängniß u. nad) feiner SFreilaffung unter fortwäh- 
rende re Aufſicht. Er fi. 9. Nov. 1828. 
Schrieb: Hist. de l’Europe moderne, Genf 1789 
bis 1792, 3 Bde; De esprit des religions, 
Bar. 1791. Boldyert.* 

Bonnier d'Arco, Ange, franz. Staatsmann; 
war beim Ausbruche der Revolution Präſident 
der Rechnungslammer in Montpellier, wurde De- 
putirter, Mitglied des Corps legislatif und des 
Gonvents, ftimmte für den Tod des Königs, war 
einer der franz. Abgeordneten zur Schließung des 
Friedens in Raftatt u. wurde dort 28. April 1799 
mit Noberjot ermordet. Er ſchr.: Recherches 
hist. et pol. sur Malte, 1798. 

Bonnieur, Stadt im gleichnam. Arr. des franz. 
Dep. Baucluſe; Seidenweberei; 2534 Em. 

Bönnigheim, Stadt im DOberamte Befig- 
heim des wilrttemb. Nedarfreiies; Schloß der 
früheren Grafen von Stadion, worin jett Forſt- 
amt; Seidenzwirnerei, Pottajchefiederei; Wein— 
bau; 2447 Ew. B. hatte jehr früh (793) eine 
hriftliche Eolonie. 

Bonnington, Maler, ſ. Bonington, 

Bonnivard, ſ. u. Bonivard. 

Bonnivet, Guillelme Gouffier, Herr von 
B., Admiral von Frankreich, Giünftling des Kö— 
nigs Franz I.; wurde von diefem als Geſandter 
an Heinrid VIII. nad England u. ſpäter nad) 
Deutjchland gejendet, um dort den Cardinal 
Wolſey zu ftürzen umd bier die Wahl feines Kö— 
nigs zum Kaiſer zu vermitteln, Er olehtigte 
1521 die in Navarra einfallende franzöfiiche Ars 
mee, trug viel zum Abfall des Connetable von 
Bourbon bei, befehligte 1523 die gegen Mailand 
vorbringende Armee und fiel in der Schlacht bei 
Bavia, 24. Febr. 1525. 

Bonnot, 1)B. de Eondillac, ſ. Condillac. 2) 
B. de Mably, f. Mabiy. 

Bonny, Stadt im Reiche Benin, auf einer 

Fierers Univerfal-Eonverfations:?eriton. 6. Aufl. 


673 


Inſel unmeit der Mündung des gleihnam. fidöftl. 
Arms des Niger (j. d.); etwa 8000 Em,, welde 
einen fehr lebhaften Handel mit Palmöl treiben 
u. Seefalz bereiten; früber war B. ein Haupt- 
play für den Sklavenhandel. 

Bono modo (lat.), auf gute Weife, 

Bononeini, ſ. Buononcini. 

Bononia, alter Name für Bologna und für 
Boulogne. 

Bonsrum cessio, Abtretung des Bermögens, 
Beginftigung der Schuldner, vermöge welcher 
dieje, wenn fie ohne ihr Berichulden in Berfall 
gerathen (zumeilen nach Abzug ihres nothdürftigen 
Unterhaltes), den Gläubigern ihr Bermögen über- 
laffen, damit fich diefe, ſoweit es zureicht, daraus 
befriedigen mögen; fie find dann nicht eher, als 
bis fie wieder zu günftigeren Bermögensverhält- 
nijfen gelangt find, zur Dedung der noch übrig 

gebliebenen Schulden verbunden (vgl. Yanferott 
u. Concurs). B. collatio, die nah Röm, Rechte 
dem die Erbichaft antretenden Defceudenten oblie- 
gende Berbiudlichleit, Alles, was er entweder von 
dem Ajcendenten bei Lebzeiten erhalten hat, od. 
demjelben ſchuldig ift, in die Erbſchaftsmaſſe ein- 
zumwerfen, welche dann ftattfindet, wenn mehrere 
Defcendenten concumiren. B. distractio, die 
Verwerthung der Concursmaſſe durch Einzelver- 
fauf des Gütervertreters. DB, possessio, der 
neben dem Erbrechte des Jus civile vom Prätor 
verliehene Befiy der Erbichaftsmaffe, durch 
welchen die Klagen für und wider den Erben 
als utiles begründet wurden (B. p. edictalis, 
jofern ſchon das allgemeine Edict, B. p. decre- 
talis, fofern erft ein ausdrüdliches Decret des 
Prätors fie verlieh); die Verbindlichkeit dazu 
geht auch auf die Erben der Deicendenten 
über, B. communio, fo v. w. Giütergemein« 
ſchaft. B. venditio, bie Veräußerung des Ber- 
mögen im Ganzen infolge einer vom Ma- 
giftrat ertheilten Einweiſung in den Güter— 
befig (Missio in bona), welde eine lniverjal- 
fuccejfion des Käufers (B. emptor) begründete, 
Es war das gewöhnliche Concursverfahren der 
Römer, aber zu Inſtinianus' Zeiten bereits abge» 
fommen, Bgl.Stieber, De bonorum emptione apud 
vett. Rom., Lpz. 1827. roteſend. 

Bonöfus, 1) Quintus, aus Spanien, röm. 
Feldherr unter den Kaifern Aurelianus u. Probus, 
der fih 280 n. Chr, in Gallien zum Kaifer auf- 
warf, von —— 281 eſchlagen wurde und ſich 
in Köln erhängte. 2) B., Biſchof von Sardica 
in Illyrien (im 4. Jahrh. n. Chr.); wurde wegen 
feiner Anficht, daß Maria nach Jeſu noch mehrere 
Kinder geboren babe, 391 auf der Synode zu 
Capua verflagt u. dann abgefegt, ftarb aber vor 
dem Bollzuge des Urtheils. Die Secte der Bo- 
nofjianer beftand noh im 6. Jahrh. Vgl. De Bo- 
noso Haeretico, Gött. 1754, 

Bonpland, Aimé, berühmter franz. Natur 
forjher, geb. 22. Auguft 1773 in La Nochelle; 
ftudirte in Paris Medicin u. Botanik, folgte 1799 
Aler. dv. Humboldt nah SAmerifa, war bejonders 
für die Botanif thätig u. lehrte mehr als 6200 
neue Pilanzenarten fennen. Zurüdgelehrt, wurde 
er 1804 Borftand des Gartens zu Navarre u. Mal- 

maifon; 1816 ging er nad Buenos-Ayres, mo er 
II. Band. 13 


674 


Profeffor der Naturgefhichte wurde, begann 1820 
eine neue Unterfuchungsreife in das Innere von 
Paraguay u, legte zu S.-Ana, am Dlfer bes 
Parana, Pflanzungen von Paraguay « Thee und 
eine ndianercolenie an, welche durch Truppen 
von Francia zerftört wurden; er jelbft wurde ge- 
fangen nad Ajuncion geführt und als Garnijon- 
arzt in ein Fort geſchickt. Später leitete er die 
Arbeiten am einer großen Heerftraße, wurde "nad 
einer anderen Gegend, mo er über eine Handels» 
verbindung zwiichen jenem Lande und Peru Auf- 
ficht führte, abgejandt u. fette hier feine botani- 
ihen Forſchungen fort. 1829 freigegeben, kehrte 
er zumdchit nach Buenos⸗Ayres zurüd, ging ſpä— 
ter nach Brafilien, wo er fich mit einer Indiane- 
rin verheirathete, zog fi 1831 nah San- Borja 
in Uruguay, dann nah S.-Ana in der argent. 
Prov. Corrientes zurüd, Er ft. in Zurüdgezogen- 
heit u. Dürftigleit 4. Mai 1858. B. jdhr.: Plan- 
tes equinox. recueillies en Mexique, Cuba, An- 
des de Quito, bords de l’Orönogne et des Ama- 
zones, Fol. mit 140 Taf., Bar. 1808—16, 2 Bbe.; 
Monographie des M&lastomacdes, 1806—1816, 
2 Bde; Description des plantes que l'on eul- 
tivea Navarre et a la Malmaison, Par. 1813 
bis 1817, mit 64 Taf. Mit A. v. Humboldt arbeitete 
er an deffen Voyage aux regions &quinoxiales 
du nour, Continent, Paris 1815 ff., 12 Bbe.; 
Vue des Cordilleres, Bar. 1816; mit Humboldt 
u, Kunth: Mimosces et autres plantes lögumi- 
neuses du nonveau Continent, Par. 1819, Yol., 
m. 60 Tat.; Nova genera et species plantarum, 
7 Bde., m, 700 Taf., Bar. 1815 u. ff. Biographie 
von Brunel, 3 W., ebd. 1872. 

Bon sens (fr.), Dlutterwig, gefunder Menichen- 
verftaud, 

Bonftetten, Karl Bictor v. B., namhafter 
Schriftfteller, geb. 3. Sept. 1745 in Bern; lernte 
1763 Rouffeau kennen u. fpäter in Genf Voltaire 
u. den Philofophen Ch. Bonnet, die einen entichei- 
denden Einfluß auf ihn hatten. Er wurde 1775 
Mitglied des Großen Rathes in Bern und 1787 
Tandvogt in Nyon. Hier fchloß er einen im ber 
Literaturgeihichte berühmten Freundſchaftsbund 
mit Mattbiffon, Salis, Friederile Brun u. Jo— 
hannes dv. Miller, Er wurde fpäter Oberrichter 
von Lugano, ging 1796 nad talten und 1798 
nach Dünemart, fehrte 1801 zurüd, lebte dann 
mehrere Jahre in Italien u. ließ fich zulegt in Genf 
nieder, wo er 3. Febr. 1832 ftarb. Seine Werte find 
theils franz., theils deutſch abgefaßt: Briefe über ein 
ſchweizeriſches Hirtenland, Balel 1782; Kleine 
Schriften, Kopenh. 1799—1801, 4 Bde.; liber 
Nationalbildung, Zürid 1802, 2 Bde.; Voyage 


Bon sens — Bonvicino, 


derile Brun, berausgeg. von Mattbiffon, Frankf. 
1829, 2 ®de.; Souvenir de B., Bar. 1832. Ye 
bensbeichreib. v. K. Morell, Winterthur 1861. B. 
zeichnete fih aus durch eine jchwärmerifche Be- 
geifterung für das Schöne, durch Geift u. Beob- 
achtungsgabe; fein Stil ift elegant, energisch und 
edel; aber man vermißt oft Ordnung und wiſſen⸗ 
ſchaftliche Methode bei ihm. Bolcheri.⸗ 

Bontekoe, Cornelis van B. (eigentlich Deder), 
geb. 1647 in Altnaar; war Arzt in London und 
Amſterdam, dann in Hamburg, zulett Leibarzt des 
Großen Kurfüriten in Berlin; er ftarb dort 1685. 
Anhänger des hemiatrifhen Syſtems, gab er dem- 
jelben bef. dadurch eine neue Anwendung, daß er 
(angeblih beftohen von holländischen Kaufleuten) 
den Thee, Tabak, Kaffe u. die Ehocolade anpries. 
Er jehr.: Tractat van het exellenste kruyd thee, 
Haag 1672; Verhandeling van’t merschen le- 
ven, gezondheit, ziekte en dood, ebd. 1634, 
deutih, Bauten 1686, Amſt. 1689, 2 Bde, 

Bonting, 1) Gehrhard, berühmter holländ. 
Arzt, geb. 1538 in Ryßwijk. Selbft tüchtiger 
Kenner der griechiſchen Sprache, wies er nad- 
drüdiih auf das Studium der alten Autoren bin. 
Die Pilulae tartareae (hydragogae) Bontingi find 
entweder von ihm, oder von feinem Sohne Rei— 
nerus erfunden. Er ftarb als Brofeffor der Me- 
dicin 19. Sept. 1599 in Leyden. B. hatte ver- 
jhiedene Schriften des Hippofrates commentirt, 
verbot aber die Herausgabe, Allgemein befannt 
ift fein Sohn, 2) Jakob, geb. zu Leyden (micht 
Rotterdam); ging 1627 als Arzt der Oſtind. 
Compagnie nah Java, wo er jeine Unterſuchun— 
en namentlih auf Opium und Grocus richtete; 
Ührieh eine Historia naturalis et medica Indiäe 
orientalis, die wahrſcheinlich erft nach feinem 
Tode in Amfterdam 1658 erichien, und ein Wert 
De exoticis Indiae plantis, welches wol nidt 
für fih erichien, jondern dem Buche des Piſo: De 
Indiae utriusque re naturali et medica eingereibt 
wurde, Sein Zodesjahr unbefannt. ZTamdayn. 

Bon ton (fr.), guter Zon, feine Lebensart. 

Bonum et aequum (lat.), vecht u. billig. 

Bonum publicum (lat.), 1) ein Staatsqut; 2) 
das Gemeinmwohl. . 

Bonus (lat.), gut, wer in einer beſtimmten oder 
aller Hinſicht tadellos ift. 
| Bonus (lat.), beim engliihen Gtaatspapier- 
bandel der Gewinn oder Überjhuß, welcher ſich 
nach dem gleichzeitigen Cours für den Empfänger 
der von der Kegierung gegen baare Einzahlung 
‚verlangten Staatspapiere ergibt. 

Bonus Eventus (lat., glüdliches Gedeiben), länd» 
licher Gott der guten Ernte (gleich dem griechiichen 





sur la seöne des six derniers livres de l’Eneide, | Triptolemos); hatte in Nom auf dem Marsfelde 
Senf 1804; Recherches sur la nature et lesjeinen Tempel. Er wurde dargeftellt auf Münzen 
lois de l’imagination, 1807, 2 Bde,, ins Deutſche u. Gemmen vor einem Altar, auf weihem Opfer 


überjegt; Pensdes diverses sur divers objets du 
bien publie, 1815, und Etudes de l’homme, 
1821, 2 Bde,, deutich von Öfrörer, Stuttg. 1829, 
2 Bde., (diefe Werke, in denen er feine efleftiichen 
Philoſophie buldigt u. die fiir die Gebildeten bes 
ſtimmt waren, wurden ſehr günftig aufgenommen); 
L’homme du midi et du nord, 1824, deutih von 
eich, Lpz. 1825; Briefe an Mattbiffon, beraus- 
gegeben von Füßli, Zürich 1827; Briefe an Frie- 


feuer bremmt, als ein jchöner Jüngling, nadt, in 
‚der Nechten eine Opferichale, in der Linken Korn» 
‚ähren u. Mohn. Sein Bild als das des glüdlichen 
‚Erfolges wurde oft als Amulet getragen. 

Bonus Genius, guter Genius, Schutsgeift. 
Bonvicino, Aleijandro, genannt il Mo» 
retto da Brescia, ital. Maler, geb. in Brescia 
gegen Ende des 15. Jahrh.; Schüler Tiziant ; 


‚ft. in Brescia gegen 1575. Er malte vorzüglich 





Bonvivant — Boot. 


Bilder zu refigiöfen Zwecken u. ging nie an feine 
Arbeit, ohne En durch Gebet, Faften u. den Ge- 
nuß des Abendmahls vorbereitet zu haben, wie 
fih feine tiefe Religiofität denn auch in feinen 
Werken zeigt. Seine Altarbilder (darımter eines 
im Dome in Brescia) gehören zu dem vorzüglich. 
ften feiner Zeit, doch malte er auch treffliche Bor. 
träts. Gemälde von ihm in Brescia, das ihm 2 
Dentmale fegte, in mehreren Galerien Ftaliens, 
im Youpre u, in Deutichland, nämlih im Muſeum 
zu Berlin fein berühmtes Bild: Maria u. die heil. 
Anna mit dem Jeſuskinde (lithogr. von Schertie), 
im Städelfhen Jnftitut zu Frankfurt a. M. zwei 
Altarbilder u. im Belvedere zu Wien die heilige 
Juſtina, angebetet vom Herzog Hercules von Fer— 
rara (geftoden von Wahl). Regnet.* 

Bonvivant (fr.), eim leichtfertig lebender (dem 
finnlihen Genuß des Lebens ergebener) Menſch, 
Zebemann, 

Bonvin, Francçois, franz. Maler, geb. 22. 
Nov. 1817 zn Baugirard; war Seber in einer 
Buchdruderei, dann Bedienfteter der Bolizeipräfec- 
tur; wandte fi) Erde der vierziger Jahre der Kunit 
zu. Er zählt zu den ausgeſprochenſten Kealiften 
u. behandelt mit Vorliebe Stoffe aus dem Yeben 
der unteren Bollsihichten. Werke: Mädchenichute, 
im Mufeum zu Yangres; die Stiderin; die 
Köchin; eine Dame am Piano, 

Bonzen (aus dem japaı Shen Buffo), eigent« 
ih Name der Priefter des Fo in Japan, der jedoch 
durch die Bortugiefen auch auf die Priefter anderer 
Bölker, wie der Ehineien, Koreaner, Indochineſen 
ausgedehnt wurde. Die B. bilden eine mächtige 
Corporation in Japan u. ftiehen beim Bolle ın 

roßem Anfehen, weil ihrem Gebete u. ihrer Für— 

Br bei der Gottheit große Wirffamfeit bei. 
gelegt wird. Ein großer Theil lebt in Conventen 
nach einer ftrengen Ordensregel, Es gibt ſowol 
männliche, als weibliche B. 

Doom, Stadt am Rupel in der belgiſchen 
Provinz Antwerpen; Gerberei, Salzfiederei, Schiff- 
bau, Badjteinbrennereien; 10,065 Em. 

Boone, 1) County im nordamerif. Unionsftaate 
Arkanſas, u. 36° n.Br. u. 93° w. L.; 7032 Em,; 
Countyſitz: Harrifon. 2) County im nordamerif. 
Unionsftaate Indiana, u. 40° n. Br. u. 85° m. L.; 
22,593 Ew.; Countyfig: Lebanon. 3) County im 
nordamerif. Unionsftaate Jllinois, u. 42° n. Br. 
u.88° w. L.; 12,942 Ew.; Countyſitz: Belpidere. 
4) County im nordamerif. Unionsftaate Jowa, 
u. 42° n. Br. u, 93° w. ©; 14,584 Emw.; vom 
Moinesfluß durchſchnitten; Countyſitz: Boaneboro, 
5) County im nordamerif. Unionsftaate Kentudy, 
u.38°n,Br.u. 84° mw. L.; 10,696 Ew.; Countyfig: 
Burlingten. 6) County im nordamerif. Unions- 
ftaate Diiffouri, u. 39° n. Br. u.92 w. L.z 20,765 
Ew.; Countyſitz: Columbia. 7) Countyfig im nord- 
amerik. Unionsftaate WBirginta, u. 38° n. Br. u. 
82° mw. L.; 4553 Em. 

Boonsborough, Ort im County Mabdifon des 
nordamerif, Unionsftaates Kentudy; angelegt um 
1775 von dem 25. Zept. 1822 verftorbenen Daniel 
Boone, der in diefer Gegend zahlreihe Kämpfe 
gegen die Indianer beftand und als der Pionier 
des Staates Kentudy zu betrachten ift. 

Boonpille, Sitz des County Cooper im nord» 





{ 





675 


amerif. Unionsftaate Miffouri; durch Zweigbahn 
mit der Pacificbahn verbunden; Handel; Wein« 
u. Obftbau; 3506 Em, 

Boos, M., geb. 24./25. Dec. 1762 zu Hurten- 
ried (Bayern); ſeit 1806 evang. Pfarrer in Gallneu- 
lirchen (bei Linz); er wurde wegen feines Dringens 
auf praftiiches Chriftenthbum uw. Glauben an die 
alleinige Verſöhnung mit Gott durch Chriftum 
verfolgt und »öfters mit Einkerkerung beftraft; 
1817 wurde er Profefior und Religionslehrer 
in Diffeldorf, 1819 Pfarrer in Sayn; ftarb 
29. Aug. 1825. Selbfibiographie, herausge eben 
von %. Goßner, 1831. öfter. 

Pot, Kleines, in Fyorm u. Bauart dem Schiffs« 
rumpfe ähnliches Fahrzeug, welches den fleinen 
Verkehr auf dem Waſſer vermittelt. Nach dem 
befonderen Zwede u. der Bauart, ſowie nach der 
Art ihrer bewegenden Kraft merden die De 
verfchieden benannt; wie auch das Wort B. in 
Verbindung mit einer zweiten Bezeichnung mit» 
unter, u. zwar gewöhnlich für Fleinere Saifie- 
Haffen gebraucht wird (Dampf, Fahr⸗, Kanonen« 
B. u. f. w.). Vach Zweck u. Bauart unterfcheidet 
man: Schiffs⸗, Schifisbei-, Ouarantäne-, Fiſcher⸗, 
Lootſen⸗, Rettungs-, Bum-, Land» u. Vergnüg⸗ 
ungs · B⸗e jeder Art n. Größe. Land-Bee werden 
diejenigen Be genannt, welche in den Häfen dent 
Verfonenverfehr auf dem Waſſer, hauptjächlich 
von n. nach den Schiffen, vermitteln u. als öffent« 
liche Fahrzeuge zu diefem Zwecke gegen eine be« 
ftimmte Taxe gemiethet werden, Bum-Bee wer» 
den in der Schiffsfprache die B-e von Efmwaarens 
bändlern genannt, melde täglich die im Hafen 
liegenden Schiffe behufs Berlaufs ihrer Waare bes 
ſuchen. OuarantänerB-e heißen die Fahrzeuge 
der Duarantäne- Polizei, welche die Schiffe beim 
Einjegeln in den Hafen Hinfichtlih des Gefund- 
heitözuftandes unterfuchen u. danach den Verkehr 
derjelben mit dem Lande beftimmen. siicher- u, 
Tootien-B-e find nach den Ländern und den am 
Orte für den Zweck vorhandenen verfchiedenen 
Bedingungen von verfhiedenfter Größe, Form u. 
Ausjeben. Rettungs-B-e werden im Allgemeinen 
alle B»e genannt, welche die befondere Aufgabe 
haben, zur Rettung von Menjchenleben zu dienen, 
u. jo find auch auf jedem Schiffe dasjenige oder 
diejenigen B-e beftimmt, weldhe zu diefem Zwecke 
vorfommenden Falles verwendet werden. Im Ber 
fonderen aber wendet man jene Bezeichnung auf 
die Be der jet in den meiften civilifirten Kilftens 
ländern beftehenden Rettungsgejellihaften an, deren 
Banart, obwol unter ſich jehr mannigfaltig, vor 
Allem eine Erhöhung der Schwimmfäbigfeit des 
B-e8 durch die demfelben gegebene Form, wie 
durch Anbringung von Luft» od. Korkfaften u. dal. 
im Auge hat, u. deren bejondere Einrichtungen 
bauptjächlich eim erleichtertes Rudern u. Steuern 
des Bes, ſowie die Sicherung der Bemannung 
gegen das Überbordfhlagen dur die Brandung 
u. den hoben Seegang bezwmeden. Nach der Art 
u. Fortbewegung werden Ruder-, Gegel- und 
Dampf-Bse unterschieden, u. nad) der Größe und 
der Talelage führen die meiften der genannten 
Bee wiederum befondere Benennungen (f. Schiff). 
Die B-e von Schiffen, deren Anzahl genügen joll, 
um bei etwa vorfommenden Unglüdsfällen alle au 

44* 


676 Boote? — Böotien. 


Bord befindfichen Berfonen aufnehmen zu lönnen, lieder diefer Gott aber wieder zufammenfügte 
find mit jeltenen Ausnahmen ftets fowol zum/und unter die Sterne verſetzte. Er beißt auch 
Rudern , wie zum Segeln eingerichtet. Öröhere Arktophylax, der Bärenhüter, weil er hinter dem 
Kriegsichifie haben im neuerer Zeit außerdem ein 
oder mehrere Schrauben-Dampf-B-e unter der Zahl 
ihrer Be. Nach der Art der Unterbringung wer- 
den die Schifis-B-e in Deds-B-e (ſolche, welche 
während der Fahrt auf dem Oberbed in den B-8- 
Hampen fteben) u. Seiten» u. Hed-B-e (melde 
außerhalb an der Scifisjeite oder am Hintertheil 
des Schiffes, am Hed in B⸗sdavids aufgehängt 
werden) unterfchieden; während auf Kriegsichiffen 
die vorhandene größere Anzahl, wie bejonders 
auch die verfchiedene Art der fi nad Größe u. 
Bauart richtenden Berwendung derſelben, eine 
weitere Unterſcheidung n. Bezeichnung derſSchiffs⸗Be 
bedingt. Die größten B-e der Kriegsſchiffe heißen 
Barlafien u. find, mie mitunter auch die ihnen 
folgenden, die Pinaffen, in der Regel zur Auf 
nahme je eines B⸗sgeſchützes eingerichtet; fie wer— 
den daber auch mit dem Ausdrude Geſchittz-B.ae 
bezeichnet. Diefe B-e find in der Hegel Ded-B:e, 
während die übrigen zu den Seiten-, bezw. Hed- 
Ben gehören, Den Deds-B-en fällt infolge ihres 
ftärteren Baues aller Arbeitsdienft, wobei es ſich 
in erfter Linie um Fortſchaffung ſchwerer Gemichte 
u. dgl. handelt, zu; während bie Alarm-B-e 
bauptjädhlich den sche: zu vermitteln 
haben, Dagegen werben ſämmtliche B»e gleich— 
mäßig zu den militärischen Zmeden herangezogen. 
Bon den SeitensB-en heißen die größten Kutter, 
ihnen folgen die Hollen u, diefen auf den großen 
Kriegsichifien die Dingys. Gigs emdlidh, melde 
fih durch elegantere Formen u. Einrichtungen 
auszeichnen, find gewöhnli nur zum Gebrauche 
des commandirenden Offizier beftimmt, u. daher 
ift meiftens auch nur eime folde an Bord vor- 
handen, während die größeren Kriegsichiffe von 
den fämmtlichen übrigen B-sgattungen je zwei 
Eremplare befigen, die als 1. u. 2. Hartaffe, Pi⸗ 
naffe u. ſ. f. bezeichnet werden, Das Wort B. 


Großen Bären ftebt. Epeäit.” 

Booth, John, berühmter Gärtner u. Bota- 
niter, geb. 19. Nov. 1800 in Flottbek bei Altona, 
aus eimer fchottifhen Familie ftammend. Sein 
Bater, James B., legte im Bereine mit dem 
Freiherrn dv. Voght in Flottbel eine großartige 
Baumſchule, verbunden mit Blumenzucht und 
Pflanzentreibereien, an, welche der Sohn ermei- 
terte u. zu einem der bebeutendften Etabliffements 
diefer Art erhob. Die B-fchen Gärten bei Ham- 
burg, in einer Ausdehnung von über 150 Mor- 
gen, haben infolge deffen einen meitverbreiteten 
Auf erlangt. Doc nicht bloß als praftifcher Gärt- 
ner, jondern aud als Pflanzentenner u. Botamiter 
erwarb fih B. einen Namen. 1829 erhielt er den 
von der fjchottiichen Horticulturgejellihaft ausge- 
ſchriebenen Preis für die Löſung einer Preisaufgabe, 
betreffend die Cultur der Yaub- u. immergrünen 
Sträuder. Er ft. 14. Sept. 1847. B. ichrieb 
mehrere Streitihriften u. einige Heine Abhand— 
lungen, darunter: Über die Anlegung des engli- 
ihen Rafens, Hamb. 1837. 

Boothbay, Hafenplat im Fincoln County des 
nordamerifauischen Unionsftaates Maine; Fiſcherei; 
3200 Em, 

Boothin Felir, eine Halbinfel, die bis zu 
72° nördl. Breite reicht u. den nördlichiten Theil 
des amerikauiſchen Continents bildet. Entdedt vom 
Gapitän James Roß, führt fie den Namen nad 
Sir Felir Booth, welcher die Unternehmung 
von Roß 1829—33 weſentlich unterftitt batte. 
Im N. ift die Halbinfel dur die Bellot-Straße 
vonRorth-Somerjet, im O. durch den Boothia-Woli 
von Codburn-Pand getrennt. 

Böotien (Böotia). I. U. Geographie. ®., 
Landſchaft im öftl. Mittel-Griehenland, von etwa 
3300 [_)km Flächeninhalt; grenzte im N. an das 
Opuntijche Lokris, im O. an die Meerenge Euripos, 
fommt ferner in Berbindung mit den Benenn- im ©. an Attila, Megaris u. den Allyoniſchen Gotf, 
ungen von allen zur Ausrüftung eines folhen im W. an Phofis. Das Land ift ein Keffeltbal zwi- 
gehörigen Gegenftänden vor, deren Erklärung ſchen den Fortiegungen bes Parnafjos, nämlich 
unter dem betreffenden Worte zu fuchen ift. 

Boötes (gr., d. i. Hindertreiber), Sternbild 
am nörblihen Himmel, zwiſchen 10° u. 55° 
nördi. Abweihung u. 200° u. 232° gerader Auf- 
fleigung. Das Bild ftelt eine männliche Figur 
dar, die in der finfen einen Hirtenftab, in der 
aufgehobenen Rechten die Yagdhunde an einem 
Dande, oder auch eine Sichel hält. Zu ihm ge- 
hören der röthliche Arktur als Stern 1. Große 
am linken Fuße, den Mirach im Gürtel, den Al— 
falaurops (Hirtenftab) über der linken Schulter, 
u. die Eſelchen (Aselli). B. ift eines der glän- 
zendften Sternbilder u. befonders dadurch kennt · 
lich, daß Arktur noch mit zwei anderen Sternen 
des Bildes u. dem benachbarten Hauptftern der) Die Bewohner (Böoter) ftanden den anderen 
Krone ein deutliches Y bilden. Auch ift e8 durch riechen, bej. den Arhenern, in Bildung nad; 
einige glänzende u. Shönfarbige Doppelfterne aus« ſie galten, wol mehr als fie e8 verdienten, für 
gezeichnet, die mehrfach gemeſſen wurden. Nach geiftig träg u. ſchwerfällig, trunkliebend u. hinter» 
Einigen fol B. larios, Vater der Grigome|hiftig, plump, bäueriſch, handfeſt, aber im Gefechte 
(Jungfrau im Xhierfreife), nad Anderen aber|ausdauernd u. tapfer; fie liebten Mufit, bei. die 
Arlas fein, melden jein Bater Lylaon fchlachtete| Flöte; auch Dichter, wie Pindaros u. Hefiodes, 
u. dem Jupiter als Mahlzeit vorfchte, deſſen ſelbſt Dichterinnen, wie Korinna, ftammten aus 


dem Heliton, Kithäron und Parnes im S. unt 
dem N. u. an der DOftüfte laufenden Fortietungen 
der Opuntiſchen Gebirgsfette; im Innern find 
mehrere Ebenen, wie die von Chäronea, Lebadea, 
Orchomenos, Haliartos, Platää u. Tanagra, das 
Aoniſche u. ZTenerifche Gefilde u. die Parafopia 
am Aiopos. Fluſſe: Kephiffos u. Aſopos; See: 
Kopais und die Meineren Hylite und Tropbia. 
Klima: vaub, bänfige Nebel, der Winter falt. 
Producte: Weizen, Gemitjfe, Früchte, Eiten, 
Marmor, Thon. Städte waren namentlich: Ko- 
ronea, Alallomenä, Yebadea, Orchomenos, Chäro- 
nea, Aſpledon, Kopä, Anthedon, Aulis, Tanagra, 
—— Theſpiä, Leultra, Platää, Thebä u. o. 
Di 


Böotien. 


677 


B. Die Sprache der Böoter war ein Idiom des Larymna erſetzt. In dem Kriege gegen Xerres 


äoliſchen Dialekts (. u. 
Hauptbeſchäftigung war Ackerbau; dazu kam an 
den Seen u. Küſten ergiebige Fiſcherei; bei der 
geringen Ausdehnung u. theiimerfen Abgelegenheit 
der Seefüfte war der Handesverfehr nur gering. 
Kiünfte blühten bier wenig, wiewol in Theben u. 
in anderen Städten Bes Kunſtwerke aufgeftellt 
waren. Aus ber Zeit des Epaminonbas gibt es 
ihöne Münzen, welche, wie alle böotijche, mit 
dem mehr oder weniger gewölbten, langrunden, 
an beiden Seiten mit einem halbrunden Ausſchnitte 
verjehenen böotiſchen Schilde bezeichnet find; die 
Nidjeite zeigt bald ein zweihenteliges Gefäß, auf 
den Bachusdienft anfpielend, oder das epheu- 
befränzte Bachushaupt, od. den ſchlangenwürgen⸗ 
den Herakles x. Die Berfafjung der einzeluen 
Städte war lange ariftolratiih; erft jeit dem Kor 
rinthiſchen Kriege breiteten fi) auch in B. demo⸗ 
fratifche Ideen ftärker aus. 

DO. (GGeſchichte). Die älteften Bewohner B-8, 
die man mur aus der Sage kennt, waren die Kr 
tenen, Aoner, Temmiler, Hyanten u. A. In Or 
chomeuos jaßen theſſaliſche Minyer (f. d.). Thebens 
Bedeutung wird in der Sage von einer ftarfen 
pbönitishen Coloniſation (Kabmos) auf dieſem 
Puntte abgeleitet. Nicht lange vor dem Trojani- 
hen Kriege ereignete fich nad) Angabe der griedhi- 
jhen Heldenfage der Zug der 7 Fürſten gegen 
Theben (f. d.), welchen ihre Söhne, die Epigonen, 
wiederholten (j. u. Theben). Zu dem Trojanischen 
Kriege ſchickte B. viel Schiffe u. Mannſchaft. Auf 
die alten Stämme ftürzten fihb 60 Jahre nad 
dem Trojanischen Kriege die äolischen Böoter aus 
Theffalien, welche jene Stämme theils vertrieben, 
theils in fih aufnahmen. Die Vertriebenen ließen 
ſich theilweife in Molis (Kleinafien) nieder. Die 
Böoter, nad) denen nunmehr das Yand benannt 
wurde, maren von Alters ber Mitglieder des 
Theffaliiden Amphiftyonenbundes; in ihrem ei« 
genen Kanton bildeten fie eine religiös»politifche 

öderation von Stadtgebieten, an deren Spite 

heben ftand (Böotiiher Bund). Der Bundes- 
ftaaten waren vor Alters wahrſcheinlich 14: The- 
ben, Orchomenos, Lebadea, Koronea, Kopä, Ha- 
fiartos, Theſpiä, Tanagra, Authedon, Chalia, 
Platää, Ehäronea, Ondeftos, Oropos; jpäter nur 
10. Alle diefe Städte waren in ihrem Gebiete 
anz frei, die anderen Heineren Orte waren von 
ihnen abhängig. Zur Leitung feiner Angelegen- 
beiten hatte der Bund an feiner Spige euten 
Archon, der wol ftets aus Theben war, u. diejer 
einen Kath zur Geite, deſſen Hauptfig fih in 
Theben befand. Die ausführende Behörde waren 
die Böotarden, deren jeder Staat 1, Theben 2 
wählte, u. deren Amt 1 Jahr dauerte, doch konnten 
die alten wieder gewählt werden. Obgleich die 
Städte B⸗s in diefer Weije verbindet waren, jo 
blieb ihr Zufammenhang doch lange jehr loder. 
An inneren Streitigfeiten fehlte e8 nicht. Nament« 
fh Orhomenos, Thejpiä u. Platää widerjtrebten 
ftets der Tendenz der Thebaner, aus ihrer Bor- 
ortichaft eine fidere Hegemonie zu machen. Platää 
trat endlich nicht lange vor Ausbruch der Griechiſch⸗ 


Griechiſche Sprache). hielten nur Theſpiä u. Platää zu der helleuniſchen 


nationalen Sache, während die übrigen Böoter 
unter Thebens Leitung die perſiſche “Partei er- 
griffen. Infolge deſſen u. noch mehr feit dem ges 
maltigen Machtaufſchwunge Athens jant die böo« 
tiſche Ariftofratie fo zufanımen, daß die Athener 
zur Beit ihres erften großen Krieges mit Pelo— 
ponnefiern u. Böotern im Jahre 456 nad dem 
Siege bei Onophyta den Böotifhen Bund aufs 
löjen und deſſen Städte außer Theben zu ihrer 
Symmadie zwingen konnten. Als aber bei einem 
roßen Aufftande des böotifchen Adels Athen im 
F 447 die Schlacht bei Koronea u. damit ganz 
B. verloren hatte, erhielten die böotifchen Städte 
ihre alte Berfaffung wieder, u. Theben trat von 
Neuem an die Spike des Bundes. Während des 
großen Peloponnefiihen Krieges bielt (das attiich 
gefinnte Platää ausgenommen) B. feit zu Sparta. 
Als aber nad der Niederwerfung der athenrichen 
Macht die Spartaner ihre neue Herrenftellung in 
Griechenland im der roheften Geſtalt ausnutzten, 
trat jehr bald, nun duch bereits von demokratischen 
Feen ftart berührt, Theben an die Spite der 
Gegner Spartas, längere Zeit ohne bejonderen 
Erfolg. Der Verrat der thebaniſchen Akropolis 
Kadmeia an die Spartaner durch die thebanifche 
Dligarhie im J. 382 gab jogar Theben für mehr 
rere Jahre völlig in die Hand der Spartaner u. 
iprengte thatfächlich den Böotifchen Bund. Aber 
die fiegreiche Erhebung der thebanischen Demokratie 
im J. 379 gegen die Spartaner, die Größe der 
neuen Führer Pelopidas u. Epaminondas ver« 
änderte die Yage bald vollftändig. Der Sieg bei 
Leuktra (im J. 371) über die Spartaner machte 
die Thebaner u. Böoter zu Herreninganz Mittel- u. 
Nord-Griechenland (Attifa ausgenommen). Theben, 
jegt energifh bemüht, den Böotishen Bund zu 
einem durch Theben geleiteten Staate umzujchnels 
zen, batte inzwifchen fich nicht geichent, die ihm 
jeindlichen böotifchen Städte zu zerftören, Theipiä, 
Platää u. Orchomenos, die erit in der mafedoni- 
hen Zeit wiederemportamen. Beiden Beftrebungen, 
auh im Peloponnes die böotiiche Hegemonie zu 
fihern, fand der große Epaminondas im J. 362 
in der Schlacht bei Diantinea feinen Tod. Damit 
brach die böotifhe Übermacht in Griechenland zu⸗ 
fammen. Böllig erjchüttert durch den Phokiihen 
Krieg (355—346), wurde Theben nachher mit 
Athen im J. 338 in der Schladht bei Ehäronea 
durh König Philipp von Mafedonien niederge- 
worfen, jein Bund aufgelöft u. die Stadt Theben 
jelbit im Jahre 335 nach einer blutigen Erhebung 
dur Alexander d. Gr. zerftört. Theben ift jpäter 
(im %. 315) durch den maledoniſchen Machthaber 
Kaffander wiederhergeftelt worden. In der Zeit 
der fogen. Diadochen u. Epigonen jammelte fich 
auch der Böotiſche Bund wieder, ohne jedoch zu 
höherer politiiher Bedeutung zu gelaugen. In 
jeinem Innern durd eine wilde Demokratie weni 

glüctich geleitet, nad außen ſchwach, ſchloß fi 
der Böotifhe Bund jeit 221 v. Chr. eng an 
Makedonien, eine Haltung, die in dem Kriege 
der Römer gegen den mafedonijhen König 


Perfiihen Kriege fürmlih zu Athen über umd| Philipp zuerft die bittere Abneigung der Erfteren 


wurde im Böotifhen Bunde anfheinend durch |gegen die trogige böotifhe Art hervorrief. 


Die 


678 


Booismann — Boppard. 


Barteinahme der Böoter für Antiochos d. Gr./fins u. Colebroole feine Kenntniffe der Sanstrit- 


in dem Syriſchen Kriege gegen Rom brachte ihnen 
noch feinen größeren Nachtheil. Als aber in dem 
Kriege der Römer gegen Perſeus ſich die böotiiche 
Demokratie an Yetteren anichloß, löfte fih im J. 
171 unter dem Eingreifen der römischen Truppen 
der Böotiſche Bund thatfählih auf, die Oligarchie 
fam überall and Ruder, die Stadt Haliartos 
wurde zerftört u. Rachethaten an der Demokratie 
in Menge verübt. Nachher jcheint fid) der Bund 
wieder zufammengefunden zu haben, um dann 
wegen ber Theilnahme der Thebaner u. anderer 
Böoter an dem letten Kriege der Achäer gegen 
Rom (146) nah der Zerftörung Korinths aber: 
mals anfgelöft zu werden. Später durfte er wieder 
erneuert werden u. fette fein Scheinleben bis tief 
in die Kaiferzeit hinein fort. B. aber litt, als ein 
Hauptihauplag des Mithridatischen Krieges, in 
den Jahren 88—85 v. Chr. wieder furdtbar. 
Strabon kennt nur noch die mittelmäßigen Orte 
Zanagra n. Theipiä; alle übrigen Städte lagen 
in Runen, oder waren Flecken — Nachher 
erholte ſich das Land wieder. heben, Tanagra, 
Platää, Lebadea, Chäronea, Koronea fommen (in 
der chriftlihen Zeit zum Theil als Biichofsfite) 
felbft noch nah Alarıhs (396 nm. Chr.) Verbeer- 
ungen oft vor, u. Theben blühte bis tief hinein 


ſprache erweiterte u, vervolllommmete. Nah Bayern 
zurüdgefehrt, wurde er 1821 Profeffor der orient. 
Spraden in Berlin u. 1822 Mitglied der Ala- 
demie der Wiffenfchaften. Ein Jahr vor feinem 
Tode, 23. Oct. 1867, wurde ber 5Ojährige Jahr 
restag des Ericheinens (16. Mai 1816) feiner im 
Gebiete der vergleihenden Sprachwiſſenſchaft bahn · 
bredenden Schrift: Über das Conjugationsigitem 
der Sanskritſprache durch eine bejondere, ihre 
Zwede fördernde, jog. B-ftiftung gefeiert. B. hat 
auf dem Grunde des Sanskrit die neuere Sprach— 
wiſſenſchaft geichaffen u. bis zu einem Hoben 
Grade entwidelt; er ift nicht allein Begründer der 
vergleichenden Sprahmiffenichaft, ſondern auch 
der größte Sprachvergleicher, den e8 bis jetzt ge— 
geben bat. Er fchrieb außer dem eben erwähnten 
Conjugationsſyſtem: Ausführliches Lehrgebäude 
der Sanskritſprache, Berl. 1827; Grammatica 
crit. linguae sanscr., ebd. 1832; Kritifhe Gram- 
matif der Sanskritſprache, ebd. 1834, 2. Aufl., 
1845, 3. Aufl. 1861, 4. Aufl. 1868; Glossarium 
sanser,., ebd. 1830, neue Aufl., 1847 u. 1867, 
worin die Bergleihung der verwandten Sprachen 
in den Bordergrund getreten ift ; Vergleichende 
Grammatik des Sanskrit, Zend, Griediichen, 
Lateinischen, Lithauiſchen, Altilavifhen, Gothiſchen 


in die byzantiniſche Zeit. Später theilte B. meift/w. Deutichen, ebd. 1852, 2. Aufl., 1861, in 3 
die Schidjale Attifas (f. u. Athen) u. bildet jetzt Bon., wozu ein Sach- u. Wortregifter von E. 
mit dieſem eine Nomardie des Königr. Griechen: | Arendt; Bocalismus, ebd. 1836; Die feltiichen 
land (j. Attita). Val. Klütz, De foedere boeotieo, | Spraden in ihrem Verhalten zum Sansfrit, Zend 
Berl. 1821; Zen Breujel, De foedere boeot.,|zc., ebd. 1839, 2. Aufl., 1853; ber die Ver— 
Grön. 1834; Kopp, Historia Boeotorum, Grön. wandtſchaft der malaiiſch-polyneſiſchen Spraden 
1836; 9. Frande, Der Böotiihe Bund, Wismar mit den indio-europätihen, ebd. 1841; Die fau- 
1843; Grote, George, History of Greece, Lond. kaſiſchen Glieder des indo-europäifhen Sprad- 
1846—56, 12 Bde. Hergberg.” ſyſtems, ebd. 1847; Über die Sprache der alten 

Bootsmann ift eine in den Organifationen Preußen, ebd. 1853 ; Bergleihendes Accentua- 
der Kriegsflotten vorhandene Ranaftufe des fee- tionsſyſtem, ebd. 1854; Über das Albanefiiche, 
männifchen Unter » Berfonais (lnteroffizier mit|ebd. 1855. Er gab aus dem Mahabharata ber- 
Portepee), deren Ddienftliher Wirkungstreis ſich aus: Nalas, jansfr. u. fat, mit Anmerf., Lond. 
auf den rein ſeemänniſchen Theil der Schiffsaus-| 1819, 2. Aufl., Berl. 1832, 3. Aufl., ebd. 1868; 
rüftung (Tafelage, Anfergeichirr, Staunng, Boots- Ardſchunas Reife zu Indras Himmel, ebd. 1824, 
ausrüftung u. Ähnliches) erftredt (f. Kriegsmarine). |2. Aufl, 1868; Dilaviam cum III aliis Mahabh- 
Die mitunter auh auf Handelsfahrzeugen iüb-jarati episodiis, ebd. 1829, in deutſcher Über— 
liche gleiche Bezeichnung einer Perfon der Beſatz- |jegung; Die Sindfluth u. ſ. w., ebd. 1826, und 
ung wird im dieſen Fällen gewöhnlich dem er-|Nalas u. Damajanti, metriich überjett, ebd. 1838. 
fahrenften, bezw. älteften der an Bord vorhandenen] Boppard, Stadt in Kreife St. Goar des preuß. 
Matrofen beigelegt. Negbez. Koblenz, in reizender Gebirgslandichaft 

Bopaul, i. Bhopal. am Rhein, Dampficifisitation u. Station der 

Bopfingen, Stadt im Oberamte Neresheim Rheiniſchen Eifenbahn; (1871) 2610 Ew.; freund- 
des württembergiſchen Jartkreiſes, an dem frei» |lich gebaut; 3 fathol. u. 2 evangel. Kirchen, Sy— 
ftehenden Bergtefiel Nipf, am Einfluß der Sechta |nagoge; Progymnafium, kath, Lehrerſeminar, 2 böb. 
in die Eger u. an der Stuttgart-Nördlinger Eifen« | Töchterichulen, Befferungsanftalt für Kinder; reiches 
bahn; Gerberei, Teppich- u. Wollenmeberei; 1550 Hoſpital u. jhönes Warenhaus; Holz- u. Frucht: 
Em. B. war ſchon im 13, Jahrh. Reichsſtadt, kam handel; bedeutender Weinbau. Die 1123 ge— 
1802 an Bayern u. 1810 an Württemberg. gründete ehemalige Benedictinerabtei Marienberg 


Bopp, Franz, deuticher Sprachforſcher, geb. 


14. Sept. 1791 in Mainz; ſiedelte mit ſeinen Eltern | 


nad) Achaffenburg über; zeigte ſchon beim Be— 
ſuche der dortigen Lehranſtalten eine beſondere Neig— 
ung zu Sprachſtudien, ging 1812 nach Paris, um 
ſich daſelbſt mit den oriental. Sprachen, insbeſondere 


iſt ſeit 1838 in eine Waſſerheilanſtalt umgewan— 
delt, worin zugleich alle neueren Kurmittel zur 
Anwendung fommen,. Cine zweite Wafferheilan- 
ftalt, Mühlbad, liegt unterhalb der Stadt. Die 
Zahl der Badegäfte beträgt jährl. 7- 800. — B. 
führt feinen Urjprung in die römifche Zeit zurüd 


dem Sanskrit, zu beichäftigen, u. von dba 1817 nad) Später, zur fräntifchen Zeit, mar ein Königshof 
London, wo er die reihen Handſchriftenſammlungen hier, von dem ans zahlreihe Urkunden deuticher 
der indifchen Literatur näher kennen lernte u. an Könige datirt find. Unter den Hobenftaufen Freie 
ber Hand der berühmten Sangtritphilologen Wil ;Neihsjtadt geworden, ward die Stadt 1312 vom 





Bor — Borassus, 679 


Kaifer Heinrih VI. dem Rurfürften Balduin von 
Trier verpfändet, u. die fpäter mehrfach gegen die 
turfürftliche Macht erhobenen Aufjtände, zumal in 
den Jahren 1319 u. 1497, endeten ungliüdlich. 
Bor (lat. Boron; chem. Zeichen B; Atomge- 
wicht — 11), hemifches Element, welches fih in 
der Natur nirgends frei, fondern nur mit anderen 
Elementen verbunden findet. Borfäurehaltiger 
Wafferdampf entftrömt an einigen Stellen dem 
Erdinnern (f. Borfäure), außerdem enthalten die 
feltneren Mineralien Saflolin, Tinfal oder Borar, 
Boracit, Staßfurtit, Tiza od. Borouatrocalcit u. a. 
ebenfall3 Borjäure, Man kennt es in zwei verjcdhie- 
denen Zuftänden. Das amorphe B. bildet ein 
grünlih-braumes, unichmelzbares Pulver, welches 
in Waffer etwas löslich ift u. an der Luft erhitt 
mit ftarfem Glanze zu Bsfäure verbrennt. Es 
verbindet fi jehr leicht direct mit anderen Ele- 
menten, felbft mit Stidftoff (ſ. B-flidftofj). Man 
ftellt e8 dar durch Glühen eines Gemifches von 
wafferfreier B-fäure u. Natrium unter einer Dede 
von Kodjalz u. Auswaſchen der geichmolzenen 
Maffe mit falzjäurehaltigem Waffe. Das Iry- 
fallifirte B. (Diamant-B.) bildet Heine, ftark- 
—— ſchwarze, braune, gelbe oder farbloſe 
ryſtalle, die ſtels etwas Kohlenſtoff (bis 4°/,) 
enthalten, u. zwar um fo mehr, je heller fie find. 
In Glanz, — — und Härte 
gleichen dieſe Kryſtalle volllommen dem Diamant; 
ihr ſpec. Gew. iſt aber 2, (Diamant = 3,,). 
Sie find in Waffer umlöslih, verbrennen beim 
Erhigen nicht u. zeigen überhaupt ein viel paf- 
fiveres Berhalten, ald das amorphe B. Man er- 
hart das kryſtalliſirte B. durch Glühen von vor dem Yöthrohre unter Aufblähen u. färbt dabei 
amorphem B. oder von mafferfreier B-fäure mit|die Flamme grün — beides Heactionen der Bor» 
Auminium u. Behandeln mit Salzfäure; dadurd) |fäurefalze, Er ift aus borjaurer Maguefia u. Chlor« 
löſt fih das Aluminium auf, während die lürnigen | magnefium nad der Formel 2Mg,B,O,,+MgCl 
B⸗kryſtalle zurüdbleiben. Die graphitartigen, gläns |zufammengefegt, Er findet fi bei Lüneburg 
zenden Blätthen, welche man zugleich erhält u.|u. Segeberg, in Gips u. Anhydrit eingewachſen; 
die man früher für eine dritte Form, Graphit-®.,jeine dichte u. derbe Barietät, welche reichlich bei 
hielt, find eime Yegirung von B. u, Aluminium. | Staßfurt vorfommt u. auf Borar verarbeitet wird, 
Das B. wurde 1807 von Davy in England u. führt den Namen Staffurtit. 
von Gay» Luffac u. Thenard in Frankreich fait] Borago, ſ. Borrago, 
gleichzeitig entbedt. Wöhler u. inte - Claire|' Boranen, germaniiher Vollsſtamm, der von 
Deville lehrten 1857 die Darftellung der fryftal-|Norden fommend im 3. Jahrh. nad Chr. die 
liſirten Modification. Das B. ift dreimerthig. Yeber- | Küftenländer des Schwarzen Meeres in Europa u. 
Bor, Pieter Chriftianszoon, hell. Ge-|Afien durch Plünderungszüge verheerte. 
fhichtforjcher in Utrecht, geb. 1559 in Utreht;] Boräs, Stadt im ſchwed. Län Wenerborg, am 
ward 1615 von den Staaten von Holland und Viska-Elf, Eifenbahnftation; von Bergen u. Wald» 
MWriesiand zu ihrem Hifteriographen ernannt|ungen umgeben; Leinwandfabrifation; Handel; 
u. zugleich Rentmeifter von NHolland. Er verjuchte) 3200 Ew.; nahe dabei ein Gejundbrunnen mit 
fid) auch in der Poeſie; ft. 16. März 1635. B. ſchr.: ſchönen Anlagen. 
Oorsprong, beginende vervolg der nederlandsche| Borassus L. (Fächerpalme, Palmyrapalme), 
oorlogen, 1556—1619, befte Ausg., Amfterd. 1679; | Pflanzengatt. aus der Fam. der Palmac-Boras- 
Gelegentheyt van's Hertogenbosch, Haag 1630, |sinae (XXII. 6), mit 2häufigen Blüthen; männl. 
u.a. Bes Werke haben heute noch einen hohen mit 3theiligem Äußeren und 3blätterigem innerem 
Werth wegen der zahlreichen Documente u. Briefe,| Perigon u. 6 Staubblättern, weibliche mit 3fäche- 
die darin aufgenommen find, Wenzelburger.* |rigem Fruchtfnoten, figender Narbe u. mit großen, 
Bora, trodener, äußerft heftiger NOWind, der |3jfamigen Steinfrüchten; große u. Schöne Palmen, 
im Winter von den Juliichen Alpen durch das mit großen Handförnig » vielfpaltigen Blättern, 
Litorale u. Iſtrien bis Trieſt weht. Arten: B. flabelliformis Z., von DOftindien u. 
Bora, Katharina von B., Gattin Luthers, Ceylon, 8-10 m body, nächft der Cocospalme die 
er 29. Jan, 1499 wahrfcheinli in Lippendorf|nüglichfte Art dieſer Familie. Die jungen Pflanzen 
ei Leisnig. Ihre Mutter war Anna, geb. von|find in Geylon eine jehr beliebte Speiſe n. werden 
Haugwitz; der Name ihres Vaters ift nicht zuvere zu dem Zwede im Großen gebaut; man ißt fie 
läffig befannt. Sie wurde Nonne im Eiftercienfer- [entweder frijch, oder bereitet aus den getrodneten 


Hofter Nimptichen bei Grimma. Mit Luthers An- 
fihten hier befannt geworden, bat jie ihre Berwand- 
ten um Wegnahme aus dem Klofter; da dies ver- 
gebens war, jo wendete fie fich an Luther, der fie in 
der Eharfreitagnadht 1523 durch Bermittelung des 
Zorgauer Bürgers Leonhard Koppe mit noch 8 
unzufriedenen Nonnen aus Nimptichen nad) Tor» 
gau u. von da alsbald nad Wittenberg bringen 
ließ, wo fie in Bürgerhäufer aufgenommen wür— 
den. Einen Antrag zur BVerheirathung mit dem 
Vicar Glatz in Orlamünda flug fie aus; dage- 
en heirathete fie Luther 13. Juni 1525, dem 
de 3 Söhne u. 3 Töchter gebar; f. u. Luther. 
Nach Luthers Tode lebte fie in Wittenberg, 1547 
in Magdeburg u. - Braunschweig u. kehrte dann 
nach Wittenberg zurüd; fie begab fi) 1552 wegen 
der ausgebrocenen Peft nah Torgau u. fi. dort 
20. December deff. Jahres. Yebensbeihreibung 
von Walch, Halle 1752— 1755, 2 Bde., beite Ausg., 
Halle 1843; Hofihann, Lpz. 1845, u. Weidinger, 
Greiz 1854. 

Boracit, Mineral, welches, obwol im regulären 
Syftem (mit hemiedriſchen Formen) kryftallifirend, 
dod die optischen Eigenſchaften zweiahfiger Kry— 
ftalle zeigt. Die Kryſtalle, meift Würfel oder 
Rhombendodelatver mit (oft zweierlei) Tetraeder⸗ 
flächen, find fein, aber meift alljeitig wohl ausge- 
bildet; fie werden beim Erwärmen oder Ablilhlen 
polarifcheeleftriich, u. zwar treten dabei die mit 
Tetrakderflächen abgeſtutzten Eden als Pole auf. 
Der B. ijt farblos, weiß oder gelblich oder grün— 
Ih, jpröde, von muſcheligem Bruch, der Härte 
des Quarzes u. 2, bis 3 jpec. Gew. Er Schmizzt 

































680 


Rorate — Borda. 


Pilanzen das Caol, die fogenannte ſinghaleſiſche ſchlecht in Bommern, welches bis zum 16. Jabrb. 


Grüge oder das Ralingamehl; aus den ange 
fchnittenen Blüthenkolben fließt der Toddy, eine 
weinartige Flüſſigkeit, welche friih u. im gegoh— 
renen Zuſtande getrunfen wird u. ferner zur Be 
reitung von eineffig u. des Jaggeryzuckers 
dient, welcher den —— an Güte übertrifft 
u. in großer Menge ausgeführt wird. Die Früchte 


ſich ſelbſtändig erhielt, jetzt in den Grafenſtaud erbo- 
ben u. auch am Niederrhein angeſeſſen iſt. Zu 
demſelben gehörte: Sidonie von B., geb. um 
1540, ausgezeichnet durch Verftand u. Schönheit; 
batte unter ihren zahlreichen Rebhabern auch deu 
jungen Herzog Ernft von Pommern-Wolgaft; Du 
fie demfelben aber nicht heiratben jollte, jo zog ft: 


bilden rob, geröftet oder eingemadt (PBanatao)|fih in das Fräuleinſtift Marienftift zurück, mo 
die Hauptnahrung der Inder; früher wurden diefe|fie, von dem übrigen Stiftödamen angefeindet u. 


eingemachten Früchte auch mafjenhaft nad Hol- 
land u. den bolländifchen Beſitzungen ausgeführt. 
Die Blätter dienen zum Dachdeden, zur Bereit- 
ung von allerlei lechtwert u. Papier (Ollah); 
das dumfelfarbige Holz älterer Bänme wird von 
Dredslern u. Tiſchlern auch in Europa verar- 
beitet. Engler.* 

Borate, |. v. wie Borjänrefalze. 

Borar, |. Borſäureſalze. 

Borarjäure, ſ. Borläure, 

Borarweinjtein (Kali tartaricum boraxa- 
tum, Tartarus boraxatus, Cremor tartari solu- 
bilis), Verbindung des Weinfteins mit Borar, beſ. 
um erjteren in Wafler auflöslicher zu machen; er 
wurde von Lefevre 1732 zuerft befchrieben. 

Borbed, Dorf im Kreife Eſſen des preuß. 
Regbez. Düſſeldorf; 3251 Em. (im Gemeindebe;. 
16,902); große Koblenzehen; Bahnhof Berge-®. 
an der Köln-Mindener Eifenbahn, welcher 1871 
586,680,000 kg Kohlen verfandte; dabei Hohöfen 
u. Zinkhütte. 

Borbetomägus (a. Geogr.), Stadt der Ban- 
gionen im Belgiſchen Gallien, am Rhein; jept 
Worms (j. d.). 

Borboriten (Borborianer, d. i. Dredimänner), 
Schimpfname, melden die Orthodoren mehreren 
gnoftiichen Parteien, bei. den Balentianern und 
Karpofratianern, wegen ihrer ſchmutzigen u. um- 
züchtigen Gebräuche beilegten, 

Borbörus Meig., Dingerfliege. 

Borborygmos (gr.), hörbares Geräufch von 
in den Gedärmen bewegten Blähungen. 

Borby, 1) befuchtes Seebad mit kräftigem 
BWellenfhlage am Meerbuſen von Edernförde u. 
unmittelbar an der Stadt. Hier das See- und 
Küftengefecht vom 5. April 1849, wo das däniſche 
Linienſchiff Ehriftian VIII. in die Luft geiprengt 
u. die Fregatte Gefion von den Schleswig-Hol- 
fteinern erobert wurde. 2) Große, faft nur von 
Schiffern une Fiſchern bewohnte Borftadt von 
Flensburg; vielbejuchtes Seebad an der Flens- 
burger Föhrde. 

orchlorid ( Chlorbor, Borſuperchlorid, Chem.), 
Verbindung des Chlors mit Bor, deren Formel 
BCl,; farbloſes, ſtechend riechendes, an feuchter 
Luft dicke, weiße Nebel bildendes Gas, ungefähr 
4mal ſchwerer als Luft, welches ſich in Berübrung 
mit Waſſer in Borſäure u. Chlorwaſſerſtoffſäure 
zerſetzt. Durch ſtarke Abkühlung verwandelt es 
ſich in eine Flüſſigkleit, die bei 17° ſiedet. Es 
entfteht, wenn man trodenes Chlor oder Chlor» 
waflerftofigas über glühendes amorphes Bor leitet, 
oder aud dur Einwirkung von trodenem Chlor— 
a3 auf ein glühendes Gemiſch von waſſerfreier 
orfäure u. Koble. Heger. 

Borde (Borle), altes wendiſches Dynaftenge- 


von ihren Verwandten verhöhnt, Bergnügen im 
Umgange mit Weibern niederen Standes fan. 
Bon einer derfelben der Zanberei anugellagt, wurde 
fie zu Stettin gefoltert u. trog der Berwendung 
der benachbarten Höfe 1620 in Stettin enthauptet 
u. verbrannt. Jetzt blüht das Geſchlecht im zmei 
Linien: a) der Stargardter Linie u, b) der Linie 
zu Hueth am Niederrhein, welche ſeit 1740 umd 
1790 die Grafenwilrde befiten. 

Bord bezeichnet eigentlich die Wände oder 
Seiten des Schiffsrumpfes, die B- oder Schiffs 
wände, wie unter der Bezeichnung: hochbordiges 
Schiff, ein Schiff mit über der Wafferlinie hoben 
Wänden verfianden wird u. die Verbindung des 
Wortes in Bad-B. u. Steuer-B. (f. d.) andentet. 
Im Allgemeinen wird in der Schifisiprache aber 
mit dem Worte B. der Begriff des Schiffes ſelbſt, 
als Ort, verbunden, wie die Ausdrüde: an 8. 
fein, von B. gehen, über B. werfen: auf dem 
Schiffe fein, das Schiff verlaffen, vom Schiffe 
aus in das Waffer werfen, bedeuten. Der wol 
urfprüngliche Begriff des Wortes B. als Ramd 
fommt nur in der Berbindung Dollbord bei 
Booten vor, wo der obere Rand der Bootsiwände 
damit bezeichnet wird, 

Borda (arab.), das in dem kaiſerl. Schate 
zu Eonftantinopel aufbewahrte Kleid Mohammeds; 
I. Hirfa i Scherif. 

orda, Jean Charles de B. franz. Ma- 
thematifer u. Seemann, geb. 4. Mai 17383 in 
Dar (Dep. des Landes); trat in das franzöftiche 
Militäringenieurcorps u, fpäter in das Corps der 
Chevanr-legers; machte als Adjutant des Mar- 
ihalls Mallebois den Feldzug von 1757 mit umd 
trat 1758 in den Seedienft; er madte 1771 u. 
1772 eine Reiſe nah Amerifa, 1774 nah Weſt— 
Afrika, murde 1775 Sciffslteutenant u. 1776 mit 
der Beftimmung der geographiihen Yänge u. 
Breite der Canariſchen Anfen beauftragt. Nad- 
dem er 1777 u.1778 als Generalmajor der Ser- 
truppen wmejentlih zu den Erfolgen der franz. 
Waffen im Amerilaniſchen Kriege beigetragen, 
wurde er 1782 auf der Rüdfahrt von Martimgue 
von den Engländern gefangen genommen, aber 
auf fein Ehrenwort wieder nad Frankreich ent: 
lafien, wo er als Divifionschef im Marinemini- 
fterium u. Mitglied des Nationalinftituts für die 
Wiffenichaften 28. Febr. 1799 zu Paris ftarb. 
Bei der Gradmeſſung von Dünkirchen bis zu den 
Baleariihen Jufeln, mit Mechain u. Delambre, 
erdachte er die Platinameßftäbe, erfand bie zur 
Angabe der Heinften Ausdehnungen erforderlichen 
Metallthermometer u. gab einen Apparat an, um 
mit größter Bräcifion die Bendellängen meflen zu 
können. Nad ihm genannt ift ver B-jhe Reflec— 
tionstreis, welder nit nur die Meffung von 


Bordage — Bordeaur. . 


Horizontal- u. Berticahwinfeln, fondern auch die 
Beſtimmung ſchief geneigter Winkel geftatter, u. die 
B-ihe Nepetitionsmethode, bei der die Ber- 
volllommmung darin beftebt, daß diejelbe doppelt 
it, während die Meyerſche eine einfache war. 
Außerdem beichäftigte fih B. auch noch mit der 
Regulirung des nenen franz. Maß- u. Gewichts- 
ſyſtems. Er fchr.: Voyage fait par ordre du 
Roi en 1771 et 1772 en diverses parties de 
l’Europe et de l’Amerique, Par. 1778, 2 Bbe.; 
Description et usage du cercle à reflexion, 
ebd. 1787, 2 Bde.; Tables trigonomötriques 
decimales, herausgegeben von Delambre, eb. 
1804. Auch gab er Karten von den Canariſchen 
Inſeln u. der afrifanifhen Kiüfte heraus, Specht.“ 

Bordage (fr.), Schifisverkleidung. 

Bordagium (mittellat.), bei den Normannen 
die Frohne; die fie Leiftenden Bordarii: 

Borbe, jo v. w. Borte. 

Börde, fruchtbarer Landſtrich, ſo Magdeburger 
B., Warburger B., Soefter 8. 

Borbeaur, Hauptft. des gleichnam. Arr, u. des 
franzöſ. Depart. Gironde, nach Größe und Be- 
deutung die vierte Stabt Franfreihs; wird von 
der Dileans- u. der SEifenbahn berührt und er- 
bebt fi halbmondförmig am linken Ufer der Ga- 
ronne; bejteht aus Altftadbt u. den neuen Stadt: 
vierten, jene eng u. unregelmäßig, diefe regel» 
mäßig u. ſchön gebaut, fo bei. der Königsplag, 
die jehr jchöne Aue du Chapeau-Rouge, le grand 
ecours, die Allee von Tourny, die öffentlichen 
Bäder, der Begräbnißplag u. mehrere Spazier- 
gänge; 2 „Forts (Citadelle Trompette u. Fort 
St. Louis); römische Alterthümer (ein Thor, 
Amphitheater, Brunnen); zu den merkwürdigen 
u. ſchönſten Baumwerfen gehören: die 1821 erbaute, 
487 ın lange, über die Garonne führende Brücke 
von 17 Bogen, mit prachtvollem Blid auf Stadt 
u. ni der erzbiichöfliche Palaft, die gothiſche 
Kathedrale St. Andreas (aus dem 11. Jahrh.), die 
St.-Seurim, St.⸗Michael-⸗, St.-Eroir- Kirche, 
die Notre-Dame- u. College⸗Kirche (mit dem Grabe 
Montaignes), Eonfulatlapelle der Engliſchen Kirche, 
im Ganzen 50 fathol. und 3 protejt. Kirchen; 
Stadthaus, Münze, Börfe, Fuftizpalaft, Hofpital 
und Schloß, das grofe Theater des Varietes, 
das ſchönſte in Frankreih außer Paris. B. hat 
Departementsbehörden, Erzbiichof, proteftantisches 
Gonfiftorium, Gericht I. Inſtanz, Handeisgericht, 
— ——— u. Handelstammer, Appellhof für die 

epartements Gironde, Gharente u. Dordogne, 
eine Handelsbanf; die künigl. Academie des sci- 
ences (1712 nad der Pariſer gegründet) Facul« 
täten für Theologie, Wilfenfchaften u. Literatur, 
Theologifhes Seminar, Collöge, pharmaceutifche 
u. medicinische Borbereitungsichuie, Normal-, Taub- 
ftummen», Handels» u. Schiffahrtsihule, Schulen 
für Malerei, Muſil u. Geſang, Baukunſt, Mechanik, 
Induſtrie, Bibliothel von 140,000 Bänden, 
Botanischen Garten; naturhiſtoriſches u. Antiten- 
cabinet, Gemäldegalerie u. Sternwarte; mehrere 

elehrte Gejellichaften: die des Aderbaues, Garten- 
u der Kunftfreunde, Yinnejche, Mediciniſche u, 
Medicinifh-hirurgiihe u. Philomathiſche, Gejell- 
Schaft zur Ermunterung der Nationalimbuitrie; 


681 


tentiarcolonie, Correctionsanftalt für Mädchen; 
Militärhoſpital, 2 Civilhoſpitäler, Irrenauſialt, 
Greiſenaſyl ꝛc. B. bat anſehnliche Induſtrie im 
Bau von Seeſchiffen (auf 10 Werften), in 
Zabaf-, Zucker- u. Salpeterraffinerie, Braunt- 
mein und Liqueurdeftillation (Anijetteligueur), 
Veineffigfabrif, Wollen- u. Baumwollenſpinuerei, 
Fabr. von Deden, Teppichen, Fayeuce, Porzellan, 
hocolade, Eonjerven, Cartonnage, Seilen, hemi« 
hen Erzeugniffen; Maſchinenbau, Schriftgießes 
veien u. Buchdrudereien. Der durch die Fluth im 
der Garonne begünftigte u. durch Loloffale Arbeie 
ten zugänglid gemachte Hafen, einen prachtvollen 
Halbtreis von 6 km Entwidelung bildend, ift 
der dritte im Franz. Reiche, faßt 1200 Schiffe, u. 
es liefen 1874 außer etwa 10,000 Küſtenfahrern 
von zufammen 350,000 Tonnen ein: 1530 Schiffe 
(668,650 Z,), aus: 1645 Schiffe (733,551 T.), 
zur Hälfte engliicher, nur 4 franzöfifcher Flagge. 
Die Aheder von B. befaßen Ende 1874 373 Schiffe 
von 128,686 Tonnen. Der Handel ift ſeit 1860 
in einem großen Auffhwunge begriffen: 
1860 . 


1873 

in DIN. Fes. 
Einfuhr. . . 115 235,5 
Ausfuhr .„ . 205 357,5. 


Bei der Ausfuhr nehmen die Weine die erfte 
Stelle ein. Diefelbe betrug (1874) 1,219,000 hl, 
wovon far 4 auf Europa, 3 auf Amerika :c, 
fommen; anderewichtige Artifel find: 10,675,083 kg 
Harzproducte, raff. Zuder 7,841,751 kg, Getreide 
u, Mehl 61,242 Etr., Früchte (eingemadt, ge+ 
trodnet 2c.) 16,495,609 kg, Krapp u. Probucte 
davon 4,624,636 kg, Gemüſe 2,764,014 kg x. 
Bei der Einfuhr: Steintohlen 2,010,293 Gtr,, 
Roheiſen 5,194,517 kg, Eifenftein 4,147,776 kg, 
elle 13,675,837 kg, Reis 11,349,698 kg, Rob» 
en 8,679,187 kg, Syrup 8,291,749 kg, 
Tabak 5,424,762 kg, Cacao 3,409,117 kg, 
Kaffe 8,448,983 kg, Olfrlichte 11,232,346 kg, 
Zalg 3,381,546 kg, Wolle 4,368,507 kg x. 
Negelmäßige Dampferverbindungen (außer näher 
gelegenen Punkten) beftehen mit Brafilien, Buenos» 
Ayres, Montevideo, Chile, Peru, Weftindien, Gen- 
tral-Amerila u. WAfrila. Der Handel wird neben 
den anderen Verkehrswegen befördert durch den 
Yanquedoc-Kanal, der die Stadt mit dem Mittel— 
ländiichen Deere in Berbindung jest. Jährlich 
finden zwei Meffen (März u. Oct.) ftatt. Zahl der 
Ew. 194,055. 

Geſchichtliches. B. bie zur Nömerzeit Bur- 
digala, war die Hauptftadt der Bivisfiihen Bitu— 
riger im Aquitanifchen Gallienn. lag auf der Wöeite 
des Garumna, nicht weit von der Mündung die» 
jes Fluſſes. Nah der Beichreibung des Dichters 
Aufonius (deffen u. des Hiftorilers Eutropius 
Vaterſtadt fie war), bildete fie ein längliches 
Biered, hatte lange, gerade Straßen, ein Amphi— 
theater, viele Paläfte (darunter den prächtigen 
des Gallienus), Tempel xc., u. wurde von einer 
betburmten u. von 14 Thoren durchbrochenen 
Mauer umfchlofien. Der Hafen hieß Portus lunae; 
berühmt war B. als Hanbdelsftabt u, durch feine 
bobe Schule. In der Nähe die von den Galliern 
verehrte Duelle Divona. B. wurde dann die Haupt« 


‚Spartaffe u. Findelhaus; Zellengefängniß, Pöni«|ftadt von Aquitanien, u. 272 fand die Errichtung 


682 


des Bisthums ftatt. 412 wurde B, von den Go— 
then, 507 von den Franfen, 732 von den Sara- 
cenen, aber ſchon 735 wieder von den Franken 
erobert; im 9. Jahrh. wurde es von den Nor- 
mannen wiederholt geplündert u. vermliftet. Um 
900 wurde B, unter Karl dem Einfältigen mie- 
der aufgebaut und der Sig einer Grafidaft. 
Auf Graf Raimund folgte fein Sohn Wilhelm 
der Gültige; diefer von dem Herzog Sando von 
Gascogne aus der Gefangenſchaft befreit, ſchenkte 
deifen Sohne, Wilhelm, aus Dankbarkeit B. Mit 
Gascogne fam B. beim Ausfterben diefer Linie 
durch die Grafen von Poitiers an das Herzog- 
thum Aquitanien, mit Aquitanien (Öuienne) 1154 
an Anjou u. durd die Erhebung Anjous auf den 
engliihen Thron an England, u. nun begann 
feine Blüthe. Als der Schwarze Prinz 1362 mit 
Guienne bejhentt ward, wurde B. deſſen Refidenz. 
1441 wurde die Univerfität gegründet. Den An- 
griffen der Franzoſen ausgejegt, hatte fih B. jeit 
1379 dur Berbindung mit anderen Städten zu 
hüten geſucht, fam aber 1451 in franzöfiiche 
Gewalt; 1452 eroberten e8 zwar die Engländer 
wieder, aber nur auf kurze Zeit. Das Parlament 
in ®. wurde 1462 von Ludwig XI, eingerichtet. 
1548. Empörung wegen Einführung der Saljtare 
u. Ermordung des Gouverneurs de Morems. Im 
Oct. 1572 wurde hier eine Nachfeier der Parifer 
Bluthochzeit gehalten, wobei über 2000 Prote- 
ftanten ermordet wurden. In der Revolution 
wurde B. als Sit der Girondiften von dem Eon- 
vent ſchwer heimgefuht. Am 12. März 1813 
wurde die Stadt von 4000 Engländern bejett; 
1845 brannte ein Theil der Stadt ab. Im 
Deutſch-Franzöſiſchen Kriege 1870— 71 verlegte 
die Provif. Regierung Frankreichs Dec. 1870 
ihren Sig von Tours nah B.; Mitte Febr. 
1871 trat bier die Nationalverfammlung zu- 
fammen. Bier Goncilien (Burdigalensia con- 
eilia) wurden bier gehalten: 384 gegen bie 
Priscillianiften, 670 zur Wiederherftellung des 
Friedens im Weide u. zur Berbefferung der 
Kirchenzucht, 1080, wo Berengar von Tours jei- 
nen Glauben abihwor, das letzte 1255. 
(Handel u. Berk.) Schroot. 

Bordenur-Weine, rothe, zum Heineren Theil 
auch weiße Weine, die im franz. Dep. Gironde 
wachen, oder auch nur über Bordeaur (f. d.) zur 
Ausfuhr fommen. Sie gehen bei. nah Holland, 
Bremen, damburg, überhaupt den öftlichen Yändern 
und NAmerifa. Topographiſch unterſcheidet man 
die BMW, in Medocs, aus der Landſchaft Medoc 
am linken Ufer der Garonne u. Gironde vom Flüß- 
hen Yale bis zur Küſte; Graves, bei Borbeaur, 
zwischen Jale u. Caftres auf fiefigem Boden (Terrain 
graveleux); Balus, vondemangeihwenmten Erd» 
reich der Dordogne u. Garonne; Edtes, auf Hilgeln 
von Yangon bis Blaye, an der Garonne u. Gironde; 
Terres-fortes, bei Medoc auf Weinbergen, welche 
ftatt fiefigen Bodens ſchwere Erde haben; Entre- 
deur-mers, aus dem Landftriche zwiſchen Garonne 
u. Dordogne. Jm Handel unterfcheidet man 12 
Kategorien: rothe Medocs, vothe Graves; weiße 
Graves, Palus, Blaye, Yibourne, Terresforteg, 
Queyries, Entres-deur-mers, St. Foy, Cötes u. 
Travaillds à l’Anglaise. Qualitativ behaupten 


Bordeaur- Weine — Bordell. 


unter den rothen B-W-n die Medocs den erften 
Rang mit den berühmten drei Sorten Chäteau- 
Margaur, Eh.-Lafitte u. Ch.-Latour; es folgen 
die Graves mit dem den vorgenannten ebenbür- 
tigen Ch.-Haut-Brion, dann die Palus mit dem 
Queyries, die Zerre-forte u. endlih die Entre- 
beur-merd. Die B.⸗W. merben den fogen. voll- 
lommenen Weinen zugerechnet. Sie zeichnen ſich 
durch jchöne Farbe, Feinheit, Würze, Blume, 
Kraft u. Körper aus u. find dabei von großer 
Haltbarkeit. Die zufammenziehende Wirkung ver- 
danfen die rothen B.eW. einem Gehalte an Tan- 
nin (Gerbjäure), das fie bei der Gährung zu- 
glei mit dem Farbftoffe aus den Hülfen aufneh- 
men. Die weißen B.-W. befiteu ähnliche Eigen- 
ihaften wie die rothen, nur haben fie mebr 
Würze u. zum Theil mehr Geiſt. Am beften find 
die Gewächſe von Barſac (Haut-Barsac de Ma- 
dame Saluce) u. Sauternes (Glos Nauen). Die 
Geſammtproduction an B.-Wen pro Jahr ift Durdh- 
ſchnittlich 23 Millionen bi, von denen etwa $ er- 
portirt werden. Der Preis der oben genannten 
vier beften rothen Sorten fteigt oft über 3000 Fr. 
pr. Tonneau von 912 1; eingelellert u. verjanbt 
werden die B.“W. in Barriquen von 220—228 L 
Die B.-W. erreichen ihre volle Güte nicht vor 18 
Monaten; die meiften Sorten läßt man felbft 5 bis 
7 Jahre liegen. Die befferen nehmen mit den 
Jahren an Güte zur. Sqroot. 

ordelais (Bourdelais), ſonſt Landſchaft in 
der franz. Prov. Guienne, ſüdlich von der Stadt 
Bordeaux; 8546 Ikm (155 [IM); bildet jetzt 
den größten Theil des Dep. Gironde und einen 
nicht unbedeutenden des Dep. Landes. 

Bordell (vom goth. baürd, Brett, woraus 
proveng. borda u. altfranz. borde [Bretter-] 
Hütte u. weiter mittellat. bordellum, itaf. bor- 
ello, engl. brothel), Haus, worin täufliche 
Mädchen (Freudenmädchen) als Untergebene einer 
Kupplerin od. eines Kupplers, wohnen, In man— 
hen Staaten find ſolche Häufer, wenigftens in gro» 
Ben Städten oder Geeftädten, unter genauer poli« 
zeiliher Aufſicht conceffionirt, in anderen (mie 
in Öfterreich) fait durdgängig verboten, in mod) 
anderen (Sachſen zc.) ſtillſchweigend geduldet. 
Dur das Geſtatten derjelben will man der fie- 
derlichkeit u. der Verführung von Frauenzimmern 
der niederen Bolfsflaffen vorbeugen, aud an 
Orten, wo viele Tauſende lediger Männer (mie 
Matroſen oder Soldaten großer Garnifonen) fi 
vereint aufhalten, Erceffen vorbeugen u. jo, in 
dem man dem Xafter einen Abzugsfanal öffnet, 
die Neinheit der Sitten unter dem übrigen, grö⸗ 
ßeren Theil des Volles erhalten. Wirklich ſcheinen 
daher auch Be in Seeftädten u. anderen großen 
Städten unvermeidliche Übel zu fein. Die Sitte, 
Bee zu halten, it feine neue; in allen cipilifirten 
Staaten von der älteften Zeit an wurden u. wer 
den ähnliche Vorrichtungen gefunden. In Athen 
wurden B⸗e (Porneion, Pormetoskeire) von Män- 
nern wie von Weibern gehalten, welche dafür an 
den Rath eine Steuer (Pornikön telos) zablten, 
Ebenjo war es in Nom, wo das B. Lupanar, 
die Perſon, welche e8 hielt Leno u. Lena hieß; 
ein Ädil hatte die Aufficht darüber. In den deut 
Ihen Städten fommen Be unter dem Namen 


Bordelumer Rotte — Börding. 


Frauenhäuſer fhon im 14. Jahrh. vor; fie wur— 
den von den Stabdträthen in öffentlichen, mit bes 
fonderen Aushängeichildern verjehenen Häufern 
gehalten, u. von den Wirthen oder Wirthinnen 
nad dem Ertrage ein Zins bezahlt; dagegen 
ftanden fie auch unter Auffiht u. Schub‘ der 
Polizei. Erft feit der Reformation, namentlich 
durd Luthers Eifern dagegen, wurden fie allmäh- 
lich formell aufgehoben, um in neuefter Zeit, bef. 
feit der franz. evolution, auf dem europätfchen 
Contineut, mebr od. minder offen, überall wieder 
Eingang zu finden. In England wurden B-e 
feit der Regierung Heinrichs VIII. (1510) geſetz; 
ich nicht mehr geduldet u. die Eigenthümer von 
dergleichen Anftalten mit Geld» u. Gefängnißitrafen 
belegt, was aber längft nicht mehr beobachtet wird. 
Ebenſo wuchern in NAmerita die B-e ſchrankenlos. 
In Berlin wurden 1. Jan. 1846 die B-e durch 
königl. Befehl geichloffen; aber bald verſchlimmer— 
ten fi die jamtätariichen Zuftände der Stadt fo, 
daß fi ſchon 1849 die Polizei u. das Sanitäts- 
collegium für die Wiedereinführung der Be aus 
ſprachen, die 1851 ftattfand, welcher aber 1854 eine 
abermalige Schließung folgte, die erſt 1861 ihr 
Ende fand, um fchrantenlofer Proftitution Platz 
zu machen. Bgl. d. Art. Proftitution, 
Bordelumer Rotte(BordelumerSecte), Heiner 
Berein von Separatiften zu Bordelum im jchles- 
wigſchen Amte Flensburg, welche 1739 Conventifel 
zu halten begannen, Kirche, Predigtamt u. Sacra- 
mente verachteten u. unter dem Borwande, dem 
Neinen fei alles rein, unzüchtigen Verkehr der 
Gefellihafter unter fi für erlaubt hielten, auch 
eine Art von Gütergemeinſchaft einführten. hr 
Haupt war der ſächſiſche Candidat Dav. Bär 
(Bähr), der fi für den Meſſias ausgab. Sein 
Genoſſe Borjenius reifte auf den Anfetn der 
Nordjee umher u. lebte zulegt in Bargum. Seit 
1739 wurde gerichtlih gegen ihn eingeichritten. 
Bär, welcher geflohen war, wurde ergriffen und 
in Glückſtadt ins Zuchthaus u. von da nad) Bor- 
delum gebradit; er ft. 1743, u. ſeitdem verlor 
ſich die Secte, Föffler.* 
DBordenave, Touffaint, franz. Chirurg u. 
Phyfiolog, geb. 10. April 1728; lernte bei feinem 
Bater Chirurgie, deren Magifter er 1748 wurde, 
nachdem er den Feldzug in Flandern mitgemacht 
hatte. Am Collegium der Chirurgie lehrte er 
Phyſiologie u. wurde Director der Alademie der 
Chirurgie; er ftarb 12. März 1782. Ju meh- 
reren Aufjägen, die in den Memoires de l’Aca- 
demie de chirurgie enthalten find, bearbeitete er 
in ausgezeichneter Weiſe verfchiedene Gegenftände 
feiner Wiffenichaft, 3. B. die Thränenfiiteln, das 
Entropium, die Krankheiten der Wangenbeinhöhle 
u. die Behandlung der Darmbrüche durch Atze 
mittel, die er mit Recht vermwirft. Thamhahn. 
Bordentown, Marttileden im County Bur— 
fington des nordamerif. Unionsft. New-Jerſey, 
am Delaware; Eijengießereien; lebhafter Handel; 
Kanal u. mehrere Eifenbahuverbindungen, Dampf» 
ſchiffverbindung mit Philadelphia; 6041 Em.; in 
der Nähe der frühere Landfig von Joſeph Bona- 
parte, Erfünig von Spanien. 
Bordereau (fr.), Berzeihniß von Banteffecten, 
Wechſeln u. Münzſorten. 


683 


Bordesholm, Dorf im Kreiſe Kiel der preuß. 
Prov. Schleswig⸗Holſtein, am Bordesholmer⸗See; 
Eiſenbahnſtation; 550 Ew.; Amtshaus, das im 
Mittelalter ein Mönchskloſter, dann ein Gym— 
naſium war, aber 1665 wieder aufgegeben ward, 
während die Einkünfte deſſelben der Univerſität 
Kiel zufielenz- jet Sitz des Amtsgerichtes u. des 
Yandrathes. In der hübfchen Kirche fürftl, Be— 
gräbniſſe u. die lebensgroßen bronzenen Bilder 
u. Epitapben König Friedrichs I. u. der Königin 
Anna von Dänemark, Hier der B-er Vergleich von: 
13. Aug. 1522 zwiichen KönigChriftian II. u. Herzog 
Friedrich v. Holftein-Gottorp, worin der König das 
bisherige Belehnungsrecht mit Holjtein aufgab, 

Bordeu, Theophile de, franzöfiicher Arzt 
und Ehemiter, geb, 22. Febr. 1722 in Siefte 
(Bearn); ftudirte in Montpellier Medicin, wurd: 
1742 Baccalareus, promovirte 1743 u. ging 1744 
als Docent der Anatomie nah Pau, kehrte aber 
nah Montpellier zurüd und fiedelte 1746 nad 
Paris iiber, wo er ſich befonders mit Chemie be» 
Ihäftigte, 1749 als Intendaut der Mineralwaffer 
von Aquitanien nach Bau berufen, unterfuchte er 
diefe Waffer u. ihre Wirkungen genau (Lettres 
sur les eaux minerales du Bearn et de quel- 
ques-unes de provincesvoisines, Amſterd. 1746 bis 
1748) u. ging 1752 wieder nad Paris, wo er 
feine Schrift: Recherches anatomiques sur les 
difförentes positions des glandes et sur leur 
action, Par. 1752, veröffentlichte, in der er den 
Drüfen ein Eigenleben zufchreibt. 1754 promopirte 
er in Paris, um dort prafticiren zu können, und 
hatte zu dieſem Bwede: An omnes organicae 
corporis partes digestioni opitulentur, Par. 
1753; An venatio caeteris exercitationibus 
salubrior, ebd. 1753; Utrum Aquitaniae mine- 
rales aquae morbis chronieisete., ebd. 1754, ger 
ichrieben, nachdem bereits 1753 feine Schrift über 
die Scropheln: Dissertation sur les ecrouelles, 
von ber Afademie der Chirurgie preisgefrönt war, 
Die num folgende Abhandlung über den Puls: 
Recherches sur le pouls par rapport aux crises, 
ebd. 1756, erregte ein bedeutendes Aufjehen. In 
die unangenehmften Berhältniffe dur den Neid 
feiner Collegen gebradt, aber glänzend durch 
Parlamentsbefehl 1764 freigeſprochen, erfreute 
er ſich eines aufßerordentlihen Zuſpruches auch 
aus den höchſten Kreifen, ließ 1767 feine Schrift 
über das Zellgewebe 1775 und eine Abhandlung 
über chronische Krankheiten erfcheinen. Er ftarb 
23. Nov. 1776, Seine ganze Anjhauungsweije 
beruht auf der Stahlihen Theorie: das Leben 
felbft müſſe man unterfuchen; dies gehe aber aus 
dem harmonischen Zufammenwirten aller Organe 
hervor, von denen jedes wiederum fein eigen» 
thümfiches Leben habe. Der Chemie u. Phyſil 
räumt er feinen Einfluß auf die Medicin ein. 
Jedenfalls ift in feiner Lehre viel Willkürlichkeit 
euthalten. Thambayn. 

Bordiamant, kryſtalliſirtes, diamantartiges 
Bor; ſ. Bor. 

Bordighera, Flecken in der ital. Prov. Porto 
Maurizio (Piemont), am Meere, Eiſenbahnſtat.; 
Dattelpalmenhain; 1688 Ew. 

Börding, an den Öftfeeküften Bezeichnung 
für Lichterichiff. 


684 


Bordogni, Marco, Sänger u. berühmter|(al® Generalftabschef erlafien) mit Verleumdungen 
Gefanglehrer, geb. 1788 zu Bergamo; bildete ſich gegen die deutichen Truppen u. Großprablereien 


Bordogni — Borelli. 


in feiner Baterftabt bei Simon Mayr, fang erft| über fein Corps verbrämt waren, 1) Regnet.* 2) Lagai. 


in den Kirchen, trat dann als erfter Tenoriſt in 
den Theatern Del RL u. Garcano in Mailand u. 
anderwärt® auf; 1819 wurde er bei der tal. 


Bordoni, Fauftina, f. u. Haſſe. 
Boreal (v. Lat.), nördlich, nordiſch. 
Borẽkas (gr.), der Norbwind, eigentlich genaner 


Oper zu Paris engagirt, ging ſpäter nah Spa-jder NNOWind, der über die Thrafiichen Gebirge 


nien, wo er zu Barcelona eine Opet: La mascara 
fortunata, jchrieb, nahm 1824 die ihm fon 
früher angebotene Profeſſur am Parifer Eonier- 


nad Hellas wehte u. heiteren Himmel u. reine 
er Luft, aber aud Kälte, Schnee u. Hagel 
rate. Die Mythe nennt den B., welcher ſtets 


varorium als Gefanglehrer an v. befleidete die-|heftig u. gewaltfam erjcheint, einen Sohn des 
selbe 32 Jahre lang mit feltenen Erfolgen. Unter |Ajträos und der Eos und den Bruder der Wind- 
feinen Schülerinnen find die Damoreau, Sontag-|götter Notos, Zephyros u. Euros. Er wohnte in 


Roſſi, Caccia, Dobre, Falcon u. A. Er ſchrieb 
zahlreiche Geſangſtudien, unter denen 36 Sing- 
übungen fir Sopran oder Tenor viel gebraucht 
find. Eine große Gefangihule, die viele Jahre 
vorbereitet war, fonnte er nicht mehr vollenden, 
Er ft. 31. Juli 1856, Brambad. 
Bordone, 1) Paris, geb. 1500 in Trevifo, 
Maler der Benetianifhen Schule u. Schüler von 
Tizian, der ihn, auf fein Talent eiferfüchtig, weg 
geichiett haben ſoll, dann von Giorgone; bildete 
jih dann einen eigenen Stil voll Grazie, ging 
1538 nach Franfreih, wo er in die Dienfte des 
Königs Franz I. trat; er ft. 1570 in Paris. B. 
war bei, als Wolorift bedeutend. Gemälde in den 
Galerien zu Wien (Venus u. Adonis, ein Frauen- 
zimmer am Putztiſch u. a.) u. München; der Fiſcher 
u. der Doge; der todte Chriſtus u, ein Abendmahl, 
in der Afademie zu Benedig; die Sibylle von 
Zibur, im Palafte Pitti zu Florenz; eine Heilige 
Familie u. das Urtheil des Mariyas in Dresden; 
die Schachfpieler, eine Maria, eine Venus u. a,, 
im Muſeum zu Berlin. 2) Philipp Toufjaint 
Joſeph, franz. Abenteurer, geb. 1. Nov. 1821 


in Avignon, von Abftammung Premontefe; trat nad | Winde in Athen, 


jeiner Ausbildung zum Dlediciner als Schiffs- 


einer Höhle des Rhipäiſchen Gebirges, oder im 
Thralien, oder im Kaufafos, Nah Thralien ent- 
führte er ans Athen die Oreithyia, Tochter des 
atheniſchen Königs Erechtheus, u. zeugte mit ihr 
Zetes, Kalais (die Boreaden) u. 3 Töchter. Er 
entführte auch Chloris, Tochter des Arkturos. 
Die Nymphe Pitys erhörte ihn nicht; als fie den 
Ban vorzog, fchleuderte B. fie an einen Felſen, 
morauf fie in eine Fichte verwandelt wurde. Mit 
den Stuten des Troers Erichthonios erzeugte er 
als jchnelles Roß 12 Füllen; mit Erinnys das 
Biergejpann des Ures; mit der Harpyie Adlo- 
pus den Hengft Zanthos und die Stute Podarge. 
Verehrt wurde er in Athen, weil er die Flotte des 
Zerres, in Thurii, weil er eine gegen diefe Stadt 
Er Flotte des Dionyfios zerftört, und im 
Megalopolis, weil er bei einer Belagerung der 
Stadt durch die Spartaner die Belagerungswert- 
zeuge der legteren zertrümmert hatte. Sem Feſt 
ın Athen: Boreasmi. Zu Trözene wurden ihm 
Hähne geopfert. Er wurde dargeftellt mit ftarfem 
Haare u. Barte, mit dichtem Kleide, weiten Mantel 
u. der Tritonsmuſchel: jo auf dem Thurm der 
Riefe.* 

Boreel (Borel), Adam, geb. um 1603 in 


chirurg in die franzöfifche Marine, nahm aber 1848) Zeeland; war Prediger, legte aber feine Stelle 


feine Entlaffung, um der Politit zu leben. Seit 
dem Gtaatsftreih 1851 widmete er fich wieder 
mebicinischen Studien in Paris. Während des 
Krimfrieges 1855 wieder als Chirurg in der fran— 
zöſiſchen Marine thätig, beichäftigte er fih nad 
Beendigung defjelben mit fortificatoriihen Stu⸗ 
dien und fchloß fi 1860 der Garibaldiihen Er- 
pedition nah Sicilien u. Neapel an u. blieb von 
da ab mit demfelben in engfter Verbindung, ließ 
fi indeß grobe Betrügereien d Schulden kom— 
men, die ihm eine dreimalige Berurtheilung durch 
die Gerichte zuzogen. Nach dem Sturze des Kai— 
jerreiches beftimmte er Garibaldi, der franzöftichen 
Nepublit im Kriege gegen Deutichland feinen Degen 
anzubieten, u. wurde, obwol nicht dazu befähigt, 
deſſen Generafftabschef bei der nen zu organifiren« 
den Bogefenarmee, dann jelbit General, Nach 
dem Miplingen diefer Erpedition ins Privatleben 
zurüdgetehrt, wurde er in Marfeille verhaftet we— 
en angeblicher Betrligereien, aber bald wieder 
ler a um im Juni 1872 wegen einer Ber- 
leumbdung des Oberften Chanet vor den Geſchwo— 
rennen zu erjcheinen, um ſchließlich doch freigeipro- 
hen zu werben. Bon ihm erſchien: Garibaldi 
et l’armde des Vosges, 4. A., Bar. 1874, 3 Bde., 
ein Buch, das ebenjo von Ülbertreibungen der Ber- 
dienfte diefer Armee ftrotst, als feine Proclamationen 


nieder, verließ die Kirche und fammelte 1645 in 
Amfterdam einen Kreis zu religiöfen Privatan- 
dachten. Er hielt die beftehende Kirche für eine 
von Gott abgefallene u. ſprach den Geiftlichen das 
Recht, die Kirchenzucht zu üben, ab; das geichrie- 
bene Wort Gottes hielt er ohne Auslegung für ein 
Mittel, den Glauben im Herzen zu entzünden. 8. 
ft. 1668. Er jcr.: Ad legem et ad testimonium, 
1645; Concatenatio aurea christiania, 1677; De 
fraterna religione, 1664; Scripts postuma, 
herausgeg. Cosmop. 1683, Löffler.* 

Borel, Stadt im Kreife Krotofhin des preuß 
Regbez. Pofen, nahe an der Obra; Schloß; Ger- 
berei, Pottaſcheſiederei; 2020 Em, 

Borelli, Giovanni Ulfonfo, geb. 28. Zan. 
1608 bei Neapel; ward Profeffor der Mathematit 
in Pifa, ging von da 1668 erft nach Mejfina, dann 
nad Rom, wo er die Gunft der Königin Ehriftine 
von Schweden erwarb u. 31. Dec. 1679 ftarb. 
B. iſt Stifter der iatromathematiſchen Schule, 
da er die Geſetze des Hebels auf die thierifchen 
Bewegungen anwendete, Er fdhr.: Delle cause 
delle febri maligne, Berona 1647 u. ö.; De wi 
percussionis, Bologna 1667; De motionibus na- 
turalibus a gravitate pendentibus, Reggio 16790, 
Leyden 1686; Meteorologia aetnea, cbd. 1670; 
De motu animalium (Hauptwerk), Rom 1680 f,, 


Borenow — Borgheſe. 


2 Bde., zulest Haag 1743; 
Euclides restitutus, Piſa 1658; 183. Ausg., mit 
Elementa conica Apollonii Perg. et Archimedis 
opera nova, Rom 1659, u. überſetzte die 3 lebten 
ücher der Konifa des Apollonios aus dem Nra- 
biſchen ins Yateinifche, Flor. 1661. Spedit.* 

Borenomw, Dorf im Kreife Lublinitz des preuß- 
iſchen Regbez. Oppeln; bedeutende Eifenwerfe u. 
Deraban; 1760 Em, 

Doretius, Alfred, deutſcher Nechtsforicher, 
geb. 1836 in Poſen; habilitirte fi nach abjol- 
virten Gymmafial- u. Univerfitätsftudien. 1864 in 
der juriftifchen Facultät der Univerſität Berlin, 
1868 als ordentl,. Profefior des Staatsrechtes u. 
ber deutichen Rechtsgeſchichte nach Zürich berufen, 

ab er 1872 biefe Stellung freiwillig auf und 
ehrte nach Berlin zurück, wo er, an der Redaction 
der National» Zeitung betheiligt, eifrig an den 
politiihen Kämpfen ver Gegenwart theilnahm. 
1874 wurde er zu erneuter Lehrthätigkeit an die 
Univerfität Halle berufen. Seine wiffenichaftlichen 
——— erftreden ſich hauptſächlich auf das 
ebiet der deutfchen Mechtsgeichichte: Die Capi— 
tularien im Longobardenreiche, er 1864; Aus» 
gabe des Liber Papiensis in Berg’ Monument. 
germ. leg. Bd. IV., nebſt einer Vorrede fiber 
die longobardiſche Nechtsichule, Hannov, 1868; 
Beiträge zur Gapitularienfritil, Berl. 1874. 

Borfluorid(Fluorbor, Borſuperfluorid; Chem.), 
chemiſche Verbindung von Bor u, Flnor; chemiſche 
Formel BFI,; farbloſes, erſtickend riechendes, an 
feuchter Luft ſtarle weiße Nebel bildendes Gas; 
löſt fh im Waffer aufßerordentliih leicht auf, 
die Löſung zeriett fih aber allmählich, indem fich 
Borjänre u. Borfluorwafferftoffiäure bildet. Es 
entfteht, wenn man wafjerfreie Borfäure mit ge: 
pulvertenm Flußſpath in einem Flintenlaufe zur 
Weißgluth erhitzt, oder durh Einwirkung von 
concentrirter Schwefelfäure auf ein Gemiſch von 
geihmolzener Borfäure (oder Borar) u. Fluß- 
ſpath. Hehzer. 

orfluorwaſſerftoffſäure (Chem.), eine noch 
wenig befanunte Verbindung von Bor, Fluor und 
Waſſerſtoff (BFl, + HFI oder HBFI,). Ihre 
wäfjerige Yöfung erhält man durch Abkühlung einer 


verdünnten Auflöſung von Borfluoridgas in Waffer, franzöſiſche Prinzen. 


indem ſich gleichzeitig Borfäure abſcheidet (4BFl, 
+ 3H,0 = H,BO,-+3HBFl,). Hexer. 
Borg (Bor), verichnittenes Schwein; das männ⸗ 
liche heißt Bierborg, das weibliche Sauborg. 
Borgä, Stadt im finnländifchen Gouv. Nyland, 
an einer Bucht des Finniſchen Meerbufens; Sit 
eines lutheriſchen Bifchofs; Kathedrale; Gymnaſium 
mit Bibliothel, Bädagodium; Rathhaus; lebbaite 
Induſtrie; ziemlich bedeutender Handel; 3300 Ew. 
Borgas, ſ. u. Burgas. 
Borgentreich (Borgentryf), Stadt im Kreiſe 
Warburg des preuß. Regbez. Minden; 1550 Em. 
Borger, Elias Annes, holländ. Gelehrter, 
geb. 26, Febr. 1784 zu Joure in Friesland; wurde 
1807 Lehrer der bibliichen Eregefe in Yeyden, 1811 
Profeffor der Theologie u. 1817 der griechiſchen 
riteratur u. Geſchichte; fl. 20. Oct. 1820. Er 
Ichr.: De mysticismo, 2. A., Haag 1818, deutſch 
von Stange, Altona 1826; Evangelium Joannis 
cum Matthaei, Marci et Lucao evangeliis com- 


685 


er gab heraus:|paratum, Leyd. 1816; De historia pragmatica, 


* 1819; Leerredenen, 4. 4., 1825, 2 Bde.; 
eine nachgelaffenen Gedichte herausgeg. Leyd. 1826. 
Seine Biographie jchrieb van der Palm u. Tollens, 
ebd. 1821. 

Borgerhout, Marktfleden im Arr. u. der Prov. 
Antwerpen (Belgien); fhöne Landhäuſer; Bleichen 
u. Wollenzeugfabriten; 10,787 Em. 

Borghefe, Name zweier berühmten Baumerfe 
in u. bei Kom. Das ältere, der Palazzo B., 
führt jeinen Namen vom Papſt Paul V. (Borgbefe), 
der ihn, nachdem der Bau gegen Ende des 16. 
yeah. von Lunghi dem Alteren fiir den Cardinal 

ezza begonnen, um 1610 von dem Mailänder 
Flaminio Ponzio beendigen ließ. Nach der Form 
des Baumerles erhielt es im VBollsmunde die Be- 
zeihmung il Cembalo. Bon vorzüglicher Schön- 
heit ift der dem inneren Hof umſchließende Borti« 
cus, welcher von 96 gedoppelten Granitſäulen ge» 
tragen wird. Im Erbgeichoffe befindet ſich eine 
vorziiglihe Gemäldefammlung mit meift aus 
der Blütheperiode der italienischen Malerei ftam- 
menden Werten. Die Billa B., vor der Porta 
del popolo gelegen, ließ Scipione Cafarelli, Neffe 
Pauls V. (Borgheſe) u. nach diefem B. genannt, 
zu Anfang des 17. Jahrh. erbauen u. mit präch— 
tigen Barlanlagen, 3 Meilen im Umfang, umgeben. 
Der Grund u. Boden gehörte ehedem der Familie 
Genci, deren Gitter eingezogen wurden. Ihre Ber 
rühmtheit erlangte die Billa B. durch die in ihr 
aufgehäuften Kunftichäge, unter denen die Statue 
eines Fechters nach ihr benannt wurde (ſ. Borghe- 
ſiſcher Fechter). Die koftbare Sammlung dieſer 
Meifterwerte entführte Napoleon nah Paris, in» 
dent er den Befiger, Camillo B. (j. d.), feinen 
Schwager, nöthigte, ibm diefelbe für 8 Dill. Fes. 
zu überlafjen. Nur einen Theil derfeiben erhielt 
8. 1815 zurüd, da die Kaufjumme nicht abge» 
tragen worden war. 

orgheje, fürftlihe römifhe Familie, aus 
Siena ftammend; befigt die neapolitanifchen Für— 
ſtenthümer Noffano u. Sulmona u. große Güter 
in der Campagna di Roma. Die B. wurden 
1605 Fürſten von Sulmona und Granden von 
Spanien, 1684 Fürſten von Roffano und 1805 
Bon Bedeutung ift, außer 
Camillo, welcher als Paul V. Papft wurde (i. 
Paul): Camillo Filippo Ludovico, geb. 
19. Juli 1775 in Rom; trat 1796 in franzöftfche 
Dienfte, wandte ſich nad Frankreich, zeigte viel 
Anbänglichleit an Napoleon, heirathete 1803 deſſen 
Schwefter Pauline, Wittwe des Generals Leclerc, 
wurde 1804 frauzöſiſcher Prinz, 1805 Chef einer 
Escadron der Kaijergarde u. Divifionsgeneral, er⸗ 
hielt 1806 das Herzogthum Guaftalla, das er je- 
doch bald wieder gegen 4,800,000 Fes. abtreten 
mußte, wurde 1808 Beneralgouvernenr jenjeits der 
Alpen, al8 welcher er feinen Aufentbalt in Turin 
nahm, u. 1809 Obercommandant der 27. u. 28. 
Militärdivifion. Nach der Abdankung Napoleons 
trennte er fich vom feiner Gemahlin u. iiberbaupt 
von jeder Berbindung mit den Bonaparte. 1815 
befam er bie Kunftwerfe der Billa Borgheſe, welche 
er halb gezwungen an Frankreich für 3 Millionen 
Fes. in Retionalgiitern in Piemont verkauft hatte, 
wieder, ſoweit er den Preis dafür nicht empfangen 


686 


hatte, da ihm Sardinien jene Güter wieder nahm. | 
Er lebte feit 1818 in Florenz, wo er 10. April‘ 
1832 ftarb. Sein Bruder Francesco, Fürſt 
Adobrandini, geb. 9. Juni 1776 in Rom; trat 
1808 in franzöfiiche Dienfte, wurde 1809 Oberft 
eines Güraffier-Regiments, bei Wagram vermun- 
det, General u. franzöfiiher Prinz. Nah 1814 
ging er nach Florenz u, lebte abwechſelnd in Jta« 
lien u. Frankreich; er beerbte feinen Bruder und 
ftarb 29. Mai 1839 in Rom. Er war jeit 1309 
mit der Gräfin Adele v. Rochefoucauld vermäblt. 
Bon jeinen Söhnen folgte ihm Marco Antonto, 
geb. 23. Febr. 1814 in Paris; der zweite Sohn, 
Samillo, Fürft Aldobrandini, geb. 16. Nov. 1816, 
war vom 10. März bis 3. Mai 1848 Kriegs— 
minifter in Nom; der dritte, Scipio, Herzog 
v. Salviati, geb. 23. Juni 1823. 

Borghefi, Bartolomeo, Graf, italieniſcher 
Alterthumsforicher, geb. 11. Juli 1781 in avi» 
gnano; ftudirte die Alterthumswiſſenſchaften, grün« 
dete im feiner Vaterſtadt die Accademia Savigna- 
nese, orbnete Münzjammlungen in Mailand und 
im Vatican und lebte feit 1821 in der Hepublif 
San Marino, wo er Podeita wurde u. 10. April 
1860 ftarb. Sein Hauptjeld war die Epigraphif, 
Er ſchr. u. a.: Nuovi frammenti dci fasti con- 
solari capitolini, Mail, 1818—20, 28be,; Delle 
gente Arria romana, ebd. 1817; Sulla notizia 
di aleuni diplomi imperiali di congedo militare, 
ebd. 1817. Auch ee er Beiträge zu Forcellinis 
Lateiniſchem Feriton und war Mitbegründer des 
Giornale arcadico. Seine fämmtlihen Werte 
ließ Napoleon III. herausgeben, 8 Bde., Par. 
1862 — 73, 

Borghefischer Fechter, griechiiches Bildiwert 
des Agafias von Epbejos, im Louvre ⸗Muſeum zu 
Paris; der linfe Fuß wie zum Sprunge vorge» 
jet, der linke Arm zur Bertheidigung vorgeftredt, 
das Auge nach dem Gegner erhoben; alle Mus- 
teln find kräftig u. zeigen Leben u. Bewegung. 
Es ftellt am wahrfceinlichiten einen Krieger dar, 
der fi gegen einen Neiter vertheidigt. Der B. 
wurde in Antium aufgefunden, u. fein Name rührt 
davon her, daß er ehedem in der Billa Borgbeie 
aufgeftellt war, von mo er mit anderen Kunſt— 
ihäßen nah Paris fam. Er ift faum vor der 
römischen Kaiferzeit entftanden u. ſomit zur glei: 
chen Zeit mit dem Laokoon u. Farneſiſchen Stier. 
Doc zeigt fich hier nichts von dramatischen Pathos, 
fondern nur das Streben, durdy Überwindung der 
großen technischen Schwierigkeiten zu glänzen, wes— 
balb der B. F. mehr als eine Frucht der Berechnung 
u, des techniihen Wifjens, als freier künſtleriſcher 
Schöpfungskraft erſcheint. Reguei.* 

Borghi, Giuſeppe, ital. Dichter u. Gefchicht: 
fhreiber, geb. 1790 zu Bibbiena in Toscana; 
jchrieb Hymnen u. Gefänge nad der Art Manzo- 
nis, Commentare zu Dante u. Petrarca u, eine 
allgemeine Geſchichte Jtaliens, deren Vollendung 
dur feinen Tod zu Nom 1847 unterbrocden 
wurde. Poesie complete, Palermo 1867. 

Borghi-Wamo, Adelaide, Opernjängerin, 
geb. 9. Aug. 1830 in Bologna; Schülerin der be» 
rühmten Altiftin Maria Feſta; debütirte Dec. 
1846 in ZI Giuramento u. errang in Urbino u. 
verjchiedenen anderen italienischen Städten großen! 


Borghefi — Borgia. 


Beifall. 1849 verbeiratbete fie fihb in Malta mit 
Mamo, trat 1851 auf dem San-Garlo- Theater zu 
Neapel, 1853 in Wien auf u. wurde fodann ım 
Paris von 1854—56 für die italienische, bierauf 
für die Große Oper engagirt. Ihr prächtiger 
Gontraalt hat mehrere Componiften, jo Mercadante 
u. Pacini, veranlaft, eigene Partien für fie zu 
ſchreiben. Das jehr reichhaltige Repertoire Der B. 
umfaßt: Don Pasquale, Sonnambule, Generentola, 
Königin von Cypern, Barbier von Sevilla, Fa— 
voritin, die Jtalienerin in Algier, Trovatore, Maria 
de Rohan; Gabriela de Veray xc. Kürichner. 

Borgholm, befeftigtes altes Schloß auf der 
friiher dänischen, feit 1645 ſchwediſchen Küfteninfel 
Dland, das in der Kriegsgeichichte früherer Jabr- 
hunderte oft genannt wird. Seitdem umgebaut, 
wurde B. 1817 zur Stadt erhoben, die einen guten 
Hafen hat, aber faum 800 Em. zählt. 

Borgholzhauſen, Stadt im Kreife Halle des 
prenß. Regbez. Diinden; Zabaf- und Leinwand- 
fabrilation; bedeutender Handel mit Yandespro- 
ducten: Butter, Schinfen zc.; 1085 Em. Hier ſoll 
der Tempel der heidniſchen Göttin Tanfana ge- 
ftanden haben; ein Theil der Stadt heißt noch 
TZanfana. Dabei die Huinen des Stammichlofies 
der Grafen von Havensberg. 

Borgia, edles, uriprünglich fpaniiches, im 15. 
Jahrh. nah Italien übergefiedeltes Geſchlecht, wo 
es zu großem Anfehen gelangte, Aus ibm: 
1) Alfonfo, Mitglied des Geheimen Rathes des 
Königs Alfons von Aragonien, dann Biſchof von 
Balencia; ward 1455 zum Papfte gewählt und 
nannte fi Calirtus III.; diefer veranlafte feine Fa» 
milie zur Überfiedelung nah Jtalien. 2) Rodrigo 
Tenzuoli B., Schwefterfohn des Vor.; wurde 1492 
als Alerander VI. (j. d.) Papft. 3) Giovanni, 
Sohn des Bor. u. der Vanozza (Giutia Farneſe); 
erhielt von König Ferdinand von Spanien das 
Herzogthum Gandia in Balencia u. von jeinem 
Bater 1497 das Herzogthum Benevent und die 
Srafichaften Terracina u. Bontecorvo. Deshalb, 
wie auch wegen der Yiebs feiner Schweiter Yucrezia 
zu ihm, wurde fein Bruder Ceſare eiferfüchtig auf 
ibn, ließ ihn 1497 ermorden u in die Tiber wer» 
jen. 4) Gefare, Herzog von Balentinois, Bru— 
der des Bor. u. 2. Sohn von B., 2) ebenjo groß 
durch jeine trefflihen Anlagen, wie durch Later; 
wurde Biihof von Pamplona, 1493 Gardinal, 
erhielt aber nad der Ermordung feines Bruders 
Biovanni die Erlaubniß, aus dem geiftlihen Stande 
zu treten. Seine Bewerbung um die Tochter des 
Königs Friedrih von Neapel, um dadurch ein 
Erbrecht auf Neapel zu erhalten, wurde zurüdge« 
wiefen; dagegen erhielt er bei einer Gefandtichaft 
nah Paris an Ludwig XIL. 1498, um diefem den 
Scheidungsbrief von feiner Gemahlin zu bringen, 
die Stadt Valence, unter dem Titel eines Herzog- 
thums Balentinoi, u. 1499 die Hand der Charlotte 
von Albret, aus dem Haufe Navarra; er begleitete 
nun Ludwig XII. zur Eroberung von Mailand, 
u. diefer gab ihm Truppen, mit denen er fich der 
Romagna bemädhtigte, worauf er von feinem Bater 
1501 zum Herzog der Romagna erhoben murde 
u, das Fürſtenthum Piombine, das Herzogtbum 
Urbino u. Camerino an ſich ri. Als er felbft feine 
Anhänger unter den italien. Fürſten nicht fchonte, 


Borgis — Borgnet. 


vereinten ſich dieſe gegen ihn; er aber wußte ſie zu 
trennen u. die meiſten in ſeinen Dienſt zu locken, 
worauf er die anderen Ende 1502 nach der Schlacht 
bei Sinigaglia verbaften u. hinrichten ließ u. ſich 
ihrer Länder bemächtigte. Kurz darauf ftarb fein 
Bater, Papſt Alerander VI., 1503, und zugleich 
wurde B. der gleichzeitig mit feinem Bater Gift 
genofjen hatte, gefährlich frank; er war daher nicht 
im Stande, gehörige Maßregeln wider feine von 
allen Seiten fich gegen ihm erhebenden Feinde zu 
treffen, wurde vom Papft Julius II. gefangen 
genommen u. nach Spanien in das Schloß Medina 
del Campo gebracht, von wo er jedoch nach zwei 
Jahren ai. Navarra entlam. Hierauf z0g er 
gegen die Gaftilianer u. wurde 12. März 1507 
vor dem Scloffe Biana erfchoffen. Bei aller fitt- 
lihen Berderbtheit liebte er die Wiffenfchaften u. 
war fehr beredt. Ein Bild von ihm gab Ma— 
hiavelli in feinem Principe. Lebensbeihreibung 
von Tomaffi, Montechiaro 1670, franzöfifch, Amft. 
1739, aud Berl, 1782, Bol. Artand de Montor, 
Macchiavel, son génie et ses erreurs, Par. 1832. 
5) Yucrezia, Schweiter der beiden Vor., zuerft 
1493 mir Giovanni Sforza, Fürſten von Pelaro, 
vermäblt, der fich von ihr mußte fcheiden laffen, 
weil ihr Vater u. Bruder Verſchwägerung mit dem 
neapolitanischen Königshauſe anftrebten; fo wurde 
fie 1498 an Alfons von PBiscaglia, natürlichen 
Sohn des Königs Alfons II. von Neapel, u., als 
diefer 1501 von ihrem Bruder Gefare ermordet 
worden war, an Alfons von Eſte, jpäter Herzog 
von Ferrara, verheiratbet; fie ft. 1520. Sie war 
eine ſchöne u. wie man früher glaubte, die aus- 
ſchweiſendſte Frau ihrer Zeit, doch beförderte fie 
Künſte u. Wiſſenſchaften. Neuere, jo Roscoe, Noyer 
Collard, Gilbert, Gregoropius u, A., bezweifeln 
ihre Nuchlofigleit u. die von ihr erzählten Gräuel. 
Victor Hugo hat den Stoff zum Sujet eines 
Trauerfpiel® (1832) benutzt. Das befte über fie 
ſchrieb Öregorovius, Lucrezia B., 1. u. 2. Aufl., 
Stuttg. 1874. 6) St. Francesco, Sohn von 
B. 3), Herzog von Gandia u. Grand von Spa- 
nien, geb. 1310 in Gandia; wurde 1540 Bicelönig 
von Gatalonien, nad dem Tode feiner Gemahlin 
1548 Jeſuit u. 1565 dritter General des Ordens, 
als welcher er das Miſſionsweſen verbefferte und 
viel für Hebung des Unterrichtes that; er ft. 12. Oct. 
1572 in Rom und wurde 1625 fanonifirt. Er 
fchrieb mehrere aftetiihe Bücher in fpanifcher 
Sprache, welche der Jeſuit U. Deza ins Lateinifche 
überjette, herausgegeben Antw, 1598. Yebensbe- 
fchreibungen von A. Schottus, Nom 1596; von 
Gepari, Rom 1624; Abrege de la vie de St. 
Franc. de Borgia, Bar. 1671. 7) (Borja) Fran- 
cesco, Fürft von Squillace, Eufel des Vor. u. 
Sohn des Grafen Giovanni B. von Ficalho; 
wurde 1614 Bicelönig in ‘Peru, kehrte aber nad 
Philipps III. Tode 1621 nah Spanien zurid, 
lebte den Wiffenfchaften u. der Poeſie u. ft. dafelbft 
1658. Er fhr.: Obras en verso, Madr. 1639, 
Antw. 1654 u. 1664; das Epos: Napoles recu- 
perada por el rey Don Alonso, Sarag. 1651; 
Oraciones y meditaciones de la vida de Jesu 
Christo, Brüff. 1661. 8) Aleſſandro, Nach— 
fomme des Vor., geb. 1682 im Belletri; wurde 


687 


in Köln, fehrte 1713 nah Rom zürüid u. wurde 
Gouverneur von Aſſiſi, 1716 Bifchof von Nocera u. 
1724 Erzbiihof von Fermo; fl. 1764. Er ſchr.: 
Istoria della chiesa e eitta di Villetri, Nocera 
1723; Vita Benedicti XILL., Rom 1741; Omelie, 
Fermo 1749—59, 3 Bde. 9) Stefano, Neffe 
des Vor., geb. 3. Dec, 1731 in Belletri; wurde 
1759 Gouverneur von Benevento, 1770 Secretär 
der Propaganda, 1789 Eardinal u, Oberaufjeher 
der Findelhäuſer; ward bei dem Ausbruche der 
Revolution im Kirchenſtaate 1797 mit der Leitung 
der Regierung betraut, verließ aber 1798 Rom 
u. lebte in Padua, mit gelehrten Studien beicäf- 
tigt; fehrte dann mit Pius VII. nah Rom zurüd 
u, tarb 23. Nov. 1804 in yon, im Begriffe, mit 
dem Papfte nad Paris zu reifen. B. war ein auf« 
geflärter u. gelehrter Mann; er gründete durch die 
Ihon von feinem Oheim begonnenen Sammlungen 
von Alterthümern das berühmte Mujenm B. 
in Belletri, welches er allen Gelehrten zur Ber 
nußung öffnete. Schriften: Monumento di Papa 
Giovanni XVL, Rom 1750; Breve istoria dell’ 
antica cità di Tadino nell’ Umbria, ebd. 1751; 
Memorie istoriche della eittä di Benevento, ebd. 
1763—69, 3 Bde.; Breve istoria del domino 
temporale della sede apostolica nelle due Sieilie, 
ebd. 1788. Seine Lebensbeichreibung von Pao- 
lino von S. Bartolomeo, ebd. 1805. Die Fa— 
milie B. befteht jetst noch im Velletri.  *agai.* 

Borgis ift die Schrift, welche genau auf neum 
Punkte gegoffen ift. Namentlich findet diefe Drud- 
Ichrift Verwendung bei Zeitungen. Sie fteht im 
Grade zwiihen Petit u. Garmond u. wird vielfach, 
je nach Wunjch des Auftraggebers, aud auf Petit- 
u. Garmondkegel gegoffen. Die Etymologie des 
Wortes it zweifelhaft: B., Burgis, Borgois, 
Bourgeois ift die Schreibart in Deutjchland, 
In Frankreich ift der Ausdrud in der Druderei 
als ſolcher unbekannt. 

Borgnet, 1) Charles Joſ. Adolphe, bel— 
—* Geſchichtſchreiber, geb. 28. März 1804 in 
Namur; widmete ſich in Löwen dem Studium der 
Rechte u. pralticirte ſeit 1826 in feiner Vaterſtadt 
als Advocat; nachdem er hier ſeit 1830 Inſtruc⸗ 
tionsridhter am Gerichtshofe geweſen war, erhielt 
er 1837 einen Ruf als Brofeffor der Geſchichte 
nad Lüttih. Er fchr.: Lettres sur la r&volution 
brabansonne, Brüff. 1834, 2 Bde.; Histoire des 
Belges ä la fin du 18, siecle (während der fran- 
zöſtſchen Beſetzung), ebd. 1844, 2 Bde., 2. Aufl., 
1861; Guide de voyageur en Ardennes (unter 
dem Pſeudonym Jerdme Pimpurniaur), ebd. 1856 
fi., 2 Bde., 2. A. 1858; Hist. de la revolution 
liögoise de 1789, Lütt. 1865, 2 Bde., u. gab in 
der Sammlung der Chroniques nationales die 
Suite de Chevalier au cygne u. Godefroy de 
Bouillon, 1859, die Chronique de Jehan de 
Stavelot, 1861, und die Chronique de Jehan 
d’Outremeuse, 1864—1869, 3 Bde., beraus. 
2) Jules, Bruder des Vor., Staatsarchivar in 
Namur u. Profeffor am Athenäum dafelbit, geb. 
um 1810; er jcdhrieb: Histoire du comte de 
Namur, Briüff. 1848; Promenades daus Na- 
mur, Nam. 1859, und gab in der Sammlung 
der Urkunden zur Geſchichte der Provinz Namur 


1706 Generalanditor bei der päpitlihen Nuntiaturiden Cartulaire de Bouvignes, Nam. 1863, 2 Bde,, 


688 


Borgo — Borja. 


u. Cart. de la commune de Fosse, ebd. 1867, |hafte ponyartige Pferde. In den dichten Wäldern 


heraus. 

Borgo (Bozzo di B.), Graf, ſ. Pozzo. 

Borgo di Bal Eugana, Flecken im gleich 
namigen Bezirke (Tirol); Bezirtshauptmannichaft, 
Bezirksgericht; Schloß; 4843 Em. Erftürmung 
der öfterreihiihen Schanzen durch die Italiener 
22. Juli 1866. 

Borgoforte, Heine befeftigte Stadt im der ital. 
Prov. Mantua (Lombardei), am Po, Eifenbabn- 
ftation; Paß dabei; Eitadelle; 3900 Ew. 1212 ge» 
„baut, wurde B. Ende 1702 von den — 
den Oſterreichern abgenommen; 25. Oct. 1796 
fiegten bier die Franzofen über die Ofterreicher, 
u. 17. Juli 1866 wurde die öfterreichiiche Bejat: 
ung von den Italienern beſchoſſen u. mußte fi 
nah Mantua zurüdziehen. 

BDorgognöne (eigentlich Ambrogio Fofjane), 
Hiftorienmaler der Mailändiihen Schule, um 1482 
bis 1535. B. hing noch an der alten Weiſe; feine 
Fiquren find mager, jein Faltenwurf fteif, wäh— 
rend fih dagegen feine Köpfe durch Schönheit, 
Grazie u. Wahrheit auszeichnen. Bon ihm 2 Fres⸗ 
cobilder in der Kirche S. Ambrofio: ein auferftan- 
dener Chriftus zwiſchen 2 Engeln u. Ehrifti Streit 
im Tempel mit den Kirchenlehrem; Maria auf 
dem Threne zwiſchen 2 Engeln, im Berliner Diu- 
ſeum, u. a. 

Borgomanero, Fleden im Diftr. u. im der 
ital. Prov, Novara (Piemont), an der Agogna u. 
der Eifenbahn Arona-Novara; Weinbau; yabrifen; 
8731 Em. 

Borgoprumd, Fleden im ehemal. Kreife Biſtritz 
in Siebenbürgen, am gleichnamigen, 1200 m hohen 
Paſſe iiber die Karpatben in die Bulowina; 1700 Ew. 

Borgo San Dalmazzo, Stadt im Diftr. u. 
in der ital, Prov. Cuneo (Piemont), am Geffo u. 
an der Paßſtraße des Eol di Tenda; ehem. Bene- 
Dictiner-Abtei ; Kupfer» u, Eifenhämmer; 4122 Ew. 
Sieg der Ofterreicher über die Franzofen 10. No- 
vember 1794. 

Borgo San Donnino, Hauptftadt des gleich. 
namigen Diftr. in der ital. Prov. Parma, am 
Sturone u. an der Eifenbahn der Emilia; Biſchof; 
Seidenipinnerei; 10,855 Em. 

Borgo San Rorenzo, Gemeinde in der Prov. 
u. dem Bezirke Ylovenz; 12,086 Em. 

Borgu, 1) Diftrict der öftl. Tibbo der Sa- 
bara, zwischen Fezzan u. Wadai; ift voll Felſen⸗ 
berge, unwegſam, wafferarm, zum Theil jandig. 
Die heidnifhen Bew., die auch in den größeren 
Orten Meno u. Butar el Omjan wohnen, treiben 
Handel u. einige Jnduftrie in Eifen, Kupfer, Leder 
und Thon. 2) Ausgedehnte Landichaft auf der 
WSeite des Niger, Nuffy gegenüber; grenzt im 
N, an Gurma, im S. an den Mufjafluß und 
die Reihe Egga und Jorriba, im SW. an Da- 
bomeb, im DO. an den Niger, im W. an das Neid 
der Fellata zwifhen Kong u. Niger. Der Boden 
ift theilweife gebirgig, in den Flußthälern von 
anferordentliher Fruchtbarkeit u. parlartig. Der 
Niger ift feenartig breit, voll Waldinfeln, hat am 
Ufer viele Ortichaften, aber au Silmpfe; Korn: 
u. Durrabfelder umſäumen ihn. 
Korn, Indigo, Baummolle, Pamsmurzeln, Bananen, 
Citronen, Geflügel, Bienen, Rindvieh u. dauer- 


am Niger u. Kiama leben Elefanten von unger 
beurer Größe u. Raubtbiere; im Fluſſe Krofodile, 
Flußpferde u. viele Fiiche. Die Bewohner waren 
uriprünglic die Gambries, die in die Wälder zu- 
rücgedrängt find, dann wanderten Fellata und 
jpäter die jetst herrichenden Neger vom Yarribas 
ftamme ein, deren Eigenfhaften von Europäern 
gelobt werden. Die Fandichaft zerfällt in eine 

enge größerer u. Heinerer Staaten (Nili, Buffa, 
Kiama, Wamwa, Lugu u. a.), weldye ſämmtlich zum 
Buffa in einer Art Feudalverhältnig ftehen. Die 
Verfaſſungen find erbliche Monarchien, die Ober- 
häupter u. die Jorribas find mohammedaniſch, 
Cambriès u, Fellata heidniſch. Die bedeutenderen 
Städte find Kıama, Bumbum, Kiſchi (auf fteilem 
Felſen) Niki, Buffa, Comie, Uaua, der ichönfte 
Ort in Inner-Afrifa u. a. Hamdeläftraßen geben 
von Fezzan nah B. durch die weftl. Tibbo, mie 
die füdöftlihe Straße nah Bornu führt; ſ. u. 
Sudan. Bgl. Nahtigals Reifeberichte in der Zeit- 
ſchrift für Erdkunde. Fr. Körner.* 

Borinage, Name eines hauptjächlich dur 
Steinfohlenerzeugung ſich auszeichnenden Lanb- 
ftriches in der belgischen Provinz Hennegan, füdl. 
von Mons. 

Boris, I. Ruſſiſche Fürften: I) B. ältefter 
Schn Wladimirs I.; war bei dem Tode feines 
Baterd 1015 auf einem Zuge gegen die Petiche- 
negen abmwejend, daher fette fih Smwätopolf auf 
den Thron u. ließ B. in demfelben Jahre er- 
morden. 2) B. Goͤdunow, Schwager des Ezars 
— J.; der gewaltigſte unter den 5 Machtha— 

ern, welche für den ſchwachen Czar die Regierung 

führten, ſchwang er ſich zum Reichsverweſer auf, 
führte vollftändig die Regierung und beftieg nad 
Feodors Tode, da der Stamm Rurils mit diefem 
u. feinem ſchon 1591 von B. durd Gift bejeitigten 
Bruder Demetrius ausgeftorben war, 1. Septbr. 
1598 den ruffiihen Thron. B. ein höchſt laumen- 
bafter Fürſt, bald äußerit herablaſſend, bald unge- 
mein jtolz u, hart u, fpäter in feinem Mißtranen 
u. Argwohn überaus graufam, ft. 23. (13.) April 
1605 zu Moskau; über ibn ſ. Ruffiihes Neid. 
II. Prätendent von Ungarn: 8) B., angeb- 
ih ein Sohn des Königs Coloman von Ungarn; 
juchte vergebens den König Geifa II. 1145 umd 
1147. vom Thron zu ftoßen; f. Ungarn (Geich.). 
Er ftarb in Conftantinopel. Lagai.* 

Boriffoglebäf, Kreisftadt im ruſſ. Som. 
Tambow, am Einfluß der Worona in den Scho— 
per, in frudhtbarer Gegend; Getreide: u. Wieh- 
handel; Stat. der Eifenbahntinie Orel · garizyn 
el m yon der projectirten, durch die obere 
Schoper-Niederung über Balaſchow zur Linie 
Tambom-Sfaratomw fiihrenden Eifenbahn; 12,254 
Em. Nicht zu verwechſeln mit Romanom-Borifjo- 
glebaf im Show. Farofflam. 

Boriſſow, SKreisftadt im ruf. Gouv. Minst, 
an der Berefina, Station der Eifenbahn Smo— 
lenst-Minst; (1872) 6954 Ew. In der Näbe, 
beim Dorfe Studienfa, fand 26. und 27. Nor. 
1812 der Übergang der franzöfiihen Armee über 


Producte: Neis,|die Berefina ftatt. 


Borja, Stadt in der jpan. Prov. Saragofla, 
am Huelcha; Schloß; Flahsbau; Fundert vor- 


Börjeffion — Borfenfäfer. 


züglicher Feuerſteine; 5500 Ew.; Stammort der 
milte Borgia, daher fich auch bef. Francesco 

3* Borja nannte, 

örjeflon, Johan, ſchwed. Dichter, geb. 
22. März 1790 in einem Dorfe in Bohuslän; 
ftudirte feit 1808 in Upfala Theologie u. wurde, 
nachdem er andere untergeordnete geiftliche Amter 
verwaltet hatte, 1828 Harrer zu Wedholm in 
Upfalalän; er ft. 5. Mai 1866 in Upſala. B. ge» 
hörte als Dichter zur Schule der Phospboriften 
u. fchrieb außer lyriſchen Gedichten (Karläk och 
poesie) u. dem Iyrifch » didaltiſchen Gedichte Ska- 
pelsen: die Dramen Erik XIV., 1846, deutich 
von Winterfeld, Berl. 1855, u. Ur Carl XII. 
ungdom, 1858, u. die Trauerfpiele Erik XIV, 
son, 1847; Solens junker, Gustav I. sista dagar, 
1856; Brödra skulden, 1861; En statshälfning 
i Rom, 1866, 

Borf, ſ. Borde. 

Borfe, j. Gewebe. 

Borfelo, Stadt im Bezirfe Zütphen der nie- 
derländ. Prov. Geldern; 1300 Ew. B. ift Haupt- 
ort einer Herrichaft, die 1385 durch Heirath in 
Befit der Herren v. Brondorft fam u. nad) deren 
Aussterben Anlaß zum Streite zwifchen den Gra- 
fen von Styrum u, Limburg u. dem Bifchof von 
Geldern gab; deshalb fam es 1665 zum Kriege 
zwiichen den Holländern un. dem Bifchof, u. im 

trieben 1666 zu Kleve wurde den Holländern die 

berberrichaft zugeſprochen. 1672 eroberten es 
Die Franzofen, mußten e8 aber im Frieden 1674 
wieder räumen, 

Borken, 1) Kreis im preuf. Regbez. Münſter 
(Weftialen); 649, [km (11, t): 40,335 
Em.; von 9,,, km der Paris-Hamburger Bahn 
durchſchnitten; gemellter, zum Theil mooriger 
Boden, zum Anbau von Flachs u. Getreide ge- 
eignet, wenig Wald; bedeutende mechan. Weberei. 
2) Kreisitadt darin, an der Ha; bedeutende Lei- 
nenmeberei, mehrere mechaniſche Fabriken, 2 
Eichorienjabrifen; 3066 Ew. 3) Stadt im Kreife 
—— des preuß. Regbez. Kafſel, an der Olms- 

ab u, der Main-Wefer-Bahn; 1200 Em. 

Borfenfledyte (Hernes crustaceus), Haut» 
krankheit, bei welcher fich fleine Blafen bilden, 
welche Feuchtigfeit aus der Haut anziehen. Cie 
verbärten zu feften Kruften, unter denen ſich eine 
ſcharfe Materie abfondert, u. binterlaffen, wenn 
die Borken nicht von Zeit zu Zeit abgeweicht wer« 
den, häßliche Narben. 

Borfenfäfer, I. Bostrychidae, Inſectenfami- 
fie aus der Ordnung der Käfer, Unterordnung 
der Berborgenfünfgliederigen; Heine, unanfehnliche 
Käfer, melde in 70 Gattungen und etwa 750 
Arten befannt find; Geftalt gedrungen walzen- 
förmig; Kopf fugelig did, auf der Stirn flach, 
tief in das Halsſchild eingefentt; von den Mund— 
werfzeugen äußerlich nur die fräftigen, hornigen 
Oberkieſer fichtbar; Augen flah, nierenförmig, 
in deren Ausbuchtung die kurzen, getnieten Füh— 
fer, an denen Schaft, Geißel u. Endknopf zu un— 
terfcheiden ift; Halsſchild gemölbt, meijt länger 
als der halbe Körper; Flügeldeden den fünf 
- ringeligen Hinterleib vollftänbig bededend; Larven 

weiblich, geftredt, walzenförmig, ſchwach behaart. 


Die Käfer fliegen bei warmem Wetter an ihnen Lothgang, einfach fenfrecht verlaufend, 3. 
Bierers Univerlal:Eonverfations:?erifon. 6. Aufl. II. Band, 


689 


zufagende Baumfiellen, nagen einen etwas nad 
oben gehenden Gang in die Rinde, ermeitern 
häufig, im Bafte angelommen oder auch auf dem 
Splint, den Gang zu einer Meinen Kammer (Ram- 
melfammer), in welcher die Begattung vor ſich 
gebt. Bei vielen Arten wird jedoch das mit dem 
Vorberförper in dem Bohrloche ftedende Weibchen 
vom Äußerlih auf der Rinde figenden Männchen 
befruchtet. Alsdaun nagt das Weibchen vom Boden 
des Eingangsloches, beziiglih von jener Kammer 
aus, einen horizontalen oder verticalen Gang, 
oder mehrere dergleichen, bald mehr im Bafte, 
bald mehr im Splinte liegende Gänge u. belegt 
diefe (Muttergänge) in abwechſelnd rechts u. links 
in deren Wände genagten Grübchen mit Eiern. 
Bei erheblicher Länge des Mutterganges nagt der 
Mutterfäfer noch einige wenige Suftlöcher, die 
bom Gange —— zur Außenwelt führen. 
In ſeltenen Fällen legt er die Eier ungeordnet 
haufenweiſe ab. Bald darauf ſtirbt der Käfer. 
Sein Fraß u. Schaden iſt verhältnißmäßig gering 
anzuſchlagen gegen den ſeiner Brut. Die aus den 
Eiern geſchlüpften Larven freſſen nämlich in der 
Regel jede für ſich einen beſonderen, von dem 
Muttergange ſich mehr u. mehr entfernenden u. 
an Weite zunehmenden Gang (Larvengänge) wo— 
bei fie jeder Berührung mit benachbarten Gängen 
jorgfältigft ausweichen. Wenn die Larven erwäch— 
fen find, nagen fie fih am Ende ihres Ganges 
eine längliche Höhle (Wiege) aus, im welcher die 
Verpuppung vor fi) geht. Die gehörig erftarkten 
Käfer bohren fih dann fpäter durch die Rinde 
zur Außenwelt, jo 3. B. der achtzähnige Fichten- 
bortenfäfer. Waren die Eier haufenweife zuſam— 
men abgelegt, dann bleiben auch die Parven in 
einem gemeinfamen Fraßraume zuſammen und 
verpuppen fich auch in diefem. Die ausgefallenen 
Käfer durchwühlen den Raum u. nagen ſich ins 
Freie (jo 3. B. der gemeine Fichtenbaftfäfer). 
Zahlreiche Arten weichen von dieſer Lebensweiſe 
ab; bei ihnen (3. ®. bei den Holzborfenfäfern) 
nagt fi der Mutterfäfer in einem gerade ver« 
laufenden Gange mehr oder weniger tief in das 
Holz hinein; feine Eier legt er einzeln in Heine, 
mit einander abwechſelnde Grübchen, od. gruppen« 
weiſe in Heineren Häufchen. Die Larven freffen 
dann nur jehr kurze Holzgänge. Alle diefe Gänge 
zeigen fi fehr bald mit dem Gewebe eines 
ſchwarzen Pilzes überzogen, welcher in den Saft« 
ausiheidungen der Käfer u. ihrer Wohnpflanzen 
die Bedingungen zu einer fräftigen Entwidelung 
findet u. ſich Daher dort mit Leichtigfeit anfiedeln 
fann, Diejenigen Holzborfenfäfer, welche in ſchwä— 
cheren Stämmen leben, tödten die von ihnen 
befallenen Pflanzen. In ftärferem Holze find fie 
aber nicht jo ſehr phyſiologiſch, als technisch jchäd- 
(ih: fie tödten ihre Wohnpflanzen zwar nicht 
mehr, aber fie durchlöchern das Holz * daß es 
für techniſche Zwede oft gänzlich entwerthet iſt 
und nur als Brennmaterial Verwendung finden 
fann. Geſtalt, Länge, Anzahl und Verlauf der 
Gänge ift für die einzelnen Arten äußerft aral« 
teriſtiſch. Nach Richtung u. Anzahl der zujam« 
mengehörenden Miuttergänge bat man zu ihrer 
Eharafterifirung folgende Bezeichnungen Je 

. beim 
44 


690 


Borfenfäfer. 


Waldgärtner u. beim fechszähnigen Fichtenborfen-) Stehenlaffen von paffenden Stämmen, yangbäu- 


läfer; 
fach, | 
nen bunten Erlenbaftläfer, jeltener doppelarmig, 
z. 8. bei manden Holzbortenläfern; Sterngang, 
bat von der Rammelkammer ausgehend mehrere 
nach verjdiedenen Hichtungen verlaufende Mut⸗ 
tergänge, ſo beim achtzähnigen u. beim zweizäh— 
nigen Fichtenborleutkäfer; Leitergang, Holzgang 
mit kurzen, ſenkrechten Nebengängen, z. B. beim 
geſtreiften Holzbortentäfer; Familtengang gemein» 
ſchaftlicher Fraßgang für alle Yarven, 3. B. beim 
größten Fichtenbaſtkäfer; Gabelgang, gabelige 
Zheilung eines Holzganges, 3. B. beim ungler 
chen Holzborfenfäfer; endlich unregelmäßige Gänge, 
welche fich nicht näher kennzeichnen laffen, z. B. 
beim krummzähnigen Tannenborkenkäfer. Auch 
die Yarvengänge bieten ihre eigenthümlichen Dierk: 
male: bald find fie fein, bald weit, gedrängt, zahl» 
veich, ſehr lang oder grob, kurz, weitſtändig, 
lüdig u. f. w. Nadelhoiz wird von den B-n 
weit mehr befallen und bewohnt als Yaubholz, 
Sträucher od. gar Kräuter bleiben faft von ihnen 
verſchont; einige find ausichließlih auf altes Holz, 


Wagegang, borizontal, und zwar meift ein-|men, welche zum Anfluge der Käfer geeignet find, 
z. 9 beim Heinen Kiefernbaftläfer u. klei-, in denen ſich die Brut alſo gleichſam concentrirt 


und welche dann im Frühjahre, bevor ſich bie 
erjien Puppen zeigen, gefällt, entrindet u. weg⸗ 
geichafft werden. 4. Fanggräben für ſolche, welche, 
wie der jchwarze, der holzverderbende u. a. Baft- 
fäfer, ihre Wohnpflanzen in der Nähe des Wur- 
zelfnotens befallen u. zu ihrer Fortpflanzung zu 
Fuß nach benachbarten Pflanzen, namentlih nad 
jungen Gulturen, binmwandern. In Deutichlaud 
fennt man 80 Arten, welche in 4 Gruppen zer» 
fallen, die ıhrerjeit8 23 Gattungen umfaflen. Die 
4 Gruppen entiprechen den foritlih allbefannten 
4 alten Gattungen und mögen daher bier beibe- 
halten werden. Es find: 1. Erftes Fußglied jo 
lang als die 3 folgenden zufammen: Kerntäfer, 
j. d. (Platypus). 2. Erftes Fußglied nicht jo 
lang als die 3 folgenden zufammen: a) Hinter- 
leibjchief abgeftugt: Splintläfer, f.d. (Eccopto- 
gaster); b) Hinterleib nicht ſchief abgeftugt: 
aa) Kopf vorgeftredt: Baftfäfer, ſ. d. (Hylesi- 
nus); bb) Kopf nicht vorgeftredt, von oben ber 
nicht, oder faum fihtbar: Eigentlihde 8. 


auf die Stämme, bald auf das untere, bald auf —— 


das obere Ende derſelben angewieſen, andere auf 
junge Pflanzen, Stangen, Atte, ſchwache Zweige; 
mauche gehen nur eine Gattung an und zehren 
bei diefer auch nur an ganz beftimmten Stellen, 
andere find weniger wähleriſch, leben in verſchie— 
denen Laub- oder Nabdelhölzern u, |. w. Die oft 
veutilirte Frage, ob die B. bereits Franles, we⸗ 
nigftens kränkelndes Holz angreifen, oder ob fie 
gejundes Holz befallen, beantwortet fih im Als 
gemeinen dahin, daß fie diejenigen Pflanzen ver- 
meiden, welche für fie zu vollfaftig fein, mithin 
fie oder ihre Brut erftiden würden; alles übrige 
Material greifen fie an. Die Frühſchwärmer, 
welche im erjten Frühjahre ericheinen, geben meijt 
nur kränkelnde oder bejhädigte Hölzer an; Rau— 
penfraß, amderweitiger Inſectenfraß, Berpilzung, 
Schneedrud, Windbruch, Blitzſchaden, Brand u.a. 
find für fie gewiffermaßen Borbedingung, gleich 
wie fie Ri maſſenhaft friſch gefältes Holz be- 
jallen. Sind fie gezwungen, gejunde Bäume ans 
zugreifen, dann gehen die erjten Pioniere zwar zu 
runde, machen aber den Baum krank u. bereiten 
ihn jo für Die folgenden vor. Die Spätſchwär— 
mer aber, weldye von Mitte Mai bis Ende Juni, 
aljo zu einer Zeit fliegen, in welcher die erjte 
ſtrotzende Saftfülle der Bäume beendet ift, fallen 
ohne Weiteres jeden Baum an. Todtes, gänzlicd) 
abgeftorbenes, trodenes Holz nimmt fein B. an. 
So werden die B. von allen Käferfamilien für 
den Forſtmann die ſchädlichſten. Als Schutsmittel 
gegen fie wendet man am meiften folgende an: 
1. Entfernung ihres Brutmaterials, wenigitens 
Entrinden der Schnee u. Windbrüche. 2. Raſches 
Entfernen alles bereits befallenen Materials, das 
ih als ſolches durch Austreten von Harztröpf- 
hen, tridterfürmige Vertiefungen in der Rinde, 
durch Bohrmehl, ſowie Durch kraͤnkelndes, vielleicht 
abjterbendes Ausjehen verräth. Fällen und Ent: 
rinden bei Stangenhölzern u. ftärleren Bäumen, 
Abbauen, Ausreißen u. Verbrennen ſchwächerer 
Pflanzen ift bier ſtreng geboten. 3. Abfichtliches 


IL. Bostrychus (v. gr. böstrychos od. böstryx, 
Tode, alter Name des Männdens vom Leucht- 
fäfer): Gruppe, alte Gattung aus der Familie 
der B.; Körper walzenförmig; Kopf kugelig, nicht 
vorgejtredt, von dem Halsidilde fapuzenförmig 
überragt; dieſes ſtark gewölbt, jelten nach vorn 
etwas verjchmälert, auf der vorderen Fläche meift 
ftark gelörnt, auch gehödert; Abfturz der Flügel · 
deden oft eingedrüdt und danı am Rande bes 
Eindrudes gezähnt; drittes Fußglied einfach; Farbe 
meift braun, junge Käfer meift jehr bell, alte 
ihwarzbraun, Die Größe der wichtigften beut- 
ſchen Arten variirt zwifchen 1 mm beim fh ma- 
len Fichten-B. (Bostrychus pusillus G@yil.) 
und 6, mm beim großen Kiefern-®. (B. 
stenographus Dftsch.). Der ſchädlichſte unter 
den deutichen Ben ift wol der Budhdruder 
oder ahtzähnige Fichten -B. (B. typogra- 
phus L.), 5 mm lang, 2, mm breit, ganz 
gelb, gelbbraun bis tiefbraun, fogar ſchwarz mit 
braunen Deden u. Beinen, Flügeldeden mit ein» 
fachen Punftftreifen, gegen die Spite jedoch im 
den Zwiſchenräumen mit einfachen Reiben feiner 
Punkte, Seine Hauptholzart ift die Fichte, im 
deren Beftänden er von Alters ber als der ge 
fürchtetfte Feind berüchtigtift. Er greift am liebiten 
80—100jährige Stämme an, an folde unter 50 
‚Jahren gebt er nur notbgedrungen. An warmen 
Frühlingstagen bat man ihn ſchon in ungebeurer 
Menge, wie ein Bienenſchwarm, felbft wolfenäbnlich 
Ihwärnıen jehen; ein weiter Flug wird aber freimil» 
lig nur bei warmem Wetter u. dann unternommen, 
wenn fich fein paflendes Brutmaterial in der Näbe 
findet. Das Kränteln u. endliche Abfterben der von 
ihm befallenen Stämme wird Wurmtrodnig ge 
naunt. Der Lärchen-B. od. vielzähnige B 
(B. larieis F.), 3’, mm lang, bald jchmwarz., 
bald hellbraun; Abjturz der Flügeldecken ſcharf— 
randig, tief, fait freisrund, mit 3—6 Zähnden; 
findet fi) an stiefern, Fichten, Pärchen u. Tannen, 
u. zwar an älteren u. jüngeren Stämmen. Der 


Borfenthier 


frummzähnige Tannen-B. (B. curvidens 
Grm.), 2 mm lang, meijt ſchwarz mit braunen 


— Bormio. 691 


Amerika; fraß Seetang, wurde gegeffen und die 
Haut zu fejtem Lederwerf gebraudt. Diejes von 


Deden u. hellbraunen Beinen; bewohnt die Tanne, |Steller 1751 beichriebene Thier wurde in der 
jelten Lärche, Fichte u. fremde Nabelhölzer; fliegt )2. Hälfte des 18. Jahrh. durch Verfolgung der 
* einzelſtehende Stämme und Randbäume an. Kamtſchadalen, Seehundsjäger ꝛc. ganz ausge— 

er ſechszähnige Fichten-B. (B. chalcogra-|rottet, oder in andere, ung unbelannt gebliebene 


phus L.), 2'/,;, mm lang, braun, ftarf glänzend; 
in Fichten, namentlih an einzelnftehenden außer- 
ordentlich häufig; in den Alpenländern auch dem 
Knieholze jehr ſchädlich Der zweizähnige Kie- 


Gegenden getrieben. Thome.* 
Borfhaufen, Morit Balthafar, geb. 1760 

in Gießen; wurde 1792 Aſſeſſor bei der Landes— 

öfonomie in Darmftadt, 1796 des Oberforftcolle- 


fern-®. (B. bidens F\), 2, mm fang, meiftigiums; ft. 1806. Er ſchre: Naturgeſchichte der 


ſchwarz; an Kiefern, Meerftrandstiefern, Fichten, 
Lärchen, vorzüglich aber an Weymouthskiefern; 
ruinirt oft jehr bedeutende Streden. Als Holz-B. 
find namentlich jchädlih der hHöderige Eichen: 
bol3-3. (B. monographus F\.), 2—3 mm lag, 
röthlich-braun, ftark behaart; lebt in ftarfen Eichen 
u. ift dort als kleiner od. ſchwarzer Wurm 
(dem großen Wurm oder großen Eichenbodfäfer, 
[j. Bodtäfer] gegenüber) jehr gefürchtet. Der un- 
ar 5014-8. (B. dispar F\); Männden 2, 
eibhen 3 mm lang; eriteres ftarf fugelig, letz 
tere did mwalzenförmig; tiefihwarz; wird Apfel-, 
Pflaumen, Birnen- u. Sranatbäumen, Erle, 
Buchen, Kaftanien, Ahorn, Hainbuchen u, Eichen 
oft ſehr gefährlih; befiel und tödtete z. B. 
1872 ungefähr 5 ha Eichenheiftern. Der ge 
jtreifte Dun. (B. lineatus Ol.), 3, mm 
fang, gelbbraun mit breiten, dunklen Längsitreifen 
auf deu Flügeldecken; befällt ſämmtliche Nadel- 
bölzer, Birke u. Linde u, durchlöchert deren Holz 
oft fiebartig. Für werthvolle, von Holz-B⸗n ge 
fährdete Stämme empfiehlt ſich folgender Auftrich: 
Man übergießt 5 Pfund ordinären Tabak mit 
einem halben Eimer warmen Waflers, drückt 
nah 24 Stunden ftarf aus, mengt einen halben 
Eimer Rindsblut, 1 gleiches Maß gelöfchten Kalfes 
und 16 Maß friihen Kuhmift hinzu; läßt diefe 
Miihung unter mebhrmaligem tägfigem Umrübren 
einige Zeit in einer offenen Tonne ftehen u. be- 
ftreiht dann 3 Tage nad) einander die bedrohten 
Stämme, auch den entblößten Wurzelfnoten und 
die zum Theil freigelegten Wurzeln damit. Es 
bildet fi fo eine Krufte, welche vor Angriff, auch 
dem des größten Fichtenbaftfäfers u. a. Baum- 
u. —— ſchützt. Der Buchenholz-B. 
(B. domesticus L.), 3,, mm lang; ſchmutziggelb⸗ 
braun mit fchwarzemt —— greift Buchen 
an, Zahlreiche andere B. find weniger ſchädlich. 
ar Ag jehr zu empfeblenden ng > von 
Dr. 8. Altum, III, Berl., 1874.) bome. 
Borfenthier (Borkenwal, Rytina Illig.), 
Gattung aus der Säugetbier- Unterordnung 9 
Sirenen (Ordnung der Walfiſche); Border» und 
Edzähne fehlen, in jedem Kiefer auf jeder Seite 
ein aus Platten zufammengefegter, flachlroniger, 
röhrig-faferiger Backenzahn; Schnauze ftumpf; Yıp- 
pen doppelt, die obere äußere mit Borften beſetzt; 
Kcpf verhältnißmäßig Hein; Augen mit Nidhaut; 
feine Ohrmuſchel; Haut hart, rindenartig, mit 
fteifen Haaren bewachſen; an den Floſſen find 
feine Spuren von Fingern und Nägeln; Hinter 
beine in einen horizontalen, geipaltenen Schwanz 
verwadien. Art: R. Stelleri Cur., ſchwärzlich, 
gegen 7 m lang; lebte im vorigen Jahrhundert 
gejellichaftlih im Meere von Kamtichatfa u. NW: 


europäischen Schmetterlinge, Frankf. 1788—94, 5 
Thle.; Tentamen dispositionis plantarum Germa- 
niae seminiferarum, Darmft. 1792, Frankf. 1811; 
Botanisches Wörterbuh, Gießen 1797, 2 Bde., 
2. Aufl., 1816; Deutihe Fauna, Frankf. 1797, 
1. Thl.; Handbuch der Forftbotanil u. Forſttech— 
wologie, Gießen 1800, 2 Thle.; gab die Deutſche 
Ornithologie, Darmft. 1800—9, 21 Hefte Fol., 
heraus. . 

Borkum, Inſel in der Nordfee, an der Küſte 
der preußischen Landdroſtei Aurih (Oſtfriesland), 
25—30 km im Umfange; befteht aus Oftland u. 
Weftland, welche durch eine breite Watt getrennt 
find; 1576 gebauter, 65 m hoher Leuchtthurm; 
400 Ew.; feit 1856 Seebad, von etwa 1000 Gäften 
jährlich befucht. 

Bormida, Fluß in Ntalien, in zwei Armen 
von öftlichften Ende der Seealpen fommend; mün— 
det bei Aleſſandria. R 

Bormio (Worms), 1) (Wormſer Landſchaft) 
Landſchaft u, ehemalige Grafſchaft im der italieni« 
ihen Provinz Sondrio (Lombardei), im oberften 
Thal der Adda, von hohen Gebirgsitöden der 
Rhätiſchen Alpen umgeben. 2) Marktfleden dar 
jelbft; 1686 Ew.; dabei die fihon im Alterthum 
bekannten heißen SHeilquellen von S. Martino 
(27—32° R., gegen Rheumatismen, Haut«, Le— 
ber-, Geſchlechts- u. a, Krankheiten) und 2 ftark 
befuchte Badeanftalten, 1224 m ü. d. Meere, 
am Fuße der Alpe Braglio (Umbrail) und des 
MWormferjoches, darüber die Strafe aus Tirol nad 
Ftalien (f, u. Stüffer Joch) und daran die Quelle 
der Ada. B. war im Mittelalter Hauptort der 
gleihnamigen Grafihaft, gehörte dann dem Bis 
jhof von Chur, fam 1530 an Graubinden, 
1797 an die Eisalpiniiche Republik, 1814 an Dfters 
reih u. 1859 an Italien (vgl. Veltlin (Geſch.). 

Born, 1) Bertrand de B., f. Bertrand 1). 
2) Ignaz, Edler v. B., berühmter Mineralog 
u. Geolog, geb. 26. Dec, 1742 zu Karlsburg in 
Siebenbürgen; nur 16 Donate lang Mitglied des 
Jefuitenordens, dann nach einer Reiſe ins Aus- 
land 1770 Beifiter in dem oberften Münz» und 
Bergmeifteramte zu Prag, 1772 Bergratb; ging 
1776 nah Wien, um das kaiſerliche Naturalien- 
cabinet zu ordnen u. wurde hier Hofrath in Münze 
u. Bergwerksſachen; er ft. dafelbit 24. Juli 1791. 
Befonders berühmt machte er fih durh Anmwend- 
ung der Amalgamation zur Gewinnung edler Me» 
talle aus Erzen. Er ſchr.: Briefe über eine mi— 
neralogifhe Reife nah Ungarn u. Siebenbürgen, 
Wien 1771, engl., franz. u. ital. überjett; Litho- 
phylacium Bornianum seu Index fossilium, Prag 
1772— 75; Über einen ansgebrannten Bulcan bet 
Ser, 1773; Index rerum nat. musei caesarei 


44* 


692 


Vindob., pars I. Testacea, ®ien 1778, als 
Testacea musei caes. Vind. ®ien 1780; lber 
das Anquiden der gold» u, füberhaltigen Erze :c., 
Wien 1786, franz. 1789; die laumige Schrift: 
Die Staatsperrüde, Wien 1771; umter dem 
Pleudongm Johannes Bhnfiophilus: Speci- 
men monachologiae methodo Linnaea (Satire 
auf die Mönchsorden), Wien 1783, deutſch: Ignaz 
Loyola Kuttenpeitiher, Mind. 1784, auch engl. 
nu. franz.; mit Trebra: Bergbanfunde, Lpz. 1789, 
2 Bde. B. war aud eifriger Freimaurer, grün- 
dete 1780 eine Loge in Wien, gab das Wiener 
Journal für Freimaurer heraus u. fandte, als 
die Freimaurer in Bavern unterdrüdt wurden, 
feine Diplome bayerischer gelchrter Gejellichaften 
zurüch. 

Borna, Kreis u. Garniſonſtadt in der gleich— 
namigen Amtshanptmannichaft des fühl. Meg. 
Dez. Yeipzig, an der Wyhra u, der Leipzig-Chem- 
niger Eifenbahn; Bezirtscommande; ſpätgothiſche 
Kirhe mit Schönen Flügelaltar und Freslken; 
Schullehrerieminar, Realſchule; Ziegel- u. Kall— 
brennereien, Dampfſchneidemühlen, Filz- und 
Schuhmanufactur; Braunkohlenwerle; Feldgärtnerei 
(Zwiebelbau); 5751, mit Altftadt-B. 6643 Ew. Die 
früh fchon befeftigte Stadt wurde 1295 von Kaijer 
Adolf erſtürmt u. niedergebrannt; jein Heer aber 
murde im folgenden Jahre bei B. von den meiß— 
nischen Markgrafen geiclagen; 1307 wurde B. 
vom Kaiſer Albrecht, 1430 von den Huffiten verheert. 
1484 lam B. bei der Theilung Sachſens an bie 
Erneftiniiche, 1547 aber an die Albertinifche Linie. 
Val. R. Wolfram, Chronik von B., Borna 1859. 

Börne, Ludwi 3 (eigentlich ?ömw [Lion] Barud), 
deutſcher Schriftfteller, einer der herporragendften 
Pubticiften, geb. 6. (nicht 18. od. 22.) Mai 1786 
in Frankfurt a. M. von jüdifchen Eltern; erhielt 
feine erfte Bildung durch Privatunterricht, dann 
(feit 1800) zu Gießen, ergriff dort das Studium 
der Medicin u. fetste daffelbe feit November 1803 
in Berlin fort. Hier lebte er im Haufe der fchö- 
nen u, geiftvollen Henriette Herz u. nahm lebhaf- 
ten Antheil an dem geiftigen Leben, welches ſich 
unter FFichtes, Schleiermadbers u. der Rahel Ein- 
fluß entfaltete. Später (Juli 1803) ſich nad Halle 
wendend, wo er Hausgenoffe des berühmten Keil 
war, hörte er F. A. Wolf, Schleiermader und 
Steffens u. wurde jo zu philofophifchen Studien 
angeregt. 1807 bezog er die Univerfität Heidel- 
berg, gab die Medicin auf u. ftudirte 1 Fahr lang 
in Gießen Staatswifjenichaften. 1811 wurde er 
Polizetactuar in feiner Baterftadt, verlor aber dieſe 
Stelle nad dem Wiedererftehen der Stadt als jelb- 
ftändiger Staat, in welchem er feines Glaubens— 
befenntnifjes wegen fein Amt befleiden Tonnte. 
Im April 1818 vertaufchte er feinen früheren 
Namen mit Ludwig B., u. im Juni deffelben Jah— 
res trat er in Rödelheim zur Evangelien Kirche 
über. Er hatte fi) bereits als Mitarbeiter an 
verjchiedenen Zeitſchriften betheiligt u. gab 1818 
ein eigenes Journal, Die Wage, heraus, welches 
bis 1821 beftand, Außer Theaterkritifen, die von 
den Echaufpielern in Frankfurt gefürchtet, aber in 
äfthetiichen Kreifen, beionders zu Berlin, mit Ieb- 


Borna — Börne, 


Negierungsioftem in Deutichland mit bitterer Ire— 
wie beurtheilte. Neben der Herausgabe der Wage 
redigirte er von Neujahr 1819 an vier Monate 
lang das Staatsriftretio u. verwidelte ſich dadurch 
in einen Meinen Krieg gegen die Genjur, dem er 
mit Hartnädigleit, aber mit trefflidem Humor 
führte, Dann begründete er, während die Wage 
in zwangloſen Heften fort erſchien, die Wochenſchrift 
Zeitſchwlugen bis März 1822), die zu Offenbach 
gedrudt wurde, Im Verdachte, demagogiſche Schrif- 
ten verbreitet zu haben, warb er im März 1822 
auf gelanbtichaftliche Requiſition verhaftet, aber 
bald wieder entlaffen. 1822 ging er nach Paris, 
fehrte jedoch ſchon 1824 nad Deutfchland zumüd. 
Um dieſe Zeit veröffentlichte er im Morgenblatte 
Berichte aus Frankfurt u. einige jeiner meifterbaft 
novelliftiih abgerundeten Humoreslen, bis ihn die 
Julirevolution 1830 wieder nad Paris zog, wo 
er fi in jeinen Freiheitshoffnungen bald getäufcht 
ſah. Im 5. 1832 wohnte er dem Hambader 
ehe bei u, empfing bier, wie nachher in Frei— 
burg, lebhafte Huldigungen. (Er gründete 1835 
die Yeitichrift Balance, in der er Hr feine Yieb- 
lingsidee, die Verführung der beiden Nationen im 
gemeinjamem Streben nad politischer Freiheit, zu 
wirfen ſuchte. Bon der eingreifendften Wirkung 
jedoch waren feine Briefe aus Paris, die feit 1831 
in 6 Bänden erſchienen n. bejonders bei der Ingend 
ein glühendes Freiheitsgefübl u, eine heftige Unzu— 
friedenheit mit den fchleppenben deutichen Verhält⸗ 
wffen anregten. In den zwanziger Jahren war B. 
entjchieben der patriotischen Bartei zugezählt worden 
u. hatte mit Männern wie Görres in freundichaft- 
licher Beziehung geftanden; nunmehr erhob man 
egen ihn dem ungerechten Vorwurf der Feind» 
—2** gegen fein Vaterland. B. war, wie heut— 
zutage jelbft jeine Gegner eingeftcehen, durchaus 
reblich, wahrhaft umd frei von jedem Eigennutze; 
aber in hohem Grade reizbar, fannte er in den 
Ausbrüchen feines Haſſes kein Maß, war im feinen 
Angriffen, 3. B. gegen Goethe, oft ungeredht u. 
ließ fih zu falſchen Schlußfolgerungen verleiten. 
Ein eigenthümlihes Syſtem der Politif hat er 
nicht aufgeftellt, und feinen Raifonnements fehlte 
mitunter der fefte Boden biftoriicher Forſchungen 
u. ftrenger Deduction; fein Stil ift rein u. forg- 
fältig, in den früheren Schriften nicht ganz um- 
gefünftelt, ſpäter freier u. ſchwungvoller. B. war 
un den legten Jahren kränklich u. harthörig; er 
ft. 13, Febr. 1837. 1843 wurde ihm auf dem 
Kirchhofe Pere-Lachaise ein Denfmal gejest, das 
jeine von David aus Angers gearbeitete Reliefs 
büfte in Bronze trägt. Eine Denttafel ſchmüdt 
jein Geburtshaus in der Judengaffe zn Frankfurt, 
welchem übrigens die Zerftörung bevorfteht. Sein 
bejtes Sinus ift von M. Oppenheim gefertigt. 
Er ſchr.: Denkrede auf Jean Paul (vorgetragen 
1826 im Frankfurter Muſeum durh Anton Kirch« 
ner, dann als Heft gebrudt), Erl. u. Hamb. 1826; 
Briefe aus der Schweiz, 1830—33; Briefe aus 
Paris 1831—33, Par. 1832—34, 6 Bde.; Dien- 
zel, der Franzoſenfreſſer, Par. 1837 (ftiliftifch ſein 
Meifterwerk). Gejammelte Schriften, Hamb. 1829 
bis 1831, 8 Bde., 2. Aufl., ebd. 1835, 8 Bde, 


baftem Beifalle begrüßt wurden, ſchrieb er vorzugs · 3. Aufl., Stutt. 1840, 5 Thle.; n. A. feiner Ge 
weiſe politifche Artikel, in denen er das herricyendeijammelten Schriften, Hamb. 1862—63 u. 1868; 


Borneil — Borneo. 


693 


Nachgelaſſene Schriften, Mannh. 1847-50, 6 Bde. |nbelanntschaft mit den Verhältniffen derſelben. 
Bgl. Heine über Börne, Hamb. 1840; Gutzkow, | Die einzige Möglichkeit des Beſuchens gewähren 


Bes Leben, ebd. 1840, 2. Aufl. aus B⸗s unge, 


drucktem Nachlaffe reich vermehrt (im 6. Bde. von 
Gutzkows Werken), Frankf. 1845; ferner: Briefe 
des jungen Börne an Henriette Herz, Lpz. 1861. 
Ereizenad.* 
Borneil, Giraud de, einer der berühmteften 
Zroubadours des 13. Jahrh., geb. in Ercidenil 
bei Yimoges; wurbe Maitre des. troubadours ge 
naunt; fl. 1278. Man bat noch von ihm 82 
meift in dunklem Stil gefchriebene Minnelieder im 
Manufcript zu Paris, u. außerdem werden ihm 
noch in Handichriften etwa 12 Gedichte zugeichrieben. 
Er ſoll zuerft das Wort chansons in die Sprache 
der Troubadours eingeführt haben. Bolchert. 
Bornemann, Friedr. Wilh. Ferd., deut- 
ſcher WRechtsgelehrter, geb. 28. März 1798 Fi 
Derlin ; diente im Feldzuge von 1815 als freimilli- 
ger Jäger, ftudirte dann zu Berlin, wurde 1819 
Aufcultator u. 1823 Affefior beim Oberlandesger 
richte zu Stettin u. 1825 beim Oberappellations- 
gerichte zu Greifswald, 1827 Oberlandbesgerichts- 
rath, 1831 Kammergeridht3-, 1837 Geh. Finanz- 
u. 1841 Geh. Oberfinanzrath, 1842 Staatsfecre- 
tär und Seh, Oberjuftizratb, 1843 Präfident des 
Obercenjurgerichtes, legte 1844 diefe Stellen nie- 
der u. wurde als Dirigent einer Abtheilung im 
das Minifterium der Juſtiz berufen; er wurde 
den 20. März 1848 Juftizminifter, trat aber 
25. Juni aus nm. wurbe im Juli zweiter Präfi- 
dent des Dbertribunals. Seit 1849 Mitglied 
des Herrenhaufes, ftimmte er mit dem Tinten 
Eentrum u. wurde 1861 Präfident der Commif- 
fion zur Revifion des Eivil- u. Strafprocefies. Er 
ft. 28. Jan. 1864 zu Berlin. Sein mwefentlichites 
Berbienft befteht darin, daß er zuerft das preuf. 
Particularrecht mit dem Gemeinen Rechte in Ber- 
bindung fette. Er fchr.: Bon Rechtsgeſchäften u. 
Verträgen, Berl. 1825, 2. Aufl., 1833; Nechts- 
fälle u. Rechtsbeſtimmungen aus den Mcten des 
Uppellationsgerichtes zu Greifswald, Berl, 1832; 
Syſtematiſche Darftellung des preuß. Eivilrechtes, 
Berlin 1834—39, 6 Bde., 2. Aufl., 1837 — 45; 
Erörterungen im Gebiete des Preußiſchen Rechtes, 
ebd. 1855. Henne-Am Rhon.* 
Borndo (europäische Form des einheimifchen 
Stammes Bruni), die größte der 4 großen Sunda- 
Inſeln im ſüdaſiatiſchen Archipel u. abgejehen von 
Auſtralien, das größte Eiland der Erde, umfloſſen 
im N. von dem Chineſiſchen Meere, im S. von 
der Sundaſee, getrennt im W. durch die Karimata- 
ftraße von Banka (Sumatra), im S. durch die 
Sundafee von Java, im O. durch die Sulufee 
u. Mankaſſarſtraße von Gelebes, im NO. durd 
die Dindorofee von den Philippinen; 748,690 Ikm 
(13,597 [_M), wovon 5000 km Küfte; obne be- 
fondere Buchtenentwidelung; bietet das Bild einer 
Gebirgsmafie, die, uriprünglich in einzelne Glieder 
u. Halbinjeln zerriffen, im Laufe der Zeit durch 
Meeresanihwenmungen abgerundet if. Dieſer 
jumpfige, ungefunde Alluvialboden, der Bis zu 75 
kın Breite die Inſel umgibt, erfchwert das Ein- 
dringen in das Innere bis zur Unmöglichkeit u. 
ift daher Grund der verbäfnigmäßig großen u., 
was das Innere der Inſel anbelangt, vollftändigen 


die in reicher Anzahl ftrömenden Flüffe: au der 
NWekifte allein 23 zur Schifffahrt geeignete, dar- 
unter der Saramal, Bedſchang, Brunai, an der 
DOfüfte der Berau u. Koti; nah S. fließen der 
Barito u. Kajan, nach W, der Kapuas u. Pontianal, 
der am weiteſten erforicht ift; außerdem erreichen 
unzählige Heinere, nod nicht mit dem Namen be» 
fannte das Meer. Bon Seen, deren mehrere die 
Inſel enthäft, ift der Sumba als der größte betannt, 
fonft no der Kiniballı im NO. zu nennen. Bon 
Gebirgen verlegt man im die Mitte der Jufel die 
Kette, der man den Namen Anga-Anga beilegt; 
befannter find ein Zweig im äußerjten NO. mit 
dem höchſten Berge B-8, Kiniballu 4100 m; das 
Krimbanggebirg im NW,, das nah O. laufende 
Safurugebirg u, die im ©. u. SW, ſich finden« 
den Katam« u. Lajang- Gruppen. Die Gebirge 
beftehen aus Granit, Glimmerſchiefer, Syenit u. 
Kalt. Das Klima ift an den Kiüften wol heiß, 
doch gemäßigter, al$ man nach der geographiichen 
Lage erwarten follte, u, mit Ausnahme einiger 
Küftenftrihe (f. 0.) nicht ungefund, die Nächte 
tühl u. Regen nicht ſelten. Bon unbeichreibiicher 
Uppigfeit ift, unter diefen Verhältniſſen leicht ber 
geeifich, die Vegetation der nel, die, joweit 
elfannt, den pradtvollitien Urwald und Feine 
Spur von Wüfte zeigt. Ungeheure Bäume, welche 
die verichiedenartigften Nughölzer darbieten, fin« 
den fih im emormer Anzahl auf dere ganzen 
Oberfläche; nicht geringer ift der Reichthum an 
nugbringenden Kräutern und Sträuchern. Für 
Eultivirung des Bodens ift vorläufig noch fait 
ar nichts geicheben; es bejchränfen ſich da— 
* die Handelsproducte der Inſel auf Gutta⸗— 
Percha, Kampher, Benzokharz, Sago, Palmzucker 
u. Rotangpalm-Stengel (das ſog. Kattan-Rohr). 
Die Einfuhr überftieg 1871 noch die Ausfuhr u. 
hatte einen Werth von etwa 8 Mill, M, während 
letztere 5 Mill. M betrug. Die Thiermwelt wird 
in reicher Anzahl vor Allem vertreten durch zahl« 
reihe Affenarten (Orang-ltang), Stachelſchwein, 
Dtter- u. Eihhörndhen-Arten u. zahlreiche Vögel; 
dagegen fehlen Löwe und Tiger, nur der Heine 
Yeopard vertritt das größere Katengeichlecht; Ele— 
fanten find feltener, zablreih dagegen Nashörner 
u. Büffel, ebenſo Krofodile, während die großen 
giftigen Schlangen fehlen; in großen Maſſen end» 
lich vertreten Bienen, deren Honig ftarf ausge- 
führt wird, u. ſchön gefärbte, eigenthümliche In— 
jectenarten. Ungemein reih auch ift B. an Mi— 
neralihägen u. theilmeife noch ganz unerichöpft. 
Fat alle Sröme fiihren Gold mit fih, Diaman- 
ten birgt der Diftrict von Yaudaf und Banjer- 
Mafing, Antimon die NWKüſte in Lagern von 
unerreichter Mächtigleit, Steinfoblenfelder durch— 
ziehen die Inſel von N. nah S.; außerdem fin« 
den fich vorzüglihes Eifen, Schwefel, Petroleum 
u. Steinfal. Die Bevölferung, auf 14 Dil. 
gejchätst, befteht aus mohammedaniſchen Malaien 
als berrichendem Volke, in eine Reihe von Staa— 
ten zeripalten, unter eigenen Fürſten (Sultan, 
Pangheran, Nadia), Dajak, wahriheinlih die 
Urbewohner, in mehrere Stämme, darunter bie 
Bart und Biadſchu, getheilt, und eingewanderten 


694 Borncofampbher 
Chineſen. Während die Letzteren hauptſächlich 
den Bergbau betreiben, nähren ſich die Dajal 
von Jagd u. Fiſcherei, theilweiſe au von Ader- 
bau; außerdem find fie als Seeräuber befannt u. 
gefürchtet. (Näb. ſ. Dajal.) Bon den einheimi« 
chen Reihen find die befannteften das Eultanat 
von Bruni, das von Seramal, die Halbinjel Ujang 
unter dem Sultan der Sulu⸗Inſein; die Englän- 
ber befisen die im N. von B. liegende Inſel Ya- 
buan (115 [ Jkm = wenig über 2 M, mit 4898 
Em.) u. eimen Theil von Seramwal; der weitaus 
größte Theil fteht unter der Herrſchaft der Nieder- 
länder. Dieſer, 516,156 [_/km umfallend, zer 
fällt in eine weftliche Abtheilung mit 365,798 Ew. 
u. eine öftliche mit 889,620 Em. (in beiden dar« 
unter gegen 1100 Europäer); in der meftlichen 
mit dem Hauptorte Pontianal u. der Stadt Sam 
bas find die Staaten Sambas, Mambawa, Sut- 
fadana, Matan, Panda, Sintang Blitang, Mon» 
trabo; im der öftlihen mit der Hauptftadt Banjer- 
Mafing das Reich dieſes Ramens, die Staaten 
Koti, Pafır, Bulongang, Sampit, Kutaringin, 
Tanablaut u. a. incorporirt. Das Ganze wird 
von zwei efidenten verwaltet, Denen mehrere 
Alfiftent-Mefidenten untergeben find. 

Geſchichte. Die erften Spuren von Gejchichte 
B-8 bietet das Eindringen der Malaien auf die 
Inſel im 15. Jahrh., welche, nachdem die N- 
u. Wüfte eine Zeit lang den mächtigen Fürften 
Javas untertbänig geweien war, ſich dort jelb- 
fländige Reiche gründeten u, die mohammedaniſche 
Neligion einführen. Im J. 1521 wurde die 
er von den Portugiejen, die nach Magelhaens' 
Tode von den Philippinen nah den Molukken 
fegelten, entdedt, blieb aber, da die Verſuche, u. 
0. von Vasco Yaurenz im J. 1527, Handelsver- 
bindungen anzufmipfen, jcheiterten, in der folgen- 
deu Zeit unberüdfichtigt. Im J. 1598 gründeten 
die Niederländer zu Banjer-Mafing eine Fac« 
torei, blieben aber auf den Handel beſchränkt; alle 
VBerfuche, ins innere zu dringen, wie des Mönches 
Aut. VBentimiglia 1687, mißlangen, Erſt 1785 
dehnten fie ihre Herrichaft über einen Theil des 
dortigen Zultanats aus, weldes fie dann in die- 
ſem Jahrhundert Durch Eroberungen u. freiwillige 
Berzichtleiftung der Sultane zu der jegigen Aus- 
dehnung gebracht haben. Die Herrſchaft ift theil- 
weiſe nur nominell, theilweife mittelbar durch die 
Oberherrichaft über die einheimiſchen Fürſten; 
zahlreiche kleine Expeditionen u. kriegeriſche Un— 
ternehmungen haben dabei nicht gefehlt. Die 
Engländer ſuchten mehrmals, jedoch ohne Erfolg, 
ſich feſtzuſetzen, bis ihnen der Sultan von Bruni 
1846 die Inſel Labuan (ſ. d.) im N. abtrat. 
Eigenthümlich iſt die Beſitzergreiſung eines eng- 
liſchen Privatmannes, James Brooke, der von dem 
Sultan von Serawal zum Dante für geleifteten 
Beiftand einen Yanditrih am Gap Datu an, der 
NKüfte erhielt, welchen er durch zweckmäßige Ber- 
mwaltung u, Bertreibung der Seeräuber in geord» 
nete Berhältniffe brachte u. bis zu feinem Tode 
als jouveräner Fürſt (Nadia), bei den Einge— 
borenen unbedingten Gehorjam u. Verehrung fin- 
dend, regierte. (Näheres j. Serawal u. Broofe.) 
Über B. vgl. außer den Werten über den Indi— 
ihen Archipel: Belcher, Narrative of the voyage 


— Bornholm. 


of the Samarang employed surveying the is- 
lands of the Eastern Hemisphere, Yond. 1847; 
Broofe, The expedition of Borneo ete., Lond. 
1847; Mundy, Brooke-Narrative etc., 2 Bde., 
Fond. 1848, und die Auffäge von Spencer St. 
John u. Eramfurd in dem Londoner Geographi- 
ihen Journal, Bd. 31 u. 28. Tbielemann. 

Borneofampher (Borneol, Barostampher), 
j. Kampher. 

Bornhaufer, Thomas, ſchweiz. Patriot, geb. 
26. Mai 1799 zu Weinfelden im Kant. Thurgau; 
war erft Lehrer in Weinfelden, feit 1824 protejtan- 
tiiher Pfarrer in Masingen, feit 1831 in Arbon 
am Bodenſee; nebft Keller wurde er der eigentliche 
Schöpfer der neuen Berfaffung in Thurgau vom 
3%. 1831; als Mitglied des Großen Rathes ſetzte 
er es 1835 durch, daß die Kloftergüter unter die 
Verwaltung des Staates kamen; er fi. 9. März 
1856 als Sfarrer zu Mühlheim. Er fchr.: Über 
Thurgans bürgerliche Verfaſſung n. Schulweſen; 
Sammlımg der Berfafiungen der Kantone ber 
ſchweizeriſchen Eidgenofjenichaft, Thurgau 1833; 
Schweizerbart u. Treuberz (zur ſchweiz. Bundes- 
revifion), St. Ballen 1834; die Trauerjpiele: Hans 
Waldmann u. Gemma von Art, ebd. 1829; Lieder, 
ebd. 1832; die hiftoriihen Romane: Ida v. Tog- 
genburg, Schwäb.-Hall 1840, u. Herzog Johann, 
St. Gallen 1846; die epiichen Gedichte: Heinz 
p. Stein, Zürich 1836, u. Rudolf v. Werdenberg, 
Frauenfeld 1853. Henne-Am Rhyn.* 

Bornheim, 1) Dorf im preuß. Regbez. 
Wiesbaden, Kreis u. bei Frankfurt a. M., Eifen- 
babnftation; Fabrilation in Strobhüten, Bürjten, 
Gartonarbeuten, Zuder; Obft- u. Gartenbau; Ber- 
art wel für Frankfurt; 6397 Ew. Auf der 

.er Heide 18. Sept. 1848 Ermordung ber 
Neichstagsabgeorbneten von Auerswald u. Fürſt 
Lichnowsti. 2) (Bornbem) Dorf n. Schloß im 
Bezirte Mecheln der belgiſchen Provinz Antwerpen, 
ummeit ber Schelde, Fayencefabril, Baummollen- 
weberei, Seife, Branntwein; 4800 Ew. B. wurde 
1658 vom König Philipp IV. von Spanien zur 
Grafſchaft erhoben. 

Bornholm, däniſches Amt und 583 [Ikm 
(108 IM) große Oſtſee-Inſel im Stifte Seeland; 
1870: 81,894 Ew., welde die dän. Sprade mit 
ſchwediſchem Accent reden. Die Juſel befteht aus 
Granitgneis, einer fryftalliniich-lörnigen, dem fkan« 
dinaviſchen Norden eigenthümlichen Bergart u. hat 
ichroffe Ufer, die in NO, ſenkrecht abfallen. Die 
größte Länge der Inſel von N. nah ©. beträgt 
37 km, die größte Breite von O. nah W. 28, km. 
Längs der Mitte der Inſel läuft ein wellenförmt- 
ger, von Waldwuchs u. Pflanzungen unterbroche- 
ner, 84 m hoher Heiberüden, Höilyngen (Hod- 
beide) genannt, der von tiefen Klüften durchichnit- 
ten if. Der höchſte Punkt deffelben ift der über 
155 m bobe Wytterfnägten. An der wejtlichen 
Seite diefes Heiderlidens bietet das Domänenge- 
hölz Almindingen einen reizenden Bergnügungs- 
ort der Bornholmer. Die N Seite von B, bildet 
ein 97,, m hoher Granitfelfen mit dem Yeucht» 
thurm in den Ruinen des Schloffes Hammershuus, 
wo Graf Ulfeld u. feine fönigl. Gemahlin Ehriftine 
Eleonore lange gefangen gehalten wurden. Stein- 
brüche an der WSeite u, Kohlenbrüche beſchäftigen 


Bornhöved 


viele Arbeiter, während ftets abmwechlelnde Boden» 
beihaffenheit überall woblhabende Landbewohner 
ernährt. Hauptftabt der Inſel ift Rönne. Nord» 
wärts u. 15 km von B. liegen drei Heine Inſeln: 
Ehriftiansde mit Hafen, Leuchtthurm u. Schloß, 
das als Staatsgefängnig dient, Frederilsöe und 
Grasholm, letztere unbewohnt. ®. heißt bei Saro 
Grammaticus Berongia, jpäter auch Burgundar- 

olm. Bon 870— 900 hatte B. einen eigenen 

ürften; dann gehörte e3 den Dänen. Es war im 

ittelalter u, neuerer Zeit ein von Schweden ır. 
dem Hanfebunde eifrig begehrter Befig, der den 
Lübeckern fogar einmal auf 50 Jahre fiberlaffen 
werden u. 1658 an ben @roberer Karl X. von 
Schweden abgetreten werden mußte; allein die 
tapferen a unter ihren Anführern Jens 
Kofod u. dem Prediger Baul Anter tödteten die 
ſchwediſche Beſatzung u. erflärten ſich als anf ewig 
zu Dänemark gehörend. Wegen diefes muthigen 
Benehmens ift die Inſel mit ungewöhnlichen Com- 
munalfreiheiten belehnt, die bis auf den heutigen 


— Bornu. 695 

Borniren (v. Fr.), beicränten, begrenzen; 
daher bornirt, beichränft, albern. 

Bornitedt, Adalbert v. B., Publicift u. Re— 
dolutionär, geb. um 1808; betheiligte fih als 
preußifcher Offizier an der politifhen Bewegung 
1831 u. mußte deshalb Preußen verlafen, ging 
nah Algier, diente dafelbft eine Zeit lang in der 
Fremdenlegion u. wendete fi dann nach Paris, 
wo er die politiichen n. literariſchen Salons fre- 
quentirte, Infolge der Amneftie kehrte er 1840 
nah Berlin zurid, ging aber bald wieder nad) 
Paris. Im Februar 1845 ausgewiefen, lebte er 
als Redacteur der Brüffeler Deutihen Zeitung bis 
zur Februarrevolution 1848 in Brüffel, worauf 
er nah Paris zurücklehrte. Hier bildete er die 
Deutſche Demokratiſche Legion zur Republifanifir 
ung Deutfhlands u, führte diefelbe mit Herwegh 
24. April 1848 über den Rhein nah Baden, 
wurde am 27. April bei Doffenbah von den 
Württembergern gefchlagen, gefangen u. 1849 zu 
1 Fahre Einzelhaft verurtheilt; kurz darauf beim 


Tag fortbeftehen. Dahin gehört auch die Befrei-|Ausbruche des Maiaufftandes in Baden befreit, 
ung von der allgemeinen Wehrpflicht, während die/fonnte er fich aber wegen eingetretener Geiſtes— 
Bornholmer die Bertheidigung ihrer Inſel felbft/ftörung nit an den Ereigniffen betheiligen und 


übernommen haben u, eine Bewaffnung von allen 
Truppenarten unter felbftgewäblten Offizieren bil- 
den, deren Übungen nur von einem königl. Com» 
mandanten überwacht werden. In neueſter Zeit 
iſt die Inſel B. mit den nördl. davorliegenden 
drei Felſeninſelchen, Ertholmene genannt, ein eife 
riges Begehren Rußlands gemwefen, das zu diplo- 
matiſchen Negociationen führte, die aber von Eng— 
laud bintertrieben wurden, Jenſfen⸗ Tuſch. 
Bornhöved, d. i. der Brunnen Haupt, in älte- 
rer Zeit Suentinefeld, uraltes Dorf im Kreife Se- 
geberg der prenß. Provinz Schleswig-Holftein, mit 
einer der äftejten Kirchen des Landes; 600 Em. 
gie hielten ebedem die holfteiniihen Stände ihre 
erfjammlungen unter freiem Himmel. Auf der 
fübl, von B. ſich erftredenden Segeberger Heide 
22. Zuli 1227 Sieg des Grafen Adolf IV. von 
Schaumburg über den Dänentönig Waldemar II., 
wodurch Lebterer alles Land ſüdl. von der Eider ver- 
lor. Am 10. Dec. 1813 war in B. ein beftiges Treffen 
zwiihe dem 15,000 M, ftarfen däniſchen Hilfs- 
corps Napoleons I. u. den alliirten ruff.-deutich- 
ſchwed. Truppen unter dem Marichall Bernadotte. 
Bornier, Henri Bicomte de, franz. Dichter, 
geb. 25. Dec. 1825 zu Yunel (Herauft); ftudirte 
1845 die Rechte in Paris. Seine erjten Gedichte, 
Les premieres feuilles, 1845, u. ein Schaujpiel: 
Le mariage de Luther, gefielen dem Publicum, 
u. der Uinterrichtsminifter Salvandy ernannte ihn 
zum Supernumerar an der Bibliothef des Arſe— 
nals; fpäter wurde er dajelbft Bibliothelar. Dan 
bat von ihm verjchiedene Dramen: Dante et Bea- 
trice; Le monde renverse, Luftipiel; die preisge- 
frönten Gedichte: L’Isthme de Suez, 1861; La 
France dans l’extröme Orient, 1863, u. ein 
Eloge de Chateaubriand, 1864; die Gedichte: 
La guerre d’Orient, 1858, u. La Seur de cha- 
rite au dix-neuri&me sieele, 1859; das Luftfpiel: 
La cage du lion; den Roman: Le fils de la 
terre, 1864; die Tragödie: Agamemnon, 1868; 
nebjt vielen Novellen, literarifchen Artikeln u. Ge— 
dichten. Volchert. 


wurde nad Illenau gebracht, wo er 21. Sept. 
1851 ftarb. Er ſchr.: Reife von London in die 
Schweiz, Berl. 1834; Parifer Silhouetten, Peipz. 
1836, 2 Bde. f.; Hautreliefs der Gegenwart, ebd. 
1838; Basreliefs, 2 Thle., Frantf. 1838; auch 
war er Herausgeber der Pariſer Deutichen Zeitung. 

Bornu (Burnu, Bernu, Barnu), Weich im 
Innern Arilas, in OSudan; 133,250 (km 
(2420 [ IM); grenzt im D. an den Tiad- 
See u. mit dem Fluſſe Schari an Baghirmi, im 
S. an Mandora u. Adamaua, im ® an die 
kleineren yellata- Reihe u. an Hauffa, im N. an 
die Sahara, im NO. an Kanem. Manche Länder 
find von B. mehr oder weniger abhängig, wie 
Baghirmi, Mandara u. a. Das Land ıft meift 
eben. Seine Gewäſſer find der Tſad-See u. 
defien Hauptzufluß Komäbugu oder Yeou. Das 
Klima ift fehr heiß, die Hige felbft nachts drückend 
(35°); die Terhperatur im Winter 12°; die We: 
witter fehr heftig. Am Komädugu liegen fruchte 
bare u. Schöne Waldlandichaften; das ilbrige Yand 
ift Savanne mit fpärlich verftreuten dornigen Bäu— 
men, In der trodenen Jahreszeit fteht Alles 
diler. Die füdlichen Landichaften find hügelig, 
reih an Wald u. Nutbäumen. Man baut Mais, 
Hirſe, Baummolle, Indigo, Reis, Melonen xc.; 
außerdem findet man Alazien, Palmen, Tamarin- 
den, Kautſchuk liefernde Fıcus, an Thieren 
Rinder, beſ. Büffel, Antilopen, Giraffen, Elefan- 
ten, Löwen. Die Mostitos find eine arge Plage. 
Die Bevölkerung, etwa 5 Mill., gehört größ- 
tentheils der Negerrace an; fo bef. das Berrichende 
Volk der Kanuri od. Kanori, —— u. ſchön 
gewachſen, aber im Geſichte abjchredend häßlich, 
träge u. unreinlich. Die Religion iſt der Is— 
lam, dem die Bewohner fanatiih ergeben find. 
Außer den Negern wohnen auch zahlreiche noma- 
dische Araber (Schua) im Lande. Die Nahrung 
der Bevölkerung befteht aus Mid, Erbnüffen, 
Bohnen, einer Art Pflaumen und Palmfrüchten. 
Der Gemwerbfleiß ift gering; in den Handel 
tommen Hemden (Toben), Rohrmatten, Getreide, 


696 


Leder, Perlen, Vieh, Sflaven u. ſ. w. 8, bildet 
mit der Hauptftadt Kufa od. Kufaua (j. d.) einen 
despotiihen Staat. Das Bolt ijt kriegeriſch, ftellt 
30,000 Neiter, von denen ein Theil wattirte Pan— 


Bornu-Spradie — Borowéek. 


Boronatrocaleit (Tiza), Mineral, welches 
jeine blütbig gruppirte Nadeln von weiß-grauer 
‚Farbe u. ſtarkem Seidenglange bildet; Härte — 2; 
ipec. Gewicht — 1,,; 'hmilzt vor dem Löthrohre 


zerbemden, Keitenpanzer und Helme mit Federn ſehr leicht umd wird durh Säuren unter Yer- 


trägt, halbgepanzerte Pferde reitet, die leichten 
Reiter drei bunte Hemden und eine Müte, die 
auf hageren Pferden reitenden Schua leichte Klei- 
der u. eine Hand voll Speere tragen. — Fri« 
ber gehörte B. zum großen Reiche Kanem, erft 
K. Alı Dunamami (1472—1505) gründete bier 
ein Selbftändiges, großes Reich, das ſeit 1506 
Kanen wieder umfaßte, Durch den energiiden K. 
Edris Alaoma (1571—1603) weit nad) S. u. NW. 
ausgedehnt wurde, aber 1808 ben Fellata erlag. 
Mohammed el Amin el Kanemi befreite es, u. fein 
Sohn Omar gründete 1846 die regierende Dy- 
najtie und nahm die fein Land erforichenden 
Reiſenden Bartb, Vogel, Beurmann, Rohlfs und 
A. gut auf, daher ihm Kaiſer Wilhelm durch den 
Reiienden Nachtigal 1870 Geſchenke fandte, Die 
nördl, Provinzen werden oft von den Tuareg 
verwüſtet, die nordweſtlichen machten fich zum 
Theil frei, ebenjo wie im ©. die fchmubig- 
ſchwarzen Mußgu, die ſchönen Zuburi, die nadten 
Morgbi u. A &. Körner. 

Bornu-Spradse, |. Kanıri. 

Borny, Dorf, öftlih von Metz. Hier 14. Aug. 
1870 Schlacht (von den Franzoſen Schladht von 
Eourcelleg genannt, Das 1. und 7. preuß. 
Armeecorps, Theile der 18. Divifion und die 
1. u. 3. Gavalerie-Divifion lämpften gegen die 
franzöf. Corps Decaen u. Yadmirault. Die Schadt 
begann zwiſchen Coincy u. Colombey, blieb im 
Ganzen unentſchieden, hatte aber für die Deutichen 
den großen Erfolg, daß der Abmarſch der franz. 
Rhein-⸗Armee nah Ehalons durch diejelbe um 


jegung aufgelöft. Der B. beftebt aus Borfäure, 
Kalk, Natron u, Wafler (etwa 44 pCt. Borjäure). 
Bis jet fennt man ihm nur aus Thonlagern von 
Jquique (Wüſte Atacama) u. von Windſor (Schott- 
land). Wahrſcheinlich identisch mit ihm ift der 
Borocalcit, dem nad einer älteren Analyſe 
das Natron fehlen fol. Seine Anwendung ſ. u. 
Borjäurejfalze. 

Boros Jenö, jleden im ungar. Comitat 
Arad, am Weißen Körös; chemals befejtigte Stadt; 
Heilquelle; Weinbau; 4430 Em. 

Boröta, ſ. u. Dolichos. 

Borough, 1) uriprünglich gleichbedeutend mit 
dem deutfhen Worte Burg, einen gegen feindliche 
Angriffe geihügten Ort bezeichnend; wurde in 
England fpäter 2) die Benennung eines jeben 
Gemeimdeweiens, welches dur Kauf, Schenkung 
u. ſ. mw. ftäbtifche Geredtiame vom König er» 
halten hatte. Gleich den Cities (größeren Städten) 
fanden die B⸗s unmittelbar unter der Ober 
boheit der Krone u. hatten diefer allein Abgaben 
u, fonftige Unterthanenpflichten zu leiften. Zu 
den Rechten u. Pflichten eines B. gehörte auch 
die Sendung von Abgeordneten zu den vom Kö— 
nig berufenen Ständeverfammlungen, jpäter zum 
Parlament. Im Laufe der Zeit entjtand daraus 
ein großer Mißftand, indem viele der alten B=$ 
veröbeten (Rotten boroughs), während andere Orte 
zu volfreihen Städten wurden, ohne des Rechtes, 
einen Deputirten zu wählen, theilhaftig zu jeim, 
jo Birmingham, Mancheſter u. a. Dur die 
Neformbill von 1832 wurde das Übel dadurch 


2 Tage verzögert wurde, infolge deffen es durch/gemildert, daß man menigitens den am ärgſten 


die Schladten bei Mars-la-Tour u. Gravelotie 
gelang, die Armee Bazaines in Met zu cerniren, 
(S. Deutſch⸗Franz. Krieg von 1870,71.) 
Boro:-Budor, Nuinen eines Ortes in der 
Provinz Kadu im Innern Javas; darunter bei. 
die Huinen eines buddhiftifchen Tempels in 
Poramidenforin, etwa 34m hoch. Diejer Tempel 
fteigt in 6 Abfägen terraffenförmig empor; jede 


verfommenen B-$ das Wahlrecht nahm u. es den 
aufgeblühten größeren Städten übertrug. ne 
defien behielten die alten Wahlorte ihre ebemalige 
Diunicipalverfaffung bei, weshalb fie zum Unter« 
ſchiede von den mwahlberechtigten B-$ (Parlamen- 
tary boroughs) Munieipal boroughs genannt 
wurden, Jın Allgemeinen ijt jett B. 3) jeder 
Ort, abgefehen von feiner Größe u. Einmohner- 


Zerraffe ift mit Nifchen verfehen, welche, ſowie zahl, welcher einen oder mehrere Abgeordnete ins 


das obere Plateau, mit Dageps u. anderen fon» 
bolijhen Figuren des Buddhismus verjeben find. 
Über 2000 zierlihe und vortreiflich gearbeitete 
Basreliefs bededen die Wände. Bgl. Eramford, 
On the ruins of B. in den Transactions of the 
Society of Bombay, Yond. 1823. 

Borodino, Wiarrdorf des Kreifes Moshäist 
im ruf. Gouv. Mostwa (Mostau); bekannt durch 
die blutige Schlaht am 7. und 8. Sept. 1812 
zwiihen den Auffen (129,000 Mann unter Kur 
tufow u. den Franzoſen (128,000 Mann ımter 
Napoleon), welche nach zehnftündigem hartnädigem 
Kampfe mit dem Rüdzuge der erfteren endete u. 
den Verluſt von Moskau zur Folge hatte; von 
den Ruſſen als der Anfangspuntt der großen 
franzöfiihen Niederlage von 1812 betrachtet, wes⸗ 
halb der Kaiſer Nikolaus I. auf dem Schlacht- 
felde ein Denkmal errichten lieh. 

Böron, jo v, w. Bor. 


“ 


Unterhaus fende. 4) (Royal boroughs) Im 
bentigen Schottland eine Corporation, welcher 
durch Königlichen Freibrief (Royal Charter) be- 
jondere Handelsprivilegien u. das Recht verlieben 
worden ift, Beauftragte (Commissioners) vor das 
Parlament zu jchiden. 

Boromiticdi, Kreisftadt im ruf. Gouv. Noms 
gorod, an der durch Ktalfiteinlager bier bindurd 
brechenden u, viele Stromjchnellen bildenden Mſta 
u, einer Zweigbahn der St.- Petersburg Moskauer 
Linie; mehrere Fabriken; lebhafter Handel, 3 Jahr⸗ 
märfte, Kallſteinbrüche; 8648 Em. 

Borowsk, Kreisftabt des ruf. Gouv. Kaluga, 
an beiden Ufern der Protwa; 12 (darumter jehr 
alte) Kirchen u. Kapellen; viele Fabriken (na» 
mentlich für Seeuß); viele Gemuͤſe u. Frucht⸗ 
gärten; 9491 Em. 2 km von bier liegt das 
Klofter Pawnutijew, gegründet 1444, mit 5 Kirchen 
u. bedeutenden Schäten. 


Borowsfi — Borrichius, 697 

Borowski, Ludwig Ernft v., geb. 1740 zu|wie diefe angewendet werden; außerdem werden 
Königsberg; wurde 1762 Feldprediger, dann Pfarrer ſie gegen Scleimflüffe der Geichlechtstheile ge— 
in Schaafen, jpäter in Königsberg, 1793 Kirchen: rühmt, wie auch die Wurzel. von B. Perottetii DC., 
u. Schulvath dajelbit, 1809 Oberconfiftorialrath, aus Guiana. B. verticillata Meyer (Sperma- 
1812 Generalfuperintendent, 1816 Biſchof von|coce vertieillata L., Bigelovia vert. Spr.), in 
Preußen, 1829 proteftantifcher Bischof; er ſtarb Jamaica; ift die Stammpflanze der innerlich veil- 


1831. 


riedrih Wilhelm III. ertheilt. Er 


vom König 
doſes Mendelsjohn u, Kypfes Aufe 


fhr. u. a: 


] Der Titel Bischof wurde ihm u, Sad|henblauen, fcharfen u. bitteren, gegen Schlein- 
in Berlin zuerft als befondere Auszeihnung und|flüffe mit Nugen angemwendeten 
zur Erhöhung des Anfehens der Evangel. Kirche |mwurzel von Jamaica. 


pecacuanha⸗ 
Engler, 


orretidj, j. Borrago, 
Borri (Borro, Burrhus, Burrhi), berüchtigter 


fäte über jüdiſche Gebete, Königsb. 1791; Über) Abenteurer u. Schwindler, geb. zu Mailand 1627; 


Geift u. Stil Luthers, ebd. 1798; liber Kant, 
ebd. 1804; Reden u. Predigten, ebd. 1833. 

Borragineae (Bot.), nah Eindl., Rehb. u. A. 
Unterfamilie der Ajperifolien (Asperifoliaceae, f.d.), 
Scharf- oder Rauhblätterigen, 

Borrago L., Pflanzengattung aus der Familie 
der Afperifolien u. der Unterfam. der Borragineen 
(V.1); Blumenfrone radförmig, mit 5ipaltigem 
Saume, am Schlunde mit kurzen, ftumpfen, aus— 
gerandeten, kahlen Hohlſchuppen, mit fünf unter 
der Spite mit einem länglihen Anhängſel ver- 
jehenen Staubblättern, tegelförmigen, zuſammen— 
neigenden Staubbeuteln u. einer im vier ungleich 
feitige Klaufen getheilten Frucht. Art: Borretich, 
Gurkenkraut (B. offieinalis ZL.), mit didem, 
aufrechtem, fteifhaarigem Stengel, länglich-langett- 
lichen, in den Blattjtiel verfchmälerten, runzeligen 
Blättern, melde gurfenartig jchmeden und als 
Salat genoffen werden, mit großen, hinmmeiblauen, 
jeltener rofafarbenen, in lodere Widel geftellten 
Blüthen, deren linealiſche Kelchabſchnitte bei der 
Fructreife zufammenneigen und deren Blumen- 
fronenzipfel eiförmig, zugefpigt u. flach find; in 
SDEuropa einbeimmich, öfters in Gärten cultivirt 
u. nicht felten in denjelben oder deren Nähe ver- 
wildernd. Die Pilanze gedeiht leicht in gemwühn- 
lihem Gartenboden, wird zeitig im Frühjahre ge- 
fäet, geht gewöhnlih auch von felbft auf, wo fie 
einmal geftanden. Anfangs benutt man die Dicht- 
ftehenden kleinen Pflanzen, fpäter die ausgewach— 
jenen Blätter wegen ihres erfriichenden, gurfen- 
artigen Geſchmackes als Zuthat zum Salat. We- 
gen ihres reichen Gehaltes an falpeterfaurem Kalı 
wurde die Pflanze früher zur Bereitung eines 
fchleimig füblenden, erweihenden Heilmittel gegen 
Entzündungen verwendet. Die Blumen färben 
Eifig Hlau und geben mit Weingeift eine jchöne 
blaue Ladfarbe. Die früher zu B. gerechneten 
Arten werden jegt meift in andere Gattungen ver 
theilt. gler. 

Borreria Meyer, Pflanzengatt. aus der Fam. 
der Rubiaceae-Spermacoceae, Kräuter oder Sarh- 
ſträucher aus S- u. Lentral-Amerila, mit gegen: 
ftändigen Blättern u. feheidenartigen, vielfach ge- 
franzten Nebenblättern, zahlreichen feinen, weißen 
oder bläulihen, zujammengedrängten Blüthen, 
deren Kelch eine eifürmige Röhre beſitzt, u. deren 
Blumenkrone frug- oder trichterförmig ift, mit 
vierfpaltigem Saumte; die Frucht ift eine 2fäche- 
tige, vom Kelchſaume gefrönte, wandfpaltig aufe 
fpringende Kapjel mit einfamigen Fächern. Ars 
ten: B. poaya DC. und B. ferruginea DC., in 
Brafilien; befigen dünne, roftfarbige Wurzeln, 
welde der Fpecacuanhamurzel ähnlih find u. 


ftudirte im Jeſuitencollegium zu Rom. Er trieb 
Alchemie u. gab vor, Offenbarungen zuhaben, durch 
die er berufen fei, eine einige Kirche herzuitellen. 
Den Papjt müfje man tödten, mwernı er ſich dem 
widerſetze. Bon der Inquiſition verjagt, trieb ſich 
B. in mehreren Yändern als Geldmader und 
Wunderdoctor herum u. lodte u. a. dem König 
Friedrich III. von Dänemark viel Geld ab. Auf 
einer Reiſe in die Türkei 1670 ließ ihn Kaifer 
Leopold I. verhaften und lieferte ihn dem Papfte 
aus, unter der Bedingung, daß er nicht am Peben 
geftraft werde. Er ft. 1695 im Gefängniffe auf 
der Engelsburg in Rom. Löffler. 
Borrichius, Olaus (eigentl, Olaf Claudius), 
einer der am vielfeitigften gebildeten Männer, die 
je gelebt haben, fo daß ihn feine Zeitgenoſſen im 
Beige des Gteines der Weifen glaubten, geb. 
7. April 1626 zu Synder-Bordh in Jütland; ftu- 
dirte jeit 1644 im Kopenhagen Philologie, Philo- 
fophie, Mebdicin u. Chemie, übernahm 1650 eine 
Lehrerftelle an der Schule zu Kopenhagen, erhielt 
als Anerfennung für feine trefflihe Verwaltung 
derſelben eine Chorherrnitelle in Yunden, jchlug 
aber das Nectorat in Herlomw 1654 aus, um be» 
jonders Medicin ftudiren und eine große Weife 
machen zu können, Aber der Ausbruch der Peſt 
in Kopenhagen, jowie eine Berufung als Erzier 
her im Haufe des Minifters Gerftorf hielten ihn 
von letzterer zurüd. In den SKriegsjahren 1658 
bis 1659 zeigte er ſich auch als treiflicher Soldat 
u. wurde zum Anführer der Alademifer gewäblt. 
1660 erhielt er die Profeſſur für Philojopbie, 
Chemie und Botanif, die er jedoch erft 1666 an— 
trat, nachdem er England, Holland, Frankreich, 
Italien u. Deutfchland bereift u, in Angers pro» 
movirt hatte. Nach feiner Rückkunft befam er die 
Profeffur für Medicin u. die Stelle als Königl. 
Yeibarzt, 1689 die eines Aſſeſſors des höchſten 
Gerichtes, des Confiftoriums u. der Kanzlei. Er 
ftarb 3. Oct. 1690 au den Folgen einer Blaſen— 
jteinoperation. B. war al$ Arzt den Chemia— 
trifern zugehörig, voll praftiicher Kenntniſſe, Ein— 
führer des Isländiſchen Mooſes in den Heilſchatz; 
als Chemiker tüchtig im Yaboratorium u. wohl 
bewandert in der Geichichte der Chemie (Diss. 
de ortu et progressu chemiae, Kopenh. 1666; 
Conspectus scriptorum chemicorum ete., mit 
eigener Lebensgeſchichte, ebd. 1697), natürlich der 
Zeit gemäß auch Alchemiſt (Cabala characteralis, 
Kopenhagen 1649); als Philolog befannt durch 
feine: Diss. de causis diversitatis linguarum, 
ebd. 1675; Cogitationes de variis latinae lin- 
uae aetatibus, ebd. 1675; Diss. philologica 
e quantitate penultimae denominativorum in 


698 


inus et verbalium in icus, ebd. 1682; De anti-/vom König zum Präfidenten des Stabtratbes er- 
quae urbis Romae facie diss. compend., u. De nanut, welcher Stellung das Jahr 1866 ein Ende 
urbis Romae primordiis, ebd. 1675; Brevis con- madte. Seit 1867 ift B. Mitglied des Preuß 
spectus scriptorum latinae linguae praestantio- | Herrenhaufes auf Yebenszeit, wo er die Provinz 
rum, ebd. 1678. Auch als Sihten bat er ſich annover möglichſt vor der Einführung preußiiche 
mehrfach bervorgetban: Parnassus in nuce, ebd. Einrichtungen zu bewahren bemüht if. Bauer. 

1654; Arctos pullata ete. u. respirans, ebd. 1670) Borromeifche Inſeln, Gruppe von 6 felfigen 
u. 1671; feine Gedichte find gefammelt in: Roſt- Inſeln im Yago-Maggiore, zur italien. Provin 
aards Deliciae quorundam po&tarum danorum, Pallanza gehörig. Bon Natur kahl u. umfrudh: 
'enden 1693. Ebenſo find feine meift medici-|bar, wurden fie 1671 durch Renato u. Pitaliano 
nischen Differtationen und Reden, geſammelt in!Borromeo, nad denen fie auch benannt find, zu 
2 Bon., in Kopenhagen 1715 erſchienen, zugleich einem Inſelparadieſe wmgeichaffen, inden fie 
feine Febensbeichreibung enthalteud. Bon feinen‘ zruchterde herbeiſchaffen umd bie Terraſſen auf 
grögeren Werten ſeien noch erwähnt: Deusingius führen ließen. Die 2 größten heißen Iſola bella 
heautontimorumenos, Kopenhagen 1661; Linguae (oder Pitaliana), mit Palaft, ſchönen Gärten, 
pharmacopdorum , Kopenb. 1670; Docimastice|Grotten, Fiſcherhütten u. Hötel, u. Jfola madre 


Borrie8 — Borromeo, 


metallica, ebd. 1677. 
mögen (75,000 Thlr. baar) beſtimmte er theil- 
weile zu eimer noch beftehenden milden Stiftung, 
dem oltegium medieum in Kopenhagen, aus 
der 16 Studenten frei erhalten werden, Thamhaym. 


Borries, Wilhelm Friedrih Otto, Graf 


von B., hannop. Staatsmann, aus einer alten 
Batricierfamilie der Stadt Minden ftammend, die 
fih im Anfange des 18. Jahrh. auf Hormaburg tm 
Hannoveriihen anfälftg machte u. 1733 vom Kaijer 
Karl VI. den Adelstitel erhielt, geb. 30. Juli 
1802 zu Dorum, wo fein Vater Bogt war; ftu- 
dirte in Göttingen die Rechte und ward zulett 
Mitglied des Hofgerichtes in Stade. Wegen jeines 
Talents zur Berwaltung ward ihm die Land» 
droftei Stade übertragen, u. er jaß 1848 in der 
Erften Kammer, Nah dem Tode des Königs 
Auguft ward er als Minifter des Innern in das 
neue Gabinet Schele vom 22. Nov. 1851 berufen 
u. leitete im demfelben die MNeaction gegen die 
Neform des Jahres 1848, die jedoch durch feine 
Entlaffung am 10. April 1852 noch gerettet wurde. 
Nachdem aber der Bundesbeihlug vom 10. April 
1855 die Einmiſchung des Bundestages in die 
inneren Yandesangelegenbeiten begonnen hatte, 
verkündete B., zum Minifter der Fufiz und des 
Innern ernannt, die Kammerauflöjung 31. Juli 
u, ftellte durch die Octroyirung vom 1. Aug. 1855 
die alte Adelstammter wieder A Sein bureau- 
tratiiches Regiment war aber durch die deutiche 
Nationalbewegung, gegen die er nad einer un— 
bedachten Außerung jogar auswärtige Hilfe nicht 
verſchmäht baben würde, gemaltig erjchüttert. 
Nachdem er vom König 1861 in den Grafenftand 
erhoben war, fiel er endlich durch die Octroyirung 
eines neuen Katechismus, durch welchen die Re— 
gierung, zum Theil gesen feine Warnung, das 
tirhlihe Leben mit Gewalt wieder in alte For— 
men zurüdfübhren wollte, u. durch die lebhafte Er» 
bebung der Bürgerichaft für den Archidiaconus 
Baurſchmidt in Lüchow, der gegen das neue Lehr⸗ 
buch eine Brojchüre veröffentlicht hatte. Er ſelbſt 
meigerte fi), in der brennend gewordenen Kirchen- 
frage einen Rath abzugeben, und ward mit den 
Zeichen der Ungnade Auguft 1862 entlafjen und 
zugleih von der Hegierung die zwangsweiſe Ein- 
führung des Katechismus aufgegeben. Er lebte 
dann zunächſt auf feinem Gute Hedendorf, wurde 


1863 wieder in die Erfte Kammer gewählt und! geiprocyen. 
1865 iſt feine Bildſäule aufgeftellt. 


bei der Minifterveränderung Ocitober 


Sein anjehnliches Ver⸗ 


(oder Renata), mit Palaſt u. üppigen Bauman- 
lagen. Auf der Iſola dei Piscatorr wohnt eine 
‚siihergemeinde von 350 Berjonen; die übrigen 
find: Jſola fuperiore, Iſola di S. Giovanni und 
©. Michele. Sie find mit Morten, Lorbeeren, 
Kaftanien u. Orangerie bepflanzt und gewähren 
einen reizenden Aufenthalt u. ſchöne Ausficht anf 
die Alpen, find jedod zum Theil, wie Iſola bella, 
um franzöfiihen Gartengefhmad überladen. 
Borromeo (Borromäus), alte (feit 1370) gräf- 
liche Familie im Herzogthum Mailand; befigt 
Yändereien um den Yago-Maggiore u. viele andere 
Güter in Ntalien. 1) Carlo, der Heilige, Sobn 
von Gilbert B. n. der Margaretha v. Medici, 
geb. 2. Oct. 1538 zu Arona; wurde 1550 Gom- 
mendatuvabt, ftudirte 1554—59 in Bavia u. wurde 
1560 unter Papſt Pius IV., feinem mütterlichen 
Obeim, apoftoliicher Protonotar, dann Neierendar 
beider Signaturen, jpäter Gardinal u. Erzbiichof 
von Mailand, Legat, über die Homagna, Marl 
Ancona u. Bologna, Protector von Portugal, den 
Niederlanden u. der Schweiz, ſowie der Francis— 
caner, Karmeliter, Humiliaten u. Malteier und 
päpſtlicher Großpönitentiar. Er betrieb den Schiuf 
des Concils zu Trient und deren heilſame Re— 
forımationsdecrete, betheiligte fib 1564 an ber 
Nedaction des C'atechismus romanus und hielt 
zur Vollziehung der Trienter Beichlüfle 1565 feine 
erfte Synode in Mailand. Nah Pius’ IV. Tode 
1566 feiner römifhen Amter entledigt, blieb er 
auf feinem Erzbisthum Mailand, verbefferte die 
Klöfter u. Schulen, übergab den Barnabiten und 
den von ihm gejtifteten Dblaten des St. Am- 
brofius den Unterricht, übte zur Hebung der 
Sitten unter Laien u, Geiftlihen ftrenge Kirchen- 
zucht u. Gerichtsbarfeit, a8 fi dadurch aber den 
Haß gar Maucher, namentlih der Humiliaten zu, 
deren Orden er reformiren wollte und bie dafür 
1569 einen glüdlicherweife vergeblihen Morbver- 
ſuch auf ihn madten. 1570 ftiftete er für die 
Schweiz das Helvetiſche Collegium in Mailand, 
eine Art geiftlihes Seminar, und den Goldenen 
oder Borromeiihen Bund der 7 katholiſchen 
Kantone zur Bertheidigung des fathol. Glaubens 
gegen die Proteftanten. In der Hungersnmorb 
1570 u. während der Peſt 1576 wirkte er jehr 
jegensreich, wie er überhaupt viel für die Armen 
that. Er ft. 3. Nov. 1584 u, wurde 1610 beilig 
Gedächtnißtag: 4. Nov. Bei Aroma 
Seine theol. Werte, 


Borromcus-Berein — Borfäure. 


699 


herausg. Mailand 1747, 5 Bde., Fol. Lebensbe- | Bibelgefellibaft den größten Theil Europas und 


hreibung von Godeau, Brüff. 1684; Touron, 
Par. 1761; Stolz, Zür. 1781; Sailer, Augsb. 
1823; Giuffano, deutich von Klitſche, Augsb. 1836; 
Dieringer, Köln 1846. Bgl. Documenti circa la 
vita e la gesta di B., 4 Bde., Mail. 1857—59, 
von Sala veröffentlicht. 2) Federigo, Nefie 
des Bor., geb. 1564; war Cardinal u. 1595—1631 
Erzbiihof von Mailand; gründere die Ambrofia- 
niihe Bibliothek (j. u. Mailand). 8) Vitalian, 
fpanifher Geheimrath u. Großmeifter der Artillerie; 
ft. 1690. Ihm und jeinem Bruder Renatus 
(f.1685) verdanken die Borromeiſchen Inſen ihre 
Anlagen. 1) Löfiler, 
Borromens »Berein, 1) (Schmweitern des 
St. Borromeo) Gongregation, geftiftet 1652 nad 
dem Borbilde der Congregation der Barmherzigen 
Schweitern des heiligen Vincenz von Paula 
vom Abbe Epiphane Louis von Efsval für Er- 
richtung von Freiſchulen, Hofpitaldienft u. Armen- 
pflege. Derjelbe erhob fih bald u. namentlich 
1807 wieder zu großem Anjeben. Sein jeiger 
Hauptfig ift Nancy; doch aud in Deutichland hat 
er noch Mutterhäujer, fo zu Zrier und Trebnitz 
(ehemals Neiße) mit zufammen 95 Niederlaffungen 
in der Aheinprovinz, Weftfalen, —— Preu⸗ 
Ben, Brandenburg, Schleſien u. Pommern, deren 
ſämmtliche Mitglieder zu Anfang - des Jahres 
1873 auf 795 fich bezifferten. Blinder Gehorſam 
gegen die Oberin ift auch für fie Grundgejeg. Bei 
der Kranfenpflege, beſonders Andersgläubiger, 
follen die Schwejtern alle Dispute über Glaubens- 
ſachen beſcheiden ablehnen, doch die Kranken, welche 
um religiöjen Zuſpruch bitten, ermahnen, den 
Hl. Geift um Erleuchtung im Glauben demüthig 
anflehen zu wollen. Auch follen fie den Kranken, auf 
Verlangen, nie anders als aus katholiſchen Gebet— 
und GErbaummgsbücern vorlefen. Auch in der 
Leitung u. Ertheilung des Unterrichtes an öffent: 
fihen Schulen fowol, als an Privat-Fnftituten 
find fie zum Gehorfam gegen die Oberin ver- 
pflichtet; dabei muß auf Ertheilung des Religions— 
unterridhtes, u. zwar im Sinne der Katholischen 
Kirche, d. h. im Sinne der jett in derielben herr» 
jchenden Richtung, das Hauptgewicht gelegt werben. 
Vgl. Hinihius, Die Orden u. Congregationen der 
Katholifhen Kirche. 2) Verein, geftiftet 1844 zu 
Koblenz von katholiſchen Wdeligen zur Verbreitung 
ultramontaner Schriften. Huber, 
Borromini, Francesco, ital. Bildhauer u. 
Baumeifter, geb. 1599 in Biffone; war nah G. 
Madernas Tode unter Berninis Leitung am Bau 
der Petersfirhe in Rom beichäftigt, baute mehrere 
Kirchen für den Papft u. genoß bei feinen Zeit- 
enofjen großen Künftlerruf; er erſtach ſich aus 
Neid gegen Bernini, den er an Bizarrerie und 
Geihmadiofigkeit übertraf, 1667. Charakteriftifch 
für die verwerflide Stilrichtung diefer Bauten 
ift, daß er nirgends gerade Linien duldete und 
alle Formen in ein wildes verworrenes Spiel 
auflöfte (gebrochene Giebeldächer, concave Faça— 
den, —— gewundene Thurmſpitzen u. dgl.). 
Sein Opus architeetonicum wurde herausg. von 
Seh. Giannini, Rom 1727, Fol. 
Borrow, Georg, engl. Schriftiteller, geb. 
1803 in Norfoll; durcpreifte als Agent der Engl. 


NAfrilas. Einen Hauptgegenftand feines Studiums 
bildeten die Zigeuner, unter denen er in feiner 
Jugend eine Zeit lang lebte. Er jhr.: The 
Zineali (über die Zigeuner in Spanien), London 
1841, 2 Bde., 3. U, 1873, deutich: Fünf Jahre 
in Spanien, Brest. 1844, 3 Bde.; The bible 
in Spain, 1843, 2 Bbe., 3. W., 1873; Lavengro, 
the scholar, the gipsy and the priest, 1850, 
3 Bde., 3. A. 1873; Romany Rye, ®ond. 1857, 
3. W., 1873; Wild Wales, its people, language 
and scenery, ebd. 1863, 3 Bde, n. A., 1874; 
Romano Lavo-Lill, wordbook of te Romany or 
English gipsy language, ebd. 1875. 

orrowdale, Dorf in der engl. Grafichaft 
Cumberland; berühmt durch feine Graphitgruben, 
Die aber jetzt faft abgebaut find. 

Borfa, Dorf im ungar. Comitat Marmaros; 
(1869) 5053 rumänische und magyariihe Ew.; 
in der Nähe Kupfer, Blei u. Zilberwerfe u. 
Mineralquellen, worunter die Alexanderquelle 
durch ihren überreihen Inhalt an kohlenjaurem 
Eifenorydul die vorzüglichite iſt. 

Borjatto, Giujeppe, ital. Architefturmaler 
u. Profeffjor an der Akademie in Venedig, geb. 
1771 zu Benedig, geft. um 1850 dajelbft. Seine 
Bilder find mit ftaunenswerther Sorgfalt aus« 
geführt u. zum großen Theil in Privatgalerien, 
Werfe: Das Innere von S. Marco in Venedig, 
im Belvedere zu Wien; Nacht in Benedig; Die 
Piazzetta mit der Ausficht nah S. Giorgio; Die 
Piazzetta mit Schnee bededt; Die Fiazzetta mit 
Sasbeleuchtung; Der Rialto mit Umgebung ꝛc. 
Er verfaßte: Opera ornamentale publ. per cura 
dell’ Accadem. di belle arti di Venezia, 1831. 

Borfäure (Borarfäure, Chem.), aus Bor, 
Waſſerſtoff u. Sauerftoff nad der Formel H,BO, 
zulammengefegte Verbindung. Sie bildet weiße, 
perlmutterglänzende Kroftallblättchen, die in kaltem 
Waſſer ſchwer, in heißem leicht 1öslich find, Die 
Löſung ſchmeckt ſchwach fäuerlih und färbt Cur— 
cumapapier braun. Beim Erhitzen verliert fie 
unter Aufbläben Waffer, indem fih B-anbudrid 
(wafjerfreie B.) B,O, bildet, weiche in der Glüh— 
bite ſchmilzt u. beim Erfalten zu einer jpröden, 
glasartigen Maſſe erftarrt. Sie tft feuerbeftändig, 
verflüchtigt fi aber jchon mit den Wajjerdämpfen 
beim Erhitzen ihrer wäfferigen Löfung, noch reich« 
licher aus ihrer alkoholiſchen Löſung; daher brennt 
borfäurehaltiger Altohol mit grüner Farbe. In 
der Natur findet fie fich theils frei (Saffolin, Da» 
tofith), theils mit Baſen verbunden (Borar, 
Boracıt, Staßfurtit), endlich auch gelöft in einigen 
Diineralwaffern. Man gewinnt fie feit 1818 im 
Großen aus den borhaltigen (!/,, °/) Wafler- 
dämpfen (Fumarolen, Suffionen), welche an einigen 
Stellen des ehemaligen Großherzogthums Toscana 
(am Monte Cerboli u. Monte Rotondo) aus der 
Erde ftrömen. Diefe Dämpfe werden in gemauerte 
Wafjerbehälter geleitet, u. die jo erhaltene ver- 
dünnte Löſung von B. wird in einem Syſtem 
von terraffenartig angelegten Bleipfannen, die durch 
Fumarolendämpfe geheizt werden, zur Kryſtalliſa— 
tion eingedampft. Die jährliche Production be— 
läuft ſich auf 1%/, Millionen kg. Reine B. ſtellt 
man entweder durch miederholtes Unkryſtalliſiren 


700 


der roben B. (die etwa 74 reine Säure ent- 
hält), oder aus dem Borar dar, indem man den— 
felben ind Theilen beißen Waſſers löft u. '/, Theil 
Salzjäure zuſetzt; beim Erkalten kryſtalliſirt die 
B. heraus. Sie dient hauptjächlich zur Fabrifa- 
tion des Borar, außerdem zur — von 
Glaſuren u. als Zuſatz zu gewiſſen Glasſorten; 
auch tränkt man wol bie Dochte der Stearinlerzen 
mit einer verdünnten Löſung derſelben, wodurch 
fie die Fähigkeit erlangen, ſich beim Verbrennen 
zu krümmen u, feitwärts aus der Flamme ber- 


auszuneigen. Heher. 
orſãureanhydrit (waſſerfreie Borſäure), ſ. 
Borfäure. 


Borjäureanhydrit — Börſe. 


wendung zum Löthen beruht darauf, daß er ge— 
ſchmolzen die Fähigkeit beſitzt, Metalloryde auf 
zulöfen. Er reinigt fo die Oberfläche Der zu 
vereinigenden Stüde, ſchützt fie, indem er fie mit 
einer firnißähnlichen Dede überzieht, wor der 
weiteren Oxydation u. bewirft dadurch eis feites 
Anheften des Lothes. Aus ähnlichen Gründen 
ift er auch beim Gießen mander Metalle ein 
umentbehrlihes Hilfsmittel.” Er war ſchon im 
Mittelalter als Flußmittel befannt, feine eigent 
liche Zuſammenſetzung wurde erft um 1800 er 
mittelt, Deger. 
Borsdorfer Apfel, nah Diel zu dem rotben 
Reinetten gebörender, nad Lucas die 9. Familie 


Borſüureüther, zufammengefeste Äther, welche | bildender, Heiner, regelmäßiger, plattrunder od. fegei« 


entfteben, indem die Wafferftoffatome der Borfäure | förmiger Apfel mit meift glatter, oft ınıt Warzen ver: 
(H,BO,) durch Alfoholradicale (Methyl, Athyl ꝛc.) ſehener Schale u. feftem, etwas trodenem, füßlichen 
erſetzt werden. Der Borfäureäthyläther (C. H.) BO, | Fleiſche. Der befammntefte ift ver Edelborspdorfer 


wid durch Einwirkung von Ghlorbor auf abjo- 
luten Alfohol als farbiofe, bei 119° fiedende Flüf- 
figfeit dargeftellt, die mit grüner Flamme bremnt. 

Borfänrefalze (Borate, Chem.), die Ver— 
bindungen, welde dadurch entjtehen, daß die 
Wafferitoffatome der Borjäure durch eleftropofitive 
Nadicale (Metalle) erjegt werden; fie bilden fich 
u. a, beſonders durch Bereinigung der Borſäure 
mit Bafen. Die Allalifalze find in Waſſer leicht 
lösiih, alle werden durch Säuren zerjegt und 
ſchmelzen in der Glühhitze zu durchſichtigen Gläſern, 
die oft eine charalteriſtiſche Farbe haben. Sie 
befördern aud die Schmelzung anderer mit ihnen 
gemischten Körper u. dienen deshalb als Fluß- 
mittel. Man ertennt fie leicht daran, daß Alkohol 


über das mit Schwefelläure fein zerriebene Salz 


mit gelber, ſehr glatter, an der Sonnenfeite jchön 
gerötheter, etwas berofteter Schale, ſehr baltbar 
u. fein von Geihmad, ausgezeichnet für Die Küche 
u. den beften, haltbarften Apfelmein liefernd. Die 
Bäume Tieben tiefgründigen fruchtbaren Boden, 
tragen aber erft im böheren Alter reihlih. Auer 
er anderen gebört dazu au der ZJwichbel- 
apfel, Hein, jehr platt, mit ftarf gerötheter Schale 
u, fejtem, trodenem Fleiſche, weicher zum Aus 
bobren u, ZTrodnen ganz bejonders beliebt if 
u. einen ausgezeichneten Apfelmein liefert. Die 
Bäume lieben fruchtbaren, etwas fendhten Boden, 
tragen reichlich u. werben nicht jehr groß. Wolde 

Börfe, 1) in großen Handelsftädten der Ort 
(auch ein Gebäude od. freier Plag), an welchem 
ih bandeltreibende Perſonen meift täglich, 


gegofien mit grüner Flamme bremnt, eine Färb- | Feiertage ausgenommen, in beftimmten Stunden 
ung, die namentlich beim Umrühren deutlich ber- |(W-nzeit) verfammeln, um Werthpapiere (Effecten 
portritt. Das rg Salz ift das ſaure u. Wechjel), oder auh Waaren eimer beſtimuten 
borjaure Natron, belannt unter dem Namen Gattung zu laufen od, zu verkaufen, Der locale 
Borar(Na,B,0,+10aq). Es findet fich gelöft in) Begriff wird auch übertragen auf 2) die Ber 
einigen Seen von Tibet u. Nepal u. wurde früher) fammlung der Seichäftsleute ſelbſt, u. im weiteſten 
in umreinem Zuſtande als Tinfalnad Europa ge-| Sinne umfaßt das Wort 3) den Seld- u. Waaren- 
bradıt, um bier gereinigt zu werden, Jetzt ftellt man | markt eines Yandes überhaupt, weil das Börſen⸗ 
den Borar allgemein durch Sättigung einer verdiiun: geſchäft der Regulator für die Preiie der Waaren 


ten Auflöjung von foblenjaurem Natron (Soda) auch im Heinen Geſchäftsverkehre ift. 


mit Borjäure u. vorfichtiges Ausfryftallifiren der 
erhaltenen Lölung dar. In neuefter Zeit ver- 
arbeitet man aud den in Bolivia vorlommendben 
Boronatrocalcit (borfamre Kalferde) od. Tiza 
durch Kochen mit Sodalöfung auf Borax. Er bildet 
farbloje, fänlenförmige Kryſtalle, die wahrſchein— 
lich infolge eines geringen Gehaltes an fohlen- 
ſaurem Natron oberflächlich verwittern. In kaltem 
Waſſer löft er ſich ſchwer, in fodyenden leicht auf; 
die Yöfung ſchmeckt u. reagirt ſchwach alkaliſch. 
Beim Erbigen gibt er unter ftarfem Aufbläben 
Waſſer ab u. fchmilzt endlich zu einem farblojen 
Glaſe (Borarglas). Ans einer heißgefättigten 
Auflöfung ſcheiden fih anfangs oltaedriſche Kıy- 
ftalle von der Yormel Na,B,O, + baq, ofta- 
edriiher Borar, aus, der in feinem Berbalten 
dem gewöhnlichen (prismatifchen) Borar gleicht u. 
beim Liegen an der Luft durch Wafleraufnahme 
in folhen übergeht. Man benutt den Borar als 
Zuſatz zu gewifien Emails u. Glasſorten, als Fluß— 
mittel in der Glas- und Porzellanmalerei, ſowie 
zur Glaſur feinerer Thonmaaren. Seine An— 





I. Zwed u, Urſprung. Der Zwed u. Nutzen 
der B. ift, den faufmännichen Verkehr zu er- 
leichtern, indem der Verkäufer einer Waare, ftatt 
Ichriftlih oder perfönlid die Kaufluftigen aufzu- 
fjuchen, auf der B. fein Angebot milndlich an- 
bringen, zugleih aber auch erfahren fann, mie 
groß die Nachfrage u. das Angebot ift u. mie 
demgemäß der Preis fi ſtellt. In äbmlichem 
Falle befinder fi der Käufer. Den Urfprung 
des Namens B. leitet man von einem Haufe in 
Brügge ab, wo die Kaufleute zuſammenzukommen 
pflegten u. welches nad dem Namen des Beſitzers 
van der Beurſe genannt wurde; nach Anderen 
fommt die Benennung von einem zu ähnlichen 
Sweden benutten Baufe in Amſterdam, an 
welchem über der Thür drei in Stein gehauen? 
Geldbeutel (Bourses) angebradt waren, od, über: 
haupt von dem mittellateinichen Bursa, meldes 
auch eine jede Zuſammenkunft bedeutet, beionders 
wenn fie auf gemeinfchaftlihe Koſten gefcbiebt. 
Zufammenfünfte von Kaufleuten fanden jchen 
unter den Römern, befonder® bei einem der 


701 


Thorbogen auf dem Markte (Janus medius), dann) Platz Corbeille), von mo aus die Mäller 
mehr ausgebildet im Mittelalter an großen See- laut ausbieten, was ihnen zum Berfaufe an die 
plägen zum Behufe des Waareneinfaufes ftatt.| Hand gegeben ift. Die Gegengebote erfolgen 
Geregelt u. georbnet erfcheint diefe Art des faufs[ebenfalis laut, wie bei einer Auction, und das 
männiſchen Berfehres erft im 16. Jahrh., wo zu-|böcdjfte dient zur Normirung des Gurfes, Wo 
erft der Name B. in Holland und Frankreich das private Angebot gebräuchlich ift, wird am 
(Bovrse) zur Bezeichnung derielben gebräuchlich | Ende der B. als Cours der verſchiedenen Waaren, 
wird u, Die regelmäßigen Berfammlungen des|Effecten ꝛc. der Mittelpreis angenommen, zu 
Handelsftandes in bef. dazu eingerichteten Gebäu-|mwelhem die Mäfler ge» od. verkauft haben. Der 
den ftattfanden. Eines der Älteften diefer Gebäude! B-nvorftand oder ein Mäklerſyndicat veröffentlicht 
war die Antwerpener B. Bon Holland kam die danach die officielfen Bencourje (f. Coursbericht), 
Beneeinrihtung nah England. Die erfte B. in/mobei allerdings nicht jelten Unterjchleife ftattfinden. 
London, welche 1666 abbrannte, wurde Royal-jDie täglichen Befucher der B. haben in der Regel 
Exchange u. nad ihr alle englifchen B-n Exchanges |einen beftimmten B«nftand, zu deſſen genauerer 
genannt. Ahnliche Inſtitute entftanden nun nach Abmeffung auf einigen B-n eine Abtheilung des 


Börſe. 


u. nach an allen Knotenpunkten des Handels u. 
Verkehres auf dem Continent, ſo in Hamburg, 
Paris, Frankfurt a. M., Berlin, Wien, Leipzig ıc., 
u, mit dem Aufblüben der Bereinigten Staaten 
in New-York, Philadelphia ꝛc., und den Stapel- 
plägen des oftindiihen Handels. Je bedeutender 
die Handelsbewegung überhaupt, dann insbel. 
durch den überfeeischen Berfehr wurde, defto größer 
wurden auch die Schwankungen der Öreife 
namentlih von Producten, die einem fchneilen 
Berbraude unterworfen find. Das Gejchäftsleben 
an der B. mußte in demfelben Maße zunchmen. 
Während nun aber die B, urfprünglich einzig u. 
allein dem Waarengeichäfte diente, entjtand im ber 
neueren Zeit, bejonder8 mit der Ausbildung des 
Banfwejens (ſ. d.), ein neuer Zweig des Ben— 
wejens, ber raſch alle anderen an Umfang und 
innerer Bedeutung liberflügelte: jener des Effecten- 
u. Wechfelverfehres. Infolge deffen trat an den 
roßen Handelsplägen, zuerft im London, eine 
rennung der B⸗ngeſchäfte ein. Das Waarengejchäft 
erhielt ebenfo wie das Fondsgeſchäft (Stock Ex- 
change) feine bejondere B. Später fonderten 
fih an einzelnen Handelsplägen, deren Handel in 
gewiffen Waarengattungen von bormwiegender Be— 
deutung wurde, bon den erjteren noch fpecielle 
Geichäftszweige, als Getreide-, Kohlen-, Ol- und 
Buchhändler⸗B. xc., ab. An Seeplägen bildeten 
fih außerdem Ben für das Verſicherungsweſen 
(Lloyds, ſ. d.). 

II. Der B-nverfehr wird durch Benord- 
nungen regulirt u. von Staats wegen überwacht. 
Das Net, auf der B. Gejchäfte zu machen, ift 
in einigen Städten auf die Kaufmannſchaft, oder 
auch nur auf einen Theil derjelben (Bsnmitglieder) 
beihränft, an anderen, wie z. B. in Hamburg, 
ift es Jedem, Banlerottirer ausgenommen, ge 
ftattet, die B®. zu beiuchen. In der Negel wird, 
zunächſt der Koftendedung wegen, eine Gebühr 
entrichtet, meift jährlich. Die Auffiht wird 
von B»nvorftehern (in Hamburg B>nalte) ges 
führt, melde von der Kaufmannſchaft zu dieſem 
Amte erwählt werden. Die Kanzleigeichäfte wer- 
den von B-ucommiffarien, Buchhaltern, Boten 
u. Beanſchließern beforgt. Die Berfäufe finden 
entweder durch öffentliches, oder durch privates 
Angebot ftatt. Das erftere (Cride) ift nament- 
lich in Paris gebräudlih, wo ein Theil des 
B-uraumes zu dieſem Zwecke als Parfet abge: 
grenzt ift. Innerhalb des Parkets befindet fich 
wieder ein von einem Gitter umzogener runder 


Fußbodens im numerirte Felder vorgenommen iit. 
Auch gruppiren fih die Benbefuher nad ihren 
Seichäftszweigen zufammen, jo daß der Verkehr 
dadurch fehr erleichtert wird. Was die Maaren« 
B. betrifft, jo werden die betreffenden Producte 
nicht felbit an die B. gebracht, wol aber Proben, 
nad denen gefauft wird. In einzelnen Handels- 
ftäbten werden auch Bengeſchäfte unerlaubter oder 
gedufdeter Weife an Orten abgeichlofien, die nicht 
eigentlich dazu beftimmt find (Winfelbörjen),nament» 
id an Feiertagen, wo die Bnlocale geſetzlich ger 
Ihloffen find. Die dort gemachten Eourfe finden 
aud wol Aufnahme im die (nicht-officiellen) Cours» 
berichte. Berfuche, namentlih zu Paris, die 
Winfelbörfen zu unterdrüden, waren ſtets erfolg— 
108. Die B-n Heinerer Handelsftädte find im 
Allgemeinen von denen der großen abhängig und 
haben nur für gewiffe Waaren u. Wertbpapiere 
localer Art, die an den großen Ben weniger od. 
gar nicht gun werden, ein felbftändiges Leben. 
Seit die Telegraphenverbindungen zur Mittheil- 
ung fremder Coursberichte dienen, ift die wechfel« 
feitige Beziehung der großen Bm zu einander fo 
innig geworden, daß eg ae nur um 
ein Geringes differiren. Zugleich haben die B-n 
als die Vermittler aller großen Finanzoperationen 
für den Staat an Bedeutung gewonnen, und die 
Stimmung ber B., flau oder animirt, gilt als 
Mafftab für den Staatscredit u. fiir die Sicher- 
heit der politischen Zuftände, 

III. Die B-ngeſchäfte ſelbſt find entweder 
Tagesgeſchäfte, bet denen an demfelben Tage, an 
welchem das Geſchäft gefchloifen wird, Waare 
gegen Geld geliefert wird (Operations au comp- 
tant), oder es find Zeitgefchäfte (A terme), bei 
denen die Waare zu einem beftimmten Xermin 
von dem Berfänfer geliefert u. von dem Käufer 
abgenommen werden muß. Der über ein der» 
artiges Lieferungsgefchäft abgefchloffene Bertrag, 
Schluß: od. Engagementsbrief, kann dur Eeffion 
in zweite u, dritte Hand übergeben. Der Termin 
der Realifirung ift gemeiniglih medio od. ultime 
eines Monats geftellt, fo daß zu dieſen Zeit— 
punkten infolge der abzuwickelnden Engagements 
das Bengefchäft bewegter als jonft ift u. die Courſe 
größeren Schwankungen ausgejegt find. Die 
Zeit» oder Specnlationsgefhäfte find theils reelle 
(wirkliche), theils imaginäre Geſchäfte. Im erfteren 
‚alle (Kauf auf Lieferung fir) haben Käufer u— 
Berfäufer die wirkliche Abficht, zu einem beftimm- 
ten Zeitpunfte Waare gegen Geld zu tauſchen, ı. 





702 


Börſe. 


jeder rechnet darauf, dadurch zu gewinnen, daß Lieferungsgeſchäften, deren Gegenſtand Waaren, 


zur Zeit der Realiſirung des Geſchäftes (Fin, meiſt aber Werthpapiere auf den Inhaber 
Schlußtag, Settling day), der Tagescours zu ſeinen ſind. Die Concentrirung gleichartiger B. an einem 


beftimmten B:nplage bewirkt den B-n-Eours, 
d. b. eine mebr oder weniger fefte Beftimmung 
des Kaufwerthes der B-npapiere an dem beftimmts- 
ten B⸗ntage, unter mandherlei, namentlich polt« 
taufen muß). Im letzteren Falle ift es von vorn tiſchen Einflüffen ſchwankt derfelbe beftändig ; dieſes 
herein die Abficht weder des Käufers, noch des Schwanken des Courſes ift eben der Weiz des 
Verkäufers, die Waare in natura zu liefern, reſp. B⸗nſpiels u. Grund u. Ziel der in der Hauffe u. 
abzunehmen, jondern am Tage, wo der Kauf zur Baiſſe fih bewegenden Beuſpeculation. 

Liquidation kommen ſoll, macht ſich der Käufer| IV. Das B-nipiel, An die großartige Ente 
oder Verkäufer, welchem das Geichäft zum Nach: |mwidelung der Neuzeit, insbe. auf dem Gebiete 
theil geworden, durch Zahlung einer Prämie|der Fnduftrie, bat fi eine im das fociale und 
(Prämengeihäft), od. durch Zahlung der Cours- | wirtbichaftliche Leben der Völker tief eingreifende 
differenz ( Differenzgeichäft) von der übernommenen eigenthümliche Eriheinung geknüpft: die Bnipe- 
Zeiftung frei (Marches a primes oder Marches |culation, das B- nfpiel. Neben der natür« 
libres). Das Prämiengeihäft kann unter ver-|lihen und mohlthätigen Entwidelung tritt eine 
fchiedenen Bedingungen abgeichloffen werden umd |unnatürliche, vielfach jchädliche hervor, verderblich, 
fiihrt dann je nach der Art derfelben einen be |mweil fie nicht jelten die mühſam erworbenen Ber- 
jonderen Namen. Hat der Käufer fih das Recht mögen, bei. der Mittelbürger verjchlingt, mod 
vorbehalten, die gekauften Wertbe jeden Tag weit mehr aber, weil fie durch Vorfpiegeln des 
innerhalb eines beſtimmten Zeitraumes verlangen |Neihmwerdens ohne Mühe von nützlicher Arbeit 
zu können, jo nennt man dies ein Wandelgeichäft; abwendet u. durch ſyſtematiſche Antendung une 
find beide Contrahenten übereingelommen, einen |lauterer Mittel, der Täufhung, des Truges, der 
Theil der Werthe gegen eine Coursvergütung | Beftehung, Gorruption in weiteften Kreifen ver- 
(Prämie) nicht liefern, refp. nicht abyehmen zu| breitet. E iſt nur zu gewiß, daß viele der wichtigſten 
brauchen, fo nennt man es Schluß auf fir und u. nützlichſten Unternehmungen der Neuzeit nicht zu 
offen; dem entgegengejett ift das Noch- od. Nach- Stande gebracht worden wären, ohne die kühne 
geſchäft, bei welchem es dem Gontrahenten frei- oder waghalſige Speculanten lodende Ausficht auf 
jteht, eine Anzahl Werthe mehr zu verlangen, |Agiogewinn an Actien u. ſ. f. Der mitunter un— 
rejp. zu liefern, als ausbedungen war, Compli⸗ geheure Erfolg reizte: was urſprünglich Mittel 
cirter iſt das Stellgeſchäſt, bei welchem ein Gon- zum Zwecke war, ward zum Selbſtzwecke gemacht. 
trahent (Mäbler) die Wahl bat, an eimem be-| Während man anfangs Actien creirt batte, um 
ftimmten Tage die ausbedungenen Werthe dem|das Geld zur Ausführung großer, gemeinnüßiger, 
Anderen (Steller) zu liefern, oder fie von ihm zu|die Kräfte Einzelner weit überfteigender Unter 
beziehen. Für die freigeftellte Wahl vergütet der/nehmungen zu erlangen, wurden nun Projecte, 
Wähler dem Steller einen gemwilfen Procentfat | mitunter der abentenerlichiten Art, ausgebedt, 
vom Cours (Prämie). Berpflichtet fih der Käufer nicht weil man fie nützlich oder nothwendig bielt, 


Gunften böher, reſp. miebriger ſtehen werde. 
Dabei fragt es fi, ob man die verfauften Effec- 
ten wirklich befitt, oder nicht (Berfauf a décou- 
vert, mobei man verfauft, was man jelbft erft 


eines Papiers, dajjelbe an einem bejtimmten Tage! 


dem Verkäufer zu einem verhältnißmäßig höhe— 
ren Preiſe zurüdzuliefern, jo entſteht das Prolon— 
gattonsgefchäft (March@ a reports), weldes genau 
genommen der Beleihung eines Wertbes gleicht, 
welchen der Befiger als Unterpfand gibt, um fich 








jondern einzig u. allen um Gelegenheit zu Actiens 
ereirumgen, zu Emiſſionen, zur Agiotage zu er— 
halten. So entitand das Gründertbum in Der 
bäßlichiten u. verächtlichiten Bedeutung des Wortes, 
dem es nicht auf die Güte eines geplanten Unter«- 
nehmeng, fondern weit mebr auf die Bortrefflich- 


Held zu anderen Speculationen zu verichaffen. |teit eines Profpectus und am allermeijten auf 


Ereignet es fih, daß der Kauf gegen Baar am 
Lieferungstage theuerer fich geftalter, al$ auf jpätere 
Yieferung, jo entftehen Gefchäfte a deport. Die 
bandelsredhtlihen Beftimmungen über den Begriff 
u. allgemeinen Jnbalt, iiber Abi a 3 eg 
füllung der Handelsgejhäfte (AU 
Art. 271 fi.) lommenaud auf ch. zur — 
ung. Nur wenige beſondere Vorſchriften ſind für 
dieſe darin enthalten. So beſtimmt Art. 331 
daß Be-nordnungen die allgemeinen handelsrecht- 
lichen Zeitrechnungen (Art. 328—330), ſoweit fie 
Liquidationsterminen der B. betreffen, abändern 
können. Ebenſo gelten bezüglich der gewerblichen 
Thätigfeit der B-m-Mäfler oder Senſale die all- 
gemeinen handelsrechtlichen Beltimmungen über 
die Mäfler (Allg. D. H..G.-B. Art. 66— 84), u. 
fofern Commiſſionsgeſchäfte dorlommen, die all— 
— geſetzlichen Beſtimmungen über das 
ommiſſionsgeſchäft (daſ. Art. 360—378). Ma— 


teriell gehören die B-n- in der Megel zu den 


Präparirung des Bodens für die Agiotage nad 
allen Richtungen ankommt. An fie reiben ſich 
an jene bloßen B-njpieler, welche Käufe oder 
Verkäufe, bejonders in Effecten, weit über ihre 
Mittel wagen, in England Stockjobbers od. auch 
B. bloß Jobbers genannt. Das Treiben folder Leute 
ift nicht ganz neu; zwei der befannteften Beiſpiele 
waren: 1) Der Schwindel mit Zulpenzwiebeln 
in Holland im ber Mitte des 17. Jahrhunderts 
(man förderte eine wahre Manie; fteigerte die 
Breife der Tulpenzwiebeln ins Ungebenerliche ; 
verfaufte, was man nicht befaß, u. faufte, ohne 
auch nur entfernt den Preis zu befigen), u. 2 
Yaws Papierwirthſchaft in Frankreich um 1720 
(1. Banken u. Lam). Die Yeichtgläubigfeit eines 
nicht geringen Theis des Publicums fommt den 
Projectemachern gewöhnlih auf balbem Wege 
entgegen, Je abenteuerficher ein Plan, deito beſſer 
gefällt er mitunter. Es ift faum glaublih u. 
dennoh Thatſache, dag noch zu Anfang des 





Börſe. 


jetzigen Jahrhunderts in dem ſonſt ſo praktiſchen 
England eine Actiengeſellſchaft, um Gold zu fa— 
briciren, gebildet werden konnte, wie J. Francke 
in feiner Schrift iiber die Londoner B. des Nä- 
beren erzählt. Seit dem Beginne der Eifenbabır- 
bauten durch Actiengejellichaften u. noch mehr Seit 
Gründung des Parifer Credit mobilier ift der 
Gründungsunfug und der Befchwindel zu einer 
früher nicht aloe Pie Ausdehnung gebracht wor- 
den. Zu den Hauptmitteln der Gründer gehört 
das Erfaufen der Preffe u. das Gemwinnen des 
Namens von Männern aus der hohen Ariftofratie 
oder fonjt von hervorragender Stellung, um 
durch beides auf das Publicum zu wirken, diejes 
zu täufchen u. zu blenden. Zu Ende der 1850er 
Sabre batte jeder der Hauptgründer in Paris 
eines oder mehrere öffentlihe Blätter erfauft: 
Mires war Haupteigenthümer bes Pays, des 
Constitutionnel u. des Journal des chemins de 
fer; Millaud beſaß La Presse u. das damit ver« 
bundene Jonrnal des Actionnaires; Wereire u. 
Rothſchild geboten über L’Industrie u. La Semaine 
finaneiere; Proß hatte fih den Courrier de Paris 
gefihert, Bouffineau den Moniteur de la Bourse 
gegründet. Noch fchlimmer gejtaltete ſich das 
Berhälmig zu Ende, der 1860er u. anfangs der 
1870er Fahre in Oſterreich. Kaum irgend ein 
neues Unternehmen, das nicht an Blätter aller 
Farben Betheiligungen gegeben hätte, Leider gab 
es im Proceh Ofenheim nur Andeutungen, keine 
volle Entbüllungen; allein auch jene Andeutungen 
laffen feinen Zweifel an der Ausdehnung der Cor— 
ruption. Seitdem der im Mai 1873 ausgebrochene 
große Krah meue mafjenhafte Gründungen un- 
möglich gemacht, zeigt fih der Finanzzuſtand faft 
aller größeren Wiener Blätter gewaltig erjchüt- 
tert; Die meiiten find überſchuldet, bei wenigen 


703 


gebildet war, mit hohem Agto bezahlt wurden. 
Die Speculation ſtürzt fih am liebjten auf neue 
Papiere, einerjeits infolge des Neizes der Neubeit, 
anderjeit8 u. bauptfjählihb, weil man bei bloß 
geringer partieller Einzahlung mit den unbe» 
deutendften Mitteln die größten Gefchäfte aus« 
führen fann. Die Sucht, jchnell u. ohne Mühe 
veih zu werden, verbiendet die Maſſe der Leute 
volljtändig. Sie ahnen nicht, daß fie fich in ein 
Hazardfpiel ftürzen unter den für fie ungünftigiten 
Chancen. Ehe ein Papier bis zu ihnen gelangt, 
haben die Gründer, die Syndicatstheilnebmer u. 
dritte Bankiers bereit$ den Hauptgewinn von 
vorn herein an ſich gebracht. Nun bejiten fie die 
Effecten, wiffen aber nichts von der inneren Ent— 
widelung des Unternehmens ſelbſt. Andere er» 
fahren ftetS vor ihnen, ob Verkaufen oder Bes 
balten ratbiam iſt. Sie ahnen nichts von den 
Eombinationen od. Machinationen der Privilegirten, 
find der Spielball in deren Händen. Aller 
dings können fie in den Generalverfammlungen 
ihre Intereſſen geltendmachen. Aber die Erfahr- 
ung bemeift, daß dieſe Generalverfammlungen im 
der Hegel nur meitere Täuſchungen find. Das 
Ericheinen in denfelben ift mit formellen Schwie» 
rigfeiten und meift auch mit einigen finanziellen 
Koften verknüpft. Da dringt denn im der Regel 
die Marime duch: Auf meine Stimme kommt es 
ja doch nicht an. Zudem find die einfachen 
Actionäre viel zu wenig befannt mit den Einzel- 
beiten der maßgebenden Berhältnifje, um dent 
Yeitern mit genügender Sachkenntniß entgegen« 
treten zu könnuen; fie würden erjcheinen als Wehr— 
lofe gegen vollitändig Bewaffnete. So kommt 
es, daß jelbit bei Entfcheidung der michtigiten 
Fragen nur ein Heiner Bruchtheil der Actionäre 
in jenen Berfammlungen erfcheint, u. daß in den- 


werden die Ausgaben durch ihre Einnahmen ge- |jelben felbft die den gemöhnlihen Betheiligten 


dedt. 
wurden unter die Gründer und dann ımter die 
Berwaltungsräthe aufgenommen, auch wenn die- 
jelben von der Sache, um die e8 fich handelte, 
nicht das Geringfte veritanden; ihr Name, nicht 
ihre Thätigfeit im Gejchäfte ward erfauft und 
mit Zehntanfenden und Hunderttaufenden bezahlt 
u, iiberhaupt eine geradezu maßlofe Corruption 
geſchaffen. Wol feines der Eulturländer blieb frei 
von diejer Pet. In Deutichland hat namentlich 
Lasker im preußischen Abgeorbnetenhaufe haar- 
fträubende Enthüllungen geliefert. Iſt die Zeit 
ftrömung günftig, find namentlih die Berheer- 
ungen etwas vergefien, welche die leiste der immer 
periodiſch wiederkehrenden Bo⸗nkriſen hervor- 
gebracht, ſo läßt die Maſſe des Publicums ſich 
immer aufs Neue täuſchen. Es kauft ohne Aus— 
wahl, ohne einen Begriff zu haben vom vollen 
Werthe od. Unwerthe der ihm empfohlenen Papiere. 
Auch die große Mehrzahl der gewöhnlich befragten 
Wechſelſtubenbeſitzer (ſog. Bankiers) ermangeln in 
der Regel jeder näheren Einſicht bezüglich des 
wahren Werthes eines (bei. neuen) Papiers, abge» 
feben davon, daß der unmittelbare Gewinn folder 
Leute, der am Verkaufe fchlechter Effecten in der Re— 
gelam größten, für Biele am meiften maßgabend tft. 
Dan fab, wie Actien einer Gejellichaft, die jelbit 
erft im Project beftand, formell noch nicht einmal 


Leute von altem Adel oder hoher Stellung ſchädlichſten Beichlüffe mit relativ großer Mehr» 


heit durchgeſetzt werden fünnen. Unterdeſſen geht 
das Treiben an der B. ununterbrochen fort; tır 
ruhigen Zeiten allerdings am meiften in reellen 
Umjägen, in bewegten Perioden aber meift int 
Spielgefchäfte. Papiere werden gelauft u. ver- 
fauft, um die Courſe zu treiben od. zu drüden, Faſt 
beitändig ftehen fich zahlreiche Parteien gegenüber, 
deren eine auf Steigen, die anderen auf Sinken 
der Eourfe jpeculiren u. zu dieſem Behufe alle ihnen 
verfügbaren Mittel zur Anwendung bringen. Die 
Erjten find die Hauffiers (Speculanten a la 
hausse, in England die Bulls, jo v. w. Ochſen, 
genannt), die Yegten die Baiffiers (Specnlanten 
a la baisse, in England Bears, fo v. w. Bären, 
geheißen). Die Erjten bilden die Mine, die Festen 
die Contremine. Der Einfluß der gewöhnlichen 
Effectenbefiger ift dabei in der Regel ziemlich 
Null, Es läßt fih kaum verfennen, daß Die be— 
jtehende Geſetzgebung in der vorwürfigen Materie 
unzureichend it, daß fie der Geftaltung, wie fich 
diejelbe in der jüngiten Zeit entwidelt, nicht mebr 
zur Geniige entipricht. Selbftverftändfich wird es 
feiner Geſetzgebung gelingen, aie Übervortheil— 
ungen u. Vetrügereien abzuwenden, oder deren 
Erreihung durch das Strafgefe zu fihern. Es 
wird dies um jo weniger gelingen, als das Pu— 
blicum jelbit durch blinde Yeichtgläubigkeit im 


704 


Hafchen nah mühelofem u. ſchnellem Reichwerben | 


Börſenſpiel — Borfig. 


Borjieri von Annilfeld, Siovanni Bat- 


das unreelle Treiben nur allzu ſehr fördert und tifta, vorzüglicher Arzt und Gelehrter, geb. 18. 


unterftütst, fomit einen nicht geringen Theil feiner) 


Bertufte ſich ſelbſt beizumeſſen hat. Allein immer: 
hin kann u. fol der Staat offenen Berrügereien 
entgegentreten u. bie Lüden in der Yegislation 
möglichft zu bejeitigen fuchen, welche in der Neu- 
zeit zur Vollbringung des geſchilderten verderb- 
lichen Treibens vorzugsweile benugt zu werben 
pflegen. Als Hauptmoment wird dabei hervor- 
treten eine möglichit ausgedehnte Haftpflicht der 
Gründer u. ihrer Agenten, ſowie der Directoren 
und Berwaltungs- oder Auffichtsräthe nicht nur 
für die abfolute Richtigkeit ihrer Angaben, ſondern 
auch für deren Vollftäudigkeit, im Gegenjage zu 
den fo oft porfommenden Berbeimlihungen von 
Dingen, deren Kenntniß zur richtigen Beurtheil- 
ung des Werthes der Papiere ꝛc. nothwendig ift; 
dann offene Angabe aller Vortheile, melde die 
Unternehmer u. Yeiter ſich bedungen haben; end- 
lich Borjorge, daß die vom Staate unentgeltlich) 
ertbeilten Conceſſionen nicht als Ausbeutungs: 
objecte mißbraucht werden. Die bisherigen Er— 


Febr. 1725 in Trident; wuchs unter den bürftig- 
ften Berbältniffen auf, fonute uur mit der äußerten 
Anftrengung, noch dazır bei Berluft eines Auges, 
feinem inneren Drange, Medicin zu ftudiren, 
folgen, ging nad anatomifhen und allgemein 
medicinifhen Vorbereitungen nah Padua und 
Bologna, wo fein Lehrer Beccari, fein Genie er- 
fennend, ihm die günftigfte Zukunft vorausjagte, 
u. erlangte in voller Anerlennung jeiner Tiüchrig« 
feit vorzeitig die medicinishe und philoſophiſche 
Doctorwirde. In Faenza hatte er das Glüd, 
eine dort herrſchende Epidemie richtig als eine 
durh Würmer erzeugte zu erkennen u. mit Er« 
folg zu behandeln, jo daß ſich fein Ruf als Arzt 
weithin verbreitete (De authelmintica argenti 
vivi facultate, Faenza 1753), u. ging daun 1769 
als Lehrer der Chemie u. Pharmacie u. Director 
der medicinifchen Klinit nad Pavia, fpäter als 
Leibarzt des Erzherzogs Ferdinand nah Mailand, 
wo er 22. Dec. 1785 ftarb. Seine Institutiones 
medieinae practicae, Mailand 1785—89, deren 


ſcheinungen, diefe Ausbentungen des Publicums,)erfte 3 Theile nur von ihm felbit geichrieben 
diefe bis in die höchſten Kreife der Gejellichaft| find (der 4. ift von feinem Sohne herausgegeben) 


gedrungenen Gorruptionen find scharfe Waffen ge 
worden in den Händen der Anhänger des Com- 
munismus u, des weiteftgehenden Socialismus; fie 
haben im Übrigen dahin geführt, das Berlangen 
zu erweden u. auszubreiten, daß beinahe alle grö- 
Beren Anftalten u. Unternehmungen durch den Staat 
bergeftellt u. betrieben werden ſollen. Zum Schluſſe 
haben wir uur noch ergänzend die Notiz anzufügen, 
daß die Zahl der maßgebenden Effecten-Bsn gering 
ift: Yondon, Paris u. Berlin vor allen, dann Wien, 
Petersburg u. Frankfurt in Europa, New-ort 
in Amerifa. Die übrigen B-n haben in der Kegel 
nur für Localpapiere eine Bedeutung. Wejent- 
lich verjchieden von den Effecten find, wie oben 
bereit angedeutet, die Waaren-Bn. Yiteratur. 
Ale befieren Werte über Nationalölonontie 
(Bollswirtbihaft), dann die am Schluſſe des 
Art, Banken angegebenen Schriften; ferner fpe- 
ciell: B. 3. Proudhon, Manuel du Speculateur 
de la Bourse, Paris 1853 (anfangs anonym), 
5. Aufl., 1857, deutſch, Hannov. 1857; Die B., 
die Bnoperationen u. -Täufchungen, die Stellung 
der Actionäre und des Gefammtpublicums, auf 
Grundlage von Proudhons Manuel für deutſche 
Lejer frei bearbeitet (anonym, von G. Fr. Kolb), 
Zürich 1857; Die Geld- und Ereditfrije, volfs- 
wirthſchaftliche Unterfuchungen für Gejchäftsleute, 
Actienbefiger u. Staatsmänner, von demjelben 
Verf., ebd. 1858; Hecht, Das Bn- u. Actien- 
wejen der Gegenwart, Mannh. 1874; A. Schäffle, 
Der große Benkrach des Jahres 1873, in der 
Tübinger Zeitichrift für Staatswiſſenſchaft, 1874; 
Gareis, Karl, Die B. u. die Gründungen, in der 
Sammelfchrift: Deutiche Zeit und Streitfragen, 
von Holgendorf u. Onden. Kolb.* 
Barleuibich ſ. u. Börfe IV. 
Börjenverein, Verein von Geſchäftsleuten, 
auf deren Koften eine Börfe errichtet ift, u. welche 
infolge deifen allein berechtigt find, auf derjelben 
Geſchäfte zu machen; fo der B. der deutſchen 
Buchhändler. 


haben einen hoben Werth und find gleich aus 
gezeichnet durch Form, wie durch Inhalt. Sie find 
verichiedentlih herausgegeben u. überjegt worden: 
in das Deutſche von Hinderer, Yeipz. 1789, Die 
Opera postuma erjchienen in Berona 1819—21, 
von Berti beforgt. Thambayın 

Borfig, Johann Friedrih Karl Augufi, 
geb. 23. Juni 1804 in Breslau, wo fein Bater 
Zimmermann war; bildete fih im Baufache aus, 
ging zur Vollendung feiner Borbildung 1823 
nad dem königlichen Gewerbeinftitut in Berlin u. 
trat darauf in die Maſchinenwerkſtätte von F. 4. 
Egells. 1837 gründete er in Berlin eine eigene 
Maſchinenfabrik, die fih der yabrilation von 
Eiſenbahnbedarfs-Maſchinen immer mehr zumandte 
u. 1841 die erfte Locomotive herftelte. Seitdem 
wurde der Yocomotivenbau eine Specialität, im 
der die Fabrit bis heute eines ausgezeichneten 
Nufes fich erfreut u. inländischen, wie ausländifchen 
Bahnen Focomotiven liefert. Schon 1846 war die 
Sa derjelben 100, im Jahre 1854 500, im 
‚jahre 1873 auf 3000 angewadien, fo daß jest 
jährlich 200—250 Locomotiven gefertigt werden 
fönnen. Außerdem gründete B. 1847—50 ein 
Eiſenwerk in Moabit u. erwarb die in der Nähe 
liegende Majchinenfabrif der Seehandlung; dann 
faufte ev 1854 Koblenfelder in Ober - Schlefien, 
denen fpäter ein Eiſenwerk mit 4 Hohöfen ange- 
ſchloſſen wurde, um NRohmaterial fiir die Fabri» 
fation zu liefern. So wurde B. aus unſchein— 
baren Anfängen einer der erfien Induſtriellen. 
Er ftarb 1854 in Moabit. Sein einziger Sohn 
Auguft Julius Albert, geb. 7. März 1829, 
leitet gegenwärtig die B-fchen Werke, beftehend aus 
der Eijengießerer u. Majchinenbauanftalt von X. 
B. in Berlin, Chauſſéeſtraße 1, fpeciell für Loco— 
motiven, mit 1500 Wrbeitern u. 11 Dampf- 
maſchinen von zufammen 250 Pferbefräften, und 
dem A. B⸗ſchen Eifenwerfe in Moabit; diejes ent- 
hält — Schmiede u. Keſſelſchmiede zum 
erſtgenannten Werle und Schmiede für große 


705 


Schmiedeftüde, mährend das frühere Pubdlings-| werdenden, hornartigen Subftang, die fih wie 
werk 1870 nad) Schlefien verlegt ift; 800 Arbeiter)anderes Horn von Thieren verhält. Schmweins- 
und 12 Dampfmafdhinen von zufammen 1600 Ben fommen fortirt u. unfortirt aus Rußland, 
Pierdefräften find dafelbft in Thätigfei. Das in Preußen, Polen, Ungarn zc. in den Handel; man 
B.Werlk in Ober-Schlefien befindliche Hüttenwerk|theilt fie in zahme u. wilde, u. diefe wieder in 
beſchäftigt 1300 Arbeiter mit —— vonjalte u. junge, außerdem in Winter- u. Sommer- 
Eifenerz u. Kohlen, 400 mit der Production von Ben, ſowie in lebendige u. todte, d. h. von ge 
Roheiſen u. Gußmwaaren, 1000 mit der Production |jchlachteten oder von gefallenen Schweinen, Die 
von Schmiedeifen u. Stahl u. im Ganzen 45|Falt antzerauften B-n find viel beffer, als die 
Dampfmafhinen ınit 4400 Pferdekräften. Giefeler. |abgebrübten, u. diefe wieder beſſer, als die KHalf- 

Borfini, Lorenzo, ital. Satirendichter, geb. |B-n, die durch Behandlung mit Kalt abgelöft 
1800 in Siena; ftudirte nach abgelaufener Militär- | werden. Die B-n zerfallen ferner in robe uw. 
dienftzeit in feiner VBaterftadt, promovirte 1819 als ſortirte, d. h. nad Stärke, Güte, Farbe zc. abge- 
Doctor der Theologie u, ward Profeffor der Ere- |fonderte u. ausgefuchte B-n; erftere find entweder, 
geſe am dortigen Seminar; aber feine Riflessioni|wie fie von Thieren kommen, oder auf einem 
sulla scienza sacra (1821) nöthigten ihn, die Theo-|Ramme gefämmt (geraubt) u. in Bündel gebun— 
logie aufzugeben, u. er ging 5 Nom, wo er die den (Rauh-B-n, Rauhhaare); letztere werden 
Rechte ſtudirte u. 1823 Advocat wurde. Als er theils nach dem. Gebrauche in Bürftenbinder-B-n, 
auch Rom verlaren mußte, war er nach einander) Pinfel-B-n, Schufter-B-n ꝛc., oder nach der Art 
Schaufpieler, Mufiter, Journalift u. Schriftfteller. |de8 Berpadens in Balct-Bn, Schadtel-B-n x. 
In einem Gefängniß ſchrieb er feine Satire La unterſchieden. Die fortirten B-n gehen im Han- 
Bibajocheide (1831). 1835 gründete er in|del gemöhnlid unter prima u, secunda Ben. 


Borjini — Borftenfäule. 


Neapel mit M. 4. Fiorentino zwei literarijche 
BZeitjchriften, den Vesuvio u. den Globo, melde 
von der Polizei unterdrückt wurden; auch ſchrieb 
er dort 1837 den Viaggio sentimentale.. Nach 
einem kurzen Aufenthalte in Paris gründete er 
mit Fiorentino den Bravo ı. gab in Patta 1841 
Pocche parole, prose e versi, den Predicatore 
muto, Le mie prigioni in Sicilia u. 1842 La 
spia (die Spionin), dann den Asino (1844) u. 
1851 den neueften Galateo heraus. In demjel- 
ben Jahre trat er eine Reiſe durch den Orient an 
u. ließ fih in Agypten nieder. 

Borfippa (a. Geogr.), Stadt in Babylonien, 
wo die Chaldäer eine Schule der Aftronomie hat» 
ten, am linken Ufer des Euphrat; Tempel des 
Apollon u. der Artemis; vielleicht jo v. w. Bar- 
fita bei Btolemäos. 

Börsfohl, jo v. w. Wirfing, 

Borsna, Kreisftadt des ruſſ. Goudernements 
Zichernigew, am gleihnam. Fluß; Fabrikation 
von Tuh, Wolle, Kattıım, Leder, Seide, Hilten, 
Strümpfen, Seife, Talg u. Stearin; 8130 Em, 

Borfod, I) (Borfodsta) Komitat im ungar. 
Kreife dieffeits der THeiß, umgeben von Gömör, 
Torna, Abanjvar, Zemplin, Szabolcs, Außer: 
Szolnof u. Heves; 3545 [km (64,, [_M); ge 
birgig durch die Farhater u. Neutraer Gebirgs- 
fetten; bewäſſert durch die Theiß', Sajo, Hernad, 
Bodva, Szinyva; zum Theil _fumpfig (Heleteto- 
fumpf); einige ſchwefelige Sauerquellen; viel 
Wald; Klima gemäßigt; ift reih an Weizen, 
Bein, Obft, Tabak, Hanf, Kufurug; die Gebirge 
geben Marmor, Schiefer, Steinlohlen, gutes Eiſen, 
etwas Kupfer; 195,000 Em., Magyaren, im 
N. zum Theil Ruthenen; Hauptfiadbt Miskolcz. 
2) Dorf darın, am Fluſſe Bolva ; altes Schloß. 

Börſſum, Dorf im braunſchweig. Kreife u. Ämte 


Man bat ferner weiße (die theuerften), ſchwarze, 
graue, rothe, braune u. melirte Ben. _ 
Borftel, Karl Heinrih Ludwig v. ®,, 
preuß. General, geb. 30. Dec. 1773 zu Tanger- 
minde in ber Altmark; trat 1788 in die preuß. 
Cavalerie ein, zeichnete fih 1793 bei Pirmafens 
aus, war dann Adjutant des Königs u. focht als 
Major im Regiment Garde du Corps 1806 bei 
Jena; er wurde nad dem Tilfiter Frieden Mit- 
glied der Commiſſion für die Neubildung des 
Heeres, 1810 Generaladjutant des Königs, führte 
1813 als Generalmajor die Brigade, welche Magde- 
burg auf dem rechten Elbeufer einſchloß, lieferte 
ben Franzoſen das erfte Treffen bei Mödern, ftand 
dann unter Bülow u. wohnte den Gefechten bei 
Hoyerswerda u, Ludau, den Schlachten von Groß- 
beeren, Dennewig (mo er die Enticheidung des Sie- 
ges herbeiführte) u. Yeipzig bei, blofirte Weſel, 
rüdte Anfang 1814 in Belgien ein, befehligte bie 
dort zurrüdbleibende Hälfte des Billowichen Korps, 
dedte die Blolade von Antwerpen u. focht dann 
unter dem Herzog von Weimar bei Courtray zc.; 
zum Generallieutenant avancirt, organifirte er 
1815 das ihm übertragene 2. Armeecorps zu 
Namur, Hier erhielt er von Blücher den Auf- 
trag, die ahnen der ſächſiſchen Bataillone, die 
fih im Lüttich gegen den fie befehligenden Feld— 
marſchall empört hatten, zu verbrennen u. 7 Rä- 
delsführer erſchießen zu lafien; als er den Befehl 
als ungerecht nicht vollzog, wurde er von feinem 
Tommando fuspendirt u. von einem Kriegsgerichte 
zu vierjähriger Feftungsftrafe verurtheilt, die er 
in Magdeburg antrat; der König —— ihn 
Ende 1815, gab ihm Anfang 1816 die Magde- 
burger Divifion u. übertrug ihm dann das Gene» 
ralcommando von Preußen; 1825 wurde er com« 
mandirender General der Rheinprovinzen und 


Wolfenbüttel, Kreuzungsftation der Eifenbahnlinien) General der Cavalerie; er nahm 1840 den Ab- 


nr u. Braunfchweig - Harz-|fchied und farb 9. Mai 1844 zu Berlin. 


816 Em. 


Sein 
Bruder Karl Heinrih Emil Albredt mar 


urg; 
Borfte, in der Zoologie fteifes Haar mancher |Feftungscommandeant von Straljund u. General 
Thierarten, wie der Rüdenhaare bei Schweinen, der Cavalerie; er ft. dafelbft 11. Juli 1856. 


der Igel u. a. m. Ihre Steifigkeit haben fie 


Borftenfäule (TIhierarzneik.), eine jcorbutars 


von einer ihnen eigenen, in der Wärme weiditige Krankheit der Schweine, bei der es zu blutigen 


Vierers Univerial-Eonverjations-Prrifon. 6. Aufl. 


II. Band. 


45 


706 


Infiltrationen u. Blutertr avafaten, befonders an 
dem Zahnfleifche, u. zum Ausjallen der an ihren 
Wurzeln biutigen Borften fommt. Als Urſachen 
der B. gelten ungefunde Ställe u. ſchlechtes Fut- 
ter, befonders faule thierifhe Nahrung. 
Den ras, ſ. Panicum. 

Borſten gel (Centetes Illig.), Gattung aus 
der Säugethterordnung der Inſectenfreſſer; bat 
zwifchen den Borften-dünne Stacheln u. fan ſich 
nit ganz fo zufammenrollen, 


Borftengra® — Bory de St. Vincent. 


fofi (Ulraine); bildete fi in Moslau u. bef. im 
Venedig bei Galuppi; 1782 wurde er Director 
der tat ruff. Kapelle, fpäter erhielt er den Rang 
eines Staatsrathes; fl. 9. Oct. 1825 in Gt. 
Petersburg. Geine Eompofitionen: 35 vierftim- 
mige geiftl, Eoncerte, 10 Coucerte für Doppel» 
böre, eine dreiftimmige Meſſe, befunden eine 
Anlehnung an den italtenischen Kirchengefang mit 
Benutzung des Nitualgefanges, wie er in ber Grie- 


wie der Igel: chiſchen Kirche üblich iſt; fie find würdig gehalten, 


Schnauze fehr lang u. rüflelförmig; die Füße un. man bat den Componiften mit dem Beinamen 


kurz, bze hig; ein mächtliches Thier, lebt im felbit- 


gegrabenen Höhlen, ſchläft im Winter, Arten: 
Ungefhwänzter B. (Tanref, C. ecaudatus 


Wagn.), 30 em lang, nır am Halfe, Naden u. 
Hinterfopfe mit Stadyeln, auf Madagascar; wird 
nebft einigen anderen gegefien. 
Borftenwürmer, |. Ringelwürmer. 
Borſtickſtoff (Stiditoffbor, Chem.), nach der 
— BN zuſammengeſetzte Verbindung von 
or und GStidftofi; bildet ein weißes, leichtes, 
amorpbes, in Wafjer unlösliches Pulver, welches 
weder durch Glühen, noch durd Säuren u. Alla- 
ttien verändert wird. Beim Glüben leuchtet er 
fehr ftarl. Durch Kalihydrat wird er erft beim 
Schmelzen unter Bildung von Ammonial zerſetzt, 
auch durch Waſſerdampf wird er bei ſchwacher 
Rothgluth zerlegt, indem fi Borſäure u. Am— 
moniat bilden. Dan erhält den B. entweder 
direct, indem man trodenen Stiditoff oder trodene 
Luft über glühendes amorphes Bor leitet, oder 
indirect, indem man trodenes Ammoniak oder 
Etidorydgas in der Glühhige auf amorphes Bor 
wirten läßt. 
ftartes Glühen eines Gemiſches von 1 Th. ge- 
ſchmolzenem Borar mit 2 Th. getrodnetem Gal« 
miat u, Auswaſchen der geglühten Maſſe mit 
lochendem, falzjäurehaltigen Wafler. Heper. 
Borſzek, großes, zerſtreut liegendes Dorf im 
Szefler Stuhl Efit (Siebenbürgen), an der mols 
dauischen Grenze, in einem romantischen Gebirgs- 





des „ruſſiſchen Paleftrina“ geebrt. Brambad. 
Borum, Andreas, ansgezeichneter Lithograph, 
geb. 1799 inHamburg, geft. in Münden 29. April 
1853; anfangs Zimmermaler, ging er von Yeip- 
a nah München u, bejuchte dafelbft die Akademie. 
„errang ſich namentlich durch feine ardhiteftonifchen 
Darftellungen einen hocdhgeadhteten Namen, 
Borverbindungen, organiſche. Das Bor 
bat die Gigenfchaft, fih mie Stidftoff, Arjen, 
Phosphor u. ſ. w. mit den Alloholradicalen zu 
verbinden. So entfteht das Boräthyl Bo (C,H,), 
durh Zujammenbringen von Borjäureäthplätbher 
mit Zinfäthyl. Es bildet eine farblofe, bei 95° 
fiedende Flüffigleit, deren Dämpfe die Schleim- 
bäuteftarlangreifenn. mit grüner Flamme brennen. 
Bory de St. Bincent, Jean Baptifte 
Marcellin, Naturforfcher u. Reijender, geb. 1780 
in Agen; begleitete 1798 den Capitän Baudin auf 
jeiner Fahrt um Neu-Holland, blieb aber auf der 
Inſel Bourbon zurüd, trat in den Generalftab des 
Souvernements diefer Inſel, unterfucdhte die wenig 
gefannten Partien derjelben u. lehrte über St. 


Endlich erhält man ihn auch durch Helena u. andere afritanifche Inſeln, die er auch 


unterfuchte, nad Europa zurüd. Hier wurde er 
Capitän im Generalftabe Davoufts, machte den 
Krieg 1806 u. 1807 ald Dragonercapitän mit u. trat 
1808 in den Generalitab Neys unter Jomini, 
ward bier Major, kam als Fntendant in den 
Generalftab Soults u. ftieg bis zum Oberften. Er 
fam nun 1814 mit Sonlt ins Kriegsminiftertum 


thal; Sauerbrunnen, welcher neben topfenfausem u. fpielte in den 100 Tagen eine bedeutende Rolle 
Natron, Fohlen). Magnefia u, kohlenſ. Eifenory- | beı der Nepräfentantenfammer. Nach der 2. Rüd- 
dul viel freie Kohlenfäure enthält, u. deffen Waj- |kehr der Bourbonen mußte er Frankreich verlaffen 
fer audy weit verfandt wird; 1564 Em.; in der u. bielt fih in Deutichland u. dann in Brüffel 
Nähe das ausgedehntefte Moor Siebenbürgens./auf, fchrte aber 1820 zurüd; 1829 begleitete er 
Bol. Cſeh, B. vom therapeutischen u. nmational-|die Erpedition nah Morea als wiffenichaftliches 
ölonomiſchen Standpunkte, Bet 1873. Mitglied u. wurde 1830 Chef der biftorischen 

Bort, Stadt im Arr. Uffel des franz. Dep. / Section im Krtegäminifterium. 1840 ftand er 
Corrdze, an der Dordogne; Fabrilation von Hüten, an der Spike der willenichaftlihen Commiſſion, 
Handihuben, Leinwand, Käje; Färbereien, Gerbe- |die nad Wigier ging, u. ft. als Oberft im Gene- 
reien, Mühlen, Schneivemühlen; Handel mit Bieb, ralſtabe 22. December 1846 in Paris. Er ſchr.: 
Getreide, Brettern, Wachs; 2693 Em.; Geburts-|Guide du voyageur en Espagne, Bar. 1823; 
ort von Marmontel, dem ein Denkmal gejegt ift.|Essai sur les iles fortunees de l'antique Atlan- 

Borte (Borde), ftarkes u. Dicht gewebtes Band, 'tide, Par. 1803; Voyage dans les IV prineipa- 
bei. zur Beſetzung der Kleider, zum Beilagen der les iles des mers d’Afrique, ebd. 1804, 3 Bbe., 
Kutſchen ꝛc.; man bat glatte u. gemufterte, deutich, Lpz. 1805; Voyage souterrain (über bie 
leinene, wollene, feidene, raubhe od. Sam.) Steinbrühe in den Kalfgebirgen bei Maaftricht), 


met-Be⸗n, Silber- u. Gold-Be⸗n (vgl. Treffen, 
Gallonen); die feidenen, goldenen u. filbernen Ben, 
die bei. in Mailand (doch auch in deutichen Städten) 
als venetianiiche Ben verfertigt werden, heißen 
Bindelli. Die Berfertiger der Ben find Borten- 
macher oder Bortenmwirfer; f, Bolamentirer. 

Bortniansky, Dimitri (Bortnansky), ruff. 
Kirhencomponift, geb. 1752 in dem Dorfe Glou- 





Par. 1821; L’homme, 2. Aufl., 1827, 2 Bbe.; 
Hist. des hydrophytes, 1829; mit Chaubarb: 
Nouvelle flore du Peloponnöse et des Cyelades, 
1838; redigirte auch mit Birlet u. Boblaye Er- 
pedition seientifique de Morde, 1832 f.; mit van 


Mons u. Drapiez gab er während feines Aufent- 
haltes in Brüffel Annales générales des sciences 
|physiques (8. Bde, 1819—21) heraus; aud re- 


J 


Boryſthenes — Böſchung. 


digirte er das Dictionnaire elassique d'histoire 


naturelle. 

3 enes (a. Geogr.), Fluß im Europäi- 
ſchen ien; jetzt Dnjepr. 

Bos (lat.), Ochs, auch Kuh; überhaupt das 
Rindergeſchlecht. 

Bos, ſo v. w. Boſch 1). 2) Lambertus 
(Bosius), holländ. Philolog, geb. 23. Nov. 1670 
u Workum in Friesland, geit. 6. Jan, 1717 als 
Grofeffor der griehifhen Sprache zu Franeler. 
Er jr. u. a.: Antiquitatum graec. descriptio, 

ran, 1714, neuefte Ausg. von Zeune, Lpz. 1781; 
‚llipses graecae, Leyd. 1700 u. ö., zulegt von 
Schäfer, Lpz. 1808, u. mit Abhandlungen von 
Weiäfe und Hermann, Glasg. 1813; gab die 
Septuaginta heraus, Fran. 1709, Orf. 1805, 5 
Bde, u. zum Neuen Teflament: Exereitationes 
philologieae, Franet. 1700; Observationes mis- 
cellaneae, ebd. 1707, Bneuward 1731, Brambad.* 

Bofa, Stadt im BezirfeDriftano der ital. Prov. 
Safjarı auf Sardinien, an der Mündung des 
Boja in den Golf von Boſa, im fehr ungelunder 
Gegend; befeftigt; Hafen; Biſchof; Kathedrale; 
Korallenficherei; Handel mit Getreide u. Wein; 
6706 Ew. 

Bosboom - Tonffaint (geborene Touffaint; 
Bosboom ift der Name ihres Mannes, eines ver- 
dienftlihen Malers), ausgezeichnete bolländifche 
biftorifhe Romanjchriftftellerin, geb. 1826 in Alt 
maar, Ihre Hauptwerke find: Leicefter in den 
Niederlanden und das Haus Lauernejie. B.-T. 
zeichnet fih aus duch Fräftige Charakterzeichnung 
u, reinen, fließenden Stil. In Arnheim erjcheint 
feit 1870 eine Gefammtansgabe ihrer Schriften. 

Wenzelburger. 

Bose, Louis Auguftin Guillaume, franz. 
Naturforscher, geb. 29. Jan. 1759 in Paris; ftu- 
dirte die Naturmwiffenfchaften, war von 1784—88 
Redacteur des Journal des Savants u. flüchtete 
zu Anfang der Revolution nah dem Walde von 
Montmorency, kehrte nad abenteuerlichem Leben 
dajelbft nach Hobespierres Tode zurüd; 1796 vom 
Directorium als Conful nah NAmerifa gefendet, 
wurde er von deu Ber. Staaten nicht augenom- 
men; er kehrte 1799 mit reichen botanischen und 
zoologischen Sammlungen nah Frankreich zurüd, 
warb Administrateur beim Jardin des Plantes 
u. fpäter Inſpector der franzöfiichen Stammſchäfe— 
reien, auch war er Mitglied des Inſtituis u. des 
Königl. Aderbauconfeils; ft. 10. Juli 1828 als 
Profefjor im Jardin du Roi in Paris, Er ſchr.: 
Hist. natur. des erustacees, 2. Aufl., 1829, 2 
3®de.; Hist. nat. des coquilles, 2. Aufl, 1824, 
5 Bde. u. a. 

Boscän Almogaver, Juan, jpaniiher Dich- 
ter, geb. um 1500 in Barcelona; diente anfangs 
im Heere Karls V., unternahm Reifen ins Aus- 
land u. war ſpäter Erzieher des Herzogs von Alba; 

. 1540. Er verfuchte fih im mehreren ita— 
lienifchen Bersmaßen, bildete daraus neue ſpani— 
ſche (Hendelafyllaben) u. ward jo Schöpfer des 
ſpaniſchen Sonetts; auch war er@iner der Erfien, 
Die fi zu poetiihen Epifteln, Elegien ꝛc. der 
Terzinen bedienten, Gedichte, Liſſab. 1543 u. ö. 

Bofdh, 1) Gos u. Bosco) Hieronymus, 
genannt der Luſtige, miederländiiher Maler, 





707 


Bildhauer und Kupferftecher, geb. um 1450 zu 
Bois-Ie-Duc, geft. um 1530; gehörte zu den Erften, 
die mit Olfarben malten, u. buldigte einer durch⸗ 
weg phantaftiihen Richtung, die nicht felten zur 
Caricatur ausartete. Seine zahlreihen Bilder 
im Escurial lafjen glauben, daß er längere Zeit 
in Spanien lebte. Außerdem Bilder von B. im 
Berliner Mufeum u. im Belvedere zu Wien, dann 
im Mufeum zu Madrid. Sie leiden aber alle 
daran, daß er mit den ernfteften Stoffen die tolls 
ften Bizarrerien zufammenwarf. 2) Jeronymo 
de, Philolog u. Verfaſſer von geihägten lat. 
Gedichten, geb. 23. März 1740 in Amſterdam; 
war anfangs Apotheker, wurde 1773, nachdem 
er durch Veröffentlihung der Gedichte G. Hoofts 
die Aufinerffamfeit auf ſich gelenft hatte, Stadt» 
fecretär in Amſterdam u. 1798 Gurator der 
Univerfität Leyden. Er fchr.: Poümata, Leyden 
1803, 2 A., Utr. 1808; gab heraus Anthologia 
graeca, Utrecht 1795—1810, 4 Bde.; den 5. Bo. 
lieferte van Lennep, 1822. B. mar Mitglied des 
K. Inſtituts für Wiffenihaft u. Künfte (unter K. 
Ludwig); als großer Bibliophile legte er eine 
Sammlung foftbarer Ausgaben der Glaffiter an, 
weiche er bejchrieb (Brevis descriptio bihliothecae 
H. de B., ltr. 1809). Er ft. 1. Juni 1811 zu 
Leyden. Vgl. Lennep, Memoria Hieronymi de B,, 
teyd. 1817. 8) Jan van den B., niederläud, 
Staatsmann, geb. 2. Februar 1780 in rg 
bei Bommel; trat 1797 in holländische Dienfte u. 
ging bald als Lieutenant nah Indien; er ftieg bier 
ſchnell zum Oberjten, mußte aber wegen eines 
Streites mit General Daendels 1810 feinen Ab» 
fchied nehmen u. fehrte 1813 nach Holland zurüd, 
Er trat nun entſchieden für das Haus Oranien 
auf u. wurde 1815 General u. Commandant von 
Maaftriht. 1818 organifirte er eine Gejellichaft 
zur Anlegung von Armencolonien und gründete 
jelbjt eine folhe zu ?yrederilsoord; wurde 1827 
Generalcommiflar in Jndien, 1830 Gouverneur 
von Batavia, fehrte 1835 nach Europa zurid u, 
wurde Minifter der Colonien; als er 1839 das 
Minifterium aufgab, wurde er in den Grafen« 
ftand erhoben. Er ft. 28. Jan. 1844 zu Bois 
de fa Haye, 4) Ernſt, deuticher Genre» u. Land- 
ichaftsmaler, geb. 1834 in Krefeld; begann feine 
Kunftftudien bei J. Scher in Weſel u. fette fie 
von 1851 bis 1857 an der Diüfjeldorfer Akade— 
mie unter Sohn, Hildebrandt u. Schadow fort. 
Er lebt in Düffeldorf u. zeigt in feinen zahlreis 
hen, vielfach durch den Holzſchnitt vervielfältigten 
Bildern friiches Yeben, jcharfe Charakteriftif, tüch— 
tige Zeichnung u. energiiche Farbe u. eine glüde 
liche Bereinigung von Gemütbstiefe u. Humor, 
Hauptwerte: Fähre beim Eisgang, 1853; Schmugg«* 
ler, 1854; Der fliegende Holländer; Bertheidig- 
ung eined Blodhaujes gegen Indianer, 1866; 
Soldatenftändchen; Zigennerbande, Der erfte Hafe; 
Die franfe Kub; Gaunerichule, 1866; Keffelflider; 
Fernfihtig u. Kurzfichtig; Herbſtabend, 1867; 
Hermann u. Dorothea am Brunnen; Fern der 
Heimath; Rothkäppchen; Ajchenbrödel, Tette 3 
geftochen von Dinger. N) 4) Regnet. 2) Bramdach. 
Böſchung, 1) die ſchräge Abdahung einer 
von Natur iiber die Ebene erhabenen oder aufe 


geſchütteten Erbmaffe, oder aucd eines Grabens, 


45* 


708 


deren Neigung durch die größere oder geringere 
Feſtigleit der Erde beftimmt wird; davon Böſch- 
ungsmwintel,d.i.der Winfel, welden die Abdad- 
ung mit einer horizontalen Ebene bildet. 2) Ab- 
a Ba von Feitungsmwerten. Sie ift nad ben 
verſchiedenen Flächen, welche bei Befeftigungen 
vorfommen, u. nach dem Material, mit dem man 
bant, ſehr verjchieden. Man benennt fie nad 
dem Berhältniß der Höhe der Aufſchüttung zu der 
B,sgrundlinie und jagt, fie babe ganze 
Anlage, wenn Höhe u. Grundlinie gleich, dop- 
pelte Anlage, wenn die Höhe der Grundlinie 
ft, u. halbe Anlage, wenn die Höhe das Dop- 
pelte der Grundlinie beträgt zc. Bei geringerer 
als halber Anlage fteht die B. nicht mehr fet, 
fondern muß durch eine Belleidung mit Brettern, 
Faſchinen, Raſen oder Plackwerk gehalten werben, 
3. B. die innere Wand ber Bruftivehren, die 
wegen des nahen Hervortretens der Bertheidiger 
gern fo fteil als möglidy angelegt wird. Zu 
önßerer B. der Bruftwehr u. zu unbelleideten 
Ballflähen nimmt man meift ganze Ben. Den 
Futtermauern der Feitungswälle gibt man nur 
io Oder Y/,, ihrer Höhe zur Anlage, um das 
Eindringen des Negenwaffers u. das dadurch ver- 
urfachte Bermittern der Backſteine zu verhindern, 
Die Krone der Bruftwehren u. Wälle (Plongee) 
erhält meift 6—12jadhe Anlage. 


Böſchungsdreieck, enifteht, wenn man fich| hier 


durch eine ftetige Böſchung eine Bertical-Ebene 
gelegt, im diefer Ebene von einem Punkte der 
Böſchung ein Perpendilel gefällt u., gleichfalls in 
diefer Ebene, durch den Fuß der Boͤſchung eine 
horizontale Linie gezogen, ſowie bie beiden Pinien 
verlängert denkt, bis fie ſich ſchneiden. Geine 
Hypotenufe ift die Böfhungslinie, während die 
horizontale Kathete die Anlage der Böſchung 
heißt, die verticale Kathete die Höhe des gewähl- 
ten Punktes der Böihung über deren Fußpunkt 


en 
———— ſo v. w. Futtermauer. 

Böſchungsquadraut, Inſtrument, um den 
Grad der Abdachung an Bergen zu meſſen. Man 
zieht auf einem viereckigen Brettchen von circa 
1 m Seitenlänge einen Bogen — eines Kreis 
jes u. theilt diefen in 18 Xheile, deifen 9. man 
mit 45°, die äußerften Punfte mit O u. fo bie 
übrigen Theile nach jeder Seite hin, von der 
Mitte aus, mit 40, 39, 30 ⁊c. bis 5° bezeichnet. 
zudem Punkte, von dem aus man den Kreis 309, 
befeftigt man einen beweglichen PBerpenditel, der 
bis am oder etwas über den Gradebogen reicht 
u, durch einen quer in der Diagonale über das 
Brett gezogenen ftarfen Draht gehindert wird, 
nad vorn zu fallen. Man tritt num in der Ber- 
längerung einer Böjhung auf den Berg u. viſirt 
längs der Seitenflähe des Quadranten, doch fo, 
daß der Punkt, von welchem der Bogen aus ger 
zogen ift, ſtets obem ift, nach der Böſchung hin; 
dann gibt der Perpendifel auf dem Gradebogen 
den Grad der Böihung am. Ebenjo fann man 
einen fih im Profil darftellenden Abhang bejtim- 
men, wenn man den B, fo hält, daß deſſen Sei- 
tenfläche die —— des Abhanges dedt. 

Böſchungswinkel, j. u. Böihung 1) u, Berg. 

Bosco, Bartolomeo, berühmter Tafchen- 


Böfchungsdreiedt — Böſe. 


ſpieler, geb, in Turin; diente im franz. Heere u. 
machte dem yeldzug nah Rußland mit; gefangen, 
wurde er nad Sibirien gebracht, wo er bereits 
durch feine Zauberfünfte Auffehen erreäte; 1814 
wurde er ausgewechielt, erhielt den Abichied u. 
durchreiſte 18 ‚Jahre lang als Zauberfünftler faft 
alle Staaten Europas u. einen Theil des Orients 
Er ft. 6. März 1863 auf feiner Befigung bei 
Dresden. Sein Sohn Earlo war ebenfalls ein 
bedeutender Taſchenſpieler, hatte aber 1857 in 
Weimar das Unglüd, bei einer Borftellung ſich die 
Hand zu zerichmettern, 

Boscorenle, Gemeinde im Bezirke Eaftellamare 
der ital. Prov. Neapel; 9225 Em. 

Boscotrecaſe, Stadt im Bez. Eaftellamare der 
ital. Prov, Neapel, zwiſchen großen Lapaftrömen am 
Veſuv; Minerlquellen, Badeanftalt; 9449 Enm. 

Boscovich, Ruggiero Giuſeppe, italieni⸗ 
ſcher Mathematiler u. Aftronom, geb. 18. Mai 
1711 in Raguſa; trat in den Jeſuitenorden, 
wurde 1740 Brofeffor der Mathematit am Colle- 
gio romano zu Ron, vollzog 1750—53 mit dem 
Pater Maire die Grademefjung im Kirchenflaate, 
ging 1760 auf Reifen, wurde 1764 Profeſſor der 
Mathematif in Pavia, fpäter Profeffor der Aftro- 
nomie u. O:ptil in Mailand, wo er die Stern- 
warte ber Jeſuiten gründete, er ging nad Auf- 
u der Jeſuiten 1774 nad) Frankreich u. ward 

irector der optijchen Arbeiten bei der Ma- 
rine, tehrte aber 1783 nad Italien zurüd; er ft. 
12. Febr. 1787 in Mailand, wo ihm ein Monu- 
ment errichtet wurde. B. jchr.: Nova methodus 
adhibendi phasium observationes in eclipsibus 
lunar., Rom 1744; De lumine, daſ. 1749, jpätere 
Ausg., Wien 1766; De lunae atmosphaera, Rom 
1753; Elementa universae matheseos, Rom 1754, 
3 Bde.; De expeditione ad dimetiendos secundi 
Meridiani gradus, Rom 1755, franz., Par. 1770; 
Philosophiae natur. theoria redacta ad unicam 
legem virium in natura existentem, ®ien 1758 
u. ö.; De solis ac lunae defectibus (Gedicht), 
Lond. 1764, franz. von Barruel, 1779; Journal 
d’un voyage de Constantinople en Pologne, 
Par. 1772, Baffano 1784, deutjch, Leipz. 1779; 
Opera pertinentia al opticam et astronomiamn, 
Baffano 1785, 5 Bde. 

Boſe, Julius v., preuß. General, geb. 12. 
Sept. 1809; war früher Page am Hofe zu Weir 
mar u, trat 1826 in die preußiiche Armee, wurde 
1829 Offizier u. abancirte bis 1864 zum Gene» 
ralmajor; 1866 focht er ald Commandeur der 15. 
Infanterie-Brigade mit Auszeichnung bei Podol 
H. Königgräg u. leitete die Umgehung bei Pres- 
burg; er wurde nad dem Frieden Generallieute- 
nant und Commandenr der 20. Divifion (10. 
Armeecorps) zu Hannover. Im Kriege gegen 
Frankreich 1870 f. commandirte er das 11. Armee» 
corps, mit weldem er 6. Aug. au dem Siege 
bei Wörth Antheil hatte, aber ſchwer verwundet 
wurde u. erſt Ende Februar 1871 fein Commando 
wieder übernehmen fonnte, 

Böfe, der, j. Teufel. 

Böſe. Der Begriff des Ben gebört der 
philoſophiſchen Moral an und dient in ihr 
zur Bulammenfaffung aller dem Sittengeſetze 
widerftreitenden Erjcheinungen auf dem Gebiete 





Bojer — Böfing. 


des Menihlih-Geifligen. Die griechiſche Philo- 
fophie und die neuere Philofophie feit Carteſius 
haben dem Begriffe des Böſen die gründlichiten Un— 
terfuhungen gewidmet, am meijten mit Marem 
Bemußtjein der Probleme, um die es fi) dabei han- 
delt, die Philofophie feit Spinoza. Es fragt fi 
nämlih: 1) Iſt das ein bloß Negatives, 
bloße PBrivation, Unvolltommenheit, Mangel des 
Guten, oder das pofitive Gegentheil des Guten, 
directer Gegenfat gegen das Sittengefeg? Zu er- 
fterer Anficht neigen die griehifhen Philofophen, 
unter den Neueren Spinoza, Yeibniz. 2) Damit 
hängt die Frage zujammen: Beſteht das Böje im 
Uebergemwichte der Einnlichkeit, der materiellen Seite 
der menjchlichen Natur, oder ift Urjprung, Sie, 
Grundcharakter des Ben rein in der geiftigen Seite 
des Menjchen zu fuchen, das B. aljo wejentlich 


Egrisinus? Kant, Schleiermader neigten erfterer) (Altarblatt in der Kirche zu Halbau). 


Auſicht zu, Schelling, bejonders in der Freiheits- 


709 


Bofer, Friedrich, deutiher Genre-Maler 
in Diffeldorf, geb. 1811 zu Halbau in Schleften; 
bildete fih 1831 — 1834 an der Dresdener, 
dann bis 1836 an der Berliner Akademie, endlich 
bis 1843 an jenerzu Düffeldorf. In feinen meift 
Heineren Genrebildern behandelt er heitere u. ge— 
fällige Stoffe aus dem modernen Leben mit Ele— 

anz u. verichaffte ſich dadurch einen genchteten 
Namen. Sehr viele feiner trefflich colorirten Bil« 
der find dur Stich u. Lithographie vervielfältigt. 
Außerdem ift B. ein beliebter Porträtmaler und 
verſuchte fich auch in der lirchl. Malerei mit gutem 
Erfolge. Hauptwerke: Die befchenkte Braut; Fauft 
u. Grethen; Egmont u. Klärchen; Das VBogel« 
hießen der Düffeldorfer Künftier in der Wolis- 
ſchlucht; Der Opferftod (Eigenth. der Großfürftin 
Marie); Wendifche Mädchen in der Kirche; —E— 
egnet. 
Böſer Blick (Böſes Auge, gr. Baskanion, 


lehre, ſuchte letzteres zur Geltung zu bringen. 3) lat. Fascinum, Fascination), die vom Aberglauben 


Es fragt ſich: Hit das B. ein bewußtfreies, oder 
nothwendiges, unvermeidliches? Je nach dem de— 
terminiſtiſchen od. indeterminiſtiſchen Freiheitsbegriffe 
wird dieſe Frage verſchieden beantwortet. Der 
Prädeterminismus Kants u. Schellings ſucht das 
Wahre beider Momente in eines zujammenzufaj- 
fen, ähnlich Schopenhauer. Im Ganzen werden 
von der neueren Phüojophie dieſe Fragen nicht 
mit einem runden Entweder — Oder beantwortet, 
jondern die tiefere Erklärung fucht den verſchiede— 
nen, ſcheinbar entgegengeſetzten Seitenim Begriffedes 
Ben gerecht zu werben. Für die religionsphilo- 
ſophiſche u. religionsgefhidhtlidhe Forſch— 
ung ijt von großem Intereſſe die Auffafjung 
des Ben in den verfchiedenen Religionen, In 
den heidniſchen Religionen, wie man nun ihr Un— 
terjcheidendes näher bezeichne, heftet fich der Be- 
griff bes Ben immer noch erft dem bes natür— 
lichen Übels an uw. ift von ihm ungefchieden, fo 
im ägyptiſchen Typhon⸗, im phönikiſchen Moloch-⸗, 
im germaniſchen Loki-⸗Mythus, auch im Gegenſatze 
von Ahriman u. Ormuzd in der Zendreligion; 
denn der Gegefffag von Gut und B. fällt hier 
ang mit dem von Licht u. Finſterniß zufammen. 
Ext die ethiſchen Religionen, namentlid die alt- 
u. nenteftamentl. Religion, faffen den Begriff des 
Ben als den eines pofitiven, bewußtjeinfreien, 
geiftigen Gegenfages gegen das Gute. it auch 
die Vorftellung vom Satan im Judenthum ı. 
EhriftenthHum um Zufammenhange mit der Zend— 
religion entftanden, jo liegt ihr doc) diejer höhere, 
reinere Begriff vom Bun zu Grunde. In der 
Hriftlihen Theologie wird das Problem des Ben 
in der Lehre von der Glinde behandelt, und 
berührt fi, wie die Dogmengeſchichte zu allen 
Zeiten zeigt, hierbei meift bis zum Ununterjcheid- 
baren mit der philofophiihen Entwidelung des 
Begriffes (f. den Art. Sünde). Die bedeutendften 
neueren Monographien: Daub, Judas Ficharioth 
oder das Böje, im Berhältniß zum Guten. Hei— 
delberg 1816—18, 2 Bde.; Herbart, Gejpr. über 
das Böſe Königsb. 1816; Blaſche, das Böje im 
Einklang mit der Weltorbnung, Ypz. 1827; das 
claffiiche Werk für die philofoph., wie theol. Yehre 
vom Böjen ift: Zul. Miller, Lehre von der Sünde, 
6. Aufl. 1867. Löffler, 


von Alters ber gewiffen Perſonen zugeichriebene 
Zauberfraft, mit ihrem Blide Menſchen, befonders 
Kindern, Glücdbegabten, dem Vieh, Garten- und 
Feldfrüchten ſchaden zu können; in neuerer Zeit 
wird beſonders noch in Italien u. Rußland daran 
geglaubt. Als vermeintliches Mittel dagegen trägt 
man in der Form von Höruchen phallusartige 
Amulete, oder macht wenigſtens, wenn man bo» 
jen Blick fürchtet, das Zeichen eines Hornes (od. 
aucd des Kreuzes) von ſich weg mit den Fingern. 
Vgl. Beichreien. 

Böſer Friede, der Friede, welcher 1386 zwi— 
ſchen den Schweizern u. Öfterreichern geſchloſſen 
wurde; ſ. Schweiz (Geſch.). 

Böſe Geiſter |. u. Dämon. 
Böjer Glaube, j. Mala fides. 
Böſer Hals, voltsthümliche Bezeichnung aller 
Arten von Affectionen des Haljes, bejonders ber 
Entzündung innerer Theile. 

öfer Vorſatz, jo v. w. Dolus. 

Böſes Weſen, jo v. w. Teufel. 

Böje Wetter, jo v. w. Schwaben. 

Bosheit, die Sucht, Böjes zu thun u, Anderen 
zu jchaden, der höchſte Grad des Böfen, das 
Böſe in der vollen, feinem Wejen entiprechenden 
Erſcheinung, als praftiiher Gegenfag gegen das 
Gute, ohme ein egoiftiiches Intereſſe, als Freude 
am Böſen an fidh jelber, um feiner ſelbſt willen, 
Da diejer Grad des Böſen erfahrungsgemäß nie 
in einem Menſchen vorlommt, ift bie eigentliche 
B. etwas Teufliiches, Sataniihes. Die hriftliche 
Moral unterfcheidet Schwachheits- u. Bosheits- 
fünde, Iettere das mit vollem Bewußtſein ges 
wollte Böfe, erfteres das Böſe, das aus Unwiſſen⸗ 
beit u. Übereilung begangen wird. In Mothes 
Ethik gehört die B. in das Syſtem der auf dem 
Gebiete der Nächftenliebe fich bethätigenden Untu— 
genden u. bildet hier einerjeitS den Gegenſatz der 
Liebe auf der Stufe des Hafjes neben Miftrauen, 
Rachſucht, Härte; anderjeit3 den Gegenjag der in 
Wohlthun fih äußernden Liebe neben der Unbils 
ligkeit, Büde, Rachſucht. Löffler. 

Bofin, Stadt, jo v, w. —— 

Böſing (Bazin, Baſinium, Bezinel), königl. 
Freiſtadt im ungarischen Comitat Presburg, Eifens 
bahnſtation; fürjtt. Palffyſches Schloß; Kapuziner« 


710 Bofio — Bosnien. 


Hofter, Synagoge, Armenhaus, Erziehungsanftaft/u. Choham-bafha (Oberrabiner). Seit 1850 haben 
für arme Kinder; Ader- u. Weinbau (der Böſin- hier die Großmächte ihre Conſulate. — Im 8. 
ger weiße Tiſchwein ift berühmt); 4300 Ew.; in Jahrh. gründeten in der Umgebung des heutigen 
der Nähe Bergbau auf Schwefellies mit Hütten-B. ©. die ferbiihen Einwanderer einen feinen 


werken. 
Boſio, Franc. Joſ., Baron, namhafter fran- 
zöfiſcher Bildhauer, geb. 19. März 1769 in Mo— 


Freiftaat, der aber bald von dem Kroatenfürften 
Sewjogod unterjodht wurde; 1180—90 verlieh 
Banus Kulin den Ragufaniihen Kaufleuten das 


naco; war eine Zeitlang Schüler Pajous, wurde Recht der Erzgewinnung in den Gebirgen: Jalo- 


unter Ludwig XVIII., der ihn zum Baron erhob, 


ie u. war einer der Erſten, welche für|die Colonie Dubrovnik gegründet, deren Refte noch 


iederbelebung des Geihmades an der Antike 
wirkten; er ft. 29 Juli 1845 als Director der 
Alademie der ſchönen Künfte zu Paris. Werte: 
Die Reliefs an der VBendömefäule; —— und 
Achelous (Bronzeguß), in dem Tuilleriengarten; 
die Statue des Herzogs von Enghien, 1817; 

yacınth, 1817; die Meiterftatue auf der Place 

es Victoires, 1822; das Monument des Grafen 
Demibom, 1830, und viele Bitften (Napoleons, 
Ludwigs XVIII., Karls X. :c.). Regnet.* 

Bosket, Gartenanlage, fo v. w. Bosquet. 

Bosköwig, Hauptftadt einer Bezirtshaupt- 
mannjhaft im öfterreichiichen Kronlande Mähren, 
an der Biela, Eijenbahnftation; ſchönes fürſtlich 
Dietrichſteinſches Schloß, prachtvoller Park; goth. 
Pfarrkirche; altes Rathhaus; Liqueurfabrikation, 
Tuchweberei; Braunkohlenbergbau; mit der Juden- 
ſtadt B. 5575 Em. 

Bosna, der Hauptfluß Bosniens, welcher dieſer 
Provinz auch den Namen gab; entſpringt 15 km 
weftl. von Sarajemo aus dem Gebirge Jgman, 
fließt zuerft nordweſtl. u. von Genita nordöftl, 
bis Dobola; bei Schamatz mündet die B. in die 
Save und hat da eine Breite von 24 m.; von 
Maglaj an wird fie jhiffbar. Rechts fließen der 
DB. zu: Schelesniga, Miljagla, Krivaja und 
Spretiha; linls nimmt fie auf: die Lepenita, 
Laſchwa u. Ufora. 

Bosna Seraj (ſav. Serajewo), an beiden 
Ufern des Miljatfafluffes, der 10 km meiter in 
die Bosna milndet; Hauptftabt des europ.stürf, 
Vilajets Bosnien, in einem fchönen Thal, von 
hohen ®ebirgen umgeben, u. zwar gegen %. find 
Chum u. Mrwina, im DO. Borja, im S. u W. 
ber 1700 m hohe Trebowitſch u. Igman. Die 
Stadt hat in 4500 Häufern 45,000 Ew., davon 
4500 griedh., 500 röm.-fath. Ehriften, 3000 Juden 
u. 1000 Zigeuner, den Neft machen die Mohamme- 
daner aus. (Die Bevölferungsangaben ſchwanken 
übrigens zwiſchen 35 u. 90,000, welche letste Zahl 
jedenfalls viel zu hoch ift). B. hat 100 Moſcheen, 
darunter zeichnen ſich durd ihren Bau die Kaiier- 
mojchee und die Mofchee des Usrem Beg aus, 
letztere mit prachtvollen Marmorpfeilern, zwei 
griech. u. eine röm.kath. Kirche (1850 erbaut) u. 
eine Synagoge; große, 1857 aus Stein ausgeführte 
Kaferne, Konak des Gouverneurs 2c.; Handel u. 
Fabrilation von Waffen, Kupfergeichirr, am mei- 
ften von Baummollengewebe u, Stoffen. Der große 
Handel befindet fi ausfchließlih in den Händen 
der hriftlihen Kaufleute, die fehr unternehmend 
u. mwohlhabend find; die Türken befaffen ſich mit 
dem Kleinhandel u. dem Gewerbe; die Juden, von 


tina, Jaurina (Jaworina), u. von diefen wurde 


heute nordöſtl. von Wareſch zu ſehen find. Erſt 
1235 wurde an der Quelle des Bosnafluſſes die 
Stadt Bosna gegründet u. im ſelben Jahre vom 
Papſt Gregor IX. zum Sitze eines Biſchofs er— 
hoben. 1270 wurde die Stadt von Kotroman, 
einem Großmwürdenträger des Königs Bela IV., 
erweitert u. Bosna War genannt. 1415 zerjtörte 
fie Sultan Mohammed I. 1416 verloren bier die 
Magyaren gegen die Türen eine Schladt. 1463 
eroberten die Türken B. S., u. 1465 legten den 
erften Grundftein zum Entftehen der Stabt an ber 
Stelle, mo fie heute fteht, zwei adelige Renegaten, 
Sotolowitih u. Slatarowitſch; der erfte bosniſche 
Vezier, Kosrew Paſcha, erbaute an der Stelle, wo 
die heutigen Befeftigungen liegen, eine Burg, 
nannte die Statt B. S. und bevöllerte fie 
mit den Einwohnern der Nahbarjtadt Bosna, 
1668 kamen zum erften Mal die Oſterreicher nad 
B. ©.; doch erft 1697 murde die Stabt vom 
Prinzen Eugen erobert; bei dieſer Gelegenheit 
wurde diejelbe in Brand geftedt. Zur Zeit des 
ferbiichen Aufftandes lam 1807 eine Abtheilung 
der ferbifchen Bemwaffneten bis vor B. S., mußte 
aber der türfifchen Übermacht weidhen. Bis 1850 
behaupteten die in der Stadt dominirenden Ab- 
fümmlinge der alten Adeligen eine Unabhängigkeit 
von den Yandesverweier u. hatten ein jelbitge- 
mwäbltes Oberhaupt, u. deshalb auch durfte der 
jedesmalige Bezier nicht in B. ©. refidiren, fon» 
dern hatte feinen Sit in Trawnik. Erft Omer 
Pafcha gelang e8 1850, die Machtder adeligen Ariftos 
fratie zu brechen, u. ſeitdem vefidirt der Gouverneur 
in B. ©.,u. die adeligen Ablömmlinge müſſen jo 
ut wie die Rajah dem Geſetze Folge Teiften. 
er Sandſchak Bosna Seraj zerfällt in 7 Kreije 
(Kadilif) u. diefe wieder in Nabi; er hat 126,400 
Em., davon 66,800 Mobammedaner, 32,00 Grie- 
hen u. 19,780 xöm.slath. Chriſten. Das griedh.- 
fath. Serajewaer Bisthum umfaßt die Sandſchak: 
Serajemo, Trawnik, Banja-Fufa u. Bihatſch, bat 
5 Klöfter, 8 Kirchen, 270 Pfarreien und 300,700 
Confeiftonsgenoffen. Jodanovic. 
Bosnien (ſtav. Bosna), die nordweſtlichſte 
Provinz oder Vilajet des Türkiſchen Reiches in 
Europa; mit Einrechnung der ee 62,463 
km (1134 [_M); hat im DO. das Fürftentbum 
Serbien, von welchem es durd das Gebirg Ja— 
wor u. die Flüffe Uwatz, Lim u. Drina getremmt 
wird; im N. bilden die Save u. Una die Grenze 
gegen das Kroat.»jlawoniihe Königreih, im ©. 
liegen Albanien u. Montenegro u. im W. Dal» 
matien. Das Land iſt fehr gebirgig u. wird im 
O. der Dinartihen Alpen von einem zufammen- 


—— Abkunft, find ſehr arm. B. iſt Sitz des gehörigen Syſtem paralleler von NW. nah SO. 


ouveruneurs, des Chalim (oberſt. Richter), des Mufti 
u. vieler adeligen Türlenfamilien, eines Metropoliten 


ſtreichender Gebirgszüge erfüllt. Bon den zahl- 
reihen Ketten find als die bedeutendſten zu er« 


Bosnien 


(Geogr.). 711 


wähnen im NW. die Koſaratz-Planina u. die Ger- |fuhrartitel. Wein gedeiht im eigentlichen B. nicht, 


met:Pl. ; öftlih am unteren Wrbas die Ljubatſch— 
Planina; weiter nah S. allmählich abfallend die 
Witorga-Pl., Radowan-PI. 660 m, Wlachitſch 1340 
m. teil erhebt fich wieder bei Foinitza in 1260 
ım Höhe die Scetz-Pl., welcher ſich ſüdlich der ebenfo 
hohe Wrabag, der Borim 1360 m und Weleich 
(bei Moftar) 1060 m anjchließen. Das bei Mo- 
ftar eingeſenkte Land erhebt fi” wieder nah SO. 
in der 2000 m hoben Preskawatz- u. Sutidinsfa- 
Planina, ferner Wolujat 16560 m, Dumoſch 
1000 m, endbli an der Grenze Montenegros die 
gigantilehe Dolomitmaffe des Durmitor 2673 m. 
Nördlih von diefem liegen die waldigen Rüden 
des Ljubiſchnier 1600 m, bei Serajewo das wel« 
lige Romanja-Plateau, dem im NO. ſich ähnliche, 
mie die Majewitza⸗Pl., anfügen. Zwiſchen diejen 
Gebirgshöhen ziehen fich ziemlich ausgedehnte, hoch 
gelegene Thäler, von der Bevöllerung Polja (Feld) 

enanıt; als die anſehnlichſten gelten die von 

umno, Liwno, Glamotih, Kupreih u. a. Ebe 
nen hat B. nur unbedeutende längd ber Save, 
Drina u. Bosna. An Gemwäffern ift B. außer- 
ordentlich reich: außer der Save, welde 'nur als 
Grenzfluß in Betracht gezogen werben faun, find 
die folgenden Flüffe die namhafteften: Bosna (f. 
d.); Drina, entipringt dem Komgebirge an ber 
montenegrinifchen Grenze, hat viele Zuflüſſe, bil- 
det die Grenze zwiſchen B. und Serbien u. mins 
bet bei dem Flecken Ratiha in die Save; Una, 
fommt aus der ficca, bildet von Nowi bis Jaſſe— 
nowat, wo fie in die Save einmündet, die Örenze 
zwiichen B. u. Kroatien; Narenta (Neretwa), ent- 
jpringt dem MWolujat-Gebirge und tritt bei Metlo— 
witſch in Dalmatien ein, um bier in das Adria- 
tiihe Meer einzuminden; Wrbas, entjpringt zmi: 
jhen den Seetz u. Rabufha-Gebirge u. mündet 
bei Svinjarewo in die Save. Auch einige Seen 
bat B., einer der bedeutenditen ift der von Jeſero, 
welcher von dem Fluſſe Plima gebildet wird. Das 
Klima ift der Lage des Landes nad) ein fübliches, 
jevod wegen der vielen Gebirge, Gewäſſer und 
Waldungen ift e8 bedeutend rauber, als in anderen 
Gegenden, die in gleichen Breitegraden mit B. 
liegen. In den Gebirgen bleibt der Schnee von 
October bis Mai, an höher gelegenen Stellen noch 
länger. In einigen Gegenden withen alljährlich 
große Stürme, die größten in der Kupreſcher Hod- 
ebene, und richten viel Schaden unter den Schaf- 
beerden an. Sümpfe find befonders an der Save 
und Narenta zu finden. Die Production des 
Landes ift eine vielfeitige, u. B. könnte bei einiger« 
maßen vernünftigerer Berwaltung einer der blühende 

en Landftrihe fein. Ein großer Theil des Landes 
I mit Waldungen bededt, die meift zum Mittel- 


walde u. jelten zum Hochwalde gehören; jetzt wer« | Kleinhandel. 


den diefe Waldungen von ausländiihen Speculan- 


aber in der Herzegomina gibt es vorzüglide Sor— 
ten, befonders in der Gegend von Moftar. Zu 
den fildlih gelegenen Landestheilen gedeiht auch 
das Obft des Südens. Den eigentlihen Reich 
ihum des Landbewohners bilden die Hausthiere, 
welde in großen Heerden ausgeführt werdtn. B. 
befigt 124,562 Pferde, je etwa 4 Dill. Rindvieh, 
Ziegen n.Schweine u. über 1 Mill. Schafe. Mehr 
aus- als eingeführt werden 90,000 Schweine, 
53,000 Schafe und Ziegen und 34,000 Rinder. 
Die Wälder find reih am Wild jeder Gattung. 
Bon Metallen ift am reichiten das Eiſen vorhans 
den; doch gibt e8 auch Gold, Silber, Kupfer, Blei 
u. andere Erze, fowie Steinfalz. Der Bergbau 
muß in alten Zeiten fehr fhmwungbaft betrieben 
worden fein u. ift erft nad dem Cindringen der 
Türken in Berfall gelommen. Das Steinfalz wird 
nicht gefördert, das Sudſalz wird in Gornjau. Doluja 
Tusla und bei Drentjched gewonnen, Auch viele 
Mineralquellen hat B. Die anjehnlichften Warnı- 
bäder find in Slatina, 3 Stunden von Banja-Yırfa 
entfernt, dam in Ilidſcha bei Bosna Seraj, bei 
Konjitza, Gratihaniza und Banjsfa. Die beften 
Sauerquellen find bei Lepenita (Nabija Foiniga), 
in Kifeljat bei Bosna Seraj u. m. a. Die Jr 
duftrie ift fehr vernachläffigt, da die Regierung 
nie etwas zur Hebung geihan hat, noch thut; es 
ift aber in dieſer Beziehung in B. doch befier be- 
ftellt, als in den übrigen türkischen Provinzen. 
Die meiften Vertreter hat das Schmiedehandwert, 
u. werden deffen Erzeugniffe in die benachbarten 
Länder ausgeführt, Serbien bezieht den größten 
Bedarf an Schmiedeifen aus B. Der vorzilgliche 
Stahl wird zu guten Meſſern (Handſcharen und 
Jatagan) verarbeitet, u, wird diefer Artilel an 
einigen Orten fabrifmäßig in großen Quantitäten 
gefertigt u. weit verführt. In Forza, Yoiniga u. 
Moftar werden Gewehre u. alle übrigen Waffen« 
gattungen gefertigt. Das bedeutendfte Hittenwert 
ift in Starı-Maidan, mit 125 fogen. Wolfsöfen, 
Das befte Schiegpulver wird in Tſchelin erzeugt. 
Das Gerber- und Kiürfchnerhandwert hat jeinen 
Sig in Wiſoli und Bosna-Seraj. Der Feldbau 
wird in primitiver Art betrieben, jo auch die Vieh— 
zucht, u. doch ift der Ertrag bedeutend, was am 
beiten die bedeutende Ausfuhr beweiſt. Neben 
Bosna Seraj find die anfebnlichiten Handelspläge: 
Banja-Lufa, Tramnif, Tusla, Teſchanj, Nowi Paſar 
u. Pridor. Wegen Mangels an befahrbaren We— 
gen muß jeder Waarentransport auf Saumpferden 
geihehen. Dies vertheuert ungemein die Waaren 
u. ift einem lebhaften Umfage binderlid. Der 
Großhandel ift in den Händen riftlicher Kaufleute, 
und die Türken befaffen fich faft nur mit dem 
Als Einfuhrartitel können erwähnt 


werden: Salz (aus Rumänien), Zuder, Kaffe, 
ten großartig ausgebeutet. Jedes Getreide gedeiht | 


Stahl u. Blei (aus Trieft), Wein u. Öle (aus 


—— am meiſten werden jedoch Mais, Gerſte Dalmatien), Baumwolle und Tuche (aus Trieſt), 
u. Weizen gebaut, weniger ſäet man Roggen, Hafer, | Seidenwaaren (aus Gonftantinopel). Ausgeführt 


Hirfe u. Heidelorn; die mittlere Getreideproduction | 
in der Ljubuſchkaer Hoc 


beträgt 3 Mill. hl; 
ebene wird auch Reis gebaut. Mußerordentlich viel 


werden: Eifen, roh u. verarbeitet, Obft, Getreide, 
Bieh, Wolle, Häute u, elle, Waffen. Die gro- 
ben Zölle (13 pCt. vom Waarenmwerthe), der 


Dbftgärten find im Lande vorhanden; das Obft, Mangel an Communicationsmitteln bedrüden jehr 
befonders die Zwetichen, und zwar in gedörrtem|das Heben des Handels. Bon Bedeutung für den 


Zuftande, find ein anfehnlicher u. gefuchter Aus- Handel it die 


ampfidhifiiahrt auf der Save u. 


712 Bosnien Geſch.). 


auch die unlängft fertig gewordene Eifenbahn Nowi-|heiten, dem Finanzdirector u. 6 Mitgliedern, von 
Banja-Fula, deren Verlängerung bis Bosna Seraj|denen 3 Mohammedaner u. 3 Ehriften od. andere 
zwar in Angriff genommen wurde, nun aber gänz- |Nicht-Mohammedaner fein jollen. Der Gouver- 


lich eingeftellt it. Die Benöllerung Bes be 
trägt 1,337,393 Seelen (einfchließlih etwa 300,000 
in der Herzegowina). Die Bosnier gehören zum 
ſerbiſchen Boltsftamme u. theilen fi der Religion 
nah in Mohammedaner (469,184), griech. Ka» 
tholiten (659,041) u. röm. Katholiken (191,384), 
den Reſt machen 11,412 Zigeuner u. 6873 Juden 
aus. Der Grund und Boden ift meift in den 
Händen der Mostemin, die Dorfbewohner, Kmet, 
find durchgängig befitlos u. den Beg (Nadlom- 
men des ſlaviſchen, zum Islam übergetretenen 
Adels) und Spahi (eingewanderten Türken) erb- 
untertbänig. Die griech.-kathol. Ehriften haben 
einen Metropoliten u. zwei Biſchöfe; die geiftlichen 
Angelegenheiten der röm. Katboliten verwalten die 
Franciscaner, der Provincial dieſes Ordens wohnt 
im Klofter Sutjesla. Die chriftlidhe Bevölferung 
wird einerfeits von den Spahi u. anderſeits von 
den türkischen Beamten hart bedrüdt, die gried. 
Katholiten werden außerdem auch von ihren Bi- 
ſchöfen, die meift Griehen — Fanarioten — find, 
— ſie können in ihren Drangſalen bei 
dieſen Würdenträgern feine Hilfe finden, denn die⸗ 
jelben nehmen gemeinihaftlid mit den Türken 
gegen das arme Voll Partei. Mit den römischen 
Katholifen ift e8 in diefer Beziehung beifer be» 
jteflt, dieſelben haben in den Franciscanern eifrige 
Fürbitter u. Vertheidiger. Zu bedauern ift, daß 
eben diefe Ordensbrüder den Zwieſpalt zwiichen 
den Ehriften nähren. Sie eröfinen Schulen, aber 
mit dem Ginführen der lateinischen Schrift wird 
auch die einheitliche Literatur geipalten. Auch ar- 
beiten die Franciscaner allzu eifrig an der Ab- 
ihaffung der alten Gebräuche. Aud die griech. 
Katholiten haben einige Schulen, u. die Regierung 
des Fürſtenthums Serbien unterftügt eifrig, durch 


neur bat den Borfig im Senat u. kann fi einen 
Stellvertreter felbft wählen u. ernennen. Ihm 
find die Verwalter der Sandſchalate (Muteſarif) 
in Allem untergeben, jo aud die Kreis umd 
Bezirtsvermwalter (Kaimalam). Jeder Sandichat, 
Kreis u. Bezirk, au jede Gemeinde hat ihren 
Rath (Medſchlis). Der oberfte Nichter, zugleich 
Chef des Gerichtswejens (Mufetiih hilijam) wird 
vom Gultan auf Antrag des Scheif ul Islam er- 
nannt; ihm find die jämmtlichen Richter (Kadi) 
untergeben. Er fungirt zugleih als Borfigender 
de3 oberſten Civilgerichtes — bufuf) u. des 
Erimimalgerichtes (Tahtit medſchlis celiri cinajet) 
u. hat einen faiferlihen Beamten zur Aushilfe, der 
zugleich das Amt des Secretärs beim oberften Ge» 
richtshofe belleidet. In Bosna Seraj befteht auch 
‚ein Ober-Handelsgericht, welches zugleich die zweite 
Inſtanz der in den Sandſchakaten beftehenden Han- 
deisgerichte it. Alljährlic wird eine Berjamm- 
lung zur Berathung einberufen, im melde jeber 
Saudſchal 4 Vertreter (2 Mohammedaner, 2 Ehri- 
ſten) zu jenden hat. Der Walt ift Vorſitzender der 
Berfammlung. Die oberfte Leitung des finanziellen 
und Rechnungs- Departements ift einem Director 
Muhaſebedjija) überwiefen; er ift zwar dem Wali 
unterordnet, jedoh nur dem Finanzminiſterium im 
Eonftantinopel verantwortlid. Die officielle Cor⸗ 
refpondenz der Provinz führt der oberite Kanzler 
(Mubtubticht effendija), u. feiner Obhut ift auch 
das Arhiv der Provinz überwiejen. Auch für die 
öffentlichen Arbeiten befteht eine Abtheilung. In 
Allem ähnlich diefer oberften Landesverwaltung ift 
die Verwaltung der Sandichalate. Alle Beamten 
werden in Conftantinopel ernannt und find wahre 








Osmanli, welche der Landesiprache nicht mächtig 
find. Die Amtsſprache ift die sürfiiche, bei der 


Schenkungen von Büchern u, Geldmitteln das Her | Heinften Amtshandlung find Dolmetſcher nöthig, u. 
ben der Bildung, aber die türk. Behörden ſehen das Bolf hat unter folder Handhabung des Ge» 
in den fyrilliichen (ruffiichen) Yettern etwas Staats- fees viel zu leiden. Die Beamten vom oderiten 
gefährliches u. geftatten nur jelten das Gröffnen|bis zum unterften haben eine ſehr ungewijle Exi— 
einer Schule in den Städten, auf dem Lande eri-|ftenz, u, darum find fie darauf bedacht, das Volt 
ftirt feine einzige. Im freien Serbien gibt es bei jeder fi bietenden Gelegenheit gehörig aus« 
512 Schulen mit etwa 25,000 Schülern. In po-|zufaugen. Die militäriiche Gewalt ıft von der 
litiſch · adminiſtrativer Hinfiht wird B. in fieben)adminiftrativen getrennt, u. an ihrer Spige fteht 
Sandihafate oder Muieſariflik getheilt; es find: ein Commandirender in Bosna Seraj, unter deſſen 
Bosna Seraj (157,455 Em.), Trawnik (149,613) Befehl die Paſcha ftehen. 

Em.), Banjartula (221,046 Ew.), Bihatih (176,428| Geſchichte. Die Geſchichte B-8 zerfällt in drei 
Ew.), Smwornil (291,849 Ew.), Nowi-Paſar Hauptperioden, und zwar bezieht fich die erfte auf 
(156,041 Em.) u. Moftar (Herzegowina im en-|die Zeit vor der Einwanderung der Slaven in B., 
geren Siune, 185,421 Em.). Die Sandſchakate | daher bis zum 7. Jahrhundert; die zweite, hriftl.= 
zerfallen in 52 Kreife (Kadilik) u. Bezirke (Nahi). ſlaviſche Periode umfaßt die Zeit bis 1463, als 
Verwaltung: Bevor die Herzegowina mit B. das Bosnifche Reich zerftört wurde; die dritte BE 
zu einem Bilajet vereinigt war (1865), verwalteten riode ift die der türf, Herrichaft in B. In der 
das Fand 2 Beziere, der eine hatte feinen Sit; in vorſlaviſchen Zeit war B. ein Theil von Ilyrieum 


Trawnif u. der zweite in Moftar. Jetzt verwaltet 
die Provinz ein Gouverneur (Wali), welcher die 
oberfte Yeitung ſowol der adminiftrativen, als auch 
der politijchen, finanziellen u. polizeilichen Ange» 
legenheiten in feiner Hand hat. Er wird vom 
Sultan ernannt, u. zur Ausübung der oberjten 
Gewalt ift ihm ein Senat (Idare medichlis) bei. 
gegeben; diefer Math beiteht aus dem (Chef des 


‚magnum, ı. während ber Nömerberrichait gehörte 
'e8 zur Provinz Dalmatia bis 337. Mach der 
Theilung des Römisches Neiches fiel B. an das 
Oftreih. Um das Fahr 630 bejegten die Slaven 
B. u. ließen fi zwiſchen 633—640 taufen. Bei 
Conſt. Borphyrogenetos erfcheint zuerit der Name 
B., er legte ihn der Gegend zwiſchen der Drina, 
‚Save, Una u. dem Adriatifchen Deere bei. Die 


Gerichtsweſens, dem Leiter der Äußeren Angelegen- | eingewanderten Slaven maren abhängig vom 


Bosnien 


Byzantiniſchen Meiche, u. erft im Jahre 641 ge» 
langten fie zu einer gewiffen Unabhängigfeit; das 
Sand wurde in Geſpanſchaften (Zupa) getheilt 
u. von einem Großjhupan regiert, u. Budimir 
(874) wurde der eigentlihe Organijator des füde- 
rativen Serbenreiches. Als erfter jelbftändiger 
Banus von B. wird Schelimir (940) genannt; er 
ging darauf aus, B⸗s Unabhängigkeit zu befeftigen, 
u. nachdem er in der Schlacht bei Fajtze gefallen, 
fiel 3. an König Teſchimir, der als Regenten 
feinen Sohn Krefhimir Teſchimirovitſch einjegte, u. 
B. verblieb bis zum Jahre 1120 unter ferbiicher 
Oberherrſchaft; zu diefer Zeit fiel B. unter die 
Botmäßigfeit der ungarischen Könige, welche die 
Banuswürde verliehen. Bon 1168—1204 ver- 
waltete B. Banus Kulin, der fih um das Land 
bochverdient machte und bejonders den Bergbau 
zur großen Blüthe erhob. Seine Nachkommenſchaft 
gehört noch heute zu den angejehenjten u. reichiten 
adeligen Geſchlechtern B⸗s. Unter jeinen Nach— 
folgern brachen religiöſe Wirren in B. aus, u. erſt 
der jerbifche König, Miljutin, ftellte Die Ruhe wieder 
ber und gab die Regierung an Paul Schubitſch 
1302 ab. Defien Sohn Miladin wurde durch eine 
Revolution vertrieben, u. B. fiel wieder an die 
ungarischen Könige, aber nicht auf lange, denn 
ihon 1335 warf Banus Twarko II. die Bot- 
mäßigteit ab u. nannte fih König von B. mit 
dem Namen Stephan Twarfo J. Er machte große 
Anftrengungen in Bezug auf die Hebung des 
Handels u. des Aderbaues, gründete neue Städte 
und unterwarf einige Städte in Dalmatien, Fu 
die Schlacht am Amjelfelde fandte er dem Ser- 
benczar ein Hilfscorps von 20,000 Mann, u. als 
die Türken verſuchten, B. zu erobern, hatte Twarto 
Kraft genug, um fie zurückzuweiſen. Mit Hecht 
wird Twarlo als einer der erlauchtejten Herrſcher 
B-8 betrachtet. Ihm folgte fein Neffe Stephan 
Dabifha, u. 1396 nach deſſen Tode der unche- 
the Sohn feines Vorgängers Stephan Twarto II. 
Twarkowitſch, der aber jhon nah Fahresfrift von 
feinen Feinden vertrieben wurde. Der Anführer 
der Unzufriedenen, Stephan Oftoja, riß die Ober- 

ewalt an fi), mußte aber bald weicyen, u. jein 
Sohn Stephan Oſtojitſch wurde 1418 zum König 
erwählt. Ihm folgte jein Sohn Stephan Thomas 
Dftoja 1445. Bon den Türken hart bedrängt, 
mußte er 1444 in die Entrichtung eines Tributs 
von jährlich 25,000 Ducaten willigen, Im Jahre 
1446 berief er nad) Konjiga die fänmtliche höhere 
GBeiftlichkeit u. den Adel zu einer Berathung, u. 
bier wurden die Gejege über die Vertreibung der 
religiöfen Secten u. über die Entrichtung von 
Abgaben feftgeftellt. 1462 wurde diejer König, 
während er fih zu einen Kriege mit Ungaru ri 
ftete, von feinem Sohne erdrojjelt, u. den Thron 
beitieg Stephan Tomaſchewitſch. Wegen feiner 
fhwarzen That und meil er nicht der redht- 
mäßige Sohn war, wurde er von dem Volke 
gebakt, u. jo war es dem Sultan Mohammed II. 
leicht, al® er 15. Juni 1462 mit 150,000 Mann in 
B. eingefallen, die Nefidenzitadt Bobowatz einzu⸗ 
nehmen. Der König rettete fih im die Feftung 
Kljutih, wurde hier gefangen genommen u. troß 
der gegebenen Berfiherung, dat jein Leben ver 
jhont bleiben werde, 30. Juni 1462 hingerichtet, 











Geſch.). 713 


u. zugleich mit ihm alle jene Großen des Reiches, 
welche ihren Glauben nicht lafjen wollten. 
nachher fiel auch die Herzegowina (1483) uuter 
das 
beiderlei Gejchlechtes wurden in die Sfaverei nad 
Afıen abgeführt, u. das größte Elend brach über 
das verwüſtete Land herein. 
juchten die Ungarn B. den Türken zu entreißen. 


Bald 


türfihe Joch. An 200,000 Einmohner 


1465 u. 1471 ver« 


Die Verſuche wurden öfter wiederholt, bis endlich 
1526 in der Schlacht bei Mohacz die Türken 


die ungarische Macht gänzlich brachen und dann 


arg in B. u. den Nachbarländern au haufen be⸗ 
annen, Als endlih nad der Niederlage bei 
Wien 1683 die Türken zu weichen begaunen u, 
immer meiter zuriidgedrängt wurden, wurde 1688 
ein großer Theil B-3 vom öfterreichiichen Heere 
unter Ludwig von Baden beiekt; 1697 drang 
Prinz Eugen bis gegen Bosna Seraj vor. Faft ein 
ganzes Jahrhundert wurde zwiſchen Öfterreih u. 
den Türken um den Befit —* gelämpft u. viel 
Blut umſonſt vergoſſen; denn nah dem im- 
Siſtowa 1791 geihlofjenen Frieden behielt bie 
Türkei B. im Befig. Als im Jahre 1804 in 
Serbien der Aufftand des Volkes gegen die tilr- 
fiihe Tyrannei ausbrah u, das ferbiidhe Heer 
in Kara Georg einen umfichtigen und energiſchen 
Führer erhalten hatte, wurde auch B. nicht ver« 
geflen, u. Kara Georg umternahu es, eine Ver— 
indung mit Montenegro berzuftellen, B. von der 
Türkei abzufchneiden u. die Bosnjalen mit Waffen 
verjehen mit in den Krieg gegen den gemein« 
ichaftlihen Feind zu führen. Yeider miglang diejer 
Berſuch, u, als 1813 die Türken auch den jerbi- 
Shen Aufitand unterbrüdten, wurde B. ein noch 
bärteres Joch aufgelegt, jo daß jelbjt die Moham« 
medaner unzufrieden wurden und die VBedriider 
abzuwerfen verſuchten. 1831 brach ein allgemeiner 
Aufftand in B. aus; Capitän Huffein von Gra— 
datihag übernahm die Führung; anfangs be 
günftigte ihn das Glüd, er flug in einigen 
Gefechten die türkischen Truppen u. bewies ein 
energiiches Auftreten u. Handeln, das der Maſſe 
imponirte und ihm das Prädicat Smajbojanskt 
(Drade von B.) einbrachte. Erſt als Kara Mah— 
mud mit 60,000 Mann gejchulter Truppen antaın, 
Ihlug er bei Banjsfa die Aufitändiichen aufs 
Haupt, Huffein flüchtete fih nach Ofterreich, und 
Kara Mahmud züchtigte Hart den Adel wie das 
Voll. Die natürlichen Folgen dieſer Bedriidung 
waren erneuerte Aujftände, jo im J. 1836, 1837 
u. 1840, doch wurden diefelben wieder bald be» 
wältigt. Als aber zu Aufang des Jahres 1847 
Zahir Paſcha zum ir von B. ernaunt wurde 
u. zur Durchführung des ſchon 26. Novbr, 1839 
erlaffenen Tanſimats ſchritt, womit die Leibeigen- 
haft aufgehoben und das directe Bejteuerungs- 
ſyſtem eingeführt werden follte, brach abermals 
ein Aufftand aus, den erft Omer Paſcha nad 
längerer Zeit unterdrüdte u. der dhriftlihen Be— 
völferung die Waffen abnahın. Omer Paſcha 
hat ſich in mancher Beziehung nicht nur um das 
Land, jondern auch um die chriftliche Bevöllerung 
verdient gemacht, indem er den Übermuth des 
Adel brach u. Straßen bauen ließ. Er ließ auch 
die erfte vollftändige Volkszählung in B. vor- 
nehmen, und das Land würde unter jeiner 


714 


Regierung gewiß zur Blüthe gelangt fein, mwenn|feit der Mitte des jechften Jahrh. v. Chr. hatten 
er nicht verdächtigt worden wäre, was anch feine die Hellenen, namentlich kleinaſiatiſche Jonier, auch 
Abberufung aus B. zur Folge hatte. Als i. J. die Küften an der Mündung ber in das Ajomwiche 
1859 in Gerbien die Dynaftıe der Obrenowitih | Meer fliegenden Gewäſſer colonifirt. Zur Zeit ber 
auf den Fürftenthron berufen wurde, leuchtete au [großen griechiſchen Perjerkriege gründete von Ban- 
den bosniſchen Chriften ein Hoffnungsftrahl auf, |tifapäon aus das Haus der aus Mytilene ftamm- 
und al$ 1862 Belgrad von den Türken aus derjenden Ardäanaftiden das Bosporaniſche Reich. Sie 
Feſtung befchoffen wurde, war auch gute Gelegen-| erweiterten ihr Gebiet nad den nächſten Damals 
beit zu einem Conflict mit der Türkei da, man ſtythiſchen Steppen hin u. machten es dur Han- 
Hieß Ddiejelbe aber unbenutt vorübergeben, nur del, Ader- u. Weinbau, Fiſchfang zc. blühenp; 
fo viel gewann man, daß ſämmtliche Türken (aus: |e8 war lange eine Kornkammer Griechenlands, 
genommen das Militär, welches die Feſtungen befonders Athens, u. lieferte außerdem Sflaven, 
noch bis zum Jahre 1867 bejegt hielt) Serbien | Pelze, Häute, Wachs zc. dahin, Nach den Archä- 
verlaffen mußten; diefe zogen nun nah B. u. halfen |analtiven begann 438 mit Spartalos I. eine neue 
dort das Volk unterdrüden. Der ferbifhe Fürft | Dynaftie, u. diefer folgten wieder andere joldhe, welche 
Michael Obrenowitich ging mit dem Gedanken um, |die Freundſchaft mit den Athenern aufrecht erhielten 
DB. der Türk. Pforte abzulaufen, u. gewiß würde er|u. unter deren Königen mander vou den Legteren 


Boſo — Bosporus, 


fein Ziel erreicht haben, wenn ihm nicht Mörder- 
band getöbter hätte. Die Yage der bosniſchen 
Bevölterung, beionders der chriſtlichen, ift eine 
entfetsliche, das beweift am beften die große Hahl 
der Flüchtigen welde im Jahre 1873 das Yand 
verließen. Der Conflict, der damals zwiſchen 
Oſterreich u. der Türkei ausbrach, legte ſich bald, 
und die Bevölkerung leidet nad wie vor. Im 
Zuli 1875 find neue Unruhen in der Herzegomina 
ausgebroden. Ein Theil der Bevölferung, roh, 
raubſüchtig u. gegen die Türken fanatifirt (fowol 
durch die eigenen Priefter, al8 von Serbien und 
Montenegro aus, vielleicht nicht ohne Eimmirfung 
von auswärts) verweigert unter frivolen Vorwän— 
den jede Steuerzahlung. Blutige Kämpfe haben 
bereit8 begonnen. Der Zwed der — ſcheint 
Vereinigung der Slaven Bes mit jenen Ungarns 
u. Dalmatiens zu fein. Die beiten Werfe über 


Ehrenbezeugungen empfing. Die Könige des Bos- 
por. R»e3 hatten indeffen fortwährend Kriege mit den 
Stothen zu führen, an welche fie viel Land verloren, 
Da trat endlih Pärifades II. das Reih an Mi- 


thridates d. Gr., König von Pontos, ab (regierte 


nominell jeit 120, felbftändig feit 113 v. Chr.), 
welcher num die Skythen aus der Gegend ver» 
drängte. Mithridates übergab jpäter das B. R. 
feinem Sohne Machares; als diefer fi aber gegen 
das Intereſſe feines Vaters mit den Römern ver» 
band, warb er von feinem Vater befriegt u. töd- 
tete fich felbft (64 v. Chr.). Sein Bruder und 
Nachfolger Pharnakes ſchloß ſich ebenfalls an die 
Römer an, half denjelben feinen Vater befiegen 
u. wurde deshalb in feinem Beſitze beftätigt, nur 
Phanagoria behielten die Römer (63 v. Ehr.). 
Unter ihm u. feinem Schwiegerfohne Afander, der 
ihn im Jahre 47 v. Chr, ermordete u. nach mehr» 


B. find: Hilferding, Bosnija, Hercegovine i Sta-|fahem Glückswechſel jpäter von Auguftus zum 


reja Srbija, St. Petersburg 1859; IThoemmel, 
Beihreibung der Vilajets B., Wien 1867; Ros— 
fiewicz, Studien über B. u. die Herzegowina, Lpz. 
1868; Maurer, Reife durch B., die Gaveländer 
u, Ungarn, Berl. 1870. Jovanovic. 
Boſo, 1,8. von Provence, Sohn des Grafen 
Theoderid von Autumn. Karl der Kahle ernannte 
ihn 860 zum Grafen von Vienne u., da er 876 
des Kaiſers Ludwig II. nachgelaſſene Tochter 
Irmgard geheirathet, zum Statthalter in Italien. 
Im Jahre 879 gründete er das neuburgundiiche 
oder cisjuranishe Königreich, welches das ſüdöſtl. 
Franfreih mit Savoyen begriff. Er ft. 11. Jan. 
887. 2) Röm. Cardinal, geb. in England; wurde 
1149 Schreiber der römiſchen Curie, beförderte 
die Wahl Aleranders III. zum Papfte, jammelte 
in deſſen Auftrage die Vebensbejchreibungen der 
Päpfte u. fchrieb die Gefchichte der Zeit von Bapft 
Eugen IV. bis zum Benetianischen Frieden. 
osporaniſches Reich, ein hellenischer Staat 
an beiden Küjten des Kimmerifchen Bosporus (jett 
die Straße von Jenikale zwiihen dem Aſowſchen 
und Schwarzen Meere); dehute ſich zur Zeit feiner 
größten Ausdehnung bis nad Tahais am unteren 


Don aus u. umfaßte die OHälfte der Taurifchen |1 


Halbinjel (Krim). Städte waren Pantikapäon (Bos- 


König ernannnt ward, blieb das Reich unter rö— 
mifcher Oberhoheit. 259 ft. der Stamm der Mithrida- 
tiden aus, u. nun bemächtigten fich die Sarmaten bes 
Bosporanishen R-es. Ihr König Sauromates IV, 
unternahm einen Zug gegen die Römer, drang nad) 
Kolchis u. verwilftete Pontos. Diocletianus jchidte 
den Eonftantius Chlorus gegen ihn u. reizte die 
kräftigen, den Römern treu ergebenen Bewohner des 
Zaurischen Cherſones zum Einfall in das Gebiet 
des Sauromates. Ihr Anführer, Chreftos, nö— 
thigte den Sauromates zum Frieden. Sein Em 
tel, Sauromates VI., wollte die Cherjoniten dafiir 
ftrafen u. kündigte ihnen während jeiner Feldzüge 
in Kleinaftien den Krieg an. Aber befiegt mußte 
er ihnen 344 das ganze Sand bis Kapha abtreten. 
Das Ende des Bospor. R-es fest man gegen das 
Ende des 4. oder an den Anfang des 5. Jahrh. 
unter Gauromate8 VIII; dieſer verjuchte das 
feinen Borfahren von den Cherſoniten abgenom- 
mene Land wieder zu erobern, verlor aber im 
Zweikampfe mit ihrem König Pharnafes jein Le— 
ben, worauf fi die Eherjoniten das ganze Neich 
unterwarfen. Hergberg.* 

Bospörus (v. Gr., d. i. Ochjenfurt; a. Geogr.), 
) B. Cimmerius, die Meerenge zwiichen Cherſo— 
nejos Zaurifa u. Sindile; jest Straße von Kafja 


poros, jetzt Kertich) und gegenüber Phanagoria, od. Feodofia, Kertic od. Jenilale. Die Anwohner 


auf der Inſel Taman, nah denen bald fi) meh— 
rere erhoben, wie Myrmelion, Barthenion, Achil- 


leion, Seit der Mitte des fiebenten, nod mehr, 


ac Bosporanier. Aufder NOKüſte deſſelben lag 
) die Stadt B. (Miletiiche Colonie), nah Ein. jo 
v. w. Pantifapäon; jegt wol Kertid oder Bospor. 


Bosque — Bofiak- Haufe. 715 


Hier wurde das Bosporanifhe Reich -(f. d.) ge- 
gründet. 3) (B.thracieus, B, mysieus, B. Chal- 
cedoniae) Die jetige Straße von Conftantinopel 
(Boghaz⸗Itſchi, Jitambul-Boghazi), welche Europa 
von Afien trennend das Schwarze Meer mit dem 
Marmarameere verbindet, bei Poiras beginnt und 
nach vielfältigen Schlangenwindungen bei Con— 
ftantinopel mündet; 27 km lang, die größte 
Breite, unterhalb Böjufdere, beträgt 1950 m, die 
Heinfte Breite, bei Balta Liman, 1170 m. Die 
Waſſertiefe ift durchſchnittlich 30 Faden, in den 
rögten Weitungen des Kanals finkt fie bis zur 
älfte herab, ift aber immer ausreichend felbft für 
die größten Schiffe. Den größten Theil des Jahr 
res hindurch rollen die Fluthen des Schwarzen 
Meeres der Mündung des B. zu u. erzeugen in 
demfelben eine ftarfe Strömung nad ©,, 
welche durchſchnittlich die Gefhmwindigfeit von 7,, 
km in der Stunde befitt. Die Einfahrt in die 
Waſſerſtraße vom Schwarzen Meere ber ift ſchmal, 
u, der Wind zu einer folhen muß günftig fein. 
Diefer Umftand fowol, als der häufig eintretende 
löglihe Wechiel des Windes auf dem Schwarzen 

eere, an deffen Küſten fich mweithi fein Anker— 
plat findet, ſowie auch die oft aus dem Schwar- 
zen Meere auffteigenden dichten Nebel bringen 
den Schiffen große Gefahren, befonders im Herbfte 
u. Winter, wenn der NWind aus den ruffiichen 
Steppen über das Schwarze Meer hinfegt. Die 
etwa 500 m hoben Bergmwände beider Ufer des 
B. fallen oft ſchroff ab, bald treten fie zurüd, um 
den reizenbiten Gegenden Plat zu machen. Faſt 
ununterbrochen, —— am europäiſchen Ufer, 
reihen ſich Ortſchaften an einander, über denen ſich 
Landhäuſer, Kiosle u. Gärten erheben, während 
von den Gipfeln Burgen, Schlöſſer und Ruinen 
aus der byzantiniſchen u. genueſiſchen Vorzeit her— 
abblicken. Zum Schutze Conſtantinopels gegen 
einen von N, her kommenden Feind find längs 
des Kanals und zu beiden Seiten deſſelben 
zablreihe Vertheidigungswerke angelegt. An der 
Mündung des B. ins Schwarze Meer ftegen die 
beiden Batterien Anadoli Fanar in Aſien u. Ru— 
milt Fanar in Europa, mit Leuchtthürmen. Durch 
eine ſchmale Wafferlinie vom Felfenufer getrennt 
u. 50 Schritte davon entfernt ragen bier die 
Symplegaden oder Kyaneen aus dem Waffer her- 
vor, Bajaltfelfen, welche nah der Sage hin- und 
herwankten u. alle Schiffe zertrümmerten, bis fie 
nad der glüdiihen Durhfahrt der Argonauten 
nad einem alten Orakelſpruche feftitanden. Etwa 
in der Mitte des B. liegt auf europätfchem Ufer The— 
rapta, Sommerfiß des brit. u. des franz. Gejandten. 
Zwiichen den beiden Schlöffern Rumili-Hiffar in 
Europa und Anadoli-Hiffar in Afıen hat der ©, 
feine jhmalfte Stelle. Weiter gegen Conftantinopel 
hin liegen auf europäifcher Seite die herrlichen 
Luftihlöffer des Sultans, Tſchiwaghan, Beſchik— 
taſch u. Dolmabagdſche; dann folgen die Vorftädte 
Pera u. Galata, der Bujen des Goldenen Horns 
und endlich die Hauptftabt des Türkischen Reiches 
jelbit; ihr gegenüber in Afien Stutari, Am Ein— 
gange des B. in das Schwarze Meer ftand im 
Alterthum ein Tempel, am Ausfluffe in die Pro— 
pontis die Stadt Byzanz. Der thratiihe B. war 
in der griech. Mythe der Durchgangspunlt der 


in eine Kuh verwandelten Jo; fpätere Geitalt- 
ungen ließen auch den Kimmeriſchen 8. (j. ®. 1) 
turhihwimmen. Über den B. führte Darius 
auf einer Schiffbrücke fein 700,000 Dann ftartes 
Heer. Im 8. 1352 Seeſchlacht zwiſchen Genua 
u. Benedig. Bgl. Tihihatchef, Le Bosphure et 
Constantinople avec perspectives des pays limi- 
trophes, Par. 1864; Dethier, Der B. u. Con— 
ftantinopel, Wien 1873. 

Bosgque, County im nordamerif. Unionsftaate 
Teras, unter 37° n. Br. und 97° m. %; 
4901 Ew.; Countyfig: Meridiana. : 

Bosquet (Bostet, fr.), in Gärten angelegtes 
Heines Gehölz von dichten Gebüſch mit wenigen 
oder feinen hoben Bäumen, gewöhnlich mit gewun⸗ 
denen Wegen u. fehattigen Sigen. 

Bosquet, Pierre Frauçois Jo ſeph, franz. 
Marſchall, geb. 8. Nov. 1810 in Pau; beſuchte 
feit 1829 die Polytechniſche Schule in Paris und 
1831—33 die Militärfchule in Meg u. wurde 
dann Unterlieutenant; 1834 ging er mit dem 10. 
Artillerieregiment nach Algier, rückte daſelbſt 1848 
zum Brigadier auf u. wurde zur Dispofition des 
Generalgouverneurs von Algier geftellt. Während 
feines fat 20jährigen Aufenthaltes in Algier nahm 
er beinahe an allen größeren Unternehmungen u. 
Gefechten theil; 1851 erzwang er an der Spige 
einer Brigade den Übergang über den Menagal, 
womit der Feldzug gegen Kabylien eröffıtet wurde. 
Aus feiner Stellung in Algier ſchied er 1853 als 
Divifionsgeneral, um ſich dem Kriegsminifter St. 
Arnaud zur Verfügung zu ftellen. Bei Ausrüft- 
ung der Erpeditionsarmee nach dem Drient 1854 
erbielt er das Commando der 2. Divifion u. jpä- 
ter das des 2, Armeecorps. An der Alma trug 
er weſentlich zur fiegreichen Entjheidung der 
Schladt bei; bei Inkerman rettete er die ſchon 
geichlagenen Engländer vom Untergange, bei der 
Erftirmung von Sebaftopol nahm er die Mala» 
fowwerfe. B. wurde 1856 Senator u. Marjchall. 
Er ftarb 5. Febr. 1861 nach langer Krankheit zu 
Toulouſe, wo er jeit 1858 Obercommandant war. 

Boffage, fo v. w. Bäueriſch Werk. 

Boſſak-Hauke, von Haufe aus Joſeph von 
Haufe, geb. 1834 in Warihau; Sohn des 
ruſſiſchen Generals Grafen dv. Haufe, war erft Page 
des KHaifers von Rußland, trat dann in die Armee 
u. fämpfte mit Auszeichnung im Kaufafıs. Bei 
Ausbruch des polnischen Aurftandes von 1863 de» 
fertirte er aus jder Armee nah Polen u, erbielt 
von der Nationalregierung das Commando über 
die Inſurgentencorps aus den Provinzen Krafau 
u. Sandomir; von diefer Zeit datirt aud der Bei— 
name Boffaf, d. i. der Barfüßige. Nah Miß— 
lingen der Inſurrection flüchtete ev nach Italien, 
ging dann in die Schweiz u, widmete feine Thä- 
thigkeit ganz der Sache der Friedens- u. Freie 
heitsliga als Mitglied des Gentralcomites der» 
jelben. As Garibaldi 1870 feine Dienfte der 
franzöfiichen Nepublif anbot, folgte er dem Auf- 
rufe diejes ihm befreundeten FFreifchaarenführers 
u. übernahm das Commando der erften Brigade 
der Bogefen-Armee, fiel aber jhon 21. Fan. 1871 
bei einem Recognoscirungsgefechte gegen eine Ab» 
theilung der preußischen Srigare Kettler vom 2, 
Armeecorps bei Dijon. Lagai. 










































716 


Boffange — Bofii. 


Boffange, Martin, hervorragender franz. Buch⸗ | ftarb dafelbft 1678. Seine zahlreichen Blätter find 


händler, geb. jyebruar 1766 in Bordeaur; etablirte 
1785 in Paris eine Buchhandlung, welche dajelbft 
noch befteht; ftarb Ende October 1865. 
errichtete Zmweiggefchäfte in London, Neapel, ©. 
Domingo, Montreal, Merico, Rio de Janeiro u. 
1833 in Yeipzig ; in legterem führte er die ſchon 
vorher in England u. Fraukreich in Aufnahme 
gelommene Benugung der — — 
F die populäre periodiſche Preſſe in größerem 
aßſtabe in Deutſchland in dem von ihm heraus— 
gegebenenen Pfennigmagazin ein. 
Bosſcha, 1) Hermann, niederländ. Philolog, 
eb. 18. März 1755 in Leeuwarden; fludirte in 
‚sranefer, wurde 1775 Rector der lateinischen 
Ehufe dafelbft u. 1780 im Deventer; 1787 bei 
den Parteilämpfen in Holland entlaffen, fam er 
1789 als Prorector des Gymnaſiums nad Harder- 
wyt, wurde 1795 Profeſſor der Geichichte daſelbſt, 
1798 Bureauchef der 1. Abtheilung des Minifte- 
riums für den öffentlithen Unterricht, 1804 Pro- 
feffor der Geſchichte in Groningen, 1806 Wector 
der lateiniſchen Schule in Umfterdam u. Profeffor 
der Geichichte am Athenäum daſelbſt; er ftarb hier 
12. Auguft 1819. B. ſchr. die lateiniichen Ge— 
dichte: Musa Daventriaca, Deventer 1786; Pax 
Ambianensis, 1802; Belgica libertas, 1814; 
Po&mata (herausgeg. von feinem Sohne Peter 
B.), Deventer 1820; außerdem: Bibliotheca clas- 
sica (Handbuch der claffiihen Mythologie, Alter 
tbümer u. Gejchichte), 1794; Geschiedenis der 
Staatsomwenteling der Nederlanden in het 
jaar 1813, Amfterd. 1817; überjegte Blairs Vor- 
lefungen über die Redekunſt und jchönen Wiffen- 
fchaften, Denons Voyage en Egypte, Schillers Ab- 
fall der Niederlande, Plutarchos' Biographien u. v.a. 
2) Johannes, holländiiher Staatsmann und 
Shhriftfteller, geb. 19. März 1797; beichäftigte 
fich zuerft mit claffifhen Studien, wurde 1828 Tech» 
rer der Gejchichte u. Yiteratur an der neu errich— 
teten Militäralademie in Breda. Hier jchrieb er 
eine allgemeine u. eine vaterländiihe Gejchichte, 
fowie Niederlande Heldenthaten zu Laud. Bon 
bier ging er als Profeffor an das Athenäum nad 
AUmfterdam. Bon Wilhelm IIL wurde er 1849 
beauftragt, eine Lebensbeichreibung Wilhelms II. 
zufammenzuftellen, trat als Abgeordneter von Am— 
jterdam in die Zweite Kammer u. verwaltete von 
1858 bis 1861 das Minifterium für protejtanti« 
ſchen Eultus. Später 309 er fih von den Ge: 
ſchäften zurück, lebte nur der Wiffenichaft im Haag 
u. ftarb dafelbit zu Anfang 1875, 2) Wengelburger, 
Boſſe, aus weichem Stoffe durch Kneten ge» 
formte, aus dem Wunden gearbeitete elaftijche Ge— 
ftaltungen zum jelbftäudigen Gebraude, oder zu 
dem als Modell. Sie werden entweder ganz aus 
dem betr. Stoffe hergeftellt, oder erhalten einen 
Ken aus Holz. 
Bofie, Abraham, franzöfifiher Kupferftecher 
u. Radirer, geb. 1611 in Tours; war zum Ad— 


Er Atze 


von hohem Intereſſe für die Culturgeſchichte. 
Auch fchrieb er über die Technik des Stechens u. 
us. Regnet. 

Boſſen (Boſſeln), ſo v. w. Boſſiren. 

Boſſi (Boſfius), 1) Matteo, Theolog, geb. 
1428 in Verona; war Beichtvater des Lorenzo v. 
Medici; ſt. 1502 in Padua; er war einer der 
berühinteften Kanzelredner feiner Zeit u. ſchr.: 
De veris animi gaudiis, Flor. 1491; De institu- 
endo sapientia animo, VBologua 1495 zc.; feine 
Epistolae erſchienen Mant. 1498 u. Ben. 1502, 
Werke, Bolog. 1627. 2) Carlo Aurelio, Baron 
v. B., ital. Dichter, geb. 15. Nov. 1758 in Turin; 
war 1796 fardinischer Charge d’affaires in Pe- 
tersburg, erhielt dann die Adminiftration des an 
Fraukreich abgetretenen Piemont, wurde ſpäter 
franzöfiiher Couſul in Jaſſy u. nachher Präfect des 
"Ain- u. des Manchedepartements; er verlor 1815 
jeine Stellen, lebte in Paris u. ft. 20. Jan. 1823 
daſelbſt. B. hat fich bei. um die Toleranz Sar- 
diniens gegen die Waldenfer verdient gemadt. Er 
ihr. die Dramen: Die Circaffierinnen und Rhea 
Sylvia; Oden u. Gedicht über die Franzöſiſche 
Revolution (Oromasia); ſämmtl. Gedichte, Lond. 
1816. 8) Giufeppe, berühmter ital, Maler, 
Didter u. Schriftjteller, geb. 11. Aug. 1777 zu 
Bufto-Arfizio im Mailändiſchen, geft. 15. Dec. 1815 
zu Mailand; erbielt in Monza eine umfafiende 
literariihe Bildung, widmete ih danı in Mai« 
land der Kunſt, bildete fih in Rom unter Ganova 
weiter u. ward nad feiner Rückkehr Secretär der 
Kunftafademie in Mailand, 1805 Präfident der 
dortigen u. der Alademien in Venedig u. Mailand, 
Im Auftrage des Vicekönigs Eugen copirte er 
Leonardos Abendmahl, nad) welcher Arbeit Raffaelli 
in Rom eine Mofailcopie ausführte,. Großes Ber- 
dienft erwarb fih B. als Gründer des Diufenms 
der Brera, der Bibliothek berfeiben u. der Moſaik— 
ſchule. Werle: Aurora u. die Nacht; Odipus u. 
Kreon; Parnasso italiano, in Mailand. Auch fchr. 
er Libri quattro sul Cenacolo di Lionardo da 
Vinci. 4) Yuigi, Graf, ital, Altertbums- u. Ge- 
ichichtforfcher, geb. 28. Febr. 1758 in Mailand; 
war früher Canonicus beim Dom in Mailand, 
wurde von Bonaparte als Agent der franzöftichen 
Regierung in Turin angeftellt und nad der Ber- 
einigung Piemonts mit Frankreich Präfect der 
Archive des Königreichs Ftalien; B. ft. 10. Aprif 
1835 in Mailand. Er jr. u. v. a.: Eine Ab» 
handlung über das Sacro Catino, Turin 1807; 
Unterfuhungen über Criftoforo Colombo, 1818; 
Istoria d'Italia, Mail, 1819— 23, 19 Bde.; meh⸗ 
rere Trauerfpiele (1805) u. Luſtſpiele. Seine In- 
troduzione allo studio delle arti del disegno 
enthalten reiches Material zur Kunftgeihichte. Er 
bearbeitete auch neu Moscoes Leben Leos X,, 
Mail. 1816 f., 2 Bde. 5) Benigno, ital. Po- 
litifer, geb. 1784 in Mailand; ftreute im Con- 
ceiliatore, als einer der Erften, ben Samen ber 


vocaten bejtimmt, ftudirte aber in Paris Stechkunft | Freiheit unter feinen Landsleuten aus, ward 1821 
u. arbeitete in der Art Callots, Seine Kenntniß | wegen Theilnahme an der Revolution in Abwejen- 
ber Perfpective trug ibm die Stelle eines Pro-|beit zum Tode verurtheilt, fliichtete nah Frank⸗ 
fefiors derfelben an der Afademie ein, die er aberjreih u. England u. ging dann nah Genf; ward 
wegen feiner Satiren auf feine Collegen wieder|1848 von der Provijoriihen Regierung in Mair 
verlor, worauf er fih nah Tours zuridzog; erlland als Gefandter nad London geſchickt, lebte 


Boſſhardt — Bolton. 


dann wieder in Genf u. beſuchte von dort jährlich 
die Parlamentsfigungen in Turin. Im J. 1859 
trat er an die Spike der Unterſtützungsvereine 
für die Vermundeten. Er ft. 1870, 3) Regnet. 





717 


einigungsverſuch der Proteftantiihen u. Katholis 
ſchen Kirche ſ. u. Union. B. fchr.: Refutation du 
catechisme de Paul Ferry, Met 1655, Par. 1729; 
Exposition de la doctrine de l’eglise cathol. sur 


Bofihardt, Kaspar, Hiftorienmaler ber Mün- |les matiöres de controverse, Par. 1671, Antw, 
hener Schule, geb. zu Bafel 1823; verräth ein-|1680; Traite de la communion sous les deux 
— hiſtoriſches Verſtändniß und bedeutende |espöces, Par. 1682; Discours sur I'histoire univ., 

egabung für Charakteriftit. Werfe: Schultheiß Par. 1681 u. ö., neuefte A., 1874, deutſch von 
Wengi von Solothurn wendet von feiner Heimath J. A. Cramer, Lpz. 1757—86; Hist. des varia- 


den Bürgerkrieg ab, geft. von G. Merz; Schlacht 
bei Murten (in Bajel); Tod Sidingens. 

Boſſier, County im nordamerilan. Unions- 
ftaate Youifiana, u. 32° n. Br.u. 93° w. L.; 12,675 
Em.; Countyfig: Bellevue, 

Boſſiren (Boſſen, Boffeln, von boss, altdeutich), 
aus weichem Material, meift Wachs od. Thon, halb 
od. ganz erhabene Bilder verfertigen. Wachs zum 
B. geihmeidig zu machen, dient Terpentin, Talg, 
Scweinefett oder Baumöl, das, mit irgend einem 
Tarbftoffe verſetzt, mit jenem zuſammengeſchmolzen 
wird. Will man Reliefs b., jo dient eine Schiefer- 
oder Holztafel oder eine andere Fläche als Unter: 
lage. Das B. geſchieht bei der erften Anlage mit 
den Fingern, dann unter Anwendung der Boffir- 
hölzer, Boffirgriffel aus Holz, Metall oder 
Bein, mit fpigem, runden oder ſchaufelförmigem 
Ende. Die zu boffirenden Gegenftände werden 
auf dem Boſſirſtuhl befeftigt oder aufgebaut, 
d. b. auf einer Drebicheibe, die anf einem feiten 
Geſtell ruht. Das B. tft Die erfte Manipulation, 
deren fi der Bildhauer zu feinen Arbeiten be- 
dient, injofern er in den allermeiften Fällen zuerit 
ein Modell herftellt. Wer ſich hauptſächlich mit 
B. beichäftigt, heißt Boffirer, 3. B. Wachs— 
boſſirer. Thonmodelle verändern, wenn fie ge— 
brannt werden, faſt immer ihre Maßverhältniſſe 
wenn ſie nicht gar Verzerrungen erleiden. Regnet. 
at er u. Bofftrjtuhl, j. u. Boffiren. 
Bofjuet, Jacques Beͤnigne, berühmterfranz. 
Kanzelreduer u. Schriftfteller, geb. 27. Sept. 1627 
in Dijon; ſtudirte in Paris Theologie u. Philo- 
fophie, wurde 1652 Ganonicus in Met, 1661 
Hofprediger in Paris, befehrte Turenne zur fa- 
tholiſchen Confeſſion u. wurde 1668 Biſchof von 
Condom, legte aber dies Amt nieder, als er 1670 
Lehrer des Dauphins wurde; 1672 wurde er Mit- 
—* der Alademie, erhielt 1681 das Bisthum von 
Meaur u. betrieb bei der Berfammlung des franzö- 
fiichen Klerus 1682 die Abfafjung u. Annahme der 
4 Artikel, welche die Freiheit der Gallicaniſchen 
Kirhe und bei. das Hecht des Königs tiber fie 
gegen päpftliche Eingriffe ficherftellten, und ver— 
theidigte fie in der Defensio declarationis, quam 
de potestate ecclesiastica sanxit clerus gallica- 
nus a, 1682, Luxemb. 1730, 2 Bbe., franz., Par. 
1735; 1697 hatte er Streitigkeiten gegen ben 
Duietismus der Guyon zu beftehen, wurde fünigl. 
Staatsrath u. 1698 Beichtvater der Herzogin von 
Burgund. Er ft. 12. April 1704 in Paris. Viele 
feiner Reden, von denen 1874 eine Auswahl in 
Paris erjchien, werden noch jett als rhetoriſche 
Meifterwerte geihägt. Feind der Proteftanten, 
widerfegte er de zwar den Berfolgungen der Re— 
formirten, aber verfegerte doc) Feͤnelon wegen feines 


tions des &glises protest., Par. 1688, 2 Bde.; 
Trait& de la connaissance de Dien et de soi- 
möme, Par. 1722; Politique tiree de l’eri- 
ture s., Par. 1709; Catöchisme de Meaux, Par. 
1687; Introduction à la philosophie, Par. 1722; 
Sermons et oraisons funebres, in vielen Ausg., 
zulegt Bar. 1772—1808, 19 Bbe., deutih von 
Wurz, Speier 1784, 15 Theile; Trauerreden, 
Wien 1763, Züllich. 1764. Vollſtändige Ausgabe 
jeiner Werke, von Baufjet, Berfailles 1814—19, 
46 Bde., m. A., Par. 1859—65, 30 Bde. Bio» 
grapbie, von Banffet, Par. 1814, 4 Bde,, deutich 
von Feder, Sulzb. 1820 f., u. von Reaume, Par. 
1869— 70, 3 Bde. zöffler.* 

Bofjut, Charles, franzöſ. Mathematiker, 
geb. 11. Aug. 1730 in Tartaras, ftudirte in Paris 
Mathematik u. wurde 1752 Profeffor an der In— 
genieurfchule in Mezieres. Durch die Revolution 
verlor er feine Stelle, wurde aber unter dem 
Katjerreiche Brofeffor an der Polytechniſchen Schule 
zu Paris. 1808 legte er fein Amt nieder ıu ft. 
14. Yan. 1814. Außer Abhandlung über die befte 
Form der Auder (1761) u. über die Bewegung 
der Flüffigkeiten in Röhren fchr. er: Cours complet 
des mathematiques, 7 ®be., 1795—1801; Hy- 
drodynamique, deutſch von Langsborf, Franff. 
1792, 2 Bde.; mit Biallet Recherches sur la 
construction la plus avantageuse des digues, 
Par. 1764 u. 1798, deutſch von Krönde, Frankf. 
1798; Rech. sur les altörations que la resistance 
de l’ether peut produire dans le monvement 
moyen des planötes, Par. 1766; Essai sur l’hi- 
stoire gen. des math&matiques, ebd. 1802, 2, 
Aufl., 1810, 2 Bde., deutih von Neimer, Hamb. 
1804; Mömoires de mathematiques, concernant 
la navigation, l’astronomie, la physique et l'hi- 
stoire, Bar. 1812; Discours’ sur la vie et les 
ouvrages de Pascal in der von ihm beforgten 
Ausgabe von deſſen Schriften, ebd. 1779, 15 Bde. 

Boitan (arab.), Garten; daher Boſtandſchi 
(Gartenwädhter), im Serail zu Conftantinopel Be- 
diente u. Wachen des Sultans, etwa 600 an der 
Zahl; fie verrichten die Arbeiten als Gartenknechte 
im Serail, dienen als Ruderer, wenn der Sultan 
auf dem Meere Luftfahrten macht, u. haben die 
äußerften Wachen im Serail; außerdem vollziehen 
fie an Berurtheilten die Strafe. Ihr Vorfteher 
beit Boſtandſchi Baſchi, ift Oberaufjeher der 
fatferlichen Gärten in u. um Conftantinopel, Ober» 
richter a. Polizeidivector dafelbft u. hat ftetS Zu- 
tritt zum Sultan. 

Bojton, 1) Parlamentsfleden in der engliihen 
Grafſch. Lincoln, an der Mündung des Witham, 
über den eine eiferne Brücke führt, durch Kanäle 
und 4 Eifenbahnlinien mit dem Innern in Ber- 


Antheils an dem Quietismus und ſchwaͤrzte ihn |bindung; Hafen, Handel mit Getreide, Vieh, Hanf, 
beim König an. liber fein Wirken in dem Ber-| Bauholz (größtenteils Einfuhr), Schiffbau, Far 


718 


brifation von Eifen- und Meffingwaaren. 10 
Kirchen, darunter St. Botolphs mit 85 m hohem 
Thurme (Zeichen für die Schiffer); mehrere Frei— 
ihulen; Theater; Hofpital zc.; 14,526 Ew. An 
der Stelle von B. (Bostonium, Fanum St. Bo- 
tolphi) hatten die Römer ein Caftrum, und war 
die Stadt ſchon im Mittelalter ein lebbafter Han- 
belsplag. 2) Nähft New-York der bedeutendfte 
Handelsplag und eine der erften Induſtrieſtädte 
im nordamerifan. Unionsgebiete (der Bollszahl 
nach jedoch erft die 7. Stadt in der Union). Haupt- 
ftabt des Staates Maſſachuſetts, ſowie des Suffolf 
County, an der weſtl. Spite einer Halbinſel der 
Maflachufettsbai, beftehend aus Alt-, O-u.SBofton; 
verbunden durch Brüden u. Dampffähren mit den 
als Vorftädte zu betrachtenden Ortichaften: Chel- 
fea, Somerville, Cambridge, Brighton, Rorbury 
u. Dorcheſter. E8 werben jährlich um Durchſchnitte 
beim Jnlandshandel etwa 300,000,000 Dollars 
umgejegt. Den Verkehr zur See begünftigt ein 
treffliher Hafen, der an zwei, ungefähr 4 kın 
von einander entfernten Punkten (Alterton und 
Shirley, auf Inſeln gelegen) liegt u. durch Sand— 
bänfe, wie mehrere Heine Inſeln geſchützt ift u. felten 
zufriert. Gegen Angriffe von der Seefeite fihern 
drei auf Inſeln gelegene ftarfe Forts, Indepen⸗ 
dence, Warren u. Winſhrop. Dahinter liegt der 
innere Hafen, welcher 500 der größten Schiffe 
faßt. Regelmäßige Dampffchifffahrtsverbindungen 
bejtehen mit dem Mutterlande jowol, als mit Eu— 
ropa, (Fiverpool, mwöchentlihd einmal dur die 
Eunard-Yinie). Großhandel u. Commiſſionsgeſchäft 
find fehr bedeutend durch das vorhandene Capital, 
u. diefes übt ſtarlen Einfluß auf Handel u. In— 
duftrie im Innern destandes aus, Ilber 200 Werfte 
geben Zeugniß von der Bedeutung des Schifisver- 
fehres, u. ın B. zufammentrefjende Eifenbahnlinien 
gleihen dem Netze einer Spinne, Der Werth der 
Einfuhr belief fih 1873 auf 61} Mill. Dollars, 
während die Ausfuhr 32 Mill. Doll, überftieg. Ne- 
ben der durch Raſtloſigkeit ausgezeichneten Ge- 
ſchäftsſeite machen fi unter der Einwohnerichaft 
(1870 250,526 Seelen, wovon etwa + aus Ir— 
ländern beftebt; 1810 erſt 32,250 Ew., 1830 
61,392, 1850 136,881, 1860 177,902) noch zwei 
andere Richtungen geltend, wovon die firhliche am 
bervorragendften iſt; Sabbatbheiligung übt die 
rigorojefte Polizei. Diefem entgegengefegt zeigt fich 
eine energiiche, dem Fortichritte u.der Reform ge— 
neigte, wenn auch wenig zahlreiche Partei. Dort 
lebte u. von da aus wirkte 3. B. der einzige ameri» 
faniihe Philofoph, Theodor Parker, neben den 
rodicalen Bolitifern Wendell Philipps u. Charles 
Summer. Mebrere deutiche politiihe Flüchtlinge, 
darunter namentlich K. Follen u. neuerlich K. Hein« 
zen, fanden dort Unterkunft. Alt-B, hat frumme, 
gemwundene u. enge Gaffen, während die anderen 
Stabdttheile breite u. gerade aufweifen. Zur Ber» 
Ihönerung der Stadt dienen mehrere Parkanlagen, 
und eine großartige Wafferleitung vermehrt ihre 
Annehmlichkeit. Die im Ganzen eintönige Bauart 
der Stadt wird durch viele ftattliche öffentliche Ge- 
bäude unterbroden: das Staatshaus auf der Spige 


Boftra. 


halle, mehrere großartige Hoteld u. a. Bon den 
Kirchen, deren e8 bei der großen Anzahl von Secten 
mehr als 100 gibt, läßt ſich, die neue kath. Kather 
drale ausgenommen, ardhiteltonisch wenig rühmen. 
B. hat 4 höhere Schulen, über 300 Klementar- 
ihulen u. eine Menge Privatunterrichtsanftalten, 
ein medicinisches College für Damen, eine Ala- 
demie der Künfte und Wiffenfehaften. ein Muſil⸗ 
confervatorium, auch bat die medicinische Facultät 
der Harvarduniverfität von Cambridge bier ihren 
Sit. Es befiehen 6 Bibliothelen mit über 350,000 
Bden., davon die Stabtbibliothelf mit 155,000 
und die Bibliotbef des Athenäums mit 100,000 
Bden.; 6 Theater. Die in B. ericheinende Zabl 
von Zeitjchriften beträgt 195. Die Stadt ift reich 
an Wopithätigkeitsanftalten aller Art. Neben dem 
——— verdanft B. fein Aufblühen und feinen 
Keichthum der Induſtrie, die in allen möglichen 
Fächern vertreten ift u. wovon die Eijenmanufac« 
turen die erfte Stelle einnehmen. B. ift-der Ge— 
burtsort Benjamin Franflins, dem ein Standbild 
errichtet wurde. — Die Indianer nannten den 
Punkt, worauf B. liegt, Shawmut (lebender Spring- 
quell); von den eriten weißen Anfiedlern wurde 
derſelbe Zremont oder Threemount (Dreigebirg) 
getauft. John Bladitone, ein Prediger, nahm 
zuerft feinen Sig darauf, mit einer Heinen Zabl 
von Einwanderern, 309 aber 1635 nad Rhode- 
Fsland u. verfaufte jeinen Befitstitel auf die an 
infel für 30 Pr. St. 1673 wurde das erfte Werft 
erbaut. Als die Streitigkeiten zwiſchen England 
und den Colonien am 1. Oct. 1768 begannen, 
landeten in B. zwei britifche Regimenter. Am 5. 
März 1770 feuerten die Soldaten in den Straßen auf 
Bürger, u. am 31. März wurde der Hafen durch 
Parlamentsacte geſchloſſen; am 13. Mar 1774 
landete General Gage mit vier Regimentern eng- 
liſcher Truppen, übernahm die Uberftatthalter« 
ftelle u. jperrte am 1. Juni den Hafen von B. 
Die Schlacht bei Bunkfers-Hil fand am 17. Juni 
1775 ftatt. Die Provinzialen begannen unter 
Wafhington am 5. März 1776 das Bombarde- 
ment der Stadt u. zogen am 17. deffelben Monats 
als Sieger ein. Bor dem Hafen fand am 1. 
Juni ein Geegefeht mit den Briten ſtatt. In 
den Jahren 1844, 1847, 1855 u. 1873 wurde 
die Stadt von großen Bränden heimgeſucht. 8. 
u. Cheljea bilden zufammen das Zuffolf County, 
wovon B. auch Countyſitz ift. 

Boftra (im A. T. Bozra, a. Geogr.), große, 
volfreiche, befeftigte Stadt in der jyr. Landichatt 
Auranitis; Sig des Eultus der Aftarte, daher Bet- 
Aftera, Judas der Makkabäer eroberte fie (150 v. 
Chr.) und Mich alle Männer wiederhauen; dangach 
ließen ſich Sabäer bier nieder, welche vorzüglich 
den Dufares, eine dem Bachus ähnliche Gottbeit, 
verehrten u. unter der Oberherrſchaft der Römer 
ftanden. Kaifer Zrajanıs madie B. zur Haupt> 
jtadt der Provinz Arabia u. zum Standguartter 
der Legio III. Cyrenaica u. gab ihr den Namen 
Nova Trajana B.; daher beginnt die Boſtreniſche 
Ara mit dem Jahre 106 n, Chr. Unter Kaifer 
Alerander Severus wurde fie römiiche Eolonie 


von Bealon Hill, die fogen. Wiege der Freiheit, (Rova Trajana Alexandrina Colonia B.), unter 
Faneuilhall, das ſchöne Faneuilhall-Markthaus, die Philipps Arabs Biſchofs- u. darauf Erzbiichofs- 
Raufmannsbörfe u. das Zollhaus, die greimaurersifig. Hier wurde 244 (247) das Boftremifche 


Boſtröm — Bosworth. 


(Arabiſche) Concil gegen die Beryllianer gehalten. 
635 gerietb B. in die Gewalt der mohamme- 
dauifhen Araber, melde die hier herrſchende 
Dynaftie der Ghaffaniden ftürzten. Die Ejubiten 
bauten die ftarfe Eitadelle. DB. heißt jet Boßra, 
feden der Landſchaft Hauran im Ejalet Damask; 
aft ganz inTriimmern, mit Ausnahme der Citadelle. 
oftröm, Kriftofer Jakob, ſchwediſcher Phi- 
loſoph, Profeffor in Upfala, geb. 1797, geit. 1866; 
war Lehrer der Söhne Oskars J.; hat jehr wenig 
gejchrieben u. wird dennod von den Schweden als 
ihr vornehmfter Bhilofoph betrachtet. Der Boitrö- 
mianismus wurzelt in vor-hegelihen Syſtemen. 
Demjelben entftamımt zum Theil der ſchwediſche 
Neurationalismus (Nydberg u. A.), der zugleich 
ebenfo wohl auf der neueren deutichen theologischen 
Kritik fußt. 

Bostryx, j. Blüthenſtand. 

Bofuf, Lima im Bilajet Angora (Aſiatiſche 
Türkei), am rechten Ufer des Kifil-Jrmal; gebirgig; 
fruchtbar; gute Biehweiden u. Gemüſebau; frübe« 
rer Hauptfits des Tihapan Oglu. Hauptſt. Josgad 
(befeftigt, fürftl. Palaſt; 25,000 Ew.). B. ift ein 
Theil des ehemaligen Galatien u. Kappadolien. 

Boswell, 1) James, englifher Schriftiteller, 
geb. 29. Oct. 1740 in Edinburgh; ftudirte in Glas» 
gow u. in Holland, durchreifte 1764 Deutichland, 
die Schweiz u. Stalien, ließ fih dann in London 
nieder, begleitete Johnſon auf feiner jchottiichen 
Neife; ftarb 19. Mai 1795 in Lonton; fhr.: 
Account of Corsica, Glasg. 1768, 3. A., Yond. 
1769, deutich, Lpz. 1769; Journal of a tour to 
the Hebrides (die er mit Johnfon machte), Yond. 
1774, Dubl. 1785, deutich, üb. 1785; Life ofS. 
Johnson, Lond. 1791, 2 Bbe., eine der bejten 
Ausg. von Crofer 1831, 5 Bde., neuefte A., 1874, 
von Murray, 1835, 8 Bde., Yond. 1848, 1864, 
5 Bde, deutich, Königsb. 1797. 2) SirAleran- 
der, engl. Schriftfteller, ältefter Sohn des Bor., 

eb, 1775; wurde 1821 zum Baroner erhoben. 

r erwarb ſich durch Herausgabe poetiicher Erzeug- 
niffe der älteren englifhen Yiteratur, zu welchem 
Eude er eine Privatdruderer auf feinem Landſitze 
einrichtete, ein Berdienft um die Literaturgejchichte 
feines Baterlandes n. fchrieb felbft Gedichte in fchot- 
tiſcher Mundart. Er ft. 26. März 1822, in einem 
Duell verwundet, zu welchem er durch beifende 
Pamphlete Beranlafjung gegeben hatte. Außer 
den Songs, chiefly in the Scottish dialeet, Edinb, 
1803, ſchr. er noch: Edinb., or the ancient roya- 
lity, ebd. 1810. 

Boswellia Colehbr., Pfianzengatt., benannt nad 
oh. Boswell (jcyr.: Deambra, Leyd. 1735), aus 
der zamilie der Burjeraceen (X. 1); enthält harz- 
reihe Bäume mit abwechjelnden, unpaarig gefie- 
derten Blättern und gelägten VBlattabichnitten; 
Blüthen Hein u. weiß, in achjelftändigen Trauben 
oder Nifpen, mit 5zähnigem Kelche, 5 abftehen- 
den Blumenblättern, 10 Staubblättern, fitendem, 
Sfächerigem Fruchtfmeten, deſſen Fächer je zwei 
"Eichen enthalten; Frucht eine Sflappige Stein- 
frucht mit 3 einſamigen Sıeinfernen, Bon den 
3—4 im tropifchen Afrika u. Oftindien vortom- 
menden Arten iſt die wichtigfte 1) B. serrata 









719 


Bıätthen beftehenden Blättern, achielftändigen 
Blüthentrauben und oval-3feitigen Früchten; Hei⸗ 
math Perfien u. Coromandel. Schon die Agypter 
brauchten das aus den verwundeten Bäumen aus— 
fließende Gummiharz zum Ginbaljamiren; die 
Griehen mendeten dafjelbe (Fibanos des Hippos 
frates u. Diosforides) in vielen Krankheiten an: 
egen veraltete Katarıhe, Blut- u. Schleimflüffe 
aller Art, gegen Hautausfhläge zc.; jett findet 
das Harz, welches als Olibanum, Gummi Oliba- 
num, Thus, Koondur, Luban, indifcher Weihrauch 
in den Handel kommt, vor Allem Anwendung zu 
Räuderungen in den Kirchen; dann aber auch 
zur Bereitung von Räucherpulvern, Räucherlerzen, 
reizenden Salben x. 2) B. glabra Rorb. (Cana- 
rium balsamiferum W.), auf der Küfte von Coro— 
mandel u. den Moluften einheimifch, durch Table 
u. ftumpfe Blättchen verjchieden; liefert auch Weih- 
raud, in Haren, hellen und reinen Körnern, die 
mit bellem Lichtglanze verbrennen. 3) B. papyri- 
fera Hochst., in Abeffinien (daſelbſt Malter ges 
nannt) heimisch und ausgezeichnet durch die mit 
zahlreichen, papierdiden Lamellen ringsherum ab» 
blätternde Rinde; liefert ein wohlviechendes, durch- 
fichtiges, odergelbes Harz, den afritanifchen Weih- 
rauch oder das abeſſiniſche Olibanum. Weniger 
wichtig ift B. hirsuta Sm., von Amboina. Engler. _ 
Bosworth (Market), Marktſtadt im der eng« 
lichen Grafichaft Peicefter; 1000 Ew. Nahe dabei 
die Ebene B,« Feld (Redmoor), wo König Ri« 
hard III. gegen den Grafen von Richmond (nad- 
herigen König Heinrich VIL) in der Schlacht am 
22. Aug. 1485 Krone u, Yeben verlor. 
Bosworth, Joſeph, hervorragender englifcher 
Sprachforſcher, geb. 1788 in der Grafichaft Derby; 
fludirte in Aberdeen u. Leyden u, erwarb fi an 
beiden Univerfitäten den Doctorgrad. 1815 ward 
er Hilfsgeiftlicher u. zwei Jahre fpäter Pfarrer 
zu Horwood Parva in der Grafihaft Budingham. 
Während feiner Mußeftunden warf er fih von jetst 
ab mit großem Eifer auf die fiteratur, bef. auf 
Forihungen im Angelähftihen und in dem ver» 
wandten Dialeften. Das Refultat feiner Arbeiten 
erihien 1823 in einem Werke unter dem Xitel: 
Elements of Anglo-Saxon Grammar (London). 
15 Jahre fpäter veröffentlichte er das Werk, das 
vornebmlich feinen Ruf begründete: A Dictionary 
ofthe Anglo-Saxon language, Lond. 1838. Das» 
jelbe ift äußerft beinerfenswerth wegen feiner hoben 
Gelehrtheit, weiten Geſichtspunkte, Vollſtändigkeit 
und Genauigfeit. B. verauſtaltete von dieſem 
Werle auch eine abgekürzte Ausgabe. Neun Jahre 
vor dem Erſcheinen deſſelben, 1829, war er nach 
— übergeſiedelt, wo er bis 1841 als eng— 
iſcher Caplan theils in Amſterdam, theils in 
Rotterdam lebte und das englische Gebetbuch ins 
Holländifche überſetzte. Nah England zurückgekehrt, 
erhielt er die Pfarre zu Waithe in der Grafſchaft 
Lincoln, B. jchrieb noch folgende werthvolle Werte: 
A compendious Grammar of the primitiv Eng- 
lish or Anglo-Saxon, Pond. 1838; The origin of 
the Danish language; The origin of Scan- 
dinavian literature; The origin of the English, 


'Germanic and Scandinavian languages and na- 


Stackh. (B. thurifera Colebr., Weihrandbaum), tions; The essentials of Anglo-Saxon grammar, 
init weichhaarigen, aus 12—14 Paaren von ſpitzen daſſ. 1848, u, ſ. w. Er veröffentlichte außerdem 


720 


noch: King Alfreds Anglo-Saxon version of the 
historian Orosius, mit einer engliſch. überſetzung, 
daf. 1855, u. deſſ. Königl. Autors Description of 
Europe and the voyages of Ohthere and Wulf- 
stan, mit var Überfeung, daf. 1855; The 

ıe Lauderdale Mt. of Orosius, daſ. 
1858; The Gospels in Gothic of 360 and in 
Anglo-Saxon of 995, das find die Evangelien 
gothiſch u. vn mit Wiclefs u. Tyndales 


„ History of t 


u = Überſetz. 1865, 2. A., 1873. Bartling. 


öszörmenn (Hajdu-B.), Hauptort des Hai« 
dukendiſtricts in Ungarn, fübmeftl. bei Debreczin, 
grober Flecken; 19,208 Ew., welde ſtarken Land- 


au treiben. 


Bota (port., ſpan. u. ital. Botta, deutich Both), 
Weinmaß in SEuropa u. daher für fildl. Weine 


auch im. gewöhnlich, im Durchſchnitt = 4 hl. 
Botäln ſ. Potala. 
Botalli, Leonhard, geb. in Afti (Piemont) 
im 16. Jahrh.; ftudirte in Pavia, wurde um das 


Böszörmenyg — Botanif. 


theoretische) B. zerfällt in folgende fpecielle Zweige, 
melde jedoch im innigften Eufaurmuenbange unter 
einander ftehen und nicht ohne einander befteben 
fönnen: a) Pflanzenbefhreibung (Pbytolo- 
gie), welche die äußeren Formen der Pflanzen u, 
die Eigenthümlichkeiten ihres inneren Baues auf 
wifjenjchaftliche, möglichſt genaue Weile, mit Hilfe 
der bei den Gelehrten aller modernen Eulturwöl- 
fer gebräuchlichen botanischen Kunftiprade (Ter- 
minologie od. Gloffologie) fo beichreibt, daß ein 
Wiederertennen der Pflanze aus der Beichreibung 
möglid iſt. Sie ift das Hilfsmittel für alle übri— 
gen Zweige der B., vor allen für b) Syfiema- 
tif, welde die Aufgabe hat, die Pflanzen nad 
ihren natürlichen verwandtichaftlichen Beziehungen 
zu einander zu claffificiren, fjowie für e) bie 
Pflanzengeograpbie, melde zunächſt die ge 
genmwärtige Verbreitung der einzelnen Pflanzen⸗ 
formen u. größerer BP ilanzengruppen feitzuftellen, 
alsdann aber auch die in klimatiſchen u. geologi« 


Jahr 1582 Leibarzt Heinrichs III., nady Anderen |fchen Berbältniffen liegenden Urfadhen für die be» 
"bei Karl IX., u. gewann einen folden Einfluß |ftehende Verbreitung aufzufuchen hat. Mit diejen 


auf die franzöfiichen Arzte, daß er die damals 
ftarf mißbrauchten Abfiihrmittel verbrängte, dafür 
aber die im Frankreich zur Zeit noch wenig ge. 
übten Aderläffe einführte, die er bei den verſchie— 
denften Krankheiten in oft nnfinniger Weife in 
Anwendung bradıte (De curatione per sanguinis 
missionem liber, Lyon 1577 u. ö.). Dagegen 
erwarb er ſich ein Berdienft um Behandlung der 
Schußwunden, die er nicht als vergiftete, fondern 
als gequetichte behandelt wiſſen wollte (De ouran- 
dis vulneribus silopetorum libellus, Franff. 1575, 
yon 1560, 65 u. 6.). Der von ihm angegebene 
Amputationsapparat, eine Art Guillotine, ift un— 
zwedmäßig. Er zeigte in Frankreich zuerit den 
nad) ihmbenannten Gefäßgang, Ductus arteriosus 
Botallii, zwifchen der Aorta u. der Lungenarterie, 
der beim Fötus, wegen mangelnden Heinen Kreig- 
lanfes zwifchen Herz u. Lungen, den zur Ernähr- 
ung der letzteren nothwendigen Blutantheil her— 
überführt u. nach der Geburt verwächſt; in glei- 
her Weife führt das ebenfalls nur im Fötusleben 
vorhandene Loch der Scheidemand der beiden 
Herzhälften, Foramen ovale, das, wie noch bei 
den Amphibien, die Blutcirculation ermöglicht, 
feinen Namen, obwol Galenos bereits jenen Gang 
u. diefes Loch recht wohl kannte, Er fchrieb außer 
den bereits angeführten: Ratio incidendae venae, 
eutis scarificandae et hiradinum applicandarum 
modus, Antwerpen 1583, yon 1655; De Iue 
venerea, Paris 1563, deutjch, Nürnb. 1678, Die 
Gejammtwerte (Opera omnia) bejorgte van Hoorn 
1660 in Leyden. Thamhayn. 
Botanik (v. Gr., d. i. Pflanzenkunde). I. Be 
griff u. Eintheilung. B. iſt die Wiſſenſchaft, 
welche es ſich zur Aufgabe ſtellt, Zufammen- 
ſetzung, Geſtaltung, Entwicelungsgeſchichte u. das 
Leben des pflanzlichen Organismus zu ermitteln, 
die verſchiedenen Formen, unter welchen derſelbe 
auf der Erde gegenwärtig auftritt u. ehedem auf« 
getreten ift, zu bejchreiben, zu unterfcheiden und 
nach ihren ——— Beziehungen zu 
claſſificiren, ſowie auch die 
gegenwärtigen Vegetation unſeres Planeten 


drei Zweigen ſteht auch in engſter Verbindung 
d) die Phytopaläontologie, welche ſich mit 
den ausgeſtorbenen Pilanzenformen beſchäftigt, u. 
die Beziehungen, in denen die vorgefundenen Refte 
zu den gegenwärtig noch eriftirenden Formen 
jtehen, zu ermitteln ſucht. Die Methode, welche 
in biefen Zweigen der B. vorzugsweife die Ab- 
fammmungsverhältniffe, die Dejcendenz berüdficd- 
tigt, ift vie phytogenetifche. Den inneren Bau 
der Pflanze zu umterfuchen, die Entftehung der 
einzelnen Gewebe und Organe zu erforichen, ift 
Aufgabe der e) Pflanzenanatomie (auch Phy- 
totomie und Morphologie der Gewebe genannt), 
während die f) Morphologie der äußeren 
Gliederung (Geftaltiehre) es verſucht, die oft 
im Laufe der Entwidelung verftedte urjprüngliche 
Bedeutung eines Organs ober einzelner Theile 
zu ermitteln, und danach ftrebt, die den mannig- 
faltigen Pflanzenformen zu Grunde liegenden ge- 
meinfamen Geftaltungsgejege aufzufinden. Bon ıhr 
ungertrennlih ift die Xeratologie, welde bie 
nicht feltenen, durch verſchiedene Urſachen hervor- 
gerufenen Umbildungen der einzelnen Organe in 
ihren Beziehungen zu der normalen Geftalt be» 
tradhtet. Die g) Phyfiologie unterfucht die phy- 
ſilaliſchen und chemiſchen Borgäuge, welche das 
Leben der Pflanze bedingen, u. kann demnad im 
Phytophyſit u. Phytochemie gejdieden wer- 
den, während der Theil, weldyer vorzugsweiſe die 
Zeugung und andere Berridhtungen der Pflanze 
behandelt, Biologie genannt wird. Auch die 
Nofologie oder Phytopathologie, welde Die 
Krankheitserfheinungen der Pflanzen u. ihre Ur— 
ſachen unterjucht, ift zur Pflanzenphyfiologie F 
börig. B) Die praftifche od. angewandte B., 
welde die Pflanzen in Beziehung auf den Ein- 
fluß kennen lehrt, den fie auf die Übrigen organi« 
jchen Gejchöpfe haben, alfo mit dem Nuten oder 
Schaden der Pflanzen befannt macht, heißt je 
nach ihren verſchiedenen Beziehungen: a) tech 
nologijhe B. od. die Lehre von den für Künft- 


ufammenfegung der ler u. Handmwerler nugbaren Pflanzen; b) ölo- 
zulnomifche od. landwirthſchaftliche B., welche 


erflären. A) Die wiſſenſchäftliche (reine od. |die für Öfonomen wichtigen Pflanzen kennen lehrt; 


„ Botanif. 


721 


e) Garten» od. äfthetifhe-B., die Lehre von (Buch XIL—XVIL) zufammentrug. B) Im 
den Pflanzen, die namentlich wegen ihrer Schöm| Mittelalter. Die arabiichen Ärzte Rhazes und 
beit u. ihres Wohlgeruches (Bierpflanzeit) culti-· Avicenna waren tichtige Pflanzenfenner, u. durch 


birt werden; d) Forſt-B., d. i. die Lehre von die im 12, 


den Gewächſen, die fiir den Forſtmann von Jane 
tereffe find; e) faufmänniiche oder mercan- 
tiliſche B., die mit den Handelspflanzen befannt 
macht, d. 5. denjenigen Pflanzen, von denen ein- 
zeine Theile od. aus ihnen gewonnene Stoffe im 
+ Handel vorfommen; f) medicinifhe od. phar— 
maceutiihe (pharmakologiſche) B., melde die 
officinelfen, d. 5. in der Officin (Apothele) ge 
— Pflanzen oder Pflanzenprobucte be 

reibt. 

II. Geſchichte der B. A) Im Altertum 
war die Benutzung der Pflanzen als Nahrnngs- 
u. Heilmittel das Hauptmotiv, welches den Men» 
ſchen zuerſt zur Betrachtung der Pflanzenmelt 
führte. Man unterfchied daher in frühefter Zeit 
aud nur bie zum eben unentbehrlichften Pflan— 
zen. Sprengel- zählt aus den heiligen Schriften 
der Hebräer nur etwa 17 Arten auf, die fich jetzt 
noch mit einiger Wahrfcheinlichteit beftimmen laj- 
fen. Eine noch geringere Ausbeute ergibt ſich aus 
Homeros; dagegen finden fi in den dem Hippo— 
frate8 oder den SHippofratiden ‚zugeichriebenen 
Schriften bon 150 Heilpflanzen aufgeführt. Ari— 
ftoteles, defien zwei echte Bücher über die Pflanzen 
verloren gegangen find, ſoll zuerft die Pflanzen als 
belebte Weſen erfannt und ihre Stellung zwifchen 
Thieren u. Mineralien beftimmt, auch mit feinem 
Schüler Theophraftog einen botanischen Gartey in 
Athen angelegt haben. Theophraftos der Erefier 
beichrieb in feinen Werten über die Geſchichte der 
Pflanzen u. über deren Kräfte etwa 300 gried). 
Pllanzen, bemühte fi, im Gewebe der Pflanzen 
Nerven u. Gefäße zu erfennen,. wie fie Ariftoteles 
bei deu Thieren gefunden hatte, und jah, wie es 
jcheint, für erftere die Spiralgefäße, für lettere 
die Intercellulargänge an. Das Zellgewebe n. die 
Blätter betrachtete er als Ernährungsorgane, vom 
Geſchlechte der Pflanzen hatte er aber nur ver— 
worrene Anſichten. Mit dem Berfalle Griechen- 
lands mar dieſe Periode als abgeichloffen zu be- 
trachten; fein Schriftfteller theilte mehr eigene 
Beobachtungen mit. Bei dem zu wenig philo- 
ſophiſchen Geiſte und zu praftijchen Sinne der 
Römer jener Zeit war auch von diefen nichts För— 
derndes in Beziehung auf die reine B. zu ermarten; 
. Dagegen waren ihre Berdienfte um die angewandte 
DB. anerfennengmwerth. Cato jchrieb ein Buch De 
re rustica; Birgilius zeigte in dem Gedichte von 
dem Yandbbau (Georgica) pofitive Kenntmiß der öfo- 
momifchen Pflanzen u. fchilderte die Wunder des 
- Pfropfens; Golumella wußte, daß ſich unähnliche 
nicht auf einander pfropfen laffen; Diostorides, 
Zeitgenofje des Vorigen, war der erfte Schrift- 
fteller, der nad) Thesphraftos wieder Bedeutung 
erhielt, went er aud die zahlreihen Pflanzen 
(1200) nur unvollfonmen beſchrieb; ihm mar der 
Arzneigebraud das Wichtigfte, und daher hatten 
auch feine Schriften für Arzte u. Apotheker be— 
fondere Bedeutung; bis zum Schluffe des Mittel- 
alters bildeten dieſe Schriftfteller ihre Hauptquelle. 
Plinius war bloß ein fleigiger Compilator, der 
in der Historia naturalis nur wenig. Botaniſches 


Bierers Univerfal-:Eonverfations-?eriton. 6. Aufl. II. Band. 


ahrh. blühende Schule von Salerno 
famen ihre Schriften auf ung. Arabifche u. per- 
ſiſche Ärzte fügten- den Pflanzen des Diostorides 
etwa 200 hinzu, u. noch zu Ende des 15. Jahrh. 
betrug die Zahl der bekannten Pflanzen nicht 
mehr als 1400, (Fett kann man mindeftens 
150,000 annehmen.) Erſt im 15. Jahrh. begann 
einiges Leben in der B, Emilius Macer gab 
1480 fogar ſchon ein Heines Buch mit Abbild» 
ungen heraus, ebenjo Peter de Erescentiiß von 
Bologna, Theodor Gaza, Balla, Barbarus, Toni« 
cerus u, Monardus. Schon begannen auch Reifen 
in ferne Yänder ihren Einfluß auf die B. zu 
üben und die Gelehrten, vom Bicherftudium auf 
Die Natur Hinzumweifen; 3. B. Simon de Cordo 
erntete reiche Früchte für dieB. anf feinen Reifen 
im Orient und lernte zahlreihe den Alten unbe- 
fannte Pflanzen kennen. Auch Eutopa jelbft murde 
bereift, u. Otto Brunfels (geft. 1534) bildete ſchon 
die Pflanzen Deutfhlands, der Schweiz u. Frank 
reich, obwol noch roh und ohne Ordnung, ab. 
C. Fuchfius, Hieronymus Tragus (Bod), Pona 
u. Thalius Teifteten ſchon Beſſeres. Belon und 
Rauwolf durchreiſten als Botaniler Griechenland 
u. die Levante, und Alpinus beſchrieb um 1580 
die. Pflanzen Ägyptens, Dviedo de Valdes die 
der Tierra firma, Cabeca de Bacca jene der bei- 
den Florida, Lopez de Gamara die mertcanifchen 
u. unter diejen 3. B. die Agave americana, den 
Cocenillecactus u. den Cacaobaum, Garate die 
Pflanzen Berus, befonders die Kartoffel, Thevet 
Leri u. Benzoni die Brafiliens, u. auch die Nei- 
ſenden Monardues u, Acofta machten fih um die 
damalige Kenntniß der amerifanijchen Flora ver- 
dient. C) Bon Geßner bi Tournefort. 
Konrad Gefner war wol der Erfte, der im 16. . 
Jahrh. einen Verſuch in der Syftematif machte, 
indem er. die Pflanzen nah Samen u. Blumen 
in Ürten, - Gattungen u. Klaffen theilte. Mit ihm 
zeichneten ſich zugleich die Niederländer R. Dodo- 
näus, M. Lobelius, mamentlih aber Charles de 
l'Ecluſe (Karl Elnfius) ans, der zugleich auch 
große botaniſche Reifen machte u. feinen güten 
Beihreibungen auch fehr fenntlihe und faubere 
— beigab. überhaupt ſchien nun die 

lüthezeit der B. zu beginnen, denn neben und 
bald nach ihm ſind manche gefeierte Namen zu 
nennen, fo Dalechamp, Camerarius, ZTabernä- 
montanus, Columma, Johann u. Kaspar Bauhin, 
Ray, Magnol m Morifon. U. Eäjalpin, der 
Einzige, welcher jeit Theophraftos Bauu. Leben der 
Pflanzen ftudirte, hatte ſchon eine dunkle An— 
ſchauung von einem auf phyfiologiihen Grund» 
fätsert beruhenden Pflanzenſyſtem; in feinem Pflan- 
zenwerte (De plantis, Flor. 1583) befolgte er 
nämlich, zur Beftimmung der Gattung ſchon fichere 
Principien, indem er primäre (Samen u. Wurzel) 
und jecundäre (Blüthe u. Frucht) Pflanzentheile 
unterschied. Noch bejfer, wenn auch nicht ganz 
feft, beftimmten den Gattungsbegriff Moriſon 
(Historia plant. univ., 1715), Herrmann u. Rir 
vinns, wierwol fie ihn meit umfafjender nahmen, 
als man ihm jetst nimmt; denn Cäjalpın u. Mo- 
46 


722 Botanik. . 


riſon verftanden unter Gattung faft daſſelbe, was ızugelandten Pflanzen zu benuten verfiand. Die 
man jegt umter Klaſſe, u. Herrmann u. Rivinus Idee feines Sexualſyſtems jaßte er ſchon im feir 
das, was man jett unter Ordnung u. Familie nem 24. Jahre, und in feiner Flora lapponica 
verſteht. In dieſe Zeit, die erſte Hälfte des 17.001732 find die Pflanzen ſchon nad) den Staub- 
Jahrh., "fiel auch die Erfintung des Mitkroftops, |füden geordnet. 1785 erſchien die erfte Ausgabe 
die file die Fortichritte der anatomijchen u. pby-|jeine$ Systema naturae, seu regna tria naturas 
fiofogischen B. micht ohme Bedeutung war. Die/systematice proposita per classes, ordines, ge- 
Erften, welde die Anwendung des Mifroffops zur nera, species, Leyd., Fol., welcher noch bei Leb⸗ 
Beobachtung des Pflanzenbaues folgenreidy zu be- zeiten Liunes allen 11 neue Auflagen folgten. 
nutzen wußten, waren der italien. Arzt Malpighi me. Linnes Syftem anfangs beftige —* 
(in ſeinem Werke: Anatome plantarum, Lond. (z. B. Siegesbech) fand, jo brach es ſich doch bald 
1675) u. Grew, welche man daher auch gewöhn⸗ Bahn u. erräng endlich bie allgemeinfte Aner- 


lih als Gründer der Hiftofogie, Morphologie u. 
Phyfiolegie-der Pilanzen betrachtet. Der ſcheinbar 
geringe Erfolg der erſten Anwendung des freilich 
auch noch ſehr umvolltommenen Mikroſtops war 
übrigens jo wenig verlodend zu ähnlichen Studien, 
daß im ganzen 18. Jahrh. fo gut mie Nichts fiir 
die Pflanzenanatomie geſchah. Mehr verlodte die 
bejchreibende B., zumal die immer zahlreicher 
werdenden Reiſen nah Often u. Weiten den Bo- 
tanifern immer wieder neues Material von Pflan⸗ 
zen zuführten, die and im dem ſich mehrenden 
Botaniihen Gärten cultivirt-wurden. Je mehr 


fennung, die ihm felbft jetst noch zu Theil wird. 
As Anhänger der Linneſchen Schule find zu be 
traten: Öronovins, die beiden Gmelin, HU, 
Allioni, Oder, Burmann, Scopoli, Schreber, 
Schranf, Jacquin, Schäffer, Gleditſch, Bergins, 
Pallas, König, Commerſon, Aublet, orfter, 
Rotthöll, Mönch, Bulliard, Retzius, Thunberg, 
Bauls, Hedwig, Hoffmann, Eavauilles, Gärtner, 
Olaf Swartz, J. E. Smith, Aiton, Loureiro, La 
Billardiere, Römer, Uſteri, Schultes, Bahl, Schra- 
der, Roxburgh, Perſoon, Maſſon, Andrews, Ben- 
tenat, Desfontaines, Waldſtein, Ch. C. Sprengel, 


ſich aber das Material an neu entdedten Pflanzen X. Sprengel, Bridel, Esper, Acharius, Ruiz, 
häufte, deſto fühlbarer wurde auch das Bedürfniß Pavon, Michaud, Palifot de Beauvois, v. Hoff 


einer verbeſſerten Pflanzenbeſchreibung u. Pflanzen- 
eisttbeilung. D) Bon Zournefort bis Yinne, 
Dieiem juchte jhon Tournefort (Institutiones 
rei herbar., Bar. 1700) abzubelfem Er beftimmte 
noch. richtiger die Begriffe Gattung u. Art, grün- 
deie feine Rlafjen anf den Bau der Blumentrone 
u. Frucht u. feine Gattungen auf minder wichtige 
Theile dieſer Organe, oder auch auf vegetative 
Organe; er zählte etwa 10,000 Pflanzen auf, u. 
jein Spitem herrſchte bis in die erfte Hälfte des 
18. Jahrh. faft in ganz Europa, Fehlerhaft war 
feine Eintheilang in Bäume, Sträuder u. Kräu- 
ter, auch legte er auf die Befruchtungsorgane 
wenig Gewicht u. glaubte nicht an die befruchtende 
Kraft des Blüthenſtaubes. Deutlich erlannte die 
Serwalität fein Schüler Baillant, welder das 
Spitem feines Lehrers verbefierte, In derjelben 
Periode förderten vorzüglih die Kenntniß aus- 
ländiiher Gewähle W. Piſa, G. Marcgraf, F. 
A. van Rheede, E. Rumph, H. Sloane u. A. 
Tüchtige Borläufer Linnes waren auch H. Burl- 
hard, die beiden Scheuchzer, M. S. Merian, 
Boerhave, Sherard, Rudbeck und in Bezug auf 
Kryptogamen beſ. Dillenius u. P. A. Micheli. 
Ebenſo waren die naturhiſtoriſchen Reiſen von C. 
Plumier, L. Feuillee, E. Kämpfer, J. Ch. Bur- 
baum u. J. G. Gmelin u. A. für Linné von 
nicht geringer Bedeutung. E) Künftlidhes 
Spftem Yinnds. Durch Karl v. inne (geb. 
23. Mai 1707 im Dorfe Räshult in der Prov, 
Smhland, geft. 10. Jan. 1778 als Profeflor zu 
Upſala) erhielt eigentlich erft die B. ihre wiſſen⸗ 
haftlihe Begründung. Er erfannte die große 
Bedeutung der Geihlehtsorgane, die in zahlrei- 


hen Pilanzengruppen herrichende Conſtanz inZahl|giejen : 


u, Ausbildung derjelben u. gründete daher darauf 


mannsdegg, Flörle, Fröhlich, Röhling, Willdenom, 
William Hooler, v. Biberftein, Kohn. A. Während 
Linnes Syftem im R. u. O. von Europa zur Gett- 
ung kam, erwachte die Richtung der natürl. Methode 
im W. Bwar hatten ſchon in früherer Zeit Beter 
Magnol, Adrian v. Royen, Albert v. Haller u. 
Lorenz Heißer verjucht, ein natürlihes Pflam- 
zenfvyftem aufzuftellen, aber ihre Verſuche waren 
jo unvolllommen, daß fie noch weniger Anklang 
fanden, als die fpäteren, ſchon beadhtensmwertberen 
von dem Dänen Oder u. dem Deutichen Batich. 
Auch Linne hatte eine Reihe natürlicher Familien 
aufgeitellt, aber ebenjalls mit wenig Glüd. F) 
Natürliche Syiteme ſeit Juſſien. Erſt An- 
toine Laurent de Juſſieu war es vorbehalten, 
wenige Jahre nach Batſch das erſte wirklich auf 
natürlichen Principien beruhende Syſtem aufzu— 
ſtellen u. ſo als zweiter Reformator der Syſtema— 
til und als Begründer der natürlichen Methode 
aufzutreten. Ihm hatte bereits ſein Oheim Beru— 
hard de Juſſien vorgearbeitet. Er brachte die 
ſämmtlichen Gewächſe nah dem Borbhandenjein 
u, der Anzahl der Koryledonen oder Keimblätter 
des Embryo in 3 große Abtheilungen, die er nach 
Gärtner VBorgange Acotyledones, Monocotyle- 
dones u. Dicotyledones nannte. Klafien nabım 
er im Gauzen 15 an (j. u. Pflanzenſyſteme). 
Von nun an machte die Syftematit bedeutende 
Fortfchritte, aber nicht minder aud die Phuto- 
raphie, letztere namentlih durch die deutichen 

otanifer Hurt Sprengel, Nik. Joſ. v. Jacquin. 
Ehriftian Schtuhr u. v. A.; duch den Dänen 
Martin Bahl, den Schweden Göran Wabhlenberg, 
den Engläuder James Edw. Stuith, den Bortu- 
ir de Avellar Brotero, den Spamier 
nt. Joſ. Cavanilles, die Italiener Carlo Allioni, 


feine Eintheilung der Pflanzen; ferner ftellte er) Ant. Bertolom u. A., durch die Franzoſen' Jean 
eine botaniſche Kunſtſprache ber, die er in unver-|Baptifte de Qamarl, Rene Desfontaines, Philippe 
gleichlicher Weife zur Charakterifirung der vor ihm Picot, de la Peyroufe 2e., bei. aber durch ven 
jhon befannten u. ihm zuerft von allen Seiten] Schweizer Augufte Pyrame Decandolle, der auch 


Botanif. 23 


Das natürfiche Syſtem im eine neue, um Rieles|Kielmann u. Decandolle der Ältere (in feiner Eins 
vollfommenere Phafe (ſ. u. Decandolle n. Pflan« leitung zur 3. Auflage der Flore frangaise) füg« 
zenſyſteme) brachte u. deſſen Verbreitung nament-|ten bald Neues hinzu; andere Naturforfcher, wie ' 
lich durch fein die Befchreibungen aller Difotyle-|Pabillardidre, Desiontaines u. Dupetit Thouars, 
donen umfaflendes, von feinem Sohne Alph. Des|ftellten Beobachtungen in fremden Deittheilen an; 
«andolle u. vieten Mitarbeiteru fortgefegtes Werl:|Stromeyer (Historiae vegetabilium geographi- 
Prodromus systematis naturalis regni vegeta-|cae specimen) wußte jogar im diefe noch junge 
bilis, fiherte. Jedoch verfuchten ſich noch andere) Wiffenihaft ſchon einen beftimmteren Plan zu 
ausgezeichnete Botaniker im der Aufftellung von|bringen, während ſich Treviranus (Biologie od. 
Pflanzenſyſtemen, jo Achille Richard, Agardh, 3.1 Bhilofophie der lebenden .Natur) bemühte, die 
. ©. Boigt, Elias Fries, Perleb, Link, Olen, Lud⸗llimatiſchen Bertheilungen der Gattungen m. Fa⸗ 
wig Reichenbach, Schultz⸗Schultzenſtein, v. Mar⸗milien zu beſtimmen, nu. über diefelben feine Ver— 
tius, dor Allem aber Lindley (The vegetable|mmthungen mittheilte. Den vollen wiſſenſchaft- 
Kingdom), Bartling (Ordines plantarum) und lichen Werth gab jedoch erft Aler. v. Humboldt 
Enblicher (theilmeife im Bereim mit Unger). End»|der Pilanzenaeographie, indent er jeinen Essai 
lichers vorzügliches Werk: Genera plantarım und|sur la göographie des plantes veröffentlichte, eiu 
das theilmeije einen Auszug derieiben bildende) Werk, weiches. die Vegetation in ihren Beziehun- 
Enchiridion botanicum fanden bald dieallgemeinfie|gen zur mittleren Temperatur der Standorte, 
Verbreitung n. galten bis in die Gegenwart als zum Yuftbrude, zur Feuchtigkeit, Durchfichtigkeit 
die beiten Handbücher fir die fuftematifhe B. und eleftriihen Spannung der uns umgebenden 
Bei den Fortfchritten jedoch, welche auch die ſpe⸗Luft betrachtete u. dieſe VBerkältniffe nah unmit- 
cielle Pflanzentenntniß, namentlich durch die. mehr | telbaren Dieffungen beftimmte, Sowol dieſes Wert, 
darauf gerichtete Thätigkeit der Engländer, machte, als die Geographie der Pflanzen in den Tropen- 
reichten diefe Werte nicht mehr aus, u. der neueftelländern, ein Naturgemälde der Auden, und De 
Standpunkt: der Pflanzenbejchreibung wird durch |distributione geographica plantarum(Par, 1817, 
Bentham u. J. D. Hookers (des Jüngeren) Ge-[deutich von Beilſchmidt, Bresl. 1831) -x. trugen 
nera plantarum, fomwie durch Baillons Histoire] wejentlich dazu bei, der Pflanzengeographie Freunde 
des plantes repräfentirt. Beide noch nicht voll-|zu gewinnen. Namentlich ftrebten jett Floriſten 
endete Werte ſchließen fi im Wejentlichen an die u. Reiſende danach, nicht bloß die Pflanzenformen 
älteren Syfteme an, mur ift man infolge berleines Gebietes fennen zu lernen, jondern auch 
erweiterten Kenntniffe zu einer Beſchränkung derjdie Urſachen der Verbreitung zu ermitteln u. die 
zahlreichen unterfchiedenen natürlichen Familien |einzelnen-Begetationsgebiete mit einander zu ver 
g . Andere Forſcher verfuchten es mehr, diejgleihen. Derartige Zwede verfolgten Wablenberg, 
morp iſchen Studien im Intereſſe der Syfte-|der vorzüglich die Floren von Lappland, der Kar 
matif zu vermwerthen, u. unter diefen ift vor Allem|pathen und Schweizer Alpen erforichte, v. Bud), 
zu nennen %. Braun, der ein Syſtem der Pflan-| Chriftian Smith, Ph. v. Martins, der in dem 
zenfamilien aufgeſtellt hat, welches fi) mehr als/großen von ibm begründeten, von Gichler und 
alle anderen den natürlichen Berhältniffen nähert, | zahlreichen Diitarbeitern fortgejetsten Werte: Flora 
da in demfelben die apetalen Pflanzenfamilien|brasiliensis die Flora Südamerifas, namentlich 
nicht von den übrigen getrennt, feudern zwifipen|Brafiliens, in umfaſſendſter Weife behandelte, 
denjelben an geeigneter Stelle untergebracht ſind. Schoum (Grundzüge einer allgemeinen Pflanzens 
Diejes mehr in rein wiſſenſchaftlichen iſen be-|geographie, mit Atlas, 1831), E, A. Meyer, 5. 
fannte Syfiem findet ſich in Aſcherſons Flora won|linger, E. Boiffier, Heer, J. Thurmann, M, 
Brandenburg (f. u. Pflanzenfyfteme); ebenſo iſt Willklomm beſ. in Beziehung auf Spanien, J. 
es in dem neueften, die Gefammtrefultate der mor-|D. Hooker u. 3. A. Kerner (Alpenflora) u: viele 
phologiihen Umnterfuhungen zufanmenfafienden| Andere. Die Abhängigteit der Vegetation von dem ' 
Werte von Eichler (Blüthendiagramme, Lpz. 1874) | Mimatifchen Berhältmifen ſtudirte in meuejter Zeit 
zu Grunde gelegt. Was die Bllan engeogra.|vorzugsweife Griſebach, der eine jehr umfafiende 
pbie betrift, jo gebraudte den Namen diefer| Pflanzengeographie herausgab (Die Vegetation ' 
Disciplin zuerft Menzel 3 faſt gleichzeitig (um der Erde nad ihrer Mimatiichen Anordnung, Lpz. 
1783) Giraud Soulavie und der Verfaſſer der|1872). Bor diefem Werte erihien bereits ein an— 
Etudes de la nature. Schon Linné legte den|deres von Alph. Decandolle (Geographie botani- 
Grund zu diefer MWiffenichaft in feiner Denkichriftique, Par. 1855), welches neben den Mimatijchen 
De telluris habitabilis ineremento und in den|Berhältniffen auch den — toren ar und 
Colonise plantarum, Mit ihm brachen Haller,|geologiihen Verhältnifien, die bei der VBerbseitung 
Gmelin, Pallas, Reinhold und Georg Forſter, der — mitwirkten,. eingehende Beachtung 
Adamfon m, U. die Bahn; doch gewann dieſe ſchenkte. Um die Syſtematik der foſſilen 
Wiſſenſchaft erft einen größeren Aufſchwung, als Pflanzen machten fih beſ. A. Brongniart, F. 
man die Mimatischen Berhältniffe u. die Abhangig-| Unger, Heint. Rob. Göppert, Schimper, v. Ct» 
keit der Begetafion von den mittleren Temperatur |tinghaufen u. Oswald Heer verdient, Namentlich 
merthen u. Temperaturgrenzen erfannte. Außer Letzterer ftellte fi die Aufgabe, den Zufammen- 
Sauſſure, der nur in zerftreuten Bemerfungen| bang der gegenwärtigen Flora mit der der frü- 
pflanzengeographiiche Verhaͤltniſſe berührte, war heren Begetation zu erforichen, u. fam dabei zu 
es namentlih Ramond, welcher vortrefilihe Daten ſehr jhönen Refultaten. Überhaupt vereinigen ſich 
über die Geographie der Pflanzen von Europa jetzt die bisher genannten Zweige der B. noch 
„wiſchen den Parallelen von 424° u. 45°.gab.imehrals früher, wiewol die Zahl der Specialiften 
. 46* 


« 


724 


Botanische Excurſionen. 


für die einzelnen Gebiete eine ſehr große ift; auch die niederen Pilgformen das Jnterefie der Bota- 


die längere Zeit bei der großen Menge anatomi- 
ſcher u. phyſiologiſcher Entdedungen vernadläffigte 
Epftematit wird in der Gegenwart wieder mehr 
cultivirt; mur richtet man infolge der durch Dar- 
min gegebenen Anregung fein Angenmert mehr 
auf die Abftammungsverbältniffe u. auf den in- 
neren Zufammenbang der Erfheinungen, mit deren 
bloßer Beichreibung man ſich früher beguügte. 
Mit dem Intereſſe an der Syftematif gewann 
auch feit Ende des 18. Jahrh. der Sinn für all: 
gemeine B., namentlih für Terminologie, Hifto- 
logie, Morphologie u. Phyſiologie Eingang. Zu 
den Botanifern, melde bier vorzüglich wirkten, 
gehören Heine, Fr. Link, Joh. Wolfg. v. Goethe, 
der Gründer der Metamorpboienlehre der Pflau— 
zen (zu welcher er 1790 in einer Heinen Schrift: 
Ueber die Metarmopbofe der Pflanzen, die erfte 
Idee entmwidelte); ferner Chriftian Treviranus, 
Ehr. Gottfr,. Nees v. Ejenbed, G. Wilh. Biſchoff, 
Charles Bonuet, Duhamel, Dumoncean, Sean 
François Turpin, Desfontaines, Joachim Du— 
trochet, Dupetit Thouars, Briſſeau⸗Mirbel, Achille 
Richard, Decandolle, Stephan Hales, George 
Adams (Bater und Sohn) und vor Allen Rob. 
Brown, Durch dieſe u. mauche andere ebenſo 
eifrige wie fcharffinnige Botaniker ſteigerte ſich das 
Autereffe für diefe, ‚namentlich fiir die drei Tetzt- 
—— Theile der B. ſo, daß der Sinn für 
ie Syſtematik allmählich immer mehr in den Hin— 
tergrund trat. Ja, die zahlreichen Eutdedungen, 
welche mit Hilfe des verbeſſerten Mitroflops ge— 
macht wurden, viele von außerordentliher Wid- 
tigkeit m. manchen Lehren der B. eine ganz neue 
Richtung gebend, feuerten immer wieder zu neuen 
Unterfuhungen an; u. fo erblühte mit Anfang der 
dreißiger Jahre unferes Jahrh. die Pflanzen- 
pbyjiologie u. Pflanzenanatomie fo üppig, 
daß man wol die Periode von 1830 bis 1870 
G) die der Pflanzenpbyfiologie u. Pflan- 
zenanatomie nennen lönnte. In den genannten 
Dis:iplinen zeichneten fih aus: Fr. Jul. 
Meyen, Giov. Amici, Schwann, Hugo vd. 


nifer, zumal diefelben auch wegen der durd fi 
erzeugten Krankheiten u. Fäulnißproceſſe bei dem 
Laien u. bei.den Landwirthen Beachtung finden; 
als fördernde und eracte Beobachter auf dieſem 
Gebiete der Myfologie find namentlich zu nennen: 
Tulasne, Ant. de Bary, Kühn, Need, Brefeld, 
Cohn, während allerdings auch nicht wenige Ei 
vade auf diefem Gebiete der wiffenjchaftlihen Me— 
thode den Rüden kehrten. Auch die Flechten fan- 
den zahlreiche Beobachter, fo find namentlich zu 
nennen: Maffalongo, v. Flotow, Körber, v. Krem- 
pelhuber und Schwendener, der namentlich die 
AZugebörigfeit der Flechten zu den Pilzen nachwies. 
‚su neuefter Zeit pflegen die verjchiedeneyg Gebiete 
der B, wieder gleihmäßiger verarbeitet zu mer- 
den, u. ftrebt man, wie ſchon oben angedeutet wor- 
den, mehr danach, die durch Specialforſchungen 
befannt gemachten Thatfahen von einheitlichen 
Sefichtspunften aus zu betrachten u. zu gruppiren. 

Es ift Mar, daß die botanifche Piteratur eine 
fehr ausgedehnte fein muß; jo gibt es botamiiche 
Bibliothefen, welche 16—20,000 Bände zählen; 
und der von Pritzel herausgegebene Thesaurus 
literaturae botanicae ift ein jehr umfangreiches 
Wert. Es ift unmöglich, bier auch nur die haupt⸗ 
ſächlichſten Werte alle anzuführen, nur follen noch 
außer den ſchon oben genannten Werken einige 
der widtigeren Handbücher genannt werden, Te 
für allgemeine B.: Sachs, Lehrbuch der B., 4. 
Aufl., Seubert, Lehrbuch der Pflanzentunde, Ma- 
ont et Decaisım, Trait6 general de botanique, 
Thome, Lehrbuch der B. (für Schulen); ‚für Phy 
fiologie: Sachs, Erperimentalpbyfiologie; für 
deutihe Phanerogamen: Koh, Synopfi$ und 
Taſchenbuch der deutichen und jchweizer „Flora, 


Garde, Flora don Nord- u, Mittel-Deutichland; 
für die Gefäßkryptogamen Deutihlands: Milde, 
Die Sporenpflanzen Deutſchlands u. der Schweiz; 


für Laubmoofe: Karl Miller, Synopsis Muscorum, 
Schimper, Synopsis Muscorum europ,; für Leber- 
moofe: Gottjche, Lindenberg u. Nees v. Eſenbech, 


erd. 
de. Synopsis Hepaticorum; für Pilze: de Bary; 


gran Unger, Zurpin, Briffean- Mirbel, Adolf Morphologie und Phnfiologie der Pilze; Fries, 


rongniart, Matth. J. Schleiden, Karl Nägelt, 
Wilh. Hoimeifter, Hermann Schadt, Jul. Sachs 
u. Joh. Hanftein. Während viele der genannten 
Botanifer die dem Vegetationsproceß u. dem Aufs 
bau der gefammten Pflanzenwelt zu Grunde lie- 
enden Erſcheinungen eingehend unterſuchten, be: 
— ſich auch viele vorzügliche Beobachter mit 
dem Studium der Entwickelungsgeſchichte einzelner 
niederer pflanzlicher Organismen. 
wierigleit derartiger Unterſuchungen, melde fort⸗ 
dauernde Hingabe an einen u. denſelben Gegen— 
ftand erfordern, hatte zur Folge, daß eine Anzahl 
Botaniker fi ausfchließlih mit einzelnen Gruppen 
drr Krpptogamen befaßte. Beſonders deren Fort⸗ 
pflanzungsverhältniffe wurden auf das Sorgfäl- 
tigfte ermittelt. So find als fürdernde Special: 
forjher zu nennen, auf dem Gebiete der Gefäß— 
Iryptogamen: Hoimeifter, Sachs, Milde, Mette- 
nius; auf dem Gebiete der Moofe: Schimper, 
—— Leitgeb; auf dem Gebiete der Algen; 

ägeli, Pringsheim, a (Species algarumn), 


Die Yang-|boruss. aufgef. officinellen Pflanzen. 


Epicrisis systematis mycologiei, Gonnermann n. 
Nabenhorft, Mycologia europaea; fir Flechten: 
Koerber, Systema lichenum Germaniae und 
Parerga lichenologica; für Algen: Rabenborft, 
Flora europaea algarım; fir Pharmafoguofie: 
Flückiger, Lehrbuch der Pharmaloguofie; für offi- 
cinelle Pflanzen: Berg u. Schmidt, Beihreibung 
und Darftellung fämmtl. in der Pharmacopoea 
Außerdem 
eriftiren noch eine große Anzahl don periodifchen 
botanischen Bereinsfchriften, Jahrbüchern der ver» 
ſchiedenen botanischen Fnftitute u. botanischen Zeit« - 
ungen, von denen in Deutfchland am verbreitetſten 
find: Botanifhe Zeitung, unter NRedaction von 
De Bary u. Kraus in Halle (früher Mohl u. 
Schlechtendal); Flora od. Hegensburger Botantiche 
Zeitung, red. von Singer, u. Ofterreichiiche Bo- 
tauiſche Zeitung, red. vou Al, Stofig- in Wien, 
u. Jahrbücher f. wiſſenſch. Bot., berausg. von 
Pringsheim. j Engler.” 
Botaniſche Ereurfionen, Auffuhen von 


de Bary, Eohn. Ganz befonders erregten aber| Pflanzen an ihren natürlihen Standorten, zur 


Botanische Gärten, 


120 


Zeit ihrer volltommenften Entwidelung (in Blütbe Niederlanden war der zu Leyden 1577 auf Pon- 


u. Frucht), mit oder ohne Einfanmeln berieiben, 
zum Studium der Botanik, als ein Hauptförder- 
ungsmittel, ja felbft weſentlicher Theil deſſelben. 
Sie find nothwendig, um die Flora eines Ortes 
od. einer Gegend kennen, zu lernen u. aufzunch« 
men, Nicht allein der hohe Sommer bietet Aus- 
beute dar, fondern auch die Frühlings. u. Herbft- 
zeit, ja ſelbſt der Winter Hinfichtlich der Fiechten 
und Moofe. Al wiſſenſchaftliche Hufsmittel be— 
nut man dabei die Ercurfions-Floren, deren zahl- 
fofe iiber einzelne Landftrihe od. Städte erjchie- 
nen find, namentfih in Deutfhlend. Sehr ver- 
verbreitet ift Kochs Taſchenbuch der deutichen u. 
ſchweizer Flora, und neuerdings Garde, Flora 


ttus Betrieb entftandene der erfte; fpäter die zu 
Amfterdam, Haarlem, Rotterdam, Utrecht. Dort u. 
in England war die Beibringung oft- u, weſt— 
indischer Pflanzen befonders wichtig, machte Bflan« 
zengärten zur Modeſache u. erregte dem Geihmad 
für Botanik ungemein; der Ältefte war zu daup- 
toncourt, jpätere zu Chelſea, Orford, Cambridge, 
Dublin, Edinburgh; der gegenwärtig größte Bota- 
miche Garten Englands iſt in Kew bei London. 
In Deutſchland Iegten Private, namentlich Came— 
rarius in Nürnberg, B. G. an, ſpäter errichtete 
der Biſchof v. Gemmingen einen Bm Garten, 
worauf bis zum 18, Jahrh. nach u. nad) in allen 
Univerfitätsftädten und auch in anderen Städten 


von Nord» u, Mittel-Deutihland. Nützlich iſt auch B. G. entitanden. Im Norden erceilirten die zu 


ein Pflanzenfalender in Bezug auf die Gegend, 
wohin die Ercurfion gerichtet iſt; endlich ift zu 
ben E. unentbehrlich ein portativer Apparat zur 
Unterfuchung n. —— als: Kapſeln (Bo- 
tanifirbüchfen), Schachteln, Mappen mit Papier 
zur Aufnahme von Pflanzen, ein langer Stod 
mit anzufhraubendem Haken, Mefier, Scheere, Na» 
dein, Heiner Handipaten, Meißel u. Hammer, bei. 
eine gute Loupt ꝛc. 

otaniſche Gärten wurden ſchon frühzeitig 
eingerichtet u. waren je nah dem jedesmaligen 
Standpuntte der Wiſſenſchaft fehr verfchiedenartig 
eingerichtet. So lange die Botanik nur als eine 
Hilfswiffenschaft der Medicin galt umd nicht um 
ihrer jelbft willen getrieben wurde, verftand man 
unter Ben G. vorzugsweife folhe Gärten, 
in denen einheimishe und fremde Medicinal- 
pflanzen cultivirt wurden. Unter den Griechen 
unterbieft ſchon Theophraftos einen Pflanzengarten 
und vermachte denjelben jeiner Schule, Antonius 
Caſtor einen anderen, welchen Plinius der Altere 
benutzte. Karl der Große ließ Gärten in den 
taiſerlichen Pfalzen anlegen, in welchen gewiſſe 
von ihm bezeichnete Pflanzen cultivirt werden 
mußten. Unter den Italienern cultivirte bereits 
1310 Matth. Sylvaticus in Salerno u. m. N. 
morgenländiihe Pflanzen. Venedig ließ 1333 den 
erften mediciniſchen Garten anlegen, von deſſen 
Pflanzen Andreas Amadei fehr treue, noch in 
Venedig aufbewahrte Abbildungen fieferte. Im 
16. Jahrh. legte Alphons v. Efte, von Leonicenus 
Mufa, Braffavola, Monardus angeregt, mehrere 
G., bejonders einen auf einer Inſel des Bo 
(Belvedere), welchem Pamei vorftand, an. Fer— 
rara hatte mehrere ©. mit ausländiichen Ge- 
wächſen, %0f. Braffavola daſelbſt ein Gewächs— 
haus; Padua 1533 einen Profeffor der Botanit 
u. mie Pia 1544 einen Bn Garten, deſſen 
erfter Aufjeher Al. Mondella war, fo aud 1568 
auf Aldrovandis Betrieb Bologna, In Florenz 
waren deren mehrere u. in Neapel bei. der Pi- 
nelftfche berühmt; in Rom aber unterftütten Car- 
dinäle, namentlih Ad. Farneſe, Aldini u. Trium— 
fettis, im Sicilien Fürſten, beſ. Della Catolica, 
deren Aulegung; fpäter war der zu Turin be 
rühmt. In Frankreich war der Botanische Garten 
zu Montpellier, von Belleval zu Ende des 16. 
Jahrh. angelegt, u. der zu Paris 1597 unter 
Robin entftandere der ältefte; letterer wurde 1635 


Kopenhagen, Upfala, Abo, Warſchau, Petersburg, 
Pamwlowst; in Spanien der zu Madıid um 1754 
von Ortega cultivirte; in Portugal der zu Eoimbra; 
in der Schweiz der von Gefner angelegte, fpäter 
ganz verwilderte, von Römer retablirte zu Zürich. 
Von außereuropäifhen G. find hervorzuheben 
in Afrika; Capſtadt, Natal, Bort Fouis auf St. 
Mauritius, Orotava, Kairo; in Afien: Bombay, 
Ealcutta, Madras, Saharampore, Buitenzorg auf 
Java; in NAmerika: Boften, Amferft, New⸗ 
Hort, St. Louis, Wafhingtön, Kingfton in Ober- 
anada; in Centraf-Amerita: Havana, Trinidad; 
in SAmerifa: Bahia, Rio de Janeiro, St. Jago; 
in Auftralien: Mdelaide, Melbourne u, Sidney. 
Seit der Entdedung Amerifas und feit der Zur 
nahme der Reifen wurden die B. ©. in Europa 
immer mehr zu Sammelplätzen fremder, einge» 
führter Pflanzen, man berüdfichtigte jetzt wicht 
mehr ausſchließlich die mediciniſch u. techniſch 
wichtigen Pflanzen, fondern nahm alle nur erreidh» 
baren veuen Pflanzenformen in Eultur,' u. fo 
wurden die B. G. eine reiche Quelle für ver- 
ſchiedene Zweige des botaniſchen Studiums, na— 
mentlich für Syſtematik, Morphologie u. Ana— 
tomie. In neuerer Zeit macht ſich aber vielfach 
die Anſicht geltend, daß die B. G. nicht bloß die 
Aufgabe haben, eine möglichſt große Menge frem— 
der Pflanzenformen in Cultur zu nehmen u. das 
dem Studirenden der Botamif u. Medicin nöthige 
Material zu liefern, jondern dafjelbe auch in einer 
Meife anzuordnen, melde von felbft jomol den 
Studirenden, als das größere Publicum zu eimer 
eingehenden Betrachtung einladet und belehrend 
wirft. Es ift vor Allem nothwendig, auf den Eti- 
quetten alles Bemerlenswerthe der einzelnen Pflan- 
zen, ihre fyftematifhe Stelluug, ihr Baterland, 
ihre Producte u. deren Verwendung zu notiren; 
e3 handelt fich ferner darıım, pflanzengeographiide 
Gruppen zujammenzuftellen, durch welche auch dem 

ößeren Publicum eine Vorftellung von der BHy- 
tognomif ausländiſcher Floren gegeben werben 
fann, ferner muß mit dem Garten eine möglichft 
vollftändige Sammlung der für die Medicin, 
Pharmacte u. Technik wichtigen Probucte verbun⸗ 
den jein, melde am beften in Gläſern bei den 
Stammpflanzen jelbft aufgeftellt werden; auch die 
Wachsthumsverhältniſſe der Holzpflanzen, die Be- 
ziehungen der vorweltlichen ;ylora zu ber gegen» 
wärtigen laſſen fih im mannigfader Weiſe illu⸗ 


in den Jardin des Plantes umgewandelt. In den!ftriren. Wo diefe Principien durchgeführt find, 


* 


726 


wie in Deutichland am beten in Breslau (Dir 
rector Göppert) u. in England in Kew, werden 
die B. ©. auch vom größeren Publicum in aus- 
gedehntefter Weife bemugt: jo wurde im Jahre 
1873 ber 8. Garten in Sem von 683,870 
Berfonen befucht. Doch find auch die ftreng wifien- 
ſchaftlichen —— der B. G. noch vermehrt 
worden; fie fo 


Botanische Gejellichaften — Botin. 
| 


Bote, Perfon, die irgendwohin geſchidt wird, 
bei. zur Überbringung von mündlihen Nach- 
richten, Briefen oder Paketen. Ein B, wird ent- 
weder in fpecieller Angelegenheit mit einem Auf- 
trage an einen Einzelnen als erprefier B. ge- 
ihidt, wofür er ein Botenlohn empfängt, oder 
gebt zu beftimmten Zeiten von einem Orte zu 


en auch Berfuhsgärten fein: die dem anderen u. nimmt gegen Gefdvergütung von 
einen dienen mehr. landiwirtbichaftlihen. Zmweden | Jedermann Briefe u. Palete mit. 


Das Boten- 


u. baben bie Bortheile oder Nachtheile der ver ⸗weſen iſt älter als die Poſt. Nicht nur die mä- 
ſchiedenen Culturmethoden feftzuftellen, fowie auch heren Ortichaften ftanden ehedem durch ein meiht 
die Eigenichaften der zahlreichen Varieläten un» der ſtädtiſchen Kämmerei untergeordnete Boten- 


ferer Culturpflanzen genau zu ermitteln, andere, 
wie namentlich bie außereuropäiſchen, laſſen ſich 
die Acclimatilation neuer Eulturpflanzen angelegen 
fein; eine bis jeft nur noch wenig beadhtete Auf- 
gabe der B-n G. iſt eben die, wiſſenſchaftlich durch 
enaue Eontrole feitzuftellen, inwieweit diefelben 
Sflänzenformen variiren, wie ans Barietäten 
Arten entftehen, wie Baftarde fich in der Fort- 
pflanzung verhalten, u. a. m.; ebenjo follen bie 
B:n ©. das Material zu phyſiologiſchen u. entwide- 
lungsgeſchichtlichen Unterſuchungen liefern u. daher 
derartige intereſſante Pflanzen in möglichſt großer 
Anzahl cultiviren. Wo die B-n ©. derartige mifjen- 
jchaftlihe Aufgaben erfüllen ſollen, müflen mit 
denjelben auch Arbeitsfäle, Herbarien n. Saınm- 
hungen von Früchten, Samen ꝛc. verbunden jein, 
wie dies auch ſchon in einzelnen größeren Ben 
G. Deutichlands, Frantreihs u. Englands einge 
führt ift. (Eingler.* 

Botanische Geſellſchaften, Vereine zur För- 
derung der Botanik, zu gemeinfhaftlihem Stu⸗ 
dium derfelben nm. zur gemeinfhaftlihen Cultur 
von Pflanzen; e8 befteben deren in Cordova, Flo— 
renz, London, Paris, Brüffel, Gent, Regensburg, 
Berlin, Per vsburg ꝛc. ‘ 

Botaniju,e Zeitungen, f. u. Botanif. 

Botanijiren (v. Gr.), fih mit Unterfuhung 
von Bilanzen befchäftigen, bei. auf botanischen 
Ercurfionen (ſ. d.); daher Botanift, jo v. wie 
Botaniker. 

Botanölog (v. Gr.), Pflanzentundiger. 

Botanophilus (ar.), Pflanzenliebhaber, der 
Botanif nur oberflächlich treibt. i 

Botany-Bai, Bai in der Grafihaft Cumber- 
land in Neu-SWales (Auftralien); mimmt Die 
Flüffe Coof u. St. Georg auf; Borgebirge Banks 
a. Solander. Entdedt von Eoof 1770, follte fie 
Verbrechercolonie für England werden; da fi 
aber die fandige u. zum Theil moraftige Umgeb- 
ung nicht dazu eignete, fo wurde dieſe nördlicher, 
nah Vort Jachſon, verlegt. ’ 

Botanybaiharz, jo v. mw. Acaroidharz. 

Botarga (Botargo, Boutargue), aus dem 
Rogen der Meeräfche u. des Sanders, in der 
Provence, Sardinien, Dalmatien u. Alerandrien 
znbereitete, in SEuropa u. der Yevante fehr be- 
liebte, dem Caviar ähnliche Speife, welche zur 
Anfreizung des Appetits mit Of u, Eifig oder 
Eitronenfaft genoſſen wird. 

Botas (fpan.), in Spanien bockslederne Wein- 
ſchläuche, die, da fie die wäſſerigen Feuchtigkeiten 
verdunften laſſen, den Wein verbefiern. 

Botaurus Steph. (Rohrbommel), Gattung der 
Familie der Reihervögel (j. d.). 


amt, welches von einem Botenmeifter geleitet 
wurde, mit einander in Berbindung, jonbern ſelbſt 
nad ferneren Ortichaften bejorgten reitende Bu 
Handelsbriefe u. Briefichaften des Gemeinweſens, 
ohne daß jedoch die Bürger gemöthigt waren, 
ihre Briefe auf diefem Wege beiorgen zu laflen. 
Bal. Bolt. 

Botetourt, auch Potetourt, County im nord 
anterif, Unionsftaate Birginia, umter 37° n. Br. 
u. 80° w. %.; 11,329 Ew.; Hauptfig: Fincaſile. 

Both, 1) Zan, Landichaftsmaler, geb. um 
1610 in Utrecht; bildete fih unter Abr. Bio 
maerts u. in Italien nach den Werfen von Claude 
Forrain; er ft. 1651 in Utrecht. Befonders gelangen 
ihm Gonnenuntergänge. Seine Compofitionen 
find reih u. prädtig, tief u. fein empfunden, 
geiftooll ausgeführt. Man bat auch Radirungen 
von ihm. Er malte vorzugsmeife italienische Land⸗ 
ſchaften, von denen fich einige in den Diufeen zu 
Berlin u. Dresden finden. 2) Andreas, Bruder 
des Vor., geb. 1609 in Utrecht; lernte wie diefer 
zuerft bei Bloemaerts, ging mit ihm nad) Jtalien, 
nahm fi vorzugsweiſe die Werte P. van Yaars 
zum Diufter, malte Borträts, Genrebilder u. Thier⸗ 
jtüde u. ftaffirte häufig die Werke feines Bruders. 
Er ertranf 1650 in Venedig. Seine Radirungen 
zeigen eine breite, aber feihte Nadel. WRegnet.* 

Bothriocephalidae, Bothriocepalus, fiebe Band- 
mwürmer. - 

Bothiwell, Dorf u. Kirchſpiel in der Grafichaft 
Lanart (SSchottland), am Clyde, unweit Glasgom; 
5800 Ew.; Ruinen des Schloſſes B., wohin Maria 
Stmart vom Grafen Bothwell entführt wurde. 

Bothwell, James Hephurn, Graf» 2, 
Sünftling von Maria Stuart; , Mitihuldiger am 
Morde ihres Gemabls Heinrich Darnley, wurde 
aber Iosgeiprochen u. vermäblte fi 1567 mit ber 
Königin, Der Adel nöthigte ihn jedoch, zu fliehen, 
u, fette die Königin zu Lochleven gefangen; |. 
Schottland (Geſch.). B. flüchtete nad den Orkney⸗ 
Injeln, trieb Seeräuberei u. ging nad Dänemark, 
wo er verhaftet wurde u. 1577 im Elende itarb. 

- Bothwell Bridge, Brüde über den Elyde in 
der Grafſchaft Lanark (Brov. SSchottland), um- 
weit Hamilton. Hier am 21. Juni 1679 Schlacht 
zwiſchen den königlich engliſchen Truppen unter 
dem Herzog von Monmouth u. den jcottifchen 
Puritanern; Letztere murden nad tapferer Gegen- 
wehr geichlagen u. ber Krieg beenbet. 

Botin, Anders af, ſchwediſcher Hiftorifer, 
geb. 1724, geft. 1790; von feinen vielen Arbeiten 
(find befonders zu nennen: Utkast till Svenska 
‚folkets historia, 1757—64 (gebt bis Guftav I.), 
u. die ſtatiſtiſche Beskrifning om Svenska hem- 


Botofuden — Bott. 


727 


man och jordagods, 1750—54, doch nur-zum|verfehenen B, cutaceum Willd. u..B. matricari- 


Theil gebrudt, 
Botofüden, ein ganz rohes Volk der amerit. 
Menfchenrace, welches die Urwälber zwifchen dem 


oides W. find viel jeltener. Engler. 
Botryölith (Min.), Traubenftein. 


Botrytis Fl. dan., ältere Bilggatt., meift Formen 


Rio Pardo u. Rio Doce mit Ausſchluß der Küften- | mit aufrechtem, äftigem Stämmen u. geitielten, 
firie in der Prov. Minas Gerães Brafiliens be-| Trauben oder Widel bildenden Sporen umfaſſend, 
wohnt. Sie gehen nadt u. durchbohren Unterlippeu. |die jedoch infolge neuerer Unterjuhungen ih als 
Ohren, um darin große Holzpflöde (portugiefiich |ungeichlechtfihe Fortpflanzungsiormen von Pilzen 
Botoque, daher. der Name) zu befeftigen, find geichichte |der verſchiedenſten ioffen Derausgefellt haben. 
Bogenſchützen, bedienen ſich geichlifiener, «aber un-| Man ſehe daher über 1) B. Baniana unter Mus- 


durchbohrter Steingeräthe, bauen Hütten, verehren 
den Mond u. ertragen alle Unftrengungen, jelbfi 
Hunger u. Durft, mit Ausdauer, fie leben faft 
ausichlieglih von dem Wilde, das fie erlegen, u. 
jollen auch Menſchenfleiſch effen; find treulos, aber 
fühn u. werben noch gegenwärtig gefürchtet. Früher 
‚wohnten fie biß zu den Küften herab, mo bie 
-portugiefiihen Anſiedler öfter bintige Kämpfe mit 
ihnen zu beftehen hatten, Sie leben in Banden 
unter Anflihrern (Capitan), die jedoch nur dem 
Feinde. gegenüber Einfluß üben. Die B. nennen 
fih jelbit Engferälmung; bei den älteren portu- 
gieſiſchen Scyrüftftellern führen fie den Namen 
Aymores. Bon den B. am Fluffe Ilheos war zu 
Anfang bes 19. Jahrh. nur noch ein Meiner Reſt 
unter dem Namen Guerens übrig, ift aber jetst 
ausgeſtorben. In der neueren Zeit ift e8 der bra» 
filianifhen Regierung gelungen, einen Heinen Theil 
des Volles anzufiedeln. Die erften näheren Nach— 
richten über das Bolt u. feine ganz eigenthüm- 
liche Sprache lieferte der Prinz Maximilian von 
Neuwied in feiner Reiſe nad Braſilien, Frkf. 
1819—21, 2 Bde. 

Botoſchan (Botuchani, Botuihan), Hauptft. des 
gleihn. Kreiies in Rumänien, im N, der Moldau, 
auf einem Plateau zwiſchen Sereth u. Pruth, an 
einer Ziweigbahn der Ezernowig-Fafiyer Eiſenb.; 
ſchmutzige, jehr unregelmäßige Straßen; 15 Kirchen, 
10 Synagogen; Gpital; befuchtefte Jahrmärtte 
in der Moldau, nicht unbedeutender Handel ; 
1859 37,594 Ew. 

Botrychium Sw. (Mondraute), Bflanzengatt. 
aus der Familie der Ophioglofjeen, mit unterirdie 
ſchem Borfeim (PBrothallium), auf welchem ſich 
zwilchen Antheridien u. Archegonien die geichlecht- 
lihe Befruchtung vollzieht. Das Neiultat der Be- 
fruchtung, die aus dem Archegonium hervorgehende 
zweite Generation, beſitzt eine furze Grundachſe 
mit ſpiralig geſtellten Blättern, von denen nur 
eines in jedem Jahre ſich volllommen entwidelt; 
daſſelbe umhüllt mit feinem jcheidenartigen Bajal- 
theil die übrigen, noch unentwidelten Blätter der 
nächſten Jahre; der obere Theil des Blattes theilt 
fi} in 2 Theile, von denen der eine, nicht ſporen— 
erzeugende kutweder einfady”-fiedertheilig. mit halb» 
mondjörmigen Abſchnitten, oder vielfach getheilt ift, 
während der andere in feinen Thelungen dem 
erften entiprechende jchmälere Abſchnitte befitt, 
welche auf der Unterfeite in 2 Reihen geftellte, 2- 
Happige Sporenbebälter tragen, Bon den 4 in 
Deuffhland vorfommenden Arten ift am häufig» 
ſten B. Lunaria Sw., welde trodene Wiejen, 
grafige, lichte Waldſtellen u. Hügel in der Ebene 
liebt, vorzugsweife aber auf Lehnen int Hochge⸗ 
birge verbreitet ift. Das Heine B. simplex Hitch- 
cock, jowie die mit doppelt-fiebertheifigen Blättern 


cardine, über 2) B. einerea unter Peziza, ilber 
3) B. infestans unter Peronospora, 

Botryum, ſ. Staphylonia. 

Botjchaft, in parlamentariſchem Sinte eine 
vom Staatsoberhaupte direct an die Laudesvertret⸗ 
ung gerichtete —— oder Eröffnung, im 
Gegenſatze zu den gewöhnüchen Vorlagen, Eröff- 
nungen 2c., welde im Namen des Staatsober⸗ 
hauptes vom Miniſterium an die Landesvertret- 
ung gemacht werden. Die B. muß nad) der im 
conftitutionellen Staate, wie jeder andere Regier— 
ungsact des Staatsoberhauptes, von den Miniftern 
— ſein. Solche immer mit einer beſon - 
deren Wichtigkeit u. gewiſſen Feierlichleit verbun- 
bene B⸗en erfolgen nur in außerordentlichen Fällen, 
bei Rüdnahıme von bereits vorgelegten Gejetent- 
würfen, bei Kammerauflöfungen oder Conflicten 
zwiſchen Regierung u. Landesvertretung, bei be» 
jonderen Borgängen im Haufe des Staatsober- 
bauptes, in der äußeren Politik, namentlich Kriegs» 
fällen. In Republiken, namentlih in den Ver— 


einigten. Staaten u. in der Republik Frankreich, 
ergehen ſolche Ben von Seiten des Präfidenten 


an den Cougreß bei deffen Eröffnung; im ihnen 
wird ‚der "Gejammtzuftand des Yandes in allen 
feinen Gebieten nad innen u. außen dargelegt. B. 
in biplomatifhem Sinne f. Geſandtſchaft. Lagai. 
Botjchafter, ſ. Geſandter. 
Bott, deutſche Muſilerfamilie, aus der ſich 
rühmlich belannt gemacht haben: Anton B. 
(1795—1869), Miüttärmufifdirector in den Frei— 
heitsfriegen; jpäter widmete er fih auf Unrequng 
Spohrs dem Biolinfpiel u. wurde erjter Violiniſt 
in der furfürftl. Kapelle zu Kaſſel. Sein älterer 
Bruder, Johann Joſeph B., war großberzogl. 
beificher Hofmuſikus, u. deſſen Tochter, Katha- 
rine Luiſe, erwarb ſich als Klavierſpielerin 'u. 
Lehrerin einen guten Namen; -fie lebt in New— 
Hort. Sohn des erjtgenannten U. B. ift der be» 
rühmte Biolinvirtuofe Jean Joſeph B., geb. 
9. März 1826 zu Kafiel, Schüler Spohrs und 
Moris Hauptmanns; machte ſchon 1840 eine grör 
Bere Goncertreife, bildete fi aber aud zum Com⸗ 
poniſten aus u. war 1841—45 erſter Stipendiat 
der Mozartftiftung zu Frankfurt a. M. Nachdem 
er 1846 GSolofpieler in der Kaffeler Kapelle, 1849 
HofrEoncertmeifter u. 1851 neben Spohr Kapell» 
meifter am Hoftheater geworden war, nahm er 
1856 die Hof-Kapellmeifterftelle in. Meiningen an 
u. wurde 1865 erjter Hof-Kapellmeiiter in Han— 
nover. Er ſchrieb 2 Symphonien, 2 Bjolinconcerte, 
Ouvertüren, Klavier- u, Biolinftüde, Lieder u. die 
Opern: Der Unbelannte, 1854; Actäa, das Mäd« 
hen von Korinth, 1862. Auch ein Bruder J. J. 
B⸗s widmete fi erfolgreich dem Violinjpiel, und 
wurde in der Hoftapele zu Kaffel angeftellt, 


728 
Botta, Hohlmaß, ſ. Bora. 


Botta — Böttcher. 


Böttcher, Handwerker, welche als Grof- 


Botta, 1) Carlo Giufeppe Guglielmo, ————— (Küfer) große Bottiche u. Fäſſer, 


ital. Gefchichtfchreiber , 
S. Giorgio del Canaveſe in Piemont; ſtudirte 
Medicin, ward 1792 wegen revolutionärer Be 
finnung arretirt, aber durch die Franzoſen befreit; 
wurde 1794 Feldarzt bei der franzöfiichen Armee, 
erhielt 1799 eine Anftellung bei der Proviſoriſchen 
Regierung in Pientont u. hieß fih.nach mehreren 
Reifen durch die Schweiz u. Jtalien 1804 in 
Paris nieder. 1814 ward er Mitglied des Gefep- 
ebenden Körpers, 1815 Rector der Akademie ın 
Kancy u. nad der Reftauration Rector des Col: 
legiums zu Rouen, Seinen ärztlihen Beruf gab 
er auf, als ihm biftoriiche Forſchungen auf die 
ſchriftſtelleriſche Laufbahn führten; er ft. 10. Aug. 
1837 in Paris. 8. fchr.: Description de l’ile de 
Corfou, Bar. 1799, 2 Bde.; Souwrhirs d'un vo- 
yage en Dalmatie, Turin 1802; Preeis bist. de 
la maison de Savoie, Par. 1803; Storia della 
guerra dell’ independenza degli Stati uniti 
d’Ameriea, Mailand 1844, 2Bde.; Storia d'Italia 
dal 1789 al 1814, Par. 1824, 2. Aufl. 1826, 
deutich von Förfter, Onedlinb. 1827—31, 8 Bde.; 
dies Werk, nebit Guicciardinis Geſchichte u. feiner 
skin. derjelben von 1535—1789 bildet zu⸗ 
ammen jeine Storia d'Italia dal 1490 al 1814, 
Par. 1832, 20 Bde.; Hist. des peuples d’Italie, 
Par. 1824, 3 Bde. Ohne Glüd verfuchte er fich als 
Dichter in dem Epos Camillo, Bar. 1810. 2) Baul 
Emile, berühmter franzöfiicher Alterthumsforfcher, 
Sohn des Vor., geb. 1803 zu Paris; ſtudirte 
Medicin u. Naturwiffenschaften, machte früh eine 
Reife um die Welt mit, ging, nachdem er an den 
Weüſten Amerilas naturhiſtoriſche Schäte geſam⸗ 
melt hatte, 1830 nach Agypten, wo er Arzt bei 
Mehemed Ali wurde, den Zug nad Sennaar mit- 
machte u. bedeutende zoologifhe Sammlungen an- 
legte. 1833 murde er franzöfiicher Conſul in 


Werandrien u. machte 1837 für das naturbiftorifche 


Mufeum in Paris eine Reile in Jemen; er wurde 
dann Confularagent in Mofful, wo er ſeit 1840, 


beſ. aber feit 1843 die Auigrabung der Ruinen 
von Ninive mit Eifer u. Glück betrieb; f. u. Ni, 


nive. Erſchr.: Relationd’'un voyagedans l’Y&men, 
Par. 1844, u. leitete die Herausgabe der Dent- 
mäler von Ninive: Monument de Ninive, decon- 
vert et decrit par P. E. B., mesuré et dessiné 
par M. E. Flandin, otvrage publj6 par ordre du 
gouvernement, sons la direction d’une commis- 
siom de l’Institut, Par. 1846—50, 5 Bde., Fol., 
von denen zwei die Architektur u. Sculptur, zwei 
die Inſchriften u, der letste den Tert enthält. Seine 
Berihte über die Entdedung veröffentlichte J. 
Mohl; Lettres de B, sur ses decouvertes à Khor- 
sabad, pres Ninive, Bar. 1845. . Die erhaltenen 
transportablen Monumente wurden nad Paris 
ebradit u. im Muſeum des Louvre (Aſſyriſche 
btheilung) aufgeftellt. Die Ausgrabungen wırrdeu 
bon dem Engländer Layard mit außerordentlichem 
Erfolge fortgefegt. B. wurde 1846 franz. General: 
conful zu Jeruſalem, wo er im römifch-tathofiichen 
Intereſſe wirkte, u. erbieft 1867 das gleiche Amt 
in Tripolis. 1868 kehrte er nad) Frankreich zurüd 

u. ft. 29. Fan. 1871 in Acheres bei Poilin. 
2) Brambad.* » 


geb. 6. Nov. 1766 in als Faß 


nder (Weiß⸗, Klein-, Rothbinder, Bütt- 
ner, Kübler, Hiper, Fäßler oder Schäffner) klei⸗ 
nere Gefäße fertigen u. eine Yehrzeit von 3—5 
Jahren zu beftehen haben. Borerwäbnte Trennung 
ift jedoch feine -nothmwendige oder factiſche; man 
findet beide Arten vielmehr häufig vereinigt. An 
Material gebraucht der B. zu feinen Arbeiten das 
Beoholz;z ‚dazu gehört das Reif- oder Bandholz 
u. das Dauben-, Faß⸗, Stab» u. Bodenholz; die 
beften Faßſtäbe werden ans Eichenbolz, geringere 
aus Eichen», noch geringere aus Buchen», Tannen», 
Fichten- u. Lärchenholz gefertigt; Eichenholz wird 
nah dem Spalten mit dein Beil u. dem Schnit- 
mefjer bearbeitet. Um ein Faß zu verfertigen, er- 
folgt zumächft das Bebauen der rohen Stäbe oder 
Dauben mit dem Breitbeil aus dem Groben. Die 
Dauben find die einzelnen Stüde, aus welchen die 
Seitenwand zufammengejegt if. Das Holz wird 
erſt von dem Kleinklieber mit dem Kliebeifen, einen: 
großen, ftarten Mefjer, zu Dauben gefpalten, und 
der B, bearbeitet die Dauben dann mit dem Raub» 
u. Glatthobel; die innere Fläche wird durch -Be- 
fchneiden mit dem Krummerien (Dächſel), einem 
frummgebogenen Schnitsmeffer, auf der Schneide- 
banf ausgehöhlt, diefe Aushöhlung aber mit dem 


Hafen, einem runden Brettchen, abgemefien. Wenn 


die Dauben auf der äußeren Seite conver, auf der 
anderen concav gejchnitten werben, jo nennt man 
das Radſchneiden. Die Fugen oder Seitentanten 
der Dauben werben auf der Bottichbank durch Ab- 
hobeln berichtigt u. fpäter mit dem Glatthobel ge» 
glättet. Iſt dies gefchehen, fo beginnt das Er— 
richten (Aufſetzen, Aufihlagen). Dabei werden zu- 
nächſt 4 Dauben gleich weıt von einander fenkrecht 
im einen Kreis geftellt u. dieje mit dem Bandhaken, 
einem aufeiner Seite halenförmig gebogenen Eijen- 
ftabe, an welchem ein entgegengefrümmter Hafen 
(Läufer) hin» und hergejchoben werden lann, zu- 
Jammengehalten. Nun werden von außen die 
Feuerbänder befeftigt, u. zwar von oben das Haupt- 
band, mittels gabelfürmiger, hölzerner Aufſetzlloben 
(Klampen); dann werden die anderen Dauben noch 
eingefegt ut. der Reif mit einem hölzernen Schlä» 
gel, dem B⸗ſchlägel Gachhain), od. mit einem 

eineren, den Treibhammer, heruntergetrieben, 
damit die Köpfe, d. h. die Enden derjelben, dicht 
zufammenlommen. Dann wird ein zweiter, weiterer 
Reif (Halsband) mehr gegen die Mitte aufgetrie- 
ben, auch vielleicht noch ein dritter (Bauchband); 
hierdurch biegen fidh die Dauben der Länge mad, 
und jo entfteht der Baud des Fafles. Zur Er- 
leichterung dieſes ag befeuchtet man bie 
Dauben äufßerlid) mit Wafler u. macht ein euer 
mit Hobeljpänen im Innern des Faſſes an (Aus 
feneru). Kommt vielleiht bet diefem Binden eine 
oder die andere der Dauben aus der gehörigen 
Richtung, jo wird diejelbe mit dem Binko, einem 
Heinen hölzernen Hammer mit langem Stiel, 
wieder hineingetrieben. Nachdem jo der obere Theil 
bes Faſſes gebunden ift, wird an die unteren Enden 
der Dauben die Schraubenwinde angebracht. Dieie 
bejteht aus einem ftarfen hölzernen Rahmen, in 
welchem ein Duerriegel mittel einer Schranbe 
nerfchiebbar iſt; am dieſem Riegel ift ein ftarfes 


Böttcher. 


129 


Seil befeftigt, welches um die Dauben des Faſſes ſtreckt fich befonders auf Tonnen zum Berpaden 


geihlungen wird; indem man nun den Duerriegel 
mittels der Schraube zurücdzieht, wird das Geil 
ftraffer angezogen, u. die Dauben werden zuſam— 
mengepreßt; oder man gebraucht auch ftatt der 
Schrauben» die Halbmond- (Hond)-winde, welche 
aus einem halbmondförmigen Stüd Holz beftebt, 
an defien beiden Enden ein Strid angebracht if, 
welcher um die Dauben geſchlungen wird m. deſſen 
eines Ende mittels einer.an dem Holze angebrad)- 
ten Schraube oder Walze ftrafi angezogen werden 
kann. Das Faß wird nun mit der Winde zugleich 
' umgedrebt, u. die nun obere Hälfte ebenfalls mit 
Reifen verfehen. Fett beginnt das Enden, d. h. 
die Dauben werden oben und unten gleich ge 
ſchnitten; dabei wird das Faß in dem Endſtuhl, 
eine Art Schraubeftod, gelegt. Das Behauen im 
Innern geichieht mit dem Beil, das Bejchneiden 
mit dem Krummeiſen u. das Abhobeln u. Glätten 
mit dem Gerbebobel, womit die Stelle, mo die 
Barge eingefchnitten werden foll, rund gehobelt 
wird, u. mit dem Schabeeifen, einem dem Dächſel 
ähnlichen Schneidemeffer, ſowie mit der Stodjchabe, 
einer Art trummgebogenem Mefjer. Der Boden 
wird nur bei Heinen Gefäßen, 3. B. bei Eimern, 
aus 1 Stüd gemadt, bei größeren zufammenge- 
jest u. dann eingefegt. Dazu find die Enden des 
Bodenfreifes von beiden Seiten etwas ſchräg ge- 
Schnitten, oder glatt u. düun gehobelt, doch weniger 
von außen, al$ von innen; diejer dünnere Rand 
fonımt dann in die auf der inneren Geite der 
Dauben befindliche Fyurche (bei großen Gefäßen 
Kimme, bei Heineren Gefäßen Kröfe od. Gargel). 
Um die Dauben in ihrer runden Geftalt zu er« 
halten, bis der Boden eingefügt if, dient ein Reif 
Spannreif), est beginnt das Streifen, d. 5. 
Reife werden abgenommen, u. das Faß wird nun 
von außen mit dem geraden Streifhobel geglättet; 
daun folgt das Beichlagen, d. h. die nöthige Zahl 
Reife wird mittels des Treibers, eines keilförmigen 
Stüdes Holz, wieder darauf getrieben. Sind bie 


Reife etwas eng, fo werden fie mit dem Kloben- 


oder Bandhaken, einem auf einem Gtüd Holz be- 
weglihen Hafen, auf das Faß gezogen. Die Reifen 
find aus Metall, oder werden aus Stangen und 
Shößlingen von Birken, Weiden, Eſchen zc. ge 
macht; das Wusfchneiden geſchieht mit einem 
Schneidemeffer, dem Grateifen. Die untere Geite 
der Reife wird mit dem Neifmeffer, einem Schneibe- 
mefjer mit gerader. oder auch etwas gebogener 
Klinge, glattgefchnitten; der Einfchnitt an beiden 
Enden eines Reifes, mit welchem diejelben zuſam— 
mengehängt werden, heißt Kerbe (Schloß). Dft 
geſchieht mit dem Befchlagen mit Reifen zugleich 
das Verrohren (Scilfen), d. b. in die Bodenfimme 
oder auch zwilhen die Dauben der zuſammenge— 
döbelten Gefäße wird Rohr, Schilf oder Werg 
eingelegt, damit fie durch das Zufammentrodnen 
nicht jo leicht das Waſſer durchlaufen laffen. Hier- 
auf erfolgt das Zapfen »(Spund)-lohbohren mit 
einem großen Centrum- oder Löffelbohrer, oder 
baffelbe wird auch bei großen Fäſſern mit einer 
Lochſäge ansgeichnitten. Manche Gefäße werden 


trodener Waaren, als Zuder, Tabak u. dgl. 
Unter Karl d. Gr. fheinen hölzerne Fäſſer zuerft 
anfgefommen zu fein; vorher bemahrte man Wein 
und Bier in irdenen Gefäßen von mannigfacher 
Form auf; zum Berfenden von Flüffigleiten be» 
diente man ſich lederner Schläude, die ſchon in 
den älteften Zeiten dazu verwendet wurden. Unter 
dem Namen Kufner treten die B. 982 zum eriten 
Mal in Straßburg auf; fpäter findet man- fie als 
Büttner (1146) und Küfler (Operarii vasorum) 
aufgeführt. Nach einem Berichte von 1271 wur— 
den die Küfer damals in Wanner u. Faßbinder 
eingetheilt, im 14. Jahrh. führten fie aud den 
allgemeinen Namen Binder. Jm 16, Jahrh. ges 
langte das B-handwerk zu einer hohen Volllom— 
menbeit, u. aus dieſer Seit ſtammt das große 
Heidelberger Faß; ein Ähnliches ließ 1589 Pfalz- 
graf Friedrich IV. bauen, weldes über 132 Fuder 
faßte u. das Kurfürfi Karl Ludwig 1664 micder- 
berftellen u. vergrößern ließ. Ein anderes, noch 
größeres Faß wurde unter der Regierung des Kur— 
fürften Karl Theodor 1761 gebaut; feine Länge be» 
trug 30 Schub 5 Boll u. die Tiefe über 23 Schub; 
es etwa 2500 hi faſſen. Andere Rieſenfäſſer 
find das im Keller zu Tübingen, 1546, das zu 
Groningen, 1678, u, das auf dem Königftein (mel« 
ches 3709 Eimer bielt), 1725 erbaut. Im Ber« 
hältniß der Bergrößerung der Wein und Bier» 
production wurde auch das B-handwerk immer 
ansgebehnter, insbej. hat man im ben engliſchen 
Brauereien Rieſenfäſſer Hergeftellt, weiche jelbit 
das Heidelberger entichieden übertreffen. An eini- 
gen Orten halten die B. bei Feſtlichkeiten noch einen 
bejond: Aufzug (Bigeltanz), wöbei fie mit Reifen 
Kunfftüde aufführen; fo in München alle 7 Jahre 
von Oberneujahr den ganzen Faſching hindurd), wo 
die Tänzer rothe Faden u. grüne Schlägelhauben 
u. laubummundene Reife tragen (nach Einigen ſeit 
1517, nach Anderen feit 1463 nad einem großen 
Sterben, wonach ſich alle noch Lebenden verftedt 
hätten, bis fie durch dieſen Tanz der Schäffler 
wieder aus ihren Verfteden berbeigelodt worden 
wären). Vgl. Otto, Hand» u. Hilfsbud für B., 
Quedlinb. 1858, 2. Aufl; Rösling, Der wohl⸗ 
erfahrene Kiüfer oder Büttner z2c., Ulm 1838; 
Derf., Die Schule des Küfers od, Büttners, Tuttl. 
1858, 2. A.; Barfuß, Die Kunſt des B⸗s ‘oder 
Küfers, Weim. 1860, 4. A.; Hellenthal, Der voll- 

tommene Weintellermeifter, 7. A., Wien 1859. 

(Ted) Gieſeler.“ (Geſch.) Schroot.* 
Böttcher, Chriſtian, befannter deutjcher 
Genremaler, geb. 9. Dec. 1818 zu Jugenbroich 
bei Aachen; beſuchte die Düffeldorfer Akademie, 
widmete fich zuerft der Firhographie, dann der 
Malerei. Seine erften Bilder behandelten das 
idylliſche Vollsleben; er verfuchte fih auch an einem 
politiihen Stoffe: die Befreiung eines politiich Ge- 
fangenen, ‚verließ aber dies Gebiet jofort wieder, 
um eine Meihe Kinderfcenen zu malen, fo: Die 
rheiniſche Dorfjugend, Die Ridtehr vom Schulfefte, 
Ein Abend im Schwarzwalde. Dazwiſchen brachte 
er einen: Abend nad der Schlacht, u. neuerlich 


auch noch mit Pech ausgegojien (ausgepicht). Die hat fih B. faft ausſchließend der Schilderung des 
nn Anfertigung von Fäffern, welche in heiteren Lebens am Rhein hingegeben, welde ihn 


großen Fa 


rifen u. Seeftäbten betrieben wird, er-Izu einem Lieblingsmaler des deutſchen Bolles ge- 


730 Botte — Botticelli. 


macht bat, Dahin gehören: Sommernaht am ſich dem Trunke, ließ fi aud in Unterhandlungen 
Rhein; Sommermorgen am Rhein; Auszug zur wegen Entdedung feines Geheimniffes mit ben 
Weinleſe; Auf der Wanderſchaft; Heuernte am Sölen von Berlin, Petersburg u. Wien ein; des- 
Rhein; Glücliche Menfhen zc. Regnet. halb Tamm er in Unterjuhung, ftarb aber vor Ende 

Botte (auch Butte), Weinmaß, fo v. w. Lota. des Proceffes in Dresden 13. März 1719. Bgl. 

Bottelier wird auf Schiffen die mit der be- Engelhardt, B., der Erfinder des ſächſ. Borzellans, 
jonderen Beauffichtigung, ſowie mit der täglichen |%pz. 1837. 2) Adolf, deuticher Dichter u. Über- 
Berausgabung der-Proviantvorräthe u. Spirituofen ſetzer, geb. 21. Mai 1815 zu Leipzig; ftudirte daſelbſt 
„betraute Perfon genannt, jeit 1838 Philologie u. widmete fih dann fıte- 

Botten, d. b. Boden, Uferland des nördlichen rariſchen Arbeiten. Er fl. 16. Novbr, 1870 zu 
Theils des Bottmifchen Meerbufens; feit Abtret-|Gohlis bei Yeipzig. Zunächſt trat er mit Gedichten, 
ung Fiunlands an Rußland ift die frühere Be⸗Lpz. 1846, n.Y., 1868, hervor, die ſich durch ſchöne 
zeihnung von Oſter-, Norr- u. Weſter-B. Form u. freundliche Anmuth auszeichnen, aber einer 
ganz megfällig geworden, ſowol in Schweden, als | beftimmten harakteriftiichen Eigenartigfeit entbehr- 
in Hußland- Finnland. ten. Diefelben Vorzüge u. dieſelben Mängel haben 

Bottefini, Giovanni, berühmter Virtuoſe auch die ferneren Werke: Yohannisfieder, Leipz. 
auf dem Gontrabaß u. tüchtiger Componiſt, geb.|1847; Auf der Wartburg, Lpz. 1848; Till Eulen- 
24. Dec. 1823 zu Crema im der Lombardei; Schüler |fpiegel, modernes Heldengedicht, Lpz. 1850; Die 
von Roſſi u. Vaccaj, machte feit 1840 Concert-| Bilgerfahrt der — vpz. 1851; Düuſtere 
reifen, wurde 1846 Muſildirector in der Hapaña, Sterne, Lpz. 1852; Habaña, lyriſch-epiſche Dicht - 
bereiſte NAmerila, ſeit 1854 wieder Europa, und ung, Jena 1853; Der Fall von Babylon, Lpz. 
zwar. England, Frankreich, Deutfhland. Man 1855; Die Tochter des Kain, Wien 1865, u. a. 
nannte ihn megen feiner bewunderungswertben Auch bier erfreuen glatte, glänzende Berfe, aber 
Geläufigfeit den Paganint des Contrabafjes, wie)es fehlt der geniale Gedankenflug, bie Gewalt der 
er denn auch den Garnevaf von DBenedig in Leidenſchaft. Neben diefen Igriich-epiihen Dict- 


Pagininiiher Art auf dem Contrabaß jpielt. 
wurde 1861 Mufifdirector am Theater zu Palermo, 
1863 bei der Italieniſchen Oper zu Barcelona, 
. wechjelte aber bald wieder feinen Aufenthalt und 
lebt zeitweije in Florenz u. London, B. ſchr. mehrere 
Opern (Cristoforo Colombo, L’assedio di Firenze, 
Ali Baba u. a.), Symphonien, Quartette, Stüde 
für Gefang u. fiir Contrebaß. 

Böttger (Böttiger, Böttcher), 1) Johann 
Friedrih, Erfinder des Porzellans in Deutich- 
land, geb. 4. Febr. 1682 (n. A. 5, Febr. 1685) 
in Schleiz; wurde in Berlig Apothefer, mußte 
aber von da 1699 wegen aldhemiftifcher Prahlereien 
u. Taſchenſpielerkunſtſtücke fliehen. Bon feinem Lehr- 
herrn Zorn 1700 wieder aufgenommen, ließ er 
feine Aldemifterei doch nicht, u. von Neuem 1701 
entflohen, wurde er in Wittenberg erlannt u. ver» 
haftet, von Kurſachſen aber reguirirt und nad 
Dresden gebradit, wo er fein Geheimniß zu offen« 
baren — u. 3 Jahre von dem Fürſten Egon 
von Fürſtenberg auf das Beſte, jedoch ohne aus- 
geben zu dürfen, verpflegt ward. Nach vielen 

dinkelzügen u. Fügen entfloh er 1704 auch hier, 
ward jedoch in Ems in Öfterreich eingeholt u. ver- 
haftet u., da der Fürſt feine Verheißung, Gold zu 
machen, als nichtig erfannt hatte, von dem Grafen 
von Tſchirnhaujen zu den von diefem veranlaßten 
Verſuchen, Porzellan u. Borar zu machen, gebraucht. 
Wirklich gelang erfteres 1705, aber B. wurde unter 
fteter militäriſcher Bewachung gehalten, da man 
das Geheimniß nicht in fremde Hände kommen 
lafjen mollte, Da die Schweden 1706 in Sachen 
einbraden, ward B. mit 3 Gehilfen nad dem 
Königftein gebracht, wo fie zu arbeiten fortfuhren. 
1707 fam er wieder nad Dresden u. libernahm 


Erjungen fhuf B. auch noch Dramen, von denen 


befonders Agnes Bernauer, Lpz. 1845, u. Das 
Galgenmännlein, Lpz. 1870, zu erwähnen find; 
body auch bei diejen jehlt die zündende Begeiiter- 
ung, die bramatifche Energie, fo daß fie, trotz 
mancher finnigen, reizvollen, mit feinem Hırımor 
gewäürzten Scenen, auf der Bühne fein Glück 
machten. Hervorragende Berdienfte erwarb fid 
B. durch meifterhafte Überfegungen von Byron, 
Lpz. 1840; Pope, Ypz. 1842; Goldimiths Gedichten, 
Lpz. 1843; Müton, Lpz. 1846; Dfften, Ypz. 
1847 ⁊c. Seine gefammelten Were erjchienen in 
6 Bon., Lpz. 1864—66. 2) Saloon. 
Bottlän (a. Geogr.), Landſchaft in SWakedo—⸗ 
nien, auf der Wüfte des Thermaiihen Meerbufens, 
mit den Städten Jchnä u. Bella, Aus ihren Stegen 
an der WKüſte des Thermaifhen Meerbuiens ipäter 
von den Maledoniern vertrieben, ftedelten die 
Bottiäer fih auf der Challidiſchen Halbiniel neben 
den Chalfidifern u. in Samothrafe an; hier hatten 
fie die Städte Stolos, Spartolos u. bis zur Zeit 
des Darius Hyftafpis auch Olynthos. Zu den 
Heeren des XZerrges ftellten fie Landtruppen, dann 
verbanden fie fih mit den Athenern, fielen aber 
fpäter zu den Mafedoniern ab, 
Botticelli, Sandro, eigentlich Wlefiandro 
ilipepi, ital, Maler, geb. 1537 in Florenz; lernte 
ei einem Goldſchmiede B. (daher fein Beiname) u. 
widmete ſich fpäter der Dialerei. Seine Ausbildung 
feitete Filippo Lippi, deifen Lieblingsihüler er war. 
Ein Frescobild in der Allerheiligenfirhe zu Florenz: 
Der bi. Auguftin in Ekſtaſe, begründete jenen 
Künſtlerruf. Um 1475 berief ihn Papſt Stirtus IV. 
nad Rom, wo er die Sirtinische Kapelle im Batican 
mit Fresken ſchmückte. Obwol reich belohnt, brachte 


1708, nach dem Tode Tihirnhaufens, die Leitung B. doh all fein Bermögen durch u. kehrte ärıner 
der Fabrik. Bis dahin hatte fein Porzellan eine|denn zuvor nad Florenz zurüd, um die Malerei 
braunrothe Farbe gehabt; 1709 erfand er durch ganz aufzugeben u. einer ber leidenſchaftlichſten 
Anwendung des Thons bei Aue das weiße. 1710 Anhänger Savonarolas zu werden u. 1515 in 
ward die Fabril nah Meißen verlegt u. B. um tieffter Armuth zu fterben. Seine Hauptſtärke liegt 
Adminiftrator derfelben ernannt. Dort ergab er nicht in der hiſtoriſchen Kunft, fondern im Genre. 


Bottich — Böttiger. 


u. nad; Dresden, war 1814—21 Studiendirector bei 
eben u. der Königl. Nitterafademie u. Oberauffeber über 
malte er noch die Antifen u, die ——— 

u. al fresco, ſt. 17. Nov. 1835, B. ſchr. 


Außer den drei Hauptbifdern in ber 
Kapelle, Scenen aus Mojes’ u. Aarons 
die Berfuhung Ehrifti — 

eine große Menge Bilder in Ol 


731 


ipsabdrüde. Er 
7 Griechiſche 


theils religiöſen, theils profanen Inhaltes, zeichnete Vaſengemälde, Weim. 1797—1800, 3 Hefte; 


die 20 Vignetten zu der vom Niccolo di Lorenzo Furienmaske, ebd. 1801; Sabina oder 


orgen⸗ 


della Magna beſorgten Ausgabe Dantes und ſcenen einer reihen Römerin, Lpz. 1803, 2. U., 


au 
ufeum zu 


ftah vermuthli 
- finden fih im 


in Kupfer. Werfe von ihm 2 Bve., 1806; Andeutungen zu 24 Vorlefungen 
erlin: zwei Marien: über die Archäologie, 1. Abthei 
bilder, eine Venus (nad der Mediceiihen Benus Über Muſeen u. 
gemalt), das Bildniß der Lucrezia Tornabuoni; in Die Aldobrandinifche Hochzeit, 
der Galerie des Grafen Raczyusfi eine Maria; in|zur Archäologie der 


9, Dresd, 1806; 
esd. 1810; Ideen 


dem. Muſeum zu Dresden ein Heiland mit dermythologie, ebd, 1811; F. V. Reinhard, literariſch 
Dornenfrone u. ein Johannes; in der Pinakothek] gezeichnet, ebd. 1813, 2. A. 1816;. Vorträge fiber 


zu Münden ein Leichnam Chrifti; mehrere Ge- 
mälde in den Galerien zu Florenz u. im Louvre 
zu Paris. a Regnet.* 
Bottich, großes, rundes od. ovales, hölzernes, 
oben offenes, gewöhnlich mit eifernen Reifen ver 
ſehenes Gefäß, welches vorzüglid in Brauereien, 
aber auch in Wafferfünften, Gerbereien zc. gebraucht 
wird. Es ift fait immer von Eichenholz, die Dan- 
ben 2 Zoll ftarf; einige Dauben find länger als 
die. anderen u. bilden die Füße des B-8; die ein- 
zelnen Dauben u. Vodenjtüde werben gedöbelt, 
d. h. mit hölzernen Nägeln zufammengefügt. 
Bötticher, 1) Kärl, Architeft u. Archäolog, 
geb. 1806; Profefior an der Bau» Afademie zn 
erlin, einer der bedeutenditen Kunftforicher auf 


dem Gebiete des claſſiſchen Alterthums. Sein bes|Hefte, Arhäclog. Muſeum 2c., denen feine ; 


rühmtes Wert: Tektonik der Hellenen, bilder eine 
. Hauptquelle unferer heutigen Anſchauungen über 
das Weſen der antifen Bauglieder u. deren De- 
coration, Ganz bejonders hernorragend iſt B. in 
der Compoſition von Ornamenten im Geiſte der 
Antile; bekannt iſt fein Ornamentenbuch zum prakt. 
Gebrauche für Architekten, Decorations- u. Stuben» 
maler n. Zapetenfabritanten, ferner feine Holzr 


die Dresdener Antifengalerie, 1814; Vorlefungen 
u. Auffäge zur Alterrhamstunde, Altenb. 1817; 
Amalthea, Lpz. 1820—25, 3 Bde., fortgeſetzt als 


Archäologie u. Kunft, Berl. 1828, 1, Stüd; Ideen 
a 1826—36, 2 Bde.; Opus- - 


zur Kun 
cula et carınina lat,, herausgegeben von Sillig, 
1837; Kleine Schriften archäologifhen u. antı- 
quariſchen Inhaltes, 1837 f., 3 Bde.; Fiterariiche 
Zuſtände u. Zeitgenoffen, 1838 f., 2 Bde., heraus- 
gegeben von dem Folgenden. Bon 1795—1803 
redigirte B, das Journal für Luxus u. Mode, die 
Zeitichrift London u. Paris, das artiftiiche Notizen« 
blatt zur Abendzeitung u. von 1797—1809 den 
Deutihen Mercur, u. begann feit 1801 mehrere 
archäologische Veröffentlihungen, wie tie 

orte 
jegungen u Biographie von dem Folgenden, 
?p3. 1837. 2) Karl Wilhelm, Geſchichtſchreiber, 
Sohn des Vor., geb. 15. Aug. 1790 in Baugen; 
ſtudirte feit 1808 in Leipzig Theologie, wurde 
1812 Hauslehrer bei dem jächftihen Gefandten, 
Grafen von Schönfeld, in Wien, kehrte 1815 
nad) Leipzig zurüd, privatifirte 1816 in Göttingen, 


wurde 1817 Privatdocent u. 1819 Profeffor der 


architektur des Mittelalters. 2) Joh. Friedrich Geſchichte in Leipzig u. 1821 im Erlangen, wo er 


Wilhelm, Philolog, geb. 6. Fuli 1798 zu Wornts- 
dorf im Magdeburgifchen; ftudirte au den Unis 
verfitäten ‚zu Berlin u. Halle Philologie u. Theo- 
logie, wurde 1820 Lehrer am Halliſchen Päda- 
ogium, 1824 Oberlehrer. u. 1828 Profefior am 

riedrich » Wilhelms - Gymnaſium zu Berlin; er ft. 
6. April 1850. B. fchr.: Lexicon Taeiteum, sive 
de stilo C. Cornelüi Taciti, Berl. 1830; De vita, 


26. Nov. 1862 ftarb. Er ſchr.: Heinrich der Löwe, 
Lpz. 1819; Allgemeine Geſchichte für Schule und 
Haus, Erf. 1824, 12. A., 1856; Deuitiche Ges 
jchichte, ebd. 1823, 5. A., 1855; Geſchichte Bayerns, 
ebd. 1832, 2. A., 1837; Geſchichte des Kurftaates 
u. des Königreichs Sachſen, Hamb. 1830 f., 2 Bde, 
Auszug, 1836; Geſchichte des deutichen Bolfes u. 
des deutſchen Landes, Stuttg. 1835 f., 2 Bde., 


scriptis ac stilo Cornelii Taeiti, ebd. 1834. Das|3. A. 1845; Biographie feines Vaters, !pz. 1837; 


Reich Gottes, oder zufammenhängende Darftellung | Die Weltgefhichte in Biographien, Berl. 1839—44, 
des hriftlihen Glaubens u. Lebens, ebd. 1830;|8 Bde.; Die allgemeine Geſchichte von 1815 bis 
Historiae antiquae epitome, ebd. 1836; Pro-)1850, Fılj. 1854, u.a. 3) Karl Wilhelm, 
phetiihde Stimme aus Rom, oder das Chriſtliche ſchwed. Dichter, 
im Tacitus u. der typiſch-prophetiſche Charalter von deutjchen Großeltern ftanımend; gebört zur 
feiner Werte in Beziehung auf Roms Verhältnig |phosphoriftiichen, d. i. romantifchen Richtung; feit 
zu Deutihland, Hamb. u. Gotha 1840; überſetzte 1845 Profeffor der Literafur in Upfala u. ſchwed. 
den Tacitus, ebd. 1831—34. 1) Ewerbed. 2) Braubach. Ordenshiſtoriograph; bereifte Deutſchland, Holland, 

Böttiger, 1) Karl Auguft, Archäolog, geb. Frankreich u. Italien, erhielt mehrmals von der 
8. Juni 1760 in Reichenbach im Boigtlande; ſtu⸗ Schwedifhen Afademie einen Preis als Dichter; er 
dirte in Leipzig Philologie, wurde dann Hausleh- ſchr.: Ungdoms minnen fran sängens stunder, 
rer in Dresden, 1784 Rector in Guben, 1790 Upſ. 1830, 3. W., 1834; Nyare sänger, 1833; 


Director des Gymnafiums in Bauten und 1791)Lyriska stykken, 1837 f., 2 ®be.; Religiösa‘ 


durch Herders BVermittelung Conſiſtorialrath und|sänger, Upf. 18415 Foglarn, 1852 zc., u. außer 
Director des Gymnaſiums ın Weimar, Bon nun dem verſchiedene Dentichriften u. Abhandlungen, 
an begann feine fruchtbare literariiche Thätigfeit, | meift in der Händlingar der Schwed. Akademie, 
die ſich zuletzt der Archäologie zumwandte. 1804 ſo iiber Tegner, Kellgren, Stagnelius. Auswahl, 
ging er als Studiendirector der Furfürftl. Pagen deuiſch überjegt, Stodh. 1847; Samlade skrifter, 


ntitenfammlungen, Lpz. 1808; ' 


alerei, ebd. 1811; Kunft- 


eb. 15. Mai 1807 in Weiters, 


732 Bottniſcher Meerbujen — Boucher. 


Stodh. u. Orebro 1856—69, biöher 4 Bde.;|demie; er ft. in Paris 27. Juli 1762. B. nimmt 
Eſaias Tegner, deutih von Wilten, Berl. 1848. unter den gleichzeitigen Vildhauern den erſten 
Bottnilder Meerbufen, Theil der Oſtſee Play ein u. übte auf feine Kumftgenoffen den groß- 
zwiſchen Schweden u. Ruffifch- Finnland, nördl. ven|ten Einfing aus. Werte: Die Reiterftatue Yud- 
den Älands -Inſeln. An feinen Ufern zerfirent lie- wigs XV., welche 1792 zerftört wurde; Amor, 
gen eine Menge Heiner Inſeln, ſowie auch viele|der fi) aus der Keule des Hercules einen Bogen 
Klippen (Scheeren, ſchwed. Stären), welche die ſchnitzt; eine Eopie des Barberiniſchen Faun be— 
Schifffahrt unſicher machen. Tiefe 20—50 Faden; findet ſich in der Glyptothek in München; die Fon- 
Länge: 668 km; Breite: zwiſchen 150 u. 240 km. |taine de Grenelle. Er zeichnete auch zu Trait« des 
Ihm fließen die Gewäſſer aus dem größten Theil] pierres gravdes von Mariette, Par. 1750, u. zur 
Schwedens von N. nad ©. (Raneh, Luled, Piteh, | Anatomie nöcessaire à l’art du dessin, v. Huguit, 
Sildut, Umed, Indals, Angerman, eg u. Par. 1741, werthvolle Platten. Regner.* 
WFinnlands (Kumo, Uleh, Jjojoli, Kemijoi, TZor-]| Bouchardy, Joſ., franz. Theaterdichter, geb. 
neh u. a.) zu. Sein Wafier ift nicht ſehr ſalzig im März 1810 zu Paris; war erft Kupferjtecher, 
u. friert faft jährlich zu. Der ſildl. Theil heißt widmete fi dann dem Theater u. gab 1836 im 
auch Botten-Hafvet, der nördl. Botten-Bilen, der|Berein mit Eug. Deligny das Baudeville Le fils 
Theil von den Älands-Inſeln wett. Mands-Haf,|du bravo- u. :Hermann Firrogne heraus, denen 


ver öſtl. Ofter-Sjön, der engfte Theil des ganzen 
Buſeus Guarten-Gtraße. 

Bottiwar (Botwar), 1) Flüßchen im wlrttem- 
bergiihen Nedarkreife; fällt bei Steinheim in bie 
Mur. 2) Groß⸗B., Stadt im Oberamte 
Marbad am vor.; Schloß; Ader u. Weinbau; 
2217 Ew. 8) Klein-B., Pfarrborf dabei; guter 
Bein; 770 Ew.; in der Nähe die alten Schlöffer 
Lichtenberg u. Schaubed. 

Botuſchan (Botufhani), Stadt; ſ. Botoſchan. 

Botaris, ſ. Bozzaris. 

Bötzberg, Berg des Jura im Schweizerkauton 
Aargau (Mons Vocetius), 648 m hoch; an der 
SSeite Weingelände, an der NSeite Wald und 


Wieſen. Hier Niederlage der Helvetier durch ſind Efject- u. Speciatelftüde. 
Über den Berglihm Bühnengewandtheit, die geſchickte Anlage jei- 


Alienus Gäcina, 79 n. Chr. 


führte eine römifche Heerftraße, 1780 wurde eine|ner Stüde u. die Schlichtheit des Dialogs. 


neue Straße hinüber geführt; ‚feit Auguft 1875 


bald eine große Menge anderer Schaujpiele für 
die Theater de la Porte-Saint-Martin, de la 
Gaite u. de l’Ambigu folgten: Gaspardo le 
tcheur, 1837 (wird nod heute gegeben); 

ngue-Epee le Normand, 1837; Le sonneur . 
de Saint- Paul, 1838; Christophe le Suedois, 
1839; Lazare le Pätre, 1840; Päris le Bohe- 
mien, 1842; Les enfants trouves, 1843; Les 
orphelines d’Anvers, 1844; La s&ur du mu- 
letier, 1845; Bertram le matelot, 1847; La 
eroix de Saint-Jacques, 1850; Jean le cocher, 
1852; Le secret des cavaliers, 1857; Mica2] 
V’esclave, 1859; Philidor, 1869; L’'armurier de 
Santiago, 1868. B⸗s Stücke, bei. feine erjten, 
Dean. rühmt an 


lchert. 
Bouche (fr.), I) Mund; B. elose, d. i. ger 


iſt eine Eiſenbahn (Bösbergbahn) eröffnet, durch ſchloſſener Mund, reinen Mund gehalten. 2) Ge 
welche eine directe Verbindung zwiſchen Zürich u. |jchmad; daher bomne bouche, angenehmer Nady- 


Baſel hergeftellt ift. 


geihmad. . 


Bosheim, Johannes von, auch Abfte-| Boucher, Frangois, franz. Malern. Kupfer 
mins, aus einer elſäſſiſchen Adelsfamilie; Doms-|ftecher, geb. 29. Sept. 1703 in Paris, geft. ebenda 


herr in Konftanz, Freund des Erasmus, zuerft 
Beförderer, fpäter Gegner der Reformation; ft. 
1535 zu Freiburg im Br. Biogr. von Walchner, 
san 1836. 

öhig, der gebraunte Gipsabgang bei Gali- 
nen; er enthält außer Gips noch Zohlenfauren 
Kalf u. Eifenoryd. 

Boucanier (fr.), amerilanifher Raubjäger; 
j. Flibuftier. 

Bouc 6missaire (fr., 
Sühnbod. 

Bouchain, Städtchen im Arr. Baleuciennes 
des franz. Dep. Nord, an der Schelde, Station 
der NBahn, Feſtung 4. Ranges; kann water 
Waſſer gefegt werden; WNübenzuderjabrikation, 
Färberei, Gerberei; Hafen; 1607 Ew. — 2. foll 
von Pipin gegründet worden fein u. gehörte 
nachher zu den Spanijchen Niederlanden; 1676 
eroberten e3 die Franzoſen, behielten es im Nim- 
mweger Frieden, verloren es 1711 an die Alliirten 

im GSpanifhen Erbfolgekriege, eroberten es 
aber 1712 wieder u. haben es ſeitdem behalten. 

Bouchardon, Edme, franz. Bildhauer, geb. 
29. Mai 1698 in Ehaumont; bildete fich unter dem 
jüngeren Coufton, dann in Italien nady den An- 


Sittengeſch.), ſo v. w. 


80. Mai 1770. Zuerſt Schüler von Le Moine, 
fand er bei diefem die Überlieferungen des Ru— 
bens, verließ Le Moine aber bad, um beim 
Stecher Cars dem Alteren zu arbeiten, wobei er 
auch nad Watteau ſtach. Geine-Heife nah Fta- 
lien (1725) brachte ihm feinen Gewinn, denn er 
war nicht im Stande, die großen Dleifter zu 
verftehen. Heimgelehrt, bewegte er fi in ben 
Kreiſen von ‚Finanzleuten u. Damen des Theaters, 
Ihrem Einfluffe verdanfte er bald einen gläuzen- 
den Namen u. 1754 fogar feine Aufnahme im 
die Atademie. Nach Vanloos Tode (1765) mard 
er zum Dialer des Königs ernannt. Man nannte 
B. den Maler der Grazien; aber feine Grazien 
waren manierirt, wie Grimm jagt, der feine 
Bilder als für die Jugend überaus gefährlich be- 
zeichnet. B. führte ſelbſt ein jo ausichweifendes 
Veben, daß er an dem Folgen farb, Bei fei- 
nen Lebzeiten ward er von Baron Grimm, Di- 
derot, Watelet u. fpäter von Reynolds jehr ver- 
ſchieden beurtheilt; aber fielt man fih einmal 
auf feinen Standpunkt, jo kann man ihm gleid- 
wol Anmuth nicht abſprechen; feine Compofitionen 
find voll Leben und trefilihd angeoronet, wenn 
auch nicht ohne Affectation. Seine Madonnen 


tilen, ward Mitglied u. Profeſſor der Franz. Aka-⸗u. Heilige freilich find nichts als Nymphen und 


. Besucher de Erevecveur de Perthes — Boudin. 733 


Schäferinnen. Die Zahl feiner Zeichnungen geht| Entdedungen B-8 überzeugt hatten, brach auch das 
an 10,000; Bilber von ıhm finden fich im Lonpre| Eis in der Parijer Alademie. B. ft. 5. Aug. 
u. in vielen englischen Galerien. Nach ihm ftahen|1868. Seine übrigen zahlreihen Schriften beile- 
die erfien frauzöſiſchen u. fremder Künftler, auch triſtiſchen Juhaltes, Dramen u. Reifebeichreibungen 


Deme. Pompadour. Er felber ſtach auch, aber nur 
in ſtizzenhafter Weife, dagegen find jeine Radir- 
ungen von Werth. 2) Alerandre zen Bio- 
finvirtuofe, geb. 11. April 1770 in Paris, fpielte 
ſchon als Kind mit 
erwarb fih u. den € 
Zanzböden den täglichen Unterhalt. 
Orcheſter des Theaters Feydeau angeftellt, ging er 
1796 nach Spanien, wo er in der Kapelle Karls IV. 
1. Soloipieler wurde. Deffenungeachtet kehrte er 
1806 nad Frankreich zurüd. Er verheirathete 
fih in Paris mit der Harfenjpielerin Céleſte Gal- 
Igot. Im Bereine mit ihr gab er num Concerte, 
bereifte zu diefem Bwede 1821 faft ganz Europa, 
wendete fich 1831 wieder. nad Spanien, lebte ſpä⸗ 
ter in Orleans, zulegt wieder in Paris, wo er 
27. Dec. 1861 ftarb. Die hohe techniſche Fyertig- 
keit, welhe an. B. bewundert wurde, hatte ihn 
leider von der einfach⸗edlen Behandlung des Spiels 
n. der Mufit abgezogen, ein Umftand, der auch in 
feinen beiden Biolinconcerten zu erkennen if. B. 
hatte eine frappante —— mit Napoleon IL 
1) Stegnet. 2) Kürſchner. 
Boucher de Erevecoeur be Perthes, 
Jacques, einer der bedentenditen Forſcher für 
die Urgeichichte des Menfchengeichlechtes, geb. 
10. Sept. 1788 zu Rethel. Nach ausgedehnten 
diplomatischen Reiſen unter Napoleon ließ er fid) 
nad deffen Sturze in Abbeville nieder u. lebte 
ganz den Studien. Schon 1826 trat er der Au— 
fiht Cuviers entgegen, daß menſchl. Reſte oder 
Zeugniffe menjchl. Gewerbfleißes nur in Alluvial- 
fchichten gefunden würden. Als B. in den Gru— 
ben von Aobevilfe eine größere Anzahl künftlicher 
Steingebilde, Steinmeffer, ſowie uralte Werkzeuge 
aus Knochen auffand, wurde feine Entdedung mit 
allgemeinem Unglauben aufgenommen. Trotzdem 
jete er feine Forſchungen unansgejegt fort umd 
dehnte fie auf andere Departements aus. (Er 
benugte die Reichthümer feiner ausgezeichneten 
Sammlung zur Abjafjung des erften Bandes fei- 
nes großen Werkes: Antiquites celtiques et 


find von geringerem Werthe. 

Bouches du Ahöne, Departement in Frank⸗ 
reich, fo v. w, Rhönemündimgen. 

Bouchet, Fred. Jules, franz. Architelt, geb. 


roßem Gejchide Violine u. 1799 im Paris; machte antiquarische Neifen in 
einen mit Muficiren auf Italien, lebte dann als Architeft in Paris, wo er 
Später im|die Bauten des Bibliothefgebäudes u. die Arbeiten 


des Kaiferdentmals im Dome der Juvaliden Teir 
tete; er fl. 22. "jan. 1260. B. gab heraus bie 
Kupferwerfe: Maison du po&te tragique à Pom- 
päi, Par.. 1828; Pompei (Darftellung von Ge- 
äuden), 1842; La ville de Pline, 1850; Le 
forum et la basiligue de Fano, 1853. 

Doueicault, Dion, engliſcher Dramatiker, 
geb. 26. Dec. 1822 in Dublin; ſtudirte in Lons 
don, wurde aber dann Schauſpieler u. trat zu- 
erft auf dem Eoventgardentheater, 1853—60; in 
den Bereinigten Staaten von NAmerika u. dann 
wieder in England auf. Unter feinen zahlreichen 
Theaterftüden find das Luſtſpiel London Assurance 
(1841) das erfte u. The Corsican Brothers und 
Janet Pride die befiebteften; unter die neueren 
gehören das Schaufpiel Colleen Bawn (1860) u. 
das Drama The Octoroon (1861); er ſchr. auch 
den Zert zu der von Benedict componirten Oper 
The Lily of Killasney (die Roſe von Erin). 

Boucle (fr.), Schnalle; Lode; daher bou- 
cliren, kräuſeln. 

Bouderie (fr.), das Schmollen; daher Bou-» 
deur, Durrfopf, Daulaushänger. 

Boudet, Jean, Graf, franz. Divifions- 
general, geb.-19. Febr. 1769 in Bordeaur; trat 
1785 in Militärdienfte, machte. ald Hauptmann 
den Vendeekrieg mit, entriß den Engländern 1794 
Guadeloupe u. wurde Brigade» u. 1796 Divifions- 
general; er kehrte 1798 nad) Frankreich zurüd, 
zeichnete ſich mit feiner Divifion unter Berthier 
in Italien ans, kämpfte ſeit 1801 auf S. Do» 
mingo u. jeit 1804 in Deutjchland, erhielt 1807 
den Örafentitelu. nahm ruhmpollen Antheil an der 
Schladt von Aſpern; er fl. 14. Sept. 1809, « 

Bondieca (Boudicea, Boadicea), Gemahlin 


antediluviennes, dag mit 1600 Abbild. für alle|des Prajutagus, Königs der Icener in Britannien, 


Zeiten die wichtigfte "Duelle des Studiums der 
Urgeſchichte bleiben wird, obgleid die zur Prif- 
ung des Werkes von der Parifer Afademie ernannte 


im 1. Jahrh. n. Ehr. Da die Römer nad ihres 
Gatten Tode ihre Töchter entehrt, fie ſelbſt miß- 
handelt u. ihr Volk beraubt hatten, erregte fie 62 


Eommiffion (Cordier, Dufresnoy, Elie de Beau-In. Chr. einen Aufruhr u. drang nah Vernichtung 


mont, Jomard u. Raoul Rochette) ſich ablehnend 
verhielt. Brongniart war der Erfte, welcher die 
Entdedungen mwirdigte, doch ftarb er bald darauf. 
Nigollot, einer der heitigften Gegner Bes, be» 
fehrte fih 1854 zu deſſen — u. ſchr. in 
dieſem Sinne eine Abhandlung über Feuerſtein— 


einer römifchen Legion bis Londinium vor. Darauf 
von Suetonius Tranquillus, dem römischen Feld» 
bern in Britaunien, befiegt, nahm fie Gift, um 
nicht in die Hände der Römer zu fallen. 
Bondin, J. Ch. Marc, franz. Arzt u. ande . 
gezeichneter Gtatiftifer, Sohn eines franz. Offie 


inftrumente zc.; aber die Pariſer Alademie ſchwieg, ziers, geb. um 1803. Nachdem er in Frankreich 
während zahlreihe ausländishe Akademien fih|u. Deutfhland fludirt, machte er 1823 als ärztl. 
beeilten, den unermüdlichen Foriher unter ihre | Prakticant den Feldzug nad Spanien mit, 1828 
Ehrenmitglieder aufzunehmen. Der 2. Bd. feinerjals Unterarzt die Erpedition nach Morea; warb 
Antiquites celtiques erjhien 1857, aber audy|ipäter Oberarzt des Militärjpitals in Algier, dann 
diefer fonnte die VBorurtheile der franz. Gelehrtenjin Zoulon, hierauf in Berjailles, zulegt in Paris 
nicht überwinden, u. erft nachdem 1859 zahfreiche|(Höpital militaire du Roule); war in dem tal. 
englifhe Gelehrte an Ortu. Stelle fich ſelbſt von Feldzuge 1859 erft Oberarzt des 2, Armeecorps, 
der Echtheit der Funde uw; der Wichtigkeit derizulegt des Reftes der gejanmten Erpeditiondarmee, 


734 Boudoir — Boufflers. 


In Algier brachte B. mit großem Erfolge den Boufarick, Stadt im algeriſchen Dep. Algier, 
Arfenif gegen die bartnädigen Wechſelfieber in 68 m ii.d.M., an der Metidicha, Station der Eiſenb. 
Er überzeugte fi dort aber auch, von Algier (35 km vou da), in entfumpfter Ge» 
daß Algier zur Eolonifation für Mittel-Europäer gend ıı. anf vorzüglibem Boden; lanbwirthicaftt. 
feines Klimas megen nit tauge, u. hatte den Schule; Effenzenfabrit; michtiger Markt, Birh- 
Muth, den berrichenden Wünfchen entgegen, dieſes handel; 2588 Ew. B. wurde 1836 von Mar- 
offen auszuſprechen. Ebenſo lieferte er den Nach- ſchall Elauzel gegründet. 
weiß von der das gemöhnliche Maß weit über] Bonffe, Marie, bedeittender franz. Schau— 
. fteigenden Sterblichfett unser den Truppen auch ſpieler, geb. 4. Sept. 1800 in Paris; war erfi 


im Frieden, u, zeigte, wie man diefes furdhtbare 
Mißverhältniß in verfchiedenen Heeren jcheinbar 
herabdrüdt dur Entlaffung der Siehgemwordenen 
oder bereits dem Tode Verfallenen aus den Trup- 
penliften. Praftiihe Wahrnehmung u. ftatiftiiche 
Forſchungen führten ihn zu der Erkenntniß, daß 
die Nechimatifationstbeorie unbaltbar fei, indem 
der menjchliche Körper, je länger derjelbe einem 
ſchädlichen Einfluffe ausgefegt ift, um defto bin« 
fälliger wird. 8. fl 1865 zu Paris, Bon feinen 
zahlreichen Schriften nennen wir vor allen: 
Traitö de geographie et de statistique médi- 
cales, Baris 1857, 2 Bde.;dann Statistiquedel'etat 
sanitaire ef de la mertalit& des armées de 


Bijoutier, ging dann zur Bühne u. machte auf dem 
Panorame dramatique feinen erften tbeatraliichen 
Berſuch, worauf er zum Theätre des Nouveautss, 
1831 zum Dram. Gymnase u. 1844 zum The- 
ätre des Varietes übertrat. Später lebte B. 
zurüdgezogen vom Theater u. »jpielte ımr ans 
nahmsmeije noch einige Mal, doch immer mit dem 
alten Beifall. Er fi, im October 1858. B. war der 
Liebling der Parifer, eine Zeit lang der Stol; 
feiner Nation; jede feiner Charakterrollen, ob 
ernft oder komiſch, trug deh Stempel der Boll. 
fohmenbeit u. war das Refultat tiefften Stu— 
diums. Bon der Natur in feinen äußeren An- 
lagen eher wernachläffigt, als begünftigt, Danfır 


terre et de mer, considerdes dans des condi-|B. nädft feinem glücküchen, richtig empfindenden 
tions varices de temps et de lieux, d’äge, de|Auffaffungspermögen feine Triumphe baupriählic 


race et de nationalite, memoire qui a vbtenu le[feinem Fleiße u. jeiner Energie. 


prix d’hygiene publigue, Paris 1846; Histoire 
statistique de la colonisation et de la population 
en Algerie, Paris 1853; Traite des fiövres 
intermittentes, r@mittentes et continues des 
» pays chauds et des contröes mardcageuses, suivi 
de recherches sur l’emploi therapeutique des 
preparations arsenicales, Paris 1842; Systeme 
des ambulances des armées fransaise et 
anglaise, Paris 1865; Rösumd des dispositions 
legales et reglömentaires qui prösident aux 
operations medicales du reerutement, Paris 
1854; Du non-cosmopolitisme des races hu- 
maines, Paris 1860; Etudes ethnologiques sur 
la taille et le poids de I’homme chez divers 
peuples et sur l’accroissement de la taille et de 
Vaptitude militaire en France, Paris 1863. Kolb. 

Bondoir (fr.), 1) eigentih Schmollwintel, 
2) Kleines, bef. elegant ausgeftattetes Cabinet 
zum Alleinfein, oder zum Empfange intimer Be: 
fannter, bef. für Damen, 

Bondry, Bezirtsſtadt im ſchweizer Kanton 
Neuenburg,.am Jura, an der Reuſe, unmeit des 
Neuenburger » Sees, Eijenbahnftation; Weinbau 
(Boudry, vortrefflichen Rothwein), Bienenzucht, 
Getreidebau, Viehzucht; 1700 Em. Geburtsort 
Marats; in dem nahen Weiler Trois-Rods ein 
umfangreihe Tropffteinhöhle. 

ond, Ami, berühmter Geognoft, geb. 16. März 
1794 zu Hamburg; ftudirte im Senf, Paris, 
Edinburgh u. Berlin, bereifte Mittel- u. S@uropa, 
lebte lange in ‘Paris als Präfident der Geolog. 
Geſellſch. Später in Wien als Mitglied der Alademie. 
Er ſchrieb u. a.: Essai geol. sur l’Ecosse, Bar, 
1820; Geognoft. Gemälde von Deutichland, her- 
ausg. von Yeonhard, Frankf. 1829; La Turquie 
de l’Europe, Par. 1840, 4 Bde., u. zahlr. geol. 
Auffäge in den verſchiedenſten Zeitichriften u. 
Alademieberichten. 

Bouet⸗Willaumez, Louis Edouard, Graf, 
franzöſiſcher Admiral, ’ Billaumez. 


‚Zu feinen Haupt: 
rollen werden beſonders Once Baptifte m. der 
Gamin von Paris gezählt. Lirichner. 
. Boufflers (Bouflers), 1) Louis Framgcis, 
Herzogv. B., franz. Fyeldderr, geb. 10. Jan. 16% 
nahın früh Kriegsdienften. zeichnete fich umter Gone, 
Crequi, Zurenne, Yurembourg u. Catinat aus, 
wurde 1677 Generallieutenant u. commandtrte 
1681 eine Heine Armee in Ftalien; 1693 Mar— 
ſchall geworben, vertheibigte er 1695 Namur ge 
en Wilhelm von Oranien und fchloß mit dem 
Grafen von Portland 1697 den Ryswijcker Frie- 
den; er erbielt 1702 den Sberbeiehl über das, 
franzöfiicde Heer in den Niederlanden gegen Mari- 
borough, vertheidigte 1708 Pille gegen Prinz 
Eugen, ward Pair u. Herzog, ftellte fi 1709 
freiwillig unter dem jüngeren Billars u. befebfigte 
bei Malplaquet den ——— el; er ſt. 20. Aug. 
1711 in Fontainebleau. %) Soteph Marie, 
Herzog v. B., des Bor. Sohn, geb. 1706; erbielt 
an der Stelle feines verftorbenen Bruders das 
Gouvernenient Flandern, zeichnete ſich als Gene- 
ralmajor beim Rückzuge von Prag, als General. 
lieutenant bei Fontenoi u. Dettingen aus, unter 
filitste 1746 die Genueſer gegen die Öfterreicher 
u. ft. einige eg dem Ritdzuge der Letsteren, 
2. Juli 1747, in Öenua. 3) Stauislaus, Mar- 
quis de B., Maltejer Ritter, geb. 1737 in Lune- 
ville; wurde Militär, machte einen Feldzug im 
—— mit, wurde wegen eines Liedes auf 
darie Antoinette als. Gouverneur nach Senegam- 
bien geſchickt, das er ſehr gut verwaltete; dann 
beſchäftigte er ſich mit der Literatur, trat 1789 in 
die Nationalvderfammlung , emigrirte 1792 nad 
Berlin, wo er fi die Gunft des Prinzen Heinrich 
von Preußen erwarb, kehrte 1800 E Paris 
urid u. wurde 1804 Mitglied der Afademie; er ft. 
—* 18. Jan. 1815. Seine Werke (geſammel 
in 2 Bbn., Bar. 1818) befteben aus zahlreichen 
anmutbhigen, aber oft frivolen Ehanfons, Fabeln 
u. Erzählungen, die fid> heute nicht mehr der- 


735 


felben Beliebtheit erfreuen, wie früher. B-3]fäden oder zufammengerolite Stücke alter Leinwand 
Mutter war die bekannte Marquife B. (Marteioder Fflafterftreifen in geihmolzenes Wachs taucht 
Françoiſe Catherine, geb. de Beauvau-Craon), und fie nach dem Erkalten des Wachſes rolle und 
eine jehr geiſtreiche Frau, welche am Hofe des glättet; 3) Buttaperha-B-8, namentlich für didere 
Königs "Stanislaug fehr beliebt war u. 1787 in;Kaliber (durch Eintauchen in heiges Waffer fan 
Paris ftarb, 3) Boldert,” mau fie ermweichen, um fie in verengte Stellen 

Bougainville, 1) vulcaniihe Inſel des. Sa- ſchonend einzuführen; nah dem Erkalten werden 
fomons-Ardipels im Auftral-Ocean; die Küfte ift|fie wieder hart u. nehmen ihre uriprüngliche Ge» 
ftart bewaldet, das Innere, beſ. der ſüdl. Theil, |ftalt wieder an); 4) yirniß-B-3, beftehen aus 
ebiygig, ‚mit über 3000 m hohen Bergen. |Seiden- oder Baummollengemwebe, das mit einer 
3 ) Straße ebendaf., im Salomons-Archipel, zwischen | Kautjchuf- oder Firnißlöſung durchtränkt oder über» 
den Inſeln B. u. Choijeul, durch viele Klippen zogen if. Die fogenannten franzöfifhen (die 
gefährlich. ſchlechtere Sorte) find fhwarz, weich u. fehr bieg- 

Bougainville, Louis Antoine de, be-/jam, die fogenannten engtifchen (die beſſere Sorte) 
rühmter franz. Seefahrer, geb, 11. Nov. 172Y|lichtbraun, härter u, "viel dauerhafter, aber auch 
in Paris; war Barlamentsadvocat in Paris, dannviel theurer. Durch diefe Arten von B. erzielt 
Soldat, ging 1754 als Adjutant Cheners in eineriman eine Ermeiterung eines verengten Kanals 
Miſſion nah London, 1756 als Aojutant des (z. B. der männlichen Harnröhre), indem man 
Marquis von Montcalm nah Canada; von hierjmit einem dünneren B. anfangend nad) u, nad zu 
fehrte er 1759 mad Frankreich zurüd, machte dideren übergeht. Außerdem gehören noch hierhin 
1761 den Krieg in Deutſchland mit u. trat nach die ſogenannten Darmfaiten-B., aus den im Handel 
dem Frieden in die Marine, unternahm aber 1766 |vortommenden Schafdarmfaiten durch Glätten mit 
von St. Malo aus eine Reife um die Welt, von) Bimsſtein u. Beftreichen mit OL dargeftellt. Diefe 


Bougainville — Bouguer. 


der er März 1769 zurückkehrte, diente 1779 als 
Contreadmiral im Nordamerik. Kriege u. wurde 
1780 Generalmajor der Landarmee. Er zog ih 
beim Ausbruche der franz. Revolution ins Pri— 
vatleben zurüd u. ft. 31. Aug. 1811. Geine 
Reiſe um die Welt erſchien in Paris 1771 f., 
2 Bde., n. A., 1861, deutſch Lpz. 1783. 
Bougercau, Adolf William, franz. Hi- 
ftorienmaler, geb. 30. Nov. 1825 zu Rocelle ; 
war von 1843 bis 1850 Schüler der Ecole des 
Beaux-Arts in Paris u. Picots, erhielt für fein 
Bid: Zenobia an den Ufern des Arares, den 
großen römischen Preis, kehrte 1850 von Rom 
zurüd, fhmicdte viele Barifer Palais mit Bildern, 
ftellte 1855 den Triumph der Märtyrerod, die Über- 
führung der Leiche der heil. Cäcilia in die Kata— 
fomben aus, nun Eigenthum des Staates, malte 
un aus dem Leben des bi. Ludwig in der 
ubwigsfapelle der Kirche Sainte-Elotilde und 
wurde namentlih durch die mitteld der Pitho- 
graphie verbreitete Gompofition: Triumph der 
enus (1856) im weiteiten Kreifen befannt. B. 
firebt insbefondere in der Darftellung nadter my- 
thologifher Geftalten oder idealer Figuren, welche 
allgemein menjhlihe Beziehungen - veranihau- 
lichen, nad ftilvoller Breite u. Höhe der Form, 
fowie nad rhythmiſcher Unordnung, ohne indeß 
"auf eine gewiſſe Üppigfeit des Körpers u. ein 
zwar tiefes, aber doch lebhaftes Colorit zu ver- 
zihten. Im Ganzen leidet B. noch an der feelen- 
lojen Geziertheit des Alademiſchen, obwol ihm 
Naturanlage, Stilgefühl u. eine gewifje Kenntuiß 
a find. Reguet. 


wendet man beſonders dann an, wenn die Ver— 
engerungen ſehr hochgradige find, da fie durch 
Aufſaugen von Waſſer faſt um das Doppelte ihrer 
Dicke anſchwellen u. dadurch die verengten Stellen 
fo erweitern, daß fie das Einführen anderer Bes, 
das vor ihr Anwendung nicht möglih war, ge» 
ſtatten. Hauptiählich werden die B-s angewandt 
zur Erweiterung der Speijeröhre, des Maſtdarmes, 
vorzüglich aber der männlichen Harnröbre, wenn 
einer dieſer Theile durch chronische Entzündungen, 
durch Narbenbildungen nad Geſchwüren oder Ver« 
fegungen oder durch Neubildungen verengert iſt. 
Durch Beitreihen der Bes mit Salben, die einen 
reizenden oder ätenden Stoff enthalten, hat man 
in der neueren Zeit bef. chroniſche Entzlindungen 
der Harnröhre (veralteten Tripper, Nadıtripper) 
mit Erfolg zu behandeln verſucht. Armirte Bes 
find ſolche, die an einer Stelle mit einem kleinen 
Stüd Höllenftein verjehen find u, beſonders zum 
Üsen dienen. Berns. 

Bongie, Stadt, f. u. Bugia. 

Bongival, Dorf unweit der Seine, weft. 
von Paris u. nördl. von Verſailles; dabei Höhle 
mit mehreren Nebenzweigen - von pittorestem 
Geftein,. welche von den Parifern bef. des Sonn- 
tags bejucht wird. ‚ 

Bougrams (Bugrams), Gemebe aus Leinen: 
garn u. Hanf zu Unterfuttern; in England, Frant« 
reih u. Deutſchland verfertigt. 

Bougre (fr.), Schimpfwort, fo v. wie Bube 
(ehem. Keber). 

Bouguer, Pierre, namhafter franz. Mathe- 
matifer u. Phyſiker, geb. 16. Febr. 1698 in 


nicht 
Bonsie (Cereolus, Chir.) cylindrifche, loniſche Croiſic in der Bretagne; ftudirte im SJefuiten- 


oder geluöpfte Stäbe von verfchiedener Dide und |collegium zu Bannes, ging 1735—42 mit Godin 
Länge; werden in Offnungen oder Kanäleu. Condamine nah Peru, um einen Meridiangrad 
des menfhlihen Körpers eingeführt, theils um|zu meſſen, machte Beobachtungen u. Berfuche über 
eine Vereugerung derjelben zu verhindern, theild!die Ausdehnung der Metalle duch Wärme, über 
um eine ſchon befteheude allmählich wieder zu er-|die Intenſität des Yichtes (wodurch er die Photo- 
weitern. Dieje B«3 werden aus den verichiedenften | metrie begründete), die Geſetze von der Abuahme der 
Stoffendargefiellt. Man unterſcheidet: 1) MetallrB-8, | Dichtigkeit der Luft bei verjchiedenen Höhen, ver- 
aus Blei- od. aus Zinncompofition; 2) Wachs, B⸗s, ſuchte die, Attraction des Chimboraffo, ſoweit fie 
dargeftellt, indem man zufammengedrehte Charpier/fih im der Ablenkung des Lothes bemerklich 


736 


madt,.zu meſſen, erfand das Heliometer u. einen ſchule. 


Windmeffer. Er ft. 15. Aug. 1758 zu Paris, 
B. ſchr.: Theorie de la figure de la terre, Par. 
1740; Essai d’optique, ebd. 1729; De la na- 
ture des vaisseaux, ebd. 1727; Methode d’ob- 
server sur mer la hauteur des astres, ebd. 
1729; Maniere d’observer en mer la declinai- 
son de la boussole, ebd. 1731; Traite d’optique 
sur la gradation de la lumiere, berausg. von 
Lacaille, 1760; Entretiens sur Ja cause de l'in- 
elinaison des erbites des planttes, ebd. 1748; 
Traite Je navigation, 1753, 3. Aufl, 1792,. von 
de la Lande. ESpecht.* 
Bonilhet, Louis, franz. Dichter, geb. 1824 zu 
Cany (im Dep. Seine Jnferieure); ftudirte Medicin 
in Rouen, gab aber daun Privatunterricht, um 
feiner Neigung für die Boefie ungeftört nachgehen 
zu können; 1854 309 er nad) Paris, kehrte 1868 
nah Rouen zurüd u. ft. dort als Biliothelar der 
Stadt 15. Aug. 1869. Man hat von ihm: Me- 
loenis, conte romain, 1856, ein langes Gedicht 
über die Zeit des Gommodus; Les Fossiles, eine 
Reihe von Scenen aus der vorfintfluthlichen 
Natur; eine Gedichtiammlung Astragales, festons 
et poesies, 1859; außerdem mehrere Dramen 
in Berfen: Madame de Montarey, 1856; Helene 
Peyron, 1858; L’Onele Million, ein Luſtſpiel, 
1861; Dolores, 1862; La conjuration d’Amboise, 
1866, das von allen jeinen Dramen die meifte An- 
erfennumg gefunden hat. Fauſtine ift das einzige 
Stüd, das er in Proja abgefaßt hat. Boldert. 
Bouille, Frangois Claude Amonr, Mar- 
quis de, franz. General, geb. 19. Nov. 1739 
auf Schloß Cluzel in der Anvergne; trat jung in 
franz. Militärdienfte, machte als Hauptmann den 
Siebenjährigen Krieg mit, wurde Oberſt, 1768 
Gouverneur von Guadeloupe u. dann General 
gouverneur von Martinique u. Ste. Lucie; er 
zeichnete fi in dem Kriege 1778—82 gegen die 
Engländer ans, nahm Dominique, Tabago, 
St. Euftache, Seba, St. Martin, St. Chriſtoph, 
Newis ꝛc. u. wurde Generallieutenant. Als Gou— 
verneur von Lothringen ſtillte er 1790 die Mili— 
tär-Aufftände zu Metz u. Nancy. Er wurde dann 
auserjeben, die Flucht Ludwigs XVI. aus Paris 


Bouilhet — Bonillon de Grange. 


Werke: Histoire de la philosophie car- 
tesienne, Par. u. yon 1854, 2 Bde,, eine Er» 
meiterung der 1843 eridhienenen gekrönten Breis- 
fhrift: Histoire et eritique de la revolution 
eartesienne; De l'unit# pensante et de principe 
vital, 1858; Du prineipe vital et 24 Täme 
examen des diverses doctrines 
speciales et psychologiques, ebd. 1862; Du 
plaisir et de la douleur, ebd. 1865. Aus dem 
Deutfchen überfegte er Kants Religion innerbalb 
der Grenzen der bloßen Vernunft u. Fichtes Au- 
weilung zum feligen Yeben. 

Bouillon (fe3, eigentlich jede kochende Flüffig- 
teit, bei. aber die Fleiſchbrühe (ſ. d.). 

Bonillon, Stadt im Arrond. St. Hubert der 
belgiihen Prov. Luremburg, an der Semoy, in 
einer tiefen Schlucht der Ardennen; Tuch- und 
Wollenzeugweberei; 2765 Ew.; bas fefte Schloß 
auf einem fteilen Felſen, mitten in umliegenden 
Bergen, it Stammbaus der berühmten Familie 
diefes Namens. — B. war anfangs eine Herr- 
Ihaft in der Grafſchaft Nieder-Vothringen. da, 
Tochter Gottfrieds des Bärtigen v. B. u. Gemahlin 
des Grafen Euftach IL. von Boulogne vererbte es 
auf ihren Sohn Gottfried (ſ. d.) v. B., und als 
diefer Herzog von Nieder-Fothringen ward, erhielt 
B.den Namen eines Herzogthums. Als Gottfried 
1097 nad Paläftina 309, verpfändete er ®. an 
das Hochſtift Lüttich, u. von Lüttich Fam es 1433 
an die Grafen von der Mark; doch gab es Karl V. 
1529, nachdem er Robert von der Mark vertrieben 
hatte, an das Hochftife Lüttich zurück, welches die 
Schutzherrſchaften an die Dynaſten von der Mark 
ertheilte (ſ. u. Sedan). Als Friedrich Moritz von 
La Tour d'Auvergne Sedan 1642 an Frankreich ab» 
trat, blieb B. bei der Familie, warb 1793 aber mit 
Frankreich vereinigt. Die Familie ftarb 1802 
aus, u. ihre Hechte gingen auf die Nohan-Gue- 
mende über, 1815 wurde das Herzogtbum B. 
von Frankreich an die Niederlande abgetreten u. 
vom Wiener Gongreß 1816 dem Fürften von 
Roban-Guemende umter niederländ. Oberhoheit 
zuerfannt ; diefer verkaufte e8 1821 an die Rie- 
derlande. Es gehörte jeitdem zu Yuremburg, fiel 
mit diefem 1830 ab u. verblieb 1837, bei bem 


pensante ou 


(19. Juni 1791) zu leiten u. zu deden; doch da|definitiven Arrangement der Niederlande mit Bel- 
der König bei Barennes gefangen wurde u. B.|gien, dem letteren Staate. 
ihn mit un Dragdnerregiment Royal Allemand| Bonillon, 1) Gottfried von B., f. Gott 
von Stenay aus befreien wollte, erhielt er vom|fried. 2) Robert von der Markt, Marjchall 
König Befehl zum Rückmarſch, u. fonnte, von feinen |v. B., ſ. Mark (Grafen’ von). 
Truppen verlaffen, feloft mur noch mit Mühe nah| Bonillon de Grange, Edme Jean Bap- 
Luremburg entlommien. Bon derNationalvderfamms|tifte, franz. Pharmacent u. Chemifer, geb. 12. 
lung zum Tode vernribeilt, ging er nad, Kolberg|juli 1764 in Paris; war hier Profetfor. der 
u. zur Eonferenz nad) Pillnis; trat dann in ſchwe⸗ Chemie u. Director der Ecole de Pharmacie, 
diſche Dienfte u. focht feit 1792 unter den Trup- ſowie Mitglied der Akademie der Medicin u. ber 
pen Condés, z0g fi) aber 1793 nad London zu⸗ Bharmacentifchen Geſellſchaft; ftarb daſelbſt 24. 
rück u. fi. bier 14. Nov. 1800. Er jchr.: M&-|Auguft 1844. Er war Mitherausgeber der An- 
moires sur la revolution frangaise, engl., Lond. nales de chimie n. des Journal de pharmacie, 
1797, deutfch, Hamb. 1798, frz., Par.1801, 2 Bde. |in melden Zeitfchriften ſich zahlreiche Auffäge 
Bouilli (fr.), gefochtes Fleiſch. chemiſchen u. pharmaceutifchen Inhaltes vorfinden, 
Bouillier, Francisque, franz. Philoſoph, Von ſeinen ſelbſtändig erſchienenen Schriften ſeien 
geb. 12. Juli 1813 zu Won; ſtudirte in Paris, erwähnt: Manuel d'un cours de chimie, 3 Bde., 
wurde 1837 Profeſſor der Philofophie in Orleans, | Bar. 1799, 6. Aufl., 1812; Manuel de pharma- 
1839 in yon, 1856 Präfident der Afademie daricie, ebd. 1803; L'art de composer facilement et 
jelbit, 1866 Mitglied des Nathes für öffentliche à peu de frais des liquews de table, des eaux 
Erziehung u. 1867 Director der höheren Normal-Ide senteur etc., 3, A., Par. 1825. 


737 


Bouillontafeln — Boulay. 
Bonillontafeln, |. u. Fleiſchbrühe. > Bict. Hugo herab, mit dem er eng befreundet 
Bouilly, Jean Nicolas, franz. Theaterdih- war. Zur Erreichung feines Ziels ſchien ihm 
ter, geb. 1763 in Coudraye bei Tours; war Ad-|vor Allem ein kräftiges Colorit geeignet; wenig 
vocat beim Parlament in Paris, verließ diefe Stelle, |aber kümmerte ihn die Reinheit u. Sicherheit der 
als das Parlament nad) Troyes kam, ward in feiner | Zeichnung, ſowie der Rhythmus der Compofition. 
Baterftadt als Adminiftrator u. fpäter als Richter Sein Vortrag ift ſtark u. paftos. Sein erftes der- 
angeftellt u, trat jpäter wieder in den Privatftand;|artiges Werk war: Mazeppa aufs Pferd gebim- 
er ft. 14. April 1842 zu Paris. B. machte fich 


um die Einführung der Primärſchulen in Franf- 
reich verdient. Er dichtete die Luftipiele u. Ope- 
retten: Pierre le Grand (Mufit von Gretry); 
L’abb& de l’epee, deutſch von Kogebue, Lpz. 1800; 
Madame de 
1809; Une folie, dentjch von Griesheim, Magdeb. 
1806; Les deux peres, deutſch von TH. Hell, Lpz. 
1808; das Vaudeville: Fanchon, 1803, deutſch 


den, nach Byron; dann folgten Ungfüdsfcenen aus 
verjchiedenen Dichtern. Hierauf tracdhtete er eine 
Weile dem ſtrengen Stu der Älteren Italiener 
nachzugehen; fo in feinem: Triumph des Petrarca. 
Dann fehrte er aber bald in feine eigentliche 


un: 
—— deutſch von Iffland, Berl. Heimath, das Spuk⸗ u. Zauberland der alten ro— 


mantiſchen Zeit, zurück; ſo in der: Sabbathrunde, 
nach Bict. Hugo, u. in der: Träumerei der Belleda, 
nah Chateaubriand. Auch Weiber malte er. 


von Kogebue, Lpz. 1805, u.a. Für die Jugend 2) Guſtave Rodolphe Elarence, franz. Hiito- 


Ihrieb er feine weitverbreiteten, oft aufgelegten: 
Contes oflerts aux enfants de France, Par. 1844, 
2 Bbe., u.: Contes ü ma fille, ebd. 1809, 1843, 
oft in Deutſchland herausgegeben u. ins Deutiche 
überfegt; Conseils a ma fille, 1844; Les jeunes 
femmes, deutſch, Lpz. 1829, 2 Bde.; Contes po- 
pulaires, 1830; Causerie d'un vieillard, 1843. 
B. hat eine anmuthige u. fruchtbare Phantafie 
u. einen corvecten, lebendigen Stil; doch ift er 
nicht immer frei von Geziertheit u. Beitichmeifig- 
keit. Bon feinen Werten find die für das Bolt u.die 
ba beftimmten am meiften gefchägt. Boldert.* 
onin, 1) Inſel im Arr. Les⸗Sables des 
franz. Dep. Bendee, an der Bai von Noirmutier, 
nahe der Küfte WFrankreichs; urfprünglich ein 
Kalkfelfen, hat es fih durch Burildtreten des 
Meeres zu 55,0, [km vergrößert; von vier Ka- 
nälen (darumter Grandchamp) von O. nah W. 
durchſchnitten; Salz, Getreide, Vieh; lebhafte 
Schifffahrt u. Aufternfifcherei; 2900 Ew. 2) Martt- 
fleden darauf; Salzbereitung; Viehhandel; 2850 €, 
Bonlainvilliers, Henri, Graf von, franzöf. 
Geſchichtſchreiber, geb. 11. Oct. 1658 zu St. Saire; 
befchäftigte ſich viel mit der Geſchichte des franz. 
Adels, dem Islam u. geheimen Wiffenfchaften; 
er fi. 23. Jan. 1722. B. jhr.: La vie et l’esprit 
de Spinoza, Amfterd. 1719; Essai de metaphy- 
sique dans les prineipes de Spinoza, Britff. 1731 
u.ö.; La vie de Mahomet, Amſterd. 1730; Hist. 
des Arabes,e6d.1731; Mömoire pour la noblesse 
de France, contre les Ducs et Pairs, ebd. 1732; 
Hist. de l’ancien gouvernement de France, Haag 
1727, 3 Bde; Abrégé chronol. de l’hist. de 
France, ebd. 1733, 3 Bde.; Hist. de la pairie 
de France et du parlament de Paris, Fond. 
1753, 2 Bde, 
_Bonlanger, 1) Louis, franz. Hiftorienmaler, 
Sohn franzöf. Eltern, geb. 11. März 1806 zu 
Bercelli in Piemont; Schüler Guillon-Fethiers u. 
Ad. Deverias; fl. 7. März 1867. 8. nahm 
feinen Ausgang aus der claſſiſchen Schule, ded) 
ging er ſchon um die Mitte der zwanziger Jahre 
ins Lager der jungen Romantifer über, zu deren 
Führern er um 1830 zählte, u. firebte, wie fie, 
nach ungewöhnlichen, frappanten u. erjchütternden 
Wirkungen, die er durch bewegte Darftellung eines 
leidenſchaftlichen oder unheilſchweren Jnbaltes zu 
erreichen ſuchte. So entnahm er feine Stoffe am 
liebften den neueren Dichtern, von Shafeipeare 
Vierers Univerfal:Eonverjations:? eriton. 6. Aufl. 


rıenmaler, geb. 25. April 1824 zu Paris; war 
Schiller Delaroches u. Jollivets u. bildete ſich in 
Rom meiter. Er behandelt vorwiegend antile 
Stoffe, daneben and jolhe aus dem Orient. Be- 
fanntefte Bilder: Cäſar am Rubicon; Yucretia; 
Lesbia; Hercules und Omphäle; Weiter in der 
Sahara. Regnet. 

Boulangerit, die bereits beim Blei erwähnte 
Berbindung von Schwefelblei mit Schwefelantimon 
3PbS+Sb,S,; befigt ſchwachen feidenartigen Me⸗ 
tallglanz, bleigraue Farbe u. lommt im fajerigen 
u. jtengeligen Aggregaten bei Wolfsberg am Harz, 
bei Sczibram in Böhmen u. a. a. O. nidt gerade 
häufig vor. 

Bonlay, 1) jo v. Boldhen. 2) Dorf, 10 km 
nördl. von Orleans. Hier Schladht am 11. Oct. 
1870: General von der Tann drängt die franz. 
Armee (General de la Motterouge) gegen Or— 
leans zurüd. 

Boulay de la Meurihe, 1) Antoine 
Jacques Claude Joſeph, Graf, franzöf. 
Staatsmann, geb. 19. Febr. 1761 zu Chau- 
moufey bei Epinal, Sohn eines Bauers; ftudirte 
die Hechte, wurde 1783 Advocat in Nancy, nahm 
mit Eifer die Bartei der Revolution, machte 1792 
einen Feldzug an der Sambre mit, wurde 1794, 
nad Berfolgungen unter Robespierre, Präfident 
des Civiltribunals und öffentliber Ankläger zu 
Nancy u. 1797 Mitglied des Mathes der Fünf 
hundert; hier wurde er der Hauptführer der jog. 
Eonftitutionellen Partei, wirkte fiir die Ummälz- 
ung am 18. Fructidor u. 18. Brumaire. Er ſchr. zu 
Gunſten der leteren: Essai sur les causes qui 
1649 amenerent en Angleterre l'etablissement 
de la republique, u. wurde Präfident der legis- 
fativen Section im Staatsrathe, wo er an der 
Abfafjung des Code eivil großen Antheil Hatte. 
1801 erhielt er die Leitung der Angelegenheit der 
Nationalgüter, trat aber 1810 in den Staatsrath 
zurüd, wurde 1813 zum Grafen erhoben u. in 
den Regentichaftsrath gewählt u. drang vor der 
Einnahme von Paris 1814, wiewol vergebens, 
auf das BVerbleiben der Kaiferin mit dem König 
von Rom im der Hauptitadt. Bei Rückkehr der 
Bourbonen zog er fih zurüd; während der Hun— 
dert Tage war er Mitglied des Minifteriums, er- 
ichien in der Kammer und ſprach eifrig für die 
Anerkennung Napoloons II. als Kaiſer, ward 
deshalb erilirt u. dann in Nancy arretirt u, von 

iIL. Baub. 


417 
#4 


738 


den Kuflen nad Saarlouis gebracht, von wo er 
nah Halberftadt u. dann nah Frankfurt a. M. 


Boulbon — Boulogne. 


Seine Erfindung bat in der Gegenwart mit dem 
wieder auftaudenden Rococogeihmade ernenerte 
Schroot 


ging; doch kehrte er 1819 nad Frankreich zurück. Aufnahme gefunden. 


Er ft. 4. Febr. 1840. B. ſchr.: Tableau des 
regnes de Charles H. et JaequesII,, Brüff. 1818 
a 1822; Bourrienne et ses erreurs, Bar. 1830, 
2Bde., deurfch, Ypz. 1830, 2 Be. 2) Henri, franz. 
Staatsmann, Sohn desBor.,geb. 15. Juli 1797 zu 
Paris; ſtud. Die Rechte u. war, obgleich er 1830 ſich 
als Gegner der Bourbonen zeigte, doch auch fein 
Verehrer der meuen Dymaftie, daher er in der 
Kamıner, wo er 1837—39 für die Meurtbe u. feit 
1842 für die Bogejen faß, zur Pinten gebörte, aber 
an der Reformagitation wenig theilnahm. 1848 
in die Nationalverfammlung gewählt, hielt er ſich 
zu den gemäßigten Republitauern, wurde im Jan. 
1849 zum Bicepräftdenten der Republik gemäblt 
und zugleih Präſident des Staatsrathes; aus 
beiden Stellungen ſchied er bei der Veränderung 
der Berfaffung durch den Staatäftreih von 1851. 
Er it. 24. Nov. 1858 zu Paris, 

Boulbon, Graf Raouffet de, amerilan. 
Abenteurer, geb. um 1810 in Avignon; diente 
erft m Algerien, ging bierauf nah Californien, 
ſammelte bier eine Schaar Goldfuchher und Aben- 
teurer um fih u. 309 1852 mit ihnen nach So— 
nora, um die Goldminen von Arizona auszu— 
beuten, vergrößerte darauf fein Corps auf 500 
Dann, rüdte nach Arispe u. proclamirte Sonora 
zur Republit, wurde aber bereit? am 4. Januar 
1853 bei Hermofillo von den mericanifchen Re- 
gierungstruppen zur Capitulation genötbigt. Nach 


Boullee, Aime Augufte, franz. Gejchicht- 
ichreiber, geb. 4. Nov. 1795 zu Bourg im Dep. 
Ain; findirte die Hechte, wurde Gerichtsbeamter 
u. Staatsanwalt, aber durd die Julirenointion 
1830 bejfeitigt, woranf er fich in Lyon u. feit 1850 
in Baris jchriftftellertichen Arbeiten widmete. 
Er ſchr.: Histoire de la vie et des ouvrages du 
chevalier d’Aguesseau, !yon u. Par., n. Aufl., 
1849; Histoire de France pendant la dern. 
annde de la Restauration, ebd. 1839; Histoire 
complete des Etats generaux et autres asserm- 
blees ete., ebd. 1845; Biographies eontempe- 
raines, ebd. 1863; Vie de Demosthene, ebd. 
1867, u. m. a., fowie mehrere Aufläge in Zeit- 
Schriften. Die Akademie ehrte ihn für feine gründ- 
lichen Leiſtungen durch ihre Anerkennung. 

Boulliau, Jsmael, franz. Mathematiter ır. 
Aftronom, geb. 28. Sept. 1605 zu Loudun; ftir 
dirte erft Jurisprudenz, dann Theologie u. jchließ- 
ih Mathematik und Aftronomie, machte große 
Neifen, ließ fihb dann in Paris nieder, wo er 
25. Nov. 1694 ftarb. Er beftimnte die Berioden 
des Lichtwechiels von O im Walfiſche gemaner, 
beobachtete verfchiedene Kometen und Finſterniſſe 
u. veröffentlichte einige mathem. Schriften: Spethr. 

Bonlogne, 1) B.-fur-Mer, Hauptitadt des 
gleichnam. Arr. im franz. Dep. Pas de Valais, 
am Ausfluffe der Liane ın den Canal, Station 
der Nordbahn; Feſtung 2. Wanges, auf deren 


wieder erhaltener Freiheit begab er fich zurid|Wällen man Englands Küften fiebt; theilt fich in 
nah Californien und unternahm im April 1854|die Ober- u. Unterftabt; in der bübfchen Ober- 
mit einer Scaar von 500 Mann einen neuen ſtadt 2 öffentliche Pläge mit a Handels« 
Einfall in Sonora, wurde aber 13. Inli von gericht; alte Kathedrale; biſchöflicher u. Juſtiz- 
den mericamıfhen Truppen gefchlagen, gefangen) Palaft; Schifffahrtsſchule; üöffentlihe Bibliothet; 


u. im Auguft deff. Jahres hingerichtet. 

Boule (fr.), Kugel. 

Bonle, ſ. u. Boule. 

Boulenger, Jules Ekfar, f. Bulengerus. 

Boulevard (fr.), 1) Bollwerk, Wall. 2) Straße 
auf dem Walle oder auf der Stelle, wo Wall u. 
Graben ehemals befindlich waren, angelegt; be- 
fonders in Paris, fo der B. des Italiens, wo die 
feine Welt promenirt, u. B. du Temple, wo die 
fleinen, von den Bewohnern der Borftädte be- 
fuchten Theater find; daher Betheater, jo viel 
wie Boltstheater. 

Bonleverfement (fr.), Umſturz, Zerftörung. 

Bouline (fr.), ein zum Spannen der Gegel 
dienendes Tau; daber bonliniren, 1) feit« 
wärts jegeln; 2) figürlich: hintergehen, betrligen, 
berauben. 

Boulle (Boufe), Andre Charles, berühmter 
Kunfttiichler, geb. 11. Nov. 1642 zu Paris; er- 
lernte das Tifchlerhandwert, verlegte ſich aber bei. 
auf Kunftfahen, indem er mit farbigen auslän- 
diihen Holzarten, Metall und Schildpatt feine 
Möbel und alleryand Geräthe auslegte, melde 


ihönes Hoipital; Handelsfammer; Gefellichaften 
für Künfte, Wiffenfchaften, Handel und Aderbau; 
Fabrifen für Segeltuh, Taue, Stahlfedern, Ces 
ment, Seife, Fayence- u. Töpferwaaren, —— 
Gießereien, Leinenſpinnereien, Salzraffinerien; 
Schiffswerſte; 2 Meſſen; bedeutende Fiſcherei (auf 
Häringe) u. Handel; Seebad u. in der Näbe ija- 
laͤniſches Stablwafler; dabei Monument zum Au» 
denfen des großen Lagers 1803—1805 (eine 51 
m hohe Säule in Form der Trajanslänle); der 
Hafen ift von Napoleon vergrößert u. verbeflert 
u. bat lebhaften Verkehr mit England, Hauptver- 
bindungspunft zwiichen Paris und London (Folk 
ftone , Überfahrt bei günftiger Witterung in 2 
Stunden); 39,700 Ew., darumter jehr viele Eng- 
länder; die Unterftabt, Sig des Handels u. der 
Gewerbe, bat halb engl, Anſtrich. — B. bie zur 
Römerzeit Gejoriacum oder Gefforiacımn u. war 
ein Hafenplag im Morinerlande, von wo aus man 
gewöhnlich nach Britannien überfuhr. Unter Kaijer 
Conſtantinus befam es den Namen Bononia (auf 
Münzen auch B. oceanensis), feit der Karoliugerzeit 
Bolonia. B. gehörte früher zu Ponthieu; im 


nad ibm Meubles de B. genannt wurden und! 9. Jahrh. ward es Grafichaft (Comitatus bono- 
große Verbreitung fanden. Ludwig XIV. errich- niensis, Boulonois), begrenzt von Ponthieu, Ar- 
tete für ihn ein Atelier im Louvre u. ermannte/tois u. dem Meere. 965 bemächtigte fib Graf 
ihn zum Oberauſſeher des Mobiliars der Kron- | Wilhelm von Flandern B«8, das dann durch Erb- 
fammer. Nah feinem Zode, 19. Febr. 1732, ſchaft nach einander an die Häufer Bouillon, 


jegten feine 4 Söhne die väterlichen Arbeiten fort. /Blois, Dammartin, Balois, Braganga, Brabant, 


Boulogne — Bouquet. 


Auvergne, Berri u. Burgund fam. Nah dem 
Tode des Herzogs Karl des Kühnen 1477 nahm 
Ludwig XI. Marien von Burgund B. u. verband 
es mit der Krone. In der Stabt B. murbe.1264 
das Bononienfishe Concil gehalten, wo die eng- 
liſchen Barone, weil fie fich nicht mit ihrem Kö— 
nig Heinrich III. ausjöhnen wollten, in den Bann 
— wurden. 1544 eroberten die Engländer 
.‚ gaben es aber im Frieden 1550 an Frank⸗ 
reich zurüd. 1559 wurde das Bisthum von Te- 
rouaue nah B. verlegt. 1801 murde B. zmei- 
mal ı. 1803 noch einmal, wiewol vergeblich, 
von engliihen Schiffen beichofien. Bon B. aus 
find die wmeiften franzöf. Kriegsunternehmuugen 
gegen England ausgegangen; die legte unter Na- 
poleon 1803—1805 follte ebenfalls bier beginnen; 
es mard daher ein zahlreiches Corps im Yager 
von B. verfammelt u. auf eigens erbauten Schiffen 
im Ein- u. Ausihiffen geübt. Der neu begin- 
nende Krieg mit DOfterreih unterbrach das Umer⸗ 
nehmen. Am 6. Auguft 1840 murde in B. die 
mißlungene Erpedition Louis Napoleons unter 
nommen. 2) Flecken im Arr. St, Denis des 
franz. Dep. Seine, rechts an der Seine, weitlich 
von Paris, Station der WBahn; Laudhäuſer; 
Leinwandbleihen; 18,965 Em.; liegt am Eingange 
des Gehölzes von B. (Bois de B.), welches mit jchor 
nen Bartanlagen u. fünftlihen Seen, einem Zoo—⸗ 
logiihen und Wcclimatifationsgarten, Hippedrom 
u.mehrerenBillen, Kaffehäufern u. Reftanratioreu 
verjehen u. der Ort der meiften Duelle u. Ziel— 
punft der Spazierritte und ⸗Fahrten der Parifer 
Herren u. Damen ifl. Bei der Belagerung von 
Paris 1870/71 wurde es ſtark bejchädigt. 
Boulogne, Etienne Antoine, franz. Theo- 


739 


blühen als eine der erften Szabrifftädte der Welt 
u. die Maſchinenkunde eine große Anzahl von Er» 
findungen u. Berbefferungen. Bgl. Biographie 
von Smiles, Lond. 1865. ' 

Boumann, Johannes, Architekt, geb. 1716 
zu Amfterdam; murde 1732 nah Preußen be- 
rufen, erbante in Potsdam das Berliner Thor, 
die franzöfiiche Kirche, das Rathhaus u. die Häufer 
der holläud. Colonie, dann in Berlin die Dom- 
firhe, das Palais des Prinzen Heinrich (gegen« 
wärtig Univerfitätsgebände, die Münze u. andere 
Gebäude; er ft. 1776 als Oberbaudirector zu 
Potsdam 

Bounth. Gruppe von 13 Eilanden im Auftral- 
Drean, öjtlih von Neu-Seeland, 1788 von Bligh 
entdedt; ziemlich hoch, felfig u. waflerarm, da— 
gegen jehr reih an Pelzrobben. 

Bouquet (fr., Blume) nennt man den ange- 
nehmen Geruch des feineren Weines, welder für 
jede Sorte verichieden u. für manche geradezu ein 
harakteriftiiches Kennzeichen if. Ohne Zweifel 
wird es durch Rebſorten, Bodenbeichaffenbeit u. 
Düngungsmeife erzeugt, wodurch gewiſſe, bei der 
Gährung und Lagerung des Weines entftehende 
Atherarten hervorgebracht werben, die aber in jo 
geringer Menge fih bilden, daß ihre qualitative 
u. quantitative Bejtimmung bis jetst moch richt 
gelungen ift. Geringere Weine entbehren jedes 
B⸗s, ebenſo mande ſonſt ſehr gejchägte Arten; 
weitaus am ausgezeichnetſten iſt daſſelbe bei den 
Phein- (d. h. Rheingauer) Weinen ans vorzügf. 
Lagen u. guten Jahrgängen. Bei der Bildung diejer 
Ütherarten find jedenfalls betbeiligt, außer dem 
gewöhnlihen Alkohol, der Butyl- u. Propylalkohol, 
welche nachweislich bei der Gährung ſich bilden, 


10g, geb.26. Dec. 1747 zu Avignon; entwidelte früh |forwie die ſchon im Mofte enthaltenen Säuren 

roßes Predigertalent; war beim Ausbruch derj(Weinfteinfäure, Traubenjänre, Apfelfäure) u. die 
Sevolution Bıcar des Bischofs von Chalons, jpäter|bei der Gährung ſich bildenden (Eiftgfäure, Bern- 
Cauonicus zu Berjailles, 1807 Caplan Napoleons I. |fteinfäure, Propionfäure u. Butterfäure, auch mol 


u. 1808 Biſchof von Troyes; er wurde auf der 
geiftlihen Synode vom Jahre 1811 zu einem der 
4 Secretäre dur die Verſammlung ernannt, wo 
er entſchieden gegen die Einjegung der Biſchöfe 
durh die mweltlihde Gewalt ohne päpſtliche Be- 
ftätigung fprah und mit zwei anderen Biſchöfen 
beauftragt wurde, dem Kaifer die Adreſſe des 
Concils zu überbringen; doch diejer ließ die Über— 
bringer als Gefangene nah Bincennes bringen. 
Nah der Reftauration befreit, wurde B. 1822 
Erzbifchof u. 1823 Pair; er ft. 13. Mai 1825. B. 
gebörte zu den vorzüglichiten Kanzelrednern Frank— 
reihs. Werte: Paris 1826 f., 8 Bbe.; ſeine 
Predigten deutih von Räß u. Weiß, Franff. 1830 
bis 1836, 4 Bde. 

Bonlogner Gehölz, f. u. Bonlogne 2). 

Boulton, Matthew, berühmter engl. Tech- 
nifer, geb. 3. Sept. 1728 zu Birmingham; üiber- 
nahm nad) jeines Vaters Tode deſſen Stahlfabrif, 
vergrößerte diejelbe durh Ankauf von Yand in 
Soho, legte 1769 in Berbindung mit James 
Watt eine Dampfmafchinenfabrif, jpäter eine 
Münze, auf welcher Jahre fang der ganze Be- 
darf Englands u. feiner Colonien an Kupfergeld 
geprägt wurde, u. die Gießerei zu Emetwid an; 
er ft. 17. Aug. 1809 zu Soho. Seiner Thätigfeit 
verdankt die Stadt Birmingham ihr jchnelles Auf- 


lſäure u. Palmitinfäure). Unter dem Namen 
B. ftellt man jett Siitifgteiten dar, melde un— 
echten, ſchlechten Weinen in Heiner Menge zu- 
gejetst, denjelben den Geruch u. Geſchmad edier 
Sorten geben ſollen. Gie find im MWejent- 
lichen verſchieden zuſammengeſetzte Gemiſche der 
oben erwähnten Ätherarten. Über ihren Werth 
fagt Neubauer (Chemie des Weines, S. 97)- 
„Alles, was die Kunjt zur Nachahmung der Wein» 
blume bis jetzt geliefert bat, ift tro der befichen- 
den Namen, wie: Perle des Weines, Mojel-B. 
u. ſ. w., mit welchen diefe Präparate angeprieſen 
werden, elendes Machwert. Unſer chemiſches 
Wiſſen über das B. iſt äußerſt gering, und die 
Wiſſenſchaft ſteht mit den ihr bis jetzt zu Gebote 
ſtehenden Mitteln dieſen Geiſtern des Weines 
machtlos gegenüber.“ detzer. 

Bouquet, Don Martin, berühmter Hiſtoriker, 
geb. 6. Aug. 1685 zu Amiens; trat jung in Sen 
Benebictinerorden (1706), wurde Bibliothefa: in 
der Abtei Saint-Germain»des- Preis, Nach den 
Tode Lelongs wurde ihm die von Colbert 1676 an— 
geregte Sammlung der franz. Geſchichtsquellen über 
tragen (1721), u. er hatte jhon 1729 zwei Bände 
drudfertig gemacht, Leider verzögerte ſich die Aus- 
gabe durch eine Ordensmiffion, u. erſt 1738, nad» 
dem er im Parifer Stlofter des Blanes-Manteaux 


47* 


740 


dauernden Aufenthalt genommen, begann die Ber- 
Öffentlihung der befannten: Rerum Gallicaram 
et Francicarum scriptores, ou recueil des histo- 
riens des Gaules et de la France par Dom M.B. 
et autres religieux de St. Maur. Bis 1752 er 
jchienen 8 Bände; während der Ausarbeitung des 
neunten ftarb B., 6. April 1754. Die Arbeit 
wurde von Benebictinern, jpäter von der Parifer 
Alademie fortgefegt u. fieht bei dem 22. Bande. 
B.war audhanÄrbeitendes Dom Bernard de Mont- 
faucon beteiligt. Seine Vorarbeiten zu einer Aus 
gabe des Flavius Joſephus bat er mit feltener Un- 
eigennügigfeit an Havercamp abgetreten. Brambach. 
Bourbali, Charles Denis Söter, franz. 
General griechiſcher Abkunit, geb. 22, April 1816 
zu Paris; trat nah Bollendung feiner mili— 
tärifhen Ausbildung in der Schule von St. Eyr 
1836 als linterlieutenant in das 59. Finieninfan- 
terieregiment u, von da 1837 umter die Zuaven, 
wo er bis 1838 diente. Zum Oberfieutenant im 
1. Fremdenregiment ernannt, ftieg er um Juni 
1842 zum Gapitän im Auavencorp auf. Er 
wurde Major und Ordonnanzoffizier des Königs 
Ludwig Philipp im Auguft 1846, Oberſtlieutenant 
im Yan. 1850, zuerft in einem Vinienregiment u. 
dann bei den Zuaven, Oberft im Dechr. 1851, 
Brigadegeneral 14. Octbr. 1854 und Dipvifions- 
general 12, Auguft 1847. DB. zeichnete ſich wäh- 
rend des Krimkrieges (1855) namentlih im den 
Schlachten an der Alma u. bei Inlerman und 
dann beim Sturme auf Sebaftopol, fpeciell auf 
den Malalow aus, An dem Feldzuge in Ftalien 


Bourbafi — Bourbon. 


riſchen Operationen gänzlich untanglich, was ihm fo 
ſehr zu Herzen ging, daß er am 27. Jan. veriuchte, 
ſich das Leben zu nehmen, was jedoch mißlang 
Während jein noch 80,000 Maum ftarfes Heer 
unter General Glinchant, der den Oberbefehl über- 
nommen hatte, über die jchmeizer Grenze getrieben 
murde, ſchwebte B. in Zodesgefahr, ward jedoch 
nach längeren Leiden wieberbergeftellt. Bei der 
Reorganijation der franzöf. Armee erhielt er im 
Juli 1871 zuerft das Commando des 6. Armee⸗ 
corps, Später aber, bei der neuen Eintheilung der- 
felben in 18 Armeecorps, gemäß des neuen Or- 
gantifationsgefeges vom 24. Juli 1873, das Com- 
manbdo des 14. Armeecorps, mit dem Hauptgmartier 
in yon. B. gilt für einen unerſchütterlichen An- 
bänger des gefallenen zweiten Kaijerreihes, was 
er offen durd einen Anfang 1875 veröffentlichten 
Brief, worin er die ihm angetragene Wahl im die 
Nationalverfammlung ausſchlug, befundete, Bartlinz. 

Bourbon, 1) B-Tancy (B. l’Ancien, bei den 
Römern Aquae Nisineji, in der Revolution Bellc- 
vue=-les-Bains), Stadt im Arr. Charolles dis 
jvanz. Dep. Sadne-et-Foire, an der Borne, Ste— 
tion der Lyoner Bahn; nach dem gallifchen Got:r 
Borbon, vom dem man hier Statuen u, Juſchriften 
fand, benannt; römijche Alterthümer; berübmte, 
ſchon den Römern befannte, erdige Kochſalzthermen, 
movon 7 unterfchieden werben, darunter La Lymbe 
die —— (Temperatur: 41—48° R.): 
3208 Em. 2) B.-V’ Arhambanlt, (während bei 
erften Revolution u. auch nad 1848 Bourges-ties 
Bains), Stadt im Arr. Moulins des frauz. Dep. 


1859 nahm er gleichfalls hervorragenden Antheil. Allier, in einem tiefen Thal an der Barge, Station 


Im Mai 1869 commandirte er das zweite Lager 
von Chalons u. ward im Juni db, J. zum Flügel⸗ 
adjutanten des Kaifers ernannt. Beim Ausbruche 
des Deutjch- Franzöſ. Krieges im Juli 1870 in« 
terimiftiich mit dem Gommando ber Garde be— 
traut, nahm er hervorragenden Antheil an den 
Schladten um Meg (16. und 18. Auguft), ward 
mit eingefchloffen u. leitete 31. Aug. u. 1. Sept. 
die fruchtloſen Operationen des Durchbruches der 
franz. Armee durch die deutichen Linien, Anfang 
Oct. entfam er mit Hilfe eines in London leben« 
den Franzoſen, Namens Negnier, aus Met, ging 
unächſt zu der nah England geflüchteten Kaiſerin 

genie u. dann nadı Tours, wo ihm die dort be- 
findliche Delegation der Proviſoriſchen Regierung 
den Befehl über die fogen. Nordarmee, mit dem 
Hauptquartier zu Lille, aufdrang. B. legte das— 
jelbe jedoch wegen Zwiftigleiten mit dem Kriegs- 
minifter Gambetta bald wieder nieder, trat aber 
Anfang Dec. an die Spitze der bei Befangon ger 
bildeten 150,000 Mann ftarlen OArmee, welde 
dazır beftimmt war, Velfort zu entfegen u. in das 
Eljaß vorzndringen. Der glänzende u, geſchickte 
Angriff des Generals Werder auf die feindliche 
Flanke bei Billersjerel (9. Jan. 1871) und ber 
heldenmüthige Widerftand von defjen Corps in der 
Defenſiv-Schlacht an der Liſaine (15.—17. Yan.) 
hießen den ganzen Plan Häglich jcheitern. Zum Rück— 
zuge auf Ben gezwungen, verfolgt von bei 
fiegreihen Deutſchen unter Werder u. einer frifch 
anrüdenden Armee unter dem General Manteuffel, 
fah er fein fchlecht verpflegtes ır. zudem noch von 
ihm umgeichicdt geführtes Heer zu ferneren kriege— 


der Drleansbahn; Ruine des alten Schlofies, des 
Stammhaufes der Bourbonen; jchon den Römern 
ald Aquae Bormonis befannte, berühmte Mineral. 
quellen (zwei falte u. eine eiſeuhaltige Schmweiel- 
therme von 48° R.); vortreffllihe Anftalten; jchöne 
Promenade; Nägelfabrifation, Leinwand; großer 
Biehhandel; 3724 Ew.; in der Nähe Fundort un- 
echter Diamanten, 3) Son. w. B.-Bendee; ſ. 
Rode-fur-Non, La. 4)(Reunion) Franz. Inſel 
im Indiſchen Ocean, 1330 km öſtlich von Afrika; 
2511, [km (45, UM); 1870 291,433 Em., 
darumter 754 Angeftellte, 1084 Soldaten, 70,059 
indische Kuli. Die Fufel ift mit Hohen Bergen er- 
füllt, hat Bulcane, wie den größten Krater auf der 
Erde, den Piton des Neiges 3200 m, jet erlofchen, 
u. den erft jeit 1785 thätigen, immer raudyenden 
Piton de Fournaiſe; fie befteht größtentheils aus 
wechſelnden Schichten von Bafalt, Tuff n. Lava, 
von legterer eine große unfruchtbare Strede im 
SD., das Grand pays brüls; fruchtbar find die 
Küften bis Iandwärts an die mittleren Höhen. Sie 
ift bewäſſert von reich fließenden, tief eingeichnit- 
teen Gießbächen; der größte Fluß heißt Mat. Die 
Inſel gehört zu den gefumdeften Orten der Erde; 
Klima ſehr mild; allgemein berrichende Kranthei- 
ten unbefannt; 2 Yahreszeiten: die des Negens 
u. der Hige, von Novbr. bis Mai, u. die gemä— 
Figte ohne Negen in den Übrigen Monaten, Die 
Temperatur bewegt fid zwiſchen 12 u. 36° C. 
Producte: Kartoffeln, Hülſenfrilchte, Zucer, 
Maniof, Gewürznelten, Cacao, Zimmt, Kaffe u. 
Tabaf, von Enropäern angepflanzt, ferner Eiien- 
baum, Bananen, Palmen, Kampher, Ambra, grün 


Bourbon, 
1 


her Honig, Schiſdkröten, Korallen, Fiſche zc.|Honorins war B. zum größten Theil zu Aquita- 
N 


Ungebaut 1870 80,499 ha, wovon 43,368 wit 
Zuderrobr. Ausfuhr 1870 28,904,748, Ein- 
fuhr 25,377,353 Fes., beiond, für Bieh aus Ma— 
dagascar, das wegen Mangels an Weide fehlt, u. 
fir Reis aus Bengalen u. Artikel der Induſtrie, 
die es nicht gibt. Verwaltung: Gonverneur mit 
einem gewählten Conſeil aus 30. Mitgliedern; 
hoher Gerichtshof, 2 Gerichte 1. Inſtanz, 9 Frie- 
densgerichte; Befagung, anfer 1084 Linienfoldaten, 
mehrere Bataillone Nationalgarde; eingetheilt in 
2 Arrond. (A. du Vent u, A. sous le Vent), mit 
12 Gememden u. Kirchſpielen, welche in kirchlicher 
Beziehung das Bisthum Saint-Denis bilden. 
Unterridtsanftalten: 1 Lyceum, 3 geiftliche 
Collöges u. 99 Schulen. 7 Zeitungen, darunter 
2 illuſtrirte, erjcheinen auf der Inſel. Finanz- 
inftitut: Bank von Reunion mit 3 Mil. Fes. 
Capital. Straßen: eine ſchöne durch die Inſel u. 
eine ſolche rund um dieſelbe. Die Bewegung der 
Schifffahrt beträgt 582 Fahrzeuge jährlih. Häfen 
fehlen, nur einige unſichere Rheden. Hauptſtadt: 
St. Denis. Die Juſel ift bie Heimath Paruys, 
Bertins, Delilles u. des gelehrten Mulatten Lisiet 
Geoffroh. — Dieſe Inſel wurde 1605 von den 
Portugiefen entdedt u. nad) ihrem Entdeder Mas- 
carenhas (Mascaraigne) genannt; die Franzoſen, 
welche fie 1649 bejegten, gaben ihr den Namen 
B. Die 1654 bier etablirte Colonie fing bei. feit 
dem Anbau des Kaffes und von Gewürzen im 
18. Jahrh. am zu blühen, daher die franzöfijche 
Regierung die Fufel, welche ſeit 1664 der Oſtin— 


741 


nia prima geſchlagen, der Reſt gehörte zu Yyon- 
nais. Dann kam es an die WGothen u. von 
diejen, nad) Chlodwigs Sieg über Alarih IL, 507 
an die Franken u. machte wieder einen Theil von 
Aquitanien aus; im 10. Jahrh. kam e8 unter die 
unmittelbare Lehusbarkeit der Krone u. ward eine 
der 3 Hauptbaronien des Reiches. Als Stamm- 
vater der Herren (Sires) von B. (Altere Linie B.) 
gilt Adhemar, Verwandter Karl Martells, weicher 
diefe Herrichaft aus großen Gittern, welche jeine 
Borfahren in Auvergne, Charolois u, Autunois 
gehabt hatten, erlangte. Unter feinen Nachlont- 
men nannte fi Arhambault I. zuerft mit dem 
Namen B. Die Letzte des Geſchlechtes, Beatrir, 
war vermählt mit Robert Grafen von Kiermont, 
Sohn Yudwigs IX., mwodurh das Haus B. in 
directe Verwandtſchaft mit deu Gapetingern trat 
u. die Erben von B. den Titel als Grafen von 
Elermont annahmen. Nah Beatrir’ Tode folgte 
1310 ihr ältefter Sohn Ludwig I. der Lahnie, 
wurde 1327 von Karl IV, zum Herzog von B. 
ernannt und ftarb 1854. Seine Söhne bildeten 
2 Linien, nämlih: a) Die ältere herzoglide 
Linie, geftiftet von Peter I., Ludwigs Sohn, 
welcher 1356 bei Poitiers fiel; fein Sohn Lud— 
wig II, der Gute, war mit König Johann als 
Geigel in England u, kehrte 1360 nah B. zuück; 
er wurde nad Karls V. Tode (1380) einer ver 
4 Vormünder Karls VL, unternahm 1390 eine 
Erpedition gegen die afrilanischen Naubjtaaten, 
erbte 1401 Beanjolais u. fl. 1410. Sein Sobn 


digen Compagnie überlaſſen worden war, 1774| Johann I. wurde 1415 bei Azincourt von 


wieder in Befig nahm. Während der Revolution 
erhielt fie den Namen Reunion u. feit 1809 Bo- 
naparte; 1810 nahm fie der Admiral Abercromby 
fiir die Engländer in Beſitz; infolge des Pariſer 
‚sriedens fan fie 1814 wieder an Frankreich und 
erhielt ihren alten Namen B. wieder. Nach der 
Februarrepolution 1848 wurde der Inſel wieder 


den Engländern gefangen und ſtarb 1434 in der 
Gefangenschaft; fein Sohn Karl I., ein Kriegs- 
held, welcher die Befizabtretung eines Theils jei- 
nes Landes zur Befreiung feines Baters verweis 
gerte, war in die damalıge Affaire mit England 
u. in die Berfhwörung gegen König Karl VIL 
verwidelt umd fl. 1456. Da Johann II. der 


der republitaniihe Name Isle de la Reunion bei- Gute, welcher 1450 die Engländer bei Formigny 


gelegt. Da durch Decret der VBroviforifchen Re- 
gierung die Siaverei im allen franz. Befigungen 


ihlug, 1487 ohne Erben ftarb, fo folgte ihm jein 
Bruder Karl IL, Erzbifchof von Laon. Wit die 


aufgehoben war, jo machten die Negerfllaven auf ſem erlofch 1488 dieje Linie, u. das Herzogthum B, 


B. (1847 106,308 an der Zahl) ım November 
1849 einen Aufftand, durchzogen plündernd und 
brennend die Inſel u. nahmen den Regierungs- 
commiffar, Sor da Garriga, gefangen. infolge 
der ftrengen abfolutiftijhen Regierung brach 2. Dec. 
1868 eine Empörung der Bevöllerung aus, welche 
durch die Negierungstruppen blutig unterbrüdt 
wurde, Bgl. Bory de St. Vincent, Voyage aux 
quatre iles d’Afrique, Par. 1804, 2 Bde.; Tho- 
ınas, Essai statistique sur lile de B., ebd. 1828, 
2Bde. Maillard, Notes sur l’ile de la Reunion, 
ebd. 1863, 5) Eounty im nordamerik. Umonsftaate 
Kanjas, unter 37° n. Br. u.94° w. %,; 15,076 E.; 
Countyſitz: Fort Scott. 6) Commty im nordam. 
Unionsftaate Kentudy, unter 38° m. Br. u. 84° 
w. L.; 14,863 Ew.; Countyſitz: Paris. 
Bourbon, franzöfiiche Landſchaft u. ehemalige 
Provinz, welche jpäter Beurbonnois bieß u. von 
Nivernois, Berry, Auvergne, Bourgogue begrenzt 
war; war zur Römerzeit von den Aduern, Ar- 
vernern u. Biturigern beſetzt; zu Erfteren kamen 
zu Cäſars Zeit noch die Bojer. Unter Kaijer 


fam an Peter Grafen von B.-Beaujolais, einer 
von Ludwigs II. Nachlommen gegründeten Seiten- 
linie. Er war vermählt mit Anna, Tochter des 
Königs Ludwigs XL, u. während der Diinderjäh- 
rigteit Karla VIII. einer der Reichsregenten. Da 
er bei feinem Tode (1503) nur eine Tochter, 
Sufanne, hinterließ, fo machte diefer der Conne- 
table Karl von B. das Erbe ftreitig, aber durch 
des Königs Ludwig XII. Vermittelung heiratheten 
fi Beide, u. jo wurde der Eonnetable als Karl Ill. 
Herzog von B. (ſ. Bourbon 1). Mit ihm erloſch 
1527 das Herzogthum, nachdem dieje — 
ſchon 1523 an die Krone gelommen waren. b) Die 
jüngere berzoglide Yinie, B,-Bendöme, 
zu weldyer alle jetzt noch beftehenden Zweige des 
Haufes gehören, gründete Jacques, Graf de 
la Marche (ft. 1362); fie ſpaltete ſich mir feinen 
Nahlommen im 6. Grade mieder in das Fönigl. 
Haus B., welhes mit Anton auf den Thron 
von Navarra u. mit defien Sohy Heinrih IV. 
1539 auf den von Frankreich gelangte. Mit Phi« 
lipp von Anjou, jüngeren Entel Ludwigs XIV., 


742 Bourbon — 


Borbonnais, 


erlangte es aud den Thron von Spanien, mit rih \I!I. von England überzuiveten. Er ver— 


deſſen zmweitem Sohne Philipp den von Parma, 


trieb nun an der Spike der Kailerlichen -1524 


mit.dem zweiten Sohne Karls TIL von Spanien, | Bonnivet aus Italien u. wollte nad Lyon ver- 
Ferdinand IV. (1.), denjenigen beider Zitilien. dringen, um fo in die Nähe feiner Anhänger zu 
Philipp, jüngerer Bruder Ludwigs XIV. pi ge u. ein eigenes Heer zu bilden, . mut Dem 


veich, fliftete. das Haus Orleans, welches mit jeinem 


er die ihm von Karl V, als Königreih zugejagten 


5. Nachtommen Ludwig Philipp 1850 auf den! Provinzen Daupbine u. Provence behaupten fonnte; 


franzöfiichen Thron fam, von welchem die ältere 
Sinie B. zuerft mit Ludwig XVI. 1792 u. wieder 
mit Karl X. 1830 vertrieben ward, welches aber 
1848 das nämliche Schidfal erfitt, Karls X. Eutel 
Heinrib, Graf von Chambord, betrachtet fih als 
rechtmäßigen König von Frankreich unter dem Na- 
men Heinrih V. Prätendent der Linie Orleans 
auf den franzöfifhen Thron ift Ludwig Philipp, 
Graf von Paris, Enlel König Ludwig Philipps, 
erkannte jedoh 1873 nad langen Verhandlungen 
ſcheinbar die Rechte Chambords an. Die franz. 
Nationalverfammlung bob 8. Juni 1871 die Ber 
bannungsdecrete gegen das Haus B. auf. In 
Parma wurde das Haus B. 1859 mit dem min— 
derjährigen Herzog Robert, in Neapel 1860 mit 
Franz II. des Thrones verluftig u. dieſe Länder 
mit dem Königreih Italien vereinigt. In Spa- 
nien verlor es 1868 mit Jſabella IT. (der jeit 
1833 regierenden Tochter König Ferdinands VII.) 
den Thron, gewann ihn aber wieder Ende 1874 
mit ihrem Sohne Alfons (f. d. 28) XII., während 
Karl, der Enfel von Ferdinands VII. Bınder, 
fih durch Bürgerkrieg die Krone zu erringen 
iucht. Eine Nebenlinie des Haufes B., Conde, 
durch Antons Bruder Ludwig gegründet, fpaltete 
fih im 17. Jahrh. in die Linien Eonde u. Conti, 
ron denen erftere 1830, letztere jhon 1814 aus— 
farb. Näheres ſ. u. Franfreih, Spanien, Ita— 
lien, Sicihien, Parma ꝛc. Bgl. Eoiffier-Demoret, 
Hist. du Bourbonnais et des Bourbons, War. 
1828, 2 Bde.; Duffieur, Genealogie de la mai- 
son de Bourbon, ebd. 1869. 

Bourbon, beionders merkwürdige Perſonuen 
ans diejer Familie: 1) Karl, Herzog von B., 
gewöhnlihd der Connetable B. benannt, geb. 
14. Febr. 1490, zweiter Sohn Gilberts von Bour- 
ben, Bicelöntgs von Neapel. Er ward, da jein 
älterer Bruder ftarb u. er feine Baje Sufaune, 
weicher die Herzogthümer Bourbon, Auvergne ı. 
Chatellerault von Ludwig XII. zugeſprochen wor- 
den waren, heiratbete, der reihfte Mann in Frank⸗ 
reih. 1507 zeichnete er fi > Genua, 1509 
gegen Benedig, 1512 gegen Spanien aus u. be- 
bauptete 1514 Burgund gegen die Schweizer. 
Er begleitete, 1515 zum Connetable ernannt, den 
König nah Ftalien, erfocht den Sieg bei Ma— 
rignano u, ward Gouberneur von Mailand. Hier 
widerftand er mit geringen Kräften dem Kaifer 
Marimiltan, ward aber auf Betrieb der Königin 
Mutter, Lniſe von Savoyen, verw. Herzogin von 
Angouleme, die ihn liebte, deren Hand er jedoch 
nah dem Tode feiner Gemahlin ausihlug, von 
feinem Gonvernement abberufen. Nach dem Tode 
jeiner Kinder machte Luiſe ihm die Erbichaft fei- 
ner Gemahlin ftreitig, u. das Parlament ſprach 
dem Gonnetable die Grafichaft de la Marche ab, 
welche Luiſe erhielt, u. ließ ihm nicht einmal jei- 
nen Sold auszahlen. Hierdurch verlegt, ließ er 
fid 1523 verleiten, zu Kaifer Karl V. u. Hein- 


allein des Kaifers Befehl zwang ihn, nach War- 
jeille zu gehen. Der Zug mißlang, u. Zranz L 
fam gleichzeitig mit ben fih Zurüdziebenden in 
Mailand an. Er jchlug 24. Febr, 1525 den K- 
nig Franz bei Pavia, nahm ihn gefangen u. führte 
ihn nah Madrid, um dort in feinem Fnterejie 
zu wirlen; aber Karl V. ſchickte ihn in Die Yom- 
barbei zurüd. Bei jeiner Freilaſſung (1526) wer- 
ſprach zwar Franz I., dem Gonnetable alle Güter 
zurüdzugeben, bielt aber nit Wort. B. war 
daher bloß auf Mailand beichräntt, u, dies fand 
er völlig ausgeplündert u. von einem ziägelloien 
Heere befegt. Um das Berlangen des Heeres nad 
Sold zu befriedigen, unternabm er 1527 einen Zug 
gegen Rom, wo er 5. Diai eridhien, die Stadt 
jtürmen ließ, dabei aber am folgenden Tage durch 
eine Flintenkugel getödtetn. zu Bakta beerdigt wurde. 
2) Karl von B., gen. der ältere Gardimal 
B., geb. 22. Dec, 1520, Sohn Karla von Ben- 
döme, Herzog von Vendöme, Gardinal, Erzbiicher 
zu Rouen u. päpftlicher Yegat von Avignon; ward 
auf Befehl Heinrichs III. zu Tours gefangen ge- 
jet, weil man ihn nad der Ermordung des Her- 
zogs von Guiſe fürdhtete. 1589, nach der Er- 
mordung Heinrichs ILI., ward er vom Herzog von 
Mayenne als Gegenlönig Heinrihs IV. unter dem 
Namen Karl X. zum König proclamirt nm. vom 
Parlament anerkannt; er jelbft wollte Die Krone 
nicht annehmen, ward jedoeh aus Vorſicht ven 
Heinrih IV. gefangen gehalten u. fl. 9. Mai 1590 
zu ontenaisle-Comte. 3) Karl von B., nen. 
der jüngere Cardinal ®. oder der Cardinal 
von Bendöme, geb. 1562, Sohn Ludwigs von 
B.⸗Condé; trat nach Heinrichs III. Tode an vie 
Spige der Partei, welche Heinvih IV. nur, wenn 
er der proteftantifchen Lehre entfagte, anerkennen 
wollte, u. behauptete, ebenfalis ein näheres Necht 
auf den Thron zu haben, als Heinrih IV.; er 

ft. 30. Juli 1594. 4) Yudwig Marie von 8, 

geb. 22. Mai 1777, Sohn des Infanten Louis, 

des Bruders Karls III. von Spanien, Cardinal 

u. Erzbiſchof von Toledo; trat nach Ferdinands VII. 

Berbaftung zu Valençay an die Spige der Tors 

tes u. verlor, weil er die Konftitution der Cotres 

1814 dem König zur Unterjchrift vorgelegt batte, 

fein Bisthum; nach der Reftauration 1820 wurde 

er in den Staatsrarh berufen u. fi. 19, März1823, 

Bourbonifdje Höfe, die aus dem Hauje Bour- 
bon ſtammenden Regentenhäujer; es waren j. 3. 
die Höfe von Franfreih, Spanien, Neapel (Sic 
lien) u. Barma (j. Bourbon); fie waren durch den 
a Arne ig (Bourboniihen Haus- 
vertrag) 15. Aug. 1761 verbunden (j. Spanien, 
Geih., u. Frankreich, Geſch.). 

Bourbonnais, Landſchaft faft im Mittelpuntte 
Hranfreihs, zwiſchen Bourgogne, Auvergne, Berry 
u. Nivernois; bildete das Herzogtbum Bourbon; 
war vor der Revolution eigenes Goupernement; 
unifaßte 7890 ) km (143,, [M), deren Haupt- 








Bourbonne-les-Bains — Bourée. 


743 


theil dermalen das Dep. Allier bildet, während|geln, Violons x. 2) Bei Mufifftüden der ſteté 
andere anfehnfiche Theile dem Dep. Puy-le-Döme, den nämlichen Ton angebende Baf. 


Heinere den Dep. Ereufe u. Eher zugetheilt find; 
Hauptftadt: Moulins. 

Bourbonne-led-Bains, Stadt im Arrond. 
Langres des franzöfifhen Dep. Ober- Marne, an 
der Apamce, Station der OBahn; 4274 Em,; 
berübmte ſaliniſche Schwefelquellen von 40° bis 
46° R., ſehr reich an feften Beftandtbeilen, vor: 
züglich ſalzſaurem Kalk, Kochfalz, kohlenſaurem u. 
ſchwefelſaurem Kalt; man benutt fie meiſt äußer- 
ich, auch al8 Tropfbad u. Schlammbad; die be- 
rübmtefte Quelle ift La fontaine chaude; großes 
Militärhofpital; Fabrilen von Mützen u. feinen 
Meffern, Gerberei; Ruine eines alten Caftell u. 
einer römischen Wafferleitung. 

Bourbon-Palme, j. Latania. 

Bourbon-Bendee, ſ. Roce-fur-Non, 2a. 

Bourboule, Dorf im Arrond. Elermont des 
franz. Dep. Puy de Döme, an der Dorbogne; 
allalifche Kochfalztherme (254° R.). 

Bourbonrg (Bourbourg-Bille), Stabt im Arr. 
Dünkirchen des franz. Dep. Nord, am gleihnami- 
gen Kanal, Station der Norbbahn; Färberei, 

rauerei, Fabriken von Seife, DI, chemiſchen Bro- 
ducten, Rübenzuder, Leinwandbleichen, Gerberei, 
Ziegelei; Handel mit Bieh, Butter, Getreide; 
2574 Em. Bourbourg-Campagne, Gemeinde 
mit 2493 Em, 

Bourdaloue, Lonis, berühmter franzöfiicher 
Kanzeirebner, geb. 20. Aug. 1632 in Bourges; 
wurde Jeſuit u. Lehrer der Moral an der Ala- 
demie zu Bourges u. 1668 an den Hof berufen, 
mo er jeit 1670 die Advents- u. Faſtenpredigten 
hielt. Nah Widerrufung des Edicts von Nantes 
fandte ihn Ludwig XIV. 1686 nad Yanguedor, 
um die Protefianten zur fatholiichen Lehre zu be- 
fehren. Er bemies dabei eine jeltene Mäßigung. 
In feinen legten Jahren widmete er fih der Krau— 
ten«, Armen» u. Gejangenenpflege. Er ft. 13. Mai 
1704. Als Kanzelredner wird er von Boifuet an 
Pracht der Rede, von Maifillon an Tiefe u, In— 
nigfeit übertroffen, fteht aber über ibnen im der 
Klarheit der Darjtellung u. der logiſchen Kraft 
feiner Beweiſe. In feiner Vaterftadt wurde ihm 
ein Denkmal errichtet. Seine Werke geſammelt 
von P. Bretonneau, Par. 1704, 14 Bde, Sein 
Leben von Yabouderie, Par. 1825; St. Amand, 
Bourges 1842. Löffler.” 

Bourdelais, in jpäterer Zeit Bordelais; ſ. d. 

Bourdigne, Charles de B., Priefter in An- 
jeu; lebte ın der erften Hälfte des 16. Jabrhun- 
derts; fchrieb: La legende de maistre Pierre 
Falseu (franzöſiſcher Eulenfpiegel), Angers 1532, 
Par. 1723. 

Bonrdin, Maurice, aus Limouſin; wurde 
Biſchof von Coimbra u. 1110 Erzbiichof von Braga; 
vom Papfte Pascal II. zum Katjer Heinrich V. ge- 
fendet, fam er mit dieſem bald in ſolches Einver— 
ftändniß, daß ihn der Bapft ercommunicirte. 1118 
ließ ihn Heinrih V. als Gregor VIII. zum Ge— 
genpapft von Gelaſius II. wählen, aber er floh 


Bourdon, Sebaftien, Maler u. Rupferftecher 
eb. 1616 in Montpellier; lebte jeit feinem 14. 
abre in Borbeaur, dann in Touloufe, ging pä- 
ter nah Rom, mo er Bilder älterer Meifter co« 
pirte, dann nach Paris, wo er die jetst im Louvre 
befindliche Kreuzigung Petri fir die Kirche Notres 
Dame malte, Beim Nusbruche des Bürgerkrieges 
begab er fih nah Schweden, wurde unter der 
Königin Chriftine erſter Hofmaler, kehrte nad 
Paris zurid, als die Königin abdanfte, u. ft. 8. 
Mai 1671 als Nector an der Malerafademie in 
Paris. Er verfolgte die Richtung Pouffins, ar 
beitete in allen Genres der Malerei u. war zu 
feiner Zeit als Maler jehr geſchätzt, fo daß viele 
feiner Gemälde in Kupfer geftochen wurden. Seine 
Arbeiten find voll Feuer u. von bezaubernder Frei- 
heit. Er ägte ſelbſt 120 Blätter nach eigenen Zeich— 
mungen, unter denen die 7 Werte der Barnıber- 
zigteit die befannteften find, Der tiichtige Yand- 
ichafter Guillerot, Monier u, Friquet de Yaurofe . 
find feine Schüler. 2) Franc. Louis B. de 
’Dife, geb. um 1750 zu Remy, Sohn eines 
Bauerd; war Parlamenisprocurator zu Paris, 
dann Mitglied der Nationalverſammlung u. einer 
der eifrigften Republitaner. Nach feiner Nüd- 
fehr aus der Vendée änderte er fein Syitem, 
trug diel zum Sturze Dantons, Heberts u. No- 
bespierres bei, nahm Lebteren gefangen, wurde 
dann Mitglied des Nathes der Fünfhundert u. 
entfchiedener Gegner der Nepublilaner u. Genojie 
der Royaliſten; jpäter vom Directorium 4. Sept. 
1797 auf die Broferiptionslifte geſetzt, ward er 
nad Cayenne verbannt, wo er in Sinnamary ftarb. 
3) Leonard B. de fa Erosniere, geb. 17:% 
in der Nähe von Orleans; war Director einer 
Erziebungsanftalt in Paris, trat 1789 als befti- 
ger Agitator der revolutionären Partei auf und 
wußte feine Wahl zum Eonvent durchzuſetzen; als 
Regierungscommiffar nad) Orleans geichidt, ver 
fuhr er terroriftiih gegen die monarchiſch Gefinn- 
ten u. ließ gegen die Ordre die unfchuldig Ber- 
bafteten nach Berfailles abfübren, wo fie vom 
Pöbel mit feinem Vorwiſſen niedergemegelt wur- 
den. Im Convent gehörte er zu den Wüthenden, 
u. wegen feiner erfolglofen Vertheidigung Vincents 
u. Ronſins (1794) wurde er Robespierres Feind 
u. hatte großen Antheil an den Ereigniſſen des 
9. Thermidor, Am 1. April 1795 murde er als 
Theilnehmer an der Jacobinifhen Verſchwörung 
verhaftet, jedoch am 25. Oct. ammeftirt. Obgleich 
in Berruf, wurde er doch in den Rath der yünf- 
bundert gewählt u. von dem Directorium zur 
Übermwadung der Emigranten nah Hamburg 
gefhicdt. Von dort zurücdgelehrt, übernahm er 
wieder die Feitung einer Elementarjhule Er ft. 
1805 in Paris, 1) Regnet.* 
Bonrdonnet (fr., Charpiewidel, Charpierolle, 
Ehir.), geordnete Eharpiefäden, ‚zu Rollen von 
verſchiedener Dide u. Yänge zufammengelegt, zur 
weilen plattgedrüdt. Man legt fie zwiichen ‘Theile, 


nad) Sutri, wurde an des Gelaſius Nachfolgerderen Berührung man verhüten will, 5. DB. zwi⸗ 
Ealirt II. ausgeliefert n. ft. 1122 im Gefängniß ſchen die Ränder einer eiternden Amputationg« 


zu Fumone bei Alatri; f. u. Päpfte, 


ourdon (fr.), 1) die tieffte Stimme bei Or- 


wunde. 
Bourde, Nicolas Proſper, franz. Diple- 


744 Bourg — Bourges. 


mat, geb. 1811 zu VBonlogne-fur-Der; trat 1836 mühle, Biegeleien; Holzbandel; 3591 Emw.; dabei 
beim Minifterinm des Auswärtigen in den Staats- | bedeutende eo. Aufenthaltsort des tür 
dienft, wurde 1840 Conſul zu Beirut, 1846 Ge⸗ kiſchen Prinzen Diem (1482). 
neralconful, als welcher er bei der neuen Orga-| Bonrg de Peage, Stadt im Arr. Balence 
nifatton der Libanonvöfter mitwirfte, wohnte 1851|de# franz. Dep. Dröme, links an der Iſere, Sta- 
ale Gefchäftsträger in Marolfo der Beſchießung tion der Yyoner Bahn; Seidenraupenzuct, Seiden- 
von Saleh bei, wurde 1852 Gefandter in China, ſpinnerei u, Seidenweberei, @erberei; 4920 (Em. 
erhielt 1853 und 1854 Aufträge, die Türkei zu) Bonrgelat, Claudius, Begründer der Thier- 
erforjchen, ging 1855 als Gejandter nach Teberan, heillunde in Frankreich, geb. 1712; war urſprünglich 
wo er einen Handelsvertrag mit Perfien ſchloß, Juriſt, verließ dann diefe Laufbahn, weil er eınen 
mußte 1859 mährend des talieniichen Krieges |von ihm felbft für ungeredht gehaltenen Proceß 
die Stimmung in Deuticland auslundſchaften, gewonnen hatte, trat unter das Corps des Mous- 
ſah als Gefandter in Griechenland (1860—63)|quetaires, zeichnete fi) bald als Reiter aus, fam 
den Sturz des Königs Otto, wurde 1864 Ge-jals Reitlehrer an die Lyoner Alademie, fiudirte 
ſandter in Portugal, wo er wieder einen Handeld-|nebenbei Medicin und gründete 1762 die erfte 
vertrag zu Stande bradte, 1866 aber in Con-| Schule für Thierärzte in Frankreich, die ſich ba 
ftantinopel, wo er den Sultan bewog, die Welt-leines europäiſchen Rufes erfrente. Der erſte Plan 
ausftellung in Frankreich zu befuchen, u. 1868 einen|zur Errichtung einer ſolchen gebt eigentlich von 
einen Bertrag bewirkte, der den Franzoſen basjtafoffe dem Füngeren aus, m. er verbanft feine 
Recht verlieh, ın der Türkei Eigenthum zu erwerben. | Entjiehung höchſt wabricheinfih den anregenben 
Dourg, I) Bourgsen-Breife, Hauptftadt des Ideen des deutihen Arztes Cothenius, General- 
geichn. Arr. u. des franz. Dep. Ain, ander Reyſſouſe, ſtabsmedicus zu Berlin. B. wurde im J. 1768 
Station der Linie Paris-Lyon-Mittelmeer; ſchöne zur Direction der neu errichteten fönigl. Beteri⸗ 
Hauptkirche u, die merhwürbige Brousfirche mit den närſchule zu Charenton bei Paris, die ſpäter nad 
reihen Maufoleen des Hanjes Savoyen; Präfec- | Alfort verlegt wurde, berufen, zu deren Erricht⸗ 
tur, Gericht 1. Inſtanz; Lyceum, Normalichule,jumg wieder Lafofie den meiften Anlaß gegeben 
Zaubftummenanftalt, Zrrenanftalt; Societe d’emu-|batte. B. war ein vieljeitig, aber teineswegs 
lation u. Mediciniſche Gejellichaft; Bibliothel von gründlich wiſſenſchaftlich gebildeter Mann; feine 
25,000 Bon., Muſeum, Botanischer Garten; außer: Wirfjamfeit als Lehrer u. Schriftfteller trifft der 
balb der Stadt ein Hofpital, umgeben von Gär-|große Vorwurf, daß fie fi zu wenig auf Beob» 
ten; ſchöner Spaziergang, Dental des Generals | ahtungen an Thieren ftügte u. fat ausſchließlich 
Foubert, Bronzeftatue von Bichat; Töpferei, Mi- auf Übertragung der damaligen menichenärztlichen 
neralwafjerfabrifation, Bijouterie; bedeutender |Anfichten in die Thierheillunde ohne alle wirklich 
er mit Getreide, Vieh u. Geflügel; 14,280 thatſächliche Begründung befchräntte, was der 
w. — B. wurde im 12. Jahrh. von den Herren|eben werdenden Thiermedicin einen gelehrten An- 
von Beauge angelegt; Guido von Beauge gab ſtrich, aber kein folides Fundament verlich. Er ft. 
ihr zu Ende des 13. Jahrh. die Rechte einer|3. Jan. 1779. Wichtigſte Werke: Elöments d’kip- 
reiftadt; 1515 wurde hier ein Bisthum errichtet, | piatrique, yon 1750—583, 3 Bde.; Maticre 
das 1535 wieder mit Pyon vereinigt wurde; 1535 medicale ou preeis des medicaments ete., ebend. 
tam die Stadt von Savoyen an Frankreich und 1765; L’art veterinaire, ou medecine des ani- 
erft wieder am Herzog Emanuel Philibert von/maux, Par, 1767. Shuibt. 
Savoyen zurüd, als diefer Margarethe von Ba-}| Bourgeois (fr.), Bürger, zum Unterfchiede von 
lois heiratbete; diefer ließ 1569 die Eitadelle an-|Eitoyen, weldes jeden Staatsangebörigen bezeich⸗ 
legen. Deflen Sohn, Herzog Karl Emanuel, net, ift B. jede nicht-adelige, gemwerbtreibende n. 
mußte 1601 B. an König Heinrih IV. abtreten; |vermögende Perfon, welche das Ortsbürgerredht 
1611 wurde es gejchleift; 1815 wurde bie Stadt von u. die damit verbundenen Nugungen befittt; daber 
den Ofterreichern beſetzt. 2) B.:jur-Giromde,/Bourgeoijie, Biürgerichaft, Sürgerftand, tm 
Stadt im Arr. Blaye des franz. Dep. Gironde,| Gegenſatze einerjeits vom Adel (Ariftofratie), an 
rechts am Einfluß der Dordogne in die Gironde, berfeits von den bloßen Ortseinwohuern (ebimals 
Station der Drleans- Bahn; Weinbau; Stein- Nachſaſſen od. dgl.), die von den Ortsnutzungen 
brüche; Heiner Flußhafen; ftarte Weinausfuhr; ausgeſchloſſen waren, dann in der Neuzeit be- 
2735 Em, jonders vom Arbeiterftande, den Arbeituehmeru 
Bourg, Anne du, geb. 1521, von edler Her-|(Ouvriers, Profetariat). 
funft, aus der Auvergne gebürtig, Neffe des Kanz-| Bourgeois, Anicet, franz. Schaufpieldichter, 
ler von Frankreich, berühmter Jurift, königl. geb. 25. Dec. 1806 in Paris; geft. 18. Jan. 1871 
Parlamentsrath; wurde wegen freimlüthiger Au- in Pau, Er war lange Zeit Mitarbeiter. Aler. 
Berungen gegen den König Heinrih II. im Par- Dumas’ des Alteren an deſſen Dramen, jo an 
lament 1559 eingelerfert u. nach deflen plößlichem|Angele, Catherine Howard u. Caligula, welch 
Tode in demfelben Jahre auf Betreiben des Car- letztere Tragödie er zum größeren Theil allein 
dinals von Guiſe wegen feines Belenntnifjes zum ſchrieb. 
reformirten Glauben 21. Dec. auf dem Gröveplage! Bourgeoidmwein, die mittleren Sorten von 
zu Baris erdroffelt u. verbrannt. zöffler. Bordeaugf- u. anderen franzöfiichen Weinen, wahr⸗ 
Bourganenf, Hauptitadt des gleichnamigen ſcheinlich uriprünglic Weine, welde die Bourgeois 
Arrondiffements im franz. Dep. Ereuje, am Tho⸗ als Ortsbürger vom Gemeinbeeigentfum zu be 
rion, Station der Orleans-Bahn, im ſchöner Lage; ziehen hatten. 
Porzellanfabrit, Hanfleimmandmwebereien, Papier-| Bonrged, Hauptftadt des gleichnamigen Ar- 


t 


| 


Bourges⸗les⸗Bains — Borgoing. 745 
rondiſſements im franz Dep. Gher, fowie des ſteht mit ber Rhöne in Berbindung; Hafen bei 
Departements, am Zujammenfluffe des Auron u. obigem. 8) Ce B., Dorf im franz. Dep. Seine 
der More u. an der Orleand-Bahn, 155 m über|bei Paris; war während der Eernirung von Paris 
dem Meere, fait genau im Mittelpunfte von yrant- | (1870/71) durch die VBorpoften des preuß. Garde⸗ 


reich; batte fonft ftarte, mit 80 hohen Thürmen 
verjehene Mauern (wol Römerwerl); Schloß (fonft 
Nefidenz der Herzöge von Berry); Erzbiichofsfig; 
Präfectur, Gericht 1. u. 2. Inſtanz, Handelöge- 
richt; großes u. kleines geiftliches Seminar, Uni- 
verfitätsatademie, College, gothiſche Kathedrale, die 
St.Bonnet⸗Kirche mit prachtvollen Glasgemälden, 
das gothiſche Stadthaus u. das Hotel Yallemant, 
ein Kunſtwerk der Renaiffance; Irrenanſtalt, gro- 
Bes Hojpital; Minz-, Gemälde- u. Alterthümer⸗ 
fammlung, öffentliche Bibliothef von 28,000 Bon. ; 
Geſellſchaft für Alterthümer, Geſchichte u, Statiftif, 
für Aderbau; Theater (brannte-im März 1856 
ab); Bank; 5 Eifenguellen (Fontaine de St. Firmin 
od. Fer); 
Zud- u. 





corps bejett, welche durch einen Ausfall 28, Oct, 
1870 zurüdgebrängt wurden. Am 30. Oct, wurde 
das von den Frauzoſen ſehr ſtarl bejegte Dorf 
in äußerft biutigent Gefechte: durch die 2. preuß. 
Gardedivifion (General v. Bubrigfi) wieder ge: 
nommen, Bei dem Ausfalle 21. December 1870 
nahmen die Franzoſen Le B., wurden aber bald 
wieder daraus vertrieben. Vgl. Bellemare, Les 
trois journses de B., Par. 1872. _ 
Bourgfontaine (Gejellihaft von B.), Kloſter 
in der Normandie, Zur Zeit der Fanfeniftischen 
Streitigkeiten wurden von dem Jeſuiten obne allen 
Beweis 7 nicht genannte, aber deutlich bezeichnete 
u. als Janſeniſten belannte Männer beichuldigt, 


oße Kanonengießerei, Salpeterfiederei, ſich in B. ſchon 20 Jahre vor Anfang des Jan— 
fierfabrilen, Gerberei; Handel mit e- ſeniſtiſchen Streites zur Ausrottung des Chriften- 


treide, Wein, Wolle, Hanf, Holz, Eifen zc. Geburts |thums verbunden zu haben. Noch 1764 erſchien 
ort von Bourbalone, Bonder u. Ludwig XL, welder|zu Augsburg: Veritas coneilii Bourgfontanii. 


1464 die Univerfität gründete; 31,312 Ew. B. ift 


Bourg-la-Neine (in der Revolution Bourg 


das alte Avaricum, welches die größte u. durch die/d’Egalite), Marktfleden im Are, Sceaur des franz. 


Umgebung 


vom Fluſſe Avara m. von Sümpfen|Dep. Seine; Fayencefabrik; 2186 Ew.; Sterbe⸗ 


feſteſte Stabt der Cubiſchen Bitnriger (daher auch ort Florians. 


Biturigum, Bituricum, ſpäter Bituricä) im Aquita- 


Bourg⸗les⸗⸗Balence, Stadt im Arr. Valence 


niſchen Gallien war. Cäſar eroberte es 52 v. Chr. des franz. Dep. Dröme; 3536 Ew. 


u, ließ faft alle Bewohner niederbauen, Inter 


Dourgnenf, Stadt und Hafen im Arrond. 


Auguftus wurde es Hanptftadt der Aquitania | Paimboeuf des franz. Dep. Nieder-Loire, an der 
prima; fam mad der Eroberung Aquitaniens Bai Bourgneuf (mit mehreren Inſeln); Salz- 


duch die Franken an Neuftrien, dann an Aqui— 
tanien; 585 wurde B. von Chilperichs I. Feld⸗ 
beren, Defiderins, eingenommen. Unter den Ka— 
rolingern befam es eigene Bicomtes dur König 
Rudolf von Burgund. Als diefe gegen das Ende 
des 11. Jahrhunderts mit Stephan im Diannes- 
ftamme ausftarben, fam die Grafichaft an die 

erren von Dun, welche diefelbe 1100 au König 

bilipp I. verlauften. Bon den 7 bier gehaltenen 
Biturigenfiihen Concilien war das wichtigſte das 
1438 unter dem Borfige des Königs Karl VII. 
abgehaltene, wo das Eoncil zu Bajel, mit Ber- 
—— des von Ferrara, von der Gallicaniſchen 
Kirche beſtätigt wurde. Zugleich wurde durch die 
Pragmatiſche Sanction das königliche Hecht gegen 
den Papſt ſichergeſtellt. 1412 hier Bergleich 
zwiſchen Karl VI. u. dem Herzog von Burgund. 
Karl VII. reſidirte hier im Anſange ſeiner Re— 
gierung. 1562 eroberte Montgomery B. für 
bie Hugenotten, mußte es aber dem Herzog von 
&uife wieder räumen; dann hielt es B. mut ber 
Lique, bis es fih 1594 an Heinrich IV. ergab. 
Hier bielt ih Don Carlos nad jeiner Flucht aus 

panien vom September 1839 bis Augufi 1845 
auf u. unterzeichnete 18. Ma; 1845 die Abdant- 
ungsacte zu Gunften feines Sohnes Carlos, Prin- 
zen von Aſturien. 


Bourges⸗les ⸗Bains, jo v. w. Bourbon lArs Latour du Pin des franz. Dep, 


&hambault. 


bereitung; Handel mit Branntwein; Aufternfiiche» 
rei; großer Cromlech; 2837 Em. 

Bonrgegne, fo v. w. Burgund, 

Bourgogne, ein« u. zweifarbiges, berfanartiges 
Zeug von Abbeville. 

Bor ogne, Louis Herzog dv. B., geb. 6. Aug. 
1682 in Berjailles, Sohn des ogen. großen Dau⸗ 
phins Ludwig, Eulel Ludwigs XIV., Bater Yud» 
wigs XV.; wurde von Fenklon erzogen, der feine 
frühere Unbändigfeit zügelte, aber auch jeinen 
Sharafter verdarb. Er vermählte ſich 1697 mit 
Übdelheid von Savoyen, in deren Gefellichaft er 
ganz weibiih und bigott wurde; gleichwol erhielt 
er 1702 unter bem Herzog von Vendöme das 
Obercommando der Armee in Flandern; 1703 
nahm er Alt-Breifadh, aber mit dem Herzog von 
Bendöme entzweit, verlor er das Bertrauen der 
Armeen. dieje das Kriegsglüd, wie denn die Fran— 
zojen 1708 bei Oudengarde gejhlagen wurden u. 
rille verloren. 1711 wurde er, da fein Bater ger 
ftorben war, Dauphin u. nahm fich der Negier- 
ung an. Am 18, Febr. 1712 ft. er plötzlich, und 
man gab dem Herzog von Orleans, nachmaligem 
Regenten, Schild, diefen Todesfall, ſowie den faft 
gleichzeitigen feiner Gemahlin Adelheid von Sa— 
poyen durch Gift verurſacht zu haben. 

Bourgoin, (jonft Bergufia), Stadt im Arr. 
Iſere, an der 
Bourbre, Station der Lyoner⸗Bahn, in fruchtbarer 


Bourget, 1) Marktfleden im Arr. Chambery Ebene; Gericht 1. Inſtanz; Baumwollenipinne- 


des franz. Dep. Sapoyen; 1710 Ew.; Geburtsort |reien, viele Mühlen, Fabrikation von ftarker Lein⸗ 
bes Grafen Amadeus V. von Savoyen u. Begräb: |mand, Galicot, Indienne, Rübenzucker; lebhafter 
nißort mehrerer Herzöge von Savoyen. 2) See Handel mit Mehl, Wolle u. Hanf; 4954 Em. 

bei diefem Orte, 227 m ü. M., 16 km lang u.| Bonrgoing, i) Jean François, Baron d, 
5 km breit, 80. m tief; ſehr fiichreich (Lavarets);|B., franz. Diplomat, geb. 20. Nov. 1748 im 


746 


Nevers; nahm 1767 als Offizier Militärdienite 
u. wurde nachher im diplomatischen Fache ver» 
mendet; er war erft Gejanbter bei den Rieder- 
ſachfiſchen Ständen in Hamburg, 1792 bis zum 
Ausbruch des Krieges ın Spanien, 1799 in Ko- 
penbagen, 1801 in Stodholm u. 1807 in Dres 
den; er ft. 20. Juli 1811 in Karlsbad. B. ſchr.: 
Voyage en Espagne, Par. 1789, 3 Bde., 4. A., 
1807, deutich, Jena 1789—1808, 4 Bde; Coup 
d’eil politique sur PEurope & 1a fin du 18, sieele, 
ebd. 1801, 2 Bbe.; Mémoires sur Pie VL, ebd. 
1798— 1800, 2 Bde.; Tableau de 1’Espagne mo- 
derne. ‘1805, 3 Bde. 2) Paul Charles Am., 
Baron von, Sohn des Vor., geb, 19. Decbr. 
1791 zu Hamburg; machte die Feldzüge 1812 bie 
1815 als Offizier in der Raifergarde u. Adjutant 
Mortierd mit, war erjt Gefandtichaftsjecretär in 
Berlin, Münden u. Kopenhagen, feit 1832 Ge- 
fandter in Dresden und feit 1834 in Münden, 
von imo er im März 1848 von der Proviforischen 
Regierung in Frankreich abberufen u. außer Ac- 
tivität gejetst wurde. Bom Dec. 1849—51 beflei- 
dete er den Geſandtſchaftspoſten am fpan. Hofe 
u. wurde 1853 Senator, Er ftarb 16. —* 1864 
in Paris. 8. fchr.: Le prisonnier en Russie, 
(Moman, fchildert die Erlebniffe feines älteren 
Bruders, Armand v. B., melder Soldat war 
u. 1839 flarb), Par. 1816; Sur les chemins de 
fer en Allemagne, 1841; Memoires, Par. 1864, 
u. m. a. 

Bourgraves, d. i. Burggrafen, hießen im 
Frankreich ſeit der Wahl Louis Napoleons zum 
Präſidenten der Franz. Republik, im Dec. 1848, 
die namhaften Leiter der Partei der Legitimiſten 
u. Orleaniſten, welche als die politiſchen Großen 
u. gleichſam die Leibherren dem leibeigenen Volle 
gegenüber, neben dem Vräſidenten eine unſicht— 
bare Regierung bilden wollten, um alle Eimricht- 
ungen zu hindern, welche den Bräfidenten populär 
machen fönnten, weshalb fie namentlich für Durch— 
—— des ſtrengen Preßgeſetzes wirlten. Der 
Name B. war ein Spottname, nach Victor Hugos 
gleichnamiger Tragödie gegeben; ihre Zahl, An- 
fange 8: Thiers, Mole, Berryer, Montalembert, 
Falloux, Larochejacquelin u. A., war jpäter auf 
30 gefteigert. 

Bourg-St.-Andeol, Stadt im Arr. Privas 
des franz. Dep. Ardöche, rechts an der Rhöne, Stat. 
der Lyoner-Bahn; Wein⸗, Dliven-, Obftbau u. 
Seidenzudt; Flußichififahrt; Marmorbrud; 4524 €, 

Bourg-Et.Maurice, Marttfleden im Arr. 
Moutiers des franz. Dep. Savoyen, am Heinen 
St. Bernhard u. an der Fire; Saline, Blei u. 
Eifengruben; bedeutender Handel, bei. mit Rind- 
vieh; 2522 Em. 

Bourgneil, Stadt im Arr. Chinon des franz. 
Dep. Jndreset-Yoire, am Doit, Stat, der Orleand- 
Bahn; guter Rothwein, Koriander, Anis, Hanf, 
Seidenzucht, Nuß- u. Hanföl; Handel damit; hatte 
fonft eine Benebictinerabtei; 3304 Em, 

Bourguignon, 1) Jacques Courtois, f. 
Gourtois 1). 2) Jean Baptiſte B. d'Anville, 
J. Anville. 


Bourgraves — Bourmont. 


einen regen Geift n. fleigerte Durch muftiiche Leo- 
türe u. Kafteiungen ibre Schwärmerei bis zu be: 
Einbildung, inipirirt zufein. Sie entlief 1636, a 3 
fie eben getraut werden jollte, aus ihrer Heimath, 
um Ginfteblerin zu werden. Der Erzbiichof nen 
Sambray nahm fie in ein Klofter auf, wo fie 
einige Nonnen für ihre Schwärmereien gewann 
u, den Plan machte, mit denſelben zu entflieben; 
fie wurde aber verwieſen. Sie murde nach ihres 
Baters Tode, welder ihr ein großes Bermögen 
binterlaffen hatte, 1662 Vorſteherin eines Spitals 
in ihrem Geburtsorte; da fie wieder in ihr ercent- 
riſches Weſen verfiel, wurde fie aub bier ausagr- 
wiefen u. ſchweifte mit einem Sanfeniftiichen 
Priefter, de Cordt, in Flandern u. Brabant um- 
ber u. fam nad) Amfterdam, um bier ibre Bifionen 
druden zu laffen. Hier entiagte fie dem katholischer 
Eultus, verfehrte viel mit den Yabadiften u. an- 
deren Sectirern, fonnte aber, da fie ſelbſt als bie 
Mutter der Gläubigen an der Spike ber neuen 
Kirche ftehen wollte, feine Einigung erzielen. Um 
der polizeilichen Verhaftung zu entgehen, wender⸗ 
fie fi) nad der Inſel Nordftrand bei Schleswig; 
de Gordt ftarb hier 1669 u. feste fie zur Erbin 
ein. Auch von Nordſtrand vertrieben, lebte fie im 
Haarlem, Schleswig, Hufum, Hamburg u. in Oü- 
friesiand. Überall gewann fie fi) einige Anhänger 
(Bourignoniften), von denen la Cofte, ein Offizier, 
u. Poiret die eifrigften waren. Sie fl. 30. Dkt. 
1680 in Franeler. Ihre jeit 1678 zu Amſterdam 
einzeln erfchienenen u. ihrer Zeit viel geleienen v. 
einflußreihen Schriften wurden gelammelt den 
Poiret, Amſt. 1676—84, 25 Be, 2. A., 1770, 
20 Bde. töfrler.* 
Bourfe, Jean Raimond Charles, Gr. 
bon B., franz. General, geb. 1773 in Porient, 
aus einer engliſchen Familie ſtammend; trat ſchen 
1787 als Lieutenant in franz. Dienſte, nahm an 
der Erpedition nah Cochinchina u. 1792 nah 
St. Domingo theil, wurde 1794 Capitän und 
machte eine Erpedition nad Jrland mit, murde 
aber dort gefangen; fpäter begleitete er als 
Adjutant dem General Leclerc 1802 wieder nad 
St. Domingo, fehrte 1803 als Oberſt zurück, 
wurde Adjutant Davonſts u. machte Die Tyeld- 
züge von- 1805, 1806, 1807 und 1809 mut; 
bei Wagram Brigadegeneral geworden, führte er 
eine Brigade gegen die Engländer auf Blieffing.u 
u. focht jeit 1810 in Spanien; bier wurde er 
Gouverneur von Lerida, 1813 Divifionsgenerai 
u. Gouverneur von Wefel, 1815 von Givet, dann 
Generalinfpector der Infanterie u. Mitglied der 
Commiſſion zur Durchſicht des Reglements; 1823 
führte er wieder eine Diviſion in Spanien. Er ft. 
30. Aug. 1847 als Generallieutenant u. Pair 
von FFranfrei auf feinem Landfige bei Lorient. 
Bonrlamaqui, Jean Jacques, Rechtsge- 
fehrter, geb. 1694 in Genf; war Profeffor der 
Rechte u. Mitglied des Inneren Rathes dajelbft; 
fl. 1748. Seine Principes da droit de la na- 
ture et des gens, berausgeg. von Felice, Yverd. 
1766—68, 3 Bbe., Par. 1791, von Dupin, ebd. 
1820 fi., 5 Boe., behandeln diefe Materie zum 


Bourignon, Antoinette, religiöfe Schwärs erſten Mal ſyſtematiſch. 


merin, geb. 13. Kan. 1616 in Pille, Tochter eines 


Bourmont, Louis Ang. Victor deGaisne, 


Kaufmannes; von Geburt häßlich, zeigte aber früh Graf von ®., franz. Marſchall, geb. 2. Sept.1773 


Bournonit — Bourqueney, 


auf Schloß Bourmont in Anjon; mar fon vor 
der Revolution Offizier, wanderte aus und focht 
unter Condé u. 1794 unter den Inſurgenten ber 
Vendée, wo er Generalmadhtmeifter war. 1796 
ging er nah England, fehrte aber 1799 beim 
Ausbruch neuer Unruhen in SFrankreich zurüd; 
er eroberte mit feiner Schaar Chouans Mons, 
mußte fih aber unterwerfen, ging nad Paris u, 
geivann die Gnnft des erften Conſuls; indefjen 
bei dem Mordverfuh anf Bonaparte mit der 

öllenmaſchine durch die Angabe, daß die Jaco— 
iner die Anftifter wären, verbädtig gemorden, 
wurde er 1803 verhaftet u. auf die Eitadelle von 
Bejangon gebradjt. Bon da entlam er 1805 nad) 
Portugal, erhielt fpäter, als er fi gegen Junot 
1808 gerechtfertigt hatte, die Erlaubnig zur Nüd- 
fehr, wurde Eolonel-Adjutant bei der Armee von 
Neapel u. bald darauf Brigadegeneral, zeichnete 
fi 1813 bei Dresden u. 1814 bei Nogent ans, 
wurde Divifionsgeneral, erflärte fich jedoch nad 
Napoleons Sturz, ‚fir die Bourbonen n. erhielt 
den Oberbefehl der 6. Militärdivifion in Befangon. 
Nah Napoleons Nüdtehr bot er dieſem jeine 
Dienfte wieder an u. befehligte eine Divifion, ver- 
ließ jedoch noch vor Ausbruch der Feindſeligleiten 
14. Jumi das Heer u. ‚meldete fi} bei den preuß. 
Borpoften für die Bourbonen. Inter der 2. Reftau- 
ration erhielt er eine Gardedivifion, machte den 
Feldzug in Spanien 1823 mit, wo er eine Divifion 
des Reſervecorps führte, ſchlug Lopez Baños bei ©. 
Lucar la Major, bejegte Sevilla, wurde, nachdem 


747 


wird, wo er häufig vorfommt, anf Blei und: 
Kupfer verarbeitet. 

. Bournonville, 1) Alexander Hippolyt 
Balthafar, Herzog v., berühmter. Militär, ‚geb, 
1620; nahm 1638 bei den meitfälifchen Kreis- 
truppen Dienfte u, zeichnete ſich bef. als Com⸗ 
mandeur derjelben 1645 bei Nördlingen aus, focht 
bis 1648 mit Ölid gegen die Schweden u. wurde 
1648 Generalmajor. Er trat 1649 in jpanifche 
Dienfte unter Conde, jocht vor Chätel, Rocro 
u. Arras, vertheidigte 1655 Eonde 4 Monate fan 
u. Balenciennes bis zum anlangenden Erſatz, 
mwurde 1658 zum Herzog von ®., 1666 zum Ger 
neralcapitän von Artois ernanut, befehligte 1672 
nebft dem Großen Kurfürften als Generalfeld- 
marfhall die, Reichsarmee in Weitfalen, nahm 
dann am beit Feldzügen bis 1675 am heine 
egen Turenne theil, wurde 1676 Feldmarſchall 
in Catalonien u. eroberte 1677 Sicilien den Spa» 
niern miederz er fl. 1690 als Generalcapitän u. 
Vicekönig von Eatalonien u. Navarra. 2) An- 
toine de, geb. 19. Mai 1760 in you; bildete 
fi) unter Navarre zum Tänzer u. war 1792 bis 
1830 Solotänzer inKopenbagen; er ft. hier 11. Jar. 
1843. 3) Auguft, Sohndes Bor., ebenfalls Tänzer, 
eb. 21. Aug. 1805 in Kopenhagen; trat 1823 in 
Baris auf, wurde 1830 als Balletmeifter nach 
Kopenhagen berufen, wo er ein Corps de Ballet 
ausbildete u. felbft mehrere Ballets für die fünig- 
liche Bühne componirte. Er legte 1855 feine Stelle 
nieder ıt. lebte bi8 1856 in Wien, 1861—63 in 


Cadiz fich ergeben hatte, erbliher Pair u. nad |Stodholm, worauf er in Kopenhagen wieder das 


des Herzogs von — Rüdtehr aus Spanien 
Oberbefehlshaber aller franz. Truppen in Andas 
Iufien. Strenge Bolizeimaßregeln madıten ihn aber 
in Madrid u. Spanien verhaßt, weshalb er 1824 


Ballet dirigirte. Bon feinen Schülerinnen find die 

befannteflen Lucile Grahn u. Augufte Nielfen. Er 

fhr.: Mit Theaterliv, Kopenh. 1848. 
Bourgueney, François Adolphe, Graf, 


abberufen wurde. Er wurde 1829 Kriegsminifter |franz. Staatsmann, geb. 7. Jan. 1799 (1800) zu 


u. befehligte 1830 die Erpedition nach Algerien; 
nachdem er Aga Ibrahim geſchlagen u. die Stadt 
Algier erobert hatte, erhielt er die Marfchalls- 
würde, legte jedoch nad der Julirevolution das 
Commando nieder u. ging nah England. Da er 
der neuen franzöfiihen Regierung den Eid nicht 
leiften wollte, wurde er 1832 aus den Liſten der 
Armee u. der Pairs geftrichen. Er ging nun 1833 
nach Portugal, wo er in Don Miguels Dienften 
egen Don Pedro focht, u. begab fih 1837 nad 

om, bon wo aus er den Kampf der Earliften 
in Spanien dur feinen Einfluß unterſtützte. 
Er kehrte im Juli 1840 nah Frankreich zurüd, 
lebte auf feinem Gute in Anjou und ftarb hier 
27. Oct. 1846. 

Bournonit (Schwarzipießglanzerz, Spieß. 
glanzbleierz, Bleifahlerz), ein im meift tafelför«- 
migen, oft vielfadh zwillingsartig verwachſenen 
(Rädelerz) Kryſtallen des rhombüchen Syſtems 
Irgftallifirendes, Doch auch derb, im körnigen Aggre- 
gaten vorlommendes granes, glänzendes Mineral 
von unebenem oder muſcheligem Bruch; Härte 
ri Gips u. Kalkſpath; jpec. Gem. 5, —5,06; 
eſteht aus Schwefelblei, Schmefelfupfer u. 
Schwefelantimon mit 19,, Schwefel, 41,, Blei, 
12,, Kupfer u. 26,, Antimon; findet fi in Corn⸗ 
wall, bei Oberlahr in Rheinpreugen, Bräuns— 
dorf bei Freiberg, Wolfsberg, Harzgerode, Neu— 


Paris; wurde 1819 Gefandtichaftsattadhe in Waf- 
hington, 1820 Botichaftsiecretär in London und 
1822 in Bern; 1823 verließ er die diplomatiſche 
Lanfbahn u. wurde Mitarbeiter am Journal des 
Debats; 1834 wurde er ins Minifterium des 
Außern berufen uw. war 1835 unter Sebajtiani 
eriter Gefandtichaftsfecretär u. bis zu Guizots 
Ankunft (Febr. 1840) franz. Geichäftsträger am 
englifhen Hofe; im Dct. 1841 ging er als be— 
vollmächtigter Minifter Frankreichs nach Couftanti- 
nopel, wo er in der Libanonfrage gegenüber der 
Pforte, England u. Rußland die re ran» 
reihs wahrzunehmen mußte, uw. wurde int März 
1848 von der Proviforifchen Regierung abberufen. 
Unter Lonis Napoleon trat er wieder im jeine di- 
plomatiſchen Functionen, ging Febr. 1853 als 
franzöfiiher Bevollmädtigter nah Wien, um an 
den Eonferenzen in Betreff der ruſſiſch-türliſchen 
Angelegenheit theilzunehmen, war Mitunterzeich- 
neter der Wiener Protofolle vom 9. April und 
23. Mai u. der Tripel-Allianz zwiſchen Frank⸗- 
reich, England u. Öfterreidh vom 2. Dec. 1854. 
Nachdem er an den Friedensverhandlungen zu 
Wien 1855 theilgenommen hatte, wurde er zu den 
Friedenscouferenzen nad Paris berufen, unter« 
zeichnete als zweiter Bevollmächtigter Frankreichs 
den Friedensvertrag vom 30. März u. den Se— 
paratvertrag zwifchen Frankreich, England und 


borf, Klausthal, Andreasberg, u. a. a. D. und Öfterreich 15. April 1856 u. begab fi 18. Juni 


748 Bourrieune — 
auf feinen Boften als franzöfiiher Gelandter 
in Wien, melden er, nachdem er den Friedens- 
verhandlungen in Zürich beigewohnt, im Nov. 
1859 aufgab, Im den Grafenjtand erhoben, 
ftarb er 27. Dec. 1869 auf einem feiner Güter. 
Henne⸗ Am Rhpn.* 

Bourrienne, Louis Antoine Fauvelet de, 
franz. Staatsmann, geb. 9. Juli 1769 in Sens; 
wurde mit Napoleon auf der Militärſchule in 
Brienne erzogen u. Freund deſſelben, ſtudirte ſeit 
1788 in Leipzig die Rechte, machte dann eine 
Reife nach Polen u. wurde 1792 Legationsſecretär 
in Stuttgart. Als der Krieg ausbrach, ging er 
wieder nach Leipzig, wurde aber, des Spionirens 
verdächtig, aus Sachſen verwieſen. Er kehrte nad) 
Franfreih zurid, ward aus der Emigrantenlifte 
geftrichen u. lebte vergeifen bis 1797 im Departe- 
ment Nonne, two er fih Napoleon in Erinnerung 
bradte u. von demfelben nach Graz in Gteier- 
mark berufen u. deffen geheimer Secretär wurde. 
Er begleitete Napoleon auf feinen Feldzügen, wurde 
1801 Staatsratb, fiel aber, beim Banferott des 
Bankhauſes Eoulon, mit dem er Geldgeichäfte ge- 
trieben, in Ungnade. Als Gejchäftsträger beim 
Nieberfächfiihen Kreiſe 1804 nach Hamburg ge: 
fendet, blieb er bier bis 1811; er warf ſich dann 
der Neftauration in die Arme, wurde 1814 pro- 
viforifch Generaldireetor der Poften bis zur An- 
funft Yubwigs XVIII. u. im März 1815 Polizei« 
präfect. Er folgte dann den Bourbonen nach Gent 
u. wurde nad der Rückkehr Staatsrath u. Depu- 
tirter des Yonnedepartements. Durch Börfen- 
ipiel hatte er fi 1831 eine Überſchuldung von 
iaft 4 Mill. Franken zugezogen, wurde beshalb 
zur Einfperrung verurtheilt, kam aber 1832 als 
wahnfinnig ins Kranfenhaus zu Caen u. ftarb 
dort 7. Febr. 1834. Er jhr.: Mömoires sur Na- 
voleon xc., Bar. 1829, 10 Bde; das Drama 
L’ineonnu; aud fchreibt man ihm die Hist. de 
Bonaparte par un homme qui ne l’a pas quitte 
depuis quinze ans, ebd. 1823, u. das Manuscrit 
de St. Helene zu. 

Bourjault, Edme, franz. Dichter, geb. Oct. 
1638 zu Muci-("Evdque in Burgund. Bon feinem 
Vater wurde feine Erziehung ganz u. gar vernad- 
läffigt; aber als er 1651 nad) Paris fan, erwarb 
er fich durch Ausdauer u. Fleiß eine tüchtige Bildung. 
Durch Herausgabe eined humoriftifcden Journals 
in Berjen gewann er die Gunft Ludwigs XIV,, 
welcher ihm eine Penfion pen 2000 Fr. ausſetzte, 
n. er erlangte als Schrüftfteller einen ſolchen Ruf 
daß man ihn beauftragte, ein Buch für die Er- 
ziehung des Danphins zu fchreiben: De la veri- 
table etude des souverains, Paris 1671. Er 
ftarb 15. Sept. 1701 als Steuereinnehmer zu 
Montlugon. B. fhr.: Theätre, 1725, 3 Bde., u. ö. 
(Schauipiele, unter denen Esope & la -ville, Esope 
a la Cour u. Le Mercure galant die beften find; 
letzteres wird noch jetst gegeben); Le Prince de 


Bouteillenftein. 


Eltern ſchickten fie deshalb ins Klofter, wo fie vor 
Sram ftarb, Boldert.” 

Bourſe (fr.), Börje, Geldbeutel; daher Bour» 
fier, Sädelzahlineifter. 

Bourtanger-Wloor (Bourtanger« Heide), ein 
ehemals fumpfiger m. undurchdringlicher Laudſtrich 
auf der Grenze zwijchen der nieberländ. Provinz 
Groningen u. der hannov., jekt preuß. Landdrefiei 
Aurich (OFriesland), feit neuerer Zeit entwäflert 
u. zu Weideland gemacht. Im niederländ. Theil 
das Darf Bourtange mit Fort. 

Bouſſac, Hauptft. des gleichnam. Arc, im 
franz. Depart. Greufe, am Börong und an der 
Ereuje, Station der Orleans⸗Bahn, auf einem 
Felſen mit bejchwerlicher Auffahrt; Senfbereitung, 
bedeutende Gerbereien; Handel mit Leder, Wolle 
u. Vieh; 1011 Ew.; das Schloß mit merfmürdig 
hohem Manertburme ift vor dem Marihall Jean 
de Broffe erbaut. 

Bonffingault, Jean Baptifte Joſeph 
Dieudonne, berühmter Chemiler n. Landwirth, 
geb. 2. Febr. 1802; fiudirte in St. Etienne die 
Bergwiffenfhaften u. ging im Auftrage der Eng 
liſchen Bergbaugeſellſchaft nah Columbia, we er 
ſich mit naturwiſſenſchaftlichen Forſchungen be- 
ſchäftigte. In dem Südamerilaniſchen Befreiungs- 
kriege begleitete er den General Bolivar als Oberfi 
u, bereifte als ſolcher Venezuela bis zum Orinoco, 
Ecuador u, Pern, um die naturhiſtoriſchen Ber: 
hältniſſe diefer Länder kennen zu lernen. Nach 
‚rantreich zuridgefehrt, wurde er Profeſſor der 
Chemie in yon m. 1839 in Paris; dann lebte 
er viel auf feinem Landgute Bechelbronn im Unter- 
Elſaß u. befchäftigte fi vorzugsmeiie mit land» 
wirtbichaftliher Chemie, um die er fih große 2er- 
dienfie erworben hat. Sein Hauptwerk ift: Eco- 
nomie rurale, Par. 1844, 2 Bde., nene Bearbeit- 
ung al® Agronomie, ehimie agricole et physio- 
logie, 1860—74, 5 Bbe., engl. von Law, Yond. 
1845, deutſch von Gräger, Halle 1844 f., 2 Bde. ; 
mit Dumas ſchrieb er: Essai de statistique chi- 
mique des ötres organises, Par. 1841, 3. Aufl., 
1844; ferner Memoires de chimie agricole et de 
physiologie, Bar. 1854. 

Boussingaultia 47. B. Kunth, Pflanzengatt. aus 
der Zen der EChenopodiaceen (V.1). Art: B. 
baselloides H. B. Kunth, aus SAmerifa, ein 
Knollengewächs; gedeiht zwar gut, liefert ein gro- 
bes Bolumen an Kraut u. wurd von dem Rind— 
vieh gern gefreffen, aber die Knollen haben mur 
geringe Nabrhaftigkeit, enthalten viel Schleim u. 
Ichmeden fad, weshalb ſich die Pflanze nicht als 
Kartoffeljurrogat eignet, wozu fie empfohlen mwor- 
den war. 

Bonflole, ſ. u. Buffole. 

Boufju, Marktflecken im Arr. Mons der 
beig. Prov. Henmegau an der Haine; Schloß, in 
welchem fat an allen Wänden die räthielbaften 
Worte: Tu y sera bossu, il sera bossu gejchrieben 








Conde, Par. 1675 u. 1691, 2 Bde., neue Ausg., ſind; Kirche; Kalt- u. Steinfohlengruben; 7300 
1792; Le Marquis de Chavigny, 1670; den Ew. Kaifer Karl V. erhob B. zur Grafſchaft; 
Roman Artömise et Poliante, 1670, u. a. m.; die Grafen kamen durch Heirath zum Fürſten⸗ 
Lettres de respect, d'obligation et d'amour, thum Chimay. Bei B. 4. Nov. 1792 fiegreiches 
Bar. 1666, befannt unter dem Titel: Lettres &| Gefecht der Franzoſen mit ben Ofterreichern. 

Babet. Dieje Babet war ein geiſtreiches Mädchen, Bonteillenftein (Min.), dem Obfidian ähn- 
1640 in Paris geboren u. B-s Geliebte. Ihre liches amorphes Mineral, grün, durchſichtig wie 


Bouterwet — Bouvines, 749 
Bouteillenglas von Moldautein in Böhmen, For-|ration war bis zu den Zeiten Deffaults in Ge 
dansmühl in Schlefien, Iglau. brauch umd erhielt den Namen Boutonnidre, 
Bouterwek, Friedrich, deutſcher Philoſoph, welcher die vom Damm aus geipaltene Harnröhre 
ÄftHetiter u. iterarhiftorifer, geb. 15. April 1766| bedeutet, weil diefe eine entfernte Ähnlichkeit mit 
auf dem Hüttenwerfe Dfer bei Goslar; ftudirtejeinem Knopfloh haben fol. In neuefter Zeit hat 


in Göttingen 2 Jahre — erregen warf) Syme und Scharlan diefe Operation wieder 'em- 


fih dann auf befletriftiiche Schriftftellerei, machte 
aber endlich die oben genannten Fächer zu feiner 
Lebensaufgabe. Seit 1791 las er in Göttingen 
über die Kantiche Philofophie. In feinen erjten 
pbilofophifchen Beröffentlihungen fteht er weſent⸗ 
lich auf dein Boden derfelben; er wich zuerft im 
Gebiete der praktischen Fdeen von ihr ab, dann 
führte ihm auch im theoretifchen Gebiete die in 
Göttingen herrichende Richtung, die Beſchäftigung 
mit den Steptifern alter u. neuer Zeit, mit F. H. 
Jacobi u. mit Spinoga u. die Oppofition gegen 
Fichte zur Bildung eines halb⸗Kantiſchen, wi er 
Bervolltommnung des Kriticismus duch, Aufnahme 
realiftiiher Elemente frebenden Syftems, Das er 
im Abriffe feiner philoſophiſchen Borleſungen zum 
Gebrauche feiner Zuhörer, Göttingen 1799, u. m 
feiner philofophifhen Hanptfhrift: Ideen einer 
Apodittif, ein Beitrag zur menichlihen Selbftver- 
ftändigung u. zur Entſcheidung des Streites über 
Metaphyſik, kritiſche Philofophie u. Skepticismus, 
Halle 1799, 2 Bde., niederlegte. Mehr u. mehr 
von Jacobis Weltanſchauung gefeſſelt, ſuchte B. 
ſeine eigene Lehre noch eine Zeit lang feſtzuhalten 
u. zu modificiren, erklärte aber endlich dieſen 
Standpunkt für verfehlt. Bon feinen ſpäteren rein 
philoſophiſchen Schriften fand nur die Religion 
der Vernunft, Gött. 1824, eine nennenswerthe 
Beadhtung; dagegen wurde feine mebr empiriſch 
verfahrende Afthetil, Ypz. 1806, 2 Bde, u. ö., 
viel gelefen. (Vgl. aud feine Ideen zur Meta- 
phyſik des Schönen, Lpz. 1807.) B⸗s Name lebt 
hauptſächlich durch feine verdienftvolle Geſchichte 
der neueren Poeſie u. Beredtſamkeit, Gött. 1801 
bis 1819, 12 Bbe., fort. Als afademifcher Lehrer 
(Seit 1797 auferordentlicher, feit 1802 ordentlicher 
Profeffor der Philoſophie in Göttingen, feit 1806 
Hofrath) fteht er im beften Andenfen. Er ft. 9. 
Aug. 1828. Seine Autobiographie befindet fich 
um erſten Bande feiner Meinen Schriften, Gött. 
1818. Bat. über feine Philofophie Erdmanns 
Verſuch einer wiffenfchaftlihen Darftellung der 
Geichichte der neueren Philofophie, 3. Bd., 1. Abth., 
©. 348—368. 2) Friedrich, geb. um 1800 zu 
Tarnowitz in Schlefien; widmete fih der Malerei 


pfoblen, u. es ift jegt wol fein Zweifel, daß fie 
gerade zur Bejeitigung der engften Stricturen. ein 
wichtiges Mittel ift, 

Boutrolle (Bonterolle, fr.), Endbeſchlag der 
Degenfceide, Knaufſtempel, Einſchnitt am Schlüffels 
bart, Bayonnetſcheide; beſond. auch Name für ein 
neues Schlachtverfahren, welches vor den bis— 
herigen Schlachtmethoden wegen der größeren 
Sicherheit u. Schnelligleit den Vorzug verdient, 
Der Kopf des Thieres wird mit einer Maske von 
Leder verſehen, welche die Augen vollftändig bes 
dedt; in der Mitte der Maste auf der Stirn bes 
findet ſich eine Platte von Eiſenblech u, in dieier, 
etwa dier Finger breit über den Augen, eine Öffnung, 
durch welche ein ftarler Stablbolzen Hindurchgebt. 
Letzterer, welcher ſtets fenfrecht in die Stirn ein— 
getrieben werden muß, ift auf dem dem Kopfe 
zugefehrten Ende ausgehöhlt u. mit einer fcharfen 
Schneide verjehen, damit er um fo leichter u. glatter 
durch den Knochen der Stirn getrieben werden 
kann; an dem entgegengeſetzten Ende befindet ſich 
ein breiter Knopf; ein einziger Schlag auf diefen 
legsteren reicht Hin, den Bolzen in das Gehirn 
einzutreiben, jo daß das Thier augenblidlich todt 
zu Boden ſtürzt. Dieje rafhe Wirkung wird we— 
jentlich dadurch beſchleunigt, daß die in der Höhl- 
ung des Bolzens befindliche Yuft mit demjelben 
zugleich in das Gehirn eindringt. 

Boutwell, Georg, nordamerif. Staatsmanır, 
geb. 28. Fan. 1818 zu Boſton; war jeit 1840 
Advocat, feit 1842 Mitglied der gefetsgeb. Behörde 
von Maffachufetts, ſeits 1851 Gouverneur diejes 
Staates, dem er fpäter noch im anderen Stellen 
diente. Seit 1862 im Gongreß der Union, be— 
fämpfte er zugleich die Sklaverei u. den Freihan— 
del u. wurde 1869 yinanzminifter des Präfidenten 
Grant, weldhen Poften er 1873 aufgab, um bloß 
noch Senator für feinen Staat zu bleiben, 

Boubard, Aleris, verdienter franz. Ajtronom 
u. Phnfiter, geb. 27. Juni 1767 bei Chamouny ; 
arbeitete fi vom armen Scafhirten zu einem 
der bedeutendften Gelehrten Frankreichs empor; 
er wurde 1793 Aftronom auf der Sternwarte zu 
Paris, 1803 Mitglied der Akademie der Mijfen- 


unter Kolbe in Berlin, erhielt den großen Preis|ichaften und 1804 des Fängenbureaus; ftarb 7. 


der Alademie u. begab fi dann nah Paris u. Juni 1843 zu Paris, 


B. entdedte mehrere Ko— 


1834 nad Italien, wo er fih für die Hiftorien-|meten u. führte für Laplaces Mechanik des Him- 
malerei entichied. Nach zwei Jahren kehrte er nach mels ſämmtliche Berechnungen aus, 


Paris zurid, bereifte während feines 2öjährigen 


Bonvignes, Stadt in der beig. Provinz Na- 


Aufenthaltes von da aus Spanien, Schottland n.|mur, an der Maas; Steinfohlen, Marmorbrüce: 
den Orient und ftarb 11. Nov. 1867 in Paris. Eiſenwerke, Häfnerei; 1050 Ew. B. wurde 1173 
Sein erftes größeres Gemälde war Dreftes von/vom Grafen Heinrich dem Blinden von Namur 
den Eumeniden verfolgt, 1833; dann folgten Romeo | mit Mauern umgeben u. erhielt fpäter von der 
u, Julie, 1836; Iſaak u. Nebeffa, 1840, Stich | Gräfin Folantha Stadtrechte ; 1554 wurde es von 


von Allais; Jalob u. Rahel, 1844. 


2) Regnet,” den Franzoſen erobert. B. mar dann Feſtung, 


Bontejelle, (fr.), bei der Cavalerie das Trom-|die Werte wurden aber 1703 mit Dinant zugleic 


peterfignal zum Auffigen, auch zum Auffatteht. 
Boutonniere (Operation de la Urethrotomia 


geichleift. i 
Bonvines, Dorf im Arr. Lille des franz. Der. 


externa; Ehir.), Spaltimg der Harnröhre ſammt Nordz Sieg Philipp Augufts von Frankreich 27. 


ihren Bededungen von außen her. 


Diefe DOpe-IJufi 1214 über Kaifer Otto IV.; 17. Mai 1794 


750 


Bova — Bowieknife. 


‚Geiecht zwiſchen Ofterreihern n. Franzoſen, für den Augen in anderer Weile ſchädlich fei, als 


Letztere günftig. 

ova, Stadt im der ital. Provinz Reggio, Ca» 
labr. (Calabria ufteriore I.), am Joniſchen Meere; 
Biichofsfits; Kathedrale u. mehrere andere Kirchen; 
geiftl. Sentinar; Seidenzudt; 3438 Ew. Dorı 
u. in der Umgegend wird ein Dialeft geiprocden, 
welhen man unrichtig verborbenes Griechiich 
nennt, e8 ift albanefifch oder epirotiſch. Die Ein- 
wohner find Nahlommen von bierber geflohenen 
Albanefen (bloß in der: Terra b’Otranto finden 
ſich wirkliche Nachkommen von Griechen). B. 
wurde durch das Erdbebeu von 1783 fat ganz 
zerſtört. 

Bova (Pombova, Banillon); fo v. m. Aufge- 
blafene Banille (f. d.). 

Bovadilla, 1) Francesco de B., 1500 jpa- 
niſcher Abgejandter nah Hifpaniola zur Unter» 
ſuchung der gegen Columbus (f. d. A.) vorge 
brachten Klagen; er fam auf der Rückehr 1502 
im Sciffbruhd ums Leben. 2) Micolas, geb. 
um 1511 zu Bovadilla in Leon; war einer der 
erften Anhänger Loyolas u. ſtarb 1590 in Loretto. 
Er ſchrieb u. a.: Speculum christianae conscien- 
tiae x. 

Bovaglium (Bovaticum), im Mittelalter Abgabe 
an die Krone von den Pflügochſen; dayer Bovata 
terra, ein Kubgut. 

Bones, Gemeinde im gleichnam. Vezirte der 
ital. Provinz Cuneo; 9549 Em, 

Boviänum (a. Geogr.), Stadt der Pentrer in 
Samnium, im Süden der Apenninen. Bei 8, 
305 dv. Chr. Sieg der Römer über die Samniter. 
Die Stadt wurde von Sulla 90 ». Chr. erobert 
u. unter Auguftus Colonie, 853 nad Chr. durch 
ein Erdbeben im einen See verwandelt. Das jetige 
Bojano, ſeit 1221 erbaut, liegt 4 km von B., 
am Bez. Iſerina der Prov. Eampobafje (im Ge— 
meindebej. 5706 Ew.). 

Bovino, Stadt u. Bezirlshauptort in der ital. 
Provinz Foggia (Capitanata), am Gervajo; Bi- 
ſchofsſitz; 7088 Em. ; jonft Herzogtum. Hier Sieg 
der Ofterreicher über die Spanier 1734 (f. Pol- 
niiher Königsmwahlkrieg.) 

Bopift, i. Bovista. 

Bovista Pers. (Bovift), Bilzgattung aus der Fam. 
der Gafterompceten (Bauchpilze), Unterfam. Ly- 
coperdei, mit doppelbäutiger, meift fugeliger, ftiel- 
fofer Hülle, deren Äußere, anfangs weiße Schicht 
fih in Lappen loslöft, während die innere zur 
Zeit der Sporemeife aufplagt, um die Sporen 
austreten zu laffen. Lebtere entftehen zu mehre⸗ 
ren auf feinen Stielhen am Scheitel feulenförmi- 
ger Träger (Bafıdien), weiche frübzeitig wieder 





wöbnliher Staub, ift eine Fabel. Enzta. 
Bovy, Jean Frangoig Antoine, Medai 
leur, geb. 1808 in Genf; ftudirte bei Bradier «- 
Paris Plaftit u. wendete ſich dann der Granir- | 
fimft zu, wobei er zu bisher unbelannten große 
Maßverhältnifſen arifi, die eine eigene vom ıbr 
erfundene Prägemechanik nötbig madten. Wert: 
Reformationsjubiläum; Porträt des Kaifers Na 
poleon III. u. der Kaiferin Eugenie, Pagauinis 


rifzts, Chopins, Goethes, Cuviers, Dufours 
Calvins ꝛc., alle von eigenthümlicher geiſtiget 
Schönheit. egnc 


Bowdich, Afrikareiſender, geb. 1773 im Briſtel 
Sohn eines Fabrikanten; nahm an den Geſchäfter 
feines Baters theil, ward Secretär der Afrikar:- 
ſchen Geſellſchaft in Coaft-Caftle, führte eine Ge— 
ſandtſchaft ins Aichantiland u. machte fpäter ein: 
neue Reife ins Innere von Attila; er ftarb 18%4 
am Ufer des Gambia. B. jhr.: Mission from 
Cape Coast-Castle to Ashantee, Yond. 181%, 
deutich, Jena 1819. 

Bowditch, Natbaniel, verdienter amert! 
Aftronom, geb. 26. Nov. 1773 zu Salem in 
Maffachufetts; ftudirte als Autodidalt Mathemant, 
ging auf einem Kauffabrteiihiffe als Factor mir 
Ei Indien, wurde nach der Rüdtebr Bräfiden 
einer ringe: ——— a des Bollzich- 
ungsrathes von Mafjachujetts, !päter Director der 
Maflachujetts-Lebensverfiherungsgefellibaft, orge 
nifirte das Boſtoner Athenäum, welches ihn zum 
Vorſteher wählte, u. wurde dann Präfident der Atı- 
demie der Künſte un. Wilfenihaften in Boſton; e 
farb 16. März 1838. B. jchr.: The new Ame- 
rican practical navigator, Bolt. 1800, 25. Aufl, 
NewPork 1855, u. überſetzte Laplaces Mechauil 
des Himmels, ebd. 1829—39, 4 Bde., ſowie eine 
große Anzahl aftronom. verbergen Sr in den Me: 
moiren der Amerilan, Akademie zu Bofton. Epetr* 

Bomwen, Francis, nordamerif, Philofopb ı. 
Pubiı.tt, geb. um 1814 zu Charlestomn in Mafia: 
Aufetts; war 1835—39 Nepetent der Rational: 
öfonomie ander Univerſität zu Cambridge, beichäf- 
tigte fih dann mit literarifchen Arbeiten, feitete 
1843—53 die North- American Review, murde 
hierauf Profeffor der Nationalölonomie in Cam: 
bridge. Er fchr.: Critical essays on the history 
and present condition of speculatire philosophy, 
Boft. 1842; Lectures on the application of 
metaphysical and ethical science to the eri- 
dence of religion, 1849. 

Bower, Archibald, Geſchichtſchreiber, geb. 
1686 zu Dundee in Schottland ; ſtudirte m Douad, 
ging nah Rom, wurde Jefuit u. jpäter Lehrer der 


verjhwinden, jo daß dann, die geftielten Sporen Geſchichte, Rhetorik u. Philoſophie u. Beifiger der 


ganz frei zwiſchen den haarfürmigen Zellfäden | Jnquifition zu Macerata; 1726 gin 


er nad 


des Capillitiums aufgehäuft liegen. Die Arten) England u. tratdort zur Proteftantiichen Kirche über; 
finden ſich meift auf trodenen Wieſen u. Brachen; er arbeitete mit an der Historia literaria u. feit 
in der Jugend find fie alle efbar. 1) B. plum-'1730 an der großen Weltgefchihte m. wurde 
bea Pers., im reifen AZuftaude von Form und 1747 bei der Bibliothek der Königin angeftellt; er 
Farbe einer großen ‚zlintentugel, mit ſchmaler ftarb 6. Sept. 1766. DB. gab eine Lebensbeichreib- 
Pründung. 2) Bi nigrescens Pers., länglih u./ung der Bäpfte, engl., heraus, 1750, 7 Bbe., 
walnußgroß, zuletzt ſchwarz mit dunlelrotbbraunen | deutih von Rambach, Magdeb. 1751—80, 10 Be. 
Sporen. Beide Pilze wurden, fowie die Arten; Bowie, County im norbamerit. Unionsftaate 
von Lycoperdon, al$ Fungus chirurgorum a u = unter 41° n. Br. u. 112 w. L.; 4684 Em, 
Blutftilen angewender. Daß das Sporenpulver| Bomielnife (amerik.), cine Art großes Jagd» 


Bowle — 


mefjer, von James Bowie, der bei ‚Fort Alamo 

fiel, erfunden; bejonders geſchickt willen es die 

Bewohner der ſüdweſtl. Staaten zu,gebrauden. 
Botvle (engl.), 1) Triulgeſchirr, Napf, Ter- 


5 


Bowring. 751 
ſeltenen Sprachtalent die meiſten Sprachen Die. 
ſes Continents aneignete u. poetiſche Anthologien 
der ruſſ., holl., jerb., ipan., magyar. u, poln. Li - 
teratur in eugliiher Überſetzung herausgab. B. 


rine. 2) Der Inhalt eines jolhen Trintgefäßes. erlernte jpäter noch eine Anzabl außereuropäticher 


Das Bowletrinken ſtammt aus England, wo der 
Punſch, die Stelle des Weines vertretend, in einer 
B. zubereitet, auf etragen wird. Später lam es 
erit ın Gebrauch, Wein in einer B, mit Gewürzen, 
wie Pomeranzenichalen, Neltenpfeffer zc., oder mit 
Kräutern, wie Waldmeifter (Maitranf) u. Früch-⸗ 
ten, wie Erdbeeren, Ananas, Apfelfinen zc., unter 
Zugabe von Zuder zu verjegen. 

Bowles, William Lisle, engl. Dichter, geb. 
24. Sept. 1762 in Kings Sutton in Northamp- 
tonſhire; ftudirte. zw Drford, wurde Geiſt 
licher u. 1803 Präbendar an der Kathedrale von 
Salisbury; er farb 7. April 1850 dajelbit 
als Oberpfarrer in Bremhill. Seine Schriften 
find ungemein zahlreich ; als Dichter hat er Words- 
worth, Southey u. Goleridge begeiftert u. gebildet. 
Sein erftes Wert: Fourteen Sonnets, 1789, die 
wiederholt vermehrt wurden. Sie gehören zu den 
Erftlingsfrüchten des bereinbrechenden neuen poe- 
tiſchen —** Eine Ausgabe der Werke Popes 
verwidelte ihn in einen Streit mit Gamp- 
bell u. Byron. Unter feinen dichterifchen Schriften 
heben wir bervor: Coombe Ellen and St. Mi- 
chael's Mount; Battle of the Nile; Sorrows 
of Switzerland; Spirit of Discovery, or the 
Conquest of the Ocean; St. John in Patmos, 
or the last Apostle. Beſonders jchön tft fein 
letztes Werk: Poems of South, and some other 
Poems of Melancholy and Fancy xc., —— 


Bowlinggreen (engl.), 1) mit Raſen bewach⸗ 
jener Kegelplag; 2) jeder ſorgſam erhaltene grüne 
Najenplag in einem Garten ; fie müflen, um ein 
gleihmäßiges Schönes Grün zu erbalten, oft kurz 
abgemäht u. bei anhaltender Irodenheit bewäflert 
werden, 

Bowlinggreen, Hauptitabt des Warren County 
im nordamertlaniichen Unionsjtaate Kentudy, am 
Barrenriver, welcher von hier aus fiir Dampfboote 
ſchiffbar ift,; bedeutender Handelsplag, bejonders 
für Schweinefleiih u. Tabat; Fabriken; 4600 Ew. 

Bowmannſche Drüjen (Anat.), einfach 
fblauchjörmige, öfter mit folbig angeſchwolleuem, 
Didem Ende verjehene u. leicht gefchlängelte Drü— 
jen in der Schleimhaut des zur Geruchsempfindung 
dienenden Theis der Naſe. ) 

Bomwnie (Baonne), Heines Fürſteuthum in 
Border- Zudien (Bundelcund); 320 [ jkm; 18,000 
Ew.; jet ungefähr 1750 unter einer mobammte- 
daniſchen Radſcha-Familie, infolge Schenkung des 
Peiſchwa, was von den Engländern 1802 beftätigt 
wurde; unter dritiſcher Oberaufficht. 

Bowring, Sir John, hervorragender engl. 
Staatsntann, Heifender u. Schriftfteller, geb. 17. 
Ocitbr. 1792 zu Exeter in der Grafichaft Devon, | 
der Sohn eines Zuchfabrifanten; trat, kaum 
14 Jahre alt, in das Geſchäft feines Baters und 
widmete jeine Mußeftunden fait ausichließlich dem 
Studium neuerer Sprachen, der Naturgeichichte u. 
Chemie. 


Er machte dann Geſchäftsreiſen für ſei⸗ 
nen Bater in Europa, auf denen er ſich bei ſeinem 


Sprachen, jo daß er etwa 40 Sprachen beherrſchte 
u. von etwa 200 Kenntniffe bejeilen haben joll, 
Seine enge Verbindung mit „Jeremy Bentham 
(j. d.), Englands Reformator in ber Öejeggebung 
u. Begründer der Niütlichkeitstheorie, führte ihn 
ferner dem Studium politischer u. vollswirthichaft- 
licher Fragen zu. 1825 wurde er Nedacteur der 
turz zuvor gegründeten Westminster Review. 
eines damals hoͤchſt wichtigen Organs für. philo- 
ſophiſchen Radicalisınus. Gier ftritt er fünf Jahre 
lang, noch ehe an die Gründung der Freihaudels⸗ 
partei in England gedacht ward, für die Princi- 
pien des Freihandels, und bier fürderte er unter 
der Führung Benthams, deſſen ZTeftamentsuoll« 
ftreder er jpäter wurde, die Sache der Parlaments 
reform, der Emancipation der Katholifen, religiö- 
fer Zoleranz u, öffentlichen Unterrihtes, Im J. 
1828 erbielt er, nachdem er jein ‚zabrifgeichäft 
aufgegeben, eine Miffion nah den Niederlanden, 
um über die Finanzlage diefes Landes zu berich— 
ten. Seine im Morning Herald bierüber ver: 
öffentlichten Briefe erwarben ihm den juriftiichen 
Doctorgrad von der Univerfität Groningen, Die 
befondere Aufmerkiamteit, die B. den Handels: 
verbindungen Englands u. den feſtläudiſchen Re— 
gierungen widmete, liegen ihn dem liberalen Di» 
nifterium von 1834 als die geeignete. Perſönlich- 
feit ericheinen, die au der Spige einer Gontntij- 
fion nad Frankreich gejandt wurde, um über den 
Stand des Handels zwiſchen beiden Ländern zu 
berichten, u. die von ihm u. Villiers verfaßten 
Reports on the commereial relations between 
France and Great-Britain, Pond. 1835—36, 2 
Bde., gelten durch ihre Fülle genauer Thatſachen 
als Meifterftüde ihrer Art. In feinem Beport 
on the commerce and manufactures of Switzer- 
land, Lond. 1836, deutich von Henne, Zür. 1837, 
entwidelte er die Vortheile der Handelsfreiheit dem 
Prohibitivfgftem gegenüber. Weitere Miſſionen 
in Bertehrs« u. Handelsfragen erhielt er nah Bel- 
gien, talien, insbeiondere nah Toscana 1836, 
dann nach Agypten u. Syrien u, vertrat England 
bei der großen Zollvereinsverjammlung zu Berlin 
1838. Sein Bericht über den dentichen Zollverein 
(deutfh, Berlin 1340) erregte in Deutichland 
er Anftoß. Nachdem B. von 1834—48 als 
! tirglied im Unterbaufe geſeſſen, erhielt er, der 
bereits im der Bermwaltung Lord Melbournes 
Commifjar beim öffentlihen Rechnungsweſen ge- 
weſen war, im Januar 1849 die einträgliche 
Stelle eines Confuls in Hongtong, wo er fpäter 
auch als bevollmächtigter Miniſter fungirte. Hier 
erwarb er fich durch die Feſtigleit, mit der er den 
Ränken der Hineftihen Behörden entgegentrat, 
das Bertrauen des Vlinifteriums in jolcheın Grade, 
daß er, auf Urlaub in England anmejend, am 9. 
Februar 1854 zum Ritter u. zum Gouverneur 
von Hongkong u. Oberaufjeher des engl. Handels 
in China ernannt wurde. Um dieſe Zeit veröf- 
fentlichte ev auch fein Werft über das Decimal- 
igitem: The Desimal System is numbers, coins 


752 


and accounts, Pond. 1854. Das von ihm Okt. 
1856 ohne Kriegserflärung über Kanton verhängte 
Bombardement hatte jeine Abbernfung zur Folge. 
- Auf feiner Ridreife bejuchte er die Philippinen- 
Inieln, über die er ein anziehendes Buch ſchrieb: 
Visit to the Philippine Islands, Lond. 1859; in 
gleicher Weife hatte er früher fhon Siam geſchil⸗ 
dert in: The kingdom and people of Siam, daj. 
1857, 2. Bde. Obwol er 1859 mit Benfion aus 
dem Staatsdienfte getreten, erhielt er doch ſchon 
1861 wieder den Auftrag, über einen Hanbelövertrag 


Bowyer — 


Boyaca, 


tholie Hierarehy in England, daf. 1868 ; Intro- 
duction to the study and use of the Civil 
Law, daf. 1874. 8. ward 1852 für ben Flecken 
Dundall ins Parlament gewählt u. vertrat demiel- 
ben bis 1868. Bartling. 
Borall, William, befannter engl. Borträt- 
mafer, geb. 1801 zu London; beſuchte vom 1819 
die dortige Ainnftalademie und trat, nachdem er 
einge Zeit vorwiegend Allegorien gemalt, zur Por⸗ 
trätmalerei über, in welcher er lebendige Eharal- 
teriftif, gute Farbe u. viel Geihmad entmidelt. 


mit dem —— Jialien zu unterhandeln. In Er iſt ſeit 1867 Director der engliſchen National. 
egnet. 


den fetten Fahren feines Lebens vertrat er die 
Regierung in Hawait m. ſchloß Freundichafts- u. 


galerie. * 
Borberg, Stadt im Amtsbez. Tauberbiichois- 


Handelsverträge mit Belgien, Holland, Spanien, heim des badiſchen Kreifes Mosbach, an der Umpfer, 


Italien u. der Schweiz. Nicht minder war 
mit Eifer für die Verbeſſerung des Gefängniß- 
weſens thätig u. gehörte 1872 zu dem bedeutend» 
ften Mitgliedern des internationalen Gefängnißcon- 
greifes zu London. Unter feinen noch nicht ge 
nannten literariihen Schöpfungen find ferner zu 
erwähnen die Bamphlete über Renumerative Prison 
Labour u, The Restrietive and Prohibitary Sy- 
stem; Geſchichten für die Jugend unter dem Ti— 
tel: Minor Morals; On the Repeal of the Corpo- 
ration and Tests Acts; eine Überfegung von 
Ehamifjos Peter Schlemihl und ein Werk in fpa- 
niſcher Sprache über die Sklaverei in Afrika. 8. 
ftarb 23. November 1872 auf feinem Yandfite 
Mount Radford bei Ereter. Nah feinem Tode 
erihien: A memorial volume of sacred poetry, 
with a memoir of the author, herausgegeben von 
feiner Wittwe, Lond. 1873. Ein jüngerer Sohn 
Bes, Ed g° r Ulfred, geb. 1826, längere Jahre 
hindurch Regiftrator n. Bibliothefar des Handels- 
amtes, hat ſich in der literarifchen Welt durch feine 
Überjetsungen der Gedichte Schillers, 2. Auft., 
Drford 1873, Goethes, daj. 1853, u. Heines, 3. 


Aufl., Lond. 1866, fowie der Pialmen, Orford|jehen. 


B. und am der Heibelberg-Würzburger Eijenbabn; 


Amtsgericht; 666 Em. DB. hatte früher eigen: 
—— lam im 13. Jahrh. an Hohenlohe u. dem 
eutjchorden, im 14. an Die von Roſenberg. 
1468 nahmen es Mainz, Pfalz u. Würzburg, aber 
ihon 1480 bauten es wieder die vorigen Befiger; 
1523 wurde es durch den ſchwäbiſchen Bund zer 
ftört und war von da an mit furzer Unterbrei- 
ung furpfälziich bis 1803, 
oren, der Faufttampf der Engländer, wobei 
die Kämpfer am Oberleibe umbelleidvet find und 
nach eigenen feftftiehenden Gebräucden dem Gegner 
Fauftftöße, bejonders auf den Unterleib, beizubrin- 
gen, fi ſelbſt aber dagegen zu decken juchen. 
Sobald ein Boxer auf der Erde liegt, darf ihe 
der andere nicht jchlagen, ebenjo nicht, mwenm er 
aufhören zu dürfen bittet, wodurch er fich für 
überwunden erllärt. Oft koftet das B. denn Käm- 
pfern die Gefundheit, zumeilen ſelbſt das Leben. 
Das B. war fonft eine Art Ducl, um Privat: 
fireitigfeiten abzumachen, oder eigene Boxer fod- 
ten entweder gegen Bezahlung ſolche Privatfehden 
aus, oder lieben fi mit ihrer Kunft für Gew 
Jetzt ift das B. geiegli verboten, doch 


1858, befannt gemadt. Bgl. Bartling, Netrolog|hat das Berbot nur die Theilnahme der vornch- 
Sir John B⸗s in Deutihe Warte IV, 701. Bartling.|men Welt an diefen Kümpferſpielen befeitigt. In 


Bomwyer, Sir George, namhafter engliicher 
Nechtsgelehrter u. Vorkämpfer des Iltramonta- 
nismus in England, geb. 1811 auf dem Laudfitze 
feines Vaters zu Radley in Berkſhire; ſtudirte die 
Rechte, ward 1839 als Advocat an die Barre der 
Rechtsſchule des Middle Temple gerufen, hielt 
längere Zeit Vorleſungen in derſelben, iſt Frie— 
densrichter u. Deputy Lieutenant der Grafichaft 
Berls. Im 3.1850 trat er zur Römiſch-Katho⸗ 
liſchen Kirche über, Als Pius IX. im Herbfte 


den Vereinigten Staaten von Rorbamerila ift das 
B. neuerdings zur Leidenſchaft geworden, beion- 
ders im W. Bgl. Pierce Egan, Boxiana, Lond. 
1824, 4 Bbe, 

Dortel, Fleden im Arr. Herzogenbufch der 
niederl. Provinz NBrabant, an der hier fchiffba- 
ren Dommel; Bapiermühle,. Leinenweberei; 4802 
Ew. 8. kam 1430 von ben Herren v. Merbem 
durch die Heirath an die d. Ranſt u. fpäter an 
die Grafen von Hier 14. September 179 


1850 England in katholische Diöcefen theilte, ward | Sieg der Franzoſen über die vereinigten Hollän- 
B., der kurze Zeit zuvor zum Ehrendoctor von|der u. Engländer. 


Orford gemadt worden war, dazu erfehen, diefen 
Act zu vertheidigen, u. veröffentlichte zu diefem 
Behufe ein Pamphlet, unter dem Titel: The Car- 
dinal Archbishop of Westminster and the new 
Hierarchy, das mehrere Auflagen erlebte. B. hat 
au mehrere mwerthvolle jurifttiiche Schriften ver- 
öffentlicht, von denen zu nennen find: A disser- 
tation on the statutes of the Italian cities, 


tond. 1848; Commentaries on the modern Civillin NW. 


Boy (Boi, fr.), leichtes, tuchartiges Gewebe, 
ähnlich dem gepreßten Flanell, bejonders in Eng- 
land, doch auch in Deutichland u. Frankreich geier- 
tigt. 2) (Seem,) So v. w. Anterboje; f. u. Anter. 

Bohaca, 1) Staat der füdamerif. Föderativ— 
republit Columbia, zwifhen dem Magdalenenfinf 
u, dem Drinoco; grenzt im NO. u. O. an Bene: 
zuela, im SO. und SB. an Cundinamarca und 
an Santander; ungefähr 44,000 


Law, daſ. 1848; Readings delivered in the/[_Jkm (800 [[Meiten); 483,000 Ew., dar 
Middle Temple Hall, daf. 1851; Commentaries |unter 100,000 Weiße, 250,000 Mifchlinge, geringe 


on universal Public Law, daſ. 1854; The Pri- 
vate History of the Creation of the Roman Ca- 


ahl von Negern u. Jndianern (Salivas, Cabres, 
ttomafen). Das Land ift fruchtbar u. gefund, 


Boyd — Boper. 
Der ®. wirb von den Eorbilleren durchzogen. Zuns-|des 


dama u. Tunja find 
Gebirge, Eafanare 
zum 


ochthäler an der 


753 


erzogs von Braunfhmweig mit, wurde nad 


Seite ber bem ; rieden in Tilſit Major, lam 1809 in das 
bene auf der OSeite, bis Kriegsdepartement, reorganirfirte unter Scharuhorft 
rinoco reihend u. flußreich, Velez im O. das Heer, wurde 1810 vortragender Adjutant des 


des Magdaleuenfluſſes theil® bergig; reih an Königs, erhielt aber 1812 wegen Feindſchaft ge- 
Kupferminen, Smaragden beiDinzo u. Somondoco,|gen die Franzoſen den Abſchied u. ging mad 


ungehenre Steinfalzlager und conchylienreicher 
Kalk mit wichtigen Verjteinerungen von Ur-Riefen- 
thieren. Eintheilung: in die Provinzen Tunja, 
Belez, Fundama u. — Penn Hanptftadt: Tunja. 
2) Kleines Dorf, fild!. von Tunja an der Straße 
nah Bogota. Hier Befreiungsihlaht Bolivars 
gegen die Spanier 7. Aug. 1819; zum Andenken 
daran erhielt der ganze jegige Staat den Namen B. 
Fr. Korner. 

Boyd, County im mordamerif. Unionsftaate 
Kentudy, unter 38° n. Br. u. 82° mw. 8; 8573 
Em.; Hauptfig: Canterbury. 

Bondell, John, engl. Kupferfteher u. Kunft- 
händler, geb. 1719 in Dorrington (Shropibhire); 
wendete fih erſt mit 21 Jahren der Kuuft zu, 
ftach viele Blätter nach alten Meiftern u. feit 1745 
Anfihten von London u. der Umgegend, erwarb 
fi durh den Kupferftich- u. Antiquitätenhandel 
ein bedeutendes Vermögen u. wurde Alderman u, 
Lord-Mayor von London, wo er 1805 ftarb, Er 
gab heraus: Die Galerie Honghtons ; Collection 
of prints, engraved after the most capital pain- 
tings in England, ?ond. 1769 ff., 19 Bbe., ar. 
—86 Liber veritatis, 1777, 2 Bde. Nach ſeinem 

ode wurden die 80 Platten der unvollendeten 
Shafefpearegalerie, die‘ von den beriihmteften 
Künftlern nach den bereits angefauften Gemälden 
geftohen waren, als: A collection of print from 
pietures painted for the propose of illustrating 
the dramatic works of Shakespeare, 2 Bbe., 
herausgegeben. Regnet.* 

Boye, Kaspar Johann, dänifcher Dichter, 
geb. 1791 zu Kongsberg in Norwegen, jedoch 
Sohn eines däniſchen Beamten; war erft Lehrer 
am onftrupichen Lehrerfeminar, 1826 Pfarrer 
zu Sölleröd, 1835 zu Helfingör, 1847 zu Kopen- 
bagen; ftarb 1853 an der Cholera, 1823 ff. 
fieferte er fiir die Kopenhagener Bühne Tragö- 
dien, Nahahmungen der Ohlenſchlägerſchen, fo: 
Juta Swend, Grathe Kong Sigurd, Erik VIL, 
u. das romantiihe Schauspiel Will. Shafefpeare, 
welche damals geftelen, jet aber faft gänzlich 
vergeffen find; gefammelt: Poetiske Skrifter, 4 

Bde., Kopenh. 1850—51. Seitdem er Pfarrer 
' geworden, wibmete er ſich der religiöjfen Lyrik u. 
Iteferte Kirchenlieder, welche ſehr geihätt werden 
(gefammelt: Psalmer, 3 Bde., Kopenh., 1847—54; 
im Dänifchen bedeutet Psalme: Kirchenlied). 

Boyen, Feſtung 4. Kaffe im Kreiie Löten 
des preuß. u umbinnen, am Lewentin⸗See 
und Lötzener Kanal; nah General B. benannt; 
vielfach als Detentionsort für politifhe Gefangene 
benugt,; 591 Em. 


Bogen, Hermann v., preuß. General, geb. fett von Spangenberg, 1804. 


ßland. Nah dem Waffenjtillftande 1813 wurde 
er als Oberft wieder im Generalftabe angeftellt 
u. machte als Ehef defjelben beim 3. Armeecorps 
die yeldzüge von 1813—14 mit, wurde nach dem 
eriten Pariſer Frieden Kriegsminifter u. ging mit 
dem König 1815 nah Paris; 1818 wurde er 
Generallientenant und wohnte dem Gongreß zu 
Aachen bei, legte jedoch Eude 1819 bei der da— 
maligen Frage über die Landwehr feine Mini- 
fterftelle nieder u. lebte in OPreußen. 1840 
wurde er von Friedrich Wilhelm IV. wieder in 
den activen Dienft berufen u. General der In— 
fanterie, 1841 an Rauchs Stelle Kriegsminifter, 
trat im October 1847 aus dem Minifterium und 
wurde Feldmarſchall u. Gouverneur des Berliner 
Invalidenhauſes. Er ft. 15. Februar 1848 als 
General» Feldmarfhall. B. ſchr.: Beiträge zur 
Kenntniß des Generald v. Scharnhorft, Berl. 
1833; Erinnerungen aus dem Yeben Gilnthers, 
ebd. 1834. 

Boyer, 1) Baron Alerisv., einer der größten 
Wundärzte Europas, geb. 29. März 1760 (micht 
1. März 1757) in Uzerches (Limonfin), Sohn 
armer Eltern; arbeitete anfänglih um fargen 
Sohn bei einem Notar, wurde dann Barbier- 

ehilfe u. machte es unter den größten Schwierig« 
eiten möglich, feit 1779 als Deffaults Schüler ſich 
der Chirurgie widmen zu können. 1787 trat er 
«ls Chirurg im die Charite ein, hielt Borlefungen 
über Anatomie, Phyfiologie u. Chirurgie, wurde 
bei der Einrihtung der Ecole de Sante, der 
jpäteren medicinifhen Facultät, 1794 Profefior 
der chirurgiſchen Operationen, dann der praftifchen 
Ehirurgie, 1804 erfter Wundarzt Napoleons, nad) 
dem erjten Polnischen yeldzuge zum Baron er- 
hoben, nad) der Reftauration Profeffor der dir- 
urgishen Klinik an der mediciniſchen Facultät, 
Oberwundarzt am Höpital de la Charite, Mit« 
lied der Ehrenlegion, 1823 aud confultirender 
Wundarzt des Königs und 1825 Mitglied des 
Inſtituts. Er ftarb 25. Nov. 1833. Bei feinem 
Begräbniffe ipannten feine Schüler die Pferde 
aus u. trugen die Leiche zu ihrer Ruheſtätte. 
Bon feinen Werten feien befonders erwähnt: Die 
preißgefrönte Abhandlung: Determiner la meil- 
leure forme des aiguilles, destindes à la réunion 
des plaies et à la ligature des vaisseaux et la 
maniere de s’en servir; Traité complet d'ana- 
tomie ete., Bar. 1797—99; Traite des maladies 
chirurgicales et des operations etc., ebd. 1814 
bis 1825, überjett von Textor, Würzburg 1817 
bi$ 1826; Legons sur les maladies des os, 
redigees par Anth. Richeraud, ebd. 1803, über- 
Das Journal de 


18. Juli 1771 * Kreuzburg in OPreußen; trat|medeeine, chirurgie et pharmacie redigirte er 


1784 zu Königs 


erg in preußische Dienfte, befuchte mit Eorvifart u. Hour don 1798—1817; zahle 
dajelbft 3 Jahre die Militärſchule, wurde 1788 reiche Artikel 


von ihm finden fih aud im 


Lieutenant, wohnte dem Feldzuge in Polen 1794| Dictionnaire des sciences medicales. 2) Jean 

als Adjutant v. Günthers bei, wurde 1799 Haupt-| Pierre, Präfivent der Republik Hapti, ein 

mann, madte den Krieg 1806 im Generalftabe! Mulatte, geb. 28. Febr. 1776 in Port-au-Prince 
Pierers Univerjal:Eonverjations:teriton, 6. Aufl. LIL Band. 48 


75 


4 


auf Hayti; war jhon vor dem Revolutionskriege 
Batarllonschef u. nahm uuter Beauvau u. Rigaud 
thätigen Antheil an dem GColonialfriege gegen die 
Engländer. As Haupt der Mulatten kämpfte er 
gegen Touſſaint, jedoch ohne Erjolg, mußte des- 
halb die Inſel verlaffen u. ging nad Frankreich. 
Mit Yecderc kehrte er 1802 zurüd, trennte fich 
von diefem, zog im dem füblichen Theil der Juſel 
zu Petbion, während Chriſtoph (. Hayti) den 
nördlichen beherrſchte, u. behauptete fich un dem: 
jelben mir Pethion glüdlih gegen Chriſtoph. 
Unter Pethions Präſidentſchaft wurde er Com— 
mandant von Port-au-Prince und machte ſich um 
die Organifation der Truppen nad europäticher 
Art verdient. Nach Pethions Tode (1818) wurde 
B. Präfident der Republik u. verband, nachdem 
Ehriftopb 1520 umgelommen war und er aud) 
den ſpauiſchen Theil der Inſel erobert hatte, ganz 
Hayti zu einer Republik, welde er in Frieden 
regierte. Infolge des Aufftandes vom 17. Jan. 
1543 wurde er abgefegt, verließ nach feiner Wieder- 
fage durch Wiviere das Yand und ging über 
„statten nad Paris, wo er 9. Juli 1850 jtarb, 
3) Yonis, franz. Baudevilledichter, geb. 1810 in 
Barıs; widmete fih bejonders der dramatiichen 
u, Dramaturgiichen Literatur u. war 1851—04 
im Staatsminifterium als Inſpector u. als Gen- 
jor der Theater angeftellt; darauf war er bis 
1856 Director des Baudevilletheaters; ft. 22. April 
1866. B. ſchrieb mehrere Bauderilles, bejonders 
mit Anderen, unter dem Geſammtuamen La 
Roque, war auch 1848 Mitbegründer des „Journals 
Le Lampion ou Eelaireur politique, !) Zbamhayn. 

Boyle, 1) Stadt in der iriichen Grafichaft 
Roscommon (Provinz Connaught), au der Münd- 
ung des gleichnamigen Fluſſes in den Key-See, 
Station der Eifenbahn von Sligo nah Dublin; 
Gavaleriefajerne; Yeinenmeberei; Handel mit Ge— 
tweide, Butter u. Flachs; 3000 Ew. 2) County 
im nordamerif. Unionsftaate Hentudy, u, 37°. Br. 
u. 86° w. Y.; 9515 Ew.; Gountyfig: Danville. 

Boyle, 1) Richard, der große Graf von 
Cort, geb. 1566 in Canterbury; ftudirte die 
Rechte, ging nach London u. von da nach Irland, 
wo er ſich mit Johanne Aspley v. Limerik vermählte. 
Nach deren Tode fiel ihm ein großes Vermögen 
zu; er wurde Secretär des Gouvernements der 
Grafſchaft Munfter, unter Jakob 1. Geheimrath 
u. 1616 Peer des Neiches u, erhielt den Titel 
Lord B.; Karl I. ernannte ihn zum Lord-Richter 
u. 1631 zum Zchatmeifter von Irland. In der 
Nevolntion zeigte er fi) als Royaliſt und bielt 
jeine Provinz am längjten im Zaume. Er ftarb 
1643. 2) Roger B., Graf von Orrery und 
Baron v. Broghill, 5. Zohn des Borigen, geb. 
26. April 1621 in Yismore; war Anhänger 
Karls 1. und vertheidigte Irland bis zu defien 
Zode. Beim Sturze deffelben ging er nah Eng- 
land u. war im Begriffe, Irland von Neuem für 
Karl II. zu infurgiren, als ihn Grommell, der 
feine Briefe aufgefangen hatte, überraichte und 
ihm die Wahl stellte, angellagt zu werden, oder 


Bone. 


weis Tode wieder zumandte, den Thron beftiegen 
batte, wurde er Lord⸗Richter in Irland, legte aber 
wegen Streitigfeiten mit dem Herzog von Ormond 
feinen Pojten nieder. Er ftarb 16. Octbr. 1679. 
B. ſchrieb: Parthenissa (Roman), Yond. 1665, 
3 Bde; Geſchichte Heinrihs V. u. VL; Schau— 
jpiele (Der ſchwarze Prinz, Muſtapha, Altemira, 
Heinrich V., Guzman u. Herodes d. Ör.). 3) Ro- 
bert, Bruder des Vor., fiebenter Sohn von B. 1, 
berühmter Naturforſcher, geb. 25. Febr. 1627 zu 
Yısmore in Jrland; wurde zuerft im Eton College 
bei Windfor, dann in Genf erzogen u. ſtudirꝛe 
bejonders Naturwiſſenſchaften. Er bereite ale 
Jüngling Frankreich, die Schweiz u. Italien u. 
ging nach dem Tode feines Vaters 1643 nad 
jeinem Baterlande zurüd, wo er als unabhängigert 
reicher Privatmaun zuerft auf jenem Erbgute 
Stallbridge in Jrland, dann in Orford u. Cam- 
bridge u. zuiegt als Präfident der Königlichen 
Gejellichait in Yondon Iebte. Er machte zuerit 
auf die Elajticität der Luft aufmerkſam u. ımter: 
juchte, gleichzeitig mit dem Franzoſen Mariotte, 
deren Abhängigkeit vom Drud, ift aljo mit Letzte⸗ 
rem Gutdeder des nad dieſem benammten atro- 
jtatifchen Geſetzes (New experiments physico- 
mechanical, touching the spring of the air and 
its effects, Orf. 1660, 2. Aufl., Lond. 1662, 
3. Aufl., 1682); unteriuchte die Veränderung der 
Luft beim Arhmen, überhaupt beim Übergange in 
organiſche Körper, u. entdedte die > dünner 
Blätthen (Experiments and considerations upon 
colours, 1663). Mit Bacon von Berulam, deiien 
PBrincipien er huldigte, erflärie er die Wärme 
durch Schwingungen der Atome, In feinen zabi- 
reihen anderen naturwiſſenſchafilichen u. natur 
philoſophiſchen Schriften (3.3. Sceptical chymist, 
1662, 2.Aufl., 1679; Considerations touching the 
usefulness of experimental natural philosophy, 
1663; Tracts about the eosmical qualities ete., 
1670 u.a.) ift er beftrebt, im Sinne Bacons die 
Naturwijjenichaft von jpeculativen Glementen zu 
reinigen, Er iſt namentlich der Erjte, der den alten 
Ariftoteliihen 4 Elementen ebenjo entgegentritt, wie 
den 3 der Aldyemijten, u. erwartet, daß eine Zeit 
foınme, wo eine große Dienge von Elementen 
befanut jein wirden. Er umterjcheidet ſcharf 
Miſchung u. hemiihe Berbindung. Er hatte mi: 
dem Elbinger Samuel Hartlieb theil an der 
Gründung der unfichtbaren Geiellichaft, deren 
Zwed war, im gemiütbtichen Zujammenleben obne 
alles Anſehen des Standes wiſſenſchaftlich zu 
arbeiten, u. aus der nad der Thronbejteigung 
Karls II. die Royal Society hervorging, u. war 
ein eifriger Befürderer des Chriſtenthums, wes- 
halb er jogar in das Directorium der Oſtindiſchen 
Compagnie trat u. auf feine Koften eine malaii: 
jche Ülberjegung der Evangelien u. der Apojtel- 
geichichte dDruden ließ. B. war ein außerordentlich 
jruchtbarer Schriftiteller, defjen Themata zuweilen 
boshafte Nachahmungen bervorriefen. Er ftarb 
30. Dechr. 1691 in London und wurde in der 
Wejtminfterabtei begraben, 4) Charles, Enteı 


zur republifanifchen Partei überzutveten. Er thativon Roger B., geb. 1676 zu Chelſea; ſtudirte 


das letztere, kam im großes Anſehen bei Erommell 
u. trug viel dazu bei, Irland dem Protector zu 
gewinnen. Als Karl IL, dem er ſich nach Crom— 


| 


in Orford, machte den Spaniihen Erbfolgekrieg 


unter Marlborougb mit, wurde Gebeimrarb, Ge— 
fandter in Brüffel u. Beer; er ft. 28. Aug. 1731. 


Boyles Geſetz — Bohton. 


755 


Er gab heraus Phalaridis epistolae, 1695. Das 4) Philipp Wilhelm, Graf v. B., Sohn des 


nad) ihm genannte B-fhe Planetarinm ift von 
dem Mechaniler G. Graham verfertigt. 

Bohles Gefes, jo v. wm. Mariottejches Geſetz; 
j. u. Gas. 

Bonne, 104 km langer, jchiffbarer Fluß in 
Irland; entipringt im N, der Grafichaft Kildare, 
Provinz Yeinfter, nimmt in Eaſt-Meath den 
Bladwater auf, hat einen Kanal bis Trim und 
mündet ins Jrifche Meer unweit Drogheda. An 
feinen Ufern befiegte 11. Juli 1690 Wilhelm III. 

"von Oranien feinen Schwiegervater Jakob II. 

Boyneburg (Boimeneburg, Bömelburg), ur- 
alte, ın Trümmern liegende Burg im Kreiſe 
Rothenburg des preuß. Regbez. Kaffel, Stamm— 
haus der Familie B. (VBoineburgf), eines der 
älteften und verbreitetften deutichen Geichlechter; 
theilte fich fhon im 18. Jahrh. in den Weißen 
u. Shwarzeu Stamm u, mehrere Linien u. wurde 
1554, 1571 u. 1653 in den verjchiedenen Stäm- 
men in den Freiherrnſtand, eine Linie des 
Schwarzen Stammes in den Grafenjtand erhoben. 
L Weißer Stamm, gegründet von Bodo I.; 
zu demfelben gehört: 1) Kurt v. B., der Feine 
Heffe, geb. 1487 in Heflen, von Heiner Figur; 
trat früh erft in beifiiche, damı in Tailerliche 
Dienfte, focht bei Pavia, übernahm den Befehl 
der von Frundsberg dem Connetable von Bour« 
bon zugeführten Truppen u. eroberte mit ihnen 
1527 Rom, Mit Dranien ſchützte er 1528 Neapel 
gegen die Franzoſen, nahm 1532 theil an der 
Belagerung von Florenz u, wurde im Türfen- 
Iriege 1532 Anführer des deutjchen Fußvolles. 
1533 zum Geheimen Kriegsrathe Karls V. u. des 
Königs Ferdinand ernannt, belagerte er Pet, wo 
ihn Karl V. zum Ritter ſchlug u. zum Feldherrn 
ernannte. 1544 eroberte er St. Dizier an der 
Dame für den Kaifer; von dem Herzog von 
Bayern mit Bertheidigung des Städtchens Rain 
beauftragt, wurde er dort zur Gapitulation ge 
nöthigt, deshalb verhaftet, aber als unichuldig 
freigelaffen. Er wohnte der Schlacht bei Mühlberg 
bei u. war 1557 bei St. Quentin. B. it. aui 
feinen Gütern in Schwaben 1567, 2) Hermann 
Friedrich v., aus dem erlofhenen Zweige zu 
Hohenſtein, geb. 26, März 1665; focht mit den 
däuiſchen Hilfstruppen 1690 in Irland an der 
Boyne un. unter den Kailerlichen als Brigadier 
im Spanischen Erbfolgelriege, feir 1701 in Ober- 
Stalien u. wurde zum Generalfeldwachtmeifter er- 
nannt; er jtarb 27, Septbr. 1703 in Hoveredo. 
I. Schwarzer Stamm (Boineburg-Lenasfeld), 
an Thüringen u. Heflen; zu ihn gehören: 3) Jo: 
haun Ehriftian v. B,, Herr zu Breitenbad u. 
Dippach, geb. 12, April 1622 in Eiſenach; war 
Gejandter an mehreren Höfen, bef. in Stodholm, 
trat 1656 zum Katholicismus über u. in Mainzifche 
Dienfte, wurde Geheimrath des Kurfürſten u. 
unterhandelte beim Pyrenäiſchen Frieden. Er zog 
Yeibniz (der nachher fein Privatjecretär war), 
Pufendorf u. U. in Mainziſche Dienjte, gerieth 
indeß bei feinem Herrn in Ungnade, wurde 1665 
gefangen gejetst, aber losgeſprochen. Er ft. 8. Dec. 
1672 auf jeinem Gute bei Frankfurt. 


Seine 


or., geb. 21. Nov. 1656 in Mainz; war erjt Geift- 
licher, befaß viele Präbenden u. hatte Ausfichten 
auf dem erzbifchöflihen Stuhl, wandte diejen aber 
dem Bruder ſeines Schwagers, Franz Lothar 
v. Schönborn, zu, wurde 1697 in den Grafen- 
ftand erhoben u. 1702 Gtatthalter in Erfurt; er 
ftarb 23, ehr. 1717. 5) Moritz Heinrich, 
Freiherr B. v. Yengsfeld, geb. 2. Dctbr. 1788; 
trat 16 Jahre alt in preußifche Militärdienfte, 
1807 aber in die weftfälifche Armee über und 
rüdte nah uw. nad) während der Napoleoniſchen 
Kriege, an denen faft allen er theilnahm, zum 
Oberitlieutenant u. Regimentscommandeur auf, 
Im October 1813 ging er mit feinem Regiment 
zu den Öfterreihern über, ward 1832 zum Ges 
neralmajor befördert u. erhielt 1842 mit der Er- 
nennung zum Feldmarſchalllieutenant das Comes 
mando der Armeedivifion in Ofen. An Lederers 
Stelle wurde er 11. Mai 1848 zur Übernahme 
des ungariichen Geueralcommandog berufen, jedoch 
im Juli nach Galizien verjegt, wo er unter 
Hammerftein Antheil an der Unterbrüdung des 
Aufruhrs zu Yemberg nahm. Anfang 1849 wurde 
er Militärcommandant in Öſterreichiſch-Schlefien 
zu Troppau. Seitdem in den Ruheſtand getreten, 
erhielt er bei der Verabjchiedung den Charakter 
eines General® der Cavalerie u. lebte in Wien, 
wo er 20. Sept. 1868 ftarb. 

Boyſalz, aus Meerwafler durch Verbunften 
defjelben an der Sonne in flahen Gruben ger 
mwonnenes Salz. Es enthält außer Chlornatrium 
(etwa 90 pCt.) Chlormagnefium, ſchwefelſaure 
Magnefia, ſchweſelſauren Kalt u. Waſſer. Durch 
erdige Subftanzen ift es häufig grau oder braun 
gefärbt. Man verbraudt es theil® noch zum 
Einfalzen namentlich von Fiſchen, theils remigt 
man es entweder duch Auswaſchen mit Salz» 
waſſer, od, durch Auflöjen in Waffer, Filtriren u, 
Berdampfen der Yöfung. 

Boyton, Paul, amerilk. Sciffscapitän, geb. 
um 1848 in Pittsburg; verbefferte und vervoll 
Händigte den von Merriman in Nem-V)ork er- 


fundenen Schwimmanzug u. durchſchwamm mit 


demfelben, ohne mwefentlichen Berluft au Kraft u. 
Körperwärme zu erleiden, 28, u. 29, Mai 1875 
den Canal la Manche vom Cap Grisnez bi8 Do— 
ver in etwa 24 Stunden Zeit, nachdem er am 
20, Oct, 1874 bereits einen vergeblichen Verſuch 
gemadt. Bon dem ihn begleitenden Fahrzeuge 
nahm er, abgejehen von einigen Erfrifchungen, Bei« 
bilfe nicht in Anſpruch. Der aus Kauiſchuk ber 
jtehende Schwimmanzug läßt nur Augen, Nafe 
u. Mund frei u. enthält Luftbehälter zum Auf- 
blafen. Außerdem gehören dazu verjchiedene 
Utenfifien, wie ein Ruder, ein Heines Segel, ein 
Proviantbehälter, Gegenftände zum Abgeben von 
Signalen ꝛc. Beſchreibungen in der Fluftr. Ztg. 
Nr. 1661 u. 1664 (Mai 1875). Capitän B, bat 
mit diefem Apparat bereits über 7U Menſchen das 
Leben gerettet; derjelbe ift alfo wol geeignet, eine 
neue Epoche im Seerettungswejen zu eröfinen u, 
ſchließlich die Verluſte an Menſchenleben bei den 
jedes Jahr ſich wiederholenden ſchrecklichen Kata— 


Brieſe, herausgeg. von Meelführer, Nürnb. 1703, ſtrophen zur See mehr und mehr zu reduciren. 
Struve, Jena 1706, u. Gruber, Hannover 1715. Einen Ähnlihen Shwimmapparat hat neuerdings 


45* 


756 Bo; — 


auch der Amerikaner Stoner conftmirt. ©. d. Art. 
Scqhroot. 2) Chriitos (Kito), Sohn des Bor.; nad dem 


Schwimmen u. Seerettungsiwejen. 
Boz, Pſeudonym für Charles Didens. 
Bozen (ital. Bolzano), Hauptort der gleihuami« 

gen Bezirtshauptmannichaft im ©. des öſterreichi⸗ 

ſchen Kronlandes Zirol, in einem Thalfefjel am 

Einfluffe der Talfer in den Eifat, welcher 4 kın 

weitlid) von da in die Etich mündet, 262 m ü.d. M., 

an einer Hauptftation der Brennerbahn; 9355 Em. 

Der mitten Durch die Stadt führenden Gaffe entlang 

laufen zu beiden Seiten geräumige Arcaden mit 

Kaufläden, Comptoirs u. reichhaltigen Magazinen 

für den bier befonders concentrirten Handel n. Wan- 

del; unter den Häufern diejer Gaſſe findet ſich das 
der Municipalität u. das palaftartige Gebäude ber 

Handels- und Gewerbefammer für das deutjche 

STirol. Für den gleichen Landestheil beiteht in 

B. Kreisgericht, Bezirlspauptinann u. Bezirksges 

richt, Miltärcommando, deutiches Eoniulat; Ober: 

Staats- u. Privatgymnaftum, Lehrerbildungs-An« 

ftalt, Real» u. Bürgerfchuten; viele Wohithätigleits- 

anftalten u. Vereine; Sig des infulirten Propites 

u. Decans; zwei Mönchs- u. 1 Frauenkloſter, ſchöne 

Eollegiatitifts- (erfte Pfarr⸗ lirche im goty. Stil 

(im 12. Jahrh. begonnen, 1519 vollendet). An 

rößeren Fabriken befitt B. bloß eine mechaniſche 
eberei, Baummollen- und Filoſelleſpinnerei auf 

Actten. Die Märkte u. Meilen in B., die im 

Mittelalter eine europäiiche Berühmtheit erlangten, 

indem B. den Hauptitapelplag zwiſchen Augsburg 

u. Venedig bildete, find jet nicht mehr bedeutend. 

Nur die reihe Production an Weinen u. vorzüg- 

lihen Obftgattungen und die erhöhte Gewerbs- 

thätigfeit bietet Erſatz. In neuerer Zeit wird B. 

wegen jeines milden, meist ſchneeloſen Winters von 

Fremden zum Winteraufenthalte gewählt, doch if 

dieſer Huf, was die Stadt betrifft, nicht ganz ver- 

dient, fondern lommt mehr dem nahen Dorfe Gries 
zu. — Über die erjte Anlage von B. haben wir 
um fo weniger eine Spur, als die Sohle des römi— 


Bozzelli. 
das Capitanat Tſchumarka, wo er um 1793 ftarb. 


Tode feines Vaters, ebenfo wie feine 3 jüngeren 
Brüder, Bertheidiger von Suli wider Ali Vaſcha; 
entlaı bei dem Falle Sulis 1804 nach den Joni— 
chen Juſeln, diente dort als Major in einem franz. 
Albaneferregiment u. fiel 1809 in die Gemal: 
Al Paihas, der ihm tödten lief. 3) Marko, 
Sohn des Bor., geb. um 1788; lebte nad dem 
Falle Sulis auf den Joniſchen Inſeln, von wo 
aus er einen Verſuch zur Befreiung feines Bater- 
landes machte. Nach deflen Miflingen nahm er 
in einem albanefiihen Regiment franz. Dienite 
u, fehrte, nachdem er 1813 Mitglied der Hetäne 
(f. d.) geworden war, im Jahre 1820, als bie 
Pforte den Ali Paſcha befriegte u. Letzterer bei 
den vertriebenen Sulioten Hilfe geſucht hatte, 
nah Epirus zurid. Ber Ausbrudy des Griechiſchen 
Freiheitslampfes in der Gegend von Miffolungbi 
gegen Kurſchid Paſcha operirend, nabhın er ım 
‚sanuar 1822 an dem Congreß der griechiichen 
Deputirten in Epidauros theil u. leijtete von da 
ab der griehiihen Sache die trefflichften Dienite. 
1822 nabm er ai dem Feldzuge in WGriechen— 
land tbeil u. zeichnete ſich beſonders 1822 — 1823 
bei der Bertheidigung Mifjolunghis (f. d.) ans. 
m Sommer 1823, wo er den Oberbefehl in 
WGriehenland führte, eroberte er Yepanto und 
wußte durch glüdlihe Operationen die türkiſche 
Macht zu theilen, wurde aber bei einem nächtlichen 
Überfalle auf das Lager des Paſcha von Sfutari ba 
Karpeniffi 19. u. 20. Aug., wobei er den Palo 
jelbft niederbieb und mit feinen 250 Mann ea 
furdhtbares Blutbad unter den Türken amrichtetz, 
gefährlich verwundet u. ftarb bald dazkuf im 
Miffolungbi. 4) Kofta (Conftantin), Bruder des 
VBor.; übernahm nach deifen Tode die Führung 
der Gulioten u. die Bertheidigung von Mifjolungke, 
war 1825 unter Denen, die im meftlihen Morea 
wider Ibrahim Paſcha Fämpften und die 1826 


ihen Bodens, infolge von Anſchwemmungen wenig- |nadh mehrmonatliher Belagerung in Miffolungbi 


ftend 8 m unter der Oberfläche des Bodens liegt. |fih glüdlih durchſchlugen. 


Er jtarb 13. Rovor. 


B. wird urfprünglich zuerſt 379 unter Kaiſer Gra-|1853 als General u. Senator in Athen. 5) Noti 


tianus Baufcare genannt; in der longobardijchen 
Zeit bie e8 Bauzanum, fpäter Bolzanım u. 
war Sitz eines unter longobardifcher Hoheit ftehenden 
Grafen, nachher eines bayeriihen Grenzgrafen, 
Kaijer Konrad fchenkte es 1027 dem Etifte Trient, 
u. e8 wurde fortan ein Gegenftand des Streites 
zwiichen diefem und deu Grafen von Tirol, an 
welche Letztere es 1466 fiel; ſeitdem theilt es die 
Schidjale dieſes Landes. Bgl. Amthor, B. und 
ſeine Umgebung, Gera 1872. x in Bozen. 
Bozra, ehem. Hauptſtadt der Nabatäer in der 


(Notos), Bruder von B. 2); hatte früber ebeu- 
fall® an den Kämpfen der Sulioten wider Añ 
Paſcha theilgenommen, nah dem alle Suls 
anf den Joniſchen Inſeln eine Zuflucht gefunden 
u. dort mit Bruder u. Neffen in einem franz. 
Albanejerregiment Kriegsdienfte genommen, mo 
er als Major angeftellt wurde. Auch er trat 
nah dem Ausbrucde der griechiſchen Revolution 
1821 auf Seite der Griehen u. nahm an bem 
Kampfe derjelben Antheil, namentlih bei der Be— 
lagerung u. Bertheidigung Miffolungbis 1826. 


Landſchaft Edom, ſüdöſtl. von Baläftina; jet unter B. ſelbſt war unter Denen, die ſich damals durch— 


dem Namen Boſſeira nur noch durch ihre Ruinen 
bedeutend, 

Bozzaris (auch Botzaris u. Botjaris), aus- 
gezeichnete Familie in der epirotiſchen Landſchaft 
Suli (j.d.), die namentlich ſeit den letzten Jahr⸗ 
zehnt des 18. Jahrh. in. den Kämpfen der 
Eulioten gegen die Türken unter Ali Paſcha von 
„Janina u, jpäter in der griechiſchen Revolution 
fih hervorthat. 1) Georg (Wiorgo), der Schreden 
der Albanejen, der Sieger über At Paſcha, von 
dem er jedoch nahmals ſich beftechen ließ durch 





ſchlugen. Er fl. 1831. 6) Dimitri, der einzige 
Sohn Markos, geb. 1813, einer der befähigtiien 
Offiziere; ward Oberft in der Armee, jeit 22. Juni 
1859 mehrmals Kriegsminifter, danı auch Wit 
glied der Nationalverjammlung; er fl. 30. Aug. 
1870 in Athen. Lagai.* 
Bozzelli, Francesco Baolo, italienischer 
Politiker, geb. 22. April 1786 in Manfredonia; 
ging nach vollendeten Studien nah Neapel, um 
fih der Rechtswiflenichaft zu widmen; ward 1813 


‚Staatsraths-Auditor, 1815 Generalinjpector der 





Bozzolo — Brabant. 


757 


Dberfanitätscommiffton u. wegen feiner Berdienftel2eopold zum Director der kgl. Kapelle ernannte, 
zur Zeit der Seuche von 1816 zum Generalfecretär) während er der Mutter des Dichters ein Jahre 
ernannt, vier Jahre fpäter Staatsrath; gleich gehalt von 2400 Fes. ausjekte, 

darauf aber verhaftet u. verbannt, ging er nah) Brabancons, Bezeichnung der im 12. Jahrh. 


Paris u. 1828 nad London u. 1837 nach Neapel 
zurüd; er ward 1844 wieder verhaftet u. nad 
feiner Freilaſſung Mitglied der Alademie der 
Wiſſenſchaften. Er erbielt 1848 das Miniſterium 
des Innern, redigirte die — 10. Febr., 
gab bald darauf feine Demiſſion Und ward zum 
jtändigen Präfidenten der Afademie ernannt, 1848 
noch einmal Chef des genannten Minifteriums u. 
dann des Interrichtsminifteriums, was er bis 
Auguft 1849 blieb, Er ft. 2. Febr. 1864. B. 
ichrieb: Essai sur les rapports primitifs qui 
lient ensemble la philosophie et la morale, 1825; 
Esquisse politique sur l’action des forces so- 
<iales dans les differents especes des gouver- 
nements; De l’esprit de la comedie et de l'in- 
suffisance du ridieule pour corriger les travers 
des caractöres, 1832; Dell’ imitazione tragica 
presso gli antichi e presso i moderni, 1835; 
Filosofia dell’ estetica, 1838; Cenni estetiei 
sulla pubblica mostra degli oggetti di belle 
arti nell’ autunno nel 1851, 1856. 

Bozzölo, 1) fonft Fürſtenthum, dem Haufe 
Gonzaga gehörig; nah Ausjterben deffelben 1703 
mit Johann Franz Gonzaga, gab es der Kaiſer 
1708 dem Herzog von Guaftalla in Lehn; es fiel 
dann mit dem Ausfterben der Herzöge 1748 an 
das Haus Ofterreih. 2) Hauptort des jetigen 
gleichnamigen Bezirkes der ital. Provinz Mantua ; 
am Oglio; Seidenzucht, Yayencefabrifation und 
Weberei; 4292 Em. 

B. P. D. Abbreviatur für bono publico datum 
(zum Staatsnutzen geichenft). 

B. Q., auf Grabfteinen Abbreviatur für bene 
quiescat (er rube fanft). 

B. R., Abbreviatur für bene requiescat (er 
ruhe fanft). 

Br, hemifches Zeichen für Brom. 

Bra, Stadt im Bez. Alba der ital, Provinz 
Cuneo (Piemont), an der Stura; Seidenipinnerei, 
Dretallgießerei; großer Handel mit Vieh, Yeinwand, 
Gar, bei. mit Trüffeln; 13,500 Ew.; Eijenbahn- 
nad Turin u. Coni. B. iſt ſehr alt, hieß im Mittel- 
alter Braida. 1552 wurde es vom Herzog Ema- 
nuel Philibert erobert; das feſte Schloß wurde 
1628 in ein Kapuzinerflofter verwandelt. 

Bra, Theophile, franz. Bildhauer, geb. 
29. Juni 1797 in Douai; bildete fih unter 
Story u. Bridan u. führte ın Paris eine Menge 
Sculpturen aus, darımter: Ariftodemos am Grabe 
feiner Tochter; Peter u. Paul, in der Kirche St. 
Louis; Bronzeftandbild des Herzogs von Berry zu 
Lille; Statue des Regenten in der hiſtoriſchen 
Galerie zu Berfailles; Odyſſeus auf der Inſel 
Ogygia; das Monument des Marihallg Mortier 
zu Gotean u. die Nelief3 am Triumphbogen de 
Vétoile. Alle bedeutenderen Mufeen befiten Werte 
von B⸗s Hand. Regnet. 

Brabangonne, die Marfeillaife der belgiſchen 
Stevolution u. Nationallied der Belgier; der Tert 
it von dem franzöfiihen Schaufpieler Jenneval, 
d:r 1830 bei Berhem blieb, die Mufif von dem 


in den franzöf. und engl. Kämpfen verwendeten 
Söldnertruppen, die wegen ihrer Plünderungen 
allgemein gefürchtet waren, 

rabant, Landichaft in der Mitte des nieder- 
ländiich-beigifhen Zieflandes; urſprünglich ein 
deutfches Herzogthum, jchon bei Begründung der 
holl. Republik getheilt, 1815 Beſtandtheil des Kö. 
nigreichs der Niederlande, feit der Entitehung Bel- 
giens neuerdings auch ftaatlich getrennt in: Nord« 
B. in Holland u. Süd-B. in Belgien. 1) Nord» 
B, grenzt nördl. an Sholland n. Gelderland, öſtl. 
an das Herzogthum Pimburg, füdl. an Belgiſch— 
Yimburg u. Antwerpen u. wefll. an Seeland; es 
ift die größte Provinz der Niederlande; 5162 [_]km 
(933 IM); 1869 (legte Zählung) 428,872, für 
Ende 1873 geichätt auf 443,045 Ew. Flüffe: 
Maas, Mermwede, Biesboſch, Amer, das holländische 
Diep, Aa, Dommel, Dieze, Dintel, Mark ıc.; Kanal 
von Zuid-Willemsvaart u. von Eindhoven. Viele 
Sifenbahnverbindungen: Benlo-Breda mit 81 km, 
Breda-Kotterdam 24 km, Rozendaal-Blifjingen 20 
kın, Bortel-Utreht 25 kın, Antwerpen-Rotterdam 
30 km, Bortel-Goch 55 km, Lüttich Limburg 20 
kın, Herichot-Tilburg mit 21 km, zuf. 276 km. 
Den zlüffen entlang Thon-, fonft Sandboden; 
} des Bodens noch unangebaut u, aus Heiden u. 
Moräften beitebend. Landbau, Viehzucht u. Torfe 
gewimmung find die Erwerbsquellen der Bevölfer« 
ung. Die Provinz zerfällt in die Bezirke Herzogen- 
bush, Eindhoven, Breda und bat 19 Kantone, 
Gymnaſien in Herzogenbufh u. Bormeer, höbere 
Bürgerjchulen in Herzogenbufh, Breda, Helmond 
u. Zilburg, ferner je 1 katholiiches Seminar in 
Haaren und in Hoeven; in Breda (f. d.) ift die 
Mitlitär-Alademie. Die Katbolifen (377,130) baben 
2 Bisthümer {Herzogenbufh u. Breda) mit 245 
Parodien. Die Hauptitadt der Provinz iſt Her 
zogenbufh. 2) Süd-B., belg. Provinz; grenzt 
an Antwerpen, Yimburg, Lüttich, Namur, Henne— 
gan und OFlandern; 3282 |_jkm (59,, IM); 
1866 819,132 Emw., für Ende 1873 geihätt auf 
922,168 Ew.; zerfällt in 3 Bezirke. Im Süden 
u. Oſten ift das Land etwas bigelig, der Boden 
ſehr fruchtbar u.' dicht bevölfert. Flüſſe: Dyle, 
Senne ꝛc.; Kanal von der Senne zur Nethe; 
Eifenbabnverbindungen: Brüffel-Herbesthal mit 58 
km, Briüffel-Antwerpen 15 km, Brüffel-Dftende 
24 km, Brüffel-Quevrain 24 km, Brüffel-Puttre 
35 km, Brüfjel-Arlor 33 km, Brüffel-?ille 29 km, 
Brüffeler Gärtelbahn 12,, km, Mecheln-Löwen 23 
km, Medeln-Schellebede 10 km, Danage-Wavre 
36 km, Nahen-Antwerpen 22 km, Archot-Charle— 
roi 70 km, zufammen 391 km. Die Bewohner, 
faft ausjchließlich latholiſch, ſprechen im N. flämiſch, 
im ©. franzöſiſch. Große Fabrikinduſtrie, beſon— 
ders in Leinwand, Baumwolle, Tuch, Tapeten, 
Hüten, Papier, Stärlemehl, Seife, Spiritus, Bier, 
hauptſächlich Spitzeninduſtrie. Die Hauptſtadt der 
Provinz iſt Brüffel (ſ. d. Art.). — Zur Zeit Cäſars 
trafen die Römer in B. eine mit Germanen ge— 
miſchte keltiſche Bevöllerung, u. unter den verjchie- 


Kapellmeiſter van Campenhout, den der Königldenen Stämmen ragen beſonders die Menapier 


758 


hervor. Das Pand murde theils .mit Germania 
inferior, theils mit Gallia Belgiea verbunden u. 
im 4. und 5. Jahrh. von den Franken erobert. 
Im Anfange des 10. fam e8 zu Lothringen u. fomit 
zu Deutfchland. Im Anfange des 11. wurde es 
davon getrennt, u. Kater Heinrich V. belehnte da- 
mit den Grafen Gottfried von Löwen; feine Nach» 
fonmen regierten als Herzöge bis zum 14. Jahrh. 
Mit Johanna, Tochter von Herzog Jan IM. 
(geft. 1355) fam das Herzogthum an das Haus 
Yuremburg, nad ihrem Tode durch Erbſchaft an 
Burgund, deſſen Herzog Philipp der Gute es 1430 
feinem mit Reiche vereinigte. Durch die Heirath 
Marias von Burgund mit Marimilian fiel B. an 
das Haus Habsburg u. fam jo an Karl V. u. 
Philipp II. von Spanien. Unter dem Yetsteren em— 
pörte fih auch B., aber nur der nördl. Theil wurde 
1648 als Generalitätslande den vereinigten Nie 
derlanden gelaffen, während SB. bis 1714 bei 
Spanien verblieb, Alsdann lfam e3 mit den üb- 
rigen füdlichen Provinzen unter Öfterreih. Bel« 
dien, Geſch.). 1746 wurde es von dem Franzoſen 
genommen, 1748 (Friede von Aachen) zurüdgeger 
ben, 1789 war es im Aufſtande, da die Privi— 
legien des Yandes vom Herrſcher verlegt waren; 
1794 wurde es wieder von den Franzoſen erobert 
u, im Frieden von Campo Formid (1797) mit 
Frankreich vereinigt. infolge des Partfer Frie— 
dens (1814) bildete B. drei Provinzen des König» 
reiches der Niederlande (NB., SB. u. Antwerpen); 
infolge des Wufftandes von 1830 blieb erfteres 
hei Holland, die zwei letteren famen an Belgien, 
Der Kronprinz von Belgien führt den Titel Her- 
zog von B. Wenzelburger. 
Brebanter Huhn, Hühnerrace mit jchmaler, 
helmartig nad vorn geneigter Haube, welche bei 
den Hübnern ftärker ift, als bei den Hähnen. Es 
gibt hauptjächlicd 2 Varietäten, die weißen u. die 
gelben (Siberlad u. Goldlad), von denen nament- 
lich die weißen mit fchwarzen Endtupfen an den 
Schwanzfedern u. mit ſchwarzen Duerftreifen über 
den ‚Flügeln jehr Schön find, Das B. H. ift ein 
ftarfes Huhn, legt gut, ift aber fein guter Brüter, 
Brabanter Pferd, ein in den fruchtbaren 
Niederungen an der Nordiee in Frankreich u. den 
Niederlanden heimifche jchwere WPferderace mit 
ſanftem, rubigem Temperament, ſchwerem Kopfe, 
fleinen Augen, kräftigem, mit ſtarker Mähne ber 
fettem Halfe, breiter, musculöfer Bruft u. vollem, 
gut gewölbtem Leibe. Die Ertremitäten find fräftig, 
der Schmweif tief angefegt. Die Thiere werden 
meift nur zum fchwere Zuge benutzt. 
Brabanter Thaler, 1) fo v. wm. Albertus- 
thaler. An die Stelle derjelben traten 2) die 
öfterreichifchen (Brabanter) Kronenthaler, eine in 
Deutichland früher allgemein verbreitete Rech— 
n.ngsd- u. Handelsminze, = 4 M 60-70 Bf. 
Bracça (port., ſpan. braza, ital, braceio, deutſch 
Brage, vom lat. brachium, der Arm), Yängenmaß; 
in Liſſabon — 2, m; in Spanien — 1,gr M; 
in Italien verjchieden, 60—70 em; auf den Joni⸗ 
ſchen Jnfel die große B. — 0,408 m, die Feine 
B. — 0,94 m; in Bajel die B. od. Heine Elle = 
0,544 m; in Zeffin — 0,5 m; in Bozen die 
B. = Op IM. 
Braccae (lat.), 


Beinkleider; daher Gallia 


Brabanter Huhn — Brade. | 


braccata, fo vd. w. Gallia Narbonensis, weil dir 
Bewohner Hofen trugen. 

Braceiäno, Hauptftabt eines ehemal. Herzog | 
thums im Diftr. Viterbo der ital. Provinz Kom; 
Schloß (von dem 1480 verftorbenen Napoleon 8. 
erbaut), warme Quellen, Bad; Hohöfen; 2807 Em.; 
Die Stadt liegt am See von B. (Lacus Sabatinus), 
deffen Waffer in die Stadt geleitet u. von Baul V. 
mit Aqua Alsea verbunden ward (Aqua Paula); 
derfelbe ift 50 [_Jkm groß, ein alter Krater, kreis 
rumd, 140 m über dem Meere u. hat zum Abfluß 
in das Mittelmeer den Arrone. Am See lieg 
Anguillara, einft Sitz der 1548 ausgeftorbeuen Gra⸗ 
fen v. Anguiflara, einem Seitenzweige der Orfim. 

Braccio (ital.), 1) Längenmaß, ſ. Brazı 
2) So v. w. Bratiche. 

Braceiolini, 1) Francesco B. dalle Ari, 
ital. Dichter, geb. 1566 in Piltoja ; wurde Geiftliher, 
erhielt von Papft Urban VIII. für L’elezione di 
Papa Urbano VIII. (Rom 1628) den Beinamen 
dalle Api (von den Bienen) und das Recht, de 
3 Vienen des Haujes Barberini, aus welchem der 
Papft ſtammte, im Wappen zu führen. Nad 
Urbans VIII. Tode kehrte er nah Piſtoja zuräd, 
wo er 1645 ftarb. Er ſchr. noch die Epopeen: 
La eroce racquisteta (1605); Lo scherno degli 
Dei (1618); La Bugheria convertita (1637); 
auch einige Trauerſpiele, Luftjpiele und Idylen 
2) Boggio, f. Poggius. . 

Brace, Charles Yoving, amerifan. Shui 
feller, geb. 1826 zum Litchfield in Connecticut; ftı- 
dirte Theologie, machte von 1850 am Reiſen u 
verjchiedenen enropäiichen Fändern, deren Eindrüd 


er in verſchiedenen Werten niederlegte. So: Hungar 


in 1851, 1851; Home Life in Germany, 1803; 
The Norse Folk, 1857, Reiſeberichte aus Schwe— 
den u. Norwegen. B. zeichnet ſich außerdem aus 
durch feine fortgefegten Bemühungen um das Wobl 
elternlojer Kinder in New ort. DB. Kim 

Bracelet (fr.), Armband, 

Bradje, 1) der Zuftand eines Aders, in wel 
hem er fi längere Zeit umbeftellt befindet; em 
folder Ader heißt Brachacker od. Brachland; 
Brachfeld ift der Theil der Feldflur, in welchet 
alles Land Brache zu halten bat, d. h. weder 
mit Sommer, noch mit Winterfrucht beftellt wer: 
den darf. Der auf das Brachfeld geführte Dünger 
heißt Brahmift. Der Anfang der Bearbeitung 
der ganzen B. gefchieht gewöhnlich im Juni, daber 
diefer der Brahmonat heißt. Jetzt werden 9° 
wöhnlic in der B. Futtergewächſe, Brachfrüchte 
gebaut (j. über dies alles unter Feldwirthſchaft. 
Die an gewifien Adern haftende Verpflichtung, dit 
jelben zur Trift für die Heerden der Berechtigten 
brachliegen zu lafien, heizt Brachpflicht. Han 
mag ſchon früh zu der Anficht gefommen fein, dab 
der Aderboden (ähnlich mie der menſchliche Koͤrpet 
nad) gethaner Arbeit) von Zeit zu Heit der Ruhe 
bedirfe; den Beweis lieferte ſchon die Erfahrung, 
daß der einige Jahre bebaute Boden immer 9° 
ringere u. endlich gar feine Ernte mehr gab, DB 
derjelbe aber durch die B. gefräftigt wurde. S 
fange man nur wenige Pflanzen anbante, Mat 
eine raſche Anfeinanderfolge nicht zu vermeider. 
Die Folge war eine raſche Erjchöpfung der wich. 
tigiten Nährftofje des Bodens. Während der UN 


Brachelli — Brachlerche. 


759 


beſtellte Ader ſcheinbar ruht, find die Bermitter-] Staatsbeamten; ſtudirte an der juriſtiſchen Facultät 
ungsproceſſe thätig, mineraliſche Nährſtoffe für die in Wien u. veröffentlichte noch während dieſer Zeit 


Pflauzen aſſimilirbar zu machen. 
Wirkung der B. hatte deshalb ſehr bald geſetzli 
Regelung derſelben zur Folge. Nach 3. Moſes 25 
mußten die Israeliten in jedem 7. Jahre ihr Land 
bradliegen laſſen (Bradjahr), u. waren 7 joldher 
Bradjahre gehalten, fo wurde im 50. Jahre das 
große Brach- u; Erlaß- oder Jubeljahr gefeiert 
(j.u. Jubeljahr). In einem Bradjahre wurden feine 
Schulden eingetrieben; was non jelbft wuchs, wurde 
von den Bewohnern gemeinichaftlid genoffen. Die 
Armen, Fremdlinge und Sklaven, Wittwen und 
Waifen hatten gleichen Antheil daran. Schon 
Homerog fennt die B., u. Birgil bittet: 

Gib auch Friſt ums andere Jahr ben geihorenen Braden, 
Daf die ermlbdete Flur durch Ausruhn Stärke gewinne. 
Es entwidelte fih fo das belannte Dreifelder- 
ſyſtem (Winterfrucht, Sommerfrucht, Bradhe), wel- 
ches Jahrhunderte lang feine Herrichaft behaup- 
tete, bis zu Ende des 17. Jahrhunderts gar micht 
angefochten u. erft um die Mitte des 18. Jahrh. 
ein Object des Streites wurde, Thaers Verdienft 
ift es, die B. beichränft zu haben. Man hat zu 
unterjcheiden: reine, ſchwarze und Johannis-B. 
1) Bei reiner B. enthält das ein, refp. zwei 
Jahre mit Klee beftandene Feld im Herbſte eine 
Furche, wird im Frühjahre wieder als Weide be- 
nutzt, bis es zu Anfang Juni umgerifjen wird. 
Bis zur Wiederbeftellung folgen noch zwei, auch 
wol drei Furchen. Die Zeit der Nichtbenutsung 
beträgt aljo 4—5 Monate, während fie bei der 
2) ſchwarzen B. fat ein Jahr beträgt. Nach 
der Getreideernte erhält das Feld vom ‚zrühjahre 
bis zur Herbftbeftellung 2—3 Furchen. Da unter 
dem Getreide fein Klee war, jo kann von Weide» 
nugen nicht die Rede fein, wenn man nicht etiwa 
das Abmweiden des Unfrautes jo benennen will, 
3) Bei der Johannis-B. wird der Ader nicht 
umgerifien u! dient bis Johanni als Weide. Bon 
da ab bis zur Herbfibeftellung folgen 3—4 ur: 
hen. Dieſe Brache ift die kürzefte, fie Dauert nur 
2—3 Monate. Die B. hat zur Folge a) eine 
chemiſche Veränderung des Bodens, u. zwar Ber: 
fegung der organischen Bodenbeftandtheile, welche 
Bildung von Ammoniaku. Salpeterfänre zur Folge 
bat, u. der anorganischen, mineraliihen Beftand- 
theile. Hierdurch wird b) der Boden phyſilaliſch 
verbefjert; er wird loderer, mirber, wärmer; es 
wird aber auch c) Neinigung des Aders von Un— 
hräutern durch die B. bewirkt. Alles diefes zu 
Gunften der B. Angeführte läßt fih aber auch 
durch forgfältige Bearbeitung u. richtig gewählte 
Fruchtfolge ohne B. erreihen, allenfalls könnte 
man gezwungen fein, bei ftarfem Überhandnehmen 
des Unfrautes zur B. zu greifen. Entſchieden zu 
verwerfen ift die B. vom nationalöfonomijchen 
Standpunkte, da jährlih Tauſende von Morgen 
durch Brachliegen verhindert find, zur Bermebrung 
des Nationalvermögens beizutragen. Es muß fidy 
beim Fortfalle der B. auch der Wohljtand des ein- 
zelnen Beſitzers erhöhen u, darum jedes Yand- 
wirthes Bejtreben jein,. die B. möglichſt zu be» 
ſchränken. Diarr.* 

Brachelli, Hugo Franz, Statiſtiler, geb. 
11. Febr. 1834 zu Brünn, Sohn eines höheren 


Die 5 (1858): Die Staaten — vergleichende Sta⸗ 


tiſtik (35. A., Brünn 1875), worauf er 1855 im 
Öfterr. Statift. Bureau angeftellt wurde. Im Aug. 
1860 wurde B. außerordentliher, 1863 ordent- 
licher Profeffor an der 8.8. Technischen Hochſchule 
in Wien u. im letzteren Fahre auch Mitglied der 
K. K. Statiftiihen Eentralcommiffion. 1869 wurde 
ihm dazu die Lehrfanzel der Statiſtik und des 
Staatsrechtes am Militärintendanz« u. am höheren 
Artillerie» u. Geniecurs verlichen u. er im Febr. 
1872 zum Leiter des neu errichteten ftatifttichen 
Departements im öfterr. Handelsminifterium er- 
nannt. Wegen feiner erfolgreichen Thätigkeit in 
letsterer Stellung wurde B. ım Juni 1873 8. K. 
Hofrath. B. bat ferner veröffentlicht: Deutfche 
Staatenlunde, Wien 1856, 2 Bde; darans bei. 
Abdrud, ebd, 1857; Statiftif der öfterr. Mouar- 
hie; in der 7. Aufl. des Handbuches der Geo» 
graphie u. Statiftit von Stein-Hörfhelmann die 
Partien: Osmaniſches Reich u. Griechenland (1858), 
Defterreich (1861), Preußen u. die deutfchen Mittels 
u. Kleinftaaten (1861 —64), Schweiz (1870) und 
Italien (1871); Statiftiiche Skizze der europäiſchen 
Staaten, 1874 (die legteren alle in Leipzig). Cicalet. 

Bradher, jo v. wie Großer Brachvogel; ſ. d. 

Bracherium (lat.), Bruchband. 

Brachhuhn, 1) fo v. wie Großer Brachvogel. 
2) So v. mw. Negenpfeifer. 

Bradjial(brachialis), ven Oberarm (Brachium) 
betreffend; 3. B. B-arterie (Arteria brachialis), 
Oberarm⸗ (oder furz) Armfchlagader zc. 

Brachiopöda, jo v. w. Armfüßler, eine Ordnung 
der Weichthiere, 

Brachiſtochrone (v. gr. brächistos, der für- 
zefte, chrönos, die Zeit), diejenige Yinie zwischen 
zwei nicht lothrecht übereinanderliegenden Punkten, 
in weldjfer ein Körper in der fürzeften Zeit von 
dem einen diefer Punkte nach dem anderen berab- 
fällt (rollt). Die analytiihe Mechanik lehrt, da 
die B. nicht, wie man vielleicht erwarten jollte, 
die gerade Berbindungslinie beider Punkte, fon- 
dern eine Frumme Lime von eigenthümlicher Ger 
ftalt, die Eyfloide (f. d.) it. Dieſe Eigenſchaft 
der Eyfloide heit Bradiftohronismus, 

Wimmenauer M. 

Brachium (fat.), der Oberarm. 

Bradjfäfer (Rhizotrogus Latr.), Inſecten- 
gattung aus der Ordnung der Käfer, Unterordnung 
der Fünfgliederigen, Familie der Blatthornfäfer, 
Unterfamilie der Yaubfäfer; Fühler 9—10gliederig; 
Fühlerkeule Iblätterig. Der Sonnenwendläfer 
(R. solstitialis L.) ıft langbehaart; Halsſchild u. 
Bauch mehr od, weniger ſchwärzlich; Flügeldecken 
gelbbraum mit 3—4 weißlichen Längsleiften; 16 bis 
18 em lang; er erjcheint erft im Juni, u. zwar 
oft in großer Menge u. ift auf Wiefen u. yeldern 
jebr jhädlih, dem Getreide namentlich zur Blüthe- 
zeit, weil er fi gern an die Ühren fett, die 
Blüthentheile zernagt u. jo die Körnerbildung be— 
einträchtigt. Die Yarve lebt unterirdiich von Gras— 
wurzeln. Gr it weniger ſchädlich, als jein Ver— 
wandter, der Maikäfer. Thome.* 

Bradhklee, j. Trifolium. 

Bradjlerdhe, 1) (Brachläufer) jo v. w. Brach— 


760 


Brachmann — Brachvogel. 


pieper; f. u. Pieper. 2) So vd. m. Feldlerche, geſäet, in Deutfchland als Stoppelrübe mehr nat 


J. u. Lerche. 

Brachmann, Caroline Luise, deutſche Dich— 
terin, geb. 9. Februar 1777 zu Rochlitz am der 
Mulde, Tochter eines geiftig u. fittlih ausgezeich- 
neten Ehepaares; verlebte in Rochlig, Döbeln, Köl« 
leda, Weißenfels eine glüdliche Kindheit u. Jugend. 
In Weißenfels wurde fie mit Novalis befannt; 
er regte fie zum Dichten an, theilte ihre Berfuche 
Schiller mit; es folgten jchöne Tage in Weimar 
und Jena. Sie zählte 23 Jahre, als die Tragö— 
die ihres Lebens begann. In einem Anfalle der 
Verzweiflung ftürzte fie fih von einem 2 Stod 
hoben Gange in den Hof hinab, wurde aber ge- 
rettet. Nun raubte ihr der Tod fchnell nach ein- 
ander den Dichter des Ofterdingen, dejien Schwe- 
fter Sidonie, ihre eigene Schwefter Amalie, ihre 
Eltern. Zur Herzensverwaifung fam die Armuth; 
jie mußte um das liebe Brod jchreiben. Die in- 
jernale Größe Napoleons gab ihr einen wider: 
lichen Entbufiasmus ein, u. ihr Herz entbrannte 
von unglüdlicher Yeidenfchaft fiir einen verheirathe- 
ten jungen Wundarzt der franzöſiſchen Armee. 
Sie verzweifelte dann über den Tod eines fran- 
zöſiſchen Offizier in der Leipziger Schlacht, weihte 
den Lazarethen in Weißenfels ihre Thätigkeit, 
wurde von einem beftigen Nervenfieber ergriffen, 
genas, trug fi aber mit dem Gedanken, wie 
Ottilierin den Wahlverwandtichaften zu enden. 
Es famen wieder glüdlihe Tage in Dresden, auf 
einer Reiſe nad) Berlin, bei der Dichterin Bene- 
dictine Naubert, geb. Hebeftreit, in Naumburg. 
Da verblendete fie das liebebedürftige Herz, im 
43. Jahre fih mit einem 20 Jahre jlingeren 
preußiſchen Offizier, der nad Weißenfels fam, zu 
verloben. Die grilleubafte Prüfung feiner Liebe 
hatte eine verlegende Erwiderung des Abwejenden 
zur Folge; fie wollte das zerriffene Band auf feine 
Weiſe wieder anzufmipfen fuchen. Anfang Sept. 
1822 fam fie nah Halle in bedenflihenm Gemüths— 
zuitande. Am 24. abends wurde ihr zerftürter 
Yerchnam in der Saale gefunden. F. A. Piſchon 
(Dentmäler der deutihen Sprade von den frübe- 
jten Zeiten bis jeßt, 5. Th. ©. 655) rechnet fie 
zu unjeren zarteften u, innigften Dichterinnen, u, 
die Auswahl, die er aus ibren Gelängen bietet, 
rechtfertigt ſein Urtheil. In dieſen Geſängen Spricht 
ein großes, mächtiges, fturmbemwegtes u. doch weib- 
lich-mildes Herz, u. die Form tft, wenn jie nicht 
ſchulmeiſterlich bemäkelt wird, fein mwirdiger Aus- 
drud. Auserlefene Dichtungen von Luiſe B., ber- 
ausg. von Schüg u. Metbufalem Müller, nebft 
einem Auffage über das eben u. die Werfe der 
Dichterin, von Schüß, und VBorerinnerungen und 
Beiträgen zu ihrem Leben, von Caroline v. Pichler 
u. Panje, 6 Bde., Halle 1824—26,. 

Bradymonat, deutiher Name des Monats 
Junius (j. u. Brade 1); daher Brachſchein 
(Novilunium Juni), der Neumond im Monat 
Junius. 

Brachpieper, Vogel, ſ. Pieper. 

Brachrübe (Stoppelrübe, Waſſerrübe, Turnips) 
iſt Brassiea rapa, welche dieſe verſchiedenen Be— 


Aberntung des Roggens oder der Wintergeritz, 
Ende Juli, Anfang Auguft in die Stoppeln, nad- 
dem diefelben umgebroden find. Sie liefert eır 
gutes Futter für Rindvieh u. Schafe, wird aber 
auch von Menſchen genoffen. Als B. liefert fr 
einen Ertrag von 30—60,000 kg per ha, a: 
Stoppelrübe um die Hälfte weniger. Uber ihrer 
Anbau, Nährmwerth ac. f. u. Turnips. Rhode. 

Brachſchnepfe, ſ. Brachvogel. 

Brachſe, Fiſch, ſ. Braſſe. 

Brachſtelze, Vogel, ſ. Pieper. 

Bradjvogel (Bradichnepfe, Numenius L.), 
Bogelgattung aus der Familie der Schnepfenvöge,, 
Ordnung der Sumpfoögel; Körper jchlanf, ſcher 
gebaut, mit langem Salke, Heinem Kopfe, langem, 
bornigem, bogig abwärts gekrümmtem Schuabet, 
deffen Spitze hornig ift; die hoben Beine fin 
Watbeine, d. h. mweıt über die Ferſe hinaus nadt; 
die Zehen find ganz geheftet, d. h. die 3 Border. 
zeben an ihrem Grunde durd eine kurze Spanz- 
haut verbunden. Dahin der große Brachvogel 
(Brader, Brachhuhn, Bradichnepfe, Doppel 
Ihnepfe, Feldmöcher, Feldſchnepfe, Geisvogel, 
Gewittervogel, Himmelsgeis, Kronſchnepfe, Kei- 
baden, Regenvogel, Tütewelle, Windvogel, N. 
arcuata L.), 70—75 cm lang; Oberkopf au? 
lehmgelblichem Grunde gleihmäßig lerchenfledig; 
Befiederung des Unterſchnabels bis unter du 
Nafenlöcherbafis reichend; Weichen weiß, mit we 
nigen dunfelbraunen Schaftftrihen, Schwanz weis, 
mit ſcharf begrenzten, auf den Mittelfedern ver- 
loſchenen jchwarzen Querbinden, fonft braun mit 
roftgelben zyederrändern; lebt in NEuropa als 
Brutvogel, in der Brutzeit paarweiſe, ſchaart ſich 
im Frühling u. Spätberbfte zufammen u. hält fid 
an offenen, namentlich fandigen Orten; ſehr jchen; 
brütet in Heiden u. trodenen Mooren in der Nähe 
von Sümpfen, am Seeftrande, in Dünentbälern; 
Eier birnförmig, auf olivengrünem Grunde gefledt; 
nährt fid) von Negenwürmern, Inſecten, Schneden, 
jeltener von Beeren; übermwintert im fernen Süden; 
gehört zur niederen Jagd. Der Regenbrad- 
vogel (N. phaeobus L.), krähengroß; niſtet ın 
hochnördlichen Gegenden, in Grönland, Island, 
den Faröer u. Sibirien, zieht aber im Winter zum 
fernen Süden u. wird dann fogar auf den auftra- 
liſchen Inſeln gefunden; in Deutfchland fehr jelten. 

Thome. 

Bradjvogel, Albert Emil, deutiher Dra— 
matifer u. Romanjcriftiteller, geb. 29. April 1824 
in Breslau; follte Kupferftecher werben, hatte in- 
dep eine große Neigung zum Theater, fam aber nad 
einem mißlungenen Berjuche auf der Bübne zu Wien 
davon zurüd u. bejuchte philoſophiſche, literariſche 
und gejchichtliche Collegien an der Univerſität in 
Breslau; er ging 1847 nach Berlin, um fein Drama, 
Jean Fevart, zur Aufführung zu bringen; das 
Stüd fand jedoh keinen Anklang. B. zog fi 
darauf in Schlefien auf ein Heine Dorf zurüd, 
wo er nod mehrere dramatiihe Stücke ſchrieb, 
ohne mehr Glüd mit diefen zu haben, als mit dem 
erſten. 1853 lehrte er nach Berlin zuräüd un. wurde 


nennungen nad) ihrem Anbau erhält. Beſonders | Secretär des Krollſchen Theaters. Hier ſchrieb er 


in England wird diefelbe Ende Juni, Anfang das Trauerſpiel Narciß, 


Lpz. 1857, welches 


Juli in die gedüngte u, mehrmals gepflügte Brache März 1856 auf der fgl. Bühne zur Aufführung 





Brachweide — 


Brachycephalen. 761 


fan u. ſeitdem oft wiederholt an allen größeren knochen eine jehr ſchwankende, fie variirt von 2 


Theatern Deutihlands mit jeltenem ‚Erfolge ge- 
geben wurde. Bon den ferneren Dramen B>»8: 
Adalbert vom Babanberge, Lpz. 1858; Der Uſur— 
pator, 1860; Der Sohn des Wucherers, 1864; 
Die Harfenfchule, 1869; Alte Schweden, 1874, 
2c., errang feines wieder ben Erfolg des Narcif. 
Die Romane B-8: Fzriedemann Bad, Berl. 1858, 
3 Bbe.; Benoni, Lpz. 1860, 3 Bde.; Der Tröd- 
ler, Lpz. 1861, 2 Bde.; Eim neuer Falſtaff, Lpz. 
1863, 3 Bde.; Beaumardhais, Jena 1865, 4 
DBde.; Die Grafen Barfuß, Lpz. 1869, 8 Bde., 
Ritter Lupold v. Wedels Abenteuer, Berl. 1874, 
3 Bde. xc., haben diejelben Vorzüge u. Mängel, 
wie die Dramen, fie find originell, gedanleureich, 
effectvoll, aber e8 fehlt ihren die Kunft der Com— 
pofition. Seit 1872 (Hannover) gibt er Die 
Männer der neuen deutihen Zeit (Biographien, 
4 Bde.) umd feit 1873 (Berlin) feine Ausgemähl- 
ten Werke (40 Lief.) heraus. B. lebt feit 1870 in 
Weißenfels. Ealomon.* 

Bradjweide, das Betreiben der Brachfelder 
mit einigen unjerer Hausthiere. Die B. hat je 
nad der Dualität oder Quantität der Pflanzen 
u. je nad) der Thierart, welche aufgetrieben wird, 
einen wejentlich verjchiedenen Werth. Für Rind: 
vieh, namentlih Milchvieh, bietet B. meift zu ger 
ringe Futtermengen; dagegen gewähren trodene 
Brachfelder im Herbfte, Frühjahre u. Sommer ein 
gutes u, nahrhaftes Schaffutter; es dürfen dieje 
Weiden aber nur bei trodenem Wetter betrieben 
werden, einmal, um das Zertreten der Weide zu 
verhindern, u. ferner, weil das mit Sand und 
Schlid —— Futter den Schafen, nament- 
th den feinen Wollſchafen, nicht zuträglich ift. 
Die B. wird in ihrem Werthe wejentlih erböht, 
wenn diefelbe angejät u. die Benarbung derjelben 
nicht der Natur überlaffen wird. Für Fafelichweine, 
wenn diejelben fpäter zur Zucht verwendet, oder 
erſt mit 14—2 Fahren gemäftet werden follen, ift 
das Betreiben der Brache von ſehr großem Nuten; 
vorzüglich ift die förperlihe Bewegung und An— 
ftrengung beim Wühlen u. die Aufnahme der dabei 
gefundenen Wurzeln, Inſecten u. Larven für das 
Gedeihen der Schweine jehr vortheilhaft, abgeſehen 
davon, daß diefelben durch Aufwühlen der Brache 
viel zur Bertilgung der Unfräuter und der dem 
Gedeihen der Pflanzen jhädlihen Inſecten und 
Wilrmer beitragen. 

Brachycephalen (Kurzſchädel, Breitihäden, 
nennt man diejenigen Menſchen, deren Schä— 
del bei entſprechender Breite verhältnißmäßig 
kurz iſt. Den Gegenſatz dazu bilden die Doli— 
chocephalen (Langſchädel oder Schmalſchädel); 
in der Mitte ſtehen die Meſocephalen (Mit- 
telichädel), auh mol Orthocephalen (Redt- 
jhädel. — Es ift Mar, daß dieſe Unterſcheid— 
ungen, namentlih wenn es fih um Racenunter— 
fhiede handelt, von höchfter Bedeutung find. Der 
beftimmte, wol jedenfalls eriftirende Zufammen- 
bang zwiſchen Schädelform, Geſichtsbildung u. 
Gehirnbau iſt freilich noch nicht — um ſo 
wichtiger iſt es, einſtweilen die Raumverhältniſſe 
des Kopfes zu ſtudiren. Leider gibt es kein ein- 
fahes u. auch kein überall angewendetes Mefver- 
fahren. Zunächſt ift die Dide der Hirnſchädel- 


bi8 5 mm, u. gerade da, wo mir die größte 
Achſe des Schädels zu ſuchen haben, Hafıt das 
Stirnbein in eine doppelte, eine innere u. eine 
äußere Knochentafel, welche beträchtliche Hohlräume 
einfchließen. Am Hinterhaupte wiederum mird 
die innere u, äußere Knochenſchicht in der Mitte 
durh ſchwammartige Blafenräume anseinanders 
getrieben, fo daß die Schädelmwandungen zuſam— 
men allein eine Dide von 15 mm u. darüber 
erreihen können. Da diefe Aufblähungen des 
Schädels aber ficherlih in feiner Beziehung zur 
Gehirnbildung ftehen, fo müßte man eigentlich, 
um genau zu verfahren, jeden Schädel auseinan« 
derfägen u. deffen Innenräume meſſen; das gebt 
nun nicht an. Barnard Davis, einer der beiten 
Scädelleuner, mißt daher mit einem Tafterzirfel 
von der Stirmglage nad dem am meiften bor- 
ipringenden Punkte des Hinterhauptes. Hermann 
Weller aber jegt die eine Spite des Zirkel auf 
die Stirnglage, die andere dagegen einen Zoll 
über den Hinterhauptftachel. Beide vermeiden jo 
die Stellen, wo fih die Knochen der Hirnichale 
am meilten verdiden. Ihnen folgend find die 
Schädelkenner (Kraniologen), in 2 Lager gejpalten, 
Bielleiht wäre das jcheinbar rohejte Verfahren, 
nämlich die größte Achſe des Schädels da zu 
juchen, wo man fie gerade findet, das richtigfte 
geweien, denn die Entwidelung der Stirmböhlen, 
jo unmefentlih fie auch für die Gehirnbildung 
jein mag, trägt jedenfalls dazu bei, den Schädel 
zu verlängern. Die Breite des Schädels wird 
jetst nahezu übereinftimmend an feiner anatomiſch 
beitimmten Stelle gemeffen, jondern überhaupt 
die Stelle aufgeſucht, wo der Schädel am brei- 
teften ift. — Man pflegt nun den Längendurch— 
mejler des Schädels gleih 100 zu fegen u. dem 
Breitendurchmefler in Procenten des Längendurd- 
meflers auszudrücken. Der Procentjat ſelbſt wird 
Breiteninder genannt. Böllig runde Schädel, 
aljo jolche, bei denen der Breiteninder 100, ſelbſt 
über 100 beträgt, fommen theils in WAmerila, 
theil8 bei den Biden u. den Chibcha in Neu- 
Granada vor, verdanken jedoch ihre Geftalt einer 
fünftlihen Zufammenprefiung des Schädels u, 
müffen daher von allen Bergleihen ausgeichloffen 
bleiben. Die höchſte bis jett beobachtete Rund» 
ung zeigt ein Tatarenſchädel mit einem Breiten« 
inder von 97, dagegen beſitzt der ſchmalſte befannte 
Schädel, angeblich ein Keltenſchädel, einen Breiten- 
inder von nur 58. Zwiſchen 97 u. 58 bewegen 
fih alfo die Schädel, mit ihnen das Gehirn, aber 
nicht die PVerftandesfräfte der Menichen, da man 
fand, daß die Schädelforınen mol NRacenunter- 
ſchiede, aber feine intellectuellen Differenzen be» 
— die Schädel mit den Breitenindices 58 
is 74 find nun die langen oder bolichocephalen; 
jene von 74 bis 78, u. dies ift der Zahl nad) 
ungefähr die Hälfte der Menfchheit, find die mitt- 
leren oder mejocephalen; endlich jene von 78 bis 
97 die kurzen oder brachycephalen. Bei deut- 
ihen Schädeln fand man 3. B. folgende Ziffern: 
in. Hannover, 76,,; in der Umgegend von „Jena, 
76,5; in Holftein, 77,3; bei Bonn u. Köln, 77, 
in Heſſen, 79,,; in Schwaben, 79,5; in Bayern 
79,9; im Unterfranfen, 80,.; im Breisaau, 80, 


762 


Brachycephalie — Bradenheim. 


Zur Erklärung diefer Unterfchiede könnte man|den Inſtinianiſchen Inſtitutionen beigefügt; einzeln 


zunächft auf den Gedanken fommen, den madjen- 
den Breiteniuder in SDeutichland einer Miſchung 
mit. Kelten zuzuichreiben, allein die Kelten neigen 
nicht fehr ftark zur Brachycephalie (Kurzköpfigleit); 
die Franzoſen werden 3. B. nur mit 79,, u. bie 
Irländer fogar nur mit 73,, aufgeführt. Eine 
Miihung von Germanen nn. Kelten jollten wir in 
Schottland finden, der dortige Inder aber beträgt 
nur 75,4. Müffen wir die Kelten als Miichvolt 
der Germanen aufgeben, dann deufen wir zumächit 
au die Slaven. Sie find durchweg Kınzlöpfe, 
u. eine Miihung mit ihnen würde wol die Bra— 
chncepbalie erflären, nicht aber im ſüdweſtlichen 
Deutſchland u. vor Allem gar nicht bei den deut« 
fhen Schweizern, wo fih der Breiteninder auf 
81,, emporhebt. Außerdem müjjen die Deutjch- 
jterreicher, welche doch mitten unter Slaven 
figen, furzlöpfiger fein, als die Deutſchen, mas 
bis jett nicht mit Sicherheit conftatirt werben 
fonnte. Wir gelangen alio zu dem GErgebniffe, 
daß der Germanenſchädel jehr beträchtlich ſchwanlt, 
u. daß er in Deutichland von N. nad S. und 
namentiih nah SW. merklich nad Bradycepba- 
lie ftrebt. Vgl. Böllerlunde von DOslar Peſchel, 
Leipzig 1874. Thome. 

Brachycephalie, Kurzlöpfigleit; ſ. u. Brachy— 
cephalen. 

Brachyeẽra, Gattung der Rüſſelfliegen; ſ. u. 
Zweiflügler. 

Brachydiagonale nennt Naumann im rhom- 
biſchen Kryftalligitem die fürzere Nebenachſe der 
Grundppramide; Die längere nennt er Makro» 
Diagonale, beides entſpricht der 1. u. 2. Neben» 
achſe bei G. Roſe. 

Brachygraphie, fo v. m. Stenographie. 

Brachykatalektiſch (Metr.), um einen Vers— 
fuß zu furz (f. u. Katalexis); auch: mit furzer 
Silbe endigend, 

Brachyllas, Böoter; diente im dem Heere, 
welches jeine Landsleute dem König Philippos 
von Mafedonien gegen die Römer zu Hilfe ſchickten, 
u, wurde durch die Intriguen der mafedonifchen 
Partei 196 v. Chr. zum Böotardhen gewählt mit 
Übergebung des Zeurippos u. Pififtvatos, der 
Begünftiger der Römer; da diefe nun nach dem 
Abzuge der Römer Unbilden von der anderen 
Partei befürchteten, fo ließen fie den B. er- 
morden. 

Bradjtjlogie (v. Ör., lat. Breviloquentia), die 
furze Rede, der fnappe, gedrängte Sprachſtil 
(au wol der Taciteiſche Stu, nad) dem großen 
römischen Gefchichtichreiber Tacitus (f. d.) genannt; 
im Lapidarftil (f. d.) gipfelmd). 
zum Zadel affectirter, unverftändlicher Kürze ge> 
braucht. Endlich ift B. eine rhetorifche Figur, 
darin beftehend, daß ein zum vollftändigen Aus- 
drude eines Gedankens erforderlihes Moment 
nicht durch befondere Worte bezeichnet, aber doch 
in den Sat gelegt wird. 

Bradiylögus (Brachylog, gr.), 1) der kurz 
n. nahdrudsvoll zu reden verfteht. 2) (B. juris 
civilis),. Das von einem Späteren fo benannte 
Corpus legum; ift ein lateinifcher Auszug aus dem 
Juſtinianeiſchen Rechte, von unbekanntem Berfafler 
aus der Lombardei um 1100 berrührend. Sonft 


von Pratejus, Leyd. 1562, Fol.; von Kenäner, 
Frankf. 15905 von Sentenberg, ebd. 1743; 
bon Nelis, Löwen 1761; von Biding, Berl. 1829. 
Bgl. Fider, Zeit u. Ort der Entjtchung der 8., 
Wien 1871. 

Bradınmetropie, ein von Donders in Utrecht 
vorgeihlagener Ausdrud für Myopie (Kurzfichrig- 
feit), imjofern das Maß des deutlichen Schens 
bei Kurzficktigleit zu kurz ift; vgl. Emmetropie. 

Bradmpneuma (ar.), 1) kurzer Athem; 
2) (Brahppnöe) Engbrüftigkeit; daher brach y⸗ 
pneumatifch, kurzathmig. 

Brachypöda, jo v. w. Armfüßler, eine Ordnung 
der Weichthiere. 

Brachypodiſch (v. Gr.), kurzfüßig. 

Brachypodium P. B., Pflanzengattung aus der 
‚Familie der Gramineen, Unterfam, ucaceen, 
der Gattung Tritieum Tourn, (Weizen) nabe- 
ſtehend u. von, derjelben durch die furzgeftielten, 
nicht figenden Ahrchen, ſowie durch die ungleich 
fangen Hilblätter verichieden, ift in Deutſchland 
durch 2 ziemlich Häufige Arten vertreten. 1) B. 
pinnatum P. B., mit fkurz« oder mweitfriechender 
Grundachſe u. 8—24blüthigen, zu einer Traube 
zufammengeftellten Abrchen, innerhalb welcher die 
länglichelanzeitlihen Dedblätter meift an den Sei- 
ten finzefteifbaarig find u. die fteife Granne über- 
ragen. 2) B. silvaticam P. B., dit oder foder- 
rajenförmig mit 6—15blüthigen Ahrchen, tmmer- 
halb welcher die Grannen der oberen Dedblätter 
jo lang oder länger als diefelben find. Eugler. 

Brachjptera (gr.), Kurzflügfer, furzflügelige 
Thiere, 3.8. die hühnerartigen Bögel u. verjchiedene 
Inſecten, 3. B. Staphylinen, Obrmurm u. a. 

Bradıyfeii (v. Ör.), Kurzihattige; Bemohner 
der heißen Zone, die zur Mittagszeit um Sommer 
nur kurze Schatten werfen. 

Bradyiyfläbos (v. Gr.), aus kurzen Silben 
beftehender Vers oder Versfuf. 

Brachzehnt (auch Heiner Zehnt od. Schmalz) 
war die von den Brachfrüchten, wie Kice, Kartoffeln, 
u. dal., an die Gutsherrichaft zu entrichtende Na— 
turalabgabe, zum Unterichtede von dem jogenauns 
ten großen Zehnten, welcher vom angebauten Ge« 
treide gegeben werden mußte, 

Brad (Braf), 1) das Untauglihe von jeder 
Sache, welches von dem Guten abgejondert wird; 
daher: Be⸗gut, B-häring, B-käſe; auch B-ichafe 
u, Bradvieh, Schafe u. Rindvieh, welches den 
Anforderungen der Züchter wicht mehr genügt u. 
daher ausgejondert (ausgebradt) werden muß. 
2) Schlechtes Belzwert. 3) Das Loch in einem 


B, wid auch durchbrochenen Deiche, dieſer jelbft B⸗deich; ır. 


B:mann, Eigenthiimer des Grundftädes, in mel- 
hem ein DB. entitanden if. 4) Etwas burd 
Vermiſchung mit Seewafier ſalzig u. bitter u. un« 
genießbar Gewordenes; vgl. Wrad. 

Brade, jo v. w. Jagdhund, überhaupt jeder 
anf der Jagd Laut gebende Hund; daher Brad- 
jagd, die Jagd, wo die Hunde bellend den Hafen 
vor den Jäger zum Schuß treiben. 

Braden, County im nordamerif. Unionsftaate 
$Kentudy, u. 38° n. Br. u. 84° w. L.; 11,409 Em.; 
Countyſitz: Brookvile. 

Bradenheim, Hauptort un gleihnam. Ober- 





Bradenridge — Braddon. 


763 


amte des mwürttemberg. Nedarkreifes, an der Zaber;|feite prägte. Bol. Mader, Über die B., Prag 


Amtsſitz; reiches Hofpital; Weinbau; 1580 Emw.|1797 u. 1808; 


h. Stenzel, Der Bracteatenfund 


Bradenridge, County im weſtl. Theil des|von Freckleben im Herzogth. Anhalt, biftoriich 
nordamerif. Unionsſtaates Kentudy, am Ohio; kritiſch bearb, Berl. 1862; Schlumberger, Des 


11,000 Em, 
Brackiſche Schichten (Brafifche Bildungen) 
nennt man ſedimentäre Geſteine, die ſich im Brad- 


bracteates d'Allemagne, Par. 1873. Brambad.* 
Bracteola, jo dv. w. Borbfatt; ſ. Blüthenftand. 
Bradãnus (a. Geogr.), Fluß Lucaniens; bil- 


waſſer, d. h. einer Miihung von füßem u. fal-|dete die Grenze von Lucanien u. Apulien, u. müns« 


zigem Wajjer, alfo 3. B. in der Mündung von 
Flüſſen, ins Meer abgejetst haben. Fhre Berr 
fteinerungen laffen fie als ſolche erlennen, da 
namentlich gewiſſe Muſcheln nur in brackiſchem 
Waſſer leben. 

Bradvieh, ſ. u. Brad 1). 

Brackwaſſer, j. u. Bradiihe Schichten. 

Bradwede, großes Dorf im Kreife Bielefeld 
des preuß. Regbez. Minden, am Urfprunge der 
füdl, Lutter; Station der Kölm-Mindener Bahn; 
Flachs- u. Wergipinnerei, Hohlglasfabrit., große 
Bleihen, Dampfziegelei, chemiſche Fabr., Eifen- 
gießerer u. Majchinenfabril zu Kupferhammer an 
der Lutter; 3158 Em, 

Braconidae, ſ. Brafmefpen. 

Braconnier (fr., von bracon. Buſchholz), 
Wilddieb; daher braconniren, Wilddieberei trei- 
ben; Braconnage, 1) Witdieberei; 2) jo v. w. 
Jus primae noctis. 

Braconnot, Henri, Botaniker, geb. 28. Mai 
1781 in Commercy; wurde Militärpharmaceut 
u. 1807 Brofeffor der Naturgeſchichte u. Director 
des Botanischen Gartens in Nancy; ft. 23. Yan. 
1855. Er zeichnete fi vorzüglich durch feine 
Forihungen und Entdedungen ın der Pflanzen- 
chemie aus. 

Bractea, jo v. mw. Dedblatt; ſ. Blatt. 

Bracteäten (v. lat. Bractea, Schlaggold od. 
Schlagfilber, welches vom Bracteator, Goldſchlä⸗ 
ger, zubereitet wurde u, durch einen mit dem 
Hammer getriebenen Stempel jeine Prägung 
erhielt), Münzen des Mittelalters in germanischen 
Ländern, bei. in NDeutſchland u. Bolen, aus jehr 
dünnen Blech (daher Blechmünzen) geichlagen, 
meift nur auf einer Seite geprägt, indem auf der 
Rückſeite die Figuren vertieft erſcheinen (daher 
Hohlmünzen). Sie find meift aus Süber, jelten 
aus Gold (wie man deren in Dänemark gefunden 
hat), nur jüngere, wie es fcheint, aus Kupfer. 
Der Größe nah find fie verichieden, gewöhnlich 
von der Größe eines Zweigrojchenftüdes bis eines 
Guldenftücdes, noch größer fommen fie felten vor, 
fpäter aber zuch Heiner, bis zur Größe eines 
Sechſers, Pfennigs u. noch Heiner. Das Gepräge 
ift oft ſehr Schlecht, das der rheinischen am bejten. 
Unter Dtto I. wurden fie angeblich zuerſt aus 
dem Silber des Harzes. gepragt; nad Anderen 
hat fie Schweden ſchon im 9. Jahrh. gefanut. 
Im 15. Jahrh. wurden fie wegen ihrer Zerbrech— 
lichkeit durch die Didpfennige verdrängt, mur die 
Heineren erbielten fih bis in das 16., ja in 
einigen Landſchaften bis in das 17. Jahrh. Jetzt 
werden B. noch oft bei Ausgrabungen gefunden. 
Man bezahlte mit den B. nah dem . Gewichte 
(Bund); man trug fie in vindsledernen Beuteln. 
Die Yoppelten (wiewol feltmeren) B. find auf 


beiden Seiten geprägt, indem man die Stellen, 


det in den Tarentin, Meerbufen; jest Brandano, 
Fluß in der Italteniihen Provinz Foggia, 130 
km lang. 

Braddon, Marie Elifabeth, Schriftftellerin 
im Face des Senfationsromans, geb. 1837 in 
London; fie jhr.: Trail of the Serpent, Lond. 
1860; Lady Lisle, ebd. 1861; Lady Audleys 
secret. ebd. 1862, 3 Bde., franz. von B. Derosne, 
Raumb. 1863, u. Frl. Judith, ebd. 1863, deutich, 
Lpz. 1868; The Dnetors Wife, deutſch von Bals 
duan, Berl. 1865; Aurora Floyd, ebd. 1862, 
3 Bde., deutſch von Seybold, %pz. 1868; Eleanors 
Vietory, ebd. 1863, 3 DBbe., deutsch von Marie 
Scott, Lpz. 1863 f.; 4 Boe.; John Marchmonts 
Legaci, ebd, 1364, 3 Bde., d. von 9. v. Wald» 
beim, Berl. 1865; Henry Dunbar, ebd. 1864, 3 
Bde., deutſch ebd. 1865; The Ladys Mile, ebd. 
1865; Rupert Godwin, Sir Jaspers Tenant, 
Only a Clod, Ralph the Bailiff, Lucius Davore 
ete., alles im Ganzen unbedeutende, aber wegen 
Ipannender Darftellung gern gelejene Productio- 
nen, die größtentheils ın Tauchnitz Collection of 
British classical Authors entbalten find. 

Bradford, 1) Stadt im WRiding der eng- 
liſchen Grafichaft York, am gleichnamigen Kanal 
(Verbindung mit dem Liverpool⸗Leeds⸗Kanal), in 
einem veizenden Thal gelegen, jchön gebaut; 
ihöne Kirchen, im Ganzen über 50, darumter 
die Peters» oder die St.» James « Kirche; 
Free Grammar School; prachtvolle Mufttyalle; 
Börje, Hospital, große Kaufhalle, Spartafie; 
Eiſenbahnverbindung mit Leeds, Yancajter und 
Mancheiter. B. ift in England der Hauptſitz der 
Kammgarn-Spinnereien u. Webereien u. der 
groge Markt für feine lange Wolle, auch Kattun 
wird fabricirtt. Es enthält an 200 Yyabrifen 
nit 40,000 Arbeitern. Die in der Nähe gele- 
genen, von Sir Titus Calt erbauten Saltaire 
Alpaca Mohair Mills bededen eine Fläche von 
2'/,ha u. find das glänzendfte yabril-Etabliffement 
in England. Nahe dabei ift aud die größte 
Seidenjpinnerei des Landes. In der Umgegend 
Steinfohlengruben u. Schieferbrüche, 145,380 Ew., 
darımter viele Deutſche (1801 erſt 13,264, 1851 
103,778 Ew., nad) vorläufigen Schätzungen für die 
Mitte 1875 168,305 Em.). Hier öftere Urbeiter- 
unruhen u. große Arbeitseinitellungen, namentlich 
1812 der Audditen (Gegner des Maſchinenweſens). 
2) Stadt in der engliihen Grafſchaft Wilts 
(angelſächſiſch Brandanfora, d. h. die breit Furt), 
zu beiden Ufern des Avon: nördliche Seite Alt-B,, 
ſüdliche Seite Neu-B.; Handel und Tyabrifen, 
namentlich in feinen Tuchen; Avon⸗Keunet-Kanal; 
4871 Em. Hier 959 Synode, wo St. Dum 
ftan zum Biſchof von Worcefter gewählt wurde, 
3) Stadt in Yaneafter; 7168 Em. 4) County 
im nordamerif. Untonsitaate Florida, u. 30° n. Br. 


welche der erſte Stempel frei ließ, auf der Rüd- |u. 82° w. %.; 3671 Em.; Countyjig: St. Youis. 


764 


Bradford — Braedeler. 


5) County im nordam. Unionsftaate PBennfylva-|übertriebenes, aber heiteres Gemälde des Orfor- 
na, u. 41° n, ®r. u. 76° w. %.; reiche Koblen-|der Umiverfitätsiebens, dann Medley, prose and 
u. Eifenlager; 53,204 Ew.; Countyfig: Towanda. verse, 1855; Motley grave and Gay, 1855; 


Bradford, William, Buchdruder, geb. 1658 
zu Leicefter in England; fam mit William Penn 
u. a. Quälern nah NAmerika, errichtete in New- 
Vort 1693 die erſte Buchdruderprefie, nachdem 
bereits feit 1673 eine in Bofton u. jeit 1674 eine 
in Philadelphia beftanden, u. wurde zum Regier- 
ungsbudhdruder ernannt. 1725 gäb er bie erfte 
in dieſer Colonie gedrudte Zeitung unter dem 
Titel The New-York Gazette heraus u. ftarb in 
Newe-HYort 23, Mai 1752. Gein Sohn An- 
drem, geb. 1686, gab in Philadelphia 1719 den 
American Weekly Mercury, heraus; ft. 1742. 

Bradlenfa, 83 km langer Fluß in Böhmen; 
entipringt füdlih von Klatta u. auf dem Böhmer: 
Walde; vereinigt fi mit der Radbuſa und fließt 
bei Pilfen in die Beraun, 

Bradley, 1) Hüttenort in der engliihen Graf- 
ihaft Stafford, am Kanal von Birmingham u. 
Stafford; große Eifenwerte (Wilkinſons Eiſen— 
werte), melde 5000 Menſchen beicäftigen. 
2) County im nordamerif, Unionsftaate Artanjas, 
u. 33° u, Br. u. 92° w. L.; 8646 Ew. Gountyfig: 
Barren. 8) County im nordamerif, Unionsftaate 
Tenneffe, u. 35° n. Br. u. 84° w. L.; 652 Em. 
Couutyſitz: Cleveland. 

Bradley, 1) James, berühmter engl. Aſtro— 
nom, geb. 1692 in Shireborn in Glouceſter; ftud. 
anfangs Theologie u. war feit 1719 Pfarrer in 
Wanjtead in der Grafichaft Eifer, wendete fich 
aber der Aftronomie zu, wurde 1721 Profefjor 
‚ ber Ajtronomie in Orford u. 1741 Nachfolger Hal- 
leys auf der Sternwarte in Greenwich; er ft. 13. 
Juli 1862 zu Chelford in Glouceſter. B. war 
der größte aftronomische Beobachter feiner Zeit. 
Seine wichtigſten Entdedungen find die der Aber- 
vation des Yıchtes u. der Nutation der Erdachſe. 
Aus feinem Nachlaß erichien: Astronomical ob- 
servations made at the observatory at Green- 
wich from 1750 to 1762, Orf. 1798—1805, 2 
Bde., Fol. (Haft alle neue aftronomishe Tafeln 
— ſich auf B-3 Biobachtungen.) Seine 

iscellaneous works and Correspondence gab 
Nigaud, Orf. 1832, heraus, 2) William, engl. 
Porträtmaler, geb. 1801 zu Mancheiter; ſchwang 
fih vom Laufburfhen eines Kaufmannes jchon 
mit 16 Fahren zu einem tüchtigen Kiünftler auf, 
deifen Arbeiten ſich durch feines Verſtändniß der 
Natur, feſte Zeichnung u. qutes Colorit auszeich- 
nen; ft. 1857. 3) Edward, engl. Geiftlicher u. 
unter dem Pſeudonym Gutbbert Bede befanns 
ter Schriftfteller, Dichter u. Zeichner, geb. 1827 
zu Kidderminfter; fiubirte in Durham und ward 
1850 Pfarrer von Bobington in der Grafichaft 
Stafford und 1859 Rector von Dentow in der 
Srafihaft Hunts. Nah Rabelais’ Vorbilde ſchrieb 
er Iuftige u, unterhaltende Bücher, zeichnete Stiz« 
zen für Wigblätter u. lieferte vielfache Beiträge 
zu Zeitichriften, mie Punch, London News, Gent- 
lemen’s Magazine, Cruisbanks Magazine u. a.; 
außerdem Romane, die einen großen buchhändle— 
riihen Erfolg hatten: The Adventures of Mr. 
Verdant 


reen, 9. Aufl., 1871, u. The further! Die Liebeserflärung, 
Adventures of Mr. Verdant Green, ein etwas|jchenfe (in der N 


Loves provocations, 1855; Photographic Plea- 
sures, 1855 u. ö.; Tales of College Life, 1856; 
Fairy Fables, 1857; die Novelletten: Nearer and | 
Dearer, 1857; Mr. Verdant Green murried and 
done for, 1857; The Shilling Book of Beauty, 
1858; Funny Figures, 1858; Happy Hours at 
Winford Grange, 1858 und 1872. Ferner ent 
warf er ein pittoresfes Gemälde der Geſchichte, 
Alterthümer u. Legenden der fchottiihen Halbıniel 
Gantire, der Wiege der älten ſchottiſchen Könige, 
unter dem bizarren Titel: Glencreggan, or a 
highland home in Cantire (1861). Hieran jchließen 
fih: Our new Rector or the Village of Norton, 
1861; The Curate of Cranston, 18615 A Tour 
in Tartan-land, 1863 u. ö.; The visitors hand- 
book to Rasslyn and Hawthornden u. The white 
Wife, 1864 u. ö.; The Rooks Garden, 1865 u. ö,, 
u. die Novelle Mattins and Muttons, or the 
Beauty of Brighton, 1866, 2 Bde., u. Little Mr. 
Bouneer and his Friend, Verdant Green . .. 
(mit Jluftrationen vom Autor), 1873. 
1) Specht.“ 2) Regnet. 3 Bartlımy. 

Bradſch (Bruj, Brij, d. i. Weideplat) heißt 
die Landſchaft um Mathura u. Brindaban ir 
Hindoſtan; berühmt in der indiſchen Sagenwel 
als der Aufenthalt des Kriſchna u. der Schauplag 
von deffen Spielen u. Liebesabenteuern mit den 
Gopas oder Hirtenmädchen. Davon Bradic- 
bhakha (Brajbhakha), die Spracde der Yanbichaft 
Bradich, ein Dialelt der Hindiiprache, geiprochen 
in der Gegend bei Agra. 

Bradwardine, Thomas v., gen. Doctor 
profundus, berühmter Scholaftifer, geb. um 1290 
inHartfield; ftudirtein Orford, war erſt Profeffor 
der Theologie in Orford, dann Kanzler der Kathe⸗ 
drale in Yondon, Beichtvater Eduards III. u. wurde 
1348 Erzbischof von Canterbury; er ft. 22. Aug. 
1349. B. fhr.: De causa Dei contra Pelagium, 
Yond.1618, Fol.; Arithmetica speculativa, Bar. 
1495, 1530; Geometria speculativa, Par. 1515, 
1516; De proportionibus, ebd. 1495, Vened. 
1505; De quadratura eirenli, Par. 1495, Rom 
1530, Fol., u. m. a. Er war ber einzige unter 
den Scholaftilern, der von determiniftiichen An- 
ihauungen aus den herrſchenden Pelagianismus 
befämpfte und die Lehre von einer den freien 
Willen mit Nothwendigteit beftimmenden Präde— 
ftination in der härteften Form aufjtellte. Löffler. 

Bradeleer (Bradelaer), Ferd. de ®., belg. 
Genremaler, geb. 1792 in Antwerpen; bildete ſich 
auf der Alademie feiner Vaterſtadt, dann unter 
J. M. van Bree, bielt fi 3 Jahre in Italien 
auf u, kehrte daun nah Antwerpen zurüd, mo 
er Mitglied des Regierungsrathes wurde. Er 
malte vorzugsweife hiſtoriſche Bilder, theils bibti- 
ſchen, theils profanen Inhaltes, auch Genreſtücke 
u. Landſchaften mit hiſtoriſchen Anklängen. Man 
lobt an ihnen poetiſche Auffaſſung, bewegtes Leben 
u. friſches Colorit; u. a.: Die Heilung des Tobias 
durch feinen Sohn, Die Vertheidigung Antwerpens 
1576 (im Antwerpener Mufeum), Häusliche Piebe, 
Ein Muſilant in der Dorf- 
Pinafothel zu Münden); Die 


Braga — 


Eitadelle von Antwerpen am Tage nach der Über» 
gabe. Reguet.* 

Braga, 1) (nord. Myth.) ſ. u. Bragi. 2) 
Bierähnlihes Getränk der Kofaten u. ZTataren. 

Braga, 1) Diftrictshauptftadt in der ehemal. 
portugiej. Prov. Minho, nicht weit von den Fzlüj- 
fen Defte u. Cavado; feftes Eaftell; reiche Kathe- 
drale, jonft 8 Klöſter; Erzbiſchof u. Domcapitel; 
Wachsbleihen, Wollen- u. Leinenmweberei; Hut-, 
Meſſer⸗, Schlofferwaarenfabrifation; röm, Alter« 
thiimer (Wafjerleitung, Amphitheater); talte ſchwe⸗ 
felige Quellen; 1864 19,514 Ew. — B. ift das 
Bracara (B. Augufta) der Römer; e8 war Haupt» 
ftadt der Bracarifchen Gallacier, Calläfer u. wurde 
unter römischer Herrichaft Sit der Verwaltung. Die 
Könige der dort einwandernden Sueven wählten es 
zu ihrer Nefidenz. Bald wurde hier auch ein Bis- 
thum errichtet, welches fpäter in ein Erzbisthum 
verwandelt wurde; die Erzbiſchöfe fchrieben fich 
Primates Hispaniae. Hier wurden die 3 Braca- 
renſiſchen Concilien gehalten: 563 gegen die 
Priscillianiften u. Arianer, u. bier wurde die Be- 
fehrung der Sueven vom Arianismus zum Ka» 
tholicismus vollendet; 572 über die Kirhendisci- 
plin u. 675 über den gleichen Gegenftand, 584 fam 
B. an die Weitgothen, wurde nah dem Sturze 
des Weſtgothiſchen Reiches von den Mauren er: 
obert und fam erft 1040 wieder an König Al: 
fous I. von Caftilien u. nach der Errichtung des 
Königreihs Portugal an dieſes. 

Bragadins, Marco Antonio, . venetiani- 
jcher Held, geb. um 1525; vertheidigte 1570 u. 
1571 Famaguſta auf Cypern tapfer gegen die Tür- 
ten, ward nad) der Übergabe gegen freien Abzug 
15. Aug. 1571 von den Türken ſchrecklich ver- 
ſtümmelt u. bei lebendigem Leibe geſchunden. Mu— 
ftapha ließ die Haut ausftopfen, welche ſpäter von 
den Söhnen Bes zuridgetauft wurde. 

Braganza (Braganga), 1) Hauptftadt des 
gleichnam. Diftrict® der portug. Prov. Tras 08 
Montes, am Fuße der Sierra de Nogueira u. 
nahe dem Fluſſe Sabar; befeftigt; Biſchofsſitz; 
Seidenzudt u. Seidenmweberei; 5110 Em.; Stamm- 
ort der jetigen königlichen Familie. 2) Stadt in 
der Prov. Para in Brafilien, an der Mündung 
des Caite in die gleichn. Bai des Atlantiſchen 
Oceans; verichiedene Kirchen; Gefängniß; Bevöl— 
ferung der Stadt u. des Diftricts 6000. 3) Kanal 
von B,, der hauptjächlichfte Abjluß der Gewäſſer 
des Amazonenitromes in den Atlant, Ocean und 
Haupteinfahrt im dieſen. 

Braganza, das gegenwärtig in Portugal und 
Brafilien regierende Haus; hat feinen Namen von 
der Stadt B. u. ift geftiftet von dem natürl. Sohne 
des Königs Johann des Unechten von Portugal 
u. feiner Geliebten Agnes Perez, Alfons, der 
bon jeinem Vater zum Herzog von B. gemacht 
wurde u. 1461 ſtarb. Seine Nachkommen hoben 
fi rajch dur die nahe Verwandiſchaft mit dem 
Herriherhaufe und bedeutende Reichthiimer zu 
großem Anſehen, erregten aber dadurch aud das 
Mißtrauen des Hofes, zumal der von Johann II. 
von Portugal in jeinen Nechten ſich gefräuft fühl- 
ende Üdel feine Hofinung auf den Herzo — 
dinand II. v. B., Alfonſos Enkel, ſetzte. % ann 
ließ ihn deshalb des Hochverrathes ſchuldig er- 


765 


Mären u, ohne Beweis u. Geftändniß zum Tode 
verurtheilen (1483); die iibrigen Glieder des Haufes 
B. flüchteten infolge defien, kehrten aber jchon unter 
König Emanuel wieder zurüd, nahmen ihre alte 
Stellung bei Hofe wieder ein umd traten durch 
Heirathen in noch nähere Berwandtichaft zu dein: 
jelben; fo heirathete die Enkelin jenes Ferdinand, 
Jlabella v.B., die Tochter des Herzogs Jakob, 
einen Sohn Emanuel, Odoard, Herzog von 
Öuimaraens, und deſſen Tochter, Katharina, 
Ferdinands Urenfel, Johann I, den Sohn 
Theodofius’ I. v. B., Markgrafen v. Billavicioja 
u.j.w., u, erhielten damit die ®. nach dem Tode 
des Königs Sebaftian u. des Regenten, dann des 
Königs Heinrich 1580 Anipruchsrehte auf die 
Krone Portugal. Indeß gegen König Philipp IL. 
von Spanien, der feinerjeits mit Wafjengemwalt 
auch Anfprüce auf Portugal geltend machte, ver» 
mochte der ſchwache Johann ſich nicht zu behaup- 
ten, u. jo fam erft, nachdem die Spanier 60 Fahre 
in Portugal geherrfcht, fein Entel Johann infolge 
des portugiefifhen Aufftandes als Johann IV. 
u. damit das Haus B. auf den Thron von Por- 
tugal (f. Portugal, Geſch.). König Johann VI., 
der ſchon als Kronprinz dem Titel Prinz von 
Brafilien geführt und vor Napoleon 1807 nad 
Brafilien flüchtete, erhob 16. Dechr. 1815 dieſes 
zu einem befonderen, jedoch mit Portugal muter 
einer Krone vereinigten Königreiche und ließ bei 
feiner Rückkehr nad Portugal jeinen älteften Sohn 
Pedro als Prinz-Regenten in Brafilien zurüd 
(1816). Judeß ſchon 12. Oct. 1822 wurde diejer 
zum Kaijer von Brafilien erflärt und damit der 
Stifter des Haufes B. in Brafilien. Da ihm die 
Brafilianifche Berfaffung die Übernahme der por 
tugiefiihen Krone verbot, fo entfagte er nach des 
Vaters Tode diefer zu Gunften feiner Tochter 
Maria da Gloria, 2. Mai 1826, die aber erft 
nah dem Sturze Miguels, Pedros Bruder, 23. 
Sept. 1833, den Thron beftieg, 1835 mit dem 
Herzog Auguft von Leuchtenberg fi vermäblte, 
u,, da diefer nach wenigen Monaten ftarb, 1836 
mit dem Prinzen Ferdinand von Sahjen-Koburg- 
Gotha. 1853 folgte ihr Sohn Pedro V. u. diefem 
1861 fein Bruder Ludwig I, geb. 31. Oct. 1838, 
jeit 1862 mit Maria Pia, Tochter Königs Victor 
Emanuel von Italien, vermählt. Der oben ge- 
nannte Prinz Miguel, welcher durch Decret vom 
30. Juni 1828 fi zum König erklärt hatte, aber 
durch die Übereinkunft zu Evora-Monte vom 26, 
u. durch eigenhändige Erflärung vom 29. Mai 
1834 fi verpflichtete, Portugal zu verlafjen, bat 
bei feinem Tode (14. Nov. 1866) einen Sohn, 
Miguel (geb. 1853), u. mehrere Töchter hinter» 
laffen. In Brafilien folgte auf Pedro I. bei deſſen 
Entjagung auf den Thron 7. April 1831 fein Sohn 
Pedro II., geb. 2. Dec. 1825, jeit 23. Juli 1840 
zur perfönlichen Negierumg gelangt (f. Brafilien). 
Nebenzmweige der dergöge v. B. find die Grafen 
von Zantugal u. Olivenza, jeit 1510, ge 
ftiftet von Alvar, Bruder Ferdinands IL, mit 
Jakob de Mello 23. Dec. 1732 erlojchen, dann 
die Markgrafen v. Ferreira, die Grafen v. Bi» 
miojo zc. Außer den regierenden Perjonen find 
merkwürdig: 1) Conftantın, Sohn Theodoſius' I. 
von B.; war 1549 Gefandter in Frankreich und 


Braganza. 


766 


1557 Vicelönig in Oftindien, wo er von Goa 


Bragi — Brahe. 


Brahe, altes Geichleht in Schweden u. Dürr: 


aus bebdeutente Unternehmungen machte, 3. B.|marf, das von Mobammer, einem Anverwand- 
gegen Ceylon; er kehrte 1561 nach Europa zurüd)ten König Smwerlers des Alteren, um 1138 feinen 
u. ft. bald darauf. 2) Johann von B., Herzog Urſprung berleiter u. deren Stammhaus (Brake: 


von Pajokus, geb. 1719 in Liſſabon, Sohn des 
Prinzen Miguel, Bruders des Königs Johanıı V.; 
wurde zum geiftlihen Stande beſtimmt, erllärte 
fih aber, als er die Weihen erhalten follte, ent- 
ſchieden dagegen, fam dadurh u. durch einige 
Liebichaften ber feinem Hofe in Umgnade, verließ 
deshalb Bortugal, durdreifte Europa und ben 
Orient, hielt fi aber die meifte Zeit in Wien 
auf u. diente als Bolomtär während des Sieben- 
jährigen Krieges unter öſterreichiſchen Fahnen. 
Geift, Witz u. Ditergabe machten ihn überal 
beliebt. In Portugal verweigerte man ibm die 
Erbſchaft feines Bruders, und erit die Königin 
Maria J. jegte ihn im diefe ein, ernannte ihn zum 
General en Chef der portugiefiichen Armee und 
ertbeilte ihm andere Würden. Er ftiftete die Tal. 
Atademie in Liffabon u. ft. 1806, Der Kronprinz 
von Portugal führt den Titel: derzog, von B. 
agal.® 


Bragi (bei Neueren aud Bragur u. Braga, 
nord. Myth.), einer der Aſen, Odins Sohn, ber 
rübmt durch Beredtſamkeit u. Staldentuuftl, die 
nad ihm bragr heißt, wie aud ein beredter Mann 
bragr karla genannt wird (angelſächſ. bregen, 
engl. brain, Gehirn). Auf B.s Becher (bragafull 
od, bragarfull) wurden namentliid am Yulabend 
die feierlichſten Gelübde geleiftet. B. ift mit Idun, 
die Dichtfunft mit der ewigen Jugend, vermäblt 
u. harrt aud in der Verbannung (im Winter) 
bei ihr aus, Nah Uhland ift B. der zum Gott 
erhobene, geſchichtliche König u. Stalde B., der Alte 
(8. Jahrh.), welcher greis u. langbärtig gedacht u. 
einmal auch Ddins Sohn genannt wird. Better 

Braham, John Abraham, berühmter eng- 
liſcher Tenorift, geb. 1774 in London von jldt: 
ſchen Altern, die ſchon im feiner Kindheit ftarben, 
Der Italiener Leoni nahm fi bierauf feiner 
an, gab ihm Gefangsunterricht, und kaum 10 
Jahre alt, verfuchte ſich B. auf dem Königlichen 
Theater, trat 1794 zu Bath im Goncerten mit 
Beifall auf, der ihm auch zu Theil wurde, als er 
1796 im Drurylane- u. Italieniſchen Theater zu 
London fang. In der Folge ging er nach Italien 
u. lehrte erft 1801 nah England zurüd, wo er, 
am Coventgarden-,, dann am Königl. Theater 
engagirt, für den eriten Tenoriften Englands galt. 
Ein großes Theater, welches er aus eigenen 
Diitteln in feiner Baterjtadt errichtete, bot meh- 
teren deutichen Operngejellichaften einen willtoms» 
menen Schauplag. B. ft. 15. Febr. 1856. Seine 
Stimmmittel waren glänzend u. tadellos, feine 
Kunftbildung aber nicht gediegen. Belannter als 
feine Singfpiele: The Cabinet, Family Quarrels, 
False Alarms u. The Devils Bridge find die von 
ihm gejegten Lieder, vor allen die Arie: Death 
of Nelson. Kürjner. 

Brahnspati, j. Bribhaspati. 

Brahe, 163 km langer Fluß in Preußen; 
entipringt bei Rummelsburg in Bommern, flieht 
füdwärts, wird bei Bromberg, wo er mit der 
Nee durch einen Kanal verbunden ift, ſchiffbar 
u. fällt bei Fordon in die Weichjel. 


bus) noch in Ruinen auf einem Berge bei Örenns, 
am Düfer des Wetter-Zces, vorhanden it. Mert- 
wirdig find: 1) Brigitta B., f. Birgitta. 2 
Tychso od. däniſch Tyge B., einer der berübm- 
teften Aftronomen aller Zeiten, geb. 14. Deckr. 
1546 zu Knudſtrup in Echonen, ans einem al! 
ten däniſchen Geſchlechte ftammend; warb wide 
Willen feines Waters, Otto B., von deſſen Kin 
derlofem Bruder Jürgen B. beimlih für bu 
Wiſſenſchaft erzogen. Zu Kopenbagen machte die 
Beobadtung einer Sonnenfinſterniß 1560 einen 
fo tiefen Eindrud auf ihn, dah er das Studium 
der Aftronomie zu feiner Lebensaufgabe macht 
u. fi) von jett au bier u. fpäter in Yeipzig, we- 
hin er als 14jähriger Knabe geihidt wurde, um 
dh dort die damals zur Erlangung Öffentlicher 
Amter ausreichende oberflächlie Bildung zu ver- 
ichaffen, faft ausjchlieglih u. heimlich dieſer Wii- 
jenichaft widmete. Nach längeren Reifen durch 
Deutſchland, die Schweiz u. Italien fehrte er nad 
Kopenhagen zurüd, Zu Roftod, Wittenberg und 


ar gear verband er mit jeinem eriten Studium 
das der Chemie. Sein mütterlider Obeim, Stees 


Bilde, ließ ihm zu Heerigwalde, unweit Kmubditrup, 
eine Sternwarte einrichten, wo er inder Kaſſiopeia 
1572 einen neuen, 1574 wieder verſchwundenen 
Stern entbedte (De nova stella anni 1572, 
Kopenb. 1573). Erjt 1574 begamn er aſtronomiſche 
Borleiungen zu halten. Gr hatte fih damals mu 
einer Bauerstochter verbeirathet; dieſe Berbiud— 
ung, in der er ſehr glücklich lebte, zog ihm den 
Haß jeiner Verwandten u. des däniſchen Adels zu, 
der auf feine ſpätere Schidjale von nachtheiligem 
Einfluffe war. König Friedrich II. ließ ihn reifen 
und gab ihm ein Jahrgehalt, ſchenlte ihm au 
1576 die Inſel Hpeen im Sud u, vermilligte 
ihm anſehnliche Summen zur Grbauung eines 
mit Gterumwarte und Yaboratorıum berjebenen 
Schloſſes, Uranienburg, das 1580 vollendet wurde, 
u, eines Wohnbanjes für Studirende (Sternbarg). 
Auch erhielt er vom König ein Lehn in Norwegen 
u. eine Stiftsberrnpfründe, aus deren Einkünften 
die Anlagen auf Hoeen erhalten wurden, welche 
beide noch in Huinen vorhanden find. Die Stern« 
warte rüftete B. mit einer großen Samımlung 
jehr werthvoller, nad jeinen eigenen Angaben 
conftruirter Juftrumente aus u. ftellte mit den⸗ 
jelben 17 Jahre hindurch aftronomische Beobadıt- 
ungen an. Auch ein chemijches Yaboratorium be- 
fand fi) in Uvanienburg, ſowie eine eigene Drude- 
rei, aus der aufer aftronomischen auch chemiſche, 
mediciniſche u. jelbft poetiiche Arbeiten von B. 
bervorgingen. Bon erfteren find zu erwähnen: 
Apologetica responsio ad cujusdam Peripatetiei 
in Scotia dubia, sivi de parallaxi cometarum 
opposita, Uranienburg 1591; Epistolarum astro- 
nomiearum libri ete., ebd. 1596. Hier auch be- 
gann er feine berühmten Werte Astronomicae 
instauratae progyinnasmata, quorum haec prima 
pars de restitutione motuum solis et lunae 
stellarumque inerrantium tractat, 1603, und 
De mundi aetherei recentioribus phacnomenis 


Braheftad 


liber secundus, qui est de illustri stella caudata 
anno 1517 conspeeta, gedrudt in Frankfurt 1610. 
Befonders im letzten Werke, das in Uranienburg 
1588 begonnen u. in Prag beendigt wurde, ſowie 
in einem an Rothmann 1587 gejchriebenen Briefe 
entwidelte er jein Weltigftem, doch ift diefes jo 
verkehrt u. jeder praftiihen Verwendung in der 
Aftronomie unfähig, daß lebhafte Zweifel ſich er- 
hoben, ob es wirflih von dem größten Aftronomen 
feiner Zeit, dem fcharffinnigften Denker und ger 
naueften Beobachter herrühren lönne. Nach diejem 
Syſtem ſoll die Sonne in Schraubengäugen von 
ungleiher Weite um die ruhende Erde fich be» 
wegen u. die Planeten bei ihrer Drehung um die 
Sonne alle dieje Schraubengänge mit ——— 
Der Zweifel an der Echtheit dieſes Tychonifchen 
Syitenıs wird um jo begründeter, als B. ein 
aufrichtiger Berehrer u. eifriger Anhänger des 
Kopernifus (f. daf.) war u. bald erfannte, wie 
defien Spitem mit den Erfcheinungen am Himmel 
übereinftimmte. Auch haben feine Schiller Longo— 
montanus und Urfus Anſpruch auf die Urheber» 
ſchaft deffelben erhoben. B-3 größtes u. für alle 


767 


befonders viele Schulen; 1641 wurde er Mitglied 
der vormundichaftlichen Regierun u. Reichsrath, 
widerjegte fih dann Chriftinens Abdanfung, wies 
wol vergebens, bejehligte 1657 die Schweden 
gegen Dänemark u. ward bei der Minderjährig- 
feit Karls XI. von Neuem: Mitglied der. Bor- 
mundjchaft; er ft. 1680 in Bogefund. 5) Erid, 
Graf v. B., geb. 1722 in Stodholm; ließ fi 
als Oberft der Yeibgarde 1755 in eine Verſchwör— 
ung ein, wodurch der König die Souveränetät 
unbeſchränkt erhalten jollte, ward jedoch emtdedt 
und 23, Juli 1756 enthauptet. 6) Magnus, 
Graf von B., geb. 1790, Entel des Bor.; war 
Generaladjutant der fchwediichen Armee, General- 
lieutenant, Reichsmarſchall, Oberbofjtallmeijter, 
Chef des Generalftabes, Kanzler und vertrauter 
Freund und Rathgeber des Königs Karl XIV. 
Johann; er ft. 16. Sept. 1844. 

Braheftad, Stadt im finnl. Gonv. Ulehborg, 
an einer Bucht des Bottniſchen Meerbujens; ge- 
nannt nach ihrem Erbauer, dem Grafen Pehr 
Brahe, der fie 1649 anlegte; 2960 Ew. Cs 
mwurde im Mai 1854 von den Engländern be» 


— Brahma. 


Beiten bleibendes Berdienft beruht indefien keines- ſchoſſen, das Werft. zerftört und die Schiffe meg- 


wegs auf diefem Syſtem, fondern auf feinen 
überaus genauen aftronomishen Beobachtungen 
u. Unterfuhungen, welde bejonders in feinen 
Progynınasmata wiedergegeben find. B. bat zirerft 
dei Sonnenbeobadhtungen Rückſicht auf aftronom. 
Refraction genommen, er machte die (übrigens 
von Einigen dem Abul Wefa zugeichriebene) Ent- 
dedung der Bariationen der Mondbahn, ftellte 
Unterfuhungen über die periodischen Anderungen 
der Neigung der Mondbahn gegen die Ekliptik an 
u.gab eine für jene Zeit jebr genaue Bejtimmung 
der Monbparallare. Seine Beitimmungen von 
Sternörtern ermöglichten ihm die Aufftellung fei- 
nes berühmten, allerdings nur 777 Sterne ent« 
baltenden irfternfatalogs. Aus den Sonnen» u. 
Planetenbeobachtungen Bes leitete fpäter ſein Schü- 
ler Kepler die Grundgeſetze dev Blanetenbewegung, 
die beriimten Keplerichen Gefege ab. Nach König 
Friedrichs II. Tode wurden B. auf Betrieb des 
Adels feine Pfründen u. Penfionen entzogen, Er 
verließdeshalb Dänemark, ging 1597 nad) Deutfch- 
land, lebte eine Zeit lang beim Grafen Ranzau 
u Wandsbedu.trat 1599 ın Die Dieufte des Kaiſers 

udolf II., der ihm bei Prag eine Sternwarte 
errichten ließ, wo er mit dem berechtigten Ausrufe: 
„3% babe nicht umjonjt gelebt“, 24. Oct. 1601 
Rarb, Seine fämmtlihen Werke find in Prag 


geuoimmen. 

Drahma (Brahm), Nominativ v. Subft. Brah- 
man, von der Wurzel barh, anfirengen od. mit 
Anftrengung bewegen, fo daß brahman für barh- 
man mit dem Suſſir man urjprünglich bedeuten 
würde Auftrengung, Erſchütterung, und da das 
Gebet in den vediihen Hymnen die gewaltige 
geiftige Erregung ift, die innere Anftrengung, mit 
welcher der Menſch fih u. fein Anliegen vor den 
Gott bringt u. Erhörung verlangt; fo bezeichnet 
e8 in der Vedaſprache die al$ Drang und Fülle 
des Gemüthes auftretende u. den Göttern zuftreb- 
ende Andacht u. iiberhaupt jede Fromme Äußerung 
beim Gottesdienfte. Diefer urjprüngliche Begrifi 
Gebet, Andacht ift zuerft zu dem einer religiöjen 
Handlung überhaupt u. danıı zu dem des höchſten 
Söttlihen entwidelt worden. Daher ift B. der 
Name des unperfönlich gedachten Gottes, des 
höchſten reingeiftigen Gottesweiens, das Abfolute, 
der höchſte Gegenftand der Theofophie. Daran 
fnüpfen fi die anderen Bedeutungen: a) heiliger 
Spruch, Zauberſpruch; b) heiliges Wort neben 
vatsch, dem profanen; c) heilige Weisheit, Theo» 
logie, Theojophie, die theoretiihe Seite, neben 
tapas, Faſien, der praftifchen; d) heiliges Leben, 
insbefondere Keuſchheit, gleich tapas, Kafteiung; 
e) der Stand, welder Inhaber u. Pfleger des 


1611, jpäter in Fraulfurt 1648 heransgegeben. hl. Wiffens ift, die Theologie, fo dv. w. die Theo- 
Bol. die Lebensbeſchreibung von Helfrecht, Hofllogen, Kleriſei, Brahmanenſchaft u. ein Mitglied 
1798, Pederſen, Kopend. 1838, u. Friis, ebd. |derjelben, ein Brabınane. 
1871. 83) Ebba, Gräfin v. B., geb. 1596;| Brahmä, Nominativ vom Masc.Brahman, 1) 
flögte durch ihre Schönheit dem König Guſtav Beter, Andächtiger u. dann Beter von Beruf, d. 1. 
II. Adolf jo große Liebe ein, daß er fie heirathen | Priefter, Brahınane, auch Kemer der hi. Sprüche 
wollte, was jedoch durch die Königin-Mutter hin-⸗ (Zauberſprüche), des bi. Wiffens überhaupt. 2) 
tertrieben wurde. Ebba heirathete einen Herrn de Kenner des hl. Wiffens im engeren Sinne und 
fa Gardie u. ft. 1654. Sie ift das Sujet eines derjenige Hauptpriefter, welcher die Leitung des 
Schaufpield des Königs Guftav II. 4) Behr, Opfers bat u. die 3 Beda kennen fol. 3) Das 
jhwed. Staatsmann, Better der Vor., geb. 18. perſönlich gedachte B. mit feiner geheimnißvollen 
Febr. 1602 in Ridbohohn; ftudirte Philologie, Kraft, der Heilige, der Urvater, Schöpfer, der 
dathematik u. Rechtswiſſenſchaften u. begleitete Allwiffende u. Bejchiiger des menſchlichen Wiſſens 
Guſtav II. Adolf auf feinen Feldzügen; er wurde.u. Denkens. B. ift fomit das Product der Abs— 
1637 Gouverneur von Finnland u. errichtete hier traction, das künſtliche Erzeugniß des Dentens 


768 


über das Göttlihe, ift deshalb auch fein Bolts- 
gott u. hat feinen Gult; in den alten Büchern ift 
er nicht belfannt. Als Gattin ift ihm Sarasvati 
od. Vatſch, das Wort, gegeben, als die vollendet- 
fte Erjcheinungsform der geiftigen Thätigfeit. Die 
Philoſophie bedurfte diefer höchſten Geiftigleit, 
diefes letzten u. ſchaffenden Principe, n. fie iſt es, 
welche den Gott B. hervorgebradit hat. Beinamen 
find Atmabhu, durch fich jelbft werdend, Ka— 
malafana, der im Yotus Sitende; Vidhatä, 
der Ordner, Schöpfer. Abgebildet wird B. mit 
4 Köpfen u. ebenio vielen Armen, welde ver- 
ſchiedene Symbole tragen, die feine Unfterblichkeit, 
Allmacht u. geſetzgebende Gewalt bezeichnen. Sein 
Paradies oder Himmel heißt Brahmaloka, d. i. 
Brahmas Welt, u. Brahmanda, d.i. Brahmas 
Ei, bedeutet das Univerſum, die Welt. Verehrt 
wurde B. in der älteften Zeit, und die Meligion 
Indiens mit B-8 Verehrung beißt Brabmais- 
mus, welhem der Schiwaismus u. Wiſchnuismus 
folgten; j. Indiſche Religion. 
Brahmädifas, jo v. w. Riſchi. 
Brahmaismus (Brahmanisınus), die Reli— 
gion Indiens mit Brabmas Verehrung; ſ. Brahmä. 
Brahmana 1) Adjectiv von Brahınan, brah- 
maniid), 2) Subft. m.; a) Gottesgelehrter, Theo» 
log, Priefter, Brahmane; b) jo v. w. das Brah— 
man, das Göttliche, d. h. güttlihe Kraft; e) das 
B., d. i. die religiöfe Erläuterung, der Ausipruch 
eines Theologen über Gegenitände des Glaubens 
u. Cultus, durch welde Gehalt u. Bedeutung 
defieiben beftimmt werden foll; daher d) Bezeich- 
nung einer befamuten Kaffe vediiher Schriften, 
welche ſolche Erläuterungen enthalten, 3. B. Ai— 
tareja B., Taittirija B. Satapatha B. 
Brahmanaspati, jo v. w. Brihaspati. 
Brahmanen (Brahmen, Brabminen, Brami- 
nen) find die Erſtgeborenen Brahmas u, bilden 
die vornehmſte der 4 Kaften Indiens. Der 
Brahmane ift heilig u. unverletzlich u, der Prie— 
fierwürde "allein fähig. Bor Allem liegt ihm ob, 
die Neligion zu bewahren, die Cpferceremonien 
zu verrichten u. die religiöfen Urkunden, die Veda, 
eifrig zu ftudiren u. zu erlläven; er fol ein 
firenges u. tadellofes Leben führen, oft faſten u. 
beten, nichts Lebendes, mit Ausnahme des Opfer- 
thieres, tödten, vor Allem aber fid) der Reinig— 
feit befleigigen u. das dafür vorgejchriebene Cere— 
moniell pünftlih beobachten. Im Leben des B. 
gibt es 4 Stufen. Frühe Schon tritt er als 
Brahmaticharin oder Brahmas Schüler in die 
Klaſſe der Lernenden u. erhält einen Lehrer (Guru), 
der ihn in den Veden unterrichtet u. den er zeit- 
lebens wie einen Bater ehren muß. In diefe 
Zeit fällt die Brahmameihe, die ihm vom 8. bis 
15. Jahre ertheilt werden lann u. wobei ihm 
als äußeres Abzeichen eine Schnur umgehängt 
wird. Wis Geweihter erhält er den Namen 
Dvidscha, d. i. zweimal geboren, weil diefe Weihe 
als eine zweite Geburt angefehen wird. Mit den 
Jahren der Reife hat der B. die Verpflichtung, 
zu beirathen, u. er wird dann ein Grihasthana 
oder einen eigenen Haushalt Führender. Als 
folder fann ex, aud der Prieftermirde entfagen 
u. in beftimmte Amter eintreten. Auf der 3. Stufe 
muß er fein Familienhaus verlaffen u. im Walde 


Brahmadifae — Brahmaputra- Huhn. 


als Einfiedier (Vanaprastha) leben; er nimmt 
nur das bi, Feuer mit fih, um die 5 täglichen 
Opfer zu verrichten, Meidet fi in ein Gewand von 
Baummolle oder in ein ſchwarzes Antilopenfel, 
entjagt allen Bequemlicleiten u. finnlihen Ge— 
nüffen u. ſucht durch ſchwere Kafteiungen u. 
Bilßungen die vollendete Herrſchaft der Seele über 
den Körper zu erringen. So gelangt er zu ber 
legten Stufe u. wird ein Sanjasi. ala welcher er 
verjucht, fih ganz im die Weltfeele zu verſenken 
u. jo feine Seele zu ihrem Urquell zurüdzuführen 
u. fih mit Brahma zu vereinigen. 
Brahmapütra, Name des Zwillingsſtromes 
des Ganges in VBorder-Fndien für jeinen Yanf von 
Ober-Afjam bis zur Mündung. Diefe Bezeichmung 
Sohn des Brahına) bat der Fluß von dem Yobit 
(. u.), der, nachdem er den gleihnam. Abfluß 
des heiligen Sees Brahmakunda erhalten, von 
den Indern mit diefem Namen geehrt wurde. Liber 
Oberlauf u. Duelle it man noch ftreitig. Nah 
der Anfiht englifher Geographen, wie Turner 
u. Montgomery, die der uralten indtichen Anjchau- 
ung entijpricht, würde der in Tibet, unter 30° 15° 
n. Br. u. 82° 5° öfll. L., an der NSeite des 
Himalaja, unmeit des Manajarowar- Sees, tibetiih 
Z faru-tjang-po-tfin genannte Strom der Quellfluß 
fein, der, nachdem er ganz Tibet in öftl. Richtung 
durhftrömt, in Affam umter dem Namen Diheaz 
eintritt u. fih mit dem Dibong u. Lohit vereinigt. 
Nach von Schlagintweit dagegen ift der Yohit, aus 
den Fl. Taluding u. Taluka im NRamlio-Gebirge 
um OTibet zufaumenfließend, der fih bei Sodija 
in Aſſam mit dem Dihong vereinigt, wegen 
größerer Waſſermenge für den Hauptitvom zu 
erflären, Der vereinigte Strom, welcher fidy je 
doch bald in zwei fih nad 35 km langem Yaufe 
wieder vereinigenden Arme, den Buri-Yobit und 
Dihing, ſpaltet, durchfließt nun ganz Affam gegen 
130 kın bis zur Stadt Goalpara, wo er in Beu- 
galen eintritt. Sich bei Rangmat nah S. wen- 
dend, durchſtrömt er im feinem unteren Laufe dieies 
Land etwa 215 kn, worauf er ſich in drei mäch— 
tigen Mündungen, dein Hattia in O., dem Eicha- 
baspur im der Mitte u. dem Ganges im W., in 
den Bengaliihen Meerbuſen ergießt. In feinem 
Unterlaufe führt er den Namen Meghna. Shen 
bei Schirpur, nachdem der B. um die Garroberge 
herum in das Bengaliihe Tiefland eingetreten, 
beginnt die Spaltung des Stromes, welche ſich 
weiter abwärts vervielfältigt u. ein Deltaland er- 
zeugt, das mit dem des Ganges mehrfach verknüpft 
u. fiir die Binnenihifjahrt günftig ift, die bis zur 
Grenze von Affam regelmäßig betrieben wird. 
Unter den Nebeuftüffen find rechts der Manaia 
u. Gadadhara, links der Kopili, Baraf u. Gumti 
die bedeutenditen. Der B. ift ein heiliger Strom 
für den Hindu, dem die Sage die Herabführung 
diefes Fluſſes durch den göttlichen Helden Paraſu 
Rama gefhehen läßt; wo Ganges und B. ihre 
Fluthen miſchen, liegt eine der heiligften Pagoden 
auf der Inſel Ganga-Sagar. Zhielemanr.” 
Brahmaputra-Huhn, eine von Amerifa nad 
England eingeführte Kreuzung des Cochinchina— 
Huhns. Man fhätt die mit einem Erbjentamme, 
der aus drei nmebeneinanderftehenden Kämmen 
befteht, von welchen der mittlere der am meijten 


Brahmaſche Preſſe — Brahui. 


ausgebildete ift, höher, als diejenigen mit einem ſammenſucht. 
fe mehrfarbig; Richtung des B.-S. auf ihre Übereinftimmung 


einfahen Kamme; gewöhnlich find 
man unterjcheidet hell- u. dunlelfarbige. Die letz⸗ 
teren find gewöhnlich ſchwarz mit weißen ober 
elblihen Federn. Die helleren haben weiße 

bern, welde an der Bafis blau-grau jcheinen; 
am Halje find die meiften Federn in der Mitte 
ſchwarz geftreift; die Flügel find weiß mit ſchwarzen 
Flugfedern; der Schwanz ift Schwarz, Füße gelb 
u. befiedert, Die B. legen u. brüten gut. 

Brahmafche Preffe, j. u. Hydroftatiiche Prefie. 

Brahmatjchari, die erfte Lebensſtufe der Brah- 
manen. 

Brahmavarta, das heiligfte aller altindiichen 
Gebiete, das Mufterland der indischen Berfaflung, 
das Land der wahren Lehre, zwiichen den Flüſſen 
Sarasvati u. Driſchadvati; jet zu einem Zribu- 
tärftaate des Pendichab gehörig. 

Brahmen, ——— jo v. w. Brahmanen. 

Brahmo-Samaj, d. h. die Kirche Brahmas, 
eine Partei innerhalb der Vedareligion oder des 
Brahmanismus in Oſtindien, welche dieſe Reli— 
gion aus ſich ſelbſt heraus reformirend zu läu— 
tern u. zu vergeiſtigen ſtrebt. Schon Anf. des 
12. Jahrh. ſtiftete unter Anregung des Moham- 
medanismus Raͤmamudſcha eine reformirte Kirche 
der Wiſchnu-Verehrer, der im 14. Jahrh. fein 
5. Nachfolger, Rimänanda, eine noch freifinnigere 
Richtung gab. Der Schüler des Legteren, Kabir, 
Avadhuta (d. h. der Abgeſchüttelte) genannt, ging 
noch weiter, verfündigte den reinften Monotheis- 
mus u. verwarf alle Braßmanifchen Mythen und 
Eeremonien. Von demfelben Geifte befeelt ift die 
viel einflußreicher gewordene Reform von Nänat, 
dem Gründer der Sikhreligion. Ahnliche Reform- 
beftrebungen erwachten in Dftindien zu Anfang 
diefes Jahrh. unter dem Einfluß des Chriften: 
thums, noch zu der Zeit, als die alte oftindiiche 
Gefellichaft feine Miffionäre in ihren Befigungen 
zuließ. Ram-Mohun-Roy, geb. 1772, gejt. 1833 
zu Briftol, trat als Gründer des B.-©. auf, in« 
dem er zu bemweifen juchte, daß die urſprüngliche 
Religion der Veda viel reiner fei, als die gegen- 
wärtige indiiche Volfsreligion. Er hielt dabei am 
DOffenbarungscaralter der Beda feſt; nicht jo 
fein Nachfolger, Debendranäth Tagore, der fich 
nur auf die Offenbarung Gottes in allen Herzen 
der Menſchen berief u. deshalb auch außer den 
Beda aus den Werken alter indiſcher Weifen 
Ausiprühe zur Darftellung des Glaubens des 
B.S. jammelte, Diefer älteren conjervativen 
Richtung im B. S., die fih Adi B.-©., die 
erfte Kirche Brahmas, nennt, ftellt fi) neuer- 
dings eine mehr fortfchrittlich geſinnte entgegen, 
unter dem Namen: B..S. von Indien. Ihr 
Stifter ift Keshab Tihander Sen. Diefe Ridht- 
ung will nicht ‚nur wie die ältere alles, Götzen— 
dieneriihe, Abergläubiihe aus dem Brahmanis- 
mus austhun, unter Beibehaltung des Reineren 
oder einer Verbeſſerung Fähigen, ſondern fie 
bricht völlig mit der Kafte, legt die heil, Schnur 
ber Brahmanen ab u. ftellt einen rein ethijchen 


Monotheismus auf, für den fie den Ausdrud|Katicha - Gandawa, bie in 


769 


Befonderes Gewicht legt dieſe 


mit der urfprünglichen Lehre Chrifti ſelbſt, im 
Unterfchiede von den Dogmen der verjhiedenen 
chriſtlichen Eonfeffionen u. Secten. Ein Katehis- 
mus des Adi B.-S. faßt feine Lehre kurz jo zu— 
fammen: Die Gottheit der Brahmos jet der eine 
wahre Gott, ihr Gottesdienft, Gott zu lieben und 


die Werte zu thun, die er liebt, ihr Tempel das 


reine Herz, ihre Geremonien gure-Werfe, ihre 
Opfer Aufgeben der Selbſtſucht, ihre Büßungen, 
feine Sünden begehen, ihr Wallfahrtsort die Ge- 
jellichaft der Guten, ihr Beda Gotteserfenntniß, 
ihre heiligfte Formel: Sei gut u. thue Gutes, der 
echte Brahmane Jeder, der Brahma femnt. a 
Mar Müller, über Miffionen, Straßb.1874. Löffler. 

Brahms, Zobannes, bedeutender beutjcher 
Eomponift u. Klavierjpieler, geb. 7. März 1833 zu 

amburg, Sohn eines Contrabaffiften im dortigen 
Stadttheater-Orchefter. Nach gründlichen Studien, 
feit 1845 bei Ed. Marxſen in Altona, trat er 1847 
als Klavierfpieler mit Erfolg auf. Im J. 1853 
lernte er in Düffedorf R. Schumann fennen, 
welcher feine Begabung zu ſchätzen mußte u. durch 
einen begeifterten Artikel v. 28. Oct. 1853 in der 
Neuen Zeitjchrift fiir Mufit die allgemeine Auf— 
merffamfeit auf B. lenkte. Diefer fand jedoch 
bei feinem Auftreten in Leipzig getheilten Beifall, 
volle Anerkennung widmeten ihm mur die Ans 
hänger der neudeutfchen Schule. Aber B. ſchlug 
bald eine Richtung ein, welche ihn von der lett« 
genannten Schule treunen mußte. Nachdem er 
1862 ſchon einmal in Wien erfolgreich als Pianift 
aufgetreten war, fiedelte er 1863 dahin über, 
dirigirte im Winter 1863—64 die Singalademie, 
veränderte aber in den nädhjitfolgenden Jahren 
mehrfach feinen Aufenthalt (Hamburg, Baden- 
Baden, Schweiz, Wien zc.), übernahm 1872 die 
Direction der Concerte, welche die Gefellichaft der 
Mufilfreunde in Wien veranftaltet; 1874 wurde 
er Mitglied der Berliner Akademie der Künfte. 
Unter feinen zahlreihen Compofitionen (gegen 
60 Op.) befumden die erften (Klavierftüde, ein 
Trio, Gefänge) lebhafte, ungezügelte Phantafie, 
während er in den folgenden Srcheſter⸗ u. Gefang- 
werfen nad größerer Klarheit un ftrebte 
u. nach u. nach zu einem individuell entwidelten, 
abgeichloffenen Stil gelangte. Hervorzuheben 
find 2 Klavierguartette, 1 Quintett, 1 Klavier- 
concert, 2 Sertette, 2 Serenaden für Orcheſter, 
ein- u. mebrftimmige Gefänge, darunter das 
Schichalslied von Hölderlin, Rhapiodie von Goethe, 
u. die größeren Ehorftüde: Rinaldo, fir Männer- 
dor u. Solo, ein deutiches Requiem, Triumpblied. 

Brahni, 1) Gebirg in Belutjchiftan, die Grenze 
zwiichen Indien u. Fran bildend; geht als ort: 
jegung der SuleimansKette in zwei Gebirgszügen, 
von R. nah S. bis zum Meere am Ras Maarı 
(Cap Monza, Finis Gedrosiae),. In feinem 
ſüdl. Theil führt es and den Namen Hala-Geb. 
Die Höhe fteigt bis zu 3000 m. 2) (Brahuif) 
Boll in Belutihiften, hauptiählih im Kelat, 
das Indusgebiet 


niht nur aus den Beda u, ben alten imdifchen hinein wohnend, von kurzem, gedrungenem Kör- 

Beifen, fondern aus allen heiligen Büchern der|perbau, platten, den Mongolen ähnlichen Gefichts 

Menichheit, namentlih auch aus der Bibel zu-|zügen, braunen Haaren u. Bärten, mit niedrig 
Vierers Univerfal-Eonverfations-teriton. 6. Aufl. III. Band, 49 


779 


Bildung u. rohen Sitten, vorzügl. von Viehzucht 
lebend. Die B. zerfallen in mehr als 70 Stämme 


Auffaſſung, 
für Farbe. 


Braila — Bralin. 


gute Zeihnung u. lebendigen Sinn 
ie meiften Sammlungen mewerer 


u, follen mehr als 100,000 Krieger ftellen kön- | Bilder enthalten Arbeiten von ihm, fo die Ham- 


nen. Ihre Religion ift der ſchiitiſche Islam. Ihre 
Sprade, welche mit den jid-indiihen Dravida- 
Spraden Berwandtichaft zeigt, leitet zu der Ber- 


mutbung, daß fie urijprünglih aus Indien ein-⸗ Miüuchen zc, 
Bgl. Pottinger, Travels in Be- Braf u. Brafe, fo v. w. Brad u. 


gewandert find, 
loochistan, Yond. 1857; ferner Wörterverzeichnifle 
ihrer Sprade in: Hunter, Comparative Dietionary 
of the non- Arian languages of India, Yond. 
1868; Bellew, From Indus to Tigris, Yond. 1872. 

Tbielemann. 

Braila (Brailow, Jbratla, türt, Ibrahil), 
Kreisftadt in Rumänien (Walachei), an der Do- 
nau u. an der Eiſenbahn von Bukareſt nach Ga 
lacz; früher Feſtung; Kreisbehörden, Gericht erfter 
Inſtanz; Normalſchulen; Duarantäne-Anftalt; Frei 
hafen am Einfluß des Sereth in die Donau, die 
ſich von bier ab in 6 Arme theilt; bedeutende 
Flußſchifffahrt und Fiicherei; am Ufer ziehen fich 
lange Reihen von Diagazinen bin; Hauptverfehr 
mit WEuropa, da von bier u. dem nahen Ga- 
lacz viel Weizen, Mais, Noggen, Gerfte, Hafer, 
Oljamen, Talg, confervirtes Fleiſch, ungewaſchene 
Wolle (für 27 Mit. M) nach Darfeille, England x. 
geben; Einfuhr geringer; 1859 25,767 Ew., darım- 
ter viele Öriehen u. Bulgaren. — In den Krie- 
gen zwiichen Rußland u. der Türfei litt B. viel u. 
wechſelte oft den Herrn. Romanzow flug 1770 
bier die Türken u, verbrannte die Stadt, die Let 
teren im Frieden zurüdgegeben, aufgebaut, be— 
feftigt u. bejetst wurde, ſich 1808 den Yduffen ergab 
u. 1828 von Soliman Paſcha tapfer vertheidigt 
wurde; doch erjtritt er nur freien Abzug. Die 
Stadt blieb der Walachei, u. bei ihr fegten 1854 
die Ruffen über die Donau, räumten aber die 
Stadt wieder. Als Feſtung ift fie jetst unbedeutend. 

Brainard, John ©. C., amerikanischer Dichter, 
geb. 1796 zu New⸗London in Connecticut; ergrifi 
die juriftiihe Carridre, vertaufchte fie 1822 mit 
der Nedaction des Connecticut Mirror zu Hart- 
ford. Hier veröffentlichte er feine meilten Ge— 
dichte, unter denen bejond. ſchöne Balladen (er 
ſchienen gejammelt 1825 zu New-Yort). Er ftarb 
1823 an der Auszehrung. Bermebrte Ausgabe 
feiner Gedichte 1832; Literary Remains, mit einer 
Biographie von Whittier, 3. Ausg., 1842, von 
Hopfing, Hartf. 2, Körner. 

Braine-le-Comte (Brennia Comitis), Stadt 
im Arr. Soignies der belg. Prov. Hennegau, an 
der Brainette, Eifenbahnfnotenpuntt zwiſchen Brüjr 
ſel, Gent, Mons u. Charleroi; Fabrikation von 
Spitenzwirn; 6464 Emw. 

Bralniree, Stadtbezirf im County Norfoll 
des nordameril. Unionsftaates Maffachujetts, an der 
South-Shore- u. Old⸗Colony⸗Eiſenbahn; Schub- 
u. Stiefelfabrilation, Mafchinenbau u. Wollen- 
manufactur; 3948 Em. 

Braith, Anton, namhafter denticher Thier- 
maler in München, geb. 2. Sept. 1836 zu Bi. 
berah (Württemberg); erhielt den erjten Zeichen- 
unterricht an der dortigen Nealjchule, befuchte von 
1852 die Kunſtſchule in Stuttgart, fam 1860 





burger Galerie, die Sammlung des Barons Yıe- 
big in Neichenberg, des Hrn. Megler in Franf- 
furt, des Prinzen Luitpold von Bayern im 
Regnet. 
rade. 

Brafe, jo v. w. Flachsbreche. 

Brafe, Stadt im gleichn. Amte u. im Ober- 
gerichtsbezirte Varel des Großherzogthbums Olden- 
burg, am linten Ufer der Unterwejer, Station der 
Oldenburg. Eifenbahn; Amt u. Amtsgericht, Ser- 
mannsdamt, Hauptzollamt; Schifffahrt, doch nicht 
jo ftarf wie vor dem Baue von Bremerhaven u. 
Geeſtemünde; mit Schleufe verjehener Hafen jeit 
1861 (1874 befuchten 713 Seeſchiffe mit 92,000 
Tonnen denfelben); Schiffbau in u. nahe der Stadt, 
Hhederei; man fichtet hier die größeren Schiffe, 
die nicht weiter ſtromaufwärts gelangen können; 
Reepichlägereien (Zaufabrifen), Dampfiägemübten; 
Spevditionshandel. Einfuhr von engl. Steintohlen 
u. Holz; Freihafen jeit 1834; 3800 Em. 

rafel, Stadt im Kreiſe Hörter des preuß. 
Regbez. Minden, an der Brudt, Station der 
Köln-Mindener Eifenbahn; 2706 Em.; dabei un- 
befuchter Dineralbrunnen. — B. wurde 1223 
von der Abtei Heeres dem Stifte Paderborn über- 
laffen u. ftritt fpäter mit dem Biſchof über ibre 


der 
Schiff, mit welchem er die Themjelette jprengte 
u. eine Fregatte nahm, verbrannte in der See 
ſchlacht bei Solbay 1672 gegen die Engländer u. 
Frauzoſen das Admiraliciff Montaiges; er blieb 
1690 in der Seeſchlacht von Beachy-Head der 
Holländer u. Engländer gegen die Franzoſen. 
Brafenburg, Regnier Richard, niederl. 
Maler, geb. 1650 in Haarlem, geft. 28. Dec. 1702; 
Schüler Adrians van Dftade, nad Anderen Mom- 
mers oder auch Schendels. Er malte Genrebilder 
aus dem Familienleben, in denen Wein u. Liebe 
eine große Holle jpielen. Regnet. 
Brafna, ein barbariihes Boll am rechten 
Ufer des unteren Senegal, mit arabifher Sprade 
u, Religion; untermifcht mit Arabern u. zu Skla⸗ 
ven gemachten Negern. Hauptbeſchäftigung dieſer 
noch jehr rohen Nomaden ift die Viehzucht. 
Brafweipen (Schtupfweipenverwandte, Bra- 
conidae), Juſectenfamilie aus der Orbnung der 
Hautflügler; Fühler fang, meift vielgliederig ; 
Flügel mit einem zurüdlaufenden Nerv; Kiefer- 
tafter 5» bis Ggliederig; Yippentafter 3- u. 4glie⸗ 
derig; nützlich dadurch, daß fie die in Holz le 
benden Käferlarven verfolgen, in diefe ihre Eier 
ablegen und jo tödten; doch greifen fie auch frei: 
lebende Inſecten an; fo ftellt 3. B. Microgaster 
glomeratus L. den gemeinen Koblraupen nad 
u. bat ojt deren allzu große Bermehrung ver 
hindert. Thome. 
Bralin, Marttfleden im Kreiſe Wartenberg 


nah Minden u. machte ſich noch vor Jahresfriſt des preuß. Negbez. Breslau, Eifenbahnftation; 
jelbftändig. In feinen Bildern zeigt er große Weberei; ftarfer Viebhandel; 1800 Ew. 


Brama — Bran. 


Brama, jo dv. w. Brahma. 


771 


Brambach, Karl Joſeph, tüchtiger Dirigent 


Bramante, Francesco, eigentlich Donato und treffliher Componiſt, geb. 1833 zu Bonn; 
Lazzari, berühmter Architekt und Maler, geb. ſtudirte 1851—54 an der Kölniſchen Muſikſchule, 
1444 in Caſtel Durante oder in Monte Asdrualdo war der vierte preisgekrönte Bewerber um das 


bei Urbino (daher B. d'Urbino); lebte in Mailand 
al8 Maler und Baumeifter, jpäter in Pavia, wo 
er, 1490 vom Gardinal Arcanio Sjorza berufen, 
den Plan der Kirche La Incoronata entwarf, ar« 
beitete dann am Dome zu Mailand bis 1499, 
sing darauf nah Nom, wo er 1506 den Bau 
der Peterslirche begann u. noch viele andere Bracht- 
bauten tbeilmeife oder ganz ausführte u. mit Fres⸗ 
ten ſchmückte; außerdem war er in Bologna und 
Neapel thätig. Er ft. 1515 in Rom, umd feine 
Teiche wurde feierlih in der Grotta Baticana bei- 
gejegt. Dem Mantegua im Allgemeinen verwandt, 
it er wiſſenſchaftlicher Maler ohne große Phan- 


Stipendium der Mozartitiftung in Frankfurt a. M. 
Er bildete fi unter F. Hillers Peitung aus, wurde 
1859 Profefior am Gonjervatorium in Köln, über: 
nahm 1861 die ftädtiihe Mufifdirectoritelle zu 
Bonn u. dirigirte dafelbft die vom gemiichten Ge— 
fangverein veranftalteten Concerte, ſowie den Beet« 
boven-Berein. Im J. 1868 legte er die Direc— 
torjtelle nieder und leitet nur noch den inzwiſchen 
in feine Direction übergegangenen Männergejang« 
verein Concordia. Seine Compofitionen zeichnen 
fi) durch Klarheit der Form, rhythmiſche Kraft 
u. Vermeidung von unkünſtleriſchen Effectmitteln 
ans. Es find Klapierftüde, einftimmige Lieder, , 


tafie; als Baumeifter entwidelte er, geftütt auf) Duette, ein Klavierquartett, ein Sertett für Klavier 


die Grundgeſetze der Architektur bei den Griechen 
u. Römern u. geleitet von einem hoben Schön- 
heitsfinn, einen eigenthümlich italienischen Stil, mit 
vorherrſchenden Rundbögen u, toscanifcher Säulen« 
ordnung. An feinen älteren Werfen fieht man 
bei durchaus freier yormenentjaltung den Einfluß 
des lombardiſchen Ziegelbaues. Er übte einen 
großen u. günftigen Einfluß auf die Entwidelung 
der bildenden Kunft in Italien aus, nicht mur 
durch feine Schöpfungen, fondern auch durch fein 
Bemühen, Talente zu weden und zur Entfaltung 
zu bringen. Dit Michel Angelo, Rafael u. vielen 
anderen Künftlern feiner Zeit ftand er in enger 
freundfchaftliher Beziehung. Bon feinen Male- 
reien find: ©. Sebaftian, in S. GSebaftiano in 
Mailand, eine Kapelle in der Gertoja von Pavia 
zu erwähnen; von feinen Bauten: die Jncoro- 
nata zu Yodi, der Ehorbau der Kirche S. Maria 
delle Örazie und San Satiro zu Mailand, ©. 
Maria della Eonjolatione zu Zodi, das Bel. 
vedere im Batican, die Log ien im Cortile di ©. 
Damaſo im Batican, ber — der Cancelleria, 
der Palazzo Giraud (Torlonia), die runde Kapelle 
im Kloſterhofe von S. Pietro in Montorio. Seine 
Schriften (Aufſätze über Architeltur u. Kunſt im 
Allgemeinen u. Sonette) erſchienen Mail. 1756. 
Faldo u. Ferrario ſtachen ſeine Bauwerke in Kupfer 
für ihr Werk: Nuovi disegni dell’ architettura 
e pianti de’ palazzi di Roma. Ewerbed,* 

Bramantino, Bartolomeo Suardi, Bau- 
meifter u. Maler der Mailändiſchen Schule, Schii- 
ler Bramantes, woher fein Beiname B.; lebte 
nod 1529. Werfe: in Mailand Wandgemälde in 
der Brera Madonna in trono, in ©. GSepolcro 
eine Pietä u. im Mufeum zu Berlin zwei Ma» 
donnenbilder. 

Bramarbas, ein in einem Holbergichen Luft- 
fpiel vortommender feiger Prahler; daher: Groß- 
ſprecher; daher bramarbafiren, großſprechen, 
mit Eigenſchaften großthun, die man nicht beſitzt, 
od. mit Thaten prahlen, die man nie vollbracht hat, 
noch zu vollbringen Willens oder im Stande iſt. 

Brambach, Marktfleden im Gerihtsamte Adorf 
des königl. ſächſ. Regbez. Zwidau, Station der 
Eijenbahn Herlasgrün-Eger; Schloß; Sauerbrum- 
nen; Eifenhammer, Weberei; 1502 Ew.; im der 
Nähe zwei gefaßte eifenhaltige Mineralquellen. 
Hier 11. Sept. 1842 großer Brand. 


und 5 Streichinftrumente, eine Symphonie, die 
Dupvertüre Tafjo, Männerguartette, 3 größere 
Deännerhor-Gantaten: die. Macht des Geſanges, 
Belleda, Alceftis, ferner Mäunerhöre u. Compo» 
fitionen für gemifchten Chor mit Inſtrumental- 
begleitung. 

Brambanam, verfallener Ort auf der Inſel 
Java, am Bulcan Merapi; in der Rähe mäch— 
tige buddhiftiiche Tempelbauten, angebli aus dem « 
10. oder 11. Jahrh., äbnlih dem Tempel von 
Bolo-Budor. F 

Brame, Jules Louis Joſeph, franz. Po— 
lititer, geb. 9. Jan. 1808 zu Lille; wurde 1833 
Advocat, 1836 MWuditor im Staatsrathe, 1840 
Requbtenmeifter, 309 ſich 1848 auf feine Güter 
zurüd und lebte der Landwirthichaft. Bei der 
Theuerung von 1853 u. 1854 wurde er von der 
Regierung zum Berichterftatter ernannt, trat 1857 
als Negierungscandidat in ben Geſetzgebenden 
Körper u. 1870 nad den erften Niederlagen im 
Deutſchen Kriege als Minifter des Unterrichtes in 
die Regierung, nad dem Sturze des Kaiſerreiches 
aber in das Frivatleben zurüd. Doch fit er feit 
dem Febr. 1871 wieder in der Nationalverfanme 
lung u. gehört dem rechten Centrum an. 

Beamer, Leonhard, niederländ. Profpect- 
und Gejchichtsmaler, geb. zu Delft 1596; bildete 
fih von feinem 18. Jahre an in Paris u. Italien, 
nah Baffansumd Gorreggio. Vorzüglich gelangen 
ihm Feuersbrünſte, unterirbifche Gewölbe, Grotten 
u. dgl. bei Mondſchein oder Facelbeleuchtung. 
Eine gewiſſe Ähnlichkeit feiner Bilder mit denen 
Hembrandts gab Anlaß daß man ihn für deſſen 
Schüler hielt. Er ft. 1660. Hauptwerle: Die Er- 
wedung des Lazarus; Die Verleugnung Chriftt 
durch Petrus; Ehrifti Dornenfrönung (Dresdener 
Galerie). Regnet. 

Braminen (ind. Rel.), ſo v. w. Brahmanen. 

Bramſtedt, Flecken im Kreiſe Segeberg des 
preuß. Regbez. Schleswig, am ſchiffbaren Stör 
u. an der Bramau, mit dem ritterlichen Herren— 
hauſe gleichen Namens; 1774 Ew.; Geburtsort 
F. L. Stolbergs. Die einſt rennommirten DMineral- 
quellen find jetzt verſiecht. 

Bram-Stenge, «Reaa, ⸗Segel, ſ. Tafelage, 

Bran, Friedrich Alexander, deutſch. Schrift- 
fteller, geb. 1767 in Ribnitz; ließ ſich, nachdem 
er ſich in verichiedenen Ländern Europas aufge⸗ 

. 49* 


772 


Branca — Brand, 


halten hatte, um 1800 in Hamburg nieder, mwo]biten (ſ. d.), doch ift derem Unterfeite noch immer 


er feine Miscellen und jeit 1804 die Nordiſchen umbelannt, mithin ihre joftematiihe Stellung 
Miscellen berausgab; 1809 übernahm er auch ſicher. 


unter Arhenholz’ Namen die Herausgabe der 
Minerva. Wegen Überjegung u. Verbreitung der 
Schrift des Eevallos fiber die ſpaniſchen Angelegen- 
heiten wurde er von dem Franzoſen verfolgt und 
floh nad) Leipzig u. dann nad Prag, wo er die 
Zeitſchrift Kronos berausgab; er kehrte nach ber 
chlacht bei Leipzig nach Peipzig zurüd, wo nun 
die Minerva unter jeinem eigenen Namen in Ber 
bindung mit den Miscellen aus der neueſten aus- 
ländifhen Yiteratur erſchien; 1816 ging er nad 
Jena, wo er eine Buchhandlung errichtete u. feit 
1817 das Ethnographiihe Archiv (1817—1826, 
831 Bde.) herausgab, Er ft. 15. Sept. 1831. 
Branca, Gaktano, ital. Geograph, geb. 1834 
zu Mailand; war anfangs Buchhändler, wurde 
1869 Profefior der Geſchichte und Geographie zu 
Brescia und 1860 zu Mailand; ft. bier 15. April 
1871. Er verfaßte mehrere geograpbiiche Hand- 
bücher u. Yerita. 
Brancaleöne, Dandolo, aus Bologna, der 
erfte Podefta von Rom, welchen das römijche Volt 
1253 zur Stenerung der inneren Unruhen er- 
nannte. Er ließ mehrere Baudenkmäler abbrechen, 


* Damit fie den Empörern nicht zu Bollwerlen dien» 


ten, u. zwang jelbft-den Bapft Innocenz IV., die 
Macht des Bolfes anzuerfermen, Seine Strenge 
bewirkte jedody eine Empörung, die ihn nöthigte, 
nah Bologna zu fliehen, — ihn die Römer 
nah 2 Jahren zurückberiefen (ſ, Rom, Geſch.) 
Er ſt. 1268. 

Brancard (fr.), 1) Tragſeſſel. 2) Trage zum 
Sortichaffen von Werkſtücken 2c. 3) Fuhrwerk mit 
einer folhen (B.-Ehaife). 4) So v. w. Tragbahre; 
daher Brancadier-Compagnien, von Napo» 
leon.1813 auf Larrys Vorſchlag errichtete Truppe, 
mit Stangen verjehen, wovon 2 eine Bahre bilden 
lonnten, um Berwundete an geſchützte Orte (Ber- 
bandpläge) außerhalb des Schlachtfeldes zu trans 
portiven; der Anfang der jetzigen Ambulance. 

Brand), County im nordamerifan. Unionsftaate 
Michigan u. 42°. Br. u. 85° w. L.; 26,226 Ew.; 
Countyſitz: Coldwater, 

Brandıe (fr.), Zweig, Aft, bei. die Pinie eines 
Geſchlechtes; Fach einer Wilfenfchaft; Zweig einer 
Hanbelsunternehmung. 

Brandyen, jo v. w. Rameaux, die aus den 
Hauptminengalerien nach beiden Zeiten ungefähr 
umter 60° abgebenden fleineren Deinengalerien, 
welche zu den Ecouten (Horchgängen), d. b. den 
am weiteften nach dem Feinde zu liegenden Gale- 
rien führen, 

Branchien (ar.), Fiſchliemen. 

Branchiopoda, Kiemenfüßer, Unterordnung ber 
Kruftenthiere, Ordnung der Blattfüßer; von an- 
jehnlicher Größe und deutlich im Peibesabjchnitten 
getheiltem Körper; meiſt von einer flachen, jchild- 
fürmigen oder von einer jeitlih zufammengedrüd- 
ten, zweillappigen Schale umſchloſſen: fie befiten 
10 bi8 60 Paare blattförmiger Schwinimfüße 
und an denjelben wohl entwidelte Kiemenanhänge. 

ierher der Kientenfuß (Branchipus) und der 

lattfuß (Apus). 


un- 
Zbome. 

Brandıos, Sohn des Mileſiers Smikres 
Apollon beichentte ihn mit der Babe der Weiflag- 
ung. B. ftiftete bei Miletos das berühmte Ditn- 
mäifche Oratel (ſ. u. Didyme), u. nah ihm bießen 
die Priefter dieſes Oralels, weil von ihm fich ber- 
leitend, Brandhiben. Beidem Yuge des Zerres 
gegen Griechenland übergaben bie Branchiden dem 
König die Tempelihäge und wurden jpäter, um 
vor der Rache der Griechen ficher zu jein, von 
ihm nad Baltrien verjegt, wo Alerander db. Gr. 
ihre. Niederlaffung zerftört haben fol. 

Brand (Jagdw.), die mit Schweiß unterlaufene 
rotb-blaue, blau-fhwarze, grün-gelbliche Stelle am 
Wildpret, wo der Schuß first. Nicht alle Gemehrr 
vernrfachen in gleihem Grade B,, manche gar 
nicht. Am ftärfiten ift der B. bei Büchſen, ge 
ringer bei Flintenſchüſſen u. aud da bedeutender, 
wenn man mit Rollkugeln, al$ wenn man mt 
Paßlugeln fchießt. Auch mande Schrotflinten ver⸗ 
urfahen B. Je mehr ein Gewehr B. bat, defto 
ſchneller ftirbt das getroffene Wild. Der durch 
Kugeln verurfadhte B. muß ausgeichnitten merden, 
da das von ihm ergriffene Fleiſch nicht zu ge 
nießen ift u. der üble Geihmad deffelben fich aus 
den übrigen Theilen mittbeilt. 

Brand (Med.), 1) Das Aufhören aller Lebent- 
ericheinungen an einem Körpertheil.. Ein bram- 
diger Körpertheil fühlt fi kalt an, hat feine Em- 
pfindung mehr ac. Beim trodenen B-e ( Mumifica⸗ 
tion) bilden die brandigen Theile eine ſchwarze, 
trodene Maffe; beim feudhten B-e (Gangraena. 
Sphacelus) erweichen die Theile jauchig u.verbreiten 
einen üblen, penetranten Gerub. Im Allgemeinen 
laffen fi) die Urfahen bes Bes entweder auf 
Unterbrechung des Blut- und Säftezufluffes, oder 
Zerftörung der Gemebselemente zurüdfübren. 
Eine Blutunterbredung entitceht durch derbe 
Abſchnürung eines Körpertheils, durch Berftopi- 
ung einer Schlagader mit einem Geriunſel: in 
beiden Fällen erhält der betreffende Theil mid 
mehr genügenden Blutzufluß u. ftirbt deshalb ab: 
Beifpiele hierzu liefert der eingellemmte Bruch, dei 
Altersbrand an der große Hehe, der Drudbrand 
beim Durchliegen während fchwerer Krankheiten, 
die nach Art eines Schlagfluffes erfolgenden Todes» 
art, wenn von der inneren Herzausfleidung bei 
Herzliappenfehlern Stüde in eine Hirmichlagader 
eingeſchwemmt werden. Die Berftörung von Ge- 
webselementen beobachten wir bei Erjrierungen 
u, Verbrennungen, bei Duetihungen, bei Einwirt» 
ung von ätenden Gubftanzen (Schmwefel-, Sal- 
peter», Salzjäure, Atzlali zc.), ferner nach dem 
Eindringen von Leichengift, Milgbrandjaude xc. 
in Schnittwunden ⁊c.; in einzelnen Fällen fcheinen 
Pie die Träger des brandigmadenden Agens zu 
fein. So wiſſen wir vom Milz-B-e u. von ber 
Diphtheritis, ferner vom Hofpital-B-e, daß 
Mitrofoften und Bafterien die Krankheit im ihrer 
Bösartigfeit zu vermitteln vermögen. Die Er- 
Theinungen bes Bes find theils örtliche, 
theils allgemeine. Die örtlihen beftehen darın, 


Zn ihnen zählt man auch die daß die betreffende Stelle zumeift anſchwillt, ver- 


der älteften Periode der Erde angehörigen Zrilo- ſchiedene Farbennüancen zeigt, dann zunächit weiß, 


Brand, 


bald aber hochroth, blau-rorth wird, blafige Er« 
hebungen zeigt u. jhließlich eine ſchwarze Farbe 
annimmt; ſticht man nun in eine ſolche Stelle 
ein, ſo wird es nicht gefühlt, und iſt die Stelle 
lederartig hart, jo fliegt fein Blut heraus, iſt fie 
gangränds, fo entleert fih eine rothbraume, jau—⸗ 
ige, übelriehende Flüſſigkeit. Bei der Heilung 
des Brandes bildet fich eine ſcharfe Grenzlinie 
zwifchen dem Gefunden u. Kranken (Demarcations- 
linie), u. unter Eintritt einer guten Eiterung wird 
Ihließlih die ganze brandige Maffe abgeftoßen. 
Die 3. derer Erſcheinungen befteben in 
Fieber, Abgeichlagenheit, Kräfteverfall, beichleunig- 
ter Athmumg, feinem, frequentem Pulje; nicht 
jelten find wiederholte Schüttelfröfte. Bei jehr um— 
jchriebenem, nur auf einen Heinen Körpertbeil be» 
ſchränktem B»e können die Allgemeineriheinungen 
fehlen; meift ift beim feuchten Bse die Temperatur 
ſehr hoch, u. es befteht große Gefahr, daß Theile 
von dem brandigen Herde in die Gefammtblut- 
mafle aufgenommen werden, eine Eventualität, 
die faft ausmahmelos unter typhöjen Erjcheinungen 
tödtlih wird (Septicaemie). B) Fliegender B,, jo 
dv. w. Antoniusfeuer. 3) Raufchender B., ſ. Milz- 
brand. Kunze. 
Brand, 1) eine nicht feltene Krankheit der Ger 
treidearten und anderer Pflanzen. Die Producte 
diefer Krankheiten find ſich auf verichiedenen Pflan« 
zen u. verjchiedenen Pflanzentheilen der Form u. 
dem ganzen Habitus nach fehr ähnlich, aber bei 


773 


Fruchtknoten der weiblichen Blüthen zumeilen bis 


zur Größe einer Orange anjchwellen und durch 


gegenfeitigen Drud die fonderbarfte Form anneh- 
men. Dft fommen infolge diefes Bees aud an 
anderen Theilen des Maijes große ſphäriſche Aus— 
wüchſe vor. Dan fieht anfangs in den Saftzellen 
Heine jchleimtige Fadengewirre an der Innenſeite 
der Zellenwände; aus dieſem Schleime gehen 
fabenförmige, ungegliederte, veräftelte Gebilde her- 
vor, welche bereits die Pilzmatur zeigen, anfangs 
ungefärbt, faft durchfichtig u. mur bei ftarter Ber- 
größerung ein feinkörniges Weſen zeigend; endlich) 
fangen bie Afthen an, fich zu verzweigen, u. nun 
beginnt an ihnen eine rojenkranzförmige Abjchnür- 
ung, wobei die einzelnen, noch zuſammenhängenden 
Kigelhen erft gelblich, dann immer brauner und 


größer werden, bis fie ſich endlich von -einander - - 


trennen u. alle Fäden gänzlich in folche Kügelchen 
zerfallen, die eigentlich Meine Bläschen find. Die 
Unftedung geichieht bereits in dem erften Lebens- 
fadium, während der Keimung, indem die zufällig 
anhaftende B-fpore einen Keimſchlauch in die Wur- 


zeliheide u. den Wurzelfnoten treibt, der weiterhin 


quex durch die erften Blattanlagen bis in die jchon 
jetzt angelegte Halm- und Ahrenanlage einbringt - 
u. mit u, in ihnen hinaufwächſt, auch in die Seiten» 


zweige gelangt u. jo es verftändfich macht, warum 


in der Hegel ſämmtliche Halme und Ahren eines 
Stodes (auch die noch in Blätter eingewidelten) 
brandig inficirt find. Andere. Pflanzen, die von 


genauerer Unterfuchung zeigt e8 fi, daß fie aufldenn Flugbrande heimgefucht werden, find yer— 


verſchiedene Weiſe hervorgeben und danach aud 
verſchiedene Charaktere an fih tragen. Die Pro- 
ducte diefer ganzen Klafje von Krankheiten beftehen 
in der Bildung von Körperchen, die eine rotbe, 
braun⸗ ſchwärzliche und in großer Menge oft tief- 
ſchwarze Farbe zeigen; fie treten als parafitiiche 
Gewächſe im Innern der Bellen der vom. ihm 
befallenen Pilanzentheile auf, treten allmählich an 
die Oberfläche hervor und gehören der Klafie der 
Pilze (B>pilze) an. Gewöhnlich wird der damit 
befallene Pflanzentheil mehr od. weniger zerjtört, 
u.da diefe Krankheiten jo häufig unſere Nutzpflanzen, 
bei. die Getreidearten, befallen und zumal deren 
gig zerftören, fo verdienen fie ganz befondere 

eachtung. Folgende find bie befannteften Arten: 
a) Der Flug», Staub-, Nagel oder Ruß— 
brand (Uredo segetum Pers., Ustilago carbo 
— dieſer befällt gewöhnlich nur die Organe 
der Blüthen u. Früchte, u, zwar namentlich der 
angebauten Gräfer, bej. der Getreidearten, als des 
Hafers, Weizens, der Hirſe u. Gerfte, lommt aber 
auch auf den Befruchtungsiwerkzeugen u. Früchten 


mehrerer Dilotyledonen vor. Er zeigt ſich als ein. 


braun · ſchwarzes, ftaubartiges Pulver, zerftört die 
von ihm befallene Subſtanz der Pflanzenorgane, 
u. nad vollfommener Ausbildung des Pulvers 
brechen die Hillen der Organe, in denen er fi 
bildete, auf, das Pulver fällt heraus und ver- 
fliegt allmählid. Befonders find Hafer, Weizen u. 
Gerſte davon heimgefucht, feltener der Roggen. 
Bei manchen Pflanzen tritt der Flugbrand mit 
mehr oder weniger großen Anjhwellungen der ba- 
von befallenen Theile auf, jo z. B. beim Mais, 
bei denen dann nicht nur die männlichen Blütben 
trankhaft angejhmwollen find, jondern auch die 





jhiedene Epperaceen, GCompofiten, Bolygoneen, 
Cargophylleen und die Uderwinde (Convolvyulus 
arvensis). b) Der Shmier-, Stein-, Faul 
oder Kornbrand, Kornfänle, Faulweizen, 
geſchloſſener B. (Ustilago sitophila Ditim., 
Uredo sitophila Pers, Tilletia Tul., Caries 
DC.) ıft bis jest nur an dem. Samen des Wei- 
zens und Dinfels (Triticum Spelta) beobachtet‘ 
worden. Diefer B. zeigt fih in Form von runden, 
in Maſſe violettejchrwarz gefärbten Sporen, die drei- 
bis viermalgrößer find, als die des Flugbrandes, 
u. unangenehm wie fauler Harn od. faule Häringe 
riechen. Einzeln ericheinen fie anfangs faft unge 
färbt, fpäter werden fie gelb⸗bräunlich, endlich 
ihwarz, ihr Inhalt wird gleihmäßig u. ſcheint 
fi größtentheils in ein fettes DI umzumandeln, 
u. endlich verdickt fich die Zellhaut, wird feft, und 
auf ihrer Oberfläche zeigt fi eine netartige Zeich- 
nung. Der Schmierbrand ift fchon vorhanden, 
wenn die Ahren noch in. der Blattſcheide fteden, 
u. die Eichen im Fruchtfnoten find dann ſchon von 
ihm gänzlich zerjtört, die Blüthen jchwellen fo 
an, daf der Fruchtknoten ſchon faft die Größe des 
reifen Samens hat, u. reift diejer endlich, mas 
eher als an den gefunden Körnern geſchieht, fo 
ericheint er dicker und kürzer als fie, auch ift er 
leichter, u. zerdrückt man ihn, fotritt das ftinfende 
B-pulver hervor. Endlich berftet das Korn und 
läßt den pulverigen, etwas zufammenhängenden 
Inhalt austreten. Die Bildung diefes Bees ift 
übrigens der des vorigen Ähnlih. Die Urjachen, 
welche diefe beiden und ähnliche B-arten hervor» 
rufen, find theils prädisponirende, theils gelegent- 
liche. Als prädisponirende Urſache ift der unvoll» 
fommene Zuftand des Samens anzufehen, wenn 


774 


die Saat noch unvolllommen reif geerntet werden 
mußte, od. während anhaltenden Hegenmetters u. 
alfo nicht troden eingebracht werden konnte, Solche 
Samen haben eine Zerjegung der im ihnen auf- 
geipeicherten Nahrungsftoffe erlitten, u. diefe ab- 
normen Diiihungsverhältniffe ſcheinen die Inficir- 
barkeit zu begünftigen. Die gelegentlichen Urfachen 
beſchränken ſich meiſt auf den Zuſtand der Erde 
u. die Beſchaffenheit des Bodens u. find unbe⸗ 
fämpibar. In naflalten, feuchten Jahren berricht 
der B. mebr als im 'trodenen; doch tft ein ganz 
conftantes Verhältniß nicht feflgeftellt. Ebenfo 
foınmt er an jchattigen Stellen, an Waldrändern 
oder in engen Thälern, überhaupt auf Feldern 
von naffer u. kalter Yage vor. Auch falte u. ſtarke 
Thaue mögen den B. begünftigen, ebenſo ein 
Boden, der ftart mit friihem, bei. aber mit fehr 
nabrhaften u. ſcharfem Dünger, 3. B. mit Men- 
ſchenkoth, Schafvünger, Schmweinedünger, gedüngt 
worden ift. Auch ſehr hitziger und magerer Kalf- 
u. Thonboden ſoll den B. begünftigen. Sicher ift 
eine unmittelbare Anftedung durch den Beftanb 
„bie weſentliche Bedingung. Fit die Krankheit ein- 
mal aufgetreten, fo läßt ſich nichts mehr dagegen 
thun, die ganze Kur kann fi alfo nur auf Vor— 
bauungsmittel beziehen. Bor Allen jehe man auf 
die Qualität der Samen. Man nehme wo mög- 
lich alte, gute Saat. Man hat auch das Beizen 
des Samens empfohlen, doch kam aud mitunter 
nad) gebeiztem Samen der B. zum Vorſchein. 
Zum Beizen bedient man fih der Laugen von 
Kochſalz, Salz u. Kall, namentlih Kupfervitriol, 
in defien mwäfleriger Löſung (150 g auf 1hl Sa— 
men) man die Samen durh 16 Stunden ein- 
weicht. Als Borbanungsmittel möchte eine gute 
Beitelung des Aders dienen; ein guter, nicht zu 
friiher, gleichmäßig zertheilter Dünger u. gehörige 
Entwäfferung des Bodens find hier vorzüglich zu 
erſtreben. Seltener ift c) der Stengelbrand im 
Noggen; der Beftaub diefer Art erjcheint als 
dumfelbraune Häufchen; Wallroth, nenüt ihn Ery- 
sibe oceulta (jet Uroeystis oceulta Schlechtd.), 
mitgrößerer, ſchwarzbrauner Spore, welche mit bläs- 
chenartigen Anwüchſen befegt ift, am Halme, bei, 
innerhalb der Blattjcheiden. d) Der Stengel- 
ftaubbramd einiger großen Grasarten (Ustilago 
hypodites Fries), bej. am Elymus arenarius, von 
tiefihwarzbraumer Farbe, auf der Oberfläche des 
Halmes unter der Blattiheide; befteht aus feinen 
fugeligen, fchwarzegrünen Sporen. Ahnliche 
Krankheiten erzeugen der Roft (Uredo Pers.) u. 
die Pilzgattungen Puceinia, Rubigo, Phragmi- 
dium (j. da.) u.a. m. Näheres in dem Unter— 
fuchungen von Tulasſsne in Paris und Kühn in 
Halle, Krankheiten der Culturgewächſe, Berlin 
1858. 2) (Weinb.) Eine Krankheit des Wein: 
ftodes, j. Weinbau u. Samenbrud der Weinbeere 
(vgl. Eryriphe). 3) Gewöhnlihe Baumkranlheit; 
Säfte treten aus den Bellen des Holzes, ver- 
derben, oder werden fauer, und dadurch zerjtören 
fie die gefunden Säfte n. Theile. Bei manchen 
Bäumen zeigt fi der B. als fchwarzer led, bei 
anderen als Harzfluß. Urſachen find: zu viele 
Säfte, zu nafjer u. zu gebüngter Boden, große it. 
vorzeitige Kälte, partielles Erfrieren, Abbrechen 


der Äfte ftatt des Beichneidens, oder auch wenn 


Brand — St. Brandanus. 


man unterläßt, die Stellen, an mwelden Afte ab» 
genommen worden find, mit Baumfitt zu über— 
ziehen; endlich Baumpilze. Durch Aufrigen der 
äußeren Rinde am Baumftamme, durch Drainir: 
ungsfanäle in zu feuchtem Boden u. durch Ent- 
Ziehung des Düngers fann man dem Be vorbeu- 
gen; ift er eingetreten, jo muß die ihadhafte Stel: 
rein ausgeichnitten und mit Baumlitt überzogen 
werden. 

Brand, Hauptft. des gleihnam. Gerichtsamtes 
in der Amtshauptmannicaft Freiberg des königl. 
ſächſ. Regbez. Dresden; Pfarrlirche; Spigen- 
Höppelei; bed. Silberbergbau; 2512 Em. B. iſt 
feit 1515 eine Stadt. 

Brand, 1) Adam, Reiſender, geb. in Lübed; 
fam jung in Handelsgefchäften nah Moskau, be- 
gleitete 1692 den Holländer Ides nab China u. trieb 
nad feiner Rückkehr in Lübeck Handelsgeihäfte; er 
ft. in Königsberg als Hof- u, Commerzienrath. Er 
ichr.: Beichreibung der großen dhinefiichen Weite, 
Franff. 1697, letste Ausg, Lüb. 1734. 2) Emwalr, 
der Günſtling Struenjees, Sohn eines däuiſchen 
Conferenzratbes; trat früh in däniſche Staate— 
dienfte und ftieg durch feinen Freund Struenfer, 
der ihn zu Beichäftigung u. Zerftveuung des geiſtes— 
franten Königs brauchte, zum Kammerberrn und 
Oberaufieber der Schauſpiele u. 1771 zum Grafen 
und Gcheimrath. Mit Struenfee fiel er, weil 
er im einer vom geiftesfranfen König felbft be- 
gehrten Balgerei, um die Kräfte zu prüfen, den- 
ſelben am Halfe biutrünftig gefniffen hatte, was die 
jeile Unterjuhimgscommiffion als Urimen laesae 
majestatis auslegte, u. wurde 28, April 1772, 
nachdem ihm vorher die rechte Hand abgebauen 
war, enthauptet und geviertbeilt u. fo aufs Rad 
geflodhten. 3) Hamburger Kaufmann (Vorname, 
Geburts- u. Todesjahr unbekannt), der unter dem 
Bemühen, feinen Bermögensumftänden durch alde» 
miſtiſche Arbeiten aufzuhelfen, zufällig beim Er— 
perimentiren mit menſchlichem Harne den Phosphor 
entdedte. Er verfaufte das Geheimniß an ob. 
Dan. Kraft, Dr. med., aus Miltenberg am Maiu, 
durch den e8 an Rob. Boyle in England fam, 
auch Kunkel erfuhr fo viel davon, daß er die 
Entdedung zum zweiten Dal machen fonnte. B. 
famı fpäter durch Leibniz' Bermittelung nach Han- 
nover und erhielt vom Herzog Joh. jFriedrich ein 
Fahrgehalt bis zu feinem Tode, 2) Fenſſen-Tuſch. 

Brandader, die Schentelvene (Vena crura- 
lis), fo genannt bei Pferden und dem. Rindvich, 
indem Tierärzte dieſelbe fonft gewöhnlich bei 
Brandihäden, od. um Brand vorzußengen, üffne- 
ten; auch bei aufgebrochenen Wild, das geöffnet 
wird, um dem Schweiß herauszulafien; das Wild 
gewinnt dadurd an Geſchmack u. hält ſich länger. 

Brandaltar, in der Stiftshütte u. dem Tempe! 
zu Jeruſalem Altar, worauf die Brandopfer ge— 
bradıt wurden (f. w. Altar). 

St. Brandanns, irländiicher Heiliger; war 
Abt des Klofters Eluain Fuerta in der Grafjchaft 
Galloway; ft. um 577. Nach der Sage machte 
er wunderbare Seefahrten, von einem Engel ge 
führt, fam in die Unterwelt, jah dort die Qualen 
der Teufel u. Berdanmten, gelangte dann nad 
der Inſel der Seligen u. endlich ins Paradies: 
nach 9 Jahren kehrte er nach Haufe zurüd und 





Brandajjecuranz — Brandenburg (Geogr. u. Statift.). 


Ichrieb feine Abenteuer nieder, Die Legenden u. 
Sagen, die. fih an B. fnüpfen, feinen zuerft im 
9. Jahrh. zufammengeftellt u. niedergefhrieben u. 
im 11. Jahrh. bekannt geworden zu fein. Die 
Sagen fanden in Frankreich im 12. Jahrh. einen 
Bearbeiter od. Sammler, ebenfo am Niederrhein. 
Erhalten find eine niederländiſche (abgedrudt in 
Blommaert® Oude vlamische Gedichten, Gent 
1838—41, u. herausgeg. von Brill, Gron. 1871) 
und eine niederdeutſche Bearbeitung aus dem 
14. Jahrh. (in Burns altplattdeutſchen Gedichten, 
Berl. 1798), eine engliſche Überfegung aus dem 
13. oder 14. Jahrh., herausgeg. von Wright xc. 

Brandafjecnranz, f. Feuerverfiherung. 

Brandbegnadigung, 1) der Abgebrannten 
bewilligte Erlaß von Yandesabgaben. 2) Der 
aus einer landesherrlichen Kaffe den Abgebrannten 
zum Wiederaufbau abgebrannter Gebäude, oder 
Anihaffung von verlorenen Mobilien, oder zum 
momentanen Unterhalte gewährte Zuſchuß. 

Brandbettler, ehemals Bettler, der wegen 
erlittenen Berluftes durch Brand auf Grund einer 
ihm von der Obrigkeit ausgeftellten Beiheinigung 
(Brandbrief) um Gaben bat. 

Brandbrief, 1) die obrigkeitliche Beicheinigung 
über einen erlittenen Brandſchaden. 2) Drobbricf, 
daß da, wo derjelbe eingeworfen wird, Feuer an— 
gelegt werden wird; f. u. Landzwang. 

Brandeis (Branny Hrad), 1) Stadt im Bezirke 
Karolinenthal des ehem. böhmischen Kreifes Prag, 
an der Eibe, Eifenbahuftation; Bezirksgericht; 
Dechanteilirche, Synagoge; Schloß; Piariftencolle- 
gium mit Hauptichule; Liqueurfabrit; 3647 E. — 
8. war anfangs nur ein Schloß, von Boleslaw J. 
941 erbaut. Aue Stadt geworden, erhielt B. von 
Kaifer Rudolf II., der fih öfter bier aufbielt, 
mehrere Gerechtjame; auch Yeopold I. u. Karl VI. 
hielten fih bier mitunter auf. Hier 30. Mai 
1639 Gefecht zwiſchen den Echweden u. Kaiſer— 
lichen, wo der kaiſerliche General Hofkirchen be- 
fiegt u. gefangen wurde (j. Dreißigjäbriger Krieg). 
2) (Brandusium eis Aquilam) Stadt im Bezirke 
Hohenmauth des ehemals böhm. Kreifes Chrudim, 
an dem Stillen Adler; Obft- u. Gemüfebau, Leinen- 
weberei, Brauerei; 1300 Em.; ehemals Hauptfit 
der Böhmischen Brüder. 3) Borftadt von Teſchen. 

Brandenburg, Provinz des Königr. Preußen. 
(Hierzu eine Karte.) I. Geographie. B. um- 
faßt die chem, Uder:, Mittel: u, Neumark, ferner 
die Priegnitz u. einen Theil der Altmark (das übrige 
zur Prod. Sachſen); grenzt an Poſen, WPreußen, 
Bommern, Medienburg, Hannover, Anhalt, Prov. 
Sadjen und Schleſien; 39,893,,, km (730,95 
[IM); (1871) 2,863,229 Em. (alfo 71, auf 
1 [Jkm; in ganz Preußen 70 auf 1 [Jkm); 1817 
betrug die Boltszählung erft 1,277,518, 1843 
1,935,107, 1855 2,254,305, 1867 2,716,022; 
die Zunahme ift weſentliche Folge des Wachſens 
der Stadt Berlin. Bodengeftaltung. Der 
SNand der Provinz liegt zum Theil auf den 
Fortſetzungen des uraliich-farpath. Landrüdens, wel- 
her im Fläming zu einer breiten, wafferarmen, uns 
wohnlihen Terrainjchwiele anwächſt; der NRand 
fteigt zu der medienburg. Seenplatte, einem Theil 
des uraliih-baltischen Yandrüdens, an. Das zwi— 
jhen den beiden Höhenzügen gelegene Land ift 


775 


meift fandig, doch nicht unfruchtbar, mit meiten 
Binnengeräffern u. welligen Ufern geziert u. oft 
mit ea rg Schönheiten ausgeftatte. Co 
die Gegend bei Potsdam, die Dahme-Seen füdlic 
von Königs-Wufterhaufen, der Spree-Wald, die 
Höhen am Miüggel-See u. bei Fürftenwalde, ſo— 
wie die Kalfberge bei Rödersdorf (die Märtifche 
Schweiz) und die Hügel bei Freienwalde. Auch 
fonft ift die Beichaffenheit nicht uͤberall gleich, daher 
auch nicht überall gleich ergiebig. Im Gegenfatse 
zu der auffallend unfruchtbaren Gegend des Flä— 
ming heben fi als hervorragend fruchtbar ab: 
die Wiſche in der Priegnig, Theile der Uder- 
mark u, die cultivirten Striche des Nete-, Warthe⸗ 
u. Oberbrucdes. ?/, des gefammten Areals ift 
uncultivirt und Waſſer; fo das Rhin- u. havel- 
ländiiche Luc, der Spree⸗-Wald zwiichen Kottbus 
u. Lübben und Theile des Flämings. Yu zwei 
Hauptjenten gibt die Provinz ihre Gemwäfjer, zur 
der u. Elbe. Zur erfteren fließen die Faule 
Obra, der Bober, die Neiße n. die Warthe mit 
der Netze, zur legteren die Havel mit der Spree 
(Schwielung-See, Dahme mit den Dubrow-Geen, 
Miüggel-Geeu. Pranfe), den Havel-Seen, derNtuthe, 
dem Rhin u. der Dofie. Dan zählt ca. 700 
Seen. Die Wafferverbindung ift durch viele Ka- 
näle (Friedrih- Wilhelms- Graben, Finowlanal, 
Plauefher, Ruppiner Kanal u. a.) zmwifchen der 
Elbe u. Oder bergeftellt. Das Klima ift im All- 
gemeinen mild u. gefund, Sommer gewöhnlich 
jehr heiß, ſcharſe Winde in den älteren Jahres: 
zeiten häufig. Durchſchnittlich hat Berlin etwas 
milderes Klima, als Breslau, troß der nördlicheren 
Fage. Die Bevölkerung befteht aus Deutſchen u. 
ca. 40,000 Wenden (Sorben) im Regbez. Frant: 
furt (Spreewald), ferner aus den Nachkommen 
der im vorigen Jahrhundert eingewanderten Fran- 
zofen, Niederländer u. Schweizer. Der Proteit. 
Kirche gehören 2,732,040, der Röm.Katholiſchen 
86,123, der Griech.Kath. Kirche 256 und dem 
Judenthum 44,810 Em. an. Unter der Gejammt- 
bevölferung befinden fih 9491 Blinde, Taubftumme, 
Blöd- u. Irrſinnige. Nicht-Preußen leben in der 
Provinz 18,254 Deutihe u. 6656 Nicht-Deutiche. 
Weitere Details bieten die 1875 erjchienenen: De- 
finitiv fejtgeftellten Ergebnifje der Bolfszäblung 
im preuß. Staate am 1. Dec. 1871, vom Königl. 
Preuß. Statift. Bureau herausgegeben. Die Pror 
vinz bat 135 Städte, 18 Flecken, 2852 Dörfer ur, 
5897 Colonien x. Producte: im Mineralreich 
Torf, Braunfohlen, Maun, Kalt, Kaltjtein, Gips, 
Steinfalz. Der Landbau bringt Getreide, je 
doch nicht ausreichend, fo daß für Berlin einge- 
führt werden muß, ferner Gemüſe (Teltower Rüb- 
Ken), viel Kartoffeln zur Nahrung und Brannt- 
weinbrennerei, Futterfräuter, Flachs, Hanf und 
Tabat. Viehzucht nicht bedeutend. Gemäß der 
Zählung vom 10. Jan. 1873 waren vorhanden: 
250,463 Pierde (davon 156,346 für den land» 
wirtbichaftlichen u. 44,137 für den gewerblichen 
Betrieb), 388 Ejel, 689,080 Stüd Rindvieh 
(409,768 Kühe), 2,451,971 Schafe (1,151,944 
Merinos), 448,463 Schweine, 196,053 Ziegen zc.; 
die Schafwolle der Provinz fteht in qutem Rufe 
u. ift ein ftarfer Ausfuhrartifel. Ferner iſt noch 
zu erwähnen: ftarfe Bienenzucdt (113,019 GStöde 


776 


. 17,236 mit bemweglihen Waben), Seidenraupen 
(1873 3243 Pfd. Cocons, 61°/, der Production des 
ganzen Staates), Fiſche, Krebie, viel Holz u. etwas 
Wein. Induſtrie: Ber u, Verarbeitung der 
Wolle (Tuch, Kaſchmir, Merino), Seide u. Baum- 
wolle, Leder, Zuder, Tabakl, Eiſen, Glas und 
Spiegel, Borzellan, Steingut, Meifing u. a.; der 
Hauptfig der Juduſtrie ift in Berlin, in viel ge 
ringerem Maße Frankfurt a. d. O. Der Han» 
del wird durch die vielen Gewäſſer und Kanäle, 
ein ausgedehntes Kunftitraßen- u. ein Eiſenbahnnetz 
erleichtert; letzteres mißt 1985,24 km und beitcht 
aus Streden der folgenden Linien: Preußiſche Oſt⸗ 
Bahn (220,,, km), Berlin» Stettin (229,,, km), 
Niederfchlefiich - Märliihe (237, km), Berlin- 
Hamburg (186,,, km), Berlin» Potsdam -Magde- 
burg (82,96 km), Magdeburg - Halberftadt (75,,, 
km), Berlin-Anhalt (80,4, km), Berlin - Görlit 
(186,35 km), Berlin-Dresven (107,,, km), Mär- 
tiſch⸗Poſen (152,06 km), Breslau · Schweiduitz⸗ Frei⸗ 
burg (115,05 km), Kottbus-Großenhain (49,2, 
km), Niederſchleſ. Zweigbahn (10,,, km), Halle- 
Sorau-Guben (167 ,, km), Kottbus-Goyag(Bferde- 
Bahn, 31, km). Die Provinz nimmt unter den 
12 preuß. Provinzen in diefer Hinficht die 8, Stelle 
ein. Verfaſſung ift in der Hauptſache die des 
preußischen Staates. Die Landtage der Provinzialr 
landftände, aus Deputirten der Nitterichaft, der 
Städte u. der Bauern beftebend, find vom 1824 
an berufen worden. Mit dem 1. „Jan. 1874 ift 
das Geſetz über die Kreisordnung vom 13, Dec, 
1872 für die 6 öſtl. preuß. Provinzen in Kraft ge 
treten, wodurch die Vertretung der Stände nadı dem 
Princip der Selbitverwaltung weſentlich verändert 
worden ift. Berwaltung. jeder Kreis bildet nun— 
mehr einen Communalverband zur eigenen Berwalt- 
ung jeiner Angelegenheiten mit den Rechten einer 
Corporation, zerfällt in Amtsbezirke u. beichidt den 
Kreistag. Dieje Verſammlung beiteht bei 25,000 
Seelen aus 25 Kreistagsabgeordneten, Bei jeder 
überjchiegenden Vollzahl von 5000 tritt bis zu 
100,000 Em, 1 und dann bei jedem Mehr von 
10,000 Em. wieder je 1 Abgeordneter hinzu. Die 
Mitglieder ergänzen fih aus den Wablverbänden 
der a) größeren Grundbeſitzer, b) Yandgemeinden, 
c) Städte nach dem Verhältniß der Seelenzahl u. 
find auf 6 Jahre gewäblt. Der Yandrath des 
Kreifes präfidirt u. leitet mit einem von der Kreis- 
verfammlung gewählten u. aus 6 Mitgliedern be- 
ſtehenden Kreisausichuffe die Berwaltung des 
Kreiſes. (Vgl. Gefegfammlung für die königl. 
preuß. Staaten pro 1872, Nr. 41.) Im Übrigen 
ift binfichtlich der Verwaltung die Provinz in den 
Stadtbezirt Berlin, in den Megierungsbezirk 
Potsdam mit 15 Kreifen u. den Regierungsbezirk 

ranffurt a.d. DO. mit 18 Kreifen getheilt. Die 

teuerfraft der Provinz wird durch folgende 
Angaben veranfhaulidt. Auf je 100 der ge 
fammten Klaffenfteuerbevölterung find für 1875 
27,99 zur Klaffenftener veranfchlagt (in ganz Preu- 
Ben 20,95), davon 11,,, mit einem Einkommen 
von 140—220 Thlr., O0, von 450—500 Thlr,, 
0,4 don 900—1000 Thlr. 
17,55 (im ganzen Staate 27,4). 
niffe zeigen ſich jo günftig Durch die Einwirkung 
der Stadt Berlin, wo 44,,, von 100 veranichlagt 


Brandenburg (Geogr., Statijt. u. Geſch.). 


waren, davon 12,, mit einem Einfommen von 
140— 220 Thlr., 1,,, von 450—500 u. O,.; DON 
900—1000 Thlr.; fteuerfrei 17,55 6. Der Sig 
des Ober-PBräfidiums ift Potsdam; von dieſem 
reffortiren Die beiden Regierungen zu Potsdam u. 
Frankfurt a. d. O., das Provinzial⸗Schulcollegium 
(unter dieſem 28 Gymuafien, 2 Progymnaſien, 
1 Pädagogium, 1 Ritter-Akademie, 12 Realſchulen 
I. Ordnung, 10 Scullehrer-Seminarien u, v. a. 
Unterrichts» u. Erziebungsanftalten), das Medi— 
einalcollegium, die Generalcommiſſion zu Franf- 
furt a. d. O. (behufs Regulirung der gutsberrlichen 
u, bürgerlihen Berhältniffe, der Ablöjungen und 
der Gemeinheitstheilungen in der Prov. B.; feit 
dem 1. Oct. 1873 in Frankfurt a. d. O.; vgl. 
Geſetz vom 30. April 1373), die Provinz.-Steuer- 
Vermaltung, die Nentenbanf, die Berwaltungs- 
Serichte für die Provinz (mit dem 1. Jan. 1874 
auf Grund des $ 187 der Kreisorbnung v. 13. Dec. 
1872 ins Leben getreten), die Credit-JInſtitute, 
Provinz. » Feuer « Societäten, Ständiihen Yand- 
Armen» Divectionen, Landesdeputation des Marks 
grafthums Nieder-Yaufig in Lübben u. die Direc- 
tionen der Provinz.Hilfsfaffe. Die evang.-geiftl. 
Behörden fteben unter dem Conſiſtorium der Bro- 
vinz zu Berlin; die kathol. Geiftlichkeit ſteht unter 
dem „Fürftbifhof von Breslau, als Apoftolifchem 
Delegaten. Durch Erlaß vom 10. Sept. 1873 
it eime neue Evangel. Kirchengemeinde u. Sp- 
nodalordnung für die 6 öſtlichen Provinzen Preu— 
Bens eingeführt. Hiernach verwaltet jede Kirchen» 
gemeinde ihre Angelegenheiten ſelbſt. Als Organ 
dient ein Gemeinde-Kirchenrath u. die Gemeinde» 


vertretung. Die zu einer Diöceſe vereinigten Ges 
meinden bilden einen Kreis» Synodalverband, 


deſſen Bertretung, die Kreisiyuode, jährlich zu— 
jammentritt. Die Kreisignoden der Provinz bilden 
zujammen den Berband u. die Berſammlung der 
Provinzialfonode, welche fi alle 3 Jahre auf 
Berufung des Conſiſtoriums im einer Stadt der 
Provinz verfammelt. (Bgl. Gejeg- Sammlung für 
die königl. preuß. Staaten pro 1873, Nr. 29.) 
Weitere Provinz,«Bebörden find: Univerfität in 
Berlin, Prüfungs» Commiffionen, Vliniftertal-, 
Militär- u. Bau⸗Commiſſion der Reſidenz Berlin, 
Eichungs-Inſpection für die Prov., die Kaif. Poft-, 
Telegrapben-, Kgl. Eijenbahn-, Berg- u. YJuftiz- 
Behörden (Kammergericht zu Berlin u. Appell. 
Ser. zu Franffurt a.d.O. mit Reſſorts). Uber die 
Rechtsverhältnifſe j.u. Preugen. Wappen: 
ein rother Adler im filbernen — Bal. Th. 
Fontane, Wanderungen dur die Dart B., 3 Thle,, 
Berl. 1973. 

U. Geſchichte. Die Ebenen zwiichen der 
Mittel» Elbe und Mittel- Oder, die heutige Pro— 
vinz B., bewohnten bis zur Böllerwanderung 
Sueven, u. zwar Semnonen in der Mittel» und 
Longobarden in der Altmarf, Nach der Bölter- 
wanderung erjchienen in dieſer 2 ſlaviſche 
Völlerſchaften: Wilzen, Obotriten u. Sie lagen 
faſt fortwährend im Kampfe mit den germaniſchen 
Nachbarvölkern, den Sachſen und Franken, bis 


Steuerfrei waren Karl d. Gr. fie 789 unter feine Botmäßigkeit 
Dieſe Verhält- | brachte. 


Später warfen ſie das fränkiſche Joch 
ab u. beunruhigten durch räuberiſche Einfälle von 
Neuem das deutſche Grenzgebiet. Um ſie zu bän- 





Brandenburg (Geichichte). 


digen, ging gen. Heinrid L 927.über die Elbe, 
ſchiug fie 928, eroberte ihre Hauptftadt B. (Brani- 
bor, Brennabur), fing ihren Fürften Tugumir, 
zwang fie zur Unterwerfung und ernannte den 
Grafen Siegfried pon —— zum Markgrafen, 
932 eroberte er die Feſtung Lebus. An der Elbe 
in der Altmark und Priegnitz feste Heinrich I. 
Bernhard I., Markgrafen von Nordjachien, ein. 
Noch lange dauerten die Kämpfe zwiſchen Deutjchen 
u. Slaven, bis Kaifer Otto I. Letztere an der 
Doffe gänzlich ſchlug. Zugleich wurde das Ehriften- 
thum verbreitet, 946 tas Bisthum Havelberg u. 
048 das Bisthum B. errichtet. Die Gründung 
der Oftmark durch Markgraf Gero (fl. 965) er- 
weiterte -die deutjchen Grenzen. Eine neue Er- 
hebung der Slaven war eine Zeit lang (1003 bis 
1005) fiegreih, u. fie unterlagen erft nad neuem 
langem Kriege, nachdem bie Markgrafſchaft, welche 
1143 von der Oberherrſchaft der Herzöge von 
Sadjen frei wurde u, den Namen B. erhielt, 1133 
an Albredt den Bären von Aslanien gefallen 
war. Diejer vollendete 1157 die Eroberung der 
Mark B. zwiſchen Elbe u. Oder u, ließ in das 
von den Wenden vermiüjtete Land Anfiebler aus 
Seeland, Holland u. Flandern, vom Rhein und 
aus Sadhfen fommen, die durch Faiferliche Frei— 
briefe von allen Abgaben befreit wurden. Durch 
fie wurden nach u. nach die Neuftadt B., Bernau, 
Spandau, Berlin nebft Köln gegründet, der Dom 
in Havelberg gebaut, Klöjter errichtet und bei 
Albrechts Wallfahrt nach Jeruſalem der FJohanniter- 
orden ins Yand gerufen u. mit einer Commende 
zu Werben beichentt. Die Wenden des eroberten 
Gebietes wurden theils zu Leibeigenen gemacht, 
theil® in eigene Dörfer zufammengedrängt u. zum 
Chriſtenthum gezwungen. Auf dem Weichstage 
in Mainz 1182 verrichtete Otto J., Albrechts 
Sohn u. Nachfolger, zum erften Mal das ſchon 
feinem Bater übertragene Amt eines Erzlämmerers. 
Er ft. 1184. Otto IL, ſein Sohn, hatte mit 
Heinrih dem Löwen u. mit den Dänen Kriege 
zu führen, fein Bruder Albrecht II. (jeit 1206) 
aber einen jolden mit dem Erzbiſchof von Mag- 
deburg, dem Otto II. die Altmark als Lehngut 
eſchenkt, worüber Albrecht unwillig wırrde. Albrecht 
chlug die Magdeburger 1212; aber 1214 wurde er 
wieder in einen däniſchen Krieg vermwidelt. Er ſt. 
1221, und feine Söhne Johann I. u. Ötto III. 
folgten ihm u. führten die Regierung gemeinjam. 
Unter ihnen fam der Titel Kurfürft allmählich 
auf. Nach langer neuer Fehde mit Magdeburg 
fam 1244 ein Friede zu Stande, in welchem ber 
Erzbifchof die Lehnsherrſchaft über die Altmark u. 
Theile der Mittelmark verlor u. die Markgrafen 
wieder in vollen Befits des ganzen Yandes kamen. 
Um 1250 erfauften fie die Landſchaften Lebus u. 
Sternberg vom Herzog Boleslaw von Nieder 
Schiefien u. gründeten Frankfurt a. d. DO. Zu 
gleicher Zeit zwangen fie den Herzog Barnim I. 
von Stettin, ihnen die Udermarf abzutreten, und 
den Herzog Miftevin in OPommern, ihre Lehns— 
boheit über ihn anzuerfennen, nachdem fie ſchon 
1236 dem Herzog von Demmin das Land ge 
nommen batten. Auch in Preußen, der Ober— 
Lauſitz und jenfeit3 der Oder vergrößerten bie 
Brüder ihr Gebiet, indem fie 1257 die Yandjtriche 


7177 


an der Warthe, Nege u. Drage den Polen et» 
riffen, Landsberg a. d. W. u. fpäter Bärmwalde, 
Neudamm, Arnswalde u. Königsberg in der Neu- 
marf gründeten. Nah ihrem Tode (1266 und 
1267) regierten die Söhne Beider, in die Linien 
von Stendal (von Johann) und von Salzwedel’ 
(von Otto), getheilt, zufammen ihrer vier, von 
denen der Altefte den Titel eines Kurfürſten v. B. 
führte, gemeinfam u. hatten 1268—79 mit Polen 
einen hartnädigen .. zu beftehen, Erſt 1309 
endete die gemeinfame Regierung, da alle Linien 
bis auf eine ausftarben, u. war Waldemar allei- 
niger Markgraf n. Kurfürft v. B. Er mar einer 
der mächtigften Fürſten Deutichlands, denn er be» 
ſaß die 5 Marken, die Marfgrafihaft Landsberg 
u. die Pfalz Sachſen u. hatte Anſprüche auf die 
an B. verpfändete Nieder-Laufis.u. auf Pome— 
relfen. Nah einem glüͤcklichen Sriegszuge in 
Pomerellen, wo er Danzig nahm, feine Erobers 
ungen aber außer Rügenwalde, Stolpe u. Schlame, 
dem Deutichen Orden gegen 10,000 Mart Silber 
1310 abtrat, befriegte er 1310 den Kurfürften 
Rudolf von Sadhfen-Wittenberg und fchlug 1313 
Friedrich den Gebiffenen von Meißen bei Großen 
bain. Ein Krieg im Bunde mit Pommern gegen 
Dänemark u. defien Verbündete (darunter Medien- 
burg u. Magdeburg) endete 25. Nov. 1817 im Frieden 
von Templin, Waldemar ft. 1319 u. im folgenden 
Jahre fein Neffe Heinrich, womit die Askanier in 
B. erloihen. Sofort fielen die Nachbarn iiber 
das berrenlofe Yand ber u. riffen Stüde davon 
ab. Diefe Verwirrung noch zu mehren, belehnte 
Kaifer Yudwig der Bayer 1323 feinen Sohn 
Ludwig den Brandenburger, einen 12jährigen 
Knaben, mit B., nicht beachtend, da er dem 
König von Böhmen, um feine Stimme zur Kaifer- 
wahl zu gewinnen, Hoffnung auf den Befig der 
Mark gemadt Hatte. Ludwig bemächtigte fich 
ungeachtet aller Einreden Frankreichs und des 
Papfte® Johann XXIL, der deshalb fogar den 
Bann über Ludwig u. ſpäter auch gegen den neuen 
Kurfürften von B. u. feine Anhänger ausſprach, 
der Marten mit Hilfe Berthold von Henneberg 
u. trat 1324 als Kurfürft u. Erzlämmerer bes 
Neiches auf. Da verzichteten die meiften Nach— 
barn auf ihre Eroberungen, u. die meiften Städte 
unterwarjen ſich dem neuen Fürſten. Nur die 
vom Papfte aufgeregte Geiftlichkeit Teiftete längeren 
Widerftand. Der Erzbiichof von Magdeburg drang 
in die Marken ein, u. Polen, Ruffen u. Yithauer 
überſchwemmten B. u. vermwiüfteten die Neumark, 
wurden aber gejhlagen. Durd einen Krieg mit 
Pommern verlor Yubwig 1331 einen Theil der 
Udermard u: Stolpe, erhielt aber dafür die An— 
wartichaft auf Pommern, im Falle das berzogl. Haus 
daſelbſt erlöichen follte. Magdeburg, welches auf 
die Altmark Anſprüche machte, riß mehrere Städte 
derjelben an fih. Um dieſe Zeit gerieth Ludwig 
in ſolche Bedrängniß, daß er mit den Adeligen 
feines Landes einen Vertrag ſchloß, worin diefe 
ihm im Falle der Noth ihre Schlöffer zu öffnen, 
er aber ihnen verſprach, ihre Unbilden gegen 
jeine eigenen Unterthanen nicht zu hindern. Dieſer 
Ihmählihe Vertrag hemmte Handel u. Berlehr, 
verödete ganze Gegenden und zwang bie Städte, 
Bindniffe zu gegenjeitigem Schutze unter fi zu 


178 


errichten, Während B. durch den Kampf zwiſchen 
den beiden Häufern Bayern u. Yuremburg, von 
welchem letteres nach Kaifer Ludwigs Tode 1347 
mit Karl IV. die Kaiferfrone errang, arg ver- 
wirrt wurde, trat ein Mann im der Mark auf, 
welcher fich für den Markgrafen Waldemar aus- 
gab (der falihe Waldemar). Er fand bei Vielen 
Sauben; die Altınark fiel ihm zu, dann die Mittel» 
markt u. die übrigen Theile von B.; die aubal- 
tiſchen u. ſächſiſchen Höfe anerlannten ihn fogar. 
Ja, der Kaijer war im Begriffe, daffelbe zu thun, 
als ſich 1349 Ludwig ihm unterwarf und ſammt 
feinen Brüdern, Ludwig dem Römer u. Otto, mit 
B. belehnt wurde. Der falihe Waldemar mußte 
fliehen, u. feine Anhänger wurden bewogen, ihn 
aufzugeben. Ludwig, der jhon 1349 einen Tbeil- 
ungsvertrag mit feinen Brüdern geichloffen hatte, 
trat 1352 die Marlen an fie ab u. zog fih nad 
Bayern zurück. Ludwig der Römer (ft. 1365) u. 
Dtto (der Faule genannt) batten fein Glüd in 
der Regierung, u, unter ihnen verfiel die Dart 
immer mehr. Der Adel zog raubend dur das 
Yand, machte die Heerftraßen unficher, drang jelbit 
in die Städte plündernd ein u. vernichtete den 
Rohiftand, welchen die Aslanier begründet hatten. 
Namentlih die Familie Quitzow zeichnete fih in 
diefem Treiben aus, u. die öffentliche Sicherheit 
wurde vollftändig vernichtet. Kaifer Karl benugte 
diefe Übelftände, rückte 1373 in die Mark ein u. 
zwang den Kurfürften Otto, die Regierung der 
Darf gegen ein geringes Gnadeugehalt 15. Aug. 
1373 an Wenzel, Karls IV. Sohn, abzutreten,. Aber 
derlibergang der Regierung vom Haufe Bayernandie 
Iuremburg. Dynaftie führte keine Verbeſſerung in der 
Berwaltung des Landes herbei. Karls Sohn Wenzel 
u. nach ihm Siegmund führten in dem fortwährend 
von feindlichen Einfällen der Nachbarn heimge- 
ſuchten Yande nur dem Namen nad die Negier- 
ung u. ſahen daſſelbe felten, welches Siegmund 
aus Geldnoth 1388 an den Markgrafen Jodocus 
(‚Zobit) von Mähren verpfändete; ja, die Neumart 
verkaufte er an den Deutihen Orden in Preußen, 
Auch Jobſt verpfändete wieder mehrere Städte 
an die Johanniter u. führte bis zu feinem Tode 
1411 eine traurige Negierung. Doch erreichte 
damit die Herrichaft derYuremburgerin B. überhaupt 
ihr Ende, indem der Kaifer Siegmund, welchem 
das Yand wieder zugefallen war, den Burggrafen 
von Nürnberg, Friedrich von Hohenzollern, wel« 
cher ihn bei feiner Bewerbung um die Kaiſerwürde 
unterftütst hatte, als Statthalter in der Marf ein- 
fegte. Es murde dabei bedungen, Daß Wenzels 
Erben oder Stegmunds Nachlommen, wenn fie 
die Marl B. von Friedrich zurüdnehmen, diefem 
100,000 (nad jpäterer Beſtimmung 150,000) 
Gulden für feine Auslagen, Mühe u. Arbeit, die 
er auf die Mark gewender hätte, auszahlen jollten. 
Friedrich erichien 1412 in Neuftadt-B., wohin er 
die Stände berufen hatte. Die Städte erkannten 


willig den neuen Herrn an; aber der Adel ver- floh nah Sachſen. 


Brandenburg (eſchichte). 


nun nah Konftanz zur Allgemeinen Kirchenver— 
fammlung, u. bier erlangte er vom Kaijer, umter 
Einwilligung der Kurfürften, die gänzliche Ab— 
tretung der Marl au das Haus Hohenzollern. 
Kurfürft Friedrich I. zwang zweimal (1418 um) 
1425) die in B. einfallenden Pommern u. Med: 
lenburger zum Frieden u. fiherte B. die Ucker⸗ 
mark. Die Huifiten flug er 1432 bei Bermau 
und nmötbigte fie zum Wbzuge aus dem Lande. 
Er fl. 21. Sept. 1440 zu Kadolzburg in Franken 
Schon 1437 hatte er fein Yand unter jeine vier 
Söhne getheilt, u. zwar erhielt der zweite, Fried⸗ 
rih II., die Kurmark B., der ältere, Johann, 
befam Bayreuth und der dritte, Albrecht Adhill, 
Ansbach, u. Fegtere wurden fo Stifter dieſer Linien; 
der vierte, Friedrich der Dide, befam die Altmart 
u, die Priegnig, ft. aber ſchon 1463, ohne Kinder 
zu binterlaffen. Friedrich II. brachte 1444 durch 
einen Vertrag mit dem Deutſchen Orden die Nen- 
mart pfandweiſe an fi), melde 1455 gegen 
100,000 Gulden völlig abgetreten wurde. 1449 
verglich er fid) auch mıt Magdeburg, welches ent- 
ih feine Anſprüche auf die Altmark aufgab. 
Mehrere Fehden, welche folgten, hatten fein gün- 
ftiges Ergebniß. Hierdurch, wozu noch der Tod feines 
Sohnes Johann kam, tief gebeugt, entfagte er Ente 
1470 zu Gunſten feines Bruders, des Markgrafen 
Albrecht Adhill von Ansbach - Bayreuth, der Re— 
gierung, zog fi nad Franken zurüd u. ft. dort 
1471. Albrecht, Achilles (wegen jeiner Tapierfeır) 
u. Uiyſſes (megen feiner Klugbeit im Rath), gen., 
war bei Kaifer Friedrich III. fo beliebt, dag er 
ihm fogleich nicht nur die Nachfolge in Medien 
burg, ſondern auch die Belehnung mit Pommern 
zufiherte. Nachdem Albrecht Durch einen Krieg 
mit dem Herzog von Sagan um die Erbichaft von 
Slogan, die Abtretung von Kroffen, Züllichau 
u. ſ. w. B. erlangt, ft. er 11. März 1487 zu 
Frankfurt a. M. Seine Staaten wurden nad 
jeiner Berfügung unter feine 3 Söhne vertbeilt. 
Der ältefte, Khan, wurde Kurfürft von B., ber 
zweite, Friedrich, erbielt Ansbach und der dritte, 
Siegmund, Bayreuth, da beide Länder nach dem 
Ausfterben ihrer Linien wieder an B. gefallen 
waren. ‘Johann, wegen feiner Körpergröße ber 
Große, oder, wegen feiner Beredtſamkeit Gicero 
genannt, demüthigte einige ungehorſame Bajallen 
u. bemübte fih, den neu auflebenden Wiffenichaften 
in der Marf Eingang zu verfchaffen. Eben war 
er mit Gründung der Univerfität Frankfurt a. d. O. 
beihäftigt, als ihn 9. Jan. 1499 der Tod abrief. 
Joachim I. Neftor, fein Sohn, ließ fich u. feinem 
Bruder Albrecht un. Er bändigte die Raub» 
ritter vollends, war aber ein heftiger Gegner der 
Reformation, in welhem Sinne auch feine 1506 
gegründete Univerfität zu Frankfurt a. d. O. dem 
reformatoriijhen Wittenberg gegemüber wirfte. 
Aber jogar die Kurfüirftin war der neuen Lehre 
zugewandt, welche große Fortſchritte machte, und 
Unter. diejen Wirren ftarb 


mwarf ihn und fchloß gegen ihn einen Bund mit Joachim 1525, u. das Yand zerfiel unter feinen 
Pommern, u. erft nah hartem Kampfe eroberte beiden Söhnen Joachim II. u. Johaun in zwei 
Friedrich eine Raubburg nach der anderen, jo daß bis | Theile: B., bei welchem die Kurwürde blieb, u. 
Anfang 1414 eine leidlihe Ordnung u. Sicherheit B.- Küftrin, welches aber ſchon 1571 am bie 
im Lande wiederhergeftellt war u. der Landfrieden |Hauptlinie zurüdfiel. Joachim II., Joachims 1. 


verlündigt werden fonnte. 


Friedrich begab ſich älterer Sohn u. Nachfolger in der Kur u. in der 


Brandenburg (Stadt). 779 


Alte, Mittel- und Udermarf nebft der Priegnit|bloß den privilegirten Ständen) einen Vertrag 
wandte fi) 1539 öffentlich der Iutherifchen Lehrejüber eine feftftehende jährliche Bede (Abgabe), mo- 
‚zu, was fein Bruder Johann in Küftrin jchon|bei die Fürften dem Bolfe das Recht förmlich ver 
1537 gethan, u. feinem Beifpiel folgte bald dasjbrieften, fih dem Markgrafen, der den Vertrag 
ganze Land. Ungeachtet dieſes entjcheidenden verletzen würde, mit Gewalt zu widerſetzen. Eine 
Schrittes behielt er in den brandenburg. Kirchen|wenigftens einigermaßen ähnliche Berechtigung 
alle Ceremonien des katholiſchen Cultus bei und ward den Ständen noh im J. 1513 verbrieft; 
erflärte im Schmallaldiſchen Kriege, von dem er Sollte der Kurfürft die Bedingungen nicht erfüllen, 
feinen Bruder abzulaffen bemog, feine Neutra- unter denen ihm die Stände eine Auflage auf das 
lität. Während der Neformation waren eine/Bier bemilfigten, „fo follen fie volle Macht haben, 
Menge Klöfter verlaffen u. eingezogen worden, |mit dem Biergelde ftille zu ftehen, u. das Weitere 
die Güter derjelben wurden theils dem Schulfonds zu geben nicht fchuldig fein“. 

zugewiefen, theils im furfürftlide Domänen, die| Literatur. Küſter, Bibliotheca hist. bran- 
Klöfter felbft in Schulen, Predigerwohnungen, Ar-|denb., Breslau 1743; dazu: Accessiones, Berl, 
men- u. Krantenhäufer verwandelt. Fa den Hoch- 1768, 2 Bde; Derf., Collectioö opusculorum 
ftiftern Havelberg, Lebus u. B. befannte ſich Alles|historiam march. illustrantium, ebd. 1731—33, 
zur evangelifchen Lehre, u. —— diefer |? Bde.; Buchholz, Verſuch einer Geſchichte der 
Stifter wurde beichloffen. Im Erzftifte Magde- Mark B., ebd. 1765—75, 6 Thle.; Gallus, Ger 
burg hatte der Erzbiihof Siegmund, Joachims II. |fchichte der Mark B., 2. Aufl., Zilllih..1792—95, 
Sohn, ebenfalls die Reformation vollendet, u. 8/6 Thle.; Bratring, Beichreibung der gefammten 
war Ausficht vorhanden, den Theil defielben, welhen | Markt B., Berl. 1804 f., 2 Bbe.; v. Raumer, 
Kurfürft Morig von Sachen nicht beſetzt hielt, einftan|Codex diplomaticus brandenburgensis , ebd. 
B. zu bringen. Gleiches war von Preußen zu hoffen, ]18831—33, 2 Thle.; dazu: Regesta historiae 
wo Sohn. 19. Juli 1569 die Mitbelehnung B-8,|brandenburg., ebd. 1836, 1 Bd., u.: Hiftorifche 
der fräntifhen wie der Kurlinie, mit Preußen zu Charten und Stammtafeln, ebd. 1837, 1. Heft; 
Stande brachte. Kurz darauf ft. er (3. Jan. 1571)|Derf., Über die ältefte Gefchichte der Kurmark B,, 


und hinterließ dem Lande eine Schuldenlaft von 
2,600,000 Thlr. Ihm folgte fein ältefter Sohn 
Johann Georg, megen feiner Sparjamfeit im 
Haushalt der Olonom genannt, Im Frühjahre 
1572 berief er die Stände feines Landes nad) 
Köln an der Spree, und es gelang jeinen Mini— 
ftern, die Stände des alten Landes und der Neu— 
mark, welche aus Treue und gutem Willen, nicht 
aus Pflicht, Steuern bemilligten, zur Übernahme 
von 2,100,000 Thir. zu bewegen; 500,000 Thlr. 
blieben auf dem Privatichate des Kurfürften haften. 
Zur Abtragung der Schuld wurde eine neue Bier 
fteuer u. ein jchwerer Kornzell aufgelegt. Eine 
von ihm beabfichtigte neue Theilung des Landes 
vereitelte nad feinem Tode 1598 jein Sohn und 
Nachfolger Joachim Friedrih, indem er fie nicht 
anerfannte, jondern das ganze Land bebielt und 
feinen Bruder Chriftian ftatt der Neumarf mit 
Bayreuth entihädigte. Er ft. 18. Juli 1608, u. 
ihm folgte fein Sohn Johann Siegmund, weicher 
zwar in dem Streite um die Erbfolge im Herzog: 
thum JFülich bloß Kleve erhielt, aber 1618 Nach— 
folger im erledigten Herzogthbum Preußen wurde u. 
dieſes fo mit B. vereinigte. Am 23. Dec. 1613 trat 
er von der Iutherifchen zur reformirten Confeffion 
über, weil ihm erftere noch zu jehr in fatholiichen 
Dogmen befangen war, u. um fi) die Niederlande 
zum Bunde gegen die Katholiken geneigt zu machen, 
erklärte aber die Freiheit aller Glaubensbefennt- 


1830; Riedel, Novus codex diplomaticus bran- 
denb., 1839 ff.; Derf., Diplomatifche Beiträge 
zur Gefchichte der Mark B., 1833; Baffewig, Die 
Kurmark B. vor u. nad 1806, Lpz. 1847 und 
1851; Friedrich II., Denfwürdigfeiten der Mark 
B., aus dem Franz., ebd. 1795; Liber die Ein» 
führung der Reformation in der Dart B, fchrieben : 
A. Müller, Berl. 1839, u, Spieler, ebd. 183%; 
Ohneſorge, Gefchichte des Entwidelnngsganges 
der brandendurgifcd"preußiihen Monarchie, Yeipz. 
1841; Niedel, Cod, dipl. brandenb., 36 Bde. Text 
u. 5 Bde. Negifter, Berl. 1843 — 69; Moerner, 
Kurbrandenburgiihe Staatsverträge 1601—1709, 
1868; Fidicin, Die Territorien der Mark B,, 
4 Bde., Berl. 1857 — 64; Wohlbrüd, Geichichte 
der Altmark, ebd. 1856; MWedelind, Geſchichte der 
Neumarkt B., ebd. 1848—51; Ausführliche Geſch. 
der Udermark, Prenzl. 1845. 

Brandenburg, Hauptjtadt des Kreifes Weft- 
Havelland im preuß. Regbez. Potsdam, Station der 
von Berlin nah Magdeburg führenden Bahn, von 
der Havel im die Alt- u. Neuftadt gerheilt, anf einer 
Haveliniel nordöftl. von diefen beiden Theilen die 
Burg B., der ältefte Theil des Ortes, mit der 
Domfirhe (zum Theil im Aundbogenftil, mit 
vielen Ornamenten aus Sandjtein, mit ſchönem 
Schnigkwerf am Altar u. guten Gemälden von 
unbefanntem Meifter, 1170—1318 erbaut und 
1836 renopirt u. mit gemalten Glasfenſtern ver- 


niffe, u. in der That hat die Geſchichte von B.|fehen) u. dem Nittercollegium; zwifchen beiden 


feine Berfolgungen um des Glaubens willen auf- 
zuweifen. Schon Ende 1619 ft. Johann Sieg- 
mund, u. bon da an gebt die Geſchichte B-8 in 
derjenigen von Preußen (j. d. A.) auf. 

Ebenjo, wie alle andere deutiche Yänder, hatte 


Städten auf der Imfen Seite der Havel ein Di— 
ftrict auf Pfählen gebaut (deshalb Benedig ge- 
nannt); katholiſche Kirche; Gymnaſium, höhere 
Bürgerſchule, Ritterakademie; ferner Landarmen— 
anftalt, Strafanſtalt; Freimaurerloge (Friedrich zur 


B. im Mittelalter mächtige Stände, welche die ge-Tugend'; auf dem Markte eine 5,, m hohe Ro— 


ſammte Bevölkerung umfaßten. 


So ſchloſſen die landsſäule (aus dem Fahre 1454); Buchhand— 
Markgrafen auf einem Landtage zu Berlin 1280 lungen, 


Buchdruckereien; Fabriken in Wolle, 


mit ihren Minifterialien, Rittern, Knappen, allen Tuch, Leinen, Yeder; Bierbrauerei (früher der jog. 
Bajallen u. jämmtlichen Unterthauen (aljo nicht'Alte Klaus); Fiſcherei, Schifffahrt: Ende 1871: 


780 


25,822 Ew. Jm NW. ein Sandberg, in den Oberſt ı. 1816 Kommandeur der Garde de Corps, 
älteften Zeiten der Harlunger--Berg benannt,]1819 Gommandeur der erjten Garbecapalerte- 
einft der Sit des Triglaffsdienftes, u. dann mit|brigade, . 1823 Generalmajor, 1837 Generallien- 
einer im byzantinischen Stil 1136—42 von dem tenant u. Divifionär. Seit 1839 wurde er com- 
legten Wendentönig Pribislav (Heinrich) gebauten |mandirender General u. führte als folder das 
Kirche oder Kapelle beſetzt, welche der Jungfrau |6. (ſchleſiſche) Armeecorps, am 6. Novbr. 1848 
Maria geheiligt war n. dem Berge den noch heute ward er General der Eavalerie. Die Ereigniffe 
gewöhnlihen Namen Marienberg gegeben bat,|des Jahres 1848 führten ihn auch auf dem po- 
aber 1722 abgeriffen worden ift. Auf demjelben litiſchen Schauplag; nah der Entlaffung des 
betreibt man Weinbau, u. wird ein großartiges) Minifteriums v. Pfuel wurde er Präfident bes 
Kriegerdentmal von Sties, 30 m bo, in Form | Minifteriums vom 8. Nov, ; über jeine Bermwak- 
eines Thurmes, mit hiſtor. Reliefs aus der Ger (ung ſ. Preußen (Gefch.). Er ging Mitte Oct. 1850 
{chichte der Marl B., errichtet. — B. ſoll nad Eini- zum Congreß nah Warſchau, wo die Differenzen 
gen von den angeblich ehemals bier haufenden Kel-|zwifhen Preußen u. Öfterreih durch ruſſiſche Ver— 
ten an der Havel gegründet worden u, von braine|mittelung beigelegt werden jollten, u. jtarb kurz 
Fürſt, Herr) u. bwr, bwrg (feftes Haus, Burg), nach feiner Rückkehr 6. Nov. 1850 in Berlin. 
alfo Fürftenburg, benannt worden fein; nad der Er war vermäblt feit 1818 mit Mathilde von 
eihichtlihen Angabe wurde die Burg von den Maſſenbach (ft. 1855). Sein älterer Sobn, Graf 
Wilzen unter dem Namen Branibor (Brenuabor)|;zriedrich, geb. 30. März 1819, iſt fönigl. preuß. 
‚gegründet u. war Bis zum Jahre 928 in den) enerallieutenant u. Commandeur der Garde-Ca- 
Händen der Slaven, worauf fie vom Kaifer Hein- |valerie-Divifion; deifen Bruder, Alerander Fet— 
rih I. erobert wurde. Vom 10.—12. Jahrh.|dinand Wilhelm, geb. 31. März 1819, gleichfalls 
murde fie öfter von den Slaven wiedererobert |Generallieutenant u. Gommandeur der 11. Div 


Brandenburg — Brandes. 


(f. Brandenburg, Geſch.). Albrecht der Bär ftellte 
das ſchon 948 von Kaijer Otto d. Gr. gegründete 
Bisthum wieder her u. gründete 1161 das Dom- 
capitel. Aus dem Dorfe Parduin erwuchs nun 
die nachmalige Altjtadbt, aus dem (von Deutichen 
angelegten) deutjchen Dorfe die Neuftadt, u. beide 
Städte erhielten von der Burg den Namen B., 
beftanden aber bis 1715 getrennt von einander. 
1412 hielt Friedrih von Hohenzollern in Neu- 
ftadt-B. einen Landtag, um fich huldigen zu laſſen. 
1563 wurde das Bisthum, nachdem der Bijchof 
Matthias v. Jagow ſchon 1539 lutherifh geworden 
war, aufgehoben, nur das Domcapitel blieb bes 
ftehen, u. die Domberrenftellenwurben als Einecuren 
an den Landadel, Staatsbeamte u. hohe Militärs 
vergeben. Im Dreißigjährigen Kriege wurde B. 
1626 von den Dänen, 1627 von den Kaiferlichen, 
1631 von den Schweden, 1636 von den Sachſen 
u. 1639 u. 1641 wieder von den Schweden ein» 
genommen; erft infolge des Friedensſchluſſes durch 
Kurfürft Friedrich Wilhelm wurde e8 befreit. Im 
Nov. 1849 wurde der Sit der Nationalverfamm- 
fung von Berlin bierber verlegt (ſ. Preußen, 
Geſch.). VBgl. M. W. Hefiter, Geichichte der Kurs 
u. Hauptftadt ®. zc., Potsdam 1839; Derf., Weg- 
weiſer durch B., Brandenb. 1850, Schillmann, 
Geſchichte der Kur- u. Hauptftadt B., ebd. 1874. 


fion, u. Friedrich Wilhelm Guftav, geb. 1820, 
deutiher Gelandter in Yiffabon, ſämmtlich unver- 
mäblt. Dauer.” 

Brandenburgiſches Ecepter, Feines Stern- 
bild am jüdlichen Himmel, ungefähr 65° AR. u. 
15° füdlicher Abweichung, weitlih vom Orion, 
zwiſchen der Krümmung des Eridanus. Es ent- 
hält nur Sterne 4. Groͤße u. wurde von G. Kirch, 
als erſtem Berliner Aftronomen, 1688 eingeführt 
u. nah Bode B. S. genannt. 

Brandente (Brandenten), ſ. Ente. 

Brander, 1) ehemals Heinere, mit leicht ent- 
zündbaren Brennftoffen angefüllte Fabrzeuge, welche 
in früheren Seeichlachten mitunter verwendet wur- 
den, um die verankerten feindlichen Schiffe im 
Brand zu fteden. Die B. find infolge der jegigen 
vorzugsweilen Verwendung von Eifen zum Bau 
oder zur Panzerung von Kriegsidiffen u. der vor» 
bandenen anderweitigen verbefferten miaritimen 
Angrifis- u. Vertheidigungswaffen in den heutigen 
Kriegsflotten verſchwunden; wichtig waren fie na» 
mentlih im Befreiungsfriege der Holländer u. zu⸗ 
legst än dem der Griechen. 2) Kleine Hülſen von 
Kupferbleh, die mit Brandiag gefüllt find; kom⸗ 
men bei den Vrandgranaten der gezogenen Ger 
jhüte zur Verwendung. 

Brandes, 1) Johann Chriſtoph, drama» 


Brandenburg, Friedrid Wilhelm, Grafjtifher Schriftiteller, geb. 15. Nov. 1735 in Stets 


v. B., preuß. General u. Staatsmann, Sohn 


tin; widmete fih nad einer traurigen Jugend 


des Königs Friedrich Wilhelm IL. von Preußen|der Handlung, mußte wegen einer Beruntren- 
und der ibm morganatiih angetrauten Gräfinjung fliehen und debiltirte, nachdem er in Polen 


Sophie Juliane Friederife von Dönhoff, geb. 
24. Jan. 1792; mwurde am 28. April 1794 in 
den Grafenftand erboben, trat im Nov, 1807 in 
Dienfte beim erften Garderegiment, wurde 1808 
Secondelieutenant, 1809 Premierlieutenant und 


die verichiedenften Geſchäfte betrieben batte, 1757 
ohne Beifall bei der Schönemannjhen Gejell- 
ſchaft. Nach Auflöfung der legteren erſt Schreiber, 
dann Bedienter, nahm ihn fpäter eine wandernde 
Schaufpielergejellihaft auf, als deren Mitglied er 


1811 NRittmeifter bei der Garde du Corps und|den Roman: Folgen der Großmuth u. Redlichkeit 


machte 1812 in Morks Generalftab den Ruſſiſchen 
Feldzug mit, avancirte 1813 zum Major u, nahm 
in dem nun folgenden Feldzuge als Yorks Adjutant 


verfaftte. 1760 endlich in Stettin der Schuchſchen 
Gejellichaft beigetreten, faın er mit biejer nad 
Berlin, Breslau, Königsberg, Leipzig, Hamburg xc., 


an den Hauptgefechten Antheil. 1814 wurde er wurde fodann Director des Dresdener, hierauf 
Dberftlieutenant, u, nachdem er als fölcher eine | Mitglied des Mannheimer u. endlich Mitdirector 
Zeit lang dem König attadhirt gewefen war, 18151de3 Hamburger Theaters, bei dem er noch unter 


Brandeum — Brandfieber. 


Schröders Leitung eine Zeit verblieb. Er ft. 10.|Salz-Uffeln. 


Tel 


B. fhr.: Elemente der Pharmacie, 


Nov. 1799 in traurigen Berhältniffen zu Berlin. |Hann. 1841; gab heraus: Arhiv der Pharmacie 
Ein brauchbarer, aber unbedeutender Schaufpieler, |des Apothelervereins im nördlichen Deutſchland, 
war B. feiner Zeit ein beliebter, jelbft von Leſſing Lemgo 1822—42, 82 Bde., feit 1838 mit B. u. 
geidägter Schaufpieldichter, deflen Dramen, wie: nach deſſen Tode allein heransgeg. von Waden- 


Miß Fanny, Der geabelte Kaufmann, Trau, ſchau, 
wen, Graf Olsbach, oft u. mit Beifall gegeben 
wurden. Aucd bat B. den Tert zu dein erften deut: 
fchen, von Benda u. Reichardt componirten Mes 
lodrama: Ariadne auf Naros, geichrieben. Wichtig 
ift feine Lebensgeihichte, Berl. 1799, f., 3 Bbe., 
2. Aufl.; 1802—1805. Seine Luftipiele erſchienen 
— Lpz. 1774— 76; ſämmtl. dramat. Werte 
pz. 1790 f., 8 Bde. 2) Eſther Charlotte, 
geb. Koch, geb.1746 in Groß-Rofinsty(OPreußen), 
in Breslau 1764 mit Bor. vermählt; war eine 
nad der Geilerin u. durch Leſſing gebildete Schau- 
jpielerin,, die den Ruf großer Borzüglichleit ge» 
noß. Sie folgte ihrem Gatten überall bin u. 6 
13. Mai 1786 zu Hamburg. Ihre Tochter 3) 
Charl. Wilh. Francisca, zu Ehren ihres Pathen 
Leſfing meiſt Minna genannt, geb. 1765 in 
Berlin, glänzte als Sängerin u. Klavierfpielerin; 
fie ft. 13. Juni 1788 in Hamburg. Ihr mufifali- 
Iher Nachlaß wurde von Hönife noch in ihrem 
Todesjahre herausgegeben. 4) Heinrich Wilh., 
Mathematiker, Aftronom u. Phyſiler, geb. 27, Juli 
1777 in Groden bei Ritebüttel; erlernte unter 
Woltmann den Wafferbau praktiſch, führte feit 
1794 die Aufficht über die Wafferbauten auf Neu- 
werf, ftudirte 1796—98 in Göttingen Mathematif 
u. Phyſik, war ſchon als Student namentlich in 
Bezug auf die Natur der Sternichnuppen jelbft- 
forjchend thätig, lebte feit 1799 in Hamburg als 
Privatlehrer der Mathematik, wurde 1801 Deidy- 
conducteur zu Edwarden im Oldenburgiſchen, 1811 
Profeffor der Matbematil in Breslau u. 1826 
der Bhnfif in Leipzig, wo er 17. Mai 1834 ftarb. 
Epochemachend mar feine erfte Schrift über die 
Verſuche, die Entfernung, Geſchwindigkeit und die 
Bahnen der Sternfhnuppen zu beftimmen (mit 
Benzenberg), Hamburg 1800. Bon feinen zahl« 
reihen Schriften feien noch erwähnt: Anmerkung 
zu Euler über die Gejetse des Gleichgemwichtes. Lpz. 
1806; Beobachtung u. Unterfuchung iiber Strahlen- 
bredung, Oldenb. 1807; Lehrbuch der Arithmetif, 
Geometrie u. Trigonometrie, ebd. 1808—1810, 
2 Boe.; Die vornehmften Lehren der Ajtronomie, 
in Briefen, Lpz. 1812, 2 Thle., n. A. als Vor— 
lefungen über die Aftronomie, ebd. 1827; Lehr— 
buch der Geſetze des Gleichgewichtes u. der Beweg- 
ung feſter u, flüffiger Körper, ebd. 1817, 2 Bde,; 
Beitrag zur Witterungstunde, ebd. 1820; Lehr: 
buch der höheren Geometrie, ebd. 1822—24, 2 
Bde.; Vorlefungen über die Naturfehre, ebd. 1830 
bis 1832, 8 Dbe.; ferner viele mathematifche, 
aftronomifche u. phyfttaliiche Arbeiten in Hinden- 
burgs Archiv der reinen u. angew. Math., Boigts 
Matb., Hilberts u. Poggendorffs Annalen, Schweig- 
ger Journal u. a, m. 5) Rudolf, namhafter 
Pharmacent, geb. 18. Oct. 1795 in Salz-Uffeln 
in Lippe-Detmold; ftudirte in Halle u. Erfurt 
Chemie, übernahm 1819 die Apothete feines Baters 
in feinem Geburtsorte, ftiftete 1821 den Apothefer- 
verein inNDeutichland u. wurde deſſen Oberbirector; 
er fl. 3. Dec. 1842 als Hof- u. Medicinalrath in 


roder; Pharmac, Ztg., 11 Jahrgänge, 1827—37; 
Nepertorium für die Chemie, Hannov. 1827 bis 
1833, 4 Bde.; zahlreiche pharmaceut. u. chem. 
Auffäge in diefen u. a. Zeitjchriften. 6) Heinrich, 
Landfhaftsmaler u. Galerie-jufpector in Braun« 
ſchweig, geb. 1803 in Bortfeld (Braunfchmweig); 
Schüler von Barthels in Braunfchweig, 1823 bis 
1825 an der Münchener Akademie, lebte bis 1830 
dafelbft u. galt als einer der erften dortigen Yand« 
ſchaftsmaler, war 1830—31 in Ftalien u. ward 
1835 Galerie fnipector am Herzogl. Muſeum im 
Braunſchweig, rejtaurirte 1845 die im Dome da- 
jelbft entdedten alten Wandgemälde. 7) Karl 
Wild. Hermann, Sohn von B. 4), geb. 16. 
Dec. 1816 (n. U. 1815) in Breslau; wurde 1840 
Lehrer an der Nicolaifchufe u. 1841 Privatdocent 
der Phyſil in Leipzig; er ft. 25. Jan. 1943. Er 
gab u. a. feines Baters Aufläge iiber Gegenjtände 
der Aftronomie u. Phyſik, Lpz. 1835, heraus u. 
ſetzte deſſen Unterfuchungen über Sternſchnuppen 
fort. 8) Heinr. Bernh. Chriſtian, Geſchicht— 
ſchreiber, Bruder des Bor., geb. 10. April 1819 
in Breslau; ftudirte feit 1839 in Göttingen u. 
Leipzig u. wurde 1850 an letterer Univerfität Do» 
cent der Gejchichte u, 1858 Profeffor; er fchrieb; 
Beiträge zur Charakteriftit des Kurfürften Morig, 
Lpz. 1853; Das ethnographifche Berhältnig der 
Kelten u. Germanen, ebd. 1857; Grumdriß der 
ſächſiſchen Geſchichte, ebd. 1860; Die Yauen- 
burgiche Erbfolgeirage, ebd. 1864; Über das Zeit- 
alter des Geographen Eudoros u. des Aftronomen 
Geminos, ebd. 1867; Zur mafedoniich-hellenishen 
Beitrehnung, ebd. 1868; Die Königsreihen von 
Juda u. Fsrael nah den biblifchen Berichten u. 
den Keilinfchriften, ebd. 1873. 9) Georg Morris 
Cohen, dänischer Afthetifer, geb. 4. Febr. 1842 
in Kopenhagen; lieferte 1866 eine Kritik über 
N. Nielfens dualiftiihe Anfiht über Glauben u. 
Wiffen: Dualismen i vor nyeste Philosophie; 
ewann Popularität durch eine Anzahl äftbetiicher 
Monographien, gefammelt als: Aesthetiske Studier, 
Kopenb. 1868, u. Kritiker og Portraiter, Kopenh. 
1870; Hieferte in demjelben Fahre eine größere 
Abhandlung über die franzöftfche Kritik, befonders 
Taines: Den franske Aesthetik i vore Dage; 
darauf erregte er aber gewaltige Feindſchaft gegen 
fih durch feine (noch undollendeten) Hovedström- 
inger i det 19 Aarhundredes Literatur, open» 
hagen 1872; auch deutſch: — — 
1) 2) urſchner. 6) Regnet. 

Brand&um (riftl. Ant.), 1) Tuch, worein bie 
Ehriften Reliquien widelten. 2) Tuch, womit man 
Reliquien berührte u. welches dann jelbit Reli— 
quien gleich geachtet wurde, 

Brandfieber, Fieber, welches Brand äußerer 
oder immerer Theile erzeugt, oder durch den ſchon 
entftandenen Brand von Auffaugung der Jauche 
erzeugt wird; ſ. Brand (Med.). Das B. triit 
auch bei Hausthieren als eigene Krankheit auf u. 
äußert fi bef. durch Brandigwerden äußerer u. 
innerer Theile (vgl. Milzbrand). 


782 


ftärtere Röthe n. jonft die Spur erlittener Be— 
ſchädigung durch Verbrennung an fich trägt. 2) 
(Pierdew.) Ein brandig gewordener Sattelorud. 
3) Fleden an Bäumen, welche den Brand (j. d.) 
andeuten, 

Brandgefchofie, allgemeine Bezeihnung der- 
jenigen Gejcoffe, mit denen man Brand zu 
iegen ſucht. Die Verwendung von Ben zu 
Kriegszwecken ift ſehr alt; Brandpfeite u, Brad» 
lanzen wurden mittels Natapulten geworfen, 
oder wie Wurfipieße geichleudert, das Feuer be- 
fand fih in einer re Vertiefung hinter 
der Spitze des Pfeils. Als Brandgejchoffe waren 
aus den glatten Kanonen glühende Kugeln im 
Gebrauche; aus glatten Mörjern werden theilmeife 
noch Brandbomben, aus den gezogenen Geſchützen 
Brandgranaten (f. d.) verwendet; Brandrafeten 
(j. u. Hafeten) kommen nicht mebr zur Berwendung. 

Brandgiebel, j. u. Brandmauer. 

Brandgranate, gewöhnliche Granate für ge- 
zogene Geſchütze, die außer mit Sprengladung 
noch mit einer Anzahl Brander gefüllt ift (f. u. 
Granate). Die preußiſche Feldartillerie iſt micht 
mehr mit Ben ausgerüftet, 

randhof, Baronin von B., Gemahlin des 
Ergherzo 8 Johann (f. d.). 

Brandhorn, Gattung der Stachelſchnecke (ſ. d.). 

Brandhügel (germ. Ant.), ſ. u. Grab, 

Brandige Braume, j. Bräune, 

Brandis, Hauptft. des gleihnam. Gerichtsamtes 
in der Amtshauptmannſch. Grimma des lkönigl. 
ſächſ. Regbez. Leipzig, im einer Ebene; großes 
Rittergut mit ſchönem Schloß; Braunfohlengruben; 
1974 Ew. Hauptbrände: 1476, 1637, 1696. Die 
ſächſ. freiherrl. Familie B. wurde 1856 in den 
hannoveriſchen Freiherenftand erhoben. 2) Ehemal. 
Schloß im Emmenthal des Schweizerkantons Bern, 
einer der Stammfige der Grafen von B.; fam von 
denen von B. 1459 dur Kauf an die Stadt Bern. 
Das Schloß wurde 1798 zerftört u. die Ruine 
jpäter abgetragen. Das gleihnam. Geſchlecht ftarb 
1509 mir Johann aus. 3) Ehemaliges Schloß 
in Zirol, bei Lana. Die gleihnam. Familie, feit 
1654 im Reichsgrafenſtande, biliht noch in Tirol. 

Brandis, 1) Joachim Dietrich, Mediciner, 
geb. 18, März 1762 in Hildesheim; wurde 1786 
Arzt in feiner Vaterftadt, 1791 in Braunſchweig, 
1795 Phyficus in Holzminden, 1803 Profeſſor in 
Stiel u. 1809 königl, Yeibarzt in Kopenhagen; er ft. 
dajelbft 28. April 1846. In Kopenhagen hatte 
er feiner Yehrthätigfeit, weldyer eine Reihe ausge- 
zeichneter holſteiniſcher Ärzte ihre Bildung ver 
danken, vollitändig entiagt, dafür aber einen aus- 
gedehnten ärztlichen Wirkungstreis übernommen, 
Er jhr.: Technologifches Taſchenbuch für Künftler 
:c. auf 1786, Gött. 1786; Anleitung zum Ge— 
brauche des Driburger Bades, Münft. 1792; Über 
die Metaftafen,, ebd, 1798; Über die Wirkungen 
der Eifenmittel des Driburger Waflers, ebd. 1803; 
Pathologie, Hamb. 1815; Über pfychiſche Heil- 
mittel u. Magnetismus, Kopenh. 1818; Liber 
humanes Leben, Schlesw. 1823; Über die Cholera, 
Kopenh. 1831; Der Unterfchied zwiſchen epidemi— 
fhen u. anftedenden Krantheiten, 1833; Die An- 
wendung der Kälte in Krankheiten, 1833; Noſo— 


Brandfleck — Branbdlitt. 


Brandfled, 1) Ort auf der Haut, der durchlogie u, Therapie der Kachexien, 1834—39, 2 
Bde.; Über Peben u. Bolarität, 1836. 2) Chri— 
fian Auguſt, Sohn des Vor, Philolog und 
Philofopb, geb. 13. yebr. 1790 in Hildesheim ; 
ftudirte in Kiel u. Götriugen, habilitirte ſich 1813 
in der pbilofophiichen. Facultät in Kopenhagen, 
1815 in Berlin, ging 1816 als Secretär ber 


preußiichen Gejandtichaft mit Niebuhr nah Rom, 
durchforjchte jeit 1819 mit 3. Beller die wichtig— 
ten Bibliothelen Italiens, Frankreichs u. Eng- 
lands zur Sammlung von Materialien für die 
große Ausgabe des Arıftoteles, wurde 1831 Pro- 
feffor der Bhilofophie in Bonn, nahm 1837 bis 
1839 Urlaub, um dem König von Griechenland 
wiſſenſchaftliche Borträge zu halten, wurde mon 
demjelben zum Gabinetsrath eruannt u. fehrte 
1840 auf die Profeffur nah Bonn zurüd; er ft. 
24. Juli 1867. Schrieb: Xenophontis, Parıne- 
nidis et Melissi doetrine, Wit. 1813; Vou bem 
Begriffe der Geſchichte der Thilofopbie, Kopenb. 
1815; De perditis Aristotelis libris, Bonn 1823; 
Ausgabe der Ariftoteliihen Metapbyfil, Berl. 1823; 
Anmerkungen und erläuternde Abhandlungen zu 
Hengitenbergs Ariftoteliicher Metaphyſil, ebd. 1824; 
Handbuch der Geſchichte der griedhiicd-römtichen 
Philofophie, Berl. 1835—60, 3 Thle.; Scholia 
in Aristotelem, 1836; Scholia Graeea in Aristo- 
telis metaphysica, 1837; WMittheilungen über 
Griechenland, Lpz. 1842, 3 Bde.; Geſchichte der 
Entwickelungen der griechiſchen Philoſophie u. ihrer 
Nachwirlungen im Römiſchen Reiche, ebd. 1862 
bis 1864, 2 Thle., u. ſ. w. Über ihn vgl. Eur 
tius in der Augsb. Allg. Ztg. vom 7. Juni 1868 
u. Zrendelenburg in den Abhandlungen der Königl. 
Alademie der Wiſſenſchaften zu Berlin, 1868. 
3) Johannes, Archäolog, Chronolog u, Numis- 
matilfer, geb. 14. Dec 1830 zu Bonn, dritter 
Sohn des dortigen Profeſſors B.; gewann bereits 
als Student einen Preis durd eine Arbeit: Assy- 
riarım rerum tempora emendata (1852), ging 
Oftern 1854 zu Bunfen nad) Yondon u, benutzte dieje 
Gelegenheit zu Studien über Das Aſſyriſche, als deren 
Frucht jeine Schrift: Liber den hiſtor. Gewinn aus 
der Entzifferung der aſſyr. Inſchriften, Berl. 1856, 
entftand. Nachdem er noch eine weitere, chrono- 
log. Unterfudung: De temporum graecorum anti- 
quissimorum rationibus, Bonn 1857, veröffentlicht 
hatte, trat er noch in demielben Jahre als Cabinets- 
jecretär im den Dienft der damaligen Prinzeſſin, 
Ipäteren Königin-Kaiferin Augufta, u. widmete in 
diefer neuen Stellung feine Muße hauptſächlich 
numismatiichen Studien. Sein Hauptwerk: Das 
Map-, Münz- u. Gewichtsſyſtem in Border-Afien 
bis auf Alerander d. Gr., Berlin 1866. Kurz 
vor jeinem Tode, 8. Juli 1873, vollendete er 
noch jeinen Verſuch zur Entzifferung der cypriſchen 
Inſchriften, Septemberbeft der Dionatsberichte der 
preuß. Akad. der Wiffenich., 1873, 
1) Thamhayn.“ 3) Schraber. 

Brandfitt, 1) Stoff, mit welchem das Holy 
wer! an Gebäuden aegen das Anbrennen gefichert 
wird; befieht aus Ziegelmehl, Aſche, Feilſpänen 
u. Yeimmwaffer, oder gefhlämmten Lehm, geſchlämm⸗ 
tem Thon u. Mebikleifter aus Roggenmehl; dieier 
Kitt darf nicht auf einmal aufgetragen werben. 
2) Kitt, womit einige Ernftfeuerwertlörper bes 


Brandfugeln — Brandjonntag. 


ftriden werden, um fie gegen Feuchtigkeit zu 
ihügen; befteht aus aufgelöftem Leim, gefiebter 
Kohle u. rothem Bolus. 


783 


Brandfalbe, |. u. Verbrennung. 
Brandjag, zum Fllen der Brandbomben 


5) Bei Luftfeuerwert- und Brander; beftehbt aus einem Gemenge von 


förpern Miſchung von Hammerſchlag, Feilfpänen, | Salpeter, Schwefel, Meblpulver u. Colophonium. 


Ziegelmehl, ungelöichtem Kalt u. Roggenmehl, um 


Brandſchatzung, Geidſumme, die bef. jonft 


diefelben gegen augenblidliches Verbrennen zu|dem Feinde im Kriege gezahlt wurde, damit die 


fihern. 
Brandfugeln, ſ. Brandgeſchoß. 
Brandlanze, ſ. u. Brandgeſchoß. 


urger einer eroberten Stadt od. die Einwohner 


eines beſetzten Landſtriches im ungeſtörten Beſitze 


ihrer Güter blieben. War fie nicht gleich auf- 


Brandmarkung, das Einbrennen von Buch |zutreiben, jo wurden Geigeln mitgenommen, ‚oder 
ftaben, Wörtern oder Figuren, 3. B. eines Galgens | Erecutionstruppen gefhidt. Der frühere Charalter 


auf den Arm, die Stirn oder den Rüden eines der Kriege als 


Verbrechers. Die B. war als infamirende Strafe 
ihon bei den Griehen u. Römern üblih, u. es 
wurden jolde Zeihen (Stigmata) den Kalummia- 
toren, entlaufenen u. wieder gefangenen Sklaven 
eingebrannt, Ein fo Gezeichneter hieß Stigmattas. 
Durch das ganze Mittelalter gewöhnlich, it die 
DB. in neuerer Zeit in allen cultivirten Staaten 
außer Gebrauch, 
Brandmaner, 1) jede ohne Holzverband auf- 
eführte Dauer am Feuerungen im Küchen, an 
fen zc., gewöhnlich von gebrammten Steinen, 
2-4 m ſtark. 2) Die Mauer, welche ein maffives 
aus von einem anderen fcheidet u. bei Feuers— 
rünſten der Verbreitung der Flamme Einhalt 
thun ſoll. Auf einer ſolchen B. fteht der Brand» 
giebel, gewöhnlich 4-4 m ftark, in welchem Fenſter⸗ 
u. Thiröfinungen mit eifernen Laden (Brand- 
läden, Brandthilren) zu verichließgen find. 
Brandmaufe, bei Pferden eine begrenzte 
—— an der Feſſel, bei der es zum 


eritörungsfriege, bei denen Rache, 
Mordluft und Raubluſt die Hauptrolle fpielten, 
brachte das Sengen u. Brennen u. Beritören mit 
fih. Bei den Juden wurden nach dem von Moſes 
gegebenen Geſetze nicht bloß die eroberten Ländereien 
niedergebrannt, fondern aud die Einwohner ver- 
tilgt; num in den Örenzländern konnte B. erhoben 
werben u. die Benölferung mit Ausnahme bes 
männlichen Geichlechtes am Leben bleiben. Bei 
ven Römern fiel das eroberte Land dem Staate 
anheim, der Senat gab den Einwohnern einen 
Theil ihres Eigenthums zurüd, legte ihnen aber 
dafiir B. u. Steuern auf. Auch in Deutichland 
galt es bis in das 15. Jahrh. für Recht, das 
Gebiet des Feindes mit Feuer zu verwüſten (dem 
rothen Hahn auf das Dach ſetzen). Aber im 
Mittelalter fam diejes Verfahren mehr u. mehr 
ab. Dan fing an, fih die Berfchonung mit Geld 
ablaufen zu laſſen, u. fengte nur da, wo bie 
Stürmenden nicht zu bändigen waren, ober die 
Zahlung des Löſegeldes nicht erfolgte, zu welchem 


randigen Abfterben eines mehr oder weniger | Ende eigene Offiziere, Brandmeifter, mit Brand» 


großen Stüdes Haut fommt. 
randmans, j. Maus. 
Brandöl, j. u. Brenzlihe Öle. 


knechten zum Anzünden der Orte beftellt waren, 
Die kaiſerl. Heerordnung von 1570 verordnete, 
feindlihe Orte nicht mehr in Brand zu fteden, 


Brandon, 1) Stadt in der engl. Grafſchaft u. obgleich dies oft wicht befolgt u. noch öfter B. 
Suffelf, am linken Ufer der Little Ouſe; Getreides, | gefordert wurde — man dente an die Bren des 


Holzlohlen- u. Baubolzbandel; 2116 Em.; in der 
Nähe Brüche von ſchwarzen Feuerfteinen. 2) Ort 
im nordamerif. Unionsjtaate Vermont u. 43° 45‘ 
n, Br. u. 73° w. L.; Wollen» u. Ledermanufac- 
turen; 3571 Em. 
Brandon, Charles, eur, von Suffolf, 
Günftling des Königs Heinkich VLII. von England; 
wurde von diefem zum Herzog von Suffolt er- 
naunt, vermäblte ſich 1515 heimlich mit Heinrichs 
Schwerter, Maria, nad) dem Tode ihres Gemahls, 
Ludwigs XII. von Frankreich, 
ihm und das. Paar kehrte nad 


30jährigen Krieges — fo fam es doch nah und 
nah dahin, daß man das abfichtliche Niederbrennen 
von Ortſchaften, ohne daß e8 ein Kriegszwed ge» 
bietet, für einen Völkerrechtsbruch bielt, jo 3. B. 
die Verbrennung vieler Orte der Pfalz unter Lud— 
mig AIV, Dieſe Anfichten haben ſich ſeit dem 
Tiährigen Kriege noch mehr befeftigt, u. die B. 
bat im neuerer Zeit den Namen Gontribution an« 
genommen. Bgl. Contribution. 
Brandidjieler, ein aſchgrau bis ſchwarz ge- 


zum verziehjfärbter, mit Bitumen mehr oder weniger ftarf 
gland zuritch, durchdrungener Kohlenſchiefer, 


zwiſchen deſſen 


u. B. befehligte 1522 u. 23 die engl. Armee Schichten die Kohlenflöße lagern. Er breunt je 
gegen Frankreich u. wieder 1544 einen Theil der-|nach feinem Gehalte an Bitumen mehr od. weniger 


jelben. Er ft. 1545. 
Brandjnum dominica, jo v. w. Brandſonntag. 


leicht, zerfällt in Wafler u. hat einen ſchwarzen 
Strich. Durch Grpbrände oder die Erhebung 


Brandopfer, jolhe Opfer, bei welchen die plutoniſcher Gebirgsmaffen in der Nähe des B-8 
dargebrachten Gegenftände, 3. B. Fleiſch u. Fett, iſt derjelbe oft rorh gebrannt und theilweije ge- 


verbrannt wurden; ſ. u. Opfer. 


er Altar, aufljchmolzen, u. es find auf diefe Weife das Eiſen— 


welchem fie geopfert wurden, hieß bei den Juden |fteinmarf od. die ſächſiſche Wundererde u. der Por— 


der B-altar;.f. u. Altar. 
Brandp eil, j. u. Brandgeſchoß. 
Brandpilze, j. u. Brand u. Roſtpilze. 


zellanjaspis von Planig bei Zwidau und vom 
breimenden Berge bei Duttweiler entftanden. Faſt 
immer enthält der B. mehr od. weniger deutliche 


Brandprobe, 1) Stiidchen Siber, aus einem |Überrefte von Pflanzen der Kohlenformation. 


Brandſtücke geſchlagen, um zu unterſuchen, ob es 
gehörig gebrannt und gereinigt iſt. 2) Dieſes 


Unterſuchen ſelbſt; ſ. Silberprobe. 
Brandrakete, ſ. u. Ralete. 


Brandfilber, durch Feinbrennen gereinigtes 
Süber, mweldes nur noch jehr Heine Mengen 
(obngefähr 1°/,) fremder Metalle enthält. 

Brandfonntag (ververbt Bratenfonntag, vom 


784 | Brandipigen — Branditiftung. 


lat. Brandonum döminica), im Mittelalter und /ordinem gu ftrafen; insbefondere geihah dies für 
zum Theil noch jegt in Frankreich der dem den Fall eines vorjäglichen Anzündens von Wohn- 
1. Sonntag der vierzigtägigen Faſten vorher-|gebäuben, wenn auch der Umfang, in welchem 


gehende Sonntag, der Sonntag Invocavit. In man biernah die B. als eigenes 


erbrechen be» 


der Nacht vorher lief man mit Fackeln n. Brän-|trachtete, bei der Mangelbaftigleit ver Redhts- 
den (Brandones) umber; daher: Brandwoche quellen in diefer Beziehung —* ſchwer zu be⸗ 


(Brandonum hebdomas, die mit dieſem Sonntag ſtimmen iſt. 


beginnende Woche. Diefer Gebrauch dürfte mit 
der altgermaniihen Frühlingsfeier zufammen- 
hängen, da im füdlihen Deutichland und in der 
Deutihen Schweiz ganz berjelbe Gebrauch als 
Funkenſonntag fi finder; ohne Zweifel ein Reit 
des alten Feuer u. Sonnencultus. 
Brandipisen, weiße Schafwolle mit braunen 
Spigen, rauber u. bärter als andere Wolle, oft 
vergibt; fitt am den Füßen der Schafe und ift 
nur zu ordbinären Wollitoffen verwendbar, 
——— ſ. u. Feuerverſicherung. 
Brandſtiftung (Crimen incendii), die An— 
zündung einer fremden oder auch eigenen Sache, 
unter Umſtänden, daß der Brand für Leben, Ge— 
ſundheit oder Eigenthum eines Anderen ſchädlich, 
oder doch gefährlich wird. Der Grund, welcher 
ſeit der Peinlichen Halsgerichtsordnung die B. mit 
immer größerer Beſtimmtheit als ein eigenes Ver— 
brechen bat aufſtellen laſſen, iſt hauptſächlich in 
der Unberechenbarkeit des Schadens zu ſuchen, 
welcher durch die Anzündung einer Sache hervor— 
gerufen werden kann. Bei Normirung der ſub— 
jectiven Strafbarlkeit des Brandſtifters fiel dagegen 
die Niederträchtigleit der bei Begehung dieſes 
Verbrechens betundeten Geſinnung, die Boshaftig— 
keit der That, zu welcher in feindlicher u. feiger 
Weiſe das verderbliche, ſo leicht aller menſchlichen 
Auſtrengung ſpottende Element benutzt ward, ſchwer 
ins Gewicht. Die B. wird deshalb auch in den 
neueren Criminalgeſetzbüchern überall den ſchwer— 
ſten Verbrechen beigezäblt; in der Aufftellung des 
Begriffes, der Borausjegungen, der dafür ange- 
drobhten Strafen waltet aber eine große Berichie- 
deuheit ob. Allgemein ift die Eintheilung in 
doloje (au Brandlegung genannt) u. culpofe 
B., je nachdem das Feuer entweder mit dem 
Vorjage, einen Brand zu erregen, angelegt, oder 
nur durch Unvorfichtigfeit, Leichtſinn oder Unadht- 
jamfeit veranlaßt wurde. Außerdem wird gewöhn— 
lih einfadhe u. qualificirte B. unterjchieden, 
u. legtere dann angenommen, wenn das verur« 


Ebenfo ſchwankeud ermweilen ſich 
die Ausſprüche der deutichen Nechtsbücher (3. 8. 
Sadjenfpiegel, Bd. II. Art. 13; Schwabenfpiegel, 
Cap. 114). Auch bier wurde die B. urfprünglich 
(namentlih in den fogen. Leges barbarorum) 
nicht als eigenes, ſelbſtändiges Verbrechen, jondern 
mehr als eine Unterart der widerrechtlichen 
Schadenszufiigung aufgefaßt und befirafi. Doch 
zeichneten * Rechtsſatzungen ſchon frühzeitig 
einzelne Arten der B,, ar rn Die ®. zur 
Nachtzeit (Nachtbrand) und den Mordbrand, 
morunter man im Allgemeinen jedes heimliche, 
hinterliftige Anzünden einer fremden Sache mit 
Gefahr für Menfchen verftand, aus u. bedrobten 
dieje boshaften Brenner, wie fie gewöhnlich 
enannt werden, gleih den Mördern mit dem 
ode, bejonders dem Feuertode. Die Beinfiche 
Halsgerihtsordnung Karls V. enthält im Art. 125 
nur den kurzen Sag: die boshaftigen überwunde- 
nen Brenner follen mit dem jener vom eben 
zum Tode gerichtet werden, u. hat der Austrud 
boshaftige Brenner einen Streit der Eriminaliften 
darüber hervorgerufen, ob zum Wefen der 2. ein 
ausnehmend bosbaftes u. unmenſchliches Berbalten 
des Brandftifters erforderlih, oder ob damit mır 
das Erforderniß des böfen Vorſatzes bezeichnet 
jet. Unterſchieden wurden 3 Arten der B.: a) der 
Stadtbrand, gewöhnlicher als qualificirte 8. 
bezeichnet. Wer böslih innerhalb der Stadt 
(intra oppidum) Feuer anlegt, hat den Feuertod 
zu erwarten, Eine etwas gelindere Strafe, jedoch 
auch Todes- od. Capitalſtrafe, tritt b) bei der B. 
an einzelnen Gebäuden (einfahe B.) ein; 
geringere Strafe erfolgt c) bei B. an auderen 
Saden. Als allgemeines Erforderni für den 
Thatbeftand aller Sen galt eine Handlung, durch 
welde an irgend einem brennbaren Gegenftande 
eine Feuerflamme hervorgebradt wird, deren Ber- 
breitung für Leben, Gefundheit oder Eigenthum 
Anderer ſchädlich od. gefährlich if. Daß die an- 
gezündete Sache gerade eine fremde fei, ward 
nicht erfordert. bit e8 an dem Moment der 


fachte Feuer wegen befonderer, durch das Geſetz Gemeingefährlichteit, d.h. der Gefahr für frendes 


ausgezeichneter Umftände, 3. B. weil das Gebäude 
ein bewohntes war, oder mit anderen bewohnten 
zuſammenhing, oder weil e8 zur Nachtzeit ange» 
legt war, in erhöhtem Grade gefährlid erſcheinen 
muß; doch find diefe Umftände felbft in den ver- 
ſchiedenen Gejetsbüchern keineswegs übereinftims« 
mend feftgeftellt. A) Nach Römifchem Rechte wurde 
die Brandlegung uriprünglih als widerrechtliche 
Deihädigung fremder Saden (Damnum injuria 
datum) unter die Beftimmungen der Lex Aquilia 
geftellt; wurde aber das Feueranlegen ald Mittel 
ur Begehung anderer Verbrechen, 3. B. einer 

is publica, angeweudet, jo wurde e8 nad den 
über diefe Berbrechen geltenden Strafbeftimm- 
ungen der Lex Julia de vi publica, od. der Lex 
Cornelia de sicariis geftraft. Später gelangte 


Eigenthum u. Leben, jo konnte die Auzündung 
der eigenen Sache allerdings ftraflos fein, wenn 
nicht etwa jonft eine verbrecheriſche Abficht des 
Brandftifterd obwaltete, wie 3. B. wenn die 
Brandlegung in betrügeriiher Abfiht, um bie 
Affecuranzjumme zu gewinnen, ftattfand, in mel- 
hem alle dann die Strafen des Betruges zur 
Anwendung fommen. Zur qualificirten B. (j.oben) 
ward außerdem erfordert, daß die Gefahr der Art 
en jei, daß der ganze Drt, od. doch einzelne 
Theile defielben in Brand aufgehen konnten; da» 
egen machte es feinen Unterſchied, ob der Braud- 
off an ein Gebäude unmittelbar, oder nur an 
einen ſolchen Gegenftand gelegt wurde, welcher, 
wie 3. B. ein daneben liegender Strobhaufen, 
das Feuer mittelbar dahin verbreiten konnte, Zur 


man indeffen dazu, das Incendium aud extra |Bollendung des Verbrechens der B. gehörte nur, 


Brandftiftung. 785 


daß der anzuzündende Gegenftand ſchon wirklich | Löfchgeräthichaften entfernt oder unbrauchbar * 
Feuer gefangen u. alſo gebrannt hatte; daß aber| madıt bat ($ 307). Wegen B. wird mit Zucht 
auch jhon eine wirkliche Feuersbrunſt daraus haus bis zu 10 Jahren beftraft, wer vorſätzlich 
entftanden jei, mar fein mejentliches Erforberniß | Gebäude, Schiffe, Hütten, Bergwerke, Magazine, 
des Thatbeftandes. Ebenjo wenig galt es als Waarenvorräthe, melde auf dazu beftunmten 


Mangel an diefem, wenn das entftandene 
ſpäter etwa von felbft wieder erlofchen, ‚oder durch 
u Hilfe bald gelöfcht worden war. Eulpofe 

randverurfahungen wurden nad Römiſchem 
Rechte nur dann beftraft, wenn ihnen ein grobes 
Berjehen zu Grunde lag; nad dem Syſtem der 
Peinlihen Halsgerihtsordnung traten die allge- 


meinen Grundſätze von Beftrafung der Culpa ein. ſi 


Immer ward dabei indeflen erfordert, daß wirt- 
Ih eine Feuersbruft entftanden ſei. War dies 
nicht der Fall, u. lag nur ein unvorfichtiges Ge- 
bahren mit feuergefährlichen Gegenftänden an 
leicht Feuer fangenden Orten vor, jo fonnten mol 
polizeilihe Ahndungen, nicht aber criminelle Be- 
ftrafung eintreten. B) Die neueren Eriminal« 
gejegbiicher haben menigeran dem Begriffe der B. 
geändert, als vielmehr die verjchiedenen Arten 
derfelben genauer unterfchieden u. die dafür zu— 
zuerfennenden Strafen, von denen insbejondere 
die gemeinrechtlih angedrohte FFeuerftrafe in ber 
Praris ſchon längere Zeit nicht mehr angewandt 
wurde, beftimmter feitgeftellt. Die jchwerften Fälle 
der DB. waren indeß in der Negel noch immer 
mit der Gtrafe des Todes bedroht; mur das 
Braunſchweigiſche Geſetzbuch hatte, abgefehen von 
dem Falle, wo die Concurrenz anderer Delicte 
diefelbe rechtfertige, die Todesſtrafe ganz aus- 
geichloffen. Nah dem Preufifchen Strafgefetsbuche 
vom 14. April 1851 war die Todesftrafe dann 
angedroht, wenn durch den Brand ein Menſch das 


Jeuer öffentlihen Pläten lagern, Vorräthe von land« 


wirthſchaftlichen Erzeugniffen oder von Bau- od. 
Brennmaterialien, ;srüchte auf dem Felde, Wald» 
ungen u. Zorfmoore in Brand fett, wenn dieſe 
Gegenftände entweder fremdes Eigenthum find, 
od. zwar dem Brandftifter eigenthümlich gehören, 
jedoch ihrer Beſchaffenheit u. Yage nah geeignet 
ind, das Feuer einer der im $& 306 Nr. 1—3 
bezeichneten Räumlichkeiten od. einem der vorftehend 
bezeichneten fremden Gegenftände mitzutheilen. Sind 
mildernde Umftände vorhanden, jo tritt Gefüng- 
nißftrafe nicht unter 6 Monaten ein (8 308). Wer 
durh Fahrläffigkeit einen Brand der in ben 
8$ 306—308 bezeichneten Arten herbeiftihrt, wird 
mit Gefängniß bis zu 1 Fahre, oder mit Geld» 
ftrafe bis zu 300 Thlr. umd, wenn durch den 
Brand der Tod eines Menſchen verurfadht worden 
ift, mit Gefängnig von 1 Monat bis zu 3 Jahren 
beftraft ($ 309). Hat der Thäter den Brand, 
bevor derjelbe entdedt und ein weiterer als der 
durch die bloße Inbrandſetzung bewirkte Schaden 
entftanden war, wieder gelöjcht, fo tritt Straf- 
lofigleit ein ($ 310). Der B. gleich geachtet wird 
die gänzliche od. theilweiſe Zerftörung einer Sache 
durch Gebrauch von erplodirenden Stoffen ($ 311). 
Strafihärfungsgründe find alfo, wenn durch 
die B. der Tod eines Menichen, der fich zur Zeit 
der That in einer der in Brand gejegten Räum— 
lichkeiten befand, mittel$ der B. ein Mord oder 
Raub begangen, oder ein Aufruhr erregt werden 


Leben verloren hatte u. der Branditifter vorfätslich |follte, oder der Brandftifter ſelbſt das Loͤſchen des 
ein Gebäude, ein Schiff od. eine Hütte, welche zur) Brandes durch Befeitigung od. Unbrauhbarmad- 


Wohnung dienen, oder ein zum ottesdienfte be- 
jtimmtes Gebäude, od. auch andere, nur zeitweilig 
zum Aufenthalte von Menſchen dienende Räumlich— 
feiten (3. B. Eiſenbahnwagen, Bergmwerfe) zu einer 
Zeit in Brand fegte, zu welcher fih Menfchen 
darin aufzuhalten pflegen; hatte aber fein Menſch 
das Leben verloren, jo trat wenigftens 10jährige 
bis lebenslängliche Zuchthausftrafe ein. Das 
Strafgejegbud für das Deutſche Reich han- 
delt von der B. unter der Rubrit: Gemeingefähr- 
lihe Berbreden und Bergehen ($$ 306—311). 
Demnah wird wegen B. mit Zuchthaus beftraft: 
mer vorfäglih in Brand fett 1) ein zu gottes- 
dienftlihen Berfammlungen beftimmtes Gebäude: 
2) ein Gebäude, ein Schiff od. eine Hütte, welche 
zur Wohnung von Menſchen dienen, od, 3) eine 
Räumlichkeit, welche zeitweije zum Aufenthalte von 
Menſchen dient, u. zwar zu einer Zeit, während 
welcher Menſchen in derfelben ſich aufzuhalten 
pflegen ($ 306). Mit Zuchthaus nicht unter 10 
Jahren, od. mit lebenslänglihem Zuchthaus wird 
die B. beftraft, wenn 1) der Brand den Tod eines 
Menſchen dadurch verurfaht bat, daß dieſer zur 
Zeit der That in einer der in Brand gejegten Räum⸗ 
Iichleiten fih befand; 2) die B. in der Abficht 


begangen worden ift, um unter Begünftigung ber« 


jelben Mord oder Raub zu begeben, oder einen 


Aufruhr zu erregen, od. 3) der Brandftifter, um 


das Löſchen zu verbindern oder zu erjchmeren, 
Piererd Univerjal-Eonverjationd:Feriton. 6. Aufl. 


Int. Banb, 


ung der Löichgeräthichaften verhindert od. erſchwert 
bat. Die Strafmilderungsgründe find nicht näher 
definirt. In der Theorie u. Praris figurirte u. 
figurirt noch darunter die Pyromanie (frankhafter 
Trieb, Feuer anzulegen). Beſonders ift eine foldhe 
Pyromanie bei in der Entwidelung der Pubertät 
begriffenen Kindern wahrgenommen u. theils aus 
phyſiſchen, theils aus pigchifchen Verhältniffen er- 
Härt. In der That rebucirt fi aber auch hier 
die Pyromanie auf die Unzulänglichleit der fub- 
jectiven Urtheilsfähigteit in Betreff der Folgen 
einer Handlung; jo ift oft Feuer von bei fremden 
Leuten befindlihen Kindern angelegt, in der 
Erwartung nad dem Brande des Haufes wieder 
zu den Eltern zurüdtehren zu fönnen. Im All 
gemeinen fann von ber ftrafrechtlihen Begünftig« 
ung berfelben feine Rede fein; in jedem einzelnen 
* iſt ärztlich zu conſtatiren, inwiefern die 
Ausführung einer B. aus einer die Willensfrei- 
heit des Branbdftifters beichräntenden (franthaften) 
Manie bervorgegangen und der das fubjective 
Moment dieſes Verbrechens bedingende Dolus 
(Vorſatz) ausgefhloffen ift. Val. Richter, Über 
jugendlihe Brandftifter, Dresd. 1844; Caspar, 
Das Gejpenft des ſog. Brandftiftungstriebes, in 
feinen Denfwürbigfeiten, Berl. 1846, In Frank— 
reich beftrafte der Code pcenal vom Jahre 1810 
ohne Unterfchied Jeden, der abfihtlih an Ge» 
bäuden, Schiffen, Magazinen, Werften, gefälltem 
50 


786 


Brandt. 


Holze, Ernten u. für folhe Gegenftände gefähr-|bevarjtehende Beränderungen in der Taktik (mit 


Iihem Material 


euer anlegte, mit dem Tode, B⸗s Nefrolog), ebd. 1868, u. fein Sohn gab (aus 


indem das Geſetzbuch davon ausging, daß die B. |jeinen Tagebüdern und Aufzeihnungen) heraus: 
Moyen d’assassinat fei; die im Jahre 1832 er-/ Aus dem Yeben des Generals B., ebd. 1869, 2 


folgte Nevifion verließ dieien Standpunkt, indem fie 
dabei Bewohnung der Gebäude durch Menichen 
oder wenigftens die Beſtimmung dazu vorausjegte. 
In England berubt der Begriff der B. (Arson) 
auf dem boshaften u. vorjäglihen, auch wirklich 
erfolgten Anzünden von jederlei Art fremder Ge- 
bäude u. wird an Urbebern u. Gehilfen als Felonie 
(vgl. Arrest of judgement), alfo mit dem Strange 
beitraft. Ein bloßer Verſuch ohne Erfolg unterfält 
bier ebenfo wenig dem Begriffe der B., als die 
Feuerverwahrloſung, welche nur als Eigenthbumsver- 
letung, an Dienftboten mit Geldbuße bis 100 
Pfund oder 18 Monaten Correctionghaus beftraft 
wird. Abſichtliche Anzündung des eigenen Hauses 
ift Schweres Polizeivergeben (Misdemeanour). wird 
aber, wenn dabei die Gebäude Anderer mit ent- 
zündet werden, aud ald B. beſtraft. Vgl. Ev. 
Dfenbriüggen, Die B. in den Strafgefegbücern 
Deutihlands u. der Deutichen Schweiz, Leipz. 1554. 
Grotefend.* 

Brandt, 1) Sebaftian, deuticher Dichter; 
ſ. Braut. 2) Heinrich v. B., preuß. General 
u. Mittärfchriftiteller, geb. 1759 im WPreußen; 
verließ 1806 feine Studien in Königsberg u. nahm 
Kriegsdienfte gegen die Frauzoſen; nah dem Til 
fiter ‚jrieden verabichieder, trat er fpäter in das 
2. polnische Weichjelregiment u. ging mit nad 
Spanien; 1812 machte er den Feldzug in Ruß— 
land als Hauptmaun mit, fehrte unter Boniatoswfi 
turh Böhmen zurid und nahm theil an der 
Schlacht bei eipzig; 1815 trat er wieder in preuß. 
Dienfte, ward 1829 als Yehrer an die Cadetten— 
ſchule nah Berlin berufen, bald darauf Major 
u, Lehrer an der allgemeinen Kriegsichule, ging 


Bde, 2. U, 1870. 8) Heinrih Franz, Hof- 
medailleur u, Brofeffor in Berlin, geb. 13. Jan. 
1759 in La Chaur de fonds; bildete ſich bei Droz 
in Paris, ging 1814—1816 nad Rom u. wurde 
1817 Medailleur der königlihden Münze in Berlin, 
wo er 9. Mat 1845 ftarb. B, fertigte Denkmünzen 
auf alle bedeutende Ereigniffe u. Perjonen jeiner 
Zeit, 3. B. Medaillen auf Luther u. Calvin zur 
Feier des Neformationsfeites, auf Pius VII. zu 
tejien Rückkehr nah Rom. 4) Joſeph, Schlachten - 
maler in München, .ein veichbegabter Schüler 
Franz Adams dafelbit; behandelt meiſt biftortiche 
und Genreſtoffe aus feiner Heimarh mit großer 
Vebendigkeit. Am geſchätzteſten find jeine Kriegs 
bilder aus dem 17, Jahrhundert. Sein umfang- 
reichte Bild iſt fein Entjag von Wien durch 
Johann Sobiesi. 5) Job. Friedrih v. 8, 
ausgezeichnet als Lehrer u. Schriftfteller, befonders 
im Gebiete der Botanik u. Zoologie, geb. 25. Mai 
1802 zu Jüterbogk; bezog 1821 die Hochſchule 
zu Berlin zum Studium der Medicin u. Natur 
wiſſenſchaft, veröffentlichte 1825 jeine Flora Bero- 
linensis (Berlin) u. 1826 als Differtation feine 
Observationes anatomicae de mammalium quo- 
rundam vocis instrumento, 4° m. Taf. In die 
medicinishe Praris übergegangen, wandte er ſich, 
veranlagt durch die mit Hageburg (. d.) begonnene 
Derausgabe der Medic. Zoologie, dem genaueren 
Studium der vergl. Anatomie u. der angewandten 
Botanik zu. Nachdem er 1828 Brivardocent in 
Berlin geworden war, erichienen von ibm Tabellen 
zum Bejtimmen der Pflanzen, einige SHefte- der 
Arzneigewäcie der preuß. VBharmalopöe u. der 
deutihen Giftgewächſe. 1830 als Director des 


1831 zu Gneifenau nach Pofen, der ihn zu meh- | Zool. Muſennis nad Petersburg berufen, fiedelte 


reren Sendungen an Diebitih, Paskewitſch und 
Bahlen, fowie an die polniihe Behörde in Kaliſch 
brauchte; 4. October ſchloß er mit Wroniedi die 
Übereinkunft ab, nach welcher der polnischen Armee 
der Übertritt auf preuß. Boden gejtattet ward, | 
u. leitete dann die Auswanderung der polnischen 
Offiziere nach Frankreich; 1840 wurde er Oberft- 
lientenant und Chef des Generalftabes des 
2. Armeecorps, 1842 Oberft u. 1848 General« 
major, 1850 GCommandant von Pojen u. nahm 








neral der Infanterie in Berlin u, wurde 1862 
Präſes der Generalordenscommiffion. Er ft. dort 
23. Jan, 1868. B. ſchr.: Über Spanien, mit 
befenderer Rüdfiht auf einen etwaigen Krieg, 


Berl. 1823; Über die Dragoner als Doppeltämpfer, | 


ebd. 1823; Anfichten über die Kriegführung im 


1857 feinen Abſchied. Seitdem lebte er als Ger | 





er 1831 dabin über, JInnerhalb der 43 Jahre, 
die er dafelbjt lebte, erichienen von demielben weit 
über 200 Abhandlungen aus den verihiedeniten 
Zweigen der Zoologie, der vergleichenden Anato- 
mie u. Paläontologie. Dabei war er 25 Jahre 
hindurch ald Profefjor der Zoologie bejonders an 
der Mediciniichen Akademie in Petersburg thätig. 
Die Schriften finden fid, verzeichnet im Catalogue 
of scientifie papers, 1800—63 herausgeg. von 
der Königlichen Gefellichaft in London, 1867, ©. 
570—577, u. im Tabl. general de matieres con- 
tenues dans les publications de l’Ac. Jmp. de 
St. Petersbourg, 1. Bd., 1872, ©. 191—93, zu 
welchen als jpäter erjdienen noch fommten: 
Unterfuchungen über die fojjillen und ſubfoſſilen 
Getaceen Europas, St, Petersb. 1873, 4° mit 
34 Taf, und Ergänzungen dazu 1874, 5 Taf, 


Geifte der Zeit, ebd. 1824; Handbuch für den jomwie die Cetaceen des Wiener Bedens (Sitzungs- 
erſten Unterricht in der höheren Kriegsfunit, ebd. | bericht der Wiener Afademie, 1872 und 1874). 


1829; Geſchichte des Kriegsweiens des Mittel- 
alters, ebd. 1830; Taltik der drei Waffen, ebd. 
1833,'3. Aufl., 1859; Der Heine Krieg, 1837, 
2. A., Berlin 1850. Vou den Grundzügen der 
Zaltit der drei Waffen fam 1859 die 3, Aufl. ber- 
aus; dieſes Buch wurde auch ins Holländifche, 
Spaniſche u. (1860) ins Japaniiche 


6) Alerander Julius, Sohn des Bor., Privat» 
docent an der Petersburger Univerfttät u. Confer» 
vator am HZoolog. Mujeum der Kaiferl. Akademie 
der Wifjenichaften, geb. 28. Februar 1844 zu 
St. Petersburg; ftudirte dajelbft an der Medico— 


chirurg. Akademie, promovirte 1867, trieb zoolo— 
überjegt. | giſche Studien an deutichen Univerfitäten, befonders 


Nach jeinem Tode erfchienen Aphorismen über unter der Leitung Rud. Yendarts. Seine Arbeiten 


Brandung — Branntwein. 


787 


—— 20) find meiſt in den Schriften der Peters-| polnischen Thron zu erlangen, was jedoch Rußland 


urger Akademie der Wiffenihaften gedrudt und 
beziehen fi) auf mannigfache Gebiete der Zoologie 
im weiteren Sinne: Erperimentalphufiologte (Her- 
zen niederer Thiere), allgemeine Morphologie u. 
zn (Hirngewicht, Eierftöde und Eibildung, 

hizostoma), Hiftologie(Sipunculus, Periplaneta), 
Embryologie (Inſecten), Spftematif (Cyamiden), 
Paläontologie (foffile Meduien). 3) 4) Regnet. 

Brandung, der Wellenichlag, welcher dadurch 
entfteht, daß die Wellen in ihrer Vorwärisbeweg⸗ 
ung an einer Erhöhung des Meeresbodens Wider- 
ftand finden, wie dies an der Küfte u. an, iiber od. 
unter Waffer liegenden Klippen oder Sandbänten 
der Fall ift. Die Stärke der B. richtet fi nad 
der Kraft der Wellen, dem Product aus ihrer 
Maſſe u. Geſchwindigleit, bedingt durch vorhandene 
Windſtärke u. Seeraum; dagegen hängt die Höhe 
u. Fänge der B. von der Steigung u. Höhe des 
Widerftandes ab, d. h. je fteiler umd höher die 
Küfte, defto höher aber kürzer, u. je flacher u. 
niedriger jene, defto niedriger aber länger iſt 
die B. Flache Kiüften find daher and aus dem 
Grunde, daß die B. weiter in die Sce hinein 
reicht, der Schifffahrt gefährlicher, als fteile. In 
der Schiffsſprache fagt man, das Waſſer brandet, 
wo 8. durch umter der Oberfläche liegende Untiefen 
erzeugt wird. 

Brandwache, 1) j.u. Feuerwehr. 2)(Kriegsm.) 
Wache hinter dem Lager, um auf die Wachtreuer, 
Arreftanten u. Gefangenen Acht zu haben, aud) 
etwaige Berfuhe des Feindes zu UÜberfällen zu 
ſignaliſiren. 

Brandwunde, durch Verbrennung (ſ. d.) ent- 
ftandene Zerſtörung der Haut; bei den leichteren 
(1. u. 2.) Graden der Verbrennung gewöhnlich 
nur eine Zerftörung des Oberhäutchens (der Epi— 
dermis), in den jchweren Fällen (Berbrennungen 
3. Grades) eine Zerftörung eines Theil der 
ganzen Hant, zumeilen felbjt noch der darunter 
liegenden Weichtheile od. fogar eines ganzen (Ar: 
mes oder Beines). Berns. 

Brandy (engl.), Branntwein, 

Brandywyne, 1) (Brandywpne-Hundred) Ort 
im County Newcaftle des nordamerit. Unions- 
ftaates Delaware; Mabhl- u. Pulvermüblen; 5000 
Em. 2) (Brandywyne Greet) Fluß daſeibſt, in 
den Staaten Penniylvanien u. Delaware; ergieht 
fih bei Wilmington in die Ehrijtiana Ereet. An 
ihm im NAmertlanischen Freiheitskriege 11. Sept. 
1777 fiegreihe Schlacht der Briten gegen die 
Amerikaner, wodurd dieſe Philadelphia verloren. 

Brane Mouton, Sorte rother Bordeaux. 

Branford, Poftitation u. Seehafen im New: 
Haven County des mordamerif. Unionsftaates 
Connecticut; bejuchter Badeort; 3571 Em. 

Branidi, 1) Jan Clemens, Graf, polniicher 
General, geb. 1688, aus einem alten Adels» 
geichiechte Polens jtammend; ftand erft unter den 
franz. Mousquetaires, fehrte 1715 nach Polen 
zurüd u. war thätiges Haupt der Gonföderation, 
welche den Kömg Auguſt II. nöthigte, die fächſ. 
Truppen zurüdzufenden. Dennoch jtand er bei 
Auguit IT. in Gunſt u. ward unter Auguſt III. 
Großfronfeldherr. Nach dem Tode Auguſts III. 
(1764) hoffte er durch franzöfiihen Einfluß den 


vereitelte. Bon den Ruſſen u. Polen mehrmals 
a flüchtete er nad Zips, erkannte aber 
einen Schwager Poniatowsfi, Stanislaus Auguft, 
als König an. Er ft. 9. Oct. 1771 auf feinem 
Schloſſe Bialyftod. 2) Xamwery, aus einer dem 
vorigen verwandten Geitenlinie ftammend; war 
1769 Kronfeldherr u. befehligte das königl. pn 
gegen die Barer Gonföderation; 1792 ſchloß er 
fih der von Rußland gegen die Eonftitution von 
1791 ins Leben gerufenen Gonföderation von 
Targowice an und lebte nad -der 3. Theilung 
Polens als ruffischer Unterthan auf feinen Gute 
Bialocerkiew, 

Branif, Chriftl. Julius, Philofoph, geb. 
18. Sept. 1792 in Breslau; murde bier 1825 
Privatdocent, 1826 auferordentlicher, 1833 ordent- 
licher Profeſſor der Philofophie. Er ft. 2. Juli 
1873. B. jhr.: Die Logik im ihrem Verhältniß 
zur Philoſophie, gefchichtlich betrachtet (gefrönte 
Preisihrift), Berl. 1823; Über Schleiermaders 
Glaubenslehre, ebd. 1824; De notione philoso- 
phiae christ., Bresl. 1826; Grundriß der Logit, 
ebd. 1830; De nmumero Platönis, ebd. 1830; 
Spftem der Metaphyſik, ebd. 1834; Geſchichte der 
Philoſophie, 1842; Die wiffenfchaftlihen Aufgaben 
der Gegenwart, ebd. 1848; Geſchichte der Philo- 
jopbie feit Kant, 1. Bd., ebd. 1852; Üüber die 
Winde der Philojopbie und ihr Recht im Leben 
der Zeit, Mede beim Nectoratsantritt, Berl. 1854; 
Über atomiftiihe u. dynamiſche Naturauffaſſung, 
un den Abhandlungen der Hift.-Phu. Gejellichaft 
zu Breslau, Bd. 1,1857, 

Branntwein. A) Eine durch Deitillation 
(Brennen) gegohrener Flüſſigkeiten erhaltene Miſch— 
ung von Waſſer u. 40—50 pCt. Weingeiſt, welde 
gewöhnlich infolge eines Gehaltes an gewiſſen, 
bet .der Gährung entftandenen Nebenproducten 
(Fufelöle) einen eigenthümlichen Geruch u. Ge» 
ſchmack befigt. Er brennt mit blauer Flamme u, 
binterläßt daber je nad feinem Waffergebalte eine 
größere oder geringere Menge Waffer von Fuſel— 
geihmad u. Geruch. Seine Stärke, d.h. feinen 
Gehalt an Weingeift, beftimmt man mittel® des 
Atoholometers, der Br oder Spirituswage. In— 
nerbalb des Zollvereins ift das Alkoholometer von 
Tralles gejeglich eingeführt; daffelbe gibt Durch die 
Zahl, bis zu welcher es bei 14,,°R, einfintt, an, 
wieviel Raumtbeile reiner Weingeift in 100 Thei« 
len B. enthalten find. In Ofterreich ift daffelbe 
Inſtrument, aber eine Temperatur von 12° R, 
vorgejchrieben. Außerdem benutt man auch noch 
das Alfoholometer von Nichter, welches angibt, 
wieviel Gemwichtstbeile reiner Weingeift auf 100 
Theile des wafjerhaltigen kommen. Das Inſtru— 
ment von Stopponi ftimmt mit dem von Richter 
überein. Zur Ermittelung des Weingeiftgehaltes 
wendet man ferner, wenn auch jeltener, an das 
Baporimeter (ſ. d.) und das Ebulfioffop (f. d.). 
Je nach dem Material, aus dem er gewonnen ift, 
führt der B. verichiedene Namen. Franz-B. ift 
B., der dur Deitillation von jchlechteren Wein- 
jorten u. Weintreftern, hauptjächlih in Frankreich, 
aber auch in Spanien und Portugal gewonnen 
wird, Seine Güte ift mamentlih durch die grö— 
Bere oder geringere Gorgfalt bei jeiner Daritelle 

50* 


788 Branntıvein. 

ung bedingt. Die beiten Sorten, Cognac, fom-| B. Gebraud u. Wirkungen des Bes u 
men aus dein Eharente- Departement. Korn-B.|der altoholiihen Getränke im Allgemei- 
wird ans Noggen u. Weizen gewonnen, Kar- nen. Genießen wir einen Schluck B., jo entfteht 
toffel«B. aus Kartoffeln, Rüben-B. aus Zucker- ein Brennen im Munde, Schlunde und in der 
rüben ober ben Abfällen der Hübenzuderjabrita- | Speileröhre, während wir im Magen die Ent 
tion, In Oſtindien u. auf den Aurillen ſtellt man widelung. eines Wärmegefühls beobachten. Es 
ans den Abfällen der Zuderfabrifation aus Zuder- berufen diefe Empfindungen auf der örtlichen 
rohr dur Gäbrenlafien und Abdeftilliren einen) Heizung, weldye die Berührung des B-3 mit ber 
weingeiftreichen ®., den Rum, bar; geringere) Schleunbant zur Folge hat. Wird nur ausnahms- 
Sorten deflelben werden auf ähnliche Weiſe in weiſe, dann u. wann einmal von dieſer Wirkung 
Dentichland aus den Abgängen der Nübenzuder- des Bes Gebrauch gemacht, fo fünnen wir damit 
fabrifen gewonnen. Aur Bereitung des Arrals,|den Magen zur reihligeren Abjonderung bes 


der namntlich von Goa (Border fnbien) u. Java 
aus in den Handel lommt, dient ber zucerreiche 
Saft aus den Blüthenkolben der Dattelpaime u. 
Gocospalme, dem man Zuder, ers ıc. zuſetzt. 
Kirihwaffer ift®., der namentlich im Schwarz— 
walde aus Kirihen gewonnen wird. Einen wich— 
tigen Fabrilationszweig bildet die Beredelung bes 
Bes, welde den Zwedi bat, dem fujelireien B. 
oder Spiritus durch Zuſatz von füh ſchmeckeuden 
Subftangen (Juder, Glycerin, Fruchtſäfte) u. aro- 
matishen Olen einen angenehmen Geihmad zu ge- 


Dagenjafted anregen, u. indem der B, Fette aufr 
löſt und fie in Emulſionen verwandelt, ift jene 
Wirkung für den Körper eine heilſame. Dieſe 
günſtige Wirlung des Bes, reſp. der Liqueure fin» 
den wir beſtätigt, wenn wir nach reichlicher und 
ietter Mahlzeit ein Gläschen Maraschiuo zu uns 
nehmen — e8 hilft der letztere auf die angegebene 
Weiſe perdauen u. mäßige Die unangenehmen Em—⸗ 
pfindungen des Berdauungsacted. Auf das Ner 
‚venipitem wirken Heine Dojen B. erregeud, 
‚große Dofen betäubend, ohne daß wir bis jest 


ben. Bee, die mir aromatuche Körper entbalten, |un Stande find, anzugeben, worauf dieje Wirt« 
nennt man Fiaueure (j d.); die Ertmes (ſ. d.) ungen beruhen. Werden viele Heinere Doſen in 
enthalten außerdem noh Zuder; Ratafia (fi. d.)/furzer Zeit hinter einander genofjen, fo entiteht 
nennt man B., der mit Zucker u. Fruchtſäften der Haujch, jener allbefannte Zuftand der Aufs 
veriegt ift. Hierher fann man and die manmig- |regung, in weldhem der Eine in ausgelajlenfter 
fahen Nahabmungen von Franz-B., Gognac,| Heiterteit feinen Unfug macht, der Andere zormig, 
Hunt x. rednen, die man dadurch erhält, daß wüthend, zankſüchtig wird u. Erceſſe begeht, die 
man in fuſelfreiem Spiritus gewiſſe Körper auf- mit der Veranlaſſung im feinem vernünftigen Ber- 
löſt. So erhält man ein dem Frauz-B. u. Cognac | bälmifje ſtehen. Immer fieht man bei im Kaufe 
ahnliches Getränt, wenn man Spiritus wit etwas Befindlichen, daß fie mehr od. weniger ihre Macht 
Kiftigärber u. Eichenrindentincrur verjett und mit|über ihre Bewegungsorgane verloren haben, jte 
gebranutem Zucker färbt, Künſtlicher Rum wird |taumeln, geben unſicher. Iſt der Rauſch vorüber, 
aus Kartoffelſpiritus fabricirt, indem man ihn mit ſo kehrt das volle Bewußtſein u. die Bewegungs⸗ 
etwas Ameilenäther, Zimmt⸗u. Nußtinctur verſetzt fähigkeit zurüd, doch ſteis unter den befannten 
u. mit gebranntem Zuder färbt. Die Prüfung von unangenehmen Eriheinungen des Katzenjammers, 
B. aller Art auf die in ihm auigelöften riechen- einer Verbindung von Verdauungsftörungen (lbele 
den u, ichmedenden Subitanzen geſchieht am zweck- keit, Erbrechen, WUppetitiofigfeit 2c.) u. auomalen 
mäßigiten nach dem Berfahren von Otto (Yehr- | Empfindungen um Rervenſyſtem (Wüſtheit im Kopfe, 
buch ver rationellen Braris der landwirtbichaftlihen | Schlaffheit des Nerveniyitems, Kopfdhinerz). Bon 
Gewerbe), Dan jegt zu der zu prüfenden FZlüffig- |der erregenden Wirkung Heiner Dojen B. wird im 
feit (je nach dem Weingeiftgebatte 5—10 cbem)|praftiihen Yeben häufig Gebrauch gemacht bei mo» 
ein gleiches Volumen Ather, jchüttelt um u. fügt | mentaner Erihlaffung des Körpers, z. B. bei Sol- 





ein dieſem Gemiſch gleiches Volumen Waſſer hinzu. 
Den fih dadurd abicheidenden Ather bringt man 
mittels einer Pipette in ein Porzellanſchälchen un. 
läßt ibn bier verdunften. Der Küditand enthält 
vanıı das Fuſelöl u. die anderen jdmedenden u. 
riebenden Stoffe. Auf dieſe Art laſſen fi auch 
die Berfälihungen des VS durch Pfeffer u. ähn- 


daten auf Märſchen, bei ohumädtigen Zuftän- 
den 2c. In neuerer Zeit hat man durch die Un- 
terſuchungen Niegels, Binz’ u. Anderer den Ein- 
fluß des Bis auf Puls u. Temperaturverhältniffe 
fennen gelernt, namentlih ergaben die Unter- 
fuhungen Riegels, daß bei jugendlichen u. nicht 
an Altoholgenug gewöhnten gejunden Individuen 


1 





liche Körper, die ihm einen brennenden Geihinad|u. Hecompalefcenten nad geringen Mengen alto- 
geben jollen, erfennen. Bon Berunreinigums|bofiiher Getränte felten beirächtliche Temperatur- 
gen des B:8 ift namentlich das Kupfer zu er-|veränderungen u; nur in einzelnen Füllen, bejon- 
wähnen, Ein etwaiger Gehalt daran, aus ſchlecht ders bei ganz jugendlichen Judividuen, ein bemer- 
gereinigten Gefäßen ftammend, wird dadurch mach- |fenswerther Abfall von einigen Decigkaden, noch 
gewiejen, dag man den B. mit einigen Tropfen |jeltener eine Steigerung eintrat. Je mehr aber 


Schwefelſäure veriegt u. eine blante Diefjerklinge 
bineinftellt, diefeibe überzieht ſich fofort mit einer 
rothen Schicht von Kupfer. Schüttelt man fupfer- 
baltigen B. mit etwas reinem Baumöl, jo nimmt 
dafjelbe eine grünliche Färbung an. Übrigens wird 
den umnabfichtlichen u. abfichtlichen, der Gejundheit 
ſchädlichen Verunreinigungen des B⸗s durd) ftrenge 
polizeiliche Maßregeln (B.- Polizei) gefteuert. 


Riegel die Dofis jteigerte, um jo mehr trat eine 
temperaturermiedrigende Wirkung, u. zwar ſchon in 
jehr kurzer Zeit auf — bei an Allohol Gewöhnten 
ward dieſe Wirkung faft ftetS vermißt. Dieje Wirt- 
ung der alloholiſchen Flüffigfeiten beruht darauf, 
daß der in das Blut aufgenommene Altobol die 
Berbrennung vermindert, was daraus ſich ergib:, 
daß der Harnftofi, die Harmjäure u. andere fefle 


PBranntwein, 


Beftandtheile des Urins nach dem Genuffe von al- 
toholiihen Flüffigkeiten in verminderter Menge 
durch den Harn ausgefchieden werden, während 
die Harnmenge vermehrt if. Infolge diejer ver- 
minderten Verbrennung häufen ſich in den inneren 
Organen die Fette an, u. findet man daher bei 
Gewohnbeitstrinfern die Leber, das Herz, die Nie- 
ren 2c. verfettet, während anderſeils Die örtlich 
irritirende Eigenſchaft des Alkohols, der als fol- 
her im Körper circufirt m. in den Geweben des 





789 


aber dur die Erfindung des Deftilfirens gegen 
Anfang des 9. Jahrh. mehrere Jahrhunderte auf 
die Bereitung von deftillirtem Waffer zum Ylrz- 
neigebrauche bejchränft haben und jpäter erft auf 
die B»bereitung geleitet worden fein. Erſt Abul 
Kafem (zu Anfang des 12. Jahrh.) erwähnt der 
Deftillation des Weines, u. zwar durch eine Ge— 
räthſchaft, wodurch aufwärts deftillirt wurde. 
Durh die Araber murde der — Wein 
auch den europäiſchen Chemilern bekannt, ſo u. a. 


Körpers fi aufhält u. als ſolcher durch die Harn-|dem Arnold de Villanova u. deſſen Schiller Rai— 


wege, Lungen u, die Mitch wenigftens zum Theil 
aus dem Körper wieder ausgeichieden wird, ent- 
zündliche Berhärtungen der Yeber (Cirrhofe, Gin 
drinkers liver der Engländer, B.-Leber), Katarrbe 


mund Lullus, welchen wol aud) die Erfindung des 
B-8 zugefchrieben wird, obwol fie bloß zu bejferer 
Bereitung, auch zur Bekanntmachung deſſelben bei« 
teugen. Bald wurde nun der DB. Gegenftand des 


des Rachens, des Magens u. des Darmes erzeugt. | Handels; bejonders wurde in Modena zu Anfang 


Als fernere Wirkung der alkoholiſchen Flüſſigkeiten 
haben wir deren bintftillende u. fäulnißhemmende 
anzuführen. Bringt man anf biutende Flächen 
eine in B. getränfte Comprefje, oder fpritt man 
beim Nafenbluten B. ein, jo coaqulirt das Eiweiß, 
u. dadurch, ſowie durch die kühlende Eigenichaft 
der alloholiſchen Flüffigkeiten fteht die Blutung. 
Die fäulnighemmende Wirfung benutzen wir nicht 
jelten zur Aufbewahrung von Fleiſch (in anatomi- 
ſchen Mufeen), von Früchten . Die B-Eonfum- 
tion als Getränk ift befonders ftarf bei den nordi- 
ihen Völkern, infolge des Klimas u. der fonjtigen 
Lebensweiſe. In Schweden war der Ertrag der B- 
fteuer, in den 1830er Jahren nur 680,000 ſchw. 
Rihlr. 1855 bereits anf 3 Mill. geftiegen u. bat 
fih ſeitdem bis über 12 Mill. gehoben. Ju Ruß— 
land betrug die verftenerte Conſumtion 1874 
2,263,463 Eimer; die Getränke», vorzugsmweile B- 
fteuer, liefert jeit 36 Jahren gewöhnlich ein Drit- 
theil aller Staatseinnahmen; tm Budget für 1874 
ift diefer Ertrag felbft zu 179,098,500 Rubel ver- 
anſchlagt, bei einer ordentl. Gefammteinnahme 


des 14. Jahrh. der B. für ſich, oder auh im 
liquenrform (jehr zeitig als Nosmaringeift) be— 
reitet. Er fam als Berlängerungsmittel der Fur 
gend u. des Lebens (Lebenswafler, Aqua vitae) 
in hohen Auf, anfangs jedoch mehr nur als Arz« 
neimittel, bejonders gegen die Peſt u. anftedende 
Krankheiten, doch allmählich immer mehr als Ge» 
nußmitte. Auch von Benedig aus wurde ein 
ftarfer Handel damit, befonder® aud nad der 
Zürfei getrieben. Doch war die Bereitung lange 
noch ein Gebeimnig der Chemiker. Bald reichte 
indeß der Wein umd auch die Weinhefen, weiche 
man bejonders für die Anfertigung deſſelben bes 
nugte, nicht mehr hin, das Bedürfniß zu deden, 
u, man fing zu Anfang des 15. Jahrh. an, Bier 
befen u. etwas fpäter im meinige Gährung vers 
jetste meblige Subftanzen dazu zu verwenden, 
Damals waren mit dem Verkaufe des B-8 nur 
noch die Apothefen privilegirt. Später wurde der 
B. vielfah als Anfenerungsmittel des Kriegs- 
muthes im Felde angewandt, Mit der zunch- 
menden Berbreitung des Brgenufjes lernte man 


von 514,367,915. Vgl. Bouvier, Pharmakoiog. aber feinen Nachtheil bei zu ftartem, rüdfichts« 


Studien, Berl. 1872; Marvand, L’Alcool, son 
action physiologique ete,, mem. de med. milit., 
Janv.-Juin 1872; Rabow, Über die Wirkung des 
Altohols, Straßb. Diff. 1872; Binz, Verjuche, 
welche den Gründen der temperaturerniedrigenden 
Wirkung des Allohols näher treten, Verband. d. 
Niederrh. Geſellſch. f. Natur- u. Heiltunde, 1872; 
Riegel, Über den Einfluß des Alkohols auf die Kör- 
erwärme, Arch. f. flin. Med. XII.; de Ridder, 
e l’aleool en general: effets physiologiques 
et therapeut., hygiene pathologie, medecine l&- 
gale, traitement, falsifications, Ann. de la Soeiet. 
de med. d'Anvers, 1872 (Preisihrift); Straßburg, 
Erperimenteller Beitrag zur Wirkung des Altohols 
im Fieber, Virch. Arhiv, Bd. 60, 3. u. 4. Heft; 
en Zeitſchr. f. praft. Medicin, Jahrg. 1874, 
. 320, 


C. Geſchichtliches. Die Erfindung des Bes ift 


lofem und anhaltendem Gebraude fennen. Im 
15. Jahrh. erichienen jhon Schriften dagegen, u, 
mehrere Regierungen fanden fi beſonders im 
16. Zahrh. veranlaft, polizeiliche Maßregeln ge- 
gen den Mifbrauh des B-8 zu treffen. Im 
17. Jahrh. erlangte das technische Verfahren bei 
der Bereitung des B-s immer höhere Grade von 
Volltommenheit, und man benutte in diefem u. 
dem folgenden nun eine Menge Begetabilien mit 
Deehl» und Zuderftoffen zu defien Anfertigung. 
Der Mifbrauh des B⸗s als Genußmittel rief 
fpäter wieder B-verbote hervor, fo in Preußen 
unter Friedrih Wilhelm I. für Potsdam; ebenfo 
bei Theuerungen, um Roggen, Kartoffeln ꝛc. 
durch B-brennen nicht dem eigentlichen Gebrauche 
zu Speifen zu entzieben. Aber die Berbote er- 
wieſen fi als unausführbar u. ungenügend, na— 
mentlich da ſich die Getreidepreiie ungeachtet der- 


uralt; in Enropa wurde jedoch der B., durch Deftil- |felben nicht minderten; "jetst, befonders bei ‚beim 
lation des Weines erhalten (daher auch gebrann-|B. aus Kartoffeln, wiirde daſſelbe noch erfolglofer 
ter Wein, lat. Vinum ustum, genannt), erft durch fein. Außerdem greift die B-brennerei fo tief in 
die Araber bekannt. In Indien u. China mur« den größeren landwirthſchaftlichen Betrieb ein, daß 
den jeit undenklihen Zeiten aus Palmen n. Dat: |fie fi ohne bedeutende Störungen u. Nachtheile 
teln branntweinartige Flüſſigkeiten bereitet, u. der'nicht mehr davon lostrennen läßt, ſowie auch das 
Wein der Inder, deffen Strabon gedentt, ift wol Intereſſe vieler Regierungen der Bebefteuerung 
fein anderer, als der aus Reis noch jetst daſelbſt wegen mit der Production des B-8 eng verbun« 
bereitete Arrak. Die arabijchen Ärzte mögen ſich den ift. A. Beyer. B. Runge. 


790 


Branntweinblafe — Branntweinbrennen. 


Branntweinblafe (Brennblafe),deransKupfer gleihjörmigen Brei durchgearbeitet (das Vormai— 
od. Eifenblech beftehende Keffel, in welchen die ge- ſchen), dem man durd einjtrömenden Waſſerdampf 


gohreue Maiſche behufs ihrer Deftillation gebracht 


wird. Der Boden derjelben ift entweder ebeu, od. 
nach oben gewölbt; die obere, 0,5, —0,, m weite 
finung iſt mit einem ftarten Rande verjehen, auf 
weichen der gewöhnlich halbkugelige Helm aufge: 
jhraubt wird, Nahe über dent Boden befindet 
fih ein Rohr zum Ablaſſen der Deftillattonsrid- 
fände. Durch den oberen Theil geht ein Rohr, 
durch welches die B. mit Maiſche gefült wird, 
u. wenigitens bei den Älteren Apparaten mit di— 
recter Feuerung ein Ruhrer, bejtchend aus einer 
verticalen Welle mit einer am unteren Ende au— 
gebrachten Kette, welche beim Umdrehen der Welle 
über den Boden der B. Hinfchleift u. dadurch ein 
Anbrennen der Marche verbütet. Da die Rüben— 
maifche nicht unbedeutende Mengen Eifigjäure ent- 
hält, welche die metallenen Gefäße augreift, jo hat 
man in neuerer Zeit verfuchsweife Bn aus Stein- 
platten zufammengejegt. Heyer. 
Branntweinbrennen umfaßt alle diejenigen 
Operationen, welche —— von Branntwein 
zum Zwecke haben. Es bildet einen Hauptzweig der 
landwirthſchaftl. Gewerbe, deun durch daſſelbe wird 
ein Beſtandtheil (die Stärke) der Erzeugniſſe der 
Landwirthſchaft in einen werthvollen, haltbaren u. 
leicht transportablen Körper (Weingeiſt) verwan- 
deit, während die ftidjtoffhaltigen Nährftoffe unver- 
ändert in der Schlempe wiedergemwonnen und zur 
Biehiütterung verwendet werden können, Werben 
aljo durch den höheren Preis des einen Products 
(Spiritus od, Brauntwein) die Productionsfoften 
ganz oder zum größeren Theil gededt, jo wer: 
den die Futterſtoffe der Brennereirüditände foften- 
frei oder doch ſehr billig erhalten, wodurch eine 
Bergrößerung des Viehſtaudes u. erhöhte Dinger- 


oder durch fochendes Waſſer jchlieflih eine Tem— 
peratur von 50—60° gibt. Man rechnet im 
Sanzen auf 1 Theil Schrot 4—5 Theile Wafler. 
Um eine zu raſche Abkühlung u. VBerdampfung zu 
vermeiden, werden die Maiichbottiche bededt und 
ihr Inhalt einige Stunden der Ruhe überlaſſen. 
Durch die Wirkung der Diaftafe des Malzes ift 
nah etwa 2—3 Stunden alle Stärke in Zucker 
verwandelt und die Maiſche zur Gährung reif. 
Dan kühlt fie nun möglichſt rafh auf Die zur 
Gährung geeignete Temperatur von etwa 23° ab, 
entweder durch kaltes Waffer u. Eis, oder Dadurch, 
dag man fie in große, flache Bortihe (Kühlichifte) 
bringt, u. führt fie dann in die am beften aus 
Holz conftruirten Gährungsbottiche, die eineu durch— 
ihnutlihen Inhalt von 3000 1 baben. Dur 
Zuſatz der erforderlihen Menge Hefe (das Stellen 
der Maiſche) wird nun die Gährung eingeleitet, 
nach deren Beendigung (3—4 Tage) die wein- 
gare oder reife Mariche jofort gebrammt wird. In 
neuerer Zeit bat man verfucht, die Anwendung 
von Malz ganz zu umgeben u. unter Abänder- 
ung des Maiihverfahrens die Berwandelung der 
Stärke in Zuder durch gewiſſe Beftanbtbeile des 
Schrotes jelbit zu bemirten. Die Herftellung der 
Maiſche ans Kartoffeln bedingt ein etwas anderes 
Verfahren, da diejelben jhon 72 pCt. Wafler ent» 
halten, Die Kartoffeln werden zunächſt in Trem- 
meln gewajchen, in großen hölzernen Kübeln mit- 
tel8 Dampfes gekocht u. jofert zwiſchen hölzernen 
oder eilernen Walzen möglichft fein zerqueticht. 
In neueſter Zeit bat man das Kochen der Kar» 
toffeln in gefchloffenen Keffeln mit geipannien 
Waſſerdämpfen (14—1$ Atmoiphären) vorgenom- 
men, Ste werden dadurd fo vollftändig erweicht, 


production ermöglicht wird. Das B. wurde früher daß ein Quetſchen derielben nicht nöthig if. Dem 
nur im Kleinen betrieben; ſeitdem aber der alfo= | heißen Brei jet man nun in den Matjchbottichen 
holreihere Spiritus (mit 60— 80 pCt. Allohol) Gerſtengrünmalz (5 Theile auf 100 Theile Kar- 
in den Gewerben eine mannigjahe Berwendung toffeln) u., wenn nöthig, jo viel heißes Waſſer zu, 
finder, ift das B. mehr u. mehr dur die Maſſen- daß im Ganzen auf 1 Theil Trodenfubllanz 4 
fabrifation verdrängt worden, bei melcher unter) Theile Waſſer vorhanden find, u. überläät das 
Anwendung der neueren, zwedmäßiger conftrutr- Gemiſch bei einer Temperatur von 40—50° einige 
ten Brenmapparate fofort Die au Alkohol reicheren Stunden fih ſelbſt. Iſt die VBerzuderung beendet 
Flüſſigleiten (Spiritus, Sprit, Weingeift) gewon- ſo wird die Maifche möglichft raſch gekühlt ı1. Durch 
nen werden. In Deutjchland beugt man als Zufag von Hefe in Gahrung verfegt. Bei nor» 
Rohmaterialien zum B. hauptſächlich Getreide u. malem Berlaufe derfelben ift die Maiſche in 23 
Kartoffeln. Das B. zerfällt im 3 verſchiedene bis 3 Tagen zur Deftillation reif. Das Leplay- 
‚ Operationen: 1) die Herftellung einer zuderhaltis ſche Verfahren, nach welchem die Überführung der 
gen Flüffigfeit (Maiſche), 2) die Gährung derſel- Stärke in Zuder durch Kochen der roh geriebenen 
ben, wodurd der Zuder in Weingeift übergeht, | Kartoffeln mit verdünnter Schwefelſäure erfolgt, 
3) die Abſcheidung des Weingeiftes durch Deſtil- hat ſich in der Praris als wenig vortheilbaft be- 
lation, das eigentlihe Brennen. Zur Herftellung währt. Die mweingare Maiſche befteht aus nicht- 
von Maiſche aus Getreide benutzt man im der flüchtigen Körpern Hülfen, Faſern, Hefe ıc.) u. 
Regel zwei. Getreidearten (Roggen, Weizen, aus flüchtigen (Waſſer, Alkohol, Fuſelöle), die 
Gerfte), die erfahrungsmäßig eine größere Aus- durch Deitillation von den erfteren getrennt wer⸗ 
beute geben, als eine. Die Überführung des in den. Der Deftilfirapparat befteht in feiner ein- 
den Getreibelörnern enthaltenen Stärtemehls in fachften Form aus der Deftillirblafe (f. d.) mit 
Zucker (das Berzudern) bewirkt man durch Öerften- dem Helme und aus der Kühlvorrichtung, einem 
malz, welches genau wie bei der Bierbrauerei (j.d.) ſchraubenförmig gewundenen Rohre aus Zinn od. 
dargeftellt wird. Auf 2 Theile ungemalztes Ges Kupfer, welches fi in einem mit falten Waſſer 
treide ninmt man gewöhnlich 1 Theil gemalztes. gefüllten Faſſe befindet und aus deſſen unteren 
Beide werden zunächſt auf Schrotmühlen möglichft | Ende das Deitilfationsproduct (Lutter, Läuter, Lauer) 
fein gefchrotet, mit einander gemischt u. dann mit abläuft. Der Lutter enthält nur 15—20 püt. 
etwas Waſſer von etwa 40% zu einem möglichſt Alkohol u. muß zur Erhöhung feines Altöholge- 


Branntweinmonopol — PBranntweinftener. 


baltes aus einem äbnlichen Apparat wiederholt! 
Das bei: 


deſtillirt (reetificirt, gemeint) werden. 
der Nectification des Lutters zuerft übergebende 
Deitillat, welches jehr alkoholreich ift, heißt der 
Borlauf, das zufetst übergehende Nachlauf. Bei 
den neueren Brennapparaten (von Piftorius, Gall, 
Siemens u. N.) umgeht man diefe wiederholten 
Deftillationen dadurd, dag man Die aus ber 
Brennblaje tommenden Dämpfe, bevor fie in den 
Kühlapparat eintreten, duch Verbichtung eines 
Theils der Waſſerdämpfe alkoholreicher mad. 
Zu dieſem Behufe ſchaltet man zwiſchen die durch 
Dampf geheizte Blaſe u. den Kühlapparat zunächſt 
einen beſonderen Apparat (Rectificator) ein, in 
welchem ſich anfangs das aus der Blaſe foms» 
mende Dampfgemiich verdichtet (Lutter), ſpäter 
aber, wenn die Temperatur hoch genug geftiegen 
iſt, eine neue Deftillation beginnt, die jchon alfo- 
holreihere Dämpfe liefert. Diejelben treten nun 
in den Depblegmator, wo fie durch wiederholte 
Berührung mit falten Metallflächen jo weit abge 
fühlt werden, daß der größere Theil der Waſſer— 
dämpfe u. wenig Allohol fich verdichtet und in 
die Blafe zurüdläuft, während die altoholreichen 
Dämpfe nun erft im der Kühffchlange verdichtet 
werden. Dergleihen Apparate liejewn je nad) 
ihrer Leitung Vroducte von jeder beliebigen Con— 
centration mit 80, ja jelbit 90 pCt. Alloholgehalt; 
ihre ausfithrliche Veichreibung f. u. Spiritusbren« 
nerei. Auf ähnliche Weile werden auch andere 
tärfemeblhaltige Subitanzen auf Branntwein ver- 
arbeitet, wie Zopinambur (Erdbirnen), Mais u. 
Reis. Bei Verarbeitung zuderhaltiger Materia- 
lien fällt wmatürlich der Proceß des Einmaiſchens 
fort. So hat man in neuerer Zeit in Frankreich, 
jpäter auch im Deutichland die Zuderrüben zum 
B. verwendet. Man benutt entweder den durch 
Preſſen der Nüben gewonnenen Saft, ‚oder den 
wäſſerigen Auszug von Rübenſchnitzeln u. verjegt 


791 


nah dem angewandten Maiſch- u. Gährungsper- 
fabren verſchieden: durchſchnittlich rechnet man 
209 kg Kartoffelſchlempe gleih 50 kg Heu. Der 
flüſſige Theil der Schlempe (das Spiticht) wird 
wegen feiner fauren Beſchaffenheit wol auch zum 
Scheuern von Metall benutzt. Der fertige Brannt- 
wein wird auf möglichit große Fäſſer abgezogen 
u. in fühlen Näumen aufbewahrt. Da durch die 
Poren des Holzes fortwährend Waffer u, Wein« 
geift verdunſten, jo müſſen die Fäſſer von Zeit 
zu Zeit aufgefüllt werden. Bei langem Lagern 
geht jedenfalls eine Zerſetzung des Fuſelöls ‚vor 
fih, wodurch der Geihmad des Branntweins 
verbeffert wird; hierin liegt der Vorzug des alten 
Branntweins, wie er namentlich von Nordhauſen 
u. aus dem Miinfterlande in den Handel kommt. 
Bl. Guß, Praktiſche Unterweiſung im Breunerei— 
betriebe, Berl. 1875; Körte, Branntweinbrennerei, 
2. Aufl., Brest! 18705 Kreplin, Fortichritte der 
Branntweinbrennerei, Lpz. 1868; Wehmers, Sri« 
ritusbrennereibetrieb, Aſchersl. 1869; Gumbinner, 
Wegweiſer zur Spiritusfabrikation, 2. Aufl., Ypz. 
1872; Hamilton, Brennerei-Erfahrungen; 5. Auft., 
7p3. 1873; Schwarzwäller, Lehrbuch der Spirits» 
fabrifation, 4. Aufl, Hann. 1874. Six. 
Branntweinmonopol ift das der Hegierung 
oder einzelnen dazu privilegirten Perionen zulom⸗ 
mende Recht der ausſchließlichen Branntweinerzeug« 
ung im Ztaate oder in einem beftinmnten Bezirke, 
Das B. beftand bis 1862 in Rußland, wo dass 
jelbe an Generalpächter verpachtet u. der Brannt- 
weinverfauf nur in beftimmten, der Krone achö- 
rigen Schenken geftattet war, die Banern aber 
auch 3. B. unter Kaifer Nikolaus gegemüber den 
Beitrebungen der Mäßigleitsvereine, gegen welche 
Verbote ergingen, mit Gewaltanmendung zum 
Branntweintrinken gezwungen wurden. In Schwe— 
den war die Branntweinbrennerei bis 1857 Prie 
vilegium der herrſchaftlichen Grumdeigenthümer, 


denjelben durch Hefe fofort in Gährung. Nach Heute it das B. in Europa mol tiberall aufge 
dem Berfahren von Leplay werden ‚bie Rüben: |hoben; fiir das Deutfche Reich geichab es durch 
ihnigel felbit in Gährung veriegt u. in befonde- 5 7 der Gem.-Drdn, vom 21. Juni 1869. 

ven Apparaten ber entitandene Alkohol duch) Branntweiniteuer, die von der Branntwein« 


Waſſerdämpfe abgetrieben. Weingeijtbaltige Flüſ— 
figteiten (Bein, Bier, Objtwein) werden ohne 
jede weitere Vorbereitung in Apparaten, die ähn- 
li, wie oben angegeben, conftruirt find, gebrannt. 
Die bei der Gährung des Zuders, namentlich in 
concentrirteren Löſungen u. bei höherer Tempe— 
ratur fich bildenden Fuſelöle (Getreidefujelöl, Kar- 
toffelfujelöl, Nübenfwielöt) find alle weniger flüch— 
tig, als Weingeift u. Waſſer, u. zeigten ſich des— 
halb bei den - älteren einfachen Brennapparaten 
erft gegen Ende der Operation, während fie bei 
den neneren großentheild in den Mectificatoren u, 
Dephlegmatoren zurjidbleiben. Die vollitindige 
Entfernung derjelben (Entfufeln des Branutmeins) 
gericht durch Knochenlohle. Man leitet Die 

ämpfe vor ihrer Verdichtung durch Cylinder, 
die geobgepulverte Koble enthalten Fallmaunſcher 


Apparat), oder man filtrirt Dem fertigen Brannt-|1862 beſteht fie auch im 


erzeugung durch die Regierung eingehobene Ab- 
gabe. Die B. gehört mit zu den für die enro- 
paiſchen Staaten wichtigſten, fogen. indirecten 
Steuern; fie beiteht fait überall u. fiefert in den 
Rordftaaten, insbefondere in Großbritannien u. 
Aland, Rußland, Schweden, Norddeutſchland, u. 
in Oefterreih das größte Erträgniß miter den ber 
jtehenden Getränteftenern. Die B. wird entweder 
von den zur Branntweinbreimerei beſtimmten 
Rohftoffen, der Maiiche (daher auch Maiichftener), 
nad dem Bottichraume, in welchem dieſelben den 
Gährungsproceß durchzumachen baben, erhoben 
(Matihraumftener), oder es mird die Steuer von 
der Menge des erzeugten Deftillats ſelbſt u. nach 
feinem Alloholgehalte berechnet (Spiritusitener). 
Letztere Methode ift zuerft in England, fpäter in 
Frankreich u. Holland üblich geworden; feit 1. Nov. 
Dfterreih. Die Haupt 


wein in bejonderen Filtrirapparaten Durch Knochen⸗ hope für dieſe ohne Zweifel befte Art der Steuer- 


lohle. Der in der Blaje bleibende Rückſtand (die | 


einhebung bleibt aber die Herſtellung entfprechen- 


Schlempe) enthält namentlich die jtiditoffreichen; der Meßapparate, melde in vollfommener Weile 
Beftandtheile des angewandten Diaterial® u. dient biß jetst noch nicht gelungen ift. In Preußen wird 
als Viehfutter; fein Futterwerth iſt natürlich jeider Branntwein nad dem Geſetze vom 8. Febr, 


792 


1819 auf Grund des allgemeinen Steuerfages von 
1 9. Ör. 3 Pf. von 4 Quart Blajeninhalt u. in 


Branntweinwage — Brant. 


bier fcholaftiiche Philoſophie, wurde 1477 Bacca- 
laureus, ging dann zur juriftiichen Facultät über, 


fteigenden Sägen von 4 zu 4 Quart Blafeninhalt/wurde 1484 Yicentiat des Kanoniſchen echtes, 


bejieuert. Es fünnen aber auch Brenmereibefiger 
zu einem erhöhten oder geringeren Blajenzins ver 
pflichtet jein, fowie die Steuer auch durch einen Ber: 
trag mit der Steuerverwaltung firirt werden kann. 
Nach den für die neuen Provinzen u. die anderen 
zum Norddeutſchen Bunde gehörigen Gebietsthei- 
len erlafjenen Gejegen beträgt Die Steuer von dem 
um Inlande erzeugten Brauntwein fir das preuß. 
Duart zu 50 p&t. Wlfoholftärte nach dem Allo- 
holometer von Tralles Sgr., u. wird fie er- 
boben: a) bei der Bereitung des Branntweins aus 
Getreide oder anderen mehligen Stofien nach dem 
Rauminhalte der zur Einmaiſchung oder Gäbrung 
der Maiſche bemutten Gefäße (Maiſchbottichſteuer); 
b) bei der Bereitung des Branntweins aus nict- 
mehligen Stoffen nah der Menge der dazu zu 
verwendenden Materialien (Brauntweinmaterial- 
fteuer). Dies iſt in fo fern von Einfluß auf den 
Fruchtbau, als die ſtärkemehlreichſten Stoffe, alſo 
Getreide und Kartofieln, Die wichtigiten Nabe» 
ungsmittel, zur Braumtmweinerzeugung verwendet 
werden und deren Anbau befonders rentabel ift. 
Die B. ift überall im Verhältniſſe zu den an« 
deren indivecten Steuerarten jehr hoch bemeſſen, 
in Großbritannien am höchſten, u, zwar mit 8 Sh. 
per Galloue od. 25 Sgr. 5} Pf. pr. preuß. Quart. 
In Frankreich berechnet ſich die Steuer auf 9 Sgr. 
2Pf. u. in Holland auf 4 Sgr. 44 Pf. pr. preuß. 
Quart. Um die kleinen mit dem Yanbwirtbichafts- 
betriebe verbundenen Brennereien vor der Concur— 
renz der fjabrifmäßig betriebenen großen Bremer 
reien etwas zu ichiigen, bejtebt in Preußen, Sachſen 
u. Thüringen für ſolche, weiche nur vom Nov. bis 


womit die Befugniß zu lehren u. zu advociren 
verbunden war, promapirte 1489 ald Doctor 
beider Rechte u. zog 1500 nah Straßburg. Sein 
Wirken in diefen beiden Städten fiel in die Blüthe⸗ 
jet des deutichen Humanismus, deſſen bervor- 
rageudfte Korppbäen, wie Agricola, Wimpheling, 
Tritheim, Reucdlin, Weflel u. A., zugleich mit B. 
in Bajel waren. Der Kampf zwiichen dem beiden 
Iiholaftiihen Parteien der Nominaliiten u. Reali« 
ften jah den übrigens gauz orthodor u. päpjtlich 
gefinnten B. anf der letteren Seite. Im Streite 
zwiichen Reuchlin u. den Kölner Obſcuranten 
(1513 ff.) vermieden B. u. die Seinigen jede 
Außerumg. Bei dem Auftreten Yuthers gegen Die 
römifche Hierarchie blieben fie neutral. Aber aus 
dem Bajel-Straßburger Kreiſe ging ein Geſchlecht 
hervor, das für den neuen Geift der Geſchichte 
eintrat. B⸗s Andenken fmüpft ſich heute fat mar 
noch an fein Narrenichiff; er war aber fruchtbar 
an lateiniichen wie an deutichen Gedichten u. 
fuchte durch fie für Religiofität u; praftiiche Le⸗ 
beusweisheit, auch für die Verbreitung feiner po- 
litiſchen Ideen zu wirfen; er that es auf illu» 
itrirten fliegenden Blättern. In vielen von bie» 
ſen Gedichten drüdte er fein Verlangen nad 
Wiederherſtellung der chriftlihen Weltherrichaft 
unter Kaifer u, Reich durch den römiſchen König 
u. nachherigen Kaifer Marimilian L aus; er 
geißelte die inneren Schäden des Reiches, die 
Zwietracht unter den Ständen, ihren Ungehorſam 
gegen das Neihsoberhaupt, die dadurch herbei» 
gerührte Bloßftellung gegen die Türken, die Bünd« 
niſſe mit dem Auslande, Die Kraft diefer Ge— 


Mitte Mar u. pr. Tag nicht mehr als 1100 Kannen dichte erlahınte aber an der kirchlich- politischen 


brennen, die ermäßigte Steuer von 23 Sgr. für 20 
Quart Maiihraum. In Oſterreich wird feit 1868 
die B. bei allen Brennereien, welche zur Bergäbrung 
der Maifche beſtimmte Gefäße von mindeitens 30 
Eimer Rauminhalt verwenden, von der Quantität 
der Erzeugumg mit 5 &r. für jeden Grad Allkohol 
erhoben. “ine Beiteuerung ‚de Branutweins, 
durch weldye derſelbe jo jehr vertbeuert wiirde, 





Kurzfichtigfeit B-8 u. feiner „zreunde. Nachdem 
B. jih durch Berbeurihung lateinifher Dichtun- 
‚gen für die nationale Dichterſprache geichult hatte, 
‚begann er die Ausarbeitung feines Narrenſchiffes. 
Die erſte, höchſt elegante, mit Holzſchnitten ver- 
ichene Ausgabe, von der fi ein trefflich erbalte- 
nes Eremplar in der Königlichen Bibliothel zu 
Berlin befindet, veranftaltete B-8 Freund Jobann 


daß fein Preis für die ärmeren Vollsklaſſen un- Bergmann von Olpe in Baſel 1494. Das Bud 
erihmwinglih wäre, jcheint durch den bejtchenden wurde mit ſtürmiſchem Beifall aufgenommen u. 
Mißbrauch moraliſch geboten zu fein, und diejejverbreitere fi mir wunderbarer Schnelligkeit im 


Anſchauung wird zur Veriheidigung der beftehen: 
den hohen B. auch vielfady gebraudt. Allem that- 
jählih läßt ſich troß der hoben u. ſteigenden Be— 
fteuerung nirgends eine Abnahme des Brannt- 
weingenuffes, wegen der gleichzeitigen Preisſtei— 
gerung auch aller anderen Arten geiftiger Ge» 
tränte, wahrnehmen. Eine derart hohe B., welche die 
“bnahme der Brennereien zur Folge hätte, wäre 
aber auch voltswirtbichaftlich nicht zu vechtiertigen, 
Bgl. Engel, Die B., Dresd. 1853; Salviati, Zur 
Fabrikfteuerfrage in Betreff der Spiritus u, Rü— 
benzuderfabritation, Berl. 1860; Janle, Die divecte 
Beiteuerung des Spiritus, Berl. 1864. 

Branntweinwage, jo v. w. Altoholometer; 
f. u. Altoholometrie. 

Brant( Brandt), Sebaftian,beutfcherGelebrter 
u. Dichter, geb. 1458 in Straßburg, Sohn ariner 
Eltern; bezog 1475 die Univerſität Bajel, jiudirte 


Deutſchland u. anderwärts. Tritheim nannte es 
eine göttliche Satire; Winpbeling wollte es in 
den Schulen einführen; Locher u. feine Freunde 
erflärten es für den Anfang der deutichen Boefie 
u, ftellten feinen Berfaffer mit Dante zulammen; 
Hutten urtheilte ähnlich. B. jchildert hier in einer 
oberflählihen ſymboliſchen Einfleidung die plane 
Iofe Fahrt der Menſchen u, ihren emigen Unter- 
gang. Mit der dem Geſchmacke des Zeitalters 
entiprechenden Auffaflung der menfchlichen Fehler 
als Narrheiten vereinigt er den fittlihen, bis 
zur Aſkeſe gefteigerten Ingrimm über diefe ge» 
meine Berfehrung Des menkälichen Weſens. Sein 
chriſtlicher Standpunkt hindert ibn nicht, in zahl» 
reihen Beiipielen auf die fittlihe Weisheit der 
Griechen binzudeuten. Der Kern jeiner Lehre 
zielt auf Gelbjterfenntnig, den Mittelpunkt der 
jalten Erhif. (Bgl. Gervinus, Geſchichte der deut- 





Brantome — Brafilien (Geogr. u. Statiftif). 


793 


ſchen Dichtung, 5. Aufl. IL, 619 ff). B⸗s lite- anmuthig u. lebhaft plandernder Schriftfteller, ein 
rariiche Thätigleit ſchloß im Wejentlihen mit ſei- ſcharffinniger Beobachter, aber ohne Tiefe in ber 


ner lberfiedelung nach Straßburg. 
er auf bie eg Geilerd von Kaifersberg 
das Syndicat u. die Abvocatur von Straßburg, 
1503 das Amt eines Stadtichreibers. Um das 
ftäbtifche Archiv erwarb er ſich große Berbienfte. 
Marimilian ernannte ihn zum Kaiſerl. Rath u. 
beſchied ihn als foldhen wiederholt an fein Hof- 
lager. Der Rath betraute ihn mehrmals mit 
Sendungen in wichtigen ftädtiichen Angelegenbei- 
ten. B. ft. 10. Mai 1521 in Straßburg. Seine 
Schriften find am vollftändigften verzeichnet in 
A. W. Strobels Beiträgen zur deutſchen Literatur, 
Bar. u. Straßb. 1827, ©. 17 ff.; Ausgabe des 
Narrenihiffes non Demjelben mit Biographie, 
Quedlinb. u. Lpz. 1839; Fr. Zarnde, Sebaftian 
B⸗s Narrenſchiff, Lpz. 1854; Einleitung, das 
Narrenschiff, Text nebft den Barianten u. dem 
Anhängen (lateiniſche u. deutiche Gedichte B⸗s, 
Proben von feinem projaifhen Stil, Proben aus 
den verſchiedenen Überjegungen des Narrenſchiffes, 
aus %. Geiler von Kaifersbergs Predigten fiber das 
Narrenſchiff); Commentar, AusgabedesNarvenichif- 
fe3, von 8. Gödede, in den deutſchen Dichtern des 
17. Jahrh., mit Einfeitungen u. Wortertlärungen, 
berausg. von 8. Göbede u. J. Tittmann, Bd. 7, 
vpz. 1872; neuhochdeutſche Überfegung, mit B⸗s 
Bıldniß u. den Nahbildungen der Holzfchnitte u. 
Randleiften, von 8. Simrod, Berl. 1872. Bal, 
Zarnde, Vorgeſchichte des Narrenſchiffs, %pz. 
1868— 71, 2 Hefte. 

Brantöme (Branthome), Stadt im Arr. Peri- 
ueur des franzöfiihen Depart. Dorbogne, an der 
röme; Statiof der Orleans + Eifenb.; prächtige 

Stiftsfirche; guter Rothwein; Wollenzeugweberet; 
Handel mit vorzügliden Zrüffeln; 2591 Ew.; 
dabei Steinbrüde. 

Brantöme, Pierrede Bourdeilles, Seig- 
neur de, nad einer ihm von König Heinrich IL 
ertheilten gleichnamigen Abtei, franz. Sihriftfteller, 
ge: um 1540 in Berigord; war Kammerherr der 

önige Karl IX. u. Heinrich III., begleitete Franz 
von Yotbringen nah Italien, Schottland u, Eng- 
land, zog 1662 mit gegen die Hugenotten, wohnte 
1564 dem Angriffe auf Belis in der Berberei 
bei, vertheidigte 1566 Malta gegen die Türken, 
1567 u. 1568 Peronne gegen die —— 
nahm an der Belagerung von Röchelle theil, 
fehrte um 1574 on den 
nad dem Tode Heinrichs III. auf fein Gut zurüd, 
wo er 15. Juli 1614 ftarb. Die bejten Ausgaben 
feiner 1666 zu Leyden zuerft veröffentlichten 
Oeuvres find erjchienen: Haag 1740, 15 Bde., Par. 
1787, 8 Bbe., 1823 (von Monmerque, 8 Bde., die 
befte), 1858—59 (von Lacour), 1865—71 (von 
2alanne). Sie enthalten: Mömoires de Pierre de 
Bourdeilles, deutjch von Alvensleben, Grimme; 
Vies des hommes illustres et grands capitaines 
ötrangers, 1851; Vies des hommes illust. et 
grands capit. frang.; Vies des Dames illustres, 
Vies des Dames galantes, Rodomontades espag- 
noles u, f. w., worin auch einige Abhandlungen 
jeines älteren Bruder Andre de Bourdeilles, 
eines Diplomaten unter Heinrich II. u. Karl IX., 
enthalten find. B. ift ein naiver, geiftreicher, 


1501 erhielt | Beurteilung der Ereigniffe und Charaktere und 


ohne fittlihen Gehalt. Seine Werke find eine 
Hanptquelle fiir die Geſchichte des 16. Jahrh., da 
er an faft allen damaligen Kriegen theilnahm und 
faft allebedentenden Berlönlichkeiten fannte, Boldert.* 

Braouezec, 3. E., franz. Reijender, geb. 
28. Oct. 1828 zu Morlair in der Bretagne; 
diente erft im der franz. Marine, erforichte als 
Schiffscommandant die Gegenden am Gabım u. 
Senegal in Afrifa, war feit 1863 franz. Conful 
in Sierra Leone, wo er fi aber durch feine 
Forſchungen eine Mimatishe Krankheit zuzog, an 
welder er 3, April 1870 in Frankreich ftarb, 
Seine Schriften find im Bulletin der Parifer 
Geogr. Gejellih. a. in der Revue maritime et 
coloniale enthalten. 

Brasdii, Giovanni Angelo, eigentficher 
Name des Papftes Pius VI. 

Brafidas, einer der tüchtigften Spartaner, . 
melde die Geſchichte kennt, Sohn des Tellis; ge 
hört mit feinen Thaten dem erften Drittel des 
Peloponnefifhen Krieges an. Geine raiche Ent» 
fchloffenheit rettete i. {}. 431 das meſſeniſche Me- 
thone vor einem Angriffe der Athener. Seitdem 
durch manche neue Probe feiner Kühnheit und 
Tapferkeit beriifmt geworben, entwarf er bem 
Plan, zur Zeit als Sparta durch die Niederlage 
von Pylos u. Sphafteria tief gedemiltbigt war, 
Athens Macht zu erichüttern, indem man jeine 
Symmachie zertrümmere. Mit nur 1700 Hopli« 
ten 30g er i. J. 424 in Ellmärſchen nad Male⸗ 
donien, wo er binnen kurzer Zeit eine Menge bel« 
leniſche Seeftädte, vor Allem das hochwichtige 
Amphipolis, durch feine Gewandheit u. Energie 
zum Abfall von Athen bradte. Es war ein 
ſchwerer Berluft für Sparta, daß er ſchon im 
%. 422 in einem Treffen bei Amphipolis fiel, 
©. Beloponnefiiher Krieg. Amphipolis ehrte ihn 
als Heroen, u. ihm wurden dort u. in Sparta 
die Brasideia gefeiert. Hergburg., 

Braiilian, jo v. w. Edler Topas. 

Brafilianer - Hühner, aus Brafilien nad 
Deutfchland importirte Hühner. Ihr Kopf iſt 
lang u. flach, mit Meinem, niedrigem u. flachen 
Kamme, die Gurgel unbefiedert; fie haben einen 
ven Schnabel, gelbe, fahle u. hohe Füße; der 

chwanz iſt ziemlich kurz, Flügel ſehr kräftig, 


of zurüd u. zog ſich Geſicht fahl u. faltig; ihr Ausdrud ift wild und 


fampfluftig; fie legen fleißig, aber nicht fehr große, 
gelblihe Eier u. brüten ſehr gut. Sie ziehen 
fih, namentlich wenn fie micht im Freien ſich bes 
wegen können, gern gegenfeitig die Federn aus; 
man thut deshalb gut, fie auf einem freien Gras» 
plage fi bewegen zu laſſen, oder ihnen reichlich 
Salat u. anderes Grünfutter zu geben. 

Brafilianifche Piteratur, j. u. Portugiefi- 
ſche Piteratur. 

Brafilianifcdyer Thee, j. Stachytarpha. 

Braſilien, Kaiferreih in SAmerita (Hierzu 
eine Karte). Geographie u. Statiftil. Das 
Land (44 von Europa) reicht, objchon die Grenzen 
noch nicht überall feftgeftellt find, von 4° 17' n. Br. 
bis 33° füdl. Br. u. vom 16% 50° bis 54% 19° 
weſtl. Länge (von. Ferro) u, grenzt im NW. an 


794 Brafilien (Geogr. u. Statiftik). 


Columbia, im N. an Benezuela, Britiih-, Hol-!B-8 (2700 od. 3140 m), nad San Paulo hinein, 
ländiſch⸗ und Franzöſiſch-Guiana, im DO. und S. | während im N. bis nah Bahia fi) erftredende 
an den Atlantiichen Ocean, im SW. an Uruguay, | Bergfetten, Serra de Chapada u. als öftlichfier 
die Argentiniſche Conföderation u. Paraguah, im Zweig Serra de Sincorä fih anichließen. Weit 
W. an Bolivia, Peru u. Ecuador. Flächenraum lich von diefem erfüllen zahlreiche Gebirgszüge die 
u. Bevölferung vertheilen fib auf die zwanzig Provinzen Goyaz u. Matto Grofjo, jo die Serra 
Provinzen des Kaiferreiches folgendermaßen: Geral in Maranhio nah S. unter zahlreichen 
— — — — — nn Namen in vielfachen Krümmungen ftreihend und 
Provinzen. | km. | IM.  Yeoelterung [unter 20/,° |. Br. an die Serra dos Bertentes 
— — — —aanſcchließend, die Waſſerſcheide zwifhen S. yran- 
1901,07 86,439) cisco u. Parana. Sie ah jandigen Hügel» 

1,068,237 19,400 350,000 2 : — 
lande der Campos dos Parecis, welches aus pa— 








Alto-Amazonas 


ug | 
Sräo Para 


i ã 366,862 ;62 500 - 4 A = 
— | J— * en vallelen Rüden lofen Sandes beſteht. Auf dieſes 
Gearä | 130174 2864 550.000 Gebirgsdreied folgt im NO. iu ben Provinzen 
NiograndedoNorte 52,134  M7 240.000| Bahia. Pernambuco u. meiter nördl. ein Hügel» 
Parabyba | 526981 957) 300,00ojland vom ehe verkhiedenem Gharaler, iheiB 
Bernambuco | 119.800| 2,175 1,2 20.000 fruchtbare Höhenzüge, theils vegetationslofe Wüfte, 
Alagoas 30.159] 547 300.000 allmählich im die große Ebene des Amazonen»- 
Sergipe 31177 566! 320.000 ſtromes u. ‚jener Nebenflüſſe abſallend, welche den 
Babıa 630.416 9.632 1.450.000 nördl, Theil Bes bilden. Im SW, ſchließt ſich 
Eſpirito Santo 44,105 80 1! 100.000 dus Hügelland des unteren Parana, im S. bie 
Nio de Yarerro 47,888 870! 1,850,000 Ebene des Barana, die im die benachbarten Staa- 
São Paulo 234.491 4,2581 900,00ojten weiter fich erfiredt, an. Die Thäler zwiſchen 
Barand 281.151) 5.106 120.000 den Bergen erzeugen nur Sträuder u. niebrige 
Santa Catarina | 49.012 890| 200.000 Bäume, die Ziejebenen deckt Urwald, u. die Höhen⸗ 
Rio grande do Sul 286,130 5,184, 580,000|"üden beitehen zum Theil in Grasſlachen wogegen 
Minas Gerats 615.053! 11.1701 1,660.000 dichter Wald die Flüſſe umfäumt, In den flachen 
Sonaz 682.108 12 —* 250.000 Gegeuden erſcheint das Fettgras u. verzehrt die 
Matto Groſſo 1,731.740 81,450. 100,000 übrige Vegetation. Der Bauer düngt u. pflügt 





daher nicht, joudern brennt Wald. nieder, macht 2 
Ernten u. läßt wieder Bäume wachſen, un fie nach 
7 Jahren abzubrennen u. neue Ernten zu haben. 
Dieje Geftrüppvegetation beißt Capotiras. Iſt der 
Boden erichöpft, fo ericheint Farnkraut u, dann 
das Alles ertödtende Hlebrige Gkas Capim gor- 
dura (Tristegis glutinosa) oder Feittraut, und 
ſ. Br; 35 km; unbewohnt, Die Bildung einer nun ift Anbau unmöglich. Man muß neuen Wald 
neuen Provinz San Francisco aus Theilen von roden. Waldgegenden beißen, Matos, offene umd 
Babia u. Minas Gerads ift projectirt, die Gren- |unbemwaldete Stribe Campos, mit Schluchten u. 
zen aber noch nicht genau bejtimmt, jeuchten Niederungen Brejvs. Unträftigen Pflan— 
B., bis zum Anfang diefes Jahrh. total abge- zenwuchs findet man in den Catingas, dichtes 
ſchloſſen u. auch jetzt noch bis über die Hälfte uner- | Seftrüpp erzeugt Zwergwälder (Canıascos oder 
forſcht, zerfällt feiner Bodenbejhaffenheit nad) | Carrasqueinvs), u. Urwaldinjelu der Ziefebenen 
in ein Gebirgs- u. Hügelland im Innern u. SO., heißen Capo&s. (Bgl. Amerika, ©. 549.) 
in die großen ebenen Flächen am Amazonas u. Die geologiihe Beſchaffeuheit B-5 muß 
Madeira im NW, u, die Niederungen am Parana| mit derjenigen der anftogenden Theile SAmeritas 
im SW. Die Kilftenlänge beträgt an 4000 km;|betrachtet werden. Granit, Gneis, Glimmer« u. 
in.42, aber nicht durchweg guten Häfen eröffnet | Horublendeihiefer ftreihen 350 km breit von der 
fih der Zugang vom Meere, wovon die bedeu-|Ya- Plata-Mündung bis über Bahia hinaus, da« 
tendften die von Alegre, Rio de Janeiro, Bahia, gegen berriht in Goyaz und Para Gneis vor. 
Recife in Pernambuco find, Bon den 20 Provinzen) Stredenmweije ericheinen jene Gebilde auf der OSeite 
berühren nur 4 das Meer nicht: Alto-Amazonas, der Anden, auf der WSeite vom Cap Horn bis 
Matto Groſſo, Govaz und Minas Geraës; die 16| Panama, Thonichiefer, vermengt mit Talkichiefer u. 
übrigen liegen an dey Küfte des Atlant, Oceaus. Itabirit als feinlörnjger Eiſenglimmerſchiefer er 
Das Hochland B⸗s wird durch die Wafjeradern ſcheint in Maffe in der Serra dos Vertented u. 
des Dladeira u. des Paraguay vom Gebirgsigftem bei Cayıba m. füllt in 6—10 m mächtigen gold- 
der Gordilleren geichieden.. Au feinem DNande führenden Schichten die Serra do Ejpinhago der 
erhebt ſich das Finengebirg Serra do Mar, das Prov. Diinas Geraes. Ausgedehnte Gebirge Diefer 
von der Provinz 5. Catarina au nah N. nicht | Serra u, der dos Bertente® von ©. Joao bel 
weit dom Geftade dieſem parallel gebt, die Prov. Rey bis Billa da Rainha bildet der diamanten- 
Rio füllt u. bis zum Parahyba reiht. Ihm pas führende Ftalolumit, ein Lörnigichieferiges Geftein 
ralfel, vielfach verbunden, in einer Entfernung von /aus Quarz u. Talk od. Chlorit. Graumade ift 
300— 8360 km dehnt ih das Riidgratgebirg (Serra |vft gemengt oder unterlagert von Thonjciefer, 
do Ejpinhago) aus. Es durchſtreicht von N. nad) enthält Übergangskall und rothen Saubjtein im 
S. Minas Gerats, reiht als Serra do Manti- ganzen Franciscothal u. bildet Höhlen mit Säuge 
queira mit dem Ftatiatoffu, dem böchften Berge jthier-Uberreften. Im W. u. N. B⸗s hat ber 


Dazu Indianer | 500,000 
Summe |8,515,848/155,048|11,780,000 

Dazu fommen noch zwei Inſeln im Allantiſchen 
Ocean: 1) Fernando do Noronba, zur Brop. Rio 
Grande gerechnet; 74 [_ km, mit einer Strafcolo« 
nie von 1530 Seelen. 2) Trimidade, unter 20° 





nr nn — — — — — — — —— 





Brafilien (Geogr. u. Statiftif). 795 
rothe Sandſtein weite Verbreitung, ericheint audh in den Provinzen Säo Paulo, Goyaz u. Matto 
Quaderſandſtein. Er bildet die Bergzüge vom Cap —5— ohne ſich jedoch zu vermehren, da die Ber- 
Roque bis zum Madeira, die Miüfte von B, und bindung der Kite mit den Golbdiftricten jehr 
die jandigen Campos dos Parecis u. wird vom ſchwierig ift. Der jährliche Gewinn wird jet auf 
Urgebirgsivftem am oberen Araguay in eine öftl. 90,000 Karat geſchätzt, u. 20 p&t. deſſelben fallen 
u. wejtl, Platte geſchieden. Der Tapanhoalanga an ben Staat, das übrige geht meiſt über Meer. 
lagert 2—3 m mächtig auf Hängen u. Bergriden Nächftvem werden Platina, Eifenerze, Kochſalz, 
bei Congenbas do Campo, bei Bıllarica sc, Bul-/Stein- u. Braunfohlen u. j. w. gewonnen. Cine 


caniſche Gebilde find auf der OSeite der Anden] 
jelten (Rio grande do Sul). Tertiärgebifde füllen die 
ungebeuren Streden zwiihen den Anden ı. den 





reiche Thierwelt durchftreift Die weiten Flächen des 
menjchenarmen Yandes; zahlreihe Bertreter des 
Katzengeſchlechtes, Affen in zahlreichen Arten, Sta- 


Gebirgen OB⸗s von der Diagelhaensitrage den La chelſchweine, biutjangende Fledermäuſe u. a.; an 
Plata u. Amazonas entlang bis zu den Mlanos von Vögeln die zahllofe Maffe von Papageien u. Ko» 
Venezuela u. enthalten Braunkohlen, Schotter, |libris, die Heerden der Emun. ſ. w. Amphibien 
Sand u. Pampasiehm. Letzterer gehört ſchon find vertreten durch Schlangen der verichiedenften 
zum Diluvium, melches alle Gebirge als Tanga Arten, Boa, Klapperſchlange, Allıgatoren u. Schild- 
bededt u. zu dem vielleicht der Tapanhoafanga kröten; ein erft neuerdings mehr erforfchter Neich- 
gehört. Alluvium, al$ Cascalho diamantführen- thum an Fiſchen erjült die. Ströme. Befonders 
des Gebild, überdedt die Serra do Frio u. do groß ift auch der Reichthum am Inſecten, nüglichen 
Grao Mayor u. die Sertao des S. Francisco, ſowol, wie Bienen, Seidenraupen, als aud) ver- 


B. gehört zu den an Strömen reichften Yändern 
der Erde. Der unermeßliche Wafferreihtium u. 
die durch das ganze Land ziehenden Verzweig— 
ungen der Stromfyfieme find, wie einerſeits ein 
Grund der üppigften Vegetation, anderjeits ber 
befte Weg zur erweiterten Erforſchung des Landes 
u. Nutzbarmachung feiner Product. Den N. er 
füllt der bei Tabatınga eintretende, ſchon ſchiffbare 
Amazonenitrom mit jeinen Nebenflüſſen, auf dem 
linfen Ufer Rio Negro, durch den die Verbindung 
mit dem Orinoco hergeftellt wird; auf dent ved)- 
ten Madeira, Tapajos, Zingu (f. d.). Diefe, jo- 
wie der mit ihm an der Mündung zuſammentreffende 
Tocantins erſchließen den Weg in die inneren Bros 
pinzen Matto Groſſo, Goyaz. Bon ©, bieten die 
dem Ya-PBlata-Spyftem zueilenden ‘Parana u. Uru— 
guay die Gelegenheit zum Eindringen in das In— 
nere. Daneben jtrömen zahlreiche Flüſſe direct 
dem Atlant, Ocean zu, der S. Francisco in Bahia, 
der Doce aus Minas Gerads, der Parahyba bei Rio 
de Janeiro, der Yacuy in Rio Grande do Sul u. a. 

Das Klima B»s tft im Allgemeinen ſehr mild 
u. geſund. Im N. gibt es gleihmäßig zwei 
Jahreszeiten, eine trodene u. eine naſſe, welche 
ungefäbr am 1. Juli w. 1. an, beginnen. In 
den Waldgegenden des DO. herrſcht oft guoe 
Dürre. Rio empfängt 900—1300 mm Wegen. 
In der trodenen Jahreszeit find die Morgen u. 
Abende fühl; während des Hegens herrſcht Wind- 
file. Im Paranagebiete regnet es manchmal in 
Jahren nicht, im beißen Paraguaygebiete fallen 
tropische Regen. Die Tafelländer (Campos) haben 
kurzen, feichten Winter. Weltberühmt ıft B. durch 
feine edlen Mineralſchätze; namentlih Dia- 
manten (zuevft 1728 gejunden), Topaſe, Berylle, 
Amerhyfte, Achate. Der Erfteren Hauptfundorte, 
deren ungefundes Klima vielen daber befhäftigten 
Arbeitern das Leben fofter, find in den Provinzen 
Säo Paulo, Goyaz, Minas Geradg mit einen be- 
fonders reihen Bezirke Diamantina, Matto Groſſo, 
welche Hein, aber von reinſtem Waſſer find, und 
Bahıa bei Eimcora, die für bie geringfter gelten. 
Die jährliche Ausbeute wurde auf ungefähr 12,000 





derblichen u. läftigen, Ameijen, Mostkitos u. pracht- 
vollen Arten von Schmetterlingen. Nicht weniger 
üppig entwidelt iſt die Flora B-8: Cedern, 
Palmen, u. a. (Näheres über die Thier- u, die 
Pflanzenwelt j. Arnerifa (Bd. I., 5. 547 u. 550). 
Belonders charakteriſtiſch für B. jind die jog. Wald» 
producte. Hiermit bezeichnet man in’ Para die 
um Urmwalde gejammelten Nutzwaaren. Indianer 
jammeln am jandigen Strende des fischreichen Ama- 
zonas an 48 Mill. Schildfröteneier u, verkaufen 
25,000 Etr, Schitdfrötendl. Andere ſammeln von 
den großen Sapucayasbäumen die Brafiluuf, nod) 
Andere zapfen aus der Siphonia elastica, einer 
Enphorbiscee, den Milchſaft des mit einer Muſchel 
angefchnittenen Baumes, diden ihn ein, gießen ihn 
ber Holzformen (Seringa) und bringen ihn als 
Kautſchuk (400,000 Arroben) nah Para. Noch 
Andere jammeln Sarfaparille (9000 Arroben), die 
Neben einer 6--7 m langen Schlingpflanze, Tonta- 
bohnen (Cumari), Guarand (Samen einer Nuß, die 
gemahlen eine beiebende Limonade liefern), Bal- 
menfalern als Piassava zu Tauwerk, Puxiri od, 
brafil. Musfatnuß ꝛc. Regatoes (Händler) fahren 
daher anf den Flüſſen auf u. ab, um folde 


Waaren von den Garimpeiros (Sammlern) ein« 


zutauſchen. Yebtere find abgehärtete Dienichen, 
die den Urwald durchſtreifen, ſich verkommene 
Indianer (Morankigaras) als Wegweifer mietben, 
mit ihren Familien im Trupps (Maltas) den 
Wald durchziehen, an jedem beliebigen Orte 
raften, eine Hütte aus Palmblättern bauen, die 
Hängematte aufipannen u. dann wohnlich einge: 
richtet find. Mit Ende der Sammelzeit (Safra) 
ſchlagen fie irgendwo ihre Hütten für länger auf, 
bis das Wandern wieder beginnt. 

Bon den Einwohnern, wie diefelben oben 
nad Provinzen aufgeführt find, werben 10,580,01. 
als Freie, 1,400,000 als Sflaven u. 500,000 als 
Indianer angenommen; feitdem die Einfuhr der Ne— 
ger durch Unterdrückung der Sclaverei verhindert ift, 
beginne man chineſ. Kulis als Arbeiter zu verwen— 
den. Creolen jind die von europ. Eltern legitim 
in Amerifa geborenen Kinder; civilifirte Jndianer 


Ditavas (4 Unge—55,, Grän) geihägt. Beträdt- |Caboclos od. Tapuyos, Mifchlinge von Weißen u. 
fih, wenn aud gegen das vorige Jahrhundert ſehr Indianern Mamelueos, die von Weißen u, Negern 
gejallen, ift auch die Ausbeute an Gold, beſonders Mulatten, die von Judianern u. Negern Cafusos, 


796 


die von Yndianern u. Cafasos, Caribocos die von 
Negern u. Cafusos Xicaros. Die Ureinwohner ge 
hören der kupferfarbigen (amerif.) Race an, fpalten 
fih aber in zahlreiche durch Sitten u. Dialeft ver- 
jchiedene Stämme, von denen die bedeutenditen die 
Tupi, deren Sprache die verbreitetite ift, Daher auch 
Lingoa geral (allgemeine Sprache) genannt. Sie 
nehmen den NO. des Landes ein. Die ihnen am 


nächſten ftebenden Guarani wohnen im SD. 
Im W. berrichen Die Omagua vor. Außer die 


ien drei größeren Stämmen gibt es noch eine 
Menge zwiſchen ihnen zerftreute Kleinere, von de— 
nen die Aymores, meift Botofuden genannt, die 
befannteften find. Die Zahl aller Stämme fchägt 
man auf 250, u. die der Spracden u. Dialefte der 
Eingeborenen ift noch bedeutender. Die unab- 
hängigen Stämme baben fih aus den Kiften- 
provinzen faft gänzlich in das Innere, nad dent 
N. u, W., zurüdgezogen; die befebrten, halb ci» 
vilifirten Stämme leben theilmeile in Dörfern des 
Hochlandes u. am Amazonenftrom zerftreut und 
baben, Aderbau u. Biehzucht treibend, einige 
Berbindung mit den Weißen. Die Neger waren einft 
die Hälfte der Gejammtbenöfferung u. größtentheils 
SHaven, aber die Einführung neuer Sflaven ift 
durch einen mit England Nov. 1831 abgeichloffenen 
Vertrag u. ein ftrenges Anti-Stlavenhandel-Gefet 
vom 4. Sept. 1850 verboten, was zwar wenig 
Erjolg hatte; doch ift die Aufhebung der Sklaverei 
duch kaiſerl. Decret v. Mai 1867 u. durch Gefet 
v. 28. Sept. 1371 beichloffen worden u. joll bis 
Ende dieſes Jahrhunderts durchgeführt fein. Die 
Staatsſtlaven find freigegeben; Niemand wird 
mebr als Sklave geboren, u. jährlih kauft der 
Staat aus einem befonderen Fonds eine Anzahl 
SMaven los. Die Weißen bilden die eigent- 
liche Ariftofratie des Yandes, doch findet fi im 
DB. keineswegs der jchroffe Gegenſatz der Racen 
mie in NAmerifa, u. einzelne Neger u. Indianer 
betleiden, da die Verfaſſung allen freien Bürgern 
gleiche Hechte gewährleiftet, hobe Amter u. Ehren— 
ftellen, u. in der Gejegebenden Berfammlung fiten 
Miihlinge von allen Schattirungen. Neichthum 
ift fiir perſönliche Stellung enticheidender, als 
a Das Leben u. die Sitten der wohl- 
abenden Einwohner find die portugiefiichen, nach 
dem Klima gemodelt, do hat im neuerer Zeit 
die Einwanderung von Engländern, Deutiden u. 
Franzoſen viel davon geändert. Nur 2—3 Stun- 
den des Tages find der Arbeit gewidmet, die 
übrige Zeit wird im Nichtsthun auf der Strob- 
matte zugebracht, alle Handarbeiten den Neger- 
Haven überlaffen. Gajtlichfeit u. Geſelligkeit find 
felten; Hauptvergnügen ift der Tanz (die üppige 
Batucca u. leichte Contretänze). Die Frauen 
reifen jehr früh, find Mein u. zierlich, von jchlan« 
tem Wuchs, dunklem Teint, ſchwarzen Haaren u. 
fenrigen Augen; werden im 20. Jahre corpulent u. 
find im 30. gänzlich verblüht; fie jpielen faft ſämmtl. 
die Mandoline. Steine den höheren Ständen ange- 
börige Frau zeigt fich öffentlich. Die Männer find 
jehr eiferfüchtig, die Einrichtung des Hausweſens 


Brafilien (Geogr. u, Statiftik). 


Berfa fung. B. ift eine conftitutionelle füdera- 
tive Erbmonarchie; die Staatsgrundgefege derjelben 
find die Berfaffungs-Urkunde vom 11. Dec. 1823 u. 
die Additional-Acte vom 12. Aug. 1834 u. beruben 
auf dem Princip der Nationalfouveränerät: Alle 
Staatsgemalten beſtehen in Bollmacht des Bolles; 
der Kaiſer u, der Reichstag find ſeine Repräfen- 
tanten, Es werden vier Staatsgemwalten untere 
fchieden. Die vollziehende u. die vermittelnde Ge- 
malt, die tbatfächlih zufammenfallen, find in ber 
Hand des Kaiſers vereinigt; fein Titel ift conſti— 
tutioneller Kaifer u. beftändiger Vertheidiger von 
B. Die Thronfolge verbleibt nah dem Rechte 
der Erftgeburt, in männliher u. weiblicher Linie 
erblich, bei den Nachtommen des Kaifers Pedro I. 
aus dem Haufe Braganza. Sieben verantwort- 
fihe Miniſter (des Junern u. Unterrichts, der Ju— 
ftiz, des Auswärtigen, der Marine, des Aderbaues, 
Handel u. der öffentl. Arbeiten, des Krieges, der 
Finanzen) ftehen ihm zur Seite; in beionders 
wichtigen Fragen ift das Gutachten des Staats- 
rathes (12 Mitglieder auf Lebenszeit ernannt) ein« 
zubolen. Die geietgebende Gemalt bat der 
Heichstag; er zerfällt ın den Senat (vom Kaiſer 
auf Yebenszeit aus den vom Volle gewählten Gan- 
didaten ernannt) u. die Deputirtenfammer (dur 
indirecte Wahl auf 4 Fahre gewählt). Sie üben 
die Gefepgebung gemeinihaftlih u, haben außer» 
ordentlich weitgehende Befugniffe; ihren Beſchlüfſen 
gegenüber bat der Kailer mur ein zmeimaliges 
Sufpenfiv-Bete. Die Wahlen find indirect; zum 
activen Wablrecht find 21 Jahre, Jndigenat (oder 
Naturalifation), perjünlihe Freiheit u. 100 Dil» 
reis jährlihe Einkünfte, zum paifiven 25 Jabre 
u. ein noch höheres Einfommen erforderlich. Die 
active Miliz bat kein Wahlrecht; Naturalifirte, 
‚reigelaffene u. Alatboliten find nicht wählbar. 
Außerdem hat noch jede Provinz ihre auf 2 Jabre 
gemwäblte Fegislatur für innere Sraanifation, Bro» 
vinzialbeftenerung, Wegebau, Eolonijation u. dgl. 
Die richterlihe Gemalt ift volllommen unab- 
bängig; die Richter haben bei Eriminalfällen Ge- 
jhmworene an der Seite, werden auf Lebenszeit 
ernannt, find nur nad den geſetzlichen Beftim- 
mungen verjegbar u, fünnen nur fraft vichter« 
lihen Erkenntniſſes abgejegt werden. In Nach— 
ahmung der nordamerif, Unionsverfaflung ift im 
IB. den Provinzen eine gewiffe Selbftändigteit 
gewährt. Jede derjelben hat eine geſetzgebende 
Verſammlung, deren Beichlüffe der Sanction des 
von der Regierung ernannten Präfidenten bedür- 
fen. Leider ift aber in dem Wirlen der brafi» 
lianifhen Behörden ftetS vor Allem das Intereſſe 
der herrichenden Partei das leitende Princip. Die 
Prefie ift frei. Finanzen: Einnahmen, faft ans- 
ihlieglih auf den Ein- n. Ausfuhrzöllen berubend 
(Finanzjahr 1874—75: Einnahme 108 Mill, 
Ausgabe 101,,, Mil. Milreis. Civilliſte des 
Kaifers 800,000 Milreis. Die Staatsichuld be— 
ftebt aus einer ſchwebenden Schuld (1494 Mill. 
Mitreis Papiergeld) u. aus garantirten Banf- 
‚scheinen (ca. 34 Mill, Milreis, dann aus Anleihen 











gleicht faft einem türkiichen Harem. Bei Beſuchen im In- u. Auslande). Die ganze Staatsjchuld 
von Fremden find die Frauen nie gegenwärtig. Auch belief fih 1871 auf 648,, Dill. Mireis. Die ber» 
unter den farbigen Miichlingen gibt es fchöne Ge- waffnete Macht enthält auf Friedensfuß 16,536, 
ftalten, befonders Frauen von reizendem Wuchs. | (umgerechnet die in Paraguay ftehende Divifion von 


Brafilien (Geogr. u. Statiſtik). 


24,000 Mann), auf Kriegsfuß 32,600 Mann, die 
Gensdarmerie 6476 Mann. Hinfichtlic) der Truppen» 
bildung ift jeit 1865 die Confcription eingeführt. 
Die Nationalgarde ift zur Zeit aufgelöft u. foll 
nen orgamifirt werden. Seemadt: 17 Panzer- 
Schiffe, 9 Dampfcorvetten, 24 Kanonenboote, 
6 Zransporidampfer, 1Segelcorvette, 3Briggsu.a., 
zuf. 60 Fabrzeuge mit 4526 Mann, 215 Kauo— 
nen u. 7217 Pferdekräften. Wappen: In grü— 
nem Felde die Himmelslugel Heinrichs des Ser. 
fahrers, durch das filberne, mit einem breiten 
rothen Rande eingefaßte Kreuz des Ehriftusordens 
in 4 Theile getheilt u. von einem blauen runden 
Reife umgeben, welcher mit 18 filbernen Ster- 
nen belegt ift u. auf beiden Seiten eine filberne 
Einfafjung hat: Das Schild bedt eine Kaijer- 
frone, zur Rechten umgibt e8 ein Zweig des 
Kafjebaumes, zur Linken der Zweig einer Tabals- 
pflanze, beide im natürlicher Farbe, unten fich 
frenzend u. mit einem grün u. goldenen Bande 
gebunden. Flagge: griüm mit eingeihobener gol- 
dener Haute, in diefer bag Wappen. National 
farben: grün u. gold. Orden: Orden vom Süd—⸗ 
kreuz, geitiftet 1822, in 4 Klaſſen (auch für Da- 
men); Orden Dom Pedros I., aeftiftet 1826, in 
3 Klaffen; Orden der Roſe (Militär⸗- u. Civil 
orden, mit dem Motto: Liebe u. Treue), nah 
1829. Nur noch für Civil u. Militär gebraucht 
man jeit 1848 in 3 Klaſſen die ehemals gräf- 
lihen Orden de Ehrifto, S. Bendo de Avis und 
Santiago de Espada. Hauptſtadt des Reiches, 
Nefidenz ‚des Kaiſers u. Eit der Gentralbehörben 
tft Rio de Janeiro, weldye in der gleihnam. Provinz 
als Municipio neutro, mit etwa 400,000 Ew., 
eine beiondere Abtheilung bildet, Religion u. 
Kirche. Staatsreligion ıft die römiſch-katholiſche 
unter eimem Erzbiihof (in Bahia) u. 11 Suffra- 
ganbifhöfen. Sämmtlihe Prieſter find Staats- 
beanmte, werben von der Negierung ernannt und 
bejoldet. Die Kirche hat fein eigenes Bermögen 
u. ift dem Staate gäuzlih untergeordnet; die 
niedere Geiftlichfeit ift ſowol wifjenfchaftlich, wie 
moralisch ungebildet u. deshalb ohne allen Ein: 
fluß auf die Sittlichleit des Bolfes. Mönds- u. 
Nonnenklöfter find in großer Anzahl vorhanden. 
Nur Katholiken find wahlberechtigt, doch herrſcht 
ber Einwanderer wegen ziemlihe Toleranz. Bro- 


teftanten haben in großen Städten freie Religions- Roſenholz, Granadilla, Fuſtikholz, brafil. 


797 


eine Schule, in jeder größeren Stabt ein Lyceum 
errichtet werben; aber es fehlt überall an Schu- 
len. Der Unterricht ift frei. Bon höheren Lehr- 
anftalten befigt B. zwei juriftiihe Facultäten (im 
Recife u. ©, Paulo) u. zwei mediciniſche (in Rio 
de Janeiro u. Bahia), elf Priefterfeminare und 
theologische Facultäten. Ferner beftehen in Rio 
de Janeiro eine philof. Tpacultät, eine Polytech⸗ 
nische Schule, eine jolche der ſchönen Künſte, eine 
der Künfte u, Handwerle, eine Militär- u. eine 
Marineſchule. Außerdem. 22 Lyceen, 2 Handels- 
ihulen, 150 Secundärjchulen mit 4000 n. (1873) 
4653 Primärichulen mit 155,000 Schülern (1866 
erft 2460 Schulen mit 82,500 Schülern). Gegen 
24,000. Schüler genießen Privatunterridt. Die 
größere Hälfte der geſammten (freien) Bevölkerung 
wächſt ohne allen Unterricht heran. Gelehrte Ge» 
jellichaften find in Rio de Janeiro: die Kaiferliche 
Hiſtoriſch⸗Geographiſche Gejellihaft mit 54 wirk⸗ 
lichen, 100 Ehrenmitgliedern u. 488 Correipon- 
denten, die Afademie der ſchönen Künjte mit 
60 Mitgliedern u. bie Zoolog. Gejellichaft. Biblio- 
tbefen in Rio de Janeiro: die Kaiferl, Bibliothek 
(theilmeis aus Liſſabon ſtammend), die Nationalr 
bibliothef (120,000 Bde.), die Bibliothef der Be- 
nebictiner, ferner in Bahia u. San Paulo, Herr- 
ihende Landesſprache ift die portugiefiihe. Die 
Literatur, namentlich die naturwiſſenſchaftliche, 
beginnt ſich in neuerer Zeit zu Heben, die belle 
trijtifche folgt englischen u. franzöfifchen, weniger 
portugiefiihen Borbildern. Zeitungen u. Foure 
nale (politische, wifjenfchaftlihe u. Unterhaltungs- 
blätter) haben fih in den letten Jahren eben- 
fall3 jehr vermehrt; es erjcheinen über 100 nn 
ungen u. Zeitſchriften. Landwirthſchaft, Ju— 
duſtrie m. Handel, Die Cultur des Bodens ift 
noch eine fehr —— der faſt nur in großen 
Complexen vertheilte Grundbeſitz, die Sklavenar- 
beit u. der Gebrauch, nur ein Heines Stück Land 
urbar zu machen, feine Tragkraft zu erfchöpfen, es 
dann unbenutt liegen zu laffen u. ein neues Stild 
zu bebauen, find nicht geeignet, die Laudwirthſchaft 
zu heben. Kaum 45 des Bodens wird ange 
aut, objchon ihn fruchtbarer Lehm bededt.. Die 
Wälder an den Flüffen u. im Jnnern firogen 
von Uppigfeit und Pradt, liefern Kautichuf, 
Brafildolz, Bertholetia- u. Cocosnüffe, me rg: 

Ifen- 


fbung, dürfen Berhäufer u. Gottesäder befigen,|bein, Sarfaparille, Banile, Ipecacuanha, Kopal, 
erhalten zuweilen auch Staatsunterftügung. Die Gewürznelken, Zimmt, Tamarinden, Cacao, Ehin- 
Rechtspflege ift jeher mangelhaft, die Richter chona zc. In Gärten u. auf Feldern zieht man: 
beftechlih; die unterfte Inftanz (FFriedensrichter) | Ananas, Bananen, Orangen, Maracnja der Paj- 
ohne Macht, die über ihnen ftehenden Bezirks |fionsblumenfrudht, Mongo, Cußardäpfel, Rojen- 
gerichte unzuverläffig, die eilf Appellationsgerichteläpfel, Bohnen, Melonen in Plantagen, Mais, 
unzureichend; höchſte Inſtanz ift der Cafjationshof| Kaffe (von den 1873 producirten 8,491,653 Etr. 
in Rio de Janeiro; bei Eriminalfällen werden von allein 4,210,214 Etr., alſo faſt 50%,), Zuder- 
den Diftrictsgerichten Geſchworene zugezogen. Diejrohr, Baummolle, Tabat, Thee, Reis, in höher 
Strafgejeggebung (Codigo criminal vom 8. Yan,|gelegenen Gegenden Weizen u. Gerfte. Die Bieh- 
1831) zeichnet ſich durch große Milde aus. Bgl. zucht wird von eigenen VBiehzüchtern (Criadores 
Code criminel de !’Empire du Bresil, traduit|delgado) auf den großen flachen Oden (Facendas 
par M. V. Foucher et précédé d’observations |de criar) weniger der Milch (Butter), als des 
comparatives, Par. 1834, u. Kritiihe Zeitfchrift |7Fleifches, der Hörner, der Häute, der Wolle und 
fir Rechtswiſſenſchaft u. Gejeggebung des Aus-|des Talges wegen betrieben; die Wolle ift grob. 
landes VIL. ©. 297. Für Unterricht u. Bild-|Auf den Landgütern werben faft nur Schweine u. 
ung, Wiſſenſchaft und Kunft it im Ganzen | Hühner gehalten, Pferde werden nur zum Reiten 
noch wenig gejorgt. Es foll in jedem Kirchipiel|gebraudt u. mit Mais u. Palmblättern gefüttert; 





798 Brafilien (Geogr. u. Statiftif). 


als Lafttbier dient das Maulthier. Jagd und|brasiliensis; Monterias oder Boote zimmert man 
nee find einträglich, legtere bejonders auf aus verſchiedenen Stämmen. Sie find Mein, größer 
Balfiihe, namentlih an der Küfte von Babia die Gariteas, die ein Steuerruder, auf dem Ber- 
(jedod Regal, jährlich fängt man gegen 500 Wall»|def ein Dad aus Palmblättern u. einen freien 
fie). Die Induſt rie ift noch ganz in der Kind- | mittieren Raum haben. Doch bat jeder Fluß u. jede 
heit u. befchränft fi anf etwas grobe Bauın-|Strede befondere Arten von Fahrzeugen. Aus 
wollenweberei, Gerberei u. Töpferei; größere Fa- | fubrartifel find namentlih: Kaffe (10 Mil, Ar 
brifen beginnen erft zu entftehen, u. noch wird|roben & 16 kg), Zuder (120,000 Tonnen & 20 Etr.), 
der meifte Bedarf vom Auslande bezogen. Hand- | Baumwolle (für 334 Mill. Milreis od. 23 Dil, 
werfer finden fich faft nur in den Städten u. find) Arroben), Tabat (Bahia, Borba am Madeira für 
beinahe ausschließlich Ausländer, Der Bergbau,/3 Mil. Milreis) u. Waldproducte, Nug- u. Farbe⸗ 
der, wenn er nur mittelmäßig betrieben würde, hölzer, Gewlirze, Häute, Hörner, Talg, Gold u. 
bei dem Reichthum an edlen Metallen u. Dia-| Diamanten (dieſe beiden lepteren im jährl. Durch⸗ 
manten eine höchſt ergiebige Finanzquelle ſein ſchnitt 60 Mill. M). Einfubrartifel: Baum- 
würde, ift in neuerer Zeit vernachläſſigt worden |mwollen«, Yeinen- u. Wollſtoffe, Kleider, Schuh— 
u. gibt bei weiten nicht mehr die Ausbeute wielwert, Eiſenwaaren, Papier, Möbel, Steingut, 
früher. Der Handel erlag vor der Trennung von| Pulver, Mebt, Wein, Bier, Branntwein, Schin- 
Portugal ganz dem Colontalzwange, mur portu- |fen, Käfe, Butter. Der ganze Handel hat fi in 
giefiihe Schiffe wurden in B. zugelafien, doch neueſter Zeit jehr gehoben: 1844—45 betrug die 
trieben die Engländer bedeutenden Schleichhandel. Einfuhr 57 Mil., die Ansiuhbr 47 Mill: 
Erft 1808, nachdem fi der Hof nah Rio dei1853—54 die Einfuhr 84 Mill,, die Ausfuhr 
Janeiro übergefiedelt hatte, wurde der Handel] 76 Mill.; 1864—65 die Einfuhr 1313 Mill, 
allen Nationen freigegeben. 1827 ſchloß England|die Ausſuhr 141 Mill; 1872—73 die Einfubr 
einen (1844 abgelaufenen) Handelsvertrag mut B./1514 Mill, die Ausfuhr 2143 Mil Miüreis, 
ab, wonach die Einfuhr aller britiſchen Erzeugniſſe 1871—72 find eingelaufen 8987 u. ausgelaufen 
nur mit 15 pCt. ihres Wertbes Zoll belegt murde;| 7734, 1872— 73 aber eingelaufen 29,803 und 
ähnliche Verträge ſchloſſen dann aud die Hanſe- ausgelaufen 28,496 Schiffe. Seit 1809 bejtebt 
ftädte, Preußen, Oſterreich zc. Der Einfuhrzolliin Rio de Janeiro eine Bank u. feit 1816 ein 
auf die meiften Artifel beträgt durchſchnittlich Handelsgeriht. Einwanderung u. Colonijar 
20 pCt. ihres Werthes. Am 1. Juli 1857 iſt tion. Noch Anfang des 19. Jahrh. war B. der 
ein neuer Zolltarıf erichienen, der, wenn ſchon Einwanderung fait gänzlich verichlojfen, und erft 
eimige Zölle höher geftellt find, als früher, do im|16. März 1820 ericien ein Geieg, welches eu- 
Allgemeinen namentlih auch den Zollverbandser-|ropätiche, nanrentlich deutihe Auswanderer unter 
zeugniffen günftiger iſt, als der ſeitherige. Auch der Zuſage einer Landſchenkung aufferderte, ſich 
ſchloß B. mit den meiſten europ. Staaten Han- in B. anzuſiedeln. Mit dem Gelege vom 23. Oct. 
delsverträge u. gab 1867 die Schiffahrt auf dem) 1832 wurde dann die Friſt der Naturalijation 
Amazonas und feinen Nebenflüfien frei, ebenſo auf 4 Jahre u. dem vom 30. Aug. 1843 auf 
die Küftenichiffiahrt, die über 45 Dil. Markt um-|2 Jahre berabgefegt; deſſenungeachtet wollte es 
fest. Der Großhandel ift fat gänzlib im den/nicht gelingen, den Ztron der Auswanderung 
Händen Englands, Frankreichs, der Vereinigten nach B. zu leiten, Auch bezwedte man, das Sy— 

taaten, der Hanjejtädte, Hollands und Belgiens, jtem der Parceria (Halbpacht) berzuftellen u. Dem 
der Kleinbandel in denen der Brafilianer u, Bor: |infolge des Sfllavenhandelverbotes fih heraus- 
tugiefen. Der Handelsbetrieb im Innern ift fol-|itellenden Mangel an Arbeitsträften durch euro» 
gendermaßen eingerichtet: meift ſchaffen Maul-|päiiche Auslöslinge (Redemptioners, weiße Sfla- 
tbierfaramanen. die Waaren an die Küfte, wozu ven) abzubelfen. 1847 ließ der Senator Pereira 
fie oft 5 Monate Zeit gebrauden. Im Innern de Campos Vergueiro in der Provinz ©. Paulo 
tragen Menfchen die Ballen von einen Stapelorte| Arbeiter auf jene Koften aus Deutſchland fom« 
zum anderen. Boote u. Kähne brauchen 2 bis men, denen er einzelne Barcellen in feinen Kaffe- 
5 Monate, ehe fie ſtromaufwärts den Stapelplag| plantagen übergab, ihnen die Hälfte des Ertrages 
erreichen. Als Tauſchwerthe fennt man im W. zuſicherte u. fie als Leibeigene annabın, bis jeine 
u. N. nicht Geld, ſondern Näbnadein, Knäule Auslagen für Transport n. dgl. durch ihre Arbeit 
baummollenen Zwirnes, Wachs, Strohhüte, Fiſch- gedeckt waren. Dies Spitem fand Nachahmung, 
angeln, Haumeſſer, Tocago (Baummollenzeng).)ward anfangs von der, deutichen Reichsregierung 
An den Flüſſen beftebt der Hafeuplatz oft nur unterſtützt, bald aber, als von der europ. Preſſe 
aus einigen Schuppen auf einer Anhöhe wegen|die traurige Lage der Auslösiinge geichildert, die 
der Überſchwemmung, u. der Handelsort ſelbſt Hinterliſten. Treuloſigkeit der Plantagenbefiger 
liegt viele Meilen entfernt. Die Bewohner mancher enthüllt wurde, aus Mangel an neuem Zufluß 
Dörfer ernähren fih als Träger oder Schiffer! wieder aufgegeben. 1852 verfuchte man in Deutſch— 
(Bogas). Frachtlähne find 14 m lang, 1 m breit/land für die Provinz Rio Grande do Eul zu 
und beftehen aus einem Baumſtamme. Der/werben, um dort eine Milittärgrenze gegen die 
Puntero, flußtundige Bootsmann, befehligt, der unabhängigen Indianer zu errichten, fan aber zu 
Popero lentt, die Bogas rudern. Balsas find/feinem Reſultat. In neuefter Zeit haben einige 
Flöße aus leichtem Baljaholze (Öchroma pisca-|deutihe Gejellibaften u, Privatmänner das Co— 
toria), wo auf niedrigem Gerüfte in der Mitte loniſationsunternehmen in Die Hand genommen, 
die Waare lagert. Kähne, ausgehöblte, vorn zu-| Dennoch muß man auf Grund trauriger Erfabr- 
geipitste Baumjtämme, macht man aus der Cedrela [ungen die Deutichen davor warnen, ih an brafil. 





— — mm 0000 — — 


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Tandbefiter u. deren Agenten in Hamburg zc. zu ung von 19,000 km von Liffabon über WAfrifa, 
verlaufen. So ift den Einwanderern, im Wider- | Madeira zc. nah Cap Roque, von da aus nad 
ſpruch zu Berichten, die ans B. ftammen (wozu) Guiana, den Antillen, Merico u. New-Drleans u. 
aud) der ſchönfärberiſche Bericht: Das Kaifertfum|nad den La-Plata-Staaten, Chile, Peru ꝛc. zu le— 
B. auf der Wiener Weltausftellung von 1873,|gen. Die Länge der Telegraphenlinien in B. be- 
Rio de Faneiso 1874, gebört), die Nationalifirung| trug, 1874: 5311 km, die Zahl der Telegraphen- 


Brafilien (Geogr. u. Statiſtik). 


unendlich erſchwert, fie haben. wenig Einfluß auf) tationen 71. 
g ihrer Gemeinde u. Kreife, auch (ſeit 1852) befährt mit 20 Dampfern den Ama— 
Proteftanten verfprochene Toleranz |zonenftrom bis Zabatinga, den Tocantins bis Ca» 


die Verwaltun 
wird die den 
noch nit durchweg beobadtet. Die Anzahl 
mag fih auf 50,000 Geelen belaufen. Die be- 
deutendften deutihen Eofonien find gegenwärtig 
in San feopoldo (Rio Grande do Sul) mit 
12,000 Em., Donna Francisca u. Blumenau 
(3. Catarina), Porto Alegre (Mio Grande do 
Sul), Caravellas (Eipirito Santo) u. Petropolis 
(Rio de Janeiro). B. hat 3 Münzwährungen: 
die Gold-, Silber- u. Papierwährung; man rechnet 
wie in Portugal (f. d.) nad Milreis (auch Peſos, 
Piafter oder Duros genannt = 5 Francs 25 Gens» 
times oder 4 M 20 Pf.; in Papierwährung aber 
fhwanfend zwiſchen 2 M 27 Pf. u. 2 M 51 Pi. 
Der Milreis zerfällt in 1000 Neis; bei großen 
Eummen zähle man auch nad Gontos de Reis 
(1000 Milreis). Wirkliche braſilianiſche National» 
münzen find: in Gold (zu 44 fein ausgeprägt) 
Pegas Brazil, auch Joaos genannt, zu 6400 Reis 
Nennwerth in Golvwährung (16,000 Reis Papier: 
währung) u. Mokdas, zu 4000 Reis Nennwerth 
in Goldwährung (9000 Reis Papierwährung); in 
Eilber: (zu 14% Loth fein) Patacoes (9% eine 
feine Mart oder 4 M 43 Pf.) zu 1920 Meis 
Papierwährung; Duas Patacas (144 eine feine 
Marf oder 2 M 96 Pf.) zu 1280 Reis Papier- 
währung; WBatacas (284 eine feine Marl oder 
1 M 49 9.) zu 640 Reis Papierwäbhrung; 
Meias Patacas zu 320 Weis Papierwährung; 
Duartas 160 Reis Papierwährung; in Kupfer: 
Stüde zu 4 VBintems, 2 Bintems und 1 Bin- 
tems à 20 Meis), ferner zu 10 u. 5 Meis. 
Deu Zahlwerth des Papiergeides kann man un— 
gefähr 19 Milreis auf die Vereinsmark anneh- 
men. Im Maße u. Gewichte ift laut Gefeg von 
1862 jeit 1872 das Meterigftem eingeführt. 
1853 wurde die Brafiliihe Banf mit einem Ca« 
pital von 30 Mil. Mitreis gegründet, Was 
die Verkehrswege betrifit, fo find die Straßen 
im Lande nod gering an Ausdehnung und 
ſchlecht. Eifenbahnen find in neuefter Zeit mehrere 
gebaut worden: 1874 waren 1206 km im Be 
triebe. Darunter find die wichtigjten, theilweiſe 
aber noch nicht ausgebauten Streden: 1) Per— 
nambuco-Bahn, vom Hafen Recife (Bernambuco) 
zum ©. Francisco; 2) Bahia-Bahı, von Bahia 
nah N. zum S. Francisco (Alagonbas); 3) Bahn 
Dom Pedro II., joll von Rio durch die Provinz 
Rio de Janeiro u. Minas Gerads zum S. Fran» 
cisco, von da durch Goyaz u. das Flußthal des 
Tocantins bis Parä geben (jtredenmweife in Ber 
trieb); 4) Cantagallo-Bahn, von Billa-Nova am 
ſchiffbaren Macacu bis NovoFriburgo; 5) San 
Paulo-Babn, vom Kaffehafen Santos bis Jun— 
diahby u. Sampinas; 6) Daud-Bahn, vom Hafen 
Mana in der Bai Rio bis Petropolis, am Fuße 
de3 Sebirges. Im J. 1869 ſchloß B. mit Frank— 
reich 2c. einen Bertrag, um eine Telegraphenleit- 





Eine Dampſſchifffahrts-Geſellſchaft 


meta, den Tapajoz bi8 Santarem, den Madeira 
bis Borba, Rio-Negro bis Manaos, den Huallaga 
bis Yurimaguas. Auch der San Francisco wird 
mit Dampfern befahren. Außer den transatlant. 
Dampferlinien beftehen feit 1838 aud 2 größere 
Küftendampficifflinien: von Rio de Janeiro nad) 
Para, u. nad) Rio Grande do Sul. Endlich geht 
eine neue Dampfichifflinie von Rio de Janeiro aus 
nah Montevideo u. Buenos-Ayres u. dann den 
Parana und Paraguay hinauf nah der Provinz 
Matto Groffo. Von Linien find u. a. noch zu 
erwähnen: 1) Companhia brasileira dos Pal- 
puetes & vapor (zweimal monatlid von Para nach 
Montevideo); 2) Comp. de Navegacao (von Eipi- 
rito Santo nad Campos); 3) Linie Rio de Ja- 
neiro-Santos; 4) Comp. Ferry für die Bat von 
Rio de Janeiro; 5) Bahla-Comp. von Bahia bis 
Mageid u. den Francisco hinauf, von Penedo ın 
Aagoas bis Piranhas in Sergipe; 6) Franzöſ. 
Messageries bon Bordeaur über Portugal und 
Senegambien bis Rio Ya Plata (244 Tag); 7) 
Liverpool-Brazil and La Plata Comp.; 8) So- 
eiete generale des transports maritimes à vapeur 
(von Genua über Marjeille); 9) Union des char- 
geurs (Havre u, Rio); 10) Hamburg-Santos (feit 
1871); 11) Unit. States and Brazil Mail Steam- 
ship Comp. (in 28 Tagen von New-Morf bis 
Rio) x. Die brafilianiiche Poft befürderte 1871 
bis 1872: 16,206,952 Briefe. Eine directe Poit- 
verbindung Bes mit Deutichland ift, nach der 
Berordnung des Preuß. Generalpoftamtes vom 
13. Aug. 1857, durd die Hambarg-Brafilianifche 
Dampfcifffahrtsgejellihaft zu Hamburg angelnüpft 
worden. Die Schiffe gehen monatlıh zweimal 
bin u. ber; auch mit Antwerpen beſteht eine 
Boftdampferverbindung von mehreren Schiffen. 
Literatur: Manoel Ayres.de Cazal, Corografia 
Brazilica, Rio de Janeiro 1817, 2 Bde., 2. Aufl., 
1833; William L. Herndon u. Lardner Gibbon, Ex- 
ploration of the valley ofthe Amazon, Bafhingt. 
1853, 2 Bde.; ferner die Heifebefchreibungen von 
Lindley (1805), Kofter (1817), Marimilian Prinz 
v. Wied-Nemmied (1820), Spir u. Martius (1823), 
Pohl, Reife im Innern von B. (1832), Burmeijter, 
Reife nah B. (1852), Pöppig, Neife in Chile, 
Peru u. auf dem Amazonenftrom, Yeipz. 1835, 2 
Bde; Augufte de St. Hilaire, Voyages dans 
linterieur du Br6sil, Par. 1830—51, 8 Bde.; 
Tſchudi, Reifen in SAmerita, 5 Bde, 1866 ff.; 
Agalfiz, A journey in Brazil,‘ Bojton 1866; 
Kletle, Reife des Prinzen Adalbert, Verl. 1857; 
Burton, Exploration of the highlands of B., 
Yond. 1868; Almanac da Corte e Provincia do 
Rio de Janeiro, von Lämmert herausg. u. jedes 
Jahr neu ericheinend, Rio de Jan.; de Abrantes, 
Memoria sobre meios de promover a colonisacao, 
Berl. 1846; Gottfried Kerft, Über brafilianijche 


800 


Zuftände, Berl. 1853; Wiedemann, Die deutjche 
Colonie Petropolis, Freifing 1856; Hatfield und 
Tihudi, Minas Geraes, Ertraheft zu Petermanns 
Mittheilungen; Hartt, Scientific resultats of a 
journey in Brazil, Boſton 1870; Tſchudi, Reifen 
in SAmerila, Ave-Lallemant, Reifen in N- n. 
SB., 4 Bde., Lpz. 1859—60; Kidder u, Fletcher, 
Brazil and the Brazilians, Philadelphia 1857; 
Mouchez, L’empire du Bresil, Rio 1867; Mo- 
rats, Navigagao interior do Bresil, Rio 1864; 
Pezein, Zur Ornithologie Brafiliens, Wien 1870; 
Helwald, Das Kaiſerthum Brafilien und feine 
jüngfte Entwidelung in der Zeitichrift: Unfere 
Beit, 1875, 2. Heft. 

Geſchichte. Die Älteften Bewohner B-8 waren, 
foviel man weiß, die Tapayos, die eine alte Eul- 
tur befaßen, aber mit der Zeit von den Tupi 
verdrängt wurden, Unter den Europäern fam zu« 
erft 21. April 1500 der Portugiefe Pedro Alvarez 
Cabral, der auf feiner Fahrt nah Dftindien nad 
der Bucht von Puerto Seguro verſchlagen murde, 
nah B. und nannte anfangs das entdedte Yand 
Terra da vera Cruz (Yand vom wahren Kreuz); 
den Namen B. erhielt das Yand von dem dort ſich 
findenden rotben Holze (Pao do Brazil). Die Por- 
tugiefen ſchickten anfangs bloß Verbrecher, öffent- 
liche Buhlerinnen, Juden u. von der Jnquifition 
Berurtbeilte nah B., welche Papageien u. Farbe— 
hölzer einfammeln mußten. As B. 1531 in 9 
Capitanias getheilt war, gingen auch Edelleute 
nach B., melde große Striche als Erbftatthalter 
u, Lehnsleute (Pobladores) in Lehn erhielten und 
diele wieder als Afterlehu vergaben. Unter ihnen 
führte Martin Alfonfo de Souza den Bau des 
BZuderrohres u. des Getreides u. Viehzucht ein, 
u, Diego Aldez Correa trat mit den Tupinamba 
in Bahia im ein patriarchaliiches Verhältniß. Als 
1549 B, den Portugiefen durch päpftlihe Ent- 
ſcheidung zugefallen war gab König Johann III. 
der Kolonie den eriten Gouverneur, Thomas 
de Souza, der S. Salvador (Babia) gründete, 
die Rechte der Pobladores bejhräntte, die Neger- 
fllaven einführte u. die meiften Indianerſtämme 
unterwarf. 1584 ließen fih auch Franzoſen in B. 
nieder, die jedoch 1601 wieder vertrieben wurden. 
Durch den Übergang der Krone Portugals an Spa- 
nien fam auch B. unter fpanifche Hoheit. Da nun die 
Spanier die Niederländer, welche ſich dort niederge» 
laſſen hatten, jehr bedrängten, fo rächten fich diefe an 
denjelben u. nahmen 1624 die Stadt Bahia. Zwar 
vertrieben die Spanier unter Frederico die Nieder- 
länder wieder, doch eroberte der holländische Ad- 
miral Jak. Willelees 1630 die ganze Provinz Bahia 
u. die Stadt Pernambuco, von wo aus die Nie- 
derländer den nördlichen Theil u. unter Morit 
von Naffau 1637 die Küftenprovinzen befetten. 
Die Niederländer erhielten auch nad der Thron» 
befteigung des Hauſes Braganza in Portugal (1640) 
Unerfennung ihrer Befigungen, aber wegen ihrer 
Bedrüdungen brad durch die Umtriebe der Plan— 
tagenbefiger Bes 1645 eine von England u. Por« 
tugal unterftügte Empörung aus, und fie mußten 





Brafilien (Geichichte). 


Anfprüce auf daffelbe ganz auf. Die Entdedung 
der Goldininen zu Minas Geradd 1698 und ber 
Diamantgruben 1729 erhöhten die Wichtigfeit des 
Yandes, welches außerdem viele tropifche Grodacıe 
von vorzüglicher Güte lieferte. Indeſſen vermwal- 
teten Die Foringiefen das Land ſchlecht; kein frem- 
des Schiff wurde zugelajien, hohe Zölle angeord- 
net, Induſtrie u. Handel zu Gunften der portu— 
giefiihen Producte unterdrüdt, nur Die Bergwerle 
u. Diamantgruben ausgebeutet u. das fruchtbare 
Yand den jüngeren Söhnen des Adels n. deu Jar 
juiten gejhenft (Donatarios), oder an Abenteurer 
zur weiteren Eroberung verhandelt (Conquista- 
dores), die es dur Negerſtlaven anbauen ließen 
u, die mit Gewalt untennvorfenen Ureimmohner zu 
SMavendieniten zwangen. Januar 1808 verlegte 
die portugiefiiche Regierung ihren Sit von Liſſa— 
ben, welches die Franzoſen beiegt hatten, mad 
Rio de Janeiro u. gab 1815 B. den Titel eines 
Königreiches. Da die mit der Königsfamilie ein- 
gewanderten Bortugiefen (etwa 15,000 an der Zahl) 
vom Hofe vor den von Conquistadores Abjtammen- 
den auffallend begünftigt wurden, fo griff der Geift 
der Unzufriedenheit immer mehr um fih. Indeſſen 
hatte der Aufenthalt des Königs in B. mande 
weſentliche Verbefferung in der inneren Bermalt- 
ung des Landes zur Folge. Die Zölle wurden 
erleichtert u. die Verbindung B-$ mit Europa n. 
auch mit Deutichland eröffnet. Viele fremde Kaufe 
leute fiedelten ſich in Rio, Kolonisten auf dem Yande 
an, u. das Geheimniß, mit dem font das Innere 
fremden Augen verjhloffen gehalten wurde, hörte 
auf. Durch Einverleibung von Wanda Oriental 
wurde B. mwejentlih vergrößert. Ein Aufitand in 
Pernambuco (1817), weiches fich ala Republik los— 
reißen wollte, wurde zwar von portugiefiihen Trup- 
pen unterbrüdt, als aber die neue Berfaffung, 
melde fi Portugal 1820 gab, den Hof 1821 nah 
Portugal zurückrief, gab es revolutionäre Erheb- 
ungen, weshalb der König die Wahlverfammlungen 
mit Truppen fprengen hieß. Er trat darauf am 
26. April die Rückehr nah Liſſabon an u. Tief 
feinen Sohn, den Kronprinzen Pedro, als Prinz- 
Negenten zurüd. Als das Mutterland nun beſchleß, 
dag B. nicht als Nation durch Deputirte vertre- 
ten, fondern ferner dur; Gouverneurs als Colonie 
von Portugal aus regiert werden jolle, entftanden 
Dec. 1321 ın Rio de (Janeiro heitige Bewegungen: 
man drohte, wenn der Prinz» Regent abreije, bie 
Republit zu proclamiren; diefer erflärte daher 
9. Jan. 1822, bleiben zu wollen, entfernte die 
portugiefiihen Zruppen, nahm im Mai den Titel 
eines beftändigen Vertheidigers von B. an u. be 
rief eine Nationalverfammlung von 100 Abgeord- 
neten zur Entwerfung einer Verfaſſung, melde 
1. Aug. die Trennung B⸗s von Portugal aus 
ſprach u. Pedro am 12. Oct. 1822 zum Kaiſer 
von B. ernannte, welche Würde er auch 18. Dec. 
unter dem Namen Pedro I. annahm. Die Brü- 
der Foze Borifazio u. Martin Francesco Andrada 
waren Minifter des Kaifers u. ftrebten anfangs 
vergebens, dem neuen Kaiferreiche Anerkennung bei 


nad wechſelndem Kriegsglüde, von Galvalcante,| Portugal u. den europäiihen Großmächten zu ver- 
einem fühnen Abenteurer, mehrere Male gefchla« |fchaffen, fowie das Innere zu beruhigen. Dechr. 


en, 1654 B. räumen u. gaben 1661 


egen eine/1822 eroberten die Brafilianer Montevideo, wel⸗ 


bfindungsfumme von 350,000 Bid. Sterl. ihre ches fie als Cisplatina mit B. vereinigten. 3. Mai 


Brafilien (Geſchichte). 801 


wurden jedoch jehr bedenklich, als der Kaifer er« 
Härte, die Ansprüche feiner Tochter Donna Maria 
da Gloria auf den portugiefiihen Thron, welchen 
fein Bruder Don Miguel beanfpruchte, ver- 
theidigen zu wollen, u. dazu die Beihilfe der 
Cortes verlangte. Die Truppen empörten fich u. 
mußten durch englifche u, franzöfiihen Seeſoldaten 
von den anmejenden Flotten zur Ordnung gebracht 
werben. 1829 traten bie Cortes eutjchieden gegen 
den Kaifer auf. Das Budget u. eine vom Kater 
borgeidhlagene Reichsbank ward verweigert, die 
Entlaffung der fremden Dffiziere verlangt, und 
da man endlich den Kaiſer perfönlich beleidigte, 
föfte diefer die Kammer 3. Sept. auf. Um indeß 
fi} der revolutionären Partei geneigt zu machen, 
berief der Kaifer Ende 1829 ein neues Minifterium, 
das außer dem Kriegsminifter nur aus geborenen 
Braſiliauern beftand; allein auch dies vermochte 
die Stimmung des Bolles nicht zu beffern. In 
den neuen Eortes, die 3. Mai 1830 zufammen- 
zufammentraten, verwarfen die Demofraten alle 
Vorfchläge der Regierung, ja, fie ſetzten den Kriegs⸗ 
minifter ın Anklageftand. Immer höher ftieg der 
Widermille gegen den Kaifer, u. als er ftatt der 
bisherigen Milde mit — einzuſchreiten ver» 
ſuchte, brach 6. April eine Empörung aus, die 
Truppen fielen ab, u. Pedro ſah ſich genöthigt, 
am nächſten Tage zu Gunſten feines ſiebenjährigen 
Sohnes, Pedro IT., abzudanfen. Der neue Karjer 
blieb, unter einer von den Kammern ernannten 
Regentichaft, beftehend aus Carcarellas, Vergueiro 
u. Francisco de Lima, in Rio, mährend der ab» 
getretene Kaifer ſich am 17. April mit feiner Fa⸗ 
milie nah Europa einſchiffte. Es hatten fich in- 
zwifhen in B. folgende Hauptparteien gebildet: 
Unitarier, die einer Central-Monarchie anhingen; 
matiihen Verbindungen wurden nun wieder an-|zu ihnen gehörten anfangs die Caramuros (Mo- 
gelmüpft. Ende 1825 begann aud ein Krieg mit narchiften), welche die Rücklehr Dom Pedros I. 
der Republit La Plata wegen der Banda-Driental, wünſchten (hauptiächlic die großen Städte, bejon- 
welche die La Plata-Staaten in ihre Union auf-/ders Rio); die Föderaliſten, welche getrennte Bro» 
genommen uud bejett hatten. Zwar blofirte B. |vinzialverwaltungen, nur durch eine. Ceutral-Mo— 
den Pa» Plata-Strom und hielt Montevideo ber narchie verbunden, verlangten, und Republikaner 
fest, aber da Montevideo ſich entichieden gegen ea rei befonders die freien Neger, Mulatten 
3, erflärte, fo ſchloß der Kaiſer 27. Aug. 1828 /und Meſtizen, eine rohe, politifh völlig unreife 
Frieden, im welchem er die Banda- Oriental als Menſchenklaſſe. Gegen Letztere verbanden ſich faft 
eigenen Staat (Uruguay) anerfannte. 1826 ftarb alle Grundbefiger zu Bürgergarden, um ihr Eigen- 
der König von Portugal, Johann VI, Pedros thum bei der Machtlofigkeit der Polizei gegen 
Bater, u. ber Kaifer erbte Portugal. Da er aber|räuberifche Angriffe zu ſchützen. Die Unordnungen 
nad der Berfaffung von B. das Land ohne Er-Inahmen immer mehr überhand, u. der Staat drohte 
laubniß der Cortes nicht verlaffen durfte, ver-|bei der Ohnmacht der unter den Einjlüffen bald 
ichtete er auf den Thron Portugals zu Gunften|diefer, bald jener Partei u. einzelner Perjönliche 
— älteſten Tochter, Maria da Gloria (f. Por⸗ keiten ſchwankenden Regierung völlig auseinander» 
tugal, Geſch.), 2. Mai 1826, u. fuhr fort, ſich der/zufallen. Mit Mühe gelang es der interimiftijchen 
Regierung Bes mit dem beften Willen u. uner-|Regenfhaft, die Aufftände zu Bahia, Pernambuco, 
miüdfichem Eifer anzunehmen. Aber die Ruhe des Rio, Ceark u. in anderen Städten des Reiches zu 
Landes wurde fortwährend durch republikaniſche |unterbrüden. Sie jah fi mehrere Male genöthigt, 
Aufftände, durch Widerwillen gegen ein 1824 von|die Hilfe der bewaffneten Bürger u. der englifchen 
der Regierung organifirtes, zügellojes Fremden-⸗ u. franzöſiſchen Flotte gegen die Aufrührer ın An« 
corps, das 1830 aufgelöft werden mußte, u. a.|fpruch zu nehmen. Um diefen heillofen Zuftänden 
Unruhen geftört. Defjenungeachtet fanden zahl- ein Ende zu machen, ermwählten die Kammern 
reihe Einwanderungen ftatt, u. wurden Colonien 17. Juni 1831 eine permanente Regierung, die 
gegründet, Im J. 1828 beſchäftigten fich Die Cortes aus Fraucisco de Lima, Coſta Carvalho u. Bra- 
nit Gejegen über die Gemeindeverfafjung, Orga-|filio Muniz beftand; aber auch diefe hatte kurz 
nijation der Nationalgarde u. Emancipation der nach ihrer Errichtung mit Aufftänden zu fämpfen, 
Sttaven; fie befchloffen, allen Nationen gegen eine) welche mit Hilfe der Nationalgarden eftillt wer⸗ 
Abgabe von 15 pCt. freien Handel zu bewilligen, ‚den mußten, da das Militär fi den nfurgenten 
Fıerer? Univerfal:Gonverfationdstefiton. 6. Aufl. IH. Band. 51 


1823 wurde die erfte Cortesverfammlung von B. 
eröffnet, die Verhaftung der Ultraliberalen u. das 
Berbot geheimer Geſellſchaften fanden aber im ihr, 
beionders durch Aranjo Lima, jolhen Widerftand, 
daß der Kaifer das Minifterrum Andrada 11. Juli 
entließ und ein republifanifsches Minifterium ar- 
nahm. Indeß bfieb der Widermille der Brafilianer 
gegen die Portugiefen, welche viele hohe Stellen 
im Givil u. in der Armee innebatten u, für Be- 
günftiger des Abſolutismus galten; ja, es fam, 
nachdem der Kaifer die ihm vorgelegte neue ultra» 
i;berale Berfaffung vom 10. Aug. Bar 
batte, felbft in den Cortes zu Kämpfen und 
10, Nov. zu einem Aufftande in Rio, worauf der 
Kaifer 12. Nov, die Corte mit Gewalt auflöfte. 
Die Andrada, welche fih zur Oppoſition geichla- 
gen hatten, wurden verhaftet ut. deportirt. Ahn— 
che Unruhen hatten in den Provinzen ftattgefun« 
den, Einer zweiten, durch neue Wahlen jhon Ende 
Stop. 1823 berufenen Gortesverfammlung legte der 
Kater num 11. Dec. den Entwurf einer neuen 
Berfaffung vor, melde aud angenommen und 
9. Jan. 1824 von dem Bolle A. 25. März von 
dem Kaiſer befchmworen wurde, Neue Unruhen 
brachen in Pernambuco aus, welches unter Fuhr—⸗ 
ung des Präfidenten Garvalho Parz d’Andrada 
fih zur Republik der Union des Üguators erflä- 
ren wollte, aber, 17. Sept. 1824 vom Admiral 
Cochrane u. General Lima geftürmt, mittels des 
Martialgejeges im Zaume gehalten wurde. Unter- 
handlungen zu London u, Yiffabon, bei denen der 
englifche Geſandte in Liffabon Stuart u. der por» 
tugieſiſche Minifter Billareal befonders thätig waren, 
führten 29. Aug. 1825 zur Anerfennung der Un» 
abhängigkeit Bs von Seite Portugals, worauf 
die der anderen Großmächte bald folgte, die Diplo» 















































802 


Brafilien (Geſchichte). 


angefchloffen hatte. Auch die folgenden Jahre waren]|balten. Die Regierung, anfangs im Nadtkei 


von argen Unruhen geftört. Der neue Congreß 
von 1834 änderte, um dieſem Unheil ein Ende zu 


egen die Aufrührer, brachte denjelben dann im 
ai 1849 eine ſchwere Niederlage bei. Die erniten 


machen, eigenmächtig die Berfaffung von 1824 u. Zwiſtigkeiten, welche inzwijchen mit England wegen 


näherte fie ehr der nordamerilaniſchen Föderativ- 
verfaffung. Nach diefer Berfaffung traten geje- 
gebende Provinzialverfammlungen (bei einigen Pro⸗ 
binzen von 36, bei anderen von 28 und bei noch 
anderen von 20 Mitgliedern) ins Leben, u. jede 
Provinz erhielt eine — — welcher, 
unabhängig von der Centralregierung, die innere 
Verwaltung oblag. Oct. 1835 wurde die bisherige 
Regentihaft entlafen, u. Diego Antonio Feijo trat 
als alleiniger Regent fein Amt an. Der revolutio- 
nären Elemente vermochte er indeß nicht Herr zu 
werden. Abermals waren im Jan. 1835 in Para 
Unruhen ausgebrochen, weitere jolche folgten, und 
die Provinz Rio Grande erllärte fih April 1837 
zur unabhängigen Republit. Da Diego Ant. Feijo 
einſah, daß er mit feinen reblichen Beftrebungen 
nicht durchdringen konnte, jo legte er Sept. 1837 
die Regenſchaft nieder, u. Pedro Araujo de Lima 
wurde zum Negenten gewählt. Aber au unter 
diefem ging es wicht beffer. 


des von diefem in Anfjprucy genommenen Durd- 
—— braſilianiſcher Schiffe nach Sklaven 
ausgebrochen u. zu ſtarken Zollerhöhungen auf 
engliſche Waaren geführt hatten, wurden endlich 
1850 beigelegt; die Deputirtenlammer exflärte in 
der Situng vom 17. Juli 1850 den Sflavenhandel 
für Seeraub (j. u. SHaverei), u. während noch 
1850 23,000 Sklaven eingebradht worden wareır, 
hatte fi 1851 die Zahl auf 3287 verminkert. 
Im Innern des Landes war eine leibliche Rude 
eingetreten, weshalb die Negierung ihre ganze 
Aufmerkfamfeit den friegeriihen Berwidelungen 
an der SGrenze des Neiches zumenden Tomte, 
wo ein Krieg mit dem Dictator der Argentiniſchen 
Republik, Rofas, der das B. verbindete Paraguay 
u, Uruguay in fortwährenden Einfällen plünderte, 
in Ausfiht fand. Es wurde in Deutichland aus 
den Trümmern der jhleswig-holfteinifchen Armee 
im Frühjahre 1851 ein Corps von etwa 2000 


Bahia erllärte ſich Mann angeworben und nad B. übergeführt, u. 


Nov. 1837 zur Republil u, vertrieb die Portugieien|B. ſchloß mit der Republik Uruguay u. mit Urguiza, 
u. alle Anhänger der Regierung, u. erft März 1838 |dem Statthalter der argentin. Prov. Entre-Rios 


‚gelang es dem Marichall Eollado, die Stadt zu 
ezwingen u. das Haupt des Aufftandes, Sabino, 
gefangen zu nehmen. Aber infolge der hierbei an- 
gewandten Strenge hörten die Aufftände nad u. 
nah auf. Als Juli 1840 der Regent die Kam— 
mern auflöfte, ſchritten diefe, ftatt zu gehorchen, 
zu einem völlig revolutionären Act, indem fie den 
noch nicht 15jährigen Kaifer Pedro IL. für voll 
jährig erflärten. Der Kaifer berief die Brüder 
Andrada, die Beranftalter jener Revolution, in das 
Minifterium. 18. Juli 1841 wurde er gekrönt. 
Das alte Parteitreiben begann aber alsbald von 
Neuem. Die republitanische oder braſilianiſche 
Partei, obgleich vie zahlreihere, unterlag der 
ariftofratifchen od. portugiefiihen, welche über die 
materiellen Mittel im Lande gebot. Mit der Nie— 
derlage der republilaniſchen Partei traten auch die 
Andrada aus dem Minifterium u. kehrten im die 
Provinz S. Paulo, ihr Geburtsland, zurüd, mo 
fie im Mai 1842 einen Aufftand anzettelten, der 
aber Aug. deſſ. 78. durch den General Carias 
unterdrüdt wurde. Gleichzeitig brach aud ein 
Aufitand in der Provinz Minas Gerads aus, der 
mit Mühe unterdriüdt wurde. In Nio Grande, 
wo David Canabarro an der Spige der Inſur- 

enten ftand, wurde der Aufftand erjt nad) vier 

abren, März 1845, gedämpft; die Inſurgenten 
erhielten Amneftie u. unterwarfen fih. Die fran- 
zöſiſche Revolution Februar 1848 übte auf den 
Handel u. Verkehr in Rio de Janeiro lähmenden 
Einfluß aus u. wedte von Neuem die fhlummern- 
den Beftrebungen der repolutionären Köpfe. Nach— 
dem zu Anfang des Jahres 1848 erft ein Sflaven- 


einen geheimen Bertrag.. Erft Juli 1851 wurde 
der brafilianifche Gefandte aus Buenos-Ayres ab- 
berufen, u. der Krieg gegen Buenos-Ayres damiı 
eröffnet, daß Urguiza an der Spite von 6000 
Mann 20. Juli den Uruguay überſchritt. Durch 
geichidte Bewegungen gelang les ihm bald Mor- 
tevideo zu entjegen u. die argentin. Armee zur 
Capitulation zu zwingen. Neue Rüſtungen des 
Dictators führten zu einem Schuß- u. Trußbünd- 
niß zwiihen B, u. Paraguay, Corrientes, Entro 
Rios u. Uruguay, von deren vereinigten Arıneen 
unter Urguiza Roſas 3. Febr. 1852 bei Monte 
Eajeros geichlagen und geftürzt wurde, womit der 
Krieg entjchieden war, Der Handel B-8 nahm wäh- 
rend u. nach dem Kriege einen großen Aufſchwung, 
u. das Budget, welches der vom 3. Mai bis 4. Sept. 
tagenden Kammer vorgelegt wurde, erwies eine 
bedeutende Mehreinnahme, fo daß die Finanzlage 
des Kaiferreiches ſich günftiger geftaltete. Mit der 
Republik Peru wurde ein Schifffahrts- u. Grenz 
berihtigungs »Bertrag abgeſchloſſen. Die deutic- 
brafiliihe Yegion wurde 1853 aufgelöft, da ber 
urfprüngliche Plan, mit derfelben eine Art Mih- 
tärgrenze zur etabliren, an der ſchlechten Haltung 
der Truppen u. anderen Umſtänden jcheiterte, Die 
Kammern, welche 3. Mai 1853 zujammentraten, 
waren zwar fr die Regierung günftig geftimmt, 
aber umter der berrichenden Partei war eine Spalt 
ung eingetreten, welde den Rüdtritt des Mun- 
fteriums zur Folge hatte; das neue Miniftertum, 
mit Carneiro Leao Visconde da Parana am der 
Spite, fuchte eine Bereinigung der Parteien zu 
Stande zu bringen, indem es die höheren Staats- 


aufftand in der Provinz Rio Grande unterdrüdt)ftellen an Gonjervative wie Fiberale vergab, Ein 
worden war, machte Juni die republifanische oder) Hauptpunft im Programm des Minifteriums war 
Sta,» Lucia Partei in Pernambuco eimen neuen die Förderung der materiellen Intereſſen, welde 
Aufſtand. Diejelbe wollte die Portugiefen aus demjin der großen Ausdehnung des Gebietes ohne 
Lande vertrieben, od. wenigitens aller Stellen ent- Straßen u, mit fehr fpärlier Bevölkerung, im 
fett wiffen u. forderte die ‚zreilaffung der Sklaven | Mangel einer fiheren u. geordneten Rechtspflege 
in der Abficht, durch diefelben Verftärfung zu er- u. in der Unduldjamfeit der römiſch-katholiſchen 


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Braſilien Geſchichte). 
Geiſtlichen gegen nicht römiſch-katholiſche Einwan- 






ein Schiff der letzteren ein ſeceſſioniſtiſches im Ha- 
derer faft unüberſteigliche — fand. In fen von Bahia wegnahm, wofür aber von Seite 
der That beicäftigten die Regierung die ausmär- der Union Genugthuung erfolgte. Wichtiger wurde 
tigen Fragen am meiften; darunter ‚die Berhält-|der Kampf, der bald darauf jämmtliche üpörttichen 
niffe zu den fübamerifaniichen Nepublifen, über| Staaten SAmerifas in Mitleidenſchaft zog. Die 
welche B. eine Art Schut- u. Aufſichtsrecht aus: heftigen Parteifämpfe in Uruguay — die 
zuüben trachtete, die Grenzſtreite mit Paraguay u. Regierung Bes zur Intervention in jenem Staate, 
den europäiſchen Colonien in Guiana u. die Frei- um die daſelbſt wohnenden Braſilianer zu ſchützen. 
heit der Schifffahrt auf dem Amazonenſtrom und Die herrſchende Partei in Uruguay, die der Blancos 
den Fa Plata. Über die bewaffnete Einmiſchung (Conſervatiden), rief die Hilfe von Paraguay an 
in Uruguay, welche von den europäischen Staaten (ſ. u. Argentinifhe Eonföderation u. Paraguay), 
als Beweis der Eroberungsfuht B-8 gedeutetiu. der Dictator letteren Staates, Lopez, erklärte 
wurde, gab die Regierung in einer vom Miniter eine Fntervention B-s in Uruguay als einen 
des Außern, Limpo de Abreu, verfaßten Denlſchrift Kriegsfall für Paraguay. B. beichleunigte um fo 


vom 19. jan. 1854 beruhigende Aufichlüffe, denen 
bald darauf die Zurüdziehung des größten Theils 
der brafilianiiden Truppen aus Uruguay folgte. 
Infolge eines Berbotes, welches der Präfident 
von perl 3. Oct. 1854 erließ u. nach wel- 
chem das Einlaufen fremder Kriegsfhiffe in die 
Flüſſe der Republit Paraguay verboten wurde, 
entitand eine Differenz zwifchen B. u. Paraguay, 
die aber ohne Rejultat verlief. Rückſichtlich der 
Einwanderung gab die Regierung an, daß im J. 
1853 in 31 Colonien 20,747 Einwanderer u. im 
J. 1854 in 34 Colonien 21,840 Einwanderer fi 
niebergelafien hätten. Ende 1854 wurden Gold- 
lager von großem Reichthum im nördfichiten Theil 
Bes entdedt u. zogen viele Speculanten u. Eofo- 
nijten an. Bei der Eröffnung der jährlih im Früh— 
jahre fih verjammelnden Kammern im Mai 1855 
trat der Minifter Parana mit dem Entwurfe einer 
ſehr wichtigen Wahlgefetsveränderung vor die Kam- 
mer, melde die Wahlen auf Angehörige der betr. 
Wahlbezirte beſchränkte. Der Entwurf wurde in 
beiden Kammern mit Hilfe der liberalen Partei, 
für welche er günftig war, angenommen, Bei dem 
Frühjahr 1856 erfolgten Tode des Minifterprä- 
fidenten, Viscomte da Parana, übertrug der Kaifer 
den Borfis im Minifterium dem Kriegsminiſter 
Garias, jedoch trat zu Anfang des Jahres 1857 
ein Eoalitionsmimiftertum, mit dem Marquis von 
Olinda an der Spite, and Ruder, welches in den 
Kammern erklärte, daß die Förderung der Volks— 
mohlfahrt feine Aufgabe fein jollte, zu deren Löſung 
eine zahlreiche u. kräftige Einwanderung weſentlich 
beitragen müßte. Den Niht-Römich-Ktatholiichen 
follten die gleichen bürgerlihen Rechte u. Freiheit 










mehr fein Unternehmen gegen Uruguay, u. e8 ge- 
lang ihm 1865, die dortige Regierung durch deren 
Gegner, die Colorados (Radicalen) unter Flores, 
zu ſtürzen. Die Folge war ein dreifaches Bünd— 
niß zwifchen B., der neuen Regierung von Uru— 
guay u. der Argentinifchen Nepublit gegen Para- 
guay (1. Mai 1865), welcher Iettere Staat in« 
zwiſchen bereit die Feindſeligkeiten gegen B. er- 
öffnet hatte. Der lange Krieg (f. u. Paraguay) 
endete erit 1870 mit dem Tode des Pictators 
Lopez, nadhdem er B. 600 Mil. M getoitet 
hatte. Inzwiſchen hatte der Kaifer Pedro II., der 
ohne Sohn ift, feine beiden Töchter verheiratbet, 
u. zwar die ältere, die Thronerbin Fjabella, mit 
Louis von Orleans, Graf von Eu, Sohn des 
Herzogs von Nemours (die jüngere ift 1871 ge 
ftorben). Mai 1865 wurde in der Armee ftatt des 
bisherigen Werbeſyſteins die Confcriptioneinge- 
führt. Mehreren abermals raſch fih ablöfenden 
Minifterfrifen folgte 15. Juli 1868 unerwartet 
eine neue, welche merkwürdiger Weife, troß libe- 
raler Kammermehrheit, die conjervative Partei an 
die Spite der Negierung bradte. Die Kammer 
beichloß ein Miftranenspotum gegen letztere und 
wurde aufgelöft. Man jprach bereits von Seceffion 
einzelner Provinzen u. von Erklärung der Kepublit. 
Die neuen Wahlen fielen aber 1869 günftig fir 
die Regierung aus, u. diefe war jomit befeftigt. 
Defto — ſchaarte ſich aber die liberale 
Oppoſition zuſammen u. verlangte nun u. a. auch 
Religionsfreiheit u. Begünftigung der Einwander⸗ 
ung. Ihr gegenüber wuchs nun aber auch der 
Fanatismus der katholiſchen Geiſtlichkeit gegen den 
durch die Einwanderung Platz greifenden Pro- 


ihrer Religionsübung gewährt werden, was jedoch teſtantismus. Während im Übrigen trotz des Krie— 
vor der Hand thatjächlih noch wenig Ausführung ges mit Paraguay der Wohlftand B-8 zunahm, 
fand. In den nächſten Jahren fanden infolge der|entwidelte ſich ein religiöfer Conflict, welcher 
Barteiverhältniffe mehrere Erneuerungen des Mi⸗ noch heute fortdauert. Der Biihof von Pernam— 


niſteriums ftatt, jeweilen im Sinne der Mehrheit 
der gejeggebenden Verſammlung. Eine größere 
Bedeutung erlangte ımter den fich folgenden Re— 
gterungen erft 1862 jene unter dem Vorſitze des 
Marquis von Dlinda, melde fi indefien bald 
genöthigt ſah, trog ihrer confervativen Parteifarbe 
den Liberalen Zugeftändniffe zu mahen. Da fie 
jedoch hierbei feine von beiden Parteien befriedigte 
und zugleih in einem Streithandel mit England 
wegen eines geftrandeten engliihen Schiffes, ſowie 
wegen der Verhaftung ftreitfüchtiger englischer 
Offiziere allzu große Nachgiebigfeit zeigte, mußte 
auch fie abtreten, Auf diefen Streit folgte 1864 
ein jolcher mit der Nordamerifaniichen Union, als 


buco, Dom Pital d'Olinda, ein in Frankreich er- 
zogener Kapuziner, belegte 1873 jene Firchlichen 
Brüderſchaften, welche unter ihren Mitgliedern 
Freimaurer zählten, mit dem Interdict, und die 
Biihöfe von Para u. Säo Paulo folgten feinem 
Beiſpiel. Die Freimaurer klagten bei der Re— 
gierung, namentlich da es fi) herausſtellte, daß 
der Erzbifchof von Bahia u. a. Bifchöfe ebenfalls 
'thatfählich die Freimaurer von der kirchlichen Ges 
meinſchaft ausichloffen. Die Regierung, unter dem 
Borfige des Visconde do Rio Branco, erflärte das 
Interdict für ungitig w. verlangte deſſen Zurüd« 
nahme. Der Biihof von Pernambuco widerfegte 





ſich, indem er fih auf die päpftlichen Decrete be- 


* 


Di 


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rief. Er murde daher nad} Rio de Janeiro gebradt, 
ihm der Proceß gemadt, u. März 1874 erfolgte 
feine Berurtheilung zu 4 Jahren Gefängniß, mwel- 
ces indefien eine jehr milde Geftalt erbielt In 
Pernambuco wurden aud die Jeſuiten ausgemwie- 
fen, denen man die Schuld an dem Auftreten des 
Biihois beimaf. An mehreren Orten erregten 
die Priefter Unruhen, die aber bald beigelegt wur» 
den, Neuejtens erflärte ein Laijerliches Decret die 
proteftantiihen Eben, melde die frühere brafi- 
lianifhe Praris nur ald Goncubinate betrachtet 
hatte, für unauflöslich. 


Brafilien (Geſchichte) 


polit. do imperio do B., Rio 1826 bis 1830, 
20 Bde; Münd, Geſchichte von B., Dresd. 1829, 
3 Bde.; Eonftancio, Historia do B., Par. 1839, 
2 Bbe.; Mansfield, Paraguay, Brazil and th> 
Plate (Letters written in 1852—1853), Cambr. 
1856; Wiedemann, Die deutiche Eolonte Petropolis 
in der Provinz Rio de Janeiro, Freifing 1856; 
Reybaud, Le Bresil, Par. 1856, deutſch, mit Zu- 
jägen, Hamburg; Handelmaun, Gedichte von B., 
Berl. 1860; v. Barnhagen, Historia general do 
Brazil, Rio 1855; Erpilly, La traite, l'’ömigration 
et la eolonisation au Bresil, Par. 1864; W. 


Literatur: Grant, History of Brazil, Lond. Schulz, Studien über Süd-B. im Hinblid auf die 
1808, deutſch, Weim. 1814; Southey, History of|Eolonifation, 2pz. 1865; Hellmald, Das Katier- 
Brazil, Lond. 1810—19, 3 Bde.; De Souza, thum 8. u. feine jüngfte Entwidelung, in Uniere 


Memorias hist. de Rio de Janeiro, Rio 1820—22,| Zeit, 1875, 5. Heft. 


9 Bde; Da Silva, Hist. dos principaes successos 


(Geſch.) Henne-Am Rbyn.* 


Verzeichniß der Illufrationen 
zum dritten Band. 





Karten: Edit. 
BEE anna Be re Se ae a Fe a 19 
Plan von Berlin . . » 2. e 229 
Böhmen. . ». . .» . . R ie 614 
Provinz Brandenburg . . 775 
Braſilien . 798 
Beſchäftigungsweiſe. 

Im Tert: 
Beugung des Lichtes. Fig. 1, 2, 8,4. 56 818 
Bifilarmagnetometer » » 200m. . — .. 408 





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Digitized by Google 


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